Die bronzezeitlichen Goldblechkegel Mitteleuropas - metrologisch betrachtet

In: Acta Metrologiae Historicae V 7. Internationaler Kongreß des Internationalen Komitees für Historische Metrologie (CI

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Die bronzezeitlichen Goldblechkegel Mitteleuropas - metrologisch betrachtet

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Die bronzezeitlichen Goldblechkegel Mitteleuropas metrologisch betrachtet Wolfgang Schmid, MÜNCHEN

Für Georg Kossack zum 75. Geburtstag

Zweifelsfrei handelt cs sich bei den sogenannten Goldblcchkcgcln um die kostbarsten Sachaltcrtümcr der mittleren und späten Bronzezeit Mitteleuropas. Daß die aus z.T. hauchdünnem Goldblech getriebenen und mit Punzzonen reich plastisch verzierten Objekte aufgrund der Weichheit des Hcrstcllungsmaterials weniger von praktischem Nutzen gewesen sind, sondern im kultischen Bereich Verwendung gefunden haben dürften, ist ebenfalls kaum umstritten* 1*. Die Be­ fundsituation, so man darüber unterrichtet ist, spricht in allen Fällen für Deponierungen vermutlich rituellen Charakters1. Der „Goldene Hut“ von Schifferstadt, Kr. Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) ist der sowohl hinsichtlich des Funddatums (1835) als auch der Hcrstcllungszcit (Bronzczcitstufc C nach P. Reinecke = 14. Jh. v. Chr.) älteste Vertreter der genannten Gruppe (Abb. 1). Die Datierung beruht auf 3 mitgefundenen bron­ zenen Absatzbcilcn’. Ein 1844 in Avanton, Arr. Poitiers, Dcp. Vienne (Frankreich) gefundener Kegel muß aufgrund seiner fragmentarischen Erhal­ tung - der untere Abschluß fehlt gänzlich - für die metrologische Untersuchung ausscheiden. Wegen fehlender datierender Bcifundc ist der aus BurgthannEzelsdorf (ehern. Ezelsdorf-Buch), Kr. Nürnberger Land (Mittelfrankcn) stam­ mende Kegel nur über Ornamcntvcrglcich zeitlich cinzuordncn (Abb. 2). Da er der mittleren bis jüngeren Urncnfcldcrzcit (Hallstaltstufc A2/B1 nach H. Müller-Karpe) angchört, ist er um etwa 3 bis 4 Jahrhunderte jünger cinzustufcn als das Schifferstadter Exemplar und wurde demnach an der Wende vom 2. zum 1. vorchristlichen Jahrtausend angefertigt. Bei Rodungsarbeiten 1953 entdeckt, hat ihn die unsachgemäße Hand des Finders in zahlreiche Fragmente zerrissen; sie ließen sich nachträglich zu einem nahezu vollständigen Goldblcchkcgcl 1 Zusanuncnfasscnd behandelt unter Nennung älterer Literatur: P. Schauer, Die Goldblcclikegcl der Bronzezeit. Ein Beitrag zur Kulturenlwicklung zwischen Orient und Mitteleuropa. Monogr. RGZM 8 (Boim 1986). - S. GerlolT in: A. Jockcnhövel (Hrsg.), Festsclirift für Hermann Müllcr-Kaqic zum 70. Geburtstag (Bonn 1995) 153fT. 1 Hinsichtlich des Kcgclfragmcntcs von Avanton, Arr. Poitiers, Dep. Vienne wie auch des neuerdings bekannt gewordenen sog. „Berliner“ Goldblcchkcgcls (s. Anm. 5) ist hierüber nichts in Erfahrung zu bringen. 1 K. Kibbcrt, Die Äxte und Beile im mittleren Westdeutschland I. PBF IX 10 (München 1980) 2781T. Nr. 840-842 Taf. 55,840-842; 72,G.

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zusammensetzen45*. In Form und Verzierung ähnlich und damit zeitlich nahe steht ihm ein unlängst bekannt gewordenes weiteres Exemplar unklarer Her­ kunft. Es dürfte ebenfalls aus dem süddeutschen Raum stammen9. Die metrologische Untersuchung beschränkt sich zunächst auf einfache Be­ züge zwischen den Gesamthöhen der drei auswertbaren Kegel von Schifferstadt, Burgthann-Ezelsdorf und Berlin. Den Publikationen sind folgende Maßangaben zu entnehmen4:

Schifferstadt: Berlin: Burgthann-Ezelsdorf:

296 mm 740 mm 885 mm

Die Bildung von Quotienten - als Divisor wird jeweils die Höhe des Schiß ferstadter Kegels gewählt - zeigt auf, daß den Kcgclhöhcn offenbar einfache Zahlenverhällnisse zugrunde liegen. Man erhält (auf 3 Dezimalstellen gerun­ det): Hß«ri: Hsci,i Hßu-Ez • Hschi

= 740 mm : 296 mm = 2,5 = 885 mm : 296 mm = 2,990

Demnach ist der Berliner Kegel exakt 2,5-mal und derjenige von BurgthannEzelsdorf in sehr guter Näherung 3-mal so hoch wie das Schifferstadter Exemplar. Diese scharfen Bezüge legen nahe, daß trotz der chronologischen Differenzen ein gemeinsames Maß hinsichtlich der Kcgclhöhcn zur Anwen­ dung gekommen sein dürfte. Ebenfalls wird cs sich nicht um Zufall handeln, daß die beiden vollständig erhaltenen Kegel von Schifferstadt und Berlin ein glattes Ergebnis liefern - es muß hier nicht gerundet werden -, während der mit Ungenauigkeiten behaftete Höhenwert des Ezclsdorfer Stückes eine geringfü­ gige Abweichung vom Idealwert 3 zur Folge hat’. Ohne weitergehende Berech­ nungen anstellen zu müssen, ist aus dem Ergebnis direkt ersichtlich, daß offen4 G. Raschkc, Germania 32, 1954, lff. Bei einer in den Werkstätten des Röin.-Gcrm. Zentralmus. Mainz Mitte der 70er Jahre durchgefillulen erneuten Restaurierung stellte sich heraus, daß die nunmehr als verbindlich zu betrachtende neue Anordnung der Fragmente eine etwas reduzierte Kegelhöhe zur Folge hatte (Schauer (Arun. 1) 27). 5 Angekauft aus Privatbesitz vom Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte, weshalb im weiteren vereinfachend vom Berliner Goldblechkcgel gesprochen wird. W. Menghin, Ant. Welt 28, 1997, H. 3, 261 ff. 4 Schifferstadt und Burgthaiui-Ezelsdorf: Höhen nach M. Fccht in: Schauer (Anm. 1) 82f. Berlin: Höhe nach Menghin (Aiun. 5) 261. 1 Auf den durch unsachgemäße Bergung verursachten fragmentarischen Zustand des Kegels und die nach verschiedenen Rekonstruktionsversuchen resultierende unter­ schiedliche Kcgclhöhc wurde oben hingcwicscn (Anin. 4).

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bar ein Grundmodul von 296 mm : 2 = 148 mm in ganzzahligen Vielfachen in allen Kegclhöhen enthalten ist *: Schifferstadt: Berlin: Burgthann-Ezclsdorf:

148 mm * 2 = 296 mm 148 mm * 5 = 740 mm 148 mm * 6 = 888 mm

Da es sich bei der ermittelten Länge keinesfalls um ein Fußmaß handeln kann, liegt die Frage nahe, ob nicht das doppelte davon (und damit die Höhe des Schifferstadter Goldblcchkcgcls) mit einer antiken Fußeinheit hinreichend gut übcrcinstimmf. Es mag auf den ersten Blick verwundern, daß gerade der sog. „pes Romanus“ (pR) - sein Bestwert wird mit 296,1 ± 0,51 mm angegeben10 die geforderte Bedingung mit hoher Genauigkeit erfüllt. Daß cs sich entgegen der Namengebung dabei um ein Maß mit jahrtausendelanger Tradition handelt, das sich auf einfachste Art aus der sog. „Nippur-Ellc“ ablcitcn läßt, wurde von der modernen metrologischen Forschung klar hcrausgcarbcitct11. Die Verwen­ dung des zugehörigen Maßsystems im bronzczcillichcn Mitteleuropa ließ sich ebenfalls bereits aufzeigen, beschränkte sich aber bisher auf geometrische Strukturen in zeitgenössischen Grabanlagen12*. Dem davon unabhängigen Nachweis in der zugehörigen Sachkullur kommt deshalb besondere Bedeutung

zu.

Detailuntersuchungen der einzelnen Kcgclscgmentc sollen im folgenden Aufschluß über die Unterteilung des ermittelten Fußmaßes bringen. Da sich die Verhältnisse beim Schifferstadter Goldblcchkcgcl aufgrund einer sekundären Umarbeitung komplizierter gestalten11, wird zunächst nur das Exemplar von Burgthann-Ezclsdorf - cs ist, wie die anderen Kegel auch, aus einem Stück * Bezüglich des Ezclsdorfcr Kegels betrügt der Fehler 3 nun oder 0,34%. ’ Antike Fußmaßc umfassen den Bereich zwischen 220 und 360 nun (R. Rotlländcr, PTB-Mitt. 107, 1997, H. 4, 255), weswegen bereits das Dreifache von 148 mm = 444 mm nicht mehr in Betracht kommt. 10 Rotlländcr (Arun. 9) 252 Tab. 1. Der Wert ist aus 52 dinglich überlieferten Maß­ stabsskalen gemittelt. 11 Rotlländcr (Anin. 9) 24911; s. u. Aiun. 35. 11 W. Schmid in: D. Ahrcns/R. Rotlländcr (Hrsg.), ORDO ET MENSURA HI (St. Katharinen 1995) 56fr. Anhand elliptischer Strukturen in der Gräberanordnung des Umcnfcldcs von München-Unterhaching ließ sich die Verwendung des um eine Hand­ breit (1 palma = 74,05 nun) erhöhten pes (palmipcs) Romanus von 370,2 mm Länge wahrscheinlich machen, der mit dem allägyptischcn „reinen“ identisch ist (cbd. 68 Anm. 17). Die Höhe des Berliner Goldblcchkcgcls beträgt exakt 2 palmipcs bzw. 2,5 pes Romanus. 11 Schauer (Anm. 1) 24; 30.

462 ausgetrieben - dazu herangezogen1415 . Ein konkav gekrümmtes, einheitlich *17 verziertes Segment verbindet das kalotteniormige Unterteil mit dem zucker­ hutartigen, hohen Abschluß (Abb. 3). Aus Gründen der Stabilität schließt die Kalotte mit einem umbördelten, nicht sichtbaren Bronzeband ab. Sein Durch­ messer und damit die Kegelöffnung (DBu-ez. g« ) ließ sich sehr genau ermitteln”. Die Höhe des oberen Kegelabschlusses (Hbu-ez, ob«n) und dessen maximaler Durchmesser (DBu-ez. oben) liefern weitere Daten”: Dßu-Ez, gei = 197,5 nun Hßu-Ez. oben 748,0 mm Dßu-Ez, oben 122,3 mm Das Verfahren der Quotientcnbildung wird auch hier angewendet, wobei jeweils die Höhen durch die zugehörigen Durchmesser dividiert werden: Hßu-Ez. ge». Hßu-Ez. oben

: Dßu-Ez. gei

■ Dßu-Ez, oben

= 885 mm : 197,5 mm = 4,48 »= 9 : 2

= 748 mm : 122,3 mm = 6,12 = 6 : 1

Wiederum lassen sich die Verhältnisse annähernd in ganzen Zahlen aus­ drücken. Der größere Rundungsfehler im Falle des Kegeloberteils wird durch die höhere Unsicherheit hinsichtlich des zugehörigen Durchmessers im Ver­ gleich zu den präzisen, für das Bronzeband des unteren Kegelabschlusses vor­ liegenden Maßangaben resultieren. Wendet man in der Folge den Divisionsal­ gorithmus mit den so ermittelten Teilern auf die absoluten Längen an und mittelt die Ergebnisse arithmetisch, erhält man Reihen möglicher Maßeinheiten, die in den betrachteten Abmessungen in ganzzahligen Vielfachen enthalten sind1’. Als Abbruchkriterium wird eine untere Grenze von 10 mm gewählt, wodurch mögliche Unterteilungen von Fußmaßen im Unzen- bzw. Digitibereich erfaßt werden1*. Im Falle der Gesamtabmessungen ergeben sich 9 (Tab. 1, linke

Spalte), im Falle der Abmessungen des oberen Kcgclscgmentes 12 mögliche ” Der Berliner Kegel ist aufgrund der spärlichen und z.T. widersprüchlichen Maß­ angaben des Vorberichtes (Aiun. 5) sowie von Dcfonnalioncn, die durch Reslaurierungsmaßnahmen erst noch beseitigt werden müssen, derzeit noch nicht leinmetrolo­ gisch auswertbar. 15 Schauer (Anm. 1) 27. ” Mangels Maßangaben bei Schauer (Anin. 1) mußte auf Beilage 6 der Publikation zurückgcgriiTcn werden. Da der angegebene Maßstab 1:1 nicht genau cingchaltcn ist (Vergleich mit der Gesamthöhe von 885 mm) wurde eine Korrektur (Dreisatz) nölig, wodurch die auf eine Dezimalstelle genauen Millimeterangaben resultieren. 17 Ausführlich erklärt bei Schmid (Anm. 12) 59IT. ” Unzen- (Zwölftel) bzw. Digitilängcn (Scclizehntel) zu den kleinsten bekannten Fußmaßen um 220 mm (Anm. 9) betrügen 18,33 bzw. 13,75 mm.

463 Lösungen (Tab. 1, rechte Spalte) im definierten Bereich. Weisen beide Spalten gemeinsame Einheiten mit hinreichender Genauigkeit auf, sind diese als mög­ liche Lösungen im Sinne der Fragestellung nach ganzzahligem Auftreten einer gesuchten Untereinheit interpretierbar. Der Vergleich beider Spalten von Tab. 1 zeigt Gemeinsamkeiten der 4. Position links mit der 5. Position rechts, der 8. Position links mit der 10. Position rechts usw. Die dahinter zutage tretende Periodizität der Übereinstimmung hat ihre Ursache im annähernd ganzzahligen Verhältnis von Gesamt- zu Tcilhöhc”. Das arithmetische Mittel von 24,67 mm zwischen beiden Spalten stimmt mit der Länge der Unze zum pes Romanus vollständig überein (296,1 mm : 12 = 24,675 mm) und belegt damit eine Zwölftelung des Fußes bereits im spälbronzczcitlichcn Mitteleuropa. Rechnet man die Teilabmessungen des Ezelsdorfcr Goldblechkcgcls in Unzen um, erhält man die auf Abb. 3 gezeigten Verhältnisse, in denen sich die eingangs ermittel­ ten Quotienten leicht wiederfinden lassen: Hbu-ez, g«.

: Dßu-Ez. g«

Ußu-Ez, oben

• l^Qy-Ez. oben

= 36 : 8 = 9 : 2 30.5

6 . 1

Einschränkend ist anzumerken, daß sich die Höhe des konkaven Zwischen­ segmentes nicht in dieses Schema cinpasscn läßt. Weitere fcinmetrologischc Untersuchungen am Ezelsdorfcr Kegel werden durch die Fülle unterschiedlich­ ster Abmessungen der zahlreichen Ornamente erschwert. Jedoch fallt auf, daß die 120-ste Zierzone (von der Kcgelspitze an gezählt) aus einem umlaufenden Band mit dem sog. „Radmotiv“ als auffälligster Verzierung des Kegclkörpcrs bestehl10. Diese Position legt dezimale wie duodczimalc Bezüge nahe (10 * 12 = 120) und bestätigt das Vorhandensein eines duodczimalcn Zahlcnvcrsländnisses.

” Huu-ez,ges : Hbu-ez. oben = 885 nun : 748 nun = 1,183= 1,2 = 6 : 5. Da die Teiler im 4. Divisionsschrilt der linken Spalte (4*9 = 36) und im 5. Divisionsscliritt der rechten Spalte von Tab. 1 (5 * 6 = 30) in diesem Verhältnis zueinander stehen (36 : 30 = 6 : 5), müssen die Divisionscrgebnissc in beiden Fällen nahezu identisch sein. Die Übcrcin• Stimmung wiederholt sich periodisch bei unveränderter Abweichung von 0,24%. 10 Schauer (Anm. 1) Beil. 6.

464

Hbu-eass. : Dbu-easm

=9:2

Hßu-Ez,oben • Dßu-Ez,oben ~ 6 * 1

130 mm

123,50 mm 120 mm 110 mm

100 mm

98,54 mm

90 mm 80 mm

70 mm 61,75 nun

60 mm

50 mm

49,28 mm]

41,17mm

40 mm 32,85 mm

30,88 mm

24,64 mm

24,70 nun

19,71 mm

20,59 mm

30 mm 20 mm

17,65 mm 16,42 mm

15,44 nun 14,08 nun

[13,72 mm] 12,32 nun

12,35 nun 11,23 nun

10,95 mm

10 mm

10,29 nun

Tab. 1: Maßreihen aus den Gesamtabniessungen (linke Spalte) und aus den Abmessungen des oberen, zuckerhutförmigen Abschlusses (rechte Spalte) des Ezelsdorfer Goldblechkegels im Bereich größer 10 mm. Beim Schifferstadter Goldblcchkcgcl sind die Verhältnisse insofern kompli­ zierter, als er vor seiner Deponierung einer Umarbeitung unterzogen worden

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ist11 mit dem Ziel, ihn möglicherweise neuen metrologischen Vorstellungen anzuglcichcn. Ging bislang die Forschung unter Verweis auf eine analoge Form des Ezelsdorfer Kegels davon aus, die Krempe sei aus einem nach unten verlän­ gert zu denkenden kalottcnformigen Kcgclabschluß ausgctricbcn worden”, wurden seit dem Bekanntwerden des Berliner Stückes Zweifel darüber laut. Da es eine horizontal abstehende Krempe mit cingebördeltcm tordierten Bronzering besitzt, werden nunmehr Goldblcchstückchcn aus dein Ezelsdorfer Bestand, die an der Kcgclwandung sicherlich nicht unterzubringen sind, mit einer zu ergänzenden Krempe in Verbindung gebracht. Eines dieser Fragmente umhüllt ein ebenfalls tordiertes Stückchen Bronzedraht”. So wird man annchmen dürfen, daß der Schifferstadter Kegel vor seiner Umarbeitung auch eine hori­ zontal ausladende Krempe besessen haben dürfte. Ein bronzener Draht, der an der umgcstaltcten Krempe keinen Platz mehr findet, konnte bei der Nachun­ tersuchung der Fundstelle dereinst sichcrgcstcllt werden und könnte als ehema­ liger Kcgclbcstandtcil bewußt mit diesem nicdcrgclcgt worden sein”. Die Um­ arbeitung hatte auch zur Folge, daß der Kegel durch die Hand des Gold­ schmiedes unbeabsichtigterwcisc leicht verdrückt wurde, weshalb sich die Durchmesser von Krempen- und Kalottcnabschluß nur ungefähr mit 257-267 mm bzw. 170-181,5 mm angeben lassen”. Ein Operieren mit diesen ungenauen Werten ist daher problematisch. Die Bildung des arithmetischen Mittels muß nicht das richtige treffen. Mehrdeutigkeiten sind nicht auszuschließen”, weshalb auf eine Vcrhältnisbildung von unterem Kcgcldurchmcsscr und Kegel­ höhe verzichtet wird. Da der obere, zuckcrhutformige Kcgclabschluß von der Umarbeitung nicht betroffen wurde und auch sein ursprünglicher Durchmesser weitgehend gewahrt

11 s. Anm. 13. Dies ergibt sich aus einer gegenüber dein Kcgelkörpcr wesentlich re­ duzierten Blechstärkc der konisch ausladenden Krempe (s. u. Aiun. 33); sic wurde nachträglich ausgcschmicdct. “ Schauer (Anm. 1) 3 Abb. 2. “ Menghin (Anm. 5) 262. 24 Schauer (Anm. 1)24. ” Nach briefl. Mittig, vom 22.3.1996 von Dr. L. Sperber vom Historischen Museum der Pfalz in Speyer, wo der Schifferstadter Kegel vcrwalirl wird. Schauer ((Anm. 1) 24) gibt mit 250-270 mm einen größeren Tolcranzbereich für den unteren Krcmpcn«durchmcsscr an. ” 14 digiti zum pes Romanns ä 18,51 nun wären 259,14 mm lang; 21 halbe Unzen ä 12,34 mm ergäben eine Strecke von 259,09 mm.

466 ist17, kann er zur Rekonstruktion der ursprünglichen metrologischen Verhält­ nisse bevorzugt verwendet werden“. Man erhält:

Hschi.oben : Droben = 216,5 mm : 105,0 mm = 2,06 »2:1 Bedingt durch die gute Annäherung an ganze Zahlen kann man auch hier den Divisionsalgorithmus zur Ermittlung einer Reihe möglicher Maße im oben genannten Lösungsfenster anwenden, woraus 10 Lösungen resultieren (Tab. 2, mittlere Spalte). Da hier keine Kontrollrcihc zur Ermittlung von Koinzidenz­ stellen vorliegt, werden die Lösungen mit der jetzigen Kcgclhöhc - sic ent­ spricht ja einer realen antiken Maßeinheit - ins Verhältnis gesetzt, wobei ganz­ zahligen Resultaten besonderes Augenmerk zukommt (Tab. 2, rechte Spalte). Das im 9. Divisionsschritt erhaltene Maß von 11,85 mm beträgt demnach in sehr guter Näherung 1/25-stcl der Kcgclhöhc und damit der Länge des pes Romanus. Weil man in Ermangelung von Parallelen die Aufteilung eines anti­ ken Fußmaßes in 25 Teile wohl ausschlicßcn kann, dürfte der Schifferstadter Goldblcchkcgcl, wie eingangs vermutet, ursprünglich andere Abmessungen besessen haben, die mit den späteren in einem festen Verhältnis stehen. Der Zwölfer- oder Unzenteilung wird man bei der Suche nach einer Lösung im

Hinblick auf das fcinmclrologischc Ergebnis des Ezclsdorfcr Kegels (s.o.) besondere Beachtung beimessen. Da das Maß von 11,85 mm aber nicht in den Unzenbereich fällt, wird man halbe Unzen und damit 24-stcl einer Fußeinheit vermuten. Die zugehörige Unze müßte demnach 23,7 mm lang sein. Der Fuß zur in 30 digiti geteilten Großen Ptolcmäischcn Elle von 284,3 mm Länge (Code El nach Rottländer) erfüllt diese Bedingung mit hoher Präzision” und verhält sich also zum pes Romanus wie 24 : 25. Aller Wahrscheinlichkeit nach 'dürfte man demnach den ursprünglichen Kegel von 284,3 mm Höhe” durch das

Austreiben einer konisch abstehenden Krempe nachträglich um 1/24-stcl erhöht 27 Von Sperber (Anm. 25) mit 104,5-105,5 nun angegeben, was im Mittel 105,0 mm beträgt. “ Wiederum mußte die Höhe in Ermangelung von Längenangaben bei Schauer (Anm. 1) aus dessen Beilage 4 (Maßstab 1:1) gemessen und durch Drcisalzreclutung korrigiert werden (s. Anm. 16). Eine diesbezügliche zweite briefliche Anfrage ans Historische Museum der Pfalz blieb leider unbeantwortet. ” R. Roltländcr, Jahresh. Östcrr. Arch. Inst. 61, 1991, 66. Dort sind filr die zugehörige Unze 23,69 mm angegeben. Den Hinweis verdanke ich Dr. Roltländcr, weshalb ihm herzlich gedankt sei. 30 Dieses Fußmaß ließ sich unlängst im mykenischen Bereich (Phase SH III B = 13. Jh. v. Chr.) an Türschwcllcn des sog. „Melathrons“ von Gla/Böoticn nachweisen und wurde dort ebenfalls in Unzen unterteilt. Dazu R. Rottländer, Arch. Korrbl. 27, 1997, 67ff.

467 haben und erreichte somit eine Anpassung an den pes Romanus, der sich, wie eingangs gezeigt werden konnte, in den Höhen aller drei Kegel eindeutig nachweisen läßt. Weitere Belege für den Gebrauch dieser Maßeinheit bei der Anfertigung des Schifferstadter Goldblechkcgcls lassen sich in den Abmessungen der Punzdurchmesser finden. Im Gegensatz zu den komplexen Mustern des Ezelsdorfer Kegels sind die Verzierungen des Schifferstadter Excniplarcs vergleichsweise einfach gehalten, was einer metrologischen Auswertung entgegenkommt. Zwei der drei Musterpunzen mit Ringbuckcl sind mit 11,5 mm bzw. 12,0 mm offen­ bar gleich groß”, die Länge des sog. „Augenmusters“ - es bildet zwei Zierbän­ der des oberen Kegelabschlusses - beträgt ebenfalls 12,0 mm (Abb. 4). Mittelt man die drei Maßangaben arithmetisch, erhält man 11,83 mm, was mit den oben errechneten 11,85 mm nahezu identisch ist. Eine weitere Ringbuckelpunze von 14,0 mm Durchmesser ordnet sich zunächst nicht in dieses Schema ein. Quotientenbildung fuhrt auch in diesem Falle zu einer vertretbaren Lösung:

14,0 mm: 11,85 mm = 1,181 = 1,166 = 7 :6 Akzeptiert man diese Interpretation, wären die 14,0 mm als eine um 1/6 erhöhte halbe bzw. als 7/12 einer ganzen Unze zu verstehen12, was als konsequente Fortführung der duodezimalcn Teilung von Unzen oder Zoll, die in dieser Form noch unmittelbar vor Einführung des metrischen Systems praktiziert worden ist, gewertet werden kann. Hierfür müßten aber für den prähistorischen Bereich weitere Indizien zusammengetragen werden.

11 Alle Punzabmessungen nach M. Fccht in: Schauer (Anin. 1) 98. Die Angaben sind wohl auf halbe Millimeter gerundet. 11 Der genaue Wert beliefe sich auf (11,85 + 11,85/6) nun = 13,83 nun und müßte bei einer Genauigkeit von 0,5 nun auf 14,0 nun aufgenindct werden (s. Anin. 31).

468 Divisions­ schritt

Hschi, oben • Dschi, oben Ä 2.1

296 nun : Maßeinheit

1

106,63 mm

2

53,32 nun

2,7 5,5

3

35,54 mm

8,3

4

26,66 nun

5

11,1 13,8

6

21,33 nun 17,77 nun

7

15,23 nun

19,4

8

13,33 mm

22,2

9

11,85 mm

24,9

10

10,67 mm

16,6

27,74

Tab. 2: Maßreihe aus den Abmessungen des oberen, zuckerhutförmigen Ab­ schlusses des Schifferstadter Goldblechkegels (mittlere Spalte) sowie Quoti­ enten der möglichen Einheiten (mittlere Spalte) bzgl. der Gesamthöhe von 296 mm im Bereich größer 10 mm (rechte Spalte). Nimmt man durch Ausdrücken der absoluten Längen in Unzen zum Fußmaß von 284,3 mm eine Rekonstruktion der Kcgclabmcssungcn vor dessen Umar­ beitung vor, ergeben sich folgende Verhältnisse (Abb. 5): NSchi, oben • Ugchi, oben

9 • 4,5

2.1

Somit verbleiben für die Höhe der ursprünglichen Kcgclkalottc 3 Unzen. Eine Umrechnung des jetzigen Krempenvolumens ermöglicht die näherungsweise Bestimmung des äußeren Krcmpcndurchmcsscrs vor der Umarbeitung von 217,12 mm (bzw. 18,32 halben Unzen ä 11,85 mm), wenn in Analogie zum Berliner Kegel eine horizontal abstehende Krempe angenommen wird”. Setzt

” Eine ähnliche Umrechnung wurde unter der Aiutalunc, der Kegel habe im Urzu­ stand keine Krempe besessen, vom selben Bearbeiter mehrfach mit unterschiedlichem Resultat durchgeiührt (M. Fcchl in: Schauer (Arun. 1) 82; 99), weshalb hierauf nicht zurückgcgriffcn wurde. Die den hier ausgeführten Bcrccluiungcn zugrunde liegenden Annahmen (arithmetische Mittelwerte der Maße nach Schauer (Anm. 1) 24; Beil. 4, gemessen und korrigiert an der Gesamthöhe von 296 mm) seien genannt: 1) durchschnittliche Blcchstärkc des Kcgclobcrtcils: 0,225 nun 2) durchschnittliche Blcchstärkc der jetzigen Krempe: 0,105 mm 3) jetzige Krempenhöhe: 16,1 nun 4) jetzige Krcmpcnbrcitc: 46,03 nun 5 ) ursprünglicher Kalottcndurchmcsscr: 7,5 Unzen ä 23,70 mm = 177,75 mm (jetziger Kalottcndurchmcsscr: 175,75 nun als aus den Angaben L. Sperbers (Anm. 25; dort wurden hierfür 170 - 181,5 nun genannt) gemittelter Wert)

469 man einen Bronzedraht als äußeren Krempenabschluß voraus, dürften die überschüssigen 0,32 halben Unzen bzw. 3,8 mm für dessen Umbördelung ge­ dient haben, so daß der maximale Kegeldurchmcsser 9 Unzen betragen haben dürfte, der somit der Höhe des Kegeloberteiles entspricht. Im Zuge der nach­ träglichen Umgestaltung der Krempe wurde die ursprüngliche Kcgclhöhe um etwa 4,5 mm auf die derzeitige Höhe von Kegelobcrteil und Kalotte von ca. 279,9 mm reduziert. Auf der ca. 17,78 mm oder 0,75 Unzen ä 23,7 mm breiten Krcmpcnobcrflächc hätte eine weitere Zicrzonc von Ringbuckclpunzicrungcn (Abb. 4) Platz gefunden. Damit könnten die 23 Zicrbändcr von Kalotte und Kegelaufsatz14 auf 24 Zonen komplettiert werden, was sich ebenfalls mit duo­ dezimalen Zahlenvorstellungcn in Einklang bringen ließe. Es ist immerhin erstaunlich, daß die Krempe nach ihrer Umarbeitung unter Verwendung einer offenbar älteren Musterpunze mit Ringbuckclmotiv von 1 lv5 mm Durchmesser (idealisiert: 11,85 mm = eine halbe Unze) verziert worden ist. Vielleicht waren stilistische Gründe hierfür ausschlaggebend. Die Untersuchungen am Schifferstadter Goldblcchkcgel zeigen, daß wäh­ rend der mittleren und späten Bronzezeit in Süddeutschland offenbar unter­ schiedliche, voneinander jedoch nicht unabhängige metrologische Vorstellun­ gen herrschten, die möglicherweise in der Übcrgangsphasc zwischen beiden Perioden zur Angleichung an den in Unzen unterteilten sog. „pes Romanus“ führten. Dieser dürfte dann in der Urnenfcldcrzcit bevorzugt Verwendung gefunden haben, worüber der Goldblcchkcgel von Burgthann-Ezelsdorf deutlich Zeugnis ablegt. Ungewöhnlich ist dieses Ergebnis vor allem deshalb, da der daraus ersichtliche Weg zum pes Romanus dessen bisheriger Herleitung aus der Nippur-Elle - dies würde ein aus den Goldblechkcgcln bislang nicht ableitbares sedezimales Zahlenverständnis voraussetzen“ - widerspricht. Vielmehr scheint eine ältere Maßeinheit von 284,3 mm - sic entspricht dem Fuß zur in 30 Teile

unterteilten Großen Ptoleinäischcn Elle - um eine halbe Unze und damit um 1/24-stel seiner Länge erhöht worden zu sein. Die so gewonnene neue Fußeinheit, die mit dem späteren „pes Romanus“ glcichgesetzt werden kann, wurde traditionsgemäß wiederum in 12 Teile (Unzen) cingctcill. Der umge­ kehrte Weg und damit die Herleitung des Fußmaßes von 284,3 mm Länge aus 14 Schauer (Anm. 1) Beil. 4. ” Die Nippur-Elle von 518,4 nun wird statt der ursprünglichen 30cr-Tcilung bereits im Alten Reich Ägyptens in 28 Teile (digiti) unterteilt. Aus dem dadurch gewonnenen digitus ergibt sich durch Multiplikation mit 16 der zugehörige Fuß zu 296,2 mm (518,4 mm : 28 * 16; Rottländcr (Anm. 9) 251).

470 dem pes Romanus würde dessen Reduzierung um 1/25-stcl erfordern, was jeglichem antiken Mclrologicvcrständnis zuwider läuft und daher abzulchnen ist. Es ist möglicherweise nicht ohne Bedeutung, daß für das aus dem Schiffer­ stadter Goldblechkegel ableitbare Verhältnis zweier antiker Fußmaße von 24 : 25 Parallelen genannt werden können, die auch in der antiken Literatur ihren Niederschlag gefunden haben“.

M So könnte der Kleine Ptolemäische l-’uß von 308,5 nun Länge (Code 13; Roltlündcr (Anm. 9) 252 Tab. 1) aus dem pes Romanus ebenfalls durch eine Längenanhebung um eine halbe Unze erklärt werden. Dem römischen Agrimcnsor Hyginus ist dieser Zusam­ menhang zumindest aufgcfallcn (C. Thulin (Hrsg.), Corpus Agrimensorum Romanorum (Stuttgart 1971), Hygini. De Limitibus. 86 BP La 123). Anderen, teilweise exotischen Ableilungsvcrsuchcn dieser Einheit u.a. aus dem polaren Erdumfang (F. Huber in: D. Ahrcns/R. Rotlländcr, ORDO ET MENSLTRA 111 (St. Katharinen 1995) 1890'.) sollte deshalb mit Skepsis begegnet werden.

Abb. 1: Der "Goldene Hut" von Schifferstadt. Höhe = 296 mm.

471

Abb. 2:

8

Abb. 3:

472 Abb. 2: Goldblechkegel von Burgthann-Ezelsdorf (nach H. Müller-Karpe, Bayer. Vorgeschbl. 23,1958, 28 Abb. 12). Höhe = 885 mm. Abb. 3: Abmessungen des Goldblcchkegcls von Burgthann-Ezelsdorf. Anga­ ben in Unzen von 24,7 mm zum "pes Romanus".

L = 12,0 mm Abb. 4: Ringbuckelpunzen sowie das sog. "Augenmuster" auf dem Goldblech­ kegel von Schifferstadt (nach Schauer (Anm. 1) Beil. 1). Der Punzdurchmesser entspricht einer halben Unze zum Fuß der in 30 Teile unterteilten Gro­ ßen Ptolemäischen Elle (Code El nach Rottländcr).

ACTA METROLOGIAE HISTORICAE V 7. Internationaler Kongreß des Internationalen Komitees für Historische Metrologie (CIMH) 25.- 27. September 1997 in Siegen

Herausgegeben von

HARALD WITTHÖFT unter Mitarbeit von Karl Jürgen Roth

SCRIPTA MERCATURAE VERLAG

SACHÜBERLIEFERUNG UND GESCHICHTE

Siegener Abhandlungen zur Entwicklung der materiellen Kultur

Band 28

Herausgegeben von Harald Witthöft, Ulf Dirlmeier, Rainer S. Elkar

und Jürgen Reulecke