Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge [1 ed.] 9783428503834, 9783428103836

Die polizeiliche Tätigkeit gilt in klassisch-rechtsstaatlicher Perspektive als Prototyp rechtlich gebundenen und begrenz

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Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge [1 ed.]
 9783428503834, 9783428103836

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M A R I O N ALBERS

Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 842

Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge

Von Marion Albers

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Albers, Marion: Die Determination polizeilicher Tätigkeit in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge / Marion Albers. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 842) Zugl.: Bielefeld, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10383-1

Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10383-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Sommersemester 1999 von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld als Dissertation angenommen worden. Für die Betreuung und die schnelle Anfertigung des Erstgutachtens danke ich Professor Dr. Dieter Grimm. Auch bei Professor Dr. Christoph Gusy bedanke ich mich für die schnelle und zuverlässige Erstellung des Zweitgutachtens. Mit Anregungen, Kritik und Unterstützung haben mir außerdem insbesondere Dr. Ulrike Bumke und Dr. Bernd Schütze weitergeholfen. Gabriele Kaiser und Wolfgang Rohrhuber verdanke ich zahlreiche kompetente Hilfen beim Umgang mit dem Computer. Für die Veröffentlichung habe ich die Arbeit auf den Stand vom 1. Juli 2000 gebracht. Karlsruhe, im August 2000

Marion Albers

Inhaltsverzeichnis Einleitung Α. Gegenstand und Ziel der Untersuchung

15

B. Gang der Untersuchung

17

1. Kapitel

Charakteristika des überkommenen Polizeirechts A. Die grundlegenden Muster der rechtlichen Determination polizeilicher Tätigkeit

19

I. Die Differenz von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung

19

II. Die Regelung und die Trennung von Aufgaben und Befugnissen

21

B. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

26

I. Polizeirecht als Gefahrenabwehrrecht

26

II. Bindungen und Flexibilität der Aufgabenzuweisungen

29

1. Öffentliche Sicherheit als Schutzgut

30

2. Gefahren für die öffentliche Sicherheit als Anknüpfungspunkt

32

a) Komponenten und Strukturen des Gefahrenbegriffs

33

b) Die Interpretationen des Gefahrenbegriffs in den polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen

39

3. Die Abwehr der Gefahren als Ziel- und Tätigkeitsbeschreibung

46

III. Grundformen und Modifikationen der Befugnisse

46

1. Der Bereich gesetzlich zu regelnder Befugnisse

47

2. Die Struktur der Generalermächtigungen

48

a) Gefahrensituationen und Ungewißheitskonstellationen

49

8

Inhaltsverzeichnis

b) Die Entscheidung über das Einschreiten und die Wahl der erforderlichen Maßnahmen

56

c) Die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Personen

58

3. Die Strukturen der Standardbefugnisse IV. Fazit: Konzeption und Bruchlinien der Gefahrenabwehr C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

62 67 69

I. Die rechtliche Rolle der Polizei im Rahmen der Strafverfolgung

69

II. Bindungen und Flexibilität der Aufgabenzuweisungen

71

1. Der Bezug auf Straftaten

72

2. Der Verdacht einer Straftat als Anknüpfungspunkt

73

a) Komponenten und Strukturen des Verdachtsbegriffs

73

b) Der Verdacht einer Straftat in den strafprozessualen Aufgabenzuweisungen

75

3. Die Ermittlung des Sachverhalts zur Entscheidung über die Anklageerhebung III. Die Konstruktion der strafprozessualen Befugnisse

80 81

1. Der Bereich gesetzlich zu regelnder Befugnisse

81

2. Die Strukturen der Befugnisse

83

a) Sachverhaltserforschung und Tatbezogenheit

84

b) Die Auswahl und die Grenzen der Ermittlungsmaßnahmen

85

c) Die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Personen

88

IV. Fazit: Die Justizförmigkeit der Strafverfolgung D. Unterschiede und Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung

91

92

2. Kapitel

Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse A. Die Hintergründe der Veränderungen des Polizeirechts I. Risikogesellschaft und Sicherheitssemantik II. Veränderung der Kriminalitätsformen

97 97 100

Inhaltsverzeichnis

III. Technisierung und Vergesetzlichung im Bereich der Informations- und Datenverarbeitung

104

IV. Konzeptionen der Polizei: operatives Vorgehen, Vorfeldtätigkeiten, proaktives Handeln

108

B. Die polizeigesetzlichen Regelungen zur Straftatenverhütung und zur Verfolgungsvorsorge I. Die Erweiterungen der Aufgabenzuweisungen 1. Die Aufnahme der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge

116 118 118

2. Die Komponenten der Verhütung und der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten oder künftiger Straftaten

121

a) Die Verhütung von Straftaten

123

b) Die Vorsorge fur die Verfolgung von (künftigen) Straftaten

128

II. Die Erweiterungen der polizeilichen Befugnisse 1. Befugnisse zur Datenerhebung und zum Einsatz bestimmter Ermittlungsmethoden a) Die Regelungen der Datenerhebung

131 132 133

aa) Die Generalermächtigungen zur Datenerhebung

133

bb) Neuartige Elemente und Strukturen

137

b) Die Regelungen der Ermittlungsmethoden

139

aa) Befragung und Auskunftspflichten

139

bb) Erweiterungen der Ermächtigung zur Identitätsfeststellung um die „Schleierfahndung"

141

cc) Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume

142

dd) Besondere Mittel der Datenerhebung: längerfristige Observation, verdeckter Einsatz technischer Mittel, Einsatz verdeckter Ermittler und Einsatz von Vertrauenspersonen 143 ee) Polizeiliche Beobachtung

152

fif) Neuartige Elemente und Strukturen

155

2. Befugnisse zur Informations- und Datenverarbeitung

158

a) Die Regelungen der Informations- und Datenverarbeitung

158

b) Neuartige Elemente und Strukturen

166

Inhaltsverzeichnis

10

3. Befugnisse zur Datenübermittlung und zum Datenempfang

167

a) Die Ermächtigungen zur Datenübermittlung

168

b) Ermächtigungen zur Datenübermittlung an die Polizei

173

c) Das automatisierte AbrufVerfahren

174

d) Datenabgleich

175

e) Rasterfahndung

176

f) Neuartige Elemente und Strukturen

178

III. Fazit: Die grundlegenden Veränderungen der Polizeigesetze C. Die Novellierungen der Strafprozeßordnung

179 183

I. Die Erweiterungen der Befugnisse

184

1. Neue Ermittlungsmethoden

184

a) Verdeckter Einsatz technischer Mittel

185

b) Einsatz verdeckter Ermittler

187

c) Polizeiliche Beobachtung

190

d) Datenabgleich

191

e) Rasterfahndung

192

f) Neuartige Elemente und Strukturen

194

2. Weitere Befugnisse zum Umgang mit Informationen und Daten II. Fazit: Änderungen und Anpassung der Strafprozeßordnung D. Unterschiede, Annäherungen und Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung, Verfolgungsvorsorge und Strafverfolgung

197 201

203

3. Kapitel

Die Determinationsmuster in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge A. Die Veränderung der Grundlinien des Polizeirechts

209

I. Die Diskussion um die neuen Aufgaben und Befugnisse

209

II. Das Erfordernis rechtsdogmatischer Weiterentwicklungen

215

III. Schwerpunkte der weiteren Untersuchung

217

Inhaltsverzeichnis

Β. Die Determinations Wirkungen der zentralen verfassungsrechtlichen Aussagen I. Die Vorgaben grundgesetzlicher Kompetenzbestimmungen

219 219

1. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern

219

2. Das Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten

221

II. Die neuartigen Bindungen der Grundrechtsgewährleistungen 1. Die Schutzinhalte der Grundrechte, insbesondere: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

230 231

a) Die grundlegenden Aussagen des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG b) Der Schutz durch weitere grundrechtliche Bindungen 2. Grundrechtsanforderungen und gesetzliche Regelungen a) Vorgaben für die Begrenzung und Strukturierung des polizeilichen Umgangs mit Informationen und Daten

233 238 239 240

b) Anwendungsbedingungen und Einsatzfähigkeit des Obermaßverbots

241

c) Die Anforderungen an die gesetzliche Gestaltung von Kenntnismöglichkeiten der Betroffenen

246

C. Die rechtsdogmatische Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und Regelungselemente

250

I. Das Netzwerk von Aufgaben und Befugnissen

251

II. Die Eigenständigkeit der Aufgaben der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge

252

1. Das Verhältnis zwischen Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge

252

2. Grundzüge der Konkretisierung der neuen Aufgabenzuweisungen

254

a) Die Verhütung von Straftaten

256

b) Die Vorsorge für die Verfolgung von (künftigen) Straftaten

261

3. Die Gesetzgebungskompetenz für die Verfolgungsvorsorge

265

III. Die Konkretisierung der Befugnisse zur Straftatenverhütung und zur Verfolgungsvorsorge

275

1. Generalermächtigungen und neue Befugnisse

275

12

Inhaltsverzeichnis

2. Die Determination durch die Regelungsmuster der Befugnisse zur Datenerhebung und zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden a) Der Gehalt der Regelungselemente und -strukturen der Erhebungsbefugnisse

276 276

aa) Die Bestimmung der (Verwendungs)Zwecke

277

bb) Die Tatbestandsvoraussetzung der Erforderlichkeit

280

cc) Die Beschreibungen und Differenzierungen von Personen

282

dd) Offene und verdeckte Datenerhebungen

295

b) Die gesteigerten Anforderungen weiterer Regelungselemente bei den Befugnissen zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden

295

aa) Eingrenzungen des Straftatenkreises

297

bb) Die Anforderungen an die Prognose einer künftigen Begehung bestimmter Straftaten cc) Die Bindung der Maßnahmen an Subsidiaritätsklauseln

300 305

dd) Die Sicherungen durch Entscheidungs- oder Beteiligungsvorbehalte und durch Berichtspflichten

308

3. Die Determination durch die Regelungsmuster der Befugnisse zur Informations- und Datenverarbeitung

312

a) Rückbindungen und Fortfuhrungen der polizeilichen Tätigkeit

313

b) Die Möglichkeiten zu Zweckänderungen

316

aa) Grundlinien der Zulässigkeit von Zweckänderungen

317

bb) Zweckänderungen bei Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden.... 323 c) Rechtswidrigkeitsfolgen in den polizeilichen Informations- und Datenverarbeitungsprozessen

329

4. Die Determination durch die Übermittlungs- und Empfangsbefugnisse.... 333 IV. Die Gestaltung der Kenntnismöglichkeiten betroffener Personen

334

1. Bedeutung und Gewährleistung von Kenntnismöglichkeiten

334

2. Insbesondere: Unterrichtungspflichten und ihre Grenzen

336

V. Die Institutionalisierung von Kontrollen

344

VI. Fazit: Ausdifferenzierung und neue Dogmatisierung des Polizeirechts

347

Zusammenfassung und Ergebnisse

352

Inhaltsverzeichnis Literaturverzeichnis Sachregister

Einleitung Α. Gegenstand und Ziel der Untersuchung Die polizeiliche Tätigkeit gilt in klassisch-rechtsstaatlicher Perspektive als Prototyp rechtlich gebundenen und begrenzten Handelns. Struktur und Handlungsmöglichkeiten der Polizei als Institution werden als paradigmatischer Ausdruck des Verhältnisses der Bürger zum Staat beschrieben. 1 Die Aufgabe der Gefahrenabwehr, auf die sich das Polizei- und Ordnungsrecht gegründet hat, ist zentrales Element und Modell für die Ausbildung eines rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts gewesen, das durch den Vorbehalt und den Vorrang des Gesetzes geprägt wurde und unter anderem rechtsförmliche Handlungsmuster, Rechtsbindungen der zu treffenden Entscheidungen, insbesondere auch des Ermessens, sowie Vorgaben für die Inanspruchnahme von Personen einschloß.2 Das Polizeirecht erschien als solider Kern des deutschen Verwaltungsrechts 3, und ihm, so meinte man feststellen zu können, „fehlt... der Reiz des Neuen" 4 . Die Strukturen des überkommenen Rechts der Polizei haben sich in den vergangenen Jahren verändert. In den Länderpolizeigesetzen ist die traditionelle Aufgabe der Gefahrenabwehr um die Aufgaben der Verhütung von Straftaten, der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten und der Vorbereitung für die Gefahrenabwehr ergänzt worden. Zugleich sind zahlreiche Befügnisregelungen aufgenommen worden, die sich nur noch begrenzt der Abwehr von Gefahren zuordnen lassen. Diese Entwicklungen sollen in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Zu den die Untersuchung leitenden Überlegungen zählt die These, daß sich das Polizeirecht aus dem allgemeinen Ordnungs- oder Gefahrenabwehrrecht ausdifferenziert. Zu den Hintergründen gehören vor allem veränderte Formen des Umgangs mit Risiken und eine veränderte Sicherheitssemantik auf Gesellschaftsebene, aber auch gewandelte Kriminalitätsformen sowie vorfeldorien-

1

Wagner, AK-PolG NRW, Einl. A Rn 1, mit Hinweis auf Wacke, Polizei, Sp. 1897: „Wo uns ... die Polizei gegenübertritt, da wissen wir, wie weit die Staatsgewalt gehen darf.". 2 Forsthoff, Anrecht, S. 51; Menger, Bestimmung, S. 300; Ossenbühl, Ermessensund Beurteilungsspielraum, S. 463; Di Fabio , Risikoentscheidungen, S. 11 ff. 3 Wolff Gestaltung, S. 134. 4 Frotscher, Schutz, S. 695.

16

Einleitung

tierte, proaktive und operative Konzeptionen der Polizei. Mit den neuen gesetzlichen Regelungen entwickelt sich das Polizeirecht zu einem eigenständigen Rechtsgebiet, so wie sich andere Bereiche, etwa das Umweltschutzrecht und das technische Sicherheitsrecht, mit eigenen Strukturmerkmalen verselbständigt haben. Es behält einerseits Elemente der Gefahrenabwehr bei und erhält andererseits neuartige Elemente, die durch die Ausrichtung auf eine der Differenz von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung vorgelagerten Ebene geprägt sind. Diese Ebene - markiert mit der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge - ist durch den Bezug auf Straftaten gekennzeichnet und in spezifischer Weise gestaltet: keineswegs allein durch bestimmte Vorsorgemuster, sondern auch etwa durch Handlungsformen oder Regelungselemente, die man aus dem Nachrichtendienstrecht kennt, oder durch Elemente, die auf die Nahtstellen zur Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung reagieren. Es handelt sich nicht schlicht um eine Verstärkung des Präventionselements im Polizeirecht. Vielmehr werden die Aufgaben und Befugnisse unter mehreren Gesichtspunkten auf das Vorfeld der vormals aufgrund bestimmter Einschreitschwellen begrenzten Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungstätigkeit der Polizei erstreckt und in einer darauf zugeschnittenen Form geregelt. Daran knüpft die Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung wieder an. Zwischen der Verhütung von Straftaten im Vorfeld, ihrer Verhinderung im Sinne traditioneller Gefahrenabwehr, der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten und der Verfolgung begangener Straftaten lassen sich vor einem solchen Hintergrund Zusammenhänge herstellen und neue Interdependenzen herausarbeiten. Quer dazu liegt die rechtliche Erfassung staatlicher Informations- und Datenverarbeitung, aufgrund derer staatliche Tätigkeit anders konzipiert wird als zuvor und das Polizeirecht - auch - informationsrechtlich zu denken ist. Auch wenn dies einen Bedarf an gesetzlichen Vorschriften für polizeiliches Vorgehens hervorgerufen hat, das vorher nicht regelungsbedürftig erschien, ist die Regelung der Befugnisse zu Informations- und Datenverarbeitungen den sachlichen Veränderungen des Polizeirechts in der theoretischen Analyse nachgeschaltet. Im Zentrum stehen die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben um die Straftatenverhütung und um die Verfolgungsvorsorge sowie die diesen Aufgaben zugeordneten, die Tätigkeit vorverlagernden Regelungsinhalte der polizeilichen Befugnisse. Wegen der Interdependenzen zwischen sämtlichen Aufgaben und Befugnissen handelt es sich um eine Gesamtmodifikation der polizeilichen Tätigkeit. Da sich polizeiliche Tätigkeiten und Polizeirecht so grundlegend ändern, muß dessen Dogmatik in weiten Teilen neu entwickelt werden. Eine Ausgangsbasis dafür bleibt die traditionell elementare Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung mit ihren rechtlichen, insbesondere freiheitsschützenden Funktionen. Eine Analyse der Hintergründe der Veränderungen und der in die Polizeigesetze aufgenommenen Bindungen polizeilicher Tätigkeit, insbe-

Β. Gang der Untersuchung

17

sondere der neuartigen Formen der Determination, sichert die Grundlagen und liefert Ansätze zur Dogmatisierung des neuen Polizeirechts. Ziel der Untersuchung ist es, die neuen Strukturen und Elemente des Polizeirechts in ihrer Eigenständigkeit, aber zugleich in den zu berücksichtigenden Bezügen zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung zu erarbeiten.

B. Gang der Untersuchung Im ersten Kapitel sollen die Charakteristika des überkommenen Polizeirechts herausgearbeitet werden. Ausgangspunkte sind die inhaltliche Differenz von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sowie die Trennung von Aufgaben und Befugnissen, die als zentrale dogmatische Unterscheidung seit dem MEPolG die Polizeigesetze prägt (Punkt A.I.). Polizeirecht ist Gefahrenabwehrrecht, indem der Polizei die Aufgabe der Abwehr von Gefahren fur die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zugewiesen ist (Punkt A.II.l.). Die Analyse der polizeilichen Befugnisse kann nach Ausfuhrungen dazu, welche Tätigkeit der gesetzlichen Regelung bedarf, in eine Analyse der Generalklausel und der Standardbeflignisse unterteilt werden (Punkt Α.Π.2.). Dabei gilt das Interesse auch den Bruchlinien des überkommenen Gefahrenabwehrrechts, die hinsichtlich der Einfuhrung von Elementen der Vorsorge und der Erkennbarkeit von Gefahrenlagen, aber auch bei den Standardbefugnissen auszumachen sind. Daneben ist die Polizei nach Maßgabe der Strafprozeßordnung für die Verfolgung von Straftaten zuständig (Punkt B.I.). Bei den Befugnissen zur Verfolgung begangener Straftaten unterscheiden sich die Systematik der Strafprozeßordnung und die Struktur der Regelungen von den Polizeigesetzen (Punkt B.II.). Danach können Unterschiede und Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung festgehalten werden (Punkt C.). All dies bietet eine Basis für das Verständnis der Novellierungen der Polizeigesetze. Das zweite Kapitel wird sich mit den Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse befassen. Zu den Hintergründen gehören auf gesellschaftlicher Ebene die Semantik der Risikogesellschaft, auf Kriminalitätsebene die Veränderungen der Kriminalitätsformen, auf Informationsebene die Technisierung und Vergesetzlichung im Bereich der Informations- und Datenverarbeitung und auf der Ebene der Polizei die auf diese Entwicklung reagierenden oder darauf ausgerichteten Konzeptionen (Punkt Α.). Der nächste Abschnitt geht der in den Polizeigesetzen neu geregelten Aufgaben der Verhütung und der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten nach (Punkt B.I.). Die Erweiterungen polizeilicher Befugnisse gliedern sich in Ermächtigungen zur Datenerhebung und zum Einsatz bestimmter Ermittlungsmethoden, Befugnisse zur Informations· und Datenverarbeitung sowie Empfangs- und Übermittlungsbefugnisse. Bei deren Analyse sollen vor allem die neuen Elemente und Strukturmerkmale herausgearbeitet werden (Punkt B.II.). Daran anschließend werden die 2 Albers

18

Einleitung

Novellierungen der Strafprozeßordnung nachgezeichnet, soweit sie hier von Bedeutung sind (Punkt B.III.). Abschließend geht es - ähnlich wie zuvor im Rahmen der Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung - um Unterschiede, Annäherungen und Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung, Verfolgungsvorsorge und Straftatenverfolgung (Punkt D.). Im dritten Kapitel soll die Determination der polizeilichen Tätigkeit in den Bereichen der Verhütung und der Vorsorge fur die Verfolgung von Straftaten näher analysiert werden. Dafür werden zunächst Diskussions- und Kritikpunkte zusammengestellt (Punkt A.I.). Das Erfordernis rechtsdogmatischer Weiterentwicklungen ist an dieser Stelle bereits deutlich (Punkt A.II.). Dazu kann man ein breites Spektrum neuartiger Fragen auflisten. Auf der Grundlage dieser Analyse sollen bestimmte Gesichtspunkte ausgewählt werden und die Schwerpunkte der weiteren Untersuchung bilden (Punkt A.III.). Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Anforderungen sollen die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, das Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten sowie grundrechtliche Vorgaben, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, behandelt werden. Im Rahmen der eingriffsabwehrrechtlichen Grundrechtsbindungen werden die Anwendungsbedingungen und die Einsatzfähigkeit des Übermaßverbots, im Rahmen der leistungsrechtlichen Bindungen die Anforderungen an die gesetzliche Gestaltung von Kenntnismöglichkeiten erörtert (Punkt B.). Der Schwerpunkt liegt sodann bei den verwaltungsrechtlichen Regelungsstrukturen und -elementen. Die Trennung von Aufgaben und Befugnissen bleibt bestehen, erhält aber komplexere Formen (Punkt C.I.). Im Rahmen der Aufgabenzuweisungen wird dem Verhältnis zwischen Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge, das für das Verständnis der neuen Aufgabenzuweisungen wichtig ist, den Grundzügen derer Konkretisierung und dem Problem der Gesetzgebungskompetenz für die Verfolgungsvorsorge nachgegangen (Punkt C.II.). Bei den Befugnissen zur Verhütung oder zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten werden insbesondere die Grundmuster der Erhebungsermächtigungen, einige weitere Elemente der Ermächtigungen zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden, die Grundlinien der Zweckänderungsmöglichkeiten, dies auch beim Einsatz besonders beeinträchtigender Ermittlungsmethoden, und das Problem der Rechtswidrigkeitsfolgen in den Informations- und Datenverarbeitungsprozessen untersucht (Punkt C.III.). Abschließend werden die in den Polizeigesetzen verankerten Kenntnisgewährleistungen, insbesondere Unterrichtungspflichten und ihre Grenzen, und die Institutionalisierung von Kontrollen behandelt (Punkt C.IV. und V.).

7. Kapitel

Charakteristika des überkommenen Polizeirechts A. Die grundlegenden Muster der rechtlichen Determination polizeilicher Tätigkeit Die überkommenen rechtlichen Bindungen des Handelns der Polizei werden in inhaltlicher Hinsicht von der Differenz ihrer beiden zentralen Aufgaben, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, geprägt. Zu den grundlegenden rechtsdogmatischen Mustern der gesetzlichen Determination zählt - das gilt jedenfalls für die traditionell öffentlichrechtlichen Polizeigesetze - die Regelung und Trennung von Aufgaben und Befugnissen. Beide Unterscheidungen sind Leitlinien der nachfolgenden Untersuchung der Charakteristika des überkommenen Polizeirechts. Deswegen werden sie hier vorab eingeführt.

I. Die Differenz von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Die Aufgabennormen der Polizeigesetze1 weisen der Polizei zunächst die Aufgabe zu, Gefahren für die öffentliche Sicherheit (oder Ordnung) abzuwehren. Die Aufgabenzuweisung wird je nach Regelungssystem durch eine Aufgaben- oder Zuständigkeitsabgrenzung zu anderen Behörden ergänzt 2: Die Polizei wird tätig, soweit die Abwehr der Gefahr durch eine andere Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint. Sie leistet daneben unter bestimmten Voraussetzungen Vollzugshilfe. Ferner hat sie die Aufgaben zu erfüllen, die ihr durch andere Rechtsvorschriften übertragen sind. Solche Vorschriften gibt es etwa im Melde-, Versammlungs-, Presse- oder Straßenverkehrsrecht. 3 Bedeutung kommt der Verweisung aber insbesondere im Hinblick auf die Aufgaben 1

Vgl. §§ 1 und 1 a MEPolG. Außerdem §§ 1 und 2 PolG BW, Art. 2 und 3 BayPAG, §§ 1 und 4 ASOGBln, 1 und 2 BbgPolG, 1 BremPolG, 1 und 2 HSOG, 1, 2 und 7 SOG MV, 1 NGefAG, 1 PolG NW, 1 RhPfPOG, 1 und 85 SPolG, 1 und 2 SOG LSA, 1 und 2 SächsPolG, 162, 163 und 168 LVwGSH, 2 und 3 ThürPAG. § 3 HbgSOG hat, angelehnt an die traditionelle Generalklausel, einen doppelten Regelungsgehalt, vgl. Hoffmann-Riem , Polizei- und Ordnungsrecht, S. 150, 157. 2 Vgl. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 55. 3 Siehe die Zusammenstellung bei Samper/Honnacker , Polizeiaufgabengesetz, Art. 2 Rn 9.

20

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

der Verfolgung von Straftaten und der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zu.4 Im Rahmen des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens ist die Polizei nach §161 StPO unter der Leitung der Staatsanwaltschaft in die Sachverhaltsaufklärung eingebunden, die im Falle eines Straftatverdachts ausgelöst wird. § 163 StPO weist den Polizeibehörden zudem die Aufgabe zu, Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Ebenso wie die Gefahrenabwehr hat die Wahrnehmung von Strafverfolgungsaufgaben durch die Polizei eine lange Tradition. Gefahrenabwehr und Strafverfolgung werden rechtlich als zwei strukturell zu trennende Bereiche angesehen.5 Ihre Unterscheidung ist „im Ausgangspunkt ... ebenso notwendig wie elementar". 6 Mit abstrakt-akzentuierenden Begriffen, wie etwa Prävention und Repression, läßt sie sich aber allenfalls begrenzt erfassen. Vielmehr erschließt sie sich erst im Rahmen einer komplexen Beschreibung auf mehreren Ebenen und in mehreren Dimensionen.7 Die jeweiligen Regelungen beruhen bereits auf unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen, nämlich Art. 70 Abs. 1 GG einerseits und Art. 74 Abs. 1 GG andererseits. Rechtsschutz und Rechtsweg richten sich zum einen nach §§ 40 Abs. 1, 42 f f , 113 VwGO und zum anderen nach §§23 ff. EGGVG. Insbesondere aber ist das Verhältnis zwischen individuellen Freiheitsrechten und staatlichen Befugnissen in den beiden Aufgabenbereichen jeweils in einer Weise gestaltet, die hinsichtlich bestimmter Punkte zwar vergleichbar, aber doch auch grundlegend verschieden ist.8 Die Elemente, die die Gefahrenabwehr und die die Strafverfolgung kennzeichnen und aufgrund derer sich Unterscheidungen formulieren lassen, werden in den folgenden Punkten dieses Kapitels noch näher beschrieben. Das liefert eine Basis, auf der die Strukturänderungen untersucht werden können, zu denen die Straftatenverhütung und die Vorsorge fur die Verfolgung von Straftaten fuhren. Die (im engeren Sinne) rechtsdogmatisch wesentliche Unterscheidung, die die Analyse der Determination polizeilicher Tätigkeit strukturieren kann, ist die Trennung von Aufgaben und Befugnissen. 4 Gelegentlich wird - freilich ohne Diskussion der Kompetenzproblematik - kritisiert, daß die Landespolizeigesetze diese Aufgabe nicht ausdrücklich ausweisen, siehe etwa Staats, Aufgabenzuweisung, S. 161 f. 5 Siehe nur Denninger, Polizeiaufgaben, Rn 139 f.; Hassemer, Stellungnahme, S. 66 f.; Hornmann, HSOG, § 1 Rn 31 ff.; Schock, Rechtsschutz, S. 1096 f. 6 So Schoch, Rechtsschutz, S. 1096. 7 Vgl. auch Wagner, AK-PolG NRW, vor § 8 Rn 37; Marenbach, Beziehungen, S. 143, mit dem Hinweis, daß die materiell unterschiedlichen Aufgabenbereiche nur von genügend hoher Abstraktionsstufe aus gesehen gleiche Ziele verfolgen. 8 Ausführlicher und zugleich zusammenfassend Denninger, Polizeiaufgaben, Rn 139 f.; Ringwald, Inpol, S. 119 ff.; Schoch, Rechtsschutz, S. 1096 ff.

Α. Die grundlegenden Muster der rechtlichen Determination

21

II. Die Regelung und die Trennung von Aufgaben und Befugnissen Die Regelung und die Trennung von Aufgaben und Befugnissen gehören zu den zentralen Strukturmerkmalen des rechtsstaatlichen Polizeirechts. 9 Freilich hat erst der „Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder" 10 (MEPolG) aus dem Jahre 1977 sie übergreifend als Struktur vorgesehen.11 Den überkommenen Bestimmungen des § 10 II 17 A L R 1 2 und des § 14 PrPVG 13 wurden sowohl die Aufgabenumschreibung als auch eine generalklauselartig zusammenfassende Zuweisung der Befugnisse an die Polizei entnommen. 14 Eine Unterscheidung zwischen Aufgaben und Befugnissen wurde zwar durchaus gemacht.15 Sie war in den Formulierungen, die die Polizei auf die „nöthigen Anstalten" und auf die „notwendigen Maßnahmen" beschränkten, immerhin auch angelegt. Eine rechtliche Relevanz mit der Folge, daß Befugnisse als Auswahlentscheidung einer gesonderten Regelung bedurft hätten, wurde jedoch nicht thematisiert. Die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zielte freilich bereits auf der Grundlage des § 10 II 17 ALR neben einer Begrenzung polizeilicher Aufgaben und polizeilichen Handelns auf die

9

Denninger, Polizeiaufgaben, Rn 52; Wagner, AK-PolG NRW, vor § 1 Rn 12 ff.; Mayer, Eigenständigkeit, S. 214 ff.; Knemeyer, Polizeirecht, S. 790 f.; Schenke, Polizeiund Ordnungsrecht, Rn 20; Schoch, Grundfälle, S. 391; Hornmann, HSOG, § 1 Rn 2. 10 Gemäß dem Beschluß der Innenministerkonferenz vom 25. November 1977. 11 Vgl. Punkt 3.11 der Allgemeinen Begründung, in: Heise/Riegel, Musterentwurf, S. 17. Ebenso der AEPolG, vgl. Anm.l zu § 2, in: Arbeitskreis Polizeirecht, AEPolG, S. 41. 12 § 10 Teil II 17 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten (ALR) von 1794 lautete (vgl. die Textausgabe von Hattenhauer/Bernert): „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit, und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey." 13 § 14 Abs. 1 des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931, PrGS 1931, S. 77, bestimmte: „Die Polizeibehörden haben im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtmäßigem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird." 14 Aus der Rechtsprechung zu § 10 II 17 ALR PrOVGE 9, 353 (370, 373); 61, 332 (334 ff.); 88, 219 (223 f.); vgl. außerdem 15, 423 (425); 58, 288 (301). Siehe dazu auch § 89 EinlALR, der gelegentlich als positivrechtlicher Ausdruck des Schlusses von der Aufgabe auf die Befugnis gelesen wird: „Wem die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht ausgeübt werden kann." Vgl. außerdem Drews , Polizeirecht, 1. Aufl., S. 6. Zu § 14 PVG vgl. etwa PrOVGE 101, 129 (130 ff.); 106, 65 (69 ff.). Im Schrifttum Drews , Polizeirecht, 4. Aufl., S. 8 f.; Heuer, Generalklausel, S. 4 f. mit Fn 3. Das Verhältnis von § 14 und § 41 PrPVG blieb diffus, so Erichsen, Handlungsvollmachten, S. 182 Fn 76. 15 Vgl. Drews , Polizeirecht, 1. Aufl., S. 6.

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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Gefahrenabwehr (in Abgrenzung zur Wohlfahrtspflege) vor allem auf eine Kontrolle polizeilichen Vorgehens anhand von Eignungs- und Erforderlichkeitsmaßstäben.16 Diese Beurteilungsperspektive machte die Alternativität der Mittel immer wieder präsent. Nachdem sie sich zunehmend durchgesetzt hatte, verlor auch die „Folgerungsweise des Polizeistaates" 17 , daß einem staatlichen Organ mit der Zuweisung einer Aufgabe zugleich die Mittel zur Erfüllung dieses Auftrags, die Befugnisse, zur Verfügung gestellt würden 18 , ihre Anerkennung. Vor der Durchsetzung der Trennung von Aufgaben und Befugnissen hat es in einigen Ländern im Anschluß an das preußische System eine Generalklausel gegeben, die die Aufgabenbeschreibung und eine allgemeine Eingriffsermächtigung enthielt. Namentlich in Bayern waren die polizeilichen Eingriffsbefügnisse demgegenüber in der Tradition der Polizeistrafgesetzbücher gegen die Aufgabe abgegrenzt und detaillierter gefaßt. 19 Daraus ergab sich ein Gegenmodell zur Regelung einer Generalklausel. Sie zog die Kritik auf sich, sie sei mangels hinreichender Bestimmtheit mit Rechtsstaats- und Gesetzmäßigkeitsprinzipien unvereinbar und durch präzisere Vorschriften zu ersetzen. 20 Der MEPolG begründet den Vorschlag gesonderter Regelungen für die Aufgaben und für die Befugnisse mit dem Hinweis, daß die gewählte eindeutige Unterscheidung einer Entwicklung entspreche, wie sie sich in allen neueren Polizeigesetzen abzeichne und die auch eine Folge der Einschränkung der Generalklausel durch Spezialermächtigungen für bestimmte typische Eingriffe sei. 21 Im Anschluß daran unterscheiden die Polizeigesetze der Länder nunmehr sämtlich zwischen Aufgabenzuweisungen und Befügnisnormen. 22 Ihrer Funktion nach bezeichnen Aufgabennormen die Zwecke, auf die die Tätigkeit der zuständigen staatlichen Stelle ausgerichtet wird. 2 3 Auch wenn sich 16

Die Kontrolle war, insbesondere was den Erforderlichkeitsmaßstab angeht, nicht unbedingt stringent, aber dennoch von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Vgl. die Darstellung und zahlreichen Nw bei Heuer, Generalklausel, S. 393, 486 ff.; Remmert, Grundlagen, S. 140 ff., 174 ff; siehe auch Schlink, Amtshilfe, S. 100 mit Fn 57. 17 O. Mayer, Verwaltungsrecht, Erster Band, 1. Auflage, S. 283 f., Anm. 20; ähnlich ders., Verwaltungsrecht, 3. Auflage, S. 225 ff. Anm. 21. 18 Vgl. dazu etwa Mohl, System, S. 543 ff.; Jellinek, Gesetz, S. 10 ff., 80 ff. Aus der Rechtsprechung siehe nur PrOVGE 58, 288 (301). 19 Dazu Mayer, Eigenständigkeit, bes. S. 81 ff., 106 ff., 163 ff., 211 ff. 20 Mayer, Eigenständigkeit, S. 223 f.; ders., Rechtswert, S. 452 ff.; Samper, Abschied, S. 545 ff.; Gaiette, Entwicklung, S. 314 ff. 21 Allgemeine Begründung, Anm. 3.11, in: Heise!Riegel, Musterentwurf, S. 17. 22 Zur nur zögerlichen Anpassung der Landespolizeigesetze an den MEPolG Rasch, Musterentwurf, S. 127 ff. 23 Vgl. zum im gegebenen Zusammenhang einschlägigen Begriff der Aufgabe Mäding, Aufgaben, S. 257 ff. mit einem Überblick über verwendete Aufgabenbegriffe, und bes. S. 263 ff.: Aufgabe wird hier definiert als eine durch Gesetz oder Handlungsdirekti-

Α. Die grundlegenden Muster der rechtlichen Determination

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Überschneidungen ergeben, sind sie dabei nicht mit dem Zweck des Gesetzes zu verwechseln. Dieser liegt in der herstellbaren Hierarchie der Zwecke meist auf einer höheren Abstraktionsstufe und ist anders akzentuiert. Als eigenständige gesetzliche Regelung stellen Aufgabennormen eine die Exekutive bereits determinierende Entscheidung des Gesetzgebers dar, mit der das Problem der im Ansatz vielfältigen Zweck/Mittel-Beziehungen 24 durch einen festen Bezugspunkt aufgelöst und gleichzeitig das Zweck/Mittel-Schema erzeugt wird, aufgrund dessen die Trennung von Aufgaben und Befugnissen ihre Determinationskraft gewinnt. Daß die Aufgabennormen in diesem Rahmen Zwecke bezeichnen, heißt nicht, daß es sich notwendig um Zweckprogramme - statt um Konditionalprogramme - handelt. 25 Die Einschränkungen zurückgestellt, die die Übertragung auf Rechtsnormen bedingt 26 , können Aufgabenzuweisungen sich auch als Konditionalprogramm oder als Zweckprogramm mit einschränkenden Bedingungen gestalten. Das ist zum Beispiel bei den ausdrücklichen Bestimmungen der Polizeigesetze, die den Rahmen des möglichen behördlichen Handelns mitdeterminieren und eine begrenzende Wirkung haben, der Fall. Die Bestrebungen nach einer gesetzlichen Zuweisung von Aufgaben an staatliche Stellen stützen sich auf mehrere Grundgedanken. A u f staatstheoretischer Ebene zählt dazu, daß das Handeln des Staates nicht als Selbstzweck zu denken, sondern nur aufgrund bestimmter (Staats)Zwecke oder Staatsaufgaben zu begründen und insofern nur innerhalb vorgegebener Zwecke legitimiert ist. Dies wird ergänzt durch die rechtsstaatliche Vorstellung einer rechtlichen Konstitution staatlicher Tätigkeit und durch die demokratische Forderung einer

ve festgelegte konkrete Bestimmung des Staatszweckes in Form eines Maßnahmenprogramms einschließlich der Bestimmung der zuständigen Verwaltungseinheit. Siehe auch Menger, Bestimmung, S. 298, 299: Aufgaben konkretisieren die davon noch zu unterscheidenden Staatszwecke in den einzelnen Bereichen staatlicher Tätigkeit. Ähnlich Bull, Staatsaufgaben, S. 43 ff. 24 Vgl. dazu auch Schlink, Amtshilfe, S. 89 ff. 25 Zu Zweckprogrammen und Konditionalprogrammen Luhmann, Zweckbegriff, S. 284, 287; ders., Rechtssoziologie, S. 229. In soziologischen Erkenntniszusammenhängen werden die Programmtypen einander gegenübergestellt, um Unterschiede in der Steuerung der Informationsverarbeitungs- und Entscheidungskapazitäten von Organisationen oder hinsichtlich der Entlastung von Entscheidungsverantwortung herauszustellen; vgl. z.B. Luhmann, Rechtssoziologie, S. 231 ff; dens., Legitimation, S. 131 f. 26 Die in soziologischen Zusammenhängen formulierten Programmtypen decken sich nicht ohne weiteres mit der normtextlichen Gestaltung von Rechtsnormen, siehe etwa Luhmann, Automation, S. 38. Vgl. auch mit allerdings in einen anderen Kontext gesetztem Begriffsverständnis densRecht, S. 195 ff. Siehe weiter Rubel, Planungsermessen, S. 10 ff.; Koch/Rüßmann, Begründungslehre, S. 21 f., 78 ff., 236 ff; und - mit Kritik an den aus der Unterscheidung gezogenen Folgerungen - Schmidt, Programmierung, S. 331 ff. Rechtsnormen, die eine Entscheidungsregel bilden, sind oft nicht bruchlos zuordbar und nur als verschachtelte oder verbundene Programme zu beschreiben, siehe dazu Luhmann, Automation, S. 39; Becker, Entscheidungen, S. 286 ff; Schmidt, Programmierung, S. 334; Mayntz, Soziologie, S. 56 f.

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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Entscheidung gerade der Gesetzgebung. Hinzu kommen Freiheitskonzeptionen, die auf die Aus- und Begrenzung des Staates zielen und in Grundrechten verankert sind. 27 Normativ bestimmt die Aufgabennorm die sachliche Zuständigkeit mit Wirkung fur das Verhältnis zu anderen Behörden und für das Verhältnis zum Bürger. Sie konstituiert den Tätigkeitsbereich der jeweiligen Verwaltungseinheit und eröffnet ihn damit ebenso wie sie ihn nach außen hin abgrenzt. 28 Danach hat sie einerseits eine eingrenzende, andererseits eine raumeröffnende Funktion. In voller Schärfe gewinnt die Aufgabenzuweisung ihre Bedeutung erst in der Differenz von Aufgaben und Befugnissen. 29 Sie fungiert als Maßstab und als begrenzender Rahmen für die geregelten Befugnisse. Sie kann - ohne aber bereits aus sich heraus Handlungspflichten 30 oder Schutzansprüche des einzelnen 31 herzugeben - die Auslegung der Befugnisse anleiten. Sie wirkt darauf insbesondere ein, wenn die Befugnisse mit ihren Tatbestandsvoraussetzungen auf die Aufgabennorm Bezug nehmen. Sie kann außerdem die Handhabung des Ermessens bei Ermessensvorschriften steuern. Aufgaben und Befugnisse sind so miteinander verknüpft. 32 Die Befugnisse, die bestimmten Aufgaben zugeordnet sind, bezeichnen die Maßnahmen, die die jeweilige staatliche Stelle vornehmen darf Ihr Schwerpunkt liegt somit nicht auf dem Zweck, sondern auf den jeweils zulässigen Handlungen oder Entscheidungen sowie deren Voraussetzungen einerseits und Wirkungen andererseits. Sie sind regelmäßig als Konditionalprogramme gestaltet.

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Vgl. insgesamt Bull, Staatsaufgaben, S. 116 f.; Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 407 f. 28

Vgl. Knemeyer, Aufgabenzuweisungsnormen, S. 11 m.w.N.; Mayer, Eigenständigkeit,2 9S. 235; Staats, Aufgabenzuweisung, S. 156; Bull, Staatsaufgaben, S. 44. Vgl. auch Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 112 ff. 30 So Knemeyer, Aufgabenzuweisungsnormen, S. 12 ff., mit der Ansicht, durch die Zuweisung von Aufgaben lege der Gesetzgeber fest, daß die Erfüllung der normierten Zwecke von den genannten Stellen erfüllt werden müsse. Dahinter steckt aber der unzulässige Schluß von der Aufgabe auf die Befugnisse. Im übrigen kann sich auch eine Verdichtung gegebener Befugnisse zu Handlungspflichten nicht allein aus der Aufgabenbestimmung, sondern nur mit Blick auf die dahinter stehenden Schutzgüter und sodann erst nach Maßgabe einer Abwägung ergeben. Eingeschränkter und in der Tendenz dann zutreffend Mayer, Eigenständigkeit, S. 236, der fur die Beurteilung der Pflicht zur Wahrnehmung einer Befugnis die „Aufgabe für den Einzelfall" einbeziehen will. 31 Knemeyer, Handlungsvollmachten, S. 233 ff, 249 ff.; ders., Aufgabenzuweisungsnormen, S. 14 f. Schutzansprüche setzen jedoch ein subjektives öffentliches Recht voraus, das in der erforderlichen normativen Verdichtung nicht oder jedenfalls nicht allein aus einer Aufgabenzuweisung entwickelt werden kann. 32 Vgl. insgesamt Mayer, Eigenständigkeit, S. 214 ff, 235 ff; Knemeyer, Aufgabenzuweisungsnormen, S. 15 ff.

Α. Die grundlegenden Muster der rechtlichen Determination

25

Daß der Gesetzgeber die Befugnisse einer staatlichen Stelle zu regeln hat, beruht wiederum auf mehreren Gesichtspunkten. Nach rechtsstaatlichen Maßstäben ist die bloße Vorgabe einer Aufgabenumschreibung zu unbestimmt, weil sie in aller Regel ein weitreichendes Spektrum von Vorgehensmöglichkeiten beläßt.33 Demokratische Vorgaben verlangen, daß die Gesetzgebung entscheidet, welche Vorgehensweisen rechtlich zulässig sind. Damit werden zugleich die Bedingungen der Möglichkeit des Prinzips der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung geschaffen. Die entscheidende Rolle kommt allerdings, soweit es um die traditionell zentralen Eingriffsbefugnisse geht, dem Übermaßverbot zu. 34 Im Übermaßverbot als strukturierendem Prinzip sind die Zweck/Mittel-Beziehungen angelegt, die schon frühzeitig - und gerade im Gefahrenabwehrrecht - zur Überprüfung gewählter Maßnahmen anhand bestimmter Zwecke entfaltet worden sind. 35 Es fuhrt zur Frage, ob es nicht ein zur Aufgabenerfüllung gleichermaßen geeignetes, aber weniger freiheitseinschränkendes Mittel gibt. Hinzu kommt, daß der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Komponente des Übermaßverbots eine bestimmte Maßnahme nur erlaubt, wenn eine Abwägung zwischen dem verfolgten Zweck und den Schutzinteressen des Betroffenen ergibt, daß die Maßnahme nicht unzumutbar ist. 36 Aufgrund beider Aspekte wird der Schluß von der Aufgabe auf die Befugnisse unzulässig. Daß gerade der Gesetzgeber die Befugnisse zu regeln und nicht etwa die Behörde das mildeste und ein verhältnismäßiges Mittel zu ermitteln hat, gibt das Übermaßverbot als solches, also als reine Zweck/Mittel-Struktur, freilich nicht her. Insofern ergibt sich ein Rückverweis auf rechtsstaatliche und demokratische Quellen und auf die Grundrechte. Da diese verlangen, daß der Staat Eingriffe unterläßt, sofern sie nicht über den Gesetzesvorbehalt durch eine gesetzliche Regelung gedeckt sind, benötigt die Verwaltung eine gesetzliche Eingriffsermächtigung. Normativ wird durch Befugnisse die Aufgabenerfullung programmiert. 37 Damit hat die Regelung von Befugnissen ihrerseits zum einen eine begrenzende Funktion. Der Rückgriff auf eine vage Aufgabennorm ist abgeschnitten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der zur Erfüllung der Aufgaben zulässigen Vorgehensweisen werden unter Berücksichtigung der jeweiligen Wirkungen enger gefaßt. Zum anderen hat sie tätigkeits„eröffnende" Funktion, indem sie der staatlichen Stelle eben diese Vorgehensweisen zuerkennt. Die Befugnisnormen weiten den durch die festgelegten Aufgaben vorgegebenen Rahmen nicht aus; sie reichern ihn aber an. Auch sie erhalten ihre volle Bedeutung somit 33

Vgl. etwa Bull, Staatsaufgaben, S. 132 ff.; Schoch, Grundfälle, S. 479. Schlink, Amtshilfe, S. 105 ff. 35 Remmert, Grundlagen, S. 24 ff., 81 ff., 140 ff., 174 ff. 36 Dies in Abgrenzung gegen Schlink, Abwägung, bes. S. 152 f., 192 ff. Dazu, daß diese Komponente erst mit Hilfe des Rückgriffs auf ein materiales Freiheits- und Grundrechtsverständnis entwickelt worden ist, Remmert, Grundlagen, S. 202 ff. 37 Luhmann, Zweckbegriff, S. 98. 34

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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erst in der Differenz von Aufgaben und Befugnissen. Der Gesetzgeber hat sowohl die Aufgaben als auch die Befugnisse zu normieren und beide in Bezug aufeinander zu regeln. 38 Das zulässige Handlungsspektrum der staatlichen Stelle ergibt sich aus der Zusammenschau von Aufgaben und Befugnissen.

B. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung I. Polizeirecht als Gefahrenabwehrrecht Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung als Aufgabe der Polizei hat sich insbesondere über die Interpretation des § 10 Teil II Titel 17 A L R und über § 14 Abs. 1 PrPVG herausgebildet. Der Begriff der Polizei hing eng mit der Entwicklung der allgemeinen Staatstheorie, insbesondere der Lehren von den Staatszwecken, zusammen.39 Die Diskussion darum konzentrierte sich - grob formuliert - zunächst auf die Unterscheidung von Wohlfahrt(sfÖrderung) und Sicherheit(sbewahrung). 40 Wurden zeitweilig weite Bereiche der inneren Verwaltung als Polizei beschrieben 41, ohne daß damit aber eine entsprechend abgegrenzte Institution verbunden werden dürfte 42 , entwikkelten sich, wenn auch keineswegs stringent-linear, im weiteren Verlauf Eingrenzungen auf die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Der Endpunkt dieser Entwicklung, bei der man sich freilich auf die Beschreibung nur einer bestimmten Linie konzentriert, die nicht die gesamte Realität widerspiegelt, wird am Kreuzberg-Urteil des preußischen Oberverwaltungsgerichts 43 festgemacht. Es legte den Grundstein für eine Anerkennung der Beschränkung der polizeilichen Aufgaben auf die Gefahrenabwehr in Abgrenzung zur Wohlfahrtsförderung. 44 A u f der Suche nach einer gesetzlichen Grundlage für eine baupolizeiliche Verfügung griff das Gericht auf § 10 II 17 A L R

38

Schlink, Amtshilfe, S. 108. Preu, Polizeibegriff, bes. S. 102 ff., 196 ff., 226 ff.; Vogel, Herkunft, S. 375 ff. 40 Vgl. dazu Vogel, Herkunft, S. 375 ff.; Remmert, Grundlagen, S. 15 ff., 54 ff.; Preu, Polizeibegriff, S. 208 ff. 41 Boldt, Geschichte, Rn 11; ausfuhrlich und sehr differenzierend Preu, Polizeibegriff, S. 6 ff., 15 ff. 42 Siehe die kritische Sicht von Wagner, AK-PolG NRW, vor § 1 Anm. 2. 43 PrOVGE 9, 353 ff. Vgl. bereits die vorangegangene Kreuzberg-Entscheidung, PrOVG, PrVwBl. 1879/80, S. 401 ff. 44 Vgl. dazu etwa Rott, „Kreuzberg-Urteil", S. 363; Kroeschell, Kreuzberg-Urteil, S. 268 ff. 39

Β. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

27

zurück. 45 Die Norm umfasse die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und die Abwendung der dem Publikum oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr, nicht jedoch eine Förderung des allgemeinen Wohls. 46 Zu den Hintergründen der Argumentation gehört, worauf das Gericht einleitend hinweist, daß den Polizeibehörden anderenfalls ein „völlig schrankenloses Ermessen" 47 zur Verfügung stehe. Werde der Schutz weitergehender öffentlicher Interessen angestrebt, sei es schließlich möglich, „den Weg der Spezialgesetzgebung zu beschreiten" 48 . In der Folgezeit wurden die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung in die Gefahrenabwehr eingegliedert. 49 Diese Linie wurde durch den Gesetzgeber bei Einführung des § 14 PrPVG aufgegriffen. Diese Regelung ist das Leitbild für die Aufgabenzuweisungen in den Polizeigesetzen der Bundesländer. In dieser Entwicklungsdimension wurde das Verständnis der Polizei und des Polizeirechts somit in einer bereits begrenzenden Weise an die Aufgabe der Gefahrenabwehr gekoppelt. In dogmengeschichtlicher Sicht ist es mit Blick darauf üblich, die Entwicklung des Polizeirechts seit Beginn des 19. Jahrhunderts als mehr oder minder stringente Verstärkung rechtsstaatlicher Prinzipien zu verstehen. 50 Obwohl das insoweit richtig ist, handelt es sich doch um eine verkürzende Sicht. Ausschließlich mit Hilfe des Kriteriums der Gefahrenabwehr läßt sich die Polizei - sofern man den Begriff nicht schlicht als Synonym für die „gefahrenabwehrende Tätigkeit" des Staates begreift und damit den Anspruch auf eine abgrenzende Bestimmung durch dieses Kriterium aufgibt - zu keiner Zeit erschöpfend beschreiben. Der Rechtszustand stellte sich immer als komplexer dar, weil spezialgesetzliche Aufgabenzuweisungen über die Gefahrenabwehr hinausgingen, weil Polizei- und sonstige Verwaltungsbehörden in unterschiedlicher Weise differenziert und die Aufgabenzuweisungen dabei uneinheitlich gestaltet waren und weil der Polizei Aufgaben im Bereich der Strafverfolgung anvertraut waren, die etwa in Bayern angesichts der expliziten Regelungen zur Verhinderung von Straftaten durchaus mitprägend und in Preußen über die Verweisung des § 14 Abs. 2 PrPVG eingefangen waren. 51 Neben der Kriminalpolizei entwickelte sich eine politische Polizei, deren Einsatz gegen „staatsgefährdende Bestrebungen" jedenfalls nicht unter ein rechtsstaatliches

45 Dazu, daß Rückgriff und Interpretation gewagt waren, vgl. Preu, Polizei begriff, S. 274 ff.; Schlink, Amtshilfe, S. 99 f.; Kroeschell, Kreuzberg-Urteil, S. 269 f. 46 PrOVGE 9, 353 (374 ff.). 47 PrOVGE 9, 353 (360, 370). 48 PrOVGE 9, 353 (377; zuvor auch 362). 49 Vgl. dazu Heuer, Generalklausel, bes. S. 49 ff. Vgl. außerdem Scholz, Gefahr, S. 2 ff.; Drews , Polizeirecht, 1. Aufl., S. 7 ff. 50 Vgl. - mit weiterführender Kritik - Reinke, Amt, S. 20. 51 Gaiette , Entwicklung, S. 277 ff. Siehe außerdem Peitsch, Bekämpfung, S. 215 ff.

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

Verständnis der Gefahrenabwehr paßt. 52 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist zudem der organisatorisch-institutionelle Apparat der Polizei ausgebaut worden, so daß sie sich zunehmend nach institutionellen Kriterien abgrenzen läßt. Im übergreifenden Bereich der Gefahrenabwehr setzten sich unter dem Grundgesetz zunächst wegen der Entpolizeilichung 53 , dann wegen bereichsspezifischer Regelungsanforderungen aufgaben- und organisationsbezogene Spezialisierungen fort, die zunehmend in Sondergesetzen mündeten. Es gab zwar immer wieder Bemühungen, ein allgemeines Recht der Gefahrenabwehr herauszuarbeiten, das die Übereinstimmung der jeweiligen Regelungen verdeutlichen und der systematischen Rück- und Einbindung der sondergesetzlichen Ordnungen und der sie vollziehenden Verwaltungstätigkeit dienen sollte. 54 Man wird jedoch mittlerweile eher konstatieren können, daß die Ausdifferenzierung von Regelungsbereichen aus einem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht weiter fortschreitet. Neue Beschreibungen im Umwelt-, technischen Sicherheits- und Gentechnikrecht wie „Risikorecht" 55 oder „ökologisches Recht" 56 , die höhere Abstraktionsstufen in Anspruch nehmen, sind ein sicheres Zeichen. Die Ursachen dafür liegen darin, daß die jeweiligen Bereiche an aufzeigbaren Punkten besondere Probleme aufwerfen und entsprechende Regelungsanforderungen nach sich ziehen. Diese Entwicklung legt nahe, daß auch das Verständnis der Polizei neu definiert wird. Gegenüber dem durch die Aufgabe der Gefahrenabwehr gekennzeichneten Verständnis der Polizei, also dem gelegentlich noch genannten „materiellen" Polizeibegriff 57 , finden sich nunmehr ganz überwiegend formellinstitutionelle Abgrenzungskriterien. Die Polizei als Institution ist organisatorisch verselbständigt, dies auf Bundesebene unter anderem mit dem Bundeskriminalamt, dem Bundesgrenzschutz oder dem Zollkriminalamt, auf Landesebene mit den Behörden der Schutz-, Kriminal-, Bereitschafts-, Wasserschutz-

52 Dazu Boldt, Geschichte, Rn 31; Funk, Polizei, S. 255 ff. Für die Zeit zuvor siehe Siemann, Ruhe, S. 1 ff. 53 Vgl. Wolff, Gestaltung, S. 134 ff.; Gönnenwein, Gestaltung, S. 181 ff. Zur Entwicklung der Ländergesetzgebung Gaiette , Entwicklung, S. 313 ff. 54 Erichsen, Handlungsvollmachten, S. 173 ff. Weitgehend auch noch Wacke, Polizei, Sp. 1895. Vgl. außerdem Martens, Wandlungen, S. 92 ff. 55 Wolf, Antiquiertheit, S. 384 ff., und hier S. 385: „Die Risikogesellschaft braucht einen Entwurf eines Risikorechts, das nicht mehr auf den tönernen Füßen eines adaptierten Polizeirechts begründet ist." 56 Vgl. die Beiträge in Bohre t/Hill (Hrsg.), Ökologisierung, passim; Hoffmann-Riem, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 590 ff.; allgemeiner akzentuiert: Ladeur, Akzeptanz, S. 60 ff. 57 Wacke, Polizei, Sp. 1894 f.; Oldiges, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 238 ff.; Drews/ Wacke/Vogel/M art ens, Gefahrenabwehr, S. 33 ff.

Β. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

29

oder Grenzpolizei. Als solcher sind ihr ihre Aufgaben zugewiesen.58 Diese Sicht fuhrt sogleich zu der Frage, „welche originären Aufgaben die Polizei eigentlich noch besitzt..." 59 .

II. Bindungen und Flexibilität der Aufgabenzuweisungen Die Polizei hat die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. So sieht es § 1 Abs. 1 MEPolG vor. Die landesgesetzlichen Regelungen schließen mit der Einschränkung daran an, daß man in einigen Ländern darauf verzichtet hat, die öffentliche Ordnung als Schutzgut aufzunehmen. 60 Davon abgesehen kennzeichnet es aber die polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen, daß sie sich ganz an die überkommene Gefahrenabwehrklausel anlehnen. In dieser Hinsicht ist das Polizeirecht dem Gefahrenabwehrrecht somit stark verhaftet. Gerade da die Polizeigesetze an die überkommene Gefahrenabwehrklausel anknüpfen, ist die Abgrenzung der Zuständigkeit der Polizei im Verhältnis zu anderen Behörden von zentraler Bedeutung. Sie ist in § 1 a MEPolG und den gleich oder ähnlich lautenden landesgesetzlichen Bestimmungen mitgeregelt. Danach wird die Polizei tätig, soweit die Abwehr der Gefahr durch eine andere Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint. Diese Aufgabenabgrenzung ergänzt die grundsätzliche Zuweisung der Aufgabe der Gefahrenabwehr und ist entsprechend mitzulesen. 61 Die Tatbestandsmerkmale der Aufgabenzuweisungen werden im folgenden näher analysiert. Dabei richtet sich das Interesse vor allem darauf, wie die einzelnen Komponenten in ihrem normativen Kontext zu verstehen sind, inwiefern sie sich als relativ offen und an veränderte Anforderungen anpaßbar erweisen und in welchen Hinsichten sie doch auch Grenzen setzen. Die Grenzen der Modifizierbarkeit veranlassen die Ausdifferenzierung eigenständiger Regelungsbereiche. Insgesamt sollen sich die Strukturen der Gefahrenabwehr sowie die Inhalte und die Reichweite der traditionellen polizeigesetzlichen Aufgabe erschließen.

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Ipsen, Gefahrenabwehrrecht, Rn 20 ff. Boldt, Geschichte, Rn 90. 60 Zur Ausklammerung der „öffentlichen Ordnung" §§ 1 Abs. 1 BremPolG, 1 Abs. 1 i.V.m. 2 Nr. 1 lit a) NGefAG, 1 Abs. 1 PolG NW,' 1 Abs. 2 SPolG, 162 Abs. 1 LVwGSH. 61 Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 55. 59

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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1. Öffentliche

Sicherheit als Schutzgut

Schutzgut der polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen ist die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Das Tatbestandsmerkmal der „öffentlichen Sicherheit" verweist auf die Rechtsgüter, deren Unversehrtheit gegen drohende Schäden geschützt wird. Es handelt sich somit um einen Verweisungsbegriff der auf außerhalb seiner selbst liegende Rechtsgüter Bezug nimmt. 62 Ob man die öffentliche Sicherheit selbst als Rechtsgut bezeichnet oder nicht 63 , mag dahinstehen, sofern in beiden Fällen deutlich bleibt, daß der Begriff durch den Bezug auf anderweitige Rechtsgüter ausgefüllt wird, also durch Akzessorietät gekennzeichnet und keine weitergehende, aus sich heraus zu konkretisierende Ermächtigung ist. Der Begriff der „öffentlichen Ordnung" ist dagegen der Begriff, der nach gängigem Verständnis eine Öffnung hin zum ungeschriebenen Recht erlaubt. Die Diskussion darum kann hier ausgeklammert werden. 64 Die Bestimmung des Schutzgutes der „öffentlichen Sicherheit" erfolgt regelmäßig in Form einer Aneinanderreihung verschiedener Belange. Sie lehnt sich an die Amtliche Begründung zur Fassung des § 14 PrPVG an. 65 Nach den Legaldefinitionen in § 2 Nr. 2 BremPolG und § 3 Nr. 1 SOGLSA umfaßt die „öffentliche Sicherheit" die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger der Hoheitsgewalt. Nach gängigen Definitionen in der Literatur fallen darunter der Bestand, die Einrichtungen und die Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger von Hoheitsgewalt, die

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Gusy, Polizeirecht, Rn 82. Ablehnend Gusy, Polizeirecht, Rn 82. 64 Sie war eines der Themen zu Zeiten der Vereinheitlichung der Polizeigesetze. Vgl. einerseits die Allgemeine Begründung, Anm. 3.12, in: Heise/Riegel, Musterentwurf, S. 17 f., und andererseits Anm. 4 zu § 2 AEPolG, in: Arbeitskreis Polizeirecht, AEPolG, S. 42 f. Zur Diskussion außerdem Erichsen, Handlungsvollmachten, S. 194 ff; Hill, Abschied, S. 88 ff.; Störmer, Renaissance, S. 233 ff. Aus der jüngeren Rechtsprechung etwa OVG Rh-Pf., NVwZ-RR 1995, S. 30 (31 f.); OVG NW, NVwBl 1995, S. 473 (474 f.); OVG NW, NJW 1997, S. 1180 ( 1180 f.). 65 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 232, dort auch wiedergegeben: „Als Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 14 gilt der Schutz vor Schäden, die entweder den Bestand des Staates oder seiner Einrichtungen oder das Leben, die Gesundheit, Freiheit, Ehre oder das Vermögen der einzelnen bedrohen, sei es, daß die Gefährdung ausgeht a) von Ereignissen oder Zuständen in der belebten oder unbelebten Natur, b) von Handlungen oder Unterlassungen von Menschen, insbesondere von dem Bruch einer Norm der öffentlichen oder privaten Rechtsordnung ..." 63

Β. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

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Unversehrheit der objektiven Rechtsordnung sowie die subjektiven Rechtsgüter und Rechte des Einzelnen.66 Die Reichweite des Schutzes der Unverletzlichkeit der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen wird freilich sogleich durch eine Subsidiaritätsklausel eingegrenzt. Der Einzelne ist gehalten, den Schutz seiner nur privatrechtlichen Rechte und Rechtsgüter primär durch Anrufung der zuständigen Gerichte zu bewirken. Nur wenn ein wirksamer Schutz auch auf diesem Wege zu spät käme und eine Rechtsvereitelung droht, kann polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen werden, die sich auf die einstweilige Sicherung des bedrohten Rechts beschränken muß. Daß die Begriffsbestimmung auch nach dieser Ausklammerung zu weit gefaßt und insbesondere in ihren Bestandteilen untereinander nicht genügend abgestimmt ist, fallt jedoch auf. Teilweise wird die Unversehrtheit der Rechtsordnung als Schutzgut der öffentlichen Sicherheit fur zu weitreichend gehalten, weil damit letztlich jede drohende Verletzung irgendeiner öffentlichrechtlichen Norm eine Gefahr fur die öffentliche Sicherheit bedeutete, die an sich bereits ein polizeiliches Einschreiten ermöglichte. 67 Außerdem wird die Frage nach dem Verhältnis von Rechtsordnungsschutz und Rechtsgüterschutz aufgeworfen. 68 Bei unkoordinierter Aneinanderreihung beider Elemente scheinen Rechtsgüter, deren Schutz immer normativ begründet sein muß 69 , sich allerdings aus eigenständigen Normen, insbesondere auch aus den Grundrechten, ergeben kann, losgelöst von der übrigen Rechtsordnung geschützt zu sein. So könnten unter Umständen Verhaltensfreiheiten überspielt werden. 70 Schutzinhalte und -grenzen von Rechtsgütern sind zwar grundsätzlich aus den Aussagen sämtlicher einschlägiger Rechtsnormen zu ermitteln. Trotzdem können vor allem in Fällen weitgehender Entkoppelung geschützter Rechtsgüter und Verhaltensvorschriften Auslegungs- und Koordinationsprobleme entstehen. Unabhängig von diesen Abstimmungsfragen fuhrt der Verweisungscharakter des Begriffs der öffentlichen Sicherheit dazu, daß sich Veränderungen der Rechtsnormen und Rechtsgüter unmittelbar auf das allgemeine Gefahrenabwehrrecht auswirken. Man kann hier mehrere Linien nennen. Rechtsgüter können - mit Folgen unter anderem für den Schadensbegriff und die Schadenspro-

66 Frotscher, Schutz, S. 698; Martens, Schutz, S. 458; von Mutius, Generalklausel, S. 653 f. 67 Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 276, mit dem dann allerdings wiederum zu engen Vorschlag einer Reduktion auf jene Normen des öffentlichen Rechts, die zum Schutz individueller Rechte oder von Staatsfunktionen Verhaltenspflichten begründen. 68 Vgl. dazu Waechter, Schutzgüter, S. 733 ff. 69 Gusy, Polizeirecht, Rn 82. 70 Unklar etwa v. Mutius, Generalklausel, S. 653.

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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gnose - abstrahiert und komplex gefaßt werden, so zum Beispiel beim Schutz des Naturhaushalts oder des Wasserhaushalts.71 Gesetzliche Ge- und Verbote können sich auf Situationen im Vorfeld von Gefahren erstrecken, so daß sich die staatliche Tätigkeit nicht mehr allein an der konkreten Bedrohung eines Rechtsgutes, sondern auch an der drohenden Verletzung der jeweiligen Rechtsnorm orientiert. Normative Schutzkonzeptionen können eine Vorsorge einschließen, wie sie im planungsrechtlichen Bereich angelegt und hin zu risikorechtlichen Ausgestaltungen fortgeführt worden ist. 72 Erweiterungen und Spezialisierungen der Gefahrenabwehr lassen sich unter anderem an dieser Stelle verfolgen. Sie können einerseits zur Modifikation der Gefahrenabwehrkomponenten beitragen. Diese sind aber andererseits - wegen der Grenzen vor allem des Merkmals der Gefahr, aber auch des Elements der Abwehr - nicht beliebig ausdehnbar. Deswegen können Brüche im Gefahrenabwehrsystem entstehen. Die Ausdifferenzierung von Regelungsbereichen hat daher ihren ersten Grund in Veränderungen der Rechtsnormen und der jeweiligen Schutzgüter. Das Polizeirecht ist von solchen Entwicklungen keineswegs unberührt geblieben. So liefert das „Grundrecht auf Sicherheit" Anknüpfungspunkte für zahlreiche Argumentationsmuster, die bemüht sind, das Vorfeld von Gefahren oder Vorsorgemodelle in das Spektrum der polizeilichen Tätigkeit einzugliedern. 73 Auch Vorverlagerungen im materiellen Strafrecht, aufgrund derer in einigen Straftatbeständen Vorbereitungshandlungen sowie Planungsstadien oder abstrakte Gefährdungen bestimmter Schutzgüter unter Strafe gestellt sind, gehören in diesen Rahmen.74 Erweiterungen, die auf die Strukturen des Gefahrensystems durchgreifen, sind jedoch gerade im Polizeirecht, wie noch deutlich werden wird, nur begrenzt möglich. 2. Gefahren für die öffentliche

Sicherheit als Anknüpfungspunkt

Umfaßt der Begriff der „öffentlichen Sicherheit" das Spektrum der Rechtsnormen und geschützten Rechtsgüter, ist das Merkmal der Gefahr für die öffentliche Sicherheit seinerseits ein im Rahmen der Aufgabenzuweisung zentraler Begriff. Die Gefahrenlage als Grundlage macht das polizeiliche Handeln zum Präventionshandeln. Eine präzise Analyse des Gefahrenbegriffs, wie er im 71

Siehe §§ 1 Abs. 1 BNatSchG, 1 a Abs. 1 und 2 WHG, 3 a Abs. 2 ChemG, 1 Nr. 4 PflSchG. Zur Rechtsprechung etwa BVerwGE 81, 12 (14 ff.). Aus der Literatur vgl. dazu auch Ladeur, Umweltrecht, S. 196 ff. 72 Vgl. auch - mit weitreichenden Folgerungen - Erichsen, Handlungsvollmachten, S. 187 f. Umfassend dazu Wahl!Appel, Prävention, bes. S. 25 ff. 73 Vgl. noch Kap. 2 Punkt A.I. 74 Dazu etwa Wohlers, Deliktstypen, passim; Beck, Unrechtsbegründung, S. 17 ff.; Jakobs, Kriminalisierung, S. 751 ff.; Dencker, Gefährlichkeitsvermutung, S. 263 ff; Η assemer, Rechtsgüterschutz, S. 557 f.

Β. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

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System des Gefahrenabwehrrechts konzipiert ist und sich dabei relativ flexibel, aber keineswegs beliebig gestaltet, liefert die Basis fur das Verständnis der polizeigesetzlichen Aufgabennormen und für die darum geführten Diskussionen. a) Komponenten und Strukturen des Gefahrenbegriffs Unter einer „Gefahr" versteht man regelmäßig eine Situation, in der ein Zustand oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des Geschehens nach Maßgabe einer Prognose zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung führen würde. 75 Der Akzent auf der beobachteten Situation ist aber ungenau. Eine Situation ist immer nur eine objektive Gegebenheit in der Realität, die ist, wie sie ist. Der Schwerpunkt des Gefahrenbegriffs liegt demgegenüber auf der Schlußfolgerung von gegenwärtigen Sachlagen auf künftige Schäden.76 Der Gefahrenbegriff besteht demnach aus mehreren Bestandteilen. Dadurch weist er eine erhebliche Flexibilität auf. Denn die einzelnen Elemente werden schon isoliert betrachtet nicht einheitlich interpretiert. Zudem werden Beziehungen zwischen den Komponenten hergestellt, aufgrund derer sie sich in der Ausfüllung wechselseitig beeinflussen. Das erste Element ist der Begriff des Schadens. Im Anschluß an die frühere Diskussion um Wohlfahrtspflege einerseits und Abwehr von Gefahren andererseits und an die Erörterungen im Rahmen des Umweltschutz-, insbesondere des Immissionsschutzrechts, wird dazu hervorgehoben, dieses Merkmal diene der Ausfilterung bloßer Belästigungen. 77 Wenn die „öffentliche Sicherheit" als Schutzgut hinreichend klar bestimmt wird und sobald eine den Regelungserfordernissen angepaßte Regelungsdichte besteht, ist ein Unterschied zwischen Schaden und Belästigung jedoch nicht der zentrale Punkt. Viel wichtiger ist die Feststellung, daß der Begriff des Schadens auf die gegebenen Rechtsnormen und die geschützten Rechtsgüter verweist. Für sich genommen ist er durchaus bestimmt. Er enthält drei Komponenten, die in Beziehung zueinander gesetzt werden. Von einer gegenwärtigen Lage aus nimmt er auf einen künftigen Zustand Bezug, im Hinblick auf den eine Differenz zwi75 Legaldefinitionen mit Bezug auf die konkrete Gefahr finden sich in § 2 Nr. 3 lit a) BremPolG, § 2 Nr. 1 lit a) NGefAG, § 3 Nr. 3 lit a) SOGLSA. Vgl. außerdem Drews/Wacke/Vogel/Martens , Gefahrenabwehr, S. 220; Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 140. 76 So zutreffend Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 24 f., 32 f. 77 Dazu bereits PrOVGE 9, 344 (350 ff.); 9, 353 (379 ff.); 44, 448 (451); 95, 141 (143). Außerdem Scholz, Gefahr, S. 7 ff; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 221 f.; Hansen-Dix, Gefahr, S. 23 ff.; Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 143; Haus/Wohlfarth, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 215. 3 Albers

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

sehen der erwünschten und der mit der Gefahreneinschätzung vorhergesehenen Lage besteht. Mit dem Bezug auf einen erwünschten künftigen Zustand fließt aber die Frage ein, wie sich die Rechtsgüter gestalten, die vor Schaden zu bewahren sind. Die Erhaltung des status quo als Zielvorgabe staatlichen Einschreitens ist mit dem Schadensbegriff nicht zwingend verbunden. Sie ergibt sich vielmehr erst vor dem Hintergrund des klassisch-rechtsstaatlichen Modells, das durch die Gewährleistung des Bestandes vorhandener Ordnungen und Rechtsgüter gekennzeichnet ist und staatliche Tätigkeit reaktiv, punktuell und bipolar konzipiert. 78 Denkbar ist auch, daß das Rechtsgut dynamisch statt statisch bestimmt wird. Soll es in Zukunft in einem anderen, verbesserten Zustand sein, kann jede Abweichung davon als Schaden bezeichnet werden. Denkbar ist weiter eine übergreifende statt einer punktuellen Sicht. Wird auf Gesamtzusammenhänge und entsprechend abstrakter gefaßte Rechtsgüter abgestellt, womit notwendig eine Veränderung der zeitlichen Komponente des Gefahrenbegriffs einhergeht, kann die Annahme eines Schadens auch dann gestützt werden, wenn bei punktuell-konkret betrachteten Rechtsgütern keine Minderung zu erwarten ist. Der Begriff des Schadens läßt sich somit gegenüber den für die Beschreibung des künftig erwünschten Zustandes relevanten Faktoren neutralisieren. Ebenso wie der Begriff der „öffentlichen Sicherheit" ist er in bestimmtem Umfang akzessorisch zur Gestaltung der Rechtsordnung. Er kann sich an Veränderungen anpassen und sie selbst (mit)tragen. Das zweite Element ist die Relation zwischen der gegenwärtigen Sachlage und des Eintritts der künftigen Sachlage, die von der erwünschten Lage abweicht. Es handelt sich jedenfalls um eine Prognoserelation. 79 Eine Prognose ist dadurch gekennzeichnet, daß aufgrund der Aussage über Tatsachen in der Gegenwart zu einem bestimmten Zeitpunkt nach bestimmten Regeln Aussagen über (noch) nicht gegebene Tatsachen in der Zukunft abgeleitet werden. 80 Jede Prognose setzt eine Beschreibung der beobachteten oder auch angenommenen Tatsachen als Basis voraus. Diese Beschreibung kann entweder punktuell-selektiv oder umfassend und entweder situationsbezogen-konkret oder situationsgelöst-abstrakt sein. Sie kann auch mehrere Ebenen einbeziehen und komplex gestaltet sein. So mag sie zum Beispiel nicht nur wahrgenommene Tatsachen, sondern auch Anzeichen oder Anhaltspunkte einschließen, aus denen man das Vorhandensein nicht wahrgenommener oder nicht wahrnehmbarer Tatsachen herleitet. Wie sich die Beschreibung gestalten darf, ist für die Reichweite des Gefahrenbegriffs im Hinblick auf die von ihm erfaßten Sachverhalte von kaum zu überschätzender Bedeutung. Im Grundsatz muß eine mehr oder 78

Dazu Grimm, Wandel, bes. S. 165 f. Vgl. auch Ossenbühl, Ermessens- und Beurteilungsspielraum, S. 466; HoffmannRiem, „Anscheinsgefahr", S. 327. 80 Dazu Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 9 f. 79

Β. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

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weniger gesicherte Tatsachenbasis vorhanden sein. Exakt festgelegt sind die Anforderungen aber nicht. Hier liegen Anknüpfungspunkte fur Erweiterungen vor allem in die Richtung des Gefahrenverdachts. 81 In welcher Weise die beobachteten Tatsachen beschrieben werden, wirkt sich unmittelbar auf den für die Prognose maßgeblichen Zeitpunkt aus. In den üblichen Definitionen sind die Anforderungen an den Prognosezeitpunkt in der Formulierung enthalten, daß „bei ungehindertem Ablauf des Geschehens" ein Schaden entstünde. Man kann dies aber noch präzisieren. Je weitreichender und je konkreter die Anforderungen an die Tatsachenbasis sind, desto näher wird auch der Zeitpunkt der Prognose an den Schadenseintritt herangeschoben. Hinzu kommen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadens. Daraus ergibt sich, daß der Prognosezeitpunkt zum befürchteten Schadenseintritt hin zu verlagern ist, soweit es unter Berücksichtigung der Abwehrchancen möglich ist und die Prognosesicherheit mit Blick darauf erhöht, daß sich die verfügbaren Daten als solche und deren Relevanz im Rahmen der Beurteilung verändern können. 82 Bei den Regeln, die die Schlußfolgerung von einer gegenwärtigen auf eine künftige Lage stützen sollen, greift man auf Erfahrungssätze zurück. Dabei geht man im traditionellen Gefahrenabwehrrecht davon aus, daß Prognosen regelmäßig von Kausalitätsbehauptungen getragen werden. 83 Konnten bestimmte Umstände in der Vergangenheit als Ursache von Schäden ausgemacht werden, rechtfertigt ihr Vorliegen die Befürchtung, daß in der Zukunft solche Schäden eintreten, sofern nicht eingeschritten wird. Als Grundlage der Anerkennung von Kausalitätsbehauptungen werden praktische Lebenserfahrungen einerseits und wissenschaftlich, insbesondere statistisch abgesicherte Erkenntnisse andererseits einander gegenübergestellt. 84 Pauschale Abgrenzungen und Präferenzen lassen sich aber kaum formulieren. Meist wird eine Mischung verschiedener Erfahrungssätze eingesetzt werden. Art und Kombination der herangezogenen Erfahrungssätze haben in den verschiedenen Regelungsbereichen des Gefahrenabwehrrechts spezifische Formen. 85 So spielen sachverständig-wissenschaftliche

81

Dazu noch Kap. 1 Punkt B.III.2.a. Noch stärker auf den letztmöglichen Zeitpunkt abstellend Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 50, 55 ff., 77 ff. 83 Ausdrücklich etwa PrOVG, PrVwBl 1894/1895, S. 125 (126): „Diese Besorgniß beruht auf dem ursächlichen Zusammenhange der Dinge, auf dem Erfahrungsurtheil, daß aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetze der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden." Dies wird in BVerwGE 72, 300 (315), als „klassischer" Gefahrenbegriff bezeichnet. Siehe auch von Müller, Möglichkeit, S. 93; Scholz, Gefahr, S. 15 f. 84 Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 151; Erichsen, Handlungsvollmachten, S. 186. Vgl. auch von Müller, Möglichkeit, S. 93. 85 Vgl. auch etwa Scherzberg, Risiko, S. 492. 82

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

Erkenntnisse im Bereich des Umweltschutzrechts, in dem es häufig um die auch verfahrensrechtlich abgesicherte Genehmigung von Anlagen geht, eine größere Rolle als im Polizeirecht. Im übrigen ist der Grad von Bedeutung, der für die auf der gegenwärtigen Basis gebildete Erwartung, daß die Prognose sich bestätigt, angegeben werden kann. Für die Prognose einer konkreten künftigen Lage ist er sowohl von der Form der Beschreibung der Tatsachen als auch von der zeitlichen Nähe zum erwarteten Schadenseintritt abhängig. Im Rahmen der zu treffenden Prognose lassen sich der Begriff der Möglichkeit und der der Wahrscheinlichkeit eines Schadens differenzieren. Die Wahrscheinlichkeit ist gegen die Unwahrscheinlichkeit abgegrenzt und auch „mehr" als die bloße Möglichkeit. 86 Die beiden Begriffe unterscheiden sich jedoch keineswegs nur hinsichtlich des Grades, mit dem man die Bestätigung der Prognose erwarten darf. Unterschiede lassen sich vielmehr auch für die beiden anderen Gesichtspunkte feststellen. Für die Möglichkeit eines Schadens reicht es aus, daß ein Umstand vorliegt, der einen Schaden verursachen kann. Die Wahrscheinlichkeit zeichnet sich dagegen dadurch aus, daß alle als prognoserelevant erkennbaren Umstände in die Beurteilung einzubeziehen sind und unter Berücksichtigung der die Prognose stützenden Regeln die Umstände, die Schadensbedingungen sind, untereinander und mit den dem Schadenseintritt entgegenstehenden Gesichtspunkten abgewogen werden. 87 Der maßgebliche Zeitpunkt der Prognose ist bei der Möglichkeit eines Schadens nicht aus dem Begriffszusammenhang heraus festgelegt. Die Wahrscheinlichkeit eines Schadens erfordert demgegenüber, ihn zum befürchteten Schadenseintritt hin zu verlagern, soweit es im Hinblick auf die Abwehrchancen möglich ist und die Prognosesicherheit erhöht. Erst und nur auf dieser Basis läßt sich der Grad der Wahrscheinlichkeit nach Maßgabe einer Beurteilung der Erfahrungssätze, die die Schlußfolgerung prägen, mit Anspruch auf Genauigkeit differenzieren. Wegen dieser Zusammenhänge paßt sich in stringenter Weise nur die Wahrscheinlichkeit - dies freilich mit dem Spektrum denkbarer Wahrscheinlichkeitsgrade - in den Bauplan der Gefahrenabwehr und des Gefahrenbegriffs ein. Der jeweils geforderte Wahrscheinlichkeitsgrad kann dann von anderweitigen Faktoren abhängig gemacht werden. Die Bestimmung des Wahrscheinlichkeitsgrades selbst wird dadurch nicht relativiert; sie bleibt unberührt. Die Prognose wird zum Beispiel in einen normativen Kontext eingebettet, wenn die Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad je nach Gewicht des geschützten

86 87

Vgl. Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 35 f. Siehe dazu Scholz, Gefahr, S. 20 ff.; Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 36 ff.

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Rechtsgutes und Ausmaß des prognostizierten Schadens variieren. 88 Das damit eröffnete Spektrum reicht von rein situativen Differenzierungen bis hin zu unterschiedlichen Bewertungen von Rechtsgütern. Erst solche Aufschlüsselungen liefern für das Gefahrenverständnis eine solide Grundlage und decken die Ansatzpunkte von Erweiterungen auf. Sie werden im Gefahrenabwehrrecht allerdings selten gemacht. Gerade zur Prognoserelation finden sich eine Fülle von Formulierungen, die zunächst in der Rechtsprechung auftauchen und die man wiederholt oder aneinanderreiht: Nicht jede entfernte Möglichkeit begründet die Befürchtung eines Schadens; er muß aber auch nicht mit Gewißheit vorhersehbar sein. Voraussetzung ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Bei der Gefahr besonders großer Schäden gehört dazu jedoch ausnahmsweise auch die nur entfernte Möglichkeit. Mit dem Eintritt des Schadens muß in überschaubarer Zukunft zu rechnen sein; er braucht aber keineswegs unmittelbar bevorzustehen, sondern kann unter Umständen noch Jahre auf sich warten lassen.89 Bei einer solchen Auflistung mischen sich Anforderungen an die der Prognose zugrunde liegende Tatsachenbasis, zeitliche Elemente, der Grad der Erwartung der Bestätigung der Prognose und die Variabilität der Anforderungen an diesen Grad mit Blick auf Rechtsgut und Schadensausmaß. Bei näherem Hinsehen relativiert sich jedoch zumindest hinsichtlich der Rechtsprechung der Eindruck diffuser Maßstäbe im Rahmen des Gefahrenverständnisses, wenn man die jeweiligen Ausführungen im Kontext der Entscheidungsgründe des zu beurteilenden Falles mitvollzieht und richtig einordnet. So wird der Begriff der „Möglichkeit" eines Schadens in dreifacher Bedeutung verwendet. Manchmal wird er - ähnlich wie die „Annahme" oder die „Vermutung" - gegen den Begriff der „Tatsachen", auf die die Schlußfolgerung gestützt wird, abgegrenzt. 90 Manchmal ist er durch die Konzentration auf nur einen bestimmten, gegebenenfalls schadensverursachenden Umstand im Unterschied zur

88

Vgl. dazu BVerwG, NJW 1970, S. 1890 (1892); BVerwG NVwZ 1987, S. 970 (973 m.w.N.); Ossenbühl, Ermessens- und Beurteilungsspielraum, S. 466; Hansen-Dix, Gefahr, S. 38 ff., 134 ff. 89 Zu den häufiger zitierten Formulierungen der Rechtsprechung: PrOVGE 45, 339 (340); 61, 332 (334 ff.); 77, 341 (345); 78, 272 (278); 87, 301 (310). 98, 81 (86); BVerwG, NJW 1970, S. 1890 (1892). Aus der Literatur vgl. Scholz, Gefahr, S. 20 ff.; aufschlüsselnd zur Rechtsprechung des PrOVG Heuer, Generalklausel, S. 177 ff, 196 ff. Außerdem Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr S. 223 ff.; Götz, Polizeiund Ordnungsrecht, Rn 142; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 54, 56. 90 Vgl. PrOVGE 78, 272 (278): „Zur Annahme einer solchen Gefahr genügen nicht allgemeine Vermutungen und Möglichkeiten; vielmehr müssen bestimmte Tatsachen vorliegen, aus denen auf den Eintritt der Gefahr mit Sicherheit oder doch mit naheliegender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann." Außerdem PrOVG, PrVwBl 1921/1922, S. 370 (371); PrOVGE 45, 339 (340).

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Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände gekennzeichnet.91 Überwiegend ordnet er sich aber nur - im Hinblick auf die Relativierung der Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad mit Blick auf Rechtsgüter und Schadensausmaß - in ein Spektrum von Wahrscheinlichkeitsgraden ein und steht dabei zwischen der Wahrscheinlichkeit und der Unwahrscheinlichkeit oder der Ausschließbarkeit eines Schadens. Er ist dabei häufig ebenso wie die Wahrscheinlichkeit Ergebnis einer Abwägung zu dem maßgeblichen Prognosezeitpunkt. 92 Für den Zeitpunkt ist zu erinnern, daß der maßgebliche Prognosezeitpunkt vor dem befürchteten Schadenseintritt nicht absolut, sondern relativ zur Effektivität von Abwehrmaßnahmen zu bestimmen ist. Bei Schäden, die schleichend und kontinuierlich entstehen oder plötzlich auftreten, kann er deshalb durchaus weit vorgelagert sein, ohne daß sich an der rechtlichen Anforderung, ihn zwecks Absicherung der Prognose so weit wie möglich zum befürchteten Schadenseintritt hin zu verlagern, etwas ändert. 93 Trotz der Notwendigkeit einer genaueren Einordnung sind die Variationen der rechtlichen Vorgaben für die Prognose freilich auch damit zu erklären, daß sie die offene oder latente Funktion haben, eine Flexibilität für das Gefahrenund Gefahrenabwehrverständnis und für künftige Entscheidungen zu erhalten. Die Spielräume ermöglichen zum Teil einfach nur, die Abwägung in bestimmten Entscheidungskonstellationen zu verkürzen und einen Fall dezisionistisch zu entscheiden. M i t ihrer Hilfe versucht man aber auch, den Gefahrenbegriff insbesondere für Ungewißheitskonstellationen auszudehnen und Tätigkeiten, vor allem vorbeugende und vorsorgende Maßnahmen, unter die Gefahrenabwehr zu fassen, die nach ihren Zielen und ihrer Struktur eigentlich anders zu beschreiben wären. In der Systematik des Gefahrenbegriffs ist dies freilich nur begrenzt und gegebenenfalls nur mit Brüchen möglich. Schwierigkeiten entstehen bereits, wenn die gegenwärtige Sachlage, die die Basis der Schadensprognose ist, nicht hinreichend sicher beschrieben werden kann. Wird sogar das Kausalschema, das Schlußfolgerungen aufgrund von Erfahrungssätzen zugrunde liegt, unsicher, kann man dies rechtlich nur mit neuen Ansätzen bewältigen. 94 Ähnliche Folgen

91

Vgl. etwa PrOVGE 38, 356 (357). Dies deutlich in BVerwG, NJW 1970, S. 1890 (1892 f.): „Bei der Gefahr besonders großer Schäden (gehört) zur hinreichenden Wahrscheinlichkeit4 ... auch die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts. ... (Ob) ... eine schädliche Verunreinigung des Grundwassers ... nicht unwahrscheinlich, also zu besorgen ist ...., hängt von der Abwägung aller Umstände ab, aus denen sich ein Anlaß zur Sorge ergeben kann." 93 So ist bei BVerwG, NJW 1970, S. 1890 (1892), zu berücksichtigen, daß der Schaden im Falle eines Defekts in nahe einem Wasserschutzgebiet gelagerten Öltanks plötzlich, aber nicht unbedingt sofort auftritt. 94 Siehe dazu BVerwGE 72, 300 (315 f.). Vgl. außerdem Di Fabio , Risikoentscheidungen, hier zusammenfassend S. 451; dens., Gefahr, S. 568 f.; Ladeur, Umweltrecht, S. 92

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kann es nach sich ziehen, wenn man die gewohnten selektiv-punktuellen Betrachtungen aufgibt, also etwa statt der Beurteilung bestimmter Umweltauswirkungen einer vorhandenen Anlage, der sich summierte Schäden oder synergetische Effekte entziehen, holistische Lösungen anstrebt. 95 Im Ergebnis zählt das Element der Prognose im Rahmen des Gefahrenbegriffs zu den zentralen Faktoren, die die Verselbständigung von Regelungsbereichen aus dem allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr bedingen. b) Die Interpretationen des Gefahrenbegriffs in den polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen Trotz oder vielleicht gerade wegen der Tradition der Gefahrenabwehrklausel war und ist die Interpretation der polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen in ihrer im MEPolG konzipierten Form nicht so gesichert, wie man meinen könnte. Grundlage ist der oben genannte Gefahrenbegriff, nach dem bei einer gegenwärtigen Sachlage unter der Annahme eines ungehinderten Ablaufs des Geschehens nach Maßgabe einer Prognose ein künftiger Schaden fur die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu erwarten ist. Man ist um flexible Interpretationen und um Modifikationen bemüht, soweit sich gerade für das polizeiliche Handeln spezifische Probleme stellen. Anhand der aufgeschlüsselten Komponenten des Gefahrenbegriffs kann man die Anknüpfungspunkte und die Folgen einer entweder mehr oder weniger weit gefaßten Interpretation der Aufgabennormen der Polizeigesetze näher bestimmen. Es entspricht der überkommenen Auslegung der Gefahrenabwehrklausel, die als Grundlage auch für Polizeiverordnungen angesehen wurde, daß darunter sowohl konkrete als auch abstrakte Gefahren fallen. Vor allem wegen ihrer Verknüpfung mit jeweils verschiedenen staatlichen Handlungsformen stellen diese beiden Formen der Gefahr die traditionell relevante Unterscheidung dar. Konkrete Gefahren sind Gefahren, die im Einzelfall bestehen. Sie lassen sich nur bei Abwägung sämtlicher relevanten, jeweils gegebenen konkreten Umstände bejahen. Sie rechtfertigen gefahrenabwehrende Maßnahmen und die Inanspruchnahme verantwortlicher Personen im konkreten Fall. In diesem Zusammenhang kann auch der Gefahrenverdacht eingeschlossen werden, bei dem in einer konkreten Situation bestimmte tatsächliche Gesichtspunkte ungewiß und zunächst Maßnahmen zur Gefahrerforschung erforderlich sind. 96 Abstrakte Gefahren beruhen demgegenüber auf einer Feststellung von schadensverursachen-

9 ff; Preuß, Risikovorsorge, S. 529 ff.; Wahl/Appel, Prävention, S. 4 ff., 29 ff., 84 ff.; Wolf Antiquiertheit, bes. S. 388 ff. 95 Vgl. dazu Masing, Kritik, S. 551 ff. 96 Zu der vor allem im Zusammenhang mit der Generalermächtigung diskutierten Einbeziehung des Gefahrenverdachts vgl. noch näher Kap. 1 Punkt B.III.2.a.

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den Umständen, bei denen aufgrund von Aussagen über Häufigkeitsbeziehungen typischerweise und insofern unabhängig von weiteren Umständen in Einzelfällen ein Schadenseintritt erwartbar ist. 97 M i t Blick auf die Erfahrungen in einer Vielzahl von Fällen in der Vergangenheit ist für den Fall, daß derartige Umstände vorliegen, auch im jeweiligen Einzelfall ein Schaden zu befürchten. Solche typischen Schadensursachen bieten Anlaß für eine ihnen entgegenwirkende Norm, weil es unsinnig wäre, ihnen ausschließlich in den entsprechenden Einzelfällen zu begegnen.98 Der Begriff der abstrakten Gefahr liegt daher Regelungen über Gefahrenabwehrverordnungen zugrunde. 99 Die Kriterien der Unterscheidung von konkreter und abstrakter Gefahr bestehen somit nicht darin, daß die Gefahr bei der konkreten Gefahr gesteigert wäre oder daß die Prognoseanforderungen bei der abstrakten Gefahr reduziert würden. 100 Sie unterscheiden sich im Hinblick auf die Beschreibung des Sachverhalts, der der Gefahrenlage zugrunde gelegt wird, und im Hinblick auf die der Gefahrenabwehr dienende Reaktion. 101 Deshalb ist der Begriff der abstrakten Gefahr aber auch lediglich im ordnungsbehördlichen Bereich relevant, und eine Reihe von Polizeigesetzen enthalten gar keine Verordnungsermächtigung mehr. 102 Eine aus dem traditionellen Verständnis der Generalklausel folgende Beschränkung der polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisung auf konkrete und abstrakte Gefahren, die die Polizei im Ergebnis auf die Abwehr konkreter Gefahren festlegte, ist schon im Rahmen der Beratungen des MEPolG als problematisch empfunden worden. Schwierigkeiten bereiteten gerade vorsorgende und vorbeugende Maßnahmen. Streit hat es bereits darum gegeben, ob die sich an die Generalklausel anschließende Aufgabenbeschreibung bestimmte eingeübte Vorgehensweisen der Polizei - wie Streifenfahrten oder allgemeine Aufklä97 Der Begriff der abstrakten Gefahr wird in §§ 2 Nr. 2 NGefAG, 3 Nr. 3 lit. f SOG LSA definiert als eine nach allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mögliche Sachlage, die im Falle ihres Eintritts eine Gefahr darstellt. Vgl. auch etwa BVerwG, NJW 1970, S. 1890 (1892); BVerwG, DVB1 1973, S. 857 (858 f.). 98 Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 28 f. 99 Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 145; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 65. Vgl. auch aus jüngerer Zeit zu Kampfhundeverordnungen BayVerfGH, NVwZ-RR 1995, S. 262(262 ff.); VGH Mannheim, NVwZ 1992, S. 1105 (1106 ff.); OVG Saarland, NVwZ-RR 1992, S. 626 (626 f.); OVG NW, NVwZ 1997, S. 806 (806 ff.). 100 Vgl. Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 111 f.; Denninger, Polizeiaufgaben, Rn 32. Daß die zeitliche Nähe oder der Wahrscheinlichkeitsgrad nicht die zentralen Unterscheidungskriterien sind, heißt allerdings nicht, daß Wahrscheinlichkeitsurteil und Einschreitzeitpunkt sich im Falle einer konkreten Gefahr und im Falle einer abstrakten Gefahr nicht unterschieden. Undeutlich etwa BVerwG, NJW 1970, S. 1890 (1892). 101 Götz, Polizei-und Ordnungsrecht, Rn 145; Ipsen, Gefahrenabwehrrecht, Rn 127 ff.; vgl. auch BVerwG, DVBl 1973, S. 857 (859). 102 Rachor, Polizeihandeln, Rn 49.

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rungsmaßnahmen zur Verbrechensvorbeugung - überhaupt deckt. Noch mehr Zweifel weckten Befugnisse wie die in § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 MEPolG geregelten Befugnisse zur Identitätsfeststellung und die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG festgehaltene Befugnis zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten. Die „Arbeitsgruppe Harmonisierung" schlug daher eine Neufassung der Aufgabenbeschreibung vor. Danach sollte der Polizei die Aufgabe obliegen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Diese Fassung, die in der öffentlichen Diskussion auf scharfe Kritik stieß, wurde bei der endgültigen Verabschiedung des MEPolG durch die Innenministerkonferenz nicht übernommen, weil man Fehlinterpretationen befürchtete. 103 Statt dessen bemühte man sich, ohne daß dies jedoch in der Begründung des MEPolG näher ausgeführt wird 1 0 4 , um ein erweiterndes Verständnis des Gefahrenbegriffs. Soweit man nunmehr erweiternde Interpretationen des Gefahrenbegriffs der Aufgabenzuweisungen herzuleiten versucht, stützt man sich auf verschiedene, allerdings miteinander zusammenhängende Argumentationsmuster. Manchmal argumentiert man mit der Systematik von Aufgaben und Befugnissen und mit dem gegebenen Spektrum an polizeilichen Tätigkeiten und Befugnissen. Aus der Unterscheidung zwischen der Aufgabenzuweisung der Gefahrenabwehr und dem engeren Bereich der verschiedenen gesetzlichen Befugnisse zu Eingriffsmaßnahmen ergebe sich folgerichtig ein außerhalb des engeren Bereiches bestehender Handlungsraum, der das Eigenhandeln der Polizei als Gefahrenabwehr mit den eigenen Mitteln des staatlichen Personals und der staatlichen Sachmittel und die Präsenz und Vorbeugung im Vorfeld der konkreten Gefahr umschließe. 105 Sofern einige Standardbefugnisse nicht an eine konkrete Gefahr anknüpften, sei zugrundezulegen, daß die Polizei „in jedem Falle .... die Aufgaben (habe), die sich aus ihren Befugnissen ergeben". 106 Manchmal erstreckt man die Aufgabenzuweisungen über abstrakte und konkrete Gefahren hinaus auf 103 Vgl. die Darstellung bei Heise/Riegel, Musterentwurf, Anm. 2 zu § 1 Abs. 1. Außerdem Sydow, Verbrechensbekämpfung, S. 123 ff.; Riegel, Musterentwurf, S. 176; ders., Entwicklungstendenzen, S. 19. 104 Erweiterungen des Gefahrenbegriffs in der Aufgabenzuweisung lassen sich nur mit Blick auf andere Ausfuhrungen rückschließen. Zu § 8 Abs. 1 MEPolG heißt es, daß die Polizei im Bereich schlicht-hoheitlicher Verwaltung (z.B. Streifenfahrt, allgemeine Verkehrsüberwachung) unmittelbar aufgrund von § 1 Abs. 1 Satz 1 tätig werden könne und insoweit an das Vorliegen einer konkreten Gefahr nicht gebunden sei, vgl. die Begründung in: Heise/Riegel, Musterentwurf, S. 43. Zu § 10 Abs. 1 MEPolG wird ausgeführt, daß die „vorbeugende Bekämpfung von Straftaten" ein Unterfall der Gefahrenabwehr im Sinne des § 1 Abs. 1 sei. Eine konkrete Gefahr im Sinne von § 8 sei nicht erforderlich. Der gefahrenabwehrende Charakter der Regelung werde durch die Beschränkung auf Fälle der Wiederholungsgefahr verdeutlicht, siehe die Begründung in: Heise/Riegel, Musterentwurf, S. 53. 105 Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 174. 106 Heise/Riegel, Musterentwurf, Anm. 2 zu § 1 Abs. 1.

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„allgemeine Gefahren" }01 Sie seien einbezogen, soweit der Gesetzgeber in Art. 2 BayPAG darauf und im übrigen ohne weitere Konkretisierung 108 nur auf Gefahren abstelle, und bezeichneten die Möglichkeit des Eintritts von Schäden bei bestimmten Sachlagen.109 Diese gelte es vorbeugend abzuwehren. Somit fielen unter die Aufgabennorm Streifenfahrten, Warnungen, Belehrungen, ferner alle Aufgaben, die unter „Vorfeldbeobachtung" zusammengefaßt würden. 110 Teilweise wird der Begriff der „allgemeinen Gefahr" dahin beschrieben, daß dabei die Art und Weise des Schlusses auf Schäden offen bleibe. Gefahr als Zweckprogrammierung der Schadensabwehr könne so verstanden werden, ohne daß definiert sei, wann und auf welche Weise die Polizei zur Ansicht kommen dürfe, daß ein Schaden drohe. 111 Die Argumentationsmuster haben jedoch sowohl in ihren Anknüpfungspunkten als auch mit Blick auf ihre Folgen hinsichtlich der normativen Funktionen der Aufgabenbestimmung erkennbare Schwächen. Die Erwägungen zur Systematik von Aufgabe und Befugnissen leiden daran, daß das Gefahrenverständnis nicht in Anknüpfung an den Normtext der jeweiligen Aufgabenzuweisung hergeleitet wird und die auf den Vergleich mit den Befugnissen gestützte Erweiterung keineswegs eine Folgerichtigkeit in Anspruch nehmen kann. Es ist schließlich möglich - und genau das war Gegenstand der Diskussion um den MEPolG -, daß bestimmte polizeiliche Tätigkeiten nicht von der Aufgabenzuweisung gedeckt werden und daß einige Befugnisse sich nicht in deren Rahmen halten. Somit wird in die Aufgabenzuweisung hineininterpretiert, was ihr dann 107 Vor allem Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 22 ff.; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 63 f.; Kniesel, Polizeigesetze, S. 379. Ähnlich im Anschluß daran Hoppe, Vorfeldermittlungen, S. 156 ff. 108 §§ 1 Abs. 1 BremPolG, 1 Abs. 1 Satz 1 NGefAG und 1 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA erfassen mit den Legaldefinitionen in § 2 Nr. 3 a BremPolG, § 2 Nr. 1 a, Nr. 2 NGefAG, und § 3 Nr. 3 a und f SOG LSA nur konkrete und abstrakte Gefahren. 109 Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl., Rn 65, und im Anschluß an ihn Kniesel, Polizeigesetze, S. 379; Kowalczyk, Datenschutz, S. 94 ff. Inzwischen ist Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 63, wohl als Reaktion auf die Entscheidung des BayVerfGH, DVB1 1995, S. 347 (348 f.), von dieser Definition abgerückt und beschreibt allgemeine Gefahren als zu erwartende konkrete Gefährdung der polizeilichen Schutzgüter, ohne jedoch hinreichend deutlich zu machen, welche Merkmale diese Definition in Unterscheidung zu konkreten Gefahren kennzeichnen. 110 Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 63; Kniesel, Polizeigesetze, S. 379; Kowalczyk, Datenschutz, S. 95 f. 111 Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 22 ff. Darnstädt versucht allerdings, den Begriff der allgemeinen Gefahr als ein die gesamte Aufgabe der Ordnungsverwaltung umschreibendes Merkmal zu erfassen, dessen Funktion darin bestehen soll, die Polizei im umfassenden Sinne von wohlfahrtsstaatlichem Engagement zurückzuhalten und auf die Abwehr von Schäden einzugrenzen. Eine solche Vorstellung kann man nur dann entwikkeln, wenn man den Gefahrenbegriff ganz abstrakt und losgelöst von den Regelungsbereichen zu definieren versucht, in denen er in bestimmten Normen eingesetzt wird. Es handelt sich deshalb um einen eher theoretischen als normativen Ansatz.

Β. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

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wieder zu entnehmen sein soll. Das wird augenfällig in der Aufzählung der Tätigkeiten, die darunter fallen sollen. Die Erstreckung des Gefahrenbegriffs der Aufgabenzuweisungen auf „allgemeine Gefahren" mag auf den ersten Blick als handhabbare Erweiterung erscheinen. Doch der Eindruck täuscht. Der Begriff findet sich zwar ausdrücklich in Art. 2 BayPAG. Gerade in diesem Rahmen wird er jedoch meist mit der abstrakten Gefahr gleichgesetzt. 112 Definiert man dagegen eine „allgemeine Gefahr" als bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts, werden die Aufgabenzuweisungen entgrenzt. Diese Folge ergibt sich als Ziel schon angesichts der ihr dann zugeordneten Tätigkeiten - Streifenfahrten, vorbeugende Aufklärungstätigkeiten oder Vorfeldbeobachtungen -, wobei diese freilich nicht hergeleitet, sondern nur aufgezählt werden. Eine Entgrenzung müßte man aber auch dann feststellen, wenn man unter Rückgriff auf die oben aufgeschlüsselten Komponenten des Gefahrenbegriffs die Art und Weise des Schlusses auf Schäden offen oder die Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen läßt. Bei diesen Abstraktionen der Begriffskomponenten wären nicht lediglich die Anforderungen an die Schlußfolgerungsbeziehung von einer gegenwärtigen Sachlage auf einen künftigen Zustand herabgesenkt. Vielmehr würde die fur die Prognose erforderliche Tatsachenbasis reduziert. Es genügte, daß ein Umstand vorliegt, der nach allgemeiner Erfahrung zu einem Schaden führen könnte. Dies würde noch gesteigert, wenn man dabei - wie es für die Erfassung aller einbezogenen vorbeugenden oder vorsorgenden Maßnahmen erforderlich wäre - Annahmen, hypothetische oder potentielle Umstände ausreichen ließe. Zugleich würde das Erfordernis einer zeitlichen Nähe zwischen der Situation zum Zeitpunkt der Prognose und dem Schadenseintritt aufgegeben. Es ist daher konsequent, den Begriff der Gefahr in dem Fall, in dem die Art und Weise des Schlusses auf Schäden offen gelassen wird, als Bestandteil einer Zweckprogrammierung zu bezeichnen. Zweck soll allerdings die GefahrenaMfe/z/- bleiben. Das Problem gerade im Polizeirecht ist nur, daß sich hier unter solchen Umständen die Möglichkeit eines Schadenseintritts stets bejahen läßt und Eingrenzungen, sei es auf eine Schadensabwehr, sei es auf bestimmte Formen der Vorbeugung oder Vorsorge, nicht mehr zu begründen sind. An diesem Punkt unterscheidet sich das Polizeirecht nämlich von Konstellationen anderer, aus dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht ausdifferenzierter Rechtsgebiete. Wenn insbesondere im Umweltschutz- und im technischen Sicherheitsrecht die Möglichkeit von Gefahren oder dispositionelle Gefahrenla-

112

BayVerfGH, DVB1 1995, S. 347 (348 f.); Gallwas/Mößle, Polizei- und Sicherheitsrecht, Rn 91 ff.; vgl. auch Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 150. Danach soll eine allgemeine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dann bestehen, wenn ein Zustand nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefahr oder eine Störung erwarten läßt.

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gen 113 erfaßt werden, zeichnet es diese Vorverlagerung aus, daß sie einen Bezugspunkt hat, dem eine Schadensgeneigtheit zugeschrieben werden kann. Dabei handelt es sich vor allem um Anlagen, an die Sicherheitsanforderungen gestellt werden. Zugleich werden dadurch Anknüpfungspunkte für vorbeugende oder vorsorgende Maßnahmen konturiert. Trotzdem mögen bereits in diesen Fällen Grenzen allein über den Begriff der dispositionellen Gefahr nur noch schwer zu entwickeln sein. Im Polizeirecht fehlt es an einem solchen Bezugspunkt jedoch von vornherein, soweit man nur auf den Verweisungsbegriff der „öffentlichen Sicherheit" zurückgreifen kann. Die Möglichkeit von Gefahren für die davon erfaßte Unversehrtheit der Rechtsordnung oder der Rechtsgüter durch nicht näher konkretisierte Gegebenheiten besteht immer und überall. 114 Das gilt um so mehr, wenn die Möglichkeit einer Gefahr nicht nur tatsächlich vorhandene Umstände, die im Rahmen eines Kausalzusammenhanges zum Eintritt eines Schadens führen könnten, sondern auch hypothetische oder potentiell gegebene Umstände einbezieht. Klammerte man diese aus, würden einige der unter den allgemeinen Gefahrenbegriff gefaßten Tätigkeiten - Streifenfahrten, vorbeugende Aufklärungstätigkeiten oder Vorfeldbeobachtungen - nämlich immer noch nicht erfaßt, weil ein tatsächlich vorliegender schadensverursachender Umstand dabei nicht ersichtlich ist. Der Begriff der „allgemeinen Gefahr" müßte also in dieser Reichweite angelegt werden, damit er die Erweiterung der Aufgabenzuweisung, die dadurch erreicht werden soll, überhaupt leistet. Bei einem solchen Verständnis verliert der Begriff der Gefahrenabwehr, der die Aufgabenzuweisung der Polizeigesetze prägt, aber jegliche Kontur. Unterschiede, die die Ziele und Strukturen polizeilicher Tätigkeiten aufweisen, werden verwischt. Vor allem würden vorbeugende und vorsorgende Tätigkeiten unter Gefahrenabwehrperspektiven gepreßt, unter die sie nicht wirklich passen. 115 Gefahrenabwehr ist darauf angelegt, laufende Kausalketten im Rahmen einer gegebenen Situation zu unterbrechen, bevor sie zur Schutzgutverletzung führen. 116 Vorbeugung, Vorsorge oder Vorfeldmaßnahmen greifen darüber hinaus. Es handelt sich auch um Tätigkeiten mit ganz unterschiedlichen Funktio-

113 Vgl. dazu Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 62 ff.: Mit dem Begriff der Disposition wird die Fähigkeit einer Sache bezeichnet, unter bestimmten Umständen in bestimmter Weise zu reagieren. Bei dispositionellen Gefahren gibt es Bedingungen, die die Schadensgeneigtheit einer Sache begründen, so daß das Hinzutreten weiterer Umstände die konkrete Gefahr eines Schadens erwarten läßt. 114 Diese Überlegung findet sich auch bei Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 138. 115 Aufschlußreich die Ausfuhrung bei Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl., Rn 65 (Hervorh. i. Orig.): Bei der allgemeinen Gefahr spricht man im Gegensatz zur Gefahrenabwehr von Gefahrenvorbeugung oder Gefahrenwehr. 116 Loschelder, Rasterfahndung, S. 352 (mit nachfolgenden Erörterungen und Erweiterungen); Staats, Aufgabenzuweisung, S. 158.

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nen. 117 Teilweise betreffen sie Maßnahmen, die dem Entstehen von Gefahren vorbeugen oder Handlungsmöglichkeiten in künftigen Situationen sicherstellen sollen. Zum Teil geht es um die Frage, wie man die Informationen erhält, die auf eine Gefahr aufmerksam machen. So haben die genannten Streifenfahrten nicht allein die Funktion, Gefahren vorzubeugen, sondern vor allem auch die Funktion, bestehende Gefahren zu entdecken.118 Den mit dem Begriff der allgemeinen Gefahr bewirkten Entgrenzungen der Gefahr und der Gefahrenabwehr stehen die - oben bereits beschriebenen 119 Funktionen entgegen, die Aufgabenzuweisungen im normativen Kontext zukommen. Theoretisch mögen Zweck/Mittel-Beschreibungen oder Gefahrenabwehr, Gefahrenvorsorge und Vorfeldmaßnahmen aufgrund der Veränderbarkeit des Bezugskontexts variabel sein. Eine Rechtsnorm zielt jedoch gerade darauf, aus dem theoretisch denkbaren Spektrum von Beschreibungsweisen bestimmte Formen auszuwählen und insoweit Rechtsbindungen festzulegen. Im Falle einer Auslegung, bei der sie das nicht mehr leistet, wird sie überflüssig und liefe in ihrer determinierenden Funktion leer. Für Aufgabenzuweisungen gilt das, soweit sie die Rechtsgrundlagen für exekutive Tätigkeiten sein sollen, die keiner gesonderten gesetzlichen Regelung mehr bedürfen. Es gilt aber auch, sofern sie Maßstäbe und einen begrenzenden Rahmen für die Befugnisse liefern und deren Auslegung anleiten sollen. Im Falle einer entgrenzenden Interpretation der Aufgabennorm entfielen die Determinationsleistungen und der rechtsstaatliche Gewinn, der mit der Differenz von Aufgaben und Befugnissen gerade erreicht werden soll. Der Begriff der Gefahr kann im Regelungskontext der polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisung der Gefahrenabwehr somit nicht ausgedehnt oder als bloße Zweckprogrammierung verstanden werden, ohne daß die Aufgabenbestimmung ihre normativen Funktionen verliert. Das Problem liegt offensichtlich tiefer. Das Polizeirecht ist - oder war es jedenfalls bis zu den Neuregelungen der Aufgaben - einerseits noch auf eine Gefahrenabwehrklausel ausgerichtet, die in ihrer überkommenen Form bereichsübergreifend angelegt, insoweit aber auch auf die Lösung bestimmter Fragen konzentriert war. Andererseits sind der Aufgabenzuweisung im Rahmen der Trennung von Aufgaben und Befugnissen rechtsstaatlich geprägte normative Funktionen zugewiesen, die erweiternden Auslegungen Grenzen setzen. Der Gesetzgeber muß deshalb die Aufgabenbestimmung neu formulieren, wenn eine im Vergleich zur überkommenen Gefahren-

117

Zutreffend differenzierend Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 141 ff.; Staats, Aufgabenzuweisung, S. 158 ff. 118 So auch Staats, Aufgabenzuweisung, S. 159: „Die Polizei ist ..., bis eine Gefahr entdeckt wird, keineswegs mit , Gefahrenabwehr 4 beschäftigt, sondern, wenn man so will, mit,Gefahrensuche'." 119 Kap. 1 Punkt A.II.

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

abwehr spezifizierte und dabei auch erweiterte polizeiliche Tätigkeit rechtlich abgesichert werden soll. 3. Die Abwehr der Gefahren als Ziel- und Tätigkeitsbeschreibung Das letzte Tatbestandsmerkmal der Aufgabenzuweisungsnormen, das der Abwehr der Gefahren, verweist einerseits auf den erwünschten Zielzustand und andererseits auf das Handeln der Polizei, durch das dieser Zustand erreicht werden soll. Genau formuliert werden nicht Gefahren, sondern Schäden abgewehrt, indem man die als Gefahren qualifizierten Situationen beeinflußt. 120 Die Beseitigung bereits eingetretener Schäden ist eingeschlossen, soweit von der gegebenen Lage noch fortwirkende Gefahren ausgehen.121 Gefahrenabwehr setzt das Kausalschema und die Vorstellung voraus, daß Kausalverläufe vor der Schutzgutverletzung zu unterbrechen sind. Damit hängt sie von einem Bezugskontext ab, der im wesentlichen durch den Gefahrenbegriff konstituiert wird. 1 2 2 Umgekehrt wirkt sich, wie ausgeführt worden ist, das Element der Abwehr der Gefahren mit seiner spezifischen Ausrichtung der Tätigkeit auf die Konkretisierung des Gefahrenbegriffs aus. Im übrigen entspricht es den Kennzeichen einer Aufgabennorm, daß die Maßnahmen, die gewählt werden dürfen, damit das Ziel erreicht wird, über das Ziel zwar begrenzt werden, im näheren allerdings unbestimmt bleiben. Von der Struktur her wird deutlich, daß und warum erst die Unterscheidung von Aufgaben und Befugnissen zu einer hinreichenden Determination polizeilicher Tätigkeit führt. III. Grundformen und Modifikationen der Befugnisse Die Befugnisse zur Gefahrenabwehr ermächtigen die Polizei zu bestimmten Maßnahmen und regeln deren Voraussetzungen. Im folgenden sollen nach der Bestimmung des Bereichs, der aus traditioneller Sicht gesetzlicher Regelungen bedurfte, die Strukturen der Generalermächtigung und der Standardbefugnisse untersucht werden. Auch hierbei ist insbesondere von Interesse, wie die Normen

120 Siehe bereits PrOVG, PrVwBl 1894/1895, S. 125 (126 f.). Außerdem HansenDix, Gefahr, S. 21. 121 Hornmann, HSOG, § 11 Rn 24. 122 Vgl. auch Erichsen, Handlungsvollmachten, S. 177 ff. m.w.N.: Maßnahmen der Gefahrenabwehr von solchen der Gefahrenvorsorge abzusondern, stößt auf Schwierigkeiten, wenn man den einzelnen Sachverhalt nicht in raumzeitlicher Momentaufnahme isoliert, sondern in einem makroadministrativen Beziehungsgefüge betrachtet.

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zu verstehen sind und inwiefern sie einerseits erweitert und angepaßt, andererseits keineswegs beliebig ausgedehnt werden können. 7. Der Bereich gesetzlich zu regelnder Befugnisse Da hinter den Erfordernissen der gesetzlichen Regelung von Befugnissen zur Gefahrenabwehr vor allem rechtsstaatliche und demokratische Maßgaben sowie die Freiheitsgrundrechte und das Übermaßverbot stehen123, sind jene durch die Entwicklung der einschlägigen verfassungsrechtlichen Aussagen bedingt. Was an Eingriffs- oder Ermittlungsmaßnahmen festzulegen war, bestimmten vorrangig der Vorbehalt des Gesetzes und die Eingriffsabwehr. 124 Deren Konzeption wird wiederum von der in einer bestimmten Form konstruierten Unterscheidung von Staat und Gesellschaft und der Vorstellung der Impermeabilität des Staates geprägt. Es gibt also eine Reihe staats- und verfassungsrechtsdogmatischer Modelle, die den Bereich gesetzlich zu regelnder Befugnisse bestimmen, zugleich aber auch deutlich begrenzen. Die Befugnisse, die die Polizei zu bestimmten Maßnahmen ermächtigen, sind deshalb eine immer schon spezifische Beobachtung und Beschreibung der polizeilichen Tätigkeit. Bereits das polizeiliche Handeln ist erheblich vielfältiger, als es darin zum Ausdruck kommt. Polizeiliche Informations- und Datenverarbeitungen wurden, soweit man ihnen überhaupt Aufmerksamkeit schenkte, zwar an der Aufgabenzuweisung gemessen und in ihren Rahmen gestellt. Befugnisse hielt man dagegen regelmäßig für nicht nötig. Dieser Hintergrund spiegelt sich in den Regelungsinhalten des traditionellen Polizeirechts wider. Der Katalog der §§ 14 ff. PrPVG enthielt neben der Generalermächtigung zur Vornahme der notwendigen Maßnahmen gesondert die Befugnis, Personen in polizeiliche Verwahrung zu nehmen, die Befugnis zu Wohnungsdurchsuchungen sowie die Vorladung von Personen im Zwangswege. Darüber hinaus befaßte sich das Gesetz mit Polizeiverordnungen, polizeilichen Verfügungen sowie den Zwangsmitteln und polizeilichen StrafVerfügungen. Die in den §§ 9 ff. MEPolG geregelten Standardbefugnisse betreffen unter anderem die Identitätsfeststellung, erkennungsdienstliche Maßnahmen, die Vorladung, den Platzverweis, den Gewahrsam, die Durchsuchung von Personen, Sachen und das Betreten und die Durchsuchung von Wohnungen, die Sicherstellung und Verwahrung sowie den Verwaltungszwang. Die Befugnisse haben zwar zum Teil eine Informationskomponente, so die Durchsuchung oder die Identi-

123

Vgl. oben Kap. 1 Punkt A.II. Zum „klassischen" Eingriffsbegriff Albers, Grundrechtsbeeinträchtigungen, S. 234 m.zahlr.Nw. 124

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tätsfeststellung. 125 Soweit Regelungsnotwendigkeiten sich nicht - wie fur die Durchsuchung von Wohnungen - aus besonderen grundrechtlichen Gewährleistungen ergeben, sind die Befugnisse allerdings auch mit einem über den Informationsaspekt hinausgehenden Beeinträchtigungsgehalt verbunden. Etwa wird die Polizei im Rahmen der Befugnis zur Feststellung der Identität zu den weiter erforderlichen Maßnahmen, insbesondere zum Anhalten des Betroffenen oder zu Aufforderungen, Ausweispapiere auszuhändigen, ermächtigt. Deswegen erschien die Regelung der Befugnis erforderlich. Das traditionelle Polizeirecht kennzeichnet daher eine Ausklammerung von Tätigkeitsspektren, die inzwischen als Schutzlücke erschiene. Das heißt jedoch nicht, daß sich die Polizei immer schon im Vorfeld-, Vorbeugungs- und Vorsorgebereich bewegt hätte, ohne daß dies als Problem angesehen worden wäre. 1 2 6 Streifentätigkeiten und bestimmte Formen der Vorbeugung mögen zwar auch das überkommene Bild der Polizei mitbestimmen. Darüber hinaus sind aber von Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre an Umorganisationen, der Ausbau von Informations- und Datenverarbeitungstechniken und eine Erweiterung und systematische Nutzung präventiver Maßnahmen zu vermerken. 127 Es hat daher bereits im Rahmen der Erarbeitung des MEPolG Diskussionen um einen etwaigen Regelungsbedarf gegeben. Sie führten freilich (noch) zu dem Ergebnis, daß in ihn - im Unterschied zum AEPolG - keine Befugnisse zum Umgang mit Informationen und Daten aufgenommen wurden. 128 2. Die Struktur der Generalermächtigungen Nach den polizeigesetzlichen Generalermächtigungen, die sich an die ehemalige Generalklausel anlehnen, kann die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. 129 Da es sich in Abgrenzung zur Aufgabenzuweisung um eine generalklauselartige Befugnis handelt, liegt ihr Akzent auf den jeweils zulässigen Handlungen oder Entscheidungen sowie deren Voraussetzungen einerseits und Wirkungen andererseits. Vor dem Hintergrund der 125

Siehe dazu auch die zutreffenden Hinweise bei Peitsch, Informationsbeschaffung, S. 127 ff. 126 Vgl. aber die - nur begrenzt zutreffende - Sicht bei Kniesel, Grundlagen, Rn 41, die auch den neuen Aufgabennormen zugrunde liegt. 127 Vgl. auch Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 49 ff; Schlink, Bewältigung, S. 254 f. Ausfuhrlicher noch Kap. 2 Punkt A.III, und IV. 128 Dazu Riegel, Stand, S. 814. 129 Art. 11 Abs. 1 BayPAG, §§ 17 Abs. 1 ASOGBln, 10 Abs. 1 BbgPolG, 10 Abs. 1 BremPolG, 3 Abs. 1 HbgSOG, 11 Abs. 1 HSOG, 11 NGefAG, 8 Abs. 1 PolG NW, 9 Abs. 1 RhPfPOG, 8 Abs. 1 SPolG, 13 SOG LSA, 3 Abs. 1 SächsPolG, 12 Abs. 1 ThürPAG; abgewandelte Formulierungen in §§ 3 PolG BW, 13 SOG MV, 174 LVwGSH.

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rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Funktion einer gesetzlichen Regelung von Befugnissen ist es ein auffallendes Kennzeichen der Generalermächtigungen, daß sie der Polizei für ihre Entscheidungen Ermessen einräumen und die zulässigen Maßnahmen zudem kaum präzisiert werden. Diese Unbestimmtheit der Norm wird unter anderem mit Hinweis auf die Situationsabhängigkeit polizeilichen Handelns und auf die durch die Rechtsprechung geleisteten Konkretisierungen für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten.130 a) Gefahrensituationen und Ungewißheitskonstellationen Indem die Generalermächtigung in den meisten Polizeigesetzen ausdrücklich an eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr anknüpft, wird klargestellt, daß mit dem Begriff der Gefahr hier die „konkrete Gefahr" gemeint ist. „Konkret" wird sie nicht nur dadurch, daß ihr ein „konkreter Zustand" zugrunde liegt. Vielmehr sind sämtliche Komponenten des Gefahrenbegriffs einzelfallbezogen anzuwenden. Die „konkrete Gefahr", die „im einzelnen Falle besteht", liegt nur vor, wenn konkrete Umstände im Rahmen der gegebenen Lage, die umfassend und situationsbezogen zu erfassen ist, den Schluß auf eine künftige Sachlage erlaubt, die als Schaden zu qualifizieren wäre. Sie ist außerdem zeitpunktgebunden. Da die Informationen und die Prognose über den Geschehensablauf um so sicherer werden, je eher der befürchtete Schadenseintritt bevorsteht, sind der Prognosezeitpunkt und damit auch der Zeitpunkt des Eingreifens so nahe wie möglich an den voraussichtlichen Schadenseintritt heranzuschieben. 131 Das gilt auch wegen der Rechtsfolgen, die an das Vorliegen einer Gefahr anknüpfen: Je mehr Umstände in die der Beurteilung zugrunde liegende Tatsachenbasis einbezogen werden und je deutlicher Art und Ausmaß des befürchteten Schadens abzuschätzen sind, desto klarer zeichnen sich die Maßnahmen zur Abwendung des Schadens und die in Anspruch zu nehmenden Personen ab. 132 Maßnahmen der Gefahrenabwehr dürfen demnach getroffen werden, wenn die Wahrscheinlichkeit, daß man noch zu einer gefestigteren Beurteilungsgrundlage und Prognose über den weiteren Ablauf gelangt, kleiner wird als die Wahrscheinlichkeit, daß man bei weiterem Abwarten den Schaden nicht mehr verhindern können wird. 1 3 3 Auch der Wahrscheinlichkeitsgrad kann situationsbezogen bestimmt werden. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts dürfen um so geringer sein, je größer und folgenschwerer der möglicherweise 130

Vgl. dazu BVerfGE 49, 168 (182); 54, 143 (144 f.). Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 55 ff., 77 ff. 132 Vgl. Rachor, Polizeihandeln, Rn 89. In diesem Punkt zutreffend auch Kirchhof Sicherungsauftrag, S. 453 f., 454 f. 133 Neumann, Vorsorge, S. 52 f. 131

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eintretende Schaden ist. 1 3 4 Die Herabsetzung der Wahrscheinlichkeitsanforderungen mit Rücksicht auf ein besonderes Schadensausmaß ist in einem konkreten Kontext mit Blick auf die weiteren Komponenten der Gefahrenabwehr eingrenzbar und rationalisierbar. Sie führt daher nicht gleich dazu, daß sich die Konturen der Gefahrenabwehr auflösen und Maßnahmen in unbestimmter Form und Reichweite legitimiert sein könnten. 135 Die Erfahrungssätze, die die Schlußfolgerung von einer gegenwärtigen auf eine künftige Lage stützen sollen, sind ebenfalls situationsbezogen einzusetzen. Vergleicht man den Topos der „Erfahrungen des praktischen Lebens" 136 mit dem Rückgriff auf wissenschaftlich-statistisch abgesicherte Erkenntnisse, sind diese bei der Feststellung konkreter Gefahren jenen untergeordnet. Selbst wenn bei einer bestimmten Lage in der Vergangenheit mit einer nachgewiesenen Häufigkeit Schäden eingetreten sind, braucht sich dies im gegenwärtigen Einzelfall nicht zu wiederholen. Gewichtiger ist der Einwand, daß eine Sachlage, die einer Gefahrenaussage zugrunde liegt, prinzipiell unendlich viele Bedingungen eigen sind, so daß sich gegenteilige statistische Gesetze formulieren lassen. 137 Statistische oder wissenschaftlich-empirische Sätze allein reichen für Aussagen über eine konkrete Gefahr deshalb nicht aus. Allerdings ist ihr Gewicht in den jeweils spezifischen Regelungsbereichen des Gefahrenabwehrrechts unterschiedlich. Im Polizeirecht wird solchen Diskussionen eine allenfalls geringe Rolle beigemessen. Obwohl die Erfahrungssätze, die anerkannt sind, auch in diesem Rahmen eine zentrale Stellung einnehmen, werden Fragen ihrer Rationalisierung kaum erörtert. Zeitweilig hat es zwar Bestrebungen in Richtung einer stärkeren Verwissenschaftlichung der den Gefahrenprognosen zugrunde liegenden Erfahrungssätze gegeben.138 Da polizeiliche Entscheidungen als weitgehend situationsgebunden eingestuft werden, werden jedoch die Erfahrungen des praktischen Lebens als Prognosegrundlage anerkannt. Soweit dem kritische Aufmerksamkeit geschenkt wird, richtet sie sich auf Vorverständnis, Ausbildung und Sozialisation der Berufsgruppe der Polizeibeamten. Die Vagheit des Begriffs der praktischen Lebenserfahrung wird außerdem durch eine Institutionalisierung von Kontrollen und die dadurch bewirkte Objektivierung abgemildert. 134 BVerwG, NJW 1970, S. 1890 (1892); BVerwG, NJW 1975, S. 130 (132); BVerwGE 45, 51 (61); 62, 36 (39). 135 Siehe den Einwand bei Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 224 f. 136 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 224 m.w.N. 137 Vgl. insgesamt Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 38 ff. 138 Vgl. etwa Hoffmann-Riem, „Anscheinsgefahr", S. 340 ff. Seit einiger Zeit ist auch die Polizei selbst um eine wissenschaftliche Auswertung und um eine Verwissenschaftlichung ihrer Tätigkeit bemüht. Sie hat dabei freilich nicht die einzelne Gefahrenabwehrsituation im Auge, sondern Kriminalitätsstrukturen und Präventionskonzeptionen auf gesellschaftlicher Ebene. Dazu noch Kap. 2 Punkt A.IV.

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Diese Grundlinien weisen darauf hin, daß die relative Offenheit des Gefahrenbegriffs im Rahmen der auf eine konkrete Gefahr rekurrierenden Generalermächtigung wegen der Situationsbezogenheit und wegen des systematischen Zusammenhanges mit den Anforderungen an die zu wählenden Maßnahmen und an die Inanspruchnahme von Personen abgeschwächt wird. Allerdings machen sich auch bei der Generalermächtigung an bestimmten Stellen, die aufgrund der Aufschlüsselung des Gefahrenbegriffs genau benannt werden können, Probleme bemerkbar. Insbesondere wurde im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht zunächst kaum thematisiert, wie die staatlichen Behörden Gefahrenlagen entdecken oder von ihnen erfahren. Die Erkennbarkeit der Gefahrenlage wurde vielmehr überwiegend vorausgesetzt und ansonsten jedenfalls nicht als systematisch anzugehendes Problem, sondern als Gesichtspunkt angesehen, der im Rahmen konkreter Gefahrensituationen auftauchen kann und dort auch zu lösen ist. 1 3 9 Das betraf nicht nur das staatliche Wissen darüber, daß - außerhalb des staatlichen Bereichs - Gefahren überhaupt entstanden waren, sondern auch die Vollständigkeit der Informationen über eine als solche bekannte Situation. Daß auch Ungewißheit relevant ist, spiegelt sich in den dogmatischen Figuren der Anscheinsgefahr und des Gefahrenverdachts wider. Die Anscheinsgefahr bezeichnet eine Lage, in der zu dem relevanten Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bei hinreichender Sachverhaltsaufklärung und verständiger Würdigung eine Gefahr anzunehmen war, für die sich im nachhinein jedoch herausstellt, daß auch ohne polizeiliches Einschreiten kein Schaden entstanden wäre. 1 40 Daß sich die Beurteilung des Kausalverlaufs aus der ex-post-Perspektive anders darstellt als in der ex-ante-Perspektive, hat dabei seinen Grund darin, daß zusätzliche Informationen bekannt werden, die die Beurteilung ändern. Sie betreffen regelmäßig tatsächliche Umstände, die in der gegebenen Situation vorlagen, aber nicht erkennbar waren. Wenn auch nicht übersehen werden darf, daß Abgrenzungsschwierigkeiten wegen der Wertung bestehen, ob die Behörde eben die später bekannten Tatsachen noch hätte ermitteln können und müssen, unterscheidet sich die Anscheinsgefahr vom Gefahrenverdacht in der Hinsicht, daß der Sachverhalt im Rahmen des Möglichen geklärt worden ist, die Behörde also die relevanten Tatsachen zureichend ermittelt und angemessen gewürdigt sowie den Zeitpunkt des Einschreitens adäquat gewählt hat. 1 4 1 Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen kommt 139

Siehe näher Scholz, Gefahr, S. 19 f., 39 ff. Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 161; Breuer, Umweltschutz, S. 333 ff; Kokott, Einordnung, S. 750. In den Konstruktionen grundsätzlich anders, aber wenig überzeugend Poscher, Gefahrenabwehr, S. 118 ff. 141 Anscheinsgefahr und Gefahrenverdacht werden manchmal nicht klar unterschieden oder mit anderen Definitionen verwendet, vgl. Hoffmann-Riem, „Anscheinsgefahr", S. 327 ff.; Neil, Wahrscheinlichkeitsurteile, S. 79 ff. 140

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

es auch im Falle nachträglicher Kontrolle auf den Zeitpunkt der behördlichen Prognose an. Deshalb fällt die Anscheinsgefahr als konkrete Gefahr unter die Generalermächtigung. 142 Der Begriff lebt von der Abgrenzung gegen die Schein- oder Putativgefahr, bei der der Schadenseintritt nur subjektiv für wahrscheinlich gehalten wird, ohne daß sich dies auf genügende Tatsachengrundlagen, adäquate Würdigungen oder hinreichende Erfahrungssätze stützen kann. 143 Ob ihm auch rechtsdogmatische Bedeutung zukommt, hängt davon ab, ob sich an ihn eigenständige rechtliche Folgen knüpfen. Gelegentlich wird der Beurteilungsmaßstab auf der Primärebene der Rechtmäßigkeit gefahrenabwehrender Maßnahmen und auf der Sekundärebene der Kostenverteilung bei mehreren Verantwortlichen oder der Entschädigungsansprüche unterschieden. A u f der Sekundärebene könnten nachträgliche Erkenntnisse berücksichtigt werden, so daß etwa derjenige, dem eine Anscheinsgefahr zugerechnet worden sei, Entschädigungsansprüche haben könne, sofern er den Gefahrenanschein nicht vorwerfbar verursacht habe. 144 Sieht man für einen unterschiedlichen Beurteilungsmaßstab keinen Anlaß, ist es konsequent, den Begriff der Anscheinsgefahr für überflüssig zu halten und nur die Gefahr und den Gefahrenverdacht zu unterscheiden. 145 Unter den Gefahrenverdacht faßt man - bei durchaus uneinheitlichem Verständnis - ein Spektrum von Konstellationen, in denen im Rahmen bestimmter Komponenten des Gefahrenbegriffs Unsicherheit besteht. Dazu gehört die Sachlage, die hinsichtlich der tatsächlichen Umstände zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung noch nicht hinreichend geklärt und bei der deshalb auch unklar ist, ob eine Gefahrenlage gegeben ist oder nicht. 1 4 6 Von daher ist nicht nur eine Prognose, sondern erst noch eine Diagnose erforderlich. 147 Manchmal wird hier noch unterschieden, ob über die Umstände, die das Vorliegen einer Gefahr begründen würden, nur Vermutungen bestehen („einfacher Gefahrenverdacht") oder ob - neben der Bedrohung hochwertiger Rechtsgüter tatsächliche Anhaltspunkte auf die Tatsachen hindeuten, bei denen eine Gefahr

142 Allgemeine Meinung; siehe statt vieler Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 162; Gusy, Polizeirecht, Rn 121; Hoffmann-Riem, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 157; Erichsen/Wemsmann, Anscheinsgefahr, S. 220. 143 Ipsen, Gefahrenabwehrrecht, Rn 157 ff. 144 Vgl. dazu OVG Hamburg, NJW 1986, S. 2005 (2006); BGHZ 117, 303 (305 ff.); Schoch, Entschädigung, S. 724 ff; Rachor, Ausgleichs- und Ersatzansprüche, Rn 8; Erichsen/Wemsmann, Anscheinsgefahr, S. 222; Martensen, Polizeipflicht, S. 291. Weitere Differenzierungen mit Blick auf Risikosphären bei Kokott, Einordnung, S. 750 ff 145 So Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 165 f.; Di Fabio , Gefahr, S. 569. 146 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 226; Breuer, Umweltschutz, S. 338 ff. 147 So Hoffmann-Riem, „Anscheinsgefahr", S. 328.

Β. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

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zu bejahen wäre („qualifizierter Gefahren verdacht"). 148 Zum Teil werden zum Gefahrenverdacht auch die Sachlagen gezählt, in denen tatsächliche Umstände nicht nur ungewiß sind, sondern aufgrund von Erkenntnislücken, um die man weiß, ungewiß bleiben werden. 149 Ferner werden Situationen genannt, in denen die Prognose, ob künftig ein Schaden eintreten wird, nicht fundiert getroffen werden kann, weil die dafür erforderliche empirische Grundlage fehlt und unter Umständen aufgrund der Überforderung des Kausalschemas nie gebildet werden kann. 150 Ebenso wie die zuvor genannten Fälle unterscheiden sich diese Fälle grundlegend von denjenigen, in denen lediglich tatsächliche Umstände noch nicht klar, aber diagnostisch klärbar sind. Man könnte sie treffender als „Risikokonstellationen" beschreiben. Die Diskussion bewegt sich im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht im wesentlichen um die Fragen, auf welche gesetzliche Grundlage Gefahrerforschungsmaßnahmen gestützt werden können und wie die Kostenverteilung insbesondere in Fällen, in denen sich der Verdacht nicht bestätigt, handzuhaben ist. Es enthält kein ausgearbeitetes „Gefahrenermittlungsrecht" als Bestandteil. Die Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung nach § 24 Abs. 1 VwVfG und den entsprechenden Landesregelungen (Amtsermittlungsgrundsatz) gibt keine Eingriffsbefugnisse her. 151 Teilweise greift man auf die Generalermächtigung zurück, indem man den Gefahrenverdacht dem Gefahrenbegriff unterordnet. Da jede Gefahrenprognose mit Ungewißheit behaftet sei, gebe es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Gefahrenverdacht und konkreter Gefahr. Bei jenem müsse man ebenso wie bei dieser zu einem bestimmten Zeitpunkt aus den im Einzelfall vorliegenden relevanten Informationen auf einen Schaden schließen. Der Gefahrenverdacht sei nichts weiter als eine Gefahr geringeren Wahrscheinlichkeitsgrades. 152 In einem solchen Fall erlaube die Generalermächtigung mit Rücksicht auf das Übermaßverbot aber lediglich, das Geschehen zu erforschen und notfalls mit Sicherungsmaßnahmen, die sich in Ausnahmefällen freilich auch mit endgültigen Abwehrmaßnahmen decken könnten 153 , zu unterbrechen. 154 Teilweise hält man dagegen an der Unterscheidung von Gefahr und 148

Dill, Amtsermittlung, S. 66 ff. Di Fabio, Risikoentscheidungen, bes. S. 75 mit Fn 41 und 42; ders., Gefahr, S. 568 f. 150 Di Fabio, Gefahr, S. 568 f.; Scherzberg, Risiko, S. 495 ff. 151 Dazu Dill, Amtsermittlung, S. 30 ff., 74 f., 76 ff.; Schink, Amtsermittlung, S. 1183 ff. 152 So etwa Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 94 ff; Neumann, Vorsorge, S. 58; Schneider, Überlegungen, S. 408; Kokott, Einordnung, S. 750; im Ergebnis auch Schink, Amtsermittlung, S. 1187. 153 Hoffmann-Riem, „Anscheinsgefahr", S. 335. 154 Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 94 ff; Hansen-Dix, Gefahr, S. 66 ff.; Gusy, Polizeirecht, Rn 186; Neumann, Vorsorge, S. 57 f.; Brandt/Smeddinck, Gefahrenbegriff, S. 230; Weiß, Gefahrerforschungseingriff, S. 742 ff.; mit Einschränkungen Dill, Amts149

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

Gefahrenverdacht fest. 155 Anderenfalls operiere man mit der Paradoxie, polizeirechtlich bereits eine Gefahr zu bejahen, um eine Gefahr erst zu ermitteln. Das Beharren auf der Unterscheidung ist insoweit berechtigt, als die Annahme einer Gefahr sich auf ein außerhalb des Beobachters gegebenes Geschehen stützt, bei dessen ungehindertem Ablauf sich zum maßgeblichen Einschreitzeitpunkt nach bestimmten Regeln ein Schaden prognostizieren läßt und dessen Verlauf deshalb mit Gefahrenabwehrmaßnahmen zu unterbrechen ist. Daß der Schaden sich im Falle fehlenden Einschreitens nicht realisiert, kann dabei nur an den - mit Ungewißheit behafteten - Prognoseregeln liegen. 156 Den Gefahrenverdacht kennzeichnet demgegenüber die Ungewißheit der Sachlage und das Erfordernis weiterer Diagnosen. Die Schadensprognose fällt je nachdem, wie sich die Sachlage tatsächlich gestaltet, unterschiedlich aus. Man mag die Beurteilung, ob die eine oder die andere Sachverhaltsalternative vorliegt, ihrerseits als Wahrscheinlichkeitsurteil kennzeichnen, aber dieses richtet sich nicht auf einen künftigen Verlauf des Geschehens, sondern auf die gegenwärtige Gestalt der beobachteten Situation. Da es sich bei diesem Wahrscheinlichkeitsurteil und dem Wahrscheinlichkeitsurteil der Prognose um zwei unterschiedlich ausgerichtete Urteile handelt, wovon das zweite durch das erste konditioniert ist, kann man kaum behaupten, daß der Gefahrenverdacht lediglich einen geringeren Wahrscheinlichkeitsgrad aufweise als die Gefahr. Ob und inwieweit diesen vorhandenen Unterschieden zwischen Gefahr und Gefahrenverdacht rechtliche Relevanz zukommt, ist dann keine theoretische, sondern eine rechtliche Frage. Im Ansatz wird man eine rechtliche Relevanz schon wegen der Möglichkeit einer unterschiedlichen Verantwortlichkeit von Personen bejahen können. Im näheren handelt es sich um Fragen der Auslegung der jeweiligen Normen. Soweit an der Unterscheidung von Gefahr und Gefahrenverdacht festgehalten wird, zieht man daraus wiederum verschiedene Folgen. Manchmal wird die Meinung vertreten, die Generalermächtigung gebe keine Gefahrerforschungsbefugnisse her. Sonst werde die Gefahrenabwehr in ein Vorfeld ausgeweitet und die auf eine klare Abgrenzung von Gefahrenvorsorge und Gefahrenabwehr zu gründende Dogmatik des Polizeirechts aufgegeben. Gefahrerforschungseingriffe müßten, selbst wenn auch dieser Weg dogmatischen Bedenken begegne, auf die

ermittlung, S. 60 ff. Siehe auch mit dem Vorschlag, in solchen Fällen die Figur des vorläufigen Verwaltungsakts einzusetzen, Di Fabio , Verwaltungsakt, S. 629 ff. Dazu weiter Losch, Dogmatik, S. 782 ff. 155 Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 155; Ipsen, Gefahrenabwehrrecht, Rn 135 ff. Zu den dogmatischen Problemen außerdem Di Fabio , Verwaltungsakt, S. 631 ff.; Losch, Dogmatik, S. 782 ff. 156 Theoretisch könnte man die Prognose auch durch weiteres Abwarten und eine neue Diagnose ersetzen, aber das setzt ein Verschieben des maßgeblichen Zeitpunkts voraus und würde überspielen, daß der Gefahrenbegriff auch durch den Einschreitzeitpunkt gekennzeichnet ist.

Β. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

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Notstandsbestimmungen gestützt werden. 157 Bei diesen Überlegungen spielt eine Rolle, daß der Begriff des Gefahrenverdachts keine klaren Konturen hat - so macht es einen deutlichen Unterschied, ob Vermutungen ausreichen oder ob tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich sind - und gegebenenfalls weit in das Vorfeld einer Gefahr erstreckt werden könnte. Meist wird jedoch eine analoge Anwendbarkeit der Generalermächtigung in Fällen des Gefahrenverdachts angenommen, aufgrund derer Befugnisse zur Gefahrenerforschung und zu vorläufigen Sicherungsmaßnahmen herleitbar sein sollen. 158 Die Voraussetzungen einer Analogie, insbesondere die planwidrige Regelungslücke und die vergleichbare Interessenlage, liegen vor, wenn der Gefahrenverdacht an die konkrete Situation rückgebunden bleibt und in diesem Rahmen eine Lösung für die Diagnoseproblematik liefert. M i t solchen Bedingungen wird zugleich die denkbare Entgrenzung vermieden, die die Konstruktion der Figur des Gefahrenverdachts in sich birgt. Soweit die Generalermächtigung in dieser Form auf sie ausgedehnt wird, wird sie an bestimmbaren Punkten und in (nur) begrenzter Weise erweitert. Das weist zugleich darauf hin, daß die Regelungen des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts vor allem in Risikokonstellationen auf die Grenzen ihrer Leistungs- und Anpassungsfähigkeit stoßen. In Fällen, in denen feststeht, daß sich Erkenntnislücken nicht auflösen lassen, oder in denen das Kausalschema überfordert ist, kann die Lösung ohnehin nicht (nur) auf eine weitere Diagnose gerichtet sein. Vielmehr stellt sich verstärkt die Frage, wie man unter Ungewißheitsbedingungen rationale Entscheidungen trifft. Das erfordert neue Denkansätze, etwa die Konsequenz, daß man die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen auch an den Folgen der jeweiligen Handlungsalternativen orientiert und die Folgenerwägungen in die Abwägung einbezieht. 159 Vor diesem Hintergrund gibt es inzwischen zahlreiche, eigenständige Regelungsbereiche, die für die „Gefahr, Gefahren nicht zu erkennen" 160 eine Fülle von Instrumenten vorsehen. 161 Die überkommene Generalermächtigung zur Gefahrenabwehr läßt somit im Rahmen des Gefahrenbegriffs bestimmte, aber auch nur begrenzte Modifikationen zu. Im übrigen wird sie schließlich unzureichend und durch bereichsspezifische Normen ersetzt.

157

Kniesel, Störerbestimmungen, S. 907 f. Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 155; Ipsen, Gefahrenabwehrrecht, Rn 141 (nur fur eine Übergangszeit). In diese Richtung wohl auch Losch, Dogmatik, S. 785. 159 Scherzberg, Risiko, S. 497. 160 Scherzberg, Risiko, S. 497, hier im wesentlichen mit Blick auf Prognoseunsicherheiten. 161 Ausfuhrlich in verschiedenen Rechtsgebieten Di Fabio, Risikoentscheidungen, S. 117 ff., 137 ff., 154 ff., 166 ff. Vgl. auch die Übersicht über vornehmlich umweltrechtliche Überwachungsnormen bei Dill, Amtsermittlung, S. 50 ff. 158

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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b) Die Entscheidung über das Einschreiten und die Wahl der erforderlichen Maßnahmen Es kennzeichnet die polizeigesetzlichen Generalermächtigungen, daß an die Tatbestandsvoraussetzung einer im Einzelfall bestehenden Gefahr relativ unbestimmte Rechtsfolgen anknüpfen. Zum einen räumen sie der Polizei fur ihr Vorgehen Ermessen ein. Zum anderen sind die Maßnahmen, die die Polizei treffen darf, nur mit der Einschränkung versehen, daß es sich um die „notwendigen" Maßnahmen handeln muß. Dies ist eine Präzisierung des meist ohnehin noch gesondert festgehaltenen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Das verwaltungsrechtliche Ermessen hat die Funktion, der Behörde einen rechtlich ausdrücklich anerkannten, wenn auch wiederum begrenzten Spielraum bei ihrer Entscheidung zu verschaffen. 162 Rechtstechnisch interpretiert man Ermessensnormen meist so, daß sie auch für den Fall, in dem sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, keine bestimmte Rechtsfolge als zwingende Entscheidung vorgeben 163 ; manchmal konzipiert man sie statt dessen als Befugnis zur zweckorientierten Tatbestandsergänzung. 164 Daß der Verwaltung Einfluß auf die Rechtsfolge im Einzelfall eingeräumt wird, soll ihr - das gilt jedenfalls für die Ermessenskonzeptionen, die den polizeirechtlichen Generalermächtigungen zugrunde liegen - ermöglichen, den besonderen Umständen des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Der damit gegebene Entscheidungsspielraum wird vor allem durch den Zweck der Ermessensnorm gesteuert. Hinzu kommt das verfassungsrechtliche Übermaßverbot. Trotz der dadurch entstehenden Begrenzungen wird das behördliche Handeln im Grundsatz nicht vollständig determiniert. Kennzeichen der Ermächtigung zu einer Ermessensentscheidung ist somit die der Behörde in bestimmtem Umfang zugewiesene Letztentscheidungskompetenz, die sich nach § 114 VwGO auch auf die den Gerichten zustehende Kontrolle auswirkt. Den Generalermächtigungen der Polizeigesetze wird regelmäßig sowohl ein Entschließungsermessen als auch ein Auswahlermessen entnommen. Das Entschließungsermessen läßt der Polizei die Wahl, ob sie zur Abwehr einer bestehenden Gefahr überhaupt einschreitet oder ob sie untätig bleibt (Opportunitätsprinzip). Seine Funktion ist vor dem Hintergrund der Aufgabe der Gefahrenabwehr nicht ohne weiteres deutlich. In der Tradition des Polizeirechts war es zunächst nur begrenzt anerkannt. 165 Sein Sinn wird darin gesehen, 162 163

S. 37.

Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4, Rn 185 ff., 189. Ossenbühl, Rechtsbindungen, § 10 Rn 10; Hain/Schlette/Schmitz, Ermessen,

164 Ausfuhrliche Erörterungen bei Koch, Rechtsbegriffe, S. 101 ff.; Rubel, Planungsermessen, S. 30 ff. 165 Vgl. Heuer, Generalklausel, S. 373 ff.; Schmatz, Grenzen, S. 87 ff.

Β. Die Abwehr von Gefahren f r die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

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daß die Behörden die Möglichkeit erhalten sollen, Prioritäten zu setzen, wenn konkrete Aufgaben zeitlich und räumlich kollidieren und die personellen und sachlichen Mittel begrenzt sind; Bagatellen sollen vernachlässigt werden dürfen. 166 Auch eine Abwägung zwischen den Folgen des Einschreitens und den Folgen des Nichteinschreitens wird zugestanden. Sind dies die Zwecke der Einräumung eines Entschließungsermessens, wird es regelmäßig nach Gewichtigkeitsmaßstäben durch die konkrete Aufgabe der Gefahrenabwehr und die jeweils involvierten Rechtsgüter sowie ferner verfassungsrechtlich insbesondere über grundrechtlich verankerte Schutzpflichten reduziert. Es kann sich zu einer Einschreitpflicht und zu einem korrespondierenden individuellen Anspruch verdichten. 167 Das Auswahlermessen gewährt einen Spielraum hinsichtlich der Frage, welche Maßnahme im Falle eines Einschreitens getroffen wird. 1 6 8 Es hat die Funktion, der Verwaltung zu ermöglichen, die abstrakt-generelle gesetzliche Regelung situations- und sachgerecht an den Einzelfall anzupassen, da die notwendigen Maßnahmen wegen der Situationsbedingtheit der Gefahrenabwehr nicht in jeder Hinsicht und in jedem Falle vorherbestimmt werden können. 169 Es wird zum einen über den Zweck der Ermessensnorm, zum anderen durch die zu berücksichtigenden Rechtspositionen gebunden. Hinter der Generalermächtigung zu gefahrenabwehrenden Maßnahmen steht die Aufgabe der Gefahrenabwehr; Zweck des Ermessens ist die Möglichkeit der Wahl der Maßnahme, die die konkrete Gefahr effektiv abwehrt. Sowohl wegen des Bezugs auf die Gefahrenabwehr, die auf die Unterbrechung laufender Kausalketten vor einer befürchteten Schutzgutverletzung angelegt ist, als auch wegen des ehemals begrenzten Erfordernisses der gesetzlichen Festlegung von Befugnissen sind im Grundsatz Maßnahmen gemeint, die den Geschehensablauf der Gefahrensituation beeinflussen. Die Maßnahmen zur Abwendung des Schadens zeichnen sich dabei um so klarer ab, je mehr Umstände in die der Beurteilung zugrunde liegende Tatsachenbasis einbezogen werden und je deutlicher Art und Ausmaß des befürchte-

166

Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 351; Schock, Grundfälle, S. 754; Waechter, Ermessen, S. 320 ff. Ablehnend wegen der Überlegung, die Aufgabennorm verpflichte zur Gefahrenabwehr, Knemeyer, Handlungsvollmachten, S. 236 ff; ders., Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 90 ff. 167 Vgl. BVerwGE 11, 95 (97); DÖV 1969, S. 465 (465); Schmatz, Grenzen, S. 180 ff; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 396 ff; Martens, Schutz, S. 460; Di Fabio, Ermessensreduzierung, S. 220 ff.; zurückhaltend dazu: Hain/Schlette/Schmitz, Ermessen, S. 39 ff. Ausfuhrlicher zu den dogmatischen Grundlagen und ebenfalls zurückhaltend: Dietlein, Anspruch, S. 685 ff 168 Vgl. dazu Schoch, Grundfalle, S. 755 f. Kritische Erwägungen zur Trennbarkeit des Entschließungs- und des Auswahlermessens bei Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 349; Hain/Schlette/Schmitz, Ermessen, S. 38 f. 169 Vgl. Ossenbühl, Ermessens- und Beurteilungsspielraum, S. 464; Waechter, Ermessen, S. 300 ff; Hain/Schlette/Schmitz, Ermessen, S. 35 ff.

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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ten Schadens abzuschätzen sind. 1 7 0 Hier zeigt sich, daß die Generalermächtigung die notwendige Bestimmtheit normimmanent durch den Bezug auf die konkrete Gefahr gewinnt. Im übrigen wird die Ermessensausübung vor allem durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gesteuert. Nach den einschlägigen Vorschriften des MEPolG und der jeweiligen Polizeigesetze ist von mehreren gleich geeigneten Mitteln dasjenige zu wählen, das den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten belastet. Damit ist nicht nur die Rechtsposition desjenigen einbezogen, der als Verantwortlicher mit einer Maßnahme in Anspruch genommen wird. Vielmehr gibt es mit der Belastung des Einzelnen und der Allgemeinheit mehrere Bezugspunkte, so daß eine Abwägung vorzunehmen ist. 1 7 1 Soweit man sich auf den Einzelnen bezieht, ist das Polizeirecht das Rechtsgebiet, in dem sich die typischen Probleme des Übermaßverbots am deutlichsten widerspiegeln. Steht ein Spektrum von alternativen Mitteln zur Verfugung, ist häufig nicht deutlich, welche der Maßnahmen den Betroffenen voraussichtlich am wenigsten belastet. Das Polizeirecht hat frühzeitig die Lösung entwickelt, daß man die Wahl der Maßnahme insoweit dem Betroffenen überläßt (vgl. bereits §41 Abs. 2 PVG). 1 7 2 Die Unbestimmtheit der Generalermächtigung wird weiter gemindert durch die Bindungen bei der Inanspruchnahme verantwortlicher Personen. Insoweit besteht nämlich eine Wechselwirkung: Einerseits wird die Auswahl zwischen mehreren verantwortlichen Personen dadurch beeinflußt, mit welcher Maßnahme die jeweilige Person in Anspruch genommen werden könnte und wie sodann das Ergebnis der Abwägung mit Blick auf die belastenden Folgen ausfällt. Andererseits werden über die Antwort auf die Frage, welche verantwortliche Person in Anspruch genommen werden darf, auch die in Betracht kommenden Maßnahmen zur Schadensabwehr konkretisiert. c) Die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Personen Der MEPolG und die Polizeigesetze der Länder regeln die Verantwortlichkeit, aufgrund derer Maßnahmen an eine Person gerichtet werden dürfen, in eigenständigen Bestimmungen. Sie knüpfen sie entweder daran, daß die Person eine Gefahr verursacht, oder daran, daß sie Inhaber der tatsächlichen Gewalt über eine Sache oder auch der Eigentümer der Sache ist, von der eine Gefahr

170

Vgl. Rachor, Polizeihandeln, Rn 89. Vgl. W'aechter, Ermessen, S. 326 f.; Ossenbühl, Ermessens- und Beurteilungsspielraum, S. 470. 172 Siehe dazu Heuer, Generalklausel, S. 489, 491 f., 495 mit zahlr. Nw; Remmert, Grundlagen, S. 181. 171

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ausgeht.173 Andere Personen als die danach Verantwortlichen können nur unter eingegrenzten Voraussetzungen in Anspruch genommen werden. Dazu gehört, daß eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist, Maßnahmen gegen Verhaltens- oder Zustandsverantwortliche nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, die Polizei die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig selbst oder durch Beauftragte abwehren kann und die Personen ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung höherwertiger Pflichten in Anspruch genommen werden können. 174 Es entspricht der Aufgabe der Gefahrenabwehr und der Effektivität ihrer Erfüllung, daß die Ermächtigung zu gefahrenabwehrenden Maßnahmen und die Inanspruchnahme von Personen entkoppelt sind. Zur Beurteilung der Zulässigkeit von Maßnahmen, die sich an verantwortliche Personen richten, müssen die jeweiligen Bestimmungen jedenfalls zusammen gelesen werden. Die Inanspruchnahme und die Auswahl verantwortlicher Personen stehen, wenn man sie in die Struktur der Generalermächtigung einordnen will, jedoch weder eindeutig auf der Seite der Tatbestandsvoraussetzungen noch eindeutig auf der Seite der Rechtsfolgen. Meist ordnet man sie nicht als tatbestandliche Voraussetzungen gefahrenabwehrender Maßnahmen, sondern als Grenze des Auswahlermessens ein. 175 Manchmal versteht man sie als tatbestandliche Voraussetzungen der zu treffenden Maßnahmen, weil für das Vorliegen einer konkreten Gefahr nicht nur der situative Bezug, sondern auch der personelle Bezug prägend sei, darin bereits eine Zugriffsschranke liege und die Bestimmungen über die Verantwortlichkeit die Zurechnung der Gefahr auf Personen nur präzisierten. 176 Ihrer Funktion nach stellt die polizeirechtliche Verantwortlichkeit eine Verbindung zwischen der Gefahrenlage und einer bestimmten Person her. Sie gewährleistet so die Zurechnung jener auf diese. Damit wird einerseits in Verbindung mit der Gefahrenabwehrbefugnis eine rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Anforderungen genügende Ermächtigung für die Auferlegung von Handlungs- und Duldungspflichten, also für Eingriffe in die Rechte verantwortlicher Personen, geschaffen. Andererseits werden zugleich Grenzen festgehalten, in-

173

§§ 4 und 5 MEPolG. Entsprechend §§ 6 und 7 PolG BW, Art. 7 und 8 BayPAG, §§ 13 und 14 ASOGBln, 5 und 6 BbgPolG, 5 und 6 BremPolG, 8 und 9 HbgSOG, 6 und 7 HSOG, 69 und 70 SOG MV, 6 und 7 NGefAG, 4 und 5 PolG NW, 4 und 5 RhPfPOG, 4 und 5 SPolG, 7 und 8 SOG LSA, 4 und 5 SächsPolG, 218 und 219 LVwGSH, 7 und 8 ThürPAG. 174 § 6 MEPolG. Entsprechend § 9 PolG BW, Art. 10 BayPAG, §§ 16 ASOGBln, 7 BbgPolG, 7 BremPolG, 10 HbgSOG, 9 HSOG, 71 SOG MV, 8 NGefAG, 6 PolG NW, 7 RhPfPOG, 6 SPolG, 10 SOG LSA, 7 SächsPolG, 220 LVwGSH, 10 ThürPAG. 175 v. Mutius, „Störer", S. 299. 176 Kniesel, Störerbestimmungen, S. 906 f., mit der Folgerung, die Bestimmung über die Inanspruchnahme nichtverantwortlicher Personen sei als selbständige Ermächtigungsgrundlage anzusehen.

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dem nicht verantwortliche Personen nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in Anspruch genommen werden dürfen und gegebenenfalls einen Entschädigungsanspruch haben. 177 Die Verantwortlichkeit aufgrund der Verursachung einer Gefahr durch ein Verhalten oder durch eine Sache wird nach bestimmten Zurechnungskriterien festgelegt. Dabei ist die Kausalität des Beitrags ein erforderliches, nicht jedoch abschließendes Merkmal. 178 Man benötigt zusätzliche Kriterien, mit Hilfe derer unter allen nach Kausalitätsgesichtspunkten verantwortlichen Personen diejenigen ausgewählt werden können, welche als polizeirechtlich Verantwortliche in Betracht kommen. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Überwiegend wird auf die Unmittelbarkeit der Verursachung abgestellt. Danach ist grundsätzlich die letzte Ursache maßgeblich, die zum Vorliegen der Gefahr fuhrt. 179 Teilweise versuchte man, dies um Überlegungen zu ergänzen oder zu ersetzen, ob die jeweilige Person die Grenzen des ihr durch die Rechtsordnung zugewiesenen Rechtskreises überschreitet. 180 Soweit nicht deutlich ist, welche Rolle die Gefahrenabwehrnormen bei dessen Bestimmung spielen, ist dies aber dem Einwand ausgesetzt, einen Zirkel zu erzeugen. Mittlerweile wird das Kriterium der Unmittelbarkeit häufig durch wertende Elemente, Risikosphären- oder Adäquanzgesichtspunkte, die nicht ohne Berücksichtigung einschlägiger rechtsnormativer Wertungen auskommen, ausweitend oder einschränkend korrigiert. 181 Zwischen Verhaltens- und Zustandsverantwortlichen besteht nicht ohne weiteres eine Rangfolge der Inanspruchnahme. 182 Zu den diese leitenden Gesichtspunkten gehört nämlich auch die Effektivität der Gefahrenabwehr. 183 Kompensationen bei einer im Ergebnis unangemessen erscheinenden Lastenverteilung können dadurch geschaffen werden, daß auch die Inanspruchnahme und die

177

Vgl. v. Mutius, „Störer", S. 298 ff.; Dill, Amtsermittlung, S. 83. Für ein nicht zu starres Verständnis der Dichotomie „Störer"/„Nichtstörer" und eine Aufschlüsselung nach Verantwortlichkeitsbereichen Selmer, Gedanken, S. 497 ff. 178 Vgl. Gusy, Polizeirecht, Rn 266. 179 Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 76; Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 196 ff.; Thürer, Störerprinzip, S. 473 ff. 180 Erichsen, Handlungsvollmachten, S. 205. Darstellend und mit Weiterentwicklungen Spießhofer, Störer, S. 43 ff. 181 Vgl. Pietzcker, Störerbestimmung, S. 457 ff; Gantner, Verursachung, bes. S. 21 ff., 67 ff.; Gusy, Polizeirecht, Rn 270; Herrmann, Verantwortlichkeit, S. 670 ff. Weiterreichend: 182 Spießhofer, Störer, S. 40 ff. Skeptisch: Selmer, Begriff, S. 99. Ossenbühl, Ermessens- und Beurteilungsspielraum, S. 470 f.; Denninger, Polizeiaufgaben, Rn 105 ff. Diskutiert wurde dies in jüngerer Zeit insbesondere im Rahmen der Altlasten, vgl. Schink, Störerhaftung, S. 378 ff m.w.N. 183 Denninger, Polizeiaufgaben, Rn 107; Giesberts, Lastenverteilung, S. 44 f., 52 ff; Martensen, Erlaubnis, S. 109 f.

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Verteilung der Kostenlasten nicht unmittelbar miteinander verknüpft sind. 184 Bei nicht verantwortlichen Personen steht dagegen fest, daß sie nur nachrangig mit Maßnahmen belastet werden dürfen. Diese Grundlinien der Verantwortlichkeit bauen darauf auf, daß die Behörde die Gefahrensituation im erforderlichen Umfang erfassen kann und über das nötige Wissen verfügt. So wie die Erkennbarkeit der Gefahrenlage im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht zunächst kaum thematisiert wurde, wurde die Erkennbarkeit der Personen, die für eine Inanspruchnahme in Betracht kommen, vorausgesetzt. Jedenfalls ist nach gefahrenabwehrrechtlichen Denkansätzen das Rangverhältnis zwischen Gefahrenlage und „Störern" klar: Ohne daß eine Gefahr vorliegt - Anscheinsgefahr und Gefahrenverdacht sind insoweit nach Maßgabe der obigen Ausführungen eingeschlossen -, dürfen Personen nicht als „Störer" eingestuft werden. Umgekehrt kann man aber mit einer Gefahr zu tun haben, ohne daß man weiß, wer Verantwortlicher ist. Bevor man sich an Begriffen wie dem des „Anscheinsstörers" oder des „Verdachtsstörers" orientiert, sollten Konstellationen unterschieden werden. Denkbar ist zunächst, daß eine Anscheinsgefahr oder ein Gefahrenverdacht vorliegen, die Beurteilung dagegen, wer bei der Anscheinsgefahr für die Gefahrenlage oder beim Gefahrenverdacht im Falle einer Gefahr dafür oder auch für den Gefahrenverdacht verantwortlich ist, nicht mit Ungewißheit belastet ist. Bei diesen Fragen handelt es sich dementsprechend nicht vorrangig um Ungewißheits-, sondern um Zurechnungs- und Risiko Verteilungsfragen. Die Antwort darauf wird konsequenterweise an die Lösungen anknüpfen, die man zu den Figuren der Anscheinsgefahr oder des Gefahrenverdachts entwickelt hat. So ist es nicht überraschend, daß man, sofern man den Gefahrenbegriff der Generalermächtigung auf den Gefahrenverdacht ausdehnt, auch in bestimmten Grenzen und gegebenenfalls mit Differenzierungen bei den Kosten- und Entschädigungsfragen eine Verantwortlichkeit desjenigen, an dessen Handeln sich der Verdacht festgemacht hat, oder desjenigen, dem die Verdachts verursachende Sache gehört, bejaht. Soweit Gefahrenverdachtslagen inzwischen in bereichsspezifischen Vorschriften geregelt sind, umfaßt dies regelmäßig die Fragen der Inanspruchnahme von Personen. Hier gibt es eine Reihe von Formen der Beteiligung etwa der Anlagebetreiber oder Produzenten an der Aufklärung der Sachlagen, die als sachliche Ungewißheitskonstellationen in deren Risikobereich angesiedelt werden und deren Klärung auf Kosten der Produzenten erfolgt. 185 184

Ausfuhrlich zur Diskussion Giesberts, Lasten Verteilung, passim; Martensen, Erlaubnis, S. 111 ff.; ders., Polizeipflicht, S. 286 ff. Außerdem etwa Thürer, Störerprinzip, S. 482 ff. 185 Zu den Anforderungen an mit einer Anmeldung oder einem Genehmigungsantrag vorzulegende Unterlagen etwa §§ 6 ff. ChemG, §§ 11 und 12 GenTG. Vgl. aus der Rechtsprechung OVG NW UPR 1991, S. 193 (193 ff.); BVerwG, UPR 1992, S. 382 (382 ff.). Außerdem Ladeur, Umweltrecht, S. 71.

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

Die eigentliche Ungewißheitsproblematik im Bereich der Verantwortlichkeit von Personen sind die Fälle, in denen eine Gefahr oder auch ein Gefahrenverdacht festgestellt worden sind, aber in tatsächlicher Hinsicht ungewiß ist, wer als Verantwortlicher dafür in Betracht kommt. Teilweise wird die Meinung vertreten, dem - aufgrund von Anzeichen oder situativer Nähe - mutmaßlich Verantwortlichen dürften als „vorläufigem Störer" entweder Duldungspflichten oder auch Handlungspflichten auferlegt werden. 186 Nach anderer Ansicht muß die Verantwortlichkeit für die Gefahr feststehen, so daß jemand im Falle der Ungewißheit über die Verantwortlichkeit nur auf der Grundlage der Regelungen über die Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen herangezogen werden darf. 187 Zu Recht ist zu diesen Konstellationen daraufhingewiesen worden, daß sie Ähnlichkeiten mit dem Verdacht nach der Strafprozeßordnung haben, bei dem häufig die Straftat eher feststeht als der Straftäter. 188 Im Strafprozeßrecht muß sich der Verdächtige, bei dem nicht geklärt ist, ob er die festgestellte Straftat begangen hat, Eingriffe gefallen lassen, die allerdings entsprechend in der Strafprozeßordnung geregelt sind. Im Polizeirecht ist es - von bloßen, in bestimmten Konstellationen immer gegebenen Beweisunsicherheiten abgesehen - auf der Grundlage der Generalermächtigung und der Bestimmungen zur Verantwortlichkeit problematisch, die Beurteilung der Verursachung einer Gefahr und die Inanspruchnahme einer Person auf ein (diagnostisches) Wahrscheinlichkeitsurteil zu stützen. Die Bestimmungen werden damit jedenfalls über ihren Aussagegehalt hinaus erweitert. Die Figur des Gefahrenverdachts läßt aber auch hier die Grenzen verschwimmen, weil sie im Falle eines fortbestehenden Verdachts trotz der Unvollständigkeit der Informationen über tatsächliche Umstände eine Zurechnung des bloßen Verdachts auf eine bestimmte Person ermöglicht und weil es dann konsequent erscheint, im Falle einer Ungewißheit über den Verantwortlichen ähnliche Muster einzusetzen. 3. Die Strukturen

der Standardbefugnisse

Die Generalermächtigungen sind gegenüber den Befugnissen zu Standardmaßnahmen subsidiär. Diese Befugnisse behandeln im traditionellen Polizeirecht unter anderem die Identitätsfeststellung, erkennungsdienstliche Maßnahmen, die Vorladung, den Platzverweis, den Gewahrsam, die Durchsuchung von Personen und Sachen sowie das Betreten und die Durchsuchung von Wohnun186 Seibert, Altlasten, S. 668 m.w.N; eingeschränkt auch Breuer, Umweltschutz, S. 333 ff. 187 Hoffmann-Riem, „Anscheinsgefahr", S. 336 ff; Petri , Gefahrerforschungseingriff, S. 449; Kniesel, Störerbestimmungen, S. 908. Mit Ausnahmen im Falle des Sofortvollzuges Schink, Amtsermittlung, S. 1188 mit Hinweis auf OVG NW, OVGE 29, 44 (49 ff.). 188 Hoffmann-Riem, „Anscheinsgefahr", S. 330.

Β. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

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gen. Ihre präzisere Regelung soll rechtsstaatlichen Anforderungen nachkommen. Die jeweils zulässigen Maßnahmen sind auf der Rechtsfolgeseite konkretisiert und an bestimmte tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft. Man kann dies unterteilen in die Voraussetzungen, die inhaltliche Anforderungen, insbesondere Einschreitschwellen, regeln, und die Voraussetzungen, die die Personen benennen, an die die Maßnahme gerichtet werden darf. Die Tatbestandsvoraussetzungen folgen in bestimmtem Umfang der Generalermächtigung. So können die Feststellung der Identität einer Person und der Platzverweis zur Abwehr einer Gefahr erfolgen. 189 Das Tatbestandsmerkmal der Gefahr wird manchmal mit Rücksicht auf die in der Rechtsfolge vorgesehene Maßnahme verschärft. Dafür gibt es mehrere Anknüpfungspunkte, die auf der Struktur des Gefahrenbegriffs beruhen. Auf das Gewicht des Rechtsguts wird abgestellt, wenn eine „erhebliche" Gefahr oder eine Gefahr für „Leib oder Leben" oder auch für die „Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert" verlangt wird. 1 9 0 Im Falle des Erfordernisses einer „unmittelbar bevorstehenden" Gefahr, einer „unmittelbar bevorstehenden" Begehung oder Fortsetzung einer Straftat oder einer „gegenwärtigen" Gefahr wird der maßgebliche Prognosezeitpunkt näher geregelt: der Eintritt des Schadens (nicht der Gefahr 191 ) muß kurz bevorstehen. Da es bereits zu den Merkmalen des Gefahrenbegriffs gehört, daß der Prognosezeitpunkt zum befürchteten Schadenseintritt hin zu verlagern ist, soweit es unter Berücksichtigung der Abwehrchancen möglich und die Prognosesicherheit zu erhöhen geeignet ist, ist das so zu verstehen, daß zu jedem späteren Zeitpunkt eine Gefahrenabwehrmaßnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg mehr hätte. 192 Sofern eine „dringende" Gefahr vorausgesetzt wird, werden erhöhte Anforderungen an das Gewicht des Rechtsguts und an die zeitliche Nähe des Schadenseintritts und den Wahrscheinlichkeitsgrad gestellt. 193 Die Inanspruchnahme von Personen wird nicht mehr notwendig situativ durch eine konkrete Gefahr, sondern durch die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen vorgegeben. 194 Eine Vorladung ist erlaubt, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person sachdienliche Angaben machen kann, die

189

§ 9 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Satz 1 MEPolG und die entsprechenden Landesgesetze. Begründung zum Musterentwurf, Allgemeine Begründung, Nr. 5, in: Heise/Riegel, Musterentwurf, S. 25; Denninger, Polizeiaufgaben, Rn 46 f. 191 Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 42. 192 Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 83 f. Nicht so deutlich akzentuiert BVerwGE 45, 51 ( 57 f.): gesteigerte Anforderungen an die zeitliche Nähe und an den Wahrscheinlichkeitsgrad. Ebenso die Begründung zum Musterentwurf, Allgemeine Begründung, Nr. 5, in: Heise/Riegel, Musterentwurf, S. 5. 193 So zutreffend Denninger, Polizeiaufgaben, Rn 48. 194 Dazu auch Spießhofer, Störer, S. 56 ff. 190

64

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

für die Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind. 195 Ob der Wohnungsinhaber, dessen Wohnung betreten und durchsucht werden darf, selbst Verhaltensverantwortlicher ist, steht nicht ohne weiteres fest. Die zu durchsuchende Wohnung macht ihn auch nicht ohne weiteres zum Zustandsverantwortlichen, da von ihr als Sache regelmäßig keine Gefahr ausgeht. Die Standardbefugnisse sind insoweit zwar inhaltlich konkreter, nicht jedoch hinsichtlich der von den Maßnahmen betroffenen Personen enger gefaßt. Darüber hinaus sehen die Befugnisse zu Standardmaßnahmen aber auch inhaltliche Voraussetzungen vor, die sich vom Merkmal der konkreten Gefahr gelöst haben. Zu einer ausweitenden Entwicklung haben insbesondere die Regelungsvorschläge des MEPolG beigetragen, die bereits von der Erfahrung des Terrorismus geprägt waren. 196 So ist die Polizei nach den an § 9 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 MEPolG orientierten landesgesetzlichen Ermächtigungen auch außerhalb der konkreten Gefahrenabwehr zur Feststellung der Identität einer Person ermächtigt. Eine Identitätsfeststellung ist danach zulässig, wenn sich die Person an einem Ort aufhält, von dem aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte erfahrungsgemäß anzunehmen ist, daß dort Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, sich Personen ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen oder sich Straftäter verbergen, oder an dem Personen der Prostitution nachgehen. Sie ist auch zulässig, wenn sich die Person in einem besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, durch die in oder an diesen Objekten befindliche Personen oder diese Objekte selbst unmittelbar gefährdet sind. Schließlich ist sie zulässig an einer Kontrollstelle, die von der Polizei eingerichtet worden ist, um Straftaten im Sinne von § 100 a StPO oder § 27 VersG zu verhindern. Unabhängig davon, welchen Konkretionsgrad die „tatsächlichen Anhaltspunkte" oder die „Tatsachen" dabei aufweisen müssen und inwieweit allgemeine kriminalistische Erfahrungen die zentrale Rolle einnehmen dürfen 197 , orientieren sich die Tatbestandsvoraussetzungen nicht mehr an situativen Gefahren und in diesem Rahmen verantwortlichen Personen, sondern an bestimmten Orten oder besonders gefährdeten Objekten. Auch Kontrollstellen, deren Einrichtung in den Landespolizeigesetzen meist nicht näher geregelt, sondern vorausgesetzt wird, dienen nicht der Abwehr konkreter Gefahren. Sie werden bei abstrakten Gefahrenlagen mit dem Ziel eingerichtet, „dort jedermann kontrollieren ... und durchsuchen zu können", da es „an konkreten Indizien fehlt, wer als potentieller ... oder aktuel-

195 196

197

§ 11 ME PolG und die entsprechenden Landesgesetze. Hoffmann-Riem, Abbau, S. 335 ff.

Dazu mit unterschiedlichen und unterschiedlich gut begründeten Ansichten Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 205 ff.; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 290 f.; Riegel, Entwicklungstendenzen, S. 16. Vgl. auch § 15 Abs. 2 AEPolG mit der Begründung Rn 9 ff.

Β. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

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ler ... Störer oder Täter ... in Frage kommt" und die Kontrollstelle ,ja gerade dem Zweck dienen (soll), dies erst herauszufinden". 198 Zu berücksichtigen ist dabei, daß die Voraussetzungen der Ermächtigungen zur Feststellung der Identität einer Person aufgrund von Verweisungen regelmäßig auch für andere Befugnisse gelten. Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind rechtmäßig, wenn eine zulässige Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist. 1 9 9 Die Durchsuchung von Personen ist zulässig, wenn diese sich an einem der in der Ermächtigung zur Identitätsfeststellung genannten Ort aufhält oder sich in einem dort genannten Objekt oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen. 200 In entsprechender Weise wird die Durchsuchung von Sachen erlaubt. 201 Daher haben Erweiterungen der Ermächtigungen zur Identitätsfeststellung immer eine weiterreichende Wirkung. Die Polizeigesetze ermächtigen im Einklang mit den Regelungsvorschlägen des MEPolG außerdem zur Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen, wenn dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Tat begangen zu haben, die mit Strafe bedroht ist und wegen der Art und Ausführung der Tat die Gefahr der Wiederholung besteht. 202 Schon nach dem Normtext dienen die Maßnahmen nicht der Abwehr konkreter Gefahren. 203 Es handelt sich um die polizeigesetzliche Parallele zu § 81 b StPO. Diese Norm gestattet die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen beim Beschuldigten nicht nur für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, sondern auch, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Obwohl es sich bei der zweiten Alternative nicht um die Verfolgung bereits begangener Straftaten handelt, sind die Maßnahmen dem Regelungsbereich der Strafprozeßordnung kraft Sachzusammenhanges zugeordnet worden. 204 Sie dienten der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben, die der Polizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten zugewiesen seien, und sie lieferten die Grundlage für die Ermittlung unbekannter oder künftiger 198 199

Riegel, Musterentwurf, S. 712; vgl. auch dens., Anmerkung, S. 1007. Vgl. dazu BVerfG, Kammerbeschluß, NVwZ 1992, S. 767 (767 f.).

200

Vgl. § 17 MEPolG und die entsprechenden Landesgesetze. Siehe § 18 Abs. 1 Nr. 4 und 5 MEPolG und die entsprechenden Landesgesetze. 202 Dazu § 10 Abs. 1 Nr. 2 MEPolG und die entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften. 203 Im Hinblick auf die Aufgabe wird die „vorbeugende Bekämpfung von Straftaten" freilich als „Unterfall der Gefahrenabwehr" qualifiziert, siehe die Begründung zu § 10 MEPolG, in: Heise!Riegel, Musterentwurf, S. 53. 204 BVerwGE 66, 192 (197); Fugmann, Maßnahmen, S. 2228. Überblick bei Dreier, Maßnahmen, S. 1010 ff. m.zahlr.N. 201

5 Albers

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

66

Straftäter. 205 Aufgrund ihres Regelungsinhaltes wird die Norm trotz ihres nur auf die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen bezogenen Normtextes auf die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen erstreckt. Deren Grenzen werden aus dem Begriff der Erforderlichkeit entwickelt. 206 Indem § 81 b StPO Regelungen für Beschuldigte aus Anlaß eines Ermittlungsverfahrens trifft, steht fest, daß der Anwendungsbereich der polizeigesetzlichen Regelungen beschränkt ist. Auch die polizeigesetzlichen Vorschriften über die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen knüpfen zur Bestimmung von deren Anlaß und Ziel aber daran an, daß der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben. Ihre sinnvolle Konkretisierung in Abgrenzung zu § 81 b StPO hat deshalb immer Schwierigkeiten bereitet. Die Anfertigung soll, ohne daß das Problem eines etwaigen abschließenden Charakters der strafprozessualen Norm hinreichend erörtert würde, nur bei Personen, die strafunmündig oder nicht mehr als Beschuldigte einzuordnen sind, zulässig sein. 207 Im übrigen werden die Ermächtigungen ebenfalls auf die Aufbewahrung der Unterlagen erstreckt, deren Grenzen zumindest zum Teil aus den Vorschriften zur Vernichtung auf Verlangen des Betroffenen erschlossen werden. Weiter setzen die Zwecke des „Erkennungsdienstes" voraus, daß die Unterlagen nachfolgend vor allem im Wege des Abgleichs genutzt werden dürfen. 208 Man kann festhalten, daß es an dieser Stelle zum einen bereits notwendig wird, polizeiliches Handeln nicht als punktuellen Zugriff, sondern als mehrschrittigen (Informations- und Daten-)Verarbeitungsablauf zu erfassen. Zum anderen wird deutlich, welche

205 BVerwGE 26, 169 (170 f.); 66, 192 (196, 197); 66, 202 (204); BVerwG, DÖV 1990, S. 117 (117); OVG NW, NJW 72, S. 2147 (2147); OVG Hbg MDR 77, S. 80 (81); OVG NW, DÖV 1983, S. 603 (604); VGH Bad.-Württ., NJW 1987, S. 2762 (2762). 206 BVerwGE 11, 181 (182 ff.); 26, 169 (170 ff.); 66, 192 (199); 66, 202 (205 f.); BVerwG, DÖV 1990, S. 117 (117); Kleinknecht! Meyer-Goßner, § 81 b Rn 16 ff. m.w.N. Die Erforderlichkeit wird freilich nach eigenständigen Kriterien vor dem Hintergrund des herausgelesenen materiell-polizeirechtlichen Zweckes bestimmt; weder Freispruch noch Verfahrenseinstellung noch die im BZRG vorgesehenen Tilgungsfristen spielen danach als solche für die Berechtigung zur weiteren Aufbewahrung eine Rolle. Zur Diskussion und Einordnung insgesamt Gusy, Aufbewahrung, S. 447 ff. Für eine im Rahmen der Regelung des Informationsbereichs nunmehr präzisere Grundlage: VG Frankfurt, NJW 1987, S. 2248 (2248 f.); VG Hannover, CR 1987, S. 250 (250 ff.); Dreier, Maßnahmen, S. 1016 f. 207 Begründung zu § 10 MEPolG, in: Heise!Riegel, Musterentwurf, S. 52; OVG NW, DÖV 83, S. 603 (604); OVG NW, NJW 1999, S. 2689 (2690); Riegel, Problem, S. 19; Gusy, Aufbewahrung, S. 459 f. Präzise zum Kompetenzproblem aber Fugmann, Maßnahmen, S. 2228 f. Vgl. auch BVerwGE 66, 192 (194 ff.); 66, 202 (204 f.), dazu, daß der (zwingende) Wegfall der Beschuldigteneigenschaft im Fortgang des Strafverfahrens nicht dazu fuhrt, daß § 81 b StPO, seine Verfassungsmäßigkeit vorausgesetzt, nicht mehr einschlägig wäre.

208

Zu den notwendig einzuschließenden Elementen Gusy, Aufbewahrung, S. 442 f. Vgl. auch Riegel, Problem, S. 20.

Β. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

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Probleme auch im Verhältnis von Polizeigesetzen und Strafprozeßordnung entstehen, wenn der Rahmen konkreter Gefahren und eines aufzuklärenden Straftatverdachts zugunsten von Vorsorgeperspektiven verlassen wird, die sich auf unbestimmte potentielle künftige Ereignisse beziehen. Die Regelung der Standardbefugnisse zeichnet sich darüber hinaus durch die Einfügung verfahrensrechtlicher Anforderungen aus. Teilweise finden sich prozeßbezogene Perspektiven. So ist vorgesehen, daß der Betroffene die Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen verlangen kann, wenn die Voraussetzungen für deren Vornahme entfallen sind. 2 0 9 Im Falle des Festhaltens einer Person ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Der Person ist der Grund bekanntzugeben; ihr ist Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen. Durchsuchungen von Wohnungen dürfen grundsätzlich - dies folgt schon aus Art. 13 GG - nur durch den Richter angeordnet werden. Im Ergebnis kann man feststellen, daß eine Reihe von Standardbefugnissen in unterschiedlichen Hinsichten Tatbestandsvoraussetzungen enthalten, die von den Strukturmerkmalen der Gefahrenabwehr im Sinne der Generalklausel abweichen. Insoweit betreffen sie regelmäßig gerade den Bereich der Straftatenverhinderung, wenn nicht sogar bereits die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten. Sie sehen „ein Herabsetzen der Eingriffsschwelle durch Loslösung von der konkreten Gefahr" vor und führen dazu, daß „die sonst... bestehenden engen Grenzen der Inanspruchnahme des Nichtstörers entfallen" und die „Differenzierung Störer - Nichtstörer .... im ersten Moment des Zugreifens bzw. der Kontrolle hinfällig" wird. 2 1 0 Zu ihnen ist bereits früher die Kritik laut geworden, die nunmehr verstärkt zu den neuen Befugnissen der Polizei geäußert wird: Die polizeilichen Maßnahmen seien unzureichend begrenzt und könnten jede Person treffen, ohne daß diese einen hinreichenden Anlaß dafür gegeben habe. 211 Die Standardbefugnisse sind jedenfalls, wie es naheliegen mag, der erste Ansatz der Entwicklung eines „spezifischen" Polizeirechts, das sich aus dem Gefahrenabwehrrecht ausdifferenziert.

IV. Fazit: Konzeption und Bruchlinien der Gefahrenabwehr Im Rahmen der Gefahrenabwehr werden Aufgabe und Befugnisse der Polizei durch das Ziel geprägt, die vielfältigen Rechtsgüter, die die öffentliche Sicher-

209

Siehe § 10 Abs. 2 MEPolG und die entsprechenden Landesgesetze. So Riegel, Musterentwurf und Alternativentwurf, S. 711. 211 Sydow, Verbrechensbekämpfung, S. 123 ff.; Denninger, Strafverfahren, S. 308 ff.; Hoffmann-Riem, Abbau, S. 336 ff; Lisken, Grundgesetz, S. 149 f.; Wagner, AK-PolG NRW, vor § 1 Rn 15, vor §§ 4 - 6 Rn 6 ff., vor § 8 Rn 8 ff. 210

68

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

heit oder Ordnung umfaßt, vor drohenden Schäden zu bewahren. Gefahrenabwehrmaßnahmen werden durch konkrete Gefahrensituationen ausgelöst, in denen der Schluß auf den Eintritt künftiger Schäden hinreichend gerechtfertigt ist. Die Auswahl der Maßnahmen wird nicht nur durch das Übermaßverbot, sondern vor allem auch durch die situativen Bezüge gesteuert, die durch das Erfordernis konkreter Gefahren und das Ziel der Schadensabwendung rechtlich hergestellt werden. Personen werden grundsätzlich nach Maßgabe ihrer Verantwortlichkeit für die Gefahr in Anspruch genommen, die sich nach Kriterien der unmittelbaren Kausalität oder auch nach Risikosphären richtet. Gefahrenabwehr ist ein System mehrerer Komponenten, die zusammenhängen und sich wechselseitig beeinflussen. Es läßt sich daher nur begrenzt ausdehnen, und die Ausdehnung einer Komponente hat regelmäßig weitergreifende Wirkungen auch im Hinblick auf andere Elemente. Die überkommene Gefahrenabwehr ist mittlerweile in zahlreichen Hinsichten erweitert worden. Insbesondere die Aufgaben des Umweltschutzes und der technischen Sicherheit haben anfangs strukturelle Veränderungen des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts und sodann die Ausdifferenzierung eines Risikorechts bewirkt. Das hat auch das Polizeirecht beeinflußt. Dessen Veränderungen verlaufen allerdings nicht ohne weiteres parallel. Bruchlinien und erweiternde Interpretationen gibt es zum einen bei den Aufgabenzuweisungen der Polizeigesetze. Das liegt unter anderem daran, daß hier mehrere Entwicklungen ineinandergelaufen sind. Die Aufgabenzuweisungen beruhen auf der traditionellen Generalklausel, aufgrund derer das Tätigkeitsspektrum spezifisch ausgerichtet und begrenzt wird. Freilich handelt es sich dabei um eine historisch beschränkte Perspektive, die durch verschiedene Faktoren - insbesondere durch den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit - gekennzeichnet ist und insofern nur eine Folie geliefert hat, die mit der Realität nicht in jeder Hinsicht übereingestimmt hat. In der weiteren Entwicklung sind die rechtsdogmatischen Funktionen der Aufgabennormen jedoch präzisiert worden. Das Zusammenwirken beider Gesichtspunkte hat die Bestimmung der Reichweite der Aufgabenzuweisungen seit längerem und auch hinsichtlich tradierter polizeilicher Tätigkeiten problematisch gemacht. Deshalb ist man in unterschiedlichem Umfang und in unterschiedlichen Punkten um eine abstrahierende und extendierende Auslegung der auf die Gefahrenabwehr bezogenen Vorschriften bemüht. Dennoch ist ein solchen Vorgehen gerade im Polizeirecht wegen fehlender Bezugsgegenstände nicht ohne weiteres möglich. Es fuhrt zu einer nicht mehr handhabbaren Entgrenzung, bei der die Aufgabenzuweisungen ihre dogmatische Funktion verlieren. Die Alternative zu erweiternden Auslegungen sind explizite gesetzliche Neuregelungen. Bruchlinien und Erweiterungen gibt es zum anderen bei den Befugnissen. Sie erklären sich unter anderem damit, daß das überkommene Gefahrenabwehrrecht die Erkennbarkeit von Gefahrenlagen oder der für die Gefahr verantwortlichen

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

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Personen vorausgesetzt oder jedenfalls nicht als systematisch zu behandelndes Problem erfaßt hat. Als Lösungsversuch ist insbesondere die Figur des Gefahrenverdachts entwickelt worden. Sie wirkt erweiternd, bleibt aber an bestimmte Situationen rückgekoppelt und ist auch dort nicht beliebig auszudehnen. Im Bereich neuer polizeilicher Aufgaben sind dem Rückgriff auf diese Figur daher deutliche Grenzen gesetzt. Demgegenüber enthalten eine Reihe von Standardbefügnissen der Polizeigesetze Regelungen, die von den Strukturmerkmalen der Gefahrenabwehr im Sinne der Generalklausel abweichen, als „spezifisches" Polizeirecht angesehen und im Hinblick auf neue Muster der Determination analysiert werden können. Im Ergebnis gibt es durchaus noch das Gefahrenabwehrrecht in den überkommenen Formen und eine sich danach richtende polizeiliche Tätigkeit. Schon aufgrund der Entpolizeilichung und der Ausdifferenzierung bereichsspezifischer Regelungen haben sich die Aufgaben der Polizei in diesem Bereich aber reduziert. Dafür kommt straftatenbezogenen Tätigkeiten im Vorfeld der Gefahrenabwehr zunehmende Relevanz zu. Es handelt sich dabei um einen spezifischen Bezugspunkt, der auch wegen der Interdependenzen mit der Straftatenverfolgung Eigenständigkeit gewinnt.

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten I. Die rechtliche Rolle der Polizei im Rahmen der Strafverfolgung Die Verfolgung von Straftaten als Aufgabe der Polizei hat sich in Abgrenzung zu den Kompetenzen der Staatsanwaltschaft entwickelt. Hinter dieser Entwicklung steht die Idee der Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative, die vorherige Übergänge „rechtsstaatlich verdächtig" werden läßt 212 und aufgrund derer sich in Deutschland im 19. Jahrhundert die Unterscheidung zwischen Justiz und Polizei durchsetzt. 213 Darüber hinaus gab es um den als Inquisitionsverfahren ausgestalteten Strafprozeß eine umfassende Reformdiskussion. 214 In einer Ausgestaltung, die zu den Grundlagen des nachfolgenden Reformverlaufs zählt, ist die Staatsanwaltschaft im Jahre 1846 in Preußen als Institution eingeführt worden. 215 Sie sollte bei Polizei und Gerichten als „Wächter 212

Rüping, Verhältnis, S. 894. Rüping, Verhältnis, S. 895 ff; Blankenburg!Treiber, Einführung, S. 163. 214 Zu den Ausgangsbedingungen für die Reform des Strafverfahrens und zur Reformgesetzgebung in den deutschen Partikularstaaten Wohlers, Entstehung, S. 49 ff. 215 §§ 2 ff. des Gesetzes betreffend das Verfahren in den bei dem Kammergericht und dem Kriminalgericht zu Berlin zu fuhrenden Untersuchungen, vom 17. Juli 1846, PrGS S. 267. Ausfuhrlich dazu und zu der nachfolgenden Reformgesetzgebung Wohlers, Entstehung, S. 100 ff. Siehe auch Blankenburg!Treiber, Einfuhrung, S. 163 ff, die Regie213

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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des Gesetzes" fungieren. 216 Unter anderem hatte sie im Falle eines Verdachts einer Straftat zu ermitteln und gegebenenfalls Anklage zu erheben. Dabei erstreckte sich die Kontrolle des Staatsanwalts ausdrücklich auf die „vorhergehenden Operationen der Polizei-Behörden ..., weil sonst ein wesentlicher, und oft sehr präjudizieller Theil des Verfahrens seiner Kontrole entzogen geblieben" 217 wäre. Da die Polizei gleichzeitig „wie bisher" mit der Erforschung von Verbrechen betraut blieb 2 1 8 , kam es in der folgenden Zeit zu erheblichen Konflikten zwischen ihr und der neuen Institution. Die Regelungen des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Reichsstrafprozeßordnung von 1877 spiegeln das Bemühen um eine Beilegung dieser Konflikte und um eine tragfähige Abgrenzung wider. Seitdem werden Polizisten in Strafverfolgungsangelegenheiten als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft, in deren Auftrag und unter deren Aufsicht, daneben allerdings auch auf eigene Initiative tätig (§§ 152 GVG, 161, 163 StPO). Die Rolle der Polizei im Ermittlungsverfahren und ihr Verhältnis zur Staatsanwaltschaft sind problematisch geblieben. Die Ermittlungstätigkeit wird in vielen Fällen, wenn auch nicht uneingeschränkt in allen Bereichen, von der Polizei übernommen, die selbständig ermittelt und erst mit vollständigem Abschluß der Ermittlungen die Akten der Staatsanwaltschaft übersendet. 219 Das hat eine Reihe von Gründen. Die Polizei ist im Vergleich zur Staatsanwaltschaft sachlich und personell besser ausgestattet. Unter anderem sind die Kriminaltechnik und die elektronische Datenverarbeitung einschließlich der Datenverbundsysteme ausgebaut und professionalisiert worden. Vor allem aber hat die Polizei eine Position inne, im Rahmen derer unterschiedliche Erkenntnisstränge zusammenlaufen. M i t der Idee der vorbeugenden Straftatenbekämpfung ist diese Position - was sich in Selbstverständnis und Selbstbewußtsein der Polizei widerspiegelt - nochmals deutlich gestärkt worden. Daher ist es nicht überraschend, daß es im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Polizei und Staatsan-

rungen hätten die Institution der Staatsanwaltschaft nachfolgend so gestaltet und genutzt, daß ihnen Einfluß auf die Rechtspflege eröffnet wurde. 216 Siehe Promemoria der Staats- und Justiz-Minister von Savigny und Uhden über die Einfuhrung der Staats-Anwaltschaft im Kriminalprozesse, abgedr. bei Otto, Staatsanwaltschaft, S. 40 ff.; Boldt, Geschichte, Rn 48. 217 Promemoria, S. 41. 218

Vgl. § 4 Satz 1 des Gesetzes betreffend das Verfahren in den bei dem Kammergericht und dem Kriminalgericht zu Berlin zu fuhrenden Untersuchungen: „Das Polizeipräsidium und dessen Beamte bleiben, wie bisher, verpflichtet, den Verbrechen jeder Art nachzuforschen und alle keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zur Aufklärung der Sache und Festmachung des Thäters zu treffen." 219 Roxin, Strafverfahrensrecht, § 10 Rn 34; Schock, AK-StPO, vor § 158 Rn 25; Kühne, Strafprozeßrecht, Rn 135 ff; L/R-Rieß, vor § 158 Rn 34 ff.; Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 63; Rüping, Verhältnis, S. 899 ff.; Lilie, Verhältnis, S. 626 ff; differenzierend Bräutigam, Probleme, S. 214 ff; Krey, Strafverfahrensrecht, Rn 492 ff.

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

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waltschaft seit einiger Zeit erneut grundlegende Konflikte und Diskussionen um eine Neubestimmung gibt. 2 2 0 Die überkommenen Formen der für die Polizei im Bereich der Strafverfolgung relevanten Aufgabenzuweisungen und Befugnisse werden nachfolgend näher untersucht. Im Mittelpunkt steht wiederum vor allem, wie die einzelnen Komponenten in ihrem normativen Kontext aufzufassen sind und in welchen Hinsichten sie sich als relativ offen oder als deutlich begrenzende Determination erweisen. Zugleich sollen die Strukturen der Strafverfolgung insbesondere im Vergleich zur Gefahrenabwehr deutlich werden, damit präzisiert werden kann, inwiefern sich beide Bereiche elementar unterscheiden.

II. Bindungen und Flexibilität der Aufgabenzuweisungen Die strafprozeßrechtlichen Aufgabenzuweisungen für Staatsanwaltschaft und Polizei werden von vornherein dadurch geprägt, daß sie in das übergreifende Strafverfahren und in justizförmig gestaltete Strukturzusammenhänge eingebettet sind. 221 Die Funktionen und Grundsätze des Strafverfahrens ergeben sich unter anderem daraus, daß es dem Strafrecht, das einen Verhaltenskodex normiert und die Voraussetzungen persönlicher Verantwortung dogmatisiert, zuund nachgeordnet ist. 2 2 2 Die damit verbundenen, für das Strafverfahren geltenden Grundsätze, so vor allem das Legalitätsprinzip 223 , die Unschuldsvermutung 2 2 4 und weitere verfahrensrechtliche Schutzpositionen der Betroffenen 225 , greifen gerade auch für die Gestaltung des Ermittlungsverfahrens.

220 Vgl. zu Zeiten der Entstehung des MEPolG Görgen, Strafverfolgungs- und Sicherheitsauftrag, S. 59 ff. Aus jüngerer Zeit Lilie, Verhältnis, S. 627 ff. 221 Zur Justizförmigkeit BVerfGE 57, 250 (275); 74, 358 (370 f.); 82, 106 (114). Außerdem etwa Walder, Grenzen, S. 867; Fincke, Begriff, S. 919; Krauß, Strafprozeß, S. 39 f. 222 Dazu Krauß, Strafprozeß, S. 38 ff. 223 Zur Diskussion, dies auch mit Blick auf die Praxis: Rieß, Zukunft, S. 2 ff; Schmidt-Jortzig, Möglichkeiten, S. 129 ff.; Bottke, Grundlagen, S. 81 ff.; Hassemer, Legalität, S. 529 ff; Lorenzen, Legalitätsprinzip, S. 541 ff; Rachor, Polizeihandeln, Rn 75 f. 224 Dazu BVerfGE 74, 358 (370 ff.); 82, 106 (114 ff.). Aus der Literatur etwa Krauß, Grundsatz, S. 153 ff.; Haberstroh, Unschuldsvermutung, S. 289 ff.; Gropp, Wirkungsgehalt, S. 804 ff. Außerdem - mit Kritik daran, daß in den neuen Ermittlungsvorschriften der StPO teilweise vom „Täter" die Rede ist - Zaczyk, Prozeßsubjekte, S. 492 (Hervorh.i.Orig.): „Das Strafprozeßrecht regelt den Gang der Klärung eines Verdachts, und so bedeutet etwa die dabei zu beachtende Unschuldsvermutung nicht, daß StA und Gericht nur so tun, als sei der Angeklagte gar nicht der Täter: Vielmehr ist die Vermutung seiner Unschuld bis zum Urteil zwingend, da erst das Urteil seine Schuld rechtsverbindlich feststellt."

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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Im traditionellen Regelungssystem beschreiben die Aufgabenbestimmungen der §§ 160, 161, 163 StPO die jeweiligen Aufgaben von Staatsanwaltschaft und Polizei und regeln dabei zugleich deren Verhältnis zueinander. 226 Der Staatsanwaltschaft ist im Rahmen des Anklagegrundsatzes (§151 StPO) die Aufgabe der Erhebung der Anklage (§ 152 StPO) oder anderweitigen Beendigung eines Ermittlungsverfahrens (§§ 153 ff. StPO) zugewiesen. Zur Entscheidung darüber, ob Anklage zu erheben ist, hat sie den Sachverhalt zu erforschen, sobald sie durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält (§ 160 Abs. 1 StPO). § 161 StPO enthält die allgemeine Regelung, daß die Staatsanwaltschaft zu dem in § 160 StPO bezeichneten Zweck von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vornehmen oder durch die Polizei vornehmen lassen kann. Polizeibeamte werden nach § 161 StPO i.V.m. § 152 GVG als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft unter deren Leitung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens tätig. § 163 StPO weist den Polizeibehörden zudem die Aufgabe zu, Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind sie an die Grenzen gebunden, die auch der Staatsanwaltschaft gesetzt sind. 7. Der Bezug auf Straftaten Die Straftat bildet den Bezugspunkt des Verdachts und des Sachverhalts, der im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu erforschen ist. Der Begriff verweist auf die Normen, die ein Verhalten unter Strafe stellen. Unter einer Straftat versteht man dabei eine tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Handlung. Aus dem Sinn der Norm ergibt sich außerdem, daß es sich um eine Straftat handeln muß, die verfolgbar ist und der somit keine Verfahrenshindernisse entgegenstehen.227 Mit dem Bezug auf Straftaten ist die Strafverfolgung ebenso wie das Gefahrenabwehrrecht akzessorisch zur Rechtsordnung. Änderungen der Charakteristika der Strafverfolgung können sich daher auch durch die Änderung der Straftatbestände ergeben. Die Vorverlagerungen im materiellen Strafrecht, auf225

Zum „Recht auf ein faires Verfahren" siehe nur BVerfGE 57, 250 (274 ff.); 63, 45 (60 ff.); 65, 171 (174 ff.); 89, 120 (129 ff.). Vgl. auch Hettinger , Entwicklungen, S. 45 (Hervorh.i.Orig.): Die StPO „ist eben auch eine Verfahrensordnung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten, seine ,Magna Charta4".Weiter Kahlo, Begriff, S. 189 ff.; Krauß, Strafprozeß, S. 40. 226 § 161 StPO wird durch das kommende StVÄG 1999, das zur Zeit des Abschlusses des Typoskripts noch nicht in Kraft getreten ist, zu einer generalklauselartigen Ermittlungsermächtigung umgestaltet werden, siehe noch Kap. 2 Punkt C.I.2. 227 Schoch, in: AK-StPO, § 160 Rn 5.

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

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grund derer Vorbereitungs- oder Planungshandlungen oder abstrakte Gefährdungen von Rechtsgütern unter Strafe gestellt sind, wirken sich deshalb nicht nur im Gefahrenabwehrrecht, sondern auch im Strafverfolgungsbereich aus. Im übrigen ist der Bezugspunkt der Strafverfolgung mit dem Merkmal der Straftat aber - unter anderem wegen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots, des Analogie- und des Rückwirkungsverbots - klarer konturiert als im Gefahrenabwehrrecht, wo das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung konkretisierungsbedürftig ist. Interpretativen oder impliziten Erweiterungen sind deutliche Grenzen gesetzt. 2. Der Verdacht einer Straftat

als Anknüpfungspunkt

Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens setzt nach § 160 Abs. 1 StPO die Kenntnis von dem Verdacht einer Straftat durch eine Anzeige oder auf anderem Wege voraus. Die Regelung korrespondiert mit § 152 Abs. 2 StPO, nach dem die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Wie das Merkmal der Gefahr in den Polizeigesetzen nimmt der Verdacht einer Straftat im Rahmen der Aufgabenzuweisung eine zentrale Stellung ein: „... der im Verfahren ,maß-gebende' Verdacht (ist) mehr als ein Vorgang in der Psyche des zuständigen Beamten, er ist zugleich soziales Ereignis und nur als solches Grundlage des gesamten Verfahrens." 228 Der auf eine bereits begangene Straftat gerichtete Verdacht als Grundlage macht das polizeiliche Handeln im Rahmen der Straftatenverfolgung zum Repressionshandeln. Es ist vergangenheitsorientiert, indem der Gegenstand der Aufklärung bereits geschehene, meist auch abgeschlossene Vorfälle betrifft; es ist freilich auch zukunftsorientiert, indem es auf die Aufklärung dieser Vorfälle zielt. a) Komponenten und Strukturen des Verdachtsbegriffs Im Vergleich zum Tatbestandsmerkmal der Gefahr im Gefahrenabwehrrecht wird dem Begriff des Verdachts relativ wenig Aufmerksamkeit gewidmet. 229 Man kann die Analysen des Gefahrenbegriffs aber nutzen, um die Komponenten des Verdachts herauszuarbeiten. So wie das Kennzeichen einer Gefahr die Schlußfolgerung von gegenwärtigen Sachlagen auf künftige Schäden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist, stellt der Verdacht eine Schlußfolgerung von gegen-

228

Krauß, Grundsatz, S. 167. Vgl. Kühne, Definition, S. 617 und 622: „ein juristisches Vakuum an rechtspolitisch exponierter Stelle". 229

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

wärtigen Gegebenheiten auf vergangene Geschehnisse dar. Während der Bezugspunkt der Gefahr der befürchtete Schaden ist, bezieht sich der strafprozessuale Verdacht auf die begangene oder begonnene Straftat. Im Unterschied zu der Reichweite und Flexibilität, die die polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen wegen des Schutzguts der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung und des in bestimmtem Umfang neutralisierbaren Schadensbegriffs aufweisen, ist die Aufgabe der Straftatenverfolgung in dieser Hinsicht weitgehend bestimmt und begrenzt. Prägendes Element des Verdachts ist sodann die Relation zwischen den gegenwärtigen Gegebenheiten und der Straftat als vergangenem Geschehnis. Unter Verwendung eines weiten Prognosebegriffs wird der strafprozessuale Verdacht dabei als eine „retrospektive Prognose" bezeichnet. 230 Gefahr- und Verdachtskonstellationen unterscheiden sich freilich darin, in welcher Hinsicht und in bezug auf welche Komponenten Unsicherheit handzuhaben ist. Während man bei der Gefahr aus Informationen über gegenwärtige Bedingungen auf künftige Ereignisse schließt, die so nicht einzutreten brauchen, geht es beim Verdacht um die Unsicherheit, aus den gegenwärtig bekannten Informationen auf den tatsächlichen Ablauf von Vorgängen zu schließen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben. Damit der Unterschied zur Gefahrenprognose deutlich bleibt, soll die Schlußfolgerungsbeziehung im Rahmen des Verdachts als eine Hypothese bezeichnet werden. Wichtiger ist hier aber, daß ähnlich wie bei einer auf die Zukunft gerichteten Prognose auch bei dieser Hypothese aufgrund der Aussage über Tatsachen in der Gegenwart nach bestimmten Regeln Aussagen über nicht (mehr) gegebene und noch nicht geklärte Tatsachen in der Vergangenheit abgeleitet werden. Damit setzt der Verdacht ebenso wie die Gefahr eine Beschreibung der beobachteten oder auch angenommenen Tatsachen als Grundlage voraus. Theoretisch kann diese Beschreibung punktuell-selektiv oder umfassend, situationsbezogen-konkret oder situationsgelöst-abstrakt und unter Berücksichtigung verschiedener Ebenen komplex gestaltet sein. Neben Tatsachen, die fur sich genommen einen Verdacht begründen, ließen sich etwa auch Anzeichen oder Anhaltspunkte einbeziehen, aus denen das Vorhandensein solcher Tatsachen erst hergeleitet wird. Der Zeitpunkt der Hypothese oder auch die zeitliche Nähe zu den erfolgten Vorgängen ist für den auf die Vergangenheit gerichteten Verdacht - dies im Unterschied zu der auf die Zukunft zielenden Gefahrenprognose - ohne Bedeutung. 231

230

Kühne, Definition, S. 619; Darnstädt, Gefahrenabwehr, S. 9. Für praktische Fragen der Erforsch- und Beweisbarkeit der angenommenen Geschehnisse kann der Zeitpunkt der Verdachtsgewinnung natürlich eine große Rolle spielen; das bleibt im Rahmen des Verdachtsbegriffs aber ausgeklammert. 231

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

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Demgegenüber sind die Regeln, die die Schlußfolgerung von den gegenwärtigen Gegebenheiten auf eine begangene Straftat stützen, ein zentrales Element des Verdachts. In der juristischen Diskussion werden sie aber überwiegend ebenso wenig analysiert wie der Begriff insgesamt. In kriminalistischen Untersuchungen, wo ihnen eine bedeutendere Rolle beigemessen wird, werden sie meist als Erfahrungssätze gekennzeichnet. Es handelt sich jedoch - anders als beim „klassischen" Gefahrenbegriff - nicht vornehmlich um Kausalitätsbehauptungen. Auf Kausalitätsannahmen wird zwar auch in dem Sinne zurückgegriffen, daß man, wenn bestimmte Tatsachen in der Vergangenheit Indiz einer Straftat gewesen sind oder hätten sein können, entsprechende Erkenntnisse auch künftig als ein solches Indiz betrachtet. Diese Erfahrungssätze werden aber jedenfalls im hier interessierenden Bereich um anderweitige Mechanismen ergänzt, die die Kriminalistik gerne unter Begriffen wie dem des „kriminalistischen Gespürs" oder der „Intuition" zusammenfaßt. 232 Das macht zumindest deutlich, daß Beziehungen zwischen den gegenwärtigen Erkenntnissen und dem vergangenen Geschehen hergestellt werden. Unabhängig von normativen Fragen der Anforderungen an diese Regeln legt die Struktur der Schlußfolgerungsbeziehung auch nahe, daß der Verdacht auf einer Mischung unterschiedlich gestützter Regeln aufbaut. Sowohl die Anforderungen an die Tatsachenbasis als auch die Regeln, die die Schlußfolgerung bestimmen, wirken sich auf den (Verdachts)Grad aus, der für die auf der gegenwärtigen Basis gebildete Erwartung, daß die Hypothese sich bestätigt, gebildet werden kann. Er kann nach normativen Maßstäben differenziert werden, etwa indem er je nach Gewicht der angenommenen Straftat variiert. Im übrigen kann man hinsichtlich der Art der Schlußfolgerung, hier insbesondere mit Blick auf den Umfang und etwaige Erfordernisse einer Abwägung der Umstände, die in die Beurteilung einzubeziehen sind, Möglichkeitsund Wahrscheinlichkeitsurteile unterscheiden. b) Der Verdacht einer Straftat in den strafprozessualen Aufgabenzuweisungen Das Verständnis des Verdachtsbegriffs in den strafprozessualen Vorschriften über die Aufgaben der Staatsanwaltschaft oder im Rahmen der §§ 160, 163 StPO auch der Polizei im Ermittlungsverfahren kann an den Normtext des § 152 Abs. 2 StPO anknüpfen, der die Einschreitpflicht an „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" bindet. Diese Formulierung wird als Beschreibung des Anfangsverdachts bezeichnet233, weil sie den Verdacht umschreibt, der am Anfang eines Ermittlungsverfahrens steht und für dessen Einleitung einerseits erforderlich ist, andererseits aber auch genügt. 232

233

Siehe nur Störzner, Aufdeckung, Rn 48 ff. Schock, in: AK-StPO, § 152 Rn 10; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 40.

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

Genauere Ausarbeitungen der Anforderungen an den Anfangsverdacht fehlen jedoch meist. Vielmehr finden sich auch zum Verständnis des Verdachts eine Vielzahl von Formulierungen, auf die man verweist oder die man auflistet. Die Voraussetzung des Vorliegens zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte bedeute, daß die Ermittlungsbehörden nicht von sich aus ohne konkrete Anhaltspunkte nach strafbaren Handlungen suchen dürften. Ermittlungen dürften nicht in der Hoffnung begonnen werden, daß sie die tatsächlichen Anhaltspunkte schon noch erbringen könnten. Der erforderliche Verdacht sei gegeben, wenn konkrete Tatsachen oder Anhaltspunkte im Einzelfall den Wahrscheinlichkeitsschluß erlaubten, es sei eine strafbare Handlung verübt worden. Auch dürftige und noch ungeprüfte Angaben könnten dabei ausreichen. Bloße Vermutungen oder kriminalistische Hypothesen, die auf allgemeinen Erfahrungen beruhten, genügten aber nicht. 2 3 4 Wegen des Bezugs auf eine Straftat und wegen der Einbettung in ein Ermittlungsverfahren steht fur den strafprozessualen Anfangsverdacht zunächst fest, daß er situationsbezogen-konkret gestaltet ist. Abstrakte Verdachtslagen - etwa die kriminalistische Annahme, daß unter den Bedingungen krimineller Szenen oder eines bestimmten Milieus immer irgendwelche Straftaten begangen oder begonnen worden sind - sind nicht unter die strafprozeßrechtlichen Normen zu fassen. 235 Weniger genau läßt sich die Frage beantworten, ob die Beschreibung der Tatsachengrundlage punktuell-selektiv sein darf oder - wie bei der Gefahr grundsätzlich umfassend angelegt sein muß. Zwar sind auch schon im Rahmen des Anfangsverdachts die Umstände, die auf eine Straftat hindeuten, mit den Umständen, die gegen eine Straftat sprechen, abzuwägen. Trotzdem charakterisiert es ein Ermittlungsverfahren, daß es im Unterschied zu gefahrenabwehrenden Sachverhaltsgestaltungen auf Aufklärung gerichtet ist. Daher darf auch ohne abschließend-abwägende Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen bestimmten Anhaltspunkten zunächst nachgegangen werden. 236 Nicht ohne weiteres zu beantworten, aber von kaum zu überschätzender Bedeutung ist daneben die Frage, welchen Informationsgehalt und welche Nähe zum Straftatbestand Erkenntnisse aufweisen müssen, damit sie einen Verdacht begründen. Indem der Normtext des § 152 Abs. 2 StPO „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" hinsichtlich der für die Hypothese erforderliche Tatsachenbasis verlangt, weist er die Schwierigkeit auf, daß der Begriff der Anhaltspunkte mit dem der Tatsa-

234 Vgl. insgesamt L/R-Rieß, § 152 Rn 22; KleinknechtIMeyer-Goßner, § 152 Rn 4; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 35 ff; Walder, Grenzen, S. 867; Labe, Zufallsfund, S. 224 ff.; Corts/Hege, Funktion, S. 304. 235 Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 36 ff. 236 Ausfuhrlich und mit Differenzierung zwischen der Nachprüfung von Anhaltspunkten, die sachbezogen auf das Vorliegen einer Straftat hindeuten, und Überprüfungen, die sich gegen Personen als Verdächtige richten, Kühne, Strafprozeßrecht, Rn 314 f f .

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

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chen verknüpft wird und die tatsächlichen Anhaltspunkte zudem zureichend sein müssen. Man kann dies aber aufschlüsseln. Während die Formulierung, daß „(bestimmte) Tatsachen" den Verdacht begründen, eine relativ dichte Beziehung zwischen der Tatsachenbasis, den Inhalten von Beobachtungen oder Unterlagen, und dem daraus hergeleiteten Verdacht verlangt, die sich etwa aus der Anzahl der Erkenntnisse oder aus ihrer Nähe zum Straftatbestand ergeben kann, läßt die Formulierung, daß „Anhaltspunkte" für einen Verdacht gegeben sein müssen, eine im Vergleich dazu lockerere Beziehung zu. Sie erlaubt zum Beispiel in weitergehendem Umfang, den Verdacht aus nur einigen wenigen Erkenntnissen oder erst aus Schlußfolgerungen auf Gegebenheiten, die wiederum den Verdacht stützen, zu bilden. 2 3 7 Das Erfordernis „tatsächlicher Anhaltspunkte" verlangt dann, daß den Anhaltspunkten Tatsachen und nicht etwa Vermutungen oder statistisch gewonnene kriminalistische Annahmen zugrunde liegen. Immerhin reichen demnach mittelbare Folgerungen für den Anfangsverdacht aus. 238 Die Bindung an „zureichende" tatsächliche Anhaltspunkte scheint auf den ersten Blick überflüssig zu sein. Sie erinnert aber an den Kontext, in dem man sich bewegt, und bettet den Anfangsverdacht in den Rahmen des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens ein. Die Frage ist an dieser Stelle, ob die tatsächlichen Anhaltspunkte genügen, um vor dem Hintergrund einerseits der Aufgabe der Strafverfolgung, andererseits der absehbaren Beeinträchtigungen betroffener Personen ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Diese Bestimmung des Anfangsverdachts entspricht ihrer Struktur nach der Bestimmung des für die Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptsacheverfahrens „hinreichenden" Verdachts, der am Ende des Ermittlungsverfahrens steht, eine Einbeziehung und

237

Vgl. dazu auch - freilich nicht ganz deutlich - Kühne, Definition, S. 622, der es einerseits für sinnlos hält, zwischen dem einfachen und einem durch Tatsachen begründeten Verdacht unterscheiden zu wollen, andererseits dann die Wahrscheinlichkeit des Verdachts herausstellt, die sich nach dem Ausmaß der Überprüfbarkeit der angewandten Erfahrungssätze bestimme. Auch sonst wird der Unterschied zwischen dem Anfangsverdacht und dem in bestimmten Befugnissen geforderten, durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht trotz der erkennbaren Differenzierung in den gesetzlichen Bestimmungen in der Literatur meist nicht wirklich klar. Häufig findet sich zur letztgenannten Form lediglich die - auch den Anfangsverdacht kennzeichnende - Abgrenzung gegen bloße Vermutungen, Spekulationen oder Alltagstheorien, vgl. Achenbach, in: AK-StPO, § 111 Rn 9; Deckers, in: AK-StPO, § 112 Rn 12 f. Unzutreffend insoweit Maiwald,, in: AK-StPO, § 100 a Rn 7, mit der Ansicht, solche bestimmten Tatsachen könnten auch der kriminalistischen Erfahrung entstammen. Manchmal wird die Stärke des Verdachts als Kennzeichen hervorgehoben, so bei Achenbach, in: AK-StPO, § 111 Rn 9. Diese wird gesetzlich aber regelmäßig mit dem Begriff des „dringenden" Verdachts umschrieben.2 3 8 Vgl. auch Kühne, Definition, S. 622. Ähnlich L/R-Rieß, § 152 Rn 25; Hund, Effektivitätsdenken, S. 464: Es genügen Indizien, die sich aus konkreten Tatsachen ergeben.

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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Abwägung aller relevanten Umstände erfordert und sich unter anderem nach der Verurteilungswahrscheinlichkeit bemißt. 239 Im Kern enthält die Voraussetzung des Anfangsverdachts damit vor allem bestimmte Anforderungen an die der Schlußfolgerung auf eine Straftat zugrunde liegende Tatsachenbasis. Diese Anforderungen sind allerdings nicht gerade weitreichend und weniger scharf umrissen als diejenigen, die am Ende der Ermittlungen die Anklageerhebung absichern müssen. Erkenntnisse über Tatsachen, aufgrund derer man auf konkrete Umstände schließen kann, die einen Verdacht begründen, können genügen. Der Grad des Anfangsverdachts braucht keine besondere Stärke aufzuweisen. Für die Einleitung eines strafprozessualen Ermittlungsverfahrens besteht vor diesem Hintergrund eine gewisse Flexibilitat. 240 Die somit nicht sonderlich hohe Schwelle erklärt sich nicht nur mit Blick auf die Funktion des Ermittlungsverfahrens. Sie wird auch - wenn man hier den Vergleich mit den Regelungsmustern der Gefahrenabwehr anstellt - durch den Bezug auf die Straftatbestände, durch die Einordnung in das Ermittlungsverfahren als Teil des Strafverfahrens und nicht zuletzt durch verfahrensrechtliche Positionen Betroffener aufgefangen. An diese Stelle gehören auch die Überlegungen, daß der strafprozessuale Verdacht geprägt und seine Handhabung begrenzt wird, indem er im Verlauf des Verfahrens Plausibilitätsprüfungen und Begründungszwängen unterliegt. 241 Außerdem haben die im Ermittlungsverfahren bestehenden Eingriffsbefugnisse weitergehende Tatbestandsvoraussetzungen. Insbesondere können dabei die Anforderungen an den Verdacht angehoben sein. Es entspricht der Einbettung in das Ermittlungsverfahren und dem Abstellen auf einen konkreten Verdacht, daß die Erkennbarkeit von Verdachtssituationen stärker thematisiert wird als die Erkennbarkeit von Gefahrenlagen. Die ausgeprägtere Institutionalisierung macht deutlicher, daß die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch bestimmte Faktoren ausgelöst werden muß und daß die zuständige Behörde, wenn es sich bei diesen Faktoren um Informationen über ein Geschehen in ihrer Umwelt handelt, davon Kenntnis erlangen muß. 242 § 160

239

Kühne, Definition, S. 618, 622; Schoch, in: AK-StGB, § 170 Rn 9, § 203 Rn 3; Fincke, Begriff, S. 924. 240 In der Reichweite aber zumindest mißverständlich Gössel, Überlegungen, S. 132: „Ob die ihr (der Staatsanwaltschaft) bekannten Tatsachen zureichende Anhaltspunkte für die Begehung einer verfolgbaren Straftat darstellen, ist allein ihrer Beurteilung überlassen." 241 Vgl. Kühne, Definition, S. 621 f. 242 Siehe die Darstellung bei Kühne, Strafprozeßrecht, Rn 314: „Auslösendes Moment fur das Ermittlungsverfahren ist die Kenntnisnahme von Informationen, aus denen geschlossen werden kann, daß möglicherweise eine Straftat begangen worden ist."

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

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Abs. 1 StPO hebt im Anschluß an § 158 Abs. 1 StPO die Strafanzeige besonders hervor. Mit der Kenntniserlangung auf anderem Wege sind zum Beispiel eigene Zufallsbeobachtungen oder Wahrnehmungen anderer Behörden gemeint. 243 Der Anstoß eines Ermittlungsverfahrens kommt danach jedenfalls in aller Regel von außen. Das entspricht den eben angeführten Grenzen, daß die Ermittlungsbehörden nicht von sich aus nach strafbaren Handlungen suchen dürfen. Ebenso wie im Gefahrenabwehrrecht der Topos des Gefahrenverdachts eingeführt worden ist, führt das Problem der Erkennbarkeit einer Verdachtssituation jedoch auch im Strafprozeßrecht zu erweiternden Interpretationen der jeweiligen Normen. Das Stichwort ist hier das der „ Vorermittlungen". Darunter faßt man Ermittlungen im Vorfeld eines Verdachts, durch die ein Sachverhalt, der (noch) nicht die Voraussetzung der zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO erfüllt, daraufhin überprüft werden soll, ob er Veranlassung zur Einleitung eines Verfahrens gibt. Die Zulässigkeit solcher Vorermittlungen wird mit dem Verweis auf § 159 StPO und den darin enthaltenen verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken, daß bei Bekanntwerden noch nicht zureichender Anhaltspunkte der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden müsse, sowie mit dem Hinweis auf die grundsätzliche Zulässigkeit informatorischer Befragungen begründet. 244 Bei näherer Betrachtung bestehen freilich erhebliche Zweifel, ob wirklich Fälle gemeint sind, bei denen trotz der relativ niedrigen Anforderungen ein Anfangsverdacht nicht gegeben ist, und ob - dies bei der informatorischen Befragung - der Tatverdacht und der bereits gegen eine bestimmte Person gerichtete Verdacht 245 hinreichend auseinandergehalten werden. 246 Unabhängig davon werden Vorermittlungen aber deutlich gegen Vorfeldermittlungen oder „richtungslose Vorfeldbeobachtungen" 247 abgegrenzt und nur in der unmittelbaren Vorstufe zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte

243

S. 59 ff.

Vgl. die ausführliche Auflistung der Konstellationen bei Labe, Zufallsfund,

244 Vgl. Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 156 a; LR-Rieß, § 163 a Rn 16, 19 ff.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl Rn 79, § 163 Rn 9; Rogali , Informationseingriff, S. 87 f.; Zöller, Vorsorge, S. 163 f.; Kellerl Griesbaum, Phänomen, S. 417; Marxen, Straftatsystem, S. 184 ff., 370 ff. 245 Das Stichwort der informatorischen Befragung betrifft weniger das Problem des Verdachtsvorfelds als die Frage, wann der Verdacht gegenüber einer dann tatverdächtigen Person konkretisiert werden kann und die vorgesehenen Belehrungen zu erfolgen haben, vgl. BGHSt 38, 214 (227 f.); ter Veen, Zulässigkeit, S. 293 ff.; LR-Rieß, § 163 a Rn 16 ff. 246 Kritisch aufschlüsselnd auch Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 154 ff; Marxen, Straftatsystem, S. 370 ff. 247 Rogali, Informationseingriff, S. 88.

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

für einen Anfangsverdacht angesiedelt.248 Damit handelt es sich ebenso wie beim Gefahrenverdacht um eine punktuelle und an die konkrete Situation rückgebundene Ausdehnung der normativen Grenzen. Insgesamt besteht im Vergleich zur Aufgabenzuweisung der Gefahrenabwehr bei diesen Grundlinien der strafprozessualen Aufgabenzuweisungen - bislang wenig Streit. Das hat den benennbaren Grund der Einbettung der Ermittlungstätigkeit in das Ermittlungsverfahren als Teil des Strafverfahrens und der Justizförmigkeit dieses Verfahrens. Diese Faktoren stehen Initiativ- und Vorfeldermittlungen nach kriminalistischen Hypothesen entgegen.249 3. Die Ermittlung des Sachverhalts zur Entscheidung über die Anklageerhebung Auch wenn die Trennung von Aufgaben und Befugnissen in der Strafprozeßordnung weniger deutlich wird als in den Polizeigesetzen, entspricht es den dogmatischen Funktionen von Aufgabennormen, daß den Aufgabenzuweisungen der §§ 160, 161 und 163 StPO einerseits der erwünschte Zielzustand und andererseits das Handeln der Strafverfolgungsbehörden, durch das dieses Ziel erreicht werden soll, zu entnehmen ist. 250 Das zentrale Ziel des Ermittlungsverfahrens ist - bei gegebenem Anfangsverdacht - die Entschließung der Staatsanwaltschaft darüber, ob, wieweit und nach welcher Strafbestimmung Anklage erhoben werden kann oder ob das Verfahren einzustellen ist (§ 160 Abs. 1 StPO). Zu diesem Zweck ist der Sachverhalt zu erforschen. Das wird gesetzlich in dreierlei Hinsicht konkretisiert und umfaßt die Ermittlung der belastenden und entlastenden Umstände 251 , die Erhebung von Beweismitteln, deren Verlust zu befürchten ist (§ 160 Abs. 2 StPO), sowie die Ermittlung der Schuldfrage und der Strafzumessungstatsachen (§ 160 Abs. 3 Satz 1 StPO). Damit wird an dieser Stelle die Justizförmigkeit des Verfahrens noch einmal besonders deutlich. Der Tatverdacht als Einschreitschwelle und das Ziel des Ermittlungsverfahrens stehen in einem wechselbezüglichen Zusammenhang. Funktion und Ziel

248 L/R-Rieß, §163 a Rn 19 ff.; Rogali , Informationseingriff, S. 88; Kellerl Griesbaum, Phänomen, S. 417; Zöller, Vorsorge, S. 163 f. 249 Vgl. auch Walder, Grenzen, S. 867. 250 Dazu auch Sc hoch, in: AK-StPO, § 160 Rn 3. 251 Diese Konkretisierung der Ermittlungspflicht verdeutlicht die als unparteilich ausgestaltete Rolle der Staatsanwaltschaft und ihre Verpflichtung auf den Grundsatz materieller Wahrheit, vgl. Schmidt, Rechtsstellung, S. 632; Kahlo, Begriff, S. 208. Dazu, daß sich die Staatsanwaltschaft in der Praxis eher als Verfolgungsbehörde versteht, die es dem Beschuldigten überläßt, entlastende Momente vorzubringen, Kühne, Strafprozeßrecht, Rn 138.

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

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des Ermittlungsverfahrens wirken sich, wie erläutert, auf die Konkretisierung des Verdachtsbegriffs aus. Umgekehrt hat - neben der Bedeutung des Verdachts einer bestimmten Straftat als Einschreitschwelle - der Verdacht einer bestimmten Straftat in Verbindung mit dem Ziel des Ermittlungsverfahrens die Funktion, das Erkenntnisinteresse der Strafverfolgungsbehörden auf die aufzuklärende Tat zu begrenzen. 252 Diese Begrenzung des Erkenntnisinteresses soll zugleich die Ermittlungsergebnisse eingrenzen. 253 Die Ermittlungen werden somit durch einen konkreten Verdacht nicht nur ausgelöst, sondern in ihren Ergebnissen auf diesen Verdachtsfall beschränkt. Anderenfalls hätten die Aufgabenbestimmungen auch nicht die eingrenzende Funktion, die ihnen zukommen muß. Denn die hinter den Tatbestandsvoraussetzungen stehende Idee, „Ausforschungsermittlungen" oder „Ermittlungen ins Blaue hinein" nicht zuzulassen, liefe leer, falls lediglich eine Anknüpfung an einen Verdacht erforderlich wäre. Das schließt nicht aus, daß bei den durch den Verdacht bestimmter Straftaten veranlaßten Ermittlungen zufällig Entdeckungen gemacht werden, die mit dem ursprünglichen Aufklärungsgegenstand nichts zu tun haben. Dann muß nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen gegebenenfalls ein neues Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Im übrigen überrascht es nicht, daß die Verwertbarkeit von „Zufallsfunden" in strafprozeßrechtlichen Regelungszusammenhängen immer problematisiert worden ist. §§ 160, 161 und 163 StPO lassen die Maßnahmen, die zur Erforschung des Sachverhalts zwecks Entscheidung über die Anklageerhebung gewählt werden dürfen, relativ unbestimmt. Im überkommenen System handelt es sich um Aufgabenzuweisungsnormen, nicht um Befugnisse. Diese sind jenen mit ihrem soeben dargelegten normativen Inhalten zugeordnet. I I I . Die Konstruktion der strafprozessualen Befugnisse L Der Bereich gesetzlich zu regelnder Befugnisse Ähnlich wie im Gefahrenabwehrrecht ist die Antwort auf die Frage, welche Tätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden eine gesetzliche Regelung erfordern, 252 Vgl. Walder, Grenzen, S. 864, 872 ff: „Der Anfangsverdacht, welcher die Ermittlungen auslöst, bestimmt bis zu einem gewissen Grad auch den Gegenstand, auf welchen sich die Aufklärungsarbeit zu beziehen hat. Der verdächtige Vorgang ist in aller Regel örtlich und zeitlich einigermaßen eingrenzbar... Ermittlungen (sind) unzulässig, die ohne jede Beziehung zu den Tatsachen des Verdachtsfalles wie Ort, Zeit, Umfeld der Tat, Tatmittel usw. in die Wege geleitet werden." Außerdem Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 40: „Die Tat als historisches Geschehen ist von Anfang an bis zum rechtskräftigen Abschluß der Verfahrensgegenstand, auf den sich die strafrechtliche Aufklärung bezieht." 253 Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 279 f. 6 Albers

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

unter anderem von staats- und verfassungsrechtsdogmatischen Modellen abhängig. So erschien der staats„interne" Prozeß der Informations- und Datenverarbeitung nicht schon im Ansatz als regelungsbedürftig. Anders als im Gefahrenabwehrrecht ist bei den Befugnissen der Strafprozeßordnung aber schnell ersichtlich, daß man mit einem Ermittlungsverfahren und mit Ermittlungsmaßnahmen zu tun hat, die die Gewinnung und verfahrensmäßige Handhabung von Erkenntnissen über das im Hinblick auf den Straftatverdacht relevante Geschehen betreffen. Die Informationskomponente der in den Befugnissen geregelten behördlichen Tätigkeit tritt deshalb deutlicher hervor. So ergibt sich etwa aus dem jeweiligen Normtext, daß die körperliche Untersuchung des Beschuldigten der Feststellung von Tatsachen dient, die für das Verfahren von Bedeutung sind (§ 81 a StPO), oder daß Gegenstände beschlagnahmt werden dürfen, sofern sie als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können (§ 94 Abs. 1 StPO). Die Informationskomponente der behördlichen Tätigkeit wird zudem deswegen deutlich, weil den von Ermittlungsmaßnahmen Betroffenen bestimmte Verfahrensrechtspositionen zuerkannt werden, die ihnen gerade das Zurückhalten von Informationen ermöglichen oder - so ein einprägsamer, aber nicht wirklich passender Terminus - „Informationsbeherrschungsrechte" 254 enthalten. Das gilt zum Beispiel für das Recht des Beschuldigten, auf Fragen zu schweigen und sich nicht mit eigenen Aussagen selbst zu belasten, oder für Zeugnisverweigerungsrechte. Dies weist bereits daraufhin, daß die Regelungsinhalte der strafprozessualen Befugnisse nie ausschließlich von dem Erfordernis geleitet worden sind, dem Vorbehalt des Gesetzes zu genügen und Ermächtigungsgrundlagen für Eingriffsmaßnahmen zu schaffen. Vielmehr wurde darüber hinaus der Ermittlungsprozeß mit den schon im Ermittlungsverfahren für notwendig gehaltenen oder erwünschten Verfahrensrechten betroffener Personen gestaltet.255 Die den Strafverfolgungsbehörden eingeräumten Ermächtigungen werden nicht selten wesentlich dadurch mitbestimmt, daß sie von Verfahrensrechtspositionen begleitet und in ihrer Eingriffsintensität gegebenenfalls abgemildert werden. Die immer auch den Prozeß erfassende Perspektive des StrafVerfahrensrechts hat von vornherein einen anderen Akzent als die überwiegend punktuelle Betrachtung, die das Gefahrenabwehrrecht prägt. Zu den traditionellen Ermächtigungen des Ermittlungsverfahrens zählen unter anderem die Sicherstellung, die Beschlagnahme und Herausgabe- oder Vorlageverlangen von Beweismitteln nach §§94 ff. StPO, Durchsuchungen von Personen, Sachen und Wohnungen nach §§102 ff. StPO, die körperliche Unter-

254 255

A me lung, Informationsbeherrschungsrechte, bes. S. 24 ff., 30 ff. Zum Überblick Fezer, Strafprozeßrecht, S. 28 ff.

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

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suchung von Personen nach § 81 a und c StPO 256 , Identifizierungsmaßnahmen und die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81 b StPO, die Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO, Beschuldigten- und Zeugenvernehmung nach § 163 a StPO sowie die Verhaftung, die vorläufige Festnahme und der Erlaß eines Steckbriefs nach §§ 112 ff. StPO. 257 Hervorzuheben ist weiter die - freilich erst auf die Notstandsgesetze zurückzuführende 258 - Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach §§ 100 a und b StPO. 2. Die Strukturen

der Befugnisse

Die Strafprozeßordnung enthält traditionell keine generalklauselartige Auffangermächtigung, 259 Sie regelt die zulässigen Befugnisse vielmehr explizit in speziellen Normen. Dieses Regelungssystem wird zwar gelegentlich in Frage gestellt, wenn man strafprozessuale Befugnisse zur Verfügung gestellt sehen möchte, die die Strafprozeßordnung nicht hergibt. Zu Erweiterungen versuchte man mit Hilfe der Auffassung zu gelangen, der Polizei stünden die Befugnisse, die die Polizeigesetze zur Gefahrenabwehr bereitstellten, auch für die Strafverfolgung zu. 2 6 0 Diese Sicht ist weitgehend aufgegeben worden, nachdem einige Befugnisse in einer den Regelungen des MEPolG nachgebildeten Weise in die Strafprozeßordnung übernommen wurden. Breiteren Zuspruch erhielt die Auslegung der §§ 160, 161 und 163 StPO als Generalklauseln, die Ermittlungsbefügnisse umfassen oder jedenfalls zu den Maßnahmen legitimieren sollen, die unterhalb der Intensitätsschwelle traditioneller Eingriffe liegen. 261 Normtext, Systematik, Entstehungsgeschichte und Zweck dieser Vorschriften bieten jedoch keine Stütze für die Herleitung von Generalklauseln, die Aufgaben und Befugnisse zusammenfassen. Schon mit Blick auf ihre Unbestimmtheit hinsichtlich der zulässigen Maßnahmen sind ihnen keine Eingriffsermächtigungen zu entnehmen. Zudem ist zu berücksichtigen, daß die Strafprozeßordnung, was insbesondere auch historisch zu erklären ist, dem Prinzip enumerativer, speziel256

Siehe dazu die Kammerentscheidungen BVerfG, NJW 1996, 771 (772 f.), und NJW 1996, 3071 (3072), daß § 81 a StPO eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die Entnahme einer Blutprobe zwecks DNA-Analyse enthalte. Mittlerweile ist diese, wie es entgegen der Sicht der Kammer auch verfassungsrechtlich geboten ist, in §§ 81 e ff. StPO ausführlicher gesetzlich geregelt. Zur Entstehungsgeschichte und zur Regelung der §§ 81 e und f StPO Senge, DNA-Analyse, S. 2409 ff. 257

2 5 8Zur

Entwicklungsgeschichte König, Entwicklung, S. 41 ff. Siehe dazu BVerfGE 30, 1 (4 ff., 32 f.). 259 Zu den kommenden generalklauselartigen Ermächtigungen der §§ 161, 483 i.d.F. des StVÄG siehe noch Kap. 2 Punkt C.I.2. 260 Vgl. dazu Seebode, Strafverfolgung, S. 537 ff; Sydow, Verbrechensbekämpfung, S. 120 ff.; Denninger, Strafverfahren, S. 304 ff.; Schenke, Kompetenz, S. 48 ff. 261 Ahlf, Begriff, S. 51 ff.; Rebmann, Einsatz, S. 2 f.; Rogali, Informationseingriff, S. 72 ff. m.w.N.; Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 539.

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

84

ler Befugnisregelungen folgt. Deshalb handelt es sich bei den überkommenen Bestimmungen der §§ 160, 161 und 163 StPO allein um Aufgabenzuweisungen, die dadurch zugleich das Verhältnis von Staatsanwaltschaft und Polizei regeln. 262 a) Sachverhaltserforschung und Tatbezogenheit Die einzelnen strafprozessualen Befugnisse, die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der zulässigen Ermittlungsmaßnahmen regeln, scheinen sich auf den ersten Blick kaum systematisch strukturieren zu lassen.263 Das etwas unübersichtliche Bild gewinnt jedoch mehr Struktur, wenn man auf die Überlegung zurückgreift, daß die Befugnisse zur Erfüllung der Aufgaben eingeräumt und auf die Aufgaben bezogen sind. Aus der Perspektive der Aufgabenerfullung dienen sie der Aufklärung der Vorgänge, die im Einzelfall im Hinblick auf den das Ermittlungsverfahren auslösenden Straftatverdacht und im Hinblick auf das Ziel, zu einer verfahrensabschließenden Entscheidung zu gelangen, von Bedeutung sind. 264 Das schließt die Bestimmung der gegebenenfalls tatverdächtigen Personen ein. Insofern ist der im Hinblick auf den konkreten Straftatverdacht relevante Sachverhalt zu erforschen. Diesen Bezugspunkt kann man teilweise auch den Normtexten entnehmen. So ermächtigt § 94 StPO zur Sicherstellung von Gegenständen, die als Beweismittel fur die Untersuchung von Bedeutung sein können. § 81 a StPO erlaubt die Anordnung einer körperlichen Untersuchung des Beschuldigten zur Feststellung von Tatsachen, die fur das Verfahren von Bedeutung sind. Andere Personen dürfen nach § 81 c StPO untersucht werden, soweit zur Erforschung der Wahrheit festgestellt werden muß, ob sich an ihrem Körper eine bestimmte Spur oder Folge einer Straftat befindet. § 163 b StPO läßt Maßnahmen zur Identitätsfeststellung zu, wenn jemand einer Straftat verdächtig ist oder, dies bei nicht verdächtigen Personen, wenn und soweit dies zur Aufklärung einer Straftat geboten ist. Vor diesem Hintergrund läßt sich die Tatbezogenheit als ein zentrales Kriterium benennen, das die jeweils eingesetzten Ermittlungsmaßnahmen verbindet, strukturiert und begrenzt. 265 Die überkommenen Ermittlungsbefugnisse haben bestimmte Einschreitvoraussetzungen, die vom Verdacht einer bestimmten Straftat geleitet werden, und sind in ihren Rechtsfolgen auf die aufzuklärende

262

Vgl. bereits oben Kap. 1 Punkt C.II.3. Außerdem Wolter, Informationseingriffe, S. 60; Wagner, AK-PolG NRW, vor § 8 Rn 22. Eingeschränkt auch L/R-Rieß, § 160 Rn 3 ff.; K/K -Wache, § 163 Rn 1. 263

Labe, Zufallsfund, S. 72. Die Straftat wird also nicht in jeder Hinsicht aufgeklärt, sondern nur, soweit es für die Funktionen des Strafverfahrens von Bedeutung ist. 265 Labe, Zufallsfund, S. 72 ff. 264

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

85

Tat ausgerichtet. Entsprechend sind sie auszulegen und anzuwenden. Erkenntnisinteressen und Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsbehörden werden dadurch - ebenso wie schon im Rahmen der Aufgabe - in bestimmtem Umfang eingegrenzt. Auch wenn je nach eingesetzter Maßnahme Zufallsfunde anfallen können, werden diese Grenzen bei den traditionellen Maßnahmen (faktisch) dadurch gesichert, daß sie relativ punktuell ansetzen und nicht schon aufgrund ihrer Struktur - wie die neuartigen Methoden etwa des längerfristigen Einsatzes verdeckter Ermittler oder der Rasterfahndung - notwendig eine Vielzahl von Erkenntnissen mit sich bringen, die mit dem Verdachtsfall nichts zu tun haben. 266 b) Die Auswahl und die Grenzen der Ermittlungsmaßnahmen Hinsichtlich der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und der Aufklärung des Sachverhalts sind Staatsanwaltschaft und Polizei an den Legalitätsgrundsatz gebunden; ihnen steht - anders als der Polizei im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts - kein Einschreitermessen zu. 2 6 7 Die Auswahl der Maßnahmen aus dem Spektrum der Ermittlungsbefugnisse, also die Entscheidung darüber, welche Ermittlungshandlungen in welcher Abfolge durchgeführt werden, ist nach überkommener Gestaltung freilich nur begrenzt vorgegeben. Dem entspricht es, daß man den Aufgabenbestimmungen einen „Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens" 268 entnimmt. Die in bestimmtem Umfang vorhandenen Entscheidungsspielräume ermöglichen eine Orientierung am Stand des Verfahrens, eine Abstimmung der Ermittlungstätigkeit auf bereits vorhandene Erkenntnisse und einen Einsatz der Befugnisse nach Maßgabe der Erfolgsund Effektivitätserwartungen in bezug auf die Sachverhaltsaufklärung. Bindungen ergeben sich aus den Tatbestandsvoraussetzungen der Befugnisse und aufgrund verfassungsrechtlicher Anforderungen, hier insbesondere aufgrund des Übermaßverbots. 269 Die Rechtmäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen ist an tatbestandliche Voraussetzungen gebunden, aufgrund derer sich im Einzelfall eine Rangfolge zwischen verschiedenen Ermittlungsmaßnahmen ergeben kann. Liegen etwa zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für einen Straftatverdacht vor, läßt sich aber 266

Zu diesen Unterschieden und zu den strukturellen Charakteristika bestimmter neuer Methoden Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 275 ff. 267 Die Einstellungsmöglichkeiten nach den §§ 153 ff. StPO formulieren kein Opportunitätsprinzip im Sinne eines Strafverfolgungsermessens, vgl. Fezer, Strafprozeßrecht, S. 6 f. 268

Kleinknecht/Meyer-Goßner,

StPO, § 161 Rn 7, § 163 Rn 47; L/R-Rieß, vor § 158

Rn 17, § 160 Rn 35 ff. Vgl. auch Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 21 ff, 45 ff., einschränkend im Hinblick auf die jüngeren Eingriffsbefugnisse. 269 Dazu Degener, Grundsatz, S. 47 ff.

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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ein durch bestimmte Tatsachen begründeter Verdacht, wie ihn § 100 a StPO als Voraussetzung für die Überwachung des Fernmeldeverkehrs festhält, (noch) nicht plausibilisieren, muß der Sachverhalt zuvor durch andere Maßnahmen weiter geklärt werden. § 100 a StPO ist auch die Vorschrift, die mit dem Tatbestandsmerkmal, daß die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert sein muß, eine Subsidiaritätsklausel enthält, wie sie sich nunmehr in einigen der jüngeren Vorschriften zu besonderen Ermittlungsmethoden findet. 270 Herkömmlicherweise wird das Verhältnis zwischen den Maßnahmen auf gesetzlicher Ebene regelmäßig jedoch nicht näher normiert. Eine Rang- und Reihenfolge kann aber im konkreten Fall aus dem Übermaßverbot folgen, das als verfassungsrechtliches Prinzip auf die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen einwirkt. 271 Zu den wichtigen, wenn auch keineswegs einzig relevanten Tatbestandsvoraussetzungen zählen Anforderungen an den Tatverdacht. Dabei werden Verdachtsformen je nach Stand des Verfahrens, Verdachtsgrade und Verdachtsrichtungen unterschieden. Die gesetzlich festgehaltenen Differenzierungen reagieren vor allem auf die Eingriffsintensität der jeweiligen Ermittlungsmaßnahme. Unter diesem Gesichtspunkt lassen sie sich als gesetzgeberische Umsetzung des Übermaßverbots begreifen. 272 Deshalb steht fest, daß die verschiedenen normtextlichen Fassungen in gegeneinander abgegrenzter Weise auszulegen sind und nicht nivelliert werden dürfen. Allerdings muß man berücksichtigen, daß sie sich nicht unter (nur) einem Kriterium ordnen lassen. 273 Etwa orientieren sich der Begriff der „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte", der den Anfangsverdacht umschreibt, und der „hinreichende Verdacht", der fur die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlich ist, (auch) am Verfahrensverlauf. Der auf „bestimmte Tatsachen" gestützte Verdacht nach § 100 a StPO mag (auch) auf Plausibilitäts- und Begründungsanforderungen zur Erleichterung der Nachprüfbarkeit der - unter einen Richtervorbehalt gestellten - Entscheidung zielen. Der sich gegen den Beschuldigten richtende „dringende Tatverdacht", der Voraussetzung der Anordnung der Untersuchungshaft ist, formuliert erhöhte Anforderungen an den Verdachtsgrad wegen der Eingriffsintensität dieser Maßnahme. Demnach sind die jeweiligen Verdachtsformen zu unterscheiden, ohne daß sich die Differenzierungskriterien auf den Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose, 270

Vgl. noch Kap. 3 Punkt B.II.2.b. Zum - der Vermeidung eines Verfassungswidrigkeitsverdikts dienenden - unmittelbaren Rückgriff auf das Übermaßverbot, dies auch gegen den Normtext gesetzlicher Bestimmungen siehe etwa BVerfGE 33, 367 (374 f.). 272 Vgl. Corts/Hege, Funktion, S. 308, 379 ff.; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 270 ff. Mit Zweifeln an der Praktikabilität Degener, Grundsatz, S. 92 ff.; sodann S. 232 ff. 273 Siehe auch Kühne, Definition, S. 622; Corts/Hege, Funktion, S. 380 ff. 271

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

87

daß eine Straftat von einer bestimmten Person begangen worden ist, reduzierten. Darüber hinaus verlangt das Übermaßverbot, daß der Grad des Tatverdachts gegebenenfalls bei Anwendung der jeweiligen Ermittlungsbefugnis berücksichtigt wird. 2 7 4 Ein weiteres Tatbestandsmerkmal kann das Gewicht der Straftat sein, die Gegenstand des Tatverdachts ist. So ist die Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach § 100 a StPO nur bei einem bestimmte Straftaten betreffenden Verdacht zulässig, die die Gesetzgebung als schwerwiegend eingestuft und katalogmäßig aufgelistet hat. Die Anordnung der Untersuchungshaft nach §§ 112 ff StPO darf zu der Bedeutung der Sache und zu der zu erwartenden Strafe nicht außer Verhältnis stehen (§112 Abs. 1 Satz 2 StPO), und ihre Zulässigkeit wird im weiteren nach Maßgabe des Gewichts der Straftat noch gesetzlich differenziert (§§112 Abs. 3, 112 a, 113 StPO). Das Gewicht der Straftat ist zudem ein Kriterium, dem im Rahmen der Anwendung des Übermaßverbots Bedeutung zukommt. 275 Dahinter steht der Gedanke, daß die mit der Aufklärung der Tat verbundenen Folgen den Täter nicht stärker belasten sollen als die zu erwartende Strafe. 276 Neben und ergänzend zu dem Tatverdacht und dem Gewicht der Straftat wird die Ergiebigkeit der jeweiligen Ermittlungsmaßnahme, die dieser für die Aufklärung des konkreten Falles voraussichtlich zukommt, als Voraussetzung ihres Einsatzes hervorgehoben. 277 Sie ist danach nur dann zulässig, wenn die Hypothesen hinsichtlich des aufzuklärenden Falles so präzise sind, daß bestimmte oder zumindest eingrenzbare Personen oder Gegenstände damit in Verbindung gebracht werden können und die gewählten Maßnahmen einen Aufklärungserfolg versprechen. Auch dieses Kriterium spiegelt sich zum Teil ausdrücklich in den Tatbestandsvoraussetzungen der gesetzlichen Regelungen wider. Zum Beispiel darf nach § 102 StPO eine Durchsuchung nur vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß sie zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Im übrigen folgt es in bestimmtem Umfang aus der Geeignetheitsund aus der Verhältnismäßigkeitskomponente des bei der Auslegung und Anwendung der strafprozessualen Ermächtigungen zu beachtenden Übermaßverbots. 278 Dadurch treffen die abstrakt gefaßten Vorschriften im Anwendungsfall nur relativ wenige Personen.

274

BVerfGE 17, 108(117); 20, 162 (186 ff.); 27,211 (219); 42, 212 (219 f.); 59, 95 (97); 77, 64 (65). 275 BVerfGE 16, 194 (201 f.); 17, 108 (117); 20, 162 (186 ff.); 27, 211 (219); 42, 212 (219 f.). 276 BVerfGE 16, 194 (202). 277 Dazu Degener, Grundsatz, S. 103 ff.; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 265 ff 278 BVerfGE 20, 162(187).

Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

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Darüber hinaus gibt es eine Reihe tatbestandlicher Voraussetzungen und Grenzen der Ermittlungsbefugnisse, die explizit der Gewährleistung rechtsstaatlicher Anforderungen an die Gestaltung des Ermittlungsverfahrens dienen. Sie geben bestimmte Ermittlungsmaßnahmen zwingend vor, schränken die Wahl zwischen verschiedenen Maßnahmen ein oder halten Vorgaben fur den Fall des Einsatzes einer bestimmten Maßnahme fest. Etwa sieht § 163 a StPO vor, daß der Beschuldigte spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen ist und daß Beweise, deren Aufnahme er zu seiner Entlastung beantragt, zu erheben sind, wenn sie von Bedeutung sind. Zugleich steht ihm das Recht zu, die Aussage zu verweigern. Darauf ist er hinzuweisen. Zeugen sind zwar gegenüber Staatsanwaltschaft und Gericht zur Aussage verpflichtet, haben aber unter bestimmten Voraussetzungen ein Zeugnisverweigerungsrecht. Gelegentlich ist die Anordnung einer Maßnahme dem Richter vorbehalten 279 , sofern nicht Gefahr im Verzug besteht, bei der Staatsanwaltschaft oder Polizei Eilanordnungen treffen dürfen 280 , die dann aber richterlich bestätigt werden müssen. Neben den sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen sehen die Ermittlungsbefugnisse differenzierende Anforderungen nach Maßgabe der Rolle der jeweiligen Adressaten vor. Die Wahl der Ermittlungsmaßnahmen und die dabei gegebenen Entscheidungsspielräume werden somit auch durch personelle Gesichtspunkte eingegrenzt. Ob bestimmte Maßnahmen zulässig sind, richtet sich insofern danach, welche Person in welcher Rolle wie intensiv in welchen Rechten beeinträchtigt wird. c) Die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Personen Zu den sich aus den Grenzen der Aufgabenbestimmung ergebenden Voraussetzungen des Einsatzes der strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse, die durch weitere sachliche Tatbestandsvoraussetzungen konkretisiert und ergänzt wird, zählt der hinreichende Tatverdacht, nicht etwa ein schon täterbezogener Verdacht ?%x Während die Adressaten gefahrenabwehrender Maßnahmen nach den Polizeigesetzen zwar in von den Generalermächtigungen gesonderten Vorschriften bestimmt, die Möglichkeit ihrer Inanspruchnahme und ihre Erkennbarkeit aber grundsätzlich vorausgesetzt werden, ist es ein Kennzeichen strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen, daß die tatverdächtige Person nicht unbedingt feststeht. Wegen seines Ziels und seiner Einbettung in ein potentielles Strafverfahren richtet sich das Ermittlungsverfahren freilich gegebenenfalls gerade auch auf die Ermittlung der Verdächtigen. 282 Das strafprozeßrechtlich geforderte 279 280 281 282

Zur Funktion des Richtervorbehalts siehe Ne lies, Kompetenzen, S. 45 ff. Zur dogmatischen Einordnung Nelles, Kompetenzen, S. 69 ff. Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 260 ff.; Helgerth, Verdächtige, S. 11 d ff.

Vgl. auch von Hindte, Verdachtsgrade, S. 8 f.

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

89

Rangverhältnis zwischen Straftatverdacht und Tatverdächtigen ist damit ebenso klar wie das gefahrenabwehrrechtliche Verhältnis zwischen Gefahr und „Störern": Ohne daß der Verdacht einer Straftat besteht, dürfen Personen nicht als verdächtig eingeordnet werden. Sofern nach kriminalistischen Kriterien „verdächtige" Personen oder „verdächtige" Verhaltensweisen ausgemacht werden, ohne daß sie mit dem Verdacht einer bestimmten Straftat in Verbindung gebracht werden könnten 283 , handelt es sich nicht um strafprozeßrechtlich zulässige Kategorialisierungen; daran orientierte Ermittlungen sind rechtswid•

284

ng. Bei den Ermittlungsmethoden gibt es demnach eine Reihe von Befugnissen, die zwar einen Tatverdacht, nicht jedoch verlangen, daß dieser sich gegen die in Anspruch genommene Person richtet. Dabei kann man zwischen dem Stadium eines Ermittlungsverfahrens, in dem es noch keinen Tatverdächtigen gibt, und dem Stadium unterscheiden, in dem Tatverdächtige bestimmt sind, die gewählten Maßnahmen aber unverdächtige Personen treffen. Im ersten Fall nimmt ein nachfolgend unter Umständen Beschuldigter andere Rollen ein, regelmäßig die des Zeugen, und ist entsprechend zu behandeln; im zweiten Fall greifen die gegebenenfalls je nach Rolle verschiedenen Vorschriften. Unabhängig von dieser Differenzierung wird die Inanspruchnahme von Personen aber durch die bereits genannte Tatbezogenheit der Ermittlungsmaßnahmen begrenzt. 285 Dieser Bezug auf bestimmte Straftaten konstituiert neben sachlichen und zeitlichen Grenzen auch personelle Eingrenzungen und Unterscheidungen. Darüber hinaus werden Grenzen der Inanspruchnahme mit Blick auf den Konkretionsgrad 286 und auf den Wahrscheinlichkeitsgrad 287 des Tatverdachts aus dem Übermaßverbot entwickelt. Andere Ermächtigungen setzen demgegenüber voraus, daß sich die Maßnahme gerade gegen den Tatverdächtigen oder (enger) gegen den Beschuldigten richtet. Das gilt etwa für die Überwachung der Fernmeldeverkehrs in § 100 a StPO, die Durchsuchung in § 102 StPO, die Untersuchungshaft in § 112 Abs. 1 StPO oder die vorläufige Festnahme in § 127 Abs. 2 StPO. Bestimmten gesetzlichen Differenzierungen ist zudem zu entnehmen, daß ein Tatverdächtiger grundsätzlich in größerem Maße zur Klärung des Verdachts heranzuziehen 283 Siehe Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 36 ff.; Feest/Blankenburg, Definitionsmacht, S. 35 ff., daß Grundlage von Verdächtigungen in der kriminalistischen Diskussion oder der polizeilichen Praxis auch etwa allein der äußere Habitus (Kleidung oder Schuhe) oder bestimmte Verhaltensweisen sind. 284 Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 40. 285 Vgl. Dencker, Gefahrlichkeitsvermutung, S. 263: „Die Grundrechte der Bürger dürfen nur im Rahmen einer definierten Beziehung zu dem einzelnen Verfahren angetastet werden". 286 Kühne, Strafprozeßrecht, Rn 320. 287 Siehe etwa Corts/Hege, Funktion, S. 381.

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

ist (etwa § 81 a StPO im Vergleich zu § 81 c StPO oder § 102 StPO im Vergleich zu § 103 StPO). 288 Die gleiche Aussage wird aus dem Übermaßverbot entwickelt. 289 Die Unschuldsvermutung steht dem nicht entgegen.290 Das heißt jedoch nicht, daß nach Konkretisierung eines Tatverdächtigen Personen in anderen Rollen wie der des Opfers oder der des Zeugen kaum noch in Anspruch genommen werden könnten. Zeugen sind gegenüber Staatsanwalt und Richter zu Aussagen verpflichtet (§ 161 a StPO); Tatopfer müssen sich gegebenenfalls körperlich untersuchen lassen; jeder ist verpflichtet, potentielle Beweisgegenstände herauszugeben (§ 95 StPO); unter bestimmten Voraussetzungen dürfen bei Unverdächtigen Wohnungsdurchsuchungen (§ 103 StPO) oder Post- und Telefonüberwachungen (§§ 99, 100 a StPO) durchgeführt werden. Wegen der in der Strafprozeßordnung verankerten verfahrensrechtlichen Schutzpositionen kann es sogar sein, daß einem Beschuldigten mehr Rechte zustehen als etwa einem Zeugen, zum Beispiel hinsichtlich der Aussageverweigerungsmöglichkeiten. Verglichen mit nicht verantwortlichen Personen im Gefahrenabwehrrecht müssen nicht tatverdächtige Personen im Strafprozeßrecht somit durchaus weitreichende Eingriffe hinnehmen.291 Die Anwendbarkeit der differenzierenden Tatbestandsvoraussetzungen setzt voraus, daß bestimmt werden kann und bestimmt wird, wann jemand als Person verdächtigt oder der Tat beschuldigt wird. Ebenso wie zum Begriff des Verdachts gibt es dazu überraschend wenig nähere Ausarbeitungen. Auf ganz allgemeiner Ebene wird, dies entspricht der Zurechnung von Gefahrenlagen im Gefahrenabwehrrecht, zwischen dem - vorrangigen - Tatverdacht und dem oder den Verdächtigen eine Verbindung hergestellt. Anders als im Falle der polizeigesetzlich geregelten Verantwortlichkeiten sind die Kriterien, die in inhaltlicher Hinsicht anzulegen sind, aber wenig gehaltvoll: Als Verdächtigte werden die Personen bezeichnet, auf die sich der Verdacht konkretisiert hat oder gegen die

288

Siehe dazu auch Köhler, Prozeßrechtsverhältnis, S. 19 ff. Degener, Grundsatz, S. 227, 229, 234; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 270 f. 290 BVerfGE 74, 358 (372); 82, 106 (115): „Die Unschuldsvermutung verwehrt es den Strafverfolgungsbehörden nicht,... verfahrensbezogen den Grad des Verdachts einer strafbaren Handlung eines Beschuldigten zu beurteilen. ... Solche verfahrensbezogenen Bewertungen von Verdachtslagen sind für die Durchfuhrung eines an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientierten Strafverfahrens unerläßlich.". Im Ergebnis ebenso bei einem nicht durch den Tatverdacht relativierten Konzept der Unschuldsvermutung Krauß, Grundsatz, S. 167 ff.: Die stärkere Inanspruchnahme des Verdächtigen gegenüber dem Nichtverdächtigen beruhe darauf, daß der Tatverdacht als solcher die Ungleichbehandlung trotz unvermindert fortbestehender Unschuldsvermutung legitimiere. Die Unschuldsvermutung gebe dabei auf, die Stellung des Beschuldigten so zu gestalten, daß sich dessen Unschuld in jeder Lage des Prozesses (noch) herausstellen könne. Zu den unterschiedlichen Konzepten Gropp, Wirkungsgehalt, S. 805 ff. 291 Siehe dazu etwa die Überlegungen bei Wolter, Nichtverdächtige, S. 49 ff. 289

C. Die Mitwirkung an der Verfolgung von Straftaten

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sich der Verdacht richtet. 292 Für die Beschuldigteneigenschaft wird auf die Zuschreibung der Tat an eine bestimmte Person abgestellt, die die Ermittlungsbehörde vornimmt, indem sie das Ermittlungsverfahren gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten betreibt. 293 Die Diskussion konzentriert sich auf den verfahrensrechtlichen Schutz, den die Strafprozeßordnung unter anderem im Hinblick auf Belehrungspflichten enthält. Vor diesem Hintergrund verlangt man, daß die Strafverfolgungsbehörden jemanden in dem Augenblick als Beschuldigten behandeln müssen, in dem sich der Verdacht so konkretisiert, daß sie verpflichtet sind, die Strafverfolgung gegen diese Person zu betreiben. 294 Dies schützt zum einen die im engeren Sinne Verdächtigen in der Weise, daß sie um die Verdächtigung wissen. Zum anderen schützt es die nicht verdächtigen Personen, die entweder wissen, daß sie nicht verdächtigt werden, oder zumindest nicht zu befürchten brauchen, daß sie verdächtigt werden, ohne es zu wissen. In diesem Rahmen mag die Zuschreibung der Tat durch die Strafverfolgungsbehörden im Vordergrund stehen. Muß ein Verdächtigter oder Beschuldigter eingriffsintensivere Maßnahmen hinnehmen als Unverdächtige, bedarf es jedoch materieller Kriterien, mit Hilfe derer bestimmt und begrenzt wird, wann eine Person verdächtigt oder beschuldigt werden darf. 295 Anderenfalls könnten Personen in dem zunächst nur durch den Anfangsverdacht einer Straftat gesteuerten Ermittlungsverfahren in weitreichendem Umfang zu Straftatverdächtigen erklärt werden. Die Notwendigkeit, Kriterien mit Begrenzungsfünktion zu entwickeln, wird im Gefolge der neuen Ermittlungsmethoden mehr als bislang zu einem zentralen Problem werden. 296

IV. Fazit: Die Justizförmigkeit der Strafverfolgung Aufgaben und Befugnisse der Polizei im Rahmen der Strafverfolgung sind in das Ermittlungsverfahren nach Maßgabe der Strafprozeßordnung eingebettet. Es dient der Aufklärung eines Straftatverdachts und ist zugleich - wie der Strafprozeß insgesamt - als justizförmiges Verfahren ausgestaltet. Dahinter wiederum stehen unter anderem die Ziele und Strukturmerkmale des materiellen Strafrechts, das an ein begangenes Unrecht, aber eben auch nur daran, eine der 292

Corts/Hege, Funktion, S. 380. BGHSt 10, 8 (12); 34, 138 (140); K/K-Boujong, § 136 Rn 4; Gundlach, in: AKStPO, § 136 Rn 2 ff. 294 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Einl Rn 76. 295 Dazu und zu der mit der Beschuldigtenstellung verbundenen Ambivalenz des verfahrensrechtlichen Schutzes einerseits und der Pflicht zur Duldung eingriffsintensiverer Maßnahmen andererseits Gusy, Anmerkung, S. 1177 f. 296 Siehe etwa den der Kammerentscheidung des BVerfG, NJW 1996, S. 3071 (= JZ 1996, S. 1175), zugrunde liegenden Fall. Das Gericht entzieht sich einer zureichenden verfassungsrechtlichen Überprüfung. Siehe auch Gusy, Anmerkung, S. 1176 ff. 293

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

Schuld des Täters angemessene Strafe knüpft. Die Justizförmigkeit des Verfahrens spiegelt sich etwa in der Leitungskompetenz der Staatsanwaltschaft, im Legalitätsprinzip oder in der Unschuldsvermutung wider. Sie bedingt eine Eingrenzung der auf Basis der Strafprozeßordnung zulässigen Maßnahmen, die nicht ohne weiteres aufgehoben werden kann.Ermittlungsmaßnahmen werden durch den Verdacht einer Straftat ausgelöst und sind durch ihre Tatbezogenheit gekennzeichnet. Ihre Auswahl wird nicht nur dadurch, sondern auch durch Tatbestandsvoraussetzungen gesteuert, die den verschiedenen Zielfunktionen des Strafverfahrens Rechnung tragen sollen. Insbesondere gibt es verfahrensrechtliche Schutzpositionen betroffener Personen; „... die Stellung des Beschuldigten/Angeklagten in ,seinem' (Straf-)Verfahren (ist) eine ganz andere als die des bloßen , Störers"' 297 . Tatverdächtige oder Beschuldigte haben einerseits teilweise intensivere Beeinträchtigungen hinzunehmen als Unverdächtige; andererseits können ihre Schutzpositionen stärker sein. Im Hinblick auf das Ziel der Aufklärung einer Straftat dürfen auch nicht verdächtige Personen in bestimmten Hinsichten durchaus weitreichend in Anspruch genommen werden. Dem Ermittlungsverfahren kann ein Strafverfahren nachfolgen, in dem die Ermittlungsergebnisse erneut in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu prüfen sind.

D. Unterschiede und Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Nach diesem Überblick kann an die eingangs bereits zugrunde gelegte Aussage, daß Gefahrenabwehr und Strafverfolgung eine zentrale Unterscheidung darstellen, angeknüpft werden. Die Unterschiede betreffen mehrere Dimensionen und verschiedene Gesichtspunkte; sie erschließen sich nur bei einer umfassenden Betrachtung. Die Komponenten, aus denen sich Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zusammensetzen, haben jeweils in ihrem Zusammenwirken freiheitsschützende Funktionen. Einige wesentliche Punkte, die fur die weitere Analyse wichtig sind, können an dieser Stelle hervorgehoben werden. Unterschiedlich sind zunächst die jeweiligen Ziele und Bezugspunkte. Gefahrenabwehr zielt darauf, das weitreichende Schutzgut der öffentlichen Sicherheit (oder Ordnung) im Falle einer Gefahrenlage vor den drohenden Schäden zu bewahren. Die Reichweite des Schutzguts ist Korrelat der noch möglichen Schadensabwendung. Dem Merkmal der Gefahr kommt eine zentrale Bedeutung zu. Bei der Strafverfolgung geht es um die im Falle des Verdachts einer Straftat ausgelöste Sachverhaltsaufklärung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, das in ein übergreifendes, den

297

Denninger, Polizeiaufgaben, Rn 140.

D. Unterschiede und Interdependenzen

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Funktionen des materiellen Strafrechts nachgeordnetes und justizförmig gestaltetes Strafverfahren eingebettet ist. Hierbei wirkt sich prägend aus, daß die Reaktion auf eine möglicherweise, aber eben auch nur möglicherweise begangene Straftat - ein Ereignis, das aus sich heraus ein gewisses Gewicht hat und fur das ein Täter gegebenenfalls mit deutlichen Konsequenzen einstehen muß - in Rede steht. Das Element der Gefahr enthält eine recht voraussetzungsvolle Prognose, die eine hinreichende Tatsachenbasis, einen bestimmten Prognosezeitpunkt, objektive Erfahrungsregeln und eine Schadenswahrscheinlichkeit mit einem bestimmten, normativ variablen Wahrscheinlichkeitsgrad erfordert. Die retrospektive Hypothese, die den Verdacht kennzeichnet, ist in allen Punkten weniger voraussetzungsvoll. Das wird aber durch die Einbettung in ein justizförmiges Verfahren abgemildert. Gefahrenabwehrmaßnahmen können, wenn eine spezielle Befugnis fehlt, durch eine Generalermächtigung gedeckt werden. Deren relative Unbestimmtheit wird freilich durch die erforderliche Situationsbezogenheit und durch die Bindungen bei der Wahl der Maßnahmen und der Inanspruchnahme von Personen kompensiert. Die zwecks Strafverfolgung eingeräumten Befugnisse ergeben sich dagegen traditionell ausschließlich aus speziellen Normen. Die Ermächtigungen zu Gefahrenabwehrmaßnahmen und zur Inanspruchnahme von Personen sind der Struktur nach entkoppelt; die Inanspruchnahme richtet sich nach Kriterien der Verantwortlichkeit und wird durch Kompensationsmechanismen ergänzt. Strafverfolgende Ermittlungsmaßnahmen haben andere Akzente: sie streben die Sachverhaltsaufklärung und in diesem Rahmen gegebenenfalls insbesondere die Ermittlung der nachfolgend anzuklagenden Person an. Die personelle Inanspruchnahme wird von diesen Zielen und von den - sich unter Umständen verändernden - Rollen bestimmt, die Personen im Laufe des Ermittlungsverfahrens einnehmen. Der Hintergrund des justizförmigen Strafverfahrens macht sich vor allem darin bemerkbar, daß gerade auch verdächtigen oder beschuldigten Personen verfahrensrechtliche Schutzpositionen zustehen. Daß die Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung nur bei einer umfassenden und komplexen Betrachtung erfaßt werden kann, wird vernachlässigt, wenn man lediglich auf bestimmte Gesichtspunkte abstellt oder auf Abstraktionen zurückgreift, in denen wichtige konkrete Merkmale verschwinden. So wird aber mittlerweile oft argumentiert. Zum Beispiel werden nicht aus dem juristischen Kontext stammende Begriffe wie der der „Verbrechensbekämpfung" und der der „Inneren Sicherheit" oder auch das „Grundrecht auf Sicherheit" genutzt, um die gefahrenabwehrende und die strafverfolgende Tätigkeit der Polizei mit normativen Intentionen unter einen einheitlichen Zweck zu fassen. 298 Auch die Beschreibung mit Hilfe der Differenz von Prävention und 298

Etwa Scholz/P itschas, Selbstbestimmung, S. 123: Das ,Grundrecht auf Sicherheit' konstituiere einen einheitlichen Handlungszweck für die gemeinsame Aufgabe der Si-

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

Repression fuhrt nicht selten zu einer verkürzenden Sicht. Stellt man allein darauf ab, gelangt man schnell zu den Überlegungen, daß die Strafverfolgung präventive Aspekte einschließt und daß Prävention ein verbindendes Element von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung darstellt. 299 Dann ist es nicht mehr weit zu der These, die Strafverfolgung sei dem „großen Auftrag ... der Gefahrenabwehr" untergeordnet. 300 Dabei wird jedoch jeweils mit einem Wechsel von Ebenen und Bezugspunkten operiert, aufgrund dessen es immer gelingt, Zwekke, Mittel oder Funktionen zu variieren und Unterscheidungen anders zu setzen als zuvor. Richtig gesehen können die Begriffe „Prävention" und „Repression" zwar als Merkmale von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung herangezogen werden; sie sind ihnen aber nachgeordnet und nur als eines von mehreren Kennzeichen in einem schon übergreifend beschriebenen Kontext zu verstehen. Die Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung schließt nicht aus, daß es Überschneidungen und Interdependenzen gibt. In bezug auf polizeiliche Handlungen entstehen sie in situativen Gemengelagen, 301 Manchmal enthält ein Sachverhalt teils gefahrenabwehrrechtliche, teils strafverfolgungsrechtliche Elemente, so im Falle eines Einsatzes bei einer erfolgten Geiselnahme, bei der die Geisel noch gerettet werden muß, oder im Falle der Eigensicherung der Polizeibeamten bei einer Festnahme.302 Manchmal gibt es Gemengelagen deswegen, weil die einschlägige Strafhorm, die einerseits zum

cherheitsbehörden. Vollständig vermengend auch BVerwG, JZ 1991, S. 471 (473 f.): „Die verfassungsrechtliche Legitimation für die Sammlung strafrechtsrelevanter Informationen durch die für die Bekämpfung der Kriminalität zuständigen Behörden folgt aus der ,rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten'... Eine wirksame Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung, die auch den Schutz zukünftiger Opfer von Straftaten einschließt, ist eine wesentliche Aufgabe des rechtsstaatlichen Gemeinwesens... Strafverfolgung ist dabei in einem umfassenden Sinne zu verstehen. Sie erschöpft sich nicht in der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG vorausgesetzten Schaffung von Straftatbeständen und der Verfolgung entsprechender Straftaten, sondern erfaßt ganz allgemein die Verbrechensbekämpfung (vgl. Art. 73 Nr. 10 GG), einschließlich der dazu erforderlichen Eigensicherung der Polizeibeamten und des Schutzes der von polizeilichen Maßnahmen betroffenen Personen, sowie das Bestehen und Funktionieren eines polizeilichen Auskunfts- und Nachrichtenwesens (vgl. Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG)." Zu Recht dagegen differenzierend Paeffgen, Normen, S. 441 ff.; Gusy, Anmerkung, S. 499. 299 Aus jüngerer Zeit siehe Schäfer, Prädominanz, S. 52 ff. Zutreffend dazu Schenke, Kompetenz, S. 51; im Erg. auch Schwan, Abgrenzung, S. 120 ff. Vgl. weiter Waiden, Zweckbindung, S. 214 ff. 300 Schäfer, Prädominanz, S. 53. 301 Beispiele bei Lisken, Rechtsschutz, Rn 47; Braun, Bekämpfung, S. 216 f.; (teilweise etwas vage) Kniesel, Polizeigesetze, S. 378 f. 302 Die Eigensicherung führt nicht dazu, daß das Vorgehen in der Sache als Gefahrenabwehr einzuordnen wäre, sondern nur dazu, daß es insoweit gefahrenabwehrrechtliche Elemente enthält. Es spricht deshalb sogar einiges dafür, daß die Bundesgesetzgebung im Rahmen strafprozessualer Ermittlungsbefugnisse solche Fragen kraft Annexkompetenz mitregeln darf, vgl. auch Krey! Haubrich, Zeugenschutz, S. 314.

D. Unterschiede und Interdependenzen

95

polizeigesetzlichen Schutzgut der „öffentlichen Sicherheit" zählt, andererseits die normative Basis einer zu verfolgenden Straftat ist, bereits den Versuch unter Strafe stellt, und dieser im gegebenen Fall schon aufzuklären ist, während die Vollendung der Straftat noch zu verhindern ist. Relevant ist auch die Vorverlagerung der Strafbarkeitsgrenzen, aufgrund derer im Hinblick auf das „klassische" Rechtsgut noch eine Gefahr besteht, während hinsichtlich des neuen Rechtsguts schon eine Straftat vorliegt. Das faktisch einheitlich erscheinende Handeln der Polizei kann in solchen Konstellationen rechtlich „doppelfunktional" sein. Da einer Zuordnung der Maßnahme als Gefahrenabwehr- oder StrafVerfolgungsmaßnahme schon wegen der unterschiedlichen Rechtswege, aber auch wegen unterschiedlicher Ermächtigungsgrundlagen nicht ausgewichen werden kann, braucht man freilich Einordnungs- und Abgrenzungskriterien. Vor allem bei der Entscheidung über den richtigen Rechtsweg wird darauf abgestellt, wo nach dem Gesamteindruck das Schwergewicht der Maßnahme liegt. 303 Teilweise wird dagegen - mit wiederum unterschiedlichen Akzenten die Meinung vertreten, die Polizei dürfe sich auf beide Ermächtigungen stützen. 304 Im Ausgangspunkt ist es jedenfalls Voraussetzung einer angemessenen Beurteilung, daß die polizeiliche Tätigkeit im Rahmen eines einheitlich erscheinenden Lebenssachverhalts nicht umgreifend-vage beschrieben 305 , sondern hinreichend aufgeschlüsselt wird. 3 0 6 Auch bei hinreichender Differenzierung bleibt es aber denkbar, daß eine bestimmte Handlung in doppelter Perspektive erfaßt und in zwei übergreifende Handlungszusammenhänge eingeordnet werden kann. In diesem Fall kann sie, dies abhängig von den polizeilichen Zwecksetzungen, sowohl Zwecken der Gefahrenabwehr als auch Zwecken der Strafverfolgung dienen. 307 Das heißt nicht, daß die Polizei sich dann die ihr günstigste Ermächtigungsgrundlage aussuchen und zugleich den davon gar nicht ge-

303

Im Anschluß an BVerwGE 47, 255 (264 f.), der freilich eine ausschließlich der Strafverfolgung dienende Maßnahme mit der bloßen Nebenfolge der Verhinderung weiterer Störungen zugrunde lag und die die ihr entnommenen Aussagen nicht eindeutig hergibt: OVG NW, NJW 1980, S. 855 (855); BayVGH, NVwZ 1986, S. 655 (655); Lisken, Rechtsschutz, Rn 48. 304 Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 546 ff., 565; Erichsen, Standardmaßnahmen, S. 49; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 232 f.; Wolter, Beweisverbote, S. 526; BayOLG, NVwZ 1990, S. 194 (195). 305 Vgl. aber etwa BGH, NJW 1991, S. 2651 (2651), wo es zweifelhaft ist, ob wirklich eine Gemengelage anzuerkennen ist. Dazu Wolter, Beweisverbote, S. 525 ff; Rogali, Anmerkung, S. 46; Gusy, Anmerkung, S. 499. 306 Schoch, Rechtsschutz, S. 1115 f. 307 Die pauschale Überlegung, jede Strafverfolgung diene der Entdeckung des Täters und damit zugleich der Verhinderung zukünftiger Straftaten - so (darstellend) Gusy, Anmerkung, S. 499 - reicht dafür schon deshalb nicht aus, weil vage Vermutungen nicht die Voraussetzungen der erforderlichen Gefahrenprognose erfüllen.

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Kap. 1 : Charakteristika des überkommenen Polizeirechts

deckten Zweck mitverfolgen dürfte. 308 Vielmehr müssen bei doppelter Zwecksetzung die Tatbestandsvoraussetzungen beider Ermächtigungsgrundlagen erfüllt sein. 309 Insgesamt werden die Überschneidungen und Interdependenzen in den überkommenen Konstellationen dadurch begrenzt, daß eine Anbindung an eine konkrete Situation gegeben ist. Mittlerweile gibt es erheblich weitergehende Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Das liegt an den Rechtsbindungen des Umgangs mit Informationen und Daten sowie an der Aufnahme der Verhütung und der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten in die Polizeigesetze.

308 Undeutlich in dieser Hinsicht Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 550: Die doppeltgestützte präventiv-repressive Maßnahme bleibe rechtmäßig, solange nur eine der in Anspruch genommenen Befugnisnormen sie trage; dann aber Rn 565: die doppeltgestützte Maßnahme sei nach jeder Hinsicht auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, und dem Betroffenen sei sowohl der Verwaltungsrechtsweg als auch der gegen die strafprozessuale Maßnahme gegebene Rechtsbehelf eröffnet. Gegen die „Rosinentheorie" Gusy, Anmerkung, S. 499. 309 So ebenfalls Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 232 f.; Rieger, Abgrenzung, S. 147 f.; Rogali , Anmerkung, S. 46. Wohl auch Schoch, Rechtsschutz, S. 1115.

2. Kapitel

Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse A. Die Hintergründe der Veränderungen des Polizeirechts I. Risikogesellschaft und Sicherheitssemantik Sind Struktur und Handlungsmöglichkeiten der Polizei in klassischrechtsstaatlicher Sicht das Paradigma für das Verhältnis der Bürger zum Staat, verändern sich mit Änderungen des Gesellschaftsverständnisses auch die Auffassungen von den Aufgaben der „Polizei". Das kann man für deren Entwicklung von einer ursprünglich umgreifenden Rolle über die Reduktion auf die Gefahrenabwehr hin zu den weiter eingrenzenden institutionellen Beschreibungen nachzeichnen. Die Gesellschaft aber erfährt permanente und sich beschleunigende Wandlungen. Das traditionelle rechtsstaatliche Muster der Trennung von Staat und Gesellschaft, das diese als Antipode des Staates begreift, ist in übergeordneten, mehrdimensionalen Konzeptionen aufgehoben worden. Die Beschreibung der Gesellschaft als „bürgerliche Gesellschaft" wird durch den „Wohlfahrtsstaat" 1 und sodann durch die „Risikogesellschaft" 2 oder auch durch die „Informationsgesellschaft" 3 abgelöst.4 Als Wohlfahrtsstaat ist die Gesellschaft durch die führende Rolle des Staates, durch die Übernahme staatlicher Verantwortung für soziale Probleme und durch Planungs-, Gestaltungs- und Leistungskonzeptionen gekennzeichnet. Der neue Begriff der Risikogesellschaft reagiert zwar auf das Scheitern der Idee einer umfassenden Gestaltbarkeit, knüpft jedoch zum Teil durchaus an wohlfahrtsstaatliche Grundlagen an. Gefah1 Dazu etwa die Beiträge in Eisenstadt/Ahimeir (ed.), Weifare State; Floral Alberl Kohl, Entwicklung, S. 707 ff.; Kaufmann , Steuerung, S. 65 ff; Grimm , Entwicklung, S. 138 ff. 2 Das hier häufig zitierte Buch von Beck , Risikogesellschaft, passim, beschreibt deren Kennzeichen nur begrenzt, sondern lebt eher von der - mittlerweile deutlich relativierten - Individualisierungsthese. Markanter und gründlicher im Bereich der Soziologie: die Beiträge in Bechmann (Hrsg.), Risiko und Gesellschaft, und in HalfmannUapp (Hrsg.), Riskante Entscheidungen; außerdem Japp, Risikotheorie, S. 20 ff; und mit Bezug auf Recht und Verwaltung Hiller , Zeitkonflikt, S. 7 ff.; dies., Risiko, S. 108 ff. 3 Dazu etwa Nora! Mine, Informatisierung, passim; Bell, Framework, S. 163 ff; Lyon, „Information Society", S. 577 ff; Miles / Rush /Turner IBessant, Information Horizons, passim. 4 Siehe auch Luhmann, Gesellschaft, S.1088 ff. 7 Albers

9 8 K a p . 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

ren, seien sie technisch, seien sie sozial bedingt, werden als Produkt der Gesellschaft erfaßt. Trotz der Unvermeidlichkeit schädigender Ereignisse erscheinen sie damit jedenfalls für sich genommen als ein kontingentes Geschehen. Eintretende Schäden werden auf Entscheidungen zurückgeführt, nämlich (auch) auf die, nicht genügend vorgesorgt zu haben. Der Staat behält eine übergreifende Verantwortung und hat reflexive und prozedurale Formen des Umgangs mit Risiken zu institutionalisieren. Die Bezeichnung als „Informationsgesellschaft" erkärt sich durch die Entkoppelung der Informationskomponente von Kommunikations- und Handlungsbezügen, die die Datenverarbeitungstechnik zuläßt. Sie ermöglicht neue Verknüpfungen und Kombinationationsmöglichkeiten zwischen den datenmäßig fixierten Informationsgehalten einerseits und den je aktuellen Kommunikations- oder Handlungssituationen andererseits. Dadurch entsteht eine enorme Steigerung der Komplexität der Gesellschaft. Auch wenn die technischen Möglichkeiten eben deshalb keineswegs verhältnismäßig mehr Wissen der Gesellschaft über sich selbst mit sich bringen, ist die Vorstellung der „Informationsgesellschaft" mit der Idee einer Abbildbarkeit der Realität und einer durch nur genügendes Wissen erreichbaren Gestaltbarkeit der Gesellschaft verbunden. Das nimmt den Staat zusätzlich in die Verantwortung. Statt des klassisch-rechtsstaatlichen Modells, das einen Bestand vorhandener Ordnungen und Rechtsgüter gewährleistet und staatliche Tätigkeit reaktiv, punktuell und bipolar konzipiert, gehören nunmehr proaktive, vorsorgende, flächendeckende und mehrdimensionale Tätigkeiten zu den Kennzeichen des Staates.5 Auf der nächsten Stufe werden die „Weltgesellschaft" sowie supra- und internationale Organisationsformen der Staatsidee auf nationalstaatlicher Basis einen untergeordneten Rang zuweisen. Die Veränderungen auf gesellschaftlicher Ebene lassen sich an der Sicherheitssemantik ablesen. Sicherheitsbedarf, Sicherheitserzeugung und Sicherheitssemantik sind, auch wenn Sicherheit unter anthropologischen Aspekten in bestimmtem Umfang als eine konstante Anforderung an die Gesellschaft angesehen werden kann, Korrelat gesellschaftlicher Strukturen. 6 Im traditionellen Verständnis ist Sicherheit zwar einerseits Grund staatlich gesetzter Freiheitsgrenzen, schloß aber andererseits die Sicherheit vor dem nicht rechtsbegrenzten staatlichen Zugriff ein.7 Im Einklang damit ist dem gefahrenabwehrrechtlichen Begriff der „öffentlichen Sicherheit" immanent, daß die Polizei, die Rechtsgüter gegen Gefahren sichert, selbst rechts-, insbesondere grundrechtsgebunden ist. In der jüngeren Semantik wird der Sicherheitsbegriff jedoch einerseits eingeengt,

5

Grimm, Prävention, S. 38 ff; ders., Zukunft, S. 411 ff. Kaufmann, Sicherheit, S. 10 ff. Siehe außerdem die gründliche historische Untersuchung von Ewald, Vorsorgestaat, S. 15 ff. 7 Robbers, Sicherheit, etwa S. 15 ff., 33, 70 ff.; Prittwitz, Strafrecht, S.136 ff.; Preuß, Risikovorsorge, S. 526. 6

Α. Die Hintergründe der Veränderungen des Polizeirechts

99

andererseits in der eingeengten Bedeutung wiederum ausgefächert. Sicherheit wird nicht allein durch die Existenz des Staates und verbindlicher Rechtsnormen gewährleistet und mit Hilfe punktueller Eingriffe gegebenenfalls (wieder)hergestellt, sondern als Produkt beständiger staatlicher Aktivitäten verstanden. Sie avanciert von einem den einzelnen Rechtsgütern funktional untergeordneten Schutzerfolg zu einem selbst zu bewahrenden Gut. Der in diesem Rahmen besonders relevante Begriff der „Inneren Sicherheit" hat sich seit Beginn der 70er Jahre etabliert, dies insbesondere im Zusammenhang mit dem von der ständigen Konferenz der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder beschlossenen „Programm für die Innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland"8, und nachfolgend aus seinem zunächst politisch-publizistischen Kontext heraus verselbständigt. 9 In der juristischen Diskussion werden (innere) Sicherheit als ein objektivrechtliches Verfassungsprinzip oder ein „Grundrecht auf Sicherheit" konstruiert, die Schutzpflichten und Schutzansprüche, aber auch - erheblich weiterreichend - Aufgaben der Informationsvorsorge hergeben sollen. 10 Obwohl dogmatisches Fundament und inhaltliche Konkretisierungen vage und dezisionistisch bleiben, sind die Stichworte in die politische Diskussion zurückgeflossen. Seit einigen Jahren wird eine entsprechende Diskussion um Sicherheit auch hinsichtlich der europäischen oder internationalen Ebene geführt. 11 Das Polizeirecht bleibt davon nicht unberührt. Das ist bereits bei der Darstellung der immanenten Modifikationen des klassischen Polizeirechts, etwa im Bereich des Schadensverständnisses oder des Gefahrenverdachts, deutlich geworden. Die Folgen gehen über solche Modifikationen freilich weit hinaus. Die Regelungsmuster des Gefahrenabwehrrechts verlieren ihre systembildende Funkti-

8

Siehe die Beilagen zu GMB1 Nr. 31/1972 und 9/1974. Kniesel, Gefahrenvorsorge, S. 186. 10 Meist im Anschluß an die dogmatisch kaum fundierte Skizze von Isensee, Grundrecht, bes. S. 33 ff., die ein „Grundrecht auf Sicherheit" zwar proklamiert, dies aber selbst nur mit Verweis auf grundrechtliche Schutzansprüche begründet. Zur weit darüber hinausreichenden Abstraktion und Nutzung des Schlagworts vgl. Scholz!Pitschas, Selbstbestimmung, etwa S. 198; Scholz, Kriminalität, S. 63; Pitschas, Innere Sicherheit, S. 857 f. Gründlicher Robbers, Sicherheit, passim. Kritisch Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 36; Denninger, Präventions-Staat, S. 13: Gemeint sei „ein Recht des Staates auf (unbegrenzte) Produktion von ,Sicherheit' (bei entsprechenden Freiheitsbeschränkungen)". Siehe weiter die zutreffende Sicht bei Kniesel, Gefahrenvorsorge, S. 186, der „Sicherheit" nicht in einem kompakten Grundwert, sondern in mehreren grundgesetzlichen Regelungselementen verankert sieht. Vgl. auch dens., „Innere Sicherheit", S. 485 ff.; Denninger, Recht, S. 216 f. Im Ergebnis wird damit für „Sicherheit" ein inhaltlich plausibel konkretisierbares, differenzierteres und dann auch breiteres Fundament gelegt, als es der bloße Rückgriff auf grundrechtliche Schutzansprüche leisten könnte. Vgl. insgesamt auch Hansen, Wiederkehr, S. 239 ff. 11 Rupprecht!Hellenthal, Programm, S. 33 ff.; Pitschas, Innere Sicherheit, S. 861 ff; Schreiber, Einigung, S. 535 ff. 9

100

Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

on. Zahlreiche Rechtsgebiete haben sich aus dem Gefahrenabwehrrecht ausdifferenziert. Auch in dem der Polizei noch genuin obliegenden Bereich wandeln sich die Leitideen und die Tätigkeiten. 12 Bevor den dafür maßgeblichen Konzeptionen nachgegangen wird, sollen aber noch zwei weitere, für die Neuerungen im Polizeirecht wichtige Aspekte eingeführt werden. II. Veränderung der Kriminalitätsformen Unmittelbarer als die Entwicklungen auf gesellschaftlicher Ebene wirken sich Veränderungen der Kriminalitätsformen auf die polizeiliche Tätigkeit und auf das polizeiliche Selbstverständnis aus. Im hier interessierenden Kontext ist nicht erst die organisierte Kriminalität, sondern zunächst der Terrorismus zu nennen. Ihn kennzeichneten übergreifend-langfristige Zielsetzungen, Planmäßigkeit des Vorgehens, logistische Strukturen und Konspiration. Unter anderem deswegen stellte er die Polizei vor neue Anforderungen, und er zog eine Reihe tiefgreifender materiell-rechtlicher und strafprozessualer Gesetzesänderungen nach sich. Die Ausdehnung bestimmter Straftatbestände in das Vorfeld der Rechtsgutverletzung oder die Kronzeugenregelung können als Beispiele genannt werden, die im Bereich der organisierten Kriminalität relevant geblieben sind. Im Vergleich zum Terrorismus ist die organisierte Kriminalität unter mehreren Aspekten deutlich weniger faßbar und abgegrenzt. Daher gibt es Probleme ihrer Beschreibung. Die jeweiligen Vorschläge werden durch selektive Wahrnehmungen, festgelegte Zuschreibungsmuster, organisationsgeleitete Interessen und persönliche Standpunkte beeinflußt. Es gibt jedoch inzwischen eine Reihe von Definitionen und Analysen aus Politik 13 , Rechtsprechung 14 und (häufig po-

12

Dazu im hier interessierenden Zusammenhang Neumann, Vorsorge, S. 18 ff, dort einleitend: „Man findet sogar Veranlassung zu der Frage, wie überhaupt sich die Gesellschaft und ihr Rechtssystem auf ein solch riskantes Projekt von schadensnaher Gefahrenabwehr und bloß nachträglicher Straftatverfolgung einlassen konnte." 13 In Übernahme der von der Gemeinsamen Arbeitsgruppe Justiz/Polizei (vgl. Dörmann/Koch/ Rischi Vahlenkamp, Kriminalität, S. 5 f.) vorgeschlagenen Definition ist nach Punkt 2.1 der Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität, RiStBV Anlage E (abgedruckt in Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, Anhang Nr. 15) organisierte Kriminalität „die von Gewinn· oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder unter Einflußnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken." Siehe auch die Begründung

Α. Die Hintergründe der Veränderungen des Polizeirechts

101

lizeiinterner) Wissenschaft 15, die zwar nicht einhellig anerkannt sind 16 , aber als Orientierungsgrundlagen gelten können und eine erhebliche Rolle spielen. Organisierte Kriminalität zeichnet sich danach durch verschiedene Charakteristika aus. Sie wird durch übergreifende, langfristig angelegte Ziele geleitet. Dazu gehören namentlich hohe finanzielle Profite, aber auch der Gewinn von Macht oder Einfluß und, funktional zugeordnet, die systematische Verdeckung der kriminellen Aktivitäten. 17 Dem korrespondieren der Aufbau persönlicher und geschäftlicher Verbindungen, die überwiegend auch international verflochten sind, ein hoher Organisationsgrad bei gleichzeitig vielfältigen Organisationsformen, die Entwicklung und der Einsatz einer Personal-, Beschaffungs-, Absatz- oder Gewinnlogistik sowie die Nutzung moderner Infrastrukturen. 18 Interdependenzen mit legalen Organisations- und Verhaltensformen erlauben einen raschen Rückzug in einen rechtlich unangreifbaren Status.19 Gelegentlich wird das bis zur Korruption reichende Bemühen um Einfluß auf politische oder administrative Entscheidungsträger hervorgehoben. 20 Die ausgebildeten Struk-

des Gesetzentwurfs des Bundesrates zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG), BTDrucks 12/989, S. 20 f. Siehe weiter die Große Anfrage und die Antwort der Bundesregierung zur Organisierten Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, BTDrucks. 13/1925 und 13/4942. 14 BGHSt 32, 115 (120). 15

Rebscherl Vahlenkamp, Kriminalität, S. 13 f f ; Dörmann!Koch! Rischi Vahlenkamp,

Kriminalität, S. 1 ff.; Sielaff, Kriminalität, Rn 3 ff; EisenberglOhder, Verbrechen, S. 574 ff.; Sieber/Bögel, Logistik, S. 15 ff.; zusammenfassend dazu Sieber, Logistik, S. 758 ff. Weiter die Beiträge in Sieber (Hrsg.), Internationale Organisierte Kriminalität, passim; Schwind!SteinhilperlKube (Hrsg.), Organisierte Kriminalität, passim. 16 Kritisch etwa Busch, Kriminalität, S. 374 ff, 381: „Ergebnis eines Konstruktionsprozesses", den „die Suche nach neuen Methoden und Instrumenten der kriminalpolizeilichen Arbeit" leite; Pütterl Strunk, Passepartout, S. 55 ff; Gössner, Waffengleichheit, S. 65 ff.; P.-A. Albrecht, Kriminalität, S. 230 ff.; Manns, Kriminalität, S. 74: „kriminalpolitische Inszenierung". Skeptisch und mit Hinweis auf weiteren Forschungsbedarf EisenberglOhder, Verbrechen, S. 576 ff. Zu Forschungsbefunden, den Schwierigkeiten empirischer Untersuchungen und zu den Relativierungen verbreiteter Thesen auch H.-J. Albrecht, Organisierte Kriminalität, bes. S. 15 ff. 17

Vgl. dazu DörmannlKochl Rischi Vahlenkamp, Kriminalität, S. 15; Stümper, Kri-

minalität, S. 65; Zachert, Versuch, S. 24; Rebscherl Vahlenkamp, Kriminalität, S. 68 ff; 18

Werner,

Kriminalität, S. 45 ff.; Dörmann/Koch! Rischi Vahlenkamp, Kriminalität,

S. 15 ff.; Beck, Bekämpfung, S. 34 ff.; Sieber/Bögel, Logistik, S. 15 ff. sowie S. 69 ff. mit empirischer Untersuchung in verschiedenen Deliktsbereichen; Kersten, Bekämpfung, S. 133. 19 Waechter, Sicherheitsrecht, S. 409 f.; im Anschluß daran Neumann, Vorsorge, S. 86 f., jeweils auch mit dem Hinweis, daß beide Bereiche wegen der Übergänge vom legalen zum illegalen Handeln erst durch zusätzliche Informationen mit größerer Trennschärfe differenziert werden könnten. Siehe außerdem Dörmann/Koch/ Rischi Vahlenkamp, Kriminalität, S. 17; Zachert, Versuch, S. 25 f.; Kersten, Bekämpfung, S. 133.

1 0 2 K a p . 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

turen sind in den verschiedensten Bereichen einsatz- und regenerationsfähig. Im Unterschied zur herkömmlichen Kriminalität, bei der die Polizei von einer Deliktstreue der Täter ausging, werden deliktsübergreifend-flexible Vorgehensweisen und eine „variable Marktorientierung" 21 beobachtet. Insgesamt wird das Bild eines kriminogenen Milieus erzeugt, bei dem Straftaten nicht isoliert zu begreifen sind, sondern in einem übergeordneten Kontext produziert werden. Die Vorgänge sind zugleich schwer aufzudecken und je nach Kriminalitätsfeld auch nur mit erheblichem Ermittlungs- und Informationsaufwand von legalem Verhalten zu unterscheiden. Nach außen sind stabil verankerte Formen organisierter Kriminalität aufgrund ihrer überindividuellen, häufig auch von den jeweiligen Zusammenschlüssen ablösbaren Strukturen unabhängig von den tragenden Personen bestandsfähig und können gegebenenfalls durch andere übernommen und fortgeführt werden. 22 Nach innen werden hierarchische oder netzwerkartige 23 und vielfach abgeschottete Strukturen ausgemacht. Hintermänner treten nach außen gar nicht und intern nur begrenzt in Erscheinung, während die möglicherweise aufdeckbaren Taten von Randtätern begangen werden, die ersetzbar sind und keinen Einblick in Aufbau und Zusammensetzung der Gesamtorganisation haben. 24 Gefaßten Randtätern gewährt die Organisation Unterstützung; Mitwisser werden durch Schweigegelder, Drohungen und Erpressungen von der Weitergabe von Informationen abgehalten.25 Vor allem dann, wenn es sich um „opferlose" Delikte in dem Sinne handelt, daß die Betroffenen erhebliche Nachteile, etwa eine Abschiebung, befürchten müssen, wenn sie sich an staatliche Organe wenden, wird keine Anzeige erstattet. 26 Aufgrund dieser Charakteristika gelangt man zu dem Ergebnis, daß herkömmliche Ermittlungsmethoden oder sogar das herkömmliche Strafsystem insgesamt versagen (müssen). Die Charakteristika liegen generellen oder bereichsspezifischen Indikatoren zugrunde, die die allgemeinen Definitionen ergänzen sollen. 27 Zur Veranschaulichung werden außerdem Beispiele genannt. Wurden zunächst vor allem

20

Dörmann/Koch/ Rischi Vahlenkamp, Kriminalität, S. 65 ff; Hassemer, Sicherheit, S. 665; ders., Grenzen, S. 215; Zachert, Allgemeine Kriminalität, S. 693 f.; Gusy, Organisierte Kriminalität, S. 321 ff. 21 Kersten, Bekämpfung, S. 134. Vgl. auch Gemmer, Kriminalität, S. 12. 22 Sieber, Kriminalität, S. 78 f. 23 So Weschke/Heine-Heiß, Kriminalität, S. 13, 29 ff. 24 So Werner, Kriminalität, S. 48; Stümper, Kriminalität, S. 66 f.; Beck, Bekämpfung, S. 50 ff.; BGHSt 32, 115 (120). Differenzierter und erheblich zurückhaltender Rebscher/Vahlenkamp, Kriminalität, S. 58 ff. 25 Stümper, Kriminalität, S. 66 f.; BGHSt 32, 115 (120). 26 Kersten, Bekämpfung, S. 134; Jäger, Vorfeldermittlungen, S. 189. 27 Siehe Eisenberg/Ohder, Verbrechen, S. 575.

Α. Die Hintergründe der Veränderungen des Polizeirechts

103

Rauschgift- und Waffenschmuggel, Frauen- und Menschenhandel, Kraftfahrzeugverschiebungen sowie Schutzgelderpressungen hervorgehoben, richtet sich die Aufmerksamkeit inzwischen auch etwa auf den Subventionsbetrug innerhalb der Europäischen Gemeinschaft oder auf die illegale Beseitigung von Sondermüll. 28 Da gerade die Deliktsneutralität und die deliktsübergreifende Einsatzfähigkeit der aufgebauten Strukturen als Kennzeichen organisierter Kriminalität aufgeführt werden, versteht sich, daß diese Deliktsbereiche keine abschließende Aufzählung darstellen. Im Gegenteil werden im Laufe der Diskussion immer neue Felder genannt. Das verweist darauf, daß man es, ohne daß die Existenz des Phänomens organisierter Kriminalität dadurch in Frage gestellt wäre, mit ersichtlich selektiven Perspektiven zu tun hat. Auch wenn man damit einen Eindruck von den Charakteristika organisierter Kriminalität gewinnt, wird deutlich, daß die Kriterien, mit denen man sie zu beschreiben versucht, einerseits kaum sämtlich notwendig gegeben, andererseits nicht unbedingt abschließend und insgesamt wenig trennscharf sind. Jüngeren Untersuchungen kann man entnehmen, daß die organisierte Kriminalität um so weniger ab- und eingegrenzt wird, je mehr man sie analysiert und aufschlüsselt. Auf übergeordneter Ebene werden unterschiedlichste Bedingungen ihrer Möglichkeit mit der Folge herausgestellt, daß Gegenstrategien umfassend konzipiert werden. Sie schließen unter anderem den Zugriff auf „bemakeltes" Vermögen, administrative Maßnahmen, Aufklärung oder die Entkriminalisierung etwa im Drogen- oder Prostitutionsbereich ein. 29 Auf strafrechtlicher Ebene findet sich mittlerweile des öfteren die These, organisierte Kriminalität und Alltagskriminalität ließen sich immer weniger unterscheiden. 30 In der modernen Gesellschaft sei „der Individualtäter ... eine im Aussterben begriffene Kategorie", und man könne etwa im Bereich von Diebstahl und Hehlerei „den alten Gauner hinter dem Tresen mit seinen angeblichen Gebrauchtwarendepots längst ins Reich der Geschichte" verweisen. 31 Beide Linien lassen ahnen, daß die Strukturveränderungen, die das Phänomen der organisierten Kriminalität im rechtlichen Bereich ausgelöst oder gefördert hat, noch lange nicht an ihrem Ende sind.

28

Punkt 2.3 RiStBV Anlage E (vgl. den Nw oben Kap. 2 Fn 13); Boeden, Erscheinungsformen, S. 27 ff.; Sieber, Kriminalität, S. 64 ff.; Kersten, Bekämpfung, S. 133. 29 Umfassende Vorschläge etwa bei Rebscherl Vahlenkamp, Kriminalität, S. 152 ff.; Sieber/Bögel, Logistik, S. 285 ff.; Sieber, Kriminalität, S. 78 ff. Siehe außerdem Hassemer, Grenzen, S. 216 f.; Hoffmann-Riem, Kriminalpolitik, S. 94 ff. 30 Dazu Zachert, Kriminalität, S. 62 ff. 31 Raith, Kriminalität, S. 90.

1 0 4 K a p . 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

I I I . Technisierung und Vergesetzlichung im Bereich der Informations- und Datenverarbeitung Polizeiliche Tätigkeit war immer wesentlich durch den Umgang mit Informationen und Daten gekennzeichnet.32 Deshalb werden die Entwicklung, die Organisation und die Vorgehensweisen der Polizei auch durch die Entwicklung der Informations- und Datenverarbeitungstechnik geprägt. Zu deren Kennzeichen gehören die Entkoppelung des Umgangs mit Informationen und Daten einerseits und der (gefahren)situationsbezogenen Handlungs- und Kommunikationszusammenhänge andererseits, eine Zentralisierung über Bund/LänderGrenzen hinweg und die multifunktionale Speicherung und Verwendung von Daten in zunehmend rechnerunterstützter Form. Zunächst nimmt der INPOL-Verbund eine zentrale Rolle ein. 33 Seine Einrichtung geht auf Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder aus dem Jahre 1972 im Zusammenhang mit dem „Programm für die Innere Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland" 34 zurück. Entsprechend dem damaligen Stand der Technik gab es eine zentrale Datenverarbeitungsanlage beim Bundeskriminalamt. Daran waren die Rechenzentren der Landeskriminalämter, aber auch Grenzschutz und Zollkriminalinstitut, angeschlossen. Die Datenendgeräte in den Ländern waren entweder direkt mit der zentralen Anlage des Bundeskriminalamtes oder mit den Landesrechenzentren verbunden. Ergebnis war ein bis zu den Endgeräten reichender Datenverbund. Nach Zielen und Inhalten wurde INPOL erst als Fahndungssystem ausgebaut, dann unter anderem auf eine Haftdatei, eine Straftaten-/Straftäterdatei einschließlich der Krimmalstatistik und des Personenindex sowie auf das System PIOS erweitert. Das in diesem Rahmen beschlossene Konzept eines zentralen Personenindex, der sämtliche Personendatensätze bei Bund und Ländern zusammenführen sollte 35 , wurde nachfolgend zugunsten eines sich am Kriterium der überregionalen Bedeutsamkeit der Straftaten orientierenden Kriminalaktennachweissystems ( Κ Α Ν ) relativiert. 36 M i t dieser Unterteilung wurden INPOL-Bund und INPOL-Länder voneinander getrennt. Die Kriminalaktennachweissysteme sind untergliedert in den Bundes-KAN, den Landes-KAN und in Regional-KAN, wobei Datenbestände teilweise parallel gehalten werden. Der Kriminalaktennachweis ermöglicht es, die bei ver32

Vgl. Busch/Funk/Kauß/Narr/Werkentin, Polizei, S. 115 ff. Zum Überblick Küster, Einsatz, S. 3 ff.; Wiesel/Gerster, INPOL, passim; Kersten, Labyrinth, S. 325 ff, 357 ff; Timm, Information, Rn 26 ff.; Brendel, Informationssysteme^. 86 ff. 34 Oben Kap. 2 Fn 8. 35 Dazu Wiesel/Gerster, INPOL, S. 17, 63 ff. 36 Vgl. Küster, Einsatz, S. 4. 33

Α. Die Hintergründe der Veränderungen des Polizeirechts

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schiedenen Polizeidienststellen des Bundes und der Länder geführten Kriminalakten zu erschließen. 37 Er enthält vor allem die Personensätze der Verdächtigen in Ermittlungsverfahren mit den Personalien, Hinweise zum Auffinden der zugehörigen Kriminalakte, Kurzauskünfte über die Straftat oder den sonstigen Anlaß polizeilichen Handelns sowie personengebundene Hinweise etwa auf Bewaffnung, Gewalttätigkeit oder Betäubungsmittelkonsum. Darüber hinaus haben insbesondere das System PIOS (Personen, Institutionen, Objekte, Sachen) und Spurendokumentations-Dateien Bedeutung erlangt. Das System PIOS ist zunächst für den Bereich des Terrorismus entwickelt und inzwischen auf andere Bereiche, insbesondere auch auf den Organisierter Kriminalität, erweitert worden. Es ermöglicht in den vom ihm erfaßten Deliktsfeldern, die aus Akten oder anderweitig eingegebenen Daten inhaltlich zu erschließen, zu verknüpfen und auszuwerten, dies auch und vor allem in verwobenen Fällen oder in Kriminalitätsbereichen. 38 Es wird aufgabenübergreifend eingesetzt, also zu Zwecken sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Straftatenverhütung, der Verfolgungsvorsorge oder der Strafverfolgung. 39 Funktionen und Inhalte führen dazu, daß der Kreis betroffener Personen über Verdächtige weit hinausgeht.40 SPUDOK-Dateien werden im Sinne eines elektronischen Notizbuchs als zentrale Dateien eingerichtet, die in komplexen Verfahren der zuständigen Stelle zur Verfügung stehen und in die alle relevant erscheinenden Daten einschließlich polizeilicher Maßnahmen und Ergebnisse eingegeben werden. 41 Auch dabei sind gegebenenfalls zahlreiche Personen betroffen. Zugangs-, Eingabe- und Abfrageberechtigungen sind bei beiden Informationssystemen jeweils eingeschränkt. Zusätzlich zu diesen INPOL-Möglichkeiten haben die Länderpolizeien eigene rechnergestützte Systeme installiert, die vor allem Vorgangsverwaltungen, Auswertungs- und Rechercheprogramme und Auskunftssysteme betreffen. 42 Man darf aber nicht übersehen, daß neben der rechnergestützten Datenverarbeitung bei der Sachbearbeitung die Aktenführung noch eine bedeutende Rolle spielt. Im hier interessierenden Zusammenhang sind vor allem die Kriminalakten zu nennen. Es handelt sich um personenbezogene Sammlungen zur Erfüllung der Aufgaben auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr und der StrafVerfol-

37 Kniesel/Tegtmeier/Vahle, Handbuch, Rn 172 ff; Merten, Datenschutz, S. 22 ff; Honnacker, Informationssysteme, S. 219. 38 Küster, Einsatz, S. 5; Bäumler, Recht, S. 238 f.; Weichert, APIS, S. 213 ff. 39 Siehe etwa Timm, Information, Rn 63 ff. 40 Bäumler, Recht, S. 239; Weichert, APIS, S. 216 f. 41 Dazu Bäumler, Recht, S. 239 ff. 42 Überblick bei Timm, Information, Rn 75 ff.; Kersten, Labyrinth, S. 330. Außerdem etwa Reuter, Gesamtkonzept, S. 267 ff.; Lüngen, Einsatz, S. 152 ff.

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gung 43 , die im wesentlichen zunächst im Bereich der Strafverfolgung, sodann im Verhütungs- und Vorsorgebereich eine Rolle spielen. 44 Kriminalakten werden also in der Praxis als „multifunktionale Einheitsakte" 45 gefuhrt. In den Debatten im Zuge der Vergesetzlichung, die von der Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung ausgehen muß, hat dies zu zahlreichen Streitigkeiten gefuhrt 4 6 Die „Schlüsselfunktionen" 47 , die das Bundeskriminalamt in diesem Kontext und nicht zuletzt aufgrund der Entwicklung der Datenverarbeitungstechniken eingenommen hat, sind ihm trotz der Möglichkeiten einer Dezentralisierung der Informationssysteme, die die Technik mittlerweile eröffnet, weitgehend geblieben. Die INPOL-Konzeption, deren rechtliche Grundlagen inzwischen im B K A G geregelt sind, wurde und wird modernisiert. Unter anderem soll, während bisher der Entwurf bestimmter Anwendungen im Mittelpunkt stand, nunmehr eine anwendungsunabhängige Informationsbasis zur Verfügung stehen, an die die Anwendungen anknüpfen. 48 Insgesamt wird sich künftig außerdem das Gemengelage konventioneller und rechnergestützter Formen des Umgangs mit Informationen und Daten hin zu weitergehenden rechnergestützten (Sach)Bearbeitungen (automatische Tagebücher, Personalcomputer am Arbeitsplatz) neu gestalten.49 Darüber hinaus sind für die polizeiliche Informations- und Datenverarbeitung erstens die Verbindungen mit Dateien anderer Behörden hervorzuheben, die durch polizeiliche Datenendgeräte erreichbar sind. Onlineverbindungen gibt es zu dem Zentralen Verkehrsinformationssystem ZEVIS, das beim Kraftfahrtbundesamt geführt wird, aber auch teilweise zum Ausländerzentralregister und zu Einwohnermelderegistern bei den Einwohnermeldeämtern. Zweitens kommt die Europäische Gemeinschaft als übergeordnete Ebene mit ihren Informationssy43 Dies ausdrücklich auch nach Punkt 1 und 2 der KpS-Richtlinien, GMB1 1981, S. 119 (120). Siehe weiter AhlflStörzerlVordermaier, Datenschutz, Rn 136. 44

Ahlf Rechtsprobleme, S. 136 ff.; AhlflStörzerl

Vordermaier,

ff.; Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 52 ff.; Vahle, Probleme, S. 47. 45 A hlflStörzerl Vor dermaier, Datenschutz, seil Tegtmeyer! Vahle, Handbuch, Rn 249 ff.

Rn

137,

138.

Datenschutz, Rn 144 Vgl.

auch Knie-

46 Zur Diskussion: Schoreit, Verwaltungsstreit, S. 170 ff.; ders., Gefahrenabwehr, S. 201 ff.; Tegtmeyer, Gefahrenabwehr, S. 213 ff.; Rachor, Straftatenbekämpfung, bes. S. 158 ff.; Ahlf Rechtsprobleme, S. 146 ff.; AhlflStörzerlVordermaier, Datenschutz, Rn 136, 137: Deren Rechtfertigungen, es handele sich um die logische Konsequenz aus der Doppelaufgabe der Polizei und nur die Einheitsakte könne dem Prinzip der Aktenvollständigkeit Rechnung tragen, setzen voraus, was sie belegen sollen. 47 Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 235. 48 Einen sehr guten Einblick in die Reform bietet Rublack, Inpol-neu, S. 437 ff. Außerdem KubelTimm, Entwicklungsbedingungen, Rn 69; Sehr, INPOL-neu, S. 140. 49 PordeschlWedde, Verletzlichkeit, S. 488 f.; Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 243 ff.; Timm, Information, Rn 97 ff.

Α. Die Hintergründe der Veränderungen des Polizeirechts

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stemen, vor allem dem Schengener Informationssystem 50 und EUROPOL 5 1 , hinzu. Der Umgang mit Informationen und Daten als wesentliches Kennzeichen der staatlichen, insbesondere der polizeilichen Tätigkeit ist, wie bereits bei der Untersuchung der überkommenen Strukturen von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung deutlich geworden ist, im rechtlichen Kontext lange Zeit ausgeblendet worden. Das hat nicht nur rechtstheoretische und rechtsdogmatische Gründe. Es liegt auch daran, daß der Umgang mit Informationen und Daten und (Eingriffs)Handlungen stärker miteinander verknüpft waren und jener diesen untergeordnet werden zu können schien. Erst der zunehmende Einsatz der rechnergestützten Informations- und Datenverarbeitung, der nicht nur besondere Gefahren, sondern auch eine Lösung dieser Verknüpfung mit sich brachte, führte zu nachhaltigen Verrechtlichungs- und Vergesetzlichungsforderungen. Hinzu kommt gerade im Bereich der Polizei und vor allem noch des Verfassungsschutzes die übergreifend-öffentliche Kritik an der - unter anderem durch den „Radikalenerlaß" unterstützten - Praxis der Observation und Datensammlung sowie der weitgehenden Auskunftsverweigerung. Den Verrechtlichungsforderungen kam man seitens der Verwaltung teilweise durchaus aufgeschlossen nach, allerdings (nur) auf der Ebene von Verwaltungsvorschriften. 52 Das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts, aus dessen Entscheidungsgründen sich die Stränge der öffentlichen Diskussionen herauslesen lassen, entwikkelte dann das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als verbindliche Vorgabe mit der Folge, daß gesetzliche Grundlagen notwendig sind. 53 So sehr das Volkszählungsurteil und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gelegentlich kritisiert werden, so einig ist man sich mittlerweile doch darüber, daß polizeiliche Tätigkeit Informationstätigkeit ist. 54 In dieser 50

Siehe dazu das Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14.06.1985, BTDrucks 12/2453, S. 31 ff. Ausführlicher Mokros, Zusammenarbeit, Rn 50 ff, bes. 95 ff; Bäumler, Abkommen, S. 489 ff; Aulehner, Informationsvorsorge, S. 153 ff.; Schriever-Steinberg, Informationssystem, S. 209 ff. 51 Dazu AB1EG Nr. C316 v. 27.11.1995. Außerdem Mokros, Zusammenarbeit, Rn 136 ff.; Aulehner, Informationsvorsorge, S. 161 ff.; Hoppe, Kooperationsmaßnahmen, bes. S. 217 ff. Siehe auch Pitschas, Polizeirecht, S. 174 ff.; dens., Integrationsprobleme, S. 625 ff. 52 Relevant sind u.a. die KpS-Richtlinien, vgl. GMB1 1981, S. 119 ff. 53 BVerfGE 65, 1 (41 ff.). Die Entscheidungsgründe vermerken sowohl die „Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung" als auch die Verunsicherung der Bürger, wenn „abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden" oder „die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und ... dadurch Risiken entstehen können". 54 Peitsch, Informationsbeschaffung, S. 127; ders., Polizeirecht, S. 305 ff.; Ahlf / Störzerf Vorder maier, Datenschutz, Rn 95; Mayer-Metzner, Auskunft, S. 13 ff.; Pitschas, Fortentwicklung, S. 9.

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Weise akzentuiert wirkt das fast schon wieder wie eine verkürzte Sicht. Denn polizeiliche Tätigkeit ist immer - und nunmehr auch rechtlich - nur unter Handlungs- und Informationsgesichtspunkten zu begreifen. Soweit der Akzent auf den Umgang mit Informationen und Daten gelegt werden kann, ist eine solche Perspektive keineswegs natürlicherweise vorgegeben. Sie ist eben die Folge einer Vorverlagerung polizeilicher Aufgabenwahrnehmung, die Handeln und Informationstätigkeit entkoppelt und letztere als eigenständig erscheinen läßt. Jede adäquate Form der Beschreibung polizeilicher Tätigkeit ist deshalb rückgebunden an die polizeilichen Aufgaben und an die Aufgabenwahrnehmung. Wie sich diese gestaltet, hängt unter anderem ab von den Konzeptionen der Polizei.

IV. Konzeptionen der Polizei: operatives Vorgehen, Vorfeldtätigkeiten, proaktives Handeln Gesellschaftliche Entwicklungen, Kriminalitätsformen oder Datenverarbeitungstechniken wirken sich auf die Polizei aus, aber nicht unvermittelt auf sie ein. Die Polizei ist eine Institution mit eigenständigen Strukturen, eigenständigen Beobachtungs- und Selektionsmechanismen und eigenständigem Selbstverständnis. Deshalb sind Erweiterungen polizeilicher Vorgehensweisen nie eine bloße Reaktion auf eine veränderte Kriminalität. Sie entstehen aber umgekehrt regelmäßig nicht ohne jeglichen Anlaß in der polizeilichen Umwelt. In diesem Sinne sind die Einflüsse der bereits beschriebenen Faktoren auf die Polizei deutlich sichtbar. Neben Umstrukturierungen und Neuorganisationen prägen vom Ende der 60er Jahre an Ideen einer umfassenden Prävention die Ausrichtung der Polizei. Sie werden bedingt und ergänzt durch eine Verwissenschaftlichung polizeilicher Tätigkeit, die unter anderem durch Soziologie und Kriminologie, deren Erkenntnisse steigendes Interesse auf sich zogen, beeinflußt war. Elemente sind der Aufbau einer eigenen Grundlagenforschung einschließlich der Vergabe von Forschungsaufträgen, aber auch eine zunehmende Ausbildung der Polizei gerade im höheren Dienst. 55 Die Aufmerksamkeit der universitären und (meist) polizeiinternen Forschung richtete sich nicht nur auf polizeiliche Selektionsstrategien 56 , sondern auch etwa auf die Dunkelfeldforschung, auf planmäßigkriminalistisches Wissen und auf die Kriminalprävention. 57 So verschieden die Positionen waren, trafen sich hier doch Polizei- und Strafrechtskritiker, die auf

55

Vgl. Busch/Funk/Kauß/Narr/Werkentin, Polizei, S. 170 ff. FeestlBlankenburg, Definitionsmacht, S. 35 ff. 57 Siehe die Beiträge in: BKA (Hrsg.), Polizei, passim; Schwind/Berckhauer/Steinhilper (Hrsg.), Kriminalpolitik, passim; Kube, Prävention, S. 109 ff.; ders., Kriminalprävention, S. 7 ff. Zur Dunkelfeldforschung etwa Störzer, Aufdeckung, Rn 6 ff. 56

Α. Die Hintergründe der Veränderungen des Polizeirechts

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die Aufdeckung und Beseitigung gesellschaftlicher Ursachen der Kriminalität drängten, mit Polizeipraktikern, die ihre Rolle neu einzuordnen suchten. Zu den hochfliegenden, aber in die Zeit durchaus passenden Sehweisen gehört das Reizwort von der „gesellschaftssanitären" Aufgabe der Polizei. 58 Unterhalb dieser Visionen stabilisierten sich Präventionskonzepte, die die „klassischen" polizeilichen Tätigkeitsbereiche transzendierten und beispielsweise die Erziehung, Sozialarbeit oder städtebauliche Gesichtspunkte umfaßten. 59 Dadurch wurde nicht gleich alles zur Aufgabe gerade der Polizei. Es wurde aber unter der Perspektive der Kriminalprävention thematisiert. Soweit die Polizei daran nicht mit Vorbeugungsprogrammen oder auch etwa polizeilicher Jugendarbeit beteiligt war, sah sie sich eingegliedert in einen Verbund von Behörden, deren Arbeit (auch) diesem (gemeinsamen) Ziel dienen konnte. 60 Die Präventionsüberlegungen schlossen dabei insbesondere ein, daß die Polizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben an den Datenbeständen anderer Behörden partizipieren und umgekehrt ihre Daten den je zuständigen Behörden zugänglich machen könnte. 61 A l l dies läßt sich einerseits unschwer als Korrelat des Planungs- und Wohlfahrtsstaates und der aufkommenden Informations- und Datenverarbeitungstechniken einordnen. Andererseits sind bestimmte Komponenten Grundlagen für die Polizei geblieben. Die umfassenden Präventionsmodelle sind, wie die übergreifend und mit einem Bündel verschiedener Maßnahmen ansetzenden Strategien gegen die organisierte Kriminalität erneut belegen, keineswegs überholt. Seit dem Ende der 70er Jahre ist aber ein zweiter Ansatz in den Vordergrund getreten. Im rechtlichen Kontext wurde er lange Zeit praktisch kaum registriert. 62 Seine Kompo-

58 Siehe Herold, Wandel, S. 134 (Hervorh. im Orig.): Die Polizei sei in der Lage, „ihre in Akten, Sammlungen, Karteien riesig angehäuften, nur repressiv genutzten Erkenntnisbestände für eine Therapie der Gesellschaft freizusetzen. Mit Hilfe der Instrumente, die Soziologie, Kybernetik, Verhaltensforschung und Computer zur Verfügung stellen, könnten ... die Erkenntnisbestände analytisch und prognostisch durchdrungen, die Beziehungen zu Anlage, Umwelt, Gesellschaft und zu den auslösenden Ursachen aufgedeckt und der Gesetzgebung rationale Erkenntnisse mit dem Ziele der Formulierung wirklichkeitsgerechter und praktikabler Normen geliefert werden. ... Dadurch könnte ein System entstehen, das befähigt, Problemen zuvorzukommen, bevor sie zutage treten, erst recht, bevor sie bedrohlich werden." 59 Schwind!BerckhauerlSteinhilper (Hrsg.), Kriminalpolitik, passim; Kube, Kriminalprävention, S. 7 ff. 60 Vgl. etwa Stümper, Wandlung, S. 244. Siehe auch zur Unterordnung der Strafverfolgung Schäfer, Prädominanz, S. 50 ff. Kritik bei P.-A. Albrecht, Prävention, S. 55, daß „Kriminalpolitik mittels präventiver Orientierung sich umfassendere (klassisch sozialpolitische) Gestaltungskompentenzen anmaßt, als sie durch die traditionelle Orientierung auf manifest gewordenes strafrechtlich definiertes abweichendes Verhalten gedeckt sind". 61 Siehe z.B. Hübner, Modell, S. 54. 62 Insofern beeindruckend früh Weßlau, Vorfeldermittlungen, passim.

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nenten hängen zusammen, müssen aber trotzdem unterschieden werden. Das gilt gerade auch wegen der rechtlich zu differenzierenden Anknüpfungspunkte. Es handelt sich dabei - so die Stichworte - um „operative" Konzeptionen und Vorgehensweisen, um „Vorfeld"tätigkeiten sowie um Initiativermittlungen oder „proaktives" Handeln. Die Beschreibung polizeilicher Tätigkeit als operatives Handeln erklärt sich aus der Abgrenzung gegen die „überholte Unterscheidung" 63 von Prävention und Repression. Ausgangspunkt der Argumentationen sind häufig die Gemengelagen von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, etwa im Fall einer Geiselnahme. 64 Für sich genommen lassen sich solche Gemengelagen allerdings aufschlüsseln.65 Der Schritt zur operativen Betrachtung erfolgt, indem Überlegungen und Ziele eingebracht werden, die von der konkreten Situation gelöst sind und andere Ebenen oder Bezugspunkte betreffen als die, die mit dem Ziel der Abwehr einer konkreten Gefahr oder Aufklärung eines konkreten Verdachts vorgegeben sind: Relevant ist nicht allein, die Geisel zu retten, sondern etwa auch, die Geiselnahme als solche nicht zu einem wirkungsvollen Mittel zur Durchsetzung krimineller Ziele werden zu lassen. „Zu der Einsatzintegration von präventiven und repressiven Elementen im Einzelfall kommt also noch eine kriminalstrategisch einheitliche, Prävention und Repression umfassende Betrachtung des allgemeinen Taktierens im Hinblick auf künftiges kriminelles Geschehen."66 Durch die Flexibilisierung und Abstraktion der Bezugspunkte wird der Ansatz enorm ausbaufähig. Leitidee operativen polizeilichen Handelns ist die Bekämpfung der - auch künftigen - Kriminalität als solcher. Statt der „kriminalpolitisch etwas kleinbürgerlichen" Ausrichtung auf den einzelnen Täter und seine Tat geht es „um die Beseitigung der Kriminalität schlechthin" und um „ein übergreifendes kriminalstrategisches Konzept" als Voraussetzung. 67 Wegen des abstrakt-situationsgelösten Bezugspunktes können dafür vielfältige Bedingungen und Erfordernisse aufgelistet werden. Die einschlägigen Überlegungen sind breitgefächert, haben erkennbare Wurzeln in den umfassenden Präventionsmodellen68 und erklären sich zum Teil bereits als Reaktion auf die Beobachtung organisierter Kriminalität. Der Abstraktionsgrad des Ansatzes ist der Grund dafür, daß sich nur schwer fassen läßt, was mit der operativen Konzeption polizeilicher Tätigkeit genau gemeint ist.

63

Stümper, Prävention, S. 49. Ebenso ders., Wandlung, S. 242; ders., Nachlese, S. 464. 64 Siehe Stümper, Prävention, S. 50; Kniesel, Polizeigesetze, S. 378 ff. 65 Vgl. oben Kap. 1 Punkt D. 66 Stümper, Prävention, S. 50. 67 Stümper, Prävention, S. 52. 68 Vgl. z.B. Stümper, Wandlung, S. 243 f.; dens., Verbrechensvorbeugung, Rn 12, 21 ff.

Α. Die Hintergründe der Veränderungen des Polizeirechts

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Operatives Vorgehen ist eng mit Ermittlungen und Datenverarbeitungen verbunden, die im „Vorfeld" einer konkreten Gefahr oder des Verdachts einer Straftat erfolgen. Diese Verbindung ist theoretisch allerdings nicht zwingend. Es wird auch deutlich sein, daß ein operatives polizeiliches Vorgehen viel mehr erfordert als die Befugnis zu Vorfeldtätigkeiten. Es erfordert nämlich unter anderem eine Lösung vom strafprozessualen Legalitätsprinzip und von einer vornehmlich individualorientierten, auf die Realisierung einer insoweit „gerechten" Strafe gerichteten Strafverfolgung. 69 Der Begriff der Vorfeldtätigkeiten meint polizeiliche Vorgehensweisen, die nicht erst durch das Vorliegen einer konkreten Gefahr oder des Verdachts einer konkreten Straftat ausgelöst werden, sondern schon in deren Vorfeld einsetzen. 70 Er wird häufig auch im nachrichtendienstlichen Bereich verwendet, indem man die Kompetenzen der Nachrichtendienste dem „Vorfeld" zuordnet. Dieses gewinnt dort freilich Gehalt durch die Spezifika und Bindungen nachrichtendienstlicher Tätigkeit, die im Grunde nicht durch Gefahr oder Verdacht, sondern vor allem durch den Begriff der Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie durch die Beobachtungs- und Berichtsaufgaben konstituiert wird. Im Polizeirecht gewinnt der Begriff der Vorfeldtätigkeiten seinen Gehalt, soweit er für sich genommen, also nicht etwa mit Hilfe weiterer normtextlicher Elemente aufgefüllt wird, allein aus der rein negativen Abgrenzung gegen die „klassischen" tätigkeitsauslösenden Kriterien der Gefahr und des Verdachts. Die nicht zu dieser Seite hin gelegenen Grenzen des Vorfelds bleiben daher konturenlos. Meist geht man zwar davon aus, daß sich die Vorfeldtätigkeit um die Erhebung und Verarbeitung von Daten und um die Gewinnung von Informationen dreht. 71 Bei den Nachrichtendiensten ist dies der Fall, liegt aber an deren Aufgaben und an dem - durch das „Trennungsgebot" 72 veranlaßten - Ausschluß von exekutiv-polizeilichen Befugnissen. Bei der Polizei versteht sich eine solche Beschränkung dagegen nicht von selbst oder allein aus dem Begriff des Vorfelds heraus. Man kann sich schließlich ohne weiteres Befugnisse zu traditionellem Eingriffshandeln vorstellen, die nicht an eine Gefahr oder einen Verdacht gebunden sind. Und in einigen Polizeigesetzen gibt es mittlerweile Ermächtigungen zur Anordnung von Aufenthaltsverboten zu Zwecken der Straftatenverhütung. 73 Vorfeldtätigkeiten sind wiederum eng mit Initiativermittlungen verbunden. Auch diese Verbindung ist jedoch nicht zwingend. Denn es ist durchaus denkbar, daß es bei einer Bindung polizeilicher Tätigkeit an rechtlich bestimmte, äu69 70 71 72 73

Siehe dazu Stümper, Verbrechensvorbeugung, Rn 66 ff. Dazu aus den 70er Jahren Folger, Vorfeld, S. 169 ff. Etwa Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 27. Vgl. noch Kap. 3 Punkt B.I.2. Siehe sogleich Kap. 2 Punkt B.I.2.a.

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ßere Auslöser bleibt, indem andere Tatbestandsvoraussetzungen an die Stelle der konkreten Gefahr oder des Verdachts treten. Mit Initiativermittlungen oder - umfassender - proaktivem Handeln ist die Loslösung von dem reaktiven Handlungsmuster gemeint, bei dem die Polizei auf ein in ihrer (sozialen) Umwelt stattfindendes, polizeirelevantes Geschehen reagiert. Sie wird von sich aus tätig. Wie auch beim Stichwort der Vorfeldtätigkeiten soll die Polizei die Initiative ergreifen dürfen, ohne daß eine konkrete Gefahr oder ein Straftatverdacht besteht. Trotz dieser Überschneidung hat der Begriff der Initiativermittlungen einen anderen Akzent, weil er die Initiative der Polizei herausstellt. Das soll zwar nicht heißen, daß die Polizei „mit der Stange im Nebel stochern" oder „ins Blaue hinein" ermitteln soll. Der Begriff impliziert aber, daß die Gesichtspunkte, die Ermittlungen auslösen, der Polizei nicht fremdbestimmt-rechtlich vorgegeben werden. Sie soll ihr Handeln vielmehr an eigenen, namentlich kriminalistischen oder kriminalstrategisch-übergreifenden und entsprechend flexiblen Kriterien ausrichten dürfen. Das schlägt die Brücke zurück zu den eingangs beschriebenen „operativen" Konzeptionen. Auch wenn die verschiedenen Begriffe regelmäßig als Synonyme verwendet werden, ist somit im Blick zu behalten, daß sie unterschiedliche Akzente und Implikationen enthalten. An den jeweiligen Punkten werfen sie rechtlich auch ganz verschiedene Probleme auf. Festhalten kann man, daß sie alle auf die Lösung polizeilicher Tätigkeit aus Rechtsbindungen zielen, die als zu eng empfunden werden. Gerade „operative" Konzeptionen setzen dies in weitgehendem Umfang voraus. Daß vor allem darin der Kern der Diskussion liegt, läßt sich daran erkennen, daß man im Rahmen der einschlägigen polizeilichen Forderungen selten Vorschläge findet, wie denn neue rechtliche Bindungen gestaltet werden könnten, und daß gesetzgeberische Novellierungsbemühungen häufig sogleich als untauglich, weil zu einengend, kritisiert werden. 74 Operative Ansätze, Vorfeldtätigkeiten und Initiativermittlungen werden vor allem hinsichtlich der organisierten Kriminalität entwickelt und forciert. Das bewirkt perspektivische Verengungen, die zu mehr Anschaulichkeit zu fuhren scheinen. Gerade im Bereich der organisierten Kriminalität, so wird das operative Konzept erläutert, komme es „ganz wesentlich nicht darauf an, eine oder einige bestimmte Taten beweiskräftig festzustellen und zur Aburteilung zu brin74 Siehe aber den Vorschlag von Stümper, OrgKG, S. 191, zum Einsatz Verdeckter Ermittler nach der StPO: „Verdeckte Ermittler dürfen nur zur Bekämpfung der schweren, professionellen und Organisierten Kriminalität und auch nur dann eingesetzt werden, soweit die Aufklärung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre." Indem der Vorschlag neben dem im Regelungskontext kaum eingrenzenden Subsidiaritätsgrundsatz, der nicht zufallig auf die „Aufklärung" (statt auf die Aufklärung des Sachverhalts) Bezug nimmt, allein auf den Zweck der „Bekämpfung der schweren ... Organisierten Kriminalität" abstellt, zeigt er freilich, wie sehr sich die polizeilichen Vorstellungen von den bisherigen Rechtsbindungen lösen.

Α. Die Hintergründe der Veränderungen des Polizeirechts

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gen (repressives Ziel), noch einige weitere Straftaten zu verhindern (präventives Ziel), sondern darauf, daß eine solche kriminelle Organisation oder Bande umfassend in ihrer Aktivität zum Erlöschen gebracht werden kann (operatives Ziel)". 7 5 Ziele seien „die möglichst umfassende Erfüllung des operativen Auftrags der Beseitigung von kriminellen Ausgangs- und Operationsbasen" 76, die „Zerschlagung der kriminellen Organisation" 77 oder „das Angehen erkannter krimineller Gruppierungen bzw. Szenen" 78 . Ansatzpunkt dafür sei „nicht die Einzelfallaufklärung, sondern die Aufdeckung übergreifender Zusammenhänge, krimineller Strukturen, Tatbeteiligungsformen und Deliktsketten"; OKBekämpfung sei „network-detection". 79 Deshalb müsse man „weg von der traditionellen Vorgehensweise, die Ermittlungen reaktiv auf einzelne Straftaten auszurichten" 80: Das „herkömmliche, reaktive Vorgehensprinzip, das primär einzeltatbezogen und damit stark individualistisch ausgerichtet ist, kann allenfalls flankierend zur Geltung kommen." 81 Die kriminalstrategische Dimension der Kriminalitätsbekämpfung bestehe „in operativer Vorbeugung (ζ. B. Durchleuchtung krimineller Szenen, Erkennen von verbrechensbegünstigenden Strukturen, Feststellen sich einnistender Verbrechenslogistik) und operativem Vorgehen gegen solche Strukturen (z.B. Beseitigen von Tatgelegenheiten, Abschöpfen der Gewinne, Auflösung von Organisationen und Szenen, Beseitigung von Organisationsbasen und logistischer Infrastruktur)." 82 Die „Aufdeckung der kriminellen Strukturen und Logistik" könne, so wird dann zum Teil ausgeführt, „nur durch ein - vom konkreten Ermittlungsfall unabhängiges - Vorgehen nach Tätern, nicht nach Taten erreicht werden". 83 Notwendig seien eine „offensive, personen- und organisationsbezogene Erkenntnisgewinnung" 84 und nicht allein deliktsorientierte, sondern deliktsübergreifend täter- und organisationsbezogene Ermittlungen 85 . Gemeint ist damit unter anderem eine „umfassende Erkenntnisgewinnung im Umfeld bekannter Straftäter" 86

75 Stümper, Prävention, S. 50 (Hervorh. im Orig.). Ähnlich ders., Wandlung, S. 242 f.; ders., Kriminalität, S. 67. 76 Stümper, Systematisierung, S. 83. 77 Sielaff, Kriminalität, Rn 19, 21. 78

Kniesel, Gefahren Vorsorge, S. 188.

79

Sielaff, Kriminalität, Rn 20. Zachert, Kriminalität, S. 76. 81 Sielaff, Kriminalität, Rn 20. 82 Kniesel, Gefahrenvorsorge, S. 188; Jäger, Vorfeldermittlungen, S. 189. 83 Beck, Bekämpfung, S. 60 m.w.N. 84 Zachert, Kriminalität, S. 76. 85 DörmanniKoch/ Rischi Vahlenkamp, Kriminalität, S. 113; Sielaff, Kriminalität, Rn 15 und 20; Kersten, Bekämpfung, S. 134 ff. Vgl. auch Punkt 3.3 der RiStBV Anlage E (vgl. den Nw oben Kap. 2 Fn 13). 86 Zachert, Bundesrepublik, S. 79. 80

8 Albers

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oder „die zielgerichtete und umfassende Beschäftigung mit einschlägig Bekannten und Verdächtigen, welche aufgrund verschiedener milieutypischer Indikatoren mit hoher Wahrscheinlichkeit der Tätergruppe zuzurechnen sind" 87 . Und: „Von diesen Personen aus können dann Verbindungen zu Straftaten gesucht und hergestellt werden." 88 Daraus auf Ermittlungsansätze zu schließen, die sich - in deutlicher Abkehr von den überkommenen (situationsorientierten) Grundlagen der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung - im Gefahren- oder Verdachtsvorfeld allein auf bestimmte („gefährliche") Personen konzentrieren, griffe aber zu kurz. Denn die Personen können allenfalls als Knotenpunkte in den vernetzten Strukturen organisierter Kriminalität und insoweit als Anknüpfungs- und Ausgangspunkt von Ermittlungen gelten. Es geht aber um das Aufdecken der Bedingungen und Strukturen der Kriminalität selbst. Dafür sind mehrdimensionale Vorgehensund Ermittlungsweisen erforderlich: „Man ermittelt deliktsspezifisch (was unverzichtbar ist), zugleich aber führt man daraus resultierende Erkenntnisse, und zwar nicht nur täter-, sondern auch milieu-, umfeld- und kontaktbezogen, zusammen und versucht, Querverbindungen zu erkennen." 89 In Wirklichkeit steht also die umfassende Sammlung und mehrdimensionale Auswertung von Informationen und Daten etwa zu organisations- oder milieubezogenen Ermittlungsergebnissen, zu übergreifenden Strukturanalysen oder zu Lagebildern im Mittelpunkt. 90 Das lenkt die Aufmerksamkeit von der Informations- und Datenbeschaffung und den dabei eingesetzten Methoden, auf die sich viele Überlegungen allein konzentrieren, weiter zur Speicherung, Auswertung und Übermittlung von Daten und Informationen. In diesem Rahmen wird auch deutlich, welch große Bedeutung spezialisierten Stellen innerhalb der Behörden, aber vor allem auch Zentralstellen wie den Landeskriminalämtern oder dem Bundeskriminalamt zukommen. Nicht mehr allein die - inzwischen dezentralisierbaren - Techniken, sondern vor allem die inhaltlichen Konzeptionen der Polizei erklären, warum man ihnen Schlüsselfunktionen zuschreiben muß. 91 Unabhängig von Beschreibungen im einzelnen verlangen die Ansätze jedenfalls auch eine „proaktive" Beschaffung von Informationen oder Initiativermitt-

87

Beck, Bekämpfung, S. 60 m.N. Beck, Bekämpfung, S. 60. 89 Stümper, Verbrechensvorbeugung, Rn 77 ff. 90 Dazu Boeden, Erscheinungsformen, S. 36; Mischkowitz, „intelligence", S. 14 ff.; Falk, Erfassung, S. 142 ff.; van der Heijden, Ansatz, S. 149 ff.; Kersten, Rolle, S. 342 f. Zu den Problemen der Erarbeitung eines Lagebildes siehe Falk, Erfassung, S. 138 ff.; Jacobi, Lagebild, S. 36 ff. 91 Siehe dazu Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 235; Mischkowitz, „intelligence", S. 20 ff.; Zachert, Bedeutung, S. 31 ff.; Kersten, Rolle, S. 337 ff. 88

Α. Die Hintergründe der Veränderungen des Polizeirechts

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lungen 92 , die bereits im Vorfeld ansetzen und die Schöpfung oder Konkretisierung von Gefahren- oder Tatverdächten ermöglichen. 93 Sie verlangen darüber hinaus eine über ursprüngliche Kontexte hinausgreifende, mehrdimensionale Auswertung von Erkenntnissen, die sich ebenfalls im Vorfeld bewegt. Mindestens ebensosehr wie verdeckte Ermittlungsmethoden weist dies Parallelen zu den Arbeitsweisen der Nachrichtendienste auf, die ihrerseits aufgrund einer Vielzahl gesammelter Erkenntnisse strukturelle Analysen oder Lagebilder erarbeiten, in denen einzelne Daten oder Ereignisse als Mosaikstein erscheinen und gegebenenfalls vielfältig verwendet und immer neu bewertet werden. Die Polizei habe „nach den einschlägigen Indikatoren organisierter Kriminalität zu suchen", und die Vorgehensweise reiche „von der systematischen Auswertung interner und externer Informationsquellen ..., dem Erfahrungsaustausch über das gezielte Einholen von Informationen bis hin zu verdeckten polizeilichen Aufklärungsmaßnahmen". 94 Veränderte Konzeptionen polizeilichen Vorgehens betreffen also nicht allein die Ermittlungsmethoden, mit denen sich die Polizei erste Kenntnisse verschafft. Vielmehr beziehen sie sich ebenso auf die Formen der Speicherung, Veränderung, Nutzung und Übermittlung erlangter (personenbezogener) Daten. 95 Wie weitreichend und tiefgreifend all dies ist, läßt sich im übrigen aus der regelmäßig zugrunde gelegten Annahme schließen, es gehöre zu den Merkmalen organisierter Kriminalität, daß sie sich der Erkennbarkeit entziehe und sich erst nach und nach erschließe, so daß selten zu Beginn, des öfteren erst am Ende der Ermittlungen feststehe, daß es sich eben darum handelt. 96

92 Sielaff, Kriminalität, Rn 20; Zachert, Versuch, S. 31; Kersten, Bekämpfung, S. 135. Vgl. auch die Auslotung der Grenzen für Initiativermittlungen im Rahmen des geltenden Rechts in Punkt 6 der RiStBV Anlage E (siehe den Nw oben Kap. 2 Fn 13). 93 Vgl. Stümper, Verbrechensvorbeugung, Rn 45 ff; dens., OrgKG, S. 191; Kniesel, Gefahrenvorsorge, S. 188; Sielaff Kriminalität, Rn 24. 94 Sielaff Kriminalität, Rn 22.

95

Dazu dann Stümper, Kriminalität, S. 69: „Die Probleme setzen schon im Bereich des Datenschutzes ein. Gerade Erkenntnisse, die Hinweise auf die Einrichtung und Ausweitung logistischer Strukturen schwerer, verzweigter Kriminalität liefern können, die verdächtige Geschäftsabschlüsse offenlegen oder auf merkwürdige Bewegungsbilder hinweisen und aus denen sich dann der berühmte rote Faden zum Aufspüren der abgeschotteten eigentlichen Hauptakteure ergibt, fallen nicht auf einmal und an der gleichen Stelle und im gleichen Kriminalitätsbereich in hochverdächtiger Weise an. Vielmehr sind sie das Produkt einer minuziösen Zusammenfuhrung örtlich, zeitlich und sachgebietsmäßig oft sehr differenziert anfallender Einzelfakten." Vgl. auch Boeden, Erscheinungsformen, S. 36: „Ich will nicht verhehlen, daß es bei dieser frühzeitig anzusetzenden und langfristig zu betreibenden Informationssammlung datenschutzrechtliche Probleme gibt." 96 Kersten, Bekämpfung, S. 132; Kniesel, Gefahrenvorsorge, S. 187; Zachert, Bundesrepublik, S. 71; ders., Versuch, S. 21 f.

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Auch wenn sich daraus kaum eine einheitliche, eingrenzbare Linie bilden läßt, mit Hilfe derer man hinreichende Anknüpfungspunkte für adäquate neue Rechtsbindungen herauskristallisieren könnte, hat die Diskussion um operatives Vorgehen, um Vorfeldtätigkeiten und um die organisierte Kriminalität erheblichen Einfluß auf Gesetzgebung und Rechtsprechung. Die Gesetzgebung begründet neue Vorschriften damit, daß die „organisierte Kriminalität ... gegenüber den herkömmlichen Ermittlungsmaßnahmen weitgehend immun" ist und „die Strafverfolgungsbehörden ... daher zu Ermittlungsmethoden greifen (müssen), die es erlauben, in das Innere der kriminellen Organisationen einzudringen." 97 Die Rechtsprechung argumentiert, die Polizei könne mit herkömmlichen Ermittlungsmethoden häufig nur solche Straftäter überführen, die innerhalb der Gruppierung eine untergeordnete Rolle spielten.98 Und grundsätzlicher heißt es, daß „kriminelle Strukturen dieser Art mit offenen Ermittlungsmethoden und unserem an sich auf den Einzeltäter zugeschnittenen Strafverfahren kaum zu bewältigen sind". 99 Grundlegende Neuerungen nicht nur der Polizeigesetze, sondern auch der Strafprozeßordnung kommen demnach nicht überraschend. Der knappe Überblick über die Hintergründe soll die neuen gesetzlichen Bestimmungen in die Zusammenhänge einbetten, die sie und die damit verbundene Diskussion verständlicher machen. Obwohl sie im wesentlichen eine Legalisierung einer bereits zuvor entstandenen Praxis darstellen, führen sie rechtlich zu erheblichen Strukturveränderungen. Das soll nun ausführlicher analysiert werden.

B. Die polizeigesetzlichen Regelungen zur Straftatenverhütung und zur Verfolgungsvorsorge Während sich die Polizeigesetze nach überkommenen Mustern auf die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung konzentrierten, sind mittlerweile in sämtlichen Polizeigesetzen Regelungen zur Straftatenverhütung und ganz überwiegend auch zur Verfolgungsvorsorge enthalten. Das ist das Ergebnis unterschiedlicher Erfordernisse und Bestrebungen zur Vergesetzlichung. Auf übergreifender Ebene wurde der für „Öffentliche Sicherheit und Ordnung" zuständige Arbeitskreis II von der Konferenz der Innenminister und -Senatoren von Bund und Ländern beauftragt, Regelungsvorschläge zur Änderung des bisherigen MEPolG vorzulegen. Er erarbeitete daraufhin den 97

Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG), BTDrucks 12/989, S. 41. 98 BGHSt 32, 115 (120). 99 Caesar, Gesetz, S. 241, und sodann S. 242 ff.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

117

„Vorentwurf des Arbeitskreises II der Innenminister und -Senatoren vom 12. März 1986 zur Änderung des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder gemäß Beschluß der Innenministerkonferenz vom 25. November 1977 (ME)" (VE MEPolG). 100 Dieser Vorentwurf wurde von der Innenministerkonferenz mit Vorbehalten als Grundlage angenommen. Beratungen und Gesetzgebung in den Bundesländern - Bremen, das sein Polizeigesetz bereits im Jahre 1983 grundlegend novelliert hatte, ausgenommen folgten nach. Den Vergesetzlichungsbestrebungen liegen mehrere Ursachen zugrunde. Der erste Grund sind die Erfordernisse der gesetzlichen Regelung der Befugnisse zum Umgang mit personenbezogenen Informationen und Daten. Obwohl sie im Zuge der Einfuhrung der elektronischen Datenverarbeitung zunehmend thematisiert worden sind, hat nur die Gesetzgebung des Landes Bremen sie - angeregt durch die Regelungsvorschläge der §§ 11 ff., 37 ff. AEPolG - schon relativ früh in das Polizeigesetz eingebracht; ihr wesentlicher Motor war das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts. 101 Der zweite Grund ist der Bedarf nach einer Regelung bestimmter Ermittlungsmethoden. Auch dies ist für bestimmte Befugnisse, insbesondere für den Einsatz verdeckter Ermittler, bereits geraume Zeit zuvor und mit Blick auf die zahlreichen Rechtsunsicherheiten auch von Polizeiseite gefordert worden. 102 Der dritte Grund ist die an die alte Diskussion um den MEPolG anschließende, aber mit der Regelung der Informations- und Datenverarbeitungsbefugnisse und der Ermittlungsmethoden wieder virulent gewordene Notwendigkeit, vorbeugende und vorsorgende Tätigkeiten der Polizei in Aufgaben und Befugnissen mitzuerfassen. Die neuen Vorschriften der Polizeigesetze führen deshalb zum einen nicht allein Vorbeugungs- und Vorsorgemuster in das Polizeirecht ein. Die Bestimmungen über die Informations- und Datenverarbeitung und über die Ermittlungsmethoden gelten vielmehr - dies dann freilich differenziert - sowohl für die Gefahrenabwehr, also unter anderem für die Straftatenverhinderung, als auch für die Straftatenverhütung oder für die Verfolgungsvorsorge. Zum anderen dürfen deren Regelungen ohnehin keineswegs isoliert betrachtet werden, so als würden die polizeilichen Aufgaben ergänzt, indem ganz eigenständige, miteinander weitgehend unverbundene Aufgabenbereiche nebeneinandergestellt werden. Wegen der Interdependenzen zwischen der Straftatenverhinderung nach

100

Zu den verschiedenen Fassungen siehe den Stand vom 31. 10. 1984, in: cilip 1984, S. 78 mit Begr., den Stand vom 8. 2. 1985, in: cilip 1985, S. 44 mit Begr., und den Stand vom 12. 3. 1986, in: cilip 1986, S. 74. Der VE MEPolG mit Stand vom 12. 3. 1986 ist außerdem abgedruckt in: Bull (Hrsg.), Sicherheit, S. 181 ff.; Kniesel, Polizeirecht, S. 237 ff. 101 Vgl. die Begründung des Vorentwurfs, Anm. 2.2, in: cilip 1985, S. 49. 102 Auch dazu die Begründung des Vorentwurfs, Anm. 2.2, in: cilip 1985, S. 49.

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den überkommenen Gefahrenabwehrregeln, der Straftatenverfolgung nach strafprozessualen Mustern, der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge fuhrt deren Einfügung zu einer Gesamtmodifikation der polizeilichen Tätigkeit. Im folgenden werden die polizeigesetzlichen Regelungen zur Straftatenverhütung und zur Verfolgungsvorsorge näher untersucht. Mit der Gesetzesanalyse sollen die Grundlagen der rechtlichen Determination polizeilichen Handelns in diesen Bereichen herausgearbeitet werden. Hinter ihr steht darüber hinaus die Überzeugung, daß die gesetzlichen Vorschriften derzeit der wesentliche, wenn nicht sogar der einzige Anknüpfungspunkt sind, auf den Untersuchungen sinnvollerweise aufbauen können. Denn die Dogmatik hat sich mit den beiden neuen Gebieten noch relativ wenig und häufig nur oberflächlich befaßt. Selbst die Kritik an den Entwicklungen des Polizeirechts bleibt oft an der Oberfläche und trifft auf die einschlägige Gesetzeslage manchmal gar nicht zu. Hinzu kommt, daß die Landesgesetzgebungen keineswegs einheitliche Muster, sondern im Gegenteil teilweise unterschiedliche Grundkonzeptionen und auch in einzelnen Punkten unterschiedliche Ansätze gewählt haben. Daher bietet sich die Möglichkeit, verschiedene Regelungsformen zu beurteilen und zu vergleichen. In der Analyse werden - wie bisher - Aufgabenzuweisungen und Befugnisse unterschieden. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen die neuen Regelungsstrukturen und -elemente, die das Polizeirecht nunmehr in den hier interessierenden Gesichtspunkten kennzeichnen. Dogmatische und interpretative Erwägungen werden eingebaut, wenn sie im Kontext wichtig erscheinen und bereits entwickelt werden können. Im übrigen werden in knapper Form die im Bereich der Informations- und Datenverarbeitung weitgehend ihrerseits neuen Bestimmungen, die der Gefahrenabwehraufgabe zugeordnet sind, im erforderlichen Umfang einbezogen, damit erstens die Eigenständigkeit der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge und zweitens - dies nach einem Blick auch auf die Änderungen des StrafVerfahrensrechts - die Unterschiede, Annäherungen und Interdependenzen zwischen den Aufgabengebieten deutlich werden können.

I. Die Erweiterungen der Aufgabenzuweisungen /. Die Aufnahme der Straftatenverhütung

und der Verfolgungsvorsorge

Die Formen der polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen sind geprägt von der Diskussion um die Reichweite des Begriffs der Gefahrenabwehr in der überkommenen Aufgabenbeschreibung. Nicht zuletzt, weil man bemüht war, längst eingespielte Vorgehensweisen der Polizei nicht als rechtswidrig zu kenn-

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

119

zeichnen 103 , bevorzugte man ein weites Gefahrenabwehrverständnis, ohne jedoch die damit verbundenen Probleme zu thematisieren oder zu klären. Das hat dazu geführt, daß die Aufgabenzuweisungen unterschiedlich und teilweise unklar gefaßt sind. Der VE MEPolG sieht eine Ergänzung der Gefahrenabwehraufgabe des § 1 Abs. 1 Satz 1 M E PolG vor. Danach hat die Polizei im Rahmen dieser Aufgabe auch für die Verfolgung von Straftaten vorzusorgen und Straftaten zu verhüten (vorbeugende Bekämpfung von Straftaten). Darüber hinaus hat sie Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren abwehren zu können (Vorbereitung auf die Gefahrenabwehr). Wie insbesondere der Normtext, der die Verfolgungsvorsorge und Straftatenverhütung einerseits und die Vorbereitung auf die Gefahrenabwehr andererseits gegeneinander abgrenzt, und der systematische Zusammenhang mit den Befugnissen 104 ergeben, umfaßt dies nicht jede Vorbereitungstätigkeit. Gemeint ist die Vorbereitung auf die Abwehr regelmäßig zu erwartender konkreter Gefahren, hinsichtlich derer die Polizei unter anderem aufgrund ihrer subsidiären Zuständigkeit tätig wird. 1 0 5 Soweit die Verfolgungsvorsorge oder die Straftatenverhütung Vorbereitungselemente einschließen, sind diese ihnen unterzuordnen. 106 § 1 a V E MEPolG nimmt diese Aufgabenbereiche ausdrücklich aus dem Grundsatz der nur subsidiären Zuständigkeit der Polizei im Verhältnis zu anderen Gefahrenabwehrbehörden aus. Sie werden somit „Primäraufgabe der Polizei" 1 0 7 . Die ausdrückliche Ergänzung der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten und der Straftatenverhütung bei gleichzeitiger Einordnung in den Rahmen der Aufgabe der Gefahrenabwehr scheint der Versuch eines Kompromisses zwischen der Ansicht, Vorsorge und Verhütung seien etwas anderes als Gefahren-

103 Vgl. die Begründung des Vorentwurfs mit Stand vom 8.2.1985, Anm. 3.1, in: cilip 1985, S. 50. 104 Vgl. insbesondere § 8 a Abs. 2 und Abs. 3 VE MEPolG. 105 Dazu Kniesel, Grundlagen, Rn 42: „Dieser gefahren vor sorgeri sehe Auftrag verdeutlicht nur die überkommene Verpflichtung der Polizei, sich auf Hilfeleistungen in späteren Gefahrenfallen einzustellen. Will die Polizei in ihren Einsatzleitsystemen sog. Risikopersonen (z.B. Betreiber gefahrlicher Anlagen oder gefährdete Personen) und sog. Polizeihelfer (Notärzte, Abschleppunternehmer) speichern, so ist wegen gegebener Eingriffsqualität eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich." Ähnlich Dietel, „Innere Sicherheit", S. 66. Ausführlicher dazu auch Soiné, Vorbereitung, S. 173 ff. Siehe außerdem die Begründung des Vorentwurfs zu § 7 a VE MEPolG (Stand 8. 2. 1985), in: cilip 1985, S. 52. 106 Offenbar anders Paeffgen, Polizeirecht, S. 457, zu § 1 Abs. 1 Nr. 3 SächsPolG, und Gusy, Polizeiarbeit, S. 270, zu § 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NW, die jeweils in einem vergleichbaren Regelungszusammenhang stehen. 107 Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 55.

1 2 0 K a p . 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

abwehr, und der These, sie fielen darunter 108 , zu sein. Der gewählte Normtext fuhrt aber dazu, daß die Aufgabenbeschreibung nur schlüssig ist, wenn man der letztgenannten These folgt. Daß die neue Beschreibung der polizeilichen Aufgaben aber jedenfalls über die „klassische" Gefahrenabwehr hinausgeht, erschließt sich jedoch spätestens mit dem Blick auf die Befugnisse, die in die Polizeigesetze zur Erfüllung dieser Aufgaben aufgenommen worden sind. 1 0 9 Die Gesetzgebung in den einzelnen Bundesländern ist den Regelungsvorschlägen des VE MEPolG keineswegs uneingeschränkt gefolgt. Zum Teil belassen die Landespolizeigesetze es bei der Aufgabenzuweisung der Gefahrenabwehr. 1 1 0 Vereinzelt wird dann weiter festgehalten, daß zu den Gefahrenabwehraufgaben auch die Erhebung und weitere Verarbeitung von Daten zur Verhütung von Straftaten und zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten zählt. 111 Überwiegend weisen allerdings die - jeweils mehr oder weniger weitreichenden - Befugnisse auf ein Verständnis der Gefahrenabwehraufgabe hin, das Verhütungs- und Vorsorgeaspekte einschließt. 112 Im Unterschied dazu sehen andere Polizeigesetze im Anschluß oder angelehnt an § 1 V E MEPolG ausdrücklich vor, daß die Polizei im Rahmen ihrer Aufgabe der Gefahrenabwehr Straftaten zu verhüten sowie für die Verfolgung von Straftaten 113 oder - so eine andere Formulierung - für die Verfolgung künftiger Straftaten 114 vorzusorgen hat. Häufig, aber nicht immer werden diese Elemente im Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten zusammengefaßt. 115 In einem Polizeigesetz wird zwar die Aufgabe der Gefahrenabwehr ergänzt, aber nur um die Verhütung zu erwartender Straftaten, in der sich die (gesetzlich erwähnte) vorbeugende Bekämpfung von Straftaten als Gegenstand des Landespolizeirechts er-

108 Hier kann der VE MEPolG anknüpfen an die Begründung zu § 10 MEPolG, in: Heise!Riegel, Musterentwurf, S. 53. 109 Neumann, Vorsorge, S. 37; Gusy, Polizeiarbeit, S. 270 f. 110 § 1 Abs. 1 PolG BW, Art. 2 Abs. 1 BayPAG, §§ 1 Abs. 1 BremPolG, 3 Abs. 1 HbgSOG, 1 Abs. 2 SPolG, 162 Abs. 1, 168 Abs. 1 LVwGSH. 111 § 1 Abs. 1 S. 2 HbgGDVP. 112 Vgl. nur §§ 20 Abs. 3, 22 Abs. 2 PolG BW, Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG, § 28 Abs. 1 Nr. 2 BremPolG (trotz der Legaldefinition des Gefahrenbegriffs in § 2 Nr. 3), §§ 26 Abs. 2, 28 Abs. 1 SPolG, 189 Abs. 1 LVwGSH. 113 §§ 1 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG, 1 Abs. 1 Satz 3 NGefAG, 1 Abs. 1 Satz 3 RhPfPOG, 2 Abs. 1 Satz 2 ThürPAG. 114 §§ 1 Abs. 3 ASOG Bin, 1 Abs. 4 HSOG, 7 Abs. 1 Nr. 4 SOG MV, 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NW. 115 §§ 1 Abs. 3 ASOG Bin, 1 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG, 1 Abs. 4 HSOG, 1 Abs. 1 Satz 2 PolG NW, 1 Abs. 1 Satz 3 RhPfPOG, 2 Abs. 1 Satz 2 ThürPAG, sinngemäß auch in § 28 Abs. 1 BremPolG.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

121

schöpft. 116 Manchmal werden die Verhinderung und die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten der Aufgabenzuweisung beigefugt. 117 2. Die Komponenten der Verhütung und der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten oder künftiger Straftaten Unabhängig von der hier noch nicht zu erörternden Frage, wie das Verhältnis von Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge zu beurteilen ist, enthalten die meisten polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen jedenfalls neue Begriffe. Der Überblick über die unterschiedlichen Regelungen weist aber bereits daraufhin, daß deren Inhalte keineswegs geklärt sind. Das betrifft zunächst den Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, der teils die Verhütung von Straftaten und die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten zusammenfaßt, teils nur die Verhütung von Straftaten erfaßt. Daß die Legaldefinitionen insoweit nicht einheitlich sind, ist damit zu erklären, daß die Gesetzgebungskompetenz landesgesetzgeberisch jeweils unterschiedlich beurteilt worden ist. Im übrigen wird der Begriff selbst jedoch häufig als unklare Leerformel bezeichnet. 118 Zumindest kann man dem jeweiligen Normtext entnehmen, daß die polizeiliche Tätigkeit mit der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge auf eine „vorbeugende Straftatenbekämpfung" erstreckt werden soll. Von daher bietet es sich an, die Begriffe der Vorbeugung, der Verhütung und der Vorsorge etwas aufzuschlüsseln. Alle drei Begriffe können gegen die Verfolgung begangener Straftaten, aber auch gegen die Abwehr von Gefahren abgegrenzt werden. Gefahrenabwehrmaßnahmen sind zwar durch ein prospektives Element gekennzeichnet, jedoch zugleich eine Reaktion auf eine gegebene (Gefahren)Lage, in der sich der Eintritt des Schadens in bestimmter Weise abzeichnen muß. 1 1 9 Vorbeugung, Verhütung und Vorsorge antizipieren ebenfalls künftige Ereignisse. Sie sind freilich durch eine Vorverlagerung der exekutivischen Tätigkeit gekennzeichnet, die nicht allein einen größeren zeitlichen Abstand zwischen prognostiziertem Geschehen und zulässigen Maßnahmen, sondern vor allem auch eine größere Prognoseunsicherheit aufweist. Die Prognoseunsicherheit kann wiederum an mehreren Gründen liegen. So werden im Bereich des Polizeirechts - anders als etwa im Umweltschutzrecht - weniger Aspekte der Kausalität ungewiß sein als be-

116

§2 Abs. 1 SOG LSA. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SächsPolG. 118 Deutscher Richterbund, Stellungnahme, S. 234; Rachor, Polizeihandeln, Rn91; Lisken, Weg, S. 474 f.; Denninger, Grenzen, S. 52 f.; Bull, in: AK-GG, Art. 87 Rn 88; Schoreit, Rechtsgrundlagen, S. 227; Busch/Funk/Kauß/Narr/Werkentin, Polizei, S. 225. 119 Ausführlich dazu Kap. 1 Punkt B.II.2.a. und III.2.a. und b. 117

1 2 2 K a p . 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

stimmte Tatsachengrundlagen, zum Beispiel hinsichtlich kriminalitätsrelevanter Situationen und ihrer Entwicklungsdynamik. Außerdem ist die Entscheidung über die Maßnahmen und die in Anspruch zu nehmenden Personen regelmäßig weniger deutlich strukturell vorgezeichnet als bei der Gefahrenabwehr oder auch bei der Strafverfolgung. Sie ist jedenfalls an eigenständigen Kriterien orientiert. Es greift daher zu kurz, Vorbeugung, Verhütung und Vorsorge als „ein ,vorgelagertes Annex4 der eigentlichen Gefahrenabwehr" 120 zu beschreiben. Im Anschluß an den Normtext der Polizeigesetze lassen sich alle drei Begriffe sodann gegeneinander abgrenzen. Auch wenn man mit Rücksicht auf einen alltagsprachlichen Gebrauch den Begriff der Verhütung als Oberbegriff verstehen und Vorbeugung von Vorsorge unterscheiden könnte 121 , ist dieser Sprachgebrauch nicht zwingend, und die Polizeigesetze setzen anders an. Sie konzipieren den Begriff der Vorbeugung oder der vorbeugenden Bekämpfung in der Regel als abstraktere, übergeordnete Beschreibung, während Verhütung und Vorsorge auf einer Ebene liegen. Danach sollten, ohne daß man der Zusammenfassung zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" zu folgen braucht, diese beiden Begriffe einander gegenübergestellt werden. Verbleibt man auf einer Beschreibungsebene, lassen sich grundsätzlich drei Formen des Vorgehens unterscheiden. Im Bereich vorverlagerter exekutivischer Tätigkeit können erstens Maßnahmen gegen den Eintritt eines antizipierten Ereignisses, zweitens Maßnahmen für den Fall seines Eintritts getroffen werden. 122 Im ersten Fall werden bereits zu dem vorgelagerten Zeitpunkt Maßnahmen ergriffen, die in den antizipierten Geschehensablauf eingreifen, die Entstehungsbedingungen bestimmter Faktoren oder Ursachenketten beeinflussen und so den Eintritt einer befürchteten Situation oder eines für möglich gehaltenen Ereignisses schon im Vorfeld verhüten. 123 Ein an dieser Stelle erfolgreiches Vorgehen macht eine spätere Abwehr überflüssig. Im zweiten Fall greifen die Maßnahmen dagegen nicht auf die Entstehungsbedingungen bestimmter Faktoren oder Ursachenketten zu, und sie verhindern das künftige Geschehen, auf das sie sich beziehen, nicht. Sie bereiten vielmehr auf den Fall seines Eintritts vor. Mit solchen Vorbereitungsmaßnahmen wird eine etwa erforderliche Reaktion auf den Eintritt des Geschehens - sei es Abwehr, sei es nachträgliche Sanktion ermöglicht, erleichtert oder effektiviert. Die dritte Vorgehensform im Bereich vorverlagerter Tätigkeit läßt sich herleiten, indem man das Wissen um die jeweils relevanten Ereignisse oder weitergehend das Wissen um ihre Grundlagen und Strukturen problematisiert. Findet das Ereignis in der Außenwelt statt, muß es schließlich erst einmal entdeckt werden. Vorverlagert ist die Tätigkeit, wenn 120 121 122 123

So Peitsch, Bekämpfung, S. 217. Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 40 ff. Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 42 ff. Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 42 f.; Petersen, Schutz, S. 192 f.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

123

sie erfolgt, ohne daß bereits (erste) Erkenntnisse über eine Gefahrenlage, ein Gefahrenverdacht oder der Verdacht einer begangenen Straftat vorliegen. Demnach sind die im Vorfeld angesiedelte Verhütung, die Vorbereitung und die Wissensproduktion zu unterscheiden. Nun wäre man zu optimistisch, wenn man glaubte, daß sich die Verhütung von Straftaten und die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten nach diesen Unterscheidungskriterien nunmehr leicht systematisieren ließen. A u f der einen Seite liegt es nahe, daß der Begriff der Verhütung von Straftaten insofern Vorbereitungsmaßnahmen umfassen kann, als die Situation einer erforderlichen Verhinderung einer bevorstehenden Stratat als Gefahrenabwehrsituation antizipiert und dafür vorgesorgt wird. A u f der anderen Seite zeigt ein übergreifender Blick auf Gesetzestexte, daß auch der Begriff der Vorsorge sowohl im Sinne der Vorbereitung für den Fall, daß ein bestimmtes Ereignis eintritt, als auch im Sinne einer im Vorfeld erfolgenden Verhütung eines antizipierten Geschehens eingesetzt wird. Was mit „Vorsorge" gemeint ist, ist strukturell vom jeweiligen Sachbereich abhängig und somit in dessen Rahmen zu konkretisieren. 124 Einen ersten gesicherten Ansatz für die Abgrenzung der Aufgabenbereiche der Verhütung von Straftaten und der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten bietet zunächst ein anderer Gesichtspunkt, der sich aus dem Normtext ergibt. Die zweite Aufgabe betrifft die Verfolgung von Straftaten, und zwar die künftige Verfolgung von Straftaten oder sogar die (künftige) Verfolgung künftiger Straftaten. Indem es sich um die Strafitatenverfolgung handelt, ist klar, daß die Straftat begangen worden sein muß, und das Besondere gegenüber der traditionellen Strafverfolgung nach der Strafprozeßordnung ist, daß es sich um die künftige Strafverfolgung oder um künftige Straftaten handelt. Damit liegt das zentrale Unterscheidungsmerkmal der beiden neu in die Polizeigesetze aufgenommenen Aufgaben auf der Linie der überkommenen Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung: die Verhütung von Straftaten hat präventiven Charakter, während die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten eine Repression impliziert, die sich freilich erst in Zukunft als erforderlich erweisen wird. A u f dieser noch grob gefaßten Basis kann man die beiden Aufgabenbereiche nunmehr genauer herausarbeiten. a) Die Verhütung von Straftaten Für das Verständnis der Aufgabe der Verhütung von Straftaten ist zunächst wichtig, daß die Verhinderung unmittelbar bevorstehender Straftaten, die unter 124

Ossenbühl, Vorsorge, S. 164. Vgl. weiter zu unterschiedlichen Konzeptionen und Formen: Preuß, Risikovorsorge, S. 538 ff.; Trute, Vorsorgestrukturen, S. 29 ff.; Reich, Gefahr, S. 8 ff.; Germann, Vorsorgeprinzip, S. 1 ff., 19 ff.; Petersen, Schutz, S. 191 ff.; Volkens, Vorsorge, S. 13 ff.

124

Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

die Abwehr konkreter Gefahren fällt, damit nicht gemeint und auch nicht darin eingeschlossen ist. Im gesetzlichen Zusammenhang ist die Beschreibung der Verhütung von Straftaten Teilelement oder einziges Element der vorbeugenden Straftatenbekämpfung. Das wirkt sich bei systematischer Interpretation so aus, daß ihr vorbeugende Qualität zukommt und sie durch eine Vorverlagerung der exekutivischen Tätigkeit gekennzeichnet ist. Ein unbefangenes, nicht aus einer normativen Auslegung hergeleitetes Begriffsverständnis, das das gesamte Spektrum von Vorbeugungs- und Vorfeldtätigkeiten bis zur konkreten Straftatenabwehr unter die Straftatenverhütung faßt, läßt ihre Kennzeichen und das Neuartige an ihr verschwimmen. Nach den Gesetzestexten ist es ohnehin nicht so, daß die Straftatenverhütung die Abwehr von (konkreten) Gefahren einschließt. Vielmehr soll die Aufgabenzuweisung der Gefahrenabwehr die Straftatenverhütung umfassen. Dazu ist bereits darauf hingewiesen worden, daß dies einen entgrenzenden Begriff der Gefahrenabwehr erfordert. 125 Gegenstand der Aufgabennorm ist außerdem nicht etwa die Verhütung von Gefahren aller Art, sondern die - trotz der Überschneidungen engere - Verhütung von Straftaten oder genauer: die Verhütung der durch Straftaten entstehenden Gefahren. Diese ist angesichts ihres Kennzeichens einer Vorverlagerung der polizeilichen Tätigkeit weder „seit jeher originäre Polizeikompetenz" noch „geradezu das Paradigma der Gefahrenabwehr". 126 Knüpft man weiter an die eingangs ausgeführten Unterscheidungen an, können als Gegenstand der Straftatenverhütung zunächst vorbeugende Maßnahmen herausgestellt werden, die im Gefahrenvorfeld darauf zielen, daß es nicht zu Straftaten kommt. Man mag dies so veranschaulichen, daß die Abwehr einer konkreten Gefahr drohende Straftaten verhindern soll, während die Verhütung den Eintritt der Gefahr verhindern, also dafür sorgen soll, daß erst gar keine Situation entsteht, in der ein strafbares Handeln unmittelbar droht. 127 An dieser Stelle werden damit Maßnahmen bezeichnet, die in einen antizipierten Geschehensablauf eingreifen oder die Entstehungsbedingungen bestimmter Faktoren oder Ursachenketten beeinflussen, so daß der Eintritt einer befürchteten Situation schon im Vorfeld verhütet wird.

125

Oben Kap. 1 Punkt B.II.2.b. So aber Reiß, Recht, S. 220, der allerdings meint, unter der Straftatenverhütung sei die Verhinderung von Straftaten zu verstehen, und deshalb das Neue der Aufgabenzuweisung nicht erfaßt. Zutreffend demgegenüber etwa Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 158; Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 273 ff. 127 Vgl. Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 41; Peitsch, Bekämpfung, S. 214, 217 f. Außerdem KnieseilTegtmeyerlVahle, Handbuch, S. 14: „Vorsorge läßt Gefahren erst gar nicht zur Entstehung gelangen, indem durch die Beobachtung von Gefahrenquellen' 4 und ,Verbrechensherden die Polizei so rechtzeitig eingreifen kann, daß es nicht zu einer konkreten Gefahr bzw. zur Begehung einer Straftat kommt." 126

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

125

Die Verhütung deckt somit das polizeiliche Handeln ab, das schon im Rahmen des MEPolG thematisiert und nur mit extensiven Auslegungsbemühungen unter die überkommene Aufgabenzuweisung der Gefahrenabwehr gefaßt worden ist. Dazu gehören etwa die Aufklärung und Beratung der Bevölkerung mit dem Ziel der Minimierung künftiger Straftaten 128 oder die allgemeine polizeiliche Präsenz durch Streifengänge oder -fahrten, die insoweit eben durch die gezeigte Präsenz verhütend wirken soll. 1 2 9 Anders als etwa im Umweltrecht gibt es in dieser Hinsicht bislang kaum polizeiliche Eingriffsbefiignisse, aufgrund derer die Bürger vorbeugend zu bestimmten Tätigkeiten oder zu einem Unterlassen verpflichtet werden könnten. Man darf aber nicht übersehen, daß die Aufgabenzuweisung solche Formen nicht aus sich heraus unterbindet. 130 Sie sind theoretisch ohne weiteres denkbar. 131 Sie werden inzwischen sogar realisiert. Bisher einzigartige Beispiele sind die in den Jahren 1996 und 1999 mit §§ 17 Abs. 2 NGefAG 1 3 2 , 29 Abs. 2 ASOG Bin und 21 Abs. 3 SächsPolG eingeführten Aufenthaltsverbote zur Verhütung von Straftaten. Weitere Beispiele wären nächtliche Ausgangssperren, wie sie in den Vereinigten Staaten zur Senkung der Jugendkriminalität praktiziert worden sind oder in Deutschland - mehr oder weniger ernsthaft - fur Männer zum Schutz der Frauen vor Gewalt gefordert werden. Theoretisch möglich ist auch eine weitere Ausdehnung des Präventivgewahrsams in das Gefahrenvorfeld. Daß der Begriff der Straftatenverhütung aus sich heraus nicht ohne weiteres Grenzen enthält, die solchen Befugnissen entgegenstünden, ist, wie man sich denken kann, einer der Punkte der noch zu behandelnden Kritik. 1 3 3 Das nächste Element sind Maßnahmen der Vorbereitung darauf, daß in Zukunft die Situation entsteht, daß drohende Straftaten abzuwehren sind. Die polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen benennen die „Vorbereitung auf die Gefahrenabwehr" zwar gesondert. Die Vorbereitung auf die Abwehr drohender Straftaten wird aber, wie teils bereits der jeweilige Normtext zeigt, teils die 128

Siehe zum Beispiel die Begründung des Entwurfs der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zur Sicherung des Datenschutzes bei der Polizei, Drucks. 13/5422, zum Entwurf des § 1 HbgGDVP (S. 21). Außerdem Kniesel, Polizeigesetze, S. 379; Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 276 f. 129 Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 51 f.; Kniesel, Polizeigesetze, S. 379; Peitsch, Bekämpfung, S. 214. 130 Insofern ist es zumindest verkürzend, wenn man formuliert, die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten sei Datenverarbeitung, so aber - konzentriert auf das gegenwärtig ganz überwiegend gegebene Bild - Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 21 und 49; ders., Polizeihandeln, Rn 92. 131 Vgl. dazu auch die Überlegungen bei Waechter, Probleme, S. 147. 132 In Niedersachsen, das diese Befugnis als erstes Land eingeführt hat, waren Anlaß die bis dahin jährlich stattfindenden „Chaos-Tage". 133 Siehe insbesondere Kap. 3 Punkt A.I.

Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Auslegung unter Berücksichtigung der Gestaltung der Befugnisse ergibt, im Rahmen der Straftatenverhütung erfaßt. Vorbereitung ist funktional auf eine antizipierte künftige Verhinderung bezogen. Sie stellt Ressourcen bereit, die es ermöglichen, daß in der künftigen Situation der drohende Schaden verhindert werden kann. Es geht aber um mehr als um die „eher selbstverständliche Einsicht, daß die Polizei nicht unvorbereitet auf den Gefahrenfall warten kann, wenn sie die Aufgabe der Gefahrenabwehr sachgemäß erfüllen soll, sondern durch Präsenz mit Sachmitteln, Personal und Informationen vorbereitet sein muß" 1 3 4 . Gemeint ist insbesondere der Umgang mit personenbezogenen Informationen und Daten, die der Polizei in gegebenenfalls eintretenden Gefahrenabwehrsituationen zur Verfügung stehen sollen, aber bereits im Gefahrenvorfeld nach deswegen notwendig eigenständigen Kriterien gesammelt und verarbeitet werden. Ein Beispiel sind Dateien mit Daten über gewaltbereite Hooligans, die die Polizei im Zusammenhang mit einem Fußballspiel abrufen kann, um etwa schon im Rahmen der Anreise oder erst im Falle beginnender Schlägereien bestimmte Personen aufgrund der gespeicherten Daten als „Rädelsführer" oder als besonders gewaltbereit einordnen zu können. 135 Dieses polizeiliche Vorgehen kann mit der für jede wirksame Gefahrenabwehr erforderlichen Vorbereitung nicht gleichgesetzt werden, weil ihm aufgrund der Entwicklung der Informations- und Datenverarbeitungstechnik und der neuen polizeilichen Strategien eine eigenständige Bedeutung zukommt. Je lockerer man den - begrifflich kaum vorgegebenen - Zusammenhang zwischen der Vorbereitung und der antizipierten Verhinderung knüpft, desto weniger enthält auch dieses Element der Straftatenverhütung aus sich heraus Grenzen. Die Rolle, die es spielt, wird aber erst wirklich deutlich, wenn man die Interdependenzen zwischen den Elementen einer Aufgabe und zwischen den Aufgabenbereichen miteinbezieht. Als drittes Element der Straftatenverhütung können Maßnahmen der Erhebung und Verarbeitung von Informationen und Daten genannt werden, die sich darauf richten, im Rahmen dieses Aufgabenbereichs Wissensgrundlagen zu schaffen. Sie sind nicht der Gefahrenabwehr zuzuordnen, wenn und weil sie nicht im Kontext einer konkreten Gefahrensituation erfolgen. Das grenzt sie auch gegen den bei der Gefahrenabwehr behandelten Gefahrenverdacht und die zugehörigen Gefahrerforschungsmaßnahmen ab. Im Vergleich zur Vorbeugung als Komponente der Straftatenverhütung mag man - trotz der erkennbaren Zusammenhänge - insoweit einen Unterschied sehen, als der Umgang mit Informationen und Daten nicht direkt in einen vorab antizipierten Geschehensablauf eingreift und daher nicht unmittelbar vorbeugend wirkt. Da das Element der Vorbereitung funktional auf eine antizipierte künftige Verhinderung bezogen 134 135

Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 86. Kniesel, Polizeigesetze, S. 379.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

127

ist, handelt es sich auch nicht unbedingt von vornherein um Vorbereitungsmaßnahmen. Die im Vorfeld traditioneller Gefahrenabwehr erfolgende Informations· und Datenverarbeitung ist vielfältig, und sie wird maßgeblich dadurch geprägt, daß konkrete Gefahrenabwehrsituationen, dies auch als antizipierte Ereignisse, und polizeiliche Informations- und Datenverarbeitung zunehmend entkoppelt werden. Die Straftatenverhütung soll in diesem Zusammenhang die Erarbeitung übergreifender Lagebilder, Analysen strukureller Zusammenhänge einer „kriminellen Szene" 136 , die - aus unterschiedlichen Quellen gespeiste Sammlung von Daten über Personen, bei denen man erwartet, daß sie künftig Straftaten begehen werden 137 , oder nicht durch konkrete Gefahrenannahmen gestützte Vorfeldermittlungen etwa mittels längerfristiger Observationen oder verdeckter Ermittler umfassen. 138 Es ist unverkennbar, daß es zwischen den Aufgabenelementen der Straftatenverhütung und darüber hinaus zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung Verbindungslinien gibt und daß in der Praxis Übergänge erforderlich sind. So können - die Rechtmäßigkeit der Zweckänderungen hier zurückgestellt - Vorfeldermittlungen, die ohne konkrete Gefahrenannahmen begonnen wurden, zu der Erkenntnis fuhren, daß Straftaten bevorstehen, so daß die Polizei zwecks deren Verhinderung auf die zuvor erlangten Daten und Informationen mit der Folge zurückgreifen wird, daß diese nunmehr der Vorbereitung auf die Gefahrenabwehr und der Gefahrenabwehr selbst dienen. Die Übergänge liegen unter anderem daran, daß das polizeiliche Vorgehen von polizeilich kaum beeinflußbaren Ereignissen in der Außenwelt und von dem polizeilichen Erkenntnisstand abhängt und darauf reagieren muß. Diese Abhängigkeit fuhrt zu besonderen In136 Siehe etwa die Begründung des Entwurfs der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zur Sicherung des Datenschutzes bei der Polizei, Drucks. 13/5422, zum Entwurf des § 1 HbgGDVP (S. 21). Außerdem Kniesel, Meinungsstreit, S. 164 f.

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Begründung des Entwurfs der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zur Sicherung des Datenschutzes bei der Polizei, Drucks. 13/5422, zum Entwurf des § 1 HbgGDVP (S. 21). Außerdem Gemmer, Problematik, S. 14: Minimierung von Straftaten durch ein „täternahes Informationsnetz" im „Vorfeld des Verdachts". 138 Vgl. Kniesel, Gefahrenvorsorge, S. 188; Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 274; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 31, mit der schlagwortartigen Beschreibung, die „Informationsvorsorge" diene hier der Gefahrenvorsorge. Zu reduzierend Peitsch, Bekämpfung, S. 218, der Vorfeldermittlungen primär auf die Entdekkung begangener Straftaten bezieht und die Verhütung nur als Nebeneffekt sieht. Ebenso verkürzt Hund, Effektivitätsdenken, S. 466, es gehe bei der „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" darum, die Möglichkeiten zur Aufklärung von Straftaten sowie die Chancen zur Strafverfolgung zu verbessern und strafprozessuale Effektivitätshindernisse zu überwinden. Dagegen weist Kniesel, Meinungsstreit, S. 164, zutreffend auf den verhütenden Aspekt hin.

128

Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

terdependenzen zwischen den theoretisch und dogmatisch zu trennenden Aufgabenbereichen. b) Die Vorsorge für die Verfolgung von (künftigen) Straftaten Die Aufgabenzuweisung der Verfolgungsvorsorge verweist auf eine Prognose, die den Umgang mit einer Straftat oder mit einer künftigen Straftat antizipiert und die Strafverfolgung zum Gegenstand hat. Sie zielt damit schon im Ansatz nicht auf eine Verhütung von Straftaten im Vorfeld der traditionellen Gefahrenabwehr. Zu ihrem Hintergrund gehört die Rechtsprechung zur Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen und zur Sammlung von Daten insbesondere im Rahmen der Kriminalakten, die aus der Zeit vor den neuen gesetzlichen Regelungen stammt. Diese Tätigkeiten sind als eine „vorsorgende Bereitstellung von Hilfsmitteln" für die sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben beschrieben worden, die der Polizei hinsichtlich der Erforschung und Aufklärung von Straftaten zugewiesen sind. 139 Trotz dieser Beschreibung und trotz der Rechtsprechung zu § 81 b StPO 140 hat man Kriminalaktensammlungen der Gefahrenabwehraufgabe zugeordnet. Teilweise wird die - eigentlich aufzuschlüsselnde - Gemengelage von Verfolgungsvorsorge- und zusätzlichen Gefahrenabwehrzwecken, teilweise bereits der diffuse Begriff der „vorbeugenden Straftatenbekämpfung" genutzt. 141 Manchmal bemüht man die Überlegung, daß die vorsorgliche Sammlung potentielle (Wiederholungs)Täter abschrecke und daher Straftaten verhindere. 142 Allein damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Gefahrenabwehr allerdings nicht erfüllt. Diese mittelbare Wirkung ist nicht mehr als der Effekt, der strafrechtlichen Sanktionsdrohungen und der potentiellen Strafverfolgung überhaupt zukommt. Reichte sie aus, ließe sich die Strafverfolgung insgesamt dem „großen Auftrag ... der Gefahrenabwehr" 143 unterordnen. Derart verkürzten Sehweisen und ihren Folgen wirkt die rechtsdogmatische Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung gerade entgegen.

139

Vgl. bereits oben Kap. 1 Punkt B.III.3. mit Fn 205, und zu den Kriminalakten: VG Darmstadt, DVB1 1979, S. 743 (743): „vorbeugende Ermittlungserleichterung"; VGH BadWürtt, NJW 1987, S. 3022 (3022); BayVGH, BayVBl 1984, S. 272 (273 ff.), hier mit erkennbaren Schwierigkeiten beim Bemühen einer Absicherung in der Generalklausel. 140 Kap. 1 Punkt B.III.3. mit Fn 205, 206. 141 Siehe etwa VGH Bad.-Württ., NJW 1987, S. 3022 (3022). 142 BayVGH, BayVBl 1984, S. 272 (273). Vgl. auch Berg/Knape/Kiworr, Polizeiund Ordnungsrecht, §1,3. Teil, I.B. (S. 61 f.): Annex zur Verhütung von Straftaten. 143 Siehe Kap. 1 Punkt D mit Fn 300.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

129

Die zentralen Kennzeichen oder jedenfalls die Schwerpunkte der genannten polizeilichen Tätigkeiten werden treffender als Vorbereitung auf eine künftige Straftatenverfolgung bezeichnet. Die Verfolgungsvorsorge wird dann konkretisiert als das vorsorgliche Erfassen und Speichern personenbezogener Daten in kriminalpolizeilichen Akten oder Dateien mit dem Ziel, später einzuleitende strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu erleichtern. 144 Sie soll Ermittlungsansätze liefern und die Aufklärung künftiger Straftaten fördern. Sie soll bei der Täterermittlung helfen und Ressourcen zur etwaigen Identifizierung und Überprüfung von Personen bereitstellen, die nach polizeilichem Urteil (auch) künftig straffällig werden könnten. Hier gilt ebenso wie bei der Straftatenverhütung, daß die Aufgabe um so weniger Grenzen enthält, je lockerer man den Zusammenhang zwischen der Vorbereitung und der antizipierten Strafverfolgung knüpft. Während dieser Punkt als Element der Verfolgungsvorsorge herausgestellt und anerkannt wird, taucht ein zweiter Strang seltener auf. Gelegentlich wird aber darauf hingewiesen, daß die Vorsorge für die Straftatenverfolgung die Tätigkeit abdecken soll, die im Vorfeld des Verdachts auf die Entdeckung von Straftaten, auf die Verdachtsschöpfüng und -konkretisierung, auf die Erfassung übergreifender Zusammenhänge und Kriminalitätsstrukturen sowie auf die Aufklärung eines „kriminogenen Milieus" zielt. 145 Insoweit sollen Maßnahmen im Vorfeld traditioneller Strafverfolgung umfaßt sein, die darauf zielen, der Polizei die Wissensgrundlagen zu liefern, damit sie von zu verfolgenden Straftaten erfährt oder über die Einzeltat hinausgehende Grundlagen und Strukturen erkennt. Diesem zweiten Strang wird überraschend wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Das gilt um so mehr, als die Problematik, der Polizei in den Polizeigesetzen eine Aufgabe solchen Inhalts zuzuweisen, ins Auge springt. Daß dieser Strang mitgemeint ist, belegen in gesetzessystematischer Hinsicht die der vorbeugenden Straftatenbekämpfung, also unter anderem der Verfolgungsvorsorge, zugeordneten Befugnisse. So ist ziemlich deutlich, daß die längerfristige Observation oder der Einsatz verdeckter Ermittler kaum der Funktion der Vorbereitung einer Strafverfolgung dient, die zwar erst künftig zu erwarten, aber immer noch durch einen Anfangsverdacht ausgelöst worden ist. Ihnen kommt vielmehr die Funktion der Verdachtsschöpfung und Verdachtsverdichtung oder eben - übergreifender - der Wissensproduktion zu. Den polizeistrategischen Ansätzen, die zu den Hintergründen der polizeigesetzlichen Aufgabenerweiterungen gehören, geht es auch gerade darum, daß die Polizei Ermittlungen in einem „kriminogenen Milieu" durchführen und flexibel nach den dann 144

Rachor, Polizeihandeln, Rn 93. Kniesel, Gefahrenvorsorge, S. 188; Rachor, Polizeihandeln, Rn 94; Wolter, SKStPO, vor § 151 Rn 160 a; Schoreit, Gefahrenabwehr, S. 324. Vgl. auch Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 283. 145

9 Albers

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

erkannten Gegebenheiten weiter vorgehen kann. 146 Nach Sinn und Zweck ist dieser Strang der Verfolgungsvorsorge das Korrelat des zur Straftatenverhütung zählenden Umgangs mit Informationen und Daten, der sich auf die Herstellung von Wissensgrundlagen im Bereich der Verhütung richtet. Legt man dies zugrunde, schließen beide Aufgabenzuweisungen - dies im Vorfeld entweder der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung - die Erarbeitung von Wissengrundlagen ein. Freilich bleibt es nicht ohne Konsequenzen, wenn sich einige polizeigesetzlichen Aufgabenbestimmungen im Unterschied zu dem Vorschlag des § 1 VE MEPolG, der die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten aufnimmt, auf die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten beziehen. Beide Fassungen enthalten mit ihrer Vorsorgekomponente die Prognose einer in Zukunft erforderlichen Straftatenverfolgung. Die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten könnte aber die Verdachtsgewinnung und Verdachtsverdichtung im Vorfeld des Anfangsverdachts von Straftaten einschließen, die zum Zeitpunkt der Prognose oder der Entscheidung über Ermittlungsmaßnahmen bereits begangen worden sind. Interpretatorisch möglich wird dies, „indem man sie auf den in der Zukunft liegenden Zeitpunkt bezieht, in dem sich der Tatverdacht so weit konkretisiert hat, daß nun Maßnahmen der Strafverfolgung getroffen werden können und die in den ,Vorfeldermittlungen 4 erlangten Informationen die Aufklärung der Straftat fordern sollen". 147 Dagegen setzt die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten nach ihrem eindeutigen Normtext eine Straftat voraus, die zum Prognose- und Entscheidungszeitpunkt noch in der Zukunft liegt, also noch nicht begangen worden ist, aber doch begangen sein und (nur noch) zu verfolgen sein wird. Diese - jedenfalls im Hinblick auf Ermittlungsmaßnahmen eigenartige 148 - Prognosestruktur wird, wie sich noch zeigen wird, durch den Normtext der einschlägigen Befugnisse bestätigt. Nach den Befugnissen gelten solche Einschränkungen auch in anderen Polizeigesetzen, deren Aufgabenzuweisung sich auf die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten richtet oder bei denen sich die Aufnahme der Verfolgungsvorsorge nicht bereits ausdrücklich aus den Aufgabennormen, sondern erst im Rückschluß aus den Befügnisnormen ergibt. Der Bezug (nur) auf künftige Straftaten ist an dieser Stelle ersichtlich von den Definitionen geprägt, die im Rahmen der Beschreibung der vorsorglichvorbereitenden Maßnahmen entwickelt worden sind und dort passen mögen. Hinter ihm steht aber darüber hinaus, daß die Regelungen, die der Polizei Er146 Vgl. dazu oben Kap. 2 Punkt A.IV. Siehe außerdem Kniesel, Meinungsstreit, S. 164 f. Vgl. weiter insbes. Folger, Vorfeld, S. 169 ff. Siehe außerdem die RiStBV Anlage E, bes. unter Punkt 6 (vgl. den Nw oben Kap. 2 Fn 13). 147 So sehr prägnant Peitsch, Bekämpfung, S. 218. 148 Vgl. auch Schoreit, Gefahrenabwehr, S. 324.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

131

mittlungen im Vorfeld des Anfangsverdachts von Straftaten erlauben, zahlreiche Probleme unter anderem im Hinblick auf das Verhältnis zur Strafprozeßordnung und auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder aufwerfen. Die Polizeigesetzgebungen sind an dieser Stelle mit der Überlegung ausgewichen, daß Maßnahmen hinsichtlich künftiger Straftaten den Polizeigesetzen und Maßnahmen hinsichtlich bereits begangener Straftaten der Strafprozeßordnung zuzuordnen seien. 149 Dieser Schluß wird durch die Diffusität gefördert, die in dem Begriff der „vorbeugenden Straftatenbekämpfung" liegt. Er trifft zwar nicht zu. Denn fur das Verständnis der Verfolgungsvorsorge ist - gleichgültig, wie dann die Gesetzgebungskompetenzen zu beurteilen sind - allein entscheidend, daß die Struktur der zu treffenden Prognose voraussetzt, daß die Straftaten zu verfolgen sein werden. Deswegen macht es rechtsdogmatisch keinen Unterschied, ob diese zum Prognosezeitpunkt noch in der Zukunft liegen oder schon begangen worden sind. Das ändert aber nichts daran, daß erweiternde Interpretationen der auf künftige Straftaten beschränkten Aufgabenzuweisungen gegen den eindeutigen Normtext und gegen die gesetzgeberischen Intentionen nicht möglich sind. Unabhängig von diesen Einschränkungen werden die in der Praxis bestehenden Verbindungslinien, Übergänge und Interdependenzen deutlich. Das betrifft zunächst die Aufgabenelemente der Verfolgungsvorsorge selbst, nämlich die vorsorgende Vorbereitung und die im Vorfeld des Anfangsverdachts begangener oder künftig begangener Straftaten angesiedelte Ermittlung und weitere Datenverarbeitung. Die Verfolgungsvorsorge baut darauf auf, daß die zwecks Effektivierung später einzuleitender Ermittlungsverfahren in kriminalpolizeilichen Akten oder in Dateien gesammelten Daten auf der einen Seite und neue, durch Vorfeldermittlungen gewonnene Erkenntnisse auf der anderen Seite gegebenenfalls zusammengeführt werden können. Interdependenzen bestehen auch zwischen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge sowie zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung.

II. Die Erweiterungen der polizeilichen Befugnisse In allen Polizeigesetzen bleibt die Generalermächtigung insoweit an die Befugniserweiterungen angepaßt, als die Polizei die notwendigen Maßnahmen treffen kann, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit nicht die nachfolgenden Regelungen die Befugnisse der Polizei besonders regeln. Neben der systematischen Funktion der Trennung zwischen einer allgemeinen Gefahrenabwehrbefugnis 149 Vgl. die Begründung des Entwurfs der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zur Sicherung des Datenschutzes bei der Polizei, Drucks. 13/5422, Grundlinien des Entwurfs, Punkt C.I.l. (S. 20).

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

und den speziellen Befugnisnormen ermöglicht das Zurückstehen jener hinter diesen, daß die polizeiliche Tätigkeit insoweit nicht an konkrete Gefahrenlagen gebunden ist, soweit die Aufgabenbeschreibung dies zuläßt. Die erweiterten Befugnisse beziehen sich bislang in der Regel - die in den letzten Jahren teilweise eingeführten Ermächtigungen zu Aufenthaltsverboten zur Verhütung von Straftaten 150 zeigen allerdings weitergreifende Entwicklungspotentiale an - auf den Umgang mit Informationen und Daten. Die Polizei wird erstens zur Erhebung personenbezogener Daten und zum Einsatz bestimmter Ermittlungsmethoden ermächtigt. Zweitens wird der sich an die Datenerhebung anschließende Prozeß der Informations- und Datenverarbeitung geregelt. Drittens werden Empfangs- und Übermittlungsbefugnisse geschaffen. 151 Da die Regelungen nicht nur der Ausfüllung der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge, sondern auch übergreifend der Vergesetzlichung der Informations· und Datenverarbeitung dienen, beziehen sie sich auch auf die Gefahrenabwehr. Das soll im folgenden - ebenso wie einige Novellierungen der Strafprozeßordnung - insoweit (knapp) einbezogen werden, als es zur Verdeutlichung der neuen Regelungsmuster und der Interdependenzen zwischen den Aufgabenbereichen nötig ist. 1. Befugnisse zur Datenerhebung und zum Einsatz bestimmter Ermittlungsmethoden Befugnisse zur Erhebung personenbezogener Daten und Befugnisse zum Einsatz bestimmter Ermittlungsmethoden hängen zwar insofern zusammen, als eine Datenerhebung immer in einer bestimmten Form oder mit Hilfe eines bestimmten Mittels erfolgt. Sie müssen aber trotzdem gerade auch rechtsdogmatisch unterschieden werden. 152 Die Erhebung beschreibt die aktiv-zielgerichtete Beschaffung von Daten und verweist auf den weiteren Prozeß der Informationsund Datenverarbeitung, als dessen Element sie verstanden und in den sie eingegliedert werden muß. Die Methode ist das Mittel, das zur Erlangung der Daten eingesetzt wird und unter Umständen eigenständige Beeinträchtigungen mit

150

§§ 29 Abs. 2 ASOG Bin, 17 Abs. 2 NGefAG, 21 Abs. 3 SächsPolG. Allgemein zu den hier nicht im einzelnen zu behandelnden Gesichtspunkten, daß die in den Gesetzen verwendete informationsrechtliche Begrifflichkeit noch weiter zu präzisieren und zu vereinheitlichen sein wird, Peitsch, Polizeirecht, S. 305 ff. Vgl. auch Albers, Neukonzeption, S. 121 ff. 152 Gründlich dazu Peitsch, Informationsbeschaffung, S. 127 f.; ebenso ders., Datenerhebung, S. 67. Siehe außerdem OVG NW, DVB1 1995, S. 373 (373 ff.), eine Ermächtigung zum „Sammeln" sage unmittelbar nichts über die hierbei erlaubten Methoden. 151

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

133

sich bringen kann. 153 Das mag die körperliche Beeinträchtigung im Falle körperlicher Untersuchungen, die Täuschung und Ausnutzung persönlichen Vertrauens im Falle des Einsatzes verdeckter Ermittler 154 , die Stigmatisierung vor den Nachbarn im Falle einer Wohnungsdurchsuchung oder die seelische Beeinträchtigung im Falle der Durchsicht eines Tagebuchs sein. Es gibt somit informations- oder datenspezifische und methodenspezifische Rechtsfragen. 155 Wechselbezüge sind mit dieser Unterscheidung nicht ausgeschlossen. Sie werden dadurch erst angemessen deutlich, so daß auch hinreichend differenzierende Beurteilungen möglich werden. a) Die Regelungen der Datenerhebung Neben den Sondervorschriften zur Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen oder auch bei besonders gefährdeten Objekten, die wegen ihres eingeschränkten Anwendungsbereichs hier nicht weiter behandelt werden sollen 156 , enthalten die Polizeigesetze regelmäßig generalklauselartige Ermächtigungen zur Erhebung personenbezogener Daten. 157 Sie greifen, soweit die Befugnisse im weiteren nicht besonders geregelt sind. aa) Die Generalermächtigungen zur Datenerhebung Die Generalermächtigungen unterscheiden die Datenerhebung einerseits zu Zwecken der Gefahrenabwehr, andererseits zu Zwecken der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge. Im Bereich der Gefahrenabwehr entspricht es den traditionellen polizeirechtlichen Grundsätzen über die Inanspruchnahme von Personen, daß zur Abwehr einer konkreten Gefahr Daten von Verhaltensoder Zustandsverantwortlichen erhoben werden dürfen. 158 Zur Erhebung von

153

Siehe auch die Unterscheidung von Begleiteingriffen und Informationseingriffen bei Schwan, Datenschutz, S. 128 ff. 154 Dazu BVerwG, NJW 1997, S. 2534 (2534 f.). 155 Vgl. Peitsch, Informationsbeschaffung, S. 128: „Die unterschiedliche Rechtswirkung erfordert jeweils eigene Ermächtigungsgrundlagen, die gerade die spezifische Grundrechtseinwirkung zulassen. ... Deshalb ist es geboten, Ermittlungsbefugnisse und Datenerhebung als zwei Komponenten eines komplexen Informationsbeschaffungsvorgangs gesondert, aber zusammenhängend und umfassend zu normieren." 156 Dazu etwa Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 581 ff. 157 Ausnahme ist das PolG NW, das in § 9 PolG NW eine Ermächtigung zur Befragung und allgemeine Regelungen zur Datenerhebung, aber keine allgemeine Erhebungsermächtigung enthält. 158 § 8 a VEMEPolG. Sodann § 20 Abs. 2 PolG BW, Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG, §§18 Abs. 1 Satz 2 ASOG Bin, 30 Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG, 13 Abs. 1 Nr. 3 HSOG, 27 Abs. 1 Nr. 1 SOG MV, 31 Abs. 1 NGefAG, 25 a Abs. 1 Nr. 1 RhPfPOG, 26 Abs. 1

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Daten über nicht verantwortliche Personen gibt es in den einzelnen Ländern unterschiedliche Vorschriften. Zum Teil wird die Rechtmäßigkeit einer solchen Erhebung im Anschluß an den Regelungsvorschlag des § 8 a Abs. 1 VE MEPolG an die Voraussetzungen der Regelungen über die Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen gebunden; zugleich wird der Kreis der Personen um geschädigte, hilflose und vermißte Personen sowie deren Angehörige, gesetzliche Vertreter oder Vertrauenspersonen, um gefährdete Personen und um Zeugen, Hinweisgeber oder sonstige Auskunftspersonen ergänzt. 159 Manchmal wird die Datenerhebung über „andere Personen", teils noch zusätzlich über nicht verantwortliche Personen erlaubt, soweit dies zur Aufgabenerfullung erforderlich ist. 160 Schlichter ist die Formulierung, daß die Polizei über ,jede Person" Daten erheben darf, soweit dies zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist. 161 Vereinzelt wird gar keine personenbezogene Differenzierung vorgenommen, sondern die Erhebung personenbezogener Daten zugelassen, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben 162 oder soweit es im Einzelfall zur Abwehr einer bevorstehenden Gefahr 163 erforderlich ist. Sämtliche Regelungen laufen auf eine Erweiterung der überkommenen Regelungsinhalte hinaus. Im Rahmen der Vorschriften über die Erhebung personenbezogener Daten zu Zwecken der Straftatenverhütung oder der Verfolgungsvorsorge werden diese Zwecke gelegentlich dahin eingegrenzt, daß es sich um aufgelistete Straftaten 164 oder um Straftaten von erheblicher Bedeutung handeln muß. 165 Der VE MEPolG sieht, ohne daß eines der Länder ihm darin gefolgt wäre, eine besondere Begrenzung des Regelungselements der Erforderlichkeit (der Datenerhebung zu diesen Zwecken) vor. 1 6 6 Bei der Beschreibung der Personen, über die Daten erhoben werden dürfen, wird in einigen Gesetzen, die die Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge in weitem Umfang in die Gefahrenabwehr integriert sehen und ohnehin - unter der Erforderlichkeitsvoraussetzung - zur Datenerhebung SPolG, 15 Abs. 1 Nr. 3 SOG LSA, 179 Abs. 1 Nr. 1 LVwGSH, 32 Abs. 1 Nr. 1 ThürPAG. 159 §§ 27 Abs. 1 SOG MV, 26 Abs. 1 SPolG, 179 Abs. 1 LVwGSH. 160 § 20 Abs. 2 PolG BW, Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG, §§ 18 Abs. 1 Satz 2 ASOG Bin, 30 Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG, 13 Abs. 1 Nr. 3 HSOG, 25 a Abs. 1 Nr. 1 RhPfPOG, 15 Abs. 1 Nr. 3 SOG LSA, 32 Abs. 1 Nr. 1 ThürPAG. 161 § 31 Abs. 1 NGefAG. 162 So § 37 Abs. 1 SächsPolG. 163 § 6 Nr. 1 HbgGDVP; in diesem Sinne auch § 28 Abs. 1 Nr. 1 BremPolG. 164 § 28 Abs. 1 Nr. 2 BremPolG (mit Einschränkungen). Vgl. auch § 8 a Abs. 2 VE MEPolG mit dem Alternativvorschlag eines Straftatenkatalogs. 165 § 18 Abs. 1 Satz 3 ASOG Bin; eingeschränkt auch §§ 6 Nr. 6 und 7 HbgGDVP, 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 HSOG, 27 Abs. 3 SOG MV; siehe außerdem - bei weitgehender Beibehaltung des Gefahrenabwehrsystems - § 179 Abs. 2 LVwGSH. 166 § 8 a Abs. 2 VE MEPolG: „aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte erfahrungsgemäß zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich".

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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über jede Person ermächtigen, bei den allgemeinen Regelungen der Datenerhebung noch nicht zwischen den jeweiligen Zwecken differenziert. 167 Das gleiche gilt für die Gesetze, die auf eine Unterscheidung nach Personenkreisen verzichten und die Erforderlichkeit der Datenerhebung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten oder zur Erfüllung der Aufgaben ausreichen lassen.168 In den meisten Polizeigesetzen werden dagegen verglichen mit der Gefahrenabwehr neue Formen relevant, die an die Zwecke der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge angepaßt sind. Genannt werden zunächst Personen, bei denen - so die verschiedenen Formulierungen - Anhaltspunkte 169 oder tatsächliche Anhaltspunkte170 bestehen oder Tatsachen171 dafür sprechen, daß sie künftig Straftaten, wie sie gegebenenfalls näher konkretisiert sind, begehen werden. 172 An zweiter Stelle findet sich meist die Kategorie der Kontakt- oder Begleitpersonen einer dieser Personen. Sie wird zum Teil gesetzlich dahin definiert, daß es sich um Personen handelt, die mit einer Person, von der tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß diese Person Straftaten begehen wird, in einer Weise in Verbindung stehen, die die Erhebung ihrer personenbezogenen Daten zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erfordert. 173 Manche Gesetze verzichten auf die Unterscheidung von Kontaktperson und Begleitperson und enthalten unmittelbar die kategoriale Beschreibung der Person, die mit einer Person, von der tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß diese Person bestimmte Straftaten begehen wird, in einer Weise in Verbindung steht oder treten wird, die die Erhebung ihrer personenbezogenen Daten zur

167 Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG, §§ 30 Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG, 25 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 RhPfPOG, 32 Abs. 1 Nr. 1 ThürPAG. 168 Vgl. §§ 18 Abs. 1 Satz 3 ASOG Bin (siehe aber auch § 16 Abs. 3 ASOG Bin), 28 Abs. 1 Nr. 2 BremPolG, 37 Abs. 1 SächsPolG. 169 § 26 Abs. 2 SPolG. 170 §§ 20 Abs. 3 Nr. 1 PolG BW, 6 Nr. 6 HbgGDVP, 13 Abs. 2 Nr. 1 HSOG, 27 Abs. 3 Nr. 1 SOG MV, 15 Abs. 2 Nr. 1 SOG LSA. 171 § 31 Abs. 2 Nr. 1 NGefAG; vgl. auch § 179 Abs. 2 LVwGSH. 172 Vgl. auch die ausdrückliche Ergänzung der Regelung zur Inanspruchnahme von nicht verantwortlichen und nicht verdächtigen Personen in § 16 Abs. 3 ASOG Bin: „Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, insbesondere die Verarbeitung personenbezogener Daten, sind grundsätzlich nur gegen Personen zu richten, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Straftaten begehen werden; zu berücksichtigen ist dabei vor allem der Verdacht, daß sie bereits Straftaten begangen haben sowie die Art und Begehensweise dieser Straftaten." 173 § 2 Abs. 6 HbgGDVP; bei den besonderen Mitteln der Datenerhebung auch § 34 Abs. 3 ThürPAG. Siehe weiter die - ebenfalls erst beim Einsatz besonderer Mittel geregelte - ausführliche Beschreibung in § 39 Abs. 1 Nr. 3 SächsPolG: „Personen, die zu den in Nummer 2 genannten Personen in näherer persönlicher oder geschäftlicher Beziehung stehen oder zu ihnen über einen längeren Zeitraum eine Verbindung unterhalten oder eine Verbindung unter konspirativen Umständen hergestellt haben oder pflegen". Anlaß dazu gab die Entscheidung des SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1431).

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Verhütung solcher Straftaten erfordert. 174 Statt auf einen Kontakt wird vereinzelt auch darauf abgestellt, daß die Personen sich an den Straftaten beteiligen. 175 Aufgezählt werden weiter Personen, bei denen Anhaltspunkte bestehen, daß sie Opfer von Straftaten werden, sowie Zeugen, Hinweisgeber oder sonstige Auskunftspersonen. Manchmal werden noch Personen im räumlichen Umfeld einer in besonderem Maß als gefährdet erscheinenden Person hinzugefugt. 176 Hinsichtlich des Modus der Datenerhebung sehen die allgemeinen Ermächtigungen vor, daß die personenbezogenen Daten grundsätzlich offen und beim Betroffenen zu erheben sind. 177 Eine alternative Fassung lautet, daß Ermittlungen offen durchzuführen sind. 178 Manchmal werden erstens die Erhebung beim Betroffenen mit seiner Kenntnis und zweitens die offene Erhebung als Grundsätze festgehalten. 179 Sofern personenbezogene Daten beim Betroffenen erhoben werden, ist er auf Verlangen auf die Rechtsgrundlage für die Datenerhebung oder auf die Freiwilligkeit seiner Auskunft hinzuweisen. Nach einigen Gesetzen kann ein entsprechender Hinweis - zunächst - unterbleiben, wenn dadurch die Erfüllung der polizeilichen Aufgabe oder erkennbar schutzwürdige Interessen des Betroffenen oder Dritter beeinträchtigt werden können. 180 Der Grundsatz der Erhebung beim Betroffenen unterliegt Ausnahmen. Daten können bei anderen Behörden oder bei Dritten erhoben werden, wenn die Erhebung beim Betroffenen nicht oder - dies zum Teil vorbehaltlich bestehender Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Betroffenen 181 nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist oder sonst die Erfüllung

174

§§ 13 Abs. 2 Nr. 2 HSOG, 27 Abs. 3 Nr. 1 SOG MV, 15 Abs. 2 Nr. 2 SOG LSA. So (deutlich restriktiver als die übrigen Gesetze) § 179 Abs. 2 Nr. 2 a LVwGSH. 176 §§ 20 Abs. 3 Nr. 4 PolG BW, 6 Nr. 5 HbgGDVP, 31 Abs. 2 Nr. 4 NGefAG, 15 Abs. 2 Nr. 3 SOG LSA. 177 § 8 a Abs. 4 Satz 1 VE MEPolG, Art. 30 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BayPAG, §§ 13 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 Satz 1 HSOG, 26 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SOG MV, 9 Abs. 4 PolG NW, 25 a Abs. 2 Satz 1 RhPfPOG (Grundsatz offener Erhebung), 25 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 SPolG, 15 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 1 SOG LSA, 178 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 LVwGSH, 31 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 ThürPAG. 178 So § 18 Abs. 2 Satz 1 ASOG Bln. Dazu Peitsch, Informationsbeschaffung, S. 130: Damit werde der Tatsache Rechnung getragen, daß nicht das zielgerichtete Kenntnisnehmen von Informationen der Maßstab der Bewertung für eine offene oder verdeckte Vorgehensweise sein könne, sondern allein die Handlungsweise. 179 §§ 19 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 PolG BW, 29 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 BbgPolG, 30 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 NGefAG, 37 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 SächsPolG, ähnlich § 2 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 HbgGDVP. 180 Vgl. § 19 Abs. 3 Satz 2 PolG BW (für Hinweis gegenüber Dritten), Art. 30 Abs. 4 Satz 2 BayPAG, §§29 Abs. 4 Satz 2 BbgPolG, 28 Abs. 2 BremPolG, 2 Abs. 4 Satz 2 HbgGDVP, 13 Abs. 8 Satz 3 HSOG, 9 Abs. 6 PolG NW, 15 Abs. 7 Satz 5 SOG LSA, 31 Abs. 4 Satz 2 ThürPAG. 181 §§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 HbgGDVP, 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 NGefAG. 175

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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der polizeilichen Aufgaben erheblich erschwert oder gefährdet würde. 182 Auch von dem Grundsatz offener Erhebung darf nach den meisten Gesetzen zugunsten verdeckter Datenerhebungen, die nicht unter die noch gesondert geregelten Methoden fallen, abgewichen werden. 183 Sie sind der Polizei erlaubt, wenn anderenfalls die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben erheblich erschwert oder gefährdet würde oder - restriktiver 184 - wenn die Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe bei anderem Handeln aussichtslos wäre. Manche Gesetze lassen sie auch dann zu, wenn die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgabe sonst nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich wäre. 185 Des öfteren werden sie in dem Fall eingeräumt, in dem anzunehmen ist, daß dies den überwiegenden Interessen des Betroffenen entspricht. 186 Werden Daten beim oder über den Betroffenen ohne seine Kenntnis erhoben oder verdeckt erhoben und nachfolgend in einer Datei gespeichert oder an Dritte übermittelt, gibt es teilweise Unterrichtungspflichten, die wiederum Eingrenzungen unterliegen. 187 bb) Neuartige Elemente und Strukturen Zu den wichtigen Regelungselementen in den Erhebungsermächtigungen gehört die Festlegung der Zwecke, zu denen die Polizei Daten über Personen erheben darf. In den allgemeinen Ermächtigungen folgt sie den Aufgaben. Neben der Gefahrenabwehr werden regelmäßig auch die Straftatenverhütung und die Verfolgungsvorsorge genannt. Diese Zwecke werden manchmal schon auf die durch Legaldefinitionen präzisierten - Straftaten von erheblicher Bedeutung eingegrenzt. Dieser Begriff gehört zu den relevanten Regelungstechniken, mit denen die Gesetzgebung die neuen Befugnisse zu begrenzen versucht. In den meisten Gesetzen findet er sich freilich erst bei den Befugnissen zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden. Er wird auch jeweils unterschiedlich definiert. In mehr oder weniger weitgehendem Umfang merkt man den Legaldefinitionen an, daß die neuen Bestimmungen unter anderem als gesetzgeberische Reaktion auf die organisierte Kriminalität zu verstehen sind. Soweit der Begriff der „Straftaten von erheblicher Bedeutung" schon bei der allgemeinen Erhebungsermächtigung herangezogen wird, ist er in der einschlägigen Legaldefmition relativ weit gefaßt. 182

Weitere Ausnahmen in §§ 30 Abs. 1 Satz 2 NGefAG, 37 Abs. 3 SächsPolG. Anders etwa § 29 Abs. 3 BbgPolG. 184 So § 2 Abs. 3 Satz 3 HbgGDVP. 185 Vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 PolG BW. 186 §§ 19 Abs. 2 Satz 2 PolG BW, 18 Abs. 2 Satz 2 ASOG Bin, 2 Abs. 3 Satz 3 HbgGDVP, 26 Abs. 2 Satz 2 SOG MV, 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 NGefAG, 25 Abs. 3 SPolG, 15 Abs. 6 Satz 2 SOG LSA, 37 Abs. 5 Satz 2 SächsPolG, 178 Abs. 2 Satz 2 LVwGSH, 31 Abs. 3 Satz 2 ThürPAG. 187 §§ 29 Abs. 6 BbgPolG, 178 Abs. 2 Satz 3 LVwGSH. 183

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Die Datenerhebung ist daran gebunden, daß sie zu den jeweiligen Zwecken erforderlich ist. Die Erforderlichkeit gehört zu den wesentlichen Regelungselementen des allgemeinen Datenschutzrechts. 188 Besondere Anforderungen an die insoweit notwendige Beurteilung gibt es in den Polizeigesetzen nicht. Die Kategorien, mit Hilfe derer die Personen bestimmt werden, über die Daten erhoben werden dürfen, orientieren sich im Falle des Zwecks der Gefahrenabwehr zunächst meist an den Beschreibungen, die in den traditionellen Bestimmungen schon mit den Begriffen der Verhaltens- und Zustandsverantwortlichen sowie der nicht verantwortlichen Personen gewählt sind. Anschließend werden die Ermächtigungen allerdings auf weitere Personenkategorien, auf „andere Personen" oder auf Jede Person" erstreckt. In den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge werden hingegen neue Formen der Unterscheidung relevant. Das liegt daran, daß „Maßnahmen im Vorfeld ... denknotwendig nicht gegen Störer gerichtet werden" können und deshalb „mit den Befugnisnormen die Adressatenfrage geregelt werden" muß. 1 8 9 Im Zentrum stehen Personen, bei denen Anhaltspunkte bestehen oder Tatsachen dafür sprechen, daß sie künftig Straftaten begehen. Gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung ist damit eine Prognose, die sich auf eine näher spezifizierte Prognosegrundlage stützen muß und bestimmten Personen die Begehung von Straftaten zurechnet, die zum Beurteilungszeitpunkt noch in der Zukunft liegen und dann vorbeugend zu verhüten, zu verhindern oder zu verfolgen sein werden. Die zweite zentrale Kategorie der Kontakt- oder Begleitpersonen wird auch in den Gesetzen, in denen nicht statt dieser Begriffe eine genauere tatbestandliche Beschreibung gewählt wird, schon vom Normtext her durch die zu jenen Personen bestehende Verbindung geprägt. Liest man die teilweise vorhandenen Legaldefinitionen in die Erhebungsermächtigungen hinein, gehört es zu deren Tatbestandsvoraussetzungen, daß die Kontakt- und Begleitpersonen mit den Personen, bei denen die Begehung von Straftaten prognostiziert wird, in einer Weise in Verbindung stehen, die die Erhebung ihrer personenbezogenen Daten zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erfordert. In anderen Rollen bewegen sich Personen, bei denen Anhaltspunkte bestehen, daß sie Opfer von Straftaten werden, Personen im räumlichen Umfeld einer in besonderem Maß als gefährdet erscheinenden Person und wiederum Zeugen, Hinweisgeber oder sonstige Auskunftspersonen. Von besonderer Bedeutung ist die ausdrückliche Regelung des Modus polizeilichen Vorgehens, mit der als Grundsätze die Offenheit der Erhebung oder der Ermittlungen und die Erhebung beim Betroffenen festgehalten werden. Im

188

Dazu Podlech, Individualdatenschutz, S. 455; Albers, Neukonzeption, S. 134. Braun, Bekämpfung, S. 215. Ähnlich Würz, Polizeiaufgaben, Rn 49. Ausdrücklich ergänzt § 16 Abs. 3 ASOG Bin die Regelung zur Inanspruchnahme von nicht verantwortlichen Personen. 189

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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„klassischen" Polizeirecht, das auf die Regelung außenwirksamer Maßnahmen konzentriert ist, wäre diese Frage kein Problem: Die Polizei muß sich bei solchen Maßnahmen notwendig als Polizei ausweisen, und sie werden von den Betroffenen auch notwendig bemerkt. Bei dem Umgang mit Informationen und Daten, der sich auf Seiten des Staates, hier der Polizei, vollzieht, ist das jedoch nicht der Fall. Die Grundsätze der Offenheit und der Erhebung beim Betroffenen sind daher Grundsätze, die auch im allgemeinen Datenschutzrecht gelten. 190 Darüber hinaus entsteht eine besondere Problematik aber erst wegen der durch die Aufgabenerweiterung bedingten Vorverlagerung polizeilichen Handelns. Diese führt dazu, daß polizeiliche Maßnahmen den davon Betroffenen auch über längere Zeit hinweg verborgen bleiben können. Daneben fällt in diesem Rahmen die vorgesehene Hinweispflicht auf. Als Regelung, die der Information und dem Schutz der Entscheidungsfreiheit der Betroffenen dient, erinnert sie an die Hinweispflichten, die im Falle der strafprozessualen Vernehmungen gelten. Ausnahmen von den Grundsätzen der Offenheit und der Erhebung beim Betroffenen sind nach Maßgabe von Subsidiaritätsklauseln erlaubt, sofern sie nicht als besondere Ermittlungsmethoden zulässig sind. Manchmal sind bereits in diesem Zusammenhang Unterrichtungspflichten vorgesehen. b) Die Regelungen der Ermittlungsmethoden Die neuen Befugnisse zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden hängen mit den Erhebungsermächtigungen insofern zusammen, als sie sich auf den Einsatz der Methoden zur Informationsbeschaffung oder Datenerhebung beziehen. Systematisch können sie den schon vorhandenen Befugnissen zur Identitätsfeststellung oder zu erkennungsdienstlichen Maßnahmen zugeordnet und entsprechend eingegliedert werden. 191 aa) Befragung und Auskunftspflichten Mit der in den meisten Polizeigesetzen192 festgehaltenen Ermächtigung zur Befragung ist nicht jede Konstellation gemeint, in der ein Polizeibeamter Fragen stellt. Unmittelbar definierende Abgrenzungsmerkmale geben die Normen selbst jedoch nicht her. Es muß sich zunächst um Fragen zu einer polizeilichen Angelegenheit handeln. Darüber hinaus werden teils ein fehlender Mitwirkungswille und eine sich im Zusammenhang mit der flankierenden Anhaltebe190

Siehe nur § 13 Abs. 2 und 3 BDSG. Peitsch, Informationsbeschaffung, S. 128 ff. 192 §§ 13 und 28 Abs. 2 BremPolG regeln lediglich Modalitäten der Befragung; im übrigen greift die allgemeine Ermächtigung zur Datenerhebung. § 25 a Abs. 3 RhPfPOG regelt nur die Auskunftspflicht. 191

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

fugnis ergebende Duldungspflicht des Befragten 193 , teils das gezielte Herbeiführen von Äußerungen über polizeilich relevante Sachverhalte als Kriterien herausgestellt 194 . Bei allen Beschreibungen wird jedenfalls deutlich, warum hinsichtlich der Befragung ein Regelungsbedarf gesehen worden ist. Die polizeiliche Befragung läßt sich mit der strafprozessualen Vernehmung vergleichen, und auch für sie wird man trotz neuer, eingriffsintensiver Methoden annehmen dürfen, daß es sich um eines der „erfolgreichsten Mittel polizeilicher Aufklärung von Straftaten" 195 handelt. Die Zwecke ergeben sich mittelbar aus den sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen, daß aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen sein muß, daß die befragte Person sachdienliche Angaben machen kann, die für die Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe 196 oder polizeilicher Aufgaben 197 erforderlich sind. Das schließt Zwecke der Gefahrenabwehr ebenso ein wie solche der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge. Unter der genannten Voraussetzung darf die Polizei jede Person befragen. Bei der Befragung gelten zugleich die allgemeinen, allerdings Ausnahmen unterliegenden Regeln, daß sie grundsätzlich beim Betroffenen und grundsätzlich offen erfolgen muß. Die Ermächtigung zur Befragung gibt aus sich heraus keine Pflicht zur Auskunft her. 1 9 8 Deshalb bestehen dazu weitere Bestimmungen. Vereinzelt wird, vorbehaltlich anerkannter Auskunftsverweigerungsrechte, jedem eine umfassende Auskunftspflicht auferlegt, wenn die Informationserhebung dem Schutz wichtiger Rechtsgüter dient. 1 9 9 Gelegentlich wird die Person, die befragt wird, verpflichtet, die erforderlichen Angaben zu machen; sie muß dabei aber ihre Personalien nur unter eingeschränkten Voraussetzungen angeben. 200 Manchmal sind Auskunftspflichten nur für die Personen vorgesehen, die nach Gefahrenabwehrkriterien in Anspruch genommen werden können. 201 Meist muß die be193

Gusy, Befragung, S. 615; Peitsch, Datenerhebung, S. 67 f. Rachor, Polizeihandeln, Rn 156 ff.; Müller, Datenerhebung, S. 24 ff. 195 Gusy, Befragung, S. 615, für die Vernehmung. 196 Art. 12 Satz 1 BayPAG, §§ 20 Abs. 1 Satz 1 PolG BW, 18 Abs. 3 Satz 1 ASOGBln, 11 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG, 3 Abs. 1 Satz 1 HbgGDVP, 12 Abs. 1 Satz 1 HSOG, 12 Abs. 1 NGefAG, 9 Abs. 1 Satz 1 PolG NW, 14 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA, 18 Abs. 1 Satz 1 SächsPolG, 13 Abs. 1 Satz 1 ThürPAG. 197 § 28 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, 11 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 180 Abs. 1 Satz 1 LVwGSH. 198 Siehe auch BVerfGE 92, 191 (197 f.); Rachor, Polizeihandeln, Rn 169. Mindestens ungenau Erichsen, Standardmaßnahmen, S. 45, mit der Ausführung, das Stellen der Frage begründe eine Auskunftspflicht. Ebensowenig kann eine Auskunftspflicht über die Generalklausel hergeleitet werden. 199 So § 25 a Abs. 3 Satz 1 RhPfPOG, ähnlich §§ 11 Abs. 1 Satz 2 SPolG, 18 Abs. 3, 6 Satz 1, 5 Nr. 1 SächsPolG. 200 §§ 28 Abs. 2 Satz 1 SOG MV, 180 Abs. 2 Satz 1 LVwGSH. 201 §§ 12 Abs. 2 HSOG, 14 Abs. 1 SOG LSA. 194

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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fragte Person über die Angabe der Identitätsmerkmale hinaus nur Auskünfte geben, soweit gesetzliche Handlungspflichten bestehen202 oder soweit sie nach Gefahrenabwehrgrundsätzen in Anspruch genommen werden kann 203 . Damit nicht die Befragungssituation ausgenutzt wird, ist im Falle offener Erhebung grundsätzlich 204 auf die Grenzen der Auskunftspflichten hinzuweisen. Teilweise gelten die strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechte, dies allerdings des öfteren mit Einschränkungen, und das Täuschungsverbot nach § 136 a StPO entsprechend. 205 bb) Erweiterungen der Ermächtigung zur Identitätsfeststellung um die „Schleierfahndung" Seit 1995 ist in einer Reihe von Ländern eine Ermächtigung eingeführt worden, nach der die Polizei die Identität einer Person auch im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km sowie auf Durchgangsstraßen (Bundesautobahnen, Europastraßen und anderen Straßen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr) und in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs feststellen darf. 206 Die Methode wird, da damit ein „Sicherheitsschleier" aufgebaut werden soll, „Schleierfahndung" genannt. Als Anlaß wird der Wegfall der Grenzkontrollen zwischen den Staaten des SchengenAbkommens angegeben.207 Wegen der Anknüpfung weiterer Ermächtigungen an die Befugnisse zur Identitätsfeststellung schließt das polizeiliche Vorgehen regelmäßig das An- oder Festhalten, gegebenenfalls Durchsuchungen oder auch

202

Art. 12 Satz 1 und 2 BayPAG, §§18 Abs. 3 Satz 3 und 4 ASOGBln, 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 BbgPolG, 3 Abs. 2 HbgGDVP, 9 Abs. 2 PolG NW, 13 Abs. 2 ThürPAG. Nur Identitätsmerkmale: § 20 Abs. 1 Satz 2 PolG BW. 203 § 12 Abs. 2 und 3 NGefAG. 204 Gesondert für die Befragung regeln §§18 Abs. 5 ASOGBln, 9 Abs. 6 PolG NW, daß der Hinweis unterbleiben darf, wenn dadurch die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben erheblich erschwert oder gefährdet würde. 205 §§ 18 Abs. 6 ASOGBln, 3 Abs. 3 HbgGDVP, 12 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 HSOG, 28Abs. 2 Satz 2 und 3 SOG MV, 12 Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2 NGefAG, 25 a Abs. 3 Satz 2 RhPfPOG, 11 Abs. 1 Satz 3, 4 und 5 SPolG, 14 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 SOG LSA, 18 Abs. 6 Satz 2, 4 und 5, Abs. 9 SächsPolG, 180 Abs. 2 Satz 2 und 3 LVwGSH. 206 Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG, §§ 26 Abs. 1 Nr. 6 PolG BW, 18 Abs. 2 Nr. 6 HSOG, 29 Abs. 1 Nr. 5 SOG MV (vgl. dazu MVVerfG, DVB1 2000, S. 262 ff., wonach die Norm teilweise nichtig ist), 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SächsPolG; 14 Abs. 1 Nr. 5 ThürPAG. Siehe außerdem § 23 Abs. 1 Nr. 3 BGSG. Vgl. auch - bezogen auf den „öffentlichen Verkehrsraum" und mit modifizierten Voraussetzungen - §§ 18 Abs. 7 ASOG Bin, 11 Abs. 3 BbgPolG, 12 Abs. 6 NGefAG. 207 Moser v. Filseck, Polizeigesetz, S. 70 f.; kritisch Lisken, Personenkontrollen, S. 23: Die Rücknahme der Grenzkontrollen sei nicht vereinbart worden, um im Landesinnern Jedermannkontrollen zu ermöglichen, die „grenzenlos" seien.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Datenabgleiche ein. 208 Die festgelegten Zwecke sind jeweils nicht nur die Unterbindung grenzspezifischer Delikte, sondern auch die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Dieser Begriff weist darauf hin, daß die Maßnahmen doppelfunktional angelegt und insbesondere auf die - dem Regime der Strafprozeßordnung unterfallende - Fahndung nach Straftätern gerichtet sind. 209 Sachliche Voraussetzungen sind manchmal allein die räumlichen Tatbestandsmerkmale, die vor allem mit den einbezogenen Straßen weit gefaßt sind. 210 In den jüngeren Regelungen wird zusätzlich gefordert, daß aufgrund von Lageerkenntnissen oder polizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, daß Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden sollen oder daß die einbezogenen Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität sind. 211 Personelle Eingrenzungen gibt es nicht. Selbst im Vergleich zu den bereits auf „gefährliche Orte" oder „besonders gefährdete Objekte" ausgeweiteten bisherigen Ermächtigungen werden die polizeilichen Kontrollbefugnisse damit erheblich ausgedehnt.212 cc) Videoüberwachung

öffentlich

zugänglicher Räume

In einigen Gesetzen gibt es mittlerweile Befugnisse, öffentlich zugängliche Orte mit technischen Mitteln zur Bildüberwachung zu beobachten und unter bestimmten weiteren Voraussetzungen Bildaufzeichnungen anzufertigen. 213 Eine BMübertragung ist danach zulässig, wenn eine solche Beobachtung zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist und wenn sie - so wird zum Teil zusätzlich ausdrücklich festgehalten - offen stattfindet. 214 Überwiegend sind dabei sowohl die 208

Stephan, Verfassungsmäßigkeit, S. 83. Lisken, Personenkontrollen, S. 23; Waechter, „Schleierfahndung", S. 140, 143. 210 Vgl. auch Stephan, Verfassungsmäßigkeit, S. 82; Moser v. Filseck, Polizeigesetz, S. 71; Bizer, Zweite Novelle, S. 47. 211 Vgl. § 18 Abs. 2 Nr. 6 HSOG; siehe außerdem §§ 18 Abs. 7 ASOG Bin, 11 Abs. 3 BbgPolG sowie § 22 Abs. 1 a BGSG. Vgl. dazu MVVerfG, DVB1 2000, S. 262 (262, Leitsatz 5, 267 f.): Danach sind bei der „Schleierfahndung" Eingriffsschwellen festzulegen, für die sich eine Absicherung der Prognose einer allgemeinen Gefährdungslage in Lageerkenntnissen oder polizeilicher Erfahrung anbiete. Als organisatorische und verfahrensmäßige Vorkehrungen müssen die Grundlagen dafür dokumentiert werden. Bei bestimmten Straßen sind die Entscheidungen zudem durch eine höhere Stelle zu treffen und regelmäßig zu überprüfen. Dazu auch Möllers, Polizeikontrollen, S. 386 f. Siehe außerdem Walter, Polizeikontrollen, S. 292, 294. 212 Keine qualitativen Änderungen sieht Moser v. Filseck, Polizeigesetz, S. 73. Vgl. außerdem Walter, Polizeikontrollen, S. 292. 213 §§ 14 Abs. 3 und 4 HSOG, 32 Abs. 3 SOG MV, 15 a PolG NW, 32 Abs. 5 NGefAG (nur Bildübertragung), 184 Abs. 3 LVwGSH. Örtlich eingeschränkter, aber auf Tonaufhahmen und Tonaufzeichnungen ausgedehnt: § 38 Abs. 2 SächsPolG. 214 Vgl. §§ 32 Abs. 3 Satz 1 SOG MV, 15 a Abs. 1 PolG NW, 32 Abs. 5 NGefAG, 184 Abs. 3 Satz 1 LVwGSH. 209

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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Straftatenverhütung als auch die Verfolgungsvorsorge als Aufgaben eingeschlossen. Bildaufzeichnungen sind - gegebenenfalls nur als offene Aufzeichnungen - meist dann erlaubt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen oder Tatsachen im Einzelfall dafür sprechen, daß Straftaten oder Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden. 215 Manchmal fordern die Normen zusätzlich, daß es sich um Plätze handelt, auf denen wiederholt Straftaten begangen worden sind, oder daß weitere Voraussetzungen, die für besondere Mittel der Datenerhebung gelten, gegeben sind. 216 Gelegentlich sind auch Vernichtungspflichten und Verwendungsvorgaben geregelt. 217 Teilweise müssen die von Bildaufzeichnungen betroffenen Personen unterrichtet werden. 218 M i t ihren Tatbestandselementen stehen die Befugnisse zwischen den ortsbezogenen Ermächtigungen zur Identitätsfeststellung und zur „Schleierfahndung" einerseits und den besonderen Mitteln der Datenerhebung andererseits. dd) Besondere Mittel der Datenerhebung: längerfristige Observation, verdeckter Einsatz technischer Mittel, Einsatz verdeckter Ermittler und Einsatz von Vertrauenspersonen Zu den speziell geregelten besonderen Mitteln der Erhebung personenbezogener Daten gehören die (längerfristige) Observation, der verdeckte Einsatz technischer Mittel und der Einsatz verdeckter Ermittler 219 . Die meisten Gesetze regeln darüber hinaus den Einsatz von (Privat)Personen, deren Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist (Vertrauenspersonen). Des weiteren gibt es für den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Erhebung personenbezogener Daten in oder aus Wohnungen regelmäßig 220 besondere Bestimmungen. 221 Danach ist er nur zu Zwecken der Abwehr einer gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Gefahr und sodann mit weiteren Einschränkungen erlaubt. Sofern ihn einige Polizeigesetze auch zur vorbeugenden Bekämpfung

215 §§ 14 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HSOG, 32 Abs. 3 Satz 2 SOG MV, 184 Abs. 3 Satz 2 LVwGSH. Enger: § 15 a Abs. 2 Satz 1 PolG NW. 216 §§ 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 HSOG, 32 Abs. 3 Satz 4 SOG MV, schon für die Bildübertragung: § 15 a Abs. 1 Satz 1 PolG NW. 217 Siehe etwa § 15 a Abs. 2 Satz 2 und 3 PolG NW. 218 In jeweils unterschiedlicher Ausgestaltung: §§ 32 Abs. 3 Satz 3 SOG MV, 15 a Abs. 3 PolG NW, 184 Abs. 3 Satz 3 LVwGSH.

219

Das BremPolG enthält dazu insgesamt keine Ermächtigungen; das LVwGSH sieht den2 Einsatz verdeckter Ermittler nicht vor. 20 Ausnahme: § 25 b RhPfPOG, dessen allgemeiner Gehalt nach strittiger Sicht die Datenerhebung in oder aus Wohnungen abdecken soll. Vgl. dazu Roos, Polizei- und Ordnungsbehördengesetz, § 25 b Rn 2 und 9; BGH, NStZ 1995, S. 601 (601). 221 Zum Überblick Kutscha, Lauschangriff, S. 85 ff.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

von Straftaten zuließen 222 , ist dies mit der neuen Fassung des Art. 13 GG unvereinbar. 223 Die (längerfristige) Observation wird in den meisten Polizeigesetzen definiert. 2 2 4 Sie ist planmäßig angelegt und liegt vor, wenn sie voraussichtlich oder tatsächlich 225 zum einen innerhalb einer Woche oder durchgehend länger als 24 Stunden dauert oder zum anderen mehr als zwei Tage 2 2 6 , über den Zeitraum einer Woche 2 2 7 oder eines Monats 2 2 8 hinaus stattfindet. Die Finalität und - kumulativ - der Aspekt der zeitlichen Dauer grenzen sie somit von der zufalligen und kurzfristigen Beobachtung ab, die überwiegend unter die allgemeine Erhebungsermächtigung gefaßt wird. Für den verdeckten Einsatz technischer Mittel findet sich keine erschöpfende Definition der davon erfaßten technischen Mittel. 2 2 9 M i t Blick auf das eingesetzte Medium werden sie jedoch dahin konkretisiert, daß sie sich auf die Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen oder das Abhören oder Aufzeichnen des gesprochenen, hier zum Teil nur des nicht öffentlich gesprochenen Wortes auf Tonträger richten. 230 Vereinzelt wer-

222

Zu § 40 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG a.F. bereits zuvor mit dem Ergebnis der Verfassungswidrigkeit SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1436 ff.). 223 Das BbgVerfG hält die einschlägige Regelung des § 33 Abs. 3 Nr. 2 BbgPolG dagegen für verfassungsmäßig. Es gelangt zu diesem Ergebnis aber nur, weil es die „vorbeugende Bekämpfung von Straftaten" in die Gefahrenabwehr einordnet und die Tatbestandselemente der Befugnis - Tatsachen rechtfertigen die Annahme, daß eine der genannten Straftaten organisiert begangen werden soll - dahin versteht, daß eine konkrete Gefahrenlage gegeben sein muß, vgl. BbgVerfG, LKV 1999, S. 450 (462 f.). Damit verkennt es die Struktur der der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge zugeordneten Befugnisse. Zutreffend demgegenüber das abweichende Votum der Richterin Will im Anhang zum Urteilsumdruck (insoweit bislang nicht veröff.), und MVVerfG, Urteil vom 18. Mai 2000, LS 6 und Punkt C.V. (S. 30 ff. des Umdrucks). Siehe außerdem Koch, Datenerhebung in oder aus Wohnungen, S. 452. 224 Ausnahmen: §§ 25 b RhPfPOG, 28 Abs. 2 Nr. 1 SPolG. 225

Diese beiden Varianten finden sich in unterschiedlichen Formulierungen in allen Vorschriften, weil zunächt prognostisch abgeschätzt werden muß, ob die besonderen Regelungen für das beabsichtigte Vorgehen greifen, die Beurteilung sich im Verlauf der Observation ändern kann und ein Unterlaufen der Regelungen zu vermeiden ist. Vgl. Benfer, Eingriffsrechte, Rn 1000 ff. 226 Art. 33 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG, §§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ASOG Bin, 32 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG , 16 Abs. 1 Satz 1 PolG NW, 34 Abs. 1 Nr. 1 ThürPAG. 227 §§ 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW, 9 Abs. 1 Satz 1 HbgGDVP, 15 Abs. 1 Nr. 1 HSOG, § 33 Abs. 1 Nr. 1 SOG MV, 34 Abs. 1 Satz 1 NGefAG, 17 Abs. 1 Nr. 1 SOG LSA, 185 Abs. 1 Nr. 1 LVwGSH. 228 § 36 Abs. 2 Nr. 1 SächsPolG. 229 §§ 35 Abs. 1 Satz 4 NGefAG, 33 Abs. 1 Nr. 2 SOG MV, 185 Abs. 1 Nr. 2 LVwGSH sehen eine Zulassung durch Verwaltungsvorschrift vor. 230 § 22 Abs. 1 Nr. 2 PolG BW, Art. 33 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG, §§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ASOG Bin, 33 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG, 10 Abs. 1 Satz 1 HbgGDVP, 15 Abs. 1 Nr. 2 HSOG, 33 Abs. 1 Nr. 2 SOG MV, 35 Abs. 1 Satz 1 NGefAG, 17 Abs. 1 Satz 1 und 18

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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den Mittel zur Bestimmung des Aufenthaltsortes einer Person, wie es etwa Peilsender ermöglichen, ergänzt. 231 Verdeckte Ermittler sind Polizeivollzugsbeamte, die unter Geheimhaltung ihrer wahren Identität und damit unter einer Legende eingesetzt werden. 232 Alle Gesetze, die ihren Einsatz erlauben, enthalten besondere Bestimmungen, nach denen die erforderlichen Urkunden hergestellt, verändert oder gebraucht werden dürfen, ein verdeckter Ermittler zur Erfüllung seines Auftrages unter Geheimhaltung seiner wahren Identität am Rechtsverkehr teilnehmen und auch mit Einverständnis des Inhabers Wohnungen betreten darf. Kennzeichen von Vertrauenspersonen oder V-Leuten ist die Zusammenarbeit mit der Polizei, die Dritten nicht bekannt ist. 233 Über den Begriff der Zusammenarbeit sind sie abzugrenzen von Gelegenheitsinformanten aus dem „Milieu". 2 3 4 Zu den Zwecken, zu denen die Observation, der verdeckte Einsatz technischer Mittel, der Einsatz verdeckter Ermittler und der Einsatz von Vertrauenspersonen nach Maßgabe der jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften zugelassen werden, gehört meist zunächst die Gefahrenabwehr. 235 Als Konsequenz der jeweiligen Eingriffstiefe der Methoden wird sie zwar keineswegs durchwegs 236 , aber doch ganz überwiegend eingegrenzt. Der Gefahrenbegriff wird teilweise angehoben zur „gegenwärtigen" oder zur „erheblichen" 238 Gefahr,

Abs. 1 Satz 1 PolG NW, 28 Abs. 2 Nr. 2 SPolG, 17 Abs. 1 Nr. 2 SOG LSA, 36 Abs. 2 Nr. 2 SächsPolG, 185 Abs. 1 Nr. 2 LVwGSH, 34 Abs. 1 Nr. 2 ThürPAG. 231 § 35 Abs. 1 NGefAG. 232 § 22 Abs. 1 Nr. 3 PolG BW, Art. 33 Abs. 1 Nr. 3 BayPAG, §§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ÀSOG Bin, 35 Abs. 1 BbgPolG, 12 Abs. 1 Satz 1 HbgGDVP, 16 Abs. 2 HSOG, 33 Abs. 1 Nr. 4 SOG MV, 36 a Abs. 1 Satz 1 NGefAG, 20 Abs. 1 PolG NW, 28 Abs. 2 Nr. 4 SPolG, 18 Abs. 2 SOG LSA, 36 Abs. 2 Nr. 3 SächsPolG, 34 Abs. 1 Nr. 3 ThürPAG. 233 §§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ASOG Bin, 34 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG, 11 Abs. 1 Satz 1 HbgGDVP, 16 Abs. 1 Satz 1 HSOG, 33 Abs. 1 Nr. 3 SOG MV, 36 Abs. 1 Satz 1 NGefAG, 19 Abs. 1 Satz 1 PolG NW, 28 Abs. 2 Nr. 3 SPolG, 18 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA, 185 Abs. 1 Nr. 3 LVwGSH, 34 Abs. 1 Nr. 4 ThürPAG. 234 Kniesel/Vahle, Informationsverarbeitung, Rn 81; Waechter, V-Person, S. 50. Siehe auch die ausfuhrlichere Untersuchung von Scherp, Zusammenarbeit, S. 5 ff. Zur Problematik außerdem etwa Rie hie, Gefahr, S. 44 ff. 235 In den §§ 25 ff ASOG Bin, 33 SOG MV, 28 SPolG, 17 f. SOG LSA wird der Zweck der Gefahrenabwehr gegenüber denen der Straftatenverhütung oder der Verfolgungsvorsorge nicht explizit ausgewiesen, ist aber eingebunden. 236 Vgl. Art. 33 Abs. 2 BayPAG, § 34 Abs. 2 ThürPAG für die längerfristige Observation und den verdeckten Einsatz technischer Mittel (Einschränkung nur durch Subsidiaritätsklausel), §§ 15 Abs. 2 Nr. 1, 16 Abs. 2 HSOG für Verantwortliche. 237 §§ 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG. 238 Vgl. § 8 c Nr. 1 VE MEPolG. Entsprechend § 22 Abs. 2 PolG BW. 10 Albers

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

teils im Hinblick auf Rechtsgüter besonderen Gewichts eingeschränkt 239. Vereinzelt wird gefordert, daß für die Schadensprognose Tatsachen sprechen müssen. 240 Neben der Voraussetzung der Erforderlichkeit der Datenerhebung finden sich kumulativ oder alternativ Subsidiaritätsklauseln. Die Beschreibung der Personen, auf die sich eine Datenerhebung mit besonderen Mitteln richten darf, orientiert sich zum Teil an der allgemeinen Erhebungsermächtigung. 241 Das ist um so überraschender, als diese den Kreis der Personen über die traditionellen Adressaten hinaus erheblich ausgedehnt hat. Was sich bei der Grundnorm mit dem neuen Regelungsgegenstand erklären läßt, bedürfte für den Einsatz besonderer Mittel weiterer Überlegungen. Überwiegend reagieren die Bestimmungen auf den Einsatz besonderer Methoden mit Differenzierungen, indem sie sich auf Verhaltens- und Zustandsverantwortliche 242 sowie auf nicht verantwortliche Personen im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme beschränken. 243 Neben Gefahrenabwehrzwecken stehen Zwecke der Straftatenverhütung oder der Verfolgungsvorsorge. 244 Diese Zwecke werden ebenfalls in Abhängigkeit davon, wie die Landesgesetzgebung die Eingriffstiefe der jeweiligen Methode eingeschätzt hat, überwiegend eingegrenzt. Nur in wenigen Polizeigesetzen bleiben sie für den (einfachen) verdeckten Einsatz technischer Mittel 2 4 5 , teilweise auch für die Observation 246 uneingeschränkt. Eingrenzungen knüpfen bei unterschiedlichen Regelungselementen an. Das erste eingegrenzte Element

239

§ 22 Abs. 3 PolG BW, Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayPAG, §§ 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 10 Abs. 1, 11 Abs. 1, 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HbgGDVP, 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 16 Abs. 2 HSOG für andere als verantwortliche Personen, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 35 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 Satz 1 NGefAG, 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NW, 25 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RhPfPOG, 39 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG, 185 Abs. 2 Satz 1 LVwGSH, 34 Abs. 3 Nr. 1 ThürPAG. 240 § 185 Abs. 2 Satz 1 LVwGSH. 241 §§ 22 Abs. 2 und 3 PolG BW, 34 Abs. 5 ThürPAG; im Ergebnis auch Art. 33 Abs. 2 BayPAG, § 34 Abs. 2 ThürPAG. Vgl. außerdem § 35 Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG für den - sachlichen begrenzten - Einsatz verdeckter Ermittler. 242 Nach § 185 Abs. 2 Satz 2 LVwGSH darf die Polizei Daten (nur) über die Personen erheben, bei denen Tatsachen dafür sprechen, daß sie als Verantwortliche in Anspruch genommen werden können. 243 Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayPAG, §§ 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BbgPolG, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 10 Abs. 1,11 Abs. 1 HbgGDVP, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 35 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 Satz 1, 36 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NGefAG, 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PolG NW, 25 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RhPfPOG, 39 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG, 34 Abs. 3 Nr. 1 ThürPAG. 244 Ausnahme: § 185 Abs. 2 LVwGSH. 245 § 22 Abs. 2 PolG BW. 246 Art. 33 Abs. 2 BayPAG, § 34 Abs. 2 ThürPAG.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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sind die für die Verhütung und Verfolgungsvorsorge in Betracht kommenden Straftaten. Zum Teil wählt man einen Enumerativkatalog, der - gegebenfalls mit Verweisungen (insbesondere auf § 100 a StPO) - Straftatbestände aufzählt. 247 Manchmal stellt man auf Verbrechen ab. 248 Diese Umschreibungen werden in der Regel ergänzt um andere Straftaten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß die Straftat gewerbs-, gewohnheits- oder bandenmäßig begangen werden soll. 2 4 9 Meistens zieht man den - vereinzelt um die Begehung in Form organisierter Kriminalität ergänzten 250 - Begriff der „Straftaten von erheblicher Bedeutung" heran. 251 Dieser Begriff wird aber immer auf gesetzlicher Ebene definiert. 252 In den meisten Polizeigesetzen werden besondere Anforderungen an die Prognose gestellt. Eine Datenerhebung mit besonderen Mitteln ist zulässig, wenn „Tatsachen" 253 oder „tatsächliche Anhaltspunkte" 254 die Annahme oder die dringende Annahme 255 rechtfertigen, daß im Tatbestand aufgelistete Straftaten oder Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden sollen. 256 247 § 8 c Nr. 2 VE MEPolG; weiter §§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3, 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HSOG, 25 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RhPfPOG. 248 § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SPolG. 249 §§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3, 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HSOG, 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SPolG. 250 § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HbgGDVP (zum Einsatz verdeckter Ermittler). 251 § 22 Abs. 3 PolG BW, Art. 33 Abs. 3 Nr. 2 BayPAG, §§ 25 Abs. 1, 26 Abs. 1 ASOG Bin, 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, 35 Abs. 1 Nr. 2 BbgPolG, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Satz 1 und 2, 11 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HbgGDVP, 33 Abs. 2 SOG MV, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, 35 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 Satz 1, mit Einschränkungen: 36 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 NGefAG, 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 2 PolGNW, 17 Abs. 2 Satz 1, 18 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SOG LSA, 39 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG, 34 Abs. 3 Nr. 2 ThürPAG. 252 § 22 Abs. 5 PolG BW, Art. 30 Abs. 5 BayPAG, §§17 Abs. 3 ASOG Bin, 10 Abs. 3 BbgPolG, 1 Abs. 4 HbgGDVP, 49 SOG MV, 2 Nr. 10 NGefAG, 8 Abs. 3 PolG NW, 3 Nr. 4 SOG LSA, 36 Abs. 1 SächsPolG, 31 Abs. 5 ThürPAG. 253 §§ 25 Abs. 1, 26 Abs. 1 ASOG Bin, 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 35 Abs. 1 Nr. 2 BbgPolG, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Satz 1 und 2, 11 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HbgGDVP, 33 Abs. 2 Satz 1 SOG MV, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 35 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 Satz 1, 36 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NGefAG, 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 2 PolGNW, 39 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG, 34 Abs. 3 Nr. 2 ThürPAG. 254 § 8 c Abs. 1 VE MEPolG. Sodann §§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3, 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HSOG, 28 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 17 Abs. 2 Satz 1,18 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SOG LSA. 255 § 10 Abs. 1 Satz 2, 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HbgGDVP. 256 § 39 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG a.F., der für die Rechtmäßigkeit daneben die personenorientierte Voraussetzung genügen ließ, daß die Gesamtwürdigung der Person und der von ihr bisher begangenen Straftaten erwarten läßt, daß sie auch künftig die erfaßten

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Die Datenerhebung mit besonderen Mitteln ist daran gebunden, daß sie zu den jeweiligen Zwecken erforderlich ist. 257 Kumulativ oder alternativ gibt es Subsidiaritätsklauseln. Die Erfüllung der Aufgabe oder „einer" polizeilichen Aufgabe 258 auf andere Weise muß gefährdet, erheblich erschwert oder zeitlich verzögert werden. 259 Teilweise wird vorausgesetzt, daß die Datenerhebung mit einem besonderen Mittel „unerläßlich" ist. 260 Ein anderer Akzent wird mit der Anforderung gesetzt, daß andere Maßnahmen erheblich weniger Erfolg versprechen 261 , daß die Datenerhebung ohne Gefährdung der Aufgabenerfüllung auf andere Weise nicht möglich ist 2 6 2 oder daß die vorbeugende Bekämpfung der Straftat oder die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos erscheint.263 Der Kreis der Personen, die betroffen sind, wird in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge in der Regel differenziert. Nur selten wird bei bestimmten Methoden - Observation und verdeckter Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen 264, Einsatz von verdeckten Ermittlern 265 oder Vertrauenspersonen 266 - von Differenzierungen abgesehen. Im übrigen dürfen sich sämtliche besonderen Mittel der Datenerhebung gegen die Personen richten, bei denen tatsächliche AnhaltsStraftaten begehen wird, ist vom SächsVerfGH für verfassungswidrig erklärt worden, SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1430 f.). 257 § 8 c Abs. 1 VE MEPolG. Sodann Art. 33 Abs. 3 Nr. 2 BayPAG, §§ 26 Abs. 1 ASOG Bin, 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 35 Abs. 1 Nr. 2 BbgPolG, 9 Abs. 1 Satz 1, 10 Abs. 1 Satz 1 und 2, 11 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 Satz 1 HbgGDVP, 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HSOG, 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 2 PolGNW, 28 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 18 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SOG LSA, 34 Abs. 3 Nr. 2 ThürPAG. 258 Art. 33 Abs. 2 BayPAG. Ebenso § 34 Abs. 2 ThürPAG. 259 § 22 Abs. 2 und 3 PolG BW, Art. 33 Abs. 2 BayPAG, §§ 15 Abs. 2 Satz 2, 16 Abs. 3 Satz 1 HSOG, 17 Abs. 2 Satz 2 SOG LSA, 34 Abs. 2 ThürPAG. 260 Dies für Kontakt- oder Begleitpersonen: §§ 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BbgPolG, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 35 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 Satz 1, 36 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 NGefAG, 39 Abs. 1 Nr. 3 SächsPolG („zwingend erforderlich"). 261 §§ 15 Abs. 2 Satz 2, 16 Abs. 3 Satz 1 HSOG. 262 §§ 8 c Abs. 1 VE ME PolG, 33 Abs. 2 Satz 1 SOG MV, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 35 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 Satz 1, 36 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NGefAG. 263 §§ 25 Abs. 1 ASOG Bin, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Satz 1 und 2, 11 Abs. 1 Satz 1,12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HbgGDVP, 28 Abs. 1 Satz 2 SPolG. 264 Art. 33 Abs. 2 BayPAG, § 34 Abs. 2 ThürPAG. 265 Vgl. §§ 35 Abs. 1 Nr. 2 BbgPolG, 20 Abs. 1 Nr. 2 PolG NW, 18 Abs. 2 SOG LSA; für den nicht gezielt gegen bestimmte Personen gerichteten Einsatz § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HbgGDVP; mit sachlichen Einschränkungen § 16 Abs. 2 HSOG. 266 § 34 Abs. 5 ThürPAG; im Ergebnis auch in Gesetzen, die den Einsatz von Vertrauenspersonen nicht besonders regeln.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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punkte vorliegen oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie künftig die jeweils geregelten Straftaten begehen (wollen). 267 Darüber hinaus sind sie von wenigen Ausnahmen abgesehen auch bei Kontakt- und Begleitpersonen oder in anderer normtextlicher Fassung - bei Personen, die an den Straftaten beteiligt sind oder mit den entsprechenden Personen in Verbindung stehen, zulässig. 268 Manchmal wird bei Personen im räumlichen Umfeld einer in besonderem Maß als gefährdet erscheinenden Person der (einfache) verdeckte Einsatz technischer Mittel, die Observation oder auch der Einsatz von Vertrauenspersonen zugelassen. 269 Personen, bei denen Anhaltspunkte bestehen, daß sie Opfer von Straftaten werden, sowie Zeugen, Hinweisgeber oder sonstige Auskunftspersonen sind dagegen hier ausgeklammert. Vereinzelt werden auch Personen, die in Strafverfahren aus beruflichen Gründen zur Zeugnisverweigerung berechtigt sind, von Datenerhebungen durch verdeckte Ermittler und Vertrauenspersonen ausgenommen, soweit Sachverhalte betroffen sind, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht bezieht. 270 In weiterreichender Fassung wird die Datenerhebung mit besonderen Mitteln für unzulässig erklärt, soweit sie in ein geschütztes Vertrauensverhältnis eingreifen würde. 271 Den Zwecken der Gefahrenabwehr, der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge sind weitere Vorschriften nachgestellt, die dementsprechend (zweck)übergreifend gelten. Unter anderem gibt es mit Blick auf Wirkungsweise und Streubreite der Ermittlungsmethoden besondere Bestimmungen hinsichtlich der Personen, die unvermeidbar betroffen sind. Gemeint sind diejenigen, die „sozusagen während ,der Filmaufnahme 4 ,ins B i l d ' " 2 7 2 laufen. Unter der

267 § 8 c Abs. 1 VE MEPolG. Weiter § 22 Abs. 2 und 3 PolG BW, Art. 33 Abs. 3 Nr. 2 BayPAG, §§25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2, 26 Abs. 1 ASOG Bin, 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BbgPolG, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Satz 1 und 2, 11 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HbgGDVP, 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HSOG, 33 Abs. 2 Satz 2 SOG MV, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 35 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 Satz 1, 36 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NGefAG, 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PolGNW, 28 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 18 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SOG LSA, 39 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG, 34 Abs. 3 Nr. 2 ThürPAG. § 25 b Abs. 1 Satz 1 RhPfPOG orientiert sich wie bei der Gefahrenabwehr an der Unterscheidung von Verhaltens- und Zustandsverantwortlichen sowie nicht verantwortlichen Personen. 268 Ausnahme: § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HbgGDVP für den gezielten Einsatz verdeckter Ermittler gegen bestimmte Personen. 269 §§ 22 Abs. 2 PolG BW, 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 HSOG, 18 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA. 270 §§ 36 Abs. 2, 36 a Abs. 3 NGefAG. 271 § 39 Abs. 2 SächsPolG. Vgl. dazu SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1423, 1431 f.). Für das Beichtgeheimnis und Eingriffe mit technischen Mitteln: § 33 Abs. 6 Satz 2 SOG MV. 272 Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 601. Siehe auch BbgVerfG, LKV 1999, S. 450 (458 f.).

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Voraussetzung, daß die Erhebung sie unvermeidbar betrifft, erforderlich oder unerläßlich ist, damit die jeweilige Maßnahme durchgeführt werden kann, dürfen Daten auch über sie erhoben werden. 273 Dann ist ersichtlich von Bedeutung, wie die Aufzeichnungen verwendet werden dürfen. In einigen Gesetzen fehlen einschlägige Bestimmungen. Meist sind Bild- und Tonaufzeichnungen, die mit einem selbsttätigen Aufzeichnungsgerät angefertigt wurden und ausschließlich andere Personen als diejenigen betreffen, hinsichtlich derer der Einsatz des jeweiligen Mittels zulässig ist, unverzüglich zu löschen. Das gilt ganz überwiegend jedoch nur, soweit sie im Einzelfall nicht zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden. 274 Die Befugnis zur Anordnung der Anwendung besonderer Mittel zur Datenerhebung ist eigenständig geregelt. Bei manchen Methoden ist sie - dies regelmäßig außer bei Gefahr im Verzug - dem Richter vorbehalten. 275 Ansonsten liegt sie beim Behördenleiter und darf meist auch delegiert werden. 276 Gelegentlich wird für den Einsatz verdeckter Ermittler die Zustimmung 277 oder die Unterrichtung 278 der Staatsanwaltschaft vorgesehen. Manchmal ist bei einer längerdauerden Anwendung bestimmter Mittel die Zustimmung des Ministeriums des Innern oder einer von ihm benannten Stelle erforderlich. 279 Zum Teil ist weiter vorgeschrieben, daß die Anordnung schriftlich unter Angabe der für sie maß-

273 § 22 Abs. 4 PolG BW, Art. 33 Abs. 4 BayPAG, §§ 25 Abs. 2 Satz 2 ASOG Bin, 32 Abs. 1 Satz 2, 33 Abs. 1 Satz 2, 34 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG, 9 Abs. 1 Satz 2, 10 Abs. 1 Satz 3, 11 Abs. 1 Satz 2 HbgGDVP, 15 Abs. 2 Satz 3, 16 Abs. 3 Satz 2 HSOG, 33 Abs. 3 SOG MV, 34 Abs. 1 Satz 2, 35 Abs. 1 Satz 2, 36 Abs. 1 Satz 2, 36 a Abs. 1 Satz 2 NGefAG, 16 Abs. 1 Satz 2, 17 Abs. 1 Satz 2, 18 Abs. 1 Satz 2, 19 Abs. 1 Satz 2 PolGNW, 17 Abs. 3 Satz 2, 18 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA, 39 Abs. 7 Satz 1 SächsPolG, 34 Abs. 4 ThürPAG. 274 §§ 22 Abs. 7 PolG BW, 25 Abs. 9 ASOG Bin, 33 Abs. 8 BbgPolG, 10 Abs. 5 HbgGDVP, zwecks Verhütung und Verfolgungsvorsorge: 39 Abs. 6 Satz 1 NGefAG, 17 Abs. 6, 18 Abs. 6 PolG NW, 39 Abs. 7 Satz 2 SächsPolG (bei Straftaten von erheblicher Bedeutung). Uneingeschränkte Löschungspflicht: § 8 c Abs. 4 VE MEPolG. Außerdem §§ 28 Abs. 5 SPolG, 186 Abs. 3 LVwGSH. 275 §§ 32 Abs. 2 Satz 4, 33 Abs. 2 Satz 3 BbgPolG, 15 Abs. 5 Satz 1, 16 Abs. 5 Satz 2 HSOG, 34 Abs. 2 und 3, 35 Abs. 3, 36 a Abs. 4 NGefAG, 25 b Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 21 Abs. 1 RhPfPOG, 28 Abs. 3 Satz 1 SPolG, 17 Abs. 5 Satz 1 SOG LSA, 39 Abs. 4 Satz 2 SächsPolG, 186 Abs. 1 Satz 1 LVwGSH. 276 § 22 Abs. 6 PolG BW, Art. 33 Abs. 5 Satz 1 bis 3 BayPAG, §§ 25 Abs. 3, 26 Abs. 4 ASOG Bin (z.T. Beamter des höheren Dienstes), 32 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 2 Satz 1, 34 Abs. 2, 35 Abs. 4 BbgPolG, 9 Abs. 2 Satz 1, 10 Abs. 1 Satz 4, 11 Abs. 2 Satz 1, 12 Abs. 4 Satz 1 HbgGDVP, 15 Abs. 3 Satz 1, 16 Abs. 5 Satz 1 HSOG, 34 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, 16 Abs. 2, 17 Abs. 3 Satz 1,18 Abs. 3 Satz 1, 19 Abs. 2, 20 Abs. 4 PolGNW, 28 Abs. 3 Satz 6 SPolG, 17 Abs. 2 Satz 3, 18 Abs. 5 Satz 1 SOG LSA, 39 Abs. 4 Satz 1 SächsPolG, 186 Abs. 1 Satz 6 LVwGSH, 34 Abs. 6 Satz 1 ThürPAG. 277 §§ 12 Abs. 1 Satz 2 HbgGDVP, 18 Abs. 5 Satz 2 SOG LSA. 278 § 16 Abs. 5 Satz 11 HSOG. 279 §§ 15 Abs. 3 Satz 2 HSOG, 17 Abs. 2 Satz 4, 18 Abs. 5 Satz 4 SOG LSA.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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geblichen Gründe erfolgen muß und zu befristen ist; die Verlängerung der Maßnahme bedarf einer neuen Anordnung. 280 Fast alle Polizeigesetze sehen eine Pflicht zur Unterrichtung vor. 2 8 1 Diese steht den Personen, gegen die die Maßnahme angeordnet war 2 8 2 , den Personen, gegen die sich Datenerhebungen richteten 283 , oder den von der Maßnahme betroffenen Personen zu. 2 8 4 Sie besteht, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann. 285 Darüber hinaus wird sie unter weiteren Bedingungen eingegrenzt. Sie entfällt insbesondere dann, wenn sich an den die Maßnahme auslösenden Sachverhalt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anschließt. Zum Teil wird dann hervorgehoben, daß die Staatsanwaltschaft über den Zeitpunkt der Unterrichtung entscheidet.286 Alternative Gesetzesfassungen lauten, daß die Unterrichtung erfolgt, sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind; sie kann unterbleiben, wenn der Betroffene im Rahmen des Ermittlungsverfahrens von der Maßnahme Kenntnis erlangt 287 oder wenn Akteneinsicht gewährt worden ist 2 8 8 . Nach vielen Polizeigesetzen unterbleibt eine Unterrichtung 280

Art. 33 Abs. 5 Satz 4 und 5 BayPAG, §§ 32 Abs. 2 Satz 2 und 3, 33 Abs. 2 Satz 2 BbgPolG, 9 Abs. 2 Satz 2, 10 Abs. 1 Satz 4, 11 Abs. 2 Satz 1, 12 Abs. 4 Satz 1 HbgGDVP, 15 Abs. 5 Satz 5 - 8 HSOG, 34 Abs. 1 Satz 2 und 3 SOG MV, 39 Abs. 3 SächsPolG, 34 Abs. 6 Satz 2 ThürPAG. 281 Ausnahme ist - von der Sonderregelung des Art. 34 Abs. 5 BayPAG für die Datenerhebung in oder aus Wohnungen abgesehen - das BayPAG. Sehr eingeschränkt hatte das SächsPolG nur für Personen, deren Wohnung ein verdeckter Ermittler betreten hat, eine - wiederum mit Ausnahmen versehene - Unterrichtung vorgesehen. Dies hat der SächsVerfGH für verfassungswidrig gehalten, DVB1 1996, S. 1423 (1434 f.). 282 §§ 25 Abs. 7 Satz 1, 26 Abs. 5 Satz 1 ASOG Bin, 15 Abs. 7 Satz 1, 16 Abs. 6 Satz 1 HSOG, 17 Abs. 7 Satz 1, 18 Abs. 6 Satz 1 SOG LSA. 283 §§ 32 Abs. 3 Satz 1, 33 Abs. 7 Satz 1, 34 Abs. 3 Satz 1, 35 Abs. 5 Satz 1 BbgPolG, 9 Abs. 3 Satz 1, 10 Abs. 6, 11 Abs. 2 Satz 1, 12 Abs. 4 Satz 1 HbgGDVP, 16 Abs. 3 Satz 1, 17 Abs. 5 Satz 1, 18 Abs. 5 Satz 1, 19 Abs. 3 Satz 1, 20 Abs. 5 Satz 1 PolGNW, 34 Abs. 7 Satz 1 ThürPAG. Vgl. dazu die verfassungskonform-erweiternde Auslegung zugunsten anderer Personen in der Entscheidung des BbgVerfG, LKV 1999, S. 450 (459, 465). 284 § 8 c Abs. 5 Satz 1 VE MEPolG. Außerdem §§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG BW, 34 Abs. 5 Satz 1 SOG MV, 30 Abs. 4 NGefAG, 28 Abs. 6 Satz 1 SPolG, 39 Abs. 8 SächsPolG, 186 Abs. 4 Satz 1 LVwGSH. 285 § 8 c Abs. 5 Satz 1 VE MEPolG. Weiter §§ 22 Abs. 8 Satz 1 PolG BW, 25 Abs. 7 Satz 1, 26 Abs. 5 Satz 1 ASOG Bin, 32 Abs. 3 Satz 1, 33 Abs. 7 Satz 1, 34 Abs. 3 Satz 1, 35 Abs. 5 Satz 1 BbgPolG, 9 Abs. 3 Satz 1, 10 Abs. 6, 11 Abs. 2 Satz 1,12 Abs. 4 Satz 1 HbgGDVP, 15 Abs. 7 Satz 1, 16 Abs. 6 Satz 1 HSOG, 34 Abs. 5 Satz 1 SOG MV, 30 Abs. 4 NGefAG, 16 Abs. 3 Satz 1, 17 Abs. 5 Satz 1, 18 Abs. 5 Satz 1,19 Abs. 3 Satz 1, 20 Abs. 5 Satz 1 PolGNW, 28 Abs. 6 Satz 1 SPolG, 17 Abs. 7 Satz 1,18 Abs. 6 Satz 1 SOG LSA, 39 Abs. 8 SächsPolG, 186 Abs. 4 Satz 1 LVwGSH, 34 Abs. 7 Satz 1 ThürPAG. 286 §§ 25 Abs. 7 Satz 3 ASOG Bin, 15 Abs. 7 Satz 3, 16 Abs. 6 Satz 1 HSOG. 287 §§ 33 Abs. 7 Satz 2, 34 Abs. 3 Satz 2, 35 Abs. 5 Satz 2 BbgPolG. 288 § 39 Abs. 9 Satz 1 SächsPolG.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

außerdem, wenn oder solange hierdurch ein Verdeckter Ermittler oder eine Vertrauensperson oder deren weitere Verwendung gefährdet würde. 289 Vereinzelt wird hier noch die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit einbezogen.290 Des öfteren wird die Unterrichtung auch für den Fall eingeschränkt, daß keine Aufzeichnungen mit personenbezogenen Daten erstellt oder sie und Unterlagen über daraus gewonnene Erkenntnisse unverzüglich nach Beendigung der Maßnahme vernichtet worden sind. 291 Nur nach einem Gesetz sind davon die Fälle ausgenommen, in denen Daten aus Wohnungen erhoben wurden oder die Observation länger als drei Monate dauerte. 292 Manchmal führt die Zeitspanne, die seit Beendigung der Maßnahme verstrichen ist, zum Wegfall der Unterrichtungspflicht. 293 Teilweise darf die Unterrichtung unterbleiben, wenn zu ihrer Durchführung in unverhältnismäßiger Weise weitere Daten über die betroffene Person erhoben werden müßten. 294 Informations- und Kontrollfunktionen soll des weiteren die Verpflichtung erfüllen, das Landesparlament oder spezielle Ausschüsse über Maßnahmen, bei denen besondere Mittel der Datenerhebung eingesetzt wurden, zu unterrichten. Diese Pflicht besteht aufgrund des Art. 13 Abs. 6 Satz 3 GG für den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen nach allen Polizeigesetzen, die zu solchen Maßnahmen ermächtigen. In einigen Gesetzen ist sie aber auch umfassender festgehalten. 295 ee) Polizeiliche Beobachtung Fast alle Polizeigesetze enthalten Regelungen über die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung. Dabei werden Personalien einer Person oder das 289 §§ 22 Abs. 8 Satz 2 PolG BW, 26 Abs. 5 Satz 2 ASOG Bin, 34 Abs. 3 Satz 3, 35 Abs. 5 Satz 3 BbgPolG, 11 Abs. 2 Satz 2, 12 Abs. 4 Satz 2 HbgGDVP, 16 Abs. 6 Satz 2 HSOG, 30 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 NGefAG, 19 Abs. 3 Satz 2, 20 Abs. 5 Satz 2 PolGNW, 18 Abs. 6 Satz 2 SOG LSA, 39 Abs. 9 Satz 2 SächsPolG, 34 Abs. 7 Satz 1 ThürPAG. 290 § 34 Abs. 7 Satz 1 ThürPAG. So auch Art. 34 Abs. 5 Satz 1 BayPAG für Datenerhebungen durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen. 291 Vgl. § 8 c Abs. 5 Satz 2 VE MEPolG; §§ 25 Abs. 7 Satz 2, 26 Abs. 5 Satz 1 ASOG Bin, 15 Abs. 7 Satz 2, 16 Abs. 6 Satz 1 HSOG, 34 Abs. 6 Satz 1 SOG MV, 28 Abs. 6 Satz 2 SPolG, 17 Abs. 7 Satz 2 Nr. 4, 18 Abs. 6 Satz 1 SOG LSA, 186 Abs. 5 Satz 1 LVwGSH. 292 §§ 15 Abs. 7 Satz 2, 16 Abs. 6 Satz 1 HSOG. 293 §§ 22 Abs. 8 Satz 2 PolG BW (fünf Jahre), 30 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 NGefAG (nach Ablauf der Löschungsfrist, spätestens nach 10 Jahren), 28 Abs. 6 Satz 3 SPolG (fünf Jahre). 294 §§ 30 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 NGefAG, 17 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3, 18 Abs. 6 Satz 1 SOG LSA. 295 §§ 37 a NGefAG, 39 Abs. 10 SächsPolG; vgl. dazu SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1435 f.); in eingeschränkterer Form auch § 34 Abs. 7 SOG MV.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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amtliche Kennzeichen oder sonstige Merkmale des von einer solchen Person benutzten oder eingesetzten Kraftfahrzeuges in einer Datei ausgeschrieben, die als Teil des polizeilichen Fahndungsbestandes geführt wird. Andere Polizeibehörden melden der ausschreibenden Dienststelle sodann das Antreffen der Person oder des Fahrzeuges bei Gelegenheit einer Überprüfung aus anderem Anlaß. 296 Effizienz und Eingriffsintensität hängen somit von dem Umfang ab, in dem die Polizeigesetze oder andere Rechtsvorschriften Personenkontrollen zulassen. Wie erläutert, sind die darauf gerichteten Befugnisse stetig ausgedehnt worden - jüngstes Stichwort ist die „Schleierfahndung" - und mittlerweile in weitem Umfang von den traditionellen Voraussetzungen gelöst. Für den Fall, daß die Person entsprechend oft kontrolliert wird, kann sich ein Bewegungsbild ergeben. Die polizeiliche Beobachtung zielt weitergehend darauf, Zusammenhänge und Querverbindungen zwischen der ausgeschriebenen und anderen Personen oder Kontakte zwischen „kriminellen Strukturen" zu erfassen. 297 Zweck ist nur gelegentlich die Gefahrenabwehr 298, immer der der Verhütung und/oder der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten. 299 Dies wird in fast allen Gesetzen300 eingegrenzt, und zwar auf einen Katalog aufgezählter und als besonders gewichtig eingestufter Straftaten 301 oder auf Straftaten von erheblicher Bedeutung302. Zu den sachlichen Voraussetzungen zählt, daß - erstens - die Gesamtwürdigung der Person und ihre bisherigen Straftaten erwarten lassen303 oder - zweitens - daß Tatsachen oder tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß die Person auch künftig die vom Zweck erfaßten Straftaten begehen wird. Weiter müssen Ausschreibungen zur polizeilichen Beobachtung oder präziser: die aufgrund der Ausschreibung erwarteten Erkenntnisse - zur

296 Bei der polizeilichen Beobachtung geht es somit um eine Kombination von Datenerhebungen, -speicherungen, -nutzungen und -Übermittlungen, vgl. Alberts! Merten, Gesetz, § 13 Rn 1. 297 So Hettinger, Entwicklungen, S. 97. 298 Insoweit skeptisch zur Eignung Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 681. 299 Auch hier skeptisch zur Eignung Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 628 ff; Denninger, Polizeirecht, S. 307. Dagegen aber Prümm/Sigrist, Sicherheits- und Ordnungsrecht, Rn 201. 300 § 29 Abs. 1 SPolG läßt seinem Normtext nach die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten genügen, auch wenn der Ausschreibungsanlaß sich an die Erwartung von Straftaten von erheblicher Bedeutung knüpft. 301 § 17 Abs. 2 Nr. 2 HSOG. 302 § 25 Abs. 1 Satz 1 PolG BW, Art. 36 Abs. 1 BayPAG, §§ 27 Abs. 2 ASOG Bin, 36 Abs. 1 BbgPolG, 13 Abs. 1 HbgGDVP, 17 Abs. 2 Nr. 1 HSOG, 35 Abs. 1 SOG MV, 37 Abs. 1 NGefAG, 21 Abs. 1 PolG NW, 19 Abs. 2 SOG LSA, 42 Abs. 3 Satz 1 SächsPolG, 37 Abs. 1 ThürPAG. 303 § 35 Abs. 1 SOG MV verlangt tatsächliche Anhaltspunkte dafür, daß bestimmte Personen Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erforderlich sein. 304 Manchmal wird gefordert, daß Tatsachen die Annahme der Erforderlichkeit rechtfertigen müssen.305 Die von der polizeilichen Beobachtung betroffenen Personen sind teilweise durch die Verweisung auf andere besondere Mittel der Datenerhebung oder sonstige Regelungen bestimmt. 306 Zu den Erkenntnissen, die aufgrund der Ausschreibung anläßlich einer polizeilichen Kontrolle zu gewinnen und zu übermitteln sind, zählt nicht nur die Information über Ort und Zeit des Antreffens der Person, sondern auch die über Kontakt- und Begleitpersonen 307 oder begleitende Personen 308 sowie über mitgefühlte Sachen oder auch über Verhalten, Vorhaben und sonstige Umstände des Antreffens. 309 Die Anordnungskompetenz liegt überwiegend auf leitender Ebene der Polizei; teilweise gilt ein Richtervorbehalt 310. Die Anordnung ergeht schriftlich und ist zu befristen; die Höchstfrist beträgt ein Jahr. Teilweise ist vorgesehen, daß nach Ablauf einer bestimmten Zeit zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für die Anordnung noch bestehen.311 Zur Verlängerung der Laufzeit bedarf es einer neuen Anordnung. Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung nicht mehr vor, ist der Zweck der Maßnahme erreicht oder zeigt sich, daß er nicht erreicht werden kann, ist die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung unverzüglich zu löschen. Nach Beendigung der Maßnahme gilt eine Unterrichtungspflicht 211, dies regelmäßig unter den den Eingrenzungen bei Datenerhebungen mit besonderen Mitteln entsprechenden Einschränkungen.

304 § 25 Abs. 1 Satz 1 PolG BW, Art. 36 Abs. 1 BayPAG, §§ 13 Abs. 1 HbgGDVP, 21 Abs. 1 PolGNW, 37 Abs. 1 ThürPAG. 305 §§ 27 Abs. 2 ASOG Bin, 37 Abs. 1 NGefAG, 29 Abs. 2 Satz 1 SPolG. 306 Vgl. die - in dieser Form wohl kaum durchdachten - §§ 17 Abs. 2 Nr. 2 HSOG, 19 Abs. 2 Nr. 2 SOG LSA. Kritisch dazu Denninger, Polizeirecht, S. 307. 307 So die Formulierung in § 25 Abs. 1 Satz 2 PolG BW, Art. 36 Abs. 2 BayPAG, §§ 36 Abs. 2 BbgPolG, 35 Abs. 1 SOG MV, 21 Abs. 2 PolG NW, 37 Abs. 2 ThürPAG. 308 In diesem Sinne §§27 Abs. 2 ASOG Bin, 13 Abs. 2 HbgGDVP, 19 Abs. 2 SOG LSA, 17 Abs. 2 HSOG, 42 Abs. 1 Satz 1 SächsPolG (mit der weiteren Regelung in Satz 2 und 3), 187 Abs. 1 LVwGSH (mit der weiteren Regelung in § 189 Abs. 4). 309 § 25 Abs. 1 Satz 2 PolG BW, Art. 36 Abs. 2 BayPAG, §§ 27 Abs. 2 ASOG Bin, 13 Abs. 2 HbgGDVP, 17 Abs. 2 HSOG, 37 Abs. 2 NGefAG. § 35 Abs. 1 SOG MV nennt nur Erkenntnisse über das Antreffen sowie über Kontakt oder Begleitpersonen, §§ 36 Abs. 2 BbgPolG, 21 Abs. 2 PolG NW, 19 Abs. 2 SOG LSA, 42 Abs. 1 SächsPolG, 37 Abs. 2 ThürPAG zusätzlich über mitgeführte Sachen, § 29 Abs. 1 SPolG nur das Antreffen der Person oder Kraftfahrzeuge. 310 So § 8 d Abs. 2 - Alternative - VE ME PolG, §§ 36 Abs. 3 BbgPolG, 21 Abs. 3 PolG NW, 187 Abs. 2 Satz 1 LVwGSH, §§17 Abs. 5 HSOG, 35 Abs. 2 Satz 4 SOG MV für die Verlängerung. 311 §§ 36 Abs. 3 Satz 6 BbgPolG, 13 Abs. 3 Satz 3 HbgGDVP, 35 Abs. 2 Satz 3 SOG MV, 21 Abs. 3 Satz 6 PolGNW, 29 Abs. 3 Satz 2 SPolG, 19 Abs. 3 Satz 4 SOG LSA, 42 Abs. 2 Satz 3 SächsPolG. 312 Ausnahmen: BayPAG, SächsPolG, ThürPAG.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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ff) Neuartige Elemente und Strukturen Ebenso wie bei den allgemeinen Erhebungsermächtigungen gehört die Festlegung der Zwecke, zu denen die Polizei unter Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden Daten über Personen erheben darf, zu den zentralen Determinanten. Zu diesen Zwecken zählt bei allen beschriebenen Ermittlungsmethoden auch die Gefahrenabwehr, obwohl man sich bei einigen Methoden, vor allem bei der polizeilichen Beobachtung, aber auch beim Einsatz verdeckter Ermittler, fragen kann, inwiefern sie dafür überhaupt geeignet sind. Man wird davon ausgehen können, daß in dieser Hinsicht vor allem die Interdependenzen zwischen Straftatenverhütung oder Verfolgungsvorsorge und Gefahrenabwehr hinter den zu diesem Zweck eingeräumten Befugnissen stehen: Der Einsatz der zunächst zu Verhütungs- oder Vorsorgezwecken herangezogenen Mittel soll nicht unzulässig werden, wenn es im weiteren Verlauf zu einer Situation konkreter Gefahren kommt und bevorstehende Straftaten zu verhindern sind. 313 Berücksichtigt man die Funktionsweise der jeweiligen Ermittlungsmethoden, steht jedenfalls fest, daß den Zwecken der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge besondere Bedeutung zukommt. Diese Zwecke werden regelmäßig eingegrenzt durch eine gesetzliche Begrenzung der Straftaten, die Gegenstand der polizeilichen Prognose sind und hinsichtlich derer die Polizei zwecks Verhütung oder zwecks Verfolgungsvorsorge zum Einsatz besonderer Methoden ermächtigt wird. Regelungstechnisch wird auf Enumerativkataloge, auf besondere Merkmale wie die banden-, gewerbs-, gewohnheits- oder serienmäßige oder die in organisierter Form erfolgende Begehung der Straftaten und auf den legaldefinierten Begriff der Straftaten von erheblicher Bedeutung zurückgegriffen. Die jeweils genannten Straftaten sind zum einen Komponente des festgelegten Zwecks, der als Zweck der Verwendung erlangter Daten über die Datenerhebung mit besonderen Methoden hinausweist. Zum anderen sind sie als Gegenstand der polizeilichen Prognose Tatbestandsvoraussetzung. In den Befugnissen werden meist besondere Anforderungen an die Prognose gestellt, indem Tatsachen oder tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen müssen, daß eine der näher eingegrenzten Straftaten begangen werden soll. Die Prognose der Straftaten, die Voraussetzung und regelmäßig auch Anlaß des Einsatzes besonderer Methoden ist, wird somit an eine Tatsachenbasis geknüpft, die man gegen bloße Vermutungen oder rein kriminalistische Hypothesen abgrenzen kann. Trotzdem ist die Voraussetzung einer Tatsachenbasis allein wenig aussagekräftig. Die Besonderheit der Prognose erschließt sich erst im Zusammenhang mit den Zwecken der Straftatenverhütung oder der Verfolgungsvorsorge, zu de-

313

Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 677.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

nen die Methoden eingesetzt und dadurch erlangte personenbezogene Daten verwendet werden dürfen. Mit Blick auf den jeweiligen Zweck wird unter anderem deutlich, daß der Zeitpunkt der geforderten Prognose dem prognostizierten Geschehen jedenfalls weiter vorgelagert ist, als es in Fällen der Gefahrenabwehr zulässig wäre. Hinzu kommt, daß das prognostizierte Geschehen nicht notwendig zu einem bestimmten Vorgang konkretisiert zu werden braucht. Erst in diesem Kontext ist die Struktur der Prognose näher zu begreifen. Die Datenerhebung mit besonderen Mitteln ist daran gebunden, daß sie zu den jeweiligen Zwecken erforderlich ist. Dies entspricht dem Regelungselement der Erforderlichkeit, das auch die Grundnorm der Datenerhebung aufweist. Es ist als Tatbestandselement kein gerade die Methode determinierendes Merkmal. Dies wäre es nur dann, wenn es darauf zielte, daß die Datenerhebung gerade mit diesem Mittel erforderlich sein muß. Diese Funktion übernehmen aber in der Regel die weiteren, in die gesetzlichen Regelungen aufgenommenen Subsidiaritätsklauseln. Die Beschreibungen der Personen, über die gezielt Daten unter Einsatz besonderer Mittel erhoben werden dürfen oder gegen die der Einsatz sich richten darf, entsprechen den Kategorien, die schon bei den allgemeinen Erhebungsermächtigungen behandelt worden sind. Allerdings wird in Abhängigkeit von der Eingriffsintensität, die die jeweilige Landesgesetzgebung der Ermittlungsmethode zuerkannt hat, etwas stärker differenziert. Personen, bei denen Anhaltspunkte bestehen oder Tatsachen dafür sprechen, daß sie künftig Straftaten begehen, und deren Kontakt- oder Begleitpersonen können freilich in aller Regel betroffen sein. Andere Personen kommen als Adressaten dagegen regelmäßig nicht in Betracht. Auffallend ist die vereinzelt geregelte Ausnahme für Personen, die in Strafverfahren aus beruflichen Gründen zur Zeugnisverweigerung berechtigt sind: Sie sind von Datenerhebungen durch verdeckte Ermittler und Vertrauenspersonen ausgenommen, soweit Sachverhalte betroffen sind, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht bezieht. Dabei wird ein Schutzmechanismus, der aus dem Strafverfahrensrecht bekannt ist, in das Polizeirecht übertragen. Bei den Ermittlungsmethoden findet sich außerdem die neue Kategorie der Personen, die unvermeidbar betroffen sind. Das erklärt sich vor allem durch die technisch und rechtlich bedingte Wirkungsweise und Streubreite der Ermittlungsmethoden. Die Regelungen zur Verwendung festgehaltener Aufzeichnungen, die es ganz überwiegend erlauben, die Daten zu verwenden, soweit sie im Einzelfall zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden, weisen schon auf die - noch im Rahmen der Befugnisse zur Informations- und Datenverarbeitung zu erörternden - Probleme der Zweckänderungen und der „Zufallsfunde" hin, die für das Polizeirecht neuartig sind. Die Befugnis zur Anordnung der Anwendung besonderer Mittel zur Datenerhebung ist weiter durch Entscheidungs- oder Beteiligungsvorbehalte gekennzeichnet. Einen solchen Vorbehalt enthalten auch eine Reihe „klassischer"

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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polizeilicher Befugnisse, so die Wohnungsdurchsuchung oder die richterlich zu bestätigende vorläufige Festnahme. Trotzdem tragen die Entscheidungsvorbehalte bei den neuen Ermittlungsmethoden zu Strukturveränderungen des Polizeirechts bei. Mit den überkommenen Vorbehalten sind sie schon deshalb nur begrenzt zu vergleichen, weil bei der Entscheidung über den Einsatz der neuen Methoden zwecks Straftatenverhütung oder Verfolgungsvorsorge die sachlichen, zeitlichen und personellen Grenzen fehlen, die die Gefahrenabwehrsituation besitzt. Hinzu kommt die Heimlichkeit der Maßnahmen. Die Vorbehalte sollen sowohl die Unbestimmtheit der gesetzlichen Vorgaben als auch die Heimlichkeit der Maßnahmen kompensieren. Sie sind außerdem Folge des Bedürfnisses nach einer besonderen Kontrolle und nach einer Höherzonung der Entscheidung oder sogar - wie die teilweise vorgesehene Zustimmung des Ministeriums des Innern oder einer von ihm benannten Stelle belegt - nach einer stärkeren „politischen" Verantwortung. Daß für den Einsatz verdeckter Ermittler manchmal die Zustimmung oder Unterrichtung der Staatsanwaltschaft vorgesehen ist, weist außerdem auf die Verbindungslinien und Übergänge zur Strafverfolgung hin. Als neue Regelungselemente fallen außerdem die teilweise bestehenden Pflichten zur Unterrichtung des Datenschutzbeauftragten und zum Bericht an das Landesparlament oder an besondere parlamentarische Gremien auf. Ebenso wie die Entscheidungs- oder Beteiligungsvorbehalte haben sie Informationsund Kontrollfunktionen. Insbesondere soll das Parlament durch eine institutionalisierte Form der Information in die Lage versetzt werden, seine eigenen Entscheidungen anhand der praktischen Erfahrungen mit der Gesetzesvollziehung zu überprüfen. Zu den zentralen Kennzeichen der Ermächtigungen zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden zählt schließlich, daß sie - wie zum Teil schon der Normtext ergibt - verdeckt erfolgen und vor den Betroffenen gezielt geheimgehalten werden. Sie weichen somit von den im Rahmen der allgemeinen Erhebungsnormen festgehaltenen Grundsätzen der Offenheit der Ermittlung und der Erhebung beim Betroffenen ab. Ermächtigungen zu einem solchermaßen verdeckten Vorgehen stellen, läßt man die Praxis der Polizei in den bis dahin ungeregelten Bereichen unberücksichtigt, eine wesentliche Änderung der Polizeigesetze dar. Die gesetzliche Zulassung der besonderen Ermittlungsmethoden im Polizeirecht führt gelegentlich zu Vergleichen der Polizei oder ihres Vorgehens mit den Nachrichtendiensten. 314 Diesen werden „nachrichtendienstliche Mittel" traditionell zugestanden; bislang waren die darunter gefaßten Vorgehensweisen ihnen aber jedenfalls auf gesetzlicher Ebene vorbehalten. Neue Regelungselemente bringen dementsprechend auch die der Polizei unter bestimmten Voraussetzungen aufgegebenen Pflichten zur Unterrichtung mit 314

Siehe noch Kap. 3 Punkt A.I.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

sich, durch die die Polizeigesetze die Verdecktheit der Maßnahmen auszugleichen suchen. Das gilt insbesondere, wenn man die zahlreichen Ausnahmevorschriften einbezieht. Indem eine Unterrichtung zum Beispiel unterbleiben kann, wenn hierdurch ein verdeckter Ermittler oder dessen weitere Verwendung gefährdet würde oder wenn sich an den die Maßnahme auslösenden Sachverhalt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anschließt, geben diese Vorschriften wiederum über neue Strukturen des Polizeirechts Aufschluß. 2. Befugnisse zur Informations-

und Datenverarbeitung

Nach dem Überblick über die Regelungen der Datenerhebung und über die besonderen Ermittlungsmethoden wird deutlich sein, daß das rechtlich zu regelnde Verhältnis zwischen Bürger und Polizei nicht mehr als punktueller Kontakt erfaßt werden kann. Die Erhebung von Daten über Personen verweist unmittelbar auf die weiteren Elemente der Informations- und Datenverarbeitung. Gerade fur die Aufgaben der Verhütung und der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten sind Speicherungs- und Verwendungsmöglichkeiten von zentraler Relevanz. a) Die Regelungen der Informations- und Datenverarbeitung Die meisten Polizeigesetze ermächtigen die Polizei generalklauselartig zur Speicherung, Veränderung sowie sonstigen Nutzung 315 personenbezogener Daten in Akten oder Dateien, soweit und solange dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. 316 Manchmal bezieht sich diese Ermächtigung auf die Erfüllung der jeweiligen polizeilichen Aufgabe oder hiermit im Zusammenhang stehender Aufgaben. 317 Vereinzelt lautet die Formulierung, daß die Speicherung, Veränderung und Nutzung der Daten zulässig ist, wenn dies zu dem Zweck erforderlich ist, zu dem sie erhoben wurden. 318 Anders als in den Bestimmungen zur Datenerhebung wird hinsichtlich der Zwecke somit meist nicht zwischen der Gefahrenabwehr, der Straftatenverhü-

315

Zu den Definitionen dieser Phasen § 3 Abs. 5 - 6 BDSG und die entsprechenden landesrechtlichen Bestimungen. 316 § 10 a Abs. 1 VE MEPolG. Sodann § 37 Abs. 1 Satz 1 PolG BW, Art. 38 Abs. 1 BayPAG, §§42 Abs. 1 Satz 1 ASOG Bin, 39 Abs. 1 BbgPolG, 27 Abs. 1 BremPolG (eingeschränkter und als weitgehend einzige Regelung), 16 Abs. 1 HbgGDVP, 20 Abs. 1 Satz 1 HSOG, 24 Abs. 1 PolG NW, 25 a Abs. 1 RhPfPOG (als zu diesen Punkten einzige Regelung), 30 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 22 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA, § 43 Abs. 1 Satz 1 SächsPolG, 40 Abs. 1 ThürPAG. 317 §§ 36 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, 188 Abs. 1 Satz 1 LVwGSH. 318 § 38 Abs. 1 Satz 1 NGefAG.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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tung und der Verfolgungsvorsorge unterschieden. Sofern die Regelungen nur auf die Wahrnehmung der Aufgaben verweisen, ist ihrem Normtext nach nicht ausgeschlossen, daß die Differenzierungen und Eingrenzungen der Datenerhebungsregeln schon bei der Speicherung keine Rolle mehr spielen. An dieser Stelle greifen aber Vorschriften ein, die eine engere Zweckbestimmung und eine Zweckbindung vorsehen. Sie halten - dies manchmal unter Ausnahme der Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Begehung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung rechtfertigen 319 - fest, daß die Speicherung, Veränderung und Nutzung nur zu dem Zwfeck oder für Zwecke 320 zulässig ist, zu dem oder zu denen die Polizei die Daten erlangt hat. 321 Dadurch werden die diese Phasen regelnden Normen, sofern die Polizei durch eigenes Handeln Daten erhoben hat 322 , mit den Bestimmungen über die Datenerhebung verbunden und schließen insbesondere an die Zweckfestlegung an, die der Datenerhebung zugrunde liegt. Das wird freilich fast immer durch die Zweckänderungsbestimmungen relativiert. Danach ist die Speicherung, Veränderung und Nutzung oder - in anderer Formulierung - die Nutzung einschließlich einer erneuten Speicherung und einer Veränderung zu einem anderen polizeilichen Zweck zulässig, soweit die Polizei die Daten zu diesem Zweck erheben dürfte 323 oder hätte erheben dürfen 324 oder hätte erheben und nutzen dürfen 325 . Einige Polizeigesetze halten fest, daß dies nur dann zulässig ist, wenn die Daten auch für den neuen Zweck mit denselben Methoden erhoben werden dürften 326 oder hätten erhoben werden dürfen 327 . In einem Gesetz wird dazu ein alternativer Ansatz gewählt: Bei Einsatz bestimmter Erhebungsmethoden ist eine Zweckänderung nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr bei Rechtsgütern von besonderem

319 So § 10 Abs. 2 Satz 1 VE MEPolG; sodann §§ 20 Abs. 3 Satz 1 HSOG, 22 Abs. 2 Satz 1 SOG LSA. 320 § 43 Abs. 1 Satz 2 SächsPolG. 321 § 37 Abs. 2 Satz 1 PolG BW, Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayPAG, §§ 42 Abs. 2 Satz 1 ASOG Bin, 38 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG, 14 Abs. 1 Satz 1 HbgGDVP, 36 Abs. 1 Satz 2 SOG MV, 23 Abs. 1 Satz 1 PolG NW, 30 Abs. 1 Satz 2 SPolG, 188 Abs. 1 Satz 2 LVwGSH, 39 Abs. 1 ThürPAG. 322 Manche Gesetze beziehen ausdrücklich die Konstellation ein, daß die Polizei personenbezogene Daten unaufgefordert durch Dritte erlangt hat: §§42 Abs. 1 Satz 3 ASOG Bin, 20 Abs. 1 Satz 2 HSOG, 38 Abs. 1 Satz 2 NGefAG, 22 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA. 323 § 10 Abs. 2 Satz 2VE MEPolG; weiter § 37 Abs. 2 Satz 2 PolG BW, Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayPAG, §§ 38 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG, 14 Abs. 1 Satz 2 HbgGDVP, 36 Abs. 1 Satz 3 SOG MV, 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NGefAG, 23 Abs. 1 Satz 2 PolG NW, 30 Abs. 1 Satz 3 SPolG, 188 Abs. 1 Satz 3 LVwGSH, 39 Abs. 1 ThürPAG. 324 Vgl. §§ 43 Abs. 1 Satz 3 SächsPolG, 22 Abs. 2 Satz 2 SOG LSA. 325 So §§ 42 Abs. 2 Satz 2 ASOG Bin, 20 Abs. 3 Satz 2 HSOG. 326 Vergleichbare Methoden: §§ 36 Abs. 1 Satz 3 SOG MV, 188 Abs. 1 Satz 3 LVwGSH. 327 §§ 14 Abs. 2 Satz 1 HbgGDVP, 43 Abs. 1 Satz 3 SächsPolG.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Gewicht sowie zur Vorsorge für die Verfolgung oder zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erlaubt; dies zum Teil vorbehaltlich einer richterlichen Anordnung. 328 Im übrigen werden die Möglichkeiten einer Zweckänderung vereinzelt eingeschränkt, sofern es sich um Daten handelt, die einem Amts- oder Berufsgeheimnis dienen 329 , oder um Daten, die in einer Datei gespeichert sind und für einen anderen als den in der Errichtungsanordnung bestimmten Zweck genutzt, erneut gespeichert und verändert werden sollen. 330 . Zu den sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen zählt regelmäßig und manchmal allein die Erforderlichkeit der Speicherung, Veränderung und Nutzung der Daten zu dem sich jeweils ergebenden Zweck. Einige Gesetze halten zusätzlich fest, daß die Daten rechtmäßig erhoben oder erlangt worden sein müssen.331 Unter diesen Voraussetzungen betreffen die Ermächtigungen nach Maßgabe der jeweiligen sachlichen Erhebungsgrenzen einschließlich der jeweils festgelegten personellen Differenzierungen im Ansatz jedenfalls den Kreis der Personen, der in den ErhebungsVorschriften genannt ist. Hinzu kommen diejenigen, deren Daten die Polizei unaufgefordert durch Dritte erlangt oder durch Übermittlungen erhalten hat. Im übrigen ist schon darauf hingewiesen worden, daß meist auch die Daten unvermeidbar betroffener Dritter (weiter)gespeichert und verwendet werden dürfen, sofern sie zur Strafverfolgung benötigt werden. In den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge sind in einigen Gesetzen dann aber Eingrenzungen vorgesehen. Vereinzelt wird die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten zu diesem Zweck insgesamt begrenzt auf Verbrechen, deren Begehung aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, und auf andere Straftaten, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, daß sie gewerbs-, gewohnheits-, banden- oder organisationsmäßig begangen werden sollen. 332 Für Verbindungspersonen oder Kontakt- und Begleitpersonen sowie für Zeugen, Hinweisgeber und sonstige Auskunftspersonen beschränken sich die Zwecke der Verhütung oder der Verfolgungsvorsorge gelegentlich auf Straftaten mit erheblicher Bedeutung, wenn die sie betreffenden Daten in Dateien 333 - oder restriktiver: such-

328

§ 39 Abs. 4 NGefAG. § 39 Abs. 1 Satz 2 NGefAG. 330 § 14 Abs. 1 Satz 3 HbgGDVP. 331 §§ 42 Abs. 1 Satz 1 ASOG Bin, 39 Abs. 1 BbgPolG, 38 Abs. 1 Satz 1 NGefAG, 24 Abs. 1 PolG NW, 40 Abs. 1 ThürPAG. 332 § 30 Abs. 3 SPolG. Das entspricht den Begrenzungen, die (nur) bei Einsatz besonderer Formen der Erhebung vorgesehen sind. Vgl. zu dieser Regelung Mandelartz!Sauer!Strube, Polizeigesetz, § 30 Rn 13. 333 §§ 43 Abs. 1 Satz 1 ASOG Bin, 20 Abs. 5 Satz 1 HSOG, 22 Abs. 4 SOG LSA. 329

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

161

fähig in Dateien 334 - gespeichert werden. Nach anderen Gesetzen müssen Speicherung und Veränderung unerläßlich sein. 335 Manchmal dürfen Daten über Zeugen oder Auskunftspersonen nicht abrufbar und nur relativ kurzfristig gespeichert werden. 336 Teilweise wird die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten über unvermeidbar betroffene Dritte eingegrenzt. 337 Vereinzelt findet sich zur Polizeilichen Beobachtung eine besondere Bestimmung über die Speicherung der Daten der begleitenden Personen: Sie dürfen nur gespeichert werden, um ihre Bedeutung für den die Ausschreibung begründenden Sachverhalt zu überprüfen, und sind zu löschen, sobald feststeht, daß diese Personen für die Verhütung des Schadens nicht in Anspruch genommen werden können und die Daten für ein mit dem Sachverhalt zusammenhängendes Strafverfahren nicht erforderlich sind. 338 Im weiteren gibt es in allen Gesetzen zum einen zusätzliche Bestimmungen zu den einzelnen Phasen, die phasenspezifische Fragen regeln. Dazu gehören unter anderem bei der Speicherung die Speicherdauer oder im Rahmen der Veränderung die Handhabung besonderer Wertungen. Zum zweiten knüpfen, dies quer zu den phasenspezifischen Regelungen, an den jeweiligen Datenträger - Akte, nicht-automatisierte Datei, automatisierte Datei 339 - verschiedene Vorschriften an. Zur Dauer der Speicherung finden sich verhältnismäßig ausführliche Vorschriften. Manchmal wird als Grundsatz herausgestellt, daß die Speicherung auf das erforderliche Maß zu beschränken ist. 340 Zudem sind Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen festzulegen, an denen spätestens überprüft werden muß, ob die Speicherung oder im Falle automatisierter Dateien die suchfähige Speicherung von Daten noch erforderlich ist. 341 Dabei sind der Speicherungszweck

334

§§ 39 Abs. 4 Satz 1 BbgPolG, 24 Abs. 4 Satz 1 PolG NW. §§ 20 Abs. 5 Satz 1 HSOG, 22 Abs. 4 SOG LSA. 336 § 37 Abs. 3 SOG MV, vgl. auch § 189 Abs. 3 LVwGSH. 337 § 39 Abs. 6 Satz 1 NGefAG. 338 § 189 Abs. 4 LVwGSH. 339 Zu den Begriffsdefinitionen § 3 Abs. 2 und 3 BDSG, dem die landesrechtlichen Vorschriften entsprechen. 340 Art. 37 Abs. 3 Satz 1 BayPAG, § 37 Satz 1 BbgPolG, ähnlich §§ 15 Satz 1 HbgGDVP, 22 Satz 1 PolG NW, 43 Abs. 3 Satz 1 SächsPolG, 38 Abs. 1 Satz 1 ThürPAG. 341 Dazu auch Bad-Württ.VGH, DVB1 1992, S. 1309 (1313): Die vorgegebenen Prüfungstermine und Aufbewahrungsfristen entbinden die Polizei nicht von der Pflicht, im Einzelfall aus gegebenem Anlaß, etwa auf Antrag des Betroffenen, auch schon vor Ablauf der jeweiligen Frist die Erforderlichkeit der weiteren Speicherung der konkreten Daten zu prüfen. 335

11 Albers

162

Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

sowie Art und Bedeutung des Anlasses der Speicherung zu berücksichtigen. 342 Soweit über diese Grundlinien hinaus nähere Regelungen bestehen, folgen sie den Differenzierungen, die im jeweiligen Landesgesetz angelegt sind. Unterschiede werden vor allem zwischen einerseits den Personen, bei denen Anhaltspunkte bestehen oder Tatsachen dafür sprechen, daß sie künftig bestimmte Straftaten begehen, und andererseits deren Kontakt- oder Begleitpersonen sowie sonstigen einbezogenen Personen gemacht. Zur Speicherfrist oder zu Prüfungsterminen sind teilweise bestimmte Zeitspannen als Höchstdauer festgelegt. Manchmal ist eine weitere Speicherung nur zulässig, wenn dies wegen besonderer Gründe im Einzelfall erforderlich ist. 343 Teilweise ist die Entscheidung über die Verlängerung einer Speicherung der Behördenleitung vorbehalten. 344 Dauert die Speicherung der Daten einer Person in automatisierten Dateien länger als drei Jahre, bestehen vereinzelt Unterrichtungspflichten, sobald die Aufgabenerfüllung dadurch nicht mehr gefährdet oder erheblich erschwert wird. 3 4 5 In einer Reihe von Gesetzen sind zudem Pflichten zu Zusatzinformationen oder zur Kennzeichnung vorgesehen. Des öfteren muß grundsätzlich 346 oder jedenfalls im Falle einer Speicherung wertender Angaben 347 oder zusätzlich von Kurzinformationen über bestimmte Sachverhalte 348 in Dateien feststellbar sein, bei welcher Stelle die der Speicherung oder der Bewertung zugrunde liegenden Unterlagen geführt werden. Manchmal dürfen wertende Angaben nicht allein auf Informationen gestützt werden, die unmittelbar durch automatisierte Datenverarbeitung gewonnen wurden. 349 Selten sind dagegen Kennzeichnungspflichten dahin, daß bei der Speicherung in Dateien erkennbar sein muß, zu welcher der Personengruppen die Betroffenen gehören 350 , oder daß in Akten gespeicherte personenbezogene Daten, die mit besonderen Mitteln oder vergleichbaren Methoden erhoben worden sind, zu kennzeichnen sind. 351

342 Art. 37 Abs. 3 Satz 2 - 4 BayPAG, §§ 37 Satz 2 - 5 BbgPolG, 15 Abs. 1 Satz 2 - 5 HbgGDVP, 22 Satz 2 - 4 PolG NW, 43 Abs. 3 Satz 2 - 4 und Abs. 4 und 5 SächsPolG, 38 Abs. 1 Satz 2 - 4 ThürPAG. 343 § 15 Satz 6 HbgGDVP. 344 Vgl. §§ 39 Abs. 4 Satz 4 BbgPolG, 20 Abs. 5 Satz 3 HSOG, 24 Abs. 4 Satz 4 PolG NW, 30 Abs. 3 Satz 3 SPolG. 345 § 24 Abs. 1 SOG LSA. 346 § 37 Abs. 1 Satz 3 PolG BW. 347 §§ 43 Abs. 2 ASOG Bin, 38 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG, 32 BremPolG, 20 Abs. 6 HSOG, 36 Abs. 2 SOG MV, 38 Abs. 3 Satz 2 und 3 NGefAG, 23 Abs. 2 Satz 1 PolG NW, 30 Abs. 4 SPolG, 22 Abs. 6 SOG LSA, 188 Abs. 2 LVwGSH. 348 § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 HbgGDVP. 349 §§ 38 Abs. 2 Satz 2 BbgPolG, 14 Abs. 3 Satz 3 HbgGDVP, 23 Abs. 2 Satz 2 PolG NW. 350 Ausnahme: § 37 Abs. 1 Satz 2 PolGBW. 351 §38 Abs. 2 NGefAG.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

163

Fast alle Polizeigesetze sehen gesondert vor, daß die Polizei personenbezogene Daten, deren Kenntnis sie im Rahmen strafprozessualer Ermittlungsverfahren oder - so wird vereinzelt ergänzt - von Personen, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben 352 , erlangt hat, zur Abwehr einer Gefahr, zur Straftatenverhütung oder zur Verfolgungsvorsorge speichern, verändern und nutzen darf, soweit und solange dies dafür erforderlich ist. 353 Manche Gesetze fügen ein, daß dies nur gilt, soweit die Strafprozeßordnung oder andere gesetzliche Regelungen nicht entgegenstehen.354 Zusammen mit der allgemeinen Ermächtigung sollen die Bestimmungen insbesondere die Informations- und Datenverarbeitung in Kriminalakten und Kriminalaktennachweissystemen dekken. 355 Zum Teil werden Zweckänderungs- oder Verwendungsbeschränkungen ergänzt: Soweit die Daten ausschließlich auf Grund von Befugnissen erhoben wurden, die besonders intensiv eingreifenden polizeigesetzlichen Ermittlungsbefugnissen entsprechen, dürfen sie für andere Verfahren nur genutzt werden, wenn sie auch dafür unter Einsatz dieser Befugnisse hätten erhoben werden dürfen. 356 Nur selten wird der umgekehrte Fall geregelt, daß Daten, die zum Zwekke der Gefahrenabwehr erhoben oder sonst verarbeitet worden sind, nach Maßgabe der Vorschriften über die Strafprozeßordnung zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten gespeichert, verändert und genutzt werden dürfen. 357 Die Erforderlichkeit der Speicherung, Veränderung und Nutzung zur Straftatenverhütung oder Verfolgungsvorsorge wird teilweise näher normiert. Dabei werden insbesondere Anforderungen an die Prognose aufgestellt. Darum hat es nämlich umfassende Diskussionen gegeben. Manchmal wird die Erforderlichkeit gesetzlich als gegeben angesehen, wenn die betroffene Person verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie zukünftig eine Straftat begehen wird. 3 5 8 Teilweise entfällt der Grund der Speicherung, wenn der Verdacht weggefallen ist. 359 Einige Gesetze regeln diesen Punkt ausführlich: Ist der Ausgang eines Strafermittlungsverfah352

Art. 38 Abs. 2 Satz 1 BayPAG, § 43 Abs. 2 Satz 1 SächsPolG. § 38 Abs. 1 Satz 1 PolG BW, Art. 38 Abs. 2 Satz 1 BayPAG, §§ 42 Abs. 3 ASOG Bin, 39 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG, 16 Abs. 2 Satz 1 HbgGDVP, 20 Abs. 4 HSOG, 37 Abs. 1 SOG MV, 39 Abs. 3 Satz 1 NGefAG, 24 Abs. 2 Satz 1 PolG NW, 30 Abs. 2 SPolG, 23 SOG LSA, 43 Abs. 2 Satz 1 SächsPolG, 189 Abs. 1 LVwGSH, 40 Abs. 2 Satz 1 ThürPAG. 354 §§ 42 Abs. 3 ASOG Bin, 20 Abs. 4 HSOG, 23 SOG LSA. 355 Dazu bereits oben Kap. 2 Punkt A.III. Vgl. auch die getrennten Regelungen in § 10 a Abs. 1 und Abs. 3 VEMEPolG. 356 § 16 Abs. 2 Satz 2 HbgGDVP. 357 § 39 Abs. 7 NGefAG. 358 § 38 Abs. 1 Satz 2 und 3 PolG BW. 359 §§ 38 Abs. 2 Satz 5 BbgPolG, 16 Abs. 2 Satz 4 HbgGDVP, 24 Abs. 2 Satz 5 PolG NW, 43 Abs. 2 Satz 2 SächsPolG, 40 Abs. 2 Satz 5 ThürPAG. Im Ergebnis auch § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG BW. 353

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

rens zum Zeitpunkt der Entscheidung über eine Speicherung nicht bekannt, darf die Dauer der Speicherung zunächst drei oder zwei Jahre nicht überschreiten und eine weitere Speicherung nur nach erneuter Prüfling des Sachverhalts und nur unter der Vorausetzung erfolgen, daß die Polizei Erkundigungen hinsichtlich des Ausgangs des Verfahrens einholt; entfällt der dem Verfahren zugrunde liegende Verdacht, sind die Daten zu löschen. 360 Vereinzelt wird ausdrücklich hinzugefügt, daß dies auch in den Fällen des § 153 StPO gilt. 3 6 1 Manchmal ist der Ausgang eines strafprozessualen Verfahrens zusammen mit den entsprechenden Daten zu speichern. 362 Um die Frage, welche Personen die weitere Verarbeitung ihrer aus Strafermittlungsverfahren stammenden Daten hinzunehmen haben, hat es ebenfalls umfangreiche Diskussionen gegeben. Nicht in allen, aber doch in einer Reihe von Gesetzen gibt es dazu Differenzierungen. Sie knüpfen zum Teil auch an den jeweiligen Datenträger an. Manchmal wird die Befugnis zur Speicherung, Veränderung und Nutzung auf Daten über die Personen beschränkt, die einer Straftat verdächtig sind, und an die Voraussetzung gebunden, daß wegen der Art, Ausführung und Schwere der Tat sowie der Persönlichkeit des Verdächtigen die Gefahr der Begehung einer weiteren Straftat besteht und die Datenverarbeitung zur Aufklärung oder Verhütung einer künftigen Straftat erforderlich ist. 363 Teilweise beziehen sich solche Regelungen nur auf die Speicherung in Dateien oder automatisierten Dateien. 364 Manchmal ist eine suchfähige Speicherung der Daten in Dateien und Akten nur über Personen zulässig, gegen die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. 365 Gegebenenfalls muß hier zusätzlich wegen der Art, Ausführung oder Schwere der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen die Besorgnis der Begehung weiterer Straftaten bestehen.366 Weniger restriktiv sind Einschränkungen der Befugnis zur Speicherung, Veränderung und Nutzung der Daten von Kontakt- und Begleitpersonen oder gegebenenfalls von Personen im räumlichen Umfeld einer in besonderem Maß als gefährdet erscheinenden Person, die im Rahmen von Ermittlungsverfahren bekanntgeworden sind: Sollen die Daten in automatisierten Dateien oder suchfähig in Dateien gespeichert werden, wird der Zweck teilweise auf die vor-

360

S. 639.

§§ 37 Abs. 2 SOG MV, 189 Abs. 2 LVwGSH. Dazu Bäumler, Polizeirecht,

361 § 189 Abs. 2 Satz 3 LVwGSH, und dazu Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 640. Das soll den von der Polizei in Anspruch genommenen Kompetenzen zur Beurteilung nach ihren Kriterien entgegenwirken. 362 § 39 Abs. 3 Satz 3 NGefAG. 363 §§ 37 Abs. 1 SOG MV, 189 Abs. 1 LVwGSH. 364 §§ 30 Abs. 2 SPolG, 20 Abs. 4 HSOG, 23 Nr. 2 SOG LSA. 365 §§ 39 Abs. 2 Satz 2 BbgPolG, 24 Abs. 2 Satz 2 PolG NW, 40 Abs. 2 Satz 2 ThürPAG. 366 § 16 Abs. 2 Satz 3 HbgGDVP.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

165

beugende Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung eingegrenzt 367 und zusätzlich eine Unerläßlichkeit verlangt 368 . Manchmal ist die Speicherung von Daten in Dateien unzulässig, sofern es sich um Personen im engeren räumlichen Umfeld einer gefährdeten Person handelt. 369 Im übrigen werden zu diesem Punkt gesonderte Speicherfristen und Löschungspflichten, manchmal auch nur Fristen für die Prüfungstermine 370 festgelegt. Die Höchstfrist beträgt zehn Jahre. Die Fristen beginnen spätestens mit Ablauf des Jahres, in dem das letzte Ereignis erfaßt worden ist, das zur Speicherung der personenbezogenen Daten geführt hat. Nach Fristablauf sind die Daten im Regelfall zu löschen. Teilweise ist die Erforderlichkeit einer weiteren Speicherung zu begründen und dann nach Ablauf einer bestimmten Frist erneut zu prüfen. 371 Die Speicherdauer wird reduziert, soweit die Polizei zur Speicherung, Veränderung und Nutzung auch der Daten von Kontakt- und Begleitpersonen oder von Personen im räumlichen Umfeld einer in besonderem Maß als gefährdet erscheinenden Person ermächtigt wird. 3 7 2 Übergreifend sind die Vorschriften über Errichtungsanordnungen relevant, die in allen Polizeigesetzen ohne besondere Modifikationen enthalten sind. Für jede automatisierte Datei der Polizei sind die Bezeichnung der Datei, die Rechtsgrundlage und der Zweck der Datei, der Personenkreis, über den personenbezogene Daten in der Datei gespeichert werden, die Arten der zu speichernden personenbezogenen Daten, die Arten der personenbezogenen Daten, die der Erschließung der Datei dienen, die Anlieferung oder Eingabe der zu speichernden personenbezogenen Daten, die Voraussetzungen, unter denen in der Datei gespeicherte personenbezogene Daten an welche Empfänger und in welchem Verfahren übermittelt werden, und die Prüffristen festzulegen. Alle Polizeigesetze enthalten außerdem Vorschriften zur Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten, die den allgemeinen Datenschutzbestimmungen entsprechen. Für den Fall, daß unrichtige oder zu löschende personenbezogene Daten übermittelt worden sind, gibt es Nachberichtspflichten an die Datenempfänger.

367

talog.

368

§ 38 Abs. 4 Satz 1 PolG BW. Vgl. auch § 10 a Abs. 4 VE MEPolG: Straftatenka-

§ 10 a Abs. 4 Satz 1 VEMEPolG; § 16 Abs. 3 Satz 1 HbgGDVP. § 39 Abs. 3 Satz 2 NGefAG. 370 § 39 Abs. 2 Satz 3 - 4 BbgPolG (für Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist), § 40 Abs. 1 Satz 3 und 4 ThürPAG (Überprüfungstermine und Aufbewahrungsfristen). 371 Vgl. § 38 Abs. 3 PolG BW. 372 Siehe dazu § 10 a Abs. 4 Satz 2 und 3 VE MEPolG, §§ 38 Abs. 4 Satz 2 - 4 PolG BW, 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 HbgGDVP. 369

166

Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

b) Neuartige Elemente und Strukturen Die Befugnisse der Polizei zur Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten werden zunächst durch die Elemente der Zweckfestlegung und Zweckbindung geprägt. Die der Erhebung nachfolgenden Phasen werden an den Zweck oder an die Zwecke gebunden, zu dem oder zu denen die Polizei die Daten erlangt hat. Dies schließt an die bereits die Erhebungsermächtigungen kennzeichnende Zweckfestlegung an. Es bewirkt erstens wiederum eine Zweckfestlegung in den Phasen der Speicherung, Veränderung und Nutzung. Zweitens verbindet es durch den so einheitlich gegebenen Verwendungszweck sämtliche Phasen miteinander. Auf diese Weise wird ein strukturierter Prozeß der polizeilichen Informations- und Datenverarbeitung rechtlich hergestellt. Zwecke der Gefahrenabwehr, der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge lassen sich dabei unterscheiden. Die Möglichkeit, von den Zweckbindungen abzuweichen, wird mit der Zulassung von Zweckänderungen eingeräumt. Die Polizeigesetze binden deren Zulässigkeit regelmäßig daran, daß die Polizei die Daten zu diesem Zweck erheben dürfte oder hätte erheben dürfen oder hätte erheben und nutzen dürfen. Man hat somit eine hypothetische Prüfung vorzunehmen. Teilweise wird die Zulässigkeit im Falle des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden besonders geregelt. Auch werden die Möglichkeiten einer Zweckänderung vereinzelt eingeschränkt, sofern es sich um Daten handelt, die einem Amts- oder Berufsgeheimnis dienen. Neben den allgemeinen Regelungen wird es insbesondere zugelassen, personenbezogene Daten, deren Kenntnis die Polizei im Rahmen strafprozessualer Ermittlungsverfahren oder auch von Personen, die verdächtig sind, eine Straftat begangen zu haben, erlangt hat, zur Abwehr einer Gefahr, zur Straftatenverhütung oder zur Verfolgungsvorsorge zu speichern, zu verändern und zu nutzen. Damit soll die polizeiliche Praxis, namentlich zur Verfolgungsvorsorge Kriminalakten oder Dateien weiterzufuhren, ausdrücklich abgesichert werden. In einigen Gesetzen spiegelt sich das Problem der Gesetzgebungskompetenz und der Abstimmung mit der Strafprozeßordnung wider. Der umgekehrte Fall - Änderung von Gefahrenabwehrzwecken der StrafVerfolgungzwecken wird demgegenüber selten geregelt. Die Speicherung, Veränderung und Nutzung der Daten wird ebenso wie die Datenerhebung an die Erforderlichkeit zu dem sich jeweils ergebenden Zweck gebunden. Das wird bei Daten, die aus strafrechtlichen Ermittlungsverfahren stammen, mit Anforderungen an die Prognose (Wiederholungsgefahr), teilweise auch in Abstimmung mit den strafprozessualen Entscheidungen spezifiziert. Diese Abstimmung schränkt die Kompetenz der Polizei ein, über die Erforderlichkeit nach ihren Kriterien zu entscheiden. Von besonderem Interesse ist die in einigen Gesetzen festgehaltene Anforderung einer rechtmäßigen Erhebung oder Erlangung der Daten. Sie reagiert auf

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

167

das Problem der Rechtmäßigkeits- oder Rechtswidrigkeitszusammenhänge zwischen den jeweiligen Phasen der Informations- und Datenverarbeitung. Eine Frage, die im Strafprozeßrecht immer schon zu thematisieren und immer strittig war, ist nunmehr auch in den Polizeigesetzen zu lösen. In personeller Hinsicht betreffen die Ermächtigungen nach Maßgabe der jeweiligen sachlichen Erhebungsgrenzen zunächst die Personen, die in den Erhebungsvorschriften genannt sind. Hinzu kommen diejenigen, deren Daten die Polizei unaufgefordert durch Dritte erlangt oder durch Übermittlungen erhalten hat. In den Aufgabenbereichen der Straftatenverhütung oder der Verfolgungsvorsorge werden die Speicher-, Veränderungs- und Nutzungsmöglichkeiten bei Verbindungspersonen oder Kontakt- und Begleitpersonen sowie Zeugen, Hinweisgebern und sonstigen Auskunftspersonen aber eingeschränkt. Über die allgemeinen Regelungen hinaus gilt das in den Fällen der Zweckänderungen von Daten, die im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren erlangt worden sind. Insoweit gelten auch für die dort verdächtigten oder beschuldigten Personen besondere Voraussetzungen, namentlich Anforderungen an die Prognose der Erforderlichkeit der Daten oder der Wiederholungsgefahr. Im übrigen bestehen die Regelungsmuster alternativ oder auch kumulativ in der Ausklammerung von Personengruppen, in der Begrenzung der Straftaten, in näheren Anforderungen an die Relevanz der Daten, in Einschränkungen mit Blick auf das Speichermedium oder in restringierenden Fristenbestimmungen. Schutzvorkehrungen etwa bei wertenden Angaben in Dateien oder zur Sicherung einer Kennzeichnung, welcher Kategorie Personen zuzuordnen oder ob Daten mit besonderen Methoden erhoben worden sind, sind selten gesetzlich geregelt. Demgegenüber fallen die relativ detaillierten Vorschriften über Speicherfristen und Prüfungstermine auf. 3. Befugnisse zur Datenübermittlung und zum Datenempfang Für die Aufgaben der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge haben auch die Übermittlungs- und Empfangsbefugnisse große Bedeutung. Das gilt für die Zusammenarbeit der Landespolizeibehörden untereinander ebenso wie für deren Verhältnis zu den Bundespolizeien. Gerade dem Bundeskriminalamt kommen als Zentralstelle im kriminalpolizeilichen Bereich (vgl. § 2 BKAG), aber auch im Hinblick auf den Dienstverkehr mit ausländischen Polizei- und Justizbehörden (§ 3 BKAG) Schlüsselfunktionen zu, die den Informationsaustausch voraussetzen.373 Es gilt aber auch für das Verhältnis zu anderen staatlichen Stellen. Unter anderem ist relevant, inwieweit die Polizei an den Datenbeständen anderer Behörden partizipieren darf. 374 373 374

Vgl. oben Kap. 2 Punkt A.III und IV. Dazu Kap. 2 Punkt A.IV.

168

Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Der Tatbestand einer Übermittlung 375 von Informationen oder Daten hängt nicht von der Gestaltung der Verwendungszwecke 376, sondern davon ab, wie der in dieser Hinsicht als Verwaltungseinheit anzusehende Bereich bestimmt wird. Dabei bestehen Spielräume, soweit die Regelungsanforderungen beachtet werden, die die jeweils gewählte Beschreibung der Verwaltungseinheiten nach sich zieht. Unabhängig davon ist vor dem Hintergrund der Entwicklung des Begriffs der „Polizei" 3 7 7 gerade deren Abgrenzung als eigenständige Behörde in den Landesgesetzen unterschiedlich geregelt. Beide Aspekte erklären, warum die Weitergabe innerhalb einer Behörde zwischen Stellen, die unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen, in einigen Polizeigesetzen gesondert als Datenübermittlung ausgewiesen, nach anderen Gesetzen dagegen nicht als Datenübermittlung anzusehen ist. 3 7 8 Da an Übermittlungen jeweils zwei Stellen beteiligt sind, hat die Gesetzgebung gegebenenfalls zwei Regelungskomplexe zu beachten und - unter Umständen im Verhältnis Bund-Land - zu koordinieren. Dabei geht es nicht um „bloße Normierungsduplizität", sondern um ein „korrelierendes Befugjiisnorminstrumentarium". 379 a) Die Ermächtigungen zur Datenübermittlung Die Polizeigesetze differenzieren Datenübermittlungen zwischen Polizeibehörden untereinander, an die sonst für die Gefahrenabwehr zuständigen öffentlichen Stellen und an sonstige öffentliche Stellen. 380 Sie regeln darüber hinaus die - im folgenden ausgeklammerten - Übermittlungen an ausländische Stellen sowie an nichtöffentliche Stellen. An andere Polizeidienststellen dürfen personenbezogene Daten übermittelt werden, soweit dies zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben erforderlich ist. 3 8 1 375

Vgl. die Def. in § 3 Abs. 5 Nr. 3 BDSG. Deshalb ist es mindestens unscharf, die Weitergabe von Informationen oder Übermittlung von Daten als eine Verwendung für andere Zwecke als diejenigen, für welche sie erhoben worden sind, zu beschreiben, so aber Gusy, Informationelle Zusammenarbeit, S. 634. 377 Oben Kap. 1 Punkt B.I. 378 Vgl. etwa §§ 44 Abs. 1 Satz 2 ASOG Bin, 18 Abs. 1 Satz 3 HbgGDVP einerseits, § 41 Abs. 5 BbgPolG andererseits. 379 Marenbach, Beziehungen, S. 88. 380 Das RhPfPOG enthält Ermächtigungen nur für die Übermittlung personenbezogener Informationen und Daten, die durch verdeckte Ermittlungen unter Einsatz besonderer technischer Mittel oder von längerer Dauer erlangt worden sind, § 25 c Abs. 1 und 2 RhPfPOG. Das SächsPolG enthält im hier interessierenden Bereich keine allgemeinen Übermittlungsbestimmungen. 381 § 42 Abs. 1 PolG BW, Art. 40 Abs. 1 Satz 1 BayPAG, §§ 44 Abs. 1 ASOG Bin, 42 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG, 33 Abs. 1 Satz 1 BremPolG (hier: „unerläßlich"), 19 Abs. 1 HbgGDVP, 22 Abs. 1 Satz 1 HSOG, 40 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, 41 Abs. 1 Satz 1 376

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

169

Manchmal wird dies um die Voraussetzung ergänzt, daß die Daten in Erfüllung der polizeilichen Aufgaben erlangt worden sind. 382 Des öfteren wird ausdrücklich festgehalten, daß die Ermächtigung auch für Datenübermittlungen an Polizeidienststellen anderer Länder oder des Bundes gilt. 3 8 3 Teilweise wird in diesem Rahmen, teilweise auch erst im Rahmen des automatisierten AbrufVerfahrens geregelt, daß die Polizei oder das Innenministerium zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben einen Datenverbund vereinbaren darf, der eine automatisierte Datenübermittlung zwischen Polizeidienststellen des Landes und Polizeidienststellen des Bundes und der Länder ermöglicht. 384 Das soll das INPOL-System polizeigesetzlich absichern. Das INPOL-System nimmt gerade in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge eine zentrale Rolle ein. Vor allem bei organisierter Kriminalität ist häufig eine überörtliche Bedeutung gegeben. Da das INPOLSystem in seiner bisherigen Form als nicht hinreichend effektiv angesehen wird, wird es derzeit modernisiert. 385 Dabei werden auch operative polizeiliche Konzeptionen oder das Interesse an einer nicht allein delikts-, sondern zudem täterorientierten Informationsbasis in die Diskussion eingebracht. 386 Wie sich das System gestaltet und mit den länderpolizeigesetzlichen Verarbeitungsbefugnissen korreliert, ist insgesamt ein wichtiger Punkt. Denn die Grenzen etwa der länderpolizeigesetzlichen Speicherbefugnisse wären praktisch weitgehend bedeutungslos, sofern sie durch Übermittlungen an das INPOL-System und durch Abruf- oder sonstige Empfangsmöglichkeiten von Daten aus dem System ausgehebelt werden könnten. Die Grundzüge des polizeilichen Informationssystems sind mittlerweile ihrerseits mit bestimmten Vorgaben, die ähnliche Regelungsstrukturen und -elemente wie die Länderpolizeigesetze aufweisen und im Vergleich jedenfalls teilweise einer eher restriktiven Linie folgen, bundesgesetzlich geregelt (§ 11 BKAG). 3 8 7 Die Abstimmung mit dem Landespolizeirecht bereitet aber Schwierigkeiten. 388 Rechtlich sind Inhalt und Reichweite der NGefAG, 27 Abs. 1 Satz 1 PolG NW, (eingeschränkt) 25 c Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 RhPfPOG, 33 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 27 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA, 192 Abs. 1 Satz 1 LVwGSH, 41 Abs. 1 Satz 1 ThürPAG. 382 §§22 Abs. 1 Satz 1 HSOG, 27 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA. 383 Art. 40 Abs. 1 S. 2 BayPAG, §§ 44 Abs. 1 ASOG Bin, 22 Abs. 1 Satz 2 HSOG, 40 Abs. 2 SOG MV, 41 Abs. 1 Satz 2 NGefAG, 27 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA, 192 Abs. 2 LVwGSH. 384 Siehe §§ 27 Abs. 3 HbgGDVP, 40 Abs. 3 SOG MV, 42 Abs. 5 NGefAG, 192 Abs. 3 LVwGSH (jeweils eingeschränkt auf Aufgaben, die überörtliche Bedeutung haben) sowie Art. 46 Abs. 3 BayPAG, §§42 Abs. 3 Satz 2 PolG BW, 46 Abs. 5 ASOG Bin, 48 Abs. 2 SächsPolG. 385

3 8 6Zur 387 388

laufenden Reform des INPOL-Systems siehe die Nw in Kap. 2 Fn 48. Vgl. RublacK Inpol-neu, S. 439, 440 f. Siehe insbesondere § 11 Abs. 2 Satz 3 BKAG i.V.m. §§7-9 BKAG. Rublack, Inpol-neu, S. 441.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Art. 73 Nr. 10, 87 Abs. 1 Satz 2 GG nicht leicht zu bestimmen. Es gibt aber auch zahlreiche Interessen an einer bestimmten Lösung, die sich mit der Bedeutung des INPOL-Systems erklären lassen. Die landespolizeigesetzlichen Regelungen zur Beteiligung daran haben vor diesem gesamten Hintergrund einen äußerst dürftigen und unzureichenden Gehalt. Sind andere Behörden oder öffentliche Stellen fur die Gefahrenabwehr zuständig, kann die Polizei ihnen die bei ihr vorhandenen personenbezogenen Daten übermitteln, soweit dies oder die Kenntnis dieser Daten zur Erfüllung der Aufgaben der datenempfangenden Stelle erforderlich ist 3 8 9 oder erscheint. 390 Im übrigen kann die Polizei personenbezogene Daten an Behörden und öffentliche Stellen übermitteln, soweit dies zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben oder zur Abwehr einer Gefahr durch den Empfänger erforderlich ist. 391 Manchmal werden die Zwecke der Gefahrenverhütung oder -beseitigung, der Abwehr erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl, der Wahrung sonstiger schutzwürdiger Interessen oder der Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer Person ergänzt. 392 Einige Gesetze verweisen für die Übermittlung personenbezogener Daten an das Landesamt für Verfassungsschutz auf das Landesverfassungsschutzgesetz. 393 Über diese generalklauselartigen Ermächtigungen hinaus gibt es zur Straftatenverhütung und zur Verfolgungsvorsorge besondere Bestimmungen. Sie erklären sich im ersten Schritt mit der nach den Aufgabenzuweisungen nicht auf eine Eil- oder Auffangkompetenz beschränkten Zuständigkeit der Polizei. Weiter liegen sie an dem besonderen Schutzbedarf der betroffenen Personen, der 389

§§ 42 Abs. 2 Satz 1 PolG BW, 44 Abs. 1 ASOG Bin, 40 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, 41 Abs. 1 Satz 1 NGefAG, 192 Abs. 1 Satz 1 LVwGSH. Eingeschränkt: § 33 Abs. 1 Satz 2, 3 und 5 BremPolG. 390 Art. 40 Abs. 3 BayPAG, §§ 43 Abs. 2 BbgPolG, 20 Abs. 2 HbgGDVP, 22 Abs. 1 Satz 3 HSOG, 41 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, 28 Abs. 2 PolG NW, 34 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 27 Abs. 1 Satz 3 SOG LSA, 193 Abs. 1 Satz 1 LVwGSH, 41 Abs. 2 Satz 1 ThürPAG. Der Begriff „erscheint" reagiert darauf, daß die Polizei die Daten „von sich aus" übermittelt. 391 § 43 Abs. 1 Satz 1 PolG BW, Art. 40 Abs. 2 und 4 Nr. 1 BayPAG, §§ 44 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ASOG Bin, 43 Abs. 1 und 3 Nr. 1 und 2 BbgPolG, (restriktiver) 33 Abs. 1 Satz 1 BremPolG, 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 HbgGDVP, 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 3 HSOG, (restriktiver) 41 Abs. 1 Satz 2 SOG MV, 43 Abs. 1 Nr. 1 und 2 NGefAG, 28 Abs. 1 und 3 Nr. 1 und 2 PolG NW, 34 Abs. 1 Satz 2 SPolG, 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 3 SOG LSA, (restriktiver) 193 Abs. 1 Satz 2 LVwGSH, 41 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 ThürPAG. 392 Art. 40 Abs. 4 Nr. 2 und 3 BayPAG, §§ 44 Abs. 2 Nr. 3 und 4 ASOG Bin, 43 Abs. 3 Nr. 3 BbgPolG, 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 HbgGDVP, 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 5 HSOG, 43 Abs. 1 Nr. 3 NGefAG, 28 Abs. 3 Nr. 3 PolG NW, 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und 5 SOG LSA, 41 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 ThürPAG. 393 § 43 Abs. 2 PolG BW, Art. 39 Abs. 4 BayPAG, §§ 41 Abs. 4 SOG MV, 40 Abs. 3 NGefAG, 193 Abs. 4 LVwGSH, 41 Abs. 2 Satz 2 ThürPAG.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

171

aufgrund der Charakteristika dieser Aufgaben besteht. Die restriktivsten Fassungen sehen vor, daß die in diesem Rahmen über Personen gespeicherten Daten nur an andere Polizeidienststellen übermittelt werden dürfen. 394 Andere Regelungen lauten, daß Daten über Kontakt- und Begleitpersonen, über Zeugen, Hinweisgeber und sonstige Auskunftspersonen oder - so vereinzelt zusätzlich 395 - über Personen, die mit einer zur Polizeilichen Beobachtung ausgeschriebenen Person angetroffen werden, nur an Polizeibehörden 396 und weiter an andere mit Aufgaben der Strafverfolgung betraute Stellen 397 oder zusätzlich auch an andere Ordnungsbehörden 398 übermittelt werden dürfen. Übermittlungseinschränkungen gelten auch für wertende Angaben. 399 Gelegentlich wird festgehalten, daß die Übermittlung nicht zu einer Erweiterung des Kreises der Stellen nach § 41 BZRG führen darf, die von Eintragungen, die in ein Führungszeugnis nicht aufgenommen werden, Kenntnis erhalten; das Verwertungsverbot im Bundeszentralregister getilgter oder zu tilgender Eintragungen nach §§ 51, 52 BZRG ist zu berücksichtigen. 400 Manchmal bedarf die Übermittlung personenbezogener Informationen, die die Polizei im Rahmen von Strafermittlungsverfahren über Verdächtige gewonnen und zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten gespeichert hat, während eines laufenden Ermittlungsverfahrens der Zustimmung der Staatsanwaltschaft. 401 Die Ermächtigungen zur Übermittlung werden außerdem meistens - ebenso wie die Ermächtigungen zur Speicherung, Veränderung und Nutzung - durch Vorschriften zur Zweckbestimmung, Zweckbindung und Zweckänderung geprägt. 402 Auf diese Weise entsteht eine grundsätzliche Verbindung zu den Bestimmungen über die vorangegangenen Phasen der Datenverarbeitung. Die Polizei darf personenbezogene Daten grundsätzlich nur zu dem Zweck übermitteln, zu dem sie die Daten erlangt oder gespeichert hat. 403 Einige Polizeigesetze 394

§§ 40 Abs. 1 Satz 3 SOG MV, 192 Abs. 1 Satz 3 LVwGSH. § 40 Abs. 2 NGefAG. 396 §§ 41 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG, 26 Abs. 1 Satz 3 PolG NW (eingeschränkt auf suchfähig gespeicherte Daten), 32 Abs. 2 Satz 1 SPolG. 397 So §§ 18 Abs. 2 HbgGDVP, 40 Abs. 2 NGefAG. 398 § 44 Abs. 4 ASOG Bin, ähnlich §§42 Abs. 1 und 2, 43 Abs. 1 Satz 2 PolG BW. 399 §§ 44 Abs. 4 ASOG Bin, 33 Abs. 1 Satz 4 BremPolG, 18 Abs. 2 HbgGDVP, 21 Abs. 3 HSOG, 39 Abs. 1 Satz 3 SOG MV, 40 Abs. 2 NGefAG, 32 Abs. 2 Satz 2 SPolG, 26 Abs. 3 SOG LSA, 191 Abs. 1 Satz 3 LVwGSH. 400 §§ 21 Abs. 4 HSOG, 26 Abs. 4 SOG LSA. 401 § 32 Abs. 1 Satz 3 SPolG. 402 Ausnahmen: § 41 ff. PolG BW, Art. 39 ff. BayPAG. 403 §§ 44 Abs. 1 Satz 2 ASOG Bin, 41 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG, 18 Abs. 1 Satz 1 HbgGDVP, 21 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 1 Satz 4 HSOG, 39 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, in umgekehrter Formulierung: § 40 Abs. 1 Satz 1 NGefAG, §§26 Abs. 1 Satz 1 PolG NW, 32 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 26 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA, 191 Abs. 1 Satz 1 LVwGSH, 41 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 ThürPAG. 395

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

verstärken diese Zweckbindung dadurch, daß Daten, die mit besonderen Mitteln erhoben worden sind, nur übermittelt werden dürfen, wenn sie auch für den neuen Zweck mit denselben oder entsprechenden Methoden hätten erhoben werden dürfen. 404 Vereinzelt wird nicht in der Identität oder Vergleichbarkeit der Ermächtigungen zum Einsatz besonderer Methoden das entscheidende Kriterium gesehen, sondern darin, daß Zweckänderungen in solchen Fällen nur zugunsten näher bestimmter Rechtsgüter von besonderem Gewicht zugelassen werden. 405 Abweichend von der grundsätzlich vorgeschriebenen Zweckbindung ist die Übermittlung aufgrund von Ermächtigungen zur Zweckänderung zulässig, soweit dies durch Gesetz zugelassen oder zur Abwehr einer Gefahr erforderlich bzw. unerläßlich ist und der Empfänger die Daten auf andere Weise nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erlangen kann. 406 Für die Übermittlung zwischen Polizeibehörden finden sich dann Modifikationen durch den Verweis auf die Zweckänderungsbestimmungen, die für die Verarbeitung oder Nutzung der Daten zu anderen Zwecken als den Erhebungszwecken gelten. 407 Eine ausschließliche Bindung an den ursprünglichen Zweck sehen die meisten Gesetze vor, sofern die von der Polizei zu übermittelnden Daten einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen und in dessen Ausübung zur Verfügung gestellt worden sind. 408 Im übrigen ist in fast allen Gesetzen eine Zweckbindung für die Empfänger der übermittelten Daten festgelegt. 409 Der Empfänger darf die übermittelten personenbezogenen Daten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck nutzen, zu dem sie ihm übermittelt worden sind.

404

§§ 18 Abs. 1 Satz 2 HbgGDVP, 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SOG MV, 192 Abs. 1 Satz 2 LVwGSH. 405 §§ 41 Abs. 2, 43 Abs. 3 NGefAG. Ähnlich - Übermittlung zugunsten der Rechtsgüter, die auch die Erhebung mit besonderen Methoden rechtfertigen - § 25 c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 RhPfPOG; die Übermittlung an Polizeibehörden ist von dieser Einschränkung allerdings ausdrücklich ausgenommen. 406 Vgl. § 10 c Abs. 5 Satz 2 VE MEPolG. Sodann §§41 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG, 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 HbgGDVP (weiter eingeschränkt), 22 Abs. 4 HSOG, 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 SOG MV, 26 Abs. 1 Satz 2 PolG NW, 32 Abs. 1 Satz 2 SPolG, 191 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 LVwGSH, in kaum verständlicher Fassung auch § 41 Abs. 5 Satz 2 ThürPAG. 407 Vgl. etwa §§ 40 Abs. 1 Satz 2 SOG MV, 33 Abs. 1 Satz 2 SPolG. 408 § 41 Abs. 2 Satz 2 und 3 PolG BW (mit Ausnahmen), Art. 39 Abs. 3 BayPAG, §§ 41 Abs. 2 BbgPolG, 18 Abs. 3 HbgGDVP, 21 Abs. 2 HSOG, 39 Abs. 2 SOG MV, 26 Abs. 2 PolG NW, 32 Abs. 3 SPolG, 26 Abs. 2 SOG LSA, 191 Abs. 2 LVwGSH, 41 Abs. 6 ThürPAG. 409 § 10 c Abs. 9 VE MEPolG. Sodann § 41 Abs. 2 Satz 1 PolG BW, Art. 39 Abs. 2 BayPAG, §§ 44 Abs. 6 ASOG Bin, 41 Abs. 4 BbgPolG, 18 Abs. 5 HbgGDVP, 21 Abs. 6 HSOG, 39 Abs. 5 SOG MV, 26 Abs. 4 PolG NW, 32 Abs. 5 SPolG, 26 Abs. 6 SOG LSA, 191 Abs. 5 LVwGSH, 41 Abs. 9 ThürPAG.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

173

In fast allen Polizeigesetzen gibt es besondere Vorschriften über die Verantwortlichkeit für die Rechtmäßigkeit einer Datenübermittlung und über die entsprechenden Prüfungs- und Entscheidungskompetenzen. Sie gestalten sich in Abhängigkeit davon, ob die Polizei die Daten von sich aus oder auf Ersuchen übermittelt. Grundsätzlich trägt die übermittelnde Stelle die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung. Im Falle eines Übermittlungsersuchens hat der potentielle Empfänger die zur Prüfung erforderlichen Angaben zu machen. Ersucht eine öffentliche Stelle um die Übermittlung von Daten, ist in der Regel lediglich zu prüfen, ob das Ersuchen im Rahmen derer Aufgaben liegt, es sei denn, es besteht ein besonderer Anlaß zu einer weitergehenden Prüfung. 410 Als Schutzvorkehrung zur Sicherung der Kontrolle und individueller Rechte sehen einige Gesetze darüber hinaus vor, daß eine Übermittlung personenbezogener Daten aktenkundig zu machen ist. Im Falle mündlicher Auskünfte gilt das nur, soweit zur Person bereits schriftliche Unterlagen geführt werden. 411 Manchmal sind Empfänger, Zeitpunkt und wesentlicher Inhalt der Übermittlung festzuhalten. 412 b) Ermächtigungen zur Datenübermittlung an die Polizei Eine Reihe von Polizeigesetzen enthalten Regelungen zur Datenübermittlung an die Polizei. Danach dürfen öffentliche Stellen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, von sich aus personenbezogene Daten an die Polizei übermitteln, wenn anzunehmen ist, daß die Übermittlung zur Erfüllung der Aufgaben der Polizei erforderlich sein kann. 413 Es handelt sich nicht unbedingt um eine „wunderliche Norm" 4 1 4 , sondern um eine Reaktion auf die Forderungen bereichsspezifischer Übermittlungsermächtigungen. Sie soll vermeiden, daß in sämtlichen Gesetzen, die die Kompetenzen der jeweils übermittelnden Behörden regeln, entsprechende Ermächtigungen aufgenommen werden müssen, damit nicht das Fehlen einer bereichsspezifischen Ermächtigung gerügt wird und Übermittlungen unterbleiben. Ob die jeweils vorgesehene Pauschalermäch-

410 § 10 c Abs. 8 VE MEPolG. Weiter § 41 Abs. 1 PolG BW, Art. 39 Abs. 1 BayPAG, §§ 44 Abs. 5 ASOG Bin, 41 Abs. 3 BbgPolG, 18 Abs. 4 HbgGDVP, 21 Abs. 5 HSOG, 39 Abs. 3 SOG MV, 40 Abs. 4 i.V.m. 11 Abs. 3 NGefAG, 26 Abs. 3 PolG NW, 32 Abs. 4 SPolG, 26 Abs. 5 SOG LSA, 191 Abs. 3 LVwGSH, 41 Abs. 8 ThürPAG. 411 §§ 39 Abs. 4 SOG MV, 40 Abs. 1 Satz 2 und 3 NGefAG, 191 Abs. 4 LVwGSH. 412 §§ 21 Abs. 1 Satz 2 HSOG, 26 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA. 413 Art. 42 Abs. 1 Satz 1 BayPAG, §§ 45 Abs. 1 BbgPolG, 33 Abs. 3 BremPolG, 30 Abs. 1 PolG NW. Ähnlich § 33 Abs. 3 BremPolG sowie mit Übermittlungspflichten §§22 Abs. 5 HSOG, 27 Abs. 5 SOG LSA, 41 Abs. 7 ThürPAG. 414 Berner/Köhler, Polizeiaufgabengesetz, Art. 42 Rn 1.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

tigung eine geglückte und tragfähige Lösung darstellt, ist allerdings eine andere Frage. Die Polizei selbst kann daneben an öffentliche Stellen Ersuchen um Übermittlung personenbezogener Daten stellen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist oder wenn die Voraussetzungen für eine Datenerhebung vorliegen. 415 Die ersuchte Stelle prüft für die Zulässigkeit der Übermittlung in der Regel nur, ob das Ersuchen im Rahmen der Aufgaben der Polizei liegt. Sie hat die Daten an die Polizei zu übermitteln, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. 4 1 6 c) Das automatisierte AbrufVerfahren Die meisten Polizeigesetze enthalten Bestimmungen zur Einrichtung eines automatisierten Verfahrens, das die Übermittlung personenbezogener Daten an Polizeibehörden durch Abruf aus polizeilichen Dateien ermöglicht. Die Einrichtung ist teils lediglich an das Vorliegen (vollzugs)polizeilicher Aufgaben 417 , teils daran gebunden, daß diese Form der Datenübermittlung unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange der Betroffenen und der Erfüllung polizeilicher Aufgaben angemessen ist. 418 Vereinzelt lautet die Regelung, daß das öffentliche Interesse an der Einrichtung automatisierter Dateien gegenüber möglichen Gefahren für schutzwürdige Belange der Betroffenen überwiegen muß und daß durch die Automatisierung keine unangemessene Verkürzung oder Verzerrung des Sachverhalts entstehen darf. 419 Der Abruf durch andere als polizeiliche Stellen ist ausgeschlossen420 bzw. nur aufgrund besonderer Rechtsvorschriften zulässig 421 . Da der Online-Zugriff dadurch gekennzeichnet ist, daß die übermittelnde Stelle den Abruf nicht kontrollieren kann, trägt der Empfänger die Ver-

415

Zweite Alternative: § 41 Abs. 7 Satz 3 ThürPAG. Art. 42 Abs. 2 BayPAG, §§ 45 Abs. 2 BbgPolG, 30 Abs. 2 PolG NW. Ähnlich § 41 Abs. 7 Satz 2 und 4 ThürPAG. 417 § 42 Abs. 3 Satz 1 PolG BW, ohne sachliche Voraussetzungen: § 48 Abs. 1 SächsPolG. 418 Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayPAG, §§ 46 Abs. 1 Satz 1 ASOG Bin, 24 Abs. 1 Satz 1 HSOG, 42 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, 42 Abs. 1 Satz 2 NGefAG i.V.m. 12 Abs. 2 Satz 3 NDSG, 33 Abs. 5 PolG NW i.V.m. 9 DSG NW, 35 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 29 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA, 194 Abs. 1 Satz 1 LVwGSH, 42 Abs. 1 Satz 1 ThürPAG. Zu Kriterien zur Konkretisierung dieser vagen Begriffe Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 744. 419 § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 HbgGDVP. 420 So ausdrücklich §§ 46 Abs. 1 Satz 2 ASOG Bin, 24 Abs. 1 Satz 2 HSOG, 33 Abs. 5 PolG NW, 29 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA, 42 Abs. 1 Satz 2 ThürPAG. §§42 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, 48 Abs. 1 SächsPolG und 194 Abs. 1 Satz 1 LVwGSH erstrecken die Ermächtigung von vornherein allein auf Polizei- oder auch auf Ordnungsbehörden. 421 So Art. 46 Abs. 1 Satz 2 BayPAG. 416

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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antwortung fur dessen Rechtmäßigkeit.422 Meist wird die Sicherstellung der Möglichkeit stichprobenartiger Kontrollen verlangt. 423 Relevant für die Polizei ist auch die Möglichkeit des automatisierten Abrufs von Daten aus Dateien anderer Stellen. Diese richtet sich nach dem dafür jeweils einschlägigen Gesetz. Zu den praktisch wichtigen Ermächtigungsnormen gehört der Abruf der beim Kraftfahrzeugbundesamt gespeicherten Fahrzeugund Halterdaten (§ 36 StVG). d) Datenabgleich Unter den Datenabgleich fassen die Polizeigesetze die Feststellung, ob zu einer Person, deren Daten abgeglichen werden, bereits eine Speicherung in polizeilichen Dateien enthalten ist. Die Normen geben nicht die Befugnis zur Erhebung der abzugleichenden Daten her. Die Polizei kann daher nur Daten miteinander abgleichen, die ihr schon bekannt sind. Daten der nach Gefahrenabwehrgrundsätzen verantwortlichen Personen 424 und nach einigen Gesetzen auch der Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen oder Tatsachen dafür sprechen, daß diese Personen künftig Straftaten begehen werden 425 , dürfen ohne weitere Einschränkung mit dem Inhalt polizeilicher Dateien abgeglichen werden. Daten der je anderweitigen Personen darf die Polizei abgleichen, wenn dies aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte oder aufgrund von Tatsachen zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben geboten erscheint 426 oder wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dies zur Wahrnehmung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich ist. 427 Nach allen Gesetzen darf die 422 Vgl. § 42 Abs. 5 PolG BW, Art. 39 Abs. 1 Satz 4 BayPAG, §§ 41 Abs. 3 Satz 4 BbgPolG, 18 Abs. 4 Satz 4 HbgGDVP, 26 Abs. 3 Satz 4 Polg NW. 423 Vgl. §§ 27 Abs. 1 Satz 4 HbgGDVP, 24 Abs. 3 HSOG, weitergehend: 42 Abs. 1 Satz 2 SOG MV, 42 Abs. 2 NGefAG, 29 Abs. 2 SOG LSA, 194 Abs. 1 Satz 2 LVwGSH. 424 § 39 Abs. 1 Satz 1 PolG BW, Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayPAG, §§ 40 Abs. 1 Satz 1 BbgPolG, 22 Abs. 1 Satz 1 HbgGDVP, 25 Abs. 1 Satz 1 HSOG, 43 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, 25 Abs. 1 Satz 1 PolG NW, 46 Abs. 1 Satz 1 SächsPolG, 43 Abs. 1 Satz 1 ThürPAG. 425 § 10 e Abs. 1 Satz 1 VE MEPolG. Ferner §§ 22 Abs. 1 Satz 1 HbgGDVP, 25 Abs. 1 Satz 1 HSOG, 43 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, 36 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 30 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA, im Rahmen der Zweckbindung der Dateien § 195 Abs. 1 Satz 1 LVwGSH. 426 § 10 e Abs. 1 Satz 2 VE ME PolG. Weiter §§ 25 Abs. 1 Satz 2 HSOG, 43 Abs. 1 Satz 2 SOG MV, 36 Abs. 1 Satz 2 SPolG, 30 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA (zur Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe), 195 Abs. 1 Satz 2 LVwGSH, 43 Abs. 1 Satz 2 ThürPAG. 427 § 39 Abs. 1 Satz 2 PolG BW, Art. 43 Abs. 1 Satz 2 BayPAG, §§ 40 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG, 22 Abs. 1 Satz 2 HbgGDVP, 25 Abs. 1 Satz 2 PolG NW, 46 Abs. 1 Satz 2 SächsPolG; ähnlich, aber mit der zusätzlichen Voraussetzung, daß sich der Abgleich im

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Polizei ferner personenbezogene Daten, die sie im Rahmen ihrer Aufgabenerfullung 428 oder - in anderer Fassung - rechtmäßig 429 erlangt hat, mit dem Fahndungsbestand abgleichen. Das deckt insbesondere die Abfrage im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle, bei der die Daten des angehaltenen Verkehrsteilnehmers mit dem INPOL-Fahndungsbestand abgeglichen werden. 430 e) Rasterfahndung Die Rasterfahndung, für die es in den meisten Polizeigesetzen eine Ermächtigung gibt 4 3 1 , ist eine besondere Form des Abgleichs von Daten oder Suchmerkmalen, die bei der Polizei vorhanden sind, mit Datenbeständen, die bei anderen Stellen gespeichert sind. Sie ist zu Zwecken der Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden oder gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person 432 , darüber hinaus für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes 433 oder weitergehend zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr 434 oder zur Verhinderung von Straftaten von erheblicher Bedeutung435 zugelassen. Teilweise darf sie auch 436 oder allein zu Zwecken der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung 437 eingesetzt werden. Als sachliche Tatbestandsvoraussetzungen müssen tatsächliche Anhaltspunkte oder Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dies zur Abwehr

Rahmen der Zweckbestimmung der Datei halten muß, §§45 Abs. 1 Satz 4 NGefAG, 28 Abs. 1 Satz 2 ASOG Bln. 428 § 10 e Abs. 1 Satz 3 VEMEPolG. Außerdem Art. 43 Abs. 1 Satz 3 BayPAG, §§ 39 Abs. 1 Satz 3 PolG BW, 25 Abs. 1 Satz 3 HSOG, 43 Abs. 1 Satz 3 SOG MV, mit anderer Fassung und weitergehend § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2 NGefAG, wie zuvor §§36 Abs. 1 Satz 3 SPolG, 46 Abs. 1 Satz 3 SächsPolG, 195 Abs. 1 Satz 3 LVwGSH, 43 Abs. 1 Satz 3 ThürPAG. Restriktiver: § 30 Abs. 1 Satz 3 SOG LSA. 429 §§ 28 Abs. 1 Satz 2 ASOG Bin, 40 Abs. 1 Satz 3 BbgPolG, 22 Abs. 1 Satz 3 HbgGDVP, 25 Abs. 1 Satz 3 PolG NW. 430 Sogenannte „Routineabfrage", vgl. Kniesel/Vahle, Polizeiliche Informationsverarbeitung, Rn 140. 431 Ausnahme: NGefAG, LVwGSH. Vgl. zu dieser Methode auch Sokol, Rasterfahndung, S. 188 ff. 432 § 44 Abs. 1 Satz 1 SOG MV. 433 § 10 f VE MEPolG. Weiter §§47 Abs. 1 Satz 1 ASOG Bin, 46 Abs. 1 BbgPolG, 23 Abs. 1 HbgGDVP, 26 Abs. 1 Satz 1 HSOG, 31 Abs. 1 Satz 1 PolG NW, 37 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 31 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA, 44 Abs. 1 Satz 1 ThürPAG. 434 §§ 29 Abs. 1 BremPolG, 25 d Abs. 1 RhPfPOG. 435 § 47 Abs. 1 Satz 1 SächsPolG. 436 Art. 44 Abs. 1 Satz 1 BayPAG (Abwehr von Straftaten von erheblicher Bedeutung). 437 § 40 Abs. 1 Satz 1 PolG BW.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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der Gefahr erforderlich ist. 438 Manchmal wird allein die Erforderlichkeit zu dem jeweiligen Zweck vorausgesetzt. 439 Dem Ablauf nach kann die Polizei zunächst die Übermittlung von personenbezogenen Daten bestimmter Personengruppen aus Dateien zum Zwecke des Abgleichs mit anderen Datenbeständen verlangen. Das Übermittlungsersuchen oder die Übermittlung ist auf Namen, Anschrift, Tag und Ort der Geburt sowie auf im einzelnen Falle festzulegende Merkmale bzw. auf die fahndungsspezifischen Suchkriterien zu beschränken. Fast alle Gesetze halten fest, daß Vorschriften über ein Berufs- oder besonderes Amtsgeheimnis unberührt bleiben; Übermittlungsersuchen und Übermittlung dürfen sich auf die darunter fallenden Daten also nicht erstrecken. 440 Mit der Anordnung der Maßnahme ist die speichernde Stelle verpflichtet, die für den Abgleich erforderlichen und in der Anordnung bezeichneten Daten auszusondern und zu übermitteln. Werden technikbedingt weitere Daten übermittelt, dürfen diese nicht verwertet werden. 441 Ist der Zweck der Maßnahme erreicht oder zeigt sich, daß er nicht erreicht werden kann, sind die übermittelten und im Zusammenhang mit der Maßnahme zusätzlich angefallenen Daten auf dem Datenträger zu löschen und die Unterlagen zu vernichten. Diese Pflicht zur Vernichtung gilt nur, soweit sie nicht für ein mit dem Sachverhalt zusammenhängendes Verfahren 442 oder zusätzlich zur Abwehr einer anderen gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person 443 , zur Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung bei bestimmten Straftaten 444 oder zur Verfolgung von Straftaten 445 erforderlich sind.

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§ 10 f VE MEPolG. Sodann §§ 47 Abs. 1 Satz 1 ASOG Bin, 29 Abs. 1 BremPolG, 26 Abs. 1 Satz 1 HSOG, 44 Abs. 1 Satz 1 SOG MV, 31 Abs. 1 Satz 1 PolG NW, 25 d Abs. 1 RhPfPOG, 37 Abs. 1 Satz 1 SPolG, 31 Abs. 1 Satz 1 SOG LSA, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SächsPolG, 44 Abs. 1 Satz 1 ThürPAG. 439 § 40 Abs. 1 Satz 1 PolG BW, Art. 44 Abs. 1 Satz 1 BayPAG, §§ 46 Abs. 1 BbgPolG, 23 Abs. 1 HbgGDVP, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SächsPolG. 440 § 40 Abs. 1 Satz 2 PolG BW, Art. 44 Abs. 1 Satz 2 BayPAG, §§ 47 Abs. 1 Satz 3 ASOG Bin, 46 Abs. 2 Satz 1 BbgPolG, 23 Abs. 2 Satz 2 HbgGDVP, 26 Abs. 1 Satz 2 HSOG, 44 Abs. 1 Satz 2 SOG MV, 31 Abs. 2 Satz 1 PolG NW, 37 Abs. 1 Satz 2 SPolG, 31 Abs. 1 Satz 2 SOG LSA, 47 Abs. 1 Satz 2 SächsPolG, 44 Abs. 1 Satz 2 ThürPAG. Ausnahme: § 25 d RhPfPOG. 441 §§ 40 Abs. 2 Satz 2 und 3 PolG BW, 47 Abs. 2 Satz 2 ASOG Bin, 46 Abs. 2 Satz 2 BbgPolG, 23 Abs. 2 Satz 3 HbgGDVP, 26 Abs. 2 Satz 2 HSOG, 44 Abs. 2 Satz 2 SOG MV, 31 Abs. 2 Satz 2 PolG NW, 25 d Abs. 2 Satz 2 RhPfPOG, 37 Abs. 2 Satz 2 SPolG, 31 Abs. 2 Satz 2 SOG LSA, 47 Abs. 2 Satz 3 SächsPolG, 44 Abs. 2 Satz 2 ThürPAG. 442 § 10 f VE ME PolG. §§47 Abs. 3 Satz 1 ASOG Bin, 46 Abs. 3 Satz 1 BbgPolG, 23 Abs. 3 Satz 1 HbgGDVP, 26 Abs. 3 Satz 1 HSOG, 31 Abs. 3 Satz 1 PolG NW, 37 Abs. 3 Satz 1 SPolG, 31 Abs. 3 Satz 1 SOG LSA, 44 Abs. 3 Satz 1 ThürPAG. 443 § 44 Abs. 3 Satz 1 SOG MV. 444 § 29 Abs. 3 Satz 2 BremPolG. 445 § 40 Abs. 4 PolG BW, Art. 44 Abs. 3 BayPAG, § 47 Abs. 3 Satz 3 SächsPolG. 12 Albers

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Die Befugnis zur Anordnung der Maßnahme liegt, regelmäßig vorbehaltlich einer Gefahr im Verzug, teilweise beim Richter. 446 Meist obliegt sie dem Behördenleiter, der sie delegieren darf. Sie erfordert dann in aller Regel 447 die Zustimmung des Innenministers; der Datenschutzbeauftragte ist zu unterrichf a t l

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ten. Einige Polizeigesetze enthalten eine Benachrichtigungspflicht. Danach sind die Personen, gegen die nach Abschluß der Rasterfahndung weitere Maßnahmen durchgeführt werden, hierüber durch die Polizei zu unterrichten. Das gilt wiederum nur eingeschränkt. Die Benachrichtigungspflicht besteht erst, sobald sie ohne Gefährdung des Zwecks der weiteren Datennutzung erfolgen kann 449 oder soweit nicht die Erfüllung polizeilicher Aufgaben vereitelt oder erheblich gefährdet würde 450 . Sie unterbleibt, wenn sich an den auslösenden Sachverhalt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anschließt.451 In alternativer Fassung erfolgt sie unter diesen Umständen erst, sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind; sie kann unterbleiben, wenn der Betroffene im Rahmen des Ermittlungsverfahrens von der Maßnahme Kenntnis erlangt. 452 f) Neuartige Elemente und Strukturen Die Ermächtigungen zur Datenübermittlung sind durch die Differenzierungen nach Polizeibehörden, sonst für die Gefahrenabwehr zuständigen öffentlichen Stellen, sonstigen öffentlichen Stellen, ausländischen Stellen und nicht öffentlichen Stellen geprägt. Bei den ersten drei Stellen ist die Erforderlichkeit zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben oder zur Erfüllung von Aufgaben der Gefahrenabwehr durch die datenempfangende Stelle die zentrale tatbestandliche Voraussetzung. Im Bereich der Aufgaben der Straftatenverhütung oder der Verfolgungsvorsorge bestehen weitere Einschränkungen insbesondere hinsichtlich der Empfangsbehörden und hinsichtlich der Personen, über die Informationen und Daten übermittelt werden dürfen. Hier wirkt sich aus, daß der Polizei insoweit eine primäre Kompetenz zugewiesen ist und daß es aufgrund der Charak-

446 §§ 47 Abs. 4 ASOG Bin, 46 Abs. 4 BbgPolG, 26 Abs. 4 HSOG, 31 Abs. 4 PolG NW, 31 Abs. 4 SOG LSA. 447 Ausnahme: § 25 d Abs. 3 RhPfPOG. 448 § 40 Abs. 3 PolG BW, Art. 44 Abs. 2 BayPAG, §§ 47 Abs. 4 Satz 8 ASOG Bin, 29 Abs. 4 BremPolG, 23 Abs. 4 HbgGDVP, 44 Abs. 4 SOG MV, 37 Abs. 4 SPolG, 47 Abs. 3 Satz 1 und 2 SächsPolG, 44 Abs. 4 ThürPAG. Unterrichtungspflicht bei Richtervorbehalt: §§26 Abs. 4 Satz 6 HSOG, 31 Abs. 4 Satz 6 SOG LSA. 449 §§ 46 Abs. 5 Satz 1 BbgPolG, 31 Abs. 5 PolG NW. 450 § 23 Abs. 5 HbgGDVP. 451 §§ 23 Abs. 5 HbgGDVP, 31 Abs. 5 PolGNW. 452 § 46 Abs. 5 Satz 2 BbgPolG.

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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teristika der Aufgaben einen besonderen Schutzbedarf der betroffenen Personen gibt. Überschneidungen und Abstimmungserfordemisse mit der Strafverfolgung werden deutlich, wenn die Übermittlung personenbezogener Informationen, die aus Ermittlungsverfahren stammen, während eines laufenden Ermittlungsverfahrens der Zustimmung der Staatsanwaltschaft bedarf. Überwiegend werden die Übermittlungsermächtigungen in ähnlicher Weise wie die Befugnisse zur Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten durch die Elemente der Zweckfestlegung und der Zweckbindung sowie durch Zweckänderungsmöglichkeiten geprägt. Die Befugnis zur Übermittlung ist grundsätzlich an den Zweck gebunden, zu dem die Polizei die Daten erlangt oder gespeichert hat. Zweckänderungen sind bei Übermittlungen innerhalb der Polizei in der Regel davon abhängig, daß die Polizei die Daten auch zu dem geänderten Zweck erheben dürfte oder hätte erheben dürfen, und ansonsten im Rahmen der Gefahrenabwehr vor allem an Subsidiaritätsgesichtspunkte geknüpft. Im Falle des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden und bei Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen werden die Zweckbindungen verstärkt. Im übrigen gilt für die datenempfangenden Stellen eine Bindung an den Übermittlungszweck. Der Beteiligung zweier Stellen an Übermittlungen und den Koordinationserfordernissen entsprechen Regelungen zur Verantwortlichkeit für die Rechtmäßigkeit der Übermittlung sowie zu den jeweiligen Prüfungs- und Entscheidungskompetenzen. Die Ausgestaltung ist von der Form der Übermittlung abhängig. Die polizeigesetzlichen Vorschriften werden im wesentlichen von den dadurch bedingten Sachnotwendigkeiten geleitet und stimmen mit den allgemeinen Datenschutzgesetzen überein. Die speziellen Vorschriften zum automatisierten Abrufverfahren, dem Datenabgleich und zur - in ihrem Ablauf relativ detailliert geregelten - Rasterfahndung enthalten ebenso wie die teilweise in die Polizeigesetze aufgenommenen Bestimmungen zur Datenübermittlung an die Polizei keine spezifischen Vorgaben, die über die sonst herausgearbeiteten Regelungsmuster hinausgingen. In den Vorschriften zur Rasterfahndung werden die Strukturen und Elemente der neuen polizeigesetzlichen Regelungen allerdings nochmals besonders deutlich, indem die Zwecke eingegrenzt, bestimmte Daten aus dem polizeilichen Zugriff ausgeklammert, Zweckänderungsmöglichkeiten geregelt und Entscheidungsvorbehalte sowie Unterrichtungspflichten vorgesehen werden.

III. Fazit: Die grundlegenden Veränderungen der Polizeigesetze Verglichen mit dem überkommenen Gefahrenabwehrrecht haben sich die Polizeigesetze grundlegend verändert. Indem sich in den neuen Vorschriften mehrere Entwicklungen widerspiegeln, namentlich die Erfordernisse sowohl der gesetzlichen Regelung des Umgangs mit personenbezogenen Informationen und

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Daten als auch der Regelung vorfeldbezogener Tätigkeiten der Polizei, sind die Veränderungen nur bei einer gründlichen und differenzierenden Sicht zu erfassen. Sie sind keineswegs vorrangig auf datenschutzrechtliche Aspekte zurückzuführen. Befugnisse zum Umgang mit Informationen und Daten sind den sachlichen Aufgaben und Befugnissen zu- und nachgeordnet. Allein ihre Einfügung hätte das Polizeirecht als Gefahrenabwehrrecht nicht strukturell verändert. Grund und Motor dessen sind vielmehr die Aufgaben der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge, denen wiederum spezifische Befugnisse zugeordnet sind. Das für deren Regelung explizierte Anliegen des VE MEPolG, daß in den einzelnen Bundesländern im wesentlichen übereinstimmende Normen entstehen, hat sich nur begrenzt realisiert. In den Polizeigesetzen reicht die Palette vom extremen Minimalismus in Rheinland-Pfalz über konkretisierende, wenn auch nicht immer einengende Vorschriften in Hessen bis zu der restriktiv wirkenden Orientierung an den traditionellen Gefahrenabwehrgrundsätzen in Schleswig-Holstein. Trotzdem lassen sich in sämtlichen Gesetzen neue Strukturmerkmale und neue Determinationsmuster ausmachen. Dabei erlauben gerade die unterschiedlichen Gestaltungen Vergleiche, die Kristallisation einer neuen Dogmatik und VerbesserungsVorschläge. Im übrigen darf man aber nicht übersehen, daß die unterschiedlichen Fassungen der Polizeigesetze auf Entscheidungen der jeweiligen Landesgesetzgebung in politisch umstrittenen und sensiblen Fragen zurückzuführen sind. In den Aufgabennormen kann man verschiedene Stränge der Diskussionen wiedererkennen, die im Hintergrund der neuen Regelungen stehen. Das betrifft die Vorverlagerung polizeilicher Tätigkeiten über die Grenzen des tradierten Gefahrenbegriffs hinaus, und es betrifft darüber hinaus die „operativen" Konzeptionen, die das Verhältnis zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung umformulieren. An dieser Stelle kommen deshalb bereits wesentliche Differenzen und Probleme zum Ausdruck. Teilweise bleibt es ganz bei der Aufgabe der Gefahrenabwehr, die dann allerdings Verhütungs- und Vorsorgeaspekte umfassen soll. Teilweise werden die Straftaten Verhütung und die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten oder von künftigen Straftaten in den Rahmen der Gefahrenabwehraufgabe gestellt. Manchmal wird wegen der Problematik der Regelungsreichweite der Strafprozeßordnung nur die Straftatenverhütung ergänzt. Häufig, aber nicht immer werden die jeweiligen Elemente noch mit dem Begriff der „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" beschrieben. Unabhängig von diesen Differenzen in den Gesetzen zeichnen sich Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge dadurch aus, daß sie mehrere Linien in sich bergen. Dazu gehören - dies nur bei der Verhütung - vorbeugende Maßnahmen, die in Geschehensabläufe eingreifen. Beide Bereiche schließen vorbereitende Maßnahmen ein, die funktional einer antizipierten künftigen Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung zugeordnet sind. Hinzu kommt die Wissensproduktion im Gefahren- oder im Verdachtsvorfeld, die sich nicht allein auf einzel-

Β. Die polizeigesetzlichen Regelungen

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ne Situationen oder Straftaten, sondern auch auf übergreifende Strukturen richtet. Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge lassen sich deshalb mit Hilfe pauschaler Begriffe wie etwa dem der „Gefahrenvorsorge" nicht zureichend beschreiben. Sie sind gegeneinander und in sich zu differenzieren. Das gilt um so mehr, als die einzelnen Aspekte unterschiedliche rechtliche Probleme aufwerfen. Schon in den Aufgabennormen geht es im übrigen um spezifisches Polizeirecht. Auch in den Befugnissen spiegeln sich Vorverlagerungen, „operative" Muster und Reaktionen auf Formen organisierter Kriminalität wider. Das betrifft nicht nur die Legalisierung bestimmter Methoden verdeckter Ermittlung, von denen einige - keineswegs alle - in der polizeilichen Praxis bereits seit längerer Zeit eingesetzt worden sind. 453 Es betrifft auch die Befugnisse zur Erhebung, Speicherung und Übermittlung personenbezogener Daten. Das gilt zum einen, soweit sie der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge zugeordnet sind, und zum anderen, soweit in ihnen die neuen Interdependenzen zwischen den polizeilichen Aufgabenbereichen zum Ausdruck kommen, die gerade im Bereich des Umgangs mit Informationen und Daten bedeutsam sind. Obwohl die Aufmerksamkeit - möglicherweise wegen der überkommenen Konzentration auf den unmittelbaren Kontaktpunkt zwischen Bürgern und Staat - meist vor allem den vorverlagerten Ermittlungen und den einschlägigen Methoden geschenkt wird, spielen Fragen der Speicherung oder Übermittlung personenbezogener Daten eine gleich große Rolle für die Gestaltung und für das Verständnis des neuen Polizeirechts. Die Analyse der Polizeigesetze hat gezeigt, daß der Einsatz der Befugnisse zu Zwecken der Gefahrenabwehr und zu Zwecken der Straftatenverhütung oder der Verfolgungsvorsorge, selbst wenn es übergreifend geltende Bestimmungen gibt, grundsätzlich normsystematisch differenziert wird. Denn die Regelungen müssen auf unterschiedliche Strukturen zugeschnitten werden. Ziele und Bezugspunkte sind mit der Abwehr von Gefahren (einschließlich der Gefahren für die durch Straftatbestände geschützten Rechtsgüter) auf der einen Seite und der Verhütung (nur) von Straftaten oder der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten auf der anderen Seite verschieden. Die jeweiligen Prognosebeziehungen sind eigenständig zu gestalten. In den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge passen die traditionellen Kategorien der für eine Gefahr - und eben in bezug darauf ! - verantwortlichen oder nicht verantwortli453 Von empirischem Interesse wäre die Frage, ob die in den Polizeigesetzen geregelten Methoden nicht eher aus den Zeiten des Terrorismus stammen und darauf zugeschnitten sind. Entsprechende Kritik mit Blick auf die Polizeiliche Beobachtung, die Schleppnetzfahnung und die Rasterfahndung bei Bäumler, Qualitätskontrolle, S. 314. Mit der Digitalisierung des Fernmeldeverkehrs werden relativ eingriffsintensive Methoden in Zukunft unter anderem in diesem Bereich liegen. Vgl. Ziercke, Eingriffsbefugnisse, S. 320 f.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

chen Personen nicht. An den Erfordernissen einer Differenzierung ändert sich nichts dadurch, daß einige Vorschriften übergreifend oder gleichermaßen gelten oder daß parallel gelagerte Lösungen fur bestimmte Probleme gewählt werden. So mag bei den Befugnissen zum Einsatz bestimmter Methoden der Gefahrenbegriff ebenso wie die Palette der Straftaten eingegrenzt werden oder gleichermaßen eine Unterrichtungspflicht vorgesehen sein. Solche Parallelen sind jedoch nur die Folge davon, daß auch die Gefahrenabwehr neue Regelungen über den Umgang mit Informationen und Daten aufgenommen hat und daß sie auf die Eingriffsintensität oder die Verdecktheit bestimmter Methoden reagieren muß. Die gegenüber der Gefahrenabwehr somit eigenständigen Befugnisse zwecks Straftatenverhütung oder Verfolgungsvorsorge weisen eine ganze Reihe neuer Regelungsstrukturen und -komponenten auf. Für Datenerhebungen und Ermittlungsmethoden sind Eingrenzungen auf Straftatenkataloge oder auf Straftaten von erheblicher Bedeutung, neue Strukturen der Prognosebeziehungen, neue Personenkategorien zur Beschreibung der Adressaten polizeilichen Vorgehens, besondere Voraussetzungen verdeckter Maßnahmen, Subsidiaritätsklauseln, Entscheidungsvorbehalte oder Unterrichtungspflichten zu nennen. Die weitere Verarbeitung personenbezogener Informationen und Daten ist durch Zweckbestimmungen, die an die Erhebungszwecke anknüpfen, durch Zweckbindungen und durch Zweckänderungsmöglichkeiten geprägt, die wegen der Interdependenzen zwischen den Aufgabenbereichen zentrale Bedeutung haben. Hinzu treten Differenzierungen der Speichermöglichkeiten je nach betroffenen Personen und detaillierte Fristenvorschriften. Mit Blick auf den Prozeß aneinanderknüpfender Befugnisse stellen sich Fragen nach den Rechtmäßigkeits- oder Rechtswidrigkeitszusammenhängen. Auch bei diesen Normen geht es, dies spätestens bei der Ausfüllung, um spezifisches Polizeirecht. In den Übermittlungsermächtigungen spiegelt sich die Rolle der Polizei und ihre Einbettung in verschiedene Aufgabenzusammenhänge und in ein arbeitsteiliges Zusammenwirken von Behörden wider. Eingrenzungen bei der Straftatenverhütung und bei der Verfolgungsvorsorge liegen vor diesem Hintergrund in bestimmtem Umfang nahe. Maßgebliche Tatbestandsvoraussetzungen sind das Regelungselement der Erforderlichkeit und wiederum die Muster von Zweckbestimmungen, Zweckbindungen und Zweckänderungsmöglichkeiten. Die Übermittlungsbefugnisse sind, soweit es sich nicht um Übermittlungen zwischen Polizeien handelt, nicht mehr allein polizeirechtlich, sondern nur mit Blick auf beide Regelungsbereiche, die die Übermittlung verbindet, zu begreifen. Man muß insgesamt sehen, daß man es - ganz anders als bei der überkommenen Gefahrenabwehrdogmatik - nicht allein mit punktuellen Maßnahmen zu tun hat. Vielmehr bewegt man sich immer auch in Regelungszusammenhängen. Das macht es so schwierig, die Folgen der polizeigesetzlichen Novellierungen wirklich zu erfassen. Das gilt bereits dann, wenn man allein die Straftatenverhütung oder die Verfolgungsvorsorge betrachtet; es gilt mehr noch, wenn man de-

C. Die Novellierungen der Strafprozeßordnung

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ren Verhältnis zur (traditionellen) Gefahrenabwehr einbezieht, und es gilt erst recht, wenn die Interdependenzen zur Strafverfolgung hinzukommen.

C. Die Novellierungen der Strafprozeßordnung Neben den Polizeigesetzen hat die Strafprozeßordnung eine Reihe erheblicher Novellierungen erfahren. 454 Im hier relevanten Kontext beruht dies ebenso wie dort unter anderem auf den Erfordernissen der gesetzlichen Regelung zum einen bestimmter Ermittlungsmethoden, zum anderen der Befugnisse zum Umgang mit personenbezogenen Informationen und Daten. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit hervorgehoben, die Regelungen der Ermittlungsmethoden wegen der Nahtstellen zum Polizeirecht diesem nach Möglichkeit anzugleichen und zugleich aus verfassungsrechtlichen und dogmatischen Gründen eine Vermischung der Rechtsgebiete zu vermeiden. 455 Der Zusammenhang der Straftatenverfolgung mit den in die Polizeigesetze eingeführten Ermächtigungen zu „Vorfeldermittlungen" führt dazu, daß das nach den polizeilichen Strategien dahinter stehende Konzept nur bei einer weitgehenden Parallelität der Befugnisse funktioniert. Im übrigen gibt es auch für den Strafverfolgungsbereich Forderungen, die gegebenen Grenzen der Aufgaben und Befugnisse auf gesetzgeberischem Wege zu ändern und die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in das „operative" Feld und auf Initiativermittlungen zu erstrecken. 456 Die das Ermittlungsverfahren betreffenden Aufgabenzuweisungen für Staatsanwaltschaft und Polizei sind bisher unverändert geblieben. Im Unterschied dazu sind die Befugnisse erweitert worden, und zwar in einer Weise, daß dem durchaus strukturverändernde Kraft für das Strafverfahren insgesamt zukommt. Ihnen wird im folgenden nachgegangen, soweit dies für den Zusammenhang mit den polizeigesetzlichen Aufgaben und Befugnissen von Interesse ist.

454 Übergreifend zu den - wechselwirkenden - Krisensymptomen des Strafverfahrens und sich zunehmend beschleunigenden Gesetzgebungsaktivitäten Rieß, Reflexionen, S. 409 ff. 455 Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 457. 456 Meist wenig ausgearbeitet, siehe Stümper, OrgKG, S. 191 ff.; Zachert, Kriminalität, S. 76; Sieberl Bogel, Logistik, S. 351 ff., die dies mit zu kurz greifender Argumentation z.T. bereits nach geltendem Recht für zulässig halten; Lorenz, Informationserhebung, bes. S. 1008 f.; mit Hinweisen auf die französische Rechtslage ders., Ermittlungsmaßnahmen, bes. S. 327 ff. Zurückhaltender Wiek, Gefahrenabwehr, S. 222.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

I. Die Erweiterungen der Befugnisse Neue Ermittlungsmethoden, die besonders tiefgreifend sind, wie etwa der verdeckte Einsatz technischer Mittel oder der Einsatz verdeckter Ermittler, sind im wesentlichen durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) 4 5 7 eingeführt worden. Die Informations- und Datenverarbeitungsbefugnisse waren lange Zeit nur rudimentär, etwa als Verwendungsbeschränkung, bei den einzelnen Methoden geregelt. 458 Im übrigen werden die der Staatsanwaltschaft im Falle eines Anfangsverdachts zustehenden Ermittlungsbefugnisse und insbesondere auch weitere Informations- und Datenverarbeitungsbefugnisse nunmehr mit dem Gesetz zur Änderung und Ergänzung des StrafVerfahrensrechts - Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999) - in die Strafprozeßordnung aufgenommen werden. 459 7. Neue Ermittlungsmethoden Zu den mit den polizeigesetzlichen Bestimmungen vergleichbaren besonderen Ermittlungsmethoden gehören der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Herstellung von Bild- und Tonaufnahmen nach §§ 100 c bis f StPO, der Einsatz verdeckter Ermittler, §§ 110 a bis e StPO, und die polizeiliche Beobachtung nach § 163 e StPO. Mit § 100 c Abs. 1 Nr. 3 StPO ist - nach Änderung des Art. 13 GG - auch eine Ermächtigung zum Abhören und Aufzeichnen des in Wohnräumen gesprochenen Wortes eingeführt worden. 460 Da sie sich zumindest in-

457 Vom 15. Juli 1992, BGBl. I S. 1302. Aus den Gesetzgebungsmaterialien: Gesetzentwurf des Bundesrates zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) einschließlich der Stellungnahme der Bundesregierung, BTDrucks 12/989; Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 12/2720; Protokoll des Rechtsausschusses Nr. 31 über die Öffentliche Anhörung am 22.01.1992. Zur Entstehungsgeschichte und Diskussion Caesar, Gesetz, S. 241 ff.; Rieß, Gesetze, S. 491 ff.; Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 457 f.; Möhrenschlager, OrgKG, S. 281 ff., 326 ff.; Hettinger , Entwicklungen, S. 53 ff. Zum rechtsvergleichenden Uberblick Gropp, Ermittlungsmaßnahmen, S. 405 ff. 458 Siehe z.B. § 163 d Abs. 4 Satz 4 und 5 StPO.

459

Siehe dazu den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16.08.1999, BTDrucks 14/1484, die Beschlußempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses vom 27.01.2000, BTDrucks 14/2595, und die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 07.06.2000, BTDrucks 14/3525. Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz in dieser letzten Fassung am 08.06.2000 angenommen, BTPlenarprotokolle 14/108, S 10167 ff.; der Bundesrat hat am 09.06.2000 zugestimmt, BRPlenarprotokolle 752, S 213 f. Die Verkündung stand zur Zeit des Abschlusses des Typoskripts noch aus. 460 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 13) vom 26.03.1998, BGBl I S. 610; Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität vom 04.05.1998, BGBl I S. 845. Siehe dazu Meyer/Hetzer, Gesetze, S. 1017 ff.,

C. Die Novellierungen der Strafprozeßordnung

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soweit in die überkommenen strafprozessualen Befugnisse einfügt, als sie einen Straftatverdacht voraussetzt, und die entsprechenden polizeigesetzlichen Befugnisse nur zum Zwecke der Gefahrenabwehr eingeräumt sind, wird diesen Ermächtigungen im hier interessierenden Rahmen nicht näher nachgegangen. Als Ermittlungsmethode mit relativ hoher Eingriffsintensität, deren Regelung eine Reihe neuer und im gegebenen Kontext relevanter Elemente aufweist, ist außerdem die Schleppnetzfahndung nach § 163 d StPO hervorzuheben. Es handelt sich dabei um eine Parallele zu den polizeigesetzlichen Vorschriften über Kontrollstellen 461 . Diese sind schon im Gefolge des MEPolG in die Standardbefügnisse aufgenommen und deshalb nur knapp behandelt worden, so daß auch die Schleppnetzfahndung nicht weiter erörtert werden soll. 4 6 2 Die längerfristige Observation wird erst mit dem StVÄG 1999 als neuer § 163 f StPO geregelt werden. 463 Für den Einsatz von V-Leuten gibt es im Unterschied zu einigen Polizeigesetzen keine spezielle Ermächtigungsgrundlage. 464 Weitere Vorschriften betreffen den Datenabgleich, § 98 c StPO, und die Rasterfahndung, §§ 98 a und 98 b StPO. a) Verdeckter Einsatz technischer Mittel §§ 100 c bis 100 f und 101 StPO regeln den verdeckten Einsatz technischer Mittel § 100 c Abs. 1 StPO hält die den Einsatz leitenden, teilweise eingegrenzten Zwecke fest und sieht insbesondere Subsidiaritätsklauseln vor. Danach dürfen ohne Wissen des Betroffenen erstens Lichtbilder und Bildaufzeichnungen hergestellt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre. M i t dem zu erforschenden Sachverhalt ist der einem Straftatverdacht zugrunde liegende Sachverhalt, mit dem „Täter" ist ein Be-

bes. 1024 ff. In erschreckendem Umfang hat dabei der - schlicht haltlose - Beschluß des BGH vom 07.06.1995, NStZ 1995, S. 601 (601 f.), als Argumentationshilfe gedient. Vgl. nur Meyer/Hetzer, Gesetze, S. 1024. Zur Kritik des Beschlusses Welp, Anmerkung, S. 602 ff.; Köhler, Anmerkung, S. 186 f.; Staechelin, Lauschangriff, S. 430 ff. 461 Siehe dazu oben Kap. 1 Punkt B.III.3. 462 Zur Diskussion Riegel, Schleppnetzfahndung, S. 138 ff; Rogali , Frontalangriff, S. 385 ff; Kühl, Gesetze, S. 738 ff. Zu den Einsatzweisen Sauer, Aspekte, Rn 31 ff. 463 Der Entwurf des Bundesrates zum OrgKG hielt eine Regelung jedenfalls im Zusammenhang des Entwurfs noch für entbehrlich, BTDrucks. 12/989, S. 39. Vgl. aber zum Regelungsbedarf BGH, NJW 1991, S. 2651 (2651 f.); deutlicher und mit Rückgriff auf § 100 c Abs. 1 StPO BGH, RDV 1998, S. 212 (213); Rogali , Anmerkung, S. 45 ff; Wolter, Beweisverbote, S. 528 ff; Riepl, Selbstbestimmung, S. 92 f. 464 Teilweise stützt man sich auf §§ 161, 163 StPO, so BGH, NJW 1995, S. 2236 (2236) = JZ 1995, S. 970 f. Kritisch Fezer, Anmerkung, S. 972. Zur Problematik, insbesondere auch bei sog. Lockspitzeln siehe BGH, NJW 2000, S. 1123 (1123 ff), in Reaktion auf EGMR, EuGRZ, S. 660 (660 ff).

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

schuldigter gemeint. 465 Unter den gleichen Voraussetzungen dürfen zweitens sonstige besondere fur Observationszwecke bestimmte technische Mittel 4 6 6 zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters verwendet werden, wenn Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist. Drittens darf das nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mittel abgehört und aufgezeichnet werden, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, daß jemand eine in § 100 a StPO bezeichnete Straftat begangen hat, und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. 467 Diese Vorschrift bezieht sich - dies ergeben die Entstehungsgeschichte und nunmehr auch die systematische Abgrenzung zu § 100 c Abs. 1 Nr. 3 StPO - nur auf den Einsatz der technischen Mittel außerhalb von nicht allgemein zugänglichen Wohnungen. 468 § 100 c Abs. 2 StPO regelt den Kreis der Adressaten. Danach dürfen sich sämtliche Maßnahmen grundsätzlich nur gegen den Beschuldigten richten. Lichtbilder und Bildaufzeichnungen dürfen auch über andere Personen hergestellt werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Der Einsatz sonstiger technischer Mittel und das Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes dürfen gegen andere Personen nur angeordnet werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, daß die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters fuhren wird und dies auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Die Maßnahmen dürfen nach § 100 c Abs. 3 StPO auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Die Befugnis zur Anordnung des Einsatzes technischer Mittel zum Abhören oder Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes wird in § 100 d StPO mit weiteren Maßgaben zu Form und Frist sowie unter Ausklammerung der Gefahr im Verzug dem Richter zugewiesen. Für die dadurch erlangten personenbezogenen Informationen sieht § 100 d Abs. 5 Satz 1 StPO eine Begren465

Kritisch zur - bereits in § 100 a StPO enthaltenen - Terminologie Hassemer, Stellungnahme, S. 69; Zaczyk, Prozeßsubjekte, S. 491. 466 Darunter fallen im Regelungszusammenhang etwa Bewegungsmelder, Nachtsichtgeräte oder Peilsender, vgl. Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 461 mit Fn 89. 467 Hier soll der Begriff des „Abhörens" deutlich machen, daß die Maßnahme grundsätzlich heimlich erfolgt. Wegen der Eingriffsintensität ist die Vorschrift bewußt an den Anforderungen des § 100 a StPO orientiert, vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 39. 468 Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 12/2720, S. 41, 43, 46; Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 462; Rieß, Gesetze, S. 496.

C. Die Novellierungen der Strafprozeßordnung

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zung der Zulässigkeit von Zweckänderungen vor. Sie dürfen in anderen Strafverfahren zu Beweiszwecken 469 nur verwendet werden, soweit sich bei Gelegenheit der Auswertung Erkenntnisse ergeben, die zur Aufklärung einer in § 100 a bezeichneten Straftat benötigt werden. § 101 Abs. 1 StPO hält die Pflicht zur Benachrichtigung der Beteiligten 470 von den getroffenen Maßnahmen fest. Sie besteht, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks, der öffentlichen Sicherheit 471 , von Leib oder Leben einer Person sowie der Möglichkeit der weiteren Verwendung eines eingesetzten nicht offen ermittelnden Beamten geschehen kann. Von besonderer Bedeutung für die Kenntnismöglichkeiten der Betroffenen ist darüber hinaus § 101 Abs. 4 StPO. Diese Vorschrift bestimmt, daß Entscheidungen und Unterlagen über getroffene Maßnahmen bei der Staatsanwaltschaft aufbewahrt werden, zu den Akten aber erst zu nehmen sind, wenn die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 StPO erfüllt sind. 472 b) Einsatz verdeckter Ermittler §§ 110 a bis e StPO regeln den Einsatz verdeckter Ermittler. Nach der Legaldefinition des § 110 a Abs. 2 StPO handelt es sich - dies entspricht den Definitionen in den Polizeigesetzen - um Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln. Damit werden sie gegen den verdeckt ermittelnden Polizeibeamten, gegen die V-Person und gegen Gelegenheitsinformanten abgegrenzt. 473 Die Befugnisse des verdeckten Ermittlers ergeben sich aus § 110 c StPO, der das Be-

469 Nach den Gesetzgebungsmaterialien orientiert sich die Zulässigkeit einer Nutzung zu Beweiszwecken in anderen Strafverfahren an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus einer Telefonüberwachung nach § 100 a StPO, so die Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 38, 41. Die Formulierung „zu Beweiszwecken" soll bedeuten, daß die Verwendung erlangter Erkenntnisse als Beweismittel oder Vorhalt nur bei einer der Katalogtaten zugelassen wird. Als Ermittlungsansatz (Spur) sollen die Erkenntnisse jedoch uneingeschränkt verwendet werden dürfen, vgl. Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 461 mit Fn 72. 470 Der Begriff meint die unmittelbar Betroffenen, nicht etwa auch unvermeidbar betroffene Dritte, vgl. Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 463 mit Fn 124. 471 Kritisch Hassemer, Stellungnahme, S. 70; Riepl, Selbstbestimmung, S. 204: „Generalklausel für opportune Nichtbenachrichtigungen". 472 Kritisch Zaczyk, Prozeßsubjekte, S. 497; Meertens, Gesetz, S. 207; Strate, Annexion, S. 145. 473 Zur Differenzierung Rebmann, Einsatz, S. 2. Der Einsatz von V-Personen wurde bewußt nicht gesetzlich geregelt, vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks 12/989, S. 41.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

treten einer Wohnung gesondert und im übrigen regelt, daß sich die Befugnisse nach der StPO und anderen Rechtsvorschriften richten. 474 § 110 a Abs. 1 StPO legt als Zweck die Aufklärung bestimmter Straftaten und tatbestandliche Voraussetzungen fest; hinzu kommen Subsidiaritätsklauseln. Verdeckte Ermittler dürfen zur Aufklärung von Straftaten eingesetzt werden, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß eine Straftat von erheblicher Bedeutung in bestimmten Gebieten, unter anderem des unerlaubten Betäubungsmittel- oder Waffenverkehrs, gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert begangen worden ist. 4 7 5 Darüber hinaus dürfen sie zur Aufklärung jedes Verbrechens eingesetzt werden, soweit aufgrund bestimmter Tatsachen die Gefahr der Wiederholung besteht. 476 In beiden Fällen ist ihr Einsatz nur zulässig, soweit die Aufklärung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Zur Aufklärung von Verbrechen dürfen verdeckte Ermittler außerdem eingesetzt werden, wenn die besondere Bedeutung der Tat den Einsatz gebietet und andere Maßnahmen aussichtslos wären. Eine nähere Regelung des Kreises der Adressaten enthalten die strafprozessualen Bestimmungen nicht. Das unterscheidet sie wesentlich von den Polizeigesetzen, die hier in der Regel Differenzierungen vorsehen. In der Strafprozeßordnung hat man von darauf bezogenen Maßgaben jedoch bewußt abgesehen. Denn es - so lautet die dazu vorgebrachte Sicht - „ergibt sich bereits aus der Natur der Sache, daß der Verdeckte Ermittler im Umfeld des Tatverdächtigen und solcher Personen ermittelt, die Erkenntnisse über die Tat oder den Täter haben können; einer gesetzlichen Regelung bedarf diese Selbstverständlichkeit nicht". 4 7 7 Die insoweit gegebene Reichweite der Ermächtigung wird im Falle von Beschuldigten dadurch relativiert, daß ein gezielt gegen sie gerichteter Einsatz unter einem prinzipiell vorgesehenen Richtervorbehalt steht.

474 Ausführlich zu den Befugnissen Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn418ff. Siehe insgesamt auch Erfurth, Ermittlungen, S. 67 ff. Zur Diskussion um die Frage einer Befugnis zur Beteiligung an Straftaten Koriath, Straftaten, S. 370 ff.; Körner, Ermittlungen, S. 601 ff.; Rebmann, Einsatz, S. 5; Boll, Rechtspolitik, S. 69; Eisenberg, Maßnahmen, S. 1039; Hettinger , Entwicklungen, S. 86 f. m.w.N. 475 Kritik hinsichtlich der Unbestimmtheit und Reichweite bei Riepl, Selbstbestimmung, S. 207 ff. 476 Diese Tatbestandsvoraussetzung verweist auf präventive Aspekte, vgl. Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 398. Besonders an dieser Stelle wird deutlich, daß der Einsatz verdeckter Ermittler als ein „wesentliches Instrument" angesehen worden ist, das es erlaubt, „in das Innere der kriminellen Organisationen einzudringen", so die Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 41. 477 Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 42. Vgl. auch Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 524, mit der Ausfuhrung, daß der VE sich „in der ,Szene' aufhält, um dort Tatumstände aufzuklären oder Hinweise auf einen noch unbekannten Täter zu erhalten".

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Der Einsatz eines verdeckten Ermittlers bedarf nach § 110 b StPO der Zustimmung der Staatsanwaltschaft oder - dies in den Fällen, in denen sich verdeckte Ermittlungen gegen einen bestimmten Beschuldigten richten oder in denen der Ermittler eine nicht allgemein zugängliche Wohnung betritt - des Richters, 478 Ausnahmen gelten bei Gefahr im Verzug. Aus der Bestimmung ergibt sich, daß das Initiativrecht fur den Einsatz bei der Polizei liegt. 479 Von besonderer Bedeutung ist außerdem § 110 b Abs. 3 StPO, der es erlaubt, die Identität des verdeckten Ermittlers auch nach Beendigung des Einsatzes geheimzuhalten. Der Staatsanwalt und der Richter, die fur die Zustimmung zu dem Einsatz zuständig sind, können aber - eben deswegen - verlangen, daß die Identität ihnen gegenüber offenbart wird. 4 8 0 Im übrigen ist in einem Strafverfahren die Geheimhaltung der Identität nach Maßgabe des § 96 StPO zulässig, insbesondere dann, wenn Anlaß zu der Besorgnis besteht, daß die Offenbarung Leben, Leib oder Freiheit des verdeckten Ermittlers oder einer anderen Person oder die Möglichkeit seiner weiteren Verwendung gefährden würde. 481 § 110 e StPO enthält eine Begrenzung der Zulässigkeit von Zweckänderungen für personenbezogene Informationen, die durch den Einsatz des verdeckten Ermittlers erlangt worden sind. Sie dürfen in anderen Strafverfahren zu Beweiszwecken nur verwendet werden, soweit sich bei Gelegenheit der Auswertung Erkenntnisse ergeben, die zur Aufklärung einer in § 110 a Abs. 1 StPO bezeichneten Straftat benötigt werden. Ausdrücklich wird festgehalten, daß die Vorschrift des § 100 d Abs. 2 StPO über die Begrenzung der Zulässigkeit von Zweckänderungen im Falle der Informationen, die durch die Verwendung technischer Mittel zum Abhören oder Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes erlangt worden sind, unberührt bleibt. Dem kann man die Annahme entnehmen, daß verdeckte Ermittler ihre Ermittlungen insbesondere auch mit Hilfe verdeckt eingesetzter technischer Mittel durchführen, so daß beide Ermächtigungsgrundlagen benötigt werden und Überschneidungen entstehen. § 110 d Abs. 1 StPO sieht eine Pflicht zur Benachrichtigung vor. Diese besteht allerdings nur gegenüber den Personen, deren nicht allgemein zugängliche Wohnung der verdeckte Ermittler betreten hat. Sie greift, sobald dies ohne Ge-

478 Kritik dazu bei Burghard, Bilanz, S. 595; Krüger, OrgKG, S. 596 f. Anders Eisenberg, Maßnahmen, S. 1035 f. Zaczyk, Prozeßsubjekte, S. 494, hält die Notwendigkeit einer richterlichen Entscheidung für den Regelfall, weil es kaum einen Einsatz eines verdeckten Ermittlers geben dürfte, in dessen Rahmen nicht auch mit dem Betreten einer fremden Wohnung zu rechnen wäre. 479 BGH, StV 1995, S. 225 (226); Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 403. 480 Siehe die Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 43: „Diese Entscheidung entspricht ihrer Verantwortung für den Einsatz." Kritik etwa bei Stümper, Levaden, S. 45; ders., OrgKG, S. 193. 481 Ausführlicher Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 524 f. Vgl. auch BGH, StV 1995, S. 225 (225 ff.).

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

fährdung des Untersuchungszwecks, der öffentlichen Sicherheit, von Leib oder Leben einer Person sowie der Möglichkeit der weiteren Verwendung des verdeckten Ermittlers geschehen kann. § 110 d Abs. 2 StPO bestimmt, daß Entscheidungen und Unterlagen über den Einsatz bei der Staatsanwaltschaft aufbewahrt werden, zu den Akten aber erst zu nehmen sind, wenn die Voraussetzungen des § 110 d Abs. 1 StPO erfüllt sind. c) Polizeiliche Beobachtung § 163 e StPO regelt die Ausschreibung zur Beobachtung anläßlich von polizeilichen Kontrollen, die die Feststellung der Personalien zulassen. Der Begriff entspricht dem der Polizeigesetze. Nach der strafprozeßrechtlichen Bestimmung ist der Zweck der Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung - dies ergibt sich allerdings nur durch Auslegung - die Klärung des Verdachts einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters. 482 Die Ausschreibung zielt „auf die Erstellung eines Bewegungsbildes eines Verdächtigen" 483 und weitergehend auf die Erfassung von Zusammenhängen und Querverbindungen zwischen der ausgeschriebenen und anderen Personen. 484 Zu ihren sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen gehört, daß zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß eine solche Straftat begangen worden ist. Hinsichtlich der unmittelbar betroffenen Personen bestimmt § 163 e Abs. 1 Satz 2 StPO zunächst, daß sich die Anordnung nur gegen den Beschuldigten richten darf. Dies ist verknüpft mit der Subsidiaritätsklausel, daß sie nur dann getroffen werden darf, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. § 163 e Abs. 1 Satz 3 StPO erweitert dies dahin, daß die Maßnahme auch gegen andere Personen zulässig ist, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird, daß die Maßnahme zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters fuhren wird und - so wiederum die Subsidiaritätsklausel - dies auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Anders als in den Polizeigesetzen werden die aufgrund der Ausschreibung anläßlich einer polizeilichen Kontrolle zu gewinnenden und zu übermittelnden Erkenntnisse nicht näher beschrieben. § 163 e Abs. 3 StPO

482

Skeptisch zur Frage, ob sich die polizeiliche Beobachtung angesichts ihrer Funktionsweise für Aufklärungszwecke im Rahmen eines konkreten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens überhaupt eignet, Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 463; KKSchoreit, § 163 e Rn 3 ff. Ähnlich Krüger, Gesetz, S. 34. 483 Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 43. 484 Hettinger , Entwicklungen, S. 97.

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hält - mit der Folge einer Erweiterung der Ermächtigung und der im Ergebnis betroffenen Personen - nur lapidar fest, daß im Falle eines Antreffens auch personenbezogene Informationen eines Begleiters der ausgeschriebenen Person oder des Führers eines ausgeschriebenen Kraftfahrzeugs gemeldet werden können. Nach dem Normtext werden die zu gewinnenden und zu übermittelnden Erkenntnisse damit nur durch die Zweckbestimmung eingegrenzt. Die Anordnungskompetenz liegt beim Richter, bei Gefahr im Verzug auch bei der Staatsanwaltschaft mit der Maßgabe richterlicher Bestätigung. Die Anordnung ist grundsätzlich auf höchstens ein Jahr zu befristen. Eine Unterrichtungspflicht nach Beendigung der Maßnahme ist nicht geregelt. d) Datenabgleich Ebenso wie die Polizeigesetze unterscheidet die Strafprozeßordnung zwischen dem Abgleich personenbezogener Daten mit Daten, die bei den Strafverfolgungsbehörden 485, hier: zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung oder zur Gefahrenabwehr, gespeichert sind, und dem Abgleich personenbezogener Daten mit Daten, die bei anderen speichernden Stellen und damit immer auch für andere Zwecke gespeichert sind. Den zuletzt genannten Datenabgleich bezeichnen die Polizeigesetze als Rasterfahndung. Die Ermächtigung zum Datenabgleich nach § 98 c StPO erlaubt es, personenbezogene Daten aus einem Strafverfahren mit anderen zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung oder zur Gefahrenabwehr 486 gespeicherten Daten maschinell abzugleichen. Sie unterscheidet damit zwischen den zur Strafverfolgung und den zur Gefahrenabwehr gespeicherten Daten, sieht aber im übrigen selbst keine weiteren Differenzierungen vor. Nach § 98 c Satz 2 StPO bleiben entgegenstehende besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen aber unberührt. Läßt ein Polizeigesetz somit die Verwendung bestimmter zur Gefahrenabwehr gespeicherten Daten für einen dem (anderen) Zweck der Strafverfolgung dienenden Datenabgleich nicht zu, darf er nicht durchgeführt werden. Immerhin geht die Bundesgesetzgebung in ihrer Vorschrift aber dann davon aus, daß sie den Abgleich mit zur Gefahrenabwehr gespeicherten Daten regeln darf und daran nur bei entgegenstehenden landesgesetzlichen Verwendungsregelungen gehindert ist.

485

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 38, soll die Regelung auch etwa den Abgleich des Fahndungsbestandes mit den Dateien der Einwohnermeldeämter umfassen. A.A. dazu Deutscher Richterbund, Stellungnahme, Protokoll der Anhörung des Rechtsausschusses, Anlage S. 140. 486 Nach der Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 38, ist die „Möglichkeit einer Nutzung und Auswertung von zur Gefahrenabwehr gespeicherten Daten für Zwecke der Strafverfolgung grundsätzlich unverzichtbar".

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Zu den Zwecken des Datenabgleichs gehört die Aufklärung einer Straftat oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes einer Person, nach der für Zwecke eines Strafverfahrens gefahndet wird. Der Kreis der Straftaten ist nicht eingegrenzt. Auch im übrigen sind keine besonderen sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen festgehalten; allerdings müssen wegen der Grenzen der Aufgabenzuweisungen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat gegeben sein. Der Kreis der Personen, deren Daten einbezogen werden dürfen, ist ebenfalls nicht eingeschränkt. Da nämlich der Zweck des Einsatzes der Ermittlungsmethode und deren Tatbestandsvoraussetzungen auseinanderzuhalten sind, ermächtigt die Norm nicht nur zum Abgleich der Daten einer verdächtigen Person oder der Person, nach der gefahndet wird. Ein Datenabgleich nach § 98 c StPO ist somit in weitem Umfang und ohne besonders restringierende Voraussetzungen zulässig. e) Rasterfahndung §§ 98 a und b StPO ermächtigen zum maschinellen Abgleich personenbezogener Daten bestimmter Personen mit anderen Daten, die bei anderen Stellen gespeichert sind, und regeln zugleich die Pflicht der speichernden Stelle zur Aussonderung und Übermittlung der benötigten Daten. Die Konzeption dieses Datenabgleichs entspricht dem - in der Strafprozeßordnung nicht benutzten Begriff der Rasterfahndung in den Polizeigesetzen.487 Die Zwecke der Rasterfahndung werden in § 98 a Abs. 1 StPO dahin beschrieben, daß im Falle zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen bestimmter Straftaten von erheblicher Bedeutung Nichtverdächtige ausgeschlossen oder Personen festgestellt werden sollen, die weitere für die Ermittlungen bedeutsame Prüfungsmerkmale erfüllen. 488 Zu den sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen gehört zunächst, daß zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen worden sind, die sodann mit Hilfe eines Enumerativkatalogs weiter konkretisiert werden. Der Katalog hat unterschiedliche Anknüpfungspunkte und listet bestimmte Straftatengebiete, gemeingefährliche, gegen besonders gewichtige Rechtsgüter gerichtete, gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert begangene Straftaten auf. 489 Es 487 Siehe auch die Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 36. Eine gründliche und auch empirische Untersuchung der strafprozessualen Rasterfahndung findet sich bei Graf, Rasterfahndung, passim. 488 Alt. 1 bezeichnet die sog. negative Rasterfahndung, Alt. 2 die positive Rasterfahndung, vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 37. 489 Der im Bundesratsentwurf vorgesehene restriktivere Katalog ist im Gesetzgebungsverlauf durch diese „Generalklausel mit katalogartigen Grenzen" - siehe die Be-

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entspricht den Funktionsmechanismen und Zielen der Rasterfahndung, bei der durch den Datenabgleich die Einkreisung der Person gerade erst geleistet werden soll, daß ein Straftatverdacht genügt und dieser sich (noch) nicht gegen eine bestimmte Person zu richten braucht. 490 Tatbestands Voraussetzung ist jedoch weiter, daß die abzugleichenden Daten solche von Personen sein müssen, die bestimmte, auf den Täter vermutlich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen. Der Kreis der in dieser Hinsicht betroffenen Personen wird damit eingegrenzt; betroffen sind aber keineswegs nur Verdächtige, sondern alle Personen, die die jeweiligen Merkmale aufweisen. Betroffen sind weiter vor allem die Personen, die zusätzlich ausgesondert und gegen die dann weitere konventionelle Ermittlungen geführt werden: „Die Rasterfahndung ist eine Form der Massendatenverarbeitung, bei der regelmäßig die Daten einer Vielzahl von Unbeteiligten verarbeitet werden und bei der viele Unbeteiligte anschließend in den strafrechtlichen Kontrollprozeß geraten können." 491 Insofern ist es zutreffend festzustellen, der Rasterfahndung fehle die Tatbezogenheit, die strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen nach überkommenen Grundsätzen kennzeichnet.492 § 98 a Abs. 1 Satz 2 StPO sieht als Subsidiaritätsklausel vor, daß eine Rasterfahndungsmaßnahme nur angeordnet werden darf, wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Täters auf andere Weise erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Nach Anordnung der Maßnahme hat die speichernde Stelle zum Zweck des Abgleichs die dafür erforderlichen und in der Anordnung bezeichneten Daten auszusondern und den Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln. Etwas versteckt werden jedoch in § 98 b Abs. 1 Satz 6 und 7 StPO, die die Anordnung regeln, bestimmte Datenbestände aus der Rasterfahndung ausgeklammert. Dazu gehören aufgrund der Verweisung auf §§96 und 97 StPO Daten, die einem besonderen Amts- oder Berufsgeheimnis unterliegen. Außerdem ist die Übermittlung von Daten ausgeklammert, deren Verwendung besondere bundesgesetzliche oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen. Auch hier geht die Bundesgesetzgebung davon aus, daß sie die Übermittlung der nach landesgesetzlichen Vorschriften gespeicherten Daten regeln darf, soweit sie daran nicht durch entgegenstehende landesgesetzliche Verwendungsregelungen gehindert ist.

Schlußempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 12/2720, S. 45 ersetzt worden. Kritisch zur Verweisungstechnik und zur Begrenzungswirkung Siebrecht, Rasterfahndung, S. 114 ff; Krey/Haubrich, Zeugenschutz, S. 312. 490 Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks 12/989, S. 37: Danach bezweckt die Rasterfahndung „ein Einarbeiten' auf die Personen ... , die das nach kriminalistischen Erfahrungen festgelegte ,Verdächtigenprofir erfüllen". 491 Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 36 f. 492 So mit Folgerungen zur Eingriffsintensität Graf Rasterfahndung, S. 285 ff. Zur Tatbezogenheit oben Kap. 1 Punkt C.III.2.a. 13 Albers

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Nach Beendigung des Abgleichs sind Datenträger, auf denen Daten übermittelt worden sind, an die übermittelnde Stelle zurückzugeben, § 98 b Abs. 3 Satz 1 StPO. Personenbezogene Daten, die auf andere Datenträger übertragen worden sind, sind zu löschen, sobald sie für das Strafverfahren nicht mehr benötigt werden. Damit ist das Strafverfahren gemeint, das sich auf die Verfolgung der Straftat richtet, dessen Aufklärung die Rasterfahndung diente. § 98 b Abs. 3 Satz 3 StPO schließt aber sogleich an, daß die durch den Abgleich erlangten personenbezogenen Daten in anderen Strafverfahren zu Beweiszwecken nur verwendet werden dürfen, soweit sich bei Gelegenheit der Auswertung Erkenntnisse ergeben, die zur Aufklärung einer der Katalogstraftaten des § 98 a Abs. 1 Satz 1 StPO benötigt werden. Die Anordnung der Rasterfahndung ist mit bestimmten Maßgaben zu Inhalt und Form dem Richter vorbehalten. Im Falle der Gefahr im Verzug ist auch eine nachfolgend richterlich zu bestätigende Anordnung der Staatsanwaltschaft zulässig. § 98 b Abs. 4 Satz 1 StPO enthält mit der Bestimmung, daß § 163 d Abs. 5 StPO entsprechend gilt, eine Benachrichtigungspflicht. Danach sind die Personen, gegen die nach Auswertung der durch die Rasterfahndung erlangten Erkenntnisse weitere Ermittlungen geführt werden, zu benachrichtigen, sofern nicht der Untersuchungszweck oder die öffentliche Sicherheit gefährdet werden. f) Neuartige Elemente und Strukturen Wie in den Polizeigesetzen zählt die Festlegung der Zwecke, zu denen die Polizei unter Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden Daten über Personen erheben darf, zu den zentralen Determinanten der neueren strafprozessualen Ermächtigungen. Dazu gehört in der am wenigsten eingeschränkten Fassung die Erforschung des Sachverhalts im Rahmen eines Straftatverdachts. Die strafprozessualen Ermittlungsnormen bleiben somit - Konsequenz der auf die Funktionen und die Ausgestaltung des Strafverfahrens ausgerichteten Aufgabenzuweisungen - grundsätzlich an der einzelfallbezogenen Verdachtsklärung orientiert. Manchmal machen sich freilich bereits in diesem Rahmen die Nahtstellen und Interdependenzen zur Straftatenverhinderung und -Verhütung bemerkbar. Der Zweck wird teilweise nach Maßgabe der gesetzgeberischen Beurteilung der Eingriffsintensität im Hinblick auf die verdachtsbetroffenen Straftaten mit verschiedenen Regelungstechniken eingegrenzt. Unter anderem setzt der Gesetzgeber den Begriff der Straftaten von erheblicher Bedeutung ein. Anders als in den Polizeigesetzen wird dieser Begriff in der Strafprozeßordnung aber nicht legaldefiniert. Er ist deshalb Gegenstand sowohl von Konkretisierungsvorschlägen 493 als auch der Kritik, er sei als Tatbestandsvoraussetzung intensiv eingreifender 493 Vgl. etwa K/K-Nack, § 110 a Rn 21: „besonders gefährliche Kriminalität"; Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 462: Straftaten „oberhalb der Kleinkriminalität".

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Methoden zu unbestimmt 494 . Gelegentlich werden angelehnt an § 100 a StPO bestimmte Straftaten in einem Enumerativkatalog aufgelistet. Als Mischform gibt es „Generalklauseln mit katalogartigen Grenzen" 495 . Zieht man einen Vergleich zu den - ihrerseits nicht einheitlich gefaßten - Polizeigesetzen, läßt sich nicht feststellen, daß die strafprozessualen Ermächtigungen prinzipiell restriktiver wären. Die jeweils genannten Straftaten sind zum einen Komponente des grundsätzlich den gesamten weiteren Verarbeitungsprozeß steuernden Verwendungszwecks, zum anderen als Gegenstand des aufzuklärenden Verdachts Einschreitschwelle und Tatbestandsvoraussetzung. Die Einschreitschwellen werden darüber hinaus durch die Anforderungen an die (Verdachts)Prognose geregelt. Sie knüpfen an den Begriff der „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte" für den Verdacht einer Straftat an, die auch den Anfangsverdacht der Aufgabenzuweisungen kennzeichnen, oder werden zum Erfordernis der „bestimmten Tatsachen", die einen Verdacht begründen, angehoben. Auch das bedeutet, daß eine vorverlagerte „operative" Aufklärung mit den hier behandelten Methoden von der Strafprozeßordnung nicht gedeckt wird. Ebenso neuartig wie in den Polizeigesetzen ist für das Strafverfahrensrecht die ausgefeilte Bindung an Subsidiaritätsklauseln, wie sie bis dahin namentlich § 100 a StPO aufwies. Wie dort versucht man außerdem, die Eingriffsintensität mancher Methoden durch Entscheidungsvorbehalte auszugleichen. Der Kreis betroffener Personen wird manchmal nicht näher geregelt, so beim nicht gezielt auf bestimmte Personen angesetzten verdeckten Ermittler, beim Datenabgleich und - strukturbedingt - bei der Rasterfahndung. Folge ist eine Bindung nur an die sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen. Dagegen dürfen sich - dies in Übereinstimmung mit der Struktur traditioneller Ermittlungsermächtigungen und dem Übermaßverbot - bestimmte Methoden, die die Gesetzgebung als eingriffsintensiv eingeschätzt hat, grundsätzlich nur gegen Beschuldigte richten. Im Anschluß daran werden freilich „andere Personen" mit Einschränkungen durch Subsidiaritätsklauseln einbezogen. Bei den besonders eingriffsintensiven Methoden wird dies durch weitere Voraussetzungen ergänzt. Dazu gehört unter anderem das Tatbestandsmerkmal, daß „aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß sie mit dem Täter in Verbindung stehen oder eine solche Verbindung hergestellt wird". Über die Auslegung dieser Formulierung, insbesondere hinsichtlich der Frage, inwieweit eine Parallele zur polizeigesetzlichen „Kontaktperson" gezogen werden kann, besteht Streit. 496 Außer-

494 495

Caesar, Gesetz, S. 243 f.; Riepl, Selbstbestimmung, S. 197 f. Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 12/2720,

S. 45. 496

Vgl. einerseits Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 471: strafrechtsrelevante und qualifizierte Kontakte (für die Polizeiliche Beobachtung), weniger restriktiv Rn 362

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dem findet sich - wie in den Polizeigesetzen und aus den gleichen Gründen der Wirkungsweise und Streubreite der Ermittlungsmethoden - die Kategorie der Personen, die unvermeidbar betroffen sind. Gemeint sind (zufallige) Gesprächsteilnehmer beim Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes oder Passanten im Falle einer Aufzeichnung. 497 Wegen der verfassungsrechtlichen Vorgaben fur die gesetzliche Regelung der Ermittlungen und des weiteren Umgangs mit Informationen und Daten konnte die Gesetzgebung Vorschriften zur Handhabung von „.Zufallsfunden" oder zur zweckändernden Verwendung erlangter Informationen und Daten nicht ausweichen. Die vom ursprünglichen Zweck - der Aufklärung des Straftatverdachts, der den Einsatz der Ermittlungsmethode gerechtfertigt hat - abweichende Verwendung orientiert sich zum einen an Straftaten, die in der Eingriffsintensität den in der Einschreitschwelle beschriebenen Straftaten vergleichbar sind. Zum anderen ist diese Verwendungsbegrenzung auf „Beweiszwecke" in anderen Strafverfahren beschränkt; als Ermittlungsansatz dürfen die Erkenntnisse also unbeschränkt genutzt werden (keine „fruit-of-the-poisonous-tree"Doktrin). Um diese jetzt gesetzlichen Regelungen wird es - verfassungsrechtlich angeleitete - Diskussionen geben. Es ist bereits daraufhingewiesen worden, daß die einschlägige Problematik nunmehr auch im Bereich der Polizeigesetze besteht. Zu den Kennzeichen der Ermächtigungen zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden und zu den Quellen neuer Probleme zählt schließlich, daß die Maßnahmen - wie zum Teil schon der Normtext unterstreicht - verdeckt erfolgen und vor den von ihnen Betroffenen gezielt geheimgehalten werden. Im Gegenzug bestehen unter bestimmten Voraussetzungen Unterrichtungspflichten, die wiederum aufschlußreichen Ausnahmen unterliegen. Indem eine Unterrichtung über den Ausnahmetatbestand der Gefährdung des Untersuchungszwecks hinaus erst erfolgt, sobald dies ohne Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, von Leib oder Leben einer Person sowie der Möglichkeit der weiteren Verwendung eines eingesetzten nicht offen ermittelnden Beamten geschehen kann, spiegeln sich darin neue Strukturen strafprozessualer Ermittlungen wider. Insbesondere der zuletzt genannte Ausschlußgrund deutet darauf hin, daß sie sich in der Praxis von der Aufklärung eines bestimmten Straftatverdachts gelöst haben und durch „operative" Einsatzstrategien in einem „kriminogenen Milieu" geprägt sind. Neuartige Geheimhaltungstatbestände finden sich in weiteren Re-

(zum Einsatz technischer Mittel); andererseits Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 463: Die Formulierung zielt in der sachlichen Dimension darauf, daß die bloße Möglichkeit des Kontaktes oder der Kontaktaufnahme nicht ausreicht, sondern bestimmte Tatsachen dafür sprechen müssen, daß mit erhöhter Wahrscheinlichkeit eine Verbindung zwischen Beschuldigtem und Kontaktperson besteht oder bestehen wird. 497 Gesetzentwurf des Bundesrates, BTDrucks. 12/989, S. 40.

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gelungen, etwa über die Aktenführung. Sie greifen bis in das Hauptverfahren hinein. 2. Weitere Befugnisse zum Umgang mit Informationen

und Daten

Soweit neue Ermittlungsmethoden mit verschiedenen Novellen in die Strafprozeßordnung eingeführt worden sind, enthalten die Vorschriften in bestimmtem Umfang auch Vorgaben für die weitere Verwendung der erlangten Informationen und Daten. Eine umfassendere Regelung der Befugnisse zur weiteren Informations- und Datenverarbeitung sieht nun das StrafVerfahrensänderungsgesetz 1999 vor. 4 9 8 Der Gesetzgebungsprozeß hat sich sehr schwierig gestaltet. Zunächst war aus dem Bundesministerium der Justiz ein Referentenentwurf eines StrafVerfahrensänderungsgesetzes mit letztem Stand vom 3. November 1988 499 bekannt geworden, der in verschiedenen Stadien deutliche Kritik erfahren hat. 500 Der Bundesrat hatte im Januar 1995 den Entwurf eines StrafVerfahrensänderungsgesetzes 1994 (StVÄG 1994) eingebracht 501, dessen erneute Einbringung dann allerdings abgelehnt worden ist 5 0 2 . Die Bundesregierung hat mit ihren Entwürfen eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des StrafVerfahrensrechts (StVÄG 1996 503 und StVÄG 1999 504 ) reagiert. Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 hat in der Fassung der Änderungsvorschläge des Rechtsausschusses und nachfolgend des Vermittlungsausschusses inzwischen Bundestag und Bundesrat passiert. Den hier interessierenden kommenden Vorschriften soll - teils unter Einbeziehung der Regelungsvorschläge des Bundesratsentwurfs und des Regierungsentwurfs 1999 - kurz nachgegangen werden. Die neuen Vorschriften und die Vorschläge sind für das mit den Änderungen der Polizeigesetze seinerseits veränderte Verhältnis zwischen Polizeigesetzen und Strafprozeßordnung aufschlußreich. Auch die Schwierigkeiten, denen sich die Strafprozeßgesetzgebung deswegen gegenübergestellt sah, werden deutlich. Da einige der Neuregelungen mehr als problematisch sind, wird die anstehende Änderung der Strafprozeßordnung die Diskussion nicht beenden. Sie wird sie im Gegenteil partiell neu entfachen. Strafprozessuale Ermittlungen werden künftig der allgemeinen Vorgabe unterstellt, daß eine Maßnahme unzulässig ist, soweit besondere bundesgesetzli498

Siehe die Nw oben Kap. 2 Fn 459. Abgedruckt in StV 1989, S. 172. 500 Etwa Schoreit, Verpolizeilichung, S. 449 ff.; Wolter, Strafe, Annexion, S. 145 f. 501 BTDrucks. 13/194. 502 BRDrucks 917/98. 503 BRDrucks. 961/96. 504 BTDrucks 14/1484. 499

Strafprozeß, S. 358 ff.;

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che oder entsprechende landesgesetzliche Verwendungsregelungen entgegenstehen (§ 160 Abs. 4 i.d.F. des StVÄG 1999). Sodann wird eine Ermittlungsgeneralklausel vorgesehen, indem der bisherige § 161 StPO zu einer Befugnis, zum Zweck der Erforschung des Sachverhalts von allen Behörden Auskunft zu verlangen und Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, ausgestaltet wird. Eine generalklauselartige Ermächtigung wird es auch fur die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten in Dateien geben (§ 483 Abs. 1 i.d.F. des StVÄG 1999). Man geht offenbar davon aus, daß nur die Informations- und Datenverarbeitung mit Hilfe von Dateien regelungsbedürftig ist. 505 Die Speicherung, Veränderung und Nutzung personenbezogener Daten in Dateien fur Zwecke des Strafverfahrens und fur andere Strafverfahren werden unterschieden; die Nutzung für andere Strafverfahren wird aber ohne zusätzliche Voraussetzungen zugelassen. Die Dauer der Speicherung wird im Zusammenhang mit den Löschungspflichten relativ detailliert geregelt (§ 489 Abs. 2 bis 5 i.d.F. des StVÄG 1999). Im übrigen sind Bestimmungen über Errichtungsanordnungen (§ 490 i.d.F. des StVÄG 1999) vorgesehen. Übermittlungen werden unter anderem für Zwecke der Strafverfolgung und für Zwecke des Strafverfahrens, anderer Strafverfahren oder gegebenenfalls auch künftiger Strafverfahren mit zusätzlichen Maßgaben zur Zweckbindung zugelassen (§§ 479, 487 i.d.F. des StVÄG 1999). Von besonderem Interesse ist die vorgesehene Abstimmung der Vorschriften der Strafprozeßordnung mit den Regelungen der Polizeigesetze. Sie gibt Aufschluß über das Verhältnis zwischen Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung, Verfolgungsvorsorge und Strafverfolgung. Herausgegriffen werden sollen die Fragen der Regelung der Verfolgungsvorsorge, der Befugnisse zu Zweckänderungen zugunsten polizeilicher Aufgaben außerhalb der Strafverfolgung und der Speicherung in „multifunktionalen" Dateien. Von einer Vorschrift über die Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten in Dateien für Zwecke künftiger Strafverfahren hatte der Entwurf des Bundesrates aus dem Jahre 1994 abgesehen, weil dieser dies - wie naheliegen mag - der Gesetzgebungskompetenz der Länder zugeordnet hatte. 506 Entsprechend dem Regierungsentwurf aus dem Jahre 1999, dem der Bundesrat insoweit keine Einwände mehr entgegengehalten hat, sieht dagegen § 484 i.d.F. des StVÄG 1999 nunmehr eine allgemeine Regelung vor. Eine spezielle Vorschrift über DNA-Untersuchungen zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren ist bereits vorher mit § 81 g StPO aufgenommen worden. § 484

505 Siehe aber BVerfGE 78, 77 (84 f.). Vgl. auch Peitsch, Zweckbestimmung, S. 386, daß man damit das Risiko eingeht, daß für die - ggf.: zumindest auch - dem StrafVerfahrensrecht zuzuordnenden Kriminalakten keine strafprozessuale Ermächtigung besteht. 506 Vgl. die Ausführungen in der Stellungnahme des Bundesrates zum StVÄGE 1996, BRDrucks 961/96, S. 27 f.

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i.d.F. des StVÄG 1999 listet die Daten, die die Strafverfolgungsbehörden zu Zwecken künftiger Strafverfahren in Dateien speichern, verändern und nutzen dürfen, zunächst katalogmäßig auf. Daran schließt sich eine Befugnis zur Speicherung, Veränderung und Nutzung weiterer personenbezogener Daten von Beschuldigten und Tatbeteiligten an, soweit dies erforderlich ist, weil wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder Tatbeteiligten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, daß weitere Strafverfahren gegen den Beschuldigten zu führen sind. Diese Speicherungen sind bei Freispruch oder endgültigen Einstellungen des Verfahrens unzulässig. Mit diesen Tatbestandsvoraussetzungen folgt die Bestimmung im Vergleich zu den meisten Polizeigesetzen einer eher restriktiven Linie. Sie betrifft außerdem im wesentlichen bereits vorhandene Daten, die aus Strafverfahren stammen.507 Denn Ermittlungsbefugnisse zwecks künftiger Strafverfolgung sind - das entspricht der Grundkonzeption der Strafprozeßordnung - nicht vorgesehen. § 484 Abs. 4 i.d.F. des StVÄG 1999 hält freilich weiter fest, daß die Verwendung personenbezogener Daten 508 , die für Zwecke künftiger Strafverfahren in Dateien der Polizei gespeichert sind, sich mit Ausnahme der Verwendung für Zwecke eines Strafverfahrens nach den Polizeigesetzen richtet. Dies soll der Harmonisierung der der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr dienenden Polizeidateien in den einzelnen Polizeigesetzen der Länder dienen. 509 Der gewählten Konzeption steht jedoch bereits entgegen, daß die Bundesgesetzgebung eine von ihr in Anspruch genommene Regelungskompetenz, die sich, wenn sie ihr zusteht, auf die Verwendung der Daten erstreckt, auch im Falle einer konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nicht in dieser Weise an die Landesgesetzgebung abgeben darf. 510 Änderungen der Zwecke zur Verwendung personenbezogener Daten aus Strafverfahren zugunsten der polizeigesetzlichen Aufgaben und entsprechende Übermittlungen werden in § 481 Abs. 1 i.d.F. des StVÄG 1999 nach Maßgabe der Polizeigesetze zugelassen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Polizei ausschließlich zum Schutz privater Rechte tätig wird. In den zuvor unter507 Siehe auch die Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zu § 484, BTDrucks 14/1484, S. 32. 508 Der Begriff des „Verwendens" umfaßt das Verarbeiten und Nutzen der Daten, vgl. die Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zu § 481, BTDrucks 14/1484, S. 31. 509

Ausgeführt in der Begründung des StV AG 1996-Entwurfs der Bundesregierung zu § 484, BRDrucks 961/96, S. 32. In der Begründung des StVÄG 1999-Entwurfs der Bundesregierung zu § 484, BTDrucks 14/1484, S. 33, wird erläutert, daß „sich die der Gefahrenabwehr dienenden Polizeidateien und die Verwendung der darin enthaltenen personenbezogenen Informationen grundsätzlich nach den einzelnen Polizeigesetzen der Länder richten, bei Verwendung der Daten für die Zwecke eines konkreten Strafverfahrens5 1jedoch die Vorschriften der StPO maßgebend sind". 0 Siehe noch Kap. 3 Punkt C.II.3.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

schiedlich formulierten Entwürfen des Bundesrates und der Bundesregierung, bei denen jener auf die in den Polizeigesetzen genannten Zwecke und dieser auf die Gefahrenabwehr abgestellt hatte, hatte sich ohnehin keine Differenz in der Sache, sondern das Problem widergespiegelt, ob die Aufgabenerweiterungen in den Polizeigesetzen der Gefahrenabwehr untergeordnet werden können. 511 Mit dem gewählten Bezugspunkt ist die Zweckänderungs- und Übermittlungsbefugnis vage und weit gefaßt. 512 Darüber hinaus wird mit der vollständigen Inbezugnahme der Polizeigesetze auf jegliche eigenständige Regelung verzichtet. Der Bundesratsentwurf hatte noch Einschränkungen bei Daten vorgesehen, die durch eine besonders intensiv eingreifende strafprozessuale Ermittlungsmethode erlangt worden sind. Die Übermittlung sollte dann nur zulässig sein, soweit sie zur Abwehr einer erheblichen Gefahr fur die öffentliche Sicherheit oder zur Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung erforderlich ist (§ 481 Abs. 2 StVÄGE 1994). Damit wird in eigenständiger Formulierung auf das Gewicht des zu schützenden Rechtsguts, also nicht etwa auf die Zulässigkeit entsprechender Methoden nach den Polizeigesetzen513, abgestellt. § 481 Abs. 2 i.d.F. des StVÄG 1999 enthält jedoch - entsprechend dem Entwurf der Bundesregierung - lediglich einen Vorbehalt entgegenstehender bundesgesetzlicher oder entsprechender landesgesetzlicher Verwendungsregelungen, ohne etwa im Falle bestimmter Methoden selbst eine solche vorzusehen. 514 § 483 Abs. 3 i.d.F. des StVÄG 1999 soll die in der polizeilichen Praxis eingeübten Formen einer „multifunktionalen" Gestaltung der Datenbestände absichern. Er sieht vor, daß in dem Fall, in dem in einer Datei der Polizei die Speicherung von Daten zusammen mit Daten erfolgt, deren Speicherung sich nach den Polizeigesetzen richtet, fur die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten und die Rechte der Betroffenen das fur die speichernde Stelle geltende Recht maßgeblich ist. Gemeint ist damit nach der Begründung des Regie-

511 Vgl. dazu die Begründung des Entwurfs der Bundesregierung zu §481, BTDrucks 14/1484, S. 31, die Ausführungen in den Stellungnahmen des Bundesrates, daß im Bundesratsentwurf die Begrenzung auf die Abwehr von Gefahren nicht vorgesehen sei, weil in den Polizeigesetzen nicht nur die Gefahrenabwehr (im engen Sinn) angesprochen sei, BRDrucks 961/96, S. 21 (zum StVÄGE 1996), BTDrucks 14/1484, S. 41 f., und die Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrucks 14/1484, S. 47. 512 Kritisch Wolter, Strafprozeß, S. 359 f., 367, insbesondere auch wegen fehlender Differenzierungen in personeller Hinsicht. 513 Zu den Konstruktionen eines hypothetischen Ersatzeingriffs 4 als Maßstab Wolter, Strafprozeß, S. 359 f. 514 Vgl. dazu die Kritik zum StVÄGE 1996 in der Stellungnahme des Bundesrates, BRDrucks 961/96, S. 21 f. Im Zusammenhang mit den die Methoden regelnden Vorschriften enthält § 100 f Abs. 1 StPO für personenbezogene Informationen, die durch eine Maßnahme zum Abhören und Aufzeichnen des in Wohnräumen gesprochenen Wortes ermittelt worden sind, eine einschränkende Verwendungsregelung im hier interessierenden Sinne.

C. Die Novellierungen der Strafprozeßordnung

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rungsentwurfs 515 das jeweils geltende Polizeigesetz. Nach § 486 i.d.F. des StVÄG 1999 werden außerdem gemeinsame Dateien der Strafverfolgungsbehörden erlaubt sein. Das schließt die Zulässigkeit gemeinsamer Dateien der Staatsanwaltschaft und der Polizei ein. Besonders der letzte Punkt macht deutlich, daß der Polizei im Bereich des Umgangs mit Informationen und Daten eine deutlich eigenständige Stellung als „Strajverfolgungsbehörde" zugewiesen wird. 5 1 6 Die viel diskutierten Fragen der „Informationsherrschaft" oder der insoweit vorzusehenden Kompetenzverteilung zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei 517 werden nicht ausdrücklich behandelt und nach den Regelungsinhalten so gelöst, daß der Polizei eigene Entscheidungskompetenzen etwa über Datenspeicherungen und Zweckänderungen zukommen. Im Ergebnis läuft dies auf das Bemühen hinaus, die Position, die sich für die Polizei in den lange Zeit für nicht regelungsbedürftig gehaltenen Bereichen faktisch entwickelt hat, auch gegenüber der Staatsanwaltschaft rechtlich abzusichern.

II. Fazit: Änderungen und Anpassung der Strafprozeßordnung Die Strafprozeßordnung bleibt mit den das Ermittlungsverfahren betreffenden Aufgabenzuweisungen für Staatsanwaltschaft und Polizei auf die Aufklärung des Verdachts einer Straftat zwecks Entscheidung über die Anklageerhebung bezogen. Die Aufgabenbestimmungen sind in ihren Inhalten und Grenzen eben auch durch die Einbettung der Ermittlungstätigkeit in das Ermittlungsverfahren als Teil des Strafverfahrens und durch die Justizförmigkeit dieses Verfahrens geprägt. Daher brächte eine Vorverlagerung der Tätigkeit in das Verdachtsvorfeld oder in Richtung eines „operativen" Vorgehens strukturelle Probleme mit sich, die deutlich über diejenigen hinausgingen, die die Änderungen der Polizeigesetze nach sich ziehen. Der Blick auf die eingeführten Ermittlungsbefugnisse und auf die kommenden Regelungen des Strafverfahrensänderungsgesetzes macht freilich deutlich, daß die Aufgaben- und Befugniserweiterungen in den Polizeigesetzen auch die Strafprozeßordnung unter einen erheblichen Änderungsdruck setzen. Die Ermittlungsermächtigungen bleiben zwar, wie es systematisch zwingend ist, an einen Straftatverdacht geknüpft. Verdachtsgelöste Initiativermittlungen im Sinne eines „operativen Konzepts" stehen weder der Staatsanwaltschaft noch der Polizei zu. Trotzdem wirken sich die neuen Ermächtigungen so tiefgreifend aus, daß 515 516 517

BTDrucks 14/1484, S. 32. Dazu Kritik bei Wolter, Strafprozeß, S. 360, 367.

Siehe nur Schoreit, Datenschutz, S. 73 ff; Ernesti, Staatsanwaltschaft, S. 57 ff.; Uhlig, Polizei, S. 248 f.; Merten, Abrufrecht, S.10 ff.

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

der Strafprozeßordnung bescheinigt wird, „nicht mehr nur Verfahrens-, Schutzund Freiheitsordnung, sondern wesentlich auch Operativ-Gesetz der StrafVerfolgungsbehörden" zu sein. 518 Sie versuchen ebenso wie die Polizeigesetze, die Praxis der Polizei, die zum Teil im Kontext des Terrorismus entwickelt worden ist und sich als allgemeine strafprozessuale Ermittlungsmethode möglicherweise kaum eignet 519 , nachzuzeichnen und abzusichern. 520 Sie sind insofern „Bestätigungsgesetze" 521 . Im übrigen haben die neuen Befugnisse nicht allein strafprozessuale Implikationen. Sie dienen zugleich der Harmonisierung mit den Befugnissen nach den Polizeigesetzen. Das betrifft zunächst die Ermittlungsmethoden. Wichtiger als deren Tatbestandsvoraussetzungen sind dabei die Möglichkeiten von Zweckänderungen. Diese sind im Zusammenhang mit den einzelnen Methoden jedoch nur begrenzt geregelt. Die wirklich schwierigen Fragen waren dem StrafVerfahrensänderungsgesetz vorbehalten. Es hat deshalb wohl nicht umsonst so lange auf sich warten lassen. Man merkt bei einem Blick auf die Regelungsvorschläge und auf die anstehenden neuen Vorschriften, welche Regelungs- und Abstimmungsprobleme mit der Vorverlagerung der polizeilichen Tätigkeit aufgeworfen werden. Die Kompetenz für die Verfolgungsvorsorge, die zu den zentralen Punkten gehört, nimmt die Bundesgesetzgebung nunmehr zum Teil in Anspruch. Die gewählte Regelung ist mit dem in ihr enthaltenen Verweis auf die Polizeigesetze aber in sich nicht stimmig und insoweit verfassungsrechtlich nicht tragfähig. Die gleichermaßen wichtige Frage der Zulässigkeit von Zweckänderungen im Verhältnis zur polizeigesetzlich geregelten Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung oder Verfolgungsvorsorge soll durch eine vollständige Bezugnahme auf die Polizeigesetze gelöst werden. Auch für „multifunktionale" Formen der Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sollen die Polizeigesetze maßgeblich sein. Die Bundesgesetzgebung nimmt ihre Regelungskompetenzen demnach nur unzureichend wahr. Ebenso wie die Polizeigesetzgebungen522 ist sie bemüht, faktisch längst eingeübte polizeiliche Tätigkeiten abzusichern, anstatt sie entsprechend den (übergreifenden) rechtlichen Maßgaben zu steuern. In bestimmten Hinsichten, vor allem bei den 518

Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 526. So aufgrund empirischer Untersuchung zur Rasterfahndung Graf Rasterfahndung, S. 312: „Die §§ 98 a - b StPO treffen .... keine gesetzgeberische Grundsatzentscheidung darüber, was in Zukunft zulässig sein soll, sondern legalisieren ein polizeiliches Datenverarbeitungskonzept aus den siebziger Jahren. ... So waren Vollzugsdefizite vorprogrammiert...". 520 Zur weitergehenden Reformbedürftigkeit der Ermittlungsbefugnisse im Hinblick auf die Fragen im Zusammenhang mit den immer wichtiger werdenden Zugriffen auf Computerdaten Bär, Zugriff, bes. S. 171 ff. 521 Krauß, Strafgesetzgebung, S. 188. Im Ergebnis ebenso Weßlau, Waffengleichheit, S. 241. Vgl. auch Körner, Strafrechtspraxis, S. 237. 522 Vgl. dazu Kap. 2 Punkt B.LI. 519

D. Unterschiede, Annäherungen und Interdependenzen

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Gesetzgebungskompetenzen fur die Verfolgungsvorsorge, bestehen allerdings auch rechtliche Probleme, die bislang nicht überzeugend gelöst sind. All dies drückt sich in der eigenständigen Stellung aus, die der Polizei mehr implizit als explizit zugewiesen wird. Die Zuweisung einer solchen Stellung hat ihren Grund: Sie ist die Basis für „reibungslose" Übergänge bei der Wahrnehmung der Aufgaben der Gefahrenabwehr, der Straftatenverhütung, der Verfolgungsvorsorge und der Strafverfolgung.

D. Unterschiede, Annäherungen und Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung, Verfolgungsvorsorge und Strafverfolgung Mit den erweiterten Aufgaben und Befugnissen wird das Polizeirecht in neue Regelungszusammenhänge eingegliedert. Es bleibt zwar auch bei den traditionell gefahrenabwehrrechtlichen Zusammenhängen, in die die Polizei mit ihrer Eil- und Auffangkompetenz eingebunden ist. Prägend wirken aber zunehmend die funktionalen Verbindungen zwischen Aufgaben, Befugnissen und Behörden, die durch den Bezug auf Straftaten gekennzeichnet sind. Die Grundstrukturen der „klassischen" Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sind nicht obsolet geworden. Es gibt noch die gefahrenabwehrrechtlichen Determinationsmuster, nach denen eine konkrete Gefahr Tatbestandsvoraussetzung und die Verhaltens- oder Zustandsverantwortlichkeit für die Zulässigkeit der Inanspruchnahme von Personen maßgeblich ist. Ebenso findet noch Strafverfolgung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens statt, das durch den Verdacht einer Straftat ausgelöst und auf die Entscheidung ausgerichtet wird, ob gegen eine bestimmte Person Anklage zu erheben oder ob das Verfahren einzustellen ist. Allerdings erfahren diese Strukturen Modifikationen bereits durch bestimmte Novellierungen, erst recht jedoch durch den veränderten Kontext, vor allem im Hinblick auf neue Interdependenzen. Wenn zum Beispiel der Kreis betroffener Personen in den Vorschriften zur Datenerhebung zwecks Gefahrenabwehr deutlich über die traditionellen Verantwortlichkeitsstrukturen hinaus erweitert wird, dann liegt das zum Teil daran, daß nicht mehr allein die Adressaten einer aus traditioneller Sicht regelungsbedürftigen polizeilichen Maßnahme, sondern zudem die Personen erfaßt werden müssen, über die Informationen benötigt werden. Insoweit lassen sich bestimmte Erweiterungen durchaus in die überkommene Gefahrenabwehr einfügen. Aber die Erweiterung des Personenkreises ist darüber hinaus - in landesgesetzlich unterschiedlichem Umfang - eine Ausdehnung und Modifikation der traditionellen Inanspruchnahmemöglichkeiten. Das wird etwa bei der Reichweite der Regelungen über bestimmte besondere Ermittlungsmethoden deutlich. Erst recht werden die Erweiterungen (auch) als Modifikation erkennbar, wenn man die Gefahrenabwehr

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

in den gesamten Kontext polizeilicher Aufgaben stellt und die - von der Ausgestaltung der einschlägigen Regelungen abhängigen - Interdependenzen berücksichtigt. Gefahrenabwehr und Strafverfolgung werden durch die polizeigesetzlichen Regelungen der Straftatenverhütung und ganz überwiegend auch der Verfolgungsvorsorge ergänzt. Diese beiden Bereiche sind, auch wenn dies in der teilweise gesetzlich festgehaltenen Zusammenfassung zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" verschwimmt, ihrerseits voneinander zu unterscheiden. Das gilt bereits wegen der unterschiedlichen funktionalen Bezüge zur Gefahrenabwehr einerseits und zur Strafverfolgung andererseits: In Abgrenzung zur Straftatenverhütung antizipiert die Verfolgungsvorsorge die künftige Strafverfolgung einer Straftat, die in Zukunft begangen worden sein wird oder gegebenenfalls auch - dies je nach landesgesetzlicher Fassung - zum Zeitpunkt der Maßnahmen bereits begangen, aber noch nicht entdeckt worden ist. Sie bezieht sich in ihrem Kern nicht auf künftig mögliche Straftaten, sondern auf eine künftig möglicherweise erforderliche Strafverfolgung. Dadurch gewinnen neuartige Nahtstellen zwischen den polizeigesetzlich geregelten Aufgaben und der Strafverfolgung rechtliche Relevanz. In diesem neuen Rahmen können - dies als noch nicht zu beurteilendes Ergebnis der Gesetzesanalyse - Annäherungen und Verflechtungen der Regelungen in den Bereichen der Gefahrenabwehr, der Straftatenverhütung, der Verfolgungsvorsorge und der Strafverfolgung festgestellt werden. Sie haben verschiedene Formen und unterschiedliche Gründe. Auf den ersten Blick springt eine weitgehende Parallelität bestimmter Regelungsinhalte ins Auge. Zum Beispiel nehmen sowohl die Polizeigesetze als auch die Strafprozeßordnung Vorschriften zu den gleichen, meist verdeckt vorgenommenen Ermittlungsmethoden auf und treffen in ähnlicher Weise Vorgaben zu gesteigerten Prognoseanforderungen, unvermeidbar betroffenen Dritten, Subsidiaritätsklauseln, Entscheidungsvorbehalten oder Unterrichtungspflichten. Das liegt zum Teil daran, daß man faktische Probleme der Sachverhaltsermittlung und rechtliche Fragen der Gestaltung der Ermittlungsbefugnisse mit den gleichen Mustern zu lösen versucht. Zum Teil ist die Parallelisierung Konsequenz der angestrebten Harmonisierung der Befugnisse. Insoweit hält man sie fur eine Bedingung der Möglichkeit neuartiger Interdependenzen. Weiter fällt die weitgehend zusammengefaßte Regelung der Befugnisse zwecks Straftatenverhütung und der Befugnisse zwecks Verfolgungsvorsorge auf. Es handelt sich keineswegs lediglich um durchdachte gesetzestechnische Vereinfachungen. Dahinter steht vielmehr die pauschale Zusammenfassung der beiden Aufgaben zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten". Bemerkenswert ist auch die Einführung bestimmter Schutzmechanismen, die an strafverfahrensrechtliche Muster erinnern, in sämtliche oder auch in nur einige Polizeigesetze. Dazu gehören Hinweispflichten bei der Befragung, die entsprechende Geltung der strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechte und des Täu-

D. Unterschiede, Annäherungen und Interdependenzen

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schungsverbots nach § 136 a StPO, Begrenzungen des Einsatzes bestimmter Ermittlungsmethoden mit Rücksicht auf Zeugnisverweigerungsrechte, Zustimmungsvorbehalte oder Pflichten zur Unterrichtung der Staatsanwaltschaft oder die Einbeziehung der schützenden Begrenzungen des BZRG. Ihre Einführung liegt vor allem an den Nahtstellen der Verfolgungsvorsorge zur Strafverfolgung, deren Schutzmechanismen nicht unterlaufen werden sollen. Umgekehrt können die pauschalen Verweise der kommenden Regelungen des Strafverfahrensänderungsgesetzes auf die Landespolizeigesetze hervorgehoben werden. Die Strafprozeßgesetzgebung überläßt Felder, die sie eigentlich ihrer Regelungskompetenz unterstellt sieht, den Polizeigesetzen; diese und die Strafprozeßordnung werden in spezifischer Weise miteinander verflochten. Es ist absehbar, daß die gewählten Lösungen grundlegende Diskussionen und Kritik herausfordern werden. Die Annäherungen sind unter anderem Folge und Faktor neuartiger Interdependenzen zwischen den Aufgabengebieten. Die Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung haben sich grundlegend verändert. Mit den überkommenen situativen Gemengelagen haben sie nur noch wenig zu tun. Das Bild der Gemengelage selbst wandelt sich mit dem Bild, das man von der organisierten Kriminalität oder von „kriminellen Milieus" zeichnet. Bei einer „Straftatenproduktion" können Gemengelage zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung längerfristig bestehen.523 Sie werden zudem in vorverlagerte Tätigkeiten der Polizei eingebettet, die selbst keine Gemengelage von (konkreter) Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sind, weil deren Vorausetzungen jeweils gerade noch nicht vorliegen, aber in eine solche münden können. Diese Gemengelagen erhalten damit immerhin einen neuen Kontext. Insgesamt erschließen sich Interdependenzen nunmehr aus der Analyse, wie polizeiliche Tätigkeiten und die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen im Verlauf von Prozessen aneinanderknüpfen. Und genau vor diesem Hintergrund ist man um eine Harmonisierung der Regelungen und um möglichst nahtlose Anschlüsse bemüht. So könnte, ohne daß der strafprozeßrechtlich erforderliche Anfangsverdacht einer Straftat besteht, ein Einsatz verdeckter Ermittler zur Verhütung von Straftaten nach Maßgabe der einschlägigen polizeigesetzlichen Bestimmung erfolgen. Das setzt die Prognose voraus, daß jemand künftig Straftaten begehen wird, die im Falle der Ermittlungen zu verhindern sein könnten. Umfaßt die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten nicht lediglich die Vorbereitung

523

Vgl. Denninger, Polizeiaufgaben, Rn 161 (Hervorh.i.Orig.): „Bezogen auf die klassische Aufgabenunterscheidung kann man eine wichtige Besonderheit der OK darin sehen, daß sie den präventiven und den repressiven Handlungsauftrag der Polizei gleichzeitig auf Dauer stellt, weil die Straftatbegehung zum »normalen Geschäftsbetrieb 4 der kriminellen Organisation gehört."

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

durch Datensammlungen, sondern auch eine Verdachtsschöpfung und -konkretisierung 524 , wäre auch die Prognose tragfähig, daß künftig Straftaten zu verfolgen sein werden, deren Aufklärung durch die Ermittlungen erleichtert würde. Entsteht im Laufe der Ermittlungen ein Anfangsverdacht, richtete sich der weitere Einsatz der verdeckten Ermittler insoweit nach der Strafprozeßordnung. 525 Daß der Einsatz eines verdeckten Ermittlers danach auf die Aufklärung einer konkreten Straftat gerichtet ist und nicht darauf, eine kriminelle Szene oder Organisation als solche operativ aufzuklären 526 , wirkt sich auf die Effektivität der Ermittlungsbefugnisse somit nur begrenzt aus. Probleme mögen vielmehr, wenn der verdeckte Ermittler weiter „operativ" aufklären soll, im Hinblick auf andere grundlegende Prinzipien der Strafprozeßordnung entstehen, vor allem hinsichtlich des Legalitätsprinzips und der Orientierung auf den Einzelnen und auf die ihm zuzurechnende und von ihm zu verantwortende Straftat. 527 Neben einem solchen Nacheinander ist grundsätzlich auch ein von vornherein „multifunktionaler" Einsatz einer Methode denkbar. Diese Form wird bestimmten Methoden geradezu zugeschrieben, etwa dem Einsatz verdeckter Ermittler 5 2 8 oder auch der polizeilichen Beobachtung 529 . Veränderte Interdependenzen lassen sich auch im Hinblick darauf herausarbeiten, daß bestimmte Ermittlungsmaßnahmen „Zufallsfunde" zu ursprünglich unbekannten Situationen oder unverdächtigen Personen nicht mehr „bei Gelegenheit" erbringen, sondern systematisch produzieren. 530 Das mag etwa für die Rasterfahndung, aber auch für längerfristige Observationen oder verdeckte Ermittler, je nach Gestaltung auch für den verdeckten Einsatz technischer Mittel gelten. Die polizeigesetzlichen Vorschriften erlauben zum Teil in weitgehen524

Vgl. oben Kap. 2 Punkt B.I.2.b.

525

Vgl. dazu auch die Beschlußempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks 12/2720, S. 46, zum Sinn der vorläufigen Entscheidungsbefugnis der Polizei nach § 110 b Abs. 1 Satz 2 StPO. 526 Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 400. 527 Vgl. oben Kap. 2 Punkt A.IV. 528 BGH, StV 1995, S. 225 (225): „... Verdeckte Ermittler (werden) typischerweise in einem Aufgabenbereich tätig ..., in dem sich polizeilich-präventive und strafrechtlichrepressive Zielsetzungen untrennbar vermengen." Zur V-Person siehe etwa BGH, NJW 2000, S. 1123 (1127): „Dem Einsatz einer VP liegt die von der Rechtsprechung anerkannte Zielsetzung zugrunde, kriminelle Strukturen aufzudecken, ein latentes Kriminalitätspotential zu zerschlagen oder die Fortsetzung von Dauerstraftaten zu verhindern." Außerdem etwa Roggan, Verschwimmen, S. 346 f. 529

Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 525 mit Fn 166: „Sie dient der unauffälligen Ermittlung und Sammlung von Erkenntnissen zur Herstellung eines (punktuellen) ,Bewegungsbildes' von der zur Beobachtung ausgeschriebenen Person. Ziel ist in der Regel, Zusammenhänge und Querverbindungen innerhalb eines kriminellen Personenkreises zu erkennen, z.B. Kontakte zwischen kriminellen Strukturen verschiedener Großstädte, Auslandsverbindungen." 530 Siehe auch Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 277; Labe, Zufallsfund, S. 88 ff.

D. Unterschiede, Annäherungen und Interdependenzen

207

dem Umfang, etwa Daten und Informationen, die über aufgrund der Funktionsweisen bestimmter Methoden „unvermeidbar betroffene Dritte" erlangt worden sind, auch zur Strafverfolgung zu verwerten. Ganz unabhängig von bestimmten Ermittlungsmethoden stellen sich schließlich allgemeine Zweckänderungen bei bereits erlangten und zu bestimmten Zwecken gespeicherten und genutzten Daten dar. So werden Kriminalakten zunächst im Rahmen eines Strafverfahrens angelegt, dann vornehmlich zur Verfolgungsvorsorge aufbewahrt und schließlich wieder zur Strafverfolgung herangezogen. Rechtlich ist für diese Interdependenzen allerdings relevant, daß die Verfolgungsvorsorge einer künftigen Strafverfolgung funktional zugeordnet ist. Sie selbst würde überflüssig, wenn die entsprechenden Daten und Informationen nicht prinzipiell dafür verwendet werden dürften. Der erste Schritt - die Umwandlung von einem konkreten Strafverfahren zur Verfolgungsvorsorge - ist dagegen, wie die polizeigesetzlichen Vorschriften und die kommenden strafprozessualen Bestimmungen zeigen, weit problematischer. Mit Blick auf diese Interdependenzen sieht man mehr als bisher eine Notwendigkeit, fast den Zwang, polizeigesetzliche und strafprozessuale Ermittlungsmethoden einander anzugleichen, damit nahtlose Übergänge möglich sind und das polizeiliche Vorgehen nicht abgebrochen werden muß, wenn der Verdacht, daß Straftaten begangen werden, sich bestätigt.531 Auch dem Gebot der Zweckbindung wird entnommen, daß man grundsätzlich zu Parallelregelungen gezwungen ist, damit das Risiko von Beweisverwertungsverboten vermieden wird. 5 3 2 Ein „multifunktionaler" Einsatz einer bestimmten Ermittlungsmethode setzt - hier kann man an die Lösungen zu den situativen Gemengelagen anschließen533 - voraus, daß die Tatbestandsvoraussetzungen sowohl der polizeigesetzlichen als auch der strafprozessualen Ermächtigung gegeben sind. 534 Im Zusammenspiel der Befugnisse kommt des weiteren der Zulassung von Zweckänderungen im Rahmen der Befugnisse zur anderweitigen Verwendung oder zur Übermittlung von Informationen oder Daten eine erhebliche Rolle

531

Vgl. Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 457. Kniesel!Vahle, Polizeiliche Informationsverarbeitung, Rn 181. 533 Oben Kap. 1 Punkt D. 534 Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 523: „Es ist zulässig, daß ein VE gleichzeitig mehrere Aufträge erfüllt, z.B. aus mehreren Strafverfahren oder repressive neben präventiven, sofern die jeweiligen Einsatzvoraussetzungen erfüllt sind, im letztgenannten Fall die begrenzenden Regelungen der StPO, auch falls sie enger sind als das Polizeirecht, beachtet werden und nicht die jeweilige Auftragserfüllung unter dem multifunktionalen Tätigwerden leidet." 535 Vgl. auch die Ergebnisse der empirischen Untersuchung von Graf, Rasterfahndung, S. 199 f.: Die Anforderungen an den Anfangsverdacht, aufgrund derer die StPO Initiativermittlungen nicht ermöglicht, werden regelmäßig als unschädlich angesehen, wenn zwischen Polizeigesetzen und StPO ein „nahtloser Übergang" gewährleistet ist. 532

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Kap. 2: Die Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse

Rechtlich werden, wie im Rahmen der Gesetzesanalyse bereits an einigen Stellen deutlich geworden ist, zahlreiche, teils sehr schwierige Fragen aufgeworfen. Das gilt auch dann, wenn man die Strategie verfolgt, die Strafprozeßordnung mit ihren besonderen rechtsstaatlichen Sicherungen „sauber" zu halten und vorverlagerte Kompetenzen, insbesondere Vorfeldermittlungen, allein der Polizei nach den Polizeigesetzen zu überantworten. 536 Mit der Überlegung, ob und inwieweit dies (verfassungs)rechtlich möglich ist, wird man bereits auf grundlegende Ebenen gefuhrt. Insgesamt hat man mit grundlegenden Veränderungen sowohl der Polizeigesetze als auch der Strafprozeßordnung zu tun, die rechtlich alles andere als abschließend geklärt sind.

536

In diesem Sinne Kniesel, Meinungsstreit, S. 166.

3. Kapitel

Die Determinationsmuster in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge A. Die Veränderung der Grundlinien des Polizeirechts I. Die Diskussion um die neuen Aufgaben und Befugnisse Die Analyse der Novellierungen in Polizeigesetzen und Strafprozeßordnung hat gezeigt, daß beide Rechtsgebiete in den vergangenen Jahren grundlegend verändert worden sind. Die „Revolutionierung des Rechts der strafrechtlichen Ermittlungen" 1 wird dabei viel aufmerksamer begleitet als die gleichermaßen fundamentalen Änderungen der öffentlichrechtlichen Polizeigesetze. Auch dazu gibt es aber zahlreiche Diskussionen und kritische Einwände. Einige wesentliche Gesichtspunkte sollen nachfolgend in einem Überblick zusammengestellt werden, damit ein erster Eindruck entsteht und die Schwerpunkte der weiteren Untersuchung bestimmt werden können. Die Diskussion bewegt sich teilweise auf einer allgemeinen Ebene, die Grundstrukturen betrifft. Im Ansatz besteht in den eingehenderen Untersuchungen kein Streit darüber, daß die neuen Aufgaben und Befugnisse die überkommenen Strukturen fundamental verändern und einen „Abschied vom klassischen Polizeirecht" bedeuten.2 Man kann die breitgefächerten Überlegungen mit Hilfe dreier Linien etwas systematisieren. Die erste Linie konzentriert sich auf Gesichtspunkte der Prävention. Die zweite Linie befaßt sich mit den operativen Konzeptionen der Polizei und bezieht dementsprechend das StrafVerfahrensrecht ein. Die dritte Linie wird durch vergleichende Blicke auf das Nachrichtendienstrecht geprägt. Während die überkommene Gefahrenabwehr durch ihren dogmatischen Rahmen Grenzen besitzt, hat eine darüber hinausgehende Prävention jedenfalls theoretisch kaum Konturen. 3 Vor diesem Hintergrund werden der „präventiven 1

Vgl. Hassemer , Datenschutz, S. 37 f. So Riegel , Gesetz, S. 651 ff.; AhlflStörzerl Vordermaier, Datenschutz, Rn 97; Pitschas, Fortentwicklung, S. 7, 13, 25; im Anschluß daran auch Knemeyer , Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 11 b. Siehe außerdem Gusy , Polizeiarbeit, S. 269, 270; Hassemer , Sicherheit, S. 665, 666. 3 Grimm , Prävention, S. 38 ff. 2

14 Albers

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Kap. 3 : Die Determinationsmuster

Wende"4 polizeilicher Kompetenzen, die an den vormals umgreifenden Begriff der Polizei erinnere 5, die freiheitssichernden Funktionen der liberal-rechtsstaatlichen Eckwerte des klassischen Polizeirechts entgegengehalten. Die „Vorverlegung der Sicherungslinie in die Gesellschaft" 6 bringe Freiheitsgefahren mit sich. Meist gehe in der Präsentation der auf den ersten Blick plausibel erscheinenden präventiven Orientierung unter, daß deren Ziel die „Vorverlagerung und Ausweitung polizeilicher Eingriffskompetenzen" sei.7 Statt einer Rückbesinnung auf bisherige Strukturen gibt es aber auch Überlegungen zu Fortentwicklungen des Polizeirechts. Sie knüpfen an Muster der Gefahrenvorsorge an, die sich in anderen aus dem Gefahrenabwehrrecht ausdifferenzierten Rechtsgebieten bereits etabliert haben. Der Vorsorgegedanke sei als Steuerungsmechanismus präventiver Polizeiarbeit zu dogmatisieren. 8 Ebenso wie Modelle der Prävention hat die Polizei operative Konzeptionen ausgearbeitet und umgesetzt, lange bevor dies rechtlich erfaßt worden ist. Die Änderungen der Polizeigesetze werden deshalb zum einen als nachholende Rechtsentwicklung bei längst institutionalisierter Praxis wahrgenommen. Zum anderen leben operative Konzeptionen von weitreichenden Entscheidungsfreiräumen bei der Aufgabenerfullung. Aufgrund beider Aspekte liegt es nahe, daß die gesetzliche Reglementierung von der Polizei selbst als zu einengend, zu kompliziert und insgesamt als wenig praktikabel kritisiert wird. Die Eingriffsnormen seien immer noch zu sehr an Einzelfallbetrachtungen und an individualisierten Verdachtsmomenten orientiert. 9 Bei allen Bemühungen, das rechtliche Instrumentarium zu verbessern, habe es sich „immer nur um ein bloßes Anflikken an überholte Gesetzesstrukturen" 10 gehandelt. Unverzichtbare Ermächtigungen, insbesondere solche zu Initiativermittlungen nach der Strafprozeßordnung, stünden noch aus.11 Demgegenüber stoßen gerade operative Ansätze auch auf scharfe Kritik. Soweit diese sich nicht mit den Einwänden gegen die Vorverlagerung polizeilicher Kompetenzen überschneidet, die durch Präventionsüberlegungen veranlaßt ist, stellt sie die Elementarität der Differenz von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung heraus. Die systematische Unterscheidung der jeweiligen Ziele und der weiteren Komponenten sei durch den problemver4

Kniesel, Gefahrenvorsorge, S. 185. Paeffgen, Polizeirecht, S. 460; vgl. auch Stümper, Wandlung, S. 244. 6 Wagner, AK-PolG NRW, Einl. A Rn 9ff. 7 P.-A. Albrecht, Prävention, S. 62. 8 Pitschas, Fortentwicklung, S. 13 ff.; ders., Innere Sicherheit, S. 865, jeweils mit deutlicher Anlehnung an Muster des Umweltschutz- oder technischen Sicherheitsrechts; abgrenzender ders., Fortentwicklung, S. 20 f. 9 Stümper, OrgKG, S. 191; dies zu den Regelungen des OrgKG, als Kritik aber in bestimmtem Umfang übertragbar. 10 Stümper, Nachlese, S. 464. 11 Zachert, Kriminalität, S. 76. Vgl. auch die Nw in Kap. 2 Fn 456. 5

Α. Die Veränderung der Grundlinien des Polizeirechts

211

hüllenden und ganz unjuristischen Begriff der „Bekämpfung von Straftaten" zunehmend aus dem Blick geraten. 12 Die polizeigesetzlichen Regelungen insbesondere der Verfolgungsvorsorge und die Anpassungen der Strafprozeßordnung führten zu einer „Vereinnahmung des Strafverfahrensrechts durch die Polizei" 13 oder zur „Verpolizeilichung des Ermittlungs- oder Strafverfahrens". 14 In den Polizeigesetzen werde der polizeirechtliche Gefahrenbegriff überdehnt und die konkrete polizeiliche Situationsbewertung durch den antizipierten Verdacht ersetzt. Im Ergebnis weiche man den rechtsstaatlichen Kontroll- und Begrenzungsvorkehrungen aus, die je differenziert in den beiden Rechtsgebieten entwickelt worden seien.15 „Die StrafVerfolgungsorgane beschränken sich längst nicht mehr auf die Ermittlung einzelner, ihnen bekanntgewordener Verdachtsumstände; sie nehmen sich zuvor so festgestellte Felder von Kriminalität vor und durchkämmen sie in der Art von Kampagnen. ... Polizei und Staatsanwaltschaft definieren jenseits des Legalitätsgrundsatzes nach Kriterien, die die Politik vorgibt, wo sie ihre personellen und sächlichen Ressourcen konzentrieren." 16 Vergleichende Blicke auf das Nachrichtendienstrecht lenken die Aufmerksamkeit auf die zunehmende Angleichung polizeilicher und nachrichtendienstlicher Kompetenzen. Die Aufgaben der Polizei seien in das Gefahrenvorfeld hinein ausgedehnt worden, das bislang den Nachrichtendiensten vorbehalten gewesen sei. Zudem erstreckten sich die Befugnisse der Polizei mittlerweile auf vormals typisch nachrichtendienstliche Mittel. 17 Ein der „Verpolizeilichung des StrafVerfahrensrechts" entsprechendes Schlagwort ist das der „Vernachrichtendienstlichung"18 des Polizeirechts. Unabhängig von der Gefährdung rechtsstaatlicher Bindungen und Kontrollen - „Wer behält die Kontrolle über den verstärkten Einsatz geheimdienstlicher Mittel in den Händen der Polizei ?" 1 9 - sei das

12 Lisken, Personenkontrollen, S. 23; vgl. auch dens., „Sicherheit", S. 49, 51; Kempf, Funktion, S. 1731. Außerdem Wiek, Gefahrenabwehr, S. 219: „An die Stelle der Strafverfolgung wird der wohlklingende, aber völlig konturlose Begriff der Kriminalitätsbekämpfung gesetzt." 13 Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 31 ff. Ähnlich Hassemer, Thesen, S. 267: „Einwanderung des Polizeirechts in das Strafverfahrensrecht". 14

Schoreit, Verpolizeilichung, S. 449 ff.; Strate, Annexion, S. 143 ff.; Paeffgen,

„Verpolizeilichung", S. 13 ff. 15 Hase, in: Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier (Hrsg.), Versammlungsrecht, § 12 a Rn 30. 16 Kempf, Funktion, S. 1732 f. 17

Gusy, Trennungsgebot, S. 482 f.; Hund, Effektivitätsdenken, S. 467; Köhler, Pro-

zeßrechtsverhältnis, S. 14; Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 590; Denninger, Polizeirecht, S. 303; Hornmann, Gesetz, § 15 Rn 1 und § 16 Rn 1. 18 Paeffgen, „Verpolizeilichung", S. 19; Kniesel, „Innere Sicherheit", S. 483. Vgl. auch Emmerlich, Kriminalität, S. 91 ff. 19 Hermanski, „Unbehagen", S. 192; Kniesel, „Neues" Polizeirecht, S.231 f.

212

Kap. 3: Die Determinationsmuster

verfassungsrechtlich verankerte Gebot der Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten betroffen. 20 Insgesamt werde über die Institute der „vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung" und der „operativen Vorermittlungen" die „liberalstaatliche Trennung von Polizeirecht, Strafprozeßrecht und Verfassungsschutzrecht" weitgehend aufgehoben. 21 Darüber hinaus gibt es Einwände gegen die Regelungsinhalte und gegen die dogmatische Gestaltung der neuen Aufgaben und Befugnisse, die von den Grundüberlegungen beeinflußt, aber konkreter gefaßt sind. Die Zuweisung der Verhütung von Straftaten als Aufgabe findet für sich genommen wenig Aufmerksamkeit. Das liegt daran, daß sie im Hinblick auf kriminalpolizeiliche Vorbeugungsprogramme oder Beratungstätigkeiten unproblematisch erscheint, vor allem aber auch an der nicht sonderlich präzise gezogenen Abgrenzung zur Verhinderung von Straftaten als Teil der Gefahrenabwehr. Die Verbindung zwischen der eben geschilderten Diskussion auf übergreifender Ebene und der mittlerweile festgelegten Aufgabe der Straftatenverhütung wird selten ausdrücklich hergestellt. Bei der Verfolgungsvorsorge ist das anders. Das gilt, obwohl auch sie keineswegs in jeder Hinsicht neu ist, sondern im Bereich der Sammlung von Daten in Kriminalakten eine ebenso langjährige Praxis aufweist wie etwa die Streifentätigkeit oder die kriminalpolizeiliche Beratung. Hier wird bemängelt, daß die Aufgabe der Vorsorge keine klaren Strukturgrenzen für die Betätigungsmöglichkeiten der Polizei mehr hergebe. 22 Außerdem besteht ein ausgiebiger Streit darüber, ob und inwieweit sie in den Polizeigesetzen oder in der Strafprozeßordnung zu regeln ist. Das hat die Gesetzesanalyse bereits gezeigt. Hinter der Debatte stehen „handfeste Sachprobleme und Interessen" 23. Dazu gehören Fragen der Entscheidungskompetenzen oder des Einflusses auf polizeiliche Informationssysteme seitens der Staatsanwaltschaft, aber vor allem auch Überlegungen, welche Tätigkeiten dem strafprozessualen Ermittlungsverfahren zuzuordnen sind und inwieweit es (verfassungs)rechtlich zwingend den Verdacht einer Straftat voraussetzt. Was in den Aufgaben noch lediglich umrissen werden kann, muß bei den Befugnissen genauer geregelt werden. Bei ihnen setzt daher eine teilweise detaillierte Kritik an. Versucht man, sich einen groben Überblick zu verschaffen, kann man die unterschiedlichen Positionen wiederfinden, die mit den Grund-

20

Wagner, AK-PolG NRW, vor §8 Rn 196; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 221 ff.; Lisken, Polizei, Rn 11 ff.; ders., Weg, S. 481 f.; in Frageform Hund, Effektivitätsdenken, S. 467. 21 So Wolter, Nichtverdächtige, S. 78. Ähnlich Paeffgen, „Verpolizeilichung", S. 15 f.; Wagner, AK-PolG NRW, vor § 8 Rn 211. 22 Dazu etwa Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 238 ff.; dies auch im Vergleich mit der Aufgabe der Gefahrenabwehr. 23 Sieber/Bögel, Logistik, S. 352.

Α. Die Veränderung der Grundlinien des Polizeirechts

213

satzdiskussionen vorgezeichnet sind. Wiederum überrascht es nicht, daß die Polizei selbst, aber auch ein Teil der Fachwissenschaft die Regelungen als zu eng und zu kompliziert ansieht. Die „gesamte Ermittlungs- und Informationsgestaltung" werde in einer Weise geregelt, daß „das Handling in der Breite der polizeilichen Arbeit... umständlich, schwierig und zeitaufwendig" werde. 24 Die Anbindung mancher Ermittlungsmethoden an einen Straftatenkatalog sei zu unflexibel. 25 Insgesamt führten die Unübersichtlichkeit mancher Regelungen, die Kompliziertheit der Benachrichtigungspflichten oder die Einschaltung von Justizorganen dazu, daß die Polizei von der Nutzung der Befugnisse absehe und die Ermittlungsbreite in der Praxis immer weiter eingegrenzt werde. 26 Umgekehrt geht eine umfassende Kritik dahin, daß die gesetzlichen Regelungen keine hinreichenden normativen Grenzen setzten. Gehe man von den Grundbegriffen der (konkreten) Gefahr und des Tatverdachts sowie von der Inanspruchnahme vornehmlich der Verantwortlichen oder Tatverdächtigen ab, ließen sich polizeiliche Zugriffe mangels situativer und personeller Bezugsmöglichkeiten juristisch-tatbestandlich kaum noch begrenzen. 27 „Das Unterfangen, ein eftfgrenztes Konzept polizeilicher Kriminalitätsbekämpfüng in rechtliche Normen mit begrenzender Funktion zu übersetzen, mußte scheitern. Herausgekommen sind Normen, hinter deren beeindruckender Wortfülle und scheinbar präzisen Differenzierungen in Wirklichkeit keine einschränkenden Tatbestandsmerkmale stehen."28 Es fehle an tatbestandlicher Bestimmtheit ebenso wie an einer zureichenden Normenklarheit. 29 Die konditionale Bindung an ein auslösendes Ereignis in der Umwelt werde aufgegeben. 30 Die festgelegten Tatbestandsvoraussetzungen seien als Begrenzung wenig wirksam. Im Gegenteil fänden sich zum Teil mehrere Techniken, die bewirkten, daß „sich ein großer normativer Aufwand zur blanken Voraussetzungslosigkeit" summiere. 31 So werde die Trennung von Aufgaben und Befugnissen „dysfunktional (weil funktionslos komplex)", wenn die Erforderlichkeit zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben als Tatbestandsvoraussetzung genüge.32 Eine darauf beschränkte Bindung formuliere gerade im Kontext der neuen Aufgabenbeschreibungen keine

24 25 26 27 28 29 30 31 32

Stümper, Levaden, S. 44. Stümper, OrgKG, S. 193; vgl. auch Hilger, Probleme, S. 330 f. Stümper, Levaden, S. 44 f.; ders., OrgKG, S. 193. Wagner, AK-PolG NRW, vor § 8 Rn 199. Weßlau, Waffengleichheit, S. 243. Müller, Abschied, S. 604. Busch/Funk/Kauß/Narr/Werkentin, Polizei, S. 225. Wagner, Entwürfe, S. 167. Wagner, Entwürfe, S. 168.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

zureichenden Schranken. 33 Die Voraussetzungen der „Tatsachen, die Annahmen rechtfertigten", oder der „tatsächlichen Anhaltspunkte" verlangten nicht mehr als kriminalistische Hypothesen.34 Die im Falle besonderer Eingriffsintensität vorgesehene Bindung an katalogmäßig aufgezählte Straftaten oder an Straftaten von erheblicher Bedeutung sei regelmäßig kaum durchschaubar und weise bei näherer Betrachtung praktisch keine Grenzen auf. 35 Das gelte um so mehr, wenn man die besondere Form der Prognose berücksichtige, die gerade keine konkrete Gefahr und keinen Tatverdacht voraussetze.36 Die Speicherungs- und Übermittlungsregelungen hielten den Grundsatz der Zweckbindung allenfalls scheinbar ein. 37 Auch der Kreis der betroffenen Personen sei zu wenig begrenzt. Die polizeirechtliche Verantwortlichkeit werde durch kriminalistisch bestimmte Risikofaktoren ersetzt. 38 De facto könne nach zahlreichen Tatbeständen jede Person polizeilichen Eingriffen ausgesetzt sein. 39 Manche Methoden bezögen bereits nach ihrer Funktionsweise massenhaft Unbeteiligte ein. Insgesamt würden die rechtsstaatlichen Grenzen, die die Differenzierungen in polizeirechtlich Verantwortliche und Nichtverantwortliche und in Verdächtige und Nichtverdächtige sicherstellen sollten, preisgegeben. Das Übermaßverbot, das gerade im Polizeirecht als ein zentraler Begrenzungsmechanismus entwickelt worden sei, greife aus strukturellen Gründen nicht. Im kriminalpräventiven Vorsorgekonzept seien weder sachliche noch zeitliche Grenzen gezeichnet. Sei (noch) völlig unklar, welche Rechtsgüter durch wen in welcher Weise und mit welcher Schadenswahrscheinlichkeit bedroht würden, könne die Prüfung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit nicht sinnvoll durchgeführt werden. Auf der Ebene des Einzelfalles bestehe die Kontrolle von Entscheidungen lediglich darin, kriminalpolitische Zielsetzungen nachzuvollziehen oder abzulehnen.40 Das als Schutzvorkehrung gelegentlich festgehaltene Erfordernis einer richterlichen Anordnung setze für seine Wirksamkeit hinreichende Entscheidungsmaßstäbe voraus. Es diene unter den

33 Kniesel/Vahle, Informationsverarbeitung, Rnl07(zu Regelungsentwürfen der Datenspeicherung, insbesondere zum Anlegen von Kriminalakten). 34 Weßlau, Waffengleichheit, S. 243 f. 35 Wagner, Entwürfe, S. 172 f. 36 Weßlau, Waffengleichheit, S. 244. Vgl. auch Kniesel, „Neues" Polizeirecht, S. 236. 37 Wagner, Entwürfe, S. 171 f.; vgl. auch Rachor, Polizeihandeln, Rn 105 ff. 38 Riehle, Gefahr, S. 52 ff.; vgl. auch Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 105 ff. 39 Kniesel/Vahle, Informationsverarbeitung, Rn 47; Wagner, Entwürfe, S. 166 ff.; Gössner, Waffengleichheit, S. 71 f.; Emmerlich, Kriminalität, S. 90; Riegel, Gesetz, S. 656; Roggan, Verschwimmen, S. 339; im Ergebnis auch Alberts, Nicht-Störer, S. 148; außerdem Lisken, Personenkontrollen, S. 24 ff. (zur „Schleierfahndung"). 40 Neumann, Vorsorge, S. 130 ff.; Denninger, Grenzen, S. 57 f.; Wagner, Entwürfe, S. 173 f.; Trute, Erosion, S. 408 ff.

Α. Die Veränderung der Grundlinien des Polizeirechts

215

gegebenen Bedingungen nur „der Legalisation von heimlichen Exekutiveingriffen bei weithin tatbestandslosen Eingriffsnormen". 41 Die Einhaltung der Benachrichtigungs- und Löschungspflichten sei kaum überprüfbar. Abgesehen davon deckten die jeweiligen Eingrenzungen der Kenntnisrechte ohnehin jeden denkbaren Fall ab. 42

II. Das Erfordernis rechtsdogmatischer Weiterentwicklungen Die Untersuchung der gesetzlichen Novellierungen im Polizeirecht hat gezeigt, daß die Einschätzung, es habe sich fundamental verändert, richtig ist. Es wird nicht mehr vornehmlich von den überkommenen gefahrenabwehrrechtlichen Strukturen bestimmt. Es wird über die bisherigen Grenzlinien hinaus vorverlagert und dann auch an den Nahtstellen zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung neu ausgerichtet. Es weist neue, eigenständige Regelungskomponenten auf, die dieser Vorverlagerung, aber etwa auch dem Straftatenbezug der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge, der Verdecktheit bestimmter Ermittlungen oder den Interdependenzen zwischen den Aufgabenbereichen Rechnung tragen. Als Beispiele seien die Gestaltung der Prognoserelationen, der Adressaten polizeilicher Maßnahmen, der Unterrichtungspflichten oder der Zulassung von Zweckänderungen genannt. All dies modifiziert wiederum die durchaus noch vorhandenen - Gefahrenabwehrmuster und stellt sie in einen neuen Kontext. Das Polizeirecht ist deshalb insgesamt nicht mehr das Paradigma des Gefahrenabwehrrechts. Es ist ein besonderes Rechtsgebiet neben anderen. Hinter diesen Entwicklungen stehen, wie ebenfalls herausgearbeitet worden ist, eine ganze Reihe von Faktoren: die Wahrnehmung und Selbstbeschreibung der Gesellschaft als „Risikogesellschaft", eine veränderte Sicherheitssemantik, zunehmende Formen organisierter Kriminalität, effektivere Informations- und Datenverarbeitungstechniken oder vorfeldorientierte, proaktive, operative Konzeptionen der Polizei. In nicht geringem Umfang haben die Gesetzgebungen polizeiliche Tätigkeiten, die faktisch zum Teil längst etabliert waren, nachlaufend geregelt. Die Funktionen der gesetzlichen Determination bestehen unter anderem in der Umsetzung rechtspolitischer Steuerungsabsichten, aber auch in der Herstellung von Entscheidungssicherheit fur die Exekutive.43 Zudem sind die rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Anforderungen des Gesetzesvorbehalts zu erfüllen, der nicht nur im Eingriffsbereich gilt.

41

Lisken, „Sicherheit", S. 51. Wagner, Entwürfe, S. 174 f.; Müller, Abschied, S. 605 f. 43 Vgl. Rebscherl Vahlenkamp, Kriminalität, S. 166: Auch die Polizei erwartet klare gesetzliche Regelungen und eine gesetzliche Absicherung ihrer Instrumente. 42

216

Kap. 3 : Die Determinationsmuster

Schon wegen der verfassungsrechtlichen Bindungen, die sich auch wegen der Interdependenzen zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung vielfältig gestalten, wären Regelungsweisen, die der Polizei Befugnisse zuwiesen, die nicht mehr als das Ziel der „Bekämpfung der organisierten Kriminalität" vorgeben, verfassungswidrig. Die weitreichenden Implikationen und die Freistellung von rechtlichen Bindungen, die insbesondere „operative" Konzeptionen in sich bergen, lassen sich verfassungsrechtlich nicht legitimieren. Vorbehaltlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit steht im Gegenteil fest, daß die über die Gefahrenabwehr und Straftatenverfolgung hinausgreifenden polizeilichen Tätigkeiten gesetzlich zu regeln sind. Deswegen kommt es darauf an, im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben angemessene gesetzliche und dogmatische Regelungsmuster zu entwikkeln. Dabei kann man nicht erwarten, daß sich die Determination in den Bereichen der Straftatenverhütung oder der Verfolgungsvorsorge ebenso gestaltet wie im „klassischen" Gefahrenabwehrrecht. Die Vergesetzlichung dieser Aufgabenbereiche und zugleich des polizeilichen Umgangs mit Informationen und Daten hat mit sachlich neuartigen Feldern zu tun. Nach allem wäre es allerdings gleichermaßen verkürzt, zu pauschal auf Begriffe wie die des „präventiven Polizeirechts", der „Gefahrenvorsorge" oder des „Risikorechts" zurückzugreifen. Das „neue" Polizeirecht weist nur begrenzte Parallelen etwa zum Umweltschutzrecht auf, selbst wenn sich beide Rechtsgebiete aus der gemeinsamen Quelle des Gefahrenabwehrrechts ausdifferenziert haben. Die dort entwickelten - ohnehin auch ihrerseits verschiedenen - Konzeptionen können daher nicht schlicht übertragen werden. 44 Das heißt nicht, daß sich nicht bestimmte Grundsatzprobleme ähnlich stellen oder bestimmte Lösungen auch im Polizeirecht passen könnten.45 Etwa läßt sich für beide Bereiche feststellen, daß man den Verlust an inhaltlicher Steuerungskraft der gesetzlichen Bestimmungen durch die Kombination mehrerer Regelungselemente einschließlich verfahrensrechtlicher Vorgaben auszugleichen sucht. Und auch im Polizeirecht gibt es mittlerweile Experimentiergesetze und Befugnisse, die zunächst befristet eingeführt wurden, damit man sie ausprobieren und mit ihnen Erfahrungen sammeln kann. 46 Insgesamt trägt die Veränderung des Polizeirechts aber ganz eigenständige Züge. Indem die einschlägigen Regelungselemente unter anderem von der Verdecktheit des Vorgehens geprägt werden, zeigt es zum Beispiel teilweise - wie in der Kritik zu Recht registriert wird - Parallelen zu nachrichtendienstrechtli44

Vgl. bereits Kap. 2 Punkt B.I.2. Weitreichend allerdings Pitschas, Fortentwicklung, S. 23, wenn er (offenbar) meint, man könne die Gestaltung des Polizeirechts mit der Idee des „kooperativen" Staates angehen. 46 So die Telefonüberwachungsbefugnisse des Zollkriminalamts in §§ 39 ff. AWG. 45

Α. Die Veränderung der Grundlinien des Polizeirechts

217

chen Regelungsformen. Zudem hat es den gegebenen Nahtstellen zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur Straftatenverhinderung, und zur Strafverfolgung Rechnung zu tragen. Das „neue" Polizeirecht muß hier „anschlußfähig" sein, weil es weder von seinen eigenen rechtlichen Strukturen her noch mit Blick auf die Interdependenzen zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung ganz aus diesen Bezügen gelöst werden kann. Es kommt somit darauf an, ein spezifisches Polizeirecht zu entwickeln, das zwar Impulse von den Vorsorgekonzepten anderer Rechtsgebiete erhalten kann, aber im übrigen durch eine Dogmatisierung gekennzeichnet ist, die auf die Regelungsprobleme abgestimmt ist, die es aufwirft. III. Schwerpunkte der weiteren Untersuchung Nach den bisherigen Ausfuhrungen und dem Überblick über die kritischen Einwände ist deutlich, daß dem Polizeirecht der „Reiz des Neuen" nicht mehr fehlt 47 , sondern ihm in (zu) vielen Hinsichten zukommt. Im folgenden sollen daher bewußt Schwerpunkte gesetzt und bestimmte Aspekte ausgewählt werden, die von besonderem Interesse, im Rahmen des (öffentlichrechtlichen) Polizeirechts neuartig und meist auch wenig erörtert sind. Die weitere Untersuchung beschränkt sich auf Probleme der polizeigesetzlichen Regelungen und klammert die - sich ihrerseits fundamental verändernden - Bestimmungen der Strafprozeßordnung aus. Der bisherige Ansatz, der davon ausgeht, daß die Nahtstellen zwischen Polizeigesetzen und der die Strafverfolgung regelnden Strafprozeßordnung sich verändern und die Polizeigesetze darauf reagieren (müssen), wird dabei freilich beibehalten. In bestimmtem Umfang sollen nachfolgend die neuen dogmatischen Strukturen des Polizeirechts erarbeitet und an den einschlägigen Punkten zugleich die kritischen Positionen geprüft werden. Die Gesetzesanalyse hat dafür bereits eine Basis geliefert: Die Polizeigesetze weisen einerseits eine ganze Reihe neuer Regelungsstrukturen und -elemente auf. Andererseits sind sie gerade in den neuen Bereichen im näheren durchaus unterschiedlich gestaltet. Das ermöglicht eine genaue Problembeschreibung und einen Vergleich verschiedener Lösungen. Aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben sollen die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern, die unter anderem das Verhältnis zwischen Landespolizeirecht und Strafverfahrensrecht betrifft und für die Zuordnung der Verfolgungsvorsorge relevant ist, und das Gebot der Trennung zwischen Polizei und Nachrichtendiensten behandelt werden, das der „Vernachrichtendienstlichung" des Polizeirechts entgegengehalten wird. Im Rahmen der inhaltlichen Gewährleistungen des Rechtsstaatsprinzips und der 47

Vgl. dazu Einleitung Punkt A Fn 4.

218

Kap. 3: Die Determinationsmuster

Grundrechtsnormen wird das aus Art. 2 i.V.m. Art. 1 GG hergeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung erörtert, das neuartige und übergreifend-grundlegende Bindungen enthält. Die Anwendungsbedingungen und die Einsatzfähigkeit des Übermaßverbots verdienen wegen der These Aufmerksamkeit, es laufe in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge leer. Schließlich soll es um die Anforderungen an die gesetzliche Gestaltung von Kenntnismöglichkeiten betroffener Personen gehen, die in den neuen Bereichen unter anderem wegen verdeckter und langfristig angelegter Ermittlungen eine bedeutende Rolle spielen. Im Rahmen der Regelungsstrukturen und Regelungselemente in den Polizeigesetzen werden zunächst vor allem das Verhältnis zwischen Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge, das für das Verständnis der neuen Aufgabenzuweisungen wichtig ist, sowie Grundzüge derer Konkretisierung thematisiert. Außerdem wird dem Problem nachgegangen, inwieweit den Ländern die Gesetzgebungskompetenz für die Verfolgungsvorsorge zusteht. Diese Frage ist nicht nur sehr strittig; sie spiegelt sich auch in den Polizeigesetzen und den Novellierungen der Strafprozeßordnung wider und hat einen erheblichen Anteil an den Abstimmungsschwierigkeiten. Bei den Befugnissen zur Verhütung oder zur Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten werden die Grundmuster der Erhebungsermächtigungen und einige weitere Elemente der Ermächtigungen zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden erörtert. Dabei sollen nicht nur neue Komponenten und Kategorien des Polizeirechts deutlich, sondern auch die kritischen Einwände fehlender oder unwirksamer rechtlicher Grenzen aufgegriffen werden. Im Rahmen der Ermächtigungen zur weiteren Informations- und Datenverarbeitung stehen die Grundlinien der Zweckänderungsmöglichkeiten, dies auch beim Einsatz besonders beeinträchtigender Ermittlungsmethoden, im Mittelpunkt, weil sie die rechtlichen Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung, Verfolgungsvorsorge und Straftatenverfolgung prägen. Übermittlungs- und Empfangsermächtigungen erfordern eine Analyse der konkreten Beziehungen zwischen der Polizei sowie der jeweiligen anderen Stelle und werden daher nicht näher untersucht. Abschließend werden die gesetzlichen Kenntnisgewährleistungen, insbesondere Unterrichtungspflichten und ihre Grenzen, und die Institutionalisierung von Kontrollen behandelt.

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

219

B. Die Determinationswirkungen der zentralen verfassungsrechtlichen Aussagen I. Die Vorgaben grundgesetzlicher Kompetenzbestimmungen 1. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern Das Polizeirecht wird maßgeblich durch die föderale Struktur von Bund und Ländern geprägt, die das Grundgesetz konstituiert. Diese Struktur beeinflußt insbesondere auch die Verankerung der Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung in der Verfassung. 48 Es überrascht daher nicht, daß gerade die grundlegenden Veränderungen des Polizeirechts meist Erörterungen erfordern, ob sie überhaupt in Einklang mit den Kompetenzverteilungsbestimmungen des Grundgesetzes stehen. Traditionell besitzt der Bund für Regelungsgegenstände, die die Polizei betreffen, nur begrenzte Gesetzgebungskompetenzen. Nach der Regelungstechnik der Vorschriften zur Kompetenzverteilung sind nicht etwa bestimmte Materien dem Bund, andere Materien den Ländern enumerativ und abschließend zugeordnet. Art. 70 Abs. 1 GG hält vielmehr den Grundsatz fest, daß die Länder das Recht der Gesetzgebung haben, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Art. 73 Nr. 10 GG weist dem Bund zunächst die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich der Kriminalpolizei zu. Dies umfaßt die gegenseitige Information, Unterstützung und Abstimmung nach Maßgabe und in den Grenzen der jeweils geltenden Vorschriften, und betrifft alle Bundesbehörden, denen in bestimmtem Umfang kriminalpolizeiliche Aufgaben zugewiesen sind, also etwa auch Zoll- und Grenzschutzbehörden. Weiter enthält Art. 73 Nr. 10 GG, hier ergänzt durch Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG 4 9 , die Kompetenz für die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes. Schließlich überantwortet er dem Bund die Kompetenz für die internationale Verbrechensbekämpfung. Damit ist nicht die Bekämpfung internationaler oder grenzüberschreitender Verbrechen, sondern die internationale Bekämpfung von Verbrechen gemeint. Der Kompetenztitel bezieht sich dementsprechend auf die Regelung der Zusammenarbeit mit den ausländischen Behörden. 50 Er umfaßt vor allem den Austausch von Informationen und Daten, gemeinsame Beratungen, die Zulassung der Tätigkeit deutscher Behörden jenseits und ausländischer Behörden diesseits der Grenzen der Bundesrepublik, die internationale Amtshilfe oder formlos koordiniertes

48

Vgl. bereits oben Kapitel 1 Punkt A.I. Materiellrechtliche und organisationsrechtliche Kompetenzen werden in den Normen vermischt. 50 BVerfGE 100, 313 (369). 49

220

Kap. 3: Die Determinationsmuster

Vorgehen im Einzelfall. 51 Im übrigen fällt das Polizeirecht als Gefahrenabwehrrecht der Länderkompetenz zu. Neben den genuin polizeiliche Materien betreffenden Kompetenzbestimmungen steht dem Bund für die Regelung der Strafverfolgung die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zur Verfügung. In diesem Bereich haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit, die eine Erforderlichkeit bundesgesetzlicher Regelung voraussetzt (Art. 72 Abs. 2 GG), nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Abs. 1 GG). Damit besteht eine in zeitlicher und sachlicher Hinsicht subsidiäre Länderkompetenz. Ihre Reichweite hängt gegebenenfalls davon ab, inwieweit der Bundesgesetzgeber in einem bestimmten Regelungsbereich eine erschöpfende Regelung getroffen hat. Der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG erstreckt sich unter anderem auf das „gerichtliche Verfahren". Das Ermittlungsverfahren ist funktional in das Strafverfahren eingebettet.52 Daher faßt man unter den Begriff des „gerichtlichen Verfahrens", unter den nicht nur Verfassung und Verfahren der Gerichte, sondern auch Regelungen über das unmittelbare Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens fallen 53 , auch das strafprozessuale Ermittlungsverfahren einschließlich der Bestimmungen über Aufgabe und Befugnisse der Polizei. 54 Die Zuordnung der gesetzlichen Vorschriften über die Strafverfolgung zu diesem Kompetenztitel bekräftigt das Erfordernis einer justizformigen Gestaltung der Ermittlungsverfahren, das in materieller Hinsicht - dies auch traditionell - durch rechtsstaatliche und grundrechtliche Gesichtspunkte gestützt wird. 5 5 Wegen dieses materiell-rechtlichen Hintergrundes lassen sich die Befugnisse zur Strafverfolgung nicht ohne weiteres aus dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG lösen. Die Verfolgung von Straftaten unterliegt grundsätzlich dem Regime der Strafprozeßordnung und danach der Leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft. Ermittlungskompetenzen von Polizeibehörden sind dem zu- und nachgeordnet. Trotz oder gerade wegen der Regelungstechnik der Art. 70 ff. GG werden der Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die ausdrücklich zugewiesenen Bereiche hinaus weitere Materien zugeordnet. So werden Bundeskompetenzen kraft Sachzusammenhanges bejaht, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich

51

Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 73 Rn 166; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 73 Rn 45. 52 Vgl. Kap. 1 Punkt C.II. 53 Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 74 Rn 79 ff. 54 Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 74 Rn 82; G G K - v o m Münch, Art. 74 Rn 11; Sydow, Verbrechensbekämpfung, S. 121 f. 55 Siehe näher Kap. 1 Punkt C.II. Vgl. auch BVerfGE 36, 193 (203 ff.).

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

221

eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie mitgeregelt wird. 56 Annex-Kompetenzen erstrecken die Kompetenz zur Regelung einer ausdrücklich zugewiesenen Materie auf die Kompetenz für weitere Regelungen, die in der „Tiefe" 57 notwendig und ergänzend mitzuregeln sind. 58 Dazu werden Vorschriften über die Vorbereitung und Durchfuhrung des jeweiligen Sachgegenstandes gezählt.59 Die Aussagen der grundgesetzlichen Kompetenzverteilungsbestimmungen wirken in den Grundlinien klar und eindeutig. Kompetenzvorschriften werfen überwiegend auch nicht aus sich heraus Probleme auf, sondern deswegen, weil die tatsächliche Entwicklung an ihnen vorbei und über sie hinweg verläuft. Bruchstellen können zum einen im Verhältnis von Bundespolizei zu Länderpolizeien ausgemacht werden. Obwohl jener nach grundgesetzlicher Vorstellung nur eine begrenzte Rolle zukommen sollte, hat sie zunehmende Relevanz erlangt. Das gilt vor allem für das Bundeskriminalamt, das als Zentralstelle Funktionen erhalten hat, die über Koordination und Zusammenarbeit weit hinausweisen, und das mit der Internationalisierung der Verbrechensbekämpfung weiter an Bedeutung gewinnen wird. 60 Es gilt aber auch für den Bundesgrenzschutz oder für den Zoll. 6 1 Bruchstellen bedingt zum anderen die Ausdehnung polizeilicher Aufgaben und Befugnisse über die überkommene Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung hinaus. Da die Gesetzgebungskompetenzen die Differenz von Prävention und Repression verankern, muß es zu Schwierigkeiten führen, wenn operative Konzeptionen polizeilicher Tätigkeit umgesetzt werden sollen, die eben diese Differenz zu überwinden suchen. Das ist bei der Darstellung der Gesetzesnovellierungen bereits angeklungen, und die insoweit zentrale Frage, wie man die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten oder von künftigen Straftaten einordnen kann, soll noch behandelt werden. 2. Das Gebot der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten Im Ansatz auch auf die Ebene der Kompetenzverteilungsbestimmungen gehört das Gebot der Trennung von Polizeien und Nachrichtendiensten, das der „Vergeheimdienstlichung" des Polizeirechts entgegengehalten wird und die liberalstaatliche Trennung von Polizeirecht, Strafprozeßrecht und Verfassungsschutzrecht stützen soll. Unter anderem wird daraus hergeleitet, daß das 56 57 58

BVerfGE 3, 407 (421); 12, 205 (237); 26, 281 (300). Vgl. dazu Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 70 Rn 18, 64. BVerfGE 3, 407 (433); 8, 143 (149 f.); 22, 180 (210); 41, 344 (355); 77, 288

(299). 59 Stettner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 70 Rn 64 ff. 60 Siehe bereits oben Kap. 2 Punkt A.III, und IV. 61 Zum BGS siehe BVerfGE 97, 198.

222

Kap. 3: Die Determinationsmuster

„Vorfeld" konkreter Gefahren und des (Anfangs)Verdachts von Straftaten ebenso wie der Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel" den Nachrichtendiensten fur ihre spezifischen Aufgaben vorbehalten sei. 62 In eher schlagwortartiger Form spielt es in den politischen Diskussionen eine durchaus beachtenswerte Rolle. Verfassungsrechtlich muß es präzisiert und aufgefächert werden. Das „Trennungsgebot" wird historisch auf den Polizeibrief der Alliierten Militärgouverneure vom 8./14. April 1949 zurückgeführt. 63 In den Beratungen zum Grundgesetz wurde die Zuständigkeit des Bundes für die Kriminalpolizei und die Einrichtung eines Bundeskriminalamtes zunächst vom Zuständigkeitsausschuß unter dem Gesichtspunkt der Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern erörtert. Hintergrund war unter anderem die Befürchtung, ein Bundeskriminalamt könne Ansatzpunkt für eine zentrale politische Polizei werden. Während der zweiten Phase der Beratungen überreichten die alliierten 62

Dazu etwa Lisken, Polizei, Rn 11 ff.; Albert, „Trennungsgebot", S. 106 ff. Der Polizeibrief, abgedruckt in Huber, Quellen, Bd. 2, Β III 7 a, S. 216, hat folgenden Wortlaut: „Wie wir Ihnen in unserem ,Aide-Mémoire' vom 22. November 1948 mitgeteilt haben, sollen die Befugnisse der Bundesregierung auf dem Gebiet der Polizei auf die von den Militärgouverneuren während der Zeit der Besatzung ausdrücklich genehmigten und nach diesem Zeitpunkt auf die durch internationale Vereinbarung bestimmten Befugnisse beschränkt sein. Die Militärgouverneure sind nun, wie folgt, übereingekommen: 1. Der Bundesregierung ist es gestattet, unverzüglich Bundesorgane zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen und Bundespolizeibehörden auf folgenden Gebieten zu errichten: a) Überwachung des Personen- und Güterverkehrs bei der Überschreitung der Bundesgrenzen; b) Sammlung und Verbreitung von polizeilichen Auskünften und Statistiken; c) Koordinierung bei der Untersuchung von Verletzungen der Bundesgesetze und die Erfüllung internationaler Verpflichtungen hinsichtlich der Rauschgiftkontrolle, des internationalen Reiseverkehrs und von Staatsverträgen über Verbrechensverfolgung. 2. Der Bundesregierung wird es ebenfalls gestattet, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten. Diese Stelle soll keine Polizeibefügnis haben. 3. Die Befugnisse, Zuständigkeiten und Aufgaben jedes zu errichtenden Bundesorgans zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen oder jeder Bundespolizeibehörde sind durch ein der Ablehnung durch die Militärgouverneure unterliegendes Bundesgesetz zu bestimmen. Keine Bundespolizeibehörde darf Befehlsgewalt über Landes- oder Ortspolizeibehörden besitzen. 4. Jede Bundespolizeibehörde unterliegt, insbesondere hinsichtlich ihrer Kopfstärke, Bestimmungen, soweit sie anwendbar sind, die die Militärgouverneure auf Grund der den Besatzungsbehörden nach dem Besatzungsstatut vorbehaltenen Befugnisse erlassen. 5. Falls der Parlamentarische Rat oder die Bundesregierung Bundesorgane zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen oder Bundespolizeibehörden auf anderen Gebieten in Vorschlag bringen sollte, so sind, vorbehaltlich der Bestimmungen in den Absätzen 3 und 4, Vorschläge dieser Art den Militärgouverneuren zur Genehmigung vorzulegen." 63

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

223

Militärgouverneure Vertretern des Parlamentarischen Rates ein Memorandum. Nach diesem Aide-Mémoire vom 22. November 1948 64 sollte das Grundgesetz unter anderem in möglichst hohem Grade vorsehen, daß die Befugnisse der Bundesregierung auf dem Gebiet der Polizei auf diejenigen beschränkt waren, die während der Besatzungszeit von den Militärgouverneuren ausdrücklich gebilligt wurden. Der Hauptausschuß beschloß nachfolgend, in Art. 35 Nr. 10 die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers fur das Sachgebiet der „Zusammenarbeit der Länder in der Kriminalpolizei", sodann auch für „die Errichtung eines Bundeskriminalamtes" aufzunehmen. Nachdem die alliierten Militärgouverneure bereits im Februar und März den Grundgesetz-Entwurf insbesondere auch hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern anhand des Aide-Mémoire vom 22. November 1948 überprüft hatten 65 , ging der „Polizeibrief 4 Mitte April, also während der abschließenden Beratungsphasen des Grundgesetzes, beim Parlamentarischen Rat ein. Daß der Bundesregierung nach dessen Ziff. 1 gestattet sein sollte, Bundesorgane zur Verfolgung von Gesetzesübertretungen und Bundespolizeibehörden auf bestimmten Gebieten zu errichten, und nach Ziff. 2 ebenfalls gestattet wurde, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten, die aber keine Polizeibefügnis haben sollte, wird als Notwendigkeit einer Trennung dieser Stellen hinsichtlich ihrer Organisation, ihrer Aufgaben und bestimmter Befugnisse verstanden. 66 A u f den Polizeibrief vom 14. April 1949 wurde im Genehmigungsschreiben der Alliierten Militärgouverneure zum Grundgesetz Bezug genommen.67 Soweit er überhaupt als ein die Verfassung überlagerndes Besatzungsrecht und damit als eigenständiger Rechtssatz hätte aufgefaßt werden können, gilt er in dieser Form allerdings seit Inkrafttreten des Deutschlandvertrages am 5. Mai 1955 68 sowie der DreiMächte-Erklärung vom 27. Mai 1968 69 und damit zumindest seit der Wiedererlangung voller Souveränität der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr. 70 Er wird in der Regel auch nicht als geltende Rechtsgrundlage bezeichnet.71

64

Abgedruckt in: Bonner Kommentar, Einleitung, S. 98 ff, dort unter c). Vgl. dazu Bonner Kommentar, Einleitung, S. 104 ff. 66 Gusy, Gebot der Trennung, S. 46. 67 Nr. 3 des Genehmigungsschreibens, abgedruckt bei Huber, Quellen, Bd. 2, Β III 7 b, S. 217 f., lautet: „Zweitens ist klarzustellen, daß die in Art. 91 (2) GG enthaltene Polizeigewalt nicht ausgeübt werden kann, bis sie durch die Besatzungsbehörden ausdrücklich genehmigt ist. In gleicher Weise werden die sonstigen Polizeifunktionen des Bundes sich nach unserem am 14. April 1949 in dieser Angelegenheit an Sie gerichteten Schreiben zu richten haben." 68 BGBl II S. 305. 69 BGBl II S. 57, BGBl I, S. 714. 65

224

Kap. 3 : Die Determinationsmuster

Gibt es ein von den grundgesetzlichen Bestimmungen losgelöstes Trennungsgebot im Sinne eines ungeschriebenen Verfassungsrechtssatzes nicht, bleibt jedoch die Frage, ob der „Polizeibrief' als entstehungsgeschichtliches Argument bei der grundgesetzlichen Interpretation herangezogen werden kann. Genau das wird häufig bejaht. 72 Der Parlamentarische Rat habe die Anforderungen des „Polizeibriefs" einschließlich des darin enthaltenen Gebots der Trennung zwischen Nachrichtendiensten und Polizei rezipiert und umgesetzt.73 Seine Verankerung leitet man im Rahmen der Gesetzgebungskompetenzen aus der Abgrenzung der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich der Kriminalpolizei gegen die Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes in Art. 73 Nr. 10 GG her. Bei den Verwaltungskompetenzen werden die Unterscheidungen von Zentralstellen für polizeiliche Zwecke und solche für Zwecke des Verfassungsschutzes in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG angeführt. Gesetzgebungskompetenzen und Verwaltungskompetenzen werden bei den Überlegungen zum Trennungsgebot häufig nicht deutlich voneinander getrennt. Die scheinbaren Vermengungen sind aber gerade durch den Sinngehalt bedingt, den man diesem Gebot zuschreibt. Es soll in bestimmtem Umfang eine Trennung der Organisation sowie der Aufgaben und Befugnisse von Polizeibehörden einerseits und Verfassungsschutzbehörden andererseits sicherstellen. Daher geht es in zusammenhängender Weise darum, inwieweit genuin „polizeiliche" oder genuin „nachrichtendienstliche" Befugnisse „überkreuz" nachrichtendienstlichen oder polizeilichen Aufgaben zugeordnet werden dürfen, welche Gestaltungen welche von den gegeneinander abgegrenzten Gesetzgebungskompetenzen - insbesondere angesichts der auch bestehenden Länderkompetenzen - trägt und ob in einer bestimmten Form gestaltete Aufgaben und Befugnisse gerade den bereits mit (anderweitigen) „polizeilichen" oder „nachrichtendienstlichen" Kompetenzen ausgestatteten Polizeibehörden einerseits oder Nachrichtendiensten andererseits zugewiesen werden dürfen. Erforderlich ist somit jedenfalls eine Auslegung der grundgesetzlichen Bestimmungen. Der primäre Gehalt beider Normen liegt darin, in Abweichung von den Artikeln 30, 70 und 83 GG dem Bund und nicht den Ländern bestimmte Materien zuzuweisen. Daraus resultieren sachlich-aufgabenbezogene und organisationsbezogene Aussagen, dies zunächst im Bund/Länder-Verhältnis, aber

70 Vgl. auch Gusy, Gebot der Trennung, S. 46; Roewer, Trennung, S. 206 f.; Paeffgen/Gärditz, Föderale Seite, S. 67. 71 Siehe aber Lisken, „Nachrichtendienste", S. 146; Kutscha, Aktualität, S. 195; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 223. Das Argument, weder die Westmächte noch die zuständigen Organe der Bundesrepublik hätten jemals ihre Absicht bekundet, das Trennungsgebot aufzugeben, greift nicht durch. 72 Siehe dazu auch BVerfGE 97, 198 (215): Dort wird Art. 87 Abs.2 Satz 1 GG als Reaktion des Verfassungsgebers auf den sogenannten „Polizeibrief 4 bezeichnet. 73 Vgl. Gusy, Gebot der Trennung, S. 46.

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

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durchaus auch im Hinblick auf die in den Normen genannten Bereiche. Geht man im näheren vom Wortlaut aus, differenziert Art. 73 Nr. 10 GG fur die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder ausdrücklich zwischen Kriminalpolizei und Verfassungsschutz . Er enthält weiter eine Kompetenz für die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes sowie für die internationale Verbrechensbekämpfung. Auch Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG unterscheidet ausdrücklich zwischen polizeilichem Auskunfis- und Nachrichtenwesen, Kriminalpolizei und Verfassungsschutz. Der in der Norm verwendete Plural „Zentralstellen" und die nachfolgend aufgezählten Verwaltungszwecke werden als Argument dafür genannt, daß für die unterschiedlichen in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG genannten Aufgaben auch unterschiedliche - und daher notwendig getrennte - Zentralstellen eingerichtet werden müssen.74 Der Normtext ist dafür allerdings nur ein Indiz, kein hinreichender Beleg. 75 Historisch-genetisch kann an dieser Stelle aber der „Polizeibrief 4 herangezogen werden. Ihre Haltung zu den polizeilichen Befugnissen des Bundes gaben die Alliierten mit dem Polizeibrief erst während der Beratungen des Grundgesetzentwurfs im Hauptausschuß und Plenum des Parlamentarischen Rates in modifizierter und näher bestimmter Form bekannt. Die späteren Art. 73 Nr. 10, 87 Abs. 1 Satz 2 GG wurden erst unmittelbar vor der Schlußberatung eingebracht und ohne Begründung, Aussprache oder Abänderung verabschiedet. 76 Demnach besteht zumindest ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Polizeibrief einerseits und der konkreten grundgesetzlichen Fassung der Art. 73 Nr. 10 sowie Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits. Der kausale Zusammenhang ist freilich nicht ausdrücklich belegt. Trotzdem ist nach der Entstehungsgeschichte naheliegend, daß die Anforderungen des „Polizeibriefs" einschließlich des darin enthaltenen Trennungsgebotes in Art. 73 Nr. 10 GG sowie Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG umgesetzt worden sind. 77

74

Gusy, Gebot der Trennung, S. 46; Schmidt, Amtshilfe, S. 190. Die Gegenargumentation von Roewer, Trennung, S. 205, Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG sei lediglich als Einrichtungsbefugnis für Behörden des Bundes zu verstehen, die im übrigen zu organisatorischen Einzelfragen nichts aussage, und aus dem Plural des Begriffs Zentralstellen könne nicht gerade auf die Trennung von polizeilichen und nachrichtendienstlichen Stellen geschlossen werden, mag bei isolierter Betrachtung des Normtexts zutreffen. Sie blendet aber jeglichen Sach- und Sinnzusammenhang zwischen den einzelnen genannten Aufgabenbereichen und die sich daraus sinnvoll ergebende Trennung von Stellen aus. 76 Vgl. Doemming/Füsslein/Matz, Entstehungsgeschichte, S. 651 f. 77 Denninger, Trennung, S. 231; Gusy, Gebot der Trennung, S. 47. Insoweit insbesondere bei Einbeziehung des Normtextes wenig überzeugend der Einwand bei Roewer, Trennung, S. 207, der Polizeibrief sei als ein die Verfassung überlagerndes Besatzungsrecht aufgefaßt worden, und deshalb sei eine Aufnahme seiner Anforderungen in die Verfassung überflüssig erschienen. Offen bleibend BVerfGE 100, 313 (369 f.). Die Ent75

15 Albers

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

Bei teleologischer Betrachtung der in den grundgesetzlichen Bestimmungen enthaltenen Differenzierungen spielen insbesondere Unterschiede der jeweiligen Aufgaben und Befugnisse eine Rolle, die hinter Vorgaben zu einer aufgaben· und organisationsbezogenen Trennung stehen können. Auch ausgehend vom Text des „Polizeibriefs" ist die Trennung von Polizei und Verfassungsschutz mit einer Unterscheidbarkeit ihrer Organisation und der jeweiligen Aufgaben verbunden. 78 Welche historischen Gesichtspunkte dahinterstehen - Erfahrungen mit der durch eine Zusammenführung und Zentralisierung weitreichender Überwachungs- und Exekutivbefugnisse gekennzeichneten Gestapo 79 , Orientierung am britischen Modell 8 0 -, mag offen bleiben. Die Aufgaben des Verfassungsschutzes sind in besonderer, unter anderem gegen polizeiliche Aufgaben abgrenzbarer Weise charakterisiert: Sie bringen Tätigkeiten in den freiheitsrechtlich sensiblen und politisch anfälligen Bereichen des Staatsschutzes sowie oppositioneller politischer Aktivitäten mit sich und sind mit Berichtspflichten gegenüber der Regierung verbunden. Von der Unterscheidung der Aufgaben rührt weiter eine Differenzierung und unterschiedliche Gestaltung der Befugnisse her. 81 Grundsätzlich müssen, da Befugnisse immer auf bestimmte Aufgaben bezogen sind, die Befugnisse der Verfassungsschutzbehörden auf die Aufgaben des Verfassungsschutzes bezogen sein und die der Polizeibehörden auf polizeiliche Aufgaben. Darüber hinaus sind sie aber auch in bestimmtem Umfang unterschiedlich zu gestalten. Denn wegen der Charakteristika seiner Aufgaben darf der Verfassungsschutz mit im Ansatz relativ niedrigen Tätigkeitsschwellen Informationen sammeln und sie auswerten. Insbesondere ist die Frage, ob das Verhalten der Bürger rechtmäßig oder rechtswidrig ist, für ihn weniger maß-

scheidung leitet in diesem Rahmen allerdings im Wege der Auslegung aus Art. 73 Nr. 1 GG in Abgrenzung gegen Art. 73 Nr. 10 GG ausdrücklich her, daß Art. 73 Nr. 1 GG allein die Auslandsaufklärung einschließt und den Bundesgesetzgeber nicht berechtigt, dem Bundesnachrichtendienst Befugnisse einzuräumen, die auf die Verhütung, Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten als solche gerichtet sind. Somit kam es auf die Frage der Aussagen und des Einflusses des „Trennungsgebotes" nicht an. Das Gericht legt die dem Bundesnachrichtendienst in §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 6 G 10 eingeräumten Befugnisse nachfolgend im Wege objektiver Auslegung, d.h. entgegen den den Gesetzgebungsmaterialien zu entnehmenden Intentionen des Gesetzgebers, dahin aus, daß sie der Aufklärung auswärtiger Gefahren dienen, siehe BVerfGE 100, 313 (370 ff.). Auch hinsichtlich der Zulässigkeit von Übermittlungen hätte das „Trennungsgebot" nicht mehr hergegeben, als das Gericht den Grundrechten entnimmt, vgl. BVerfGE 100, 313 (388 ff); es gibt im Gegenteil weniger her, vgl. noch unten im Text dieses Punktes. 78 Vgl. auch, aber ohne abschließende Entscheidung BVerfGE 97, 198 (217). 79 Kutscha, Aktualität, S. 194 f.; kritisch Roewer, Trennung, S. 206; ders., Nachtrag, S. 669 ff. 80 Roewer, Nachtrag, S. 668. 81 Dazu etwa Riegel, Tätigkeit, S. 953; Gusy, Abschirmdienst, S. 62 f.

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

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geblich als für die Polizei. 82 Die auch in überkommener Sicht niedrigen Schwellen bleiben deutlich hinter den traditionell-rechtsstaatlichen polizeilichen Einschreitschwellen der konkreten Gefahr und des Anfangsverdachts zurück. Legitimiert wird das eben mit der Aufgabe und der Abschottung des zusammengetragenen Wissens, das nur im Rahmen der Berichtspflichten und der - angemessen zu begrenzenden - sonstigen Übermittlungsbefugnisse weitergegeben werden darf. 83 Es erklärt den im „Polizeibrief 4 angeordneten Ausschluß der mit Verfassungsschutz betrauten Stelle von der Ausübung polizeilicher Befugnisse. Dieser Begriff, der hier ein Begriff des Verfassungsschutz-, nicht des Polizeirechts ist 84 , soll im gegebenen Kontext diejenigen Eingriffsrechte beschreiben, welche der Polizei zum Zwecke der Informationsgewinnung zustehen, den Nachrichtendiensten aber nicht. Gemeint sind etwa (vorläufige) Festnahmen, Verhaftungen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen oder erkennungsdienstliche Maßnahmen. Im Ergebnis stecken hinter den differenzierenden Normaussagen also rechtsstaatlich und freiheitsrechtlich gute Gründe und ein schlüssiger Sinn. Demnach lassen Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck den Schluß zu, daß die Vorgaben des „Polizeibriefs" und des darin enthaltenen Gebots der Trennung zwischen Nachrichtendiensten und Polizei rezipiert worden und in Art. 73 Nr. 10 GG sowie Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG verankert sind. Die Reichweite der Aussagen, die daraus hergeleitet werden können, steht damit aber noch nicht in jeder Hinsicht fest. Die einschlägigen Kompetenzverteilungsbestimmungen gelten zumal nur für die Bundespolizei und den Bundesverfassungsschutz. Man mag dem nicht allzuviel Bedeutung beimessen, wenn man sich vor Augen führt, daß Bundespolizeien, insbesondere das Bundeskriminalamt, eine zunehmende Rolle spielen und daß die Anforderungen an eine Trennung etwa im Rahmen von Übermittlungen nicht unterlaufen werden dürfen. Einige aussagekräftige Maßgaben können immerhin entwickelt werden. Für die Aufgabenebene gilt zunächst ein Verbot, der Polizei Aufgaben der Beobachtung von Bestrebungen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind, zu nachrichtendienstlichen Zwecken zuzuweisen. Ebenso besteht ein Verbot, der Verfassungsschutzbehörde Aufgaben im Bereich der allgemeinen (nicht verfassungs- oder staatsschutzrelevanten) Gefahrenabwehr zu überantworten. Die diskutierte Zuweisung der „Bekämpfung der organisierten Kriminalität" als Aufgabe an die (Bundes)Verfassungsschutzbehörde 85 scheidet daher aus, soweit es sich dabei nicht - was man auch, aber

82

Ausführlicher zu Unterschieden Gusy, Trennungsgebot, S. 472 ff. Siehe etwa Lisken, Polizei, Rn 17. 84 So zutreffend Gusy, Trennungsgebot, S. 485 f. 85 Zur Einbeziehung des bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz in die Bekämpfung der organisierten Kriminalität siehe Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayVSG. 83

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

nicht überzeugend zu begründen versucht 86 - wirklich um Verfassungsschutz handelt.87 Die damit offenbar verbundene Vorstellung, mit der Zuweisung gerade an die Ämter für Verfassungsschutz könne man sich von den rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Anforderungen an die Gestaltung der jeweils inhaltlich zu beurteilenden Tätigkeit lösen, greift rechtlich ohnehin nicht durch. Für die Befugnisebene gilt der bereits genannte Ausschluß der mit Verfassungsschutz betrauten Stelle von der Ausübung polizeilicher Befugnisse. Des weiteren lassen sich Rechtmäßigkeitsbedingungen der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Nachrichtendiensten formulieren. Denn die in bestimmtem Umfang vorgegebene Differenzierung von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden in organisatorischer Hinsicht und im Hinblick auf die Zuweisung von Aufgaben und Befugnissen würde umgangen, wenn über den Informationsaustausch ein Zustand herbeigeführt würde, der die Trennung der Sache nach aufhöbe. Das steht einem Informationsaustausch für die Aufgaben und Befugnisse der jeweils anderen Behörde nicht in jeder Hinsicht entgegen. Regelungen, die einen nicht Zugangs- und zugriffsbeschränkten Datenpool oder Onlineverbund erlaubten, wären damit aber ebenso unvereinbar wie Übermittlungsermächtigungen, nach der die eine Behörde Daten oder Informationen pauschal mit der Maßgabe weitergeben dürfte, daß die andere Behörde das für sie Relevante herausdestillieren möge. 88 Das weist darauf hin, daß erstens die Festlegung jeweils hinreichender Übermittlungsschwellen geboten ist. Da es sich um ÜbermittlungsschweMen, nicht etwa um der Empfangsbehörde aufzugebende Auswertungs- und Verwendungsschwellen handelt, müssen der Übermittlungsbehörde zweitens entsprechende Prüfungskompetenzen und Prüfungsverantwortlichkeiten obliegen. Weitere einschränkende Voraussetzungen der Kompetenz zur Zuweisung von Übermittlungsbefugnissen sind hingegen nicht mehr hinreichend sicher herzuleiten. 89 Der Normtext der Kompetenzbestimmungen gibt dafür wenig her, und auch der Rückgriff auf den „Polizeibrief' bietet keine genügenden Sicherheiten. Vielmehr muß man zu den dann weiterführenden rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Aussagen übergehen, die schließlich auch hinter dem Sinn und Zweck des Trennungsgebots stehen. Die Herleitbarkeit der eingangs genannten, hier interessierenden Aussagen ist allerdings weit zweifelhafter. Das gilt zunächst im Hinblick auf die These, das „Vorfeld" konkreter Gefahren und des (Anfangs)Verdachts von Straftaten sei den Nachrichtendiensten für ihre spezifischen Aufgaben vorbehalten. Nachrichtendienstliche Tätigkeiten sind mit dem Kriterium der „Vorverlagerung" ei86

Werthebach/Droste-Lehnen,

Kriminalität, S. 57 ff.; Werthe bachi Droste, in: Bon-

ner Kommentar, Art. 73 Nr. 10 Rn 194 ff. 87 Vgl. dazu auch Gusy, Beobachtung, S. 320 ff. 88 Gusy, Gebot der Trennung, S. 49. 89 Vgl. die Erörterungen bei Denninger, Trennung, S. 231 ff.

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ner Gefahrenabwehr nur begrenzt zu beschreiben und deshalb auch nicht allein dadurch gekennzeichnet. Prägend wirken vor allem die Aufgaben der Beobachtung von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und der Unterrichtung der Regierung. Sie kennzeichnen die nachrichtendienstliche Tätigkeit als politiknah, als unter freiheitsrechtlichen Gesichtspunkten ambivalent und als mißbrauchsanfällig. Diese durch mehrere Komponenten geprägte Beschreibung, insbesondere die freiheitsrechtliche Ambivalenz und die Gefahren eines politischen Mißbrauchs, gehören zu den Hintergründen des „Trennungsgebots". 90 Dann aber liegt in der Herleitung eines allgemeinen „Vorfeld"vorbehalts zugunsten der Nachrichtendienste, das in dieser Form nicht nur fur die Polizei, sondern auch fur andere Gefahrenabwehrbehörden gelten müßte, eine pauschalisierende und weitreichende Abstraktion. So weitgehende Aussagen sind dem „Trennungsgebot" nicht zu entnehmen. Es steht Aufgabenerweiterungen der Polizei im Zusammenhang mit genuin polizeilichen Aufgaben deshalb nicht entgegen. Die zweite These ist die, daß der Polizei Befugnisse, die traditionell als „nachrichtendienstliches Mittel" galten, als polizeiliche Befugnisse zur Erfüllung ihrer Aufgaben vorenthalten bleiben sollen. 91 Dafür stützt man sich in der Regel auf einen Umkehrschluß zu dem Verbot der Zuweisung „polizeilicher" Befugnisse an den Verfassungsschutz. Übertrüge man dies nicht entsprechend auf die Polizei, gäbe es zwar keinen Nachrichtendienst mit polizeilichen Befugnissen, wohl aber eine Polizei mit nachrichtendienstlichen Befugnissen. Das aber widerspreche dem Sinn und den Zielen des „Trennungsgebots". 92 Der dagegen gerichtete Einwand, der „Polizeibrief 4 schließe seinem Text nach nur die Nachrichtendienste von polizeilichen Befugnissen aus, greift zu kurz, um überzeugend zu sein. Gewichtiger ist das Argument, nachrichtendienstliche Mittel würden erst durch ihren Bezug auf nachrichtendienstliche Aufgaben zu solchen 93 , sofern man es mit einem inhaltlichem Hintergrund anreichert. Dann stehen die „nachrichtendienstlichen Mittel 44 wiederum im Kontext von Aufgaben, die durch die Politiknähe und die Gefahren eines politischen Mißbrauchs gekennzeichnet sind. Daß der Polizei bestimmte verdeckte Ermittlungsmethoden zwecks Gefahrenabwehr oder Straftatenverhütung von vornherein nicht zugewiesen werden dürfen, läßt sich unter diesen Umständen nicht herleiten. Für Anforderungen an die Ausgestaltung der Aufgaben und Befugnisse der Polizei geben die Vorgaben zur Trennung von Nachrichtendiensten und Polizeien somit im Ergebnis relativ wenig, jedenfalls relativ wenig Faßbares her. Trotzdem sind die teleologischen Überlegungen in diesem Rahmen aufschluß90 91 91 93

Weßlau, Vorfeldermittlungen, S.228 f. Lisken, Ermittlungsmethoden, S. 188. Albert, „Trennungsgebot", S. 106. Vgl. Riegel, Datenschutz, S. 111 f.

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reich. Sie weisen auf die Begrenzung der Institution des Verfassungsschutzes mit der dafür legitimierbaren Gestaltung der Aufgaben und Befugnisse hin. Sie machen das Erfordernis einer „rechtsstaatlichen" Ausgestaltung des Polizeirechts deutlich. Für präzisere Maßgaben bleibt man auf den Rückgriff auf das Rechtsstaatsprinzip und vor allem auf die Grundrechte angewiesen. II. Die neuartigen Bindungen der Grundrechtsgewährleistungen Dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechtsnormen werden traditionell gerade in bezug auf die Tätigkeit der Polizei besondere Schutzwirkungen zugeschrieben. Im Rechtsstaatsprinzip verankert man nicht nur Anforderungen an die Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen, die um so höher werden, je intensiver die durch die zugelassenen Maßnahmen entstehenden Beeinträchtigungen sind. 94 Es wird auch unter anderem als Grundlage der staatlichen Pflicht zu einem dem Bürger gegenüber offenem Handeln und als Grundlage insbesondere von Einschreitvoraussetzungen herangezogen. So werden im Bereich der Gefahrenabwehr die Anknüpfung an konkrete Gefahren und an die Verantwortlichkeit der Personen als Kernstücke des klassischen rechtsstaatlichen Polizeirechts bezeichnet.95 Im Strafprozeßrecht verweist man hinsichtlich der Bindung der Ermittlungsmaßnahmen an den (Anfangs)verdacht einer Straftat auf das Rechtsstaatsprinzip. 96 Meist leben die jeweiligen Ausführungen jedoch von der Abgrenzung gegen eine - unstreitig verfassungswidrige - staatliche Willkür. Sie sind zu wenig ausgearbeitet, als daß sie hinreichend begründen könnten, daß es sich um verfassungsrechtlich zwingend vorgegebene und nicht etwa um kontingente Formen handelt, die namentlich im Rahmen von Vorsorgezwecken durch andere Schutzmechanismen ersetzbar sein könnten. Soweit der Anfangsverdacht in Rede steht, geht man dieser Überlegung aufgrund der Verlagerung der Verfolgungsvorsorge in das Polizeirecht überwiegend gar nicht erst nach. Man kann wohl davon ausgehen, daß das Rechtsstaatsprinzip, das den grundgesetzlichen Staat als einen rechtlich gebundenen Staat konstituiert, die grundsätzliche Offenheit und auch die grundsätzliche rechtliche Begrenzung staatlicher Tätigkeit vorgibt. Allerdings bestehen Zweifel, ob seine Aussagen hinreichend verdichtet und substanzreich genug sind, die Inhalte der Grenzen genau festzuziehen. 97 Die Frage wäre, möglicherweise differenziert nach Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, ein Thema für sich und soll hier nicht weiter erörtert werden. Der

94

BVerfGE 83, 130 (145); 90, 1 (17); 93, 213 (238).

95

9 6 Knieseil

Vahle, Informationsverarbeitung, Rn 160.

Etwa Walder, Grenzen, S. 867; Hund, Effektivitätsdenken, S. 463 f. Vgl. auch Lisken, Rechtsschutz, Rn 46. 97 Zurückhaltend hinsichtlich der Aussagen des Rechtsstaatsprinzips Kunig, Rechtsstaatsprinzip, passim; weitergehend demgegenüber Sobota, Prinzip, S. 399 ff.

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

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Rückgriff auf die Grundrechtsnormen erscheint im Rahmen dieser Arbeit ergiebiger. Übergreifend-grundlegende Schutzwirkungen gegenüber staatlichem Vorgehen werden auf Seiten der Grundrechte dem Recht auffreie Entfaltung der Persönlichkeit entnommen. Das gilt nicht nur mit Blick auf die allgemeine Handlungsfreiheit. Es gilt auch hinsichtlich des Schutzes der Grundrechtsträger in ihrem Status als Person. Statt um die Verhaltensfreiheit dreht sich dieser Strang, was in der Verbindung mit der Menschenwürde und in der hier treffend formulierten „Objektformel" deutlich wird, um ihren Anspruch auf Behandlung als Person. Auf diese allgemeine Ebene gehört die Feststellung, daß „nach dem Menschenbild des Grundgesetzes die Polizeibehörde nicht jedermann als potentiellen Rechtsbrecher betrachten" 98 darf. Abstrakter und doch zugleich präziser ist die Überlegung, der Freiheitsanspruch des Einzelnen verlange, daß er von polizeilichen Maßnahmen verschont bleibt, die nicht durch eine hinreichende Beziehung zwischen ihm und einer Gefährdung eines zu schützenden Rechtsguts oder durch eine entsprechende Gefahrennähe legitimiert sind. 99 Aus Art. 2 i.V.m. Art. 1 GG ist auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung entwickelt worden. Dessen Vorgaben beziehen sich ausdrücklich auf den staatlichen Umgang mit Informationen und Daten. Es enthält selbst ganz neuartige und wiederum übergreifend-grundlegende Bindungen. Es fuhrt außerdem dazu, daß die Aussagen anderer Gewährleistungen in einen neuen Kontext gestellt und selbst in neuartiger Weise entwickelt werden können. Vor diesem Hintergrund ist es von näherem Interesse. 7. Die Schutzinhalte der Grundrechte, insbesondere: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt in der Fassung, die das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil entwickelt hat, die Befugnis der Grundrechtsträger, über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten selbst zu bestimmen. 100 Die näheren Maßgaben sind im Volkszählungsurteil nur knapp umrissen. Der Gesetzgeber müsse die Verwendungszwecke bereichsspezifisch und präzise regeln. Die Daten müßten für die Zwecke geeignet und erforderlich sein. An die Zwecke sei die Informations- und Datenverarbeitung gebunden. Zu den organisations- und verfahrensbezogenen Schutzvorkehrungen sollen unter anderem Auskunfts- und Löschungspflichten gehören. 101 In

98

BVerwGE 26, 169 (170). Ebenso etwa OVG NW, NJW 1999, S. 2689 (2690). MVVerfG, DVB1 2000, S. 262 (265). 100 BVerfGE 65, 1 (43). Zur Genese Albers, Neukonzeption, S. 114 ff 101 BVerfGE 65, 1 (44 ff.).

99

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

den nachfolgenden Entscheidungen102 wird vor allem die zentrale Rolle deutlich, die der Festlegung der Verwendungszwecke und der Zweckbindung zugewiesen wird. 1 0 3 Das Gericht hat außerdem klargestellt, daß das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur im Falle eines staatlichen Auskunftverlangens und nicht nur im Falle einer automatischen Datenverarbeitung greift. 104 Die Vorgaben des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung fuhren zu ganz neuartigen Grundrechtsbindungen. Die Konzentration auf punktuelle staatliche Entscheidungen und Handlungen wird aufgegeben. Darüber hinaus läßt sich auch die traditionelle Grenze zwischen staatsinternen und außenwirksamen Vorgängen nicht mehr ziehen. Während sich staatliche Informationstätigkeiten zuvor den grundrechtlichen Schutzwirkungen weitgehend entzogen hatten, werden nun in die ehemals staats"internen" Kommunikations- und Entscheidungsprozesse weitreichende Determinanten eingewebt. Die gewählte Fassung des Schutzbereichs wirkt allerdings geklärter, als sie es ist. Inhaltliche und dogmatische Schwächen sind vor allem darauf zurückzuführen, daß der Schutzinhalt sich einerseits unmittelbar auf den staatlichen Umgang mit Informationen und Daten bezieht, andererseits jedoch mit den Mustern der überkommenen Dogmatik als eigentumsanaloge Bestimmungsbefugnis über Daten beschrieben wird. 1 0 5 Diese Beschreibung wird weder dem Gegenstand noch den Erfordernissen des Schutzes gerecht. Man wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung daher weiterentwickeln müssen.106 Es bietet immerhin den Einstieg in die Herleitung grundrechtlicher Bindungen für die staatliche Informations- und Datenverarbeitung. An dieser Stelle soll eine kurze Klärung der Aussagen und Implikationen genügen, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bereits enthält und die in ihren Grundzügen trotz nötiger Fortentwicklungen zumindest im hier in-

102 BVerfGE 67, 100 (142 ff.); 76, 363 (388); 77, 1 (46 ff.); 77, 121 (124 f.); 78, 77 (84 ff); 80, 367 (373 ff.); 84, 192 (194 ff.); 84, 239 (279 ff); 92, 191 (197 ff.); BVerfG (Kammerbeschluß), DVB1. 1990, 1041 (1042 f.); BVerfG (Kammerbeschluß), NJW 1988, S. 3009 (3009 f.). 103 Siehe insbesondere BVerfG (Kammerbeschluß), DVB1. 1990, 1041 (1042 f.); BVerfGE 92, 191 (197 f.). In bezug auf Art. 10 GG BVerfGE 100, 313 (360). 104 BVerfGE 78, 77 (84). 105 Dazu Simitis, Gedächtnisverlust, S. 1489 ff.; Albers, Neukonzeption, S.l 19 f. 106 Zur Diskussion etwa Albers, Neukonzeption, S.l 19 f.; Kloepfer, Technologien, bes. S. D 66 ff.; Trute, Schutz, S. 824 ff; Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung, S. 139 ff.; Hoffmann-Riem, Datenschutz, S. 779 ff.; ders., Selbstbestimmung, S. 514 ff.; Bull, Neue Konzepte, S. 310 ff.; Kutscha, Datenschutz, S. 156 ff; Schulz, „Datenschutzauftrag", S. 137 ff; Gusy, Informationelle Selbstbestimmung, S. 52 ff.

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

233

teressierenden Kontext auch künftig maßgeblich sein werden. 107 Damit wird zugleich die Grundlage deutlich, auf der weitere grundrechtliche Gewährleistungsinhalte in einem neuen Zusammenhang entfaltet werden können. a) Die grundlegenden Aussagen des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG Auf einer grundlegenden Ebene schützt Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG die Grundrechtsträger insofern, als der Staat die sie betreffenden Informationen und Daten nur in rechtlich begrenzter und zu legitimierender Weise verarbeiten darf und ihnen Kenntnis- und Einflußmöglichkeiten zu gewährleisten sind. Mit diesen differenzierten und mehrdimensionalen Vorgaben ist das Grundrecht alles andere als ein „klassisches" Eingriffsabwehrrecht. Es richtet sich vor allem mit Regelungsvorgaben an die Gesetzgebung. Zu den wichtigsten Elementen, die die Gesetzgebung hinsichtlich des staatlichen Umgangs mit Informationen und Daten regeln muß, gehören die Festlegung der Verwendungszwecke und die ihr nachgeordnete Bindung an die festgelegten Zwecke. Beide Regelungselemente fuhren - darin liegt ihr normativer Sinn - zu einer (ersten) grundlegenden Begrenzung und Strukturierung der Informations- und Datenverarbeitung. Sie haben dabei mehrere Funktionen. Zunächst fuhren sie zu einer rechtlichen Verklammerung der Informations- und Datenverarbeitung mit den sachlichen Aufgaben und Befugnissen. Denn Informationen und Daten werden zur Erfüllung bestimmter Aufgaben und Befugnisse im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen staatlichen Stelle benötigt und dafür verwendet. Zugleich wird der jeweilige Wissens- und Verarbeitungskontext abgegrenzt. Innerhalb der Verarbeitungsprozesse sind die Verwendungszwecke bei gegebenen Zweckbindungen das Band, das die einzelnen Phasen zu Verarbeitungszusammenhängen verbindet und sie als Element des Verarbeitungszusammenhanges kennzeichnet. Die einzelnen Phasen werden, indem sie bestimmten Verwendungsmöglichkeiten zugeordnet werden, ihrerseits bestimmbar und regelbar. Etwa lassen sich die benötigten und zu erhebenden Daten mit Hilfe des Verwendungszwecks näher bestimmen. In Umsetzung der grundrechtlichen Anforderungen sind die Verwendungszwecke so festzulegen, daß sie diese Funktionen erfüllen. Daher darf die Gesetzgebung sie nicht beliebig oder beliebig abstrakt bestimmen. Die Gestaltung der Regelungen des Umgangs mit Informationen und Daten setzt vielmehr voraus, daß sich die Verwendungszwecke im Ansatz an der fallbezogenen Erfüllung einer Aufgabe nach Maßgabe der Befugnisse orientieren. Der dabei rele-

107 Zum folgenden bereits Albers, Neukonzeption, S. 121 ff. Zu den Grundlinien im Hinblick auf Art. 10 GG BVerfGE 100, 313 (358 ff). Vgl. auch Gusy, Informationelle Selbstbestimmung, S. 52 ff.

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Kap. 3 : Die Determinationsmuster

vante Konkretionsgrad richtet sich nach den gegebenen sachlichen Vorschriften und nach dem Regelungsbedarf, der im Hinblick auf die grundrechtlichen Maßgaben fur die Informations- und Datenverarbeitungsvorgänge jeweils besteht. Erst auf einer solchen Basis erschließt sich, welche Informationen die staatliche Stelle für ihre Entscheidung benötigt, welche Daten dafür zu erheben sind, wie sie im Verlauf verändert werden müssen und wie lange sie zu speichern sind. 1 0 8 Der Ansatzpunkt entspricht dem, der auch bei der Regelung sachlicher Befugnisse zugrunde liegt. 1 0 9 Er bedeutet nicht, daß die Gesetzgebung Einzelfallregelungen oder auch nur jedes Detail vorzugeben hätte. A u f ihrer Ebene darf sie, wie sonst auch, abstrahieren und typisieren. 110 Erst die Verwaltung konkretisiert die gesetzlichen Regelungen und die Verwendungszwecke im Einzelfall. Auch wenn und gerade weil dies der Ansatz ist, steht Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bündelnden Zweckvorgaben und der Zulassung von Zweckänderungen im Verlauf der Verarbeitungsprozesse nicht entgegen. Insbesondere zielt der verfassungsrechtliche Aussagegehalt der Zweckbindung lediglich darauf, die rechtliche Bindung an die festgelegten Verwendungszwecke im Verlauf der Verarbeitung und zugleich ein Band zwischen den faktisch voneinander entkoppelbaren Phasen sicherzustellen. Würde ein bestimmter Verwendungszweck nur für die Phase der Erhebung gelten und könnte die staatliche Stelle die Informationen und Daten danach beliebig verwenden, könnte die Zweckfestlegung ihre Funktionen nicht erfüllen. Eine Verpflichtung des Staates, die Informations- und Datenverarbeitung in dem Sinne grundsätzlich ab der Datenerhebung an einen gleichbleibenden Zweck zu binden, daß etwa Zweckänderungen nur als Ausnahmen zulässig wären, folgt daraus aber nicht. 1 1 1 Der Gesetzgebung stehen Flexibilisierungen zu. Sie darf beispielsweise berücksichtigen, daß die staatliche Stelle erst nach einer Erhebung sieht, welchen Informationsgehalt erlangte Angaben haben, oder daß sich mit dem Zeitablauf ein veränderter Verwendungsbedarf ergeben kann. Konditionierte oder bündelnde Zweckvorgaben oder die Zulassung von Zweckänderungen brauchen al-

108 Vgl. auch Simitis, Amtshilfe, S. 2799; Podlech, Individualdatenschutz, S. 456; Denninger, Recht, S. 230; Marenbach, Beziehungen, S. 109 ff. 109 Denninger, Recht, S. 230. 110 Vgl. auch Marenbach, Beziehungen, S. 107. 111 In diesem Sinne aber Benda, Privatsphäre, S. 38; Gallwas, Grundlagen, S. 517; Simitis, Lob, S. 589 ff. Dazu auch die Erläuterung bei Simitis, Gedächtnisverlust, S. 1484: „Dahinter steht die Überzeugung, daß nur auf diesem Weg die Überschaubarkeit und Kontrollierbarkeit der Verwendung personenbezogener Angaben gewährleistet werden kann. Die Zweckbindung engt den Verarbeitungsradius ein und schließt vor allem die durch die automatische Datenverarbeitung ermöglichte und perfektionierte multifunktionale Nutzung aus."

Β. Die Determinations Wirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

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so keinen Ausnahmecharakter zu haben. Sie sind aber wiederum auch nicht beliebig möglich. 1 1 2 So unterliegen Zweckänderungsvorschriften aufgrund der grundrechtlichen Maßgaben zunächst Anforderungen, wie sie auch für die ursprüngliche Zweckfestlegung gelten. Darüber hinaus greifen Anforderungen, die aus der Differenz von ursprünglichen Zwecken und neuen Zwecken resultieren. Zweckänderungen erfordern als Abweichung von dem ursprünglichen gesetzlich festgelegten Verwendungszweck zunächst eine gesetzliche Regelung, die sie zuläßt. Der neue Verwendungszweck muß sich seinerseits auf die Aufgaben und Befugnisse der jeweiligen Behörde beziehen und hinreichend normenklar geregelt sein. Die Zweckänderungsmöglichkeiten müssen durch Allgemeinbelange gerechtfertigt sein, die die je zu berücksichtigenden grundrechtlich geschützten Interessen überwiegen. Schließlich dürfen der Verwendungszweck, zu dem die Erhebung erfolgt ist, und der veränderte Verwendungszweck nicht miteinander unvereinbar sein. 113 Der Gesetzgeber muß außerdem dem durch die Zweckänderung entstehenden Bedarf an Folgeregelungen Rechnung tragen. Ein solcher Bedarf kann etwa im Hinblick auf Richtigkeitsgewähr, Kennzeichnungserfordernisse oder Nachberichtspflichten bestehen kann. Zweckfestlegung und Zweckbindung werden durch das Element der Erforderlichkeit ergänzt. Es hat mit der Erforderlichkeitskomponente des Übermaßverbots nichts zu tun. Vielmehr werden die Verwendungszwecke bzw. die dahinter stehende Aufgabenerfüllung und die darauf ausgerichteten Informationsund Datenverarbeitungsvorgänge mit einem bestimmten Abhängigkeitsgrad in eine Abhängigkeitsbeziehung eingeordnet. 114 Die Maßgabe der Erforderlichkeit bewirkt, daß für die einzelnen Phasen eines Verarbeitungszusammenhanges inhaltliche Spezifikationen erfolgen können. Mit der Festlegung der Verwendungszwecke und der Maßgabe der Erforderlichkeit wird der Rahmen abgesteckt, in dem der Gesetzgeber die einzelnen Regelungen zum Umgang mit Informationen und Daten inhaltlich präzisieren und untereinander koordinieren muß. A u f dieser Grundlage können sich weitere Regelungserfordernisse ergeben. Unter anderem können Vorgaben zu den jeweils eingesetzten Erhebungsmethoden und den so erlangten Daten, zur Sicherstellung der Richtigkeit von Informationen und Daten im Verlauf der Verarbeitungsprozesse oder technikbedingte Vorschriften erforderlich sein. Welche

112 Die Zweckbindung als Regelungselement bleibt somit zumindest für den polizeirechtlichen Kontext ein zentrales Muster (vgl. auch BVerfGE 100, 313 (360 sowie LS 4 und 6); sie ist aber nicht isoliert, sondern immer nur im Verbund mit der Zweckfestlegung und den Zweckänderungsmöglichkeiten zu verstehen. Zur allgemeinen Diskussion siehe Bull, Neue Konzepte, S. 314; dagegen Kutscha, Datenschutz, S. 156 ff. 113 Siehe BVerfGE 65, 1 (64 f.); 100, 313 (360). 114 Dazu Podlech, Individualdatenschutz, S. 455.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

Regelungsinhalte, welche Regelungstiefe und welche Regelungsdichte hier notwendig sind, hängt vom Regelungsbereich ab. Weder ist der faktische Verlauf der Informations- und Datenverarbeitungen bloß nachzuzeichnen noch muß jedes Detail gesetzlich geregelt werden. Vielmehr geht es um eine an den jeweils aufgeworfenen Regelungsproblemen orientierten Steuerung der Verarbeitungsvorgänge in den Verarbeitungszusammenhängen. Insgesamt ist eine nicht an isolierten Einzeldaten, sondern an Regelungs- und Verarbeitungszusammenhängen orientierte Perspektive erforderlich. Neben diesen Maßgaben vermittelt Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG den Grundrechtsträgern das Recht, daß der Staat ihnen die Möglichkeit der Kenntnis der staatlichen Informations- und Datenverarbeitungen gewährleistet, die sie betreffen und von ihnen handeln. Im Unterschied zu den „klassischen" adressatenbezogenen Maßnahmen ist es nämlich das Charakteristikum der Informations· und Datenverarbeitung, daß die Person, auf die sich die Informationen und Daten beziehen, davon nicht notwendig etwas weiß. Das gilt gerade auch im Polizeirecht, etwa mit Blick auf nicht offene Maßnahmen oder unaufgefordert der Polizei zugetragene Angaben Dritter, vor allem jedoch hinsichtlich der Verarbeitungsprozesse, die einer Informations- oder Datenerlangung nachfolgen. Den im Rahmen des Persönlichkeitsschutzes relevanten Zusammenhang zwischen der Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit der Grundrechtsträger auf der einen Seite und ihren Kenntnischancen auf der anderen Seite hat das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil bereits herausgestellt. 115 Hinzu kommt der aus Art. 1 Abs. 1 GG herleitbare Gehalt, daß der Einzelne nicht bloßes Objekt staatlichen Handelns - oder hier näher: staatlicher Informations- und Datenverarbeitungen - sein darf. 116 Er geriete aber in einen Objektstatus, wenn ihm grundsätzlich die Möglichkeit vorenthalten bliebe, von den ihn betreffenden Informations- und Datenverarbeitungen zu erfahren und darauf Einfluß zu nehmen. Wegen der Besonderheiten seines Schutzgegenstandes umfaßt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung somit eine Wissenskomponente, die durch eben diesen Schutzgegenstand auch nähere inhaltliche Bestimmungen erhält. 117 Daneben sind Kenntnismöglichkeiten der Grundrechtsträger Voraussetzung fur die Wahrnehmung der ihnen zustehenden anderweitigen subjektiven Rechte. Das sind zum Beispiel Unterlassens-, Berichtigungs- oder Löschungsansprüche. 115

BVerfGE 65, 1 (42 f.). Vgl. auch Denninger, Grenzen, S. 55 f. Siehe dazu Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 1 Rn 28 ff. Außerdem etwa BVerfGE 27, 1 (6); 45, 187 (228); 50, 166 (175). 117 Aus der neueren Rechtsprechung OVG NW, DVB1 1995, S. 371 (372); RhPfVerfGH, NJW 1999, S. 2264 (2264); vgl. auch BVerwGE 89, 14 (18); BayVGH, NVwZ 1990, S. 775 (777). Aus der Literatur siehe nur Kay, Recht, S. 76; Kunig, Grundsatz, S. 601; Mayer-Metzner, Auskunft, S. 122; Simitis/Fuckner, Selbstbestimmung, S. 2717. 116

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

237

Da es gerade das Kennzeichen subjektiver Rechte ist, daß derjenige, dem die Rechte zustehen, die Einhaltung der aus dem Rechtssatz folgenden Bindungen geltend machen und notfalls durchsetzen kann, ergibt sich auch aufgrund dieses Zusammenhanges ein Anspruch auf Gewährleistung von Kenntnischancen.118 Art. 19 Abs. 4 GG, der dem Bürger einen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle bei einer potentiellen Rechtsverletzung 119 und weitergehend einen Anspruch darauf gewährt, daß die Verwaltung diesen Rechtsschutz nicht vereitelt oder unzumutbar erschwert 120, kann dabei verstärkend hinzutreten. 121 Bei der staatlichen Verpflichtung zur Gewährleistung von Kenntnismöglichkeiten handelt es sich um Bindungen leistungsrechtlicher Natur. Diese kann man allerdings weder mit originären oder derivativen Teilhaberechten noch mit Schutzpflichten gleichsetzen. Dennoch kennzeichnet es sie gleichermaßen, daß sie nicht ohne weiteres einen in allen Komponenten abschließend festgelegten, gegenüber der Exekutive durchsetzbaren Anspruch enthalten. Insbesondere ergibt sich kein grundrechtsunmittelbarer, wie ein Eingriffsabwehrrecht konstruierter Anspruch auf Auskunft, der gegenüber der Verwaltung besteht, solange der Gesetzgeber ihn nicht unter Beachtung der Grundrechtsmaßgaben durch Gesetz eingeschränkt hat. 122 Hinsichtlich der Art und Weise der Kenntnisgewähr bestehen nämlich in der Regel Spielräume. Die grundrechtlichen Vorgaben richten sich zunächst an die Gesetzgebung, die sie zu bestimmten Rechtspositionen zu konkretisieren hat, dabei aber selbst in bestimmtem Umfang gebunden ist. Vom Schutzgegenstand her lassen sich Ziele, Inhalte und Umfang der Kenntnisgewähr näher bestimmen. Entscheidend ist dabei, daß der Grundrechtsträger den Prozeß der ihn betreffenden staatlichen Informations- und Datenverarbeitung nachvollziehen kann. 123 Das schließt ein, daß er die Möglichkeit hat, insbesondere die konkreten Verwendungszwecke 124,

118 Vgl. auch OVG Bremen, NVwZ 1983, S. 358 (360); OVG Bremen, NJW 1987, S. 2393 (2395); OVG Berlin, NVwZ 1987, S. 817 (818); Kay, Recht, S. 76; Mayer-Metzner, Auskunft, S. 122; Simitis/Fuckner, Selbstbestimmung, S. 2717. 119 BVerfGE 35, 263 (274); 37, 150 (153); 40, 272 (275); 49, 252 (256 f.); 51, 268 (284); 55, 349 (369); 67, 43 (58); 77, 275 (284); 84, 34 (49). 120 BVerfGE 69, 1 (49). 121 Siehe BVerfGE 65, 1 (70); 100, 313 (364). Außerdem OVG Bremen, NVwZ 1983, S. 358 (360); OVG Berlin, NVwZ 1987, S. 817 (818); OVG Bremen, NJW 1987, S. 2393 (2394); OVG NW, DVB1 1995, S. 371 (372); Kay, Recht, S. 76; Lodde, Informationsrechte, S. 159. 122 So aber etwa Schwan, Amtsgeheimnis, S. 39 ff. Ähnlich Mayer-Metzner, Auskunft, S. 163 f.; OVG NW, DVB1 1995, S. 371 (372); RhPfVerfGH, NJW 1999, S. 2264 (2264). 123 BVerfGE 65, 1 (70); Kunig, Grundsatz, S. 601. 124 BVerfGE 65, 1 (70); Mayer-Metzner, Auskunft, S. 148.

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Kap. 3 : Die Determinationsmuster

aber auch die Herkunft der Daten und Informationen oder die Empfänger im Falle von Übermittlungen zu kennen. 125 Die Art und Weise der Kenntnisgewähr ist demgegenüber nicht unbedingt vorgezeichnet. 126 Die Gewährleistung der Kenntnischancen kann vielmehr durch unterschiedliche Regelungen erfolgen, etwa durch Unterrichtungsansprüche, Dateien- und Akteneinsichtsrechte oder Auskunftsansprüche, aber auch etwa durch die Beteiligung der Betroffenen im Rahmen der Verarbeitungsprozesse, so durch die offene Erhebung der Daten beim Grundrechtsträger oder durch Anhörungen. Schließlich gebietet Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, daß die Grundrechtsträger bestimmte Einflußmöglichkeiten auf die sie betreffenden staatlichen Informations- und Datenverarbeitungen besitzen. Diese werden durch Formen der Beteiligung, vor allem aber auch dadurch gesichert, daß die relevanten gesetzlichen Bestimmungen individualschützenden Charakter erhalten, also subjektivrechtlich durchsetzbar sind. Damit unterliegt die staatliche Informationstätigkeit nicht nur objektiven Rechtmäßigkeitsanforderungen, sondern auch der Kontrolle und dem Einfluß der je Betroffenen. Blickt man auf die neuen Regelungselemente und -strukturen des Polizeirechts zurück, die in der Gesetzesanalyse herausgearbeitet worden sind, wird deutlich sein, wie sehr die neuartigen Maßgaben des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung es geprägt haben. Zahlreiche Fragen grundrechtlichen Schutzes sind damit jedoch nicht schon beantwortet. b) Der Schutz durch weitere grundrechtliche Bindungen Die beschriebenen Vorgaben sind nicht die einzigen Grundrechtsbindungen, die die Gesetzgebung zu beachten hat. Vielmehr treten weitere Grundrechtsaussagen, hier insbesondere auch die spezieller Freiheitsgewährleistungen, hinzu. Zu nennen sind nicht nur Art. 10 GG, dessen Schutz in den Polizeigesetzen regelmäßig nicht eingeschränkt wird 1 2 7 , und Art. 13 GG, der unter anderem durch Durchsuchungs- und Überwachungsermächtigungen betroffen ist, sondern auch andere Grundrechtsgewährleistungen. Sie greifen als zusätzliche Bin-

125

May er-Metzner, Auskunft, S. 148. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich dies anders darstellen. So können bei intensiv eingreifenden, verdeckten Ermittlungsmaßnahmen Benachrichtigungen grundrechtsgeboten sein, vgl. BVerfGE 30, (21, 31 f.); 100, 313 (361). 127 Siehe aber § 33 NGefAG, der darauf reagiert, daß Fangschaltungen einen Eingriff in Art. 10 GG darstellen; vgl. BVerfGE 85, 386 (398 f.). Im übrigen ist dem Zollkriminalamt in § 39 A WG eine Ermächtigung zur Telefonüberwachung zur Straftatenverhü126

tung und -Verhinderung eingeräumt worden.

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

239

düngen an ganz bestimmten Punkten der Verarbeitungsprozesse, die aufgrund jener Vorgaben rechtlich grundlegend geregelt und damit beschreibbar sind. 128 Zum Beispiel könnte aufgrund der Gewährleistung des Art. 12 GG ein besonderer Schutz der Berufsgeheimnisträger im Hinblick auf die Sachverhalte, die dem Berufsgeheimnis unterfallen, sicherzustellen sein. 129 Das steht dahinter, wenn einige Polizeigesetze ausdrückliche Ausnahmen von der Beobachtung durch verdeckte Ermittler enthalten oder wenn Übermittlungsermächtigungen bei Berufsgeheimnissen einen verstärkte Bindung an die ursprünglichen Verwendungszwecke vorsehen. Aus dem Persönlichkeits- und hier insbesondere dem Resozialisierungsschutz lassen sich Aussagen darüber entwickeln, unter welchen Voraussetzungen oder wie lange die Polizei im Rahmen der Verfolgungsvorsorge Daten über straffällig gewordene Personen speichern darf. 130 Die Bindungen einiger Grundrechtsnormen können Zweckänderungs- oder Verwertungsverbote stützen, wenn zum Beispiel der staatliche Zugriff auf bestimmte Unterlagen oder Kommunikationsinhalte nur hinsichtlich bestimmter Zwecke, nicht aber hinsichtlich weitere Zwecke, mögen die erlangten und nunmehr vorhandenen Kenntnisse dafür auch benötigt werden, gerechtfertigt werden kann. 131 Gesichtspunkte besonderer Grundrechtsgewährleistungen etwa hinsichtlich staatlicher Begehren nach Kenntnis geschützter Kommunikationsinhalte, hinsichtlich der Dauer einer Datenspeicherung oder hinsichtlich der Begrenzung von Zweckänderungsmöglichkeiten werden bislang noch vernachlässigt. Sie sind in den Diskussionen um die Novellierungen der Polizeigesetze nur begrenzt aufgegriffen und in den gesetzlichen Regelungen nur vereinzelt in bestimmten Hinsichten umgesetzt worden. Die Frage, welche Punkte gesetzlich zu regeln sind und inwieweit auf eine verfassungsgerechte Anwendung verwiesen werden kann, ist ihrerseits noch weitgehend ungeklärt. Der Einstieg in die Ausarbeitung des informationsrechtlichen Schutzes, den die grundlegenden Vorgaben des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bieten, wird jedenfalls auch diese Themen in einem neuen Licht erscheinen lassen. 2. Grundrechtsanforderungen

und gesetzliche Regelungen

Indem sowohl Bindungen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG als auch etwaige Bindungen einzelner Freiheitsgewährleistungen greifen, unterliegen die 128

Vgl. auch BVerfGE 100, 313 (365). Dazu SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1431 f.); MVVerfG, Urteil vom 18.05.2000, Punkt C.VI.3.a. (Umdruck S. 43). Siehe außerdem Würtenberger!Schenke, Schutz, S. 550 ff.; Trute, Erosion, S. 417 f. 130 Siehe etwa Wolter, Strafprozeß, S. 366; Deutsch, Erhebung, S. 161. 131 Dazu Stornier, Grundlagen, S. 16 ff.; Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 33 ff. 129

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

Gesetzgebungen mehrdimensionalen Anforderungen. Die gesetzlichen Regelungen müssen gegebenenfalls mehreren Maßstäben gerecht werden. Aufgrund der grundlegenden Aussagen des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sind nicht mehr lediglich punktuelle Eingriffsakte zu regeln, sondern die Prozesse des polizeilichen Umgangs mit Informationen und Daten zu begrenzen und zu strukturieren. Die Gestaltung der jeweiligen Regelungen wird durch spezifische Unterlassungsgebote der Grundrechte weiter beeinflußt. Deren Bindungen bestehen vorbehaltlich einer Einschränkung über die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte, die wiederum den grundrechtlichen Schutzmechanismen unterliegt. Die reguläre Dogmatik der Eingriffsabwehr wird also nicht überflüssig. Sie wird allerdings in übergreifende Zusammenhänge eingebettet. Darüber hinaus gibt es leistungsrechtliche Grundrechtsbindungen im Hinblick auf die staatlichen Pflichten zur Gewährleistung von Kenntnismöglichkeiten, denen die Gesetzgeber durch gesetzliche Konkretisierungen nachkommen müssen. a) Vorgaben für die Begrenzung und Strukturierung des polizeilichen Umgangs mit Informationen und Daten Die Vorgaben, die Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG auf der grundlegenden Ebene hergibt, sind bereits behandelt worden. Hier soll nur herausgestellt werden, daß sie sich nicht darauf richten, daß jeder Schritt der polizeilichen Informations- und Datenverarbeitung einer isolierten Eingriffsermächtigung im Sinne des traditionellen Eingriffsvorbehalts bedarf. Vielmehr ist der polizeiliche Umgang mit Informationen und Daten durch gesetzliche Regelungen grundlegend zu begrenzen, zu strukturieren und transparent zu gestalten. Indem es sich um Verarbeitungsabläufe und -zusammenhänge und dementsprechend auch um Regelungszusammenhänge handelt, müssen die jeweiligen Vorschriften prozeßübergreifend miteinander abgestimmt werden. 132 In diesem Rahmen stellt das Gebot der Normenklarheit über das Bestimmtheitsgebot hinaus Anforderungen, die die Transparenz der Informations- und Datenverarbeitung sicherstellen sollen. 133 Viele der neuen Begriffe und Strukturmerkmale, die in der Gesetzesanalyse herausgearbeitet worden sind, beruhen in ihren Grundlinien auf diesen Bindungen, auch wenn ihre nähere Gestaltung nur spezifisch polizeirechtlich zu begreifen ist. Das betrifft das Erfordernis der Festlegung von Verwendungszwecken, das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit und die Regelung von Zweckänderungsmöglichkeiten, aber auch weitere sachliche oder personelle Voraussetzungen, die den polizeilichen Umgang mit Informationen und Daten weiter

132

Vgl. dazu Albers, Neukonzeption, S. 130.

133

BVerfGE 65, 1 (44, 64 f.) und dazu Bäumler, Normenklarheit, S. 362 ff.

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

241

präzisieren und erst hinreichend begrenzen. Die Regelungsstrukturen und Regelungselemente sind - das entspricht und folgt aus den grundrechtlichen Vorgaben - nur in übergreifender, verarbeitungsorientierter Perspektive hinreichend zu verstehen. b) Anwendungsbedingungen und Einsatzfähigkeit des Übermaßverbots Soweit es im Rahmen der grundrechtlichen Bindungen um Eingriffsabwehr geht, kommt traditionell dem Übermaßverbot zentrale Bedeutung zu. Das hat die Untersuchung des überkommenen Gefahrenabwehr- und StrafVerfahrensrechts an vielen Stellen ergeben. Deshalb ist die Wirksamkeit des grundrechtlichen Schutzes überhaupt betroffen, wenn die Anwendbarkeit des Übermaßverbots in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge aufgrund prinzipiell mangelnder sachlicher, zeitlicher und personeller Grenzen tatsächlich so weitgehend in Frage gestellt ist, wie es zum Teil angenommen wird. Über Struktur und Komponenten des Übermaßverbots besteht weitgehend Konsens. Es setzt sich aus der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit zusammen. Das fuhrt allerdings keineswegs dazu, daß man es mit einem simplen Muster zu tun hätte. Das Übermaßverbot ist ein modales Prinzip. Es setzt voraus, daß die Ebenen und Bezugspunkte gewählt und geklärt sind, im Hinblick auf die es herangezogen wird, und es enthält als solches keine Vorgaben für die inhaltlich relevanten Gesichtspunkte. Daher muß man erstens unterscheiden, ob von der Bindung der Gesetzgebung oder von der Bindung der Exekutive die Rede ist. Zweitens muß man die jeweiligen Zwecke ebenso präzise bestimmen wie die jeweils relevanten inhaltlichen Gesichtspunkte. Die Effektivität des Übermaßverbots als Schutzmechanismus lebt, sobald die zu beurteilenden Verhältnisse keine geringe Komplexität mehr aufweisen, von der Unterscheidung der Ebene des Gesetzes und der Ebene der Gesetzesanwendung. 134 Erst die Entscheidungen der Gesetzgebung stellen die für die Beurteilung einer Verletzung des Übermaßverbots maßgeblichen Anknüpfungspunkte her. Mit ihnen werden die Zwecke festgelegt und die Vorgehensweisen, die die gesetzlichen Regelungen vorsehen, als Mittel ausgewählt. Die Gesetzgebung hat zudem bei der Beurteilung der Eignung, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit Gestaltungs-, Prognose- und Abwägungsspielräume, weil es ihr in bestimmtem Umfang zusteht, die immer gegebenen Prognosespielräume auszufüllen sowie über Zielkonflikte und die Bemessung unerwünschter Nebenwir-

134 Deutliche Differenzierungen in einschlägigen Zusammenhängen finden sich in BVerfGE 100, 313 (373 ff); BbgVerfG, LKV 1999, S. 450 (453 ff.). 16 Albers

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

kungen zu entscheiden.135 Im übrigen können die Beurteilungen auf der Ebene des Gesetzes nur generell-abstrakt oder für typische Konstellationen erfolgen. 136 Unter anderem deshalb greift das Übermaßverbot aber immer noch auf der Anwendungsebene. Die Spielräume, die der Gesetzgebung offenstanden, stehen der Exekutive nicht mehr in der geschilderten Form zu. Sie hat sich vielmehr an den durch das Gesetz festgelegten Anknüpfungspunkten zu orientieren. Die Zwecke hat sie durch Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen zu ermitteln und für ihre Tätigkeiten in konkreten Situationen zu konkretisieren. Die Maßnahmen sind ihr mit den gesetzlichen Befugnissen vorgegeben. Soweit Auswahlmöglichkeiten bestehen, sind diese unter Beachtung des nunmehr konkret einzusetzenden Übermaßverbots auszufüllen. Die Differenz zwischen Gesetzesund Anwendungsebene spiegelt sich wider in den Streitigkeiten, welche Letztentscheidungskompetenzen der Exekutive bei der Auslegung und Anwendung gesetzlicher Vorschriften gegenüber der gerichtlichen Kontrolle zustehen. Die Freiräume werden im Polizeirecht traditionell restriktiv gesehen. Bei der Anwendung des Übermaßverbots kommt es sowohl auf der Ebene der Gesetzgebung als auch auf der Ebene der Exekutive im ersten Schritt darauf an, wie die jeweiligen Zwecke bestimmt werden, denen die zugleich grundrechtseingreifenden Regelungen dienen. Das ist auch der zunächst zentrale Punkt bei der Antwort auf die Frage, ob das Übermaßverbot im Bereich der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge aus strukturellen Gründen leerlaufen muß. Zwecke können theoretisch auf beliebigen Abstraktionsebenen beschrieben und somit immer mehr oder weniger vage gefaßt werden. So kann der Zweck der Gefahrenabwehr, wie die Erörterung des Begriffs und der Diskussion um die Aufgabenzuweisung gezeigt haben, abstrahiert und ausgedehnt werden. 137 Grenzen erhält er durch konkretisierende gesetzliche Vorgaben, vor allem aber auch durch rechtsdogmatische Interpretationen, wie sie Rechtsprechung und Wissenschaft entwickelt haben. Zwecke der Gefahrenvorbeugung oder -Vorsorge können ebenfalls prinzipiell mehr oder weniger abstrakt beschrieben werden. Vage wäre das so belassene Ziel einer beliebig frühzeitig ansetzenden Vorbeugung gegen möglich erscheinende Schäden aller Art im Hinblick auf alle denkbaren Gefahrenquellen. Konkreter ist das Ziel einer Vorbeugung hinsichtlich bestimmter Quellen im nahen Vorfeld der Entstehung von Gefahren, die zu bestimmten Schäden führen könnten. Situative, zeitliche und personelle Strukturen, an die man zur Eingrenzung anknüpfen kann, ergeben sich allerdings nicht mehr in der Weise, wie es bei der Gefahrenabwehr der Fall ist. Das liegt nicht

135

BVerfGE 53, 135 (145); 77, 84 (106); 81, 156 (193); 90, 145 (173, 183). Hierhin gehört die Formulierung des BVerfG, daß es für die Eignung genüge, wenn die Realisierung der Ziele mit Hilfe der gewählten Mittel abstrakt möglich ist, vgl. BVerfGE 67, 157 (175); 81, 156 (192). 137 Vgl. oben Kap. 1 Punkt B.II.2. 136

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

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nur an dem sachbedingt breiteren Spektrum von Konstellationen. Es liegt auch daran, daß dieses Spektrum in seiner Reichweite prinzipiell erfaßt werden soll und nicht durch eine gesicherte Dogmatik eingegrenzt wird. Für die Determinationskraft des Übermaßverbots ist nun entscheidend, daß ihm die Zwecke zwar als Externum vorgegeben sind, aber dennoch nicht außerhalb seines Einflusses liegen. Es beeinflußt die Zwecksetzung und insbesondere auch die Zweckkonkretisierung mittelbar, indem bestimmte Regelungsweisen ein Verfassungswidrigkeitsverdikt nach sich ziehen. Der Zweck steht nämlich keineswegs als prägende und gleichwohl unangreifbare Komponente im Mittelpunkt des Übermaßverbots. Er dominiert auch nicht die fur die Abwägung erheblichen Gesichtspunkte.138 Im Mittelpunkt des Übermaßverbots stehen vielmehr verschiedenartige Zweck/Mittel-Relationen. Gegenstand der Betrachtung sind auch nicht die Gemeinwohlbelange als solche, sondern die Wirkungen, die die Maßnahme insoweit erzielt, und damit - eingeschränkter - Art und Umfang derer Realisierung. So werden im Rahmen der Verhältnismäßigkeit nicht Gemeinwohlbelange und Individualrechtsgüter, sondern die Folgen einer Maßnahme für jene mit den beeinträchtigenden Folgen für diese abgewogen. Das führt dazu, daß sich eine hohe Unbestimmtheit der jeweils relevanten Zwecke und lockere Beziehungen zwischen Zweck und vorgesehenen Maßnahmen durchaus nicht ohne weiteres so auswirken, daß die Maßnahmen zulässig sind. Je unbestimmter die jeweils relevanten Zwecke und je lockerer die Beziehungen zwischen Zweck und vorgesehenen Maßnahmen sind, desto deutlicher sind nämlich Ebenen, Perspektiven und Wirkungen zu unterscheiden. Das gilt gerade auch, weil die gesetzlich typisierten Konstellationen und die jeweiligen Einzelfälle wegen der gesteigerten Komplexität in ihren Kriterien nicht mehr punktgleich gelagert sind. Der einzelnen Maßnahme, die in das Grundrecht eines konkreten Betroffenen eingreift, steht nicht jeweils das „große Ziel" der Verhütung oder der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten überhaupt gegenüber, das in dieser Abstraktion ein so hohes Gewicht hätte, daß einzelne Freiheitseinschränkungen vernachlässigbar unwichtig würden. Werden zum Beispiel durch eine Eingriffsmaßnahme Daten erhoben, vermitteln sie Informationen nur im Hinblick auf eingrenzbare Geschehnisse und liefern deshalb nur einen begrenzten Beitrag zur Straftatenverhütung oder zur Verfolgungsvorsorge. Und möglicherweise erweist sich sogleich oder im Verlauf der weiteren Ermittlungen, daß die Erkenntnisse keinerlei brauchbaren Informationswert für die Aufgabenerfüllung haben und in diesem Sinne irrelevant sind. Der denkbare Einwand, das Verhütungs- oder Vorsorge ziel, Daten für den Fall zu erheben oder bereitzuhalten, daß sie relevant sind oder irgendwann benötigt werden, werde auch dann realisiert, wenn sich die Unerheblichkeit der erlangten Informationen herausstelle, greift nicht durch. Zwar muß Ungewißheit insoweit in 138

Insoweit unzutreffend Neumann, Vorsorge, S. 102 ff.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

eigenständiger Weise berücksichtigt werden und führt nicht geradewegs zur Ungeeignetheit oder UnVerhältnismäßigkeit vorgesehener Maßnahmen. Dennoch hängt das Gewicht des Ziels der Verhütung oder der Vorsorge auch davon ab, wie gut sich die Prognose begründen läßt, daß tatsächlich Straftaten begangen worden wären, die verhütet worden sind, oder daß für künftig tatsächlich zu verfolgende Straftaten vorgesorgt wird. Es wird um so schwächer, je größer die absehbare Streubreite einer Maßnahme wird. In der „.Mikroperspektive" oder auf der Einzelfallebene, die in typisierter Form auch für die Gesetzgebung relevant ist, sind den Beeinträchtigungen des Grundrechtsträgers, die aus Sicht der Grundrechtsnorm durch die Wirkungen der Maßnahme entstehen, somit die Folgen für die Verhütung oder die Vorsorge gegenüberzustellen, die unter Berücksichtigung der Begrenztheit und einer etwaigen Irrelevanz der Ergebnisse der Maßnahme bestimmt werden müssen. Werden Grundrechtseingriffe zu Lasten einer betroffenen Person von der Polizei zu Zwecken der Straftatenverhütung vorgenommen, obwohl „völlig unklar (ist), welche Rechtsgüter durch wen in welcher Weise und mit welcher Schadenswahrscheinlichkeit bedroht" 139 werden, führt die Zwecksetzung demnach nicht dazu, daß die Prüfung der Verhältnismäßigkeit nicht sinnvoll durchgeführt werden kann. Vielmehr ist unter solchen Umständen die potentielle Irrelevanz des Ergebnisses der Maßnahme als so hoch einzustufen, daß diese bereits ungeeignet oder zumindest unverhältnismäßig ist. Wechselt man hinsichtlich des Ziels der Verhütung oder der Vorsorge auf eine einzelne Maßnahmen übergreifende Ebene und beschreibt es in der Form, wie es (nur) durch das Zusammenwirken einer Vielzahl von Maßnahmen erreicht wird, stehen dem in der Abwägung die gesamten verschiedenartigen Beeinträchtigungen der Grundrechtsträger sowie übergreifende Beeinträchtigungen, etwa die der gesamtgesellschaftlichen Kommunikation, gegenüber. Auch in dieser „.Makroperspektive" ist die prognostizierte Zahl der Personen, die betroffen sind, ohne daß die Ergebnisse der Maßnahmen relevant wären, oder die Streubreite der Maßnahmen zu berücksichtigen. 140 Je weniger die Maßnahmen an Voraussetzungen geknüpft sind, die die Relevanz ihrer Ergebnisse sicherstellen, desto eher werden die nachteiligen Folgen für die Grundrechte die positiven Folgen für die Straftatenverhütung oder für die Verfolgungsvorsorge überwiegen. Erhielte das Ziel zum Beispiel die Form, daß möglich erscheinenden Schäden aller Art im Hinblick auf alle denkbaren Gefahrenquellen mit beliebigen und beliebig frühzeitig ansetzenden Verhütungsmaßnahmen zu begegnen ist, läge wegen des Umfangs und Gewichts der damit verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigungen ein Verfassungswidrigkeitsverdikt auf der Hand.

139 140

Vgl. den Nw in Kap. 3 Punkt A.I. Fn 40. Vgl. dazu auch Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 272 f.

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

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An die Überlegungen kann man zwei Folgerungen anschließen. Erstens bleibt es nicht ohne Bedeutung, daß der Zweck durch die Verhütung oder durch die Vorsorge und deren Strukturen geprägt wird. Insbesondere lassen sich die Deckungsgleichheit der übergreifenden Gesetzesebene und der Anwendungsebene und die gewohnte situative, zeitliche und personelle Begrenztheit nicht herstellen. Außerdem muß das Übermaßverbot mit vorsorgespezifischen Kriterien und Erwägungen ausgefüllt werden. Wegen dieser Eigenheiten erhält zweitens die Unterscheidung zwischen der Bindung der Gesetzgebung und der Bindung der Exekutive besondere Bedeutung. Wenn sich konkretisierende, strukturierende und begrenzende Vorgaben nicht mehr sachbedingt oder durch eine gesicherte Dogmatik ergeben, muß der Gesetzgeber sie in bestimmtem Umfang durch seine Regelungen herstellen. Im Falle einer generalklauselartigen Regelung, daß die Polizei die zur Verhütung von Straftaten erforderlichen Maßnahmen treffen darf, wäre die Zwecksetzung zu abstrakt, als daß sie unter Berücksichtigung der eben angestellten Überlegungen dem Übermaßverbot genügen könnte. Wenn der Gesetzgeber dem Verfassungswidrigkeitsverdikt entgehen will, muß er Maßgaben treffen, die zum Beispiel die Zwecke differenzieren und konkretisieren, Prognoseanforderungen stellen, den Adressatenkreis eingrenzen, zu Überprüfungen und Korrekturen in den Verarbeitungs- und Entscheidungsprozessen verpflichten sowie Schutzvorkehrungen vorsehen. Er darf in diesem Rahmen vorsorgespezifische und übergreifende Erwägungen einbringen. Er muß aber etwa auch in typisierender Weise die potentielle Irrelevanz der Ergebnisse grundrechtsbeeinträchtigender Maßnahmen berücksichtigen, die in ihrem Umfang wiederum von den gesetzlichen Voraussetzungen der Maßnahmen abhängen wird. Er darf die Freiheitsbeeinträchtigungen Einzelner somit keineswegs außer acht lassen.141 Das Übermaßverbot überschneidet sich demnach zum Teil mit dem Parlamentsvorbehalt. Es stellt Anforderungen an den Inhalt und das Ausmaß gesetzlicher Regelungen, ohne deren Realisierung es verletzt wäre. 142 Das erklärt den Aufwand, den die Polizeigesetzgebung im Rahmen der Regelung der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge betrieben hat.

141

Zu kurz greifend und undeutlich Pitschas, Innere Sicherheit, S. 864, mit nicht passendem Hinweis auf Ossenbühl, Maßhalten, S. 161: Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei nicht mehr der punktuelle Freiheitseingriff gegenüber dem Einzelnen, sondern eine strukturorientierte Betrachtungsweise im Sinne einer Abwägung der jeweiligen Zweck/Mittel-Relation, die Sache des parlamentarischen Gesetzgebers sei. 142 Zur Herleitung von Anforderungen an die Gesetzgebung siehe auch Neumann, Vorsorge, S. 167 ff. Vgl. außerdem Degener, Grundsatz, S. 203 ff., mit Erörterungen, daß der Gesetzgeber zur Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Regelungen treffen müsse, die hinreichende differenzierende Vorgaben setzen und die notwendigen Wertentscheidungen verdeutlichen.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

Auf Anwendungsebene greift das Übermaßverbot nachfolgend im Rahmen der dann gegebenen gesetzlichen Vorgaben, die die Ziele auch über die Bedingungen und Grenzen der Ermächtigungen konkretisieren. Man hat also nicht mit einer tabula-rasa-Situation zu tun. Auf Einzelfallebene können außerdem das Ziel und der Beitrag, den einzelne Maßnahmen leisten könnten, stärker situationsbezogen konkretisiert werden. Und entsprechend konkret, wenn auch mit den beschriebenen Modifikationen, ist die Frage der Wahrung des Übermaßverbots zu beurteilen. In den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge läuft das Übermaßverbot somit nicht leer. Es steht jedoch in einem veränderten Kontext mit der Folge, daß sich auch seine Schutzwirkungen in bestimmtem Umfang verändern. Korrespondierend zu den neuartigen Bindungen der Grundrechte verweist es auf ein (prozeß)übergreifendes Schutzkonzept mit verschiedenen, aufeinander abgestimmten und ineinandergreifenden Regelungselementen. In diesem Rahmen kann es selbst Determinationskraft gewinnen. c) Die Anforderungen an die gesetzliche Gestaltung von Kenntnismöglichkeiten der Betroffenen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht auf abwehrrechtliche Bindungen beschränkt. Er verpflichtet, ergänzt durch Art. 19 Abs. 4 GG, die Gesetzgebung auch zur Gewährleistung von Kenntnismöglichkeiten. Die Fragen, inwieweit es ihr im Rahmen ihrer Konkretisierungskompetenz zusteht, die verfassungsrechtlich vorgegebenen Kenntnischancen einfachrechtlich nur eingegrenzt zu gewährleisten 143, sind grundrechtsdogmatisch neuartig und noch unzureichend erörtert. Erstens sind die Grundrechtsbindungen weder mit originären oder derivativen Teilhaberechten noch mit Schutzpflichten zu vergleichen. So ist auf den ersten Blick erkennbar, daß bei den Einschränkungsgründen weniger der „Vorbehalt des Möglichen" 144 als vielmehr gegenläufige Geheimhaltungsinteressen eine Rolle spielen werden. Zweitens haben, wie noch näher behandelt werden wird 1 4 5 , genau diese Geheimhaltungsinteressen in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge wegen derer strukturellen Eigenarten ihren besonderen Gehalt und ihre besondere Problematik. Genannt werden können etwa das Erfordernis übergreifender Erwägungen oder die

143 Aus der hier vertretenen Sicht handelt es sich nicht um einen Eingriff, sondern um die eingegrenzte Gewährleistung einer verfassungsrechtlich gebotenen Leistung. Zu anderen Konstruktionen siehe oben Kap. 3 Punkt B.II. La. Fn 122. 144 Vgl. BVerfGE 33, 303 (333). Als Beispiel dafür kann man allerdings die eingrenzenden Regelungen nennen, die dem Aufwand des Auffindens von Daten in Akten Rechnung tragen. 145 Kap. 3 Punkt C.IV.2.

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

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Langfristigkeit von Überwachungsmaßnahmen. Hier soll es zunächst um die allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundlinien gehen. Konkretisiert der Gesetzgeber aufgrund der grundrechtlichen Bindungen einfachgesetzliche Ansprüche auf Kenntnisgewähr, insbesondere Ansprüche auf Akteneinsicht oder auf Auskunft, kann er dabei sowohl im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG als auch im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG entgegenstehende Belange als Einschränkung der Reichweite des Anspruchs berücksichtigen. Art. 2 Abs. 1 GG enthält einen Grundrechtsvorbehalt, der als einfacher Gesetzesvorbehalt ausgestaltet ist, soweit er auf die verfassungsmäßige Ordnung Bezug nimmt. Bereits in diesem Rahmen kann aber keineswegs jeder vom Gesetzgeber für legitim gehaltene Belang eine Eingrenzung rechtfertigen. Dem steht entgegen, daß der besondere Einfluß des Art. 1 Abs. 1 GG in Form des Verbots einer Objektstellung gerade bei den hier in Rede stehenden Kenntnisgewährleistungen hinzutritt und daß diese außerdem Voraussetzung für die Wahrnehmung der anderweitig bestehenden Rechtspositionen sind. Art. 19 Abs. 4 GG enthält - von Art. 19 Abs. 4 Satz 3 GG abgesehen - keinen Vorbehalt. Einschränkend wirkende Ausgestaltungen durch Verfahrensordnungen sind aber im Falle der Beachtung unter anderem des Übermaßverbots anerkannt. 146 Wenn gelegentlich gefolgert wird, die Eingrenzung grundrechtlich einzuräumender Kenntnismöglichkeiten sei wegen des nicht vorhandenen Gesetzesvorbehalts einfachgesetzlich nicht oder allenfalls im Hinblick auf entgegenstehende Belange von Verfassungsrang zulässig 147 , wird übersehen, daß die Rechtsschutzgarantie auf der allgemeinen Ebene nur verstärkend zu Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hinzutritt und auf dieser Ebene graduell unterschiedlich berührt ist. Im zu berücksichtigenden Gesamtkontext können sich Beeinträchtigungen unterschiedlich darstellen. Werden etwa Kenntnismöglichkeiten zeitlich hinausgeschoben, soweit die Erfüllung der Aufgabe ohnedem nicht wirksam möglich wäre, und werden dadurch Rechtsschutzmöglichkeiten nur unwesentlich berührt, weil keine irreparablen Nachteile entstehen, ist die Rechtsbeeinträchtigung anders als in Fällen, in denen eine Verweigerung der Kenntnis zu einer wesentlichen Erschwerung der Rechtsschutzmöglichkeiten führte. 148 Im ersten Fall genügt es - die immer vorzunehmende Abwägung zurückgestellt -, wenn das hinter der Aufgabenerfüllung stehende Ziel verfassungsrechtlich legitim ist. Das gilt, auch wenn dadurch Unterlassungs-, Löschungs- oder Berichtigungsansprüche nicht jederzeit durchgesetzt werden können. Man muß an dieser Stelle berücksichtigen, daß aufgrund des grundrechtlichen Schutzes Rechte in den staatlichen Entscheidungsprozessen und nicht allein gegen Abschlußakte gewährt werden. Im zweiten Fall bedarf es dagegen eines entgegenstehenden Be146 147 148

BVerfGE 88, 118 (124 f.). Blanke, Öffentlichkeit, S. 289. Vgl. auch Schwan, Amtsgeheimnis, S. 48 ff.

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Kap. 3 : Die Determinationsmuster

langes, der seinerseits hohen Verfassungsrang genießt. In diesem Grundraster sind graduelle Unterschiede je nach Fallkonstellation in mehreren Hinsichten denkbar. Etwa können zeitliche Verzögerungen der Kenntnisgewähr unter bestimmten Voraussetzungen bereits eine wesentliche Erschwerung gewährleisteter Rechtsschutzmöglichkeiten darstellen, und inhaltlich wird man bei der Beurteilung eines Ausschlusses nur bestimmter Gesichtspunkte, zum Beispiel der Mitteilung von Informanten, einbeziehen können, inwieweit den Interessen der Grundrechtsträger nicht schon durch die im übrigen gewährleisteten Kenntnischancen Rechnung getragen ist. Auch die der Kenntnisgewähr entgegenstehenden Interessen lassen sich regelmäßig nicht pauschal beurteilen. Sind sie als solche legitim, bedeutet das nicht, daß ihnen ohne weiteres der Vorrang einzuräumen wäre. Vielmehr ist eine Abwägung vorzunehmen. Der Gesetzgeber muß zumindest die im jeweiligen Regelungsbereich wesentlichen typischen Konfliktkonstellationen lösen 149 , damit Verwaltung und Gerichten eine Grundlage für die erforderliche konkrete Interessenabwägung gegeben ist. 1 5 0 Es muß also hinreichend präzise festgelegt sein, welche Belange im Rahmen der Wahrnehmung der Aufgaben nach Maßgabe der Befugnisse unter welchen Voraussetzungen zur Rechtfertigung einer Geheimhaltung anerkannt sind. 151 Sofern dies mit einem Querschnitts- oder Auffanggesetz nicht zu leisten ist, bedürfen die gesetzliche Gestaltung der Kenntnisrechte und die sie einschränkenden Gründe einer bereichsspezifischen Grundlage. 152 Zu den einer Kenntnisgewähr entgegenstehenden Belangen kann die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben und Befugnisse gehören. 153 Das gilt aber nur, soweit und solange sie die Abschottung des Wissens auch gegenüber der betroffenen Person erfordert. 154 Die Beurteilung der Geheimhaltungsbedürftigkeit ist in inhaltlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht zu differenzieren. Zu den legitimen Belangen können weiter der Schutz von Informationsquellen, insbesondere die Einsatzfähigkeit oder der Vertrauensschutz von Informanten

149

Vgl. BVerfGE 47, 46 (78 ff.); 83, 130 (152). Vgl. auch OVG Bremen, NJW 1987, S. 2393 (2395). 151 So auch Lerche, Geheimschutz, S. 120 f. 152 Dazu BVerfGE 65, 1 (44, 46); ausdrücklich für den Auskunftsanspruch OVG NW, DVB1 1995, S. 371 (372). 153 So ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn Strafverfolgungsbehörden im Ermittlungsverfahren ihre Erkenntnisse gegenüber einem Verdächtigen für eine bestimmte Zeitspanne geheimhalten dürfen, um ihren Aufgaben der Sachverhaltserforschung und der Verdachtsklärung nachzukommen, vgl. BVerfG, Kammerbeschluß, NStZ 1994, S. 551 (552). 154 Siehe BVerfGE 57, 250 (284); 100, 313 (397 f.); vgl. auch OVG Berlin, NVwZ 1987, S. 817(819). 150

Β. Die Determinationsirkungen der verfassungsrechtlichen Aussagen

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zählen. 155 Die Einsatzfähigkeit von Informanten ist der Wahrnehmung der Aufgaben zuzuordnen, sofern der Einsatz ein Mittel der Informationsbeschaffung ist; der Vertrauensschutz von Informanten 156 ist ein eher individualbezogener Gesichtspunkt des Schutzes privater Dritter, aber unter bestimmten Voraussetzungen mittelbar auch den Bedingungen der Möglichkeit der Aufgabenwahrnehmung zuzurechnen. 157 Schränkt der Gesetzgeber den zu gewährleistenden Kenntnisanspruch im Hinblick auf entgegenstehende Belange ein, sind regelmäßig weitere Regelungen notwendig, die ihrerseits an den grundrechtlichen Anforderungen zu messen sind. Das betrifft zunächst die Frage der Begründung einer die Kenntnisgewähr ablehnenden Entscheidung der Verwaltung. Verpflichtet Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG den Staat zur Gewährleistung von Kenntnismöglichkeiten und darf dies nur aufgrund legitimer und hinreichend gewichtiger Belange im Rahmen der gesetzlichen Regelung eingegrenzt werden, folgt aus dem Grundrecht in Verbindung mit der in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Bindung an Gesetz und Recht, daß der Betroffene grundsätzlich einen Anspruch darauf hat, die Gründe für eine Entscheidung zu erfahren, aufgrund derer die Verwaltung ihm den ihm rechtlich prinzipiell zustehenden Anspruch verweigert. 158 Begründungspflichten und -ansprüche ergeben sich zudem aus der Rechtsschutzgarantie. Ohne Begründung kann der Betroffene nicht beurteilen, ob es sinnvoll ist, gegen eine ablehnende Entscheidung der Verwaltung Gerichtsschutz in Anspruch zu nehmen. 1 5 9 Dem Gesetzgeber steht es aber zu, die Pflicht zur Begründung ihrerseits im Hinblick auf die der Verweigerung der Kenntnisgewähr zugrunde liegenden Geheimhaltungsbelange einzuschränken. Sie reicht nicht so weit, daß die Gründe einer Ablehnung der Kenntnisgewähr in einer Weise dargelegt werden müßten, die eine Offenbarung der geheimzuhaltenden Tatsachen bedeutete. 160 So155 BVerfGE 57, 250 (284); 100, 313 (398); RhPfVerfGH, NJW 1999, S. 2264 (2265 f.). 156 BVerwG NJW 1965, S. 1450 (1450 f.). 157 RhPfVerfGH, NJW 1999, S. 2264 (2265 f.); BVerwGE 89, 14 (19); Lodde, Informationsrechte, S. 140 ff; Mayer-Metzner, Auskunft, S. 164 ff. 158 Dazu BVerfGE 6, 32 (44); 40, 276 (286): rechtsstaatlicher Grundsatz. Siehe zur Herleitung aus dem materiellen Grundrecht und dem Recht auf effektiven Rechtsschutz BVerwGE 91, 262 (265 ff); 99, 185 (189 ff.). Aus der Literatur siehe - mit unterschiedlichen Ansätzen - Lücke, Begründungszwang, S. 37 ff; Sobota, Prinzip, S. 484; Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 1 Rn 36; Schmidt-Aß mann, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 19 Abs. IV, Rn 253. Außerdem Ehmann, Sammlungen, S. 582; Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 112. 159 Vgl. BVerfGE 6, 32 (44); 40, 276 (286); BVerwGE 91, 262 (265 ff.); 99, 185 (189 ff.); Laubinger, Grundrechtsschutz, S. 75 f., 82; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 19 Abs. IV, Rn 254: Begründung auf jeden Fall im gerichtlichen Verfahren. 160 Dazu BVerwGE 74, 115 (120); OVG Berlin, NVwZ 1987, S. 817 (820); Ehmann, Sammlungen, S. 582; Flümann, Begründungspflicht, S. 139.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

fern es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, Kenntnisrechte nur eingegrenzt zu gewährleisten, ergibt sich zugleich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Einschränkung der Pflicht zur Begründung, soweit diese den Zweck der Verweigerung der Kenntnisgewähr gefährdete. Ablehnungsgründe und Gestaltung der Begründung können in diesem Sinne miteinander abgestimmt werden. Wird die Kenntnis gesetzlich nur eingeschränkt gewährt und besteht eine nur begrenzte Begründungspflicht, sind Schutzvorkehrungen zur Kontrolle erforderlich. 161 Ohne daß eine bestimmte Form der Kontrolle oder Institution vorgegeben wäre, ist doch jedenfalls die Sicherstellung der Kontrolle gefordert. 162 Das bedeutet nicht, daß den Kontrollmechanismen ohne weiteres Ersatz- oder Kompensationscharakter im Bereich des Gerichtsschutzes zugeschrieben werden darf. 163 Sie sind an dieser Stelle nur der Ausgleich für die Verweigerung einer dem Grundrechtsträger grundsätzlich zustehenden Kenntnis aufgrund überwiegender Geheimhaltungsbelange und für die eingeschränkte Begründung, der auch im Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung bereits geboten ist.

C. Die rechtsdogmatische Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und Regelungselemente Wird das Polizeirecht ein eigenständiges Rechtsgebiet mit neuen Regelungsmechanismen und neuen Regelungselementen, kommt es nicht nur auf verfassungsrechtliche Vorgaben, sondern vor allem auf die verwaltungsrechtsdogmatische Analyse und Konkretisierung der polizeigesetzlichen Bestimmungen an. Nach der Gesetzesanalyse kann man feststellen, daß die klassischen Begrenzungsmechanismen im Zuge der Erweiterungen des Polizeirechts um die Straftatenverhütung und um die Verfolgungsvorsorge durch neue Formen der Determination mit mehr Komplexität und Flexibilität ergänzt oder abgelöst werden. Es gibt neue Rechtsbegriffe, neue Prognosestrukturen, Entscheidungsvorbehalte und verfahrensbezogene Schutzvorkehrungen. Begrenzungen entstehen insbesondere auch durch das Zusammenwirken verschiedener Regelungen und Determinanten in den Verarbeitungs- und Entscheidungsprozessen. Damit kri161

BVerfGE 65, 1 (46); 67, 157 (185). Zweifel an der verfassungsrechtlichen Verankerung der Institutionalisierung und Beteiligung unabhängiger Datenschutzbeauftragter bei Zöllner, Datenschutzbeauftragte, S. 174 ff, der hinsichtlich der Kontrollerfordernisse insgesamt aber nicht hinreichend würdigt, daß das Kenntnis- und Einflußpotential der Betroffenen auch unter Berücksichtigung der Verbesserungsmöglichkeiten (siehe die Vorschläge zur Verbesserung des Gerichtsschutzes unter anderem durch in-camera-Verfahren und zum Abbau von Transparenzdefiziten, S. 211 ff.) allein nicht ausreicht. 163 So die Befürchtungen bei Zöllner, Datenschutzbeauftragte, S. 204 ff., mit Hinweis auf dahingehende Ansätze in der fachgerichtlichen Rechtsprechung. 162

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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stallisiert sich heraus, daß ein Schutzkonzept mit Hilfe von Regelungszusammenhängen zu entwickeln ist, in dem verschiedene Regelungsmuster und -komponenten aufeinander aufbauen, aneinander anschließen und sich ergänzen. 164 Nachfolgend soll einigen ausgewählten Aspekten nachgegangen werden. Sie sind im Kontext der bisherigen Ausfuhrungen einerseits fur sich genommen fur das Verständnis des neuen Polizeirechts von Bedeutung. Andererseits kann in ihrem Rahmen auch der künftig notwendige Zugang über Regelungszusammenhänge deutlich werden. I. Das Netzwerk von Aufgaben und Befugnissen Im überkommenen Polizeirecht zählt die Trennung von Aufgaben und Befugnissen zu den zentralen Strukturmerkmalen, weil das polizeiliche Handeln mit ihrer Hilfe legitimiert, gesetzlich determiniert und rechtlich begrenzt wird. Aufgabenzuweisungen sind Maßstab, begrenzender Rahmen und Interpretationsgesichtspunkte für die jeweiligen Befugnisse. Diese rechtsdogmatisch zentrale Regelungsstruktur wird auch in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge beibehalten. Allerdings gibt es einige Veränderungen. Zum einen kommt der Aufgabenbestimmung eine neue zentrale Bedeutung zu, indem die Festlegung der Zwecke, zu denen die Polizei personenbezogene Daten erheben, speichern oder verwenden darf, regelmäßig daran anknüpft, daß ein Verarbeitungsvorgang zur Erfüllung der polizeilichen Aufgaben, der jeweiligen polizeilichen Aufgabe oder einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich ist. Viel weitergehend als im klassischen Gefahrenabwehrrecht wird die Aufgabennorm also durch einen Verweisungszusammenhang in die Befugnisse inkorporiert. Damit gewinnt aber auch ihre Begrenzungsfunktion eine besondere Relevanz. Das Erfordernis hinreichender Konkretisierung ihrer Inhalte, das bereits für die Aufgabenzuweisung der Gefahrenabwehr herausgearbeitet worden ist, muß gleichermaßen für die Straftatenverhütung und die Verfolgungsvorsorge gelten. Eine lediglich vage Beschreibung ließe nicht nur ihre Funktion leerlaufen, sondern wirkte sich auf die Befugnisse aus. Zum anderen besteht nicht mehr ohne weiteres ein punktuelles Verhältnis zwischen der Wahrnehmung einer Aufgabe und bestimmten, dieser zugeordneten Befugnissen. Erstens müssen auch die Befugnisse in bestimmtem Umfang als Elemente, mit denen ein Prozeß gesteuert wird, aufeinander bezogen werden. Zweitens entstehen, unter anderem aufgrund von Zweckänderungsmöglichkeiten, neue Interdependenzen zwischen den Aufgaben, zwischen den Auf164 Vgl. dazu auch die Überlegungen Kniesel/Vahle, Informationsverarbeitung, Rn 165, und (zum novellierten Strafprozeßrecht) bei Hilger, Probleme, S. 325 ff. Siehe außerdem SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1432 ff. ).

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

gaben und Befugnissen sowie zwischen den Befugnissen. Ein polizeiliches Handeln aufgrund von Befugnissen, die zunächst zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe eingesetzt werden, kann sich aufgrund von Befugnissen zur Wahrnehmung einer anderen Aufgabe fortsetzen. Deshalb griffe es auch zu kurz, die neuen Befugnisse zur Straftatenverhütung oder zur Verfolgungsvorsorge allein in deren Kontext zu sehen. Vielmehr ändert sich auch die traditionelle Gefahrenabwehr, indem sie in neue Gesamtzusammenhänge eingebettet wird. Insgesamt ist ein eher netzwerkartiger Zugang nötig. Es gibt somit nicht mehr nur die einfache Differenz zwischen Aufgaben und Befugnissen. In dieser veränderten Form bleibt das Raster der Unterscheidungen trotzdem ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Determination. II. Die Eigenständigkeit der Aufgaben der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge 1. Das Verhältnis zwischen Gefahrenabwehr, und Verfolgungsvorsorge

Straftatenverhütung

Sind die Aufgaben der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge hinreichend zu konkretisieren, liegt im ersten Schritt die Klärung ihres Verhältnisses zur Gefahrenabwehr nahe. Immerhin ist es nach dem Normtext einiger Polizeigesetze ganz bei der Aufgabenzuweisung der Gefahrenabwehr geblieben. Meistens werden die Straftatenverhütung und die Verfolgungsvorsorge zwar ergänzt. Sie werden dann aber nicht als eigenständige Aufgaben bezeichnet, sondern in den Rahmen der Gefahrenabwehr gestellt. Die Auslegung der Gefahrenabwehraufgabe müßte demnach die Konkretisierung auch der neuen Aufgabenbereiche ermöglichen. Es ist jedoch schon darauf hingewiesen worden, daß hinter den normtextlichen Fassungen und hinter der Unterordnung der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge unter die Gefahrenabwehr eher entstehungsgeschichtliche und rechtspolitische Gründe als dogmatische Argumente stehen.165 Vorgehensweisen, die die Polizei längst durchführte, sollten nicht als rechtswidrig erscheinen. Auch die dogmatischen Überlegungen, die es dazu gibt, sind an verschiedenen Stellen bereits behandelt worden: Die Gefahrenabwehraufgabe wird ohne besondere Begründung oder mit Hilfe des Begriffs der „allgemeinen" Gefahr auf die Straftatenverhütung, mit Hinweis auf die Präventionswirkungen einer vorsorglichen Aufbewahrung von Daten aus Ermittlungsverfahren auch auf die Verfolgungsvorsorge oder - ungenauer und undifferenziert - gleich auf die „vorbeugende Bekämpfung von Straftaten" erstreckt. Diese Konstruktionen 165

Oben Kap. 2 Punkt B.I.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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sind, wie hier nicht erneut ausgeführt zu werden braucht, sämtlich nicht tragfähig. 1 6 6 Sie haben darüber hinaus Folgen: Die Aufgabe der Gefahrenabwehr verliert ihre Konturen und wird entgrenzt; Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge können, weil man sie mit vage gehaltenen Mustern der Gefahrenabwehr zu beschreiben versucht, in ihren Aussageinhalten nicht richtig erfaßt werden. Anregender als die von Legitimationsbemühungen getragenen Sehweisen, die jedenfalls dann nicht (mehr) nötig sind, wenn man die Kompetenz der Gesetzgebung zur Zuweisung auch neuer Aufgaben herausstellt, sind andere Überlegungen: Danach könnte die Einordnung in den Rahmen der Gefahrenabwehr einen funktionalen Bezug herstellen, der die Interpretation der neuen Elemente leitet und sie in ihren Aussagegehalten und ihrer Reichweite begrenzt. In diesem Sinne setzt man die Verhütung von Straftaten in eine Beziehung zur traditionellen Gefahrenabwehraufgabe, indem ihr Kern in einer zeitlichen Verschiebung der Prognoseentscheidung in das Vorfeld konkreter Gefahren gesehen wird. Es handele sich um eine ausschließlich zeitliche Vorverlagerung polizeilicher Zuständigkeit, nicht aber um eine Suspendierung vom Erfordernis einer einzelfallbezogenen Analyse des polizeilichen Ausgangssachverhalts als der Prognose einer Gefahrenlage. Als Reaktion unter anderem auf die Herausforderungen in den Aktionsfeldern organisierter Kriminalität könne die Polizei bereits tätig werden, um den Eintritt künftiger, aber bereits prognostizierbarer Gefahren zu vermeiden. 167 Die Ausarbeitung der funktionalen Beziehungen zwischen Gefahrenabwehr und Straftatenverhütung ist in der Tat eine sinnvolle, wenn nicht sogar unverzichtbare Möglichkeit zur (gesetzes)systematischen Begrenzung dieses Elements. Dies auf der Basis einer Unterordnung unter die Gefahrenabwehraufgabe zu entwickeln, ist jedoch nicht hilfreich. 168 Erstens bleibt man auf erweiternde Interpretationen dieser Aufgabe angewiesen. Zweitens kann man die Straftatenverhütung nicht allein aus dem funktionalen Bezug zur Gefahrenabwehr heraus beschreiben. 169 Schließlich bieten diese Überlegungen keine Lösung hinsichtlich der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten oder künftiger Straftaten. Die hierbei zugrunde liegende Prognose besteht nicht darin, daß künftig Straftaten begangen werden, sondern darin, daß man - gegebenenfalls: künftig - be166 Zu den Ausdehnungen der Gefahrenabwehraufgabe und zur Kritik siehe bereits Kap. 1 Punkt B.II.2.b., Kap. 2 Punkt B.I.2.b. 167 Siehe die Erwägungen bei Fritsche/Eisvogel, Freiheitlichkeit, S. 199 ff. 168 Vgl. dazu die wenig überzeugenden Bemühungen des BayVerfGH, DVB1 1995, S. 347 (349), die Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge als durch die Gefahrenabwehraufgabe begrenzt zu erklären, die zunächst mit Hilfe des im Sinne „abstrakter Gefahren" verstandenen Begriffs der „allgemeinen Gefahren" ausgedehnt wird. Kritisch dazu auch Trute, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 91. 169 Dazu sogleich Kap. 3 Punkt C.II.2.a.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

gangene Straftaten künftig zu verfolgen haben wird. Die Herstellung eines funktionalen Bezuges zur Gefahrenabwehr paßt hier also im Ansatz nicht. 170 Dieser Einwand wäre zwar relativiert, wenn die Verfolgungsvorsorge überhaupt nicht in die Polizeigesetze, sondern in das Strafverfahrensrecht gehörte. Für die Beurteilung der gegenwärtigen gesetzlichen Aufgabenzuweisungen, die sie ganz überwiegend aufgenommen haben, bleibt er dennoch relevant. Die Einordnung unter die Gefahrenabwehr würde im Ergebnis nicht nur das Neuartige der Erweiterung der polizeilichen Aufgaben um die Straftatenverhütung und um die Verfolgungsvorsorge verdecken. Sie führte auch dazu, daß die Aufgabenzuweisung in allen drei Bereichen nicht hinreichend präzise konkretisiert werden und damit die dogmatischen Funktionen nicht erfüllen könnte, die ihr zukommen. Man muß die Aussageinhalte der neuen Elemente somit eigenständig entwickeln. Das schließt funktionale Beziehungen zwischen Gefahrenabwehr und Straftatenverhütung nicht aus. Im Gegenteil können sie erst überzeugend und präzise bestimmt werden, wenn man beide Bereiche als unterscheidbar anerkennt. Entgegen dem Normtext der polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen sind die Verhütung von Straftaten und die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten oder künftiger Straftaten also als eigenständige neue Aufgaben der Polizei anzusehen. In dem eher rechtspolitisch bedingten Bemühen, sie an die Aufgabe der Gefahrenabwehr anzukoppeln, haben die Landesgesetzgeber die Chance, sie explizit so auszuweisen und damit mehr Klarheit zu schaffen, nicht genutzt. 171 Die Unterordnung unter die Gefahrenabwehr vermag ohnehin nicht zu überspielen, daß sich hinsichtlich der neuen Aufgaben etwa die Fragen stellen, inwiefern ihnen verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind und ob die Verfolgungsvorsorge überhaupt in den Polizeigesetzen geregelt werden darf. 2. Grundzüge der Konkretisierung

der neuen Aufgabenzuweisungen

Für die neuen Aufgabenzuweisungen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge ergibt sich damit die Notwendigkeit ihrer Konkretisierung. Das gilt um so mehr, als ihnen im Verhältnis zu den Befugnissen eine neue zentrale Bedeutung zukommt. Deshalb kann man nicht mit dem Gedanken ausweichen, erst die mit den Befugnissen eröffneten Eingriffsmöglichkeiten beträ170 Anders, aber ersichtlich nicht treffend BbgVerfG, LKV 1999, S. 450 (451), hier mit der Ausführung: „Eine Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten obliegt der Polizei hiernach nicht schlechthin, sondern nur, wenn sie der Abwehr von Gefahren dient, bezogen auf künftige Straftaten also nur dann, wenn deren Begehung hinreichend wahrscheinlich ist." 171 Siehe auch die Kritik unter dem Aspekt der Normenklarheit bei Denninger! Petri, Normenklarheit, S. 14 f.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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fen die Bürger unmittelbar in ihren Freiheitsrechten, so daß es ausreichend sein könne, dort Grenzen zu setzen.172 Eine nähere einfachrechtliche Analyse könnte man sich allerdings ersparen, wenn feststünde, daß jegliche Vorverlagerung polizeilicher Aufgaben und Tätigkeiten über die traditionellen Grenzen von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung hinaus an verfassungsrechtlichen Bindungen scheitert. Mit dem Hinweis auf den rechtsstaatlichen und freiheitsrechtlichen Hintergrund, den man bei der Entwicklung der Grenzen sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Strafverfolgung zugrunde legen kann, wird das nicht selten angedeutet. Es steht auch außer Streit, daß etwa die Beschränkung der Gefahrenabwehr auf den Schutz vor Schäden und die im Gefahrenbegriff verankerten Einschreitschwellen oder die Einbettung von Strafverfolgungsermittlungen in ein justizförmiges Verfahren unter Leitung der Staatsanwaltschaft und die Anknüpfung an den Verdacht einer Straftat einen solchen Hintergrund haben. Trotzdem ist weder aus dem Rechtsstaatsprinzip noch aus den Freiheitsgrundrechten herzuleiten, daß sie das polizeiliche Handeln mit ihren Anforderungen an dessen rechtliche Konstitution und Begrenzung in jeder Hinsicht allein auf die überkommenen einfachrechtlichen Formen festlegen und neue Muster ausschließen. Vorbeugende und vorsorgende Tätigkeiten wie die polizeilichen Streifen und die kriminalpolizeiliche Vorbeugung im Wege der Beratung oder die Speicherung von Daten in Kriminalakten zur Erleichterung späterer Ermittlungen hat es ohnehin auch traditionell immer gegeben. Die Aufgaben der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge unterliegen jedenfalls keinem pauschalen Verfassungswidrigkeitsverdikt. Fragen hinsichtlich ihrer Reichweite und Ausgestaltung bleiben dabei unberührt. Schließlich ist nach allen bisherigen Ausfuhrungen deutlich, daß man mit zu differenzierenden Strängen und mit Komponenten neuer Qualität zu tun hat. Verfassungsrechtliche Vorgaben sind entsprechend spezifisch zu berücksichtigen. Das setzt Klarheit über den Inhalt der Aufgaben und über ihre Konkretisierung voraus. Vage Bezeichnungen mit Begriffen wie denen der „Gefahrenvorsorge", der „polizeilichen Prävention" oder der „Vorfeldaufgaben" sind hier ganz unzureichend. Das gilt schon deshalb, weil dabei nicht einmal die in ihren Voraussetzungen und in ihrer Struktur zu unterscheidenden Elemente der Verhütung und der Verfolgungsvorsorge auseinandergehalten werden. Ansatzpunkt ist die Auslegung der jeweiligen Aufgabennormen in den jeweiligen Polizeigesetzen nach Normtext, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck unter Beachtung verfassungsrechtlicher Maßgaben. Soweit der selbständig zu entwikkelnde Rahmen der Aufgabennorm gewahrt bleibt, kann in bestimmtem Umfang auch aus den der Aufgabe zugeordneten Befugnissen auf den Inhalt der Aufgabe rückgeschlossen werden. Zudem sind die Nahtstellen zu anderen Rechtsge172

Dazu Denninger, Polizeiaufgaben, Rn 35; Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 243.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

bieten, hier insbesondere zum Strafverfahrensrecht, von Bedeutung. Des weiteren kann der Blick auf die Gestaltung der Vorschriften und der Dogmatik zu Verhütung und Vorsorge in anderen Rechtsgebieten hilfreich sein, ohne daß man aber vernachlässigen darf, daß es sich im näheren um jeweils bereichsspezifische Konzeptionen handelt und Übertragungen, wie bereits erläutert 173 , nur begrenzt möglich sind. Bei dem notwendigen Rückgriff auf die einzelnen Landespolizeigesetze kann man erstens davon ausgehen, daß sie - schon wegen der Differenzen hinsichtlich der Verfolgungsvorsorge - unterschiedlich weit reichen. Zweitens wird eine gesetzesorientierte Auslegung erheblich dadurch erschwert, daß das Verhältnis der neuen Aufgaben zur Gefahrenabwehr wenig glücklich gelöst ist und einige Gesetze sogar trotz der Erweiterung der in ihnen enthaltenen Befugnisse allein bei dieser Aufgabenzuweisung geblieben sind. Hier sollen keine detaillierten Einzelanalysen, sondern vielmehr einige dogmatische Überlegungen erfolgen, die an die bisherigen Ausführungen anschließen und weiterführen. Zum einen kann vergleichend auf die Aufschlüsselung der Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Straftatenaufklärung im Ermittlungsverfahren zurückgegriffen werden. 174 Zum anderen sind im Rahmen der Untersuchung der teilweise expliziten Aufgabenerweiterungen der Polizeigesetze bereits Grundlagen für die Konkretisierung der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge herausgearbeitet worden. Es hat sich gezeigt, daß nähere Inhaltsbestimmungen und eine Auffacherung in Teilelemente möglich sind. 175 Ergänzend dazu soll vor dem Hintergrund der Diskussion um die neuen Aufgaben der Frage nachgegangen werden, ob und inwiefern sich normative Grenzen entwickeln lassen. a) Die Verhütung von Straftaten Tatbestandsmerkmal und Bezugsgegenstand der Aufgabe, „Straftaten zu verhüten", sind Straftaten. Die Fassung mag insoweit rechtssystematisch verfehlt sein, als sie nicht mehr deutlich macht, daß ihr Schutzgegenstand - ebenso wie bei der Gefahrenabwehr und durchaus anders als bei der Verfolgung von Straftaten - die Rechtsgüter sind, die in den in Bezug genommenen Normen geschützt werden. 176 Ein solcher Normtext weist aber daraufhin, daß die Aufgabe nicht alle Gefahren, sondern nur die Gefahren umfaßt, die in Straftatbeständen

173

A.II.

174

Siehe etwa Kap. 1 Punkt B.II.2.b., Kap. 2 Punkt B.I.2. mit Fn 124, Kap. 3 Punkt

Kap. 1 Punkt B.II.2.a. und C.II.2.a. Kap. 2 Punkt B.I.2. 176 Vgl. dazu Lis ken, Weg, S. 474, die Fassung sei semantisch und sachlogisch verfehlt, weil die Strafbarkeit nicht der Grund polizeilichen Einschreitens sei, sondern allenfalls ein Indiz für die Sozialschädlichkeit der Störung. 175

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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beschrieben sind. Das entspricht auch ihrem Sinn und Zweck. Es handelt sich um eine nicht unerhebliche Einengung. Trotz der Vielzahl der Straftatbestände belegt das der Vergleich mit einer pauschalen „Gefahrenvorsorge", hinter der das Schutzgut der „öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" mit seinem weitreichenden Verweisungsgehalt stünde. Mit dem Bezug auf Straftaten ist in der Aufgabennorm zudem eine schon spezifizierte Prognose angelegt. Im ersten Ansatz ist ihr zu entnehmen, daß zumindest die abstrakte Annahme gerechtfertigt sein muß, daß gerade Straftaten begangen werden könnten. 177 Parallel zum Merkmal der Abwehr von Gefahren bezeichnet das Merkmal der Verhütung einerseits die Zwecke und erwünschten Zielzustände, auf die das polizeiliche Handeln ausgerichtet wird, und schlägt andererseits die Brücke zu den diesen Zwecken dienenden Maßnahmen. Grenzt man die Straftatenverhütung gegen die Gefahrenabwehr ab, ist sie dieser gerade vorverlagert. Damit ergeben sich Grenzen zur Gefahrenabwehr, die, wenn man die immer gegebenen Spielräume der Konkretisierung derer Komponenten außer acht läßt, eindeutig sind. Die Grenzen zur anderen Seite sind dagegen nur schwer faßbar und entsprechend unsicher. Hier wirkt sich aus, daß dem Begriff der Verhütung Merkmale fehlen, die denjenigen des Begriffs der „Gefahr" entsprechen könnten. Gerade der Gefahrenbegriff trägt mit seinen Anforderungen an die Gefahrenprognose, insbesondere an deren Tatsachenbasis, an den Grad der Wahrscheinlichkeit einer Bestätigung der Prognose und an den Prognosezeitpunkt, die Struktur der Gefahrenabwehr. Im ersten Schritt ist allerdings ein ganz weites Verhütungsverständnis, bei dem alle denkbaren Straftatenquellen als Anlaß polizeilichen Handelns in Betracht gezogen werden, mit einer genauen Abgrenzung gegen Kompetenzen anderer Behörden auszuklammern. Der vollständige Wegfall der Subsidiaritätsklausel, die im Bereich der Gefahrenabwehr das Verhältnis zwischen der Polizei und anderen Gefahrenabwehrbehörden bestimmt, erscheint etwas voreilig, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Verhütung auf den Schutz der in Straftatbeständen geschützten Rechtsgüter zielt und daß dieser Schutz auch durch die Aufgabenwahrnehmung zahlreicher anderer Behörden realisiert wird. Etwa sorgt das Sozialamt mit der Bewilligung von Leistungen dafür, daß Straftaten zur Beschaffung der für den Lebensunterhalt notwendigen Dinge vermieden werden. Daß die Polizeigesetze eine Aufgabenabgrenzung nicht vorsehen, sondern im Gegenteil davon ausgehen, daß die Straftatenverhütung primär der Polizei obliegt 178 , deutet dann aber gerade daraufhin, daß diese Aufgabe im en-

177 Vgl. auch Ossenbühl, Vorsorge, S. 164: Die „denkbare Gefahr" ist das Mindeste, was für eine rational orientierte Vorsorge gefordert werden muß. 178 Siehe oben Kap. 2 Punkt B.I.l. Vgl. auch Kniesel, Polizeigesetze, S. 380: „Diese Aufgabe ist eine originär polizeiliche, da es keine Fachbehörde gibt, die diese nach der Entpolizeilichung der Gefahrenabwehr übernommen hätte." 17 Albers

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

geren Sinne mit entsprechend engen Bezügen zur Begehung von Straftaten gemeint ist. Der Polizei kommt damit keine „gesellschaftssanitäre" Aufgabe zu 1 7 9 , die es ihr erlaubte, in allen möglichen Feldern und hinsichtlich aller denkbaren Quellen für die Verhütung von Straftaten zu sorgen. Auch das ist eine nicht unerhebliche Einengung. Sodann kann die Straftatenverhütung hinsichtlich ihrer eigenen Struktur in die Stränge der Vorbeugung, der Vorbereitung und der Wissensproduktion aufgeschlüsselt werden. Das ist im Rahmen der Gesetzesanalyse unter anderem mit Hilfe einer Begriffsbestimmung und des Vergleichs mit der Verfolgungsvorsorge sowie im Rückgriff auf entstehungsgeschichtliche und teleologische Aspekte herausgearbeitet worden. 180 Die Vorbeugung setzt bereits zu einem der Gefahrensituation vorgelagerten Zeitpunkt ein und umfaßt die Sorge dafür, daß es nicht zu der Gefahrensituation - oder genauer: nicht zur drohenden Straftatenbegehung - kommt. Die Vorbereitung zielt auf die Bereitstellung von Ressourcen für den Fall, daß in Zukunft die (Gefahren)Situation entsteht, daß drohende Straftaten abzuwehren sind. Die Wissensproduktion richtet sich darauf, im Rahmen der Verhütung, also im Vorfeld der Gefahrenabwehr, Wissensgrundlagen zu schaffen. Schlüsselt man dies so auf, zeichnet sich die Straftatenverhütung trotz der Vorverlagerung zur Gefahrenabwehr und trotz ihrer Eigenständigkeit als Aufgabe dadurch aus, daß sie in all ihren Strängen Bezüge jedenfalls zur Gefah/-ettkomponente der Gefahrenabwehr besitzt. Solche Bezüge sind auch in der Voraussetzung verankert, daß zumindest die abstrakte Annahme gerechtfertigt sein muß, daß gerade Straftaten begangen werden könnten. Daher liegt der - bei der Bestimmung des Verhältnisses zur Gefahrenabwehr bereits angeklungene Gedanke nahe, daß Strukturen und Grenzen der Straftatenverhütung mit Hilfe von funktionalen Beziehungen zur Gefahrenabwehr entwickelt werden können. Die Verhütung ließe sich daran mehr oder weniger dicht anknüpfen. Eine enge Verknüpfung zwischen Gefahrenabwehr und Straftatenverhütung wird vor allem dann hergestellt, wenn man eine Doppelstruktur aufbaut. Die Verhütung ist dabei der Gefahrenabwehr insofern vorverlagert, als für sie nicht erst drohende Schäden, sondern bereits drohende Gefahren relevant sind. Im übrigen bleibt es bei den auch im Rahmen des Gefahrenbegriffs maßgeblichen Voraussetzungen einer hinreichenden Tatsachenbasis für die Prognose - hier: des Eintritts der Gefahr -, der Wahrscheinlichkeit und eines zum Gefahreneintritt hin verlagerten Prognosezeitpunkts. Ließe sich eine solche Struktur zugrunde legen, wären der Aufgabe der Straftatenverhütung auch zur „Vorfeldseite" hin erkennbare Grenzen gesetzt. Sie umfaßte dann - etwas pla-

179 180

Vgl. dazu Kap. 2 Punkt A.IV. mit Fn 58. Ausführlich oben Kap. 2 Punkt B.I.2.

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kativ formuliert, aber im engen Sinne der Begriffe gemeint - die Gefahr der Entstehung von Gefahren. In diesem Sinne wird sie teilweise im nahen Vorfeld der Gefahrenabwehr angesiedelt und darauf begrenzt. 181 Eine so enge Anknüpfung der Straftatenverhütung an die Gefahrenabwehr kann man den polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen insgesamt jedoch kaum entnehmen. Sie sollen vielmehr zumindest auch in weitergehender Weise vorbeugende, vorbereitende und wissensproduzierende Tätigkeiten abdecken. Im Vorbeugungsbereich sind bereits die Aufklärung und Beratung der Bevölkerung mit dem Ziel der Minimierung künftiger Straftaten im Rahmen kriminalpolizeilicher Vorbeugungsprogramme oder die allgemeine polizeiliche Präsenz durch Streifengänge oder -fahrten genannt worden. Eine Gefahr der Entstehung von Gefahren liegt hier regelmäßig nicht vor. Die Vorbereitung ist zwar immer funktional auf eine antizipierte künftige Verhinderung bezogen. Die Dichte dieser Beziehung wird mit der Entwicklung der Informations- und Datenverarbeitungstechnik und den neuen polizeilichen Strategien aber zunehmend gelockert. Das zeigt insbesondere auch der Blick auf die Wissensproduktion. Gefahrenabwehrsituationen, dies auch als antizipierte Ereignisse, und polizeiliche Informations- und Datenverarbeitung werden immer deutlicher entkoppelt. Das gilt um so mehr, als man das Wissen um (antizipierte) Ereignisse und das Wissen um ihre Grundlagen und Strukturen unterscheiden kann, aber gleichermaßen einzubeziehen hat. Die gesetzliche Aufgabe der Straftatenverhütung soll sowohl konkrete Vorfeldermittlungen oder die sonstige Sammlung von Daten über Personen, bei denen man erwartet, daß sie künftig Straftaten begehen werden, als auch Analysen strukureller Zusammenhänge einer „kriminellen Szene" oder die Erarbeitung übergreifender Lagebilder, die ein von Einzelfällen relativ losgelöstes Basiswissen liefern, einschließen. Während man bei der Sammlung von Erkenntnissen darüber, ob in einer konkretisierbaren Situation bestimmte Straftaten drohen könnten, noch recht enge funktionale Zusammenhänge zur Gefahrenabwehr formulieren kann, ist das Hintergrundwissen und das Wissen um Strukturen relativ losgelöst von der Situation oder auch von der Gefahr einer konkreten Gefahr. Demnach ist die Aufgabenzuweisung der Straftatenverhütung viel stärker aufgefächert und in sich differenzierter als die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Sie ist durch eine Vorverlagerung und teilweise durch eine Lösung von einzelnen Situationen sowie durch Abstraktionen geprägt, die erheblich weiter reichen, als es etwa bei der von der Gefahrenabwehr umfaßten abstrakten Gefahr der Fall ist. Vor diesem Hintergrund muß man davon ausgehen, daß sich als äußere Grenzen der Straftatenverhütung einerseits die Gefahrenabwehr, andererseits 181 FritschelEisvogel, Freiheitlichkeit, S. 199 ff. Vgl. außerdem die Eingrenzungsbemühungen bei Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 158, 160. Ähnlich Zöller, Vorsorge, S. 164.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

lediglich die Abgrenzung gegen die Kompetenzen anderer Behörden und das Erfordernis einer abstrakten Straftatenprognose formulieren lassen.182 Darüber hinaus kann man festhalten, daß die Straftatenverhütung in die beschriebenen Stränge aufgeschlüsselt werden kann. In diesem Rahmen ist es auch möglich, sie strukturell mit Hilfe von Anforderungen an die funktionalen Beziehungen zur Gefahrenabwehr einzugrenzen. Das ist aber nicht einheitlich, sondern nur in mehr oder weniger weitreichender Weise, also nur in differenzierten Formen zu entwickeln. Zu überlegen bleibt dann, ob man Grenzen durch eine interne Strukturierung bilden kann. Denn die Reichweite der Aufgabe ist mit Blick beispielsweise auf die Vorbeugungsprogramme nur deshalb unbedenklich, weil diese Art der Vorbeugung durch eingriffsloses oder allenfalls geringfügig eingreifendes Handeln erfüllt werden kann. Und umgekehrt kann es nicht bei einer weit gefaßten und wenig eingegrenzten Aufgabenbeschreibung bleiben, sofern eingriffsintensive Befugnisse ihr nicht nur zugeordnet sind, sondern wegen besonderer Interdependenzen auch ihre Rahmenvorgaben benötigen. Interne Strukturierungen, die grenzbildend wirken, sind nicht auf eine statische Aufteilung in Unteraufgaben beschränkt. Eine solche Aufteilung wird gelegentlich zur Präzisierung der Aufgabe vorgeschlagen. 183 Sie ist allerdings nur eingeschränkt und teilweise nur wenig trennscharf möglich. In Betracht kommen aber noch weitere Formen. Zu denken ist erstens an eine mehr oder weniger enge, im Ergebnis also dynamische Gestaltung der Beziehungen zur Gefahrenabwehr. Obwohl eine enge Anknüpfung der Straftatenverhütung an die Gefahrenabwehr nicht allgemein zu entwickeln ist, so wird sie doch um so eher zu verlangen sein, je weitgehender jener Aufgabe etwa Befugnisse zugeordnet sind, die besonders beeinträchtigende Ermittlungen gegen bestimmte Personen erlauben. 184 Modifikationen bei Formen organisierter Kriminalität, bei denen die Gefahr von Gefahrenlagen nicht unbedingt mit Blick auf einzelne Straftaten, sondern auch mit Blick auf das „straftatenproduzierende Milieu" zu beurteilen ist, können in diesen Rahmen eingebaut werden. Zweitens kommt zur internen Strukturierung die Entwicklung eigenständiger Kriterien der Vorsorge in Betracht. Dafür kann in bestimmtem Umfang die in anderen Rechtsgebieten zur Vorsorge entwickelte Dogmatik Anregungen liefern. Einer eigenständigen, also nicht aus einer engen Anbindung an die Gefahrenabwehr heraus formulierten Vorsorgedogmatik im Bereich der Straftatenverhütung bedarf vor allem die Wissensproduktion, die sich zum Teil der Vorbeugung und Vorbereitung zuordnen läßt, aber darüber hinaus auch selbständig zu erfassen ist. Sowohl diesen Besonderheiten als auch dem Erfordernis hinreichender Grenzen der Straftaten182 183 184

So zu diesem Punkt auch Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 238 ff. Staats, Aufgabenzuweisung, S.160, 162. Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 158, 160; ders., Informationseingriffe, S. 75 f.

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Verhütung wäre Rechnung zu tragen, indem man der Aufgabe, statt in einer eher punktuellen Sicht allein nach Kriterien eines jede einzelne Befugnis begrenzenden Rahmens zu suchen, übergreifende Rahmenmaßgaben für den Prozeß der Informations- und Datenverarbeitung entnimmt. Sie können sich etwa darauf richten, daß die Relevanz des Wissens und die Anbindung der Wissensproduktion an Gefahren der Begehung von Straftaten im Zeitablauf sichergestellt wird. Das bedeutete zum Beispiel, daß eine der Straftatenverhütung dienende Befugnis zur Datenerhebung, die aus legitimierbaren Gründen relativ niedrige Tatbestandsvoraussetzungen hat, den Aufgabenrahmen nur dann wahrte, wenn in den weiteren Verarbeitungsbefügnissen Vorkehrungen dafür sorgen, daß die Relevanz der erlangten Daten und Informationen für die Straftatenverhütung oder auch für eine im weiteren Verlauf erforderlich werdende Verhinderung konkretisierbarer Straftaten in den nachfolgenden Prozessen hinreichend geprüft wird und mit angemessenem Grad gegeben ist. Derartige Maßgaben der Aufgabenzuweisung lassen sich mit Blick auf die unterschiedliche Beeinträchtigungsintensität der einschlägigen Befugnisse ebenfalls dynamisch gestalten. Sie wären auch mit den Anforderungen an die Dichte der Verknüpfung zwischen Straftatenverhütung und Gefahrenabwehr zu kombinieren. Versuche einer Konkretisierung der Straftatenverhütung weisen somit in die Richtung einer differenzierenden Interpretation der Aufgabenzuweisung. Sowohl mit Hilfe von Anforderungen an die Gestaltung der Beziehungen zur Gefahrenabwehr als auch mit Hilfe eigenständiger Kriterien der Vorsorge können bestimmte Strukturen und Grenzen entwickelt werden. Sie treten zur Abgrenzung einerseits gegen die Gefahrenabwehr, andererseits gegen die Kompetenzen anderer Behörden und zum Erfordernis einer abstrakten Straftatenprognose hinzu. Allerdings kann man auch feststellen, daß die Aufgabennorm die jeweils zugeordneten Befugnisse nicht davon entlastet, daß sie selbst zureichende normative Voraussetzungen und Grenzen aufweisen, sondern diese im Gegenteil verlangt. b) Die Vorsorge für die Verfolgung von (künftigen) Straftaten Bezugsgegenstand der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten oder - je nach Landesgesetz - von künftigen Straftaten sind Straftaten, die (künftig) begangen worden und zu verfolgen sein werden. Auch in dieser Aufgabenzuweisung ist eine schon spezifizierte Prognose angelegt, die die in Zukunft erforderliche Verfolgung einer (künftig) begangenen Straftat zum Gegenstand hat. 185 Der Gegenstand der Prognose macht deutlich, daß hinter der Aufgabe - anders als bei der Gefahrenabwehr und anders auch als bei der Straftatenverhütung -

185

Näher Kap. 2 Punkt B.I.2.b.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

nicht unmittelbar der Schutz der durch die strafrechtlichen Normen geschützten Rechtsgüter steht. Deren (künftig) bereits erfolgte Verletzung wird vorausgesetzt. Es geht somit vorrangig um die Sicherstellung der staatlichen Sanktionen im Falle eines Verstoßes gegen Straftatbestände. Ihrer Struktur nach verlangt die Prognose bereits im Ansatz, daß zumindest die abstrakte Annahme, daß künftig Straftaten zu verfolgen sein werden, gerechtfertigt ist. Das Tatbestandsmerkmal der Vorsorge bezeichnet die Zwecke, denen das polizeiliche Handeln zugeordnet ist, und verweist auf die diesen Zwecken dienenden Maßnahmen. Im systematischen Zusammenhang ist die Verfolgungsvorsorge nicht der Abwehr von Gefahren, sondern der Verfolgung begangener Straftaten in einem konkreten Strafverfahren vorgelagert. 186 Ebenso wie im Verhältnis zwischen Straftatenverhütung und Gefahrenabwehr ist diese Grenze der Verfolgungsvorsorge eindeutig, während ihre Grenzen auf der anderen Seite des „Vorfelds" unsicher sind. Ihre Struktur ist im Rahmen der Gesetzesanalyse mit den Kriterien der Vorbereitung und der Wissensproduktion beschrieben worden. Strukturell fehlt ihr das Vorbeugungselement, das Maßnahmen gegen den Eintritt eines antizipierten Ereignisses umschließt, die eben dazu fuhren, daß das Ereignis schon im Vorfeld verhindert wird. Wäre dies so, paßte die Prognose, daß künftig Straftaten zu verfolgen sein werden, nicht mehr. Die Vorbereitung zielt auf die Bereitstellung von Ressourcen für strafrechtliche Ermittlungsverfahren, deren Einleitung prognostiziert wird. Bei der Wissensproduktion geht es darum, im Rahmen der Verfolgungsvorsorge Wissensgrundlagen zu schaffen. Hierunter fällt jedenfalls nach der Intention der gesetzlichen Aufgabenzuweisungen auch die Verdachtsgewinnung, gegebenenfalls nur in bezug auf künftige Straftaten, sowie das Wissen um Hintergründe und Strukturen der Straftatenbegehung. An diesem Punkt wird bei der Verfolgungsvorsorge in ganz anderer Weise als bei der Straftatenverhütung das Problem der Vereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Bindungen aufgeworfen. Das liegt daran, daß sie in einem funktionalen Verhältnis nicht zur Gefahrenabwehr, sondern zur Strafverfolgung steht, mit der, wie einleitend erwähnt, nicht unmittelbar ein Rechtsgüterschutz, sondern der staatliche Sanktionsanspruch bei bereits erfolgten Verletzungen der Rechtsordnung realisiert wird. Der Anfangsverdacht als auslösende Schwelle fur Ermittlungen zu Zwecken der Strafverfolgung bewegt sich somit in einem anderen Kontext als die konkrete Gefahr im System der Gefahrenabwehr. Deshalb muß man sich gründlich damit auseinandersetzen, ob eine bestimmte Verdachtslage nicht - wie häufig, wenn auch nicht ausgearbeitet, vorgebracht 186 Für den systematischen Zusammenhang kommt es weder auf zeitliche Gesichtspunkte noch darauf an, ob Daten, die zur Verfolgungsvorsorge gespeichert sind, bei drohenden Gefahren auch zu Zwecken der Gefahrenabwehr herangezogen werden dürfen.

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wird 1 8 7 - eine rechtsstaatlich und freiheitsrechtlich ununterschreitbare und nicht ersetzbare Voraussetzung darstellt. Wäre eine solche Voraussetzung zwingend, könnte die Aufgabenzuweisung der Verfolgungsvorsorge insoweit verfassungswidrig sein. Dies hinge dann allein davon ab, ob man die damit zugelassenen polizeilichen Tätigkeiten in ein solches Verhältnis zum Anfangsverdacht setzen kann, daß sie als Unterlaufen von dessen Voraussetzungen zu qualifizieren sind. Falls der Anfangsverdacht keine von Verfassungs wegen zwingende Anforderung ausfüllt, bleiben die verfassungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenzen und das Verhältnis zur Strafprozeßordnung zu klären. In dieser Hinsicht könnte man die polizeigesetzliche Vorverlagerung polizeilicher Tätigkeit zu einer Verdachtsgewinnung im Vorfeld eines Anfangsverdachts sofort als eine Umgehung entlarven, wenn es nicht so wäre, daß der Anfangs verdacht jedenfalls theoretisch die verfahrensauslösende Schwelle eines „gerichtlichen Verfahrens" im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG bilden könnte, ab der erst das Strafprozeßrecht griffe, ohne daß das Feld vor dem Anfangsverdacht dadurch notwendig miterfaßt sein müßte. 188 Die komplizierten Fragen hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Verankerung des Anfangsverdachts vertragen keine vorschnellen Antworten und sind eher in strafprozeßrechtsdogmatischen Zusammenhängen zu lösen. 189 An dieser Stelle soll aber - neben der sogleich folgenden Erörterung der Gesetzgebungskompetenzen - auf zwei Gesichtspunkte hingewiesen werden. Erstens ändert sich an der Problematik nichts dadurch, wenn sich einige polizeigesetzliche Aufgabennormen nur auf die Verfolgung künftiger Straftaten beziehen. Dabei mag dahinstehen, ob die Polizei tatsächlich überhaupt Ermittlungen mit der Prognose aufnimmt, daß künftige Straftaten zu verfolgen sein werden, oder ob insoweit nicht regelmäßig Zwecke der Straftatenverhütung im Vordergrund stehen, an die sich dann gegebenenfalls das Ziel einer Konkretisierung der Vermutung bereits begangener Straftaten zum Anfangsverdacht oder auch, wenn dieser vorliegt, Zweckänderungen zugunsten der Strafverfolgung anschließen.190 Ist 187

Siehe die Nw oben in Kap. 3 Punkt B.II. Fn 96. Dazu noch sogleich Kap. 3 Punkt C.II.3. 189 Die Fragen sind trotz ihrer erkennbaren Bedeutung ebenso wie allgemeine Untersuchungen zu den Strukturen des strafprozessualen Verdachts, vgl. Kap. 1 Punkt C.I.2. mit Fn 229, ein Desiderat der Forschung. Es gibt bisher keine Analysen, die so umfassend und gründlich wären, daß man sie in hinreichend gesicherter Weise beantworten könnte. Zu knappen Überlegungen vgl. einerseits Lisken, Rechtsschutz, Rn 46; Hoppe, Vorfeldermittlungen, S. 145 ff, 164 f.; und mit Skepsis zumindest zur Ersetzbarkeit des Anfangsverdachts Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 247 ff. Andererseits Lorenz, Informationserhebung, S. 1008 f., der allerdings auf einer viel zu diffusen Basis vor allem mit grundrechtlichen Schutzpflichten zu argumentieren versucht, die im Bereich der Verfolgungsvorsorge nicht passen. Nach st.Rspr. des BVerfG besteht kein grundrechtlicher Anspruch auf eine sich gegen andere richtende staatliche Strafverfolgung, auf die die Verfolgungsvorsorge funktional bezogen ist; vgl. nur BVerfGE 51, 176 (187). 190 Vgl. dazu die Darstellung bei Kniesel, Meinungsstreit, S. 165. 188

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

der Anfangsverdacht zwingende Voraussetzung fur StrafVerfolgungsermittlungen, ist es für dessen Anwendungsbereich gleichgültig, ob die zu verfolgenden Straftaten, die die Verfolgungsvorsorge ihrer Prognosestruktur nach voraussetzt, zum Prognosezeitpunkt noch in der Zukunft liegen oder schon begangen worden sind. 191 Bezieht sich der Anfangsverdacht seinen eigenen Voraussetzungen nach nicht auf erst künftig begangene Straftaten, heißt das, daß gleichsam „antizipierende" Ermittlungen zu Strafverfolgungszwecken unzulässig sind. Zweitens wird die Antwort darauf, ob die polizeilichen Tätigkeiten in einem solchen Verhältnis zum Anfangsverdacht stehen, daß sie dessen Voraussetzungen unterlaufen, für die Verfolgungsvorsorge insgesamt dadurch erschwert, daß im Bereich der Wissensproduktion enge funktionale Zusammenhänge zu dem Anfangsverdacht einer bestimmten Straftat und zu einem gegen konkrete Personen erwarteten Strafverfahren nur begrenzt gegeben sind. Ermittlungen und Wissensproduktion gestalten sich nicht immer, aber in Teilen anders, als es die traditionelle Strafverfolgung und der Anfangsverdacht voraussetzen. 192 Gerade wenn man dem Bild der „organisierten Kriminalität" folgt, liegt der Schwerpunkt nicht mehr allein auf der Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung im Einzelfall, sondern auch auf der Aufklärung krimineller Strukturen und Organisationen. 193 Die Erzeugung des Grundlagen- und Strukturwissens greift über einzelne Straftaten und einzelne Personen oder daran orientierte Zwecke hinaus, und das Hintergrundwissen oder das Wissen um Strukturen sind relativ losgelöst von der eher einzelfallbezogenen Perspektive des Anfangsverdachts einer Straftat. Ebenso wie im Bereich organisierter Kriminalität Straftaten „produziert" werden mögen, wird auch ein Wissen produziert, aus dem gegebenenfalls bestimmte Teile ausgeklammert und genutzt werden, damit konkret anstehende Straftaten verhindert oder bereits begangene Straftaten verfolgt werden. Ohne daß Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge, die in vielen Aspekten zu unterscheiden sind, deswegen zusammenfielen, zeigen sie insoweit Konvergenzen, die durch die mit ihnen verbundenen Vorverlagerungen gefördert werden. Jedenfalls ist die Verfolgungsvorsorge - ebenso wie die Straftatenverhütung - nicht nur durch Vorverlagerungen, sondern auch durch die Lösung von einzelnen Straftaten und durch entsprechende Abstraktionen geprägt. Dann ist aber zumindest nicht mehr ohne weiteres in jeder Hinsicht das Urteil zu begründen, daß sie die Voraussetzungen des Anfangsverdachts unterläuft, der

191

Siehe bereits oben Kap. 2 Punkt B.I.2.b. Vgl. auch Kniesel, Meinungsstreit, S. 164 f.: „Die StPO ist ausgerichtet auf einzelne Straftaten. Kriminelle Strukturen liegen nicht in ihrem Blickfeld." 193 Oben Kap. 2 Punkt A.IV. Außerdem erneut Kniesel, Meinungsstreit, S. 165: „Konkrete Straftaten als Ausschnitt bzw. Momentaufnahme organisierter Kriminalität werden nur bei untergeordneten und gleichzeitig austauschbaren Organisationsmitgliedern sichtbar. In Richtung der Hintermänner muß es daher zunächst um das Aufhellen von Strukturen gehen." 192

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strukturell mit dem einzelnen Strafverfahren hinsichtlich konkretisierter Straftaten gegen bestimmte Personen verknüpft ist. 194 Die Überlegungen verweisen darauf, daß die Verfolgungsvorsorge vielfältig, in sich differenziert und komplex strukturiert ist. Grenzen sind, verfassungsrechtliche Fragen zurückgestellt, entsprechend differenziert zu entwickeln. Wie im Verhältnis von Straftatenverhütung und Gefahrenabwehr kommt erstens eine mehr oder weniger enge Gestaltung der Beziehungen zur Strafverfolgung in Betracht. Dieser Ansatz wird insoweit erleichtert, als die Verfolgungsvorsorge nicht die Vorbeugung umfaßt. Er wird insbesondere in Bereichen passen, denen im engeren Sinne Vorbereitungscharakter zukommt. Für die Dichte der Verknüpfung zwischen Verfolgungsvorsorge und den für die Zukunft prognostizierten konkreten Strafverfahren ist maßgeblich, welchen Voraussetzungen eben diese Prognose zu genügen hat. Hier ist insbesondere relevant, welche Anforderungen man an die Tatsachen und an die Regeln stellt, die die Schlußfolgerung auf eine künftig zu verfolgende Straftat stützen. Verfolgungsvorsorge und Straftatenverfolgung müssen um so dichter verknüpft sein, je weitgehender jene mit besonders beeinträchtigenden Maßnahmen ausgefüllt werden soll. Zweitens ist, dies vor allem im Bereich der Wissensproduktion, an die Entwicklung eigenständiger Kriterien der Vorsorge zu denken. Wie bei der Aufgabe der Straftatenverhütung läßt sich zum Beispiel als übergreifende Anforderung im Hinblick auf den Prozeß der Informations- und Datenverarbeitung herausarbeiten, daß die Relevanz des zusammengetragenen Wissens und die Anbindung an eine künftig tatsächlich erforderliche Strafverfolgung im Zeitablauf sichergestellt sein muß. Diese Anforderung kann dynamisch gestaltet und mit dem Gesichtspunkt der Dichte der Verknüpfung zwischen Verfolgungsvorsorge und Strafverfolgung kombiniert werden. Insgesamt sind Nahtstellen zur Strafverfolgung ebenso unübersehbar wie nicht zu vernachlässigen ist, daß die Verfolgungsvorsorge in bestimmtem Umfang Eigenständigkeit gewinnt. Diese Eigenheiten erschweren auch die Antwort auf die Frage der Gesetzgebungskompetenzen. 3. Die Gesetzgebungskompetenz für die Verfolgungsvorsorge Die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten oder für die Verfolgung künftiger Straftaten wirft das Problem auf, ob sie überhaupt unter die Gesetzgebungskompetenz der Länder fällt. Sie wird, wie die Gesetzesanalyse gezeigt hat, nicht in allen Landesgesetzen geregelt; diese beschränken sich vereinzelt auf die Aufnahme der Straftatenverhütung. 195 Auf der anderen Seite nimmt die Bundes-

194 195

Vgl. dazu auch die Überlegungen von Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 246 f. Kap. 2PunktB.I.l.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

gesetzgebung mit dem kommenden StrafVerfahrensänderungsgesetz ihrerseits jedenfalls in bestimmten Hinsichten die Gesetzgebungskompetenz in Anspruch. Die dabei vorgesehenen Bestimmungen sind einerseits zum Teil restriktiver als einige landesgesetzliche Vorschriften; andererseits sind sie um Abstimmungen und um Absicherungen polizeilicher Praxis bemüht, die bis hin zum Pauschalverweis auf die Polizeigesetze reichen. Hinter dem Kompetenzstreit stecken grundlegende Probleme in der Sache. Der Praxis ist deutlich, daß eine Zuordnung der Verfolgungsvorsorge unter die Bundesgesetzgebungskompetenz und damit unter das Regime des StrafVerfahrensrechts polizeiliche Vorfeldtätigkeiten mit im Ergebnis „operativen" Merkmalen, aber auch etwa die eingeübten Formen „multifunktionaler" Speicherungen faktisch erheblich erschweren würde. Rechtlich sind die aufgeworfenen Fragen allerdings verfassungsrechtlicher Natur. Der deswegen notwendige strikt verfassungsrechtliche Ansatz wird häufig übersehen oder zumindest vernachlässigt. Der Versuch ihrer Lösung darf zunächst nicht mit einfachrechtlichen Überlegungen dazu vermengt werden, ob die Verfolgungsvorsorge unter die polizeigesetzliche Aufgabe der Gefahrenabwehr fällt. Diese Überlegungen, die dem Bemühen entstammen, die einschlägige polizeiliche Praxis auf der Basis der alten Gesetzeslage zu legitimieren, sind wegen der Regelungstechnik der Art. 70 ff. G G 1 9 6 verfassungsrechtlich unerheblich. 197 Sie könnten allenfalls dann von Relevanz sein, wenn es ihnen gelänge zu präzisieren, was unter der Verfolgungsvorsorge eigentlich zu verstehen und wie sie zu beschreiben ist, und wenn sie damit im Rahmen der Subsumtion des Gegenstandes unter die herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Maßgaben einen Beitrag leisteten. Auch das ist, wie erläutert worden ist, aber nicht der Fall. Ebensowenig ist das Problem der Zuordnung der Verfolgungsvorsorge mit Überlegungen zur einfachrechtlichen Systematik und zu den Voraussetzungen der Regelungen der Strafprozeßordnung zu lösen. Daß sich das strafprozessuale Ermittlungsverfahren in seiner gegenwärtigen Gestalt auf die Aufklärung einer bestimmten, bereits begangenen Straftat richtet und an die Voraussetzung eines Anfangsverdachts gebunden ist 1 9 8 , heißt weder ohne weiteres, daß die Verfolgungsvorsorge nicht in das Strafverfahrensrecht aufzunehmen wäre, noch führt es dazu, daß sie deswegen der Ländergesetzgebungskompetenz unterfiele 199 . 196

Oben Kap. 3PunktB.I.l. Zutreffend etwa Paeffgen, Art. 30, 70, 101 I GG, S. 442. 198 Zur Argumentation siehe Ahlfl Rechtsprobleme, S. 146 ff; Gusy, Polizeiarbeit, S. 272; Kniesel, Polizeigesetze, S. 380; Vahle, Probleme, S. 47; MandelartzlSauer!Strube, Polizeigesetz, § 1 Rn 19; Würtenberger/Heckmann/Riggert, zeirecht, Rn 122 b. 199 Siehe aber statt vieler die Ausfuhrungen bei Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 122 b: „Der Beginn der staatlichen Strafverfolgung ist durch den Anfangsverdacht (§ 152 I StPO) festgelegt. Für den Anfangsverdacht ist das Vorliegen von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen einer verfolgbaren Straftat 197

Poli-

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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Die genannten Erwägungen können nur insoweit eine Rolle spielen, als sie sich in einen verfassungsrechtlichen Begründungszusammenhang einbinden lassen. Auch der Rekurs auf den polizeigesetzlichen Begriff der „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" ersetzt nicht die Begründung der Zuordnung der Verfolgungsvorsorge. 200 Das kann nur eine nähere Analyse leisten. Ausgangspunkt sind demnach die oben bereits eingeführten grundgesetzlichen Vorschriften zur Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen. 201 Aus den Materien, fur die die Gesetzgebungskompetenz dem Bund zugewiesen ist, kommt hier nicht das in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG genannte „Strafrecht" 202 , sondern allein die ebenfalls in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG verankerte Kompetenz fur das „gerichtliche Verfahren" in Betracht. 203 Hinzuzuziehen sind Annexkompetenzen und Kompetenzen kraft Sachzusammenhanges. Im übrigen ist zu beachten, daß für die Zuordnung zu einer bestimmten Kompetenzverteilungsnorm der Gegenstand eines Gesetzes maßgeblich ist. Es kommt weder auf dessen Anknüpfungspunkt 204 noch auf die inhaltliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit 2 0 5 an. Das heißt, daß der Bund nicht nur dann eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt, wenn aufgrund des Kompetenztitels des „gerichtlichen Verfahrens" Regelungen zur Verfolgungsvorsorge geschaffen werden dürften. Sie richtet sich auch dann danach, wenn die Verfolgungsvorsorge zwar ihrem Gegenstand nach unter diesen Titel gehörte, wegen dessen Aussagegehalts und wegen rechtsstaatlicher oder freiheitsrechtlicher Bindungen aber nicht oder nicht in dem beabsichtigten Umfang vorgesehen werden dürfte. 2 0 6 Beginnt man mit der Auslegung des Begriffs des „gerichtlichen Verfahrens" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, liegt vom Normtext her nahe, daß es um StrafVer-

erforderlich. Durch diese Anforderungen wird der Bürger vor strafprozessualen Verdachtsermittlungen geschützt. Im präventiven Aufgabenbereich besteht eine solche Sperre nicht. Hier gehört die Verfolgungsvorsorge zu einem historisch gewachsenen Aufgabenfeld der Gefahrenabwehr, wenn sie auch nicht zum Polizeirecht im engeren Sinne gezählt werden kann." Diese Überlegung wäre ohnehin nur dann im Ansatz plausibel, wenn die der Verfolgungsvorsorge zugeordneten Ermächtigungen notwendigerweise weniger weitreichend sind als die strafprozessualen Ermächtigungen. Diese Konsequenz wird aber regelmäßig gerade nicht gezogen. 200 Zu unpräzise mit der Differenz von Prävention und Repression und dem Begriff der „vorbeugenden Verbrechensbekämpfung" Roggan, Verschwimmen, S. 338 f.; Kniesei, Polizeigesetze, S. 380. 201 Kap. 3 Punkt B.I.l. 202 Undeutlich dazu Merten!Merten, Verbrechensbekämpfung, S. 218. 203 Paeffgen, Art. 30, 70, 101 I GG, S. 442; Gusy, Polizeiarbeit, S. 271. 204 Dazu BVerfGE 4, 60 (67 ff.); 68, 119 (327 f.). 205 BVerfGE 88, 203 (313). 206 Genau deswegen sind die Überlegungen, daß die Verfolgungsvorsorge wegen der Grenzen des StrafVerfahrensrechts zu den Länderkompetenzen zählte, nicht tragfähig.

268

Kap. 3: Die Determinationsmuster

fahren geht, die im gerichtlichen Rahmen durchzuführen sind. Traditionell richtet sich ein solches Strafverfahren auf die Aufklärung eines konkreten Straftatverdachts und gegen einen konkreten Beschuldigten mit dem Ziel, zu einer Entscheidung über die Strafbarkeit nach Maßgabe der individuellen Schuld und gegebenenfalls zu einer tat- und schuldangemessenen Strafe als Sanktion zu gelangen.207 Die für das Strafverfahren geltenden Grundsätze und Schutzmechanismen sind darauf abgestimmt.208 Freilich ist unbestritten, daß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG auch das dem eigentlichen gerichtlichen Hauptverfahren vorgelagerte Ermittlungsverfahren erfaßt. 209 Das liegt unter anderem daran, daß nicht nach beliebig zu setzenden Verfahrensformalien, sondern auch unter Berücksichtigung der freiheitsschützenden Funktionen der Justizförmigkeit der Strafverfolgung zu bestimmen ist, wie weit das „gerichtliche Verfahren" reicht. 210 Beachtet man die damit hinsichtlich der gegenwärtigen einfachrechtlichen Ausgestaltung gegebene Kontingenz, können im Rahmen dieses verfassungsrechtlichen Bezugspunktes die Elemente, die überhaupt dazu führen, daß ein gerichtliches Verfahren vorliegt, eingeführt werden. Es bedarf verfahrenskonstituierender Merkmale, die das Verfahren mit einem Gegenstand, Auslösern und Endpunkten abgrenzen. An dieser Stelle den Anfangsverdacht als Voraussetzung eines Ermittlungs- und nachfolgenden Strafverfahrens zu nennen, ist dabei wegen der theoretischen Ersetzbarkeit 211 des verfahrensauslösenden Elements weniger überzeugend als der Hinweis darauf, daß sich das Strafverfahren notwendig auf die Aufklärung bereits begangener Straftaten richtet. Erst eine bereits begangene Straftat stellt einen abgegrenzten Gegenstand dar, der Bezugspunkt für ein gerichtliches oder auch vorgerichtliches Verfahren sein kann. Diese Erwägung läßt den Schluß zu, daß die Verfolgungsvorsorge zumindest nicht in den engeren Bereich des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG fällt. 212 Damit sind jedoch die funktionalen Zusammenhänge zwischen der Strafverfolgung nach Maßgabe von Strafverfahren und der Vorsorge für die Verfolgung von (künftigen) Straftaten noch nicht berücksichtigt. Inwieweit sie dazu führen könnten, daß der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG greift, richtet sich, wenn man die oben genannten Definitionen zugrunde legt, nicht nach dem 207

Ausführlich Kap. 1 Punkt C. Vgl. dazu oben Kap. 1 Punkt C.III.2. 209 Vgl. bereits oben Kap. 3 Punkt B.LI, mit Fn 54. 210 Vgl. dazu oben Kap. 1 Punkt C.,bes. unter II. 211 Verfassungsrechtliche Bindungen sind dabei ausgeblendet, weil sie für die Frage, auf welche verfahrenskonstituierenden Merkmale es im obigen Kontext ankommt, keine Rolle spielen. 212 So auch Paeffgen, Art. 30, 70, 101 I GG, S. 442; Riegel, Inhalt, S. 147; Deutsch, Erhebung, S. 187; vgl. außerdem Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 160 a, hier: „nicht zum überkommenen Strafprozeßrecht". 208

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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Begriff der Kompetenz kraft Sachzusammenhanges, sondern danach, ob man eine Annex-Kompetenz einräumen kann. 213 An dieser Stelle hat man mit einer Reihe unsicherer Gesichtspunkte und notwendig wertender Elemente zu tun. Das gilt sowohl hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bestimmung der Voraussetzungen einer Annex-Kompetenz als auch hinsichtlich der Beschreibung und Beurteilung funktionaler Zusammenhänge zwischen Strafverfolgung und Verfolgungsvorsorge. Eine Annex-Kompetenz wird auf eine Reihe von Argumenten gestützt. Man müsse sich von dem Vorverständnis lösen, die Strafprozeßordnung sei notwendig auf die Regelung allein repressiver Tätigkeit begrenzt. Die Strafverfolgung diene zugleich der Abwehr künftiger Straftaten und habe daher auch präventive Funktionen. 214 Zwischen der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten und der Strafverfolgung bestehe ein Sachzusammenhang, der es rechtfertige, jene zum unmittelbaren Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens zu zählen. Zum einen stammten die zu Vorsorgezwecken gespeicherten Daten aus Ermittlungsverfahren. 215 Zum anderem gehöre die Bereitstellung von Ressourcen für die Realisierung staatlicher Strafansprüche stets zur Strafverfolgung. Deswegen sei etwa die Vorschrift über die Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen in § 81 b StPO „nicht materielles Polizeirecht, sondern eindeutig Strafprozeßrecht". 216 Die Ungewißheit, ob vorsorglich gespeicherte Daten überhaupt jemals zur Strafverfolgung benötigt würden, stehe dem nicht entgegen. Maßgeblich sei nämlich der hinter der Vorsorge stehende und sie erst rechtfertigende Verwendungszweck. 217 Das Verhältnis der Vorbereitung der Aufklärung künftiger Straftaten zur Strafverfolgung entspreche dem Verhältnis der polizeigesetzlichen Gefahrenvorsorge zur Gefahrenabwehr. 218 Außerdem diene die Verfolgungsvorsorge zugleich dem Zweck, bereits begangene Straftaten aufzuklären, hinsichtlich derer der Verdacht noch nicht hinreichend gesi-

213 214

Kap. 3 Punkt B.I.l. So Zöller, Vorsorge, S. 166, im Anschluß an Kellerl Griesbaum, Phänomen,

S. 418.

215 Wolter, Strafprozeß, S. 366; Zöller, Vorsorge, S. 166; Siebrecht, Datenverarbeitung, S. 713. 216 Wolter, Strafprozeß, S. 366. Ebenso für die polizeigesetzliche Regelung zur Speicherung personenbezogener Daten aus Strafermittlungsverfahren zu Zwecken der Aufklärung einer künftigen Straftat OVG Schleswig, NJW 1999, S. 1418 (1418).

217

Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 170 ff.; ähnlich Siebrecht, Datenverarbeitung, S. 713 f.; Ringwald, Gegenpol, S. 180. 218 Denninger, Grenzen, S. 54; Dreier, Maßnahmen, S. 1016; Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 160 a; Rieger, Abgrenzung, S. 73 ff. In diesem Sinne ferner Backes, Kriminalpolitik, S. 331; KK-Schoreit, § 153 Rn 18 b und c; Zöller, Vorsorge, S. 166 f.; Lisken, Polizeigesetz, S. 326; Ring, Befugnis, S. 373.

270

Kap. 3: Die Determinationsmuster

chert sei oder denen noch kein Täter habe zugeordnet werden können. 219 Insofern sei der Zusammenhang mit der Strafverfolgung evident. Einwände gegen die Annahme einer Annexkompetenz stellen darauf ab, daß die Strafverfolgung aufgrund des Kompetenztitels des „gerichtlichen Verfahrens" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG prinzipiell an eine verfolgbare Straftat und an einen entsprechenden Anfangsverdacht gebunden sei. Die Verfolgungsvorsorge handele nicht von der Aufklärung konkreter, bereits geschehener Straftaten. 220 Entscheidend sei darüber hinaus, daß es überhaupt an einem konkreten Bezug zu einer verfolgbaren Straftat fehle, da ungewiß sei, ob künftig eine dann zu verfolgende Straftat begangen werde. 221 Bei Maßnahmen der Vorsorge für eine künftige Strafverfolgung handele es sich daher auch nicht, wie es eine Annexkompetenz voraussetze, „um die Vorbereitung oder Durchführung eines konkret anstehenden Strafverfahrens". 222 Die Polizei nehme vielmehr „polizeiliche Aufgaben ohne unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Strafverfahren wahr". 2 2 3 Deshalb regele § 81 b StPO materielles Polizeirecht, soweit er die Zwecke des Erkennungsdienstes betreffe. Die „Verwendungsungewißheit" 224 hinsichtlich der vorsorglich gesammelten und gespeicherten Daten führe dazu, daß der Zusammenhang zwischen der Verfolgungsvorsorge und der Strafverfolgung nicht eng genug sei. Im Ergebnis sei die „vorsorgende Strafverfolgung der polizeilichen Aufgabe der Gefahrenabwehr zuzuordnen". 225 Aus den Argumenten lassen sich die zentralen Punkte herauskristallisieren, die die Problematik und denkbare Lösungen prägen. Zunächst kommt es darauf 219

Merten!Merten, Verbrechensbekämpfung, S. 217, 219; Schoreit, Gefahrenabwehr, S. 324; Zöller, Vorsorge, S. 166. 220 Vgl. Riegel, Inhalt, S. 147. 221 Ahlf, Kriminalakten, S. 38. 222 Deutsch, Erhebung, S. 187 f. Im Ergebnis ebenso Paeffgen, Art. 30, 70, 101 I GG, S. 442 f. 223 BVerwG NJW 1990, S. 2768 (2769) unter Hinweis auf BVerwGE 26, 169 (170); 66, 202 (204 f.). 224 Dieser Begriff (darstellend) bei Dreier, Maßnahmen, S. 1013, 1014, und bei Ahlf Kriminalakten, S. 38. 225 So (mit fehlgehender Zuordnung) BVerwG, NJW 1990, S. 2768 (2769), hier begründet lediglich mit Hinweis auf Kniesel!Tegtmeyer!Vahle, Handbuch, Rn 249 ff. (zur Beurteilung der Kriminalakten); Ahlf Kriminalakten, S. 44 (hier wird ein Schwerpunkt des Zwecks der Kriminalakten auch in der Straftaten Verhütung gesehen); Vahle, Probleme, S. 47 (dort werden die einfachrechtlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung, insbesondere der Anfangsverdacht, angeführt, Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge zur „StraftatenVorsorge" zusammengefaßt und für die Zuordnung der Verfolgungsvorsorge Argumente angeführt, die die Straftaten Verhütung betreffen). Im Ergebnis ebenso, dabei vor allem darauf abstellend, daß die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten ausdrücklich nur im Rahmen der Gefahrenabwehraufgabe eröffnet sei und der Polizei demnach nur obliege, wenn die Begehung künftiger Straftaten hinreichend wahrscheinlich sei, BbgVerfG, LKV 1999, S. 450 (451).

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an, unter welchen Gesichtspunkten sich Zusammenhänge zwischen der Strafverfolgung nach Maßgabe von Strafverfahren und der Vorsorge für die (künftige) Verfolgung von Straftaten herstellen lassen, die deren Regelung in der Strafprozeßordnung erfordern. Bei der Antwort darauf spielt der Aspekt, daß die Strafverfolgung auch präventive Funktionen hat, keine Rolle. 226 Ebenso irrelevant ist die teilweise - nur teilweise - gegebene Herkunft der Daten aus zuvor durchgeführten Ermittlungs- oder Strafverfahren. Sie begründet lediglich einen sachlichen Zusammenhang zwischen der vorangegangenen Strafverfolgung und den (Informations)Grundlagen der Verfolgungsvorsorge mit der Folge, daß über die Zulässigkeit der Zweckänderungen zu entscheiden ist. 227 Entscheidend ist allein der funktionale Zusammenhang, der sich daraus ergibt, daß der Zweck der Verfolgungsvorsorge kein Selbstzweck sein kann, sondern sich auf eine künftig möglicherweise anstehende Strafverfolgung bezieht. Die Qualität dieses Zusammenhanges erkennt man erstens daran, daß die der Verfolgungsvorsorge zugeordneten Daten und Informationen in den Fällen, in denen dann tatsächlich eine Strafverfolgung erfolgt, die Ermittlungen fordern und erleichtern sollen und somit in das Ermittlungs- und Hauptverfahren einfließen. Das gilt sowohl für die Vorbereitung als auch für die Verdachtsgewinnung. Zweitens zeigt sie sich, wenn man der Überlegung nachgeht, daß die Strafprozeßordnung für ihren Bereich Regelungen über eben diesen Einfluß treffen könnte. Beispielsweise wäre es dem Strafverfahrensgesetzgeber möglich, Daten, die aus seiner Sicht überalterten Sammlungen entnommen oder die mit Methoden erlangt worden sind, die er als unerwünscht oder als unter Aspekten der Wahrheitsfindung zu „riskant" 228 einstuft, aus der strafprozessualen Verwertbarkeit auszunehmen. Soweit dies geschieht, würde die Verfolgungsvorsorge aber fünktionslos und wäre ihrerseits nicht mehr legitimiert. Vor allem mit Blick darauf steht fest, daß ein nicht nur loser funktionaler Zusammenhang gegeben ist. Dann steht allerdings im Mittelpunkt, ob dieser Zusammenhang in jeder Hinsicht eng genug ist, damit die Verfolgungsvorsorge im Wege der AnnexKompetenz dem Strafprozeßrecht zugeordnet werden kann. Inwieweit sie „in der Tiefe" notwendig und ergänzend mitzuregeln ist 2 2 9 , richtet sich nicht etwa nach logischen, sondern nach rechtlichen Kriterien. Danach ist wichtig, daß hinter der Zuordnung der Strafverfolgung zum Kompetenztitel des „gerichtlichen Verfahrens" auch materielle Gesichtspunkte stehen: nämlich die Funktio-

226

Bei dieser Argumentation werden Ebenen und Bezugspunkte vermengt, vgl. Kap. 1 Punkt D. 227 Siehe noch Kap. 3 Punkt C.III.3.b.aa. Wie hier Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 169 f. 228 Denkbar etwa bei zu wenig abgesicherten Einsätzen von V-Leuten. 229

Zu den Voraussetzungen der Annex-Kompetenz oben Kap. 3 Punkt B.I.l.

272

Kap. 3: Die Determinationsmuster

nen und Grundsätze des Strafrechts, dem die Strafverfolgung und das Strafverfahren zu- und nachgeordnet sind, sowie - in wechselseitiger Beziehung dazu rechtsstaatliche und freiheitsrechtliche Maßgaben. Das drückt sich in der Justizförmigkeit der Strafverfolgung, vor allem in der Leitungskompetenz der Staatsanwaltschaft und in Grundsätzen wie dem Legalitätsprinzip, dem fairen Verfahren oder der Unschuldsvermutung aus. 230 Dieser Hintergrund muß bei der Antwort darauf einfließen, inwieweit die Verfolgungsvorsorge „notwendig" im Strafprozeßrecht mitzuregeln ist. Bei der Beurteilung ist die Ungewißheit, ob die Daten künftig tatsächlich zur Strafverfolgung benötigt werden, nicht das entscheidende Argument. Sie ändert schließlich nichts an dem Zweck der Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten und an der darin zwingend angelegten Prognose. Eben wegen dieser gebotenen Prognose darf die „Verwendungsungewißheit" auch keineswegs beliebig groß oder auch nur so groß sein, daß der Zusammenhang mit der Strafverfolgung entfiele. Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, als wie eigenständig man den Zweck der „ Vorsorge " für die Strafverfolgung behandeln will. Auch wenn sie kein Selbstzweck sein kann und immer (irgend)ein funktionaler Zusammenhang zu künftig möglicherweise anstehenden Strafverfolgungen besteht, heißt das schließlich nicht, daß ihr jede Eigenständigkeit abzusprechen wäre und sie ausschließlich aus diesem Zusammenhang heraus zu begreifen und rechtlich zu erfassen wäre. Eigenständig kann allerdings nur heißen: eigenständig nach rechtlichen Kriterien, also unter Berücksichtigung auch der eben genannten materiellen Gesichtspunkte, die die Gestaltung der Strafverfolgung prägen. Im Ramen der Konkretisierung der Aufgabe der Verfolgungsvorsorge ist bereits herausgearbeitet worden, daß sie vielfältig ist und unterschiedlich dichte Bezüge zur Strafverfolgung aufweist. Soweit man bei erkennungsdienstlichen Unterlagen oder bei Kriminalakten den primären Zweck herausstellt, gegen dieselben Personen gerichtete künftige Ermittlungsverfahren zu erleichtern 231 , spricht viel für eine Unterordnung unter das Regime des Strafverfahrensrechts. 232 Das gleiche gilt für Ermittlungsmaßnahmen - unabhängig davon, ob die Strafprozeßordnung sie ausklammern könnte oder müßte 233 -, die dem Zweck dienen, in konkreten Einzelfällen Straftaten Vermutungen zu klären und

230

Vgl. Kap. 1 Punkt C., bes. unter II. Entsprechend der Rechtsprechung; siehe auch Rachor, Straftatenbekämpfung, S. 170 ff.; Vahle, Probleme, S. 47. 232 Eine etwaige „Multifunktionalität", soweit sie rechtlich zulässig ist, steht dem nicht entgegen. Vgl. auch Dreier, Maßnahmen, S. 1016 f. 233 Siehe bereits oben Kap. 3 Punkt C.II.2.b. Dazu, daß die Antwort auf diese Frage sich nicht auf die kompetenzrechtliche Zuordnung auswirkt, siehe oben im Text dieses Punktes. 231

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gegebenenfalls einen weiter verdichteten Anfangsverdacht zu gewinnen. 234 Aber bei den jüngeren polizeilichen Konzeptionen und Formen der Informations- und Datenverarbeitung, die gerade im Zuge der Handhabung organisierter Kriminalität entwickelt worden sind und sich weiter herausbilden, fällt die Zuordnung nicht mehr leicht. Vor allem, soweit sie nicht individuai-, sondern strukturorientiert sind, fehlt es zwar nicht an Bezügen zur Strafverfolgung überhaupt, aber doch an näheren Bezügen zu einzelnen Strafverfahren hinsichtlich konkretisierter Straftaten gegen bestimmte Personen, die jedoch die Perspektive des Strafverfahrensrechts gerade prägen. So wird der funktionale Zusammenhang zu einer künftigen Strafverfolgung tatsächlich in bestimmten Umfang gelöst, wenn es im Rahmen der Verfolgungsvorsorge darum geht, eine Wissensbasis herzustellen, die auf Grundlagen- und Strukturwissen zielt, das über einzelne Ereignisse, einzelne Personen oder daran orientierte Zwecke hinausgreift und erst aufgrund zusätzlicher Informationen und konkreter Umstände in die Strafverfolgung im Einzelfall fließt, und die insofern verselbständigt ist. Ohne ganz von der Strafverfolgung entkoppelt werden zu können, gewinnt die Verfolgungsvorsorge doch in Teilen und in bestimmtem Umfang Eigenständigkeit. Man steht vor dem Ergebnis, daß das Problem der Gesetzgebungskompetenzen wegen der Vielfältigkeit der Verfolgungsvorsorge und ihrer unterschiedlich dichten Bezüge zur Strafverfolgung nicht nach gewohnten Mustern lösbar ist. Teilweise sind so enge Zusammenhänge herstellbar, daß die Voraussetzungen einer Annex-Kompetenz zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zu bejahen sind. Teilweise ist dies nicht der Fall. Und zugleich wäre es jedenfalls in manchen Punkten schwierig, die Verfolgungsvorsorge aufzuteilen. 235 Hier erweist sich die Einschätzung als zutreffend, daß sich die der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung vorverlagerte Tätigkeit der Polizei den Kompetenzbestimmungen nicht mehr reibungslos unterordnen läßt. 236 Deswegen ließen sich die einschlägigen Regelungen des Strafverfahrensänderungsgesetzes nicht allein als Versuch einer Problemverschiebung, sondern auch als Hinweis darauf verstehen, daß „salomonische" Lösungen in wechselseitigen Abstimmungen zu suchen sind. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Bereich des „gerichtlichen Verfahrens" ausnutzend bieten Abstimmungen immerhin den Vorteil, daß der Bund Regelungen in Abhängigkeit davon treffen kann, wie eng die Bezüge zu einem etwaigen künftigen Strafverfahren sind. Freilich sind Art und Inhalte der Abstimmungen wiederum rechtlich nicht beliebig möglich. Manche der Regelungen und Vorschläge laufen eher darauf

234 235 236

Vgl. dazu auch Peitsch, Bekämpfung, S. 218, mit Blick auf den StVÄGE 1989. Zu dieser Einschätzung auch Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 160 a. Stümper, Prävention, S. 49 ff.; ders., Wandlung, S. 242 f.

18 Albers

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

hinaus, eingeübte polizeiliche Praktiken abzusichern 237 , als Koordinationsformen zu finden, die aus rechtlicher Perspektive sachangemessen sind und den (verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht werden. So dürfen die Lösungen nicht in Widerspruch zu den Voraussetzungen einer Annex-Kompetenz stehen. Ein solcher Widerspruch liegt aber vor, wenn der Bund - wie mit der in § 484 Abs. 4 i.d.F. des StVÄG 1999 enthaltenen pauschalen Inbezugnahme der Polizeigesetze238 - Gesichtspunkte delegiert, die wegen ihres rechtlich engen Zusammenhanges mit dem Strafverfahren gerade erst die Bejahung dieser Kompetenz tragen. Zudem lassen Kompetenzen und Annex-Kompetenzen im Bereich des Strafverfahrens als gerichtlichem Verfahren, wie eben erläutert, keine beliebigen Trennungen bestimmter Materien zu. Genau diese Aspekte machen auch die ganz überwiegend und dabei häufig in pauschaler Form vertretene Ansicht problematisch, die Landesgesetzgebungen dürften angesichts der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz die Verfolgungsvorsorge jedenfalls so lange und soweit regeln, wie der Bund von seiner Kompetenz keinen Gebrauch gemacht habe. 239 Im Rahmen der Annex-Kompetenz sind sachbedingte Kriterien aufgrund der Dichte des maßgeblichen funktionalen Zusammenhanges, aber etwa auch die Frage, inwieweit verfassungsrechtlich gebotene Schutzmechanismen unterlaufen werden könnten, ausschlaggebend dafür, wie weit die Vorsorge im Strafverfahrensrecht zu regeln ist. Wie rechtlich und sachlich angemessene Abstimmungen aussehen können, wird noch einige Diskussionen erfordern. Jedenfalls führen Regelungen der Strafverfolgungsvorsorge, seien es die mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz kommenden Vorschriften, seien es weitere Novellierungen, erneut zu grundlegenden Veränderungen des Strafprozeßrechts. Insbesondere ist, auch wenn die derzeit vorgesehenen pauschalen Bezugnahmen auf die Landespolizeigesetze verfassungsrechtlich nicht haltbar sind, eine gegenüber dem bisherigen Strafverfahren andere und eigenständigere Rolle der Polizei in diesem Bereich nicht in jeder Hinsicht zu vermeiden. Umgekehrt hat die Untersuchung der Polizeigesetze gezeigt, daß auch diese sich in dem ihnen belassenen Feld in bestimmtem Umfang den Regelungs- und Schutzmechanismen des Strafverfahrensrechts annähern oder zumindest funktionale Äquivalente aufnehmen (müssen). Denn das Regime des Polizeirechts entbindet keines-

237

Vgl. auch den weitreichenden Vorschlag von Kellerl Griesbaum, Phänomen, S. 419 f., bei § 160 StPO eine Öffnungsklausel für dann in den Polizeigesetzen zu regelnde Ermittlungen im Vorfeld des Anfangsverdachts einzuführen. 238 Vgl. oben Kap. 2 Punkt C.I.2. 239 Statt vieler Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 19; Heckmann, Datenerhebung, S. 172; Randl, Aspekte, S. 1071; Koch, Datenerhebung und -Verarbeitung, S. 53 f.

Die Argumentation setzt sich auch meist nicht damit auseinander, daß die Länder die Verfolgungsvorsorge gar nicht als Gegenstand des „gerichtlichen Verfahrens" regeln, sondern auf eine Eingliederung in das Gefahrenabwehrrecht zielen.

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wegs von den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die hinter jenen Mechanismen stehen. Da es bei der Verfolgungsvorsorge nicht um Gefahrenabwehr, sondern um einen mehr oder weniger an der Nahtstelle zum Strafprozeßrecht gelegenen Bereich geht, liegt hier besonders nahe, daß die polizeigesetzlichen Bestimmungen einige Regelungsmuster und -elemente erhalten, wie sie bislang das Strafverfahrensrecht charakterisiert haben. Somit trägt gerade die Regelung der Verfolgungsvorsorge in bestimmter Weise zum Wandel des Polizeirechts bei.

I I I . Die Konkretisierung der Befugnisse zur Straftatenverhütung und zur Verfolgungsvorsorge Die Konkretisierung der neuen Aufgaben der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge kann die Befugnisse, die diesen Aufgaben zugeordnet sind, nicht davon entlasten, rechtliche Grenzen zu ziehen. Die Gesetzesanalyse hat gezeigt, daß die Begriffe des überkommenen Gefahrenabwehrrechts durch neue Regelungsstrukturen und -elemente abgelöst werden, die mehr Komplexität und Flexibilität aufweisen. Die Regelungsstrukturen zeichnen sich insbesondere dadurch aus, daß verschiedene Determinanten in den Verarbeitungs- und Entscheidungsprozessen aufeinander bezogen sind, aneinander anknüpfen und zusammenwirken. Nur so können die Befugnisse auch den Anforderungen gerecht werden, die sich aus den Aufgaben, denen sie zugeordnet sind, ergeben. 240 Es kommt somit immer darauf an, die einzelnen Vorschriften und Komponenten einerseits fur sich, andererseits im Regelungszusammenhang zu analysieren. Da dies hier nicht in vollem Umfang möglich ist, wird die Lösung gewählt, jeweils knapp Gesichtspunkte des übergreifenden Regelungszusammenhanges einzuführen und auf dieser Basis bestimmte Punkte gründlicher zu erörtern. Das liefert die Grundlagen für die weitere Dogmatisierung des neuen Polizeirechts. 1. Generalermächtigungen und neue Befugnisse Die Generalermächtigungen der Polizeigesetze, die im überkommenen Gefahrenabwehrrecht eine zentrale Funktion haben, spielen im Bereich der neuen Aufgaben keine Rolle. 2 4 1 Sie bleiben an die Voraussetzungen der Abwehr einer im einzelnen Fall bestehenden Gefahr gebunden. Wegen der Differenz zwischen der Abwehr konkreter Gefahren und der Straftatenverhütung oder der Verfol240

Vgl. oben Kap. 3 Punkt C.II.2.a.und b. Vgl. demgegenüber Hoppe, Vorfeldermittlungen, S. 166 ff., die versucht, Vorfeldermittlungen zwecks Straftatenverhütung mit der neuen Kategorie eines „abstrakten Gefahrenverdachts" (auch) der Generalermächtigung unterzuordnen, und dabei übersieht, daß der Gefahrenverdacht nicht in der vorgeschlagenen Form abstrahierbar ist und daß die Generalermächtigung abstrakte Gefahren nicht erfaßt. 241

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

gungsvorsorge werden auch die Befugnisse zur Informations- und Datenverarbeitung jeweils differenziert. Freilich weisen diese Befugnisse selbst teilweise wieder generalklauselartige Züge auf. Das der Unterscheidung von Generalermächtigung und Standardbefugnissen entsprechende Muster, generalklauselartige Auffangermächtigungen und spezieller geregelte Befugnisse zu kombinieren, wird bewußt gewählt. 242 Die Zulässigkeit generalklauselartiger Befugnisse ist mit Blick auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Volkszählungsurteil und auf das Gebot der Normenklarheit diskutiert worden. 243 Sie richtet sich grundsätzlich nach den regulären Maßstäben. Sie ist also zunächst vor allem davon abhängig, inwieweit der Regelungsbereich mehr Regelungspräzision überhaupt ermöglicht und wie die Eingriffstiefe und -Intensität des jeweils eingeräumten polizeilichen Vorgehens zu beurteilen ist. Hinzu kommt, daß das Gebot der Normenklarheit, das sich aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt, eine hinreichende Präzision der Regelungen und eine hinreichende Transparenz auch hinsichtlich der Verarbeitungs- und Entscheidungsprozesse verlangt. 244 So ist darauf zu achten, daß nicht nur einzelne Regelungen für sich genommen noch nicht als zu unbestimmt erscheinen, sondern daß die aufeinander bezogenen und aneinander anknüpfenden Regelungen auch in ihrem Zusammenwirken hinreichend normenklar sind. Umgekehrt kann die relative Vagheit einer generalklauselartigen, bei intensiveren Eingriffen durch spezielle Befugnisse ergänzten Ermittlungsbefugnis dadurch kompensiert werden, daß sich daran differenzierende Speicherungs- und Verwendungsbefugnisse anschließen, im Rahmen derer die Erforderlichkeit erlangter Informationen und Daten für die Erfüllung bestimmter Aufgaben näheren Prüfungen und Grenzen unterliegt. 2. Die Determination durch die Regelungsmuster der Befugnisse zur Datenerhebung und zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden a) Der Gehalt der Regelungselemente und -strukturen der Erhebungsbefugnisse Die Erhebungsbefügnisse sind regelmäßig generalklauselartig gefaßt; sie weisen jedoch - je nach Landesgesetz unterschiedlich - auch schon eigene Regelungselemente auf. Sie werden im übrigen ergänzt durch besondere Regelungen der Datenerhebung. Die Erhebung besitzt einerseits einen Rückbezug auf die jeweilige Aufgabe und steht andererseits im Regelungszusammenhang mit den Speicher- und Nutzungsbefugnissen. Zu den wesentlichen Regelungselementen, 242 Kniesel/Vahle, Informationsverarbeitung, Rn 185 ff; Peitsch, Informationsbeschaffung, S. 130. 243 Kniesel/Vahle, Informationsverarbeitung, Rn 183 ff. 244 Oben Kap. 3 Punkt B.II. La.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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die auch Basis in anderen Befugnissen sind, gehören die Bestimmung der (Verwendungs)Zwecke, das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit und, dies in den meisten Gesetzen, neue Beschreibungen hinsichtlich der Personen. Diesen Elementen soll im Hinblick auf ihre normativen Inhalte und ihre Bindungsund Begrenzungswirkungen näher nachgegangen werden. aa) Die Bestimmung der (Verwendungs)Zwecke Nach den allgemeinen Regelungen der Polizeigesetze ist die Erhebung personenbezogener Daten zulässig, soweit sie zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben, zur Abwehr einer konkreten Gefahr, zur Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Zweck der Verwendung der erhobenen Daten ist somit die Aufgabenwahrnehmung, hier näher: die Verwendung der Daten mit ihrem Informationsgehalt für den Aufbau von Wissensgrundlagen oder für Entscheidungen, die der Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung oder Verfolgungsvorsorge dienen. Für die Steuerung des polizeilichen Umgangs mit Informationen und Daten insgesamt kommt es entscheidend darauf an, auf welcher Abstraktionsebene die Polizei die Verwendungszwecke festlegen darf. Reicht es, wenn sie in einem konkreten Fall einen abstrakt gemeinten Zweck „Gefahrenabwehr" angibt, und darf sie dann die Daten auch nach Abschluß dieses Falles aufbewahren und in anderen Gefahrenabwehrfällen verwenden ? 2 4 5 Würde es vielleicht sogar genügen, wenn sie sich auf die Angabe „Erfüllung polizeilicher Aufgaben" oder gar „Zwecke öffentlicher Sicherheit" beschränkte, und könnte sie sich damit die umfassende Verwendung der Daten in all ihren Aufgabenbereichen sichern ? 2 4 6 Die Frage ist nicht abstrakt, auch nicht mit Hilfe theoretischer Zweckhierarchien innerhalb der Aufgaben zu beantworten. Theoretisch können Aufgaben und Zwecke beliebig weit abstrahiert und konkretisiert werden. Ebensowenig ist losgelöst-pragmatisch zu überlegen, was für die Effektivität polizeilicher Aufgabenerfüllung am besten wäre. 247 Zu berücksichtigen sind zunächst die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und unter Umständen auch anderer Grundrechtsnormen, aufgrund derer die Festlegung der Verwendungszwecke zunächst dem Gesetzgeber, dann auch der Exekutive aufgegeben ist. Dahinter stehen die Funktionen, die die Zweckfestlegung und die ihr nachgeordnete Zweckbindung im Rahmen der Realisierung der grund-

245

So Waiden, Zweckbindung, S. 253 ff Vgl. dazu Scholz/Pitschas, Selbstbestimmung, S. 116 ff., bes. S. 123; Scholz, Kriminalität, S. 69: das Verfassungsprinzip der Rechtssicherheit und inneren Sicherheit konstituiere für die gemeinsame Arbeit der Sicherheitsbehörden einen prinzipiell einheitlichen Handlungszweck. 247 Siehe aber die Überlegungen bei Waiden, Zweckbindung, S. 253 ff. 246

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

rechtlichen Anforderungen erfüllen. Die rechtliche Verklammerung der Informations- und Datenverarbeitung mit den sachlichen Aufgaben und Befugnissen, die Abgrenzung des jeweiligen Wissens- und Verarbeitungskontexts, die Verbindung der einzelnen Phasen zu Verarbeitungszusammenhängen und die Eingrenzbarkeit der Verarbeitungsvorgänge aufgrund der Zuordnung zu bestimmten Verwendungsmöglichkeiten sind Folgen der Zweckfestlegung und der Zweckbindung, die fur eine Begrenzung und Transparenz der Datenverarbeitung sorgen sollen. Nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben müssen sich die Verwendungszwecke daher im Ansatz an der fallbezogenen Erfüllung einer Aufgabe nach Maßgabe der Befugnisse orientieren. 248 Dieser Ansatz schließt freilich Gestaltungsspielräume der Gesetzgebung und, soweit das Gesetz dies dann zuläßt, auch der Exekutive, die auf der genannten Basis Modifikationen vorsehen, etwa bündelnde oder konditionierte Zwecksetzungen, nicht aus. Deshalb kommt es zweitens auf den Regelungskontext der polizeigesetzlichen Regelungen und auf die sich in diesem Rahmen unter Beachtung der grundrechtlichen Aussagen ergebende Interpretation an. Die Polizeigesetze wählen zur Beschreibung der Verwendungszwecke verschiedene Formulierungen: die Erfüllung polizeilicher Aufgaben, die Abwehr einer konkreten oder einer im einzelnen Fall bevorstehenden Gefahr, die Straftatenverhütung und die Verfolgungsvorsorge oder die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten. Wie die Verwendungszwecke zu konkretisieren sind, läßt sich allerdings nicht allein daraus, sondern erst im Kontext der jeweiligen anderen Tatbestandsvoraussetzungen und der weiteren Regelungen des jeweiligen Regelungszusammenhanges erschließen. Da sich die Verwendungszwecke ihrem Begriff und ihrer Funktion nach nicht darauf richten (dürfen), daß die Daten und Informationen irgendwann für irgendeinen Zweck verwendet werden - dies wäre eine verfassungsrechtlich unzulässige Datensammlung zu unbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken -, können sie sich nur auf eine zum Erhebungszeitpunkt spezifizierbare Wahrnehmung einer konkreten Aufgabe beziehen. Dem entspricht, daß die sinnvolle Spezifizierung der benötigten Informationen und Daten, die im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit erfolgen muß, einen solchen Bezug voraussetzt. Ebenso verlangt die Bestimmung der Adressaten die Ausrichtung des Verwendungszwecks auf eine konkrete Aufgabe. Auch wäre etwa die Pflicht, den betroffenen Personen die Zwecke der Verwendung der über sie erhobenen und gespeicherten Daten gegenüber anzugeben, überflüssig, wenn damit ein allgemeiner Hinweis auf die polizeilichen Aufgaben gemeint wäre. Des weiteren können die Tatbestandsvoraussetzungen anschließender Befugnisse, etwa die Dauer der Speicherung oder die Erforderlichkeit einer Veränderung, nur ausgefüllt werden, falls die Verwendungszwekke im Hinblick auf die Wahrnehmung einer konkreten Aufgabe festgelegt wor-

248

Dazu bereits oben Kap. 3 Punkt B.II.l.a.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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den sind. Hätte die Polizei in einem konkreten Fall nicht den Zweck der Abwehr dieser konkreten Gefahr zugrundezulegen, sondern dürfte sie sich an einem abstrakten Zweck der Gefahrenabwehr überhaupt orientieren, entfielen die Grenzen hinsichtlich der Inhalte der benötigten Daten oder hinsichtlich der Speicherdauer, die mit der Zweckfestlegung gerade geschaffen werden sollen. Daten und Informationen werden somit nicht schlicht zur „Gefahrenabwehr" oder zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" erhoben und verwendet, sondern im Rahmen eines konkreten „Falles" oder einer konkreten Aufgabenwahrnehmung. 249 Das hindert die Polizei nicht, in einem konkreten Fall mehrere Zwecke zu verfolgen, wenn Gemengelagen vorliegen und die einschlägigen normativen Voraussetzungen für jeden der Zwecke gegeben sind. 2 5 0 Damit machen die mehr oder weniger typisierend-abstrakten Fassungen der Polizeigesetze im Ergebnis keinen Unterschied aus. Eine normtextliche Ausrichtung auf die „Erfüllung der Aufgaben" führt nicht dazu, daß die Polizei Informationen und Daten für nicht konkretisierte polizeiliche Aufgaben erheben und speichern dürfte. Umgekehrt schließt der - sich durch mehr gesetzliche Präzision auszeichnende - Bezug auf eine konkrete Aufgabe nicht aus, daß in einem Einzelfall mehrere Aufgaben wahrgenommen und mehrere Verwendungszwecke festgelegt werden. Eine schwierigere Frage bleibt dann freilich, wie die „ konkrete Aufgabe " in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge jeweils überhaupt zu beschreiben ist. Zunächst muß hervorgehoben werden, daß es sich dabei, wie im Hinblick auf Strukturmerkmale und Voraussetzungen ausführlich erläutert worden ist, um zu unterscheidende Aufgaben und dementsprechend um zu unterscheidende (Verwendungs)Zwecke handelt, die nicht etwa in einem Zweck der „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" zusammenzufassen sind. 251 Allerdings fehlen in beiden Bereichen, anders als bei der Abwehr einer 249 Vgl. auch Bäumler, Polizeirecht, S. 639 (zu § 179 LVwGSH); HausIWohlfarth, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 290. Anders Waiden, Zweckbindung, S. 253 ff. Dessen wesentliches Argument, eine Auffacherung der Zwecke über abstrakte Aufgabenbereiche hinaus behindere eine effiziente polizeiliche Tätigkeit, überzeugt schon deshalb nicht, weil die Möglichkeit, Zwecke abstrakt zu fassen, der Effizienz polizeilicher Tätigkeit, die auf die Einordbarkeit von Daten in einen Kontext angewiesen ist, weniger nützt als die Einräumung angemessener Zweckänderungsmöglichkeiten. 250 Im Grundsatz zutreffend, wenn auch im zu entscheidenden Fall zu pauschal BVerwG, NJW 1990, S. 2768 (2768 f.): „Der Grundsatz der Zweckidentität schließt die Annahme mehrerer Verwendungszwecke bei der Datenerhebung nicht aus." 251 Die insoweit häufig eingebrachte These, in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge lasse sich nicht bereits zum Zeitpunkt einer Datenerhebung oder -speicherung, sondern erst aus der ex post-Beurteilung feststellen, ob das erlangte Wissen für die Verhinderung oder nur noch für die Verfolgung von Straftaten relevant sei, übersieht, daß die Zwecksetzung und die dafür geltenden (Prognose-)Anforderungen rechtlich gerade nicht offen bleiben dürfen. Zutreffend dagegen Ring, Befugnis, S. 373; Dreier, Maßnahmen, S. 1016. Erlaubt sind - nach Maßgabe der rechtli-

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

konkreten Gefahr oder der Aufklärung eines Straftatverdachts, nicht selten die situativ konstituierten Grenzen, über die einzelne Fälle voneinander abgegrenzt werden können. Das ist zwar nicht immer so, denn es gibt die Vorbeugung in Einzelfällen oder im unmittelbaren Vorfeld einer konkreten Gefahr ansetzende Verhütungsmaßnahmen. Auf der allgemeinsten Ebene setzt die Straflatenverhütung aber nur dieses Ziel und eine abstrakte Straftatenprognose, die Verfolgungsvorsorge das Ziel der Vorsorge und die Strafverfolgungsprognose voraus. Beide Aufgaben erfassen ein breites Spektrum polizeilicher Vorgehensweisen. Insgesamt betrachtet bilden sich konkrete Aufgaben oder einzelne „Fälle" nicht unbedingt situationsspezifisch und durch die darauf bezogenen Rechtsbindungen heraus. Die Verwendungszwecke können daher nur in begrenztem Umfang durch die Konkretisierung der jeweiligen Aufgabe für den Einzelfall und durch die bereits damit umrissenen Gegebenheiten spezifiziert werden. Im übrigen sind Aufschlüsselungen mit Blick auf die Formen und Ausgestaltungen erforderlich, die die Straftatenverhütung und die Verfolgungsvorsorge ausfüllen. Die näheren Inhalte werden unter diesen Umständen auch rechtlich und durch die gesetzlich hergestellten Bindungen konturiert. Sie gewinnen ihren Gehalt insoweit aufgrund der Wechselbeziehung mit anderen Tatbestandsvoraussetzungen, die zu dessen Konkretisierung beitragen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um näher bestimmte Straftatbestände als Gegenstand der Prognose oder um sachliche, personelle und zeitliche Tatbestandsmerkmale, über die das Ziel mittels der Bedingungen eingegrenzt wird. So erfaßt eine Datenspeicherung zur Verfolgungsvorsorge nicht die bis zu einem prinzipiell unendlichen Zeitpunkt erfolgende Vorsorge, sondern eine Vorsorge im Rahmen der gesetzlich eingegrenzten Zeitspanne. Wie bereits bei den Überlegungen zur Konkretisierung der Aufgabenzuweisungen ergibt sich demnach, daß die gesetzlichen Regelungen Vorgaben und Grenzen für die Straftatenverhütung und die Verfolgungsvorsorge in besonderer Weise herstellen müssen. In diesem Rahmen sind die Verwendungszwecke von der Polizei im konkreten Kontext näher zu bestimmen. bb) Die Tatbestandsvoraussetzung

der Erforderlichkeit

Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit nimmt in den polizeigesetzlichen Regelungen eine zentrale Stelle ein. Es ergänzt die Zweckfestlegung, indem die Verwendungszwecke und die darauf ausgerichteten Informations- und Datenverarbeitungsvorgänge mit einem bestimmten Abhängigkeitsgrad in eine Abhängigkeitsbeziehung eingeordnet werden. Der Begriff der Erforderlichkeit ist an dieser Stelle somit ein gesetzliches Regelungselement, mit dem die polichen Voraussetzungen - doppelte oder auch konditionierte Zwecksetzungen sowie nachträgliche Zweckänderungen.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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zeilichen Informations- und Datenverarbeitungen gesteuert und begrenzt werden. Er ist nicht etwa eine bloße Wiederholung bestimmter Anforderungen des Übermaßverbots. 252 Deshalb ist diese Tatbestandsvoraussetzung auch keineswegs überflüssig. Sie verlangt die zum Zeitpunkt der Datenerhebung zu treffende Prognose der Polizei, daß die Datenerhebung notwendig ist, weil die zu erhebenden Daten und die daraus zu gewinnenden Informationen fur die festgelegten Zwecke benötigt werden. 253 Ein Sammeln von Daten „ins Blaue hinein", gestützt etwa auf das Argument, man wisse im Sicherheitsbereich „eben erst hinterher, welche Ermittlungen erforderlich waren und welche nicht" 2 5 4 , scheidet aus. Das prognostische Element des Erforderlichkeitsmerkmals bleibt unberührt. Der Begriff der Erforderlichkeit ist in sich steigerungsfähig, etwa in die Richtung einer Unerläßlichkeit oder einer zwingenden Notwendigkeit. Solche Formen werden in einigen besonderen Befugnissen oder in manchen Gesetzen hinsichtlich der Erhebung von Daten über Kontakt- und Begleitpersonen gewählt. Der Begriff eignet sich auch als gesetzliches Tatbestandsmerkmal, im Rahmen dessen das Übermaßverbot greifen kann, und zwar insbesondere mit der Verhältnismäßigkeit (im engeren Sinne). So könnte die der Polizei danach aufgegebene Abwägung dazu fuhren, daß die Erforderlichkeit in einem konkreten Fall aus der Perspektive der Aufgabenerfullung zwar zu bejahen wäre, mit Rücksicht auf die Beeinträchtigungen des einschlägigen Grundrechts, hier unter Umständen auch eines speziellen Freiheitsgrundrechts, jedoch zu verneinen ist. Eine solche gegebenenfalls typisierbare Abwägung kann gerade der Hintergrund für die Steigerung der Anforderungen im Sinne einer Unerläßlichkeit sein. Das Merkmal der Erforderlichkeit bietet somit einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt, durch den anderweitige Vorgaben einfließen und verstärkt werden können. Seine Bindungs- und Begrenzungskraft variiert im übrigen freilich danach, wie sich andere Regelungskomponenten, insbesondere die Festlegung der Verwendungszwecke, gestalten. Je diffuser diese Zwecke sind, desto weniger kann das Merkmal der Erforderlichkeit bewirken. Es leistet keinen Beitrag zur präzisen Beschreibung der Verwendungszwecke, sondern hängt mit seiner Determinationskraft selbst davon ab. Vor diesem Hintergrund mag man im Falle der

252

Vgl. bereits oben Kap. 3 Punkt B.II.l.a. Siehe auch Berg/Knape/Kiworr, Polizei- und Ordnungsrecht, § 18, 2.Teil II Β 1 bb: Der Gesamtvorgang der Datenerhebung müsse in dem Sinne erforderlich sein, daß der Polizei kein milderes Mittel zur Verfügung stehe, und der Umfang der erhobenen Daten müsse erforderlich sein, so daß die Polizei nur solche Daten über die betroffene Person erheben dürfe, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben in dem Einzelfall tatsächlich benötige. 254 Stümper, Verbrechensvorbeugung, Rn 106. 253

282

Kap. 3: Die Determinationsmuster

Abwehr einer konkreten Gefahr, bei der der Gefahren- und der Abwehrbegriff situative und personelle Grenzen hergeben, noch der Überlegung folgen, daß „das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit ... den Maßstab für die jeweils zulässige Datenerhebung" hergibt und „eine über diesen Maßstab hinausgehende tatbestandsmäßige Abschichtung ... von Verfassungs wegen nicht notwendig" ist. 255 In den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge überzeugt diese Sicht nicht. 256 Denn insoweit sind solche Grenzen weder in situativer noch in personeller Hinsicht hinreichend vorgegeben. Vor diesem Hintergrund war es gerade das Ergebnis schon bei der Konkretisierung der Aufgaben, dann auch bei dem Element der Zweckfestlegung, daß die Aufgaben präzise Befugnisse verlangen und daß die Anforderung der Festlegung der Verwendungszwecke durch andere Tatbestandsvoraussetzungen ergänzt werden muß, damit sie selbst hinreichende Konturen erhält. Über das Merkmal der Erforderlichkeit hinaus sind deswegen weitere gesetzliche Vorgaben notwendig. Nicht in allen, aber in der überwiegenden Zahl der Polizeigesetze ist noch eine Beschreibung und Differenzierung der betroffenen Personen vorgesehen. 257 cc) Die Beschreibungen und Differenzierungen

von Personen

Hinsichtlich der rechtlichen Bestimmung der Personen, über die Daten erhoben werden dürfen, muß man sich vorab darauf einstellen, daß die Ausdehnung des Bereichs der gesetzlich zu regelnden Befugnisse auf die polizeiliche Informations· und Datenverarbeitung, die das überkommene Gefahrenabwehrrecht nur sehr begrenzt erfaßt 258 , es mit sich bringt, daß die „klassischen" Kategorien der „Störer" und der „Nichtstörer" nicht uneingeschränkt gewahrt bleiben können. Denn es geht eben nicht mehr um den engeren Begriff der verantwortlichen Personen oder der Adressaten einer polizeilichen Maßnahme, denen eine Verhaltenspflicht auferlegt wird, sondern um die Personen, über die Informationen 255

BayVerfGH, DVB1 1994, S. 347 (349). Der BayVerfGH bemüht sich, mit Hilfe der Rückbindung auch der neuen Aufgaben an die Gefahrenabwehr personelle Differenzierungen wie Kontakt- oder Begleitpersonen, gefährdete Personen oder Zeugen in die bayerische Norm zur Datenerhebung hineinzulesen, vgl. ebda, S. 349. Diese Herleitung weist aber einen dezisionistischen und ohnehin auch keinen zwingenden Charakter auf. Da es der Gesetzgebung obliegt, die neuen, nicht aus sich heraus bestimmten Aufgaben angemessen auszugestalten und einzugrenzen, handelt es sich um ein weitgehendes Bemühen, der bayerischen Regelung das Verfassungswidrigkeitsverdikt zu ersparen. 257 Siehe auch Waechter, Probleme, S. 154: „Die eigentliche Eingrenzung der polizeilichen Befugnis erfolgt bei den Vorfeldbefugnissen häufig erst durch die Qualifikation der zulässigen Adressaten der Maßnahme, also bei der Bestimmung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit." Vgl. außerdem WolfJStephan, Polizeigesetz, § 20 Rn 22. 258 Siehe Kap. 1 Punkt B.III. 1. 256

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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benötigt werden. Unabhängig davon, wie Gestaltung und Reichweite im einzelnen zu beurteilen sind, zeigen schon die jeweiligen gesetzlichen Regelungen im Falle des Zwecks der Abwehr konkreter Gefahren, daß weitere Personenkategorien, etwa Zeugen oder Opfer, relevant sind. Und selbst wenn man hier noch auf den Begriff des „Nichtstörers" zurückgreifen wollte, passen die Kriterien der Inanspruchnahme, die das traditionelle Gefahrenabwehrrecht insoweit formuliert, nicht mehr. Die Erweiterungen, die auf die Regelungserfordernisse im Bereich der polizeilichen Informations- und Datenverarbeitung reagieren, sind unter diesem Gesichtspunkt auch nicht von vornherein unvereinbar mit verfassungsrechtlichen Vorgaben. Eine zu schlichte Kritik, die lediglich an die „klassischen" Kategorien erinnert, geht deshalb fehl. Allerdings werden die polizeigesetzlichen Regelungen im Bereich der neuen Aufgaben nicht allein durch das neue Regelungsfeld des polizeilichen Umgangs mit Informationen und Daten geprägt. Sie reagieren ersichtlich auch auf die mit ihnen verbundene Vorverlagerung gegenüber der Abwehr konkreter Gefahren und der Verfolgung konkreter Straftaten. Deshalb stellt sich die Frage, mit welchen Kriterien verhindert wird, daß jeder als potentieller Straftäter eingestuft und polizeilicher Überwachung ausgesetzt wird. 2 5 9 Die Ermächtigungsnormen müssen so gefaßt sein, „daß niemand befurchten muß, ohne hinreichende und damit für ihn vorhersehbare Anhaltspunkte und Verdachtsumstände in das Visier der Sicherheitsorgane zu geraten." 260 Die Gesetzesanalyse hat gezeigt, daß sich einige Polizeigesetze schon im Ansatz um eine Beschreibung und Differenzierung von Rollen bemühen. Die jeweiligen Kategorien sind neu, weil die herkömmlichen Gefahrenabwehrregelungen über die Adressaten polizeilicher Maßnahmen - Verhaltens- und Zustandsverantwortliche, nicht verantwortliche Personen - von dem Zusammenhang mit der konkreten Gefahr leben und deshalb nicht passen.261 Aufgezählt werden Personen, bei denen Anhaltspunkte oder tatsächliche Anhaltspunkte bestehen oder Tatsachen dafür sprechen, daß sie künftig Straftaten begehen, Kontakt- oder Begleitpersonen, Personen, bei denen Anhaltspunkte bestehen, daß sie Opfer von Straftaten werden, sowie Zeugen, Hinweisgeber oder sonstige Auskunftspersonen und manchmal noch Personen im räumlichen Umfeld einer in besonderem Maß als gefährdet erscheinenden Person. Danach wird zwar niemand, der irgendwie relevant sein könnte, ausgegrenzt. Bei der allgemeinen Erhebungsermächtigung kann dies jedoch kaum anders sein. Wichtig ist, daß

259

KnieselfVdhÌQ , Informationsverarbeitung, Rn 165, mit dem Zusatz, ein allgemeiner Überwachungsauftrag und ein Verdachtsschöpfungsrecht gegen jeden seien in einem rechtsstaatlichen Polizeirecht Fremdkörper. 260 SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1430). 261 Vgl. bereits Kap. 2 Punkt B.II.l.a.bb. und III. Zu kurz greifend Aulehner, Gefahren· und Informationsvorsorge, S. 499.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

die Rolle den Ansatzpunkt für die Beurteilung bietet, inwieweit und hinsichtlich welcher Informationen eine Person in Anspruch genommen werden darf. Sie ist Anknüpfungspunkt nicht nur für die - unter Beachtung auch der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entwickelnden - Grenzen der Erhebung, sondern ebenfalls für die prozeßübergreifenden Bindungen des Umgangs mit Informationen und Daten über eine bestimmte Person. Die beiden Kategorien, die noch bei den speziellen Erhebungsmethoden Bedeutung gewinnen, sollen im folgenden näher betrachtet werden. Im Zentrum stehen Personen, bei denen Anhaltspunkte oder tatsächliche Anhaltspunkte bestehen oder Tatsachen dafür sprechen, daß sie künftig Straftaten begehen. In der Formulierung spiegelt sich die Vorverlagerung polizeilicher Tätigkeitsschwellen deutlich wider. „Bei der herkömmlichen konkreten Gefahrenabwehr kann man eine Person als Störer ,beschuldigen' und die eingetretene Gefahr (die Straftat ist im Gange oder steht unmittelbar bevor) beseitigen. Bei der ,Gefahrenabwehr im Vorfeld' kann man eine Person als potentiellen Störer' konkret verdächtigen' und den Eintritt der Gefahr rechtzeitig verhindern." 262 Gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung ist eine Prognose, aufgrund derer bestimmten Personen die Begehung von Straftaten zugerechnet wird, die zum Beurteilungszeitpunkt noch in der Zukunft liegen. Welche Bindungen und Grenzen darin liegen, ergibt erst die Aufschlüsselung dieser Prognoserelation. Dafür kann vergleichend auf die Ausführungen zu den Begriffen der Gefahr und des Verdachts zurückgegriffen werden. 263 Prägende Merkmale einer Prognose sind die prognostizierten Gegebenheiten, die Beschreibung der sie tragenden Tatsachengrundlage, die zeitliche Nähe zwischen Beurteilungszeitpunkt und prognostizierten Gegebenheiten, der Grad der Wahrscheinlichkeit, der dafür angegeben werden kann, daß die Prognose sich bestätigt, sowie die ihr zugrunde liegenden Erfahrungssätze. Prognosebeziehungen unterscheiden sich, indem diese Merkmale variiert werden. Gegenstand der Schlußfolgerung ist, daß bestimmte Personen künftig Straftaten begehen. Wie im Rahmen der Konkretisierung der Aufgaben fällt hinsichtlich der Verfolgungsvorsorge auf, daß die Erhebungsermächtigungen die Prognose einer künftigen Begehung von Straftaten voraussetzen. Das betrifft nunmehr auch die Gesetze, in denen nicht bereits die Aufgabenzuweisung eine solche Fassung hat. Denkbar ist dabei zwar, die Taten einzubeziehen, die in Zukunft begangen und dann nicht mehr zu verhindern, sondern zu verfolgen sein werden. Die Erhebungsermächtigungen beziehen sich jedoch nicht auf schon begangene, aber noch nicht entdeckte Taten. 264 Von verfassungsrechtlichen 262

So - mit den schon im Rahmen der Aufgaben erörterten Einengungen - Wolter, Informationseingriffe, S. 76 (Hervorh.i.Orig.). 263 Kap. 1 Punkt B.II.2.a. und C.II.2.a. 264 Dazu auch Peitsch, Bekämpfung, S. 219.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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Fragen abgesehen setzte dies einen Normtext voraus, der sich (auch) darauf richtet, daß die Person künftig straftatverdächtig sein oder künftig der Strafverfolgung unterliegen wird. Die Gesetzesfassungen mögen daran liegen, daß man sich die Struktur der Verfolgungsvorsorge nicht hinreichend verdeutlicht oder in der gewählten Ausgestaltung einen Ausweg aus dem Problem des Verhältnisses der Verfolgungsvorsorge zur Strafprozeßordnung gesehen hat. 2 6 5 Das Resultat ist jedoch eine „Unter differ enzierung' hinsichtlich der Verfolgungsvorsorge. Denn die dabei nunmehr zugrundezulegende Prognoserelation wirkt eigenart i g 2 6 6 ; die Ausgestaltung paßt im Kern nicht. Das gilt unabhängig von den verfassungsrechtlichen Vorbehalten. Es macht rechtsdogmatisch, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob eine hinreichende Verdachtslage eine von Verfassungs wegen zwingende Einschreitvoraussetzung ist, oder im Hinblick auf die Regelungskompetenz in Abgrenzung gegen die Strafprozeßordnung, nämlich keinen Unterschied, ob die zu verfolgenden Straftaten zum Prognose- und Entscheidungszeitpunkt noch in der Zukunft liegen oder bereits begangen worden sind. 267 Trotz der normtextlichen Formulierungen wird sehr häufig pauschal ausgeführt, die polizeigesetzlichen Befugnisse dienten der Konkretisierung des Anfangsverdachts im Verdachtsvorfeld. 268 Dabei fehlt jedoch jegliche Auseinandersetzung mit der Ausgestaltung der gesetzlichen Tatbestände. Wegen der Eindeutigkeit der Gesetzesfassungen ist eine solche Erweiterung über den Normtext hinaus nicht möglich. Das gilt um so mehr wegen des problematischen Verhältnisses zur Strafprozeßordnung. Neben diesem Gesichtspunkt kann man herausstellen, daß der Akzent der prognostizierten Ereignisse relativ flexibel gefaßt werden kann. Man hat die Möglichkeit, die Prognose auf die Straftaten zu richten und ihnen Personen zuzuordnen. Man kann den Akzent - was durch die hinzutretenden sachlichen Voraussetzungen der Ermächtigungen nur in bestimmtem Umfang modifiziert wird - aber auch so setzen, daß man die Prognose auf bestimmte Personen konzentriert und die Prognose künftiger Straftaten gleichsam ableitet: Merkmale der Person - ihre kriminelle Karriere, ihre Verwicklung in kriminelle Milieus rechtfertigen die Prognose. 269 An dieser Variabilität ändert sich nichts dadurch, daß immer eine Straftatenprognose getroffen werden muß. Genau eine solche 265

Vgl. oben Kap. 2 Punkt B.I.2.b. mit Fn 149. Vgl. oben Kap. 2 Punkt B.I.2.b.mit Fn 148. 267 Vgl. oben Kap. 2 Punkt B.I.2.b. 268 Statt vieler Möller!Wilhelm, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 163; Prümm/Sigrist, Sicherheits- und Ordnungsrecht, Rn 182; Würz, Polizeiaufgaben, Rn 53; Roese, in: Schmidbauer/Steiner/Roese, Polizeiaufgabengesetz, Art. 33 Rn 5. 269 Vgl. auch Kniesel, Gefahrenvorsorge, S. 189, mit dem Vorschlag des Ersatzes des Störerprinzips durch die Voraussetzung tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Verwicklung einer Person in eine bestimmte kriminellen Szene. 266

286

Kap. 3: Die Determinationsmuster

Ergänzung ist, wie ein Rückblick auf die Vorfeldkonzeptionen der Polizei in Erinnerung bringt, auch erwünscht, selbst wenn sich die ganz weitreichenden Vorstellungen nicht darunter fassen lassen. 270 Die Variabilität unterscheidet den Gegenstand der Schlußfolgerung von der klaren sachbezogenen Prognose eines Schadens und der ebenso sachbezogenen Hypothese einer begangenen Straftat, aufgrund derer es keine „Störer" ohne Gefahr und keine Verdächtige ohne Straftatverdacht gibt. 2 7 1 Damit werden zugleich die besonderen (Freiheits)Gefahren deutlich. Kompensationsmöglichkeiten könnten entweder die weiteren Prognosevoraussetzungen oder hinzutretende sachliche Tatbestandsvoraussetzungen bieten. Die Grundlagen, die die Prognose tragen, werden in den Vorschriften der Polizeigesetze mit dem Begriff der „Anhaltspunkte", dem der „tatsächlichen Anhaltspunkte" oder dem der „Tatsachen" beschrieben. 272 Man kann zwar bezweifeln, daß diese Begrifflichkeit bereits so ausgearbeitet ist, daß man derzeit darin im Vergleich oder auch innerhalb der einzelnen Polizeigesetze eine stringente Systematik sehen müßte. 273 Trotzdem kann man schon vom Normtext her zumindest teilweise davon ausgehen, daß die Gesetzgeber unterschiedlich weitreichende Anforderungen kennzeichnen wollten. Was gemeint ist, wäre somit jeweils auszulegen. In allgemeiner rechtsdogmatischer Sicht können die Formulierungen, wie bei den Gefahren- und Verdachtsvoraussetzungen bereits herausgearbeitet worden ist, durchaus als unterschiedliche Anforderungen interpretiert werden. 274 Bloße „Anhaltspunkte" lassen die am weitesten gefaßte Prognosegrundlage und damit die am weitesten gelockerte Beziehung zwischen dem gegenwärtigen Erkenntnisstand und dem Gegenstand der Schlußfolgerung zu. Sie erlauben in weitgehendem Umfang, vage und praktisch immer gegebene Erkenntnisse mit kriminalistischen Erfahrungen zu verknüpfen und darauf die Prognose zu stützen. 275 Der Begriff der „tatsächlichen Anhaltspunkte" findet sich bereits im Rahmen der polizeigesetzlichen Standardbefügnisse zur Identitätsfeststellung an „gefährlichen Orten". 276 Ansonsten ist er mit dem Ziel einer Herabsetzung der Eingriffsschwelle vor allem im Nachrichtendienstrecht, zum

270

Oben Kap. 2 Punkt A.IV. Vgl. Kap. 1 Punkt B.III.2.C. und C.III.2.C. 272 Da die Prognosegrundlagen und die die Prognose tragenden Erfahrungssätze zu unterscheiden sind, steht für alle hier einzubeziehenden Polizeigesetze fest, daß reine (vor allem: kriminalistische) Erfahrungssätze nicht ausreichen. Explizit lautet § 179 Abs. 3 LVwGSH: „Allgemeine Erfahrungssätze ohne Bezug zum jeweiligen Geschehen sind keine Tatsachen im Sinne der Vorschriften über die Datenerhebung." 273 Siehe dazu Rachor, Polizeihandeln, Rn 96. 274 Vgl. oben Kap. 1 Punkt B.II.2.a. und C.II.2.a. und b. 275 Kritisch etwa Haus/Wohlfarth, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 281: Die Formulierung erlaube fast uferlos Subjektivismen, Spekulationen und Mutmaßungen. 276 Siehe Kap. 1 Punkt B.III.3. 271

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

287

Beispiel in § 2 G 10, etabliert worden. 277 Er verlangt einen Tatsachenkern, schließt dabei aber mittelbare Schlußfolgerungen von diesen Tatsachen auf Gegebenheiten, die die Annahme erst stützen können, oder bestimmte Indizien ein. 278 Damit wird der Einfluß der Erfahrungssätze im Vergleich zum Erfordernis bloßer „Anhaltspunkte" verringert. Im Vergleich zur Voraussetzung von „Tatsachen" reicht er weiter. Haben „Tatsachen" der Prognose zugrundezuliegen, muß eine stärker verdichtete oder gesichertere Tatsachenbasis und eine engere Beziehung zu der daraus hergeleiteten Schlußfolgerung bestehen. Die Unterschiede zu „tatsächlichen Anhaltspunkten" sind nicht mit dem Argument zu nivellieren, daß in jedem Fall Tatsachen gefordert sind. 279 Es kommt gerade darauf an, wie dicht die Beziehung zwischen den bekannten Tatsachen und der daraus herzuleitenden Folgerung gestaltet ist. 280 Eine konsistente Systematik ist hier deshalb wichtig, weil die Anforderungen an die Prognosegrundlagen relativ weitgehende Funktionen haben. Hinsichtlich der weiteren Anforderungen ist theoretisch denkbar, daß nur die Möglichkeit oder eine mehr oder weniger große Wahrscheinlichkeit der prognostizierten Straftatenbegehung verlangt wird. Beide unterscheiden sich darin, ob ein Umstand oder ob alle als prognoserelevant erkennbaren Umstände in die Beurteilung einzubeziehen und abzuwägen sind und ob der maßgebliche Zeitpunkt der Prognose im Rahmen des Möglichen zum befürchteten Ereignis hin zu verlagern ist. Während man der Struktur der Gefahrenabwehr entnehmen kann, daß sie eine - dann in Abhängigkeit von der Größe des Schadens dynamisch bestimmbare - Wahrscheinlichkeit erfordert, läßt sich dies im Rahmen der hier zugrunde liegenden Prognose nicht so leicht herleiten. Denn es kennzeichnet die Straftatenverhütung und die Verfolgungsvorsorge gerade, daß der Prognosezeitpunkt zwar nicht unbedingt immer weit vorverlagert werden darf, aber jedenfalls auch nicht so festgelegt ist wie im Rahmen der Gefahrenabwehr. Auch 277 Dazu Neumann, Vorsorge, S. 67 ff. Siehe auch BVerwG, DVB1 1991, S. 511 (512 f.). 278 Den noch weitgehenden Umfang verdeutlicht die VVHSOG zu § 13, abgedruckt bei Kunkel/Pausch!Prillwitz, Gesetz, nach § 13 HSOG, unter 13.1.1: „Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigen die Annahme, wenn es nach polizeilicher ... Erfahrung als möglich erscheint, daß ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und hierfür bestimmte Indizien sprechen". Ähnlich Meixner, HSOG, § 13 Rn 9; Denninger, Polizeirecht, S. 300. Vgl. auch (kritisch) Rachor, Polizeihandeln, Rn 98, bloße Mutmaßungen genügten, wenn sie einen realen, nicht nur einen vermuteten Hintergrund hätten. Weitergehende Einschränkungsintentionen bei Mandelartz!Sauer!Strube, Polizeigesetz, § 26 Rn 4, und bei Alberts! Merten, Gesetz, § 1 Rn 25, § 6 Rn 10: Gefordert seien tatsächliche und nachvollziehbare Begebenheiten. 279

Anders aber Rachor, Polizeihandeln, Rn 96; Denninger, Polizeirecht, S. 300: „Zwischen tatsächlichen Anhaltspunkten4 und ,Tatsachen' besteht sachlich kein nennenswerter Unterschied." 280 Ähnlich wie hier unter Hervorhebung der Unterscheidung Wolf/Stephan, Polizeigesetz, § 20 Rn 24, § 21 Rn 7.

288

Kap. 3: Die Determinationsmuster

eine Abwägung aller Umstände ist nicht in jeder Konstellation zu verlangen. Wie beim konkreten Straftatverdacht kann es vielmehr genügen, daß es einen Umstand gibt, der einen hinreichenden Anlaß für weitere Überprüfungen liefert. Das wirkt sich auch auf die Anforderungen an den Grad aus, der für die auf der gegenwärtigen Basis gebildete Erwartung, daß die Prognose sich bestätigt, gegeben sein muß. Die Anforderungen an die Prognose erschließen sich in diesem Rahmen somit maßgeblich aus den Anforderungen an die Prognosegrundlagen. Da zwischen der Dichte und Fundiertheit der Tatsachenbasis, der Frage, wie weit eine Abwägung aller Umstände erforderlich ist, und dem Zeitpunkt der Prognose Wechselwirkungen bestehen, könnten die Anforderungen an jene Indiz für die Anforderungen an die Prognose insgesamt sein. Dabei erreicht die Struktur der Prognose allerdings nicht sämtliche Kennzeichen der im Gefahrenbegriff enthalten Prognose. Im Vergleich zum strafprozessualen Verdacht fehlt ihr nicht nur der Rahmen eines justizförmigen Ermittlungsverfahrens, sondern auch der sachgerichtet-eingegrenzte Bezug auf eine konkrete Straftat. Das resultiert aus der Vorverlagerung gegenüber Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Diese Vorverlagerung und die Charakteristika der neuen Aufgaben führen auch dazu, daß die im Rahmen der Prognose relevanten Erfahrungssätze erweitert werden. Während es bei der Gefahrenabwehr vor allem um Kausalitätsbehauptungen geht, werden bei der Straftatenverhütung und bei der Verfolgungsvorsorge in weitergehendem Umfang kriminalistische Erfahrungen einbezogen. Die situativen Bezüge, die man für gesicherte Kausalitätsbehauptungen benötigt, sind gelockert. Darüber hinaus spielen übergreifende Perspektiven und Lage- oder Milieubeurteilungen eine Rolle. Hinzu kommt an dieser Stelle, daß der Akzent der Prognose nicht straftatenbezogen zu sein braucht, sondern auch personenbezogen sein darf. Nach allem kann man feststellen, daß zumindest die Formulierungen, die teilweise ganz bewußt 281 - nur „Anhaltspunkte" verlangen, und auch die Interpretationsmöglichkeiten insgesamt sich eher weit gestalten. Legt man bei der geforderten Prognose ein extensives Verständnis zugrunde, ließe also vage, gegebenenfalls nur personenbezogene Erkenntnisse in Verbindung mit kriminalistischen Annahmen, aufgrund derer es möglich erscheint, daß jemand in auch entfernter Zukunft irgendwelche Straftaten begeht, ausreichen, setzte die Beschreibung der betroffenen Personen so gut wie keine Grenzen. Der Vorhalt, jeder könne, und zwar sogar als potentieller Straftäter, ins „polizeiliche Visier" geraten, wäre bei einer solchen Prognosestruktur keineswegs abwegig.

281 Siehe den Hinweis auf die Änderung des § 26 Abs. 2 SPolG bei Haus/Wohlfarth, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 281.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

289

Es ist allerdings möglich, die Befugnisse hinsichtlich der Dichte der Prognoserelationen einzugrenzen. Im methodisch zulässigen Umfang ist eine interpretatorische Gestaltung der Anforderungen an die Prognose entwickelbar. Dabei müssen Zwecke der Straftatenverhütung und Zwecke der Verfolgungsvorsorge im Ansatz unterschieden werden. Schließlich werden sie - entsprechend den funktionalen Bezügen entweder zur Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung durch verschiedene Ziele geprägt: Jene richtet sich auf die Verhütung der durch Straftaten entstehenden Gefahren und damit auf die Unversehrtheit der durch die strafrechtlichen Normen geschützten Rechtsgüter. Diese setzt deren (künftig) bereits erfolgte Verletzung voraus und dient der Sicherstellung der staatlichen Sanktionen.282 Das kann unterschiedliche Überlegungen und Ergebnisse, zum Beispiel eine unterschiedliche Gestaltung der Anforderungen an die jeweiligen Elemente der Prognose bedingen. Ziel ist eine hinreichende, das heißt: eine mit Blick einerseits auf den jeweiligen Zweck, andererseits auf die beeinträchtigenden Folgen für die betroffene Person angemessene Absicherung der Schlußfolgerung auf die Straftatenbegehung. Dafür kann man an verschiedene Elemente der Prognose anknüpfen. Vor allem kann man die Elemente auch in eine Beziehung zueinander stellen und herabgesenkte Anforderungen an einer Stelle durch gesteigerte Anforderungen an anderer Stelle kompensieren. Etwa ist es denkbar, daß eine im konkreten Fall (noch) relativ wenig gesicherte Tatsachenbasis ausgeglichen wird, indem die herangezogenen Erfahrungssätze besondere Anforderungen erfüllen und die Schlußfolgerung plausibel machen. Zudem ist - wie bei der konkreten Gefahr eine dynamische, an die Konstellation und an die Beeinträchtigungsintensität angepaßte Bestimmung möglich. 283 Dabei können grundrechtliche Vorgaben und das Übermaßverbot einfließen. Immerhin erfaßt die allgemeine Erhebungsermächtigung als solche unterschiedlichste polizeiliche Tätigkeiten von ersten Ermittlungen bis hin zu intensiven Nachforschungen über eine bestimmte Person. Die Beeinträchtigungsintensität richtet sich vor allem nach dem konkreten Verwendungszusammenhang und etwa danach, welche Daten welcher Qualität erhoben werden und wie dicht das Bild ist, das über jemanden gewonnen werden soll, also nach inhaltlichen Aspekten, auf die die Polizeigesetze wenig eingehen. Unabhängig davon, ob der Akzent der Prognose auf bestimmte Straftaten, deren Begehung durch bestimmte Personen man befürchtet, oder auf bestimmte Personen gelegt wird, bei denen man die Begehung von Straftaten annimmt, be-

282

Siehe insbes. Kap. 3 Punkt C.II.2. Vgl. auch die Begründung des Entwurfs der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zur Sicherung des Datenschutzes bei der Polizei, Drucks. 13/5422, zum Entwurf des § 9 HbgGDVP (S. 26), dort zur Observation. 283

19 Albers

290

Kap. 3: Die Determinationsmuster

grenzt der Prognosegegenstand den Umfang der Beschaffung von Informationen und Daten. Diese müssen einen Bezug zu den angenommenen Straftaten aufweisen. Der Betroffene darf also nicht „in Situationen überwacht" werden, „die ohne erkennbaren Bezug zu der beabsichtigten Straftat ausschließlich seine Intim- oder Privatsphäre betreffen." 284 Im übrigen muß die Reichweite der Erhebungsermächtigungen zusätzlich durch eine angemessene Gestaltung der Regelungen zur weiteren Informations- und Datenverarbeitung eingefangen werden. Systematisch ist die Frage, wie sich die Voraussetzungen fur die „potentiellen Straftäter" gestalten, von recht großer Bedeutung. Denn die in fast allen Gesetzen zweite zentrale Kategorie der Kontakt- oder Begleitpersonen wird akzessorisch bestimmt. Auch in den Gesetzen, in denen nicht statt dieser Begriffe eine genauere tatbestandliche Beschreibung gewählt wird, wird sie schon vom Normtext her durch die zu jenen Personen bestehende Verbindung geprägt. Liest man die teilweise noch vorhandenen Legaldefinitionen in die Erhebungsermächtigungen hinein, gehört es zu deren Tatbestandsvoraussetzungen, daß die Kontakt- und Begleitpersonen mit den Personen, bei denen die Begehung von Straftaten prognostiziert wird, in einer Weise in Verbindung stehen, die die Erhebung ihrer personenbezogenen Daten zur Straftatenverhütung oder zur vorbeugenden Bekämpfung dieser Straftaten erfordert. Danach ist die auf Kontakt- und Begleitpersonen bezogene Ermächtigung in mehrfacher Hinsicht durch eine Akzessorietät gekennzeichnet: aufgrund der Verbindung, aufgrund der jeweils prognostizierten Straftaten und aufgrund der in diesem Rahmen vorausgesetzten Erforderlichkeit der Datenerhebung. Kennzeichen sowohl der Kontaktpersonen als auch der Begleitpersonen ist somit zunächst eine Verbindung zu den „potentiellen Straftätern". Einigkeit besteht darüber, daß bei dieser Voraussetzung rein zufällige oder flüchtige Kontakte ausscheiden.285 Manchmal wird in polizeigesetzlichen Verwaltungsvorschriften erläutert, daß „z.B. Verkäufer, Bedienungspersonal oder (Taxi-)Fahrer in der Regel keine Begleitpersonen sein" dürften. 286 Mit solchen Ausklammerungen ist jedoch ersichtlich so gut wie nichts gewonnen. Auch der in Abgrenzung gegen zufällige Kontakte gewonnene Hinweis, es seien bei der Kontaktperson nähere persönliche oder geschäftliche Beziehungen, bei der Begleitperson nicht nur kurzfristige Zusammenkünfte notwendig 287 , läßt noch eine enorme 284 285

BbgVerfG, LKV 1999, S. 450 (454), mit Blick auf § 29 Abs. 5 Satz 2 BbgPolG. SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1431); Vahle, Probleme, S. 48; Ber-

nerl Köhler, Polizeiaufgabengesetz, Art. 33 Rn 6. 286

§ 16.

WPolG NW zu § 16, Rn 16.12, abgedruckt in Tegtmeyer,

Polizeigesetz, nach

287 Vgl. die Differenzierung in der WPolG NW zu § 16: „Als Kontaktpersonen können nur die Personen angesehen werden, die enge persönliche, dienstliche oder geschäftliche Beziehungen zu der Zielperson unterhalten. Begleitpersonen sind Personen,

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

291

Reichweite zu, die in dieser Form kaum allein zugrunde gelegt werden kann. Die zentrale Frage ist, ob die Verbindung gerade im Hinblick auf die bei den „potentiellen Straftätern" prognostizierte Straftatenbegehung relevant sein muß oder ob eine nähere Verbindung als solche bereits genügt. Nach einigen polizeigesetzlichen Vorschriften kann man hier als normtextliches Element hinzuziehen, daß die Verbindung so gestaltet sein muß, daß sie die Erhebung von Daten über Kontakt- oder Begleitpersonen zur Verhütung oder zur Vorsorge für die Verfolgung der Straftaten erfordert. Das ist keine Wiederholung des Erforderlichkeitsmerkmals, sondern eine Spezifizierung der Qualität der Verbindung mit Blick auf den Sinn und Zweck der Inanspruchnahme der Kontakt- und Begleitpersonen im Zusammenhang mit der jeweiligen Aufgabe. 288 In einer allgemein geltenden Weise erschließen sich Sinn und Zweck dieser besonders gestalteten Einbeziehung - Kontakt oder Begleitpersonen sind nicht schlicht dritte oder „andere" Personen - im Rückblick auf die Hintergründe der Novellierungen der Polizeigesetze. Danach hat die Polizei gerade in den neuen Aufgabenbereichen unter anderem mit der Aufklärung „krimineller Szenen" oder der Strukturen organisierter Kriminalität zu tun. Diese sind nicht selten durch vielfältige Verflechtungen und Abschottungen der eigentlich zentralen Personen gekennzeichnet.289 Vor diesem Hintergrund bezweckt die Einbeziehung von Kontakt- und Begleitpersonen die „Gewinnung von Hinweisen über die angenommenen Straftaten" 290 durch die Aufklärung des dafür relevanten Umfelds. Darüber hinaus ermöglicht der Rückschluß aus den Rechtsfolgen eine weitere Klärung der Kennzeichen von Kontakt- und Begleitpersonen: Indem etwa besondere Ermittlungsmethoden nach den Tatbeständen der einschlägigen Ermächtigungen in weitgehendem Umfang auch bei solchen Personen angeordnet werden dürfen, ist der Begriff - mindestens wegen des Übermaßverbots - restriktiv zu verstehen. Im Ergebnis muß, wenn auch nicht wie in bewußt engerer polizeigesetzlicher Fassung291 - eine Beteiligung an der prognostizierten Straftatenbegehung 292, so doch eine „ Verwicklung" in den - re-

die - ohne enge persönliche, dienstliche oder geschäftliche Beziehungen zu der Zielperson zu unterhalten - nicht nur kurzfristig mit ihr angetroffen werden." Außerdem Fritsche/Eisvogel, Freiheitlichkeit, S. 207. 288 Grenzen aus diesem Normtext ziehen der SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1431), und Fritsche/Eisvogel, Freiheitlichkeit, S. 207. 289 Oben Kap. 2 Punkt A.II, und IV. 290 SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1431). 291 Siehe Kap. 2 Punkt B.II.l.a.aa. mit Fn 175. Dazu Bäumler, Polizeirecht, S. 640 (Hervorh.i.Orig.): „Die .... Kontakt- und Begleitpersonen wurden in Schleswig-Holstein bewußt ausgeklammert, weil sonst praktisch jedermann stets von polizeilicher Datenerhebung betroffen sein könnte." 292 Darüber hinausgehend restriktiv Alberts! Merten, Gesetz, § 1 Rn 25, da Kontaktund Begleitpersonen als „Nichtstörer" einzuordnen seien, könne eine Erforderlichkeit der Datenerhebung sich dann ergeben, wenn Anhaltspunkte vorlägen, daß die Person

292

Kap. 3: Die Determinationsmuster

gelmäßig komplexen, d.h. aus vielfältigen Handlungszusammenhängen bestehenden - Hintergrund oder in das Umfeld der Straftaten vorliegen. 293 Sofern ,jede Person ..., die zu dem künftigen Straftäter persönliche oder geschäftliche Beziehungen unterhält" 294 als Kontaktperson angesehen wird oder teilweise pauschal die „Freundin eines (potentiellen) Drogendealers" 295, „Ehepartner, Lebensgefährten, Verwandte, Freunde, Geschäftspartner" 296, „Verwandte, Verlobte, Freunde, Bekannte" 297 oder die „gutgläubige Freundin des Terroristen" 298 als Beispiel genannt werden 299 und damit offenbar angedeutet werden soll, daß eine nähere Beziehung als solche genügt, ist dem nicht zu folgen. Erinnert man sich an die gelegentlich ebenso weitreichenden Formulierungen im Rahmen der polizeilichen Konzeptionen 300 , ist auch dagegen eine Abgrenzung nötig. Die genannten Personen können zwar Kontakt- oder Begleitpersonen sein, dies jedoch nur unter der genannten zusätzlichen Voraussetzung einer „Verwicklung" in den Hintergrund oder in das Umfeld der Straftaten. Bessere Beispiele, die dem gezeichneten Bild „organisierter Kriminalität" entsprechen, sind Personen, die in den Handlungskomplex der Straftatenbegehung involviert sind, dies nicht selten auch mit „kleineren" Straftaten, auf die sich aber im Kontext eines konkreten und zugleich weiterreichenden Verhütungs- oder Vorsorgezwecks, der fur die Rolle der Personen maßgeblich ist, nicht das zentrale polizeiliche Interesse richtet. Zu nennen sind etwa die „kleinen Dealer auf der Straße", die die Polizei observieren will, um bestimmte andere Personen als Hintermänner und um die Strukturen des Drogengeschäfts aufzudecken, oder auch die noch nicht strafmündigen „Klaukinder", die von anderen in gezielter Weise für Seriendiebstähle benutzt werden.

gefahrverursachend in den Grundsachverhalt einwirke. Eingrenzend auch Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 573: Erforderlich sei ein „strafrechtsrelevanter Kontakt" zum vermuteten Täter, etwa als Anstifter oder Teilnehmer. 293 In diesem Sinne auch SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1431); BbgVerfG, LKV 1999, S. 450 (457 f.); wohl ebenso, trotz der Verwendung des eingrenzenden Begriffs des „strafrechtsrelevanten Kontakts", Fritsche/Eisvogel, Freiheitlichkeit, S. 207. Vgl. auch Knieseil Vahle, Informationsverarbeitung, Rn 48. 294 WolßStephan, Polizeigesetz, § 20 Rn 25. 295 Vahle, Stand, S. 268; mit nachfolgender Kritik daran, daß die Normen Maßnahmen praktisch gegenüber jedermann erlaubten, siehe S. 270. Mit kritischer Intention auch weitreichend Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 615: Menschen würden nur aufgrund sozialer Kontakte ohne ihr Wissen als reines Auskunftsmittel benutzt. 296 Vahle, Stand, S. 269. 297 Hilger, Strafverfahrensrecht, S. 463 Fn 107. 298 Heckmann, Datenerhebung, S. 172. 299 Vgl. außerdem PrümmlSigrist, Sicherheits- und Ordnungsrecht, Rn 220: „Klassische Zielgruppe dieser speziellen Adressatenregelung ist z.B. das (Sympathisanten)Umfeld der terroristischen Szene." 300 Oben Kap. 2 Punkt A.IV.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

293

Im weiteren folgt aus dem Anlaß für die Einstufung und dem Beobachtungsgegenstand die Reichweite der Inanspruchnahme. Es muß um die „Aufklärung der Verbindung ... ausschließlich mit dem Ziel der Gewinnung von Hinweisen über die angenommenen Straftaten" gehen. „Daher hat sich die Datenerhebung über Kontakt- und Begleitpersonen auf die Informationsgewinnung über Art, Gegenstand, Zweck und Ausmaß eben jener Verbindung im Hinblick auf die angenommenen Straftaten zu beschränken." 301 Damit ist noch nichts zur Lösung des auf der Hand liegenden Problems gesagt, wie die Polizei erkennt, daß es sich bei einer bestimmten Person um eine Kontakt- oder Begleitperson handelt. Legt man diesen Begriff restriktiv aus, ergibt sich die Einstufung schließlich nicht unbedingt aus der ersten beobachteten Situation, sondern möglicherweise erst aufgrund einer gewissen Häufigkeit relevanter Kontakte, deren Feststellung wiederum voraussetzt, daß die Polizei schon Informationen über die entsprechenden Personen festgehalten hat. Die Frage, ob die Einstufung in eine personelle Kategorie ein prognostisches Urteil erlaubt, war im traditionellen Gefahrenabwehrrecht unter dem Aspekt aufgetaucht, ob die Verantwortlichkeit einer Person feststehen muß oder vorläufig festgestellt werden darf. Dem Strafprozeßrecht ist das Problem, daß die Rolle einer Person nicht unbedingt feststeht und im Verlauf der Ermittlungen wechseln kann, eher vertraut, und es gibt dort entsprechend differenzierte Vorgaben. 302 Gerade auch im Bereich der neuen polizeilichen Aufgaben muß man die Problematik berücksichtigen, wie man eine Situation oder die Rolle einer Person erkennt und wie mit Ungewißheit umzugehen ist. An dieser Stelle stehen dafür entsprechend den im Gefahrenabwehrbereich erörterten oder mit Blick auf das Strafprozeßrecht erarbeitbaren Lösungen dogmatisch unterschiedliche Wege offen. Man könnte bei Kontakt- und Begleitpersonen eine nach Maßgabe einer Prognose vorläufige Einstufung mit Rechtsfolgen zulassen, die eben dieser Vorläufigkeit Rechnung tragen. 303 Das Sammeln von Daten und die Gewinnung von Informationen wäre zunächst darauf gerichtet, Aufschluß über die Rolle der jeweiligen Person zu erlangen. Intensive Eingriffe aufgrund von Ermittlungsmethoden, die gegen die Person selbst gerichtet sind, wären in diesem Erkenntnisstadium unzulässig. Will man dem nicht folgen 304 , kommt man nicht umhin an-

301 So SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1431; Hervorh.i.Orig.). Außerdem BbgVerfG, LKV 1999, S. 450 (457 f.). Ähnlich Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 600 (hier zur Observation): „In Betracht kommt nur die Erhebung solcher Daten, die von Relevanz für die Beurteilung des ,Kontakts' und demnach für die Verhütung der betreffenden Straftat sind." Ebenso im Anschluß daran Hoffmann-Riem, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 175; Fritsche!Eisvogel, Freiheitlichkeit, S. 207. 302 Siehe oben Kap. 1 Punkt B.III.2.C. und Punkt C.III.2.C. 303 Siehe dazu auch Tegtmeyer, Polizeigesetz, § 16 Rn 6. 304 Sehr skeptisch wegen der damit verbundenen Erweiterungen Alberts! Merten, Gesetz, § 1 Rn 25.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

zuerkennen, daß es weitere personelle Kategorien geben muß. 305 Modell könnte die auf eine Relevanzprüfling gerichtete Regelung sein, die in §§ 187 Abs. 1, 189 Abs. 4 LVwGSH fur die Personen getroffen worden ist, die im Kraftfahrzeug einer der polizeilichen Beobachtung unterliegenden Person mitfahren. 306 Teilweise mag die Kategorie des „unvermeidbar betroffenen Dritten" passen. Bei eingegrenzter Auslegung verliert das Problem, inwieweit aus verfassungsrechtlicher Perspektive bei der Verbindung zwischen „potentiellen Straftätern" und Kontakt- oder Begleitpersonen besonders geschützte Vertrauensbeziehungen zu berücksichtigen sind, an Bedeutung, ohne daß es, weil die Polizeigesetze eben in aller Regel auch keine Straftatenbeteiligung verlangen, irrelevant wird. Zu denken ist nicht nur an besondere berufliche Beziehungen, sondern auch an besondere Nähebeziehungen, die der Privatsphäre zuzuordnen sind. 307 Ob Vorgaben bereits auf gesetzlicher Ebene vorzusehen sind 308 oder ob die grundrechtskonforme Auslegung und Anwendung allgemein gehaltener Regelungen genügt 309 , ist nicht pauschal zu beantworten. Das verweist darauf zurück, daß auch die Grundrechte hier in neuen Schutzdimensionen gefragt sind. 310 Zu den unterschiedlichen personellen Kategorien ist abschließend noch darauf hinzuweisen, daß die Rolle einer Person nicht starr, sondern gerade in komplexen und verflochtenen Zusammenhängen relativ zu bestimmen ist. Maßgeblich dafür ist immer der jeweils konkret gesetzte Zweck. In einem aufzuklärenden Komplex kann die Polizei mehrere Zwecke verfolgen, und zwar nicht nur etwa Zwecke der Verhütung und der Verfolgungsvorsorge, sondern auch eine Mehrzahl von Verhütungszwecken, die dann verschiedene Straftaten und verschiedene Straftatenprognosen betreffen. Eine Person kann zudem im Verlauf der Ermittlungen von einer Rolle in eine andere wechseln. So mag sie zunächst als „potentieller Straftäter" „Zielperson" sein, im Verlauf der Ermittlungen zu „Hintermännern" fuhren, die neue „Zielpersonen" werden, und dann insoweit als deren Kontaktperson einzuordnen sein.

305 Vgl. den berechtigten Hinweis bei Tegtmeyer, Polizeigesetz, § 16 Rn 6: Es sei sinnlos, eine Observation durchzuführen, wenn es verboten wäre festzustellen, mit wem sich die sogenannte Zielperson treffe. 306 Dazu oben Kap. 2 Punkt B.II.l.b.ee. und 2.a. mit Fn 338. Die meisten Polizeigesetze benutzen - mit Folgen für das Spektrum der nach dem Normtext erfaßten Personen - den Begriff der Begleitperson auch für solche Personen. Vgl. dazu auch Alberts/ Merten, Gesetz, § 13 Rn 5. 307 Vgl. etwa BVerfGE 90, 255 (260 f.). 308 So SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1431 f.); MVVerfG, Urteil vom 18.05.2000, Punkt C.VI.3.a. (Umdruck S. 43). Außerdem Würtenber gerì Schenke, Schutz, S. 550 ff.; Trute, Erosion, S. 417 f. 309 BbgVerfG, LKV 1999, S. 450 (456 f.). 310 Vgl. oben Kap. 3 Punkt B.II.l.b.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente 295 dd) Offene und verdeckte Datenerhebungen Die Polizeigesetze folgen den Grundsätzen, daß Erhebungen personenbezogener Daten oder - übergreifender - polizeiliche Ermittlungen offen durchzuführen sind und daß die Daten beim Betroffenen zu erheben sind. Dies entspricht den verfassungsrechtlichen Maßgaben. Die Ausnahmen sind freilich an Abwägungs- und Subsidiaritätsklauseln geknüpft, die auf den ersten Blick recht weitreichend ausgenutzt werden könnten. 311 Allerdings gibt es auf dieser allgemeinen Ebene auch sehr unterschiedliche Konstellationen. Beispielsweise kann es tatsächlich sein, daß erne verdeckte Datenerhebung den Interessen der Betroffenen eher entgegenkommt, weil eine offene Erhebung nicht nur dem Betroffenen, sondern auch Dritten deutlich machen könnte, daß die Polizei sich für jemanden interessiert. 312 Wegen der hohen Bedeutung offenen Vorgehens der Polizei wären die Regelungen einer näheren Analyse wert. Hier sollen aber nicht sie, sondern die speziellen Regelungen zu den typischerweise verdeckt eingesetzten Methoden behandelt werden. b) Die gesteigerten Anforderungen weiterer Regelungselemente bei den Befugnissen zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden Die besonderen Regelungen über bestimmte Ermittlungsmethoden sehen keineswegs ausschließlich Einengungen im Vergleich zu den allgemeinen Erhebungsermächtigungen vor. So wie die Standardbefugnisse die Generalermächtigungen zunehmend nicht nur eingegrenzt haben 313 , gibt es auch in den novellierten Bereichen zunehmende Tendenzen zur Einräumung erweiternder Befugnisse. Die Erweiterungen sind allerdings nicht eindimensional zu erfassen. Die Ermächtigungen zur Befragung erstrecken sich auf jede Person. Diese Ausdehnung wird aber vor allem durch die Begrenzung der Auskunftspflichten aufgefangen. Hinzu kommen in einer Reihe von Gesetzen Auskunftsverweigerungsrechte, die den strafprozeßrechtlichen Regelungen zur Zeugnisverweigerung entsprechen. Sie sind allerdings nur im Bereich der Verfolgungsvorsorge uneingeschränkt angemessen und daher ein weiteres Beispiel für die notwendige Differenzierung der polizeilichen Aufgaben und der ihnen zugeordneten Befugnis-

311 Kap. 2 Punkt B.II.l.a.aa. In der Literatur wird daher häufig auf das Erfordernis restriktiver Auslegung hingewiesen, siehe etwa Ipsen, Gefahrenabwehrrecht, Rn 415, 417; Pausch/Prillwitz, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 158; PrümmiSigrist, Sicherheitsund Ordnungsrecht, Rn 143. 312 Dazu Heckmann, Datenerhebung, S. 168, mit Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs zum PolG BW. Vgl. auch OVG NW, DVB1 1995, S. 373 (373 ff.); BVerwG, NJW 1998, S. 919 (920). 313 Siehe Kap. 1 Punkt B.III.3.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

se. 314 Ermächtigungen zur Bildübertragung setzen zum Teil nicht mehr als die allgemeine Zugänglichkeit der beobachteten Orte und die Erforderlichkeit zur Aufgabenerfullung, manchmal dann aber auch (zumindest) die Offenheit der Beobachtung voraus. Bildaufzeichnungen erfordern demgegenüber unter anderem engere ortsbezogene Kriterien, wie sie in ähnlicher Weise in den Befugnissen zur Identitätsfeststellung festgehalten sind. 315 Wieder anders gestalten sich die Ermächtigungen zur „,Schleierfahndung": Sie sind in der Regel örtlich nur wenig begrenzt, ermöglichen ein praktisch anlaßloses Vorgehen und sehen ausdrücklich von jeglichen personellen Grenzen ab. 3 1 6 Faktisch bedeutet das freilich nicht unbedingt, daß tatsächlich ,jede" Person solchen Maßnahmen ausgesetzt wäre. In der Praxis fuhrt eine solche Regelung vielmehr dazu, daß polizeiliche Beurteilungsmuster und gegebenenfalls auch Stigmatisierungsmechanismen die Selektivität steuern. 317 Alle genannten Ermächtigungen werfen spezifische Probleme auf und erforderten eine gesonderte Analyse. Deshalb soll ihnen hier nicht näher nachgegangen werden. Einige Befugnisse bauen auf den Grundlinien der allgemeinen Erhebungsbefugnisse auf und sehen weitere Regelungselemente vor, die eingrenzend wirken sollen. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sie meist längerfristig und heimlich eingesetzt werden und insgesamt von verhältnismäßig hoher Eingriffsintensität sind. Deswegen gilt ihnen der Vorhalt, die Polizei werde mit „nachrichtendienstlichen Mitteln" ausgestattet. Zu den zusätzlichen, im weiteren näher untersuchten Regelungsmustern, die auf die Rechtsfolgen und auf die methodenspezifischen Probleme reagieren, gehören die Eingrenzung der Straftaten, im Hinblick auf die die Methode eingesetzt werden darf, besondere An-

314 Dem Ziel, die Schutzmechanismen der Strafprozeßordnung nicht zu unterlaufen, könnte im Bereich der Abwehr von Gefahren oder zumindest der Abwehr erheblicher Gefahren durch Verwertungsverbote Rechnung getragen werden. Vgl. auch BVerfGE 56, 37 (49 f.). Anders mit Hinweis auf die Mißbrauchsgefahr, aber ohne Auseinandersetzung mit den Konsequenzen Müller, Polizeiliche Datenerhebung, S. 105 ff. Die meisten polizeigesetzlichen Regelungen sehen wegen der Konsequenzen eines Auskunftsverweigerungsrechts Ausnahmen im Falle bestimmter Gefahren vor, bei denen dann die Frage des Verwertungsverbots aufgeworfen und vom Gesetz nicht mehr beantwortet wird. 315 Zur Diskussion um die Videoüberwachung Brenneisen/Staack, Videobildübertragung, S. 447 ff.; v. Zezschwitz, Videoüberwachung, S, 560 f.; Garstka, Videoüberwachung, S. 192 f.; Pitschas, Informationsverwaltungsrecht, S. 128 ff. 316 Siehe dazu die Eingrenzungsbemühungen sowohl im Hinblick auf die einbezogenen Straßen als auch im Hinblick auf die Einschreitschwellen in MVVerfG, DVB1 2000, S. 262 (264 ff.). Vgl. auch Möllers, Polizeikontrollen, S. 384 ff. Zur Verfassungswidrigkeit gelangt Bizer, Zweite Novelle, S. 34 ff. 317 Vgl. etwa zur Praxis bei den verdachtsunabhängigen Kontrollen des BGS die Meldung im Spiegel 38/1998, S. 268 f., aus der man schließen darf, daß das ausländische Aussehen ein kontrollauslösendes Kriterium ist.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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forderungen an die Prognose, Subsidiaritätsklauseln, Entscheidungs- oder Beteiligungsvorbehalte, Berichtspflichten und Unterrichtungspflichten 318. Darüber hinaus werden die von diesen Befugnissen betroffenen Personen in nunmehr allen Gesetzen ganz überwiegend eingegrenzt. Das liegt nahe, weil es darum geht, gegen wen sich eine Ermittlungsmethode richten darf, die erstens der Polizei Daten und Informationen liefert, die ihr und außerhalb von Nähebeziehungen auch anderen Personen in dieser Form regelmäßig nicht zugänglich wären, und zweitens weitere methodenspezifische Beeinträchtigungen mit sich bringen kann. An der Forderung nach weitreichender Eingrenzung - „Betroffen sein sollten im wesentlichen allein ,potentielle Störer\ also diejenigen Personen, bei denen zumindest tatsächliche (konkrete) Anhaltspunkte dafür bestehen, daß sie in naher Zukunft bestimmte schwerwiegende Straftaten begehen" 319 orientieren sich die Polizeigesetze allerdings nicht. Kontakt- und Begleitpersonen werden meistens einbezogen. Das war der Grund des systematischen Arguments, diesen Begriff restriktiv auszulegen. Ob die jeweilige Gestaltung der Regelungen in dieser Hinsicht geglückt und verfassungsmäßig ist und ob die hinsichtlich bestimmter Methoden in manchen Gesetzen immer noch fehlenden personellen Eingrenzungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen standhalten 320 , sind Themen für sich. Da die zentralen personellen Kategorien denjenigen entsprechen, die bereits behandelt worden sind, sollen diese Fragen hier ausgeklammert werden. Hervorzuheben ist noch die Figur des „unvermeidbar betroffenen Dritten", die jedoch weniger als personelle Kategorie als hinsichtlich des neuartigen Problems des Umgangs mit „Zufallsfunden" von Interesse ist321 aa) Eingrenzungen des Straftatenkreises Die Befugnisse zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden werden in Abhängigkeit davon, wie die Landesgesetzgebung deren Eingriffstiefe jeweils eingeschätzt hat, enger gefaßt, indem die für die Verhütung und für die Verfolgungsvorsorge in Betracht kommenden Straftaten eingegrenzt werden. Die jeweils genannten Straftaten sind zum einen Komponente des vor oder bei der 318

Zu den Unterrichtungspflichten später Kap. 3 Punkt C.IV.2. Wolter, Informationseingriffe, S. 76 (Hervorh.i.Orig.), mit der Anmerkung, zwischen der herkömmlichen konkreten Gefahrenabwehr und dem konkret umschriebenen Vorfeld der Gefahrenabwehr bestünde dann ein ähnliches Verhältnis wie zwischen strafVerfolgenden Maßnahmen gegenüber Beschuldigten und Verdächtigen. 320 Skeptisch zu den Vorschriften des Art. 33 Abs. 2 BayPAG und des § 34 Abs. 2 ThürPAG Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 593 ff; Möller/Wilhelm, Polizei- und Ordnungsrecht, S. 165. Eingrenzende Auslegung bei Fritsche/Eisvogel, Freiheitlichkeit, S. 210. 321 Dazu noch Kap. 3 Punkt C.III.3.b.bb. 319

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Erhebung festzulegenden Verwendungszwecks, zum anderen als Gegenstand der polizeilichen Prognose Tatbestandsvoraussetzung. Ansatzpunkt ist somit, vergleicht man dies mit der Gefahrenabwehrdogmatik, das Gewicht des befürchteten Schadens. Im „klassischen" Gefahrenabwehrrecht erscheinen Eingrenzungen der Befugnisse unter diesem Gesichtspunkt eher ungewöhnlich, weil hier die (ausschließliche) Anhebung der Anforderungen an die Gefahrenprognose näher liegt. Mit Blick auf den Begriff der „erheblichen Gefahr", die auf das Gewicht des Rechtsguts abstellt 322 , sind sie aber nicht unbekannt. Im herkömmlichen Strafprozeßrecht kennt man solche Eingrenzungen insbesondere aus § 100 a StPO. Dort sind sie gerade auch eine Reaktion auf die Eingriffsintensität einer Ermittlungsmethode. In den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge wird man diese Form der Eingrenzung unter anderem darauf zurückführen können, daß die Möglichkeiten der Anhebung der Anforderungen an die Prognose aus strukturellen Gründen nicht ausreichen. Die Regelungstechniken, die die Gesetzgebungen gewählt haben, sind verschieden. Sie haben aber miteinander gemein, daß sie sämtlich kritisiert werden. Enumerativkataloge zählen, nicht selten mit Hilfe von Verweisungen auf andere Normen, Straftatbestände auf. Vor allem seitens der Polizei werden sie als zu restringierend und als zu starr bemängelt. 323 Je mehr Tatbestände dann deswegen aufgenommen werden, desto lauter werden die Einwände, die Kataloge seien zu unübersichtlich und nicht praktikabel. 324 Verweisungstechniken führten zwar zur relativen Überschaubarkeit der Zahl solcher Kataloge, garantierten aber nicht, daß die für die jeweilige Regelung sinnvolle Auswahl hinsichtlich der Anlaßstraftaten stattfinde. 325 Statt eines Enumerativkatalogs wird häufig der - vereinzelt um die Begehung in Form organisierter Kriminalität ergänzte - Begriff der „Straftaten von erheblicher Bedeutung" eingesetzt. Dieser aus sich heraus unbestimmte Begriff wird zwar immer dahin legaldefiniert, daß Verbrechen oder Vergehen von besonderer Art und Schwere, banden-, gewerbs-, gewohnheits- oder serienmäßig begangene Straftaten oder auch Straftaten umfaßt sind, die auf Grund ihrer Begehungsweise oder ihrer Dauer eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen und geeignet sind, die Rechtssicherheit der Bevölkerung zu beeinträchtigen. Die Definitionen weisen damit aber wiederum deutliche Tendenzen zur Unbestimmtheit, Unüberschaubarkeit und mangelnder Begrenztheit auf. 3 2 6

322

Vgl. dazu oben Kap. 1 Punkt B.III.3. Etwa von Stümper, OrgKG, S. 193. 324 Vgl. Vahle, Probleme, S. 49. 325 Siehe Kühl, Gesetze, S. 741. Vgl. auch Caesar, Gesetz, S. 244. 326 Rachor, Polizeihandeln, R n l l 3 ff.; Reiß, Recht, S. 217; Gusy, Polizeirecht, Rn 187. 323

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Die Probleme und die Kritik beruhen weniger auf den Regelungstechniken als solchen. Sie liegen vielmehr an den Schwierigkeiten einer juristischen Handhabung der „organisierten Kriminalität". Sie verweisen nicht nur darauf, daß die materiellen Straftatbestände, dies etwa auch hinsichtlich des Begriff der „Bande" oder einer „gewerbsmäßigen" Straftatenbegehung, auf diese Kriminalitätsform nicht explizit zugeschnitten sind. Hinter ihnen steckt das viel schwierigere und praktisch kaum gelöste Problem der Erfassung und Beschreibung organisierter Kriminalität überhaupt. 327 Deswegen ist es auch keine bereits überzeugende Lösung, Legaldefinitionen des Begriffs der organisierten Kriminalität aufzunehmen, die lediglich einen allgemeinen Beschreibungsversuch übernehmen 328 , oder eine Anbindung an kriminologisch definierte Voraussetzungen der organisierten Kriminalität vorzuschlagen 329. Es bleiben die Möglichkeiten einer teleologischen und konstellationsnahen Eingrenzung der Reichweite der gesetzlichen Bestimmungen im Rahmen ihrer Anwendung. 330 Solche Eingrenzungen sind unverzichtbar. Sie helfen allerdings über den Kern des Problems, die organisierte Kriminalität zu erfassen, nicht hinweg. Hinzu kommt, daß die Entscheidung damit, obwohl sie nach allen verfassungsrechtlichen Kriterien der Gesetzgebung obliegt, in wesentlichem Umfang auf die Exekutive, also auf die Polizei selbst, verschoben wird. Trotz der weitgehenden Einigkeit darüber, daß die organisierte Kriminalität nicht nur der zentrale Hintergrund der Befugnisse zum Einsatz eingriffsintensiver Methoden ist, sondern auch deren Legitimation hergeben soll 3 3 1 , gibt es somit insoweit kaum juristisch faßbare Kriterien und nur unbefriedigende Lösungen. Über diesen Punkt hinaus wird vorgebracht, Sinn und Wirkungen der Eingrenzungen seien zweifelhaft, weil die Prognose bestimmter Straftaten im Vorfeld einer konkreten Gefahr oder eines Straftatverdachts gar nicht möglich sei. 332 Ob es zutrifft, daß selbst die Restriktion, die mit den jeweiligen Eingrenzungen geschaffen wird, wegen der im Bereich der neuen Aufgaben jeweils zugrundeliegenden Prognosestruktur leerläuft, hängt freilich nicht von den Eingrenzungen der Straftaten ab. Vielmehr kommt es darauf an, welchen Anforderungen die Prognose genügen muß. 327

Vgl. oben Kap. 2 Punkt A.II. Vgl. aber Randl, Aspekte, S. 1071, daß damit immerhin verdeutlicht werden soll, „daß mit diesem Begriff anderes gemeint ist als nur ein modisches Schlagwort für gewerbs- oder bandenmäßig begangene Straftaten". 328

329

So Knieseil Vahle, Informationsverarbeitung, Rn 48.

330

Vgl. BbgVerfG, LKV 1999, S. 450 (454). Vgl. etwa SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1429 f.); Denninger, Polizeirecht,

331

S. 299. 332

Siehe etwa die Redaktionelle Stellungnahme zum „Vorentwurf zur Änderung des Musterentwurfs eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder", Fassung vom 8.2.1985, cilip 1986, S. 21 ff., zu § 8 c (S. 32 ).

300

Kap. 3: Die Determinationsmuster

An dieser Stelle ist noch daraufhinzuweisen, daß sich die Eingrenzungen des Kreises der Straftaten sofort relativieren, wenn sie zwar als Gegenstand der polizeilichen Prognose Tatbestandsvoraussetzung für die Erhebung wären und auch den insoweit festzulegenden Verwendungszweck bestimmten, hinsichtlich dieses Zwecks aber Änderungsmöglichkeiten nach der Erhebung bestünden. Der Blick allein auf die Regelungen der Erhebungsbefugnisse genügt somit nicht. Eingriffsintensität und Folgen der besonderen Ermittlungsmethoden können nicht hinreichend beurteilt werden, ohne daß man einbezieht, wie sich die Zweckänderungsmöglichkeiten gestalten.333 bb) Die Anforderungen an die Prognose einer künftigen Begehung bestimmter Straftaten Eingrenzungen der für das polizeiliche Vorgehen relevanten Straftaten machen als solche um so mehr Sinn, je strenger sich die Voraussetzungen der Prognose, daß sie begangen werden, gestalten. Eine Reihe von Polizeigesetzen sehen vor, daß eine Datenerhebung mit besonderen Mitteln (nur) zulässig ist, wenn tatsächliche Anhaltspunkte oder Tatsachen die Annahme oder die dringende Annahme rechtfertigen, daß eine der aufgelisteten Straftaten oder Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden sollen. Gegenstand der Schlußfolgerung ist danach die künftige Begehung bestimmter Straftaten, die dann entweder zu verhüten oder zu verfolgen sein werden. Für die Aufgabe der Verfolgungsvorsorge wird damit auch an dieser Stelle relevant, daß die Ermächtigungen sich nicht auf Taten beziehen, die zum Zeitpunkt der Prognose bereits begangen worden sind, hinsichtlich derer die Polizei aber noch keinen Verdacht geschöpft hat. Im übrigen handelt es sich, während bei der Prognose, die im Rahmen der Differenzierung der betroffenen Personen anzustellen ist, die Variabilität der - entweder sach- oder personenorientierten Akzentsetzung herausgestellt werden konnte, im nun gegebenen Kontext um eine sach-, also straftatenbezogene Prognose. Ihr Schwerpunkt liegt nicht darauf, daß von einer bestimmten Person weitere Straftaten zu erwarten sind, sondern darauf, daß Erkenntnisse dafür sprechen, daß bestimmte Straftaten zu erwarten sind. Das korrespondiert mit der Eingrenzung der Straftaten. Bei den Grundlagen der Prognose unterscheiden sich die Landesgesetze darin, ob »tatsächliche Anhaltspunkte" oder „Tatsachen" verlangt werden. Ebenso wie bei der für „potentielle Straftäter" zu treffenden Prognose mag auch an dieser Stelle hinter diesen Begriffen noch keine gesicherte Dogmatik stehen. Dennoch ist festzustellen, daß sie teilweise bewußt zur Kennzeichnung weniger weitreichender oder eher restriktiv gemeinter Anforderungen gewählt worden 333

Dazu noch Kap. 3 Punkt C.III.3 b.

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sind. 334 Das wird unter anderem dadurch belegt, daß im Vergleich zu jenen Prognosen nunmehr in keinem Gesetz lediglich „Anhaltspunkte", sondern entweder „tatsächliche Anhaltspunkte" oder - dies in gesteigertem Umfang - „Tatsachen" vorausgesetzt werden. Auch wegen der Bedeutung der Anforderungen an die Tatsachenbasis im Rahmen der Prognose bedarf es einer konsistenten Systematik, die durch eine Dogmatisierung, sachgerechte Interpretationen und mehr gesetzliche Stringenz hergestellt werden muß. Für die Bindungs- und Begrenzungswirkung ist entscheidend, wie eng sich die Verknüpfung einer wie verdichteten Tatsachenbasis mit einer aufgrund bestimmter Erfahrungssätze gewonnenen Schlußfolgerung gestaltet. Es hilft wenig weiter, wenn, ähnlich wie beim Verdacht einer Straftat, Abgrenzungen angeführt werden, die kaum aussagekräftig sind. Das gilt fur die Aussage, die Polizei dürfe nicht „ins Blaue hinein" Daten über Personen sammeln, ebenso wie fur die Feststellung, bloße Vermutungen genügten nicht. Zunächst ist der Gegenstand der Schlußfolgerung aufgrund des Bezuges auf einen Straftatenkatalog oder auf „Straftaten von erheblicher Bedeutung" eingeengt. Der eben erwähnte Einwand, im Vorfeld einer konkreten Gefahr oder eines Straftatverdachts sei die Prognose bestimmter Straftaten noch nicht möglich, macht zwar zu Recht deutlich, daß man nicht mit der herkömmlichen Gefahren· oder Verdachtsprognose und dementsprechend nicht mit deren eingrenzenden Strukturen zu tun hat. 335 Die Möglichkeiten, Prognoserelationen zu gestalten, reduzieren sich aber nicht auf die Alternative zwischen der Prognose, wie sie im Rahmen einer konkreten Gefahr oder des Verdachts einer begange334 Siehe etwa die Begründung des Entwurfs der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zur Sicherung des Datenschutzes bei der Polizei, Drucks. 13/5422, zum Entwurf des § 9 HbgGDVP (S. 26). 335 Das BbgVerfG, L K V 1999, S. 450 (452, 453 f., 458, 462 f.), ordnet die einschlägigen Befugnisse des BbgPolG demgegenüber in die Gefahrenabwehr ein (Ausnahme für die Wohnraumüberwachung: Sondervotum der Richterin Will im Anhang zum Urteilsumdruck; insoweit bislang nicht veröff.). Es setzt sich dabei nicht mit der jeweils normtextlich festgehaltenen, systematischen Abgrenzung gegen den Einsatz der Befugnis zwecks Gefahrenabwehr (einschließlich der StraftatenVerhinderung) einerseits und zwecks Straftatenverhütung oder Verfolgungsvorsorge andererseits auseinander, obwohl bei der von ihm vertretenen Ansicht Überschneidungen entstünden. Es verkennt außerdem, daß die Gefahrenabwehr Anforderungen an die Tatsachenbasis, an den Prognosezeitpunkt und an die Wahrscheinlichkeit stellt, die in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge so gerade nicht vorzuliegen brauchen. Dem steht nicht entgegen, daß auch in diesen Bereichen bestimmte Anforderungen an die Tatsachenbasis und an die Wahrscheinlichkeit gestellt werden (und von Verfassungs wegen gestellt werden müssen), weil diese Anforderungen in einem anderen Kontext stehen und lockerer sind. Vgl. dazu im Text dieses Punktes. Die Figur des Gefahrenverdachts, die das Gericht anfuhrt, greift schon deshalb nicht, weil der Gefahrenverdacht im Gefahrenabwehrsystem an eine konkrete Gefahrensituation rückgebunden ist. Vgl. oben Kap. 1 Punkt B.III.2.a. Zutreffend dazu Trute, Erosion, S. 408.

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Kap. 3 : Die Determinationsmuster

nen Straftat zu treffen ist, und einer durch Beliebigkeit gekennzeichneten Prognose. Deshalb haben die rechtlichen Anforderungen nicht von vornherein bloß symbolischen Charakter. Ist die Folgerung auf Straftaten, die in einem Katalog aufgelistet werden, oder auf „Straftaten von erheblicher Bedeutung" Tatbestandsvoraussetzung, bedeutet das, daß eine Situation vorliegen muß, in der die Polizei eine solche Folgerung ziehen kann. Eine konditionierte oder alternative Begründung - Annahme entweder der einen oder einer anderen der jeweils aufgezählten Straftaten - genügt. In Verbindung mit der Vorverlagerung liegt darin einer der Unterschiede zur Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung. Im übrigen fuhrt der eingegrenzte Gegenstand allerdings dazu, daß eine in bestimmtem Umfang verdichtete Prognosebeziehung gegeben sein muß. So könnte die geforderte Folgerung ohne eine hinreichende Tatsachenbasis und auch ohne eine angemessenen Grad an Wahrscheinlichkeit kaum plausibilisiert werden. Ohnedem wäre eben jede andere Folgerung in gleicher Weise möglich. Danach legt schon der Prognosegegenstand unter anderem nahe, daß Anhaltspunkte als Basis nicht mehr ausreichen (können). Im Falle der Voraussetzung (nur) „tatsächlicher Anhaltspunkte" ist ein Erkenntnisstand erforderlich, der sich auf tatsächliche Umstände stützt. 336 Dabei reicht es aus, wenn mittelbare Folgerungen von diesen tatsächlichen Umständen auf Gegebenheiten vorgenommen werden können, die die Annahme der Straftatenbegehung erst stützen. Wegen der abgeschwächten Anforderungen an die Tatsachengrundlagen haben Erfahrungssätze, hier insbesondere kriminalistische Erfahrungen, einen gesteigerten Einfluß. Festzuhalten bleibt jedoch, daß „Erfahrungen ... fur die zu treffende Schlußfolgerung ... von besonderer Bedeutung sein (können), allerdings nicht die nach dem Gesetz unentbehrlichen tatsächlichen Anhaltspunkte ersetzen." 337 Werden „Tatsachen" als Grundlage der Prognose vorausgesetzt, müssen eine stärker verdichtete oder gesichertere Tatsachenbasis und eine engere Beziehung zwischen ihr und der daraus hergeleiteten Schlußfolgerung bestehen. Dogmatisch sollten die in diesem Sinne unterschiedlichen Voraussetzungen und die Möglichkeiten ihrer textlichen Kennzeichnung nicht nivelliert werden, auch wenn derzeit eine konsistente Systematik in den Polizeigesetzen nur begrenzt ersichtlich ist. 338 Denn die Gesetzgeber haben damit die Möglichkeit, ihre Bewertung etwa der Eingriffstiefe einer bestimmten Methode zu verankern oder den Bindungen des Übermaß Verbots auf ihre Weise Rechnung zu tragen. So könnten sie etwa statt eines eingegrenzten Straftatenkatalogs bei lockeren Prognoseanforderungen einen breiteren Katalog bei angehobenen Prognoseanforderungen wählen. In diesem Rahmen ist auch an

336

Vgl. oben Kap. 3 Punkt C.III.2.a.cc. BVerwG, DVB1 1991, S. 511 (512), dies zu § 2 G 10. Siehe auch BVerfGE 100, 313 (395). 338 Zu kurz in den Abgrenzungen FritscheiEisvogel, Freiheitlichkeit, S. 206 f. 337

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Differenzierungen zwischen Zwecken der Straftatenverhütung und Zwecken der Verfolgungsvorsorge zu denken. 339 Neben den Anforderungen an die Tatsachenbasis werden Prognoserelationen vor allem dadurch geprägt, ob die Möglichkeit des Eintritts des prognostizierten Ereignisses genügt oder ob dieser mehr oder weniger wahrscheinlich sein muß. Dazu wird mit Hinweis auf die für die allgemeinen Erhebungsermächtigungen geltenden Maßstäbe, freilich ohne hinreichende Ausarbeitung, ausgeführt, es genüge, „wenn es nach der ... polizeilichen Erfahrung als möglich erscheint, daß dieser Sachverhalt vorliegen könnte und hierfür bestimmte Indizien sprechen." 340 Für diese Sicht ist offenbar allein der teilweise parallele Normtext, insbesondere der oft gewählte Begriff der „tatsächlichen Anhaltspunkte", ausschlaggebend. Er ist jedoch nicht das einzige Element, sondern umschreibt nur die nötige Tatsachenbasis. Der gesamte Kontext der hier zugrunde liegenden Ermächtigungen weist darauf hin, daß die bloße Möglichkeit der künftigen Straftatenbegehung nicht ausreicht. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich die Vorverlagerung gegenüber der Abwehr konkreter Gefahren oder gegenüber dem Straftatverdacht schon im Gegenstand der Schlußfolgerung widerspiegelt: Die Polizei schließt nicht etwa auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr, sondern auf einen Zustand im Vorfeld einer Gefahr. 341 Wären dann die Anforderungen an die Relation zwischen dem Erkenntnisstand und diesem Schlußfolgerungsgegenstand darauf reduziert, daß es einen tatsächlichen Umstand gibt, der es möglich erscheinen läßt, daß eine der jeweils genannten Straftaten begangen werden soll, wäre die Prognose so gelockert, daß die Begrenzungen des Straftatenkreises, die ein maßgebliches weiteres Element der Ermächtigungen darstellen, weitgehend leerliefen. Deshalb erfordert die Prognose eine Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, daß die Polizei alle als prognoserelevant erkennbaren Umstände in die Beurteilung einzubeziehen und abzuwägen hat. Nur dann kann die Annahme der Straftatenbegehung im Sinne der normtextlichen Voraussetzungen „gerechtfertigt" sein. Mindestens eine solche Form der Prognose verlangt angesichts der Eingriffsintensität der hier in Rede stehenden Eingriffsermächtigungen auch das Übermaßverbot. 342 Anders als bei der Gefahrenabwehr ist der Prognosezeitpunkt dabei allerdings, weil das Ziel nicht auf die Abwehr gerichtet ist, nicht unbedingt so weit wie möglich hin zum prognostizierten Geschehen (hier: das Entstehen einer Gefahrenlage) festgelegt. Er ist jedoch um so mehr dorthin zu verlagern, je höher der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad ist. Dieser Grad, der für die auf der jeweiligen Erkenntnisbasis gebildete Erwar-

339

Vgl. auch BVerfGE 100, 313 (392 f., 395). Meixner, HSOG, § 15 Rn 7 mit Hinweis auf § 13 Rn 9. 341 Siehe dazu auch SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1437). 342 Vgl. auch die näheren Ausfuhrungen dazu, daß das Übermaßverbot auf die Anforderungen an die Prognose Einfluß nehmen kann, oben Kap. 3 Punkt B.II.2.b. 340

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

tung, daß die Prognose sich bestätigt, gegeben sein muß, wird in einigen gesetzlichen Regelungen im Sinne einer hohen Wahrscheinlichkeit vorgegeben, soweit sie voraussetzen, daß die „dringende Annahme", daß Straftaten begangen werden, gerechtfertigt sein muß. 343 Das wird jedoch meistens nicht verlangt. Dann ist die Spannbreite von einer geringen bis zu einer hohen Wahrscheinlichkeit umfaßt. Lassen die gesetzlichen Anforderungen an die Prognose damit noch insgesamt ein relativ breites Spektrum mehr oder weniger dicht gefaßter Prognoserelationen zu 3 4 4 , ist wiederum im methodisch zulässigen Umfang an eine interpretatorische Gestaltung der Anforderungen an die Prognose zu denken. 345 Dabei sind Zwecke der Straftatenverhütung und Zwecke der Verfolgungsvorsorge im Ansatz zu unterscheiden. Die Prognose kann dynamisch entwickelt sowie - unter Berücksichtigung grundrechtlicher Vorgaben und des Übermaßverbots - an die Konstellation und an die Beeinträchtigungsintensität angepaßt werden: „Welchen Grad der Wahrscheinlichkeit die Annahme einer drohenden Straftat, die den Einsatz dieses Mittels rechtfertigt, haben muß, läßt sich nicht generalisieren, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalles beantworten. Wie auch bei anderen Prognoseentscheidungen ... besteht auch hier eine Wechselbeziehung zwischen den der Annahme zugrunde liegenden Tatsachen, der Schwere der drohenden Straftat, der zeitlichen Nähe und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung." 346 Diese Sicht entspricht den Differenzierungen und der Möglichkeit einer Gestaltung der Anforderungen im Hinblick auf die Beziehungen zur Gefahrenabwehr oder - modifiziert - zur Strafverfolgung, die bereits bei der Konkretisierung der Aufgaben herausgearbeitet worden sind. 347 Bei den Erfahrungssätzen, die die Prognosen mitbestimmen, spielen kriminalistische Erfahrungen in weitergehendem Umfang als bei der Gefahrenabwehr eine Rolle. Auch kann die Situationsbezogenheit der Beurteilungen, wie sie die konkrete Gefahr oder auch den Gefahrenverdacht kennzeichnet, ergänzt werden, indem übergreifende Perspektiven und Lage- oder Milieubeurteilungen einfließen dürfen. Im Vergleich zu den allgemeinen Ermächtigungen zu Da-

343

Siehe Kap. 2 Punkt B.II.l.b.dd. mit Fn 255. Die zusätzliche, auf den Normtext der gerechtfertigten „Annahme" gestützte These, es bestehe ein nur begrenzt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Polizei - so Waechter, Probleme, S. 153 - geht angesichts der Eingriffsintensität der Ermächtigungen sehr weit und wird weder durch den Normtext noch durch die Prognosestruktur vorgegeben. Vgl. auch BVerwG, DVB1 1991, S. 511 (512). 345 Vgl. oben Kap. 3 Punkt C.III.2.a.cc. 346 Dies zur längerfristigen Observation in der Begründung des Entwurfs der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zur Sicherung des Datenschutzes bei der Polizei, Drucks. 13/5422, zum Entwurf des § 9 HbgGDVP (S. 26). 347 Kap. 3 Punkt C.II.2. a.und b. 344

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tenerhebungen zu Zwecken der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge müssen die situativen Bezüge wegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungen zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden allerdings enger sein. Die Prognosen sind nicht auch personen-, sondern allein sachbezogen. Sie bleiben zudem im Kern „einzelfairbezogen. Das kann kaum anders sein, denn im hier interessierenden Rahmen geht es um Ermittlungseingriffe, die sich regelmäßig in besonderer Weise gegen bestimmte Personen richten. cc) Die Bindung der Maßnahmen an Subsidiaritätsklauseln Ein weiteres Element, das die Regelungen des Einsatzes besonderer Ermittlungsmethoden kennzeichnet, sind Subsidiaritätsklauseln. Sie sind im Strafprozeßrecht aus § 100 a StPO bekannt und werden mittlerweile, wie die Untersuchung der Novellierungen gezeigt hat, auch dort zunehmend verwendet. In den Polizeigesetzen werden sie aufwendig normiert, und man verspricht sich von ihnen eine rechtliche Begrenzung, die der Intensität der Beeinträchtigungen, die der Einsatz der jeweiligen Methode mit sich bringt, in entsprechend abgestufter Weise Rechnung trägt. In ihren unterschiedlichen Fassungen setzen die Subsidiaritätsklauseln voraus, daß die Datenerhebung ohne Gefährdung der Aufgabenerfullung auf andere Weise nicht möglich ist, daß andere Maßnahmen erheblich weniger Erfolg versprechen oder daß die vorbeugende Bekämpfung der Straftat auf andere Weise aussichtslos erscheint. Mit anderem Akzent geben sie vor, daß die Erfüllung der Aufgaben auf andere Weise gefährdet, erheblich erschwert oder zeitlich verzögert würde. Die Regelungen überantworten die Entscheidungen über den Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden somit nicht einem polizeilichen Ermessen, wie es bei der Auswahl von Maßnahmen nach der gefahrenabwehrrechtlichen Generalermächtigung gilt. Vor dem Hintergrund der ohnehin bestehenden Bindungen durch das Übermaßverbot ist aber genauer zu betrachten, welche weiterreichenden Anforderungen die Subsidiaritätsklauseln wirklich hergeben. Dogmatisch ist eine Subsidiaritätsklausel eine Norm, die ein Subsidiaritätsverhältnis ausdrücklich vorsieht. 348 Die Zulässigkeit einer Ermittlungsmaßnahme wird in der Weise in ein Verhältnis zu anderen, dem gleichen Zweck dienenden Ermittlungsmaßnahmen gesetzt, daß sie unter bestimmten Voraussetzungen, den Subsidiaritätsbedingungen, nur nachrangig zulässig ist. Der Bezugspunkt der Subsidiarität ist der gemeinsame Zweck, zu dessen Erreichung die jeweiligen Maßnahmen in Betracht kommen. Von diesen konkurrierenden Maßnahmen muß notwendigerweise die jeweils subsidiäre Maßnahme bestimmbar sein. Vorrangige Maßnahmen können dagegen allgemein - etwa mit 348

Zum folgenden gründlich Rieß, Subsidiaritätsverhältnisse, S. 368 f.

20 Albers

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der Formulierung „auf andere Weise" - beschrieben werden. 349 Subsidiaritätsbedingungen sind die Umstände, bei deren Vorliegen die subsidiäre Maßnahme zulässig ist. Sie können aus mehreren Elementen bestehen, die miteinander verbunden oder voneinander unabhängig sind, und mehr oder weniger präzise beschrieben werden. Diese Aufschlüsselungen der Komponenten eines Subsidiaritätsverhältnisses weist bereits darauf hin, wie komplex es gestaltet sein kann. Das kann noch dadurch gesteigert werden, daß Normen im Verhältnis zu anderen Maßnahmen auch mehrere Subsidiaritätsverhältnisse aufweisen können. Hinzu kommt, daß verfassungsrechtliche Aussagen ein Subsidiaritätsverhältnis vorgeben und damit die einfachgesetzlichen Normen ergänzen oder überlagern können. Zu denken ist vor allem an den Erforderlichkeitsgrundsatz im Rahmen des Übermaßverbots. 350 Sofern die polizeigesetzlichen Bestimmungen voraussetzen, daß die Datenerhebung ohne Gefährdung der Aufgabenerfüllung auf andere Weise nicht möglich ist, daß andere Maßnahmen erheblich weniger Erfolg versprechen oder daß die vorbeugende Bekämpfung der Straftat auf andere Weise aussichtslos erscheint, besteht der für die Subsidiaritätsbedingungen leitende Gesichtspunkt in dem prognostizierten Erfolg. Dabei bedarf es der Auslegung, ob allein für die Erfolgsprognose besondere Anforderungen greifen, ob der Erfolgsgrad variabel ist oder ob beide Komponenten in die Subsidiaritätsbedingungen einbezogen sind. Die einfachste Form, daß die Maßnahme ohne Gefährdung der Aufgabenerfullung auf andere Weise nicht möglich ist, gibt nur dann mehr her als der Erforderlichkeitsgrundsatz 351, wenn der Erfolgsgrad anderer Maßnahmen wegen des Begriffs der „Gefährdung" hinter dem der subsidiären Maßnahme zurückbleiben kann. Als „erheblich weniger erfolgversprechend" kann man die Aufklärung auf andere Weise dann ansehen, wenn bei Unterlassen der subsidiären Maßnahme ein deutliches Aufklärungsdefizit prognostiziert werden kann. Eine Aussichtslosigkeit, die systematisch als eine graduelle Steigerung ausgewiesen ist, wird entweder dann gegeben sein, wenn bei einer Gesamtwürdigung der Situation andere Ermittlungsmaßnahmen gänzlich fehlen oder wenn ihr Einsatz offenkundig keinen mit der subsidiären Maßnahme vergleichbaren Erfolg erwarten läßt. 352

349

Zur Möglichkeit einer gegenseitigen „Blockade" Rieß, Subsidiaritätsverhältnisse,

S. 386. 350

Dazu, daß die Herstellung einer Rangfolge einzusetzender Ermittlungsmaßnahmen um so schwieriger wird, je mehr Bestimmungen mit Subsidiaritätsklauseln verknüpft sind, siehe Rieß, Subsidiaritätsverhältnisse, S. 386 f f ; Zaczyk, Prozeßsubjekte, S. 493; Welp, Kriminalpolitik, S. 164 f. 351 Keinen Unterschied sehen Rieß, Gesetze, S. 496, und Riepl, Selbstbestimmung, S. 196 f. 352 Vgl. Mandelartz!Sauer!Strube, Polizeigesetz, § 28 Rn 10.

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Die Subsidiaritätsklauseln, nach denen die Erfüllung der Aufgaben auf andere Weise erheblich erschwert oder zeitlich verzögert werden muß, setzen bei einer maßnahmeorientierten Beurteilung an. Die Erforderlichkeitskomponente des Übermaßverbots stellt keine entsprechenden Anforderungen, weil sie bei einem Vergleich der in Betracht kommenden Mittel eine gleiche Eignung voraussetzt. Mit der wesentlichen Erschwernis der Aufklärung ist eine Relation zu dem anderenfalls erforderlichen Ermittlungsaufwand gemeint. Der Begriff der zeitlichen Verzögerung muß auf die Erfüllung der Aufgabe bezogen werden, darf also kein rein zeitorientiertes Kriterium, das in der Form immer zu finden wäre, sein. Wegen der zeitlichen Verzögerung muß die Aufgabenerfullung im Ergebnis beeinträchtigt sein. Danach legen die Subsidiaritätsklauseln durchaus begrenzende Anforderungen fest, die mehr hergeben als die Erforderlichkeitskomponente des Übermaßverbots. Diese Wirkung wird allerdings durch zwei Aspekte relativiert. Erstens ist die Subsidiaritätsbedingung in der Regel auch dann erfüllt, wenn der zusätzliche Einsatz der subsidiären Maßnahme den Aufklärungserfolg wesentlich erhöhen oder den Ermittlungsaufwand erheblich reduzieren würde. Zu vergleichen sind nicht die Wirkungen der subsidiären Maßnahme mit den Wirkungen allein anderer Maßnahmen, sondern die Wirkungen im Falle ihres Einsatzes mit den Wirkungen, die ohne die subsidiäre Maßnahme zu erwarten sind. 353 Je umfassender ermittelt wird, desto gesicherter ist aber das Wissen, selbst wenn sich bereits gebildete Erkenntnisse nur bestätigen. Der Aufklärungserfolg stellt, zumal im Rahmen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge, kein „handfestes" Ziel dar. In diesen Aufgabenbereichen fehlen die begrenzenden Wirkungen der Situationsbezogenheit von Abwehrmaßnahmen im Falle einer konkreten Gefahr und der Tatbezogenheit der Ermittlungsmaßnahmen im Falle eines Straftatverdachts. 354 Eben deswegen kommt zweitens hinzu, daß es möglich bleibt, das Ziel, das erreicht werden soll, so festzulegen, daß die Subsidiaritätsbedingungen erfüllt sind und die erwünschte Methode eingesetzt werden darf. Zumindest führen Subsidiaritätsklauseln zu Begründungszwängen. Das wird zum Teil durch die in Entscheidungsvorbehalten gesondert institutionalisierten Kontrollen verstärkt und kann in einer nachträglichen gerichtlichen Kontrolle Bedeutung gewinnen. Wie wirksam dies ist, hängt allerdings entscheidend davon ab, inwieweit man den Normen Beurteilungs- und Konkretisierungsspielräume im Sinne von Letztentscheidungskompetenzen der Polizei entnimmt. Solche Spielräume werden teilweise zuerkannt. Meist stützt man sich dabei auf

353

So zutreffend Rieß, Subsidiaritätsverhältnisse, S. 384. Zur Situationsbezogenheit von Gefahrenabwehrmaßnahmen siehe Kap. 1 Punkt B.III.2.a. und b.; zur Tatbezogenheit strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen siehe Kap. 1 Punkt C.III.2.a. 354

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subjektivierende Formulierungen des jeweiligen Normtextes. Der Bundesgerichtshof beruft sich darauf, daß „sich das gesetzliche System der Subsidiaritätsklauseln als derart fein abgestimmt dar(stellt), daß die Übergänge notwendigerweise fließend und eindeutige - von den subjektiven Einschätzungen und Wertungen des zur Entscheidung Berufenen unabhängige - Grenzziehungen nicht möglich sind." 355 Die Auslegung ist allerdings noch nicht gesichert. Vor dem Hintergrund, daß Subsidiaritätsklauseln gerade nach den gesetzgeberischen Intentionen einen wesentlichen Anteil an der rechtsstaatlichen und freiheitsrechtlichen Eingrenzung besonders intensiv eingreifender Ermittlungsmethoden haben sollen, kann sie nicht überzeugen. Abschließend sei darauf hingewiesen, daß Subsidiaritätsklausen zwar die Erforderlichkeitskomponente des Übermaßverbots gesetzlich umsetzen und verschärfen, indem sie die Mittel, die einen Zweck erreichen können, in ein bestimmtes Verhältnis zueinander setzen und vergleichen. Das Übermaßverbot ist damit aber nicht erschöpft. Bei Grundrechtseingriffen bleibt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu prüfen: Eine Maßnahme kann, selbst wenn die Aufklärung auf andere Weise aussichtslos erscheint, aufgrund der notwendigen Abwägung unverhältnismäßig und demnach (grund)rechtswidrig sein. Im Ergebnis sind Subsidiaritätsklauseln ein nicht zu vernachlässigendes Regelungselement. Sie geben aber weniger her, als es der Regelungsaufwand und die gewählten Formulierungen auf den ersten Blick versprechen. Jedenfalls machen sie weitere Tatbestandsvoraussetzungen nicht überflüssig. Sie setzen im Gegenteil voraus, daß auch andere Komponenten der Befugnisse - wie Zweckbestimmungen, sonstige sachliche Tatbestandsvoraussetzungen oder betroffene Personen - angemessen geregelt und spezifiziert werden. Anderenfalls beließen die Ermächtigungen so viel Variabilität, daß die Subsidiaritätsklauseln im Wege einer flexiblen Bestimmung ihres Kontexts ausgefüllt werden könnten und so weitgehend leerliefen. dd) Die Sicherungen durch Entscheidungs- oder Beteiligungsvorbehalte und durch Berichtspflichten Zu den Regelungselementen, die Bestandteil der Befugnisse zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden sind, gehören außerdem zum einen Entscheidungs- oder Beteiligungsvorbehalte. Es handelt sich vor allem um Behördenleitervorbehalte, die allerdings oft durch Delegationsmöglichkeiten relativiert werden. Teilweise ist die Entscheidung über den Einsatz der Methode dem Richter vorbehalten. Gelegentlich gibt es auch den Vorbehalt der Zustimmung durch die Staatsanwaltschaft oder durch den zuständigen Minister. Manchmal 355

Dies zum Strafprozeßrecht: BGH, StV 1995, S. 226 (228).

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ist die Staatsanwaltschaft (nur) zu unterrichten. Je nach Landesgesetz treten Pflichten zur Unterrichtung des Datenschutzbeauftragten, des Parlaments oder parlamentarischer Gremien hinzu. Die Formenvielfalt verweist schon darauf, daß mehrere Funktionen eine Rolle spielen. Die einzelnen Elemente können sich in bezug darauf überschneiden oder ergänzen. Zunächst sollen die verbleibenden normativen Spielräume der einschlägigen polizeigesetzlichen Vorschriften mit Blick auf die Eingriffsintensität der jeweils zugelassenen Maßnahmen durch eine Höherzonung der Entscheidung oder weitergehend durch eine Verstärkung der „politischen" Verantwortung kompensiert werden. 356 Entscheidungsspielräume gibt es zum Beispiel, wie sich gerade gezeigt hat, bei der Prognose der Straftatenbegehung oder im Rahmen der Subsidiaritätsklauseln. Überlegungen zur Kompensation normativer Spielräume durch die Gestaltung der Entscheidungsverfahren sind aus anderen Rechtsgebieten mit Vorsorgemustern bekannt. Es kommen jedoch weitere Erwägungen hinzu. Sie reagieren auf die spezifischen Probleme und Regelungsmuster des Polizeirechts. Erstens muß die Heimlichkeit der Maßnahmen durch die Repräsentation der rechtlich geschützten Interessen der Betroffenen im Verwaltungsverfahren kompensiert werden. 357 Das ist, auch wenn insbesondere Richtervorbehalte aufgrund der Erfahrungen in der Praxis mittlerweile einer gewissen Skepsis begegnen 358 , unverzichtbar. Es setzt voraus, daß die Entscheidungskompetenz einer Stelle überantwortet ist, die eine angemessene Distanz zu den konkreten Ermittlungen hat, darin also nicht unmittelbar involviert ist. 359 Unter diesem Aspekt können Behördenleitervorbehalte unzureichend sein, weil „die Entscheidung im ausschließlichen Verantwortungsbereich der Polizei" verbleibt. 360 Das hängt zum einen von der Eingriffsintensität der jeweils zugelassenen Maßnahmen und dem daraus folgenden Gewicht des Erfordernisses ab, die Interessen des Betroffenen gerade durch einen behördenunabhängigen Dritten zu repräsentieren. Zum anderen kommt es darauf an, inwiefern die nur begrenzten Sicherungen durch einen Behördenleitervorbehalt mittels etwaiger weiterer Schutzmechanismen ausgeglichen werden. Die Gesetzgebungen haben somit Gestaltungsspielräume. Sofern Delegationsmöglichkeiten eröffnet werden, kann deren 356 Vgl. dazu Neumann, Vorsorge, S. 190 ff. Rechtsvergleichende Hinweise bei Gropp, Ermittlungsmaßnahmen, S. 408 ff., 427 f. 357 SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1433 f.); BbgVerfG, L K V 1999, S. 450 (455); Trute, Erosion, S. 419 ff. 358 Lisken/Mokros, Richter- und Behördenleitervorbehalte, S. 613 f.; Wolter, Richtervorbehalte, S. 940 f.; Gusy, Organisierte Kriminalität, S. 329 f. Sogar rechtliche Bedenken bei Pitschas, Fortentwicklung, S. 13 f. 359 Zum Sinn der Behördenleitervorbehalte auch BbgVerfG, L K V 1999, S. 450 (455, 465). 360 SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1433 f.).

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Reichweite und Unbestimmtheit mit den zu stellenden, auch verfassungsrechtlich abgestützten Anforderungen unvereinbar sein. 361 Daran scheitert jedoch nicht jede Delegationsmöglichkeit. Die Funktion, die dem Behördenleitervorbehalt zukommen soll, kann auch erfüllt werden, wenn die Entscheidungskompetenz auf eine Person mit vergleichbarer Distanz zu den konkreten Ermittlungen übertragen und das Delegationsverhältnis im Hinblick auf Unterrichtungen und Kontrollen angemessen ausgestaltet wird. 3 6 2 Zweitens müssen, soweit es um Verfolgungsvorsorge geht und diese in den Polizeigesetzen geregelt werden darf, die Nahtstellen zur Strafverfolgung bedacht werden. Zum einen kann die Frage der Gesetzgebungskompetenzen nur durch verfassungsgerechte Koordinationen gelöst werden. Zum anderen müssen die Polizeigesetze, da sie nicht von den verfassungsrechtlichen Vorgaben freigestellt sind, die hinter den Regelungs- und Schutzmechanismen des StrafVerfahrensrechts stehen, in dem ihnen belassenen Bereich funktionale Äquivalente aufnehmen. 363 Inhaltliche Beispiele sind Aussageverweigerungsrechte, die den strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechten entsprechen, oder Regelungen zum Schutz von Berufsgeheimnissen. 364 Erforderlich sind aber auch verfahrensrechtliche Schutzmechanismen. Insofern liegt der Gedanke an eine in adäquaten Formen institutionalisierte Einbeziehung der Staatsanwaltschaft bei bestimmten Entscheidungen nahe. 365 Bei Berücksichtigung der Rolle, die der Staatsanwaltschaft im justizförmig ausgestalteten Strafverfahren zugewiesen ist 3 6 6 , überschneidet sich dies mit dem Aspekt der Repräsentation der rechtlich geschützten Interessen der Betroffenen, fallt aber keineswegs mit ihm zusammen. Formen der Kooperation zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft sind bislang allerdings selten geregelt. Das liegt daran, daß man die Verfolgungsvorsorge der Gefahrenabwehr unterzuordnen bemüht ist. Praktisch stehen dahinter aber auch die „handfesten Interessen" an einer eigenständigen Stellung der Polizei. 367 Angesichts der funktionalen Verbindungen zwischen Verfolgungsvorsorge und Strafverfolgung müssen Kooperationsformen jedoch weiterentwickelt werden. Sie können mit Blick auf das jeweilige Regelungsproblem vielfältig gestaltet werden: Denkbar sind zum Beispiel Leitungskompetenzen, Entscheidungs- und Beteiligungsvorbehalte oder auch eine bloße Unterrichtung der Staatsanwaltschaft. Kooperationserfordernisse betreffen im übrigen nicht nur

361

BbgVerfG, L K V 1999, S. 450 (465). BbgVerfG, L K V 1999, S. 450 (465). 363 Vgl. oben Kap. 3 Punkt C.II.3. 364 Siehe Kap. 2 Punkt B.II.l.b.aa. mit Fn 205 und dd. mit Fn 270 f. 365 Vgl. dazu auch BGH, NJW 2000, S. 1123 (1127), hinsichtlich der Beteiligung der Staatsanwaltschaft bei der Entscheidung über einen sog. Lockspitzeleinsatz. 366 Vgl. dazu Kap. 1 Punkt C.I., unter II. und II.3. 367 Vgl. Kap. 3 A.I. mit Fn 23. 362

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den Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden. Sie bestehen auch übergreifend in bezug auf Informations- und Datenverarbeitungen im Bereich der Verfolgungsvorsorge, hinsichtlich derer die Frage der Einbeziehung oder Teilhabe der Staatsanwaltschaft teilweise seit langem diskutiert wird. Drittens legen die Vorverlagerung polizeilicher Maßnahmen, die mit der Heimlichkeit verstärkte Eingriffsintensität sowie die Reichweite des erfaßten Personenkreises auf der einen Seite und die zugleich auf Gesetzgebungsebene gegebenen (Prognose)Unsicherheiten über Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen auf der anderen Seite eine besondere Rückkoppelung der Vollzugserfahrungen an die Gesetzgebung nahe. 368 Berichtspflichten, die eine angemessene Evaluation voraussetzen und einschließen, sind im Bereich der Wohnraumüberwachung wegen Art. 13 Abs. 6 GG zwingend. Darüber hinaus sind sie jedoch nur selten vorgesehen. 369 Auch wenn man die Schwierigkeiten einer angemessenen Evaluation, insbesondere die Komplexität der empirischen Untersuchungen und der nötigen Bewertungen, nicht unterschätzen darf, ist das Erfordernis einer Rückkoppelung aber ausbaufähig. Unter bestimmten Voraussetzungen mag es, ohne daß dabei die Formen der Institutionalisierung in jeder Hinsicht festgelegt wären, verfassungsrechtlich herleitbar sein. 370 Das hängt davon ab, wie tief die Eingriffsintensität und wie weit die Prognoseunsicherheit reicht. Den Anknüpfungspunkt bieten die verfassungsrechtlich gesicherten, jedoch praktisch nicht institutionalisierten und daher auch kaum realisierten Nachbesserungspflichten der Gesetzgebung.371 Daß Art. 13 Abs. 6 GG eine ausdrückliche Regelung enthält, steht einer weiterreichenden verfassungsrechtlichen Verankerung nicht entgegen. Die Norm konkretisiert nämlich ihrerseits Anforderungen, die aus der Einschränkung des Art. 13 Abs. 1 GG resultieren. Soweit eine institutionalisierte Rückkoppelung der Vollzugserfahrungen nicht verfassungsrechtlich geboten ist, kann sie jedenfalls rechtspolitisch sinnvoll sein. Schließlich dienen Untersuchungen, ob ein Instrumentarium

368

SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1431 f.). Siehe Kap. 2 Punkt B.II.l.b.dd. mit Fn 295. Vgl. auch zur Evaluation der immerhin ersten Ermächtigung zur Telefonüberwachung zwecks Straftatenverhütung nach §§ 39 ff. A WG die Ausfuhrungen im Entwurf der Bundesregierung eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Außenwirschaftsgesetzes, BT 13/4774, S. 6; und im Entwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Außenwirschaftsgesetzes, BTDrucks 14/1415, S. 4 ff. Die Regelungen sind jeweils befristet worden, damit mit ihnen Erfahrungen gesammelt werden können. Zu der bei der „Schleierfahndung" vorgesehenen Evaluation durch den BGS siehe Walter, Polizeikontrollen, S. 295. 370 Zur verfassungsrechtlichen Herleitbarkeit siehe einerseits SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1434; vgl. auch die Ausfuhrungen unter dem Aspekt des Einsatzes „nachrichtendienstlicher Mittel" S. 1435 f.); andererseits BbgVerfG, L K V 1999, S. 450 (456). Siehe außerdem Bizer, Zweite Novelle, S. 30 ff.; Trute, Erosion S. 415 f. 371 BVerfGE 88, 203 (309 ff.); 95, 267 (314 f.); 97, 271 (292 f.). Vgl. auch SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1434). 369

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

sich in seiner konkreten Ausgestaltung bewährt und welche Aspekte zugunsten eines zielgerechten Vollzuges verbessert werden könnten, auch der polizeilichen Effektivität. 372 Das Spektrum der Maßnahmen, die von besonderen gesetzlichen Befugnissen erfaßt werden, und der Kreis der Maßnahmen, hinsichtlich derer eine Berichtspflicht sinnvoll erscheint, decken sich allerdings nicht. Im übrigen darf sich eine Rückkoppelung der Vollzugserfahrungen an die Gesetzgebung nicht allein auf die Datenerhebung unter Einsatz besonderer Methoden beziehen. Sie muß sich auch auf die weiteren Verarbeitungsschritte erstrecken. Denn die Erhebung mittels der Methode ist Element eines übergreifenden Verarbeitungszusammenhanges und -prozesses, dessen weitere Schritte ihrerseits eine Gestaltung und Schutzmechanismen erfordern, über deren Eignung und Angemessenheit sich die Gesetzgebung gleichermaßen vergewissern muß. 3. Die Determination durch die Regelungsmuster der Befugnisse zur Informations- und Datenverarbeitung Die bisherige Untersuchung hat hinsichtlich der Erhebungsermächtigungen gezeigt, daß sie eine hinreichende gesetzliche Ausgestaltung und gegebenenfalls zusätzlich eine eingrenzende Auslegung erfordern. Darüber hinaus ist deutlich geworden, daß sie nicht ohne Blick auf die weiteren Regelungen des Umgangs mit Informationen und Daten abschließend beurteilt werden können. Ihre Reichweite und auch ihre Bestimmtheit können in prozeßbezogener Sicht durch die Gestaltung dieser weiteren Regelungen beeinflußt werden. 373 Die polizeiliche Informations- und Datenverarbeitung ist freilich keineswegs allein die Fortsetzung von ErhebungsVorgängen. Diese werden ergänzt durch unaufgefordert erlangte Informationen Dritter, durch Informationen und Daten, die durch Zweckänderungen verfugbar gemacht worden sind, und durch Informationen und Daten, die die Polizei aufgrund von Übermittlungen erhalten hat. So wie die Regelungen über die Erhebung und über die Ermittlungsmethoden Elemente eines übergreifenden Prozesses darstellen, sind die Regelungen der weiteren Informations- und Datenverarbeitung einerseits in den übergreifenden Prozeß einzubinden und haben andererseits eine eigenständige Funktion. Es kommt dabei unter anderem darauf an, in den Abläufen die Verklammerung mit den polizeilichen Aufgaben sicherzustellen und Korrektur- und Kontrollmechanismen einzubauen.374 Überlegungen dazu, ob dies den Polizeigesetzen hin372

Walter, Polizeikontrollen, S. 295. Siehe auch Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 279. 374 Vgl. auch Bäumler, Prüfung, S. 766, zur Entscheidung des SächsVerfGH: „Stets ist das Gericht bemüht, die Belange der von polizeilicher Datenverarbeitung Betroffenen wenigstens in einem späteren Verfahrensstadium wirksam zum Tragen kommen zu las373

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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reichend gelingt, führen zu zahlreichen unterschiedlichen Punkten. Die folgenden Erörterungen konzentrieren sich auf einige Ausfuhrungen zu den grundlegenden Regelungselementen, die die polizeiliche Informations- und Datenverarbeitung determinieren, auf die Möglichkeiten der Zweckänderung und auf die Frage der Rechtswidrigkeitsfolgen in den Verarbeitungsprozessen. Vorab kann festgestellt werden, daß die Determination der weiteren Verarbeitungsvorgänge besondere Anforderungen stellt und besondere Schwierigkeiten aufwirft. Das liegt daran, daß man nun nicht mehr mit dem „Kontaktpunkt" der Erhebung, sondern mit den ehemals staatsinternen Entscheidungsverläufen zu tun hat. Sie müssen beschrieben und aufgeschlüsselt werden, damit man überhaupt angemessene Regelungsansätze und die Regelungsprobleme erkennt. Gerade in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge ist diese Aufschlüsselung jedoch alles andere als einfach. Zugleich werden diese Aufgaben allerdings insbesondere auch über die Speicherung und Zusammenstellung, Bewertung und Veränderung von Daten und über die Gewinnung immer neuer Informationen realisiert. Vor diesem Hintergrund kommt den jeweiligen Schritten sowohl aus der Perspektive polizeilicher Aufgabenerfullung als auch aus der Perspektive des Schutzes betroffener Personen eine wesentliche Bedeutung zu. Soweit es nicht um „wesentliche" Fragen geht und soweit der rechtlich gebotene Schutz betroffener Personen sichergestellt ist, liegt hier zugleich das Feld exekutiver, also polizeilicher Kompetenzen zur eigenverantwortlichen Gestaltung der Aufgabenerfullung. a) Rückbindungen und Fortfuhrungen der polizeilichen Tätigkeit Alle Polizeigesetze sehen fur die Speicherung, Veränderung und sonstige Nutzung personenbezogener Daten Generalermächtigungen vor. Bestimmte Gesichtspunkte oder bestimmte Konstellationen werden nachfolgend freilich konkreter geregelt. Diese Regelungstechnik ist mit Blick auf den Regelungsbereich kaum anders möglich. Sie ist auch unproblematisch, wenn die Gesichtspunkte und Konstellationen, die Regelungsprobleme aufwerfen, angemessen in konkreteren Bestimmungen geregelt werden. Nach den Generalermächtigungen ist die weitere Informations- und Datenverarbeitung in Akten oder Dateien zulässig, soweit und solange dies zur Erfüllung der polizeilichen Aufgaben oder - in anderer Formulierung - zur Erfüllung der jeweiligen polizeilichen Aufgabe oder hiermit im Zusammenhang stehender Aufgaben erforderlich ist. Wegen des Rückgriffs auf die Aufgabenerfüllung

sen. ... In der intensiven Suche nach Möglichkeiten zur Wahrung der Grundrechte der Betroffenen in jedem denkbaren Verfahrensstadium liegt der besondere Gehalt des Urteils."

314

Kap. 3: Die Determinationsmuster

mag man auf den ersten Blick den Eindruck einer - so lauten die kritischen Einwände - weitreichenden, unbestimmten und tatbestandlich praktisch nicht begrenzten Befugnis haben. Ihr Regelungsgehalt wird aber zunächst durch die Regelungselemente der Zweckfestlegung und Zweckbindung mitbestimmt. Die Festlegung der Verwendungszwecke ist dabei im Ansatz an der fallbezogenen Erfüllung einer Aufgabe zu orientieren, und die Zweckbindung bindet die einzelnen Phasen der Verarbeitungsprozesse an diesen Zweck. 375 Trotz der Folgen, die die Charakteristika der Aufgaben der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge fur die Zweckfestlegung mit sich bringen, wirken sich Zweckfestlegung und Zweckbindung einengend aus. Ihretwegen besteht im Ergebnis auch kein Unterschied zwischen den gesetzlichen Formulierungen, die auf die Erfüllung der polizeilichen Aufgaben Bezug nehmen, und den Formulierungen, die die Erfüllung der jeweiligen polizeilichen Aufgabe herausstellen. Jene Fassung bedeutet keineswegs, daß der Polizei pauschal eine undifferenzierte Informations· und Datenverarbeitung einmal erlangter Daten für sämtliche polizeilichen Aufgaben erlaubt wäre. Umgekehrt schließt diese Fassung nicht aus, daß die Polizei Daten bei gegebenen Tatbestandsvoraussetzungen für mehrere Verwendungszwecke erhebt und dann auch zur Erfüllung mehrerer Aufgaben speichert, verändert oder verwendet. Im weiteren werden die Muster von Zweckbestimmung und Zweckbindung dann durch die Möglichkeiten einer Zweckänderung ergänzt und deutlich relativiert. Dieser Punkt soll sogleich noch näher untersucht werden. Als sachliche Tatbestandsvoraussetzung, die im Rahmen der Generalermächtigungen meist allein genannt und nur gelegentlich durch das Erfordernis einer rechtmäßigen Erlangung der Daten ergänzt wird, nimmt wiederum das Merkmal der Erforderlichkeit eine zentrale Position ein. Sein Regelungsgehalt ist bereits erörtert worden. 376 Hinzuweisen ist darauf, daß es an dieser Stelle im Anschluß an eine Erhebung die (erneute) Prüfung ermöglicht, ob die erlangten Daten und Informationen überhaupt für die Aufgabenerfüllung relevant sind. 377 Das ist insbesondere von Bedeutung, wenn und weil die Polizei vor der Erhebung nur prognostizieren kann und noch nicht weiß, welche Daten und Informationen sie überhaupt erhält. Insofern besteht vor der Schwelle zur Speicherung noch ein erhebliches Selektionspotential. Das gilt, obwohl gerade bei der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge die Relevanz von Daten und Informationen im Vergleich zur Gefahrenabwehr weniger eindeutig und breiter angelegt ist. Prinzipiell erlaubt die Voraussetzung der Erforderlichkeit die Korrekturen im Prozeß, die die Gesetzgebung vorsehen und der Polizei vorgeben muß.

375 376

377

Dazu Kap. 3 Punkt C.III.2 a.aa. Kap. 3 Punkt C.III.2.a.bb. Hervorgehoben auch von Alberts! Merten, Gesetz, § 16 Rn 1 und 2.

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In den spezielleren Vorschriften wird gerade das Merkmal der Erforderlichkeit für die Erfüllung der jeweiligen Aufgabe über nähere inhaltliche Tatbestandsvoraussetzungen konkretisiert. Das betrifft etwa die Voraussetzungen, unter denen Daten, die aus strafprozessualen Ermittlungen stammen, aufbewahrt werden dürfen. Anlaß näherer Regelungen und Differenzierungskriterium sind weiter die Formen der Speicherung. 378 Sodann bemühen sich eine Reihe von Gesetzen insbesondere um nähere Bestimmungen und Unterscheidungen hinsichtlich der betroffenen Personen, indem sie, orientiert an den in den Erhebungsermächtigungen angelegten Rollen, die Zwecke eingrenzen, nach Speichermöglichkeiten oder Zugriffsmöglichkeiten differenzieren oder das Erforderlichkeitsmerkmal zur Unerläßlichkeit steigern. Diesen Vorgaben, die ihrerseits auch die allgemeine Erforderlichkeitsvoraussetzung inhaltlich spezifizieren, kommt mindestens ebensoviel Bedeutung zu wie den personellen Differenzierungen im Rahmen der Ermächtigungen zur Datenerhebung oder zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden. Ob die vorgesehenen Regelungen dem Regelungsbedarf und den Schutzerfordernissen hinreichend Rechnung tragen 379 , ließe sich am besten mit einer auf die jeweiligen Aufgabe bezogenen, prozeßübergreifenden und dann zugleich rollenspezifischen Betrachtung beantworten. Hier soll diesem Punkt nicht näher nachgegangen werden. Er erforderte eine gesonderte Untersuchung, die sinnvollerweise die Aufmerksamkeit auf ein jeweils einzelnes Landespolizeigesetz mit seinen aufeinander bezogenen und aneinander anschließenden Regelungen richten müßte. In der Gesetzesanalyse waren zudem die detaillierten Regelungen über Speicherfristen und Prüfungstermine aufgefallen. Auch wenn hier zum Teil eine Entflechtung und eine Delegation auf untergesetzliche Ebenen möglich erscheint, läge man falsch, wenn man diese Vorgaben nach kurzem Blick für ein bürokratisches Detail hielte. In Wirklichkeit reagieren sie auf die bei der Straftatenverhütung und auch bei der Verfolgungsvorsorge gegebene Grundproblematik, hinreichende sachliche, personelle und zeitliche Grenzen zu finden. Gerade auch die Prüfungstermine, an denen die Erforderlichkeit einer weiteren Speicherung von Daten spätestens überprüft werden muß, sollen die Überprüfungen und etwaigen Korrekturen im Informations- und Datenverarbeitungspro-

378 Dazu auch Wellbrock, Regelungsentwurf, S. 157: „Auch wenn die gesetzliche Regelung Datenspeicherungen in Akten und Dateien gleichermaßen erfassen muß, steht doch außer Frage, daß die Datenspeicherung je nach der gewählten Form - etwa Speicherung in einer Akte, in einer manuellen Datei, in einem automatisierten Aktennachweissystem oder in einem umfassenden Freitextsystem - sehr unterschiedliche Gefährdungen für das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Bürger mit sich bringt." 379 Mit kritischen Anmerkungen etwa Riegel, Bürger, S. 329 f.; Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 647 ff.

316

Kap. 3: Die Determinationsmuster

zeß sicherstellen. Die Dauer der Speicherung wird im übrigen nochmals mit personellen Differenzierungen verknüpft. Die in einigen Gesetzen zusätzlich zum Erforderlichkeitsmerkmal aufgenommene Voraussetzung einer rechtmäßigen Erlangung der Daten zeichnet sich in besonderer Weise dadurch aus, daß sie eine Rückbindung an den vorangegangenen (Erhebungs)Vorgang enthält. Über ihre ausdrückliche Erwähnung hinaus verweist sie auf eine Frage, die allgemein aufgeworfen wird: Muß zwischen der Erhebung und der weiteren Informations- und Datenverarbeitung oder etwa auch zwischen der Speicherung und einer späteren Verwendung eine Rechtmäßigkeitskette in dem Sinne gegeben sein, daß der nachfolgende Schritt nur im Falle der Rechtmäßigkeit oder einer in jeder Hinsicht gegebenen Rechtmäßigkeit des vorangegangenen Schritts erlaubt ist ? Das ist ein neuartiges Problem, dessen Bedeutung und Dimensionen kaum überschätzt werden können. Es soll nachfolgend ebenfalls etwas näher betrachtet werden. b) Die Möglichkeiten zu Zweckänderungen Befugnisse zu Zweckänderungen ergänzen und modifizieren die Regelungselemente der Festlegung der Verwendungszwecke und der Bindung an die festgelegten Zwecke. Ihre Ausgestaltung verdient vor dem Hintergrund der Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung, Verfolgungsvorsorge und Strafverfolgung Aufmerksamkeit. Mit den Novellierungen der Polizeigesetze und der Strafprozeßordnung entstehen neue Wechselbeziehungen, die rechtlich eingefangen werden müssen, wenn und weil die Prozesse des polizeilichen Umgangs mit Informationen und Daten rechtlich erfaßt werden. Das bislang vorherrschende Stichwort „Gemengelage" erweitert sich zu Fragen dazu, wie die polizeilichen Tätigkeiten und die Regelungen der Verarbeitungs- und Entscheidungsabläufe aneinander anknüpfen. 380 Wieviel Flexiblität und welche „Richtungsänderungen" dabei möglich sind, entscheidet sich nach den Bestimmungen über Zweckänderungen. Sie betreffen ein dementsprechend weitreichendes Feld, das ohne weiteres ein eigenständiges Thema, wenn nicht sogar Themen hergibt. 381 Die nachfolgenden Ausfuhrungen behandeln die hier besonders wichtigen Grundlinien der Zulässigkeit von Zweckänderungen und der Zweckänderungsmöglichkeiten beim Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden.

380 381

Dazu bereits Kap. 2 Punkt D. Siehe die Monographie von Waiden, Zweckbindung, passim.

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aa) Grundlinien der Zulässigkeit von Zweckänderungen Im Rückblick auf die Analyse der Polizeigesetze und der Novellierungen der Strafprozeßordnung gewinnt man zunächst den Eindruck, daß Unklarheiten darüber zu bestehen scheinen, an welcher Stelle und durch welchen Gesetzgeber, hier näher im Verhältnis zwischen den für die Polizeigesetze zuständigen Landesgesetzgebern und dem für das Strafverfahrensrecht zuständigen Bundesgesetzgeber, Zweckänderungen zu regeln sind. So enthalten fast alle Polizeigesetze - wenn auch gelegentlich mit dem Vorbehalt, daß strafprozeßrechtliche Bestimmungen nicht entgegenstehen - Vorschriften zu Zweckänderungen der im Ermittlungsverfahren, also ursprünglich zu strafprozessualen Zwecken erlangten personenbezogenen Daten zugunsten der Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung oder Verfolgungsvorsorge. Manchmal wird dies um Zweckänderungs- oder Verwendungsbeschränkungen ergänzt: Soweit die Daten ausschließlich mit Hilfe von Ermittlungsmethoden erhoben wurden, die besonders intensiv eingreifenden polizeigesetzlichen Ermittlungsmethoden entsprechen, dürfen sie für andere Verfahren nur genutzt werden, wenn sie auch dafür unter Einsatz dieser Befugnisse hätten erhoben werden dürfen. 382 Aber nur ein Gesetz sieht ausdrücklich auch die Möglichkeit einer Zweckänderung der zur Gefahrabwehr erhobenen und gespeicherten Daten zugunsten der Verfolgung von Straftaten vor. 383 Auch fällt zum Beispiel auf, daß das verabschiedete Strafverfahrensänderungsgesetz bei Daten, die durch den Einsatz besonders intensiv eingreifender strafprozessualer Ermittlungsmethoden erlangt worden sind, keine Zweckänderungs-, das heißt: keine näheren Verwendungsbeschränkungen vorsieht. 384 Umgekehrt hatte der dem Gesetz zugrunde liegende Entwurf der Bundesregierung jedoch an den Einsatz besonderer polizeigesetzlicher Ermittlungsmethoden Beschränkungen der strafprozessualen Verwendung so erlangter Daten geknüpft. 385 Solche Beschränkungen finden sich auch im neuen § 100 f Abs. 2 StPO.

382

Siehe Kap. 2 Punkt B.II.2.a. mit Fn 352, 353, 356. Siehe Kap. 2 Punkt B.II.2.a. mit Fn 357. 384 Kap. 2 Punkt C.I.2. 385 § 161 Abs. 2 und 3 StVÄGE 1999. Auf Bestreben des Bundesrates sind diese Bestimmungen im Vermittlungsaussschuß gestrichen bzw. geändert worden, vgl. die Kritik in der Unterrichtung durch den Bundesrat zur Anrufung des Vermittlungsausschusses, BTDrucks. 14/2886, S. 3: „Informationen, die bei der Polizei zur Verfugung stehen, müssen für die Strafverfolgung grundsätzlich unbeschränkt zur Verfugung stehen Die Erschwerung der Verwendung von Daten, die polizeirechtlich rechtmäßig erhoben sind, ist der Öffentlichkeit zu Recht nicht vermittelbar. Die in dem Gesetz aufgegriffene Figur des »hypothetischen Ersatzeingriffs' ist dogmatisch weder ausgereift noch abschließend geklärt." Dabei werden freilich die Einschränkungen, die in den Polizeigesetzen bestehen und zu denen die Polizeigesetzgeber verpflichtet sind, vernachlässigt. 383

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Kap. 3 : Die Determinationsmuster

Grundsätzlich sind im Zusammenhang mit Zweckänderungen die normativen Aussagen, die deren Zulassung in Abstimmung mit den ursprünglichen Verwendungszwecken und -zusammenhängen regeln, von Vorgaben zu unterscheiden, die aufgrund des neuen Verwendungszwecks die Speicherung, Veränderung und Nutzung der Daten und Informationen (zu dem neuen Zweck) näher ausgestalten. Beide Aspekte können (nur) dann, wenn ein Gesetzgeber für den ursprünglichen und für den neuen Regelungskomplex zuständig ist, in einer Vorschrift zusammenfallen. Zuständig für die Zulassung der ZwQckänderung kann allein der Gesetzgeber sein, der für den ursprünglichen Regelungsbereich kompetent ist und die zu diesen Zwecken erhobenen und zunächst dafür verwendeten Daten in einen neuen Regelungsbereich „entläßt". 386 Diesem Gesetzgeber obliegt es nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben, bestimmte Bedingungen für die Speicherung, Veränderung oder Nutzung dieser Daten und daraus gewonnener Informationen zugunsten der neuen Verwendungszwecke zu formulieren; auch die Mitgabe weiterer Bedingungen ist ihm unbenommen. Im Rahmen seiner Zuständigkeit darf er aber lediglich Möglichkeiten eröffnen und Grenzen setzen. Es steht ihm nicht zu, darüber hinausgehende Tätigkeitspflichten oder Kompetenzen einer exekutiven Stelle zu normieren, die nicht seinem Kompetenzbereich unterfällt. Umgekehrt ist der Gesetzgeber, der für das Gebiet zuständig ist, in dem die Daten und Informationen aufgrund einer Zweckänderung verwendet werden dürfen, für deren Zulassung nicht kompetent. Wiederum steht allerdings außer Frage, daß er der Exekutive in seinem Kompetenzbereich weitere einschränkende Voraussetzungen für die Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten und Informationen auch dann aufgeben darf, wenn diese aus anderen staatlichen Bereichen stammen und der Exekutive aufgrund zugelassener Zweckänderungen verfügbar werden. Vor diesem Hintergrund kann man die Regelungen der Landesgesetzgeber über die Zweckänderungen bei Daten, die aus strafprozessualen Ermittlungsverfahren stammen, nur dann für kompetenzgerecht halten, wenn man entweder davon ausgeht, daß den Ländern insoweit wegen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen Regelungsmöglichkeiten zustehen387, oder die Bestimmungen so liest, daß nur die (weiteren) tatbestandlichen Voraussetzungen der Speicherung und Nutzung - nämlich die Erforderlichkeit oder bestimmte Prognoseanforderungen - geregelt werden. Die erste Alternative läßt sich nicht begründen; die zweite ist in aller Regel nicht gemeint. Notwendig ist, wie nun-

386

Anders Rieger, Abgrenzung, S. 32, die die oben differenzierten Aspekte nicht unterscheidet und dann die weitere Verwendung fur entscheidend hält. Zutreffend MVVerfG, Urteil vom 18.05.2000, Punkt C.II.3. (Umdruck, S. 20 f.). 387 So WürtenbergerlHeckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 122 c (mit der nicht zutreffenden Sicht, der Bundesgesetzgeber dürfe einschlägige Regelungen als Annex zur Strafprozeßordnung treffen); Waiden, Zweckbindung, S. 326 f.; Meixnerl Mar teil, Gesetz, § 23 Rn 6.

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mehr auch vorgesehen, eine Zweckänderungsregelung in der Strafprozeßordnung. 388 Dagegen ist die Zulassung von Zweckänderungen zugunsten der Strafverfolgung bei Daten und Informationen, die zu polizeigesetzlichen Zwecken erhoben und verarbeitet worden sind, durch die Landesgesetzgebungen zu regeln. Deshalb muß man sich, sofern es keine ausdrückliche Bestimmung dazu gibt, mit der Frage beschäftigen, inwieweit die Strafverfolgung unter den in den generalklauselartigen Zweckänderungsbefugnissen genannten „anderen polizeilichen Zweck" fällt. 389 Polizeigesetzliche oder strafprozeßrechtliche Verwendungsbeschränkungen in den Fällen, in denen personenbezogene Daten und Informationen durch eine besondere strafprozeßrechtliche oder polizeigesetzliche Ermittlungsmethode erlangt worden sind, mögen ungewöhnlich erscheinen. Sie sind aber keineswegs kompetenzwidrig. Unabhängig von den Pflichten, denen die Landesgesetzgebungen oder die Bundesgesetzgebung bei der Zulassung von Zweckänderungen insoweit von Verfassungs wegen unterliegen, ist es der jeweils anderen Gesetzgebung erlaubt, weitere einschränkende Bedingungen für eine im Zweck veränderte Verwendung der Daten und Informationen zu setzen. Der zweite grundlegende Punkt ist die Frage nach den Voraussetzungen und Inhalten, die Zweckänderungsvorschriften aufweisen (müssen). Hierfür geben zunächst die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG oder auch weitere einschlägige Freiheitsgewährleistungen die Richtschnur her. Nach den obigen Ausführungen müssen die Zweckänderungsmöglichkeiten unter anderem durch Allgemeinbelange gerechtfertigt sein, die die je zu berücksichtigenden grundrechtlich geschützten Interessen überwiegen. Der Verwendungszweck, zu dem die Erhebung erfolgt ist, und der veränderte Verwendungszweck dürfen nicht miteinander unvereinbar sein. Außerdem muß einem etwaigen Folgeregelungsbedarf Rechnung getragen werden. Bei der Beurteilung gesetzlicher Vorschriften ist zu beachten, daß sich die danach insbesondere wichtige Rechtfertigung einer Zweckänderung aufgrund überwiegender Allgemeinbelange nicht allein mit Blick auf den neuen Verwendungszweck ergibt. Sie hängt auch von den Bedingungen ab, unter denen Zweckänderungen zugelassen werden. Zum Beispiel stellt sich eine Befugnis, Daten oder Informationen aus strafprozessualen Ermittlungsverfahren zu Zwecken der Verfolgungsvorsorge zu verwenden, im Falle einer Bindung an die Prognose einer Wiederholungsgefahr anders dar als im Falle einer pauschalen Zulassung. Denn eine plausible Wiederholungsgefahr macht, ohne daß es hier auf Detailfragen ankäme, die Verfolgungsvorsorge zu einem gewichtigen Belang. Deshalb fuhrt die verfassungsrechtliche Anforderung dazu, daß unter Umständen eine nähere

388

So auch z.B. Lisken, Polizeigesetz, S. 332; Denninger, Polizeirecht, S. 309. Dazu Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 128; WürtenbergerlHeckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn418; Wolf!Stephan, Polizeigesetz, § 37 Rn 20 f.; Koch, Datenerhebung und -Verarbeitung, S. 157 f. 389

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

Ausgestaltung der Zweckänderungsmöglichkeiten erforderlich ist, damit sie verfassungsmäßig sind. Unabhängig davon steht es den Gesetzgebern frei, über die Anforderungen, die sich von Verfassungs wegen zwingend ergeben, auf einfachrechtlicher Ebene hinauszugehen. Das inhaltliche Grundmuster, das die mit bestimmten Formulierungsvarianten in fast allen Polizeigesetzen enthaltenen generalklauselartigen Zweckänderungsbefugnisse prägt, besteht in der Rückbindung an die Erhebungssituation und an die Erhebungsbefugnisse. Soweit die Polizei die Daten zu einem anderen polizeilichen Zweck erheben dürfte, hätte erheben dürfen oder hätte erheben und nutzen dürfen, ist die Speicherung, Veränderung und Nutzung oder - so eine andere Formulierung - die Nutzung einschließlich einer erneuten Speicherung und einer Veränderung zu diesem Zweck zulässig. 390 Die zweite Formulierung nimmt Rücksicht darauf, daß im Zentrum die neue Verwendung steht, im Hinblick auf die Daten dann gespeichert oder verändert werden; im übrigen besteht in der Sache keine Differenz zur erstgenannten Fassung. Indem die Zulässigkeit daran geknüpft wird, daß die Polizei die Daten zu dem neuen Zweck erheben dürfte, hätte erheben dürfen oder hätte erheben und nutzen dürfen, wird nach allen Regelungen eine hypothetische Prüfung verlangt. In dieser Hinsicht klingt in den Normtexten freilich an, daß sich die Formulierungen darin unterscheiden, auf welchen Zeitpunkt abgestellt wird. 3 9 1 In Betracht kommt das Abstellen auf den Zeitpunkt, zu dem die Polizei die Daten ursprünglich erhoben hat: Hätte die Polizei in der damaligen Situation die in Rede stehenden Daten zu dem jetzt intendierten Verwendungszweck erheben dürfen ? Denkbar ist auch das Abstellen auf den Zeitpunkt, zu dem sie die Zweckänderung vornehmen will: Dürfte die Polizei die Daten in der derzeitigen Situation zu dem neuen Zweck erheben ? 3 9 2 Nicht selten werden den textlichen Fassungen auch Aussagen zur Zulässigkeit von Zweckänderungen im Falle des Einsatzes besonderer Ermittlungsmethoden entnommen.393 Statt diesen Regelungsmustern mit Blick auf die praktisch entstehenden Konstellationen nachzugehen, liegt es näher zu erörtern, ob die Grundüberlegung, daß der zentrale Maßstab fur Befugnisse zu Zweckänderungen eine Rückbindung an die Erhebung und eine entsprechende hypothetische Prüfung zu sein hat, überhaupt überzeugen kann. Die Frage verweist zurück auf die Aus-

390 391

392

Vgl. oben Kap. 2 Punkt B.II.2.a. Vgl. Wolf Stephan, Polizeigesetz, § 37 Rn 19; Waiden, Zweckbindung, S. 278 f.

So (ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Textfassungen) Götz, Polizeiund Ordnungsrecht, Rn 527. Weitergehend Kunkel/Pausch/Prillwitz, Gesetz, § 20 Rn 5; Mandelartz!SauerlStrube, Polizeigesetz, § 30 Rn 7: Es genüge jeder Zeitpunkt in der Vergangenheit, zu dem die Datenerhebung zulässig gewesen wäre, solange nur die Speicherung der Daten zum Zeitpunkt der Zweckänderung noch zulässig sei. 393 Vgl. noch sogleich Punkt bb).

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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sagegehalte, die man dem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung entnimmt. Folgt man der Schutzbereichsbeschreibung, die das Bundesverfassungsgericht wählt - Gewährleistung einer Entscheidungsbefugnis der Grundrechtsträger über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten -, mag man der Erhebungssituation einige Bedeutung zuschreiben. Die Beurteilung ändert sich, wenn man zugrunde legt, daß die bisherige Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung weiterentwickelt werden muß und daß es zu dessen Kernaussagen gehört, die Gesetzgebung zu Regelungen zu verpflichten, aufgrund derer der staatliche Umgang mit Informationen und Daten in rechtlich zu legitimierender und transparenter Weise erfolgt. 394 Bei einem solchen Hintergrund ist es wenig plausibel, daß sich die Zulässigkeit von Zweckänderungen nach Maßgabe einer hypothetischen Prüfung mit Blick auf die Erhebungssituation und -befugnisse bestimmt. Statt dessen drängt sich auf, daß im Mittelpunkt stehen muß, ob die Umstellung der Informations- und Datenverarbeitung auf den neuen Zweck in der gegebenen Situation und unter Berücksichtigung der vorgesehenen Ausgestaltung in einer Gesamtabwägung die Belange der betroffenen Person überwiegt und gerechtfertigt ist. In diesem Rahmen spielte es auch eine Rolle, wie und zu welchen Zwecken die Polizei die Daten oder Informationen in der ursprünglichen Erhebungssituation erhalten hat. Es handelte sich dabei aber um einen Abwägungsgesichtspunkt unter anderen und nicht um den zentralen Punkt. Demgegenüber gewinnen in umfassender Weise die Bedingungen, unter denen Zweckänderungen zugelassen werden, und die sonst vorgesehene Ausgestaltung der Regelungen besondere Bedeutung. 395 Modell eines solchen Ansatzes sind die Regelungen, wie sie für Zweckänderungen von Daten, die im Rahmen strafprozessualer Ermittlungen erlangt worden sind, zugunsten der Verfolgungsvorsorge in einigen Polizeigesetzen und zum Teil im StrafVerfahrensänderungsgesetz getroffen worden sind. Die - nach den allgemeinen Zweckänderungsvorschriften relevante - hypothetische Frage, ob die Polizei die Daten und Informationen auch dann hätte erheben oder gewinnen dürfen, wenn es nicht um Strafverfolgung, sondern sogleich um Verfolgungsvorsorge gegangen wäre, wirkte als Angebot der Lösung des rechtlichen Problems ziemlich gekünstelt. Angesichts der teilweise weitreichenden und tiefgreifenden strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse und der Spezifika des Ermittlungsverfahrens wäre sie wohl auch nicht selten eindeutig zu verneinen. Viel überzeugender sind die Kriterien, die in einigen Vorschriften als Voraussetzungen einer Zweckänderung genannt werden: Wegen der Art oder Ausfüh-

394

Oben Kap. 3 Punkt B.II. 1. Hinsichtlich der Ausgestaltung ist z.B. denkbar, daß in bestimmten Fällen Unterrichtungspflichten den Grundsatz offener Erhebung kompensieren, vgl. Albers, Neukonzeption, S. 136 f., Heckmann, Datenerhebung, S. 207. 395

21 Albers

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Kap. 3 : Die Determinationsmuster

rung der Tat, der Persönlichkeit der jeweiligen Person oder sonstiger Erkenntnisse besteht Grund zu der Annahme, daß sie weitere Straftaten begehen wird und daß gegen sie weitere Strafverfahren zu fuhren sein werden. Solche Kriterien eignen sich, die Aufbewahrung relevanter Daten etwa im Rahmen von Kriminalakten zu dem neuen Zweck der Verfolgungsvorsorge grundsätzlich zu legitimieren. Aspekte der Ausgestaltung im Detail bleiben unberührt. Im übrigen kann in diesem Rahmen eine Fülle von Relationen und Konstellationen entwickelt werden, deren Untersuchung jeweils Themen ftir sich wären. Zweckänderungen kommen im Verhältnis zwischen Gefahrenabwehr und Straftatenverhütung, zwischen Gefahrenabwehr und Verfolgungsvorsorge, zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, zwischen Straftatenverhütung und Strafverfolgung, zwischen Strafverfolgung und Verfolgungsvorsorge oder zwischen Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge in Betracht. Einige wesentliche Aspekte sollen in diesem Rahmen noch hervorgehoben werden, weil sie verdeutlichen, daß und inwiefern der „klassischen" Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zwar nicht in unveränderter Weise, aber im neuen Netz der vier Aufgaben Relevanz zukommt. Wesentliche Aspekte ergeben sich nämlich mit Blick auf funktionale Beziehungen oder auf strukturelle Unterschiede. So besteht zwischen Teilen der Straftatenverhütung und der Gefahrenabwehr ebenso ein funktionales Verhältnis wie zwischen der Verfolgungsvorsorge und der Strafverfolgung. Mit Rücksicht darauf steht, auch wenn die Bereiche unter dem Aspekt des Verwendungszweckes nicht als Einheit zu sehen sind 396 , auf grundlegender Ebene fest, daß Zweckänderungen von der erstgenannten zur zweitgenannten Aufgabe prinzipiell möglich sein müssen, weil jene sonst funktionslos würde. Das heißt nicht, daß die Zulässigkeit von Zweckänderungen rechtlich schlicht vorauszusetzen und hinzunehmen wäre. Rechtlich ergibt sich daraus vielmehr das Erfordernis, die Regelungen der Straftatenverhütung im Hinblick auf die funktionalen Beziehungen zur Gefahrenabwehr und die Regelungen der Verfolgungsvorsorge im Hinblick auf die funktionalen Beziehungen zur Strafverfolgung so zu gestalten, daß die im Falle notwendiger Zweckänderungen vorzunehmende Gesamtabwägung nicht deren Unzulässigkeit ergibt. Auch im übrigen sind nähere Fragen damit nicht schon beantwortet. Etwa sind Begrenzungen gefordert, soweit die Straftatenverhütung oder die Verfolgungsvorsorge, wie zum Beispiel bei besonders intensiv eingreifenden Methoden, sachlichen oder personellen Grenzen unterliegen. Die umgekehrten Konstellationen sind dagegen im Ansatz schwieriger zu lösen. Wie erwähnt, werden Zweckänderungen bei Daten, die aus strafprozessualen Ermittlungsverfahren stammen, zugunsten der Verfolgungsvorsorge gelegentlich mit 396

Vgl. nur Kap. 2 Punkt B.I.2. und D, Kap. 3 Punkt C.II.2. Anders Waiden, Zweckbindung, S. 257, der die „vorbeugende Bekämpfung von Straftaten als Teilaufgabe einer Gesamtaufgabe „Gefahrenabwehr" und dies als einen einheitlichen Zweck ansieht.

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besonderen Kriterien näher geregelt. Im Verhältnis zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung wirken sich die strukturellen Differenzen als ein wesentliches Kriterium aus. Während Zweckänderungen von der Strafverfolgung zur Abwehr konkreter Gefahren im Hinblick darauf, daß diese gegebenenfalls dem unmittelbaren Schutz der Rechtsgüter privater Dritter dient, zumindest bei gewichtigen Rechtsgütern prinzipiell zulässig sein werden 397 , sind die umgekehrten Fälle der Änderung von der Gefahrenabwehr zur Strafverfolgung erheblich differenzierter zu beurteilen. 398 Das gleiche gilt für Zweckänderungen zwischen Straftatenverhütung und Strafverfolgung. Sie mögen praktisch in relativ vielen Fällen vorkommen, etwa wenn zunächst zur Verhütung einer Straftat ermittelt und dann festgestellt wird, daß sie bereits begangen worden ist. Insbesondere beim Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden zu Zwecken der Straftatenverhütung können Zweckänderungen zugunsten von Strafverfolgungszwecken aber keineswegs pauschal erlaubt sein. bb) Zweckänderungen bei Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden Erhält die Polizei Informationen oder Daten über bestimmte Personen aufgrund des Einsatzes besonders beeinträchtigender Ermittlungsmethoden, werfen Zweckänderungen besondere Probleme auf. Der Einsatz der Methode ist nur bei eingegrenzten Verwendungszwecken rechtmäßig, bei denen die dahinter stehenden Ziele in der Abwägung die beeinträchtigten Belange der Betroffenen überwiegen. Die Verwendungszwecke sind nicht nur fur den Anlaß der Ermittlungen und fur den Gegenstand der Prognose relevant, sondern steuern auch den weiteren Umgang mit den erlangten Informationen und Daten. Zum einen können sich aber, wenn eine bestimmte Methode gegen eine bestimmte Person zu bestimmten Zwecken eingesetzt wird, (auch) andere Erkenntnisse ergeben, die über die vorab festgelegten Verwendungszwecke hinausreichen. Je weitgehender diese Zwecke aufgrund der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen eingegrenzt sein müssen, desto eher ist mit weiteren Erkenntnissen zu rechnen. Aus dem Strafprozeßrecht sind Begriff und Problematik des „Zufallsfundes" bekannt, der dort in Abgrenzung gegen die Erkenntnisse, die in Beziehung zu der 397 Eine pauschale Zulässigkeit ist auch insoweit nicht gegeben, insbesondere nicht, wenn besonders intensiv eingreifende Methoden zu Strafverfolgungszwecken eingesetzt worden sind. Siehe dazu die Kontroverse zwischen einerseits Globig, Verwertung, S. 83 f., und andererseits Hassemer, Telefonüberwachung, S. 121, und Schoreit, Gefahrenabwehr, S. 323, hier mit dem Beispiel, daß es unverhältnismäßig wäre, Daten aus einer Telefonüberwachung nach § 100 a StPO für die Abwehr von zu befürchtenden Ehrverletzungen eines Politikers zu verwenden. 398 Zu weit die Ausführung in BGH, NJW 1991, S. 2651 (2652): Es widerspreche, solange kein spezielles Verwertungsverbot entgegenstehe, der Pflicht zu umfassender Aufklärung, rechtmäßig erlangte polizeiliche Erkenntnisse dem Strafverfahren vorzuenthalten.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

Untersuchung stehen und für das Strafverfahren genutzt werden dürfen, diejenigen „bei Gelegenheit" gewonnenen Erkenntnisse bezeichnet, die auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuten und in anderen Strafverfahren verwendet werden dürfen. 399 Gerade die modernen Ermittlungsmethoden können wegen ihrer Streubreite zusätzliche Erkenntnisse geradezu produzieren. 400 Deren Verwendung wirft die Frage nach den Zweckänderungsmöglichkeiten auf. Zum anderen kann es auch vorkommen, daß die Polizei im Laufe der Zeit neue Informationen gewinnt, die zu einer veränderten Beurteilung der zuvor aufgrund der Methode erlangten Erkenntnisse fuhren. Auch dann wäre eine veränderte Zwecksetzung nötig, wenn die Erkenntnisse in neuer Weise verwendet werden sollen. Da der Einsatz besonders beeinträchtigender Ermittlungsmethoden nur bei eingegrenzten Verwendungszwecken rechtmäßig ist, können Zweckänderungen allerdings nicht ohne Grenzen zulässig sein, die dem Rechnung tragen. Die unterschiedlichen Voraussetzungen der Einsatzermächtigungen verlören ohnedem zwar nicht jeden Sinn 401 , weil sie immerhin die Zulässigkeit der ersten Erhebung determinieren; sie wären aber in unverhältnismäßiger Weise relativiert. 402 Eine so pauschale Zulassung von Zweckänderungen ohne weitere Beschränkungen, wie sie § 481 Abs. 1 i.d.F. des StVÄG, den die speziellen Regelungen der jeweiligen Ermittlungsmethoden ganz überwiegend nicht relativieren, vorsehen

399

Dazu Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 180 ff., auch mit Ausfuhrungen dazu, daß die Problematik der „Zufallsfunde" in die Zusammenhänge von Zweckfestlegungen, Zweckbindung und Zweckänderungsmöglichkeiten einzubetten ist. 400 Vgl. Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 277: Die Gewinnung von anderweitigen Erkenntnissen oder Verdachtsmomenten hat bei den „operativen" Ermittlungsmethoden eine ganz andere Dimension als die Entdeckung von Zufallsfunden bei den typisch einzelfallorientierten Befugnissen, die eine so konkrete beweisthematische Beziehung zwischen Eingriff und Tatverdacht verlangen, daß die Entdeckung anderer Verdachtsmomente tatsächlich ein zufälliges Nebenprodukt einer gezielten Ermittlungshandlung ist. Ausfuhrlich zur Streubreite von Zwangsmaßnahmen und damit einhergehenden Zufallsfunden auch Labe, Zufallsfund, S. 88 ff. 401 So Dix, Rechtsfragen, S. 573. 402 Siehe dazu auch aus strafprozessualer Sicht insbesondere zu den modernen Methoden Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 280: „Die Begrenzung des Erkenntnisinteresses auf den konkreten Verdachtsfall, wie sie durch das Erfordernis eines Tatverdachts erreicht werden soll, würde aber funktionslos werden, wenn die Ermittlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Vielzahl von Erkenntnissen hervorbringen, die mit dem Verdachtsfall nichts zu tun haben, und wenn diese Erkenntnisse auch für weitere Ermittlungen verwertet werden dürften. Wenn also die Anbindung der Ermittlungstätigkeit an einen konkreten Verdachtsfall so locker ist, daß der Tatverdacht seine Begrenzungs- und Steuerungsfunktion nicht erfüllen kann, dann tritt das ein, was durch das Erfordernis eines konkreten Anfangsverdachts eigentlich verhindert werden soll: Die Ermittlungen bekommen den Charakter von Ausforschungsermittlungen, und dies ist - im Unterschied zu ,echten' Zufallsfunden - auch von vornherein absehbar bzw. möglicherweise sogar bezweckt."

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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wird, verletzt das Übermaßverbot. Das Argument, die Polizei müsse Informationen, die ihr einmal zur Verfugung stehen, im Rahmen ihrer Aufgaben ohne weiteres verwerten dürfen, ist mit der grundrechtlichen Bindung und Begrenzung des Umgangs mit personenbezogenen Informationen und Daten überholt. 403 Es hat ohnehin nie überzeugen können. Soweit die Polizeigesetze diesen Punkt besonders regeln, knüpfen sie die Zulässigkeit von Zweckänderungen in den Grundzügen daran, daß die Daten mit denselben oder mit vergleichbaren Erhebungsmethoden erlangt werden dürften oder hätten erlangt werden dürfen. Zum Teil wird diese Anforderung auch in den Normtext der polizeigesetzlichen Bestimmungen hineingelesen, die lediglich darauf abstellen, daß die Polizei die Daten zu dem anderen polizeilichen Zweck „erheben dürfte", „hätte erheben dürfen" oder „hätte erheben und nutzen dürfen". 404 Diese Voraussetzungen, so könnte die Argumentation lauten, liegen nicht vor, wenn der Polizei nicht auch fur den anderen Zweck die in Rede stehende Ermittlungsmethode zur Verfügung steht. 405 Das Regelungsmuster ist unter dem Stichwort „(qualifizierter) hypothetischer Ersatzeingriff' oder „ (qualifizierter) hypothetischer Wiederholungseingriff ' bekannt. 406 Darin wird wiederum das Grundmuster der Rückbindung an die Erhebungssituation und an die Erhebungsbefugnisse erkennbar. Hinzu kommt der Gedanke, daß die Polizei ihre Kenntnisse ohne den Einsatz der jeweiligen Ermittlungsmethode nicht erlangt hätte und daß dieses Spezifikum auch bei Zweckänderungen berücksichtigt werden muß. 407 Dieser Gedanke ist insbesondere im Falle von Subsidiaritätsklauseln über eine Plausibilität hinaus rechtlich abgesichert. Dennoch greift nicht nur das Grundmuster der Rückbindung an die Erhebung, sondern auch die Konzentration auf den Gesichtspunkt der jeweils zur Verfugung stehenden Methode zu kurz.

403 Die insoweit typische Argumentation findet sich aber noch etwa in anderem Zusammenhang in der Unterrichtung des Bundesrates zur Anrufung des Vermittlungsausschusses, BTDrucks. 14/2886, S. 3. Andererseits hatte gerade der Bundesrat ursprünglich bei besonders eingreifenden strafprozessualen Ermittlungsmethoden Zweckänderungsbeschränkungen vorsehen wollen, vgl. oben Kap. 2 Punkt C.I.2. mit Fn 514. 404 Waiden, Zweckbindung, S. 276 ff., mit Ausnahmen S. 281 ff. Restringierende Interpretation auch etwa bei Denninger, Polizeirecht, S. 309. 405 Explizit anders aber z.B. WolßStephan, Polizeigesetz, § 37 Rn 18; weniger deutlich Wiirtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 418 d. 406 Dazu insbesondere Welp, Überwachung, S. 219 ff.; Wolter, SK-StPO, vor § 151 Rn 182 f.; ders., Datenschutz, S. 811 f., 817; daneben etwa Dix, Rechtsfragen, S. 573. 407 Siehe etwa Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 658: Die Prüfung der Befugnis für eine hypothetische Erhebung sei konsequent, weil die Zweckänderung die neue Erhebung ersetze und durch den Vorbehalt verhindert werde, daß fehlende Erhebungsbefugnisse durch zweckfremde Verwendung ersetzt würden.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

Zum einen verliert die hypothetische Prüfung an Prägnanz und Überzeugungskraft, wenn man sich vergegenwärtigt, daß sie ohne Unterstellungen nicht auskommt oder bestimmte Gesichtspunkte ausblendet.408 Das gilt insbesondere für den Aspekt der zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zweckänderung veränderten Situation und fur die Frage, welche tatbestandlichen Voraussetzungen in die hypothetische Prüfung einzubeziehen sind. Wenn sämtliche Voraussetzungen fur den Einsatz der Methode zu dem geänderten Verwendungszweck bezogen auf die damalige Entscheidungssituation vorliegen müßten, kann man sich schließlich fragen, warum die Polizei die Informationen und Daten nicht bereits damals (auch) zu diesem Zweck erhoben hat. Über die Frage, warum welche Gesichtspunkte unterstellt oder ausgeblendet werden dürfen, besteht im Strafprozeßrecht ein ausgiebiger Streit. Und es ist besonders anschaulich, wenn es etwa zur strafprozessualen Verwertung von Zufallsfunden bei Telefonüberwachungsmaßnahmen heißt, daß „die vom Gesetz geforderten bestimmten Tatsachen', die fur den Verdacht der Tatbegehung sprechen müssen, mit der Kenntnis vom Vorhandensein des Beweismittels zu substituieren" 409 sind. Das macht sofort deutlich, daß es keineswegs darum geht, einen (erneuten) Eingriff zu vermeiden, der zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einsatz der Methode oder zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zweckänderung ohne weiteres möglich (gewesen) wäre. Das Modell vernachlässigt zum anderen den rechtlich ersichtlich relevanten Gesichtspunkt, daß einige der Methoden vor allem deswegen einer Eingrenzung bedürfen, weil die dadurch erlangten Informationen zunächst nicht bekannt sind und weil nicht nur erwünschte Erkenntnisse, sondern auch eine Vielzahl irrelevanter Daten und Informationen anfallen. Das gilt für die akustische Überwachung von Wohnungen ebenso wie für den Einsatz verdeckter Ermittler oder für die längerfristige Observation. Könnte die Polizei „punktgenau" die Handlungen oder Kommunikationen im Zusammenhang mit einer prognostizierten Straftat observieren, wäre kaum zu begründen, warum die Observationsbefugnisse an einen eingeschränkten Kreis von Straftaten zu binden sind. Demgegenüber sind die mit einer bestimmten Ermittlungsmethode erlangten Daten und Informationen im Anschluß daran der Polizei bekannt. Relevante und irrelevante Daten können prinzipiell, gegebenenfalls durch gesetzlich vorgegebene Schutzvorkehrungen abgesichert, voneinander getrennt werden. Das deutet darauf hin, daß Änderungen des Verwendungszwecks (verfassungs)rechtlich nicht notwendig in der Reichweite eingeschränkt werden müssen, wie es zum Einsatz der Erhebungsmethode erforderlich ist. 4 1 0 Unter diesen Umständen entfällt aber ein 408 Vgl. aus der strafprozessualen Diskussion zur Verwertung von Erkenntnissen aus Telefonüberwachungsmaßnahmen Fezer, Grundfalle, S. 189 f.; Prittwitz, Grenzen, S. 310 f. 409 Welp, Überwachung, S. 225. 410 Vgl. auch BVerfGE 100, 313 (389 ff.).

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zentrales Element der begründenden Gedanken, die hinter dem Muster des (qualifizierten) hypothetischen Ersatz- oder auch Wiederholungseingriffs stehen. Alternative Vorschriften, die bei der Regelung von Zweckänderungsmöglichkeiten dem Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden Rechnung tragen, ohne eine Prüfung im Sinne dieses Musters vorzugeben, finden sich in einem Polizeigesetz und auch im Entwurf des Bundesrats zum Strafverfahrensänderungsgesetz 1994. 411 Sie erlauben, ohne daß hier die konkrete - zum Teil relativ weitgehende - Ausgestaltung beurteilt werden soll, Zweckänderungen zugunsten näher konkretisierter Zwecke im Hinblick auf Rechtsgüter von besonderem Gewicht oder im Hinblick auf Straftaten von erheblicher Bedeutung. Dieser Ansatz kommt der obigen Überlegung nahe, daß es für die Zulässigkeit von Zweckänderungen darauf ankommen muß, ob die Umstellung der Informations- und Datenverarbeitung auf den neuen Zweck in der gegebenen Situation und unter Berücksichtigung der vorgesehenen Ausgestaltung in einer Gesamtabwägung die Belange der betroffenen Person überwiegt und gerechtfertigt ist. In den von den Gesetzgebungen vorzunehmenden und in den Grundlinien vorzugebenden (Abwägungs)Entscheidungen über die Zulässigkeit von Zweckänderungen kommt es unter anderem auf den Inhalt und das Gewicht des neuen Zwecks an. Es drängt sich auf, daß dabei zwischen den Zwecken der Gefahrenabwehr oder auch der Straftatenverhütung und denen der Strafverfolgung oder der Verfolgungsvorsorge zu differenzieren ist. 412 In Fällen der Zweckänderungen zugunsten der Gefahrenabwehr und der Straftatenverhütung, in denen es um den Schutz noch nicht verletzter Rechtsgüter geht, wird dem Erfordernis einer Begrenzung der Zweckänderungsmöglichkeiten weniger durch die Eingrenzung des Kreises der zu verhindernden oder zu verhütenden Straftaten Rechnung zu tragen sein. Eher ist an gesteigerte Prognoseanforderungen zu denken, so daß die Zulässigkeit einer Zweckänderung von einer Straftatenprognose abhängt, die durch eine verdichtete Tatsachenbasis und einen angehobenen Wahrscheinlichkeitsgrad besonders gesichert ist. In Fällen der Zweckänderungen zugunsten der Strafverfolgung oder der Verfolgungsvorsorge kommen dagegen neben gesteigerten Anforderungen an den Tatverdacht auch mehr oder weniger weitreichende Eingrenzungen des Straftatenkreises in Betracht. 413 In die Abwägung und in die Gestaltung der Zweckänderungsmöglichkeiten muß einfließen, 411

Siehe oben Kap. 2 Punkt B.II.2.a. mit Fn 328 und Punkt C.I.2. mit Fn 514. Siehe auch Waiden, Zweckbindung, S. 281 ff. 413 Zu Recht hat das MVVerfG, Urteil vom 18.05.2000, Punkt C.IX. (Umdruck S. 60 ff.), die im SOG M V weitgehend zugelassene Zweckänderung zugunsten der Strafverfolgung u.a. bei Dritten, die von einer Wohnraumüberwachung zufallig betroffen sind, für nichtig erklärt. Die einschlägigen, i.d.R. pauschalen und weitreichenden Regelungen der Polizeigesetze - vgl. Kap. 2 Punkt B.II.b.dd. mit Fn 274 - sind ersichtlich überprüfungsbedürftig. 412

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Kap. 3 : Die Determinationsmuster

daß der Mißbrauch zu verhindern ist, der vorläge, wenn eine besonders eingreifende Methode über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hinaus eingesetzt werden würde, weil die so erlangten Informationen und Daten dann in einer über den ursprünglichen Zweck hinausgehenden Weise verwertet werden können. Zu überlegen ist auch, inwieweit die technisch-qualitativen Weiterungen moderner Methoden und die damit einhergehende Streubreite in rechtlicher Hinsicht durch Verwertungsverbote im Hinblick auf die Strafverfolgung zu kompensieren sind. 414 Im übrigen sind gegebenenfalls gesetzliche Schutzvorkehrungen vorzusehen, die die mit Zweckänderungen verbundenen Beeinträchtigungen abmildern. 415 Ein solcher Ansatz könnte insgesamt zu überzeugenderen Lösungen fuhren. Darüber hinaus vermiede er den negativen Effekt, daß die Gesetzgebungen bestimmte Methoden zu bestimmten Zwecken vor allem deswegen einräumen, damit Zweckänderungsmöglichkeiten erhalten bleiben. So wird die „Harmonisierung" der Befugnisse zum Einsatz besonders beeinträchtigender Methoden in den Polizeigesetzen einerseits und der Strafprozeßordnung andererseits zum einen deswegen angestrebt, damit der Einsatz der Methode bei einem sich in laufenden Ermittlungen verändernden Erkenntnisstand weiter möglich bleiben soll. Ihre Notwendigkeit wird aber auch damit begründet, daß gleichgelagerte Befugnisse eingeräumt werden müßten, damit keine „Beweisverwertungsprobleme" entstehen.416 Das erste Anliegen ist je nach typisierbaren Konstellationen plausibel. Der zweite Gesichtspunkt kann für sich genommen nicht die erforderliche Legitimation fur die Einräumung einer Ermittlungsmethode zur Erfüllung bestimmter Aufgaben hergeben. Unabhängig davon sollten Befugnisse zum Einsatz besonders beeinträchtigender Ermittlungsmethoden nicht die unnötige Folge einer Ausrichtung auf ein so nicht notwendiges Regelungsmuster sein.

414

Vgl. dazu Weßlau, Vorfeldermittlungen, S. 280 ff. Zum Ansatz siehe auch BVerfGE 100, 313 (392 ff.): Das BVerfG verlangt Eingrenzungen der Zweckänderungsbefugnisse im Hinblick auf die Prognoseanforderungen, insbesondere im Hinblick auf die Tatsachenbasis - Eingrenzungen, die im gegebenen Fall ihre Wirksamkeit auch mit Blick auf die methodenbedingte Bruchstückhafiigkeit der Erkenntnisse entfalten -, und im Hinblick auf den Straftatenkatalog; es differenziert bei den Anforderungen zwischen den Zwecken der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung. Siehe außerdem MVVerfG, Urteil vom 18.05.2000, Punkt C.IX. (Umdruck S. 60 ff.), das mit ähnlich ansetzenden Überlegungen zu einem Ergebnis gelangt, das demjenigen der Figur des „hypothetischen Ersatzeingriffs" entspricht. 416 Vgl. oben Kap. 2 unter Punkt C. und Punkt D. 415

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c) Rechtswidrigkeitsfolgen in den polizeilichen Informationsund Datenverarbeitungsprozessen Wenn die Regelungen der weiteren Informations- und Datenverarbeitung einerseits an eine Datenerhebung anknüpfen und in den übergreifenden Prozeß einzubinden sind, andererseits eine eigenständige Funktion haben, wird die Frage nach den Rechtswidrigkeitsfolgen im Fortlauf der Informations- und Datenverarbeitung aufgeworfen. Man muß überlegen, inwieweit die Rechtmäßigkeit des jeweils nachfolgenden Schritts davon abhängt, daß der vorangegangene Schritt rechtmäßig ist. Die Bindungs- und Begrenzungswirkung der Regelungselemente, die die Erhebungsermächtigungen oder die Befugnisse zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden prägen, wäre relativiert, wenn es bei der Speicherung oder bei der Verwendung erlangter Daten und Informationen nicht darauf ankäme, ob sie eingehalten worden sind. Das Problem klingt in den polizeigesetzlichen Normen auch an. Gelegentlich setzen die Ermächtigungen zur Speicherung, Veränderung oder Nutzung von Daten ausdrücklich deren rechtmäßige Erhebung oder Erlangung voraus. Andere Vorschriften knüpfen zwar allein an eigenständige Voraussetzungen, etwa an die Erforderlichkeit fur die Aufgabenwahrnehmung an. Da zwischen den Regelungen der einzelnen Phasen der Informations- und Datenverarbeitung ein Regelungszusammenhang herzustellen ist, kann man jedoch nicht davon ausgehen, daß jede Phase hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit ganz isoliert zu beurteilen und das Problem der Rechtswidrigkeitszusammenhänge irrelevant ist. Die Gesetze zeichnen insoweit nur keine Lösungen vor. In diesen Fällen könnte man aus der allgemein verankerten Pflicht zur Löschung von Daten, deren Speicherung unzulässig ist, den Schluß ziehen, daß die Rechtswidrigkeit der Erhebung von Daten zur Unzulässigkeit ihrer Speicherung und zur Löschungspflicht fuhrt. 417 Denkbar ist allerdings auch, die Speicherung eben nicht für unzulässig zu halten, wenn die Daten trotz der Rechtswidrigkeit der Erhebung weiter genutzt werden dürfen. 418 Es bedarf einer über diesen begrenzten Aspekt hinausfuhrenden Argumentation. Wirft man einen vergleichenden Blick auf das Strafprozeßrecht, bei dem man, weil die Strafverfolgung immer als ein verfahrensrechtliche Schutzpositionen einschließendes Ermittlungs- und Strafverfahren ausgestaltet war, mit Erörterungen der Thematik rechnen kann, lautet das dort einschlägige Stichwort: Beweisverwertungsverbote wegen der Rechtswidrigkeit der Beweiserhebung. Die Diskussionen, die es dazu gibt, sind unübersehbar. 419 Hat man sich in den Polizeigesetzen nunmehr ausgerechnet dieses Problem eingehandelt ? 417 418 419

Siehe etwa Mandelartz!SauerlStrube, Polizeigesetz, § 30 Rn 4. Wiirtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 419 a. Siehe nur Stornier, Grundlagen, bes. S. 175 ff.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

Sofern die Frage der Rechtswidrigkeitsfolgen thematisiert wird 4 2 0 , wirken die Ausführungen zunächst beruhigend. Daß bei einer Speicherung von Daten „die Informationserhebung rechtmäßig sein muß, ist .... eine Selbstverständlichkeit". 4 2 1 Die Umgehung oder Mißachtung der rechtlichen Grenzen der Ermittlungstätigkeit des Staates dürfe nicht folgenlos bleiben; anderenfalls würden die Grundrechte als Restriktionen weitgehend entwertet. 422 Wegen der verfassungsrechtlich verankerten Bindung staatlicher Organe an Gesetz und Recht dürften rechtswidrig erlangte Daten oder Informationen nicht verwertet werden. 423 Sonst werde der begangene Rechtsbruch perpetuiert 4 2 4 Anders als im Strafprozeßrecht geht man im öffentlichen Recht offenbar von einer Rechtmäßigkeitskette aus: Von der Rechtswidrigkeit der Erhebung wird auf die Rechtswidrigkeit der Speicherung und weiteren Verarbeitung geschlossen. So plausibel dies auf den ersten Blick klingen mag - man braucht wohl Beispiele, damit man weiß, wovon die Rede ist. Angenommen, ein verdeckter Ermittler gelangt unter dem Vorwand, den Strom ablesen zu wollen, in eine Wohnung und erfährt dabei von einer geplanten, wenn auch nicht unmittelbar bevorstehenden schweren Straftat, die in den Kreis der Taten fällt, zu deren Verhütung er eingesetzt wird - darf die Polizei diese Erkenntnisse dann wegen der rechtswidrigen Vortäuschung eines Zutrittsrechts nicht zur Verhütung der Straftat verwenden ? 4 2 5 Wie ist es, wenn die Polizei eine besonders beeinträchtigende Ermittlungsmaßnahme zwecks Straftatenverhütung ohne die erforderliche Anordnung des Behördenleiters oder gar des Richters durchfuhrt und bei dieser Gelegenheit von einer einschlägigen Straftat erfährt ? 4 2 6 Und wäre in einem solchen Fall, ohne daß die Rechtswidrigkeit der Ermittlungen eine Rolle spielt, eine Zweckänderung zu Zwecken der Strafverfolgung zulässig, wenn die Erkenntnisse einen bereits begangenen Diebstahl betreffen ? Undifferenzierte Antworten, die aus pragmatischer Sicht nicht mehr überzeugen können, sind auch aus dogmatischer Betrachtung auf den zweiten Blick wenig abgesichert. Weder theoretisch noch verfassungsrechtlich ist es von vornherein ausgeschlossen, die in bestimmtem Umfang eigenständigen Verarbeitungsschritte anhand eines jeweils neuen Rechtmäßigkeitsurteils zu beurteilen. 420

Häufig wird das Problem gar nicht gesehen, etwa bei PriimmlSigrist, Sicherheitsund Ordnungsrecht, Rn 213. 421 So MandelartzlSauerlStrube, Polizeigesetz, § 30 Rn 4 (Hervorh.i.Orig.); weitgehend auch Dix, Rechtsfragen, S. 573. 422 Gusy, Schutz, S. 434; ders., Grundrechtsschutz, S. 104. 423 Gröpl, Nachrichtendienste, S. 270. 424 Gröpl, Nachrichtendienste, S. 270; Gusy, Grundrechtsschutz, S. 104. 425 Beispiel bei WürtenbergerlHeckmannIRiggert, Polizeirecht, Rn 419 a. 426 Dazu Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 602: Es handele sich um eine Kompetenzverlagerung, „deren Nichtbeachtung zur Rechtswidrigkeit der Datenerhebung mit der Folge der Unverwertbarkeit und Löschung der Daten führt".

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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Gegen die Annahme, im öffentlichen Recht müsse man schon wegen der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz eine Rechtmäßigkeitskette voraussetzen, sprechen etwa die Fehlerfolgenlehren bei Verwaltungsakten, die in weitreichendem Umfang dessen Wirksamkeit trotz Rechtswidrigkeit absichern. Weder kann man wegen des Regelungszusammenhanges der Phasen der Informations- und Datenverarbeitung davon ausgehen, daß die Rechtswidrigkeit eines vorangegangenen Schrittes für nachfolgende Schritte vollkommen unerheblich ist, noch kann man ohne weiteres annehmen, daß Normverstöße an einer bestimmten Stelle umstandslos zur Rechtswidrigkeit der weiteren Verarbeitungsvorgänge fuhren. Man kommt nicht umhin, ebenso wie im Strafprozeßrecht differenzierte, freilich spezifisch polizeirechtliche Lösungen zu entwickeln. 427 Dazu können hier nur einige Grundüberlegungen eingeführt werden. Zwischen dem Rechtsverstoß und dem Vorgang, der deswegen einem Rechtswidrigkeitsverdikt unterliegen soll, muß zumindest ein Rechtswidrigkeitszusammenhang bestehen 4 2 8 So lassen sich auch einfachrechtliche und verfassungsrechtliche Verdikte unterscheiden. Viel weiter fuhrt das allerdings nicht. Die Kriterien, die einen Rechtswidrigkeitszusammenhang konstituieren, sind damit noch nicht herausgearbeitet. Ihre Ausarbeitung wird dadurch erschwert, daß - wie in den bisherigen Überlegungen gerade deutlich geworden ist - die Regelungsmechanismen und -elemente, die in den polizeigesetzlichen Bestimmungen eingesetzt werden, in Regelungszusammenhängen stehen und ein sich ergänzendes Schutzkonzept bilden. Abgesehen davon ist ein Rechtswidrigkeitszusammenhang als solcher eine notwendige, aber noch nicht die hinreichende Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des nachfolgenden Schrittes. Dieses Ergebnis wird von mehreren Überlegungen abhängen. Soweit Maßgaben gerade prozeßwbergreifend gelten, ist die Frage der Rechtswidrigkeit unproblematisch, weil die Vorgaben auch für den nachfolgenden Schritt explizit gelten. So fuhrt ein Verstoß gegen die engeren Zweckbindungen im Falle des Einsatzes bestimmter Methoden durch eine Erhebung oder Speicherung zu davon nicht gedeckten Zwecken schon deshalb ohne irgendeine gesonderte Prüfung oder Abwägung zur Rechtswidrigkeit der weiteren Speicherung und Verwendung, weil die engeren Zwecke eben auch dafür gelten. 429 Im übrigen wird es auf eine Abwägung nach Maßgabe mehrerer Kriterien ankommen. 430 Zu den

427

Zu allgemeinen verwaltungsrechtlichen Überlegungen zu Verwertungsverboten siehe insbesondere Eberle , Verwertungsverbot, S. 351 f f ; Müsch, Verwertungsverbote, passim; Macht, Verwertungsverbote, passim. 428 Waechter, Probleme, S. 156. 429 Erörterungen, die aber zur Frage der Angemessenheit des Musters des „(qualifizierten) hypothetischen Ersatzeingriffs" gehören, bei Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, Rn 528. 430 Würtenberger!Heckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 419 a.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

wesentlichen Kriterien gehören auf der einen Seite Inhalt, Umfang und Gewicht der Rechtsgüter oder der öffentlichen Belange, die im Falle einer Rechtswidrigkeit der Speicherung oder Verwendung der Daten nicht geschützt oder realisiert werden könnten, und auf der anderen Seite die Schutzfunktionen des Tatbestandselements, gegen das verstoßen worden ist 4 3 1 , die Schwere der Rechtsverletzung sowie die Schutzwürdigkeit des individuell Betroffenen. Ein wichtiges Kriterium ist auf dieser Seite zudem das überindividuelle Interesse an der Rechtmäßigkeit polizeilichen Handelns („Disziplinierungsgedanke"). 432 Die Abwägung erfolgt danach nicht in völlig neuer Weise, sondern ist auch an das (verletzte) Tatbestandselement in der Regelung des vorangegangenen Verarbeitungsschrittes rückgebunden, der schließlich bereits eine Abwägung mit dem Ergebnis zugrunde liegt, daß dieses Element als Tatbestandsvoraussetzung die Rechte des Betroffenen sichert 4 3 3 Diese Rückbindung hat allerdings keine unbedingte Qualität. Vielmehr können die Folgen der Rechtswidrigkeit, ohne daß die entsprechenden normativen Vorgaben und ihre Verletzung ganz bedeutungslos wären, in der neuen Abwägung gegebenenfalls in bestimmtem Umfang relativiert werden. Das hat bei übergreifender Betrachtung die Konsequenz, daß auch etwa die rechtsbindenden Wirkungen der den Einsatz besonders beeinträchtigender Methoden determinierenden Regelungselemente, wie sie oben behandelt worden sind, in bestimmtem Umfang relativiert werden können. Allerdings darf auch im hier erörterten Kontext nicht außer acht bleiben, daß zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr strukturelle Unterschiede bestehen, die sich maßgeblich auswirken werden. So wird dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses an der Rechtmäßigkeit polizeilichen Handelns mehr Gewicht zukommen, wenn der Strafsanktionsanspruch des Staates im Mittelpunkt steht, als in Konstellationen, in denen eine durchgreifende Rechtswidrigkeit dazu führte, daß Schädigungen der Rechtsgüter Privater entstehen, die die Polizei hätte verhindern können. Auch zwischen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge bestehen, was bei einer Zusammenfassung im Begriff der „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" wiederum untergehen könnte, in ähnlicher Weise Unterschiede, die auf deren jeweils verschiedenen Grundstrukturen und den funktionalen Bezügen entweder zur Gefahrenabwehr oder zur Strafverfolgung beruhen. Etwa könnte die Verletzung einer Pflicht, auf Aussageverweigerungsrechte hinzuweisen, im Bereich der Verfolgungsvorsorge wegen gegebener Nahtstellen zum Strafprozeß und zu den dort bestehenden ver431 Vgl. auch BGHSt 38, 215 (220); BGH, JZ 1993, S. 425 (425 f.): Ein Verwertungsverbot liegt nahe, wenn die verletzte Verfahrensvorschrift dazu bestimmt ist, die Grundlagen der verfahrensrechtlichen Stellung des Beschuldigten oder Angeklagten im Strafverfahren zu sichern. 432 Zu kurz in dieser Hinsicht Würtenberger!Heckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 419 a. Vgl. dagegen auch Eberle , Verwertungsverbot, S. 361. 433 Fezer, Strafprozeßrecht, S. 219 f.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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fahrensrechtlichen Schutzpositionen bedeutsamer sein als im Bereich der Straftatenverhütung. Die Antworten auf die Frage der Rechtmäßigkeits- oder Rechtswidrigkeitszusammenhänge können entsprechend different sein. Man kann fur die Konzeptionen im Polizeirecht insgesamt Anregungen aus dem Strafprozeßrecht gewinnen. 434 Dessen Lösungen sind aber nicht ohne weiteres übertragbar. Den Gesetzgebungen steht es grundsätzlich frei, Rechtmäßigkeits- oder Rechtswidrigkeitszusammenhänge so auszuformen, daß Wertentscheidungen und Fehlerfolgen den gesetzlichen Regelungen, unter Umständen nur in bestimmten Hinsichten, zu entnehmen sind. Sie könnten Vorschriften zur Unbeachtlichkeit einer Rechtswidrigkeit bestimmter Elemente in einem Informationsund Entscheidungsfmdungsprozeß vorsehen, ohne daß dies verfassungswidrig sein muß. Umgekehrt steht es ihnen zu, gesonderte Verwendungsverbote im Falle der Rechtswidrigkeit vorangegangener Verarbeitungsvorgänge festzuhalten. Ob gesetzliche Regelungen eine überzeugendere Basis hergeben als die dogmatisch geleitete Entwicklung von Kriterien und Einzelfallbeurteilungen, ist kaum pauschal zu beantworten. In den Polizeigesetzen hat man mit der zuletzt genannten Situation nur zu tun, soweit der Normtext nicht die Rechtmäßigkeit der Erhebung als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der weiteren Schritte verlangt. Man mag dies nicht in allen Fällen für überzeugend halten, und man mag in manchen Konstellationen, insbesondere im Bereich der Gefahrenabwehr, sogar die Verfassungswidrigkeit einer solchen Vorgabe in Betracht ziehen, soweit Schutzpflichten evident verletzt würden. 435 Im Ergebnis werden zu diesem Punkt weitere Ausarbeitungen nötig werden. Sie werden insbesondere im Falle funktionierender gerichtlicher Kontrolle an Bedeutung gewinnen. 4. Die Determination durch die Übermittlungs- und Empfangsbefugnisse Die Übermittlungs- und die teilweise geregelten Empfangsbefugnisse müssen auf die Aufgaben und auf die Rolle der Polizei abgestimmt sein, die in besonderer Weise in ein aufgaben- und arbeitsteiliges behördliches System eingegliedert ist. Insbesondere angesichts der im Rahmen der Gefahrenabwehr lediglich bestehenden Eil- und Auffangkompetenz ist absehbar, daß es insoweit relativ weitreichende Übermittlungsmöglichkeiten geben muß. Aufgrund der Stellung der Polizei kommt man ohne generalklauselartige Übermittlungsermächtigungen nicht aus. „Die vielfältigen informationellen Beziehungen innerhalb und zwischen Polizeibehörden sowie sonstigen (Sicherheits-)Behörden und privaten

434 435

Zum Strafprozeßrecht siehe z.B. BGHSt 38, 215 (219 f.). Waechter, Probleme, S. 157. Kritik an der Regelung bei Vahle, Stand, S. 271.

334

Kap. 3 : Die Determinationsmuster

Stellen sowie öffentlichen Stellen außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes - wichtig im Hinblick auf den Wegfall der europäischen Binnengrenzen aufgrund des Schengener Abkommens - lassen nur eine generalklauselartige Regelung zu." 4 3 6 Ebenso wie bei den Generalermächtigungen für die Speicherung, Veränderung und sonstige Nutzung personenbezogener Daten ist dies unproblematisch, wenn die Gesichtspunkte und Konstellationen, die Regelungsprobleme aufwerfen, angemessen in konkreteren Bestimmungen geregelt werden. Hingewiesen werden kann hier auf die Einschränkungen der Übermittlungsmöglichkeiten, die in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge in personeller Hinsicht bestehen, und auf die die Übermittlungsregelungen prägenden Muster von Zweckbindungen und Zweckänderungen, deren Grundlinien bereits im Rahmen der Regelungsmuster zur Informations- und Datenverarbeitung erörtert worden sind. Nähere Fragen wären durch eine Untersuchung der Beziehungen zwischen der Polizei und den jeweils anderen Behörden zu klären, die regelmäßig nicht mehr allein spezifisches Polizeirecht beträfe und hier ausgeklammert bleiben soll. 437 Auch die mit dem Verhältnis zwischen Bundeskriminalamt und Landespolizeibehörden, insbesondere die mit dem INPOL-System verbundenen Fragen sind ein eigenständiges The-

IV. Die Gestaltung der Kenntnismöglichkeiten betroffener Personen /. Bedeutung und Gewährleistung von Kenntnismöglichkeiten Die gesetzlichen Determinanten der polizeilichen Tätigkeit haben nicht allein als solche rechtsstaatliche und freiheitsrechtliche Funktionen. Sie erfüllen diese darüber hinaus dadurch, daß sie die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des polizeilichen Vorgehens gewährleisten und die Bedingungen der Möglichkeit unabhängiger Kontrollen schaffen sollen. Die Möglichkeiten derer Realisierung spielten im „klassischen", auf die Regelung nur bestimmter Maßnahmen konzentrierten Polizeirecht und im herkömmlichen, schon justizförmig ausgestalteten Strafverfahrensrecht keine hervorgehobene Rolle. Auch wenn die Polizei niemals immer offen ermittelt hat 439 , werden die nunmehr aufgenommenen Ermächtigungen zu verdecktem polizeilichen Vorgehen und zum verdeckten Einsatz besonders beeinträchtigender Ermittlungsmethoden, wie sie zum Teil erst durch die technischen Entwicklungen zur Verfügung stehen, mit guten Gründen als fundamentale Veränderung sowohl der Polizeigesetze als auch des StrafVer436 437 438 439

Vahle, Probleme, S. 48. Ähnlich Kniesel, Grundlagen, Rn 48. Vgl. aber die gründliche Untersuchung von Marenbach, Beziehungen, passim. Vgl. dazu die Ausführungen in Kap. 2 Punkt B.II.3.a. Zu wenig problemsensibel zur StPO allerdings BGH, NJW 1996, S. 2940 (2942).

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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fahrensrechts registriert. Im Strafverfahrensrecht zeigt sich anschaulich, wie sehr bestimmte verdeckte Methoden nicht nur das Ermittlungsverfahren modifizieren, sondern sich weiter auf das Hauptverfahren auswirken und dort tiefgreifende Probleme der Vereinbarkeit des staatlichen Vorgehens mit strafprozessualen Prinzipien nach sich ziehen. 440 Im Hinblick auf die Polizei finden an dieser Stelle erneut kritische Vergleiche mit den Nachrichtendiensten. Daher dreht sich in den Bereichen der neuen Aufgaben der Strafiatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge ein zweiter, neben der Analyse der Rechtsbindungen wichtiger Strang um die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen Polizei und Bürgern im Hinblick auf die Transparenz polizeilichen Handelns, auf die individuellen Kenntnis- und Einflußchancen und auf die Möglichkeiten einer Kontrolle gestaltet. Die polizeilichen Tätigkeiten sind durch Vorverlagerungen sowohl gegenüber der Gefahrenabwehr als auch gegenüber der Strafverfolgung gekennzeichnet und können trotz einer unter Umständen hohen Eingriffsintensität den davon Betroffenen faktisch auch über lange Zeit hinweg oder sogar vollständig verborgen bleiben. Deshalb müssen - entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben - Kenntnis- sowie Beteiligungs- und Einflußmöglichkeiten rechtlich hergestellt werden. Die Konzentration auf Auskunftsansprüche gegenüber der Polizei, die zeitweise im Mittelpunkt der Diskussionen standen, wäre dabei verkürzt. Ebenso wie die Rechtsbindungen der polizeilichen Tätigkeit mit einer übergreifenden Betrachtung des Zusammenwirkens mehrerer Vorschriften und mehrerer Komponenten zu erfassen sind, werden Kenntnis- und Einflußmöglichkeiten durch ein Geflecht verschiedener Regelungen gewährleistet. 441 So wird nach allen Polizeigesetzen der Modus polizeilichen Vorgehens ausdrücklich als grundsätzlich offene Erhebung bei den jeweils betroffenen Personen festgelegt. Kenntnismöglichkeiten werden in mehr oder weniger weitreichendem Umfang in allen Polizeigesetzen durch grundsätzlich gegebene Auskunfis- oder Akteneinsichtsrechte abgesichert. Transparenz sollen unter anderem auch Dateienregister und Errichtungsanordnungen schaffen. Daß die grundsätzlichen Gewährleistungen regelmäßig in nicht unerheblichem Umfang wieder eingeschränkt werden, ist für den Grundsatz offener Ermittlungen und den Grundsatz der Erhebung beim Betroffenen bereits herausgestellt worden. 442 Auch bei den Auskunftsansprüchen hat es lange Zeit Tendenzen gegeben, der Polizei die prinzipielle Geheimhaltung ihrer Tätigkeiten in einem Umfang und in einer Weise zuzugestehen, die nicht nur mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben unvereinbar, sondern selbst aus der Perspektive po-

440 441 442

Vgl. oben Kap. 2 Punkt C.I.l.a., b. und f. Siehe auch BVerfGE 57, 250 (273 ff.). Vgl. Albers, Neukonzeption, S. 136 f. Oben Kap. 3 Punkt C.III.2.a.dd.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

lizeilicher Aufgabenerfullung nicht ansatzweise zu legitimieren war. 443 Nachfolgend soll den Mustern von Gewährleistungen und Grenzen in bezug auf die Unterrichtungpflichten näher nachgegangen werden, die im Falle des Einsatzes bestimmter Methoden gesetzlich vorgesehen sind. 2. Insbesondere: Unterrichtungspflichten

und ihre Grenzen

In bestimmten Konstellationen wird die Gewährleistung allein von Auskunftsansprüchen den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerecht. 444 Ermittlungsmaßnahmen können verdeckt erfolgen, so daß die betroffenen Personen nichts davon wissen und auch nicht damit rechnen, und zugleich intensive Grundrechtsbeeinträchtigungen darstellen. Unter solchen Umständen besteht ein gewichtiges schutzwürdiges Interesse der betroffenen Personen, über die Maßnahmen informiert zu werden und sie gegebenenfalls einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterziehen zu können. Zudem kommen besonders beeinträchtigende Ermittlungsmaßnahmen nach ihren Tatbestands Voraussetzungen in Fällen zum Tragen, in denen es gerechtfertigt sein kann, ihre Durchführung zeitweise geheimzuhalten, also auch eine Auskunft zu verweigern. Sobald die Daten jedoch nicht mehr erforderlich sind, müssen sie gelöscht werden. Ohne eine Mitteilungspflicht der Polizei wäre es somit praktisch ein Regelfall, daß betroffene Personen von den Ermittlungsmaßnahmen nie erführen. Unterrichtungspflichten sind demnach zwar nicht zwingend hinsichtlich jeder Ermittlung vorzusehen, die ohne Kenntnis des Betroffenen oder verdeckt erfolgt. 445 Sie sind aber bei besonders beeinträchtigenden Maßnahmen festzulegen. Die Beeinträchtigungsintensität kann sich dabei auch aus dem Zusammenwirken einer nicht offenen Ermittlungsmaßnahme und den sich anschließenden Verarbeitungsmaßnahmen ergeben. Soweit die Polizeigesetze dahinter zurückbleiben, sind sie verfassungswidrig. 446 Unterrichtungsansprüche bestehen nicht als von Verfassungs wegen im Ansatz unbegrenzte Rechte jeder betroffenen Person, sondern sind als Bindungen leistungsrechtlicher Natur gesetzlich zu konkretisieren. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 443

Siehe etwa die - deutlich verfassungswidrige - Entscheidung BVerwG, NJW 1990, S. 2765 (2765 ff.), und dazu Simitis/Fuckner, Selbstbestimmung, bes. S. 2715 ff. 444 Siehe BVerfGE 30, 1 (21, 31 f.); 100, 313 (361); SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423 (1434); BbgVerfG, L K V 1999, S. 450 (455 f.); MVVerfG, Urteil vom 18.05.2000, Punkt C.VIII. (Umdruck S. 51 ff.). 445 §§29 Abs. 6 BbgPolG, 178 Abs. 2 Satz 3 LVwGSH räumen Ansprüche, die über die von Verfassungs wegen zu gewährleistenden Positionen hinausgehen, allerdings zulässigerweise ein. 446 Anders BayVerfGH, DVB1 1995, S. 347 (352 f.), der außerhalb des Einsatzes technischer Mittel zum Abhören von Wohnräumen den Auskunftsanspruch für ausreichend und die entsprechend gestaltete bayerische Regelung für verfassungsmäßig hält.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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Art. 1 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG setzen wegen der Eigenart der Rechte, insbesondere wegen der funktionalen Zusammenhänge mit abwehrrechtlichen Positionen, aber relativ präzise Vorgaben. In personeller Hinsicht sind all diejenigen Personen zu unterrichten, die durch Maßnahmen, die ihrer Kenntnis entzogen sind und besonders beeinträchtigend wirken, in ihren Grundrechten betroffen sind. Hinsichtlich des Umfangs des Anspruchs ist entscheidend, daß die Betroffenen den Prozeß der sie betreffenden polizeilichen Informations- und Datenverarbeitung nachvollziehen können, also Kenntnischancen insbesondere über die Inhalte der Daten und Informationen, über die konkreten Verwendungszwecke, über die Herkunft sowie über Empfänger im Falle von Datenübermittlungen erhalten. 447 Die Unterrichtung muß wegen ihrer eingeschränkten Funktion nicht sämtliche Aspekte abdecken. Sie darf zudem aufgrund hinreichend legitimer Gegenbelange eingegrenzt gewährleistet werden. Die personellen, sachlichen und zeitlichen Tatbestandsvoraussetzungen der in den Polizeigesetzen vorgesehenen Unterrichtungspflichten wirken demnach einerseits anspruchsbegründend, können aber andererseits zugleich Grenzen formulieren. Nach den personellen Voraussetzungen und Grenzen der polizeigesetzlichen Vorschriften haben regelmäßig 448 diejenigen einen Unterrichtungsanspruch, gegen die die Maßnahme angeordnet war, gegen die sich Datenerhebungen richteten oder die von der Maßnahme betroffen sind. 449 Soweit auf die Anordnung der Maßnahme abgestellt wird, legt der Normtext nahe, daß nur den Personen ein Anspruch zusteht, die in der förmlich, also unter Beachtung der Entscheidungsvorbehalte und der weiteren einschlägigen Anforderungen getroffenen Anordnung als „Zielpersonen" benannt sind. 450 Das braucht sich zwar nicht auf solche Personen zu beschränken, hinsichtlich derer die Annahme einer Straftatenbegehung gerechtfertigt ist. „Zielpersonen" in diesem Sinne können vielmehr unmittelbar Kontakt- und Begleitpersonen einer solchen Person sein, sofern Maßnahmen, wie es nach der Gesetzeslage meistens möglich ist, auch gegen sie angeordnet werden dürfen. Ist die „Zielperson" aber ausschließlich ein „potentieller Straftäter", sind dessen Kontakt- und Begleitpersonen - und weitergehend auch betroffene Dritte - nach dem Normtext vom Unterrichtungsanspruch ausgenommen.

447 Oben Kap. 3 Punkt B.II.2.a. Vgl. auch WürtenbergerlHeckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 434: „Erforderlich ist ..., daß jeder Adressat einer Polizeimaßnahme über die Existenz der Maßnahme, ihren Zweck und ihr wesentliches Ergebnis informiert wird. Wichtig ist, daß dieser nachvollziehen kann, ob seine persönlichen Belange, insbesondere seine Grundrechte, bei dem Polizeieinsatz gewahrt wurden." 448 Weitere Einschränkungen gibt es bei der Rasterfahndung, vgl. Kap. 2 Punkt B.II.3.e. Man kann sie wegen derer Funktionsbesonderheiten und der Abwägung zwischen Eingriffsintensität und Unterrichtungsaufwand für gerechtfertigt halten. 449 Kap. 2 Punkt B.II.l.b.dd. mit Fn 282 bis 284. 450 Vgl. auch - mit Kritik - Bäumler, Informationsverarbeitung, Rn 604.

22 Albers

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Kap. 3 : Die Determinationsmuster

Eine solche Restriktion wäre freilich verfassungsrechtlich nicht tragfähig. Denn im Rahmen der jeweiligen Ermittlungsmaßnahmen dürfen nach den sie erlaubenden Ermächtigungen über Kontakt- und Begleitpersonen einer solchen „Zielperson" ebenfalls gezielt Daten erhoben werden, ohne daß sich die Anordnung notwendig auf sie erstrecken müßte. Die Reichweite der Ermächtigungen und die Beeinträchtigungsintensität sind dabei keineswegs in einer Weise reduziert, daß eine Unterrichtung entfallen dürfte. 451 Hinzu kommt, daß die Interessen der als Kontakt- oder Begleitperson eingestuften Personen an einer Information und gegebenenfalls an einer Rechtmäßigkeitskontrolle besonders schutzwürdig sind. Immerhin können bei dieser Kategorie rechtliche Unsicherheiten bei der Auslegung und faktische Unsicherheiten hinsichtlich der Einordnung bestehen.452 Ebenso wäre es verfassungsrechtlich nicht tragfähig, wenn hinsichtlich (mit)betroffener Dritter keinerlei Unterrichtungspflichten bestünden. Hierzu gehören zunächst Personen, die voraussehbar mitbetroffen sind. Dabei hängt die Reichweite dieser Kategorie von der Bestimmung des Begriffs der „Kontaktund Begleitperson" ab: Je enger man diesen Begriff faßt, desto weitgehender sind voraussehbar mitbetroffene Dritte zu berücksichtigen. 453 Außerdem gibt es die Personen, die in nicht vorhersehbarer Weise mitbetroffen sind. Vor allem sie sind bei der Kategorie „unvermeidbar betroffener Dritter" gemeint. 454 In beiden Gruppen können betroffene Personen ein gewichtiges schutzwürdiges Interesse daran haben, über die Maßnahmen informiert zu werden und unter Umständen ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen.455 Das hängt von der Art und der Eingriffsintensität der Maßnahme und gegebenenfalls zusätzlich von der Frage ab, ob und welche Verarbeitungsmaßnahmen sich anschließen. Als Beispiel mag man an voraussehbar mitbetroffene Dritte denken, deren Wohnung überwacht worden ist. 4 5 6 Zufällig betroffene Dritte können in Fällen, in denen Aufzeichnungen erstellt worden sind, ein geschütztes Unterrichtungsinteresse haben, damit sie sicher sein können, daß etwaige Verwendungsbeschränkungen oder Verwertungsverbote eingehalten worden sind. 457 Das wird

451 Die Informationsgewinnung hat sich zwar auf Art, Gegenstand, Zweck und Ausmaß der Verbindung zu den „potentiellen Straftätern" im Hinblick auf die angenommenen Straftaten zu beschränken, aber auch bei den „potentiellen Straftätern" muß sie einen Bezug zu angenommenen Straftaten haben, vgl. Kap. 3 Punkt C.III.2.a.cc. 452 Vgl. oben Kap. 3 Punkt C.III.2.a.cc. 453 Vgl. oben Kap. 3 Punkt C.III.2.a.cc. 454 Kap. 2 Punkt B.II.l.b.dd. mit Fn 272. 455 BbgVerfG, L K V 1999, S. 450 (459); MVVerfG, Urteil vom 18.05.2000, Punkt C.VIII. (Umdruck S. 52 ff.). 456 MVVerfG, Urteil vom 18.05.2000, Punkt C.VIII. (Umdruck S. 54 f.). 457 Vgl. oben Kap. 3 Punkt C.III.3.b.bb., hier auch dazu, daß weitergehende Einschränkungen nötig sind als in den meisten Gesetzen vorgesehen.

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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allerdings dadurch relativiert, daß Unterrichtungspflichten und -rechte entfallen (müssen), sofern sich der Eingriff vertiefte, wenn die Polizei sich um eine Identitätsfeststellung bemühen müßte, damit sie die Mitteilungen machen kann. 458 Es ist jedoch denkbar, die Vorschriften, die (nur) denjenigen einen Unterrichtungsanspruch einräumen, gegen die die Maßnahme angeordnet war, verfassungskonform auszulegen: Statt der Anordnungsinhalte kann man die Wirkung der Anordnung und der nachfolgenden Maßnahme in den Mittelpunkt rücken und alle Personen einbeziehen, die im engeren, das heißt in einem eine Unterrichtung erfordernden Sinne dadurch betroffen sind. Sofern man die Vorschriften, nach denen nur diejenigen zu unterrichten sind, gegen die sich Datenerhebungen richteten, so versteht, daß damit nur die gezielt betroffenen Personen gemeint sind, können sie in ähnlicher Weise erweiternd interpretiert werden. 459 Insoweit gibt es dann im Ergebnis keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Gesetzesfassungen. Die polizeigesetzlichen Bestimmungen, die allen von der Maßnahme betroffenen Personen Unterrichtungsansprüche zuerkennen, können allerdings noch weiter reichen. Das hängt von der Auslegung des jeweiligen Gesetzes ab. Es kann über die verfassungsrechtlichen Vorgaben hinausgehen und voraussehbar oder nicht vorhersehbar mitbetroffene Dritte an dieser Stelle in vollem Umfang einschließen.460 Eine andere Frage ist, ob in einem solchen Fall sachliche Grenzen greifen, die anspruchsbegrenzend wirken. Sachliche Grenzen der Unterrichtungspflichten greifen im Hinblick auf die unterrichtungsberechtigten Personen relativ. Sie sind also jeweils gesondert zu prüfen. Sie stützen sich vor allem auf Belange polizeilicher Aufgabenerfullung. Diese können sich wiederum auffächern. Nach allen Polizeigesetzen bestehen Unterrichtungspflichten erst, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme geschehen kann. Die Wahrnehmung der Aufgabe, die den Ausgangseingriff erst gerechtfertigt hat, ist grundsätzlich ein legitimer Belang, soweit und solange sie die Abschottung des Wissens auch gegenüber der betroffenen Person erfordert. 461 Der Begriff des Zwecks meint an dieser Stelle die konkrete Aufgabe, die mit der Festlegung des Verwendungszwecks bestimmt wird. Zweckänderungen werden dabei miterfaßt. Denn maßgeblich ist der bei der Entscheidung über eine Unterrichtung gegebene Zeitpunkt, so daß nicht unbe458 Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 434; Würz, Polizeiaufgaben, Rn 232. 459 Vgl. auch BbgVerfG, L K V 1999, S. 450 (459), hier mit Rückgriff auf § 29 Abs. 6 BbgPolG. 460 Restringierende Auslegung aber etwa bei Wölfl Stephan, Polizeigesetz, § 23 Rn 31. 461 Näher oben Kap. 3 Punkt B.II.2.C.

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Kap. 3 : Die Determinationsmuster

dingt (allein) der ursprüngliche Verwendungszweck, sondern (auch) ein neuer Zweck relevant sein kann, dem die Maßnahme mit ihren Ergebnissen zugeordnet wird. Eine Zweckgefährdung besteht, solange die Methode fur Ermittlungen zu den jeweiligen Zwecken noch eingesetzt, also etwa eine längerfristige verdeckte Observation noch durchgeführt wird. Darüber hinaus liegt sie vor, wenn eine Kenntnis der betroffenen Personen von den polizeilichen Ermittlungen den Ertrag weiterer erforderlicher Ermittlungen im Rahmen des Zweckes verhinderte oder gefährdete. In den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge verweist das auf die Problematik der Bestimmung der Verwendungszwecke zurück. 462 Diese Zwecke sind nicht unbedingt „einzelfallspezifisch" begrenzt. Allerdings erhalten sie Grenzen durch aufschlüsselnde Differenzierungen, durch die tatbestandlichen Voraussetzungen, die gerade die Ermächtigungen zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden etwa hinsichtlich des Straftatenkatalogs oder sonstiger sachlicher, personeller und zeitlicher Merkmale enthalten, und durch die daran anschließende Konkretisierung. Eine allgemeine Orientierung an der Aufgabe der „Straftatenverhütung" oder der „Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten", die es ermöglichte, Maßnahmen auf Dauer mit dem Argument geheimzuhalten, in dem „Milieu" seien permanent Straftaten zu verhüten und die Unterrichtung verhindere denkbare weitere Ermittlungen, scheidet aus. 463 Ist der Begriff des „Zwecks der Maßnahme" auf die konkrete Aufgabe bezogen, entsteht eine besondere Problematik dadurch, daß gelegentlich die Wahrnehmung weiterer anstehender Aufgaben in Rede stehen kann. Das lange Zeit beliebte Argument, Unterrichtungen als solche gefährdeten die Aufgabenerfullung, weil dadurch Methoden und Arbeitsweisen der Polizei erkennbar würden, ist zwar zu pauschal, als daß es mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar sein könnte. Dennoch sind durchaus Fälle denkbar, in denen weitere Ermittlungen zu einem anderen Komplex anstehen, die durch die Kenntnis der jeweiligen Personen davon, daß die Polizei sie bereits „im Visier" hat, gefährdet würden, und in denen dies legitimerweise einer Unterrichtung entgegengehalten werden könnte. Freilich werden solche Gesichtspunkte von dem Gesetzesbegriff „Zweck der Maßnahme" nicht bereits erfaßt, weil dieser Zweck, wie erläutert, schon wegen der Mißbrauchsgefahren nicht auf die allgemeinen Aufgaben bezogen ist. Die Polizeigesetze haben dieses Problem nicht überzeugend gelöst. Es ist anzunehmen, daß man bemüht ist, den Zweckbegriff unzulässig weit auszulegen. Einige wenige Polizeigesetze haben sodann - ebenso wie viele der einschlägigen strafprozessualen Vorschriften - die „Gefährdung der öffentlichen Sicher462

Näher oben Kap. 3 Punkt C.III.2.a.aa. Das ändert nichts daran, daß die Unterrichtung unter Umständen relativ lange hinausgeschoben werden kann. Vgl. auch Trute, Erosion, S. 412. 463

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heit" als einen der Unterrichtungspflicht entgegenstehenden Belang aufgenommen. Wegen der Pauschalität und Reichweite einer solchen Einschränkung, die zum Teil sogar bei der Unterrichtung über eine Wohnraumüberwachung gelten soll, ist das mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ersichtlich unvereinbar. 464 Des öfteren findet sich die Vorgabe, daß eine Unterrichtung wegen des Einsatzes von verdeckten Ermittlern oder von Vertrauenspersonen nicht nur im Falle des Gegenbelangs einer erkennbaren Lebens- oder Gesundheitsgefahr, sondern auch im Falle einer Gefährdung der weiteren Verwendung unterbleiben darf. Dieser Belang scheidet nicht von vornherein als nicht gerechtfertigte Eingrenzung von Unterrichtungspflichten aus. Die im Normtext angelegte Reichweite seiner Berücksichtigung ist jedoch verfassungskonform durch Abwägungserfordernisse zu ergänzen 4 6 5 In einigen Polizeigesetzen wird die Unterrichtungspflicht darüber hinaus für den Fall eingegrenzt, daß keine Aufzeichnungen mit personenbezogenen Daten erstellt oder sie und Unterlagen über daraus gewonnene Erkenntnisse unverzüglich nach Beendigung der Maßnahme vernichtet worden sind. Dahinter stehen Überlegungen wie die, daß „keine belastenden Folgewirkungen für den Betroffenen entstanden sind oder zu entstehen drohen und keine belastenden Unterlagen über ihn bei der Polizei vorgehalten werden", so daß auch das Interesse der Polizei anzuerkennen sei, „nicht mit Mitteilungspflichten belastet zu werden, die in ihrer ansonsten zu erwartenden Häufigkeit nicht nur den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb, sondern auch polizeiliche Geheimhaltungsinteressen (Streueffekt!) beeinträchtigen würden". 466 Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einschränkung spricht aber bereits, daß nicht erst Folgewirkungen oder das Speichern der Erkenntnisse mit besonderer Intensität in die Grundrechte der betroffenen Personen eingreifen können, sondern bereits die Durchfuhrung der jeweiligen Maßnahme. Man mag dies noch für nicht durchgreifend halten. Ein entscheidender Einwand liegt im weiteren aber darin, daß die Regelung insofern den verfassungsrechtlichen Schutzerfordernissen zuwiderläuft, als gerade diejenigen, bei denen die Maßnahme zu keinen relevanten Ergebnissen geführt hat und gegen die sie dann auch möglicherweise ohne hinreichende Beachtung der Tatbestandsvoraussetzungen angeordnet worden ist, nicht zu unterrichtet wer464

So auch Bizer, Zweite Novelle, S. 17 ff. (im SächsPolG ist die zunächst vorgesehene Eingrenzung nicht realisiert worden). Zur Kritik an den strafprozessualen Vorschriften siehe bereits oben Kap. 2 Fn 471. 465 Vgl. auch Alberts! Merten, Gesetz, § 12 Rn 9, die grundsätzliche Bevorzugung staatlicher Interessen am Einsatz des verdeckten Ermittlers sei mit verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar. Ebenso Würtenbergerf Heckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 434, die eine umfassende Abwägung zwischen dem weiteren Verwendungsinteresse der Polizei und dem Interesse des Betroffenen an der Unterrichtung für notwendig halten. Im Hinblick auf V-Personen mit einer die Unterrichtungspflicht deutlich stärkenden Abwägung BbgVerfG, L K V 1999, S. 450 (465). 466 So Vahle, Probleme, S. 50 (Hervorh.i.Orig.).

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

den bräuchten. Sofern eine Unterrichtungspflicht von Verfassungs wegen geboten ist, darf sie in dieser Weise also nicht eingeschränkt werden. Zulässig und möglicherweise sinnvoll wäre eine solche Restriktion nur in Fällen, in denen das Gesetz im Ansatz sämtlichen irgendwie von einer Maßnahme betroffenen Personen Unterrichtungsansprüche zuerkennt: Sie mag dann als sachliche Grenze des Anspruchs bei (mit)betroffenen Dritten festgelegt werden, sofern die Maßnahme selbst bei diesen Personen zu keiner besonderen Beeinträchtigung fuhrt. An sachliche Grenzen des Unterrichtungsanspruchs (mit)betroffener Dritter ist auch insoweit zu denken, als eine „Zielperson", bei der die Annahme einer Straftatenbegehung gerechtfertigt war, ein schutzwürdiges Interesse daran haben kann, daß diese polizeiliche Beurteilung in ihrem sozialen Umfeld nicht bekannt wird. Ein solches Interesse erscheint insbesondere dann als durchaus legitim, wenn sich die Annahme im Laufe der Ermittlungen als falsch herausstellt. Umfassende Unterrichtungen könnten, sofern sie einen Rückschluß auf die „Zielperson" erlauben, stigmatisierende Effekte haben. Ist dies nicht durch eine neutralisierende Form der Unterrichtung aufzufangen, kann eine Interessenabwägung dazu fuhren, daß von einer Benachrichtigung (mit)betroffener Dritter abzusehen ist. Das kommt aber nur in Fällen in Betracht, in denen keine schwerwiegende eigenständige Beeinträchtigung dieser Personen vorliegt. 467 Zeitliche Grenzen folgen den inhaltlichen Eingrenzungen aufgrund der Aufgabenerfullung, indem Unterrichtungen unterbleiben dürfen, solange der Zweck der Maßnahme gefährdet wäre. Darüber hinaus führt nach manchen Polizeigesetzen die Zeitspanne, die seit Beendigung der Maßnahme verstrichen ist, zum Wegfall der Unterrichtungspflicht. Das wird damit begründet, daß dies dem Rechtsfrieden diene 468 und der Betroffene nach entsprechend langer Zeit kein schutzwürdiges Interesse an der Unterrichtung mehr habe. 469 Man kann jedoch aus der Tatsache einer bis dahin nicht erfolgten Unterrichtung folgern, daß zuvor ein entgegenstehender Grund die Polizei an der Unterrichtung gehindert haben muß. Soweit dies überhaupt vorkommt, wird es, vor allem in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge, an entsprechend langfristig angelegten Ermittlungen von einiger Relevanz liegen. Um so mehr wird die betroffene Person ein schutzwürdiges Interesse an einer Unterrichtung auch noch fünf Jahre nach Beendigung der Maßnahme (es heißt nicht: nach Beendigung der Ermittlungen) haben. Sofern die mangelnde Unterrichtung auf dem übergreifenden Gesichtspunkt einer weiteren Verwendung verdeckter Ermittler

467 Siehe dazu auch MVVerfG, Urteil vom 18.05.2000, Punkt C.VIII. (Umdruck S. 55). Vgl. außerdem bereits Kap. 3 Punkt C.III.2.a.dd. mit Fn 312. 468 MandelartzlSauerlStrube, Polizeigesetz, § 28 Rn 41. 469 Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht, Rn 434 mit Hinweis auf die Begründung zur Vorschrift des PolG BW.

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beruht, ist das Interesse der betroffenen Person, von einem solchen Einsatz zu erfahren, so groß, daß die zeitliche Einschränkung ebenfalls nicht gerechtfertigt ist. Dem Zielkonflikt zwischen dem Unterrichtungsrecht des Betroffenen und seinem Interesse an der Löschung der Daten, die wegen der Unterrichtungspflicht unter Umständen länger aufzuschieben ist, als es mit Blick auf die Erfüllung der konkreten Aufgabe nötig wäre, ist durch Sperrungsvorschriften Rechnung zu tragen. 470 Darüber hinaus unterbleiben Unterrichtungen nach allen Polizeigesetzen, wenn sich an den die Maßnahme auslösenden Sachverhalt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anschließt. Das ist eine Folge der damit (zumindest auch) verbundenen Zweckänderung und der insoweit gegebenen Leitungskompetenz der Staatsanwaltschaft. Problematisch bleibt, daß insbesondere im Falle einer Einstellung des Verfahrens nach § 170 StPO rechtlich nicht gesichert ist, daß die Betroffenen von der Maßnahme erfahren, obwohl sie gerade unter solchen Umständen ein besonders schützenswertes Interesse an der Unterrichtung und an der Möglichkeit einer Rechtmäßigkeitsprüfung haben. 471 Im Zusammenhang des Strafprozeßrechts muß auch nicht unbedingt in jedem Fall eine Unterrichtungspflicht allein deswegen vorgesehen werden, weil Informationen, die durch besondere polizeigesetzliche Maßnahmen erlangt worden sind, verwendet wurden. Sofern eine Unterrichtung von Verfassungs wegen geboten ist, haben vielmehr die Polizeigesetzgeber sicherzustellen, daß eine polizeiliche Mitteilung, dies dann in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft, erfolgt und allenfalls in den Fällen unterbleibt, in denen die betroffene Person im strafprozessualen Ermittlungsverfahren tatsächlich von der Maßnahme erfährt. Denn ihnen kommt auch die Kompetenz zu, Übermittlungsermächtigungen und - damit meist verbunden - die Zulässigkeit von Zweckänderungen zu regeln 472 , und sie dürfen Kenntnisvorschriften nicht so gestalten, daß notwendige Unterrichtungspflichten der erhebenden Polizeibehörde auch dann entfallen, wenn die Daten in einen Regelungszusammenhang transformiert werden, im Rahmen dessen die Unterrichtung nicht mehr gewährleistet ist. Vielmehr sind unter solchen Umständen Abstimmungen und konditionierte Unterrichtungspflichten der Polizei vorzuse-

470 Für verfassungswidrig hält die Regelung auch Würz, Polizeiaufgaben, Rn 232. Siehe insgesamt auch die Kritik bei Mandelartz/Sauer/Strube, Polizeigesetz, § 28 Rn 41, daß die Regelung „die Gefahr (birgt), daß die Polizei die Unterrichtung unter dem Vorwand, der Zweck der Maßnahme würde gefährdet, fünf Jahre hinauszögert." 471 Siehe aber BayVerfGH, DVB1 1994, S. 347 (352), der im Falle des Einsatzes besonderer Methoden, näher: verdeckter technischer Mittel in Wohnungen, ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe der Einstellung (§ 170 Abs. 2 Satz 2 StPO) annimmt, sich jedoch bereits nicht mehr damit auseinandersetzt, daß die Regelung sich nur auf Beschuldigte erstreckt und die Bekanntgabe einer Einstellung nicht ohne weiteres die Unterrichtung über den Einsatz der jeweiligen Methode auf Basis des Polizeigesetzes einschließt. 472 Siehe Kap. 3 Punkt C.III.3.b.aa.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

hen. Das ist aber nur manchmal ausdrücklich so geregelt: Teilweise wird hervorgehoben, daß die Staatsanwaltschaft über den Zeitpunkt der Unterrichtung entscheidet. Teilweise ist die Unterrichtung vorgesehen, sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind, und kann unterbleiben, wenn der Betroffene im Rahmen des Ermittlungsverfahrens von der Maßnahme Kenntnis erlangt oder wenn Akteneinsicht gewährt worden ist. Die Koordination zwischen Polizeirecht und Strafverfahrensrecht ist somit auch an dieser Stelle überwiegend noch nicht hinreichend ausgelotet.473

V. Die Institutionalisierung von Kontrollen Die Grenzen der Unterrichtungspflichten verweisen darauf, daß die Mechanismen zur Kontrolle der polizeilichen Tätigkeit gegenüber dem Gerichtsschutz, dem im „klassischen" Polizeirecht zentrale Bedeutung zukommt, komplexer gestaltet und vielfältiger sein müssen. Diese Feststellung gilt aber noch darüber hinaus. Die rechtlichen Bindungen sind nicht mehr auf die „Kontaktpunkte" zwischen Bürgern und Polizei beschränkt. Sie erfassen den innerhalb der Polizei erfolgenden Umgang mit Informationen und Daten. Die Loslösung der polizeilichen Tätigkeit von den dadurch betroffenen Personen wird mit der Vorverlagerung in die Gebiete der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge weiter verstärkt. Die Verfolgungsvorsorge und die Nahtstellen zur Strafverfolgung, die sich insgesamt in zum Teil neuartiger Form ergeben, können zudem Fragen der Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft aufwerfen. Es liegt deshalb nahe, daß es ein System von Kontrollen mit unterschiedlichen Funktionen geben muß. Wie die Gesetzesanalyse gezeigt hat, sind in den Polizeigesetzen eine Reihe von Kontrollmechanismen institutionalisiert worden. Sie wurden zum Teil bereits behandelt.474 In einem weiteren Sinne gehören dazu die Entscheidungsund Beteiligungsvorbehalte, die bei den Ermächtigungen zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden Richter oder Behördenleiter, Innenministerien oder auch Datenschutzbeauftragte einbeziehen. Sie sollen als zusätzlicher Schutzund Kontrollmechanismus die Eingriffsintensität und die Heimlichkeit der Maßnahmen kompensieren. Sie dienen insbesondere wegen der Folgen, die mit den Vorverlagerungen polizeilicher Tätigkeiten nicht nur in Form von Freiheitsgefahren, sondern auch in Form von erweiterten Spielräumen der Polizei verbunden sind, der Höherzonung der Entscheidung und der Verstärkung der „politischen" Verantwortung. Wenn sie auch keine erschöpfende Lösung bieten,

473

Siehe dazu das Bemühen um eine angemessene Auslegung in MVVerfG, Urteil vom 18.05.2000, Punkt C.VIII.4. (Umdruck S. 55 f.). 474 Siehe Kap. 3 Punkt C.III.2.b.dd.

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können sie zumindest in bestimmtem Umfang Distanzen und Begründungszwänge schaffen, die die Anwendung der neuen Regelungen kennzeichnen müssen. Im Bereich der Verfolgungsvorsorge kommt der Einschaltung der Staatsanwaltschaft wegen der Nahtstellen zur Strafverfolgung besondere Bedeutung zu. Einiges Gewicht haben die Datenschutzbeauftragten, wenn sie, wie etwa bei der Kontrolle der Kenntnisverweigerung, explizit an bestimmten Punkten Kontroll-, wenn auch praktisch keine Entscheidungskompetenzen besitzen. Sie können außerdem je nach Landesdatenschutzgesetz den Umgang mit Informationen und Daten stichprobenartig oder aus Anlaß einer Eingabe überprüfen. Schwächen der Kontrollfunktionen liegen an den Entscheidungswirkungen (Beanstandung als schärfstes Mittel) und an der mangelnden institutionellen Ausstattung. Des weiteren ist in manchen Polizeigesetzen über den Bereich der Wohnraumüberwachung hinaus eine Rückkoppelung der Vollzugserfahrungen an die Gesetzgebung institutionalisiert worden: Es bestehen Berichtspflichten über den Einsatz besonderer Methoden der Datenerhebung an das Parlament oder an besondere parlamentarische Gremien. Insgesamt haben diese Formen der Kontrolle sehr unterschiedliche Funktionen. In ihrer Formen- und Funktionenvielfalt wären sie unzureichend erfaßt, wenn man sie eindimensional als Kompensationsmaßnahmen in Umsetzung des Gedankens eines „Grundrechtsschutzes durch Organisation und Verfahren" einordnete. Auch kommt ihnen nicht etwa eingriffslegitimierende Qualität zu. 4 7 5 Schließlich ist hier hervorzuheben, daß sie die gerichtliche Kontrolle weder ersetzen noch auch nur in ihrer Bedeutung relativieren können. Im Gegenteil kommt funktionierenden gerichtlichen Kontrollen sogar eine gesteigerte Bedeutung zu. Nur sie können eine in spezifischer Weise verbindliche Rechtmäßigkeitsprüfung leisten und darüber hinaus aufgrund ihrer faktischen Wirkungen die Entscheidungsmaßstäbe für künftige Rechtsanwendungen konkretisieren. In der Kritik der polizeigesetzlichen Novellierungen wird zwar insbesondere bezweifelt, daß die Regelungen die hinreichend bestimmten Kontrollmaßstäbe liefern, die eine gerichtliche Kontrolle voraussetzt. 476 Nach allen bisherigen Ausführungen ist es aber nicht so, daß die gesetzlichen Vorgaben, obwohl sie keineswegs alle den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, sachbedingt und notwendig vollkommen unbestimmt wären und jeder Versuch ihrer Spezifizierung scheitern müßte. Sofern die Polizeigesetzgebungen hinreichende Bestimmungen vorgesehen haben, ermöglichen und erfordern diese eine angemessene Konkretisierung und Eingrenzung, wie sie vor allem durch Gerichtsentscheidungen geleistet werden könnte. Soweit bestimmte Konstellatio-

475 476

So aber Lorenz, Informationserhebung, S. 1009 f. Oben Kap. 3 Punkt A.I.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

nen bisher zur gerichtlichen Entscheidung gelangt sind, läßt sich auch nicht ohne weiteres feststellen, daß die Gerichte dieser Aufgabe nicht nachkämen.477 Für die gerichtliche Kontrolle ein viel größeres Problem als die Unbestimmtheit der Entscheidungs- und Kontrollmaßstäbe ist demgegenüber die Komplexität, mit der sich die Sachverhalte und Fälle nunmehr präsentieren können. Das gilt insbesondere, wenn man die Frage der Rechtswidrigkeitszusammenhänge oder der Rechtswidrigkeitsfolgen im Prozeß der Informations- und Datenverarbeitung einbezieht. So kann an einer bestimmten Stelle, etwa der Verwendung von Daten und Informationen, eine Rückprüfung der Rechtmäßigkeit des polizeilichen Vorgangs bis zum Einsatz einer bestimmten Ermittlungsmethode nötig sein. Das Gericht hat also unter Umständen mit erheblich komplexeren Fällen zu tun und benötigt viel mehr Informationen als in den regelmäßig auf bestimmte Punkte reduzierbaren Konstellationen der traditionellen Gefahrenabwehr. Zugleich bestehen ungelöste Probleme der gerichtlichen Kontrolle im Hinblick auf die Geheimhaltungsrechte der Behörde, die ihr gerade beim Einsatz besonderer Methoden, zum Beispiel verdeckter Ermittler, eingeräumt sind, aber auch etwa Aktenteile wegen ihrer Inhalte betreffen können. 478 Eine effektive gerichtliche Kontrolle wird unmöglich, wenn dem Gericht nicht die Informationen zur Verfügung stehen, die es bei seiner Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des polizeilichen Vorgehens braucht. Wie weitreichend sich diese Aspekte auf Verfahrensprinzipien und individuelle Rechtspositionen auswirken können, ist im Hinblick auf das Strafverfahren mehrfach deutlich geworden und wird dort umfassend diskutiert. Im Polizeirecht steht man wiederum vor einem bislang noch kaum erörterten Problem, das im Falle funktionierender gerichtlicher Kontrollen an Bedeutung gewinnen, angemessene Lösungen erfordern und zugleich nicht selten in Dilemmata fuhren wird. Neu nachdenken muß man insbesondere über die Einführung und Ausgestaltung von In-Camera-Verfahren. Diese sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - anders als im Strafprozeß 479 - nicht

477 Vgl. insbesondere SächsVerfGH, DVB1 1996, S. 1423; BbgVerfG, L K V 1999, S. 450; MVVerfG, DVB1 2000, S. 262 = L K V 2000, S. 149; MVVerfG, Urteil vom 18.05.2000, LVerfG 5/98. Aus diesem Rahmen fällt die apodiktische und dezisionistische Entscheidung des BayVerfGH, DVB1 1995, S. 347 (348 ff.), allerdings heraus. Zum Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes verdeckter Ermittler und auch zur Eingriffsintensität BVerwG, NJW 1997, S. 2534 (2534 ff.). Vgl. außerdem zur Fernmeldeüberwachung nach § 2 G 10 BVerwG, DVB1 1991, S. 511 (511 ff.) sowie dazu die Anm. von Gusy, DVB1 1991, S. 513 f. 478

Siehe dazu BVerwGE 66, 39 (41 ff.); 74, 115 (120 ff.); 75, 1 (8 ff.); BVerwG, RDV 1993, S. 236 (236 f.); BVerwG, NVwZ-RR 1997, 133 (134). 479 Für den Strafprozeß hat das BVerfG festgestellt, daß die Möglichkeit einer Offenbarung geheimzuhaltender Tatsachen nur gegenüber dem Strafgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstößt, siehe BVerfGE 57, 250 (288). Der zentrale Unterschied zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren liegt darin, daß im Strafprozeß der Grundsatz in dubio pro reo greift, so daß Geheimhaltungsmöglichkeiten der Exekutive prinzipiell im Rah-

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von vornherein unzulässig und trotz der mit ihnen verbundenen Nachteile bei einer Gesamtbetrachtung die beste Lösung. 480 VI. Fazit: Ausdifferenzierung und neue Dogmatisierung des Polizeirechts Das Polizeirecht hat sich aus dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht zu einem eigenständigen Rechtsgebiet ausdifferenziert. Die überkommene inhaltliche Differenz von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung wird um die Straftatenverhütung und um die Verfolgungsvorsorge ergänzt. Gefahrenabwehr und Strafverfolgung werden nicht nur durch Novellierungen, sondern auch durch den veränderten Kontext modifiziert. Zwischen den Aufgabenbereichen entstehen neue Interdependenzen. Das dogmatische Muster der Trennung von Aufgaben und Befugnissen wird in den Polizeigesetzen beibehalten. Es nimmt aber komplexere Formen an, indem auch die Zusammenhänge zwischen den Aufgaben oder zwischen aneinander anknüpfenden Befugnissen zu berücksichtigen sind. Die Aufgaben der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge sind keine Elemente der Gefahrenabwehraufgabe. Sie sind als eigenständige Aufgaben von ihr zu unterscheiden. Insbesondere sind sie auch voneinander zu unterscheiden. Die Unterordnung unter eine weit verstandene Gefahrenabwehr und die gängige Zusammenfassung zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" verstellen den Blick auf die zu konkretisierenden Inhalte und Strukturen und auf die besonderen funktionalen Beziehungen zwischen einerseits der Straftatenverhütung und der Gefahrenabwehr und andererseits der Verfolgungsvorsorge und der Strafverfolgung. 481 Die Analyse und Konkretisierung der neuen Aufgaben hat gezeigt, daß einerseits gerade diese funktionalen Beziehungen, andererseits Vorsorge- oder vorfeldspezifische Kriterien Inhaltsbestimmungen und Eingrenzungen ermöglichen. Insofern muß die strukturelle Differenz von Gefahmen der Beweiswürdigung kompensiert werden können. Siehe auch BGH, NStZ 2000, S. 265 (266 f.). 480 Zumindest für bestimmte Konstellationen verwaltungsgerichtlicher Verfahren hat das BVerfG in ausführlicher Erörterung der Problematik die Einführung von In-CameraVerfahren für verfassungsmäßig gehalten, BVerfG, NJW 2000, S. 1175 (1176 ff.). Anders noch - in zu wenig differenzierendem Anschluß an BVerfGE 57, 250 (288) BVerwGE 84, 375 (388 f.); BVerwG NJW 1990, S. 2761 (2765); BVerwG RDV 1993, 236 (237). Zur Diskussion um In-Camera-Verfahren Scherer, Verwaltung, S. 81 ff.; Schwan, Auskunftsanspruch, S. 341 ff.; Theuer, Zugang, S. 332; Mayer-Metzner, Auskunft, S. 226 f.; Lodde, Informationsrechte, S. 203 ff.; Sokol, Datenschutz, S. 381 f. 481 Deutlich und zutreffend Denninger, Grenzen, S. 54: „Wer sich um eine einigermaßen strenge Begrifflichkeit bemüht, wird hier zweierlei kritisieren müssen: 1. Die Zusammenfassung von Strafverfolgungsvorsorge und Straftatenverhütung zur »vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten 4, und 2. die durch die Verweisung erfolgte Einordnung beider Tätigkeitsarten unter die Gefahrenabwehr (im weiten Sinne)."

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

renabwehr und Strafverfolgung das Verständnis der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge mitbestimmen. Erst auf dieser Basis können Interdependenzen, „multifunktionale" Formen oder eine von Anbeginn an doppelte Zwecksetzung polizeilicher Tätigkeit angemessen beurteilt werden. Die neuen Aufgabenzuweisungen unterliegen, schon weil sie sich jeweils aus unterschiedlichen Strängen und Tätigkeiten zusammensetzen, jedenfalls keinem pauschalen Verfassungswidrigkeitsverdikt. Bei einer angemessenen Konkretisierung überantwortet die Straftatenverhütung der Polizei keinen konturenlosen Auftrag zu einer umfassenden Gefahrenprävention. Die Verfolgungsvorsorge wirft freilich in einigen Hinsichten schwierige verfassungsrechtliche Probleme auf, die auf den Nahtstellen zur Strafverfolgung beruhen. Die Frage der Gesetzgebungskompetenzen wird zwischen Bund und Ländern durch eine verfassungsgerechte Koordination gelöst werden müssen. Noch schwerer zu klären ist die Frage, ob die Verfolgungsvorsorge sich, wie in den Polizeigesetzen beabsichtigt, auf die Verdachtsgewinnung im Vorfeld des Anfangsverdachts erstrekken darf. Ist eine in diesem Sinne spezifizierte Verdachtslage eine von Verfassungs wegen ununterschreitbare Schwelle für Ermittlungen zu Zwecken der Strafverfolgung und wird dies mit den einschlägigen polizeilichen Tätigkeiten unterlaufen, ist die Verfolgungsvorsorge insoweit verfassungswidrig. Diese Beurteilung gilt unabhängig vom Regelungsstandort. Sie läßt sich auch nicht durch die in einigen Gesetzen gewählte Gestaltung vermeiden, nach der sich die Verfolgungsvorsorge nur auf künftige (also: künftig begangene) Straftaten bezieht. Die Befugnisse sind auf die Aufgaben der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge abzustimmen. Es liegt an der Unterordnung unter die Gefahrenabwehr und an der Zusammenfassung zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten", daß in den Polizeigesetzen insoweit überraschend wenig differenziert wird. Das fuhrt an einigen Stellen zu zumindest undeutlichen oder unstimmigen Ausgestaltungen. Dazu gehört, unabhängig von verfassungsrechtlichen Vorfragen, die Ausrichtung der Befugnisse zur Verfolgungsvorsorge allein auf erst künftig begangene Straftaten. Besondere Schutzmechanismen, die im Bereich der Verfolgungsvorsorge wegen der Zusammenhänge mit der Strafverfolgung notwendig sind, brauchen im Rahmen der Straftatenverhütung nicht unbedingt zu passen. Statt dieser „Unterdifferenzierung" ist eine bessere Abstimmung auf die jeweilige Aufgabe angezeigt. Das schließt gleichermaßen geltende Vorschriften, insbesondere als Basisermächtigungen, nicht aus. Die Gesetzgebungen müssen dabei jeweils ein Konzept ineinandergreifender Befugnisse entwickeln, die die Aufgaben konkretisieren und mit verschiedenen Elementen hinreichende Grenzen oder grundrechtliche Sicherungen gewährleisten. Hinzu kommt die rechtliche Gewährleistung von Kenntnis- und Einflußmöglichkeiten betroffener Personen. Die in den Gesetzen immer gewählte Kombination generalklauselartiger Basisermächtigungen mit näheren Bestimmungen zu den Punkten, die einen Regelungsbedarf aufwerfen, ist bei angemessener Gestaltung unproblematisch. Die neuen Befugnisse zeichnen sich vor al-

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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lem dadurch aus, daß sie in Regelungszusammenhänge zu setzen sind und zahlreiche neue Regelungsstrukturen und -elemente enthalten. Deren Analyse hat nicht zu dem Ergebnis gefuhrt, daß die Befugnisse im wesentlichen symbolische Funktionen als Normen haben, „hinter deren beeindruckender Wortfulle und scheinbar präzisen Differenzierungen in Wirklichkeit keine einschränkenden Tatbestandsmerkmale stehen." 482 Richtig ist, daß man bei einer extensiven Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen, wie sie durch ein diffuses Verständnis der Aufgabenzuweisungen gefördert wird, zu weitreichenden Ermächtigungen gelangte. Jedoch ist an vielen Stellen gezeigt worden, daß restringierende Interpretationen, teils mit Hilfe des Rückgriffs auf tradierte und (nur) in bestimmtem Umfang zu modifizierende dogmatische Muster, teils über eine Ausarbeitung verhütungs- oder vorsorgespezifischer Formen, möglich sind. Es muß sich noch zeigen, ob dies, insbesondere durch einen funktionierenden Gerichtsschutz, geleistet wird. Freilich sind die einzelnen Polizeigesetze der Länder in dieser Hinsicht unterschiedlich gestaltet und daher unterschiedlich zu beurteilen. Auch das ist an vielen Stellen deutlich geworden. Immerhin reicht die Palette vom extremen Minimalismus in Rheinland-Pfalz bis zu der restriktiv wirkenden Orientierung an den traditionellen Gefahrenabwehrgrundsätzen in Schleswig-Holstein. Unter Berücksichtigung der in dieser Arbeit entwickelten Ergebnisse weisen eine Reihe von Gesetzen zahlreiche verfassungsrechtliche Defizite auf. Viele der gesetzlichen Bestimmungen sind verfassungskonform oder systematisch-restringierend auszulegen. Viele Vorschriften werden verbesserungsfähig sein. Umgekehrt finden sich aber auch zahlreiche Bestimmungen, die als geglückt erscheinen. Ohnehin muß man in Rechnung stellen, daß die Gesetzgebungen sich in einem neuen, dogmatisch kaum ausgearbeiteten und sehr strittigen Feld bewegt haben. Insgesamt erforderte eine nähere Beurteilung eine auf das jeweilige Gesetz gerichtete Untersuchung. Dabei wären die Vorschriften nicht isoliert, sondern in ihren Regelungszusammenhängen zu betrachten. Zu den Ergebnissen dieser Arbeit gehört auch, daß die allseits gefällige Kritik an der „Regelungsflut" im Polizeirecht 483 nicht in undifferenzierter Weise geteilt werden kann. Richtig besehen ist gerade das Polizeirecht zunächst ein Beispiel dafür, daß das Recht überkommene Strukturen und Formen prozediert, die die faktisch vorhandenen exekutivischen Tätigkeiten längst nicht mehr erfassen: Während man das Gefahrenabwehrrecht für eine gesicherte Basis hielt und nichts Neues zu entdecken vermochte 484 , hat die Polizei vorfeldbezogene und sogar „operative" Tätigkeiten entwickelt und ausgebaut.485 Und nicht zu482 483 484 485

So die Kritik von Weßlau, Waffengleichheit, S. 243. Etwa Pitschas, Fortentwicklung, S. 11 f. Vgl. die Einleitung mit Fn 4. Vgl. Kap. 2 Punkt A.IV.

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Kap. 3: Die Determinationsmuster

letzt die Macht des faktisch Vorhandenen fuhrt heute zu den „Bestätigungsgesetzen"486 polizeigesetzlicher oder strafprozessualer Novellierungen. Im weiteren wäre es auch nicht überzeugend zu meinen, daß die polizeilichen Tätigkeiten in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge nicht gesetzlich geregelt werden müßten. Sie umfassen nicht nur intensiv eingreifende Ermittlungsmethoden einschließlich der nachfolgenden Informationsund Datenverarbeitungen. Sie werfen auch zahlreiche Probleme an den Nahtstellen zur Gefahrenabwehr und insbesondere zur Strafverfolgung auf und lassen diese Bereiche keineswegs unberührt. In vielen Hinsichten wünschen sich auch Polizei und Staatsanwaltschaft zu Recht eine Übernahme der Verantwortung durch die Gesetzgebung. Und viele der gesetzlichen Bestimmungen, die auf den ersten Blick „bürokratisch" erscheinen mögen, regeln auf den zweiten Blick grundlegende, streitproduzierende Fragen. Man mag sich zudem die kontraproduktiven Folgen „einfach" gestalteter Gesetze vergegenwärtigen: In Rheinland-Pfalz ist strittig, ob die pauschale Ermächtigung des § 25 b RhPfPOG Wohnraumüberwachungen gedeckt hat. 487 Die Polizei hat sie auf dieser Basis durchgeführt. 488 In Bayern wird die (unzulängliche) Regelung des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG aufrechterhalten, indem der Verfassungsgerichtshof (notwendige) personelle Kategorien und Differenzierungen in sie hineinzulesen bemüht ist. 489 Die Möglichkeiten, bestimmte gesetzliche Regelungen zu vereinfachen und durch andere Formen der Kombination gesetzlicher Vorgaben, untergesetzlicher Vorschriften und polizeilicher Entscheidungsspielräume zu entfrachten, bleiben unberührt. In dieser Hinsicht ist von Bedeutung, daß das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das als verfassungsrechtliche Vorgabe wesentliche Leitlinien setzt, weiterzuentwickeln ist. Es ist nicht so zu verstehen, daß in einer isoliert-datenorientierten Perspektive jedes Detail der Informations- und Datenverarbeitungen gesetzlich zu regeln wäre. Vielmehr ist eine an den Problemen des jeweiligen Sachbereichs orientierte Steuerung der Verarbeitungsvorgänge in den Verarbeitungszusammenhängen erforderlich. Diese Perspektive beläßt mehr Gestaltungsmöglichkeiten und führt zu einer besseren Verknüpfung zwischen informationsrechtlichen Mustern und dem jeweiligen Sachbereich, hier dem Polizeirecht. Im Grundsatz ist auch nicht ersichtlich, daß gegenstandsgerechte Regelungen die Polizei in unangemessener Weise an einer effektiven Erfüllung ihrer Aufgaben hinderten. Zunächst entspricht es der verfassungsrechtlichen Bindung der Polizei, daß die rechtliche Determination polizeilicher Tätigkeit nicht allein po486 487 488 489

Siehe Kap. 2 Punkt C.II, mit Fn 521. Vgl. Kap. 2 Punkt B.II.l.b.dd. mit Fn 220. Siehe BGHSt NStZ 1995, S. 601 (601). BayVerfGH,DVBl 1995, S. 347 (349).

C. Ausarbeitung der polizeigesetzlichen Regelungsstrukturen und -elemente

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lizeilichen Belangen entgegenkommen darf, sondern diese mit rechtsstaatlichen und freiheitsrechtlichen Interessen auszugleichen hat. Viele der „überholten Gesetzesstrukturen" 490, hier nicht zuletzt die elementare Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, sollen dies sicherstellen. Ihr Ersatz durch pauschal gestaltete „operative" Formen wäre verfassungsrechtlich nicht zu legitimieren 4 9 1 Möglich sind sorgsame, alle zu berücksichtigenden Belange einbeziehende Weiterentwicklungen mit Hilfe funktional äquivalenter Regelungsmuster. Im übrigen kommt es auch aus der Perspektive polizeilicher Aufgabenerfullung darauf an, Informations- und Datenverarbeitungen in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge zu begrenzen, zu strukturieren und transparent zu gestalten, anstatt unüberschaubare und unter Umständen fehlsteuernde Datensammlungen anzulegen.492 Ist das Polizeirecht nicht mehr allein nach den überkommenen Mustern der Gefahrenabwehr faßbar, wird die Polizei mit der Zuweisung der neuen Aufgaben nach allem jedoch nicht zu einer „Straftatenbekämpfungsbehörde". Es wäre darüber hinaus verkürzt und verzerrend, das Polizeirecht als Teilelement eines „Rechts der inneren Sicherheit" zu erfassen. 493 Vielmehr bleiben die Unterscheidung und die Strukturen von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung eine wichtige Basis, mit deren Hilfe die Straftatenverhütung und die Verfolgungsvorsorge in ihren dann auch eigenständigen Strukturen und Komponenten ausgearbeitet werden können. Alle vier Aufgabenbereiche ergeben ein neues Gesamtbild, das das Polizeirecht kennzeichnet.

490 491

492

Vgl. die oben zitierte Kritik von Stümper, Kap. 3 Punkt A.I. mit Fn 10. Siehe bereits Kap. 3 Punkt A.II.

Zu Erfordernissen, polizeiliche Bearbeitungs-, Analyse- und Entscheidungsverläufe 493zu verbessern, siehe auch etwa Ziercke, Eingriffsbefugnisse, S. 319. Vgl. etwa die Perspektive bei Götz, Innere Sicherheit, Rn 4, 34 f f , der dazu die unter dem Begriff Verbrechensbekämpfung zusammengefaßte polizeiliche Verbrechensverhütung und Strafverfolgung, die in der deutschen Rechtsentwicklung als sicherheitspolizeilich eingestuften Aufgaben des Melde-, Paß-, Ausländer-, Vereins- und Versammlungswesens, sämtliche vollzugspolizeilichen Aufgaben sowie die Aufgaben des Verfassungsschutzes und der Nachrichtendienste zählt. Sehr kritisch zu solchen Zusammenfassungen, hier insbesondere im Hinblick auf Polizei und Nachrichtendienste, Lisken, Polizei, Rn 20: „So werden sich die Arbeitsbereiche zunehmend überschneiden und die Methoden ähneln. Polizei und ,Dienste4 werden sich allenfalls in den Zielen noch unterscheiden, bis - in einem anderen Staat - Gefahrenabwehr, Vorbeugung, Strafverfolgung' (statt strafprozessualer Ermittlung) und geheimdienstliche Aufklärung normativ unter dem Sammelbegriff,Gewährleistung der Inneren Sicherheit' einer einheitlichen Zweckbestimmung zugeführt werden."

Zusammenfassung und Ergebnisse

A.

Das Polizeirecht hat sich aus dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht zu einem eigenständigen Rechtsgebiet ausdifferenziert. Die überkommenen Aufgabenzuweisungen der Gefahrenabwehr und der Mitwirkung an der Strafverfolgung werden um die Straftatenverhütung und um die Verfolgungsvorsorge ergänzt. Hinzu kommen Erweiterungen der Befugnisse, die den traditionellen oder den neuen Aufgaben zugeordnet sind. Wegen der Interdependenzen zwischen den Aufgabenbereichen und zwischen den Befugnissen handelt es sich um eine Gesamtmodifikation der polizeilichen Tätigkeit. Die Dogmatik des Polizeirechts muß erweitert, modifiziert oder neu entwickelt werden.

B.

I. Das klassische Polizeirecht wird von zwei zentralen Unterscheidungen geleitet. In inhaltlicher Hinsicht ist dies die Differenz von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, in rechtsdogmatischer Hinsicht die Regelung und Trennung von Aufgaben und Befugnissen. II. Das traditionelle Recht der Gefahrenabwehr ist ein System mehrerer Komponenten, die zusammenhängen und sich wechselseitig beeinflussen. Innerhalb dieses Systems sind die Möglichkeiten erweiternder Interpretationen begrenzt. 1. a) In den Aufgabenzuweisungen verweist das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Sicherheit auf die Rechtsgüter, deren Unversehrtheit gegen drohende Schäden geschützt wird. Der Begriff der Gefahr bezeichnet eine Prognose von gegenwärtigen Sachlagen auf künftige Schäden. Er setzt eine hinreichende Tatsachenbasis, einen bestimmten Prognosezeitpunkt, objektive Erfahrungsregeln und eine Schadenswahrscheinlichkeit voraus, die je nach Gewicht des geschützten Rechtsgutes und nach Ausmaß des befürchteten Schadens graduell variabel ist. Das Merkmal der Schadensabwehr verweist einerseits auf den gewünschten Zielzustand und andererseits auf das Handeln der Polizei, das auf die Unterbrechung der prognostizierten Kausalverläufe zu richten ist. b) Unter die Gefahrenabwehraufgabe fallen sowohl abstrakte als auch konkrete Gefahren, diese einschließlich des Gefahrenverdachts. Beide Formen un-

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terscheiden sich im Hinblick auf die Beschreibung des Sachverhalts, der der Gefahrenlage zugrunde gelegt wird, und im Hinblick auf die der Gefahrenabwehr dienende Reaktion, die sich entweder typisierend-tibergreifend oder einzelfallbezogen gestaltet. Die Anforderungen an die Prognose sind bei der abstrakten Gefahr nicht reduziert. c) Immanente Erweiterungen der Gefahrenabwehraufgabe entstehen dadurch, daß sowohl das verweisende Tatbestandsmerkmal der „öffentlichen Sicherheit" als auch der Begriff des Schadens in bestimmtem Umfang den Veränderungen der Rechtsnormen und Rechtsgüter folgen. Dagegen kann sie nicht auf „allgemeine Gefahren" ausgedehnt werden. Ebensowenig können erweiternde Interpretationen in der Weise aus der Systematik von Aufgaben und Befugnissen hergeleitet werden, daß die Polizei die Aufgaben habe, die sich aus ihren Befugnissen ergeben. Den Entgrenzungen des Gefahrenbegriffs und der Gefahrenabwehr stehen die Funktionen entgegen, die Aufgabenzuweisungen im normativen Kontext zukommen. 2. Die Befugnisse, die gesetzlich geregelt werden mußten, waren aufgrund der staats- und verfassungsrechtsdogmatischen Modelle auf bestimmte Eingriffe begrenzt. Der polizeiliche Umgang mit Informationen und Daten benötigte regelmäßig keine gesetzlichen Ermächtigungen. a) Die Generalermächtigungen setzen eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit voraus. Danach muß der Schluß von den gegebenen Tatsachen auf den Eintritt künftiger Schäden bei Abwägung aller prognoserelevanten Umstände zum maßgeblichen Prognosezeitpunkt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gerechtfertigt sein. Gefahrenabwehrmaßnahmen stehen im Einschreit- und Auswahlermessen der Polizei. Personen werden grundsätzlich nach Maßgabe ihrer Verantwortlichkeit für die Gefahr in Anspruch genommen, die sich nach Kriterien der unmittelbaren Kausalität oder auch nach Risikosphären richtet. b) Besondere Ungewißheitsaspekte werden in den dogmatischen Figuren der Anscheinsgefahr und des Gefahrenverdachts sowie der vorläufig oder mutmaßlich verantwortlichen Personen abgehandelt. Zu den Kennzeichen dieser Figuren gehört der Bezug zur jeweiligen konkreten Situation. c) Die Standardbefugnisse stellen teilweise Konkretisierungen und Eingrenzungen der Generalermächtigungen dar. Zunehmend haben sie aber auch in inhaltlicher oder personeller Hinsicht Tatbestandsvoraussetzungen erhalten, die von den Strukturmerkmalen der Gefahrenabwehr im Sinne der Generalklausel abweichen und die polizeilichen Eingriffsmöglichkeiten ausweiten. Insoweit betreffen sie regelmäßig gerade den Bereich der Straftatenverhinderung, wenn nicht sogar bereits die „vorbeugende Bekämpfung von Straftaten". III. Im traditionellen Strafprozeßrecht werden die Aufgaben und Befugnisse im Ermittlungsverfahren durch die Einbettung in das übergreifende, den Funktionen des materiellen Strafrechts nachgeordnete Strafverfahren und in justiz23 Albers

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formig gestaltete Strukturzusammenhänge geprägt. Auch hier sind die Möglichkeiten erweiternder Interpretationen begrenzt. 1. Die Aufgabenbestimmungen beschreiben die jeweiligen Aufgaben von Staatsanwaltschaft und Polizei und regeln dabei zugleich deren Verhältnis zueinander. Sie überantworten insbesondere die Aufklärung des Sachverhalts im Falle eines Straftatverdachts zur Entscheidung über Anklageerhebung oder Verfahrenseinstellung. Die Polizei hat in diesem Rahmen der Staatsanwaltschaft nachgeordnete und begrenzte eigene Aufgaben. a) Die Straftat bildet den Bezugspunkt des Verdachts und des Sachverhalts, der im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zu erforschen ist. Der Begriff des Verdachts bezeichnet eine Schlußfolgerung von gegenwärtigen Gegebenheiten auf eine begangene oder begonnene Straftat als vergangenem Geschehnis. Die Voraussetzung des Anfangsverdachts stellt Anforderungen insbesondere an die Tatsachenbasis der in ihm enthaltenen Hypothese. Ziel des Ermittlungsverfahrens ist die Entschließung der Staatsanwaltschaft darüber, ob, wieweit und nach welcher Strafbestimmung Anklage erhoben werden kann oder ob das Verfahren einzustellen ist. b) Der strafprozessuale Anfangsverdacht erfaßt keine abstrakten, sondern nur situationsbezogen-konkrete Verdachtslagen. Der Verdacht einer Straftat als Einschreitschwelle und der Verdacht einer bestimmten Straftat haben die Funktion, das Erkenntnisinteresse der Strafverfolgungsbehörden auf eine aufzuklärende Tat zu begrenzen. c) Immanente Erweiterungen des Strafverfahrensrechts entstehen aufgrund der mit dem Bezug auf Straftaten gegebenen Akzessorietät zur Rechtsordnung. Verdachtsgelöste Vorfeld- oder Initiativermittlungen werden von den Aufgabenzuweisungen nicht gedeckt. 2. Die Strafprozeßordnung regelt die Befugnisse traditionell enumerativ in Spezialermächtigungen. Die Regelungen geben nicht nur die Grundlagen für Eingriffsmaßnahmen her, sondern gestalten auch den Ermittlungsprozeß mit den Verfahrensrechten, die den betroffenen Personen zustehen sollen. Ansonsten galt der Umgang mit Informationen und Daten als nicht regelungsbedürftig. a) Ermittlungsmaßnahmen setzen den Verdacht einer Straftat voraus und werden durch die notwendige Tatbezogenheit verbunden, strukturiert und begrenzt. Die Anforderungen an den Tatverdacht können im Falle einer gesteigerten Eingriffsintensität angehoben sein. Die Auswahl der Maßnahmen aus dem Spektrum der Ermittlungsbefugnisse war nach überkommener Gestaltung nur begrenzt vorgegeben. Tatverdächtige oder Beschuldigte haben einerseits teilweise intensivere Beeinträchtigungen hinzunehmen als unverdächtige Personen; andererseits können ihre verfahrensrechtlichen Schutzpositionen stärker sein. b) Ungewißheitsaspekte sind in den Figuren des Straftatverdachts und des Tatverdächtigen enthalten, darin aber auch abschließend erfaßt. Vorermittlun-

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gen sind lediglich in sehr begrenzten und explizit benannten Konstellationen erlaubt. IV. 1. Die Unterschiede zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung betreffen mehrere Dimensionen und verschiedene Gesichtspunkte. Abstrakt-akzentuierende Begriffe wie die der Prävention und der Repression können zwar als Merkmale herangezogen werden; sie sind aber nachgeordnet und nur als eines von mehreren Kennzeichen in einem schon übergreifend beschriebenen Kontext zu verstehen. Die jeweiligen Komponenten der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung haben in ihrem Zusammenwirken auch freiheitsschützende Funktionen. 2. Überschneidungen und Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung ergeben sich traditionell in situativen Gemengelagen. Bei doppelfunktionalem polizeilichen Handeln müssen die Tatbestandsvoraussetzungen beider Ermächtigungsgrundlagen erfüllt sein.

C. Das überkommene Polizeirecht ist aufgrund der Aufnahme der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge in die Polizeigesetze fundamental verändert worden. Die Regelungen des Umgangs mit Informationen und Daten sind in der Analyse den sachlichen Veränderungen nachgeschaltet. I. Zu den Hintergründen der Erweiterungen der polizeilichen Aufgaben und Befugnisse gehören die (Selbst)Beschreibung der Gesellschaft als Risikogesellschaft, Änderungen der Sicherheitssemantik, Veränderungen der Kriminalitätsformen, die Entwicklung der Informations- und Datenverarbeitungstechniken und neue Konzeptionen der Polizei. 1. Im Zuge der (Selbst)Beschreibung der Gesellschaft als Risikogesellschaft werden Gefahren oder Schäden als gesellschaftliches Produkt und kontingentes Geschehen erfaßt; der Staat erhält eine übergreifende Verantwortung für ihre Verhinderung. Sicherheit wird als Produkt beständiger staatlicher Aktivitäten verstanden und avanciert von einem den einzelnen Rechtsgütern funktional untergeordneten Schutzerfolg zu einem selbst zu bewahrenden Gut. 2. Mit der Beobachtung und Beschreibung organisierter Kriminalität als Kriminalitätsform wird das Bild eines kriminogenen Milieus erzeugt, bei dem Straftaten nicht isoliert zu begreifen sind, sondern in einem übergeordneten Kontext produziert werden. Die Beschreibung bereitet aber erhebliche Schwierigkeiten: je mehr man die organisierte Kriminalität zu erfassen versucht, desto weniger wird sie ab- und eingegrenzt. 3. Kennzeichen der Entwicklung der Informations- und Datenverarbeitungstechniken, die Organisation und Vorgehensweisen der Polizei beeinflussen, sind die Entkoppelung des Umgangs mit Informationen und Daten einerseits und der

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(gefahren)situationsbezogenen Handlungs- und Kommunikationszusammenhänge andererseits, eine Zentralisierung über Bund/Länder-Grenzen hinweg und die multifunktionale Speicherung und Verwendung von Daten in zunehmend rechnerunterstützter Form. 4. Zu den Konzeptionen der Polizei zählen „operative" Vorgehensweisen, „Vorfeld"tätigkeiten sowie Initiativermittlungen oder „proaktives" Handeln. Operatives polizeiliches Vorgehen grenzt sich gegen die Unterscheidung von Prävention und Repression ab, indem abstrakt-situationsgelöst die Bekämpfung der - auch künftigen - Kriminalität als solcher zur Leitidee wird. Der Begriff der Vorfeldtätigkeiten meint polizeiliche Vorgehensweisen, die bereits im Vorfeld einer konkreten Gefahr oder des Verdachts einer bestimmten Straftat einsetzen. Initiativermittlungen oder - umfassender - proaktives Handeln implizieren ein nicht an reaktiven Handlungsmustern, sondern an selbstbestimmten, namentlich kriminalistischen oder kriminalstrategischen Kriterien orientiertes Handeln der Polizei. Den Konzeptionen sind jeweils unterschiedliche Akzente eigen. Sie zielen aber sämtlich auf die mehr oder weniger weitgehende Lösung polizeilicher Tätigkeit aus den überkommenen Rechtsbindungen. 5. Operative Ansätze, Vorfeldtätigkeiten und Initiativermittlungen werden durch die Risiko- und Sicherheitssemantik und durch die Informations- und Datenverarbeitungstechniken gefördert und vor allem mit Verweis auf die organisierte Kriminalität vorangetrieben. Die Forderungen richten sich insbesondere auf die Möglichkeit zu Vorfeld- und Initiativermittlungen, aufgrund derer Gefahren- oder Tatverdächte erst geschöpft werden können, auf die Möglichkeit zu einer sich ebenfalls im Vorfeld bewegenden Informations- und Datenverarbeitung sowie zu einer über ursprüngliche Kontexte hinausgreifenden, mehrdimensionalen Auswertung von Erkenntnissen, auf nahtlose Übergänge zwischen Vorfeldtätigkeiten, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung und auf die Möglichkeit zu einem übergreifend-flexiblen polizeilichen Vorgehen. II. Die novellierten Polizeigesetze der einzelnen Bundesländer weisen entgegen dem Anliegen des VE MEPolG weitreichende Unterschiede auf. Allen Gesetzen sind jedoch neue Strukturmerkmale und Determinationsmuster zu entnehmen. 1. a) Die Formen der polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen sind geprägt von der Diskussion um die Reichweite des Begriffs der Gefahrenabwehr. Zum Teil bleibt es bei der Gefahrenabwehraufgabe; in diesem Fall weisen allerdings die - jeweils mehr oder weniger weitreichenden - Befugnisse auf ein Aufgabenverständnis hin, das Verhütungs- und Vorsorgeaspekte einschließt. Überwiegend werden die Verhütung von Straftaten und die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten oder für die Verfolgung künftiger Straftaten in den Rahmen der Aufgabe der Gefahrenabwehr gestellt. Vereinzelt wird diese nur um die Verhütung von Straftaten ergänzt. Häufig werden die jeweiligen Elemente noch mit dem Begriff der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten beschrieben.

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b) Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge sind gegeneinander und in sich zu differenzieren. aa) Gegenstand der Verhütung von Straftaten ist die Verhütung der durch Straftaten entstehenden Gefahren. Die Verhinderung unmittelbar bevorstehender Straftaten ist darin nicht eingeschlossen; sie fällt unter die Gefahrenabwehr. Zur Verhütung gehören vorbeugende Maßnahmen, die in Geschehensabläufe eingreifen, sowie vorbereitende Maßnahmen, die funktional einer antizipierten künftigen Gefahrenabwehr zugeordnet sind, und die Wissensproduktion im Gefahrenvorfeld, die sich nicht allein auf einzelne Situationen oder Straftaten, sondern auch auf übergreifende Strukturen richtet. b) Die Verfolgungsvorsorge betrifft die künftige Verfolgung von Straftaten oder die (künftige) Verfolgung künftiger Straftaten. Sie umfaßt Vorbereitungen auf eine künftige Strafverfolgung. Sie soll darüber hinaus die Wissensproduktion abdecken, die sich im Verdachtsvorfeld auf die Verdachtsschöpfung und auf die Aufklärung übergreifender Kriminalitätsstrukturen richtet. Soweit sich die polizeigesetzlichen Aufgabenbestimmungen auf die Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten beziehen, setzen sie voraus, daß die Straftaten zum Prognose- und Entscheidungszeitpunkt noch nicht begangen worden sind, aber begangen sein und (nur noch) zu verfolgen sein werden. 2. Die der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge zugeordneten Befugnisse werden gesetzessystematisch grundsätzlich von den der Gefahrenabwehr zugeordneten Befugnissen differenziert. Sie betreffen bislang im wesentlichen den Umgang mit Informationen und Daten. Die teilweise eingeführten Ermächtigungen zu Aufenthaltsverboten zwecks Straftatenverhütung zeigen allerdings weitergreifende Entwicklungspotentiale an. Im übrigen können die Befugnisse in Ermächtigungen zur Erhebung personenbezogener Daten und zum Einsatz bestimmter Ermittlungsmethoden, Ermächtigungen zur weiteren Informations· und Datenverarbeitung und Ermächtigungen zum Empfang oder zur Übermittlung von Informationen und Daten gegliedert werden. Sie weisen - in einer je nach Gesetz unterschiedlichen Weise - zahlreiche neue Regelungskomponenten auf. a) Zu den wichtigen Regelungselementen in den generalklauselartigen Erhebungsermächtigungen gehören die Festlegung der Verwendungszwecke, die Erforderlichkeit und in den meisten Gesetzen auch neue personelle Kategorien. Zum Modus polizeilichen Vorgehens werden als Grundsätze die Offenheit der Ermittlungen und die Erhebung beim Betroffenen festgehalten. b) Die besonderen Regelungen über bestimmte Ermittlungsmethoden enthalten zum Teil gegenüber den allgemeinen Erhebungsermächtigungen erweiterte Befugnisse. Andere, besonders eingriffsintensive Befugnisse bauen auf den Grundlinien der allgemeinen Ermächtigungen auf und sehen - in landesgesetzlich unterschiedlicher Gestaltung - als weitere Regelungselemente vor allem Eingrenzungen des Straftatenkreises, im Hinblick auf den die Methode einge-

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setzt werden darf, personelle Differenzierungen, besondere Anforderungen an die Prognose, besondere Voraussetzungen verdeckter Maßnahmen, Subsidiaritätsklauseln, Entscheidungsvorbehalte, Berichtspflichten sowie Unterrichtungspflichten vor. c) Zu den wesentlichen Regelungskomponenten der Vorschriften über die weitere Informations- und Datenverarbeitung gehören - auch dies in je nach Landesgesetz unterschiedlicher Gestaltung - die an die Erhebungszwecke anknüpfenden Zweckbestimmungen, Zweckbindungen und Zweckänderungsmöglichkeiten, die Erforderlichkeit, Differenzierungen der Speicher-, Veränderungs- und Nutzungsmöglichkeiten je nach betroffenen Personen, detaillierte Fristen- und PrüfVorschriften sowie die Regelung von Rechtmäßigkeitszusammenhängen. d) Maßgebliche Determinanten der Übermittlungsermächtigungen sind Unterscheidungen hinsichtlich der Empfangsbehörden, die Muster von Zweckbestimmungen, Zweckbindungen und Zweckänderungsmöglichkeiten, die Erforderlichkeit sowie in personeller Hinsicht differenzierende Eingrenzungen. Besondere Formen werden spezieller geregelt. 3. Zwischen den Aufgabenelementen und zwischen der Straftaten Verhütung und der Verfolgungsvorsorge sowie zur Gefahrenabwehr und zur Strafverfolgung bestehen Übergänge und Interdependenzen. Insgesamt hat man es - anders als bei der überkommenen Gefahrenabwehrdogmatik - nicht allein mit punktuellen Maßnahmen, sondern auch mit Regelungszusammenhängen zu tun. III. Soweit die Strafprozeßordnung besondere Ermittlungsermächtigungen aufgenommen hat und durch die Regelungen des StrafVerfahrensänderungsgesetzes novelliert werden wird, zeigen sich unter beiden Aspekten die auch im Bereich des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens entstehenden Strukturänderungen und neue Determinationsmuster. 1. Bei den das Ermittlungsverfahren betreffenden Aufgabenzuweisungen für Staatsanwaltschaft und Polizei ist es dabei geblieben, daß sie auf die Aufklärung des Verdachts einer Straftat zwecks Entscheidung über die Anklageerhebung oder Verfahrenseinstellung bezogen sind. 2. a) Systematisch konsistent bleiben die neu eingeführten Befugnisse zum Einsatz besonderer Ermittlungsmethoden an der einzelfallbezogenen Verdachtsklärung orientiert. Zu den wichtigen Regelungselementen zählen die mit verschiedenen Regelungstechniken teilweise eingegrenzte - Festlegung der Verwendungszwecke, Anforderungen an die Verdachtsprognose, personelle Differenzierungen, die Bindung an Subsidiaritätsklauseln, Entscheidungsvorbehalte, Regelungen zur Zulässigkeit zweckändernder Verwendungen erlangter Informationen und Daten sowie Unterrichtungspflichten. b) Mit der Novellierung durch das Strafverfahrensänderungsgesetz nimmt die Bundesgesetzgebung zum Teil die Kompetenz für Regelungen der Verfol-

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gungsvorsorge in Anspruch. Zweckänderungen im Verhältnis zur Gefahrenabwehr, zur Straftatenverhütung oder zur Verfolgungsvorsorge werden in weitreichendem Umfang erlaubt. „Multifunktionale" Formen der Speicherung von Daten in der polizeilichen Praxis sollen gedeckt werden. Die Probleme der Gesetzgebungskompetenz und der Abstimmung mit den Länderpolizeigesetzen kommen unter anderem in der eigenständigen Stellung zum Ausdruck, die der Polizei mehr implizit als explizit zugewiesen wird. IV. Die Grundstrukturen der „klassischen" Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung sind nicht obsolet geworden. Sie werden aber bereits durch bestimmte Novellierungen, erst recht jedoch durch den mit der Aufnahme der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge veränderten Kontext modifiziert. Obwohl die Regelungen in den jeweiligen Aufgabenbereichen zu differenzieren sind, weist ihre gesetzliche Gestaltung in verschiedenen Hinsichten Annäherungen und Verflechtungen auf. Die Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr, Strafverfolgung sowie nunmehr Straftatenverhütung und Verfolgungsvorsorge haben sich im Vergleich zur überkommenen rechtlichen Sicht grundlegend verändert. Sie erschließen sich nunmehr vor allem aus der Analyse, wie polizeiliche Tätigkeiten und die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen im Verlauf von Prozessen aneinanderknüpfen (können). D. Wegen der mit der Aufnahme der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge einhergehenden Änderungen des überkommenen Polizeirechts ist dieses insgesamt nicht mehr das Paradigma des Gefahrenabwehrrechts, sondern ein ausdifferenziertes und eigenständiges Rechtsgebiet. Für die neuen Aufgaben und die ihnen zugeordneten Befugnisse ist im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben ein spezifisches Polizeirecht zu entwickeln, das zwar Impulse von den Vorsorgekonzepten anderer Rechtsgebiete erhalten kann, aber im übrigen durch eine Dogmatisierung gekennzeichnet ist, die auf die Regelungsprobleme abgestimmt ist, die es aufwirft. Es muß dabei im Hinblick auf die rechtsdogmatischen Muster von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung „anschlußfähig" sein, weil es weder von seinen eigenen rechtlichen Strukturen her noch mit Blick auf die Interdependenzen ganz aus diesen Bezügen gelöst werden kann. I. Verfassungsrechtlich relevante Vorgaben ergeben sich vor allem aus den Kompetenzbestimmungen und aus den Grundrechtsgewährleistungen. 1. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern verankert die Unterscheidung von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Sie weist dem Bund für Regelungsgegenstände, die die Polizei betreffen, nur begrenzte Gesetzgebungskompetenzen zu. 2. Das Gebot der Trennung von Polizeien und Nachrichtendiensten, das der „Vernachrichtendienstlichung" des Polizeirechts entgegengehalten wird und die liberalstaatliche Trennung von Polizeirecht, Strafprozeßrecht und Verfassungs-

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schutzrecht stützen soll, gibt im hier interessierenden Zusammenhang wenig her. Ihm läßt sich weder entnehmen, daß das Vorfeld konkreter Gefahren und des (Anfangs)Verdachts von Straftaten den Nachrichtendiensten für ihre spezifischen Aufgaben vorbehalten ist, noch kann man daraus herleiten, daß der Polizei Befugnisse, die traditionell als nachrichtendienstliches Mittel galten, als polizeiliche Befugnisse zur Erfüllung ihrer Aufgaben von vornherein nicht zugewiesen werden dürfen. 3. Im Rahmen der Grundrechtsgewährleistungen enthält Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG neuartige und übergreifend-grundlegende Aussagen. Hinsichtlich des staatlichen Umgangs mit Informationen und Daten gibt er - in einer an Regelungs- und Verarbeitungszusammenhängen orientierten Perspektive die Festlegung der Verwendungszwecke und die ihr nachgeordnete Bindung an die festgelegten Zwecke, Anforderungen an Zweckänderungen, die Bindung an die Erforderlichkeit, weitere Maßgaben zur inhaltlichen Präzisierung und Koordination der Regelungen oder bestimmte Schutzvorkehrungen vor. Daneben verpflichtet er dazu, den Grundrechtsträgern Kenntnis- und Einflußmöglichkeiten hinsichtlich der sie betreffenden staatlichen Informations- und Datenverarbeitungen einzuräumen. Weitere Aussagen einschlägiger grundrechtlicher Verbürgungen, die ihrerseits in neuartiger Weise entwickelt werden können, treten hinzu. Demnach unterliegen die Gesetzgebungen mehrdimensionalen Anforderungen, und die gesetzlichen Regelungen müssen gegebenenfalls mehreren Maßstäben gerecht werden. 4. Das Übermaßverbot läuft in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge nicht leer. Es steht jedoch in einem veränderten Kontext mit der Folge, daß sich auch seine Schutzwirkungen in bestimmtem Umfang verändern. Indem sich konkretisierende, strukturierende und begrenzende Vorgaben nicht mehr sachbedingt oder durch eine gesicherte Dogmatik ergeben, führt das Übermaßverbot dazu, daß die Gesetzgebungen ein (prozeß)übergreifendes Schutzkonzept mit verschiedenen, aufeinander abgestimmten und ineinandergreifenden Regelungselementen herstellen müssen. Es kann in diesem Rahmen mit vorsorgespezifischen Kriterien und Erwägungen ausgefüllt werden. 5. Die grundrechtlichen Bindungen lassen eine aufgrund entgegenstehender Belange eingegrenzte Gewährleistung der einzuräumenden Kenntnismöglichkeiten nach Maßgabe einer Abwägung zu. Die Pflicht zur Begründung einer die Kenntnisgewähr ablehnenden Entscheidung darf ihrerseits eingeschränkt werden, soweit diese den Zweck der Verweigerung der Kenntnisgewähr gefährdete. Wird die Kenntnis gesetzlich nur eingeschränkt gewährt und besteht eine nur begrenzte Begründungspflicht, sind Schutzvorkehrungen zur Sicherstellung einer hinreichenden Kontrolle vorzusehen. II. In den polizeigesetzlichen Bestimmungen werden die klassischen Begrenzungsmechanismen durch neue Formen der Determination mit mehr Komplexität und Flexibilität ergänzt oder abgelöst.

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1. Die rechtsdogmatisch zentrale Trennung von Aufgaben und Befugnissen wird auch in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge beibehalten. Statt der einfachen Differenz zwischen einer Aufgabe und den dieser zugeordneten Befugnissen ist jedoch ein netzwerkartiger Zugang nötig. Der Aufgabenbestimmung kommt eine neue zentrale Bedeutung zu, indem sie häufig durch Verweisungszusammenhänge in die Befugnisse inkorporiert wird. Die Befugnisse müssen als Elemente, mit denen ein Prozeß gesteuert wird, auch aufeinander bezogen werden. Schließlich entstehen unter anderem aufgrund von Zweckänderungsmöglichkeiten neue Interdependenzen zwischen den Aufgaben, zwischen den Aufgaben und Befugnissen sowie zwischen den Befugnissen. In dieser veränderten Form bleibt das Raster der Unterscheidungen von Aufgaben und Befugnissen ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Determination. 2. a) Entgegen dem Normtext der polizeigesetzlichen Aufgabenzuweisungen sind die Verhütung von Straftaten und die Vorsorge für die Verfolgung von (künftigen) Straftaten nicht der Gefahrenabwehr unterzuordnen. Sie sind als jeweils eigenständige neue Aufgaben der Polizei anzusehen. b) Die neuen Aufgabenzuweisungen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge unterliegen keinem pauschalen Verfassungswidrigkeitsverdikt. Sie müssen unter Beachtung verfassungsrechtlicher Maßgaben nach Normtext, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck in den jeweiligen Polizeigesetzen konkretisiert werden. aa) Die Aufgabe der Straftatenverhütung umfaßt nur Gefahren, die in Straftatbeständen beschrieben sind. Aufgrund der in ihr angelegten Prognose muß zumindest die abstrakte Annahme gerechtfertigt sein, daß gerade Straftaten begangen werden könnten. Das Merkmal der Verhütung verweist einerseits auf den erwünschten Zielzustand, andererseits auf das polizeiliche Handeln, das der Gefahrenabwehr vorgelagert ist. Ein Verhütungsverständnis, bei dem alle denkbaren Straftatenquellen als Anlaß polizeilichen Handelns in Betracht gezogen werden, ist mit einer Abgrenzung gegen die Kompetenzen anderer Behörden auszuklammern. Ihrer Struktur nach läßt sich die Aufgabe der Straftatenverhütung in die Stränge der Vorbeugung, der Vorbereitung und der Wissensproduktion aufschlüsseln. Sie kann darüber hinaus erstens mit Hilfe von Anforderungen an die funktionalen Beziehungen zur Gefahrenabwehr, zweitens mit Hilfe eigenständiger Kriterien der Vorsorge mehr oder weniger weitreichend konkretisiert und eingegrenzt werden. bb) Die Aufgabe der Vorsorge für die Verfolgung von (künftigen) Straftaten bezieht sich auf Straftaten, die künftig zu verfolgen oder auch künftig erst begangen worden sein werden. Die in ihr angelegte Prognose verlangt, daß zumindest die abstrakte Annahme, daß in Zukunft (künftig begangene) Straftaten zu verfolgen sein werden, gerechtfertigt ist. Das Merkmal der Vorsorge bezeichnet das Ziel und verweist auf das polizeiliche Handeln, das der Verfolgung

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begangener Straftaten in einem konkreten Strafverfahren vorgelagert ist. Ihrer Struktur nach umfaßt die Aufgabenzuweisung die Vorbereitung und die Wissensproduktion im Vorfeld der Strafverfolgung. Sie kann über eine mehr oder weniger enge Gestaltung der Beziehungen zur Strafverfolgung oder durch die Entwicklung eigenständiger Vorsorgekriterien konkretisiert und eingegrenzt werden. Die Nahtstellen zur Strafverfolgung und zum Strafverfahrensrecht sind dabei zu berücksichtigen. Soweit die Verfolgungsvorsorge die Verdachtsgewinnung, gegebenenfalls nur in bezug auf künftige Straftaten, einschließen soll, bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, sofern der strafprozessuale Anfangsverdacht eine von Verfassungs wegen ununterschreitbare Schwelle für Ermittlungen zu Zwecken der Strafverfolgung darstellt. Diese Problematik läßt sich nicht durch den Bezug auf die Verfolgung nur künftiger Straftaten umgehen. c) Die Vielfältigkeit der Verfolgungsvorsorge und ihre unterschiedlich dichten Bezüge zur Strafverfolgung erschweren die Lösung der Frage der Gesetzgebungskompetenzen. Teilweise sind so enge Zusammenhänge herstellbar, daß die Voraussetzungen einer Annex-Kompetenz zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zu bejahen sind. Teilweise ist dies nicht der Fall. Lösungen können in wechselseitigen Abstimmungen zwischen Bundes- und Landesregelungen liegen. Art und Inhalte der Abstimmungen sind aber rechtlich nicht beliebig möglich. Im Rahmen der Annex-Kompetenz sind sachbedingte Kriterien aufgrund der Dichte des maßgeblichen funktionalen Zusammenhanges zwischen Vorsorgetätigkeiten und einem etwaigen künftigen Strafverfahren, aber etwa auch die Frage, inwieweit verfassungsrechtlich gebotene Schutzmechanismen unterlaufen werden könnten, ausschlaggebend dafür, wie weit die Verfolgungsvorsorge im Strafverfahrensrecht zu regeln ist. Die Polizeigesetze müssen sich in dem ihnen belassenen Feld in bestimmtem Umfang den Regelungs- und Schutzmechanismen des Strafverfahrensrechts annähern oder funktionale Äquivalente aufnehmen. Das polizeigesetzliche Regime entbindet nicht von den verfassungsrechtlichen Vorgaben, die hinter jenen Mechanismen stehen. 3. a) Die Generalermächtigungen der Polizeigesetze spielen im Bereich der neuen Aufgaben keine Rolle. Freilich weisen die diesen zugeordneten Befugnisse selbst teilweise wieder generalklauselartige Züge auf. Die Kombination generalklauselartiger Auffangermächtigungen und spezieller geregelter Befugnisse ist unproblematisch, wenn die Gesichtspunkte und Konstellationen, die Regelungsprobleme aufwerfen, angemessen in konkreteren Bestimmungen geregelt werden. b) Die allgemeinen Erhebungsbefugnisse besitzen einerseits einen Rückbezug auf die jeweilige Aufgabe und stehen andererseits im Regelungszusammenhang mit den Speicher- und Nutzungsbefugnissen. Sie werden zunächst durch die Regelungselemente der Zweckfestlegung und der Erforderlichkeit geprägt. Da deren Bindungs- und ΒegrenzungsWirkung in den Bereichen der Straftaten-

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Verhütung und, vorbehaltlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit, der Verfolgungsvorsorge für sich genommen relativ schwach ist, sind weitere gesetzliche Vorgaben, vor allem eine Beschreibung und Differenzierung der betroffenen Personen, notwendig. Nicht alle Polizeigesetze genügen den Anforderungen. aa) Die festzulegenden Verwendungszwecke sind im Ansatz an der fallbezogenen Erfüllung einer Aufgabe nach Maßgabe der Befugnisse zu orientieren. Da die konkrete Aufgabe in den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge teilweise schwer zu bestimmen ist, weil die situativ konstituierten Grenzen fehlen, über die einzelne Fälle voneinander abgegrenzt werden können, gewinnen die Verwendungszwecke ihren Gehalt auch aufgrund der Wechselbeziehung mit anderen Tatbestandsvoraussetzungen, die zu einer Konkretisierung beitragen. bb) Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit ergänzt die Zweckfestlegung, indem die Verwendungszwecke und die darauf ausgerichteten Informations· und Datenverarbeitungsvorgänge mit einem bestimmten Abhängigkeitsgrad in eine Abhängigkeitsbeziehung eingeordnet werden. Es bietet einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt, durch den anderweitige Vorgaben einfließen und verstärkt werden können. Seine Bindungs- und Begrenzungskraft variiert im übrigen freilich danach, wie sich andere Regelungskomponenten gestalten. cc) Gesetzliche Beschreibungen und Differenzierungen der betroffenen Personen führen zu weiteren Determinanten unter anderem aufgrund näherer Anforderungen an die Prognose oder an die Verwicklung in Straftaten. Bei Personen, hinsichtlich derer prognostiziert wird, daß sie künftig Straftaten begehen, muß die - Straftaten- oder personenbezogen akzentuierbare Schlußfolgerung durch eine hinreichende Tatsachenbasis abgesichert und hinreichend gerechtfertigt sein. Wegen der Vorverlagerung gegenüber der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung erreicht die Struktur der Prognose nicht sämtliche Kennzeichen der Gefahren- oder der Verdachtsprognose. Im methodisch zulässigen Umfang ist eine interpretatorische Gestaltung der Anforderungen an die Prognose entwickelbar und eine dynamische, an die Konstellation und an die Beeinträchtigungsintensität angepaßte Bestimmung möglich. Zwecke der Straftatenverhütung und Zwecke der Verfolgungsvorsorge sind dabei im Ansatz zu unterscheiden. Der Prognosegegenstand begrenzt den Umfang der Beschaffung von Informationen und Daten. Die Kategorie der Kontakt- oder Begleitpersonen ist in mehrfacher Hinsicht durch eine Akzessorietät zu den Personen, bei denen die Begehung von Straftaten prognostiziert wird, gekennzeichnet: aufgrund der Verbindung zu diesen Personen, aufgrund der jeweils prognostizierten Straftaten und aufgrund der in diesem Rahmen vorausgesetzten Erforderlichkeit der Datenerhebung. Die darunter gefaßten Personen müssen in den Hintergrund oder in das Umfeld der

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Straftaten verwickelt sein. Aus dem Anlaß für die Einstufung und dem Beobachtungsgegenstand folgt die Reichweite der Inanspruchnahme. Die jeweils umschriebene Rolle bietet den Ansatzpunkt für die Beurteilung, inwieweit und hinsichtlich welcher Informationen eine Person in Anspruch genommen werden darf. Sie ist nicht starr, sondern relativ zu bestimmen. Maßgeblich dafür ist immer der jeweils konkret gesetzte Zweck. Die jeweilige Rolle ist Anknüpfungspunkt nicht nur für die Grenzen der Erhebung, sondern ebenfalls für die prozeßübergreifenden Bindungen des Umgangs mit Informationen und Daten über eine bestimmte Person. 2. Befugnisse zur Erhebung personenbezogener Daten und Befugnisse zum Einsatz bestimmter Ermittlungsmethoden sind einerseits rechtsdogmatisch zu unterscheiden, hängen andererseits aber auch zusammen. Befugnisse zum Einsatz eingriffsintensiver Methoden müssen vor allem wegen des Übermaßverbots in verschiedenen Punkten weiter eingrenzende Regelungselemente erhalten. Das wird in den Polizeigesetzen nur zum Teil in hinreichender Weise geleistet. Bei der Gestaltung und der Auslegung müssen Zwecke der Straftatenverhütung und Zwecke der Verfolgungsvorsorge im Ansatz unterschieden werden. a) Der Kreis der Straftaten, im Hinblick auf die die Methode eingesetzt werden darf, wird begrenzt, indem die für die Verhütung oder für die Verfolgungsvorsorge in Betracht kommenden Straftaten mit Enumerativkatalogen oder dem legaldefinierten Begriff der „Straftaten von erheblicher Bedeutung" eingeschränkt werden. Die jeweils genannten Straftaten sind zum einen Komponente des vor oder bei der Erhebung festzulegenden Verwendungszwecks, zum anderen als Gegenstand der polizeilichen Prognose Tatbestandsvoraussetzung. Probleme der Reichweite entstehen vor allem durch die Schwierigkeiten einer Beschreibung und juristischen Handhabung der „organisierten Kriminalität". b) Die Wirksamkeit der Begrenzung auf bestimmte Straftaten hängt davon ab, daß auch die Anforderungen an die Prognose dieser Taten erhöht werden. Müssen Tatsachen oder tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß eine der aufgelisteten Straftaten begangen werden soll, wird eine mehr oder weniger verdichtete Tatsachenbasis und eine auf einem Wahrscheinlichkeitsurteil beruhende, straftatenbezogene Prognose vorausgesetzt. Die Anforderungen an die Prognose können als dynamische Anforderungen interpretiert sowie - unter Berücksichtigung grundrechtlicher Vorgaben und des Übermaßverbots an die Konstellation und an die Beeinträchtigungsintensität angepaßt werden. Die Gesetzgeber haben mit den Differenzierungen zwischen Tatsachen und tatsächlichen Anhaltspunkten die Möglichkeit, ihrer Bewertung der Eingriffstiefe einer bestimmten Methode oder den Bindungen des Übermaßverbots auf ihre Weise Rechnung zu tragen. c) Subsidiaritätsklauseln geben mehr her als die Erforderlichkeitskomponente des Übermaßverbots. Ihre Wirkung wird jedoch durch zwei Gesichtspunkte relativiert: Die Subsidiaritätsbedingung ist in der Regel auch dann erfüllt, wenn

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der zusätzliche Einsatz der subsidiären Maßnahme den Aufklärungserfolg wesentlich erhöhen oder den Ermittlungsaufwand erheblich reduzieren würde. Das Ziel, das erreicht werden soll, kann so gestaltet werden, daß die Subsidiaritätsbedingungen erfüllt sind. Subsidiaritätsklauseln weisen der Polizei aber keine Beurteilungs- und Konkretisierungsspielräume im Sinne von Letztentscheidungskompetenzen zu. d) Den Entscheidungs- oder Beteiligungsvorbehalten zugunsten des Behördenleiters, des Richters, der Staatsanwaltschaft oder des zuständigen Ministers sowie den Pflichten zur Unterrichtung des Datenschutzbeauftragten, des Parlaments oder parlamentarischer Gremien kommen vielfältige Funktionen zu. Die verbleibenden normativen Spielräume der einschlägigen polizeigesetzlichen Vorschriften sollen mit Blick auf die Eingriffsintensität der jeweils zugelassenen Maßnahmen durch eine Höherzonung der Entscheidung oder weitergehend durch eine Verstärkung der „politischen" Verantwortung ausgeglichen werden. Die Heimlichkeit der Maßnahmen ist durch die Repräsentation der rechtlich geschützten Interessen der Betroffenen im Verwaltungsverfahren zu kompensieren. Soweit es um Verfolgungsvorsorge geht und diese in den Polizeigesetzen geregelt werden darf, muß bei bestimmten Entscheidungen die Beteiligung der Staatsanwaltschaft in adäquaten Formen institutionalisiert werden. Die Vorverlagerung polizeilicher Maßnahmen, die mit der Heimlichkeit verstärkte Eingriffsintensität sowie die Reichweite des erfaßten Personenkreises und die zugleich auf Gesetzgebungsebene gegebenen (Prognose)Unsicherheiten über Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen legen zudem eine besondere Rückkoppelung der Vollzugserfahrungen an die Gesetzgebung nahe. 3. Die Regelungen der weiteren Informations- und Datenverarbeitung sind in den übergreifenden Prozeß einzubinden und haben zugleich eine eigenständige Funktion. Es handelt sich nicht um allein informations- oder datenschutzrechtlich zu verstehende Vorschriften, sondern um genuines Polizeirecht. In den Abläufen sind die Verklammerungen mit den polizeilichen Aufgaben sicherzustellen und Korrektur- und Kontrollmechanismen einzubauen. Das dient gegebenenfalls unter anderem dazu, die Reichweite der Erhebungsermächtigungen auszugleichen. Die Polizeigesetze werden den Anforderungen auch hier nicht immer gerecht. a) Die generalklauselartigen Ermächtigungen zur Speicherung, Veränderung und sonstigen Nutzung personenbezogener Daten werden nicht nur durch das Erforderlichkeitsmerkmal, sondern vor allem auch durch die Regelungselemente der Zweckfestlegung und Zweckbindung mitbestimmt, die an den fallbezogen zu spezifizierenden Erhebungszweck anschließen. In den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge sind in personeller Hinsicht je nach Rolle Differenzierungen und Eingrenzungen, in zeitlicher Hinsicht Speicherfristen und Überprüfungen vorzusehen, die hinreichende sachliche, personelle und zeitliche Grenzen setzen.

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b) Befugnisse zu Zweckänderungen ergänzen und modifizieren die Regelungselemente der Festlegung der Verwendungszwecke und der Bindung an die festgelegten Zwecke. Sie sind vor dem Hintergrund der Interdependenzen zwischen Gefahrenabwehr, Straftatenverhütung, Verfolgungsvorsorge und Strafverfolgung von besonderer Bedeutung. aa) Die normativen Aussagen, die die Zulassung von Zweckänderungen in Abstimmung mit den ursprünglichen Verwendungszwecken und -zusammenhängen regeln, sind von den Vorgaben zu unterscheiden, die aufgrund des neuen Verwendungszwecks die Speicherung, Veränderung und Nutzung der Daten und Informationen näher ausgestalten. Zuständig für die Zulassung, bei der auch bestimmte Bedingungen gesetzt werden dürfen, ist der Gesetzgeber, der für den ursprünglichen Regelungsbereich kompetent ist. Der für den neuen Verwendungsbereich zuständige Gesetzgeber darf der Exekutive in seinem Kompetenzbereich weitere einschränkende Voraussetzungen für die Informations- und Datenverarbeitung aufgeben. bb) Das in den Polizeigesetzen häufig gewählte inhaltliche Grundmuster einer Rückbindung an die Erhebungssituation und an die Erhebungsbefugnisse im Wege einer hypothetischen Prüfung (hypothetischer Ersatz- oder Wiederholungseingriff) ist verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgegeben. Sinnvoller wären gesetzliche Vorgaben nach Maßgabe von Überlegungen, ob die Umstellung der Informations- und Datenverarbeitung auf den neuen Zweck in der gegebenen Situation und unter Berücksichtigung der vorgesehenen Ausgestaltung in einer Gesamtabwägung die Belange der betroffenen Person überwiegt und gerechtfertigt ist. Das gilt auch im Falle von Zweckänderungen bei Informationen und Daten, die durch den Einsatz besonders beeinträchtigender Ermittlungsmethoden erlangt worden sind. cc) Wesentliche Aspekte der Beurteilung der Zulässigkeit von Zweckänderungen ergeben sich mit Blick auf funktionale Beziehungen oder auf strukturelle Unterschiede zwischen Straftatenverhütung, Gefahrenabwehr, Verfolgungsvorsorge und Strafverfolgung. Da sich die Rechtfertigung einer Zweckänderung nicht allein mit Blick auf den neuen Verwendungszweck ergibt, sondern auch von den Bedingungen abhängt, unter denen Zweckänderungen zugelassen werden, haben die Gesetzgebungen in bestimmtem Umfang die Möglichkeit, die Zweckänderungsregelungen so zu gestalten, daß die vorzunehmende Abwägung nicht deren Unzulässigkeit ergibt. d) Im Fortlauf der Informations- und Datenverarbeitung folgt die Rechtswidrigkeit eines bestimmten Vorgangs nicht allein aus der Rechtswidrigkeit des jeweils vorangegangenen Schrittes. Neben einem Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Rechtsverstoß und dem Vorgang, der deswegen einem Rechtswidrigkeitsverdikt unterliegen soll, ist eine Abwägung nach Maßgabe mehrerer Kriterien erforderlich. Zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr bestehen im Rahmen dieser Abwägung ebenso strukturelle Unterschiede, die

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sich maßgeblich auswirken werden, wie zwischen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge. Den Gesetzgebungen steht es grundsätzlich frei, Rechtmäßigkeits- oder Rechtswidrigkeitszusammenhänge so auszuformen, daß Wertentscheidungen und Fehlerfolgen den gesetzlichen Regelungen zu entnehmen sind. 4. Die Übermittlungs- und die teilweise geregelten Empfangsbefugnisse müssen auf die Aufgaben und auf die Rolle der Polizei abgestimmt sein, die in besonderer Weise in ein aufgaben- und arbeitsteiliges behördliches System eingegliedert ist. In den Bereichen der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvorsorge müssen Einschränkungen der Übermittlungsmöglichkeiten mit Blick auf die nach den Aufgabenzuweisungen nicht auf eine Eil- oder Auffangkompetenz beschränkte Zuständigkeit der Polizei und mit Blick auf den besonderen Schutzbedarf der betroffenen Personen erfolgen, der aufgrund der Charakteristika dieser Aufgaben besteht. 5. Die gesetzlichen Determinanten der polizeilichen Tätigkeit erfüllen rechtsstaatliche und freiheitsgrundrechtliche Funktionen auch dadurch, daß sie die Transparenz und Nachvollziehbarkeit des polizeilichen Vorgehens gewährleisten und die Bedingungen der Möglichkeit unabhängiger Kontrollen schaffen sollen. aa) Kenntnis- sowie Beteiligungsmöglichkeiten müssen durch ein Geflecht verschiedener Regelungen rechtlich gewährleistet werden. bb) Unterrichtungspflichten sind vorzusehen, wenn andere Formen der Kenntnisgewähr den Belangen der betroffenen Personen nicht hinreichend Rechnung trügen. Nicht alle in den Polizeigesetzen vorgesehenen Eingrenzungen sind verfassungsmäßig. Soweit Unterrichtungen unterbleiben, wenn sich an den die Maßnahme auslösenden Sachverhalt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anschließt, ist die Koordination zwischen Polizeirecht und StrafVerfahrensrecht überwiegend noch nicht hinreichend geglückt. 6. Die Mechanismen zur Kontrolle polizeilicher Tätigkeit müssen gegenüber dem im klassischen Polizeirecht zentralen Gerichtsschutz als ein System von Kontrollen mit unterschiedlichen Funktionen komplexer und vielfältiger gestaltet sein. Die gerichtliche Kontrolle ist freilich weder zu ersetzen noch in ihrer Bedeutung zu relativieren. Sie scheitert nicht daran, daß die normativen Vorgaben im Bereich der neuen Aufgaben notwendig vollkommen unbestimmt wären. Probleme, die in Dilemmata fuhren und neue Lösungen erfordern, bestehen dagegen im Hinblick auf eine unter Umständen gegebene Komplexität der Fälle und im Hinblick auf die Geheimhaltungsrechte der Behörde im Prozeß.

E.

Die strukturelle Differenz von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bleibt eine Basis für das Verständnis der Straftatenverhütung und der Verfolgungsvor-

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sorge, die dann auch in ihren jeweils eigenständigen Strukturen und Komponenten ausgearbeitet werden können. Die Unterordnung der neuen Aufgaben unter eine weit verstandene Gefahrenabwehr und die gängige Zusammenfassung zur „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" verstellen den Blick auf die zu konkretisierenden Aufgabeninhalte und auf die besonderen funktionalen Beziehungen zwischen einerseits der Straftatenverhütung und der Gefahrenabwehr und andererseits der Verfolgungsvorsorge und der Strafverfolgung. Teils mit Hilfe des Rückgriffs auf tradierte und nur in bestimmtem Umfang zu modifizierende dogmatische Muster, teils über eine Ausarbeitung verhütungs- oder vorsorgespezifischer Formen muß zunächst auf gesetzlicher Ebene und nachfolgend auf Auslegungs- und Anwendungsebene ein Konzept ineinandergreifender Regelungen entwickelt werden, die das polizeiliche Handeln angemessen determinieren. Alle vier Aufgabenbereiche - Straftatenverhütung, Gefahrenabwehr, Verfolgungsvorsorge und Strafverfolgung - sind als vernetztes Quadrat zu denken und ergeben ein neues Gesamtbild, das das Polizeirecht kennzeichnet.

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396

Literaturverzeichnis

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Sachregister

- bei Ermessen 57, 58

- Straftatenverhütung 118 ff., 123 ff, 252 ff., 256 ff. - Verfolgungsvorsorge 118 f f , 128 ff., 252 ff., 261 ff.

- im Gefahrenbegriff

Aufzeichnung 143 ff., 184 ff., 296, 341

Abwägung - als Anforderung des Übermaßverbots 25, 241 ff., 281, 308 36, 38, 39, 55

- bei Kenntnisgewähr 248, 341, 342 - bei Rechtswidrigkeitsfolgen

331 f.

- bei Verhütungs- oder Vorsorgeprognose 288 - im Verdachtsbegriff

76, 78

- bei Zweckänderungen 321 f., 327 Adressaten s. Betroffene Personen 160, 166,

Automatisiertes 174 f.

140, 141,

Abrufverfahren

169,

139 ff., 204, 295

Befugnisnormen - Trennung von Aufgaben und Befugnissen 21 ff., 251 f.

193, 239,310 Anfangsverdacht

-Gefahrenabwehr 46 ff., 131 ff. -Strafverfolgung 81 ff., 184 ff., 131 ff., 275 ff.

s. Verdacht Anhaltspunkte s. Prognoseanforderungen Anklage 72, 80 f., 201 Anordnungsbefugnis s.Entscheidungsvorbehalte Anscheinsgefahr s. Gefahr Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen 66, 128, 269, 272 Aufenthaltsverbot

Auskunftsverweigerungsrecht 204, 295 f.

Befragung

s. Verantwortlichkeit Amts- oder Berufsgeheimnis

s. Videoüberwachung Auskunftspflicht 139 ff., 295

111,125,132

Aufgabenzuweisung - Trennung von Aufgaben und Befugnissen 21 ff., 251 f. -Gefahrenabwehr 29 ff. -Strafverfolgung 71 ff.

- Straftatenverhütung 131 ff., 275 ff. -Verfolgungsvorsorge 131 f f , 275 ff. Begleitperson s. Betroffene Personen Begründungserfordernisse - bei Kenntnisablehnung 249 f. - Begründungszwänge 78, 86, 307, 345 Behördenleitungsvorbehalt s. Entscheidungsvorbehalte Benachrichtigung s. Unterrichtung Beschuldigter s. Betroffene Personen

Sachregister

398 Bestimmtheit

22, 49, 58, 83, 157, 213,

- Zustimmung der StA 150,171,189, 205, 308 ff.

230, 240, 243,298,312, 346 Betroffene Personen - andere Personen 134, 138, 148 f., 150, 186, 190 - begleitende Person 154, 161, 191 -Begleitperson 135 f., 149, 154, 160f., 162, 164 f., 171, 281, 290 ff., 337 f. -Beschuldigte 88 ff., 186 f. -Kontaktperson 135 f., 149, 154, 160 f., 162, 164 f., 171, 281, 290 ff., 337 f.

Erfahrungssätze 35 f., 50, 75, 93, 286 ff., 301 ff. - Kausalitätsannahmen 35 f., 38, 50, 93, 288, 302 ff. - kriminalistische Erfahrung 64, 75, 76, 286 ff., 302 ff. -Lageerkenntnisse 142 Erforderlichkeit

- nicht tatverdächtige Personen 88 ff.

- als Komponente des Übermaßverbots s. dort

- Personen im räumlichen Umfeld einer gefährdeten Person 136, 149, 164, 165

- als Tatbestandselement 138, 156, 160, 163 f., 166, 178, 213, 280 ff.

- Personen, bei denen die Annahme einer künftigen Straftatenbegehung gerechtfertigt ist 127, 138, 148 f., 153, 162, 175, 164 f., 175, 259, 284 ff., 321 f., 333 -Tatverdächtige 88 ff., 188, 213 - unvermeidbar betroffene Dritte - voraussehbar betroffene Dritte 338 ff. s. Verantwortlichkeit Bundeskriminalamt 28, 104, 106, 114, 167, 221, 222, 227

Datenabgleich 175 ff., 191 ff. Datenerhebung 132 ff., 197 f., 276 ff. 158 ff.,

Erkennungsdienstliche 62, 65 ff., 83, 139

197 ff.,

198 ff., 312 ff. Datenübermittlung 167 ff., 198 ff., 333 f. Doppelfunktionale Maßnahmen 95 f., 142

150, 154, 162,

-Richtervorbehalt 150, 154, 160, 178, 186, 188, 189, 191, 194, 308 ff., 330 - Zustimmung des Ministeriums 150,178, 308 ff.

Maßnahmen 47,

69 ff., 151, 163 ff.,

178, 183, 201, 220, 260, 317 ff., 343 f. Errichtungsanordnung 160, 165, 198, 335

Gefahr 33 ff. - abstrakte Gefahr 39 f. - allgemeine Gefahr 41 ff., 253 f. -Anscheinsgefahr 51 f., 61 - Gefahrenverdacht 35, 39, 52 ff., 61, 62, 69, 79, 126, 304; Kap. 3 Fn 241, 335 - dringende Gefahr 63 - erhebliche Gefahr 63, 145 f. - gegenwärtige Gefahr 63, 145 f. - konkrete Gefahr 39, 49 ff., 230 Gefahrenabwehr

Entscheidungsvorbehalte - Behördenleitervorbehalt 178, 308 ff.,330, 344 f.

139 ff.,

Ermessen 56 f f , 305 Ermittlungsverfahren

149 f.,161, 186, 196, 294, 297, 338 ff.

Datenverarbeitung

Ermittlungsmethoden 132 f., 174 ff., 184 ff., 295 ff.

26 ff., 252 ff.

Gefahrenentdeckung 127

45, 51, 55, 122 f.,

Gefahrenverdacht s. Gefahr Gefahrenvorsorge

45, 181, 210, 216,

255, 257 „Gefährliche" Orte 64, 142, 286

Sachregister Geheimhaltungsinteressen

246 ff., 335,

339 ff.

Kontaktperson s. Betroffene Personen

Gemengelage 94 ff., 110, 128, 205, 207, 279,316

Kontrollstelle 64 f., 185 Kriminalakten

Generalermächtigung 48 ff., 275

64 f., 104 ff, 128, 163,

207, 212, 272, 322

Generalprävention 94, 128 Gesetzesvorbehalt 240, 247

25, 47 f., 81 f., 215,

Gesetzgebungskompetenz - Kompetenzverteilung 20, 219 ff., 317 ff, 343 - fur Verfolgungsvorsorge 121, 131, 166, 198 ff., 265 ff., 310 Grundrecht auf Sicherheit 32, 93, 99 Grundsatz offener Erhebung s. Modus der Ermittlung Grundstrukturierung der Informationsund Datenverarbeitung 233 ff., 240 f.

Hinweispflichten 136, 139, 204 hypothetischer Ersatzeingriff 325 ff.

Identitätsfeststellung 41, 47 ff., 63, 64 f.,

Lagebilder s. Wissensproduktion Legalitätsprinzip 211,272

71, 85, 110 f., 206,

Modus der Ermittlung - Grundsatz offener Ermittlung 136 - verdeckte Maßnahmen -Zulässigkeit 137 f., 143 ff, 295 ff. -Unterrichtungspflichten 137, 151 f., 336 ff

Nachrichtendienst 221 ff, 286, 335

111, 115, 157, 216,

Nachrichtendienstliche Mittel 211 ff, 296 Normenklarheit

157,

213,240,276

83, 84, 139, 141 f. In-Camera-Verfahren

346 f.

Informationsgesellschaft

97 f.

Informatorische Befragung 79 Initiativermittlungen

108 ff., 183, 201,

210

Observation 127, 129, 143 ff, 185, 206, 326 operatives Vorgehen 108 ff, 169, 180, 195, 196, 201, 202, 206, 209, 210 ff, 215 f., 221,266, 349,351 Opportunitätsprinzip

Innere Sicherheit 99, 104, 351

56

INPOL 104 ff., 169 f., 176,334

Organisierte Kriminalität 100 ff, 112 ff, 147, 169, 205, 216, 227, 253, 260, 264,

Justizförmigkeit

OrgKG

273,291 f. 71, 80, 91 f., 201, 220,

184

255, 268, 272, 288,310, 334 Persönlichkeitsschutz 231, 239 Kenntnisgewährleistung 236 ff, 246 ff, 334 ff. Kennzeichnungspflichten 162, 235

Polizeiliche Beobachtung 152 ff, 190 ff. Prävention 20, 32, 94, 108 ff, 209 f., 221,252, 255,348

400

Sachregister

proaktives Handeln

108 ff., 112, 114

- Sicherheitssemantik 97 ff.

Prognose 34 ff.

Staatsanwaltschaft

Prognoseanforderungen

-Rolle

- b e i der Gefahr 34 ff., 49 ff.

- und Verfolgungsvorsorge 201, 212,

69 ff., 150, 157, 171, 179,205

272, 310 f.

- beim Verdacht 74 ff. -Anhaltspunkte 283 f., 286 f., 288 f.

Standardbefugnisse

- Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen 283 f., 286 f., 300 ff.

41, 62 ff., 276, 295

Straftat - als Gegenstand der Strafverfolgung

- Tatsächliche Anhaltspunkte 283 f.,

72 f.

286 f., 300 ff.

- als Bezugspunkt der Straftatenverhü-

- Wahrscheinlichkeit 36 ff., 49 f., 287 f., 303 f.

tung 256 f. - bei Verfolgungsvorsorge 261 f.

Prognosezeitpunkt 49, 74, 287 f., 303 Prüfungstermine 161 f., 165, 315

Straftaten von erheblicher Bedeutung 134, 137, 142, 143, 147, 153, 160, 176, 192, 194, 200, 214, 297 ff., 301 f. 327

Rasterfahndung

Straftatenkatalog 147, 153, 192, 213, 214, 297 ff., 301 f.

176 ff., 192 ff., 206

Recht auf informationelle Selbstbestimmung 107,231 ff.,246 ff.,276,321, 350 Rechtmäßigkeitszusammenhang

Straftatenverhütung 252 ff.

118 ff., 131 ff.,

Strafverfolgung 69 ff., 183 ff.

s. Rechtswidrigkeitsfolgen Rechtsschutz 237, 246 ff., 345 ff.

Streubreite 49, 196, 244, 324, 328

Rechtsstaatsprinzip 21 ff., 45, 47, 69, 88, 210 ff., 220, 230, 255, 262 f., 272

StVÄG 184, 197 ff., 201, 202, 205, 266, 273,317, 321,327

Rechtswidrigkeitsfolgen 329 ff.

Subsidiaritätsklauseln 139, 146, 148, 156, 182, 185, 188, 190, 193, 195, 204, 295, 305 ff., 309, 325

Repräsentation des Betroffenen durch unabhängige Dritte 309 f. Repression 20, 23, 94, 110, 123, 221

Tatbezogenheit 84 f., 89, 193, 307

Richtervorbehalt s. Entscheidungsvorbehalte Risiko

Tatsachen s. Prognoseanforderungen

28,53,55,61,68,215

Risikogesellschaft

Tatsächliche Anhaltspunkte

97 f.

s. Prognoseanforderungen Telefonüberwachung 83, 86, 87, 89, 90, 238, 298, 305

Schaden 33 f. Schleierfahndung Schutzpflicht

141 f., 153, 296

Transparenz 240, 276, 278, 334 f.

57, 99, 237, 333

Schutzvorkehrungen 308 ff., 326, 328 Sicherheit - als Schutzgut 30 ff.

167, 245,

Trennungsgebot 111, 211 f., 221 ff. 250, Übermaßverbot

25, 58, 86 ff., 214,

241 ff., 281, 289, 291, 302 ff., 308, 325

Sachregister Ungewißheit 38, 51 ff., 61 f., 243, 269, 270, 293 Unschuldsvermutung

71,90,92,272

Unterrichtungspflicht

137, 151 f., 238,

Verwertungsverbot

336 ff.

171, 187, 189, 194,

196, 207, 239, 328, 329 ff., 338

Unvermeidbar betroffene Dritte

Videoüberwachung 142 ff.

s. Betroffene Personen

VE MEPolG

Verwendungsbeschränkungen 163, 184, 186 f., 189, 194, 196, 317 ff., 338 s. Zweckfestlegung s. Zweckänderung

öffentlicher

Vorbereitung auf Gefahrenabwehr

116 f.

119

Vorbeugende Straftatenbekämpfung 119 ff., 204, 252

Verantwortlichkeit 58 ff. - Anscheinsverantwortliche 61 - mutmaßlich Verantwortliche 62 - nicht verantwortliche Personen 59 f f , 63 f., 134, 138, 146, 203 -Verdachtsverantwortliche 61

Vorbeugung 121 f f Vorermittlungen

79 f.

Vorfeldmaßnahmen

108 ff., 183, 208,

211,229, 255,301 f.

-Verhaltensverantwortliche 58 ff., 133, 138, 146, 175, 213 f., 230 - Zustandsverantwortliche 58 ff., 133, 138, 146, 175, 213 f., 230 Verdacht 73 ff., 80 f. -Anfangsverdacht 75 ff., 184, 195, 230, 262 ff., 268, 285 - auf bestimmte Tatsachen gestützter Verdacht 86, 186 - dringender Verdacht 86 - hinreichender Verdacht 86 Verdachtsgewinnung im Vorfeld

Räume

- Gefahrenvorfeld 122 ff., 253 ff., 258 f. - Verdachtsvorfeld 129 ff., 201, 262 f., 285 Vorsorge s. Gefahrenvorsorge s. Straftatenverhütung s. Verfolgungsvorsorge V-Personen 143 ff., 185 Wahrscheinlichkeit s. Prognoseanforderungen

129 ff.,

201, 262 f., 285

Wissen

Verdeckte Ermittler 117, 127, 129, 133, 143 ff., 155 ff., 184, 187 ff., 205 f., 239, 326, 330, 341 ff., 346

- Grundlagen- und Strukturwissen 126 f., 129 f., 259, 260 f., 262, 264 f., 273 -Lagebilder 114, 115, 127,259 - Ungewißheit s. dort

Verdeckter Einsatz technischer 143 ff., 184 ff., 206 f., 328

Zeugnisverweigerungsrecht 204, 295,310

Verfassungsschutz Verfolgungsvorsorge

Mittel

170, 212, 221 ff. 128 ff., 131 ff.,

252 ff. Verhältnismäßigkeit s. Übermaßverbot s. Abwägung Vernachrichtendienstlichung 221 ff., 296

211 f.,

141, 149,

Zufallsfund 156, 196, 206, 297, 323 ff. Zweckänderung -Regelung 159 ff., 171 f., 198 ff. -Zulässigkeit 234 f., 317 ff. - bei Einsatz besonderer Erhebungsmethoden 323 ff. Zweckbindung 159, 171 f., 214, 232, 233 Zweckfestlegung 232, 233 f., 277 ff.