Die Begrenzung globaler Unternehmensleitung durch § 9 Absatz 2 Satz 2 StGB [1 ed.] 9783428536351, 9783428136353

Martin Knaup widmet sich der Frage, inwieweit das Strafrecht im Bereich der Distanzteilnahme seiner Aufgabe, nicht das R

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Die Begrenzung globaler Unternehmensleitung durch § 9 Absatz 2 Satz 2 StGB [1 ed.]
 9783428536351, 9783428136353

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Beiträge zum Internationalen und Europäischen Strafrecht Studies in International and European Criminal Law and Procedure Band / Volume 11

Die Begrenzung globaler Unternehmensleitung durch § 9 Absatz 2 Satz 2 StGB

Von

Martin Knaup

Duncker & Humblot · Berlin

MARTIN KNAUP

Die Begrenzung globaler Unternehmensleitung durch § 9 Absatz 2 Satz 2 StGB

Beiträge zum Internationalen und Europäischen Strafrecht Studies in International and European Criminal Law and Procedure Herausgegeben von / Edited by RiLG Prof. Dr. Kai Ambos

Band / Volume 11

Die Begrenzung globaler Unternehmensleitung durch § 9 Absatz 2 Satz 2 StGB

Von

Martin Knaup

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

Die Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1867-5271 ISBN 978-3-428-13635-3 (Print) ISBN 978-3-428-53635-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-83635-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahrstrimester 2011 von der Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft – in Hamburg als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 15. März 2011 statt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Erich Samson, der das Thema dieser Arbeit angeregt und die Entstehung der Dissertation begleitet hat. Zugleich danke ich Herrn Professor Dr. Frank Saliger für die Erstellung des Zweitgutachtens. Bei Herrn Professor Dr. Kai Ambos bedanke ich mich für die Aufnahme in die von ihm herausgegebene Schriftenreihe „Beiträge zum Internationalen und Europäischen Strafrecht“. Darüber hinaus danke ich der FAZIT-Stiftung, der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung, Hamburg, sowie der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein, die die Veröffentlichung dieser Arbeit jeweils durch die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses gefördert haben. Danken möchte ich zudem Wolfgang Junge für die konstruktiven Anregungen bei der Korrektur des Manuskripts sowie Julia Schwake für ihre Unterstützung und das Verständnis, das sie mir in den vergangenen Jahren entgegengebracht hat. Schließlich gilt mein ganz persönlicher Dank meinen Eltern, Heike und Wilhelm Knaup, die mich stets in jeder Hinsicht unterstützt und durch ihre Förderung mein Studium und die Promotion erst ermöglicht haben – ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Hamburg, im Juli 2011

Martin Knaup

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Erster Teil Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

22

A. Der Begriff „Internationales Strafrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

B. Völkerrechtliche Grundlagen nationaler Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

C. Funktionen der §§ 3 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

Zweiter Teil Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

48

A. Tatbestand des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

B. Historischer Hintergrund der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

C. Systematische Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

D. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Spannungsfeld der Teilnahmedogmatik . . . . . . . . . . . .

61

Dritter Teil Einfluss des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf die Praxis globaler Unternehmensleitung A. Rechtliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89 89

B. Wirtschaftliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 C. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

10

Inhaltsübersicht Vierter Teil Einschränkungsmöglichkeiten

115

A. Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 B. Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Zusammenfassendes Ergebnis der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I. Die Distanzteilnahme als unternehmerisches Risiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

II. Ziel und Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

Erster Teil Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

22

A. Der Begriff „Internationales Strafrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

B. Völkerrechtliche Grundlagen nationaler Strafgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

C. Funktionen der §§ 3 ff. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Territorialitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Flaggenprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aktives Personalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Rechtslage und das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit . . . . . . IV. Schutzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatsschutzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Individualschutzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Weltrechtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Kompetenzverteilungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Anknüpfungsprinzipien im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 30 30 31 32 32 33 33 33 36 39 40 40 41 42 43 43 44 45 45 46 46 47

12

Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

48

A. Tatbestand des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

B. Historischer Hintergrund der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung des deutschen Strafanwendungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geltung des Territorialitätsprinzips (1871–1940) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geltung des aktiven Personalitätsprinzips (1940–1974) . . . . . . . . . . . . . 3. Rückkehr zum Territorialitätsprinzip durch das 2. StrRG . . . . . . . . . . . II. Regelung des Teilnahmeortes in § 9 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Systematische Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Zusammenspiel zwischen § 3 und § 9 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konkretisierung des Territorialitätsprinzips durch § 9 Abs. 1 StGB . . 2. Anknüpfungspunkte für den Ort der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfolgstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Handlungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ubiquitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausdehnung des Einheitsprinzips auf die Teilnahme durch § 9 Abs. 2 S. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB als Sonderregelung der Distanzteilnahme . . . . . . . .

53 53 53 54 54 55 55

D. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Spannungsfeld der Teilnahmedogmatik . . . . . . . . . . I. Verhältnis der Regelung zum akzessorietätsorientierten Verständnis der Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Grundsatz der (limitierten) Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchbrechung der (limitierten) Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Geltungsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Delikt sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rein strafanwendungsrechtliche Betrachtung der Vorschrift . . . . . . . . . 6. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Problematische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Legitimationsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtspolitische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im dualistischen Beteiligungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gleichbehandlungsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kongruenz der inländischen Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

57 58

61 61 62 63 64 64 65 67 69 69 70 71 73 75 75 75

Inhaltsverzeichnis b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schließung von Strafbarkeitslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beitrag im internationalen Kampf gegen das Verbrechertum . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktionen der Generalprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anlass für verfassungsrechtliche Bedenken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gefahr durch Vertrauensverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Solidarität der Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 76 78 78 79 80 80 82 83 84 86 87

Dritter Teil Einfluss des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf die Praxis globaler Unternehmensleitung A. Rechtliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fälle, in denen im Ausland keine Vorschriften nach deutschem Vorbild existieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konzerninterne Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Export von Wirtschaftsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beteiligung an internationaler Stammzellforschung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Embryonenschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stammzellgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strafbarkeitsrisiken internationaler Forschungskooperationen . . . . . aa) Embryonenschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stammzellgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Diskussion um die bereichsweise Rücknahme des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Rahmen des StZG . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erforderlichkeit der bereichsweisen Rücknahme . . . . . . . . (a) Meinungsspektrum zum territorialen Schutzbereich des § 13 StZG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen der Strafbarkeitsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fälle divergierender Strafbarkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arbeitsschutzbestimmungen und Sicherheitsstandards . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis aus rechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89 89 90 90 91 92 93 93 94 96 97 99 100 102 103 105 106 107 107 109 110 110

14

Inhaltsverzeichnis

B. Wirtschaftliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 C. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Vierter Teil Einschränkungsmöglichkeiten A. Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ansätze für eine Restriktion des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessuale Lösung über das Opportunitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die korrigierende Wirkung des § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Rudiment der limitierten Akzessorietät“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Limitierung des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Schutzbereich eines Straftatbestandes als Vorfrage der Anwendung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Differenzierung nach Rechtsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inländische Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausländische Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bereichsweise Ausnahme von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . 5. Maßgeblichkeit ausländischer Rechtssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Akzeptanz ausländischer außerstrafrechtlicher Vorfeldnormen . . . . aa) Verhältnis zwischen strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Exkurs: Auswirkungen auf die Fallgruppe divergierender Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berücksichtigung des Tatortrechts bei der Bestimmung des Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Maßgeblichkeit ausländischer Rechtssätze und der Satz „nullum crimen, nulla poena sine lege“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Grundgedanke des Satzes „nullum crimen, nulla poena sine lege“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verwendung akzessorischer Merkmale im Strafrecht . . . . . . . . cc) Verweisung auf ausländische Rechtssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stellungnahme zur Maßgeblichkeit ausländischer Rechtssätze . . . . 6. Rechtsgedanke des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der geschichtliche Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung des Rechtsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115 115 115 116 116 117 119 120 120 121 122 123 126 126 128 128 129 129 131 133 135 135 135 136 137 140 140 141 142

Inhaltsverzeichnis

II.

d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Transfer der Versuchsstrukturen (§ 23 Abs. 2 StGB analog) . . . . . . . . . a) Grundlagen des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriff und Struktur des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Strafwürdigkeit des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Objektiver Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Subjektiver Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vermittelnder Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Parallelen zwischen den Versuchsstrukturen und § 9 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Analoge Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Berücksichtigung der Straflosigkeit der ausländischen Haupttat im Rahmen der Auslegung des deutschen Strafgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Anwendung der Irrtumslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen des Verbotsirrtums nach § 17 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.Selbstverpflichtung der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.Angleichung der Strafrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hintergrund der Harmonisierungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen im Hinblick auf das Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 144 145 146 146 147 147 147 147 148 149 149 150 153 153 155 156 157 157 158 159 159 161 161 163 164 165

B. Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Das Erfordernis einer lex loci als objektive Bedingung der Strafrechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Die Bestrafung der Distanzteilnahme de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Zusammenfassendes Ergebnis der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. a. F. Alt. Amtl. Begr. Anm. AO Art. AT BayObLG Bd. BGB BGBl. BGH BGHSt BT BT-Drucks. bzw. DB d. h. E 1962 EG EGBGB Einl. EMRK ESchG f. ff. FS GA gem. GG GS Hb. Hdb.

andere Auffassung Absatz alte Fassung Alternative Amtliche Begründung Anmerkung Abgabenordnung Artikel Allgemeiner Teil Bayerisches Oberstes Landesgericht Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Besonderer Teil Bundestags-Drucksachen beziehungsweise Der Betrieb das heißt Entwurf eines Strafgesetzbuches 1962 Europäische Gemeinschaften Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einleitung Europäische Menschenrechtskonvention Embryonenschutzgesetz folgende fortfolgende Festschrift Goltdammer’s Archiv für Strafrecht gemäß Grundgesetz Gedächtnisschrift Halbband Handbuch

Abkürzungsverzeichnis HRRS Hrsg. Hs. i. d. F. IPR IStR JA JR Jura JuS JZ Kap. KK KMR KritV LK m. Anm. MMR MüKo m.w. N. NJW NK Nr. NStZ NuR NZG OLG OWiG RegE RGSt Rn. Rspr. RStGB S. SK StGB StIGHE StPO StraFo StrRG StV

17

HRR-Strafrecht, Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht Herausgeber Halbsatz in der Fassung Internationales Privatrecht Internationales Strafrecht Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung Loseblattkommentar zur Strafprozessordnung Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch mit Anmerkung Multimedia und Recht Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Natur und Recht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Ordnungswidrigkeitengesetz Regierungsentwurf Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Randnummer Rechtsprechung Reichsstrafgesetzbuch Satz/Seite Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch Strafgesetzbuch Entscheidungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofs Strafprozessordnung Strafverteidiger Forum Strafrechtsreformgesetz Strafverteidigung

18 StZG u. u. a. Urt. v. vgl. Vorbem. VStGB wistra ZAkDR z. B. ZIS ZRP ZStW

Abkürzungsverzeichnis Stammzellgesetz und unter anderem Urteil vom vergleiche Vorbemerkung Völkerstrafgesetzbuch Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Einleitung „Aufgabe des Strafrechts ist es nicht, das Recht vom Unrecht, sondern das strafbare Unrecht vom nicht strafbaren Unrecht abzugrenzen“ 1.

Dieses Gebot bringt in ebenso simpler wie eindringlicher Weise zum Ausdruck, mit welchem Feingefühl das Strafrecht auszugestalten ist, um dem dahinter verborgenen Anspruch angemessen Rechnung zu tragen. Obgleich diese Maxime bei sämtlichen strafrechtlichen Überlegungen zu berücksichtigen ist, stößt sie gerade im sensiblen Bereich der Distanzteilnahme deutlich an ihre Grenzen. Aufgrund des räumlichen Auseinanderfallens von Haupttat und Teilnahme unter Durchbrechung nationaler Grenzen gilt es im Rahmen der Distanzteilnahme, unter Beachtung von mindestens zwei nationalen Rechtsordnungen zwischen strafbarem und nicht strafbarem Unrecht zu differenzieren. In Anbetracht der erheblichen Ausweitung, die die deutsche Strafgewalt in diesem Zusammenhang durch § 9 Abs. 2 S. 2 StGB erfährt, mehren sich die Zweifel, ob die Vorschrift diesem Anspruch genügt.

I. Die Distanzteilnahme als unternehmerisches Risiko Die zunehmende Verflechtung des internationalen Wirtschaftsverkehrs führt dazu, dass nationale Grenzen immer stärker an Bedeutung verlieren. Stattdessen resultieren aus der Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen immer mehr Berührungspunkte mit verschiedensten Rechtsordnungen. Für Wirtschaftsstraftäter erwachsen daraus jedoch nicht automatisch zusätzliche Hindernisse; vielmehr berücksichtigen die Delinquenten ein etwaiges Gefälle beim Ausbau des Wirtschaftsstrafrechts oder bei der Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten und nutzen die nationalen Besonderheiten häufig bewusst aus2. Einen Beitrag zur Überbrückung solcher Gefälle leistet § 9 Abs. 2 S. 2 StGB, indem die Vorschrift den inländischen Teilnehmer an einer ausländischen Haupttat auch dann dem deutschen Strafrecht unterwirft, wenn die Haupttat nach dem Recht des anderen Staates gar nicht mit Strafe bedroht ist. Allerdings scheint der Gesetzgeber mit dieser Regelung wiederum „teilweise übers Ziel hinausgeschossen“ 3 zu sein. Die Vorschrift weitet den Anwendungsbereich des deutschen Straf1

Kadecˇka, ZStW 59 (1940), 1 (14). Müller-Gugenberger/Bieneck-Richter, § 4 Rn. 1; vgl. Otto, ZStW 96 (1984), 339 (373). 3 LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 52. 2

20

Einleitung

rechts in derartig erheblicher Weise aus, dass sie Erinnerungen an einen „Strafrechtsimperialismus“ weckt, der längst überwunden schien. Dabei beschränken sich die Konsequenzen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht etwa auf bestimmte Anwendungsbereiche, sondern die Vorschrift gilt als Element des Allgemeinen Teils des StGB für sämtliche Erscheinungsformen der Distanzteilnahme, deren rechtliche Beurteilung nach deutschem und ausländischen Recht divergiert. Davon betroffen sind also auch global operierende Wirtschaftsunternehmen, die sich im Rahmen grenzüberschreitender Wirtschaftsbeziehungen an unterschiedlichen strafrechtlichen Maßstäben messen lassen müssen. Sofern bestimmte Geschäftspraktiken nach deutschem Strafrecht sanktioniert werden, jedoch nach ausländischem Recht nicht unter Strafe stehen und nach der dort vorherrschenden Anschauung als durchaus sozialadäquat qualifiziert werden, sehen sich die verantwortlichen Unternehmensorgane also einem Konflikt ausgesetzt. Insoweit resultiert aus § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ein beachtliches Strafbarkeitsrisiko, das wie eine Art „strafrechtliche Dauerbedrohung“ über den Verantwortungsträgern schwebt. Weist beispielsweise die in Deutschland ansässige Konzernspitze eine ausländische Tochtergesellschaft an, eine bestimmte Geschäftsmaßnahme vorzunehmen, die am Standort des Tochterunternehmens rechtlich gestattet ist und den dort üblichen Gepflogenheiten entspricht, im Inland jedoch unter Strafe steht, setzen sich die verantwortlichen Entscheidungsträger der Gefahr aus, als Teilnehmer bestraft zu werden4.

II. Ziel und Gang der Darstellung Die vorliegende Arbeit nimmt diese Problemlage zum Anlass, sich eingehend mit den spezifischen Strukturen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB sowie dem Regelungsgehalt der Vorschrift auseinanderzusetzen. Außerdem wird untersucht, welchen Einfluss die Regelung tatsächlich auf die Praxis der globalen Unternehmensleitung hat. Auf Basis dieser Analyse werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie die aus § 9 Abs. 2 S. 2 StGB resultierende Ausdehnung der deutschen Strafgewalt sinnvoll begrenzt werden kann. Strukturell stellt sich der Aufbau der vorliegenden Arbeit daher folgendermaßen dar: Im ersten Teil der Untersuchung werden im Wesentlichen die für das Verständnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB relevanten Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts dargestellt. Dazu werden zunächst der Begriff „Internationales Strafrecht“ (A.) sowie die völkerrechtlichen Grundlagen nationaler Strafgewalt (B.) 4 Vgl. Beispiel bei SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 15; Liebelt, S. 250; Obermüller, S. 152; IStrR in der Praxis-Hugger, Rn. 1135; LK-Gribbohm, 11. Aufl., § 9 Rn. 33.

Einleitung

21

betrachtet und analysiert. Anschließend sollen die Funktionen der §§ 3 ff. StGB (C.) ebenso wie die das deutsche Strafanwendungsrecht legitimierenden Anknüpfungsprinzipien (D.) aufgezeigt werden. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit dem Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB. Die Untersuchung ist insofern in vier Themenbereiche untergliedert: Tatbestand des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB (A.), Historischer Hintergrund der Regelung (B.), Systematische Bedeutung der Vorschrift (C.) und § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Spannungsfeld der Teilnahmedogmatik (D.). Die Themenbereiche orientieren sich am üblichen juristischen Auslegungskanon und sollen die Bedeutung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Rahmen des deutschen Strafanwendungsrechts herausstellen. Darüber hinaus wird erläutert, warum der spezifische Charakter der Regelung nicht nur aus strafanwendungsrechtlicher Perspektive Beachtung verdient, sondern auch aus teilnahmedogmatischer Sicht. Der dritte Teil der Untersuchung dient schwerpunktmäßig dazu, den Einfluss des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf die Praxis der globalen Unternehmensleitung deutlich zu machen. Auch in diesem Zusammenhang wird ein Perspektivenwechsel vorgenommen, indem der Einfluss der Vorschrift sowohl aus rechtlicher (A.) als auch aus wirtschaftlicher (B.) Perspektive beleuchtet wird. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse des ersten bis dritten Teils widmet sich die Arbeit schließlich im vierten Teil der Frage, wie die Reichweite des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB sinnvoll eingeschränkt werden kann. Die Beantwortung dieser Frage setzt sich aus zwei Untersuchungskomplexen zusammen. Zuerst wird der Fokus auf die Fragestellung gerichtet, ob ein Bedürfnis besteht, die Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB einer gesetzlichen Reform zu unterziehen (A.). Dazu werden an die aktuelle Gesetzeslage anknüpfende Restriktionsansätze analysiert, wobei sowohl in der Literatur bereits diskutierte Kriterien als auch innovative Ansätze Erwähnung finden. Danach gilt es, sich der Fragestellung zuzuwenden, wie ein entsprechendes Reformbedürfnis gesetzestechnisch umgesetzt werden könnte (B.).

Erster Teil

Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts A. Der Begriff „Internationales Strafrecht“ Wenn vom „Internationalen Strafrecht“ die Rede ist, kann mit diesem Begriff eine Vielzahl von Bedeutungen assoziiert werden5. Eine einheitliche Terminologie hat sich diesbezüglich noch nicht herauskristallisiert6. Üblicherweise werden unter dem Titel „Internationales Strafrecht“ die Bestimmungen über den Geltungs- und Anwendungsbereich des staatlichen Strafrechts behandelt7. Die ausschließliche Bezeichnung der §§ 3 ff. StGB als Internationales Strafrecht ist allerdings mit Blick auf den Ursprung sowie den normativen Inhalt der Regelungen aus doppeltem Grunde unzureichend8. Zum Einen sind die §§ 3 ff. StGB Teil des deutschen Strafrechts und stellen folgerichtig keine originär internationalen oder supranationalen Normen wie etwa das Völkerstrafrecht dar9. Es handelt sich um vom deutschen Gesetzgeber erlassenes nationales Recht, das nicht die Rechtsbeziehungen zwischen den Staaten, sondern zwischen dem Staat und dem einzelnen Bürger regelt10. Die §§ 3 ff. StGB entfalten bestenfalls mittelbar transnationale Wirkung, indem sie das deutsche Strafrecht über das inländische Hoheitsgebiet hinaus auf Auslandssachverhalte erstrecken11. Daher erscheint eher die Bezeichnung als transnationales Strafrecht zutreffend, da dieser Begriff immerhin den grenzüberschreitenden

5

Satzger, § 2 Rn. 1; Gardocki, ZStW 98 (1986), 703 (703). Vgl. Rotsch, ZIS 2010, 168 (169); kritisch zur mangelnden begrifflichen Einheitlichkeit Weigend, ZStW 105 (1993), 774 (776). 7 SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 1; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 1; Fischer, Vor §§ 3–7 Rn. 1; Lackner/Kühl, Vor §§ 3–7 Rn. 1; Satzger, § 2 Rn. 4; Oehler, IStR, Rn. 1; vgl. Henrich, S. 32. 8 Vgl. MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 1; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 2; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 5; Ambos, § 1 Rn. 2; Zieher, S. 25 f.; Hecker, § 2 Rn. 2; Eisele, JA 2000, 424 (425). 9 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 5; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 1; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 1; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 2; Ambos, § 1 Rn. 2; Zieher, S. 25 m.w. N. 10 Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (57); Satzger, § 2 Rn. 4; SSW-Satzger, Vor §§ 3–7 Rn. 1. 11 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 1; vgl. Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 6; Ambos, § 1 Rn. 2; Eser, FS BGH, Bd. IV, 2000, S. 3. 6

A. Der Begriff „Internationales Strafrecht‘‘

23

Charakter des Strafanwendungsrechts andeutet12. Zum Anderen suggeriert die sprachliche Nähe zum Internationalen Privatrecht eine Verwandtschaft, die in dieser Form tatsächlich nicht gegeben ist13. Im Unterschied zur primär kollisionsrechtlichen Funktion des Internationalen Privatrechts enthalten die §§ 3 ff. StGB keine Kollisionsnormen, sondern dehnen den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts einseitig aus, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob auf den betreffenden Sachverhalt ein oder mehrere nationale Strafrechtsordnungen Anwendung finden14. Folglich kann man allenfalls von einseitigem Kollisionsrecht sprechen15. Auch aus einer abstrakten Perspektive zeigt sich, dass eine begriffliche Reduktion des Internationalen Strafrechts auf das Strafanwendungsrecht den Bedeutungsgehalt dieser facettenreichen Materie nur verkürzt widerspiegelt. Bei der Frage nach einer Begriffsbestimmung ist vielmehr die Ende des vergangenen Jahrhunderts einsetzende Internationalisierung des Strafrechts zu berücksichtigen. Dadurch ist das Bedürfnis nach einer Terminologie entstanden, die die vielfältigen Aspekte dieser Entwicklung differenziert erfasst16. Internationales Strafrecht ist daher in einem weiten Sinne zu verstehen. Es bezeichnet alle Bereiche des Strafrechts, die einen rechtlichen oder tatsächlichen Bezug zum Ausland oder zu einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Gemeinschaft aufweisen17. Neben dem Strafanwendungsrecht in den §§ 3 ff. StGB zählen daher auch das Völkerstrafrecht, das Europäische Strafrecht sowie das Rechtshilferecht zum Internationalen Strafrecht, das somit nunmehr einen Oberbegriff für ein vielfältiges Spektrum von Spielarten darstellt18. 12 Ambos, § 1 Rn. 2; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 1; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 6. 13 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 2; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 1; SKHoyer, Vor § 3 Rn. 1; Zieher, S. 33; Ambos, § 1 Rn. 2. 14 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 1; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 5; Satzger, NStZ 1998, 112 (112); vgl. Bergmann, S. 22; von Kollisionsnormen auf dem Gebiete des Strafrechts spricht jedoch Nuvolone, ZStW 66 (1954), 545 ff. 15 Lackner/Kühl, Vor §§ 3–7 Rn. 1; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 5; Fischer, Vor §§ 3–7 Rn. 1; Kudlich, HRRS 2004, 278 (279); Ambos, § 1 Rn. 3; a. A. NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 1, wonach es auch kein einseitiges Kollisionsrecht sei. 16 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 2. 17 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 13; Satzger, § 2 Rn. 1; Oehler, IStR, Rn. 1, 7; Lagodny, ZStW 101 (1989), 987 (987); Gardocki, ZStW 98 (1986), 703 ff.; Kappel, S. 59. 18 Vgl. MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 3; Satzger, § 2 Rn. 1 ff.; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 14 ff.; Jescheck, FS Maurach, 1972, S. 579; a. A. Zieher, S. 26, der in dem Versuch, das Völkerstrafrecht, das supranationale Strafrecht, das internationale Rechtshilferecht und die Regelungen der §§ 3 ff. StGB unter dem einheitlichen Oberbegriff des Internationalen Strafrechts zusammenzufassen, nur eine Erweiterung eines bislang schon fehlgedeuteten Begriffs sieht, ohne dass er dadurch in seinem Bedeutungsgehalt einleuchtender würde.

24

1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

B. Völkerrechtliche Grundlagen nationaler Strafgewalt Während die Entscheidungsbefugnis über den Umfang der nationalen Strafgewalt früher noch auf Basis eines absoluten Souveränitätsverständnisses den einzelnen Nationalstaaten zugewiesen wurde19, herrscht heute Einigkeit darüber, dass eine unbegrenzte Ausdehnung der nationalen Strafgewalt völkerrechtlich unzulässig ist20. In welchem Umfang ein Staat seine Strafgewalt in Anspruch nehmen und ausdehnen darf, wird daher durch das Völkerrecht bestimmt, das in sämtlichen Fällen mit Auslandsberührung die Geltendmachung eines legitimierenden Anknüpfungspunktes („genuine link“) verlangt21. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind nach Art. 25 GG für die deutsche Staatsgewalt unmittelbar verbindlich; sie haben Vorrang vor den nationalen Gesetzen (nicht hingegen vor der Verfassung) und erzeugen auf diese Weise unmittelbar Rechte und Pflichten für jedermann22. Aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten23 folgt, dass jeder Staat seine Strafgewalt jedenfalls auf das eigene Territorium und die dort ansässigen eigenen Staatsangehörigen erstrecken darf. Die Ausdehnung der Strafgewalt über das eigene Hoheitsgebiet hinaus darf hingegen nur erfolgen, soweit kein völkerrechtliches Verbot entgegensteht24. Die Anmaßung nationaler Strafgewalt über extraterritoriale Sachverhalte kann eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen souveränen Staates darstellen, denn sie stellt dessen ausschließliche Zuständigkeit zur Ausübung von Strafgewalt auf seinem eigenen Territorium in Frage und zwingt ihn, die fremde Ausübung von Strafgewalt zu dulden25. Eine willkürliche Ausdehnung der nationalen Strafgewalt, die einem „Strafrechtsimperialismus“ gleichkäme, verstieße deshalb gegen das völkerrechtliche Nichteinmischungsgebot26. Dabei handelt es sich um eine völkerrechtliche Begrenzung der Ausdehnung der staatlichen Strafgewalt. Es untersagt jede Form 19

Vgl. Binding, S. 374; Beling, ZStW 17 (1987), 303 (322); Oehler, FS Grützner, 1970, S. 110. 20 BGHSt 44, 52 (57); MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 17; Ambos, § 2 Rn. 2; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 8; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 20; Oehler, IStR, Rn. 111; Satzger, § 4 Rn. 2; Hecker, § 2 Rn. 10; Rath, JA 2006, 435 (435); vgl. hierzu den berühmten Lotus-Fall des IGH vom 7. September 1927 (StIGHE 5, 71); dazu Menzel/Pierlings/Hoffmann-Becker, S. 291 ff. 21 Satzger, § 4 Rn. 2; SSW-Satzger, Vor §§ 3–7 Rn. 4; Satzger, Jura 2010, 108 (109); Hecker, § 2 Rn. 10 und Ambos, § 2 Rn. 6, jeweils mit weiteren Verweisen auf die deutsche Rechtsprechung. 22 Jescheck/Weigend, AT, S. 11; vgl. Ambos, § 2 Rn. 5; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 29 f.; Oehler, IStR, Rn. 111. 23 Dieser Grundsatz wird in Art. 2 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen normiert. 24 Hecker, § 2 Rn. 10. 25 Ambos, § 2 Rn. 3; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 19. 26 Hecker, § 2 Rn. 10.

B. Völkerrechtliche Grundlagen nationaler Strafgewalt

25

der Einmischung in Angelegenheiten, auf die sich die Regelungskompetenz eines anderen Staates erstreckt27. Grundsätzlich ist jeder Staat frei, Anwendungsbereich und Reichweite seines Strafrechts zu bestimmen. Der Grundsatz der Nichteinmischung schränkt diese Freiheit allerdings insofern ein, als dass der Staat seine Strafgewalt nur auf solche Sachverhalte erstrecken darf, die eine Verbindung zu ihm aufweisen, vermittelt etwa durch den Tatort, die Person des Täters oder des Opfers oder durch das betroffene Schutzgut28. Vor diesem Hintergrund muss bei der Prüfung, ob eine extraterritoriale Erstreckung der Strafgewalt mit dem Nichteinmischungsgebot vereinbar ist, eine zweistufige Prüfung vorgenommen werden, die im folgenden Schaubild zum Ausdruck kommt: Stufe 1:

Hinreichender Anknüpfungspunkt?

I. Grundsatz Territorialitätsprinzip

Stufe 2:

Entgegenstehendes völkerrechtliches Verbot?

I. Allgemeines Willkür- und Rechtsmissbrauchsverbot

II. Wenn mehrere Staaten einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für ihre Strafgewalt geltend machen Durchbrechungen des Territorialitätsprinzips (positiver Kompetenzkonflikt): II. Ausnahmen

1. Flaggenprinzip 2. Aktives Personalitätsprinzip 3. Schutzprinzip a) Staatsschutzprinzip b) Individualschutzprinzip 4. Weltrechtsprinzip 5. Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege 6. Kompetenzverteilungsprinzip

1. Abstrakte Rangfolge der Anknüpfungspunkte 2. Konkrete Abwägung der betroffenen Staaten- und Souveränitätsinteressen i. S. d. völkerrechtlichen Optimierungsgebots

Quelle: Ambos, § 2 Rn. 5.

Schaubild 1: Völkerrechtliche Legitimation nationaler Strafgewalt

Auf einer ersten Stufe ist zu prüfen, ob der strafrechtsrelevante Lebenssachverhalt eine besondere Nähebeziehung oder einen hinreichenden Kontakt zu dem Staat aufweist, der die Ausübung der Strafgewalt beansprucht. Es ist also festzustellen, ob insoweit ein hinreichender Anknüpfungspunkt besteht29. Als völker27 28 29

Henrich, S. 16; vgl. Kunig, JuS 1978, 594 (595). Werle, Rn. 185. Ambos, § 2 Rn. 5 f.; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 21; Hecker, § 2 Rn. 11.

26

1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

rechtlich legitimierende Anknüpfungspunkte kommen insbesondere der Begehungsort der Tat (Territorialitätsprinzip), die Staatsangehörigkeit des Täters oder Opfers (aktives und passives Personalitätsprinzip), der Schutz bestimmter inländischer Rechtsgüter (Schutzprinzip) bzw. von Interessen universellen Charakters (Weltrechtsprinzip), das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege sowie das Kompetenzverteilungsprinzip in Betracht30. Wenn ein hinreichender Anknüpfungspunkt gegeben ist, spricht eine Vermutung für die völkerrechtliche Unbedenklichkeit der Strafgewaltsausdehnung31. Auf einer zweiten Stufe ist sodann zu prüfen, ob der Ausübung extraterritorialer Strafgewalt im konkreten Fall gleichwohl ein ausdrückliches völkerrechtliches Verbot entgegensteht32. Aus völkerrechtlicher Sicht kommen insoweit nur das Willkür- und das Rechtsmissbrauchsverbot in Betracht33. Im Rahmen der materiell-völkerrechtlichen Prüfung ist unter Abwägung der betroffenen Staats- und Souveränitätsinteressen zu entscheiden, ob der abstrakt-generelle Anknüpfungspunkt auch die konkrete Hoheitsausübung legitimiert34. Die Abwägung ist im Sinne eines dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der praktischen Konkordanz entsprechenden völkerrechtlichen Optimierungsgebots aufzulösen35: Es gilt die Maxime, dass jeder Staat seine Strafgewalt soweit als möglich, aber im Verhältnis zu anderen Staaten nur soweit als nötig ausdehnen darf, um deren Interessen nicht ungebührlich zu verletzen36. Eine ungebührliche Verletzung der fremdstaatlichen Souveränität ist anzunehmen, wenn das Interesse des in seiner Souveränität verletzten Staates das Interesse des extraterritoriale Strafgewalt beanspruchenden Staates überwiegt. Davon ist auszugehen, wenn die Ausdehnung der Strafgewalt im konkreten Fall eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten des anderen Staates darstellt37.

C. Funktionen der §§ 3 ff. StGB Wie bereits die systematische Stellung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB andeutet, zählt die Vorschrift ebenfalls zum Strafanwendungsrecht und damit zu einer 30 Hecker, § 2 Rn. 12; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 25–61; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 11–26; Satzger, § 4 Rn. 3; Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35 (37); Wessels/Beulke, Rn. 63 ff. 31 Hecker, § 2 Rn. 11; Ambos, § 2 Rn. 8; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 22. 32 Ambos, § 2 Rn. 8; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 22; Hecker, § 2 Rn. 11. 33 Hecker, § 2 Rn. 11; Ambos, § 2 Rn. 8; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 22; vgl. zum Willkürverbot Wendt, S. 98 f.; Martin, S. 142; Henrich, S. 186 ff.; vgl. zum Rechtsmissbrauchsverbot Rosswog, S. 158 ff.; Zieher, S. 67 f. 34 Hecker, § 2 Rn. 11; Ambos, § 2 Rn. 8; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 22. 35 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 23; Ambos, § 2 Rn. 9. 36 Vgl. dazu im Detail Ziegenhain, S. 36 ff. 37 Hecker, § 2 Rn. 11; Ambos, § 2 Rn. 9; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 23.

C. Funktionen der §§ 3 ff. StGB

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Spielart des deutschen Internationalen Strafrechts38. Dementsprechend ist es für ein fundiertes Verständnis der Regelung unverzichtbar, sich mit den Funktionen der §§ 3 ff. StGB vertraut zu machen. Dabei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: Auf einer ersten Ebene beantwortet das deutsche Strafanwendungsrecht die Frage, ob ein konkreter Sachverhalt, der im Hinblick auf die Nationalität des Täters oder des Verletzten oder den ausländischen Tatort einen Auslandsbezug aufweist, gleichwohl der eigenen nationalen Strafgewalt unterliegt39. Es bestimmt also innerhalb der völkerrechtlich gezogenen Grenzen den Umfang der von der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommenen Strafgewalt und ist damit zugleich maßgeblich für die Reichweite der Gerichtsbarkeit deutscher Strafgerichte40. Nur wenn die Frage nach der Strafberechtigung positiv zu beantworten ist, ist der Staat befugt, gegenüber dem Täter in Bezug auf eine bestimmte Handlung strafrechtlich vorzugehen41. Fehlt die Strafberechtigung, ist die Durchführung eines Strafverfahrens unzulässig und muss eingestellt werden, da gemessen an den Maßstäben deutscher Verfahrenskategorien ein Prozesshindernis besteht42. Sofern die Strafberechtigung der Bundesrepublik zugewiesen ist, bestimmt das Strafanwendungsrecht dann auf einer zweiten, nachgelagerten Ebene, ob das eigene materielle Strafrecht anzuwenden ist oder ob die Strafrechtsordnung eines anderen Staates heranzuziehen ist43. Streng genommen regeln die §§ 3 ff. StGB also nicht in erster Linie den Anwendungsbereich des deutschen materiellen Strafrechts, sondern das dieser Frage noch vorgelagerte Problem des Umfangs der staatlichen Strafgewalt, deren Existenz auch in der Verweisung auf eine andere Rechtsordnung zum Ausdruck kommen kann44. Letzteres bedarf allerdings in Deutschland regelmäßig keiner vertieften Erörterung, da die Anwendung ausländischer Strafgesetze nur in Ausnahmefällen praktische Relevanz hat45. Die §§ 3 ff. StGB beruhen vielmehr auf dem 38 Siehe zum (terminologischen) Verhältnis zwischen Strafanwendungsrecht und Internationalem Strafrecht bereits oben 1. Teil, A. 39 Satzger, § 3 Rn. 2; Jescheck/Weigend, AT, S. 163; vgl. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (380). 40 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 3. 41 Jescheck/Weigend, AT, S. 163. 42 BGHSt 34, 1 (3 f.); BGH NJW 1995, 1844 (1845); BGH NStZ 1997, 119 (119); LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 10; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 3; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 7; Satzger, § 3 Rn. 2; Kühne, § 3 Rn. 45. 43 Satzger, § 3 Rn. 3; Jescheck/Weigend, AT, S. 163. 44 Jescheck/Weigend, AT, S. 163 f. 45 Vgl. Cornils, S. 44; siehe auch Satzger, § 3 Rn. 4 sowie Jescheck/Weigend, AT, S. 163, die rechtsvergleichend auf das schweizerische StGB verweisen; Art. 5 Abs. 1 des schweizerischen StGB sah – bis vor kurzem – die Anwendung einer ausländischen Strafnorm vor: „Wer im Auslande gegen einen Schweizer ein Verbrechen oder ein Vergehen verübt, ist, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist, dem schweizeri-

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1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

Grundprinzip, dass deutsche Justizbehörden stets ausschließlich deutsches Strafrecht anwenden46. Die Vorschriften bestimmen mit dem Umfang der staatlichen Strafgewalt also im Sinne einer „Entweder-oder-Lösung“, ob deutsches Strafrecht anzuwenden ist oder nicht, denn die Bejahung der deutschen Strafgewalt ist praktisch gleichbedeutend mit der Anwendung deutschen Strafrechts47. Aus diesem Grund soll im Folgenden primär der Frage nachgegangen werden, von welchen Parametern die Reichweite der deutschen Strafgewalt abhängig ist.

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien Die Ausgestaltung des Strafanwendungsrechts ist, wie die völkerrechtlichen Grundlagen nationaler Strafgewalt belegen, kein bloß juristisch-technisches Problem, sondern verlangt vom Gesetzgeber grundlegende Entscheidungen über das Verhältnis des Einzelnen zum Staat und über die Stellung des Staates in der Völkerrechtsgemeinschaft48. Zur Beantwortung der Frage nach der Strafberechtigung der nationalen Strafgewalt bedient sich das deutsche Strafanwendungsrecht diverser völkerrechtlich anerkannter Anknüpfungsprinzipien49. Ihnen kommt insofern eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung des völkerrechtlichen Rahmens staatlicher Strafgewalt zu, weil sie den Bereich bezeichnen, in dem das Völkerrecht die Ausübung von Strafgewalt erlaubt50. Die völkerrechtlichen Vorgaben für die Ausübung staatlicher Strafgewalt bilden also einen Rahmen, den jeder Staat bei der Ausgestaltung seines Strafanwendungsrechts und bei dessen Anwendung zu beachten hat51. Innerhalb dieses Rahmens steht jedem souveränen Staat die Entscheidung über die Grenzen der eigenen Strafgewalt selbst zu (sogenannte Kompetenz-Kompetenz der Staaten)52. Bei der Ausgestaltung des staatlichen Strafanwendungsrechts schen Gesetz unterworfen, wenn er sich in der Schweiz befindet und nicht an das Ausland ausgeliefert, oder wenn er der Eidgenossenschaft wegen dieser Tat ausgeliefert wird. Ist das Gesetz des Begehungsortes für den Täter das mildere, so ist dieses anzuwenden.“ 46 Siehe zur Charakterisierung der §§ 3 ff. StGB als einseitiges Kollisionsrecht bereits oben 1. Teil, A. 47 Ambos, § 1 Rn. 5; vgl. Satzger, Jura 2010, 108 (109). 48 Vgl. Jescheck, Strafrechtsreform, S. 521 m.w. N. 49 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (380); NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 8; vgl. zur völkerrechtlichen Anerkennung der Anknüpfungsprinzipien des deutschen Strafanwendungsrechts im Einzelnen MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 17 ff. m.w. N. 50 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 216. 51 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 27; siehe zu den völkerrechtlichen Grundlagen nationaler Strafgewalt bereits oben 1. Teil, B. 52 Jescheck/Weigend, AT, S. 164; Satzger, § 4 Rn. 2; Walter, JuS 2006, 870 (870 f.).

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien

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steht es dem Gesetzgeber demzufolge frei, die völkerrechtlich anerkannten Anknüpfungsprinzipien nach seinem Ermessen aufzugreifen53. Dabei ist der Gesetzgeber nicht gehindert, seine eigenen kriminalpolitischen Ziele auch durch die Kombination mehrerer Prinzipien zu realisieren und diese – innerhalb der völkerrechtlichen Vorgaben – zu modifizieren54. Die zur Auswahl stehenden Prinzipien lassen sich in zwei Gruppen gliedern, in denen sich die zentralen Grundsätze des Internationalen Strafrechts widerspiegeln55. Während die Ausübung von Strafgewalt in der ersten Gruppe (Territorialitäts-, Staatsschutz-, passives Personalitätsprinzip) aus dem Gesichtspunkt des Selbstschutzes des Staates folgt, steht bei der zweiten Gruppe (aktives Personalitätsprinzip, Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege, Universalitätsprinzip, Kompetenzverteilungsprinzip) der Gedanke der Solidarität der Staaten im Vordergrund56. Mit Blick auf die Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ist in diesem Zusammenhang wiederum zu beachten, dass sich sowohl der Sinn und Zweck als auch die problematischen Konsequenzen der Norm nur im Lichte dieser Prinzipien gänzlich erschließen57. Von den völkerrechtlichen Anknüpfungsprinzipien zu unterscheiden sind die Grundsätze des staatlichen Strafanwendungsrechts58. Bei letzteren handelt es sich um allgemeine Rechtssätze, die sich aus den Bestimmungen eines staatlichen, etwa des deutschen Strafanwendungsrechts gewinnen lassen59. Sie bestimmen Grund und Umfang der Geltung der staatlichen Strafgesetze und sind Teil der jeweiligen staatlichen Rechtsordnung, jedoch nicht des Völkerrechts60. Es dient der Klarheit, wenn die Zugehörigkeit dieser Rechtssätze zu unterschiedlichen Rechtsordnungen auch terminologisch zum Ausdruck kommt. Daher ist von den völkerrechtlichen Anknüpfungsprinzipien einerseits und von den innerstaatlichen Grundsätzen des Strafanwendungsrechts andererseits die Rede61. Die Unterscheidung zwischen den völkerrechtlichen Anknüpfungsprinzipien und den innerstaatlich verwirklichten Grundsätzen des nationalen Strafanwendungsrechts ist von grundlegender Bedeutung für die Beurteilung der innerstaat53 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 218; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 27; Schröder, JZ 1968, 241 (242); Jescheck/Weigend, AT, S. 165; Zieher, S. 102. 54 NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 8; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 218. 55 Oehler, IStR, Rn. 121; Oehler, FS Grützner, 1970, S. 115 ff.; Obermüller, S. 145; Schröder, JZ 1968, 241 (241 f.); vgl. Schlüchter, FS Oehler, 1985, S. 309. 56 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 217; Müller-Gugenberger/Bieneck-Richter, § 4 Rn. 5; zu den einzelnen Prinzipien siehe sogleich unten 1. Teil, D. 57 Vgl. Jung, JZ 1979, 325 (328). 58 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 219; ähnlich auch MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 24. 59 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 219. 60 Siehe oben 1. Teil, A. 61 Vgl. LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 219.

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1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

lichen Gesetzeslage62. Die Differenzierung unterstreicht die Notwendigkeit, die innerstaatlichen Grundsätze auf ein völkerrechtliches Anknüpfungsprinzip zurückzuführen. Nur soweit dies möglich ist, ist die innerstaatliche Gesetzeslage völkerrechtskonform63. Mit Blick auf die Bestimmungen des deutschen Strafanwendungsrechts folgt daraus, dass jede Geltungsbereichsnorm durch ein völkerrechtlich anerkanntes Anknüpfungsprinzip gedeckt sein muss, um eine Verletzung des völkerrechtlichen Nichteinmischungsgebots zu vermeiden64. Dementsprechend wird im Rahmen der folgenden Darstellung der einzelnen legitimierenden Anknüpfungsprinzipien jeweils zwischen den völkerrechtlichen Grundlagen und der deutschen Rechtslage differenziert65.

I. Territorialitätsprinzip 1. Völkerrechtliche Grundlagen Das Territorialitätsprinzip, welches auch als Gebietsgrundsatz bezeichnet wird, knüpft an den Tatort an und weist demjenigen Staat die Strafgewalt zu, der die Gebietshoheit ausübt66. Danach findet das inländische Recht ohne Rücksicht auf die Nationalität des Täters oder des Opfers auf alle Taten Anwendung, die sich auf dem Staatsgebiet des betreffenden Staates ereignen67. Das Territorialitätsprinzip folgt dem Gedanken, dass die innerstaatliche Strafrechtsordnung für jedermann Geltung haben muss, der sich im Inland aufhält68. Umgekehrt hat dies in negativer Hinsicht zur Folge, dass im Ausland begangene Taten außer Betracht bleiben, selbst wenn es sich sowohl beim Täter als auch beim Opfer um einen Inländer handelt69. Weil das Territorialitätsprinzip vor diesem Hintergrund regelmäßig als zu eng empfunden wird, wird es häufig mit anderen Prinzipien – wie dem Schutzprinzip oder dem aktiven Personalitätsprin62

LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 220. LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 220; vgl. MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 24. 64 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 28. 65 Vgl. Differenzierung bei Ambos, § 3 Rn. 4 ff. 66 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 25 u. Ambos, § 3 Rn. 4, wonach dieses Prinzip zugleich Ausdruck der inneren Souveränität des Tatortstaates sei. 67 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 12; NK-Böse, Vor § 3 Rn. 16; MüKo/ StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 25; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 222; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 9; Lackner/Kühl, Vor §§ 3–7 Rn. 2; Jescheck/Weigend, AT, S. 167; Baumann/ Weber/Mitsch, § 7 Rn. 36; Jakobs, 5. Abschnitt Rn. 7; Stratenwerth/Kuhlen, § 4 Rn. 5; Satzger, Jura 2010, 108 (109); Obermüller, S. 145; Oehler, IStR, Rn. 152; Zieher, S. 75 f. 68 Satzger, § 4 Rn. 5; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 222; NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 9. 69 SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 9; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 12; NKLemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 9; Gleispach, ZStW 55 (1936), 399 (399). 63

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien

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zip – kombiniert70. Dennoch zeigt der internationale Vergleich, dass das Territorialitätsprinzip insbesondere in den Rechtssystemen des anglo-amerikanischen und kontinental-europäischen Rechtskreises ebenso wie in der internationalen Entscheidungspraxis bei der Lösung zwischenstaatlicher Konflikte seit jeher den Ausgangspunkt des Strafanwendungsrechts gebildet hat71. Eine an den staatlichen Hoheitsgebieten orientierte Abgrenzung darf für sich in Anspruch nehmen, den völkerrechtlichen Grundsätzen der Gebietshoheit, Unabhängigkeit und Gleichheit der souveränen Staaten am ehesten zu entsprechen72. Auch mit Blick auf die Gerechtigkeit im Einzelfall sowie den Grundsatz der Prozessökonomie lässt das Territorialitätsprinzip die besten und effizientesten Ergebnisse erwarten, da die Beweisaufnahme am Tatort die zuverlässigsten Ergebnisse verspricht73. An seine Grenzen stößt das Territorialitätsprinzip allerdings auch dann, wenn die nationalen Grenzen aufgrund des strafrechtlichen Zusammenwirkens mehrerer Staaten an Bedeutung verlieren, so wie dies insbesondere in der EU beabsichtigt und teilweise bereits praktiziert wird. Konsequenterweise richten sich die Bestrebungen in diesem Zusammenhang darauf, ein Europäisches Territorialitätsprinzip zu etablieren74. 2. Deutsche Rechtslage Das Territorialitätsprinzip hat in § 3 StGB Niederschlag gefunden und bildet damit auch den Ausgangspunkt des deutschen Strafanwendungsrechts75. Nach § 3 StGB gilt das deutsche Strafrecht für Taten, die im Inland begangen werden. Zu beachten ist jedoch, dass die Durchbrechungen in den §§ 4 bis 7 StGB so zahlreich sind, dass zum Teil bereits in Frage gestellt wird, ob überhaupt noch von einem „Grundsatz“ die Rede sein kann76. Allerdings reicht es für kaum ein Strafrechtssystem aus, ausschließlich an die Territorialität anzuknüpfen. Daher kann es durchaus schutzwürdige Interessen eines Staates geben, die eine extraterritoriale Anwendung des Strafrechts rechtfertigen77. Die auf andere Anknüpfungsgründe abstellenden Regeln haben insofern lediglich den Zweck, den An70

Satzger, § 4 Rn. 5. Ambos, § 3 Rn. 4; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 25; vgl. NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 9; Satzger, § 4 Rn. 5; Schönke, FS Mezger, 1954, S. 105. 72 NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 9; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 222; Satzger, § 4 Rn. 5; Oehler, IStR, Rn. 125, 152 ff.; Jescheck/Weigend, AT, S. 167. 73 Jescheck/Weigend, AT, S. 167; Obermüller, S. 145. 74 Satzger, § 4 Rn. 5 m.w. N. 75 NK-Böse, Vor § 3 Rn. 16; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 260; Schönke/Schröder-Eser, § 3 Rn. 1; Jescheck/Weigend, AT, S. 171; Satzger, NStZ 1998, 112 (112). 76 Vgl. Ambos, § 3 Rn. 10; SK-Hoyer, § 3 Rn. 2; Vogler, FS Grützner, 1970, S. 155. 77 Ambos, § 3 Rn. 10. 71

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1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

wendungsbereich des deutschen Strafrechts auch auf solche Taten zu erstrecken, die durch das auf Inlandstaten beschränkte Territorialitätsprinzip nicht erfasst werden, die aber entweder zum Selbstschutz des Staates und seiner Bürger oder im Interesse internationaler Solidarität der Staaten erfasst werden sollten78. Um das Territorialitätsprinzip im nationalen Strafanwendungsrecht umzusetzen, muss die deutsche Rechtsordnung zwei Fragen beantworten79: Zunächst ist der Tatort zu lokalisieren, was im deutschen Strafrecht gemäß § 9 StGB geschieht80. Anschließend ist festzustellen, ob der ermittelte Tatort im Inland liegt81. Der Begriff des Inlands im Sinne von § 3 StGB ergibt sich aus dem Staats- und Völkerrecht und umfasst das gesamte Staatsgebiet82. Das Staatsgebiet erstreckt sich auf das gesamte Gebiet, das innerhalb der völkerrechtlich anerkannten Staatsgrenzen liegt und auf dem ein Staat Hoheitsgewalt ausübt83. In Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland zählen dazu die sechzehn Bundesländer einschließlich des Luftraums darüber und des Raums unter Tage. Außerdem gehören dazu auch die nationalen Eigengewässer (auch Seehäfen, Meeresbuchten) und das an das Festland anschließende Küstengewässer (einschließlich Luftraum darüber und Meeresboden/-untergrund), auf das sich die staatliche Souveränität erstreckt84.

II. Flaggenprinzip 1. Völkerrechtliche Grundlagen Eng mit dem Territorialitätsprinzip verwandt ist das Flaggenprinzip, wonach ein Staat sein Strafrecht auf alle Taten anwenden kann, die an Bord eines Schiffes oder Luftfahrzeuges seiner Nationalität begangen werden85. Der Flaggenstaat übt damit seine Strafgewalt unabhängig vom Standort des Schiffes oder der Nationalität des Täters oder des Opfers aus86. Das Prinzip trägt dem Interesse der Staaten an der Aufrechterhaltung der Ordnung in und auf solchen Verkehrsmit78

Schönke/Schröder-Eser, § 3 Rn. 1. Satzger, § 4 Rn. 5; Walter, JuS 2006, 870 (871); vgl. SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 9. 80 Siehe dazu unten 2. Teil, C. I. 1. 81 Ambos, § 3 Rn. 12, wonach die Bestimmung des Tatorts (und damit des Inlands) die logische Vorbedingung der Anwendung des Territorialitätsprinzips sei. 82 Ambos, § 3 Rn. 14; Satzger, JA 2007, 26 (29). 83 Vgl. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 66 ff.; Doehring, Rn. 88 ff.; Vitzthum-Hailbronner, 3. Abschnitt Rn. 128 ff.; Herdegen, § 24 Rn. 1 ff. 84 Wabnitz/Janovsky-Möhrenschlager, 3. Kap. Rn. 29 m.w. N.; Hecker, § 2 Rn. 13; vgl. Satzger, Jura 2010, 108 (112); Günther-Nicolay, S. 61; Kienle, S. 29. 85 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 14; NK-Böse, Vor § 3 Rn. 17; Jescheck/Weigend, AT, S. 168; Satzger, § 4 Rn. 6. 86 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 34; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 224; NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 10; Ambos, § 3 Rn. 14. 79

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien

33

teln Rechnung, die häufig und bestimmungsgemäß ihren Standort zwischen Inund Ausland sowie hoheitsfreiem Raum wechseln87. 2. Deutsche Rechtslage Das Flaggenprinzip ist in § 4 StGB kodifiziert88. Durch die Regelung soll im Sinne des Schutzprinzips sichergestellt werden, dass jeder, der sich einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug anvertraut, den deutschen Strafrechtsschutz in Anspruch nehmen kann, losgelöst davon, ob der Angriff von einem Deutschen oder Ausländer ausgeht89. Auf diese Weise werden Straftaten auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen den Inlandstaten hinsichtlich ihrer strafrechtlichen Behandlung gleichgestellt90, ohne eine exakte Feststellung des Tatorts zu erfordern. Das Flaggenprinzip ist auf Schiffe und Luftfahrzeuge anwendbar, die zur Führung der Bundesflagge bzw. des Staatszugehörigkeitszeichens der Bundesrepublik Deutschland berechtigt sind91.

III. Aktives Personalitätsprinzip 1. Völkerrechtliche Grundlagen Im Unterschied zum Territorialitätsprinzip knüpft das aktive Personalitätsprinzip nicht an den Tatort, sondern an die Staatsangehörigkeit des Täters an92. Danach ist jeder Bürger dem nationalen Strafrecht seines Herkunftsstaates unterworfen, unabhängig davon, ob er die Tat im Inland oder im Ausland begangen hat93. Bildlich gesprochen trägt demzufolge jedermann die Strafrechtsordnung des Staates mit sich, dessen Staatsangehöriger er ist94. Die Vorstellung eines räumlich begrenzten Geltungsbereichs ist diesem Rechtsdenken fremd. Der mit diesem Prinzip verbundenen extraterritorialen Anwendung des nationalen Strafrechts auf Auslandstaten der eigenen Staatsangehörigen liegt der völ87

LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 224. NK-Böse, Vor § 3 Rn. 17; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 260; Ambos, § 3 Rn. 28. 89 Schönke/Schröder-Eser, § 4 Rn. 1; MüKo/StGB-Ambos, § 4 Rn. 2. 90 Jescheck/Weigend, AT, S. 172. 91 Schönke/Schröder-Eser, § 4 Rn. 3; detailliert dazu Ambos, § 3 Rn. 31. 92 Ambos, § 3 Rn. 39; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 35; NK-Böse, Vor § 3 Rn. 18; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 15. 93 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 15; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 35; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 232; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 10; Satzger, § 4 Rn. 7; Jescheck/Weigend, AT, S. 169; Baumann/Weber/Mitsch, § 7 Rn. 64; Jakobs, 5. Abschnitt Rn. 6; Obermüller, S. 166. 94 Satzger, § 4 Rn. 7; Satzger, Jura 2010, 108 (110). 88

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1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

kerrechtliche Grundsatz der Personalhoheit des Staates über die eigenen Angehörigen zu Grunde95. Danach knüpft die Unterstellung unter die Hoheitsgewalt eines Staates unmittelbar an die Staatsangehörigkeit an und ist anders als die Gebietshoheit nicht durch das Staatsterritorium begrenzt96. Die Personalhoheit liefert insoweit die Grundlage für die Inanspruchnahme staatlicher Regelungsgewalt in Bezug auf die eigenen Staatsangehörigen97. Auch wenn sich die Staatsangehörigen im Ausland aufhalten, bleiben sie aufgrund der Personalhoheit ihres Heimatstaates dessen Regelungsgewalt unterworfen98. Dies folgt wiederum aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten, wonach den Staaten hinsichtlich ihrer Staatsangehörigen die ausschließliche Kompetenz zukommt, im Rahmen ihrer Personalhoheit den Rechtsstatus ihrer natürlichen und juristischen Personen zu bestimmen99. Dieser Ansatz ist auch historisch verankert, da die Staatsgewalt von ihrer Entwicklungsgeschichte her ursprünglich weniger territorial begründet wurde als vielmehr personal100. Ein mit dem aktiven Personalitätsprinzip korrespondierender negativer Effekt ist darin zu sehen, dass die von Ausländern begangenen Taten vollends außer Betracht bleiben, selbst wenn sie im Inland an einem inländischen Opfer begangen werden101. Dieser nur schwer zu rechtfertigenden Konsequenz kann allerdings wiederum durch eine entsprechende Kombination mit anderen Anknüpfungsprinzipien begegnet werden102. Weitaus problematischer gestaltet sich die Situation, wenn man die eigenen Staatsangehörigen auch im Ausland der nationalen Strafgewalt unterwirft, ohne eine identische, am Tatort geltende Strafnorm (lex loci) zu verlangen (sogenanntes absolutes aktives Personalitätsprinzip). Dies kann dazu führen, dass ein Bürger der Strafgewalt seines Herkunftsstaates unterworfen wird, obwohl er sich im Rahmen seiner im Ausland erfolgenden Handlung entsprechend der dort geltenden Rechtsordnung verhält. Einerseits kann dieses Ergebnis als folgerichtige Konsequenz des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten verstanden werden, da jeder Staat gerade dazu berufen ist, im Rahmen seiner Personalhoheit ausschließlich über den Rechtssta95 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 35; Ambos, § 3 Rn. 39; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 232. 96 Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 1. 97 Herdegen, § 25 Rn. 1; vgl. Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 1. 98 Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 1; Bleckmann, Völkerrecht, Rn. 438; Bleckmann, GS Geck, 1989, S. 85. 99 Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 1. 100 Herdegen, § 25 Rn. 1; vgl. Jescheck/Weigend, AT, S. 169, die darauf verweisen, dass nach alter Rechtsauffassung der Rechtsstatus des Menschen durch seine Stammeszugehörigkeit bestimmt worden sei. 101 SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 10; Satzger, § 4 Rn. 7. 102 Satzger, § 4 Rn. 7.

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien

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tus seiner Staatsangehörigen zu befinden103. Dementsprechend könne der Heimatstaat seine Staatsangehörigen auch dazu verpflichten, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen, die durch die Gesetze des Aufenthaltsstaates nicht verboten sind104. Andererseits soll nicht bezweifelt werden, dass die in den Strafgesetzen niedergelegten Verhaltensnormen den Inländer auch außerhalb des eigenen Staatsgebiets binden können105, doch kollidiert ein derart absolutes Verständnis des aktiven Personalitätsprinzips mit dem völkerrechtlichen Fremdenrecht und dem Hoheitsanspruch des Territorialstaates106. Es ist eine unbestrittene Regel des völkerrechtlichen Fremdenrechts, dass der Fremde die Rechtsordnung des Aufenthaltsstaates zu beachten hat107. Sofern jemand der Strafgewalt eines Staates, in den er sich regelmäßig freiwillig begeben hat, aufgrund des dort geltenden Territorialitätsprinzips unterworfen ist, erscheint es daher unbillig, wenn ihn der Heimatstaat wegen eines Verhaltens verfolgt, das in seinem gegenwärtigen Aufenthaltsstaat überhaupt nicht mit Strafe bedroht ist108. Indem der die Strafgewalt beanspruchende Heimatstaat die Entscheidung des Aufenthaltsstaates ignoriert, das betreffende Verhalten nicht mit Strafe zu bedrohen, missachtet er sogar gleichzeitig die Rechtsordnung des souveränen Staates109. Hier kann es leicht zum Vorwurf einer exzessiven Anwendung des aktiven Personalitätsprinzips und damit zu einer übermäßigen extraterritorialen Wirkung von staatlichen Regelungen kommen110. Zwar stützt sich das aktive Personalitätsprinzip auf die Bindung des Einzelnen an das heimatliche Strafrecht sowie auf die Treuepflicht des Bürgers gegenüber dem eigenen Staat111, doch überdehnt ein solch absolutes Verständnis die bloß staatsangehörigkeitsrechtliche Verbindung zwischen Heimatstaat und Täter112. 103

Vgl. Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 1 m.w. N. Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 1; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 232. 105 Jescheck, Strafrechtsreform, S. 523. 106 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 36; Ambos, § 3 Rn. 40; vgl. auch LKWerle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 232 m.w. N., wonach die allgemeine völkerrechtliche Anerkennung des aktiven Personalitätsprinzips davon unberührt bleibe. 107 Doering, Rn. 812; vgl. Jennings/Watts, S. 409: „With the entrance into a state an alien falls at once under his territorial supremacy although he remains at the same time under the personal supremacy of his home state.“ 108 Ambos, § 3 Rn. 40. 109 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 36; Ambos, § 3 Rn. 40; vgl. Scholten, S. 53. 110 Ziegler, Rn. 601. 111 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 234; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 36; Lackner/Kühl, Vor §§ 3–7 Rn. 2; Jescheck/Weigend, AT, S. 169; a. A. Oehler, IStR, Rn. 139 ff., für den es gar keine aus der Treupflicht des Bürgers zu seinem Staat zu folgernde allgemeine Verpflichtung gibt, die strafrechtlichen Gebote und Verbote des Heimatlandes im Ausland zu beachten. 112 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 36; Ambos, § 3 Rn. 40; NK-Böse, Vor § 3 Rn. 18. 104

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1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

Aus diesem Grund wird dieser Ansatz häufig mit einem autoritären Staatsverständnis in Zusammenhang gebracht113. Das aktive Personalitätsprinzip lässt sich zudem mit dem Gedanken internationaler Solidarität begründen, sofern man davon ausgeht, dass ein Staat nicht tatenlos zusehen darf, wie sein Staatsbürger im Ausland Straftaten begeht114. Das gilt insbesondere, wenn die Tat auch nach der Rechtsordnung des Begehungsortes strafbar ist. Teilweise wird dieser Legitimationsansatz jedoch auch auf den Fall übertragen, in dem keine Tatortnorm gegeben ist, und damit begründet, der Heimatstaat des Täters könne nicht zulassen, dass dieser im Ausland Straftaten begehe und sich danach ungestraft in sein Land zurückziehen könne115. Offen bleibt dabei allerdings die Beantwortung der Frage, worin die zwischenstaatliche Solidarität besteht, ignoriert doch gerade die Anwendung des Heimatrechts die Entscheidung des Staates, in dem die Tat begangen wurde, diese nicht zu pönalisieren. Völkerrechtlich unbedenklich ist dagegen jedenfalls das sogenannte eingeschränkte aktive Personalitätsprinzip, das über die Staatsangehörigkeit des Täters hinaus eine identische Tatortnorm verlangt116. Dadurch bringt der Heimatstaat zweifellos die Achtung der ausländischen Rechtsordnung zum Ausdruck. Ebenfalls eingeschränkt und deshalb völkerrechtlich unbedenklich ist das Personalitätsprinzip, wenn es mit einem weiteren anerkannten Anknüpfungsprinzip kombiniert wird117. Praktische Bedeutung erlangt das aktive Personalitätsprinzip für solche Staaten, deren Rechtsordnung ein Auslieferungsverbot für eigene Staatsangehörige vorsieht. Flüchtet der eigene Staatsbürger nach einer Auslandstat in sein Heimatland, das die Auslieferung der eigenen Staatsangehörigen untersagt, bietet das aktive Personalitätsprinzip eine Möglichkeit, ihn dort für seine Tat strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen118. 2. Deutsche Rechtslage und das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit Das aktive Personalitätsprinzip wird in der Bundesrepublik Deutschland nur noch in Einzelfällen, zumeist verbunden mit anderen Anknüpfungen, angewen113 Vgl. Satzger, § 4 Rn. 7; Oehler, IStR, Rn. 706; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 234; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 37; NK-Böse, Vor § 3 Rn. 18; Jescheck/ Weigend, AT, S. 169; Baumann/Weber/Mitsch, § 7 Rn. 38. 114 Satzger, § 4 Rn. 7; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 234; NK-Böse, Vor § 3 Rn. 18. 115 Jescheck/Weigend, AT, S. 169. 116 Ambos, § 3 Rn. 41; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 37. 117 Ambos, § 3 Rn. 41; denkbar ist etwa eine Kombination von Elementen des aktiven Personalitätsprinzips und des Staatsschutzprinzips wie in § 5 Nr. 3 a StGB. 118 Satzger, § 4 Rn. 7; vgl. Baumann/Weber/Mitsch, § 7 Rn. 64; Ziegler, Rn. 601.

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien

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det: §§ 5 Nr. 3 a, 5 b, 8, 9, 11 a, 12, 13, 14 a, 15 sowie § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB119. Das deutsche Strafanwendungsrecht schließt damit die Lücke, die sich aus dem zwischenstaatlichen Auslieferungsverbot gemäß Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG ergibt120. Weil Deutschland die eigenen Staatsangehörigen danach an den Tatortstaat nicht ausliefern darf, werden die Voraussetzungen geschaffen, die Täter selbständig zu bestrafen121. Dem Nichteinmischungsgebot122 wird grundsätzlich durch das Erfordernis einer „identischen Tatortnorm“ Rechnung getragen (vgl. § 7 Abs. 2 HS. 1 Alt. 1 StGB). Danach muss die Tat auch am ausländischen Tatort mit Strafe bedroht sein. Durch dieses Erfordernis soll verhindert werden, dass sich der Geltungsanspruch des deutschen Strafrechts auch auf solche Gebiete erstreckt, in denen der territorial primär zuständige ausländische Staat strafrechtlichen Schutz für nicht geboten hält123. Nur in Ausnahmefällen wird auf das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit verzichtet, nämlich zum Einen, wenn der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt (§ 7 Abs. 2 HS. 1 Alt. 2 StGB) und zum Anderen in einigen Fällen des Schutzprinzips im Sinne von § 5 StGB124. Das betreffende Verhalten ist im Ausland mit Strafe bedroht, wenn es – zum Zeitpunkt der Tatbegehung125 – eine Kriminalstrafe oder eine vergleichbare Sanktion (§§ 38 ff. StGB) und nicht bloß irgendeine (auch außerstrafrechtliche) Sühnemaßnahme126 zur Folge hat127. Bei der Prüfung dieser Voraussetzung anhand des Tatortrechts ist eine konkrete Betrachtungsweise maßgebend128. Entscheidend ist also nicht, ob die beiden zu vergleichenden Rechtsordnungen korrespondierende oder gleichlautende Strafnormen enthalten. Es kommt vielmehr

119 Vgl. NK-Böse, Vor § 3 Rn. 18; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 15; vgl. LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 260; vgl. zu den Ausprägungen des aktiven Personalitätsprinzips im deutschen Strafrecht detailliert A. Schmitz, S. 183 ff. 120 Niemöller, NStZ 1993, 171 (172). 121 Ambos, § 3 Rn. 44. 122 Siehe oben 1. Teil, B. 123 Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 7; vgl. zur Funktion des Erfordernisses der Tatortstrafbarkeit grundlegend Scholten, S. 77 ff. 124 Ambos, § 3 Rn. 44. 125 Eine nachträgliche Kriminalisierung ist wegen des Rückwirkungsverbots unbeachtlich; vgl. Ambos, § 3 Rn. 48; Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 12. 126 So noch BGHSt 2, 160 (161); 8, 349 (356 f.); 21, 277 (279); Tröndle, JR 1977, 1 (2). 127 BGHSt 27, 5 (8 f.); MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 5; Ambos, § 3 Rn. 48; LKWerle/Jeßberger, § 7 Rn. 28; Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 8; NK-Böse, § 7 Rn. 7; Eser, JZ 1993, 875 (876); Satzger, § 5 Rn. 89; Oehler, IStR, Rn. 151a; Henrich, S. 82 ff.; Scholten, S. 137 ff. 128 NK-Böse, § 7 Rn. 7; LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 29; Ambos, § 3 Rn. 49; Satzger, Jura 2010, 190 (192).

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1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

darauf an, ob die konkrete Tat einer Norm des Tatortrechts unterfällt129. Die Feststellung, auch das Tatortrecht kenne den Straftatbestand des Betrugs, genügt also nicht; vielmehr muss sich die Handlung des Beschuldigten auch unter diesen Straftatbestand subsumieren lassen130. Dagegen muss sich der ausländische Tatbestand nach herrschender Auffassung weder mit dem deutschen decken noch denselben Schutzzweck verfolgen131. Es genügt, dass die konkrete Tat im Sinne des § 264 StPO am Ort ihrer Begehung unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt mit Strafe bedroht ist132. Die Voraussetzung der „identischen Tatortnorm“ ist daher nicht im Sinne von Tatbestands-, sondern von Tatidentität zu verstehen133. Für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ist es deshalb beispielsweise ausreichend, wenn die Tat nach deutschem Recht eine Unterschlagung, nach ausländischem aber eine Untreue darstellt134. Dementsprechend sind auch Konkurrenzfragen des ausländischen Rechts unerheblich135. Prüfungsmaßstab ist die gesamte ausländische Rechtsordnung, die insbesondere auch das Nebenstrafrecht einschließt. Darüber hinaus sind auch ungeschriebene Strafvorschriften zu berücksichtigen, denn nicht in allen Rechtsordnungen gilt der lex scripta-Grundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG), wie das Beispiel des anglo-amerikanischen common law zeigt136. Es besteht zudem weitgehend Einigkeit, dass materielle Strafausschließungsgründe des Tatortrechts, nach den Kategorien der deutschen Strafrechtsdogmatik insbesondere Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe, grundsätzlich beachtlich sind137. Dies lässt sich bereits aus der konkreten Betrachtungsweise ableiten, denn eine konkrete Tat ist nur dann tatsächlich mit Strafe „bedroht“, wenn das Recht des Tatorts sie als materielles Unrecht qualifiziert – also keinen rechtfertigenden Erlaubnissatz vorsieht – und dem Täter ein Schuldvorwurf gemacht wer129 Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 8; LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 29; NK-Böse, § 7 Rn. 7; vgl. Satzger, § 5 Rn. 89. 130 LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 29; Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 8. 131 Ambos, § 3 Rn. 49; MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 6; LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 30; Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 8; strenger hingegen SK-Hoyer, § 9 Rn. 4; Satzger, § 5 Rn. 89. 132 BGHSt 42, 275 (277); LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 30; MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 6; Ambos, § 3 Rn. 49; Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 8; Satzger, § 5 Rn. 89. 133 MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 6; Ambos, § 3 Rn. 49; NK-Lemke, 2. Aufl., § 7 Rn. 6; vgl. Niemöller, NStZ 1993, 171 (173). 134 LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 30; NK-Lemke, 2. Aufl., § 7 Rn. 6; Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 8. 135 MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 6; Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 8; Ambos, § 3 Rn. 49; LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 32. 136 Ambos, § 3 Rn. 49; MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 6. 137 LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 37; Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 9; Ambos, § 3 Rn. 51; MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 10; vgl. NK-Böse, § 7 Rn. 7; Satzger, § 5 Rn. 90 ff.; Satzger, Jura 2010, 190 (193); a. A. hingegen Woesner, ZRP 1976, 248 (250); Fischer, § 7 Rn. 7.

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien

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den kann138. Neben der Entstehungsgeschichte139 des Erfordernisses der Tatortstrafbarkeit sprechen außerdem auch teleologische Erwägungen für die Beachtlichkeit ausländischer Strafausschließungsgründe. Die Begrenzungsfunktion des Erfordernisses würde weitgehend leerlaufen, sofern schon die bloße Tatbestandlichkeit der Tat ausreichen würde. Ferner würde damit die souveräne Entscheidung des Tatortstaates, ein bestimmtes Verhalten zu erlauben oder zumindest den Schuldvorwurf zurückzunehmen, ignoriert und damit wiederum der Nichteinmischungsgrundsatz zumindest berührt140. Schließlich scheitert die Nichtbeachtung von Entschuldigungs- und sonstigen Strafausschlussgründen aus praktischer Sicht daran, dass nicht alle Strafrechtssysteme dem dreistufigen Verbrechensaufbau folgen. In diesen Fällen müsste die Unterscheidung zwischen Rechtswidrigkeit und Entschuldigung zu unüberwindbaren Abgrenzungsschwierigkeiten führen141. Im Gegensatz zu den materiell-rechtlichen Strafauschließungsgründen wird verbreitet die Ansicht vertreten, prozessuale Verfolgungshindernisse des Tatortrechts wie Verjährung, fehlender Strafantrag oder Amnestie seien generell unbeachtlich, weil es allein auf die „sachlich-rechtliche Lage“ ankomme142.

IV. Schutzprinzip Nach dem Schutzprinzip erstreckt sich die nationale Strafgewalt unabhängig vom Tatort und von der Nationalität des Täters auf alle Taten, die inländische Rechtsgüter verletzen oder gefährden143. Die Legitimation dieses Anknüpfungsprinzips folgt aus der Erwägung, dass jeder Staat dazu berufen sei, seine Rechtsgüter – und die seiner Bürger – zu schützen, gleichgültig von welchem Täter und an welchem Ort sie verletzt werden144. In Übereinstimmung mit den vorangegangenen Prinzipien korrespondiert mit dem positiven Effekt des Schutzprinzips auch ein negativer. So erfasst das Schutzprinzip in seiner Reinform die gegen138

MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 10; Ambos, § 3 Rn. 51. Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Erfordernisses der Tatortstrafbarkeit detailliert Scholten, S. 147 f. 140 Ambos, § 3 Rn. 51; MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 10. 141 MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 11. 142 BGHSt 2, 160 (161); BGH NStZ-RR 2000, 361; NStZ-RR 2000, 208 (209); Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 11; NK-Böse, § 7 Rn. 8; differenzierend Ambos, § 3 Rn. 52; MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 12 f.; LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 45 ff.; dagegen geht eine im Vordringen befindliche Ansicht im Schrifttum davon aus, dass auch die prozessuale lex loci zu beachten sei; vgl. insofern Satzger, § 5 Rn. 97 ff.; Satzger, Jura 2010, 190 (193 f.); R. Schmitz, FS Grünwald, 1999, S. 619 (631). 143 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 39; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3– 9 Rn. 16; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 11; Ambos, § 3 Rn. 67; Satzger, § 4 Rn. 9; Jescheck/ Weigend, AT, S. 169; Obermüller, S. 168. 144 Satzger, § 4 Rn. 9; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 16; vgl. LKWerle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 228. 139

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1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

über Ausländern oder ausländischen Staaten begangenen Inlandstaten nicht, selbst wenn sie im Inland von einem inländischen Täter verübt werden145. Deshalb dient dieser Grundsatz primär der Ergänzung anderer Prinzipien. Je nach Art des zu schützenden inländischen Rechtsguts ist zwischen dem Schutzprinzip im staatsschutzrechtlichen Sinne (Realprinzip) und dem Schutzprinzip im individualschutzrechtlichen Sinne (passives Personalitätsprinzip) zu differenzieren146. 1. Völkerrechtliche Grundlagen a) Staatsschutzprinzip Sofern es wie etwa im Falle von Hoch- oder Landesverrat um den Selbstschutz des Staates und seiner Institutionen geht, spricht man vom Staatsschutzprinzip147. Danach ist jeder Staat befugt, sein Strafrecht auf Taten zu erstrecken, die sich unmittelbar gegen die eigenen staatlichen Rechtsgüter richten148. Die Legitimation dieses Prinzips ergibt sich daraus, dass es um den Schutz der Rechtsgüter des Staates selbst geht und der Täter selbst durch die Richtung seines Angriffs die Beziehung zur Strafgewalt des betroffenen Staates unmittelbar hergestellt hat149. Hinzu kommt, dass fremde Staaten und ihre Interessen durch das ausländische Strafrecht vielfach gar nicht geschützt werden150, so dass der Einsatz der eigenen Strafgewalt häufig das einzige Mittel ist, um einen wirksamen Schutz gegen Angriffe auf die politische und militärische Integrität durch Ausländer vom Ausland her zu gewährleisten151. Um die Effektivität dieses Prinzips zu garantieren, ist es konsequenterweise nicht sachgerecht, die Berufung auf das Staatsschutzprinzip 145

SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 11; Satzger, § 4 Rn. 9. MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 39; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 3–9 Rn. 17 f.; Obermüller, S. 168; Ambos, § 3 Rn. 67; Satzger, § 4 Rn. 9; kritisch zur allgemein verwendeten Terminologie Henrich, S. 30 ff.; teilweise wird der Aspekt des passiven Personalitätsprinzips nicht dem Schutzprinzip untergeordnet, sondern als eigenständiger Punkt dem aktiven Personalitätsprinzip gegenübergestellt, so z. B. SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 11. 147 Satzger, § 4 Rn. 10; Kienle, S. 30. 148 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 225. 149 Jescheck/Weigend, AT, S. 169; Satzger, § 4 Rn. 10; NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 12; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 40; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 225; Ambos, § 3 Rn. 68; Schultz, FS von Weber, 1963, S. 311; Satzger, Jura 2010, 108 (110). 150 Der Grund liegt häufig darin, dass der Tatortstaat die Taten entweder mangels Strafbarkeit nicht verfolgen kann oder aus politischen Gründen nicht verfolgen will. 151 Jakobs, 5. Abschnitt Rn. 8; Jescheck/Weigend, AT, S. 169; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 40; NK-Böse, Vor § 3 Rn. 19; Ambos, § 3 Rn. 68; Satzger, § 4 Rn. 10; Oehler, IStR, Rn. 577; Jescheck, Strafrechtsreform, S. 533. 146

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien

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davon abhängig zu machen, dass die Tat auch nach dem Recht des Begehungsortes mit Strafe bedroht ist152. b) Individualschutzprinzip Anders als beim Staatsschutzprinzip geht es beim Individualschutzprinzip nicht um den Schutz staatlicher Rechtsgüter vor Angriffen aus dem Ausland, sondern um den Schutz der eigenen Staatsangehörigen und ihrer Rechtsgüter153. Primär dient das Individualschutzprinzip also dem Schutz des Inländers im Ausland und ist dabei von einem gewissen Misstrauen in die Strafrechtspflege fremder Staaten getragen154. Im Vergleich zum Staatsschutzprinzip ist das Individualschutzprinzip in seiner Herleitung völkerrechtlich wesentlich umstrittener, im Ergebnis jedoch ebenfalls allgemein anerkannt155. Typischerweise geht es um Auslandstaten, die von einem Ausländer gegenüber einem Inländer begangen werden. Dass hier nicht automatisch die Anwendung der inländischen Strafrechtsnormen beansprucht werden kann, erklärt sich mit Blick auf die Konstellation, in der die Tat am Tatort nicht unter Strafe steht. In diesem Fall ist der ausländische Täter nicht Normadressat des inländischen Strafrechtssatzes. Oftmals wird er weder wissen, dass er den Staatsangehörigen eines fremden Staates angegriffen hat und deshalb dem Recht des fremden Staates unterworfen wird, noch mit diesem Recht vertraut sein156. Würde gleichwohl das Heimatrecht des Opfers auf den ausländischen Täter angewendet, müsste dieser ohne zureichenden Grund für ihn fremdes Recht beachten157. Neben den daraus resultierenden Friktionen mit dem Schuldprinzip erscheint eine derartige Anknüpfung insofern rein zufällig und außerhalb jeglicher Berechenbarkeit158, was wiederum einem Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit gleichkommt. Außerdem ergibt sich im Unterschied zum Staatsschutzprinzip kein hinreichender Anknüpfungspunkt aus der Tat selbst, da es nicht per se um den Bestandsschutz des die Strafgewalt beanspruchenden Staates geht159. Die Verbin152 Satzger, § 4 Rn. 10; Ambos, § 3 Rn. 68; NK-Böse, Vor § 3 Rn. 19; Obermüller, S. 169; vgl. LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 227. 153 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 228. 154 Zieher, S. 77; Oehler, IStR, Rn. 127. 155 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 42 m.w. N.; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 229 m.w. N.; Satzger, § 4 Rn. 11; Satzger, Jura 2010, 108 (110); a. A. Li, S. 182, wonach es an einer hinreichend einheitlichen Staatenpraxis und damit an einer tragfähigen Grundlage im Völkerrecht fehle. 156 Ambos, § 3 Rn. 71; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 43. 157 Satzger, § 4 Rn. 11. 158 Vgl. dazu differenzierend Oehler, IStR, Rn. 127. 159 Satzger, § 4 Rn. 11; Ambos, § 3 Rn. 71; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 43; Rosswog, S. 179.

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1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

dung zwischen dem Heimatstaat des Opfers und dem fremden Tatortstaat existiert zudem nicht – wie etwa beim aktiven Personalitätsprinzip – jederzeit und insbesondere nicht schon vor der Tatbegehung; sie entsteht vielmehr erst im Moment des Angriffs160. Aus diesen Gründen wird als völkerrechtlich gebotenes Korrektiv für die Anwendung des Individualschutzprinzips berechtigterweise gefordert, dass die Tat auch nach dem Recht des Begehungsortes mit Strafe bedroht sein muss161. Wenn das inkriminierte Verhalten auch am Tatort strafbar sein muss, wird der Täter zumindest nicht ohne sein Einverständnis einer ihm fremden Rechtsordnung unterworfen, denn er wäre auch dann strafbar, wenn er die Tat gegen einen Staatsangehörigen seines Heimatstaates (des Tatortstaates) begangen hätte162. Ein uneingeschränktes, absolutes Individualschutzprinzip wird von den überwiegenden Stimmen der deutschen Strafrechtsliteratur folgerichtig als völkerrechtlich unzulässig beurteilt163. 2. Deutsche Rechtslage Durch die §§ 5 und 7 Abs. 1 StGB werden gewisse Auslandstaten auf Basis des Schutzprinzips der deutschen Strafgewalt unterworfen164. In seiner staatsschutzrechtlichen Ausprägung kommt das Schutzprinzip im deutschen Strafanwendungsrecht vor allem in § 5 Nr. 1, 2, 3 b, 4, 5 a, 10 bis 13, 14 a StGB zum Ausdruck165. Das Individualschutzprinzip ist insbesondere in den §§ 5 Nr. 6 bis 9, 14, 15 und in § 7 Abs. 1 StGB normiert166. Angesichts der völkerrechtlichen Bedenken in Bezug auf den Nichteinmischungsgrundsatz wird der Schutzgrundsatz teilweise mit anderen Anknüpfungsprinzipien kombiniert167.

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Ambos, § 3 Rn. 71; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 43. Vgl. Oehler, IStR, Rn. 127 f.; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 43; Jescheck, FS Maurach, 1972, S. 581; Satzger, Jura 2010, 108 (110); Ambos, § 3 Rn. 71; Jescheck/ Weigend, AT, S. 170; Roßwog, S. 184; Henrich, S. 106 f.; Satzger, § 4 Rn. 11; NKLemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 12; Bedenken äußert hingegen Schroeder, NJW 1969, 81 (83); einschränkend auch Jakobs, 5. Abschnitt Rn. 8; a. A. LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 230, wonach sich dem Völkerrecht eine derartige Einschränkung nicht entnehmen lasse, vielmehr bilde bereits die bloße Staatsangehörigkeit des Tatopfers einen völkerrechtlich ausreichenden Anknüpfungspunkt für die Ausübung staatlicher Strafgewalt. 162 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 43; Ambos, § 3 Rn. 71. 163 Vgl. Satzger, § 4 Rn. 11; Ambos, § 3 Rn. 79. 164 Ambos, § 3 Rn. 75. 165 Vgl. Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 17. 166 NK-Böse, Vor § 3 Rn. 20; vgl. Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 18; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 260; vgl. zur Normierung des Individualschutzprinzips im deutschen Strafanwendungsrecht im Einzelnen Henrich, S. 35 ff. 167 Ambos, § 3 Rn. 75. 161

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien

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V. Weltrechtsprinzip 1. Völkerrechtliche Grundlagen Das Weltrechtsprinzip, welches auch als Universalprinzip bezeichnet wird, beruht auf dem Gedanken, dass das inländische Strafrecht für alle Taten gelten soll, die sich gegen ein von allen „Kulturstaaten“ übereinstimmend als wesentlich und schutzwürdig anerkanntes Rechtsgut richten168. Es gestattet die weltweite Verfolgung extraterritorialer Taten unabhängig von der Strafbarkeit der konkreten Tat am Tatort sowie unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Täters und des Opfers, sofern nur das angegriffene Rechtsgut allgemeine Anerkennung in allen zivilisierten Gesellschaften genießt169. Auf diese Weise soll die Anwendbarkeit des Strafrechts ermöglicht werden, das am Ergreifungsort des Täters gilt170. Auslandstaten werden hingegen nicht erfasst, wenn abweichende kulturelle Überzeugungen, die den Wert des angegriffenen Rechtsguts bestreiten, ebenfalls Respekt verdienen171. Dieses Prinzip unterscheidet sich dadurch fundamental von den bisher dargestellten Grundsätzen, dass der verfolgende Staat nicht – jedenfalls nicht ausschließlich – im eigenen Interesse, sondern im Interesse der Staatengemeinschaft als Ganzes tätig wird172. Dabei handelt es sich lediglich insoweit um eine ähnliche Konstellation wie beim Staatsschutzprinzip, als dass der Täter selbst durch seine Angriffsrichtung eine hinreichend enge Beziehung zu den Rechtsordnungen aller Nationen der Welt herstellt173. Demzufolge ist auch das Weltrechtsprinzip mit dem Gedanken internationaler Solidarität zu erklären, weil es an Rechtsgüter anknüpft, deren Verletzung die Staatengemeinschaft als solche betrifft und ihre gemeinsame Wertevorstellung grundlegend erschüttert174.

168 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 3–9 Rn. 19; Fischer, Vor §§ 3–7 Rn. 3; SKHoyer, Vor § 3 Rn. 13; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 47; NK-Böse, Vor § 3 Rn. 21; Zieher, S. 79 ff. 169 BVerfG NJW 2001, 1848 (1852); SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 13; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 47; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 237; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 3–9 Rn. 19; Jescheck/Weigend, AT, S. 170; Satzger, § 4 Rn. 12; Weigend, FS Eser, 2005, S. 955 ff. 170 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 3–9 Rn. 19. 171 SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 13. 172 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 47; Ambos, § 3 Rn. 92: Im Unterschied zum anschließend behandelten Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege übe der aburteilende Staat seine Strafgewalt nicht stellvertretend für den Tatortstaat, sondern originär aus. 173 Vgl. Satzger, § 4 Rn. 12; Satzger, Jura 2010, 108 (110); Jescheck/Weigend, AT, S. 170. 174 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 3–9 Rn. 19; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 47; Oehler, IStR, Rn. 147; Obermüller, S. 173; Zieher, S. 83; kritisch dazu NKLemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 13 f.

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1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

Gleichzeitig verbindet sich mit der Umsetzung des Weltrechtsprinzips die schwierige Aufgabe, weltweit anerkannte Wertmaßstäbe zu etablieren, die eine Qualifizierung von bestimmten Rechtsgütern als allgemein schutzwürdig erlauben175. Trotz gewisser universaler Kulturgrundsätze kann dieses Prinzip jedoch im Hinblick auf die verschiedenen sozialen Grundlagen der einzelnen Rechtsordnungen sowie deren abweichende Wertmaßstäbe nur eingeschränkt und unter Respektierung des Grundsatzes der Nichteinmischung realisiert werden176. Das Weltrechtsprinzip spiegelt sich häufig in internationalen Konventionen wider, in denen sich die beteiligten Staaten auf die Verteidigung gemeinsamer Kulturinteressen im Wege des Strafrechts verständigt haben177. 2. Deutsche Rechtslage Das Weltrechtsprinzip beherrscht neben den sogenannten Kernverbrechen178 des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB) den § 6 StGB über Auslandstaten gegen international geschützte Rechtsgüter179. Die Vorschrift verweist auf ein „Sammelsurium von Tatbeständen“, die jedoch keineswegs ausnahmslos die Staatengemeinschaft als solche betreffen180. Die § 6 Nr. 1 bis 7 StGB ordnen spezielle Strafpflichten an, die auf internationalen Abkommen basieren181, und werden durch eine Generalklausel in § 6 Nr. 9 StGB ergänzt. § 6 Nr. 8 StGB, der den Subventionsbetrug (§ 264 StGB) dem Weltrechtsprinzip unterordnet, zielt darauf ab, die Wirtschaftsförderung durch Subventionen der EU gegen betrügerische Machenschaften zu schützen, und verkörpert damit bereits heute ein „Unionsschutzprinzip“ 182 der Zukunft183.

175

Satzger, § 4 Rn. 13; Ambos, § 3 Rn. 94; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 13. Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 3–9 Rn. 19; NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 14; vgl. auch Kreß, ZStW 114 (2002), 818 (818 ff.). 177 Jescheck/Weigend, AT, S. 170, die in diesem Zusammenhang allerdings darauf hinweisen, dass die Anwendung des Weltrechtsprinzips eher rückläufig sei. 178 Vgl. zu den sogenannten Kernverbrechen im Einzelnen MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 54. 179 Jescheck/Weigend, AT, S. 173; Oehler, IStR, Rn. 844 ff. 180 Ambos, § 3 Rn. 98; vgl. Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 3–9 Rn. 19. 181 Vgl. zu den relevanten internationalen Abkommen im Einzelnen Jescheck/Weigend, AT, S. 174. 182 Vgl. zu diesem im Entstehen begriffenen Anknüpfungsprinzip Satzger, § 4 Rn. 18. 183 Jescheck/Weigend, AT, S. 174. 176

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien

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VI. Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege 1. Völkerrechtliche Grundlagen Das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege stützt sich auf die Überlegung, dass das inländische Strafrecht subsidiär und ergänzend für eine ausländische Strafrechtsordnung eingreift, wenn diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an der Durchsetzung ihres an sich bestehenden eigenen Strafanspruchs gehindert ist184. Insofern erklärt sich dieses Prinzip ebenfalls vor dem Hintergrund des Gedankens internationaler Solidarität bei der Verbrechensbekämpfung185. Entscheidend ist, dass die Strafrechtsanwendung nur stellvertretend erfolgt, d. h. die Ausübung der eigenen Strafgewalt tritt lediglich an die Stelle des ausländischen Staates186. Das Stellvertretungsprinzip schafft keinen eigenen Anknüpfungspunkt im strafanwendungsrechtlichen Sinne, sondern ruft zu einer Kooperation zwischen Ergreifungs- und Tatortstaat im Sinne eines Modells auf, das eher an Rechtshilfe als an die einseitige Erstreckung der Strafgewalt erinnert187. Zentrale Voraussetzung des Prinzips ist daher die Strafbarkeit des Verhaltens nach dem Recht des Begehungsortes188. Das hat wiederum die negative Konsequenz, dass nach ausländischem Recht straffreie Auslandstaten außer Betracht bleiben, selbst wenn sie nach inländischem Recht strafbar wären und von einem inländischen Täter an einem inländischen Opfer verübt wurden. Schließlich folgt aus der Anwendung des Stellvertretungsprinzips das technische Problem, dass inländische Gerichte zumindest auch zur Subsumtion unter ausländische Strafrechtsnormen gezwungen sind189. Im Ergebnis schließt das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege die unvermeidbaren Lücken des Strafanwendungsrechts und stellt sicher, dass kein flüchtiger Verbrecher im Zufluchtsstaat strafrechtliches Asyl genießt, weil es an einem Anknüpfungspunkt für dessen Strafgewalt fehlt190. Praktische Bedeutung

184 NK-Böse, Vor § 3 Rn. 28; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 3–9 Rn. 21; Lackner/Kühl, Vor §§ 3–7 Rn. 2; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 248; Satzger, § 4 Rn. 15; Satzger, Jura 2010, 108 (110); Fischer, Vor §§ 3–7 Rn. 3; Eser, JZ 1993, 875 (883); vgl. zum Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege im Einzelnen Pappas, S. 1 ff. 185 Satzger, § 4 Rn. 15; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 3–9 Rn. 21; NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 16. 186 Satzger, § 4 Rn. 15; Ambos, § 3 Rn. 118; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 248. 187 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 58; Ambos, § 3 Rn. 118. 188 Satzger, § 4 Rn. 15; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 12; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 3–9 Rn. 21; NK-Böse, Vor § 3 Rn. 29; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 248. 189 SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 12; NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 16; LK-Werle/ Jeßberger, Vor § 3 Rn. 248. 190 Jescheck/Weigend, AT, S. 170 f.; Ambos, § 3 Rn. 117; Satzger, § 4 Rn. 15.

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1. Teil: Grundlagen des deutschen Strafanwendungsrechts

erlangt dieses Prinzip vor allem für den Fall, dass eine Auslieferung nicht möglich ist oder tatsächlich nicht stattfindet191. 2. Deutsche Rechtslage Das deutsche Strafanwendungsrecht bedient sich der lückenfüllenden Funktion des Prinzips der stellvertretenden Strafrechtspflege in § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB192. Um zu vermeiden, dass flüchtige Straftäter strafrechtliches Asyl in der Bundesrepublik genießen, erstreckt sich die Geltung des deutschen Strafrechts danach auch auf Auslandstaten, sofern eine identische Tatortnorm193 existiert oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt, der Täter im Inland angetroffen wird und eine Auslieferung (z. B. gemäß Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG) ausgeschlossen ist.

VII. Kompetenzverteilungsprinzip Das Produkt einer modernen, zukunftsweisenden Entwicklung ist das Kompetenzverteilungsprinzip194. Dieses ebenfalls vom Gedanken der Solidarität der Staaten getragene Prinzip basiert auf der Überlegung, dass eine Überschneidung der Geltungsbereiche der Strafrechtsordnungen möglichst durch entsprechende Vereinbarungen zwischen den Staaten vermieden und Doppelbestrafungen so ausgeschlossen werden sollen195. Üblicherweise knüpft das Kompetenzverteilungsprinzip die Strafbefugnis nicht an den Tatort oder die Nationalität des Täters, sondern weist diese dem Staat zu, in dessen Staatsgebiet der Täter seinen Wohnsitz hat oder in dem die Verurteilung am zweckmäßigsten erscheint196. Im Unterschied zu den üblichen Prinzipien geht es jedoch nicht um die einseitige Ausdehnung nationaler Strafgewalt und ihre Legitimation durch einen Anknüpfungspunkt im strafanwendungsrechtlichen Sinne, sondern um völkervertragliche Kompetenzregelungen, deren Ziel die Verbesserung der zwischenstaatlichen Kooperation in Strafsachen und die Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten ist197.

191 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 3–9 Rn. 21; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 248; Ambos, § 3 Rn. 117; SSW-Satzger, Vor §§ 3–7 Rn. 5; Obermüller, S. 170. 192 Ambos, § 3 Rn. 121; vgl. LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 248. 193 Siehe zum Erfordernis der identischen Tatortnorm oben unter 1. Teil, D. III. 2. 194 Vgl. zu ersten Ausprägungen dieses Prinzips LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 256. 195 Satzger, § 4 Rn. 17; Oehler, IStR, Rn. 134 ff., 682 ff.; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 255; NK-Böse, Vor § 3 Rn. 30; Ambos, § 3 Rn. 130. 196 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 256; Satzger, § 4 Rn. 17; Kappel, S. 71 f. 197 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 61; Satzger, § 4 Rn. 17; Ambos, § 3 Rn. 130.

D. Legitimierende Anknüpfungsprinzipien

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Im geltenden Recht hat das Kompetenzverteilungsprinzip bislang keine Berücksichtigung gefunden198. Dennoch erscheint es lohnenswert, die Entwicklung dieses Prinzips weiter zu verfolgen, da Jurisdiktionskonflikte gerade in einem zusammenwachsenden Europa ein immer dringender werdendes Problem darstellen199.

VIII. Anknüpfungsprinzipien im Überblick Einen grafischen Eindruck der im deutschen Recht kodifizierten Anknüpfungsprinzipien vermittelt die folgende Übersicht: Tabelle 1 Anknüpfungsprinzipien im Überblick Inlandstaten

Auslandstaten Unabhängig von der Strafbarkeit am Tatort

Territoriali- Schutztätsprinzip prinzip (§§ 3 und 4 StGB).

Rechtsgüter gem. § 5 StGB sind betroffen.

Weltrechtsprinzip International geschützte Rechtsgüter sind betroffen (§ 6 StGB).

Wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist Passives Personalitätsprinzip

Aktives Personalitätsprinzip

Tat richtet sich gegen einen Deutschen (§ 7 Abs. 1 StGB).

Täter war Deutscher oder wurde es nach der Tat (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB).

Quelle: Kindhäuser, AT, § 4 Rn. 13.

198 199

LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 255. Vgl. Ambos, § 3 Rn. 130; NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 18.

Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege Täter war Ausländer, wurde im Inland betroffen und wird nicht ausgeliefert (§ 7 Abs. 2 Nr 2 StGB).

Zweiter Teil

Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB A. Tatbestand des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB „Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist.“ Der Wortlaut des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB offenbart bereits beim ersten Zugriff, dass sich die Vorschrift im Schnittfeld einiger der dargestellten Anknüpfungsprinzipien bewegt. Damit wird die Aussage untermauert, dass eine fundierte Auseinandersetzung mit dieser Regelung nur unter Berücksichtigung ihrer systematischen Umgebung möglich ist.

B. Historischer Hintergrund der Regelung In Anlehnung an den üblichen juristischen Auslegungskanon orientiert sich auch die Untersuchung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB neben systematischen, funktionellen und teleologischen Kriterien am historischen Hintergrund der Regelung, wobei wiederum der Gesamtkontext des deutschen Strafanwendungsrechts in den Blick zu nehmen ist.

I. Entwicklung des deutschen Strafanwendungsrechts Die Fülle der verschiedenen Anknüpfungsprinzipien deutet an, wie unterschiedlich und differenziert das Strafanwendungsrecht ausgestaltet werden kann. Dem Gesetzgeber steht es bei der Ausgestaltung frei, die Prinzipien nach seinem Ermessen aufzugreifen und zu kombinieren200. Entsprechend wechselhaft liest sich die Geschichte des deutschen Strafanwendungsrechts, die ihrerseits von erheblicher Bedeutung für das Verständnis der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ist201. Seit der Entstehung des deutschen Strafgesetzbuches lassen sich drei Entwicklungsabschnitte des deutschen Strafanwendungsrechts unterscheiden. Sie werden 200 201

Siehe oben 1. Teil, D. Jung, JZ 1979, 325 (326).

B. Historischer Hintergrund der Regelung

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durch das Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871, die Verordnung über den räumlichen Geltungsbereich des Strafrechts vom 6. Mai 1940 und das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 4. Juli 1969 voneinander getrennt. 1. Geltung des Territorialitätsprinzips (1871–1940) Das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 (RStGB 1871) ging in Übereinstimmung mit der Mehrzahl ausländischer Rechtsordnungen vom Territorialitätsprinzip aus202. Die deutsche Strafrechtsordnung fand gemäß § 3 RStGB 1871 Anwendung auf alle im Gebiet des Deutschen Reiches begangenen strafbaren Handlungen, unabhängig davon, ob der Täter Deutscher oder Ausländer war. Dieses Prinzip wurde für Auslandstaten in § 4 RStGB 1871 in geringem Maße durch das Schutzprinzip, das Weltrechtsprinzip, das aktive Personalitätsprinzip sowie das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege ergänzt203. Dennoch offenbarte diese Gestaltung rasch Lücken204. So konnte etwa ein Deutscher im Inland nicht bestraft werden, wenn er im Ausland eine Tat begangen hatte, die dort straflos, im Inland hingegen mit Strafe bedroht war. Nicht weniger bedenklich erschien es, dass ein Ausländer, der im Ausland ein deutsches Rechtsgut verletzt hatte und im Anschluss daran nach Deutschland einreiste, hier für seine Auslandstat auch dann nicht bestraft werden konnte, wenn diese nach dem Recht des Tatorts strafbewehrt war. Einzig verbleibender Rechtsbehelf war in diesen Fällen die Auslieferung des Täters, die jedoch aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen regelmäßig ausgeschlossen war205. Für die Teilnahme mit Auslandsbezug sah das Gesetz keine ausdrückliche Regelung vor. Dennoch entsprach es der allgemeinen Ansicht, den Begriff des Täters in § 3 RStGB 1871 weit auszulegen und darunter jeden – einschließlich des Teilnehmers – zu fassen, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat206. 2. Geltung des aktiven Personalitätsprinzips (1940–1974) In den Jahren von 1940 bis 1974 stand dagegen das aktive Personalitätsprinzip im Zentrum der Geltungsbereichsregelungen. Dessen Einführung durch die Verordnung über den räumlichen Geltungsbereich des Strafrechts vom 6. Mai 1940 wurde mit der besonderen Treuepflicht deutscher Staatsbürger gegenüber der 202 Vgl. SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 15; Gleispach, ZStW 55 (1936), 399 (399); Satzger, § 5 Rn. 3; Zieher, S. 100. 203 Vgl. zum Wortlaut der Regelungen LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Vor Rn. 1; Tafel, S. 17 f. 204 Kielwein, GA 1954, 211 (211); vgl. Kienle, S. 88. 205 Kielwein, GA 1954, 211 (211). 206 Vgl. Krapp, S. 35 m.w. N.

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2. Teil: Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

Rechtsordnung begründet207. § 3 Abs. 1 des Reichsstrafgesetzbuchs von 1940 (RStGB 1940) ordnete die Anwendung des deutschen Strafrechts für jede Tat eines deutschen Staatsangehörigen an, „einerlei, ob er sie im Inland oder im Ausland“ begangen hatte. Eine Ausnahme davon sah jedoch § 3 Abs. 2 RStGB 1940 bei Auslandstaten Deutscher für den Fall vor, dass die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht war und „nach dem gesunden Empfinden des deutschen Volkes wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort kein strafwürdiges Unrecht“ darstellte. Um die systematische Bedeutung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB in seiner aktuellen Ausprägung vollständig erfassen zu können, ist es an dieser Stelle von eminenter Bedeutung, sich zu vergegenwärtigen, dass der Gedanke des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 auf die Inlandsteilnahme an ausländischer Haupttat mangels eigenständiger Regelung analog angewendet wurde208. Um darüber hinaus auch Straftaten von Ausländern zu erfassen, wurde für deren Inlandstaten am Territorialitätsprinzip festgehalten und für deren Auslandstaten das Schutzprinzip herangezogen209. Trotz seiner Einführung im Jahr 1940 war das aktive Personalitätsprinzip keine Erfindung der Nationalsozialisten210 und in seinen Grunderwägungen auch nicht neu211. Zwar entsprach die Rechtsänderung dem ideologischen Weltbild der nationalsozialistischen Machthaber212, doch schon im mittelalterlichen Recht herrschte die Auffassung vor, dass das Strafrecht als Personalstatut dem Bürger überall hin folge (lex ossibus inhaeret)213. Die Bildung der Territorialstaaten seit Beginn des 18. Jahrhunderts verhalf jedoch allerorts dem Territorialprinzip zur Entstehung und verschaffte ihm seitdem einen Vorsprung gegenüber dem aktiven Personalitätsprinzip. Zur Zeit Bismarcks mit ihrer Hochblüte nationalen Bewusstseins und ausgeprägter Souveränitätsvorstellungen erwachte zwischenzeitlich erneut die Tendenz, das aktive Personalitätsprinzip zur tragenden Konzeption im 207 Vgl. Oehler, IStR, Rn. 139 ff., 702 ff.; Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (58); Mayer, JZ 1952, 609 (609); SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 15; Satzger, § 5 Rn. 3. 208 Vgl. SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 16; Jung, JZ 1979, 325 (326); Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (116 ff.); Liebelt, S. 249; Jescheck, Strafrechtsreform, S. 521 ff. 209 SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 15; Kielwein, GA 1954, 211 (211); Kienle, S. 100. 210 Baumann/Weber/Mitsch, § 7 Rn. 38; dagegen hält Zieher, S. 100 m.w. N. nationalsozialistische Überlegungen zumindest für mitbestimmend; ebenso Jescheck, Strafrechtsreform, S. 525 ff. 211 Eser, FS Jescheck, 2. Hb., 1985, S. 1363; vgl. Kienle, S. 86 f. 212 Vgl. NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 22; Zieher, S. 101; Li, S. 177; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Rhetorik bei Gleispach, ZStW 55 (1936), 399 (401): „Geltungsbereich des deutschen StGB. der Zukunft ist der ganze Erdball. Denn wo immer in der Welt deutsche Staatsangehörige wohnen oder sich nur vorübergehend aufhalten, dort stehen sie unter der Herrschaft des Rechtes ihres Staates, sie tragen es gleichsam mit sich und können ihm nicht entrinnen, so lange sie die Ehre genießen, Angehörige des Deutschen Reichs zu sein.“ 213 Kielwein, GA 1954, 211 (212).

B. Historischer Hintergrund der Regelung

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Internationalen Strafrecht zu erklären214. Bestrebungen in diese Richtung fanden jedoch nicht zuletzt aufgrund rechtsvergleichender Untersuchungen keine Mehrheit. Diese offenbarten, dass eine Regelung, durch die das aktive Personalitätsprinzip zum tragenden Prinzip des nationalen Strafanwendungsrechts erklärt wird, in einem eklatanten Widerspruch zur gesamteuropäischen Rechtsentwicklung und Rechtsauffassung stehen würde215. Dass sich der Übergang zum aktiven Personalitätsprinzip im Jahre 1940 schließlich doch vollzog, hing primär mit der zunehmenden strafrechtlichen Isolierung des Deutschen Reiches zusammen216. Nach dem Untergang des NS-Regimes erforderte die zentrale Stellung des aktiven Personalitätsprinzips innerhalb der Geltungsbereichsvorschriften eine neue Rechtfertigung. An die Stelle des Treuepflichtgedankens trat insoweit die Erwägung, dass es dem Gebot internationaler Solidarität bei der Verbrechensbekämpfung entspräche, wenn sich ein Staat um das rechtstreue Verhalten seiner Bürger auch im Ausland bemühe217. Dennoch begegnete auch dieser Legitimationsversuch den genannten grundsätzlichen Bedenken gegenüber dem absoluten aktiven Personalitätsprinzip218. Diese wurden nicht zuletzt dadurch forciert, dass infolge zunehmender grenzüberschreitender Mobilität vermehrt Loyalitätskonflikte zwischen Heimat- und Gastlandrecht auftraten219. Daraus resultierte die Forderung, dass es deutschen Bürgern grundsätzlich freistehen sollte, im Ausland allein nach dem Recht des Gastgeberlandes zu leben, ohne zusätzlich auch noch von der deutschen Rechtsordnung mit strafbewehrten Verhaltensvorgaben verfolgt zu werden220. 3. Rückkehr zum Territorialitätsprinzip durch das 2. StrRG Veranlasst durch die dargestellten Legitimationsschwierigkeiten ist das deutsche Strafrecht durch das Zweite Strafrechtsreformgesetz (2. StrRG)221 wieder zu einem der deutschen Rechtstradition entsprechenden System zurückgekehrt222. Es hat erneut das Territorialitätsprinzip in § 3 StGB zum tragenden Prinzip des deutschen Strafanwendungsrechts erkoren223. 214

Kielwein, GA 1954, 211 (212). Kielwein, GA 1954, 211 (212); Kienle, S. 100. 216 Vgl. SK-Samson, 2. Aufl., Vor § 3 Rn. 11. 217 Vgl. SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 15; Schröder, JZ 1968, 241 (241 f.); Oehler, IStR, Rn. 139 ff. 218 Siehe oben 1. Teil, D. III. 1. 219 Baumann/Weber/Mitsch, § 7 Rn. 38; vgl. Schönke/Schröder-Eser, § 3 Rn. 2. 220 Vgl. SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 16; Zieher, S. 101; E 1962, BT-DrS. 4/650, S. 105. 221 2. StrRG vom 4. Juli 1969 (BGBl. I, 717), seit 1. Januar 1975 i. d. F. des EGStGB vom 2. März 1974 (BGBl. I, 469) in Kraft. 222 Lackner/Kühl, Vor §§ 3–7 Rn. 3; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 16; Zieher, S. 101; Krapp, S. 5 ff., 70 ff.; Vogler, FS Maurach, 1972, S. 596 f. 223 SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 14; Lackner/Kühl, Vor §§ 3–7 Rn. 3. 215

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2. Teil: Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

„Der Gesetzgeber hat sich damit von der Überbewertung der Loyalitätspflicht des im Ausland weilenden Bürgers gegenüber seinem Heimatland freigemacht“ 224. Er beschränkt seine Strafgewalt entsprechend eines restriktiveren Souveränitätsdenkens nun wieder primär auf Taten, die von Inländern oder Ausländern auf dem eigenen Staatsgebiet begangen werden, während es den eigenen Staatsbürger im Ausland grundsätzlich frei stehen soll, nach dem Recht des Aufenthaltsstaates zu leben225. Daneben dienen partielle Erweiterungen226 des Territorialitätsprinzips (§§ 4 bis 7 StGB) dem Zweck, den Anwendungsbereich der deutschen Strafrechtsordnung auch auf solche Taten zu erstrecken, die durch den auf Inlandstaten beschränkten Gebietsgrundsatz nicht erfasst werden, die aber entweder zum Selbstschutz des Staates und seiner Bürger oder im Interesse internationaler Solidarität der Staaten erfasst werden sollten227. Darin kommen also erneut die zentralen Gesichtspunkte zum Ausdruck, an denen sich die Ausgestaltung des Internationalen Strafrechts orientiert. Obwohl die Aufgaben des Strafanwendungsrechts nicht allein durch das Territorialitätsprinzip gelöst werden können228, sind seine Erweiterungen bzw. Durchbrechungen im Rahmen bestimmter Taten mit Auslandsberührung auch kritisch zu betrachten. Die begrenzende Funktion des Territorialitätsprinzips wird dadurch deutlich abgeschwächt229. Um den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts auf eine angemessene Reichweite zu reduzieren, ist es daher trotz der Gesetzesreform weiterhin erforderlich, einen gerechten Ausgleich zwischen den Schutz- und Solidaritätsinteressen des Staates und einem restriktiven Souveränitätsdenken zu finden. Konnte unter dem Regime des aktiven Personalitätsprinzips noch als Anhaltspunkt auf das Korrektiv des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 zurückgegriffen werden, ist dies nach der neuen Rechtslage nun nicht mehr möglich, da die Norm ersatzlos gestrichen worden ist230. Trotz eines berechtigten Reformanliegens wurden damit im Ergebnis nicht alle Probleme gelöst, sondern zum Teil nur verlagert.

II. Regelung des Teilnahmeortes in § 9 Abs. 2 StGB Infolge des 2. StrRG und der damit verbundenen Rückkehr zum Territorialitätsprinzip ist durch die Einführung von § 9 Abs. 2 StGB zudem die bisher ausschließlich in der Rechtsprechung und Literatur entwickelte Bestimmung des 224

Jescheck/Weigend, AT, S. 171 f. Jescheck/Weigend, AT, S. 172; Schönke/Schröder-Eser, § 3 Rn. 2. 226 SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 15 und § 3 Rn. 2, der einerseits von „Erweiterungen“, andererseits von einer „Durchbrechung“ des Territorialitätsprinzips spricht. 227 Schönke/Schröder-Eser, § 3 Rn. 1; kritisch dazu Jung, JZ 1979, 325 (328). 228 Eser, FS Jescheck, 2. Hb., 1985, S. 1369. 229 LK-Werle/Jeßberger, § 3 Rn. 5. 230 Krapp, S. 7; Günther-Nicolay, S. 63. 225

C. Systematische Bedeutung der Vorschrift

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Teilnahmeortes ins Gesetz aufgenommen worden231. Die erstmalige ausdrückliche gesetzliche Regelung der Teilnahme im deutschen Strafanwendungsrecht folgt dabei wörtlich der Fassung des § 8 des Entwurfs eines Strafgesetzbuches aus dem Jahr 1962 (E 1962). Beachtung verdient insbesondere die Regelung in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB, die erstmals ausdrücklich die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf eine inländische Teilnahme an einer ausländischen Haupttat, welche nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist, anordnet. Mit dieser Vorschrift soll an die von der Rechtsprechung232 entwickelte Konzeption strafbarer Inlandsteilnahme an strafloser Auslandstat angeknüpft werden233.

C. Systematische Bedeutung der Vorschrift I. Das Zusammenspiel zwischen § 3 und § 9 StGB Das Verhältnis zwischen § 3 und § 9 StGB hat maßgeblichen Einfluss auf die konzeptionelle Ausgestaltung des deutschen Strafanwendungsrechts. Durch das enge Zusammenspiel beider Normen wirken sich insbesondere die Eigenarten des § 9 StGB unmittelbar auf die Reichweite der deutschen Strafgewalt aus. 1. Konkretisierung des Territorialitätsprinzips durch § 9 Abs. 1 StGB Für ein Strafrecht, dessen Geltung seit 1975 wieder im Kern auf dem Territorialitätsprinzip beruht (§ 3 StGB), kommt der Definition des Begehungsortes besondere Bedeutung zu, weil sich damit die „zentrale Weichenstellung“ 234 des Strafanwendungsrechts verbindet235. Der Begriff des Begehungsortes wird durch § 9 StGB konkretisiert, wonach deutsches Strafrecht anwendbar ist, wenn (a) der Täter in Deutschland gehandelt hat oder (b) im Falle einer Unterlassungstat in Deutschland hätte handeln müssen, (c) der zum Tatbestand gehörende Erfolg auf deutschem Hoheitsgebiet eingetreten ist oder (d) nach der Vorstellung des Täters dort eintreten sollte236. Die §§ 3 und 9 StGB bilden dementsprechend eine un231 MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 3; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (382); Schönke/Schröder-Eser, § 9 Rn. 2; LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 4. 232 Vgl. dazu bereits RGSt 9, 9 (13) sowie dann vor allem RG JW 1936, 2655; BGHSt 4, 333 (335). 233 MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 3; Liebelt, S. 247 f.; vgl. dazu im Einzelnen Krapp, S. 38 ff. 234 LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 2. 235 SK-Hoyer, § 9 Rn. 1; Schönke/Schröder-Eser, § 9 Rn. 1; Obermüller, S. 148; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (380); Jung, JZ 1979, 325 (326, 328); vgl. Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (62); Rotsch, ZIS 2006, 17 (18); Bergmann, S. 21. 236 MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 1.

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2. Teil: Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

trennbare Einheit, denn als „räumliche Komplementärnorm zu den sachlichen Anknüpfungsnormen“ 237 verhindert § 9 StGB, dass das Territorialitätsprinzip in Ermangelung einer Bestimmung des Tatorts leer läuft238. Deshalb wird auch der Rahmen, den das Strafanwendungsrecht der deutschen Strafgewalt steckt, nur deutlich, wenn man die Ausgestaltung der Tatortregelung in die Überlegungen einbezieht239. 2. Anknüpfungspunkte für den Ort der Tat Die für das Territorialitätsprinzip maßgebliche Frage, an welchem Ort eine Tat begangen wurde, lässt sich im Ausgangspunkt auf unterschiedliche Art beantworten. a) Erfolgstheorie Nach der sogenannten Erfolgstheorie ist allein der Ort maßgeblich, an dem der tatbestandliche Erfolg eingetreten ist. Diese Ansicht stützt sich auf zwei zentrale Argumente. Zunächst trete der Tatbestand des Deliktes erst durch den Eintritt des Erfolges zu Tage, wodurch das Delikt überhaupt erst seine Prägung erhalte240. Gerade das Territorialitätsprinzip bedinge, dass der Täter nur am Ort des Erfolgseintritts bestraft werde, weil sich ausschließlich hier die Verletzung des Rechtsgutes realisiert habe. Der Staat, in dem der Ort der Handlung liege, sei hingegen in seinen Rechtsgütern nicht geschädigt241. Außerdem sei es unerträglich, dass der Staat, auf dessen Territorium der deliktische Erfolg eintritt, die Störung seiner Ordnung ungeahndet hinnehmen solle242. Dementsprechend werde die Erfolgstheorie dem Rechtsgüterschutz als Aufgabe des Strafrechts am ehesten gerecht243. Einer exklusiven Geltung der Erfolgstheorie ist jedoch entgegenzuhalten, dass sie bei reinen Tätigkeitsdelikten scheitert, weil diese überhaupt keinen tatbestandsmäßigen Erfolg voraussetzen244. Außerdem ist der Ort des Erfolgseintritts häufig ungewiss und von bloßen Zufällen abhängig, womit sich eine Kollision dieser Theorie mit dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG abzeichnet245. 237 238 239 240 241 242 243 244 245

Jung, JZ 1979, 325 (328). Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (381). Vgl. Jung, JZ 1979, 325 (328). Oehler, IStR, Rn. 244. Oehler, IStR, Rn. 244; Krapp, S. 16 f. m.w. N. Oehler, IStR, Rn. 244. NK-Lemke, 2. Aufl., § 9 Rn. 3; Krapp, S. 17 m.w. N. SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 2; Krapp, S. 17 m.w. N. Vgl. Krapp, S. 17; Beling, ZStW 17 (1897), 303 (316 ff.).

C. Systematische Bedeutung der Vorschrift

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b) Handlungstheorie Demgegenüber urteilt nach der sogenannten Handlungstheorie nur der Staat, innerhalb dessen Grenzen der Täter körperlich gehandelt hat. Die Strafgewalt erstreckt sich dabei auf die ganze Tat und damit auch auf Teilakte, die im Ausland liegen. Hat beispielsweise A, der sich im Staat X aufhält, über die Grenzen des Landes hinaus den B, der sich im Staat Y befindet, erschossen, so ist allein Staat X unter Anwendung seines Rechts für die Aburteilung der Tötung zuständig246. Dem Erfolgseintritt wird insoweit keine Bedeutung beigemessen247. Die Handlungstheorie geht von der Vorstellung aus, das Delikt zeichne sich allein durch menschliche Handlung aus, was vor allem die mehr naturwissenschaftlich-kriminologisch orientierte Schule früher betonte248. Maßgeblich sei der Ort, wo sich der Wille des Menschen offenbare, weil das Strafrecht auf der Schuld aufbaue249. Würde auf den Erfolgsort abgestellt, so käme dies einer Rache nahe. Darüber hinaus sei der Beweis nur am Ort des Handelns effizient zu führen, weil der Täter, die Spuren, die Indizien und die Zeugen der Tat üblicherweise dort am sichersten zu finden seien250. Auch diese Theorie konnte sich nicht in exklusiver Form durchsetzen, da das Interesse eines Staates, für Verletzungen von Rechtsgütern in seinem Hoheitsbereich sein eigenes nationales Strafrecht anzuwenden, ein legitimer Ausfluss des Schutzprinzips ist251. c) Ubiquitätstheorie Der Gesetzgeber hat seine Konsequenzen aus diesen Erwägungen gezogen und lässt es gemäß § 9 StGB für die Annahme eines inländischen Tatortes genügen, dass entweder die Tathandlung oder der Taterfolg im Inland stattgefunden hat oder hätte stattfinden sollen252. Anders als bei der Bestimmung der Tatzeit (§ 8 StGB) wird somit beim Tatort nicht einseitig auf die Tathandlung abgestellt, wie es die Handlungstheorie verlangt. Ebenso wenig entscheidet im Sinne der Erfolgstheorie allein der Ort, an dem das Delikt zur Vollendung gelangt ist oder hätte gelangen sollen. Vielmehr folgt § 9 StGB der sogenannten Ubiquitätstheo-

246

Oehler, IStR, Rn. 241. Krapp, S. 15 m.w. N. 248 Oehler, IStR, Rn. 241. 249 NK-Lemke, 2. Aufl., § 9 Rn. 3. 250 Oehler, IStR, Rn. 241. 251 SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 3, 5. 252 Wie aus der Entscheidung BGHSt 44, 52 (56) folgt, wird die Ubiquitätstheorie inzwischen auch von der Rechtsprechung als völkerrechtlich allgemein anerkannter Anknüpfungspunkt für den Geltungsanspruch nationalen Strafrechts angesehen. 247

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2. Teil: Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

rie253, die auch als Einheitstheorie bezeichnet wird und bei der es sich um eine Synthese beider Theorien handelt254. Danach müssen die Kriterien der Handlungstheorie und der Erfolgstheorie für einen inländischen Begehungsort lediglich alternativ vorliegen255. Dies hat zur Folge, dass eine Tat als an jedem Ort begangen anzusehen ist, an dem auch nur eines ihrer Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden ist256. Solange also auch nur ein Handlungsteil oder ein (Teil-)Erfolg auf deutschem Hoheitsgebiet begangen, eingetreten oder auch nur beabsichtigt gewesen ist, ist die Tat in jeder Hinsicht als Inlandstat zu behandeln und folgerichtig nach § 3 StGB dem deutschen Strafrecht unterworfen257. Gleichzeitig bedeutet dies, dass bei den sogenannten Distanzdelikten258, also Delikten, bei denen der Täter im Inland gehandelt hat, während der Erfolg im Ausland eingetreten ist, über § 3 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 StGB immer deutsches Strafrecht zur Anwendung gelangt und zwar unabhängig davon, ob die Erfolgsherbeiführung am Ort des Erfolgseintritts überhaupt strafrechtlich sanktioniert ist. Dieses denkbar weite Verständnis des Begehungsortes basiert auf der Erwägung, dass die Handlung als Verwirklichung des Tatvorsatzes und der Erfolg als Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes eine Einheit bilden259. Jeder Teilakt, sowohl die Handlung als auch der Erfolg, sind nur ein Teil des Ganzen, wobei jedem dieser Tatbestandselemente gleiches Gewicht zukommt260. Beide lassen sich nicht voneinander trennen, „weil sie nur durch ihre Bezogenheit aufeinander ihren strafrechtlich relevanten Sinn erhalten“ 261. Weiterhin ist auch das inländische Schutzbedürfnis zu berücksichtigen. Gerade aus dem Territorialitätsprinzip ergibt sich die Pflicht des Staates, Rechtssicherheit in seinen Grenzen zu gewährleisten. Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob der Rechtsgutsangriff aus dem Inland oder aus dem Ausland erfolgt262.

253

Vgl. zur Geschichte der Ubiquitätstheorie Oehler, IStR, Rn. 247 m.w. N. MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 4; Schönke/Schröder-Eser, § 9 Rn. 3; Satzger, § 5 Rn. 8; Rotsch, ZIS 2010, 168 (170); Obermüller, S. 148. 255 SK-Hoyer, § 9 Rn. 2; Satzger, Jura 2010, 108 (112). 256 Schönke/Schröder-Eser, § 9 Rn. 3. 257 Schönke/Schröder-Eser, § 9 Rn. 12; LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 55; Obermüller, S. 149. 258 Vgl. zu diesem Begriff Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (379) m.w. N.; NKBöse, § 9 Rn. 2. 259 LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 3. 260 Jescheck/Weigend, AT, S. 177; NK-Böse, § 9 Rn. 2; Schönke/Schröder-Eser, § 9 Rn. 3; Jung, JZ 1979, 325 (326); Krapp, S. 18. 261 Oehler, IStR, Rn. 251. 262 Jescheck/Weigend, AT, S. 177 f.; Krapp, S. 18. 254

C. Systematische Bedeutung der Vorschrift

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3. Ausdehnung des Einheitsprinzips auf die Teilnahme durch § 9 Abs. 2 S. 1 StGB Die in § 9 Abs. 2 S. 1 StGB enthaltene Regelung des Tatorts im Falle der Teilnahme beruht ebenfalls auf der sinngemäßen Anwendung des Einheitsprinzips, da die Haupttat als „Erfolg“ der Teilnahmehandlung verstanden werden kann und damit eine Verknüpfung mit § 9 Abs. 1 StGB hergestellt wird. Anstiftung und Beihilfe sind danach an dem Ort begangen, an dem der Anstifter auf den Täter eingewirkt oder der Gehilfe ihn unterstützt hat, zugleich aber auch an dem Ort, an dem die Haupttat begangen ist, wobei als Begehungsort der Haupttat wiederum alle in § 9 Abs. 1 StGB vorgesehenen Möglichkeiten – Ort der Handlung, der Unterlassung, des Erfolgseintritts und des vorgestellten Erfolgseintritts – in Betracht kommen263. Der Tätigkeitsort einer durch Unterlassen begangenen Teilnahme richtet sich nach den Orten, an denen der Teilnehmer zwecks Rettung hätte handeln müssen264. Neben den Tatorten der Haupttat ist eine Teilnahme mithin überall dort begangen, wo der Teilnehmer handelt (Handlungsort) und wo sich sein Handeln auswirkt (Erfolgsort)265. Die getrennte Festlegung der Begehungsorte für die Täterschaft (Abs. 1) und die Teilnahme (Abs. 2) in § 9 StGB ist auf die besondere Gestaltung der deutschen differenzierenden Beteiligungsregelung zurückzuführen. Für ein Recht, das sich am Einheitstäterbegriff orientiert, genügt eine allgemeine Regelung des Tatorts266. Folgerichtig fehlt eine dem § 9 Abs. 2 StGB entsprechende Vorschrift nicht nur in der österreichischen und italienischen Strafrechtsordnung, sondern auch im deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht. Unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenspiels zwischen § 3 und § 9 StGB folgt daraus, dass der Begriff „Taten“ im Sinne des § 3 StGB trotz der separaten Regelung in § 9 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sowohl (Haupt-)Taten als auch Teilnahmehandlungen erfasst267. Teilweise wird in der Literatur vorgetragen, unter „Tat“ im Sinne des § 3 StGB sei nur eine täterschaftliche Begehung zu verstehen268. Der Gesetzeswortlaut sei insofern unergiebig, weil einerseits in § 8 StGB die Teilnahme zur Tat gezählt, andererseits aber in § 9 StGB zwischen Täterschaft und Teilnahme unterschieden 263

Jescheck/Weigend, AT, S. 179; Ambos, § 1 Rn. 17; Mansdörfer, HRRS 2009, 252

(254). 264

SK-Hoyer, § 9 Rn. 9; Schönke/Schröder-Eser, § 9 Rn. 11; Mitsch, Jura 1989, 193

(194). 265

MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 36; vgl. Rotsch, ZIS 2006, 17 (21). Jung, JZ 1979, 325 (327). 267 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (381); Gribbohm, JR 1998, 177 (177); vgl. RGSt 9, 13; Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (65); Jescheck, Strafrechtsreform, S. 542. 268 Schönke/Schröder-Eser, § 3 Rn. 4; MüKo/StGB-Ambos, § 3 Rn. 7; Mitsch, Jura 1989, 193 (194). 266

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2. Teil: Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

wird269. Diese (differenzierende) Auffassung wird im Kern auf das systematische Argument gestützt, die Sonderregel des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB sei ansonsten überflüssig270. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass § 9 Abs. 2 S. 2 StGB lediglich eine Sonderregelung für den (Ausnahme-)Fall der inländischen Teilnahme an einer ausländischen Haupttat trifft. Den Regelfall, die inländische Teilnahme an einer inländischen Haupttat, erfasst § 9 Abs. 2 S. 2 StGB hingegen nicht. Folglich muss sich die Anordnung der Geltung des deutschen Strafrechts durch § 3 StGB neben der Täterschaft auch auf die Teilnahme beziehen, um auch den Regelfall der inländischen Teilnahme an einer inländischen Haupttat zu erfassen271. Für diese Auffassung spricht schließlich auch der gesetzgeberische Wille, der für die Einführung des § 9 Abs. 2 StGB maßgeblich war272. Wie dargelegt stellt § 9 StGB letztlich eine Konkretisierung des Territorialitätsprinzips dar. Davon ausgehend sollte die Einführung von § 9 Abs. 2 StGB lediglich die bislang in der Rechtsprechung und Literatur entwickelte Bestimmung des Teilnahmeortes in gesetzliche Form gießen, wobei es dem Gesetzgeber in keiner Weise auf eine Differenzierung der Tatbegriffe ankam273.

II. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB als Sonderregelung der Distanzteilnahme Die Umsetzung des Ubiquitätsprinzips resultiert in einer erheblichen Ausdehnung der deutschen Strafgewalt und des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts. Durch den weiten Begriff des Begehungsorts erstreckt sich das deutsche Strafrecht unter dem Gesichtspunkt des Territorialitätsprinzips über die §§ 4 bis 7 StGB hinaus auf weitere Taten274. Für den Bereich der Teilnahme potenzieren sich die expansiven Tendenzen des Geltungsanspruchs der deutschen Strafgewalt obendrein durch die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB. Diese Norm regelt Fälle der Distanzteilnahme. Dieser Begriff bezeichnet die Anstiftung oder Beihilfe zu einer fremden Haupttat, die auf einem anderen staatlichen Territorium stattfindet als die Handlung des Teilnehmers275. 269 MüKo/StGB-Ambos, § 3 Rn. 7, der dies als Widerspruch des Gesetzeswortlauts wertet; anders hingegen Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (382), die darin eine Bestätigung der Auffassung sehen, dass sich die Anordnung der Geltung deutschen Strafrechts durch § 3 StGB auch auf die Teilnahme beziehe. 270 Schönke/Schröder-Eser, § 3 Rn. 4; MüKo/StGB-Ambos, § 3 Rn. 7. 271 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (382) m.w. N.; im Ergebnis so nun auch Ambos, § 1 Rn. 25, der damit von seiner Auffassung in MüKo/StGB-Ambos, § 3 Rn. 7 abrückt. 272 Siehe oben 2. Teil, B. II. 273 Vgl. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (382); mit gleicher Argumentation nun auch Ambos, § 1 Rn. 25. 274 LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 5. 275 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (389); Krapp, S. 8.

C. Systematische Bedeutung der Vorschrift

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Probleme entstehen bei einer derartigen Distanzteilnahme daraus, dass sich das Unrecht der Teilnahme grundsätzlich akzessorisch zum Unrecht der Haupttat bestimmt. Eine im Ausland verübte Rechtsgutsverletzung kommt als taugliche Haupttat für Anstiftung und Beihilfe daher prinzipiell nur in Betracht, wenn sie nach den Maßstäben des deutschen Strafanwendungsrechts ihrerseits dem deutschen Strafrecht unterliegt276. Das Unrecht einer Haupttat, die nicht der deutschen Strafgewalt unterworfen ist, bemisst sich jedoch allein nach ausländischem Strafrecht. Daher liefe die Geltung des deutschen Strafrechts nach § 9 Abs. 2 S. 1 StGB für den inländischen Teilnehmer an einer ausländischen Haupttat weitgehend leer, wenn sich das Unrecht der Teilnahme ausschließlich akzessorisch zum ausländischen Recht verhielte277. Das gilt insbesondere für solche Fälle, in denen die Haupttat zwar nach deutschem Recht strafbar ist, jedoch nicht nach dem Recht desjenigen Landes pönalisiert ist, in dem der Erfolg eingetreten ist oder die Tathandlung vorgenommen wurde278. Unterfällt die Haupttat dem deutschen Strafrecht nämlich nicht, könnte man argumentieren, dass in diesem Fall die aus deutscher Sicht straflose Haupttat nicht teilnahmefähig sein dürfe, und zwar selbst dann nicht, wenn der Teilnehmer auf deutschem Territorium agiert279. Vor diesem Hintergrund unterwirft § 9 Abs. 2 S. 2 StGB den inländischen Teilnehmer an einer ausländischen Haupttat auch dann dem deutschen Strafrecht, wenn die Haupttat nach dem Recht des anderen Staates gar nicht mit Strafe bedroht ist und deshalb nicht von der Geltung des deutschen Rechts (vgl. § 7 StGB) erfasst ist280. Diese ausdrückliche Anordnung ist notwendig, weil sich mangels deutscher Strafgewalt und damit fehlender Bewertungshoheit über die im Ausland verwirklichte Haupttat das Handlungsunrecht des Verhaltens des inländischen Teilnehmers nicht akzessorisch aus der Haupttat ableiten lässt281. Konkret wirkt sich § 9 Abs. 2 S. 2 StGB wie folgt aus: Liegt nach ausländischem Strafrecht eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat vor, während diese nach deutschem Strafrecht fehlt, so liegen für den inländischen Teilnehmer die Voraussetzungen der §§ 26, 27 StGB nicht vor. Fehlt es demgegenüber nach ausländischem Strafrecht an einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat, während diese nach deutschem Strafrecht vorliegt, so ist für die Beurteilung der Strafbarkeit des Teilnehmers von einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat auszugehen282. Das bedeutet, dass der in Deutschland handelnde Teilnehmer an einer 276

LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 48. SK-Hoyer, § 9 Rn. 10; vgl. Krapp, S. 10. 278 SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 15; Gribbohm, JR 1998, 177 (178). 279 Vgl. Satzger, § 5 Rn. 39; Schwalm, Sitzungsniederschriften, S. 126. 280 Schönke/Schröder-Eser, § 9 Rn. 14; LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 49; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (389); MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 39; Fischer, § 9 Rn. 10; Oehler, IStR, Rn. 360. 281 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (401). 282 SK-Hoyer, § 9 Rn. 11. 277

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2. Teil: Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

von einem Deutschen oder einem Ausländer im Ausland begangenen Haupttat ohne Rücksicht auf die lex loci allein nach deutschem Recht bestraft wird283. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass auf den Haupttäter selbst kein deutsches Strafrecht angewendet werden kann. Die Regelung wirkt sich vielmehr ausschließlich auf die Betrachtung des Teilnehmers aus284. Systematisch handelt es sich bei der Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB trotz ihrer amtlichen Überschrift weniger um eine Bestimmung des Tatortes, als vielmehr um eine (Sonder-)Regelung über strafbare Teilnahme an ausländischen Haupttaten285. Gleichzeitig kommt in dieser Sonderregelung der Distanzteilnahme eine Modifizierung von § 7 StGB zum Ausdruck, da bei inländischer Teilnahme auf das die Geltung des deutschen Strafrechts einschränkende Merkmal der Tatortstrafbarkeit der ausländischen Haupttat verzichtet wird286. Eine konsequente Anwendung der Norm erweitert den der Ubiquitätstheorie inhärenten expansiven Geltungsanspruch des deutschen Strafrechts zusätzlich auf jegliche Teilnahmehandlungen im Inland, unabhängig von der Strafbarkeit der ausländischen Haupttat und der Staatsangehörigkeit des Teilnehmers. Nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut findet die Vorschrift auch auf ausländische Teilnehmer Anwendung, die auf deutschem Territorium an einer straflosen ausländischen Haupttat teilnehmen und sich dabei gemäß ihrem Heimatrecht verhalten287. Umgekehrt ist auch der deutsche Teilnehmer einer durch Ausländer begangenen ausländischen Haupttat für seine inländischen Teilnahmehandlungen nach deutschem Recht zu bestrafen und zwar ebenfalls unabhängig vom Schicksal der Haupttat. In letzter Konsequenz ist auch eine rein ausländische Tatbegehung – d. h. die Teilnahme eines Ausländers auf deutschem Territorium an der Haupttat eines Ausländers im Ausland – von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB erfasst und damit nach deutschem Recht strafbar288. Lediglich die Auslandsteilnahme an Taten im Ausland ist nicht erfasst.

283

Oehler, IStR, Rn. 360. SK-Hoyer, § 9 Rn. 10. 285 MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 39; LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 47; Jung, JZ 1979, 325 (326); Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (391). 286 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (406); Oehler, IStR, Rn. 360; vgl. Gribbohm, JR 1998, 177 (178) mit Hinweis darauf, dass es für die Auslandsteilnahme an einer Auslandstat trotz § 9 Abs. 2 S. 2 StGB bei dem Erfordernis der Tatortstrafbarkeit der ausländischen Tat bleibe. 287 Vgl. LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 51; MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 40. 288 MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 40. 284

D. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Spannungsfeld der Teilnahmedogmatik

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D. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Spannungsfeld der Teilnahmedogmatik Der besondere Regelungscharakter des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB macht deutlich, dass die Inlandsteilnahme an einer ausländischen Haupttat nicht nur als Problem des deutschen Strafanwendungsrechts zu betrachten ist, sondern auch nur schwer mit der herrschenden Teilnahmelehre in Einklang zu bringen ist289.

I. Verhältnis der Regelung zum akzessorietätsorientierten Verständnis der Teilnahme § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ordnet die Geltung des deutschen Strafrechts für die inländische Teilnahme an einer straflosen Auslandstat unter der Voraussetzung an, dass die Haupttat nach Maßgabe deutschen Strafrechts strafbar wäre. Da nun aber die im Ausland stattfindende Haupttat regelmäßig nicht der deutschen Strafgewalt unterliegt, drängt es sich auf, dass § 9 Abs. 2 S. 2 StGB in einem gespannten Verhältnis zum akzessorietätsorientierten Verständnis der Teilnahme stehen muss290. Wie das Verhältnis zwischen der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB und der Teilnahmedogmatik tatsächlich zu qualifizieren ist, ist im Folgenden zu ermitteln. 1. Der Grundsatz der (limitierten) Akzessorietät Nach dem Grundsatz der (limitierten) Akzessorietät hängt die Strafbarkeit der inländischen Teilnahme (Anstiftung und Beihilfe) grundsätzlich von der Strafbarkeit der im In- oder Ausland verübten Haupttat im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB ab291. Als Beteiligung an einer fremden Tatbestandsverwirklichung leiten beide Teilnahmeformen ihren Unrechtsgehalt vom Unrecht der Haupttat ab292. Das bedeutet nicht, dass Anstiftung und Beihilfe keinerlei eigenen Unwert verkörpern. Die Konstruktion eines eigenständigen, vom Unrecht der Haupttat losgelösten „Teilnahmedelikts“ findet jedoch im Gesetz keine Stütze293. Nach der heute herrschenden akzessorietätsorientierten Verursachungsstheorie wird der Teilnehmer nicht deshalb bestraft, weil er den Haupttäter in Schuld und Strafe verstrickt294, sondern weil er durch Hervorrufen des Tatvorsatzes oder durch an289

Vgl. Jung, JZ 1979, 325 (326, 327). Vgl. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (391); Jung, JZ 1979, 325 (326), wonach mit § 9 Abs. 2 S. 2 StGB sofort der Grundsatz der Akzessorietät assoziiert werde. 291 MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 39. 292 Satzger, § 5 Rn. 39; Roxin, AT II, § 26 Rn. 26 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 551; Valerius, NStZ 2008, 121 (122). 293 Wessels/Beulke, Rn. 551. 294 So noch die durch § 29 StGB überholte „Schuld- bzw. Unrechtsteilnahmetheorie“. 290

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2. Teil: Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

derweitige Unterstützungshandlungen eine rechtswidrige Haupttat fördert bzw. mit verursacht295. Insofern ist jedoch stets vorausgesetzt, dass das angegriffene Rechtsgut auch gegenüber dem Teilnehmer geschützt ist. Die aus rechtsstaatlicher Perspektive erforderliche Bestimmtheit erhält die Strafbarkeit der Teilnahme damit erst durch die gesetzlich sanktionierte Haupttat, auf die sie sich als unverzichtbare Grundlage beziehen muss296. Das StGB folgt dabei dem Grundsatz der limitierten Akzessorietät, was darin zum Ausdruck kommt, dass weder Anstiftung noch Beihilfe ein schuldhaftes Verhalten des Haupttäters voraussetzen. Dagegen entbindet die limitierte Akzessorietät nicht von dem Erfordernis, dass die Haupttat vorsätzlich begangen werden muss, da gemäß §§ 26, 27 StGB nur die vorsätzliche Teilnahme an einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Haupttat strafbar ist297. 2. Durchbrechung der (limitierten) Akzessorietät Nun gilt jedoch gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 StGB für den inländischen Teilnehmer an einer Auslandstat das deutsche Strafrecht, obwohl die Haupttat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist. Die Regelung ermöglicht es, die Strafbarkeit der Inlandsteilnahme an Taten im Ausland im Ergebnis so zu behandeln, wie die Auslandsteilnahme an Inlandstaten nach Satz 1, nämlich ausschließlich und einheitlich nach deutschem Recht. Die Haupttat wird vom deutschen Recht daher bewertet, als ob sie diesem unterliege, wenngleich sie in Wirklichkeit von dem deutschen Strafrecht gar nicht erfasst wird, weil sich der Täter nach dem deutschen Strafanwendungsrecht in Deutschland gerade nicht strafbar gemacht hat298. Im Fall des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zieht also die Teilnahme die (ausländische) Haupttat entgegen § 9 Abs. 1 StGB zu sich herüber an den (inländischen) Tatort299. Die überwiegende Anzahl von Stimmen in der Literatur sieht daher in der Regelung einen Widerspruch zu dem letztlich im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Akzessorietätsprinzip300, weil der Geltungsbereich des deutschen Rechts von seiner Abhängigkeit von der Auslandseigenschaft und der Auslandsstrafbarkeit der 295

Vgl. dazu statt vieler Roxin, AT II, § 26 Rn. 26. Kühl, § 20 Rn. 134. 297 Gropp, § 10 Rn. 108. 298 Oehler, IStR, Rn. 360. 299 Gribbohm, JR 1998, 177 (178). 300 MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 39; Gribbohm, JR 1998, 177 (178); SK-Hoyer, § 9 Rn. 10; Obermüller, S. 151; Oehler, IStR, Rn. 360; Krapp, S. 148 f.; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (391 ff.); Rotsch, ZIS 2010, 168 (170); Zieher, S. 39, demzufolge § 9 Abs. 2 S. 2 StGB gerade die Funktion habe, jene Klippe des Akzessorietätsprinzips zu umgehen, die unter Umständen entstehe, wenn für die Haupttat das deutsche Strafrecht weder unmittelbar noch mittelbar Geltung erlange. 296

D. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Spannungsfeld der Teilnahmedogmatik

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Haupttat gelöst werde301. Zwar ist die Beziehung der Teilnahmetat zur Haupttat infolge der Limitierung der Akzessorietät von einer totalen Abhängigkeit auf einen Bewertungszusammenhang reduziert worden302, doch auch dadurch verliert diese Problematik nicht an Bedeutung. Schließlich gilt auch für die limitierte Akzessorietät, dass – von spezialgesetzlichen Regelungen wie § 30 StGB abgesehen – eine Strafbarkeit des Anstifters oder Gehilfen zumindest dann ausscheidet, wenn die Haupttat nicht tatbestandsmäßig begangen werden kann303. Selbst wenn man die Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht als totale, sondern nur als partielle Durchbrechung der (limitierten) Akzessorietät begreift304, handelt es sich dabei um ein und dasselbe Phänomen, welches sich in erster Linie dadurch auszeichnet, dass es nicht mit dem Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme in Einklang zu bringen ist305. 3. Geltungsfiktion Ausgehend davon wird der Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB vereinzelt auch als gesetzliche Fiktion qualifiziert, da die Vorschrift anordne, dass die inländische Teilnahme so zu beurteilen sei, als gelte das deutsche Strafrecht auch für die ausländische Haupttat306. Weil demzufolge die ausländische Haupttat für Anstifter und Gehilfen im Inland wie eine inländische Tat beurteilt werde, komme es für die Akzessorietät der Teilnahme deshalb nur noch darauf an, ob die Haupttat, angenommen sie wäre im Inland begangen worden, tatbestandsmäßig und rechtswidrig wäre307. Der fiktive Charakter des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB basiert nach dieser Auffassung also darauf, dass die Bestimmung – entgegen des ersten Eindrucks – die Tatsache, dass auf die Haupttat selbst kein deutsches Strafrecht anwendet werden kann, unberührt lässt und damit im Ergebnis lediglich Relevanz für die Strafbarkeit des Teilnehmers hat.

301

Gribbohm, JR 1998, 177 (178); LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 49; Dahs/Müssig,

S. 20. 302

NK-Lemke, 2. Aufl., § 9 Rn. 28; Jung, JZ 1979, 325 (327). NK-Lemke, 2. Aufl., § 9 Rn. 29. 304 Vgl. Liebelt, S. 252, wonach der Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme durch § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht total, sondern nur partiell in dem Maße durchbrochen werde, als die Strafbarkeit der Haupttat ihrerseits vom Bestehen einer lex loci abhängig sei. 305 Vgl. Eser/Koch, S. 142, wonach die Annahme einer Durchbrechung des Akzessorietätsgedankens gewiss insoweit richtig sei, als es bei der Inlandsteilnahme an einer Auslandstat nicht auf die Rechtswidrigkeit nach dem Tatortrecht ankomme. 306 SK-Hoyer, § 9 Rn. 10; Lackner/Kühl, § 9 Rn. 3; Gribbohm, JR 1998, 177 (178); Döllel, wistra 1998, 70 (70). 307 Gribbohm, JR 1998, 177 (178); Sailer, NuR, 507 (508). 303

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4. Delikt sui generis Da nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB das am ausländischen Tatort geltende Strafrecht nicht zu berücksichtigen ist, könnte die Norm andererseits auch so ausgelegt werden, dass die inländische Teilnahme allein nach dem Tatbestand des Strafgesetzes beurteilt wird, den die Haupttat, wäre sie im Inland geschehen, erfüllt hätte. Die Teilnahme wäre dann nicht mehr akzessorisch zu einer konkreten Haupttat, sondern zu einem abstrakten Straftatbestand. An dieser Stelle setzt auch die Deutung von Krapp an. Aus ihrer Sicht wird durch § 9 Abs. 2 S. 2 StGB eine neue Teilnahmeform geschaffen und die Teilnahme selbst zu einem abstrakten eigenständigen Straftatbestand gestaltet, der als „im Inland begangene Mitwirkung an Auslandstaten“ 308 bezeichnet werden könnte309. Von einer Akzessorietät könne daher nur noch insoweit gesprochen werden, als ein gewisser tatsächlicher Zusammenhang zwischen Teilnahme und Haupttat bestehen müsse310. Das Verhältnis zwischen Haupttat und Teilnahme wird also von einer normativen Ebene – in die auch ein bloßer Bewertungszusammenhang noch einzuordnen ist – auf eine rein tatsächliche Ebene verlagert. 5. Rein strafanwendungsrechtliche Betrachtung der Vorschrift Jung hingegen vertritt die Auffassung, § 9 Abs. 2 S. 2 StGB verzichte überhaupt nicht auf das Akzessorietätserfordernis, sondern stelle vielmehr als eine Art „Ausfluß des Akzessorietätsprinzips“ klar, dass sich die Rechtswidrigkeit der Haupttat nach deutschem Recht beurteile, wenn der Teilnehmer im Inland gehandelt hat311. Seine Betonung liegt also darauf, dass auch die im Ausland begangene Haupttat für die rechtliche Bewertung der Teilnahme wie eine Inlandstat behandelt werden müsse312. Damit nähert er sich der Problematik aus einer rein strafanwendungsrechtlichen Perspektive und untermalt die Vorzugswürdigkeit dieser Herangehensweise, indem er argumentiert, mit der „Behauptung“, es handele sich bei § 9 Abs. 2 S. 2 StGB um eine Durchbrechung des Akzessorietätsgrundsatzes, werde das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt, weil Akzessorietätsfragen überhaupt erst zum Tragen kommen könnten, wenn feststeht, dass ein bestimmter Sachverhalt nach 308 Bockelmann, Sitzungsniederschriften, S. 126, der der Auffassung war, dass die Strafbarkeit der ausländischen Haupttat nach dem Recht des Tatorts beurteilt werden müsse. Anderenfalls würde ein delictum sui generis geschaffen, wofür er kein Strafbedürfnis gegeben sah. 309 Krapp, S. 10. 310 Krapp, S. 149. 311 Jung, JZ 1979, 325 (327 f.). 312 Vgl. LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 50.

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deutschem Strafrecht zu beurteilen ist313. Die ausländische (Haupt-)Tat solle folglich nur zum Zweck der Erfassbarkeit der inländischen Teilnahme der Bewertung durch deutsches Strafrecht unterworfen werden314. Danach sind Fragen des Strafanwendungsrechts und des materiellen Inlandsstrafrechts voneinander unabhängig. Dieser Ansicht schließt sich auch Satzger an, indem er darauf verweist, die deutsche Rechtsordnung tauge auch dann als Unrechtsmaßstab für die ausländische Haupttat, wenn deutsches Strafrecht auf diese nicht anwendbar sei315. Er geht dementsprechend davon aus, dass das Unrecht der Inlandsteilnahme an einer Auslandshaupttat nicht aus dem ausländischen Unwerturteil über die Tat abgeleitet werde, sondern vielmehr sei es der deutsche Unrechtsmaßstab, der die Auslandstat als Unrecht erscheinen lasse. Folgerichtig leite jede Teilnahme daran ihr Unrecht aus diesem deutschen Unwerturteil ab316. Vor dem Hintergrund dieses rein strafanwendungsrechtlichen Verständnisses bestreiten beide Autoren einen Widerspruch zwischen § 9 Abs. 2 S. 2 StGB und den Akzessorietätsgrundsätzen oder gar eine Durchbrechung dieses Prinzips. Nach Jung könnte man die Regelung letztlich sogar als „Produkt des Akzessorietätsdenkens auf der internationalstrafrechtlichen Ebene“ 317 bezeichnen. 6. Stellungnahme Obwohl Jung an die Akzessorietätsproblematik aus rein strafanwendungsrechtlicher Sicht herantritt, erkennt er an, dass die rechtliche Einordnung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB in gewissem Sinne als „eine Art Gradmesser für das jeweilige Verständnis des Akzessorietätsbegriffs“ 318 gelten könne. Gleichzeitig bestreitet er mit einer ähnlichen Argumentation wie Satzger eine Durchbrechung des Grundsatzes. Beide gehen offensichtlich davon aus, dass die ausländische Haupttat für die rechtliche Bewertung der Teilnahme wie eine Inlandstat behandelt werden müsse. Für Jung folgt dies nicht zuletzt aus der Tatsache, dass § 9 Abs. 2 S. 2 StGB lediglich klarstelle, die Rechtswidrigkeit der ausländischen Haupttat beurteile sich nach deutschem Recht, wenn der Teilnehmer im Inland gehandelt hat319.

313

Jung, JZ 1979, 325 (328). Vgl. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (393); Jescheck/Weigend, AT, S. 179. 315 Satzger, § 5 Rn. 40; Satzger, Jura 2010, 108 (115). 316 Satzger, § 5 Rn. 40; Satzger, Jura 2010, 108 (115); vgl. SSW-Satzger, Vor § 9 Rn. 13. 317 Jung, JZ 1979, 325 (328). 318 Jung, JZ 1979, 325 (327). 319 Jung, JZ 1979, 325 (328). 314

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Gerade diese Wertung stellt aber, da sie der Sache nach eine inländische Haupttat fingiert, nichts anderes als einen zumindest teilweisen Verzicht auf das Erfordernis der (limitierten) Akzessorietät dar. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn man die Anwendung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf solche Fälle beschränken würde, in denen die ausländische Haupttat tatsächlich der deutschen Strafgewalt unterläge (§§ 4 bis 7 StGB). Eine derartige Einschränkung dürfte jedoch nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, weil sich unter diesen Umständen die Strafbarkeit der Inlandsteilnahme bereits nach den §§ 3, 26, 27 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 S. 1 StGB ergeben würde320. Satz 2 wäre dann ohnehin überflüssig. Letztlich kommt ein teilweiser Verzicht auf das Erfordernis der Akzessorietät in seiner Wirkung damit einer Durchbrechung des Akzessorietätsprinzips gleich, sodass es sich inhaltlich um die Beschreibung ein und desselben Phänomens handelt. Auch wenn die Auslandstat lediglich zum Zweck der Erfassbarkeit der inländischen Teilnahme hieran der Bewertung durch deutsches Strafrecht unterworfen werden soll, ist darüber hinaus einzuwenden, dass infolge eines solchen Verständnisses die Haupttat kontra-akzessorisch in ein rein dienendes Verhältnis zur Teilnahme gesetzt wird, was die dogmatischen Grundlagen der Teilnahme ins Gegenteil verkehrt321. Der Strafgrund der Teilnahme beruht auf der Vorstellung, dass der Teilnehmer durch das Hervorrufen des Vorsatzes beim Täter oder eine sonstige Beihilfehandlung eine rechtswidrige Haupttat fördert oder mit verursacht. Nach allgemeiner Auffassung ist die Strafbarkeit der inländischen Teilnahme somit prinzipiell von der Strafbarkeit der im In- oder Ausland verübten Haupttat abhängig und nicht umgekehrt. Außerdem geht die Qualifizierung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB als rein strafanwendungsrechtliche Vorschrift von einer Unabhängigkeit zwischen den Fragen des Strafanwendungsrechts und des materiellen Inlandsstrafrechts aus, die in dieser Form tatsächlich nicht besteht. Vielmehr demonstriert das Verhältnis zwischen dem Strafanwendungsrecht und dem Schutzbereich der anzuwendenden Norm eindrucksvoll, wie eng beide Fragen miteinander verwoben sind322. Schließlich setzt eine Teilnahmestrafbarkeit auf einer vorgelagerten Ebene zwingend voraus, dass sich die Haupttat gegen ein Rechtsgut richtet, das von der entsprechenden Strafvorschrift des deutschen Rechts geschützt wird, selbst wenn es sich um ein ausländisches Rechtsgut handelt323. Insofern folgt aus § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zwar, dass die Haupttat so zu beurteilen ist, als gelte für sie deutsches Strafrecht, doch verlangt die Norm nicht, die Haupttat so zu behandeln, als sei auch der Schutzbereich eines deutschen Straftatbestandes berührt324. 320 321 322 323

Vgl. LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 50. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (393). Vgl. NK-Lemke, 2. Aufl., § 9 Rn. 28. Jescheck/Weigend, AT, S. 179.

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Folglich bleibt das Damoklesschwert des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB in solchen Fällen stumpf, in denen der Tatbestand von seiner sachlichen Umschreibung her den Rechtsgüterschutz auf inländische Rechtsgüter beschränkt325. Werden durch die Tat also ausschließlich Staatsinteressen des ausländischen Tatortstaates verletzt, so bleibt der Teilnehmer trotz § 9 Abs. 2 S. 2 StGB straflos326. So ist etwa die in Deutschland geleistete Beihilfe zu einer im außereuropäischen Ausland begangenen Verletzung ausländischer Zollvorschriften nach deutschem Recht nicht strafbar327. Vor diesem Hintergrund vermögen die Bemühungen, die der Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB innewohnende Akzessorietätsproblematik mit Hilfe einer rein strafanwendungsrechtlichen Betrachtung aufzulösen, nicht zu überzeugen, da sie ihrerseits mit Fiktionen arbeiten, die in letzter Instanz als Durchbrechungen des (limitierten) Akzessorietätsprinzips zu qualifizieren sind. Letztlich gilt dies auch für die Ansätze, die Regelung als Geltungsfiktion oder Delikt sui generis einzuordnen, da sich die Grundannahme, dass die Teilnahme ihren Unrechtsgehalt vom Unrecht der Haupttat ableitet, darin nur noch sehr entfernt widerspiegelt. Allen dargestellten Auffassungen ist dementsprechend gemein, dass sie nicht in der Lage sind, die spezifischen Eigenarten der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB aus den Feinheiten der Teilnahmedogmatik heraus zu erklären, ohne gleichzeitig Friktionen mit dem Akzessorietätsgrundsatz hervorzurufen. Es ist deshalb festzustellen, dass die Regelung im Widerspruch zum Akzessorietätsprinzip steht und eine Durchbrechung dieses Grundsatzes darstellt.

II. Problematische Konsequenzen Obwohl die Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB unter den völkerrechtlichen Gesichtspunkten der Nichteinmischung und des Willkürverbots niemals ernsthaft in Frage gestellt wurde328, scheint der Gesetzgeber mit dieser Regelung dennoch „teilweise übers Ziel hinausgeschossen“ 329 zu sein. Die konsequente Anwendung der Norm führt zu einer erheblichen Ausdehnung der deutschen Strafgewalt330. Diese Konsequenz kann letztlich auch nicht dadurch umgangen werden, § 9 Abs. 2 S. 2 StGB als gesetzliche Fiktion einer teilnahmefähigen Haupttat auszu324 Siehe zum allgemeinen Einschränkungspotential, das sich aus dieser Tatsache generieren lässt unten 4. Teil, A. I. 3. 325 Vgl. Jung, JZ 1979, 325 (330). 326 SK-Hoyer, § 9 Rn. 13. 327 RG 14, 124 (128 ff.). 328 Vgl. Satzger, § 5 Rn. 40; LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 53. 329 LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 52. 330 Vgl. Sieber, NJW 1999, 2065 (2072), der in der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB eine erhebliche Überdehnung des Territorialitätsprinzips sieht.

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legen, denn es kann nicht beliebig in der Hand des Gesetzgebers liegen, eine zwingende Voraussetzung strafbarer Teilnahme einfach zu fingieren331. Selbst unter der Herrschaft des aktiven Personalitätsprinzips wurde § 3 Abs. 2 RStGB 1940 in seiner Funktion als Korrektiv analog auf die Distanzteilnahme angewandt332. Dementsprechend war eine inländische Teilnahme nicht strafbar, wenn die ausländische Haupttat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht war und wegen der besonderen Verhältnisse am Ort der Haupttat – aus der Sicht der deutschen Rechtsordnung – kein strafwürdiges Unrecht darstellte333. Infolge des ersatzlosen Wegfalls des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 ist dieser Weg nach der aktuellen Rechtslage nun aber versperrt. Es spricht deshalb einiges dafür, mit Samson davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Aufgabe des Personalitätsprinzips eine dem § 3 Abs. 2 RStGB 1940 entsprechende Regelung für entbehrlich gehalten hat, dabei aber die bedeutende Rolle, die diese Vorschrift infolge ihrer analogen Anwendung auf Inlandstaten mit Auslandsbezug spielte, übersehen hat334. Jedenfalls hat sich die Situation des inländischen Distanzteilnehmers faktisch verschlechtert335. Die Fragwürdigkeit der daraus resultierenden Strafbarkeiten drängt sich auf, wenn man sich vor Augen führt, dass der Teilnehmer im Falle einer Tatbegehung im Ausland ebenso wie der Haupttäter straflos geblieben wäre, weil mangels einer Tatortnorm § 7 Abs. 2 StGB nicht eingreifen würde336. Indem deutsche und ausländische Staatsangehörige in Deutschland für eine Auslandstat grundsätzlich nur bei Vorliegen einer lex loci bestraft werden können, der in Deutschland handelnde Teilnehmer dagegen nach § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ohne Rücksicht auf eine Tatortnorm, wird ein Wertungsungleichgewicht zwischen den beiden Beteiligungsformen hervorgerufen. Dementsprechend erscheint es nicht gerechtfertigt, den in Deutschland handelnden Teilnehmer zu bestrafen, wohingegen der sich im Ausland betätigende Täter in Deutschland mangels einer lex loci straffrei bleibt. Oehler geht sogar so weit, darin in Bezug auf die Teilnahme eine einseitige Ausdehnung des Ubiquitätsprinzips zu Ungunsten des Teilnehmers zu sehen, die darauf beruhe, dass Handlungsort und Akzessorietät der Teilnahme für den Geltungsbereich der Normen nicht richtig gegeneinander abgewogen seien337. Gleichzeitig entstehe ein Widerspruch zum umgekehrten Fall einer Auslandsteilnahme an einer inländischen Haupttat, bei der die Strafbarkeit des Teilnehmers 331

Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (395). Siehe oben 2. Teil, B. I. 2. 333 LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 52; Oehler, FS Mezger, 1954, S. 101 ff.; Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (116); Krapp, S. 11; Liebelt, S. 249. 334 Vgl. SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 16; Jung, JZ 1979, 325 (326). 335 Krapp, S. 11. 336 Obermüller, S. 153. 337 Oehler, IStR, Rn. 360; Oehler, GS Peters, 1967, S. 973. 332

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gerade mit der akzessorischen Natur der Teilnahme begründet werde338. Für Oehler wird die inländische Teilnahme an einer ausländischen Tat dadurch ohne zureichenden sachlichen Grund verselbständigt, wobei die Bestimmung die Strafwürdigkeit von Täter und Teilnehmer umdrehe. Zudem sei der Ort der Teilnahmehandlung „nicht gewichtig genug, als daß er die Akzessorietät im Rahmen des Geltungsbereichs der Normen paralysieren könnte“ 339. Ungeachtet der kriminalpolitischen Kritik begegnet die grundsätzliche Gültigkeit des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB keinen Einwänden, weil es bei einer im Inland begangenen Teilnahme – auf der Grundlage des unangefochtenen Territorialitätsprinzips – im Kern um die Strafbarkeit von Inlandstaten geht340. Angesichts der dargestellten Konsequenzen gibt die Erstreckung der deutschen Strafgewalt auf die inländische Teilnahme an einer straflosen Auslandstat jedoch Anlass, sich in aller Deutlichkeit die Frage nach der Strafwürdigkeit des inländischen Teilnehmers sowie nach dem Strafinteresse des deutschen Staates zu stellen341.

III. Legitimationsansätze Es herrscht heute nicht zuletzt wegen des völkerrechtlichen Grundsatzes der Nichteinmischung Einigkeit, dass kein Staat dazu berufen ist, gegen jedermann und überall auf der Welt mittels des eigenen Strafrechts für die Stabilisierung von Ordnung zu sorgen342. Auch die Rückkehr zum Territorialitätsprinzip und die gleichzeitige Abkehr vom aktiven Personalitätsprinzip bringen diese Auffassung zum Ausdruck, da sich die Strafgewalt des Staates nunmehr wieder primär auf die Pönalisierung von Straftaten auf dem eigenen Hoheitsgebiet beschränkt. Für eine darüber hinaus gehende Strafberechtigung ist indessen stets ein legitimierender Anknüpfungspunkt zu fordern343. 1. Rechtspolitische Gesichtspunkte Erste Anhaltspunkte in Bezug auf die Strafwürdigkeit eines bestimmten Verhaltens und das entsprechende Strafinteresse des deutschen Staates versprechen vielfach die Aufzeichnungen über das Gesetzgebungsverfahren sowie deren amtliche Begründungen. Die Frage, ob im Inland begangene Teilnahmehandlungen 338

Oehler, IStR, Rn. 362. Oehler, IStR, Rn. 360. 340 LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 53; vgl. NK-Böse, § 9 Rn. 22. 341 Krapp, S. 157. 342 Oehler, IStR, Rn. 111; Oehler, FS Carstens I, 1984, S. 435 ff.; Oehler, GA 1980, 241 (242); Schultz, FS Tröndle, 1989, S. 895 ff. 343 Vgl. Jakobs, 5. Abschnitt Rn. 5; Rath, JA 2007, 26 (30); siehe hierzu bereits oben 1. Teil, B. 339

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an Auslandstaten nach deutschem Strafrecht zu beurteilen sind, wenn die Haupttat nach dem Tatortrecht nicht strafbar ist, bejaht die amtliche Begründung des E 1962 kurzerhand mit Verweis darauf, dass „rechtspolitische Gesichtspunkte“ dafür sprechen344. Worin genau diese Gesichtspunkte im Einzelnen bestehen, lässt die Begründung aber offen345. Die einzig naheliegende Erklärung, warum sich der Gesetzgeber letztlich aufgrund schlicht rechtspolitischer Gesichtspunkte zu einer Normierung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB veranlasst sah, könnte im geschichtlichen Hintergrund der Regelung zu suchen sein. Schließlich sollte mit der Vorschrift einem schon lange nahezu einhellig anerkannten Rechtszustand im Gesetz Ausdruck verliehen werden346. Allerdings galt die nun in Gesetzesform gegossene Regelung auch vor der Neugestaltung des deutschen Strafanwendungsrechts nicht ohne jede Einschränkung. So wurde doch allgemein die Auffassung vertreten, die inländische Teilnahme an einer im Ausland verübten Haupttat sei wie die Auslandstat eines Deutschen analog § 3 Abs. 2 RStGB 1940 dann nicht strafbar, wenn die Tat wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort kein strafwürdiges Unrecht darstelle. Obwohl man den deutschen Staatsbürger damals mit Hilfe des aktiven Personaliätsprinzips auch im Ausland an die inländische Rechtsordnung binden wollte, hielt man also doch zumindest in der Weise am Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme fest, dass die Tat gegebenenfalls aufgrund der eigentümlichen Umstände am Ort des Geschehens auch unter Anlegung deutscher Beurteilungsmaßstäbe nicht als strafwürdiges Unrecht qualifiziert wurde347. Demzufolge findet in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB eben nicht nur der schon vor der Reform geltende Rechtszustand Ausdruck, sondern die daraus resultierenden Strafbarkeitsrisiken reichen deutlich weiter. Deshalb liegt es fern, dass sich die rechtspolitischen Gesichtspunkte in der gesetzlichen Manifestation der bestehenden Rechtslage erschöpfen. Aus den Gesetzgebungsmaterialien lassen sich folglich keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Motivation des Gesetzgebers ziehen, sodass weitere Ansätze auf ihre legitimierende Wirkung zu prüfen sind. 2. Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten Wesentlich konturierter ist dagegen ein eher pragmatisch getriebener Legitimationsansatz, der bei der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme ansetzt.

344 345 346 347

E 1962, Amtl. Begr., S. 114. Vgl. Krapp, S. 61; NK-Lemke, 2. Aufl., § 9 Rn. 27; Jung, JZ 1979, 325 (326). Siehe oben 2. Teil, B. II. Liebelt, S. 249 m.w. N.

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a) Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme im dualistischen Beteiligungssystem Das deutsche Strafrecht unterscheidet wie bereits angedeutet bei der Beteiligung mehrerer Personen an einer Straftat zwischen Täterschaft und Teilnahme. Auf der einen Seite wird gemäß § 25 Abs. 1 StGB als Täter bestraft, wer die Tat selbst (unmittelbare Täterschaft) oder durch einen anderen (mittelbare Täterschaft) begeht. Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder gemäß § 25 Abs. 2 StGB als Täter (Mittäter) bestraft. Auf der anderen Seite ist Teilnehmer, wer einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat vorsätzlich bestimmt (Anstifter, § 26 StGB) oder ihm zu einer solchen Tat vorsätzlich Hilfe leistet (Gehilfe, § 27 StGB). Täterschaft ist danach die unmittelbare, mittelbare oder gemeinschaftliche Begehung einer eigenen Tat. Teilnahme ist hingegen die in den §§ 26, 27 StGB umschriebene Beteiligung an einer fremden Tat. Diese Differenzierung soll es ermöglichen, jeden Tatbeitrag so zu erfassen, wie es seinem sachlichen Gewicht und seinem individuellen Verhaltensunwert entspricht348. Ausgangspunkt der Abgrenzung ist ein restriktiver Täterbegriff, wonach die Täterschaft prinzipiell auf das in den Tatbeständen des Besonderen Teils beschriebene Verhalten beschränkt ist. Anstiftung und Beihilfe sind also Strafausdehnungsgründe, die über den Kernbereich der Strafbarkeit, der durch die Täterschaft bezeichnet wird, hinausgehen349. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs350 ist bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme von einer strikt subjektiven Perspektive abgerückt und stimmt nun mit der überwiegenden Auffassung in der Rechtslehre darin überein, dass Täterschaft und Teilnahme sich weder durch eine rein subjektive noch durch eine rein objektive Betrachtungsweise sachgerecht voneinander abgrenzen lassen351. Eine rein subjektive Methode, die dem sachlichen Gewicht des objektiven Tatbeitrages der Beteiligten im Rahmen der Tatbestandsverwirklichung keinerlei Bedeutung beimisst, erfasst die Qualität des objektiven Tatgeschehens nicht zutreffend352. Sie lässt die gesetzliche Grundlage der Täterschaft außer Acht, soweit 348

Wessels/Beulke, Rn. 505. Vgl. zur Abgrenzung zwischen extensivem und restriktiven Täterbegriff Roxin, AT II, § 25 Rn. 4 ff. 350 Eine chronologische Darstellung und Analyse aller wesentlichen Entscheidungen liefert Roxin, Täterschaft, S. 90–106, 558–642; ein Abriss der Entwicklung mit umfassenden Nachweisen findet sich auch bei LK-Schünemann, § 25 Rn. 17–31; vgl. auch Roxin, FS BGH, Bd. IV, 2000, S. 177 ff. 351 Wessels/Beulke, Rn. 517; Roxin, AT II, § 25 Rn. 22; Küpper, GA 1986, 437 (440); skeptisch äußert sich hingegen Krey, AT 2, Rn. 47. 352 Kühl, § 20 Rn. 22 f. mit überzeugenden Beispielen. 349

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sie den Täterwillen von seiner Tatbestandsgebundenheit löst und ihn auf diese Weise zu beliebig verfügbaren Kriterien für den Rechtsanwender macht353. Von gesetzlicher Bestimmtheit der Strafe kann bei einem solchen Verfahren kaum die Rede sein354. Vielmehr vernachlässigt der streng subjektive Ansatz gerade diejenigen Sachbezüge, denen das Gesetz maßgebliche Bedeutung beimisst. Dem Rechtsanwender hat § 25 Abs. 1 Var. 1 StGB die Verfügung über die Verteilung der Beteiligtenrollen nämlich insoweit genommen, als er die eigenhändige Tatbegehung („wer die Strafbarkeit selbst [. . .] begeht“) immer als Täterschaft qualifiziert355. Andererseits stünde einer rein objektiven Abgrenzungsmethode die Erkenntnis entgegen, dass sich das Wesen der Täterschaft nicht in der objektiven Beherrschbarkeit des konkreten Geschehensablaufs erschöpft. Wie § 25 Abs. 2 StGB für die gemeinschaftliche Begehung der Tat aufgrund eines bewussten und gewollten Zusammenwirkens zeigt, entscheidet die Willensrichtung der Beteiligten mit der im Tatplan festgelegten Rollenverteilung darüber, inwieweit dem einzelnen Mittäter Ausführungsakte zugerechnet werden, die ein anderer Beteiligter objektiv allein beherrscht. Das Element der eigenen Tatherrschaft verliert hier gegenüber dem mitplanenden und mitgestaltenden Willen an Gewicht356. So wie jede Straftat eine aus objektiven und subjektiven Elementen bestehende Einheit bildet, sind daher auch Täterschaft und Teilnahme auf der Grundlage des gesetzlichen Tatbestandes nur durch eine Synthese objektiver und subjektiver Kriterien sachgerecht voneinander abzugrenzen357. Diese neuere Linie des Bundesgerichtshofs liegt in der Mitte zwischen der ursprünglichen subjektiven Betrachtung und der Tatherrschaftslehre358. Entscheidend für die Täterschaft ist danach, ob und inwieweit der einzelne Beteiligte nach Art und Gewicht seines objektiven Tatbeitrags sowie aufgrund seiner Willensbeteiligung das Ob und Wie der Tatbestandsverwirklichung in der Weise beherrscht oder mitbeherrscht, dass der Erfolg als das Werk seines zielstrebig lenkenden oder die Tat mitgestaltenden Willens erscheint. Die Teilnahme zeichnet sich demgegenüber durch die ohne diese Tatherrschaft bewirkte Veranlassung oder Förderung fremden Handelns oder Unterlassens aus359.

353

Wessels/Beulke, Rn. 517. Stratenwerth/Kuhlen, § 12 Rn. 13. 355 Kühl, § 20 Rn. 23. 356 Wessels/Beulke, Rn. 517. 357 Die Synthese zwischen objektiven und subjektiven Kriterien wird als „normative Kombinationstheorie“ bezeichnet. 358 Roxin, AT II, § 25 Rn. 23. 359 Wessels/Beulke, Rn. 518. 354

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b) Abgrenzungsschwierigkeiten Würde man an der Akzessorietät der Teilnahme in ihrer Reinform festhalten, bliebe die inländische Teilnahme an einer straflosen ausländischen Haupttat ebenfalls straflos. Sofern das Verhalten des Teilnehmers aber inländischen Unrechtsmaßstäben zuwider läuft, existieren Bestrebungen, dies auch durch eine entsprechende Bestrafung nach deutschem Strafrecht zum Ausdruck zu bringen. Dieses Ergebnis ließe sich allerdings aufgrund der fehlenden teilnahmefähigen Haupttat nur dann erreichen, wenn die Handlung als mittelbare Täterschaft oder Mittäterschaft qualifiziert werden könnte360. Für zur Täterschaft verselbständigte Beteiligungshandlungen an Auslandstaten gilt allerdings nicht § 9 Abs. 2 S. 2 StGB, sondern § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 StGB361. Im Falle der Mittäterschaft wird infolge der gegenseitigen Anrechnung an jedem Ort, an dem ein Mittäter gehandelt hat, ein Tatort begründet362. Daher handeln alle Mittäter im Inland, wenn auch nur einer von ihnen dort tätig wird, weil nach Maßgabe des § 25 Abs. 2 StGB nicht nur das Handeln der anderen, sondern auch der Ort ihres Handelns zugerechnet wird363. Im Ergebnis werden Mittätern also ihre Tatbeiträge wechselseitig zugerechnet, ohne dass Staatsgrenzen dabei eine Rolle spielen364. Entsprechendes gilt für den mittelbaren Täter, dem die Handlung des Tatwerkzeuges nach dem Zurechnungsprinzip des § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB zugerechnet wird. Für ihn wird damit sowohl bei eigenem Handeln im Inland als auch aufgrund eines im Inland agierenden Werkzeugs ein inländischer Tatort begründet365. Ein im Inland handelnder Mittäter wäre wegen seiner Mitwirkung an der am ausländischen Tatort straflosen Auslandstat daher ebenso eindeutig dem deutschen Strafrecht unterworfen wie ein im Inland handelnder 360

Vgl. MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 41. BGH NStZ 2004, 45 (45); Fischer, § 9 Rn. 10. 362 RGSt 57, 144 (145 f.); 75, 385 (386); BGH NJW 2002, 3486 (3487); Schönke/ Schröder-Eser, § 9 Rn. 10; MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 10; vgl. zu praktischen Konsequenzen im Bereich grenzüberschreitender Forschung Valerius, NStZ 2008, 121 (123); Taupitz, JZ 2007, 113 (119). 363 LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 13; Fischer, § 9 Rn. 3a; Satzger, § 5 Rn. 19; Wabnitz/Janovsky-Möhrenschlager, 3. Kap. Rn. 34; BGH wistra 2001, 229 (230); a. A. SKHoyer, § 9 Rn. 5, der eine sogenannte Einzellösung vertritt, wonach sich der Handlungsort für jeden Mittäter getrennt anhand der nach Eintritt der Gesamttat in das Versuchsstadium von ihm erbrachten mittäterschaftsbegründenden Tatbeiträge bestimme; ähnlich auch die Lösung von Oehler, IStR, Rn. 361. 364 Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (24). 365 RGSt 67, 130 (138); BGH wistra 1991, 135 (135); OLG Schleswig wistra 1998, 30 (31) [m. Anm. Döllel, wistra 1998, 70]; Fischer, § 9 Rn. 3a; Jescheck/Weigend, AT, S. 180; MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 10; Wabnitz/Janovsky-Möhrenschlager, 3. Kap. Rn. 34; a. A. SK-Hoyer, § 9 Rn. 5, wonach die Tatortfrage für den mittelbaren Täter wiederum isoliert vom Handlungsort des Tatmittlers zu beantworten sei, sodass es allein auf den Ort der Entlassung des Werkzeugs aus dem Einflussbereich des mittelbaren Täters ankommen solle; in eine ähnliche Richtung tendiert auch Heinrich, FS Weber, 2004, S. 106 ff. 361

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mittelbarer Täter, dessen Werkzeug am ausländischen Tatort eine straflose Auslandstat begeht366. Ausgehend davon wird vielfach der Versuch unternommen, die die Strafbarkeit erheblich ausdehnende Norm des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB dadurch zu legitimieren, dass ohne eine derartige Regelung die Strafbarkeit des im Inland Handelnden, der sich an einem im Ausland straflosen Verhalten beteiligt, welches allerdings nach deutschem Rechts strafbar ist, allein von der vielfach mit Unsicherheiten behafteten Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme abhinge367. Weil das aus praktischer Sicht eine wenig befriedigende Lösung darstellen würde, wird in der Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten teilweise auch die ratio legis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB gesehen368. Ambos und Ruegenberg gehen sogar soweit, in der Regelung letztlich „nur eine konsequente Zurücknahme des Differenzierungsmodells [zwischen Täterschaft und Teilnahme] und des Akzessorietätsgrundsatzes bei ausländischer Haupttat“ zu sehen369. Typische Abgrenzungsprobleme bestehen zum Einen zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung, zum Anderen zwischen Mittäterschaft und Beihilfe. Die erstgenannte Problematik resultiert daraus, dass sowohl der mittelbare Täter als auch der Anstifter einen anderen – entweder das Werkzeug des mittelbaren Täters oder den angestifteten Haupttäter – zur Tatbegehung veranlassen370. Die zweitgenannte Abgrenzungproblematik beruht darauf, dass sowohl der Mittäter als auch der Gehilfe etwas zur Tatbegehung beitragen371. Zwar hat sich im Laufe der Entwicklung mit der sogenannten normativen Kombinationstheorie eine verbreitete Abgrenzungsmethode herauskristallisiert, die sich von den Mängeln einer rein subjektiven oder einer rein objektiven Theorie distanziert hat, doch orientiert auch sie sich in erster Linie an wertenden Kriterien, die Ermessensspielräume zulassen und daher nach wie vor einer gewissen Rechtsunsicherheit ausgesetzt sind. Vor diesem Hintergrund wird die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB also dadurch legitimiert, dass es aufgrund ihrer Geltung für die Strafbarkeit einer inländischen Teilnahme an einer straflosen ausländischen Haupttat nicht mehr entscheidend auf die häufig schwierige Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme ankommt, weil eine Teilnahmestrafbarkeit nun auch von Gesetzes wegen unabhängig von der Strafbarkeit der im Ausland verwirklichten Haupttat möglich ist. 366

Vgl. LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 53 m.w. N. Vgl. MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 41; LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 53; Huwe, S. 206. 368 Vgl. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (394). 369 MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 41. 370 Kühl, § 20 Rn. 18. 371 Kühl, § 20 Rn. 19. 367

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c) Stellungnahme Bei allem Verständnis für die pragmatischen Motive dieses Ansatzes ist einzuwenden, dass es sich dabei um eine bloße Zweckmäßigkeitserwägung handelt. Diese beruht auf der mit Unsicherheiten behafteten Abgrenzung der Teilnahme von Mittäterschaft und mittelbarer Täterschaft und ist allein von dem Interesse getragen, für die Praxis rechtspolitisch gewünschte Ergebnisse zu erzielen. Dem Interesse an einer möglichst umfassenden Sanktionierung der Distanzdelikte wird dadurch der Vorzug gegenüber dem rechtsstaatlich verankerten Bestimmtheitsgebot gegeben. Mit den Abgrenzungsschwierigkeiten wird dazu als Legitimation eine der Dogmatik selbst innewohnende Unzulänglichkeit herangezogen, womit das Verhältnis zwischen der Maßnahme und dem damit verfolgten Ziel fragwürdig wird. Anders formuliert sollen sich einzelne Schwächen der Strafrechtsdogmatik gegenseitig neutralisieren, ohne miteinander in einem notwendigen Zusammenhang zu stehen. Bezogen auf die legitimierenden Absichten dieses Ansatzes ist die Zweck-Mittel-Relation demnach als unverhältnismäßig zu qualifizieren. Im Ergebnis kann die in ihrer Konsequenz die deutsche Strafgewalt erheblich ausdehnende Norm des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB daher nicht allein auf reine Zweckmäßigkeitserwägungen gestützt werden372. 3. Gleichbehandlungsgedanke Ein anderer Ansatz rechtfertigt die mit der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB korrespondierende Ausweitung der deutschen Strafgewalt mit dem Gleichbehandlungsgedanken. a) Kongruenz der inländischen Handlung Danach könne man, so wird argumentiert, von zwei Tätern oder Teilnehmern, die im Inland in gleicher Weise gehandelt haben, nicht den einen strafen, den anderen aber nicht373. Zwei identisch Handelnde müssten im Inland vielmehr auch rechtlich gleich behandelt werden, denn beide seien denselben inländischen Normen und Strafgesetzen unterworfen und müssten demzufolge bei Verstößen auch in gleicher Weise sanktioniert werden, unabhängig davon, ob der Erfolg im In- oder Ausland einträte374. Dementsprechend dürfte es auch keinen Unterschied machen, ob eine Person durch ihr Verhalten an einer inländischen oder an einer straflosen ausländischen Haupttat teilgenommen hat, da die Qualität ihrer Hand372 373 374

Im Ergebnis so auch bereits Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (394). Vgl Jung, JZ 1979, 325 (329) m.w. N. Vgl. Obermüller, S. 159; Krapp, S. 133.

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lungen die gleiche ist und sich lediglich der Begehungsort des Haupttäters unterscheidet. b) Stellungnahme Orientiert man sich an den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Art. 3 Abs. 1 GG, ist eine rechtlich relevante Ungleichbehandlung nur dann anzunehmen, wenn wesentlich Gleiches ungerechtfertigt ungleich behandelt wird375. Gemeint ist, dass in tatbestandlich wesentlich gleich gelagerten Fällen auch die gleiche Rechtsfolge eintreten muss376. Voraussetzung auf einer ersten Ebene ist also, dass in tatbestandlicher Hinsicht etwas wesentlich Gleiches gegeben ist. Die identische, im Inland vorgenommene Handlung von zwei Beteiligten könnte auf den ersten Blick als wesentlich Gleiches eingestuft werden. Allerdings ist der Vergleichsmaßstab sehr sorgfältig und nicht zu eng zu wählen. Zwei Teilnehmer mögen zwar im Inland das Gleiche getan haben, der Erfolg ihres Handelns hat jedoch eine unterschiedliche Qualität: Im Fall einer inländischen Teilnahme an einer inländischen Haupttat hat die Handlung zu einem tatbestandsmäßigen Erfolg (also einer Rechtsgutsverletzung bzw. -gefährdung) im Inland geführt, während im Fall einer inländischen Teilnahme an einer ausländischen Haupttat (bei Straflosigkeit im Ausland) – jedenfalls im Ausland – eben keine Rechtsgutsverletzung und damit auch kein Erfolgsunwert vorliegt377. Mit diesem Vergleich werden zugleich Grundfragen des staatlichen Strafens angestoßen und aufgeworfen. Bei den an einer Rechtsgutsverletzung gemessenen Erfolgsdelikten hat der Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Schwerpunkt des unrechten Verhaltens als Herbeiführung eines bestimmten missbilligten Erfolges zu charakterisieren378. Strafrechtliche Sanktionen basieren hiernach darauf, dass eine Handlung im Sinne einer zweckgerichteten Willensbetätigung einen bestimmten Erfolg herbeiführt379. Gelegentlich tritt zwar – wie das Beispiel des Versuchs zeigt – mit dem Handlungsunrecht einer der beiden Aspekte stärker in den Vordergrund. Immerhin besteht aber beim Versuch eine Gefahr für das konkrete Rechtsgut. Demgegenüber ist bei der aktuellen strafrechtlichen Regelung der Distanzteilnahme in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB der Zurechnungsverbund von Handlung und Erfolg so gut wie vollständig aufgelöst380. Be375

Vgl. Pieroth/Schlink, Rn. 463; Hufen, § 39 Rn. 5; Ipsen, Grundrechte, Rn. 794 ff. Epping, Rn. 768. 377 Obermüller, S. 159 f.; Jung, JZ 1979, 325 (329). 378 Stratenwerth/Kuhlen, § 8 Rn. 10. 379 Zum Spannungsverhältnis zwischen Erfolgsunwert und Handlungsunwert sei auf die Untersuchung von Krauß, ZStW 76 (1962), 19 (19 ff.) sowie die Darstellung von Maurach/Zipf, AT I, § 17 Rn. 1–29 verwiesen. 380 Vgl. zur Verbindung zwischen Handlung und Erfolg Kühl, § 4 Rn. 4. 376

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straft wird die Handlung auch dann, wenn der Erfolg nach dem Recht des Ortes, an dem er eintritt, gar keine Strafbarkeit auslöst. Es wird folglich ein Verhalten pönalisiert, ohne dass eine konkrete Verletzung von Rechtsgütern eingetreten ist381. Auch aus einem anderen Grund erscheint der Gleichbehandlungsgedanke unpräzise. Er geht für die Frage der Strafwürdigkeit des Teilnehmers von einem Vergleich zwischen zwei im Inland handelnden Teilnehmern aus und verlangt im Falle ihrer identischen Handlungen unabhängig vom Schicksal der Haupttat – egal ob diese im In- oder Ausland stattfindet und im Ausland möglicherweise sogar straffrei ist – die gleiche Strafbarkeit. Diese Sichtweise verliert den Grundsatz der (limitierten) Akzessorietät insofern aus den Augen, als dass die Teilnahme ihren Unrechtsgehalt vom Unrecht der Haupttat ableitet und eben nicht umgekehrt. Maßstab für vergleichende Erwägungen sollte mithin das Verhältnis zwischen Täter und Teilnehmer sein und nicht das Verhältnis zwischen zwei – wenn auch in gleicher Weise agierenden – voneinander völlig unabhängigen Teilnehmern. Dementsprechend sollte der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung – sofern er überhaupt im Rahmen der vorliegenden Problematik Berücksichtigung findet – dazu veranlassen, sich bei der Frage der Strafwürdigkeit des Teilnehmers an der Strafbarkeit der Haupttat zu orientieren. Für die hier erörterte Distanzteilnahme bedeutet das auch, den Unrechtsmaßstab des Staates zu berücksichtigen, in dem die Haupttat begangen wird. Anderenfalls ist erneut auf die befremdende Konsequenz zu verweisen, dass der Teilnehmer trotz der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB, hätte er seine Handlung im Ausland vorgenommen, ebenso wie der Haupttäter straflos geblieben wäre. Indem Deutscher und Ausländer grundsätzlich in Deutschland nur bei Vorliegen einer lex loci bestraft werden, der in Deutschland handelnde Teilnehmer dagegen nach § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ohne Rücksicht auf eine Tatortnorm, wird also ein Wertungsungleichgewicht zwischen Täterschaft und Teilnahme erzeugt382, das sich nicht auf der anderen Seite durch eine scheinbare Ungleichbehandlung von zwei inländischen Teilnehmern rechtfertigen lässt. Aufgrund der dargestellten Unterschiede zwischen dem Fall einer inländischen Teilnahme an einer inländischen Haupttat einerseits und dem Fall einer inländischen Teilnahme an einer ausländischen (straflosen) Haupttat andererseits, ist eine Ungleichbehandlung beider Konstellationen durchaus sachgerecht383. Bezogen auf die hier zu untersuchende Legitimation des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB bedeutet dies wiederum, dass der Gleichbehandlungsgedanke nicht als Rechtfertigung der strafbarkeitsausdehnenden Norm taugt.

381 382 383

Jung, JZ 1979, 325 (329). Siehe oben 2. Teil, D. II. Im Ergebnis so auch Obermüller, S. 160 m.w. N.

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4. Schließung von Strafbarkeitslücken Für eine unbeschränkte Geltung des Einheitsprinzips wird außerdem das Argument angeführt, die Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB leiste einen nicht zu unterschätzenden „Beitrag im internationalen Kampf gegen das Verbrechertum“ 384. a) Beitrag im internationalen Kampf gegen das Verbrechertum Diese erneut rechtspolitisch geprägte Sichtweise basiert auf der Annahme, dass der Kampf gegen das Verbrechertum über den Schutz der eigenen nationalen Interessen hinaus eine internationale Aufgabe ist, an deren Lösung alle Nationen mitarbeiten müssen und der sich kein Staat entziehen kann. Ausgehend davon fordert Schröder, dass jedes Land vor allem verhindern müsse, dass es zu einem Herd mittelbarer Kriminalität dadurch werde, dass Anstifter und Gehilfen von seinem Territorium aus Straftaten in anderen Ländern anzetteln oder unterstützen können, ohne dass die Möglichkeit bestünde, sie dafür durch das Strafrecht ihres Aufenthaltsortes, an dem die günstigere strafrechtliche Reaktionsmöglichkeit bestehe, zur Rechenschaft zu ziehen385. Anderenfalls drohe das Inland zu einem „Sammelbecken für internationale Verbrecher“ 386 zu werden, weil der Kriminalitätstourismus durch „Oasen der Straflosigkeit oder der allzu milden Sanktionierung“ 387 geradezu angelockt werde. Dementsprechend appelliert auch Weigend: „Wo sich die Bedrohung der Rechtsgüter nicht mehr an die nationalen Grenzen hält, darf auch die offizielle Reaktion nicht partikularistisch ausfallen, wenn nicht einerseits der „Glaube an die Gerechtigkeit“, andererseits die Effizienz der Verbrechensbekämpfung Schaden nehmen soll“ 388. Schließlich dürfe es in einem Strafrecht keine Fälle geben, in denen jemand einen von der Rechtsordnung verpönten Erfolg dadurch straflos herbeiführen könne, dass er einen anderen mit seiner Herbeiführung beauftragt, während er selbst strafbar wäre, wenn er jene Handlung eigenhändig vorgenommen hätte389. All diese Stimmen verbindet das Bestreben, die Lückenlosigkeit der Strafverfolgung zu realisieren390. Ähnliche, auf die Unterstützung des internationalen Kampfes gegen das Verbrechertum fokussierte Motive lassen sich möglicherweise auch aus der grund384 385 386 387

Jung, JZ 1979, 325 (328). Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (91). Obermüller, S. 159. Weigend, ZStW 105 (1993), 774 (784); vgl. auch Jung/Schroth, GA 1983, 241

(251). 388 389 390

Weigend, ZStW 105 (1993), 774 (784) m.w. N. Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (83). Vgl. Krapp, S. 10 m.w. N.

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sätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers, in § 9 StGB nunmehr die Ubiquitätstheorie zu normieren, ableiten. Dazu ist die Zielsetzung eines ubiquitären Tatortverständnisses zu hinterfragen, wonach ein Tatort jeder Ort ist, an dem der Täter gehandelt hat oder ein tatbestandsmäßiger (Teil-)Erfolg eingetreten ist391. Auf der einen Seite stellt die Berücksichtigung des Erfolgsortes einen Ausfluss des Schutzprinzips dar392. Der Staat schützt die in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Rechtsgüter, indem er auf alle gegen sie gerichteten Angriffe sein Strafrecht anwendet, mögen die Angriffshandlungen im Inland oder im Ausland vorgenommen werden. Auf der anderen Seite muss der Tätigkeitsort dagegen aus anderen Gründen eine Rolle spielen, denn wenn der Täter im Inland eine Handlung vornimmt, deren rechtsgutsverletzender Erfolg im Ausland eintritt, besteht für den Staat des Handlungsortes aus Gründen des Schutzprinzips kein Anlass zum Eingreifen. In diese Lücke könnte wiederum die Erwägung stoßen, dass das Inland ansonsten die Ansammlung internationaler Verbrecher provozieren würde, die von dort aus ungestört Distanztaten verüben könnten393. b) Stellungnahme Ohne den Beitrag des Internationalen Strafrechts zur internationalen Verbrechensbekämpfung in Abrede stellen zu wollen, folgen erste Zweifel an einer derart dringenden Notwendigkeit des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB aus den Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission. Zwar haben sich die Mitglieder der Kommission im Ergebnis nahezu einstimmig für die Schaffung der Vorschrift ausgesprochen, doch es gab durchaus gewichtige Einwände. So war Bockelmann der Auffassung, dass die Strafbarkeit der ausländischen Haupttat nach dem Recht des Tatorts beurteilt werden müsse394. Für die Pönalisierung einer im Inland begangenen Mitwirkung an Auslandstaten unabhängig von der Strafbarkeit der ausländischen Haupttat sah er kein Bedürfnis gegeben395. Ebenso bezweifelte Welzel, ob die inländische Teilnahme an einer am Tatort nicht mit Strafe bedrohten Handlung überhaupt strafwürdig sei, und bejahte diese Frage ausdrücklich für die sogenannten Umgehungsdelikte, nicht hingegen für alle anderen Straftaten396. Auch aus praktischer Sicht erhärten sich die Zweifel, denn die Vorstellung, die Bundesrepublik Deutschland könnte zu einem „Tummelplatz für internationale Straftäter“ werden, scheint die handlungsleitende Funktion der Rechtsordnung zu 391 392 393 394 395 396

Siehe oben 2. Teil, C. I. 2. c). SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 5. Vgl. SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 5. Bockelmann, Sitzungsniederschriften, S. 126. Vgl. Krapp, S. 65. Welzel, Sitzungsniederschriften, S. 126.

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überschätzen397. Sofern sich potentielle Straftäter überhaupt in erwähnenswertem Umfang von Überlegungen dahingehend leiten lassen, an welchen Orten ihrer kriminellen Energie möglichst weitreichende Entfaltungsräume gewährt werden, so dürften eher Gesichtspunkte der Verfolgungsintensität im Vordergrund stehen398. Außerdem trifft dieses Argument auf Fälle schwerer Kriminalität gerade nicht zu, da schwere Delikte in nahezu allen Ländern – wenn auch vielleicht graduell unterschiedlich – bestraft werden, sodass der deutsche Strafanspruch hier ohne weiteres gegeben wäre399. Letztlich genügt zur Vermeidung einer Ansammlung internationaler Verbrecher auch schlicht eine Regelung wie § 7 StGB, nach der die Täter entweder ausgeliefert oder nach dem Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege bestraft würden400. Im Ergebnis bringt also der Aspekt der Schließung von Strafbarkeitslücken und des damit verbundenen Beitrags zum internationalen Kampf gegen das Verbrechertum die Legitimationsschwierigkeiten des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht entscheidend voran. 5. Generalprävention Ein weiterer Legitimationsansatz bemüht sich darum, den expansiven Geltungsanspruch des § 9 Abs. 2. S. 2 StGB durch generalpräventive Gesichtspunkte zu rechtfertigen. a) Funktionen der Generalprävention Als Verbrechensverhütung durch psychische Einwirkung auf die Allgemeinheit hat die Generalprävention zwei Erscheinungsformen401. In ihrer negativen Form ist die Generalprävention darauf gerichtet, potentielle Straftäter durch den Einsatz strafrechtlicher Sanktionen von der Begehung von Straftaten abzuschrecken und damit verbrechenshemmende Impulse zu setzen402. In ihrer positiven Funktion zielt sie darauf ab, die Rechtstreue und das Vertrauen der übrigen Bevölkerung in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung zu bestätigen403. 397

Jung, JZ 1979, 325 (329). Jung, JZ 1979, 325 (329); Roxin, AT I, § 3 Rn. 25; im Ergebnis so auch Dölling, ZStW 102 (1990), 1 (3), wonach empirische Untersuchungen ergeben hätten, dass bei stärkerer Verfolgungsintensität – gemessen zum Beispiel an der Zahl der Verhafteten bezogen auf die bekanntgewordenen Delikte – die Kriminalitätsrate niedriger sei. 399 Krapp, S. 132 f. 400 SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 5. 401 Vgl. MüKo/StGB-Radtke, Vor §§ 38 ff. Rn. 34. 402 Maurach/Zipf, AT I, § 6 Rn. 6; MüKo/StGB-Radtke, Vor §§ 38 ff. Rn. 34; Jakobs, 1. Abschnitt Rn. 27. 403 Vgl. Hart-Hönig, S. 50 f.; LK-Weigend, Einl. Rn. 58; NK-Hassemer/Neumann, Vor § 1 Rn. 288; Roxin, AT I, § 3 Rn. 26. 398

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Der positiven Generalprävention liegt ein anderes Menschenbild als der negativen Spielart dieser relativen Strafzwecklehre zugrunde. Nicht die Angst vor der zu erwartenden Strafe, sondern die Überzeugung der (berechtigten) Geltung der Norm bildet aus Sicht der positiven Generalprävention das Motiv des Rechtsunterworfenen, das Verhaltensgebot der Vorschrift zu beachten404. Danach hat das Strafrecht den Anspruch, die Erwartung der Bürger in die wechselseitige Einhaltung der sanktionierten Verhaltensnormen zu garantieren405. Dementsprechend ist der Zweck der Androhung und Verhängung von Strafe auf die Sicherung der Geltung elementarer Normen freiheitlicher sozialer Integration gerichtet406, d. h. darauf, die für die jeweilige Gesellschaft fundamentalen Normen zu behaupten und zu sichern und so ein soziales Leben überhaupt erst möglich zu machen407. Jeder Bürger soll davon ausgehen können und dürfen, dass (möglichst) alle anderen Gesellschaftsmitglieder diese Normen zur Maxime ihres Handelns machen. Das Strafrecht hat zu demonstrieren, dass diese wechselseitige Erwartungshaltung berechtigt ist und derjenige, der sein eigenes Handeln an dieser Erwartung ausrichtet, nicht (dauerhaft) enttäuscht wird und umlernen muss408. Erfüllt ein Bürger diese Erwartung nicht, reagiert der Staat mit der Verhängung von Strafe: Mit der Zufügung der Strafe wird ausgedrückt, dass dem Täter die Nichtbefolgung der Norm „verübelt“ wird, weil er die in ihn gesetzten Erwartungen hinsichtlich seiner Loyalität gegenüber dem Recht enttäuscht hat. Die Verhängung von Strafe verdeutlicht also vor der Rechtsgemeinschaft, dass der Normverstoß durch den Täter in Bezug auf die Unerschütterlichkeit der Rechtsordnung unbedeutend ist und die Norm weiterhin als verbindliches Verhaltensmuster gilt409. Je bedeutsamer die Norm für die rechtliche Ordnung der Gesellschaft nach deren Selbstverständnis ist, desto schwerer wiegt der (zu verantwortende) Normwiderspruch, was wiederum Berücksichtigung in der für das Delikt angedrohten Strafe findet. Gleichzeitig wird der Täter aufgefordert, die Strafe als symbolische Reaktion der Enttäuschung über den durch sein Verhalten zum Ausdruck gebrachten Mangel an Rechtstreue zu akzeptieren: Betrachtete er seine Tat aus der Perspektive der anderen Gesellschaftsmitglieder, müsste er von sich selbst enttäuscht sein und die Strafe als Vergeltung anerkennen410. Für die Lehre

404

MüKo/StGB-Radtke, Vor §§ 38 ff. Rn. 34. Kindhäuser, AT, § 2 Rn. 14. 406 Daher wird die positive Generalprävention auch als „Integrationsprävention“ verstanden, vgl. MüKo/StGB-Radtke, Vor §§ 38 ff. Rn. 34; Müller-Tuckfeld, S. 19 ff.; Müller-Dietz, FS Jescheck, 2. Hb., 1985, S. 813; Dölling, ZStW 102 (1990), 1 (14). 407 NK-Hassemer/Neumann, Vor § 1 Rn. 290. 408 Kindhäuser, AT, § 2 Rn. 14; vgl. Baumann/Weber/Mitsch, § 3 Rn. 32; LK-Weigend, Einl. Rn. 58. 409 Vgl. Roxin, AT I, § 3 Rn. 26; Kindhäuser, Gefährdung als Straftat, S. 343. 410 Kindhäuser, AT, § 2 Rn. 15. 405

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2. Teil: Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

der positiven Generalprävention gewinnt insofern der Aspekt der „verdienten“ Strafe eine zentrale Bedeutung411. b) Anlass für verfassungsrechtliche Bedenken? Der Ansatz, auf der einen Seite den Einzelnen durch nachdrückliche Bestrafung von der Begehung weiterer Straftaten abzuschrecken, um dadurch auf der anderen Seite das Vertrauen der Allgemeinheit in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung zu erhärten, korrespondiert mit der Gefahr, den Täter als Mittel zur Abschreckung der Allgemeinheit zu missbrauchen und an ihm ein Exempel zu statuieren412. Während die spezialpräventive Resozialisierung (wenigstens auch) dem Verurteilten helfen soll413, belastet die Bestrafung aus generalpräventiven Gründen den Täter allein um der Allgemeinheit willen. Das gilt in erster Linie für die positive Erscheinungsform der Generalprävention, weil sich diese immer an die Allgemeinheit und nicht an den Täter wendet und deshalb dem Strafvollzug – ähnlich wie Vergeltungsmaßnahmen – keine Impulse geben kann414. Teilweise wird vertreten, der Täter würde dadurch entgegen Art. 1 Abs. 1 GG zum bloßen Objekt für die Zwecke anderer gemacht415. Eine derartige Argumentation überzeugt indessen nicht, weil es bei der Generalprävention nicht allein darum geht, dem Täter im Interesse kriminalpolitischer Bedürfnisse ein persönliches Opfer aufzubürden. Seine Sonderbehandlung folgt vielmehr daraus, dass er selbst durch seine Tat dazu beigetragen hat, dass das Bedürfnis nach Generalprävention entstanden ist. Sein eigenes unrechtes Exempel gegenüber der Allgemeinheit und die damit einhergehende Enttäuschung der Gesellschaftserwartung sind mithin Anlass dafür, dass die Allgemeinheit an ihm 411

NK-Hassemer/Neumann, Vor § 1 Rn. 296. Vgl. Maurach/Zipf, AT I, § 7 Rn. 8. 413 Adressat der Spezialprävention ist auch der konkrete Täter, der durch die Bestrafung von der Begehung künftiger Taten abgehalten und durch die Resozialisierung vor der Rückfälligkeit bewahrt werden soll; vgl. Roxin, AT I, § 3 Rn. 11 ff.; Kindhäuser, AT, § 2 Rn. 12; Wessels/Beulke, Rn. 12a; von Liszt, ZStW 3 (1883), 1 (1 ff.). 414 Vgl. Roxin, AT I, § 3 Rn. 32; Roxin, JuS 1966, 377 (383); a. A. Maurach/Zipf, AT I, § 7 Rn. 8, wonach diese Gefahr mit dem positiven Aspekt der Generalprävention gerade nicht verbunden sei, weil hier nur darauf abgestellt werde, die Rechtstreue und das Rechtsbewusstsein der Allgemeinheit zu bestärken und die „Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung zu bestätigen“. Dieser isolierenden Betrachtung ist jedoch zu entgegnen, dass auch der Versuch, an die Rechtstreue der Bürger zu appellieren und das allgemeine Vertrauen in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung zu bestätigen, an die Bestrafung eines konkreten Täters anknüpft und auf diese Weise eine abschreckende Wirkung für die Allgemeinheit entfaltet. 415 Vgl. Badura, JZ 1964, 337 (337), wonach die Generalprävention wegen Verstoßes gegen Art. 1 Abs. 1 GG ein von der Verfassung nicht zu billigender Strafzumessungsgrund sei. 412

D. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Spannungsfeld der Teilnahmedogmatik

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ein Exempel statuiert416. Verfassungsrechtliche Bedenken aus Art. 1 Abs. 1 GG greifen somit gegenüber generalpräventiven Erwägungen nicht durch417. c) Gefahr durch Vertrauensverlust Die Erforderlichkeit des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB wird im Zusammenhang mit generalpräventiven Überlegungen teilweise damit begründet, dass durch jede Inlandstat mit Auslandserfolg der Glaube der rechtstreuen Bevölkerung an die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert und deswegen in gleichem Maße die Rechtstreue abnehmen würde418. Zum Erhalt und zur Stabilisierung des Wertebewusstseins der Bevölkerung sei es demnach unabdingbar, auch solche Handlungen zu bestrafen, die einen (nicht tatbestandlichen) Erfolg im Ausland herbeiführen. Das allgemeine Vertrauen in den Bestand der Rechtsordnung nehme auch dann Schaden, wenn von deutschem Territorium aus sanktionslos alle möglichen Rechtsgutsverletzungen im Ausland herbeigeführt werden könnten419. Daraus wird geschlossen, dass sich der Gesetzgeber von der materiell-rechtlichen Sanktionierung des am weitesten gehenden Tatortbegriffs offenbar primär eine Steigerung des Wertebewusstseins der Bürger versprochen habe420. Aus prozessualer Sicht wird in der Vorschrift des § 153c Abs. 1 Nr. 1 StPO eine Bestätigung des Ansatzes gesehen, den Regelungscharakter des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB in den Kontext general-präventiver Gesichtspunkte einzuordnen. Nach dieser Ermessensvorschrift der StPO kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung von Straftaten absehen, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangen sind oder die ein Teilnehmer an einer außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangenen Handlung in diesem Bereich begangen hat. Auf diese Weise, so wird argumentiert, werde der Versuch unternommen, die Härten der aus generalpräventiven Gründen für unverzichtbar gehaltenen Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB durch das prozessuale Vehikel der Einstellung abzumildern421. Unterstützung erhält diese Argumentation zudem durch die Stellungnahme von Jescheck im Rahmen der Beratungen der Großen Strafrechtskommission, wonach der „prozessuale Ausweg über das Opportunitätsprinzip“ bleibe, sofern die Haupttat ausnahmsweise wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort materiell kein Unrecht darstelle422.

416

Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, Vorbem. §§ 38 ff. Rn. 5. Im Ergebnis so auch Stree, S. 45; vgl. Roxin, JuS 1966, 377 (383 ff.); Ostendorf, ZRP 1976, 281 (281 ff.). 418 NK-Böse, § 9 Rn. 21; Obermüller, S. 160; Scholten, NStZ 1994, 266 (268). 419 SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 5; Jung, JZ 1979, 325 (329); Obermüller, S. 160. 420 Jung, JZ 1979, 325 (329). 421 Jung, JZ 1979, 325 (330). 422 Jescheck, Sitzungsniederschriften, S. 28; Jescheck, Strafrechtsreform, S. 543. 417

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2. Teil: Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

d) Stellungnahme Die für das Strafrecht grundlegende Fragestellung, woher der Staat das Recht nimmt, seine Bürger zu sanktionieren, wird seit Jahrhunderten im Grundsatz wie im Detail kontrovers diskutiert423. Es ist heute aber überwiegend anerkannt, dass der Staat berechtigt sein muss, besonders sozialschädliche Verhaltensweisen mit Strafe zu bedrohen, um eine friedliche Koexistenz seiner Bürger zu gewährleisten424. Zu beachten ist jedoch, dass das Strafrecht im Rahmen dieses Auftrags das schärfste Mittel darstellt, das dem Staat zur Durchsetzung seiner Ge- und Verbote zur Verfügung steht. Es sollte als ultima ratio deshalb nur dort Anwendung finden, wo ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich sowie für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich und seine Verhinderung daher besonders dringlich ist425. Dementsprechend ist es geboten, den Versuch, die Ausweitung der deutschen Strafgewalt durch einen pauschalen Verweis auf generalpräventive Gesichtspunkte zu legitimieren, besonders kritisch zu hinterfragen und auf seine tatsächliche verhaltenslenkende Wirkung zu prüfen. Rechtsgüterschutz durch Strafrecht basiert aus generalpräventiver Sicht auf der Annahme, durch die Normierung von Strafvorschriften eine Verhaltenssteuerung gerichtet auf die Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen bewirken zu können. Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass sich diese sozialpsychologischen Mechanismen realisieren lassen, weil die Androhung und Verhängung von Strafen prinzipiell verhaltensbeeinflussend und -regulierend wirken. Trotzdem leidet die Generalprävention als Theorie über die Wirkung von Strafdrohungen und Verhängung von Strafen an einer (bisher) unzureichenden empirischen Grundlage426. Die Ursache ist darin zu sehen, dass die empirische Aufklärung und Nachvollziehbarkeit generalpräventiver Wirkungsweisen von Strafrecht und Strafe in Anbetracht der Vielschichtigkeit der theoretisch behaupteten Auswirkungen und der Komplexität der Wirkungszusammenhänge mit erheblichen methodischen Schwierigkeiten verbunden ist427. Die forschungstechnischen Probleme bestehen hauptsächlich in der Operationalisierung der zu untersuchenden Variablen und in der Kontrolle der vielfältigen außerstrafrechtlichen Einflüsse, die für das rechtlich relevante Verhalten der Bürger nicht weniger bedeutsam sind428. Von diesen

423 Vgl. NK-Hassemer/Neumann, Vor § 1 Rn. 263 ff.; Lesch, JA 1994, 510 ff., 590 ff.; Neumann/Schroth, S. 3 ff.; Kindhäuser, ZStW 107 (1995), 701 (701 ff.); Jakobs, ZStW 107 (1995), 843 (843 ff.). 424 Kindhäuser, AT, § 2 Rn. 8. 425 Taupitz, JZ 2007, 113 (120); Lagodny, S. 431 ff. 426 MüKo/StGB-Radtke, Vor §§ 38 ff. Rn. 36; NK-Villmow, Vor §§ 38 ff. Rn. 76. 427 Dölling, ZStW 102 (1990), 1 (2 f.); NK-Villmow, Vor §§ 38 ff. Rn. 77. 428 NK-Villmow, Vor §§ 38 ff. Rn. 77; vgl. auch Albrecht, Kriminologisches Wörterbuch, 1993, S. 162; Bock, ZStW 103 (1991), 636 (654).

D. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Spannungsfeld der Teilnahmedogmatik

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methodischen Problemen sind die Untersuchungen zur positiv generalpräventiven Wirkungen von Strafe weitaus stärker betroffen als empirische Forschungen zur negativen Generalprävention429. Diese Situation dürfte mit der Erkenntnis zu erklären sein, dass es bei positiver Generalprävention nicht nur um sozialpsychologisch sehr komplexe, sondern auch um vergleichsweise langfristige Entwicklungen im Hinblick auf das Bewusstsein der Bevölkerung geht430. Obwohl sich die Rolle der Generalprävention in tatsächlicher Hinsicht nicht auf gesicherte empirische Erkenntnisse stützen lässt, ihre hypothetische Wirksamkeit jedoch andererseits auch kaum falsifiziert werden kann431, verleitet immerhin eine gewisse Vermutung zu der Annahme, dass der Einsatz strafrechtlicher Maßnahmen als Mittel der Verhaltenslenkung nur dann sachgerecht ist, wenn eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten ist432. Nur wenn sich innerhalb der Bevölkerung ein allgemeiner Konsens dahingehend bildet, dass ein bestimmtes Verhalten die Grenze der Sanktionswürdigkeit überschritten hat, kann dieses Verständnis Einfluss auf die Werteordnung ausüben. Erst wenn ein überwiegender Teil der Gesellschaft für sich erkennt, darauf vertrauen zu wollen, dass andere Bürger eine bestimmte kriminelle Handlung von gewisser Intensität nicht vornehmen werden, entwickelt sich die aus generalpräventiver Perspektive maßgebliche wechselseitige Erwartungshaltung, die sich schließlich in der Rechtstreue und dem Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung manifestiert. Dementsprechend limitiert sind die verbrechenshemmenden Impulse sowie die verhaltenssteuernde Wirkung eines exzessiven Strafsystems, da ihm die Akzeptanz und in erster Linie das essentielle Vertrauen seitens der Bürger fehlt. Ebenso dürften die Wahrscheinlichkeit, Gewissheit und Gleichmäßigkeit der Bestrafung für den positiven Aspekt der Generalprävention von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein433. Empirische Untersuchungen belegen immerhin, dass die Bereitschaft zur Verbrechensbegehung vor allem durch die persönliche Wertorientierung und die subjektive Einschätzung des Entdeckungs- und Strafrisikos geprägt ist434. Sozialpolitisch ist daraus die Konsequenz zu ziehen, dass nicht eine Ausweitung oder Verschärfung der Strafandrohungen, wie sie in der öffentlichen Meinungsbildung immer wieder gefordert wird, sondern eher eine Intensivierung der Strafverfolgung – etwa durch personelle Verstärkung und intensivierte sowie

429

MüKo/StGB-Radtke, Vor §§ 38 ff. Rn. 36; Bock, ZStW 103 (1991), 636 (654). NK-Villmow, Vor §§ 38 ff. Rn. 77; Dölling, ZStW 102 (1990), 1 (18); Hart-Hönig, S. 101. 431 Roxin, AT I, § 3 Rn. 30. 432 Jung, JZ 1979, 325 (330). 433 Jung, JZ 1979, 325 (330). 434 Dölling, ZStW 102 (1990), 1 (3 f.). 430

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2. Teil: Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

spezialisierte Schulung der Verfolgungsbehörden – generalpräventive Erfolge verspricht435. Unabhängig von der Frage, ob die inländische Teilnahme an einer im Ausland begangenen und dort nicht mit Strafe bedrohten Haupttat einen Erheblichkeitsgrad erreicht, der eine Sanktionierung aus generalpräventiven Gründen zwingend gebietet, bekundet Jung zu Recht Skepsis, ob nicht ein überzogener generalpräventiver Rundschlag sogar zu einer Einbuße an Wirkkraft dieses Mechanismus führen könne436. Durch die Ausweichmöglichkeit des Teilnehmers in das (sanktionslose) Ausland hat es der aufmerksame Teilnehmer nämlich selbst in der Hand, einer Bestrafung durch die deutsche Strafgewalt zu entgehen437. In diesen Fällen dürfte sich die Norm ihrer bezweckten generalpräventiven Zielsetzung selbst entheben, weil sie es gerade nicht vermag, in einer Weise verhaltenslenkend zu wirken, die geeignet ist, die Rechtstreue und das Vertrauen der übrigen Bevölkerung in die Bestands- und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung zu bekräftigen. Ganz im Gegenteil müsste das Wertebewusstsein der Bürger massiv erschüttert werden, wenn sie registrieren, dass nicht der gesetzestreue, sondern vielmehr der clevere und flexible Normanwender begünstigt wird. So plausibel generalpräventive Erwägungen im Ausgangspunkt auch sein mögen, so problematisch gestaltet sich jedoch in Zusammenhang mit § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ihre Ausgestaltung im Einzelfall438. Obwohl die Aspekte positiver Generalprävention einen gewissen legitimierenden Charme ausstrahlen, können sie im Ergebnis weder die Stellung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Rahmen der Teilnahmedogmatik erklären noch den expansiven Geltungsanspruch der Regelung rechtfertigen. 6. Solidarität der Staaten Letztlich könnte die Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf die Solidarität der Staaten bei der Bekämpfung internationaler Kriminalität gestützt werden. Auf diese Solidarität und den Selbstschutz des einzelnen souveränen Staates lassen sich nach heutigem Verständnis die Normen des Internationalen Strafrechts zurückführen439. 435 Roxin, AT I, § 3 Rn. 25, der auf die Untersuchungen von Curti, S. 1 ff. sowie Curti, ZRP 1999, 234 (234 ff.) verweist, wonach die Höhe der Strafe nicht ganz ohne Abschreckungswirkung sei, aber eine Erhöhung der Verurteilungswahrscheinlichkeit eine fast viermal so starke Wirkung wie eine gleich hohe prozentuale Steigerung der verhängten Strafe habe. Curti leite daraus jedoch wiederum nicht die Forderung nach strengeren Strafrahmen, sondern nach strengerer Bestrafung auf der Grundlage der gegebenen Strafrahmen und „vor allem“ nach einer Erhöhung der Aufklärungsquote ab. 436 Jung, JZ 1979, 325 (330). 437 Obermüller, S. 161; Jung, JZ 1979, 325 (331). 438 SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 5. 439 Siehe oben 1. Teil, D.

D. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Spannungsfeld der Teilnahmedogmatik

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Soweit es um die Verfolgung und Sanktionierung von Distanztaten geht, die entweder nach dem Weltrechtsprinzip (§ 6 StGB) oder zumindest in beiden betroffenen Staaten strafbar sind, besteht ein Bedürfnis nach einer derartigen internationalen Solidarität440. In diesen Fällen sind die Strafverfolgungsinteressen der betroffenen Staaten identisch. Um eine Besonderheit handelt es sich allerdings in den Problemfällen im Zusammenhang mit der Sonderregelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB. Hier ist der Erfolg der Distanzteilnahme nicht in beiden Staaten unter Strafe gestellt. Gerade derjenige Staat, in dem der Erfolg der Distanzteilnahme – nach deutschem Verständnis der Erfolg der Haupttat – eintritt, sieht sich in seinem Auftrag zum Rechtsgüterschutz nicht betroffen und hat daher auch kein Interesse an einer Strafverfolgung. Die Strafverfolgungsinteressen sind deshalb in diesem Fall nicht kongruent441. Es mag eingewandt werden, dass es im strengen Sinne kein Souveränitätsproblem darstelle, wenn jemand an die Gesetze zweier Staaten gebunden wird442, doch in letzter Instanz wird durch die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB von deutscher Seite „eine Solidarität angeboten, die auf der anderen Seite weder erwartet noch gewünscht oder angenommen wird“ 443. Ein eindeutiges Bedürfnis nach internationaler Solidarität ist in diesem Fall also nicht zu erkennen. Folgerichtig mehren sich Stimmen, denen zufolge eine konsequente Orientierung am Gedanken der internationalen Solidarität umgekehrt dazu veranlassen sollte, in Fällen der Distanzteilnahme das ausländische Recht zur Grundlage der Entscheidung über die Strafwürdigkeit des inländischen Teilnehmers zu machen444. 7. Zwischenergebnis Die Frage nach der Strafwürdigkeit des inländischen Teilnehmers an einer straflosen Auslandstat wird im Ergebnis durch keinen der untersuchten Legitimationsansätze überzeugend beantwortet. Zwar deutet sich an, dass das Strafinteresse des deutschen Staates in Bezug auf die Regelung in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB primär darauf abzielt, durch eine ausgedehnte Reichweite der deutschen Strafgewalt möglichen Strafbarkeitslücken vorzubeugen. Mit Blick auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechts erscheinen derartige Erwägungen allein jedoch nur in beschränktem Umfang geeignet, eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts über § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zu rechtfertigen445. 440 441 442 443 444 445

Krapp, S. 131; Jung, JZ 1979, 325 (328). Krapp, S. 131. Vgl. Jung, JZ 1979, 325 (328). Krapp, S. 131. Vgl. Jung, JZ 1979, 325 (328); Krapp, S. 131. Vgl. zur fragmentarischen Natur des Strafrechts Roxin, AT I, § 2 Rn. 97 ff.

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2. Teil: Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

Gerade in Fällen mit Auslandsberührung ist bei der Anwendung der eigenen Strafrechtsordnung aus Respekt gegenüber dem anderen souveränen Staat Zurückhaltung geboten. In § 9 Abs. 2 S. 2 StGB kommt jedoch eine „Übergewichtung der nationalen Wertvorstellungen gegenüber fremden kulturellen Anschauungen“ 446 zum Ausdruck, die eigentlich für das aktive Personalitätsprinzip charakteristisch ist.

446

Valerius, NStZ 2008, 121 (125).

Dritter Teil

Einfluss des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf die Praxis globaler Unternehmensleitung In der Literatur stößt man immer wieder auf Stimmen, die die Frage der Strafbarkeit einer Inlandsteilnahme an einer ausländischen (straflosen) Haupttat belächeln und dieses Szenario als typisches Kommentarproblem deklarieren447. Im Zuge der Internationalisierung des Wirtschaftsverkehrs448 und der zunehmenden Transparenz der Arbeits- und Wirtschaftsmärkte zeigt sich allerdings deutlich, dass die Anwendungsfälle des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht nur theoretischen Überlegungen entspringen, sondern durchaus auch praktische Relevanz haben449. Zwar werden von der Regelung ausschließlich Fälle erfasst, bei deren Beurteilung die Werturteile des deutschen und des ausländischen Rechts voneinander abweichen, doch trifft dies heute bei weitem nicht nur noch für die Tatbestände von Sittlichkeitsdelikten zu450. Die Tragweite der Bestimmung offenbart sich besonders dann in aller Deutlichkeit, wenn der weite Bereich des Vermögens- und Wirtschaftsstrafrechts auf Anwendungsfälle untersucht wird451. Über die Tatbestände aus diesem Bereich nimmt § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zugleich einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Praxis der globalen Unternehmensleitung.

A. Rechtliche Perspektive In rechtlicher Hinsicht resultieren aus § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Rahmen des internationalen Wirtschaftsverkehrs erhebliche Strafbarkeitsrisiken, die sich zwar vielfach nicht auf den ersten Blick offenbaren, jedoch in ihren Konsequenzen umso bemerkenswerter in Erscheinung treten. Dabei sind diverse Fallgruppen zu unterscheiden.

447

Vgl. Baumann/Weber/Mitsch, § 7 Rn. 47. Vgl. zum Beispiel der Internationalisierung des Kapitalmarktrechts Schneider, AG 2001, 269 ff. 449 Vgl. Obermüller, S. 153. 450 So im Jahr 1977 noch Krapp, S. 159. 451 Jung, JZ 1979, 325 (327). 448

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3. Teil: Einfluss auf die Praxis globaler Unternehmensleitung

I. Fälle, in denen im Ausland keine Vorschriften nach deutschem Vorbild existieren Zunächst soll auf Konstellationen eingegangen werden, in denen im Ausland in bestimmten Bereichen keine Strafvorschriften nach deutschem Vorbild existieren. Diese Fälle erweisen sich häufig als brisant, weil es im Rahmen grenzüberschreitender Wirtschaftsbeziehungen nicht ausreicht, sich einseitig davon zu überzeugen, dass ein bestimmtes Verhalten nicht unter Strafe gestellt ist. Es reicht also weder aus, die Ermittlung etwaiger Strafbarkeitsrisiken ausschließlich anhand der deutschen Rechtsordnung durchzuführen, noch genügt es, den Fokus allein auf die betroffene ausländische Rechtsordnung zu lenken. Vielmehr ist das Geschehen als Ganzes im Blick zu behalten und auf Strafbarkeitsrisiken zu untersuchen, die aus sämtlichen potentiellen Anknüpfungspunkten erwachsen. 1. Konzerninterne Weisungen Für global operierende Wirtschaftskonzerne birgt vor dem Hintergrund des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB bereits die konzerninterne Kommunikation erhebliche strafrechtliche Risiken. Diese Risiken werden deutlich, wenn man sich die in der Einleitung dargestellte Konstellation in Erinnerung ruft: Erteilt die in Deutschland ansässige Konzernspitze einem ausländischen Tochterunternehmen die Weisung zu einer wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit, die zwar am Standort des Tochterunternehmens rechtlich gestattet ist, im Inland jedoch unter Strafe steht, setzen sich die Funktionäre der Gefahr aus, als Teilnehmer (Anstifter) bestraft zu werden452. Obwohl etwa die Zahlung von Bestechungsgeldern unter Umständen den ausländischen Gepflogenheiten entspricht, konsequenterweise am Ort der Zahlungshandlung straflos ist und deshalb grundsätzlich nicht als anknüpfungsfähige Haupttat in Betracht kommt, unterwirft § 9 Abs. 2 S. 2 StGB die Verantwortungsträger der Konzernspitze trotzdem dem deutschen Recht und bestraft sie als Teilnehmer allein unter der Voraussetzung, dass die Haupttat nach Maßgabe deutschen Strafrechts strafbar wäre. Die ausführenden Organe des ausländischen Tochterunternehmens vor Ort sind dagegen ihrerseits nicht strafbar, denn an ihrem Aufenthaltsort ist ihnen kein strafbares Fehlverhalten anzulasten und auch § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ändert nichts an der Tatsache, dass auf den Haupttäter selbst kein deutsches Strafrecht angewendet werden kann. Die Regelung wirkt sich – wie bereits ausgeführt – ausschließlich auf die Betrachtung des Teilnehmers aus453. Besondere Brisanz erhält diese Konstellation für den Fall, dass beispielsweise ein saudi-arabischer Geschäftsmann, der sich auf der Durchreise befindet, wäh452 453

Siehe oben Einleitung, A. Siehe oben 2. Teil, C. II.

A. Rechtliche Perspektive

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rend eines kurzen Aufenthalts auf einem deutschen Flughafen telefonisch bei seinem Unternehmen bestimmte Geschäftsmaßnahmen veranlasst, welche in SaudiArabien im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland straflos sind, und anschließend nach Saudi-Arabien weiterfliegt454. Auch dann schnappt die „Falle“ des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zu. Die Norm gilt ebenfalls, wenn der Geschäftsmann Ausländer ist und er sich im Inland seinem Heimatrecht gemäß verhalten hat, während der ausländische Haupttäter, der der Anordnung Folge leistet, selbst bei einer Einreise ins Inland grundsätzlich nicht bestraft werden kann455. Die Umstände, aufgrund derer sich der Teilnehmer auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik aufhält, sind insofern unerheblich, da bereits der geringste territoriale Anknüpfungsaspekt für die Begründung eines Begehungsortes im Inland genügt. Für die Organe eines global operierenden Konzerns mit Hauptsitz in Deutschland bedeutet das, dass alle unternehmenslenkenden Entscheidungen mit Bezug zu ausländischen Tochtergesellschaften nicht nur am Maßstab des dortigen Rechts zu messen sind, sondern sie stets auch das deutsche Strafrecht zu berücksichtigen haben. Selbst wenn dem im Fokus stehenden Unternehmensinteresse in erster Linie mit Maßnahmen gedient wäre, die sich am Maßstab des Rechts des ausländischen Staates orientieren, ist das deutsche Strafrecht nicht aus dem Blick zu verlieren, um Strafbarkeitsrisiken zu minimieren. Konkret bedeutet das auch, dass mit der Anweisung an ein ausländisches Tochterunternehmen zur Zahlung von „Schmiergeldern“, die vor Ort nicht unter Strafe stehen und ohne die eine gewinnorientierte Geschäftstätigkeit im entsprechenden Ausland überhaupt nicht möglich ist, weil sie dem üblichen Geschäftsgebaren entsprechen, stets ein nicht zu unterschätzendes Strafbarkeitsrisiko im Inland einhergeht. Auf der einen Seite sollte das dargestellte Risiko zwar nicht überbewertet und mit einer Argumentation für eine generelle Zulässigkeit von Schmiergeldern verwechselt werden. Auf der anderen Seite sollte es allerdings auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland sowie die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auf dem internationalen Markt in vielen Bereichen davon nicht unberührt bleiben456. 2. Export von Wirtschaftsgütern Ungeahnte Strafbarkeitsrisiken schlummern außerdem in grenzüberschreitenden Wirtschaftstransfers. Der Transfer von Wirtschaftsgütern, deren Verwendung in Deutschland als strafwürdig eingestuft wird, kann – ohne dass das betreffende Produkt im Inland seiner strafbewehrten Verwendung zugeführt wird – über die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zu einer Teilnahmestrafbarkeit des Expor454 455 456

Das Beispiel ist angelehnt an Krapp, S. 8; Obermüller, S. 153. LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 51; Oehler, IStrR, Rn. 360. Vgl. Rönnau, JZ 2007, 1084 (1086).

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3. Teil: Einfluss auf die Praxis globaler Unternehmensleitung

teurs führen. Das trügerische Element derartiger Konstellationen liegt wiederum darin, dass über § 9 Abs. 2 S. 2 StGB gerade die Fälle erfasst werden, in denen im Ausland kein dem deutschen Straftatbestand entsprechendes Pendant existiert. So wäre der Export von Abhörgeräten ins Ausland gemäß der §§ 3, 9 Abs. 2 S. 2, 27, in Verbindung mit § 201 StGB als Beihilfe zur Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes zu werten, auch wenn die Verwendung der Geräte im Abnehmerland überhaupt nicht unter Strafe steht457. Ebenso kann der bloße Export von Arznei- und Lebensmitteln risikobehaftet sein, sofern die strafrechtlichen Rahmenbedingungen im Verhältnis zwischen Deutschland und dem Zielstaat divergieren. Der Exporteur kann sich also erneut nicht darauf verlassen, Strafbarkeitsrisiken zu vermeiden, indem er sich in Übereinstimmung mit den Maßstäben der ausländischen Rechtsordnung verhält, sondern er hat bei der Planung und Durchführung internationaler Wirtschaftstransfers stets auch der deutschen Gesetzeslage Rechnung zu tragen. 3. Beteiligung an internationaler Stammzellforschung Im Jahre 1998 ist es weltweit erstmals gelungen, menschliche embryonale Stammzellen herzustellen und in Zellkultur zu erhalten. Seitdem ist die Stammzellforschung zunehmend Gegenstand einer globalen Debatte in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Mit der Stammzellforschung eröffnen sich der Medizin neue Perspektiven für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn sowie für die Diagnose und Behandlung von derzeit noch unheilbaren Krankheiten458. Infolge dieses rasanten wissenschaftlichen Fortschritts zählen Spezialdisziplinen wie Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie heute auch aus wirtschaftlicher Sicht zu beachtlichen Themenbereichen, da sie neue, ungeahnte Märkte eröffnen. Im Rahmen derartiger Forschungen unterliegen jedoch deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gravierenden Strafbarkeitsrisiken, weil in Deutschland das Embryonenschutzgesetz und das Stammzellgesetz äußerst restriktive Regelungen für die biotechnische Forschung normieren459. Während für die Öffentlichkeit die möglichen Erkenntnisse sowie die ethischen Bedenken gegenüber der embryonalen Stammzellforschung im Vordergrund stehen, gewinnt aus strafrechtlicher Sicht die Frage an Gewicht, wie weit der Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts reicht460. Besonders brisant gestaltet sich die Erörterung 457 Vgl. Beispiel bei SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 15; Obermüller, S. 152; Liebelt, S. 250; Jung, JZ 1979, 325 (327). 458 Begründung des Gesetzesentwurfes zum Stammzellgesetz vom 27. Februar 2002, BT-Drucks. 14/8394, S. 7. 459 Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (22). 460 Valerius, NStZ 2008, 121 (121).

A. Rechtliche Perspektive

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dieser Frage dann, wenn die nationalen Rechtsordnungen der involvierten Staaten die Sanktionswürdigkeit des betreffenden Verhaltens unterschiedlich beurteilen. Im Zusammenhang mit internationalen Forschungsprojekten gerät dementsprechend auch die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB vermehrt in den Fokus, weil sie gerade in grenzüberschreitenden Konstellationen wie der Beteiligung an internationalen Forschungskooperationen Bedeutung erlangt461. a) Rechtliche Grundlagen Um das tatsächliche Ausmaß existierender Strafbarkeitsrisiken im Rahmen internationaler Kooperationen im Bereich der Stammzellforschung richtig einschätzen zu können, sollen zunächst die rechtlichen Grundlagen beleuchtet werden, an denen sich solche Projekte orientieren müssen. aa) Embryonenschutzgesetz Bereits durch das Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – ESchG) vom 13. Dezember 1990 war die Forschung mit und an menschlichen Embryonen vom deutschen Gesetzgeber vergleichsweise weitgehend für strafbar erklärt worden. Das ESchG hat die Aufgabe, zu konkretisieren, innerhalb welcher Grenzen der Embryo unter staatlichem Schutz steht462. Nach dem ESchG ist die künstliche Befruchtung einer Eizelle und damit die Erzeugung eines Embryos in vitro nur zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft erlaubt463. Ohne die Embryonenforschung ausdrücklich zu erwähnen, ist durch das Verbot der Herstellung oder Verwendung der Embryonen zu einem anderen als seiner Erhaltung und Austragung dienenden Zweck (§ 1 Abs. 1, 2, § 2 ESchG) praktisch jegliche Art von Embryonenforschung ausgeschlossen464. Daher ist auch die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus Embryonen verboten, weil sie die Vernichtung des Embryos zur Konsequenz hat. Das Verbot erstreckt sich auch auf die Verwendung sogenannter „überzähliger“ Embryonen, also auf solche Embryonen, die zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt wurden, dafür aber nicht mehr verwendet werden können. Mit diesen Verboten will der Gesetzgeber der Wertentscheidung der Verfassung zugunsten der Menschenwürde und des Lebens Rechnung tragen465. Gleichzeitig stehen sie, soweit es um 461

Valerius, NStZ 2008, 121 (125). Schroth, JZ 2002, 170 (171). 463 Begründung des Gesetzesentwurfes zum Stammzellgesetz vom 27. Februar 2002, BT-Drucks. 14/8394, S. 7. 464 Eser/Koch, S. 40. 465 Begründung des Gesetzesentwurfes zum Embryonenschutzgesetz vom 25. Oktober 1989, BT-Drucks. 11/5460, S. 6. 462

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3. Teil: Einfluss auf die Praxis globaler Unternehmensleitung

die Forschung mit Embryonen und embryonalen Stammzellen geht, in Konflikt mit der Freiheit von Wissenschaft und Forschung, die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützt ist466. Nicht – oder jedenfalls nicht in aller Deutlichkeit – ausgeschlossen war hingegen die zum damaligen Zeitpunkt aufkommende Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen, soweit diese außerhalb des deutschen Geltungsbereichs des ESchG gewonnen worden waren und nach dem Import im Inland verwendet wurden. Im Rahmen der Diskussion wurde diese Lücke je nach grundsätzlicher Einstellung als Argument zugunsten eines umfassenden Embryonenschutzes einerseits oder zugunsten der Forschungsfreiheit zur Gewinnung neuer medizinischer Erkenntnisse andererseits fruchtbar gemacht467. Entweder wurde darin ein zu beseitigendes Schutzdefizit oder ein zu bewahrender Forschungsfreiraum gesehen und dementsprechend ein Tätigwerden des Gesetzgebers im Sinne von Lückenschließung oder umgekehrt zur klarstellenden Absicherung des gewünschten straffreien Raums gefordert468. bb) Stammzellgesetz Nach einer heftig geführten öffentlichen Debatte ist das Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit der Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (Stammzellgesetz – StZG) am 1. Juli 2002 in Kraft getreten469. Mit dem StZG sollte eine gesetzliche Regelung für die Einfuhr und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen geschaffen werden, die weder in rechtlichem noch in ethischem Wertungswiderspruch zum hohen Schutzniveau des ESchG steht. Zugleich sollte der Forschungsfreiheit und den Interessen kranker Menschen an der Entwicklung neuer Therapien angemessen Rechnung getragen werden470. Schließlich werden an die Stammzelltechnologie große Hoffnungen geknüpft. Der Zweck des StZG besteht entsprechend der ausdrücklichen Regelung in § 1 StZG darin, • die Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen grundsätzlich zu verbieten (§ 1 Nr. 1 StZG), • zu vermeiden, dass von Deutschland aus eine Gewinnung embryonaler Stammzellen oder eine Erzeugung von Embryonen zur Gewinnung embryonaler Stammzellen veranlasst wird (§ 1 Nr. 2 StZG), und

466

Schroth, JZ 2002, 170 (171). Eser/Koch, S. 40. 468 Eser/Koch, S. 40. 469 BGBl. I, S. 2764. 470 Begründung des Gesetzesentwurfes zum Stammzellgesetz vom 27. Februar 2002, BT-Drucks. 14/8394, S. 8; vgl. auch Taupitz, JZ 2007, 113 (113); Brewe, S. 48. 467

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• die Voraussetzungen zu bestimmen, unter denen die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen ausnahmsweise zu Forschungszwecken zugelassen sind (§ 1 Nr. 3 StZG). Im Mittelpunkt des Regelungskanons steht also der Grundsatz, dass die Einfuhr und die Verwendung humaner embryonaler Stammzellen prinzipiell verboten sind und nur ausnahmsweise mit Genehmigung der zuständigen Behörde erlaubt werden können (§§ 4, 6 StZG)471. Der Gesetzgeber verbietet demnach generell die Einfuhr und die Verwendung als sozial schädlich oder sozial unerwünscht (§ 1 Nr. 1 StZG), gestattet aber, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen zugunsten der Forschung eine Befreiung von diesem Verbot erteilt wird (§ 1 Nr. 3 StZG)472. Das Verbot dient der Ergänzung des ESchG und dementsprechend dem Schutz von Embryonen, die bei erhöhter Nachfrage nach embryonalen Stammzellen der Gefahr ausgesetzt sind, zur Gewinnung neuer Stammzelllinien vernichtet zu werden473. Um die genannten Zwecke des StZG zu realisieren, ist die Erteilung einer Genehmigung zum Import und zur Verwendung von Stammzellen nach § 6 StZG an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die wiederum aus § 4 Abs. 2 StZG folgen: Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) StZG dürfen embryonale Stammzellen nur dann importiert und verwendet werden, wenn „zur Überzeugung der Genehmigungsbehörde feststeht, dass die embryonalen Stammzellen in Übereinstimmung mit der Rechtslage im Herkunftsland dort vor dem 1. Mai 2007 gewonnen wurden und in Kultur gehalten werden oder im Anschluss daran kryokonserviert gelagert werden (embryonale Stammzell-Linie)“. Mit dieser Stichtagsregelung will das Gesetz zwar die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen nicht völlig unterbinden, jedoch sicherstellen, dass nach Deutschland nur solche embryonale Stammzellen eingeführt werden können, deren Gewinnung unter Verbrauch von menschlichen Embryonen von Deutschland nicht veranlasst wurde und auch in Zukunft nicht veranlasst werden kann474. Gleichzeitig soll verhindert werden, dass im Ausland vorhandene Embryonen eigens für Zwecke deutscher Forschung verbraucht werden. Auf diese Weise entfaltet das Gesetz seine Wirkung auch hinsichtlich der Gewinnung von embryonalen Stammzellen im Ausland475. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) StZG muss außerdem zur Überzeugung der Genehmigungsbehörde feststehen, dass die Embryonen, aus denen die Stammzellen gewonnen wurden, im Wege der medizinisch unterstützten extrakorporalen Befruchtung zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt worden

471 472 473 474 475

BT-Drucks. 14/8394, S. 2; Taupitz, JZ 2007, 113 (113). BT-Drucks. 14/8394, S. 2. Valerius, NStZ 2008, 121 (122). BT-Drucks. 14/8394, S. 9; Valerius, NStZ 2008, 121 (121). Taupitz, JZ 2007, 113 (113).

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3. Teil: Einfluss auf die Praxis globaler Unternehmensleitung

sind, sie endgültig nicht mehr für diesen Zweck verwendet wurden und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies aus Gründen erfolgte, die an den Embryonen selbst liegen. Diese Passage wirkt sich gleich in dreierlei Hinsicht einschränkend aus. Zunächst wird die Einfuhr und Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen ausgeschlossen, die aus Embryonen stammen, die im Wege des Zellkerntransfers, also des „therapeutischen Klonens“ nach der „Dolly-Methode“ 476 erzeugt worden sind, denn diese Methode besteht nicht in einer Befruchtung477. Außerdem dürfen nur Stammzellen aus sogenannten überzähligen Embryonen importiert und verwendet werden. Schließlich ist die Einfuhr und Verwendung von Stammzellen aus Embryonen ausgenommen, die infolge einer Präimplantationsdiagnostik (PID)478 verworfen wurden479. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) StZG darf letztlich für die Überlassung der Embryonen zur Stammzellgewinnung kein Entgelt oder sonstiger geldwerter Vorteil gewährt oder versprochen worden sein. Dadurch wird einerseits die Kommerzialisierung eingedämmt, andererseits aber auch gewährleistet, dass die Entscheidung der genetischen Eltern, den Embryo der Forschung zu überlassen, nicht aus einer finanziellen Notsituation heraus erfolgt480. b) Strafbarkeitsrisiken internationaler Forschungskooperationen Gerade in den Naturwissenschaften zeichnen sich Forschungsvorhaben heutzutage durch ein bislang nie da gewesenes Maß an internationaler Kooperation sowie einem grenzüberschreitenden Austausch von Forschungsmaterialien, Erfahrungsberichten und wissenschaftlichem Know-how aus481. Politische Staatsgrenzen verlieren insoweit in wissenschaftlicher Hinsicht nahezu vollständig an Bedeutung, besitzen aber nach wie vor Gültigkeit für die rechtliche Bewertung des jeweiligen Forschungsvorhabens in den Aufenthaltsstaaten der beteiligten Wissenschaftler482. Speziell bei gesellschaftlich und politisch kontrovers diskutierten Themen existieren aber, wie die Forschung an embryonalen Stammzellen belegt, unterschiedliche, teilweise auch strafbewehrte Zulässigkeitsvoraussetzun476 Der Zellkerntransfer, der aufgrund seiner Anwendung beim Klonschaf Dolly umgangssprachlich auch als „Dolly-Verfahren“ bezeichnet wird, ist ein Verfahren zur ungeschlechtlichen Vermehrung. Dabei wird der Zellkern einer Spenderzelle mit einer entkernten weiblichen Empfänger-Eizelle fusioniert. Der bei diesem Vorgang entstehende Embryo, dessen Erbmaterial identisch mit dem der Spenderzelle ist, wird dann in einer Leihmutter ausgetragen. Vgl. dazu Taupitz, NJW 2001, 3433 (3433 ff.). 477 Taupitz, JZ 2007, 113 (114). 478 Vgl. zur strafrechtlichen Beurteilung der Präimplantationsdiagnostik Renzikowski, NJW 2001, 2753 (2753 ff.). 479 Taupitz, JZ 2007, 113 (114); vgl. BT-Drucks. 14/8394, S. 9. 480 Taupitz, JZ 2007, 113 (114). 481 Valerius, NStZ 2008, 121 (121). 482 Valerius, NStZ 2008, 121 (121 f.).

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gen. Angesichts derartiger lokaler Besonderheiten ist fraglich, welche Reichweite das nationale Strafrecht jeweils einnehmen soll. Besonders brisant wird diese Frage, wenn die nationalen Rechtsordnungen der beteiligten Staaten die Strafwürdigkeit des jeweiligen Verhaltens unterschiedlich bewerten483. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage orientiert sich im Kern wiederum an den allgemeinen Grundsätzen des deutschen Strafrechts. Folglich unterliegen sowohl das ESchG als auch das StZG den Regelungen über den Geltungsbereich des Strafrechts. Die Betonung dieser Tatsache durch die Bundesregierung in ihrer mit Schreiben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 30. März 2005 übermittelten Antwort484 war insofern inhaltlich unergiebig, da es sich mit Blick auf das Zusammenspiel zwischen dem Allgemeinen und Besonderen Teil des Strafgesetzbuches insofern um einen selbstverständlichen systematischen Mechanismus handelt485. Aus diesen allgemeinen Grundsätzen ergeben sich über die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB für die Strafbarkeit inländischer Teilnahme an ausländischen Forschungsaktivitäten folgende Konsequenzen, wobei erneut zwischen Verstößen gegen das ESchG [aa)] und das StZG [bb)] zu differenzieren ist: aa) Embryonenschutzgesetz Die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB führt faktisch dazu, dass, soweit mit der im Ausland vorgenommenen Forschung das ESchG verletzt wird, jede Form von Anstiftung oder Beihilfe vom Inland aus in gleicher Weise strafbar ist, wie dies bei Durchführung der betreffenden Forschungstätigkeit im Inland der Fall wäre486. Damit ist auch die fördernde Mitwirkung an ausländischer „verbrauchender Embryonenforschung“ zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen vom Inland aus nach §§ 27 (bzw. 26), 9 Abs. 2 S. 2 StGB in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ESchG strafbar487. Da das ESchG auf einen territorial unbegrenzten Schutz von Individualrechtsgütern ausgerichtet ist488, sind die betreffenden Forschungsaktivitäten insbesondere auch von den Straftatbeständen des ESchG erfasst, ohne dass es für die sich daraus ergebende Strafbarkeit der Inlandsteilnahme noch in irgendeiner Weise auf die Strafbarkeit nach dem Recht des Haupttatortes ankäme489. Danach sind 483

Valerius, NStZ 2008, 121 (122). BT-Drucks. 15/5196. 485 Im Ergebnis so auch bereits Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (23); vgl. Lilie/Albrecht, NJW 2001, 2774 (2774). 486 Eser/Koch, S. 144. 487 Dahs/Müssig, S. 7. 488 Vgl. Huwe, S. 204. 489 Vgl. dazu im Detail Eser/Koch, S. 112 ff., 144. 484

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sämtliche inländischen Tatbeiträge zu einer fremdnützigen Erzeugung oder Verwendung menschlicher Embryonen sowie zu verbotenen Forschungsprojekten mit embryonalen Stammzellen im Ausland, die die Schwelle zur Anstiftung oder Beihilfe überschreiten, strafrechtlich relevant490. Daher kann bei Kooperationen im Rahmen internationaler Forschungsprojekte eine von deutschem Territorium ausgehende finanzielle, organisatorische, technische, personelle oder beratende Förderung eines konkreten Projekts im Ausland als strafbare Teilnahmehandlung an einer nach dem ESchG strafbaren Haupttat qualifiziert werden491. Der Import von embryonalen Stammzellen ist nach geltendem deutschem Recht grundsätzlich zulässig. § 2 Abs. 1 ESchG umfasst ausdrücklich nur das Abgeben von Embryonen zu einem nicht ihrer Erhaltung dienenden Zweck. Dennoch kann auch die Einfuhr embryonaler Stammzellen Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit nach den Vorschriften des ESchG sein492, wenn mit ihr eine Anstiftung oder Beihilfe zum Verbrauch von Embryonen im Ausland einhergeht. Bestellen Wissenschaftler also von Deutschland aus im Ausland embryonale Stammzellen, machen sie sich der Anstiftung zu einer fremdnützigen Verwendung menschlicher Embryonen gemäß § 2 Abs. 1 ESchG in Verbindung mit § 26 StGB strafbar, wenn sie durch die Bestellung beim ausländischen Forscher den Entschluss zur Stammzellgewinnung hervorrufen und dieser die Tat entsprechend des Entschlusses begeht493. Die Einwirkung des von Deutschland aus handelnden Forschers müsste folglich zumindest mitursächlich für die Gewinnung der Stammzellen aus einem menschlichen Embryo geworden sein. Daran können allerdings bei ausländischen Einrichtungen, die in Übereinstimmung mit den örtlichen Vorschriften regelmäßig Stammzellen herstellen, Zweifel bestehen494. Zusätzliche Strafbarkeitsrisiken im Dunstkreis der Stammzellforschung sind mit einer grenzüberschreitenden Wissenschaftsförderung verbunden. Wird die Gewinnung von embryonalen Stammzellen im Ausland durch deutsche Wissenschaftler von deutschen Forschungseinrichtungen – zum Beispiel durch die Finanzierung eines Forschungsinstituts – unterstützt, ist diese Förderung unter Umständen als Beihilfe zur nach dem ESchG strafbaren verbrauchenden Embryonenforschung zu werten495. Gleiches gilt auch für die Förderung von Austauschmaßnahmen für Mitarbeiter und Stipendiaten, die an grenzüberschreitenden Forschungsprojekten mitwirken496.

490 491 492 493 494 495 496

Brewe, S. 41. Brewe, S. 41; Dahs/Müssig, S. 7. Lilie/Albrecht, NJW 2001, 2774 (2775). Brewe, S. 42. Lilie/Albrecht, NJW 2001, 2774 (2775). Lilie/Albrecht, NJW 2001, 2774 (2776). Dahs/Müssig, S. 7.

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Sofern nach den vorgenannten Grundsätzen die Inlandsteilnahme strafbar ist, gilt dies gleichermaßen für einen deutschen wie auch für einen ausländischen Teilnehmer, da auf den inländischen Teilnahmeort (§ 9 Abs. 2 S. 1 StGB) nach Maßgabe des Territorialitätsprinzips das deutsche Strafrecht Anwendung findet, ohne dass dabei die Staatsangehörigkeit des Teilnehmers von Bedeutung ist497. Ebenso wenig spielt auf Seiten des im Ausland geförderten Wissenschaftlers dessen Nationalität eine Rolle. Konsequenterweise macht sich nicht nur ein deutscher Forscher, der in einer als Anstiftung zu qualifizierenden Weise erst noch aus Embryonen zu gewinnende Stammzellen im Ausland bestellt, aufgrund von § 9 Abs. 2 StGB nach dem ESchG strafbar, sondern auch ein ausländischer Konferenzteilnehmer, der vom deutschen Tagungsort aus Anweisungen zur embryonenverbrauchenden Gewinnung von Stammzellen in seinem heimischen Labor gibt498. bb) Stammzellgesetz Die gemäß § 4 I StZG grundsätzlich verbotene Einfuhr und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen ist wie dargelegt nur unter bestimmten restriktiven Voraussetzungen zulässig. Die Einhaltung dieser Voraussetzungen wird zunächst durch ein Genehmigungsverfahren gesichert (§ 6 StZG). Um diese Sicherungsfunktion zu untermauern und mit einer entsprechenden Schneidigkeit auszustatten, wird die Einfuhr oder Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen ohne die erforderliche Genehmigung darüber hinaus gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 StZG unter Strafe gestellt. Danach macht sich derjenige strafbar, der ohne Genehmigung embryonale Stammzellen einführt (Nr. 1) oder ohne Genehmigung embryonale Stammzellen, die sich im Inland befinden, verwendet (Nr. 2)499. Dementsprechend geht – ähnlich wie im Zusammenhang mit dem ESchG dargestellt – auch vom StZG ein erhebliches Strafbarkeitsrisiko für deutsche und ausländische Wissenschaftler aus, die sich an internationalen Forschungskooperationen beteiligen500. Die Strafbarkeit jeder Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen ohne Genehmigung gibt internationalen Wissenschaftlern insofern Anlass, mit sorgenvollem Blick auf ihre Forschungsbeiträge zu schauen und Strafbarkeitsrisiken zu identifizieren. So kann vor dem Hintergrund des StZG jede organisatorische, beratende, technische, personelle oder rein finanzielle Unterstützung der Forschung an embryonalen Stammzellen die Voraussetzungen ei-

497 498 499 500

Eser/Koch, S. 144; Huwe, S. 205. Vgl. Beispiel bei Eser/Koch, S. 144 f. Valerius, NStZ 2008, 121 (121). Taupitz, JZ 2007, 113 (119).

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ner Anstiftung oder Beihilfe erfüllen, wenn das betreffende Forschungsprojekt nicht genehmigt ist501. Gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ist das deutsche Strafrecht auf eine inländische Teilnahme an einer ausländischen Haupttat selbst dann anwendbar, wenn die Haupttat nach dem Recht des ausländischen Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist. Ein Wissenschaftler, der sich vom Inland aus an einem Forschungsvorhaben mit embryonalen Stammzellen im Ausland beteiligt, das nicht den Anforderungen des StZG entspricht, könnte sich danach ohne Rücksicht auf die Rechtslage im Ausland nach § 13 StZG in Verbindung mit §§ 26, 27 StGB strafbar machen502. Von diesem Risiko erfasst wäre sowohl der Austausch von Methoden, Knowhow und Reagenzien als auch die Beratung durch Gutachter oder Beiräte vom Inland aus503. Dagegen könnte ein inländischer Wissenschaftler im Ausland ohne Weiteres verbrauchende Embryonenforschung und nach dem StZG unter Strafe gestellte Forschung an Stammzellen betreiben – er müsste es nur unterlassen, nach seiner Rückkehr ins Inland seinen ausländischen Kollegen in irgendeiner Form Ratschläge oder Hinweise zu dem Forschungsvorhaben zukommen zu lassen504. Die aus diesem Regelungszusammenhang resultierende Ausweitung der Strafdrohung auf den Bereich der internationalen Forschungskooperation hat wiederholt Bemühungen angeschoben, den Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Hinblick auf das StZG zu begrenzen505. (1) Diskussion um die bereichsweise Rücknahme des § 9 Abs. 2 S. 2StGB im Rahmen des StZG Bereits im Gesetzgebungsverfahren war die Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf das StZG Gegenstand einer kontroversen Diskussion. Während der ursprüngliche Gesetzesentwurf vom 27. Februar 2002506 keine Sonderregelung zur inländischen Teilnahme an einer ausländischen Haupttat vorsah, enthielt die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung vom 23. April 2002 in § 13 Abs. 3 StZG folgende Ergänzung: „§ 9 Abs. 2 S. 2 des Strafgesetzbuches findet auf die Strafbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 keine Anwendung“ 507. 501

Brewe, S. 250. Brewe, S. 251. 503 Dahs/Müssig, S. 21. 504 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (390 f.). 505 In Bezug auf die vom ESchG ausgehenden Risiken sind derartige Bemühungen nicht ersichtlich. 506 BT-Drucks. 14/8394, S. 5. 507 BT-Drucks. 14/8846, S. 9. 502

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Als Begründung wurde vorgetragen, dass die Strafbestimmungen des StZG in Verbindung mit § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht dazu führen dürften, die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen generell zu gefährden. Eine Regelung, nach der deutsche Wissenschaftler sich in allen Fällen strafbar machen könnten, in denen sie sich vom Inland aus in irgendeiner Form an der Forschung mit embryonalen Stammzellen im Ausland beteiligen, die nach den Vorschriften des StZG nicht eingeführt oder verwendet werden dürfen, ginge über den mit dem StZG verfolgten Schutzzweck hinaus und würde die Forschungsfreiheit unverhältnismäßig beschränken508. Dieser Vorschlag fand jedoch unter den Mitgliedern des Deutschen Bundestages keine Mehrheit. Vielmehr sah der Änderungsantrag der Abgeordneten Böhmer, Fischer, von Renesse und Lensing vom 24. April 2002 wiederum die Streichung des § 13 Abs. 3 StZG vor509. In dieser Fassung ist das Gesetz dann auch vom Bundestag beschlossen worden, sodass das Gesetz nun mit der ursprünglich im Entwurf vom 27. Februar 2002 eingebrachten Fassung identisch ist. Ob und inwieweit die von Deutschland ausgehende Veranlassung oder Unterstützung der embryonalen Stammzellforschung im Ausland gemäß § 13 Abs. 1 StZG in Verbindung mit § 9 Abs. 2 S. 2 StGB mit Strafe bedroht ist, ist damit nach den allgemeinem Grundsätzen des deutschen Strafanwendungsrechts zu bestimmen, ohne dass das StZG eine Sonderregelung dafür vorsieht510. Am 1. Juni 2006 brachte die FDP-Fraktion wiederum einen Gesetzesentwurf zur Änderung des StZG ein. In Anlehnung an die angesprochene Beschlussempfehlung aus dem Jahre 2002 sah der Entwurf erneut vor, den § 13 StZG um einen Absatz 3 zu ergänzen, wonach § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf die Strafbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 keine Anwendung findet511. Außerdem sollte das Gesetz fünf Jahre nach seiner Änderung einer parlamentarischen Überprüfung unterzogen werden, um festzustellen, ob dann auf die Forschung an embryonalen Stammzellen verzichtet werden kann. Obwohl sich mit einer derartigen bereichsweisen Rückausnahme des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB die Hoffnung in Deutschland praktizierender Wissenschaftler verbindet, die akuten Strafbarkeitsrisiken im Rahmen internationaler Forschungskooperationen zu minimieren, werden vermehrt Stimmen laut, die an der Erforderlichkeit einer solchen Regelung zweifeln512. Aus ihrer Sicht wirkt sich die 508 Begründung des Gesetzesentwurfes zum Stammzellgesetz vom 27. Februar 2002, BT-Drucks. 14/8846, S. 14; vgl. Brewe, S. 251; Dahs/Müssig, S. 21. 509 Änderungsantrag der Abgeordneten Böhmer, Fischer von Renesse und Lensing, BT-Drucks. 14/8876, S. 2. 510 Brewe, S. 252. 511 Begründung des Gesetzesentwurfes zur Änderung des Stammzellgesetzes, BTDrucks. 15/5584, S. 4. 512 Vgl. Brewe, S. 252 ff.; Huwe, S. 354; Eser/Koch, S. 118 ff.; Dahs/Müssig, S. 25 ff.

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Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf die internationale Zusammenarbeit in der Stammzellforschung weniger restriktiv aus, als es von den Kritikern befürchtet wird513. (2) Erforderlichkeit der bereichsweisen Rücknahme Die Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs eines Straftatbestandes auf Auslandssachverhalte ist ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn ein legitimierender Anknüpfungspunkt vorliegt. Ob eine Strafberechtigung der nationalen Strafgewalt in dieser Weite gegeben ist, beantwortet grundsätzlich das deutsche Strafanwendungsrecht anhand der in den §§ 3 ff. StGB normierten Anknüpfungsprinzipien514. Wie im Rahmen der allgemeinen Ausführungen bereits dargestellt515, ist der Anwendung der §§ 3 ff. StGB jedoch die jeweils tatbestandsimmanente Frage vorgelagert, ob die konkrete Tat überhaupt vom Schutzbereich eines deutschen Straftatbestandes erfasst wird516. Falls die Auslegung einer Strafnorm ergibt, dass sie ausschließlich dem Schutz von Rechtsgütern dient, die dem inländischen Schutzbereich zuzurechnen sind, findet sie auf Taten, die nicht in diesen internen Schutzbereich eingreifen, selbst dann keine Anwendung, wenn im Übrigen ein legitimierender Anknüpfungspunkt im Sinne des §§ 3 ff. StGB gegeben ist517. Derartige schutzbereichsbezogene Überlegungen haben daher (zumindest) logischen Vorrang vor der Anwendung der §§ 3 ff. StGB518. Folgerichtig kann sich auch bei Auslandstaten ein Ausschluss des deutschen Strafrechts bereits daraus ergeben, dass sich der Schutzbereich der deutschen Strafnorm von vornherein auf das Inland beschränkt519. Vor diesem Hintergrund hängt nicht nur die Strafbarkeit einer Verwendung embryonaler Stammzellen im Ausland essentiell davon ab, ob und inwieweit der Straftatbestand des § 13 StZG bereits tatbestandsimmanent auf Handlungen im Inland beschränkt ist oder tatortunabhängig auch grenzüberschreitend Geltung 513

Vgl. Brewe, S. 252; Eser/Koch, S. 140. Siehe hierzu bereits oben 1. Teil, D. 515 Siehe oben 2. Teil, D. I. 6. 516 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 31; Lackner/Kühl, Vor §§ 3–7 Rn. 9; Fischer, Vor §§ 3–7 Rn. 4; Brewe, S. 253; Jung, JZ 1979, 325 (330 f.); vgl. Müller-Gugenberger/Bieneck-Richter, § 4 Rn. 3; a. A. LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 273, wonach sich die Frage, ob der Tatbestand einer deutschen Strafvorschrift das angegriffene Rechtsgut schützt, erst stelle, wenn die Geltung dieses Straftatbestandes feststehe; so auch Mankowski/Bock, ZStW 120 (2008), 704 (758); SSW-Satzger, Vor §§ 3–7 Rn. 7 sowie Satzger, § 3 Rn. 9 u. § 6 Rn. 1, für den die Prüfung der §§ 3 ff. StGB zwingend an erster Stelle steht; vgl. Schroeder, NJW 1990, 1406 (1406). 517 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 31 m.w. N. 518 Nowakowski, JZ 1971, 633 (634). 519 Brewe, S. 253 m.w. N. 514

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beansprucht. Auch die Frage, ob die vom Inland ausgehende Unterstützung von nach deutschem Recht unzulässigen Forschungsvorhaben im Ausland über § 9 Abs. 2 S. 2 StGB als tatbestandsmäßige Teilnahmehandlung erfasst wird, ist abhängig vom Schutzbereich des § 13 StZG520. Zwar kommt es nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB für die Inlandsteilnahme an einer Auslandstat nicht auf die Strafbarkeit der Haupttat nach dem Recht des Tatorts an. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Rechtswidrigkeit der Haupttat völlig unerheblich ist. Vielmehr bestimmt sich diese nach deutschem Strafrecht. Daher ist das als Haupttat in Betracht kommende Verhalten an den Maßstäben des deutschen Rechts zu messen und muss folgerichtig unter eine deutsche Strafnorm subsumiert werden können521. Die Beurteilung der Haupttat nach deutschem Recht hängt nun davon ab, ob und inwieweit die Haupttat nach deutschem Strafrecht eine wirkliche Interessenverletzung darstellt522. Nur wenn der Schutzbereich des § 13 StZG grundsätzlich auch im Ausland begangene Haupttaten erfassen will, kann eine inländische Teilnahme daran strafbar sein. Beschränkt sich § 13 StZG dagegen auf den Schutz von (nicht-individualen) Inlandsinteressen, so kann bei Tatbegehung im Ausland eine inländische Teilnahme daran jedenfalls nicht aufgrund von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB strafbar sein523. Insofern ist den Skeptikern gegenüber einer bereichsweisen Rücknahme des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB dahingehend zuzustimmen, dass die Herausnahme des § 13 StZG aus dem Geltungsbereich des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht erforderlich wäre, wenn der Geltungsbereich des StZG von vornherein auf das deutsche Hoheitsgebiet beschränkt wäre524. (a) Meinungsspektrum zum territorialen Schutzbereich des § 13 StZG Für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des StZG auf deutsches Territorium plädieren die Gutachten zur Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen im In- und Ausland von Dahs und Müssig sowie von Eser und Koch. Auch in der übrigen Literatur wird dieser Faden aufgenommen und überwiegend vertreten, die Verwendung embryonaler Stammzellen im Ausland werde von § 13 StZG nicht erfasst525. Eine Sanktionierung der inländischen Teilnahme an Verstößen gegen das StZG im Ausland über § 9 Abs. 2 S. 2 StGB scheide daher aus526.

520 521 522 523 524 525 526

Brewe, S. 253; Dahs/Müssig, S. 25. Brewe, S. 253; Eser/Koch, S. 142 m.w. N. Brewe, S. 253 f.; vgl. Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (102). Eser/Koch, S. 143; Huwe, S. 204; vgl. Bergmann, S. 49. Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (23). NK-Böse, § 9 Rn. 22; Huwe, S. 354 ff.; Brewe, S. 253 ff. Brewe, S. 258; vgl. Dahs/Müssig, S. 33; Eser/Koch, S. 145.

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Diese Interpretation stützt sich im Wesentlichen auf zwei Argumente527: Zum Einen wird aus der Wortabfolge der Begriffe „Einfuhr“ und „Verwendung“ geschlossen, dass nur die Verwendung solcher Stammzellen erfasst sei, die vorher in die Bundesrepublik eingeführt worden sind528. Hätte der Gesetzgeber jede Verwendung erfassen wollen, so wird vorgetragen, wäre es zumindest angebracht gewesen, die Reihenfolge umzudrehen. Ein weiteres Argument, aus dem eine auf das Inland begrenzte Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 13 StZG folge, basiert auf der Annahme, ein Verstoß gegen das StZG stelle bloßes Verwaltungsunrecht dar529. Tatbestandsstruktur und Stellung des Import- und Verwendungsverbots innerhalb eines Genehmigungssystems sprächen dafür, dass es dem StZG primär um die Sicherstellung einer kontrollierten Forschung an Stammzellen und damit vorwiegend um öffentliche Interessen gehe, nicht hingegen um den Schutz von Individualrechtsgütern530. Da bereits das Handeln ohne Genehmigung unrechtserheblich und strafbegründend sei, handele es sich bei einem Ordnungsverstoß lediglich um eine Zuwiderhandlung gegen Interessen des deutschen Staates531. Hilgendorf plädiert hingegen für eine uneingeschränkte Anwendung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf das StZG, da der Geltungsbereich des StZG keineswegs von vornherein auf das Inland beschränkt sei532. Aus seiner Sicht sind die von der Gegenauffassung vorgetragenen Argumente weder zwingend noch überzeugend. Zunächst ließe sich der Gesetzeswortlaut genauso gut im Sinne einer begrifflichen Addition verstehen, so dass sowohl jede Art von Einfuhr als auch sämtliche Formen von Verwendung erfasst würden. Sofern der Gesetzgeber eine Beschränkung auf deutsches Territorium beabsichtigt hätte, so hätte er dies im Wortlaut leicht durch die Formulierung „Verwendung im Inland“ zum Ausdruck bringen können533. Auch der Auffassung, das StZG schütze keine Individualrechtsgüter, widerspricht Hilgendorf eindringlich. Schon aus § 1 StZG ergebe sich, dass das Gesetz das Ziel verfolge, die Menschenwürde und das Recht auf Leben zu schützen, indem man die Stammzellforschung – als eine für Embryonen besonders gefahrträchtige Form der wissenschaftlichen Forschung – Restriktionen unterwerfe. Deshalb diene die Regelung der Stammzellforschung im StZG zumindest mittelbar dem Embryonenschutz, sodass es nur schwer vertretbar erscheine, von einem „bloße[n] Schutzreflex“ 534 zugunsten von Individualrechts527 528 529 530 531 532 533 534

Vgl. dazu Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (23). Eser/Koch, S. 128. Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (23). Eser/Koch, S. 124 f. Eser/Koch, S. 125; Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (23). Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (24). Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (23). So aber Eser/Koch, S. 123.

A. Rechtliche Perspektive

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gütern zu sprechen535. Schließlich werde man dem Gesetzgeber wohl kaum die Vorstellung unterstellen wollen, Menschenwürde und Lebensrecht machten an Landesgrenzen halt536. (b) Stellungnahme Unabhängig von einer möglichen höchstrichterlichen Entscheidung geht die Tendenz dahin, § 9 Abs. 2 S. 2 StGB uneingeschränkt auf das StZG anzuwenden, da kein Anhaltspunkt ersichtlich ist, der eindeutig für die Beschränkung des Anwendungsbereichs des StZG auf deutsches Territorium spricht. Die kontroverse Diskussion verdeutlicht, wie vage die Orientierungspunkte für deutsche und ausländische Wissenschaftler in diesem sensiblen Zusammenhang sind. Aus diesem Grund geht auch der Appell der Bundesregierung an die Forscher fehl, sich verantwortungsbewusst und gesetzestreu zu verhalten und jeden Einzelfall genau zu prüfen537. Solange die Sach- und Rechtslage nicht einmal unter Juristen richtungsweisend beurteilt wird538, kann auch von einem juristischen Laien nicht erwartet werden, die wesentlichen Grundlagen und Regeln des Umgangs mit Embryonen und Stammzellen im Rahmen grenzüberschreitender Forschungsprojekte überblicken zu können539. Weder das Gesetzgebungsverfahren noch der Wortlaut des § 13 StZG strahlen für die betroffenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insoweit Rechtssicherheit aus. Da – wie eingangs angedeutet – bereits in den parlamentarischen Beratungen unterschiedlich weite Vorstellungen über die Auslandserstreckung des StZG im Falle der Teilnahme an grenzüberschreitenden Forschungsprojekten existierten und dabei die internationalstrafrechtlichen Implikationen offenbar nicht vollständig erkannt wurden540, verbleibt nach wie vor Raum für abweichende Beurteilungen der Rechtslage. Ebenso wenig aussagekräftig ist der Wortlaut der Regelung, da er keinen klaren und eindeutigen Willen des Gesetzgebers erkennen lässt, obwohl dies durch bestimmte Formulierungen oder systematische Strukturierungen durchaus möglich gewesen wäre541. Aus diesen Gründen ist zu konstatieren, dass nicht zuletzt aufgrund der dargestellten Unsicherheit nach wie vor erhebliche Strafbarkeitsrisiken für Wissen535

Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (23). Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (23). 537 Vgl. BT-Drucks. 15/5196, S. 2. 538 Es liegt in dieser Frage bislang weder eine höchstrichterliche Entscheidung vor, noch hat sich in der Literatur eine herrschende Meinung herausgebildet. 539 Vgl. Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (23). 540 Eser/Koch, S. 118. 541 Obwohl sich Eser und Koch infolge einer Wortlautinterpretation dafür aussprechen, dass der Anwendungsbereich des StZG auf das deutsche Territorium beschränkt sei, erkennen sie die fehlende Eindeutigkeit des Wortlauts an (S. 119). 536

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3. Teil: Einfluss auf die Praxis globaler Unternehmensleitung

schaftlerinnen und Wissenschaftler bestehen, wenn sie sich an ausländischen Forschungsprojekten mit Embryonen oder Stammzellen beteiligen542. Solange sich weder in die eine noch in die andere Richtung eine gewisse Rechtssicherheit einstellt, handelt es sich dabei eben nicht nur um einen „Sturm im Wasserglas“ 543, da sich die bestehenden Risiken keineswegs bagatellisieren lassen. Zwar würden die expansiven Tendenzen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB durch eine bereichsweise Rücknahme der Vorschrift in Bezug auf das StZG zumindest für einen Teilbereich entschärft. Die im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehende Frage nach einer generell angemessenen Reichweite der Regelung würde durch ein derartiges gesetzgeberisches Vorgehen jedoch nicht beantwortet. Letztlich kann also auch in diesem Zusammenhang nicht in Abrede gestellt werden, dass es sich bei den Auswirkungen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB um ein allgemeines Problem des deutschen Strafanwendungsrechts handelt, dem nicht in ausreichendem Maße durch eine sondergesetzliche Außerkraftsetzung dieser Regelung für den Bereich des StZG Rechnung getragen werden kann544. c) Konsequenzen der Strafbarkeitsrisiken Internationale Forschungsprojekte im Bereich der embryonalen Stammzellforschung sind ein „Paradebeispiel für die Strafbarkeitsrisiken bei grenzüberschreitender Zusammenarbeit in ethisch umstrittenen und rechtlich von Staat zu Staat unterschiedlich bewerteten gesellschaftlichen Bereichen“ 545. Die genannten, sowohl aus dem ESchG als auch aus dem StZG resultierenden Strafbarkeitsrisiken führen unter deutschen und ausländischen Wissenschaftlern zu einer erheblichen Verunsicherung, wodurch die internationale Kooperations- und Wettbewerbsfähigkeit deutscher Forscher zunehmend in Frage gestellt wird546. Als Folge sind eine Einschränkung des wissenschaftlichen Austauschs und ein langsam fortschreitender Ausschluss deutscher Wissenschaftler aus der internationalen Wissenschaftlergemeinschaft zu befürchten. Dies wird sich insbesondere im Rahmen der europäischen Forschungsorganisationen negativ auswirken, da eine enge Kooperation der beteiligten Arbeitsgruppen in EU-Projekten ausdrücklich angestrebt wird. Aber auch die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungsstandorts Deutschland bleibt von den Folgen nicht unberührt. So verweist etwa die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in einer Stellungnahme vom Oktober 2006 auf Beispiele von jungen Wissenschaftlern, aber auch von renommierten Forschern, die 542 543 544 545 546

Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (24). So in ihrer abschließenden Beurteilung Eser/Koch, S. 146. Vgl. Eser/Koch, S. 140; Valerius, NStZ 2008, 121 (125). Valerius, NStZ 2008, 121 (125). Taupitz, JZ 2007, 113 (116, 119).

A. Rechtliche Perspektive

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sich wegen der aus ihrer Sicht fehlenden Perspektiven der embryonalen Stammzellforschung in Deutschland und wegen der nicht seltenen Diskreditierung dieses Forschungsgebietes und der hier tätigen Forscher bewusst von diesem Forschungsgebiet fernhielten oder sich aus ihm ganz zurückgezogen hätten547. Die zu erwartenden Konsequenzen sind allerdings nicht nur rein wissenschaftlicher oder personeller Natur, sondern werden sich auch in wirtschaftlicher Hinsicht auswirken. In jüngster Vergangenheit hat die Stammzellforschung aufgrund beinahe revolutionärer Erkenntnisgewinne und den damit verbundenen Aussichten, bislang noch unheilbare Krankheiten zu diagnostizieren und behandeln zu können, auch aus Investitionsgesichtspunkten erheblich an Attraktivität gewonnen. Dementsprechend tragen die im Rahmen internationaler Forschungskooperationen vom deutschen Recht ausgehenden Strafbarkeitsrisiken, die durch § 9 Abs. 2 S. 2 StGB eine erhebliche Ausweitung erfahren, nicht dazu bei, die Bundesrepublik als Investitionsstandort zu Gunsten von Forschungsvorhaben zu etablieren. Vielmehr veranlassen die Rahmenbedingungen dazu, Deutschland insoweit zu meiden, wodurch eine Partizipation der hiesigen Wirtschaft an diesem ebenso aussichtsreichen wie zukunftsträchtigen Geschäftsbereich zumindest teilweise vereitelt wird.

II. Fälle divergierender Strafbarkeitsvoraussetzungen Neben den Konstellationen, in denen im Ausland überhaupt keine Strafvorschriften nach deutschem Vorbild existieren, sind für die Praxis der globalen Unternehmensleitung die Fälle zu berücksichtigen, in denen die Voraussetzungen für die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem anderen Staat unterschiedlich ausgestaltet sind. Die besondere Brisanz dieser Fallgruppe erwächst aus der Tatsache, dass sich eine effektive Evaluation bestehender Strafbarkeitsrisiken nicht darin erschöpft, im Rahmen grenzüberschreitender Wirtschaftsbeziehungen das Gesamtgeschehen aus strafrechtlicher Sicht im Blick zu behalten. Vielmehr sind darüber hinaus auch feinste Unterschiede zwischen den betreffenden Rechtsordnungen zu beachten und die Folgen ihrer differenzierten Ausgestaltung im Hinblick auf daraus resultierende Strafbarkeitsrisiken zu analysieren. 1. Untreue Im Vergleich zum deutschen Untreuestraftatbestand in § 266 StGB bietet sich sowohl in Spanien als auch in Italien ein völlig anderes Bild548. Weder im spani547 548

DFG-Stellungnahme, S. 54. LK-Schünemann, 11. Aufl., § 266 Rn. 194.

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3. Teil: Einfluss auf die Praxis globaler Unternehmensleitung

schen Código Penal noch im italienischen Codice Penale gibt es einen Tatbestand, der der Untreue im deutschen Strafgesetzbuch entspricht549. Die in Betracht kommenden Tatbestände decken sich nur partiell mit den Anwendungsfällen des § 266 StGB. Erst durch eine Ergänzung der „Apropiación Indebida“ (Art. 252 CP: pflichtwidrige Aneignung) durch das Tatbestandsmerkmal „Vermögensbestandteil“ erfasst die Apropiación Indebida im spanischen Recht einen Teil des Anwendungsbereichs der Untreue in Form der Veruntreuung von Vermögensgegenständen, die man zur Verwaltung oder in Kommission erhalten hat und hinsichtlich derer eine Pflicht zur Ablieferung oder Rückgabe besteht550. Daneben berührt das Delikt der „Malversación de caudales públicos“ (Art. 432 ff. CP: Veruntreuung öffentlicher Gelder) teilweise den Anwendungsbereich des § 266 StGB. Regelungsgegenstand dieser Straftat ist das Verhalten eines Amtsträgers, der die von ihm betreuten öffentlichen Gelder unterschlägt oder darin einwilligt, dass ein Dritter sich diese Gelder aneignet551. Letzteres macht deutlich, dass nationale Besonderheiten bei der Ausgestaltung eines Tatbestandes häufig bei sogenannten Sonderdelikten auftreten, also solchen Straftaten, bei denen die im gesetzlichen Tatbestand umschriebene Eigenschaft des Handlungssubjekts den Täterkreis begrenzt (z. B. als Arzt in § 203 StGB oder als Amtsträger in den §§ 331 ff. StGB)552. Dem liegt die kriminalpolitisch und gesetzgebungstechnisch alternative Tendenz zugrunde, Untreuehandlungen als Sonderdelikte für beschränkte und hoch qualifizierte Täterkreise zu typisieren553. So wird etwa die (vermögensrechtliche) Untreue in Italien im Unterschied zur Bundesrepublik Deutschland im Tatbestand des „Abuso d’ufficio“ (Art. 323 Codice Penale) nur als Amtsdelikt erfasst554. Entsprechend inkongruent gestalten sich die Konstellationen, die zwar einerseits nach deutschem Verständnis dem Anwendungsbereich des § 266 StGB unterliegen, jedoch andererseits gemessen am Maßstab des Abuso d’ufficio mangels Amtsträgereigenschaft in Italien nicht mit Strafe bedroht werden. Bezogen auf Fragen der Distanzteilnahme setzt die Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB wiederum exakt an dieser Schnittstelle an und überbrückt die Inkongruenz sanktionswürdigen Verhaltens, indem die im Inland begangene Teilnahme an einer Auslandstat selbst dann dem deutschen Strafrecht zu unterstellen ist, wenn die ausländische Haupttat zwar nach deutschem Strafrecht strafbar, jedoch nach dem Tatortstrafrecht straflos ist555. Der in Deutschland handelnde Teilneh549 Vgl. zu den Unterschieden zwischen deutschem und spanischem Untreuestrafrecht Bacigalupo, Madrid-Symposium Tiedemann, 1994, S. 201 ff. 550 LK-Schünemann, 11. Aufl., § 266 Rn. 194. 551 LK-Schünemann, 11. Aufl., § 266 Rn. 194. 552 Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 551. 553 Foffani, FS Tiedemann, 2008, S. 767 (776). 554 Jung, JZ 1979, 325 (327). 555 Vgl. NK-Böse, § 9 Rn. 20.

A. Rechtliche Perspektive

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mer an einer von einem Deutschen oder einem Ausländer (nach deutschem Verständnis) in Italien begangenen Untreue wird somit ohne Rücksicht auf die lex loci allein nach deutschem Recht bestraft. Angesichts der weiten deutschen Wirtschaftsstraftatbestände wie der Untreue resultieren aus der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB daher durchaus beachtliche Strafbarkeitsrisiken für die Entscheidungsträger global operierender Wirtschaftskonzerne. Deutlich wird dies beispielsweise, wenn ein deutsches Unternehmen ein ausländisches übernimmt und veranlasst, dass das ausländische Unternehmen seinem scheidenden Management hohe Abfindungen zahlt556. Der insofern durch das deutsche Strafrecht in bestimmten Bereichen gewährte Schutz ausländischen Vermögens erscheint jedoch schon deshalb fragwürdig, weil die deutsche Rechtsordnung im Hinblick auf Art. 14 GG ihrerseits keinen festen Eigentums- und Vermögensschutz vorsieht, sondern von einem Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers ausgeht557. Vor diesem Hintergrund wäre es nur konsequent, diesen Ausgestaltungsspielraum auch anderen Ländern zuzubilligen. 2. Betrug Auch eine weitere Zentralnorm des deutschen Wirtschaftsstrafrechts verdient in diesem Zusammenhang Beachtung. Neben der Untreue zeichnet sich auch der in § 263 StGB normierte Betrug im internationalen Vergleich durch eine großzügige Fassung des Tatbestandes aus. In Frankreich, Belgien und den Niederlanden ist der entsprechende Betrugstatbestand vergleichsweise eng ausgestaltet558. Insbesondere stellt das französische Strafrecht strengere Anforderungen an die Tathandlung in Gestalt des Täuschungsverhaltens559. Außerdem ist in Frankreich die Begehung eines Betruges durch Unterlassen grundsätzlich straflos, sodass in Fällen wie dem Doppelbezug von Sozialleistungen oder des Vertragsschlusses im Zustand der Zahlungsunfähigkeit ein Freispruch vom Vorwurf des Betruges möglich ist560. Vor dem Hintergrund des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB sind die Organe eines global operierenden Wirtschaftsunternehmens damit erneut nicht zu vernachlässigenden Strafbarkeitsrisiken ausgesetzt. Deren Realisierung lässt sich nur durch eine detaillierte Analyse der Feinheiten der einzelnen deutschen Straftatbestände ver556

Hdb. Strafverteidigung-Vogel, § 14 Rn. 54. Inhalt und Schranken können daher nicht unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG abgeleitet werden, sondern müssen gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG konstitutiv durch den einfachen Gesetzgeber bestimmt werden (sogenannter normgeprägter Schutzbereich); vgl. Pieroth/Schlink, Rn. 977 ff.; Ipsen, Grundrechte, Rn. 721 ff.; Hufen, § 38 Rn. 7 f. 558 Tempel, NJW 1997, 36 (39 f.). 559 Vgl. LK-Tiedemann, 11. Aufl., § 263 Rn. 64; Jung, JZ 1979, 325 (327). 560 LK-Tiedemann, 11. Aufl., § 263 Rn. 65. 557

110

3. Teil: Einfluss auf die Praxis globaler Unternehmensleitung

meiden. Dies ist nicht zuletzt deshalb dringend zu empfehlen, weil die Auslegung der Tatbestandselemente des Betrugs nicht weniger uferlos ist als die des Untreuetatbestandes. 3. Arbeitsschutzbestimmungen und Sicherheitsstandards Weitere Risiken gehen schließlich von international divergierenden Arbeitsschutzbestimmungen und Sicherheitsstandards aus. Vielfach ist die Strafbarkeit nicht allein auf strafrechtlicher Ebene zu prüfen, sondern die relevanten Tatbestandselemente sind zunächst durch Normen aus anderen Rechtsgebieten – wie dem Arbeitsrecht – auszufüllen. Man denke etwa an Sicherheitsvorschriften für bestimmte Gewerbebetriebe und sonstige Tätigkeiten, mit denen ein Risiko für Leben, Gesundheit oder Sachwerte verbunden ist (z. B. für Bergbau, Hüttenbetriebe, Energie- oder Chemieunternehmen). Die betreffenden Arbeitsschutzbestimmungen und Sicherheitsstandards können jedoch ebenso wie die strafrechtlichen Vorschriften im Verhältnis zwischen Deutschland und dem ausländischen Staat unterschiedlich ausgestaltet sein. Mit Blick auf die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB hat dies wiederum zur Konsequenz, dass die von Deutschland aus agierende Unternehmensleitung bei grenzüberschreitenden Weisungen einem zusätzlichen Strafbarkeitsrisiko ausgesetzt ist: Neben den Risiken, die von abweichenden strafrechtlichen Bewertungen ausgehen, müssen die Entscheidungsträger auch die das Strafrecht ausfüllenden Rechtssätze, die im Verhältnis zwischen Deutschland und dem Ausland ebenfalls divergieren können, berücksichtigen. Betreibt ein multinationaler Energiekonzern mit Sitz in Deutschland im Ausland eine Ölplattform und kommt in Verwirklichung der typischen Gefahren damit verbundener Tätigkeiten ein Mensch ums Leben, stellt sich daher die Frage, welche Sicherheitsvorschriften bei der Beurteilung dieses Sachverhaltes für das deutsche Gericht maßgebend sind561. Die in dieser Fallgruppe zum Ausdruck kommende Differenzierung zwischen strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Rechtssätzen kann jedoch fruchtbar gemacht werden, um daraus einen Ansatz zu entwickeln, anhand dessen eine generelle Einschränkung der Reichweite des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB erreicht werden kann562.

III. Zwischenergebnis aus rechtlicher Perspektive Die beispielhaften Fallgruppen machen deutlich, dass der Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB seine Schatten auch auf internationale Wirtschaftsbeziehungen wirft. Insofern ist insbesondere die Praxis der globalen Unternehmenslei561 562

Vgl. Nowakowski, JZ 1971, 633 (635). Siehe dazu unten 4. Teil, A. I. 5.

B. Wirtschaftliche Perspektive

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tung zusätzlichen Strafbarkeitsrisiken ausgesetzt, da der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts durch die Vorschrift in Verbindung mit den weit verstreuten Sanktionsnormen des Wirtschaftsstrafrechts eine deutliche Ausdehnung erfährt. Neben den klassischen wirtschaftlichen Geschäftsbereichen wie dem Produktions- und Exportgeschäft bleiben jedoch auch innovative Geschäftsfelder – wie das Beispiel der Beteiligung an internationaler Stammzellforschung belegt – von den Einflüssen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht unberührt. Die über das gewöhnliche Maß hinausgehende Brisanz dieser Strafbarkeitsrisiken verbirgt sich in der besonderen Schwierigkeit, sie einschätzen und dementsprechend vorhersehen zu können. Durch die multinationale Komponente der modernen Unternehmensleitung reicht es nicht mehr aus, bestimmte geschäftliche Maßnahmen am Maßstab einzelner Rechtsordnungen zu messen. Vielmehr sind die Implikationen der entsprechenden Handlungen vor dem Hintergrund sämtlicher beteiligter Rechtsordnungen umfassend zu evaluieren und danach auszurichten. Obwohl die Verfolgungsintensität seitens der Staatsanwaltsschaft in diesem Bereich (noch) als gering einzustufen ist, erfordert die aktuelle Rechtslage eine gewisse Sensibilisierung der Verantwortungsträger, ohne dabei den Wirtschaftsstandort Deutschland zu diskreditieren.

B. Wirtschaftliche Perspektive Obgleich zahlreiche Ansätze versuchen, die mit der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB korrespondierende Ausweitung der deutschen Strafgewalt einzudämmen563, bleibt festzustellen, dass das strafrechtliche Risiko bei den oft schwierigen und komplexen Managemententscheidungen letztlich noch immer wie ein „Damoklesschwert“ über den Entscheidungsträgern schwebt. Da es sich bei § 9 Abs. 2 S. 2 StGB um eine Regelung des Allgemeinen Teils des StGB handelt, wirkt sich die sie charakterisierende Ausdehnung der Strafgewalt erst im Rahmen der Anwendung der Vorschriften des Besonderen Teils unmittelbar aus. Insbesondere die Vorschriften des modernen Wirtschaftsstrafrechts zeichnen sich jedoch wiederum dadurch aus, dass ihnen zum Teil bewusst ein weitreichender Anwendungsbereich zugestanden wird. So ist beispielsweise angesichts der Vielgestaltigkeit der sozialschädlichen Verletzungsformen die Einbeziehung aller möglichen nicht absolut präzise fassbaren Fälle aus unterschiedlichsten Lebensbereichen durch den Untreuetatbestand gerade beabsichtigt564. Dementsprechend addieren sich in diesem Zusammenhang die expansiven Tendenzen strafanwendungsrechtlicher und materiell-rechtlicher Aspekte und bilden 563 Achenbach/Ransiek-Heghmanns, Kap. VI Abschnitt 2 Rn. 14 f.; zu den einzelnen Einschränkungsmöglichkeiten siehe sogleich unten 4. Teil, A. I. 564 Ransiek, ZStW 116 (2004), 634 (640); Kargl, ZStW 113 (2001), 565 (579).

112

3. Teil: Einfluss auf die Praxis globaler Unternehmensleitung

in ihrer Summe ein erhebliches Risiko für die Organe global operierender Wirtschaftsunternehmen. Zwar ist der Rechtsgüterschutz auch in der wirtschaftsstrafrechtlichen Praxis von eminenter Bedeutung, doch sollte er nicht weiter reichen, als in den tatsächlich strafwürdigen Bereich erheblicher pflichtwidriger Entscheidungen. Die wirtschaftliche Betätigung sowie das Unternehmertum brauchen Spielräume und selbst angesichts von Missbrauchsfällen darf das Strafrecht als schärfstes Schwert im Sinne der Einheit der Rechtsordnung nicht über Gebühr beansprucht werden. Andernfalls droht eine Demotivierung der unternehmerischen Führungsebene, was im Ergebnis zu einer Paralysierung des Wirtschaftslebens durch das Strafrecht und damit zu erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen führen könnte565. Da von dem Verhältnis zwischen Anreiz und Risiko die Struktur eines Wirtschaftssystems abhängt566, bedarf die unternehmerische Tätigkeit einiger Bereiche, in denen Chancen und Risiken den Ausschlag für bestimmte Geschäftsentscheidungen geben. Das erfordert vom Management ein gewisses Maß an Innovations- und Risikobereitschaft. Sofern wirtschaftliche Investitionsentscheidungen jedoch ständig einer von Ungewissheit geprägten strafrechtlichen Bedrohung ausgesetzt sind, werden die Verantwortlichen weniger Risiken eingehen und hierdurch den unternehmerischen Erfolg spürbar beeinträchtigen. Außerdem müssen Führungskräfte täglich – häufig unter Zeitdruck – mögliche Chancen und Risiken gegeneinander abwägen. Sie treffen strategische Entscheidungen zu einem Zeitpunkt, zu dem sie nicht wissen und auch nicht wissen können, ob sich diese später als richtig oder falsch herausstellen werden. Schließlich sind Wagnisse aus dem Wirtschaftsleben nicht fortzudenken und daher grundsätzlich erlaubt567. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es daher wünschenswert, eine stärkere Befestigung des Sicherungsseils für das „Damoklesschwert“ über den Entscheidungsträgern zu schaffen. Auf diese Weise werden der Tendenz zur Kriminalisierung des Wirtschaftsrechts568 Grenzen gesetzt, Innovations- und Risikobereitschaft angeregt und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland gefördert.

C. Konsequenzen Die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie, erleichterte Reise- und Verkehrsmöglichkeiten in andere Staaten sowie die zunehmende Europäi565

Vgl. Kohlmann, Rn. 316 m.w. N. Prittwitz, S. 65 ff. 567 LK-Schünemann, § 266 StGB Rn. 95; Achenbach/Wannemacher-Seier, § 21 Rn. 260; vgl. Klug, FS Schmidt, 1961, S. 249 (260). 568 Vgl. zu dieser Problematik im Einzelnen Albrecht, KritV 1993, 163 (163 ff.). 566

C. Konsequenzen

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sierung und Internationalisierung haben zu einer Intensivierung der globalen Beziehungen auf unterschiedlichsten Ebenen geführt. Infolgedessen zählen Auslandskontakte und grenzüberschreitende Kooperationen zum Alltag des heutigen Wirtschaftslebens569. Daraus resultiert zugleich eine deutlich steigende Anzahl an Berührungspunkten mit fremden Staaten und deren, sich von der eigenen oftmals deutlich unterscheidenden Rechtsordnungen570. Der Prozess der zunehmenden globalen Verflechtung in Bereichen wie der Wirtschaft, Politik, Kultur, Umwelt und Kommunikation, der häufig unter dem Stichwort Globalisierung zusammengefasst wird, bietet insofern zahllose Chancen und Möglichkeiten, ist jedoch auch mit diversen Risiken verbunden. Häufig liegt die Ursache für Konflikte, die sich aus Globalisierungsprozessen prinzipiell ergeben, in der Unterschiedlichkeit der Geschwindigkeit und Intensität dieser Prozesse. Selbst wenn sich Globalisierungskritiker diesen Aspekt nicht in erster Linie auf ihre Fahnen schreiben mögen, so sind doch auch die Risiken, die aus divergierenden Rechtsordnungen resultieren, nicht zu unterschätzen. Ein Einfallstor für derartige Risiken innerhalb der deutschen Rechtsordnung stellt die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB dar. Durch diese Vorschrift wird der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts in Fällen mit Auslandsberührung erheblich ausgedehnt. Wie die Ausschnitte aus der Praxis der globalen Unternehmensleitung belegen, rufen gerade die grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen eine Fülle denkbarer Anwendungsfälle für § 9 Abs. 2 S. 2 StGB hervor571. Die Ursache dieser Problematik liegt erneut in der unterschiedlichen Geschwindigkeit und Intensität der Entwicklungsprozesse. Während sich der globale Austausch in wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Angelegenheiten mit rasender Geschwindigkeit fortentwickelt, gelingt es den beteiligten Rechtsordnungen nur schleppend, entsprechend adäquate rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die aktuellen Regelungen und traditionellen Grundsätze des deutschen Strafanwendungsrechts noch eine sinnvolle Lösung der dadurch aufgeworfenen Probleme und Fragestellungen ermöglichen572. In Ermangelung einer überzeugenden Legitimation bestehen insofern gegenüber den Konsequenzen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB erhebliche Bedenken, weil die Vorschrift zu weder rechtspolitisch erforderlichen noch – im Verhältnis zum Ausland – zu wünschenswerten Expansionen der deutschen Strafgewalt führen kann573.

569 570 571 572 573

Valerius, NStZ 2008, 121 (125); ähnlich bereits Vogler, FS Grützner, 1970, S. 149. Valerius, NStZ 2008, 121 (125). Vgl. Jung, JZ 1979, 325 (327). Valerius, NStZ 2008, 121 (125). NK-Lemke, 2. Aufl., § 9 Rn. 28.

114

3. Teil: Einfluss auf die Praxis globaler Unternehmensleitung

Aus rechtlicher und wirtschaftlicher Perspektive lässt sich übereinstimmend festhalten, dass ein dringendes Bedürfnis besteht, die Probleme und Unsicherheiten im Rahmen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zu erörtern und praktikablen Lösungen zuzuführen. Auch wenn die Probleme im Zusammenhang mit § 9 Abs. 2 S. 2 StGB bereits eine gewisse Tradition haben, sollte die Intensivierung der globalen Beziehungen als Anlass dafür genommen werden, die Balance zwischen dem Selbstschutz und der Solidarität der Staaten als den beiden zentralen Prinzipien des Internationalen Strafrechts wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken.

Vierter Teil

Einschränkungsmöglichkeiten Die dargestellten Probleme im Zusammenhang mit der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB haben immer wieder dazu veranlasst, Lösungsansätze zu entwickeln, um die beachtliche Ausdehnung der deutschen Strafgewalt einzudämmen. Auch kriminalpolitisch ist eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der Vorschrift vor dem Hintergrund der damit verbundenen Strafbarkeitsrisiken im Rahmen internationaler Wirtschaftsbeziehungen nicht nur vertretbar, sondern mehr als wünschenswert. Ansonsten droht das Verhältnis zwischen dem Selbstschutz und der Solidarität der Staaten aus dem Gleichgewicht zu geraten574.

A. Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB Im Rahmen der Diskussion um die Unzulänglichkeiten diverser Strafvorschriften ist häufig die Tendenz zu erkennen, die Verantwortung unmittelbar auf den Gesetzgeber zu verlagern und eine Reform der betreffenden Regelung zu verlangen. Ob ein auf die Reform des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB gerichtetes Bedürfnis tatsächlich besteht, gilt es im Folgenden zu ermitteln. Bevor zwingend auf die Erforderlichkeit eines Tätigwerdens des Gesetzgebers geschlossen werden kann, sind allerdings zunächst potentielle Ansätze für eine Restriktion des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB sowie weitere, an die aktuellen Rechtslage anknüpfende Einschränkungsmöglichkeiten zu analysieren. Nur wenn diese nicht geeignet sind, zur Lösung der aufgeworfenen Probleme in adäquater Weise beizutragen, ist der Gesetzgeber in die Pflicht zu nehmen.

I. Ansätze für eine Restriktion des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB Die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB lässt in ihrer aktuellen Fassung eine Reihe unterschiedlicher Restriktionsansätze zu, die es im Folgenden auf ihre Eignung zu prüfen gilt, die prekären Konsequenzen der Vorschrift zu vermeiden und die daraus resultierenden Strafbarkeitsrisiken zu reduzieren.

574

Jung, JZ 1979, 325 (331).

116

4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

1. Prozessuale Lösung über das Opportunitätsprinzip Selbst unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien zu § 9 Abs. 2 S. 2 StGB kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei der Reform des deutschen Strafanwendungsrechts eine derartige Ausdehnung der deutschen Strafgewalt beabsichtigt hat575. Immerhin deutet sich an, dass auch der Gesetzgeber bei der Schaffung der §§ 3 und 9 StGB den außerordentlich weiten Anwendungsbereich der Normen und damit zumindest die Möglichkeit der angesprochenen Konsequenzen erkannt und die inländische Teilnahme an einer ausländischen Haupttat deshalb in § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO576 dem Opportunitätsprinzip unterstellt hat577. a) Die korrigierende Wirkung des § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO § 153c StPO gewährt der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, aus Opportunitätsgründen von der Strafverfolgung bei Auslandstaten abzusehen und erweitert damit die sonstigen Einstellungsmöglichkeiten für Taten mit Auslandsberührung. Die Vorschrift fasst mehrere Fallgruppen unter dem systematischen Gesichtspunkt zusammen, dass die zu verfolgende Tat in irgendeiner Weise Auslandsbezug hat578. Dabei ist § 153c StPO seinerseits überhaupt nur anwendbar, soweit das deutsche Strafrecht für eine Tat gilt. Wann das der Fall ist, folgt wiederum aus den §§ 3 ff. StGB. Soweit hiernach eine Tat nicht nach deutschem Strafrecht zu beurteilen ist, ist das Verfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO einzustellen579. Die in § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 StPO getroffenen Regelungen für Auslandstaten stehen in enger Verbindung mit den materiell-rechtlichen Bestimmungen des deutschen Strafanwendungsrechts. Sie ermöglichen eine prozessuale Korrektur der verhältnismäßig weiten Ausdehnung der deutschen Strafgewalt und berücksichtigen das bei Auslandstaten häufig geringere Strafverfolgungsinteresse der Rechtsgemeinschaft. Darüber hinaus verfolgen die Regelungen auch justizökonomische Ziele, weil Taten mit Auslandsberührung nicht selten einen besonders hohen Aufklärungsaufwand erfordern580. Zusätzliches Motiv für die Berücksichtigung von Opportunitätserwägungen bei der Verfolgung von Aus575

Liebelt, S. 251. § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO lautet: „Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung von Straftaten absehen, 1. die außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen sind oder die ein Teilnehmer an einer außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes begangenen Handlung in diesem Bereich begangen hat, 2. [. . .]“ 577 Obermüller, S. 162; Krapp, S. 165. 578 Löwe-Rosenberg-Beulke, § 153c Rn. 1. 579 KMR-Plöd, § 153c Rn. 1. 580 Löwe-Rosenberg-Beulke, § 153c Rn. 2. 576

A. Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

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landsstraftaten ist traditionell das Bedürfnis, außerprozessuale, insbesondere staatspolitische Interessen der betroffenen Staaten beachten zu können581. Ausgehend vom räumlichen Geltungsbereich der StPO erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO grundsätzlich nur auf Taten, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland begangen worden sind. Dementsprechend erfasst der erste Halbsatz nur reine Auslandssachverhalte, bei denen kein nach § 9 StGB relevanter Tatort im Inland liegt582. Für diese Fälle knüpft das Gesetz das Absehen von der Strafverfolgung an keine weiteren Voraussetzungen, sondern stellt es allein in das pflichtgemäße Ermessen der Staatsanwaltschaft583. Obwohl § 9 Abs. 2 StGB für die Fälle der Teilnahme den Tatbegriff sehr weit ausdehnt, stellt es gleichwohl eine Inlandstat dar, wenn Anstiftung oder Beihilfe zu einer Auslandstat vom Inland her geleistet werden584. Folglich fände § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO darauf grundsätzlich keine Anwendung, da es sich dabei nicht um reine Auslandssachverhalte handelt. Um dennoch eine prozessuale Korrektur dieser weiten Auslegung zu ermöglichen, erstreckt der zweite Halbsatz des § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO die Nichtverfolgungsermächtigung ausdrücklich auch auf die Fälle des § 9 Abs. 2 StGB585. Damit sollen sich auf verfahrensrechtlichem Weg im Einzelfall auch unangemessene Härten, die aus der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB resultieren, über das Regulativ des § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO vermeiden lassen586. b) Stellungnahme Prozessualen Lösungsansätzen ist zunächst zuzugestehen, dass sie immerhin ein differenziertes Problembewusstsein auf Seiten des Gesetzgebers erkennen lassen587. Trotzdem darf dieser positive Eindruck nicht dazu verleiten, den Umstand außer Acht zu lassen, dass es sich dabei im Ergebnis um nichts anderes handelt als einen bloßen „prozessuale[n] Ausweg“ 588. Zu Recht verweist Jung darauf, dass sich das flexible Gestaltungsmittel der Einstellung als Regelungstechnik im581

Löwe-Rosenberg-Beulke, § 153c Rn. 2. KK-Schoreit, § 153c Rn. 4; Löwe-Rosenberg-Beulke, § 153c Rn. 10; KMR-Plöd, § 153c Rn. 5; vgl. Huwe, S. 210. 583 Huwe, S. 210. 584 KK-Schoreit, § 153c Rn. 5; KMR-Plöd, § 153c Rn. 5; Schafheutle, Satzungsniederschriften, S. 127. 585 Löwe-Rosenberg-Beulke, § 153c Rn. 11; KK-Schoreit, § 153c Rn. 5; KMR-Plöd, § 153c Rn. 5. 586 MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 41; LK-Gribbohm, 11. Aufl., § 9 Rn. 35. 587 Jung, JZ 1979, 325 (330). 588 Liebelt, S. 251; vgl. dazu ebenfalls Jescheck, Sitzungsniederschriften, S. 28; Jescheck, Strafrechtsreform, S. 543. 582

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

mer dann anbiete, wenn eine materielle Lösung den zur Beurteilung einer Frage erforderlichen Spielraum nicht gewährleisten könne oder aber eine klar umrissene materielle Lösung nicht zu erzielen sei589. Bezogen auf die immense Ausdehnung der deutschen Strafgewalt durch § 9 Abs. 2 S. 2 StGB bedeutet die prozessuale Lösung keinen wesentlichen materiell-rechtlichen Fortschritt. „Während die materiell-rechtliche Regelung [auch weiterhin] plakativ an der Spitze des StGB rangiert, sollen auf der prozessualen Ebene die erforderlichen Korrekturen des allzu weit gespannten Anwendungsbereichs vorgenommen werden“ 590. Dieser Lösungsansatz kann insofern aus dogmatischer Sicht nicht als befriedigend angesehen werden591. Statt einer Begrenzung der von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ausgehenden Strafbarkeitsrisiken, droht durch einen prozessualen Ansatz vielmehr eine zusätzliche Einbuße an Rechtssicherheit592. Die Entscheidung über die Strafwürdigkeit wird nämlich nicht einem unabhängigen Richter übertragen, sondern über § 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO in das Ermessen der Strafverfolgungsbehörde gestellt593. Für den Betroffenen ist damit eine erhebliche Unsicherheit verbunden, weil er nicht einzuschätzen vermag, ob sich die allein zuständige Staatsanwaltschaft im Einzelfall von Opportunitätserwägungen leiten lässt oder nicht594. Angesichts dieser Tatsache werden teilweise sogar verfassungsrechtliche Bedenken geäußert, die sich auf einen möglichen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG stützen595. Schließlich sollte die gesetzliche Regelung des räumlichen Geltungsbereichs der Anwendung der nationalen Strafgewalt klare Grenzen ziehen und nicht durch das Opportunitätsprinzip durchbrochen werden, dessen Auswirkungen nicht vollständig überblickt werden können und für dessen Ausübung das Gesetz keine präzisen Richtlinien formuliert596. Mithin ist festzuhalten, dass eine Lösung der materiell-rechtlichen Probleme, die sich bei der Distanzteilnahme stellen, durch eine bloße Ausdehnung des Opportunitätsprinzips nicht erzielt werden kann597. Auf diese Weise kann eben nicht 589

Jung, JZ 1979, 325 (330). Jung, JZ 1979, 325 (330), der insofern die aus seiner Sicht maßgeblichen generalpräventiven Erwägungen betont. 591 Im Ergebnis so auch bereits Liebelt, S. 251. 592 Obermüller, S. 162. 593 Krapp, S. 165. 594 Huwe, S. 207; Jung, JZ 1979, 325 (330). 595 Vgl. Obermüller, S. 162. 596 Vgl. die Kritik von Schultz, GA 1966, 193 (197), wonach ein Rückgriff auf das allgemeine Opportunitätsprinzip gegen das Gebot verstoße, dass die Regeln über den räumlichen Geltungsbereich als Zuständigkeitsregeln klar und einfach sein sollen; vgl. auch Krapp, S. 69. 597 SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 20. 590

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die gesetzgeberische Fehlleistung kompensiert werden, jemanden zu bestrafen, dessen materieller Unrechtsvorwurf (mangels strafbarer Haupttat im Ausland) auf tönernen Füßen steht598. Eine Korrektur dieser Rechtslage muss vielmehr unmittelbar am materiellen Recht ansetzen und darf sich nicht mit prozessualen Ablenkungsmanövern begnügen. 2. „Rudiment der limitierten Akzessorietät“ Nach § 9 Abs. 2 S. 2 StGB soll der Teilnehmer an einer Auslandstat, der im Inland gehandelt hat, selbst dann nach deutschem Strafrecht zur Verantwortung gezogen werden, wenn die Tat am Tatort nicht mit Strafe bedroht ist. Anders formuliert wird durch § 9 Abs. 2 S. 2 StGB die Geltung des deutschen Strafrechts für die inländische Teilnahme an einer straflosen Auslandstat unter der Voraussetzung angeordnet, dass die Haupttat nach Maßgabe des deutschen Strafrechts strafbar wäre. Damit steht die Strafbarkeit einer Distanzteilnahme trotz der Regelung in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB also auch weiterhin unter der Voraussetzung, dass die Haupttat nach inländischem Strafrecht eine vorsätzlich begangene rechtswidrige Tat im Sinne der §§ 26, 27 Abs. 1 StGB darstellt599. Damit reduziert die Regelung die ohnehin limitierte Akzessorietät zwischen Teilnahme und Haupttat „bis auf die rudimentäre Notwendigkeit einer (Auslands-) Tat, die sich einem deutschen Strafgesetz überhaupt subsumieren lässt“ 600, ohne dabei den Anspruch zu erheben, dass diese Tat dem deutschen Strafrecht unterliegt. Dadurch „ermöglicht § 9 Abs. 2 S. 2 StGB, dass die der inländischen Teilnahme zugrunde liegende Verhaltensnorm mit Blick auf die Haupttat [. . .] inhaltlich aufgeladen werden kann und damit überhaupt erst eine fassbare Kontur gewinnt“ 601. Weil der Geltungsanspruch der deutschen Strafgewalt damit immerhin von einer Auslandstat abhängt, die sich unter eine deutsche Strafnorm subsumieren lässt, könnte bereits in diesem „Rudiment der limitierten Akzessorietät“ 602 einschränkendes Potential zu suchen sein. Derartiges Potential ist diesem Aspekt allerdings nicht zu entnehmen, handelt es sich dabei doch weniger um ein Ergebnis der Auslegung als vielmehr um eine bloße Feststellung des Regelungscharakters des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB. Erfolg verspricht dieser Ansatz daher erst, wenn seine Implikationen unter dem Gesichtspunkt des erfassten Schutzbereichs untersucht werden603. 598

Obermüller, S. 162. Liebelt, S. 252. 600 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (398); vgl. Liebelt, S. 252; Brewe, S. 253. 601 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (399); vgl. Krapp, S. 39, mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts. 602 Vgl. zu dieser Formulierung Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (398 f.). 603 Siehe dazu sogleich unten 4. Teil, A. I. 3. 599

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

3. Limitierung des Schutzbereichs Einen ersten zählbaren materiellen Anhaltspunkt für die hier diskutierten Restriktionsbemühungen bieten daher die jeweiligen Schutzbereiche der Straftatbestände. Wie bereits bei den Überlegungen zur Stammzellforschung deutlich geworden ist, hat die Frage, ob eine konkrete Tat überhaupt vom Schutzbereich eines deutschen Straftatbestandes erfasst wird, logischen Vorrang vor der Frage nach der Reichweite der nationalen Strafgewalt604. Angesichts dieses Stufenverhältnisses ist zu prüfen, inwieweit derartige Überlegungen auf einer ersten Ebene dazu beitragen können, den weiten Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB einzugrenzen. a) Der Schutzbereich eines Straftatbestandes als Vorfrage der Anwendung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB Auf den ersten Blick scheint die Strafbarkeit der Inlandsteilnahme an einer ausländischen Haupttat gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nur an zwei Bedingungen geknüpft zu sein: Zum Einen wird ein im Ausland ausgeführtes Verhalten vorausgesetzt, das im Inland nach deutschem Recht verboten wäre. Zum Anderen muss vom Inland aus an der Auslandstat teilgenommen werden, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Haupttat auch nach dem Recht des Tatorts mit Strafe bedroht ist605. Indem man dies verkürzend als „strafbare Inlandsteilnahme an strafloser Auslandstat“ bezeichnet, kann leicht der weit verbreitete Eindruck entstehen, dass es hinsichtlich der inländischen Teilnahme auf die Tatbegehung im Ausland gar nicht ankomme und man gleich so tun könne, als sei die Haupttat im Inland begangen worden606. Führt man diesen Gedanken konsequent fort, hätte das zur Folge, dass der Inlandsteilnehmer nach den gleichen Regeln strafbar wäre, wie im Falle eines ausschließlich im Inland stattfindenden Geschehens. Dieser Eindruck darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwar die Inlandstat auch einen inländischen Tatort für die Teilnahme im Ausland begründet (vgl. § 9 Abs. 2 S. 1 StGB), nicht aber umgekehrt die Inlandsteilnahme einen inländischen Tatort für die ausländische Haupttat, um die es in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB geht607. Insofern ist zu vermeiden, die Auslandstat gewissermaßen in der Weise ins Inland „herüberzuziehen“, als sei sie hier begangen worden und begründe daher einen inländischen Tatort608. 604 605 606 607 608

Siehe oben 3. Teil, A. I. 3. b) bb) (2). Eser/Koch, S. 140. Eser/Koch, S. 140. Gribbohm, JR 1998, 177 (178). Eser/Koch, S. 142.

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Wie bereits von Horst Schröder ausgeführt wurde, ist aus der Unbeachtlichkeit des ausländischen Tatortrechts nicht voreilig zu schließen, dass die ausländische Haupttat schlechthin mit der inländischen gleichzusetzen sei609, sondern es ist selbst bei der Bewertung der Auslandstat nach deutschem Recht weiterhin zu berücksichtigen, dass sie im Ausland stattgefunden hat. Deshalb hängt die Bewertung der Haupttat nach deutschem Recht auch davon ab, ob und inwieweit die Haupttat – unter Berücksichtigung ihrer Begehung im Ausland – nach deutschem Recht eine „wirkliche Interessenverletzung“ 610 darstellt611. Das ist jedoch letztlich nichts anderes als die Frage nach dem Schutzbereich des infrage stehenden Straftatbestandes612. Dieser kann im Hinblick auf In- und Auslandstaten durchaus unterschiedlich ausgestaltet sein. Nur wenn der Schutzbereich des betreffenden Straftatbestandes grundsätzlich auch im Ausland begangene Haupttaten erfassen will, kann eine inländische Teilnahme daran überhaupt strafbar sein. Beschränkt sich dagegen der deutsche Straftatbestand auf den Schutz von Inlandsinteressen, so kann bei Tatbegehung im Ausland eine inländische Teilnahme daran jedenfalls nicht aufgrund von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB strafbar sein613. Im Kern geht es also um die Frage, ob das betreffende Verhalten in einem solchen Maße deutsche Interessen berührt, dass es gerechtfertigt oder sogar notwendig erscheint, es am inländischen Rechtsgüterschutz partizipieren zu lassen614. aa) Differenzierung nach Rechtsgütern Bei der Bestimmung des Schutzbereichs eines Straftatbestandes kommt dem geschützten Rechtsgut maßgebliche Bedeutung zu615. Deshalb muss im Wege der Auslegung des konkreten deutschen Straftatbestandes ermittelt werden, ob das von diesem geschützte Rechtsgut auch ausländische Interessen erfasst616. Abstrakt formuliert ist also zu prüfen, ob der grenzüberschreitende Sachverhalt auch inhaltlich von der Reichweite des deutschen Tatbestandes erfasst ist617. Vor dem Hintergrund des Territorialitätsprinzips wird im Hinblick auf die Berücksichtigung ausländischer Tatobjekte im Rahmen des inländischen Rechts609

Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (96 ff., 100). Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (102). 611 Brewe, S. 254. 612 Eser/Koch, S. 143. 613 LK-Gribbohm, 11. Aufl., § 9 Rn. 31; SK-Hoyer, § 9 Rn. 13; Jung, JZ 1979, 325 (330); Krapp, S. 76. 614 Ambos, § 1 Rn. 31. 615 Brewe, S. 254. 616 Ambos, § 1 Rn. 31; Hecker, § 2 Rn. 5; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 272; Lüttger, FS Jescheck, 1. Hb., 1985, S. 121 ff. 617 Satzger, § 6 Rn. 1. 610

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

güterschutzes zwischen sogenannten „inländischen“ und „ausländischen“ Rechtsgütern unterschieden618. Inländische Rechtsgüter werden generell, ohne Rücksicht auf den Tatort oder die Nationalität des Rechtsgutsinhabers vom betreffenden Straftatbestand geschützt. Ausländische Rechtsgüter, d. h. ein Rechtsgut, dessen Träger ein Ausländer oder ein ausländischer Staat ist619, werden demgegenüber im Regelfall schon tatbestandlich nicht erfasst, sodass ihr Schutz vorrangig dem Ausland überlassen bleibt620. Sofern das Gesetz darüber hinaus auch noch „international geschützte Rechtsgüter“ erwähnt (vgl. § 6 StGB), ist diese Kategorie für die Frage der Tatbestandsmäßigkeit der Tat ohne Bedeutung. Dieses Etikett dient lediglich als Sammelbezeichnung für die nach dem Weltrechtsprinzip dem deutschen Strafrecht unterworfenen (in- oder ausländischen) Rechtsgüter621. Ein ähnlich überstaatlicher Charakter zeichnet sogenannte „supranationale Rechtsgüter“ aus, die insbesondere im Zuge der Europäisierung an Bedeutung gewinnen. Im Unterschied zu den „internationalen Rechtsgütern“ sind die „supranationalen Rechtsgüter“ jedoch regional beschränkt und setzen in der Regel eine gemeinschaftsrechtliche (wie etwa durch die EU) oder jedenfalls eine supranational abgestimmte Gesetzgebung verschiedener Vertragsstaaten voraus622. Zwar mag die Unterscheidung von in- und ausländischen Rechtsgütern insofern terminologisch nicht frei von Missverständlichkeiten sein. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die für die Tatbestandsauslegung maßgebliche Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Rechtsgütern im Grunde für das gesamte Strafrecht gilt623. (1) Inländische Rechtsgüter Inländische Rechtsgüter in dem Sinne, dass sie grundsätzlich durch den einschlägigen deutschen Straftatbestand geschützt werden, sind alle Individualrechtsgüter ohne Rücksicht auf die Nationalität des Rechtsgutsinhabers oder die Belegenheit des Rechtsguts624. Erfasst sind also die Verletzung von Leben, körperlicher Unversehrtheit, Freiheit, Privatsphäre, Eigentum, Vermögen und Ehre, unabhängig davon, ob es sich beim Rechtsgutsträger um einen Inländer oder ei618 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 274; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 32 ff.; MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 81 ff.; SK-Hoyer, Vor § 3 Rn. 32 ff. 619 MüKo/StGB-Ambos, Vor §§ 3–7 Rn. 81; Lüttger, FS Jescheck, 1. Hb., 1985, S. 121; Obermüller, S. 44 u. 47. 620 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 32; Brewe, S. 254. 621 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 32; NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 28. 622 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 32; NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 28. 623 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 32. 624 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 33; vgl. Krapp, S. 80.

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nen Ausländer handelt625. Ohne Bedeutung ist hier, an welchem in- oder ausländischen Ort sich die betroffene Sache befindet. Danach ist auch der Betrug zum Nachteil ausländischen Staatsvermögens grundsätzlich tatbestandsmäßig626. Die Gleichstellung von Inländer und Ausländer ist, wenn es sich um den Schutz ihrer Individualrechtsgüter handelt, ein anerkannter Grundsatz des „minimum standard of justice“, der als Ausfluss des völkerrechtlichen Fremdenrechts jeden Staat bindet627. Das bedeutet jedoch nicht, dass einschlägige Straftaten schon deshalb und unabhängig vom Tatort der Strafgewalt eines jeden Staates unterlägen oder dass sie schon dadurch zu internationalen Straftaten würden628. Die Unterscheidung von in- und ausländischen Rechtsgütern bereitet jedoch Schwierigkeiten, wenn zwar ein ausländisches Rechtsgut vorliegt, es aber nicht als Ergebnis fremder Hoheitsgewalt anzusehen ist, sondern den Charakter eines Individualrechtsguts hat. Problematisch gestaltet sich die Anwendungsfrage zudem bei Strafnormen für die Steuer- und Zollhinterziehung, die an sich nur inländische fiskalische Interessen schützen und deshalb auf die Hinterziehung ausländischer Steuern nicht anwendbar sind, während der deutsche Gesetzgeber gleichwohl auch ausländische Interessen mit geschützt hat (vgl. § 370 Abs. 6 AO für die Eingangsabgaben, die von einem anderen EG-Staat verwaltet werden)629. Tatbestände, die ausschließlich inländische Rechtsgüter schützen, ohne zugleich dem Schutz von Individualrechtsgütern zu dienen (sogenannte inländische Kollektivrechtsgüter) sind ebenfalls als inländische Rechtsgüter zu qualifizieren630. Dazu zählen etwa die Staatsschutzdelikte, Steuer- und Zollstraftatbestände, Strafnormen nach dem Urheberrecht sowie Tatbestände mit inländischer verwaltungsrechtlicher Akzessorietät, z. B. mit Abhängigkeit von einer inländischen Genehmigung, Bewilligung oder Erlaubnis oder von anderen verwaltungsrechtlichen Pflichten631. (2) Ausländische Rechtsgüter Als ausländische Rechtsgüter, die schon tatbestandlich außerhalb des Schutzbereiches des deutschen Strafrechts liegen, gelten die staatlichen Interessen aus625

NK-Böse, Vor § 3 Rn. 56; Wabnitz/Janovsky-Möhrenschlager, 3. Kap. Rn. 3. Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 33. 627 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 276; Jescheck/Weigend, AT, S. 176; Obermüller, S. 50 ff.; Wabnitz/Janovsky-Möhrenschlager, 3. Kap. Rn. 3. 628 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 276. 629 Vgl. zu den Abgrenzungsschwierigkeiten NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 29 m.w. N. 630 NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 30. 631 NK-Lemke, 2. Aufl., Vor §§ 3–7 Rn. 30. 626

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

ländischer Hoheitsträger632. Angriffe gegen einen fremden Staat, soweit es dabei um seine innere Ordnung, seine Verwaltungs- und Fiskalinteressen oder sonst um seine hoheitlichen Aufgaben geht, werden von der deutschen Strafrechtsordnung folglich nicht erfasst633. Diese Konsequenz erklärt sich klassischerweise dadurch, dass die deutsche Staatsgewalt nicht dazu berufen ist, ausländische Staatseinrichtungen und deren Belange zu schützen634. Etwas anderes gilt, wenn es der Gesetzgeber für erforderlich hält, den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts aus besonderen Gründen ausdrücklich auf ausländische staatliche Interessen oder internationale Institutionen auszudehnen, indem er einen an sich nicht anwendbaren Straftatbestand entsprechend erweitert. Es ist weder völkerrechtlich noch staatsrechtlich untersagt, ausländische Rechtsgüter in den Schutzbereich des inländischen Rechts einzubeziehen635. Dies kann im StGB oder außerhalb durch ein ergänzendes Gesetz geschehen. In einem solchen Fall ist es nicht Sache des Richters, die Anwendung eines Straftatbestandes entgegen dessen Wortlaut im Rahmen des Territorialitätsprinzips teleologisch zu reduzieren636. Von der Möglichkeit, deutsche Straftatbestände durch eine ausdrückliche Ergänzung auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter auszudehnen, hat der deutsche Gesetzgeber gerade im Bereich der Wirtschaftsdelikte an zahlreichen Stellen Gebrauch gemacht. Eines der bekanntesten und ältesten Beispiele ist die ausdrückliche Einbeziehung ausländischen Geldes, ausländischer Wertpapiere und – seit 1975 – generell auch ausländischer Wertzeichen in den Schutzbereich der Strafvorschriften gegen Geldfälschung (§§ 146 ff. StGB) durch § 152 StGB637. Ein weiteres Beispiel im wirtschaftsstrafrechtlichen Kontext ist der Tatbestand des Subventionsbetruges (§ 264 StGB). In der durch das Erste Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (1. WiKG) vom 29. Juli 1976638 eingeführten Strafvorschrift hatte der Gesetzgeber eine erste „Europäisierung“ dadurch erreicht, dass nach § 264 Abs. 6 StGB a. F. in den Subventionsbegriff auch eine „Leistung aus öffentlichen Mitteln nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften“ einbezogen wurde639. Außerdem statuierte der Gesetzgeber in § 6 Nr. 8 StGB, dass § 264 StGB auch für Auslandstaten von In- und Ausländern 632

Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 34. BGHSt 29, 89 (89); NK-Lemke, Vor §§ 3–7 Rn. 31; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 34; vgl. Krapp, S. 76 ff. 634 Satzger, § 6 Rn. 1; NK-Lemke, Vor §§ 3–7 Rn. 31; LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 277. 635 Nowakowski, JZ 1971, 633 (634) m.w. N.; Beling, S. 67. 636 LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 278. 637 Wabnitz/Janovsky-Möhrenschlager, 3. Kap. Rn. 12 m.w. N. 638 BGBl. I, S. 2034. 639 Wabnitz/Janovsky-Möhrenschlager, 3. Kap. Rn. 13. 633

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unabhängig vom Recht des Tatorts gelten sollte. Mittlerweile ist § 264 StGB auf der Grundlage eines neuen EU-Rechtsinstruments noch weiter ausgedehnt worden. In Umsetzung des Übereinkommens aufgrund von Artikel K.3 des Vertrages über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vom 26. Juli 1995640 umfasst nunmehr aufgrund des EG-Finanzschutzgesetzes vom 10. September 1998641 der Begriff „Subvention“ jede „Leistung aus öffentlichen Mitteln nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird“ (§ 264 Abs. 7 Nr. 2 StGB)642. Eine ausdrückliche Erweiterung ordnet der Gesetzgeber auch für den Straftatbestand der Steuerhinterziehung in § 370 AO an, der sich auf Steuern, einschließlich Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne von § 3 AO, § 1 Abs. 1 ZollVG sowie des Zollkodex, und damit auch auf die Hinterziehung von Zöllen bezieht643. Ein jüngeres Beispiel findet sich im Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG), das zum Schutze von Anlegern vor allem verbotene Insidergeschäfte bekämpfen will. Auch wenn sich die Verbotsregelungen in § 38 Abs. 1 WpHG auf Handlungen im Inland beziehen, wird ein räumlich darüber hinaus gehender Schutz dadurch erreicht, dass für die Anwendung dieser Strafvorschrift ein entsprechendes ausländisches Verbot einem Verbot im Sinne von § 14 WpHG gleichgestellt wird (§ 38 Abs. 5 WpHG). Verstößt beispielsweise ein Deutscher in Frankreich vorsätzlich gegen ein dem deutschen Recht entsprechendes französisches Insiderverbot, was insbesondere im Anwendungsbereich der einschlägigen EG-Richtlinie der Fall sein kann, so kann der Täter nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden644. Ein ähnliches Beispiel liefert schließlich auch § 299 Abs. 3 StGB, wonach der Tatbestand der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr auch den ausländischen Markt schützt645. Damit wird die Möglichkeit eröffnet, die deutsche Strafgewalt über § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auch auf die inländische Teilnahme an einer im Ausland erfolgenden und dort nicht unter Strafe stehenden Zahlung von Bestechungsgeldern zu erstrecken646.

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Vgl. zum Inhalt Hecker, § 14 Rn. 24 ff. BGBl. II, S. 2322 (Begründung im RegE, BT-Drucks. 13/4025). 642 Wabnitz/Janovsky-Möhrenschlager, 3. Kap. Rn. 22. 643 Wabnitz/Janovsky-Möhrenschlager, 3. Kap. Rn. 14. 644 Wabnitz/Janovsky-Möhrenschlager, 3. Kap. Rn. 16. 645 Schönke/Schröder-Heine, § 299 Rn. 29a; NK-Dannecker, § 299 Rn. 74; vgl. Spatscheck/Fraedrich, AG 2004, 282 (283). 646 Siehe zu diesem Beispiel oben 3. Teil, A. I. 1. 641

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bb) Konsequenz Nach diesen allgemeinen Grundsätzen sind auf Auslandstaten mithin nur solche Straftatbestände anzuwenden, die zumindest auch dem Schutz von Individualrechtsgütern zu dienen bestimmt sind oder die explizit eine derartige Reichweite vorsehen. Zwar fordert § 9 Abs. 2 S. 2 StGB, dass die Haupttat so zu beurteilen ist, als gälte für sie deutsches Strafrecht, doch braucht sie eben nicht so behandelt zu werden, als sei der Schutzbereich eines deutschen Straftatbestandes berührt647. Die Vorschrift gebietet also nicht etwa, die Haupttat so zu behandeln, als sei sie zu Lasten inländischer Rechtsgüter begangen worden648. Aus diesem Grund bleibt es auch für die Distanzteilnahme bei dem Grundsatz, dass sich ein Ausschluss des deutschen Strafrechts bei Auslandstaten bereits daraus ergeben kann, dass sich der Schutzbereich eines deutschen Straftatbestandes von vornherein auf das Inland beschränkt649. Nur wenn das Geschehen im Ausland als Haupttat von einem deutschen Straftatbestand erfasst wird, kommt die Anwendung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB folglich überhaupt in Betracht650. b) Stellungnahme Die Diskussion über die Reichweite einer bestimmten strafrechtlichen Vorschrift scheint untrennbar mit der Frage nach dem strafrechtlichen Schutzbereich verknüpft. Sobald Versuche unternommen werden, dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts dadurch Rechnung zu tragen, dass sein Anwendungsbereich angemessen eingeschränkt wird, werden Begriffe wie Schutzbereich oder Schutzzweck der Norm bemüht. Steht etwa zur Diskussion, ob ein sozialschädlicher Erfolg dem Täter unter Berücksichtigung des menschlichen Leistungsvermögens als sein Werk zugerechnet werden darf, wird u. a. auf den Schutzzweck der Norm abgestellt. Nur wenn der Täter eine gerade dem Schutz des betreffenden Rechtsguts dienende Verhaltensnorm überschreitet, kann überhaupt von einer rechtlich relevanten Gefahrschaffung gesprochen werden651. Vor dem Hintergrund der allgemeinen restriktiven Qualitäten dieses Kriteriums stellt der Versuch, auch den Ausdehnungstendenzen des deutschen Strafanwendungsrechts durch Schutzbereichserwägungen zu begegnen, ein probates Mittel dar. Immerhin gelingt es auf diese Weise, der deutschen Strafgewalt im Hinblick auf Taten mit Auslandsberührung gewisse Grenzen zu setzen und Einschrän647 648 649 650 651

Siehe oben 2. Teil, D. I. 6. SK-Hoyer, § 9 Rn. 13; Mansdörfer, HRRS 2009, 252 (255). Vgl. LK-Werle/Jeßberger, Vor § 3 Rn. 271; Breuer, MMR 1998, 141 (142). Vgl. Brewe, S. 254 m.w. N. Wessels/Beulke, Rn. 182.

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kungspotential zu generieren. Durch die Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Rechtsgütern werden Orientierungspunkte geschaffen, anhand derer diverse Sachverhalte aus dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts ausgeschieden werden können. Allerdings handelt es sich bei einem Einschränkungsversuch, der seinen Ausgangspunkt im Schutzbereich einer bestimmten Norm sucht, lediglich um einen Gedanken, der dem Strafrecht als solchem bereits immanent ist. Die Reichweite des Schutzbereichs ist keine Frage des Internationalen Strafrechts, sondern vielmehr eine Frage der Auslegung der einzelnen Tatbestände652. Das von der Ausgestaltung des Schutzbereichs abhängige Einschränkungspotential kann folgerichtig nicht durch die Auslegung und Interpretation des Strafanwendungsrechts beeinflusst oder sogar gesteuert werden, sondern ist bereits im Tatbestand jeder Strafvorschrift angelegt und kann daher höchstens zur Begrenzung des Anwendungsbereichs aktiviert werden. Dementsprechend gelingt es diesem Ansatz auch nur punktuell, die von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ausgehenden Strafbarkeitsrisiken zu reduzieren. Eine prinzipielle Lösung der Problematik kann von diesem Ansatz daher nicht erwartet werden. Insofern ist bereits der Ausgangspunkt dieser Art von restriktiven Bemühungen zweifelhaft. Schutzbereichsüberlegungen setzen zwangsläufig bei einer konkreten Vorschrift an. Damit gehen sie von einem speziellen Fall aus und können nur in einem sehr engen Rahmen – sozusagen im Bereich eines kleinsten gemeinsamen Nenners – zu einem prinzipiellen Ansatz verallgemeinert werden. Dadurch fällt es schwer, daraus auf abstrakter Ebene einen tragfähigen Lösungsansatz für die Probleme im Zusammenhang mit der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB abzuleiten. Deutlich werden diese Schwierigkeiten insbesondere, wenn man die auf Schutzbereichserwägungen basierenden Restriktionsversuche auf ihre Anwendungstauglichkeit für den im Rahmen globaler Unternehmensleitung bedeutsamen Bereich des Wirtschaftsstrafrechts überprüft. Eine Vielzahl der im Rahmen internationaler Wirtschaftsbeziehungen relevanten und primär mit Wirtschaftskriminalität assoziierten Strafvorschriften – wie etwa § 263 und § 266 StGB – dienen (ausschließlich) dem Schutz des Vermögens653. Geschützt werden also vorwiegend Individualrechtsgüter, die als inländische Rechtsgüter ohnehin grundsätzlich ohne Rücksicht auf den Tatort oder die Nationalität des Rechtsgutsinhabers durch den jeweiligen deutschen Straftatbestand geschützt werden. Außerdem sieht eine Vielzahl von Wirtschaftsstraftatbeständen wie bereits dargelegt eine Ausdehnung auf den Schutz ausländischer Rechtsgüter ausdrücklich vor.

652 653

Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (104). Vgl. NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 10 m.w. N., § 266 Rn. 1 m.w. N.

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

Da sich diese Strafvorschriften eben nicht auf den Schutz von Inlandsinteressen beschränken, sondern vielmehr auch im Ausland begangene Haupttaten erfassen, kann über den jeweiligen Schutzbereich keine nennenswerte Restriktion erzielt werden, sodass die von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ausgehenden Strafbarkeitsrisiken ebenfalls fortbestehen. 4. Bereichsweise Ausnahme von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB Sobald ein Gesetz oder eine bestimmte Norm einen exzessiven Geltungsanspruch erhebt und nicht unmittelbar eine einschränkende Auslegung nahelegt, wird häufig der Ausweg über die Formulierung eines detaillierten Ausnahmekatalogs gewählt. Wie die Diskussion im Zusammenhang mit der Teilnahme an internationalen Forschungskooperationen gezeigt hat, ist auch in Bezug auf § 9 Abs. 2 S. 2 StGB eine bereichsweise Ausnahme der Vorschrift denkbar654. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB wäre dann im Rahmen einer bestimmten Regelungsmaterie, für die eine entsprechende Ausnahme ausdrücklich angeordnet wird, nicht anwendbar. Gerade für die Verantwortungsträger global operierender Wirtschaftskonzerne könnte dieses Modell von Interesse sein, da § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ein Einfallstor für eine Vielzahl ungeahnter Strafbarkeitsrisiken im Rahmen grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen darstellt655. Allerdings handelt es sich bei den Spannungen im Zusammenhang mit § 9 Abs. 2 S. 2 StGB um ein allgemeines Problem des deutschen Strafanwendungsrechts, das nicht in angemessener Form durch eine sondergesetzliche Bereichsausnahme gelöst werden kann. Dadurch würde die eigentliche Problematik der Vorschrift lediglich verlagert und teilweise umgangen. Systematisch sinnvoller und für die Praxis der globalen Unternehmensleitung wesentlich dringender ist dagegen eine Lösung, die unmittelbar an der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB und damit den Wurzeln des eigentlichen Problems ansetzt. 5. Maßgeblichkeit ausländischer Rechtssätze Eine andere Möglichkeit, die durch § 9 Abs. 2 S. 2 StGB begünstigten expansiven Tendenzen der deutschen Strafgewalt einzudämmen, besteht darin, im Rahmen der Anwendung des deutschen Strafrechts die Wertungen ausländischer Rechtssätze anzuerkennen. Ebenso wie die ausgeführten Erwägungen zum Schutzbereich einer Norm ist auch der Aspekt der Berücksichtigung von auslän654 Siehe zur Diskussion um die bereichsweise Rücknahme des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB im Rahmen des StZG bereits oben 3. Teil, A. I. 3. b) bb) (1). 655 Siehe zu den von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ausgehenden Strafbarkeitsrisiken für die Praxis der globalen Unternehmensleitung bereits oben 3. Teil, A.

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dischem Recht der Anwendung der §§ 3 ff. StGB prinzipiell vorgelagert und stellt sich insbesondere bei zivil- oder verwaltungsrechtlichen Inzidentfragen656. a) Akzeptanz ausländischer außerstrafrechtlicher Vorfeldnormen Die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens hängt häufig nicht allein von den Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Sanktionsnorm ab. Daneben verweist das Strafrecht vielfach auf weitere außerstrafrechtliche „Vorfeldnormen“ 657, die den Straftatbestand ausfüllen. Speziell für die Gesetzes- und Verordnungstatbestände des Wirtschaftsstrafrechts sind Blankettstrafgesetze und Verweisungen kennzeichnend658. aa) Verhältnis zwischen strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Normen Erfasst der Schutzbereich einer deutschen Strafvorschrift auch ausländische Rechtsgüter659, resultiert aus dieser Feststellung stets die Frage, ob und inwieweit das ausländische Recht bei der Rechtsfindung mit heranzuziehen ist660. Zwar ist die ausländische Haupttat im Hinblick auf die Inlandsteilnahme gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 StGB so zu beurteilen, als gälte für sie das deutsche Strafrecht. Das heißt allerdings nur, dass das ausländische Strafrecht auf die Haupttat nicht angewendet werden soll. Es bedeutet dagegen nicht, dass das gesamte ausländische Recht auf die Haupttat nicht angewendet werden soll661. Soweit die Strafbarkeit von Rechtssätzen abhängt, die nicht strafrechtlicher Natur sind, ist daher der Geltungsbereich dieser Vorschriften maßgeblich662. Deswegen sind die Tatbestandselemente der deutschen Strafvorschriften, die auf außerstrafrechtliche Vorschriften verweisen, durch das Tatortrecht auszufüllen und anhand dessen Maßstäben auszulegen. Ob sich die ausländische Haupttat auf eine fremde Sache bezieht, ist also trotz der Regelung in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auch mit Wirkung für und gegen den Teilnehmer weiterhin nach den ausländischen Vorschriften über den Erwerb von Eigentum zu beantworten663. 656

Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 41. Vgl. zu diesem Begriff Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (400). 658 Vgl. zur Tatbestandslehre im Wirtschaftsstrafrecht Tiedemann, Wistra AT, Rn. 99 ff. 659 Diese Frage wurde bereits oben, 4. Teil, A. I. 3. eingehend erörtert. 660 Nowakowski, JZ 1971, 633 (634); vgl. zur Fremdrechtsanwendung im Strafrecht im Einzelnen Cornils, S. 1 ff. 661 SK-Hoyer, § 9 Rn. 12; NK-Böse, § 9 Rn. 22; Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (400). 662 Nowakowski, JZ 1971, 633 (637). 663 SK-Hoyer, § 9 Rn. 12; vgl. OLG Schleswig NJW 1989, 3105 (3105); im Ergebnis so auch Jescheck/Weigend, AT, S. 164 und Jakobs, 5. Abschnitt Rn. 22. 657

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

Ebenso wird nicht nach den einschlägigen deutschen Vorschriften, sondern nach den jeweiligen Regeln des ausländischen Rechts beurteilt, ob bei einem Eingehungsbetrug ein Vermögensschaden für den Vertragspartner entstanden ist, ein Pfandrecht erworben wurde oder die Buchführungspflicht verletzt ist664. Für die privatrechtlichen Wirkungen von Rechtsgeschäften hatte dies bereits das Reichsgericht festgestellt665. Dasselbe gilt für sonstige normative Unrechtsmerkmale666, wie etwa für die Frage, nach welchem Recht sich die Einhaltung des erlaubten Risikos beurteilt oder ob die erforderliche Genehmigung für eine Umweltverunreinigung vorliegt. Betroffen ist also nicht nur privates, sondern auch öffentliches Recht667. Auch die Subjektqualität im Sinne eines Sonderdelikts, wie z. B. die Vertretungsmacht im Sinne des Missbrauchstatbestandes des § 266 StGB, kann vom Tatortrecht abhängen. Eines der wahrscheinlich umfassendsten Beispiele ist die Garantenstellung bei der Begehung durch Unterlassen. Darin treffen eine Vielzahl von Verpflichtungsmöglichkeiten zusammen, die alle nach dem Recht des ausländischen Tatortes zu beurteilen sind668. Die im Vorfeld der ausländischen Sanktionsnorm angesiedelten Rechtsvorschriften bleibt damit trotz § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auch für den Teilnehmer maßgeblich669. Die Berücksichtigung ausländischer Vorfeldnormen ist allerdings nicht uneingeschränkt zulässig, wie das Beispiel der inländischen Teilnahme an einer ausländischen Vollstreckung der nach dortigem Recht rechtmäßig verhängten Todesstrafe demonstriert (etwa durch wahrheitsgemäße Anzeige oder Zeugenaussage)670. Zwar muss die ausländische Tötungsgenehmigung auch vom inländischen Strafrecht als rechtsgültig akzeptiert werden, soweit die nach Auslandsrecht bestehenden Voraussetzungen für die Todesstrafe gemessen an rechtsstaatlichen Maßstäben nicht extrem unzureichend erscheinen671. Zumindest in Fällen,

664

Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 41 m.w. N. In RGSt 27, 135 (136 f.) hat das Reichsgericht ausgeführt: „Die privatrechtlichen Wirkungen eines im Ausland abgeschlossenen Rechtsgeschäftes, insbesondere eines Vertrages, sind nach dem dort geltenden Zivilrechte zu beurteilen, und diese Beurteilung ist auch maßgebend für die Anwendung des deutschen Strafgesetzbuches, soweit dieselbe überhaupt von der Entscheidung einer privatrechtlichen Vorfrage abhängig ist“. 666 Vgl. Kühl, § 5 Rn. 92, wonach sich normative Tatumstände von den sogenannten deskriptiven Tatumständen dadurch unterscheiden, dass sie nicht nur tatsächlicher, beschreibender Art sind, sondern – wie die Fremdheit von der Eigentumsregelung des BGB – von rechtlichen Normen abhängen; vgl. dazu auch Roxin, AT I, § 10 Rn. 10 ff.; Wessels/Beulke, Rn. 132. 667 Nowakowski, JZ 1971, 633 (633). 668 Nowakowski, JZ 1971, 633 (634). 669 SK-Hoyer, § 9 Rn. 12. 670 Vgl. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (400 f.). 671 SK-Hoyer, § 9 Rn. 12. 665

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in denen diese Voraussetzungen hingegen nicht erfüllt sind, wird man die entsprechenden Vorfeldnormen jedoch nicht akzeptieren können672. Eine erste Einordnung dieses Wechselspiels nahm Nowakowski vor, indem er eine Verknüpfung zum Internationalen Privatrecht herstellte und postulierte: „In diesem Zusammenhang kommt wohl schlechthin die Schranke des ordre public zum Tragen“ 673. Miller und Rackow führen diesen Gedanken fort und erkennen in der Heranziehung des negativen ordre public674, wie er in Art. 6 EGBGB geregelt ist, eine brauchbare Richtschnur, anhand derer sich die Tragfähigkeit der Anerkennung der grundsätzlichen Maßgeblichkeit der ausländischen Vorfeldnormen bewerten lasse. Dementsprechend sollten bei der Anwendung des deutschen Strafrechts auf eine ausländische Tat im Rahmen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB die ausländischen Vorfeldnormen soweit gelten, wie sie nicht zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre675. bb) Exkurs: Auswirkungen auf die Fallgruppe divergierender Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften Im Rahmen der Erörterung des Einflusses von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf die Praxis der globalen Unternehmensleitung wurde beispielhaft auf die Risiken hingewiesen, die von international divergierenden Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften für inländische Geschäftsführungsorgane ausgehen können676. Unter Berücksichtigung des Ansatzes, das im Vorfeld einer ausländischen Strafvorschrift angesiedelte Auslandsrecht bei der Beurteilung nach deutschem Strafrecht anzuwenden, stellt sich dieser Aspekt in einem völlig neuen Licht dar. Die in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB normierte Anordnung der Geltung deutschen Strafrechts für die Teilnahme bedeutet eben nicht, dass sämtliche ausländischen Vorfeldnormen ausgeklammert werden677. Gerade diese Folgerung birgt die Möglichkeit, die genannten Risiken für den inländischen Teilnehmer abzufedern. Da es sich bei den insofern relevanten Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften um außerstrafrechtliche Rechtssätze handelt, ist nach dem hier untersuchten Ansatz der Geltungsbereich der ausländischen Vorschriften maßgeblich. Folgerichtig 672

Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (401); vgl. Krapp, S. 155 f. Nowakowski, JZ 1971, 633 (636); vgl. auch Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (401). 674 Vgl. zu den Begriffen „positiver“ und „negativer“ ordre public Kegel/Schurig, IPR, S. 516 ff.; Kropholler, IPR, S. 244 f. 675 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (401) m.w. N.; vgl. zur Beachtlichkeit der Grundsätze des „ordre public“ auch Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 41 u. 74. 676 Siehe oben 3. Teil, A. II. 3. 677 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (400). 673

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

beurteilt sich das, was der gebotenen Sorgfalt in einer konkreten Lebenssituation entspricht, auch nicht nach deutschen Sicherheitsstandards, sondern nach den Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften des Tatortrechts678. Ansonsten käme es zu der irritierenden und fragwürdigen Konstellation, Inländer im Ausland für Tätigkeiten, die (abgesehen vom Sitz der Unternehmensleitung) keine Inlandsbeziehung haben, an inländische Sicherheitsvorschriften zu binden. Sofern die Bestimmungen des Rechts am Tatort den im Inland geltenden Regelungen widersprechen, würden dadurch Pflichtenkollisionen und Notstandslagen hervorgerufen679. Zudem könnte die Behinderung durch strengere Inlandsvorschriften die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit am Tatort untergraben680. Nach der Ansicht von Miller und Rackow wäre es beispielsweise nur schwer zu rechtfertigen, das Fortkommen eines Entwicklungslandes, welches sich die Standards deutscher Arbeitsschutzvorschriften noch nicht „leisten kann“, dadurch zu behindern, die [von Deutschland aus kontrollierte] Lieferung von Bauteilen für eine chemische Anlage, welche beim Betrieb die Gesundheit der Beschäftigten – über das nach deutschem Recht tolerable Maß hinaus – beeinträchtigt, gegebenenfalls als Beihilfe zur Körperverletzung zu bestrafen681. In diesem Fall wäre das unternehmenslenkende Verhalten eines inländischen Geschäftsführungsorgans außerordentlichen Unsicherheiten ausgesetzt. Einerseits müssen sich die im Ausland vorgenommenen Maßnahmen aufgrund des völkerrechtlichen Fremdenrechts an den örtlichen Sicherheitsstandards messen lassen682. Sofern sie jedoch auch nur ansatzweise die Qualität einer nach deutschen Maßstäben strafrechtlich relevanten Handlung erreichen, wären (zumindest für das anweisende inländische Organ) auch die deutschen Sicherheitsvorschriften zu beachten. Zu Recht verweist Nowakowski deshalb in einem vergleichbaren Kontext darauf, dass die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Betriebsführung im Ausland nicht davon abhängen könne, ob es zu einem Unfall komme, der strafrechtlich zu beurteilen sei683. Ob die gesetzlich gebotenen Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, müsse unabhängig davon feststehen und für jedermann eindeutig ersichtlich sein684.

678 Vgl. BayObLG JZ 1972, 663 (663): „Begeht ein deutscher Kraftfahrer im Ausland eine fahrlässige Körperverletzung, sind die zugrunde liegenden Verstöße gegen die Verkehrsregeln schließlich auch nach dem Recht des Tatorts zu beurteilen; nur so können die Ordnung und Sicherheit des Verkehrs auf den dortigen Straßen gewährleistet werden“. 679 Nowakowski, JZ 1971, 633 (635). 680 Nowakowski, JZ 1971, 633 (635); vgl. Krapp, S. 128. 681 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (400). 682 Siehe oben 1. Teil, D. III. 1. 683 Nowakowski, JZ 1971, 633 (635). 684 Nowakowski, JZ 1971, 633 (635).

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Aus diesen Gründen gilt auch hier der Grundsatz, dass der Geltungsbereich der ausländischen Vorschriften maßgeblich ist, soweit die Strafbarkeit von Rechtssätzen abhängt, die nicht der Materie Strafrecht zuzuordnen sind. Mithin sind, sofern es für die Beurteilung einer ausländischen Haupttat nach deutschem Recht auf Arbeitsschutz- und Sicherheitsvorschriften ankommt, die ausländischen Sicherheitsstandards entscheidend. In gleicher Weise beurteilt sich auch im gesundheits- und lebensmittelrechtlichen Bereich die „Bedenklichkeit“ von reinen Exportwaren nach den besonderen Schutzbedürfnissen und Sicherheitsvorschriften des Ziellandes685. In Übereinstimmung mit den allgemeinen Erwägungen gelten die ausländischen Vorfeldnormen allerdings auch in diesem konkreten Kontext nur soweit, wie sie nicht zu einem Ergebnis führen, das mit elementaren Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre. Werden beispielsweise Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Tätigkeit – im Einklang mit den ausländischen Sicherheitsvorschriften – aus Kostengründen derart unzureichend gesichert, dass der Schutz des Lebens und der Gesundheit völlig vernachlässigt werden, gebietet es der ordre public, den deutschen Sicherheitsstandards Vorrang einzuräumen. b) Berücksichtigung des Tatortrechts bei der Bestimmung des Rechtsguts Das Strafrecht hat nach heute ganz herrschender Auffassung die Aufgabe, dem Schutz von Rechtgütern zu dienen686. In der Literatur ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass dem Rechtsgüterschutzdenken das argumentative Potential zur Selbstbegrenzung fehle687. Im Gegenteil, die Festlegung des Strafrechts auf die Aufgabe des Rechtsgüterschutzes „verführt zur Gläubigkeit an die Legitimation all dessen, was mit dem Rechtsgutsbegriff in einen positiven Zusammenhang gebraucht werden kann“ 688. Einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung wagt Nowakowski, aus dessen Sicht sich die Maßgeblichkeit ausländischer Rechtssätze nicht darin erschöpft, das im Vorfeld der ausländischen Strafvorschrift angesiedelte Auslandsrecht zu akzeptieren. Er plädiert darüber hinaus dafür, das Auslandsrecht auch bei der Bestimmung des geschützten Rechtsguts zu berücksichtigen689. Die Frage, ob und inwieweit das ausländische Recht bei der Auslegung deutscher Straftatbestände

685

Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. §§ 3–9 Rn. 41 m.w. N. Kindhäuser, AT, § 2 Rn. 6; Baumann/Weber/Mitsch, § 3 Rn. 10 ff.; Pawlik, ZIS 2006, 274 (275); Jescheck/Weigend, AT, S. 7; Otto, § 1 Rn. 22. 687 Pawlik, ZIS 2006, 274 (275). 688 Jakobs, ZStW 97 (1985), 751 (752). 689 Nowakowski, JZ 1971, 633 (633 ff.). 686

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

zu berücksichtigen ist, veranlasst Nowakowski mit Blick auf das geschützte Rechtsgut zu folgender Differenzierung690: Auf der einen Seite sei davon auszugehen, dass ausschließlich dem inländischen Recht zu entnehmen sei, welche Art von Interessen der deutsche Tatbestand als Rechtsgut schützt691. Ausländische Lebenssachverhalte seien deshalb durch das deutsche Strafgesetz nur dann geschützt, wenn sie sinngemäß mit dem übereinstimmen, was das inländische Strafgesetz schützen will692. Wenn das Eigentum, Vermögen oder vielleicht auch die Lauterkeit der Führung öffentlicher Ämter geschützt werden sollen, so könne dies im Ausland nur für solche Interessenlagen gelten, die der deutsche Straftatbestand erfasst. Schließlich werde der Wesensgehalt der Rechtsgüter vom inländischen Recht bestimmt, auch wenn er erst auf dem Wege über Verweisungen gewonnen werden könne693. Auf der anderen Seite richte sich eine davon zu unterscheidende Frage darauf, ob und in welchem Bereich diese Rechtsgüter am ausländischen Tatort beeinträchtigt werden können. Auch insofern seien die Verweisungen auf das Tatortrecht zu beziehen694. Weder das Eigentum noch das Vermögen könnten danach in Ländern, deren Rechtsordnung diese Institutionen nicht kennt, verletzt und daher auch nicht durch eine deutsche Strafandrohung geschützt werden. Der Schutzbereich deutscher Straftatbestände hinge im Ausland also davon ab, unter welchen Voraussetzungen das ausländische Recht die geschützten Interessen entstehen lasse und einräume. Nur wenn das Rechtsgut danach vorliege, könne es vom deutschen Strafrecht überhaupt geschützt werden695. Für Nowakowski liegt es deshalb nahe, das Internationale Strafrecht (und damit § 9 Abs. 2 S. 2 StGB) nur auf die Sanktionsnormen zu beziehen, die das Strafrecht im eigentlichen Sinne ausmachen. Ob und in welchem Umfang das vom Delikt geschützte Rechtsgut am Tatort als solches anerkannt ist, wäre dann nach dem Recht zu entscheiden, das durch die jeweiligen Normen des Internationalen Privatrechts oder über den Geltungsbereich der in Frage kommenden öffentlichrechtlichen Bestimmungen anwendbar ist696. 690

Vgl. dazu die Darstellung von Liebelt, S. 199 ff. Nowakowski, JZ 1971, 633 (634); im Ergebnis so auch Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (76); vgl. Oehler, FS Mezger, 1954, S. 96; Liebelt, GA 1994, 20 (24). 692 Vgl. Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (74, 76). 693 Nowakowski, JZ 1971, 633 (634); vgl. Krapp, S. 99 ff. 694 Nowakowski, JZ 1971, 633 (634); vgl. Liebelt, GA 1994, 20 (24). 695 Nowakowski, JZ 1971, 633 (634); im Ergebnis so auch schon Neumeyer, ZStW 23 (1903), 436 (444 f.); in ähnlicher Form argumentiert auch Krapp, S. 140, wonach der Schutz des angegriffenen Rechtsguts in erster Linie vom Recht seiner örtlichen Umgebung bestimmt und konkretisiert werde; deshalb müsse auch die Verletzung eines Rechtsguts und ihre Strafbarkeit nach dem örtlichen Recht untersucht werden. 696 Nowakowski, JZ 1971, 633 (637); vgl. Mankowski/Bock, ZStW 120 (2008), 704 (722). 691

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c) Die Maßgeblichkeit ausländischer Rechtssätze und der Satz „nullum crimen, nulla poena sine lege“ Gegenüber der Berücksichtigung ausländischer Rechtssätze könnten sich jedoch Zweifel im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege“ ergeben. Nach diesem Grundsatz, der wörtlich übersetzt „keine Strafe ohne Gesetz“ bedeutet, kann eine Kriminalstrafe nur dann die wirksame Rechtsfolge eines Sachverhalts sein, wenn dieser als bestimmter, nicht bloß bestimmbarer Tatbestand in einem förmlichen Gesetz fixiert ist. aa) Der Grundgedanke des Satzes „nullum crimen, nulla poena sine lege“ Ein Rechtsstaat ist dazu berufen, seine Bürger nicht nur durch Strafrecht, sondern auch vor dem Strafrecht zu schützen697. Deshalb muss die Rechtsordnung nicht nur geeignete Mittel und Methoden zur präventiven Verbrechensverhütung bereit stellen, sondern sich selbst beim Einsatz der Strafgewalt auch Schranken auferlegen, damit der Einzelne nicht einem willkürlichen oder übermäßigen Zugriff des Staates schutzlos ausgeliefert ist698. Im Geltungsbereich des Grundgesetzes gibt es daher keine Strafbarkeit ohne Strafgesetz. Nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB und Art. 7 Abs. 1 EMRK kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit bereits gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dieses Gesetzlichkeitsprinzip garantiert den Schutz des Bürgers vor willkürlicher Ausübung und Ausdehnung der staatlichen Strafgewalt699. Dadurch soll eine rationale Vorausplanung des Verhaltens ermöglicht werden, um „ein Klima der Verlässlichkeit und des Vertrauens in die geregelte Ausübung der Strafgewalt zu schaffen“ 700. bb) Verwendung akzessorischer Merkmale im Strafrecht Bei strenger Auslegung dieses Gedankens könnte bereits die Tatsache, dass das deutsche Strafrecht überhaupt akzessorische Elemente enthält – d. h. teilweise bewusst auf eine eigene Regelung verzichtet und statt dessen auf außerstrafrechtliche Normen verweist – verfassungsrechtliche Bedenken auslösen701. Die Verwendung akzessorischer Merkmale stellt allerdings im Strafrecht eine unentbehrliche gesetzgeberische Technik dar702. Sie gewährleistet die Anpas697 698 699 700 701 702

Roxin, AT I, § 5 Rn. 1. Roxin, AT I, § 5 Rn. 1. Wessels/Beulke, Rn. 44; Roxin, AT I, § 5 Rn. 2 ff.; Kindhäuser, AT, § 3 Rn. 2. Schreiber, S. 216. Cornils, S. 116; vgl. Radtke, GmbHR 2008, 729 (734 f.). Schönke/Schröder-Eser/Hecker, § 1 Rn. 20.

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sungsfähigkeit der einzelnen Vorschriften an die sich wandelnden Verhältnisse, ohne die das Strafrecht seiner Aufgabe des Rechtsgüterschutzes nicht gerecht werden kann. Deshalb ist es im Hinblick auf die Vielfalt der sozialschädlichen Verletzungsformen gerade im Bereich des modernen Wirtschaftsstrafrechts gar nicht möglich, den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG durch eine detaillierte Umschreibung der Verbotsmaterie zu entsprechen703. Dementsprechend sieht auch das Bundesverfassungsgericht in einer akzessorischen Verweisung als solcher keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Das Gericht führt aus, das Strafrecht könne nicht völlig darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, die nicht eindeutig allgemeingültig umschrieben werden können und die in besonderem Maße der Auslegung durch den Richter bedürfen704. Übertriebene Bestimmtheitsanforderungen bzw. ein völliger Verzicht auf normative Begriffsmerkmale und Generalklauseln führten dazu, dass die Gesetze zu starr und kasuistisch würden. Damit könnten sie der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse sowie der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden705. Folglich stehen akzessorische Strafvorschriften nicht bereits deshalb dem Grundsatz „nullum crimen, nulla poena sine lege“ entgegen, weil sie ausfüllungsbedürftige Merkmale enthalten706. cc) Verweisung auf ausländische Rechtssätze Daneben ist jedoch weiterhin fraglich, wo die Grenzen der zulässigen Unbestimmtheit verlaufen. Sind sie auch noch dort gewahrt, wo die strafrechtliche Akzessorietät zur Fremdrechtsanwendung führt und damit die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens nur unter Berücksichtigung ausländischer Rechtssätze zu ermitteln ist707? Das Bundesverfassungsgericht entzieht sich einer grundsätzlichen Stellungnahme, indem es darlegt, dass der Grad der gesetzlichen Bestimmtheit jeweils von der Besonderheit des einzelnen Straftatbestandes und von den Umständen abhinge, die zu der gesetzlichen Regelung führten708. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs muss eine Strafvorschrift durch den Gesetzgeber so weit präzisiert sein, dass „der Rechtsprechung damit eine feste und zuverlässige Grundlage ge703 Achenbach/Ransiek-Seier, Kap. V Abschnitt 2 Rn. 19; LK-Schünemann, § 266 Rn. 29; Tiedemann, Wistra AT, Rn. 99 f. 704 BVerfGE 26, 41 (42). 705 BVerfGE 37 (208); 45 (363); 47 (109); 48 (48). 706 Im Ergebnis so auch bereits Cornils, S. 117; vgl. Schönke/Schröder-Eser/Hecker, § 1 Rn. 19. 707 Cornils, S. 117; vgl. Mankowski/Bock, ZStW 120 (2008), 704 (715 f.). 708 BVerfGE 26, 41 (42 f.).

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boten ist“ 709. Daneben muss die Strafbarkeit einer Tat jedoch auch für den Täter eindeutig aus dem Gesetz erkennbar sein. Insofern ist im Falle einer Verweisung auf ausländische Rechtsvorschriften der erschwerte Zugang zur fremden Rechtsordnung zu berücksichtigen. Die Forderung nach Berechenbarkeit des Strafrechts ist jedoch nicht in einem absoluten Sinne dahingehend zu verstehen, dass der einzelne Bürger stets in der Lage sein muss, die genaue Subsumtion selbständig zu vollziehen710. Der Bundesgerichtshof unterstreicht dies, indem er ausführt, die in Art. 103 Abs. 2 GG vorgeschriebene gesetzliche Bestimmtheit des Tatbestandes werde „nicht dadurch aufgehoben, daß er nicht sofort klar übersehbar ist; es genügt vielmehr, daß sein Sinn und Umfang durch Auslegung ermittelt werden kann“ 711. Danach wird lediglich verlangt, dass der einzelne Bürger mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden überhaupt die staatliche Reaktion voraussehen oder wenigstens das Risiko einer Bestrafung erkennen kann712. Da die heute zur Verfügung stehenden modernen Informationsquellen ohne unüberwindliche Schwierigkeiten auch eine zuverlässige Kenntnis der ausländischen Rechtslage ermöglichen, greifen verfassungsrechtliche Bedenken auch unter diesem Gesichtspunkt nicht durch713. d) Stellungnahme zur Maßgeblichkeit ausländischer Rechtssätze Im Ausgangspunkt ist der Interpretation zuzustimmen, die Erstreckung des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts auf eine Auslandstat könne nicht damit gleichgesetzt werden, dass der betreffende Lebenssachverhalt ausschließlich nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Zu Recht weist Nowakowski in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Bestimmungen des Internationalen Strafrechts die Vorschriften über den räumlichen Geltungsbereich anderer Rechtsgebiete nicht ausschalten714. Folgerichtig kann dem Geltungsbereich ausländischer außerstrafrechtlicher Rechtssätze maßgebliche Bedeutung beigemessen werden, soweit die nach deutschen Maßstäben bewertete Strafbarkeit von ihnen abhängt. Auf diese Weise ist es möglich, die Wertungen des ausländischen Rechts zu berücksichtigen und damit den expansiven Tendenzen der deutschen Strafgewalt entgegenzuwirken. Auch der daran anknüpfende Gedanke, ausländische Vorfeldnormen zur Bestimmung des geschützten Rechtsguts heranzuziehen, erscheint vor dem Hinter709 710 711 712 713 714

BGHSt 12, 136 (145). Cornils, S. 119. BGHSt 11, 365 (377). Schönke/Schröder-Eser, § 1 Rn. 20; Cornils, S. 120. Im Ergebnis so auch bereits Cornils, S. 120. Nowakowski, JZ 1971, 633 (637).

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grund der Aufgabe des Strafrechts folgerichtig. Die strafrechtlichen Verhaltensnormen dienen nach allgemeiner Auffassung dem Schutz von Rechtsgütern, um den Bürgern „ein freies und friedliches Zusammenleben unter Gewährleistung aller verfassungsrechtlich garantierten Grundrechte zu sichern“ 715. Die Grundlage für die Entstehung von Rechtsgütern, Rechtsnormen und Straftatbeständen bilden die sozial-ethischen Wertvorstellungen einer bestimmten Rechtsgemeinschaft716. Rechtsgüter sind also Lebens- und Interessenbereiche des Einzelnen oder der Allgemeinheit, die aufgrund ihrer sozialen Bedeutung geschützt werden717. Da die Vorstellungen über den Wert und die Bedeutung bestimmter Lebens- und Interessenbereiche einer ständigen Entwicklung unterliegen und von gesellschaftspolitischen Tendenzen geprägt werden, umfasst der Rechtsgutsbegriff sowohl vom Recht bereits vorgefundene Zustände als auch erst vom Recht geschaffene Verhaltensgebote718. In Anlehnung an die verfassungsrechtliche Thematik des normgeprägten Schutzbereichs719 gibt es also auch Rechtsgüter, die nicht als natürliches, der Rechtsordnung vorgegebenes Interesse existieren, sondern erst aus einer Schöpfung der Rechtsordnung hervorgehen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ein Interessenbereich erst dann zu einem Rechtsgut wird, wenn die von der Rechtsgemeinschaft mit der Sicherung ihres Zusammenlebens betrauten Organe ihn als schützenswert erachten und dies durch positives Recht zum Ausdruck bringen720. Jede Rechtsgemeinschaft lebt nach einer von ihr geschaffenen und ihr eigentümlichen Sittenordnung, die ihren individuellen Bedürfnissen entspricht. Deshalb ist auch jedes Strafrecht als Schöpfung einer Rechtsgemeinschaft auf die Gegebenheiten gerade dieser Gemeinschaft zugeschnitten721. Vor dem Hintergrund dieser Maxime kann nicht erwartet werden, dass alle Strafrechtsordnungen mit der deutschen übereinstimmen. Vielmehr ist in dieser individuellen Prägung eine Divergenz der Werte- und Strafrechtsordnungen angelegt, die andere Rechtsgemeinschaften zur Akzeptanz verpflichtet, sofern sie ihrer eigenen Maxime treu bleiben. Damit eröffnet auch diese Ausprägung des Ansatzes, ausländische außerstrafrechtliche Vorfeldnormen zu akzeptieren, erhebliches Potential, die ungeheure Reichweite des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zu beschränken. Allerdings bestehen gegenüber dem Ansatz, ausländischen Rechtssätzen maßgebliche Bedeutung beizumessen, auch nicht unbeachtliche Bedenken. Der Um715

Roxin, AT I, § 2 Rn. 7; vgl. Roxin, JuS 1966, 377 (381 f.). Wessels/Beulke, Rn. 9; vgl. Jescheck/Weigend, AT, S. 7. 717 Nowakowski, JZ 1971, 633 (637) m.w. N. 718 Roxin, AT I, § 2 Rn. 7. 719 Vgl. zum Begriff des normgeprägten Schutzbereichs Pieroth/Schlink, Rn. 225; Epping, Rn. 421. 720 Nowakowski, JZ 1971, 633 (637). 721 Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (98); vgl. Krapp, S. 140. 716

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stand, dass die Maßgeblichkeit ausländischer Rechtssätze den deutschen Richter zur Anwendung ausländischen Rechts zwingt, ist kein Einwand gegen diesen Ansatz an sich722. Dass der inländische Richter nur deutsches Strafrecht anwenden darf, bedeutet nicht, dass eine Heranziehung fremder außerstrafrechtlicher Rechtssätze ausgeschlossen wäre723. Zwar erhöht sich damit der prozessuale Aufwand für die Judikative, doch die materiell-rechtliche Substanz dieses Vorschlages bleibt davon unberührt. Schwerer wiegt jedoch die Tatsache, dass durch die Verschränkung deutscher Straftatbestände mit ausländischen Vorfeldnormen die gewichtige Frage der Strafbarkeit von der oft unsicheren Unterscheidung von strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Rechtssätzen abhängt724. Außerdem ist zu beachten, dass die hier diskutierten Einschränkungsversuche von dem Bestreben getragen sind, die Balance zwischen dem Selbstschutz und der Solidarität der Staaten als den beiden zentralen Grundsätzen des Internationalen Strafrechts herzustellen und zu wahren. Zwar veranlasst der Gedanke internationaler Solidarität einerseits dazu, in Fällen der Distanzteilnahme das ausländische Recht zur Grundlage der Entscheidung über die Strafwürdigkeit des inländischen Teilnehmers zu machen725. Allerdings legt der Schutzgedanke andererseits eine Lösung nahe, die auf der deutschen Strafrechtsordnung aufbaut oder bei der die deutsche Strafrechtsordnung zumindest als Vergleichsmaßstab zwischengeschaltet wird726. Ohne eine entsprechende durch den Gesetzgeber legitimierte Anordnung im Strafgesetzbuch wird die einseitige Berücksichtigung ausländischen Rechts diesem Anliegen jedoch nicht im erforderlichen Maße gerecht. Schließlich scheidet eine Lösung im Wege der Akzeptanz ausländischer Vorfeldnormen in Konstellationen aus, in denen das ausländische Recht für den konkreten Regelungsbereich überhaupt keine Vorschriften vorsieht727. Man denke erneut an die kritisch betrachteten Fälle der inländischen Teilnahme an im Ausland stattfindender Forschung, welche nach den Maßstäben des deutschen Rechts strafbar ist. Hier hat der deutsche Strafgesetzgeber ein Verhalten unter Strafe gestellt, bezüglich dessen sich im Ausland überhaupt keine Verbotsnorm findet. Die Frage nach der Einbeziehung ausländischer Erlaubnissätze stellt sich in diesem Bereich daher erst gar nicht728.

722

Im Ergebnis so auch Jung, JZ 1979, 325 (331); SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 18. Liebelt, GA 1994, 20 (37). 724 Vgl. zu den Abgrenzungsschwierigkeiten Tiedemann, Wistra AT, Rn. 99 ff.; vgl. auch Nowakowski, JZ 1971, 633 (633); Altenhain/Wietz, NZG 2008, 569 (570 f.). 725 Siehe dazu bereits oben 2. Teil, D. III. 6. 726 Jung, JZ 1979, 325 (331); vgl. Pawlik, ZIS 2006, 274 (275), der aus der Konzeption des Strafrechts als Rechtsgüterschutz folgert, dass das „Prinzip der Prinzipe“ des Internationalen Strafrechts konsequenterweise ein „Schutzprinzip“ sein müsse. 727 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (404). 728 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (404). 723

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

Trotz der kritischen Aspekte lassen sich diesem Auslegungsansatz im Ergebnis sachgerechte Anhaltspunkte zur Restriktion des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB entnehmen. Eine darauf aufbauende, zusätzliche Konkretisierung ist jedoch weiterhin erstrebenswert. 6. Rechtsgedanke des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 Eine weitere Methode, dem Dilemma des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zu entgehen und die Reichweite der Vorschrift einzuschränken, leitet sich aus der Geschichte des deutschen Strafanwendungsrechts ab729. a) Der geschichtliche Ausgangspunkt Bereits unter der Herrschaft des Personalitätsprinzips versuchte man, aus rechtspolitischen und vor allem wirtschaftlichen Gründen die Straflosigkeit des inländischen Distanztäters in den Fällen zu erreichen, in denen die Beurteilung nach deutschem und ausländischem Strafrecht eklatant auseinander klaffte730. Ausgehend von der Zentralnorm des aktiven Personalitätsprinzips in § 3 Abs. 1 RStGB 1940731 hatten grundsätzlich sowohl der in Deutschland agierende Distanztäter als auch der im Ausland handelnde Täter den jeweiligen Straftatbestand erfüllt, wenn sie die deutschen Gesetze nicht beachtet hatten. Um im Ergebnis dennoch ihre Straflosigkeit nach deutschem Recht herbeizuführen, wurde folgendermaßen argumentiert732: Eine schematische Gleichsetzung des Distanzdelikts mit der reinen Inlandstat sei unzulässig und weder aus dem bis 1940 geltenden § 3 RStGB 1871733 noch aus dem ab 1940 geltenden § 3 RStGB (Personalitätsprinzip) zu rechtfertigen734. Zudem erhalte der materielle Charakter einer strafbaren Handlung als Verletzung geschützter Interessen doch in vielen Fällen sein Gepräge erst durch die am Ort des Erfolgseintritts herrschenden Verhältnisse, die von den deutschen erheblich abweichen könnten735 . Bestätigt wird diese Argumentation durch die Erfahrung, die gezeigt hat, dass spezifische kulturelle, sittliche und soziale Verhältnisse im Ausland die Bewoh729

Siehe zur Geschichte des deutschen Strafanwendungsrechts bereits oben 2. Teil, B. Krapp, S. 127. 731 Der Wortlaut des § 3 Abs. 1 RStGB 1940 (galt von 1940 bis 1974) lautete: „Das deutsche Strafrecht gilt für die Tat eines deutschen Staatsangehörigen, einerlei, ob er sie im Inland oder im Ausland begeht“. 732 Vgl. zu dieser Argumentation Krapp, S. 127 f. 733 § 3 RStGB 1871lautete: „Die Strafgesetze des Deutschen Reiches finden Anwendung für alle im Gebiete desselben begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn der Täter ein Ausländer ist“. 734 Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (98 f. Anm. 76). 735 Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (98 f. Anm. 76). 730

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ner der betreffenden Staaten zu einem Verhalten zwingen können, das nach deutschen Maßstäben tatbestandsmäßig, im Ausland jedoch nicht nur geduldet, sondern vielfach adäquat ist736. Außerdem ist zu beobachten, dass Menschen, die länger im Ausland leben, im Laufe der Zeit unabhängig von ihrer Nationalität die dort herrschende Sitten- und Rechtsanschauung mehr oder weniger adaptieren737. Die Gleichsetzung eines Distanzdelikts mit einer reinen Auslandstat ginge dementsprechend an der Realität vorbei. Auch der Gesetzgeber von 1940 war sich darüber im Klaren, dass eine uneingeschränkte Geltung des Personalitätsprinzips zu unbilligen Härten führen kann, insbesondere dann, wenn eine Tat am ausländischen Tatort nicht mit Strafe bedroht ist738. Bis zum 31. Dezember 1974 erfolgte deshalb eine Korrektur der kritischen Fälle der Distanzdelikte über § 3 Abs. 2 RStGB 1940. Danach galt das deutsche Strafrecht nicht für solche Auslandstaten, die nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht und wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort kein strafbares Unrecht waren. Obwohl man die deutschen Staatsbürger damals anhand des aktiven Personalitätsprinzips auch im Ausland an die Rechtsordnung des Inlands binden wollte und damit das deutsche Strafrecht zur universellen Bewertungsnorm jeglichen menschlichen Verhaltens erhoben hatte, hielt man damit zumindest insoweit am Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme fest, als die Tat aufgrund der eigentümlichen Umstände am Ort des Geschehens auch unter Anlegung inländischer Beurteilungsmaßstäbe kein strafwürdiges Unrecht darstellte739. Dadurch sollte vermieden werden, dass „durch Prinzipienstarre die Gemeinschaftsfreudigkeit der Auslandsdeutschen gefährdet“ 740 wird741. Die kritischen Fälle der Distanzteilnahme wurden bis zu diesem Zeitpunkt in analoger Anwendung des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 gelöst742. Damit galt das deutsche Strafrecht auch für einen inländischen Distanzteilnehmer nicht, der an einer Auslandstat teilnahm, die nach dem Recht des Tatorts nicht strafbar war und wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort kein strafbares Unrecht darstellte. b) Übertragung des Rechtsgedankens Der Anspruch, einen Lösungsansatz für die von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ausgehenden Risiken zu konzipieren, der seinen Ausgangspunkt von der deutschen 736 737 738 739 740 741 742

Kielwein, GA 1954, 211 (216). Kielwein, GA 1954, 211 (216 f.). Kielwein, GA 1954, 211 (216). Liebelt, S. 249 m.w. N.; siehe dazu auch bereits oben 2. Teil, D. III. 1. Drost, ZAkDR 1937, 392 (394). Krapp, S. 52; Obermüller, S. 163. Siehe oben 2. Teil, B. I. 2.

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

Strafrechtsordnung nimmt, legt es nahe, die Wertung des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 aufzugreifen. Dass das deutsche Strafrecht manche Güter unabhängig von deren Belegenheit schützt, bedeutet schließlich nicht automatisch, dass Schutzumfang, besondere Pflichten, Rechtfertigung und Entschuldigung auch ohne Blick auf deren räumlichen Bezug übertragbar wären. „Nationale Spezifika lassen sich eben nicht nur beim angegriffenen Gut ausmachen“ 743. Nach der Rückkehr zum Territorialitätsprinzip schien die Vorschrift des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 jedoch entbehrlich, da Auslandstaten von Inländern grundsätzlich nicht mehr dem deutschen Strafrecht unterfallen. Nachdem § 3 Abs. 2 RStGB 1940 nicht zuletzt auch aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken ersatzlos gestrichen wurde, ist der Weg zu einer analogen Anwendung der Norm auf die Fälle der Distanzteilnahme nunmehr versperrt744. Um trotz der veränderten Rechtslage das restriktive Potential der Vorschrift fruchtbar zu machen, verbleibt nun lediglich die Möglichkeit, den (isolierten) Rechtsgedanken des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 anzuwenden745. Ohne eine ausdrückliche Anordnung im Gesetz ist das deutsche Strafrecht danach auf eine inländische Teilnahme an einer ausländischen Haupttat trotz der Regelung in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht anwendbar, sofern die Auslandstat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist und wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort kein strafbares Unrecht darstellt. Dass den besonderen Verhältnissen am Tatort auch heute noch erheblicher Einfluss in Bezug auf das materielle Unrecht der Haupttat beigemessen wird, belegen die Aufzeichnungen über das Gesetzgebungsverfahren. Danach bleibe der Auswege über das Opportunitätsprinzip, wenn die Haupttat ausnahmsweise wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort materiell kein Unrecht darstelle746. Jescheck und Weigend legitimieren diesen Ansatz außerdem, indem sie den Rechtsgedanken des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 als eine Art weitergeltendes Erfordernis der Gerechtigkeit qualifizieren747. c) Kritik Schon während des früheren Rechtszustands war die Vorschrift des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 erheblicher Kritik ausgesetzt. Es wurde für äußerst bedenklich gehalten, wenn nach § 3 Abs. 2 RStGB 1940 die Strafbarkeit einer Auslandstat, die 743

Jakobs, 5. Abschnitt Rn. 22. Obermüller, S. 163; Liebelt, S. 250; SK-Samson, 2. Aufl., § 9 Rn. 16. 745 Vgl. Stratenwerth/Kuhlen, § 4 Rn. 11; Jescheck/Weigend, AT, S. 164; Jakobs, 5. Abschnitt Rn. 22. 746 Jescheck, Sitzungsniederschriften, S. 28. 747 Vgl. Jescheck/Weigend, AT, S. 164. 744

A. Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

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nach dem Recht des Tartorts nicht mit Strafe bedroht ist, in letzter Instanz von ihrer Strafwürdigkeit abhängig gemacht wurde748. Damit verstoße die Norm gegen eines der Grundprinzipien des Rechtsstaats, das Bestimmtheitsgebot in Art. 103 Abs. 2 GG749. Neben diesen Bedenken grundsätzlicher Art sah man mit der Vorschrift auch größte praktische Schwierigkeiten in der Auslegung verbunden. Dementsprechend kritisierte Kielwein, dass es noch nicht gelungen sei, das vom Richter zu prüfende Merkmal der „besonderen Verhältnisse am Tatort“ inhaltlich zu fassen und zu konkretiesieren750. Insofern sei völlig unklar, ob nur die Verschiedenheit der tatsächlichen Verhältnisse am Tatort berücksichtigt werden solle oder auch deren andersartige sittliche und damit rechtliche Bewertung. Auch der Wegfall der Verweisung auf das Volksempfinden751 habe die Vorschrift insofern nicht klarer gemacht752. Die Feststellung, ob ein im Ausland strafloses Verhalten in Deutschland strafwürdiges Unrecht ist, könne ohnehin nur getroffen werden, indem der Richter das unser Recht bestimmende Empfinden aller billig und gerecht denkenden Menschen zum Maßstab nehme. Aus dem Gesetz selbst dürfe die Strafwürdigkeit nicht entnommen werden, da über seine Anwendbarkeit doch erst entschieden werden solle753. Nun könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass infolge des Wegfalls des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 die Basis für die vorgebrachte Kritik ebenfalls entfallen sei, doch gegen die Anwendung des Rechtsgedankens des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 sprechen dieselben verfassungsrechtlichen Bedenken, die auch schon gegenüber der analogen Anwendung dieser Vorschrift geäußert wurden754. Darüber hinaus äußert Jung Zweifel, ob der Rechtsgedanke des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 ohne weiteres auf ein Strafanwendungsrecht übertragbar sei, das am Territorialitätsprinzip anknüpft755. Diese Bedenken beruhen darauf, dass aus seiner Sicht nicht weiter ein Regelungsbedürfnis für die Einschränkung eines umfassend konzipierten Personalitätsprinzips bestehe, sondern nunmehr gerichtet auf eine begrenzte Ausweitung des Geltungsbereichs auf das fremde Territorium.

748

Oehler, FS Mezger, 1954, S. 101. Oehler, FS Mezger, 1954, S. 101. 750 Kielwein, GA 1954, 211 (218); vgl. Krapp, S. 59. 751 Vgl. Jung, JZ 1979, 325 (326): Das 3. Strafrechtsänderungsgesetz von 1953 korrigierte die Fassung des damaligen § 3 Abs. 2 RStGB, indem die Formulierung „nach dem gesunden Empfinden des deutschen Volkes“ gestrichen wurde; der restliche Wortlaut blieb hingegen unverändert. 752 Oehler, FS Mezger, 1954, S. 101; Kielwein, GA 1954, 211 (217). 753 Kielwein, GA 1954, 211 (217). 754 Obermüller, S. 163; Jung, JZ 1979, 325 (331); vgl. Jescheck, Strafrechtsreform, S. 543; NK-Böse, § 9 Rn. 22. 755 Jung, JZ 1979, 325 (331). 749

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

Insofern läge es auch aus systematischen Erwägungen nahe, an vorhandenen Strukturelementen des geltenden Strafanwendungsrechts anzuknüpfen756. d) Stellungnahme Wie die Entwicklung des Internationalen Strafrechts belegt, ist Jung darin zuzustimmen, dass es in Anbetracht der aktuellen Rechtslage keiner Einschränkung eines umfassend konzipierten Personalitätsprinzips mehr bedarf. Trotz der Rückkehr zum Territorialitätsprinzip ist jedoch zu konstatieren, dass auf der Basis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB in Bezug auf die Haupttat so getan wird, als gelte weiterhin das aktive Personalitätsprinzip757. Daher erscheint es aus systematischer Sicht gerade konsequent, im Rahmen der gegenwärtigen Ausprägung des deutschen Strafanwendungsrechts mit dem Rechtsgedanken des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 auf einen Ansatz zurückzugreifen, der auf die besonderen Verhältnisse des Personalitätsprinzips ausgerichtet war. Außerdem steht der Rechtsgedanke des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 nicht etwa im Widerspruch zu den Grunderwägungen des Territorialitätsprinzips, sondern korrespondiert mit dem dieses Prinzip tragenden Gedanken, dass jedermann die Gesetze des Staates zu respektieren habe, in dem er sich aufhält. Deutlich mehr Beachtung verdienen dagegen die rechtsstaatlichen Vorbehalte. Art. 103 Abs. 2 GG verlangt eine gesetzliche Bestimmtheit der Strafbarkeit. Strafgesetze müssen deshalb hinsichtlich ihrer Tatbestände und Rechtsfolgen ein Mindestmaß an Bestimmtheit aufweisen. Zwar ist die Verwendung von Generalklauseln und wertausfüllungsbedürftigen Begriffen in der Strafgesetzgebung nicht unzulässig758, doch müssen Tragweite und Anwendungsbereich der Strafvorschrift für den Normadressaten hinreichend erkennbar sein. Die Formulierung des Gesetzes muss dem Bürger Klarheit darüber verschaffen, was verboten ist, damit er sein Verhalten danach ausrichten kann759. Obwohl § 3 Abs. 2 RStGB 1940 negativ gefasst war, blieb es keinem Richter oder Staatsanwalt erspart, sich positiv mit der Frage auseinander zu setzen, ob die nach ausländischem Recht straflose Auslandstat des Inländers nach unserem Verständnis strafwürdiges Unrecht darstellt oder nicht. Gleiches würde gelten, sofern im Rahmen der aktuellen Gesetzeslage der Rechtsgedanke des § 3 Abs. 2

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Jung, JZ 1979, 325 (331). Vgl. Krapp, S. 158, wonach die strikte Bindung des im Inland handelnden Teilnehmers an die Wertvorstellungen deutscher Gesetze gerade in den Fällen der straflosen ausländischen Haupttat eine sehr große Ähnlichkeit mit dem (an sich aufgegebenen) Personalitätsprinzip zeige. 758 Siehe oben 4. Teil, A. I. 5. c) bb). 759 Wessels/Beulke, Rn. 47; vgl. zum Bestimmtheitsgebot im Detail Roxin, AT I, § 5 Rn. 67 ff. 757

A. Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

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RStGB 1940 angewendet würde. Was durch die Garantie des Art. 103 Abs. 2 GG aber erreicht werden soll, ist gerade die Ausschaltung einer derartig weitreichenden Ermessensfreiheit bei der Prüfung der grundlegenden Strafbarkeitsvoraussetzungen760. Richter und Staatsanwälte können derartige Entscheidungen sicherlich auch anhand des Einzelfalls richtig treffen. Allerdings liegt der Fehler dann in der „Verschiebung der Verantwortung vom Gesetzgeber auf Rechtsanwendungsorgane in einer Frage, in der der Gesetzgeber die maßgebende Entscheidung unbedingt selbst zu treffen hätte“ 761. Ansonsten müsste man davon ausgehen können, dass der Richter mit unfehlbarer Sicherheit weiß, was an jedem Ort der Welt strafwürdiges Unrecht darstellt762. Dem Strafrichter wird damit eine Stellung zu Teil, die grundsätzlich nur dem Gesetzgeber, bestenfalls dem Verfassungsrichter gebührt763. Der Rechtsgedanke des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 bezieht sich auf den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts. Hat jedoch der Richter darüber zu entscheiden, überschreitet er den Rahmen seiner eigentlichen Aufgabe, die ausschließlich in der Rechtsanwendung besteht764. Er urteilt dann nicht mehr über Recht oder Unrecht anhand des ihn und den Angeklagten positiv bindenden Gesetzes. „Er befindet vielmehr entsprechend seiner „objektivierten“ weil als Rechtsempfinden deklarierten subjektiven Einstellung zu einem bestimmten Verhalten, über die Geltung des Strafgesetzes selbst“ 765. Damit wird die Ermessensfreiheit des Richters in unzulässiger Weise ausgedehnt766. Im Ergebnis lässt der Rechtsgedanke des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 in Bezug auf § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ebenfalls beachtliches Restriktionspotential erkennen. Angesichts der gravierenden rechtsstaatlichen Bedenken besteht jedoch auch in diesem Zusammenhang ein dringendes Bedürfnis für eine zusätzliche gesetzliche Konkretisierung. 7. Transfer der Versuchsstrukturen (§ 23 Abs. 2 StGB analog) Ein weiterer moderner Lösungsansatz verweist auf eine Parallele zwischen § 9 Abs. 2 S. 2 StGB und den Grundstrukturen des Versuchs und generiert daraus unter analoger Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB Potential, die von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ausgehenden Strafbarkeitsrisiken zu reduzieren.

760 761 762 763 764 765 766

Jescheck, Strafrechtsreform, S. 531 f. Jescheck, Strafrechtsreform, S. 522. Kielwein, GA 1954, 211 (217). Kielwein, GA 1954, 211 (217). Kielwein, GA 1954, 211 (217); Krapp, S. 59. Kielwein, GA 1954, 211 (217). Krapp, S. 8, 59.

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

a) Grundlagen des Versuchs Um diesen Ansatz in seinen zentralen Erwägungen nachzuvollziehen, werden zunächst die relevanten Grundlagen des Versuchs dargestellt. aa) Begriff und Struktur des Versuchs Der Versuch ist eine dem Vorbereitungsstadium folgende Phase vor der Vollendung eines Delikts. „Er ist die bereits begonnene aber nicht vollendete Tat“ 767. Entgegen seiner Überschrift liefert § 22 StGB keine umfassende Begriffsbestimmung des Versuchs, sondern nennt lediglich die für den Versuchsbeginn maßgeblichen Kriterien768. Der Begriff und die Struktur des Versuchs lassen sich daher aus der gesetzlichen Regelung nur unter Einbeziehung des Wesens des Versuchs erschließen769. Kennzeichen des Versuchs sind negativ das Fehlen einer dem Täter objektiv zurechenbaren Vollendung, positiv der Entschluss, eine (bestimmte) Straftat zu begehen und die Betätigung dieses Entschlusses im Sinne eines über die bloße Vorbereitung hinausgehenden, unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung770. Demzufolge enthält die Vorschrift im Grunde nur eine Formel für die Abgrenzung zwischen (strafloser) Vorbereitungshandlung und (strafbarem) Versuch. Dennoch lassen sich der für den Versuch erforderlichen „Vorstellung“ des Täters von der Tat sowie dem „unmittelbaren Ansetzen“ zur Tatbestandsverwirklichung sowohl ein subjektives als auch ein objektives Element entnehmen771. Einigkeit besteht darüber, dass es beim Versuch lediglich am äußeren (objektiven) Tatbestand fehlt und der innere (subjektive) Tatbestand vollständig vorliegen muss772. Es lässt sich vom Versuch daher auch von einer vollständig gewollten, aber objektiv unvollständig gebliebenen Tat sprechen773, der ein „objektiv nicht verwirklichte[r] Vollendungswille“ 774 zugrunde liegt. Die darin enthaltene Beschreibung der drei Elemente des Versuchs – Nichtvollendung der Tat, Tatentschluss und unmittelbares Ansetzen zur Tat – macht deutlich, dass es einen Versuch „an sich“ nicht gibt. Er ist ein unselbständiger Tatbestand, der sich in seinen

767

LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 11. Schönke/Schröder-Eser, § 22 Rn. 1; LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 8; NK-Zaczyk, § 22 Rn. 1. 769 LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 8. 770 LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 11; vgl. Stratenwerth/Kuhlen, § 11 Rn. 22. 771 Schönke/Schröder-Eser, § 22 Rn. 1. 772 LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 12. 773 Vgl. Lackner/Kühl, § 22 Rn. 1; LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 12; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 22 Rn. 12 u. § 22 Rn. 1; Kühl, § 15 Rn. 24. 774 Maurach/Zipf, AT II, § 40 Rn. 1. 768

A. Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

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drei Bestandteilen stets auf einen gesetzlichen Straftatbestand bezieht und hierin seine notwendige Ergänzung findet775. bb) Strafwürdigkeit des Versuchs Die Diskussion um den Strafgrund und die damit verknüpfte Strafwürdigkeit des Versuchs ist in der Lehre ebenso alt wie facettenreich 776. Sie wird teils objektiv, teils subjektiv sowie teilweise unter Berücksichtigung objektiver und subjektiver Aspekte begründet777. (1) Objektiver Ansatz Die Vertreter eines objektiven Ansatzes begründen den Strafgrund des Versuchs mit der konkreten Gefährdung des tatbestandlich geschützten Rechtsguts778. Demnach seien nur solche Handlungen strafwürdige Versuche, die (auch) bei nachträglicher Prognose als gefährlich einzustufen sind. Nach dieser Auffassung kann Unrecht nur objektiv als konkrete Gefährdung oder Verletzung begründet werden, während sämtliche subjektiven Komponenten der Schuld zuzuordnen seien779. (2) Subjektiver Ansatz Die Anhänger eines subjektiven Ansatzes sehen die Strafwürdigkeit des Versuchs dagegen im rechtsfeindlichen Willen des Täters, der mit dem Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung betätigt werde780. (3) Vermittelnder Ansatz Die vermittelnde Auffassung hält einen Versuch erst dann für strafwürdig, wenn der zum Ausdruck gebrachte rechtsfeindliche Wille objektiv geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Geltung der Rechtsordnung und das Gefühl der Rechtssicherheit zu erschüttern (sogenannte Eindruckstheorie)781. 775

LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 8. Vgl. Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 22 Rn. 17 m.w. N.; NK-Zaczyk, § 22 Rn. 8 m.w. N. 777 Kindhäuser, AT, § 30 Rn. 5; eingehend hierzu LK-Hillenkamp, Vor § 22 Rn. 55 ff.; Zaczyk, S. 20 ff. 778 Kindhäuser, AT, § 30 Rn. 6. 779 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 22 Rn. 18. 780 Vgl. NK-Zaczyk, § 22 Rn. 10; Stratenwerth/Kuhlen, § 11 Rn. 19; Kindhäuser, AT, § 30 Rn. 7 m.w. N. 781 Kindhäuser, AT, § 30 Rn. 9 m.w. N.; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 22 Rn. 22. 776

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

Dieser Gedanke ist unter Berücksichtigung der Funktionen positiver Generalprävention zu verstehen782. Danach besteht der Zweck einer Strafe darin, die Rechtstreue und das Vertrauen in die Rechtsordnung zu bekräftigen. Das Strafrecht hat also den Anspruch, die Erwartung der Bürger in die wechselseitige Einhaltung der sanktionierten Verhaltensnormen zu garantieren. Folglich ist ein Versuch strafwürdig, wenn er die Geltung einer Norm nicht anerkennt und damit das Vertrauen in die Befolgung der Norm enttäuscht783. b) Parallelen zwischen den Versuchsstrukturen und § 9 Abs. 2 S. 2 StGB Ausgehend von den Grundstrukturen des Versuchs erkennen Miller und Rackow Parallelen in den Fällen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB. Aus ihrer Sicht handelt es sich bei den Fällen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB, bei denen es keinen (Haupt-) Tatort gibt, an dem die Tat mit Strafe bedroht ist, um eine der Versuchsgrundstruktur insoweit entsprechende Konstellation, als es am Erfolgsunrecht fehle, jedoch ein Handlungsunwert auszumachen sei784. In Ermangelung einer Strafbarkeit am Tatort könne es nie zu einer Verwirklichung eines Erfolgsunrechts kommen, weil es nicht in der Macht des deutschen Strafrechts stehe, die ausländische Haupttat als Unrecht zu werten785. Dagegen fehle es nicht am Erfolgsunrecht, wenn die Haupttat am Tatort mit Strafe bedroht sei. Zwar habe das deutsche Strafrecht auch dann keine Bewertungshoheit über den betreffenden Sachverhalt, doch liege es gerade im Wesen des Territorialitätsprinzips, die Bewertung des territorial zuständigen Gesetzgebers zu akzeptieren, die in solchen Fällen ja gerade zum Vorliegen von Erfolgsunrecht führe786. Unterstützt wird diese Ansicht durch die Aussage Jeschecks, der die Begründung für die Strafbarkeit in den Fällen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB allein im „Handlungsunwert des Tatbeitrages, der auf deutschem Gebiet geschieht“ 787, sieht. Eine Bestätigung des von ihnen vorgeschlagenen Erklärungsmodells der Distanzteilnahme sehen Miller und Rackow ferner in dem wiederholt zur Legitimation des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB herangezogenen Gedanken der Generalprävention. Die Notwendigkeit des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB wird in diesem Zusammenhang damit begründet, dass durch jede Inlandstat mit Auslandserfolg der Glaube der rechtstreuen Bevölkerung an die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert 782

Siehe zu den Funktionen der Generalprävention bereits oben 2. Teil, D. III. 5. a). Kindhäuser, AT, § 30 Rn. 10. 784 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (398). 785 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (402 Anm. 84). 786 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (398 Anm. 70). 787 Jescheck, Sitzungsniederschriften, S. 28; ähnlich Jescheck, Strafrechtsreform, S. 543; vgl. Krapp, S. 158. 783

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werde788. Für Miller und Rackow passen diese Erwägungen unter dem Schlagwort „Eindruckstheorie“ bestens in das Vokabular der Versuchsdogmatik, an deren Maßstäben sich § 9 Abs. 2 S. 2 StGB deshalb konsequenterweise messen lassen müsse789. c) Analoge Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB Miller und Rackow begnügen sich jedoch nicht damit, „ein die Funktionsweise des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB plausibel erklärendes Modell“ 790 entwickelt zu haben. Sie äußern darüber hinaus Zweifel, ob die Ahndung aller diesem Muster unterfallenden Sachverhalte anhand des Strafrahmens, der sich nach Maßgabe der §§ 26 und 27 StGB in Verbindung mit dem für die Haupttat einschlägigen Strafgesetz ergibt, tatsächlich legitim ist791. Immerhin wiesen viele der § 9 Abs. 2 S. 2 StGB subsumierbaren Konstellationen nur „einen stark verdünnten Strafwürdigkeitsgehalt“ 792 auf. Dementsprechend dehnen sie die Forderung, dass sich § 9 Abs. 2 S. 2 StGB an den Maßstäben der Versuchsdogmatik messen lassen müsse, auch auf die Ebene des zu verhängenden Strafrahmens aus. Aufgrund der strukturellen Versuchsähnlichkeit der Distanzteilnahme an einer im Ausland straflosen Haupttat biete sich die analoge Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB geradezu an793. Dem Gericht, das über eine angemessene Rechtsfolge im Fall einer inländischen Teilnahme an einer straflosen Auslandstat zu befinden hat, wäre auf diesem Wege die Möglichkeit eröffnet, die Strafe nach seinem Ermessen gemäß § 49 StGB zu mildern794. d) Kritik Gegen die Einstufung der Distanzteilnahme als Versuchsstruktur ließe sich zunächst einwenden, dass die versuchte Tat im Unterschied zu den Fällen der Distanzteilnahme stets eine Diskrepanz zwischen der Vorstellung des Täters und der aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dahinter zurückbleibenden Realität voraussetzt. Miller und Rackow antizipieren diesen Einwand jedoch und wei788

Siehe hierzu bereits oben 2. Teil, D. III. 5. c). Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (402). 790 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (403). 791 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (403). 792 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (404), mit Hinweis auf die auch im Rahmen dieser Untersuchung diskutierten Fälle der inländischen Teilnahme an im Ausland stattfindender Forschung, welche nach den Maßstäben des deutschen Rechts strafbar sind. 793 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (405). 794 Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (405). 789

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

sen darauf hin, dass § 9 Abs. 2 S. 2 StGB kein Fall des Versuchs sei, sondern eine Sachlage schaffe, in der – wie in den Fällen des Versuchs – zwar Handlungsunrecht, jedoch kein Erfolgsunrecht vorliege795. Dadurch wird betont, dass die Fälle des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB der Konstellation des Versuchs bei wertender Betrachtung lediglich entsprechen, dieser indes nicht vollständig gleichzustellen sind. Jung wendet gegenüber der strukturellen Ähnlichkeit des Versuchs mit der inländischen Teilnahme an einer im Ausland straflosen Haupttat ein, dass bei der Versuchsstrafbarkeit immerhin noch die Gefährdung eines konkreten strafrechtlich geschützten Rechtsguts festzustellen sei, während sich dieser Bezugspunkt im Rahmen der Distanzteilnahme ins Abstrakte verflüchtige796. Obermüller lehnt die Übertragung der Versuchsstrukturen auf die Distanzteilnahme darüber hinaus gänzlich ab, da einem Verhalten, das erst über § 9 Abs. 2 S. 2 StGB dem deutschen Strafrecht unterstellt werde, bereits jeglicher Handlungsunwert fehle und es damit an der unerlässlichen Minimalvoraussetzung für strafbares Unrecht mangele797. Aus seiner Sicht wird durch § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ein Verhalten bestraft, ohne dass eine Verletzung von Rechtsgütern eingetreten wäre oder auch nur hätte eintreten können. Sofern aber nicht einmal ein potentieller Erfolgsunwert im Raum stehe, ist für ihn fraglich, inwieweit in diesem Fall überhaupt noch von einem Handlungsunwert die Rede sein könne798, denn „überall da, wo dem vom Täter erstrebten Erfolg kein Unwertcharakter zukommt, [fehlt] notwendig auch ein Handlungsunwert“ 799. Ohne wenigstens potentiellen Erfolgsunwert könne es daher gar keinen Handlungsunwert geben. Bezogen auf die Fälle des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB heiße dies, dass „mangels intendierter Rechtsgutsverletzung die Handlung bereits nicht unwertig ist“ und es deshalb sowohl am Erfolgs- als auch am Handlungsunrecht fehle800. e) Stellungnahme Die geäußerte Kritik stellt einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis, dass eine Lösung der Spannungen im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht isoliert entwickelt werden kann, sondern dabei stets die engen Verflechtungen der Strafrechtsdogmatik zu beachten sind. Dementsprechend sorgfältig sind die vorgetragenen Argumente unter Berücksichtigung der Versuchsdogmatik zu analysieren. 795 796 797 798 799 800

Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (403 Anm. 85). Jung, JZ 1979, 325 (329). Obermüller, S. 158. Obermüller, S. 157. Rudolphi, FS Maurach, 1972, S. 56; vgl. Obermüller, S. 157. Obermüller, S. 158.

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Für die Begründung des subjektiven Versuchs-Unwerts reicht es gemäß § 22 StGB aus, dass sich der Täter die Verwirklichung eines tatbestandsmäßigen Verhaltens vorstellt801. Unbeachtlich ist insofern, aus welchen Gründen es nicht zur Realisierung dieser Vorstellung kommt. Deshalb schließt die Regelung in § 22 StGB auch den untauglichen Versuch ein und bildet gleichzeitig die Grundlage seine Strafbarkeit, die heute weitgehend anerkannt ist802. Ein Versuch ist untauglich, wenn die Ausführung des Tatentschlusses entgegen der Vorstellung des Täters aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht zur vollständigen Verwirklichung des objektiven Straftatbestandes führen kann803. Die Untauglichkeit kann aus der mangelnden Subjektqualität des Täters, der mangelnden Eignung des Tatobjekts oder der mangelnden Eignung des gewählten Tatmittels resultieren804. Vor diesem Hintergrund vernachlässigt die Beanstandung von Jung, bei der Versuchsstrafbarkeit sei im Unterschied zur Distanzteilnahme an einer im Ausland straflosen Haupttat immerhin noch die Gefährdung eines konkreten strafrechtlich geschützten Rechtsguts zu beobachten, dass auf die Rechtsgutsgefährdung auch bei der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs verzichtet wird805. Auch die Kritik von Obermüller gilt es behutsam zu sondieren. Seinem Einwand, mangels zumindest potentiellen Erfolgsunwerts könne es überhaupt keinen Handlungsunwert geben, scheint eine äußerst einseitige Gewichtung zugrunde zu liegen. Zwar ist man sich im Ausgangspunkt darüber einig, dass es im Rahmen einer Distanzteilnahme aufgrund der fehlenden Strafbarkeit der ausländischen Haupttat nicht zu einer Realisierung des Erfolgsunrechts kommen kann. Daraus unmittelbar abzuleiten, es liege auch kein Handlungsunrecht vor, lässt jedoch die ausdrückliche Regelung des § 22 StGB außer Acht. Danach kommt es für den Versuch einer Straftat lediglich auf die Vorstellung des Täters von der Tat an. Diese Vorstellung dürfte sich nur in den seltensten Fällen an territorialen Grenzen orientieren. Dementsprechend fraglich erscheint die Aussage Obermüllers, „mangels intendierter Rechtsgutsverletzung“ sei die Handlung bereits nicht unwertig. Schließlich geht der in Deutschland handelnde Distanzteilnehmer nach seinem Vorstellungsbild regelmäßig davon aus, das Unrecht einer nach deutschen Maßstäben rechtswidrigen Haupttat zu fördern bzw. mit zu verursachen806. Die 801

Gropp, § 9 Rn. 22; vgl. Hillenkamp, FS Roxin, 2001, S. 690 ff. Vgl. nur BGHSt 40, 299 (302); Bloy, ZStW 113 (2001), 76 (79 ff.); Herzberg, GA 2001, 257 (257 ff.); MüKo/StGB-Herzberg, § 22 Rn. 47 ff.; Gropp, § 9 Rn. 22; Wessels/Beulke, Rn. 620; LK-Hillenkamp, § 22 Rn. 179; Schönke/Schröder-Eser, § 22 Rn. 60; kritisch NK-Zaczyk, § 22 Rn. 37; a. A. Köhler, AT, S. 463; rechtsvergleichend Jung, ZStW 117 (2005), 937 (937 ff.). 803 Wessels/Beulke, Rn. 619; Kindhäuser, AT, § 30 Rn. 13. 804 BGHSt 41, 94 ff.; Kindhäuser, AT, § 30 Rn. 13; Baumann/Weber/Mitsch, § 26 Rn. 28. 805 Vgl. Obermüller, S. 156; Rudolphi, FS Maurach, 1972, S. 53. 806 Das Beispiel des sich auf der Durchreise befindlichen ausländischen Geschäftsmannes, der vom Inland aus bei seinem Unternehmen bestimmte Maßnahmen veran802

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

Gründe, aus denen es tatsächlich nicht zur Verwirklichung dieser Vorstellung kommt – z. B., weil die im Ausland stattfindende Haupttat dort nicht pönalisiert ist – sind in diesem Zusammenhang ebenso unbeachtlich wie im Rahmen des untauglichen Versuchs. Daneben vermittelt die inländische Teilnahme an einer im Ausland begangenen und dort nicht mit Strafe bedrohten Haupttat einen ebenso rechtserschütternden Eindruck wie der untaugliche Versuch. Dies ist nicht zuletzt deshalb beachtlich, weil dieser Effekt vor dem Hintergrund der Eindruckstheorie auch als Legitimation der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs herangezogen wird807. Obwohl die Verwirklichung des Erfolgsunrechts von vornherein ausgeschlossen ist, verbleibt in beiden Fällen ein Rechtsgutsbezug insofern, als zwar nicht ein konkretes Rechtsgutsobjekt, wohl aber das geschützte Rechtsgut gefährdet werden808. Während man die Strafbarkeitsandrohung beim vollendeten Delikt als eine Reaktion auf die Beeinträchtigung realer Objekte (Leib, Leben, Freiheit, Eigentum usw.) betrachtet, sieht man in der Versuchsstrafbarkeit eine Reaktion auf die Beeinträchtigung ideeller Rechtsgüter809. Der Standpunkt Obermüllers scheint auch aus einem weiteren Grund extrem einseitig geprägt zu sein. Unter Berücksichtigung der Ubiquitätstheorie bilden die Verwirklichung des Tatvorsatzes und der Erfolg eine Einheit810. Jeder Teilakt, sowohl die Handlung als auch der Erfolg, ist nur ein Teil des Ganzen, wobei jedem dieser Tatbestandselemente gleiches Gewicht zukommt. Aufgrund dieser Gleichwertigkeit kann aus dem Fehlen wenigstens potentiellen Erfolgsunwerts nicht automatisch auf das Fehlen eines Handlungsunwerts geschlossen werden. Letztlich ist auch in Bezug auf die Kritik Obermüllers zu berücksichtigen, dass das Erklärungsmodell von Miller und Rackow lediglich Parallelen zwischen der Distanzteilnahme und der Versuchsstruktur aufweist, ohne den Anspruch absoluter Kongruenz zu erheben. Im Ergebnis bietet die analoge Anwendung des § 23 Abs. 2 StGB also eine weitere Möglichkeit, die aus der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB resultierenden Strafbarkeitsrisiken zu reduzieren und die Spannungen im Anwendungsbereich der Norm teilweise aufzulösen. § 23 Abs. 2 StGB stellt insofern ein flexibles Instrument zur Verfügung, das es in den Fällen der Distanzteilnahme im Rahmen der Anwendung der Vorschriften des deutschen Strafgesetzes gestattet, die

lasst, die vor Ort im Gegensatz zur Bundesrepublik straflos sind (siehe oben 3. Teil, A. I. 1.), stellt insofern einen Ausnahmefall dar; in diesem Fall wird dem Distanzteilnehmer in der Regel das Bewusstsein fehlen, die Verletzung einer deutschen Vorschrift zu fördern bzw. mit zu verursachen (siehe dazu auch unten 4. Teil, A. I. 9. b)). 807 Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 620, 594; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 22 Rn. 22. 808 Schönke/Schröder-Eser, Vorbem. § 22 Rn. 22. 809 Freund, § 8 Rn. 10. 810 Siehe zur Ubiquitätstheorie bereits oben 2. Teil, C. I. 2. c).

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fehlende Tatortstrafbarkeit der ausländischen Haupttat strafmildernd zu berücksichtigen. Andererseits stellt § 23 Abs. 2 StGB die (fakultative) Strafmilderung in ein gesetzlich nicht weiter bestimmtes Ermessen des Richters. Daher bestehen vereinzelt wiederum Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG811. Ähnlich wie bei einer prozessualen Lösung über das Opportunitätsprinzip (§ 153c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO)812 ist der Betroffene erneut einer erheblichen Unsicherheit ausgesetzt, weil er nicht einzuschätzen vermag, ob der Richter im Einzelfall von seinem Ermessen Gebrauch macht oder nicht. Obwohl man darüber nachdenken könnte, diese Unsicherheit im Interesse einer Restriktion des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB in Kauf zu nehmen813, ist in erster Linie weiterhin eine Lösung wünschenswert, die unmittelbar durch den Gesetzgeber legitimiert ist. 8. Berücksichtigung der Straflosigkeit der ausländischen Haupttat im Rahmen der Auslegung des deutschen Strafgesetzes Ein weiterer Restriktionsansatz basiert auf der Überlegung, die Straflosigkeit der ausländischen Haupttat im Rahmen der Auslegung der §§ 26 und 27 StGB in Verbindung mit dem für die Haupttat einschlägigen deutschen Strafgesetz zugunsten des inländischen Teilnehmers zu berücksichtigen. a) Vorüberlegung Nach § 9 Abs. 2 S. 2 StGB gilt für die Inlandsteilnahme auch dann das deutsche Strafrecht, wenn die ausländische Haupttat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht und deshalb auch von der Geltung des deutschen Strafrechts (vgl. § 7 StGB) ausgenommen ist. Damit ordnet die Vorschrift für die inländische Distanzteilnahme die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts unabhängig von der Strafbarkeit der Auslandstat an. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB beantwortet also lediglich die Frage, ob deutsches Strafrecht auf die inländische Distanzteilnahme anwendbar ist. Der Regelung ist allerdings keine konkretisierende Aussage dahingehend zu entnehmen, wie die Anwendung des deutschen Strafrechts auf die Teilnahme angesichts ihres besonderen Charakters als Distanzdelikt auszugestalten ist.

811

Vgl. NK-Zaczyk, § 23 Rn. 3 m.w. N. Siehe zur prozessualen Lösung über das Opportunitätsprinzip bereits oben 4. Teil, A. I. 1. 813 Die insofern im Rahmen des Versuchs bestehende Unsicherheit wird heute schließlich überwiegend auch nicht mehr in Frage gestellt. 812

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

Insofern könnte selbst bei der Anwendung und Auslegung des deutschen Strafrechts im Hinblick auf die inländische Teilnahme berücksichtigt werden, dass die Haupttat im Ausland nicht unter Strafe steht. Zwar soll gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 StGB das ausländische Strafrecht nicht auf die Haupttat angewendet werden, doch schließt das nicht aus, die Wertungen des ausländischen Strafrechts im Rahmen der Beurteilung der inländischen Teilnahme nach deutschem Strafrecht zu berücksichtigen. Schließlich bedeutet die Erstreckung des Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts auf eine Auslandstat nicht automatisch, dass ihr Auslandsbezug vollständig auszublenden ist. Zudem folgt aus der Unbeachtlichkeit des ausländischen Tatortrechts auch nicht zwangsläufig, dass die inländische Teilnahme an einer ausländischen Haupttat so zu behandeln ist wie eine Inlandsteilnahme an einer inländischen Haupttat814. Zwar wird § 9 Abs. 2 S. 2 StGB vielfach die Konsequenz beigemessen, dass sich der in Deutschland handelnde Teilnehmer auch dann strafbar mache, wenn die Haupttat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist815. Eine derart zwingende Folge ist dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB jedoch nicht zu entnehmen, da die Vorschrift lediglich den Geltungsbereich des deutschen Strafrechts näher bestimmt, ohne dabei eine Aussage über eine mögliche Strafbarkeit zu treffen. Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift deuten nicht auf ein derartiges Ergebnis hin. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB dient als Ergänzung zu § 9 Abs. 2 S. 1 StGB, über den die Geltung des deutschen Strafrechts für den inländischen Teilnehmer an einer ausländischen Haupttat weitgehend leer liefe, wenn sich das Unrecht der Haupttat ausschließlich akzessorisch zum ausländischen Recht verhielte. Es soll also vermieden werden, dass die Frage der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf den inländischen Distanzteilnehmer einseitig durch die fehlende Strafbarkeit der ausländischen Haupttat beantwortet wird. Gleichzeitig sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es untersagen, selbst bei einer ausschließlichen Bewertung der Auslandstat nach deutschem Recht – zwecks Beurteilung der inländischen Teilnahmestrafbarkeit – zu berücksichtigen, dass die Haupttat im Ausland stattgefunden hat und dort nicht mit Strafe bedroht ist816. Im Unterschied zum Ansatz, ausländischen Rechtssätzen bei der Anwendung des deutschen Strafrechts maßgebliche Bedeutung beizumessen, soll das ausländische Recht insofern nicht einseitig berücksichtigt werden und dem deutschen Strafrecht bestimmte Ergebnisse vorgeben. Die Beurteilung des betreffenden Lebenssachverhalts soll vielmehr im Kern nach deutschem Strafrecht erfolgen,

814 815 816

Siehe oben 4. Teil, A. I. 3. a). Vgl. Rönnau, JZ 2007, 1084 (1086). Vgl. Eser/Koch, S. 143.

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wobei die Straflosigkeit der ausländischen Haupttat als Wertungsgesichtspunkt Berücksichtigung finden kann. Anders als bei einer Übertragung des Rechtsgedankens aus § 3 Abs. 2 RStGB 1940 urteilt der Richter dann auch wieder über Recht und Unrecht anhand des ihn und den Angeklagten positiv bindenden Gesetzes und nicht mehr über die Geltung des Strafgesetzes selbst. Er bewegt sich dann im Rahmen seiner eigentlichen Aufgabe, der Rechtsanwendung, ohne dabei die ihm zustehende Ermessensfreiheit in unzulässiger Weise auszudehnen. b) Umsetzung Im Unterschied zu § 7 StGB mit seinem Erfordernis der Tatortstrafbarkeit enthalten die §§ 3 und 9 StGB kein ausdrückliches „Einfallstor“ für ausländische Wertungsmaßstäbe817. Eine Möglichkeit, im Rahmen der strafrechtlichen Bewertung der Inlandsteilnahme die fehlende Strafbarkeit der ausländischen Haupttat dennoch zu berücksichtigen, könnte darin bestehen, in der fehlenden Sanktionierung am Tatort eine Modifizierung des erlaubten Risikos im Hinblick auf den inländischen Teilnehmer zu sehen. Nach der Grundformel der Lehre von der objektiven Zurechnung ist ein Erfolg dann objektiv zurechenbar, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr (bzw. ein Risiko) geschaffen hat und sich gerade diese Gefahr (bzw. dieses Risko) im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert818. Eine Gefahr ist dann nicht rechtlich relevant, wenn der Täter zwar ein signifikantes Verletzungsrisiko hervorruft, sein Verhalten aber vom erlaubten Risiko gedeckt ist819. Dies ist stets dann der Fall, wenn bestimmte Verhaltensweisen trotz ihrer Gefährlichkeit aufgrund ihres sozialen Nutzens allgemein erlaubt sind820. Teilweise wird der Begriff des „erlaubten Risikos“ ganz oder weitgehend synonym mit dem des „sozialadäquaten Handelns“ verwendet821. In den Fällen des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB verkörpert die ausländische Haupttat gemessen an den Maßstäben der §§ 26 und 27 StGB in Verbindung mit dem für die Haupttat einschlägigen deutschen Strafgesetz zunächst einen rechtlich relevanten Unrechtsgehalt. Weil die Tat jedoch im Ausland stattgefunden hat und nach dortigem Recht nicht mit Strafe bedroht ist, könnte diese Tatsache den Rah817

Rönnau, JZ 2007, 1084 (1086). Wessels/Beulke, Rn. 179; Kühl, § 4 Rn. 43; Roxin, AT I, § 11 Rn. 48; Krey, AT 1, Rn. 287; Kindhäuser, AT, § 11 Rn. 5. 819 Kühl, § 4 Rn. 48; Roxin, AT I, § 11 Rn. 65. 820 Wessels/Beulke, Rn. 184. 821 Vgl. Wessels/Beulke, Rn. 184 u. Roxin, AT I, § 11 Rn. 65 m.w. N., wonach der Begriff des erlaubten Risikos in vielfachen Zusammenhängen gebraucht werde, über seine Bedeutung und systematische Stellung jedoch völlige Unklarheit herrsche. 818

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

men des erlaubten Risikos zugunsten des inländischen Teilnehmers erweitern. Immerhin leiten beide Teilnahmeformen als Beteiligung an fremder Tatbestandsverwirklichung ihren Unrechtsgehalt vom Unrecht der Haupttat ab822. Auf diese Weise würde auch der von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB vernachlässigte Grundsatz der (limitierten) Akzessorietät wieder stärker aufleben, wonach die Strafbarkeit der inländischen Teilnahme von der Strafbarkeit der im In- oder Ausland verübten Haupttat abhängt. Durch diese Verschiebung des Rechtsmaßstabes wäre es trotz der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB möglich, mangels einer Überschreitung des erlaubten Risikos auch hinsichtlich des Distanzteilnehmers von einer Strafbarkeit abzusehen. Allerdings darf dieses Modell nicht zu einem Automatismus dahingehend führen, aus einer fehlenden Tatortnorm unmittelbar auf ein entsprechendes erlaubtes Risiko des inländischen Teilnehmers zu schließen. Vielmehr muss es dem deutschen Richter vorbehalten bleiben, das Merkmal der „Sozialadäquanz“ auszulegen und im Einzelfall zu entscheiden, ob sich das Verhalten des Teilnehmers noch im Rahmen des erlaubten Risikos bewegt. Dazu könnte wiederum der Gedanke des negativen ordre public beitragen. Danach dürfte eine Erweiterung des erlaubten Risikos zugunsten des inländischen Teilnehmers aufgrund der Straflosigkeit der ausländischen Haupttat nicht zu einem Ergebnis führen, das „mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar“ wäre823. Für diesen Ansatz entscheidend ist damit Folgendes: Auch wenn die Haupttat – wie von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB „fingiert“ – in Deutschland stattgefunden hätte und sich unter einen bestimmten Straftatbestand subsumieren ließe, bedeutet das nicht zwingend, dass auch der Teilnehmer gemäß §§ 26 und 27 StGB in Verbindung mit dem für die Haupttat einschlägigen deutschen Strafgesetz strafbar ist. Eine derartige Gleichsetzung ist § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht zu entnehmen, ordnet die Vorschrift doch lediglich die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts für die Distanzteilnahme an. c) Stellungnahme Die Überlegung, die Straflosigkeit der ausländischen Haupttat im Rahmen der Auslegung der §§ 26 und 27 StGB in Verbindung mit dem für die Haupttat einschlägigen deutschen Strafgesetz zugunsten des inländischen Teilnehmers zu berücksichtigen, bietet eine Möglichkeit, das bislang statische Verständnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zu durchbrechen. Dadurch entsteht ein flexibles Auslegungsmodell, das es erlaubt, auf der einen Seite Rücksicht auf die besonderen Verhält822

Siehe hierzu bereits oben 2. Teil, D. I. 1. Vgl. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (401); siehe hierzu bereits oben 4. Teil, A. I. 5. a) aa). 823

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nisse am Tatort zu nehmen, ohne dem deutschen Richter auf der anderen Seite eine bestimmte Wertung des ausländischen Strafrechts aufzuerlegen. Gleichzeitig würde die Entscheidung der jeweiligen Rechtsgemeinschaft akzeptiert, nach einer von ihr geschaffenen und ihr eigentümlichen Sittenordnung zu leben, die ihren individuellen Bedürfnissen entspricht. Damit verknüpft dieser Ansatz diverse Erwägungen anderer Restriktionsversuche und reagiert ergebnisorientiert auf deren Schwachstellen. Trotz des beachtlichen Potentials, das Strafbarkeitsrisiko im Umfeld des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB aufzufangen, kann sich jedoch auch dieser Ansatz nicht davon frei machen, das maßgebliche Kriterium in die Hände eines Richters zu legen. Deshalb verbleibt auch in diesem Zusammenhang der bittere Beigeschmack einer erheblichen Unsicherheit, da das Ergebnis letztlich erneut von einer Ermessensentscheidung des Richters abhängt. Allein die Beurteilung, was mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, birgt für den Betroffenen ein beträchtliches Risiko, da er das Ergebnis der Ermessensentscheidung nicht einzuschätzen vermag und sein Verhalten deshalb nicht mit Sicherheit danach ausrichten kann. 9. Anwendung der Irrtumslehre Für einen Teil der Fälle, die sich im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB befinden, kann das aus dieser Norm resultierende erhöhte Strafbarkeitskeitsrisiko durch die Anwendung des § 17 StGB reduziert werden. a) Grundlagen des Verbotsirrtums nach § 17 StGB Nach § 17 S. 1 StGB liegt ein (direkter) Verbotsirrtum vor, wenn dem Täter bei der Begehung der Tat die „Einsicht, Unrecht zu tun“, fehlt. Diese Unrechtseinsicht bzw. dieses Unrechtsbewusstsein kann fehlen, wenn der Täter die relevante Verbotsnorm nicht kennt, sie für ungültig hält oder infolge einer unrichtigen Auslegung zu Fehlvorstellungen über ihren Geltungsbereich gelangt und aus diesem Grund sein Verhalten als rechtlich zulässig betrachtet824. Welche Konsequenzen ein Verbotsirrtum für die Strafbarkeit des sich irrenden Täters hat, bemisst sich wiederum danach, ob der Irrtum vermeidbar oder unvermeidbar war825. Anders als der im Tatumstandsirrtum befindliche Täter kann der einem Verbotsirrtum unterliegende Täter wegen eines Vorsatzdelikts und nicht nur wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts (§ 16 Abs. 1 S. 2 StGB) bestraft werden. Nach § 17 StGB hat der Verbotsirrtum keinen Einfluss auf den Tatbestandsvor-

824 825

Wessels/Beulke, Rn. 456 u. Rn. 461; vgl. Kühl, § 13 Rn. 49. Kühl, § 13 Rn. 60; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 17 Rn. 13.

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satz. Der Täter handelt vielmehr „ohne Schuld“, wenn ihm bei Begehung der Tat unvermeidbar die Einsicht fehlte, Unrecht zu tun826. War der Verbotsirrtum hingegen vermeidbar, kann dies gemäß § 17 S. 2 StGB dazu führen, dass bei Vorsatzdelikten die Vorsatzstrafe fakultativ über § 49 Abs. 1 StGB gemildert wird827. Die Kriterien zur Feststellung der „Vermeidbarkeit“ sind allerdings noch nicht abschließend geklärt828. Im Bereich des Kernstrafrechts stellt die Rechtsprechung an die Bejahung der „Unvermeidbarkeit“ des Irrtums sehr strenge Anforderungen und in erster Linie darauf ab, ob der Täter die gehörige Anspannung seines Gewissens unterlassen und es dadurch versäumt hat, das Unrechtmäßige seines Handelns zu erkennen829. Entscheidend ist, ob der Täter aufgrund seiner sozialen Stellung, nach seinen individuellen Fähigkeiten und bei dem ihm zumutbaren Einsatz seiner Erkenntniskräfte und seiner rechtlich-sittlichen Wertevorstellungen das Unrecht der Tat hätte einsehen können830. Ist die rechtliche Zulässigkeit der Tat zweifelhaft, besteht eine Erkundigungspflicht831. b) Anwendungsbereich Im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB gelingt es einem vom Inland aus an einer ausländischen Haupttat teilnehmenden Deutschen wahrscheinlich über das gewöhnliche Maß hinaus nur selten, glaubhaft zu machen, dass ihm die Einsicht gefehlt habe, gemessen an den deutschen Rechtsmaßstäben Unrecht zu tun. Anders dürfte dies indessen bei einem ausländischen Distanzteilnehmer aussehen, der seine Teilnahmehandlung in Deutschland vornimmt. § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ordnet die Geltung des deutschen Strafrechts für die inländische Teilnahme nämlich nicht nur unabhängig von der Strafbarkeit der ausländischen Haupttat an, sondern auch unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Teilnehmers. Nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut findet die Vorschrift deshalb auch auf ausländische Teilnehmer Anwendung, die auf deutschem Gebiet an einer straflosen ausländischen Haupttat teilnehmen und sich dabei gemäß ihrem Heimatrecht verhalten832. Lediglich die Auslandsteilnahme an Taten im Ausland ist nicht erfasst.

826

Wessels/Beulke, Rn. 461. LK-Vogel, § 17 Rn. 33. 828 Vgl. zu den Kriterien der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums NK-Neumann, § 17 Rn. 53 ff. 829 BGHSt 2, 201; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 17 Rn. 14. 830 BGHSt, 3, 357; 4, 1; Wessels/Beulke, Rn. 466; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben, § 17 Rn. 14; vgl. detailliert NK-Neumann, § 17 Rn. 62 ff.; MüKo/StGB-Joecks, § 17 Rn. 38 ff. 831 Wessels/Beulke, Rn. 466 m.w. N.; vgl. eingehend Löw, S. 17 ff. 832 LK-Werle/Jeßberger, § 9 Rn. 51; MüKo/StGB-Ambos/Ruegenberg, § 9 Rn. 40. 827

A. Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

159

Dem saudi-arabischen Geschäftsmann, der sich auf der Durchreise befindet, während eines kurzen Aufenthalts auf einem deutschen Flughafen telefonisch bei seiner Firma bestimmte geschäftliche Maßnahmen veranlasst – welche in SaudiArabien im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland straflos sind – und anschließend nach Saudi-Arabien weiterfliegt833, wird in aller Regel das Bewusstsein fehlen, dass er eine deutsche Norm verletzt, also Unrecht tut. Ihm wird nur in den seltensten Fällen bewusst sein, dass bereits der geringste territoriale Anknüpfungspunkt für die Begründung eines Begehungsortes in Deutschland genügt, obwohl der Sachverhalt ansonsten ausschließlich Auslandsbezug aufweist und er nach den Maßstäben der Sitten- und Rechtsordnung seines Heimatlandes sozial-adäquat handelt. In diesem Beispiel wird deutlich, dass ausländische Distanzteilnehmer oftmals die über § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auf sie anwendbare deutsche Verbotsnorm nicht kennen oder infolge unrichtiger Auslegung zu einer Fehlvorstellung über ihren Geltungsbereich gelangen. In Abhängigkeit davon, ob man diesen Irrtum als vermeidbar oder unvermeidbar qualifiziert, besteht für einen Ausländer daher die Aussicht, entschuldigt zu werden oder jedenfalls, dass seine Strafe über § 49 Abs. 1 StGB gemildert wird. c) Stellungnahme Die Anwendung der Irrtumslehre bietet also zumindest für ausländische Distanzteilnehmer, die ihre Tathandlung im Inland vornehmen, eine Möglichkeit, die beachtlichen Risiken des über § 9 Abs. 2 S. 2 StGB auch auf sie anwendbaren deutschen Strafrechts aufzufangen. Der beschränkte Kreis derer, denen dieser Einschränkungsversuch zu Statten kommt, macht jedoch zugleich deutlich, dass dieser Ansatz nicht einmal entfernt geeignet ist, als Grundlage einer allgemeinen Lösung der Problematik im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zu dienen. 10. Selbstverpflichtung der Unternehmen Wie die diversen Fallgruppen belegen, bergen gerade die grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen eine Fülle denkbarer Anwendungsfälle für § 9 Abs. 2 S. 2 StGB834. Bei dem Versuch, die von dieser Regelung ausgehenden Strafbarkeitsrisiken im Hinblick auf die Praxis der globalen Unternehmensleitung zu reduzieren, stellt eine Selbstverpflichtung der Unternehmen eine weniger rechtliche als vielmehr strategische Vorgehensweise dar. 833

Siehe zu diesem Beispiel bereits oben 3. Teil, A. I. 1. Vgl. Jung, JZ 1979, 325 (327); siehe zu den entsprechenden Fallgruppen bereits oben 3. Teil, A. 834

160

4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

Der Wettbewerb um Aufträge ist insbesondere bei der stark exportorientierten deutschen Wirtschaft in vielen Geschäftsbereichen nicht auf den nationalen Markt beschränkt, sondern hat eine globale Dimension erreicht. Parallel dazu macht auch die Korruption in Zeiten der Globalisierung vor Staatsgrenzen nicht halt835. Schenkt man den beteiligten Verantwortungsträgern Glauben, ist in vielen Ländern ohne entsprechende „Gefälligkeiten“ der Aufbau von Geschäftsbeziehungen und der Abschluss von Verträgen überhaupt nicht denkbar (sogenanntes „greasing the wheels“)836. Korruption ist daher zu einem integralen Bestandteil des globalisierten Wirtschaftssystems geworden. Sämtliche Ausprägungen korrumpierenden Verhaltens sind national und international ein weit verbreiteter Faktor der rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Realität837. „Gerade in arabischen Ländern wird es de facto keine Auftragsvergabe ohne Bakschisch in erheblicher Höhe geben“ 838. Dementsprechend sehen sich die Entscheidungsträger global tätiger Wirtschaftskonzerne vielfach gezwungen, trotz der Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB den ausländischen Gepflogenheiten zu entsprechen und beispielsweise die Zahlung von Bestechungsgeldern zwecks Erlangung bzw. Verlängerung lukrativer Aufträge an Vermittler oder direkt an Angestellte eines (zukünftigen) Geschäftspartners zu veranlassen. Eine Selbstverpflichtung der beteiligten Unternehmen, derartige Geschäftspraktiken künftig zu unterlassen, bietet in diesem Kontext eine Chance, den Anreiz sowie die vermeintliche Notwendigkeit dafür zu senken. Schließen sich die global operierenden Unternehmen eines bestimmten Geschäftsbereichs, aus deren Sicht die bedingungslose Geltung des deutschen Strafrechts das Geschäft mit Auslandsberührung nachteilig beeinflusst, zusammen und vereinbaren, sich weltweit im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit geschlossen am Maßstab des deutschen Strafrechts zu orientieren, hat dies für sie gleich zwei positive Effekte: In rechtlicher Hinsicht reduziert sich dadurch zunächst das Risiko ihrer Verantwortungsträger, über § 9 Abs. 2 S. 2 StGB dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, sich als Teilnehmer wegen eines Verstoßes gegen einen deutschen Straftatbestand (z. B. § 299 StGB) strafbar gemacht zu haben. Zugleich ist aus wirtschaftlicher Perspektive die Zahlung von Bestechungsgeldern jedenfalls im Verhältnis der partizipierenden Unternehmen nicht mehr erforderlich, da ein entsprechender Markt nicht weiter existiert. Wenn seitens der potentiellen Auftragnehmer keine Bereitschaft besteht, zur Erlangung eines Auftrags einen entsprechenden Auf835

Kretschmer, StraFo 2008, 496 (496). Vgl. Rönnau, JZ 2007, 1084 (1085) m.w. N.; vgl. zu Bestechungen und Schmiergeldzahlungen im transnationalen Wirtschaftsverkehr Behr, FS Offerhaus, 1999, S. 345 (349 ff.). 837 Kretschmer, StraFo 2008, 496 (496). 838 Sedemund, DB 2003, 2423 (2423). 836

A. Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

161

schlag in Form eines Bestechungsgeldes zu gewähren, wird sich die Praxis der Auftragsvergabe darauf einstellen. Zwar erfordert eine derartige Initiative ein Höchstmaß an unternehmerischer Solidarität, was bereits angesichts der Vielfalt und teilweisen Gegensätzlichkeit der beteiligten Interessen zu erheblichen Problemen führen kann, doch sie bietet zumindest einen operativen Ansatz, mit dem auf die bestehenden Probleme reagiert werden kann. Eine generelle Lösung der § 9 Abs. 2 S. 2 StGB innewohnenden Problematik auf juristischer Ebene lässt sich auf diese Weise hingegen nicht erzielen. 11. Angleichung der Strafrechtsordnungen Die Probleme im Zusammenhang mit § 9 Abs. 2 S. 2 StGB offenbaren, dass die Fragen und Aufgaben, die sich dem Strafrecht künftig stellen, nicht mehr auf nationale Einheiten beschränkt sind, sondern eine globale Dimension erreichen und jedenfalls den industrialisierten Staaten in jeweils ähnlicher Weise begegnen839. Zu Recht wertet Weigend diesen Befund als Aufforderung, „den grenzüberschreitenden Herausforderungen auch international koordinierte Antworten entgegenzusetzen“ 840 und die nationale Isolierung zu überdenken. Die allgemeine Mobilität und die vielfältigen wirtschaftlichen und politischen Berührungspunkte haben die Staaten zusammenrücken lassen und ermöglichen dadurch einen allgemeinen Gedankenaustausch auch in strafrechtlichen Fragen841. a) Hintergrund der Harmonisierungstendenzen Die Notwendigkeit einer Harmonisierung oder zumindest Annäherung der nationalen Rechtsordnungen zeigt sich bereits im Rahmen der Europäischen Union. Aufgrund der Anwendbarkeit einer Vielzahl nationaler Blankettverweisungen ist es für den europäischen Bürger bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit kaum mehr möglich, die Rechtslage vorherzusehen. Er droht deshalb bei detaillierten Marktregelungen des Wirtschaftsstrafrechts schnell den Überblick zu verlieren842. Noch diffiziler gestalten sich demzufolge die Sachverhalte, in denen die Tätigkeiten – wie bei global operierenden Wirtschaftskonzernen üblich – auch über 839 Weigend, ZStW 105 (1993), 774 (774 f.); Müller-Gugenberger/Bieneck-Richter, § 4 Rn. 21; Greve, FS Eser, 2005, S. 751. 840 Weigend, ZStW 105 (1993), 774 (775). 841 Jung/Schroth, GA 1983, 241 (241); vgl. zur Internationalisierung des Strafrechts Hirsch, ZStW 116 (2004), 835 (835 ff.). 842 Sieber, ZStW 103 (1991), 957 (975); Wabnitz/Janovsky-Dannecker, 2. Kap. Rn. 195.

162

4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

die Grenzen Europas hinaus reichen. So wie die Vereinheitlichung des Strafrechts für Europa als notwendige und wünschenswerte Konsequenz aus der wirtschaftlichen und politischen Verflechtung zwischen den Staaten betrachtet wird843, so bietet sie auch auf globaler Ebene eine Gelegenheit, die Spannungen zwischen divergierenden Rechtsverständnissen aufzulösen. Wo unterschiedliche strafrechtliche Vorstellungen vorherrschen, besteht die Möglichkeit, sie durch eine Vereinheitlichung des Rechts zu überwinden844. Eine möglichst weitreichende Übereinstimmung nationaler Strafrechtsordnungen erleichtert die Zusammenarbeit und vermindert die Relevanz von Kompetenzkonflikten845. Mit jedem Schritt in diese Richtung dezimieren sich zugleich die potentiellen Anwendungsfälle für § 9 Abs. 2 S. 2 StGB. Die „identitätsbildende Wirkung“ 846 eines einheitlichen Strafrechts ist insofern nicht auf Europa begrenzt, sondern reicht weit darüber hinaus. Neben dem Zugewinn an Rechtssicherheit und der Reduzierung der durch § 9 Abs. 2 S. 2 StGB drohenden Strafbarkeitsrisiken verspricht die Strafrechtsangleichung auch einen tatsächlichen Beitrag im Kampf gegen die internationale Kriminalität847. Maßnahmen auf ausschließlich nationaler Ebene, wie die Erstreckung des eigenen Rechts über das Territorialitätsprinzip hinaus aufs Ausland, bieten alleine keinen hinreichenden Schutz gegen die im Vordringen befindliche internationale Kriminalität848. Sofern Verstöße in manchen Staaten strenger sanktioniert werden als in anderen, ist zu befürchten, dass die verbotene Tätigkeit – und mit ihr die als Teilnahme zu qualifizierenden Unterstützungshandlungen – in ein Land verlagert werden, in dem keine Strafe droht. Neben den daraus resultierenden Wettbewerbsverzerrungen ist damit wiederum die Einrichtung von „Kriminalitätsoasen“ 849 zu besorgen, die gerade vermieden werden sollen. Um der grenzüberschreitenden Kriminalität, der durch die zunehmende Mobilität und die schnelle Erreichbarkeit anderer Staaten die Wege geebnet worden sind, wirksam zu begegnen, sollten bestimmte Rechtsgüter unter einen international möglichst gleichartigen strafrechtlichen Schutz gestellt werden850.

843

Weigend, ZStW 105 (1993), 774 (783). Kritisch dazu Weigend, ZStW 105 (1993), 774 (784 ff.). 845 Wilkitzki, ZStW 105 (1993), 821 (824); kritisch Klip, NStZ 2000, 626 (627 f.). 846 Sieber, ZStW 103 (1991), 957 (976). 847 Siehe zu der Frage, ob § 9 Abs. 2 S. 2 StGB einen Beitrag im internationalen Kampf gegen das Verbrechertum leistet, der die von dieser Norm beanspruchte Ausdehnung der deutschen Strafgewalt legitimiert, bereits oben 2. Teil, D. III. 4.; kritisch gegenüber dem tatsächlichen Beitrag der Harmonisierung zur Bekämpfung der Kriminalität Klip, NStZ 2000, 626 (627). 848 Wabnitz/Janovsky-Dannecker, 2. Kap. Rn. 196; vgl. Jescheck, GA 1981, 49 (61). 849 Vgl. Wabnitz/Janovsky-Dannecker, 2. Kap. Rn. 197. 850 Jung/Schroth, GA 1983, 241 (242). 844

A. Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB

163

Obwohl die rechtsvergleichende Beschäftigung mit ausländischem Recht auch im Strafrecht durchaus Tradition hat851, gilt das Strafrecht nicht gerade als Musterbeispiel für die Rechtsangleichung. Wenn von Rechtsangleichung die Rede ist, wird dabei häufig in erster Linie an Handelsrecht, Wirtschaftsrecht und Steuerrecht gedacht852. Das Strafrecht führt in diesem Zusammenhang eher ein Schattendasein. Die wohl wichtigste Barriere bildet das Souveränitätsverständnis der Staaten, denn es gibt kaum ein anderes Rechtsgebiet als dasjenige des Strafrechts, in dem die Nationalstaaten strenger auf ihre Hoheitsbefugnisse achten853. Für Jung und Schroth dürfte dies auch damit zusammenhängen, dass „Strafrechtsangleichung im Gegensatz zum Handelsrecht, wo man mit handfesten Ergebnissen aufwarten kann, ein subtilerer und komplexerer Vorgang ist, dessen Ertrag oftmals nur in vagen, zerbrechlichen Formeln aufgefangen werden kann“ 854. b) Stellungnahme Im Ergebnis erweitert die Überlegung, die allgemeinen strafrechtlichen Harmonisierungstendenzen für eine Lösung der von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ausgehenden Probleme fruchtbar zu machen, die diskutierten Ansätze um einen wesentlichen Aspekt. Während die Problematik bislang überwiegend auf nationaler Ebene erörtert wurde, tritt nun die internationale Perspektive in den Fokus der Restriktionsbemühungen und beendet damit die wiederholt angeprangerte nationale Isolierung. Der grenzüberschreitende Dialog sowie die internationale Verständigung stellen insofern einen sinnvollen Ausgangspunkt dar, um zu gewährleisten, dass dem Straftäter aufgrund einer bestimmten Auslandsberührung – Tatort, geschütztes Rechtsgut oder Staatsangehörigkeit – weder Nachteile noch Vorteile erwachsen sollen855. Dennoch bestehen Zweifel, ob die Problematik des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB durch eine regionale oder sogar globale Angleichung der Strafrechtsordnungen gänzlich aufgelöst werden kann856. Das nach wie vor tief verwurzelte Verständ-

851 Vgl. Jescheck, Strafrechtsvergleichung, S. 1 ff.; Jescheck, FS Bockelmann, 1979, S. 133 ff.; Jung, GA 2005, 2 (2 ff.); Jung, JuS 1998, 1 (1); Jung, StV 1990, 509 (509). 852 Jung/Schroth, GA 1983, 241 (243). 853 Weigend, ZStW 105 (1993), 774 (775); Jung/Schroth, GA 1983, 241 (242, 253); Perron, ZStW 109 (1997), 281 (282); Wabnitz/Janovsky-Dannecker, 2. Kap. Rn. 194; in diese Richtung tendiert auch Jung, StV 1990, 509 (509), wonach das Strafrecht seit jeher als Reservat nationaler Souveränität gelte. 854 Jung/Schroth, GA 1983, 241 (243). 855 Vgl. Jung/Schroth, GA 1983, 241 (242). 856 Vgl. Miller/Rackow, ZStW 117 (2005), 379 (390), aus deren Sicht die Problematik bei weitem nicht durch eine regionale, geschweige denn globale Harmonisierung der Rechtsordnungen aufgelöst werde.

164

4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

nis nationaler Souveränität hemmt eine rasche Annäherung und Zusammenführung divergierender Strafrechtsordnungen. Ziele der Bemühungen können daher zunächst nur eine verbesserte Koordination der internationalen Zusammenarbeit sowie die länderübergreifende Regelung von Einzelfragen oder Teilbereichen sein857. Dafür spricht auch, dass § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht nur in solchen Fällen Relevanz erlangt, in denen für ein bestimmtes Verhalten im Ausland im Unterschied zu Deutschland überhaupt keine Sanktionsnorm existiert. Besonders brisante Anwendungsfälle finden sich dagegen auch in Konstellationen, in denen die Tatbestandsvoraussetzungen eines sowohl im In- als auch im Ausland pönalisierten Verhaltens unterschiedlich ausgestaltet sind (z. B. liberalere Arbeitsschutzbestimmungen oder Sicherheitsstandards im Ausland858). Eine Annäherung der Strafrechtsordnungen in der Weise, dass derartige Divergenzen vollständig eliminiert werden, ist angesichts der Weite des Strafrechtsschutzes und der Vielschichtigkeit entsprechender Sanktionsnormen nahezu ausgeschlossen. Strafrechtliche Harmonisierungstendenzen können daher nur in Teilbereichen zur Lösung der Problematik des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB beitragen, sind jedoch wiederum nicht in der Lage, die Spannungen im Anwendungsbereich der Norm generell zu neutralisieren. Mehr als eine zumindest partielle Umorientierung der Juristen von der nationalen Rechtsordnung auf die Anforderungen der internationalen Rechtsgemeinschaft vermag dieser Ansatz derzeit also nicht zu leisten. 12. Zwischenergebnis Die Analyse zeigt, dass die diversen Ansätze, mittels einer restriktiven Interpretation des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB die mit der Vorschrift verknüpften Probleme und Risiken zumindest zu reduzieren, unterschiedlich zu beurteilen sind. Zum Einen sind die begrenzenden Möglichkeiten ausgeschöpft, beschränken sich lediglich auf Teilbereiche oder umgehen das eigentliche Problem gänzlich. Zum Anderen werden die Ansätze nicht dem Bestreben gerecht, die Balance zwischen dem Selbstschutz und der Solidarität der Staaten als den beiden elementaren Grundsätzen des Internationalen Strafrechts herzustellen und zu wahren. Zwar existieren insbesondere mit dem – gleich mehreren Ansätzen zugrunde liegenden – Gedanken, die Wertungen des ausländischen Rechts bei der Anwendung des deutschen Strafrechts zu berücksichtigen, auch durchaus vielversprechende Anhaltspunkte für restriktive Bemühungen. Gemeinsame Schattenseite dieser Ansätze ist jedoch das dringende Bedürfnis nach zusätzlicher Konkretisierung. Eine Vielzahl von Erwägungen verbindet insofern die Eigenschaft, dass 857 858

Perron, ZStW 109 (1997), 281 (282). Siehe hierzu bereits oben 3. Teil, A. II. 3.

B. Reformvorschlag

165

von ihnen eine erhebliche Unsicherheit ausgeht, da die endgültige Entscheidung über die Strafbarkeit von Opportunitäts- oder Ermessensgesichtspunkten abhängig gemacht wird. Folglich vermag der Betroffene nicht einzuschätzen, ob im Einzelfall vom Opportunitätsprinzip oder vom Ermessen Gebrauch gemacht wird oder nicht. Er kann sein Verhalten deshalb nicht mit Sicherheit danach ausrichten. Als kollektive Erkenntnis der untersuchten Ansätze ist deshalb festzuhalten, dass eine prinzipielle Lösung der Problematik des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht allein anhand einer Auslegung oder Interpretation der aktuellen Gesetzeslage erzielt werden kann. Da dem Bedürfnis nach einer generellen Lösung des Dilemmas durch Fortschritte lediglich in Teilbereichen nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird, ist dieses Ziel nunmehr mit anderen konkretisierenden Methoden zu verfolgen.

II. Konsequenzen im Hinblick auf das Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB Vor dem Hintergrund der durchgeführten Untersuchung ist die Frage nach dem Reformbedürfnis des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB somit zu bejahen. Die aus rechtlicher sowie wirtschaftlicher Sicht bestehenden Probleme der Vorschrift lassen sich nicht im erforderlichen Maße mit Hilfe einer restriktiven Auslegung oder Interpretation bewältigen und praktikablen Lösungen zuführen. Letztlich ist es auch „nicht Aufgabe der Rechtswissenschaft und erst recht nicht der Rechtsprechung, durch [teilweise] zweifelhafte Interpretationskunststücke gesetzgeberische Entscheidungen im Sinne des wissenschaftspolitisch Erwünschten zurechtzurücken“ 859. Deshalb ist nun der Gesetzgeber aufgerufen, kraft seiner demokratischen Legitimation die dargestellten Unzulänglichkeiten des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB durch eine Reform der Vorschrift zu beheben.

B. Reformvorschlag Üblicherweise bringen Reformüberlegungen einen bunten Strauß unterschiedlichster Lösungsansätze hervor, die schließlich im Rahmen eines allgemeinen Konsenses miteinander vereint werden. Bezogen auf die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB sollten sich derartige Erwägungen jedoch an den bislang erzielten Untersuchungsergebnissen orientieren. Ausgehend von dem Bedürfnis, die immense Reichweite der Vorschrift einzuschränken, offenbart sich daher schnell, dass eine Lösung, die auch der Forde859

Hilgendorf, ZRP 2006, 22 (24).

166

4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

rung nach gesetzlicher Konkretisierung gerecht wird, im Spannungsfeld zweier Extrempositionen liegt, zwischen denen es im Folgenden abzuwägen gilt.

I. Das Erfordernis einer lex loci als objektive Bedingung der Strafrechtsanwendung Indem § 9 Abs. 2 S. 2 StGB den inländischen Teilnehmer an einer ausländischen Haupttat auch dann dem deutschen Strafrecht unterwirft, wenn die Haupttat nach dem Recht des anderen Staates gar nicht mit Strafe bedroht ist, soll den Gerichten zu einer klaren gesetzlichen Grundlage in Fragen der Distanzteilnahme verholfen werden860. Obwohl die Vorschrift als schlüssige Konsequenz des Territorialitätsprinzips und der Ubiquitätstheorie betrachtet werden kann861, ist sie aufgrund ihrer schematischen Feststellung und der daraus resultierenden Ausdehnung der deutschen Strafgewalt dennoch äußerst bedenklich862. Zwar korreliert mit einer gesetzlichen Normierung notwendigerweise eine gewisse schematische Bewertung, doch wird nach § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht mehr auf die Tat in ihrer Gesamtheit – die bei der Teilnahme auch die Haupttat umfasst – abgestellt, sondern nur noch auf den Teil der Tat, der es in dogmatisch gerade noch vertretbarer Weise zulässt, die Anwendung des deutschen Strafrechts und damit die Zuständigkeit der deutschen Strafgewalt zu bejahen863. Man könnte daher erwägen, § 9 Abs. 2 S. 2 StGB einfach zu streichen. Allerdings würde man auf diese Weise lediglich den Zustand wieder herstellen, der bereits vor dem Zweiten Strafrechtsreformgesetz bestand864, und damit die inzwischen gewonnene klare gesetzliche Grundlage in Fragen der Distanzteilnahme preisgeben865. Eine Reform des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB muss vor diesem Hintergrund neben einer angemessenen Begrenzung der deutschen Strafgewalt darauf abzielen, auch weiterhin eine eindeutige gesetzliche Grundlage zu normieren, die die Distanzteilnahme jedoch nunmehr in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht mehr allein auf den inländischen Begehungsort abstellt. Im Interesse einer angemessenen Eindämmung der deutschen Strafgewalt legen die bereits analysierten Restriktionsansätze insofern eine Regelung nahe, die es ermöglicht, die Wertungen des aus860

Krapp, S. 7; vgl. Schwalm, Satzungsniederschriften, S. 126. Vgl. NK-Böse, § 9 Rn. 21. 862 Siehe hierzu bereits oben 2. Teil, C. II., 2. Teil, D. II. sowie 3. Teil, A. 863 Krapp, S. 43. 864 Siehe zum historischen Hintergrund des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB bereits oben 2. Teil, B. 865 Vgl. Krapp, S. 167, wonach im Falle einer Streichung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zu befürchten wäre, dass sich die Gerichte wieder an der alten Rechtsprechung des Reichsgerichts vor 1935 orientieren und Teilnahme und Haupttat nur nach deutschem Recht beurteilen. 861

B. Reformvorschlag

167

ländischen Rechts zu berücksichtigen. Wie insbesondere der Rechtsgedanke des § 3 Abs. 2 RStGB 1940 deutlich macht, rufen derartige flexible Kriterien allerdings erhebliche Unsicherheiten hervor und lassen damit erneut die erforderliche gesetzliche Konkretisierung vermissen. Folglich ist zu konstatieren, dass die Schaffung einer klaren gesetzlichen Grundlage für die Fälle der Distanzteilnahme nur in zwei (entgegengesetzte) Richtungen möglich ist: Entweder beurteilt sich die inländische Teilnahme unabhängig von der Strafbarkeit der ausländischen Haupttat ausschließlich nach deutschem Strafrecht oder die Strafbarkeit am Tatort der Haupttat wird als objektive Bedingung für die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf die inländische Teilnahme vorausgesetzt866. Eine vermittelnde Lösung lässt sich bei einem vergleichbaren Anspruch an die Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung nicht realisieren, weil sie stets in erheblichem Maße ausfüllungsbedürftig und dementsprechend mit Unsicherheiten behaftet bliebe. Der Gesetzgeber hat sich in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB für die erste Alternative ausgesprochen und damit eine erhebliche Ausweitung des Geltungsanspruchs des deutschen Strafrechts in Kauf genommen. Dem Bedürfnis, die Reichweite des deutschen Strafrechts durch eine eindeutige gesetzliche Regelung auf ein angemessenes Maß zu reduzieren und zugleich die Tat als Gesamtheit zu erfassen, wird dagegen eher die Variante gerecht, nach der die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf die inländische Teilnahme durch die Strafbarkeit der Haupttat im Ausland bedingt ist. Danach wäre das deutsche Strafrecht auf die inländische Teilnahme nur dann anwendbar, wenn auch die ausländische Haupttat am Tatort mit Strafe bedroht ist. Gleichzeitig steht dieses Ergebnis in Einklang mit den §§ 26 und 27 StGB, wonach Anstiftung und Beihilfe nur strafbar sind, wenn sie zu einer „vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat“ geführt haben867. Zwar schlägt das Pendel dann im Vergleich zur aktuellen Fassung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB in die entgegengesetzte Richtung aus, wodurch dem Gedanken des Selbstschutzes deutlich weniger Gewicht beigemessen wird868. Dies entspricht jedoch neben dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts auch der Regelung in § 7 StGB, wonach die Begehung einer Auslandstat nur dann in Deutschland bestraft werden kann, wenn sie auch am ausländischen Tatort strafbar ist869. Eine überzeugende Legitimation für eine ansonsten in Kauf zu neh866 Vgl. Obermüller, S. 164, der in Fällen von Distanztaten grundsätzlich eine Tatortstrafbarkeit fordert und einer lex loci insofern die Funktion einer „objektiven Strafrechtsanwendungsbedingung“ beimisst. 867 Krapp, S. 147. 868 Vgl. Kritik bei Jung, JZ 1979, 325 (331), wonach der Gedanke des Selbstschutzes zu sehr vernachlässigt würde, sofern man die Strafbarkeit am ausländischen Tatort zur Bedingung der Strafbarkeit machen würde. 869 Vgl. Kienle, S. 173 ff., der dafür plädiert, das Prinzip der identischen Norm des § 7 StGB analog anzuwenden, um das Ubiquitätsprinzip einzuschränken.

168

4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

mende Ungleichbehandlung zu Lasten des inländischen Distanzteilnehmers ist insofern nicht ersichtlich870. Folgerichtig kann die „souveränitätsschützende Funktion“ 871 einer lex loci auch in diesem Zusammenhang zur Vermeidung einer Überspannung dienen, die sich ansonsten daraus ergibt, dass sich die Geltung des deutschen Strafrechts auf Bereiche ausdehnt, in denen der Tatortstaat einen strafrechtlichen Schutz für nicht geboten erachtet872. Auch die Tatsache, dass das Recht des Tatorts damit entscheidend für die Bejahung der Strafbarkeit des Distanzteilnehmers ist, bereitet in diesem Zusammenhang deutlich weniger Probleme. Während das Recht des Tatorts nach dem Ansatz, das ausländische Recht bei der Auslegung der deutschen Straftatbestände zu berücksichtigen, ohne weitere Konkretisierung einseitig Einfluss auf das deutsche Recht nimmt873, ist dies im Falle einer entsprechenden ausdrücklichen Anordnung im Gesetz durch den Gesetzgeber legitimiert und nimmt damit seinen Ausgangspunkt letztlich von der deutschen Strafrechtsordnung. Schröder befürchtet derweil, dass eine Abhängigkeit vom Tatortrecht die Ordnungsfunktion des deutschen Strafrechts innerhalb der Landesgrenzen unterlaufe und inländische Teilnehmer ungestraft und indirekt einige Vorschriften des deutschen Rechts missachten könnten874. Aus seiner Sicht sei deshalb der allein gangbare Weg darin zu sehen, dass die nationale Rechtsordnung in erster Linie zur Bewertung aller Auslandshandlungen herangezogen werde, jedoch daneben die Möglichkeit geschaffen werde, die konkreten, von den nationalen Gegebenheiten abweichenden Verhältnisse des Einzelfalles bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Im Ergebnis müsse es daher bei einer Entscheidung des Einzelfalles durch den Richter verbleiben875. Dagegen spricht jedoch erneut das alle Einschränkungsversuche überlagernde Bedürfnis nach Konkretisierung und Rechtssicherheit. Außerdem besteht die Möglichkeit, die Ordnungsfunktion wieder herzustellen sowie die Lücken im Geltungsbereich des deutschen Strafrechts zu schließen, indem die §§ 5 und 6 StGB um entsprechende Passagen ergänzt werden. Diese Vorgehensweise würde zugleich der Tatsache Rechnung tragen, dass in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB ein „Rest vom Personalitätsprinzip“ erhalten geblieben ist, der allerdings so erheblich ist, 870 Siehe potentielle Legitimationsansätze bereits oben 2. Teil, D. III.; vgl. auch Krapp, S. 142. 871 LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 19. 872 Vgl. NK-Böse, § 7 Rn. 6; Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 7. 873 Siehe oben 4. Teil, A. I. 5. d). 874 Vgl. Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (122), der bereits 1942 die Problematik des heute geltenden § 9 Abs. 2 S. 2 StGB voraussah und sich mit der Frage auseinander setzte, ob die inländische Teilnahme in diesen Fällen de lege ferenda nicht schlechthin von der Strafbarkeit nach Tatortrecht abhängig gemacht werden sollte; vgl. dazu auch Krapp, S. 161 ff. 875 Schröder, ZStW 61 (1942), 57 (123).

B. Reformvorschlag

169

dass er nicht in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB, sondern bei den §§ 5 und 6 StGB geregelt sein müsste876. Das Kriterium der Strafbarkeit am ausländischen Tatort weist in inhaltlicher Hinsicht entfernte Ähnlichkeit mit § 3 Abs. 2 RStGB 1940 auf877. Trotzdem greifen die gegenüber § 3 Abs. 2 RStGB 1940 geäußerten Bedenken878 nicht durch, da die Beurteilung der Tat durch das ausländische Recht für eindeutig verbindlich erklärt wird879. Zudem bezogen sich die Bedenken in erster Linie auf die „besonderen Verhältnisse am Tatort“ und das „strafwürdige Unrecht“, deren Beurteilung im Einzelfall dem Richter zugewiesen wurde880. Im Unterschied zur aktuellen Gesetzeslage entspricht die Lösung, dass die inländische Teilnahme nur dann nach deutschem Recht strafbar ist, wenn auch die ausländische Haupttat am Tatort mit Strafe bedroht ist, auch eher dem RegelAusnahme-Verhältnis des deutschen Strafanwendungsrechts. Nachdem der Gesetzgeber in § 3 StGB das Territorialitätsprinzip zum Haupt- und Ausgangsprinzip des deutschen Strafanwendungsrechts erhoben hat, gilt das StGB im Grundsatz für alle im Inland begangenen Taten881. Nur in Ausnahmefällen soll der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus reichen. Zwar hat die Teilnahmehandlung im Inland stattgefunden, doch eine Reduktion der Distanzteilnahme auf diesen Aspekt würde wiederum nicht der Tat in ihrer Gesamtheit gerecht, die bei der Teilnahme eben auch die Haupttat einschließt. Das Erfordernis einer lex loci stellt also das Wertungsgleichgewicht zwischen Täterschaft und Teilnahme wieder her und reflektiert zugleich wieder deutlicher den Grundsatz der (limitierten) Akzessorietät, da es an die Abhängigkeit der Teilnahme von der Haupttat anknüpft.

II. Die Bestrafung der Distanzteilnahme de lege ferenda Das Bedürfnis, die Reichweite des deutschen Strafrechts bezogen auf die Anwendungsfälle der Distanzteilnahme durch eine eindeutige gesetzliche Regelung auf ein angemessenes Maß zu reduzieren und zugleich die Tat als Gesamtheit zu erfassen, erfordert eine Reform des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB. Die vorangehende Analyse hat insofern deutlich gemacht, dass es de lege ferenda nur eine Möglichkeit gibt, die entscheidenden Faktoren und Aspekte in einer Norm zu vereinen. Vergleichbar mit § 7 StGB ist § 9 Abs. 2 S. 2 StGB durch das Erfordernis einer

876 877 878 879 880 881

Vgl. Krapp, S. 150 mit Hinweis auf Gallas, Sitzungsniederschriften, S. 23, 30. Krapp, S. 143. Siehe oben 4. Teil, A. I. 6. c). Krapp, S. 143. Krapp, S. 143. Vgl. Satzger, NStZ 1998, 112 (112 f.).

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4. Teil: Einschränkungsmöglichkeiten

lex loci als objektive Bedingung der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts zu ergänzen. Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf die Fälle einer Distanzteilnahme wäre damit abhängig von der Strafbarkeit der Haupttat am ausländischen Tatort882. Allerdings hat das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit in diesem Zusammenhang ebenso wie im Rahmen von § 7 StGB menschenrechtliche und völkerstrafrechtliche Grenzen883. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zu § 7 StGB wurde darauf hingewiesen, dass das Erfordernis der identischen Tatortnorm voraussetze, dass „das ausländische Strafrecht den elementaren rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht“ 884. Dieser Ansicht haben sich auch die Rechtsprechung und Literatur angeschlossen885. Es ist daher anerkannt, dass das Tatortrecht unbeachtlich ist, sofern es in Widerspruch zum internationalen ordre public, also zu „international anerkannten Rechtsgrundsätzen“ steht886. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn das betreffende Tatortrecht allgemein anerkannte Menschenrechte in schwerwiegender Weise missachtet887. Darüber hinaus bedarf die Neugestaltung des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB zusätzlicher Ergänzungen. Sofern sich die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts gemäß den §§ 5, 6 und 7 StGB auch auf Auslandstaten erstreckt, obwohl die Tat am ausländischen Tatort nicht mit Strafe bedroht ist, muss entsprechendes auch für die inländische Teilnahme an einer solchen Auslandstat gelten888. Insoweit ist die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung, das Territorialitätsprinzip teilweise zu durchbrechen und das deutsche Strafrecht in den dort genannten Fällen auch auf Auslandstaten anzuwenden, zu berücksichtigen889. Anderenfalls droht ein Wertungswiderspruch innerhalb der Vorschriften des deutschen Strafanwendungsrechts und die Auffangfunktion der §§ 5, 6 und 7 StGB könnte ausgehöhlt werden. Außerdem entfällt der Grund für das Erfordernis der Tatortstrafbarkeit, wenn der Tatort der Haupttat keiner Strafgewalt unterliegt, da in diesem Fall keine Kol-

882 Vgl. zur Bedeutung des Merkmals „nach dem Recht des Tatorts mit Strafe bedroht“ im Einzelnen Scholten, S. 128 ff., sowie oben 1. Teil, D. III. 2. 883 Vgl. zu den Grenzen im Zusammenhang mit § 7 StGB MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 15; Ambos, § 3 Rn. 54; Satzger, Jura 2010, 190 (193). 884 E 1962, BT-Drucks. 4/650, S. 113; vgl. MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 15; Ambos, § 3 Rn. 54. 885 OLG Düsseldorf NJW 1979, 59 (63); NJW 1983, 1277 (1278); Kilian, NJW 1983, 2305 (2305 f.); Satzger, § 5 Rn. 93 ff. 886 BGHSt 42, 275 (279); LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 38; Ambos, § 3 Rn. 54; MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 15; NK-Böse, § 7 Rn. 7; Satzger, § 5 Rn. 96; Plutte, S. 67 ff.; Scholten, S. 166. 887 LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 38. 888 Krapp, S. 145. 889 Obermüller, S. 164.

B. Reformvorschlag

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lision mit entgegenstehendem Tatortrecht zu befürchten ist890. Der Tatort unterliegt keiner Strafgewalt, wenn die Tat in hoheitsfreiem Gebiet begangen wurde. Das gilt nicht nur bei Taten im sogenannten „Niemandsland“ (z. B. bei Polarexpeditionen) oder im Weltraum, sondern auch für Schiffe auf hoher See, die keine Flagge führen und dementsprechend nicht bereits durch § 4 StGB erfasst werden891. Keiner Strafgewalt unterliegt ein bestimmtes Gebiet zudem, wenn formal zwar noch eine staatliche Hoheitsgewalt existiert, diese aber nicht (mehr) in der Lage ist, die Strafgewalt effektiv auszuüben oder das Justizsystem zusammengebrochen ist (failed state-Szenario)892. Vor diesem Hintergrund wird vorgeschlagen, § 9 Abs. 2 S. 2 StGB künftig wie folgt auszugestalten893: „Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme unbeschadet einer entsprechenden Anwendung der §§ 5, 6 und 7 das deutsche Strafrecht, wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.“

890 Vgl. im Zusammenhang mit § 7 StGB NK-Böse, § 7 Rn. 9; Schönke/SchröderEser, § 7 Rn. 14; LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 50. 891 Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 14; MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 17; Ambos, § 3 Rn. 55. 892 Ambos, § 3 Rn. 55; MüKo/StGB-Ambos, § 7 Rn. 18; LK-Werle/Jeßberger, § 7 Rn. 53; Schönke/Schröder-Eser, § 7 Rn. 14. 893 Vgl. die Formulierungsvorschläge von Welzel in der Großen Strafrechtskommission (Sitzungsniederschriften, S. 127), Krapp, S. 167 und Obermüller, S. 165.

Zusammenfassendes Ergebnis der Untersuchung Die heikle Frage, welches Recht auf die inländische Teilnahme an einer ausländischen Haupttat Anwendung findet, blickt auf eine ebenso wechselhafte Geschichte zurück wie die gesamte Konzeption des deutschen Strafanwendungsrechts. Infolge des Zweiten Strafrechtsreformgesetzes von 1975 findet sich dazu in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB erstmals eine ausdrückliche Anordnung im Gesetz, die an das von der Rechtsprechung entwickelte Modell strafbarer Inlandsteilnahme an strafloser Auslandstat anknüpfen sollte. Danach ist der inländische Teilnehmer an einer ausländischen Haupttat auch dann dem deutschen Strafrecht unterworfen, wenn die Haupttat nach ausländischem Recht überhaupt nicht mit Strafe bedroht ist. Einerseits erscheint diese Anordnung notwendig, da sich mangels deutscher Strafgewalt und damit fehlender Bewertungshoheit über die im Ausland verwirklichte Haupttat das Handlungsunrecht des Verhaltens des inländischen Teilnehmers nicht akzessorisch aus der Haupttat ableiten lässt. Andererseits verursacht die Vorschrift jedoch Spannungen im Verhältnis zur Teilnahmedogmatik, weil es sich bei § 9 Abs. 2 S. 2 StGB systematisch auch um eine (Sonder-)Regelung über strafbare Teilnahme an ausländischer Haupttat handelt. Dementsprechend scheitern sämtliche Ansätze, den Regelungscharakter des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB aus den Feinheiten der Teilnahmedogmatik heraus zu erklären, ohne gleichzeitig Friktionen mit dem Grundsatz der (limitierten) Akzessorietät hervorzurufen. Letztlich ist daher davon auszugehen, dass die Vorschrift im Widerspruch zum Akzessorietätsprinzip steht und eine Durchbrechung dieses Grundsatzes darstellt. Dadurch kommt es zu einer erheblichen Ausdehnung der deutschen Strafgewalt, die für den inländischen Teilnehmer im Extremfall stark divergierender Wertesysteme sogar zu einer Zwickmühle werden kann, in der er eine der betreffenden Rechtsordnungen verletzen muss. Die daraus resultierende Frage nach der Strafwürdigkeit des inländischen Teilnehmers sowie dem Strafinteresse des deutschen Staates wird letztlich durch keinen der diskutierten Legitimationsansätze überzeugend beantwortet. Es deutet sich zwar an, dass das Strafinteresse des deutschen Staates im Hinblick auf § 9 Abs. 2 S. 2 StGB in erster Linie darauf abzielt, durch eine ausgedehnte Reichweite der deutschen Strafgewalt potentielle Strafbarkeitslücken zu schließen. Vor dem Hintergrund des fragmentarischen Charakters des Strafrechts erscheinen solche Erwägungen jedoch nur in beschränktem Umfang geeignet, eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des deutschen Strafrechts zu rechtfertigen. Gerade in Fällen mit Auslandsberührung ist bei der Anwendung der eigenen Strafrechtsord-

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nung aus Respekt gegenüber dem anderen souveränen Staat Zurückhaltung geboten. Der dem § 9 Abs. 2 S. 2 StGB anhaftende Eindruck der Übergewichtung nationaler Wertvorstellungen gegenüber fremden kulturellen Anschauungen macht auch vor internationalen Wirtschaftsbeziehungen nicht halt. Obwohl die Spannungen und Probleme im Zusammenhang mit § 9 Abs. 2 S. 2 StGB wiederholt als typisches Kommentarproblem deklariert wurden, zeigt die Untersuchung, dass die Regelung ihren Schatten aufgrund der Intensivierung globaler Beziehungen auch auf den internationalen Wirtschaftsverkehr wirft. Infolgedessen ist auch die Praxis der globalen Unternehmensleitung erheblichen zusätzlichen Strafbarkeitsrisiken ausgesetzt, da der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts durch § 9 Abs. 2 S. 2 StGB in Verbindung mit den weit verstreuten Sanktionsnormen des Wirtschaftsstrafrechts eine deutliche Ausdehnung erfährt. Die multinationale Komponente der modernen Unternehmensleitung führt in Verbindung mit der Vielfalt der zu berücksichtigenden Vorschriften dazu, dass die eigentlich dem Strafanwendungsrecht zuzurechnende Regelung in § 9 Abs. 2 S. 2 StGB wie eine Art strafrechtliche Dauerbedrohung über den verantwortlichen Entscheidungsträgern schwebt. In Ermangelung einer überzeugenden Legitimation bestehen daher sowohl aus rechtlicher als auch aus wirtschaftlicher Perspektive erhebliche Bedenken gegenüber § 9 Abs. 2 S. 2 StGB. Die Regelung genügt nicht im erforderlichen Maße dem Anspruch des Strafrechts, zwischen strafbarem und nicht strafbarem Unrecht zu differenzieren. Nach § 9 Abs. 2 S. 2 StGB wird nicht mehr auf die Tat in ihrer Gesamtheit – die bei der Teilnahme eben auch die Haupttat einschließt – abgestellt, sondern nur noch auf den Teil der Tat, der es in dogmatisch gerade noch vertretbarer Weise zulässt, die Anwendung des deutschen Strafrechts und damit die Zuständigkeit der deutschen Strafgewalt anzunehmen. Angesichts dieser Tatsache sind diverse Ansätze entwickelt worden, um die Reichweite des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB einzuschränken und damit die immense Ausdehnung der deutschen Strafgewalt einzudämmen. Ihren Ausgangspunkt suchen diese Überlegungen zunächst in der aktuellen Gesetzeslage, weil davon auszugehen ist, dass ein Tätigwerden des Gesetzgebers erst dann erforderlich ist, wenn sämtliche Ansätze für eine restriktive Interpretation des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB erschöpft sind. Die Analyse zeigt jedoch, dass die unterschiedlichen Ansätze, mittels einer restriktiven Interpretation die mit der Vorschrift verknüpften Probleme und Risiken zu begrenzen, nur beschränkt geeignet sind, zum eigentlichen Kern des Problems vorzudringen. Zwar existieren gerade mit dem Gedanken, die Wertungen des ausländischen Rechts bei der Anwendung des deutschen Strafrechts zu berücksichtigen, durchaus vielversprechende Anhaltspunkte für restriktive Bemühungen. Gemeinsame Schattenseite dieser Erwägungen ist jedoch das dringende Bedürfnis nach zusätzlicher Konkretisierung, damit der Betroffene sein Verhalten eindeutig danach ausrichten kann, ohne von weiteren Opportuni-

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Zusammenfassendes Ergebnis der Untersuchung

täts- oder Ermessensgesichtspunkten abhängig zu sein. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass eine prinzipielle Lösung der Problematik des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB nicht allein anhand einer Auslegung oder Interpretation der aktuellen Gesetzeslage erzielt werden kann. Folgerichtig hat sich die Untersuchung daraufhin der Frage gewidmet, wie die Anwendungsregelung in Bezug auf die inländische Teilnahme an einer ausländischen Haupttat de lege ferenda ausgestaltet werden sollte. Dabei unterliegen die Reformüberlegungen einer klaren Zielsetzung. Neben einer angemessenen Begrenzung der deutschen Strafgewalt muss eine Reform des § 9 Abs. 2 S. 2 StGB darauf gerichtet sein, auch weiterhin eine eindeutige gesetzliche Grundlage zu normieren, die die Distanzteilnahme jedoch nunmehr in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht mehr allein auf den inländischen Begehungsort abstellt. Unter Inkaufnahme potentieller Strafbarkeitslücken lassen sich sämtliche Aspekte dieses Anspruchs nur realisieren, wenn die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf die inländische Teilnahme durch die Strafbarkeit der Haupttat im Ausland bedingt ist. Durch das Erfordernis der identischen Tatortnorm wird zugleich das Wertungsgleichgewicht zwischen Täterschaft und Teilnahme wieder hergestellt und der Grundsatz der (limitierten) Akzessorietät deutlicher hervorgehoben, da es auf der Abhängigkeit der Teilnahme von der Haupttat aufbaut. Vor diesem Hintergrund kommt die vorliegende Untersuchung zu dem Ergebnis, dass § 9 Abs. 2 S. 2 StGB de lege ferenda folgendermaßen formuliert werden sollte: „Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme unbeschadet einer entsprechenden Anwendung der §§ 5, 6 und 7 das deutsche Strafrecht, wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.“

Anhang Im Interesse einer übersichtlichen Darstellung wird im Folgenden noch einmal die Genese des deutschen Strafanwendungsrechts in seinen für die vorliegende Untersuchung wesentlichen Zügen nachgezeichnet 894. Von 1871 bis 1940 basierte das in Deutschland geltende Strafanwendungsrecht auf dem Territorialitätsprinzip. § 3 RStGB 1871 lautete: „Die Strafgesetze des Deutschen Reiches finden Anwendung auf alle im Gebiete desselben begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn der Täter ein Ausländer ist.“ Einer einschneidenden Veränderung waren die §§ 3 ff. RStGB im Jahre 1940 durch die Verordnung über den räumlichen Geltungsbereich des StGB ausgesetzt, die das Territorialitätsprinzip durch das aktive Personalitätsprinzip ersetzte. § 3 RStGB 1940 lautete daraufhin: (1) „Das deutsche Strafrecht gilt für die Tat eines deutschen Staatsangehörigen, einerlei, ob er sie im Inland oder im Ausland begeht. (2) Für eine im Ausland begangene Tat, die nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist, gilt das deutsche Strafrecht nicht, wenn die Tat nach dem gesunden Empfinden des deutschen Volkes wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort kein strafwürdiges Unrecht ist. [. . .]“ Es dauerte bis 1975, bis das deutsche Recht wieder zu einem im Wesentlichen auf dem Territorialitätsprinzip aufbauenden Strafanwendungsrecht zurückkehrte, das auch heute noch in den §§ 3 ff. StGB gilt. Dementsprechend lautet § 3 StGB derzeit: „Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Inland begangen werden.“

894

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Sachverzeichnis Akzessorietät 61–70, 73, 119, 136 – Durchbrechung 62–63 – Grundsatz der limitierten Akzessorietät 61–62, 74, 77, 141, 156, 169 – verwaltungsrechtliche 123 Analoge Anwendung von § 23 Abs. 2 StGB 149–153 Anknüpfungsprinzipien 28–48, 102 Arbeitsschutzbestimmungen 110, 131– 133, 164 Auslieferung 36, 37, 46, 49 Ausnahme von § 9 Abs. 2 S. 2 StGB 100–106, 128 Begehungsort siehe Tatort Bestechung 90, 125, 160–161 Bestimmtheitsgebot 54, 75, 143 Betrug 44, 109–110, 123, 130 Blankettverweisungen 129, 161

Flaggenprinzip 25, 32–33 Fremdenrecht 15, 123, 132 Fremdrechtsanwendung – außerstrafrechtliche Normen 135 – Vereinbarkeit mit dem Grundsatz „keine Strafe ohne Gesetz“ 135–136 – Verweisung auf ausländische Rechtssätze 136–137 Gebietsgrundsatz siehe Territorialitätsprinzip Gebietshoheit 30, 31, 34 Geldfälschung 124 Generalprävention 80–86, 148 Geschichte des deutschen Strafanwendungsrechts 48–52 Gleichbehandlung 75–77, 168 Globalisierung 113, 160 Harmonisierung siehe Rechtsangleichung

De lege ferenda siehe Reform Distanzdelikt 56, 75, 140–141, 153 Distanzteilnahme – Begriff 58 – Delikt sui generis 64, 67 – Konzeption der Rechtsprechung 53 Doppelbestrafung 46 Einheitstäterbegriff 57 Einheitstheorie siehe Ubiquitätstheorie Einstellung (prozessual) 83, 116–119 Entschuldigungsgründe siehe Strafausschließungsgründe Ergreifungsort 43 Export 91–92, 111, 133, 160 Fiktion 63, 67

IGH – Lotus-Fall 24 Individualschutzprinzip – Normierung im StGB 42 – völkerrechtliche Grundlagen 41–42 Insiderverbot siehe Wertpapierhandel Integrationsprävention siehe Generalprävention Interessenverletzung siehe Schutzbereich Internationales Strafrecht – Begriff 22–23 – völkerrechtliche Grundlagen 24–26 Jurisdiktionskonflikt 46, 47 Kollisionsrecht 23

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Sachverzeichnis

Kompetenz-Kompetenz 28 Kompetenzverteilungsprinzip 46–47 Kooperation in Strafsachen 46 Korruption 160 Kriminalität, grenzüberschreitende 86, 162 Lex Loci siehe identische Tatortnorm Menschenrechte 170 Minimum standard of justice 123 Nichteinmischungsgebot 24–25, 30, 37 Nullum crimen, nulla poena sine lege 135–136 Objektive Zurechnung 155 Opportunitätsprinzip 83, 116–119, 142, 153, 165 Optimierungsgebot 26 Ordre Public 131, 133, 156, 170 Personalhoheit 34 Personalitätsprinzip – aktives – Normierung im StGB 36–37 – völkerrechtliche Grundlagen 33–36 – passives siehe Individualschutzprinzip Personalstatut 50 Praktische Konkordanz 26 Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten 24, 31, 34 Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege – Normierung im StGB 46 – völkerrechtliche Grundlagen 45–46 Prozesshindernis 31 Prozessökonomie 31 Realprinzip siehe Staatsschutzprinzip Rechtsangleichung 161–164 Rechtsgedanke des § 3 Abs. 2 RStGB (1940) 140–145, 167

Rechtshilfe 23, 45 Rechtspolitik 69–70, 75, 78, 113, 140 Rechtsstaatlichkeit 41, 62, 75, 130, 144– 145, 170 Reform – Bedürfnis 115–165 – Vorschlag 165–171 Resozialisierung siehe Spezialprävention Rückwirkungsverbot siehe Nullum crimen, nulla poena sine lege Schuldprinzip 41 Schutzbereich – ausländische Rechtsgüter 123–125 – inländische Rechtsgüter 122–133 Schutzprinzip 39–42 – Normierung im StGB 42 – völkerrechtliche Grundlagen 40–42 Selbstschutz 29, 32, 40, 52, 86, 114, 115, 139, 164, 167 Selbstverpflichtung 159–161 Sicherheitsstandards 110, 131–133, 164 Solidarität der Staaten 29, 32, 46, 52, 86– 87, 114, 115, 139, 164 Souveränität 24, 26, 32, 50, 52, 87, 163, 164 Spezialprävention 82 Staatsangehörigkeit 26, 33–36, 43, 60, 99, 158, 163 Staatsgewalt 24, 34, 124 Staatsschutzprinzip 40–41 Stammzellforschung 92–107 Strafbarkeitslücken 78–80 Strafinteresse 69, 87 Strafverfolgung 78, 85, 87, 116–118 Tatbegriff 58, 117 Täterschaft – Abgrenzung zur Teilnahme 71–72 – Mittäterschaft 73, 74, 75 – mittelbare Täterschaft 71, 73 – Rechtsprechung 71

Sachverzeichnis – unmittelbare Täterschaft 71 – Wertungsungleichgewicht 68, 77 Tatort – Erfolgstheorie 54 – Handlungstheorie 55 – Ubiquitätstheorie 55–56 Tatortnorm, identische 34, 37–39, 46, 170, 174 Tatortstrafbarkeit siehe identische Tatortnorm Teilnahme – Dogmatik 61–89 – Strafgrund 66 – Teilnahmeort 52–53, 58, 99 Territorialiätsprinzip – Konkretisierung durch § 9 Abs. 1 StGB 53–54 – Normierung im StGB 31–32 – Völkerrechtliche Grundlagen 30–31 Treuepflicht 35, 49, 51 Unionsschutzprinzip 44 Universalprinzip siehe Weltrechtsprinzip Unternehmensführung 89–114

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Untreue 107–109 Verbotsirrtum 157–159 Verbrechensbekämpfung 45, 51, 78–79 Verfolgungshindernis 39 Verfolgungsintensität 80, 111 Versuch – Parallen zu § 9 Abs. 2 S. 2 StGB 148– 149 – Strafwürdigkeit 147–148 – Transfer der Versuchsstrukturen 145– 153 Völkerrecht 24–30 Völkerstrafrecht 22, 23, 170 Weisungen, unternehmenslenkende 90, 91, 99, 110 Weltrechtsprinzip – Normierung im StGB 44 – völkerrechtliche Grundlagen 43–44 Wertpapierhandel 125 Willkürverbot 26, 67 Zollvorschriften 67