Globalisierung der Kirchen: Der Ökumenische Rat der Kirchen und die Entdeckung der Dritten Welt in den 1960er und 1970er Jahren 9783666557736, 9783525557730, 9783647557731

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Globalisierung der Kirchen: Der Ökumenische Rat der Kirchen und die Entdeckung der Dritten Welt in den 1960er und 1970er Jahren
 9783666557736, 9783525557730, 9783647557731

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Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Siegfried Hermle und Harry Oelke Reihe B: Darstellungen Band 58

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Globalisierung der Kirchen Der Ökumenische Rat der Kirchen und die Entdeckung der Dritten Welt in den 1960er und 1970er Jahren Herausgegeben von Katharina Kunter und Annegreth Schilling

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Mit 24 Abbildungen, 10 Graphiken und einer Tabelle Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-55773-0 ISBN 978-3-647-55773-1 (E-Book) Ó 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: Konrad Triltsch Print und digitale Medien GmbH, Ochsenfurt Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft (1966), AÖRK B7456-22a

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zusammenfassungen/Abstracts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einführung Katharina Kunter/Annegreth Schilling „Der Christ fürchtet den Umbruch nicht“. Der Ökumenische Rat der Kirchen im Spannungsfeld von Dekolonisierung, Entwestlichung und Politisierung . . . . . . . . . . .

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I. Von der Nachkriegsökumene zur Weltgemeinschaft Andrew Chandler The Founding Fathers and the New Vision. The World Council of Churches, 1948 – 1958 . . . . . . . . . . . . . . .

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Annegreth Schilling 1968 und die Ökumene. Die Vollversammlung des ÖRK in Uppsala als Beginn einer neuen Ära?

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Nicolai Hannig „Behold… All Things New“. Uppsala 1968 und die verfilmte Ökumene

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Stephen Brown Globalization and the Unity of the Churches. The Ecumenical Utopia of the German Theologian Ernst Lange

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Inhalt

II. Menschenrechte, Sozialismus und Befreiung. Das Ringen um Einheit zwischen Ost und West, Nord und Süd Peter Mor¦e Allies Against the Imperial West. Josef L. Hrom‚dka, the Ecumenical Movement and the Internationalization of the Eastern Bloc since the 1950s . . . . . . . . . 167 Christian Albers Der ÖRK und die Menschenrechte im Kontext von Kaltem Krieg und Dekolonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Annegreth Schilling Demokratischer Sozialismus, Humanisierung und Befreiung. Der Beitrag Lateinamerikas zur Globalisierung der Ökumene . . . . . 217 Odair Pedroso Mateus Jos¦ M†guez Bonino and the Struggle for Global Christian Unity in the 1970s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

III. Die Entwicklung eines globalen Bewusstseins. Transnationale kirchliche Wechselwirkungen Benjamin Pearson A Divided Nation in a Divided World. The Kirchentag and the Globalization of German Protestantism from the 1950s to the 1970s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Catharina Volkert Der Vietnamkrieg als globale Herausforderung für die evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und in der weltweiten Ökumene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Sebastian Tripp Das Programm zur Bekämpfung des Rassismus und die „Glokalisierung“ der Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Erica Meijers The End of the Colonial Mindset. Apartheid as Challenge for the Protestant Churches in the Netherlands

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Inhalt

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IV. Anhang Repräsentation von Afrika, Asien und Lateinamerika im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) von 1948 – 1975 . . . . . . . 336 Biographische Profile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 Abkürzungsverzeichnis

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

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Vorwort

Dieser Band präsentiert die Ergebnisse des von 2008 bis 2011 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojektes Auf dem Weg zum globalisierten Christentum: Die europäische Ökumene und die Entdeckung der ,Dritten Welt‘ zwischen 1966 und 1973 unter der Leitung von PD Dr. Katharina Kunter. Im Zentrum des Projektes, das von Annegreth Schilling als wissenschaftlicher Mitarbeiterin an der Universität Karlsruhe getragen und von Christian Albers als assoziiertem Mitarbeiter viele Impulse empfangen hat, stand der Transformationsprozess des 1948 gegründeten Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), der sich in den 1960er und 1970er Jahren zu einer global agierenden, interkonfessionellen und pluralen internationalen Organisation ausdifferenzierte. Die im Rahmen des Projektes erarbeiteten Fragestellungen, Studien und Ergebnisse wurden zum Abschluss auf einer internationalen Konferenz, die vom 4.–6. März 2011 im Ökumenischen Institut Bossey (Schweiz), stattfand, vorgestellt und zusammen mit rund 30 Experten und Gästen aus Deutschland, Ghana, Großbritannien, Nigeria, Philippinen, Schweiz, Tschechien, USA und Zimbabwe diskutiert. Dabei wurden die Einsichten des Forschungsprojekts durch zahlreiche weiterführende Vorträge ergänzt,1 von denen ein Großteil in den vorliegenden Forschungsband integriert wurde. Allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz danken wir ganz herzlich für ihre Beiträge und engagierte Bereitschaft, die Debatte um die Globalisierung der Kirchen gemeinsam voranzutreiben. Die Veröffentlichung der hier vorgelegten Forschungsergebnisse, die im Dezember 2012 abgeschlossen wurden, verfolgt ein doppeltes Ziel: zum einen ergänzen die Beiträge den aktuellen Forschungsdiskurs der kirchlichen Zeitgeschichte der 1960er und 1970er Jahre um eine globale und internationale Perspektive; zum anderen werden in den Beiträgen die christlichen Kirchen, die in der Globalgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bislang nur am Rande wahrgenommen worden sind, als globale Akteure etabliert.

1 Vgl. Strìmpfel, Annegreth: Tagungsbericht: Die Globalisierung der Kirchen. Globale Transformation und ökumenische Erneuerung des Ökumenischen Rates der Kirchen in den 1960erund 1970er-Jahren. 4. 3. 2011 – 6. 3. 2011, Genf. In: H-Soz-u-Kult, 3. 5. 2011, http://hsozkult.ge schichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=3629 (18. 12. 2012).

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Vorwort

Unser Dank gilt zunächst der DFG für die Ermöglichung des Forschungsprojektes sowie der Fritz-Thyssen-Stiftung, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und dem Evangelischen Missionswerk in Deutschland für die finanzielle Unterstützung der Konferenz in Bossey. Des Weiteren danken wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ökumenischen Instituts Bossey, namentlich Dagmar Heller, für die gelungene Kooperation vor, während und nach der Konferenz. Besonders bedanken möchten wir uns bei den Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die uns in persönlichen Gesprächen über die bewegten Zeiten Auskunft gaben und Verknüpfungen herstellten, wo wir in den Archiven nicht fündig wurden: Wir danken Mercy Amba Oduyoye (Accra), Karl-Heinz Dejung (Frankfurt am Main), Dwain Epps (Genf), Albert van den Heuvel (Amsterdam), Jürgen Moltmann (Tübingen), Konrad Raiser (Berlin) und Julio de Santa Ana (Genf). Stephen Brown sei bedankt für seine konstruktive und kritische Begleitung während des gesamten Forschungsprojekts, insbesondere für die aufwändige Redaktion der englischen Beiträge des Bandes. Wir danken außerdem Julia Rintz für ihren großen Einsatz im Gesamtlektorat sowie Catharina Volkert, Bernd Kessinger, Sebastian Sell und Mario Wiedelmann für die Unterstützung bei den Recherchen. Ein herzlicher Dank geht auch an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Archivs des ÖRK, die uns großzügig Zugang zu den Archivalien gewährt und die in diesem Band abgedruckten Abbildungen zur Verfügung gestellt haben. Nicht zuletzt danken wir der Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte in München und den Herausgebern der „Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte“ für ihre Unterstützung beim Zustandekommen des Projektes, dem gründlichen Korrekturlesen und der Aufnahme dieses Bandes in die Reihe der Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte. Wir hoffen, dass dieser Band dazu anregt, die Erforschung der Geschichte der ökumenischen Bewegung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts voranzutreiben – und zwar sowohl als ein integrativer Teil der neuesten Globalgeschichte wie auch als transnationale Perspektive kirchlicher Zeitgeschichte. Katharina Kunter und Annegreth Schilling Frankfurt am Main, November 2013

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Zusammenfassungen/Abstracts

Katharina Kunter/Annegreth Schilling „Der Christ fürchtet den Umbruch nicht“. Der Ökumenische Rat der Kirchen im Spannungsfeld von Dekolonisierung, Entwestlichung und Politisierung This introductory article provides a comprehensive overview of the historical and theological developments that led to a new understanding of worldwide Christian responsibility and of an internationalized ethics and political action in the 1960s and 1970s. Using the British historian Arthur Marwick’s historical concept of the “long sixties”, the authors argue that between 1955 and 1973 the WCC experienced a complex transformation in which its theological, political, cultural and structural orientation changed substantially. The key question is, however, how far and in which ways Christians and churches of the ‘Third World’ influenced this groundbreaking transformation in which the WCC changed from being a primarily European and North American orientated postwar institution into a global organization with a worldwide reach. The authors see this transformation as a historical process of globalization, characterized by aspects and elements of decolonization, de-westernization and the strengthening of political awareness among the member churches of the WCC. Andrew Chandler The Founding Fathers and the New Vision. The World Council of Churches, 1948 – 1958 Die Gründung und frühe Geschichte des ÖRK sind tief im kollektiven Gedächtnis der Ökumene verankert. Viele derjenigen, die für die großen Erfolge von damals verantwortlich waren, nehmen bis heute einen herausragenden Platz im ,Pantheon’ der Kirchengeschichte ein. Und doch neigten Ökumeniker späterer Zeiten dazu, sich von dieser Periode zu distanzieren, da sie deren patriarchalen und vorrangig westlichen Charakter als etwas Unangenehmes, wenn nicht sogar Beschämendes wahrnahmen. Anliegen dieses Artikels ist dagegen, den Idealismus und den Elan dieser bedeutenden Ära zugänglich zu machen. Dabei wird die These vertreten, dass die Jahre 1948 – 1958 ein reiches ökumenisches Bewusstsein zeigten, das auf unverwechselbare Weise mit dem Weltgeschehen verwoben war, und zugleich eine bemerkenswert pragmati-

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Zusammenfassungen/Abstracts

sche Entschlossenheit offen legte, neue und beständige Strukturen unter schwierigen Umständen zu schaffen. Abgesehen von seinen theologischen Forderungen entwickelte sich der ÖRK in dieser Periode zu einem herausragenden Vorbild des progressiven Internationalismus im Zeitalter der neuen Vereinten Nationen. Annegreth Schilling 1968 und die Ökumene. Die Vollversammlung des ÖRK in Uppsala als Beginn einer neuen Ära? In ecumenical history, 1968 is remembered as a turning point: the fourth assembly of the WCC at Uppsala seemed to mark the end of the era of early ecumenism and the beginning of a new epoch. This article questions this understanding of “Uppsala” and examines the reasons for such a mythologization of the assembly, through analyzing its themes and conflicts in a twofold way. First, the analysis shows the connection between the students’ revolts of 1968 and the assembly. Second, the article draws on the assembly’s main theme “Behold, I make all things new” and the key aspects of ecumenical renewal discussed at the Assembly : the new relationship between the WCC and the Roman Catholic Church, the WCC’s commitment to development issues, liberation from racism, and the churches’ role in political conflicts. While these themes became a symbol for identifying the Assembly with a groundbreaking ecumenical change, the article argues that this change had already begun in the early 1960s, and that the assembly at Uppsala was more the medial and visible expression of this continuing ecumenical turbulence than its source. Nicolai Hannig „Behold… All Things New“. Uppsala 1968 und die verfilmte Ökumene The fourth assembly of the WCC in 1968 occurred during a period of change within media. The influence of the press, radio and television in shaping society and culture became stronger than ever. In many respects the WCC took this development into account, and made the film “Behold…All things new”, produced by Radio Sweden for the assembly of the WCC in 1968. The documentary, however, was both a promotional tool for the church and a form of documentation. This article analyzes the film from the context of church media relations, examining the strengthened medialization of the religious arena in the 20th century. Close attention is given to the circumstances of the film’s production, its narrative techniques and visual realization. In this way, the film is made accessible as a historical source for the WCC and thus also for the history of the globalization of churches. The connection between medialization and secularization which has long been taken for granted, is placed into perspective by the film, as it represents the churches’ integration

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Zusammenfassungen/Abstracts

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into modern media society with all of its visual symbols of globality, ecumenism and willingness to enter into dialogue. Stephen Brown Globalization and the Unity of the Churches. The Ecumenical Utopia of the German Theologian Ernst Lange Der Beitrag beschreibt die Diskussion über das Verhältnis von „Einheit der Kirche“ und „Einheit der Menschheit“ innerhalb des ÖRK in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren aus der Sicht des deutschen Theologen Ernst Lange. Nach einer kurzen Einführung in Langes Leben und sein Engagement im ÖRKwerden die Herausforderungen skizziert, denen der ÖRK theologisch ausgesetzt war, als sich in den 1960er Jahren ein neues Bewusstsein über die globale Einheit herausbildete. In diesem Zusammenhang erlangte die Konferenz der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung in Löwen 1971 für Lange eine wichtige Bedeutung, da sie für ihn den Ausgangspunkt für die Ausarbeitung einer Theorie kirchlichen Handelns darstellte. Danach sei die Kirche berufen, sowohl als Instrument der Sozialisation als auch der Emanzipation zu handeln. Der Beitrag prüft diese „ökumenische Utopie“ kritisch vor dem Hintergrund des historischen Kontextes, aus dem sie hervorgegangen ist. Peter Mor¦e Allies Against the Imperial West. Josef L. Hrom‚dka, the Ecumenical Movement and the Internationalization of the Eastern Bloc since the 1950s Im ÖRKwar das Engagement des tschechischen Theologen Josef L. Hrom‚dka darauf gerichtet, die Kirchen in den kommunistisch geprägten Ländern Europas zu vertreten, die sich durch eine affirmative Haltung zu den jeweiligen Regimes auszeichneten. Nachdem sein Versuch, einen Dialog zwischen dem ÖRK und dem Weltfriedensrat zu etablieren, von der Leitung des ÖRK zurückgewiesen worden war, gründete Hrom‚dka 1958 die Christliche Friedenskonferenz, die sowohl Christen aus Ost- und Westeuropa als auch aus der sogenannten Dritten Welt einbezog. Der Beitrag zeichnet zunächst diese Entwicklung nach und zeigt dann die Ursprünge für dieses globale Selbstverständnis der CFK auf. Die theologischen Motive fand Hrom‚dka in seiner heimatlichen Tradition der Böhmischen Reformation, die er selbst und andere tschechische Theologen als fortschrittliche Alternative zu den etablierten, bürgerlichen Kirchen sah.

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Zusammenfassungen/Abstracts

Christian Albers Der ÖRK und die Menschenrechte im Kontext von Kaltem Krieg und Dekolonisierung This article analyzes the transformational process of the ecumenical involvement in human rights during the 1970s. The main focus is the correlation of the different “dimensions” of human rights as they were understood by the CCIA of the WCC. As this examination is conducted against the background of global human rights history, rather than the confined setting of the Cold War, it broadens the hitherto existing research on the WCC’s involvement in human rights. Of special interest is the CCIA consultation in St. Pölten 1974 and the WCC Assembly in Nairobi 1975, which together serve as pivotal points in the development of the ecumenical involvement in human rights. While the original orientation was mainly focused on freedom of religion, social and collective human rights now took on greater importance. The author understands this highly controversial realignment as representing a process of fundamental structural political transformation, which included the social and ethical permeation of human rights. This process enabled many representatives from developing countries to draw on the concept of human rights, which originated in the West, but claims universal application. Annegreth Schilling Demokratischer Sozialismus, Humanisierung und Befreiung. Der Beitrag Lateinamerikas zur Globalisierung der Ökumene This article examines the globalization of the WCC from the perspective of Latin America between 1966 and 1975, by exploring the ways in which Latin American Protestant representatives challenged the European and North American understanding of ecumenism and ecumenical cooperation. The platform for these discussions was both international ecumenical conferences as well as the WCC headquarters in Geneva, where, from the late 1960s, a group of left-wing Latin Americans became staff members and thus influenced ecumenical policy and strategy. The article argues that the presence of these Latin Americans in the work of the WCC was not only a symbol of the geographical globalization of the WCC, but also revealed deep conflicts between different understandings of responsible common action, revolution, socialism and liberation. Odair Pedroso Mateus Jos¦ Miguez Bonino and the Struggle for Global Christian Unity in the 1970s Nach einer kurzen Einführung in die ökumenische Theologie des ersten Generalsekretärs des ÖRK, Willem A. Visser ’t Hooft, und seinem in den frühen 1960er Jahren aufkommenden neuen Verständnis zur Beziehung Gottes zwi-

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Zusammenfassungen/Abstracts

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schen Kirche und Welt, analysiert der Artikel, wie sich ab dem Ende der 1960er Jahre eine neue, alternative und kritische Vision christlicher Einheit herausbildete. Diese Vision fragte insbesondere nach der Bedeutung des ÖRK für den „globalen Süden“ und forderte dadurch das bisherige Einheitsverständnis grundlegend heraus. Dieses alternative und kritische Verständnis christlicher Einheit wurde in den 1970er Jahren entscheidend durch den lateinamerikanischen Theologen Jos¦ M†guez Bonino (1924 – 2012) geprägt. Am Beispiel der programmatischen Arbeit der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung (Faith and Order) des ÖRK stellt der Autor die innerhalb der Kommission aufbrechenden Kontroversen vor und zeigt dabei den Beitrag M†guez Boninos zur Überwindung trennender Lehrmeinungen, geistlichen Lebens und kirchlicher Organisation auf dem Weg zu christlicher Einheit auf. Benjamin Pearson A Divided Nation in a Divided World. The Kirchentag and the Globalization of German Protestantism from the 1950s to the 1970s Der vorliegende Beitrag untersucht am Beispiel des Deutschen Evangelischen Kirchentags den Wandel der westdeutschen protestantischen Haltung zur Dritten Welt von den späten 1950er bis in die frühen 1970er Jahre hinein. In dieser Periode rückte das Thema Dritte Welt vom Rand in das Zentrum des protestantischen Diskurses. Dies geschah auf zwei unterschiedliche Weisen, die teilweise in Spannung zueinander standen: Zum einen entfernte sich das protestantische Denken zunehmend von der Vorstellung, Entwicklungsthemen als Teil von Missions- und Wohltätigkeitsarbeit zu sehen, und deutete sie neu im Horizont von Weltfrieden und sozialer Gerechtigkeit. Zum anderen machten sich die Protestanten zunehmend ein genaueres und kritischeres Verständnis der konkreten Gegebenheiten der Entwicklungspolitik zu eigen. Während diese Veränderungen auf eine Vielzahl von Gründen zurückgeführt werden können, hebt der Artikel insbesondere die Verbindungen zwischen dem Wandel sowie dem Um- und Neudenken deutscher Identität im Kontext des Kalten Krieges und der nationalsozialistischen Vergangenheit hervor. Catharina Volkert Der Vietnamkrieg als globale Herausforderung für die evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und in der weltweiten Ökumene Churches in Europe and North America became increasingly aware of political and social questions during the Vietnam War. Against this background, the author examines the reactions to the Vietnam War within the EKD and the WCC, as well as other groups and individuals attached to the church. By analyzing two examples – the refusal of the EKD to meet an ecumenical delegation from the United States and the protest letter of Eugene Carson

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Zusammenfassungen/Abstracts

Blake, the WCC general secretary, to Richard Nixon – the author illustrates the different conflicts that occured around questions about the role of ecumenism and the church as a political actor in general. Sebastian Tripp Das Programm zur Bekämpfung des Rassismus und die „Glokalisierung“ der Kirchen In this article the concept of ‘glocalization’ (R. Robertson) is used to analyze the influence of the global ecumenical movement at local and regional levels in the late 1960s and early 1970s. The author argues that the Programme to Combat Racism (PCR) acted as a catalyst in promoting awareness of this movement, something that in the 1960s was almost exclusively confined to theological elites. Due to the special fund of the PCR, however, people whose only contact to the church was through their own parishes now had to deal with the WCC and its decisions. This development is illustrated through the discussions in the EKHN, because in 1970 it became the only regional church that decided to transfer budgetary resources, i. e. church tax, to this special fund. Thus developments within the global ecumenical movement influenced debates and processes within regional churches and parishes to an extent that was previously unknown. Erica Meijers The End of the Colonial Mindset. Apartheid as Challenge for the Protestant Churches in the Netherlands Die internationale Debatte über Rassismus, Gerechtigkeit und Versöhnung veränderte die Perspektive der Reformierten Kirchen in den Niederlanden auf Apartheid grundlegend. Der Wandel von einer kritischen, aber verständnisvollen Haltung in den 1950er Jahren zu einer klaren Ablehnung der Apartheid Anfang der 1970er Jahre ging mit tiefgreifenden Veränderungen innerhalb der Kirchen einher. Apartheid konfrontierte die Kirchen mit ihren eigenen Vorstellungen über Schwarze und Weiße, mit ihrer Rolle während des Kolonialismus und ihren Auffassungen über Kirche und Gesellschaft. Als Ergebnis dieser Debatten, an welchen der ÖRK einen maßgeblichen Anteil hatte, wurde Südafrika nicht länger als ein weißes Land mit einem schwarzen Problem betrachtet, sondern als ein schwarzes Land unter weißer Herrschaft.

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Einfìhrung

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Katharina Kunter/Annegreth Schilling

„Der Christ fürchtet den Umbruch nicht“ Der Ökumenische Rat der Kirchen im Spannungsfeld von Dekolonisierung, Entwestlichung und Politisierung

Als im Dezember 1961 in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi rund 600 Christen aus allen Kontinenten zur dritten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen zusammentrafen, befand sich die Welt in einer der größten politischen Umbruchphasen des 20. Jahrhunderts. Die Dekolonisierung in Afrika und Asien war im vollen Gang und lenkte nicht nur die öffentliche Aufmerksamkeit zunehmend mehr auf Geschehnisse auf der Südhalbkugel, sondern stellte auch das koloniale Selbstverständnis des Westens infrage. Zugleich manifestierten sich der Kalte Krieg und die Systemkonkurrenz zwischen der UdSSR und den USA an entscheidenden Standorten rund um den Globus: in Kuba durch die gescheiterte amerikanische Invasion in der Schweinebucht und die öffentliche Hinwendung Castros zum Kommunismus, in Europa durch den Bau der Berliner Mauer im August 1961 und nicht zuletzt durch den sowjetischen Astronauten Juri Gagarin, der als erster Mensch im Weltall die Erde umrundete. Aber auch der Amtsantritt des neuen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy weckte weltweit Hoffnungen auf positive Veränderungen. Eine internationale Versammlung von Kirchen, wie die in Neu-Delhi, spiegelte diese historisch-dynamische Situation in fragmentierter Weise wider, da auf ihr Vertreter aus verschiedenen Ländern und Systemen mit unterschiedlichen christlichen Konfessionen, politischen Ansichten und kulturellen Hintergründen zusammenkamen, um gemeinsam über den christlichen Auftrag angesichts der politischen und zugleich auch sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Aufbrüche und Krisen zu beraten. Die Delegierten zeigten sich in Neu-Delhi von der Weltsituation jedoch keineswegs erschlagen, sondern formulierten selbstbewusst: „Der Christ fürchtet den Umbruch nicht; denn er weiß, welch schwere Lasten der Armut und des Mangels der größere Teil der Menschheit in der gegenwärtigen Weltordnung zu tragen hat. Er ist bereit, als erster Änderungen einzuführen und Reformen zu fördern, welche der Gerechtigkeit und der Freiheit dienen und die Ketten der Armut sprengen.“1

Dieser Optimismus zur Weltveränderung kennzeichnete die 1960er und frühen 1970er Jahre. Dabei stellte der unerschrockene Blick in die Zukunft nicht 1 Visser ’t Hooft, Neu-Delhi, 104 f.

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Katharina Kunter/Annegreth Schilling

nur eine aus christlicher Sicht begründete Hoffnung dar, sondern entsprach auch einer auf internationaler politischer Ebene gängigen Aufbruchstimmung. Diese zeigte sich beispielsweise in der euphorischen Ausrufung der ersten UN-Entwicklungsdekade 1960 oder auch in der Einrichtung der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung.2 Der Ölschock von 1973 und die durch ihn ausgelöste Öl- und Wirtschaftskrise wiesen dann allerdings auch den an das wirtschaftliche Wachstum gekoppelten Fortschrittsglauben in seine Schranken, wie der in Politik und Kirche breit rezipierte Bericht des Club of Rome, Grenzen des Wachstums, 1972 öffentlichkeitswirksam deutlich machte. Die nun anbrechende Zeit „nach dem Boom“3 unterschied sich durch ihren weitreichenden postindustriellen Strukturbruch und gesellschaftlichen Wandel grundlegend von den 1960er Jahren – zumindest in Westeuropa. Welche globalen Auswirkungen dieser gesellschaftliche und politische Wandel nach sich zog, ist u. a. ein Untersuchungsfeld der seit den 1980er Jahren durch postkoloniale Studien angeregten Globalgeschichte.4 Diese wendet sich vor allem gegen den gängigen methodologischen Nationalismus in der Geschichtswissenschaft und will stattdessen die globale und postkoloniale Dimension der neueren und neuesten Geschichte stärken.5 Dabei wird der vieldeutige Begriff ,Globalisierung‘ als historischer Prozess verstanden, der die kulturellen, politischen und historischen Verflechtungen als „geteilte Geschichte“6 offenlegt und nach dem transnationalen Austausch und der Rolle der globalen Akteure fragt. In Anlehnung an die Überlegungen des Soziologen Roland Robertson geht es bei der historisch verstandenen Globalisierung darüber hinaus um die „Verdichtung der Welt“ und die „Intensivierung des Bewusstseins von der Welt als einem Ganzen“7. Ausgehend von diesen Ansätzen möchte der vorliegende Sammelband mit seinen Beiträgen die Kirchen und speziell den 1948 gegründeten Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) als einen bislang wenig von der Globalgeschichte beachteten transnationalen Akteur in den Blick nehmen.8 Denn der 2 Vgl. Gareis/Varwick, Nationen, 232 f.; Volger, Geschichte, 133 – 144. 3 Vgl. hierzu Doering-Manteuffel/Raphael, Boom. 4 Vgl. ein- und weiterführend u. a. Hopkins, History ; Osterhammel/Petersson, Geschichte; Conrad/Eckert/Freitag, Globalgeschichte; Pernau, Wegbereiter; Reichardt, Globalisierung. 5 Vgl. Conrad/Eckert, Globalgeschichte, 20; Cooper, Begriff; Conrad/Randeria, Eurozentrismus. 6 Vgl. Eckert/Randeria, Globalisierung, 11. Zum Begriff der Globalisierung vgl. einführend Osterhammel/Petersson, Geschichte. 7 Robertson in der Übersetzung von Reichardt, Globalisierung, 56. 8 Der parallel verlaufende und z. T. mit der Geschichte des ÖRK verschränkte historische Wandel in der römisch-katholischen Kirche seit dem II. Vatikanischen Konzil wird in diesem Band nicht eigens behandelt, hat aber eine große Bedeutung für die Entwicklungen im ÖRK. Zur „Globalisierung des Katholizismus“ vgl. die jüngsten Darstellungen von Nacke, Kirche; Linden, Catholicism; Faggioli, Christianity.

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ÖRK eignet sich als internationale kirchliche Organisation zur eingehenderen Untersuchung in besonderer Weise, da er, wie alle internationalen Organisationen, ein Forum des Austauschs darstellt, die – wie der Historiker Daniel Maul am Beispiel der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gezeigt hat – „als ,Welt im Kleinen‘ die großen politischen Konfliktlinien“9 abbilden. Der Fokus des vorliegenden Bandes liegt auf den 1960er und frühen 1970er Jahren, die als eine Zeit geschildert und analysiert werden, in der sich das transnationale Bewusstsein des ÖRK und seiner Mitglieder, Teil der einen Welt zu sein, entfaltete. Damit soll zugleich ein Beitrag der kirchlichen Zeitgeschichte zu den wenigen bislang vorliegenden zeitgeschichtlichen Arbeiten in der Globalen Christentumsgeschichte geleistet werden.10 In Anknüpfung an die Periodisierung der „langen sechziger Jahre“11 des britischen Historikers Arthur Marwick geht der vorliegende Beitrag davon aus, dass der ÖRK von 1955 – 1973 einen ökumenischen Transformationsprozess durchlief, in dem sich die theologischen, kulturellen und strukturellen Grundorientierungen des Weltrates nachhaltig veränderten. Dabei stellt sich die Frage, wie sich der ÖRK durch den wachsenden Einfluss von Kirchen der ,Dritten Welt‘12 von einer primär europäisch-nordamerikanisch geprägten Institution der Nachkriegszeit zu einer globalen Organisation entwickelte, zu 9 Maul, Organisationen, 24. 10 In Deutschland wurden diese vor allem von dem Münchener Kirchenhistoriker Klaus Korschorke vorangetrieben, vgl. hierzu unter den neueren Arbeiten mit weiterführender Literatur u. a. Koschorke, Etappen; Ders., Maps; Ders, Strukturen. Siehe weiterhin u. a. aus zeitgeschichtlicher Perspektive Kunter/Schjørring, Relations; Ludwig, Unabhängigkeitsbestrebungen. Eine erste Bündelung zum Thema Theologie und Dritte Welt bietet auch Spliesgart, Theologie. In diesem Zusammenhang sei auf die nun bei Lehmann ausführlicher diskutierte These verwiesen, dass das Christentum erst im 20. Jahrhundert zu einer Weltreligion („World Christianity“ oder „Global Christianity“), weltweit in allen sozialen Schichten vertreten, geworden sei: Vgl. Lehmann, Christentum, 14. 11 Der Begriff der „long sixties“ wurde erstmals von Arthur Marwick geprägt, der darunter die Periode von 1958 bis 1974 verstand, vgl. Marwick, Sixties. Marwicks Periodisierung (1958 – 1974) wird im Folgenden nicht exakt übernommen, da sie sich an globalen historischen Zäsuren orientiert. Die vorliegende Studie legt den Fokus auf ökumenische Zäsuren und setzt daher den Beginn des ökumenischen Transformationsprozesses mit der Einsetzung des sog. Rapid Social Change-Programms 1955 an. Die „langen sechziger Jahre“ des ÖRK finden mit der Wahl von Philip Potter als erstem schwarzen Generalsekretär des ÖRK im August 1972, sowie in der Weltmissionskonferenz des ÖRK in Bangkok zum Jahreswechsel 1972/73 ihren vorläufigen Abschluss. 12 Im Folgenden gebrauchen wir den Begriff ,Dritte Welt‘ als zeitgenössischen Begriff, wie er in den Quellen der Zeit zumeist als Oberbegriff für den ebenfalls historischen Paradigmen unterliegenden Begriff der ,Entwicklungsländer‘ in den Kontinenten Afrika, Asien und Lateinamerika verwendet wurde. Auch wenn der Begriff ,Dritte Welt‘ im heutigen Sprachgebrauch nicht mehr benutzt wird – stattdessen setzt sich zunehmend die ebenfalls in Frage zu stellende Formulierung vom ,globalen Süden‘ durch – und aus heutiger Sicht wegen seiner Ungenauigkeit problematisch ist, ermöglicht er dennoch eine gewisse historische Sprachfähigkeit. Mit dem Hinweis auf die bessere Lesbarkeit wird im Folgenden auf die Verwendung von Anführungszeichen verzichtet. Vgl. zur Ambivalenz und zu den Möglichkeiten der Verwendung des Begriffes ,Dritte Welt‘: Kalter, Entdeckung, 44 f., Eckert, Herrschaft, 7 (Fußnote 17).

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welchen Veränderungen und Konflikten dies führte und inwiefern sich dabei ein globales Bewusstsein seiner Mitglieder herausbildete.13 Zwei Aspekte der Globalisierung des ÖRK sind für diese Untersuchung von besonderem Interesse: Zum einen setzte ab Mitte der 1950er Jahre, verstärkt seit der Vollversammlung des ÖRK 1961 in Neu-Delhi, eine „Entwestlichung“ ökumenischer Diskurse ein, in denen nun nicht mehr der Aufbau Europas und der Kalte Krieg die alles umfassenden politischen Paradigmen14 waren, sondern in denen im Zuge der Dekolonisierung die Kirchen der Dritten Welt das eurozentrisch geprägte Bild von Kirche und Welt grundlegend in Frage stellten. Zum anderen begann in diesem Zusammenhang ein Prozess der „Politisierung“ ökumenischer Diskurse, der sich in der kontroversen Auseinandersetzung über Themen wie Revolution, Sozialismus, Entwicklung, Menschenrechte und Rassismus zeigte. Ausgehend von vier internationalen ökumenischen Versammlungen – der dritten Vollversammlung in Neu-Delhi 1961, der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft 1966, der vierten Vollversammlung in Uppsala 1968 und der Weltmissionskonferenz in Bangkok 1972/73 – werden im Folgenden die Themen, Probleme und Konflikte, die die Globalisierung des ÖRK in den „langen sechziger Jahren“ mit sich brachte, vorgestellt und als ein grundlegender ökumenischer Transformationsprozess der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts analysiert. Als Einführung dient zunächst ein historischer Überblick über die Dekolonisierung und das Aufkommen der Dritten Welt (1.), woran sich (2.) die detaillierte Analyse der Entwicklungen innerhalb des ÖRK und des Einflusses der Dritten Welt anschließt. Die Ergebnisse der Studie werden ausführlich in einem Resümee (3.) zusammengefasst.

1. Dekolonisierung und das Aufkommen der Dritten Welt Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges setzte – nach den Unabhängigkeitsbewegungen in Nord- und Südamerika im 18. und 19. Jahrhundert – die sogenannte zweite Dekolonisierungswelle ein. Durch die wirtschaftlichen Aufbau- und Industrialisierungsprozesse in Europa und Japan verloren die noch immer vorindustriell geprägten Kolonien in Asien und Afrika ihre ökonomische Bedeutung für ihre Mutterländer. Zugleich verstärkte sich innerhalb 13 Die graphischen Darstellungen im Anhang des Bandes vollziehen diesen Wandel anhand der Anzahl der Mitgliedskirchen und der Repräsentation von Delegierten dieser Kirchen auf den ersten fünf Vollversammlungen des ÖRK zwischen 1948 und 1975 nach. 14 Vgl. zum Paradigmenwechsel in der ökumenischen Bewegung: Raiser, Ökumene, insbes. 53 – 61.

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der jeweiligen Kolonien der Kampf um politische Autonomie von den Kolonialmächten.15 Erfolgreich waren zunächst die europäischen und japanischen Kolonien Südost- und Südasiens: 1946 wurden Transjordanien und die Philippinen unabhängig, es folgten 1947 Indien und Pakistan, 1948 Birma, Ceylon, Nord- und Südkorea sowie 1949 Indonesien und im Jahr 1954 Vietnam, Laos und Kambodscha. Ab Mitte der 1950er Jahre begann die Dekolonisierung auf dem afrikanischen Kontinent, die bis in die 1960er Jahre zunächst vor allem den französischen, belgischen und britischen Kolonien in Nordafrika und im subsaharischen Afrika, wie Ghana, Libyen, Marokko, Tunesien, Äthiopien und dem Sudan, politische Souveränität brachte.16 1960 erreichte die Dekolonisierung in Afrika ihren Höhepunkt: 17 neue Staaten bildeten sich aus den überwiegend französischen Kolonien Afrikas neu und ließen das Jahr 1960 schließlich als „Afrikanisches Jahr“ in die Geschichte eingehen.17 Zur Bezeichnung der von der europäischen Kolonialherrschaft befreiten neuen Staaten in Asien und Afrika kam Anfang der 1950er Jahre der Begriff der Dritten Welt auf.18 Dieser Terminus lehnte sich an die gesellschaftliche Revolte des berühmten rechtelosen, aber die Bevölkerungsmehrheit vertretenden Dritten Standes in der Französischen Revolution an und etablierte sich im Gegenüber zur ,Ersten‘ und ,Zweiten‘ Welt als Oberbegriff für sich sozial und wirtschaftlich entwickelnde – negativ ausgedrückt: unterentwickelte – Länder.19 Neben Afrika und Asien bezog der Terminus ab den 1960er Jahren auch Lateinamerika mit ein. Die Länder, die sich selbst zur Dritten Welt zählten, waren jedoch keine politisch und wirtschaftliche homogene Größe, sondern unterschieden sich sowohl in ihrer politischen Struktur, Ausrichtung und Stabilität als auch in ihrem Lebensstandard und ihrem wirtschaftlichen Entwicklungspotential stark voneinander. Was sie aber verband, waren die großen Hoffnungen auf weitreichende politische und soziale Veränderungen, auf radikale Umbrüche, nicht nur im eigenen Land, sondern auf der ganzen Welt. Dazu gehörten bessere Lebensbedingungen, wirtschaftliche Modernisierung, nachhaltige Entwicklung und politische Stabilität sowie breite, wirkungsvolle Bildung und Demokratisierung. 15 Vgl. hierzu u. a. Rothermund, Delhi. Zur internationalen und deutschen Forschungssituation vgl. den hervorragenden Überblick von Eckert, Herrschaft. 16 Vgl. Prashad, Nations, 33. 17 Kalter, Aufbruch. Die 17 unabhängig gewordenen Ländern waren: Kamerun, Togo, Madagaskar, die demokratische Republik Kongo, Somalia, Benin, Niger, Burkina Faso, die Elfenbeinküste, Tschad, die Zentralafrikanische Republik, die Republik Kongo, Gabun, Senegal, Mali, Nigeria und Mauretanien. 18 Der erste Beleg geht auf einen Text des französischen Ökonomen Alfred Sauvy mit dem Titel „Drei Welten, ein Planet“ im August 1952 zurück; vgl. Kalter, Entdeckung, 53 f. Vgl. Le monde diplomatique, Atlas, 44. 19 Vgl. zur ausführlichen Begriffsbestimmung Kalter, Entdeckung, 44 – 80. Vgl. auch die umfassende Darstellung von Prashad, Nations.

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Die Idee des Sozialismus, die sowohl die Gleichheit aller Menschen betonte als auch revolutionäre Veränderungen guthieß, gewann in dieser Zeit für die Dritte Welt an Attraktivität. Ein herausragendes Beispiel für die Durchsetzung des Sozialismus war die kubanische Revolution unter Fidel Castro und Che Guevara, die 1959 zum Sturz des von den USA gestützten Diktators Fulgencio Batista führte.20 In den folgenden Jahren entwickelte sich Kuba unter Castro zu einem marxistischen Musterland, das auch im Westen die politische Idee von der Verwirklichung eines gerechten Sozialismus nährte. In ähnlicher Weise wurde die von Mao Zedong seit 1966 angeführte chinesische Kulturrevolution in linksintellektuellen Kreisen Europas und Nordamerikas aufmerksam und mit Sympathie beobachtet – vor allem in ihren ersten beiden Phasen bis 1971.21 Dass Kommunismus nicht mehr automatisch brutaler Stalinismus bedeutete, sondern auch Facetten eines demokratischen Sozialismus tragen konnte, zeigte sich nicht zuletzt bis zum August 1968 in der Tschechoslowakei sowie in verschiedenen sozialistischen Entwürfen in Lateinamerika.22 Politisch wurde diese differenziertere, aber zugleich auch „weichere“ Betrachtung des Kommunismus durch die seit dem Tod Stalins 1953 forcierte Entspannungspolitik der beiden Supermächte und das sowjetische Werben um eine „friedliche Koexistenz“ unterstützt. Das war freilich nur die eine Seite. Denn das Ringen um politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einfluss der beiden Supermächte USA und UdSSR hielt an, wenn es sich auch stärker auf Gebiete außerhalb ihrer unmittelbaren Hegemonialsphäre verlagerte. Der Kalte Krieg zeigte sich nun vor allem in seiner globalen Dimension, denn beinahe sämtliche Kriege und kriegerische Auseinandersetzungen in der Dritten Welt (z. B. in Korea, Indochina, Vietnam, Angola, Kongo und der sog. Suez-Konflikt) nahmen sich als Stellvertreterkriege der beiden Supermächte aus.23 Die USA, wie auch die UdSSR, unterstützten ihnen genehme politische Führungen, agitierten gegen die jeweilige Opposition und versuchten darüber hinaus, mit Entwicklungspolitik und Entwicklungshilfe afrikanische, lateinamerikanische oder asiatische Länder an sich zu binden. Damit etablierten sie zugleich eine neue Konkurrenz zwischen Ost und West.24 Dieses Ringen um die politische Vorherrschaft von Sowjetunion und USA öffnete jedoch auch neue Räume für politische Alternativen und Ansätze. Im April 1955 kamen auf Initiative Titos und Nehrus, der Ministerpräsidenten Jugoslawiens und Indiens, erstmals Vertreter aus 29 gerade unabhängig gewordenen Ländern aus Asien und Afrika im indonesischen Bandung zusammen.25 Sie wollten sich machtpolitisch weder von der Sowjetunion noch von 20 Vgl. Brands, Latin America. 21 Vgl. hierzu etwa die K-Gruppen in der Bundesrepublik, siehe u. a. Benicke, Adorno; Kìhn, Enkel; Koenen, Jahrzehnt; Steffen, Geschichten. 22 Vgl. hierzu den Beitrag von Schilling (Lateinamerika) in diesem Band. 23 Weiterführend Greiner/Mìller/Walter, Kriege. 24 Vgl. auch: Bìschel/Speich, Einleitung, 7 – 29, insbes. 16 – 18. 25 Vgl. Mackie, Bandung.

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den USA instrumentalisieren lassen und suchten daher nach einem dritten Weg zwischen den beiden Blöcken.26 Damit war nicht nur eine neutrale Position gemeint, sondern auch die Bildung einer gemeinsamen Plattform des Antikolonialismus, von der aus eine neue internationale Strategie die Bandung-Staaten als einen ernstzunehmenden, globalen politischen Akteur etablieren sollte.27 Führende Repräsentanten dieser Staaten, wie Tito, Nehru, der ägyptische Staatschef Nasser und der indonesische Präsident Sukarno, forcierten weitere Schritte und gründeten 1961 – drei Monate nach dem Bau der Berliner Mauer – zusammen mit Vertretern von 25 überwiegend aus Afrika und Asien stammenden Ländern in Belgrad die sogenannte „Bewegung der Blockfreien Staaten“. Mit ihrem Ruf nach Entwicklung, sozialer Gerechtigkeit, Abrüstung, Antikolonialismus und Integration gewannen die „Blockfreien“ in den 1960er Jahren vor allem in den internationalen Weltorganisationen an Gewicht.28 Das veränderte langfristig Struktur und Selbstverständnis der internationalen Politik und verdrängte die alte Kolonialmacht Europa aus dem Zentrum der Weltpolitik. Wie kaum ein anderer drückte diese neue Sichtweise auf Europa der Algerier Frantz Fanon in seinem existentialistischen Hauptwerk Die Verdammten dieser Erde von 1961 aus. Sein Buch, das insbesondere im Westen auf große Resonanz stieß, war ein pathetisches Plädoyer für die antikoloniale Revolution der unterdrückten Völker, denen in diesem Kampf auch das Recht zur Gewalt zustand – als Gegeninstrument zur psychologischen Kraft des Kolonialismus.29 Jean Paul Sartre brachte diesen Kampf im Vorwort zu Fanons Werk auf die drastische Formel: „[E]inen Europäer erschlagen heißt zwei Fliegen auf einmal treffen, nämlich gleichzeitig einen Unterdrücker und einen Unterdrückten aus der Welt zu schaffen. Was übrig bleibt, ist ein toter Mensch und ein freier Mensch.“30

Fanon selbst sah für den unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Europa und der Dritten Welt nur eine Lösung: Wenn die Dritte Welt wirklich fortschreiten wolle, müsse sie über Europa hinauswachsen. Folglich müsse sie, so Fanon, eine „neue Haut schaffen, ein neues Denken entwickeln, einen neuen Menschen auf die Beine stellen“31. Auch wenn Fanon eine radikale intellektuelle Stimme war, begann der geopolitische Einfluss Europas in den 1960er Jahren zu schwinden – langsam, aber nachweisbar. Besonders deutlich wurde dies in 26 Vgl. u. a. Kalter, Entdeckung, 62 f. Kalter macht deutlich, dass die Teilnehmer in Bandung sich weniger als „dritter Block“ denn als „dritte Kraft“, d. h. als Blockfreie, verstanden. 27 In ihrer Abschlusserklärung beriefen sich diese ausdrücklich in einem eigenen Artikel auf die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen und verurteilten auf dieser Grundlage die Politik der Rassendiskriminierung, vgl. hierzu u. a. Wolgast, Geschichte, 288. 28 Vgl. Prashad, Nations, 31 – 50; insbes. 41 f. 29 Vgl. hierzu ausführlicher Eckert, Predigt. 30 Sartre, Vorwort. In: Fanon, Verdammten, 20. 31 Fanon, Verdammten, 242.

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den internationalen Organisationen, wie etwa in der UNO, in der UNESCO, aber auch im Internationalen Währungsfonds (IWF) und in der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).32 Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatten hier noch zahlreiche Nordamerikaner, Westeuropäer und Europäer aus den politisch neutralen Ländern wie der Schweiz wichtige Leitungspositionen besetzt. Ein Drittel aller Mitgliedsländer der UNO kam um 1950 noch aus Europa.33 Mit der Dekolonisierung stieg die Zahl nichteuropäischer Mitgliedstaaten jedoch stetig an. Bereits Mitte der 1970er Jahre waren von den inzwischen knapp 150 Mitgliedsstaaten der UNO nur noch rund 25, also ein Sechstel, europäisch. Asiaten, Lateinamerikaner und Afrikaner übernahmen nun das Feld.34 Dieser Wandel war nicht nur Ausdruck einer längst überfälligen geographischen Globalisierung internationaler Organisationen, sondern führte der Weltöffentlichkeit die Kluft zwischen reichen und armen Ländern deutlich vor Augen und stellte damit die internationale Politik vor weitreichende Herausforderungen.

2. Die Kirchen in einer Zeit des weltpolitischen Umbruchs Die Dekolonisierung, der Kalte Krieg und das westliche Wirtschaftswachstum beendeten die Epoche der Nachkriegszeit und markierten mit ihren tiefgreifenden politischen und sozialen Umbrüchen weltweit neue Koordinaten für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Einbettung in diese globalen Veränderungen prägten ebenfalls das Christentum und die christlichen Kirchen ab den 1950er Jahren, sowohl auf lokaler Ebene, in ihren jeweiligen Gemeinden und nationalen Kirchen, als auch in ihrer transnationalen Arbeit sowie auf internationaler Ebene. Für die römisch-katholische Kirche sorgte das von 1962 bis 1965 tagende Zweite Vatikanische Konzil für eine entscheidende Weichenstellung, bei der nicht nur eine neue theologische Orientierung als Kirche in der Welt, sondern zugleich eine neue geopolitische Ausrichtung mit einer neuen globalen Agenda vorgenommen wurde.35 In ähnlicher Weise wandelte sich in dieser Zeit der nicht-römisch-katholische Teil des Christentums, insbesondere der Protestantismus. Er war auf 32 33 34 35

Vgl. hierzu und im Folgenden Kaelble, Krieg, 164 – 167. Siehe auch Maul, Menschenrechte. Kaelble, Krieg, 164 – 167. Ebd. Vgl. Faggioli, Christianity, 133. Vgl. zu den in diesem Band nicht näher ausgeführten Entwicklungen in der römisch-katholischen Kirche Nacke, Kirche; Linden, Catholicism; Faggioli, Christianity. Zum Zweiten Vatikanischen Konzil vgl. die grundlegende Einführung von Pesch, Konzil. Anlässlich des Beginns des Zweiten Vatikanums vor 50 Jahren sind zahlreiche Publikationen zur Bedeutung und Reichweite des Konzils erschienen: Vgl. u. a. Tìck, Erinnerung; vgl. auch den Themenschwerpunkt der internationalen Zeitschrift Concilium 3 (2012).

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Weltebene traditionell weniger hierarchisch organisiert. Deswegen standen die internationalen Gremien, Foren und Kreise, in denen sich seine theologischen und kirchenpolitischen Entscheidungen und Debatten vollzogen, in der Öffentlichkeit auch hinter dem Großereignis des Vatikanums zurück. Gleichwohl fand hier ebenso wie in der römisch-katholischen Kirche ein tiefgreifender Transformationsprozess statt, der mit dem Begriff „Globalisierung der Kirchen“ beschrieben werden kann.36 Im Folgenden wird am Beispiel des in Genf angesiedelten Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), dem 1948 gegründeten, weltweiten Dachverband protestantischer, anglikanischer und orthodoxer Kirchen, gezeigt, auf welchen Ebenen und mit welcher Programmatik sich die Globalisierung der Kirchen in den langen 1960er Jahren vollzog. Im ÖRK, so die These, fand in dieser Zeit nicht nur eine grundlegende Umdeutung seines Selbstverständnisses, sondern auch seiner Außenwahrnehmung statt. Aus dem von der internationalen Politik anerkannten humanitären und diplomatischen Partner bei der Neuordnung und Stabilisierung Europas nach 1945 entwickelte sich eine geographisch weit gespannte, weniger an westlichen Eliten orientierte, dafür aber stärker aktionistisch ausgerichtete und zugleich fragilere kirchliche Plattform globaler theologischer und politischer Diskurse. Dieser Weg wird in einigen repräsentativen Etappen und Wendepunkten nachgezeichnet.

2.1 Der Beginn der Entwestlichung des ÖRK In vielerlei Hinsicht kann die dritte Vollversammlung des ÖRK, die vom 19. November bis zum 5. Dezember 1961 stattfand, als ein Beginn des vielschichtigen Globalisierungsprozesses im ÖRK betrachtet werden. Schon der Tagungsort symbolisierte eine neue geographische Weite, denn zum ersten Mal fand eine Vollversammlung nicht auf europäischem oder nordamerikanischem Boden statt – wie 1948 in Amsterdam und 1954 in Evanston –, sondern in einem der Zentren der globalen Umbrüche: in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi. Obwohl die Unabhängigkeit Indiens zu diesem Zeitpunkt bereits zwölf Jahre zurücklag, zog die Vollversammlung in Neu-Delhi dennoch weltweit Aufmerksamkeit auf sich: Über 1.000 Teilnehmer waren angereist und eine noch nie zuvor dagewesene Zahl von Journalisten aus Presse, Funk und Fernsehen berichtete über das kirchliche Großereignis – was freilich nicht nur dem für manche Pressevertreter exotischen Ort in der Dritten Welt, 36 Die historische verstandene „Globalisierung der Kirchen“ begann freilich nicht erst in den 1960er Jahren. Die US-amerikanische Missionstheologin Dana L. Robert wandte den Globalisierungsbegriff bereits auf die Internationalisierung der Missionsbewegung des frühen 20. Jahrhunderts an, die sie als „first globalization“ bezeichnete, vgl. Robert, Globalization. Grundlegend zur beginnenden Globalisierung im 19. Jahrhundert, mit Berücksichtigung der Religion, Osterhammel, Verwandlung.

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sondern auch der zunehmenden Medialisierung von Religion geschuldet war.37 Der Beginn eines Auf- und Umbruchs 13 Jahre nach der Gründung des ÖRK kündigte sich jedoch nicht nur durch die Wahl des Konferenzortes, sondern durch zwei weitere Faktoren an: Zum einen begann mit Neu-Delhi ein Generationenwechsel innerhalb des ÖRK, da nur noch wenige der „great old men“38, die die ökumenische Bewegung in der Vorkriegszeit geprägt hatten, die Vollversammlung miterlebten. Zum anderen aber war es vor allem die alle Teilnehmer beeindruckende Präsenz von Vertretern aus den ,jungen Kirchen‘39 Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, die dem ÖRK ein neues Gesicht verlieh. Seit der letzten Vollversammlung in Evanston 1954 war der Anteil der Mitgliedskirchen aus Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas von 30 % auf 40 % angestiegen. Ebenso zeigte sich der Wandel an den Delegiertenzahlen, wenngleich noch weniger durchschlagend: Von insgesamt 575 Delegierten vertrat ein Viertel Kirchen aus Afrika, Asien oder Lateinamerika.40 Ein Grund für die wachsende Mitgliedschaft und höhere Anzahl von Delegierten aus Afrika, Asien und Lateinamerika seit 1954 war das sogenannte Rapid Social Change-Programm des ÖRK. Mit ihm hatten die Kirchen einen eigenen Beitrag zur Bandung-Konferenz leisten wollen, indem die nichtwestlichen Regionen des raschen sozialen Umbruchs sowie die neuen, von Europa und Nordamerika unabhängigen Kirchen stärker in den Fokus der internationalen Ökumene gerückt werden sollten.41 Dabei richtete das mehrjährige Studienprogramm, für das der US-amerikanische Ökumeniker und Philanthrop John D. Rockefeller jr. 100.000 Dollar gespendet hatte,42 sein Augenmerk besonders auf die Verwirklichung einer verantwortlichen Bürgerschaft, auf die Analyse der Bedingungen des ländlichen und dörflichen Lebens, auf die Probleme der Urbanisierung sowie auf die Auswertung des Einflusses ausländischer Unternehmungen und internationaler Hilfe inner37 Vgl. Visser ’t Hooft, Neu-Delhi, 326. Zur Medialisierung der Religion in den 1960er Jahren siehe u. a. jetzt Bçsch/Hçlscher, Kirchen; Hannig, Religion. 38 Visser ’t Hooft, Memoirs, 309. Vgl. zu den „Founding Fathers“ der ökumenischen Bewegung auch den Beitrag von Chandler in diesem Band. 39 Vgl. Abrecht, Churches, 32. Der Begriff ,junge Kirchen‘ ist ein historischer Terminus, mit dem die Kirchen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas bezeichnet wurden, die aus der westlichen Missionsarbeit hervorgingen und sich im Zuge der Unabhängigkeitsbestrebungen von den nordamerikanischen und europäischen Kirchen lösten. Vgl. Hollenweger, Kirchen. Im Folgenden wird der Begriff ,junge Kirchen‘ – ebenso wie die Bezeichnung ,Dritte Welt‘ – ohne Anführungszeichen verwendet. 40 Die Zahlen beruhen auf der statistischen Erhebung des Forschungsprojektes, vgl. Anhang: Die Repräsentation von Afrika, Asien und Lateinamerika auf den Vollversammlungen des ÖRK von 1948 – 1975. 41 Die offizielle Bezeichnung des Studienprogramms lautete: „On the Common Christian Responsibility towards Areas of Rapid Social Change“. Weiterführend Jansen, Krieg; Abrecht, Churches; Vries, Man [in Rapid Social Change]; Dejung, Bewegung, 216 – 289; Thomas, Churches, 21. 42 Vgl. Harries/Maxwell, Spiritual, 305.

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halb der sogenannten unterentwickelten Länder.43 Vor diesem Hintergrund waren die veränderten Verhältnisse der Mitgliedskirchen und der Delegierten in Neu-Delhi bereits ein erster Ausdruck des Erfolgs des Studienprogramms Rapid Social Change. Das Gefühl, mitten im Sturm historischer Veränderungen zu stehen und Teil einer dynamischen Weltgesellschaft zu sein, war in den zahlreichen Vorträgen, Diskussionen und informellen Zusammenkünften ständig präsent und bestimmte die Berichte der verschiedenen Sektionen.44 So bildeten die Einsicht in die zunehmende Verflechtung und Beschleunigung der unterschiedlichsten politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ereignisse und ihre kaum mehr fassbaren Auswirkungen auf das weltweite Alltagsleben der Kirchen einen der inhaltlichen Schwerpunkte der Konferenz. Zwar bezeichneten die Zeitgenossen damals diesen Wandel noch nicht mit dem Begriff der „Globalisierung“, doch an zahlreichen Stellen der Vollversammlung kam deutlich zum Ausdruck, wie sehr die Delegierten diese globalen Wechselwirkungen der verschiedenen Lebensbereiche beschäftigten. So hieß es etwa in der Sektion „Dienst“: „Unser revolutionäres Zeitalter stellt die Christen und die Kirchen, überhaupt alle Menschen und Völker, vor dringende Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Dienens. Wir alle sind in die Verhältnisse hineinverwickelt und sind durch die Ereignisse oft bestürzt. Die zunehmende Schnelligkeit, die Intensität, das weltweite Ausgreifen und die Vielschichtigkeit, mit denen soziale, politische und wirtschaftliche Umwälzungen zusammentreffen, lassen ein neues soziales Phänomen entstehen, das unterschiedliche Reaktionen hervorruft.“45

Als epochal wurden in Neu-Delhi sowohl die sozialen und politischen Auswirkungen der Dekolonisierung und die Staatenbildungen in Afrika und Asien betrachtet wie auch auf der westlichen Seite das Ringen um den Standort der Kirche in einer technisierten und pluralisierten Welt. Aber auch die 1961 aktuellen weltpolitischen Konflikte in Berlin, im Kongo, in Angola, Algerien, Vietnam, Laos, Korea, Kuba und der Dominikanischen Republik beschäftigten die Vollversammlung.46 Diese Umbrüche und Konflikte, so hob der niederländische Theologe Egbert de Vries in seinem Vortrag in Neu-Delhi hervor, wirkten sich gleichermaßen auf die Kirchen in Afrika, Asien, Lateinamerika und im Westen aus und führten zu einer „Explosion der Erwartungen“47. Begegnen ließe sich diesen aber nicht mehr regional oder geographisch vereinzelt, sondern nur noch 43 44 45 46 47

Vgl. Minutes, Davos 1955, 103 – 107. Vgl. Jansen, Krieg, Fußnote 39. Vgl. den Konferenzband der Vollversammlung: Visser ’t Hooft, Neu-Delhi. Ebd., 104. Vgl. ebd., 105 und 290. Ebd., 33.

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innerhalb einer Weltwirtschaft und innerhalb einer Weltgemeinschaft. In ähnlicher Weise argumentierte der Leiter der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten (CCIA), Frederick Nolde: In seinem Überblick über die internationale Lage betonte er, dass die Kirchen künftig dazu beitragen müssten, die Identifizierung mit der gesamten Menschheitsfamilie zu erleichtern, indem sie den Ruf nach sozialer Gerechtigkeit hörten und gemeinsam ein internationales Ethos entwickelten, um damit zum Aufbau einer offenen Gesellschaft in der Welt beizutragen.48 Praktisch vollzog sich diese Forderung nach größerer globaler Verantwortlichkeit des Weltkirchenrats in Neu-Delhi durch zwei Ereignisse, denen die Tagespresse hinterher einen historischen Charakter bescheinigte:49 (1) Zum einen nahm der ÖRK 23 neue Mitgliedskirchen auf – die bisher größte Zahl seit seiner Gründung.50 Dabei kamen elf der neu aufgenommenen Kirchen aus Afrika (und damit aus Ländern, in denen der ÖRK noch überhaupt keine Mitgliedskirchen hatte), fünf aus Asien – davon vier von den pazifischen Inseln – und drei Kirchen aus dem lateinamerikanischen/karibischen Raum.51 Doch nicht nur geographisch, sondern auch konfessionell erweiterte sich der ÖRK in Neu-Delhi: Neben zwei chilenischen Pfingstkirchen traten nun auch vier orthodoxe Kirchen Osteuropas dem ÖRK bei, nämlich die orthodoxen Kirchen Russlands, Bulgariens, Rumäniens und Polens (Abb. 1). Nur wenige Monate nach dem Bau der Berliner Mauer war es dabei vor allem der Beitritt der russisch-orthodoxen Kirche, auf den sich die westlichen Medien in ihrer Berichterstattung konzentrierten. Die zeitgenössischen Kommentare betonten, dass der Beitritt persönlich vom Generalsekretär des ÖRK, Willem A. Visser ’t Hooft, gewünscht war und einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Verwirklichung der christlichen Einheit bedeute – zu der jetzt nur noch die römisch-katholische Kirche fehle. Zugleich fragten die Kommentatoren berechtigterweise aber auch kritisch, inwiefern die russisch48 Vgl. Visser ’t Hooft, Neu-Delhi, 28. 49 Vgl. die Presseberichte in der FAZ sowie in der NZZ vom 16.–18. 11. 1961: Odin, Stunde; Ders., Rat; [Unbekannter Verfasser], Rat; Vogelsanger, Vorabend. 50 Visser ’t Hooft, Neu-Delhi, 26. Vgl. die graphische Übersicht im Anhang dieses Bandes. Der ÖRK erreichte damit auch seine bis dahin quantitativ höchste Ausdehnung mit insgesamt 196 nationalen Kirchen und regionalen kirchlichen Körperschaften. 51 Es handelte sich dabei um folgende Kirchen: Afrika: Vereinigte Kirche von Zentralafrika in Rhodesien, Brüder-Unität der westlichen Kapprovinz, Union der Baptistenkirche von Kamerun, Kirche der Provinz Uganda und Ruanda Urundi, Presbyterianische Kirche von Kamerun, Evangelische Kirche von Gabon, Kongregationalistische Kirche der Bantu in Südafrika, Presbyterianische Kirche von Nigerien, Evangelische Kirche von Nordwest-Tanganjika, Evangelische Kirche von Manianga Matadi (Kongo), Usambara-Digo Lutherische Kirche (Tanganjika); Asien/Pazifik: Evangelische Kirche in Neukaledonien und den Loyaut¦-Inseln, Vereinigte Presbyterianische Kirche von Pakistan, Presbyterianische Kirche der Neuen Hebriden, Kongregationalistische Christliche Kirche in Samoa; Lateinamerika/Karibik: Pfingstkirche von Chile, Pfingstkirchliche Mission (Chile), Presbyterianische Kirche in Trinidad. Alle Angaben belegt in: Visser ’t Hooft, Neu-Delhi, 16 f.

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Abb. 1: Vollversammlung des ÖRK in Neu-Delhi 1961. Prozession der Delegation der russisch-orthodoxen Kirche, AÖRK ND03 – 32

orthodoxe Kirche nun Staatspropaganda machen, welchen Einfluss der Kreml zukünftig auf den ÖRK nehmen würde und inwiefern nun also Genf von Moskau „infiltriert“ werde.52 Doch entgegen dieser medialen Erwartung hielten sich die neu beigetretenen orthodoxen Kirchen und ihre Vertreter in Neu-Delhi zunächst zurück. Die öffentlichen Spekulationen und internen Kontroversen um die Instrumentalisierung des ÖRK durch die russisch-orthodoxe Kirche und Moskau begleiteten jedoch bis zum Ende des Kalten Krieges jede politische (Nicht-) Äußerung des ÖRK.53 (2) Neben dem Beitritt der neuen Mitgliedskirchen der Dritten Welt und der vier orthodoxen Kirchen sorgte auch der Zusammenschluss des 1921 gegründeten Internationalen Missionsrates mit dem ÖRK in Neu-Delhi für Schlagzeilen. Mit der Integration der bis dahin unabhängigen internationalen 52 Vgl. Odin, Rat; [Unbekannter Verfasser], Rat. 53 Da im Mittelpunkt des vorliegenden Sammelbandes vor allem die Integration von Kirchen aus den ehemaligen Missionsländern in Asien, Afrika und Lateinamerika in den ÖRK steht, wird die durchaus ambivalente Rolle der orthodoxen und osteuropäischen Kirchen in dieser Zeit – wie auch ihr Einfluss auf die Themen der Dritten Welt – nur am Rande behandelt. Eine Ausnahme bildet der Beitrag von Peter Mor¦e in diesem Band. Trotzdem ist zu diesem Thema nach wie vor ein großes Forschungsdefizit zu konstatieren. Sehr viel besser ist dagegen die Rolle der osteuropäischen Kirchen im ÖRK aus der Sicht des Kalten Krieges aufgearbeitet, wo mittlerweile auch mehrere quellenfundierte Arbeiten zu den KGB-Kontakten orthodoxer Kirchenvertreter vorliegen. Vgl. hierzu weiterführend u. a. Besier/Boyens/Lindemann, Protestantismus; Bremer, Bewegung; Metodiev, Faith; Leustean, Christianity.

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Missionsbewegung in die zukünftige Abteilung für Weltmission und Evangelisation (DWME) sei nun endlich die Union von missionarischer und kirchlicher Ökumene gelungen: ein Ereignis, das nur mit der Reformation im 16. Jahrhundert vergleichbar sei und zur zweiten großen Reformation des Christentums gehöre, jubelte etwa das TIME Magazine.54 Jetzt werde Mission eine richtige „Weltmission“, die nicht mehr nur von Europa und Nordamerika ausgehen, sondern ein Anliegen aller sechs Kontinente werden sollte, lautete die ökumenische Erwartung hinter diesem Schritt.55 Tatsächlich waren in Neu-Delhi die Stimmen aus Asien und Afrika durchgängig präsent. Der indische Premierminister Shri Jawaharlal Nehru, der bereits auf der Tagung des ÖRK-Zentralausschusses 1953 in Indien zu Gast gewesen war, warnte die Vollversammlung davor, die internationalen Beziehungen zu stark aus der Perspektive des Kalten Krieges zu betrachten.56 Ebenfalls aus Indien kam der Theologe Madathilparampil Mammen (M. M.) Thomas, der einen intellektuell anspruchsvollen Vortrag zu den „Herausforderungen der Kirchen in den jungen asiatischen und afrikanischen Nationen“ hielt.57 Thomas, der über die indische christliche Studentenbewegung und den christlichen Studentenweltbund (WSCF) zum ÖRK gekommen war und der kleinen, orthodox und protestantisch geprägten Mar Thoma-Kirche angehörte, hatte bereits als einziger Vertreter der jungen Kirchen an den Vorbereitungen zur Gründung des ÖRK in Amsterdam teilgenommen.58 Für viele Christen in der Genfer Ökumene verkörperte er den globalen Neuaufbruch der Ökumene: Er war dem Freiheitskämpfer und Friedensaktivist Mahatma Gandhi und der indischen Unabhängigkeitsbewegung verbunden, sympathisierte zeitweilig als Mitglied in der Kommunistischen Partei mit dem Marxismus – und war davon überzeugt, dass sich Christen aus sozialer Verantwortung zusammen mit Nichtchristen für eine humane Gesellschaft und das nation-building der Dritten Welt einzusetzen hätten: „It means that the Christian people must go into every part of the life of our peoples, into politics, into social and national service, into the world of art and culture, to work

54 [Unbekannter Verfasser], Russians. 55 Vgl. auch die Einschätzung von Samuel McCrea Cavert in: Visser ’t Hooft, Neu-Delhi, 60 f. Die siebente Weltmissionskonferenz, und zugleich die erste der neugegründeten Missionsabteilung des ÖRK, fand in Mexiko-Stadt im Jahr 1963 statt und prägte mit dem Thema „Mission in six continents“ ein neues Missionsverständnis, das für zwei Jahrzehnte die Grundlage der missionarischen Arbeit des ÖRK bildete. Vgl. Mìller-Krìger, Kontinenten. 56 Visser ’t Hooft, Memoirs, 316. 57 Ders., Neu-Delhi, 33 f. Der Vortrag von M. M. Thomas wurde erst mehrere Jahre später erstmals vollständig gedruckt: Vgl. Thomas, Challenge. Vgl. neben seiner Rede in Neu-Delhi auch Ders., Asien. Eindrücklich erinnerte sich später auch Lukas Vischer an die Rede von Thomas, vgl. Vischer, Identität. 58 Vgl. hierzu den Nachruf von Paul Abrecht auf M. M. Thomas: Abrecht, Memoriam.

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in real partnership with non-Christians and to be witnesses for Christ in all these realms.“59

Dass es dem Auftrag von Christen nicht entgegenstehe, sondern vielmehr entspreche, politische Verantwortung zu übernehmen und sich am Aufbau der neuen Staaten zu beteiligen, leitete Thomas aus seinem christlich-humanistischen Selbstverständnis ab: „Evangelism and genuine humanism cannot be separated from one another, they are integral to each other as the Kingship of Christ and the Kingdom of Christ, as Christ and the world-in-Christ. But the important thing for the church to realize is that rapid changes taking place in Africa and Asia have in it the promise of Christ for an enrichment of men and their human existence.“60

Neben Indien war auf der Vollversammlung in Neu-Delhi auch Afrika ein zentrales Thema – repräsentiert durch den Nigerianer Sir Francis Akanu Ibiam. Dieser hatte in Schottland Medizin studiert, war Mitglied der presbyterianisch geprägten Church of Scotland und gehörte zu den profilierten Persönlichkeiten seines Landes.61 Nach der Unabhängigkeit Nigerias im Jahr 1960 wurde Ibiam zum Gouverneur des östlichen Teils des Landes ernannt, der später unter dem Namen Biafra die Unabhängigkeit vom Rest des Landes erwirken wollte. Auf der Vollversammlung in Neu-Delhi würdigte er mit seiner Rede „Was ist mit Afrika?“62 die Arbeit der Missionare in Afrika, sprach aber auch offen über die Rassenvorurteile, die den Zusammenschluss und die Ausbreitung des Christentums in Nigeria, auf dem afrikanischen Kontinent und weltweit behinderten. Die Vollversammlung antwortete auf Ibiams Kritik mit zwei politischen Stellungnahmen: mit der Erklärung zur Angolafrage, in der die extremen Unterdrückungsmaßnahmen der portugiesischen Regierung erstmals in dieser öffentlichen Form scharf kritisiert wurden,63 und mit der ohne Gegenstimmen angenommenen Botschaft an die Christen in Südafrika, die in Anlehnung an das Ergebnis einer ökumenischen Konsultation im südafrikanischen Cottesloe 1960 bekräftigte, dass „keiner, der an Jesus Christus glaubt, aufgrund seiner Farbe oder Rasse von irgendeiner Kirche ausgeschlossen werden [darf]“64. Die in diesen Beiträgen zum Ausdruck kommende Hoffnung, dass die afrikanischen und asiatischen Kirchen in Zukunft eine aktive und hervorgehobene Rolle in der ökumenischen Bewegung einnehmen würden und der 59 60 61 62

Thomas, Challenge, 79 f. (Hervorhebung im Original). Ebd., 78. Vgl. Walls, Art. Ibiam, 315. Sie wurde in Neu-Delhi wegen dringender Verpflichtungen Ibiams in Nigeria von seiner Frau vorgelesen, vgl. Visser ’t Hooft, Neu-Delhi, 27 f. 63 Vgl. ebd., 307 – 313. Zur Kontroverse um die Angolaerklärung, inwiefern man eine spezielle Regierung oder einen Staat hervorheben sollte, siehe auch Lefever, Weltkirchenrat, 60 f. 64 Visser ’t Hooft, Neu-Delhi, 346. Ausführlicher zu Südafrika siehe den Beitrag von Meijers in diesem Band.

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ÖRK damit zu einem Welt-Kirchenrat heranwachse, bestimmte die spätere Beurteilung der dritten Vollversammlung.65 „We were forced to think henceforth in terms of the whole world“66, notierte Visser ’t Hooft in seinen Erinnerungen. Und M. M. Thomas zielte in die gleiche Richtung, als er rückblickend schrieb: „New Delhi 1961 was the Assembly which began the conversion of the WCC from being a movement largely of West European Protestant churches to being a truly world movement.“67

Mit der auf der Vollversammlung eingeleiteten internationalen und konfessionellen Ausdehnung begann die Globalisierung des ÖRK, die sich in den folgenden Jahren inhaltlich ausdifferenzierte. Sie wurde in Neu-Delhi aber zunächst vor allem als ein Prozess der Entwestlichung wahrgenommen. Neben das sozialethische Leitkonzept der „verantwortlichen Gesellschaft“68, das sich an westlichen Werten wie der Religionsfreiheit, der offenen und freien Gesellschaft sowie der Demokratie orientierte, und mit dem seit 1948 die theologische und politische Arbeit des ÖRK beschrieben wurde, traten auf der Vollversammlung in Neu-Delhi erstmals auch neue Vorstellungen zur Beschreibung der Aufgabe der Christen in einer Zeit des sozialen Wandels. Diese stammten nun nicht mehr nur von Vertretern der westlichen Kirchen, sondern von Delegierten der Dritten Welt. Ihre Repräsentanten sahen die Bestimmung der Kirchen und des Christentums vor allem darin, als Motor gesellschaftliche Umbrüche oder sogar Revolutionen in Gang zu setzen – wobei sie sich dabei durchaus positive Signale von einer christlich-marxistischen Zusammenarbeit erhofften. Der Appell an die individuelle Verantwortung des Christen, die Welt zu gestalten, der noch für die ersten beiden Vollversammlungen des ÖRK charakteristisch war, wich dabei dem Aufruf, gemeinsam als Kirchen verantwortlich zu handeln und sich in der Zukunft weltweit glaubwürdig und überzeugend für soziale Gerechtigkeit und internationalen Frieden einzusetzen.69 Dieser sozialethische Neuansatz wiederum fand auch unter den Vertretern der westlichen Kirchen Anhänger und führte nicht nur zu einem sich langsam entwickelnden Konsens im ÖRK, dass die 65 Vgl. den Rückblick bei Samuel McCrea Cavert in: ebd., Neu-Delhi, 60 f. Erst an dritter Stelle nannte Cavert den Beitritt der orthodoxen Kirchen, der die Hoffnung auf eine Überwindung der wirtschaftlichen und politischen Gegensätze der Welt nährte. 66 Visser ’t Hooft, Memoirs, 317. 67 Thomas, Journey, 252 (Hervorhebung im Original). 68 Vgl. „Eine verantwortliche Gesellschaft ist eine solche, in der Freiheit die Freiheit von Menschen ist, die sich für Gerechtigkeit und öffentliche Ordnung verantwortlich wissen, und in der jene, die politische Autorität, oder wirtschaftliche Macht besitzen, Gott und den Menschen, deren Wohlfahrt davon abhängt, für ihre Ausübung verantwortlich sind.“ (Amsterdamer Dokumente, 50.) Zur „verantwortlichen Gesellschaft“ siehe weiterhin Visser ’t Hooft/Oldham, Church; World Council of Churches, Questions; Patijn, Gesellschaft, 62 – 66; Vischer, Gesellschaft. 69 So u. a. Visser ’t Hooft und Cavert, vgl. Visser ’t Hooft, Memoirs, 317 f.

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Vormachtstellung des Westens im Begriff war zu schwinden, sondern auch dazu, dass der neue Blick auf eine sich verändernde Welt zu weitreichenden Veränderungen in der Wahrnehmung und Gestaltung des eigenen Kontextes führen werde. 2.2 Weltgesellschaft und soziale Revolution als neue ökumenische Herausforderungen Der Vollversammlung in Neu-Delhi folgten in Genf die Beratungen über die Frage, wie der ÖRK angemessen auf die globalen Herausforderungen wirtschaftlicher Ungerechtigkeit, sozialer und politischer Konflikte sowie neuer Technologien reagieren könne. Im August 1962 beschloss der Zentralausschuss des ÖRK daher, eine weltweite Studienkonferenz zu den drängenden Fragen der Gegenwart und der Rolle der Kirche in der dynamischen, modernen Gesellschaft einzuberufen.70 Für die Organisation und Durchführung der Konferenz wurde die Abteilung „Kirche und Gesellschaft“ (engl. Church and Society) beauftragt, die seit 1954 der US-amerikanische Theologe Paul Abrecht als Direktor leitete. M. M. Thomas wurde zum Präsidenten der Konferenz bestimmt. „Kirche und Gesellschaft“ war 1948 aus der Bewegung für Praktisches Christentum (engl. Life and Work) hervorgegangen und verkörperte die ökumenische Tradition, die sich mit der ethischen Haltung der Kirchen im Hinblick auf die großen sozialen und politischen Fragen der Gegenwart auseinandersetzte. Ihre letzte große Weltkonferenz über Kirche, Volk und Staat hatte die Bewegung für Praktisches Christentum 1937 in Oxford abgehalten.71 Dass deren Einsichten für eine nach dem Zweiten Weltkrieg, durch den Kalten Krieg und die Dekolonisierung geprägte, und daher komplett veränderte politische Weltszenerie nur noch beschränkte sozialethische Orientierungsfunktion besaßen, war für Abrecht und seine Mitarbeiter in der Abteilung Kirche und Gesellschaft offensichtlich. In einem an die Mitgliedskirchen des ÖRK adressierten Memorandum hieß es: „Die Konferenz von Oxford über ,Kirche, Volk und Staat‘ war die letzte umfassende Konferenz über Fragen christlicher Sozialethik und deren theologischen Grundlagen. In den letzten 25 Jahren haben sich die sozialen Gegebenheiten der Welt grundlegend geändert. In ihrem Bemühen, auf die ethische Herausforderung, die ihnen aus dieser neuen Situation erwächst, eine Antwort zu finden, sind die Kirchen in der ganzen Welt genötigt, das Wesen ihres Zeugnisses in der Gesellschaft und seine theologische Ausrichtung neu zu durchdenken.“72 70 Vgl. Minutes, Paris 1962, 64, 141 – 143; 145. Vgl. auch Memorandum an die Mitgliedskirchen vom 10. 3. 1964, EZA 104/531. 71 Weiterführend Smith, Christian. 72 Memorandum an die Mitgliedskirchen vom 10. 3. 1964, 1, EZA 104/531.

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Die Parole Anfang der 1960er Jahre lautete folgerichtig: „We need a new Oxford!“73 So ging man mit großem Elan an die Planung einer neuen Studienkonferenz, die schließlich vom 12.–26. Juli 1966 in Genf tagte. Die intensive Vorbereitungsphase, in der u. a. vier Vorbereitungsbände mit grundlegenden Expertenartikeln zu Theologie, Kirche, Politik, Ökonomie und Anthropologie veröffentlicht wurden,74 nahm drei Jahre in Anspruch und fiel wortwörtlich in eine Zeit des Umbruchs beim Weltkirchenrat: Denn die Konferenz fand nicht nur im gerade fertiggestellten Gebäude, dem neuen Ökumenischen Zentrum in der Route de Ferney im Genfer Stadtteil Grand Saconnex statt (Abb. 2), sondern auch bereits unter neuer Leitung: der erste Generalsekretär, Willem A. Visser ’t Hooft stand im Juli 1966 nach 18 Jahren Amtszeit kurz vor seiner Pensionierung und sein Nachfolger, der US-amerikanische Presbyterianer Eugene Carson Blake, war bereits gewählt. Doch nicht nur diese äußeren Veränderungen symbolisierten den bevorstehenden Wandel. Bereits der Titel der Weltkonferenz „Christen leben in der technischen und gesellschaftlichen Revolution unserer Zeit“ deutete an, dass es um eine prinzipielle Neuausrichtung von Kirche und Ökumene und eine grundsätzliche Überprüfung der bisher geltenden theologischen Grundannahmen und ethischen Werte der ökumenischen Gemeinschaft gehen sollte.75 Die Konferenz versuchte daher, beide Perspektiven einzubeziehen: auf der einen Seite die Perspektive der Dritten Welt, an deren Entwicklung die sozialen Folgen der Dekolonisierung wie etwa die Urbanisierung und Industrialisierung in den Blick genommen werden sollten; auf der anderen Seite die zunehmende Säkularisierung und der gesellschaftliche Wandel in Europa, die insbesondere auf die Auswirkungen von Technisierung, Pluralisierung und Individualisierung für die Kirchen hin analysiert werden sollten. Um diesen hohen Anspruch an die Konferenz einzulösen, wurden vor allem Experten aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft wie Soziologie, Ökonomie, Ethnologie, Rechts- und Naturwissenschaften nach Genf eingeladen – ein ökumenisches Novum, denn zum ersten Mal stellten nicht Kirchenführer und Theologen, sondern Fachleute und Laien die Mehrheit der Tagungsteilnehmer.76 Die dadurch forcierte wissenschaftliche Begegnung und der Informationsaustausch mit Experten sollte nicht nur Theologie und Wissenschaft, insbesondere die Naturwissenschaften und die Technik stärker 73 Zeitzeugengespräch mit Karl-Heinz Dejung (8. 7. 2010). Nach Dejung soll dieser Ausruf während eines Gesprächs zwischen Visser ’t Hooft und Paul Abrecht gefallen sein. 74 Vgl. Bennett, Ethics; Matthews, Government; Munby, Growth; Vries, Man [in Community]. Der auf Deutsch erschienene Vorbereitungsband enthält eine Auswahl an Artikeln aus diesen vier Vorbereitungsbänden: Ökumenischer Rat der Kirchen, Kirche. 75 Ökumenischer Rat der Kirchen, Appell, 19. Der englische Berichtband wurde veröffentlicht unter : World Council of Churches, Conference. Der im Englischen notierte Plural im Titel der Konferenz – „revolutions“ – wurde im Deutschen nicht gleichlautend wiedergegeben und deutet bereits an dieser Stelle auf unterschiedliche Verständnisweisen des Konferenzthemas hin. 76 Vgl. [Redaktion Junge Kirche]: Konferenz.

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Abb. 2: Prozession vor dem neu errichteten Hauptgebäude des ÖRK im Genfer Stadtteil Grand Saconnex (1965), AÖRK B7177 – 25a Von rechts nach links: Franklin Clark Fry, Bischof Henry Knox Sherrill, Martin Niemöller, W. A. Visser ’t Hooft, Z. K. Matthews, Metropolit Emilianos, Metropolit Nikodim, Eugene Carson Blake, Ivy Chou, Kathleen Bliss

füreinander öffnen, sondern zugleich die geistigen und sozialen Konturen eines zukünftigen Programms des ÖRK und seiner Einbindung in die kommende Weltgemeinschaft sichtbar machen.77 Neben Wissenschaftlern und Politikern befanden sich unter den insgesamt 425 Teilnehmern auch acht Beobachter der römisch-katholischen Kirche. Eine „Frauenquote“ gab es damals allerdings noch nicht: An der Weltkonferenz nahmen lediglich 27 Frauen teil, das waren gerade einmal 6 % aller Anwesenden.78 Zur außergewöhnlichen Vielfältigkeit der Teilnehmer trug aber nicht nur der hohe Anteil an Laien bei, sondern auch die hohe Repräsentanz der Dritten Welt, die mit 130 Vertretern fast die Hälfte aller Delegierten ausmachten.79 Der US-amerikanische Theologe John C. Bennett, der die Weltkonferenz intensiv mit vor77 Vgl. [Unbekannter Verfasser], Kirche. 78 Vgl. ebd. Der Berichtband gibt eine geringfügig abweichende Gesamtzahl von 420 Teilnehmenden an, einschließlich 35 Beobachtern und 18 Gästen, vgl. Ökumenischer Rat der Kirchen, Appell, 15; 20. Die Abweichungen sind auf unterschiedliche Zählweisen, kurzfristige Änderungen infolge von Abwesenheit von Delegierten o. ä. zurückzuführen. 79 Vgl. [Unbekannter Verfasser], Kirche. Die geographische Verteilung der Delegierten stellte sich wie folgt dar: Nordamerika: 65, Lateinamerika: 42, Westeuropa: 76, Osteuropa: 45, Afrika: 42, Asien: 46, Mittlerer Osten: 17, Australien und Neuseeland: 5; vgl. Ökumenischer Rat der Kirchen, Appell, 20.

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bereitet hatte, bezeichnete deswegen Genf 1966 rückblickend auch als „climatic event“: „It was the event that marked the greatest participation of the third world up to that time in the life of the ecumenical community.“80 So wurde bereits in der Zusammensetzung deutlich, dass es in Genf nicht primär um eine theologische Positionsfindung gehen sollte, sondern dass die Weltkonferenz eine globale Plattform, eine Art „think tank“ für die drängenden sozialen und politischen Probleme von Christen sein wollte, vor allem für diejenigen aus der Dritten Welt. Dazu passte auch, dass die Teilnehmer keine Delegierten ihrer Kirchen waren, sondern unter Beachtung von Vorschlägen aus den Kirchen vom ÖRK selbst benannt worden waren. Das bedeutete freilich auch, dass sie keine verbindlichen Beschlüsse für ihre Kirchen fassen konnten.81 Die Breite und Vielfalt der Themen und Teilnehmer machte die Weltkonferenz zu einem kirchlichen Großereignis, das im Rückblick von vielen engagierten Ökumenikern als kirchlicher, theologischer und sozialethischer Wendepunkt betrachtet wurde.82 Organisiert war die Weltkonferenz in verschiedenen Veranstaltungsformen: Im öffentlichen Plenum wurden über die fünf Konferenztage verteilt mehr als 20 Vorträge zu unterschiedlichen Themen gehalten, etwa zum technischen und wissenschaftlichen Wandel, zur „Dynamik neuerwachter Völker“, zur sozialen Revolution oder zur Friedensfrage im Atomzeitalter. Die vier nicht-öffentlichen Sektionen bildeten dann Schwerpunkte zu folgenden Themenbereichen: 1) Wirtschaftliche Entwicklung in weltweiter Sicht, 2) Wesen und Auftrag des Staates in einer Zeit des Umbruchs, 3) Strukturen internationaler Zusammenarbeit – Friedliches Zusammenleben in einer pluralistischen Weltgemeinschaft und 4) Mensch und Gemeinschaft in sich wandelnden Gesellschaftsformen. Neben den Sektionen gab es drei Arbeitsgruppen, die die Querschnittsthemen der Sektionen identifizierten und vertieften,83 sowie Gottesdienste und Bibelarbeiten. Zum Leitthema avancierte die ökumenische Partizipation der Vertreter der Dritten Welt und die Frage, wie die Kirchen den neuen globalen Gegebenheiten Rechnung tragen könne.84 Der scheidende Generalsekretär Willem A.

80 Bennett, Conference, 26. 81 So Cornelius A. v. Heyl gleich zu Beginn des u. a. für den Rat der EKD erstellten Berichts über die Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft, 2, AÖRK 243.15.1.2. 82 Vgl. den Sonderband der Ecumenical Review, Geneva; vgl. Abrecht, Development; Mudge, Thought. Vgl. auch die narrativ-anschauliche Darstellung der Weltkonferenz bei Lçffler, Aufbruch, 157 – 165. Auch in den von den Verfasserinnen geführten Zeitzeugengesprächen u. a. mit Albert van den Heuvel, Jürgen Moltmann und Konrad Raiser war die Weltkonferenz ein maßgeblicher Referenzpunkt für den Wandel des ÖRK in den 1960er und 1970er Jahren. 83 Arbeitsgruppe A: Möglichkeiten in der gegenwärtigen technischen und wissenschaftlichen Revolution; Arbeitsgruppe B: Theologische Probleme in der Sozialethik; Arbeitsgruppe C: Das Wirken der Kirche in der Gesellschaft. 84 Ausführlicher die Sektions- und Arbeitsgruppenberichte in: Ökumenischer Rat der Kirchen, Appell, 109 – 263.

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Visser ’t Hooft brachte dieses Anliegen in seiner Eröffnungsansprache auf den Punkt, indem er fragte: „Was können wir als Konferenz tun, um unsere Kirchen mit den Realitäten zu konfrontieren, um ein neues Gefühl für eine weltumfassende Solidarität zu erwecken und um den Weg zu einer verantwortlichen Weltgesellschaft zu zeigen?“85

Abb. 3: Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft, Genf 1966. Ansprache von Willem A. Visser ’t Hooft, AÖRK B7459 – 03

Damit warb Visser ’t Hooft ein letztes Mal in seiner Amtszeit für die sozialethische Leitidee der „verantwortlichen Gesellschaft“. Angesichts der sich globalisierenden Ökumene plädierte er für eine Neuakzentuierung des Leitbildes, die nun, um ihre globale Dimension erweitert, als eine „verantwortliche Weltgesellschaft“86 verstanden werden sollte (Abb. 3). Doch sein Vorschlag stieß bei Vertretern der Dritten Welt und Vertretern einer kontextuellen Ethik auf Widerspruch.87 Die Kritik lautete, dass es sich bei der „verantwortlichen Gesellschaft“ um ein westlich-demokratisches Konzept handele, das andere historische Kontexte ausblende und daher keinen Anspruch auf globale Gültigkeit beanspruchen könne. Denn im Zentrum des Konzeptes stünde der Erhalt der bestehenden öffentlichen Ordnung – ein 85 Visser ’t Hooft, Aufgabe, 40. 86 Ebd., 38. 87 Es handelte sich um die Plenarsitzungen am 13. und 14. 7. 1966; vgl. Ökumenischer Rat der Kirchen, Appell, 270 f. Zur Kritik am Konzept der „verantwortlichen Gesellschaft“ vgl. auch Heyl, Bericht über die Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft, AÖRK 243.15.1.2.

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angesichts der revolutionären Situation in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas weder zu verwirklichendes noch anzustrebendes Ziel. So machte etwa Raffll Prebisch, argentinischer Ökonom und Generalsekretär der 1964 neu gegründeten Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), darauf aufmerksam, dass die Entwicklungsländer nicht nur einer wirtschaftlichen Revolution, sondern auch einer weitreichenden Umformung der sozialen Strukturen ausgesetzt seien, und appellierte an die Weltkonferenz, sich aktiv für eine neue Entwicklungspolitik einzusetzen: „Was wir jetzt brauchen, ist politisch aktiver Wille – sowohl in den entwickelten als auch in den Entwicklungsländern – diese Probleme kraftvoll anzupacken.“88 Dieser aktive Wille kam beispielsweise in der Rede des jungen nigerianischen Anwalts und Menschenrechtsaktivisten James Alibola Ige, bekannt als Bola Ige, zum Vorschein, der durch seine politische Emotionalität und Leidenschaft die Weltkonferenz beeindruckte.89 Ige konzentrierte sich in seiner Rede auf die politischen und wirtschaftlichen Probleme beim Aufbau der jungen Nationalstaaten in Asien und Afrika sowie in Lateinamerika. Er nannte als solche die Uneinigkeit der progressiven gesellschaftlichen Kräfte in den betroffenen Ländern, die anhaltende Einmischung der ehemaligen Kolonialmächte in nationale Angelegenheiten, ihr Missbrauch wirtschaftlicher Macht und die schwierige Position vieler Länder zwischen den Fronten des Kalten Krieges. Weiterhin thematisierte er die Probleme der jungen Staaten bei der Gestaltung von Demokratie, Gesetz und Ordnung sowie bei der Verwirklichung von Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit und wies auf die Schwierigkeiten hin, denen verschiedene ethnische und nationale Gruppen ausgesetzt seien, wenn sie in eine ihnen fremde Vorstellung eines Nationalstaats hineinwachsen sollten.90 Ige folgerte, dass diese Situation die Entstehung von politisch unübersichtlichen Strukturen, von Diktaturen und Militärregierungen begünstige. Vehement forderte er, dass die Entwicklungsländer ihren eigenen politischen Weg gehen müssten, wobei dieser aus seiner Sicht nur ein sozialistischer Weg sein könne: „Wir werden den Weg des Friedens, der Freiheit und der Gerechtigkeit einschlagen; wir haben keine sichtbare Alternative zu einem echten Sozialismus; und im Vollzug unserer Aufgabe werden wir nicht zögern, in unserem eigenen Interesse jeden, der uns im Wege steht, vor den Kopf zu stoßen, gleich welche Ideologie er vertritt.“91

Während den jungen Staaten lange Zeit Indien als Leitbild eines sozialistischen Weges nationaler Entwicklung gedient hatte, konstatierte Ige dessen 88 Prebisch, Dynamik, 62. 89 Vgl. Ige, Probleme. Die „provokatorische Akzentuierung“ von Bola Ige wurde auch in der Jungen Kirche ausführlich besprochen: Vgl. [Unbekannter Verfasser], Weltkonferenz, 418 f. 90 Vgl. Ige, Probleme, 66. 91 Ebd., 67.

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Abb. 4: Ansprache von Bola Ige, hier auf der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968, AÖRK U436 – 19

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schwindenden Glanz als blockneutraler Führungsmacht für die Entwicklungsländer. Dafür sah er China zum neuen Vorbild für die jungen Nationen avancieren. Die große Revolution, auf die Ige setzte, könnte die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen so verändern, dass es dem „kleinen Mann“ möglich werde, „an dem nationalen Wohlstand teilzuhaben und sich am nationalen Leben zu beteiligen“92. Für Christen werde es angesichts dieser Vision am wichtigsten, dass sie am politischen und sozialen Wandel partizipierten, so Ige weiter. Neben Iges Beitrag sorgte auch der Kommentar von Eduardo Chivambo Mondlane für große Kontroversen unter den Teilnehmenden der Konferenz.93 Der im tansanischen Exil lebende Präsident der Mosambikanischen Befreiungsfront (FRELIMO) plädierte auf der Weltkonferenz offen für die Loslösung Afrikas von westlicher Vorherrschaft. Mondlane äußerte seine Kritik am westlichen Imperialismus direkt und ohne Umschweife: „As we talk to each other as Christians I think that we should begin to turn from saying to the white man, ,Please continue to help us after independence.‘ They love it, they are enjoying it, because it boosts their egos; they think they can always do that. No! Let’s begin to build from within. We will be poor for a long time, maybe; but… if we are going to be free we are not going to allow (our future to be determined by) a few people who are corrupt, who are harlots, who want to live accordingly, in standards that are completely outside of those of Africa.“94

Als Vorbild für die Selbstbestimmung der jungen Staaten galt für Mondlane China – darin war er sich mit seinem Vorredner Ige einig. Während sich die Beiträge der afrikanischen und asiatischen Delegierten vorrangig mit den Problemen im Zusammenhang des Aufbaus von Nationalstaaten beschäftigten, gingen die Beiträge der lateinamerikanischen Delegierten stärker der Frage nach, wie sich das Christentum und die Kirchen gegenüber revolutionären Umbrüchen verhalten sollten. Der kolumbianische Theologe Gonzalo Castillo C‚rdenas und der US-amerikanische Missionar und Theologe Richard Shaull, dessen Position auch unter den Lateinamerikanern anerkannt war, sahen in der Revolution die einzige Möglichkeit der Veränderung der bestehenden Ordnung.95 Nach Shaull war die christliche Existenz eine revolutionäre, die sich nicht zuletzt in der Haltung der Kirche als Vorkämpferin jeder sozialen Reform zeigen sollte. Selbst der Einsatz von Gewalt als letztem Mittel zur Durchsetzung revolutionärer Ideen war für Shaull nicht ausgeschlossen, solange sie nicht auf totalitäre Herrschafts-

92 93 94 95

Ebd., 69. Vgl. die Einschätzung von Thomas, Journey, 278. Kommentar von Eduardo Chivambo Mondlane, zit. n. Thomas/Abrecht, Structure, 20. Vgl. Castillo C‚rdenas, Christen; Shaull, Herausforderung.

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strukturen ausgerichtet sei, sondern die „Strategie eines permanenten Kampfes für begrenzte Wandlungen in der Gesellschaft“96 verfolge. Allerdings kam das Plädoyer für eine „Theologie der Revolution“ nicht nur aus Lateinamerika. Auch der deutsche Theologieprofessor Dietrich Wendland sprach sich offen für einen positiv konnotierten Revolutionsbegriff aus, der die totale Umwälzung aller Lebensbereiche zu Folge habe und daher von den Kirchen getragen werden müsse. Die Befürwortung der Revolution durch Christen war mit dieser Definition für Wendland unproblematisch, solange sich der revolutionäre Einsatz auf einzelne Reformen beziehe: „[U]nd ich stelle die vielleicht etwas gewagte These auf, daß eben gerade dies Aufgabe und Verantwortung der Gemeinschaft der Christen und der Kirchen in der sozialen Umwälzungskrise der Gegenwart sei, sich an die Spitze dieses ganzen Zuges zur Humanisierung der menschlichen Gesellschaft zu setzen und nicht darauf zu warten, daß Marxisten oder Liberale oder Reformisten oder soziale Humanisten das zuerst tun.“97

Die positive Lesart, die das Thema der Revolution von Shaull und Wendland erfuhr, brachte Zustimmung, aber auch Widerspruch. Die beiden Niederländer Max Kohnstamm, Vizepräsident des Aktionskomitees für ein vereinigtes Europa, und Constantin L. Patijn, Völkerrechtler und Ökonom, verlangten eine Sondersitzung, um Shaulls und auch Wendlands euphorische Befürwortung der Revolution aus christlicher Sicht zu kritisieren.98 Ihr Haupteinwand bestand darin, dass das Wort „Revolution“ zu uneindeutig sei und zu großen Missverständnissen führe. Die Befürworter einer „Theologie der Revolution“ sollten daher eine Definition des Begriffs aus christlicher Verantwortung geben. Darüber hinaus kritisierten der britische Ökonom Kenneth Boulding und der Vizepräsident der Sektion II, Peter Kirk, dass die Weltkonferenz gänzlich gegen liberale und neo-liberale Ansätze gerichtet sei und dass mittlerweile eine gegenüber den traditionellen westlichen Meinungen feindliche Atmosphäre entstanden sei. Kritik an der Berufung auf den Revolutionsbegriff kam auch von dem französischen Politiker und Präsident der Genfer Weltkonferenz, Andr¦ Philip, der den Begriff als ideologisiert ansah und vor den faschistischen Zügen warnte, die der Gebrauch einer solchen Terminologie mit sich bringen könne.99 Der Streit um den rechten Gebrauch des Wortes „Revolution“ war damit zum Konfliktfall der Weltkonferenz geworden: Denn an der Kontroverse zeigten sich nur allzu deutlich die unterschiedlichen politischen und kulturellen Voraussetzungen zwischen Teilnehmenden der Dritten Welt und der 96 Vgl. Shaull, Herausforderung, 95. Vgl. ausführlicher zu den lateinamerikanischen Positionen in Genf den Beitrag von Schilling (Lateinamerika) in diesem Band. 97 Wendland, Kirche, 89. 98 Vgl. Thomas, Journey, 278 f. 99 Vgl. die zusammengefasste Kritik bei M. M. Thomas: ebd., 279.

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westlichen Kirchen. M. M. Thomas und Paul Abrecht sahen darin aber eher einen Gewinn für die ökumenische Gemeinschaft: „The strong representations from the Churches of Africa, Asian, Latin America and the Middle East meant that those from the western Churches were introduced to a new ecumenical dialogue which challenged their customary views about the way in which the Gospel is related to our world.“100

Durch die Teilnahme der Vertreter der Dritten Welt erreichte der ökumenische Dialog somit eine neue Ebene, wobei die Kontextbezogenheit theologischer Aussagen, die etwa von lateinamerikanischen Theologen besonders betont wurde, eine wichtige Rolle einnahm.101 Doch auch auf ganz andere Weise zeigte sich, dass sich die ökumenische Kommunikation veränderte. Die schnellen Fortbewegungsmittel, die Errungenschaften des Radios und Fernsehens ermöglichten stärker als jemals zuvor die Überwindung großer Distanzen und damit auch die passive Teilnahme an der Konferenz. Dies wurde besonders eindrücklich im Sonntagsgottesdienst am 17. Juli 1966 in der Genfer Kathedrale: Der afro-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King jr. war eingeladen worden, die Festpredigt zu halten, musste jedoch aufgrund anhaltender Rassenunruhen in Chicago seine Teilnahme in Genf per Telegramm kurzfristig absagen: „It pains me deeply to have to cancel such a significant engagement[.] I had looked forward to being there with such eager anticipation but I am sure that the council will understand the pre-eminence of my responsibility to society in these revolutionary times[.]“102

Um dennoch seine Botschaft an die Weltkonferenz richten zu können, wurde Kings Predigt per Tonband nach Genf eingeflogen und dann während des Gottesdienstes in der Kathedrale abgespielt – vor laufenden Eurovisionskameras, die nun nicht King persönlich, sondern nur eine leere Kanzel filmen konnten (Abb. 5).103 Nach Kings Ansprache formulierten M. M. Thomas und der Pfarrer der evangelischen East Harlem-Gemeinde in New York, Bill Webber, umgehend eine Solidaritätsadresse zurück. Sie brachte nicht nur die Verbundenheit der Weltkonferenz mit dem Kampf der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA zum Ausdruck, sondern unterstrich die gleichzeitige Verflechtung der in Genf versammelten Ökumene: „We are deeply troubled by the racial conflicts in your country which have created such unrest. As we here wrestle on a global scale with the task of Christians in a revolutionary age, with the tensions between black and white, between rich and poor, 100 101 102 103

Vgl. Thomas/Abrecht, Structure, 42. Vgl. weiterführend hierzu insbesondere den Beitrag von Pedroso Mateus in diesem Band. Telegramm von Martin Luther King an Visser ’t Hooft vom 15. 7. 1966, AÖRK 42.11.08/02. Vgl. auch Thomas, Journey, 281 f.

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Abb. 5: Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft 1966. Leere Kanzel in der Kathedrale St. Pierre, Genf, AÖRK B7483 – 26

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between East and West, between developing and developed nations, we earnestly pray that in the United States the challenge to fulfill the pledges of human rights and dignity may be met.“104

Für die ökumenisch interessierten Zeitgenossen an den Fernseh- und Radiogeräten kam damit die amerikanische Bürgerrechtsbewegung im eigenen Land an. Sie forderte die jeweiligen Kirchen zur notwendigen Rückbindung globaler Perspektiven an eigene kirchliche Erfahrungsräume heraus und legte damit den Grundstein für ein neu verstandenes „glokales“ ökumenisches Bewusstsein von Christen seit den 1960er Jahren.105 Martin Luther King galt in dieser Zeit als bedeutender Impulsgeber der internationalen Ökumene und wurde nach seinem Besuch im ÖRK im Juni 1967 auch als Prediger für die vierte Vollversammlung in Uppsala 1968 angefragt. Seine Ermordung im April 1968 traf den ÖRK stark. Mit einem Memorandum106 und einem Gedenkgottesdienst107 erinnerte die Vollversammlung an Kings gewaltfreies Zeugnis und seine Vision von der Versöhnung der Rassen (Abb. 6). Der auf die Weltkonferenz in Genf 1966 folgende ökumenische Höhepunkt war die Vollversammlung in Uppsala. Sie fand vom 4.–20. Juli 1968 statt und stand wie kaum eine andere Konferenz des ÖRK für den ökumenischen Aufund Umbruch der 1960er und 1970er Jahre. Dies war nicht zuletzt auf das Motto der Vollversammlung „Siehe, ich mache alles neu“ zurückzuführen, das die Hoffnungen und Utopien der 1960er Jahre in sich vereinte.108 Mit dem Stichwort „Erneuerung“ führte die Vollversammlung zwar die bereits in Genf 1966 vorgebrachten Themen weiter, indem sie diese auf ihre programmatische Umsetzbarkeit hin prüfte109 ; doch präsentierte sich die Vollversammlung weit weniger radikal als die zwei Jahre zuvor tagende Weltkonferenz für Kirche und 104 Letter to Dr. Martin Luther King from the World Conference on Church an Society (19. 7. 1966), AÖRK 243.11.4; 42.11.08/2. 105 Der Begriff „Glokalisierung“ wurde 1995 von dem Soziologen Roland Robertson geprägt und verweist auf die Interdependenz und Verflechtung globaler und lokaler Diskurse. Sowohl das Antirassismus-Programm des ÖRK als auch die ökumenische Anti-Apartheidsbewegung können als eine solche lokale Aneignung globaler Themen verstanden werden. Vgl. hierzu die Beiträge von Tripp und Meijers in diesem Band. Auf der Konferenz in Bossey 2011 wurden von Eric Morier-Genoud und Tapiwa Mapuranga außerdem zwei weitere Beiträge zum Antirassismus-Programm aus der Perspektive der Schweiz und Zimbabwes vorgestellt, vgl. hierzu weiterführend Jeannerat/Morier-Genoud/P¦clard, Embroiled; Mapuranga/Chitando, World. 106 Vgl. Goodall, Bericht aus Uppsala, 284. 107 Für zwei schwedische Kronen konnten die Teilnehmer des Gedenkgottesdienstes eine Kerze am „Baum der Versöhnung“ entzünden und dabei das Gebet sprechen: „O God, I give this candle as a visible prayer. Unite the world’s nations, races and groups in peace, justice and fraternity.“ Die Kollekte kam der Martin Luther King Stiftung zugute. 108 Vgl. als zeitgenössischen Bericht über die Vollversammlung: Blake, Uppsala. Vgl. zur ausführlichen Analyse der Vollversammlung in Uppsala den Beitrag von Schilling (Uppsala) und Hannig in diesem Band. 109 Vgl. Frieling, Uppsala.

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Abb. 6: Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968. Entzünden von Kerzen am „Baum der Versöhnung“ in der Kathedrale von Uppsala, AÖRK U177 – 14

Gesellschaft. Die Kirchen aus Afrika, Asien und Lateinamerika stellten – anders als in Genf – nicht die Hälfte, sondern nur ein knappes Drittel aller Delegierten der Vollversammlung und traten auch nicht als Einheit gegenüber den Vertretern anderer Kirchen in Erscheinung.110 Es kam daher in Uppsala zu weniger offensiv ausgetragenen Kontroversen zwischen den Delegierten der Dritten Welt und den westlichen Kirchen als zwei Jahre zuvor in Genf. Trotzdem haftet Uppsala bis heute ein Mythos des Revolutionären an, was im Vergleich mit den vorhergehenden Vollversammlungen vor allem auf ihr politisches Profil und den Versuch, dieses in der Struktur des ÖRK zu verankern, zurückzuführen ist. Im Jahr der Studentenproteste spielte neben den Konfliktherden in Vietnam111 und Biafra insbesondere die Frage des Rassismus eine zentrale Rolle. Die größte Aufmerksamkeit zog der ÖRK im Anschluss an Uppsala mit dem Beschluss des sogenannten Antirassismus-Programms (Programme to Combat Racism – PCR) auf sich. Es wurde 1969 vom Zentralausschuss in Canterbury eingesetzt und stellte in den frühen 1970er Jahren den ÖRK, aber auch nationale und regionale Kirchen insbesondere wegen der offenen Haltung und seiner finanziellen Unterstützung gegenüber bewaffneten Befreiungsbewegungen vor Zerreißproben.112 In der Bundesrepublik verknüpfte sich mit der Vollversammlung von 110 Vgl. die graphische Übersicht im Anhang dieses Bandes. 111 Zur Reaktion des ÖRK auf den Vietnamkrieg vgl. den Beitrag von Volkert in diesem Band. 112 Vgl. den Beitrag von Tripp und Meijers in diesem Band.

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Uppsala hauptsächlich die Diskussion um die „Politisierung“ des ÖRK, die von ihren Kritikern vor allem mit einer Linksradikalisierung des ÖRK gleichgesetzt wurde. Das war jedoch nur die eine Seite. Denn hinter den Debatten um die Politisierung des ÖRK ging es um eine grundlegende Neuorientierung des politischen Protestantismus in der Bundesrepublik, der nun dabei war, die traditionellen christlichen Hegemonialansprüche endgültig abzulegen.113 So riefen konservative Theologen, wie etwa der lutherische Bischof der nordelbischen Landeskirche, Hans-Otto Wölber, zu einer entschiedenen Ablehnung jeglicher politischer Stellungnahmen der Kirchen auf. Um sich den gesellschaftlichen Spielraum zu erhalten, so Wölber, müsse die Kirche „eine wesentliche Stellung über den Fronten“114 einnehmen. Der Berliner Theologe Helmut Gollwitzer, der selbst an der Vollversammlung in Uppsala teilgenommen hatte, widersprach diesem einseitigen Verständnis von Politisierung und rief stattdessen die Kirchenleitungen dazu auf, zwischen rechter und falscher Politisierung zu unterscheiden: Die Kirche stünde nicht vor der Wahl zwischen „Politisierung“ und „Neutralisierung“, sondern sie müsse sich auf den Weg zu einer verantwortlichen Politisierung machen, d. h. die „Wahrnehmung politischer Verantwortung in sorgfältig geprüfter und kritischer, zuallererst selbstkritischer Weise“115. Nicht die Neutralität der Kirche oder ihre Selbsterhaltung dürfe das Ziel sein, sondern ihre Unabhängigkeit, mit der sie sich für Frieden, weltweite Gerechtigkeit und Freiheit einsetze.116 Diese Position Gollwitzers war jedoch alles andere als ein Appell für eine linksradikale Politisierung der Kirchen, sondern orientierte sich viel eher am seit Amsterdam 1948 vertrauten ökumenischen Leitbild der „verantwortlichen Gesellschaft“. In ihrem Duktus warb Gollwitzer also dafür, dass die evangelischen Kirchen in Deutschland ihre politische Verantwortung angesichts der Pluralisierung und Globalisierung der Ökumene wahrnehmen sollten. Sein Plädoyer zeigte aber zugleich, dass die theologischen und politischen Debatten um die öffentliche Verantwortung der Kirche im deutschen Protestantismus längst nicht auf der gleichen Ebene geführt wurden wie im ÖRK. Zugespitzt formuliert: Der ÖRK war als globale Organisation dem nationalen Diskurs um die politische Mündigkeit, um die Akzeptanz von Demokratie und Pluralismus in Westdeutschland um mehr als zwanzig Jahre voraus. Denn während der Protestantismus in der Bundesrepublik gerade

113 Vgl. Kaiser, Erwägungen, 500. Siehe hierzu auch den Beitrag von Pearson in diesem Band. 114 Wçlber, Politisierung, 141; vgl. außerdem die von Wölber auf Rückfragen hin verfasste Stellungnahme in: ebd., 329 sowie die Kritik des SPD-Politikers Helmut Schmidt, der vor der Spaltung der Kirchen warnte. Die wesentliche Aufgabe sei es nach Schmidt „Volkskirche zu sein und zu bleiben“ (Schmidt, Theologie, 278). 115 Gollwitzer, Christen, 41 f. 116 Vgl. ebd., 42. Gollwitzer betonte, dass diese Unabhängigkeit parteilich sein müsse, niemals jedoch parteiisch.

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dabei war, sich zu „westernisieren“117, war der ÖRK auf dem Weg der DeWesternisierung. 2.3 Das Ende der missionarischen Ära Der Einfluss der Dritten Welt im ÖRK, der seit der Weltkonferenz in Genf 1966 immer deutlicher hervortrat, wurde für die weltweite Öffentlichkeit erstmals am 16. August 1972 sichtbar, als der 51-jährige Philip Alford Potter einstimmig zum dritten ÖRK-Generalsekretär gewählt wurde. Damit war Potter, ein methodistischer Pastor von der damals noch unter britischer Kolonialherrschaft stehenden Karibikinsel Dominica, nach dem Niederländer Visser ’t Hooft und dem US-Amerikaner Blake nun der erste „schwarze“ Generalsekretär (Abb. 7).118 Seine Wahl galt nicht nur weltweit als Symbol für die jetzt veränderte

Abb. 7: Willem A. Visser ’t Hooft, Eugene Carson Blake und Philip A. Potter, AÖRK A 07699-xx

geographische Ausrichtung auf der Landkarte des Christentums, sondern weckte rund um den Globus Hoffnung auf eine umfassende innere Erneue-

117 Vgl. allgemein Doering-Manteuffel, Deutschen; Sauer, Westorientierung. 118 Vgl. hierzu und im Folgenden Kunter, End; Dies., Ende.

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rung der Ökumene.119 Doch auch wenn die Wahl Potters von außen als Beginn einer neuen Ära im ÖRK und als sichtbarer Aufbruch der Dritten Welt gefeiert werden mochte: Sein ökumenischer Aufstieg verdankte sich nicht nur den neuen Kräften der Dekolonisierung, sondern auch den Verbindungen der internationalen Missionsarbeit mit der ökumenischen Bewegung seit der Weltmissionskonferenz 1910 in Edinburgh. Denn Potter, der seit 1961 einen britischen Pass besaß, und sich selbst immer wieder sowohl als „britisches Subjekt“ wie auch als „unerwünschter Fremder“120 verstand, war bei seiner Wahl bereits bestens mit der institutionellen Ökumene vertraut. Er hatte, von Visser ’t Hooft und dessen Nachfolger Blake entsprechend gefördert, alle wichtigen Karriere-Stufen genommen, die ihn für ein internationales kirchliches Leitungsamt qualifizierten: Vom christlichen Studentenweltbund kommend, war er bereits als Jugenddelegierter bei den Vollversammlungen in Amsterdam und Evanston aufgetreten und dann 1954, mit 33 Jahren, nach Genf übergesiedelt. Dort arbeitete er in der Jugendabteilung des Ökumenischen Rates, deren Leitung er von 1958 bis 1961 übernahm. Nach einigen weiteren Jahren bei der methodistischen Missionsgesellschaft in London kehrte er schließlich 1967 als Direktor der Abteilung für Weltmission und Evangelisation, dem früheren Internationalen Missionsrat, zum ÖRK nach Genf zurück. In dieser Funktion war Potter am Ende seiner Amtszeit und als zukünftiger Generalsekretär auch für die Durchführung der achten Weltmissionskonferenz verantwortlich, die vom 27. Dezember 1972 bis zum 12. Januar 1973 im thailändischen Bangkok stattfand.121 Sie stand unter dem Thema „Das Heil der Welt heute“ bzw. „Salvation Today“ und rief zu einer modernen Bestandsaufnahme von Aufgaben und Verständnis der christlichen Mission auf. Wie bei der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 sollten dieses Mal von Anfang an die Stimmen und Themen der jungen Kirchen im Zentrum der Konferenz stehen. Dazu hatten die Veranstalter ein gruppenzentriertes Tagungskonzept entwickelt, das vom bisher üblichen, als europäisch empfundenen Programmverlauf mit Vorträgen und Expertendiskussionen grundlegend abwich und stattdessen das Gespräch in kleinen Gruppen in den Vordergrund rückte (Abb. 8). So sollte verhindert werden, dass nordatlantische Teilnehmer mit ausufernden Redebeiträgen die Plenardebatten dominierten. Das Konzept hatte 119 Vgl. den Tenor des kurz nach der Wahl Potters erschienenen Zeit-Artikels: Strothmann, Pastor. 120 Jagessar, Life, 71. Anlässlich seines 90. Geburtstages erschien 2011 eine Sammlung eigener Texte: Potter, Leben. Vgl. als biographisch-theologische Darstellungen auch Wind, Potter; Enns, Potter. 121 Vgl. u. a. Potter, Heil; Viehweger, Weltmissionskonferenz. Zahlreiche Berichte und Hintergrundinformationen finden sich außerdem in AÖRK 272.015. Die vorangegangenen Weltmissionskonferenzen fanden in folgenden Orten und Jahren statt: 1. Edinburgh 1910, 2. Jerusalem 1928, 3. Tambaram 1938, 4. Whitby 1947, 5. Willingen 1952, 6. Achimota/Accra 1957, 7. Mexiko Stadt 1963, vgl. Gensichen, Missionskonferenzen.

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Abb. 8: Weltmissionskonferenz Bangkok 1972/73. Vorstellung des gruppenzentrierten Tagungskonzepts, AÖRK B10791 – 7

Erfolg: Tatsächlich ließen sich in den ersten Tagen der Weltmissionskonferenz fast nur Stimmen aus der Dritten Welt vernehmen. Aufrüttelnde Appelle waren dabei, wie etwa der des früheren indonesischen Unabhängigkeitskämpfers und Kirchenführers Tahi Bonar Simatupang, der mit Leidenschaft ausrief: „Ich glaube, daß eine Ära zu Ende geht: der vierhundertjährige Vormarsch des modernen Westens. Sie geht zu Ende, weil sie so erfolgreich war : Es gibt keine Gebiete mehr zu erobern. Deshalb, wenn wir hier unsere Machtlosigkeit als Christen beklagen, muß ich fragen: Wer eigentlich ist machtlos geworden? – Viele von uns hatten niemals Macht. Es scheint mir also, daß die Macht der westlichen Kultur und der westlichen Kirchen zu Ende gegangen ist. Und wenn das so ist, dann ist es gut so.“122

Folgerichtig wurde nun in Bangkok die christliche Mission nicht mehr als eine von den nordatlantischen Kirchen ausgehende Westmission, sondern als eine auf Partnerschaft ausgerichtete Weltmission verstanden, womit das bereits auf der Weltmissionskonferenz in Mexiko City 1963 formulierte Bekenntnis zur „Mission in six continents“ ausgeweitet wurde.123 Das schloss die Erneuerung der Kirchen und der zwischenkirchlichen Beziehungen ein, die schließlich auch (kirchen-)politische Konsequenzen hatte. So schlugen einige afrikanische und asiatische Teilnehmer als radikale Lösung vor, die Abhängigkeit der 122 Zitiert nach Girock, Heil, 52. 123 Vgl. Orchard, Witness; dt.: Mìller-Krìger, Kontinenten.

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,jungen‘ von ,alten‘ Kirchen durch ein Moratorium zu stoppen, das vorübergehend die Entsendung von Missionaren westlicher Missionsgesellschaften und ihrer finanziellen Leistungen in die Dritte Welt aussetzen sollte. Dann könnten die empfangenden Kirchen besser ihre Identität und Prioritäten finden und wären in der Lage, ihre eigene Mission und die dafür nötigen Mittel wahrnehmen zu können.124 Der brasilianische Theologe Rubem Alves unterstützte diesen Ansatz und brachte ihn in Verbindung mit dem Hauptthema der Konferenz, indem er pointiert formulierte: „Wenn der Westen nicht aufhört, die Dritte Welt zu beherrschen, gibt es keine Möglichkeit des Heils.“125 Der radikale Ton, den Alves anschlug, zeigte dabei, dass der die Weltkonferenz in Genf noch prägende Optimismus im Hinblick auf die soziale, wirtschaftliche und technische Entwicklung der Dritten Welt Risse bekommen hatte: „Was ist aus den Verheißungen der vergangenen zwanzig Jahre geworden? Wir beginnen erst jetzt zu erkennen, daß irgendetwas schief gegangen ist. Die raschen sozialen Wandlungen haben das kulturelle Gefüge der nicht-westlichen Völker zerstört […]. Andererseits sind die Menschen heute im Blick auf die Möglichkeit einer Revolution nicht mehr so optimistisch wie früher.“126

Die Anwendung des vorgeschlagenen Moratoriums setzte sich zwar nicht für alle Länder durch, aber die darum kursierenden Diskussionen machten deutlich, dass die Spannungen zwischen Nord und Süd und die Dominanz der westlichen Kultur längst nicht so einfach zu lösen waren. Die methodistische Theologin Mercy A. Oduyoye aus Ghana fand auf das Problem eine (vorläufige) theologische Antwort und wies darauf hin, dass beide, Weiße und Schwarze, des Heils bedürften: „The captive spirit of Africa, still bound by the chains of Western norms, is as much in need of salvation as the decaying but still arrogant European culture.”127 Gleichwohl sei es angesichts der realen Probleme nicht einfach zu erkennen, wo das Heil liege, räumte sie ein. Die Frage, wie sich Heil und Gerechtigkeit theologisch zueinander verhalten, wurde in Bangkok intensiv verhandelt. Die Teilnehmer der Sektion II kamen zu der Überzeugung, dass Heil und Gottes Gerechtigkeit keine individualistischen Kategorien darstellten, sondern den Weg zur Entfaltung wahrer Menschlichkeit und zur Befreiung aus einer bestimmten politischen und sozialen Unrechtssituation zeigten: „Wir müssen in unseren Gedanken die Aufspaltung zwischen Seele und Leib, Mensch und Gesellschaft und Menschheit und Schöpfung überwinden. Darum betrachten wir

124 125 126 127

Vgl. Bericht der Sektion III: Erneuerung der Kirchen in der Mission. In: Potter, Heil, 216. Alves, Mission, 243. Ebd., 244. Mercy A. Oduyoye, Reflecting on Bangkok, AÖRK 272.015.

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das Ringen um wirtschaftliche Gerechtigkeit, politische Freiheit und kulturelle Erneuerung als Elemente der umfassenden Befreiung der Welt im Namen Gottes.“128

Die Interpretation von Heil als einem ganzheitlichen, persönlichen, gesellschaftlichen und politischen Befreiungsvorgang bedeutete etwas ganz Neues in der Kirchengeschichte, konstatierte der Tübinger Theologieprofessor Jürgen Moltmann mit Sympathie. Das rechtfertige seiner Meinung nach auch den schmerzhaften Lernprozess von Bangkok, bei dem westliche Teilnehmer lernen mussten zu akzeptieren, dass nicht die Dritte Welt vom Westen theologisch belehrt werde, sondern dass der Westen durchaus von der Dritten Welt lernen könne: „Und endlich habe ich den Eindruck, daß sich ein umfassender Begriff von Heil – Salvation heißt ja eigentlich Heilung – durchsetzt, so daß wir unsere Unterscheidung zwischen Person und Gesellschaft, Heil nur für unsere Person, überwinden, und dazu haben uns die Afrikaner und Asiaten mit ihrem ganzheitlichen Denken sehr geholfen.“129

Für viele Teilnehmer markierte die Weltmissionskonferenz in Bangkok 1972/ 73 somit einen tiefen Einschnitt in der ökumenischen Missionsgeschichte. Dagegen kritisierten evangelikale und konservative Christen wie etwa die Missionswissenschaftler Peter Beyerhaus aus Tübingen oder Artur Glasser vom Fuller Theological Seminary in Kalifornien, die beide in Bangkok anwesend waren, die zunehmende ,Humanisierung‘ des Evangeliums scharf und sahen im Verzicht des westlichen Missionsauftrages zugunsten des Dialoges die Preisgabe des Christentums schlechthin.130 Die betonte Abwendung dieser Gruppierungen, die sich bis dahin noch der ökumenischen Missionsbewegung verbunden gefühlt hatten, war eine Konsequenz der Folgezeit. Aber auch in der breiteren westeuropäischen Öffentlichkeit wurde Bangkok als eine Zäsur wahrgenommen, über die fast sämtliche überregionalen Zeitungen ausführlich berichteten. „Das kopfnickende Negerlein ist tot“ lautete etwa die Überschrift im Schweizer Tageblatt131 und Die Zeit titelte paradigmatisch am 20. April 1973: „Das Heil der Heiden – am Ende abendländischchristlicher Vorherrschaft“132. Diese Erkenntnis bedeutete jedoch nicht nur eine Stärkung der Perspektive der Dritten Welt, sondern im Kontext des Kalten Krieges auch eine Neupositionierung der Kirchen aus den sozialistischen Staaten Osteuropas. Die Leiterin der Evangelischen Akademie Berlin (Ost), Elisabeth Adler, spitzte daher das Ergebnis von Bangkok noch zu, indem sie 128 Bericht der Sektion II: Heil und soziale Gerechtigkeit. In: Potter, Heil, 197. 129 Moltmann, [Ohne Titel], 21. 130 Vgl. Beyerhaus, Bangkok. Als Widerspruch auf die veränderten Paradigmen des ökumenischen Missionsbegriffes entstand 1970 die im Wesentlichen von Beyerhaus formulierte und vom Theologischen Konvent Bekennender Gemeinschaften verabschiedete „Frankfurter Erklärung“, die auch in Bangkok für Kontroversen sorgte, vgl. Hermle, Evangelikale, 342 f. 131 Vgl. AÖRK 272.018. 132 Girock, Heil.

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ihren Reisebericht unter die Überschrift stellte: „Das Heil kommt nicht vom Westen“133. Damit brachte sie zugleich ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass jetzt die Solidarität zwischen Zweiter und Dritter Welt so gestärkt würde, dass sich vereint gegen die Vormachtstellung westlicher Industriestaaten ankämpfen ließe. In der Zusammenschau der Kontroversen und Debatten stand die Weltmissionskonferenz in Bangkok somit am Anfang eines neuen, nicht mehr paternalistisch westlich orientierten Missionsverständnisses des ÖRK. Dieses war auf der einen Seite theologisch und kirchlich liberal auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit der Kirchen und den interreligiösen Dialog ausgerichtet.134 Auf der anderen Seite führte dieses neue ökumenische Missionsverständnis aber auch zu einer zunehmenden Polarisierung der Missionsbewegung und einer Frontstellung zwischen „Evangelikalen“ und „Ökumenikern“.135

3. Resümee: Die Globalisierung des ÖRK Die langen sechziger Jahre waren in globalgeschichtlicher Perspektive eine unübersichtliche, turbulente Zeit für die Kirchen und damit auch für den ÖRK. Viele ökumenisch gesinnte Akteure und Zeitzeugen erinnern diese Periode als Zeit der Hoffnung, des Aufbruchs, der Veränderungen – kurz: als ein „goldenes Jahrzehnt“136. Der deutsche Theologe Konrad Raiser, von 1992 – 2004 Generalsekretär des ÖRK, fragte in seinem 1989 erschienen Buch Ökumene im Übergang nach der Bedeutung der 1960er Jahre für die gegenwärtige „Unschlüssigkeit der ökumenischen Bewegung“ und spitzte das Problem folgendermaßen zu: „Müssen wir uns damit zufrieden geben, die späten sechziger Jahre als die ,goldene Zeit‘ zu glorifizieren und uns heute auf die Bewahrung, Verteidigung oder – schlimmstenfalls – Verwaltung des Erreichten zu beschränken?“137

Abgesehen davon, dass sich offensichtlich jede ökumenische Generation ihren eigenen Mythos vom vorherigen goldenen Zeitalter schaffen muss,138 klingen solche Beschwörungen angesichts des zunehmenden Bedeutungsverlusts internationaler ökumenischer Organisationen in der Gegenwart wie eine letzte Vgl. Adler, Heil. Vgl. Moore, Frustration. Vgl. Gensichen, Missionskonferenzen, 835. So etwa die Diskussion am „Ökumenischen Stammtisch“ in Frankfurt am Main am 23. 4. 2012 mit Annegreth Schilling im Anschluss an die Vorstellung der Grundthesen des Forschungsprojekts. 137 Raiser, Ökumene, 12. 138 Vgl. hierzu den Beitrag von Chandler zu den „Founding Fathers“ in diesem Band.

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Reminiszenz an eine vergangene Erfolgsgeschichte. Der Historiker Hartmut Lehmann fragt zusätzlich aus der Gesamtperspektive des 20. Jahrhunderts, ob man die Geschichte des ÖRK nicht viel stärker als eine Geschichte der Misserfolge begreifen müsse, da trotz hochfliegender Hoffnungen die angestrebten Ziele nicht oder nur teilweise erreicht wurden.139 Diese beiden sehr unterschiedlichen Einschätzungen werfen daher am Ende des einführenden Kapitels noch einmal die Frage nach den wesentlichen Voraussetzungen, Merkmalen und Folgen des in diesem Band dargestellten ökumenischen Wandels auf. Ganz sicher lässt sich dabei aus zeitgeschichtlicher Perspektive der Aufbruch des ÖRK in den langen 1960er Jahren eher als tiefgreifender Transformationsprozess denn als „goldenes Jahrzehnt“ verstehen: Durch den Einfluss der Dritten Welt begann sich der ÖRK von seiner westlich-protestantischen Prägung zu lösen und etablierte sich als eine global agierende, interkonfessionell und interdisziplinär arbeitende Organisation. Dieser Prozess beendete einerseits die seit 1948 vertraute Gestalt und Programmatik des ÖRK. Sie brachte aber andererseits neue Möglichkeiten, die ökumenische Arbeit zu profilieren, integrativer und kontextueller zu gestalten, sei es durch neue Konferenzkonzepte, Mitarbeiter aus der Dritten Welt oder Studienprogramme. Vom medialen Aufschwung der 1960er Jahre profitierte der öffentliche Bekanntheitsgrad des ÖRK dabei enorm, da seine Vollversammlungen zwischen 1961 und 1975 stets im Blickpunkt der internationalen Medien standen. Das brachte dem ÖRK zusätzliche politische – durchaus kontrovers gefüllte – Aufmerksamkeit. Nie wieder nahmen so viele Korrespondenten internationaler Tageszeitungen an Vollversammlungen und Konferenzen des ÖRK teil wie in dieser Zeit; nie wieder erreichten die ökumenischen Kontroversen eine so breite publizistische Wirkung. Das Gefühl, mit am Rad des weltweiten, sozialen Umbruchs drehen zu können, trug zu einem euphorischen ökumenischen Selbstbewusstsein in dieser Zeit bei. Man kann darüber streiten, inwiefern ein solches realitätsfern war. Von einem Krisenbewusstsein im ÖRK oder einem Ringen um institutionelle Rechtfertigung angesichts eines drohenden Bedeutungsverlustes des ÖRK zeugt das detaillierte Studium der Konferenzen, Berichte, Hintergrundinformationen und Briefwechsel jedenfalls nicht. Insofern überzeugt an dieser Stelle auch nicht die These der Historikerin Hedwig Richter, dass der ÖRK im Zeichen des westlichen Wertewandels in dieser Zeit gezielt „linksrevolutionär[e] und sozialistisch[e] Ideen“140 durchsetzen musste, um sich damit einerseits selbst im Zeichen der Krise zu legitimieren und andererseits den „neuen gesellschaftlichen Mythos der Revolution“141 zu imitieren, um als modern zu gelten. Denn zum einen kamen 139 Vgl. Lehmann, Christentum, 212. 140 Richter, Protestantismus, 409. 141 Ebd., 421.

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wesentliche Anregungen zur Theologie der Revolution wie auch zum Antirassismus-Programm gerade nicht aus dem Westen, sondern wurden zunächst von Vertretern der Dritten Welt in die ökumenische Arena eingebracht, wo sie freilich dann auch später von westlichen Theologen wie Dietrich Wendland oder Jürgen Moltmann aufgegriffen wurden. Zum anderen äußerte sich in den Stimmen der jungen Kirchen ein weitaus weniger säkular gebrochenes Verständnis des Christentums und seiner Kirchen, als das Richter ihrer Argumentation zugrunde legt.142 Weil es einem M. M. Thomas möglich war, tiefe Spiritualität, gesellschaftspolitische Relevanz der Kirchen, Mission und säkularen Humanismus zusammenzudenken, wurde seine Vision des Christentums auch in der westlichen Ökumene attraktiv. Dieser neue, transnationale Austausch theologischer und gesellschaftspolitischer Entwürfe war eines der signifikantesten Elemente des ökumenischen Umbruchs dieser Zeit. Dazu gehörte auch ein wachsendes Verständnis dafür, dass die Botschaft des Evangeliums nicht per se von einer normgebenden Kultur aus zu interpretieren sei. Diese Globalisierung des ÖRK lässt sich in folgenden fünf Merkmalen zusammenfassen: (1) Die langen sechziger Jahre im ÖRK nehmen sich als Beispiel der Entwestlichung internationaler Organisationen par excellence aus. Der 1966 gewählte Generalsekretär des ÖRK, Eugene Carson Blake, stellte seine Amtszeit bereits in seinem Antrittsjahr unter die Parole der „De-Westernization“: „No longer dare the World Council of Churches rest comfortably in Geneva with tokens of Orthodoxy in its staff and committees. It must struggle to lose its westerness in a new ecumenicity. But this transformation will not come without effort.“143

Der Blick auf die Repräsentationsverhältnisse der Kirchen aus Afrika, Asien und Lateinamerika von 1948 bis 1975 zeigt, dass dieser Prozess der Entwestlichung jedoch nicht erst 1966 begann, sondern bereits seit der Vollversammlung in Evanston 1954 im Gang war.144 Einen großen Einfluss auf den starken Zuwachs von asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Mitgliedskirchen zwischen 1954 und 1961 übte das Rapid Social Change-Programm aus, mit dem der ÖRK das Ziel verfolgte, eine Dekolonisierungsbewegung im westlichen Denken der Kirchen in Gang zu setzen.145 Auf der Vollversammlung in Neu-Delhi 1961 kamen daher bereits über ein Drittel der Mitgliedskirchen aus Asien, Afrika und Lateinamerika. Bis zur Vollversammlung in Nairobi 1975 stieg die Zahl der Mitgliedskirchen 142 Vgl. ebd., 435. 143 Blake, Interview in Athen (1966), AÖRK 995.1.01. 144 Vgl. im Folgenden die graphischen Darstellungen im Anhang, insbes. A. Gesamtdarstellung der Repräsentationsverhältnisse 1948 – 1975. 145 Vgl. Abrecht, Churches, 66.

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weitgehend kontinuierlich auf 51 %, erreichte dort also erstmals die – wenn auch knappe – Mehrheit gegenüber den westlichen Kirchen. Weniger kontinuierlich entwickelte sich die Repräsentation der Delegierten: Angeregt durch das Rapid Social Change-Programm sowie die Integration des Internationalen Missionsrates in den ÖRK stieg die Anzahl der Delegierten zwischen den Vollversammlungen in Evanston und Neu-Delhi 1961 sprunghaft um 11 % auf insgesamt 25 % an, legte dann aber bis zur Vollversammlung in Uppsala 1968 nur geringfügig zu (29 %). Erst die Vollversammlung in Nairobi 1975 machte hier wieder einen deutlichen Unterschied, denn von den dort anwesenden Delegierten kamen nun 38 % aus Afrika, Asien und Lateinamerika.146 Die Gründe für diesen Zuwachs zwischen Uppsala und Nairobi sind vielfältig: Mit Gewissheit hat die bereits 1966 von Blake formulierte Strategie der Entwestlichung dazu beigetragen, aber auch die durch die Vollversammlung in Uppsala beschlossenen Struktur- und Programmreformen, wie etwa die Einrichtung der Programmeinheit „Bildung und Erneuerung“ mit einem Schwerpunkt in der Arbeit mit Laien.147 Auch die Weltmissionskonferenz in Bangkok 1972/73, welche die theologischen Gegensätze und kulturellen Konflikte zwischen den ,jungen‘ und ,alten‘ Kirchen im ÖRK offen zur Sprache brachte, war für die stärkere Präsenz von Delegierten aus Asien, Afrika und Lateinamerika in Nairobi mit verantwortlich. Somit präsentierte sich 1975 auf der Vollversammlung in der kenianischen Hauptstadt das Ergebnis der sich in den langen sechziger Jahren vollziehenden globalen Orientierung des ÖRK. (2) Die Entwestlichung ökumenischer Diskurse wirkte sich entscheidend auf die organisatorische Struktur und programmatische Arbeit des ÖRK aus: Zum einen schwand das Profil des ÖRK als einer europäisch-nordamerikanisch geprägten Organisation, und mit ihr die aus der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs gewonnenen sozialethischen Wert- und Ordnungsvorstellungen aus der „verantwortlichen Gesellschaft“. Während auf der Vollversammlung in Amsterdam 1948 die weißen Gründungsväter des ÖRK über den Wiederaufbau Europas beratschlagten, stellte die Weltmissionskonferenz in Bangkok mit ihrer dynamischen Gruppenarbeit ein unvergleichbar anderes Bild einer ökumenischen Konferenz dar.148 Die Ära der großen europäischen und 146 Der Bericht aus dem Vorbereitungsausschuss zeigt, dass in Nairobi nur 20 % der Teilnehmenden überhaupt schon einmal an einer Vollversammlung des ÖRK teilgenommen hatten und dass damit die überwiegende Mehrheit „Neulinge“ waren. Vgl. Hessler, Uppsala, 76. 147 Für diese Tätigkeit war der deutsche Theologe Werner Simpfendörfer von 1969 – 1973 in den Stab des ÖRK berufen worden. Vgl. Dejung/Klatt, Simpfendörfer, 69 – 81. 148 Die Neuartigkeit der Konferenz von Bangkok lässt sich auch an der Gestalt(ung) des Konferenzberichts ablesen, der neben den Sektions- und Arbeitsgruppenberichten auch eine Sammlung von Gedichten, Auszügen aus Erzählungen, Manifesten und andere kurze Texte enthielt. Das Bestreben, Berichte von ökumenischen Konferenzen anregend und über die

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nordamerikanischen Theologen in der Ökumene ging zu Ende; Laien und Theologen aus der Dritten Welt übernahmen die Interpretation der ,Zeichen der Zeit‘, traten selbstbewusst mit klaren Forderungen an die Neuorientierung der internationalen Ökumene auf und wurden auch über die ökumenischen Konferenzen hinaus breit rezipiert und übersetzt.149 Der wachsende Einfluss der Dritten Welt schlug sich auch im Stab des ÖRK nieder, wo ab Ende der 1960er Jahre zunehmend Vertreter Asiens, Afrikas und Lateinamerikas als Mitarbeiter berufen wurden und die programmatische Arbeit mitgestalteten.150 Die aktive Beteiligung von Frauen fand hingegen in den sechziger Jahren noch kein übergeordnetes Interesse in der Ökumene und wurde erst ab der Vollversammlung in Nairobi 1975 Gegenstand intensiver Debatten.151 Zum anderen ist in den 1960er Jahren eine steigende Professionalisierung der ökumenischen Arbeit zu konstatieren. Sie zeigte sich einerseits seit der Genfer Weltkonferenz 1966 durch die Berufung einer großen Anzahl von Experten, die den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Wandel analysierten, andererseits aber auch darin, dass der ÖRK sein konfessionelles Ökumeneverständnis ausweitete und sich zum Dialog mit der römischkatholischen Kirche sowie zum interreligiösen Dialog hin öffnete. Eugene Carson Blake spielte im Blick auf diese Professionalisierung eine entscheidende Rolle. Unter seiner Ägide kam es nicht nur 1969 mit dem Besuch von Papst Paul VI. zum Höhepunkt des Dialogs zwischen dem ÖRK und der römisch-katholischen Kirche, sondern auch zur Einrichtung des Antirassismus-Programms sowie zu einer umfassenden Strukturreform des ÖRK. Blake, der in der ökumenischen Geschichtsschreibung bislang meist als Übergangsfigur zwischen Visser ’t Hooft und Potter dargestellt wurde, verantwortete und prägte den Transformationsprozess und Professionalisierungsschub innerhalb des ÖRK nachhaltig. (3) Ein markantes Kennzeichen der Globalisierung des ÖRK bestand in der Ausbildung eines neuen politischen Bewusstseins der Kirchen, das die Perspektive der Dritten Welt zu verinnerlichen suchte und deswegen auch zu neuen Prioritätensetzungen innerhalb der Mitgliedskirchen führte. Dieser Prozess wurde und wird bis heute häufig als Linkspolitisierung interpretiert, Ablichtung von Sektionsbeschlüssen hinaus kreativ zu gestalten, ist ein bedeutendes Kennzeichen von Berichtbänden der frühen 1970er Jahre. Vgl. exemplarisch hierfür Lange, Utopie; Ökumenischer Rat der Kirchen, Bildung. 149 Vgl. z. B. Tçdt/Rendtorff, Theologie; Tschuy, Lateinamerika; Thomas, Asien. 150 Annegreth Schilling beschäftigt sich in ihrer Dissertation mit dem Einfluss Lateinamerikas im ÖRK in den 1960er und 1970er Jahren und untersucht in diesem Zusammenhang u. a. die Hintergründe für die Einstellung lateinamerikanischer Mitarbeiter in den Stab des ÖRK zwischen 1968 und 1972. Der prominenteste Lateinamerikaner war der brasilianische Volkspädagoge Paulo Freire, der von 1970 – 1980 im Bildungsbüro des ÖRK als Sonderberater tätig war. Vgl. Strìmpfel, Lernen. 151 Vgl. Krìger/Mìller-Rçmheld, Bericht, 140 – 143.

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wozu nicht zuletzt das weit verbreitete und übersetzte Buch des USamerikanischen Experten für Außenpolitik Ernest W. Lefever von 1979 beitrug.152 Lefevers These, dass sich die Positionen des ÖRK in dieser Zeit kaum von denen in Moskau oder Havanna unterschieden, bedarf freilich der Differenzierung.153 Denn überblickt man die führenden „linken“ Protagonisten dieser Zeit im ÖRK – wie beispielsweise der uruguayische methodistische Theologe Julio de Santa Ana, der brasilianische Volkspädagoge Paulo Freire, der bereits mehrfach erwähnte M. M. Thomas, aber auch Europäer wie Albert van den Heuvel, Jürgen Moltmann oder Elisabeth Adler – und ihre politischsozialen Ideen, so eint diese nur wenig. Das breite Spektrum, das sich von sozialistischen, neomarxistischen über offiziell kommunistische, antikoloniale, manchmal aber auch „nur“ sozialdemokratische, demokratische, kommunitaristische oder sogar liberale Vorstellungen erstreckte, genauer zu analysieren bietet ein lohnenswertes Unterfangen für zukünftige Forschungen. Abgesehen von diesen tatsächlich vorhandenden linken Sympathien im Stab des ÖRK zeigte sich die „Politisierung“ des ÖRK jedoch in seinen Mitgliedskirchen und in den meisten Bereichen seiner Arbeit weit weniger radikal als dies ihre Kritiker wahrnehmen wollten. Vergleicht man etwa die in Genf 1966 gehaltenen Reden von Dritte Welt-Vertretern mit den Aussagen von Fanon oder Sartre, so erscheinen jene ökumenischen Stellungnahmen dagegen regelrecht harmlos. Da der Begriff „Politisierung“ folglich leicht zu Missverständnissen führt, werden die langen sechziger Jahre hier stattdessen als Zeit der politischen Bewusstwerdung definiert.154 Dazu gehörte erstens, dass die Beschäftigung mit und Stellungnahmen zu politischen Themen und Konflikten nun selbstverständlich zum Tagesgeschäft des ÖRK gehörten. Damit einher ging die Entwicklung eines neuen globalen Verständnisses von der einen Welt – was bedeutete, dass beispielsweise neben der ökumenischen Unterstützung der südafrikanischen Apartheidsgegner sich nun etwa auch evangelische Frauen in der hessischen Provinz mit den Nöten Südafrikas zu identifizieren begannen.155 Zweitens veränderten sich die kirchlichen Aktionsformen, z. B. durch den Aufruf zu politischen Demonstrationen auf ökumenischen 152 Lefever, Weltkirchenrat. Die deutsche Übersetzung enthält ein Vorwort von Helmut Thielicke. 153 Ebd., 112. 154 Der Begriff der Bewusstwerdung lehnt sich hier ausdrücklich an den von Paulo Freire geprägten Begriff conscientizażo an. Vgl. Freire, Pädagogik, 25. Zur Interpretation von Freires Bildungsbegriff vgl. insbes. das einflussreiche Vorwort von Ernst Lange in: Ebd., 9 – 23. 155 An der deutschen akademischen Theologie ging diese globale Perspektive in den 1960er und frühen 1970er Jahren noch weitgehend vorbei. Wie sie dagegen an der kirchlichen Basis allmählich Raum fand, zeigen die beiden Beiträge von Pearson und Tripp in diesem Band. Ein weiteres Beispiel für die theologische Auseinandersetzung mit globalen Themen auf lokaler Ebene in Deutschland Ende der 1960er Jahre stellte das Politische Nachtgebet in Köln unter der theologischen Federführung von Dorothee Sölle dar. Diese Initiative ist bislang noch weitgehend unerforscht, vgl. die Einschätzung bei Cornehl, Nachtgebet.

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Konferenzen, durch Mahnwachen oder durch die Einrichtung von Hilfskomitees etwa im Biafra-Konflikt. (4) Die Globalisierung des ÖRK vollzog sich vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und des Systemkonfliktes zwischen der Sowjetunion und den USA. Dabei betonen die meisten bisher veröffentlichten ökumenischen Studien zum Handeln und Wirken des ÖRK im Kalten Krieg vor allem die Dichotomie zwischen West und Ost aus einer europäisch geprägten Sicht. Aus globalgeschichtlicher Perspektive erweist sich jedoch sowohl die Vorstellung, dass der Ost-West-Konflikt auf der ökumenischen Agenda seit den 1960er Jahren durch den Nord-Süd-Konflikt abgelöst wurde, als auch die Ansicht, dass der Kalte Krieg ein Konflikt des Norden gewesen sei, als historisch zu wenig differenziert.156 Vielmehr muss der Kalte Krieg, der als Katalysator in zahlreichen Kriegen und politischen Konflikten in Asien und Afrika sowie in Lateinamerika wirkte, in seiner globalen Reichweite wahrgenommen werden. Dies zeigt sich auch am Beispiel der Globalisierung des ÖRK und der damit einhergehenden Integration der Kirchen aus der Dritten Welt.157 Auch der Begriff und das Bild der Dritten Welt, die sich neutral und unabhängig von der Ersten und Zweiten Welt etablieren konnte, wurzelte – neben anderen Faktoren, wie etwa der Dekolonisierung, der Entstehung eigener Nationalbewegungen, historisch gewachsener ethnischer Spannungen oder lokaler Machtrivalitäten – direkt in der ideologischen Systemkonkurrenz zwischen der Sowjetunion und den USA. Analog zur UNO, in der seit den 1960er Jahren die Bewegung der Blockfreien eine weltweit öffentliche politische Plattform fand, verstanden sich zahlreiche Kirchenvertreter aus Afrika, Asien oder Lateinamerika als eine politisch neutrale, zugleich aber auch antikolonialistische Kraft (selbst wenn in ihren Herkunftsländern Amerikaner oder Sowjets um politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einfluss rangen). So entstanden neue Allianzen zwischen kirchlichen Vertretern der sogenannten Ersten, Zweiten und Dritten Welt und mit ihnen neue, nicht mehr primär auf Europa und Nordamerika hin orientierte theologische und politische Akzente, etwa im Verständnis von Menschenrechten,158 Gerechtigkeit oder Sozialismus. Damit wurden jedoch zugleich die im ÖRK vertretenen Interpretationen von Kommunismus oder Sozialismus differenzierter und vielfältiger, bis sie schließlich in den 1970er Jahren zur Auflösung von traditionellen antikommunistischen Argumentationen führten. Dazu trugen selbstverständlich auch staatstreue und linienförmige politische Äußerungen 156 Vgl. u. a. zur ökumenischen Nord-Süd-Dimension Dejung/Krusche/Stçhr, Rat. Vgl. auch Mìller-Fahrenholz, Instrumentalisierung. 157 Hierzu und im Folgenden ausführlich u. a. Stçver, Krieg; Greiner/Mìller/Walter, Kriege. 158 Vgl. zum Wandel im ökumenischen Menschenrechtsverständnis den Beitrag von Albers in diesem Band.

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von Kirchenvertretern aus der Sowjetunion und Mittel- und Osteuropa bei. Die mittlerweile vielbeschriebene Kehrseite dieser Entwicklung war der „blinde Fleck“ der Ökumene gegenüber der Menschenrechtsdiskussion in Mittel- und Osteuropa und das Schweigen gegenüber den Dissidenten.159 (5) Der wachsende Einfluss der Dritten Welt sorgte auch für einen grundlegenden Wandel im theologischen Selbstverständnis des ÖRK. Dieser ist bislang nur in Umrissen erforscht.160 Das Konzept des „christozentrischen Universalismus“ als dem Paradigma der Gründungszeit des ÖRK stieß in den langen sechziger Jahren an seine Grenzen: Denn das Verständnis der „Königsherrschaft Christi“ wich der konkreten Perspektive auf Jesus Christus, der in Solidarität mit den Armen und Marginalisierten steht, der als Befreier die Menschen aus der Unterdrückung zum Leben führt.161 Konkret drückte sich dieser theologische Transformationsprozess in den 1960er Jahren zunächst darin aus, dass Begriffe wie Revolution und Entwicklung zum Gegenstand des ökumenisch-theologischen Diskurses gemacht wurden und für scharfe Auseinandersetzungen sorgten. Zu Beginn der 1970er Jahre begann – verstärkt durch die Mitarbeit von Lateinamerikanern im Stab und in den Kommissionen des ÖRK – mit der Befreiungstheologie eine „politische Theologie“ Einzug im ÖRK zu erhalten, in der die Frage von Kontext, Kultur und Identität das Zentrum des theologischen Diskurses bildete. Die Weltmissionskonferenz in Bangkok stand insofern nicht nur für ein neues Missionsverständnis, sondern auch für eine neue Eschatologie, in der die theologische Kategorie des Heils im Sinn der Befreiung von der Dominanz westlich-theologischen Denkens neu gedeutet wurde: als ganzheitlicher Prozess, der die Menschen zu ihrem wahren Sein miteinander und vor Gott führt. Man kann versuchen, die hier ausgeführten Entwicklungen im ÖRK als eine Erfolgs- oder Misserfolgsgeschichte der Ökumenischen Bewegung zu deuten. Dann stünde auf der „Haben“-Seite wohl die gelungene ökumenische „Glokalisierung“, die dazu führte, dass sich der ÖRK in den 1960er und 1970er Jahren zu einer globalen Plattform entwickelte, die direkt mit ihren Mitgliedskirchen und lokalen Gemeinden interagierte und dadurch selbst zu einem Teil der Globalisierung wurde. Die Ökumene vor Ort sowie die christliche Solidarität zwischen Christen verschiedener Regionen oder Kontinente wurden dabei so selbstverständlich, dass sie ihren ursprünglichen 159 Vgl. hierzu u. a. Boyens, Rat; Kunter, Menschenrechte; De Graaf, Mauer; Arnold, Dissidenten; Hogebrink, Ökumene. 160 Vgl. die beiden Beiträge von Pedroso Mateus und Brown in diesem Band. 161 So die Grundthese von Raiser, Ökumene, 87 – 123. Zum klassischen theologischen Selbstverständnis der Ökumene und dem Konzept des „christologischen Universalismus“ vgl. ebd., 51 – 86.

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institutionellen Motor, den ÖRK, heute offensichtlich nicht mehr braucht, um transnational zwischen Christen und Christinnen agieren zu können. Natürlich lassen sich demgegenüber auch Verluste oder Misserfolge konstatieren. Dazu gehören ein uneindeutiges, von Spannungen aber auch Widersprüchen durchzogenes theologisches und ethisches Profil, das gescheiterte Bemühen um die Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche im ÖRK, die Ausbremsung ökumenischer Einheitsbestrebungen, die partielle politische Instrumentalisierung zu Zeiten des Kalten Krieges, oder auch die bis in die Gegenwart anhaltende Finanzierung der globalen Ökumene durch vorrangig westliche Mitgliedskirchen. All dies ist im Einzelnen sorgfältig zu erforschen, denn nicht immer stimmen die noch heute ökumenische und kirchengeschichtliche Debatten prägenden Schwarz-Weiß-Bilder, die die unterschiedlichen Positionen vor allem politisch konservativen, rechten und dann als antikommunistisch geltenden oder progressiven, linken und sozialismusfreundlichen Lagern zuordnen. Der Schweizer Theologe Lukas Vischer etwa, der gerne als konservativer Kronzeuge einer dezidiert westlichen und antikommunistischen Orientierung des ÖRK vereinnahmt wird, gehörte in der Kommission von Glauben und Kirchenverfassung (engl. Faith and Order) zusammen mit Jürgen Moltmann zu den progressiven Kräften, die nicht nur den Aufbruch der Dritten Welt zu ihrer Sache machten, sondern auch das AntirassismusProgramm und die Anti-Apartheidsbewegung in Südafrika unterstützten.162 Das hinderte Vischer jedoch nicht daran, sich zugleich für Menschenrechte in Osteuropa und in der Sowjetunion einzusetzen.163 So nahe also einerseits eine Zuordnung einzelner Ereignisse zu einer Erfolgs- oder Misserfolgsgeschichte des ÖRK zu liegen scheint, muss andererseits kritisch gefragt werden, inwiefern ein solches methodisches Vorgehen überhaupt der Komplexität des Globalisierungsvorganges im ÖRK mit seinen sich häufig zeitgleich überkreuzenden transnationalen Berührungspunkten und Verflechtungen gerecht werden kann. Wie die Artikel dieses Bandes deutlich machen, steht die Erforschung der Globalisierung des ÖRK in den langen 1960er Jahren dabei noch ganz am Anfang; viele Aspekte, Personen und Themen sind bislang nur in Ansätzen gesichtet. Daher halten sich die folgenden Beiträge auch mit allumfassenden 162 Zeitzeugengespräche mit Lukas Vischer am 5. 10. 2000, mit Jürgen Moltmann am 16. 3. 2011, und mit Albert van den Heuvel am 16. 5. 2011. 163 Vischer war sehr an der Aufdeckung der Menschenrechtsverletzungen in Osteuropa und der Sowjetunion gelegen, auch wenn er sich, wie Visser ’t Hooft, gegen eine Veröffentlichung des sog. „Nairobibriefes“ aussprach, in dem die beiden russisch-orthodoxen Dissidenten Gleb Yakunin und Lev Regelsson den ÖRK aufforderten, die Einschränkung der Religionsfreiheit in der Sowjetunion offiziell zu verurteilen (vgl. ausführlicher u. a. Kunter, Kirchen, 150 – 155). Stattdessen war es der „linke“ sozialdemokratische Niederländer Albert van den Heuvel, der die Veröffentlichung des Briefes in die Wege leitete. Vgl. das Zeitzeugengespräch mit Albert van den Heuvel am 16. 5. 2011.

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Erklärungstheoremen zurück. Gleichwohl zeigen sie an den Fallbeispielen eindrücklich, wie der Stab und die Mitgliedskirchen des ÖRK durch eine Vielzahl miteinander vernetzter und gegenseitig auf sich einwirkender Faktoren in den 1960er und 1970er Jahren ihr westliches Zentrum verloren. Dieser Vorgang war eingebettet in den strukturellen globalen Wandlungsprozess des Christentums in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in dem teilweise rasante Wachstumsraten Asien, Afrika und Lateinamerika zu den neuen religiösen Zentren des weltweiten Christentums heranwachsen ließen. Darüber hinaus lassen sich die hier beschriebenen zeitgenössischen Diskurse im ÖRK auch als einen Prozess verstehen, im dem sich nicht nur die historischen Koordinaten protestantischer Ethik und Kirchlichkeit grundlegend veränderten, sondern in dem zugleich der weltweit organisierte Protestantismus ein globales Gewissen als neue ökumenische Orientierung gewann.

Quellen- und Literaturverzeichnis I. Unveröffentlichte Quellen a) archivalische Quellen Archiv des Ökumenischen Rates der Kirchen, Genf (AÖRK) AÖRK 243.11.4 Geneva 1966. Conference. AÖRK 243.15.1.2 Geneva 1966. Press cuttings. AÖRK 272.015 Bangkok 1972/1973. AÖRK 272.018 Bangkok 1972/1973. AÖRK 42.11.08/02 WCC General Secretariat. Frequent Correspondence. Martin Luther King, Jr. AÖRK 995.1.01 Blake Works 1966 – 1969.

Evangelisches Zentralarchiv Berlin (EZA) EZA 104/531.

b) Abbildungsverzeichnis Archiv des Ökumenischen Rates der Kirchen, Genf (AÖRK) Abb. 1: AÖRK ND03 – 32. Abb. 2: AÖRK B7177 – 25a. Abb. 3: AÖRK B7459 – 03. Abb. 4: AÖRK U436 – 19. Abb. 5: AÖRK B7483 – 26.

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Abb. 6: AÖRK U177 – 14. Abb. 7: AÖRK A 07699-xx. Abb. 8: AÖRK B10791 – 7.

c) mündliche Auskünfte Gespräche der Verfasserinnen mit Karl-Heinz Dejung (8. 7. 2010), Albert van den Heuvel (16. 5. 2011), Jürgen Moltmann (16. 3. 2011), Konrad Raiser (10. 11. 2010), Lukas Vischer (5. 10. 2000).

II. Veröffentlichte Quellen und Darstellungen Abrecht, Paul: The Churches and Rapid Social Change. London 1961. –: The Development of Ecumenical Social Thought and Action. In: Harold E. Fey (Hg.): The Ecumenical Advance (A History of the Ecumenical Movement, Bd. 2 [1948 – 1968]). London 1970, 233 – 259. –: In Memoriam. In: Ecumenical Review 49 (1997), 110 – 113. Adler, Elisabeth: Das Heil kommt nicht vom Westen. In: Neue Zeit vom 8. 2. 1973. Alves, Rubem: Mission in einem apokalyptischen Zeitalter. Einseitige Anmerkungen zur Konferenz von Bangkok. In: Potter : Heil, 241 – 246. Arnold, John: Kommunistische Diktatur, Dissidenten und die Ökumenische Bewegung. In: Joachim Garstecki (Hg.): Die Ökumene und der Widerstand gegen Diktaturen. Nationalsozialismus und Kommunismus als Herausforderung an die Kirchen. Stuttgart 2007, 159 – 169. Benicke, Jens: Von Adorno zu Mao. Über die schlechte Aufhebung der antiautoritären Bewegung. Freiburg 2010. Bennett, John C. (Hg.): Christian Social Ethics in a Changing World. New York/ London 1966. –: The Geneva Conference of 1966 as a Climatic Event. In: The Ecumenical Review 37 (1985), H. 1, 26 – 33. Besier, Gerhard/Boyens, Armin/Lindemann Gerhard: Nationaler Protestantismus und ökumenische Bewegung. Kirchliches Handeln im Kalten Krieg 1945 – 1990. Berlin 1999. Beyerhaus, Peter : Bangkok ’73. Anfang oder Ende der Weltmission? Ein gruppendynamisches Experiment. Bad Liebenzell 1973. Blake, Eugene Carson: Uppsala and Afterwards. In: Harold E. Fey (Hg.): The Ecumenical Advance (A History of the Ecumenical Movement, Bd. 2 [1948 – 1968]). London 1970, 411 – 445. Bçsch, Frank/Hçlscher, Lucian (Hg.): Kirchen – Medien – Öffentlichkeit. Transformationen kirchlicher Selbst- und Fremddeutungen seit 1945. Göttingen 2009.

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I. Von der Nachkriegsçkumene zur Weltgemeinschaft

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Andrew Chandler

The Founding Fathers and the New Vision The World Council of Churches, 1948 – 1958

There they stand, in solemn ensembles, in the kind of photographs which the ecumenical movements of the age would make their own. This is a resolved world of endeavour fashioned by a solemn patriarchy, and an imposing one, too. The pantheon of early ecumenism is certainly a well-stocked one. At Amsterdam in 1948 the new World Council of Churches (WCC) enjoyed the presence of men whose names would remain its greatest half-a-century later : Willem A. Visser ’t Hooft, Joseph H. Oldham, Bishop George Bell, Alphons Koechlin, Archbishop Germanos, Otto Dibelius, Martin Niemöller, Marc Boegner, Eivind Berggrav, Franklin Fry, Hendrik Kraemer, Archbishop Erling Eidem, Bishop Theophil Wurm, Bishop Yngve Brilioth. We look at them now and sense, as we are meant to sense, the formidable gravitas of such company and the nobility of the purpose which they share. Today ecumenists and church historians might well find that they have something in common. Neither are much in fashion. History, like ecumenism, insists on looking outwards with no very clear assurance of what might be there – but with the insistence that somehow we have to live with what we find and even be changed by it. Like the ecumenist, the historian maintains that things should matter to us not because they are similar to us, but because they are quite different. All diverse threads actually belong together and, furthermore, we all belong to each other. Historians, as we all know, seldom run institutions. But they retain a capacity to embarrass those who do precisely because of this – just as ecumenists should own the capacity to embarrass the purposeful leaders of denominations. Bereft of much actual power in the world of affairs, this is perhaps one of the chief consolations – and responsibilities – of the historian’s work. The early history of the WCC matters.1 It matters to the historian of religion, the scholar of international movements, the student of politics and society at large. The question is how to bring these perspectives to life within the ecumenical movement itself and how to argue the importance of ecumenism in the context of other landscapes. To do this might also free us from some of the settled attitudes which have come to inform ecumenical understandings at 1 The standard work remains Rouse/Neill, History. An attempt by a group of chosen authors to produce a history of the World Council faltered some years ago. It is to be hoped that another may be attempted under its auspices.

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large. One of these presents still the image of a venerable but, to present day eyes, substantially irrelevant western Protestant patriarchy, by steady degrees opening out into the world at large, duly turning from the North and the West to the South and the East, looking up from the ranks of the clergy to the crowds of the laity, from men in the mass to women in growing numbers. These days the Founding Fathers are duly acknowledged, but we keep them firmly in their place. We inherit a narrative of progress, an evolution of a kind, and we delight in later images, not earlier ones, because they come closer to a representation of our own ideals. The purpose of this article is to question this perspective and to suggest why it will not quite do. Firstly, it risks undervaluing the breadth of experience and vision which those founding fathers possessed, often at great cost; secondly, it overestimates what was achieved by subsequent generations and flatters at least a few of the self-serving agendas of present powers. The early history of the World Council of Churches is largely one that shows how its participants inhabited, or made the best of, at least three essential dilemmas: how to bear the burdens of a particular inheritance of idealistic vision and practical endeavour which had now culminated in a fulfilling and even brilliant moment of creation; how to approach the task of actual construction; how actually to live and work in a distinctive new context. All of this may appear obvious and self-explanatory. In truth, these different dimensions proved to be anything but straightforward on their own terms and achieving a successful integration of them could prove taxing, even disturbing. To make a success of the new organization now inevitably called upon a particular fusion of ideas and practical forms. The energy to fire such labours was above all to be found in what might be called the appeal to eloquence which the new ecumenical movement now made.

The moment of creation and the appeal to eloquence The ‘moment’ came in Geneva, that bastion of internationalism, in February 1946. It was both a crowning moment and an inauguration, for this venture had been the work of a generation and the culmination of years of patient, often difficult and frustrated, labour across several movements: the World Student Christian Federation, the World Alliance for the Promotion of Friendship between the Churches, the Life and Work and Faith and Order movements, the International Missionary Council. More than this, the eager participants at Geneva had emerged from years of war and danger – blinking into the new daylight of a world in which international peace, however compromised by new confrontations, was an established fact. As they scrutinized each other in Geneva now, no doubt wondering how each had altered and aged in the tumult that had gone before, they must have known that

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this moment was unlike any other. For this was a generation wrought by a particularly intense, even desperate, experience of the world. It is not difficult to sense how these men must have felt the more profoundly bound to one another by that solidarity which can only be known to those whose calamities have been shared and whose hopes are now suddenly free to prosper. All of these experiences and aspirations were bound together in a great act of worship in St Peter’s Cathedral: “The vast church was overcrowded. The organ filled the great space with joyful sound. A long and colourful procession filed up the nave slowly. Men who had wondered whether they would ever see each other again walked side by side.”2

And here, too, was a disclosure of future methods: a careful division of tasks and sharing of burdens. The New Testament lesson was read in Greek by Archbishop Germanos, the prayers of intercession by the Archbishop of Canterbury, Geoffrey Fisher, and the Swiss theologian, Alphons Koechlin. There was not one sermon, but three: by Chester Miao from China (in English), the Norwegian Bishop Berggrav (in German) and the German Martin Niemöller (in French).3 But the question now was what they should actually build on such a foundation as this? Two years later at the first General Assembly at Amsterdam, the second section which reported to the Assembly pronounced, “Now, not to-morrow, is the time to act. God does not wait for us to be perfect; He is willing to use very imperfect instruments. What matters is that the instrument should be available for His use”4. What resources now lay to hand? Christians often apprehend the exceptionalism of church life and insist that it is at any time something quite distinct from everything else going on around it. However this may be, the birth of the World Council was recognisable to a far wider constituency as an expression of a broad post-war reconstruction of Europe which touched churches because they were a part of a civil order in need of revival. It also showed a bold internationalism which would also found the United Nations Organization and the creation of new international instruments for economic revival. An acknowledgement of this made many exciting things possible, not least patronage. The World Council needed investors and they did not come in the form of archbishops and superintendents. They came from the ranks of the laity. Much of what was constructed now owed much to the American philanthropist, John D. Rockefeller, who gave over $1 million to the new organization in 1945, half of which created the Ecumenical Study Centre at Bossey5 and the other half of 2 3 4 5

Visser ’t Hooft, Memoirs, 196. Ibid. Idem, First Assembly, 70. For an eloquent survey of the history of Bossey cf. Weber, Laboratory. Cf. also Weber’s earlier book: Weber, Courage.

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which was committed to the cause of church aid and reconstruction in Europe. In 1955 Rockefeller made a further donation of $260,000 for international study.6 The chapel at the office of the organization continues to commemorate, quite rightly, the families who found in its creation a cause worthy of generous investment.

Authority and language When he published his memoirs some twenty-five years later, Visser ’t Hooft remembered the sermon which Bishop Berggrav preached at St Peter’s Cathedral in February 1946. Berggrav looked back on years of silence enforced by the divisions and privations of war and found: “[…] we have lived together more closely during these five years than we did when we could communicate with the outside world. We have prayed together much more, we have listened together much more to God’s word, our hearts have been alongside one another […] Christ has said to us during the war : ‘My Christians, you are one.’”7

Was something of this quality now lost in the new methods which freedom granted? In September 1948 the first Assembly of the WCC took place in Amsterdam. By now the ecumenists had established firmly that their essential currency was the word, mounting up in correspondence, conversations, declarations, lectures, sermons, pronouncements of all kinds. If unity could be achieved in words it would be realized in its essential form. It is hardly surprising that the ecumenical movement would soon be known not in narrative histories but simply in an evolving canon of literature presented rather dutifully in a succession of anthologies.8 After Amsterdam the bluffly pragmatic Archbishop of Canterbury, Geoffrey Fisher, remarked, “that the total number of words spoken at the Assembly must be something like the numbers which indicate the distance between the earth and the farthest stars”.9 Was this praise? Fisher was not much of a man of words. He preferred to get things that would be valued by practical people done. The language of these early years was, of course, superbly confident. The rhetoric of post-war ecumenism was not hedged about by equivocations and doubts, or the need to throw a wary eye towards another faith or constituency. These men and women talked of the Church as though they really did have a vision of what that was. There was apparently little question as to what must be done, and little doubt that it could be achieved. It was possible to identify 6 7 8 9

Cf. Jasper, George Bell, 319. Visser ’t Hooft, Memoirs, 195. Cf., for example, Bell, Documents on Christian Unity. Visser ’t Hooft, First Assembly, 7.

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“common beliefs and common problems”10 and it was possible to match them with language which might be generalized but which was at least vigorous and invigorating. It was uplifting to explore “God’s design”, to speak of “truth”, to point the way to “renewal”.11 World Mission was still a robust dimension of ecumenical understanding. Most church leaders in western countries still maintained that Christianity provided the historical foundation and continuing character of their particular societies without thinking such a view anything other than obvious. When the immense second general Assembly of the WCC took place at Evanston in 1954, taking Christian hope as its theme, a janitor was heard to remark drily, and perhaps wearily, “They sure is givin’ hope a good goin’ over!”12 The consequent volume of reports bore the title “Evanston Speaks”.13 But by Evanston few ecumenists could have many illusions about what happens when theologians set to work on a single word. Hope might have sounded innocuous enough. It proved to be anything but. Within weeks of setting a course the ecumenists ran straight into a frowning brick wall of eschatology and then into a dispute about the significance of Israel. Post-war ecumenists might continue to look to language to frame a clear view of the church and of the world but they soon realized that it was exactly when church people began to analyse a word that they fell out with each other. In short, the very instrument of coherence presented, almost at once, the reality of incoherence. The danger now was not only that ecumenism would strand itself on a difficult foundation and trap itself in a particular method, but that it might even disappear into its own convolutions and leave the rest of the churches – and the rest of the world – behind altogether. It would require a good deal of sage leadership to steer the WCC safely through the opportunities of rhetoric and the liabilities, too. At large, it would be seen that if the authority of the council was derived from a language that was recognisable across the churches, the loss in authority in such language would mean a loss in the authority of the institution itself. This was not too greatly to be feared in the first decade. But it would catch up with the Council soon after.

Authority and construction When he wrote about the Genesis and Formation of the World Council, Visser ’t Hooft also knew that the organization had needed an architect. Although he 10 Ibid., 53 [Report of Section 1]. 11 Cf. all the volumes prepared for the Amsterdam and Evanston General Assemblies: Man’s Disorder ; Ehrenstorm/Dusen, Surveys. 12 Jasper, George Bell, 336. 13 Evanston Speaks.

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did not say so, nobody could claim so large a credit for this as Visser ’t Hooft himself. The WCC certainly was a construction. But creating a working constitution was by no means any more straightforward here than it would be in the world of secular politics. There had to be a definition of functions, a division of interests, a drawing of lines. This is inevitably a taxing business and careful symmetries created on paper rarely correspond neatly with the untidiness of human experience. But here was confidence in forms too. This was, after all, a council.14 To the founding fathers a council was a formidable thing. Much in these terms had been inherited from earlier movements and their assorted practices. It was assumed that the natural vehicle for progress was the holding of a conference. A stable organization needed to be defined by departments – at first, it was Reconstruction and Youth and the creation of an enduring commission on International Affairs. There was a Central Committee (of 90, meeting annually) which appointed an Executive Committee (of 12, meeting twice-yearly). Periodic General Assemblies would become not only rallies of a kind (at least 1,300 came to Evanston), but decision-making bodies visibly anchored in the support of the constituents who had sent delegates. The Central and Executive Committees became crucial, seeking to steer the movement in between the assemblies, discussing, devising, engineering, responding to the world at large. The new WCC was not merely accountable to its own particularities. It sought to anchor itself responsibly in the life and work of the member churches. It needed to be representative. The construction of representation is always a problem. Who to represent might not turn out to be the same thing as how many? Being uncomfortable with the idea of popular elections, by and large, those who were found to lead the Churches in 1948 tended to think of the represent of kinds rather than numbers. And the churches brought problems of their own to the question. Some churches were episcopal. Some of these elected bishops but most got them in other ways. Most of the member churches were congregational, and this might mean all kinds of different things for Baptists or for Methodists. Almost all were churches of clergy and laity. Who was to say who represented whom? Even if the World Council constructed its understandings of representation assiduously within its own quarters it still rested on an assumption that it was largely for those who led the individual churches themselves to work out how they produced their own delegates. Sometimes they could be nudged, but not much more. If a particular candidate, buried in one confession or country, appealed to the ecumenists but not to the leaders of a particular church they were, quite simply, not going to enlist them because those leaders would deny that they actually represented anything. In short, the World Council might well find that its life and work 14 According to Visser ’t Hooft, it was the American Samuel McCrea Cavert who ventured the term. Cf. Visser ’t Hooft, Genesis, 87.

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rested not so much on the visible and open representation of Christian people at large as on the private, patched-up deals of church oligarchies, and usually clerical ones. Perhaps there was no way around this problem. But it would affect fundamentally the extent to which the Council would live and thrive in the imagination of men and women across the breadth of the churches. Within this the presence of the laity was a particular issue of concern. The founding fathers looked to a matching of clergy and laity and even devised a proper ratio for numbers. The new ecumenical institute at Bossey – a further gift from Rockefeller – was, in the eyes of Bishop Bell, to be a place for Christian laity to meet and discuss their experiences.15 There was certainly much talk of the laity at Amsterdam and Evanston, and some attempt to enlist the services of ecumenically-minded scholars who could bring life and rigour to the ecumenical cause. This would not last. Arguably, over time the clergy colonized the WCC and the laity receded from view. A committed involvement of the laity brought – as it always had – the presence of women. In this theme the patriarchy was far from uninterested. The pantheon of these early years included the likes of Ruth Rouse (like Visser ’t Hooft drawn from the ranks of the World Student Christian Federation), Kathleen Bliss, Suzanne de Di¦trich and Sarah Chakko. They, like the patriarchs, remain the most luminous names of the movement across its broad history. In 1948 there was some agitation over the idea of a single President of the Council. But how could one person embody such a vast enterprise as this? The upshot was another collective entity, a presiduum of six with a further (honorary) President – John R. Mott – to boot. This debate threw up a further dilemma: should there be a representation simply of confessions or of physical geography? This virtually created two rival schools of thought.16 The controversy is a revealing one because it shows a distinction between a culture of twentieth-century internationalism and a more emphatically church-based view of the ecumenical vision which would, in time, arguably concede far more to the attitudes and priorities of existing church leaders. Inevitably, the dimensions of history, confession and geography intertwined. The ‘younger’ churches were those of the southern hemisphere. The committed internationalist, Visser ’t Hooft, certainly did look to the latter. A hectic attempt to secure a visible presence for Chinese Christianity produced a fair amount of last-minute comedy.17 The Central Committee became a roving committee, showing a presence in certain places in order to achieve a visibility there and to demonstrate that Indians were as important to the movement as Germans or Americans. 1950 found it meeting in Toronto (Canada) and 1953 in Lucknow (India). 15 Cf. Bell, Kingship. 16 As acknowledged by Visser ’t Hooft, Genesis, 61 f. 17 As recounted wrily by Idem, Memoirs, 212.

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Those who created the WCC could have had few hopes that the body would, at first, attract the Roman Catholic Church. In 1954 Bishop Bell wrote bleakly of the “refusal” of Rome.18 Quite simply, the Vatican found the whole enterprise flawed by faulty ecclesiology. The persevering labours of the Secretariat for Promoting Christian Unity would only begin under Pope John XXIII in 1960 and soon find their place within the new world of Vatican II.19 No official Catholic observers were present at Amsterdam or Evanston but five official observers would go to New Delhi in 1961. But to many ecumenists the greatest challenge lay squarely to the East. An engagement with Orthodoxy was crucial if the new Council were to establish firmly the claims it ventured on paper. Long, even surreptitious, efforts to connect with the remaining leaders of the Russian Orthodox Church inside the Soviet Union had come to nothing beyond a succession of oddities and confusions – and now eastern Europe and much of central Europe too lay in the Soviet orbit. The Hungarian church was at first lost to the ecumenical cause and only slid back into view by degrees and on heavy terms. The new World Council was determined not to concede even to such realties as these. It wanted the Russian Church on board. What it got, in New Delhi in 1961, certainly appeared an impressive step forward – but it would bring profound liabilities, too. Official Orthodoxy was Soviet Orthodoxy. At the same time, the World Council had no interest in maintaining the ecclesiastical hegemony of the old Europe and it owed far too great a debt to the international missionary movement not to look promptly to the young, southern churches. When he wrote his memoirs Visser ’t Hooft made explicit this sense of the narrative argument of the Council: it was concerned with the “mobilization” of the churches that lay outside the first council.20 The first decade was defined above all by the determination to make the council truly a World body. The decision to hold the third General Assembly in New Delhi became, in Visser ’t Hooft’s eyes, “a symbol that we had to become less Western and more truly universal”21. By now, the World Council could begin to claim that it had almost come of age. Perhaps it had, in the representation of some levels of confession and some sense of geography at least.

18 Cf. Bell, Kingship, chapter 8. 19 For a good taste of the new thinking, its opportunities and its limits, cf. Bea, Unity. 20 Accordingly, at the third General Assembly in New Delhi Visser ’t Hooft declared: “we live in the day of general ecumenical mobilization” (Visser ’t Hooft, Memoirs, 309) while a subsequent chapter bore the title, “The ecumenical mobilization of the Roman Catholic Church” (ibid., 319 – 339). 21 Ibid., 309.

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Politics and the power of context For the Founding Fathers the experience of the Second World War was formative and its shadow would take at least a decade or more to wane. It made still more intense a vivid conviction that the ecumenical movement offered a method to Christian men and women who wished to do something useful in the world. Reconstruction was the word on the lips of the post-war powers and it was widely acknowledged, both within the churches and without, that religion had a defining place within the reconstruction of societies broken by conflict. “If you are a Christian”, declared George Bell, “you must not only be your brother’s keeper in the sense of refusing to commit the sin of murder which Cain committed; you must save your brother ; you must do everything possible to meet all his needs.”22 And, like Visser ’t Hooft, Bell saw that the world of politics presented the Christian not with a secondary but a primary obligation. Much was accomplished. The Founding Fathers acknowledged that the wider realm of public life, Christian or not, mattered fundamentally. When the first meeting of the Central Committee took place in Bell’s own Chichester, in July 1949, the bishop saw to it that local civic authorities played their part as hosts. Apparently the visitors were surprised to find themselves in such company at all.23 That was revealing. Meanwhile, Visser ’t Hooft was proud of the interest which Princess Wilhelmina took in the new Council: she became, in a fashion, not only a steadfast friend of the movement but an ally, too.24 Inevitably, showing that ecumenism claimed a place in the public forum also threw up dangers. President Eisenhower appeared at Evanston and proved characteristically gracious. But some were left to wonder if this all came too close to placing the Council firmly in the hands of American power in the context of the Cold War? More happily, when the Secretary General of the United Nations, Dag Hammarskjöld, made a speech it showed a clear sharing of interests. Hammarskjöld had known the Søderblom family and Visser ’t Hooft regarded him as, “in a sense a member of the family”25. Indeed, the WCC of Visser ’t Hooft and the UNO of Hammarskjöld had much in common, for both affirmed the ideals of an ethical internationalism. What became of this?

22 “If Thine Enemy Hunger”, a broadcast of 3. 3. 1946, to be found in Bell, Church, 247. Here Bell was talking of famine in Germany, but also of famine in India. 23 Cf. Jasper, George Bell, 325. 24 “I must speak of a prominent lay woman who had no formal relation to the World Council, but was passionately interested in its purposes […] From 1950 until her death in 1962 she sent out a stream of messages, letters or brochures about the urgency of the cause of Christian unity.” (Visser ’t Hooft, Memoirs, 353.) 25 Ibid., 251.

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It was, above all, the force of the Cold War which now counted.26 Caught hopelessly in this relentless deepening of the gulf fixed between East and West the churches were simply not free to establish their own parallel narratives alongside it. They were utterly caught up in a new paradigm defined by confrontation and dictatorship and one haunted by the new, bleak prognostications of an age of nuclear weapons. From this there would be no escape. Political crises tumbled into view almost by the week. These could unite, but they could also divide. They could show the relevance of the World Council to a world in travail, but also show cruelly the limits of its influence. Already, when the Central Committee met at Toronto in 1950, the agenda was full of the defence of religious liberty, the emergence of official racial discrimination in South Africa and the outbreak of war in Korea. The last of these provoked the first resignation from the Presiduum.27 Meanwhile, the retreat from empire threw up another landscape of costly change. As a Dutchman, Visser ’t Hooft found himself in the very thick of mounting controversies in Indonesia. But de-colonization could also find a ready, positive echo in the churches. For many sensed that the work of western missionaries was now effectively done and that the “new” churches must find their own leaders and their own place in the great ecumenical opportunity. In such a way the idea of a World Council of Churches matched the mood and the need of the day.

Legacies Post-war ecumenism thrived on a vivid rhetoric and a purposeful, practical sense of construction. A new conference or committee meeting in a new country with newly enrolled members was the very definition of progress. This early history of the WCC was a catalogue of such achievements. Ecumenism had come of age in a world which knew how to recognize its claims of internationalism and the essential virtues of its character. It was a lucid and eloquent expression of its age. This is not to say that there were no doubts. By the time of Evanston the criticisms were indeed mounting. The bishop of London, Henry Campbell, grumbled that this General Assembly had been the work of German theology, American money and Dutch bureaucracy.28 Visser ’t Hooft did not much care for this, but, even if it is allowed, a historian may still be impressed by the combination of formidable forces. And what is more important is that such things were put to work vigorously on behalf of a bold idea and a wide constituency. 26 For the available overviews in English cf. Chadwick, Church; Kirby, Religion. But scholarship in this area is still gathering momentum. 27 This was Dr T. C. Chao, who resigned “as a patriotic Chinese”. Cf. Jasper, George Bell, 328. 28 Cf. Visser ’t Hooft, Memoirs, 252.

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The integrity of the WCC lay in its power to show itself to be rooted in the many landscapes and lives of the Christian church across the world. Here, too, anxieties were soon felt. In October 1953 George Bell could remark, “What worries me is the almost complete lack of any organisation for getting the World Council into the mind of the Church of England”29. Did this ever happen? If not, did the responsibility lie with the WCC as a distinct organization or with those who would now attend its meeting on behalf of their particular churches but seldom bring such affairs to the attention of those men and women they were purportedly representing? Hopes of a greater representation of the laity were never fulfilled and what was achieved here was most conspicuous when it came to the representation of younger churches. Yet across the twentieth century ecumenism had generally thrived as a largely, if not predominantly, lay culture. Now the concession to the clergy was a very heavy one indeed. In this the ecumenists arguably compromised a genuine opportunity to draw into their movement some of the striking intellectual and cultural currents of their day. This would involve far greater dangers when it came to the representation of churches which endured in conditions of dictatorship. By the late Cold War Christian dissidents in the countries of the Eastern Bloc were alleging vehemently that in merely embracing the official leaders of their churches the World Council had compromised the loyalty it might well have owed to them.30 It is easier, perhaps, to build than to maintain. Once the vivid moment of inauguration had passed and the appeal to eloquence had faded the task of embodying the unity of the worldwide churches passed into new hands. How they fared must be the story of other contributors to this volume. In the meantime, it would surely be a mistake to view the founding fathers and mothers of the World Council of Churches as figures too rigidly defined by generational, confessional or geographical categories. Their vision was a bold, broad and often brilliant one, and it still impresses. They had not merely inhabited a world of church services, meetings and committees; they were a part of their world at large. They possessed tremendous weight, character, experience and courage. Moreover, they worked extraordinarily hard at their task. They remain the essential prophets and pioneers of the ecumenical vision, not only because they founded so much that was worthwhile but because they showed what richness it might yet realize. Moreover, there was a powerful generosity at work in what they achieved, for it was not merely for themselves. Visser ’t Hooft and George Bell were certainly oligarchs in their fashion, but often the oligarchies which they created were open, not closed, and they remained restlessly insistent that the ecumenical venture was something worth bequeathing to a following generation. Without all of this the vision and labours of a WCC could all too soon dwindle to little more than an 29 Jasper, George Bell, 331. 30 For a committed exploration of this theme cf. Garstecki, Ökumene.

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increasingly uncertain rhetoric, a dismal filling of confessional categories and a certain amount of ecclesiastical careerism – and all of this exciting only the sporadic attentions of denominational authorities which no longer even felt deeply the offence of their divisions.

Bibliography Bea, Augustin Cardinal: The Unity of Christians. Ed. by Bernard Leeming SJ. London 1963. Bell, George K. A.: Documents on Christian Unity (Oxford 1924, 1930, 1948, 1958). –: The Church and Humanity, 1939 – 1946. London 1946. –: The Kingship of Christ. Harmondsworth 1954. Chadwick, Owen: The Christian Church in the Cold War. London 1993. Ehrenstorm, Henry and Nils/Dusen, Henry (ed.): Six Ecumenical Surveys: Preparatory Material for the Second Assembly of the World Council of Churches, Northwestern University, Evanston, Illinois. London 1954. Evanston Speaks: Reports from the Second Assembly of the World Council of Churches August 15 – 31, 1954. London 1954. Garstecki, Joachim (ed.): Die Ökumene und der Widerstand gegen Diktaturen: Nationalsozialismus und Kommunismus als Herausforderung an die Kirchen Ökumene und Widerstand. Berlin 2007. Jasper, Ronald C.D.: George Bell: Bishop of Chichester. Oxford 1967. Kirby, Dianne (ed.): Religion and the Cold War. London 2002. Man’s Disorder and God’s Design: The Amsterdam Assembly Series. 5 Vols, prepared under the auspices of the World Council of Churches. London 1949. Rouse, Ruth/Neill, Stephen (ed.): 1517 – 1948 (A History of the Ecumenical Movement, vol. 1). London 1954; 21967. Visser ’t Hooft, Willem A.: Memoirs. London 1973. – (ed.): The First Assembly of the World Council of Churches held at Amsterdam August 22–September 4, 1948. London 1949. –: The Genesis and Formation of the World Council of Churches. Geneva 1982. Weber, Hans-Ruedi: A Laboratory for Ecumenical Life: The Story of Bossey 1946 – 1996. Geneva 1996. –: The Courage to Live. A Biography of Suzanne de Di¦trich. Geneva 1995.

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1968 und die Ökumene Die Vollversammlung des ÖRK in Uppsala als Beginn einer neuen Ära?

Das Jahr 1968 gilt in der Zeitgeschichtsschreibung als das Jahr des globalen Protests und der Revolten, aber auch als das Jahr der Zerschlagung von Hoffnungen und Utopien. Es war in erster Linie das Jahr der Studentenproteste. Von Paris, Berlin und Frankfurt über Mexiko-Stadt bis Tokio gingen junge Menschen auf die Straße und protestierten gegen jede Form von Autorität und Macht, angefangen von der Kritik am „Establishment“ der Universitäten mit nationalsozialistischer Vergangenheit über die amerikanische Invasion in Vietnam bis zu patriarchalen Strukturen in Familie und Gesellschaft.1 1968 bewegte die Welt aber auch das neue sozialistische Experiment in der Tschechoslowakei. Ab Anfang des Jahres 1968 kam es dort unter dem Reformkommunisten Alexander Dubcˇek zu einem Kurswechsel innerhalb der Kommunistischen Partei. Mit seiner Vision von einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ versuchte Dubcˇek in seinem Land ein Reform- und Demokratisierungsprogramm durchzusetzen. Doch die Zerschlagung des „Prager Frühlings“ durch den Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts am 21. August 1968 in Prag zerstörte alle Hoffnungen auf eine demokratische Gesellschaft und einen demokratischen Sozialismus. Für Wut und Enttäuschung sorgte außerdem auch die Ermordung des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King am 4. April 1968, der wichtigsten Integrationsfigur des gewaltfreien Protests der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die gegen die gesetzlich verankerte Diskriminierung von Schwarzen in den USAvorging. Mitten in diesem Jahr der Revolten und des Aufbruchs fand auch die vierte Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Uppsala vom 4. bis 20. Juli 1968 statt. Diese Vollversammlung wird bis heute insbesondere von früheren Protagonisten als Meilenstein und zugleich Wendepunkt in der Geschichte des ÖRK erinnert.2 Selbst der in Uppsala amtierende 1 Einen Überblick über das Thema bietet Frei, Jugendrevolte. Leider wird das Buch seinem Anspruch nicht gerecht, 1968 aus wirklich globaler Perspektive zu betrachten, da es die Ereignisse in Ländern des Südens, z. B. Lateinamerika, nicht erwähnt. Weitere globalgeschichtliche Darstellungen: Kastner/Mayer, Weltwende; Gassert, Geschichtswissenschaft. Zu den Entwicklungen in Lateinamerika vgl. Huffschmidt/Rauchecker, Kontinent. 2 Vgl. Sjollema, Rassismus, 260; ähnlich: Moltmann, Botschaft. Dass dem Jahr 1968 in der ökumenischen Geschichtsschreibung eine herausragende Rolle zugewiesen wird, belegt u. a. auch die Periodisierung der Geschichte der ökumenischen Bewegung, vgl. History, Bd. 2 (1948 – 1968) und Bd. 3 (1968 – 2000).

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Generalsekretär des ÖRK, Eugene Carson Blake, bezeichnete die Vollversammlung schon ein Jahr später als „Ende einer Ära der ökumenischen Bewegung“3 und als den Beginn einer neuen Epoche des ÖRK. Der vorliegende Beitrag nimmt diese Beobachtungen und Aussagen zum Anlass für eine umfassende Analyse der Vollversammlung in Uppsala. War Uppsala „das 1968“ der Kirchen? Wie spiegelten sich die das Jahr 1968 bewegenden Ereignisse in der Vollversammlung wider? Welche Themen wurden diskutiert und welche Konflikte brachen dabei auf ? Kurz: Was bewegte Uppsala tatsächlich und was ist historisierende Zuschreibung? Der Fülle von Veröffentlichungen, die zeitnah zur Vollversammlung entstanden sind,4 steht in der Zeitgeschichtsschreibung und Theologie nur eine äußerst geringe Anzahl an Publikationen gegenüber, die sich explizit mit der historischen Bedeutung der Vollversammlung für den ÖRK beschäftigen.5 Das Ziel dieses Beitrags ist es daher, eine umfassende Analyse der Vollversammlung vorzulegen, indem sie Uppsala in den Kontext des globalen politischen und ökumenischen Wandels der 1960er Jahre stellt. Zunächst wird die Zusammensetzung der Vollversammlung analysiert und dabei insbesondere die Spannungen zwischen Jugendteilnehmern und dem ,Establishment’ sowie die Repräsentation der ,Dritten Welt’6 in den Blick genommen. Im zweiten Teil wird die inhaltliche Arbeit der Vollversammlung anhand von Sektionsberichten und Vorträgen ausführlich dargestellt und daraus die Hauptthemen der Vollversammlung abgeleitet, um im Anschluss die Bedeutung des Leitmotivs „Erneuerung“ für die Vollversammlung zu reflektieren. Abschließend wird die zu Beginn aufgeworfene Frage diskutiert, ob und inwiefern Uppsala als Beginn einer neuen Ära zu verstehen ist.

3 Blake, Uppsala and Afterwards. In: History, Bd. 2, 417. Übersetzung: A. Schilling. 4 Neben einer Flut von Berichten und Kommentaren in Tages- und Wochenzeitungen, sowie in der kirchlichen Presse, sei hier auf drei einflussreiche Publikationen des deutschen Sprachraums verwiesen, die unmittelbar nach der Vollversammlung erschienen sind: Gollwitzer, Lazarus; Frieling, Uppsala; Beyerhaus, Versuchungsstunde. 5 Vgl. Frieling, Aufbrüche. Der Theologe und Ökumeniker Reinhard Frieling hatte bereits 1968 die Ergebnisse der Vollversammlung in einem kleinen Heftchen zusammengefasst (Frieling, Uppsala) und geht in seiner neuesten Zusammenfassung kaum über seine Erkenntnisse und Einsichten von 1968 hinaus. Der kirchliche Zeitgeschichtler Armin Boyens beschäftigt sich in seiner umfangreichen Studie zum ÖRK nur kurz mit der Vollversammlung in Uppsala und stellt diese nur selektiv dar (Boyens, Rat, 127 – 143). Der nordamerikanische Ethiker Ernest W. Lefever behandelt Uppsala insbesondere aus der Perspektive der Radikalisierung des ÖRK zwischen 1966 – 1968 und liefert ebenfalls ein einseitiges Bild der Vollversammlung (Lefever, Weltkirchenrat, 73 – 77). 6 Die Begriffe ,Dritte Welt‘ und ,junge Kirchen‘ werden im Folgenden in ihrer historischen Bedeutung ohne Anführungszeichen verwendet. Vgl. zur Definition und eingehenderen Begründung auch die Ausführungen in der Einführung von Kunter/Schilling in diesem Band.

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1. Die Zusammensetzung der Vollversammlung zwischen ,Establishment‘ und ,jungen Kirchen‘ Mit insgesamt 709 Delegierten7 war die Vollversammlung in Uppsala die größte ihrer Art seit der Gründung des ÖRK. Die Delegierten kamen aus insgesamt 223 Mitgliedskirchen; hinzu kamen 453 Berater, Befreundete Delegierte, Delegierte Beobachter, Beobachter und Jugendteilnehmer. Darüber hinaus nahmen an der Vollversammlung weitere 834 Personen in verschiedenen Positionen teil – als Gäste, Mitarbeiter des Stabs des ÖRK und Helfer (Stewards). Somit waren insgesamt rund 2.000 Menschen an der Arbeit der Vollversammlung beteiligt.8 Zusätzlich waren 750 Journalisten nach Uppsala gekommen.9 In der konstituierenden Sitzung bedauerten die Delegierten das Fehlen von Teilnehmern, die aus politischen Gründen nicht nach Uppsala reisen durften. Neben Delegierten aus China und Burma betraf dies auch zwei Bischöfe des Bundes der Evangelischen Kirchen der DDR: Gottfried Noth (Sachsen) und Friedrich-Wilhelm Krummacher (Pommern).10 Auch wenn der äußere Eindruck vermittelte, dass viele Menschen an der Vollversammlung partizipierten, so fällt in der Zusammensetzung der Delegierten jedoch die mangelnde Repräsentation von Frauen, Laien und jungen Menschen ins Auge. Nur 9 % der Delegierten waren Frauen, der Laienanteil betrug 25 %.11 Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellte dazu pointiert fest, „dass sich die Kirchen auf der Vollversammlung durch entscheidungsberechtigte Kirchenführer vertreten lassen, und das sind überwiegend ältere Männer und in erster Linie Bischöfe“12. Die Diskussion um die Beteiligung von Laien und Frauen in Führungspositionen des ÖRK spitzte sich in der Wahl der sechs Präsidenten des ÖRK zu. Einige Delegierte kritisierten, dass sich unter den Präsidenten ausschließlich ordinierte Männer befanden. Der Nominie7 Diese Zahl beruht auf eigenen Zählungen und weicht nur geringfügig von der Zahl des offiziellen Berichtbandes ab (704 Delegierte). Vgl. Norman Goodall, Einleitung. In: Bericht aus Uppsala, XIV). Zur ausführlichen Begründung der Abweichungen vgl. die Übersicht der Repräsentationsverhältnisse im Anhang dieses Bandes. 8 Die konkreten Zahlen der einzelnen Gruppen sind nachgewiesen in: „39. Bericht des Ausschusses für Beglaubigungsschreiben“. In: Bericht aus Uppsala, 154. 9 Vgl. Goodall, Einleitung. In: Bericht aus Uppsala, XV. 10 Vgl. „94. Schlussansprache des Vorsitzenden“. In: Bericht aus Uppsala, 285. Die Ausreisegenehmigung der beiden Bischöfe war „an die Bedingung gebunden gewesen, sich nicht als Mitglieder der Evangelischen Kirche Deutschlands, sondern als Angehörige der Landeskirchen der DDR bezeichnen zu lassen, obwohl die EKD nach wie vor alle Kirchen Deutschlands umfaßt“ (BStU, MfS H VA, Nr. 136, Blatt 000121). Vgl. die westdeutsche Presseberichterstattung: [Anonymus], Ausreiseverbot, 2; [Anonymus], Uppsala, 1. 11 Der Anteil von Frauen hatte sich um ein Drittel im Vergleich zu Neu-Delhi erhöht; vgl. eine Übersicht über den Frauen- und Laienanteil von Amsterdam bis Uppsala in: „67. Bericht des Ausschusses für Grundsatzfragen“. In: Bericht aus Uppsala, 199. 12 Odin, Kirchen, 1.

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rungsausschuss setzte dieser Kritik entgegen, dass es „nach sorgfältiger Erwägung aller anderen Faktoren […] nicht möglich gewesen sei, eine Frau in die Liste aufzunehmen“13. Als Reaktion darauf beantragten einige Delegierte die schwedische Pädagogin und Politikerin Birgit Rodhe, Vorsitzende der Sektion VI, in das Präsidium zu wählen. Sie sollte den hannoverschen Landesbischof Johannes Lilje ersetzen, der aufgrund seiner langjährigen ökumenischen Erfahrung und seiner seit 1948 bestehenden Mitgliedschaft im Zentralausschuss des ÖRK als einer von sechs Präsidenten nominiert worden war.14 Über den Antrag wurde abgestimmt: mit 339 zu 284 Stimmen setzte sich Lilje in einer „Kampfabstimmung“15 gegen die 52-jährige Schwedin durch. Das Präsidium bestand nun neben Lilje – für den die Wahl in das Präsidium des ÖRK den Höhepunkt seiner aktiven ökumenischen Lebensleistung dargestellt haben soll16 – aus Archimandrit German Timofejev der russisch-orthodoxen Kirche, dem methodistischen Pfarrer Dr. D. T. Niles (Ceylon), dem baptistischen Pfarrer Dr. Ernest A. Payne (Großbritannien), dem presbyterianischen Pfarrer Dr. John Coventry Smith (USA) sowie dem anglikanischen Bischof A. H. Zulu (Südafrika) (Abb. 1). Die Wahl des Präsidiums kommentierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung treffend: „Die Zusammensetzung des Präsidiums des Ökumenischen Rats aus lauter Pfarrern und lauter alten Männern ist ein Beweis, wie schwer es dem Ökumenischen Rat fällt, das selbst gestellte Motto zu erfüllen: ,Siehe, ich mache alles neu.‘“17

1.1 Jugendrevolte in Uppsala Auch im Blick auf die Partizipation von jungen Delegierten tat sich die Vollversammlung schwer : nur 28 von 704 Delegierten (4 %) waren jünger als 35 Jahre.18 Zwar nahmen darüber hinaus weitere 127 junge Menschen an der Arbeit der Vollversammlung teil, sie besaßen aber kein Stimmrecht.19 So 13 „35. Bericht des Nominierungsausschusses“. In: Bericht aus Uppsala, 148. Dabei handelte es sich um ein strukturelles Problem, das sich auch daran zeigte, dass sich im Nominierungsausschuss unter den 23 Mitgliedern nur eine Frau befand; vgl. „5. Berufung von Ausschüssen der Vollversammlung. D. Nominierungsausschuss“. In: Bericht aus Uppsala, 113. 14 Vgl. zu Liljes Kritik an der Vollversammlung seinen im Vorfeld in der Ökumenischen Rundschau veröffentlichten Kommentar: Lilje, Weltchristenheit. Im Anschluss an Uppsala wurden mehrere Beiträge von Lilje veröffentlicht, die sich mit jeweils unterschiedlicher Themensetzung der Vollversammlung widmeten: Ders., Kirche; Ders., Fortschritt. 15 Redaktion der Evangelischen Kommentare, Ökumene, 435. 16 So die Einschätzung von Siegmund, Bischof, 483 – 485. 17 Odin, Katholiken, 4. 18 35 % waren im Alter von 35 bis 50 Jahren, 38 % zwischen 50 und 60 Jahren und 22 % über 60 Jahre. Vgl. „67. Bericht des Ausschusses für Grundsatzfragen II“. In: Bericht aus Uppsala, 200. Insgesamt kommt der Bericht hier nur auf 99 %. 19 Vgl. „22. Satzungsänderung“. In: Bericht aus Uppsala, 126. Damit befanden sich die Ju-

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Abb. 1: Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968. Von links nach rechts: Lilje, Payne, Niles, Zulu, Smith. Auf dem Foto fehlt: Archimandrit German, AÖRK U445 – 05

waren beispielsweise die Jugendteilnehmer auch von der feierlichen Prozession von der Universität zum Dom, in dem der Eröffnungsgottesdienst stattfand, ausgeschlossen, da diese nur für Delegierte bestimmt war.20 Ein Großteil der Jugendteilnehmer entschied sich daher, auch nicht am Eröffnungsgottesdienst teilzunehmen: „This is heart-breaking for many of us, nevertheless we feel that it is for the church’s own good that the present injustices within are pointed out.“21 Stattdessen hielten zwei Studierende während des Gottesgendteilnehmer auf einer Stufe mit Beratern und Befreundeten Delegierten (Delegierte von Organisationen, mit denen der ÖRK verbunden war, die aber keinen Mitgliedsstatus im ÖRK hatten). 20 Vgl. „Zur Ehre Gottes“. In: Bericht aus Uppsala, 105 f. 21 Statement of youth participants on procession and worship, AÖRK 4232.084. Das Fehlen der

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dienstes ein „Teach-in“ vor dem Dom ab, in dem sie das kirchliche „Establishment“ und eine „überhebliche Kirche in einer verhungernden Welt“22 kritisierten und die umstehenden Menschen zur Diskussion herausforderten. Sie wurden daraufhin von der Polizei festgenommen und verhört.23 An diesem Beispiel zeigte sich die hohe Sensibilität der Polizei für protestierende junge Menschen im Jahr 1968, die auch kirchliche Veranstaltungen nicht ausschloss.24 Ebenso aufmerksam wie die Polizei verfolgte auch die Presse die studentischen Aktionen und interpretierte sie als Ausdruck des globalen Jugendprotests. So berichtete etwa die Neue Zürcher Zeitung über eine nächtliche Mahnwache („All night Vigil“), die von den Jugendteilnehmenden am Ende der Vollversammlung in der Nacht vom 18. auf den 19. Juli 1968 durchgeführt wurde und betitelte sie mit „Besetzung der Kathedrale von Uppsala“25. Aus den Quellen geht jedoch nicht hervor, dass es sich um eine Besetzung gehandelt hat, als vielmehr um ein „Sit-in“, zu dem nicht nur die Jugendteilnehmer, sondern alle Teilnehmenden der Vollversammlung eingeladen waren. Die Jugendteilnehmer brachten dort ihre Klage vor Gott, dass die Kirchen ihr Anliegen zur Erneuerung der Kirche verfehlten und verpflichteten sich, „to be God’s instruments in bringing to reality the truly important actions embedded in the reports which have been passed by this Assembly“26. Ein deutscher Jugendteilnehmer berichtete im Anschluss an die Vollversammlung, dass nur wenige nach dem Gottesdienst die Kirche verlassen hätten. „Diskutierend, singend, schweigend verbrachte die Mehrzahl der Gottesdienstbesucher den Rest der Nacht in der Kathedrale. Erst am Morgen trennte man sich im Bewusstsein, einen echt ökumenischen Gottesdienst im Namen des Herrn, im Gedenken der Vergessenen und Verlorenen, erfahren zu haben.“27

Die Neue Zürcher Zeitung meldete hingegen, dass die „Besetzung“ nach zwölf Stunden beendet gewesen sei und die Polizei nicht eingegriffen habe.28 In der mangelnden Repräsentation der Jugend und dem Missverhältnis von jungen und älteren Delegierten sahen die Jugendteilnehmer die Zukunft des ÖRK in Gefahr und forderten in einer an die Vollversammlung gerichteten Erklärung: „If the WCC wishes to survive, it is necessary that member churches include a ,fair and adequate‘ number of young people in their delegates.“29

22 23 24 25 26 27 28 29

jungen Menschen während des Gottesdienstes wurde auch von der Presse wahrgenommen: vgl. Odin, Kirchen, 1. Lenz, Neue, 170. Vgl. ebd.; Odin, Treffen, 4. Vgl. Boyens, Rat, 138 f. [Anonymus], Besetzung. All night vigil in the cathedral. In: Hot News, no. 8, 19. 7. 1968, AÖRK 4232.084. Lenz, Neue, 172. Vgl. [Anonymus], Besetzung. On behalf of Youth Participants. Plenary Business, Document no. 51, AÖRK 4232.084.

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Die Hauptkritik der Jugendteilnehmer fasste Elisabeth Adler, die viele Jahre in Genf als stellvertretende Generalsekretärin des Christlichen Weltstudentenbundes gearbeitet hatte und an der Vollversammlung als Beraterin aus der DDR teilnahm, folgendermaßen zusammen: „Sie [die Jugendteilnehmer] waren daran interessiert, daß Worte nicht Worte bleiben, sondern daß ihnen Taten der Buße und der Solidarität folgen würden. Wie vorsichtig und abgeschliffen war doch das meiste, was aus pointierten Voten in die beschlossenen Berichte gelangte, wie sehr waren die Teilnehmer der Vollversammlung durch bürgerliches Denken geprägt und daher zur Verteidigung bestehender Ordnungen geneigt.“30

Ein Forum des Austauschs und der Begegnung mit dem „Establishment“ war der „Club 68“, in dem die Jugendteilnehmer die ökumenischen Wortführer zu Diskussionen herausforderten, sowie das täglich – insbesondere von schwedischen Studenten – herausgegebene Nachrichtenblättchen „Hot News from Club 68 and WCC Fourth Assembly. An Independent Observer“.31 Doch obwohl die Jugendteilnehmer immer wieder versuchten, ihre eigenen Positionen stark zu machen, hatte ihre Stimme keinen sichtbaren Einfluss auf die Plenardebatten oder -entscheidungen und kam dabei über das defensive Motto „Little Brother is watching you“ – der Untertitel der „Hot News“ – kaum hinaus. Die Spannung zwischen den Jugendteilnehmern und dem kirchlichen „Establishment“ zeigte sich in besonders anschaulicher Weise beim Schlussgottesdienst, wo die Jugendteilnehmer mit Transparenten einzogen, die die Delegierten an ihre Beschlüsse erinnern sollten und die sie aufforderten, den Reden nun auch Taten folgen zu lassen (Abb. 2). Damit hatte die Jugendrevolte endgültig auch die Ökumene erreicht. 1.2 Die Repräsentation der Kirchen der Dritten Welt Auch hinsichtlich der Repräsentation junger Kirchen war die Vollversammlung in Uppsala nicht sehr ausgewogen aufgestellt: Zwar machten die Kirchen aus Afrika, Asien und Lateinamerika in Uppsala bereits die Hälfte aller ÖRKMitgliedskirchen aus, doch stellten sie nur ein Drittel der Delegierten dar.32 Die kontinuierlich steigende Zahl von Mitgliedskirchen der Dritten Welt wurde in Uppsala – entgegen der Entwicklung im Ökumenischen Rat der Kirchen33 – nicht eigens thematisiert, sondern vielmehr in den größeren Zu30 Adler, Hoffnung. 31 In den „Hot News“ wurde täglich das Programm des „Club 68“ veröffentlich, das eine Breite verschiedener Veranstaltungen anbot, von Diskussionen mit Referenten der Plenarvorträge und ranghohen Kirchenvertretern, bis zu Filmvorführungen und Liederabenden. Vgl. Youth participation in WCC Assemblies, AÖRK 4232.084. 32 Vgl. die Übersicht im Anhang. 33 Vgl. dazu den Einführungsbeitrag von Kunter/Schilling in diesem Band.

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Abb. 2: Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968. Proteste der Jugendteilnehmer, AÖRK TP0553 – 00

sammenhang des allgemeinen Wachstums der Mitgliedszahlen und des ökumenischen Wandels gestellt, zu der die Mitgliedschaft orthodoxer Kirchen ebenso beitrug, wie die engere Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Auch hier waren es die Jugendteilnehmer, die die mangelnde Repräsentation der Dritten Welt auf der Vollversammlung kritisierten und für eine stärkere Integration dieser Stimmen in die laufende ökumenische Arbeit plädierten. Ihre Kritik richtete sich insbesondere darauf, dass von den insgesamt 22 Ansprachen nur sechs von Vertretern der Dritten Welt gehalten wurden.34 Doch obwohl die Delegierten beschlossen hatten, „die Kirchen in Lateinamerika, Afrika, Asien und Ozeanien bei den Treffen unter der Führung des Ökumenischen Rates der Kirchen angemessener vertreten sein zu lassen“35 und sogar der Vorsitzende der Vollversammlung, Ernest A. Payne, in seiner Schlussansprache einräumte, dass Vertreter dieser Regionen „einen wichtigen, ja einen wesentlichen Beitrag zu unserem gemeinsamen Leben und

34 Vgl. On behalf of Youth Participants, AÖRK 4232.084. Ein Jugendteilnehmer drängte in einem Kommentar in dem Nachrichtenblatt „Hot News“ darauf, neben der Dritten Welt auch die „Vierte Welt“ im Auge zu behalten: „When you talk in terms of Younger Churches, or developing areas such as Africa, Asia and Latin America, please add in the PACIFIC.“ (S. A. Tuilovoni, Voice from the Fourth World. In: Hot News no. 8, 19. 7. 1968, AÖRK 4232.084.) 35 „67. Bericht des Ausschusses für Grundsatzfragen II“. In: Bericht aus Uppsala, 194.

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zum Verständnis des Evangeliums liefern [können]“36, spiegelte sich diese Erkenntnis nicht im Handeln der Vollversammlung wider.37

2. „Siehe, ich mache alles neu“: Anspruch und Wirklichkeit von Uppsala Mit dem Motto „Siehe, ich mache alles neu“ (Off. 21,5) stellte sich die Vollversammlung unter einen hohen Anspruch: Das biblische Leitwort stand für den ökumenischen Aufbruch der 1960er Jahre und stellte die Kirchen vor die Herausforderung der Erneuerung angesichts einer sich schnell verändernden und sich zunehmend globalisierenden Welt. Der griechisch-orthodoxe Patriarch Metropolit Ignatios Hazim von Latakia wies in seiner Ansprache zum Hauptthema der Vollversammlung darauf hin, dass die notwendige radikale Erneuerung der Kirchen nur durch das Wirken des Heiligen Geistes ermöglicht werde.38 Doch inwiefern konnte die Vollversammlung den hohen Anspruch ihres Mottos in die Wirklichkeit ökumenischer Arbeit umsetzen? Wie radikal war die Erneuerung der Kirchen wirklich, die von Uppsala ausging? Ein Blick in die Arbeit der insgesamt sechs Sektionen veranschaulicht die Fülle von Themen, mit denen sich die Delegierten auseinandersetzten, angefangen von der Einheit der Kirche, über Mission, Entwicklung und internationale Angelegenheiten bis hin zum Gottesdienst und der Frage nach alternativen Lebensstilen. Einzelne Themen wurden zusätzlich durch Plenarvorträge konkretisiert und daraus Empfehlungen für die Arbeit des ÖRK abgeleitet.

2.1 Die Arbeit und Themen der Sektionen Im Vergleich zur Vollversammlung in Neu-Delhi 1961 wurde die Anzahl der Sektionen in Uppsala von drei auf sechs verdoppelt. Die Sektionsgruppen kamen in jeweils halbtägigen Sitzungen zusammen und diskutierten die bereits vorliegenden Sektionsentwürfe, die im Januar 1968 erstellt worden 36 „94. Schlussansprache des Vorsitzenden“. In: Bericht aus Uppsala, 287. 37 Ein eindrückliches Beispiel dafür war die Kontroverse um die Zusammensetzung des Ausschusses, der für die Botschaft der Vollversammlung verantwortlich war. Der Antrag, den Ausschuss um einige Vertreter aus Asien, Afrika und Lateinamerika zu erweitern, wurde abgelehnt. Damit blieb es bei der ursprünglichen Besetzung, in der lediglich drei Vertreter aus Afrika (Südafrika), Asien (Indien) und Lateinamerika (Argentinien) zehn Vertretern aus Europa und Nordamerika gegenüberstanden. Vgl. „24. Ausschuss für die Botschaft der Vollversammlung“. In: Bericht aus Uppsala, 132 f. 38 Vgl. Metropolit Ignatios von Hazim von Latakia, Ansprache zum Hauptthema der Vollversammlung. In: Bericht aus Uppsala, 309 – 320.

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waren.39 Kritiker der Vollversammlung, wie etwa der deutsche evangelikale Theologe Peter Beyerhaus, warfen dem ÖRK daraufhin vor, dass die Berichtentwürfe von einer speziellen Gruppe des Mitarbeiterstabs vorbereitet worden waren, die dezidiert revolutionäre Interessen vertraten und dadurch die Vollversammlung steuern wollten.40 Die Sektion I „Der Heilige Geist und die Katholizität der Kirche“ knüpfte an die Vollversammlung in Neu-Delhi 1961 an, indem sie das dort verabschiedete Papier zur Einheit der Kirche aufgriff und um die pneumatologische Dimension erweiterte: Im Zentrum der Sektion I stand die Frage nach dem Wirken des Heiligen Geistes in Bezug auf die Einheit der Kirche.41 „Katholizität“ war das Stichwort, das der US-amerikanische Methodist J. Robert Nelson in seiner Einführung in die Sektionsarbeit folgendermaßen erklärte: „We are learning together today that the Catholicity must be regarded as a God-given possession of the Church, which gives the Church its distinct character, and also as a powerful presence of the Holy Spirit, which equips the members for their increasingly difficult mission in the world.“42

Damit deutete Nelson zwei Richtungen an, in der sich die Katholizität der Kirche zeige: zum einen im Ringen um die Einheit der ganzen Christen, zum anderen im Ringen um die Einheit der Menschheit. Die Vollversammlung begann in der Sektion I damit, das Verhältnis beider Pole zueinander zu bestimmen, und kam zu dem vorläufigen Schluss, dass die Einheit der gesamten Menschheit in Frage stünde, solange die Kirche keine innere Einheit demonstrieren könne. Zugespitzt formulierte der Sektionsbericht: „Die Kirche wagt es, von sich selbst als dem Zeichen der zukünftigen Einheit der Menschheit zu sprechen.“43 In diesem Sinne vollziehe sich die Einheit der Menschheit also zeichenhaft in der Einheit der Kirche, d. h. die Kirche werde zum Vorbild für die Welt, so der Sektionsbericht. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Kirche erst zu ihrer wahren Gestalt in der Begegnung mit der Welt komme. Das spannungsreiche Verhältnis zwischen der „Einheit der Kirche“ und der „Einheit der Menschheit“ war Ausdruck der Suche nach dem Ort und dem wirkungsvollen Handeln der Kirchen in der Welt und prägte die theologischen Diskussionen nach Uppsala entscheidend.44 39 Vgl. „Die Sektionsberichte“. In: Bericht aus Uppsala, 3. 40 Vgl. Beyerhaus, Versuchungsstunde, 28. 41 Für den Kontext dieses Sammelbandes prominente Mitglieder dieser Sektion waren u. a. Jos¦ M†guez Bonino (Argentinien) als Sekretär und Lukas Vischer (Schweiz) als Stabssekretär, sowie ˇ SSR), Johannes Lilje und Hermann Dietzfelbinger (Deutschland), AÖRK Josef Hrom‚dka (C 34.7/10.1 Uppsala Section 1. 42 Robert Nelson, Introduction to Section I, AÖRK 34.7/10.1. 43 „Die Sektionsberichte“. In: Bericht aus Uppsala, 15. Reinhard Frieling macht darauf aufmerksam, wie ähnlich diese Formulierung zur Aussage der Kirchenkonstitution des II. Vatikanischen Konzils war; vgl. Frieling, Aufbrüche, 179. 44 Das Thema wurde insbesondere von der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung

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Die Sektion II arbeitete zum Thema „Erneuerung in der Mission“.45 Dabei ging es um den missionarischen Auftrag der Kirche, der jetzt als eine radikale Erneuerung der Schöpfung gesehen wurde, die die Erneuerung des Menschen in all seinen Beziehungen einschließe. Das „neue Menschsein“46, wie in Jesus Christus bezeugt, sei jedoch nicht nur Ziel, sondern auch Gabe Gottes und befähige zur Teilnahme an der missionarischen Verkündigung und der Erneuerung menschlichen Zusammenlebens: „Das neue Leben befreit Menschen zur Gemeinschaft und befähigt sie, rassische, nationale, religiöse und andere Schranken zu durchbrechen, die die Einheit der Menschheit zerteilen.“47 In Anlehnung an den Studienbericht „Die missionarische Struktur der Gemeinde“ (1965)48 formulierte die Sektion, dass es die missionarische Aufgabe der Kirche sei, „Kirche für andere“49 zu sein und in dieser Rolle zur Überwindung von Konflikten beizutragen. Zugespitzt forderte der Sektionsbericht, dass sich die missionarische Kirche „auf die Seite der Armen, der Schutzlosen, der Mißbrauchten, der Vergessenen, der Gelangweilten“50 stellen müsse – eine Forderung, die nur wenige Jahre später durch die lateinamerikanische Befreiungstheologie gestützt wurde. Doch kam es genau an diesem Punkt zu heftigen Auseinandersetzungen in der Sektion, da evangelikale Missionstheologen in diesem Anspruch „eine gefährliche Verschiebung der missionarischen Grundausrichtung von der evangelistischen zur sozialrevolutionären Zielsetzung im ökumenischen Missionsverständnis“51 sahen. Diese Spannung zwischen „Evangelikalen“ und „Ökumenikern“ bestand innerhalb des ÖRK noch bis in die frühen 1970er Jahre, bis sich die evangelikalen Missionstheologen 1974 in der Lausanner Bewegung zusammenschlossen und damit ein eigenes missionstheologisches Forum gründeten. Die Sektion III verhandelte unter der Überschrift „Wirtschaftliche und soziale Weltentwicklung“ das zentrale Thema von Armut und Reichtum und wurde vom Vorsitzenden der Sektion, Jan M. Lochmann, folgerichtig als „Testfall der Vierten Vollversammlung“52 bezeichnet. Hinsichtlich der großen

45 46 47 48 49 50 51 52

behandelt: Vgl. Lange, Utopie; Raiser, Löwen. Vgl. zu diesem Thema auch die beiden Beiträge von Pedroso Mateus und Brown in diesem Band. An dieser Sektion waren neben Philip Potter als Stabssekretär u. a. Hendrikus Berkhof (Niederlande), Archimandrit German (UdSSR), Johannes Althausen (DDR) und Hans-Otto Wölber (Deutschland) beteiligt. „Angenommener Bericht der Sektion II“. In: Bericht aus Uppsala, 27. Ebd. Vgl. Kirche fìr andere. „Angenommener Bericht der Sektion II“. In: Bericht aus Uppsala, 29. Ebd., 32. Peter Beyerhaus, zit. n. Frieling, Weg, 85. „Einführung in den Entwurf“. In: Bericht aus Uppsala, 39. Diese Sektion galt daher auch als eine der bedeutendsten Sektionen der Vollversammlung und versammelte eine Reihe promiˇ SSR) als Vorsitzenden, nenter Ökumeniker unter sich. Dies waren neben Jan Milicˇ Lochmann (C M. M. Thomas (Indien) als Sekretär und Paul Abrecht (Schweiz) als Stabssekretär u. a. Samuel

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Spannungen zwischen der „entwickelten Welt“ und den „Entwicklungsländern“ definierte der französische Ökonom Andr¦ Philip in seinem Einführungsreferat die Aufgabe der Kirchen wie folgt: „Their duty is basically to present these questions clearly, to arouse public opinion in the rich countries, and to make people aware of the sacrifices which are necessary, and finally to enter into dialogue with all the people in the Third World which will result in an awareness of a world-wide civilisation.“53

Politische Anwaltschaft, die Schaffung eines globalen Bewusstseins über soziale und wirtschaftliche Missstände sowie der offene Dialog mit Menschen in der Dritten Welt seien Maßnahmen, die die Kirchen ergreifen müssten. Zusammengefasst wurde dies in dem Begriff der Entwicklung, worunter der Sektionsbericht einen „Prozeß der möglichen Förderung sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit, der Weltgemeinschaft und des gegenseitigen Kennenlernens“54 verstand. Die Sektion forderte die Kirchen dazu auf, bei ihren Regierungen darauf hinzuwirken, „daß 1 % des Bruttosozialproduktes der Industriestaaten den Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt wird“55. Auch einen gewichtigen Teil ihrer eigenen Einnahmen sollten die Kirchen der entwickelten Länder, zusätzlich zu den bisherigen Ausgaben im Bereich der Missions- und Programmarbeit, für Entwicklung zur Verfügung stellen, wobei jedoch keine Zahlen genannt wurden.56 Die Vision, die das kirchliche und politische Handeln leiten sollte, bezeichnete der indische Ökonom S. L. Parmar zugespitzt als „global vision of man and the human society“57. Hier lässt sich eine enge Verbindung zur Arbeit der Sektion I ausmachen, die die Einheit der Menschheit und Einheit der Kirche als aufeinander bezogen sah. Diesen Impuls aufnehmend, formulierte die Sektion III als Aufgabe des ÖRK, die Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche, wie bereits auf der SODEPAX-Konferenz für weltweite Zusammenarbeit in Entwicklungsfragen in Beirut 196858 gezeigt, zu stärken und gemeinsam für die Minderung von Rüstungsausgaben zugunsten der Entwicklung einzutreten. Zugleich wurde aber auch die stärkere Kooperation mit Unterorganisationen der UNO gefordert sowie die Einrichtung eines neuen erweiterten Entwicklungsdienstes

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Parmar (Indien), Martin Niemöller und Klaus Lefringhausen (Deutschland), Emilio Castro ˇ SSR) sowie Willem Visser ’t Hooft (Schweiz) als Berater. (Uruguay), Jaroslav Ondra (C Andr¦ Philip, Introduction – Section III, AÖRK 34.8/10.1. „Angenommener Bericht der Sektion III“. In: Bericht aus Uppsala, 51. Ebd., 48. Vgl. ebd., 54. Vgl. ebd., 53. S. L. Parmar, Section III – Introductory Statement to Plenary, AÖRK 34.8/10.4. SODEPAX war eine vom ÖRK und dem Vatikan gemeinsam eingerichtete Kommission über gesellschaftliche, Entwicklungs- und Friedensfragen von 1968 – 1980. Die Konferenz in Beirut gilt als konstituierende Konferenz. Vgl. Stransky, SODEPAX, 1055 f. Vgl. außerdem den Beitrag von Schilling (Lateinamerika) in diesem Band.

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angeregt.59 Doch auch als sich nach der Vollversammlung in Uppsala innerhalb des ÖRK ein Perspektivenwechsel anbahnte, in dem die Kirchen und Länder der Dritten Welt ihre Stimme im ÖRK hörbarer machen konnten,60 war der ÖRK von der von Parmar imaginierten globalen Vision der Menschheit, die auf politischer Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Gerechtigkeit fußte, noch weit entfernt. „War die dritte Sektion die interessanteste, so ging es in der vierten Sektion am turbulentesten zu.“61 Diese Feststellung der westdeutschen Kirchenzeitung Christ und Welt, der die Ergebnisse der Vollversammlung resümierte, traf insofern auf die Sektion IV zu, als sie sich primär mit Fragen von Krieg und Frieden beschäftigte – inmitten des Kalten Krieges.62 Unter dem Titel „Auf dem Wege zu Gerechtigkeit und Frieden in internationalen Angelegenheiten“ forderte der Sektionsbericht die Atommächte dezidiert zu einer „stufenweise[n] Abrüstung in allen Waffengattungen“63 auf und erneuerte die Selbstverpflichtung des ÖRK, weiterhin als Instrument des Friedens zu wirken. Ausführlich äußerte sich die Sektion außerdem zum Schutz der Menschenrechte und bezeichnete jede Form von Rassendiskriminierungen als „krasse Leugnung des christlichen Glaubens“64. Von der Notwendigkeit, als Kirchen zum Frieden beizutragen und Frieden zu erhalten, schienen alle Delegierten überzeugt: „Nichts davon schied die Gemüter. Was sie schied, war die Frage, ob Christen nicht weiter gehen sollten. Dabei handelte es sich nicht bloß um den Gegensatz zwischen Pazifisten und Nicht-Pazifisten; besonders die Jugend erwartete von den Kirchen, daß sie die Christen deutlich aufrufen sollten, sich der direkten Teilnahme an der Herstellung und Drohung des Gebrauchs atomarer oder anderer Massenvernichtungsmittel zu widersetzen.“65

Dahinter stand die Frage, inwiefern die Kirchen ihre theologischen Erkenntnisse „in einer ethisch verpflichtenden und politisch wirksamen Form“66 umsetzen könnten. Mehr denn je wurde die multilaterale Zusammenarbeit der Kirchen mit den Regierungen und der Kirchen untereinander sowohl auf internationaler als auch auf regionaler Ebene eingefordert mit dem Ziel der „Entwicklung einer wirklichen Weltgemeinschaft“67. 59 60 61 62 63 64 65 66 67

Vgl. „Angenommener Bericht der Sektion III“. In: Bericht aus Uppsala, 55. Vgl. K•ssmann, Vision, inbes. 122 – 172. Stubbe, Kluft, 14. Teilnehmende dieser Sektion unter dem Vorsitz von Ludwig Raiser (Deutschland) waren u. a. Richard von Weizsäcker und Helmut Gollwitzer (Deutschland), Bola Ige (Nigeria) sowie Alan Booth (Schweiz) als Stabssekretär. „Angenommener Bericht der Sektion IV“. In: Bericht aus Uppsala, 65. Ebd., 68. Paul Oestreicher, Stellungnahme. In: Bericht aus Uppsala, 75. Ebd. „Angenommener Bericht der Sektion IV“. In: Bericht aus Uppsala, 73.

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Während die Sektionen III und IV vorrangig auf die politische Ebene bezogen waren, wandten sich die beiden letzten Sektionen Vund VI wieder mehr theologischen und sozialen Themen zu. Die Überschrift des Berichts der Sektion V lautete schlicht „Gottesdienst“ – ein Thema das erstmalig auf einer Vollversammlung des ÖRK verhandelt wurde.68 Der ursprüngliche Titel „Gottesdienst in einem säkularen Zeitalter“ wurde aufgrund der Tatsache abgewiesen, dass er durch die inhaltliche Fokussierung auf das Thema Säkularisierung zu sehr die Perspektive westeuropäischer und nordamerikanischer Kirchen widerspiegelte. Asiatische Delegierte, in deren Ländern das Christentum eine Minderheit darstellte, sowie orthodoxe Delegierte kritisierten, dass der Berichtentwurf die Säkularisierung zur alleinigen Ursache für die Erneuerung der Liturgie und des gottesdienstlichen Lebens erhebe.69 Dementsprechend entwickelte sich der Sektionsbericht zu einem Paradebeispiel eines Konsensdokumentes, dass in weiten Teilen die Herausforderung durch die wachsende Säkularisierung zum Thema beibehielt, aber auch klar darauf verwies, dass der christliche Gottesdienst „auf die Kulturen der Welt bezogen sein“70 sollte. Der Sektion VI „Auf der Suche nach neuen Lebensstilen“ fiel die Aufgabe zu, alle anderen Sektionen auf ihre lebenspraktische Relevanz hin zu befragen.71 Die Vorsitzende der Sektion, Birgit Rodhe, beschrieb das Ziel der Sektionsarbeit in ihrer einführenden Rede wie folgt: „The special task of Section VI is […] to try to translate – and translate is a keyword here – the main theme and the more specialized concern of the other Sections into a simpler and clearer tune.“72

Die Sektion hielt der Vollversammlung also gewissermaßen einen Spiegel vor, indem sie die in Uppsala vorgebrachten Themen und Konflikte in den größeren gesellschaftlichen Zusammenhang stellte. So hielt die Sektion fest, dass sich die Lebenswelten der Generationen immer weiter voneinander entfernten, und forderte die Kirchen daher dazu auf, für die Versöhnung der Generationen einzutreten.73 Ein weiteres Thema war die Frage der Macht einer „privilegierten Minderheit“ in Europa und Nordamerika gegenüber einer „unterprivilegierten Mehrheit“ in den anderen Teilen der Welt. Ein christlicher Lebenstil müsse daran zu erkennen sein, dass er das Leiden anderer 68 Vertreter dieser Sektion waren u. a. John Meyendorff (USA) als Vorsitzender und Bischof A. H. Zulu (Südafrika) als einer der beiden stellvertretenden Vorsitzenden. 69 Vgl. David L. Edwards, Stellungnahme. In: Bericht aus Uppsala, 89 f. 70 Vgl. „Angenommener Bericht der Sektion V“. In: Bericht aus Uppsala, 85. 71 Teilnehmende dieser Sektion waren u. a. Birgit Rodhe (Schweden) als Vorsitzende, Kathleen Bliss (Großbritannien), Margaret Mead (USA) und Beyers Naud¦ (Südafrika). Diese kleine Auswahl von Personen zeigt bereits, dass die Sektion stark durch die Sicht von Frauen geprägt war. Es handelte sich um die einzige Sektion, die von einer Frau geleitet wurde. 72 Birgit Rodhe, Introduction to Section VI. Towards a new style of living, AÖRK 34.9/17.3. 73 Vgl. „Angenommener Bericht der Sektion VI“. In: Bericht aus Uppsala, 95 f.

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Menschen teile: „Ob wir reich oder arm sind: in der Solidarität mit den Benachteiligten findet unsere Existenz Richtung und Ziel.“74 Darüber hinaus thematisierte der Bericht das Zusammenleben von Menschen in Partnerschaften und Familie sowie im gemeinschaftlichen Leben. Insbesondere sprach er sich dafür aus, die Rechte von Frauen zu stärken und verurteilte „[e] tablierte Verhaltensformen in Kirche, Familie und Gesellschaft, die die vollen menschlichen Rechte der Frau leugnen“75. Die Botschaft der Sektion war damit eindeutig: Christen sollten bereit sein, einen neuen Lebensstil zu entwickeln, der nicht vom Verfassen von Dokumenten, sondern vom persönlichen Einsatz lebe: „[U]nd dazu gehört die Bereitschaft zur Neuordnung unserer Zeit, unserer Fähigkeiten und unseres Reichtums, vielleicht auch die Hingabe unseres Lebens um einer gerechteren und mitfühlenden Gesellschaft willen. Der, der alle Dinge neu macht, geht uns voran und hilft uns zu folgen.“76

Mit der Forderung nach der Erneuerung des christlichen Lebensstils fasste die Sektion die Einsichten der anderen Sektionen zusammen und konkretisierte dadurch auch das Hauptthema der Vollversammlung „Siehe, ich mache alles neu“.

2.2 Die großen Themen der Vollversammlung und ihre Wirkungen Vor dem Hintergrund der Arbeit in den Sektionen kristallisierten sich in Uppsala mehrere Themenbereiche heraus, die durch die umfassende mediale Berichterstattung auch in der Öffentlichkeit eine große Wirkung entfalteten. Dabei handelte es sich um die ökumenischen Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche, um das Problem des Rassismus und der Entwicklung sowie um die Haltung zu aktuellen politischen Konflikten. Diese Themen wurden vor allem durch Plenarvorträge in die Vollversammlung getragen und weckten dort große Hoffnungen in Bezug auf die Zukunft der Ökumene, sorgten aber auch für heftige Kontroversen.

Erneuerung des Verhältnisses der römisch-katholischen Kirche zum ÖRK Die New York Times erkannte in der Frage nach dem Verhältnis der römischkatholischen Kirche zum ÖRK „a major theme of the current Assembly“77. Als Vertreter der römisch-katholischen Kirche war der italienische Jesuitenpater 74 75 76 77

Ebd., 97. Ebd., 99. Vgl. „Angenommener Bericht der Sektion VI“. In: Bericht aus Uppsala, 101. Fiske, Papal Message, 4.

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Roberto Tucci nach Uppsala gekommen, der die Delegierten mit seiner Einschätzung beeindruckte, „daß die römische Kirche nichts so sehnlich wünscht, als die Beziehungen zu dem Rat […] immer lebendiger und enger zu gestalten“78. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil habe sich das Verhältnis zwischen Genf und Rom zu einer Partnerschaft entwickelt, die „für breite Kreise der katholischen Welt einen regelrechten Gesinnungsumschwung“79 darstelle. Folge man den Aussagen des Zweiten Vatikanums, so würde sich Tucci zufolge die Wiederherstellung der Einheit durch eine „,Rückkehr‘ der von Rom getrennten Brüder“80 verbieten. Das Ziel der Kirchen müsse es sein, dynamisch und gemeinsam nach der Einheit der Kirche zu streben. Daran anknüpfend stellte Tucci auch die brisante Frage, ob die römisch-katholische Kirche eines Tages Mitglied im ÖRK werden könnte: „Wir sind der Ansicht, daß man die Frage nicht übergehen darf und den Mut aufbringen müßte, schon jetzt in aller Nüchternheit die Vor- und Nachteile der Mitgliedschaft der katholischen Kirche zu untersuchen.“81

Sogar Papst Paul VI. ließ in seiner Botschaft an die Vollversammlung – wenngleich in gedämpfterem und diplomatischem Ton – keinen Zweifel aufkommen, dass die ökumenischen Beziehungen gestärkt werden müssten: Die Anwesenheit von 15 Delegierten Beobachtern bekräftige das Anliegen, so der Papst in seiner Botschaft an die Vollversammlung, „die bereits zwischen dem Ökumenischen Rat und der Katholischen Kirche bestehende Zusammenarbeit fortzusetzen und auszuweiten“; die Beobachter seien „Ausdruck des lebhaften Interesses, das wir an ihrer Vollversammlung nehmen“82. Ausgehend von dieser klaren Haltung schien es für die Öffentlichkeit nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die römisch-katholische Kirche offiziell Mitglied im ÖRK würde. Doch dazu kam es nicht. Zwar arbeiteten seit Uppsala Vertreter der römisch-katholischen Kirche in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung mit, und auch bei SODEPAX arbeitete der Vatikan mit dem ÖRK weiterhin zusammen. Doch bereits der Papstbesuch von Paul VI. am 10. Juni 1969 im ÖRK machte deutlich, dass sich zwar der ÖRK zu einem ernstzunehmenden Gegenüber des Vatikans entwickelt hatte, dass aber an die Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche in unmittelbarer Zukunft nicht zu denken war.83

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Tucci, Bewegung, 347. Ebd., 342. Vgl. ebd., 345. Ebd., 348. Botschaft des Papstes an den Herrn Vorsitzenden der vierten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen. In: Bericht aus Uppsala, 423. 83 Vgl. Kinnamon, Movement, 73.

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Umdenken in der Entwicklungsfrage Eine Woche nach der Eröffnung der Vollversammlung wies die Neue Zürcher Zeitung in einem Bericht auf ein sich wandelndes Interesse während der Vollversammlung hin, wonach die Auseinandersetzung um die Beziehung zur römisch-katholischen Kirche hinter den „uneingeschränkten Enthusiasmus für alles, was ,die‘ Entwicklungsländer betrifft“84, zurückgetreten sei. Tonangebend waren zwei Vorträge unter der Überschrift „Reiche und arme Nationen“, die von Kenneth Kaunda, dem 1964 gewählten ersten Präsidenten Sambias, und der britischen Ökonomin Barbara Ward85 gehalten wurden. Kenneth Kaunda führte der Vollversammlung die anhaltende Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den Industrienationen vor Augen, die größtenteils auf der kolonialen Vergangenheit, aber auch auf der Steigerung von ausländischem Privatkapital beruhte. Das von der UNO ausgerufene Entwicklungsjahrzehnt bezeichnete er als „Jahrzehnt der Enttäuschung und Desillusionierung“86, da sich in dem Abhängigkeitsverhältnis von Entwicklungsländern und entwickelten Ländern nichts verändert habe. Er drängte darauf, „Vorurteile und Zynismus gegenüber den jungen Entwicklungsnationen“87 abzubauen und betonte, dass nur durch internationale Zusammenarbeit die Situation in der Welt verbessert werden könne. Die Verantwortung und Verpflichtung internationaler Organisationen sei es, insbesondere multilaterale Hilfsprogramme zu fördern. Auch die Kirchen müssten auf den „Wendepunkt in der Geschichte der menschlichen Entwicklung“ reagieren und dafür sorgen, dass sich ihr Tun auf die ganze Menschheit auswirke: „Das erfordert eine neue und globale Schau des Menschen und des Menschengeschlechts. […] Es geht zuallererst darum, eine Welt zu errichten, in der jeder Mann, jede Frau und jedes Kind ohne Ansehen der Person das Recht haben und ausüben, ein menschenwürdiges Leben zu führen, frei von Knechtschaft, Bedrückung und Ausbeutung, die von Mitmenschen ausgeübt wird.“88

Während Kaunda seine Hoffnung insbesondere auf den positiven Einfluss internationaler Organisationen richtete – und dadurch implizit auch den ÖRK dazu aufrief, seine globale Verantwortung stärker wahrzunehmen – war die Rede von der britischen Ökonomin Barbara Ward primär an die „westliche Welt“ adressiert. Sie mahnte die Selbstbezogenheit der Industrieländer an und forderte, dass „die großen Verpflichtungen der Gesellschaft, die zu einem 84 Hg. [Unbekannter Verfasser]: Uppsala, 3. 85 Barbara Ward war auch unter dem Namen „Lady Jackson“ bekannt. Dieser Spitzname ging auf ihre Ehe mit Sir Robert Jackson zurück, der 1956 von Queen Elizabeth zum Ritter geschlagen worden war. Vgl. Gartlan, Barbara Ward, 86. 86 Kaunda, Nationen. 87 Ebd., 24. 88 Ebd., 30 f.

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gewissen Grade innerhalb unserer Länder erfolgreich waren, über unsere Grenzen hinausgehen“89 müssten. Dass dies nicht getan werde, liege an der Einstellung der reichen Länder gegenüber den armen begründet, die in dem Anderen einen Fremden sähen, „weil er nicht so ist wie wir“90. Ward machte in ihrem Vortrag deutlich, dass es sich hierbei um eine Haltung des NichtWollens handele, der sie eine „ganz klare Möglichkeit des Handelns“91 gegenüberstellte: Ihre Forderung lautete, dass die Industrienationen 1 % des Brutto-Sozialprodukts als Abgabe im Sinne einer Weltsteuer leisten sollten – ein Drittel der Rate des jährlichen Wirtschaftswachstums.92 So wichtig Wards Vorschlag für die Aufklärung der „westlichen Welt“ war, blendete er jedoch das Problem aus, dass durch die verpflichtende Abgabe der Industrienationen die wirtschaftliche Abhängigkeit der Entwicklungsländer ausgeweitet werde. Doch dies war genau der Punkt, den Kenneth Kaunda in seinem Vortrag zuvor vehement kritisiert hatte. Damit standen sich zwei Positionen gegenüber, die nicht ohne weiteres miteinander vereint werden konnten. Gemeinsam war ihnen einzig die Erkenntnis, dass in Bezug auf die Entwicklungsproblematik ein Wandel im Denken und Handeln einsetzen müsse. Der ÖRK reagierte auf die umstrittene Haltung in der Entwicklungsfrage, wie sie sich in der Arbeit der Sektion III zeigte, indem er nicht nur das Mandat von SODPEAX verlängerte,93 sondern 1970 einen Kirchlichen Entwicklungsdienst (Commission on the Churches’ Participation in Development – CCPD) einrichtete, dessen Aufgabe es war, die Handlungsfelder und -möglichkeiten für die Entwicklungsarbeit der Kirchen aufzuzeigen und die Kirchen miteinander zu vernetzen.94 Befreiung von Rassismus Das Thema, das in der Rezeption bis in die Gegenwart am häufigsten mit der Vollversammlung in Uppsala zusammen gebracht wurde, war die Rassismusproblematik. Dies ist insofern überraschend, als die Empfehlung „regarding more substantial consideration of [the] race issue at the Assembly“95 erst wenige Wochen vor Beginn der Vollversammlung von einem ÖRK-internen Arbeitsausschusses unter der Leitung von Paul Abrecht in die Planungen für die Vollversammlung eingebracht worden war.96 Dieser Ausschuss 89 Ebd., 58. 90 Kaunda, Nationen, 59. 91 Vgl. ebd., 60; vgl. „Angenommener Bericht der Sektion III“. In: Bericht aus Uppsala, 48 und 54. 92 Vgl. Ward, Nationen, 60. 93 Vgl. „65. Bericht des Ausschusses für Grundsatzfragen I“. In: Bericht aus Uppsala, 187. 94 Vgl. Von Uppsala nach Nairobi, 159 – 174. Vgl. K•ssmann, Vision, 132 – 134. 95 Assembly speakers: Report and Recommendations of the Committee Appointed by S.E.G. (ohne Datum), AÖRK 34.22/6, 1. 96 Es kann davon ausgegangen werden, dass diese undatierte Empfehlung erst nach der Ermor-

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schlug vor, einerseits gezielt nach Rednern zu suchen, die aus der Perspektive der Betroffenheit sprechen könnten, wobei u. a. der Name des afroamerikanischen Schriftstellers James Baldwin fiel, der seine Teilnahme trotz der kurzfristigen Anfrage auch zusagte.97 Andererseits empfahl der Ausschuss, Änderungen im bereits festgelegten Programm der Vollversammlung mit dem Ziel vorzunehmen, „that the issue of race be dealt with in as many sections and committees as possible“98. Dieser Vorschlag wurde direkt umgesetzt, so dass das Thema Rassismus schließlich in allen Sektionen eine Rolle spielte.99 Die Brisanz des Rassismusthemas schien den Verantwortlichen in Genf im Vorfeld durchaus bewusst gewesen zu sein. So wurde Baldwin zwei Wochen vor der Vollversammlung prophezeit: „You can be sure that what you say at Uppsala will have an impact not only on the church leaders present, but on Christian thinking in many countries.“100 Baldwins flammende Rede entsprach dieser Hoffnung: Unter dem vorgegebenen Titel „Weißer Rassenhass oder Weltgemeinschaft“ berichtete er von seinen Erfahrungen als Schwarzer in einer dominant weißen Gesellschaft. Dabei identifizierte er „weiß“ mit der westlichchristlichen Kultur und wies auf die Verfehlungen der christlichen Kirche in Vergangenheit und Gegenwart: „Ein Teil des Dilemmas der christlichen Kirche ist tatsächlich, daß sie für die Macht optiert und ihre eigenen Grundprinzipien verleugnet hat, die Verantwortung nämlich für jeden lebendigen Menschen.“101

Dabei habe die Kirche den Kontakt zu sich selbst verloren. Es müsse ihr aber darum gehen, ihre Macht für die Menschen einzusetzen, indem sie helfe, die Strukturen in Südafrika zu ändern, den Tod eines zweiten Martin Luther Kings zu verhindern oder die amerikanische Regierung dazu zu zwingen, die Bombardierung Vietnams zu beenden. Die Kirche könne nur gerettet werden, wenn sie beginne, „die Revolution, die vor zweitausend Jahren von einem

97 98 99 100 101

dung M. L. Kings im April 1968 in die Planungen der Vollversammlung eingeflossen ist. King war mit dem ÖRK – insbesondere seit der Amtszeit von Eugene Carson Blake – eng verbunden und hatte bereits im Januar 1968 zugesagt, im Eröffnungsgottesdienst der Vollversammlung zu predigen; vgl. die Korrespondenz zwischen Eugene Carson Blake und Martin Luther King vom 13. 10. 1967 und 20. 11. 1967, AÖRK 42.11.08/2. Da Kings Name bei der Suche nach potientiellen Referenten zum Thema Rassismus nicht genannt wird, liegt der Schluss nahe, dass diese Empfehlung erst nach seinem Tod verfasst wurde und somit Kings Ermordung eine wesentliche Rolle dafür gespielt hat, das Thema des Rassismus noch nachträglich in die Arbeit der Vollversammlung zu integrieren. Vgl. Brief von Archie LeMone an Baldwin, 17. 6. 1968, AÖRK 34.22/6. Ebd. Vgl. Bericht aus Uppsala: Sektion I (15); Sektion II (27); Sektion III (51); Sektion IV (68); Sektion V (88); Sektion VI (97). Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die jeweilige Seitenzahl. Brief von Archie LeMone an Baldwin, 17. 6. 1968, AÖRK 34.22/6. Baldwin, Rassismus, 65.

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verrufenen jüdischen Verbrecher begonnen wurde“102 mit Menschen, die sich heute in einer ähnlichen Situation befinden, weiterzuführen. Auf diese anklagende und aufrüttelnde Rede reagierte die Vollversammlung mit einer „standing ovation“103 und veranlasste den ÖRK zu weiteren Schritten: Zwar wurde in Uppsala aufgrund mangelnder Vorbereitungszeit selbst keine Erklärung zum Rassismus verabschiedet, doch eine vom Ausschuss für Grundsatzfragen erarbeitete Resolution, die insbesondere die Rassendiskriminierungen in Südafrika verurteilte und die Solidarisierung mit dem südafrikanischen Volk im Kampf gegen Apartheid forderte. Die Kirchen sollten sich für ein umfassendes Embargo von Waffenexporten aussprechen und sich dafür einsetzen, den Kapitalfluss nach Südafrika auszusetzen.104 Diese Resolution wurde gemeinsam mit dem Bericht des Ausschusses für Kirche und Gesellschaft, der eine Empfehlung für ein Studien- und Aktionsprogramm zur Beseitigung des Rassismus ausgesprochen hatte, zur Klärung an den Zentralausschuss weitergeleitet.105 Dieser setzte auf seiner Tagung in Canterbury im August 1969 schließlich das „Programm zur Bekämpfung des Rassismus“ ein, das wie kein anderes Studien- und Aktionsprogramm des ÖRK bis in die 1980er Jahre hinein für Auseinandersetzungen zwischen der Genfer Zentrale und den Mitgliedskirchen sorgte und auch Konflikte innerhalb der Mitgliedskirchen evozierte.106 Neutrale Position in politischen Konflikten: Der Fall „Biafra“ Neben den drei Hauptthemen der Vollversammlung – den Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche, der Entwicklungsproblematik und dem Thema des Rassismus – beschäftigte sich die Vollversammlung auch mit verschiedenen politischen Konflikten und verabschiedete kontextspezifisch mehrere Stellungnahmen. Doch weder die „Resolution über Vietnam“ – von der Vollversammlung mit 20 Gegenstimmen und 30 Enthaltungen beschlossen – und der darin formulierte Appell an die USA zur Einstellung der Bombardierung Nordvietnams und Wiederherstellung des Friedens, noch die „Entschließung über den Nahen Osten“, in dem die Delegierten ihre Besorgnis über die angespannte politische Situation zum Ausdruck brachten, sorgten für nachhaltige Schlagzeilen. In deutschsprachigen Zeitungen stand vielmehr der aktuelle politische Konflikt in Nigeria107 im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dazu 102 103 104 105

Baldwin, Rassismus, 64. Fiske, Baldwin, 1. Vgl. Policy Reference Committee II, Document no. 11, AÖRK 34.7/8.10 Vgl. „83. Bericht des Ausschusses für Kirche und Gesellschaft“. In: Bericht aus Uppsala, 253 f.; „67. Bericht des Ausschusses für Grundsatzfragen II“. In: Bericht aus Uppsala, 201. 106 Vgl. die Beiträge von Meijers und Tripp in diesem Band. 107 Auslöser des politischen Konfliktes war die Unabhängigkeitserklärung der erdölreichen östlichen Region Nigerias vom Rest des Landes am 30. 5. 1967. Die nigerianische Regierung

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mag die Tatsache beigetragen haben, dass sich insbesondere die deutsche Delegation um eine Stellungnahme zum sog. Biafra-Konflikt einsetzte und bestrebt war, „nicht nur auf karitative, sondern auch auf eine politische Lösung des Konflikts in Nigeria/Biafra hinzuwirken“108. Die Abteilung für zwischenkirchliche Hilfe, Flüchtlings- und Weltdienst des ÖRK hatte seit Beginn der Krise in Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen bereits hohe finanzielle und materielle Mittel zu Verfügung gestellt und auch die Mitgliedskirchen aufgefordert, die Kirchen vor Ort zu unterstützen.109 Auf der Vollversammlung entfachte sich eine kontroverse Diskussion darüber, ob die Nothilfe auch eine politische Parteinahme einschließe. Die beiden Vertreter aus der Region, der nigerianische Rechtsanwalt und Menschenrechtsaktivist Bola Ige und Akanu Ibiam, ehemaliger Gouverneur von Ost-Nigeria/Biafra und ausscheidender ÖRK-Präsident, versuchten die Delegierten jeweils von ihrer Meinung zu überzeugen.110 Während Ibiam für die Anerkennung von Biafra warb und der Vollversammlung das Ausmaß der humanitären Katastrophe vor Augen führte, machte Bola Ige der Vollversammlung unmissverständlich deutlich, dass es der nigerianische Christenrat nicht dulden könne, wenn der Name „Biafra“ in einer Erklärung des ÖRK vorkäme: „Ich bitte im Namen Christi und der Christen in Nigeria, einschließlich derer, die leiden, sich darüber klar zu sein, daß eine Erklärung, die sich auf ,Biafra‘ bezieht, in Nigeria völlig unannehmbar ist.“111

Die Vollversammlung versuchte, beiden Seiten gerecht zu werden, indem sie zwei Erklärungen verabschiedete: die erste war eine karitative „Erklärung zur Nothilfe“, in der auf die Notwendigkeit aufmerksam gemacht wurde, „eine ständige und wirksame Luftbrücke einzurichten“112, die die Verteilung von Hilfsgütern (Medikamente, Lebensmittel, Material) sicherstelle. Die zweite Erklärung war eine politische Stellungnahme zum „Konflikt zwischen Nigeria und der früheren Ostregion“, die betonte, dass der ÖRK nicht für eine Seite Partei ergreifen wolle und könne – und demzufolge auch den Namen Biafra nicht verwenden werde. In der Erklärung drängten die Delegierten die politisch Verantwortlichen dazu, die Feindseligkeiten einzustellen, Verhandlun-

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erkannte die ausgerufene „Republik Biafra“ nicht an und entsandte am 6. 7. 1967 nigerianische Truppen in die Ostregion. Es begann ein blutiger Bürgerkrieg, dem eine Million Menschen zum Opfer fielen und der im Januar 1970 mit der Wiedereingliederung Biafras in den nigerianischen Staat endete. Vgl. Ahazuem, Perceptions, 15. Einen zeitgenössischen Bericht über die Ereignisse des Krieges aus Sicht Biafras veröffentlichte bereits 1969 der britische Journalist Forsyth, Story. Aus zeithistorischer Perspektive erforscht derzeit der Historiker Lasse Heerten die Geschichte des nigerianischen Bürgerkriegs: Vgl. Heerten, Biafra. Odin, Diakonisches Werk, 2; vgl. Ders., Weltkirchenrat, 4. Vgl. „40. Nigeria“. In: Bericht aus Uppsala, 156 f. Vgl. Oduyoye, Akanu Ibiam. Zit. n. „40. Nigeria“. In: Bericht aus Uppsala, 160. Ebd., 162.

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gen aufzunehmen und auf Frieden und Versöhnung hinzuarbeiten.113 Eine wirklich neutrale Position einzunehmen und diese gegenüber beiden Seiten zu verteidigen, blieb die schwierige Aufgabe des ÖRK bis zum Ende des Bürgerkriegs. „Siehe, ich mache alles neu“ war als Motto der Vollversammlung ambivalent: denn einerseits zielte das biblische Leitwort auf die eschatologische Verheißung und Hoffnung, dass es Gott selbst sei, der alle Dinge neu machen werde, und andererseits bemühten sich die Delegierten und Hauptredner darum, die ökumenische Erneuerung selbst anzustoßen, indem sie konfessionelle, kulturelle und rassische Grenzen zu überwinden suchten. Der hohe Anspruch der Kirchen, ein Zeichen für die Erneuerung der Welt zu setzen, äußerte sich vorrangig in kirchlichem Aktionismus, wie etwa der Einsetzung neuer Programme, wohingegen die ebenfalls im Motto implizierte Ich-Rede Gottes dahinter zurücktrat.

3. „Erneuerung“ als Leitmotiv der Vollversammlung Die Vollversammlung fand zwei Jahre nach der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 statt, einer internationalen Expertenkonferenz des ÖRK, die sich mit der Rolle und Verantwortung der Kirchen in einer Zeit sozialen und technischen Wandels beschäftigte. Theologen wie Richard Shaull aus Brasilien/USA und Heinz-Dietrich Wendland aus Deutschland hatten dort eine „Theologie der Revolution“ vertreten, d. h. die theologisch legitimierte Beteiligung von Christen an revolutionären gesellschaftlichen Umbrüchen und die Aufrichtung einer neuen sozialen Ordnung.114 Die Kirche war dieser Position zufolge Trägerin der revolutionären Veränderung und sollte sich – mit Worten von Wendland – „an die Spitze dieses ganzen Zuges zur Humanisierung der menschlichen Gesellschaft“115 setzen. Was blieb in Uppsala von diesem revolutionären Geist noch übrig? Nach Einschätzung des Theologen Reinhard Frieling, der die Ergebnisse von Uppsala sowohl bereits im Jahr 1968 als auch rückblickend als Zeitzeuge interpretiert hat, sprach die Vollversammlung „vorsichtiger als Genf 1966 von ,Erneuerung‘ statt von Revolution“116. Zwar ist seine Beobachtung richtig, dass das Stichwort Revolution eine untergeordnete Rolle für die Vollversammlung spielte, doch Frielings Interpretation, die Kirchen hätten sich zurückgenom113 114 115 116

Vgl. Bericht aus Uppsala, 164 f. Vgl. Shaull, Revolution; Wendland, Kirche; Feil/Weth, Diskussion. Wendland, Kirche, 89. Frieling, Ökumene, 62 (Hervorhebung – AS). Diese im Folgenden zu widerlegende These wiederholt Frieling in allen Beiträgen, in denen er über die Bedeutung von Uppsala schreibt: Vgl. u. a. ders., Weg, 84; ders., Aufbrüche, 178.

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men und seien „vorsichtiger“ geworden, bestätigen die Quellen nicht. Die Weltkonferenz in Genf thematisierte deutlich den revolutionären Wandel, an dem sich die Kirchen beteiligen sollten, ließ aber die Frage offen, wie sich dieser Wandel konkret auf das Leben der Kirchen auswirken könne. Dies war nun das Anliegen der Vollversammlung, die mit dem Leitmotiv der „Erneuerung“ die Diskussionen in Uppsala bestimmte – nicht vorsichtiger, sondern klärender und verpflichtender. Dabei lenkte die Vollversammlung einerseits den Blick auf die Notwendigkeit zur Erneuerung der Theologie und andererseits auf die Dringlichkeit der Erneuerung kirchlicher Strukturen – und verwies dabei auch auf die gebotene strukturelle Veränderung des ÖRK. 3.1 Erneuerung der Theologie Die Debatte um die Erneuerung des theologischen Grundverständnisses ökumenischen Handelns entzündete sich daran, dass insbesondere von evangelikaler Seite das starke Gewicht globaler politischer Themen in Uppsala kritisiert wurde. Vertreter dieser Position, wie etwa Peter Beyerhaus, befürchteten eine „Horizontalisierung des Evangeliums“117, d. h. die Reduzierung der Theologie auf sozialethische Themen und die Identifizierung von Evangelisierung mit Humanisierung. Dadurch verfehle die Kirche ihren eigentlichen missionarischen Auftrag und ihre vertikale Orientierung, d. h. das Angewiesensein des Menschen auf Gottes gnädige Zuwendung. Der ehemalige Generalsekretär des ÖRK, Visser ’t Hooft, reagierte auf diese Kritik in seinem Grundsatzreferat zum Auftrag der ökumenischen Bewegung, indem er bekräftigte, dass sich die beiden scheinbaren Gegensätze der vertikalen und der horizontalen Orientierung gegenseitig bedingten: „Ein Christentum, das seine vertikale Dimension verloren hat, hat ihr [sic!] Salz verloren und ist dann nicht nur in sich selbst fade und kraftlos, sondern auch für die Welt unnütz. Hingegen würde ein Christentum, das infolge einer Konzentration auf die vertikale Dimension seine Verantwortung für das Gemeinschaftsleben vernachlässigen würde, die Inkarnation verleugnen, die Liebe Gottes zur Welt, die sich in Christus dargestellt hat.“118

Die Erneuerung der ökumenischen Theologie bestand nach Visser ’t Hooft darin, dass die Kirchen ein „neues Verständnis der Menschheit“119 entwickeln müssten: In Christus habe Gott die Menschheit neu geschaffen und so sei die Kirche dazu aufgerufen, auch Zeugnis von der christlichen Hoffnung von der 117 Frieling, Ökumene, 62. Hier stießen auch unterschiedliche missionstheologische Konzepte aufeinander, die die Gleichsetzung von Humanisierung und Christianisierung befürchteten. Vgl. Beyerhaus, Humanisierung; Ders., Versuchungsstunde, 23 – 38 („Die antichristliche Bedrohung“). 118 Visser ’t hooft, Auftrag, 335. 119 Ebd., 336.

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Einheit der Menschheit abzulegen. Visser ’t Hooft rief daher die Kirchen dazu auf, die „klare biblische Lehre von der Einheit der Menschheit“ wieder zu entdecken, durch die sie „eine tragfähige Grundlage für einen neuen Zugang zum Problem der weltwirtschaftlichen Gerechtigkeit und eine bessere und überzeugendere Motivation für die Entwicklungshilfe“120 erlangen würden. Die Botschaft der Vollversammlung, die an alle Christen in der Welt gerichtet war, spitzte diese moderate Haltung noch um ein Vielfaches zu: „Im Vertrauen auf Gottes erneuernde Kraft rufen wir euch auf: Beteiligt euch an dieser Vorwegnahme des Reiches Gottes, und laßt heute schon etwas von der Neuschöpfung sichtbar werden, die Christus an seinem Tag vollenden wird.“121

Mit dieser Formulierung hatte der revolutionäre Geist, der zwei Jahre zuvor die Weltkonferenz in Genf geprägt hatte, nun auch die Vollversammlung in Uppsala erreicht: denn auch wenn hier von Erneuerung, und nicht von Revolution, die Rede war, zeigte sich die Entschlossenheit der Kirchen, sich als treibende Kraft für die Veränderung der Welt einzusetzen: durch die aktive Beteiligung an der Überwindung des Rassismus, die Sicherung der Menschenrechte und den Einsatz für Abrüstung. Der politische Theologe Jürgen Moltmann, der seit 1963 Mitglied in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung war, interpretierte die Botschaft von Uppsala rückblickend als „aktive Hoffnungsethik mit einer Vernunft als Veränderungswissen“, die die geschichtliche Gegenwart und die Zukunft der Geschichte „im Licht des eschatologischen Kommens“122 miteinander verband. Problematisch an dieser geschichtstheologischen Perspektive – die Moltmann auch 40 Jahre nach Uppsala noch teilte123 – ist jedoch, damals wie heute, die Vereinnahmung des Begriffs des Reiches Gottes und die dadurch entstehende Selbstüberschätzung menschlichen Handelns.

3.2 Strukturelle Erneuerung Doch nicht nur das theologische Denken, sondern auch die strukturelle Verfasstheit des ÖRK stand unter dem Einfluss der Erneuerung. Die Aufgabe der Vollversammlung, dem höchsten entscheidungsgebenden Gremium des ÖRK, 120 Ebd., 337. 121 Botschaft der Vierten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen. In: Bericht aus Uppsala, 1. 122 Moltmann, Botschaft, 48. Moltmann konnte aufgrund von Verpflichtungen an der Universität in Tübingen nicht an der Vollversammlung in Uppsala teilnehmen. Zusätzlich hatte er bereits zugesagt, den Hauptvortrag auf der Weltstudentenkonferenz zu halten, die vom 22.–31. 7. 1968 in Turku/Finnland stattfand, und die ihn ebenfalls dazu veranlasste, die Einladung nach Uppsala auszuschlagen. Vgl. ebd., 43 f. 123 Vgl. ebd., 44. Diese Sicht vertrat Jürgen Moltmann auch weiterhin im Gespräch mit der Verfasserin am 16. 3. 2011.

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bestand darin, strukturelle und programmatische Entscheidungen für die zukünftige ökumenische Arbeit zu fällen. In Uppsala wurde daher eine Vielzahl von wegweisenden Entscheidungen getroffen, die von der Vollversammlung angenommen und zur weiteren Implementierung in die Arbeit des ÖRK an den Zentralauschuss verwiesen wurde. Eine wichtige Aufgabe war es, „eine größere Untersuchung über die Strukturen des Rates durchzuführen“124, die bis zum 1. Januar 1972 abgeschlossen sein sollte. Die bedeutendste Veränderung, die vom Strukturausschuss erarbeitet und dann vom Zentralausschuss auf seiner Sitzung in Addis Abeba 1972 verabschiedet wurde, war die Umstellung der Abteilungen in drei Programmeinheiten, denen jeweils Untereinheiten zugeordnet waren. Daraus ergaben sich die neuen Programmeinheiten „Glauben und Zeugnis“, „Gerechtigkeit und Dienst“ sowie „Bildung und Erneuerung“.125 Die Einteilung in Programmeinheiten folgte dem Vorbild von „Units“ an Fakultäten und räumte der Vielfalt ökumenischer Studien- und Aktionsprogramme sowie der laufenden thematischen Arbeit durch eine kooperative Leitungsstruktur und flexiblere Teams mehr Spielraum ein.126 Neben dieser grundlegenden strukturellen Veränderung des ÖRK wurden nach der Vollversammlung zahlreiche neue Kommissionen, Programme und Studienprozesse ins Leben gerufen, die die Themen aus Uppsala vertieft behandeln sollten.127 Die größte Aufmerksamkeit kam dabei dem bereits genannten „Programm zur Bekämpfung des Rassismus“ zu. Weitere neu eingesetzte Studienprogramme beschäftigten sich insbesondere mit anthropologischen und sozialethischen Fragestellungen: die „Humanum Studies“128 und die beiden Studien zur „Zukunft von Mensch und Gesellschaft in einer wissenschaftlich-technischen Welt“ und „Gewalt, Gewaltfreiheit und der Kampf um soziale Gerechtigkeit“129. Außerdem wurde nach der Vollversammlung der Dialog mit Menschen anderen Glaubens intensiviert.130 Auf der Ebene der Kommissionen wurde im Anschluss an die Vollversammlung die Kommission für Kirchlichen Entwicklungsdienst (CCPD) eingerichtet.131 Ein weiteres neues Aufgabengebiet lag im Bildungssektor, wie bereits der Name der Programmeinheit III zeigte. Auf Empfehlung der Vollversammlung setzte der Zentralausschuss in Canterbury 1969 ein Büro für Bildungsfragen ein,

124 125 126 127 128 129 130 131

„65. Bericht des Ausschusses für Grundsatzfragen I“. In: Bericht aus Uppsala, 191. Vgl. Von Uppsala nach Nairobi, 49. Gespräch mit Konrad Raiser am 10. 11. 2010. Eine gute Übersicht über die Programm- und Untereinheiten bietet der Bericht Von Uppsala nach Nairobi, 9 – 13. Vgl. Jenkins, Humanum Studies. Vgl. Von Uppsala nach Nairobi, 123 – 138. Vgl. ebd., 111 – 122. Vgl. Von Uppsala nach Nairobi, 159 – 174.

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dessen Aufgabe es war, die Bildungsarbeit der Mitgliedskirchen zu unterstützen, und dem dafür zusätzlich ein Fonds zur Seite gestellt wurde.132 Diese hier nur kurz skizzierten strukturellen Veränderungen verdeutlichen, wie umfassend der ökumenische Erneuerungs- und Transformationsprozess im ÖRKwar und veranschaulichen, in welcher Weise die Forderungen aus den Diskussionen der Vollversammlung in die programmatische Arbeit des ÖRK integriert wurden.

4. Mythos Uppsala? In der Zusammenschau der Ereignisse und Ergebnisse der Vollversammlung kann die eingangs aufgeworfene Frage, ob Uppsala „das 1968“ der Kirchen war, nicht eindeutig beantwortet werden. Zwar hatten die Studentenproteste mit ihrer Kritik am „Establishment“ nun auch die weltweite Kirchengemeinschaft in Uppsala erreicht und sogar die Verurteilung des Rassismus war – nach dem Attentat auf Martin Luther King – eindringlich auf der Konferenz zu hören gewesen. Doch einen Wendepunkt markierte Uppsala deswegen nicht. Das „Ende der ökumenischen Ära“, das Blake mit der Vollversammlung gekommen sah, war schon weit vor Uppsala angebrochen: Bereits die dritte Vollversammlung des ÖRK in Neu-Delhi 1961 leitete durch den Zuwachs von jungen Kirchen und orthodoxen Kirchen einen ökumenischen Wandel ein, der in den folgenden Jahren dazu führte, dass sich der ÖRK zunehmend zu einer global agierenden und konfessionell weit verzweigten Institution veränderte, wobei dem Jahr 1966 eine katalysierende Funktion zugesprochen werden kann.133 Der griechisch-orthodoxe Theologe Nikos Nissiotis sah in der Vollversammlung ein neues Verständnis von Ökumenizität anbrechen, das maßgeblich von drei Faktoren bestimmt wurde: „1. die größere Teilnahme der Ostkirche – inzwischen die größte Mitgliedskirche des ÖRK –, die nun zum erstenmal auch zahlenmäßig als solche vertreten war ; 2. die volle und wesentliche Beteiligung der römisch-katholischen Kirche – obwohl noch nicht Mitgliedskirche; 3. die aktive Beteiligung und Kritik der Jugend.“134

So zutreffend diese Punkte waren, ließ dieses Verständnis von Ökumenizität einen wesentlichen Faktor außer Acht, der für den Begriff der oikoumene als der gesamten bewohnten Erde, und für den ökumenischen Wandel der 1960er und frühen 1970er Jahre entscheidend war : die jungen Kirchen, die die Arbeit des ÖRK seit Anfang der 1960er Jahre in erheblichem Maß beeinflussten und hinterfragten. Doch wie die Analyse der Sektionsberichte und Themen der 132 Vgl. ebd., 207 – 213; Ökumenischer Rat der Kirchen, Bildung. 133 Vgl. ausführlicher den einführenden Beitrag von Kunter/Schilling in diesem Band. 134 Nissiotis, Gedanken, 126.

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Vollversammlung zeigte, wurde die Dritte Welt in Uppsala nur insofern zum Gegenstand der Reflexion, als sie das Gewissen der westlichen Welt erschüttern sollte.135 Die jungen Kirchen traten dabei aber weder als kollektive Einheit auf, die sich gegen die westlichen Kirchen erhoben, noch fühlten sich diese durch die Beiträge von Vertretern der Dritten Welt in Frage gestellt. Ist Uppsala 1968 damit seines Mythos’ beraubt, die bis dahin einflussreichste Vollversammlung des ÖRK gewesen zu sein? Auch hier fällt die Beurteilung ambivalent aus, denn die Tatsache, dass nur eine Vollversammlung als solche richtungsweisende Entscheidungen des ÖRK treffen kann, die verbindlich umgesetzt werden müssen, weist auch der Vollversammlung in Uppsala ihre unwidersprochene Relevanz für den ökumenischen Wandel in den 1960er und frühen 1970er Jahren zu. Gleichzeitig trug auch die enorme mediale Berichterstattung in säkularen und kirchlichen Medien dazu bei, dass die Kirchen in der Öffentlichkeit als Einheit wahrgenommen wurden, die den Willen besaßen, die Welt zum Guten zu verändern. Doch sobald man die Fixierung auf das Jahr 1968 aufhebt, zeigt sich, dass Uppsala wenig grundlegend Neues anstieß. Daher lässt sich die Vollversammlung eher als Ventil denn als Auslöser für den programmatischen und strukturellen Wandel verstehen, der die ökumenische Arbeit schon seit Beginn der 1960er Jahre begleitete und ihr eine neue Richtung gab.

Quellen- und Literaturverzeichnis I. Unveröffentlichte Quellen a) archivalische Quellen Archiv des Ökumenischen Rates der Kirchen, Genf (AÖRK) AÖRK 34.7/8: Policy Reference Committee II (1968). AÖRK 34.7/10: Section I (1968). AÖRK 34.8/10: Section III (1968). AÖRK 34.9/17: Section VI (1968). AÖRK 34.22/6: Assembly speakers (1967 – 1968). AÖRK 42.11.08/2: Frequent correspondence. Visser ’t Hooft and E. C. Blake (1953 – 1970). Martin Luther King (1966 – 1970). AÖRK 4232.084: Youth participation in WCC Assemblies: Uppsala (1968).

135 Vgl. insbesondere die Reden von Kenneth Kaunda und James Baldwin.

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Behörde für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (BStU) Bestand MfS H VA, Nr. 136.

b) Abbildungsverzeichnis Archiv des Ökumenischen Rates der Kirchen, Genf (AÖRK) Abb. 1: AÖRK U445 – 05. Abb. 2: AÖRK TP0553 – 00.

c) mündliche Auskünfte Gespräch mit Konrad Raiser, 10. 11. 2010, Arnoldshain. Gespräch mit Jürgen Moltmann, 16. 3. 2011, Tübingen.

II. Veröffentlichte Quellen und Darstellungen Adler, Elisabeth: Die Hoffnung des großen Neuwerdens ergreifen! In: Neue Zeit vom 5. 6. 1969, Nr. 129, 6. Ahazuem, Jones O.: Perceptions: Biafra, Politics and the War. In: Axel HarneitSievers/Jones O. Ahazuem/Sydney Emezue (Hg.): A Social History of the Nigerian Civil War. Hamburg 1997, 15 – 45. [Anonymus]: Ausreiseverbot für Zonen-Bischöfe. In: Hamburger Abendblatt vom 18. 6. 1968, Nr. 139, 2. [Anonymus]: Besetzung der Kathedrale von Uppsala. In: Neue Zürcher Zeitung vom 21. 7. 1968, Nr. 442 (Fernausgabe Nr. 193), 3. [Anonymus]: Nicht nach Uppsala. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18. 6. 1968, Nr. 138, 1. Baldwin, James: Weißer Rassismus oder Weltgemeinschaft? In: Krìger : Kirche, 63 – 69. Bericht aus Uppsala 1968. Offizieller Bericht über die vierte Vollversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen, Uppsala 4.–20. 7. 1968. Hg. v. Norman Goodall. Dt. Ausgabe besorgt von Walter Müller-Römheld. Genf 1968. Beyerhaus, Peter : Die Versuchungsstunde des Ökumenischen Rates. Uppsala im Spiegel seines biblischen Leitwortes. Bad Liebenzell 1970. –: Humanisierung – einzige Hoffnung der Welt? Bad Salzuflen 1969. Blake, Eugene Carson: Uppsala and Afterwards. In: History Bd. 2, 411 – 445. Boyens, Armin: Ökumenischer Rat der Kirchen und Evangelische Kirche in Deutschland zwischen West und Ost. In: Gerhard Besier/Ders./Gerhard Lindemann (Hg.): Nationaler Protestantismus und Ökumenische Bewegung. Kirchliches Handeln im Kalten Krieg (1945 – 1990). Berlin 1999, 27 – 321.

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Nicolai Hannig

„Behold… All Things New“ Uppsala 1968 und die verfilmte Ökumene

Die vierte Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Uppsala 1968 fiel in eine Zeit medialen Wandels.1 Die Medien prägten Gesellschaft und Kultur stärker als je zuvor. Sie durchdrangen Alltagshandeln, Gespräche, Vorstellungen und Glaubenswelten. Große Teile der Wissensvermittlung gingen auf sie über, Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Raum verschwanden, gleichsam festigten die Medien ihre Rolle als gesellschaftlicher Beobachter. Das Fernsehen trat dabei als eine Art „nationale Sozialisierungsinstanz“ auf, ließ aber zeitgleich die politische Öffentlichkeit Europas stärker zusammenwachsen.2 Verantwortlich waren dafür in erster Linie internationale Rundfunkorganisationen wie die „Europäische Rundfunkunion“ (EBU), die zwar nur begrenzt ihr hohes Ziel einer europäischen Identitätsstiftung erreichen konnten. Der durch sie initiierte Nachrichtenund Bildmaterialaustausch sorgte allerdings dafür, dass sich Westeuropa zumindest visuell annäherte.3 Zudem war es durch die modernen Übertragungstechniken möglich, dass Fernsehzuschauer benachbarter Länder häufig die Programme angrenzender Staaten sahen, was zu einer erheblichen Durchmischung nationaler Medienkontexte führte.4 Währenddessen intensivierte sich auch der Medienkonsum. Mitte der 1960er Jahre waren circa neun von zehn westeuropäischen Haushalten mit Fernsehgeräten versorgt, die im Schnitt rund zwei Stunden täglich liefen.5 Das Fernsehen war damit in Westeuropa spätestens zum Ende der sechziger Jahre zum Massenmedium geworden, im Osten Europas folgte die Etablierung dann im Verlauf der achtziger Jahre. Die Kirchen trugen diesen Entwicklungen in vieler Hinsicht Rechnung, sowohl auf nationaler Ebene, wie auch – im Fall des ÖRK – auf internationaler Ebene. Sie mussten erkennen, dass die Vorstellungen von Religion und Kirche im Verlauf des 20. Jahrhunderts zunehmend von den Massenmedien geprägt wurden. Denn immer häufiger setzten sich Journalisten mit religiösen Fragen auseinander, erörterten den Stellenwert der Institution Kirche und schufen 1 Für wertvolle Hinweise insbesondere bei der Filmanalyse danke ich Victoria Mears und Benjamin Städter. 2 Vgl. Fickers, Europe, 401. 3 Vgl. Bçsch, Mediengeschichte, 221 f. 4 Vgl. Therborn, Gesellschaften, 233 – 235. 5 Vgl. Stumberger, Fernsehen, 118; Bösch, Mediengeschichte, 211 f.

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nicht zuletzt Erwartungshaltungen gegenüber Reformen.6 Die Kirchen reagierten darauf mit einer Medienpolitik, die früh auf die Entwicklung eigener Medienformate setzte.7 Kirchliche Nachrichtendienste, Presseerzeugnisse und Radioprogramme sowie filmische Produktionen zählten dabei zu den Eckpfeilern. Insbesondere die Filmarbeit blickt auf eine Tradition zurück, die bis in die 1920er Jahre reicht, seitdem ständig professionalisiert wurde und mittlerweile das gesamte Spektrum des Mediums ausreizt.8 Das kirchliche Repertoire reichte nunmehr von Spiel- und Kinofilmen über Serien und Magazine bis hin zu Dokumentationen. So entwickelte sich der Film rasch zu einer Schnittstelle, an der der Wunsch nach Anpassung an den medialen Wandel auf die Erprobung moderner Public Relations traf, selbstverantwortete Medienarbeit auf journalistische Beobachtung und physische auf mediale Realitäten.9 Der Dokumentarfilm „Behold… All Things New“, der anlässlich der vierten Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 von Radio Schweden produziert wurde, war ein Ausdruck genau dieses Spannungsfeldes. Er war kirchlicher Werbefilm und journalistische Dokumentation, Annäherungsund Abgrenzungsversuch zugleich. Daher sollen im Folgenden in einem ersten Schritt zunächst die Traditionen kirchlicher Medienarbeit vor dem Hintergrund der verstärkten Medialisierung des Religiösen im 20. Jahrhundert skizziert werden. In einem zweiten Schritt wird dann die Dokumentation zur ÖRK-Vollversammlung auf ihre Produktionsumstände, Erzähltechniken und visuelle Gestaltung befragt, um den Film so als Quelle für die Geschichte des Ökumenischen Rates und damit auch für die Geschichte der Globalisierung der Kirchen zugänglich zu machen.

1. Medien und Kirche im 20. Jahrhundert Seit der Entwicklung der modernen Massenpresse im ausgehenden 19. und des Rundfunks in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war das Verhältnis der Kirchen zu den Massenmedien ein ambivalentes: Die einen sahen in ihnen die Möglichkeit, kirchliche Botschaften an ein breites Publikum zu vermitteln. Die anderen glaubten in ihnen ein säkulares Machtinstrument zu erkennen, das seinen Konsumenten Wertvorstellungen vermittle, die nur schwerlich mit der christlichen Glaubenslehre vereinbar seien. Wenn also der offizielle Bericht über die vierte Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 eine ausführliche Erklärung über „Die Kirchen und die Medien der Massenkommunikation“ abdruckte, so ist sie doch keineswegs als eine neu ersonnene Leit6 7 8 9

Vgl. Hannig, Religion. Vgl. Kuchler, Kirche; Altmannsperger, Rundfunk; Gl•ssgen, Kirche; Schmolke, Presse. Vgl. Lyden, Companion; Meyer, Bekehrung; Schmitt, Kirche. Vgl. St•dter, Blicke.

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„Behold… All Things New“

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linie zu lesen.10 Vielmehr bündelte sie Debatten, die auf eine äußerst konfliktträchtige Vorgeschichte im Verhältnis von Medien und Kirche zurückblicken.11 Entzündet hatte sich die Diskussion insbesondere an der Einführung des Radios zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Kirchenvertreter in Europa und den USA begannen nahezu zeitgleich in genau diesem Spannungsfeld zwischen Chance und Verführung zu diskutieren. Denn das Radio erwies seine Massentauglichkeit im Vergleich zur Presse ungemein schnell. In Deutschland beispielsweise stiegen die Teilnehmerzahlen innerhalb eines halben Jahrzehnts rasant an: Ende 1925 registrierten Behörden rund eine Million angemeldeter Geräte, nur sieben Jahre später hatte sich die Teilnehmerzahl vervierfacht.12 Für die Kirchen schien es daher nahezu unumgänglich, auf diesen Medien-Boom zu reagieren, zumal es gerade auch in ihren Reihen zahlreiche Rundfunkpioniere gab, die schon sehr früh die Möglichkeiten des neuen Massenmediums erkannt hatten. Demzufolge bildeten sich in Deutschland schon im Verlauf der 1920er Jahre erste Arbeitsgemeinschaften der beiden christlichen Großkirchen, die mediale Handlungsspielräume diskutierten. Auf deutscher protestantischer Seite gingen die Initiativen von Seiten des Evangelischen Preßverbandes (EPD) und dem Propaganda–Dienst beim Central-Ausschuß (CA) für Innere Mission (IM) aus. Dabei blieben die Erörterungen jedoch nicht lange Theorie, sondern wurden zügig in die Praxis umgesetzt, hatte man doch eines bereits über das neue Massenmedium gelernt: Alles musste sehr schnell gehen. So bemühten sich die Kirchen auch in den meisten anderen westeuropäischen Staaten, wie etwa in England oder Schweden, um einen festen Platz in den Rundfunkgremien und -programmen. Zu groß erschien ihnen der Massenerfolg des Rundfunks, als dass man ihn hätte ignorieren können. Unter dem Leitsatz „Kontrolle durch Mitarbeit“ versuchten christliche Rundfunkpioniere wie Bernhard Marschall, Gründer und Leiter des Internationalen Katholischen Rundfunkbüros, oder August Hinderer, Direktor des EPD, daher einen selbst auferlegten Öffentlichkeits- und Bildungsauftrag sowie die eigenen rundfunkpolitischen Hegemonieansprüche in die Tat umzusetzen. Gegner der christlichen Rundfunkarbeit, die insbesondere in Deutschland nicht selten aus nationalistisch-antisemitischen Kreisen stammten, sahen im Einzug der christlichen Religion in den Rundfunk hingegen religiösen Individualismus und eine fehlgeleitete Verweltlichung des Heiligen.13 Damit lagen sie noch nicht einmal ganz falsch. Zweifelsohne hatten die Einrichtung des Radios und das private Hörverhalten durch die freie, nicht kontrollierbare Programmwahl Modernisierungs- und Individualisierungs10 11 12 13

Vgl. Die Kirchen und die Medien der Massenkommunikation. Vgl. Kuchler, Stuhl. Vgl. Dussel, Rundfunkgeschichte, 45. Von diesen Konflikten zeugen die Beiträge in Ernst/Marschall, Film. Vgl. dazu auch Schieder, Religion.

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tendenzen forciert. Die Inhalte der religiösen Hörfunkprogramme allerdings blieben doch weitgehend im Traditionellen verhaftet. Meist hielten Pfarrer und Theologieprofessoren missionarische Ansprachen in sonntäglichen Morgenfeiern oder produzierten christliche Bildungs- und Erbauungssendungen. Mit Journalismus hatten religiöse Hörfunk-Sendungen daher nur sehr wenig zu tun. Im Wesentlichen bestanden sie aus Verkündigungsbeiträgen, deren Trägerschaft fest in der Hand der Kirchen und Intendanz der jeweiligen regionalen Sendegesellschaft lag. Redner und Sendemanuskripte mussten sogar vor der Übertragung durch den Intendanten genehmigt werden, dem so eine Art Privileg zur Vorzensur des Programms zukam.14 Dennoch verurteilten kirchliche Kritiker immer wieder, dass der Rundfunk überhaupt am Sonntagmorgen auf Sendung gehen dürfe. Zumeist wiesen sie darauf hin, dass Rundfunksendungen, seien sie religiös oder unterhaltend, die Bereitschaft zum Gottesdienstbesuch beeinträchtigen könnten. Der Rundfunk dürfe keinesfalls als Ersatz für den Kirchenbesuch in Frage kommen. Deutsche Radiozeitschriften griffen diese Zwistigkeiten gerne satirisch auf und provozierten die Kirchen mit Karikaturen, die fromme Menschen beim Hören des Gottesdienstes im Bett zeichneten (Abb. 1).

Abb. 1: Rundfunk im Bett (1924)

Die Schlafmützigkeit des „Rundfunk-Kirchenbesuchers“, wie sie die Programmrundschau Der Deutsche Rundfunk 1924 bespöttelte, schien die traditionelle Form des Gottesdienstes zu entweihen. Bilder wie diese deuteten an, was viele Kirchenobere befürchteten: Jegliche Sakralität von kirchlichen Riten drohte durch ihre Rundfunkübertragung verloren zu gehen. Eine Profanierung des Wort Gottes durch den Rundfunk galt es – so die Kritiker – in jedem Fall zu verhindern. Daher waren sich deutsche Protestanten und Katholiken 14 Vgl. Bauer, Rundfunkarbeit.

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schnell einig, dass in christlichen Rundfunk-Morgenfeiern Kirchenmusik zwar erlaubt, Predigten allerdings zu untersagen seien.15 Diese meist kircheninternen Streitigkeiten zwischen Rundfunkeuphorie auf der einen und -gefahr auf der anderen Seite trübten jedoch den Blick auf den wohl wichtigsten Faktor in der Beziehung zwischen Kirche und Medien: nämlich die Rolle der Medien als säkularer Religionsdeuter. So war es den Kirchen sicherlich gelungen, neben ihrer festen Etablierung im Pressesektor auch im Bereich des Rundfunks Fuß zu fassen. Daneben entwickelte sich allerdings, insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, eine mediale Deutungskultur, die sich weitgehend unabhängig von den Kirchen und ihren Vertretern mit Fragen der Religion in der Moderne auseinandersetzte. In der Bundesrepublik Deutschland oder in England beispielsweise emanzipierten sich nämlich im Verlauf der 1950er und 60er Jahre die Rundfunkredakteure in den Kirchenabteilungen der großen Sender. Sie lösten sich aus der Vormundschaft kirchlicher Rundfunkbeauftragter und verantworteten immer häufiger religionsbezogene Sendung in Eigenregie.16 Die Medialisierung der Religion erhielt damit neben der kirchlichen eine zweite, eher säkulare Dimension. Das religiöse Feld erfuhr folglich einige markante Veränderungen. Zu den bedeutendsten zählt zweifelsohne die öffentliche Entkonfessionalisierung. Auch wenn die katholische Kirche mit ihrer visuellen Opulenz sicherlich häufiger Medienthema war als die evangelischen Kirchen,17 so verschwanden die Konfessionsgrenzen in der Öffentlichkeit als Folge der Medialisierung von Religion und Kirche dennoch allmählich. Noch im frühen 20. Jahrhundert bis weit in die 50er Jahre hinein kooperierten Journalisten häufig und eng mit den Kirchen und sorgten damit selbst für eine dichte Vernetzung von Kirche, Religion und Öffentlichkeit. Dem Religiösen schrieben sie dabei stets seinen traditionellen Ort in den Kirchen zu. Die Begriffe „Religion“ und „Kirche“ wurden zumeist als synonym gedacht. Religiosität schien nahezu untrennbar mit Kirchlichkeit verbunden. Im Verlauf der 1960er Jahre änderten sich diese Vorzeichen jedoch. In Westeuropa, insbesondere in Deutschland, erlebte die Demoskopie eine wahre Blütezeit.18 Repräsentativumfragen auch zu religiösen Einstellungen häuften sich.19 Die populären Medien hatten daran einen wichtigen Anteil, waren sie doch wiederholt Auftraggeber religionssoziologischer Erhebungen, die sie dann in Titelgeschichten ausbreiteten und interpretierten. Über zahlreiche Reportagen und Filme verliehen die modernen Massenmedien dem Glauben so eine demokratische Note. Denn die Stimme eines jeden Einzelnen und mit ihr individuelle Glaubensvorstellungen er15 16 17 18 19

Vgl. Diller, Rundfunk. Vgl. Hannig, Kirchenfunk. Vgl. Schlott, Medialisierung. Vgl. Kruke, Demoskopie. Vgl. Ziemann, Kirche.

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fuhren gegenüber kirchlicher Dogmatik eine enorme Stärkung. Die Gleichsetzung von „Kirche“ und „Religion“ hob sich damit in der Öffentlichkeit semantisch auf. Aus Kirche wurde Religion. Die Vollversammlung von Uppsala 1968 zollte dieser Entwicklung zumindest teilweise Tribut und diskutierte einen Bericht über Kirche und Massenmedien, der maßgeblich auf eine Gruppe von Redakteuren in Presse, Rundfunk und Fernsehen zurückging.20 Hauptverantwortlicher war Penry Jones, seinerzeit Direktor der religiösen Abteilung in der BBC. In dem Bericht schrieb die Kommission zwar von dem „nivellierenden Einfluss der Massenkommunikation“21 und dem allmählichen Verlust des kirchlichen Monopols innerhalb der gesellschaftlichen Kommunikation. Die erstarkende Deutungsmacht der Medien in Bezug auf religiöse Vorstellungen und Praktiken, kirchliche Verkündigung und Organisation blieb jedoch unterbelichtet. Lediglich allgemeine kommunikative Funktionen wurden angesprochen, wenn es etwa heißt, die „Kirchgänger sind dem Einfluß der Medien genauso unterworfen wie Nicht-Kirchgänger. In Europa hatten die Kirchen einst buchstäblich das Monopol in der gesellschaftlichen Kommunikation. Seit der Ausbreitung der Druckkunst ist diese Stellung allmählich unterhöhlt worden. Heute ist dieses Monopol endgültig gebrochen. Von der Kanzel kommt nicht länger die einzige maßgebende Stimme, die das öffentliche Leben lenkt und erklärt. Andere Autoritäten geben ihre Meinung über Geschmack und Moral ab. […] Die Kirchen haben weder das erste noch das letzte Wort, sondern sind nur eine Stimme unter vielen.“22

Wage wird den Massenmedien also eine den „Geschmack“ und die „Moral“ interpretierende Rolle innerhalb der Gesellschaft zugestanden. Dass sich Journalisten aber schon längst auch zu öffentlichen Religionsdeutern und Exegeten aufgeschwungen hatten, blieb unterbelichtet.23 Gegenwärtig scheint sich allerdings die Unterscheidung zwischen kirchlicher Selbst- und Fremdwahrnehmung etabliert zu haben, jedoch mehr in wissenschaftlichen als in kirchlichen Kreisen. Differenziert wird also, ob sich die Kirchen und ihre Vertreter selbst über die Massenmedien zu Wort melden oder ob sich Journalisten in den Medien mit Religion und Kirche auseinandersetzen. Auch wenn diese Unterscheidung sicherlich etwas schematisch erscheinen mag, so erlaubt sie es doch, Beiträge in den mittlerweile unüberschaubar gewordenen öffentlichen Debatten besser einzuschätzen und zu verstehen. Gleichwohl gibt es aber Grenzverschiebungen, Fälle, in denen sich Äußerungen sowohl der einen als auch der anderen Seite zuordnen lassen. Wie ordnen wir es also ein, 20 21 22 23

Vgl. Die Kirchen und die Medien der Massenkommunikation. Ebd., 413. Ebd., 412. Erst einige Jahre später gründeten sich kleinere kirchliche Arbeitskreise, die sich auch mit theologisierenden Journalisten beschäftigen. Siehe dazu: Metz, Glaube; Ders., Kirche.

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wenn eine populäre Illustrierte einen Ordensbruder in ihrer Redaktion beschäftigt? Wie interpretieren wir eine Reportage, die kirchliche Rundfunkbeauftragte für einen öffentlich-rechtlichen Sender produzieren? Aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive empfiehlt es sich, genau diese Grenzverschiebungen zu einem Befund zu machen; ein Befund, demzufolge sich kirchliche und mediale Welten so dicht miteinander verwoben haben, dass sie analytisch nicht immer eindeutig zu unterscheiden sind. Zugleich ist das Ineinandergreifen medialer und kirchlicher Öffentlichkeiten ein Befund, der der im offiziellen Bericht von Uppsala 1968 aufgestellten These, die Massenmedien seien „Beschleuniger des Säkularisierungsprozesses“24 nicht ganz zu entsprechen scheint. So legt er doch die Vermutung nahe, dass auch die Medien ein Stück weit kirchlicher wurden, indem sich einerseits die Kirchen Sendeplätze und Sparten in den säkularen Medien sichern konnten und andererseits Journalisten nur selten ganz auf die theologische Expertise verzichten wollten. Die seit dem späten 19. Jahrhundert fortschreitende Medialisierung der Gesellschaft schlicht als einen Motor der Säkularisierung zu begreifen, charakterisiert also die komplexen Beziehungen zwischen Medien, Religion und Kirche nur unzureichend. Zwar verdrängten Presse, Radio und Fernsehen die Kirchen aus gesellschaftlichen Verantwortungsbereichen. Immer wieder bestärkten sie aber auch die religiösen Überzeugungen ihrer Konsumenten.

2. „Behold… All Things New“ – Die Globalisierung dokumentieren Der Film „Behold… All Things New“ (1969) ist nun ein mustergültiges Beispiel für genau dieses komplexe Zusammen- und Gegenspiel von kirchlichen und säkularen Akteuren. Finanziert wurde er vom ÖRK, produziert hat ihn der öffentlich-rechtliche Rundfunksender Sveriges Radio (Radio Schweden) zum Anlass und zur Dokumentation der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968. Verantwortlicher Regisseur und Produzent war der damals 60jährige Lauritz Falk. Dieser war der schwedischen Öffentlichkeit wahrscheinlich eher bekannt als Schauspieler in mehr als 60 verschiedenen Rollen, aber auch als Sänger und Maler. Zugleich produzierte Falk häufig für das schwedische Fernsehen und war als Dokumentarfilmer in Journalistenkreisen durchaus geschätzt. Dass mit ihm nun ein eher säkularer Akteur für den Film verantwortlich zeichnete, war für das frühe Fernsehen keineswegs ungewöhnlich. Zwar gab es zum Ende der 1960er Jahre in den meisten Sendern Europas bereits einzelne Religions- und Kirchenabteilungen. Allerdings kam es häufig vor, dass gerade die Religionsdokumentationen von Autoren produziert wurden, von denen man es nicht unbedingt erwartet hatte. In 24 Die Kirchen und die Medien der Massenkommunikation, 415.

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Deutschland beispielsweise schrieb mit Horst Scharfenberg ein Dokumentarfilmer die ersten Religionsfilme, der den meisten eher aus anderem Zusammenhang bekannt sein dürfte: Scharfenberg nämlich war Fernsehkoch in den 1960er Jahren und moderierte die Sendung „Koch-Club“. Zugleich zählte er zu den Autoren von Dokumentarfilmen wie „Bethlehem und Nazareth. Ein Bericht von den Stätten der Geburt und Jugend Jesu“ (1959).25 Der Film zur Vollversammlung in Uppsala ist journalistisch eher schlicht gestaltet. Es ist nicht sein Anliegen, dem ökumenischen Event kritisch-enthüllend gegenüberzutreten. Auch schließt er sich kaum an journalistische Leitlinien an, die im Verlauf der 1960er Jahre vor allem aus den amerikanischen und englischen Medienlandschaften nach Skandinavien und Deutschland kamen und insbesondere die Investigativrecherche und Zeitkritik zum neuen Paradigma erklärten.26 Eher verschreibt er sich den Argumenten und Rhetoriken des ÖRK und gießt diese in eine filmische Ästhetik. Die Dokumentation ist streng chronologisch aufgebaut und beginnt zunächst mit einer Vorstellung des ÖRK, seiner Organisationsstruktur, seinen Zielen und einer Klärung des Begriffes Ökumene. Daran anschließend begleitet die Kamera die gesamte Vollversammlung von ihren Anfängen bis zum Ende. So beschreibt sie unmittelbar nach der Einleitung die Vorbereitungen zur Vollversammlung, angefangen von den Saalaufbauten bis hin zur umfangreichen Verkabelung. Im Mittelteil führt sie den Zuschauer in die einzelnen Sitzungen mit ihren Reden, Diskussionen und Zeremonien. Im Zuge dessen bricht sie die streng chronologische Erzählweise immer mal wieder durch kurze Exkurse auf, indem sie die Inhalte, über die in den einzelnen Sektionen debattiert wird, mit neu eingespielten Bildern visualisiert und so das Abfilmen der Konferenz aussetzt. Das Ende des Films fällt dann wieder mit dem Ende der Vollversammlung und der filmischen Begleitung ihrer Schlusszeremonie zusammen. Bildsprache und Kommentar des Films bewegen sich nah an der Linie der Vollversammlung. Der Off-Kommentar tritt weitgehend in den Hintergrund und lässt den zahlreichen O-Tönen etwa von einzelnen Reden und Diskussionen den Vortritt. Bisweilen übersetzt der Sprecher sogar wörtlich verschiedene Vortragspassagen, ohne dies gesondert kenntlich zu machen. Typischerweise arbeiten Dokumentarfilme hier eher mit verschiedenen Sprechern, die sich Kommentar und Übersetzung aufteilen. Indem der Film zur Vollversammlung in Uppsala nun aber dem Sprecher die Doppelfunktion von Kommentar und Übersetzung zuweist, löst sich für den Zuschauer jegliche Distanz zum Gefilmten auf. Gleiches gilt für die Visualisierung. So begegnen dem Betrachter immer wieder Bildsequenzen, die in einer Art Zeitraffer Ausschnitte von Reden visualisieren. Während der Betrachter also den Vortrag eines Tagungsteilnehmers hört, liefert die Dokumentation mal metaphorisch, mal konkret die passenden Filmaufnahmen dazu. Der Film und sein Thema 25 Ähnliches gilt auch für englische religionsbezogene Dokumentarfilme. Vgl. Stone, Approaches. 26 Vgl. Gassert/von Hodenberg, Media.

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gehen damit eine kaum mehr zu trennende Verbindung ein, die sicherlich ein Wesensmerkmal der Dokumentation ist und der (finanziellen) Kooperation zwischen Sveriges Radio und dem ÖRK geschuldet sein dürfte. Allerdings ist diese Verflechtung nicht ungewöhnlich, denn generell bewegt sich der Dokumentarfilm in einem „doppelten Dilemma“: So pflegt er zum einen in engem Bezug zur Wirklichkeit zu stehen. Zum anderen sollte er aber auch dem Vorurteil entgegenwirken, er präsentiere die Wirklichkeit selbst.27 Aus filmtheoretischer Perspektive sollte er sich bewusst sein, dass er – wie es Siegfried Kracauer in seiner Theorie des Films formulierte – die Fähigkeit besitzt, die Realität „im Fluge zu erfassen“ und „vorübergleitendes materielles Leben festzuhalten, Leben in seiner vergänglichsten Form“28. Jedoch, so Kracauer weiter, ginge es den Dokumentarfilm-Regisseuren „oft so ausschließlich um Dinge intellektueller oder ideologischer Art, dass sie nicht einmal versuchen, sie aus dem Bildmaterial zu entwickeln, das sie zeigen“29. Sie setzten also, mal bewusst, mal unbewusst, die geistige Realität über die physische. Betrachtet man den Film „Behold… All Things New“ nun unter diesem Aspekt, so begegnen einem in der Tat einige Stellen, an denen geistige und physische Realität auseinanderdriften, also der Konstruktionscharakter des Dokumentarfilms aufscheint. Insgesamt dominieren dabei drei Themenfelder, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Dokumentation ziehen: Dies ist erstens die Visualisierung von Globalität und Überkonfessionalität, zweitens eine markante mediale Selbstreferenzialität und drittens schließlich die Inszenierung von Kommunikation, Dialog und Diskussionslust. Gewiss ließen sich hier noch weitere Themen ausmachen, allerdings stechen diese drei Felder besonders hervor, da sie zum einen Ziele der ÖRK-Vollversammlung aufgreifen, zum anderen aber auch bestimmte Belange von außen an sie herantragen.

a) Globalität und Überkonfessionalität Das erste übergeordnete Themenfeld ist das der Globalität und Überkonfessionalität. Viele der jugendlichen Teilnehmer der Vollversammlung hatten während des Tagungszeitraums zwar dafür plädiert, den Stimmen aus der ,Dritten Welt‘ mehr Beachtung zu schenken, insgesamt aber machte der Anteil an Beiträgen dieser Teilnehmer nur rund ein Viertel aller Konferenzreden aus. Eher unspezifisch sprach man stets davon, dass Repräsentanten aus Asien, Afrika und Lateinamerika nun eine sehr viel größere Rolle für die Vollversammlung spielten und einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des Evangeliums leisten könnten. Auf Augenhöhe bewegten sich die Kirchen der Entwicklungsländer mit den europäischen und nordamerikanischen Grün27 Vgl. Kreimeier, Dokumentarfilm. 28 Kracauer, Theorie, 11. 29 Ebd., 277.

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dungskirchen des ÖRK allerdings nicht. Vielmehr betrachteten die Kirchen der Industrienationen sie als Objekte der Hilfe.30 Dieses Missverhältnis hatte die Dokumentation jedoch nicht eingefangen. Ob es nun der „geistigen Realität“ (Kracauer) des Autors Lauritz Falk entsprach, seiner Geisteshaltung oder Wunschvorstellung, in „Behold… All Things New“ wurde die Globalität der Vollversammlung von Uppsala stark herbeigefilmt und der Konferenz damit eine viel globalere Aura verliehen, als sie es tatsächlich hatte.

Abb. 2

Abb. 3

Bereits in der Einleitungsszene hebt die Dokumentation die internationale und auch überkonfessionelle Dimension in den Vordergrund (Abb. 2 und 3).31 30 Siehe dazu auch den Beitrag von Schilling (Uppsala) in diesem Band. 31 Die folgenden Abbildungen sind mit Ausnahme von Abb. 1 und Abb. 4 Screenshots aus dem Dokumentarfilm von Lauritz Falk „Behold… All Things New“ (1969), AÖRK F 299.

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Der Zuschauer sieht, wie Menschen verschiedener Denominationen, Hautfarben und Kulturen scheinbar paritätisch einlaufen. Zu erkennen sind hier ein anglikanischer Pfarrer und ein Presbyterianer sowie verhältnismäßig leger mit Anzug und Sonnenbrille bekleidete Privatmänner (Abb. 3). Direkt neben ihnen gehen russisch- und griechisch-orthodoxe Priester (Abb. 2). Eine räumliche Trennungslinie zwischen den Konfessionen ist dabei nicht zu erkennen. Die Kamera befindet sich während ihrer Aufnahmen genau inmitten der Einziehenden und lässt den Betrachter an ihren Bewegungen teilhaben. Jeder einzelne scheint direkt am Zuschauer vorbeizugehen und ihn so in die Eröffnung der Konferenz mit einzubeziehen. Ikonographisch sind die Referenzen, oder genauer, Abgrenzungen zum II. Vatikanischen Konzil unverkennbar (Abb. 4).

Abb. 4: Prozession auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1963)

Rund sechs Jahre zuvor war das Konzil zu einem weltumspannenden Medienereignis geworden und hatte insbesondere mit seiner Eingangszeremonie und der Stilisierung der Konzilsväter den kirchlichen Bildhaushalt neu bestückt.32 Zumeist war der Bildjournalismus mehr an dem Event mit seinen 32 Vgl. St•dter, Versammlung.

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Teilnehmern selbst interessiert als an dessen Inhalten. Zum Kern der Bildberichterstattungen wurde dabei die Inszenierung des Konzils als anonyme Körperschaft kirchlicher Eliten, die in Rom als streng hierarchisierte Masse zusammenkamen. In den Mittelpunkt kirchlicher Reformen rückten symbolisch die klerikalen Autoritäten. Abgebildet fand der Betrachter sie zumeist in distanzierten Weitwinkel-, Emporen- oder Luftaufnahmen, umringt von Zuschauern und Laien, die durch Zäune und Wachposten ausgegrenzt blieben. Bildmittelpunkt waren in diesen markant symmetrischen Motiven zumeist die kirchlichen Würdenträger, deren streng gereihter Einzug in den Petersdom militärisch anmutete.33 Der Film zur ÖRK-Vollversammlung lässt Hierarchien dagegen irrelevant wirken, befinden sich im Bild doch zumindest visuell alle auf demselben Weg. Der optischen Ausgrenzung des Zuschauers und Laien während des Konzils stellt er deren Integration und Teilhabe, der Egalität und Uniformität die Vielfalt und Buntheit des ÖRK gegenüber. Diese plakative Ikonographie zieht sich als Narrativ durch die gesamte Dokumentation. So ist in der filmischen Erzählung selbst die Präsenz von europäischen, amerikanischen und afrikanischen oder lateinamerikanischen Rednern ausgeglichen. Ähnlich gestaltete sich dies im Hinblick auf konfessionelle Parität. Auch hier präsentiert der Film ein überaus ökumenisches Bild, etwa wenn eine durch ihre visuelle Opulenz sehr telegen wirkende russisch-orthodoxe Eucharistiefeier gefilmt wird, die Kamera aber währenddessen immer wieder auf Teilnehmer fokussiert, die durch ihre Amtstracht mit Beffchen eindeutig als evangelische Geistliche zu identifizieren sind. Die Dokumentation versteht es in diesem Sinne, geschickt die Ziele, Planungen und Sehnsüchte, die von der ÖRK-Vollversammlung ausgingen, in den Bereich des Faktischen zu rücken. b) Mediale Selbstreferenzialität Ein weiteres Merkmal des Films „Behold… All Things New“ ist seine Selbstreferenzialität. Deutlich wird dies nicht zuletzt daran, dass die filmische Inszenierung der Medialität rund um die Vollversammlung von Uppsala insgesamt fast ein Drittel der Dokumentation einnimmt. Der Zuschauer sieht in langen Szenen Kameramänner bei der Arbeit, Fernsehtechniker beim Gerüstaufbau, die Verkabelung von Mikrofonanlagen, Tonbänder beim Spulen, Fotografen beim Ablichten der Konferenzteilnehmer oder Organisatoren beim Sortieren von Fotografien. Schnell werden aufeinanderfolgend die Logos verschiedener Rundfunkanstalten aus der ganzen Welt eingeblendet, ein Fuhrpark von Übertragungswagen abgefilmt und Produzenten in hitzigen Diskussionen stilisiert. Die Kirche scheint damit in der modernen Mediengesellschaft angekommen zu sein. Sie steht mitten in der Welt (Abb. 5 und 6). 33 Vgl. Ders., Blicke, 278 – 295.

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Abb. 5

Abb. 6

Zugleich legen diese Bilder den Schluss nahe, dass auch die Welt in der Kirche steht, installieren doch die Massenmedien – hier symbolisiert durch Kameramänner und Tontechniker – ihre Übertragungsgeräte innerhalb der Kirchenmauern. Filmästhetisch wird also das Gegenüber zwischen „Kirche“ und „Welt“ in doppelter Hinsicht aufgelöst: Die Kirchen haben sich der Mediengesellschaft angepasst, sind in der Lage, sich moderner Kommunikationsformen zu bedienen und dies nicht nur im Bereich der Verkündigung. Gleichzeitig stehen sie im Mittelpunkt der Gesellschaft und des öffentlichen Interesses. Die zeitgenössisch breit diskutierten Säkularisierungstendenzen spielten in der filmischen Inszenierung dementsprechend keine Rolle. Eher inszenierte die Dokumentation die Kirchenvertreter der ÖRK-Vollversammlung als breit akzeptierte, kompetente Lotsen, die das Schiff Kirche in ein neues gesellschaftlich verantwortungsbewusstes Fahrwasser manövrierten. Dass die Kirche dabei bereit sei, auch ein klar politisches Mandat zu über-

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nehmen, findet seinen Ausdruck insbesondere am Schluss des Filmes. Ökumenische Bewegung und Friedensbewegung werden hier bildlich und nicht zuletzt musikalisch miteinander verschmolzen, indem die Kamera über einen öffentlichen Platz überfüllt mit Friedensdemonstranten schwenkt – immer wieder unterbrochen durch kurze Einblendungen ausziehender ÖRK-Delegierter –, während im Hintergrund der amerikanische Folk-Sänger und Unitarier Pete Seeger zunächst seinen Song „Which Side Are You On“ und dann den Spiritual „Jacob’s Ladder“ intoniert. Dabei wird deutlich, wie raffiniert der Film Form und Inhalt miteinander verbindet. So versucht die Dokumentation auch gestalterisch dem rasanten gesellschaftlichen Wandel der 60er Jahre – an dem der ÖRK freilich aktiv partizipierte – besonderen Ausdruck zu verleihen. Auf die Spitze treibt sie diese Ästhetik bereits im ersten Drittel. Dort begegnet dem Betrachter eine etwa einminütige Sequenz mit insgesamt 25 verschiedenen Szenen, die jeweils nur rund 1 – 5 Sekunden andauern. In der Filmanalyse werden derartige Sequenzen häufig als „Jump-Cuts“ bezeichnet. Gemeint sind damit schnell aufeinanderfolgende Bildübergänge, die der Zuschauer nur noch als Sprünge wahrnehmen kann. In der Dokumentation zu Uppsala 1968 visualisiert die Jump-Cut-Sequenz in einer Art Zeitraffer die Rede des BBC-Redakteurs Penry Jones, der in der Sitzung „Die Kirche und die Medien der Massenkommunikation“ den Bericht einer Gruppe von Presse-, Rundfunk- und Fernsehjournalisten vorstellte. Jones hob in seiner Rede insbesondere die Mobilität der Konferenzteilnehmer hervor und stellte dabei deren internationale Vernetzung als Wesensmerkmal des Ökumenischen Rates heraus (Abb. 7).

Abb. 7

Während der Zuschauer nun diese Rede in ihrem Originalton hört, untermalt die Dokumentation Jones’ Worte mit Bildern von der Bereitstellung eines Passagierflugzeugs, Gästen, die voller Vorfreude die Maschine besteigen und abschließend vom Starten dieses Flugzeugs. Unterbrochen wird diese filmi-

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sche Narration durch jeweils nur wenige Sekunden dauernde Einblendungen von Flugnetzkarten, die ein dichtes Geflecht von Weltrouten anzeigen, welche allesamt nach Uppsala führen. Weltumspannende Mobilität, insbesondere die transatlantische, so die Botschaft der Dokumentation, scheint also längst fest in das Repertoire der ökumenischen Bewegung zu gehören. Im zweiten Teil dieser Jump-Cut-Sequenz sieht der Betrachter schnell gestaffelte Diskussions- und Tagungsszenen der ÖRK-Vollversammlung. Diese werden wiederum unterbrochen, und zwar durch kurze Szenen, in denen Journalisten eben jenes tägliche Tagungsgeschäft moderieren und für ihre Leser, Hörer oder Zuschauer aufbereiten. Der Film drückt mit dieser eigenwilligen Ästhetik vor allem eine rasante Beschleunigung aus, die offenbar auch die Kirchen, ihre Bewegungen und ihre Veranstaltungsformen erfasst hat. Zugleich veranschaulicht er verschiedene Themen, wie die bereits erwähnten Topoi der Medialität, Globalität, Geschäftigkeit und Vorbereitungswut auf engstem Raum, ähnlich wie es in den Augen des Filmemachers Lauritz Falk auch die vierte Vollversammlung des ÖRK tat: Denn auch sie verdichtete viele große Themen, wie das der konfessionellen Einheit, der Erneuerung der Mission, der politischen Verantwortung oder des Gottesdienstes im Zeichen der Glaubenskrise in einer knapp dreiwöchigen Konferenz. c) Kommunikation, Dialog und Diskussionslust Das dritte zentrale Thema der Dokumentation ist schließlich die formal-ästhetische Inszenierung von Kommunikation, Diskussion und Dialog. Damit griff der Film zugleich einen Trend auf, der kennzeichnend für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war, sowohl in politischer und gesellschaftlicher, als auch in kirchlicher Hinsicht: Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erfuhr die Diskussion als soziale Praxis in der westlichen Kommunikationskultur eine markante Aufwertung. Lesen ließe sich dieser Prozess gewiss auch als Amerikanisierungsgeschichte, insbesondere bezogen auf das Beispiel Westdeutschlands, versuchten doch gerade die westlichen Alliierten im Zuge ihrer Entnazifizierungspolitik das Diskutieren als übergeordnete demokratische Kulturtechnik zu vermitteln. Allerdings entstanden über bestimmte Radiound Fernsehformate, Vereins-, Bildungs- und Parlamentskulturen auch immer wieder eigenständige diskussionsorientierte Kommunikationsformen, die sich weiterentwickelten und wiederum von amerikanischen Mustern abzugrenzen versuchten.34 Von dort jedenfalls übertrug sich der Diskussionseifer schließlich auch auf die Kirchen und ihre Einrichtungen. Begriffsgeschichtlich lässt sich dies etwa an der ab den späten 1950er Jahren sich massiv verbreitenden Verwendung des Dialogbegriffs ablesen. Konzepte der „Überzeugung“, der „Vermittlung“ oder eben des „Dialogs“ traten immer häufiger 34 Vgl. Verheyen, Diskussionslust.

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an die Stelle des traditionellen Missionsverständnisses. Kirche könne in der Moderne nur erfolgreich sein, so beispielsweise der Tenor in vielen protestantischen Akademien, wenn ihr ein Dialog mit der Welt gelinge.35 Der Dokumentarfilm zur Vollversammlung von Uppsala schloss sich nun genau an diese Entwicklung an und schrieb sie fort, indem er den organisierten Dialog stets in den Vordergrund rückt. Sicherlich ließe sich dazu entgegnen, dass sein Gegenstand nun mal eine organisierte Diskussionsveranstaltung ist und man sich bei einem Bericht über sie wohl kaum dem Dialog als Thema entziehen könne. Doch belässt der Film es eben nicht bei der neutralen Visualisierung des Dialogs. Vielmehr ästhetisiert er das gesprochene Wort und mit ihm die Diskussion. So sieht der Zuschauer in einer Sequenz Detailaufnahmen, sog. „choker close ups“, von sprechenden Mündern, die in ihrer schnellen Abfolge eine Art Diskussionsflut anzeigen (Abb. 8, 9, 10 und 11).

Abb. 8 – 11

Der ständige Zoom auf den Mund scheint gleichsam menschliches Handeln auf das gesprochene Wort zu reduzieren. Das visuelle und auch akustische Überblenden führt derweil in eine Unübersichtlichkeit, in der sich die Worte und Aussagen, die abgefilmt werden, nicht mehr auseinanderhalten, ge35 Vgl. Mittmann, Akademien, 225.

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schweige denn verstehen lassen. Was folglich entsteht, ist ein unverständliches optisches und auditives Gemisch. Verdeckt und sehr subtil finden sich dann also doch einige journalistischkritische Elemente im Film. Denn interpretieren lässt sich diese Symbolik sicherlich als eine Art unterschwellige Kritik am Diskussionseifer der Beteiligten, der sich – so die Argumentation der Dokumentation – schnell im ziellosen Durcheinander zu verlieren drohte. Allerdings blitzt diese Kritik nur kurz auf. Umrahmt ist diese Sequenz nämlich von einer Szenenabfolge, in der wir im Wechsel wiederum Redner bei einer Podiumsdiskussion und aufmerksam zuhörende Teilnehmer im Publikum in schnell aufeinanderfolgenden Großaufnahmen beobachten können. Vorne sitzen die Kirchenvertreter, im Auditorium die Interessierten und Laien. Der Film hebt dabei durch sein rasches Hin-und-her-Blenden die eigentliche Distanz zwischen beiden Parteien auf: Die Kirche steht im Dialog mit der Welt. In diesem Sinne fällt die Dokumentation von Lauritz Falk wieder in ihre gewohnten Rhetoriken zurück und überformt hier das Geschäft der ÖRK-Vollversammlung von einer vermeintlich alltäglichen oder traditionellen Verständigungsform zu einer modernen betont dialogorientierten Kommunikationspraxis. Insgesamt trägt „Behold… All Things New“ von Radio Schweden viele der klassischen Dokumentarfilmelemente in sich, die schon Siegfried Kracauer in seinen filmtheoretischen Überlegungen aufgezeigt hat. Geistige und physische Realität gehen eine Symbiose ein, die den Film mal als eine Art Werbevideo des Ökumenischen Rates und seiner Vollversammlung, vereinzelt aber auch als journalistisch angehauchte subtil-kritische Reportage erscheinen lässt. Als was lässt sich also ein derartiger Film zeitgeschichtlich interpretieren? Als journalistisch-säkulare Fremdwahrnehmung? Oder als Selbstwahrnehmung des ÖRK? Aus geschichtswissenschaftlicher und medienhistorischer Perspektive ist eine Antwort auf diese Frage am ehesten möglich, indem man genau dieses Problem historisiert. Der schwedische Film zur ÖRK-Vollversammlung wird nämlich dann zur Quelle, welche die lange Zeit vermutete Verbindung von Medialisierung und Säkularisierung zumindest zu relativieren scheint, steht er doch mit all seinen bildlichen Symbolen der Globalität, Ökumene und Dialogbereitschaft für die Einpassung der Kirchen in die moderne Mediengesellschaft.

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Quellen- und Literaturverzeichnis I. Unveröffentlichte Quellen und Abbildungen a) archivalische Quellen Archiv des Ökumenischen Rates der Kirchen, Genf (AÖRK) WCC Films and Video Archives. AÖRK F 299 Behold… All Things New. Schweden 1969, Regie: Lauritz Falk.

b) Abbildungsverzeichnis Abb. 1: „Rundfunk im Bett“, in: Der Deutsche Rundfunk 23 (1924), 1253. Abb. 2, 3, 5 – 11: AÖRK F 299 Behold… All Things New. Schweden 1969, Regie: Lauritz Falk. Abb. 4: Anton Kochs/Josef Albert Slominski: Das 21. Konzil. Essen 1963, 90.

II. Veröffentlichte Quellen und Darstellungen Altmannsperger, Dieter : Der Rundfunk als Kanzel? Die evangelische Rundfunkarbeit im Westen Deutschlands 1945 – 1949. Neukirchen-Vluyn 1992. Bauer, Günther : Kirchliche Rundfunkarbeit 1924 – 1939. Frankfurt a. M. 1966. Bçsch, Frank: Mediengeschichte. Vom asiatischen Buchdruck zum Fernsehen. Frankfurt a. M./New York 2011. Die Kirchen und die Medien der Massenkommunikation. In: Norman Goodall (Hg.): Bericht aus Uppsala 1968. Offizieller Bericht über die vierte Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen Uppsala 4.–20. 7. 1968. Genf 1968, 407 – 422. Diller, Ansgar : „Außerdem ruht der Rundfunk nach der Morgenfeier…“. In: epd/ Kirche und Rundfunk, Nr. 20 vom 13. 3. 1976, 5 f. Dussel, Konrad: Deutsche Rundfunkgeschichte. Konstanz 22004. Ernst, Georg/Marschall, Bernhard (Hg.): Film und Rundfunk. Zweiter Internationaler Katholischer Filmkongress. Erster Internationaler Katholischer Rundfunkkongress. Gesamtbericht. München 1929. Fickers, Andreas: Eventing Europe. Europäische Fernseh- und Mediengeschichte als Zeitgeschichte. In: Archiv für Sozialgeschichte 49 (2009), 391 – 416. Gassert, Philipp/von Hodenberg, Christina: Media: Government versus Market. In: Christof Mauch/Kiran Klaus Patel (Hg.): The United States and Germany during the Twentieth Century. Competition and Convergence. Cambridge 2010, 227 – 246.

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„Behold… All Things New“

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Nicolai Hannig

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Stephen Brown

Globalization and the Unity of the Churches The Ecumenical Utopia of the German Theologian Ernst Lange

The globalization of the World Council of Churches (WCC) from the late 1950s to the early 1970s was marked by a change in the orientation of the Council from Western Europe and North America towards the churches of the global South. This period is also often treated as a time in which the focus of the WCC shifted from a traditional concern with the unity of the churches towards issues of radical socio-political change. The most visible manifestations of such a shift were the World Conference on Church and Society in Geneva in 1966, the WCC’s Uppsala assembly in 1968, and the decision the following year by the WCC to institute a Programme to Combat Racism.1 This openness to matters such as decolonization, liberation movements, and revolution, however, also challenged the theological foundations of the WCC and its concern for unity. How was the theological work being conducted in the WCC’s Commission on Faith and Order to overcome doctrinal differences between churches related to issues such as these? How was “the unity of the church” related to what was then still called (in English at least) “the unity of mankind”2 ? It was precisely this debate that surfaced at the meeting of the WCC’s Commission on Faith and Order in Louvain, Belgium in 1971. This contribution traces the contours of that discussion, particularly as mediated through the commentary on the Louvain meeting by the German theologian Ernst Lange, who joined the staff of the World Council of Churches in 1968. It might seem surprising to focus on Lange, given that he spent only three years in Geneva before returning to Germany, in part because of the health problems that plagued him throughout his life until his death in 1974. Yet his insights have continued to be extraordinarily persistent within the ecumenical movement over the past four decades.3 For Konrad Raiser, WCC general secretary from 1993 to 2003, Lange “is, alongside Dietrich Bonhoeffer, the most important and far-sighted ecumenical figure in Germany”4. From the study in the Lutheran World Federation in the 1970s on “The Identity of the 1 Cf. contribution of Kunter/Schilling in this volume. 2 This paper uses “mankind” when quoting from official texts, but otherwise refers to humankind. 3 On Lange’s life, cf. Simpfenfçrfer, Ernst Lange; Schmid, Church; Oxley, Consciousness, discusses Lange’s influence on the promotion of ecumenical consciousness in the WCC’s activities in education and formation; Deml/Dies, Weiterdenken, provide a series of essays on Lange’s continuing relevance for the 21st century. 4 Raiser, Kreuze, 111. All translations are by the author unless otherwise indicated.

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Church and its Service to the Whole Human Being” to the social ethics of Heino Falcke in the German Democratic Republic in the 1980s, from the call at the WCC’s Vancouver assembly in 1983 for a Conciliar Process for Justice, Peace and the Integrity of Creation, to the WCC’s Decade to Overcome Violence and the International Ecumenical Peace Convention in 2011, and even to the process of drawing up a Common Understanding and Vision of the World Council of Churches in the 1990s – all these, to a greater or lesser extent, have drawn from the wellspring of Lange’s writings and insights.5 This contribution will first sketch out Lange’s life and involvement in the World Council of Churches, before turning to a review of how the theological work of the WCC was challenged by a new awareness of global unity in the 1960s, and the ways this was reflected at the Faith and Order Commission meeting in Louvain. This is followed by a discussion of how Lange used the Louvain meeting as a stepping-off point to develop a theory of ecclesial action in which the church is called to act both as an instrument of socialisation and of emancipation. The conclusion critically reviews this “ecumenical utopia” against the background of the historical context from which it emerged.

Ernst Lange and the World Council of Churches Born in Munich in 1927, Lange’s mother came from a Jewish family in East Prussia. His parents divorced in 1935, the year of Hitler’s race laws; his mother took her own life two years later.6 After the Second World War, Lange studied theology, travelled as a youth delegate to the Second Assembly of the World Council of Churches in Evanston in 1954, and from there got to know the life of a church in the slums of East Harlem in New York based around a disused butcher’s shop – a model that he re-created in the Spandau district of West Berlin in the early 1960s.7 A delegate to the European ecumenical youth conference in Lausanne in 1960, Lange was involved in the WCC study on the “Missionary Structure of the Congregation”. He became professor for practical theology at the Kirchliche Hochschule in West Berlin in 1963, before giving up the post two years later for health reasons and returning to the Spandau parish. His appointment to the staff of the WCC by Eugene Carson

5 Cf. Duchrow, Conflict, esp. 148 – 150, 341 – 345; Falcke, Seligpreisungen, 37; on the call for a “Conciliar Process” at the Vancouver assembly, cf. Gill, Life, 89; Towards a Common Understanding, para. 2.8 and 2.9, 102 f. Oxley quotes Raiser as referring to the “profound influence Ernst Lange had on my thinking and writing” during his period as WCC general secretary (Oxley, Consciousness, 36). 6 Cf. Simpfendçrfer, Ernst Lange, 11. 7 Cf. Ibid., 30 – 32.

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Blake, successor to Willem A. Visser ’t Hooft as general secretary, came about though a series of almost chance encounters.8

Figure 1: WCC Staff Executive Group meeting 1967. From right corner, clockwise: Victor Hayward, Philip Potter, Charles Arbuthnot, Ralph Young, Eugene Smith, Ernst Lange, Frank Northam, Albert van den Heuvel, Eugene C. Blake, Jens Thomsen, Lukas Vischer. Missing from photo are: Frederick Nolde and Nikos Nissiotis, WCC Archives D8029 – 00

Appointing a European to the Division of Ecumenical Action (DEA), responsible for work with laity, youth, women and men,9 could be seen as a sign of continuity with what had gone before. Yet Lange had a profound belief that the ecumenical movement in its structure and orientation was challenged profoundly by the globalizing world, and that the church could have a future only as an ecumenical reality.10 Even in his short period in Geneva, Lange exercised a decisive influence on the WCC and the post-Uppsala ecumenical movement through his role in the decision that the Brazilian educationalist Paulo Freire – known for his advocacy of conscientizażo as a literacy strategy 8 Simpfendçrfer, Ernst Lange, 143 – 148. 9 Cf. New Delhi to Uppsala, 80 f. The Uppsala assembly had before it a proposed restatement of the aim of the DEA: “[…] to stir up God’s people for ecumenical understanding, for active engagement in renewing the life of the Church and for participation in God’s work in a changing world” (Work Book for the Assembly Committees, 25). 10 Cf. Ramm, Mündigkeit, 345.

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– should take up a position at the WCC as a special consultant on education.11 At the same time, “Lange noted that the churches and their members were not able to keep pace with the globalising world, and that given the lack of an ecumenical consciousness and a readiness for change at a global level, the ecumenical movement was losing its ability to take action”12. In a letter to Eugene Carson Blake after his return to Germany in October 1970, Lange referred to the impact that Geneva had on him and how much he had become aware that he was tied to the ecumenical movement: “It really is a new dimension of perceiving the world, of thinking and loving. And, meeting some of my own church people, I have the same feeling you expressed some months ago after a visit to the States. It’s an almost incredible provincialism in language and outlook.”13

It is such tensions inherent in the process of the globalization of the World Council of Churches that form the backdrop to Lange’s book – Die ökumenische Utopie oder Was bewegt die ökumenische Bewegung?14 – written following the meeting of the WCC’s Commission on Faith and Order in Louvain in 1971, and that is the focus of this contribution.

The World Council of Churches challenged by global unity in the 1960s Lukas Vischer, director of the secretariat of the WCC’s Commission on Faith and Order from 1965 to 1979, has recounted how the 1960s were marked by an expectation of the “eventual arrival of a new and better society”15 : “Though social change inevitably required victims, the ongoing struggle was expected to lead in the end to horizons filled with promise. […] This confidence in 11 Cf. the correspondence from Lange in the archives of the Division of Ecumenical Action, especially the letter from Lange to Christian Lalive d’Epinay, ESCEAL, Argentina, 9. 1. 1969, WCC Archives 423.067. 12 Ramm, Mündigkeit, 345. 13 Letter from Ernst Lange to Eugene Carson Blake, 4. 12. 1970. In: Brçking-Bortfeld, Briefe, 420. 14 Cf. Lange, Utopie. English-language readers in particular have been less than ideally served by an abbreviated translation that lacks, for example, the central theological reflections of the key section of the book on “The New Context or The Significance of the Ecumenical Movement for the Survival of Humankind”. The English version (Lange, And yet) was abridged by Konrad Raiser and Lukas Vischer. In what follows, quotations are taken from the English edition, except when indicated otherwise; for example, when quoting from sections that are not found in the English edition. 15 Vischer, Trends, 25.

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technological and industrial development was common to both rival ideological systems, adverse critics of the systems generally making the same assumptions.”16

Decolonization in sub-Saharan Africa continued the process of nation building that had begun in Asia after the Second World War, accompanied by a general optimism that “development” and “modernization” would lead to a reduction of inequalities between North and South.17 At the same time, technological developments made possible an awareness as never before of the interdependence of the world. Satellites and space exploration not only allowed transmission of television images around the world, but also meant that earth could been seen from outer space for the first time. For the communications theorist Marshall McLuhan, “The new electronic interdependence recreates the world in the image of a global village”18. These technological developments were paralleled by intellectual endeavours that looked to the unity of humankind. According to the historian Michael D. Biddiss, “There emerged also from the work of such figures as [Pierre] Teilhard [de Chardin], [Arnold] Toynbee, and [Claude] L¦vi-Strauss a vision that had been broadened by concern for the relativity of cultures and for the essential unity of mankind”19. With the distance of fifty years, it may be difficult to appreciate the extent to which the churches in the 1960s were themselves seen as a factor of global unity. There was a widespread perception that restoring the unity of the church was a project that was within grasp, possibly even within a generation. The WCC’s New Delhi assembly of 1961 was seen as significant enough for TIME magazine to make the event its cover story : “The greatest gathering of Christians since the 16th century, when the Council of Trent worked for 18 years to counter the Protestant Reformation, ends this week in New Delhi. It is the third Assembly of the World Council of Churches. Behind all the well organized confusion […] a vast regrouping of Christendom seems to be taking shape. […] In the time of second Reformation, it is the scandalous disunity among Christians that has alienated men and cheapened the church. And in response to this, the scattered forces of the Christian faith are realigning and regrouping to make this the Ecumenical Century.”20

The decision in the early 1960s of the Russian and other Eastern European Orthodox churches – alongside those coming from Africa, Asia and Latin America – to join the WCC meant that it could increasingly claim to be a World Council of Churches. At the same time, the aggiornamento within the Roman 16 17 18 19 20

Ibid. Cf. Stokke, UN, 132. McLuhan, Gutenberg, 127. Biddiss, Age, 352. Religion: The Ecumenical Century (8. 12. 1961). In: http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,895790,00.html (13. 11. 2010).

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Catholic Church heralded by the Second Vatican Council was creating the basis for new relationships between the Roman Catholic and other churches. The precise nature of the relationship between the unity of humankind and the unity of the church became increasingly debated within the WCC in the 1960s. Was human unity to be taken as a starting point within which the churches’ efforts to promote their own unity needed to be seen? Or, on the other hand, did the unity of the church, in some sense, serve as the harbinger of the unity of humankind? Already at the 1966 World Conference on Church and Society this question had been raised. The report of the conference working group on theological perspectives stated: “The Church is in one sense the centre and fulfilment of the world. In another it is the servant of the world and the witness to it of the hope of its future. It is called to be the community in which the world can discover itself as it may become in the future. When it does not fulfil this mission and reflects the prejudices of the world, as is often the case, it is not faithful to its calling.”21

The following year, at the 1967 Bristol meeting of the Commission on Faith and Order, the director of the secretariat, Lukas Vischer, noted in his report: “The discussion of unity cannot be conducted in isolation from the general development of the Church and of theology. While this discussion is going on, all of the churches are faced with the modern world, with its presuppositions, categories and forms of life. The churches’ own presuppositions and categories of thought change in this confrontation, and clearly this change must be taken into account in the discussion between the churches.”22

Vischer seems, however, to have been reflecting about the intellectual challenges facing the churches, at a time when theological statements about God were being called into question. It was Oliver Tomkins, the Anglican bishop of Bristol (the secretary of the Commission on Faith and Order in 1948), who in his closing address drew attention to “the shrinking world in which we live; of its secular culture bringing forth at the same time its own kind of unity and its own deep divisions”. Tomkins pointed to the AfricanAsian revolutions; the generation gap, and the younger generation, who “find a unity as the by-product of a ‘cause’ – the protest songs, the peace movement, the campaign for just race relations and civil rights”23. This issue of how the concern for unity related to the ongoing globalization of the world came up in two of the section reports at Bristol. The report of Section V (“General Faith and Order Problems”) noted that while the “goal” of Faith and Order remained unchanged, 21 World Conference on Church and Society, Official Report, 202 (emphasis added). 22 New Directions in Faith and Order, 122. 23 Ibid., 162.

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“today unity is to be understood in different perspectives. The churches are still divided by the issues which arise from their separate history […]. But at the same time they are also faced by new problems arising from a world which is increasingly secularized and in which there is both growing unity and growing division. […] If the Faith and Order Movement is to be faithful to its original mandate, it will have to direct its attention to the issues which have become controversial and divisive today.”24

The report of the commission’s Section I (“Creation, New Creation and the Unity of the Church”) urged “further study” on the meaning and scope of unity : “What is the function of the Church in relation to the unifying purpose of God for the world? What […] is the relation of the churches’ quest for unity among themselves to the hope for the unity of mankind?”25 The following year, the message of the WCC assembly in Uppsala referred to the world’s “diversities and tensions”. Against this background, it stated, “Christ wants his Church to foreshadow a renewed human community”26. The report of the assembly’s section on “Churches and the Catholicity of the Church” was perhaps more equivocal about the relationship between the unity of the church and the unity of mankind. The report treated “The Quest for the Unity of the whole Church” and “The Quest for the Unity of Mankind” in separate parts.27 It stated, however, that “The Church is bold in speaking of itself as the sign of the coming unity of mankind”.28 For its part, the report of the assembly committee on Faith and Order referred to the Geneva conference on church and society. This had, it said, “quickened to an unparalleled degree the conscience of the churches regarding the longing of mankind for a fuller life, and the vast new possibilities of achieving it”29. The assembly committee was in “agreement with the decision of the Faith and Order commission at its Bristol meeting to pursue its study programme on the unity of the Church in the wider context of the study of the

24 Ibid., 155. 25 New Directions in Faith and Order, 131 f. The following year, the Working Committee on Faith and Order decided that this question should be taken as the starting point for a study, resulting in the publication of a study document. Cf. Unity of the Church, 163 – 181; The Unity of the Church and the Unity of Mankind. A Study Document. Appendix I, WCC Archives 23.2008/13. 26 Goodall, Uppsala Report, 5 (emphasis added). 27 Cf. Ibid., 17. From this section cf. also the statement that the members of the WCC “should work for the time when a genuinely universal council may once more speak for all Christians” (ibid.). 28 Ibid. The Dutch theologian Bert Hoedemaker has pointed out the extent to which Uppsala can be seen as a response to the Second Vatican Council: “It was the Vatican Council’s Dogmatic Constitution on the Church that called the church a sacrament, sign and instrument of the unity of the human race […]. Uppsala, however, spoke of a unity which is hoped for in the midst of the complicated problems of human interdependence, and of a church which by its hopeful involvement is a signpost towards that unity.” (Hoedemaker, Unity, 309 f.) 29 Ibid., 223.

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unity of mankind and of creation”30. This study, the committee stated, “must take account of the radical questions posed by the new situation in which we are”31. It repeated that, “The study of the unity of the Church must be placed in the context of the unity of mankind”, and it referred specifically to the experiences provided by the assembly “of the world’s hunger for unity”. The report went on to say, however, that “God’s love, which is the secret of the Church’s unity, is also the ground for the unity of mankind”32. The report thus simultaneously affirmed the priority of the unity of the church over against the unity of humankind, and the need for a contextual perspective that saw the unity of the church as emerging from the context of moves towards the unity of humankind.33 This tension about the relationship between the “unity of the church” and the “unity of humankind” continued through to the Louvain meeting of 1971. Thus the meeting of the Faith and Order Working Committee immediately following the Uppsala assembly requested a “full discussion” at the Working Committee meeting the following year on “the questions raised and implied about the unity of the Church and its relation to the unity of the world in all the Section reports of the Uppsala Assembly”34. By the time of the Working Committee on Faith and Order in Canterbury in 1969, the issue of the “unity of mankind” had got wrapped up with the issue of racism that emerged from the Uppsala assembly and the results of the WCC’s 1969 world consultation at Notting Hill, London, which led to the Programme to Combat Racism.35 This can be seen in a Working Committee commentary on a staff paper drawn up on the Unity of the Church – Unity of Mankind. The commentary urged that the Faith and Order studies on “‘Catholicity and Apostolicity’ and even more especially, on the ‘Unity of the Church – Unity of Mankind’ be adapted, restructured or amplified, as appropriate, in order to address the ecclesiological implications of unjust power structures in general and racism in particular”36. It warned against “a persistent tendency […] to speak about the Church’s embodiment of Christian unity with a certain false triumphalism”. Though, “[a]s given by God, the Church is the place of real community […] [i]n its historical realisation […] the Church has also functioned far too often as a source of disunity among men […]. Many today are accusing the Church of being an essential instrument in the structures of oppression […]”37. A redrafted version of the staff paper was published as a study document in 1969. This concluded with a set of “ecclesiological considerations” on the 30 31 32 33 34 35 36 37

Ibid. (emphasis added). Ibid., 224. Goodall, Uppsala Report. Cf. ibid. Commission on Faith and Order, Minutes (1968), 21. On the emergence of the PCR, cf. Sjollema, Racism, 935. Commission on Faith and Order, Minutes (1969), 19 (emphasis added). Ibid., 16 (emphasis in original).

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“Unity of the Church and the Unity of Mankind”.38 These “considerations” described the Church as a “Community of Free Men”39, a witness to the community among human beings, a community in communion with the past and open to the future, a provisional community with a supranational character, a community that acted through “dialogue and militancy”, a community that “keeps the future open”, and that allowed the church to be “an active factor making for the unity of mankind”40. The document concluded by stating that, “If the Church is to be an active factor on the way to the unity of mankind, vast changes in understanding, in ethics and in structure are needed so that the divisive factors may be discarded as restricting husks”41.

Louvain as a turning point This discussion within the Working Committee was the background to the gathering in Louvain, itself a Faith and Order meeting of a new type. This was the first full-scale gathering of the Faith and Order Commission, following the decision by the Roman Catholic Church in 1968 to become a full member of the commission.42 Roman Catholic theologians at Louvain included Joseph Ratzinger (the later Pope Benedict XVI) as a commission member, and Walter Kasper, the later president of the Pontifical Council for Promoting Christian Unity, as a substitute member.43 This shift in relations between the WCC and the Catholic Church was symbolized by the location of the meeting at the college of the Flemish Jesuits near Louvain. Alongside committees dealing with the various issues arising from the work of Faith and Order, five sections dealt with the challenges to the Unity of the Church drawn from contemporary society – the struggle for justice; the encounter with living faiths; the struggle against racism; the handicapped in society ; and cultural identity. The task of these sections, Lukas 38 39 40 41

Cf. Unity of the Church and the Unity of Mankind, 174 – 179. Ibid., 174. Unity of the Church and the Unity of Mankind, 176. Ibid., 178; cf. The Unity of the Church and the Unity of Mankind. A Study Document. Appendix I, WCC Archives 23.2008/13. 42 Cf. Crow, Presence, 10 f. There was a short meeting of the commission in 1968 immediately after its election by the WCC assembly ; cf. Commission on Faith and Order, Minutes (1968), 10 – 12. 43 A full list of participants can be found in Commission on Faith and Order, Minutes (1969). On Joseph Ratzinger cf., for example, Rowland, Benedict; Nichols, Thought. Ratzinger’s own evaluation of the Louvain meeting can be found as Ratzinger, Unity. Maassen has analysed Ratzinger’s conception of ecumenism, including a consideration of his evaluation of the Louvain meeting; cf. Maassen, Ökumeneverständnis, 182 – 184. On Kasper cf. Kasper, Katholische Kirche. This offers an autobiographical survey of his own theological development as well as elaborating his perspectives on ecclesiology of the Roman Catholic Church.

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Figure 2: Commission on Faith and Order, Louvain, Belgium, 2 – 18 August 1971. Seated left profile: Joseph A. Ratzinger. Opposite him from left to right: Jean-Jacques Allmen, director of the Basler Mission, Emmanuel Lanne, Benedictine, and Harald Riesenfeld (Church of Sweden), WCC Archives B10027 – 29.

Vischer wrote in a letter to Ernst Lange, was “not to discuss the specific issues as such. Rather the question is how the customary understanding of the unity of the church is called into question by these issues, and in what ways unity might be preserved”44. Vischer would later describe the Louvain meeting as representing the potential of “a decisive turning point” in the history of Faith and Order, not only because of the presence of Roman Catholic theologians, but, more importantly, because the commission “discussed the question of unity for the first time in new contexts”. Churches, he noted, could be the signs of the presence of Christ only if they “deal decisively with the theological questions that arise from the present situation in the world”45. Lange had originally been invited by Vischer to write a personal record of the proceedings of the section dealing with handicapped people, possibly for publication in the German Protestant journal Evangelische Kommentare or a similar periodical.46 In the event, Lange’s account encompassed the whole of the meeting, being published in 1972 as Die ökumenische Utopie.47 In a letter to 44 45 46 47

Letter from Lukas Vischer to Ernst Lange, 28. 10. 1970. In: Brçking-Bortfeldt, Briefe, 419. Vischer, Preface, 6. Cf. Letter from Lukas Vischer to Ernst Lange, 28. 10. 1970. In: Brçking-Bortfeldt, Briefe, 419 Simpfendörfer recalls how this book became a financial “fiasco” for the Kreuz Verlag. Of the 7000 copies printed, only 800 were sold in the first year of publication. Simpfendçrfer, Ernst Lange, 217.

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Konrad Raiser, Lange noted, “My report will not be a report (it’s too late to be that), but an attempt to draw up a critical-popular presentation of the present situation of the ecumenical movement using the material of Louvain and its pre-history”48. It was a dense book, a patchwork of different kinds of texts: letters ostensibly written to a student friend who in the meantime had distanced himself from the church and become involved in left-wing politics in West Germany ; lyrics and passages from personalities such as Bertolt Brecht and Pete Seeger ; extracts of documents from Louvain; and prose sections in which Lange reflected on the challenges facing the ecumenical movement through the prism of the Louvain meeting. One might ask whether this fragmentary, patchwork approach was not intended by Lange to reflect the fragmentary, patchwork development of the global community of humankind. Indeed, the very density of the construction of the book might obscure the narrative that holds the analysis together. For Ernst Lange, the Louvain meeting was a test case about the extent to which the ecumenical movement was able to accommodate itself both to the “coming world community” and to face the divisions that were calling the unity and interdependence of the world into question.49 The Louvain meeting represented not so much a paradigm shift as the theatre for a clash of paradigms regarding not only Faith and Order but also the future of the ecumenical movement, the ecumenical task, itself. Louvain, Lange wrote, “may have produced only sparse results as far as its main theme was concerned […] but its place in the ecumenical process [as a whole] is extraordinarily significant”50. The Louvain meeting is often remembered for the confrontation between the Orthodox theologian John Meyendorff51 and the Argentinian Protestant Jos¦ M†guez Bonino52 in their addresses dealing with the main theme of the meeting.53 Meyendorff argued for a “eucharist-centred ecclesiology”, warning 48 49 50 51

Letter from Ernst Lange to Konrad Raiser, 25. 3. 1972. In: Brçking-Bortfeldt, Briefe, 479. Cf. Lange, Utopie, 125. Ibid., 141. John Meyendorff (1926 – 1992). Born in Neuilly-sur-Seine, France, Meyendorff studied at the St Sergius Orthodox Institute and the Sorbonne in Paris. In 1959, he left Europe for North America, teaching at, among other places, St Vladimir’s Orthodox Theological Seminary in New York. Meyendorff played a major role in the 1970 establishment of the Orthodox Church in America, which was declared autocephalous (self-governing) from the Russian Orthodox Church. He was moderator of the Commission on Faith and Order from 1971 to 1975. Cf. Lossky, Meyendorff, 760. 52 Jos¦ M†guez Bonino (1924 – 2012). A member of the Argentine Evangelical Methodist Church, M†guez Bonino was rector of the Facultad Evang¦lica de Teolog†a (Union Seminary) of Buenos Aires from 1960 to 1969 and then director of the Higher Evangelical Institute of Theological Studies (ISEDET). He was a president of the World Council of Churches from 1975 to 1983. M†guez Bonino was the only Latin American Protestant observer at the Second Vatican Council. Cf. Lossky, Dictionary, ix; McGrath, Modern Christian Thought, 376. 53 Cf. contribution by Mateus in this volume.

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against a “shift” to anthropology, and the work of Faith and Order being overshadowed by “noisy talk about various social causes, most of them justified and valuable, but still peripheral to the main issue of the Christian faith – the ultimate and eternal destiny of man”54. M†guez Bonino, for his part, while saying he welcomed much in Meyendorff ’s address, expressed a “growing uneasiness” about what he called a theology that seems “to look at the question of unity and division from a place where, for instance, noninvolvement in the issues of the world is a possibility”55. Would not taking the locus of Biblical discussions about unity seriously, mean, M†guez Bonino asked, being “immediately plunged into the world of ideologies, secular categories, involvement, conflict and tension?”56 For Lange, this debate not only represented two differing views on the relationship between “the unity of the church” and “the unity of humankind”. More fundamentally, the debate marked the point at which “Faith and Order” needed to arrive at a fundamental decision about its future direction.57 Meyendorff, Lange wrote, wished to continue doing theology “as though nothing has happened”58. M†guez Bonino, on the other hand, was demanding that theology be built on the ground of the actual realities, in the middle of the conflicts that actually divide humanity and the church in the contemporary situation. Lange, however, saw the stakes as being still greater. The backdrop to the debate between Meyendorff and M†guez Bonino was “the crisis into which the world and Christendom itself, the ecumenical movement and ecumenical theology are steering themselves”59. On the synthesis that came out of this clash of paradigms rested the future of the ecumenical movement, and with it, the future of Christendom itself. The conflicts that divided humanity were not simply social issues to which the church (or the churches) was impelled to respond, but were themselves “ecclesiological issues” – and thus incipiently also “church-dividing” issues.60 Against this background, the success or failure of Louvain would be measured by the extent to which it had been able to “do justice to the ecclesiological relevance of the conflicts of the global society that is in process of formation […]. To what extent has this changed the concept of the church of the ecumenical theologians, or at least their ecclesiological awareness and thereby, ultimately, the mandate and function of Faith and Order?”61

54 55 56 57 58 59 60 61

Meyendorff, Unity, 31 f. M†guez Bonino, Comments, 48. M†guez Bonino, Comments, 49. Cf. Lange, Utopie, 132. Ibid., 131. Ibid. Cf. ibid. Lange, Utopie, 125 f.

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In this sense, the “Life and Work” or “Church and Society” streams within the World Council of Churches were not dealing with a separate set of issues to the “Faith and Order” stream: they were two sides of the same coin. The “logic of the ecumenical process”, Lange wrote, was characterized by a convergence of issues between the various departments of the WCC and the movements that they represent. For Faith and Order, this meant – “somewhat exaggeratedly” – that it “no longer formulated the issues about which it dealt on the basis of the theological controversies that existed between the church baronies”, but in the final analysis it faced the issues that resulted from the “changed situation of the ecumenical movement”62 in the contemporary world. These conflicts of the world were issues that went to the heart of what it meant to be church, for what divided the world, said Lange, also – “and especially”– divided the church: “Even the Church is invaded by the global class struggle where questions are asked about ‘justice’, equality of opportunity, the redistribution of power and resources. […] [I]t divides the Church into a tiny group of donor churches and a large group of receiving churches. It imposes a paternalistic attitude on the donor churches and forces the receiving churches into the ambivalent attitude of the poor, who would rather repel the hand that feeds them because besides feeding them it also humiliates them. And this is only the tip of the ecumenical iceberg. The class division runs right through the Church […] The churches have not just been the victims of world disorder, they have in many respects been themselves the wellspring of the disorder which subsequently destroys their own unity.”63

If, as at Uppsala, the church had been “bold” to speak of itself as a sign of the future unity of humankind, it needed first to be shown up “as a very manifest sign of the present disunity of mankind. Not indeed – and this is most important – because of its confessional divisions, but for quite different reasons”64. This was the fundamental “crisis in the Church and the crisis of mankind”65 which the debates at Louvain were really about. The ecumenical movement, wrote Lange, could not stop short at the realization that humanity’s divisions also operated within the church, that “faith is therefore confronted with a crisis”. By reacting successfully to this crisis, however, the ecumenical movement “will also produce models and resources for the union of mankind”66. In other words, Lange was turning around the initial starting point of Louvain. It was not in its unity that the church was a harbinger of the unity of humankind, but in how it dealt with its conflicts and divisions. This helps to see more clearly the significance of the ecumenical movement for Lange. It was 62 63 64 65 66

Lange, Utopie, 121. Lange, And yet it moves, 96 (second emphasis added). Ibid., 99 (emphasis in original). Ibid., 102 (emphasis in original). Ibid.

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not simply an ad-hoc organization of churches, but was the means through which the Church confronted the divisions that ran through its very centre of its existence: “Let the Church be the Church! Let the Church become the Church in the way it deals with what really divides and endangers it because it also divides and endangers mankind. Let the Church demonstrate that it is the Church. Only in this way can it do anything for the unity of mankind.”67

It was not simply a question of the existence of different theological approaches to the unity of the church and the unity of humankind, at issue was the church itself. In this context, Lange highlighted the “ecclesiological considerations” of the Study Document produced in 1969 about the Louvain theme.68 This document had, said Lange, a “tone of unconcealed and for Faith and Order highly unusual ecumenical impatience”69. Its significance “is that it is not a description of the nature of the Church but is rather a ‘rough draft’ (Entwurf) from an ecumenical perspective of the Church in the light of its role in the global society that is in process of formation. The focus of this document is a theory of ecclesial action, not a theology of the church in abstract. It describes the ecumenical future of the church, the concrete utopia of the ecumenical movement”70.

Conciliarity and conflict The path to such a “concrete utopia” could not come without conflict. Again and again, Lange highlighted the conflicts generated by the theme of the Louvain meeting. Each attempt to return to business as usual was rebuffed by the conflict issues of the world again forcing themselves back into the deliberations. One of the preparatory documents for Louvain, Lange noted, had attempted to temper the ecclesiological statements of the Study Document, to use more cautious language, “to have a softer and more modest tone, to be less able to be misunderstood as triumphalism” – and to become, consequently, “completely inadequate for a theory of ecumenical action”71. But though this preparatory document gave all the signs of giving up, “before the debate has even begun”, the themes for the five sections “make sure that ‘Faith and Order’ cannot prematurely leave the foreign territory of a sociallyorientated ecumenical ecclesiology that begins with the ‘conflicts of the 67 Lange, And yet, 102. 68 Cf. Unity of the Church and the Unity of Mankind, 174 – 179. For a summary of these “ecclesiological considerations”, see above. 69 Lange, Utopie, 120. 70 Ibid., 117 f. 71 Lange, Utopie, 123.

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age’”72. The contribution of Joseph Ratzinger was cited as evidence of the changing situation. For Ratzinger, wrote Lange, the new questions facing “Faith and Order” were apparently so inescapable that in the closing sentence of his address – admittedly about political ethics and not ecclesiology – Ratzinger pointed to the way in which the search for the unity of the church and the unity of humankind passed over immediately into one another.73 How should the church respond to this situation? Lange found a possible way forward in another document from the Louvain meeting: “Conciliarity and the Future of the Ecumenical Movement”74. Like the issue of the unity of humankind, this document emerged from the discussions about the Uppsala statement on “The Holy Spirit and the Catholicity of the Church”75. This had stated that, “the clearest obstacle to manifestation of the churches’ universality is their inability to understand the measure in which they already belong together in one body”. The ecumenical movement, it continued, helped to enlarge this experience of universality “and its regional councils and its World Council may be regarded as a transitional opportunity for eventually actualizing a truly universal, ecumenical, conciliar form of common life and witness”. The members of the World Council of Churches, “should work for the time when a genuinely universal council may once more speak for all Christians, and lead the way into the future”76. Conciliarity, according to the Louvain report, “requires the involvement of the entire lay membership, including as it should every segment of mankind. There must be opportunity within the life of the Church for each community of mankind to develop and express its own authentic selfhood; for the oppressed and exploited to fight for justice; and for the ‘marginal’ people in society […] to make their own distinctive contribution”77.

Such a perspective, suggested the report, “becomes all the more necessary because modern technology has forced all mankind into a tight interdependence which constantly threatens freedom and individuality”78. Within this perspective, it stated, “The Church’s unity must be of such a kind that

72 Ibid. 73 Lange, Utopie, 136. Ratzinger’s statement at the Louvain meeting was republished in 2005 after he was elected Pope Benedict XVI. Cf. Ratzinger, Culture, 358 – 360. Ratzinger’s final sentence, in English translation, reads as follows: “The development of a political ethic poses an urgent task, in which the search for the unity of the church and for the unity of mankind pass immediately over into one another.” (Ratzinger, Culture, 360). 74 Conciliarity and the future of the ecumenical movement. In: Faith and Order Louvain 1971, 225 – 229. 75 Goodall, Uppsala Report, 11 – 19. 76 Ibid., 17. 77 Faith and Order Louvain 1971, 226 f. 78 Ibid., 227.

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there is ample space for diversity and the open mutual confrontation of differing interests and convictions”79. For Lange, conciliarity, or as he described it, “the conciliar unity of the Church”80 was “a struggle for truth”.81 The “open consensus” of the council was that of “conflict become constructive, productive of the truth. And conflict is, in fact, the consensus in process of being applied in the diverse situations and in response to the diverse challenges. A consensus which failed to produce this conflict and therefore to compel the continuation of this struggle for the truth, would not be the open ended consensus of Christians”82.

The aim of the “conciliar process in the ecumenical movement”83 was the “genuinely universal council”84 of which Uppsala spoke, but the only way to know whether the ecumenical movement represented such a conciliar event, was through praxis, and through “deepening our mutual commitment at all levels”85 : “Only by practising conciliarity – which by its very nature only succeeds when it is taken seriously and not just ‘on approval’ – can we discover if it will culminate in the ‘genuinely universal council’.”86 Such praxis included not only strengthening efforts for “full eucharistic fellowship” between member churches, but “recognizing experimental ecumenism at the ground level, opening up the ecumenical movement for a thorough discussion and ‘staging’ of the conflicts which really tear Christendom apart, focussing ecumenical praxis on specific conflicts”87.

Towards a theory of ecclesial action Lange’s stress on the conflictual nature of conciliarity needs to be seen against the background of his involvement in the Evangelical Church in Hessen and Nassau (EKHN) after he returned to Germany in October 1970.88 The previous month, the synod of the EKHN sparked off public controversy by voting to 79 80 81 82 83 84 85

Ibid. Lange, And yet, 114. Ibid., 114. Ibid. Ibid., 116. Ibid., 117. Ibid. The quotation comes from the document on conciliarity. Cf. Faith and Order Louvain 1971, 226. The recommendation from the WCC’s Vancouver assembly in 1983 on Justice, Peace and the Integrity of Creation made specific reference to the need to “engage member churches in a conciliar process of mutual commitment”. Cf. Gill, Life, 255. 86 Ibid. 87 Ibid., 117. 88 Here cf. Simpfendçrfer, Ernst Lange, 233 – 236.

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making available DM 100,000 to the WCC’s Programme to Combat Racism, an initiative from which the leadership of the (West German) Evangelical Church in Germany (EKD) had distanced itself.89 A year later, Lange was invited to prepare an evaluation of the controversy over the EKHN decision as it was played out between September 1970 and February 1971, with a special emphasis on a “conflict analysis”90 of the role of the church in West German society and the implications for a theory of church action. In a letter to Konrad Raiser, Lange described his involvement in the study as “probably the most fruitful and productive task that I have undertaken for quite some time”91: “The whole set of contradictions of the phenomenon of the ‘Volkskirche’ in the ecumenical era stands out in a particularly graphic way. The working group had actually set themselves the aim of developing a ‘theory of church action’. The potency of a conflict-analysis approach […] for such an aim seems to be astonishing. But we are still in the middle of things at the moment.”92

In the introduction to a reconstructed draft of his study,93 Lange highlighted the issue of how the church deals with such potential for conflict: “When one investigates the way in which the church portrays itself in this conflict, then a certain potential for conflict becomes visible, i. e. an aggregate of contradictions, of opposing interests, of deficiencies, tensions and discontinuities within the structure, in forms of cooperation, communication, in consensus about the basic convictions, in the accommodation to the religious needs of society, and also in helping the church to ‘function’.”94

Lange used the issues raised by the conflict resulting from the EKHN’s decision on the Programme to Combat Racism as the basis for an analysis of the “Considerations towards a theory of church action”, published in 197295 – a document written contemporaneously with the ökumenische Utopie. Indeed, at various points in the ökumenische Utopie, Lange makes specific reference to the debate in the EKHN. The decision of the synod to endorse officially the PCR was “to take the one step that transforms the ecumenical ‘game with possibilities’ into something serious”96. He noted that while it had appeared within the WCC that there was “unanimity among the churches” on combating racism, the outcry that followed the decision of the synod of the EKHN demonstrated the way in which “ecumenical consensus” was in fact restricted 89 90 91 92 93 94 95 96

Cf. contribution by Tripp in this volume. Schloz, Einleitung, 13. Letter from Ernst Lange to Konrad Raiser, 25. 3. 1972. In: Brçking-Bortfeld, Briefe, 479 f. Ibid., 480 (emphasis in original). A first draft of Lange’s study can be found as: Lange, Der ‘Antirassismus-Streit’, 215 – 266. Ibid., 220. Cf. Lange, Überlegungen, 197 – 214. Lange, And yet, 72 f.; 136 – 139.

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to a rather small circle of officials and ecumenical representatives.97 Both sides in the conflict within Germany – the church authorities and the ‘unattached groups’ – used the issue of racism “more as an excuse to pursue an already existing conflict. Neither side really seemed to understand the ecclesiological relevance of the problem of racism, the radical challenge which the revolt of the powerless presented to North Atlantic church life, even to its progressive wing”98.

In his study on the theory of church action, Lange underlined that the future of the church would depend on whether it is able to hold together its “twin function” of being an instrument both of socialisation and of emancipation: “The church thus lends itself to becoming a testing ground for society within which the conflicts and energies that threaten the system are increasingly able to be overcome (aufgehoben), to use a word that is full of dialectical significance.”99

What made the conciliar model ecumenically so attractive, Lange asserted, was that “universality and particularity, unity and diversity, autonomy and full eucharistic fellowship, conflict and consensus, continuity and change, and even the asynchronicity of the synchronous”100 were able to be held together. Referring to the conflict over the PCR, Lange argued there was a need for a “third strategy”101 between the “forward strategy” of religious avant-garde pioneers, and the “strategies to preserve the status quo […] that are unavoidable for church bureaucrats and decision-making bodies”102. This ‘third strategy’ Lange described as the “conciliar organization of conflict about truth”103, for which a series of preconditions were required: equality between very different forms and patterns of church action; a form of enfranchisement within which all groups have the same opportunities and where the equality of opportunity is constantly re-created, and, especially, “equal rights for the two levels of ecclesial action that are still not integrated, the level of the ‘impulse groups’ and the ecumenical level”104. From these insights, there is a direct line to the articulation at the WCC assembly in Vancouver in 1983 of the need for a “Conciliar Process for Justice, Peace and the Integrity of Creation”, and to the theological and socio-political consideration of the role of grassroots groups in the German Democratic Republic in the 1980s.105 97 98 99 100 101 102 103 104 105

Cf. Lange, And yet, 73. Ibid., 138. Lange, Überlegungen, 201. Ibid., 210. Ibid., 209. Ibid., 206. Ibid., 209. Ibid., 210 f. Cf. Brown, Unzufriedenheit, 60 – 62, 70 – 73; also note 5 above.

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In the final letter in his commentary on the Louvain meeting, “The Test Case of Faith”, Lange sketched out his “ecumenical utopia”. In a world threatened by disintegration and whose future is linked with the absence of universal peace, the Church was called “to stand surety for the shalom of God and this it can only do ecumenically : by incorporating those who have been relegated to the margins, by putting the powerless into power, by sanctifying the profane, by anticipating here and now what has been promised”106. Humanity was threatened, he said, by its inability to deal with political, economic, social and cultural interdependence on a world scale. Ecumenism, the oikoumene, now had a very precise connotation. The churches were required to show that in Christ, the divisions of humanity were an opportunity for “charismatic cooperation, concrete examples of unity, occasions for consensus”107. In their faith, order and political diakonia, the churches needed to stand for the “conciliar reconciliation of the irreconcilable”108. Churches could do what the nations had failed to do: “ensure full equality between the unequal, between strong and weak, between rich and poor, in all the decision-making processes.”109 This is “obviously still not the case in the World Council of Churches”, Lange commented, “but it is ecumenically conceivable and even inescapable”110. Lange showed himself aware, however, of the limitations placed upon this vision of an “ecumenical utopia”. While he noted how the conciliarity model set out in the presentation to Louvain, “was and is a very promising one”, it “does not alter the fact that the aims of the ecumenical movement are unresolved. That indecision cannot be eliminated by ecumenical documents at all”111. The WCC is “an anticipation, a rough draft of the fullness of conciliarity which is sought”112. The letter – and the book – closed with an imagined question from the friend to whom Lange was writing: Did he really mean the churches as they are? Lange’s answer : “Yes, I mean the real churches, according to their possibilities. I mean the real churches – under the pressure of their calling. This calling, I believe, obliges them to make the ecumenical utopia a reality. Of course, it is well known that the churches betray their calling.”113

In an essay published in The Ecumenical Review at the beginning of 1971, The Malaise in the Ecumenical Movement, Lange regretted that “the churches have only tacked on the ecumenical dimension and not really assimilated it”114. In 106 107 108 109 110 111 112 113 114

Lange, And yet, 160 (emphasis added). Ibid. Ibid. Ibid., 163. Ibid. Ibid., 119 (emphasis in original). Ibid., 114. Ibid., 163. Lange, Malaise, 3.

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his private correspondence, Lange was more critical still. In a letter to Hans Jürgen Schultz115, Lange wrote: “The conflict that has been latently institutionalised within the church needs to be made manifest and without too much consideration of premature proposals for mediation and harmony […]. Now, when I talk about the organization of conflict, I don’t mean organizing an inner-church, internal church conflict. I mean the thoroughgoing embodiment of Christian motivation and organization outside the church looking to the issues of the world. I mean the intentional breaking up of the monopoly of the church over Christendom, not to get rid of the church (bad liquidation) but rather for the liquefaction (good liquidation) of the church.”116

The ecumenical movement, Lange wrote, was the demonstration that the churches could no longer deal with strong opposition, preferring instead to acquiesce with things as they are: “If confrontation is the condition for the truth to appear, then you cannot rely upon the plurality of the traditional church baronies. Their slogan is now conciliarity, and for them that means, unfortunately, cooperation through cutting back and putting off. The organization of conflict for which you are calling, and I completely agree with you, demands in the final analysis the ad-hoc organization of Christendom without the church, against the church.”117

Conclusion Lange was a theologian on the border that separated different worlds. His position at the Division of Ecumenical Action marked the period during which the WCC made the transition from being a largely grouping of churches in Europe and North America to becoming a more genuinely global grouping of churches – global not just in its geographical reach but in the issues that became central to its life and work. As a European, Lange welcomed the 115 Hans Jürgen Schultz (born 1928) worked for the Kreuz Verlag in Stuttgart and then for Süddeutscher Rundfunk, and was author and editor of numerous books and papers on the renewal of the church, and the clash between the church and contemporary issues (cf. BrçkingBortfeldt, Briefe, 89). For an essay by Schultz in English cf. Schultz, Perspectives. According to Simpfendörfer, it was Schultz who in 1967 proposed Lange’s name for a position at the WCC (cf. Simpfendçrfer, Ernst Lange, 143). 116 Letter from Ernst Lange to Hans Jürgen Schultz, 30. 11. 1971. In: Brçking-Bortfeldt, Briefe, 465. Lange was reacting to a manuscript by Schultz on the laity that Schultz would incorporate into a book published in 1974. At the end of the book, Schultz pays tribute to Lange, “who through his critical accompaniment certainly slowed down the production of the manuscript; at the same time he talked me out of any scruples I had about publishing it” (Schultz, Anstiftung, 145). 117 Letter from Ernst Lange to Hans Jürgen Schultz, 30. 11. 1971. In: Brçking-Bortfeldt, Briefe, 466.

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intrusion of the issues and conflicts of the world onto the agenda of the ecumenical movement. Lange embodied this transition in reaching out, seeking to grasp this new reality in the life of the churches, to understand the challenge of the disunity of the world for the unity of the churches. For Lange, the ecumenical movement was the arena where the churches were called to show that they are able to face and to deal with such conflicts. This in turn demanded a conciliar organization of conflict, a perspective where conciliarity was seen as a “struggle for truth”, able to overcome the dichotomy between the local and the global, unity and diversity, autonomy and communion. This “call to advance”118, as Lange described it, has proved to be extraordinarily persistent within the ecumenical movement throughout the past four decades. Lange’s perspective inspired the Conciliar process for justice, peace and the integrity of creation, and provided the background to efforts to draw up a Common Understanding and Vision of the World Council of Churches. Nevertheless, his utopia reflects in several respects its roots in the 1960s history of the ecumenical movement. Lange himself insisted on the necessity of a global perspective and the need for churches in the global North to understand their place in the structure of historical injustice. His description of the churches in their encounter with the ecumenical movement reflected to a great extent, however, the European experience. Similarly, his outline of the positions of the churches vis-—-vis the global divisions and challenges in the ökumenische Utopie was taken largely from the experience of the West German regional Protestant churches. In this sense, Lange’s vision was a historical utopia, one that arose out of a particular historical situation. Indeed, in a passage in his essay on the Malaise in the Ecumenical Movement, Lange expressed concern about developments such as the “regionalization” of the ecumenical movement in Asia, Africa and Latin America; the “sometimes almost uncritical commitment” of many churches in newly established states to “nation building” and movements such as “black theology” that sought to develop an identification with revolutionary movements and minorities striving for a “cultural identity”119. Lange’s response to these developments perhaps also reflected his roots in the European-influenced ecumenical movement: “It ill becomes white Christians to be too ready to criticize these liberative tendencies. Even the ecumenical movement has for far too long been dominated by right white Christians and their theologies. But particular developments of this kind can certainly divert our [sic!] attention from the problem of the renewal of world Christianity and from the ecumenical movement’s attempt ‘to make the inhabited world once again habitable for all men’ […].”120 118 Lange, And yet, 145. 119 Lange, Malaise, 6. 120 Lange, Malaise.

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For Lange, the importance of the slogan “unity of the church, unity of humankind”, was not whether the church through its own unity is a sign for the unity of humankind. Nor was it that a developing global consciousness would in itself lead to the unity of the church. Rather the issue of unity could emerge only through a conflictual process that faces the divisions of the world and of the church. Yet, at the same time, he described his “ecumenical utopia” as “the utopian dream of a united and renewed Christendom which would be the ‘leaven’, the pattern, the stimulus of the coming world community, the custodian of a source of humanization which is not only inexhaustible but also always far in advance of every form of human achievement yet realized in history, namely, the humanity of Jesus of Nazareth”121.

At the end of the ökumenische Utopie, Lange wrote that churches have to show that in Christ, the divisions of humanity are an opportunity for “charismatic cooperation, concrete examples of unity, occasions for consensus”122. In a sense, we have come full circle, to the starting point in the 1960s of the churches being seen as the harbinger of unity for the world.

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b) List of illustrations World Council of Churches Archives, Geneva (WCC Archives) Figure 1: WCC Archives D8029 – 00. Figure 2: WCC Archives B10027 – 29. 121 Lange, And yet, 9. 122 Ibid., 160.

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II. Menschenrechte, Sozialismus und Befreiung. Das Ringen um Einheit zwischen Ost und West, Nord und Sìd

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Allies Against the Imperial West Josef L. Hrom‚dka, the Ecumenical Movement and the Internationalization of the Eastern Bloc since the 1950s1

The small communities of Czech (and with them Slovak) Protestants found their own, specific way into the world of the international ecumenical movement of the 20th century. The particular character of their participation during the period of the Cold War consisted of being present within key sections of the World Council of Churches (WCC) accompanied by the development of the Christian Peace Conference as a substitute to the WCC. In terms of influence on the ecumenical efforts of the Czech and Slovak Protestants Josef Hrom‚dka (1889 – 1969) was beyond doubt the most important theologian of this period. He shaped the understanding of ecumenical and international involvement of Protestants in Czechoslovakia as no one else – especially after the Second World War. Hrom‚dka was a pastor of the Evangelical Church of the Czech Brethren (ECCB) and had, since 1920, taught systematic theology at the Hus Faculty, later the Comenius Faculty in Prague.2 In the latter part of his life he became the main authority within the non-Catholic traditions in Czechoslovakia and as such an important partner for churches in Western Europe and for the ecumenical movement.

1. Joseph L. Hrom‚dka’s road into the ecumenical movement Hrom‚dka studied theology at faculties having both a Lutheran as well as a Reformed background. As any Protestant theology student of the Cisleithanian half of the Habsburg Empire, he began his studies in Vienna, but later he spent time in Heidelberg, Basel, and Aberdeen. He had his first profound experiences with the worldwide ecumenical movement in the framework of the World Student Christian Federation (WSCF). In particular, the General Committee Meeting of 1928, which took place in Mysore, India, seems to have been of great importance to Hrom‚dka. Before this event, he had experience of ecumenical practice from the Czechoslovak context, where he had a role in the foundation of the Union of Czechoslovak Churches in 1927. He had also been 1 This study is a result of the research project SVV-2012 – 264201 at the Protestant Theological Faculty of the Charles University, Prague. 2 Cf. for more details on Hrom‚dka’s biography Neum•rker, Hrom‚dka; Filipi, Nejhlubsˇ†ch.

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present at meetings of ecumenical organizations gathering mainly European and North American churches. Hrom‚dka had participated in the Conference of the World Alliance for Promoting International Friendship through the Churches, held in Prague in August 1928. It was in the context of these meetings that he encountered significant personalities active in the ecumenical movement such as John R. Mott, Willem A. Visser ’t Hooft and others. For Hrom‚dka the particular value of the Mysore meeting of the WSCF was its outreach. For the first time, he left the European continent and together with other delegates from European countries he travelled by boat from Marseilles. The letters to his wife and friends during the journey indicate that the encounter with other cultures led him to understand that they were not easily to be judged by European standards.3 The ecumenical experience included the opening of horizons to other parts of the world, which came at a moment when Hrom‚dka had growing questions about Western culture and its vitality. In the years before the Second World War, Hrom‚dka became a part of the international ecumenical network. This saved his life in the weeks following the occupation of Czechoslovakia by the Third Reich in March 1939. On the day the German Army marched in, Hrom‚dka received a formal invitation from Visser ’t Hooft to visit Geneva as soon as possible to give lectures.4 Soon after, he and his family left the country to Geneva and from there to the United States, where Hrom‚dka became a professor at Princeton Theological Seminary.

2. Communist strategies on the WCC In the two decades after the war, Hrom‚dka became the most important representative of the Czech and Slovak Protestants in the WCC. This began at the first Assembly of the WCC in Amsterdam 1948, where Hrom‚dka gave one of the two key speeches concerning the orientation of the ecumenical movement in the emerging Cold War. He asserted that the churches should not reject communism or the Soviet Union, but instead accept it as a legitimate power which had showed its relevance and importance in the Second World War. It was Western civilization that had failed to stop Hitler, Hrom‚dka stated. The old world dominated by liberalism and capitalism was gone; now the churches had to acknowledge communism as a credible alternative, which could be trusted because of its humanist roots, as was apparent from the great Russian writers (Tolstoy and especially Dostoevsky).5

˚ stalost J. L. Hrom‚dky, 1 – 3. 3 Letters to N. Hrom‚dkov‚, 1928, Pozu 4 Telegram from Visser ’t Hooft to Hrom‚dka (15. 3. 1939), Pozu˚stalost J. L. Hrom‚dky. 5 Hrom‚dka, Responsibility. It is important to know that Hrom‚dka had to submit his paper

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Hrom‚dka had been propagating the same message in Czechoslovakia after the end of the war. As a supporter of the radical social and political changes of the years immediately after the war, when the Communist Party had a dominant position over other parties, Hrom‚dka became an opponent of those among Czech Protestants who rejected the communist ideology.6 He saw this position as both political and theological error, as a testimony of a lack of trust in the way God was moving the history of the world. In reaction, he received many letters from members of the Protestant churches in Czechoslovakia – some of them anonymous – sharply criticizing his sympathy for communism.7 In spite of Hrom‚dka’s hopes for the life of the church under communist rule, after the communist takeover of 25 February 1948 his position in the international ecumenical movement and his relation to the WCC experienced serious complications. From 1950 onwards most ecumenical contacts were halted, because in the wider context of deteriorating relations between East and West during this stage of the Cold War, the Czechoslovak regime prevented the Czech and Slovak Protestants from participating in ecumenical meetings. The regime saw the WCC as an imperialist organization, which supported the interests of the West in its conflict with the communist East.8 The crisis in the relationship with the WCC reached its peak in mid-1950 in connection with a statement of the WCC’s Central Committee in support of the United States’ intervention in Korea under the flag of the United Nations. The statement was able to be adopted due to the absence of delegates such as Hrom‚dka from Eastern Europe. In his correspondence with Visser ’t Hooft and other ecumenical representatives, Hrom‚dka denied that he was subject to a travel ban. Instead he accused the WCC of a pro-Western stance, which ignored his view on the situation of the churches in the Eastern Bloc.9 The effect of the Toronto statement on the Korean War on the Czechoslovak Protestant churches was that the regime seriously considered enforcing a withdrawal of the Czechoslovak churches from the WCC. It decided, for example, that Hrom‚dka would have to decline an invitation to preparatory meetings of the Second Assembly of the WCC in Evanston.10 The early 1950s were the most difficult years for church life in

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already in early March 1948. His tight schedule of the last weeks of February suggests that he finished most of his text before the communist take-over of 25. 2. 1948. Cf. e. g. Hrom‚dka, Komunismus. Many of these letters are preserved in Hrom‚dka’s Personal Archive, located at the Protestant Theological Faculty in Prague (Pozu˚stalost J. L. Hrom‚dky). ˇ epicˇka, vol. 9, archival ˇ , section C Cf. for the concept of this policy the N‚rodn† archiv, ¢V KSC ˇ SR [Proposal for the solution of religious unit 51, N‚vrh na rˇesˇen† n‚bozˇensky´ch ot‚zek v C issues in the Czechoslovak Republic]. Cf. Letters in the WCC Archives 42.0039/2. Minutes from the Church Commission (c†rkevn† sˇestka), Report of 6. 12. 1950, N‚rodn† arˇ , Gottwald, vol. 47, archival unit 862. chiv, ¢V KSC

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Czechoslovakia. Several churches were dissolved. Faculties were reorganized. The church press was centralized and severely limited. For about three years all churches were severely restricted in their international contacts.11 Hrom‚dka could only travel to meetings of the Soviet-controlled organization the World Peace Council (WPC) after he became a member of its presidium in 1950. This situation changed after the death of both Stalin and his Czechoslovak comrade Gottwald, more than a year before the second assembly of the WCC. The first generation of communist leaders, often hardliners, who led the Czechoslovak Communist Party from the edge of political life before the war to absolute domination over the power structures in the country in 1948, was replaced by a leadership that was more sophisticated in its implementation of dictatorial rule. The changes in the policy of the Czechoslovak State Bureau for Church Affairs were a remarkable example of this. Its leadership was also replaced, which led to a revision of the basic concept of the communist policy toward the churches. Elements of the most brutal repression (e. g. show trials against Roman Catholics) were softened. From now on, the heart of the new policy towards the Protestant communities was their potential to create a better image of the communist state in the international arena. The churches became an instrument of the communist foreign policy with the main focus on the ecumenical movement.12 The test case for the new policy toward the churches and the international ecumenical movement was the assembly of the WCC in Evanston in 1954.13 The strategy about how to achieve the goal of influencing the decisions of the assembly in a way favourable to the communist East was carefully planned and implemented in cooperation with the Hungarian counterpart of the State Bureau for Church Affairs, as the Eastern Bloc was to be represented by the protestant churches from Czechoslovakia and from Hungary (the Evangelical Church in Germany was still one institution in two countries). Several meetings took place of the delegates of churches from both countries together with the leadership of two State Bureaux for Church Affairs. At Evanston, the delegations were under surveillance by the communist secret police. 11 Cf. e. g. Kaplan, Staat. 12 The new concept of the church policy of the State Bureau for Church Affairs was approved by the Congress of the Communist Party of Czechoslovakia. Documents can be found in the N‚rodn† archiv, St‚tn† fflrˇad pro veˇci c†rkevn† (S¢C): Box 3: “Nejdu˚lezˇiteˇjsˇ† fflkoly v c†rkevn† politice vyply´vaj†c† z vl‚dn†ho prohl‚sˇen† ze dne 15. 9. 53” [The most important tasks in church policy derived from the kabinet’s statement of 15. 9. 1953], 13. Box 15 (47th meeting of the collegium 16. 12. 1953, document registration 265/53-S): “C†rkve v boji za m†r” [Churches in the Struggle for Peace] of 10. 12. 1953. Box 1 (Conclusions of the collegium no. 17/54): “Smeˇrnice pro dalsˇ† pr‚ci S¢C, na z‚kladeˇ ˇ ” [Regulations for further work of the State Bureau for Church Affairs, z‚veˇru˚ z X. sjezdu KSC based on the conclusions from the X. congress of the Communist Party of Czechoslovakia]. 13 For the following cf. more in detail Pisˇkula, Evanston.

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Protestant theologians had written several publications on the history and the situation of the churches in Czechoslovakia that underlined the freedom of religion in the country. They were the first international publications (in German and English) to come from the Czechoslovak church environment since 1950. To complete this effort, the synod of the Evangelical Church of the Czech Brethren had issued a proclamation to churches in the West which denied a lack of freedom for the churches, but instead underlined the benefits of church life under communist rule.14 The proclamation, drafted by Hrom‚dka, was distributed by the Czechoslovak embassies in Western countries.15 The success of the Evanston strategy, as the Czechoslovak State Bureau for Church Affairs evaluated the results of the new policy, marked a new period in the relations between Czech and Slovak Protestants and the communist state, which lasted until 1963. There existed between the leadership of the Protestants and communist leaders involved in the church policy of the Party an unwritten agreement to maintain a basic harmony. This included on the one hand a recognition of the authority of the regime and on the other an acknowledgment of the significance of the Protestant churches and their tradition. Both sides needed each other for legitimacy and survival.16 In the international arena Hrom‚dka became a player in a sort of two-track approach towards the ecumenical movement, staged by the Czechoslovak communist regime. First, relations with the WCC had to be continued with the aim of influencing the ecumenical organizations in their stance to the Eastern Bloc. The position of Hrom‚dka as a respected theologian from communist Europe in the Executive Committee of the WCC was to be used to improve the image of that part of the world. The Czechoslovak regime was active in enhancing the role of Hrom‚dka in the ecumenical field by allowing visits to Prague by Western church leaders like Martin Niemöller. It was not a coincidence that Hrom‚dka was keen to convince Karl Barth to visit Czechoslovakia, which in the end did not take place due to the reluctance of Barth, who feared his possible visit would be used by the regime for propaganda purposes.17 The second aspect of the twin-track policy was to limit Hrom‚dka’s participation in the WCC, in order to prevent an identification with the Geneva line concerning East and West. Therefore another element needed to be applied in the policy towards the ecumenical movement, to express the reservations of the regime and the Czech and Slovak Protestants about the WCC. This second line was Hrom‚dka’s membership of the presidium of the 14 Cf. Message. 15 Correspondence between the Czechoslovak Ministry of Foreign Affairs and the State Bureau for Church Affairs on the distribution of the message in the USA (28. 4. 1954), Pozu˚stalost J. L. Hrom‚dky, Correspondence 1950 – 1954. 16 Cf. for more on this Mor¦e, Oddanost. 17 Cf. the long correspondence between Hrom‚dka and Barth in: Rohkr•mer, Freundschaft.

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World Peace Council. The participation in the WPC was intended to exercise a critical and corrective function towards the WCC. For this reason Hrom‚dka tried to establish cooperation between the World Peace Council and the WCC in order to strengthen the voice of the churches from communist countries as they were represented by their leadership. In November 1952 Hrom‚dka proposed an official meeting between the WCC and the WPC within the framework of a conference of the WPC in Vienna. Visser ’t Hooft refused Hrom‚dka’s invitation to Vienna because the official statement of the WPC did not leave room for a dialogue, he wrote. “I find it therefore absolutely impossible to consider this as a serious attempt to get into discussion with peace-loving bodies or individuals who take a different view of the International situation. If the World Council of Peace were really interested in discussing with us it would have come to us before any plans for this congress were finalized.”18

In spite of the rejection, Hrom‚dka continued his attempts to function as an envoy of the WPC towards the WCC, most likely without explicitly identifying himself as such. When in February 1956 the Executive Committee of the WCC met in Sydney, Australia, Hrom‚dka went first to Vienna to the headquarters of the WPC to discuss the strategy of the WPC about the WCC. At the meeting in Australia, Hrom‚dka proposed to the leadership of the WCC to invite the Russian Orthodox Church to join the WCC. According to the letters to his wife from the trip, he met resistance in the Executive Committee to his proposal, but it was decided that a delegation would visit Moscow.19

3. The Christian Peace Conference as the socialist alternative When it became clear that the WCC would continue to reject cooperation with the WPC, the communist regime launched another initiative, which was intended to achieve the same goals, but appeared more like a church structure than a political one such as the WPC. The Czechoslovak regime – with the approval of the Soviets – set up a Christian peace movement to promote the communist concept of peace more credibly among churches throughout the world.20 The Christian Peace Conference (CPC) was not meant as an 18 Letter from Visser ’t Hooft to Hrom‚dka (12. 11. 1952), WCC Archives 42.0039/2. Cf. e. g. Hrom‚dka’s correspondence with his wife during his travel to the meeting of the Executive ˚ stalost J. L. Hrom‚dky, Committee of the WCC in Sydney, Australia in February 1956, Pozu 1 – 3, Personal Correspondence. 19 Hrom‚dka’s letters to his wife during his travel to Australia, India and China between 27. 1. and 23. 3. 1956. Pozu˚stalost J. L. Hrom‚dky, 1 – 3, Personal Correspondence. 20 Cf. on the foundation of the Christian Peace Conference in the political perspective Pisˇkula, Conception.

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alternative or substitute to the WCC, but as an addition to its work in the field of peace and as such as an instrument of pressure on the ecumenical movement. The CPC, therefore, did not grow into becoming an ecumenical organization that would also resolve doctrinal matters, but was intended to lobby for the voice of the Eastern Bloc in the ecumenical movement. As such it was again an instrument of the communist foreign policy in the ecumenical field. For its role as a voice representing a non-Western view on the East-West conflict, the CPC needed a broader constituency than only Christians from Czechoslovakia. In this respect, the organization in the first five years of its existence went through two stages. First, there was a serious attempt to manoeuvre the CPC into a position of being a successor to the Bekennende Kirche, internationally accepted as an antifascist movement. Representatives of the Bekennende Kirche like Martin Niemöller, Werner Schmauch, Hans Joachim Iwand, and Heinrich Vogel joined the Working Committee of the CPC in its early phase.21 They were known for their critical views about the political situation in West Germany and were sympathetic to the proposals of the Soviet Union for a reunification of the two Germanies into a neutral, demilitarized state. Many of the debates in this phase of the CPC, but also later, focused on the question of recognition of the German Democratic Republic and on nuclear disarmament. The views of the CPC, which were in line with the foreign policy of the Eastern Bloc, were aimed at strengthening and uniting small groups with similar views in the churches in Western Europe. Peace efforts of Christians from East and West needed to be coordinated in favour of the Soviet line. Jaroslav Ondra in his capacity as Secretary General of the CPC and an agent of the Czechoslovak Secret Police StB (codename Sl‚vek) stated: “It has to be demonstrated before the whole world, that the churches in the socialist countries (peoples’ democracies, USSR, GDR, China) are fully and genuinely oriented for the peaceful socialist system in their countries, especially in the so-called less developed countries it creates conditions for new life (the so-called ‘young churches’).”22

The CPC needed to present a counterweight to the WCC, which, according to Ondra, had a negative view of the CPC.23 The basis of the CPC, therefore, had to be extended to include developing countries from the ‘Third World’. The first ˚ stalost J. L. Hrom‚dky, 3 – 29; cf. also Roer, 21 Cf. e. g. documents on the CPC in the Pozu Friedenskonferenz. 22 Report no. 69 (from agent “Sl‚vek” [= Jaroslav Ondra; PM]), 21. 6. 1960, on the third conference of the CPC, Archiv bezpecˇnostn†ch slozˇek, File 1, document 245. A report on a personal talk between Ondra und Bassarak about Hrom‚dka gives proof of the fact that Ondra wrote reports as unofficial collaborator (IM) “Sl‚vek”. Cf. report from “Sl‚vek” (27. 1. 1961), Archiv bezpecˇnostn†ch slozˇek, File 1, document 583 – 584. 23 Cf. for the complicated relations between the CPC and the WCC also Lindemann, Sauerteig.

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representatives of churches from the Third World participated in a CPC conference in Prague in September 1960. Before the conference, Hrom‚dka had used a journey to ecumenical meetings in Argentina to promote the CPC in South America. Another staff member of the CPC, systematic theologian Ludeˇk Brozˇ, had made a trip to Africa to raise support for the movement. As a result, four representatives of African churches were invited, two from China, two from Ceylon and four from Latin America.24 Some of these participants such as Peter Kwei Dagadu from Ghana also held positions in the WCC. The participation of theologians and church leaders from the Third World fitted into the concept of the CPC as a movement of progressive Christians who were critical of the imperialist policy of the West. In his speech to the leadership of the CPC, meeting in Prague in early 1961, Hrom‚dka outlined a vision of the CPC uniting people from all over the world on the basis of an agenda of peace: “Unsere Aufgabe ist daher, uns an unserem Standort, in Ost oder West, in Nord oder Süd, aus diesen Konflikten durch den Geist Christi herauslösen, ja herauslösen zu lassen, damit wir, jeder an seinem Platz, Gottes Willen zum Frieden auf Erden verstehen und damit Zeugen werden des Geistes, aus dem allein die Gelegenheiten zum Krieg vermindert und der Frieden auf Erden gefördert wird. Wenn wir alle hier in dieser Versammlung einmütig etwas von der Ausschüttung dieses Heiligen Geistes erfahren und mit uns hinaustragen in unsere eigene Umwelt der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Beschränktheiten, dann ist Prag vielleicht doch noch, im Geheimnis göttlicher Vorsehung, das Jerusalem geworden, das sich vor 600 Jahren der Vater der böhmischen Revolution, Militsch von Kremsier, erträumt hatte.”25

The presence of people from the Third World was not intended to change the concept of the CPC, but to enhance the legitimacy of the CPC within the broader ecumenical context. Themes such as decolonization do occur in the materials of the CPC following 1960, but within the CPC the Third World was seen in the perspective of the Cold War. The developments in the Third World in the 1960s were a confirmation of the views of the communist countries, which claimed the role of natural partners for the new countries in Africa or Asia.

24 Cf. report no. 69 (from agent “Sl‚vek”), 21. 6. 1960, on the third conference of the CPC, Archiv bezpecˇnostn†ch slozˇek, File 1, document 279. 25 Speech of Hrom‚dka to the Working Committee of the CPC, meeting in Prague, 28.–29. 1. 1961, Pozu˚stalost J. L. Hrom‚dky, 3 – 28, 3.

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4. The Bohemian Reformation as motivation One interesting aspect in the process of globalization of the CPC concerns the motivation given by Hrom‚dka for this work. In his aforementioned speech to the Working Committee of 1961, where he spoke about the concept of the CPC bringing together people from East and West, North and South, Hrom‚dka referred to the Bohemian Reformation as a source of inspiration for his international work. He did something similar in his acceptance speech on the occasion of receiving the highest peace prize of the Eastern Bloc at the time, the Lenin Peace Award, as an appreciation of his work and political line. How did Hrom‚dka use the Czech tradition of the Bohemian Reformation26 in the context of his ecumenical and peace activities? Which role did the local tradition play in his international work? Already before the communist takeover in Czechoslovakia in February 1948, Hrom‚dka had used the Bohemian Reformation in his analysis of Czech and international affairs. During the war he wrote frequently about Comenius and the Thirty Years War as a prototype for the Czechs under Nazi occupation.27 He stressed the general significance of the Bohemian Reformation as represented by Mil†cˇ, Hus and Comenius, but also Palacky´ and Masaryk as a profound source of identity for the Czech people, now going through difficult times. Comenius became the central figure in his attempt to find consolation and encouragement in reformation history. In his address on Czechoslovak Radio after the Munich Agreement, broadcast on 1 October 1938, Hrom‚dka stressed the parallel situation of the country in Comenius’ time and at the present. “When, after the Peace Treaty of Westfalia of 1648, the Czech nation was abandoned by all, Jan Amos Comenius wrote a testament [Ksˇaft] for it and finished with these words which today, because of their ancient lineage, touch our hearts profoundly : ‘Like Moses… I give you, Czech (we say today Czechoslovak) people, the blessing of the Lord, your God, for parting […]’. What a faith, what a legacy! When Comenius wrote the cited words, the situation was much worse, dramatically darker. We all have possibilities, not limited by anything. It depends on us, how we fill the word ‘Czechoslovak’ and how we build up the Czechoslovak land.”28 26 The Bohemian Reformation had its beginnings in the 1350s and culminated in the first half of the 15th century with Jan Hus as its leader. His death in 1415 evoked a revolutionary situation known as the Hussite Revolution. After a settlement with the Roman Catholic Church Bohemian entered a period of religious tolerance with Utraquism (from “sub utraque specie”, as the lay chalice became the symbol of the Bohemian Reformation) as the main religious community. Further also the traditional Roman Catholic Church (“sub una”), the Unity of the Brethren and the Lutheran Church belonged to the religious spectrum. This situation ended with the start of ˇ †cˇan, Reich; David, Finding. the Re-Catholicization in 1620. Cf. R 27 Cf. Neum•rker, Hrom‚dka, 176 ff. 28 Hrom‚dka, Cestu, 4.

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His publications during the war, which referred to the Bohemian Reformation, were intended primarily for Czechoslovak Protestants in North America, some of whom were exiles. Comenius was intended as an inspiration for the future political and societal arrangements in Czechoslovakia. At the same time, Hrom‚dka kept in focus the global developments, for which Comenius could be an example. “Let the whole educated world be enriched by what our people were working on and suffering for since their Christian beginnings and especially since the reformation! Friendliness, devotion, seriousness and authenticity, zeal for the truth of God, for freedom and true education – everything that determined the life of the Unity of Brethren – Comenius incorporated in his system of school education and which he handed over to the entire European society. He believed that the spiritual values, which the nation had lived over the last two centuries, had a permanent and global significance and it was worthwhile to lay the foundation of all Christian education.”29

During the Second World War, the Bohemian Reformation in its pre-war protestant understanding was the main inspiration for Hrom‚dka in defining his position and goals. “I learn what it is to be Czech by listening to the quiet voice which speaks up in the sanctuary of the conscience of Hus and Zˇizˇka, Palacky´ and Masaryk”, he wrote in January 1944.30 The Bohemian Reformation was the source of Hrom‚dka’s theological and political identity.

a) The Rise of Communism After the war, during the increasing domination and, finally, dictatorship of the Communist Party, the Bohemian Reformation remained a key frame of reference for Hrom‚dka. On his visits to Czechoslovakia before his final return in 1947 he frequently gave lectures and presentations about the current situation and the future of Czechoslovakia. At times, he mentioned the Bohemian Reformation in these lectures but not as a separate theme. In a speech to an international students’ conference in November 1945 he spoke about the “Mission of Czechoslovakia in today’s Europe”. He noted three central points of Europe-wide importance: the “socialization” of Europe (socialism as a relevant economic model); the relation between East and West, where Czechoslovakia now had closer ties to the Soviet Union, but a place where the two sides can meet; and the renewal of the European intellectual tradition and civilization that had been destroyed in the Second World War. In the context of the latter issue Hrom‚dka referred to the Bohemian Reformation. It is necessary, he said, in order to share the same cultural and moral 29 Idem, Tragika, 28. 30 Idem, Veˇku, 118.

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horizon, to reconstruct the humanist understanding, the “spiritual structures” between the people of Europe: “We have the advantage that our greatest thinkers were great Europeans. Whether I speak about Hus (or his predecessors) Jan A. Comenius, T. G. Masaryk and Edvard Benesˇ, they are all great Europeans, whose Czechness and Slovakness is anchored in ground deeply ploughed by the heritage of European civilization. But above that, these, our greatest people, understood the legacy of our spiritual civilization and tradition with a perspective turned forward. They did not just want to conserve.”31

The Bohemian Reformation remained a source of strength and orientation in the years leading to the communist takeover as well as thereafter. For Hrom‚dka, the reading of the Bohemian Reformation in the light of the events of the late 1940s and 1950s affirmed the revolutionary changes which were taking place in Czechoslovak society. In his evaluation of and theological reflection on the historical changes, Hrom‚dka developed the concept of the End of the Constantinian Era, which he closely connected to the Bohemian Reformation. In general, Hrom‚dka had a positive opinion about the rise of Communism in Eastern Europe after the war. In his eyes, it was the consequence of the failure of Western democracy in 1938. The only power that had been able to defeat Nazi Germany was the Soviet Union, because it had adopted a new political rule. To him, communism was the most convincing political ideology of the post-war years. Its rise could not be stopped. It was pointless to depict communism as an evil system because history could not be reversed. Therefore, it was more fruitful to accept the historical reality and to deal with the situation in Central Europe that was dominated by the Soviet Union. As we have seen already, in his speech at the first assembly of the World Council of Churches, Hrom‚dka made it clear that there were also other reasons why communism should be accepted as an alternative system to western liberalism. Not only did communism have essentially humanist roots, Hrom‚dka asserted, which in the Russian tradition were represented by Dostoevsky or Tolstoy, its struggle for a just and equal society was close to the struggle for social justice in the Christian tradition. There was no point in mistrusting the East, since the West had a major responsibility for creating the situation in the world. The time of Western dominance was over of which the rise of communism was a sign. Instead, by creating confidence, a new path had to be found for Europe and for the world at large.32

ˇ eskoslovensko, 31 ff. 31 Hrom‚dka, C 32 Hrom‚dka, Responsibility.

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b) The Bohemian Reformation as Post-Constantinianism From the Second World War, Hrom‚dka became increasingly convinced of the depth of the changes which were taking place. First he linked the rupture of the war to the Reformation or to the French Revolution. The world was in a deep crisis of which the rise of National Socialism was a symbol. In 1942 he wrote an article about the end of the old world entitled “The Old World Collapses” in Husu˚v lid. “Today nothing of the world as we knew it before 1938 remains. […] We stand in the middle of the most horrifying landslides; in reality all solid forms of the old order are breaking up and sharp, characterising edges are evaporating.”33

In the following years, to stress the significance of the rupture, his language became more apocalyptic. In the years around the communist takeover in Prague, Hrom‚dka began to make comparisons with the end of the Greek and Roman ages and the beginnings of the domination of Christianity. The crisis was a symptom of the end of the Christian age whose role was going to be taken over by other powers and ideologies. With the end of the domination of Christianity, the domination of the Western world also had come to an end.34 The Soviet Union and communist ideology was claiming a share in the control of the world. Moreover, this new civilisation was more dynamic and powerful than the West. In 1949, in a postscript to a collection of theological essays, Hrom‚dka summarized his conclusions on the rise of communism in his country and coined the term “the End of the Constantinian Age”: “When, after the war, I came back home (for the first time in August 1945), I was not able to understand that many acted as if nothing had changed, as if we could return to the political and social forms of the period before Munich. Horrible things have happened, the situation was very, very serious. The Church of Christ stood at the end of the Constantinian age – and humankind did not see it. […] Everything that is dear to us, has to be recaptured on the ruins of the old, Constantinian world, in the middle of a society which is lead by a different ideology than the one which the official society lead for over 1,600 years.”35

The conviction that humankind (and with it the churches) was entering a new age, in which old certainties were shaken and overthrown, led Hrom‚dka to campaign both domestically and internationally to explain the state of affairs. At home he stressed the necessity of trusting the communist leadership of the country and of showing loyalty to it. In the international arena he pointed to 33 Hrom‚dka/Odlozˇil†k, Brˇehu, 78. 34 For more details cf. Mor¦e, Kirchen. 35 Hrom‚dka, Theologie, 366 ff.

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the alleged enthusiasm of the Czechoslovak people for the new rule. Here the Bohemian Reformation emerged as an argument of legitimacy of the communist project in the country.

c) The end of the “old world” and the Bohemian Reformation In July 1951 Hrom‚dka travelled to Helsinki for a conference of the World Peace Council as a member of its presidium. On this occasion he gave a short speech to Finnish Christians, attempting to convince them of the benefits of the communist system and of the support it had from the wider population. Here we find the connection between the end of the “old world” and the Bohemian Reformation. “I wish to emphasise two aspects of our situation. First, we are standing on the ruins of the old world. The last war and the Nazi occupation of Czechoslovakia brought a terrible time to our national life, to our material and cultural treasures. It is impossible to rebuild without first carrying away the ruins. This situation complicates our world but, simultaneously, makes it more inspiring and responsible. Second, we are to do our work in the spirit of the greatest ideals and movements of our history, of the old Hussites who had had a deep concern exactly for the common, poor, exploited, unprivileged man. The great heritage of our religious and social history gives us a social power which would we otherwise lack.”36

It was not only the enthusiasm of the Czech Protestants for the new communist order, motivated by their historical experiences of the Bohemian Reformation, that Hrom‚dka used as an argument in the international context. It was certainly very powerful and persuasive to link the historical roots of Czech Protestantism directly with the implementation of revolutionary changes in Eastern Europe. In the Reformation genealogy in the West, Hus and other reformers from Bohemia were mostly portrayed as forerunners of Luther and Calvin. To hear from the main representative of Czech Protestants in international ecumenical circles that the Czechs understood these roots as 36 The draft version is a bit more explicit about the Bohemian Reformation: “We, in Czechoslovakia, are finding ourselves amidst a deep and far-reaching transformation of our social and political structure. The basis of our life is getting broader and broader. The common man of our factories and villages is taking over the destiny of the nation. The sense of human dignity is rising and something new is coming into existence. The country is like a beehive – buzzing with activity, planning, labour to collective work. We are trying on the ruins of the old, pre-war world, to establish a better society ; we do it along the lines of our great national tradition, of the old Hussites, the Unity of Brethren and our own great Reformers and writers and thinkers of the world. We had to make a great decision which way to go, to keep the social status quo or to make a new venture of social and economic justice. We have made a free, in many ways, strenuous, difficult, but also inspiring decision, and are looking with a great hope and determination to the future.” (Pozu˚stalost J. L. Hrom‚dky, ETF UK Prague, preliminary inventory : section 3 – 28, box 3, map 18).

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legitimizing of their participation in the communist reconstruction of society was not easy to ignore or reject as a misinterpretation or even an error. The second path taken by Hrom‚dka, and with him the ECCB, was to suggest that those in Western Europe and North America who rejected communism from a theological argumentation misunderstood the Christian message. This argument was much more provocative, as it essentially stated that a true Christian could not be opposed to Communism. In 1953 the synod of the Evangelical Church of the Czech Brethren issued a Message to Protestants throughout the World which aimed to analyze “the very meaning of what is going on”37. The draft of the message was written by J. L. Hrom‚dka and accepted with only a few editorial changes by the synod of the church. In its first part it pointed out that Christians have become an integral part of “the old political, economic and political structure”38 that produced the injustice which the new power from the East in the world arena wanted to eliminate. The document suggested that Christianity had been captured by secular interests and would not be free until it liberated itself from these close bonds to the capitalist system. Because of the entanglement of the old order and Christianity, Christians saw the rise of Communism and its critique on the West easily – but mistakenly – as “an attack on the very substance of the Church and faith. It is all that much easier, as the secular and material interests have penetrated into the foundations of our sanctuary and corrupted the integrity of our faith”39. Although the statement of the ECCB did not state it explicitly, the conclusion was inevitable: Christians who rejected communism were wilfully a part of a system that produced sin. Instead churches were called by the ECCB to repent for their share of guilt for the poverty and injustice in the nonWestern world. The second half of the document made suggestions of what Christians should do. As a sign of repentance they should express willingness “to understand the great process of history taking place in the eastern European and Asiatic countries, and especially in those nations which are awakening from a colonial status and long to take control of their public life into their own hands and long to be accepted as equals in the community of mankind”40.

Churches in the West should cease to condemn the events in Eastern Europe and start looking with the churches from the East for ways to establish peace in a world torn apart by the Cold War. The Message indicated that churches from Eastern Europe felt rejected in the ecumenical context because of the dismissive reactions of Western churches to their affirmative stance concerning the communist system.

37 38 39 40

Message, 3. Ibid., 4 Message, 4. Ibid., 5.

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“We often see that even those of you who have good intentions to ‘deal’ with the so called Eastern world, first declare the efforts of this world as something basically evil and worthy of condemnation – and only then are ready, with a certain condescending patience and a certain pathos of self-righteousness, to negotiate a kind of modus vivendi with it. We think that to approach the problems of today in such a way is theologically wrong and biblically dubious.”41

The Message mentioned the Korean War and the remilitarization of West Germany as examples of a political direction that the churches should reject as a danger to peace. As such, the document needs to be read as a critique of the political line of the World Council of Churches which, in 1950, adopted a statement supporting the intervention of the United States under the auspices of the United Nations in favour of South Korea.42 The State Bureau for Church Affairs, which exercised control over church life in communist Czechoslovakia, printed the Message in English and German and disseminated the brochure through Czechoslovak embassies in the West. For the regime, the position of the ECCB as reflected in the Message, was useful for propaganda. Now the regime could rightfully argue that it had the support of the Czech Protestants. Thus, the Message confirmed the new conception for cooperation between the Czech Protestants and the communist regime.

5. The Church as a Communio Viatorum In the course of the 1950s, Hrom‚dka together with other theologians from the Prague Comenius Faculty developed a concept of the church, which they based on the Bohemian Reformation. They portrayed the Bohemian Reformation an avant-garde tradition, particularly the image of the Unity of Brethren43 as a community with a loose structure that accentuated the church as a communio viatorum, a community on the way, with hardly any institutional existence. Christianity was not connected to one political or societal system, but was a community of pilgrims on the path to the Kingdom of God.44 The Hussites and Brethren had showed that the church is more genuine and true if it is without the privileges and protection of a church preferred by and supported by the state. It was argued that the Bohemian Reformation was the model for the church in modern times because, with leaders like Chelcˇicky´ seeking to return 41 42 43 44

Ibid. For more on the repercussions of the WCC statement in Czechoslovakia cf. Pisˇkula, Evanston. Unitas Fratrum, of which Comenius was the last bishop. For Hrom‚dka the Western churches and the WCC continued in the line of the Constantinian order. The idea of the communio viatorum had to be the opposite of that, i. e. also a part of the foundation of the CPC.

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to the model of the early church, the church of the Bohemian Reformation had been in a position very similar to the current situation. In 1956, the Comenius Faculty published a collection of studies on the Bohemian Reformation and its significance for contemporary times under the title Od reformace k z†trˇku [From the Reformation to Tomorrow].45 Its aim was to explain key moments of the Bohemian Reformation in the perspective of the concept of the End of the Constantinian Era, this time to Czech Protestants. Church historian Amedeo Moln‚r wrote extensively about the eschatological foundations of the Bohemian Reformation as the source of its revolutionary ¦lan. Hrom‚dka stressed the concept of the church of the Bohemian Reformation as a post-Corpus-Christianum church. Only two years later, the notion of the church as a community of pilgrims as the central ecclesiastical model of the Bohemian Reformation was taken up in the journal Communio Viatorum, aimed at other, mainly Western Christians. It fitted into the programme of the “internationalisation” of the Bohemian Reformation. In the editorial of the first issue of Communio Viatorum, which was for about three years also the official publication of the CPC, Hrom‚dka explained that the journal was intended to be a forum for a broader debate on theology. “We wish to indicate the way in which we wrestle with the main questions of theology and what is in the background of our practical decisions both in our domestic life and in the ecumenical cooperation.”46 Communio Viatorum wanted to bring the historical tradition of the Czech Protestants, the Bohemian Reformation and its heritage, to the international stage: “But it is our desire to interpret in the most vital and actual way the great heritage of our own reformation, represented by the figures of Jan Hus, Petr Chelcˇicky´, Luk‚sˇ of Prague, Jan Blahoslav and John Amos Comenius (Komensky´). As heirs of the Hussite movement and of the Unity of Brethren (Unitas Fratrum) we are guided by their great achievements, but we know that we have to re-discover and to re-interpret our spiritual heritage in our concrete life, in its real and vital impact upon our own life and upon the essential problems of the ecumenical fellowship and of the world humanity.”47

Certainly, Communio Viatorum achieved this goal of introducing the Bohemian Reformation to an international audience. In almost every issue from its foundation, we find articles about representatives or developments of this Reformation, often written by the church historians of the Comenius ˇ †cˇan. Faculty : Amedeo Moln‚r, Frantisˇek M. Bartosˇ or Rudolf R In a longer article, Hrom‚dka wrote about the ecumenical and church political background of the initiative for Communio Viatorum. The tone of the 45 Moln‚r, Reformace. A few years later the German translation was published in the former GDR: Hrom‚dka, Reformation. 46 Hrom‚dka, Editorial. 47 Ibid., 2.

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article reveals some frustration on Hrom‚dka’s side about the reactions of his Western colleagues to his position on the legitimacy of communist rule. According to Hrom‚dka, the ecumenical movement was paralysed by the EastWest division. Many theologians in the West were caught up in anticommunism, but they did not see the crisis of Western civilization, he said. They refused to accept the new, very different, situation in the world in which communism had been shown to be a credible alternative. “We who have been living under a more or less communist leadership were not for a moment tempted to adjust our faith and theology to a communist ideology. Quite the opposite was true. Under the impact of Marxistic [sic!] thought and action we had to re-examine the integrity of our faith and genuineness of our church life. But we also realized that we had to take seriously the men and women who after the indescribable suffering in view of the millions of dead and of the destruction of vast areas of Eastern Europe had started the work of rebuilding and renewal. We had come to realize that unless we all joined the work of reconstruction, without prejudice, suspicion and morose hostility ; we could hardly cope spiritually and morally with the post-war situation.”48

The starting points of Hrom‚dka were that Christians had a share in the guilt for the Second World War, that the West had lost a serious part of its credibility, and that communism had to be taken seriously. He described this as a challenging theological journey, in the line of the Bohemian Reformation, which was necessary for the future of Christian faith.

Conclusion The globalization of the churches in the ecumenical structures of Geneva witnessed a parallel development in the ecumenical initiatives of the Christian left in socialist countries. From the early 1960s the Christian Peace Movement founded by Josef L. Hrom‚dka chose a more global approach to its main agenda, which was the East-West conflict. It started actively and energetically to include Christians from Third World countries in its work and thus hoped to enlarge its authority as an ecumenical organization from the Eastern Bloc. This development was staged by the Czechoslovak communist regime in cooperation with the other communist countries in Europe. Through Hrom‚dka and the CPC it wanted to gain influence over ecumenical developments in Geneva and at the same time it wanted to control the international efforts of the Protestants from the Eastern Bloc. Due to this manipulation, the CPC stuck to the bipolar world view of the Cold War, i. e. the East-West division. A genuine globalization did not take place because the 48 Hrom‚dka, Crisis, 24.

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hegemony of the Party would be undermined. Without doubt Josef Hrom‚dka was aware of this agenda of the communist regime, but decided to go along with it. His theological motivation for this decision is to be found in his understanding of the Bohemian Reformation, which included a mission not only for the Czech Protestants, but also for the ecumenical movement. He presented his work for the peace agenda of the communist bloc as an outcome of the revolutionary traditions within the Bohemian Reformation. Despite his doubtlessly genuine conviction about the legitimacy of this interpretation of the Bohemian Reformation, it was yet another manipulative mechanism in the entanglement between Czech Protestants and the communist regime. Hrom‚dka read his political agenda into the history of Hus, Chelcˇicky´ and Comenius. This had its place in the wider context of his highly problematical Geschichtstheologie, which was severely criticized by some of his theological friends.49

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Pozu˚stalost J. L. Hrom‚dky [Personal Archive J. L. Hrom‚dka] Evangelick‚ teologick‚ fakulta Univerzity Karlovy, Praha World Council of Churches Archives, Geneva (WCC Archives) WCC Archives 42.0039/2: WCC General Secretariat, General Correspondence, Hrom‚dka 1950 – 1957. 49 Cf. the letters of Karl Barth to J. L. Hrom‚dka of 18. 12. 1962 and 10. 7. 1963. In: Rohkr•mer, Freundschaft, 215 ff.; cf. also West, Communism, 77. A further reflection on this problem is offered by e. g. Halama, Faith, 15 – 37.

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Peter Mor¦e

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Christian Albers

Der ÖRK und die Menschenrechte im Kontext von Kaltem Krieg und Dekolonisierung

1. Einleitung Seit dem Zweiten Weltkrieg waren die Menschenrechte ein bedeutender sozialethischer Referenzpunkt für den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK). Bereits vor seiner Gründung in Amsterdam 1948 standen sie auf der Tagesordnung der Commission of the Churches for International Affairs (CCIA), die 1946 als eine gemeinsame Einrichtung des Internationalen Missionsrates (IMR) und des „im Aufbau“ befindlichen ÖRK ins Leben gerufen wurde.1 Bis heute gehören die Menschenrechte zu den zentralen Programmpunkten in der Arbeit des ÖRK und der CCIA.2 Trotz dieser erkennbaren Kontinuität veränderte sich im Laufe der Jahre das Verständnis von Menschenrechten im ÖRK erheblich. Dabei steht dieser Transformationsprozess des ökumenischen Menschenrechtsengagements in enger Wechselwirkung mit der Geschichte der Menschenrechte außerhalb des kirchlichen Bereichs. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Zusammenhang das „Wendejahrzehnt“3 der 1970er Jahre, in dem der US-amerikanische Historiker Samuel Moyn jüngst einen Scheitelpunkt in der Entwicklung der Menschenrechte identifiziert hat. In seiner Monographie „The Last Utopia: Human Rights in History“4 umkreist er den Moment, als die Menschenrechte, zumindest in der westlichen Hemisphäre, binnen weniger Jahre den Zuständigkeitsbereich einiger Experten in den Bereichen des Rechts, der Diplomatie 1 Vgl. Nurser, Peoples, 132 – 137, 145. 2 Die Menschenrechte werden im ÖRK innerhalb des Programms „Öffentliches Zeugnis“ behandelt (vgl. http://www.oikoumene.org/de/programme/oeffentliches-zeugnis-macht-hinterfragenfuer-frieden-eintreten/menschenrechte.html, 18. 12. 2011). Die CCIA beschäftigt sich gegenwärtig u. a. mit den Themen „Würde und Rechte von Migranten/innen und Wanderarbeitern/ innen“ und „Religionsfreiheit“ (vgl. http://www.oikoumene.org/de/wer-sind-wir/organisationstruktur/beratende-gremien/internationale-angelegenheiten.html, 18. 12. 2011). 3 Metzler, Einführung, 31. Die 1970er Jahre als eine globalgeschichtlich epochale Zäsur beschreibt Eric Hobsbawm: „Die Geschichte des 20. Jahrhunderts war seit 1973 die Geschichte einer Welt, die ihre Orientierung verloren hat und in Instabilität und Krise geschlittert ist“ (Hobsbawm, Zeitalter, 503). Für Westeuropa kommen Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael zu einem ähnlichen Schluss: „Wir betrachten die drei Jahrzehnte seit 1970 als einen zusammengehörigen Zeitraum des Übergangs nach dem Boom“ (Doering-Manteuffel/Raphael, Boom, 8. Hervorhebung im Original). 4 Moyn, Utopia.

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und der Politik verließen und stattdessen zu einem transnationalen Moralbegriff wurden, der die Hoffnung auf eine bessere Welt zum Ausdruck brachte und unzählige Menschen zum Engagement in Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International u. a. motivierte.5 Entwicklungen, wie Moyn sie im Bereich der säkularen Menschenrechtsgeschichte diagnostiziert, sind auch im ökumenischen Menschenrechtsengagement der 1970er Jahre zu erkennen. Dabei handelt es sich um einen komplexen Transformationsprozess, der u. a. die Bereiche der Methodologie, der Handlungsakteure und der theologischen Begründung des Einsatzes für Menschenrechte umfasst. Im Fokus des vorliegenden Beitrags steht jedoch das Problem der Verhältnisbestimmung der unterschiedlichen „Dimensionen“6 von Menschenrechten, also die Frage nach dem Stellenwert der staatsbürgerlichen und politischen Freiheitsrechte, der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sowie der umfassenderen und abstrakteren Rechte der „dritten Dimension“ im Denken, Entscheiden und Handeln des ÖRK und insbesondere der CCIA. Die Beschäftigung mit der Problematik der unterschiedlichen Dimensionen der Menschenrechte im ÖRK bewegt sich nicht auf einer terra incognita der zeitgeschichtlichen Forschung. Im Zusammenhang mit einer kritischen Analyse und der Aufarbeitung der Rolle des ÖRK und der deutschen Kirchen im Kalten Krieg kamen in den vergangenen Jahren auch die Menschenrechte immer wieder zur Sprache. Dabei ging es meist um die Frage, ob sich der ÖRK mit seiner nur sehr zurückhaltenden öffentlichen Kritik an den Menschenrechtsverletzungen in den Ländern des Ostblocks zum Komplizen der sozialistischen Regierungen gemacht und die Dissidenten und Bürgerrechtler im Stich gelassen habe, so dass auf eine „politische Exkommunikation“ kritischer Christen in Osteuropa eine „ökumenische Exkommunikation“7 folgte. Im deutschsprachigen Raum wurde das Thema nach 1989 zunächst von den evangelischen Akademien aufgegriffen. Unter starker Beteiligung von Zeit5 Vgl. Moyn, Utopia, 121 f. 6 In der politikwissenschaftlichen, juristischen und historischen Forschung findet sich eine große Bandbreite an Klassifizierungsmustern für die Menschenrechte. So ist von „negativen“ und „positiven“ Rechten die Rede, von „liberalen“ und „sozialistischen“ oder auch von Individualund Gemeinschaftsrechten. Weit verbreitet ist heute das Generationenmodell von Karel Vasak. Im Jahr 1972 fasste er – analog zum UN-„Zivilpakt“ von 1966 – die bürgerlichen und politischen Rechte in einer ersten „Generation“ zusammen. Die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte, die weitgehend den Rechten aus dem „Sozialpakt“ (1966) entsprechen, bildeten die zweite Generation. Als dritte Generation bezeichnete er die in den 1960er und 1970er Jahren formulierten Kollektivrechte wie das Recht auf politische Selbstbestimmung (ehemaliger Kolonien), Entwicklung oder eine lebenswerte Umwelt (vgl. Menke/Pollmann, Philosophie, 118 – 120.). Da ein Generationenmodell jedoch eine historisch nicht haltbare Entwicklung impliziert, schließe ich mich Eibe Riedels Terminologie der drei „Dimensionen“ von Menschenrechten an: Die staatsbürgerlichen und politischen Freiheitsrechte, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte und die umfassenderen und abstrakteren Rechte der dritten Dimension (vgl. Riedel, Menschenrechte, 334). 7 Generalsynode, Jahre, 101.

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Der ÖRK und die Menschenrechte im Kontext

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zeugen und im Spannungsfeld von Kritik, Selbstkritik und Apologie wurde die „Vergangenheitsbewältigung“ so zu einem konstitutiven Bestandteil protestantischer Erinnerungskultur8 der 1990er Jahre.9 Mit Katharina Kunters 1998 vorgelegter Dissertation „Die Kirchen im KSZE-Prozeß 1968 – 1978“10 wurde das Thema erstmals auch aus wissenschaftlicher Perspektive und unter Verwendung von Archivmaterial des ÖRK ausführlich beleuchtet. Die Arbeit markierte damit den Beginn der kritischen Historisierung eines moralisch hochaufgeladenen Themas der kirchlichen Zeitgeschichte. Wenig später erschien das umfangreiche Werk „Nationaler Protestantismus und Ökumenische Bewegung“ von Gerhard Besier, Armin Boyens und Gerhard Lindemann, in dem insbesondere Armin Boyens einen Verfall des ökumenischen Menschenrechtsengagements in den 1960er und 1970er Jahren nachzeichnete.11 Jüngst führte Hedwig Richter die Überlegungen von Boyens fort und diagnostizierte anhand der Gegenüberstellung einer „Vernachlässigung der Menschenrechtsfrage“ auf der einen und des gleichzeitig engagierten Antirassismus-Programms auf der anderen Seite einen linkspolitisierten „Wertewandel“ im ÖRK, der es dem Weltkirchenrat ermöglichte, „sich in einer radikal geänderten Umwelt zu legitimieren“12. Kritisch bemerkte Richter jedoch, dass der Versuch der Selbstlegitimation es dem ÖRK nicht mehr erlaubte, „seinen Aufgaben effizient nachzukommen“13. Bei aller Unterschiedlichkeit haben die bisherigen Forschungsbeiträge14

8 Vgl. Kunter, Protestantismus, 112. Zum Verhältnis von Erinnerungskultur und zeitgeschichtlicher Forschung vgl. Hockerts, Zugänge. 9 Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit sei hier auf drei Tagungen evangelischer Akademien verwiesen: Den Auftakt machte im Februar 1993 die Evangelische Akademie Thüringen in Neudietendorf, bei der ausschließlich Zeitzeugen zu Wort kamen (vgl. Gemeinschaftswerk, Wende). Zwischen 1993 und 2000 haben „vier alte Freunde“ (Hogebrink, Ökumene, 176), namentlich Ludwig Mehlhorn, Joachim Garstecki, Zoltan Balog und Laurens Hogebrink, die vier sog. „Berlin-Seminare“ vorbereitet und durchgeführt. An der Planung und Durchführung des letzten Seminars war auch Katharina Kunter beteiligt. Auf Initiative der Nederlandse Hervormde Kerk und unter Mitwirkung der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg ging es bei diesen Seminaren um die Frage, „was Kirchesein im Kommunismus eigentlich bedeutet hat“ (Garstecki, Erfahrungen, 513). Ihrem Selbstverständnis nach handelte es sich bei den Tagungen primär nicht um wissenschaftliche Analyse. Das Ziel war „pastoral, politisch und kirchenpolitisch“ (Hogebrink, Ökumene, 177). Publiziert sind die Beiträge der ersten beiden Seminare in: Rat/Evangelische Akademie, Kommunismus; Dies., Kontakte. Schließlich trafen im Mai 1999 auf der Tagung „Der Ökumenische Rat der Kirchen in den Konflikten des Kalten Krieges“ der Evangelischen Akademie Mühlheim an der Ruhr Zeitzeugen und Wissenschaftler aus dem Bereich der Kirchlichen Zeitgeschichte aufeinander (vgl. Joppien, Rat; Kunter, Schlussakte; Greschat, Handeln). 10 Kunter, KSZE-Prozeß. 11 Vgl. Boyens, Rat, insbes. 195 f. 12 Richter, Protestantismus, 436. 13 Ebd. 14 Zur Historisierung des ökumenischen Menschenrechtsengagements trugen auch die vier Tagungen des Projekts über „Kirchen im Kalten Krieg“ (2001 – 2005) bei, an der vor allem ost-

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zum ÖRK und den Menschenrechten jedoch eines gemeinsam: Im Mittelpunkt steht in erster Linie das umstrittene ökumenische Menschenrechtsengagement in Osteuropa und der Sowjetunion. Die ökumenischen Menschenrechtsdiskurse, die sich auf den globalen Süden beziehen, erscheinen lediglich als blasse Kontrastfolie zu den Defiziten im Einsatz für die Freiheitsrechte in Osteuropa und der Sowjetunion und werden als genuine Menschenrechtsdiskurse entweder gar nicht berücksichtigt oder mit dem faden Beigeschmack erwähnt, dass der ÖRK mit der Zuwendung zum Süden die „eigentlichen“ Menschenrechte, die in Osteuropa verletzt wurden, vernachlässigt habe. Zuweilen wird dem zurückhaltenden Einsatz für die Menschenrechte in Osteuropa und der Sowjetunion das entschlossene ökumenische Engagement im kirchenpolitisch umstrittenen Antirassismus-Programm entgegengehalten,15 obwohl bei diesem nur selten die Sprache der Menschenrechte verwendet wurde.16 Die historisch-politische Folie, auf der die Frage der Menschenrechte dabei betrachtet wird, ist die Folie des Kalten Krieges und der Entspannungspolitik der 1970er Jahre. So sehr dieser Zugang gerade in der deutschsprachigen kirchlichen Zeitgeschichte notwendig war und ist, besteht dabei jedoch die Gefahr einer perspektivischen Verengung. Denn auch wenn der Kalte Krieg selbst schon von globaler Bedeutung ist, empfiehlt es sich, für eine Untersuchung des ökumenischen Menschenrechtsengagements in den 1970er Jahren das bipolare Koordinatensystem zwischen Ost und West um den Aspekt der Dekolonisierung und des Gegensatzes zwischen Nord und Süd zu ergänzen. Dabei soll diese Perspektive nicht nur als Randnotiz zum Kalten Krieg verstanden werden. Vielmehr ist sie als eigenständiger Fragenkomplex mit dem primär nordatlantischen Thema des Kalten Krieges aufs Engste verbunden. Die ökumenische Bewegung ist mit ihren globalen Verflechtungen ein Forschungsobjekt par excellence für diesen globalgeschichtlichen Zugang, also „eine neue Perspektive, eine besondere Form des Hinsehens und Fragens“17. Der vorliegende Beitrag versteht sich somit primär nicht vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und der Entspannungspolitik, sondern der globalen Menschenrechtsgeschichte der frühen 1970er Jahre. Der Zeitraum ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil es hier nicht nur in der säkularen Menschenrechtsgeschichte zu epochalen Veränderungen kam, sondern auch wegen der ökumenischen Entwicklungen in der Frage der Bewertung der unterschiedlichen Dimensionen von Menschenrechten. Von besonderer Relevanz sind dabei die CCIA-Konsultation zu den Menschenrechten in St. Pölten (1974) und die Vollversammlung des ÖRK in Nairobi (1975), denen eine Scharnierfunktion im ökumenischen Menschenrechtsengagement zueuropäische Wissenschaftler teilgenommen haben (vgl. Kunter/Schjørring, Erbe, 9 f.). Einen Überblick zur Forschungslage bietet Kunter, Ökumene. 15 Vgl. Richter, Protestantismus, 427; Boyens, Rat, 195. 16 Zum Antirassismus-Programm vgl. Frieling, Weg, 325 f. 17 Budde, Globalgeschichte, 181.

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Der ÖRK und die Menschenrechte im Kontext

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kommt, sodass die darauffolgenden Jahre sowohl von Unterstützern als auch von Kritikern innerhalb des ÖRK als eine Epoche der Umsetzung der Erkenntnisse von St. Pölten und Nairobi identifiziert werden konnten.18 Der Ausgangspunkt der Untersuchung liegt jedoch zunächst in einem Überblick über die Gründung der CCIA und den Ursprung des ökumenischen sozialethischen Engagements unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg (2) sowie einer Darstellung des frühen ökumenischen Menschenrechtsverständnisses, von dem sich die spätere Entwicklung absetzte (3). Daran schließt sich ein Überblick über die eng verflochtenen globalen Bedingungsfaktoren von Kaltem Krieg, Dekolonisierung und globalem Menschenrechtsdiskurs sowie den Implikationen für den ÖRK an, die dazu führten, dass das überlieferte Menschenrechtsverständnis in Frage gestellt wurde (4). Es folgt eine analytische Betrachtung des Transformationsprozesses, der im ÖRK zu einem neuen, „integralen“ Verständnis von Menschenrechten führte (5). In einem Fazit wird das in St. Pölten erarbeitete neue Verständnis der Menschenrechte in den größeren Rahmen der Neuausrichtung des ökumenischen Menschenrechtsengagements und der Sozialethik in den 1970er Jahren gestellt (6).

2. Der ÖRK, die CCIA und ihr erster Direktor O. Frederick Nolde Schon während der letzten Kriegsjahre zeigten Vertreter der Kirchen insbesondere in den Vereinigten Staaten Interesse, an der Gestaltung einer künftigen Nachkriegsordnung mitzuwirken. Bemerkenswertes Zeugnis davon sind die als „Six Pillars of Peace“ bekannt gewordenen Forderungen an die Regierung der USA nach einem gerechten und dauerhaften Frieden, die von der „Commission on a Just and Durable Peace“ (CJDP) des Federal Council of the Churches of Christ in America (FCC) im März 1943 verabschiedet wurden.19 Darin enthalten war auch die Forderung nach „religiöser und intellektueller Freiheit“. Um die Kirchen weiterhin in ihrem Engagement für den Frieden zu unterstützen, wurde 1946 auf Initiative der CJDP in Cambridge (England) die CCIA gegründet.20 Die Aufgabe der Kommission bestand darin, sowohl den Internationalen Missionsrat als auch den „in Gründung“ befindlichen ÖRK in politischen und sozialen Fragen von internationaler Bedeutung zu unterstützen. Den beiden Mutterorganisationen diente die CCIA laut ihrer Verfassung 18 Vgl. Human Rights and the Churches, 7; Vischer, Rat, 43. 19 Vgl. „A just and durable peace. Statement of political propositions which underlie a just and durable peace and which the United States ought now to accept for itself and begin forthwith to realize in cooperation with others“, AÖRK 428.01.02.1; Greschat, Verantwortung, 106 f. 20 Vgl. „Memorandum on proposed international conferences of the churches on world order“, AÖRK 428.01.06; Hudson, WCC, 29; Nurser, Peoples, 132 – 137; Greschat, Verantwortung, 109 f.

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„as a source of stimulus and knowledge in their approach to international problems, as a medium of common counsel and action, and as their organ in formulating the Christian mind on world issues and in bringing that mind effectively to bear upon such issues“21.

Die Arbeitsbereiche umfassten neben den Menschenrechten unter anderem die Themen Abrüstung, Entwicklungs- und Bevölkerungspolitik. Während die ca. 50 Kommissionsmitglieder in der Praxis nur selten zu Sitzungen zusammentrafen, waren es vor allem die fünf hauptamtlichen Mitarbeiter der CCIA, die das Erscheinungsbild der Kommission prägten.22 Formell an der Spitze stand in den ersten zwanzig Jahren der Vorsitzende Sir Kenneth Grubb, ein leitender Mitarbeiter des britischen Informationsministeriums.23 Die laufenden Geschäfte oblagen jedoch dem Direktor der Kommission, dem US-amerikanischen Lutheraner O. Frederick Nolde. Dieser sollte in den kommenden zwanzig Jahren der herausragende Vertreter der CCIA werden; er prägte die Entwicklung der Organisation in entscheidender Weise. Als Delegierter der US-amerikanischen Kirchen bei den Verhandlungen der United Nations Conference on International Order (UNCIO) in San Francisco setzte er sich für die Schaffung einer Menschenrechtskommission der in Gründung befindlichen Vereinten Nationen ein.24 Als sich 1948 die Vertreter der Mitgliedsstaaten der UNO daransetzten, eine Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) zu verfassen, trug Nolde als Berater maßgeblich dazu bei, dass darin auch ein Artikel über die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit enthalten war (Art. 18).25 An der Seite von Nolde stand ab 1955 der Schweizer Pfarrer Dominique Micheli als Experte für Menschenrechtsfragen.26

3. Die „Verantwortliche Gesellschaft“, die Menschenrechte und die Religionsfreiheit in den ersten zwanzig Jahren des Bestehens der CCIA Der Siegeszug der Menschenrechte – nicht nur als ein philosophisches Konstrukt, sondern als politisch zu verwirklichende Zielvorgabe eines jeden Staates – setzte Mitte des 20. Jahrhunderts ein. Sichtbaren Ausdruck fand dieser in der 1948 verabschiedeten Allgemeinen Erklärung der Menschen21 22 23 24 25 26

Hudson, Council, 31. Vgl. Nolde, Handeln, 349 – 352. Vgl. Nurser, Peoples, 126, Fn. 1. Vgl. ebd., 112 f.; Moyn, Utopia, 62. Vgl. Nurser, Peoples, 165 f. Vgl. Nolde, Handeln, 352.

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rechte, die „etwas völlig Neues in der Geschichte der Menschheit“27 darstellte, denn alle beteiligten Staaten gaben einen Teil ihrer Souveränität zu Gunsten der allgemeinen und universalen Menschenrechte auf. Innerhalb des ÖRK war das Menschenrechtsengagement in das von Joseph H. Oldham und Willem A. Visser ’t Hooft entwickelte ökumenische sozialethische Konzept der „Verantwortlichen Gesellschaft“ eingebettet, welches im ÖRK in den ersten zwanzig Jahren seines Bestehens weitgehend nicht in Frage gestellt wurde.28 In den Auseinandersetzungen des Kalten Krieges verstand sich die „Verantwortliche Gesellschaft“ jenseits der Systeme des „laissez-faireKapitalismus“ und des Kommunismus.29 Im Zentrum des Konzepts stand jedoch nicht ein neuer, christlicher Gesellschaftsentwurf zwischen Kapitalismus und Kommunismus, sondern ein Beurteilungskriterium für die vorhandenen Sozialordnungen.30 Durch die Fokussierung auf den Begriff der Freiheit im demokratischen Rechtsstaat und die „Freiheit von Menschen […], die sich für Gerechtigkeit und öffentliche Ordnung einsetzen“31, war letztlich dennoch eine besondere Affinität zum westlichen Staatsverständnis zu erkennen. Als die handelnden Akteure wurden im Konzept der Verantwortlichen Gesellschaft diejenigen mit politischer und wirtschaftlicher Macht identifiziert – also die Verantwortungselite von Staat und Gesellschaft, der auch Nolde, Grubb und viele andere führende Ökumeniker angehörten.32 Insofern lässt sich die Idee der „Verantwortlichen Gesellschaft“ durchaus als 27 Bobbio, Zeitalter, 9. 28 Vgl. Clements, Faith, 432; Grenholm, Society ; Visser ’t Hooft, Welt, 246 f.; Frieling, Weg, 296 – 299. 29 Vgl. Studienkommission, Unordnung, Bd. 5, 104. 30 Vgl. Grenholm, Society, 980. 31 Die deutsche Übersetzung des Berichtes der Sektion III in Amsterdam 1948 lautet: „Eine verantwortliche Gesellschaft ist eine solche, in der Freiheit eine Freiheit von Menschen ist, die sich für Gerechtigkeit und öffentliche Ordnung verantwortlich weiß […].“ Verantwortlich sind also nicht Menschen, sondern die Freiheit. Dabei handelt es sich m. E. um eine irreführende Übersetzung. Im englischen Original lautet der Text: „A responsible society is one where freedom is the freedom of men who acknowledge responsibility to justice and public order […].“ Die grammatikalische Struktur des Satzes weist eindeutig dem Menschen die Verantwortung für Gerechtigkeit und öffentliche Ordnung zu. Vgl. Studienkommission, Unordnung, Bd. 3, 233 f.; Visser ’t Hooft, Disorder, Bd. 3, 192. 32 Vgl. Studienkommission, Unordnung, Bd. 3, 234. Exemplarisch sei dies anhand der Teilnehmerliste der CCIA-Gründungskonferenz von Cambridge 1946 verdeutlicht: Zu den 60 Delegierten zählten 30 Promovierte, davon 15 Professoren. Insgesamt 31 Teilnehmer hatten eine leitende Funktion in einer Kirche oder kirchlichen Organisation. Zu denen, die nicht in kirchlichen Diensten standen, gehörten Arvid Brodersen (norwegischer Kontaktmann des Kreisauer Kreises und Leiter der sozialwissenschaftlichen Abteilung der UNESCO), John F. Dulles (Politiker der Republikanischen Partei in den USA und Delegierter bei den Vereinten Nationen, später Außenminister), John Edwards (Mitglied des britischen Unterhauses), Constantin L. Patijn (Abteilungsleiter im niederländischen Wirtschaftsministerium), Dennis Routh (Mitglied des britischen Think Tanks „Political and Economic Planning“), Theodor Steltzer (erster Ministerpräsident von Schleswig-Holstein) und der Gründer und erste Präsident des Evangelischen Kirchentages Reinold von Thadden.

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ein elitäres Modell begreifen, was auch verständlich macht, warum es bereits in Amsterdam bei den wenigen Vertretern des globalen Südens auf Ablehnung stieß.33 Gleichwohl bildete es das sozialethische Paradigma für den ÖRK und diente bis zum Ende der 1960er Jahre als Referenzrahmen für das ökumenische Verständnis der Menschenrechte. Der Aspekt der Freiheit, und insbesondere der Religionsfreiheit, beherrschte den ökumenischen Menschenrechtsdiskurs der ersten zwanzig Jahre des Bestehens des ÖRK. Die Fokussierung auf die Menschenrechte der ersten Dimension war jedoch keineswegs allein in einer Ableitung aus dem Konzept der Verantwortlichen Gesellschaft begründet, sondern fußte ebenso in der traditionell angelsächsischen Ausrichtung des von Nolde geprägten ökumenischen Menschenrechtsverständnisses.34 Während die französische Menschenrechtserklärung von 1789 in ihrem Bestreben zur Überwindung des absolutistischen Ständesystems den Aspekt der Gleichheit aller Menschen stärker betonte, waren die Virginia Bill of Rights und die Unabhängigkeitserklärung von 1776 eher Dokumente im Kampf für die Freiheit von den Repressionen der britischen Krone.35 Soziale Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit, welches in die Französischen Verfassungen von 1791 und 1793 aufgenommen wurde,36 waren den amerikanischen Menschenrechtsdeklarationen fremd. Auch das Verhältnis der Kirchen zu den Menschenrechten entwickelte sich auf den beiden Kontinenten in unterschiedlicher Weise. Während die kirchenkritischen und -feindlichen Ausprägungen der Französischen Revolution zu einer Ablehnung der Menschenrechte durch die meisten kontinentalen Kirchen führten, konnten sich die angelsächsischen und insbesondere die nordamerikanischen Kirchen von vornherein stärker mit den Menschenrechten identifizieren. Sie blickten auf eine lange Tradition des Einsatzes und der Proklamation der Religionsfreiheit zurück37 und trugen maßgeblich zur Etablierung des Menschenrechtsgedankens mit der Konzentration auf die Menschenrechte der ersten Dimension und insbesondere der Religionsfreiheit im ÖRK und der CCIA bei.38 Dieser Schwerpunkt war bereits bei der ersten Vollversammlung des ÖRK in Amsterdam zu erkennen, wo eine Resolution zur Religionsfreiheit verabschiedet wurde.39 Die Veröffentlichungen und Stellungnahmen in den Folgejahren, wie z. B. auf der Vollversammlung von Neu Delhi 1961, wo andere Menschenrechte jeweils nur in Abhängigkeit zur Religionsfreiheit gesehen wurden, bestätigen dieses Bild.40 Lediglich die Unterstützung neuer Staaten im 33 34 35 36 37 38 39 40

Vgl. Dejung, Entwicklungskonflikt, 154 f. Zu dieser Frage vgl. die ausführliche Darstellung von Kunter, Weg. Vgl. Fritzsche, Menschenrechte, 31; Haratsch, Geschichte, 43 – 46. Vgl. Kìhnhardt, Universalität, 76 f.; Haratsch, Geschichte, 63. Vgl. Koenig, Menschenrechte, 32. Vgl. Vçgele, Elemente, 116; Nolde, Handeln, 354 – 362; Raiser, Angelegenheiten, 71. Vgl. Studienkommission, Unordnung, Bd. 4, 271 – 274. Vgl. Visser ’t Hooft, Neu-Delhi, 179 – 181. Vgl. auch den Beitrag Noldes zur Vollversammlung

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Der ÖRK und die Menschenrechte im Kontext

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Aufbau einer rechtsstaatlichen Ordnung sowie der Rassismus und das Diskriminierungsverbot wurden neben der Religionsfreiheit von Nolde als eigenständige Elemente im Bereich der Menschenrechte genannt.41 Soziale, wirtschaftliche und kulturelle Fragen, wie sie in den Artikeln 22 – 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aufgeführt sind, wurden von der CCIA ebenfalls bearbeitet, ohne jedoch explizit als Menschenrechte identifiziert zu werden. Vielmehr stand hier die praktische Entwicklungsarbeit im Vordergrund.42 Somit bleibt festzuhalten: In den ersten zwanzig Jahren des ökumenischen Menschenrechtsengagements, wie es von Frederick Nolde und Dominique Micheli geprägt wurde, stand die Religionsfreiheit unanfechtbar an der ersten Stelle. Gegenüber den Menschenrechten der zweiten und dritten Dimension nahm die CCIA zwar nie eine dezidiert ablehnende, jedoch meist eine passive Haltung ein.

4. Menschenrechte, Kalter Krieg und Dekolonisierung und die Auswirkungen auf den ÖRK Zwei Faktoren wirkten sich nachhaltig auf die Transformation in der Bewertung der unterschiedlichen Dimensionen im ökumenischen Menschenrechtsengagement in den frühen 1970er Jahren aus: (a) Eine Entwicklung, die zunächst außerhalb des ÖRK ihren Lauf nahm, war der globale Menschenrechtsdiskurs, in dem die zweite und dritte Dimension zunehmend an Bedeutung gewannen. (b) Daneben standen die im Beziehungsgeflecht von Kaltem Krieg und Dekolonisierung entstandenen personellen, strukturellen und programmatischen Veränderungen, die den ÖRK der 1960er und 1970er Jahre prägten.

in Amsterdam, „Religionsfreiheit und Verwandte Menschenrechte“. In: Studienkommission, Unordnung, Bd. 4, 168 – 226; „Commission of the Churches on International Affairs: United Nations General Assembly, 15th Session 1960/1961, Memorandum on Selected Actions“, 21 – 23, AÖRK 428.13; „Commission of the Churches on International Affairs: 16th Session. United Nations Commission on Human Rights. Geneva, 29. 2.–19. 3. 1960, Annex V: Statement before the U.N. Commission on Human Rights by O. Frederick Nolde, Director of the Commission of the Churches on International Affairs“, AÖRK 428.13; „Commission of the Churches on International Affairs: United Nations General Assembly, 21st Session 1966/67, Memorandum on Selected Actions“, 18 – 25, AÖRK 428.13. 41 Vgl. Nolde, Handeln, 357 f. 42 Vgl. ebd., 369 – 372.

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a) Der globale Menschenrechtsdiskurs zwischen Ausweitung und Verengung Auch wenn Rechte der zweiten und (in Ansätzen) der dritten Dimension in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erwähnt wurden,43 lag doch ein deutlicher Schwerpunkt auf den bürgerlichen Rechten der ersten Dimension. Dies entsprach nicht den politischen Vorstellungen der Länder des kommunistischen Machtbereichs, die sich deshalb, neben Saudi-Arabien und Südafrika, bei der historischen Abstimmung in Paris 1948 der Stimme enthielten. Doch auf die anfängliche Reserviertheit folgte bereits in den 1950er Jahren der Versuch, die Menschenrechte für die eigene Politik zu instrumentalisieren und den Westen für die Verletzung von Menschenrechten vor allem der zweiten Dimension verantwortlich zu machen.44 Die sowjetische Delegation brachte die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Menschenrechte auch bei den Vereinten Nationen zunehmend zur Sprache.45 An einer Ausweitung des Menschenrechtsdiskurses waren jedoch nicht nur die Staaten des Ostblocks beteiligt, sondern auch die zahlreichen jüngst unabhängig gewordenen Länder Afrikas und Asiens. Die Sprache der Menschenrechte spielte im Dekolonisierungsprozess schon sehr früh eine Rolle. Für den australischen Historiker Roland Burke war auf der Konferenz der blockfreien Staaten von Bandung 1955, auf der 29 afrikanische und asiatische Staaten erstmals gemeinsam ihre Interessen jenseits der Ost-West-Dichotomie formuliert hatten, geradezu ein „Enthusiasmus“46 für Menschenrechte zu spüren. Angesichts der meist noch nicht lange zurückliegenden Unabhängigkeit schloss das auch die Dimension der individuellen Freiheitsrechte ein. Die Begeisterung für die Menschenrechte und deren Universalität war jedoch bald verflogen. Vor allem die jungen Staaten Afrikas verfügten selten über länger andauernde Phasen politischer Stabilität. Die Hoffnungen auf eine baldige positive wirtschaftliche Entwicklung erfüllten sich nicht. Neokoloniale Strukturen sorgten für eine fortgesetzte Abhängigkeit afrikanischer Staaten vom Norden. Auf einige vielversprechende politische Anfänge folgten oft autoritative Regime, deren Priorität auf der Schaffung einer nationalen Identität lag.47 So verengte sich bereits in den 1950er Jahren, in verstärktem Maße jedoch im Verlauf der 1960er und 1970er 43 Neben den Rechten der zweiten Dimension auf Arbeit (Art. 23), Erholung und Freizeit (Art. 24) oder Bildung (Art. 26) ist mit dem „Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung, in welcher die in der vorliegenden Erklärung angeführten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können“ (Art. 28) zwar streng genommen kein „Recht“ begründet, sondern ein „Anspruch“ (engl.: „Everyone is entitled …“), die Durchlässigkeit der Menschenrechtserklärung zu abstrakten „Menschenrechtsstandards“ (Riedel) der dritten Dimension ist damit jedoch schon angedeutet. 44 Vgl. Amos, Unterstützen, 152 f.; Hìbner, Lage, 24 f. 45 Vgl. Amos, Unterstützen, 168. 46 Burke, Decolonization, 23. 47 Vgl. Schuerkens, Geschichte, 247 – 258.

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Jahre der Menschenrechtsdiskurs in großen Teilen der Dritten Welt auf das Selbstbestimmungsrecht und auf soziale und wirtschaftliche Menschenrechte bis hin zu einem „Recht auf Entwicklung“. Mit dieser Transformation der Bedeutung von Menschenrechten eigneten sich die Länder des Südens die Sprache der ursprünglich in Nordamerika und Europa verwurzelten Menschenrechte an, jedoch mit einem signifikanten Bedeutungswandel: Da die auf das Individuum bezogenen Freiheitsrechte den afrikanischen und anderen nicht-westlichen Kulturen fremd waren bzw. als nachrangig angesehen wurden, waren sie nun nicht mehr Voraussetzung für die Selbstbestimmung und das Erlangen sozialer Rechte, sondern deren mögliche Konsequenz.48 Auf eine andere Weise verlief der Menschenrechtsdiskurs in Lateinamerika, wo man auf eine längere Tradition der Menschenrechte zurückblicken konnte: Bereits am 2. Mai 1948, also noch vor der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wurde von den Mitgliedsstaaten der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die „American Declaration of the Rights and Duties of Man“ verabschiedet.49 1969 folgte die Amerikanische Menschenrechtskonvention.50 Katalytisch für das lateinamerikanische Menschenrechtsengagement wirkten jedoch die zahlreichen Putsche gegen die sozialdemokratischen oder sozialistischen Regierungen Brasiliens, Chiles, Argentiniens und anderer Länder ab der Mitte der 1960er Jahre. Eklatante Menschenrechtsverletzungen wie Folter und gewaltsames Verschwindenlassen von regierungskritischen Personen standen an der Tagesordnung. Während militante Guerilla-Bewegungen die Diktaturen mit Gewalt beseitigen wollten, diente den Intellektuellen die Dependenztheorie als Alternative zur Modernisierungstheorie und als Grundlage in der Auseinandersetzung mit „imperialistischen“ Strukturen, wie sie insbesondere den USA zugeschrieben wurden. Im Vordergrund standen hier, anders als in Afrika, die Freiheitsrechte der ersten Dimension. Doch wurden im Sinne der Dependenztheorie auch enge Verbindungen zu sozialen und wirtschaftlichen Rechten gesehen.

48 Vgl. Burke, Decolonization, 132. In besonderer Weise war die Dominanz südlicher Staaten in Menschenrechtsfragen auf der UNO-Menschenrechtskonferenz von Teheran 1968 zu spüren. Von einer erdrückenden Mehrheit wurde hier zum Entsetzen westlicher NGO-Beobachter die wirtschaftliche Entwicklung und politische Selbstbestimmung der Länder des Südens als Voraussetzung für die volle Gewährung der Menschenrechte verstanden: „The full enjoyment of civil and political rights without the enjoyment of economic, social and cultural rights is impossible“ (Final Act of the International Conference on Human Rights, 4 und 9). Die Rechte der zweiten und dritten Dimension wurden in den folgenden Jahren zunehmend von den Ländern des Südens in die Verhandlungen bei den Vereinten Nationen eingebracht bis hin zu der 1986 beschlossenen Erklärung zu dem „Recht auf Entwicklung“. Vgl. Moyn, Utopia, 126 f.; Riedel, Menschenrechte, 337 – 344; Lienemann, Menschenrechte, 73 f. 49 Vgl. Buergenthal/Shelton/Stewart, Human Rights, 226; Sikkink, Human Rights, 63 – 65. 50 Vgl. Buergenthal/Shelton/Stewart, Human Rights, 241.

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b) Der ÖRK im Beziehungsgeflecht von Kaltem Krieg und Dekolonisierung Die Relevanz des Kalten Krieges für den ÖRK zeichnete sich bereits auf der Gründungsvollversammlung 1948 ab, als sich der spätere US-amerikanische republikanische Außenminister John Foster Dulles und der tschechoslowakische Theologe Joseph Hrom‚dka einen vielbeachteten Schlagabtausch lieferten. Dulles verstand die „Einzelpersönlichkeit“ in einer „freien Gesellschaft“51 als Ausgangspunkt christlicher Ethik, Hrom‚dka betonte dagegen die Analogien zwischen Kommunismus und frühem Christentum,52 wenn er auch bezweifelte, dass „die revolutionäre Tradition und der marxistische Materialismus imstande sind, die Heiligkeit der menschlichen Persönlichkeit und Freiheit zu schützen“53. Die Dominanz westeuropäischer und nordamerikanischer Kirchen und deren Repräsentanten sorgte jedoch dafür, dass der ÖRK in den folgenden Jahren stärker den Idealen des Westens folgte und gegenüber dem Kommunismus in Osteuropa eine grundsätzlich kritische Haltung einnahm.54 Mit dem Beitritt der russisch-orthodoxen Kirche und anderer orthodoxer Kirchen aus Osteuropa zum ÖRK 1961, zwischen dem Bau der Berliner Mauer und der Kubakrise, veränderte sich diese Orientierung im ÖRK jedoch allmählich, wie es sich etwa an den Menschenrechtsdebatten im Kontext des KSZE-Prozesses zwischen 1972 und 1975 zeigte.55 Fast zeitgleich mit der heißen Phase des Kalten Krieges und der Aufnahme der russisch-orthodoxen Kirche in den ÖRK kam es auch an anderen Stellen des Globus zu umwälzenden Veränderungen. Im Jahr 1960, dem sogenannten „Afrikanischen Jahr“, erlangten 17 afrikanische Kolonien die Unabhängigkeit. Mit Ausnahme Namibias und des südafrikanischen Apartheidregimes war der Kontinent bis Ende der 1970er Jahre weitgehend unabhängig. Die Dekolonisierung und die politischen Umstürze Lateinamerikas hatten direkte strukturelle, personelle und programmatische Konsequenzen für den ÖRK. Zwischen den Vollversammlungen von Neu Delhi und Uppsala traten 21 afrikanische Kirchen dem ÖRK bei. In der Zeit der Militärdiktaturen in Lateinamerika bot der ÖRK für zahlreiche Oppositionelle ein „ökumenisches Exil“56 in der Genfer Zentrale, was die Ökumene theologisch, sozialethisch und auch hinsichtlich der Menschenrechte entscheidend prägte. Durch die „Erweiterung des Kreises“, so der indische Laientheologe M. M. Thomas, wurden „das menschliche Hoffen und Verzweifeln von Ländern und Kulturen überall auf der Welt in den Ökumenischen Rat hineingetragen“. Darin sah 51 52 53 54 55 56

Studienkommission, Unordnung, Bd. 4, 93. Vgl. ebd., 47. Studienkommission, Unordnung, Bd. 4, 165 f. Vgl. Kirby, Impact, 142; Greschat, Handeln, 13. Vgl. Kunter, KSZE-Prozeß, 78 – 86. Vgl. Strìmpfel, Lernen, 44 – 47.

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Thomas einen „neuen kämpferischen Geist“57, wobei für ihn klar war, dass jede Aktivität auf das theologische Zentrum, das Christusereignis, ausgerichtet sein müsse.58 Die Anzahl von ÖRK-Mitarbeitern und Delegierten aus dem Süden, insbesondere aus Lateinamerika, erhöhte sich von nun an sukzessive. Eugene Carson Blake, seit 1966 Nachfolger von Willem Visser ’t Hooft als Generalsekretär, stammte zwar aus den Vereinigten Staaten, sah jedoch seine Hauptaufgabe darin, „dem Ökumenischen Rat dabei zu helfen, die Ökumenizität zu vervollständigen, d. h. von der nordatlantisch-anglikanischen Ausrichtung und Kontrolle mehr und mehr zu einer umfassenderen Mitarbeit und Einflussnahme der Vertreter der orthodoxen und sonstigen Kirchen Osteuropas, Asiens, Afrikas und Lateinamerikas zu kommen“59.

Diese in wenigen Jahren vollzogene „Globalisierung des ÖRK“ bereitete nun auch den Weg für eine Neuausrichtung des ökumenischen Menschenrechtsengagements. Dabei spielte die Entwicklung in Lateinamerika eine entscheidende Rolle: Dort versuchte das kapitalismuskritische ökumenische Netzwerk „Iglesia y Sociedad en Am¦rica Latina“ (ISAL) bereits seit 1961 gesellschaftliche Themen auch in kirchlichen Kreisen publik zu machen.60 Die 1962 gegründete „Comisiûn Evang¦lica Latinoamericana de Educaciûn Cristiana“ (CELADEC) hatte einen expliziten Bildungsauftrag im Interesse einer evangelischen Option für die Armen und entwickelte sich in den 1960er und 1970er Jahren zu einer einflussreichen ökumenischen Organisation im Kampf für die Menschenrechte.61 Mit dem argentinischen Juristen estnischer Abstammung Leopoldo J. Niilus als Nachfolger Noldes und dem für Menschenrechtsfragen zuständigen US-amerikanischen Mitarbeiter Dwain Epps waren nun zwei Personen für die Menschenrechte in der CCIA zuständig, die in engem Kontakt zu den Oppositionsbewegungen Lateinamerikas und für einen weniger diplomatischen, dafür aber umso strukturkritischeren Zugang zur Menschenrechtsfrage standen. „There was a break and there was very little understanding between the old and the new [guard of the CCIA].“62 Mit diesen Worten kommentierte Niilus im Rückblick den um 1970 stattgefundenen Wechsel im Mitarbeiterstab, als innerhalb weniger Jahre sämtliche langjährige Mitarbeiter der CCIA – meist aus Altersgründen – ihre Posten verließen. Gegenüber diesen traditionell westlich eingestellten „Diplomaten“ der „alten Garde“ forderte Niilus bereits 1966 „to redefine the ethics of the C.C.I.A. which were basically 57 Thomas, Bericht, 10 f. Vergleiche auch Katharina Kunters eindrückliche Darstellung der Weltmissionskonferenz in Bangkok: Kunter, 1972/3. 58 Vgl. Thomas, Bericht, 12. 59 Blake, Identität, 20. 60 Vgl. MendonÅa, ISAL, 243; Smith, Emergence, 115 ff. 61 Vgl. Sabanes Plou, Latin America, 566; Streck, CELADEC, 85; Traer, Faith, 77. 62 Zeitzeugengespräch mit Leopoldo Niilus in Genf am 22. 7. 2009.

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Anglo-Saxon moralism, believing in a ,nice world‘“63. Er kritisierte einen Paternalismus gegenüber den unterentwickelten Nationen, verstand Entwicklung als Strukturwechsel statt als Wiederaufbau, und brachte den NordSüd-Konflikt als neues Paradigma gegenüber dem gängigen Ost-West-Konflikt ins Spiel.64

5. Ein „integrales“ Verständnis von Menschenrechten Einen Entwurf über die künftige Ausrichtung der Menschenrechtsarbeit präsentierten die Mitarbeiter der CCIA auf der Sitzung des Exekutivausschusses der CCIA in Genf 1971. Erstmalig haben Mitarbeiter der CCIA in einem offiziellen Dokument das überlieferte Verständnis von Menschenrechten in Frage gestellt: „This conception will necessarily move beyond the Western liberal interpretation that views individual rights as supreme, to give emphasis to collective rights of all men to act in the pursuit of dignity free from exploitation by their fellow-men whether this exploitation is political or economic in character“65.

Auf der gleichen Sitzung kritisierte der kolumbianische Soziologe Orlando Fals Borda die „ideologischen Komponenten“ der westlichen angelsächsischen Tradition der Menschenrechte, weil sie „the interests and social position of those dominant power groups of elitist authorities“ reflektieren. Den individuellen Rechten setzte er die „rights of the people“66 entgegen. Angesichts von Hunger, unzureichender medizinischer Versorgung und weiterhin bestehender neokolonialer Abhängigkeit der Länder des globalen Südens gerieten die klassischen Menschenrechtsthemen der CCIA, die Religions- und Meinungsfreiheit, bei den neuen Mitarbeitern des Stabes und den Delegierten aus Afrika, Asien und Lateinamerika zunehmend in den Hintergrund. Die Sprache der Menschenrechte, die bisher vorwiegend zur Kritik an den Verhältnissen in Osteuropa und der Sowjetunion verwendet wurde, sollte nun auch von denjenigen gesprochen und verstanden werden, die ihr Augenmerk mehr auf die Menschenrechtssituation im Süden als auf die im Osten richteten. Für den neuen Stab in der CCIA verloren so die Menschenrechte innerhalb kurzer Zeit ihren unhinterfragbaren Status als liberale Freiheitsrechte. Statt sich, wie in den 1950er und noch in den 1960er Jahren, auf die Religionsfreiheit zu konzentrieren, stand nun die soziale und die kollektive Dimension der 63 „Twenty-First Meeting of the Executive Committee, Geneva, 29. 7.– 2. 8. 1966. Minutes“, AÖRK 428.4.10 – 4.6. 64 Vgl. ebd. 65 CCIA, Churches, 78. 66 Tagungspapier von Orlando Fals Borda ohne Titel, AÖRK 428.04.14 – 7.2.10.6.2.

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Der ÖRK und die Menschenrechte im Kontext

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Menschenrechte im Brennpunkt des ökumenischen Interesses. Damit verbunden war eine Modifikation der politischen Konnotation des Menschenrechtsdiskurses in ÖRK und CCIA. Die Deutungskompetenz in der Frage der Menschenrechte lag nunmehr nicht mehr allein bei denjenigen, die kritisch gegenüber dem Kommunismus eingestellt waren. Von jetzt an konnten die Menschenrechte auch von jenen als schlagkräftiges Argument verwendet werden, die sich mit den neokolonialen und imperialen Strukturen der Welt nicht abfinden wollten. Der neue Zugang zum Thema Menschenrechte war jedoch nicht nur eine Angelegenheit von Vertretern des globalen Südens oder der westlichen „linksintellektuellen Elite“67, sondern wurde breit unter führenden Ökumenikern vertreten. Der schwedische Botschafter Olle Dahl¦n beispielsweise, Politiker der liberalen Partei „Folkpartiet“ und Vorsitzender der CCIA von 1971 bis 1983,68 stellte die rhetorische Frage, ob die christliche Verantwortung im Bereich der Menschenrechte nicht die wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte stärker betonen sollte. Eines der grundlegenden Menschenrechte sei das Recht eines Volkes, sich zu vereinen und einen Staat zu gründen.69 Auch der bundesdeutsche Staatsrechtler Ulrich Scheuner, Interimsvorsitzender der CCIA zwischen Kenneth Grubb und Dahl¦n, plädierte dafür, die sozialen Menschenrechte stärker zu berücksichtigen,70 ebenso wie der Schweizer Direktor der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung und prominente Befürworter einer stärkeren Unterstützung von Dissidenten in Osteuropa, Lukas Vischer, der sich für die Inklusion der sozialen und kollektiven Rechte insbesondere im Kontext der Dritten Welt als einem „decisively important aspect“71 aussprach. Dennoch war die neue Orientierung keineswegs unumstritten. Führende Vertreter der Ökumene ließen eine sehr differenzierte Betrachtungsweise erkennen, bei der auch auf die Grenzen dieser Konzeption hingewiesen wurde. So sprach sich Ulrich Scheuner im gleichen Artikel, in dem er den sozialen Menschenrechten das Wort redete, für ein begrenztes Verständnis der Menschenrechte aus und erklärte, Fragen von Handelsbedingungen oder Entwicklungshilfe seien keine Angelegenheit der Menschenrechte, sondern eine politische Aufgabe.72 Lukas Vischer setzte sich immer wieder dafür ein, dass der ÖRK und die CCIA nicht aufhörten, den Verletzungen der Meinungs- und Religionsfreiheit im kommunistischen Osten nachzugehen. Enttäuscht zeigte 67 68 69 70 71

Richter, Protestantismus, 423. Vgl. Boyens, Rat, 215. Vgl. Dahl¦n, Future, 11. Vgl. Scheuner, Menschenrechte, 160 – 162. „Relations with the Churches in the USSR in 1975“, 2, AÖRK 994.3.50.2. Die grundsätzlich positive Einstellung Vischers zu den sozialen Grundrechten, bei aller Kritik an einer Verengung auf jene Rechte, wird auch in seinem Beitrag zur zweiten Berliner Tagung zu Kirche und Kommunismus deutlich (vgl. Vischer, Osteuropa, 43). 72 Vgl. Scheuner, Menschenrechte, 159 – 161.

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er sich über die Antwort aus den Reihen des Stabes der CCIA, dies sei „nicht hilfreich“ und man würde Gefahr laufen, von der westlichen antikommunistischen Propaganda missbraucht zu werden.73 Offen zu Tage traten die unterschiedlichen Vorstellungen von den Menschenrechten auf der Vollversammlung in Nairobi 1975, als in der halboffiziellen Versammlungszeitung „Target“ ein Aufruf der sowjetischen Dissidenten Gleb Yakunin (ein russisch-orthodoxer Priester) und Lev Regelson mit der Forderung veröffentlicht wurde, der ÖRK solle sich stärker für die Einhaltung der Menschenrechte in der Sowjetunion einsetzen.74 Dies führte zu einer sehr emotional geführten Debatte, in der vornehmlich westliche Delegierte eine Erweiterung einer bereits vorbereiteten Stellungnahme zu den Verträgen von Helsinki vorschlugen. Danach sollte die sowjetische Regierung ausdrücklich aufgefordert werden, für die Umsetzung von Sektion 7 (Achtung der Menschenrechte) zu sorgen. Andere, insbesondere Vertreter der russischorthodoxen Kirche, versuchten, dies zu verhindern. Schließlich wurde als Kompromiss der Satz angefügt und „mit überwältigender Mehrheit angenommen“, dass die Vollversammlung „auf die Debatte über die angebliche Verweigerung der Religionsfreiheit in der UdSSR beträchtliche Zeit verwandt“75 hat. Gleichzeitig wurde der Generalsekretär aufgefordert, die Frage der Religionsfreiheit im Zusammenhang mit den KSZE-Verhandlungen weiter zu beobachten und dem Zentralausschuss im August 1976 einen Bericht vorzulegen.76 Die Menschenrechte und insbesondere die Thematisierung der unterdrückten Religionsfreiheit in den kommunistischen Ländern als ein Menschenrecht der ersten Dimension boten seitdem immer wieder Anlass zu Kritik und Kontroversen innerhalb und außerhalb des ÖRK.77 73 Vgl. Vischer, Osteuropa, 43; „Relations with the Churches in the USSR in 1975“, 7, AÖRK 994.3.50.2. 74 Vgl. Yakunin/Regelson: Letters; Boyens, Rat, 214 – 217; Kunter, Schlussakte, 44; Kunter, Kirchen, 150 – 155; Richter, Protestantismus 423 f.; de Graaf, Mauer, 90 – 92. 75 Krìger/Mìller-Rçmheld, Bericht, 183. Vgl. auch Weing•rtner, Human Rights, 21. 76 Vgl. Krìger/Mìller-Rçmheld, Bericht, 184; Kunter, Schlussakte, 153. 77 Besonders deutlich fällt die Kritik von Armin Boyens aus: Nachdem sich Generalsekretär Visser ’t Hooft und CCIA-Direktor Frederick Nolde noch nachdrücklich für die Religionsfreiheit auch in der Sowjetunion einsetzten (Vgl. Boyens, Rat, 115 – 119), schlug „das Herz der Generalsekretäre Blake und Potter nicht für die Sache der Menschenrechte“ (ebd., 196). Noldes Nachfolger Niilus habe sich, so Boyens, „von den bisherigen Grundüberzeugungen des ÖRK in Menschenrechtsfragen gelöst“, weil er Menschenrechtsverletzungen in der Sowjetunion nicht mit der gleichen Vehemenz verurteilte wie sein Vorgänger (ebd., 196). Schließlich warf Boyens Niilus vor, „die CCIA aus einer Institution zur Verteidigung der Menschenrechte zu einem Instrument der Vertuschung von Menschenrechtsverletzungen gemacht zu haben“ (ebd., 208). Boyens’ zum Teil tendenziöse Darstellung des ökumenischen Menschenrechtsengagements rief den Widerspruch vor allem von ehemaligen Akteuren in der Ökumenischen Bewegung hervor. Vgl. Dejung/Krusche/Stçhr, Rat; Stçhr, Weltgericht; Held, Rat. Mittlerweile wird die Zurückhaltung gegenüber den Menschenrechtsverletzungen im kommunistischen Osten auch von damals Verantwortlichen kritisch gesehen. Konrad Raiser, in den 1970er Jahren stellvertretender Generalsekretär des ÖRK, notierte, dass das Recht und das politische Potential der

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Der ÖRK und die Menschenrechte im Kontext

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Mit einer Beschreibung dieser mitunter sehr emotional geführten Auseinandersetzungen ist die Entwicklung im ökumenischen Menschenrechtsengagement der frühen 1970er Jahre jedoch nicht hinreichend erfasst. Im Ringen um die Deutungshoheit des ökumenischen Menschenrechtsengagements wird nämlich meist übersehen, dass es sich bei den kontroversen Auseinandersetzungen der 1970er Jahre um Eruptionen eines sehr viel tiefer liegenden Prozesses beim ÖRK und seinen Gremien handelt, der nicht nur darauf abzielte, unterschiedliche rechtliche, politische und ethische Zugänge zu den Menschenrechten zu integrieren, sondern der den Menschenrechten auch eine zentrale Stelle in der ökumenischen Sozialethik zuwies. Ein neues, „integrales“ Verständnis von Menschenrechten war insbesondere im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung der CCIAKonferenz von St. Pölten zu erkennen. Bereits in den Vorbereitungspapieren wurde die Verletzung aller Arten von Menschenrechten (wirtschaftliche, soziale, kulturelle, bürgerliche und politische) als Gefahr für die Menschenwürde, den Frieden und das Überleben der Menschheit verstanden.78 Der Lenkungsausschuss für die Vorbereitung der Konsultation erklärte zwar, „the primacy of religious liberty has in more recent years given way to [a] more integral approach to human rights“79. Die Konsultation ist deswegen aber nicht an der Frage der Religionsfreiheit vorübergegangen, wie Scheuner in einem Rückblick bemerkte.80 Zumindest auf der Ebene der schriftlich verfassten internen Dokumente und öffentlichen Verlautbarungen im Umfeld von St. Pölten ist ein Bemühen zu erkennen, den in den frühen 1970er Jahren virulenten Menschenrechtsfragen in einer globalen Perspektive zu begegnen und „ein besseres Verständnis von den unterschiedlichen Zugängen zu den Menschenrechten“81 zu erlangen. Das wird insbesondere deutlich, wenn man sich den Katalog von sechs grundlegenden Rechten betrachtet, der in St. Pölten beschlossen wurde: „a) Es gibt ein grundlegendes Recht des Menschen auf Leben – einschließlich der gesamten Frage des Überlebens, der Bedrohungen und Verletzungen, die aus ungerechten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Systemen resultieren, und der Lebensqualität. b) Es gibt ein Recht, sich kultureller Identität zu erfreuen und diese zu erhalten – das schließt Fragen wie nationale Selbstbestimmung, Rechte von Minderheiten und so fort ein.

78 79 80 81

osteuropäischen Oppositionsbewegungen vom ÖRK nicht wirklich erkannt wurden (Raiser, Ökumene, 26). Vgl. auch Greschat, Handeln; Kunter, Ökumene. Vgl. Human Rights and Christian Responsibility : Approved Guidelines for a Consultation. In CCIA, Churches, 111. Ebd., 114. Vgl. Scheuner, Menschenrechte, 162. „Group 3: Promoting greater international, ecumenical understanding and cooperation for the defense and implementation of human rights“, AÖRK 428.15.3.3. Übersetzung: C. Albers.

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c) Es gibt ein Recht, an Entscheidungsprozessen innerhalb der Gemeinschaft teilzuhaben – das umfasst die ganze Frage effektiver Demokratie. d) Es gibt ein Recht auf unterschiedliche Meinung – das bewahrt eine Gemeinschaft oder ein System davor, sich in autoritärer Unbeweglichkeit zu verhärten. e) Es gibt ein Recht auf persönliche Würde – das umfasst die Verurteilung beispielsweise der Folter und der fortgesetzt verlängerten Haft ohne Gerichtsverfahren. f) Es gibt ein Recht, frei einen Glauben und eine Religion zu wählen; das umfasst die Freiheit, entweder allein oder in Gemeinschaft mit anderen in der Öffentlichkeit oder privat seinen Glauben oder seine Religion durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden.“82

Mit dem Recht auf kulturelle Identität oder nationale Selbstbestimmung waren in der Abschlusserklärung von St. Pölten Rechte aufgeführt, die nicht dem klassischen liberalen Menschenrechtskatalog entnommen waren. Daneben standen jedoch mit dem Recht auf die Teilnahme an demokratischen Entscheidungsprozessen, dem Recht auf eine abweichende Meinung sowie dem Recht auf freie Religionsausübung auch klassische Freiheitsrechte der ersten Dimension. Auffällig ist, dass die sozialen Rechte, die der zweiten Dimension zugeordnet werden, wie das Recht auf Arbeit, Gesundheit oder Bildung, überhaupt nicht explizit erwähnt wurden.83 Der Abschlussbericht stellte fest: „Individuelle Rechte und kollektive Rechte stehen nicht in banaler Opposition zueinander. Sie stehen miteinander in Beziehung.“84 Ein ÖRK, der sich als Fürsprecher von Kirchen auf der ganzen Welt verstand, konnte sich fortan in der Menschenrechtsfrage nicht mehr allein auf seine Ursprungsregion Europa und Nordamerika konzentrieren, sondern musste, so Blakes Nachfolger Philip Potter, die „Entwicklung aller Völker und des ganzen menschlichen Wesens“ im Auge behalten.85 Konrad Raiser sah in der Konsultation von St. Pölten die Spannung der unterschiedlichen Menschenrechtsverständnisse mit dem Grundrecht auf Leben „als wesentliches 82 „Die Welt wartet auf die Verwirklichung der Menschenrechte“ (epd Dokumentation 5/75), 44. Vischer erklärte in einem Memorandum 1975, die Religionsfreiheit sei ursprünglich nicht in dem Katalog, der den Konferenzteilnehmern von den Organisatoren zur Beratung vorgelegt wurde, vorgesehen gewesen, sondern erst als Ergebnis der Diskussion aufgenommen worden („Relations with the Churches in the USSR in 1975“, 7, AÖRK 994.3.50.2). Der im Archiv des ÖRK vorgefundenen Tischvorlage für die für den Katalog zuständige Arbeitsgruppe 3 ist jedoch überhaupt kein Hinweis auf einen vorformulierten Menschenrechtskatalog zu entnehmen, also auch nicht auf die ersten fünf Punkte des Katalogs („Group 3: Promoting greater international, ecumenical understanding and cooperation for the defense and implementation of human rights“, AÖRK 428.15.3.3). 83 Dies wird sowohl von Boyens als auch von Richter („Die sozialen Menschenrechte wurden dagegen zentral platziert.“) anders beurteilt. Vgl. Boyens, Rat, 202 f.; Richter, Protestantismus, 423. 84 „Die Welt wartet auf die Verwirklichung der Menschenrechte“ (epd Dokumentation 5/75), 43. 85 Vgl. Krìger, Bewegung, 18.

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Kriterium des ökumenischen Einsatzes für soziale Gerechtigkeit“86 überwunden. Schließlich deutete sich für die EKD in ihrer 1975 veröffentlichten Denkschrift „Die Menschenrechte im Ökumenischen Gespräch“ im Katalog von St. Pölten „ein Weg der Beschreibung von Grundelementen eines modernen Menschenrechtsverständnisses an, der über die Gegenüberstellung von individuellen und sozialen Menschenrechten hinauszuführen vermag“87. Die Vollversammlung des ÖRK in Nairobi 1975 griff die Ergebnisse der Konsultation von St. Pölten auf, machte sie sich zu eigen und kommentierte sie ausführlich. Dem ÖRK und der CCIA wurde ein umfangreicher Maßnahmenkatalog auferlegt, der nicht nur vorsah, Informationen über Menschenrechtsverletzungen zu sammeln und zu verbreiten bzw. Erklärungen abzugeben, sondern auch „Untersuchungs- und Seelsorgeteams“ auszusenden und betroffene Gruppen und Einzelpersonen materiell zu unterstützen.88 Auch wenn das Thema „Menschenrechte“ auf der Vollversammlung sehr von der Debatte um den Brief von Yakunin und Regelson dominiert wurde, war doch die Behandlung des Themas Menschenrechte in der Sektion V und die Annahme des Berichts „Strukturen der Ungerechtigkeit und der Kampf um Befreiung“ mit einem ausführlichen Abschnitt zu den Menschenrechten und der leicht modifizierten und ausführlich kommentierten Übernahme des Katalogs von St. Pölten für die Menschenrechtsgeschichte des ÖRK insgesamt von großer Bedeutung.89 Erstmals waren die Menschenrechte das bestimmende Thema in einem Sektionsbericht des höchsten Entscheidungsgremiums des ÖRK. Nun, fast 30 Jahre nach seiner Gründung, gab sich der ÖRK einen umfassenden Orientierungsrahmen für die ökumenische Menschenrechtsarbeit, in dem er die Tendenz von St. Pölten bestätigte, „that the struggle for human rights, even of the individual, is at root a struggle for the liberation of the entire community“ and „the question of religious liberty had become ,inseparable from other fundamental human rights‘“90.

6. Fazit Der Wandel, der sich in den 1970er Jahren innerhalb des ökumenischen Menschenrechtsverständnisses vollzog, war mehr als eine Erweiterung um die soziale und kollektive Dimension der Menschenrechte. Vielmehr handelte es sich um einen grundlegenden strukturpolitischen Transformationsprozess, 86 87 88 89 90

Raiser, Angelegenheiten, 78. Kirchenamt, Denkschriften, 97 f. Vgl. Krìger/Mìller-Rçmheld, Bericht, 94. Vgl. ebd., Bericht, 74 – 96. Weing•rtner, Human Rights, 24. Weingärtner zitiert aus dem englischsprachigen Berichtband der Vollversammlung von Nairobi (Paton, Barriers, 32).

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der eine umfassende sozialethische Durchdringung der Menschenrechte beinhaltete. Die Sprache der Menschenrechte wurde nun in den frühen 1970er Jahren nicht mehr exklusiv von den Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Diplomatie in den elitären Kreisen der CCIA gesprochen, sondern breitete sich rapide auf den Fluren des Genfer Ökumenischen Zentrums und auf zahlreichen Tagungen bis hin zur ökumenischen Basis aus. Als sich der Zentralausschuss des ÖRK 1971 dafür entschied, eine Konsultation zu den Menschenrechten (St. Pölten) abzuhalten, wurde diese Veranstaltung nicht als ein einzelnes für sich stehendes Ereignis verstanden, sondern als Teil eines ökumenischen Prozesses, der weit über die CCIA hinausreichte. Zahlreiche Abteilungen des ÖRK entdeckten die Menschenrechte als eine für ihre Arbeit relevante Angelegenheit, und so entwickelten sich die Menschenrechte zu einem „integralen Teil der Politik des Rats“91. Die Menschenrechte wurden nun nicht mehr als ein isolierter Arbeitsbereich aufgefasst, mit dem man sich neben den Themen von Abrüstung, Entwicklung usw. befasste, sondern standen nun in einem unmittelbaren Zusammenhang zu anderen Arbeitsgebieten wie dem Problem des Militarismus,92 aber auch des interreligiösen Dialogs.93 Eine Intensivierung der Menschenrechtsarbeit zeigte sich aber nicht nur in St. Pölten und Nairobi, sondern auch an der Gründung eines Human Rights Ressource Office for Latin America,94 der Durchführung von Kolloquien und regionalen Konsultationen zu den Menschenrechten95 und nicht zuletzt an der besorgten Äußerung des Vorsitzenden des sowjetischen Staatsamtes für Kirchenfragen Wladimir Kurojedow auf der Tagung der für die Religion zuständigen Ministerien der sozialistischen Länder in Berlin 1974, der die Intensivierung des ökumenischen Menschenrechtsdiskurses auf „reaktionäre Kräfte des Westens“96 zurückführte. So sehr man bei dieser explosionsartigen Erweiterung und Durchdringung des Menschenrechtsgedankens im ÖRK nun eine Parallele zu der von Samuel Moyn beschriebenen Entwicklung im Bereich des säkularen Menschenrechtsengagements sehen mag, sind doch auch deutliche Unterschiede zu erkennen. Der Siegeszug der Menschenrechte, wie Moyn ihn darstellt, war eine Angelegenheit des Westens mit einem Schwerpunkt auf den politischen und bürgerlichen Rechten.97 Als Wirkursachen nennt er den Erfolg der weitgehend im Westen verwurzelten NGO „Amnesty International“, die KSZE-Verhandlungen und die Erneuerung der US-Außenpolitik durch Jimmy Carter unter

91 92 93 94 95 96 97

Hessler, Uppsala, 39. Vgl. World Council of Churches, Nairobi, 137. Vgl. Hessler, Uppsala, 114. Vgl. World Council of Churches, Nairobi, 129 – 131. Vgl. CCIA, Report, 118 – 122; World Council of Churches, Nairobi, 134. Heise, Bewegung, 73. Vgl. Moyn, Utopia, 17 und 118 f.

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der Überschrift der Menschenrechte.98 Der ÖRK dagegen wurde in den 1970er Jahren eine wirklich globale Organisation, und so wurden die Menschenrechte im ÖRK auch als eine globale Angelegenheit betrachtet. Niilus äußerte sich dazu während der Sitzung des Zentralausschusses in Addis Abeba 1971: „For the first time in history, a real global society has come into existence in which the problems of all parts of the world (not least those which have recently attained independence) have to be taken into account“99. Anders, als es Moyn für den säkularen Bereich aufzeigt,100 standen die Menschenrechte im ÖRK damit auch nicht im Widerspruch zur Frage des Antikolonialismus. Vielmehr verschmolzen die beiden Diskurse in dem übergeordneten Motiv der Errichtung einer besseren Welt: „What is at stake is not just one more ecumenical meeting, but a new form of constructive involvement of the ecumenical movement in the process of building a new world in which the service of Christians can, in fact, contribute to the establishment of peace with justice.“101

Der CCIA ging es darum, an der Erschaffung einer besseren Welt mitzuwirken, und sie konnte angesichts einer zunehmenden Anzahl an Mitgliedskirchen, Delegierten und Mitarbeitern aus Afrika, Asien und Lateinamerika dabei nicht an den Fragen vorbeigehen, die von den Mitgliedskirchen der südlichen Hemisphäre eingebracht wurden. Die Frage der theologischen Legitimität dieser eschatologischen Argumentation soll und kann hier nicht beantwortet werden. Dass man sich in der CCIA und dem ÖRK aber überhaupt der Sprache der Menschenrechte bediente, um dieses Ziel zu erreichen, eröffnete zahlreichen Vertretern aus Entwicklungsländern, die allen Grund hatten, auf eine andere Welt zu hoffen, gerade dadurch den Zugang zu der im westlichen Kulturkreis entstandenen und doch universale Geltung beanspruchenden Idee der Menschenrechte. Wenn Menschenrechte „geschichtliche Antworten auf exemplarische Unrechtserfahrungen“102 sind, dann konnten die Vertreter der ,jungen Kirchen‘ die Menschenrechte als Antwort auf ihre Unrechtserfahrungen verstehen. In einem globalisierten ÖRK eröffnete dies letztlich Vertretern aus den unterschiedlichen Kulturkreisen die Möglichkeit, auf Augenhöhe in der einen Sprache der Menschenrechte zu kommunizieren. Bei aller notwendigen sachlich vorgebrachten Kritik am ökumenischen Schweigen gegenüber der Verletzung fundamentaler Rechte in den sozialistischen Ländern – aus der 98 Vgl. ebd., 130 f. 99 „World Council of Churches: Central Committee: Addis Ababa, Ethiopia: January 1971: Report of the Chairman of the Commission of the Churches on International Affairs“, AÖRK 428 EC and CC. 100 Moyn, Utopia, 107. 101 „World Council of Churches: Central Committee: Geneva, Switzerland, 22.–29. 8. 1973: Doc. Nr. 2c: Commission of the Churches on International Affairs: Report to the Unit II and Central Committees“, AÖRK 428 EC and CC. 102 Reuter, Kritik, 94.

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Perspektive einer globalen Menschenrechtsgeschichte leisteten ÖRK und CCIA mit der ökumenischen „Globalisierung des Menschenrechtsdiskurses“103 einen wichtigen Beitrag zur Frage der Universalität der Menschenrechte.

Quellen- und Literaturverzeichnis I. Unveröffentlichte Quellen Archiv des Ökumenischen Rates der Kirchen, Genf (AÖRK) Der Bestand 428 umfasst veröffentliche Dokumente und Stellungnahmen, interne Memoranden und Protokolle sowie Dokumente der ÖRK-internen und externen Kommunikation der CCIA. Der Bestand befindet sich zum Teil in einem ungeordneten Zustand und wird zur Zeit archivarisch bearbeitet. Aus diesem Grund kann es zu Abweichungen der angegebenen archivarischen Fundorte kommen. AÖRK 428.01.02.1: CCIA – Commission to study the bases of a just and durable peace. AÖRK 428.01.06: CCIA – Early History – Cambridge 1946. AÖRK 428.04.14: Commission, Executive Committee and Officers Meetings 1970 – 1971. AÖRK 428.13: UN Memos 1960 – 1970. AÖRK 428.15.3.3: Consultation on Human Rights and Christian Responsibility, St. Pölten, Austria, 21.–26. 10. 1974. AÖRK 418 EC and CC: WCC Central Committee Addis Ababa 1971. AÖRK 994.3: Dokumente von Lukas Vischer, Direktor der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung von 1969 – 1975. AÖRK 994.3.50.2: Relations with Eastern Europe: General and Russian Orthodox Church (1962 – 1975).

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Annegreth Schilling

Demokratischer Sozialismus, Humanisierung und Befreiung Der Beitrag Lateinamerikas zur Globalisierung der Ökumene Als Philip Potter, der aus der Karibik stammende methodistische Pastor und spätere Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), im Jahr 1971 die Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg erhielt, stand sein Festvortrag unter der Überschrift „Die dritte Welt in der Ökumenischen Bewegung“.1 Dieses Thema war nicht nur biographisch für ihn relevant, sondern reflektierte eine der größten Herausforderungen, vor die sich die ökumenische Gemeinschaft in den 1960er und 1970er Jahren gestellt sah: die Erweiterung und Infragestellung der europäisch-nordamerikanisch geprägten Ökumene durch Vertreter und Positionen aus der ,Dritten Welt‘2. Potter interpretierte diese Entwicklung in seinem Vortrag als „Schwelle zu einer neuen Ära, in der die ökumenische Bewegung in einem echteren Sinne weltweit wird – hinsichtlich der Beteiligung, der behandelten Probleme und der Denkmethoden und Ausdrucksweisen“3. Zwar zeigte Potter, dass die Dritte Welt nicht erst „eine jüngere Erscheinung auf dem ökumenischen Schauplatz ist“4, sondern dass die ökumenische Bewegung bereits seit ihren Anfängen eine globale Dimension besaß; doch die Dritte Welt sei insbesondere seit dem Beginn der Dekolonisierung in Asien und Afrika „zu einem entscheidenden Faktor in der Weltpolitik und auch in der ökumenischen Bewegung geworden“5. Im ÖRK waren die ,jungen Kirchen‘6 insbesondere seit seiner 3. Vollversammlung in Neu-Delhi 1961 stärker in Erscheinung getreten: insgesamt 18 Kirchen7 aus Asien, Afrika und Lateinamerika8 wurden als neue Mitglieder in 1 Potter, Dritte Welt. 2 Der Begriff ,Dritte Welt‘ wird im Folgenden in seiner historischen Bedeutung ohne Anführungszeichen als Überbegriff für die ,Entwicklungsländer‘ Afrikas, Asiens und Lateinamerikas verwendet, im Gegenüber zur ,Ersten Welt‘ (Europa, Nordamerika, Australien) und zur ,Zweiten Welt‘ (Ostblockstaaten und andere sozialistische Staaten). Zur Definition Dritte Welt vgl. Kalter, Entdeckung, 44 – 80, insbes. 60 – 65. 3 Potter, Dritte Welt, 386. 4 Ebd., 370. 5 Ebd., 377. 6 Der Begriff ,junge Kirchen‘ wird hier in seiner historischen Bedeutung der „aus der westlichen Missionsarbeit entstandenen Kirchen der Dritten Welt“ (Hollenweger, Junge Kirchen, 454) und ebenso wie der Begriff ,Dritte Welt‘ ohne Anführungszeichen verwendet. 7 Vgl. Visser ’t Hooft, Neu-Delhi, 16 f. Es handelte sich um elf Kirchen aus Afrika, vier aus Asien/ Pazifik und drei aus Lateinamerika/Karibik.

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die ökumenische Gemeinschaft aufgenommen, sodass nun fast die Hälfte aller Mitgliedskirchen aus der Dritten Welt kam. Doch wie wirkte sich diese geographische Ausweitung in der folgenden Zeit auf die Arbeit des ÖRK aus? Inwiefern veränderten Vertreter der Dritten Welt die ökumenische Agenda, die seit der Gründung des ÖRK vorrangig auf die Stabilisierung und Friedenssicherung in Europa hin ausgerichtet war? Auf welche Weise beeinflussten Impulse aus den jungen Kirchen die bisherige Denk- und Arbeitsweise des ÖRK? Aufgrund der unterschiedlichen historischen Entwicklungen in Asien, Afrika und Lateinamerika lässt sich dabei allerdings nicht von dem Einfluss der jungen Kirchen sprechen, sondern es muss hier je nach Zeit und Kontext differenziert werden. Für die 1960er und 1970er Jahre lässt sich konstatieren, dass zahlreiche signifikante theologische Impulse und Visionen für die ökumenische Arbeit aus Lateinamerika kamen.9 Der folgende Beitrag geht dieser Beobachtung nach und fragt nach dem Beitrag lateinamerikanischer protestantischer Kirchen und Christen für die globale ökumenische Arbeit des ÖRK. Wie verschafften sich Vertreter lateinamerikanischer Kirchen auf dem internationalen ökumenischen Parkett Gehör, wo doch bis 1961 nur fünf lateinamerikanische Kirchen Mitglieder im ÖRK waren?10 Wie lautete ihre Kritik an den bestehenden ökumenischen Konzepten und wie nachhaltig wirkte sich ihre Sicht auf den internationalen ökumenischen Dialog aus? Ausgehend von diesen Fragen werden im ersten Teil des Beitrags zunächst die gesellschaftspolitischen Entwicklungen und die Situation protestantischer Kirchen in Lateinamerika im 20. Jahrhundert in den Blick genommen, um daran anknüpfend die „Politisierung“ des lateinamerikanischen Protestantismus in den frühen 1960er Jahren darzustellen. Im zweiten Teil wird dann exemplarisch analysiert, welche Themen von latein8 Die Unterscheidung von Lateinamerika und Karibik wurde in der damaligen Zeit noch nicht streng behandelt. Entgegen der heute üblichen Trennung des lateinamerikanischen und karibischen Kulturraums werden im Folgenden unter dem Begriff lateinamerikanische Kirchen auch die Kirchen aus der Karibik hinzugezählt. 9 Vgl. Raiser, Paradigmenwechsel, 97; K•ssmann, Vision, 105 f. Die Verfasserin erarbeitet derzeit eine Dissertation zur Repräsentation Lateinamerikas im ÖRK in den 1960er und 1970er Jahren. Der vorliegende Beitrag enthält einige grundlegende Einsichten, die in der Dissertation vertieft entfaltet werden. Es wäre lohnend, ebenfalls Einzelstudien zum Einfluss afrikanischer sowie asiatischer Kirchen und Theologie auf die ökumenische Bewegung in den 1950er und 1960er Jahren durchzuführen, um anschließend den Einfluss der Kirchen der Dritten Welt auf die ökumenische Bewegung zwischen 1948 – 1975 differenzierter interpretieren zu können. 10 Dazu gehörten die methodistische Kirche in Brasilien, die methodistische Kirche in Mexiko, die anglikanische Kirche von den westindischen Inseln (Mitgliedskirchen seit 1948), die Evangelische Kirche lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (Mitgliedskirche seit 1950) sowie die Evangelische Kirche am R†o de la Plata in Argentinien, Uruguay und Paraguay (Mitgliedskirche seit 1956). 1961 wurden zusätzlich die Pfingstkirche von Chile, die Pfingstkirchliche Mission in Chile sowie die Presbyterianische Kirche in Trinidad (Karibik) als Mitgliedskirchen in den ÖRK aufgenommen. Die Datenerhebung erfolgte auf Grundlage des Online-Handbuchs zur ÖRKMitgliedschaft; vgl. http://www.oikoumene.org/en/handbook/global-bodies-and-missioncommunions/wcc.html (6. 2. 2012).

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amerikanischen Christen in die weltweite ökumenische Arbeit eingebracht wurden. Der dritte Teil geht der Frage nach, ob und inwiefern sich der ÖRK die lateinamerikanischen Impulse zu eigen gemacht hat und wie sich dies auf die politische Positionierung des ÖRK in den 1970er Jahren ausgewirkt hat.

1. Die „Politisierung“ des lateinamerikanischen Protestantismus 1.1 Protestantismus, Mission und Ökumene in Lateinamerika Lateinamerika galt bis in das 20. Jahrhundert hinein als ein vorrangig vom katholischen Glauben geprägter Kontinent und war daher in der frühen ökumenischen Bewegung kaum vertreten. Der Protestantismus, der sich in Lateinamerika nach den Unabhängigkeitskämpfen der ersten Hälfte, zunehmend jedoch ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte, war einerseits geprägt durch europäische Einwanderer, die sich insbesondere in Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay niederließen. Andererseits trug die Missionstätigkeit traditioneller protestantischer Konfessionen der USA, wie etwa der Methodisten, Presbyterianer und Episkopalen, zum Wachstum protestantischer Gemeinden in Lateinamerika bei, das bald darauf zusätzlich durch die missionarische Arbeit von Freikirchen, wie der Baptisten, Quäker oder Disciples of Christ, befördert wurde.11 Trotz der steigenden Präsenz des Protestantismus in Lateinamerika fand die Weltmissionskonferenz in Edinburgh 1910, auf der erstmals in der Geschichte auf internationaler Ebene Vertreter verschiedener Kirchen und Missionsgesellschaften die Aufgabe und Reichweite christlicher Mission diskutierten, „wegen der beherrschenden Stellung der katholischen Kirche“12 noch gänzlich ohne lateinamerikanische Beteiligung statt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es mehrere Anläufe zur innerprotestantischen ökumenischen Zusammenarbeit in Lateinamerika, die jedoch zunächst durch die Interessen der nordamerikanischen Missionen bestimmt war.13 Erst 1949 gelang es der ersten Evangelischen Lateinamerikanischen Konferenz (CELA) in Buenos Aires dem ökumenischen Dialog zwischen den verschiedenen protestantischen Konfessionen eine klarere Struktur zu geben. Jedoch wurden auf der Konferenz soziale, politische und wirtschaftliche Fragen weitgehend ausgeblendet, so dass es in der Folge zu einer Polarisierung zwischen konservativen Kräften, die insbesondere die Einheit des Protestantismus gegenüber dem Katholizismus stärken wollten, 11 Vgl. den Überblick zur Ausbreitung des Protestantismus in Lateinamerika bei Prien, Lateinamerika, 305 – 310; Ders., Christentum, insbes. 160 – 162; 308 – 314; 319 – 437; Bastian, Geschichte, 223 – 279. 12 Prien, Lateinamerika, 470; vgl. auch Sabanes Plou, Latin America, 565. 13 Hierzu zählen die Konferenzen von Panama (1916), Montevideo (1925) und Havana (1929).

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und progressiven Kräften kam, die die Aufgabe der ökumenischen Zusammenarbeit vor allem in dem Einsatz für soziale Gerechtigkeit sahen. Hinzu kam verstärkt ab den 1950ern das Wachstum von neo-pentekostalen und evangelikalen Bewegungen, die jegliche innerprotestantische ökumenische Kooperation ablehnten.14 Der ÖRK förderte insbesondere in den 1950er Jahren die Bestrebungen einzelner progressiver christlicher Gruppen in Brasilien, Argentinien und Uruguay sich mit der gegenwärtigen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation Lateinamerikas zu befassen. Durch die zunehmende Industrialisierung und das starke Bevölkerungswachstum in den 1950er Jahren stand Lateinamerika vor unvergleichlich großen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen. Durch Agrarreformen versuchten u. a. die Regierungen in Bolivien und Guatemala die Verhältnisse für die zusehends verarmten Kleinbauern zu verbessern, doch führten diese Reformen nicht zum Erfolg bzw. wurden vorzeitig abgebrochen. Die schlechten Verhältnisse auf dem Land trieben viele Menschen in die Städte, wo sie jedoch ohne Arbeit in Armut und Elend lebten. Erschwerend kam die Bildung von rechts-konservativen Regierungen hinzu, gefolgt von Militärdiktaturen, die ab 1964 in Brasilien und bis in die 1980er Jahre hinein in vielen Ländern Lateinamerikas eine repressive Politik verfolgten.15 Als Reaktion auf den raschen sozialen Wandel, der in den 1940er und 1950er Jahren nicht nur Lateinamerika, sondern im Zuge der Dekolonisierung insbesondere die Länder Asiens und Afrikas vor enorme Herausforderungen stellte, initiierte der ÖRK 1955 das Studienprogramm „Rapid Social Change“, das die Kirchen in Afrika, Asien und Lateinamerika anregen sollte, sich mit dem Wandel in ihren Regionen und der damit in Zusammenhang stehenden gesellschaftlichen Verantwortung der Kirchen zu beschäftigen.16 Doch während der Einfluss des Studienprogramms insbesondere in Asien, aber auch in Afrika, schon von seiner Einsetzung an recht hoch war, wurde es in Lateinamerika wesentlich langsamer aufgenommen.17 Ein Grund kann darin gesehen werden, dass das Studienprogramm die Prozesse des nation building in Asien und Afrika aus christlicher Perspektive begleitete und daher besonders anschlussfähig war. In Lateinamerika dagegen konnte das Rapid Social Change-Programm weniger als im asiatischen Kontext auf bestehende kirchliche Strukturen zurückgreifen, um die durch das Studienprogramm 14 Für eine ausführliche und differenzierte Darstellung der unterschiedlichen Strömungen des lateinamerikanischen Protestantismus vgl. M†guez Bonino, Faces. Vgl. außerdem die Darstellungen bei Sabanes Plou, Latin America; Prien, Lateinamerika, 316 – 325; Ders., Art. Lateinamerika, 473 f. 15 Vgl. Rinke, Geschichte, 99 – 114; Puhle, Diktatur ; Potthast, Urbanisierung. Für eine nach Ländern geordnete Darstellung der Geschichte Lateinamerikas im 20. Jahrhundert vgl. Bernecker, Lateinamerika. 16 Vgl. Abrecht, Churches. 17 Vgl. Dejung, Entwicklungskonflikt, 216 – 289.

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aufgeworfenen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Fragen nachhaltig zu verankern. Der für das Studienprogramm zuständige Leiter der Abteilung Kirche und Gesellschaft im ÖRK, Paul Abrecht, konstatierte 1961 für Lateinamerika „[that] the new interest in social questions has really only begun to develop“18. Er selbst sorgte insbesondere in der ersten Hälfte der 1960er Jahren für die Anschlussfähigkeit des Rapid Social Change-Programms an die neu entstehende Bewegung für Kirche und Gesellschaft in Lateinamerika sowie für deren finanzielle Unterstützung durch den ÖRK.

1.2 Die Bewegung für Kirche und Gesellschaft in Lateinamerika (ISAL) und die Vision vom demokratischen Sozialismus Das neue Interesse an sozialen, politischen und wirtschaftlichen Themen entfaltete sich in den 1960er Jahren innerhalb eines kleinen, intellektuell geprägten Teils des lateinamerikanischen Protestantismus und wirkte auch katalysierend auf den globalen ökumenischen Transformationsprozess. Angesichts der wirtschaftlich, politisch und sozial angespannten Situation in den Ländern Lateinamerikas, und angeregt durch das Studienprogramm „Rapid Social Change“ des ÖRK, entstand Anfang der 1960er Jahre die Bewegung für Kirche und Gesellschaft in Lateinamerika ISAL (Iglesia y Sociedad en Am¦rica Latina). Sie beförderte in den 1960er Jahren die Ausbildung eines gesellschaftspolitischen und kritischen Bewusstseins im linksintellektuell geprägten progressiven Flügel des lateinamerikanischen Protestantismus und diente bis in die 1970er Jahre der internationalen Ökumene als Referenzpunkt für die protestantische lateinamerikanische Perspektive. Die Gründung von ISAL brachte gleichzeitig aber auch Polarisierungen innerhalb des lateinamerikanischen Protestantismus mit sich, da einige Sympathisanten in ISAL „ein authentischeres ökumenisches Instrument als andere, von den Kirchenführern offiziell genehmigte Organe der Zusammenarbeit“19 sahen. Julio de Santa Ana, methodistischer Theologe aus Uruguay und Generalsekretär von ISAL von 1969 bis 1972, bezeichnete ISAL sogar als „säkulare Ökumene“, da sie sich kritisch mit gesellschaftlichen Fragen beschäftige: „Die säkulare Ökumene in Lateinamerika ist der Auszug in die Diaspora, in der sich Christen am Rande der etablierten Kirchen treffen, die der Wille zum konkreten und aktuellen Dienst am Nächsten eint. Christen, die sich bewußt geworden sind, daß sie hier und heute die revolutionäre Seite ihres Glaubens bekennen müssen.“20

Der „Auszug in die Diaspora“, wie Santa Ana etwas pathetisch in Anspielung an den Exodus des Volkes Israels formulierte, sowie das revolutionäre Be18 Abrecht, Churches, 21. 19 Odell, Wandel, 163 (Hervorhebung im Original). 20 Santa Ana, Auszug, 75.

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kenntnis des christlichen Glaubens waren Kennzeichen von ISAL. Es handelte sich also um eine para-kirchliche, institutionell nicht etablierte Bewegung, die die Verantwortung von Christen an der gesellschaftspolitischen Situation benennen und durch ihre kritische Stimme die etablierten protestantischen Kirchen herausfordern wollte.21 Die Gründung von ISAL fand im Juli 1961 in Huampan† nahe der peruanischen Hauptstadt Lima im Rahmen einer Konferenz mit dem Titel „Die Christen und der soziale Wandel in Lateinamerika“ statt und wurde von Paul Abrecht als „turning point in social thinking in Latin American Protestantism“22 bezeichnet. Insgesamt nahmen 42 Delegierte an der Gründungskonsultation teil, die 17 lateinamerikanische Länder repräsentierten, zum großen Teil jedoch aus Brasilien, Argentinien, Uruguay und Mexiko stammten.23 Die Teilnehmenden selbst übten überwiegend akademische Berufe aus, so dass einerseits das Reflexionsniveau von Anbeginn sehr hoch war, was ISAL andererseits jedoch den Vorwurf einbrachte, eine elitäre Bewegung zu sein.24 Der argentinische methodistische Theologe Jos¦ M†guez Bonino, der 1975 zu einem der Präsidenten des ÖRK gewählt wurde, fasste in seinem Vorwort des spanischsprachigen Berichts von Huampan† die Fragen zusammen, die zur Gründung von ISAL geführt hatten: „Was bedeutet der christliche Glaube angesichts der sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in unserer Gesellschaft? Und welche Verantwortung hat uns Gott heute gegeben?“25 Im Mittelpunkt der Konferenz von Huampan† stand die detaillierte Analyse der lateinamerikanischen Gesellschaft und der Rolle von Christen im revolutionären Wandel. Konkret wurden die Folgen von Urbanisierung, Industrialisierung und Säkularisierung diskutiert, die sich insbesondere in der Armut und Unterernährung vieler Menschen niederschlugen. Kritisiert wurden außerdem die unzureichenden Bildungsmöglichkeiten für weite Teile der Bevölkerung, denn Bildung sei der Schlüssel für die Partizipation der Menschen an der Gestaltung der Gesellschaft. Diesbezüglich hielt der Abschlussbericht fest: „The tragedy of the situation becomes evident when we recognize that any effective reform on the socio-cultural, political and economic plane depends on the possibility of providing everyone with a sound education which will enable them to play a

21 Viele Mitglieder kannten sich von der lateinamerikanischen Studentenorganisation ULAJE sowie von nationalen Studentenvereinigungen (Student Christian Movements). 22 Paul Abrecht, Note to Visser ’t Hooft and Bilheimer on RSC Consultation in Huampan† [ohne Datum (1961)], 6, AÖRK 24.2.012. 23 Das Studiensekretariat von ISAL war in Montevideo angesiedelt. Erster Generalsekretär von ISAL wurde der uruguayische Methodist Luis E. Odell. 24 Unter den Teilnehmenden befanden sich Pfarrer, (Theologie-)Professoren, Parlamentarier, Ingenieure, Juristen u. a. Als Arbeiter („obreros cristianos“) sind in der Dokumentation nur zehn Personen angegeben, vgl. Iglesia y Sociedad en Am¦rica Latina, Encuentro, 16. 25 M†guez Bonino, Prefacio, 9. Übersetzung: A. Schilling.

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positive role in social development, and to give real content to the revolutions, when these occur.“26

Neben der grundlegenden Auffassung, allen Menschen Zugang zu Bildung zu verschaffen, spielte auf der Konferenz in Huampan† die Analyse der wirtschaftlichen Situation Lateinamerikas eine wichtige Rolle. Die Teilnehmenden machten auf die anhaltende wirtschaftliche Abhängigkeit der Länder Lateinamerikas von der westlichen Welt aufmerksam und kritisierten diese als „Imperialismus“27 und „ökonomischen Kolonialismus“28, der überwunden werden müsse. Hintergrund dieser Kritik war die von Präsident J. F. Kennedy 1961 etablierte „Allianz für den Fortschritt“, die als Reaktion auf die KubaRevolution 1959 die soziale und ökonomische Entwicklung in Lateinamerika beschleunigen und damit die Vormachtstellung der USA in Lateinamerika stärken sollte.29 Auch wenn sich die Teilnehmenden der ISAL-Konsultation in ihrer Kritik hauptsächlich gegen den US-amerikanischen Imperialismus wandten, waren sie sich dennoch darin einig, dass sich die lateinamerikanischen Länder sowohl vom Imperialismus der USA als auch der Sowjetunion befreien müssten – mit dem Ziel, eine demokratische Gesellschaft aufzubauen, in der die Macht beim Volk liege, Machtstrukturen demokratisch kontrolliert würden und die Einhaltung der Menschenrechte gewahrt bliebe.30 Die Aufgabe von Christen müsste darin bestehen, „to work for the establishment of a system that will give every human being an opportunity for a decent life and for his spiritual and cultural growth“31. Zwischen Kapitalismus und Kommunismus wurde hier im christlich-biblischen Horizont ein dritter Weg eröffnet, „a new society in which human dignity shall be fully recognized“32. Mit der Vision einer so gestalteten neuen Gesellschaft beschritt ISAL den Weg des demokratischen Sozialismus, der die wirtschaftliche Unabhängigkeit Lateinamerikas einforderte und für politische Freiheit und soziale Gerechtigkeit einstand.33 Der wichtigste Schritt im Anschluss an die Konferenz in Huampan† war es, diese Perspektive über den Rand der ISAL-Bewegung hinaus zu stärken und innerhalb der protestantischen Kirchen ein neues Bewusstsein für die lateinamerikanische Wirklichkeit zu schaffen. Dies geschah zum einen über vielfältige Veröffentlichungen, insbesondere über die drei Mal jährlich erscheinende Zeitschrift Cristianismo y Sociedad (Christentum und Gesellschaft), zum anderen durch Schulungen von Gruppenleitern und Führungskräften, sowie durch kontinentale Konferenzen, die die in Huampan† identi26 27 28 29 30 31 32 33

Iglesia y Sociedad en Am¦rica Latina, Christians, 7. Ebd., 16 f. Ebd., 22. Vgl. Rinke, Geschichte, 108. Vgl. Iglesia y Sociedad en America Latina, Christians, 16. Ebd., 21. Ebd., 17. Vgl. auch Dejung, Entwicklungskonflikt, 302.

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fizierten Themen vertieften und weiterentwickelten. Innerhalb weniger Jahre bildeten sich zwar in vielen Ländern Lateinamerikas nationale Gruppen für Kirche und Gesellschaft heraus, die sich kritisch mit den bestehenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen in ihren Ländern auseinandersetzten und auf diese Weise an der gesellschaftlichen Entwicklung partizipierten.34 Doch zum Mainstream des lateinamerikanischen Protestantismus avancierte ISAL nicht. Vielmehr stellte die Bewegung – wie bereits von Santa Ana formuliert35 – eine „politisierte“ Minderheit innerhalb des lateinamerikanischen Protestantismus dar. Diese „Politisierung“ lateinamerikanischer Christen beförderte einerseits weitere linksprotestantische Bewegungen, wie die 1972 in Chile gegründete Vereinigung „Christen für den Sozialismus“, die ihre Aufgabe in der revolutionären Umwandlung der lateinamerikanischen Gesellschaft in eine sozialistische Gesellschaft sahen, frei von Unterdrückung und Ausbeutung.36 Andererseits führte diese „Politisierung“ des lateinamerikanischen Protestantismus zu Verfolgungen und Repressionen seitens politisch konservativer Regierungen, insbesondere in Uruguay, Argentinien und Brasilien, die einige führende Vertreter von ISAL dazu veranlassten, zu ihrer Sicherheit ins Exil in die USA oder nach Europa zu gehen.37 Die Arbeit von ISAL basierte auf lateinamerikanischer Initiative und Verantwortung, wurde aber von internationaler ökumenischer Seite – insbesondere durch den ÖRK – sowohl personell als auch finanziell unterstützt. Eine wichtige Kontaktperson war der Leiter des Sekretariats für Kirche und Gesellschaft, Paul Abrecht, der insbesondere den Gründungsprozess von ISAL intensiv mitverfolgt und begleitet hatte.38

2. Lateinamerikanische Impulse für die internationale Ökumene Ausgehend von dem Rapid Social Change-Programm und der Gründung von ISAL waren lateinamerikanische Christen in der internationalen ökumenischen Arbeit zunehmend präsent. Dieser wachsende Einfluss trug auch zur 34 Über die Länder des R†o de la Plata und Brasiliens hinaus entstanden in den folgenden Jahren ISAL-Gruppen u. a. in Bolivien, Kolumbien, Mexiko und Puerto Rico. Vgl. Santa Ana, Aporte, 13. 35 Vgl. Santa Ana, Auszug, 75. 36 Vgl. M†guez Bonino, Theologie, 9 f. Die Gründungsdokumente der Cristianos por el Socialismo sind abgedruckt in: Cristianismo y Sociedad, AÇo 10, no. 33/34 (1972). 37 Dazu gehörten u. a. Leopoldo Niilus, Julio de Santa Ana und Emilio Castro, die in ihrer Exilszeit in den 1970er Jahren im Stab des ÖRK arbeiteten. 38 Die im Laufe der 1960er und frühen 1970er Jahre für den ÖRK einflussreichsten Personen aus dem ISAL-Netzwerk waren u. a. Mauricio Lûpez, Jos¦ M†guez Bonino und Leopoldo Niilus (Argentinien), Richard Shaull und Waldo C¦sar (Brasilien), H†ber Conteris (Bolivien) sowie Luis E. Odell und Julio de Santa Ana (Uruguay). Alle der genannten Personen nahmen – unter Ausnahme von Julio de Santa Ana und Leopoldo Niilus – an der Gründungskonferenz von ISAL in Huampan† teil. Vgl. Iglesia y Sociedad en Am¦rica Latina, Encuentro, 69 f.

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Herausbildung neuer Schwerpunkte in der Arbeit des ÖRK bei, wie die Bildungs- und Menschenrechtsarbeit oder auch die Ausbildung einer differenzierten Haltung in der Entwicklungsproblematik. Diese lateinamerikanischen Beiträge kamen vor allem von kirchlichen Gruppen und Akteuren, die der ISAL-Bewegung nahe standen. Insofern handelte es sich zwar um keine den gesamten lateinamerikanischen Protestantismus repräsentierende Perspektive, doch sie legte den Grundstein für die sich bis in die 1980er Jahre hinein intensivierenden Beziehungen des ÖRK mit den lateinamerikanischen Kirchen. Der Einfluss lateinamerikanischer Gesellschaftsanalyse und politischer Theologie wurde im ÖRK besonders seit 1966 greifbar : zunächst durch die deutlich wahrnehmbaren Stimmen lateinamerikanischer Teilnehmer auf der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966, wenige Jahre später in den kritischen Anfragen an das wachstumsorientierte Entwicklungsverständnis des Ausschusses für Gesellschaft, Entwicklung und Frieden SODEPAX39 und nicht zuletzt durch die Mitarbeit von Lateinamerikanern im Stab des ÖRK seit Ende der 1960er Jahre. In der folgenden Darstellung wird dieser Einfluss exemplarisch analysiert und auf seine Bedeutung für den internationalen ökumenischen Dialog hin befragt.

2.1 Plädoyer für eine radikal neue soziale Ordnung Auf der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966, die zum Thema der weltweiten technischen und sozialen Veränderungen und der daraus resultierenden Frage nach der Rolle und Verantwortung der Kirchen einberufen worden war, kam erstmals die Perspektive der jungen Kirchen, und insbesondere Lateinamerikas, deutlich zu Sprache. Genf 1966 war somit das sichtbare Zeichen für die Verschiebung der Konfliktlinien innerhalb der Ökumene: nicht mehr der Ost-West-Gegensatz stand als Hauptkonflikt im Mittelpunkt der ökumenischen Diskussionen, sondern der neu hervortretende Nord-Süd-Konflikt.40 Auf diese Verschiebung spielte auch Willem A. Visser ’t Hooft, zu diesem Zeitpunkt noch amtierender Generalsekretär des ÖRK, in seiner Eröffnungsansprache an, indem er nach der Rolle der Kirchen in einer Welt fragte, „in der die Fundamente selber ins Wanken geraten sind, in der alle Religionen, alle Ideologien in Frage gestellt werden, in der man laut herausschreit, dass Gott tot sei und die Existenz des Menschen letztlich keinen Sinn habe“41. Visser ’t Hooft warb in seinem Vortrag für die Kontinuität des 39 Der Name SODEPAX geht aus der Abkürzung der englischen Begriffe Society, Development, Peace (Pax) hervor. 40 Vgl. Krüger, Vorwort. In: Ökumenischer Rat der Kirchen, Appell, 9. Vgl. dazu ausführlich den Beitrag von Kunter/Schilling in diesem Band. 41 Visser ’t Hooft, Aufgabe, 35.

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ökumenischen Sozialdenkens und plädierte dafür, das den ÖRK seit seiner Gründung in Amsterdam 1948 begleitende sozialethische Leitkonzept der „verantwortlichen Gesellschaft“ nicht aufzugeben, sondern weiterzuentwickeln. Dieses Konzept beruhte auf der nach dem Zweiten Weltkrieg gewonnenen Einsicht, dass die Neuordnung und Stabilisierung Europas auf den Werten von Freiheit, Gerechtigkeit und öffentlicher Ordnung basieren müsse und die Christen verantwortlich an der Aufrichtung dieser Ordnung teilnehmen sollten.42 Angesichts der Erweiterung der ökumenischen Bewegung sah Visser ’t Hooft 1966 den Zeitpunkt gekommen, den Begriff der „verantwortlichen Gesellschaft“ nun auf den weltweiten Maßstab zu übertragen und eine „verantwortliche Weltgesellschaft“ aufzubauen, „in der jede Nation sich für das Wohl aller anderen verantwortlich fühlt“43. Vertreter asiatischer und afrikanischer Kirchen hielten Visser ’t Hoofts Vorschlag vor dem Hintergrund der Dekolonisationsprozesse in ihren Regionen entgegen, dass das Ziel ihrer Gesellschaften zunächst darin bestehe, sich von der wirtschaftlichen und kulturellen Dominanz des Westens zu lösen, und daher die Priorität auf der nationalen Selbstbestimmung ihrer Länder liege.44 Am vehementesten wurde die Idee der „verantwortlichen Gesellschaft“ jedoch von lateinamerikanischer Seite zurückgewiesen. Auf der Genfer Weltkonferenz vertrat neben dem kolumbianischen Theologen Gonzalo Castillo C‚rdenas und dem weltweit anerkannten argentinischen Ökonom Raffll Prebisch auch der ursprünglich nordamerikanische Missionar Richard Shaull die Perspektive lateinamerikanischer Christen. Shaull, der in den 1940er Jahren als Missionar nach Lateinamerika gekommen war, hatte sich im Laufe seiner Tätigkeit intensiv mit den Problemen des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Wandels in Lateinamerika befasst und war auch an der Gründung von ISAL beteiligt gewesen.45 Dass Shaull trotz seiner US-amerikanischen Herkunft auf internationaler ökumenischer Ebene als Vertreter Lateinamerikas auftrat und von lateinamerikanischen Kollegen auch in dieser Rolle anerkannt wurde, sprach für die Radikalität, mit der er sich die lateinamerikanische Perspektive zu eigen gemacht hatte. Diese radikale Haltung zeichnete auch seinen Beitrag auf der Weltkonferenz in Genf 1966 aus, denn Shaull spitzte die Vision des demokratischen Sozialismus, die ISAL auf seiner Gründungskonferenz im Sinne des Aufbaus einer neuen Gesellschaft artikuliert hatte, noch zu: Er war davon überzeugt, dass die „Vermenschlichung der Gesellschaft“46 nur durch eine Revolution erreicht werden könne. Visser ’t 42 Vgl. Die Kirche und die Auflösung der gesellschaftlichen Ordnung. Bericht der Sektion III. In: Amsterdamer Dokumente, 50 f. 43 Ebd., 38. 44 Die Einwände gegen Visser ’t Hooft wurden zum einen von dem nigerianischen Rechtsanwalt und Menschenrechtsaktivist Bola Ige und zum anderen von dem indischen Laientheologen M. M. Thomas vorgebracht; vgl. Ige, Probleme; Thomas, Kampf. 45 Dejung, Entwicklungskonflikt, 298 – 300; vgl. Santiago-Vendrell, Theology, 84 – 104. 46 Shaull, Herausforderung, 94.

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Hoofts Vorschlag, die „verantwortliche Gesellschaft“ als sozialethisches Konzept nun auf den weltweiten Maßstab zu übertragen, hielt Shaull entgegen, dass die „verantwortliche Gesellschaft“ nicht flexibel und radikal genug sei, um beispielsweise den gesellschaftlichen Wandel und ein politisches Umdenken in Lateinamerika herbeizuführen. Eine sozialethisch profilierte Position sei immer abhängig vom jeweiligen historischen Kontext und könne nach Shaulls Meinung nicht durch die Weiterführung einer von Zeit und Raum unabhängig bestehenden Ordnung erreicht werden, sondern nur durch den revolutionären Wandel, d. h. „wenn Werte umgesetzt werden in spezifische soziale Ziele, spezifische menschliche Bedürfnisse und spezifische technische Möglichkeiten und Prioritäten“47. Allerdings suchte Shaull nach einer „neue[n] Strategie für die Revolution“48, die sich nicht der Illusion des plötzlichen Umsturzes einer ganzen Gesellschaftsordnung hingebe, sondern die das bestehende politische System kontinuierlich durch Forderungen nach kleineren Veränderungen unter Druck setze. Zum Erreichen dieses Ziels schloss Shaull auch die Anwendung von Gewalt nicht aus: „Wichtig ist nicht, ob die Gewalt geächtet ist, sondern ob ihre Anwendung, wenn sie absolut notwendig ist, der Strategie eines permanenten Kampfes für begrenzte Wandlungen in der Gesellschaft angepaßt ist oder ob sie, wie so oft in der Vergangenheit, im Rahmen des totalen Krieges und des totalen Umsturzes der Gesellschaftsordnung stattfindet.“49

Shaulls Ziel war die Aufrichtung einer neuen sozialen Ordnung, die er theologisch als Teilnahme der Christen am Heilshandeln Gottes in der Geschichte auslegte.50 Gottes Erlösungswerk fordere den Menschen dazu auf, sich für den gesellschaftlichen Wandel einzusetzen und eine neue Sprache des Glaubens zu finden, die die „Präsenz und Beteiligung an denjenigen Stellen in der Welt [fordert], an denen Gott am dynamischsten wirksam ist“51. Für Shaull handelten Christen nur dann verantwortlich an der Gesellschaft, wenn sie sich der Revolution anschlossen und darin am Handeln Gottes in der Geschichte teilnähmen. Es war diese geschichtstheologisch orientierte, revolutionäre Haltung, mit der Shaull – gemeinsam mit anderen lateinamerikanischen Vertretern wie Castillo C‚rdenas oder dem bolivianischen Theologen Hiber Conteris – die Diskussionen in Genf prägte.52 In Verbindung mit den Positionen asiatischer und afrikanischer Delegierter, die entsprechend der historischen Situation ihrer Länder den Schwerpunkt ihrer Kritik auf die Forderung nach kultureller und nationaler Selbst47 48 49 50 51 52

Ebd., 98. Ebd., 94. Ebd., 95. Vgl. ebd., 91. Ebd., 99. Sie wurden unter dem Stichwort der „Theologie der Revolution“ insbesondere in Deutschland stark rezipiert, vgl. Feil/Weth, Diskussion; Rendtorff/Tçdt, Theologie.

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bestimmung legten, stand die Weltkonferenz in Genf 1966 am Beginn des sich in den folgenden Jahren zuspitzenden Nord-Süd-Konflikts innerhalb des ÖRK. Visser ’t Hoofts Vision, als Christen gemeinsam an der „verantwortlichen Weltgesellschaft“ teilzunehmen, scheiterte in Genf nicht in erster Linie an ihrer Zielsetzung, sondern daran, dass Visser ’t Hooft den unterschiedlichen historischen und kontextuellen Ausgangsbedingungen der Kirchen zu wenig Bedeutung beimaß. Die Vertreter der Dritten Welt sahen daher in dem Konzept die Fortsetzung der Dominanz westlichen Denkens in der Ökumene, die nur durch die Forderung nach einer radikal neuen sozialen Ordnung auf der Grundlage von nationaler Selbstbestimmung sowie wirtschaftlicher und politischer Freiheit überwunden werden könne. 2.2 Die Perspektive der Befreiung Die radikale Position und zuweilen konfrontative Haltung lateinamerikanischer Protestanten gegenüber der westlich-geprägten Ökumene entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einem ökumenischen Dialog, in den die lateinamerikanischen Christen ihre kontextuell geprägte theologische Perspektive konstruktiv einbrachten. Dabei verlagerte sich auch der inhaltliche Schwerpunkt der lateinamerikanischen Beiträge: Nicht mehr „Revolution“ stand im Vordergrund, sondern „Humanisierung“ und „Befreiung“ waren die bestimmenden Stichworte der neuen lateinamerikanischen theologischen Perspektive in der Ökumene. Diese Perspektive spiegelte sich zum einen in einem erneuerten Entwicklungsverständnis und zum anderen in einem auf Befreiung orientierten Bildungsprozess wider. Befreiung statt Wachstum Im April 1968 fand in Kooperation zwischen dem ÖRK und der Päpstlichen Kommission Justitia et Pax eine Konferenz für weltweite Zusammenarbeit in Entwicklungsfragen in Beirut statt, aus dem der Ausschuss für Gesellschaft, Entwicklung und Frieden SODEPAX hervorging. Im Mittelpunkt dieser Konferenz stand die weltweite Zusammenarbeit der Kirchen in Entwicklungsfragen. Ganz im Sinne der für die 1960er Jahre ausgerufenen UN-Entwicklungsdekade53 wurde angenommen, dass die Entwicklungsländer durch die technische und fachliche Hilfe der entwickelten Länder ihre Armut überwinden könnten. Die „Entwicklungsstrategie“54 der Beiruter Konferenz basierte primär darauf, durch wirtschaftliches Wachstum die Dritte Welt an das Niveau der entwickelten Länder anzugleichen. Als Zielvorgabe hielt der 53 Vgl. Dejung, Entwicklungskonflikt, 290 f; vgl. Nohlen, Entwicklungsdekade, 229 f. 54 Ebd., 28.

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Konferenzbericht u. a. fest, die Wachstumsrate der Entwicklungsländer durchschnittlich auf 6 % zu erhöhen, den landwirtschaftlichen Sektor zu modernisieren und auch den industriellen Sektor auszubauen.55 Obwohl es offensichtlich war, dass dieses Ziel nicht binnen kurzer Zeit umgesetzt werden konnte, zeigten sich die Konferenzteilnehmenden dennoch optimistisch: „Die Schaffung eines befriedigenden Lebensstandards für die unterprivilegierten zwei Drittel der Menschheit wird Zeit erfordern – eher Jahrzehnte als ein Jahrzehnt. […] Doch lehrt die Erfahrung der Staaten, die selbst einmal arm gewesen sind, dass die Aufgabe lösbar ist.“56

Dieser Zukunftsoptimismus wurde ein Jahr später auf einer Folgetagung von SODEPAX im kanadischen Montreal 1969 grundlegend in Frage gestellt. Federführend in der Kritik war hier der Generalsekretär von ISAL, Julio de Santa Ana, der insbesondere den fortschritts- und wachstumsorientierten Entwicklungsbegriff kritisierte sowie die neoliberale Grundhaltung der Konferenz in Beirut. Entwicklung sei in Beirut mit Modernisierung gleichgesetzt worden, was nach Santa Ana „notwendigerweise den Erhalt des […] ungerechten Systems mit sich bringt“57. Er forderte dagegen die Überprüfung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf Grundlage der marxistischen Analyse und appellierte an die Christen, für menschliche Befreiung und Humanisierung einzutreten: „[Die Christen] müssen sich in den Dienst der Massen stellen, um sich – gemeinsam mit ihnen – für die Befreiung, für die Humanisierung einzusetzen. Indem sie das tun, verlieren die technischen Probleme der Entwicklung ihre Bedeutung; Bedeutung erlangt dagegen nun die Frage nach dem Menschen in unserer Zeit. Nur so können wir verstehen, wie Christen ,das Salz der Erde‘ und ,das Licht der Welt‘ sein können.“58

Die Kritik von Santa Ana und anderen Vertretern der Dritten Welt – wie dem indischen Ökonom Samuel L. Parmar59 – beeinflussten die Diskussionen so stark, dass sich der offizielle Bericht diese Position zu eigen machte: Der Bericht von Montreal enthielt eine „Neudefinition des Begriffs ,Entwicklung‘“, der „paternalistische Herrschaftsstrukturen“ ablehnte und stattdessen „Solidarität und Gerechtigkeit“60 ins Zentrum des Entwicklungsverständnisses stellte. Nicht mehr wirtschaftliches Wachstum, sondern die „Humanisierung oder Befreiung des Menschen“61 sei der Weg und das Ziel des Entwicklungsprozesses. Damit war SODEPAX zwar eine der ersten ökumenischen Platt55 56 57 58 59 60 61

Ausschuss fìr Gesellschaft, Entwicklung und Frieden, Weltweite Entwicklung, 28 – 43. Ebd., 27. Santa Ana, Los cristianos, 58. Übersetzung hier und im Folgenden: A. Schilling. Santa Ana, Los cristianos, 69; vgl. Criticism of the Beirut Report, 1 f., AÖRK 4202.053. Vgl. Samuel L. Parmar, Some implications of a global vision, AÖRK 4202.053. Ausschuss fìr Gesellschaft, Entwicklung und Frieden, Montreal Bericht, 17. Ebd., 15.

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formen, die einen offenen Diskurs über Unterdrückung und Abhängigkeiten führte und Befreiung zum Maßstab für einen gelingenden Entwicklungsprozess erhob. Doch im Ringen um ein angemessenes Verständnis von Entwicklung gestaltete sich der Dialog zwischen dem ÖRK und der römischkatholischen Kirche in den 1970er Jahren zunehmend schwierig, so dass SODEPAX 1980 aufgelöst wurde.62 Für den ÖRK hatte die Perspektive der Befreiung Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre jedoch eine große Bedeutung und setzte sich in den folgenden Jahren zunehmend in seiner programmatischen und theologischen Arbeit durch.63 Dazu trug nicht nur das Gewicht lateinamerikanischer Stimmen auf internationalen ökumenischen Konferenzen wie in Genf und Montreal bei, sondern auch die Mitarbeit von Lateinamerikanern im Stab des ÖRK Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre.

Paulo Freires Vision befreiender Bildung Im Zuge der Revision der bisherigen Struktur und Arbeitsweise des ÖRK nach der vierten Vollversammlung in Uppsala 1968 begann in vielen Abteilungen des ÖRK eine Umstrukturierung und Neudefinierung der bestehenden Arbeit, die auch Personalwechsel sowie Neueinstellungen zur Folge hatte. Auf Empfehlung des deutschen Theologen Ernst Lange war auf diese Weise der brasilianische Volkspädagoge Paulo Freire in den Stab des ÖRK berufen worden.64 Freire, der durch seine Alphabetisierungsprogramme im Nordosten Brasiliens populär geworden war, musste aufgrund der repressiven Politik der brasilianischen Militärdiktatur ins Exil gehen und nahm die Einladung Langes an, ab 1970 als Sonderberater für Bildungsfragen im ÖRK zu arbeiten.65 Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit beim ÖRK erschien Freires Werk Pädagogik der Unterdrückten, das ein weltweiter Erfolg wurde und sich wie die Programmschrift seiner Arbeit im ÖRK liest.66 Darin entwarf er die Vision eines befreienden Bildungsprozesses, in der sich Menschen der sie unterdrückenden Strukturen bewusst werden, sich aus ihrer Passivität und Apathie befreien und 62 Vgl. K•ssmann, Vision, 116. 63 Vgl. z. B. die ab 1975 von der Kommission für Kirchlichen Entwicklungsdienst (CCPD) durchgeführte Studie zum Thema „Die Kirche und die Armen“: Santa Ana, Nachricht; Ders., Separation; Ders., Church. 64 Vgl. Brief von Paulo Freire an Heinz-Jürgen Joppien (13. 1. 1992), Privatarchiv Ulrich Becker. In diesem Brief an Joppien wies Freire auf einen „herausfordernden Brief [challenging letter] von Ernst Lange“ vom Februar/März 1969 hin, der eine Einladung zur Mitarbeit beim ÖRK im Büro für Bildungsfragen enthielt. 65 Freire war von 1970 – 1980 in dieser Position beim ÖRK tätig. Zur Interpretation von Freires Berufung und Tätigkeit im ÖRK vgl. meine ausführlichere Darstellung: Strìmpfel, Exil. 66 Vgl. Freire, Pädagogik. Ernst Lange verfasste für die deutsche Ausgabe, die 1971 erschien, das Vorwort, das seinerseits eine einzigartige Zusammenfassung und Interpretation von Freires Bildungskonzept darstellt; vgl. Lange, Vorwort. In: Freire, Pädagogik, 9 – 23.

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dadurch zu Subjekten ihres eigenen Lebens werden. Das von Freire für diesen Bewusstwerdungsprozess geprägte Stichwort conscientizażo stand für einen „Lernvorgang, der nötig ist, um soziale, politische und wirtschaftliche Widersprüche zu begreifen und um Maßnahmen gegen die unterdrückerischen Verhältnisse der Wirklichkeit zu ergreifen“67 und diente insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren Jahren als theoretischer Rahmen zur Überwindung neokolonialer Denkmuster sowie zur Erweiterung westlicher Bildungsprinzipien.68 Konstitutiv für den Bildungsprozess waren nach Freire die Humanisierung und Befreiung des Menschen: „Die Pädagogik der Unterdrückten, sofern sie eine humanistische und befreiende Pädagogik ist, hat zwei klar unterschiedene Stufen. Auf der ersten Stufe enthüllen die Unterdrückten die Welt der Unterdrückung und widmen sich ihrer Veränderung durch die Praxis. Auf der zweiten Stufe, auf der die Wirklichkeit der Unterdrückung bereits verwandelt wurde, hört diese Pädagogik auf, den Unterdrückten zu gehören, und wird zu einer Pädagogik aller Menschen im Prozeß permanenter Befreiung.“69

Die humanistische Aufgabe bestand nach Freire also darin, dass sich nicht nur die Unterdrückten aus der Unterdrückung befreien, sondern dass dieser Vorgang zugleich die Unterdrücker aus der Rolle der Herrschenden löst und der Befreiungsprozess dadurch einen universalen Charakter erhält.70 Dieser befreiungspädagogische Ansatz stieß im ÖRK auf offene Ohren: Auf der fünften Vollversammlung des ÖRK in Nairobi 1975 widmete sich eine ganze Sektion dem Thema „Erziehung zur Befreiung und Gemeinschaft“ und machte sich darin Freires Konzept der conscientizażo zu eigen.71

3. Die „Perspektive der Befreiung“ als lateinamerikanische Variante des Sozialismus Mit dem Motto der Vollversammlung in Nairobi „Jesus Christus befreit und eint“ verschaffte der ÖRK der neu gewonnenen „Perspektive der Befreiung“ einen großen Resonanzraum.72 Zugleich rief das Motto die Sehnsucht der Kirchen nach Einheit wach, d. h. die Sehnsucht, die Grenzen der Konfessionen, Kulturen und Ideologien zu überwinden.73 Die Stichworte „Befreiung“ 67 68 69 70 71 72

Ebd. Vgl. Schreiner u. a., Einführung, 22 – 24. Freire, Pädagogik, 41. Vgl. Freire, Pädagogik, 32. Vgl. Bericht aus Nairobi, 57 – 70. Vgl. dazu Sektion IV (Erziehung zur Befreiung und Gemeinschaft) und Sektion V (Strukturen der Ungerechtigkeit und der Kampf um Befreiung). In: ebd., 57 – 70 und 70 – 96. 73 Vgl. Sektion II (Die Einheit der Kirche – Voraussetzungen und Forderungen) und Sektion III (Auf der Suche nach Gemeinschaft). In: ebd., 23 – 37 und 38 – 56.

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und „Einheit“ bildeten dabei einerseits die Programmschrift für die zukünftige ökumenische Arbeit, fassten andererseits aber auch in prägnanter Weise die Debatten in Worte, die von Vertretern lateinamerikanischer Kirchen seit der Weltkonferenz in Genf 1966 in den ökumenischen Diskurs eingebracht worden waren. Die Sektion V der Vollversammlung in Nairobi konkretisierte diese in den vorangegangenen Jahren entwickelte „Perspektive für Befreiung“ an drei Beispielen – an dem Einsatz für Menschenrechte, an der Überwindung des Sexismus sowie an der Bekämpfung des Rassismus – und forderte die Mitgliedskirchen des ÖRK dazu auf, sich im Wissen um ihren göttlichen Auftrag, den „Kampf um Befreiung“ zu eigen zu machen.74 Damit stellte die Vollversammlung in Nairobi gleichermaßen den Höhepunkt der Annahme der „Perspektive der Befreiung“ als auch den Ausgangspunkt für die Vertiefung dieses Ansatzes innerhalb des ÖRK dar. Die Annahme dieser Perspektive stand pars pro toto für die Tatsache, dass sich Christen und Kirchen der Dritten Welt nun mit eigenen Themen und Fragestellungen in den ökumenischen Dialog einbrachten. Dies führte nicht nur dazu, dass sich die Kontroversen des Nord-Süd-Konflikts zuspitzten, sondern auch dazu, dass sich der ÖRK aus den Deutungsmustern des Ost-West-Konflikts löste. „Sozialismus“ konnte im ökumenischen Dialog folglich nicht mehr ausschließlich mit der sozialistischen Staatsdoktrin des Ostblocks identifiziert werden, sondern erfuhr aus lateinamerikanischer Perspektive eine inhaltliche Erweiterung: die Befreiung des Menschen aus politischer und wirtschaftlicher Unterdrückung.75 Der lateinamerikanische Theologe Jos¦ M†guez Bonino sah die Gefahr, die in der ideologischen Vereinnahmung des Begriffs Sozialismus steckte, und wies auf die „,Heterodoxie‘ sozialistischer Terminologien“ hin, „angefangen vom ,dritten Weg‘ der Peronisten über das sozialisierende Militärregime in Peru, den ,konstitutionellen Weg zum Sozialismus‘ in Chile bis hin zu den kommunistischen Parteien Moskauer oder Pekinger Prägung“76. Die Schwierigkeit für den ÖRK als Weltrat der Kirchen bestand in den 1970er und 1980er Jahren im Anschluss an Bonino genau darin, diese „Heterodoxie“ konstruktiv aufzunehmen, um nicht zum Spielball politischer Interessen von Befreiungsbewegungen der Dritten Welt einerseits oder sowjetischer Machtpolitik andererseits zu werden. Dass ihm dieser Balanceakt nicht immer gelungen ist, belegt nicht nur seine uneindeutige Haltung zu den Menschenrechtsverletzungen in den sozialistischen Ländern des Ostblocks,77 sondern insbesondere auch die innerhalb der Mitgliedskirchen des ÖRK umstrittene Frage nach der Legitimierung von Gewalt im Befreiungskampf afrikanischer 74 Vgl. Bericht aus Nairobi, 74 – 96. 75 Im Anschluss an die in diesem Beitrag entwickelten Gedanken wäre es interessant, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem von Alexander Dubcˇek formulierten „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ und der lateinamerikanischen Vision des demokratischen Sozialismus herauszuarbeiten. 76 M†guez Bonino, Theologie, 45. 77 Vgl. dazu den Beitrag von Albers in diesem Band. Vgl. auch Richter, Protestantismus.

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und lateinamerikanischer Länder,78 wie etwa im südlichen Afrika oder in Nicaragua. Der schmale Grat, auf dem sich der ÖRK in den 1970er und 1980er Jahren bewegte, war der zwischen linkspolitischer Radikalisierung und politischer Neutralität – mit dem Ziel, die Bedürfnisse aller Mitgliedskirchen zu erfüllen. Der Einfluss der Kirchen der Dritten Welt – wie die in diesem Beitrag vorgestellte lateinamerikanische Perspektive der Befreiung – stellte das bisherige ökumenische Selbstverständnis westlicher Kirchen grundlegend in Frage und war daher nicht nur ein Zeichen für die Globalisierung des ÖRK, sondern auch Ausdruck der konfliktiven „neuen Ära“ der ökumenischen Bewegung, wie sie Philip Potter bereits 1971 anbrechen sah.

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Annegreth Schilling

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Odair Pedroso Mateus

Jos¦ M†guez Bonino and the Struggle for Global Christian Unity in the 1970s The attempt to achieve unity without radically changing its forms of representation, financing, deliberation and operation becomes a clear option for the continuation of the colonial past and has to be resisted and rejected by those churches and groups which are trying to overcome this past. […] As in other times in history, the quest for the true unity is at the same time the struggle for the true division. […] At the present point it is enough to realize that the historical ecumenical movement […] becomes largely irrelevant for our own problem.1

The purpose of this essay is to review a paradigmatic theological debate that took place in the early 1970s in one of the most important think tanks of the World Council of Churches (WCC): the “Commission on Faith and Order”. Since its inception in 1910, Faith and Order as a worldwide movement had become a forum, often largely dominated by Europeans and North Americans, for the discussion of the theological questions of Christian doctrine and church organisation that for centuries had kept apart the Orthodox, Anglican, Lutheran, Reformed and other churches. It was hoped that as a result of these discussions, the divided Christian churches worldwide would move from separation to what was called the goal of “visible unity”. Like the Protestant Reformation of the 16th century, the modern ecumenical movement turns around the role of the Christian church in God’s saving design for humanity and the whole world. The understanding of the role of the Church in God’s salvation, in other words the way in which the notions God-churchworld are articulated, has traditionally influenced the understanding of how visible Christian unity should be and thus how the quest for unity should be pursued in the ecumenical movement. Emerging theological perspectives in the 1960s about God’s saving work in the world and the mission of the church began to call into question the prevailing understanding of the goal of unity of the ecumenical movement and the way to achieve it. The complexities related to pursuing a goal that sought to subsume conflicting confessional descriptions were aggravated and reconfigured by a set of new issues about unity that clearly cut across these conflicting confessional views. This is the issue I intend to clarify by reviewing the participation of the Argentinean Methodist theologian Jos¦ M†guez Bonino in two major conferences that the WCC Commission on Faith and Order dedicated to the goal of visible unity. The first was held in Louvain, Belgium, in 1971 and the second in Salamanca, Spain, in 1973. Another way of formulating the topic of this article 1 M†guez Bonino, Attempt, 59, 55, 53.

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Odair Pedroso Mateus

is to raise the question about what makes it possible for an ecumenist recognised worldwide to contend, as one can read in the quotation that opens this essay, that the quest for true unity is at the same time the struggle for true division. In order to clarify the state of the question God-church-world and its relation to the search for Christian unity in the ecumenical movement in the late 1960s, I will refer to the ecumenical theology of the first General Secretary of the World Council of Churches, W. A. Visser ’t Hooft. His thinking on Godchurch-world and the goal of unity largely contributed to the shaping of the vision of the modern ecumenical movement. In sections two and three I show how Jos¦ M†guez Bonino placed central aspects of this prevailing vision under critical scrutiny in the course of the two Faith and Order conferences to which I have referred. For M†guez Bonino, our thinking about God’s saving design for the world and the role of the churches and their unity in it may depart from its biblical roots if we are not aware of the radical historicity of our thinking and the politics intrinsic to that historicity. In other words, the vision of the ecumenical movement in general, and the theological programme of Faith and Order in particular, focus primarily on a set of theological issues such as the nature and mission of the church that in reality are organically connected to a systemic set of “non-theological factors” that are equally, if not more, dividing. By ignoring this, intentionally or unintentionally, an ecumenical idealism, or an ecumenical innocence, may well result in a form of ecumenical “violence”.

1. Visser ’t Hooft: from the Unity of the Church to the Unity of Humanity 1.1 Christian unity beyond the social gospel and dialectical theology in the late 1920s The roots of W. A. Visser ’t Hooft’s ecumenical theology lie ultimately in his youthful attempt to transcend what the international Young Men’s Christian Association (YMCA) leader then experienced, in his own work and within the emerging ecumenical movement, as a living polarisation between Church and world or, more precisely, between the horizontal, optimistic, world-bound activism of the North American Social Gospel, and the vertical, pessimistic indifference towards human achievement exhibited by the German-speaking dialectical theology,2 of which the Swiss theologian Karl Barth was a proponent. The flaw of the Social Gospel, Visser ’t Hooft noted in his 1928 doctoral thesis The Background of the Social Gospel in America,3 was to be 2 Cf. Visser ’t Hooft, Memoirs, 26 f.; cf. also Berkhof, Visser ’t Hooft, 203 – 208. 3 Visser ’t Hooft, Background.

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found in its doctrine of God. The social gospel had replaced the reign of the biblical wholly Other, who judges and forgives, by the reign of “ethical principles”. In his future ecumenical thinking and practice, this independent Barthian sought to hold together Christocentrism and the concern for the renewal and unity of the Church, on the one hand, and mission and witness to and within all spheres of public life and international relations on the other.4 The churches, which are no longer completely isolated from each other though not yet truly united, will grow into full visible unity as they respond together as the World Council of Churches to their common calling in marturia, diakonia and koinonia.5 Forty years after his 1928 doctoral thesis, Visser ’t Hooft had not departed from his early theological and ecumenical insights. Hendrikus Berkhof has remarked that Visser ’t Hooft’s address to the 1968 WCC Uppsala Assembly showed clearly that the first General Secretary of the World Council of Churches remained attached to his vertically, eschatologically oriented way of articulating God’s Kingdom-Church-World.6 A Christianity that had lost its vertical dimension, Visser ’t Hooft said, “has lost its salt” and become “useless for the world”7. A Christianity which used the vertical preoccupation to escape its responsibility for the common life of humanity “is a denial of the incarnation, of God’s love for the world manifested in Christ”8. Humanity is one because of its “common calling”. Thus it is one not in itself, but “as the object of God’s love”9. The vertical dimension of its unity “determines the horizontal dimension”10.

1.2 A new way of articulating God-church-world and the search for Christian unity This reference to the address by Visser ’t Hooft to the 1968 WCC Uppsala Assembly is intended, however, as more than simply to note his later reaffirmation of his way of articulating God’s saving work for the world, the church and the search for Christian visible unity. What made Visser ’t Hooft insist on this core element of his ecumenical vision was his perception that there was once again in the modern ecumenical movement, as in the 1920s, a growing polarisation in the way in which the relationship between the Church and the world was understood. From the late 1930s ecumenical watchword “let 4 5 6 7 8 9 10

Visser ’t Hooft/Oldham, Church. Cf. Visser ’t Hooft, Pressure. Cf. Berkhof, Visser ’t Hooft. Visser ’t Hooft, Mandate, 39. Ibid. Ibid., 41. Ibid.

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the Church be the Church”11 for the salvation of the world, the ecumenical movement seemed to be moving, in the view of Visser ’t Hooft, to “let the world be the world” for the sake of its – and the churches’ – salvation. We seem to find here a new configuration of the ever present conflict between a more active or a more passive mediating role of the Church in God’s salvation and the implications of this understanding for a theology of Christian unity. The first sign of what Visser ’t Hooft called “a new orientation” in the way of articulating the relationship between the Church and the world could already be discerned, he wrote a few years later in his autobiography, at a 1960 World Student Christian Federation teaching conference on the life and mission of the Church held in Strasbourg, France. The addresses given by Karl Barth, D. T. Niles, Lesslie Newbigin and Visser ’t Hooft himself “did not seem to give the students what they wanted”. The students did not seem to be as concerned with the life of the Church as they were with “action in the world”12. The impact of this experience on his understanding of the ecumenical movement should not be underestimated. Years later, 1960 still marked for Visser ’t Hooft the beginning of a new period, more precisely the fourth period, in the history of the modern efforts to make Christian unity visible. Visser ’t Hooft’s early 1960s misgivings were reinforced by the WCC Conference on “Christians in the Technical and Social Revolutions of our Time” in Geneva, 1966. At that conference, the middle axiom of the “responsible society”, formulated by J. Oldham shortly before the 1937 Oxford Life and Work Conference13 and for many years one of the pillars of ecumenical social ethics, was rejected by critical theological voices from the ‘Third World’, such as the U. S. American Presbyterian theologian and missionary Richard Shaull14, on the grounds that in the new historical reality of economic, political and cultural emancipation, the notion of “responsible society”, which in Shaull’s view emphasised solidarity, transcendent values and human rights, failed to grasp “the character of revolutionary social change” and consequently tended, in the words of the U. S. ecumenist and social ethicist Lewis Mudge, “to support the status quo”15. The spectre of the “new orientation” of a Christian anti-institutional “horizontalism” that translated emancipation as salvation would haunt the later writings of Visser ’t Hooft on the ecumenical movement and the WCC. It explains the rhetoric of his 1968 Uppsala address on The Mandate of the Ecumenical Movement, built around the vision of the whole Gospel for the whole world, the centrality of the Church in the Gospel proclamation and practice, and the need for the visible unity of the Church as required by its 11 “The first duty of the church, and its greatest service to the world, is that it be in very deed the church…” (Oldham, Oxford, 45.) 12 Visser ’t Hooft, Memoirs, 366. 13 Oldham/Visser ’t Hooft, Church, 209. 14 Shaull, Challenge, 302; cf. Mudge, Thought, 281; Raiser, Perspectives, 7. 15 Mudge, Thought, 281.

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nature and calling. It explains also the nostalgic warning in the final pages of his Memoirs: “I welcome the new orientation in principle, but that does not mean that I am happy about all that is being said or done in the name of the new orientation”16. He would strike the same note in a series of lectures given in the Netherlands in May 1972, later published under the symptomatic title Has the Ecumenical Movement a Future?17 Arguing that the “new orientation” of the 1960s emphasised the ecumenical “movements” over against the (institutional) churches, inter-religious dialogue over against Christian mission, and the humanisation of the world over against the Christianisation of societies, Visser ’t Hooft responded by emphasising church renewal, Christocentric inter-religious dialogue, and the churches “prophetic witness” in the world. As late as 1983, Visser ’t Hooft took the opportunity of a lecture to the students of the Bossey Ecumenical Institute to raise some “Questions about the future of the World Council of Churches”18. The World Council, he contended in an implicit reference to the WCC’s theological basis, relied on three fundamental convictions: Christocentrism, the authority of the Bible, and the need for the coming together of the churches. Christocentrism – and consequently No Other Name19 than Christ – was being challenged by the notion of a wider ecumenism with an inter-religious approach; the authority of Scriptures was being challenged by the problem of The Fatherhood of God in an Age of Emancipation20, and the coming together of the churches, which required organised forms of common life, was being challenged by a contemporary revolt against the Church as institution and against church institutions such as the WCC. Visser ’t Hooft had built his ecumenical theology, and helped to shaped the self-understanding and action of the WCC, on a specific understanding of the role of the Church in God’s salvation of the world. New understandings of that key theological and ecumenical issue emerged as the WCC became increasingly global, not only confessionally but also geographically and culturally in the post-war years marked by anti-colonial struggles in the Third World. This would affect the goal of the ecumenical movement and the way of pursuing this goal.

16 17 18 19 20

Visser ’t Hooft, Memoirs, 367 f. Idem, Movement. Idem, Questions. Idem, Name. Visser ’t Hooft, Fatherhood.

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2. Louvain 1971: M†guez Bonino’s critique of Meyendorff ’s theological “idealism” 2.1 Uppsala 1968: the unity of the Church and the unity of humanity In August 1971 the World Council of Churches’ Commission on Faith and Order held its first full meeting after the 1968 WCC Uppsala Assembly. In hindsight, that Assembly is often seen as a moment in which the “new orientation” that Visser ’t Hooft saw emerge among Christian students in 1960, and that had gained momentum after the WCC’s 1966 conference on church and society, seemed to extend its influence to different areas of the WCC life and programmatic work. The theme of the Assembly’s Section I Report, which dealt with the questions God-church-world and visible unity, was “The Holy Spirit and the Catholicity of the Church”21. The starting point of the Report was the admission that “it seems to many, inside and outside the Church, that the struggle for Christian unity in its present form is irrelevant to the immediate crisis of our times”22. The report attempted to overcome the growing polarisation around the search for Christian unity by proposing what Bishop Karekim Sarkissian, the vice-chairperson of Section I and the future Catholicos of all Armenians, called in his presentation of the text a “forward looking perspective” that makes us “look ahead for a genuine understanding of catholicity”23. According to the report, engagement in the “agonising arena of contemporary history”, seen as the place “where God is already at work to make all things new”, enabled the churches to perceive new implications of the oneness, holiness, apostolicity, and particularly the catholicity of the Church. God makes catholicity available to men and women in the world. Christ’s purpose is to bring “people of all times, of all races, of all places, of all conditions” into an “organic and living unity”.24 Catholicity is the inner dimension of this unity. It is a relational, dynamic dimension of the Church. It is both gift and task. It reaches its completion “when what God has already began in history is finally disclosed and fulfilled”. Catholicity “is the opposite to all kinds of egoism and particularism”.25 The text went on to point to the denials of catholicity. It then applied its renewed notion of catholicity to the fellowship of the WCC by successively relating it to the quest for diversity, the quest for continuity, the quest for unity, 21 22 23 24 25

Holy Spirit, 11 – 19. Ibid., para. 3. Sarkissian, Introduction, 7 f. Holy Spirit, para. 6. Ibid., para. 7.

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and the quest for the unity of humanity. The world was pointing to “secular catholicities of its own”26. Christians deny catholicity when they confused it “with other solidarities and communities”27 by allowing prejudices to prevent the search for unity, determining church membership by “discrimination based on race, wealth, social class or education”, refusing to exhibit in their common life “the essential oneness in Christ of men and women”, allowing other allegiances to prevent “the organic union of the churches”, and prescribing “their customary practices” to other Christians as the “condition for cooperation and unity”.28 In other words, Christians denied catholicity when they failed to distinguish the world’s oikoumene from the oikoumene of God’s reign; when they failed to hold together critically the search for the visible unity of the Church and “the essential truth of human nature as of one blood, in equal right and dignity through every diversity of race and kind”29. How to hold together critically these two dimensions in the search for visible Christian unity was the issue that, not only at Uppsala, but also in the following years, would challenge the ecumenical vision described at the WCC Assembly in New Delhi 1961 in terms of the visible unity of all Christians “in each place” marked by a common understanding of the apostolic faith, sacramental life, ministry, as well as common mission and witness. As one of the theological sections of the WCC, Faith and Order needed to address this issue. Thus the main theme of its Louvain 1971 Commission meeting was “The Unity of the Church and the Unity of Mankind”30. The Commission had already engaged in studies on similar themes during the 1960s, such as “The Finality of Jesus Christ in the Age of Universal History” (1962)31, “Creation, New Creation and the Unity of the Church” (1964 – 1967)32, “God in Nature and History” (1965 – 1967)33, and “Man in Nature and History” (1968)34. Since Uppsala, the Faith and Order study process on “Unity of the Church – Unity of Mankind” had given rise to widespread discussion involving a considerable number of regional groups around the world.35 One of the main tasks of the Louvain 1971 meeting was to review the whole of the ongoing Faith and Order work in light of the post-Uppsala’s challenge to the understanding of unity. Ernst Lange, whose book Die ökumenische Utopie (The ecumenical utopia, published in English as And yet it Moves) was largely 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Ibid., para. 20. Ibid., para.10. Ibid. Ibid., para. 21. Faith and Order Louvain 1971, 7 – 31. The Finality of Jesus Christ in the Age of Universal History. Faith and Order Louvain 1971, 133 – 140. New Directions in Faith and Order, Bristol 1967, 7 – 31. Commission of Faith and Order – Minutes, 19 – 21. Faith and Order Louvain 1971, 240.

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inspired by that event, wrote that at Louvain most of the participants saw that the issue of church unity was being set in an “unfamiliar light”: unity now meant “something materially different from what it had meant before”, and this could represent “a break with the traditional understanding and the traditional mandate of Faith and Order”.36

2.2 John Meyendorff ’s critique of secular theological anthropology The keynote address in Louvain 1971 was given by the French-North American Orthodox theologian and ecumenist John Meyendorff, Professor of Patristics and Church History at St Vladimir Theological Seminary, New York, and the new Moderator of the Commission on Faith and Order.37 The immediate institutional context of his address can be discerned from the address given on the same day by Eugene Carson Blake, the General Secretary of the WCC. According to Blake, at recent meetings of the WCC main governing body, “there have been voices reflecting a wide-spread fear among the constituency of the member churches of the Council alleging that in recent years the WCC has set a new course away from traditional and essential interest in faith in God and the unity of the Church towards an over-preoccupation with ethical action programmes in the world”38. Three years after Uppsala 1968, “the concern within the constituency has not been fully satisfied”. For this reason Blake said he welcomed the theme of the Louvain meeting and underlined the ecumenical strategic importance of the work that needed to be done. For “unless it becomes clearer to our whole constituency than it now is that all that the World Council is and does rises out of the gospel, the revelation of God in Jesus Christ, an increasing and destructive polarization of the Church may be expected”39. At this point, nothing less would be required than “a reexamination of the principal traditional fields of theology as each bears upon the actual problem of the unity of the Church and the unity of mankind”40. John Meyendorff was one of those concerned voices to which Blake had referred. His keynote address was a deliberate attempt – perhaps we should add, a critical and provocative attempt – to launch the broad theological reexamination for which Blake had called. He stated at the outset that given that in the ongoing legitimate shift from theology to anthropology secular categories had been shaping much of recent ecumenical thinking, the problem 36 37 38 39 40

Lange, And yet, 88. Cf. Brown’s contribution in this volume. Cf. Meyendorff, Unity. Blake, Louvain Address, 26. Ibid., 27. Ibid.

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was to define “which anthropology we choose as criterion in our shifted ‘Faith and Order’ thinking”41. Meyendorff ’s starting point was Patristic anthropology. “Man” was God’s image, theocentric, and his destiny was living communion with God, which was made possible in Jesus Christ, who revealed what man authentically is. Koinonia, which defines the Church, was primarily “a unity of man with God” and only secondarily, “a unity of men with each other”42. It held together faith as historical continuity and authority, on the one hand, and faith as personal experience and freedom, on the other. This meant that the Church was not divided, that the fullness of koinonia existed only in Christ and was given in the eucharist, and that the local sacramental community is – eschatologically – its full realisation as it anticipated the Kingdom of God. It follows that the Church cannot be understood “as immanent to the world, so that its destiny is determined by the secular goals of mankind”43. However, Meyendorff went on, recent understandings of salvation in universal and cosmic terms had overlooked two “crucial aspects which are just as fundamental as universalism – the reality of freedom and the reality of evil”44. The New Testament associates “secular mankind” with slavery and dependence. If the Church was to serve the world and unite humankind, it could do so “only if it is free from them”45. Christian freedom was the likeness of God in us. This was “the joy and the dignity of the slaves, of the persecuted, of the deprived, and of the humiliated…”46 Concerning evil, its manifestations had been recognised, but a theology of evil was lacking. Evil had a personalised existence which affected the unity of humankind. Humanity was engaged in a “tragic, cosmic struggle”47 in which Good and Evil met. Thus, the unity of humanity, in order to be true and authentic, had to be exorcised as the preliminary condition to authentic life in Christ. It followed that our choices “are not between absolute Good and absolute Evil…”48 The ethical absolute was utopianism. Christ’s achievement did not consist of “revolutionising the world and making it sensibly better than it was before”49. According to Meyendorff ’s last point, the coincidence between the unity of the Church and the unity of humanity was eschatological. The unity of the Church was “an anticipation of the unity of mankind”50. In the eucharist “it is

41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

Meyendorff, Unity, 31. Ibid., 35. Ibid., 38. Ibid., 39. Ibid. Ibid. Ibid., 40. Ibid. Ibid., 41. Ibid., 42.

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possible to taste the very reality of future unity”51. The meaning of worship as liberation “is best understood by those Christians who are openly rejected by the world, persecuted, oppressed, or segregated – in communist Russia or in the black ghettos of America”52.

2.3 M†guez Bonino on John Meyendorff ’s thinking “hovering above history and the world” A response to Meyendorff came from Jos¦ M†guez Bonino.53 A member of the Argentine Evangelical Methodist Church, Miguez Bonino was rector of the Facultad Evang¦lica de Teolog†a (Union Seminary) of Buenos Aires from 1960 to 1969 and then director of the Higher Evangelical Institute of Theological Studies (ISEDET). The only Latin American Protestant observer at the Second Vatican Council, Miguez Bonino would be elected a president of the WCC, serving from 1975 to 1983. At Louvain, he said that he had been moved in two directions by the Orthodox theologian’s address. Meyendorff had been able to focus on the central issue of anthropology, to connect it with the two foci of Louvain’s theme, namely the unity of the Church and the unity of humanity, and to place this connection in the framework of eschatology. The Orthodox theologian had insisted on the centrality of local eucharistic community, and on koinonia as a central category for the reflection on unity. M†guez welcomed all this. However, M†guez Bonino also felt “a growing uneasiness”54. This came from the fact that Meyendorff ’s theology seemed unable to recognise its own historicity and its implications. This explains M†guez Bonino’s methodological question: “From what point is this theology done? Where the theologian is placed who can think and write this theology? What is the location which makes this perspective possible?” This seemed to be a place, M†guez went on, in which it was possible to do theology without involvement in the issues of the world, to discard secular categories. All in all, he noted, “this theology seems to be possible for a man placed outside conflict and tension, hovering above history and the world, detachedly looking at men and history sub specie aeternitatis”. According to M†guez Bonino, this place seemed to be the “eschatological eucharist”, an “unthreatened standpoint” which would become “the centre of unity, the point of departure for our reflection about the unity of the Church and the unity of mankind”. However, Miguez Bonino stated, it was not possible to put oneself in that 51 52 53 54

Ibid. Ibid., 43. M†guez Bonino, Comments, 47 – 50. Ibid., 48.

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place, because that was the place for which one can only “hope and pray”. Theology, he continued, was done “within the conditions of this worldly, historical existence, here between the times, at a eucharist and in a Church which are fraught with all the ambiguities and tensions of common human life, subject to an unavoidable entanglement with ideologies and determinisms, secular categories and conscious or unconscious involvement”55.

One might ask, he continued, whether this “threatened and conflicting world” was not the one “in which Biblical thought and action themselves find their locus”. If work for justice and peace was of limited eschatological significance, as M†guez thought that Meyendorff had suggested, then we may be led to reconciliation with “things as they are”. We withdraw into the absolute by absolutizing our relative standpoint, M†guez Bonino argued. This would mean, he concluded, “absolutizing as ‘Christian unity’ one of the patterns of thought and structure that can be so clearly dated historically, politically, ideologically”56.

3. Salamanca 1973: M†guez Bonino on the Western bourgeois oikoumene 3.1 A new dialogue on the core of the ecumenical vision The Louvain 1971 Faith and Order meeting mandated one of its committees to review, in the light of ongoing ecumenical developments, “the purpose and nature of the unity we seek and the means of manifesting it”57. In the new ecumenical context created by Vatican II, this included not only monitoring the theological and practical aspects of Church union negotiations and organic unions, along the lines of the New Delhi vision of the unity of all in each place in a committed fellowship, but also of a growing number of bilateral dialogues which would lead to the re-emergence of full mutual recognition in reconciled confessional diversity as a model of Church union. One of the results of this mandate was an international consultation in 1973 in Salamanca, Spain, on “Concepts of Unity and Models of Union”. This theme, related to the core of the classical ecumenical vision, gave M†guez Bonino an opportunity to pursue the critique of ecumenical idealism by showing that for an ecumenism aware of its intrinsic contextuality, an ecumenism dominated by the illusion of universality was irrelevant. 55 Ibid. 56 Ibid., 47 – 50. 57 For what follows cf. Committee V, 230 – 238; cf. also Conspectus, 240 f.

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3.2 M†guez Bonino: Ecumenism in Latin America and the contextual irrelevance of Faith and Order’s agenda M†guez Bonino’s contribution to Salamanca 1973 made explicit at the outset both its contextuality and its provisional character. Its title was “A Latin American Attempt to Locate the Question of Unity”58. He indicated to his audience that this title should “be taken literally” because he was attempting “to locate the problem of division and unity as it presents itself for those of us who strive to become aware of what it means to be God’s people in the time of suffering and hope in which our people are living”. In what follows I present the core of M†guez’s contribution to the Salamanca Conference in a way that suggests affinities between its rhetoric and what was then the emerging style of liberation theologies in Latin America.

a) Analysis of the ecumenical situation in Latin America M†guez Bonino’s starting point was neither a reference to Patristics, as was Meyendorff ’s in Louvain, nor was it a reference to John Wesley’s theology or to past Faith and Order studies. It was rather an attempt – aware of its historicity – to interpret the existing ecumenical situation in Latin America. Two “facts” characterised the ecumenical situation in Latin America, he noted. The first was indifference towards the classical models of ecumenical relation such as organic union and conciliar ecumenism. The second was the growth of transconfessional groups and movements, which were “drawn together by a common engagement in a mission which is understood as the mission of the church at the present juncture in history”59. These movements were gathered around a centre, which is “a personal and communal experience of the immediacy of the Spirit or a commitment to the struggle for liberation in socio-political as well as religious terms”60. M†guez Bonino went on to propose a threefold typology of these “transconfessional movements” in which the issue of the unity of God’s peoples reconfigured the problem of the unity of the people of God.61 There was, first of all, the Charismatic family : For this family the Church was the gathering in which Christians experienced “a common immediacy of the Spirit”. The Church was “the realm where this life becomes available”. As a result the most important service it rendered to the world was the invitation to participate in 58 M†guez Bonino, Attempt, 51 – 62. The book includes the main contributions to the Salamanca consultation. 59 Ibid., 52 f. 60 Ibid., 53. 61 Ibid., 55 f.

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the fellowship. There was, secondly, the Revolutionary family. This family heard the Gospel as a call to justice, understood “in terms of the historical conditions of neo-colonial and capitalist oppression and dependence in which we live”. The answer of faith took the nature of “a historical commitment to the struggle for liberation”. The Church could not be impartial. The call and function of the Church was “to make the right commitment, the option which corresponds to God’s liberating purpose at a given time”. This did not mean to make exclusively immanent the liberation offered in the Gospel, but to claim that this deeper dimension could be articulated only historically from within the socio-political struggle. There was, finally, the Conservative family. Here the option seemed less clearly defined because it claimed to be “the continuing embodiment and depository of the ‘normative’ Christian faith”. It saw the Church as “a socially stable and structured religious body charged with the preservation and transmission of a religious tradition”, usually associated with “a cultural and frequently also with an ideological heritage and conception”62. This “is present in every ecclesial body and dominant in many”. In this ecumenical configuration marked by the concern for the coming of God’s kingdom to the world and the role of the Christian community and its unity within it, the classical Faith and Order ecclesiological question took “a new and more radical form”. It was no longer “What is the Church?” It was rather “what is the Church for?” It was now a question about the role which churches played or were meant to play particularly within life-centred human struggles.63 While the prevailing vision of unity related the ontological question about the Church to the possibility of overcoming conflicting confessional understandings of the Church and its unity, in the Latin American ecumenical situation the existence of different confessions “is not the great scandal that once it was”, and the debate about confessional identities was “mostly artificial”, especially because Latin American churches were never confessional “except formally”: their confessional consciousness was closely related to their foreignness. The only real confessional distinction, Miguez Bonino went on to note, was the one between Catholics and Protestants, which was “slowly losing an identifiable content and being replaced by transconfessional distinctions and groupings”64. M†guez Bonino’s conclusion therefore seems inevitable: at that point in time “it is enough to realize that the ecumenical movement, built on the basis of the existence and significance of different confessional traditions and aiming at the discussion, rapprochement and eventual union of them, becomes largely irrelevant for our own problem”65. For the wider public, what was 62 63 64 65

Ibid., 56. Ibid., 53. Ibid., 53 f. Ibid., 55.

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difficult to understand were not the inherited confessional intra-Christian divisions, he stated, but “the fact of the growing polarisation within each church and across Christianity as whole concerning the meaning of the Christian faith, its place and significance in our historical situation, the proper function and stance of the Church”. Here, one was up against “conflicting and mutually exclusive understandings of what it means to be a Christian in Latin America in the last third of the twentieth century”66.

b) Towards a theological understanding of the ecumenical situation in Latin America The second step of M†guez Bonino’s argument was more explicitly theological. In his view, the analysis of the ecumenical situation in Latin America raised once again the old question: “Where is the Church?” The classical answer, based on institutional continuity of the church in history, no longer sufficed. It was also necessary to reflect on “the continuation of purposes and functions”. The roots of the ecumenical problems lay in the divorce between institutional continuity and missionary community. The problem of unity in Latin America was “the struggle for a reconstitution of the Church”67. For M†guez Bonino, the struggle for the reconstitution of the Church involved first of all the recognition that the non-theological factors of division had a systemic character. Sociological and ideological factors, often disguised, had a “decisive weight” in human and ecclesial division. They were not simply ingredients of the problem; they rather constituted “the socio-historical matrix of our churches and of the ecumenical movement”. In other words “there are only historically and ideologically ‘datable’ churches”. In the case of Latin America, he noted, what was known was only “a colonial church” and “neo-colonial churches”. The growing number of transconfessional families were discerned according to “the way in which they place themselves in relation to this effort”68 to overcome the neo-colonial age. This understanding of the “non-theological” factors could be applied to organic union and conciliar ecumenism. The concepts of negotiation, representation, procedure, bore the mark of “the liberal ideology and the democratic parliamentary system of the age of Anglo-Saxon domination”69. This was the “historical matrix” of the concepts and models of unity that the Salamanca conference had been addressing, he stated. According to M†guez Bonino, this meant that the Latin American situation, namely the struggle to overcome the capitalist neo-colonial age and to create a new society, could be 66 67 68 69

Ibid., 54. Ibid., 57. Ibid., 58. Ibid.

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also “an impulse for unity and provide models for its realization”70. This same analysis could be applied to the confessional families and to the idea of the holding of a genuine ecumenical council. The problems raised in relation to the convocation of an ecumenical council “have been confined almost totally to juridical claims of the world confession”. But the fact needed to be taken seriously, Miguez Bonino continued, that “world relationships are today determined by the pattern of domination/dependence and that the same pattern determines the relation of centre/periphery in the great confessional bodies”71. The struggle for the reconstitution of the church involved, secondly, the recognition of the terms “church” and “unity” as analogous critical concepts. This meant that the ecumenical movement should give up “the attempt to erect one of the existing ecclesial entities as ‘the full measure’ of ecclesial reality against which one could measure the ‘ecclesial density’ of the rest”72. As a result, the struggle for the church appeared as “the ecclesiology for unity”. Within the struggle for “a new organisation of human life and society”, churches were also in crisis as new ways of being the church emerged. At the least, M†guez Bonino concluded, “the search for unity is the struggle for the Church as it strives to take shape in the quest for a new kind of human life in a new society”73.

c) Emerging tasks of the ecumenical situation in Latin America M†guez Bonino’s Latin American attempt to locate the question of Christian unity took a third and final step by raising, in light of the previous step, the practical question of its emerging ecumenical tasks in that context.74 This included the theological and ideological clarification of what was at stake in the struggle of the different transconfessional movements; the approach of the “wealth of words and signs” in which they expressed their Christian identity ; the need for keeping open the possibilities for encounter between these different movements; an ecumenical discussion on “the nature of proclamation”, which was “the ultimate power for unity and division”75, and the importance of holding on to the significance of common projects and action in the area of social and pastoral service.

70 71 72 73 74 75

Ibid., 59. Ibid. Ibid., 59 f. Ibid., 60. Cf. ibid., 61 f. Ibid., 61.

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4. Conclusion Towards the end of his address to the 1968 Uppsala Assembly, Visser ’t Hooft affirmed his – and that of the classical ecumenical movement – life-long attachment to what he called a vertically-based approach to the relation between the church and the world, and warned the Assembly against the consequences for the search for Christian visible unity of a horizontally-based approach that seemed to ignore that humanity is one not in itself, but as object of God’s love. Three years later, in Louvain 1971, John Meyendorff couched his opening address to that conference also in terms of warning. Visser ’t Hooft warned against “horizontalism”. Meyendorff warned against the consequences for the ongoing work of Faith and Order of the influence of a western secular theological anthropology. Although Visser ’t Hooft’s understanding of God’s saving work for the world, and the role of the church and its unity within it, was certainly very different from that of Meyendorff, the Reformed ecumenist and the Orthodox theologian converged not only in their common rejection of an understanding of God’s saving work in the world that would not be closely tied up with the ministry of the traditional forms of church life, but also in a certain hierarchical dualism about visible unity that called first for unity in faith, sacramental life and ministry, and only in a second (and secondary?) moment for unity in the service of the kingdom. M†guez Bonino belonged to a confessional tradition marked by the Protestant Reformation which traditionally understood God’s design for the world and the role of the church and its unity in terms that have a family resemblance with Visser ’t Hooft’s understanding of the same issues. However, the similar confessional starting point did not prevent the Methodist and the Reformed from describing in mutually conflicting terms what lay at the core of the ecumenical vision. By attempting to understand the Christian message and its life of koinonia out of solidarity with Christians struggling for human survival, Miguez Bonino’s theology of Christian hope articulated the pressure of the eschaton upon human history with a missiology in which God’s relation to the poor and marginalised rejected the hierarchical dualism about unity that brought Meyendorff and Visser ’t Hooft together. It also prevented a consideration about the church and its unity from being organically isolated from what makes Christian churches human – all too human… – in their historical unity with what M†guez called the Western bourgeois oikoumene76 that was being challenged by the other oikoumene and the other ecumenism of the poor and the marginalised. This “anti-oikoumene”77 held together, in an 76 Cf. M†guez Bonino, “Third World”, 58 – 67; M†guez Bonino, Oikoumene, 1 – 5; M†guez Bonino, Freedom. 77 Cf. the title and argument of M†guez Bonino, Oikoumene, 1 – 5.

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ecologically non-hierarchical way, that which was necessary for making life possible (oikonomy) and the common faith, sacramental life and ministry necessary for making possible Christian visible unity possible (oikumenism), so that the flock would not listen to the false voice of another shepherd calling for a false unity that might lead them to further oppression rather than to liberation. This sheds light upon and leads us back to the quotation that opened this contribution: “As in other times in history, the quest for the true unity is at the same time the struggle for the true division.”

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III. Die Entwicklung eines globalen Bewusstseins. Transnationale kirchliche Wechselwirkungen

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A Divided Nation in a Divided World The Kirchentag and the Globalization of German Protestantism from the 1950s to the 1970s

From the late 1950s to the early 1970s, West Germany’s Protestant churches experienced an explosion of new interest in ecumenical and international affairs. Until 1959 these churches lacked any large coordinated foreign aid organization.1 Questions of ,Third World’ development were understood primarily in terms of foreign missions. And foundational questions about how to administer such aid went largely unexplored. By the late 1960s and early 1970s, however, the Protestant churches were abuzz with heated debates about barriers to Third World development, the need to promote worldwide equality and social justice, and ways that European Christians could express their solidarity with social and political revolution around the globe. This transformation is particularly apparent in the meetings of the Deutscher Evangelischer Kirchentag, Germany’s largest assembly of Protestant laity, where topics such as development became increasingly prominent from the middle of the 1960s. These changes did not occur in a vacuum. During the 1960s, the World Council of Churches (WCC) began to thoroughly rethink its approach to world affairs, most prominently at the General Assembly meetings in 1961 in New Delhi and in 1968 in Uppsala, and at the 1966 Conference on the Church and Society in Geneva. In the Catholic Church, Third World development and global Christianity were prominent themes at the Second Vatican Council (1962 – 1965) and in a series of Papal Encyclicals culminating in 1967’s Populorum Progressio. The international community outside of the churches underwent a similar shift in emphasis with the UN General Assembly christening the 1960s the “decade of development” and the World Bank’s Pearson Commission (1967 – 1969) calling for radical measures to promote greater equality between the rich and poor countries of the world.2 The broader West German political landscape, too, underwent what Erhard Eppler, the Federal Minister for Economic Cooperation during this period, described as a “Copernican Revolution in West German development policy”3. During the Grand Coalition of 1966 to 1969, and especially during the chancellorship of Willy Brandt from 1969 to 1974, the West German 1 Cf. Hein, Westdeutschen, 60 – 75. 2 Cf. ibid., 40, 129 – 136; cf. also Goodall, Progress. 3 Hein, Westdeutschen, 2.

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government implemented major changes to its own foreign aid policies. Among the most important of these changes, the allocation of development aid was officially detached from Cold War anti-communist policies and from programs to promote Germany’s own industrial and economic growth. The 1969 Entwicklungshelfergesetz also legalized overseas development work as a formal alternative to compulsory military service.4 Clearly the transformation in attitudes in Germany’s Protestant Churches cannot be understood apart from these multiple contexts. This new interest in issues of Third World development, equality, and social justice, was part of a broad global transformation in attitudes during the 1960s and 1970s. For West German Protestants, however, this transformation was also deeply rooted in more narrowly German concerns and debates, especially regarding the role of the German nation in world affairs after World War II. As an examination of the Protestant Kirchentage makes clear, this growth of global and Third World interest was part of a larger process of rethinking German national identity. A multitude of questions about the German past, German division, and Cold War politics played a central role in motivating German Protestants to engage with the problems of the wider world.

The 1950s: First Steps In the immediate aftermath of World War II, Germans were too preoccupied with rebuilding to think much about foreign aid. In the West German state, this began to change in the mid-1950s. Until the late 1960s and early 1970s, however, foreign aid was closely tied to West Germany’s own political and economic interests. As a matter of policy, aid was forbidden to countries that recognized the East German state.5 The churches were, of course, active in missions and ecumenical activities around the world, and some efforts to rethink these activities were underway. But these concerns were generally eclipsed by more immediate and pressing matters such as the postwar refugee crisis and the Cold War division of Germany. At the 1950s Kirchentage, discussions about the developing world were generally limited to smaller gatherings on missions or ecumenical relations. These gatherings urged German Protestants to rethink their place in the world, but their impact was limited by their small size, relatively narrow scope, and lack of publicity. During the “Hour of Foreign Missions” at the 1953 Kirchentag in Hamburg, for example, Walter Freytag, president of the German Protestant Missionary Council (Deutscher Evangelischer Missionsrat), reminded his listeners that the German churches were just one tiny part of God’s 4 Cf. ibid, 137 – 240. 5 The Hallstein Doctrine, cf. ibid., 40.

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worldwide community. As part of this larger community, they had an obligation to offer concrete help to the so-called “Young Churches” of Asia and Africa.6 At a 1956 session on the “Ecumenical Church”, Willem Visser ’t Hooft, the General Secretary of the WCC, also reminded the audience that the church was a worldwide movement. Its purpose was not only to spread the gospel of reconciliation between God and humanity, but to foster reconciliation in the world as well. “[The church]”, he argued, “is a world peace movement, it often has a direct contribution to offer for the solution of international political problems”7. Kirchentag discussions of world affairs became somewhat larger and more prominent with the creation of a permanent “ecumenical” workgroup in 1959. This group featured ecumenical guest speakers, reports from the “young churches” of Africa and Asia, and discussions of ecumenical relations in the postcolonial world. In one common theme for this workgroup, speakers such as the missiologist George Vicedom, the journalist Klaus Mehnert, and the theologian Martin Pörksen all argued that world missions was not an imperialistic or civilizing venture carried out by superior westerners, but was instead the work of God’s unfolding kingdom. Western churches would play only a supporting role in this process, working closely with local church organizations in the developing world itself. These speakers also pushed for a greater consideration of the physical and material needs, and not just spiritual needs, of the world’s people. Some speakers, such as the sociologist Karl Heinz Pfeffer went further, pushing the churches to engage with a much wider set of issues. In 1959, in a speech well ahead of its time, Pfeffer argued that development aid needed to be disconnected from European economic growth policies, that Western governments should seek to cooperate with Third World socialist movements, and that developed nations should implement a one percent GNP tax to support the growth of Third World economies.8 During the 1950s and early 1960s, this global perspective remained on the margins of German Protestant discourse. National issues, by contrast, were constantly front and center. Protestants were especially concerned with the problem of German division. Debates over this issue became heated during the 1950s, as the West German state pursued rearmament and integration into the NATO alliance. While some West German Protestants approved of these measures as a necessary defense against the threat of communism, many opposed them for a variety of reasons. The opponents of rearmament argued that the true role of the German nation was to foster peace and reconciliation between Cold War enemies, that rearmament represented a failure to learn the

6 Cf. DEKT 1953, 525 – 526. 7 DEKT 1956, 496 – 497. 8 Cf. DEKT 1959, 612 – 649.

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lessons of German history, and that these policies would lead to the permanent division of Germany.9 These debates played a vital role in transforming the national attitudes of many German Protestants. A prime example of this can be seen in Martin Niemöller’s famous speech “Our Nation Among the Nations” delivered at the 1953 Kirchentag in Hamburg. According to Niemöller, the god-given role of the German people after World War II was to do everything in their power to overcome Cold War hostility, working for reconciliation between the nations of the East and West.10 Others might take issue with Niemöller’s specific policy suggestions, but this new sense of national identity, almost a mirror image of the past, enjoyed widespread popularity in the Protestant churches. Protestants remained fixated on Cold War Europe, and not the problems of the wider world. As time went on, however, the problems of German relations in Europe were frequently paired with much less prominent presentations on developing world topics.

The 1960s: New Perspectives and Growing Controversy Reflections on German national identity became much more pronounced in the early 1960s. The construction of the Berlin Wall, and the political environment that emerged thereafter, lent a new sense of permanence to German division.11 These circumstances also led increasing numbers of Protestants to question the wisdom of the government’s attitude of nonrecognition and hostility toward the East German State and the entire Eastern Bloc. In public statements such as the 1961 Tübinger Memorandum and the 1965 Ostdenkschrift of the Evangelische Kirche in Deutschland, leading Protestant intellectuals such as the physicist and philosopher Carl Friedrich von Weizsäcker strongly criticized West Germany’s militant attitude toward the communist bloc and especially its policies toward the Polish-German border.12 More broadly, the seeming permanence of German division and the increasing complexity of Cold War politics, led West German Protestants to gradually adopt a much more global understanding of their place in the world. While the East-West divisions of the Cold War remained central to German Protestant identity, relations with the developing world – the so-called global South – began to take on ever greater importance. This new perspective both grew out of and was strongly shaped by earlier, 9 Cf. Pearson, Pluralization; cf. also Vogel, Kirche; Rausch/Walther, Kirche; Sauer, Westorientierung; Hoeth, Kirche. 10 Cf. DEKT 1953, 219 – 227. 11 Cf., for example, Hauschild, Kirche. 12 Cf. Greschat, Protestantismus.

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German-centric ways of thinking about world politics. For many Protestants, ecumenical and political relations between the two German states continued to serve as a model for understanding all international relations. This connection can be explicitly seen in discussions of “Alternative Foreign Policy” carried out by the Kirchentag’s political workgroup in preparation for the 1965 gathering in Cologne. In their meeting notes on the nature of German Protestant unity, they argued that Germans in the East and West shared “ecumenical community”, a “common past, history, and guilt”, and “despite division, a common mission [Dienst]”. They went on to conclude, “The division of Germany = the division of the world”; “Christian unity in Germany = the unity of the world”13. The connection here is even more apparent in the conclusions of one planning meeting for the 1967 Kirchentag in Hanover. As summarized by Friedelbert Lorenz: “The German question cannot be solved through a direct approach; it depends much more on doing everything we can for the development of new world-political structures to ensure world peace. [We do this] in the hope that within these new structures of world peace the German problem may someday be solved.”14

The practical outgrowth of this approach is apparent in the 1965 forum on “Preliminary Political Questions”, which paired discussions of Polish-German reconciliation with the Kirchentag’s first major workgroup session to be entirely devoted to the issue of Third World development. The former resistance fighter Axel von dem Bussche, a member of the executive committee of the Kirchentag, opened this session by emphasizing the growing interdependence and interconnectedness of the world. Germans, he suggested, were accustomed to thinking about the world’s problems starting with their own nation and moving outward, but it was now necessary to consider their own place as part of the larger whole. German involvement in the world was also a practical application of the duty to love one’s neighbor. “In an extraordinarily rapid development”, he explained, “those who live in, for example, Latin America, in Africa, and in Asia are becoming our neighbor”15. Other speakers expanded on this duty. For example, the Christian Democratic (CDU) Housing Minister, Paul Lücke, emphasized the success of German rebuilding efforts since World War II, while calling on Germans to channel the same energy into voluntary efforts to help the disadvantaged both within the Federal Republic and around the world.16 The Social Democratic (SPD) State Secretary for Family and Youth, Gabriele Wülker, went further, arguing that conflicts around the world, whether hunger in Africa or war in 13 Dahlhaus, Protokollnotiz Mühlheim 27.–30. 4. 1964, Arbeitskreis 3 (Politik-Gesellschaft), 30. 4. 1964, EZA 71/96/472. 14 Lorenz, Betr. Auswertung der Arbeitstagung in Loccum – Notizen für die Kollegiumssitzung mit Präsident 5. 7. 1966, 30. 6. 1966, EZA 71/96/730. 15 DEKT 1965, 762 – 764, quote from 764. 16 Cf. ibid., 765 – 767.

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Vietnam, had an immediate impact on life in Germany. “This means”, she continued, “that the social question is no longer a question within our own borders, it has become much more of an intercontinental question, encompassing the whole world and demanding our accountability”17. Taking issue with the approach of past West German aid efforts, Wülker also argued that development help should not be tied to the interests of the Federal Republic, but directed instead toward the specific needs of recipient nations.18 Finally, Willem Visser’t Hooft spoke on the importance of moving beyond the concept of development aid as a matter of individual charity, instead seeing the problems of the Third World as matters of solidarity and social justice. These concepts, he suggested, were not just associated with Marxism, but also had an important place in the Christian tradition.19 As the 1960s progressed, and the overall tone of the Kirchentag became more provocative, global issues moved to the center of the program. Inspired by the work of Protestant intellectuals such as Carl Friedrich von Weizsäcker, the Kirchentag leadership selected the overarching topic of “Peace” for their 1967 gathering in Hanover.20 Drawing on Weizsäcker’s concept of Weltinnenpolitik, or world domestic politics, the journalist Hans Jürgen Schultz explained the leadership’s thinking in an early planning memo. The problem of peace, he explained, went beyond utopianism or romantic longing; peace was, in fact, “the foundational concept and way of life of future world culture”. World peace would be the product of far-reaching structural changes, not merely individual good will. “Development aid”, Schultz argued, “is no longer enough; it is a problem of ecumenical world democracy”21. Discussions of peace permeated the entire program of the 1967 Kirchentag. Within this broad topic, the Cold War division of Europe remained the dominant theme. However, issues such as Third World economic development, global inequality, and anti-colonial revolution were also present. As was the case at previous meetings, these issues were often closely linked. For example, a political workgroup discussion entitled “For What Purpose are the Germans Here?” featured Herbert Wehner, the Social Democratic Minister for All German Affairs promoting a new West German eastern policy [Ostpolitik] that prioritized the de-escalation of tensions. Immediately following this German-centered speech, the conservative historian Karl-Dietrich Erdmann, argued that the task of the German nation – on both sides of the iron curtain – was to promote peace and economic development around the world. It was, in fact, this common task that created a national identity between the people of 17 18 19 20

Ibid., 767. Cf. ibid., 767 – 770. Cf. ibid., 771 – 772. Cf. Lorenz, Vermerk über eine Besprechung zwischen Kirchentag und Evangelischer Studiengemeinschaft am 10./11. 12. 1965 in Heidelberg, 23. 2. 1966, EZA 71/96/730; Idem, Bericht über die Präsidialversammlung vom 18./19. 3. 1966, 20. 4. 1966, EZA 71/86/29. 21 Schultz, Anlage 3 zur Bericht über die Präsidialversammlung vom 19. 3. 1966, EZA 71/86/29.

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the two German states.22 “A nation”, he argued, “is a people with the will to cooperate in a common human task”.23 As a concrete outgrowth of this ideal, he suggested that Germans in both the East and West devote the June 17 “Day of German Unity” to expressions of common service to “heal the wounds of war, to end hunger, and to contribute in our own small way to pacifying opponents”24. Another workgroup discussion on “Peace with and without Weapons” pushed the West German state to accept civilian “peace service” as an alternative to compulsory service in the German army. Here, in an attempt at political compromise, the journalist Klaus von Bismarck pushed for recognition that military service could play a legitimate role in preventing armed conflict. Yet he emphasized the much more important contemporary need to combat hunger, economic injustice, and racism. For Bismarck, too, this was a matter of German national identity. “We are in agreement,” he argued, “that the value of a people and their state is measured today by their readiness to both directly and indirectly promote peace. Love of the Fatherland must be combined with the will for peace if it is not to lead to the destruction of the Fatherland”25.

In another series of keynote addresses held each evening during the HanoverKirchentag, a variety of political and intellectual luminaries offered their own perspectives on peace. Here, Alva Myrdal, the Swedish Minister for Disarmament Questions and later Nobel Peace Prize winner, spoke of the need for nearterm disarmament and d¦tente and the long-term goal of a democratic, economically and militarily powerful United Nations. Deeply entrenched problems such as inequality, the population explosion, and racial antagonism would only be resolved if people could overcome their national loyalties, replacing them with true international solidarity.26 The pedagogue Hartmut von Hentig argued that Germans needed to be reeducated to reject force and to embrace empathy in world affairs.27 The theologian Wolfhart Pannenberg, while rejecting outright pacifism, also called on his listeners to move beyond a focus on the problems of their own nation. “We do not need a new national consciousness”, he asserted, “instead we need a clear consciousness of the demands of the one world in which humanity must live tomorrow”.28 This required the renunciation of political violence, efforts to overcome national prejudice, and an end to dehumanizing one’s opponents. While Pannenberg remained deeply skeptical about the desirability of a unified world govern22 23 24 25 26 27 28

Cf. DEKT 1967, 114 – 132. Ibid., 122 f. Ibid., 126. DEKT 1967, 169 – 175, quote from 169. Cf. ibid., 690 – 705. Cf. ibid., 706 – 729. Ibid., 730 – 747, quote from 737.

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ment, he called for the promotion of a “democratic” and “pluralist global society” comprised of interlocking interests and responsibilities. Finally, in an address on “Peace and Truth”, Carl Friedrich von Weizsäcker laid out his concept of Weltinnenpolitik, or world domestic politics, which combined long-term technocratic planning with global governance structures. This new approach to global politics, he argued, was necessitated by the constant threat of nuclear annihilation in a world where humans had acquired the ability to destroy themselves. Yet it was also the only moral and rational solution to other, equally pressing problems such as world hunger.29 These discussions of peace and development issues at the 1967 Kirchentag in Hanover reflected several important ambiguities in the approach of the churches, and West German society more broadly, to the problems of the Third World. On the one hand, no previous Kirchentag meeting had ever devoted so much time and attention to these kinds of international issues. With its strong emphasis on the vital role of the churches, and indeed of all Germans, in promoting world peace, this Kirchentag helped to promote a new way of thinking about German Protestant identity. On the other hand, this new approach remained limited in many important ways. With their highly theoretical focus on world peace, discussions at the 1967 Kirchentag were quite abstract. Third World development issues were addressed in passing throughout the program, but rarely received much focused attention. Few speakers looked closely at the complexities of West German development politics, and even fewer addressed the much greater complexity of actual development work around the world. Even in the Kirchentag leadership, many found this high level of abstraction problematic. To more radical critics, especially from the younger generation, this abstraction reflected a failure to acknowledge the true causes of underdevelopment and the true urgency of the situation.30 At the same time, some conservative critics complained that the Kirchentag had become too one-sided and too left-wing in its approach.31 In the face of these criticisms, the Kirchentag leadership resolved to continue their emphasis on peace and development for the next gathering in 1969 in Stuttgart, ultimately selecting “Hungering for Justice” as their new theme. The focus of this meeting would be on the practical explication of the

29 Ibid., 748 – 764. 30 Cf. Lorenz, Protokoll der Manöverkritik über den Kirchentag anlässlich des CPA-Treffens in Hildesheim am 26. 6. 1967, undated, EZA 71/96/117; Idem, Bericht über die Auswertungssitzung der Gruppenleitung Politik, am 19. 7. 1967, 28. 7. 1967, EZA 71/96/730. 31 The CDU youth leader Hans Horn pointed out, for example, the objections of the Bekenntnisbewegung “Kein anderes Evangelium” to the theological direction of the Kirchentag; the controversy caused by statements by the director of the Evangelische Akademie in West Berlin, Erich Müller-Gangloff, advocating “Peace with the GDR”; and the general absence of CDU perspectives at the gathering. Cf. Horn, Bericht über den evangelischen Kirchentag, undated, EZA 71/96/117;

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Sermon on the Mount in all areas of religious, social, and political life.32 However, they also decided to implement several important changes to their approach. First, recognizing that global issues had been treated in far too cursory a manner in 1967, Kirchentag leaders began to plan for a much more detailed approach, especially in a new workgroup which would eventually be titled “Justice in a Revolutionary World”. Second, in an effort to engage the youth movement in productive dialogue, they sought to more fully embrace the Kirchentag’s potential as a provocative self-critical forum within West German society. In practice, this meant allowing the voices of radical members of the youth movement to be heard, incorporating Marxist and neo-colonial critiques into their formal program, allowing for a more critical tone toward political and social interest groups in Germany itself, and at least considering the possible role of violence and revolution in promoting needed social change.33 This new approach was reinforced by two external influences. At its 1968 meeting in Uppsala, Sweden, the General Assembly of the WCC implemented a similar shift toward greater emphasis on world development and more indepth consideration of the structural barriers to this process.34 Kirchentag leaders followed this development closely and borrowed freely in their own planning. The two years following the 1967 Kirchentag in Hanover also saw a dramatic increase in both the activity and the radicalism of the German Student Movement. During this time, members of the church’s Student Congregations and others sympathetic to the ideas of the New Left kept up constant pressure on the Kirchentag planners, urging them to adopt a bolder and more radical program. Several student groups also formulated their own plans for the Kirchentag and threatened to disrupt the gathering if they were denied the right to be heard.35 The effects of this pressure can be seen quite clearly in the planning 32 Cf. Walz, Bericht über die Sitzung des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 15./16. 9. 1967 in Stuttgart, EZA 71/96/159; Lorenz, Besprechungsunterlage für Überlegungen zur Thematik des Kirchentages 1969, 27. 11. 1967, EZA 71/96/910; Idem, Besprechungsunterlage für die Sitzung des Kollegiums mit Präsident am 18. 3. 1968, 15. 3. 1968, EZA 71/96/910. 33 Cf. Lorenz, Bericht über die Auswertungssitzung der Gruppenleitung Politik, am 19. 7. 1967, 28. 7. 1967, EZA 71/96/730; Walz, Bericht über die Sitzung des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 15./16. 9. 1967 in Stuttgart, EZA 71/96/159; Lorenz, Besprechungsunterlage für Überlegungen zur Thematik des Kirchentages 1969, 27. 11. 1967, EZA 71/ 96/910; Walz, Bericht über die Sitzung des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 1. 12. 1967 in Frankfurt, EZA 71/96/159; Arbeitstagung in Arnoldshain (4.–5. 1. 1968), EZA 71/96/117; Lorenz, Besprechungsunterlage für die Sitzung des Kollegiums mit Präsident am 18. 3. 1968, 15. 3. 1968, EZA 71/96/910; Bericht über die Sitzung des Präsidialversammlung des Deutschen Evangelischen Kirchentages am 23. 3. 1968 in Frankfurt, EZA 71/96/281. 34 Cf. Hein, Westdeutschen, 135 – 136; Goodall, Progress; Frieling, Aufbrüche. 35 Cf. Lorenz, Bericht über die Sitzung der Arbeitsgruppenleitung “Demokratie” am 31. 1./ 1. 2. 1969 in Stuttgart, 21. 2. 1969, EZA 71/96/788.

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meetings for the workgroup “Justice in a Revolutionary World”. At a series of meetings beginning in the middle of 1968, workgroup leaders continually pushed for a more “controversial” and “aggressive” approach to their topic. As the economist Jürgen Heinrichs explained at an early planning meeting, “[World Peace] is not just a matter of caritative alms – giving and help, it is about recognizing the deeper causes of world conflict”36. As examples of these underlying causes, members of the group identified neo-colonialism, economic nationalism, and the unfair trade practices of industrial nations. Looking at problems closer to home, they also placed considerable emphasis on the backwardness of West German public opinion, the control exerted by political and economic interest groups over West German development policy, and the need for greater democracy both at home and abroad. At the urging of Winfried Böll, an SPD Bundestag member and deputy director of the Ministry for Economic Cooperation, the group also placed special emphasis on the “dynamic” and “revolutionary” nature of the world development process. Indeed, the reference to “revolution” in the workgroup’s title came as a result of Böll’s insistence that the group avoid a passivesounding or status-quo affirming emphasis on “peace”. At the same time, even as workgroup leaders sought to reach out to students and members of the New Left, they also sought to pull them in a more productive direction. In their estimation, these young radicals failed to understand the full complexity of the world development problem. Their youthful energy needed to be channeled and directed by a better understanding of the basic facts.37 This would be a difficult balance to achieve. On the whole, the 1969 Kirchentag in Stuttgart did succeed in presenting a much more complicated and concrete picture of development than its predecessor. For example, in a speech remarkably devoid of election year partisanship, Erhard Eppler, the SPD Minister for Economic Cooperation, emphasized the complexity of world development politics. A wide variety of problems, both political and technical, both domestic and international, stood in the way of improving conditions in developing nations. This process had been rife with illusions, errors, and unintended consequences. But it remained vitally important to the future of the entire world. Germans needed to resist the temptations of resignation, idealism and utopianism, and blind adherence to ideology, working together to find concrete and tangible ways forward. While this process might lead to the creation of a system of Weltinnenpolitik, such far-reaching goals would only be achieved through small, piece-meal 36 Ibid. 37 Cf. ibid.; cf. idem, Beiliegenden Bericht vom 25. 7. 1968, undated, EZA 71/96/952; idem, Bericht über die Arbeitsgruppenleitung “Gerechtigkeit in einer Revolutionären Welt” am 6. 12. 1968 in Frankfurt, 27. 12. 1968, EZA 71/96/952; idem, Bericht über die Arbeitsgruppenleitung “Gerechtigkeit in einer Revolutionären Welt” am 3./4. 2. 1969 in Frankfurt, 15. 4. 1969, EZA 71/96/ 952; idem, Bericht über die Arbeitsgruppenleitung “Gerechtigkeit in einer Revolutionären Welt” am 30. 10. 1969 in Bad Godesberg, 15. 4. 1969, EZA 71/96/952.

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steps. First, Germans needed to develop a global awareness, realizing that the problems of the entire world had a direct effect on their own lives. Then they needed to grapple with hard realities of interest-group politics. There would be hard-fought struggles to overcome entrenched political interests, and Germans would be forced to make economic sacrifices in the short term. Yet the churches could help drive this process forward by building awareness of the problem, by standing firm in their convictions, and encouraging greater involvement in the complicated process of development aid.38 Another series of presentations focused specifically on the problem of world hunger. Here the agricultural expert Hans Ruthenberg advocated for better family planning, improved agricultural productivity, developing-world industrialization, and fairer trade policies. In addition, he argued that underlying social and cultural changes were needed in the developing world itself to ensure political stability, good governance, and basic property rights. In another presentation, Heider Dawar examined the ways in which development had been hindered by the legacy of colonialism and the ongoing economic dependence of developing nations on more industrialized countries. Like Ruthenberg, he argued that the developing world needed modernization and industrialization, not charity. Developing nations could only compete on the world market if industrialized countries would adopt fairer trade practices. But this, in turn, would require more developed nations to sacrifice their own interests, focusing instead on the needs of the rest of the world.39 Other sessions at the Stuttgart Kirchentag were much more politically charged, with both positive and negative consequences for the quality of the discussion. Walther Leisler Kiep, a CDU member of the Bundestag, opened the workgroup with a consensus-oriented speech on the complexity of development politics and the vital importance for Germans of all political parties to cooperate in these endeavors. From a foreign-political standpoint, he argued that world peace was not possible apart from the fight against global injustice. From a domestic standpoint, recognizing the deep frustrations of many Germans with their own government, he suggested that West German development policy would be the “criterion [Prüfstein] for judging the capacity for reform, the moral substance, and the verbal promises of this state and its politicians”40. Yet Kiep went on to enrage the student Left in his defense of private capital and his attacks on those whose “hunger for justice” led them down the destructive road toward revolution. Interrupted repeatedly by catcalls and rhythmic clapping, he struggled to finish his speech in the face of overwhelming audience hostility.41 Later in the day, the Tübingen Student 38 39 40 41

Cf. DEKT 1969, 521 – 529. Cf. ibid., 500 – 507, 507 – 513. Ibid., 496. Cf. ibid., 492 – 99.

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Pastor Dieter Brezger attempted to explain this behavior to older members of the audience. The conciliatory tone of Kiep’s speech, Brezger argued, could not be reconciled with the words and actions of the CDU party, which was complicit in all of the problems of West German development aid. While they might claim to want to help the developing world, the real goal of the CDU had always been to enrich German corporations. Exploitation and profit-seeking were being hypocritically passed off as a form of aid.42 The same politically-charged atmosphere was present in a series of roundtable discussions on the role of private investment in development policy, on development and political interest groups in West Germany, and in the church’s own structural barriers to effective development aid. On the one hand, these discussions were successful in uncovering many concrete problems in West German development policy, requiring members of the government and church leadership to comment on very specific concerns. In the face of direct questioning, government and industry officials were forced to take stances on the role of the agrarian lobby in promoting direct food aid to the developing world, the contradictions and hypocrisy of providing military aid under the guise of development, and the role of Cold War hostilities in thwarting effective development policy. Church leaders, for their part, were forced to admit that their internal governing structure was not well suited to addressing such large scale global issues, while attempting to defend their own well-meaning actions. On the other hand, these discussions too-often devolved into a cycle of loaded, one-sided questions and evasive or defensive responses. The partisan atmosphere was only reinforced by the ongoing disruption caused by student radicals in the audience.43 As in the past, approaches to development at the 1969 Kirchentag remained closely bound up with larger issues of German national identity and the place of Germany in the world. This was a two-edged sword. On the one hand, concern with more narrowly German issues helped to drive interest in the problems of the wider world. On the other, abstract theoretical perspectives and ideological critiques could distract from a focus on these problems themselves. At the 1969 Kirchentag, concerns about inter-German relations and Cold War reconciliation continued to shape attitudes toward development. These connections were made explicit in planning meetings for the workgroup “Justice in a Revolutionary World”. One early plan, for example, included the tension between defense and development side by side with discussions of hunger, economic policy, and inter-cultural dialogue. As Eberhard le Coutre of the aid organization Dienste in Übersee suggested in this context:

42 Cf. DEKT 1969, 514 – 520. 43 Cf. ibid., 553 – 584.

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“What is true security with regard to the tension between defense and development? It is necessary to overcome national self-understandings. With respect to the problematic of German self-awareness we have to ask: how does a nation determine its role within the human family, indeed how is its role determined by this family?”44

In the same meeting, workgroup leaders considered the question of whether development politics might be an ideal place for West and East German cooperation, concluding that this was a desirable but difficult and distant outcome.45 Early drafts for the opening presentation of the workgroup also explored the relationship between German-Polish relations and development under the slogan “Calcutta is closer to us than Silesia”46. In the end, workgroup planners rejected this approach, with at least one member, the economist Jürgen Heinrichs, suggesting that too closely linking development politics with inter-German and Eastern politics would only confuse the issue.47 At the Kirchentag itself, this perspective was occasionally referenced in passing, but only became a major focus in the roundtable discussion on development and political interest groups in Germany. Here one of the moderators, the SPD politician and Protestant pastor Heinrich Albertz, emphasized the issue in a clear attempt to embarrass representatives from the CDU, arguing that Bonn’s inter-German and eastern policies were a major hindrance to cooperation in development aid.48 While students in the audience seem to have appreciated this attack, even Albertz’s own party comrade Alwin Brück suggested it was a distraction from the main issue at hand.49 In 1969, for the first time at the Kirchentag, the issue of development was connected to another aspect of German national identity. To critics in the student movement, and to some in the older generation as well, West Germany’s failure to more enthusiastically embrace development aid reflected the country’s unique pathologies going back to the Nazi era. In its moderate form, this critique focused on German provincialism and lack of global awareness. As Eberhard le Coutre suggested in one planning meeting, the need for development aid was simply missing from the “catalog of national duties” that belonged to Germans’ sense of national self-understanding.50 At the Kirchentag itself, the development activist Klaus Lefringhausen of the Sozialwissenschaftliches Institut of the Evangelische Kirche im Rheinland 44 Lorenz, Bericht über die Konsultation zum Thema “Sozialer Weltfrieden” am 19. 6. 1968 in Köln, 9. 7. 1968, EZA 71/96/952. 45 Cf. idem, Beiliegenden Bericht vom 25. 7. 1968, undated, EZA 71/96/952; idem, Bericht über die Arbeitsgruppenleitung “Gerechtigkeit in einer Revolutionären Welt” am 6. 12. 1968 in Frankfurt, 27. 12. 1968, EZA 71/96/952. 46 Heinrichs, Gerechtigkeit in einer Revolutionären Welt, Jan. 1969, EZA 71/96/952. 47 Cf. ibid. 48 Bonn was at this time the capital of West Germany. 49 Cf. DEKT 1969, 577 – 580. 50 Cf. Lorenz, Bericht über die Konsultation zum Thema “Sozialer Weltfrieden” am 19. 6. 1968 in Köln, 9. 7. 1968, EZA 71/96/952.

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advanced this perspective in a speech entitled “Our Underdeveloped Public Opinion”. While grateful that the issue of development had received a higher profile in recent years, thanks in part to the Uppsala Assembly of the WCC and to the activity of the student movement, Lefringhausen suggested that several specifically German failings worked to mute support for these efforts. Wrestling with guilty consciences because of their Nazi past, he suggested, yet tired of being the global scapegoat, West Germans had responded by embracing an aggressive posture toward the world. This was especially clear in their Cold War dealings and in their attitudes toward the East, but could also be found in sentiment toward the developing world. Politicians and journalists either ignored the problems of the majority of the world, or they framed them entirely in terms of national self-interest. The public, for their part, behaved like “sheep”, believing everything they read in the mass press, engaging in uncritical consumerism, and wallowing in Germany’s own “family tragedy” rather than broadening their horizons. To Lefringhausen, German fascination with the space race epitomized this attitude. He suggested that by celebrating this expensive and unproductive Cold War competition, while ignoring the plight of the Third World, West Germans were behaving in much the same way as the cold-hearted “desk murderers” of the Third Reich. With the help of the churches, Germans needed to move beyond this self-centered focus, learning to practice empathy and dialogue. They had to be willing to make personal sacrifices for the good of others in the world. And they needed to hold their politicians and the press accountable for their attitudes toward global problems.51 This perspective also had its more extreme formulations, which demonstrated the ways in which this critique of German national character could actually reinforce German-centric attitudes. For example, one Kirchentag forum on the possibilities of violent and non-violent social change began with presentations on the life and work of Martin Luther King, Jr., Che Guevara, and Camillo Torres. In a follow-up presentation, the student representative Frank von Auer, began by ritually invoking the solidarity of the West German student movement with the struggles for liberation of the world’s oppressed. He then went on, however, to focus entirely on the violent and oppressive character of West German society. The need to find a job, discipline at home and at school, and even the daily content of the Bild newspaper were, to Auer, examples of violence as serious as the war in Vietnam. German students were helping the people of the world by fighting their own liberation struggle against these manifestations of the late stage capitalist system.52 Despite its excesses, the 1969 Kirchentag in Stuttgart was an important turning point for the treatment of Third World issues at the gathering. While Third World politics and development issues had often been relegated to 51 Cf. DEKT 1969, 543 – 552. 52 Cf. DEKT 1969, 714 – 782.

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smaller sessions at previous Kirchentage, or had been dealt with abstractly and imprecisely under broad conceptual rubrics such as “Peace” and “Weltinnenpolitik”, these issues were central at Stuttgart. In fact, the workgroup “Justice in a Revolutionary World” was among the best attended of the Kirchentag (second only to the politically charged workgroup on “Democracy”).53 At the same time, Stuttgart demonstrated a number of difficult problems and challenges for the future of the Kirchentag as a public forum within German Protestantism. While the Stuttgart program had succeeded in drawing unprecedented numbers of youth (from within the church and without) and in drawing attention to controversial new topics and perspectives, it also generated a significant backlash. New topics and controversial approaches alienated many in the older generation. And new, fully democratic procedural rules allowed a minority of activist students to hijack the program, disrupting planned meetings and silencing other perspectives. Despite these difficulties, Kirchentag leaders concluded that Stuttgart had succeeded in initiating an important “learning process”54 within the churches. Members of the older generation had been exposed to the perspectives of the youth and to important substantive issues that had too long been ignored. The youth, for their part, had been given the opportunity to be heard. And, whatever other problems might have occurred, the whole gathering had proceeded without violence or the need for an active police presence.55

The 1970s: Emerging Consensus The challenge for Kirchentag meetings after the tumultuous events of the late 1960s would be how to ensure balance. How could future Kirchentage combine the popular passion and enthusiasm that students had brought to Stuttgart with the sober, factual analysis that had long characterized the Kirchentag approach to complex real-world problems? How could they serve as a transparent and democratic forum for a broad spectrum of the public (both inside and outside of the churches) while ensuring all attendees from all theological and political perspectives the right to contribute and be heard? The Kirchentag leadership responded to these challenges by working to democratize their planning processes, while implementing stricter procedural 53 Cf. Hein, Westdeutschen, 138. 54 Von Weizsäcker, Anlage 2. Präsidialversammlung 20. 3. 1970. Bericht des Kirchentagspräsidenten, EZA 71/96/281. 55 Cf. Braun, Bericht über die Auswertungssitzung der Arbeitsgruppenleitung “Gerechtigkeit in einer revolutionären Welt” am 30. 1. 1969 in Bad Godesberg, EZA 71/96/952; von Weizsäcker, Anlage 2. Präsidialversammlung 20. 3. 1970. Bericht des Kirchentagspräsidenten, EZA 71/96/ 281.

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rules to govern discussion at the meetings themselves.56 For the 1973 Kirchentag in Dusseldorf, for example, the Kirchentag leadership selected six broad themes for the gathering and then issued an open invitation to any interested groups within the churches to contribute their own ideas and suggestions within these themes. Workgroup leadership committees were formed through the collaboration of these groups, which then sponsored and directed the discussion of their topic at the Kirchentag itself. In practice, this meant that representatives of opposing points of view were forced to work together – building some degree of consensus – as they focused on the concrete task of workgroup planning.57 These efforts appear to have been successful. While discussions of the Third World and development politics at the 1969 Kirchentag were provocative and confrontational, discussions at the 1971 Ökumenisches Pfingsttreffen (cosponsored by the Kirchentag and the Central Committee of German Catholics) and at the 1973 Kirchentag in Dusseldorf were much more constructive, concrete, and consensus-oriented. Yet the influence of 1969 remained. Many of the specific topics and critical perspectives that had generated such controversy in 1969 had simply become mainstream by the early 1970s, at least to the attendees of the Kirchentag. Both the 1971 Pfingsttreffen and the 1973 Kirchentag included widespread agreement on the need for genuine “partnership” between industrial and developing nations, based on mutual understanding and mutual respect. Both emphasized the importance of disentangling development aid from West German foreign and economic policy goals and from the polarizing black-and-white thinking of the Cold War. Both also focused, without much controversy, on the need to redress economic and power imbalances between industrial and developing nations, allowing for fairer trade and mutually-beneficial, non-exploitative investment. Most disputes within the workgroup concerned more practical matters, such as how to accomplish these goals. The workgroups were clearly divided, for example, over the extent to which free markets and private investment could play a positive role in development, but there was underlying agreement on the danger of relying on unsupervised and unchecked capitalism.58 On the controversial question of whether and to what extent the churches should involve themselves in social and political controversies, such as the fight over apartheid in South Africa, the programs from both the 1971 and 56 On structural and procedural changes, cf. Anlage 3. Präsidialversammlung 20. 3. 1970. Überlegungen zur Arbeitsweise und Struktur des Kirchentages, EZA 71/96/281; DEKT 1971, 35 – 39. 57 Cf. Bericht über die Präsidiumssitzung vom 17. 6. 1970, EZA 71/96/283; Walz, Auf dem Weg nach Düsseldorf, undated, EZA 71/96/283; Bericht über die Präsidiumssitzung vom 9. 6. 1972, EZA 71/96/283; Anlage 1 zum Bericht über die Sitzung des Präsidiums am 22. 1. 1973, EZA 71/ 96/283. 58 On the origins and planning for the Ökumenisches Pfingsttreffen, cf. DEKT 1971, 5 – 45; for discussions of development and the Third World, cf. DEKT 1971, 371 – 429, and DEKT 1973, 576 – 662.

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1973 gatherings achieved a similar consensus. Although there was clearly some disagreement on exactly how the churches should address such controversies, there was general consensus that the church was called to both proclaim the gospel and to combat injustice in the world.59 Sizable majorities within the workgroup adopted resolutions supporting the controversial WCC Program to Combat Racism, condemning the South African apartheid system, and calling for the Federal Republic to end its trade boycott of Cuba (to mention only a few examples).60 Some members of the workgroup may have disagreed with some of the specifics of these resolutions, but the overall tone of the gathering was one of constructive, collaborative problem solving. Discussions of the Third World during the early 1970s were also different from those of earlier Kirchentage because of the greater, and more substantive, involvement of representatives from the developing world itself. Almost a quarter of the members of the “Development” workgroup leadership committee for the 1971 Pfingsttreffen came from Third World countries, while Third World church leaders played prominent roles in both the planning process and on the program of the “Missions and Development” workgroup in 1973. This was not just a matter of symbolic representation, but instead an opportunity for those who were from the Third World to explain to their German audience the ways in which their own society, culture, and experience had shaped their understanding of the Christian message. It was a concrete effort to foster genuine cultural exchange.61

Conclusions The historian Bastian Hein has argued that the late 1960s was a formative era for the transformation of West German attitudes toward the Third World, paving the way for major changes in government policy during the 1970s.62 Hein credits avant garde circles within the churches as well as the influence of the West German student movement for driving this transformation. He also recognizes, however, that this was an ambivalent process. While the vocal activism of these movements helped to reshape the views of social and political elites, bringing about a “Copernican Revolution” in West German development policy, their effect upon the public at large is less clear. Indeed, by 59 Cf., for example, the speeches by Theodor Schober and Leopoldo Niilus, DEKT 1973, 576 – 583 and 589 – 593. 60 Cf. DEKT 1973, 653 – 662. 61 Cf. DEKT 1971, 34; Bericht über die Sitzung des Präsidiums am 12. 10. 1972, EZA 71/96/283; DEKT 1973, 584 – 593; 645 – 649. 62 Cf. Hein, Westdeutschen.

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politicizing the issue of development aid, which had once been an area of relative consensus, this activism also contributed to a conservative backlash.63 This ambivalence is also apparent in developments at the Protestant Kirchentage. The new focus on global issues at the meetings of the 1960s helped to generate significant new interest in the world outside of Germany, and particularly in the struggles of the developing world. The increasingly concrete and complex nature of Kirchentag discussions also helped to draw attention to many specific areas in need of reform. Yet the provocative and critical tone, seen especially at the 1969 Kirchentag in Stuttgart, could also be a distraction. Indeed, the increasingly “liberal” and “political” tone of the Kirchentage of the late 1960s (though not necessarily discussions of development, per se) played an important role in mobilizing the West German evangelical and fundamentalist movements. Despite this polarization over specific politically-charged issues, however, discussions at the Kirchentage of the early 1970s also suggest the creation of a broad underlying consensus on many fundamental questions concerning Third World and development politics. To a certain extent, this new consensus was the result of a general leftward shift in the Kirchentag leadership and audience. It was also, however, the result of ideas and perspectives from the late 1960s – often in moderated form – beginning to enter the political mainstream.64 Another important ambivalence can be seen in the interplay between the processes of rethinking German national identity, on the one hand, and overcoming a German-centered view of the world, on the other. Many factors contributed to the growing sense of global identity in Germany’s Protestant churches between the 1950s and the early 1970s, including broader European and international trends. But debates over what it meant to be German – over the place of Germany in the world – seem to have been decisive in generating popular interest in these issues. Discussions of the world from the standpoint of global missions or ecumenical relations simply could not compete with the public resonance of topics such as German division. When these perspectives could be combined, however, by reframing peace and development as a form of inter-German politics or by explicating their relationship to German national character, they generated much more interest and attention. This approach ran the constant risk of subsuming global issues into narrower questions of German national identity – of shifting the discussion away from the Third World itself and toward self-reflection about Germany’s relationship with the Third World. Despite these dangers, however, this approach was clearly successful in globalizing the attitudes of German Protestants, transforming their way of thinking about themselves and their place in the world. 63 Cf. ibid. 64 On the conservative reactions in the churches, cf. Hermle, Die Evangelikalen; on the emergence of a more consensus-oriented workgroup leadership in the early 1970s, cf. Walz, Anlage 1 zum Bericht über die Sitzung des Präsidiums am 22. 1. 1973, EZA 71/96/283.

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A Divided Nation in a Divided World

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By the early 1970s, as a result of these reflections, this German-centered approach to world problems had begun to give way to a much more concrete and constructive focus on the details of global social and political problems.

Sources and Bibliography I. Unpublished Sources Evangelisches Zentralarchiv Berlin (EZA) 71/86/29; 71/96/117; 71/96/159; 71/96/281; 71/96/283; 71/96/472; 71/96/730; 71/96/ 788; 71/96/910; 71/96/952.

II. Published Sources and Bibliography Deutscher Evangelischer Kirchentag (DEKT, ed.): Kreuz auf den Trümmern. Zweiter Deutscher Evangelischer Kirchentag in Essen 1950. Hamburg 1950. –: Wir sind doch Brüder. Der dritte Deutsche Evangelische Kirchentag vom 11. bis 15. Juli 1951 in Berlin. Stuttgart 1951. –: Wählt das Leben. Der vierte Deutsche Evangelische Kirchentag vom 27. bis 31. August 1952 in Stuttgart. Stuttgart 1952. –: Werft euer Vertrauen nicht weg. Der fünfte Deutsche Evangelische Kirchentag vom 12. bis 16. August 1953 in Hamburg. Stuttgart 1953. –: Deutscher Evangelischer Kirchentag. Frankfurt 1956. Dokumente. Stuttgart 1956. –: Deutscher Evangelischer Kirchentag. München 1959. Dokumente. Stuttgart 1959. –: Deutscher Evangelischer Kirchentag. Berlin 1961. Dokumente. Stuttgart 1961. –: Deutscher Evangelischer Kirchentag. Dortmund 1963. Dokumente. Stuttgart 1963. –: Deutscher Evangelischer Kirchentag. Köln 1965. Dokumente. Stuttgart 1965. –: Deutscher Evangelischer Kirchentag. Hannover 1967. Dokumente. Stuttgart 1967. –: Deutscher Evangelischer Kirchentag. Stuttgart 1969. Dokumente. Stuttgart 1970. –: Ökumenisches Pfingstreffen. Augsburg 1971. Dokumente. Stuttgart 1971. –: Deutscher Evangelischer Kirchentag. Düsseldorf 1973. Dokumente. Stuttgart 1973. Frieling, Reinhard: Die Aufbrüche von Uppsala 1968. In: Hermle/Lepp/Oelke: Umbrüche, 176 – 188. Goodall, Norman: Ecumenical Progress: A Decade of Change in the Ecumenical Movement, 1961 – 1971. London 1972. Greschat, Martin: Protestantismus und Evangelische Kirche in den 60er Jahren. In: Axel Schildt/Detlef Siegert/Karl Lammers (ed.): Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften (Hamburger Beiträge zur Sozialund Zeitgeschichte, vol. 37). Hamburg 2000, 544 – 581.

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Hauschild, Wolf-Dieter. Evangelische Kirche in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1961 und 1979. In: Hermle/Lepp/Oelke: Umbrüche, 265 – 284. Hein, Bastian: Die Westdeutschen und die Dritte Welt. Entwicklungspolitik und Entwicklungsdienste zwischen Reform und Revolte 1959 – 1974. München 2006. Hermle, Siegfried: Die Evangelikalen als Gegenbewegung. In: Idem/Lepp/Oelke: Umbrüche, 325 – 352. Hermle, Siegfried/Lepp, Claudia/Oelke, Harry (ed.): Umbrüche. Der Deutsche Protestantismus und die sozialen Bewegungen in den 1960er und 1970er Jahren (AKIZ B 47). Göttingen 2007. Hoeth, Luetz: Die Evangelische Kirche und die Wiederbewaffnung Deutschlands in den Jahren 1945 – 1958. Diss., Technische Universität Berlin 2008. Pearson, Benjamin: The Pluralization of Protestant Politics: Public Responsibility, Rearmament, and Division at the 1950s Kirchentage. In: Central European History 43 (2010), 270 – 300. Rausch, Wolf Werner/Walther, Christian (ed.): Evangelische Kirche in Deutschland und die Wiederaufrüstungsdiskussion in der Bundesrepublik 1950 – 1955. Gütersloh 1978. Sauer, Thomas: Westorientierung im deutschen Protestantismus? Vorstellung und Tätigkeit des Kronberger Kreises. München 1999. Vogel, Johanna: Kirche und Wiederbewaffnung. Die Haltung der Evangelischen Kirche in Deutschland in den Auseinandersetzungen um die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik 1949 – 1956 (AKiZ B 4). Göttingen 1978.

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Der Vietnamkrieg als globale Herausforderung für die evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland und in der weltweiten Ökumene Der Krieg der USA in Laos, Kambodscha und Vietnam (1965 – 1973),1 der in Europa und den USA vor allem unter dem Begriff „Vietnamkrieg“ bekannt wurde, prägte weltweit das politische Bewusstsein einer Generation. Auf AntiKriegsdemonstrationen gingen unzählige Bürgerinnen und Bürger in den USA und in Europa auf die Straße.2 Im April 1967 demonstrierten 400.000 Menschen in New York gegen den Krieg, 100.000 folgten ein halbes Jahr später Martin Luther King beim „Marsch auf Washington“3, und im Februar 1968 protestierten 12.000 Menschen in West-Berlin.4 Unter den weltweiten Kriegsgegnern befanden sich auch prominente Christen: neben Martin Luther King war dies in den USA beispielsweise der afro-amerikanische Schriftsteller James Baldwin. In der Bundesrepublik schloss sich der Theologe Helmut Gollwitzer ebenso den Protesten an wie die Symbolfigur der „1968er-Bewegung“ Rudi Dutschke, dessen Tagebuchaufzeichnungen von seinem tief verwurzelten Glauben zeugen.5 King, Baldwin, Gollwitzer und Dutschke – das waren profilierte Stimmen der Proteste. Doch inwiefern waren diese repräsentativ – für ihr Land, für ihre Kirche, für den deutschen und den amerikanischen Protestantismus? Waren ihre Argumentationen mehrheitsfähig? Und wenn ja, woran entzündeten sich die Kontroversen? Im Folgenden soll an einigen ausgewählten Beispielen untersucht werden, wie sich evangelische Kirchen und ökumenische Kreise gegenüber dem Vietnamkrieg verhielten.6 Wie reagierten sie auf den Konflikt in Indochina und 1 Die Bezeichnung des militärischen Eingreifens der USA in die politischen Verhältnisse Indochinas als „Vietnamkrieg“ entstammt bereits der europäischen und amerikanischen Perspektive. So wird der Krieg in Vietnam selbst auch „amerikanischer Krieg“ genannt, in Laos teilweise „Der Krieg“. Da die Bezeichnung „Indochinakrieg“ auf das Eingreifen in Vietnam, Laos und Kambodscha abzielt, ist diese als die präziseste vorzuziehen. Vgl. Frey, Scheitern, 1. Um jedoch in der Sprache der Quellen zu bleiben, soll im Folgenden die Bezeichnung „Vietnamkrieg“ verwendet werden. 2 Vgl. Frey, Geschichte, 178 – 186. 3 Vgl. ebd., 155 f. 4 Vgl. Frei, Jugendrevolte, 129. 5 Vgl. z. B. den Eintrag zum Osterfest 1963: „Jesus ist auferstanden, Freude u[nd] Dankbarkeit sind die Begleiter dieses Tages; die Revolution, die entscheidende Revolution der Weltgeschichte ist geschehen […].“ (Dutschke, Tagebücher, 17.) 6 Dieser Artikel basiert auf einer wissenschaftlichen Hausarbeit und stellt einige Tendenzen anhand einzelner Beispiele und Archivstudien dar.

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wie fielen ihre Äußerungen aus? Die Kirchen werden ihrer pluralistischen Gestalt gemäß in mehreren Organisationsformen betrachtet: Dazu gehört die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) als Dachverband der einzelnen Landeskirchen ebenso wie der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK). In den Blick genommen werden aber auch kirchliche Einzelpersonen und lose Gruppierungen, die sowohl im nationalen als auch im ökumenischen Kontext im Zusammenhang mit dem Vietnamkriegagierten.7 Die Interaktionen zwischen EKD, ÖRK und dieser „Basis“ von Einzelpersonen und Gruppen steht im Folgenden im Vordergrund der Darstellung. Die Zeit des Vietnamkrieges kann für die westlichen Kirchen Europas und Nordamerikas als Beginn der Öffnung der Kirche für die „Welt“ beschrieben werden.8 Es gerieten internationale politische Entwicklungen in das Bewusstsein der Gemeinden, andererseits war es das Wirken des Weltkirchenrates selbst, das insbesondere in Deutschland vermehrt von den Gemeinden wahrgenommen wurde.9 Aber nicht nur derartige lokale Perspektiven änderten sich. Auch der ÖRK setzte die Auseinandersetzung mit der Welt verstärkt auf seine Tagesordnung, indem er sich etwa auf Diskussionen über die „Theologie der Revolution“ einließ, wofür die Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 emblematisch steht.10 Dieser Wandel in Ökumene, kirchlichen Institutionen und Gemeinden spielt für die Bewertung des Vietnamkrieges eine wichtige Rolle, denn für die 1948 gegründete und somit noch junge EKD wurde der Vietnamkrieg zu einer kirchlichen und politischen Herausforderung, die sich sowohl landesweit als auch innerhalb der weltweiten Ökumene stellte. Doch nicht nur das neu geweckte Interesse der Kirchen an weltweiten politischen und sozialen Fragen, sondern auch die außenpolitische Haltung der Bundesregierung zum Vietnamkrieg wirkte sich auf die innerkirchliche Auseinandersetzung mit dem Krieg aus. Dieser Beitrag wird sich daher in einem ersten Abschnitt zunächst den übergeordneten politischen und theologischen Themen widmen, die für die EKD in der Vietnamdebatte relevant wurden. Der zweite Abschnitt zeichnet die innerkirchliche Diskussion in der Bundesrepublik um den Vietnamkrieg nach, bevor diese um die ökumenische Dimension, in der ein exemplarischer Konflikt zwischen EKD und ÖRK im Mittelpunkt steht, erweitert wird.

7 Wer die „Kirche“ skizziert, befindet sich zunächst vor einer Herausforderung, die bereits in der damaligen Situation wahrgenommen wurde: dem „Pluralismusproblem“. Vgl. Hauschild, Kirche, 57. 8 Vgl. Tripp, Weltkirche. 9 Vgl. Hauschild, Kirche, 57. 10 Vgl. den Beitrag von Kunter/Schilling in diesem Band.

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1. Der Vietnamkrieg und die Bundesrepublik Deutschland Wird der Vietnamkrieg in seinem historischen Kontext betrachtet, so lassen sich eine Vielzahl an Spannungsfeldern, Entwicklungen und neuen Herausforderungen benennen, die sowohl die Politik der Bundesregierung als auch die EKD betrafen. Für erstere bedeutete der Krieg erstmals eine eigene außenpolitische Anfrage an die US-amerikanische Führungsposition innerhalb der Weltpolitik. Die EKD hingegen sah sich nun zum ersten Mal seit dem Koreakrieg 195011 im hohen Ausmaß mit der Frage nach weltweiter friedensethischer Verantwortung konfrontiert. Kirche und Regierung bewegten sich in einem gesellschaftlichen Kontext, der seinen Ausdruck in einem zunehmend neuen Demokratiebewusstsein fand. Allgemein nahm das Interesse an politischen Ereignissen zu – eine Generation wurde „politisiert“, d. h. sie nahm Anteil an politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen weltweit, was ihr Denken und Handeln bestimmte.12 Die damit verbundenen Neuakzentuierungen wirkten sich auch auf die Erwartungen an eine gerechte und verantwortlich handelnde Kirche aus: „Wir träumten von einer Kirche, die sich mit den Armen solidarisiert, einer Kirche, die demokratisch ist, in der es Mitbestimmung der Laien gibt, in der der Gottesdienst sich auf die Öffentlichkeit bezieht, die für Frieden und Gerechtigkeit öffentlich eintritt. […] Wir wollten Gemeinden, die vor Ort Gemeinwesen- und Randgruppenarbeit betreiben.13

1.1 Die USA in Vietnam und der politische Balanceakt der Bundesrepublik Als Folge des Indochinakrieges war Vietnam wie seine Nachbarländer Laos und Kambodscha seit 1954 zwar souverän, aber in Nord- und Südvietnam geteilt.14 Bald brachen unter Einwirkung der aus dem kommunistischen Norden stammenden Befreiungsbewegung „Nationale Befreiungsfront“ (Front National de Lib¦ration, FNL) bürgerkriegsähnliche Zustände aus. In den Augen US-amerikanischer Politiker galt Vietnam daher rasch als Beleg für die „Domino-Theorie“ des Kalten Krieges, nach der ein „kommunistisch“ geprägtes Land seine Nachbarländer ebenso ideologisch beeinflussen würde. Der südvietnamesische Kampf wurde daher zunächst vor allem finanziell unterstützt. 1965 bot der sogenannte „Tonkin-Vorfall“, ein vermeintlicher 11 Vgl. Lemke, Koreakrieg, insbes. 85 – 88. Der Großteil der deutschen Bevölkerung teilte die kirchliche Ablehnung des Krieges. 12 Vgl. Siegfried, Politisierungsschübe, 30; Wolfrum, Demokratie, 255. 13 Benedict, Traum, 1. 14 Darstellungen des Vietnamkrieges bieten beispielsweise Frey, Geschichte; Greiner, Krieg.

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Angriff auf amerikanische U-Boote, den USA einen Anlass zum militärischen Eingreifen. Der Krieg erreichte 1968 seinen Höhepunkt durch die sogenannte „Tet-Offensive“, innerhalb derer massive Bombenangriffe während des vietnamesischen Neujahresfestes „Tet“, einer traditionellen Zeit des Waffenstillstandes, durchgeführt wurden.15 Mit ihr veränderte sich die internationale Wahrnehmung und Akzeptanz des Krieges. Durch schonungslose und grausame Fernsehbilder vom Kriegsgeschehen wurde die Berichterstattung zunehmend kritischer ; weltweite Großdemonstrationen von Kriegsgegnern mehrten sich. Die Brutalität des Krieges wurde durch seine spätere Bilanz bestätigt: In Vietnam fielen schätzungsweise 58.000 US-Soldaten. Zwischen 1961 und 1975 starben etwa zwei Millionen Vietnamesen, 300.000 gelten als vermisst.16 Der Vietnamkrieg stellte eine besondere Herausforderung für die Politik der damals jungen Bundesrepublik aufgrund ihrer innen- und außenpolitischen Situation dar. Deutlich werden die spezifischen Fragen, die der Krieg für Politik und Gesellschaft aufwarf, durch die unterschiedlichen politischen Tätigkeiten Willy Brandts.17 1957 – 1966, in der Anfangszeit des Vietnamkrieges, war er Regierender Bürgermeister von Berlin, dann Außenminister der Großen Koalition (1966 – 1969) und schließlich, als das Friedensabkommen geschlossen wurde, Bundeskanzler (1969 – 1974). Die politische Herausforderung, die sich für ihn ergab, resultierte aus dem historisch gewachsenen Verhältnis der Bundesrepublik zu den Vereinigten Staaten. Vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges und des amerikanischen Engagements zur Wiedererlangung staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen innerhalb Westdeutschlands erschien die Unterstützung der amerikanischen Außenpolitik unvermeidlich. Nicht nur politisch, auch gesellschaftlich herrschte große Sympathie für die USA und deren Konsum- und Kulturgüter, die den „amerikanischen Traum“ versprachen. Für die Befreiung vom Nationalsozialismus und die neue Demokratie sowie die bald ermöglichte politische Anbindung wurden den Vereinigten Staaten Dankbarkeit und Anerkennung entgegen gebracht.18 Als Regierender Bürgermeister West-Berlins war Brandt nach der Logik des Kalten Krieges der These eines Zusammenhangs von Berlin und Vietnam direkt ausgesetzt. Denn, wie es McGeorge Bundy, der erste Sicherheitsberater von US-Präsident Lyndon B. Johnson, drastisch formulierte: Berlin wird in Saigon verteidigt.19 Brandt, der zahlreiche persönliche Kontakte zu Amerikanern pflegte, distanzierte sich nur langsam von dieser These. Er sah zunächst vor allem die globale Verantwortung der USA, die seiner Ansicht nach auch den Erhalt 15 Vgl. Frey, Geschichte, 160 – 173. 16 Vgl. ebd., 222. 17 Brandts Haltung gilt als „symptomatisch für die gesamte deutsche Bevölkerung“ (Arenth, Bewährungsprobe, 168). 18 Vgl. Frey, Geschichte, 185. 19 Vgl. Ders., Krieg, 5.

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Berlins für die Bundesrepublik garantierte. So befürchtete er im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg besonders einen Glaubwürdigkeitsverlust der USA und somit eine Gefährdung der Stabilität Europas. Auch als Außenminister der Großen Koalition hielt er sich mit öffentlicher Kritik zurück – unterlag er doch immer wieder der Bitte um Verständnis für den Vietnamkrieg von Seiten amerikanischer Politiker. So einigte man sich, als 1964 die Anfrage nach konkreter Unterstützung des Krieges geäußert wurde, auf die Entsendung des Lazarettschiffs „Helgoland“, das große mediale Aufmerksamkeit erhielt. Zudem wurde ein zentraler Beitrag humanitärer Hilfe geleistet. Doch ab 1966 äußerte sich Brandt zunehmend kritischer, wenn auch in diplomatisch gehaltener Sprache, so dass nach wie vor die bundesrepublikanische Neutralität de facto einer Unterstützung der USA gleichkam. Besonders als Bundeskanzler (1969 – 1974) legte Brandt das politische Gewicht immer wieder auf die Hoffnung auf ein baldiges positives Ende der Friedensverhandlungen. So wurde der Vietnamkrieg zunehmend ein außenpolitischer Balanceakt für ihn – privat und innerparteilich.20 Generell trübte der Vietnamkrieg das Bild der deutschen Gesellschaft von den USA und nährte den Antiamerikanismus in der Studentenbewegung.21

1.2 Die EKD und ihre neuen Verantwortungen Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die Gründungskonferenz der EKD in Eisenach 1948 Krieg und Gewalt eine deutliche Absage erteilt: „Auf der Gewalt ruht kein Segen, und Kriege führen nur tiefer in Bitterkeit, Hass, Elend und Verwahrlosung hinein. Die Welt braucht Liebe, nicht Gewalt. Sie braucht Frieden und nicht Krieg.“22 Doch bereits ein Jahr später, als sich die Existenz zweier Staaten innerhalb Deutschlands abzeichnete und sich die Fronten des Kalten Krieges andeuteten, wurde der zitierte Grundsatz eine „Grundlage,

20 Privat äußerte sich Willy Brandt durchaus kritisch zum Vietnamkrieg. Zugleich befand er sich in heftigen innerparteilichen Auseinandersetzungen zur Haltung der BRD gegenüber der USPolitik. „Brandts Dilemma bestand also darin, dass die Staatsräson es dem Regierenden Bürgermeister, Außenminister und Bundeskanzler verbot, amerikakritische Kommentare verlauten zu lassen, während man genau dies vom SPD-Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten erwartete.“ (Michel, Amerikabild, 282 f.) Zur gesamten Darstellung der politischen Auseinandersetzungen Brandts mit dem Vietnamkrieg vgl. ebd., 242 – 283. 21 Vgl. Frey, Geschichte, 185. Jedoch ist an dieser Stelle zu differenzieren, welche gesellschaftlichen Gruppen sich gegenseitig wahrnahmen. So diente gleichzeitig etwa die amerikanische Protestbewegung mit ihren neuen Aktionsformen wie den „Sit-Ins“ und „Teach-ins“ – im Gegensatz zu ihrer Regierung – als Vorbild der westdeutschen Studentenbewegung. Vgl. Frei, Jugendrevolte, 109. 22 Rausch/Walther, Wiederaufrüstungsdiskussion, 22, zit. n. Huber/Reuter, Friedensethik, 166.

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Herausforderung und Konfliktstoff […] [der] politischen Orientierung [der EKD]“23. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher theologischer Grundhaltungen sowie des politischen und gesellschaftlichen Kontextes der Wiederbewaffnungsdiskussion stand die EKD bereits in den 1950er Jahren vor der grundsätzlichen Frage, ob sich Kirche überhaupt politisch äußern dürfe. Die theologischen Haltungen innerhalb der Gruppe kirchlich Verantwortlicher lassen sich vereinfacht in zwei Blöcke einteilen: Zum einen beurteilten konfessionelle Lutheraner durch die Zwei-Reiche-Lehre politische Fragen wie die Friedenssicherung als Problem der menschlichen Vernunft, das nicht in den Bereich der Kirche gehöre. Politische Angelegenheiten und kirchliches, gar theologisches Denken, erfuhren demnach eine strikte Trennung. Auf der anderen Seite stand der bruderrätliche Flügel der EKD, zu dem beispielsweise der Theologe Martin Niemöller gehörte. Basierend auf dem Gedanken der allumfassenden Königsherrschaft Christi und geprägt vom Bewusstsein der eigenen Schuld am Zweiten Weltkrieg vertraten Angehörige dieses Flügels die Auffassung, dass sich Kirche auch politisch äußern und einmischen müsse.24 Zwei Denkschriften standen exemplarisch für die kirchlichen Auseinandersetzungen in dieser Zeit: Zum einen die sogenannte „Ostdenkschrift“ (1963), zum anderen die bald als „Denkschriften-Denkschrift“ bekannte Veröffentlichung „Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen“ (1970). Während Erstere einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Ostannäherung der BRD ausübte und somit deutlich zeigte, dass die EKD einen sichtbaren Beitrag zu politischen Diskussionen innerhalb der Gesellschaft leisten konnte,25 verdeutlichte die Zweite das Anliegen des Rates, zu erklären, wieso sie zum einen politisch und gesellschaftlich Stellung bezieht, zum anderen, wer überhaupt als „Kirche“ spricht.26 Am Ende dieser Denkschrift fand sich die Faustregel auf die Frage, in welchen Situationen öffentliche Stellungnahmen der Kirche geboten seien: „Die Kirche darf und soll reden, wenn sie sich durch konkrete Inanspruchnahme oder durch ihre Beurteilung der Lage aufgefordert sieht. Sie muss spätestens reden, wenn Schweigen nicht möglich ist, ohne schuldig zu werden.“27

Doch es drängten sich vermehrt neue „Lagen“ in Form von politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen weltweit in das Blickfeld der Kirche. So wandten sich ab den 1960er Jahren immer mehr Kirchengemeinden der „Ökumene“ zu: Theologisches Denken und konkretes Handeln wurde auf andere Kirchen in der ganzen Welt ausgerichtet.28 Ökumene war nun nicht 23 24 25 26 27 28

Huber/Reuter, Friedensethik, 167. Vgl. z. B. Lepp, Einleitung, 12 – 16; Greschat, Protestantismus, 35 – 43. Vgl. Ders., Protestantismus, 85 – 90. Vgl. Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, Aufgaben und Grenzen. Ebd., 28. Vgl. hierzu die Beiträge von Tripp, Meijers und Pearson in diesem Band.

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mehr allein Sache ausgewählter Kirchenpersönlichkeiten, sondern es entstand ein neues, breites Interesse für die Lebenswirklichkeit der Dritten Welt und, damit verbunden, ein neues Bewusstsein für den „Nord-Süd-Konflikt“. Die eigene Verantwortung, die aus dieser neuen kirchlichen Wahrnehmung erwuchs, zeigte sich exemplarisch an der 1959 begonnenen Aktion „Brot für die Welt“29. In ähnlicher Weise war beispielsweise das eindeutige Statement einiger Studentenpfarrer zu interpretieren, die in Bezug auf den Vietnamkrieg in einer Erklärung äußerten, dass das Christsein nur in ökumenischer Dimension verstanden und praktiziert werden könne.30

2. Der Vietnamkrieg und die Kirchen Im Februar 1967 wurde ein Schreiben des damaligen EKD-Ratsvorsitzenden und Bischofs in Berlin-Brandenburg, Kurt Scharf,31 zur Haltung der EKD zum Vietnamkrieg an die Gliedkirchen der EKD versendet. Ausschlaggebend waren die zahlreichen Anfragen aus den Gemeinden nach einem deutlichen Wort der Kirche zum Krieg. Die öffentliche Zurückhaltung der EKD, die der Kirche zum Vorwurf gemacht wurde, erklärte der Ratsvorsitzende in dem Brief zum einen durch die geographische Lage Deutschlands fernab von Südostasien, zum anderen durch den Aufmerksamkeitsverlust, den Mahnungen erleiden, die zu oft wiederholt werden. Stattdessen verwies er auf die Arbeit der Commission of the Churches on International Affairs (CCIA) des ÖRK, die von der EKD „volle Unterstützung“32 erhielt. Nach Scharf übte Hermann Dietzfelbinger von 1967 bis 1973 das Amt des Ratsvorsitzenden aus. Unter ihm folgte die EKD ihren Maximen von 1967. So setzte sich beispielsweise 1973 die EKD-Synode in Bremen mit der Lage in Vietnam sowie verschiedenen kirchlichen Verlautbarungen zum Krieg auseinander. Die Synode dankte dem Nationalrat der Kirchen Christi in den USA (NCC) „für seine eindeutige und mutige Stellungnahme vom 21. Dezember 1972“33. Anstelle eines eigenen Appells formulierten die Synodalen:

29 Vgl. Kaminski, Aktion, 179 – 198; Hauschild, Kirche, 57. 30 Vgl. Erklärung westdeutscher Studentenpfarrer von einer Konferenz in Berlin-Spandau vom 15. 9. 1967, EZA 2/2621. 31 Scharf bekleidete das Amt des Ratsvorsitzenden von 1961 – 1967. Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg war er von 1966 – 1976. 32 Brief von Kurt Scharf an die Gliedkirchen vom 17. 2. 1967, EZA 2/2621. Die CCIA ist der weltpolitische Handlungsbereich des ÖRK. Zur Arbeit der CCIA in den 1960er und 1970er Jahren vgl. den Beitrag von Albers in diesem Band. 33 Kirchliches Jahrbuch 1973, 105.

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„Die Synode macht sich zugleich den gemeinsamen Appell des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland und des Caritasverbandes vom 29. Dezember 1972 zur Beendigung von Kampfhandlungen in Vietnam zu eigen.“34

2.1 Die umstrittene Haltung der EKD in der Vietnamfrage 1973 lag der Beginn des Eingreifens der USA bereits acht Jahre zurück. Mit seiner Dauer mehrten sich weltweit die Zweifel am Vietnamkrieg. In der Hoffnung, zur Beendigung des Krieges durch internationalen, kirchlichen Druck beitragen zu können, reiste 1973 eine US-amerikanische Gruppe, die ökumenisch zusammengesetzt war, nach Europa und in die Bundesrepublik. Sie bestand aus dem US-amerikanischen Bürgerrechtler, Theologen und Schriftsteller Harvey Cox, dem methodistischen Bischof James Armstrong sowie dem anglikanischen Bischof Robert DeWitt. Zudem beteiligten sich der Theologieprofessor Robert McAfee Brown, die Nonne Sister Mary Luke Tobin (1908 – 2006) sowie der Rabbiner Leonard Beerman an der Europareise. Cox gab im Januar 1973 eine Erklärung gegenüber Synodalen der rheinischen Landeskirche in Bonn ab, um die Anliegen ihrer Reise zu vermitteln: „Wir sind hier, Ihre Hilfe zu erbitten, unsere Reise ist eine Reise der Verzweiflung.“35 Die Gruppe empfand es als zunehmend schwierig, auf ihre Regierung politischen Druck zur Beendigung des Krieges auszuüben. Cox erklärte, man wolle sich nicht in die amerikanische Innenpolitik einmischen, aber die Zerstörung Indochinas sei keine innere Angelegenheit der USA, sondern betreffe jeden Christen und jeden Menschen auf dieser Erde. Mit ihrer Erklärung wollten Cox und seine Mitreisenden die Synodalen dazu auffordern, jede Gelegenheit wahrzunehmen, um sich gegen den Vietnamkrieg auszusprechen und somit auch ihre eigene Regierung zur politischen Einflussnahme auf das amerikanische Kabinett zu drängen. Der enorme Konfliktstoff, den dieser Besuch in sich barg, zeigte sich schon kurze Zeit später, als sich herausstellte, dass die Delegation nicht wie erhofft ihre Erklärung vor der EKD-Synode abgeben konnte, sondern lediglich gegenüber einigen Synodalen der rheinischen Landeskirche.36 Am 11. Januar 1973 erhielt Bischof Dietzfelbinger ein Telegramm von einer Gruppe37 um den Bochumer Professor Günter Brakelmann38 mit folgendem Wortlaut:

34 Ebd. 35 Armstrong, Erklärung, 214. 36 Seitens der Bundesregierung wurde die Delegation zudem vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann und Erhard Eppler, der zu dieser Zeit das Amt des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit ausübte, empfangen. Vgl. Benedict, EKD, 377 f. 37 Die Gruppe bestand aus folgenden Personen: Hans-Ekkehard Bahr, Hans-Jürgen Benedict, Reimer Gronemeyer und Heinz Liebling; vgl. Bahr, Brief, 221.

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Der Vietnamkrieg als globale Herausforderung für evangelische Kirchen 285 „Sehr geehrter Herr Bischof! Mit Empörung haben wir einer Rundfunkmeldung entnommen, dass Sie sich – unter Angabe von Terminschwierigkeiten – geweigert haben, eine Delegation amerikanischer Theologen zu empfangen, die deutsche Kirchen zum Protest gegen das von Nixon verfügte mörderische Bombardement in Nord-Vietnam auffordern wollten. Damit wird das moralische Versagen der EKD vor den brutalen Zerstörungen der US-Kriegsmaschinerie erneut manifest. Dass sich die Kirche offenbar aus der weltweiten Solidarität mit dem leidenden und kämpfenden vietnamesischen Volk ausklammern will, stellen wir mit Bitterkeit fest.“39

Die Beschwerde über den verweigerten Empfang wurde hier als exemplarisch für die öffentliche Positionierung der EKD zum Vietnamkrieg gesehen: Erneut habe die Kirche angesichts des brutalen Krieges moralisch versagt. Daraufhin wandte sich Oberkirchenrat Erwin Wilkens von der EKD am 16. Januar 1973 mit einem Brief an Günter Brakelmann. Die Empörung über das Verhalten Dietzfelbingers gegenüber der amerikanischen Delegation habe wiederum ihn und seinen Umkreis empört. Habe sich denn Brakelmann hinreichend nach den Umständen des Besuches erkundigt? Denn es gab, so Wilkens, angesichts der kurzfristigen Anfrage der Delegation Terminschwierigkeiten. Man habe aber erwägt, der Delegation ein Treffen mit dem Ratsvorsitzenden Dietzfelbinger in München zu ermöglichen, davon jedoch aus zeitlichen Gründen abgesehen. In diesem Zusammenhang heißt es: „Im übrigen ist ja doch wohl auch die Frage erlaubt, was ein einstündiges Gespräch mit Landesbischof Dietzfelbinger in München hätte ausrichten können.“40 Wilkens stellte folglich allein die Gründe der Absage des Empfangs der Delegation durch die Darlegung der äußerlichen Umstände dar. Auf die Beschuldigung des „erneuten moralischen Versagens“ ging er nicht ein. Auf das Schreiben des Oberkirchenrates reagierten die Theologen durch einen öffentlichen Brief an den EKD-Ratsvorsitzenden und die EKD-Kirchenräte Reinhard Mumm, Hans Thimme und Oberkirchenrat Wilkens.41 Darin kritisierten sie erneut und detailliert die Haltung der EKD zum Vietnamkrieg. Im Zentrum des Schreibens standen drei wesentliche Themen: Die Erklärung zum Vietnamkrieg, die auf der EKD-Synode in Bremen beschlossen wurde, der Umgang mit politischen Informationen und schließlich das Verhältnis der EKD zur Politik der Bundesregierung. Die Theologen übten Kritik an der Erklärung der EKD-Ratssynode 1973 in Bremen, die sich lediglich den kirchlichen Verlautbarungen vom NCC und dem Diakonischen Werk zum Vietnamkrieg angeschlossen hatte. Abgesehen davon, dass deren Erklärungen in der Öffentlichkeit unbekannt seien, hielten die Theologen dieses Vorgehen für unzureichend. Sie sahen „in keinem Fall 38 Zur Biographie Brakelmanns und seiner Friedensethik vgl. das Interview „Friedensethik und Friedenspolitik“ in: Beese, Brakelmann, 115 – 133. 39 Brakelmann, Telegramm, 215. 40 Wilkens, Brief, 216. 41 Vgl. Bahr, Brief, 217 – 221.

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eine inhaltliche Wiedergabe dieses […] mutigen Wortes, denn der Nationalrat spricht unzweideutig davon, dass der unbegrenzte Bombenkrieg ,vor dem Gericht Gottes nicht bestehen kann‘“42. Im Folgenden bemängelten die Theologen undeutlich bleibende kirchliche Worte, die in ihrer „vermeintlichen Überparteilichkeit“ hinter dem prophetischen Amt der Kirche zurückblieben. Die Gruppe erinnerte darüber hinaus an einen Brief des Nationalrates der Kirchen Christi in den USA an die EKD vom 24. August 1972, in dem diese aufgefordert wurde, politischen Druck bezüglich des Vietnamkrieges aufzubauen. Erst auf Anfrage eines Synodalen sei die Öffentlichkeit im Oktober 1972 über das Schreiben informiert worden.43 Generell zielte die in dem Schreiben der deutschsprachigen Theologen geäußerte Kritik auf den Umgang der EKD mit politischen Informationen und Aufklärungsmaterialien ab, die an die Öffentlichkeit gelangten. So wurde ebenfalls auf die vernachlässigte Informationsverbreitung innerhalb der Gesellschaft verwiesen, die doch eigentlich der „Bewusstseinsbildung“ dienen sollte. Ihre Kritik begründeten sie durch ihr generelles Verständnis vom Aufgabenbereich von Bischöfen und Kirchenleitung, die ihrer Meinung nach nicht selbst über kirchliches Handeln angesichts der weltpolitischen Lage entscheiden, sondern dieses den Gemeinden überlassen sollten. Zudem bezogen sich die Theologen auf die Ostdenkschrift der EKD von 1965: „Warum hat die EKD, die doch in der Ostdenkschrift durch die Präsentierung von tabuisierten Fakten Bewusstsein und Politik veränderte, es diesmal nicht für nötig gehalten, die in den öffentlichen Medien zum Teil verschwiegene Art der Zerstörung von Land und Bevölkerung Indochinas durch die USA bekannt zu machen?“44

Schließlich ging das Schreiben auf das Verhältnis von EKD und Bundesregierung ein. Wie und wo habe sich die EKD prophetisch-kritisch gegenüber der Bundesregierung ausgesprochen? Die Verfasser warfen der Leitungsebene ihrer Kirche vor, sich nach den Interessen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zu richten. In diesem Zusammenhang forderten sie besonders dazu auf, dass die EKD das formulieren solle, was die Regierung aus „sicherheitspolitischen Gründen meint, verschweigen zu müssen“45. Zudem äußerten sie die Sorge darüber, dass die politische Zurückhaltung Vorrang vor dem gewachsenen Bewusstsein von Ökumene als „unteilbare christliche Welt“ erlangen könnte. Dieser offene Brief zeigte deutlich, dass der Vietnamkrieg für die EKD eine neue Dimension für ihre politische Haltung und ökumenische Arbeit be42 Ebd., 219. 43 Diesbezüglich gingen tatsächlich eine Reihe an Protestschreiben bei der EKD ein. So beispielsweise ein Telegramm von „Pastor Reinke und 36 Lübeckern“: „Halten das Zurückhalten des Briefes vom amerikanischen Christenrat zu Vietnam für Skandal und fordern Veröffentlichung“ (EZA 2/17645). Zum Brief des NCC vgl. EPD-Pressemeldung, US-Kriegsgegner. 44 Bahr, Brief, 218. 45 Ebd.

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deutete, da sie nicht nur auf einen Krieg im fernen Südostasien zu reagieren hatte, sondern ebenso auf ökumenische Erwartungen und Forderungen. Doch auch hier wurde von Seiten der Kirchenleitung zwischen Institutionen und Organisationen und losen Gruppierungen differenziert. Die durch den ÖRK gegebene institutionelle Ebene bot der EKD eine Identifikationsmöglichkeit und ein indirektes Sprachrohr. Die ökumenische Delegation aus den USA, die unabhängig vom ÖRK nach Europa reiste, fiel hingegen kaum ins Gewicht. Ihrer Forderung, jede Möglichkeit zum Protest gegen den Krieg wahrzunehmen, konnte oder wollte die EKD aus grundsätzlichen oder tatsächlich auch formellen Gründen nicht nachkommen. Konträr dazu nahmen die evangelischen Gruppen und losen Kreise in der Bundesrepublik selbst „Ökumene“ wahr. Ökumene bedeutete für sie politische Verantwortung unabhängig von institutionellen, politischen oder geographischen Kontexten. Durch die teils schonungslose Fernseh- und Presseberichterstattung vom Kriegsgeschehen in Vietnam gewann für sie diese Verpflichtung an Bedeutung und Dringlichkeit. Dieses politische Denken und ein damit verbundener Anspruch an die Kirche prägte von nun an eine junge Generation von Theologinnen und Theologen. Sie beurteilten – und verurteilten – den Vietnamkrieg und forderten die Kirche zur Verbreitung von Informationen in den Gemeinden auf, um den Darstellungen wie etwa der Bild-Zeitung entgegen zu wirken.46 Zugleich vertraten sie das Ideal von selbstbestimmten und mündigen Gemeindegliedern in weltweiter politischer Verantwortung, welche hierzu in den Gemeinden basisdemokratische Anleitung erfahren sollten. Die Zeit, in der politische Partizipation in der Demokratie allein durch Wahlen oder Parteimitgliedschaft ausgeübt wurde, war für diese Generation beendet.47 Die sich dagegen politisch zurückhaltende Kirchenleitung berief sich allein auf Formalien: Terminschwierigkeiten und die bereits veröffentlichte Erklärung der Bremer Synode sowie der Erklärung der Diakonie und Caritas. Auch die Anmerkung des Oberkirchenrates Erwin Wilkens, was ein einstündiges Gespräch der Delegation mit Dietzfelbinger bewirken könnte, verdeutlichte, dass wenig Aufgeschlossenheit, geschweige denn Empathie, für die Belange der Delegation bestand. Nach dem dargestellten Schriftwechsel ist zu bezweifeln dass der Wille, wirklich kein Mittel zur Beendigung des Vietnamkrieges auszuschließen, innerhalb der Kirchenleitung tatsächlich vorhanden war. Ein Grund hierfür kann, neben dem inoffiziellen Charakter jener Delegation, auf der grundsätzlichen Argumentation der EKD beruhen, den eigenen Protest aufgrund der geographischen Lage sowie der Möglichkeit des „Verblassens“ oft wiederholter Botschaften zu unterlassen. Besonders das Argument der geographischen Lage, die politisches Eingreifen legitimiere, verdeutlichte nicht nur, wie wenig sich die EKD als in eine weltweite politische und kirchliche Gemeinschaft in die christliche Verantwortung eingebunden 46 Vgl. Frei, Jugendrevolte, 106; Benedict, Traum. 47 Vgl. Siegfried, Politisierung.

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sah, sondern auch, wie wenig sie sich als Teil einer globalisierten Welt, in der sämtliche Arbeits- und Kommunikationsbereiche miteinander verflochten sind, verstand. Dabei ist zu bedenken, dass die technischen, wirtschaftlichen und medialen Grundlagen für die zunehmende Globalisierung in der Zeit des Vietnamkrieges gelegt wurden.48 Das fehlende ökumenische Bewusstsein thematisierte 1975 auch HansJürgen Benedict, der damals wissenschaftlicher Assistent an der Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum war und der Gruppe der Unterzeichner des zuvor dargestellten Protestschreibens angehörte, in seinem Artikel „Wie ,äußerte‘ sich die EKD zu Vietnam?“49. Bereits die Anführungszeichen im Titel wiesen auf den Grundzug seiner kritischen Stellungnahme zur Haltung der EKD zum Vietnamkrieg hin: Die „Äußerungen“ hatten Benedicts Meinung nach kaum politisches und öffentlich wirksames Gewicht. Er kam anhand eines Vergleiches zwischen der EKD, US-amerikanischen Kirchen und dem ÖRK zu dem Schluss, dass ein wichtiger Grund der Zurückhaltung der EKD angesichts des Vietnamkrieges der mangelnde Kontakt mit den Beteiligten der ökumenischen Friedensarbeit gewesen sei. Das Versagen im Sinne der verhaltenen Äußerungen von Seiten der EKD wird für ihn angesichts der Brutalität des Krieges deutlich, die seiner Ansicht nach eines entschlosseneren Protests bedurft hätte. In Bezug auf die verfehlte Haltung der EKD gegenüber der US-amerikanischen ökumenischen Delegation zitiert Benedict die an der Delegation beteiligte Sister Mary Luke Tobin: „Wir haben hier mehr erwartet an Identifizierung mit unseren Anliegen, insbesondere mehr Solidarität der bundesrepublikanischen Kirchen mit ihren Bruderkirchen in den USA, die um einen dauerhaften Frieden in Vietnam ringen.“50 2.2 Der ÖRK Seit 1954 hatte der ÖRK auf seinen verschiedenen strukturellen Ebenen auf die politische Situation in Vietnam reagiert.51 Als richtungsweisend galt neben der Resolution der vierten Vollversammlung 1968 im schwedischen Uppsala bereits das 10-Punkte-Programm des Zentralausschusses von 1966. Immer wieder wurden nicht nur die USA, sondern alle am Krieg beteiligten Parteien und Gruppierungen aufgefordert, die Gewalt zu beenden. Der während des Vietnamkrieges zwischen 1966 und 1972 amtierende Generalsekretär des Weltkirchenrates, Eugene Carson Blake, war für sein Engagement in der USamerikanischen Bürgerrechtsbewegung bekannt.52 Ein Protestschreiben Bla48 49 50 51 52

Vgl. F•ssler, Globalisierung, insbes. 120 – 152. Benedict, EKD, 373 – 380. Ebd., 377 f. Benedict zitiert Gerhard Rein im NDR II, 16. 1. 1973. Vgl. Exekutivausschuss des ÖRK, Vietnam-Appell, 151. Vgl. Brackenridge, Eugene Carson Blake, 77 – 105.

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kes von 1972, das im Folgenden dargestellt wird, verdeutlicht die Funktion und politische Einflussnahme Blakes während des Vietnamkrieges: Nachdem 1972 die US-Luftwaffe begonnen hatte, die nordvietnamesischen Deichanlagen zu bombardieren, verfasste Blake im Juli 1972 ein Schreiben an Präsident Richard Nixon, das gleichzeitig an die Öffentlichkeit gelangte.53 Bereits der Hintergrund des Briefes, den der Generalsekretär einleitend darstellte, verdeutlichte die Distanz, die er von Seiten des Weißen Hauses erfuhr. So berichtete er zunächst von dem Vorhaben einer Gruppe von US-amerikanischen Kirchenvertretern, zu der er zählte, mit dem Präsidenten ein Gespräch über „moralische Fragen“, die sich aus dem Vietnamkrieg ergeben, zu führen. Eine Absage des persönlichen Referenten des Präsidenten erhielt Blake mit wesentlicher Verspätung. Ihm wurde zwar die generelle Gesprächsbereitschaft Nixons zugesichert, ein derartiges Gespräch konnte zum Zeitpunkt des Briefes jedoch nicht realisiert werden. In seinem Brief beschrieb Blake das Ausmaß der Zerstörung, das durch die weitreichenden Bombardierungen nordvietnamesischer Deichanlagen drohe.54 Dabei ging er auch auf die Darstellung der US-amerikanischen Regierung zu den Bombardierungen ein, indem er diese durch unabhängige Medieninformationen widerlegte: „Wir haben in den vergangenen Tagen umfassende Informationen bei Westeuropäern eingeholt […] und wir müssen zu dem Schluss kommen, dass die amerikanische Behauptung, die beschädigten Deiche wären auf eine Vernachlässigung von Seiten der Bevölkerung zurückzuführen, nicht stimmt.“55

Schließlich forderte er Präsident Nixon dezidiert dazu auf, als Oberkommandierender die Bombardierungen einstellen zu lassen. Das Schreiben des ÖRK-Generalsekretärs erregte bei den Kirchen der Bundesrepublik Deutschland große Aufmerksamkeit. Zunächst bestand innerhalb der EKD-Leitung die Überlegung, sich bewusst hinter Blakes Brief an Nixon zu stellen. Im September 1972 äußerte sich Dietzfelbinger jedoch diesbezüglich in einem Brief an Bischof Hermann Kunst, den damaligen Bevollmächtigten des Rates der EKD bei der Bundesregierung, dass Nixon auf den Brief des Generalsekretärs mit großer Abwehr reagiert habe: Für den USPräsidenten bestand keine Berechtigung, sich mit Persönlichkeiten zu unterhalten, die „unzureichend informiert“ seien. So schrieb Dietzfelbinger weiter an Kunst: „Briefe von Dr. Blake zu unterstützen, scheint mir nach unseren allerneusten [sic!] Erfahrungen mit ihm nicht gerade ratsam zu sein.“56 53 Vgl. für diese gesamte Darstellung Blake, Schreiben. 54 Blake erläuterte die möglichen Konsequenzen der Deichbombardierungen: Über 1 Mio. Menschen lebten damals im Schutz der Deichanlagen, die in der Regenzeit sofort vom steigenden Wasser ohne den Schutz der Deiche in Gefahr schwebten. Obdachlosigkeit, Epidemien und Hungersnot wären die Folge gewesen. Vgl. Blake, Schreiben, 426. 55 Ebd. 56 Brief von Hermann Dietzfelbinger an Hermann Kunst vom 13. 9. 1972, EZA 2/17645.

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Doch der Brief des Generalsekretärs fand durchaus an anderer Stelle innerhalb der evangelischen Kirche in Deutschland Gehör. So verlas etwa in Berlin-Dahlem der evangelische Pfarrer und Theologe Helmut Gollwitzer das Schreiben während seiner Predigt. Daraufhin entschlossen sich die Gottesdienstbesucher spontan, eine Diskussion über ihr weiteres Vorgehen abzuhalten: Im Kirchenraum, eingebettet in das Gottesdienstgeschehen vor dem Abendmahl, wurden eigene Konsequenzen aus dem Schreiben diskutiert. Als Resultat der Debatte wurde anschließend eine Unterschriftenaktion zur Unterstützung jenes Schreibens initiiert, der sich über hundert Berliner anschlossen. Doch auch diese spontane Reaktion blieb nicht ohne kritische Anfragen, wie spätere Medienberichte und Leserbriefe zeigen:57 Wurden Kirchenraum und Gottesdienst zweckentfremdet oder politisch instrumentalisiert? Der Brief an US-Präsident Nixon veranschaulichte die Wirkung Blakes auf politischer und nationaler sowie internationaler ökumenischer Ebene. Bereits zu Beginn des Briefes, wo Blake die Schwierigkeiten der Kommunikation mit dem weißen Haus andeutete, wurde sichtbar, was sich an späterer Stelle bestätigte: Der ÖRK konnte sich zwar deutlich gegen den Vietnamkrieg aussprechen, Blake schien jedoch beim Präsidenten auf taube Ohren zu stoßen, denn dieser lehnte ein Gespräch ab – obwohl Gespräche zwischen Kirchenvertretern und der amerikanischen Regierung während der 1960er Jahre keine Seltenheit waren.58 Hier stellt sich die Frage, ob die Tatsache, dass mit Blake ein US-amerikanischer Generalsekretär während eines US-amerikanischen Krieges an der Spitze des ÖRK stand, ein Potential oder ein Hindernis für den Weltrat darstellte. Der ÖRK reagierte von Anfang an kritisch auf die politischen Entwicklungen um den Vietnamkonflikt und auch Blakes Nachfolger, Philip A. Potter, äußerte sich bezüglich der Rolle der USA im Vietnamkrieg mahnend.59 Von Vorteil war es vermutlich für Blake, dass weder Sprachbarrieren noch aufwendige Reisewege seine direkte Kommunikation mit dem Weißen Haus erschwerten. Zugleich schien der US-amerikanische ökumenische Kontext die Stimmen der kirchlichen Kriegsgegner zu verstärken und zu bündeln. Jedoch ist zu erwägen, ob gerade die sprachliche und geographische Nähe sowie die permanente Konfrontation mit der Antikriegsbewegung und der Bürgerrechtsbewegung die Vorbehalte Nixons gegenüber Blake beeinflusst haben. Konnte Nixon tatsächlich zwischen jenen Protestbewegungen vor Ort und Blake als Repräsentant des ÖRK differenzieren? 57 Eine Protokoll des Gottesdienstes sowie dessen mediale Rezeption finden sich im Nachlass Gollwitzers, EZA 686/842. 58 Vgl. Besier, Protestantismus, 526. Die kirchliche Gegenposition wurde während des Vietnamkrieges durch Billy Graham, einem evangelikal geprägten Baptistenprediger, verkörpert. Er besuchte nicht nur mehrmals die US-amerikanischen Truppen, sondern galt als regelmäßiger Gesprächspartner von Präsident Nixon. Nixon selbst gehörte den Quäkern an. 59 Vgl. EPD-Pressemitteilung, Potter.

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Es überrascht umso mehr, dass auch Dietzfelbinger die Distanz zum Schreiben des ÖRK-Generalsekretärs bevorzugte. Lagen politische und diplomatische Gründe im Hintergrund, weshalb seiner Ansicht nach Nixon nicht auch von Seiten der EKD düpiert werden durfte – wenn eine Solidarisierung mit dem ÖRK-Generalsekretär überhaupt wahrgenommen worden wäre? Demnach hätte sich die Kirche durchaus der außenpolitischen Linie der Bonner Republik-Politik angepasst – wie ihr oft zum Vorwurf gemacht wurde. Oder spielte Dietzfelbinger auf seine grundsätzliche Wertung des ÖRK und dessen Generalsekretär Blake an? Schließlich fiel der Weltrat auch durch sein Antirassismus-Programm in die Missgunst der EKD.60 In diesem Fall schien der Vietnamkrieg ein weiterer Faktor einer Vertrauenskrise zwischen ÖRK und EKD gewesen zu sein. Es fällt auf, dass sich die Erwägungen Dietzfelbingers allein auf die Person Blake und die ablehnende Haltung Nixons gegenüber dem ÖRK-Generalsekretär bezogen. Die politische Brisanz, die es bedeutete, die vorsätzliche Bombardierung von Deichanlagen zu leugnen, fiel bei seinen Überlegungen nicht ins Gewicht, obwohl die Bevölkerung der Bundesrepublik durch unabhängige Medien von diesen Vorgängen informiert war.61 Hieran zeigte sich, dass sowohl außenpolitische als auch innerökumenische Gründe für die EKD mehr Bedeutung hatten als die schonungslose Kriegsführung der USA, was auch auf ihren institutionellen Charakter zurückzuführen war. Im Gegensatz hierzu handelte die Gemeinde um Helmut Gollwitzer. Für sie war es allein das Ausmaß des Krieges, welches ihren spontanen Protest begründete – und zugleich standen sie dem ÖRK unvoreingenommen gegenüber. Erneut wird hier deutlich, dass aus ökumenischer Kommunikation während des Vietnamkrieges für die „politisierte“ Generation unmittelbar selbstverantwortete Aktionen gegen den Krieg resultierten.

3. Fazit Der Vietnamkrieg bedeutete für die EKD eine große politische wie auch kirchliche und ökumenische Herausforderung. Einerseits bestand kein Zweifel daran, dass sie das Eingreifen der USA in Vietnam und seine ver60 Vgl. zur Diskussion innerhalb der EKD Hermann, Apartheid, 27 – 42. Das AntirassismusProgramm (Program to Combat Racism) zielte auf die finanzielle Unterstützung von Widerstandsgruppen gegen rassistische Strukturen. Da die Spenden des ÖRK-Sonderfonds unabhängig von Angaben eines Zweckes ausgezahlt wurden, konnte die finanzielle Unterstützung von Mitteln der Gewalt nicht ausgeschlossen werden. Die EKD-Leitung lehnte daher die Unterstützung des Sonderfonds ab. Vgl. hierzu den Beitrag von Tripp. 61 Zu der US-amerikanischen Erklärung des Vorfalls und deren Gegendarstellung durch Nordvietnam während der Friedensverhandlungen in Paris vgl. die Pressenotiz „Ein feindliches Foto“ (Der Spiegel vom 21. 8. 1972).

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heerenden Folgen ablehnte. Andererseits geriet die Art ihrer Verlautbarungen in die Kritik einer jungen Theologengeneration. So wies das Verhalten der EKD symptomatisch auf ihre inneren Schwierigkeiten während der 1960er und 1970er Jahre hin: Feste theologische und gesellschaftspolitische Maximen konnten nicht überwunden werden – jedoch schien auch jedwede Motivation dafür zu fehlen. Dieses „Problem“ wurde durch die Forderungen und Aktionen der jungen, politisch denkenden Theologengeneration thematisiert, die damit zum Ausdruck brachten, dass die EKD den Ansprüchen einer Kirche, die der Demokratie und der gesellschaftlichen Verantwortung weltweit dient, nicht gerecht werden könne. Zudem bestanden unterschiedliche Vorstellungen von Ökumene, die mit konträren Erwartungen an die weltweite kirchliche Zusammenarbeit einhergingen. Für die EKD stellte der ÖRK als institutionalisierte Form der Ökumene ein Gremium dar, hinter dessen Verlautbarungen sie sich stellen – und, so scheint es, trotz zahlreicher formaler Begründungen der eigenen Zurückhaltung, verstecken konnte. Ökumenische Gruppierungen an der Basis gerieten hingegen nicht in ihr Blickfeld, was zu falschen Erwartungen und entsprechenden Enttäuschungen, die jene an die EKD richteten, führte. Doch auch das Verhältnis zum ÖRK trübte sich im Laufe der Zeit des Vietnamkrieges, so dass sogar von einer Unterstützung des Generalsekretärs Blake abgesehen wurde. Inwieweit dahinter politisch-diplomatische oder innerkirchliche Konflikte um das Antirassismus-Programm standen, muss vorerst offen bleiben; ebenso wie die Frage, inwiefern sich die EKD an die bundesrepublikanische Politik angepasst hat. Festzuhalten ist jedoch bereits jetzt, dass die ökumenischen Beziehungen der EKD während des Vietnamkrieges Vertrauensbrüche erlitten. Zugleich motivierte der Vietnamkrieg viele Christen, ökumenisch verantwortlich zu handeln. Für lose Gruppierungen, Theologen aus dem universitären Bereich etwa oder die Gottesdienstbesucher um Helmut Gollwitzer, wurden ökumenische Begegnungen und Kommunikationsformen zum Auslöser, selbst konkret aktiv zu werden. Aus diesem neuen Verständnis von kirchlichem und theologischem Handeln heraus kritisierten sie schließlich auch ihre Kirche. Zusammenfassend bedeutet dies, dass der Vietnamkrieg in der Kirchengeschichte nicht nur als eine lang dauernde, grausame Episode des Kalten Krieges der 1960er und 1970er Jahre zu betrachten ist. Er verdeutlicht zugleich den Aufruhr innerhalb der evangelischen Kirchen in der Bundesrepublik, der sowohl mit der Neuentdeckung als auch der Distanzierung von der weltweiten Ökumene einherging.

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Sebastian Tripp

Das Programm zur Bekämpfung des Rassismus und die „Glokalisierung“ der Kirchen

„Globalisierung“ ist in aller Munde.1 Dabei bleibt aber oft im Unklaren, an welchem Ort dieser Prozess der Globalisierung stattfindet. Dies gilt ebenso bei der Frage nach der Globalisierung der Kirchen. Es kann nicht bestritten werden, dass der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) im Laufe der 1960er Jahre weitreichenden Veränderungen unterlag, die unter anderem auf weltweite Entwicklungen zurückzuführen sind. ,Junge Kirchen‘, die sich im Laufe des Dekolonisierungsprozesses durch die Loslösung von Missionsgesellschaften gründeten, nahmen als selbstständige Mitglieder ihren Platz im ÖRK ein. Dadurch wandelte sich der Weltkirchenrat zunehmend von einer nordatlantischen zu einer weltumfassenden Organisation.2 Auch im Bereich der christlichen Kirchen trat also an die Stelle einer Epoche der „Globalität mit Europa und Amerika im Zentrum“ die „gegenwärtige Periode der Globalen Moderne“3. Aber bedeutete diese Internationalisierung theologischer Eliten, die keineswegs gering geschätzt werden darf, gleichzeitig eine Globalisierung der Kirchen? Wie global waren die Kirchen, wenn man die Genfer Zentrale und die Kommissionen und Ausschüsse des Weltkirchenrates hinter sich lässt und auf lokaler Ebene, also in den regionalen Landeskirchen, nach Globalität sucht? Globalisierung schließt Lokalität keineswegs aus. Vielmehr ist unter Globalisierung nach einer klassisch gewordenen Definition „the intersection of presence and absence, the interlacing of social events and social relations ,at distance‘ with local contextualities“ zu verstehen.4 Oder anders ausgedrückt: „Definieren lässt sich Globalisierung demnach im Sinne einer Intensivierung weltweiter sozialer Beziehungen, durch die entfernte Orte in solcher Weise miteinander verbunden werden, daß Ereignisse am einen Ort durch Vorgänge geprägt werden, die sich an einem viele Kilometer entfernten Ort abspielen, und umgekehrt.“5

1 Eine Suche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek gibt schon mehr als 2.700 Bücher an, die „Globalisierung“ im Titel tragen (www.d-nb.de, 25. 7. 2011). 2 Vgl. den grundlegenden Aufsatz von Kunter/Schilling in diesem Band. Allgemein zur Bedeutung des Dekolonisierungsprozesses für Westeuropa vgl. Conrad, Dekolonisierung. 3 Dirlik, Globalisierung, 163. Vgl. auch Gonz‚lez, Shape, 7 – 21; Tripp, Weltkirche, 123 – 127. 4 Giddens, Modernity, 22. 5 Giddens, Konsequenzen, 85.

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Bei einer Untersuchung des Globalen im Lokalen ist nicht die Uniformierung der Welt gemeint, die oft in einen Zusammenhang mit großen, insbesondere US-amerikanischen Firmen wie McDonalds oder Coca Cola gestellt wird, und die letztlich zur Auflösung des Lokalen zu Gunsten einer globalen Gleichförmigkeit zu führen scheint. Vielmehr hat der Prozess der Globalisierung auch die „Wiederherstellung, in bestimmter Hinsicht sogar die Produktion von ,Heimat‘, ,Gemeinschaft‘ und ,Lokalität‘ mit sich gebracht“6. Roland Robertson führte den Begriff der „Glokalisierung“ in die Globalisierungsforschung ein, um diesen Zusammenhang von Globalem und Lokalem deutlicher zu machen.7 Gerade bei einer Untersuchung der Kirchen ist ein Blick auf die lokale oder regionale Ebene sehr angemessen. So stellte Frank-Michael Kuhlemann fest, dass insbesondere für Deutschland, mit seiner Aufteilung in mehr als 20 Landeskirchen, gilt, dass „Territorialkirchengeschichte […] die eigentliche historische Disziplin des Protestantismus [ist]“8. Am Beispiel einer dieser Landeskirchen, nämlich der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), soll im Folgenden die „Glokalisierung“ der Kirche untersucht werden. Zunächst folgt ein Überblick über die EKHN und ihre Situation in der ökumenischen Bewegung. In einem zweiten Schritt werden die Ereignisse des Herbstes 1970 näher dargestellt, als sich die EKHN, ebenso wie andere Landeskirchen, in einem besonderen Maße mit der Globalisierung der Kirchen konfrontiert sahen, und zwar nicht nur auf der Ebene kirchenleitender Eliten, sondern bis hin zum einfachen Gemeindemitglied: Ausgelöst durch den Beschluss des Exekutivausschusses des ÖRK, mit dem Sonderfonds des Programms zur Bekämpfung des Rassismus unter anderem Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika zu unterstützen, und die dadurch entstandene öffentliche Aufmerksamkeit, wurde das Antirassismus-Programm zu einem Türöffner, durch den Diskussionen um das Verhältnis zur ökumenischen Bewegung in einem zuvor nicht dagewesenen Maße Einzug in die Gemeinden hielten. Das Antirassismus-Programm kann also als Katalysator der „Glokalisierung“ der Kirchen angesehen werden.

1. Die EKHN und die ökumenische Bewegung Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hatte seit ihrer Gründung 1947 eine starke ökumenische Tradition. Nicht nur wurde in der Kirchenordnung, die sich die EKHN 1949 gab, ein deutliches Bekenntnis zur ökumenischen 6 Robertson, Glokalisierung, 200. 7 Vgl. ebd. Im englischen Original erschien der Aufsatz bereits 1995: Robertson, Glocalization. 8 Kuhlemann, Territorialkirchengeschichte, 213.

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Bewegung abgegeben.9 Bereits bei der Berufung des Kirchenpräsidenten 1947 spielte der Bezug zur Ökumene eine wichtige Rolle. Martin Niemöller wurde dieses Amt ausdrücklich „[i]n Würdigung […] seiner bisherigen Tätigkeit sowohl in der Evangelischen Kirche in Deutschland als auch in der Ökumene“ angetragen.10 Dabei wurde davon ausgegangen, dass sich das Amt des Kirchenpräsidenten und die Arbeit für die Ökumene, die sich nicht nur in Niemöllers Position als Leiter des Außenamtes der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) niederschlug, nicht behindern würden.11 Dennoch wurde insbesondere in der Diskussion um Niemöllers Moskaureise 1952 seine häufigen und teilweise langfristigen Abwesenheiten durch Auslandsreisen thematisiert, obwohl, wie Karl Herbert rückblickend schreibt, seine Arbeit als Kirchenpräsident kaum darunter gelitten habe. Vielmehr bemängelt Herbert, dass Niemöllers ökumenischer Einsatz zu wenig Widerhall in der Landeskirche gefunden habe.12 So überrascht es nicht, dass die Entwicklungen der ökumenischen Bewegung in den 1960er Jahren in den Gemeinden kaum wahrgenommen wurden. Hans Jochen Margull schrieb 1968 über die „ökumenische Bewegung in den Kirchen und Gemeinden“, dass diese dort „gerade erst begonnen“ habe und daher „auf denominationeller und lokaler Ebene beträchtlich hinter den großen und kühnen Anhüben der weltweiten ökumenischen Konferenzen“13 zurückliege. Dies galt ebenso für die EKHN. Die 1960er Jahre sahen verschiedene Versuche, das Bewusstsein für Mission und Ökumene zu stärken, insbesondere im Zusammenhang mit den Vollversammlungen des ÖRK. So referierte auf der ersten Sitzung der Synode nach der Vollversammlung in Neu-Delhi Christian Berg, Präsident der Gossnerschen Missionsgesellschaft, über „Kirche und Mission“14. Er schlug vor, einen ökumenisch-missionarischen Rat in der EKHN zu schaffen, dessen Hauptaufgabe „in der Weckung und Vertiefung des Verständnisses der ökumenischmissionarischen Arbeit in den Gemeinden“15 zu liegen habe. Die Kirchenleitung wurde daraufhin nach längerer Aussprache gebeten, ein „klares Arbeitsprogramm für die ökumenische und missionarische Arbeit unserer Kirche“ 16 zu entwickeln. Auf der folgenden Synodaltagung wurde die Kirchenleitung dann mit der Bildung einer „missionarisch-ökumenischen Kammer“ beauftragt und gebeten, „einen hauptamtlichen Sachbearbeiter mit

9 So wird im Schlussartikel der Kirchenordnung der Wille geäußert, „auch innerhalb der ökumenischen Bewegung an der Einigung der Christenheit in aller Welt mitzuwirken“ (Ordnung EKHN, Schlußartikel). 10 Antrag Goebels. In: Kirchentag, 124. 11 Vgl. Herbert, Höhen, 193. 12 Vgl. ebd., 193 und 238. 13 Margull, Bewegung, 460. 14 Kirchensynode, 19 – 31. 15 Ebd., 26. 16 Ebd., 105.

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den Aufgaben der Mission und Ökumene zu betrauen“17. Erst 1965 konstituierte sich auf Beschluss der Kirchenleitung die „Kammer für Mission und Ökumene“, nachdem bereits seit 1963 die Missionskammer und die Ökumenische Kammer gemeinsam getagt hatten.18 Zu ihrer Aufgabe gehörte auch der „Strukturwandel der Gemeinden, der sie die missionarischen Aufgaben daheim wie draußen besser erfüllen läßt“19. Doch wie sich den Protokollen entnehmen lässt, spielte die Vermittlung in den Gemeinden nur selten eine Rolle in den Sitzungen der Kammer.20 1967 stellte die Kammer zum Tagesordnungspunkt „Heimatarbeit“ fest, „dass unter den gegebenen Verhältnissen eine geordnete Arbeit auf dem Gebiet der Mission und Oekumene der EKHN nicht gewährleistet ist“21. Schon da war die Gründung eines zusätzlichen „Amtes für Mission und Ökumene“ angedacht,22 das dann 1968 eingerichtet wurde. Noch vor der Vollversammlung in Uppsala wurde das „Amt für Mission und Ökumene“ in der „Ordnung der missionarischen und ökumenischen Arbeit“ eingeführt.23 Während die Kammer fortan nur noch die Kirchenleitung beraten sollte,24 gehörte es zu den Aufgaben des neuen Amtes für Mission und Ökumene, „Erkenntnisse aus dem missionarisch-theologischen Bereich an Pfarrerschaft, kirchliche Mitarbeiter und in der Ausbildung stehende Pfarramtskandidaten“ zu vermitteln25 und für „Weckung und Vertiefung missionarisch-ökumenischer Verantwortung in Gemeinde und Kirche durch geeignete Informationen und Veranstaltungen“ zu sorgen.26 Die Synode stattete das Ökumeneamt ab dem Haushaltsjahr 1969 mit einem Geschäftsführer, zwei Pfarrstellen sowie einem weiteren Angestellten aus.27 Es sollte, so die Hoffnung, dabei helfen, die „Aufbrüche von Uppsala“28 in die Gemeinden zu tragen.29 Einen weiteren Schritt in diese Richtung wollte die Synode 1970 unternehmen. Bereits im Frühjahr dieses Jahres wurde angeregt, sich auf einer „Besinnungstagung“ den Fragen von Mission und Ökumene anzunehmen. Als diese dann im September 1970 in der Evangelischen Akademie Arnoldshain 17 Verhandlungen, 3. Synode, 2. Tagung, 188. 18 Vgl. Protokoll über die Sitzung der Kammer für Mission und Oekumene am 23. 2. 1965 in Darmstadt (ZA EKHN, 155/1925. Dort auch die Protokolle der Gemeinsamen Sitzungen). 19 Ebd. 20 Vgl. die entsprechenden Protokolle in ZA EKHN, 155/1924; 155/1925; 155/1933; 155/1936. 21 Protokoll über die Sitzung der Kammer für Mission und Oekumene am 12. 6. 1967 in der Ev. Akademie Arnoldshain (ZA EKHN, 155/1936). 22 Ebd. 23 Vgl. Ordnung Arbeit. 24 Ebd., A. II. 25 Ebd., B. III. b). 26 Ebd., B. III. c). 27 Vgl. Stellenplan 1969, 24. 28 Frieling, Aufbrüche. 29 Vgl. Verhandlungen, 4. Synode, 2. Tagung, 307.

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stattfand, fiel das Urteil über das ökumenische Bewusstsein in den Gemeinden deutlich aus. Fritz Weissinger, Geschäftsführer des Amtes für Mission und Ökumene, stellte vor der Synode in seinem Bericht über die Besinnungstagung die Frage: „Ist diese ökumenische Bewegung wirklich zum ökumenischen Geschehen am Ort vorgestoßen?“30 Die Synode müsse sich „als verantwortliches Organ […] fragen, ob wir uns in dieser Bewegung wissen und unsere Arbeit als Synodale in dem Bewußtsein, daß wir ein Glied einer großen ökumenischen Bewegung sind, verantwortlich wahrnehmen“31. Auf der Arnoldshainer Tagung sei klargeworden, „daß wir in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau von der Arbeit der ökumenischen Bewegung kaum etwas, wenn nicht sogar nichts zur Kenntnis genommen haben“. Dies müsse geändert werden: „Wir stehen vor der Aufgabe, daß Mission und Ökumene nicht die Angelegenheit von Spezialisten bleibt, sondern nur wenn sie in unserer Kirche und in den Gemeinden im Gebet getragen und gelebt wird, zum Heil der Welt dienen kann.“32

Martin Stöhr, Direktor der Evangelischen Akademie in Arnoldshain, stellte fest: „Es gibt eine riesige Kluft zwischen den ökumenischen Bemühungen auf einer höheren Ebene und dem Fehlen von ökumenischen Bemühungen auf der Gemeindeebene.“33 Daher lautete einer der Anträge, die auf der Besinnungstagung für die Synode erarbeitet wurden, dass die „informativen und pädagogischen Aufgaben als besonders wichtig“34 zu betrachten und die entsprechenden Mittel zu bewilligen seien. Es muss offen bleiben, inwiefern die von der Besinnungstagung vorgesehenen Maßnahmen zur besseren Information über die ökumenische Bewegung alleine ausgereicht hätten, um diese in die Gemeinden zu tragen. An der Besinnungstagung in Arnoldshain nahmen weniger als ein Viertel der Synodalen teil,35 so dass selbst hier nicht wirklich von einem breiten Interesse an den globalen Dimensionen der Kirche gesprochen werden konnte. Die Debatte lief bis dahin nach wie vor hauptsächlich auf kirchenleitender und synodaler Ebene, und selbst hier war die Beteiligung auf einen Kreis Interessierter beschränkt. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass das von der Synode beschlossene erhöhte Informationsangebot nur jene genutzt hätten, bei denen bereits ein gewisses Interesse an ökumenischen Fragen bestand. Jedoch sorgte ein anderer Beschluss der Synode dafür, dass die Ökumene in nahezu allen Gemeinden und auch außerhalb dieser diskutiert wurde. 30 31 32 33 34

Redebeitrag Fritz Weissinger. In: Verhandlungen, 4. Synode, 7. Tagung, 50. Ebd., 51, dort auch das folgende Zitat. Ebd., 54. Redebeitrag Martin Stöhr. In: Ebd., 60. Beschlüsse der 7. Tagung der Vierten Kirchensynode, Nr. 15/4. In: Ebd., 244. Zwei weitere Beschlüsse sahen die Unterstützung des Entwicklungsfonds des ÖRK (Nr. 15/1) sowie eine nähere Beschäftigung mit dem Staudammprojekt Cabora-Bassa (Nr. 15/2) vor. 35 Vgl. Redebeitrag Walter Liefke. In: Verhandlungen, 4. Synode, 7. Tagung, 93.

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2. Die EKHN und das Programm zur Bekämpfung des Rassismus Knapp zwei Wochen vor der Besinnungstagung in Arnoldshain trat am gleichen Ort der Exekutivausschuss des Weltkirchenrats zusammen und beriet unter anderem über das im Jahr zuvor gegründete Programm zur Bekämpfung des Rassismus.36 Auf Initiative der Vollversammlung in Uppsala hin arbeitete der Zentralausschuss des ÖRK im Sommer 1969 in Canterbury einen „Plan eines Programms zur Bekämpfung des Rassismus“ aus. Dieser sah unter anderem Forschungsgruppen und Studientagungen zum Thema Rassismus, die Unterstützung der Kirchen bei der Bekämpfung rassistischer Benachteiligungen und die Überprüfung der eigenen Strukturen auf Rassismus vor. Ein in der öffentlichen Wahrnehmung des Antirassismus-Programms zentraler Punkt war der neu eingerichtete „Sonderfonds“, mit dem Organisationen unterstützt werden sollten, die dem Rassismus entgegentraten. Dabei sollten bewusst nicht die Folgen des Rassismus gelindert, sondern dieser selbst bekämpft werden.37 In Arnoldshain einigte sich Anfang September 1970 der Exekutivausschuss auf 19 Organisationen, die bedacht werden sollten. Unter ihnen fanden sich auch Befreiungsbewegungen aus dem südlichen Afrika, die in ihrem Kampf gegen rassistische Unterdrückung auch zu Gewalt griffen, wie Projekte des African National Congress (ANC), der South-West African People’s Organisation (SWAPO) und das Mozambique Institute der Fronte de LibertaÅao de Mozambique (FRELIMO).38 Zum Zeitpunkt der Besinnungstagung der EKHN im September 1970 war der Sonderfondsbeschluss des ÖRK bereits starker Kritik sowohl von kirchenleitender Seite39 als auch in der Medienlandschaft in Deutschland ausgesetzt.40 Dennoch wurde hier eine klare Unterstützung des Programms gefordert. Neben der Befürwortung des allgemeinen Teils des AntirassismusProgramms und der Aufforderung zur stärkeren Beschäftigung mit dem Thema Rassismus auf allen Ebenen der Landeskirche, wurde ein Antrag an die

36 Einen dokumentarischen Überblick über die ersten Jahre des Programms zur Bekämpfung des Rassismus bietet: Adler, Oekumene. 37 Vgl. Adler, Oekumene, 27 – 36. und Anhang III (Plan eines oekumenischen Programms zur Bekämpfung des Rassismus). 38 Vgl. Beckmann, Anti-Rassismus, 53 – 59, insbes. 57. 39 Sowohl der Ratsvorsitzende der EKD, Hermann Dietzfelbinger, als auch die Lutherische Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) äußerten deutliche Kritik an dem Beschluss. Vgl. Brief des EKD-Ratsvorsitzenden Dietzfelbinger an den Generalsekretär Dr. Eugene Carson Blake vom 15. 9. 1970. In: Beckmann, Anti-Rassismus, 60 – 61; Erklärung der Lutherischen Kirchenleitung (VELKD) vom 25. 9. 1970. In: Ebd., 74. 40 Vgl. Meyers-Herwartz, Rezeption, 133 – 137 und 189 f. Christel Meyers-Herwartz argumentiert, dass erst der Brief Dietzfelbingers in Deutschland eine Öffentlichkeit für das Antirassismus-Programm hergestellt habe.

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Synode erarbeitet, als konkrete Handlung 100.000 DM aus Haushaltsmitteln der Landeskirche an den Sonderfonds zu überweisen.41 Auf ihrer Tagung vom 23. bis 25. Oktober 1970 nahm die Kirchensynode der EKHN den Antrag mit 90 zu 78 Stimmen an.42 Zuvor war über mehrere Stunden intensiv darüber diskutiert worden. Hierbei dominierte die Frage nach kirchlicher Unterstützung von Gewalt klar die Debatte. Diese Thematik hatte schon zuvor die Berichterstattung insbesondere konservativer Medien über das Antirassismus-Programm geprägt. Nachdem sowohl der Ratsvorsitzende der EKD, Hermann Dietzfelbinger, als auch die Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) in ihrer Kritik die Gewaltfrage als zentral herausgestellt hatten,43 nahmen Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder Die Welt diesen Punkt auf und schrieben von finanzieller Hilfe für Guerilla- und Partisanengruppen.44 Ein besonderes Gewicht bekam diese Argumentation außerdem dadurch, dass im September 1970 eine weitere Welle linksterroristischer Gewalt international für Aufsehen sorgte. Zu erwähnen ist hier unter anderem der als „Schwarzer September“ in die Geschichte eingegangene Aufstand in Jordanien, in dessen Zusammenhang drei Flugzeuge entführt wurden, unter anderem ein TWA-Flug von Frankfurt nach New York.45 Nur wenige Tage vor der Synodaltagung war in Kanada Pierre Laporte, Arbeitsminister der Provinz Qu¦bec, durch die „Front de Lib¦ration du Qu¦bec“ ermordet worden, worauf während der Debatte zum Sonderfondsbeschluss ausdrücklich Bezug genommen wurde.46 Befürworter des Antirassismus-Programms versuchten das Gewaltargument vor allem dadurch zu entkräften, indem sie darauf hinwiesen, dass dieser Kritikpunkt nur auf mangelnder Information beruhe: Bei dem Programm gehe es explizit nicht um die Unterstützung von Gewalt, und auch der Beschluss der EKHN betonte, dass die bewilligten Mittel „für humanitäre Zwecke […] in den Gruppen dienen“47. Überhaupt sei das fehlende Wissen um die ökumenische Bewegung und ihre Entwicklungen seit der Gründung des ÖRK in Amsterdam 1948 schuld daran, dass der Streit um den Sonderfonds so eskaliert sei.48 Die ungenügende Informationslage zum Antirassismus-Programm wurde ferner als Grund gegen den Antrag genannt. Ein Synodaler 41 Vgl. Beschluß der Synode der Ev. Kirche in Hessen und Nassau vom 24. 10. 1970 zum Antirassismus-Programm des Ökumenischen Rates. In: Beckmann, Anti-Rassismus, 100. 42 Vgl. „100.000 DM für das ökumenische Anti-Rassismus-Programm“, epd-Meldung vom 24. 10. 1970. In: Ebd., 101 – 104. 43 Vgl. ebd., 61 und 74. 44 Vgl. beispielsweise Odin, Kirchengeld; Ders., Auseinandersetzung; Conrad, EKD; Ders., Kirchengeld. 45 Vgl. Raab, Terror. 46 Vgl. Redebeitrag Hans-Jürgen Moog. In: Verhandlungen, 4. Synode, 7. Tagung, 79. 47 Beckmann, Anti-Rassismus, 100. 48 Redebeitrag Fritz Weissinger. In: Verhandlungen, 4. Synode, 7. Tagung, 51.

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berichtete, dass bei einem Vortrag, den er in einem ländlichen Dekanat gehalten habe, aus dem Publikum die Frage aufgekommen sei, ob man nicht deutlich „Nein“ zur Beschäftigung mit Südafrika und Lateinamerika sagen solle, da man keine ausreichenden Kenntnisse über die dortige Situation habe und nicht erwerben könne. Wichtiger sei es, „erst einmal Ordnung im eigenen Haus unserer Kirche [zu] schaffen“49. Dieses Votum zeige, dass die Notwendigkeit der ökumenischen Arbeit den Gemeinden klarer verdeutlicht werden müsse.50 Einige Synodale bemängelten die ungenügenden bzw. zu einseitigen Informationen vor der Debatte.51 Albert van den Heuvel, der als Vertreter des Weltkirchenrates der Synode als Gast beiwohnte, machte auf die Möglichkeiten, die eine Unterstützung des Sonderfonds böte, aufmerksam: „Wann werden wir informiert? Wenn etwas passiert. […] Ihre Chancen, Ihre Gemeinden zu informieren, sind unendlich viel besser, wenn Sie das heute machen, als wenn Sie es nicht machen!“52 Van den Heuvel sollte Recht behalten. Die Annahme des Beschlusses mit einer, wie es in Die Welt hieß, „knappe[n], aber verbissene[n] Mehrheit“53 von zwölf Stimmen nötigte die Kirchenleitung dazu, ausführlich über das Programm zur Bekämpfung des Rassismus zu informieren, aber gleichzeitig auch die Einbindung der EKHN in der ökumenischen Bewegung zu erläutern. Dies lag stark an der intensivierten Berichterstattung durch die Massen- und insbesondere die Printmedien, der auf den hohen Nachrichtenwert des Beschlusses zurückzuführen ist.54 So wurde ein weitaus größerer Rezipientenkreis angesprochen, als dies über die üblichen kirchlichen Kommunikationswege wie Gemeindezeitungen oder Gottesdienste möglich gewesen wäre. Selbstverständlich waren der Kirchenpräsident der EKHN, Helmut Hild, sein Stellvertreter Karl Herbert sowie andere Mitarbeiter der Kirchenleitung in diese mediale Öffentlichkeit eingebunden und verteidigten in Interviews und Artikeln den Beschluss,55 doch waren sie dabei auf die Interpretationen und das Interesse der Medien angewiesen. So wurden Aussagen von Helmut Hild in einem Interview mit Der Spiegel immer wieder auf die Frage der Gewaltanwendung zurückgeworfen,56 Karl Herberts Erklärungen wurden in Die Welt relativierend kommentiert wiedergegeben.57 Doch gerade die negative Berichterstattung über den Beschluss sorgte dafür, dass das AntirassismusProgramm und der ÖRK auch jenseits theologischer Eliten diskutiert wurde, 49 Redebeitrag Klaus Mitlacher. In: Ebd., 73. 50 Ebd. 51 Vgl. die Redebeiträge von Hans-Jürgen Moog, Eberhard Diehl und Gerhard Zimmermann. In: Ebd., 79, 81 und 86. 52 Redebeitrag Albert van den Heuvel. In: Ebd., 105. 53 Nellessen, Kreuz. 54 Vgl. Meyers-Herwartz, Rezeption, 133 f. 55 Vgl. Vertrauen; Lau, Oberkirchenrat; Kratz, Geld. 56 Vgl. Vertrauen. 57 Vgl. Lau, Oberkirchenrat; siehe dazu auch Meyers-Herwartz, Rezeption, 103.

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wie die große Zahl der die Entscheidung der Synode ablehnenden Briefe belegt: Zwischen der Synodaltagung Ende Oktober und dem Ende des Jahres 1970 erreichten über 340 den Sonderfondsbeschluss betreffende Briefe den Synodalvorstand, den Kirchenpräsidenten oder die Kirchenleitung.58 Etwa zwei Drittel der Zuschriften lehnten den Synodenbeschluss ab. Dabei lässt sich feststellen, dass hier vor allem auf Mitteilungen und Kommentare aus der Presse, meist konservativ-bürgerlicher Provenienz, zurückgegriffen wurde. Insbesondere Absender, die keine berufliche oder sonstige funktionelle Verbindung zur Kirche hatten, gaben an, durch Printmedien, vor allem durch die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt oder die Welt am Sonntag auf den Beschluss aufmerksam geworden zu sein.59 Ferner scheinen in den Kirchenvorständen die Diskussionen des Synodenbeschlusses ebenfalls oft auf Grundlage von Presseberichten geführt worden zu sein. So schrieb beispielsweise der Kirchenvorstand Harxheim, dass „unsere Kirchengemeinde aus der Tagespresse und aus der kirchlichen Presse von dem Beschluß der Kirchensynode erfahren [hat], Guerilla-Organisationen finanziell zu unterstützen. Dieser Beschluß hat in unserer und auch in den benachbarten Gemeinden größte Unruhe ausgelöst.“60

Insgesamt schrieben 75 kirchliche Gruppen und Institutionen an die Leitung der Landeskirche, darunter acht Dekanatssynoden und 39 Kirchenvorstände.61 Darüber hinaus kann man davon ausgehen, dass sich weitere Gruppen und Institutionen mit dem Antirassismus-Programm auseinandergesetzt haben, aber auf eine Stellungnahme gegenüber der Kirchenleitung oder der Kirchensynode verzichteten. Helmut Hild fasste nach der Flut der Zuschriften den Kenntnisstand der Öffentlichkeit und der Gemeinden über den Weltkirchenrat wie folgt zusammen: „Geradezu erschreckend ist die Tatsache, daß der Ökumenische Rat und seine Organe in der Öffentlichkeit offensichtlich eine quantit¦ n¦gligeable darstellt, von einer Vertrauensbasis gar nicht zu reden. Es erregt Verwunderung, wenn man Anfragende darauf hinweist, daß der Ökumenische Rat, dem immerhin 240 Kirchen in der ganzen Welt, nahezu die ganze protestantische und orthodoxe Welt angehören, zu vergleichen sei mit der Organisation der Vereinten Nationen im kirchlichen Bereich. Wir müssen sehr viel versäumt haben, um über der allgemeinen Rede von Ökumene und ökumenischem Geist auch die Institutionalisierung der Ökumene und ihrer Arbeit ins öffentliche Bewußtsein zu rücken.“62 58 Vgl. Kreibohm, Analyse, 52, Tabelle 1. 59 Vgl. ebd., 10. 60 Schreiben des Evangelischen Kirchenvorstands Harxheim/Rheinhessen vom 7. 11. 1970 (ZA EKHN, 255/2559, 24). 61 Vgl. Kreibohm, Analyse, 56, Tabelle 5. 62 Redebeitrag Helmut Hild. In: Verhandlungen, 4. Synode, 8. Tagung, 311.

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Dieser Schritt, „die Ökumene und ihre Arbeit ins öffentliche Bewußtsein zu rücken“, wurde nach der Oktobersynode der EKHN intensiviert, was vor allem dadurch möglich war, dass der Beschluss, das Antirassismus-Programm zu unterstützen, die eben beschriebene Aufmerksamkeit erhielt. So nahmen Helmut Hild und Karl Herbert zwischen Ende Oktober und Anfang Dezember an 16 Veranstaltungen teil, auf denen das Programm zur Bekämpfung des Rassismus und der Beschluss der Synode vorgestellt und diskutiert wurden. Die Mitarbeiter des Amtes für Mission und Ökumene, das in den folgenden Jahren personell aufgestockt wurde,63 referierten auf weiteren 62 im gleichen Zeitraum.64 Daneben wurde Ende Oktober bereits eine Erklärung an die Gemeinden verschickt, in der Hild den Beschluss der Synode und seine ökumenischen Zusammenhänge erläuterte.65 Damit sollte zum einen die Aufforderung der Synode an die verschiedenen Ebenen der Landeskirche, sich mit dem Antirassismus-Programm zu beschäftigen,66 unterstützt werden. Zum anderen hatte schon zu diesem Zeitpunkt eine Vielzahl an Zuschriften die Kirchenleitung erreicht.67 In seiner Erklärung wies der Kirchenpräsident wiederholt darauf hin, dass der Beschluss der EKHN nicht losgelöst, sondern im ökumenischen Zusammenhang und vor den Grundlinien der ökumenischen Bewegung zu verstehen sei. Anschließend verteidigte er den Beschluss des ÖRK und sagte, dass der Ökumenische Rat und die EKHN ihren Beitrag dazu leisten wollten, dass sich die Kirche „gegen jede persönliche und rechtliche Rassendiskriminierung wende[t] und weit nachdrücklicher als bisher die Sache der unterdrückten Rassen [vertritt]“68. In den Antwortschreiben auf die kritischen Zuschriften machte die Kirchenleitung die ökumenische Dimension des Beschlusses ebenfalls deutlich. So hieß es in einem standardisierten Antwortschreiben auf kritische Zuschriften: „Nicht die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, sondern der Ökumenische Rat der Kirchen, der 240 Mitgliedskirchen aus aller Welt umfasst, hat sich nach jahrelanger Vorbereitung und Prüfung entschlossen, Schritte zur Bekämpfung des höchst gefährlichen Problems des Rassismus zu unternehmen. […] Über die Verwendung der Mittel entscheidet ebenfalls nicht unsere Kirche, sondern der Ökumenische Rat nach gründlicher Prüfung durch eine internationale Beraterkommission.“69 63 Vgl. Stellenplan 1971, 67. 64 Redebeitrag Helmut Hild. In: Verhandlungen, 4. Synode, 8. Tagung, 307. 65 Erklärung von Kirchenpräsident Helmut Hild an die Gemeinden der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 30. 10. 1970. In: Beckmann, Anti-Rassismus, 112 – 113. 66 Vgl. Beschluss der Synode, Punkt 1. In: Ebd., 100. 67 In der ersten Woche wurden 64 Briefe abgeschickt, also mehr als neun pro Tag. Mehr als 80 % davon lehnten den Beschluss der Synode ab. Vgl. Kreibohm, Analyse, 52, Tabelle 1. 68 Erklärung an die Gemeinden. In: Beckmann, Anti-Rassismus, 112 f. 69 Entwurf eines allgemeinen Antwortschreibens Karl Herberts vom 16. 11. 1970 (ZA EKHN, 155/ 3783).

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Zusammen mit dem Schreiben wurde weiteres Informationsmaterial über das Programm verschickt. Zwar bewirkten diese Antwortschreiben nur selten eine belegbare Meinungsänderung.70 Dennoch zeigt der Schriftwechsel zwischen Kirchenmitgliedern und der Kirchenleitung, dass durch das AntirassismusProgramm nun auch Kirchenmitgliedern, die sich bisher nur wenig mit der ökumenischen Bewegung beschäftigt hatten, die globalen Zusammenhänge ihrer Landeskirche bewusst gemacht wurden.

3. Das Antirassismus-Programm als glokalisierender Faktor Innerhalb kürzester Zeit wurde also auf allen Ebenen der Landeskirche das Antirassismus-Programm zum beherrschenden Thema. Ren¦ Leudesdorff, der die Abteilung „Theologie und Information“ des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau leitete, sah bereits im Frühjahr 1971 durchaus zu Recht, dass der Streit um das Programm zur Bekämpfung des Rassismus in eine Reihe zu stellen sei mit anderen großen Debatten, die seit der Gründung der Bundesrepublik den westdeutschen Protestantismus beschäftigt hatten: die Wiederaufrüstung und die atomare Bewaffnung in den 1950er Jahren, die Ostdenkschrift der EKD 1965 und die Impulse der modernen Theologie. Denn die Auseinandersetzung fand, wie die eben genannten Debatten, nicht nur im theologischen Elfenbeinturm statt, sondern wurde in breiter Öffentlichkeit geführt.71 Neu war neben der Tatsache, dass sich nun viele Mitglieder der Kirche „in einer vorher ungeahnten Weise direkt Gehör verschafften“72, auch, dass der Anlass für die Debatte nicht in der theologischen oder politischen Landschaft Deutschlands zu suchen war, sondern der Impuls von Außen kam und somit als Resultat einer globalisierenden Kirche verstanden werden kann.73 Der Kampf um die Unterstützung des Sonderfonds war dementsprechend nicht nur Indikator dafür, dass die ökumenische Bewegung noch nicht die Gemeinden erreicht hatte. Er stellte vielmehr auch einen Faktor dar, der dafür 70 Vgl. Kreibohm, Analyse, 37 – 39. In diesem Fall wurde allerdings nicht das erst später entstandene standardisierte Antwortschreiben verwendet, sondern ein individueller Brief verfasst. 71 Vgl. Leudesdorff, Kirche, 28. Leudesdorff geht allerdings nicht darauf ein, dass hier auch thematische Kontinuitäten zu erkennen sind: das Verhältnis von Kirche und Gewalt, von Kirche und Politik, der Einfluss neuer (revolutionärer) Theologien. Eine thematische Kontinuität der Debatten kann darüber hinaus bis in den Kirchenkampf der 1930er Jahre festgestellt, an dieser Stelle jedoch nicht behandelt werden. 72 Ebd. 73 Christel Meyers-Herwartz führt zwar an, dass die deutsche Debatte erst durch die Reaktion deutscher Kirchenleitungen, insbesondere des Ratsvorsitzenden der EKD Hermann Dietzfelbinger ins Rollen kam, doch stellt sie auch fest, dass hier unterschiedliche Bezugssysteme – ein parochiales und ein ökumenisches – um Herrschaft rangen. Vgl. Meyers-Herwartz, Rezeption, 189 – 195, 329.

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sorgen sollte, dass sich alle Ebenen der Kirche, von den Kirchenleitungen der EKD bis hin zum Gemeindemitglied, mit der Ökumene beschäftigten. Selbst Kirchenmitglieder, deren Mitgliedschaft sich bisher in erster Linie im regelmäßigen Einzug der Kirchensteuer ausdrückte, beschäftigten sich, wie einige Zuschriften zeigen,74 in einem nie zuvor dagewesenen Maße mit den globalen Zusammenhängen des Christentums. Dies war nicht nur in der EKHN der Fall, sondern ließ sich in allen deutschen Landeskirchen75 und in anderen Ländern76 feststellen. Dabei war es nicht relevant, ob das Antirassismus-Programm unterstützt wurde oder nicht, und wie die Einstellung dem Weltkirchenrat gegenüber aussah. Die Flugblätter der Notgemeinschaft Evangelischer Deutscher, auf denen gefordert wurde, „Keine Kirchengelder für revolutionäre Gewalttäter!“77 zu geben, sind ebenso ein Ausdruck der ,Globalisierung‘ der Kirche. Die Kritik und der Widerstand gegen den Beschluss waren eben auch geprägt „durch Vorgänge […], die sich an einem viele Kilometer entfernten Ort abspielen“78. Der Beschluss des ÖRK, mit dem Sonderfonds des Programms zur Bekämpfung des Rassismus auch anti-koloniale Befreiungsbewegungen und Anti-Apartheid-Gruppen im südlichen Afrika zu unterstützen, sowie der Beschluss der Kirchensynode der EKHN, diesem Sonderfonds 100.000 DM aus dem ordentlichen Haushalt zukommen zu lassen, stellte eine Zäsur in dem Verhältnis zwischen lokaler und globaler Kirche dar. Erstmals war eine Entscheidung des ÖRK so weitreichend, dass sie sich direkt vor Ort auswirkte. Die ,Globalisierung‘ der Kirche erreichte die lokale Ebene.

74 So fällt auf, dass in einer großen Zahl der Zuschriften der Kirchenaustritt erklärt oder angekündigt wurde. Vgl. Kreibohm, Analyse, 48 – 50. sowie 54, Tabelle 3. Andererseits führte der Beschluss bei anderen dazu, den Gedanken, aus der Kirche auszutreten, zu verwerfen. Vgl. ebd., 41. 75 Vgl. Meyers-Herwartz, Rezeption, insbes. 233 – 326. 76 Vgl. beispielsweise Meijers, Broeders, 398 – 468; Jeannerat/Morier-Genoud/P¦clard, Embroiled. Vgl. auch den Beitrag von Meijers in diesem Band. 77 „Keine Kirchengelder für revolutionäre Gewalttäter!“, Flugblatt der Notgemeinschaft Evangelischer Deutscher (ZA EKHN, 155/3782). 78 Giddens, Konsequenzen, 85. Giddens machte bereits darauf aufmerksam, dass „solche lokalen Ereignisse […] in eine Richtung gehen [können], die der Richtung der sie prägenden weit entfernten Beziehung entgegengesetzt verläuft“ (ebd.).

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Das Programm zur Bekämpfung des Rassismus

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Quellen und Literaturverzeichnis I. Unveröffentlichte Quellen Zentralarchiv der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Darmstadt (ZA EKHN) Bestand 155: Kirchenverwaltung der EKHN: 1924: Sitzungsprotokolle der Missionskammer der EKHN, 1955 – 1961. 1925: Protokolle über Sitzungen der Ökumenischen- u. Missionskammer, 1958 – 1965. 1933: Ökumenische Kammer der EKHN, Bd. 1 (1955 – 1960). 1936: Kammer der EKHN für Mission und Ökumene, Bd. 4 (1966 – 1972). 3782: Verteilung von Mitteln aus dem Sonderfonds des ÖRK zur Bekämpfung des Rassismus und Bereitstellung von 100.000,– DM durch die Synode der EKHN, Bd. 2. 3783: Verteilung von Mitteln aus dem Sonderfonds des ÖRK zur Bekämpfung des Rassismus und Bereitstellung von 100.000,– DM durch die Synode der EKHN, Bd. 3. 3784: Verteilung von Mitteln aus dem Sonderfonds des ÖRK zur Bekämpfung des Rassismus und Bereitstellung von 100.000,– DM durch die Synode der EKHN, Bd. 4. Bestand 255: Synodalbüro der EKHN: 2559: Materialdienst Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Nr. 17, 30. 11. 1970.

II. Veröffentlichte Quellen und Darstellungen Adler, Elisabeth: Oekumene im Kampf gegen Rassismus. Ein erster Anfang. Programm des Oekumenischen Rates der Kirchen zur Bekämpfung des Rassismus. Bericht über die ersten fünf Jahre (epd Dokumentation 14). Bielefeld/Frankfurt a. M. 1975. Beckmann, Klaus-Martin (Hg.): Anti-Rassismus-Programm der Ökumene. Dokumente einer Auseinandersetzung (epd Dokumentation 5). Witten u. a. 1971. Conrad, Bernt: EKD berät über Zuschüsse an Guerillas in Afrika. In: Die Welt vom 24. 9. 1970, 6. –: Kirchengeld für Guerillas – Ökumene auf Abwegen. In: Die Welt vom 28. 9. 1970, 4. Conrad, Sebastian: Dekolonisierung in den Metropolen, in: Geschichte und Gesellschaft 37 (2011), 135 – 156. Dirlik, Arif: Globalisierung heute und gestern: Widersprüchliche Implikationen eines Paradigmas. In: Sebastian Conrad/Andreas Eckart/Ulrike Freitag (Hg.):

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Globalgeschichte. Theorien, Ansätze, Themen (Globalgeschichte 1). Frankfurt a. M./New York 2007, 162 – 187. Frieling, Reinhard: Die Aufbrüche von Uppsala 1968. In: Siegfried Hermle/Claudia Lepp/Harry Oelke (Hg.): Umbrüche. Der deutsche Protestantismus und die sozialen Bewegungen in den 1960er und 70er Jahren (AKiZ B 47). Göttingen 2007, 176 – 188. Giddens, Anthony : Konsequenzen der Moderne (stw 1295). Frankfurt a. M. 1996. –: Modernity and Self-Identity. Self and Society in the Late Modern Age, Oxford 1991. Gonz‚lez, Justo: The changing Shape of Church History. St. Louis 2002. Herbert, Karl: Durch Höhen und Tiefen. Eine Geschichte der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Hg. v. Leonore Siegele-Wenschkewitz unter Mitarbeit von Gury Schneider-Ludorff. Frankfurt a. M. 1997. Jeannerat, Caroline/Morier-Genoud, Eric/P¦clard, Didier : Embroiled. Swiss Churches, South Africa and Apartheid (Schweizerische Afrikastudien 9). Berlin u. a. 2011. Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Dritte Kirchensynode. 1. ordentliche Tagung am 19. und 20. 3. 1962 in Frankfurt a. M. Kirchentag der Evangelischen Landeskirche in Hessen, der Evangelischen Kirche in Nassau und der Evangelischen Kirche in Frankfurt a. M. und Verfassungsgebende Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau am 30. 9. 1947 und 1. 10. 1947 in Friedberg/Hessen sowie vom 22.–24. 11. 1948 in Frankfurt a. M.-Niederrad. Teil I. Wiesbaden 1949. Kratz, Wolfgang: Geld für die Freiheit. In: Die Zeit vom 6. 11. 1970, 5. Kreibohm, Kurt: Analyse und Auswertung der Stellungnahmen und Reaktionen auf den Beschluß der EKHN zum Anti-Rassismus-Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen. Wissenschaftliche Hausarbeit zum Ersten Theologischen Examen. Marburg 1971 (Manuskript). Kuhlemann, Frank-Michael: Territorialkirchengeschichte. Theoretische und methodische Überlegungen zu einem Forschungskonzept am Beispiel Deutschlands und Österreichs für das 19. und frühe 20. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 117 (2006), 211 – 230. Lau, Dieter : Oberkirchenrat begründet Hilfe für revolutionäre Gruppen. In: Die Welt vom 28. 10. 1970, 6. Leudesdorff, Ren¦: Die uninformierte Kirche. Eine Analyse der Reaktionen auf den Anti-Rassismus-Beschluß von Hessen-Nassau. In: Weltweite Hilfe. Kirche – Diakonie – Gesellschaft. Information für die Gemeinden in Hessen und Nassau 21 (1971), H. 3, 28 – 33. Margull, Hans-Jochen: Die ökumenische Bewegung in den Kirchen und Gemeinden. In: Harold E. Fey (Hg.): Geschichte der Ökumenischen Bewegung 1948 – 1968 (Theologie der Ökumene 13). Göttingen 1974, 460 – 484. Meijers, Erica: Blanke broeders – zwarte vreemden. De Nederlandse Hervormde Kerk, de Gereformeerde Kerken in Nederland en de apartheid in Zuid-Afrika 1948 – 1972. Hilversum 2008.

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Das Programm zur Bekämpfung des Rassismus

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Meyers-Herwartz, Christel: Die Rezeption des Anti-Rassismus-Programms in der EKD. Stuttgart u. a. 1979. Nellessen, Bernd: Kreuz oder Schwert? In: Die Welt vom 27. 10. 1970, 4. Odin, Karl-Alfred: Auseinandersetzung über Geld der Kirche für Partisanen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. 9. 1970, 3. –: Kein deutsches Kirchengeld für afrikanische Guerilla. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. 9. 1970, 3. Ordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 17. 3. 1949. In: Ordnung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau mit Nebengesetzen, Darmstadt 41951, 3 – 23. Ordnung der missionarischen und çkumenischen Arbeit in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. In: Amtsblatt. Evangelische Kirche in Hessen und Nassau 1968, 113 – 114. Raab, David: Terror in Black September : The First Eyewittness Account of the Infamous 1970 Hijackings. Basingstoke 2007. Robertson, Roland: Glokalisierung: Homogenität und Heterogenität in Raum und Zeit. In: Ulrich Beck (Hg.): Perspektiven der Weltgesellschaft (Edition Zweite Moderne). Frankfurt a. M. 1998, 192 – 220. –: Glocalization: Time-Space and Homogeneity-Heterogeneity. In: Mike Featherstone/Scott Lash/Roland Robertson (Hg.): Global Modernities. London u. a. 1995, 25 – 44. Stellenplan zum Haushaltsplan der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau fìr das Rechnungsjahr 1969. In: Amtsblatt. Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, 1969, 20 – 24. Stellenplan zum Haushaltsplan der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau fìr das Rechnungsjahr 1971. In: Amtsblatt. Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, 1971, 63 – 68. Tripp, Sebastian: Die Weltkirche vor Ort. Die Globalisierung der Kirchen und die Entstehung christlicher „Dritte-Welt“-Gruppen. In: Wilhelm Damberg u. a. (Hg.): Soziale Strukturen und Semantiken des Religiösen im Wandel. Transformationen in der Bundesrepublik Deutschland 1949 – 1989. Essen 2011, 123 – 136. Verhandlungen der Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. 3. Kirchensynode, 2. Tagung vom 12.–15. 11. 1962 in Frankfurt a. M. Verhandlungen der Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. 4. Kirchensynode, 2. Tagung vom 2.–6. 12. 1968 in Frankfurt a. M. Verhandlungen der Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. 4. Kirchensynode, 7. Tagung vom 23.–25. 10. 1970 in Frankfurt a. M. Verhandlungen der Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. 4. Kirchensynode, 8. Tagung vom 4.–8. 12. 1970 in Frankfurt a. M. „Vertrauen ist christlicher als Kontrollieren“. Gespräch mit dem Kirchenpräsidenten von Hessen und Nassau Dr. Helmut Hild. In: Der Spiegel Nr. 47, 1970, 57 – 65.

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The End of the Colonial Mindset Apartheid as Challenge for the Protestant Churches in the Netherlands

Global changes and themes, which have been discussed at an international ecumenical level, played a major role in the change of mind which protestant churches in the Netherlands underwent between 1945 and 1972. Discussions on church and society, the end of colonialism with its rising movement of the ‘Third World’ and black consciousness and the formation of international bodies, especially the World Council of Churches (WCC), after the Second World War changed the outlook of Dutch protestants in a radical way. These developments became visible during the debates in these churches on the South African apartheid. Apartheid confronted protestant churches with their own images of black and white, their role in the colonial arena and their view on the role of the church in society. The fierce debate on apartheid was at the heart of deep changes within the protestant churches, which changed from being closed and traditional church communities into more open church communities unto the questions of the modern world. After the Second World War, the century-old brotherly ties with the white Afrikaners1 were still very strong and the spirit of Queen Wilhelmina was still very much alive.2 During the Anglo-Boer wars at the turn of the 20th century, Wilhelmina sent her own ship to rescue the Boer leader Paul Kruger from his English adversaries, receiving him as a hero on the Dutch shores. But a completely different attitude was that of her daughter Juliana, who in 1971 openly supported the ecumenical Programme to Combat Racism from her own financial resources.3 Although this donation was very controversial, it showed how the sympathy of the Dutch had shifted from the white Afrikaners to the black South Africans. The Afrikaner was no longer seen as a victim of their British rivals in the African colonies, but as the oppressor of the majority of the South African population. Blacks were no longer seen as backward heathens, but as courageous freedom fighters. 1 “Afrikaner” is the designation for that part of the white population in South Africa that descends from a mixture of indigenous South Africans, imported slaves and (mostly) Dutch, French and German immigrants from the 17th century on. They were also called “Boers”, pointing to the Republics of Farmers the Afrikaners founded in the 19th century. They lived in constant rivalry with the English over the domination of the colony. 2 Cf. for instance de Boer, Sharpeville, 223 f.; de Graaf, Mythe; Meijers, Broeders, 33 – 40. 3 Cf. Meijers, Broeders, 401 – 403. The official press office of the Netherlands reported the gift on 11. 2. 1971.

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So what happened in the Netherlands to transform the old alliance with the Afrikaners – brethren in the Calvinist faith – into solidarity with the black South Africans, who were strangers to the Dutch? In this article I will try to present some answers to this question. The shift of attention in the Netherlands from the white brothers to the black strangers took place explicitly within the Dutch calvinist churches, due to the strong association of faith between those churches and their South African counterparts. I will focus on the attitude of the two biggest calvinist churches in the Netherlands, the former Dutch established church, the Netherlands Reformed Church (Nederlandse Hervormde Kerk, NHK) and the Reformed Churches in the Netherlands (Gereformeerde Kerken in Nederland, GKN), which seceded from their bigger sister in the 19th century. There are other, smaller, calvinist churches in the Netherlands, but they were not part of my research. Their positions with regard to apartheid were also present within the NHK and GKN. When I talk about the Dutch protestant churches, I am mostly referring to the NHK and the GKN. To prevent misunderstandings from the beginning, it is important to make a clear distinction between the Netherlands Reformed Church and the Dutch Reformed Church (DRC) in South Africa (Nederduits Gereformeerde Kerk), although the latter was once part of the first. Already during the colonial area, however, the DRC became independent from the mother church in the Netherlands. Partnerships were maintained with both Calvinist churches in the Netherlands. This is one of the reasons the change within the Dutch churches with regards to apartheid was not sudden. The DRC and other calvinist partner churches in South Africa did everything they could to convince their Dutch brothers and sisters that apartheid was a just and appropriate answer to the South African situation. The Dutch partners also tried very hard to change the mind of their partners, as they saw them as the key to change. But these talks and exchange of letters could not prevent the decrease of solidarity with the Afrikaners and a growing focus on the black reality in South Africa over a period of about 25 years. Between 1948, when apartheid was installed in South Africa, and 1972, the white brothers more and more became strangers to the Dutch, and the former black strangers became allies. The year 1972 marks a point of no return in this process. By then fraternal criticism of the Afrikaners had turned into public denunciation. Moral support for those who were critical of apartheid had turned into actual support of the black protest against apartheid, and even of the armed resistance movement. A black perspective increasingly replaced the white perspective of South African society. This process was all but easy. It consisted of a multitude of complex changes over time within Dutch churches, global developments and decisions taken by the WCC. We can discern three phases in this shift from a white perspective on apartheid to solidarity with the black victims of apartheid. Each period showed the clear influence of global developments in the local context. During

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the first phase, from 1945 to 1960, the churches tried to cope with the end of the colonial era and renewed their vision on the relation of church and society. The second phase, from 1960 to 1968, was characterized by the rise of black consciousness and leadership in Africa and the United States of America. This deeply affected the attitude in particular of young protestants in the Netherlands. During the third phase, from 1968 to 1972, the decisions of the WCC prompted the Dutch calvinist churches to take a stand when it concerned to apartheid and racism as a whole.

1945 – 1960: A new vision of church and society During the first period, three processes emerged, all crucial to the increasing focus by churches towards the victims of apartheid. Firstly, churches began to take serious interest in society. Secondly, the colonial world picture crumbled and with it old images of white and black were shaken up. Finally, the founding of the WCC in 1948 gave a significant boost to the ecumenical movement. At the end of the Second World War, international relations were deeply influenced by the Cold War ; many people were frightened by the ghost of communism and by increasing turmoil in the colonies. A year before apartheid became the official policy of the South African government in 1948, India gained independence. Ayear later, in 1949, the Dutch government finally accepted Indonesia’s independence. In Africa, many countries were also on the threshold of independence. In this context, apartheid can be seen as the white Afrikaner nationalists’ answer to the collapse of the colonial world in which they had felt at home. The victory of the Nationalist Party in South Africa did not receive much attention in the Netherlands at the time due to the focus of the Dutch being on events in Indonesia. It was only after the transfer of sovereignty to Indonesia that Dutch society hesitantly started to look at the questions of the new world order. The church saw itself confronted with the question of how to contemplate its own position within this world. From the moment that the WCC was constituted in 1948, churches from all over the world struck up contact with one another. Questions about the place of the church in the world and about ‘race’ were passionately discussed within this growing community of churches.4 The NHK participated in the Council from the outset; the GKN preferred, until the beginning of the 1970s, the more closed community of reformed (‘gereformeerde’) churches, the Reformed Ecumenical Synod (RES), which was established after the Second World War by Dutch and white South African churches together. The RES was opposed to the WCC because it was open to churches from denominations which did not 4 Overviews of the discussions on race are found in: Visser ’t Hooft, Movement; Webb, Struggle; Sjollema, Racism.

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accept the calvinist confessional statements. The ecclesiastical relations between the Dutch churches and the South African sister churches were soon heavily influenced by all the issues on the agenda, such as decolonisation, racism and questions related to the secularisation within the churches. In the Netherlands, South Africa was regarded as the country of Afrikaners. The Anglo-Boer wars gave Afrikaners a positive image in the Netherlands, whereas colonial relations mainly produced negative images of black South Africans. Many Dutch people, suffering from the housing shortage and a lack of personal economic perspective, chose to emigrate overseas. South Africa was a popular destination. Primarily because the Afrikaner community was calvinist and spoke a language that was very close to Dutch; one could expect to feel at home quite soon. Most of the immigrants adapted themselves quickly to their new home and easily adopted the white style of living. Without noticing, they also slowly accepted the racially separated world, where blacks were only present as domestic employees. Their letters to their families at home influenced the way South Africa was perceived in the Netherlands. They matched well with the old images of whites and blacks already circulating in the Netherlands. To give but one example: the calvinist writer Louwrens Penning (1854 – 1927) wrote novels about the Anglo-Boer wars, which were still very popular in the fifties. Protestant ministers and parents liked to give them to the children because of the pious tone in his books, in which the white Boers are portrayed as the God-fearing heroes, the blacks as their loyal servants, closely related to animals. In the novel, they are often compared to monkeys and dogs.5 People knew next to nothing about black South Africans and how they really lived. They were unaware of the protest campaigns in South Africa against apartheid during the 1950s. Slowly, however, the introduction of apartheid laws gave apartheid an increasingly bad press. In 1955 the reformed minister J. J. Buskes published the first book against apartheid in the Netherlands, based on a three month stay in South Africa.6 With his background in the peace and workers’ movement, he was more sensitive to the suffering of blacks under apartheid. His book, together with a publication a year later by the historian and poet J. W. Schulte Nordholt about the “negroes” in the United States of America and their history of slavery,7 confronted many in the Netherlands with the so-called “race issue”. When the first travellers from the Netherlands visited South Africa after the Second World War on behalf of the churches, the first observations on apartheid reached the Dutch public.8 Most of them did not reject apartheid as clearly as Buskes did in 1955. The majority only visited the Afrikaner 5 6 7 8

Cf. Penning, Overwinnaar, 349. Cf. Buskes, Zuid-Afrika. Cf. Schulte Nordholt, Volk. Cf. Meijers, Broeders, 64 – 124.

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community ; the black reality being all but completely beyond them. A small group of the former underground movement, mostly patriotic theocrats, even felt very much at home in the Afrikaner environment and identified strongly with the politics of apartheid. K. H. E. Gravemeyer, famous for his protest against the German occupation as the general secretary of the NHK, was this group’s most important representative. He argued that apartheid was a way to protect the “Christian civilization” in South Africa, following the same line of argumentation as the white South Africans themselves.9 But the attitude of the Netherlands Reformed general secretary E. Emmen and the well known reformed missiologist J. H. Bavinck was more common. They chose a critical yet understanding position and emphasized a humane attitude towards the “other race”.10 From the very beginning, the visitors from the WCC had a different approach. Their aim was not to reinforce contacts with the Afrikaner churches after the long silence during the war, but to study apartheid and find an ecumenical answer to it. The theologians J. C. Hoekendijk and W. A. Visser ’t Hooft, general secretary of the WCC, who visited South Africa in 1950 and 1952 respectively,11 not only visited the white community, but also talked to black leaders like Albert Luthuli and Manilal Gandhi, which gave them a different and more critical view about apartheid than the representatives of the Dutch churches had done. As a consequence, Hoekendijk and Visser ’t Hooft understood apartheid as a social-economic issue, meaning a class issue. Hoekendijk was even more outspoken and compared apartheid with a caste system, as it was impossible to cross the colour bar.12 Concerns about apartheid were dictated by the desire to prevent the church from failing the poor black world population as it failed the workers in the 19th century. Yet suspicion of and aversion to apartheid were principally rooted in the Second World War, the experiences during the German occupation, the confrontation with the ideology of national socialism and the shock of the persecution of the Jews. Especially important was the discernment that, in South Africa too, people were being excluded because of their “race”. And this time the exclusion was even based on the same faith that had inspired several of these scouting visitors to resist the racist national socialism. Both Buskes and Hoekendijk identified “self-preservation” as the core motive of apartheid. As ecumenical pioneers from the Netherlands they influenced the Dutch churches a lot and played a vital role in the shift from a “mission-oriented” towards a “justice-oriented” perspective. At the end of this 9 Cf. K. H. E. Gravemeijer, Verslag van mijn reis naar Zuid-Afrika 1947, Archief SecretariaatGeneraal nr. 2.19.074.30, inv. nr. 945 (1947). 10 Cf. Bavinck, Rassenvraagstuk (Zuid-Afrika); Idem, Rassenvraagstuk (probleem); Mulder, Dick C.: Bavinck en Emmen over Zuid-Afrika. In: Trouw of 6. 7. 1972. 11 Cf. their reports in: J. C. Hoekendijk, An Informal Travel Diary, Archief Hoekendijk, handschriftencollectie C20; Visser ’t Hooft, Visit. 12 Cf. for more backgrounds on these theologians Meijers, Broeders, 104 – 124.

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period, apartheid was less understood in terms of cultural plurality, historically based on the Dutch people’s experience in Indonesia, and was increasingly interpreted as a matter of justice and equality.

Church and State The various views held by the Dutch churches on apartheid were closely connected to the way in which the public witness of the church was assessed. Almost immediately after the war the interwoven relationship of church, people and state, in Afrikaner churches, clashed with the new attitude of the NHK towards society, which took its form during and shortly after the war. With the WCC, the NHK Board shared the view that the church must bear witness of Christ to the world, because of His solidarity with the world, and in particular with the poorest of people in it. In its letters to the Afrikaner community the Netherlands Reformed Synodal Board13 gave more importance to the prophetic role of the church in society than to the solidarity between churches. The relations between the NHK and their white South African partners cooled down quickly. In contrast to the NHK, the GKN considered good relations between churches to be very important after they suffered a schism in 1944 that made them lose much of their self-confidence. Because of the fear of causing another break between brothers of the same faith, the leaders of the GKN for a long time were very understanding towards the white South Africans. But as a consequence of the same schism in 1944, the Reformed bastion, once so closed, opened up, and plurality entered the Reformed scene. This caused a fierce debate with the Afrikaner churches about the “modernization” of the Dutch churches, which was repudiated by the traditional South Africans. The GKN however, were not so “modern” as to become members of the WCC, like the NHK had already done as soon as the WCC was founded. Instead, after the war, the Reformed Ecumenical Synod was founded with Afrikaner churches as important members. Because of the impact of the founding father of the Reformed Churches, Abraham Kuyper, on the understanding of the relationship between church and state, and faith and politics, the GKN hesitated to speak out on the matter of apartheid. The church as an institution should not get involved in political matters. At the same time, many of its members felt a special responsibility towards South Africa, being aware that South African 13 E. g. the message of the NHK to the South African partner churches on the occasion of the memorial of Jan van Riebeeck, 18. 2. 1952, Archief Secretariaat-Generaal, nr. 2.19.079.46, inv.nr. 262 (1952 – 1957); cf. also Letter of the Board to one of the South African sister churches on the Cottesloe conference, 28. 2. 1961, Archief Secretariaat-Generaal, nr. 2.19.079.46, inv.nr. 458 (moderamen 1958 – 1961).

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theologians referred to Kuyper’s idea of sphere sovereignty as a justification of the apartheid system. More outspoken than both Dutch churches, the WCC in the fifties combined a public rejection of “segregation based on race” with attempts to have discussions with all South Africans. The World Council did not limit itself to church contacts. The ecumenical movement linked unity of the churches indissolubly with unity of humankind. Thus the church’s dealing with apartheid became crucial in the discussion about the actual significance and role of the church in society. As a conclusion for the period between 1945 and 1960, we could say that the calvinist churches in the Netherlands became more and more critical about apartheid. Different positions can be discerned, from a radical anti-apartheid view to a friendly but critical approach. These differences were mainly caused by different views about the relationship between church and society. For both churches as well as for the WCC, the changes in the world due to the independence of former colonies meant the beginning of a change in the way the position of blacks and whites was perceived: justice became more important in the relations between black and white. In the same time, whites were still the main contacts and apartheid was looked upon from a white perspective. Both the Dutch churches and the WCC attempted to involve Afrikaner churches in the international church community, thus preventing their isolation. Ecumenical contacts and contacts between churches would in the long run change the view of the Afrikaners on apartheid, so they argued. As a matter of fact, South Africa was seen as a white country having a race problem. As the inventors of apartheid, the white Afrikaners were regarded as the ones holding the key to change.

1960 – 1968: Rise of black consciousness This approach became the subject of discussions after 1960. When 69 peaceful protesters were shot in the back by the police in Sharpeville on 21 March 1960, a new phase in the apartheid debate began. The repressive character of apartheid was revealed to the world and apartheid was condemned by most international bodies. The question was raised as to whether the white Afrikaners were still partners to be negotiated with. In South Africa, the resistance movements African National Congress (ANC) and Pan African Congress (PAC) were banned. Both reacted with the constitution of an armed force. Violence was no longer a taboo in the struggle now that every opportunity to protest peacefully had become impossible.14 This reaction 14 Cf. Reeves, Shooting; Lodge, Politics; Sparks, Mind.

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cannot be understood without the emerging black self-consciousness all over the world, which characterized the years 1960 – 1968. Along with general public opinion in the Netherlands, the Dutch protestant churches reacted with shock to the bloodbath in Sharpeville; apartheid was for the first time publicly condemned in the media and by the parliament. The protestant newspaper Trouw, until then representing a critical yet understanding position towards apartheid, wrote in a commentary by the editor-inchief of “the bankruptcy of apartheid”15. Two days after the shooting a spontaneous manifestation took place in front of the South African Emigration office in Amsterdam.16 Synods were pressed to speak out. Yet, solidarity with the white sister churches and the hesitation, especially within the GKN, to enter the political arena, prevented public denunciation. The Synod of the GKN felt the strong need to explain this no longer self-evident position with an official statement.17 Also after Sharpeville, the Netherlands still identified mainly with the Afrikaner community. Apartheid and its religious justification were rejected, but no plea was made for equal political rights for black South Africans. As a member of the WCC the NHK became involved in the churches’ struggle in South Africa, which resulted from the Council’s consultation with member churches in Cottesloe, South Africa, in December 1960.18 The Afrikaner churches, with the exception of a few dissidents, rejected the Cottesloe resolutions that aimed at reconciliation between white and black Christians.19 They also withdrew their membership from the WCC. This experience led the World Council to develop a new approach, where the aim was no longer to assemble all the involved parties around one table to find solutions, because the Afrikaner churches refused to do so. The Council began to drop the strategy of preventing the isolation of the white churches and intensified relations with black churches and black movements against apartheid. For the Dutch churches, the Sharpeville incident did not trigger the establishment of contacts with black South Africans, but rather brought on a first confrontation with black reality. Talks between the NHK and the Afrikaner churches became increasingly difficult. This was mainly due to the close contacts the NHK established with the dissidents in the Afrikaner churches on to the outcome of the Cottesloe Conference. The GKN however, were not as involved. As the contacts between the Afrikaner churches and the NHK became worse, they felt under more pressure to maintain relations, 15 Cf. Trouw of 24. 3. 1960. 16 De Volkskrant and Het Parool of 24. 3. 1960. 17 Cf. Acta van de Generale Synode van de Gereformeerde Kerken in Nederland, Utrecht, art. 516 (13. 5. 1960). 18 Cf. World Council of Churches, Mission. 19 Cf. World Council of Churches’ Consultation (Cottesloe). A good overview of the whole struggle within the South African churches after Cottesloe, is given by Walshe, Church.

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because they were more or less the only ones who still communicated with the Afrikaners. The aim of these contacts now was to convince the Afrikaner churches that they should abandon their support of apartheid. The white South Africans were still regarded as the ones that held the key to change. If they would undergo a change of mind, apartheid could be abolished. But this position was increasingly questioned within the churches. To understand the tension this caused, we have to take into account the global developments in the 1960s. The Dutch responses to black movements of protest and revolt in Africa and the United States can be described as ambivalent. On the one hand, the American civil rights movement and the African movements for independence were acknowledged for their appeal to the western values of freedom and equality as universal values. For the first time, white Europeans witnessed the appearance of self-aware black leaders such as Albert Luthuli, Eduardo Mondlane and particularly Martin Luther King. The colonial image of blacks as dependant and childlike creatures came under correction. Reconciling black and white became a key ambition of churches. But on the other hand, the black leaders pleaded for an independent black or African course, breaking away from western values, churches responded with rejection and dislike. Opting for resistance in the form of violence was regarded as a return to barbarism. Stokely Carmichael, the author of the term “Black Power”20, was seen as the absolute opposite of Martin Luther King, although he had been active in the civil rights movement for many years. Indigenous expressions of African churches searching for an authentic African way of being Christian were rejected as pagan. Black identity remained a stumbling block as soon as it turned away from the white world. Within the WCC, the earliest voicing of the global perspective took place at the World Conference on Church and Society in Geneva in 1966. Through contacts with black leaders and churches, a shift came about in the white understanding of black and white relations. Especially in the ecumenical movement, people became more aware of power as an important factor and realised that denunciating racial discrimination must be coupled with fundamental changes in international relations. The global radicalization and polarisation had an impact on Dutch society that was itself changing rapidly. The increasing prosperity, emancipation and secularisation made people more sensitive to the emancipatory demands of others, such as black people. Policymakers from the NHK went along with the course set out by the WCC, causing a small group to oppose such “horizontalism”. The Netherlands Reformed Synod was the first to officially condemn racial discrimination in a pastoral letter in 1962.21 In the Reformed Churches, some feared the loss of traditional values whereas others strove for 20 Cf. Carmichael/Abu Jamal, Stokely. More on the ambiguous reaction to black movements cf. Witvliet, Messiah. 21 Cf. Het Rassenvraagstuk (accepted by the Synod on 25. 6. 1962).

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more openness, which became apparent in the first rapprochement of the GKN and the NHK. Due to the internal discord, church discipline could no longer be strictly applied. As a result of the polarisation within the GKN, taking decisions about South Africa and apartheid became an arduous process. In 1963, Afrikaner dissidents founded the ecumenical Christian Institute as a consequence of the Cottesloe conference. The aim was to carry out the Cottesloe resolutions that aimed at reconciliation between white and black Christians. This institute was to be as strongly opposed by the Afrikaner churches as they were opposed to everything “Cottesloe” stood for. When the white South African theologian Christiaan Frederick Beyers Naud¦ became the director of the Institute, he was expelled from his church, the DRC. The Institute increasingly worked closely with black Christians, taking over their perspective on apartheid. As the black churches radicalized, the Institute would follow them. In Dutch churches the growing interest for victims of apartheid had its repercussions especially in debates about this Institute. It was thanks to the efforts of a small group from both of the Reformed churches that the Christian Institute was introduced into the Netherlands. The journalist Ben van Kaam and the former missionary in Indonesia Jo Verkuyl took the initiative to raise money for the Institute and brought their work to the attention of the Dutch public. From 1963 onwards the Dutch newspaper Trouw sided with the Christian Institute. With an exchange of pages with De Burger, one of the leading newspapers of the Afrikaner Community, it tried to stimulate discussions on apartheid. During the 1960s, Trouw, with the journalists Ben van Kaam and Henk Biersteker, was undoubtedly the best informed newspaper about South Africa. It slowly radicalized and most of its protestant readers with it. In the GKN, conflicting feelings were at play, with solidarity with sister churches on the one hand, and on the other hand the conviction that the Institute’s director Beyers Naud¦ deserved support in his struggle to reconcile black and white Christians. A small group of fierce anti-communists shared the Afrikaner churches’ distrust of the Institute. Others understood the activities of the Institute in the greater context of development issues and opposition of inequality world-wide. They no longer shrank from confrontation with the sister churches. The dissension paralysed the decision making for a long time. It took until the late 1960s for the GKN to give support to the Institute. The NHK sided with the Institute from the start, which caused further estrangement between the Dutch and the white South African church leadership. A small disquieted group within the NHK pleaded for more understanding for the Afrikaners. By this time most members of the GKN and the NHK still had their hopes set on an official change of course in white calvinist South African churches. Nevertheless, black reality in South Africa came closer, mainly because of the increasing cooperation of the Christian Institute with black Christians. Startled by the police violence in Sharpeville

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and touched by Martin Luther King’s dream, Dutch churches were willing to learn in this regard. In 1968 this process shifted up a gear.

1968 – 1972: A change of perspective During the years 1968 – 1972, the black experience of apartheid became the leading paradigm of Dutch churches. The assassination of Martin Luther King in April 1968 brought about a change of mind especially among young people. Nice phrases and resolutions no longer sufficed. The interaction with black leaders increasingly determined church policy. The self-evident identification with Afrikaners became problematic. This change of perspective became apparent for the first time in 1968. That year the Uppsala Assembly of the WCC passed a resolution on a fiveyear plan to fight racism. A new secretariat on nothing less than “the elimination of racism” came into existence and the ecumenical Programme to Combat Racism (PCR) was born.22 In 1969 a consultation in Notting Hill with representatives of African freedom movements and the American Black Power movement convinced the Council’s Central Committee to encourage churches to take a stand of solidarity. Thus the ecumenical understanding of racism shifted. By opting for the term “racism”, the Council departed from its previous neutral position. This was an acknowledgement of the complexity of the relations between black and white in the sense that it encompassed not only a mind-set, but also implied a political and economic framework which placed the whites in a dominant position. The PCR’s priority was the redistribution of power to the victims of white racism. Because of this position the World Council dominated the churches’ agenda between 1968 and 1972 worldwide, as can be clearly seen in the fierce responses from both South Africa and western member churches.23 The heated debate concentrated on the use of violence, especially because of the PCR’s Special Fund that gave financial aid without prerequisites to organisations, such as freedom movements in Southern Africa, which were combating racism. The Third World embraced the programme as a concrete contribution in the struggle for equal power relations between black and white. Within the western member churches of the ecumenical movement, however, there was displeasure about the new course. At the end of October 1969 a small group of supporters of the Christian Institute met secretly in the Dutch village of Ulvenhout to discuss their uneasiness about the strengthening ties with freedom movements and voice their preference for the traditional way of the church. Among them were 22 Cf. Goodall, Uppsala, 241 f.; van der Bent, Breaking, 36. 23 For the programme’s implication in Germany, please cf. contribution by Tripp in this volume.

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Beyers Naud¦, Jo Verkuyl and Visser ’t Hooft.24 Naud¦ told the group about the radicalization in South Africa. More and more black activists regarded it as an illusion to think that a rational and open witness approach could convince the white minority to change their ways. Blacks were following the Black Power movement in the US with great interest and black consciousness was rising in South Africa, too. Black (church) leaders looked at the Christian Institute more and more as “the last pathetic but useless attempt on the side of the whites to modify a fundamentally intractable situation”25. Those present in Ulvenhout viewed this new situation with great hesitation. No one wanted to believe that the time had come for a revolutionary, and maybe even violent solution.26 Rather than promoting black resistance, they pleaded for an intensified dialogue between black and white. The by this time retired WCC general secretary Visser ’t Hooft looked at Black Power as a form of apartheid, since blacks were striving to preserve and develop their own identity as blacks. Not everybody agreed with this description and the meeting discussed once again the meaning of apartheid. Visser ’t Hooft did not want to speak of “tyranny” with regards to apartheid. He preferred to call it a patronizing system.27 The answer to apartheid could never be a revolution, but instead it should be development and consultation. White leaders, he believed, should be convinced to allow blacks to participate in decision making. Visser ’t Hooft compared the situation of the white churches in South Africa with the situation of the German churches under Nazism: they found themselves in a “status confessionis”: the integrity of the church as a whole depended on their choice to support or to fight apartheid and its theological justification.28 Nevertheless he refused to compare national socialism with apartheid. In fact, not much had changed in the vision of Visser ’t Hooft since the fifties. The cooperation with freedom movements was regarded with great reservation. He wanted to allow it only if contacts were made through the South African Council of Churches (SACC), which since its foundation in 1968 openly took a stand against apartheid. Visser ’t Hooft seemed to forget that every contact with freedom movements was by then forbidden by law, which made such consultation with

24 Cf. letter J. Bos aan J. de Bruijn (to B. Naud¦), 16. 9. 1969, Kairosarchief, Intern en Extern 1.8a. Others present: Robert Bilheimer (organisator Cottesloe for WCC), Alan Booth (WCC), Siegfried Groth (Africa secretary Rheinische Mission) and C. Burgess Carr (secretary of the All African Council of Churches). For an extended report on the meeting, cf. C. B. [C. Burgess Carr], Report on a Private Consultation on Southern Africa called by Baron F. L. S. van Tuyll van Serooskerken and Alan Booth, Ulvenhout consultation on South Africa. Summary of Practical Conclusions, WCC Archives 42.3.020/3. 25 Booth, Consultation on South Africa convened by Baron van Tuyll van Serooskerken, 31. 10. 1969, 2, WCC Archives 42.3.020/3. 26 Cf. Booth, Consultation on South Africa convened by Baron van Tuyll van Serooskerken, 3, and C.B. [C. Burgess Carr], Report on a Private Consultation, 3, WCC Archives 42.3.020/3. 27 Cf. C.B. [C. Burgess Carr], Report on a Private Consultation, 13, WCC Archives 42.3.020/3. 28 Cf. ibid., 14 – 15.

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SACC practically impossible.29 He preferred that WCC would not speak with freedom fighters at all, but if it had to be the case, the goal would be to convince the fighters to renounce violence. In his memoirs from 1973 Visser ’t Hooft also warned about the WCC becoming a “superchurch”, as he had done many times before. Member churches should have more space to make their own choices. Those who are able to read between the lines, understand that for Visser ’t Hooft, the WCC with the PCR was moving too far ahead of member churches, although he never openly says so. Here he pointed to a very real problem, as the critical reactions of the (western) member churches to PCR show.30 Visser ’t Hooft seemed to be afraid that the spirit of revolution and anti-racism would turn the church into a means to an end. But he warned only that all human means must be put under the test of the gospel. In his memoirs from 1973 when heated debates on racism were dividing the churches, he didn’t mention the PCR at all. He did not write about the Uppsala Assembly either. In the ecumenical movement it was a public secret that Visser ’t Hooft doubted the new direction the WCC took since 1968, but he never openly was opposed to the PCR. He remained loyal to the WCC at all times. The new generation of Dutch anti-apartheid activists, however, was not concerned about the churches so much and had even less understanding for the Afrikaners than those present in Ulvenhout. They wanted the oppression in South Africa to be ended and related more and more to the black South Africans.

Violence This new radicalism within the Dutch Churches led to new clashes between Dutch and white South African Reformed at the Reformed Ecumenical Synod of August 1968 and the Reformed Synod of March 1970. The main issue was whether to follow the NHK, the ecumenical organisations and the SACC and condemn apartheid, or to prioritize both the bond and the dialogue with the Afrikaner churches. These turbulent meetings, both held in Lunteren, publicly undermined the image of one band of “brethren”. The main players were ReinJan van der Veen and Jo Verkuyl who represented the GKN, and Koot Vorster, leader of the Dutch Reformed Church in South Africa and brother of the South African Prime Minister John Vorster. During the Reformed Ecumenical Synod, Verkuyl quoted one of the leaders of the Namibian freedom movement, Toivo Ya Toivo. Vorster refused to listen. Verkuyl said: “Balaam even had to listen to a donkey ; why do you not want to listen to me?” Vorster replied: “I would listen to a donkey, but I refuse to listen to a terrorist!”31 29 Cf. Meeting Kairos 4. 9. 1969, Personal Archive van Kaam. 30 Cf. Visser ’t Hooft, Beweging, 70, esp. chapter 2, 35. 31 “Na geheime stemming. Minderheidsnota van de GOS-tafel”. In: Trouw of 23. 8. 1968.

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Verkuyl and his group wanted a clear condemnation of apartheid, but the majority felt that it was not the task of the church to be politically specific: both of the synods only condemned discrimination and exclusion in general terms. Immediately afterwards, Vorster claimed victory : apartheid and discrimination or even racism should be seen as two completely different things: in South Africa there was separate development – the South African expression for apartheid, seen as the separate development of two or more equal groups – but there was no discrimination. Despite the differences between the two reformed churches, within both of them three groups can be distinguished with regards to apartheid: one small group defending apartheid; a second group, which was the largest, wishing the church to deal with general issues and spiritual matters only ; and a third group promoting the combat of racism by giving active support to black opposition and resistance.32 Even though the conflicting views led to a deadlock between these groups, the black perspective featured more prominently in the discussion. Of importance in this regard was the foundation of the Kairos working group in 1970, since it brought together people of different denominations to support the Christian Institute and fight apartheid. Kairos would play an important role in influencing church opinion maintaining pressure at synod level. At the same time, the attitude of churches towards apartheid changed rapidly due to developments in the Netherlands, South Africa and the ecumenical movement. The increasing oppression in South Africa – which no longer spared the clergy – and the Christian Institute’s clear choice for supporting black opposition had an impact on the Netherlands. Black theologians studying in the Netherlands also played a significant role in this process. The main catalyst in this shift of perspective was the debate about the PCR. In the debate about the church and violence, the fundamental issue was whether the church can participate in a just revolution, or if armed struggle is reserved for the state only.33 Divergent views on the role of church and state were greatly decisive for the position they ultimately took with regard to the PCR. In 1972, the NHK decided to back the PCR and therefore sided with black resistance. Confronted with new views on racism after ultimately joining the WCC in 1971, the GKN were more reluctant to distance themselves from the Afrikaners, but in 1978 they decided to give their support to the PCR as well. The Afrikaner churches immediately broke off all contacts. Although the GKN took more time to come to a clear position, the development was not different from that of the NHK: apartheid had confronted both churches with their own 32 Cf. Meijers, Broeders, 463 – 468. 33 Cf. for instance the advice of ROS (Raad voor Overheid en Samenleving) of the Netherlands Reformed Church, 1971 and their nota Revolutie en Gerechtigheid from 1968, Archief Secretariaat-Generaal, nr. 2.19.079.46, inv. nr. 856 (Wereldraad van Kerken 1971); J. A. H. J. S. Bruins Slot, Commentary of the chief-editor. In: Trouw of 6. 3. 1971, and a lot of other correspondence and articles in Journals and Magazines. Cf. Meijers, Broeders, 419 – 461.

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images of black and white, their role in the colonial area and their own view of the place of the church in society. All this led to a decreasing solidarity with the Afrikaners and growing attention for black reality in South Africa. Because of this, relationships with the Afrikaners had become truly problematic. The question whether the Afrikaners could still be regarded as brethren of faith called into question the conviction that one should not abandon fellow believers, however they may err.

Reconciliation Reconciliation lies at the heart of the Christian faith and is at stake in issues such as apartheid and the relationship between the church and the world. The different views on reconciliation largely defined the attitude towards apartheid. Even though there was general consensus that racism is irreconcilable with the Pauline theology of reconciliation, three groups can be distinguished within both the NHK and the GKN. The two churches increasingly cooperated with regards to apartheid and South Africa and although the way they reached a conclusion often was very different due to different historical and cultural contexts and to different structures of decision, the result often was more or less the same, even if not always at the same time. Also theologically, the differences between the two churches became smaller and smaller. That is why at the end of this article we can speak of three groups that can be found in both churches. One group warned against the identification of reconciliation between God and people on the one hand and reconciliation between people from different nations, classes and races on the other. A strong emphasis on the personal relationship with God was combined with the conviction that a Christian should obey the State. Most supporters of apartheid belonged to this group, although not all who held this view defended apartheid. Within the NHK this group was represented by the broadsheet “Getuigenis” (Witness), which was signed by professors such as G. C. van Niftrik, G. P. van Itterzon and H. Jonker. When the Witness was discussed at the Reformed Synod, van Niftrik said: “Not so long ago some people thought that God spoke in the national socialist revolution. Today he is heard again in other revolutions. Let us not forget how precarious it is to detect tracks of God in history.”34

The second view on reconciliation can be defined as a model of harmony. It voiced hesitation in linking the church with political organisations; it regarded victims of apartheid as objects of aid instead of as equal partners, and 34 Minutes Synod Netherlands Reformed Church, 17. 11. 1971 (supplement 18. Supplement 15 is the Witness itself).

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it urged the church not to abandon the white Afrikaners. These arguments were based on a specific perspective on the role of the church as being to negotiate between partners in conflict as a contribution to reconciliation. The call for reconciliation excluded the focus on power. Reconciliation was understood as a spiritual matter and likewise racial discrimination (the term racism was seldom used by this group) was understood as an ethical and spiritual problem. Racial discrimination had to be tackled at its root, which lay in the minds of white people. In this group, which was the largest of the three, one could find a defender of the PCR such as the missiologist Jo Verkuyl35 as well as an opponent, such as the president of the synod of the GKN during this period, P. G. Kunst. The idea that a change of mentality contains the solution to racial discrimination was present already in the views of J. H. Bavinck during the fifties and repeated almost word for word by an important theologian like Herman Ridderbos at the synod with South African visitors in 1969.36 The third view of reconciliation developed within the ecumenical movement. In this view equal dialogue between black and white could only be possible if the unequal power relationship was addressed. Reconciliation was possible only if it was intertwined with doing justice. Racism undermined reconciliation par excellence and could not be tolerated in the process of negotiation. This view on racism and reconciliation disqualified the white churches as independent bodies, since they were party to the conflict. Important representatives of this vision were Albert van den Heuvel, general secretary of the NHK from 1973 until 1980 and before that on the staff of WCC, Rein-Jan van der Veen, minister of the GKN and secretary of the committee “Betaald Antwoord”, which collected financial support for PCR in the Netherlands and the journalist Ben van Kaam. Rein-Jan van der Veen wrote in a letter to the synod: “The WCC understood that her service to reconciliation in situations of conflict should be twofold: she should take sides with the suppressed, in real solidarity, and openly confront the oppressor.”37

None of these three interpretations of reconciliation won in the debate about apartheid. They continued to play a role afterwards. The third view was the motor of the debate and placed victims of apartheid at the centre of the discussions. The injustice inflicted on the victims increasingly dominated the church debate. After 1972 this process became irreversible. South Africa was no longer regarded as a white country with a black problem, but as a black country under white oppression.

35 Cf. for instance Verkuyl, Notities; idem, Revolusie. 36 Cf. Ridderbos, Zuid-Afrika. 37 R. J. van der Veen, ‘Wat de WCC wil en niet wil, kan en niet kan’ 2. 12. 1970, WCC Archives 4223.3.02/3. Translation: E. Meijers.

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Conclusions In 1972, only very few people in the Netherlands still had sympathy for apartheid. The view largely held during the 1950s, that apartheid was acceptable as a practical solution for a limited time, became marginalized. The position of those still hanging on to this view hardened over the years – they developed into real advocates of apartheid. Due to the increasing repression in South Africa, the space that still existed in the 1950s to question the practicability and ethical tenability of apartheid had become practically nil. Although the largest group still thought that apartheid had to be challenged by dialogue with the white churches – since they were in power and therefore held the key to change – and that the root of evil existed more in the mentality of people than in the structures of society, nevertheless most people in this group, whose representatives could be found in both calvinist churches, were much more aware of the humanly opprobrious character of apartheid. The position which changed most was the ecumenical position, although in the ecumenical movement and the WCC the discussion about the right method to combat apartheid and racism never stopped. Yet it is undeniable that most changes in the vision of racism and apartheid first occurred within the WCC before they found their way to the Dutch (and other) churches. The decision to actually support the black resistance movement with the aim of making a transfer of power had never been taken by a church before. This position did not exist in the 1950s. The conclusion must therefore be that the changing insights and understandings within the ecumenical movement during the years from 1948 to 1972 constituted the driving force for the changes of politics within the Dutch protestant churches. And those insights within the ecumenical movement came about as a result of an open confrontation with colonialism, racism and black consciousness and relations of power within the churches themselves. It was mainly thanks to the WCC that the NHK and the GKN were able to play an important role in the awakening of Dutch society to apartheid. The WCC deeply influenced the Dutch churches by viewing apartheid from a black perspective at an early stage. Through the intense contacts that existed between the WCC and the NHK, especially, the WCC transmitted their point of view to the Dutch churches, asking them for action and most of all, by bringing them into contact with black leaders from South Africa and the United States. Due to the contacts the churches had in South Africa, the Dutch public was well-informed about the situation in that country. People like Beyers Naud¦, and later Allan Boesak, who greatly influenced the public opinion about apartheid, came to the Netherlands through the churches. The problematic bonds of faith with the white brethren made the churches feel especially responsible about bringing some change in the South African society. It was not a coincidence that almost all anti-apartheid groups in the Netherlands

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were started by ministers and members of the two biggest reformed churches. Therefore, with some caution, I dare to say that these churches have played a crucial role in making Dutch society aware of apartheid. Socialist parties, trade unions and journals took a stand against apartheid earlier than the churches did, but their influence in Dutch society was probably less.38 At the same time, the Dutch churches were deeply changed as a result of their role within society : they no longer saw themselves in opposition to modern society, but as part of it, even if they remained critical. The NHK and the GKN got involved even more intensely with the debate on apartheid after 1972.39 At a theological, an economic and a church level, many issues were put on the agenda. By the time the air was filled with rumours about ANC leader Nelson Mandela’s pending release the Dutch protestant churches had developed a full policy on South Africa. There was no church body left that had not been engaged in the discussion on apartheid. But this intense involvement would not have been possible without the fundamental turn from a white to a black perspective that occurred in the period before 1972.

Sources and Bibliography I. Unpublished Sources Archief Johannes Christiaan Hoekendijk (Archief Hoekendijk) Afdeling bijzondere collecties van de universiteitsbibliotheek van de Rijksuniversiteit Utrecht. [Department special collections of the library of the University of Utrecht]. Archief Secretariaat-Generaal Nederlandse Hervormde Kerk 1945 – 1974, Nationaal Archief Den Haag (Archief Secretariaat-Generaal) Nr. 2.19.074.30, inv. nr. 945 (1947). Nr. 2.19.079.46, inv. nr. 262 (1952 – 1957). Nr. 2.19.079.46, inv. nr. 458 (moderamen 1958 – 1961). Nr. 2.19.079.46, inv. nr. 856 (Wereldraad van Kerken 1971).

38 On the secular anti-apartheid movement, cf. van Beurden/Huinder, Vinger; de Boer, Sharpeville; Buijs, Overtuiging; van Lakerveld, Nederland; Bakker, Boycot; Muskens, Kant. 39 Unfortunately, there is no publication on the involvement on the Dutch churches in South Africa after 1972. For the secular anti-apartheid movement after 1972, cf. note 38. The churches are mentioned in these publications, but no extended research has been done yet.

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Kairosarchief (Kairosarchief) Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis (IISG), Amsterdam Correspondence 1970 – 1975. Minutes Synod Netherlands Reformed Church (Minutes Synod NRC) 17. 11. 1971, supplement 18 en 15. Handelingen der Synodes van de Nederlandse Hervormde Kerk 1948 – 1994 (published until 1966), Utrecht.

Personal Archive Ben van Kaam, Amsterdam (Personal Archive Kaam) Meeting Kairos, 4. 9. 1969.

World Council of Churches Archives, Geneva (WCC Archives) 42.3.020 (1961 – 1971): General Secretariat, Countryfiles, South Africa. 4223.3.02: Programm to Combat Racism (PCR), Special fund. Reactions and letters from the Netherlands 1970.

II. Published Sources and Bibliography a) Newspapers Trouw De Volkskrant Het Parool

b) Bibliography Acta van de Generale Synode van de Gereformeerde Kerken in Nederland, 1946 – 1996. Kampen. Bakker, Robert Jan: De boycot beoordeeld. Een ethische studie over de internationale dwangmaatregelen tegen Zuid-Afrika. Zoetermeer 2007. Bavinck, Johan H.: Het rassenvraagstuk in Zuid-Afrika. Kampen 1954. –: Het rassenvraagstuk, probleem van wereldformaat. Kampen 1956. Bent, Ans van der (ed.): Breaking down the Walls. World Council of Churches’ Statements and Actions on Racism 1948 – 1985. Geneva 1986. Beurden, Jos van/Huinder, Chris: De vinger op de zere plek. Solidariteit met ZuidAfrika 1961 – 1996. Amsterdam 1996. Boer, Stefan de: Van Sharpeville tot Soweto. Nederlands regeringsbeleid ten aanzien van apartheid, 1960 – 1977. Den Haag 1999.

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Buijs, Frank: Overtuiging en geweld. Vreedzame en gewelddadige acties tegen de apartheid. Amsterdam 1995 Buskes, Jan. J.: Zuid-Afrikas apartheidsbeleid: onaanvaardbaar. The Hague 1955. Carmichael Stokely/Abu Jamal, Mumia: Stokely Speaks. From Black Power to Pan-Africanism. Chicago 2007. Goodall, Norman (ed.): The Uppsala Report 1968. Geneva 1968. Graaf, Bart J. H. de: De Mythe van de Stamverwantschap. Nederland en de Afrikaners 1902 – 1930. Diss., Amsterdam 1993. Lakerveld, Carry van (ed.): Nederland tegen apartheid. Den Haag/Amsterdam 1994. Lodge, Tom: Black Politics in South Africa since 1945. Johannesburg 1983. Meijers, Erica: Blanke broeders – zwarte vreemden. De Nederlandse Hervormde Kerk, de Gereformeerde Kerken in Nederland en de apartheid in Zuid-Afrika 1948 – 1972. Hilversum 2008. Muskens, Roeland: Aan de goede kant. Een geschiedenis van de Nederlandse antiapartheidsbeweging 1960 – 1990. Promotion Universiteit van Amsterdam. September 2013 (unpublished). Penning, Louwrens: De overwinnaar van Nooitgedacht. Zwolle 1903. Het Rassenvraagstuk. Herderlijk Schrijven vanwege de Generale Synode van de Nederlandse Hervormde Kerk. ’S Gravenhage 1963. Reeves, Alan: Shooting at Sharpeville. The Agony of South Africa. London 1960. Ridderbos, Herman: Zuid-Afrika op de synode. In: Gereformeerd Weekblad 25, Nr. 37 (13. 3. 1970), 242 – 243. Schulte Nordholt, Jan Willem: Het volk dat in duisternis wandelt. De geschiedenis van de negers in Amerika. Arnhem 1956. Sjollema, Baldwin: Combating Racism: A Chapter in Ecumenical History. In: The Ecumenical Review 56 (2004), no. 4, 470 – 479. Sparks, Alan: The mind of South Africa. New York 1990. Verkuyl, Jo: Enkele notities over de achtergrond, het ontstaan en de taak van het Programma ter Bestrijding van het Racisme van de Wereldraad van Kerken. In: Wereld en Zending 1 (1972), Nr. 4, 241 – 250. –: Geweldadige Revolusie aanvaarbaar? In: Pro Veritate 10, Nr. 7 (15. 11. 1971), 18 – 19, 21. Visser ’t Hooft, Willem A.: A Visit to the South African Churches. A report to the Central Committee of the WCC. London 1952. –: Heeft de oecumenische beweging toekomst? Kampen 1973. –: The Ecumenical Movement and the Race-problem. Geneva 1954. Walshe, Peter : Church versus State in South Africa. The Case of the Christian Institute. London/New York 1983. Webb, Pauline (ed.): A Long Struggle. The involvement of the World Council of Churches in South Africa, Geneva 1994. Witvliet, J. Theo: The way of the Black Messiah. The hermeneutical challenge of black theology as a theology of liberation. Bloomington 1987. World Council of Churches (ed.): Mission in South Africa. Geneva 1961.

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World Council of Churches’ Consultation with Member-churches in South Africa, Cottesloe, Johannesburg, 7 – 14 December, 1960. In: The Ecumenical Review 13 (1960 – 1961), no. 2 (1961), 244 – 250.

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IV. Anhang

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Anhang

Repräsentation von Afrika, Asien und Lateinamerika im Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) von 1948 – 1975 A. Gesamtdarstellung der Repräsentationsverhältnisse 1948 – 1975

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Repräsentation von Afrika, Asien und Lateinamerika im ÖRK

B. Einzeldarstellung der Repräsentationsverhältnisse 1948 – 1975 1. Vollversammlung des ÖRK in Amsterdam 1948 146 Mitgliedskirchen

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Anhang

2. Vollversammlung des ÖRK in Evanston 1954 162 Mitgliedskirchen

503 Delegierte

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Repräsentation von Afrika, Asien und Lateinamerika im ÖRK

3. Vollversammlung des ÖRK in Neu-Delhi 1961 196 Mitgliedskirchen

575 Delegierte

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Anhang

4. Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 223 Mitgliedskirchen

709 Delegierte

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Repräsentation von Afrika, Asien und Lateinamerika im ÖRK

5. Vollversammlung des ÖRK in Nairobi 1975 260 Mitgliedskirchen

687 Delegierte

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Repräsentation von Afrika, Asien und Lateinamerika im ÖRK

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Repräsentation von Afrika, Asien und Lateinamerika im ÖRK

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Biographische Profile Die folgenden biographischen Profile stellen ökumenische Persönlichkeiten vor, die in den 1960er und 1970er Jahren auf ökumenischen Konferenzen vertreten oder zeitweilig im Stab des ÖRK tätig waren und in besonderer Weise die theologischen, kirchlichen oder gesellschaftspolitischen Diskussionen oder Programme dieser Zeit geprägt haben. Die Auswahl der Personen basiert auf den im Sammelband genannten Namen, erhebt aber nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Die biographischen Profile wurden während des Forschungsprojektes aus verschiedenen Lexika, Zeitungen, Zeitschriften sowie mehrsprachigen Online-Datenbanken zusammengestellt. Für die Unterstützung bei den Recherchen bedanken sich die Herausgeberinnen bei Christian Albers, Sebastian Sell, Catharina Volkert und Mario Wiedelmann. Dank gebührt auch zahlreichen Zeitzeugen, die uns in Gesprächen wichtige biographische Informationen mitteilten, die andernfalls nicht hätten erhoben werden können.

Abrecht, Paul Robert (1917 – 2005) US-amerikanischer Theologe und Sozialethiker. Abrecht studierte Theologie an der Berkeley Baptist Divinity School sowie christliche Ethik am Union Theological Seminary in New York unter Reinhold Niebuhr und John Bennett. Von 1949 bis zu seiner Pensionierung 1983 arbeitete er im ÖRK, wo er in den 1950er bis 1970er Jahren wichtige Impulse für die Positionierung des Christentums im Hinblick auf die modernen ethischen Herausforderungen gab. Abrecht leitete ab 1954 die Abteilung Kirche und Gesellschaft des ÖRK und koordinierte zwischen 1955 und 1961 das Studienprogramm Rapid Social Change, das sich mit den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umbrüchen in Afrika, Asien und Lateinamerika beschäftigte. Eine tragende Rolle spielte Abrecht beim Zustandekommen und der Vorbereitung der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966, wo er die Anliegen der Delegierten der Dritten Welt unterstützte. Allerdings nahm er eine zunehmend skeptische Haltung gegenüber theologischen Konzepten wie der Befreiungstheologie ein. 1979 arbeitete er an der Weltkonferenz über „Glaube, Wissenschaft und der Zukunft“ am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge/USA mit. Adler, Elisabeth (1926 – 1997) Leiterin der Evangelischen Akademie Berlin (Ost). Nach dem Studium der Germanistik und Geschichte arbeitete Adler ab 1950 als Reisesekretärin der Evangelischen Studentengemeinde in Ost-Berlin. Ab 1959 wurde sie EuropaReferentin und stellvertretende Generalsekretärin des WSCF in Genf, wo sie sich hauptsächlich der Integrations- und Versöhnungsarbeit zwischen Ostund Westeuropa widmete. Als erste Frau leitete sie von 1967 – 1988 die

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Biographische Profile

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Evangelische Akademie Berlin (Ost). Sie nahm regen Anteil an der internationalen Ökumene als Delegierte auf den Weltkonferenzen in Genf 1966 und Bangkok 1972/73, sowie als Beraterin auf der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968. Ökumenische Anerkennung verschaffte sie sich insbesondere durch die erste offizielle Auswertung des Programms zur Bekämpfung des Rassismus (1969 – 1975). Nach der Vollversammlung des ÖRK in Nairobi 1975 wurde sie in einen Arbeitsausschuss zur Koordinierung des AntirassismusProgramms gewählt. In den 1990er Jahren reiste sie mehrfach auf Einladung des Südafrikanischen Christenrates als Wahlbeobachterin nach Südafrika. Alves, Rubem (*1933) Brasilianischer reformierter Theologe, Pädagoge und Psychoanalytiker. Alves studierte Theologie am Theologischen Seminar in Campinas/Brasilien und am Union Theological Seminary in New York, wo er 1964 sein Masterstudium beendete. 1968 wurde er am Princeton Theological Seminary promoviert und veröffentlichte im darauffolgenden Jahr seine Dissertation unter dem Titel Theology of Human Hope, die ihn zum protestantischen Wegbereiter der lateinamerikanischen Befreiungstheologie machte. Durch seine enge Verbindung mit der lateinamerikanischen Bewegung für Kirche und Gesellschaft (ISAL) war er für die internationale Ökumene ein wichtiger Dialogpartner. So nahm er u. a. 1972/73 an der Weltmissionskonferenz in Bangkok teil, über die er aus der Perspektive eines Vertreters der Dritten Welt einen Bericht über die Bedeutung der „Mission in einem apokalyptischen Zeitalter“ verfasste. Nach seinen Assistenzprofessuren für Sozialphilosophie und Philosophie in Campinas schloss Alves 1979 eine Habilitation im Fach Pädagogik ab und wurde außerordentlicher Professor der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Campinas. Ab den 1980er Jahren wandte sich Alves verstärkt der Psychoanalyse zu und veröffentlichte zahlreiche Bücher. Baldwin, James Arthur (1924 – 1987) Amerikanischer Schriftsteller, Essayist, Dichter und Bürgerrechtsaktivist. Baldwin wuchs in einer baptistischen Predigerfamilie in Harlem/New York City auf und predigte schon als Jugendlicher in seiner Heimatgemeinde, gab aber diese Tätigkeit aufgrund von Glaubenszweifeln und einem angespannten Verhältnis zu seinem Stiefvater bereits 1941 wieder auf. Baldwins Karriere als Schriftsteller begann in jungen Jahren durch die Veröffentlichung von Essays und Kurzgeschichten in der New York Times. 1948 ging Baldwin nach Paris, wo er sich als schwarzer und homosexueller Schriftsteller frei von amerikanischen Vorurteilen sah. In Paris beendete er die Arbeit an zwei Novellen, u. a. Go Tell it on the Mountain (1957), in der er seine Erfahrungen der Baptistengemeinde verarbeitete. Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten 1957 engagierte sich Baldwin in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Seine gesellschaftlichen und politischen Vorstellungen prägten sein literarisches Werk, wie beispielsweise seine Essay-Sammlung The Fire Next

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Biographische Profile

Time (1963; dt.: Hundert Jahre Freiheit ohne Gleichberechtigung). Baldwin wurde vom ÖRK anstelle des im April 1968 ermordeten Martin Luther King zur Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 eingeladen und hielt dort eine emotionale und aufrüttelnde Rede zum Thema „Weißer Rassismus oder Weltgemeinschaft“. Der Tod Kings sowie die Ermordung weiterer Bürgerrechtler in den USA veranlassten Baldwin dazu, Anfang der 1970er Jahre endgültig nach Paris überzusiedeln. Bennett, John (1902 – 1995) Britischer Theologe und Sozialethiker. Bennett studierte in Oxford Theologie und Ethik und war der ökumenischen Bewegung seit der Konferenz für Praktisches Christentum in Oxford 1937, die er als Sekretär leitete, verbunden. Er brachte sich in die Vorbereitungen für die Gründungsversammlung des ÖRK in Amsterdam ein und war an der Ausarbeitung des sozialethischen ökumenischen Leitkonzepts „verantwortliche Gesellschaft“ beteiligt. Von 1954 – 1961 leitete er als stellvertretender Vorsitzender die Abteilung für Kirche und Gesellschaft und unterstützte in dieser Funktion das ökumenische Programm Rapid Social Change. Federführend war Bennett an der Vorbereitung und Durchführung der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 beteiligt und war Herausgeber eines von vier Vorbereitungsbänden (Christian Social Ethics in a Changing World). Berkhof, Hendrikus (1914 – 1995) Niederländischer Theologe. Nach seinem Theologiestudium in Leiden und einer anschließenden Tätigkeit als Pfarrer lehrte Berkhof von 1950 – 1960 Theologie am Theologischen Seminar der Niederländisch Reformierten Kirche und wurde 1960 zum Professor für Dogmatik und Biblische Theologie an die Universität Leiden berufen. Ab 1974 war Berkhof Vorsitzender des Niederländischen Rates der Kirchen. Mit dem ÖRK stand er bereits seit den 1950er Jahren in engem Kontakt und war von 1954 – 1975 Mitglied im Zentralausschuss. Als Vertreter von Glauben und Kirchenverfassung hielt Berkhof auf der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 eine Rede zum Thema „Die Endgültigkeit Jesu Christi“. Beyerhaus, Peter (*1929) Evangelischer Pfarrer und Missionstheologe. Beyerhaus studierte Theologie in Berlin, Halle (Saale), Heidelberg, Bonn, Uppsala und Bethel. Zwischen 1955 und 1957 war er als Pfarrer in Berlin tätig und promovierte 1956 im Bereich der Missionswissenschaften an der Universität von Uppsala. In den darauffolgenden Jahren lebte er im Auftrag des Berliner Missionswerkes als Missionar und Dozent in Südafrika. Nach seiner Rückkehr übernahm er 1966 die Professur für Missionswissenschaft und Ökumenische Theologie an der Universität Tübingen bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1997. Als evangelikaler Theologe verfolgte er den globalen Wandel der Ökumene aufmerksam,

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Biographische Profile

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sah jedoch die Gefahr einer Spaltung zwischen Vertretern einer biblisch fundierten und einer politisch-sozial ausgerichteten Ökumene. Beyerhaus nahm als Beobachter an der Weltmissionskonferenz in Bangkok 1972/73 teil und kritisierte das sich dort ausbildende Missionsverständnis als „Außerkraftsetzung des biblischen und geschichtlichen Heils- und Missionsverständnisses zugunsten einer fast allen Empfehlungen zugrunde liegenden synkretistischen Weltveränderungsideologie“ (Bangkok 73. Anfang oder Ende der Weltmission? Ein gruppendynamisches Experiment, 116 f.). Die Konsequenz war für Beyerhaus die Teilnahme am Internationalen Kongress für Weltevangelisation in Lausanne 1974 und den Folgekonferenzen der Lausanner Bewegung, in der er die missionarische Aufgabe der Christen besser verwirklicht sah als im ÖRK. Blake, Eugene Carson (1906 – 1985) US-amerikanischer presbyterianischer Theologe und zweiter Generalsekretär des ÖRK. Blake studierte Theologie am Princeton Theological Seminary sowie in Edinburgh. Von 1932 – 1950 war er als Pfarrer unter anderem in New York City und in Kalifornien tätig. In seiner Funktion als Generalsekretär der Vereinigten Presbyterianischen Kirche und Präsident des Nationalen Kirchenrates der USA engagierte er sich in den 1950er und 1960er Jahren in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und setzte wesentliche Impulse in den Bemühungen um eine Kirchenunion der US-amerikanischen evangelischen mainline churches. Nachdem Blake bereits seit 1954 Mitglied des Zentral- und Exekutivausschusses des ÖRK war, trat er 1966 die Nachfolge von Willem A. Visser ’t Hooft an und wurde zweiter Generalsekretär des ÖRK. In seiner sechsjährigen Amtszeit forcierte er die Transformation des ÖRK von einer europäisch-nordamerikanischen zu einer globalen Organisation, veranlasste die inhaltlichen Grundlagen für das Programm zur Bekämpfung des Rassismus und förderte die Zusammenarbeit mit der römisch-katholischen Kirche. Castillo C‚rdenas, Gonzalo (Lebensdaten unbekannt) Presbyterianischer Theologe und Religionssoziologe aus Kolumbien. Castillo C‚rdenas gehörte zu den ersten Lateinamerikanern, die in den 1960er Jahren in engem Kontakt mit dem ÖRK standen. Er war Mitglied und zeitweise Vizepräsident der lateinamerikanischen Bewegung für Kirche und Gesellschaft (ISAL) und wurde bereits auf der Weltmissionskonferenz des ÖRK in Mexiko 1963 als Vertreter Lateinamerikas eingeladen. Auf der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 hielt er eine leidenschaftliche Rede über die revolutionäre Aufgabe von Christen in Lateinamerika und trat offen für die „Theologie der Revolution“ ein. Einen Schwerpunkt seiner akademischen Tätigkeit bildete die Beschäftigung mit dem Leben des indigenen Rebellenführers Manuel Quit†n Lame. Bis 2004 war Castillo C‚rdenas als Pro-

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Biographische Profile

fessor für Kirche und Gesellschaft und Third World Studies am Pittsburgh Theological Seminary tätig. Castro, Emilio (1927 – 2013) Methodistischer Theologe aus Uruguay und vierter Generalsekretär des ÖRK. Castro studierte von 1944 – 1950 Theologie in Buenos Aires und arbeitete bereits ab 1948 als Pfarrer in unterschiedlichen kleineren Gemeinden in Uruguay. 1953/54 ermöglichte ihm ein Stipendium des ÖRK einen Studienaufenthalt bei Karl Barth in Basel, das ihn nachhaltig in seiner Theologie prägte. In den 1960er Jahren setzte sich Castro für eine engere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen evangelischen Kirchen in Lateinamerika ein, leitete die 1965 gegründete Kommission für evangelische Einheit in Lateinamerika (UNELAM) und war von 1970 – 1972 Präsident der methodistischen Kirche in Uruguay. Die intensive Zusammenarbeit mit dem ÖRK begann auf der 3. Vollversammlung in Neu-Delhi 1961, an der er als Delegierter der methodistischen Kirche teilnahm. 1972 wurde er als Nachfolger von Philip Potter als Direktor der Abteilung für Weltmission und Evangelisation in den Stab des ÖRK nach Genf berufen und beeinflusste mit seiner Arbeit das Missionsverständnis des ÖRK bis 1983 entscheidend. Nach einer kurzzeitigen Rückkehr nach Uruguay wurde Castro 1985 zum Generalsekretär des ÖRK gewählt und führte dieses Amt bis 1992 aus. Castro war bekannt für seine leidenschaftlichen Predigten und galt sowohl in Lateinamerika als auch in der internationalen Ökumene als Vermittler zwischen konträren Positionen. Conteris, Hiber (*1933) Uruguayischer Soziologe und Schriftsteller. Conteris studierte von 1953 – 1959 Philosophie und Literatur in Buenos Aires und Montevideo und promovierte von 1966 – 1968 über die Soziologie der Literatur an der Sorbonne in Paris. In den 1960er Jahren unterhielt Conteris engen Kontakt mit der Bewegung für Kirche und Gesellschaft in Lateinamerika (ISAL) und war Redaktionsmitglied der Zeitschrift Cristianismo y Sociedad. Auf der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft 1966 hielt er eine Rede über die Bedeutung und Grenzen von Ideologien – ein Thema, das er 1973 in einem Aufbaustudium in Löwen (Belgien) vertiefte. Conteris veröffentlichte zwischen 1959 und 2008 zahlreiche Dramen, darunter El asesinato de Malcolm X (1968) [dt.: Die Ermordung von Malcolm X], das mit einem nationalen Preis ausgezeichnet wurde. Cox, Jr., Harvey Gallagher (*1929) US-amerikanischer baptistischer Theologe. Cox studierte Geschichte und Theologie an der University of Pennsylvania und der Yale Divinity School. Anschließend wurde er zum Pfarrer einer Baptistengemeinde ordiniert. Zugleich widmete er sich der Forschung in seinen Interessensgebieten der Religion, Kultur und Politik und konzentrierte sich dabei insbesondere auf Fragen der Urbanisierung, der Ökumene sowie interreligiöser Beziehungen

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und der Befreiungstheologie. Zudem prägte der Theologe die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung. Seine akademische Laufbahn setze er in Boston und Harvard fort, wo er seinen Ph.D. Abschluss erlangte. 1965 wurde sein internationaler Bestseller The Secular City (dt.: Stadt ohne Gott?) veröffentlicht. Aus diesem Erfolg resultierte im selben Jahr ein Ruf nach Harvard, wo er bis 2009 als Professor für Theologie lehrte. Cox war dem ÖRK in verschiedenen Arbeitszusammenhängen verbunden. So gab er u. a. als Mitglied der Vorbereitungsgruppe für die Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 den Band The Church Amid Revolution (veröffentlicht 1967) heraus. Epps, Dwain C. (*1938) US-amerikanischer Theologe und Pfarrer der Presbyterian Church. Epps studierte Theologie am San Francisco Presbyterian Seminary und engagierte sich bereits während des Studiums in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Nach seiner Ordination in der United Presbyterian Church ging er 1967 mit dem ökumenischen Jugendaustauschprogramm Frontier Internship Mission nach Argentinien, wo er bei der Bewegung für Kirche und Gesellschaft in Lateinamerika (ISAL) mit der lateinamerikanischen Menschenrechtslage in Berührung kam. 1971 wurde er Mitarbeiter der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten (CCIA) des ÖRK und spielte eine tragende Rolle bei der Neuausrichtung des ökumenischen Menschenrechtsprogramms. Von 1978 bis 1982 leitete er das Verbindungsbüro der CCIA bei den Vereinten Nationen in New York und wurde anschließend stellvertretender Generalsekretär für Internationale Angelegenheiten des US-amerikanischen Nationalen Kirchenrates (NCC). Von 1993 bis 2002 kehrte Epps als Direktor der CCIA zurück zum ÖRK nach Genf. Schwerpunkte seiner Arbeit lagen u. a. beim Nahostkonflikt und dem kirchlichen Engagement für Frieden im Sudan sowie bei der Einführung der Dekade zur Überwindung von Gewalt. Freire, Paulo (1921 – 1997) Brasilianischer Volks- und Befreiungspädagoge. Nach seinem Studium der Erziehungswissenschaften arbeitete Freire als Pädagoge im Nordosten Brasiliens und begann bereits 1947 mit Alphabetisierungskampagnen, die er bis zum Militärputsch 1964 erfolgreich durchführte. Er verließ im gleichen Jahr seine Heimat und ging zunächst ins Exil nach Chile, wo er bis 1969 als Bildungsexperte der UNESCO tätig war. Nach einem halbjährigen Aufenthalt als Professor an der Harvard University nahm Freire das Angebot an, als Sonderberater für Bildungsfragen im Stab des ÖRK zu arbeiten. Von 1970 – 1980 übte er diese Tätigkeit aus, die es ihm ermöglichte, sein unter dem Stichwort conscientizażo (Bewusstseinsbildung) entwickeltes Bildungskonzept weltweit zu verbreiten. Als Sonderberater arbeitete er in den frühen 1970er Jahren eng mit Ernst Lange und Werner Simpfendörfer zusammen und unternahm viele Reisen, u. a. nach Angola und Guinea-Bissau, S¼o Tom¦ und Principe, wo er seine Alphabetisierungskampagnen fortführte.

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Gollwitzer, Helmut (1908 – 1993) Evangelischer Theologe und christlicher Sozialist. Von 1928 – 1932 studierte Gollwitzer evangelische Theologie und Philosophie in München, Erlangen, Jena und Bonn. Er war engagiertes Mitglied der Bekennenden Kirche und promovierte 1937 bei Karl Barth über die altlutherische Abendmahlslehre in ihrer Auseinandersetzung mit dem Calvinismus. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und russischer Kriegsgefangenschaft lehrte Gollwitzer von 1950 – 1957 systematische Theologie an der Universität in Bonn und wurde 1957 als Professor für Evangelische Theologie an die Freie Universität Berlin berufen. Er sprach sich bereits in den 1950er Jahren öffentlich gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands aus und entwickelte sich in den 1960er Jahren zu einem wichtigen Gesprächspartner und Unterstützer der Studentenbewegung. Mit Rudi Dutschke verband ihn eine lange persönliche Freundschaft. Als Teilnehmer der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 und an der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 nahm er wichtige internationale ökumenische Impulse auf und brachte sie in den deutschen Diskurs über die „Politisierung der Theologie“ ein (Die reichen Christen und der arme Lazarus, 1968). Gollwitzer engagierte sich im christlich-marxistischen Dialog, in der Friedensbewegung sowie im Dialog zwischen Christen und Juden und war Zeit seines Lebens eine kritische, christlich-sozialistische Stimme im Konzert der deutschen Theologie. Grubb, Sir Kenneth (1900 – 1980) Britischer Missionar in Lateinamerika und Vorsitzender der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten (CCIA). Nach der Schule und dem Militärdienst ging Grubb als „Laien-Missionar“ nach Lateinamerika und arbeitete u. a. für den Survey Application Trust, dessen Ziel eine Bestandsaufnahme des weltweiten Christentums war. Aus dieser Arbeit resultierte die Mitherausgeberschaft des World Christian Handbook. Aufgrund seiner beachtlichen Kenntnis Lateinamerikas wurde er im Zweiten Weltkrieg zum Leiter der Abteilung für Überseepropaganda im britischen Informationsministerium berufen. Von 1944 – 1969 war Grubb Präsident der britischen Church Missionary Society und zwischen 1959 und 1970 Vorsitzender des House of Laity der Church of England. Als Vorsitzender der CCIA von 1946 – 1968 prägte er gemeinsam mit Frederick Nolde die Ausrichtung der Kommission in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens. Religionsfreiheit, Entwicklungspolitik und die Frage von Krieg und Frieden standen zu seiner Zeit im Mittelpunkt des Engagements der CCIA. Hayward, Victor E. W. (1908 – 1988) Baptistischer Missionar in China und Geschäftsführer der Abteilung für Missionsstudien des ÖRK. Hayward studierte an den Mansfield and Regent’s Park Colleges in Oxford und ging 1934 mit der Baptist Missionary Society (BMS) nach China. In Shanghai wurde er britischer Sekretär des nationalen

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Kirchenrates von China. 1959 begann seine Laufbahn im ÖRK als Exekutivsekretär der Abteilung für Missionsstudien. 1969 wurde Hayward zum stellvertretenden Generalsekretär des ÖRK ernannt mit besonderer Verantwortung für die Beziehung zu den nationalen Christenräten. 1972 wurde er Forschungssekretär eines chinesischen Studienprojekts des British Council of Churches. Heuvel, Albert Hendrik van den (*1932) Niederländischer Theologe. Van den Heuvel studierte nach seinem Theologieexamen 1956 noch zwei Jahre am Union Theological Seminary in New York, bevor er 1958 Sekretär des Ökumenischen Jugendrates in Genf wurde. 1960 begann er seine Tätigkeit beim ÖRK, zunächst in der Jugendabteilung, anschließend als Leiter der Kommunikationsabteilung und avancierte damit zu einem wichtigen Berater des Generalsekretärs Eugene Carson Blake. 1972 kehrte er zurück in die Niederlande, wo er bis 1980 Generalsekretär der Nederlandse Hervormde Kerk war. Er gehörte zu den progressiven Kräften in der Ökumene, setzte sich für die Themen und Aufgaben der Dritten Welt und für Menschenrechte ein und war zudem Mitglied in der niederländischen Sozialdemokratie. Nicht zuletzt sein Engagement in der Friedensbewegung brachte ihm den Spitznamen „roter Pfarrer“ ein. Hrom‚dka, Josef Lukl (1889 – 1969) Tschechischer Friedenstheologe und Ökumeniker. Von 1907 – 1912 studierte Hrom‚dka evangelische Theologie und Philosophie. Nach seiner Ordination und ersten Tätigkeiten im Pfarramt wurde er 1920 zum außerordentlichen Professor für systematische Theologie an der Jan-Hus-Fakultät in Prag ernannt, lehrte von 1939 – 1947 am Princeton Theological Seminary und kehrte anschließend als Professor nach Prag zurück, wo er bis zu seiner Emeritierung 1964 blieb. 1928 nahm er an der Konferenz des Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen teil und engagierte sich in den folgenden Jahren in der christlichen Studentenbewegung. Von 1937 – 1961 war Hrom‚dka Mitglied der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung, gestaltete die Gründungszeit des ÖRK als sozialistischer Theologe aktiv mit und wurde in Amsterdam in den Zentralausschuss gewählt, wo er bis 1968 blieb. Da er im ÖRK die Anliegen der Kirchen des Ostblocks nicht genügend vertreten sah, gründete er 1958 die Prager Christliche Friedenskonferenz (CFK) als sozialistische Alternative zur westlich geprägten Genfer Ökumene, an deren Versammlungen auch Vertreter der Dritten Welt teilnahmen. Die Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 traf Hrom‚dka tief und hatte seinen Rückzug aus der CFK zur Folge. Er starb im folgenden Jahr in Prag. Ibiam, Akanu (1906 – 1995) Presbyterianischer Missionsarzt und Politiker aus Nigeria. Nach seinem durch

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ein Stipendium finanziertes Medizinstudium in Schottland arbeitete Ibiam ab 1934 als Missionsarzt der Church of Scotland Mission in Nigeria, wo er 1936 ein Krankenhaus in Abriba gründete. Sein ökumenisches Engagement begann 1937 mit der Gründung der christlichen Studentenbewegung (SCM) in Nigeria. Von 1955 – 1958 war er Präsident des nigerianischen christlichen Kirchenrates, Mitglied im ständigen Ausschusses des Internationalen Missionsrates und von 1957 – 1961 Vorsitzender des vorläufigen Rates der All Africa Conference of Churches. Von 1961 – 1968 war Ibiam einer von sechs Präsidenten des ÖRK und nahm in dieser Funktion auch an der Vollversammlung in Uppsala teil. Als Gouverneur der östlichen Region Nigerias warb Ibiam auf der Vollversammlung für die Anerkennung der Unabhängigkeit Biafras durch die internationale Ökumene und wandte sich damit von seinem früheren Freund Bola Ige ab. An der Vollversammlung des ÖRK in Nairobi 1975 nahm Ibiam als Gast teil. Ige, James Ajibola („Bola“) Idowu (1930 – 2001) Anglikanischer Rechtsanwalt und Politiker aus Nigeria. Ige studierte Jura an der University of Ibadan und am University College in London. Während seines Studiums war er in der christlichen Studentenbewegung in Nigeria engagiert und gehörte zu einer neuen Generation christlicher Politiker aus Afrika, die sich aktiv in der internationalen Ökumene einbrachten. Auf der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 hielt Ige eine vielbeachtete Rede zum Thema „Politische und wirtschaftliche Probleme neuerwachter Völker“ und wurde nach der Vollversammlung in Uppsala zum Moderator des Programms zur Bekämpfung des Rassismus gewählt. Ige war Mitglied der Unity Party of Nigeria (UPN) und von 1979 – 1983 Gouverneur des Staates Oyo. Nach einem Militärputsch 1983 wurde Ige für zwei Jahre inhaftiert und wirkte nach seiner Freilassung im Zuge politischer Veränderungen in Nigeria weiter als Jurist. 1990 wurde sein Buch People, Politics And Politicians Of Nigeria: 1940 – 1979 veröffentlicht. Auf Regierungsebene übernahm er diverse politische Ämter, zuletzt als Justizminister Nigerias. Zu seinen Anliegen gehörte der Kampf gegen das Sharia-Gesetz und gegen Militärdiktaturen. Kurz vor der Annahme seiner neuen Position als afrikanischer Repräsentant der United Nations International Law Commission fiel Ige im Dezember 2001 einem tödlichen Attentat zum Opfer, das bis heute nicht aufgeklärt ist. Kaunda, Kenneth David (*1924) Erster Staatspräsident Sambias. Nach seiner Ausbildung zum Lehrer am Munali College in Lusakaa, Hauptstadt der damaligen britischen Kronkolonie Nordrhodesiens, war Kaunda zunächst als Lehrer und später innerhalb des afrikanischen Nationalkongresses Nordrhodesiens tätig. 1958 gründete er den Zambian African National Congress (ZANC), der bereits im darauffolgenden Jahr wieder verboten wurde und zur Verhaftung Kaundas führte. Nach seiner

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Freilassung 1960 übernahm er den Vorsitz der Nachfolgepartei, der radikalen unabhängigen Bewegung United National Independence Party (UNIP). Im Jahr der Unabhängigkeit Sambias 1964 wurde Kaunda zum ersten Staatspräsident des Landes gewählt und hatte diese Position bis 1991 inne. 1964 versuchte er das Konzept „Humanism in Zambia“ zu verwirklichen, das von traditionellen afrikanischen Werten geprägt war und ihn mit dem tansanischen Präsidenten Julius Nyerere verband. Vor der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 hielt Kaunda einen Vortrag zum Thema „Reiche und arme Nationen“, in dem er auf die Entwicklungsproblematik einging und die Abhängigkeit der jungen Nationen von den westlichen Ländern kritisierte. Zu den innenpolitischen Erfolgen Kaundas gehörte eine Reform der Bildungspolitik, die die allgemeine Schulpflicht sowie den Ausbau von Universitäten beinhaltete. Auf internationaler Ebene versuchte er, den Schuldenerlass für die afrikanischen Staaten durchzusetzen und unterstützte die Anti-ApartheidBewegung in Rhodesien/Zimbabwe und Südafrika. King, Martin Luther (1929 – 1968) Afro-amerikanischer baptistischer Pfarrer und Bürgerrechtler. King studierte Soziologie und Theologie in Georgia und Pennsylvania und war ab 1954 als Pastor in einer Baptistengemeinde in Alabama tätig. Beeinflusst durch sein Vorbild Mahatma Gandhi war King Wortführer der US-amerikanischen gewaltlosen Protestbewegung gegen Rassendiskriminierung und wurde erster Präsident der Southern Christian Leadership Conference. Internationale Bekanntheit erlangte King durch seine visionäre Rede „I have a dream“, die er im August 1963 auf der Kundgebung des Marsches auf Washington hielt. Die Verabschiedung der Civil Rights Acts sowie die Verleihung des Friedensnobelpreises an King im Jahr 1964 stellten sichtbare Erfolge seines Bürgerrechtsengagements dar. Dem ÖRK war King insbesondere durch seinen Landsmann Eugene Carson Blake verbunden, der ihn auch zur Teilnahme an der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 eingeladen hatte, die King jedoch aufgrund von Unruhen in Chicago nicht wahrnehmen konnte. Im Juni 1967 besuchte King erstmals den ÖRK in Genf und war als Prediger für den Eröffnungsgottesdienst auf der Vollversammlung in Uppsala im Juli 1968 vorgesehen. Seine Ermordung im April 1968 traf den ÖRK wegen Kings visionärer Kraft, seines christlichen Zeugnisses und der langjährigen persönlichen Freundschaft zu Blake besonders stark. Lange, Ernst (1927 – 1974) Evangelischer Theologe und Kirchenreformer. Als Sohn einer jüdischen Mutter studierte Lange nach Ende des Zweiten Weltkrieges Theologie in Berlin, Sigtuna (Schweden) und Göttingen und war in den frühen 1950er Jahren als Vikar im Landesjugendpfarramt Berlin tätig. 1954 begann sein ökumenisches Engagement als Jugenddelegierter auf der Vollversammlung des ÖRK in Evanston. Durch die Begegnung mit US-amerikanischen Re-

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formkirchen, wie der East Harlem Protestant Parish in New York, gründete Lange 1960 die erste „Ladenkirche“ in Berlin-Spandau, ein sozialer und kirchlicher Treffpunkt mit verschiedenen Gesprächsangeboten und regelmäßigen Gottesdiensten. 1963 wurde Lange Professor für Praktische Theologie an der Kirchlichen Hochschule in Berlin, gab diese Stelle aber aus gesundheitlichen Gründen bereits 1965 wieder auf und wirkte weiterhin als Pfarrer in Berlin. 1968 begann Lange seine Tätigkeit im ÖRK als Direktor der Abteilung für Ökumenische Aktion, innerhalb derer 1969 das Bildungsbüro eingerichtet wurde. Auf seine Initiative hin gewann der ÖRK den brasilianischen Befreiungspädagogen Paulo Freire als langjährigen Mitarbeiter. Lange selbst war häufig von Depressionen geplagt und musste 1970 – wiederum aus gesundheitlichen Gründen – Genf verlassen. Nach einer kurzen Tätigkeit im Kirchenamt der EKD nahm er sich 1974 das Leben. Er gilt bis heute als einer der bedeutendsten deutschen Kirchenreformer und Visionäre für kirchliche Erneuerung im 20. Jahrhundert. Lilje, Johannes Ernst Richard (1899 – 1977) Lutherischer Bischof und Publizist. Lilje studierte Theologie in Göttingen und Kunstgeschichte in Leipzig. Nach seiner Ordination war er von 1924 – 1926 Studentenpfarrer an der Technischen Hochschule in Hannover. Als Generalsekretär der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung (DCSV), Vizepräsident des Christlichen Studentenweltbundes (WSCF) und Generalsekretär des Lutherischen Weltkonvents (LWC) engagierte er sich bereits vor und während des Zweiten Weltkrieges in der ökumenischen Bewegung. Nach Kriegsende war Lilje Gründungs- und Ratsmitglied der EKD, Mitbegründer der VELKD und von 1947 – 1971 Bischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Seine Berufung in zahlreiche Leitungsgremien ökumenischer Organisationen trug u. a. auch dazu bei, dass sich der deutsche Protestantismus nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in die weltweiten Ökumene eingliedern konnte: Von 1948 – 1977 war er Mitglied des Zentralausschusses des ÖRK, 1952 – 1957 Mitglied des Exekutiv-Komitees des Lutherischen Weltbundes (LWB) und dessen erster deutscher Präsident und von 1959 – 1966 Präsidiumsmitglied der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK). Den Höhepunkt und Abschluss seiner Gremientätigkeit stellte für Lilje die Wahl zu einem der sechs Präsidenten des ÖRK von 1968 – 1975 dar. Lochman, Jan Milicˇ (1922 – 2004) Tschechischer reformierter Theologe. Lochmann studierte Theologie in Prag, St. Andrews (Schottland) sowie bei Karl Barth in Basel und arbeitete nach seiner Ordination zum Pastor der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) als Hilfspfarrer in Kladno bei Prag. In den 1950er und 1960er Jahren war Lochmann Professor für Religionsphilosophie an der ComeniusFakultät für Evangelische Theologie in Prag und lehrte dort von 1966 – 1968 in der Nachfolge von Josef Hrom‚dka auch systematische Theologie. Nach der

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Niederschlagung des Prager Frühlings ging Lochmann mit seiner Frau Eliska nach New York, wo er ein Jahr am Union Theological Seminary lehrte. Im gleichen Jahr erhielt er einen Ruf nach Basel an den Lehrstuhl für systematische Theologie und war ab 1981 Jahren bis zu seiner Emeritierung Rektor der Universität. Lochmann verstand seine Theologie immer im ökumenischen Horizont, sowohl der Christlichen Friedenskonferenz (CFK), dessen Mitbegründer er war, als auch der Genfer Ökumene. 1968 nahm er als Vorsitzender der Sektion III („Wirtschaftliche und soziale Weltentwicklung“) an der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala teil und wurde in den Zentral- und Exekutivausschuss gewählt, wo er bis 1975 mitarbeitete. Von 1970 – 1982 war er zugleich Vorsitzender der Abteilung für Theologie des Reformierten Weltbundes in Genf. Lochmann zeichnete sich als Interpret der Theologie Barths und Bonhoeffers aus und war ein führender Vertreter des christlich-marxistischen Dialogs. Lûpez, Mauricio Amilcar (1919 – 1977) Argentinischer Pädagoge und Geisteswissenschaftler. Lûpez lehrte nach seinem Studium ab 1946 an der Fakultät der Universidad Nacional de Cuyo in Argentinien. Ende der 1950er Jahre kam er als Lateinamerika-Sekretär des christlichen Studentenweltbundes (WSCF) nach Genf und unterhielt enge Verbindungen mit der lateinamerikanischen Bewegung für Kirche und Gesellschaft (ISAL). 1963 wechselte er in die Abteilung für Kirche und Gesellschaft und war damit der erste Lateinamerikaner im Stab des ÖRK. Gemeinsam mit dem Leiter der Abteilung Paul Abrecht arbeitete Lûpez intensiv an der Vorbereitung der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 mit. 1968 verließ er den ÖRK, um an der Ecole pratique des Hautes Etudes der Pariser Sorbonne Verwaltungswissenschaften zu studieren. 1973 kehrte Lûpez als Direktor der Universidad Nacional de San Luis nach Argentinien zurück; 1976 entließ ihn das Militär aus dieser Funktion. Am 1. Januar 1977 wurde Lûpez von der Gruppe Comando de Operaciones T‚ctico (COT) entführt und vermutlich wenig später ermordet. Er gehört zu den Desaparecidos der argentinischen Militärdiktatur. Meyendorff, John (1926 – 1992) Russisch-orthodoxer Theologe. Der in Frankreich geborene Meyendorff stammte aus einer russischen Familie und studierte am orthodoxen St. Sergius Institute und der Pariser Sorbonne, wo er sich 1958 auch promovierte. Während seines Studiums engagierte er sich im 1953 gegründeten Weltverbund orthodoxer Jugendverbände (SYNDESMOS) und war dessen erster Präsident. Ab 1959 lehrte Meyendorff als Professor für Patristik und Kirchengeschichte am St. Vladimir’s Orthodox Theological Seminary in New York und hielt Vorlesungen zur byzantinischen Geschichte an der Harvard Universität, an der Columbia Universität sowie am Union Theological Seminary. 1984 wurde er zum Dekan der St. Vladimir’s Fakultät gewählt und hatte

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diesen Posten bis kurz vor seinem Tod 1992 inne. Meyendorff gehörte zu den orthodoxen Theologen, die sich für die Einrichtung einer autokephalen orthodoxen Kirche in den USA einsetzten und unterstützte Bewegungen zur Einheit der orthodoxen Kirche. Von 1971 – 1975 war er Moderator der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung und Mitglied im Zentralausschuss des ÖRK, wo er die russisch-orthodoxe Kirche einflussreich vertrat. M†guez Bonino, Jos¦ (1924 – 2012) Methodistischer Befreiungstheologe aus Argentinien. Nach seinem Theologiestudium von 1943 – 1948 in Buenos Aires arbeitete M†guez Bonino bis 1952 als Pfarrer in einer kleinen argentinischen Stadt in der Nähe von Mendoza und ging anschließend zu einem theologischen Masterstudium nach Atlanta/USA. Bereits in den 1940er Jahren war M†guez Bonino in der argentinischen Studentenbewegung engagiert und übernahm nach seiner Rückkehr aus den USA 1954 die Stelle des Jugendsekretärs der argentinischen methodistischen Kirche, die ihn in Kontakt mit dem christlichen Studentenweltbund (WSCF) und dem YMCA brachte. Von 1958 – 1960 promovierte er am Union Theological Seminary in New York und kehrte danach als Rektor der Theologischen Fakultät (FET) nach Buenos Aires zurück. Als einziger lateinamerikanischer protestantischer Beobachter nahm er an den Sitzungen des Zweiten Vatikanischen Konzils teil und brachte seine Erfahrungen und befreiungstheologischen Überzeugungen auf internationaler ökumenischer Ebene zunächst als Mitglied der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung von 1961 – 1977 sowie von 1968 – 1975 als Mitglied im Zentralausschuss des ÖRK ein. In Anerkennung seiner theologischen Leistung wurde M†guez Bonino auf der Vollversammlung in Nairobi 1975 zu einem der sechs Präsidenten des ÖRK gewählt. In Lateinamerika gilt M†guez Bonino als einer der profiliertesten protestantischen Befreiungstheologen. Moltmann, Jürgen (*1926) Reformierter Theologe. Nach der Kriegsgefangenschaft begann Moltmann 1948 mit dem Theologiestudium in Göttingen, wo er sich 1952 promovierte. Von 1952 – 1958 arbeitete er zunächst als Dorf- und Studentenpfarrer in Bremen-Wasserhorst, habilitierte sich 1957 in Göttingen und übernahm 1958 die Professur für Systematische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal. Internationale Anerkennung verschaffte er sich durch sein 1964 veröffentlichtes Werk Theologie der Hoffnung, das insbesondere in der Studentenbewegung der 1960er Jahre eine breite Rezeption erfuhr und eine Generation von Theologen nachhaltig prägte. 1967 wurde Moltmann als Professor für Systematische Theologie nach Tübingen berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1994 blieb. Durch seine Teilnahme am christlich-marxistischen Dialog Ende der 1960er Jahre, die Ausformulierung der politischen Theologie gemeinsam mit seinem katholischen Kollegen Johann Baptist Metz und der evangelischen Theologin Dorothee Sölle sowie durch zahlreiche Auslands-

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reisen, insbesondere nach Asien und Lateinamerika, verschaffte sich Moltmann ein internationales Renommee und gehört bis heute zu den weltweit bekanntesten deutschen Theologen. Im ÖRK war Moltmann von 1963 – 1983 Mitglied der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung und nahm 1972/73 an der Weltmissionskonferenz in Bangkok teil, wo er maßgeblich an der Ausformulierung des Sektionsberichts II („Heil und soziale Gerechtigkeit“) beteiligt war. Newbigin, James Edward Lesslie (1909 – 1998) Missionar und schottisch-reformierter Theologe. 1928 immatrikulierte sich Newbigin am Queens’ College in Cambridge und engagierte sich bereits während seiner Studienzeit in der christlichen Studentenbewegung. 1936 wurde er ordiniert und als Missionar der Kirche von Schottland nach Madras/ Indien berufen. Newbigin beteiligte sich an der Gründung der südindischen Kirche und wurde schließlich 1947 zu deren Bischof ernannt. In der internationalen Ökumene machte Newbigin aufgrund seiner Teilnahme an der Gründungsversammlung des ÖRK in Amsterdam auf sich aufmerksam und wurde 1959 als Generalsekretär des Internationalen Missionsrates (IMR) nach London berufen, wo er mit anderen die Integration des IMR in den ÖRK vorbereitete. Zugleich hielt er Vorlesungen in Harvard, die 1961 unter dem Titel A Faith for this One World? sowie One Body, One Gospel, One World: the Christian Mission Today veröffentlicht wurden und aufgrund der Verknüpfung der Themen „Mission“ und „Einheit“ viel Resonanz in der Ökumene fanden. Bis 1965 war Newbigin stellvertretender Generalsekretär des ÖRK und Direktor der Kommission für Weltmission und Evangelisation und kehrte anschließend als Bischof von Madras wieder nach Indien zurück. 1974 ließ sich Newbigin in Birmingham nieder, wo er eine Dozentur in Missionstheologie am Selly Oak College übernahm. Dort trat er der mit Südindien verbundenen United Reform Church (URC) bei, deren Generalversammlung er von 1978 – 1979 als Vorsitzender leitete. Niemçller, Martin (1892 – 1984) Evangelischer Theologe und Kirchenpräsident der EKHN. Niemöller legte 1924 das erste Theologische Examen ab und wurde 1931 Pfarrer in BerlinDahlem. Hier gehörte er zu den Gründern des Pfarrernotbundes und entwickelte sich zu einer der führenden Persönlichkeiten der Bekennenden Kirche. 1937 kam er als Hitlers „persönlicher Gefangener“ in das Konzentrationslager nach Sachsenhausen und wurde 1941 nach Dachau verlegt. Nach der Befreiung des nationalsozialistischen Deutschlands war Niemöller als Überlebender maßgeblich am Wiederaufbau der Kirche und der kirchlichen Strukturen beteiligt, u. a. als Präsident des kirchlichen Außenamtes der EKD, als Kirchenpräsident in Hessen-Nassau sowie als Mitglied des Rates der EKD. Als Mitunterzeichner der Stuttgarter Schulderklärung genoss er hohes Ansehen in der Ökumene und nahm von 1948 – 1975 an allen Vollversammlungen

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des ÖRK teil. Von 1961 – 1968 war er einer der sechs ehrenamtlichen Präsidenten des ÖRK. Niilus, Leopoldo Juan (*1930) Argentinischer Rechtsanwalt und Direktor der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten (CCIA). Niilus stammte aus einer estnischen Familie, die 1944 nach Schweden und 1948 nach Argentinien übersiedelte. In Buenos Aires studierte er Jura an der Fakultät für Rechts- und Sozialwissenschaften und absolvierte ein Aufbaustudium an der Southern Methodist University in Dallas/Texas. Während des Studiums kam er mit der argentinischen christlichen Studentenbewegung in Kontakt, dessen Präsident er Anfang der 1960er Jahre wurde. 1966 übernahm er die Leitung des Christlichen Studienzentrums (Centro de Estudios Cristianos) am R†o de la Plata und war von 1968 – 1969 Generalsekretär der linksintellektuellen lateinamerikanischen Bewegung für Kirche und Gesellschaft (ISAL). In dieser Funktion reiste er zu mehreren ökumenischen Konferenzen der CCIA nach Genf und wurde 1969 trotz heftiger Widerstände einiger Kommissionsmitglieder zum Direktor der CCIA in der Nachfolge von Frederick Nolde gewählt. In dieser Funktion beeinflusste er bis 1981 die außenpolitische Arbeit des ÖRK und setzte mit seinem Mitarbeiter Dwain Epps wichtige Akzente für ein umfassendes Verständnis der Menschenrechte. 1972 nahm er an den Friedensverhandlungen im Sudan teil und wurde für sein Engagement mit dem sudanesischen Order of the Two Niles (First Grade) ausgezeichnet. Nach seinem Ausscheiden aus dem ÖRK übernahm er weitere (kirchenpolitische) Funktionen, u. a. als Berater für internationale Angelegenheiten beim Lutherischen Weltbund, und unterzeichnete 1990 das Osloer Abkommen für Frieden in Guatemala. Niles, Daniel Thambyrajah (1908 – 1970) Methodistischer Theologe aus Ceylon (Sri Lanka). Niles studierte von 1929 – 1933 am United Theological College in Bangalore/Indien und übernahm nach dem Studium die Geschäftsführung der christlichen Studentenbewegung (SCM) von Ceylon, wo er bereits seit seiner Schulzeit engagiert war. In dieser Position nahm er an verschiedenen internationalen ökumenischen Konferenzen, wie etwa 1935 an der Versammlung des christlichen Studentenweltbundes (WSCF) in Sofia, teil. Als einer der jüngsten Delegierten vertrat Niles 1938 die methodistische Kirche Ceylons auf der Weltmissionskonferenz in Tambaram/Indien und ging anschließend als Sekretär für Evangelisierung zum Weltverband des YMCA nach Genf. Von 1941 – 1945 wurde er der erste hauptamtliche Generalsekretär des National Christian Council von Ceylon. Der Schwerpunkt von Niles Arbeit lag im interreligiösen Dialog mit dem Hinduismus und Buddhismus, der sich u. a. in der Veröffentlichung seines Buches Buddhism and the Claims of Christ (1946) widerspiegelte, in dem er die Gemeinsamkeiten zwischen dem Protestantismus und dem Theravada-

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Buddhismus offenlegte. Die enge Zusammenarbeit mit dem ÖRK erfolgte bereits 1948 als Vorsitzender des Jugendsekretariats, gefolgt von seiner hauptamtlichen Tätigkeit als Exekutivsekretär der Abteilung für Evangelisierung von 1953 – 1959. Gleichzeitig war Niles bis 1960 ehrenamtlicher Vorsitzender des WSCF. Von 1957 – 1968 war Niles Generalsekretär der East Asia Christian Conference und begann ab 1961 mit seiner Mitarbeit im methodistischen Weltrat. Innerhalb des ÖRK beteiligte er sich intensiv an der Vorbereitung der Vollversammlungen in Evanston 1954 und Neu-Delhi 1961 und brachte bereits in dieser frühen Phase die Perspektive kontextuell geprägter Theologie in den ÖRK ein. 1968 nahm er schließlich auch an der vierten Vollversammlung des ÖRK in Uppsala teil, wo er die Eröffnungspredigt für den kurz vorher ermordeten Martin Luther King hielt. Von 1968 – 1975 wurde er zu einem der sechs ehrenamtlichen Präsidenten des ÖRK gewählt. Nissiotis, Nikos (1924 – 1986) Griechisch-orthodoxer Religionsphilosoph. Nissiotis studierte in Athen von 1942 – 1947 Theologie und Philosophie. Nach seinem Studium begab er sich zu weiteren Studien in Theologie, Philosophie, Psychologie und Soziologie nach Zürich zu Emil Brunner und Carl Jung, nach Basel zu Karl Barth und Karl Jaspers sowie nach Löwen. 1956 wurde er mit einer Arbeit über den christlichen Existentialismus in Athen promoviert. Der ÖRK delegierte Nissiotis als Beobachter der orthodoxen Kirchen zum Zweiten Vatikanischen Konzil, wo er gemeinsam mit Lukas Vischer die Beratungen verfolgte. Von 1966 – 1974 leitete Nissiotis das Ökumenische Institut Bossey, lehrte parallel als Professor an der Theologischen Fakultät in Genf und war von 1968 – 1972 stellvertretender Generalsekretär des ÖRK. Nach seinem Ausscheiden aus dem Stab des ÖRK wirkte er von 1975 – 1983 als Mitglied im Zentralausschuss und von 1976 – 1983 als Moderator der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung. Bis zu seinem Tod lehrte er an mehreren Universitäten als Gastprofessor, beispielsweise in Boston, Manchester, Paris, Bukarest und Genf. Nolde, Otto Frederick (1899 – 1972) US-amerikanischer lutherischer Pfarrer und Professor für Religionspädagogik. Nach seinem Studium der Theologie und Pädagogik wurde Nolde 1923 in die United Lutheran Church ordiniert. Nach einer kurzen Tätigkeit als Pfarrer in Wyndmoor bekam er einen Lehrauftrag in Religionspädagogik an der University of Pennsylvania. Gleichzeitig war er ab 1931 der erste Inhaber des Lehrstuhls für Religionspädagogik am Lutheran Theological Seminary in Philadelphia (LTSP). Von 1943 – 1962 war er Dekan der Graduiertenschule des LTSP. 1942 begann Nolde sich in der US-amerikanischen Ökumene zu engagieren, zunächst als Mitglied der Commission to Study the Bases of a Just and Durable Peace (CJDP) des Federal Council of Churches (FCC) und 1944 als Geschäftsführer des Joint Committee on Religious Liberty (JCRL). Bei der Konferenz von San Francisco, an der Nolde als Berater der US-Regierung

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teilnahm, setzte er sich dafür ein, dass die Schaffung einer Menschenrechtskommission in der Charta der Vereinten Nationen verankert wurde. An der Formulierung von Art. 18 zur Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte war er maßgeblich beteiligt. Von 1946 – 1969 war Nolde der erste Direktor der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten (CCIA) des ÖRK. Er verfügte über ausgezeichnete Kontakte zur diplomatischen und politischen Elite der USA sowie bei den Vereinten Nationen und sah in der UNO den natürlichen Anknüpfungspunkt ökumenischen Engagements in internationalen Angelegenheiten. Die Schwerpunkte seiner Arbeit lagen neben dem Bereich der Menschenrechte und der Religionsfreiheit insbesondere bei den Themen von Frieden und Abrüstung. Papst Paul VI. (1897 – 1978) Bürgerlicher Name: Giovanni Battista Montini. Nach dem Studium der Theologie wurde er 1920 zum Priester geweiht, 1920/21 folgten die Promotionen in Jura und Theologie. 1954 wurde Montini Erzbischof von Mailand, wo er ein besonderes Augenmerk für die sozialen Nöte der Zeit entwickelte. 1958 ernannte ihn Papst Johannes XXIII. zum Kardinal. Als Mitglied der Kommission für außerordentliche Angelegenheiten nahm Montini großen Einfluss auf die erste Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils und wurde 1963 nach dem Tod von Papst Johannes XXIII. zu dessen Nachfolger gewählt. Papst Paul VI. führte die Tagungen des Konzils fort und war für die Beschlussfassung und die Umsetzung der Beschlüsse des Konzils verantwortlich. Sein Pontifikat zeichnete sich vor allem durch Reformen in der römischkatholischen Kirche aus. 1969 reiste er nach Genf zur internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und besuchte auch den ÖRK, wo seine Aussage „Ich bin Petrus!“ Spannungen zwischen den beiden christlichen Institutionen in Genf und Rom hervorrief. In der weltweiten Öffentlichkeit wurde insbesondere die von ihm 1969 veröffentlichte Enzyklika Humanae Vitae stark kritisiert, mit der sich Papst Paul VI. für ein Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung („Pille“) aussprach. Parmar, Samuel (1921 – 1979) Indischer Ökonom. Parmar gelangte durch die Vorbereitung der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 zum ÖRK und war von 1964 – 1967 Vorsitzender des zuständigen Arbeitsausschusses. Parmar war Mitglied der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten (CCIA) und wirkte insbesondere in den ersten Jahren an dem von der römisch-katholischen Kirche und dem ÖRK 1968 eingerichteten Ausschuss für Gesellschaft, Frieden und Entwicklung (SODEPAX) federführend mit. Auf der ersten SODEPAX-Konferenz in Beirut 1968 hielt Parmar einen analytischen Vortrag unter der Überschrift „Some Implications of a Global Vision: in the Setting of UNCTAD II“, in dem er auf den globalen Entwicklungskonflikt und die daraus

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resultierende Verantwortung für die entwickelten Länder sowie für die Kirchen einging. Auf der im gleichen Jahr stattfindenden Vollversammlung des ÖRK in Uppsala nahm Parmar als Berater teil. In den 1970er Jahren war Parmar Professor für internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Allahaba Universität in Indien und Mitglied des Exekutivkomitees des indischen National Council of Churches. Patijn, Constantin Leopold (1908 – 1997) Niederländischer Jurist und Politiker. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft war Patijn ab 1935 zunächst im wirtschaftlichen Rat der niederländischen Regierung tätig, widmete sich nach seiner Promotion im Völkerrecht 1937 und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs jedoch als Kabinettschef des Wirtschaftsministeriums und wirtschaftlicher Berater internationaler Organisationen verstärkt außenpolitischen und internationalen Fragen. Von 1956 – 1967 war er Abgeordneter der sozialdemokratischen Partei in den Niederlanden und trat 1960 eine Professur in Völkerrecht an der Universität Utrecht an. Als reformierter Protestant war er von 1946 – 1975 Vorsitzender eines Unterausschusses für internationale Fragen unter der Verantwortung der Synode der Reformierten Kirche in den Niederlanden. In dieser Funktion nahm er als Experte an den ersten vier Vollversammlungen des ÖRK von 1948 – 1968 teil, wo er sich insbesondere bei den ersten beiden Vollversammlungen um ein neues ökumenisches Verständnis wirtschaftlichen Handelns – jenseits von Sozialismus und Kapitalismus – bemühte. Patijn nahm als niederländischer Delegierter an der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft des ÖRK in Genf 1966 teil und war bis 1974 Mitglied der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten. Payne, Ernest Alexander (1902 – 1980) Britischer baptistischer Pastor und Historiker. Nach seinem Theologiestudium in London, Oxford und Marburg bei Rudolf Bultmann wurde Payne als baptistischer Pastor ordiniert. 1932 war er Jugendsekretär der baptistischen Missionsgesellschaft und entwickelte ein hohes Interesse für die (Missions-) Geschichte des Baptismus. Von 1951 – 1967 arbeitete er als Generalsekretär der Baptist Union of Great Britain and Ireland und begann sich in dieser Zeit stark in der internationalen Ökumene zu engagieren, insbesondere in seiner Funktion als stellvertretender Moderator des Zentralausschusses des ÖRK zwischen 1954 und 1968 sowie als Befürworter der Integration des Internationalen Missionsrates in den ÖRK, die 1961 erfolgte. Die Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 leitete Payne als Vorsitzender und wurde dort für den Zeitraum von 1968 – 1975 zu einem von sechs ehrenamtlichen Präsidenten des ÖRK gewählt. Er veröffentlichte eine Vielzahl von Publikationen über den Baptismus.

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Potter, Philip Alford (*1921) Methodistischer Pastor und Theologe aus der Karibik. Potter studierte Theologie am Caenwood Theological College in Jamaika sowie am Richmond College in London. Er kam bereits sehr früh in Kontakt mit der ökumenischen Bewegung, zunächst als Jugenddelegierter auf der Gründungsversammlung des ÖRK in Amsterdam 1948 und im darauffolgenden Jahr als Präsident des christlichen Studentenweltbundes (WSCF). 1958 wurde Potter zum Direktor der Jugendabteilung im ÖRK berufen und verließ 1961 Genf, um als Referent für Westafrika und die Karibik an der Methodist Missionary Society in London zu arbeiten. 1967 kehrte er nach Genf zurück, wo er bis 1972 die Abteilung für Weltmission und Evangelisation im ÖRK leitete. Von 1973 – 1984 war Potter der dritte Generalsekretär des ÖRK, und setzte die von seinem Vorgänger Blake angestoßenen Impulse zur Erneuerung der Ökumene fort. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit lagen im Engagement für die missionarische Verkündigung, in der Stärkung der Laien, in der Entwicklung einer politischen Theologie für den Alltag, im Einsatz für den Dialog der Kulturen, im Kampf gegen Rassismus und Sexismus sowie im Einsatz für gerechte ökonomische Strukturen. Potter hat an ausnahmslos allen ÖRK-Vollversammlungen teilgenommen und lebt mit seiner zweiten Frau, der ehemaligen Bischöfin der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche Bärbel Wartenberg-Potter, in der Nähe von Lübeck. Prebisch, Raffll (1901 – 1986) Entwicklungsökonom. Prebisch studierte von 1918 – 1922 Wirtschaft an der Universität in Buenos Aires. Anschließend wurde der der unabhängigen sozialistischen Partei nahestehende Ökonom zunächst Berater für Handels- und Finanzfragen, nach dem Militärputsch von 1930 dann Staatssekretär im argentinischen Finanzministerium. Nach seiner Entlassung 1932 lebte Prebisch für ein Jahr in Genf und London und nahm an der europäischen Währungskonferenz teil. Er setzte die Gründung einer argentinischen Nationalbank durch und leitete diese von 1935 – 1943, bis er durch einen Putsch abgesetzt wurde. Internationale Anerkennung erhielt er insbesondere durch seine Tätigkeit als Direktor der Comisiûn Econûmica para Am¦rica Latina y el Caribe (CEPAL; dt.: Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik) von 1950 – 1962 sowie als erster Generalsekretär der 1964 gegründeten United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD). Prebisch vertrat die Auffassung, dass der Welthandel in ein industrialisiertes Zentrum und eine davon abhängige, vorwiegend agrarische geprägte Peripherie unterteilt sei, die zu einer strukturellen Ungleichheit sowie – so seine weltweit beachtete These – zur „säkularen Verschlechterung der terms of trade“ führe. In seiner Funktion als Generalsekretär der UNCTAD nahm Prebisch an der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 teil und bestärkte in seiner Rede die ökumenische Konferenz darin, die Entwicklungsländer in ihrer selbstständigen politischen und wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstüt-

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zen. 1969 gab Prebisch die Leitung der UNCTAD aufgrund divergierender Interessen wieder auf und gründete das Lateinamerikanische Institut für Wirtschafts- und Sozialplanung (ILPES). Raiser, Ludwig (1904 – 1980) Jurist und Präses der EKD-Synode. Raiser studierte Rechts- und Staatswissenschaften in München, Genf und Berlin. Im Anschluss an die Promotion 1931 habilitierte er sich 1933 in Berlin über „Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen“. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Raiser Professor für Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Göttingen und wechselte 1955 an die Universität Tübingen. Seine Forschungsschwerpunkte lagen im Bereich des Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts. Von 1949 – 1973 war Raiser Mitglied der Synode der EKD und ab 1970 auch deren Präses. Als Vorsitzender der Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD zwischen 1956 und 1971 beteiligte sich Raiser maßgeblich an der Formulierung der sog. „Ostdenkschrift“ der EKD (1965). In dieser Funktion nahm er auch an der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft des ÖRK in Genf 1966 teil. Von 1968 – 1975 war Raiser Mitglied der Kommission der Kirchen für internationale Angelegenheiten (CCIA) und äußerte sich darin insbesondere zu Fragen der Menschenrechte. Auf der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 war Raiser der Vorsitzende der Sektion IV („Auf dem Weg zu Gerechtigkeit und Frieden in internationalen Angelegenheiten“). Sein Sohn Konrad war der von 1992 – 2003 amtierende Generalsekretär des ÖRK. Rodhe, Birgit (1915 – 1998) Schwedische Pädagogin. Nach dem Studium der Philosophie arbeitete Rodhe von 1939 – 1944 als Generalsekretärin des schwedischen christlichen Studentenbunds und war ab 1948 Mitglied im ökumenischen Ausschuss der schwedischen Kirchen. Als Studienrätin arbeitete sie hauptamtlich an verschiedenen Oberschulen und war ab 1963 stellvertretende Schuldirektorin in Malmö. Auf der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 leitete sie als einzige Frau eine Sektion (Sektion VI „Auf der Suche nach neuen Lebensstilen“), konnte sich jedoch als Kandidatin für die ÖRK-Präsidentschaft gegen den deutschen Bischof Johannes Lilje nicht durchsetzen. Santa Ana, Julio de (*1934) Methodistischer Theologe aus Uruguay. Santa Ana studierte von 1952 – 1956 Theologie in Buenos Aires und arbeitete anschließend als Lehrer in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo. Bereits in der Zeit seines Studiums war Santa Ana in der argentinischen christlichen Studentenbewegung engagiert. Ein Stipendium des ÖRK ermöglichte ihm von 1960 – 1962 einen Studienaufenthalt an der Protestantischen Fakultät Strasbourg, wo er im Bereich Religions- und Sozialwissenschaften promoviert wurde. Nach seiner Rückkehr nach Lateinamerika schloss er sich der 1961 gegründeten Bewegung für

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Kirche und Gesellschaft in Lateinamerika (ISAL) an, war zunächst Leiter des Studienzentrums der Kirchen am R†o de la Plata, und in der Nachfolge von Leopoldo Niilus von 1969 – 1972 Generalsekretär von ISAL. In der internationalen Ökumene trat Santa Ana insbesondere durch seine marxistische, dependenztheoretisch geprägte Kritik am Entwicklungsverständnis hervor, etwa auf der SODEPAX-Konferenz in Montreal 1969. Aufgrund der sich zuspitzenden politischen Situation in Uruguay floh Santa Ana 1973 ins Exil nach Genf, wo er bis 1979 als Studienkoordinator des Kirchlichen Entwicklungsdienstes (CCPD) des ÖRK und anschließend bis 1982 als dessen Direktor tätig war. Besonders einflussreich war Santa Ana mit der unter seiner Federführung entstandenen Studie Die Kirche und die Armen der CCPD. Nach einem zehnjährigen Aufenthalt am Ökumenischen Zentrum für Evangelisation und Volksbildung in S¼o Paulo kehrte Santa Ana 1994 als Berater des ÖRK und Professor am Ökumenischen Institut Bossey nach Genf zurück. Shaull, Richard (1919 – 2002) Nordamerikanischer presbyterianischer Theologe und Missionar. Shaull studierte von 1938 – 1941 Theologie am Elizabethtown College in Pennsylvania und am Princeton Theological Seminary und war nach Abschluss seines Studiums ein Jahr als Gemeindepastor in Texas tätig. Die folgenden zwanzig Jahre arbeitete Shaull hauptsächlich als Missionar in Lateinamerika, zunächst von 1942 – 1950 in Kolumbien und von 1952 – 1962 als Dozent in Brasilien. 1958 wurde er am Princeton Theological Seminary promoviert, wo ihn insbesondere seine beiden Lehrer Paul Lehmann und Josef Hrom‚dka inspirierten. Bereits in den 1950er Jahren unterhielt Shaull enge Kontakte zur Abteilung für Kirche und Gesellschaft des ÖRK und unterstützte von 1954 – 1961 den Aufbau des Programms für raschen sozialen Wandel in Lateinamerika. 1961 war Shaull maßgeblich an der Gründung der Bewegung für Kirche und Gesellschaft in Lateinamerika (ISAL) beteiligt und galt als Mentor der Bewegung. Auf der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 sorgte die von Shaull propagierte „Theologie der Revolution“ für große Diskussionen, mit der er zur revolutionären Teilnahme an Gottes Handeln in der Geschichte aufrief und dabei auch die Anwendung von Gewalt nicht ausschloss. Doch sowohl der Ruf nach einer „Theologie der Revolution“ als auch der Einfluss Shaulls schwanden in der internationalen Ökumene bereits in den frühen 1970er Jahren. Von 1962 – 1979 lehrte Shaull als Professor am Princeton Theological Seminary und nahm nach seiner Emeritierung 1980 verschiedene ehrenamtliche missionarische Tätigkeiten, u. a. in Nicaragua, wahr. Simpfendçrfer, Werner (1927 – 1997) Evangelischer Theologe. Nach dem Theologiestudium in Tübingen und Bonn sowie in Basel bei Karl Barth ermöglichte ihm ein Stipendium der Scottish Presbyterian Church die ersten ökumenischen Erfahrungen während eines

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einjährigen Studienaufenthaltes am New College in Edinburgh. Simpfendörfer legte von 1951 – 1953 sein Vikariat in Harthausen ab, war anschließend als Dozent am Evangelischen Seminar in Blaubeuren tätig, wechselte 1956 als Pressereferent zur Evangelischen Akademie nach Bad Boll und wurde dort 1959 Leiter des Referats für gemeindebezogene Akademiearbeit. In dieser Funktion arbeitete er von 1961 – 1967 intensiv an der ökumenischen Studie zur missionarischen Struktur der Gemeinde in europäischen Kirchen mit, wodurch er Ernst Lange kennenlernte. 1967 übernahm Simpfendörfer das Ökumenereferat der Akademie und wurde deren stellvertretender Direktor, bevor er auf Einladung von Lange 1969 in die Bildungsabteilung des ÖRK nach Genf wechselte. Inhaltlich beschäftigte Simpfendörfer insbesondere die Arbeit mit Laien und die Erwachsenenbildung und empfahl sich 1971 als Leiter der Einheit „Bildung und Erneuerung“. 1973 kehrte er nach Stuttgart zurück und begann seine Arbeit als Generalsekretär für den Leiterkreis der Evangelischen Akademien in Deutschland, sowie kurze Zeit später als Generalsekretär für die Ökumenische Vereinigung der Akademien und Laienzentren in Europa, wo er sich durch die Einführung von ökumenischen Führungstrainings für Laien auszeichnete. Simpfendörfer starb 1997 gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth bei einem unverschuldeten Autounfall. Thomas, (M. M.) Madhathilparampil Mammen (1916 – 1996) Indischer Ökumeniker. M. M. Thomas war Mitglied der Mar-Thoma-Kirche in Indien und leitete von 1946 – 1951 den christlichen Studentenbund (SCM) Indiens. Erste internationale ökumenische Anerkennung erhielt er 1947 durch einen Beitrag auf der ersten christlichen Weltjugendkonferenz in Oslo. 1947/ 48 nahm er als einziger Vertreter der jungen Nationen an den Vorbereitungen zur Gründungsversammlung des ÖRK in Amsterdam teil. 1952 übernahm er den Vorsitz der christlichen Weltjugendkonferenz, die mit ihrem Tagungsort Kottayam (Südindien) erstmalig in einem nicht-westlichen Land zu Gast war. Nach der Vollversammlung des ÖRK in Evanston 1954 wurde Thomas in den Arbeitsausschuss des Programms zum Rapid Social Change gewählt, wo er ein bedeutender Interpret des sozialen Wandels in Asien wurde. Als Vorsitzender der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 hielt Thomas eine bedeutende Rede über kulturellen Synkretismus in der Ökumene und den Aufbau einer neuen kulturellen Gesinnung. Von 1968 – 1975 war Thomas Moderator des Zentralausschusses des ÖRK und trat wie kein anderer sowohl für die Kontinuität ökumenischer Theologie im ÖRK als auch für eine ökumenische Neuorientierung ein. In Indien leitete er zwischen 1962 und 1975 das Christian Institute for the Study of Religion and Society in Bangalore und war u. a. Gastprofessor am Union Theological Seminary in New York sowie am Princeton Theological Seminary. 1991 wurde Thomas zum Gouverneur der Nagaland-Provinz ernannt, gab diese Position aber aus Protest gegen die Korruption der indischen Zentralregierung bereits 1993 wieder auf.

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Tucci, Roberto, SJ (*1921) Römisch-katholischer Theologe und Kardinal. Tucci trat bereits nach Abschluss der Schule dem Jesuitenorden bei und studierte anschließend bis 1950 Theologie und Philosophie. Nach seiner Promotion in beiden Fächern war er von 1961 – 1982 stellvertretender Präsident der katholischen italienischen Pressevereinigung und nahm in dieser Funktion als Experte am Zweiten Vatikanum teil. Von 1967 – 1969 leitete Tucci die italienische Provinz des Jesuitenordens und war einer von 14 römisch-katholischen delegierten Beobachtern auf der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968. Sein Vortrag zum Verhältnis des ÖRK und dem Vatikan stieß insbesondere in den Medien auf große Resonanz, da er darin auf die zeitnahe Möglichkeit einer Mitgliedschaft der römisch-katholischen Kirche im ÖRK anspielte. Aufgrund seiner umfassenden Erfahrungen in der Pressearbeit wurde Tucci 1973 zum Geschäftsführer von Radio Vatikan ernannt. In den 1980er Jahren war er für die Auslandsreisen des Papstes zuständig und wurde 2001 in den Stand des Kardinaldiakons erhoben. Vischer, Lukas (1926 – 2008) Schweizer reformierter Theologe. Nach seinem Studium in Basel, u. a. bei Oscar Cullmann und Karl Barth, in Strasbourg und Göttingen war Vischer als Pfarrer tätig, bei gleichzeitiger wissenschaftlicher Qualifikation durch eine Promotion und Habilitation. 1961 kam er zum ÖRK und arbeitete in der Forschungsabteilung für Glauben und Kirchenverfassung, die ihm die beobachtende Teilnahme am Zweiten Vatikanischen Konzil ermöglichte. Von 1965 – 1979 leitete Vischer die Abteilung für Glauben und Kirchenverfassung und gehörte zu den „Hoftheologen“ des ÖRK. In seiner Kandidatur um den Posten des Generalsekretärs konnte er sich 1972 jedoch nicht gegen Philip Potter durchsetzen. 1979 beendete Vischer seine Mitarbeit beim ÖRK, um die Leitung der evangelischen Arbeitsstelle „Ökumene in der Schweiz“ zu übernehmen. 1981 wurde er zum Professor für ökumenische Theologie nach Bern berufen und nahm zwischen 1982 – 1989 die Moderation der theologischen Abteilung des Reformierten Weltbundes wahr. Visser ’t Hooft, Willem Adolf (1900 – 1985) Niederländischer reformierter Theologe und erster Generalsekretär des ÖRK. Nach seinem Jura- und Theologiestudium in Leiden (Niederlanden) und Selly Oak (Birmingham, England) wurde Visser ’t Hooft 1924 zum Sekretär des Weltbundes des CVJM nach Genf berufen. 1925 besuchte er in dieser Funktion als jüngster Teilnehmer die Stockholmer Weltkirchenkonferenz für Praktisches Christentum. Von 1929 – 1936 übernahm Visser ’t Hooft unterschiedliche Positionen im christlichen Studentenweltbund (WSCF), zunächst als Sekretär, dann als Generalsekretär und schließlich als ehrenamtlich Vorsitzender. Von 1938/1948 – 1966 war Visser ’t Hooft der erste Generalsekretär des ÖRK. Während der Zeit des Nationalsozialismus unterhielt er enge Verbin-

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dungen zur Bekennenden Kirche und unterstützte nach Ende des Zweiten Weltkrieges die Formulierung des Stuttgarter Schuldbekenntnis. Sein persönliches Friedenszeugnis und -engagement wurde insbesondere in Deutschland honoriert: 1958 mit der Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland sowie 1966 mit der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels. In seiner Funktion als Generalsekretär des ÖRK setzte er sich auch für die Öffnung des ÖRK zur orthodoxen und römisch-katholischen Kirche ein. So erwirkte er nicht nur den Beitritt der russisch-orthodoxen Kirche zum ÖRK 1961, sondern auch die offizielle Mitarbeit der römisch-katholischen Kirche durch das „Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen“ (heute: „Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen“) im Ausschuss für Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK sowie die Einrichtung einer ständigen gemeinsamen Arbeitsgruppe. Auf der Vollversammlung des ÖRK in Uppsala hielt Visser ’t Hooft eine Rede zum Auftrag der ökumenischen Bewegung und wurde zum Ehrenpräsident des ÖRK gewählt. Sein Schriftwerk umfasst über 1.500 Titel und ca. 50.000 Briefe. Ward, Barbara Mary (1914 – 1981) Britische Ökonomin und Autorin. Die aus katholischem Elternhaus stammende Barbara Ward studierte nach ihrer schulischen Ausbildung in Paris Politik, Philosophie und Ökonomie in Oxford. Sie promovierte über österreichische Politik und lehrte parallel als Dozentin in Cambridge sowie bei der Worker’s Educational Association. Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete sie für den britischen Nachrichtensender BBC, wo sie sich insbesondere in der Diskussionsrunde The Brains Trust einen Namen machte. Als Befürworterin des Marshall-Plans trat sie für ein starkes Europa ein und unterstützte die Initiativen zur Einrichtung einer europäischen Freihandelszone. Von 1968 – 1973 war sie Professorin für wirtschaftliche Entwicklung an der Columbia University und wurde in dieser Funktion auch als Expertin zur Vollversammlung des ÖRK in Uppsala 1968 eingeladen. Dort hielt sie neben Kenneth Kaunda eine Rede über reiche und arme Nationen und setzte sich vehement dafür ein, dass die Kirchen mindestens 1 % ihres Bruttosozialprodukts für die wirtschaftliche Entwicklung der Entwicklungsländer zur Verfügung stellen. 1971 gründete sie das internationale Institut für Umwelt und Entwicklung (IIED), zu dessen Präsidentin sie 1973 nach Eintritt in den Ruhestand gewählt wurde. Wendland, Heinz-Dietrich (1900 – 1992) Evangelischer Theologe. Wendland studierte ab 1919 Theologie in Berlin und Heidelberg und war Mitbegründer des 1921 entstandenen Jungnationalen Bundes zur politischen Erneuerung in der Weimarer Republik. Nach seiner Promotion (1924) habilitierte er sich 1929 bei Martin Dibelius über die jesuanische Eschatologie des Reiches Gottes und übernahm anschließend bis 1936 die Professur für neutestamentliche Theologie und christliche Sozial-

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ethik in Heidelberg. 1933 trat Wendland in die Evangelische Michaelsbruderschaft ein und war ab 1935 Mitglied der Bekennenden Kirche. Im Zweiten Weltkrieg diente er als Marinekriegspfarrer, kam von 1945 – 1949 in russische Kriegsgefangenschaft und konnte nach seiner Rückkehr nach Deutschland seine bereits seit 1936 angetretene Professur für Neues Testament an der Universität in Kiel wieder aufnehmen. Wendland gründete 1955 das Institut für christliche Gesellschaftswissenschaften an der Universität Münster und leitete das Institut bis 1969, wo er u. a. mit dem deutschen Theologen Trutz Rendtorff zusammenarbeitete. Er entwickelte in seiner wissenschaftlichen Arbeit eine „Theologie der Gesellschaft“, die innerhalb der evangelischen Ethik eine soziologische Wende einleitete, und war Mitbegründer der ab 1957 erscheinenden Zeitschrift für Evangelische Ethik (ZEE). Dem ÖRK war Wendland seit der Vollversammlung in Evanston 1954 verbunden, wo er als Berater teilnahm. Auf der Weltkonferenz für Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 hielt Wendland einen vielbeachteten Vortrag über die „Theologie der Revolution“, deren Verständnis er in den Grundzügen mit dem US-amerikanischen Theologen Shaull teilte. Zulu, Alphaeus Hamilton (1905 – 1988) Anglikanischer südafrikanischer Theologe und Bischof. Nach seiner Ausbildung und praktischen Tätigkeit als Lehrer studierte Zulu von 1936 – 1940 Theologie, zunächst mit einem Schwerpunkt in Sozialanthropologie, und wurde 1940 zum Diakon, 1942 dann zum Priester geweiht. Schon während des Studiums stand er in Kontakt mit der christlichen Studentenbewegung in Südafrika, deren Reisesekretär er kurzzeitig war. Von 1943 – 1960 war Zulu Mitglied des African National Congress (ANC) und arbeitete als Mitglied des Exekutivausschusses von 1945 – 1958 im Christian Council of South Africa mit. 1959 verbrachte er einige Zeit am Ökumenischen Institut in Bossey und wurde 1960 zum stellvertretenden Bischof in der Transkei (östl. Südafrika) gewählt. Von 1966 – 1975 war Zulu Bischof von Zululand und Swasiland und wurde in dieser Funktion auf der Vollversammlung des ÖRK zu einem der sechs Präsidenten des ÖRK gewählt. Nach seiner Pensionierung 1975 brach er mit dem ANC und wurde nationaler Vorsitzender der Inkatha Freedom Party, die er aufgrund ihres Plädoyers für Gewaltfreiheit unterstützte.

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Abkürzungsverzeichnis

AEMR AKIZ ANC AÖRK BBC BRD CA CC CCIA CCPD CDU CELA CELADEC CEPAL CFK CJDP CPC ˇ SSR C DDR DEA DEKT DFG DRC DWME EBU EC ECCB EKD EKHN

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte African National Congress Archiv des Ökumenischen Rates der Kirchen, Genf British Broadcasting Corporation Bundesrepublik Deutschland Central-Ausschuß Central Committee (World Council of Churches) Commission of the Churches on International Affairs Commission on the Churches’ Participation in Development Christlich Demokratische Union Conferencia Evang¦lica Latinoamericana (Evangelische lateinamerikanische Konferenz) Comisiûn Evang¦lica Latinoamericana de Educaciûn Cristiana (Evangelische Kommission für christliche Erziehung in Lateinamerika) Comisiûn Econûmica para Am¦rica Latina y el Caribe (Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik) Christliche Friedenskonferenz Commission on a Just and Durable Peace Christian Peace Conference ˇ eskoslovensk‚ republika (Tschechoslowakei) C Deutsche Demokratische Republik Division of Ecumenical Action Deutscher Evangelischer Kirchentag Deutsche Forschungsgemeinschaft Dutch Reformed Church Division of World Mission and Evangelism European Broadcasting Union Executive Committee (World Council of Churches) Evangelical Church of the Czech Brethren Evangelische Kirche in Deutschland Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

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Abkürzungsverzeichnis

Evangelischer Preßverband / Pressedienst Ecumenical Review Evangelisches Zentralarchiv, Berlin Frankfurter Allgemeine Zeitung Federal Council of Churches of Christ in America Front National de Lib¦ration Frente de Libertażo de MoÅambique (Befreiungsfront Mozambik) GKN Gereformeerde Kerken in Nederland ILO International Labour Organization IM Innere Mission IM „Sl‚vek“ Inoffizieller Mitarbeiter „Sl‚vek“ IMR Internationaler Missionsrat ISAL Iglesia y Sociedad en Am¦rica Latina (Kirche und Gesellschaft in Lateinamerika) ISEDET Instituto Superior Evang¦lico de Estudios Teolûgicos (Higher Evangelical Institute of Theological Studies) IWF Internationaler Währungsfonds JCRL Joint Committee on Religious Liberty KEK Konferenz Europäischer Kirchen KGB Russischer Geheimdienst KSZE Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa KuG Konfession und Gesellschaft LTSP Lutheran Theological Seminary in Philadelphia LWB Lutherischer Weltbund MfS Ministerium für Staatssicherheit NATO North Atlantic Treaty Organization NCCC USA National Council of the Churches of Christ in the USA NGO Non-Governmental Organization NHK Nederlandse Hervormde Kerk NZZ Neue Zürcher Zeitung OAS Organization of American States ÖR Ökumenische Rundschau ÖR.B Beiheft zur Ökumenischen Rundschau ÖRK Ökumenischer Rat der Kirchen PAC Pan African Congress PCR Program to Combat Racism RES Reformed Ecumenical Synod RGG Religion in Geschichte und Gegenwart SACC South African Council of Churches SODEPAX Committee on Society, Development and Peace SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SWAPO South-West African People’s Organization ThÖ Theologie der Ökumene EPD ER EZA FAZ FCC FNL FRELIMO

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Abkürzungsverzeichnis

TRE TWA UdSSR UN UNCTAD UNESCO UNICO UNO USA VELKD WCC WPC WSCF YMCA

371

Theologische Realenzyklopädie Trans World Airlines Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken United Nations United Nations Conference on Trade and Development United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization United Nations Conference on International Order United Nations Organization United States of America Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche in Deutschland World Council of Churches World Peace Council World Student Christian Federation Young Men’s Christian Association

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Autorinnen und Autoren

Christian Albers *1976, studierte Evangelische Theologie in Mainz, Göttingen und Glasgow (MTh). Er arbeitet an einer Dissertation über die Transformation des Menschenrechtsverständnisses im Ökumenischen Rat der Kirchen in den 1970er Jahren. Von 2008 bis 2011 war er assoziiertes Mitglied des DFG-Forschungsprojekts „Globalisiertes Christentum“ unter der Leitung von Katharina Kunter. Stephen Brown *1958, Dr, is responsible for the Global Digital Library on Theology and Ecumenism at Globethics.net, Geneva. Previously he was managing editor of Ecumenical News International, also at Geneva. He studied international development at the University of East Anglia, Norwich, UK, and theology at the University of Cambridge and the Humboldt University, Berlin. He received a PhD from the University of Reading, UK, in 2008 for a thesis that focussed on the role of the ecumenical Conciliar Process for Justice, Peace and the Integrity of Creation as a precursor of the peaceful revolution in the German Democratic Republic. Andrew Chandler *1965, Dr, is Director of the George Bell Institute and Reader in Modern History at the University of Chichester. The historian received his PhD from the University of Cambridge in 1990 and lectured in Modern History at the Universities of Birmingham and Keele until 1996. From 1998 – 2007 he was a tutor in Church History at the Queen’s Ecumenical Foundation, Birmingham. Nicolai Hannig *1980, Dr., ist seit 2010 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Zeitgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig. Er studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum und wurde 2009 am Historischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen mit einer Arbeit über „Die Religion der Öffentlichkeit“ promoviert. Von 2006 bis 2010 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der DFGForschergruppe „Transformation der Religion in der Moderne“ an der Ruhr-

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Autorinnen und Autoren

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Universität Bochum und Justus-Liebig-Universität Gießen sowie im Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Katharina Kunter *1968, Dr., ist Privatdozentin für Neuere und Neueste Geschichte und seit 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der DFG-Forschergruppe „Religion und Moderne“ an der Ruhr-Universität Bochum. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in der transnationalen Christentumsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Von 2008 – 2011 leitete sie das DFG-Forschungsprojekt „Auf dem Weg zum globalisierten Christentum: Die europäische Ökumene und die Entdeckung der ,Dritten Welt‘ zwischen 1966 und 1973“. Benjamin Pearson *1976, Dr, is an assistant professor of history at Tusculum College in Greeneville, Tennessee. He studied history and philosophy at Wheaton College (Illinois). In 2007 he completed his PhD in modern European history at the University of North Carolina at Chapel Hill, where his dissertation focused on political transformations at the Deutscher Evangelischer Kirchentag from the 1940s to the 1960s. Odair Pedroso Mateus *1955, Dr, is lecturer in ecumenical theology at the World Council of Churches’ Ecumenical Institute of Bossey (Geneva) and member of the Secretariat of the WCC Commission on Faith and Order. He studied theology and philosophy in S¼o Paulo/Brazil and received his doctorate in Protestant theology from the University of Strasbourg in 1995. From 2000 to 2007 he worked as an ecumenical officer for the World Alliance of Reformed Churches. Erica Meijers *1966, Dr, is editor-in-chief of de Helling, a review on politics and culture in the Netherlands. She was admitted to the degree of doctor of theology in 2008, with her thesis titled Blanke broeders, zwarte vreemden (White Brothers, Black Strangers. The Netherlands Reformed Church, the Reformed Churches in the Netherlands and Apartheid in South Africa, 1948 – 1972). In the 1990s Meijers worked as a journalist for the ecumenical broadcast corporation IKON. Peter Mor¦e *1964, Dr, is assistant professor in Church History at the Protestant Theological Faculty of Charles University, Prague. He studied theology in Utrecht, Prague and Amsterdam and received his doctorate in theology from the University of Amsterdam in 1999. In his research he focuses on the church history of the 20th century.

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Autorinnen und Autoren

Annegreth Schilling (Strümpfel) *1981, M. A., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Ökumenik und Dogmatik an der Ruhr-Universität Bochum. Sie studierte Evangelische Theologie und Lateinamerikanistik an der Freien Universität Berlin und verfasst derzeit ihre Dissertation zur Repräsentation Lateinamerikas im ÖRK in den 1960er und 1970er Jahren. Von 2008 – 2011 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Forschungsprojekt „Globalisiertes Christentum“ unter der Leitung von Katharina Kunter. Sebastian Tripp *1980, M. A., studierte Geschichte, Historische Hilfswissenschaften und Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg. Von 2006 bis 2012 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in der DFG-Forschergruppe „Transformation der Religion in der Moderne“ und seit 2007 ist er Fellow der RuhrUniversity Research School in Bochum. Im Rahmen seiner Doktorarbeit beschäftigt er sich mit der Auseinandersetzung um das südafrikanische Apartheidregime im westdeutschen Protestantismus. Catharina Volkert *1983, studierte Evangelische Theologie in Göttingen, Buenos Aires und Berlin. Von 2010 – 2011 arbeitete sie als studentische Hilfskraft im DFG-Projekt „Globalisiertes Christentum“ unter der Leitung von Katharina Kunter. Kirchliche Reaktionen auf den Vietnamkrieg untersuchte sie erstmals im Rahmen ihrer Wissenschaftlichen Hausarbeit zum ersten Theologischen Examen. Zur Zeit ist sie Vikarin der Evangelischen Nordkirche.

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Personenregister1

Abrecht, Paul 30, 34, 37 f., 40, 44, 46, 58, 99, 106, 220–222, 224, 344, 355 Adler, Elisabeth 55 f., 61, 95, 302, 345 Albertz, Heinrich 269 Allmen, Jean-Jacques 10 Althausen, Johannes 99 Alves, Rubem 54, 345 Arbuthnot, Charles 3 Armstrong, James 284 Auer, Frank von 270 Bahr, Hans-Ekkehard 284–286 Baldwin, James Arthur 107 f., 115, 277, 345 f. Balog, Zoltan 191 Barth, Karl 7, 20, 238, 240, 348, 350, 354 f., 359, 364, 366 Bartosˇ, Frantisˇek Mich‚lek 18 Batista, Fulgencio 26 Bavinck, Johan Herman 317, 328 Beerman, Leonard 284 Bell, George 77, 80 f., 83–85, 87, 372 Benedict, Hans-Jürgen 149, 155, 279, 284, 287 f. Benesˇ, Edvard 13 Bennett, John C. 38–40, 344, 346 Berg, Christian 299 Berggrav, Eivind 77 Berkhof, Hendrikus 99, 238 f., 346 Beyerhaus, Peter 55, 90, 98 f., 111, 346 f. Biddiss, Michael D. 145 1 Aufgeführt sind alle in den Texten genannten Personen der Zeitgeschichte. Die hervorgehobenen Namen sind ausführlich in der Rubrik „Biographische Profile“ beschrieben.

Biersteker, Henk 322 Bismarck, Klaus von 263 Blahoslav, Jan 18 Blake, Eugene Carson 3, 18, 21, 33, 38, 48, 51 f., 58–60, 90, 107, 114, 143 f., 201, 204, 206, 244, 288–292, 302, 347, 353, 362, 366 Bliss, Kathleen 21, 102 Boegner, Marc 77 Boesak, Allan 329 Böll, Winfried 266 Booth, Alan 101, 324 Boulding, Kenneth 45 Brandt, Willy 257, 280 f. Brecht, Bertolt 151 Brezger, Dieter 268 Brilioth, Yngve 77 Brodersen, Arvid 195 Brozˇ, Ludeˇk 10 Brück, Alwin 269 Bundy, McGeorge 280 Buskes, Jan J. 316 f. Bussche, Axel von dem 261 Calvin, Johannes 15 Campbell, Henry 86 Carmichael, Stokely 321 Carter, Jimmy 208 Castillo C‚rdenas, Gonzalo 44, 226 f., 347 f. Castro, Emilio 21, 26, 348, 100, 224 Castro, Fidel 21, 26, 348 Chardin, Pierre Teilhard de 143 C¦sar, Waldo 224 Chakko, Sarah 86 Chao, T. C. 86 Chelcˇicky´, Petr 17 f., 20

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Personenregister

Chou, Ivy 21 Comenius, Johann Amos 3, 11–13, 17 f., 20, 354 Conteris, Hiber 224, 227, 348 Coutre, Eberhard le 268 f. Cox, Harvey 284, 349 Dagadu, Peter Kwei 10 Dahl¦n, Olle 203 Dawar, Heider 267 Dejung, Karl-Heinz 12, 30, 38, 59, 62, 66, 196, 204, 220, 223, 226, 228 DeWitt, Robert L. 284 Dibelius, Otto 368 Di¦trich, Suzanne de 83 Dietzfelbinger, Hermann 98, 283–285, 287, 289, 291, 302 f., 307 Dostoevsky, Fyodor Mikhaylovich 4, 13 Dubcˇek, Alexander 89, 232 Dulles, John Foster 195, 200 Dutschke, Rudi 277, 350 Edwards, John 102, 195 Eidem, Erling 77 Eisenhower, Dwight D. 85 Emmen, Egbert 317 Eppler, Erhard 257, 266, 284 Epps, Dwain 12, 201, 349, 358 Erdmann, Karl-Dietrich 262 Falcke, Heino 142 Falk, Lauritz 127, 130, 135, 137 Fals Borda, Orlando 202 Fanon, Frantz 27, 61 Fisher, Geoffrey 77 Freire, Paulo 60 f., 143, 230 f., 349, 354 Freytag, Walter 258 Frieling, Reinhard 48, 90, 98 f., 110 f., 192, 195, 265, 300 Fry, Franklin Clark 21 Gagarin, Juri 21 Garstecki, Joachim

191

Germanos (Strenopoulos) 77 Gandhi, Manilal 317 Glasser, Artur 55 Gollwitzer, Helmut 50, 90, 101, 277, 290–292, 350 Gottwald, Klement 5 f. Gravemeijer, Koeno Henricus Eskelhoff 317 Grubb, Sir Kenneth 194 f., 203, 350 Guevara, Che 26, 270 Hammarskjöld, Dag 85 Hayward, Victor 3, 351 Hazim, Ignatios 97 Heinrichs, Jürgen 266, 269 Hentig, Hartmut von 263 Herbert, Karl 299, 304, 306 Heuvel, Albert van den 3, 12, 40, 61, 64, 66, 304, 328, 366 Heyl, Cornelius A. van 40 f. Hild, Helmut 304–306 Hinderer, August 123 Hitler, Adolf 4, 142, 357 Hoedemaker, Bert 147 Hoekendijk, Johannes Christiaan 317, 330 Hogebrink, Laurens 63, 191 Horn, Hans 264 Hrom‚dka, Josef Lukl 3–20, 98, 200, 351, 354, 364 Hus, Jan 3, 11–15, 18, 20, 351 Ibiam, Akanu Francis 35, 109, 351 f. Ige, James Alibola (Bola) 25, 42, 44, 101, 109, 226, 352 Itterzon, Gerrit Pieter van 327 Iwand, Hans Joachim 9 Johnson, Lyndon Baines Jones, Penry 126, 134 Jonker, H. 327

280

Kaam, Ben van 322, 325, 328, 331 Kasper, Walter 149

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Personenregister Kaunda, Kenneth 105 f., 115, 352 f., 367 Kennedy, John F. 21, 223 Kiep, Walther Leisler 267 f. King, Martin Luther 46, 48, 89, 107, 114, 270, 277, 321, 323, 346, 353, 359 Kirk, Peter 45 Koechlin, Alphons 77 Kohnstamm, Max 45 Kracauer, Siegfried 129 f., 137 Kraemer, Hendrik 77 Kruger, Paul 313 Krummacher, Friedrich-Wilhelm 91 Kuhlemann, Frank-Michael 298 Kunst, Hermann 289 Kunst, P. G. 328 Kurojedow, Wladimir 208 Kuyper, Abraham 318 f. Lange, Ernst 3, 15, 60 f., 99, 141–144, 150–162, 230, 243 f., 350, 353 f., 364 f. Lanne, Emmanuel 10 Laporte, Pierre 303 Lefever, Ernest W. 35, 61, 90, 233 Lefringhausen, Klaus 100, 269 f. Leudesdorff, Ren¦ 307 L¦vi-Strauss, Claude 145 Lilje, Johannes 5, 92, 98, 354, 363 Lochmann, Jan Mil†cˇ 99, 354 f. Löffler, Paul 40 Lûpez, Mauricio 224, 355 Lorenz, Friedelbert 261 f., 264 f., 269 Lücke, Paul 261 Luk‚sˇ of Prague 18 Luthuli, Albert 317, 321 Mandela, Nelson 330 Margull, Hans Jochen 299 Marschall, Bernhard 123 Masaryk, Tom‚sˇ Garrigue 11–13 McAfee Brown, Robert 284 McCrea Cavert, Samuel 34, 36 McLuhan, Marshall 145 Mead, Margaret 102

377

Mehlhorn, Ludwig 191 Mehnert, Klaus 259 Meyendorff, John 102, 151 f., 242, 244–248, 252, 355 Meyers-Herwartz, Christel 302, 304, 307 f. Miao, Chester 79 Micheli, Dominique 194, 197 M†guez Bonino, Jos¦ 17, 98, 151 f., 220, 222, 224, 232, 237 f., 242, 246–252, 356 Moln‚r, Amedeo 18 Moltmann, Jürgen 12, 40, 55, 58, 61, 64, 66, 89, 112, 356 Mondlane, Eduardo Chivambo 44, 321 Mott, John R. 4 Mudge, Lewis S. 40, 240 Müller-Gangloff, Erich 264 Mumm, Reinhard 285 Myrdal, Alva 263 Nasser, Gamal Abdel 27 Naud¦ Beyers, Christiaan Frederick 329 Nehru, Shri Jawaharlal 26 f., 34 Nelson, J. Robert 98 Newbigin, Lesslie 240, 357 Niemöller, Martin 7, 9, 21, 100, 260, 282, 299, 357 Niftrik, Gerrit Cornelis van 327 Niilus, Leopoldo J. 201, 204, 209, 224, 273, 357, 363 Niles, Daniel Thambyrajah 5, 92, 240, 358 Nissiotis, Nikos 3, 114, 359 Nixon, Richard 18, 285, 289–291 Nolde, O. Frederick 3, 32, 193–197, 201, 204, 350, 358 f. Northam, Frank 3 Noth, Gottfried 91 Odell, Luis E. 221 f., 224 Oduyoye, Mercy Amba 12, 54, 109

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Personenregister

Oldham, Joseph H. 36, 195, 239 f. Ondra, Jaroslav 9, 100 Palacky´, Frantisˇek 11 f. Pannenberg, Wolfhart 263 Papst Johannes XIII. 360 Papst Paul VI. 60, 104, 360 Parmar, Samuel L. 100 f., 229, 360 Patijn, Constantin L. 36, 45, 195, 361 Payne Ernest A. 361 Penning, Louwrens 316 Pfeffer, Karl Heinz 259 Philip, Andr¦ 33, 45, 51, 100, 290, 361 Pörksen, Martin 259 Potter, Philip 3, 23, 33, 51 f., 54 f., 60, 99, 204, 206, 217, 233, 290, 348, 361 f., 366 Prebisch, Raffll 42, 226, 362

Schmidt, Helmut 50 Schober, Theodor 273 Schulte Nordholt, Jan Willem 316 Schultz, Hans Jürgen 160, 262 Seeger, Pete 134, 151 Shaull, Richard 44 f., 110, 224, 226 f., 240, 364, 368 Sherrill, Henry Knox 21 Simatupang, Tahi Bonar 53 Simpfendörfer, Werner 59, 142 f., 150, 156, 160, 350, 364 f. Smith, Eugene 3, 5, 37, 92, 201 Smith, John Coventry 5, 37, 92, 201 Sölle, Dorothee 61, 356 Stalin, Josef 6, 26 Steltzer, Theodor 195 Stöhr, Martin 62, 204, 301 Sukarno, Achmed 27

Raiser, Konrad 12, 24, 40, 56, 63, 66, 99, 113, 141 f., 144, 151, 157, 196, 204–207, 218, 240, 362 f. Raiser, Ludwig 24, 56, 63, 99, 101, 141 f., 196, 205, 207, 218, 240, 362 f. Ratzinger, Joseph 10, 149, 155 Regelson, Lev 204, 207 ˇ †cˇan, Rudolf 11, 18 R Ridderbos, Hermann 328 Riesenfeld, Harald 10 Rockefeller, John D. 30 Rodhe, Birgit 92, 102, 363 Rouse, Ruth 77, 83, 88 Routh, Dennis 195 Ruthenberg, Hans 267

Thadden, Reinold von 195 Thimme, Hans 285 Thomas, Madathilparampil Mammen (M. M.) 30, 34–37, 44–46, 58, 60 f., 99, 200 f., 226, 365 Thomsen, Jens 3 Timofejev, German 92 Tito, Josip Broz 26 f. Tobin, Mary Luke 284, 288 Toivo, Toivo Ya 325 Tolstoy, Lev Nikolayevich 4, 13 Tomkins, Oliver 146 Torres, Camillo 270 Toynbee, Arnold 145 Tucci, Roberto SJ 104, 365 f.

Santa Ana, Julio de 12, 61, 221, 224, 229 f., 363 f. Sarkissian, Karekim 242 Sartre, Jean Paul 27, 61 Sauvy, Alfred 25 Scharf, Kurt 283 Scharfenberg, Horst 128 Scheuner, Ulrich 203, 205 Schmauch, Werner 9

Vasak, Karel 190 Veen, Rein-Jan van der 325, 328 Verkuyl, Johannes 322 Vicedom, George 259 Vischer, Lukas 3, 34, 36, 64, 66, 98, 144, 146, 150, 193, 203 f., 206, 359, 366 Visser ’t Hooft, Willem A. 36, 111 f., 143, 195 f., 201, 259, 317, 324 f. Vogel, Heinrich 9, 260

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Personenregister Vorster, Koot 325 f. Vries, Egbert de 30 f., 38 Ward, Barbara Mary 105 f., 367 Webber, Bill 46 Wehner, Herbert 262 Weissinger, Fritz 301, 303 Weizsäcker, Carl Friedrich von 260, 262, 264, 271 Weizsäcker, Richard von 101 Wendland, Heinz Dietrich 45, 58, 110, 368 Wesley, John 248

Wilhelmina, Königin/Queen Wilkens, Erwin 285, 287 Wölber, Hans-Otto 50, 99 Wülker, Gabriele 261 f. Wurm, Theophil 77

313

Yakunin, Gleb 64, 204, 207 Young, Ralph 3, 96, 238, 259, 371 Zedong, Mao 26 Zˇizˇka, Jan 12 Zulu, Alphaeus Hamilton 368

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5, 92, 102,