Die Arztpraxis in der Insolvenz [1. Aufl. 2019] 978-3-662-60424-3, 978-3-662-60425-0

Dieses Buch thematisiert die komplexen Rechtsfragen, die durch die Insolvenz von Arztpraxen aufgeworfen werden.Da die är

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German Pages XIX, 222 [238] Year 2019

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Die Arztpraxis in der Insolvenz [1. Aufl. 2019]
 978-3-662-60424-3, 978-3-662-60425-0

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIX
Einleitung (Niclas Lauf)....Pages 1-18
Typen von Arztpraxen (Niclas Lauf)....Pages 19-36
Insolvenzfähigkeit der einzelnen Praxistypen (Niclas Lauf)....Pages 37-46
Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse (Niclas Lauf)....Pages 47-102
Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter (Niclas Lauf)....Pages 103-125
Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die ärztliche Schweigepflicht und die Arzt-Patient-Beziehung (Niclas Lauf)....Pages 127-165
Schicksal der insolventen Arztpraxis (Niclas Lauf)....Pages 167-192
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse (Niclas Lauf)....Pages 193-200
Back Matter ....Pages 201-222

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Kölner Schriften zum Medizinrecht Christian Katzenmeier (Hrsg.)

Niclas Lauf

Die Arztpraxis in der Insolvenz

123

24

Kölner Schriften zum Medizinrecht Band 24 Reihenherausgeber Christian Katzenmeier

Weitere Bände siehe http://www.springer.com/series/8204

Niclas Lauf

Die Arztpraxis in der Insolvenz

Niclas Lauf Institut für Medizinrecht Universität zu Köln Köln, Deutschland

ISSN 1866-9662 ISSN 1866-9670 (electronic) Kölner Schriften zum Medizinrecht ISBN 978-3-662-60424-3 ISBN 978-3-662-60425-0 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-60425-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln im Sommersemester 2019 als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Christian Katzenmeier, der mich während meiner Zeit als studentische Hilfskraft und als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinrecht der Universität zu Köln vielfältig unterstützt und gefördert hat. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Hanns Prütting danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Kollegen am Institut für Medizinrecht und meinen Freunden für die hilfreichen Gespräche und Anregungen, insbesondere danke ich Leon Birck, Dr. Anna Genske, Raphaël Hebecker, Sebastian Krumnack, Lukas Reitebuch und Dr. Jan Röleke für die Unterstützung bei den Korrekturarbeiten. Ein ganz besonderer Dank gilt Marie Charlotte Kurz, die mich in jeder Phase des Projektes hingebungsvoll und zuverlässig unterstützt hat, sie hat großen Anteil am Gelingen dieser Arbeit. Herzlich danke ich auch meinen Eltern und meiner Schwester für ihre stete Begleitung und Unterstützung.

Köln, im Juli 2019

Niclas Lauf

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

Einleitung …………………………………………………………………………1 A. Prolog ........................................................................................................ 1 B. Forschungsgegenstand............................................................................... 3 I. Insolvenz............................................................................................. 3 1. Begriff .......................................................................................... 4 2. Insolvenzrecht .............................................................................. 4 II. Arztpraxis ........................................................................................... 5 1. Vorhandene Begriffe und Definitionen ........................................ 5 a) Ärztliches Standesrecht ......................................................... 5 b) Zivilrecht ............................................................................... 6 c) Weitere Definitionen ............................................................. 6 2. Definition für die vorliegende Arbeit ........................................... 7 C. Grundzüge des Insolvenzverfahrens .......................................................... 7 I. Zweck des Insolvenzverfahrens .......................................................... 7 II. Gang des Insolvenzverfahrens ............................................................ 8 1. Das Insolvenzverfahren als Antragsverfahren ............................. 8 2. Insolvenzgründe ........................................................................... 9 a) Zahlungsunfähigkeit .............................................................. 9 b) Überschuldung ...................................................................... 9 c) Drohende Zahlungsunfähigkeit ........................................... 10 d) Feststellung der Insolvenzgründe ........................................ 10 3. Eröffnungsverfahren .................................................................. 10 a) Ablauf des Eröffnungsverfahrens........................................ 10 b) Vorläufige Sicherungsmaßnahmen ..................................... 11 4. Insolvenzverfahren..................................................................... 12 a) Die Insolvenzmasse ............................................................. 12 b) Aus- und Absonderungsrechte ............................................ 13 c) Insolvenzgläubiger und Forderungen .................................. 14 d) Verwaltung der Masse durch den Insolvenzverwalter ........ 15 5. Besondere Verfahrensarten ........................................................ 16 a) Verbraucherinsolvenzverfahren .......................................... 16 b) Eigenverwaltungs- und Insolvenzplanverfahren ................. 17 6. Restschuldbefreiung................................................................... 17 Kapitel 1: Typen von Arztpraxen ……………………………………………...19 A. Einzelpraxis ............................................................................................. 19 I. Begriff .............................................................................................. 19 II. Rechtsform ....................................................................................... 20 B. Berufliche Kooperation in Form von Gruppenpraxen ............................. 20 I. Berufsausübungsgemeinschaften ...................................................... 21 1. Gemeinschaftspraxis .................................................................. 21 a) Begriff und Motive .............................................................. 21 b) Erscheinungsformen............................................................ 23

VIII

Inhaltsverzeichnis

c) Rechtsform .......................................................................... 24 2. Ärztepartnerschaft ...................................................................... 25 3. Ärzte-GmbH .............................................................................. 26 II. Organisationsgemeinschaften ........................................................... 29 1. Praxisgemeinschaft als Grundform der Organisationsgemeinschaft .......................................................................................... 29 a) Begriff und Motive .............................................................. 29 b) Rechtsform .......................................................................... 30 2. Sonderformen ............................................................................ 32 a) Apparategemeinschaft ......................................................... 32 b) Laborgemeinschaft .............................................................. 33 c) Leistungserbringergemeinschaft ......................................... 34 III. Medizinische Kooperationsgemeinschaften und Praxisverbünde ..... 34 1. Kooperationsgemeinschaften ..................................................... 35 2. Praxisverbünde........................................................................... 35 Kapitel 2: Insolvenzfähigkeit der einzelnen Praxistypen……………………..37 A. Einzelpraxen ............................................................................................ 37 B. Berufliche Kooperationen ....................................................................... 39 I. Berufsausübungsgemeinschaft ......................................................... 39 1. Gesellschaftsinsolvenz ............................................................... 39 2. Gesellschafterinsolvenz ............................................................. 39 a) GbR und PartG .................................................................... 40 b) Besondere Problematik bei der Ärzte-GmbH ..................... 41 II. Organisationsgemeinschaft ............................................................... 43 1. Grundform ................................................................................. 43 2. Sonderformen ............................................................................ 44 a) Apparategemeinschaft ......................................................... 44 b) Laborgemeinschaft .............................................................. 44 c) Leistungserbringergemeinschaft ......................................... 45 C. Medizinische Kooperationsgemeinschaft ................................................ 45 D. Praxisverbund .......................................................................................... 45 E. Ergebnis ................................................................................................... 46 Kapitel 3: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse ……………………….47 A. Praxiseinrichtung ..................................................................................... 48 I. Grundsatz, § 35 Abs. 1 InsO ............................................................. 48 II. Nicht zur Insolvenzmasse gehörende Gegenstände, § 36 InsO ........ 50 1. Anwendbarkeit von § 36 InsO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO................................................................................... 50 a) Grundsatz ............................................................................ 51 b) Unanwendbarkeit bei juristischen Personen und Personengesellschaften? .................................................................... 52 c) Ergebnis .............................................................................. 58 2. Zur Notwendigkeit einer Einschränkung der Pfändungsschutzvorschriften ................................................................................ 59 a) Diskussion in Literatur und Rechtsprechung ...................... 59

Inhaltsverzeichnis

B.

C.

D.

E. F.

IX

b) Stellungnahme ..................................................................... 62 c) Ergebnis .............................................................................. 63 Patientenkartei und Patientenunterlagen ................................................. 63 I. Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse ................................................... 64 II. Verwertbarkeit .................................................................................. 64 III. Fazit .................................................................................................. 64 Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz ............................................ 65 I. Vertragsarztzulassung ....................................................................... 65 1. Keine Entziehung der Zulassung wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens ........................................................................... 66 2. Schicksal der Vertragsarztzulassung im Insolvenzverfahren ..... 66 II. Vertragsarztsitz ................................................................................. 68 III. Ergebnis ............................................................................................ 69 Einkünfte ................................................................................................. 70 I. Ausgangspunkt: Ärztliche Honorarforderungen als Teil der Insolvenzmasse ................................................................................. 70 II. Einkünfte aus vertragsärztlicher Tätigkeit ........................................ 71 1. Vergütung nach der vertragsärztlichen Honorarverteilung ........ 71 2. Abtretung von vertragsärztlichen Honorarforderungen ............. 73 a) Entstehungszeitpunkt des vertragsärztlichen Honoraranspruchs............................................................................. 74 b) Vorausabtretung vertragsärztlicher Honorarforderungen .... 76 3. Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung ................ 81 a) Entstehung von Regressansprüchen .................................... 81 b) Behandlung von Regressansprüchen in der Insolvenz des Vertragsarztes...................................................................... 83 III. Einkünfte aus privatärztlicher Tätigkeit ........................................... 85 1. Privatärztliche Vergütung .......................................................... 85 2. Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur Abtretung vertragsärztlicher Honoraransprüche ...................................................... 86 a) Zeitpunkt der Entstehung privatärztlicher Honoraransprüche ............................................................................ 86 b) Das Schicksal abgetretener privatärztlicher Honoraransprüche in der Insolvenz .................................................. 87 3. Liquidation von Honorarforderungen durch Verrechnungsstellen ......................................................................................... 88 IV. Pfändungsschutz nach § 36 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO ................ 89 1. Der Begriff des Arbeitseinkommens i. S. v. § 850 ZPO ............ 89 2. Differenzierung zwischen vertrags- und privatärztlichem Honorar ...................................................................................... 90 a) Privatärztliche Honorare ..................................................... 90 b) Vertragsärztliche Honorare ................................................. 90 3. Pfändungsschutz bei ärztlichen Kooperationen ......................... 91 4. Ergebnis ..................................................................................... 92 Die Arbeitskraft des Arztes ..................................................................... 92 Die Freigabe der ärztlichen Praxis........................................................... 94 I. Begriff und Arten der Freigabe ......................................................... 94

X

Inhaltsverzeichnis

1. Echte und unechte Freigabe ....................................................... 95 a) Echte Freigabe..................................................................... 95 b) Unechte Freigabe ................................................................ 96 2. Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO ................................................................. 96 a) Positiverklärung .................................................................. 97 b) Negativerklärung ................................................................. 97 II. Freigabe bei der Insolvenz von Personengesellschaften und juristischen Personen ........................................................................ 98 1. Streitstand .................................................................................. 98 2. Stellungnahme ......................................................................... 100 III. Bedeutung der Freigabe bei der Insolvenz von Arztpraxen ............ 101 Kapitel 4: Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter ………….103 A. Führung der Praxis durch den Insolvenzverwalter ................................ 103 I. Insolvenzverfahren ......................................................................... 103 1. Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis............. 103 2. Konflikt mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht ............ 104 a) Ärztliches Berufs- und Standesrecht ................................. 104 b) Konflikte mit einzelnen Regelungen ................................. 107 3. Konflikt mit dem Vertragsarztrecht ......................................... 113 4. Ergebnis ................................................................................... 113 II. Eröffnungsverfahren ....................................................................... 115 1. Bestellung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters ... 116 2. Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters ................................................................. 117 3. Verzicht auf die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ................................................................. 118 4. Ergebnis ................................................................................... 118 III. Fazit ................................................................................................ 119 B. Schicksal von Behandlungsverträgen in der Insolvenz der Arztpraxis . 119 I. Verträge in der Insolvenz................................................................ 120 1. Frühere Rechtslage .................................................................. 120 2. Aktuelle Rechtslage ................................................................. 121 II. Der Behandlungsvertrag in der Insolvenz ...................................... 122 1. Rechtsnatur des Behandlungsvertrags ..................................... 123 2. Schicksal in der Insolvenz ....................................................... 124 III. Ergebnis .......................................................................................... 125 Kapitel 5: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die ärztliche Schweigepflicht und die Arzt-Patient-Beziehung ....…………………………127 A. Besonderheiten der Arzt-Patient-Beziehung ......................................... 127 B. Die ärztliche Schweigepflicht ................................................................ 129 I. Rechtliche Anknüpfungspunkte der ärztlichen Schweigepflicht .... 129 1. Ärztliches Standesrecht ............................................................ 130 2. Strafrecht.................................................................................. 131 3. Zivilrecht.................................................................................. 134

Inhaltsverzeichnis

XI

a) Vertragsrecht ..................................................................... 135 b) Deliktsrecht ....................................................................... 136 II. Umfang der ärztlichen Schweigepflicht ......................................... 137 1. Sachlicher Umfang .................................................................. 137 2. Zeitlicher Umfang .................................................................... 138 III. Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht ......................................... 139 1. Entbindung von der Schweigepflicht durch Einwilligung ....... 139 2. Zurücktreten der Schweigepflicht ............................................ 140 C. Konfliktlage in der Insolvenz ................................................................ 143 I. Eröffnungsverfahren ....................................................................... 144 1. Auskunftspflichten des Schuldners .......................................... 144 2. Mitwirkungspflichten des Schuldners ...................................... 145 3. Sicherungsmaßnahmen ............................................................ 145 II. Insolvenzverfahren ......................................................................... 146 1. Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter ............. 146 2. Veräußerung der Praxis im Rahmen des Insolvenzverfahrens . 148 a) Zur Veräußerung von Arztpraxen ..................................... 148 b) Die Übergabe der Patientenkartei und der Krankenunterlagen ............................................................ 149 III. Lösungsansätze ............................................................................... 152 1. Zwei-Schrank-Modell .............................................................. 152 2. Verschwiegenheitspflicht des Insolvenzverwalters ................. 153 a) Bestehen einer Schweigepflicht für Insolvenzverwalter de lege lata ........................................................................ 154 b) Statuierung einer gesetzlichen Schweigepflicht für Insolvenzverwalter de lege ferenda ................................... 157 3. Doppelte Aktenführung ........................................................... 158 a) Vorschlag aus der Literatur ............................................... 158 b) Stellungnahme ................................................................... 158 4. Interessenabwägung ................................................................. 159 a) Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2005 (Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 62/04) ................................................. 159 b) Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2009 (Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 85/08) ................................................... 161 c) Abschließende Stellungnahme .......................................... 162 IV. Fazit ................................................................................................ 163 Kapitel 6: Schicksal der insolventen Arztpraxis……………………………..167 A. Die Verwertung insolventer Arztpraxen ................................................ 167 I. Die Veräußerung der Arztpraxis ..................................................... 168 1. Veräußerbarkeit von Arztpraxen .............................................. 168 a) Generelle Veräußerbarkeit ................................................ 168 b) Veräußerbarkeit im Insolvenzverfahren ............................ 170 2. Veräußerung der Praxis im Ganzen ......................................... 171 3. Veräußerung des Praxisinventars ............................................. 173 4. Ergebnis ................................................................................... 173 II. Fortführung der Praxis .................................................................... 174

XII

Inhaltsverzeichnis

B. Möglichkeiten der Sanierung insolventer Arztpraxen ........................... 175 I. Eigenverwaltungsverfahren ............................................................ 176 1. Besonderheiten des Eigenverwaltungsverfahrens .................... 177 2. Die Sanierung insolventer Arztpraxen im Eigenverwaltungsverfahren ..................................................... 178 a) Vorteile ............................................................................. 178 b) Nachteile ........................................................................... 179 c) Fazit .................................................................................. 180 II. Insolvenzplanverfahren .................................................................. 180 1. Besonderheiten des Insolvenzplanverfahrens .......................... 181 2. Eignung des Insolvenzplanverfahrens für die Sanierung insolventer Arztpraxen ............................................................. 182 a) Vorteile ............................................................................. 182 b) Nachteile ........................................................................... 183 c) Fazit .................................................................................. 184 III. Die Freigabe der Praxis als Sanierungsmöglichkeit ....................... 184 IV. Übertragende Sanierung ................................................................. 185 1. Konzept der übertragenden Sanierung ..................................... 186 2. Übertragende Sanierung bei Arztpraxen .................................. 187 a) Einzelpraxen ..................................................................... 187 b) Ärztegesellschaften ........................................................... 187 c) Exkurs: Einbringung der Praxis in ein MVZ..................... 188 d) Fazit .................................................................................. 189 V. Restschuldbefreiung ....................................................................... 190 1. Gegenstand und Wirkung der Restschuldbefreiung ................. 190 2. Restschuldbefreiung bei Arztpraxen ........................................ 191 C. Fazit ....................................................................................................... 192 Kapitel 7: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ………………...193 A. Ergebnisse ............................................................................................. 193 I. Zur Insolvenzfähigkeit von Arztpraxen .......................................... 193 II. Zur Insolvenzmasse ........................................................................ 193 1. Grundsatz ................................................................................. 193 2. Nicht pfändbare Gegenstände .................................................. 193 3. Patientenkartei und Patientenunterlagen .................................. 194 4. Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz ............................. 195 5. Einkünfte.................................................................................. 195 6. Arbeitskraft des Arztes ............................................................ 196 7. Freigabe der Praxis nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO ....................... 196 III. Verwaltung der Arztpraxis durch den Insolvenzverwalter ............. 196 IV. Behandlungsverträge in der Insolvenz ............................................ 197 V. Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die ärztliche Schweigepflicht und die Arzt-Patient-Beziehung ........................... 197 VI. Die Verwertung der Praxis: Liquidation oder Sanierung? .............. 199 B. Fazit ....................................................................................................... 199 Literaturverzeichnis …………………………………………………………...201

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

a. A.

andere Ansicht

a. E.

am Ende

a. F.

alte(r) Fassung

Abs.

Absatz

AcP

Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift)

ÄApprO

Approbationsordnung für Ärzte

Ärzte-ZV

Zulassungsverordnung für Vertragsärzte

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AG

Aktiengesellschaft, Amtsgericht

AG RAe im MedR

Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht

AktG

Aktiengesetz

allg.

Allgemein

AnfG

Anfechtungsgesetz

Anm.

Anmerkung

Art.

Artikel

ArztR

Arztrecht (Zeitschrift)

AT

Allgemeiner Teil

ausdr.

ausdrücklich(/e/n)

ausf.

ausführlich

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

Bd.

Band

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BeckOK

Beck’scher Online-Kommentar

Begr.

Begründer

Beschl.

Beschluss

Bespr.

Besprechung

BestattG BW

Bestattungsgesetz Baden-Württemberg

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

Rechtsanwälte

im

XIV

Abkürzungsverzeichnis

BGHSt

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BGHZ

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BMV-Ä

Bundesmantelvertrag Ärzte

BR-Drs.

Bundesratsdrucksache

BRAO

Bundesrechtsanwaltsordnung

BSG

Bundessozialgericht

BSGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts

bspw.

beispielsweise

BT

Besonderer Teil

BT-Drs.

Bundestagsdrucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

bzgl.

bezüglich

bzw.

beziehungsweise

CDU

Christlich Demokratische Union

CSU

Christlich Soziale Union

CT

Computertomograph

d. h.

das heißt

DÄBl.

Deutsches Ärzteblatt (Zeitschrift)

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

ders.

derselbe

DGVZ

Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung

dies.

dieselbe(n)

DS-GVO

Datenschutz-Grundverordnung

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

DZWiR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

e. G.

eingetragene Genossenschaft

e. V.

eingetragener Verein

Ed.

Edition

Abkürzungsverzeichnis

XV

EDV

Elektronische Datenverarbeitung

EGInsO

Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung

Einl.

Einleitung

EKV

Arzt-/Ersatzkassen-Vertrag

EL

Ergänzungslieferung

entspr.

entsprechend

ESUG

Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen

EU

Europäische Union

EWiR

Entscheidungen (Zeitschrift)

f.

folgende

ff.

fortfolgende

FG

Finanzgericht

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

gem.

gemäß

GenG

Genossenschaftsgesetz

GesR

Gesundheitsrecht (Zeitschrift)

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

GmbHR

GmbH-Rundschau (Zeitschrift)

ggü.

gegenüber

GOÄ

Gebührenordnung für Ärzte

grds.

grundsätzlich

GuP

Gesundheit und Pflege (Zeitschrift)

HeilPrG

Heilpraktikergesetz

HGB

Handelsgesetzbuch

HK-AKM

Heidelberger Kommentar Arztrecht Krankenhausrecht Medizinrecht

HK-InsO

Heidelberger nung

zum

Wirtschaftsrecht

Kommentar

Insolvenzord-

XVI

Abkürzungsverzeichnis

h. M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

hrsg.

herausgegeben

Hs.

Halbsatz

i. d. R.

in der Regel

i. E.

im Ergebnis

i. R. d./e.

im Rahmen der/des/einer/eines

i. S. d./v.

im Sinne der/des/von

i. V. m.

in Verbindung mit

IfSG

Infektionsschutzgesetz

insb.

insbesondere

insg.

insgesamt

InsO

Insolvenzordnung

InVo

Insolvenz & Vollstreckung (Zeitschrift)

jew.

jeweils

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

Kap.

Kapitel

KassKomm

Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht

KG

Kommanditgesellschaft

KKG

Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz

KO

Konkursordnung

krit.

kritisch

KTS

Zeitschrift für Insolvenzrecht

LG

Landgericht

Lit.

Literatur

lit.

littera

LSG

Landessozialgericht

m.

mit

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

MB/KK

Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung

MBO

Musterberufsordnung

Abkürzungsverzeichnis

XVII

MBO-Ä

Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift)

MedR

Medizinrecht (Zeitschrift)

MMR

MultiMedia und Recht (Zeitschrift)

MRT

Magnetresonanztomograph

MüKo

Münchener Kommentar

MVZ

Medizinisches Versorgungszentrum

n. F.

neue(r) Fassung

NJW

Neue Juristische schrift)

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungsreport (Zeitschrift)

NK-BGB

NomosKommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

Nr.

Nummer

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

NZI

Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung

NZS

Neue Zeitschrift für Sozialrecht

OHG

Offene Handelsgesellschaft

OLG

Oberlandesgericht

OVG

Oberverwaltungsgericht

PartG

Partnerschaftsgesellschaft

PartGG

Partnerschaftsgesellschaftsgesetz

PatRG

Patientenrechtegesetz

RegE

Regierungsentwurf

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGZ

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Rn.

Randnummer

Rspr.

Rechtsprechung

S.

Seite, Satz

s.

siehe

s. a.

siehe auch

Wochenschrift

(Zeit-

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

s. o.

siehe oben

s. u.

siehe unten

SG

Sozialgericht

SGb

Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift)

SGB

Sozialgesetzbuch

sog.

sogenannt(e/en/er/es)

SPD

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

st.

ständige

StBerG

Steuerberatungsgesetz

str.

streitig

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

u.

und

u. a.

unter anderem

Urt.

Urteil

v.

vom/von

VÄndG

Vertragsarztrechtsänderungsgesetz

VersR

Versicherungsrecht (Zeitschrift)

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verfassungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

Vorbem.

Vorbemerkung(en)

VVG

Versicherungsvertragsgesetz

WM

Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift)

WPO

Wirtschaftsprüferordnung

z. B.

zum Beispiel

z. T.

zum Teil

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZInsO

Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

zit.

zitiert

ZMGR

Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht

Abkürzungsverzeichnis

XIX

ZPO

Zivilprozessordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZVI

Zeitschrift für Verbraucher- und (Privat) Insolvenzrecht

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozeß

Einleitung A. Prolog A. Prolog Einleitung

Mit Erstaunen wird häufig festgestellt, dass auch Arztpraxen in die Insolvenz geraten können, galt der Beruf doch jahrzehntelang als lukrativ und krisensicher. 1 Doch Ärzte sind Teilnehmer des in vielen Bereichen immer umkämpfteren Gesundheitsmarktes.2 Rationierungs- und Sparmaßnahmen gehen auch an ihnen nicht spurlos vorbei. Die Anzahl der Insolvenzen von Arztpraxen ist in den letzten Jahren dennoch auf konstant niedrigem Niveau geblieben. 3 Die besondere juristische Bedeutsamkeit der Thematik ergibt sich nicht aus der Fallzahl, sondern vielmehr aus den zahlreichen und komplexen rechtlichen Problemen, die das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Ärzten und Arztpraxen mit sich bringt. 4 Vor dem Hintergrund, dass jede Arztpraxis in Deutschland hunderte, meist sogar tausende Patienten in ihrer Kartei zählt,5 zeigt sich die volle Brisanz der Thematik. Jährlich sind damit potentiell hunderttausende (verfahrensunbeteiligte) Patienten von der Insolvenz einer Arztpraxis betroffen. Sei es dadurch, dass die Praxis nicht mehr aufgesucht werden kann, weil sie geschlossen wird, dass Dritte (allen voran der Insolvenzverwalter) in die Beziehung zwischen Arzt und Patient eindringen oder dass die Patientendaten zwecks Abrechnung oder Veräußerung der Praxis Dritten offengelegt werden müssen. Letzteres führt zu einem Konflikt mit der ärztlichen Schweigepflicht, die durch das Insolvenzverfahren vielfach tangiert ist.

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Zu den Gründen für die Insolvenz von Arztpraxen s. Uhlenbruck, ZVI 2002, 49; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21 f.; Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839; Ziegler, ZInsO 2014, 1577; d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, Rn. 38. 2 S. hierzu Oberender/Fleckenstein, in: Halbe/Schirmer, HBKG, E 1600 Rn. 5 f. Zur Ökonomisierung der Medizin s. Maio, in: Katzenmeier/Bergdolt, Das Bild des Arztes im 21. Jahrhundert, S., 21 ff., insb. 26 ff. 3 S. dazu die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, Fachserie 2, Reihe 4.1 aus den Jahren 2013 bis 2017, abrufbar unter https://www.destatis.de/GPStatistik/receive/DESerie _serie_00000215?list=all (zuletzt abgerufen am 19.12.2018). Die Insolvenzen von (Allgemein- und Fach-)Arztpraxen (Nr. Q 8621 und Q 8622) finden sich jew. in Tabelle 6 auf S. 15. Die Anzahl jährlich eröffneter Insolvenzverfahren über das Vermögen von Arzt- und Zahnarztpraxen schwankte in den letzten Jahren ungefähr um den Wert 100. 4 So auch Ziegler, ZInsO 2014, 1577; HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 178. 5 Dies ergibt sich aus der Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zur Bedarfsplanung hinsichtlich der Verhältniszahlen von Einwohner je Arzt, die angibt, wie viele Einwohner im Schnitt auf einen (Vertrags-)Arzt einer bestimmten Fachgruppe entfallen (die privatärztliche Versorgung ist hier nicht eingerechnet), mit Stand v. 31.12.2017, abrufbar unter http://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/media/sp/I.1.2.1.pdf (zuletzt abgerufen am 19.12.2018). Auch wenn eine exakte Bestimmung der Patientenanzahl pro Arzt nicht möglich ist und von unterschiedlichen Faktoren (wie Demographie und Region) abhängt, kann aus der Statistik geschlossen werden, dass sich durchschnittlich viele hundert bis einige tausend Patienten in der Kartei eines jeden niedergelassenen (Vertrags-)Arztes befinden. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Lauf, Die Arztpraxis in der Insolvenz, Kölner Schriften zum Medizinrecht 24, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60425-0_1

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Einleitung

In der Literatur erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Thematik erst allmählich.6 Die Rechtsprechung – insbesondere die höchstrichterliche – ist bislang selten mit Fällen der Arztpraxisinsolvenz konfrontiert gewesen. Lediglich zu einigen wenigen Einzelfragen existieren Urteile in diesem Bereich. Hinsichtlich zahlreicher Fragen besteht daher Rechtsunsicherheit, die die Verfahrensbeteiligten und Insolvenzverwalter belasten und die Verfahren in die Länge ziehen kann. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Ärzten und Arztpraxen besteht zudem die Besonderheit, dass zwischen den Ärzten und ihren Patienten, die zwar am Verfahren unbeteiligt, aber gleichwohl von ihm betroffen sind, eine besondere Vertrauensbeziehung7 existiert. Die Arzt-Patient-Beziehung ist für das Gelingen der Behandlung des Patienten von größter Wichtigkeit, wird sie durch äußere Einflüsse gestört, kann sich dies negativ auf den Behandlungsausgang auswirken.8 Die besondere Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient spiegelt sich in den Regelungen des Insolvenzrechts indes nicht wider. Auf die Interessen am Verfahren Unbeteiligter wird nur sehr eingeschränkt Rücksicht genommen. Hauptziel des Insolvenzverfahrens ist die gleichmäßige, möglichst umfassende Befriedigung der Gläubiger (vgl. § 1 S. 1 InsO).9 Diesem Ziel ist das gesamte Verfahren untergeordnet. Auch auf Seiten der Patienten sind aber Rechte von höchstem Rang betroffen, etwa das grundrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Daher muss ein Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der Verfahrensbeteiligten – insbesondere der Gläubiger – und der Patienten hergestellt werden. Dies ist bislang nicht gelungen. Das ärztliche Berufs- und Standesrecht10 geht von einem selbständigen, von außen unbeeinflussten, allein dem Wohle der Patienten untergeordneten Arzt aus.11 Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vom Arzt auf den Insolvenzverwalter ist dieses Arztbild gefährdet, Konflikte mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht sind unvermeidbar. Das Insolvenzrecht hält für diese rechtlichen Konflikte aber keine Lösungen bereit. Das Schicksal insolventer Praxen, also die Liquidation oder Sanierung der Praxis, ist für die Beteiligen – Schuldner und Gläubiger –, aber auch für die Patienten von großer Bedeutung. Dabei ist die Liquidation der Praxis (auch aus Gläubigersicht) längst nicht mehr alternativlos. Seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung 6 Erste Publikationen speziell zu dieser Thematik stammen von Uhlenbruck, ZVI 2002, 49 und Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21; ders., NZI 2003, 530. Hierdurch wurde die Thematik zum Gegenstand rechtswissenschaftlicher Diskussion. 7 S. hierzu Katzenmeier, Arzthaftung, S. 9 f.; Buchborn, MedR 1984, 126, 128. 8 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 5 ff. 9 BVerfGE 116, 1, 13 = NJW 2006, 2613, 2614 = ZIP 2006, 1355, 1356; BGHZ 163, 32, 35 = NJW 2005, 2015, 2016 = ZIP 2005, 492, 493; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 1.15; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 1; Thole, JZ 2011, 765, 771; Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 10 Rn. 1; MüKo-InsO/Ganter/Lohmann, § 1 Rn. 20; HK-InsO/Sternal, § 1 Rn. 3. 10 Zur Unterscheidung zwischen ärztlichem Berufs- und Standesrechts s. im 4. Kap. unter A. I. 2. a). 11 Vgl. nur § 1 BÄO sowie die §§ 1 u. 2 MBO-Ä.

B. Forschungsgegenstand

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im Jahr 1999 rückte der Sanierungsgedanke immer stärker in den Fokus, das Gesetz hält hierfür besondere Instrumente bereit. 12 Der oft beschriebene (und nach wie vor, auch von der Politik, geforderte)13 „Wandel der Insolvenzkultur“14 kann dazu beitragen, dass rechtliche Konflikte vermieden und auch die Interessen der verfahrensunbeteiligten Patienten gewahrt werden. Nach einer Bestimmung des Forschungsgegenstandes und einer Erörterung der Grundlagen des Insolvenzverfahrens werden zunächst die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Arztpraxen betrachtet (Kap. 1), darauf folgt die Untersuchung der Insolvenzfähigkeit der unterschiedlichen Praxistypen (Kap. 2). Sodann werden die rechtlichen Probleme, die im Zusammenhang mit der Insolvenzmasse stehen, erörtert (Kap. 3). Anschließend geht es um die Auswirkungen des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter und die damit verbundene Fremdführung der Praxis (Kap. 4). Ein eigenes Kapitel ist sodann den Auswirkungen der Insolvenz der Arztpraxis auf das Arzt-PatientVerhältnis, untersucht am Beispiel der ärztlichen Schweigepflicht, gewidmet (Kap. 5). Schließlich wird das Schicksal der in die Insolvenz geratenen Praxis erörtert, dabei wird die Liquidation ebenso wie Möglichkeiten der Sanierung betrachtet (Kap. 6), stets unter Berücksichtigung der Interessen und Rechte der Patienten.

B. Forschungsgegenstand B. Forschungsgegenstand

Gegenstand der Untersuchung ist die Insolvenz von Arztpraxen. Lässt sich mit Hilfe des Gesetzes der Begriff der Insolvenz (I. 1.) relativ leicht ergründen, ist es umso schwieriger den Begriff der Arztpraxis (II.) zu bestimmen. Eine allgemein gültige Definition existiert nicht. Daher muss der Begriff für die Arbeit festgelegt werden.

I. Insolvenz Um sich der Thematik der Insolvenz von Arztpraxen nähern zu können, ist es zunächst erforderlich, den Begriff der Insolvenz zu betrachten. Auch der Terminus des Insolvenzrechts, das im Rahmen der Arbeit eine wichtige Rolle spielt, muss 12

Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 73 ff., 77 f.; MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 159 Rn. 1; s. dazu auch Kübler, in: Kübler, HRI, § 1 Rn. 12; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 261 f.; Thole, JZ 2011, 765 ff.; insb. 768 ff.; Vallender, NZI 2010, 838, 840 ff. Die stetig zunehmende Bedeutung des Sanierungsgedankens zeigt auch der Erlass des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, v. 7.12.2011, BGBl. I, S. 2582). S. aber auch Thole, JZ 2011, 765, 771 f., der vor einer Verselbständigung des Sanierungszwecks warnt. 13 S. hierzu etwa die Rede der damaligen Bundesministerin der Justiz LeutheusserSchnarrenberger, gehalten auf dem 7. Deutschen Insolvenzrechtstag 2010 in Berlin, in der sie eine „andere Insolvenzkultur“ forderte und das Ziel ausgab, „das Insolvenzrecht noch stärker als Chance zur Sanierung eines Unternehmens“ zu begreifen. 14 Zu Begriff und Wandel der „Insolvenzkultur“ s. Vallender, NZI 2010, 836; Thole, JZ 2011, 765.

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Einleitung

kurz erläutert werden. Eine Darstellung der Grundzüge des Insolvenzverfahrens, in dessen Rahmen sich die später zu untersuchenden Rechtsprobleme ergeben, erfolgt gesondert (C.). 1. Begriff Im ursprünglichen Sinne ist die Insolvenz nichts anderes als die Zahlungsunfähigkeit.15 Heute hat sich der Begriff gewandelt, er ist ausgeweitet worden. Der rechtliche Begriff der Insolvenz erfasst nun jede wirtschaftliche Notlage eines Schuldners, die es ermöglicht oder erforderlich macht ein Insolvenzverfahren auszulösen.16 Nicht jede wirtschaftliche Krise ist jedoch zugleich als Insolvenz zu qualifizieren. Nur wenn der Schuldner dazu berechtigt ist einen Insolvenzantrag zu stellen, spricht man nicht mehr von einer rein betriebswirtschaftlichen Krise, sondern von einer Insolvenz. 17 Da der Gesetzgeber in § 18 InsO die drohende Zahlungsunfähigkeit als Auslöser für die Insolvenz aufgenommen hat, ist auch diese bereits als Insolvenz anzusehen.18 Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung stellen folglich rechtlich gesehen die Insolvenz des Schuldners dar. Dann kommt das Insolvenzrecht zur Anwendung. 2. Insolvenzrecht Als Insolvenzrecht wird die Summe aller Rechtsvorschriften bezeichnet, die den existenzbedrohenden Zustand des Schuldners oder Schuldnerunternehmens regeln.19 Vom Insolvenzrecht im engeren Sinne, welches die Rechtsregeln beinhaltet, die für die Abwicklung und Haftungsverwirklichung beim wirtschaftlichen Zusammenbruch eines Schuldners oder Schuldnerunternehmens gelten, und hauptsächlich (aber nicht ausschließlich) in der Insolvenzordnung (InsO) 20 geregelt ist, ist das Insolvenzrecht im weiteren Sinne zu unterscheiden. 21 Dieses umfasst alle Rechtsvorschriften, die im Falle der Insolvenz des Schuldners oder Schuldnerunternehmens Bedeutung erlangen können.22 Weiter ist zwischen for15

Vgl. Wimmer/Stenner, Lexikon des Insolvenzrechts, S. 179. Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 7; Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 1. 17 Vgl. Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 1; Uhlenbruck/I. Pape, Insolvenzordnung, § 1 Rn. 2. 18 Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 1. Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist aber nur Insolvenzgrund, wenn der Schuldner selbst den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt. 19 Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 8 f.; Uhlenbruck/I. Pape, Insolvenzordnung, § 1 Rn. 2; Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 2; engerer Begriff bei Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 1.01, der sich nicht mehr mit dem aktuellen Begriff der Insolvenz (dazu oben) deckt. 20 Die Insolvenzordnung (v. 5.10.1994, BGBl. I, S. 2866) ist am 1.1.1999 in Kraft getreten. Sie hat auf dem Gebiet der alten Bundesländer die Konkursordnung (v. 10.2.1877, RGBl., S. 351) und die Vergleichsordnung (v. 26.2.1935, RGBl. I, S. 321, S. 356) und auf dem Gebiet der neuen Bundesländer die Gesamtvollstreckungsordnung v. 6.6.1990 (GBl. I Nr. 32, S. 285) ersetzt. 21 Vgl. Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 2. 22 Vgl. Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 2. 16

B. Forschungsgegenstand

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mellem und materiellem Insolvenzrecht zu differenzieren. 23 Das Insolvenzverfahrensrecht ist nach Häsemeyer „die Summe aller Rechtssätze, mit deren Hilfe beim wirtschaftlichen Zusammenbruch eines Schuldners subjektive Rechte zugunsten der Berechtigten realisiert werden“. 24 Der Begriff des materiellen Insolvenzrechts beschreibt die Vorschriften, die eine unmittelbare Einwirkung auf die materielle Rechtslage haben.25 Hauptsächlich sind insolvenzrechtliche Normen in der Insolvenzordnung (InsO) kodifiziert. In ihr finden sich sowohl formelle als auch materielle insolvenzrechtliche Normen. So enthält unter anderem der erste Teil der InsO (§§ 1–10) formelles Insolvenzrecht. Die Regelungen, die sich mit der Rechtsstellung des Insolvenzschuldners befassen (§§ 80 ff.) oder mit der Erfüllung der Rechtsgeschäfte (§§ 103 ff.), sind hingegen dem materiellen Insolvenzrecht zuzuordnen.26 Im Übrigen enthalten viele Abschnitte der InsO eine Mischung aus formellen und materiellen insolvenzrechtlichen Vorschriften. 27 Hinzu treten zahlreiche weitere Gesetze mit teils nur vereinzelten insolvenzrechtlichen Normen. 28

II. Arztpraxis Der Begriff der Arztpraxis ist in rechtlicher Hinsicht nicht ohne weiteres bestimmbar. Prütting weist zurecht darauf hin, dass der Begriff ein „laienhafter“ ist,29 er besitzt in rechtlicher Hinsicht nur eine begrenzte Aussagekraft. Aus diesem Grund ist für die vorliegende Untersuchung eine Definition des Begriffs „Arztpraxis“ festzulegen. 1. Vorhandene Begriffe und Definitionen Der Begriff der Arztpraxis wird immer wieder verwendet. Dabei werden in unterschiedlichen Disziplinen und Kontexten teils unterschiedliche Begriffsdefinitionen zugrundegelegt. Zunächst werden diese bestehenden Arztpraxisbegriffe auf ihre Tauglichkeit für eine Verwendung im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersucht. a) Ärztliches Standesrecht Das ärztliche Standesrecht30 spricht in § 17 Abs. 1 MBO-Ä von der Arztpraxis („Praxissitz“) als der Niederlassung eines, außerhalb eines Krankenhauses, ambulant tätigen Arztes. Die Niederlassung in einer Praxis ist notwendig, da die Aus23 Vgl. Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 41; Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, Einleitung Rn. 2. 24 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 3.02. 25 So Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 39. 26 Vgl. Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 39. 27 Etwa die Vorschriften der Eigenverwaltung, §§ 270–285 InsO; weitere Beispiele bei Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 39. 28 Z. B. §§ 42, 75, 89, 728 BGB, §§ 130a, 131, 171 Abs. 2, 236 HGB, §§ 60 Abs. 1 Nr. 4 u. 5, 64 GmbHG, weitere Beispiele bei Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 9 Rn. 1 ff. 29 Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87. 30 Zur rechtlichen Qualität und Verbindlichkeit des ärztlichen Standesrechts allg. und zur Musterberufsordnung (MBO-Ä) s. im 4. Kap. unter A. I. 2. a) aa).

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Einleitung

übung ambulanter ärztlicher Tätigkeit im „Umherziehen“ untersagt ist (§ 17 Abs. 3 MBO-Ä). Es lässt sich also festhalten, dass der Begriff der Arztpraxis standesrechtlich feststeht und räumlich bestimmt ist. Hier ist die Arztpraxis nichts anderes als der Sitz, also die Niederlassung eines ambulant tätigen Arztes. b) Zivilrecht Zivilrechtlich gesehen ist diese Definition jedoch mindestens unvollständig, denn eine Aussage über das rechtliche Wesen der Arztpraxis enthält sie nicht. Für das Zivilrecht kommt es entscheidend darauf an, ob die Praxis eine eigene Rechtspersönlichkeit hat oder nicht. Dies ist der Fall, wenn sie selbst als Rechtssubjekt am Rechtsverkehr teilnehmen, also selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann.31 Rechtssubjekte sind neben natürlichen und juristischen Personen32 auch (teil-)rechtsfähige Personengesellschaften, etwa die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)33. Soweit nur ein einzelner Arzt die Praxis betreibt (und dies nicht etwa in Form der GmbH)34, bedeutet dies, dass nur der Arzt selbst am Rechtsverkehr teilnimmt. Die Arztpraxis ist also lediglich der Ort, an dem der Arzt tätig wird. Haben sich hingegen mehrere Ärzte zur gemeinsamen Berufsausübung zusammengeschlossen (vgl. § 18 MBO-Ä) und betreiben die Arztpraxis in Form einer juristischen Person oder rechtsfähigen Personengesellschaft, ist die Arztpraxis selbst Trägerin von Rechten und Pflichten. Sie selbst kann, vertreten durch ihre Gesellschafter (i. d. R. die dort tätigen Ärzte), Verträge schließen und somit Schuldnerin oder Gläubigerin sein. Zivilrechtlich gesehen kann die Arztpraxis also mehr als nur der Ort der ambulanten Berufsausübung sein, sie kann selbst Rechtssubjekt sein. Die zivilrechtliche Gesellschaftsform ist nach § 11 InsO auch entscheidend dafür, ob eine Arztpraxis Schuldnerin in einem Insolvenzverfahren sein kann oder lediglich der dort tätige Arzt bzw. die dort tätigen Ärzte. 35 c) Weitere Definitionen Nach der Gesundheitsausgabenrechnung des Statistischen Bundesamtes ist unter einer Arztpraxis „eine ambulante Versorgungseinheit mit direktem Patientenkontakt“ zu verstehen. Dazu zählen „neben Einzelpraxen (…) auch Gemeinschaftspraxen und medizinische Versorgungszentren. Praxen von Allgemeinmedizinern sind ebenso enthalten wie Praxen von Fachärzten. Leistungen von Dialysezentren werden hier ebenfalls verbucht.“36 Diese Definition zählt einzelne Bereiche auf 31 Vgl. Larenz, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 2 II. a) u. b) (S. 35 ff.); Bork, BGB AT, § 4 Rn. 151 ff. 32 Larenz, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 2 II. a) (S. 35); Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 10 Rn. 6 f.; Bork, BGB AT, § 4 Rn. 151 ff.; Medicus/Petersen, Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 21. 33 BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 = ZIP 2001, 330. 34 Zur Möglichkeit, eine Arztpraxis in Form der GmbH zu betreiben, s. im 1. Kap. unter A. II. (Einzelpraxis) u. B I. 3 (Berufsausübungsgemeinschaft). 35 S. dazu das 2. Kap. 36 Zitiert nach der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Definition abrufbar unter: http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon?p_uid=gast&p_aid=0&p_ knoten=FID&p_sprache=D&p_suchstring=9901 (zuletzt abgerufen am: 19.12.2018).

C. Grundzüge des Insolvenzverfahrens

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und grenzt damit positiv ab, was nach der Gesundheitsausgabenrechnung des Statistischen Bundesamtes unter einer Arztpraxis zu verstehen ist. Rieger versteht unter einer Arztpraxis die „Gesamtheit alles dessen, was die gegenständliche und personelle Grundlage der Tätigkeit des in freier Praxis tätigen Arztes bei der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben bildet“. 37 Diese Definition stellt hauptsächlich auf den gegenständlichen Bereich einer Arztpraxis ab. Sie bildet eine gute Begriffsgrundlage, ist für Untersuchungen im insolvenzrechtlichen Bereich aber nur bedingt nutzbar, da auch hier der Aspekt der Rechtspersönlichkeit nicht vorkommt. 2. Definition für die vorliegende Arbeit Im Rahmen dieser Arbeit kann keine der vorgenannten Definitionen bzw. Überlegungen unverändert übernommen werden. Untersuchungsgegenstand der Arztpraxisinsolvenz ist sowohl die Insolvenz einer Praxis mit eigener Rechtspersönlichkeit und eigenem Vermögen (also einer juristischen Person) als auch die Insolvenz eines allein tätigen Arztes, dessen Praxis nur seine Niederlassung ist, sowie die Insolvenz von Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Welche Formen von Arztpraxen im Einzelnen erfasst sind, ist zunächst zweitrangig, da zahlreiche Überlegungen übergreifend gelten und nur in Einzelfällen Abweichungen und Besonderheiten existieren. Nicht untersucht wird jedenfalls die Insolvenz von Krankenhäusern. Sie fallen niemals unter den Begriff der Arztpraxis. Die Insolvenz medizinischer Versorgungszentren und sog. Dialysezentren wird ebenfalls nicht explizit behandelt. Untersucht wird demnach die Insolvenz ambulanter ärztlicher Versorgungseinrichtungen, in denen Ärzte allein oder zur Berufsausübung zusammengeschlossen tätig werden.

C. Grundzüge des Insolvenzverfahrens I. Zweck des Insolvenzverfahrens C. Grundzüge des Insolvenzverfahrens

Der Gesetzgeber hat das Insolvenzverfahren als Verfahren zur Befriedigung aller vermögensrechtlichen Ansprüche der Gläubiger eines Schuldners durch Verwertung seines gesamten Vermögens ausgestaltet. Eigentlicher Verfahrenszweck ist damit die Haftungsverwirklichung.38 Nach § 1 S. 1 InsO dient das Insolvenzverfahren der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger. Damit unterscheidet es sich von der Einzelzwangsvollstreckung nach §§ 704 ff. ZPO. Dort geht es um die Befriedigung einzelner Gläubiger, es gilt das Prioritäts-

Rieger, Lexikon des Arztrechts, 11984, Rn. 196. Die Definition von Rieger ist häufig übernommen worden und hat allg. Akzeptanz gefunden, vgl. nur Streib, in: Ehlers, Fortführung von Arztpraxen, Rn. 45; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 1. 38 Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 108 f.; Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 10 Rn. 1; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 3. 37

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Einleitung

prinzip39. Eine Befriedigung sämtlicher Gläubiger des Schuldners ist allerdings nur solange möglich, wie das Vermögen des Schuldners ausreicht. Ist dies nicht mehr der Fall, soll kein Gläubiger bevorzugt und keiner benachteiligt werden. Ein „bellum omnium contra omnes“ (Krieg aller gegen alle) soll verhindert werden, stattdessen der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gelten. 40 Dieser Grundsatz der „par conditio creditorum“ führt dazu, dass die Vollstreckung gemeinsam vorgenommen wird. Daher wird das Insolvenzrecht auch als Gesamtvollstreckungsrecht bezeichnet. Das Schuldnervermögen wird zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger verwertet. Ziel ist eine gerechte und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger.41 Um eine optimale Haftungsverwirklichung zu erzielen, geht das Gesetz von einem Gleichrang von Liquidation, übertragender Sanierung und Sanierung des Schuldners bzw. seines Unternehmens aus. 42 Die beste Verwertungsart soll genutzt werden und wird durch die Beteiligten selbst bestimmt.43 Dem Insolvenzgericht fällt dabei die Aufgabe der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verfahrens zu.44

II. Gang des Insolvenzverfahrens 1. Das Insolvenzverfahren als Antragsverfahren Das Insolvenzverfahren kann nur aufgrund eines Antrags eingeleitet werden, § 13 Abs. 1 S. 1 InsO. Antragsberechtigt sind nach § 13 Abs. 1 S. 2 InsO der Schuldner selbst (Eigenantrag) und die Gläubiger (Fremdantrag). Ist der Schuldner eine juristische Person, so ist jedes Mitglied des Vertretungsorgans, bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit jeder persönlich haftende Gesellschafter sowie jeder Abwickler antragsberechtigt, § 15 Abs. 1 S. 1 InsO. Für den Fall, dass ein Gläubiger einen Insolvenzantrag gegen den Schuldner stellen möchte, sieht § 14 Abs. 1 InsO zusätzliche Anforderungen vor. Der antragstellende Gläubiger muss ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und seine 39

S. hierzu Gaul, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 Rn. 84; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, § 6 Rn. 6.37 ff.; Knoche/Biersack, NJW 2003, 476, 477 f. 40 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.17 ff.; Prütting, Kölner Schrift zur InsO, S. 19 ff. (Rn. 61 ff.); Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 2; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/VoigtSalus, Insolvenzrecht, Kap. 12 Rn. 10; Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 1 Rn. 13; Uhlenbruck/I. Pape, Insolvenzordnung, § 1 Rn. 2. Hanisch, ZZP 90 (1977), 1, 4 bezeichnet diesen Grundsatz als „für den Konkurs und jede andere Form der Schuldenbereinigung […] zeitlos und unverzichtbar“. 41 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 1.15; Prütting, Kölner Schrift zur InsO, S. 19 f. (Rn. 61 f.); K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 153; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 1 Rn. 13; HK-InsO/Sternal, § 1 Rn. 3 f. 42 Vgl. Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 10 Rn. 1; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 5; HK-InsO/Sternal, § 1 Rn. 5; s. a. Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 1 Rn. 23 ff. 43 Vgl. insoweit Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 10 Rn. 1, der von einem „Wettbewerb um die beste Verwertungsart“ spricht. 44 Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 10 Rn. 2.

C. Grundzüge des Insolvenzverfahrens

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Forderung(en) und den Eröffnungsgrund glaubhaft machen. Diese besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen dienen dem Schutz des Schuldners, da schon die Einleitung des Eröffnungsverfahrens erhebliche Auswirkungen auf diesen haben kann.45 Das Antragsprinzip stellt sicher, dass den Beteiligten im Vorfeld des Verfahrens die Möglichkeit gegeben wird, eine außergerichtliche Sanierung oder stille Liquidation durchzuführen. 46 Eine Pflicht zur Antragstellung existiert nur, wenn Schuldnerin eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist, § 15a InsO. Insofern kann bei den Kapitalgesellschaften vom „Preis für die beschränkte Haftung der Gesellschafter“ gesprochen werden. 47 Der Antrag kann jederzeit zurückgenommen werden, solange kein wirksamer Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts vorliegt. 48 Voraussetzung für die Stattgabe des Insolvenzantrags ist stets das Vorliegen eines Insolvenzgrundes (§ 16 InsO). 2. Insolvenzgründe a) Zahlungsunfähigkeit Allgemeiner Eröffnungsgrund ist nach § 17 Abs. 1 InsO die Zahlungsunfähigkeit. Dessen Absatz 2 Satz 1 bestimmt, wann Zahlungsunfähigkeit vorliegt, nämlich in dem Zeitpunkt, in dem der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist der Schuldner in der Regel zahlungsunfähig, wenn eine Liquiditätslücke von 10 % oder mehr besteht, die innerhalb von einer zwei- bis dreiwöchigen Frist nicht geschlossen werden kann. 49 Der Schuldner muss also in der Lage sein, mehr als 90 % seiner fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen, um nicht als zahlungsunfähig zu gelten. Außerdem ist Zahlungsunfähigkeit gegeben, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO), was der Fall ist, wenn für die beteiligten Verkehrskreise der berechtigte Eindruck entsteht, dass der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen.50 Beim Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit können sowohl die Gläubiger als auch der Schuldner selbst den Insolvenzantrag stellen. b) Überschuldung Ist der Schuldner eine juristische Person, kommt neben der Zahlungsunfähigkeit auch die Überschuldung als Insolvenzgrund in Betracht (§ 19 Abs. 1 InsO). Laut 45 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.07; Sietz, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 18 Rn. 26. 46 Nissen, in: Bork/Hölzle, Handbuch Insolvenzrecht, Kap. 3 Rn. 7; Sietz, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 18 Rn. 1. 47 Sietz, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 18 Rn. 9. 48 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.02; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 94. 49 BGHZ 163, 134, 145 = NJW 2005, 3062 = ZIP 2005, 1426. S. dazu auch BGH NJW 2018, 1089, 1091 ff. (Rn. 34 ff.) = ZIP 2018, 283, 284 ff. 50 BGHZ 149, 178, 184 f. = NJW 2002, 515, 517 = ZIP 2002, 87; BGH NJW-RR 2003, 697 = ZIP 2003, 410, 411 = NZI 2003, 322; ZIP 2006, 2222 = NZI 2007, 36 f.; ZIP 2013, 2015 ff. = NZI 2013, 932. Beispiele aus der Rspr. bei Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 103 (Fn. 11).

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Gesetz ist Überschuldung gegeben, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich“ (§ 19 Abs. 2 InsO). Um die Überschuldung des Schuldners festzustellen, muss eine Prognose hinsichtlich des Fortbestehens des schuldnerischen Unternehmens vorgenommen werden, was praktisch nicht unproblematisch ist. 51 c) Drohende Zahlungsunfähigkeit Einen weiteren Insolvenzgrund stellt die drohende Zahlungsunfähigkeit dar, § 18 Abs. 1 InsO. Dies allerdings nur, wenn der Schuldner selbst den Antrag stellt. Gläubiger können ihren Antrag nicht auf diesen Insolvenzgrund stützen. 52 Drohende Zahlungsunfähigkeit ist nach der Legaldefinition in § 18 Abs. 2 InsO gegeben, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Liegt sie vor, besteht allerdings für den organschaftlichen Vertreter einer antragspflichtigen Gesellschaft keine Pflicht zur Antragstellung, 53 ihm ist lediglich das Recht gegeben, sich unter den Schutz eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens zu stellen und das Instrumentarium des Insolvenzrechts frühzeitig zu nutzen.54 d) Feststellung der Insolvenzgründe Die Feststellung der Insolvenzgründe obliegt dem Insolvenzgericht. Es hat bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe größte Sorgfalt anzuwenden, da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit gravierenden Eingriffen in die Rechte des Schuldners einhergeht.55 3. Eröffnungsverfahren Im Insolvenzeröffnungsverfahren prüft das Insolvenzgericht, ob das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder nicht. Es kann für die Dauer des Eröffnungsverfahrens vorläufige Sicherungsmaßnahmen anordnen, um den Erhalt der Masse zu sichern. a) Ablauf des Eröffnungsverfahrens In Gang gesetzt wird das Eröffnungsverfahren durch die Antragstellung, § 13 Abs. 1 S. 1 InsO.56 Über die Auskunftspflicht hinausgehende Rechtsfolgen treten für den Schuldner dadurch noch nicht ein, es sei denn das Gericht ordnet dies an (s. § 21 InsO). Das Gericht prüft im Eröffnungsverfahren die Zulässigkeit (§§ 13, 14 Abs. 1 InsO) und Begründetheit (§ 16 InsO) des Insolvenzantrags, außerdem 51

Vgl. K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 18 Rn. 11; s. a. Sietz, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 17 Rn. 32 ff. 52 Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 106. 53 K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 18 Rn. 10; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 106. 54 Vgl. Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 106; Sietz, in: Pape/Uhlenbruck/VoigtSalus, Insolvenzrecht, Kap. 17 Rn. 17. 55 Vgl. Sietz, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 17 Rn. 3. 56 S. dazu oben unter C. II. 1.

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ob die Verfahrenskosten gedeckt sind (§ 26 InsO). Es kann den Antrag entweder abweisen oder das Insolvenzverfahren eröffnen. Möglich ist zum einen die Abweisung des Antrags als unzulässig. Dies geschieht, wenn eine Zulässigkeitsvoraussetzung nicht vorliegt, etwa wenn die Zuständigkeit des Gerichts nicht gegeben ist (§§ 2, 3 InsO) oder der Schuldner nicht insolvenzfähig ist (§§ 11, 12 InsO). Der Insolvenzantrag wird hingegen als unbegründet abgewiesen, wenn kein Insolvenzgrund im Entscheidungszeitpunkt vorliegt. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 InsO hat das Insolvenzgericht den Antrag zudem abzuweisen, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken. Nicht abgewiesen wird der Antrag aber, wenn ein ausreichender Geldbetrag vorgestreckt wird (§ 26 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 InsO) oder die Verfahrenskosten gestundet werden (§ 26 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 InsO). Ist der Insolvenzantrag zulässig und begründet und sind die Verfahrenskosten gedeckt, eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren. Die Eröffnung erfolgt durch gerichtlichen Beschluss. b) Vorläufige Sicherungsmaßnahmen Das Gericht hat gem. § 21 Abs. 1 InsO schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Diese Maßnahmen darf das Gericht allerdings grundsätzlich nur treffen, wenn der Insolvenzantrag zulässig ist.57 Sicherungsmaßnahmen können jedoch nicht selten bereits zu Beginn des Antragsverfahrens notwendig sein. Zu diesem Zeitpunkt kann das Gericht in der Regel noch keine verbindliche Entscheidung über die Zulässigkeit des Insolvenzantrags treffen, weshalb es ausreicht, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegen und das Insolvenzgericht weitere Informationen erst im Verlaufe des Verfahrens erhält.58 Über die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen entscheidet das Gericht von Amts wegen.59 § 21 Abs. 2 InsO enthält einen Katalog von Sicherungsmaßnahmen. Dazu gehören: die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung (Abs. 2 Nr. 1),60 das allgemeine Verfügungsverbot für den Schuldner (Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO), die Anordnung eines allgemeinen Zustimmungsvorbehalts (Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2), die gerichtliche Untersagung und Einstellung von Zwangsvollstreckungen (Abs. 2 Nr. 3), die vorläufige Postsperre (Abs. 2 Nr. 4) und die Verhinderung des Einzugs von Gegenständen, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 InsO erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte (Abs. 2 Nr. 5). Neben den ausdrück-

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BGH NJW-RR 2007, 1062, 1063 = ZIP 2007, 878 = NZI 2007, 344 f.; Kübler/Prütting/Bork/Blankenburg, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 13; HK-InsO/Rüntz/Laroche, § 21 Rn. 2 f.; MüKo-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 16; Braun/Böhm, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 4. 58 BGH ZIP 2007, 878 = NJW-RR 2007, 1062 = ZInsO 2007, 440; Uhlenbruck/Vallender, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 2; Braun/Böhm, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 4. 59 Vgl. Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 124; Sietz, in: Pape/Uhlenbruck/VoigtSalus, Insolvenzrecht, Kap. 20 Rn. 3; HK-InsO/Rüntz/Laroche, § 21 Rn. 7. 60 Zur Rechtsstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters s. Uhlenbruck, Kölner Schrift zur InsO, S. 159 ff.

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Einleitung

lich im Gesetz erwähnten Sicherungsmaßnahmen kann das Gericht weitere treffen, wie der Wortlaut von § 21 Abs. 2 InsO („insbesondere“) zeigt.61 4. Insolvenzverfahren Hat das Gericht den Insolvenzantrag für zulässig und begründet befunden und sind die Verfahrenskosten gedeckt, so eröffnet es das eigentliche Insolvenzverfahren. Die Verfahrenseröffnung bringt zahlreiche rechtliche Folgen für den Schuldner und die Gläubiger mit sich. a) Die Insolvenzmasse Die Insolvenzmasse ist das Vermögen des Schuldners, welches den Gläubigern im Insolvenzverfahren als Haftungsmasse zur Verfügung steht und der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegt. 62 Was genau vom Insolvenzbeschlag erfasst ist, ergibt sich aus einer Zusammenschau der §§ 35 und 36 InsO. So gehört nach § 35 Abs. 1 InsO neben dem zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bereits existenten Vermögen des Schuldners auch der Neuerwerb zur Masse, eine Neuerung gegenüber der Konkurs- und der Gesamtvollstreckungsordnung. 63 Erfasst ist dennoch nicht das Vermögen des Schuldners in seiner Gesamtheit, sondern „die Summe einzelner geldwerter Rechtsgegenstände“.64 Davon zu unterscheiden ist das freie Vermögen des Schuldners. Es stellt eine eigene Vermögensmasse dar, die nicht mit der mit Verfahrenseröffnung entstehenden neuen Vermögensmasse identisch ist.65 Die Insolvenzmasse bildet somit ein Sondervermögen. 66 Nicht Teil der Insolvenzmasse sind gem. § 36 Abs. 1 InsO alle unpfändbaren Gegenstände (§§ 811 ff. ZPO), es gelten die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, 850g–850k, 851c und 851d ZPO entsprechend. Auch solche Gegenstände, die vom Insolvenzverwalter freigegeben67 worden sind, und höchstpersönliche 61

Uhlenbruck/Vallender, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 11; MüKo-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 44; K. Schmidt/Hölzle, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 33; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 59; Flören, in: Bork/Hölzle, Handbuch Insolvenzrecht, Kap. 4 Rn. 3 62 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.01; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 1. 63 K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 3; HK-InsO/Ries, § 35 Rn. 40. 64 So Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 1. 65 Vgl. Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 1; s. dazu auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.01. 66 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.03; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 1; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 1. 67 Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 149. Zur sog. „echten“ Freigabe s. Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 71 ff. Hier erklärt der Insolvenzverwalter einzelne Gegenstände als nicht zur Masse zugehörig. Zu unterscheiden ist die „echte“ Freigabe von der Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners nach Abs. 2 u. 3. In diesem Fall erlaubt der Insolvenzverwalter dem Schuldner die alleinige Fortführung der selbständigen Tätigkeit mit der Folge, dass der Neuerwerb aus dieser Tätigkeit nicht in die Masse fällt. Neue Verbindlichkeiten, die der Schuldner i. R. d. Tätigkeit eingeht, stehen aber auch nicht im Range von Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). S. zur Freigabe im 3. Kap. unter F. I.

C. Grundzüge des Insolvenzverfahrens

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Rechte des Schuldners gehören nicht zum Insolvenzvermögen. 68 Ausnahmen zu den unpfändbaren Gegenständen finden sich in § 36 Abs. 2 InsO. Der Insolvenzverwalter hat im Verfahren die genaue Masse zu ermitteln, die letztlich den Gläubigern quotal als Teilungsmasse zur Verfügung steht. Dabei hat er alle Gegenstände zur Masse zu ziehen, die zu ihr gehören, und alle Gegenstände, die nicht Teil der Masse sind, auszusondern.69 Zur Masse gehören auch das Unternehmen des Schuldners und alle in ihm verkörperten Werte.70 Damit besteht ein weiterer Unterschied zum Vermögen, das der Einzelzwangsvollstreckung unterliegt, denn hier kann das Unternehmen des Schuldners als eine Gesamtheit von Rechten und Gegenständen nicht verwertet werden.71 b) Aus- und Absonderungsrechte Die Begriffe Aus- und Absonderung werden häufig synonym verwendet. Obgleich sowohl die Aus- als auch die Absonderung dazu führen, dass ein betroffener Gegenstand nicht den Gläubigern zur Befriedigung zur Verfügung steht, bestehen gravierende Unterschiede zwischen beiden. Die Aussonderung (§ 47 InsO) dient der Herstellung der Teilungsmasse, also der Masse, die den Gläubigern zur gemeinschaftlichen Befriedigung zusteht. 72 Im Zuge der Aussonderung werden Gegenstände, die nicht zur Insolvenzmasse gehören, von dieser getrennt. Daher wird die Aussonderung auch als „Verteidigung oder Geltendmachung eines massefremden Rechts“ bezeichnet.73 Gegenstände, die ausgesondert werden, gehören also zu keinem Zeitpunkt der Insolvenzmasse an. Anders ist dies bei den Gegenständen, die abgesondert werden (§§ 49 ff. InsO), sie gehören grundsätzlich zur Masse.74 Hier ist aber ein Gläubiger hinsichtlich dieser bestimmten Gegenstände oder Rechte zur vorzugsweisen Befriedigung berechtigt. 75 Die Frage, ob ein Gegenstand auszusondern ist, beantwortet das materielle Recht.76 Lediglich Gegenstände, die dem Schuldner nicht gehören, sind aussonderungsfähig, es sei denn diese haften gleichwohl für Verbindlichkeiten des Schuldners.77 So kann vor allem das Fremdeigentum Aussonderungsgegenstand sein, das der Eigentümer nach § 985 BGB vom Insolvenzverwalter als Besitzer (§ 148 InsO) 68

Vgl. K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 36; HK-InsO/Ries, § 35 Rn. 38. Vgl. Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 22 Rn. 1. 70 Vgl. Steinbeck, NZG 1999, 133, 134; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.09; K. Schmidt, Handelsrecht, § 6 II 2.; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 464; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 22 Rn. 2. 71 Vgl. BGHZ 32, 103, 105; RGZ 134, 95, 98; 95, 235; Steinbeck, NZG 1999, 133; K. Schmidt, Handelsrecht, § 6 V 1. b); Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 269; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 464; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 22 Rn. 2. 72 Nissen, in: Bork/Hölzle, Handbuch Insolvenzrecht, Kap. 8 Rn. 81; s. näher zur Aussonderung K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 1 ff. 73 S. K. Schmidt, ZZP 90 (1977), 38 ff.; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 23 Rn. 1. 74 Näher zur Absonderung K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 49 Rn. 1 ff. 75 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 11.07; MüKo-InsO/Ganter, § 47 Rn. 12. 76 Vgl. Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 23 Rn. 2. 77 Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 23 Rn. 2. 69

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Einleitung

herausverlangen kann. Dies gilt ebenso für die Fremdinhaberschaft von Forderungen.78 Durchgesetzt werden muss das Aussonderungsrecht gegenüber dem Insolvenzverwalter, der überprüft, ob das Aussonderungsrecht tatsächlich besteht. 79 Das Absonderungsrecht bedeutet für den Gläubiger, dem dieses zusteht, ein besonderes Vorzugsrecht. Er darf sich aus dem Erlös von bestimmten massezugehörigen Gegenständen vorzugsweise und in voller Höhe seiner ihm gegen den Schuldner zustehenden Forderung befriedigen. Besteht nach der Befriedigung des absonderungsberechtigten Gläubigers noch ein Überschuss, ist dieser an die Masse auszukehren.80 Damit hat der absonderungsberechtigte Gläubiger einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Insolvenzgläubigern. Er ist nicht auf eine Beteiligung an der Quote angewiesen, sondern darf sich im Voraus in voller Höhe befriedigen. Auch die Kosten des Insolvenzverfahrens hat er nicht (oder nur in gewisser Höhe) mitzutragen.81 Welche materiellen Rechte zur Absonderung berechtigen, ist in der Insolvenzordnung nicht abschließend geregelt. Die wichtigsten Erscheinungsformen sind jedoch (in den §§ 49 ff. InsO) angegeben. Dazu gehören unter anderem das Pfandrecht an unbeweglichen Gegenständen (§ 49 InsO), das Mobiliarpfandrecht (§ 50 InsO) und das Sicherungseigentum (§ 51 Nr. 1 InsO). c) Insolvenzgläubiger und Forderungen Das Insolvenzverfahren soll in erster Linie den Insolvenzgläubigern dienen, auch wenn sie wirtschaftlich gesehen an letzter Rangstelle, hinter Massegläubigern und solchen mit Ab- und Aussonderungsrechten stehen.82 § 38 InsO definiert den Begriff des Insolvenzgläubigers. Demnach sind Insolvenzgläubiger alle persönlichen Gläubiger des Schuldners, die zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen diesen haben. Persönliche Gläubiger sind solche, die einen Anspruch gegen den Insolvenzschuldner selbst haben und denen kein Gegenstand aus der Masse dinglich haftet. 83 Wann ein Vermögensanspruch gegen den Schuldner vorliegt, kann nicht abschließend aufgezählt, wohl aber negativ abgegrenzt werden. So fallen höchstpersönliche Ansprüche, Unterlassungsansprüche, Auskunftsansprüche, Gestaltungsrechte, Ansprüche auf Vornahme unvertretbarer Handlungen und gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaftsrechte nicht unter den Begriff. 84 Der Anspruch muss vor Verfahrenseröffnung begründet worden sein. Dafür ist maßgeblich, dass der Rechtsgrund für den Anspruch bereits bei Verfahrenseröffnung vorliegt. 85 Entsteht der Rechtsgrund erst nach der Verfah78

BGH NJW-RR 1989, 252; NJW 1998, 2213; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 11.13; ausführlich dazu: MüKo-InsO/Ganter, § 47 Rn. 204 ff. 79 Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 76, 78; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 23 Rn. 8. 80 Vgl. Beuck, in: Bork/Hölzle, Handbuch Insolvenzrecht, Kap. 8 Rn. 153. 81 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 18.01; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 25 Rn. 1. 82 Vgl. Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 27 Rn. 1. 83 HK-InsO/Ries, § 38 Rn. 10 f.; Kübler/Prütting/Bork/Holzer, Insolvenzordnung, § 38 Rn. 5 ff.; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 81. 84 S. dazu im Einzelnen Kübler/Prütting/Bork/Holzer, Insolvenzordnung, § 38 Rn. 14 ff.; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 27 Rn. 7 ff. 85 HK-InsO/Ries, § 38 Rn. 3, 27; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 81.

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renseröffnung, handelt es sich bei der Neuforderung um eine sog. Masseverbindlichkeit (§ 53 InsO). Gläubiger von Masseverbindlichkeiten sind zur vorzugsweisen Befriedigung aus der Insolvenzmasse berechtigt. Ihnen sind nicht dieselben Einschränkungen wie den Insolvenzgläubigern auferlegt, so müssen sie sich nicht auf die Quote verweisen lassen, können bei Verzug Zinsen einfordern, dürfen ihre Forderungen gerichtlich durchsetzen und in die Masse vollstrecken. 86 Dies gilt freilich nur, solange nicht Massearmut (§ 207 InsO) oder Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) eintritt.87 Zu den Masseverbindlichkeiten gehören etwa die Kosten der Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).88 Hat ein Gläubiger keine speziellen Aussonderungs-, Absonderungsoder sonstigen Vorzugsrechte, ist er also Insolvenzgläubiger, muss er seine gegen den Schuldner bestehenden Forderungen zur Tabelle anmelden (§ 174 Abs. 1 S. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter prüft die Forderungen und rechnet sie zusammen. Nachdem bevorrechtigte Gläubiger befriedigt wurden, werden die Forderungen der um Aus- und Absonderungsrechte bereinigten Insolvenzmasse gegenübergestellt. Daraus wird dann die Insolvenzquote berechnet.89 Die Prüfung erfolgt im sog. Prüfungstermin (§§ 176, 29 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Der Prüfungstermin ist eine unter Leitung des Gerichts durchgeführte, besondere Gläubigerversammlung.90 Wird eine angemeldete Forderung bestritten, ist sie durch Klageerhebung im ordentlichen Verfahren festzustellen (§§ 179, 180, 184, 185 InsO). 91 In der Tabelle festgestellte und im Prüfungstermin nicht bestrittene Forderungen können gem. § 201 Abs. 2 S. 1 InsO gegen den Schuldner vollstreckt werden wie aus einem vollstreckbaren Urteil.92 d) Verwaltung der Masse durch den Insolvenzverwalter Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Der Schuldner selbst wird dadurch für die Dauer des gesamten Verfahrens von der Verwaltung seines insolvenzbefangenen (Sonder-)Vermögens ausgeschlossen.93 § 81 Abs. 1 InsO stellt klar, dass vom Schuldner dennoch vorgenommene Verfügungen unwirksam sind. Die Norm ist allerdings nicht auf Verpflichtungsgeschäfte des Schuldners anwendbar. Diese kann er auch nach Verfah86

Vgl. Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 84; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/VoigtSalus, Insolvenzrecht, Kap. 26 Rn. 1. 87 Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 26 Rn. 1. 88 Zu weiteren Masseverbindlichkeiten s. Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 26 Rn. 3 ff.; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 84. 89 Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 28 Rn. 4 f. 90 Vgl. Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 28 Rn. 18 ff.; zum Ablauf s. HK-InsO/Depré, § 176 Rn. 2 ff. 91 Dazu näher Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 28 Rn. 23 ff. 92 Zur Verteilung der Masse s. K. Schmidt/Jungmann, Insolvenzordnung, § 187 Rn. 1 ff.; Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 187 Rn. 1 ff.; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 35. 93 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 10.01 ff.; K. Schmidt/Sternal, Insolvenzordnung, § 80 Rn. 6.

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Einleitung

renseröffnung noch vornehmen, sie entfalten jedoch keine Wirkung für die Insolvenzmasse.94 Auch Leistungen an den Schuldner können nach Verfahrenseröffnung grundsätzlich nicht mehr mit befreiender Wirkung erbracht werden. Vielmehr muss an die Masse geleistet werden, um Befreiung von der Verbindlichkeit zu erlangen. § 82 InsO enthält jedoch eine Sonderregelung, die dem Schutz des unwissenden Schuldners dient.95 Hat ein Dritter nach Verfahrenseröffnung an den Insolvenzschuldner geleistet, obwohl die Verbindlichkeit gegenüber der Masse zu erfüllen war, so wird er dennoch frei, wenn er zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte. Im Grundsatz ist aber ab Verfahrenseröffnung der Insolvenzverwalter die einzige Person, die Verfügungen für und an die Masse abwickeln kann. 5. Besondere Verfahrensarten Zu den besonderen Verfahrensarten, die für die vorliegende Arbeit von Bedeutung sind, gehören das Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO), die Eigenverwaltung des Schuldners (§§ 270 ff. InsO) und das Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 ff. InsO). Daneben kennt die Insolvenzordnung besondere Verfahren für die Nachlassinsolvenz (§§ 315 ff. InsO), die Insolvenz des Gesamtguts einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (§ 332 InsO, der auf das Nachlassinsolvenzverfahren verweist) und die Insolvenz eines gemeinschaftlich verwalteten Gesamtguts einer Gütergemeinschaft (§§ 333 f. InsO). Letztere Verfahrensarten werden hier nicht näher betrachtet. a) Verbraucherinsolvenzverfahren Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschriften über das Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 ff. InsO) ist zunächst, dass der Schuldner eine natürliche Person ist. Nur für diese kommt eine Restschuldbefreiung in Betracht (abgesehen von der Möglichkeit zur Restschuldbefreiung im Insolvenzplanverfahren). 96 Der Schuldner darf grundsätzlich keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben (§ 304 Abs. 1 S. 1 InsO). Sollte er dies tun, so gelten für ihn die Vorschriften über das Verbraucherinsolvenzverfahren nur, wenn seine Vermögensverhältnisse überschaubar sind und gegen ihn keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen (§ 304 Abs. 1 S. 2 InsO). Laut § 304 Abs. 2 InsO sind die Vermögensverhältnisse eines Schuldners überschaubar, wenn er zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr als 20 Gläubiger hat.97 Schuldner und Gläubiger können den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens stellen; stellt der Gläubiger ihn, so hat das Gericht dem Schuldner ebenfalls die Möglichkeit zu geben, einen Antrag zu stellen (vgl. §§ 305, 306 Abs. 3 S. 1 InsO). Hat der Schuldner den Antrag gestellt, so ist er verpflichtet, zunächst zu versuchen eine außergerichtliche Eini94

Kübler/Prütting/Bork/Lüke, Insolvenzordnung, § 81 Rn. 4 ff., 14; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 28 Rn. 8. 95 Vgl. Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 172. 96 K. Schmidt/Stephan, Insolvenzordnung, § 304 Rn. 3; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/VoigtSalus, Insolvenzrecht, Kap. 40 Rn. 27; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 478. 97 Dennoch kann sich aus den weiteren Umständen die Unüberschaubarkeit der Vermögensverhältnisse ergeben, vgl. Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 479.

C. Grundzüge des Insolvenzverfahrens

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gung mit den Gläubigern herbeizuführen (vgl. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO).98 Ist dies gescheitert, kann er den Antrag stellen, muss aber das Scheitern der „außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans“ nachweisen (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Zudem muss er mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugleich den Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung (§ 287 InsO) stellen, bzw. erklären, dass dies nicht beantragt wird (§ 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO).99 Das Gericht prüft den eingereichten Schuldenbereinigungsplan und leitet diesen an die Gläubiger weiter (§§ 306, 307 InsO). Werden keine Einwendungen erhoben, gilt der Plan als angenommen (§ 308 InsO), unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gericht bei Nichtannahme die Zustimmung auch ersetzen (§ 309 InsO). Kann der Schuldner die Verfahrenskosten nicht tragen, so können diese gestundet werden, sofern ein Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt wurde und der Schuldner nicht in der Lage ist, die Kosten für das Verfahren aus seinem Vermögen aufzubringen. 100 Dadurch soll sichergestellt werden, dass auch Schuldnern, die die Verfahrenskosten nicht tragen können, die Restschuldbefreiung möglich ist.101 Dem Schuldner steht seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte102 auch im Verbraucherinsolvenzverfahren ein Insolvenzverwalter (und nicht wie früher ein Treuhänder) zur Seite.103 b) Eigenverwaltungs- und Insolvenzplanverfahren Eigenverwaltungs- und Insolvenzplanverfahren haben große Bedeutung für die Sanierung insolventer Schuldner. Diese beiden Verfahrensarten werden im Rahmen der Sanierungsmöglichkeiten insolventer Arztpraxen ausführlich besprochen.104 6. Restschuldbefreiung In gewissen Fällen ist es dem Schuldner möglich, nach Beendigung des Verfahrens die Befreiung von noch bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern zu erlangen, für die er grundsätzlich in vollem Umfang haftet (sog. Restschuldbefreiung, vgl. §§ 286 ff. InsO).105 Die Restschuldbefreiung ist gem. § 1 S. 2 InsO Verfahrensziel und hat den Zweck der „wirtschaftlichen Wiedereingliederung“, also eines „fresh start“106 des Schuldners, sowie, als Allgemeininteresse, die Verhinderung negativer Folgen der Überschuldung, wie dauer98

Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 483. Zu den Voraussetzungen im Einzelnen s. Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 40 Rn. 34 ff. u. 76 ff. 100 Vgl. dazu Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 40 Rn. 7 ff. 101 Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 40 Rn. 2. 102 Gesetz v. 15.7.2013, BGBl. I, S. 2379, in Kraft getreten am 1.7.2014. 103 S. hierzu Uhlenbruck/Borries/Hirte, Insolvenzordnung, § 129 Rn. 75. 104 S. hierzu im 6. Kap. unter B. I. u. II. 105 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 26.01; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 446 ff.; Uhlenbruck/Sternal, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 17; Nerlich/Römermann/Römermann, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 14. 106 So Braun/Pehl, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 3. 99

18

Einleitung

hafter Abhängigkeit des Schuldners von Sozialhilfe.107 Durch die Restschuldbefreiung kann der Schuldner frei von seinen alten Verbindlichkeiten einen wirtschaftlichen Neuanfang starten. Sie hat daher große praktische Bedeutung.108

107

K. Schmidt/Henning, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 1. Zur Restschuldbefreiung im Zusammenhang mit der Insolvenz von Arztpraxen s. im 6. Kap. unter B. V. 2. 108

Kapitel 1: Typen von Arztpraxen 1. Kap.: Typen von Arztpraxen

Als Grundform niedergelassener ärztlicher Tätigkeit sieht das ärztliche Berufsrecht die Einzelpraxis vor (vgl. § 17 Abs. 1 MBO-Ä). In den letzten Jahrzehnten kamen jedoch zunehmend neue Formen ärztlicher Berufsausübung, mithin neue Praxisformen hinzu.1 Insbesondere schließen sich Ärzte immer häufiger zusammen. Werden mehrere Ärzte in einer Praxis tätig, ist zu differenzieren, denn hinter der Praxis können sich unterschiedliche rechtliche Konstrukte verbergen. Für die Frage, ob über das Vermögen einer Arztpraxis überhaupt ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, ob sie also insolvenzfähig ist, 2 bedarf es zunächst einer Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Typen von Arztpraxen. Der Begriff der Arztpraxis enthält nämlich keine Aussage über die rechtliche Organisationsform und sagt folglich nichts über die Insolvenzfähigkeit aus. 3 Dies richtet sich einzig nach der zivilrechtlichen Ausgestaltung der jeweiligen Arztpraxis (vgl. § 11 Abs. 1 u. 2 InsO). Daher ist zunächst zu klären, welche Typen von Arztpraxen existieren. Ausgangspunkt der Untersuchung ist das ärztliche Standesund Berufsrecht, welches für Ärzte verbindliche Vorgaben zu Praxisformen enthält. Anschließend kann der Frage der zivilrechtlichen Organisation (also der Rechtsform) und damit der Insolvenzfähigkeit nachgegangen werden.

A. Einzelpraxis I. Begriff A. Einzelpraxis

Klassischerweise erfolgte die selbständige ärztliche Berufsausübung durch Niederlassung in einer Einzelpraxis.4 Von einer Einzelpraxis wird gesprochen, wenn ein niedergelassener Arzt seine Tätigkeit alleine in seinen Praxisräumen ausübt. Die Einzelpraxis ist nach wie vor die Grundform niedergelassener ärztlicher Berufsausübung (vgl. § 17 Abs. 1 MBO-Ä).5 Zwar wird ihr bereits seit einiger Zeit der Untergang prophezeit.6 Dennoch praktizieren Ärzte im niedergelassenen Bereich auch heute noch mehrheitlich in Einzelpraxen.7 1

Vgl. dazu auch Laufs, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 1 Rn. 1. S. zur Insolvenzfähigkeit das 2. Kap. 3 S. dazu in der Einleitung unter B. II. 4 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. II Rn. 61; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 18 Rn. 3. 5 Engelmann, MedR 2002, 561, 563; Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 18 Rn. 2; Michels/Möller/Ketteler-Eising, Ärztliche Kooperationen, S. V; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 1. 6 Vgl. dazu Haack, MedR 2005, 631; Ehmann, MedR 1994, 141, 142; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 18 Rn. 3. 7 S. die statistischen Informationen aus dem Bundesarztregister der Kassenärztlichen Bundesvereinigung v. 31.12.2017, S. 26 (Tabelle 5), abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/2017_12_31_BAR_Statistik.pdf (zuletzt abgerufen am 19.12.2018). Vgl. auch Hal2

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Lauf, Die Arztpraxis in der Insolvenz, Kölner Schriften zum Medizinrecht 24, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60425-0_2

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1. Kap.: Typen von Arztpraxen

II. Rechtsform Im Falle der alleinigen Berufsausübung eines Arztes in einer Praxis, ist diese grundsätzlich rechtlich nicht von der Person des Arztes zu trennen.8 Die Praxis ist dann lediglich die Niederlassung. Der Arzt selbst ist als natürliche Person Rechtsträger der Praxis. Denkbar ist aber auch die Gründung einer EinmannKapitalgesellschaft, beispielsweise einer GmbH.9 Dem steht das ärztliche Berufsrecht nicht entgegen, denn § 23a MBO-Ä regelt in Bezug auf die Gesellschafter ausschließlich, wer Gesellschafter einer Ärztegesellschaft sein kann,10 und nicht etwa wie viele Gesellschafter erforderlich sind. Im Falle des Vorliegens einer Einmann-Ärztekapitalgesellschaft, die eine Arztpraxis betreibt, ist diese als juristische Person Rechtsträgerin der Praxis. Der Praxisort ist dann zugleich der Sitz der Kapitalgesellschaft. Der Behandlungsvertrag kommt zwischen dem Patienten und der Gesellschaft zustande, nicht zwischen dem Patienten und dem Arzt. Allerdings kann die als Einmann-GmbH organisierte Einzelpraxis nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, da nur natürliche Personen zulassungsfähig sind. 11 Ihre praktische Bedeutung ist daher gering. Die Einzelpraxis kann nicht in Form einer Personengesellschaft geführt werden, etwa als GbR oder Partnerschaftsgesellschaft (PartG), da hierfür stets mindestens zwei Gesellschafter erforderlich sind.

B. Berufliche Kooperation in Form von Gruppenpraxen B. Berufliche Kooperation in Form von Gruppenpraxen

Der Zusammenschluss von Ärzten in Gruppenpraxen findet seit der Öffnung des Berufsrechts für berufliche Kooperationen immer häufiger statt.12 Begrifflich werden als Gruppenpraxen keine bestimmten Formen von Arztpraxen bezeichnet, vielmehr handelt es sich um einen Oberbegriff für sämtliche Formen ärztlicher Zusammenarbeit.13 Die Musterberufsordnung der Ärzte unterscheidet Berufsausübungsgemeinschaften, Organisationsgemeinschaften, Kooperationsgemeinschaften und Praxisverbünde (vgl. § 18 Abs. 1 S. 1 MBO-Ä). Diese Oberbegriffe sagen jedoch nicht viel über die einzelnen tatsächlich existierenden Praxistypen aus. Trotzdem sind alle anzutreffenden Praxistypen diesen vier Oberbegriffen zuzu-

be, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 18 Rn. 2; Michels/Möller/Ketteler-Eising, Ärztliche Kooperationen, S. V; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 19; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 1. 8 Vgl. Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 2. 9 Zur Einmann- oder Einpersonen-GmbH s. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 1 Rn. 49 ff.; MüKo-GmbHG/Heinze, § 2 Rn. 10 f.; vgl. auch Saenger, MedR 2006, 138, 139. 10 D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 7; s. a. Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 23a Rn. 3. Näher zur Ärzte-GmbH in diesem Kap. unter B. I. 3. 11 Dazu näher unter B. I. 3. 12 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. II Rn. 61; Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 18 Rn. 2; Michels/Möller/Ketteler-Eising, Ärztliche Kooperationen, S. V. 13 Ehmann, MedR 1994, 141, 143.

B. Berufliche Kooperation in Form von Gruppenpraxen

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ordnen. Dabei ist die genaue Abgrenzung oft nicht ohne weiteres möglich,14 sie ist für die Frage der Insolvenzfähigkeit aber auch nicht von Bedeutung, da diese sich letztlich nicht nach dem ärztlichen Standes- und Berufsrecht, sondern nach der Rechtsform richtet. Im Folgenden wird sowohl auf die tatsächlichen Erscheinungsformen der Gruppenpraxen als auch auf deren zivilrechtliche Organisation eingegangen. Anhand der getroffenen Feststellungen wird dann die Insolvenzfähigkeit der einzelnen Praxistypen erläutert (Kap. 2).

I. Berufsausübungsgemeinschaften Die Berufsausübungsgemeinschaft ist allgemein der Zusammenschluss mehrerer ambulanter ärztlicher Leistungserbringer zur gemeinsamen Berufsausübung.15 Sie bildet insoweit einen Oberbegriff. Notwendige Voraussetzung für jede Berufsausübungsgemeinschaft ist ein (schriftlicher) Gesellschaftsvertrag (vgl. § 18 Abs. 2a S. 3 MBO-Ä). Neben der Gemeinschaftspraxis, die zumindest nach teilweise vertretener Ansicht nur in Rechtsform der GbR ausgestaltet sein kann, fallen auch die Ärztepartnerschaft und die Ärzte-GmbH unter den Begriff der Berufsausübungsgemeinschaft.16 Dies wird im Folgenden näher erläutert. 1. Gemeinschaftspraxis a) Begriff und Motive Im Standes- und Berufsrecht wurde der Begriff Gemeinschaftspraxis zwar durch den Terminus Berufsausübungsgemeinschaft ersetzt,17 gleichwohl wird er in der Praxis nach wie vor verwendet.18 Es kann insofern von der Gemeinschaftspraxis 14 Zur Problematik der Begriffsbestimmung und der Abgrenzung insb. von Berufsausübungs- und Organisationsgemeinschaften s. Dahm/Ratzel, MedR 2006, 555 ff.; Ratzel/Lippert, MedR 2004, 525, 528; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 18 Rn. 26 ff.; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 12 ff.; HKAKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 27 ff. Zur Begriffsvielfalt im ärztlichen Berufsrecht s. D. Prütting/Deckenbrock, Medizinrecht, § 705 BGB Rn. 4 ff. 15 Vgl. HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 3; Halbe/Rothfuß, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1100 Rn. 5. 16 Im Einzelnen ist dies nicht unumstritten, s. D. Prütting/Deckenbrock, Medizinrecht, § 705 BGB Rn. 4 f.; speziell zu den möglichen Rechtsformen s. Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 18 Rn. 6 ff. Ärztepartnerschaft und Ärzte-GmbH werden daher – und aufgrund der Besonderheiten dieser Rechtsformen bei Ärzten – unter 2. und 3. noch einmal gesondert behandelt. 17 Zunächst wurde eine Änderung der MBO-Ä auf dem 107. Deutschen Ärztetag 2004 beschlossen, daraufhin wurde auch die Ärzte-ZV durch das Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztänderungsgesetz – VÄndG) v. 22.12.2006, BGBl. I, S. 3439, in Kraft getreten am 1.1.12007, geändert. 18 Vgl. D. Prütting/Deckenbrock, Medizinrecht, § 705 BGB Rn. 6; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 11, 16 ff. („II. Gemeinschaftspraxis als besonders praxisrelevante Gestaltungsform“); Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 26 ff.; Bergmann/Pauge/Steinmeyer/Lück, Gesamtes Medizinrecht, Vorbemerkung zu §§ 705 ff. Rn. 9.

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1. Kap.: Typen von Arztpraxen

als Grund- oder Urform der Berufsausübungsgemeinschaft gesprochen werden. Unter einer Gemeinschaftspraxis wird die gemeinsame Berufsausübung durch mehrere Ärzte der gleichen oder ähnlicher Fachrichtungen in gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxiseinrichtung, gemeinsamer Karteiführung und Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung verstanden.19 Es existiert nur ein einziger (gemeinsamer) Patientenstamm. 20 Der Behandlungsvertrag kommt zwischen dem Patienten und der Gemeinschaftspraxis zustande.21 Die einzelnen Ärzte vertreten diese beim Vertragsschluss. Auch der Vergütungsanspruch steht der Gemeinschaftspraxis zu und nicht den einzelnen Ärzten.22 Die Abrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung erfolgt ebenfalls durch die Gemeinschaftspraxis, die als eigene Rechtspersönlichkeit auftritt. 23 Wenngleich der Zusammenschluss zwecks gemeinsamer Berufsausübung stattfindet, ist nicht notwendigerweise eine gemeinschaftliche Behandlung der Patienten durch alle Ärzte erforderlich.24 Vielmehr erfolgt der Zusammenschluss hinsichtlich der Organisation und Führung einer gemeinsamen Praxis mit Blick auf die Versorgung eines gemeinsamen Patientenstamms mit einheitlichen Praxis- und Behandlungsabläufen.25 Zur Geschäftsführung und damit auch zum Abschluss von Behandlungsverträgen und der Vornahme von Behandlungen im Namen der Gesellschaft ist jeder Arzt als Gesellschafter allein berechtigt.26 19

BSGE 23, 170, 171; 55, 97, 104; BGHZ 97, 273, 277 = NJW 1986, 2364 = MedR 1986, 321, 322; BGH MedR 2006, 290, 291; Ehmann, MedR 1994, 141, 145; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 14; HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 4; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 4. 20 Vgl. BSGE 23, 170, 171; 55, 97, 104; BGHZ 97, 273, 277 = NJW 1986, 2364 = MedR 1986, 321; Ehmann, MedR 1994, 141, 145; weitere Nachweise bei Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 14 (Fn. 38). 21 Vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 104; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XI Rn. 4; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 35; HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 38; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 10. Der Ansicht, wonach der Behandlungsvertrag zwischen dem Patienten und allen Ärzten der Gemeinschaftspraxis zustande kommt (Doppelverpflichtungstheorie), ist nicht zu folgen. Denn die Gemeinschaftspraxis ist in jedem Falle, selbst wenn sie als GbR ausgestaltet ist, (teil-)rechtsfähig und wird daher selbst Vertragspartnerin. Der BGH hat inzwischen klargestellt, dass die Gesellschafter selbst analog § 128 HGB unmittelbar persönlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften, ohne dass es einer Doppelverpflichtung bedarf (BGHZ 142, 315; 146, 341; 150, 1; 154, 88; 154, 370). 22 Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 4; HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 5. 23 BSG MedR 2005, 421, 425; Engelmann, ZMGR 2004, 3, 4; HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 47 m. w. N. 24 Bäune/Meschke/Rothfuß/Rothfuß, Ärzte-ZV, § 33 Rn. 25. 25 HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 5. 26 Zu beachten ist, dass es hierzu bei der GbR der ausdr. Ermächtigung aller Gesellschafter zur Alleingeschäftsführung im Gesellschaftsvertrag (unter Abbedingung des § 709 BGB) bedarf. Sollte eine solche Regelung indes fehlen, wird angenommen, dass die Berechtigung aller Gesellschafter zur Alleingeschäftsführung stillschweigend vereinbart wurde (ansonsten bedeutete dies die Verletzung der berufsrechtlichen Vorgabe der Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Ärzte), vgl. HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 139; D. Prütting/Deckenbrock, Medizinrecht, § 709 BGB Rn. 10 m. w. N.

B. Berufliche Kooperation in Form von Gruppenpraxen

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Die Motive für die Errichtung einer Gemeinschaftspraxis sind mannigfaltig. Neben der Aufteilung des Investitions- und Betriebsrisikos auf mehrere Personen ist auch die effizientere Ressourcennutzung ein Grund. Zudem spielen der Vorteil einer Arbeitsteilung sowie die Möglichkeit kollegialen Austauschs und die Erhöhung der Behandlungsqualität eine Rolle.27 b) Erscheinungsformen Die unterschiedlichen Motive werden auch durch die Vielzahl der Erscheinungsformen abgebildet. So existiert neben der fachgleichen zudem die fachübergreifende Gemeinschaftspraxis. Rechtliche Beschränkungen bestehen insoweit nicht. 28 Etwaigen Zweifeln an der Möglichkeit einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis wird überdies spätestens seit der Neufassung des § 33 Abs. 2 S. 1 Ärzte-ZV durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG)29 Schweigen geboten, denn hiernach ist ausdrücklich die gemeinsame Berufsausübung aller „zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer“ zulässig. 30 Ebenso ist die Zusammenarbeit in einer Gemeinschaftspraxis örtlich und überörtlich möglich. Die beiden Modelle unterscheiden sich dadurch, dass bei der örtlichen Gemeinschaftspraxis nur ein gemeinsamer Vertragsarztsitz (§ 33 Abs. 2 S. 1 ÄrzteZV) existiert, wohingegen die überörtliche Gemeinschaftspraxis unterschiedliche Vertragsarztsitze aufweist (§ 33 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV). Im Falle der überörtlichen Gemeinschaftspraxis sind besondere Voraussetzungen zu beachten, insbesondere muss die Erfüllung der Versorgungspflicht sichergestellt sein. 31 Als weitere Form der Gemeinschaftspraxis existiert die Teilgemeinschaftspraxis32. Hier bezieht sich die gemeinsame Berufsausübung nur auf die Erbringung einzelner Leistungen, wobei dies nicht zu einer Umgehung des Verbots der entgeltlichen Patientenzuweisung (§ 31 MBO-Ä) genutzt werden darf, vgl. § 18 Abs. 1 S. 2 MBO-Ä.33 Ebenfalls zulässig sind Gemeinschaftspraxen zwischen Vertrags- und Privatärzten,34 wobei die vertragsärztlichen Leistungen nur durch den Vertragsarzt vorgenommen werden dürfen.35 Daneben seien (als Sonderformen, die ausschließlich 27

Zu den Motiven s. a. Möller, MedR 2003, 195 f.; HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 6; D. Prütting/Deckenbrock, Medizinrecht, § 705 BGB Rn. 12 ff. Zu Motiven und Zielen von Kooperationen im Gesundheitswesen aus betriebswirtschaftlicher Sicht s. Oberender/Fleckenstein, in: Halbe/Schirmer, HBKG, E 1600 Rn. 30 ff. 28 Vgl. bereits BSGE 55, 97, 101 ff. = MedR 1983, 196. 29 Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze, v. 22.12.2006, BGBl. I, S. 3439, in Kraft getreten am 1.1.2007. 30 Vgl. HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 8; s. dazu auch Bäune/Meschke/Rothfuß/Rothfuß, Ärzte-ZV, § 33 Rn. 36. Auch das Bundessozialgericht hat die fachübergreifende Berufsausübungsgemeinschaft grds. anerkannt (BSG MedR 1984, 30). 31 S. zu den Voraussetzungen im einzelnen Bäune/Meschke/Rothfuß/Rothfuß, Ärzte-ZV, § 33 Rn. 39 ff.; HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 10; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 24. 32 Zum Begriff der Teilgemeinschaftspraxis s. Ratzel/Möller/Michels, MedR 2006, 377 ff. 33 Dazu näher Ratzel/Möller/Michels, MedR 2006, 377, 381 f.; HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 15, 63. 34 Hierzu eingehend Möller, MedR 2003, 195 ff. 35 Vgl. HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 26; Möller, MedR 2003, 195, 198.

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1. Kap.: Typen von Arztpraxen

unter Vertragsärzten zulässig sind) die Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis36 und die Gemeinschaftspraxis aufgrund Sonderbedarfs erwähnt.37 c) Rechtsform Rechtsträger der Gemeinschaftspraxis ist die Gesellschaft. In Betracht kommen mehrere Gesellschaftsformen. Zum Teil werden zwar, unter Verweis auf die Begründung zu § 18 MBO-Ä38, nur die GbR und die PartG als zulässige Gesellschafsformen angesehen.39 Nach überzeugender Ansicht ist der Begriff der Berufsausübungsgemeinschaft (und damit auch der Begriff der Gemeinschaftspraxis) jedoch rechtsformneutral, da durch ihn lediglich der Gesellschaftszweck, nicht aber die Gesellschaftsform beschrieben wird. 40 In Betracht kommen daher alle Gesellschaftsformen, die kein Handelsgewerbe41 voraussetzen. Gängigste Form ist die GbR.42 Daneben kann die PartG von Ärzten, als Angehörige der freien Berufe, gewählt werden.43 Aber auch die Kapitalgesellschaften (insbesondere die GmbH), die juristische Personen des Privatrechts sind, stehen der Gemeinschaftspraxis heute grundsätzlich als Rechtsform offen (vgl. § 23a MBO-Ä).44 Letzteres ist jedoch nicht unumstritten. Es ist allerdings kein sachlicher Grund ersichtlich, die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit in einem Krankenhaus in Form der GmbH zu gestatten, dies für den Bereich der niedergelassenen ambulanten ärztlichen Tätigkeit jedoch zu versagen.45 Daher ist davon auszugehen, dass die Gemeinschaftspraxis rechtlich auch als Kapitalgesellschaft ausgestaltet werden kann.46

36 Ausf. zur Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 110 ff. 37 Zu diesen Sonderformen s. HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 25. 38 Abgedruckt in DÄBl. 2008, A-1019, A-1020. 39 Vgl. D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 18 MBOÄ Rn. 17. 40 D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 18 MBOÄ Rn. 18; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 18 Rn. 6. 41 Dies folgt daraus, dass der Arztberuf ein „freier Beruf“ und damit kein Handelsgewerbe i. S. v. § 1 Abs. 1 HGB ist. Zur Einordnung als freier Beruf s. unter 2. (Fn. 51). 42 Vgl. Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 89; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 165; Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 18 Rn. 3; HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 32 m. w. N. (in Fn. 98). 43 Zur Rechtsform s. a. HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 32 ff. 44 Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 89; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 18 Rn. 6; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. II Rn. 62; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 17. Zu einer möglichen abweichenden Interpretation, nach der Kapitalgesellschaften nicht als Rechtsform für die Gemeinschaftspraxis gewählt werden können, s. D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 18 MBOÄ Rn. 19. 45 Taupitz, NJW 1992, 2317, 2323; ders. JZ 1994, 1100, 1102; ders. MedR 1995, 475, 478; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 17; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 174. 46 So auch Attermeyer, Die ambulante Arztpraxis in der Form der GmbH, S. 3 ff. S. a. die Hinweise zu Niederlassung und beruflicher Kooperation der Bundesärztekammer aus dem Jahr 2008, abgedruckt in DÄBl. 2008, A-1019, die auf S. A-1022 unter dem Punkt „Gesellschaftsformen“ ausdr. die GmbH und die AG nennen.

B. Berufliche Kooperation in Form von Gruppenpraxen

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Aufgrund der Zugehörigkeit der Gemeinschaftspraxis zu den Berufsausübungsgemeinschaften i. S. v. § 18 Abs. 1 MBO-Ä muss der Gesellschaftsvertrag schriftlich abgeschlossen werden. Dies ist für die GbR von besonderer Bedeutung, da hier von Gesetzes wegen, anders als etwa bei der GmbH (vgl. § 2 GmbHG), für die wirksame Gründung der Gesellschaft grundsätzlich keine besondere Form für den Abschluss des Gesellschaftsvertrags erforderlich ist. § 18 Abs. 2a S. 3 MBO-Ä normiert das Schriftformerfordernis jedoch ausdrücklich für jede Berufsausübungsgemeinschaft. Da die Gemeinschaftspraxis stets in Form einer Gesellschaft betrieben werden muss, ist diese rechts- und parteifähig. Dies ist auch der Fall, wenn die Gemeinschaftspraxis als GbR ausgestaltet ist, denn deren (Teil-)Rechtsfähigkeit ist seit der Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahr 2001 höchstrichterlich anerkannt.47 Für die PartG ergibt sich die Rechts- und Parteifähigkeit aus § 7 Abs. 2 PartGG i. V. m. § 124 HGB. Die GmbH als juristische Person ist nach § 13 Abs. 1 GmbHG, die Aktiengesellschaft nach § 1 Abs. 1 S. 1 AktG rechts- und parteifähig. 2. Ärztepartnerschaft Teilweise wird es – wie bereits erwähnt – nicht für möglich gehalten, Gemeinschaftspraxen in einer anderen Rechtsform als der GbR auszugestalten,48 weshalb die Ärztepartnerschaft begrifflich nicht als Gemeinschaftspraxis eingeordnet wird. Aus diesem Grund wird die Ärztepartnerschaft, ebenso wie die Ärzte-GmbH im folgenden Abschnitt,49 gesondert behandelt. Als Ärztepartnerschaft wird eine Partnerschaftsgesellschaft zwischen Ärzten bezeichnet. Die PartG ist eine verhältnismäßig neue Gesellschaftsform im deutschen Recht. Angehörige freier Berufe50 können die im Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) geregelte Rechtsform seit dem 1.7.1995 zur gemeinsamen Berufsausübung wählen. Ärzten steht diese Rechtsform offen, da sie Angehörige der freien Berufe sind und das ärztliche Berufsrecht der Wahl dieser Rechtsform generell nicht entgegensteht.51 Die Gesellschafter müssen ihre Berufe gemeinsam aktiv in der Gesell-

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BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 = ZIP 2001, 330. So Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 7, 10 ff.; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 26 ff. 49 Zur Ärzte-GmbH s. unter 3. 50 Zum Begriff der freien Berufe s. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 11 ff.; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 13 ff.; Poll, JR 1996, 441 ff. 51 Im Katalog des § 1 Abs. 2 S. 2 PartGG ist der Arztberuf als freier Beruf i. S. d. Gesetzes normiert, auch nach § 2 Abs. 1 BÄO ist er „seiner Natur nach ein freier Beruf“. S. a. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 11 ff.; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 34; Kluth, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, A. I. 2 Rn. 1 ff.; Krieger, MedR 1995, 95 ff.; Schirmer, MedR 1995, 341, 345 ff. Zur Wahrung des Merkmals der Freiberuflichkeit und Selbständigkeit bei Eingehung einer Kooperation s. Meschke, MedR 2018, 655 ff. 48

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1. Kap.: Typen von Arztpraxen

schaft ausüben.52 Dies bedeutet, dass die PartG immer Berufsausübungsgemeinschaft ist und niemals Organisationsgemeinschaft. Jeder einzelne Gesellschafter muss partnerschaftsfähig sein.53 Dies sind nach § 1 Abs. 1 S. 3 PartGG nur natürliche Personen, die, wie Ärzte, einen freien Beruf ausüben. Zu beachten sind aufgrund des in § 1 Abs. 3 PartGG geregelten Berufsrechtsvorbehalts auch die Vorgaben und Einschränkungen des ärztlichen Berufsrechts. Ein Verstoß gegen diese Normen kann, sofern sie Gesetzesqualität i. S. v. Art. 2 EGBGB haben, die Nichtigkeit des Gesellschaftsvertrages nach § 134 BGB zur Folge haben. 54 Die PartG ist gem. § 7 Abs. 2 PartGG i. V. m. § 124 HGB rechts- und parteifähig. Sie kann selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein und unter ihrem Namen klagen und verklagt werden. Der Behandlungsvertrag wird daher zwischen dem Patienten und der PartG geschlossen. Auch die Abrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung erfolgt durch die Gesellschaft selbst. 3. Ärzte-GmbH Möglich ist auch die Organisation der Arztpraxis in Form einer juristischen Person des Privatrechts, insbesondere als GmbH.55 Dabei muss zwischen den Gesellschaften mit beschränkter Haftung unterschieden werden, die nicht zwecks gemeinsamer Berufsausübung gegründet werden, sondern etwa allein um das wirtschaftliche Risiko gemeinsamer Investitionen der Ärzte (z. B. durch die Anschaffung teurer medizinisch-technischer Geräte) zu minimieren (z. T. auch als HeilkundeGmbH bezeichnet)56, und denen, die zur gemeinsamen Berufsausübung gegründet werden (sog. Ärzte-GmbH)57. Nur Letztere treten gegenüber dem Patienten auf und werden Vertragspartei des Behandlungsvertrags. Die einzelnen Ärzte sind (sofern sie nicht angestellt sind) Gesellschafter.

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Zum Ausübungserfordernis s. Hirtz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 PartGG Rn. 34 ff.; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 1 PartGG Rn. 7 ff.; Krieger, MedR 1995, 95, 96; Schirmer, MedR 1995, 341, 342. 53 S. dazu Hirtz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 PartGG Rn. 13 ff.; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 1 PartGG Rn. 13 ff. 54 D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 1 PartGG Rn. 21 ff. 55 In dieser Arbeit wird die GmbH stellvertretend für alle Kapitalgesellschaften (als deren wichtigster Vertreter) behandelt. 56 Die Heilkunde-GmbH wird auch als Oberbegriff verwendet (vgl. Saenger, MedR 2006, 138). Sie ist keine Berufsausübungsgemeinschaft, wohl aber auf eine heilkundliche Tätigkeit gerichtet, nicht alle Gesellschafter müssen Ärzte sein. Die Begriffe Heilkunde- und Ärzte-GmbH werden aber auch synonym verwendet, eine klare Begriffstrennung existiert nicht. Im Folgenden wird von der Ärzte-GmbH als Berufsausübungsgemeinschaft (i. S. d. §§ 18, 23a MBO-Ä) gesprochen. S. zur Ärzte-GmbH, die nicht Berufsausübungsgemeinschaft ist, auch D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 3. S. zur Abgrenzung beider Gesellschaften auch Attermeyer, Die ambulante Arztpraxis in der Form der GmbH, S. 3 ff.; Schiller/Hartmann, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1600 Rn. 14 ff. 57 Die Ärzte-GmbH ist Berufsausübungsgemeinschaft i. S. v. § 23a MBO-Ä, Gesellschafter können ausschließlich Ärzte sein. Zum Begriff s. a. Saenger, MedR 2006, 138 f.; Attermeyer, Die ambulante Arztpraxis in der Form der GmbH, S. 3, 4 ff.; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 1; Schiller/Hartmann, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1600 Rn. 18.

B. Berufliche Kooperation in Form von Gruppenpraxen

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Die Gründung einer solchen Ärzte-GmbH zur gemeinsamen Berufsausübung war lange Zeit hochumstritten.58 Auch nach der Leitentscheidung des BGH aus dem Jahre 199359 wurde die Zulässigkeit der Ärzte-GmbH weiter kontrovers diskutiert.60 Heute hingegen ist anerkannt, dass Ärzten, soweit ihnen dies nach dem Berufsrecht gestattet ist,61 die GmbH als Gesellschaftsform zur Verfügung steht, seit dem Jahr 2004 ist dies in § 23a MBO-Ä standesrechtlich kodifiziert.62 Dabei sind neben den Voraussetzungen des GmbH-Gesetzes auch die standesrechtlichen Vorgaben zu beachten. Gesellschafter können nur Ärzte und in § 23b MBO-Ä genannte Personen sein.63 Nach § 23a Abs. 1 S. 3 MBO-Ä müssen die Ärzte-Gesellschafter ihren Beruf in der Gesellschaft aktiv ausüben.64 Die Ärztegesellschaft nach § 23a MBO-Ä ist damit immer Berufsausübungsgemeinschaft und nicht Organisationsgemeinschaft.65 Eine stille Beteiligung kommt nicht in Betracht. 66 Diese Anforderungen sollen sicherstellen, dass keine Fremdbeeinflussung67 der ärztlichen Berufsausübung stattfindet.68 Zwar steht Ärzten nach der MBO-Ä grundsätzlich die Möglichkeit der Berufsausübung in einer GmbH offen, dies ist auf Ebene der Landesärztekammern jedoch nicht überall umgesetzt worden.69 Teilweise untersagten auch die Heilberufsbzw. Kammergesetze der Länder die Berufsausübung in einer GmbH. Dies hat sich zwar weitgehend geändert, in einigen Bundesländern verhindern allerdings noch immer die Heilberufs- bzw. Kammergesetze die Wahl dieser Gesellschafts58

Nachweise bei Ehmann, MedR 1994, 141; Henssler, ZIP 1994, 844, 845; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 1288. 59 BGHZ 124, 224 = NJW 1994, 786 = MedR 1994, 152 m. Anm. Taupitz. 60 Vgl. nur Laufs, MedR 1995, 11; Katzenmeier, MedR 1998, 113 ff. m. w. N. Zu verfassungsrechtlichen Aspekten s. Häußermann/Dollmann, MedR 2005, 255, 257 ff. 61 Näher zu dieser Thematik Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 18 Rn. 6. 62 S. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. II Rn. 62; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 89; HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 16; Braun/Richter, MedR 2005, 685. 63 D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 8; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 410; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 23a Rn. 4; Braun/Richter, MedR 2005, 685. 64 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 23a Rn. 4; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 411; zum Erfordernis aktiver Berufsausübung s. im Einzelnen D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 9 ff. 65 Vgl. Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 411. 66 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 23a Rn. 4; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 9; Braun/Richter, MedR 2005, 685, 686. 67 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 23a Rn. 4; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 410 ff. (insb. Rn. 413); Braun/Richter, MedR 2005, 685, 686. 68 Zu den weiteren Anforderungen des § 23a MBO-Ä s. D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 8 u. 12 ff.; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 410 ff. 69 S. Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 416, der insofern von einem „Flickenteppich“ in Deutschland spricht. Zur rechtlichen Qualität der MBO-Ä und ihrem Verhältnis zu den Berufsordnungen der Landesärztekammern s. im 4. Kap. unter A. I. 2. a).

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1. Kap.: Typen von Arztpraxen

form.70 Heute ist die ambulante Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in der Rechtsform der GmbH mit wenigen Ausnahmen71 im gesamten Bundesgebiet zulässig. Die praktische Bedeutung der Ärzte-GmbH wird dennoch als gering eingestuft.72 Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe. Zum einen haften die behandelnden Ärzte für Fehler im Rahmen der Behandlung ohnehin stets persönlich aus deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen,73 sodass die Haftung des Behandelnden auch bei Berufsausübung in einer GmbH nicht beschränkt werden kann. Noch gewichtiger ist aber der Umstand, dass die Ärzte-GmbH keine kassenärztliche Zulassung erlangen und damit nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen kann, da die kassenärztliche Zulassung nach § 95 SGB V nur natürlichen Personen erteilt werden kann (vgl. § 3 Abs. 2 Ärzte-ZV).74 Eine Ermächtigung zur Teilnahme an der Versorgung darf nur ausnahmsweise erteilt werden, wenn dies zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich ist (§ 95 Abs. 1 SGB V, § 31 Abs. 1 Ärzte-ZV).75 Die Ärzte-GmbH ist folglich auf die Behandlung von Privatpatienten (und Selbstzahlern) beschränkt.76 Auch dies ist jedoch 70 So § 21 Abs. 2 Heilberufsgesetz Rheinland-Pfalz, s. hierzu den Beschl. des OLG Zweibrücken MedR 2016, 798, welches die Norm für (landes-)verfassungswidrig hält und sie daher mit einem Normenkontrollantrag dem Verfassungsgerichtshof des Landes RheinlandPfalz vorgelegt hat. Der VerfGH RP wiederum lehnte den Antrag des OLG als unzulässig ab, da eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend, dass die ambulante ärztliche Tätigkeit in der Rechtsform der GmbH möglich sei, vom OLG nicht vorgenommen worden sei (das Urt. des VerfGH RP v. 31.3.2017 – VGH N 4/16 u. VGH N 5/1 ist zusammengefasst in GuP 2017, 158). S. insg. zu dieser Thematik auch Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 18 Rn. 6. 71 In Bayern etwa ist gem. Art. 18 Abs. 1 S. 2 Heilberufe-Kammergesetz die Führung einer ärztlichen Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts nicht statthaft. Ein Überblick findet sich bei D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 24 ff. 72 Vgl. Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 23a Rn. 1; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 174; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 36. 73 Laufs, MedR 1995, 11, 14; Katzenmeier, MedR 1998, 113, 116; Häußermann/Dollmann, MedR 2005, 255, 256; Püster, Entwicklungen der Arzthaftpflichtversicherung, S. 249; zur deliktsrechtlichen Haftung des Arztes s. a. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 79 f., 111 ff.; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. X Rn. 2; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 3 f.; Laufs/Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 103 Rn. 1 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 174; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, § 32 Rn. 21. 74 BSGE 111, 240 Rn. 14 ff. = MedR 2014, 421, 422 ff. m. Anm. Treptow; s. a. Katzenmeier, MedR 1998, 113, 118; Halbe/Rothfuß, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1100 Rn. 69; KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 95 SGB V Rn. 6; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 417; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 35; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. II Rn. 63; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 36. Möglich ist die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung jedoch als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), s. dazu Häußermann/Dollmann, MedR 2005, 255, 256 ff. 75 Henssler, ZIP 1994, 844, 847; KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 95 SGB V Rn. 6; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. II Rn. 63; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 36; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 35. 76 Taupitz, NJW 1992, 2317, 2324 f.; Henssler, ZIP 1994, 844, 847; Laufs, MedR 1995, 11, 16; Katzenmeier, MedR 1998, 113, 118; HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 32;

B. Berufliche Kooperation in Form von Gruppenpraxen

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nicht unproblematisch, denn nach herrschender Ansicht müssen die Privaten Krankenversicherungen ihren Versicherten die Kosten für eine Behandlung durch eine Ärzte-GmbH nicht erstatten,77 was sich aus dem Wortlaut von § 4 Abs. 2 S. 1 MB/KK ergebe.78 Demzufolge können die Versicherten für die Behandlung unter den „niedergelassenen approbierten Ärzten“ frei wählen. Eine juristische Person wie die GmbH sei aber nicht Arzt im Sinne der Vorschrift, die angestellten Ärzte wiederum seien nicht zugelassen, sondern nur die Gesellschaft.79 Diese Faktoren haben bislang dazu geführt, dass die GmbH von Ärzten nicht besonders häufig als Rechtsform gewählt wurde. Sollte die vertragsärztliche Zulassung in Zukunft jedoch auch juristischen Personen des Privatrechts erteilt werden können, könnte sich dies schnell ändern. Eine solche Änderung der Zulassungsregelungen ist indes momentan nicht absehbar.

II. Organisationsgemeinschaften Organisationsgemeinschaften haben, in Abgrenzung zu den Berufsausübungsgemeinschaften, lediglich den Zweck, die infrastrukturellen Voraussetzungen für die weiterhin getrennte Ausübung des Arztberufs zu schaffen. 80 Im Folgenden werden die einzelnen Formen dieser standesrechtlichen Kategorie und ihre Rechtsnatur analysiert. 1. Praxisgemeinschaft als Grundform der Organisationsgemeinschaft a) Begriff und Motive Eine Praxisgemeinschaft ist der Zusammenschluss mindestens zweier Ärzte gleicher oder verschiedener Fachrichtungen zwecks gemeinsamer Nutzung von Praxisräumen und deren Einrichtung sowie ggf. des Praxispersonals bei sonst selbständiger Praxisführung.81 Zweck ist nicht die gemeinsame Berufsausübung, Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. II Rn. 63; Schlund, in: Laufs/Kern, § 18 Rn. 17; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 36. 77 Prölss/Martin/Voit, VVG, § 4 MB/KK Rn. 18; Taupitz, VersR 1992, 1064, 1066; Dreher, VersR 1995, 245 ff.; Katzenmeier, MedR 1998, 113, 118; Butzer, NZS 2005, 344, 352; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 17. S. dazu auch BGHZ 70, 158, 160 f. = NJW 1978, 589; OLG Köln VersR 1992, 952; OLG Hamm NJW 1993, 801; a. A. etwa Attermeyer, Die ambulante Arztpraxis in der Rechtsform der GmbH, S. 194 ff., 196. 78 BGHZ 70, 158, 160 f. = NJW 1978, 589; Prölss/Martin/Voit, VVG, § 4 MB/KK Rn. 18; vgl. hierzu auch die Ausführungen von Attermeyer, Die ambulante Arztpraxis in der Rechtsform der GmbH, S. 188 ff. m. w. N. 79 BGHZ 70, 158, 160 f. = NJW 1978, 589; Prölss/Martin/Voit, VVG, § 4 MB/KK Rn. 18; ausführlich hierzu Attermeyer, Die ambulante Arztpraxis in der Rechtsform der GmbH, S. 188 ff. 80 D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 18 MBOÄ Rn. 8. 81 Ehmann, MedR 1994, 141, 144; Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 18 Rn. 28; HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 1, 2; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 139; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 11 m. w. N.

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1. Kap.: Typen von Arztpraxen

sondern die gemeinsame Ressourcennutzung und Kostenteilung. 82 Jeder Arzt arbeitet selbständig, hat seinen eigenen Patientenstamm und führt eine eigene Patientenkartei. Behandlungsverträge kommen nur zwischen dem einzelnen Arzt und seinen Patienten zustande,83 nicht hingegen zwischen dem Patienten und dem anderen (kooperierenden) Arzt. Zwar wird eine Praxisgemeinschaft klassischerweise zwischen Ärzten gebildet, dies ist aber nicht zwingend, sie kann auch zwischen Ärzten und Angehörigen nichtärztlicher Heilberufe entstehen.84 Es wird daher unterschieden zwischen der Praxisgemeinschaft im engeren Sinne, die vorliegt, wenn ausschließlich Ärzte beteiligt sind, und der Praxisgemeinschaft im weiteren Sinne, von der gesprochen wird, wenn auch Dritte beteiligt sind.85 Praxisgemeinschaften im engeren Sinne sind auch zulässig zwischen Vertrags- und Privatärzten. Darüber hinaus können Krankenhäuser und Träger von Medizinischen Versorgungszentren an Praxisgemeinschaften beteiligt sein.86 Die Motive für die Errichtung von Praxisgemeinschaften sind vielfältig. Hauptziel ist die möglichst effiziente Nutzung von Praxisressourcen und die Aufteilung der Finanzierungs- und Unterhaltskosten.87 Insbesondere die gemeinsame Nutzung der Räumlichkeiten und des Praxispersonals kann zur Kostendämpfung beitragen. In bestimmten medizinischen Bereichen kann auch die Anschaffung besonders kostspieliger medizinisch-technischer Geräte ein Motiv für die Eingehung einer Praxisgemeinschaft sein. Dementsprechend variieren die Erscheinungsformen von Praxis- bzw. Organisationsgemeinschaften.88 b) Rechtsform Grundsätzlich ist jeder Arzt als natürliche Person Rechtsträger seiner Praxis. Die Ärzte sind rechtlich selbständig, schließen in eigenem Namen Behandlungsverträge mit ihren Patienten (sie treten nicht als Gesellschafter der Praxisgemeinschaft auf und verpflichten diese nicht) und rechnen gegenüber der Kassenärztlichen 82

BSGE 96, 99 (Rn. 15) = MedR 2006, 611, 613; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 103; Cramer, MedR 2004, 552, 553 f.; Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 18 Rn. 28; HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 2; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 139. 83 Vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 103; Ehmann, MedR 1994, 141, 144; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 4. 84 HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 1; Schäfer-Gölz, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1200 Rn. 8; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 18 MBOÄ Rn. 40; anders Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 11, der eine Praxisgemeinschaft grundsätzlich nur zwischen Ärzten als zulässig erachtet, die gemeinsame Nutzung von Apparaturen und Einrichtungsgegenständen aber auch zwischen Ärzten und selbständig Tätigen nichtärztlicher Heilberufe für möglich hält. 85 HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 1; Schäfer-Gölz, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1200 Rn. 8. 86 HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 1; Schäfer-Gölz, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1200 Rn. 7 ff. 87 HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 3; Schäfer-Gölz, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1200 Rn. 6 ff. 88 Dazu näher unter 2.

B. Berufliche Kooperation in Form von Gruppenpraxen

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Vereinigung eigenständig ab. Aufgrund der getrennten Berufsausübung wurde häufig von der Praxisgemeinschaft als Innengesellschaft gesprochen.89 Dies dürfte jedoch die Ausnahme sein.90 Vielmehr handelt es sich in den meisten Fällen bei der Praxisgemeinschaft um eine Außengesellschaft bürgerlichen Rechts.91 Wesensmerkmal der Praxisgemeinschaft als Organisationsgemeinschaft ist die gemeinsame Ressourcen- und Infrastrukturnutzung. Die Praxisgemeinschaft schließt etwa mit dem Vermieter der Praxisräume einen Mietvertrag oder Arbeitsverträge mit dem Praxispersonal ab.92 Die Gesellschaft tritt daher im Rechtsverkehr als solche nach außen in Erscheinung. Es liegt mithin eine rechts- und parteifähige (Außen-)Gesellschaft vor. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Organisationsgemeinschaften steht der Praxisgemeinschaft die PartG nicht als Gesellschaftsform zur Verfügung, denn Voraussetzung für die Gründung einer PartG ist die gemeinsame Berufsausübung.93 Gerade hieran fehlt es bei einer Praxisgemeinschaft. Möglich ist aber die Organisation als juristische Person des Privatrechts, also als GmbH oder AG. Dem steht das ärztliche Berufsrecht nicht entgegen. Allerdings ist die Praxisgemeinschaftskapitalgesellschaft keine Ärzte-GmbH i. S. v. § 23a MBO-Ä, denn von dieser Norm sind nur Berufsausübungsgemeinschaften erfasst.94 Die Praxisgemeinschaftskapitalgesellschaft ist aber nicht auf die gemeinsame Berufsausübung ausgerichtet, sondern auf „Hilfsgeschäfte zur Organisation der Berufsausübung“95, wie Miet-, Kauf-, Leasing-, und Arbeitsverträge. Hier kann das mitunter erhebliche wirtschaftliche Risiko (etwa bei der Anschaffung teurer medizinisch-technischer Geräte) durch die Wahl der Rechtsform der GmbH vermindert werden.96

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Vgl. Walter, MedR 2002, 169, 170; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 140; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 20. 90 Die Praxisgemeinschaft ist nur dann reine Innengesellschaft, wenn nach außen nur ein Gesellschafter im eigenen Namen auftritt und der andere sich im Innenverhältnis lediglich an den Kosten beteiligt, vgl. HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 17. 91 Ehmann, MedR 1994, 141, 144; Hartmann, MedR 2003, 623, 624; Cramer, MedR 2004, 552, 554; Reiter, GesR 2005, 6, 7; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 12; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 18 MBOÄ Rn. 37; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 444; HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 16 f. 92 Vgl. auch Hartmann, MedR 2003, 623, 624; Reiter, GesR 2005, 6, 7. 93 Zum Ausübungserfordernis s. Hirtz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 1 PartGG Rn. 34 ff.; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 1 PartGG Rn. 7 ff. 94 S. dazu D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 1 u. 3; Schiller/Hartmann, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1600 Rn. 18 f. 95 D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 3. 96 Taupitz, MedR 1995, 475, 479; Attermeyer, Die ambulante Arztpraxis in der Rechtsform der GmbH, S. 4 f.; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 3. S. a. Schiller/Hartmann, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1600 Rn. 19.

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1. Kap.: Typen von Arztpraxen

2. Sonderformen Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Bedürfnissen, wegen der berufliche Kooperationen eingegangen werden, existieren auch unterschiedliche Ausprägungen von Organisationsgemeinschaften. Dazu gehören die Apparate-, die Laborund die Leistungserbringergemeinschaft, die allesamt Sonderformen der Praxisgemeinschaft sind.97 Sie werden daher mitunter auch als partielle Praxisgemeinschaften bezeichnet.98 a) Apparategemeinschaft aa) Begriff Die Apparategemeinschaft hat die gemeinsame Nutzung medizinisch-technischer Geräte, insbesondere von Großgeräten wie MRT und CT zum Zweck.99 Dabei kann ggf. auf gemeinsames Personal zurückgegriffen werden, dies ist aber nicht zwingend notwendig. 100 Hier haben sich die Ärzte einzig und allein zur gemeinsamen Nutzung der medizinisch-technischen Geräte zusammengeschlossen, ein weiterer Grund existiert nicht, anders als bei der Grundform der Praxisgemeinschaft, bei der die gemeinsame Ressourcennutzung der beteiligten Ärzte insgesamt im Mittelpunkt steht. Abzugrenzen ist die Apparategemeinschaft von Rechtsverhältnissen, die rein schuldrechtliche Nutzungsüberlassungen beinhalten. So liegt beispielsweise bei der Vermietung von OP-Räumen durch einen Krankenhausträger an mehrere selbständige Ärzte keine Apparategemeinschaft vor.101 bb) Rechtsform Die Apparategemeinschaft ist als Unterform der Praxisgemeinschaft eine Organisationsgemeinschaft i. S. v. § 18 Abs. 1 MBO-Ä. Sie kann daher in der Form der GbR betrieben werden, was meist auch der Fall ist.102 Auch diese GbR ist keine Innengesellschaft, sondern, aufgrund der Teilnahme am Rechtsverkehr – etwa durch die Beschaffung von Apparaten oder die Anmietung von Räumen – Außengesellschaft. Der Behandlungsvertrag kommt indes nicht mit der Gesellschaft, sondern mit dem jeweils behandelnden Arzt zustande.103 Auch die Organisation 97 HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 4 ff.; D. Prütting/Deckenbrock, Medizinrecht, § 705 BGB Rn. 28 f.; Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 18 Rn. 32 ff.; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 15. 98 Vgl. Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 15; HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 4. 99 HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 5; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 140; Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 18 Rn. 32; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 15. 100 Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 451. 101 So Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 452. 102 Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 453; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 155. 103 Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 454.

B. Berufliche Kooperation in Form von Gruppenpraxen

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als Kapitalgesellschaft ist möglich, es gilt das zur Rechtsform der Praxisgemeinschaft Gesagte. Zudem ist auch die Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB eine denkbare Organisationsform, insbesondere wenn die Ärzte Eigentum zu ideellen Anteilen an den Gerätschaften erwerben.104 b) Laborgemeinschaft aa) Begriff Die Laborgemeinschaft ist ein Zusammenschluss von Ärzten zwecks gemeinsamer Nutzung von Laboreinrichtungen, in denen die in der eigenen Praxis anfallenden Laboruntersuchungen durchgeführt werden.105 Sie kann sowohl im vertragsärztlichen als auch im privatärztlichen Bereich bestehen, Rechtsgrundlage ist § 105 Abs. 2 SGB V, konkretisiert durch § 1a Nr. 1a BMV-Ä für den vertragsärztlichen Bereich und § 4 Abs. 2 GOÄ für den privatärztlichen Bereich.106 Die Laborgemeinschaften können direkt mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen, vgl. § 25 Abs. 3 BMV-Ä, § 28 Abs. 3 EKV.107 bb) Rechtsform Laborgemeinschaften können, wie alle Organisationsgemeinschaften, in der Form der GbR betrieben werden. Anzutreffen sind auch eingetragene Laborvereine. 108 Diese Rechtsform soll der Laborgemeinschaft rechtmäßigerweise jedoch gar nicht offenstehen, da sie auf eine „unternehmerische Tätigkeit am inneren Markt“109 ausgerichtet ist.110 Auch eine Kapitalgesellschaft soll nicht in Betracht kommen, da es sich bei der Laborgemeinschaft lediglich um einen ausgelagerten Teil der Praxis handelt.111 Die Relevanz dieser Frage ist jedoch als gering einzustufen, da Laborgemeinschaften in der Regel ohnehin als Gesellschaften bürgerlichen Rechts organisiert sind. Zumindest denkbar ist die Organisation in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft (e. G.). Diese hat den Zweck der „Förderung des Gewerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder“ (vgl. § 1 Abs. 1 GenG).112

104

S. hierzu sowie zu weiteren denkbaren Organisationsformen Schäfer-Gölz, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1200 Rn. 50 ff. 105 HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 6; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 456; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 157; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 15. 106 Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 457 ff. 107 S. a. HK-AKM/Kremer, Nr. 4270 Rn. 6. 108 S. Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 18 Rn. 39; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 461; Schäfer-Gölz, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1200 Rn. 57. 109 S. dazu MüKo-BGB/Leuschner, § 22 Rn. 34 ff., 42. 110 Dazu näher Schäfer-Gölz, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1200 Rn. 57. 111 Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 461. 112 Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 18 Rn. 39. Ausf. zur eingetragenen Genossenschaft Schäfer-Gölz, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1200 Rn. 58 f.

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1. Kap.: Typen von Arztpraxen

c) Leistungserbringergemeinschaft aa) Begriff Die Leistungserbringergemeinschaft ist in § 1a Nr. 14 BMV-Ä definiert. Demnach handelt es sich um „eine bundesmantelvertraglich bestimmte Form der Zusammenarbeit von Vertragsärzten, insbesondere im Bereich der medizinisch-technischen Leistungen gem. § 15 Abs. 3 BMV-Ä als Sonderfall der Leistungszuordnung im Rahmen der persönlichen Leistungserbringung“. Sie ist nur im vertragsärztlichen Bereich anerkannt (vgl. § 15 Abs. 3 BMV-Ä).113 Die einzelnen Ärzte müssen hier die von ihnen angeordneten gerätebezogenen Untersuchungen (bspw. im radiologischen Bereich) nicht selbst durchführen, sondern können diese, unter Durchbrechung des Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung 114, durch den in die Kooperation eingebundenen Arzt ausführen lassen.115 Etwas anderes soll aber bei dynamischen Untersuchungsmaßnahmen, wie etwa bei Sonographien, gelten, da hier die Kompetenz des einzelnen Arztes im Vordergrund stehe, sodass diese Untersuchungen nicht im Rahmen einer Leistungserbringergemeinschaft durchgeführt werden können.116 bb) Rechtsform Die Leistungserbringergemeinschaft kann ebenfalls in Form der GbR betrieben werden, was auch meist der Fall sein dürfte. Sie kann aber – zumindest theoretisch – auch als Kapitalgesellschaft ausgestaltet sein. Es gelten die Ausführungen zur Praxisgemeinschaft.117

III. Medizinische Kooperationsgemeinschaften und Praxisverbünde Kooperationsgemeinschaften und Praxisverbünde werden in § 18 Abs. 1 MBO-Ä ausdrücklich als weitere Kooperationsformen – neben Berufsausübungs- und Organisationsgemeinschaften – genannt. Sie sind keiner der beiden anderen Kategorien zuzuordnen, weisen aber Merkmale dieser Kooperationsformen auf. Die praktische Bedeutung von Medizinischen Kooperationsgemeinschaften und Praxisverbünden ist derzeit gering, zumindest für Praxisverbünde gibt es in der Poli113

Schiller/Schiller, BMV-Ä, § 15 Rn. 27; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 467. 114 Zum Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung s. Achterfeld, Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen, S. 34 ff.; HK-AKM/Steinhilper, Nr. 4060; ders., in: Halbe/Schirmer, HBKG, E 1200 Rn. 6 ff.; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 26; ders., in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 306 ff.; Schiller/ders., BMV-Ä, § 15 Rn. 1 ff. u. 7 ff. für den vertragsärztlichen Bereich. 115 Steinhilper, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 26 Rn. 26; Schiller/Schiller, BMV-Ä, § 15 Rn. 24; ders., in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1400 Rn. 3; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 470. 116 So Schiller/Schiller, BMV-Ä, § 15 Rn. 33; ders., in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1400 Rn. 11; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 471. 117 S. dazu oben unter II. 1. b).

B. Berufliche Kooperation in Form von Gruppenpraxen

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tik aber Bestrebungen, dies zu ändern. 118 Es wird sich zeigen, ob diese Bestrebungen erfolgreich sind. 1. Kooperationsgemeinschaften Medizinische Kooperationsgemeinschaften sind nach § 23b Abs. 1 S. 1 MBO-Ä Zusammenschlüsse von Ärzten mit selbständig tätigen und zur eigenverantwortlichen Berufsausübung befugten Berufsangehörigen anderer akademischer Heilberufe im Gesundheitswesen oder staatlicher Ausbildungsberufe im Gesundheitswesen sowie anderen Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftlern und Angehörigen sozialpädagogischer Berufe. Die Medizinische Kooperationsgemeinschaft entspricht der ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehaltenen Berufsausübungsgemeinschaft für den Fall der Zusammenarbeit mit anderen medizinischen oder medizinnahen Fachberufen. 119 Der Zusammenschluss kann auch beschränkt auf einzelne Leistungen erfolgen (s. § 23b Abs. 1 S. 1 MBO-Ä a. E.). Im Vertragsarztrecht existiert die Kooperationsgemeinschaft i. S. v. § 23b MBO-Ä nicht,120 vertragsärztliche Leistungen kann sie daher nicht erbringen. Als Rechtsform kommen ausweislich der Musterberufsordnung die GbR, die PartG und, gem. § 23b MBO-Ä, die Ärztekapitalgesellschaft (insbesondere die GmbH) in Betracht. 2. Praxisverbünde Die Kooperationsform des Praxisverbundes ist in § 23d MBO-Ä geregelt und wird als Zwischenstufe zwischen Berufsausübungsgemeinschaft und Organisationsgemeinschaft eingeordnet.121 Eine Legaldefinition existiert nicht, der Begriff wird in der Praxis synonym zu dem Begriff des Praxisnetzes verwendet. 122 Es handelt sich um einen Zusammenschluss selbständiger Praxen, der auf eine Form der Zusammenarbeit bei der Patientenversorgung gerichtet ist und in dem die Beteiligten ihre rechtliche Selbständigkeit behalten.123 Von der Berufsausübungsgemeinschaft unterscheidet er sich durch die fehlende Vergesellschaftung der gemeinsamen Berufsausübung, von der Organisationsgemeinschaft durch den nicht auf gemeinsame

118

S. dazu den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, S. 75, in dem ausdr. die Förderung von Praxisnetzen angekündigt wird. 119 Schäfer-Gölz, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1200 Rn. 15. 120 Zum vertragsarztrechtlichen Status s. Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 426 f. 121 Erbsen, Praxisnetze und das Berufsrecht der Ärzte, S. 67 f.; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23d MBOÄ Rn. 3; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 474. 122 D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23d MBOÄ Rn. 1; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 472; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 159; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 15 Rn. 22. 123 Ausführlich Erbsen, Praxisnetze und das Berufsrecht der Ärzte, S. 46 ff.

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1. Kap.: Typen von Arztpraxen

Ressourcennutzung, sondern auf fachliche Aspekte der Berufsausübung zielenden Gesellschaftszweck.124 Eine Rechtsformvorgabe gibt es nicht, der Praxisverbund kann daher in allen Gesellschaftsformen betrieben werden, soweit diese nicht durch gesellschaftsoder berufsrechtliche Regelungen ausscheiden.125 In Betracht kommen insbesondere die GbR und die GmbH, die PartG hingegen nicht, da sie zwingend der gemeinsamen Berufsausübung dienen muss.126

124

Erbsen, Praxisnetze und das Berufsrecht der Ärzte, S. 64 ff.; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23d MBOÄ Rn. 3. 125 Vgl. D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23d MBOÄ Rn. 6. 126 Vgl. D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23d MBOÄ Rn. 6 u. § 1 PartGG Rn. 7.

Kapitel 2: Insolvenzfähigkeit der einzelnen Praxistypen 2. Kap.: Insolvenzfähigkeit der einzelnen Praxistypen

§ 11 InsO regelt die Insolvenzfähigkeit. Unter Insolvenzfähigkeit ist die Fähigkeit eines Rechtssubjekts zu verstehen, Schuldnerin oder Schuldner eines Insolvenzverfahrens zu sein.1 Sie ist grundlegende Voraussetzung jedes Insolvenzverfahrens und bildet einen Parallelbegriff zur zivilprozessualen Parteifähigkeit (§ 50 ZPO).2 Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ohne einen insolvenzrechtsfähigen Schuldner ist unzulässig.3 Alle natürlichen und juristischen Personen sind nach § 11 Abs. 1 S. 1 InsO insolvenzfähig. 4 Darüber hinaus bestimmt § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO, dass auch „Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit“ insolvenzfähig sind (etwa die GbR). Im Folgenden wird der Insolvenzfähigkeit der einzelnen Praxistypen nachgegangen. Dabei orientiert sich die Darstellung an den oben aufgezeigten Erscheinungsformen von Arztpraxen. Da diese aufgrund standes- und berufsrechtlicher Vorgaben in unterschiedlichen Rechtsformen betrieben werden können bzw. müssen, ergeben sich hinsichtlich der an die Rechtsform anknüpfenden Insolvenzfähigkeit Unterschiede.

A. Einzelpraxen A. Einzelpraxen

Hinter einer Einzelpraxis kann sich entweder ein einzelner Arzt als natürliche Person oder eine sog. Einmann-GmbH verbergen.5 Hiervon hängt die Insolvenzfähigkeit ab. Führt ein einzelner Arzt seine Praxis alleine als natürliche Person, so ist dieser Arzt selbst gem. § 11 Abs. 1 S. 1 InsO insolvenzfähig.6 Die Praxis als Niederlassung des Arztes existiert in diesem Fall nicht als Rechtspersönlichkeit und kann daher auch nicht Schuldnerin im Insolvenzverfahren sein. Das Verfahren wird über das Vermögen des Arztes eröffnet. 7

1 K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 3; Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 6; Braun/Bußhardt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 1. 2 Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 66; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 35; K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 3; Braun/Bußhardt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 1. Von der Insolvenzrechtsfähigkeit ist die Prozessfähigkeit zu unterscheiden (K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 4). Die Insolvenzfähigkeit wird auch als spezielle Beteiligtenfähigkeit im Hinblick auf das Insolvenzverfahren bezeichnet (Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 6). 3 K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 3. 4 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 1.05; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 36; Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 8; K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 6, 9; MüKo-InsO/Ott/Vuia, § 11 Rn. 1. 5 S. dazu im 1. Kap. A. II. 6 Vgl. Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 88. 7 Vgl. D. Prütting/Prütting, Medizinrecht, § 11 InsO Rn. 11 (Nr. 8).

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Lauf, Die Arztpraxis in der Insolvenz, Kölner Schriften zum Medizinrecht 24, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60425-0_3

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2. Kap.: Insolvenzfähigkeit der einzelnen Praxistypen

Anders ist dies, wenn die Einzelpraxis als Einmann-GmbH organisiert ist. 8 Die GmbH selbst ist als juristische Person des Privatrechts nach § 11 Abs. 1 S. 1 InsO insolvenzfähig. Sie hat eine eigene Rechtspersönlichkeit, weshalb das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet werden kann. Es ist jedoch zu beachten, dass für Ansprüche wegen eines Behandlungsfehlers neben der GmbH auch der Arzt als natürliche Person haftet.9 Denn im Falle eines Behandlungsfehlers tritt neben die vertragliche Haftung der Gesellschaft (aufgrund der Verletzung einer Pflicht aus dem Behandlungsvertrag) auch eine deliktische Haftung des behandelnden Arztes.10 In diesem Fall hat der Patient zwei Schuldner für den Ersatzanspruch, den Arzt und die Gesellschaft. Diese haften als Gesamtschuldner,11 der Patient kann wählen, wen er in Anspruch nimmt (vgl. § 421 BGB). Daher gilt es zu beachten, dass hier potentiell sowohl die Gesellschaft als auch der Arzt Schuldner der Ansprüche sein können. Festzuhalten ist, dass es bezüglich der Insolvenzfähigkeit der Einzelpraxis darauf ankommt, wie diese organisiert ist, ob also der Arzt seine Tätigkeit als natürliche Person oder in Rechtsform der GmbH ausübt. In beiden Fällen ist die Insolvenzfähigkeit nach § 11 Abs. 1 S. 1 InsO gegeben.12 Wer im Einzelfall der „richtige“ Schuldner im Verfahren ist (der Arzt selbst oder die GmbH), hängt wiederum von dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis ab. Der Patient kann nämlich aufgrund eines Behandlungsfehlers deliktsrechtliche Ansprüche gegen den Arzt persönlich haben, obwohl dieser nicht Vertragspartner des Patienten geworden ist, und daher im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Arztes auch gegen diesen den Insolvenzantrag stellen und nicht gegen die Gesellschaft. 13 In allen anderen Fällen, beispielsweise bei Forderungen wegen des Kaufs von Geräten oder der Anmietung von Praxisräumen, wird regelmäßig die GmbH Schuldnerin sein.

8

S. dazu im 1. Kap. A. II. Taupitz, NJW 1992, 2317, 2324; Laufs, MedR 1995, 11, 14; Katzenmeier, MedR 1998, 113, 116; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. XI Rn. 17. 10 Vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 79 f., 111 ff.; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. X Rn. 2; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 3 f.; Laufs/Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 103 Rn. 1 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 298 ff.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, § 32 Rn. 21. 11 Zur Schadensersatzgesamtschuld s. MüKo-BGB/Bydlinski, § 421 Rn. 48 ff.; Palandt/Grüneberg, § 421 Rn. 11; s. a. BGH NJW 2006, 830 zur Haftung eines Vorstandsmitglieds aus unerlaubter Handlung neben der Haftung der AG aus Vertrag und Delikt. 12 Vgl. D. Prütting/Prütting, Medizinrecht, § 11 InsO Rn. 3 ff. 13 Der Arzt verfügt aber regelmäßig über eine Haftpflichtversicherung, sodass Ansprüche aus Behandlungsfehlern in der Praxis nur in Ausnahmefällen zur Insolvenz von Ärzten führen. Ausf. zur Arzthaftpflichtversicherung Püster, Entwicklungen der Arzthaftpflichtversicherung, S. 5 ff. 9

B. Berufliche Kooperationen

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B. Berufliche Kooperationen I. Berufsausübungsgemeinschaft B. Berufliche Kooperationen

Die Berufsausübungsgemeinschaft ist zivilrechtlich immer in Form einer Gesellschaft organisiert. Neben der Möglichkeit, sie als Personengesellschaft, in Form der GbR oder der PartG, zu führen, kann diese auch als juristische Person des Privatrechts (GmbH, AG) ausgestaltet werden. 14 Denn nach vorzugswürdiger Ansicht ist der Begriff der Berufsausübungsgemeinschaft rechtsformneutral und umfasst daher nicht nur die GbR und die PartG.15 Letztlich ist dies für die Insolvenzfähigkeit jedoch nicht ausschlaggebend, da – wie gezeigt – alle genannten Rechtsformen im Rahmen beruflicher Kooperationen unter Ärzten gewählt werden können,16 und sie daher, unabhängig von der Zuordnung zu einem bestimmten (standesrechtlichen) Begriff, in die Insolvenz geraten können. Ihre Insolvenzfähigkeit ist somit in jedem Falle zu untersuchen. 1. Gesellschaftsinsolvenz Sofern die Gemeinschaftspraxis als juristische Person organisiert ist, ergibt sich die Insolvenzfähigkeit aus § 11 Abs. 1 S. 1 InsO. Liegt der Gemeinschaftspraxis hingegen eine rechtsfähige Personengesellschaft zugrunde, so ergibt sich die Insolvenzfähigkeit nicht direkt aus § 11 Abs. 1 InsO, da es sich bei den Personengesellschaften nicht um juristische Personen handelt. In Abs. 2 Nr. 1 sind jedoch Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit aufgeführt, die ebenfalls insolvenzfähig sind. Ausdrücklich erwähnt werden hier die PartG und die GbR.17 Folglich sind alle für die Gemeinschaftspraxis in Frage kommenden Rechtsformen nach § 11 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 InsO insolvenzfähig.18 Die Gemeinschaftspraxis ist daher als Gesellschaft stets selbst Schuldnerin im Insolvenzverfahren und nicht die in ihr tätigen Ärzte-Gesellschafter als natürliche Personen.19 2. Gesellschafterinsolvenz Parallel zum Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft kann auch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der beteiligten Ärzte(-Gesellschafter) eröffnet werden (bspw. als Folge der persönlichen Haftung der Gesellschafter für Gesellschaftsverbindlichkeiten nach § 128 HGB analog, wobei in der Insolvenz der Gesellschaft § 93 InsO zu beachten ist).20 Davon wird das Vermögen der Ge-

14

S. o. im 1. Kap. B. I. 1. c). S. o. im 1. Kap. B. I. 1. c). 16 S. dazu das 1. Kap. 17 Dies stellt eine Neuerung ggü. der Konkursordnung dar, unter deren Geltung die GbR nicht konkursfähig war, ausf. hierzu Prütting, ZIP 1997, 1725, 1729 f. 18 So auch Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 89. 19 Vgl. D. Prütting/Prütting, Medizinrecht, § 11 InsO Rn. 11 (Nr. 13). 20 Zur Problematik der Doppel- und „Simultaninsolvenz“ von Gesellschaftern und Gesellschaft s. MüKo-HGB/K. Schmidt, § 131 Rn. 75 ff.; Klöhn, in: Henssler/Strohn, Gesell15

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2. Kap.: Insolvenzfähigkeit der einzelnen Praxistypen

sellschaft indes nicht berührt, die Verfahren sind voneinander getrennt. 21 Nichtsdestotrotz hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters Auswirkungen auf die Gesellschaft, die es zu beachten gilt. a) GbR und PartG Die Insolvenz eines Gesellschafters einer GbR führt automatisch zur Auflösung der Gesellschaft, § 728 Abs. 2 S. 1 BGB.22 Die Auseinandersetzung der Gesellschaft findet in diesem Falle außerhalb des Insolvenzverfahrens statt, § 84 Abs. 1 S. 1 InsO.23 In der Praxis existiert jedoch häufig eine gesellschaftsvertragliche Fortsetzungsklausel, die bestimmt, dass der insolvente Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und abgefunden wird.24 Der Abfindungsanspruch fällt dann in die Insolvenzmasse. 25 Ist die Gemeinschaftspraxis als PartG organisiert, führt die Insolvenz eines Partners nicht zur Auflösung der Gesellschaft, sondern der insolvente Partner scheidet automatisch aus der Gesellschaft aus, § 9 Abs. 1 PartGG i. V. m. § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB.26 Der ausscheidende Partner wird abgefunden. Dieser Abfindungsanspruch fällt in die Insolvenzmasse und kann vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.27 schaftsrecht, § 131 HGB Rn. 52 ff.; HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 205 ff. Weiterführend K. Schmidt, ZIP 2008, 2337. 21 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 60 IV 3. b) (S. 1817); MüKo-BGB/Schäfer, § 728 Rn. 32; D. Prütting/Henssler, Medizinrecht, § 728 BGB Rn. 7; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 7. 22 Staudinger/Habermeier, § 728 Rn. 21; MüKo-BGB/Schäfer, § 728 Rn. 31; Soergel/Hadding/Kießling, § 728 Rn. 10; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 59 V 1. d) (S. 1758). Im Gesellschaftsvertrag kann jedoch auch die Fortsetzung der Gesellschaft durch die übrigen Gesellschafter geregelt werden. Dann scheidet der insolvente Gesellschafter aus der Gesellschaft aus und wird gem. § 738 BGB abgefunden. S. zu dieser Thematik Staudinger/Habermeier, § 728 Rn. 25; MüKo-BGB/Schäfer, § 728 Rn. 43 f.; ausführlich D. Prütting/Henssler, Medizinrecht, § 728 BGB Rn. 6 ff. 23 Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, § 84 Rn. 1, 5; K. Schmidt/Sternal, Insolvenzordnung, § 84 Rn. 11; Nerlich/Römermann/Kruth, Insolvenzordnung, § 84 Rn. 4, 15 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 59 V 1. f) (S. 1758), § 60 IV 3. b) (S. 1817); Staudinger/Habermeier, § 728 Rn. 21 ff. S. dazu auch HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 7. 24 K. Schmidt, ZIP 2008, 2337 f.; Staudinger/Habermeier, § 728 Rn. 25; MüKoBGB/Schäfer, § 728 Rn. 43; D. Prütting/Henssler, Medizinrecht, § 728 BGB Rn. 9; HKAKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 204; d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, Rn. 94. 25 K. Schmidt, ZIP 2008, 2337, 2338; Staudinger/Habermeier, § 728 Rn. 25; MüKoBGB/Schäfer, § 728 Rn. 43; Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, § 84 Rn. 5; K. Schmidt/Sternal, Insolvenzordnung, § 84 Rn. 12; Nerlich/Römermann/Kruth, Insolvenzordnung, § 84 Rn. 15; D. Prütting/Henssler, Medizinrecht, § 728 BGB Rn. 9; HKAKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 204. 26 S. dazu Hirtz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 9 PartGG Rn. 4; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 9 PartGG Rn. 5. Abweichendes kann im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. 27 Hirtz, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 9 PartGG Rn. 4; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 9 PartGG Rn. 5; Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, § 84 Rn. 5.

B. Berufliche Kooperationen

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Bei der Ärzte-Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Ärzte-Partnerschaftsgesellschaft ergeben sich im Falle der Insolvenz eines Gesellschafters keine spezifischen Probleme. Anders ist dies aber, wenn die Praxis als GmbH organisiert ist. b) Besondere Problematik bei der Ärzte-GmbH Im Falle des Vorliegens einer GmbH wird die Gesellschaft bei Insolvenz eines Gesellschafters nicht aufgelöst.28 Der Geschäftsanteil des insolventen Gesellschafters fällt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen in die Insolvenzmasse, der Insolvenzverwalter übt dann die Gesellschafterrechte aus.29 aa) Konflikt mit den Voraussetzungen des § 23a Abs. 1 S. 4 MBO-Ä Dies kann zu einem Konflikt mit den Voraussetzungen des § 23a Abs. 1 S. 4 MBO-Ä führen. Denn nach den dort ausdrücklich niedergelegten Vorgaben muss gewährleistet sein, dass die Gesellschaft verantwortlich von einer Ärztin oder einem Arzt geführt wird, Geschäftsführer mehrheitlich Ärztinnen und Ärzte sind, § 23a Abs. 1 S. 4 lit. a) MBO-Ä, die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und der Stimmrechte Ärztinnen und Ärzten zusteht (lit. b)), und Dritte nicht am Gewinn beteiligt sind (lit. c)). Verwaltet nun aber der Insolvenzverwalter die Geschäftsanteile eines Arztes und zieht den Gewinn für die Masse ein, kann es sein, dass die in § 23a Abs. 1 S. 4 lit. a)–c) MBO-Ä genannten Kriterien nicht mehr erfüllt sind. Hat die Ärzte-GmbH nur zwei Gesellschafter und erfüllt der Insolvenzverwalter nicht die Anforderungen aus lit. a), ist er also nicht selbst Arzt, so muss der nicht insolvente Arzt die Geschäfte führen, damit die Gesellschaft dem Erfordernis aus lit. a) nachkommt. In dieser Konstellation wäre auch die Anforderung von lit. b) nicht mehr erfüllt. Denn haben die Gesellschafter gleich viele Gesellschaftsanteile, liegt im Falle der Verwaltung der Hälfte der Anteile durch den Insolvenzverwalter keine mehrheitliche Inhaberschaft von Gesellschafts- und Stimmanteilen bei Ärzten mehr vor.30 Zwar bleibt der insolvente Ärzte-Gesellschafter formell Inhaber seiner in die Insolvenzmasse gefallenen Gesellschaftsanteile (da er Eigentümer der Masse bleibt), verwaltet werden diese aber durch den Insolvenzverwalter.31 Unproblematisch ist es hingegen, wenn mehr als zwei Ärzte Gesellschafter sind und die Anteile proportional zur Zahl der Köpfe verteilt sind. In jedem Falle aber droht die Nichteinhaltung von lit. c). Nach dieser Norm dürfen Dritte nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt sein.32 Eine Ausnahme ist nicht vorgesehen. 28

MüKo-GmbHG/Reichert/Weller, § 15 Rn. 551. MüKo-GmbHG/Reichert/Weller, § 15 Rn. 553, 556; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 15 Rn. 64; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 25; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 160; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 87. 30 S. hierzu auch Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 412, der ausführt, dass, soweit ein Gesellschafter kein Arzt ist, die Gesellschaft von mindestens zwei Ärzte-Gesellschafter-Geschäftsführern geführt werden muss. 31 K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 1; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 10. 32 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 23a Rn. 9; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 17 f.; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. 29

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2. Kap.: Insolvenzfähigkeit der einzelnen Praxistypen

Da der dem insolventen Gesellschafter zustehende Gewinn in die Insolvenzmasse fällt33 und daraus die Gläubiger befriedigt werden, sind aber Dritte am Gewinn der Gesellschaft beteiligt. Fraglich ist, ob dies zulässig ist oder in jedem Falle eine Verletzung von § 23a Abs. 1 S. 4 lit. c) MBO-Ä bedeutet. Der Zweck des Anforderungskatalogs in § 23a Abs. 1 S. 4 MBO-Ä ist der Schutz der ärztlichen Unabhängigkeit34 und damit letztlich der Schutz der Patienten vor Fremdeinflüssen auf die Behandlung.35 Das Problem der Fremdbeeinflussung durch Dritte (mit rein wirtschaftlichen Interessen) ergibt sich auch in der Insolvenz. Denn der Insolvenzverwalter hat die Aufgabe, die Masse zu verwalten und die Gläubiger möglichst umfassend zu befriedigen. Durch die Verwaltung der Anteile des Schuldners kann der Verwalter auch direkten Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Eine Verpflichtung, das Wohl der Patienten als oberstes Gebot anzusehen, trifft ihn, anders als die Ärzte-Gesellschafter, nicht.36 Dies kann den Interessen der Gesellschaft und letztlich den Interessen der Patienten an der ihnen zustehenden bestmöglichen und sichersten Behandlung zuwiderlaufen. bb) Lösungsvorschlag Dieses Problem kann dadurch gelöst werden, dass, im Falle der Insolvenz eines Gesellschafters einer Ärzte-GmbH i. S. v. § 23a MBO-Ä, dieser aus der Gesellschaft ausgeschlossen und abgefunden wird, um eine Verletzung zwingenden Standesrechts zu vermeiden.37 Eine auch nur vorübergehende Beteiligung Dritter kann nämlich nach dem Normzweck nicht zugelassen werden, da dies einen Verstoß gegen die ärztliche Unabhängigkeit und eine Gefährdung des ärztlichen Berufsgeheimnisses darstellt.38 Um einem solchen Verstoß vorzubeugen, kann im Vorfeld gesellschaftsvertraglich angeordnet werden, dass bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters dessen Geschäftsanteile nach § 34 Abs. 1 GmbHG eingezogen werden.39 Eine gesellschaftsvertragliche Kap. Rn. 413; Braun/Richter, MedR 2005, 685, 686; Reiter, GesR 2005, 6, 11; Ahrens, MedR 1992, 141, 145. 33 K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 25. 34 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Ratzel, MBO-Ä, § 23a Rn. 1 u. 4 ff.; Braun/Richter, MedR 2005, 685, 686; Reiter, GesR 2005, 6, 11. 35 S. hierzu die Hinweise u. Erläuterungen der Bundesärztekammer zu den §§ 7–19 u. 23a–d MBO-Ä, abgedruckt in DÄBl. 2008, A-1019, A-1024; vgl. auch Reiter, GesR 2005, 6, 11. 36 So heißt es in dem der MBO-Ä vorangestellten Gelöbnis: „Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit meiner Patientinnen und Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein.“ Abgedruckt bei Ratzel/Lippert/J. Prütting, MBO-Ä, Gelöbnis, S. 7. 37 Dazu käme es nämlich, wenn der Insolvenzverwalter über die Anteile des insolventen Arztes verfügte, denn im vergleichbaren Fall der Abtretung eines Geschäftsanteils an eine unbefugte Person ist der zugrundeliegende Vertrag nach allg. Ansicht gem. § 134 BGB nichtig, vgl. Saenger, MedR 2006, 138, 141; D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 8; Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 414. 38 D. Prütting/Kilian, Medizinrecht, § 23a MBOÄ Rn. 8; s. hierzu auch Möller, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 16. Kap. Rn. 412 ff. 39 Vgl. van Zwoll/Mai/Eckardt/Rehborn, Die Arztpraxis in Krise und Insolvenz, Rn. 861.

B. Berufliche Kooperationen

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Klausel, nach der sämtliche Ärzte der Gesellschaft in ärztlichen Entscheidungen frei sind,40 reicht indes nicht aus, um den strengen Anforderungen des § 23a Abs. 1 S. 4 lit. a)–c) zu genügen.

II. Organisationsgemeinschaft 1. Grundform Die Praxisgemeinschaft als Grundform der Organisationsgemeinschaft beinhaltet mindestens zwei selbständige Praxen, die Geräte, Personal und Räume gemeinsam nutzen. Fraglich ist daher, ob die Praxisgemeinschaft selbst, die darin enthaltenen Praxen oder die einzelnen Ärzte insolvenzfähig sind. Erster Anknüpfungspunkt ist die Rechtsform der Praxisgemeinschaft. Sie wird vornehmlich als GbR betrieben. Wie bereits festgestellt, ist die GbR gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO insolvenzfähig. Grundsätzlich kann daher die Praxisgemeinschaft selbst Schuldnerin im Insolvenzverfahren sein. Allerdings gilt es die berufsrechtlichen Besonderheiten zu beachten. Da sich die Ärzte im Rahmen der Praxisgemeinschaft nicht zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen und gegenüber den Patienten nicht als Gesellschafter der Praxisgemeinschaft auftreten, wird diese nicht Vertragspartnerin der Patienten. Behandlungsverträge werden immer zwischen dem behandelnden Arzt und dessen Patienten geschlossen. Hinsichtlich aller Ansprüche von Patienten gegen einen an der Praxisgemeinschaft beteiligten Arzt kommt daher bei Zahlungsunfähigkeit nur ein Insolvenzverfahren gegen den jeweiligen Arzt (bzw. dessen Praxis), nicht aber gegen die Praxisgemeinschaft in Betracht. 41 In diesem Falle gelten die Ausführungen zur Insolvenzfähigkeit der Einzelpraxis, der einzelne Arzt ist als natürliche Person nach § 11 Abs. 1 S. 1 InsO insolvenzfähig.42 Die Praxisgemeinschaft tritt gleichwohl im Rechtsverkehr als Gesellschaft auf und schließt (vertreten durch die Ärztegesellschafter) Verträge, etwa mit Lieferanten, dem gemeinsam beschäftigten Personal oder dem Vermieter der gemeinsam angemieteten Praxisräume. In diesem Fall ist die Praxisgemeinschaft selbst Schuldnerin der Ansprüche. Ist sie nicht in der Lage, die gegen sie bestehenden Forderungen zu erfüllen, kann ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Praxisgemeinschaft eröffnet werden. 43 Ist diese als GbR organisiert, folgt die Insolvenzfähigkeit aus § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO, ist sie als GmbH organisiert, so ergibt sich die Insolvenzfähigkeit aus § 11 Abs. 1 S. 1 InsO.

40 Zu einer solchen Klausel, jedoch nicht im Zusammenhang mit der Insolvenz, sondern allg. auf die ärztliche Weisungsfreiheit in der GmbH bezogen, s. Saenger, MedR 2006, 138, 144. 41 So wohl auch Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 88. 42 Zur Insolvenzfähigkeit der Einzelpraxis s. oben unter A. 43 Vgl. D. Prütting/Prütting, Medizinrecht, § 11 InsO Rn. 11 (Nr. 20); Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 12.

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2. Kap.: Insolvenzfähigkeit der einzelnen Praxistypen

2. Sonderformen Die Apparategemeinschaft, die Laborgemeinschaft und die Leistungserbringergemeinschaft sind Sonderformen der Praxisgemeinschaft und gehören somit allesamt zu den Organisationsgemeinschaften. 44 Für sie gilt hinsichtlich der Insolvenzfähigkeit im Wesentlichen das zur Grundform der Praxisgemeinschaft Ausgeführte. Allerdings sind einige Besonderheiten zu beachten. a) Apparategemeinschaft Da die Apparategemeinschaft meist in der Rechtsform der GbR betrieben wird, ergeben sich zunächst keine Besonderheiten gegenüber der Grundform der Praxisgemeinschaft. Die Apparategemeinschaft kann aber auch eine Bruchteilsgemeinschaft i. S. v. § 741 BGB sein.45 In diesem Fall stellt sich die Frage nach der Insolvenzfähigkeit der als Bruchteilsgemeinschaft ausgestalteten Apparategemeinschaft. Nach allgemeiner Ansicht ist die Bruchteilsgemeinschaft nicht insolvenzfähig. 46 Grund dafür ist die fehlende Rechts- und Parteifähigkeit und die nicht vorhandene Teilrechtsfähigkeit der Bruchteilsgemeinschaft. Es gibt kein ungeteiltes Sondervermögen der Gemeinschaft selbst und der Gesetzgeber hat die Bruchteilsgemeinschaft in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO nicht als insolvenzfähiges Sondervermögen deklariert. 47 Daraus folgt, dass die Apparategemeinschaft, die in der Rechtsform der Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB betrieben wird, als solche nicht insolvenzfähig ist. In diesem Fall sind die Anteile an der Bruchteilsgemeinschaft Gegenstand des Vermögens der Gemeinschafter,48 die dann Schuldner in einem etwaigen Insolvenzverfahren sein können. Hinsichtlich aller anderen möglichen Rechtsformen, in denen die Apparategemeinschaft existieren kann, gilt das zur Praxisgemeinschaft Ausgeführte. In allen Fällen außer der Organisation als Bruchteilsgemeinschaft ergibt sich die Insolvenzfähigkeit der Apparategemeinschaft, soweit sie selbst Insolvenzschuldnerin ist, daher aus § 11 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 InsO. b) Laborgemeinschaft Wird die Laborgemeinschaft als GbR betrieben, gilt auch für sie nichts anderes als das bereits bezüglich der Grundform der Praxisgemeinschaft Gesagte. Allerdings 44

S. dazu im 1. Kap. B. II. 2. S. im 1. Kap. B. II. 2. a) bb). 46 K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 22; Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 420; HK-InsO/Sternal, § 11 Rn. 22; Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 53; MüKo-InsO/Ott/Vuia, § 11 Rn. 63a; Andres/Leithaus/Leithaus, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 103; Bork, ZIP 2001, 545; a. A. AG Göttingen ZIP 2001, 580 = NZI 2001, 102. 47 Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 420; MüKo-InsO/Ott/Vuia, § 11 Rn. 63a; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 104. 48 Bork, ZIP 2001, 545, 550; Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 420; MüKoInsO/Ott/Vuia, § 11 Rn. 63a; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 104. 45

D. Praxisverbund

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kann die Laborgemeinschaft, wie oben49 bereits festgestellt, auch als eingetragene Genossenschaft (e. G.) organisiert werden. In diesem Fall ist eine abweichende insolvenzrechtliche Behandlung erforderlich. Denn die eingetragene Genossenschaft kann gem. § 17 Abs. 1 GenG selbst Trägerin von Rechten und Pflichten sein und ist damit juristische Person.50 Folglich ist die Laborgemeinschaft, sollte sie als eingetragene Genossenschaft organisiert sein, gem. § 11 Abs. 1 S. 1 InsO insolvenzfähig.51 Für alle übrigen Organisationsformen gilt das bereits zur Grundform der Praxisgemeinschaft Ausgeführte. c) Leistungserbringergemeinschaft Für die Leistungserbringergemeinschaft ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber den anderen Formen der Praxisgemeinschaft. Alle wählbaren Rechtsformen sind insolvenzfähig nach § 11 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 InsO.52 Voraussetzung für eine Insolvenz der Leistungserbringergemeinschaft selbst ist aber wiederum, dass diese selbst Schuldnerin der zur Insolvenz führenden Forderungen ist und nicht die beteiligten Ärzte.

C. Medizinische Kooperationsgemeinschaft Die Medizinische Kooperationsgemeinschaft kann sowohl als Kapitalgesellschaft als auch in Form der Personengesellschaft ausgestaltet sein.53 Sie ist regelmäßig selbst Schuldnerin im Insolvenzverfahren. Zwar kann die Medizinische Kooperationsgemeinschaft keine vertragsärztlichen Leistungen erbringen, sie bildet aber im Gegensatz zur Praxisgemeinschaft einen einheitlichen Leistungserbringer.54 Die beteiligten Ärzte können ihre Leistungen also nicht getrennt abrechnen. Daraus folgt, dass die Medizinische Kooperationsgemeinschaft selbst Schuldnerin im Insolvenzverfahren ist. Mithin ist auch sie, abhängig von der gewählten Rechtsform, stets gem. § 11 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 InsO insolvenzfähig.

D. Praxisverbund D. Praxisverbund

Für Praxisverbünde oder Praxisnetze gibt es keine normativen Vorgaben hinsichtlich der Rechtsform. Aus dem Zusammenspiel von Berufs- und Gesellschaftsrecht ergibt sich aber, dass ein Praxisverbund in Form der GbR sowie als juristische Person des Privatrechts betrieben werden kann.55 Die Insolvenzfähigkeit eines

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S. dazu im 1. Kap. B. II. b) bb). MüKo-InsO/Ott/Vuia, § 11 Rn. 39; Andres/Leithaus/Leithaus, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 5; näher dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 41 I 2. a) (S. 1267). 51 K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 11; MüKo-InsO/Ott/Vuia, § 11 Rn. 39; Andres/Leithaus/Leithaus, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 5. 52 S. dazu oben unter B. II. 1. 53 S. o. im 1. Kap. B. III. 1. 54 Schäfer-Gölz, in: Halbe/Schirmer, HBKG, A 1200 Rn. 15. 55 S. dazu im 1. Kap. B. III. 2. 50

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2. Kap.: Insolvenzfähigkeit der einzelnen Praxistypen

Praxisverbundes ergibt sich folglich entweder aus § 11 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 InsO. Zu beachten ist jedoch, dass der Praxisverbund ein Zusammenschluss selbständiger Praxen ist. Diese treten gegenüber den Patienten auf und rechnen mit der Kassenärztlichen Vereinigung eigenständig ab. Hinsichtlich der Forderungen aus diesen Rechtsverhältnissen ist der Praxisverbund nicht selbst Insolvenzschuldner, sondern die Praxis des jeweils behandelnden Arztes bzw. der Arzt selbst. Nur für den Fall, dass der Praxisverbund selbst Schuldner der zur Insolvenz führenden Forderungen ist, kann ein Insolvenzantrag gegen den Verbund gestellt werden.

E. Ergebnis E. Ergebnis

Da die Insolvenzfähigkeit letztlich von der Rechtsform abhängt, ergibt sich kein einheitliches Bild bezüglich der Insolvenzfähigkeit der unterschiedlichen Arztpraxistypen. Ausgangspunkt ist das ärztliche Standes- und Berufsrecht, durch welches die Wahl der Rechtsform für die verschiedenen beruflichen Kooperationsformen eingeschränkt wird. Zum einen kann eine Arztpraxis selbst, als juristische Person gem. § 11 Abs. 1 S. 1 InsO oder als (teil-)rechtsfähige Personengesellschaft gem. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO, insolvenzfähig sein.56 Zum anderen kann auch ein einzelner Arzt als natürliche Person Schuldner im Insolvenzverfahren sein, wenn die Praxis als Rechtspersönlichkeit nicht existiert oder die zur Insolvenz führenden Forderungen (jedenfalls auch) gegenüber dem Arzt selbst entstanden sind. In jedem Falle steht einem etwaigen Gläubiger aber ein insolvenzfähiger Schuldner im Insolvenzverfahren zur Verfügung. Sei es eine (oder mehrere) natürliche Person(en), eine juristische Person oder eine in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO genannte Personengesellschaft. Wer genau Schuldner eines Verfahrens ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Arztpraxis sowie von der Schuldnerstellung im zur Insolvenz führenden Rechtsverhältnis ab. Eine genaue Untersuchung der Insolvenzfähigkeit ist im Vorfeld der Antragstellung unerlässlich.

56 So auch d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, Rn. 72 ff., 76. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass reine Innengesellschaften nicht insolvenzfähig sind, vgl. Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 56; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 107.

Kapitel 3: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse 3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

Ob freiberufliche Praxen, mithin auch Arztpraxen, in die Insolvenzmasse fallen, wurde längere Zeit unterschiedlich beurteilt. 1 Teilweise wurde dies abgelehnt,2 unter anderem mit der Begründung, die freiberufliche Praxis sei generell unveräußerlich.3 Diese Ansicht hat sich jedoch gewandelt, die Veräußerbarkeit freiberuflicher Praxen wurde von der Rechtsprechung zunehmend für möglich gehalten.4 Aufgrund der inzwischen anerkannten Veräußerbarkeit, setzte sich die Auffassung durch, dass die Praxis des Freiberuflers vom Insolvenzbeschlag erfasst ist.5 Auch eine Arztpraxis ist damit grundsätzlich Teil der Insolvenzmasse im Verfahren über das Vermögen des sie betreibenden Schuldners6. Die Arztpraxis ist aber eine Sach- und Rechtsgesamtheit. Zur ihr gehören etwa die Räumlichkeiten, in denen sie sich befindet, die Einrichtung, die Patientenkartei und die Patientenunterlagen, der Vertragsarztsitz und die rechtlichen Beziehungen, beispielsweise zu Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen. Diese Gesamtheit aus Sachen und Rechten bedarf in der Insolvenz einer differenzierten Betrachtung, denn im Einzelnen ist häufig unklar, ob eine bestimmte Sache oder ein bestimmtes Recht Teil der Insolvenzmasse ist oder nicht. Die damit einhergehenden Probleme sind längst nicht alle gelöst. 7 Im Folgenden werden sie daher näher betrachtet.

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Vgl. Uhlenbruck, ZVI 2002, 49 f. m. w. N. FG Düsseldorf, ZIP 1992, 635; HK-InsO/Eickmann, 22001, § 35 Rn. 20; Jaeger/Henckel/Henckel, Konkursordnung, § 1 KO Rn. 12. 3 Vgl. Uhlenbruck, in: FS Henckel, 1995, S. 877 f.; ders., ZVI 2002, 49; s. a. Jaeger/Henckel/Henckel, Konkursordnung, § 1 KO Rn. 12. 4 BGHZ 16, 71 = NJW 1955, 337; BGH NJW 1958, 950; BGHZ 43, 47 = NJW 1965, 580; BGH NJW 1973, 98; BFH ZIP 1994, 1283; BGH NJW 1997, 2453. Ausf. zur Veräußerbarkeit von Arztpraxen s. im 6. Kap. A. I. 1. 5 Schick, NJW 1990, 2359, 2360; Pape, EWiR 1994, 1003 f.; Uhlenbruck, in: FS Henckel, 1995, S. 877 ff.; ders., ZVI 2002, 49 f.; Gerhardt, in: FS Gaul, 1997, S. 139, 144; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1030; Kluth, NJW 2002, 186; Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 234; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 26; Lüke, in: FS Laufs, 2005, S. 989, 990; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 90; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 52; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 1; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 276 f.; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 507; Nerlich/Römermann/Andres, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 73. 6 Praxisbetreiber und Schuldner im Insolvenzverfahren kann entweder eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personengesellschaft sein. S. hierzu das 1. u. das 2. Kap. 7 So auch Pape, EWiR 1994, 1003, 1004. Auch wenn seitdem Veränderungen stattgefunden haben, sind auch heute viele „Probleme der Verwertung einer freiberuflichen Praxis“ in der Insolvenz „noch nicht einmal ansatzweise gelöst“. Das Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Jahr 1999 hat diese Problematik nicht beseitigt. 2

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Lauf, Die Arztpraxis in der Insolvenz, Kölner Schriften zum Medizinrecht 24, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60425-0_4

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

A. Praxiseinrichtung A. Praxiseinrichtung

Zur Einrichtung einer Arztpraxis gehören neben Schreibtischen, Bürostühlen, Computern, Druckern und anderem Büromaterial, das bei nahezu jedem beliebigen Berufstätigen aufzufinden ist, auch medizinische (Spezial-)Geräte. Insofern unterscheidet sich die Einrichtung einer Arztpraxis teilweise deutlich von der Einrichtung anderer selbständig Tätiger. Nichtsdestotrotz wird in der Literatur häufig moniert, bei der Liquidation der Praxis kämen, insbesondere mit Blick auf die Einrichtung, oft nur geringe Werte zusammen.8 Die Gläubiger werden dennoch regelmäßig ein Interesse an der Verwertung der Praxiseinrichtung haben. Dies liegt unter anderem daran, dass die darin verkörperten Werte um einiges leichter zu realisieren sind als beispielsweise der (immaterielle) Goodwill einer Arztpraxis.9

I. Grundsatz, § 35 Abs. 1 InsO Nach § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und was er während des Verfahrens erlangt. Dem Grunde nach müsste eine Arztpraxis daher in ihrer Gesamtheit in die Insolvenzmasse fallen.10 Zur Insolvenzmasse als Sondervermögen gehört jedoch grundsätzlich nur das der Masse zugewiesene Vermögen des Schuldners. Bewegliche Sachen sind nur erfasst, wenn sie im Eigentum des Schuldners stehen11 und nicht der Ausnahmeregelung des § 36 InsO unterfallen.12 Teure medizinisch-technische Geräte, wie Röntgengeräte und Computertomographen, stehen häufig nicht im Eigentum des Arztes, sondern werden, nicht zuletzt aufgrund der hohen Anschaffungskosten durch den Arzt geleast oder unter Eigentumsvorbehalt gekauft.13 Daher bedarf die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand zur Masse gehört oder nicht, einer genaueren Betrachtung. Hat der Arzt ein Gerät geleast, ist der Leasinggeber Eigentümer des medizinischen Geräts.14 In diesem Fall besteht an dem Leasinggegenstand ein Aussonde-

8 S. dazu Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839 f.; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 93; Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 773 (Rn. 6); Bange, ZInsO 2006, 362; Schmittmann, ZInsO 2004, 725, 727; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 56; van Zwoll/Mai/Eckardt/Rehborn, Die Arztpraxis in Krise und Insolvenz, Rn. 401. 9 S. hierzu auch in diesem Kap. B. sowie im 5. Kap. C. II. 2. 10 S. dazu oben Fn. 5. 11 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.14; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 8; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 143; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 136. 12 Hierzu näher unter II. 13 Vgl. Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1585; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 53. 14 Dies ist grds. auch beim Finanzierungsleasing der Fall, hier erwirbt der Leasingnehmer erst am Vertragsende Eigentum an dem Leasinggegenstand. Für die Dauer des Vertrages ist der Leasinggeber Eigentümer der Sache. Vgl. hierzu Staudinger/Stoffels, Leasingrecht, Rn. 9 ff., 16 ff.

A. Praxiseinrichtung

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rungsrecht nach § 47 InsO.15 Der geleaste Gegenstand wird dann, wie alle auszusondernden Gegenstände, nicht Teil der Insolvenzmasse, § 47 S. 1 InsO.16 Der Insolvenzverwalter darf den Gegenstand folglich nicht verwerten. Geräte, die unter Eigentumsvorbehalt geliefert wurden, stehen bis zur Zahlung der letzten Kaufpreisrate ebenfalls nicht im Eigentum des Arztes, sondern des Verkäufers (vgl. § 449 Abs. 1 BGB).17 Folge ist, dass der Insolvenzverwalter gem. §§ 103, 107 Abs. 2 InsO ein Wahlrecht hinsichtlich der Erfüllung des Kaufvertrages hat.18 Lehnt er die Erfüllung ab, entsteht an dem Gegenstand nach § 47 InsO ein Aussonderungsrecht.19 Der Gegenstand wird ebenfalls nicht Teil der Insolvenzmasse und steht dem Insolvenzverwalter nicht zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung. Abweichend stellt sich die Situation bei der Sicherungsübereignung dar. Hat der Arzt ein medizinisches Gerät zur Sicherheit an einen Gläubiger übereignet, so steht dem Sicherungseigentümer ein Absonderungsrecht zu, § 51 Nr. 1 InsO.20 Anders als bei der Aussonderung wird der Gegenstand, an dem das Absonderungsrecht besteht, Teil der Insolvenzmasse. Der Absonderungsberechtigte erhält aber ein Vorrecht zur Befriedigung aus dem in die Masse gefallenen Gegenstand.21 Er darf sich in voller Höhe seiner hierdurch gesicherten Forderung aus dem Erlös der Verwertung des sicherungsübereigneten Gegenstandes befriedigen. 22 Ein etwaiger bei der Verwertung erzielter Überschuss ist an die Masse auszukehren.

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Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 11.11; Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 51; K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 76; Uhlenbruck/Brinkmann, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 121; MüKo-InsO/Ganter, § 47 Rn. 219; Staudinger/Stoffels, Leasingrecht, Rn. 342; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 53. Speziell zum Finanzierungsleasing s. MüKo-InsO/Ganter, § 47 Rn. 223 ff. 16 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 11.01, 11.07; K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 3; Uhlenbruck/Brinkmann, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 1 ff.; MüKo-InsO/Ganter, § 47 Rn. 5 f.; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 53. 17 Staudinger/Beckmann, § 449 Rn. 41; MüKo-BGB/Westermann, § 449 Rn. 6; Jauernig/Berger, BGB, § 449 Rn. 4; Palandt/Weidenkaff, § 449 Rn. 9. 18 Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 32; K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 29 ff.; Uhlenbruck/Brinkmann, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 25 ff.; MüKo-InsO/Ganter, § 47 Rn. 62 ff.; Staudinger/Beckmann, § 449 Rn. 110; MüKoBGB/Westermann, § 449 Rn. 72. 19 Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 31; K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 29; Uhlenbruck/Brinkmann, Insolvenzordnung, § 47 Rn. 25; MüKo-InsO/Ganter, § 47 Rn. 62 ff.; Staudinger/Beckmann, § 449 Rn. 112; MüKoBGB/Westermann, § 449 Rn. 72; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 53. 20 K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 51 Rn. 1, 6 ff.; Uhlenbruck/Brinkmann, Insolvenzordnung, § 51 Rn. 2; MüKo-InsO/Ganter, § 51 Rn. 4; Nerlich/Römermann/Andres, Insolvenzordnung, § 51 Rn. 3; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 18.02; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 53. 21 K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 49 Rn. 1 f.; Uhlenbruck/Brinkmann, Insolvenzordnung, § 49 Rn. 1; Nerlich/Römermann/Andres, Insolvenzordnung, § 49 Rn. 1 f.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 18.01; Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 25 Rn. 1. 22 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 18.01; Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 25 Rn. 1.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

II. Nicht zur Insolvenzmasse gehörende Gegenstände, § 36 InsO Aufgrund des großen Umfangs des Insolvenzbeschlags existiert mit § 36 InsO eine Vorschrift zum Schutz des Schuldners. 23 Denn dieser soll im Insolvenzverfahren, wie auch in der Einzelzwangsvollstreckung, trotz umfassender Befriedigung der Gläubiger weiterhin ein der Würde des Menschen entsprechendes Leben führen können.24 Auch darf die Vollstreckung nicht zu Lasten öffentlicher Mittel erfolgen, der Staat darf also nicht aus Gründen der Zwangsvollstreckung sozialhilfeleistungspflichtig werden.25 Nach § 36 InsO gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse. Damit verweist die Norm auf die Vorschriften zum Pfändungsschutz in der Einzelzwangsvollstreckung. Zentrale Norm hinsichtlich der Unpfändbarkeit von Sachen in der Einzelzwangsvollstreckung ist § 811 ZPO. 1. Anwendbarkeit von § 36 InsO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO Von besonderem Interesse im Rahmen der Insolvenz von Arztpraxen sind § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO. Nach Nr. 5 sind bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die Gegenstände unpfändbar, die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlich sind. Nr. 7 bestimmt, dass bei Ärzten (und anderen speziell genannten Schuldnern), die zur Ausübung des Berufes erforderlichen Gegenstände unpfändbar sind. Ausgehend vom Wortlaut der Norm sind bei der Insolvenz von Ärzten und Arztpraxen beide Pfändungsschutztatbestände erfüllt.26 Es stellt sich daher die Frage, welche Variante anwendbar ist. Teilweise wurde § 811 Abs. 1 Nr. 7 ZPO als die für Ärzte speziellere Norm betrachtet, weshalb sie vorrangig anzuwenden sei.27 Heute wird die Nr. 7 überwiegend als Konkretisierung von Nr. 5 gesehen,28 sodass sich im Einzelnen keine Unterschiede ergeben. Der Kreis der geschützten Personen ist auch bei Nr. 7 nach

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Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 1; MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 1. BGH NJW-RR 2004, 789, 790 = ZVI 2004, 237; BSGE 112, 85 Rn. 20 = NZS 2013, 273, 274; Walker, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 811 Rn. 1; Voigt/Gerke, ZInsO 2002, 1054, 1055; MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 1; Prütting/Gehrlein/Flury, ZPO, § 811 Rn. 1; Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 811 Rn. 1; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 1. 25 BGH NJW-RR 2004, 789, 790 = ZVI 2004, 237; BSGE 112, 85 Rn. 20 = NZS 2013, 273, 274; Walker, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 811 Rn. 1; MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 1; Prütting/Gehrlein/Flury, ZPO, § 811 Rn. 1; Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 811 Rn. 1; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 1. 26 Foerste/Ising, ZRP 2005, 129. 27 S. Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 841. 28 Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 52 Rn. 36; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 58; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 811 Rn. 40; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 43; Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 811 Rn. 22; Foerste/Ising, ZRP 2005, 129. 24

A. Praxiseinrichtung

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den Grundsätzen von Nr. 5 zu bestimmen. 29 Es ist daher von der Anwendbarkeit von § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO auszugehen, wobei in Bezug auf einzelne Gegenstände entweder Nr. 5 oder Nr. 7 vorrangig anwendbar ist. Im Ergebnis ist letztlich auch deshalb nicht entscheidend, welche Variante für anwendbar gehalten wird, weil nach beiden Ansichten die meisten Gegenstände der Praxiseinrichtung sowie die medizinischen Geräte dem Pfändungsschutz unterliegen.30 a) Grundsatz Sachen, die der Schuldner 31 für die Erzielung von Einkünften benötigt, fallen nach § 36 Abs. 1 S. 1 InsO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO nicht in die Insolvenzmasse. Hierdurch wird der Erwerb durch persönliche, selbständige oder unselbständige Arbeit geschützt.32 Die Vorschrift dient dazu, es dem Schuldner zu ermöglichen, seine Arbeitskraft weiter für die Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen einzusetzen. 33 Eine sog. „kapitalistische“ Arbeitsweise, also die gegenüber der persönlichen Leistung überwiegende Ausnutzung von Sach- und Kapitalmitteln sowie fremder Arbeitskraft, wird nicht geschützt. 34 § 36 InsO (i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO) spielt auch bei der Insolvenz von Arztpraxen eine große Rolle. Denn um den Arztberuf im Rahmen einer niedergelassenen Tätigkeit ausüben zu können, werden zahlreiche (Spezial-) Geräte und Materialien benötigt. Ohne diese Geräte kann der Arzt seiner Erwerbstätigkeit nicht nachgehen. Die Einrichtung und Geräte der Arztpraxis, die zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit benötigt werden, sind daher dem Grunde nach unpfändbar und werden mithin nicht Teil der Insolvenzmasse.35

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Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 58; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 43. Vgl. Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 841; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 58 ff.; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 811 Rn. 40 f.; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 43. 31 Zum geschützten Personenkreis s. Prütting/Gehrlein/Flury, ZPO, § 811 Rn. 27; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 24a. 32 Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 52 Rn. 32; Walker, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 811 Rn. 27; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, § 23 Rn. 23.7; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 42; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 811 Rn. 30; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 34; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 24; Lüke, in: FS Laufs, 2005, S. 989, 992; Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 841; Sinz/Hiebert, ZInsO 2012, 63, 64 f. 33 Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 42; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 811 Rn. 30; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 34; Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 811 Rn. 17; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 24; Prütting/Gehrlein/Flury, ZPO, § 811 Rn. 26; Sinz/Hiebert, ZInsO 2012, 63, 64. 34 Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 52 Rn. 32; Walker, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 811 Rn. 27; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 42; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 811 Rn. 31; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 34; Sinz/Hiebert, ZInsO 2012, 63, 65. 35 AG Köln NJW-RR 2003, 987, 988 f. = NZI 2003, 387, 388 f. = EWiR 2003, 1151 m. Anm. Tetzlaff; Lüke, in: FS Laufs, 2005, S. 989, 992; Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 841. 30

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

Fraglich ist aber, ob die Pfändungsschutzvorschrift des § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO im Falle der Insolvenz einer Arztpraxis stets greift. Dies ist abhängig von der Person des Schuldners und damit vom Praxistyp. b) Unanwendbarkeit bei juristischen Personen und Personengesellschaften? Im Falle der Arztpraxisinsolvenz ist zunächst einmal festzustellen, wer Schuldner im Insolvenzverfahren ist: Ein einzelner Arzt als natürliche Person, eine juristische Person, beispielsweise eine Ärzte-GmbH, oder eine Personengesellschaft, etwa eine GbR. Natürliche Personen, und damit auch Ärzte, die ihre Praxen alleine (und nicht in der Rechtsform der juristischen Person) betreiben, sind stets von der Schutzvorschrift des § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO erfasst.36 Höchst fraglich ist dies aber mit Blick auf Personengesellschaften und juristische Personen. Sowohl in der zivilprozessrechtlichen als auch in der insolvenzrechtlichen Literatur wird die Anwendbarkeit in Frage gestellt.37 Dabei wird allerdings zwei verschiedenen Ansätzen nachgegangen, die einer gesonderten Betrachtung bedürfen. So nimmt die zivilprozessrechtliche Literatur juristische Personen und Personengesellschaften grundsätzlich vom Schutz des § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO aus, während die insolvenzrechtliche Literatur eine teleologische Reduktion von § 36 InsO vornimmt, mit der Folge, dass diese Norm – und damit auch die Pfändungsschutzvorschrift des § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO – auf juristische Personen und Personengesellschaften nicht anwendbar ist. aa) Diskussion in der zivilprozessrechtlichen Literatur Nach wohl herrschender Auffassung sollen jedenfalls juristische Personen nicht von den Pfändungsschutzvorschriften erfasst sein.38 Grund dafür ist, dass diese grundsätzlich keine persönlichen Leistungen irgendeiner Art erbringen können. 39 Auch Personengesellschaften wird der Pfändungsschutz nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO mit dem gleichen Argument grundsätzlich verwehrt.40

36 Vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 43; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 811 Rn. 33; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 38; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 26; Prütting/Gehrlein/Flury, ZPO, § 811 Rn. 30; Sinz/Hiebert, ZInsO 2012, 63, 64. 37 Vgl. Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 52 Rn. 32; Smid/Wehdeking, InVo 2000, 293, 294; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 43; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 811 Rn. 31 ff.; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 35 ff., 38; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 26. 38 Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 52 Rn. 32; Walker, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 811 Rn. 26; Smid/Wehdeking, InVo 2000, 293, 294; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 43; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 811 Rn. 33; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 38; Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 811 Rn. 18; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 26; Prütting/Gehrlein/Flury, ZPO, § 811 Rn. 30. 39 Vgl. App, DGVZ 1985, 97; Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 811 Rn. 18. 40 Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 43; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 811 Rn. 33; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 38; Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 811 Rn. 18; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 26.

A. Praxiseinrichtung

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Diese Einschränkungen des Pfändungsschutzes für juristische Personen und Personengesellschaften sind jedoch schon länger Kritik ausgesetzt. Es wird unter anderem bemängelt, der strikte Ausschluss juristischer Personen vom Vollstreckungsschutz nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO sei das Ergebnis „reiner Begriffsjurisprudenz“.41 Insbesondere mit Blick auf die GmbH wird angeführt, dass richtigerweise einzig auf die „Tätigkeit der GmbH, wie sie sich wirtschaftlich darstellt“ abzustellen sei.42 Von einer „kapitalistischen Arbeitsweise“ sei nicht zwingend auszugehen. Zumindest bei einer Einmann-GmbH müsse der Pfändungsschutz daher anwendbar sein, wenn sie sich einem Einzelunternehmer vergleichbar wirtschaftlich betätigt,43 also persönliche Arbeit i. S. v. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO erbringt. Gleiches soll auch für Personengesellschaften gelten, wenn alle Gesellschafter die persönlichen Voraussetzungen von § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO erfüllen. 44 bb) Diskussion in der insolvenzrechtlichen Literatur Unter anderen Gesichtspunkten wird die Diskussion in der insolvenzrechtlichen Literatur geführt. Nach der herrschenden Meinung muss § 36 InsO dahingehend teleologisch reduziert werden, dass die Norm keine Anwendung bei der Insolvenz von juristischen Personen und Personengesellschaften findet.45 Dies wird damit begründet, dass Gesellschaften nach dem Grundsatz der insolvenzrechtlichen Vollabwicklung46 im Insolvenzverfahren vollständig liquidiert und aufgelöst werden.47 Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens existiere die Gesellschaft nicht mehr, sofern sie im Handelsregister eingetragen war, werde sie gelöscht. Daraus wird gefolgert, dass einer Gesellschaft in der Insolvenz kein verfahrensfreier,

41

App, GmbHR 1987, 420, 421. So App, DGVZ 1985, 97, 98; ders., GmbHR 1987, 420, 421 f. 43 App, DGVZ 1985, 97, 98; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 43; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 38; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 26; a. A. Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 811 Rn. 18. 44 Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 43; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 811 Rn. 33; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 38; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 26; Prütting/Gehrlein/Flury, ZPO, § 811 Rn. 30; Walker, in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 811 Rn. 26; s. a. Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, § 23 Rn. 23.7 (OHG). Differenzierend zwischen den Handelsgesellschaften (OHG und KG) und der GbR: Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 811 Rn. 18. 45 K. Schmidt, ZGR 1998, 633, 637 f.; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 29 ff., 33; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 19; MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 6. So bereits zur Konkursordnung K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 70 ff.; ders./Schulz, ZIP 1982, 1015, 1017. 46 Hierzu näher K. Schmidt, ZGR 1998, 633, 636 f.; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 11 ff.; Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 148 ff.; BeckOK-InsO/Madaus, § 1 Rn. 18 ff.; K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 19. 47 K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 70; ders., ZGR 1998, 633, 636 f.; BeckOK-InsO/Madaus, § 1 Rn. 18 ff.; Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 148 ff.; K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 19. S. a. BT-Drs. 12/2443, S. 84 zur gesetzgeberischen Intention der Vollabwicklung von Gesellschaften im Insolvenzverfahren. 42

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

privater Vermögensbereich zugebilligt werden kann. 48 Ihr stehe kein vom Verfahrensausgang unabhängiges Existenzrecht zu. 49 Daher könne es im Falle der Insolvenz von juristischen Personen und Personengesellschaften kein insolvenzfreies Vermögen geben. Der Zweck der Vollstreckungsschutzvorschriften, dem Schuldner die materiellen Grundlagen seiner individuellen Existenz zu erhalten, könne, mangels über das Insolvenzverfahren hinausgehender Existenz der Schuldnergesellschaft, nicht erreicht werden.50 Die hinter § 36 InsO stehenden sozialpolitischen Erwägungen griffen nur bei der Insolvenz natürlicher Personen, nicht aber bei der Insolvenz von Gesellschaften. 51 Zu beachten ist allerdings, dass der BGH in Fällen, in denen es um die Freigabe von dem Insolvenzbeschlag unterliegendem Vermögen ging, entschieden hat, dass auch Personengesellschaften und juristischen Personen ausnahmsweise ein insolvenzfreies Vermögen zustehen kann. 52 Dies sei zum Zwecke der Erreichung des Hauptverfahrensziels – der Gläubigerbefriedigung – erforderlich.53 Gibt es demnach auch bei Personengesellschaften und juristischen Personen ein insolvenzfreies Vermögen, können theoretisch auch die dies voraussetzenden Pfändungsschutzvorschriften Anwendung finden. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass auch der BGH dem Grundsatz der Vollabwicklung von Personengesellschaften und juristischen Personen im Insolvenzverfahren nicht generell widerspricht, sondern lediglich der Gläubigerbefriedigung als Hauptverfahrensziel größere Bedeutung beimisst.54 Die Rechtsprechung des BGH führt daher nicht dazu, dass den Argumenten für eine teleologische Reduktion von § 36 InsO die Grundlage entzogen wird. Vielmehr bleibt es dabei, dass Personengesellschaften und juristische Personen mangels über das Insolvenzverfahren hinausgehender Existenz nicht schutzbedürftig sind und daher auch nicht dem Schutz des § 36 InsO unterstellt werden. cc) Stellungnahme Zunächst wird auf die generelle Möglichkeit eingegangen, juristische Personen und Personengesellschaften dem Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO zu unterstellen. Anschließend wird die Anwendbarkeit der Norm im Insolvenzverfahren thematisiert.

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K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1017; K. Schmidt, ZGR 1998, 633, 637; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 30. 49 Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 30; s. a. K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1017. 50 Vgl. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 30. 51 Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 33 f. 52 BGHZ 163, 32, 34 ff. = NJW 2005, 2015, 2016 = ZIP 2005, 1034; BGHZ 148, 252, 258 ff. = NJW 2001, 2966, 2967 = ZIP 2001, 1469; noch zur Konkursordnung: BGH NJW 1996, 2035, 2036 = ZIP 1996, 842, 844. 53 S. zur Argumentation des BGH unter F. II. 54 Vgl. BGHZ 163, 32, 45 = NJW 2005, 2015, 2016 = ZIP 2005, 1034; BGHZ 148, 252, 258 f. = NJW 2001, 2966, 2967 = ZIP 2001, 1469; noch zur Konkursordnung: BGH NJW 1996, 2035, 2036 = ZIP 1996, 842, 844; a. A. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 429 f.

A. Praxiseinrichtung

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(1) Zur Anwendbarkeit von § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO Zur Beantwortung der Frage, ob juristischen Perseonen und Personengesellschaften die Pfändungsschutzvorscheiften zugute kommen, ist zunächst auf den Regelungszweck von § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO abzustellen. Die Norm intendiert speziell den Schutz von Erwerb durch persönliche Arbeit. 55 Die in der Literatur vorgenommene Eingrenzung des Personenkreises auf natürliche Personen trägt diesem Zweck Rechnung. Juristische Personen (wie auch Personengesellschaften) können selbst keine persönliche Arbeit erbringen, dies geschieht durch natürliche Personen (etwa die Gesellschafter). Eine „kapitalistische“ Arbeitsweise, also die gegenüber der persönlichen Leistung überwiegende Ausnutzung von Sach- und Kapitalmitteln sowie fremder Arbeitskraft, wird nicht geschützt. 56 Gerade bei Ärzten kann die Wahl einer juristischen Person als Rechtsform jedoch nicht zwangsläufig als Indiz gegen die Erbringung persönlicher Leistungen gewertet werden. Denn Ärzte erbringen als Freiberufler regelmäßig persönliche Arbeit. Stellt man also allein auf die Erbringung persönlicher Leistungen ab, müsste grundsätzlich auch eine als juristische Person organisierte Arztpraxis dem Pfändungsschutz nach § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO unterliegen. Diese Überlegungen sind auch auf die von Ärzten zur Berufsausübung wählbaren Personengesellschaften, insbesondere die GbR und die PartG, übertragbar. In der Literatur wird hierzu vertreten, dass Personengesellschaften (nur) dem Vollstreckungsschutz unterliegen, wenn jeder einzelne Gesellschafter die Voraussetzungen von § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO erfüllt.57 Dem ist zuzustimmen: Wenn alle durch die Gesellschaft erbrachten Leistungen mit den Leistungen ihrer Gesellschafter identisch sind, dann kann die Gesellschaft auch persönliche Arbeit i. S. v. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO erbringen. Liegen die persönlichen Voraussetzungen hingegen nicht bei jedem einzelnen Gesellschafter vor, besteht kein Pfändungsschutz. Demnach unterlägen alle Arztpraxen, die als Personengesellschaften organisiert sind, den Pfändungsschutzvorschriften, denn die (Ärzte-)Gesellschafter erbringen alle persönliche Arbeit. Jedenfalls in der Einzelzwangsvollstreckung ist daher eine Anwendbarkeit der Pfändungsschutzvorschrift des § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO sowohl auf juristische Personen als auch auf Personengesellschaften denkbar. Fraglich ist aber, ob dies auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens der Fall ist. Hierbei sind die Besonderheiten des Insolvenzrechts zu beachten. (2) Zur Anwendbarkeit von § 36 InsO Im Rahmen der insolvenzrechtlichen Betrachtung ist der unterschiedlichen Interessenlage bei der Insolvenz natürlicher und juristischer Personen Rechnung zu tragen.

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S. hierzu oben unter A. II. 1. a) (Fn. 32). S. hierzu oben unter A. II. 1. a) (Fn. 34). S. hierzu oben unter A. II. 1. b) aa) (Fn. 44).

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

(a) Juristische Personen Ob § 36 InsO bei der Insolvenz juristischer Personen anwendbar ist, muss anhand des Normzwecks ermittelt werden. § 36 InsO ist eine Schuldnerschutzvorschrift.58 Der Vollstreckungsschutz bezweckt, dass dem Schuldner wenigstens die wichtigsten Sachen, etwa solche, die er zur Erwirtschaftung des Lebensunterhalts durch die Erbringung persönlicher Arbeit benötigt, verbleiben. Insofern unterscheidet sich der Normzweck nicht von dem des in der Einzelzwangsvollstreckung (direkt) anwendbaren § 811 ZPO.59 Dieser an die natürliche verfahrensunabhängige Existenz des Schuldners geknüpfte Normzweck kann bei juristischen Personen aber nicht erreicht werden.60 Denn alle Gesellschaften werden durch das Insolvenzverfahren in der Regel aufgelöst und liquidiert. 61 Ihnen steht, als Zweckgebilde ohne kraft Natur zugewiesene individuelle Existenz,62 kein vom Verfahrensausgang unabhängiges Existenzrecht zu.63 Sie sind daher grundsätzlich nicht schutzbedürftig. Mit der Beendigung des Verfahrens verlieren sie ihre Existenz. Dann aber ist kein Platz für ein insolvenzfreies Vermögen der Gesellschaft und auch die Anwendung von § 36 InsO zugunsten der Gesellschaft ist nicht möglich. Die Anwendbarkeit von § 36 InsO auf juristische Personen könnte allenfalls mit Blick auf den Gesellschafterschutz bejaht werden. Denn die Gesellschafter können persönliche Leistungen erbringen, sodass man insoweit von einer vergleichbaren Interessenlage bei der Insolvenz natürlicher und juristischer Personen ausgehen könnte.64 Es besteht aber ein wichtiger Unterschied: Die Gesellschafter juristischer Personen haften im Falle der Insolvenz der Gesellschaft nicht mit ihrem gesamten Privatvermögen. Dieses ist vom Vermögen der juristischen Person getrennt. Sollten die Gesellschafter selbst ebenfalls insolvent sein, wird über ihr Vermögen ein gesondertes, vom Verfahren über die Insolvenz der juristischen Person getrenntes, Insolvenzverfahren durchgeführt.65 In diesem Verfahren greift zu ihren Gunsten der Pfändungsschutz aus § 36 InsO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO. Etwaige zur Berufsausübung notwendige Gegenstände, die zu ihrem Privatvermögen gehören, sind dann unpfändbar. Aus diesem Grund sind auch die Gesellschafter juristischer Personen im Insolvenzverfahren über das Vermögen der juristischen Person grundsätzlich nicht schutzwürdig. 58

S. hierzu oben unter A. II. (Fn. 23). Zum Normzweck von § 811 ZPO s. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 1 ff., 3; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 811 Rn. 1 ff.; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 1 f., 6; Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 811 Rn. 1. Allg. zum Zweck des Pfändungsschutzes bei der Zwangsvollstreckung in Sachen: Schilken, in: Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, § 52 Rn. 1 ff., 9 f. S. hierzu auch oben unter A. II. 1. b) aa). 60 S. oben unter A. II. 1. b) bb) (Fn. 50). 61 Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 84, wo ganz allg. von „Gesellschaften“ die Rede ist; s. a. oben unter A. II. 1. b) bb) (Fn. 47). 62 K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1017; MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 6. 63 S. oben unter A. II. 1. b) bb) (Fn. 49). 64 So App, DGVZ 1985, 97, 98; ders., GmbHR 1987, 420, 421 f. Zumindest für die Einmann-GmbH wird dies verbreitet angenommen, so bei Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, § 811 Rn. 43; MüKo-ZPO/Gruber, § 811 Rn. 38; Zöller/Herget, ZPO, § 811 Rn. 26. 65 Vgl. MüKo-BGB/Schäfer, § 728 Rn. 32; Soergel/Hadding/Kießling, § 728 Rn. 12. 59

A. Praxiseinrichtung

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Die Vollabwicklung der juristischen Person im Insolvenzverfahren ist ein wichtiger Unterschied zur Einzelzwangsvollstreckung, die die Existenz der juristischen Person grundsätzlich unberührt lässt. Hier kann es ein unpfändbares, der Gesellschaft verbleibendes Vermögen geben, das ihre weitere Existenz absichert. Es ist daher, wie gezeigt, zwar aus zivilprozessrechtlicher Sicht denkbar, auch juristische Personen dem Pfändungsschutz aus § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO zu unterstellen.66 Im Insolvenzverfahren ist für eine Anwendbarkeit dieser Norm jedoch kein Raum.67 Die Pfändungsschutzvorschrift des § 36 InsO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO ist nicht anzuwenden. (b) Personengesellschaften Fraglich ist, ob diese Argumentation auf die Insolvenz von Personengesellschaften übertragbar ist. Auch hier wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft (und nicht etwa der Gesellschafter) eröffnet (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO)68 und diese wird durch das Verfahren vollbeendet, sodass der Normzweck von § 36 InsO ebenfalls nicht verwirklicht werden kann. Allerdings haften die Gesellschafter unbegrenzt mit ihrem Privatvermögen (bei der GbR gem. § 128 HGB analog).69 Die Ansprüche gegen die Gesellschafter können ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen zwar nur noch durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, § 93 InsO.70 Dies führt aber nicht zu einer Beschränkung der Haftung der Gesellschafter, die Norm dient der Innenabwicklung der persönlichen Außenhaftung der Gesellschafter und damit der Verwirklichung des Gebots der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger. 71 Nicht

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S. dazu unter A. II. 1. b) aa) und unter b) cc) (1). K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 70 ff., 75; ders., ZGR 1998, 633, 637; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 29 ff.; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 19; MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 6. 68 K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 15; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 83; Andres/Leithaus/Leithaus, Insolvenzordnung, § 11 Rn. 6; Staudinger/Habermeier, § 728 Rn. 5; MüKo-BGB/Schäfer, § 728 Rn. 4 f., 13; Soergel/Hadding/Kießling, § 728 Rn. 6. Dies war unter der Konkursordnung noch anders, die GbR wurde von der h.M. nicht als konkursfähig angesehen, das Verfahren wurde über das Vermögen der Gesellschafter eröffnet, hierzu ausf. Prütting, ZIP 1997, 1725, 1728 ff., 1730. S. zu dieser Thematik auch K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 143 f. 69 Vgl. hierzu K. Schmidt, ZGR 1996, 209, 216 ff.; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 228 ff.; Fuchs, ZIP 2000, 1089, 1090 ff.; Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, § 93 Rn. 20; K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 93 Rn. 15; BeckOK-InsO/Cymutta, § 93 Rn. 14 f. 70 K. Schmidt, ZGR 1996, 209, 216 ff.; ders., ZGR 1998, 633, 669 f.; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 232; Fuchs, ZIP 2000, 1089 f.; Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, § 93 Rn. 3; K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 93 Rn. 23; MüKoInsO/Brandes/Gehrlein, § 93 Rn. 1; Nerlich/Römermann/Kruth, Insolvenzordnung, § 93 Rn. 2. 71 RegE BT-Drs. 12/2443, S. 140; vgl. auch BGHZ 178, 171, 173 ff. = NJW 2009, 225 f. = ZIP 2008, 2224, 2225 f.; Fuchs, ZIP 2000, 1089, 1093; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 232; K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 93 Rn. 1; MüKo-InsO/Bran67

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

selten führt die Insolvenz der Personengesellschaft auch zur Insolvenz ihrer Gesellschafter.72 Damit besteht ein bedeutender Unterschied zur Haftungssituation der Gesellschafter juristischer Personen. Aufgrund der unbegrenzten persönlichen Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten sind die Gesellschafter aus haftungsrechtlicher Sicht möglicherweise schutzwürdig, sie benötigen die im Vermögen der Gesellschaft befindlichen potentiell unpfändbaren Gegenstände, um durch die Erbringung persönlicher Leistungen den Erwerb ihres Lebensunterhalts sicherstellen zu können. Auch aus Sicht der Gläubiger kann es sinnvoll sein, diese Gegenstände pfändungsfrei zu stellen, da sie der Erwerbstätigkeit der Gesellschafter dienen und die erzielten Einkünfte, aufgrund der nach wie vor bestehenden persönlichen Haftung der Gesellschafter, vom Insolvenzverwalter zur Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger zur Masse gezogen werden. Dadurch ließe sich ggf. eine bessere Befriedigung der Gläubiger erreichen, was letztlich das Ziel des Insolvenzverfahrens ist.73 Demnach gibt es zwar Argumente für die Anwendbarkeit von § 36 InsO in der Insolvenz von Personengesellschaften. Dennoch wird diesen nach verbreiteter Ansicht74 zu Recht der Vollstreckungsschutz nach § 36 InsO abgesprochen. Dies ist letztlich die Konsequenz aus der in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO anerkannten Insolvenzfähigkeit von Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, zu denen auch die Personengesellschaften gehören. Denn das Insolvenzverfahren wird ausschließlich über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Diese ist, ebenso wie die juristische Person, Subjekt im Insolvenzverfahren, nicht die Gesellschafter. Die Folge ist, dass auch Personengesellschaften regelmäßig im Insolvenzverfahren vollabgewickelt werden. Insolvenzfreies Vermögen kann es mithin nicht geben. Daher kann der Sinn und Zweck von § 36 InsO nicht erreicht werden. Ein Abstellen auf die Haftungssituation der Gesellschafter ist verfehlt, weil es nicht um ihr Vermögen geht, sondern das der Gesellschaft. Es ist auch nicht Aufgabe des Insolvenzrechts, die gesellschaftsrechtlichen Risiken für das Vermögen der Gesellschafter zu minimieren. c) Ergebnis Ärzte, die als natürliche Personen ihre niedergelassene berufliche Tätigkeit ausüben, sind in der Insolvenz regelmäßig von der Vollstreckungsschutzregelung des § 36 InsO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO erfasst. Grundsätzlich sind die Voraussetzungen der Norm in persönlicher und sachlicher Hinsicht erfüllt.75 Ärzte erbringen als Freiberufler regelmäßig persönliche Arbeit. Der Großteil der Praxiseinrichtung und der medizinischen Geräte ist daher, als für die Fortsetzung

des/Gehrlein, § 93 Rn. 1; Nerlich/Römermann/Kruth, Insolvenzordnung, § 93 Rn. 2; Andres/Leithaus/Leithaus, Insolvenzordnung, § 93 Rn. 1. 72 So Uhlenbruck/Hirte, Insolvenzordnung, § 93 Rn. 1; MüKo-BGB/Schäfer, § 728 Rn. 32. 73 Vgl. hierzu auch die Argumentation zur Freigabe im Insolvenzverfahren über das Vermögen von juristischen Personen und Personengesellschaften unter F. II. 74 S. dazu oben unter A. II. 1. b) bb) (Fn. 45). 75 S. dazu oben unter A. II. 1. a).

A. Praxiseinrichtung

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der Erwerbstätigkeit erforderliche Sachen, unpfändbar und mithin nicht Teil der Insolvenzmasse.76 Arztpraxen, die als juristische Personen oder Personengesellschaften organisiert sind, unterliegen dem Vollstreckungsschutz hingegen in der Regel nicht. Zwar ist es grundsätzlich denkbar, auch juristischen Personen und Personengesellschaften in der Einzelzwangsvollstreckung den Pfändungsschutz aus § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO zu gewähren.77 In der Insolvenz ist dies jedoch nicht möglich. Denn Gesellschaften werden im Insolvenzverfahren regelmäßig vollabgewickelt (sofern keine Sanierung unter Erhaltung des Rechtsträgers angestrebt wird78). Mit Beendigung des Insolvenzverfahrens existieren sie nicht mehr. Sinn und Zweck des Vollstreckungsschutzes, den § 36 InsO gewährt, ist die Sicherung der Existenz des Schuldners im Insolvenzverfahren und darüber hinaus. Dieser Zweck kann nur bei natürlichen Personen, nicht aber bei juristischen Personen und Personengesellschaften erreicht werden.79 Daher ist § 36 InsO teleologisch zu reduzieren, die Norm greift nur bei natürlichen Personen. Auch die Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH, nach der es im Kontext der Freigabe von Massegegenständen insolvenzfreies Vermögen einer Gesellschaft geben kann, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Grundsatz der Vollabwicklung wird vom BGH nicht negiert. Festzuhalten ist, dass § 36 InsO in der Insolvenz natürlicher Personen – und damit auch bei Einzelpraxen – stets anwendbar ist mit der Folge, dass ein Großteil der Praxiseinrichtung und der medizinischen Geräte unpfändbar ist und folglich im Insolvenzverfahren nicht verwertet werden kann. 2. Zur Notwendigkeit einer Einschränkung der Pfändungsschutzvorschriften Die Anwendbarkeit der Vollstreckungsschutzvorschriften in der Insolvenz natürlicher Personen kann, aufgrund der für den Schuldner bestehenden Möglichkeit Restschuldbefreiung zu erlangen (vgl. §§ 286 ff. InsO), möglicherweise zu einer Benachteiligung der Gläubiger von Ärzten (und anderen Selbständigen) führen, da ihnen praktisch nur wenig verwertbares Vermögen des Schuldners zur Befriedigung ihrer Forderungen verbleibt. a) Diskussion in Literatur und Rechtsprechung Mit der Problematik wurde sich in der Literatur und vereinzelt auch in der Rechtsprechung bereits beschäftigt. Dabei gehen die Ansichten auseinander. Teils wird eine teleologische Reduktion der Normen gefordert, teils sollen die Pfändungsschutzvorschriften ohne Einschränkung, strikt nach dem Gesetzeswortlaut, angewendet werden.

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S. dazu oben unter A. II. 1. a) (Fn. 35). S. dazu oben unter A. II. 1. b) cc) (1). S. hierzu im 6. Kap. unter B. S. dazu oben unter A. II. 1. b) bb) und cc) (2) (b).

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

aa) Teleologische Reduktion der Pfändungsschutzvorschriften Im Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen, die selbständig berufstätig sind, wird teilweise eine teleologische Reduktion des § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO für notwendig erachtet, 80 um eine Benachteiligung der Gläubiger zu vermeiden. Dies wird mit der Besonderheit begründet, dass selbständige natürliche Personen sonst in doppelter Hinsicht geschützt würden. Zum einen verbliebe ihnen ein großer Teil ihres Vermögens aufgrund der Pfändungsschutzvorschrift des § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO, zum anderen bestünde die Möglichkeit nach den §§ 286 ff. InsO Restschuldbefreiung zu erlangen. 81 Dies führte zu einer „Zurückdrängung der Interessen der Gläubiger“,82 denen nur noch eine geringe Haftungsmasse zur Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung stünde.83 Auch eine übertragende Sanierung würde verhindert, da gerade die zur Fortführung der Tätigkeit erforderlichen Gegenstände nicht mehr vorhanden wären. 84 Zwar sind die Pfändungsschutzvorschriften dem Wortlaut nach ohne Einschränkungen in der Insolvenz anwendbar (vgl. § 36 InsO). Eine teleologische Reduktion sei aber notwendig, da die Interessenlagen in der Einzelzwangsvollstreckung, auf welche die Pfändungsschutzvorschriften zugeschnitten seien, und im Insolvenzverfahren unterschiedlich seien.85 In der Einzelzwangsvollstreckung dienten die Pfändungsschutzvorschriften dazu zu verhindern, dass die Existenzgrundlage des Schuldners wegen des Vorteils eines einzigen Gläubigers vernichtet wird.86 Die Insolvenzordnung sei dagegen „schon in allgemeiner Form ‚schuldnerfreundlich‘“ ausgestaltet, wie Restschuldbefreiung, Insolvenzplanverfahren und Eigenverwaltung zeigten.87 bb) Anwendung nach dem Gesetzeswortlaut Diese Argumentation wird jedoch nicht von allen Seiten unterstützt. So stehe der Wortlaut des § 36 InsO, der ohne Einschränkung auf die Pfändungsschutzvorschriften der ZPO verweist, einer teleologischen Reduktion der Pfändungsschutzvorschriften entgegen.88 Als weiteres Gegenargument wird angeführt, dass der Schuldner trotz der in § 97 InsO normierten Mitwirkungspflichten nicht dazu 80

Smid/Wehdeking, InVo 2000, 293, 294; Tetzlaff, ZVI 2004, 2, 6 f.; Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 840 ff.; ders, ZVI 2007, 45, 49 f.; MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 25, 27; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 15. 81 Vgl. Tetzlaff, ZVI 2004, 2, 7; Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 842 f.; MüKoInsO/Peters, § 36 Rn. 25. 82 MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 25. 83 Smid/Wehdeking, InVo 2000, 293, 294; Tetzlaff, EWiR 2003, 1151, 1152; ders., ZVI 2004, 2, 6 f.; Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 840 ff.; MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 24 ff.; vgl. auch AG Köln NJW-RR 2003, 987, 988 = EWiR 2003, 1151 m. Anm. Tetzlaff. 84 Smid/Wehdeking, InVo 2000, 293, 294; MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 25; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 15. 85 Tetzlaff, ZVI 2004, 2, 6 f.; Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 842 f.; ders., ZVI 2007, 45, 50. 86 So Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 842 f.; ders., ZVI 2007, 45, 50. 87 Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 843; ders., ZVI 2007, 45, 50. 88 Lüke, in: FS Laufs, 2005, S. 989, 993.

A. Praxiseinrichtung

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verpflichtet ist, seine Arbeitskraft zur Mehrung der Masse einzusetzen, und ihm auch keine bestimmten Tätigkeiten vorgeschrieben werden können. 89 Denn aus Art. 2, 12 Abs. 2 GG folge, dass die zwangsweise Fortsetzung seiner Tätigkeit für die Masse unzulässig ist.90 Daher müssten dem Schuldner die Gegenstände belassen werden, die er zur Realisierung selbständiger Arbeitsleistungen benötigt. 91 Verbleibe dem Schuldner ein pfändungsfreies Vermögen, das ihm ermöglicht, seine Persönlichkeit zu entfalten, bestehe zudem eher ein Anreiz, die Verpflichtungen aus eigener Kraft zu erfüllen.92 cc) Einzelfallbetrachtung Peters nimmt eine differenzierte Betrachtung vor und stellt auf den Einzelfall ab. 93 Nach seiner Ansicht kann es durchaus sinnvoll sein, dem Schuldner einen Großteil der Gegenstände zu belassen, die er benötigt, um Erlöse zu erwirtschaften, wenn diese Erlöse dann seinen Gläubigern zugutekommen. Habe der Schuldner demgegenüber die Möglichkeit, auch ohne diese Gegenstände einer adäquaten Erwerbstätigkeit nachzugehen, spreche dies für den Insolvenzbeschlag der betreffenden Gegenstände. Kriterien für die Möglichkeit, einer anderen adäquaten Erwerbstätigkeit nachzugehen, sollen die persönlichen Voraussetzungen des Schuldners sein, wie Alter und Aus- bzw. Weiterbildungsstand, unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage. Es bedürfe letztlich einer „Gesamtabwägung“ der Umstände des Einzelfalls. 94 dd) Entscheidung des AG Köln (Beschl. v. 14.4.2003 – 71 IN 25/02) Im Zusammenhang mit der Thematik erregte ein Beschluss des AG Köln im Jahre 2003 Aufsehen.95 Das Gericht ging in seiner Begründung auf die unterschiedlichen Ansichten in der Literatur ein und führte aus, dass § 36 InsO (i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO) im Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen nicht uneingeschränkt Anwendung finde, sondern einer teleologischen Reduktion bedürfe.96 Gleichwohl bleibe es dem Schuldner selbst überlassen, zu entscheiden, wie er seine Arbeitskraft einsetzen wolle, weshalb ihm solche Gegenstände belassen werden müssten, die er benötigt, um seine Arbeitsleistung

89

Voigt/Gerke, ZInsO 2002, 1054, 1057; Ries, ZVI 2004, 221, 224; Lüke, in: FS Laufs, 2005, S. 989, 993. Näher zu der Frage, ob die Arbeitskraft des Schuldners Massebestandteil ist s. in diesem Kap. unter E. 90 So Voigt/Gerke, ZInsO 2002, 1054, 1057; Ries, ZVI 2004, 221, 224; Lüke, in: FS Laufs, 2005, S. 989, 993. Zu dem in Art. 12 Abs. 2 GG niedergelegten Verbot von Arbeitszwang s. Maunz/Dürig/Scholz, GG-Kommentar, Art. 12 Rn. 487 ff. 91 Voigt/Gerke, ZInsO 2002, 1054, 1057; Ries, ZVI 2004, 221, 224; Lüke, in: FS Laufs, 2005, S. 989, 993. 92 Voigt/Gerke, ZInsO 2002, 1054, 1055. 93 Vgl. MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 28. 94 MüKo-InsO/Peters, § 36 Rn. 28. 95 AG Köln NJW-RR 2003, 987 = NZI 2003, 387 = EWiR 2003, 1151 m. Anm. Tetzlaff. 96 AG Köln NJW-RR 2003, 987, 988 = NZI 2003, 387, 388 unter Berufung auf Smid/Wehdeking, InVo 2000, 293, 294.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

zu realisieren.97 Dies gelte umso mehr, wenn der Schuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat. Zudem macht das Gericht Ausführungen zum Alter des Schuldners und dessen Möglichkeit, eine Anstellung zu erhalten.98 Dabei bleibt unklar, welche Bedeutung das Gericht diesen Kriterien beimisst. Die Ausführungen des Gerichts zeigen die Schwierigkeiten einer teleologischen Reduktion von Pfändungsschutzvorschriften sowie die Probleme bei der Festlegung von Kriterien, nach denen entschieden wird, ob gewisse Gegenstände vom Insolvenzbeschlag erfasst sind oder dem Pfändungsschutz unterliegen. In der Literatur wurde der Beschluss hinsichtlich des Ergebnisses und der Begründung mitunter kritisiert.99 b) Stellungnahme Ausgehend vom Wortlaut des § 36 InsO, der keinen Hinweis auf eine Einschränkung der Regelung enthält, scheint es zunächst nicht angebracht, eine teleologische Reduktion der Norm vorzunehmen. Allerdings wird in der Literatur mit Recht auf eine mögliche Benachteiligung von Gläubigern natürlicher Personen hingewiesen. Werden beispielsweise die medizinisch-technischen Geräte eines Arztes nicht Teil der Insolvenzmasse und erlangt der Arzt später die Befreiung von der Restschuld, so steht den Gläubigern zur Befriedigung ihrer Forderungen nur eine geringe Masse zur Verfügung. Der Zweck des Insolvenzverfahrens, die möglichst umfassende Befriedigung aller Gläubiger, würde dann nicht erreicht. Eine Regelung wie § 36 InsO zeigt jedoch, dass es gesetzliche Grenzen bei der Erreichung dieses Zwecks gibt. Dem Schuldner sollen die Gegenstände belassen werden, die er benötigt, um eine selbständige Tätigkeit weiterhin ausüben zu können, die ihm und seiner Familie zur Existenzerhaltung dient. Letztlich geht es um die Auflösung des generellen Interessenkonflikts zwischen Schuldner und Gläubigern, also zwischen Existenzerhaltung und größtmöglicher Befriedigung. Eine gerechte Lösung muss die Interessen von Gläubigern und Schuldnern gleichermaßen beachten. Die von Peters vertretene Ansicht,100 die Norm nur eingeschränkt anzuwenden und auf den Einzelfall abzustellen, scheint daher sinnvoll. Sollte der Schuldner tatsächlich durch die Nutzung der ihm überlassenen Gegenstände die Masse mehren, wäre der Interessenkonflikt zum Vorteil beider Parteien aufgelöst. Der Schuldner kann jedoch nicht dazu verpflichtet werden.101 Das Abstellen auf die jeweilige Situation im Einzelfall ermöglicht zwar die Erzielung flexibler und gerechter Ergebnisse, geht aber zu Lasten der Rechtssicherheit. Denn im Vorhinein ist nicht bestimmbar, welche Gegenstände dem Schuldner belassen werden müssen. Diese Unsicherheit ist für alle Beteiligten nicht zufriedenstellend. 97

AG Köln NJW-RR 2003, 987, 988 = NZI 2003, 387, 388 f. AG Köln NJW-RR 2003, 987, 989 = NZI 2003, 387, 389. 99 Vgl. Tetzlaff, EWiR 2003, 1151, 1152; ders., ZVI 2004, 2, 7; Ries, ZVI 2004, 221, 223 f. Zum Beschl. des AG Köln und der Kritik in der Lit. s. a. van Zwoll/Mai/Eckardt/Rehborn, Die Arztpraxis in Krise und Insolvenz, Rn. 379 ff. 100 S. dazu oben unter A. II. 2. a) cc). 101 Vgl. Voigt/Gerke, ZInsO 2002, 1054, 1057; Ries, ZVI 2004, 221, 224; Lüke, in: FS Laufs, 2005, S. 989, 993. 98

B. Patientenkartei und Patientenunterlagen

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Es erscheint jedenfalls weder richtig, den Schuldner prinzipiell dem Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO zu unterstellen, noch ihm diesen stets zu verwehren. Die Interessenkonflikte lassen sich letztlich nur durch Einzelfallentscheidungen gerecht auflösen. Es ist aber sehr fraglich, ob hierfür eine dogmatische Grundlage existiert.102 Will man die Norm nicht wortlautgetreu anwenden, bleibt (nur) die Möglichkeit einer teleologischen Reduktion. Eine Einzelfallabwägung aber basiert weder auf dem (insoweit eindeutigen) Gesetzeswortlaut noch auf einer generellen teleologischen Reduktion der Pfändungsschutzvorschriften. Es fehlt daher strenggenommen eine dogmatische Grundlage für diese, vom Ergebnis her wünschenswerte, Lösung. c) Ergebnis Zunächst ist festzuhalten, dass über eine Einschränkung der Pfändungsschutzvorschriften nur bei der Insolvenz natürlicher Personen diskutiert werden kann, da juristischen Personen und Personengesellschaften, wie oben gezeigt, der Vollstreckungsschutz des § 36 InsO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO ohnehin nicht zugutekommt. Auf natürliche Personen findet die Regelung aber grundsätzlich Anwendung. Hierdurch kann es zu einer Benachteiligung der Gläubiger kommen. Wenn diesen kaum pfändbares Vermögen zur Verfügung steht und der Schuldner im Verfahren Restschuldbefreiung erlangt und ihm ein wichtiger Teil seines Vermögens belassen wird, entsteht eine Gerechtigkeitslücke. Allerdings werden die Gläubiger bei uneingeschränkter Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften nicht immer benachteiligt. Eine Einschränkung der Normen kann daher allenfalls im Einzelfall geboten sein. Hierfür fehlt es indes an einer dogmatischen Grundlage. Der insoweit eindeutige Gesetzeswortlaut sieht keine Einschränkungen vor. Eine generelle teleologische Reduktion der Normen ist ebenfalls nicht geboten.

B. Patientenkartei und Patientenunterlagen B. Patientenkartei und Patientenunterlagen

Die Verwertung von Patientenkartei und Patientenunterlagen birgt in der Insolvenz von Arztpraxen ein großes wirtschaftliches Potential. Der „Kundenstamm“ eines Arztes stellt gewissermaßen die ökonomische Werthaltigkeit der Praxis dar. Daher haben die Gläubiger ein besonderes Interesse an der Verwertung von Patientenkartei und Patientenunterlagen. So dürfte die Veräußerung einer Arztpraxis unter ökonomischen Gesichtspunkten in der Regel nur Sinn machen, wenn der übernehmende Arzt auch die Patienten seines Vorgängers behandeln kann, dessen Patientenstamm samt Unterlagen also miterwirbt. Dies ist indes nur möglich, wenn Patientenkartei und -unterlagen Teil der Insolvenzmasse sind. Andernfalls kann der Insolvenzverwalter nicht über sie verfügen. Zu beachten sind außerdem die Rechte und Interessen der betroffenen Patienten und die ärztliche Schweigepflicht.

102

So wohl auch van Zwoll/Mai/Eckardt/Rehborn, Die Arztpraxis in Krise und Insolvenz, Rn. 387.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

I. Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse Zunächst ist zu klären, ob die Patientenkartei des insolventen Arztes samt Unterlagen der Patienten in die Insolvenzmasse fällt. Nach § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen des Schuldners. Dementsprechend sind sowohl die Patientenkartei als auch die Unterlagen vom Insolvenzbeschlag erfasst.103 Grundsätzlich kann der Insolvenzverwalter daher über sie verfügen, etwa indem er sie veräußert. Da Patientenkartei und -unterlagen jedoch sensible Daten der Patienten enthalten, gilt dies nicht uneingeschränkt.104

II. Verwertbarkeit Die Verwertung von Unterlagen mit Bezug zu Patientendaten ist höchst problematisch. Aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht kann der Insolvenzverwalter nicht ohne weiteres über Kartei und Unterlagen, die sensible Patientendaten beinhalten, verfügen. Ohne ausdrückliche Zustimmung der Patienten dürfen Patientenkartei und -unterlagen gar nicht veräußert oder einem Praxisübernehmer zur Verfügung gestellt werden.105 Dies folgt aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Patienten. Die im Insolvenzverfahren entstehenden Konflikte mit der ärztlichen Schweigepflicht werden noch ausführlich besprochen,106 sodass an dieser Stelle keine detaillierte Darstellung dieser Probleme erfolgt.

III. Fazit Patientenkartei und -unterlagen dürfen nur mit der ausdrücklichen Einwilligung der Patienten weitergegeben werden.107 Verträge über die Weitergabe der Daten ohne die Zustimmung der Patienten sind nichtig. 108 Das Dilemma für Gläubiger und Insolvenzverwalter besteht daher darin, dass mit den patientenbezogenen Unterlagen zwar wirtschaftlich werthaltige Bestandteile der Insolvenzmasse vor-

103 Uhlenbruck, ZVI 2002, 49, 50; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 26; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 90 f.; Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1583; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 280; MüKo-InsO/Peters, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 507, s. a. Rn. 155 ff.; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 54; allg. zu Daten Berberich/Kanschik, NZI 2017, 1 f. 104 Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 90 f.; Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1583; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 280; MüKo-InsO/Peters, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 507, s. a. Rn. 155 ff. 105 BGHZ 116, 268, 273 = NJW 1992, 737, 739 = MedR 1992, 104, 105; Berberich/Kanschik, NZI 2017, 1, 8 f.; Ehlers/Scheibeck/Conradi, DStR 1999, 1532, 1533; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 92 f.; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 6; HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 79; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 176; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 118; Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 17 Rn. 15. 106 S. dazu ausf. im 5. Kap. C. II. 2. 107 Vgl. Fn. 105. 108 BGHZ 116, 268, 273 = NJW 1992, 737, 739 = MedR 1992, 104, 105.

C. Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz

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liegen, diese aber nur sehr eingeschränkt verwertet werden können. 109 Diese erhebliche Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen ist aufgrund des hohen Stellenwertes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Patienten jedoch gerechtfertigt und daher hinzunehmen. Eine Verwertung ist zudem nicht vollkommen ausgeschlossen. So kann der Insolvenzverwalter mit Zustimmung der Patienten über die Daten verfügen oder er realisiert den Wert des Patientenstamms des insolventen Arztes durch Fortführung der Praxis zugunsten der Masse.110

C. Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz C. Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz

Von großer Bedeutung für die niedergelassene ärztliche Tätigkeit sind Vertragsarztzulassung (§ 95 Abs. 1 SGB V) und Vertragsarztsitz (§ 95 Abs. 1 S. 4 SGB V; § 24 Abs. 1 Ärzte-ZV). Denn nur zugelassene Ärztinnen und Ärzte können an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen (vgl. § 95 Abs. 1, 4 SGB V) und Behandlungen von Kassenpatienten gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen abrechnen (§§ 85, 87b SGB V).111 Der Zulassung und dem Sitz des insolventen Vertragsarztes kommt daher auch in der Insolvenz eine besondere Bedeutung zu. Aus Sicht der Gläubiger wäre die Verwertbarkeit zugunsten der Masse interessant, da, gerade in zulassungsbeschränkten Planungsgebieten, Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz einen erheblichen Wert haben.112

I. Vertragsarztzulassung Die Vertragsarztzulassung ist nach § 95 Abs. 1 SGB V Voraussetzung, um an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen zu können. Auf sie besteht ein Rechtsanspruch, dem Zulassungsausschuss steht folglich kein Ermessen bei der Entscheidung über die Zulassungserteilung zu.113 Es handelt sich um eine öffentlichrechtliche Berechtigung114, die durch statusbegründenden, begünstigenden Verwaltungsakt von den Zulassungs- und Berufungsausschüssen (als Stellen staatlicher Verwaltung) erlassen wird.115 Die Zulassung ist ein höchstpersönliches

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So auch Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 91. S. hierzu ausf. im 6. Kap. unter A. 111 Rompf, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 3 Rn. 13, 16; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 52. S. a. Ossege, GesR 2013, 16, 17. 112 Das Landessozialgericht NRW ging in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1997, LSG NRW NJW 1997, 2477 = MedR 1998, 377 sogar davon aus, dass die Zulassung als Vertragsarzt „wirtschaftlich (…) in der Regel wesentlich den Wert einer Arztpraxis“ bestimmt. Näheres zu dieser Entscheidung unter I. 2. 113 Vgl. Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, § 95 Rn. 6; Krauskopf/Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 29 Rn. 2. 114 Vgl. BVerfG NJW-RR 2013, 1141 = MedR 2013, 664, 665. S. a. Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, § 95 Rn. 2. 115 Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, § 95 Rn. 6; Krauskopf/Clemens, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 29 Rn. 2. 110

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

Recht.116 Im Folgenden wird untersucht, wie sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die Vertragsarztzulassung auswirkt. 1. Keine Entziehung der Zulassung wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Arztes mit Vertragsarztzulassung eröffnet, ist dies grundsätzlich bedeutungslos für die Zulassung. 117 Die Zulassung wird dem Arzt nicht automatisch aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entzogen, denn nach § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V ist eine Entziehung der Zulassung nur bei „gröblicher Pflichtverletzung“ möglich. Eine gröbliche Pflichtverletzung118 ist nach der Rechtsprechung anzunehmen, wenn durch sie das Vertrauen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkasse insbesondere in eine ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnung durch den Arzt so gestört ist, dass diesen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arzt nicht zugemutet werden kann. 119 Die Insolvenz ist aber nicht notwendigerweise Folge einer solchen Pflichtverletzung, sie kann vielmehr auch unverschuldet eintreten. Der Arzt hat nicht zwingend gegen Interessen der Patienten oder der Kassen verstoßen, wenn er insolvent wird. Ihm obliegt keine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber seinen Patienten, sondern lediglich eine Verpflichtung zur gesundheitlichen Sorge, durch den Vermögensverfall des Arztes ist diese aber nicht (zwangsläufig) gefährdet.120 Zudem ist zu beachten, dass die Entziehung der Zulassung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ultima ratio ist, sie muss also das einzige Mittel zur Erreichung des Schutzes der vertragsärztlichen Versorgung sein. 121 Die Insolvenz stellt daher in der Regel keine gröbliche Pflichtverletzung i. S. d. § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V dar, sodass sie grundsätzlich keine Auswirkung auf die vertragsärztliche Zulassung hat.122 2. Schicksal der Vertragsarztzulassung im Insolvenzverfahren Längere Zeit war fraglich, ob die Vertragsarztzulassung (früher Kassenarztzulassung) in die Insolvenz- bzw. Konkursmasse fällt oder nicht. Sie verkörpert einen erheblichen wirtschaftlichen Wert, weshalb ihre Verwertung für Gläubiger und Insolvenzverwalter attraktiv wäre, zumal im Falle der Liquidation der Arztpraxis 116

BVerfG NJW 1998, 1776, 1778 = MedR 1998, 323, 325; BVerfG NJW-RR 2013, 1141 = MedR 2013, 664, 665. 117 Vgl. Ries, ZVI 2004, 221, 222; Ossege, GesR 2013, 16, 18; Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1578; Plagemann, in: Bork/Hölzle, Handbuch Insolvenzrecht, Kap. 20 Rn. 175. 118 Beispiele für „gröbliche Pflichtverletzungen“ bei KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 95 SGB V Rn. 97; Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, § 95 Rn. 22; Eichenhofer/von Koppenfels-Spies/Wenner/Motz, SGB V, § 95 Rn. 118. 119 BVerfGE 69, 233, 244 = NJW 1985, 2187, 2188; BSGE 15, 177, 183 f. 120 Vgl. Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1578; Schleicher/Salger, DÄBl. 2016, A-92. 121 Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, § 95 Rn. 23; Eichenhofer/von KoppenfelsSpies/Wenner/Motz, SGB V, § 95 Rn. 119; Ossege, GesR 2013, 16, 17 f. 122 Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1578; Ossege, GesR 2013, 16, 18; d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, Rn. 337 ff.

C. Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz

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in der Regel nur geringe Werte zusammenkommen.123 Die bedeutsame Frage der Verwertbarkeit der Vertragsarztzulassung beschäftigte Ende der 1990er Jahre zunächst das Landessozialgericht NRW und kurz darauf auch das Bundessozialgericht (BSG).124 Diese Entscheidungen schafften Klarheit hinsichtlich des Schicksals der vertragsärztlichen Zulassung im Insolvenzverfahren. Zwar fällt die Arztpraxis grundsätzlich als solche in ihrer Gesamtheit in die Insolvenzmasse.125 Die Zulassung ist aber ein höchstpersönliches Recht.126 Sie setzt verschiedene persönliche Qualifikationen voraus, die der Arzt erfüllen muss. 127 Die vertragsärztliche Zulassung als öffentlich-rechtliche Berechtigung ist daher untrennbar mit der Person des Berechtigten verbunden und als solche nicht übertragbar und nicht pfändbar.128 Sie ist folglich nicht Teil der Insolvenzmasse und kann vom Insolvenzverwalter mithin auch nicht verwertet werden. Aus diesem Grund kann der Arzt seine vertragsärztliche Tätigkeit in der Insolvenz weiter ausüben. Dies ergibt sich auch aus der Funktion der Zulassung als Berechtigung zur Vornahme von Versorgungsleistungen im System der vertragsärztlichen Versorgung. Das BSG führt hierzu aus, dass sowohl für die Versicherten als auch für die gesetzlichen Krankenkassen im Interesse des Systems Klarheit über den Zulassungsstatus eines Vertragsarztes bestehen muss. 129

123 S. dazu Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839 f.; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 93; Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 773 (Rn. 6); Bange, ZInsO 2006, 362; Schmittmann, ZInsO 2004, 725, 727; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 56; van Zwoll/Mai/Eckardt/Rehborn, Die Arztpraxis in Krise und Insolvenz, Rn. 401. 124 LSG NRW, Beschl. v. 12.3.1997 – L 11 SKa 85/96 = NJW 1997, 2477 = MedR 1998, 377 m. Anm. Rigizahn und BSG, Urt. v. 10.5.2000 – B 6 KA 67/98 R = BSGE 86, 121 = MedR 2001, 159. Beide Entscheidungen ergingen noch zur KO, hinsichtlich der Frage der Pfändbarkeit und damit der Zugehörigkeit der Vertragsarztzulassung zur Masse ergeben sich jedoch keine Unterschiede zur InsO. Inzwischen hat auch das BVerfG die Rspr. des BSG aufgegriffen, s. BVerfG, Beschl. v. 22.3.2013 – 1 BvR 791/12 = NJW-RR 2013, 1141 = MedR 2013, 664. 125 Vgl. Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 276 f.; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 507; Nerlich/Römermann/Andres, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 73; Schick, NJW 1990, 2359, 2360; Pape, EWiR 1994, 1003 f. (allg. zur Freiberuflerpraxis); Uhlenbruck, in: FS Henckel, 1995, S. 877 ff.; ders., ZVI 2002, 49 f.; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1030; Kluth, NJW 2002, 186; Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 234; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 26; Lüke, in: FS Laufs, 2005, S. 989, 990; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 90; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 52; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 1. 126 BVerfG NJW-RR 2013, 1141 = MedR 2013, 664, 665; BSGE 86, 121, 122 = MedR 2001, 159, 160; Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1578; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 277; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 510; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 55; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 92. 127 BSGE 86, 121, 122 = MedR 2001, 159, 160; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 92. 128 BSGE 86, 121, 122 = MedR 2001, 159, 160; LSG NRW NJW 1997, 2477 = MedR 1998, 377 m. Anm. Rigizahn; Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1578; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 277; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 510; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 55; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 92. 129 BSGE 86, 121, 122 f. = MedR 2001, 159, 160.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

II. Vertragsarztsitz Untrennbar mit der Vertragsarztzulassung verbunden ist der Vertragsarztsitz. 130 Er ist zwingende Voraussetzung für die Ausübung der vertragsärztlichen Versorgungstätigkeit, die ohne Sitz gar nicht möglich ist.131 Auch dieses höchstpersönliche Recht fällt nicht in die Masse und kann vom Verwalter nicht verwertet werden.132 Dies gilt auch für die Insolvenz von Berufsausübungsgemeinschaften. 133 Hier ist die Zulassung an die Person eines Gesellschafters gebunden (oder bei mehreren Zulassungen und Sitzen an mehrere Gesellschafter), nicht an die Berufsausübungsgemeinschaft.134 Die Berufsausübungsgemeinschaft selbst, also eine Gesellschaft, ist gar nicht zulassungsfähig.135 Zur vertragsärztlichen Versorgung können grundsätzlich, mit Ausnahme von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), nur Ärzte als natürliche Personen zugelassen werden (vgl. § 95 Abs. 1 SGB V). Schon aus diesem Grund kann der Sitz nicht Teil der Insolvenzmasse im Verfahren über das Vermögen der Berufsausübungsgemeinschaft sein. Der Praxissitz kann sogar während des Insolvenzverfahrens weiterhin verlegt werden.136 Wäre dies nicht der Fall und könnte der Insolvenzverwalter fortan über den Sitz verfügen, wäre es dem Arzt praktisch unmöglich, von seiner Zulassung Gebrauch zu machen und seiner vertragsärztlichen Tätigkeit nachzugehen. Für den Arzt bedeutete dies ein „faktisches Ende“ seiner Zulassung, ohne dass ein Tatbestand der § 95 Abs. 6 u. 7 SGB V, §§ 27, 28 Ärzte-ZV erfüllt wäre.137 Darin lägen eine Umgehung zwingenden Gesetzesrechts und ein Eingriff in die aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Berufsfreiheit des Arztes. Zudem würde dies zu einem gravierenden Nachteil für die Patienten des betroffenen Arztes führen, die sich von dem Arzt, dem sie ihr Vertrauen entgegengebracht haben und der sie bereits kennt, nicht mehr behandeln lassen könnten und die sich daher einen neuen Arzt suchen müssten, der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt. 130

BSGE 86, 121, 122 = MedR 2001, 159, 160. BSGE 85, 1, 4 ff.; 86, 121, 122 = MedR 2001, 159, 160. 132 BSGE 86, 121, 122 f. = MedR 2001, 159, 160; LSG NRW NJW 1997, 2477, 2479 = MedR 1998, 377, 380 f.; s. a LSG NRW, Beschl. v. 19.12.2016 – L 11 KA 70/16 B ER, Rn. 12 ff.; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 277; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 510; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 55; Bäune/Meschke/Rothfuß/Bäune, Ärzte-ZV, § 24 Rn. 20. 133 So auch HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 193; a. A. Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1579, der für den Fall, dass der Vertragsarztsitz „durch eine mehrstufige gesellschaftsvertragliche Regelung an die Berufsausübungsgemeinschaft“ gebunden ist, die Verwertung zugunsten der Masse zulassen will. Dies erscheint indes, mit Blick auf die Rspr. (dazu auch oben unter C. I. 2.) und unter Berücksichtigung der Qualifizierung von Zulassung und Sitz als höchstpersönliche Rechte, nicht möglich. 134 HK-AKM/Kremer/Wittmann, Nr. 840 Rn. 193. 135 KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 95 SGB V Rn. 4, 6; Becker/Kingreen/Joussen, SGB V, § 95 Rn. 9. 136 BSGE 86, 121, 122 ff. = MedR 2001, 159, 160 f.; LSG NRW NJW 1997, 2477, 2479 = MedR 1998, 377, 381 f. m. Anm. Rigizahn. S. a. Plagemann, in: Bork/Hölzle, Handbuch Insolvenzrecht, Kap. 20 Rn. 175. 137 BSGE 86, 121, 122 = MedR 2001, 159, 160. 131

C. Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz

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Für den Insolvenzverwalter, der eine in die Masse gefallene Arztpraxis verwerten möchte, kann es ein Problem darstellen, dass der Vertragsarztsitz nicht Teil der Insolvenzmasse wird, denn er kann den insolventen Vertragsarzt rechtlich nicht dazu zwingen, auf seinen Vertragsarztsitz zugunsten eines Nachfolgers zu verzichten.138 Dies kann die Veräußerung der Praxis erheblich erschweren. Denn ohne die Möglichkeit, an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen zu können, wird sich ein Käufer für die Praxis nur schwer finden lassen. Unproblematisch ist dies in nicht zulassungsbeschränkten Plangebieten. Hier kann ein potentieller Nachfolger ohne weiteres eine Zulassung erhalten.139 Anders ist die Situation indes in überversorgten Planungsgebieten i. S. v. § 103 SGB V, hier wird der Zulassungsausschuss keine neue (zusätzliche) Zulassung erteilen. Selbst im Falle der freiwilligen Rückgabe der Zulassung zugunsten eines potentiellen Nachfolgers kann es sein, dass dem gefundenen Nachfolger keine neue Zulassung erteilt wird, da die zuständigen Ausschüsse ein Nachbesetzungsverfahren zum Abbau der Überversorgung ablehnen können, vgl. § 103 Abs. 3a S. 3 SGB V.140 Dann muss dem bisherigen Praxisinhaber aber eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswerts der Praxis gezahlt werden (vgl. § 103 Abs. 3a S. 13 SGB V).141 Diese Entschädigung würde dann in die Insolvenzmasse fallen.

III. Ergebnis Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz sind untrennbar miteinander verbunden. Beide sind höchstpersönliche Rechte und als solche unveräußerlich und unpfändbar. Sie werden nicht Teil der Insolvenzmasse und können folglich vom Insolvenzverwalter nicht zugunsten der Masse verwertet werden. Vielmehr kann der insolvente Vertragsarzt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter seine vertragsärztliche Tätigkeit ausüben und seinen Sitz, im Falle positiver Bescheidung durch die Zulassungsgremien, weiterhin verlegen.142 Dies gilt auch für die Insolvenz von Berufsausübungsgemeinschaften. Hier sind Zulassung und Sitz an die Person eines Gesellschafters gebunden, nicht an die Gesellschaft.

138

Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1578. Vgl. Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1578. 140 S. hierzu Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1578. 141 S. näher hierzu KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 103 SGB V Rn. 21 f.; Becker/Kingreen/Kaltenborn, SGB V, § 103 Rn. 9; Berchtold/Huster/Rehborn/Rehborn/Ossege, Gesundheitsrecht, § 103 SGB V Rn. 53. S. a. BSGE 110, 34 = MedR 2012, 698. 142 BSGE 86, 121, 122 f. = MedR 2001, 159, 160; LSG NRW NJW 1997, 2477, 2479 = MedR 1998, 377, 381 f. m. Anm. Rigizahn. 139

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

D. Einkünfte D. Einkünfte

Auch die Einkünfte eines Arztes stellen in der Insolvenz einen wichtigen Posten zur Befriedigung der Gläubigerforderungen dar. Aufgrund des im deutschen Gesundheitssystem angelegten Dualismus,143 bestehend aus Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung und der damit einhergehenden Unterschiede bei der ärztlichen Vergütung ist zwischen Einkünften aus vertragsärztlicher und solchen aus privatärztlicher Tätigkeit zu unterscheiden. Grundsätzlich sind Honoraransprüche freiberuflich tätiger Personen in vollem Umfang pfändbar und fallen ohne Abzüge in die Insolvenzmasse. 144 Problematisch ist dies jedoch in Fällen von Freiberuflern, die, wie Ärzte, Berufsgeheimnisträger sind und über sensible Daten, auch die Abrechnung betreffend, verfügen. 145 Denn hier kann es unter anderem zu Konflikten mit der Schweigepflicht kommen. Probleme, die im Zusammenhang mit der ärztlichen Schweigepflicht stehen, werden indes ausführlich im 5. Kapitel146 besprochen, insoweit wird auf dieses Kapitel verwiesen. Weitere Probleme ergeben sich hinsichtlich vertragsärztlicher Honoraransprüche (II.), insbesondere in Bezug auf Vorausabtretungen der Ansprüche (II. 2.) und mit Blick auf Regressforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung (II. 3.). Die hier gewonnenen Erkenntnisse sind nur zum Teil auf Einkünfte aus privatärztlicher Tätigkeit übertragbar und müssen modifiziert werden (dazu unter III.). Untersucht wird überdies die rechtliche Grundlage für den Pfändungsschutz bezüglich vertrags- und privatärztlicher Honorare (IV.).

I. Ausgangspunkt: Ärztliche Honorarforderungen als Teil der Insolvenzmasse Zunächst hatte der BGH für Rechtsanwälte und Steuerberater entschieden, dass deren Honoraransprüche trotz der jeweiligen berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten pfändbar sind und in die Insolvenzmasse gehören.147 Das (aus Art. 2 Abs. 1 GG i. v. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete) Grundrecht auf informationelle 143

Die Unterscheidung zwischen Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung ist historisch begründet. Die Anfänge der Gesetzlichen Krankenversicherung gehen auf die von Bismarck ins Leben gerufene Arbeiterkrankenversicherung von 1883 zurück. Diese Versicherung galt aber nicht für alle Bürger, sondern speziell für die Arbeiterschaft. In der Folge erkannten aber auch die nicht versicherungspflichtigen Bevölkerungsschichten die Notwendigkeit einer Absicherung gegen Krankheitsfälle, wodurch die Private Krankenversicherung starke Impulse erhielt. Dieser Dualismus der Krankenversicherung existiert noch heute. Vgl. zur historischen Entwicklung der Krankenversicherung Sodan, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 1 Rn. 1 ff.; ein Überblick findet sich bei Katzenmeier/Voigt, in: FS Meincke, 2015, S. 175, 178 f. 144 BGHZ 162, 187, 191 ff. = NJW 2005, 1505, 1506 = MedR 2005, 467, 468 = ZIP 2005, 722, 723; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 26; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 7; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 438, 385 ff. 145 Vgl. hierzu Diepold, MDR 1993, 835 f.; Schörnig, InVo 1999, 297 ff. 146 S. dort unter C. 147 BGHZ 141, 173, 176 ff. = ZIP 1999, 621, 624 f.; s. hierzu auch Schörnig, InVo 1999, 297 ff.; BGH ZIP 2003, 2176 = ZInsO 2003, 1099.

D. Einkünfte

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Selbstbestimmung der Mandanten/Klienten rechtfertige den Ausschluss der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Gläubiger nicht. Die Abwägung falle daher zugunsten der Gläubiger aus. Unklar war, wie dies bei Ärzten zu bewerten ist. Die Abrechnungsunterlagen enthalten bei ihnen ebenfalls sensible Daten, aus denen etwa Rückschlüsse auf die Erkrankungen und die persönlichen Verhältnisse der Patienten gezogen werden können. Insoweit ist eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Patienten (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) möglich. Allerdings muss auch hier eine Abwägung mit den Interessen der Gläubiger (Art. 14 Abs. 1 GG) stattfinden. 148 Im Ergebnis gilt für Ärzte, was auch auf Rechtsanwälte und Steuerberater zutrifft, die Honorarforderungen sind pfändbar und damit Teil der Insolvenzmasse.149 Dies ist selbst dann der Fall, wenn sie nach Verfahrenseröffnung entstehen, denn gem. § 35 Abs. 1 InsO fällt auch der Neuerwerb in die Masse, sofern der Insolvenzverwalter die Praxis nicht nach § 35 Abs. 2 InsO freigegeben hat.

II. Einkünfte aus vertragsärztlicher Tätigkeit Die vertragsärztliche Honorarabrechnung und -verteilung folgt einem komplizierten System, an dem neben den Krankenkassen und Ärzten auch die Kassenärztlichen Vereinigungen beteiligt sind. Ist ein Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen, darf er gesetzlich krankenversicherte Patienten behandeln und die Behandlung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zulasten der Krankenkasse abrechnen. Der weitaus größte Teil der Bürger in Deutschland ist gesetzlich krankenversichert150 und nimmt vertragsärztliche Leistungen in Anspruch. 1. Vergütung nach der vertragsärztlichen Honorarverteilung Die Vergütung von Vertragsärzten erfolgt nicht durch den Patienten, sondern über die vertragsärztliche Honorarverteilung.151 Zwar schließen Arzt und Patient einen

148

Vgl. BGHZ 162, 187, 191 ff. = NJW 2005, 1505, 1506 = MedR 2005, 467, 468 = ZIP 2005, 722, 723 f. Krit. Schörnig, InVo 1999, 297, 300. S. hierzu auch im 5. Kap. C. II. 149 BGHZ 162, 187, 191 ff. = NJW 2005, 1505, 1506 = MedR 2005, 467, 468 = ZIP 2005, 722, 723 f.; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 26; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 7; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 438, 387; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 91; s. a. Diepold, MDR 1993, 835 f. 150 So waren nach der Statistik des Bundesministeriums für Gesundheit im Jahr 2017 rund 72 Millionen Bürger in der Gesetzlichen Krankenversicherung versichert (die Statistik ist abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Statistiken/GKV/Mitglieder_Versicherte/KM1_JD_2017_2.pdf, zuletzt abgerufen am 19.12.2018). Dies bedeutet, dass – bei einer Gesamtbevölkerung von 82,8 Millionen zum Jahresende 2017 – etwa 87 % der Gesamtbevölkerung gesetzlich versichert waren (die Angabe zur Gesamtbevölkerung entstammt einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes v. 14.9.2018, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2018/09/PD18_347_12411.html, zuletzt abgerufen am 19.12.2018). 151 S. dazu KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 85 SGB V Rn. 3 ff., 57 ff.; zur Honorarverteilung s. Berchtold/Huster/Rehborn/Reuter, Gesundheitsrecht, § 87b SGB V Rn. 11 ff., zum Verteilungsmaßstab Rn. 39 ff.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

privatrechtlichen Behandlungsvertrag, 152 beim gesetzlich krankenversicherten Patienten löst dies aber keine Vergütungspflicht aus (vgl. § 630a Abs. 1 BGB a. E.).153 Vielmehr „überlagert das Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung an dieser Stelle das Privatrecht mit der Folge, dass sich der ansonsten synallagmatische Behandlungsvertrag zwischen dem Arzt und dem Patienten in ein partiell einseitiges Vertragsverhältnis umwandelt. Während der Arzt weiterhin die Leistung der versprochenen Behandlung schuldet, entsteht keine Vergütungspflicht des gesetzlich versicherten Patienten für solche Behandlungen, die von der Gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden“.154 Der Patient erhält von der Gesetzlichen Krankenkasse nicht das Geld, um dem Arzt die Vergütung zukommen zu lassen, sondern die Krankenpflege selbst (Sachleistungsprinzip). 155 Die Verbände der Krankenkassen schließen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Gesamtverträge (§§ 82 ff. SGB V), um diese Pflicht zu erfüllen.156 In diesen wird der Leistungsrahmen bestimmt und die Gesamtvergütung (§ 85 SGB V) festgelegt.157 Die Verteilung der Gesamtvergütung durch die Kassenärztliche Vereinigung an die einzelnen Vertragsärzte geschieht auf Grundlage des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM),158 sie erfolgt getrennt für den haus- und den fachärztlichen Bereich (vgl. § 87b Abs. 1 S. 1 SGB V). Der einzelne Vertragsarzt erhält seine Vergütung daher anteilig an der Gesamtvergütung, nach dem von der Kassenärztlichen Vereinigung festgelegten Verteilungsschlüssel (§§ 82 Abs. 2, 85 Abs. 1, 87b Abs. 1 SGB V).159 Die Vertragsärzte rechnen dabei vierteljährlich mit den 152 BT-Drs. 17/10488, S. 17 ff.; BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 16; MüKoBGB/Wagner, § 630a Rn. 3; Jauernig/Mansel, BGB, Vor § 630a Rn. 2; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, § 630a BGB Rn. 6 ff. 153 Vgl. BT-Drs. 17/10488, S. 18 f.; BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 122, 136; MüKo-BGB/Wagner, § 630a Rn. 16, 50; Jauernig/Mansel, BGB, § 630a Rn. 12. 154 BT-Drs. 17/10488, S. 18 f. 155 Sodan, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 1 Rn. 28, § 8 Rn. 14 ff., 19 ff.; KassKomm/Peters, Sozialversicherungsrecht, § 2 SGB V Rn. 9; Schiller, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 5 Rn. 8; Krauskopf/Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 2 SGB V Rn. 8; Katzenmeier/Voigt, in: FS Meincke, 2015, S. 175, 180; eingehend zum Sachleistungsprinzip BSGE 69, 170, 172 ff.; s. hierzu auch Eberhardt, AcP 171 (1971), 289, 291 f. 156 Katzenmeier/Voigt, in: FS Meincke, 2015, S. 175, 180; Bohmeier/Schmitz-Luhn/Streng, MedR 2011, 704, 705. Zu den Gesamtverträgen s. KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 83 SGB V Rn. 3 ff.; Becker/Kingreen/Scholz, SGB V, § 82 Rn. 8; Krauskopf/Sproll, Soziale Krankenversicherung, § 83 SGB V Rn. 3 ff.; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 8 Rn. 21 ff. 157 Katzenmeier/Voigt, in: FS Meincke, 2015, S. 175, 180; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 8 Rn. 22; Krauskopf/Sproll, Soziale Krankenversicherung, § 83 SGB V Rn. 7 f.; zur historischen Entwicklung der Gesamtverträge Eberhardt, AcP 171 (1971), 289, 294 ff. 158 S. hierzu KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 87b Rn. 3 ff.; Becker/Kingreen/Scholz, SGB V, § 87b Rn. 3 ff.; Hess, in: Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 15 Rn. 124 ff.; Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22 Rn. 29 ff. 159 KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 85 SGB V Rn. 3 ff.; Becker/Kingreen/Scholz, SGB V, § 85 Rn. 3 ff.; Berchtold/Huster/Rehborn/Reuter, Gesundheitsrecht, § 85 SGB V Rn. 7 ff., 32 ff.; Clemens, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 22

D. Einkünfte

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Kassenärztlichen Vereinigungen ab.160 Diese sind verpflichtet, alsbald nach Abschluss eines Quartals Honorarbescheide zu erteilen, wobei grundsätzlich im Voraus monatliche Abschlagszahlungen geleistet werden. 161 Sein tatsächliches Honorar erhält der Arzt erst mehrere Monate nach dem Berechnungszeitraum. 162 2. Abtretung von vertragsärztlichen Honorarforderungen § 91 InsO regelt, dass nach Verfahrenseröffnung grundsätzlich keine Rechte mehr an Gegenständen der Insolvenzmasse erworben werden können. Dies wirft die Frage auf, wie breits vor Verfahrenseröffnung abgetretene vertragsärztliche Honorarforderungen in der Insolvenz des Vertragsarztes zu behandeln sind. Entscheidend für das Schicksal abgetretener vertragsärztlicher Honorarforderungen in der Insolvenz ist nach § 91 Abs. 1 InsO der Zeitpunkt der Entstehung des Honoraranspruchs. Zwar ist grundsätzlich auch die Abtretung künftiger Forderungen möglich, wenn diese im Zeitpunkt der Abtretung hinreichend bestimmbar sind. 163 Vollendet ist der Rechtserwerb jedoch erst mit Entstehung der Forderung. 164 Liegt der Zeitpunkt der Entstehung des Honoraranspruchs demnach vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist die Abtretung wirksam, liegt er nach Verfahrenseröffnung, verhindert § 91 Abs. 1 InsO den Forderungsübergang. 165 Allerdings bereitet die Bestimmung des Entstehungzeitpunkts vertragsärztlicher Honoraransprüche Probleme, da der Arzt nicht vom Patienten vergütet wird, sondern im Rahmen der vertragsärztlichen Honorarverteilung einen Anspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung erhält, die dann in regelmäßigen zeitlichen Abständen Zahlungen an die Ärzte ausschüttet.166 Die anspruchsbegründenden Handlungen sind dabei in der Regel bereits einige Zeit im Vorfeld vorgenommen worden.167

Rn. 29 f.; Katzenmeier/Voigt, in: FS Meincke, 2015, S. 175, 181; Bohmeier/SchmitzLuhn/Streng, MedR 2011, 704, 705. 160 Spickhoff/Nebendahl, Medizinrecht, § 87b SGB V Rn. 25; Kremer/Jürgens, ZInsO 2016, 895; Ries, ZVI 2007, 398, 399. 161 Spickhoff/Nebendahl, Medizinrecht, § 87b SGB V Rn. 26; Kremer/Jürgens, ZInsO 2016, 895, 897; Ries, ZVI 2007, 398, 399. 162 Ries, ZVI 2007, 398, 399; van Zwoll/Mai/Eckardt/Rehborn, Die Arztpraxis in Krise und Insolvenz, Rn. 472. 163 Staudinger/Busche, § 398 Rn. 64; MüKo-BGB/Roth/Kieninger, § 398, Rn. 78; RGRK/Weber, § 398 Rn. 68; Palandt/Grüneberg, § 398, Rn. 11. 164 BGHZ 30, 238, 239 f. = NJW 1959, 1539; BGHZ 88, 205, 206 f. = NJW 1984, 492 = ZIP 1983, 1326; BGH NJW 1995, 1668, 1671 = ZIP 1995, 630, 634; BGH NJW-RR 2010, 192, 193 = ZIP 2009, 2347. S. a. Staudinger/Busche, § 398 Rn. 71; MüKo-BGB/Roth/Kieninger, § 398 Rn. 78; Palandt/Grüneberg, § 398 Rn. 11. 165 Der Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit von Vorausabtretungen ergibt sich aus den §§ 129, 130 ff. InsO und kann vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen. S. hierzu auch OLG Hamm NJW-RR 2017, 619 ff. = MedR 2018, 94 ff. m. Anm. Lauf. Im Folgenden wird auf die anfechtungsrechtlichen Besonderheiten nicht näher eingegangen. 166 S. zur vertragsärztlichen Honorarverteilung oben unter D. II. 1. 167 Ries, ZVI 2007, 398, 399.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

a) Entstehungszeitpunkt des vertragsärztlichen Honoraranspruchs Wie bereits gezeigt, ist für die Behandlung abgetretener Forderungen in der Insolvenz der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung von zentraler Bedeutung.168 Aufgrund der Besonderheiten des vertragsärztlichen Vergütungssystems lässt sich der Entstehungszeitpunkt vertragsärztlicher Honorarforderungen aber nicht ohne weiteres bestimmen. Bei näherer Betrachtung kommen mehrere Zeitpunkte in Betracht. Dies spiegelt sich in der Rechtsprechung von BGH und BSG wider, die bislang von unterschiedlichen Entstehungszeitpunkten ausgingen.169 aa) Zeitpunkt nach Rechtsprechung des BGH Der BGH stellt in seiner Rechtsprechung auf die Erbringung der vergütungsfähigen Leistung ab.170 Der Kassenarzt erbringe ärztliche Leistungen aufgrund eines privatrechtlichen Behandlungsvertrags mit dem Patienten. Sein Vergütungsanspruch richte sich zunächst gegen die Krankenkasse, welche nach Maßgabe des Gesamtvertrages für die vertragsärztliche Versorgung mit befreiender Wirkung eine Gesamtvergütung an die Kassenärztliche Vereinigung zahle.171 Der einzelne Kassenarzt habe keinen im Voraus bestimmten Vergütungsanspruch für seine erbrachten Leistungen, sondern nur einen Anspruch auf Teilnahme an der Honorarverteilung durch die Kassenärztliche Vereinigung. Die gem. § 95 Abs. 1 SGB V erteilte Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung begründe für sich genommen indes noch keinen Anspruch auf Entlohnung. Vielmehr sei Voraussetzung des Vergütungsanspruchs die Erbringung vergütungsfähiger vertragsärztlicher Leistungen. Diese seien Grundlage des endgültigen Honorarbescheids, Abschlagszahlungen, die der Arzt aufgrund satzungsmäßiger Bestimmungen von der Kassenärztlichen Vereinigung erhält, änderten hieran nichts. Das vertragsärztliche Vergütungssystem der §§ 82 ff. SGB V hingegen betreffe lediglich die Abrechnung und somit die Fälligkeit des Anspruchs, habe auf dessen Entstehung aber keinen Einfluss.172 Nach Ansicht des BGH kommt es für die Entstehung des vertragsärztlichen Honoraranspruchs daher ausschließlich auf den Zeitpunkt der Erbringung der abrechenbaren Leistung an, also der Vornahme der Behandlung auf Grundlage eines wirksamen Behandlungsvertrags. 168

S. dazu oben unter D. II. 2. Dass sich sowohl die Sozial- als auch die Zivilgerichte mit dieser Problematik auseinandersetzen müssen, hängt damit zusammen, dass in beiden Rechtsgebieten der Entstehungszeitpunkt vertragsärztlicher Honorarforderungen von Bedeutung sein kann. So ging es im Fall des BGH um die Wirksamkeit einer zur Sicherung erfolgten Vorausabtretung ärztlicher Honoraransprüche (vgl. BGHZ 167, 363 = NJW 2006, 2485 = MedR 2007, 44), das BSG hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Honoraranspruch vor oder nach Freigabe der ärztlichen Praxis durch den Insolvenzverwalter entstanden war, ob dem Arzt also ein Honoraranspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung für einen bestimmten Zeitraum zustand oder nicht (vgl. BSGE 118, 30 = NZI 2015, 620 = ZIP 2015, 1079). 170 BGHZ 167, 363, 366 (Rn. 7) = NJW 2006, 2485, 2486 = MedR 2007, 44, 45, sog. „Kassenarzturteil“. 171 BGHZ 167, 363, 366 (Rn. 7) = NJW 2006, 2485, 2486 = MedR 2007, 44, 45. 172 BGHZ 167, 363, 366 (Rn. 7) = NJW 2006, 2485, 2486 = MedR 2007, 44, 45. 169

D. Einkünfte

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bb) Zeitpunkt nach Rechtsprechung des BSG Nach Ansicht des BSG entsteht der Vergütungsanspruch des Vertragsarztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung dem Grunde nach mit dem Schluss des Quartals, in dem die vergütungsfähige Leistung erbracht wird, und der Vorlage der entsprechenden Abrechnung.173 Höhe und Fälligkeit des Anspruchs hingen zwar noch vom Erlass des Honorarbescheids ab. Mit der Abrechnung der Leistung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung habe der Vertragsarzt jedoch bereits eine dem Anwartschaftsrecht aus einem bedingten Rechtsgeschäft vergleichbare Rechtsposition erlangt. Daher sei davon auszugehen, dass (bereits) in diesem Zeitpunkt das Vertragsarzthonorar „erzielt“ sei.174 Das BSG stellt abweichend vom BGH also nicht auf den Zeitpunkt der Erbringung der abrechenbaren Leistung ab, sondern sieht das Honorar erst als erzielt an, wenn der jeweilige Vertragsarzt die Leistung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet hat. Dies ist regelmäßig mit Abschluss eines Quartals der Fall. cc) Stellungnahme Aufgrund der divergierenden höchstrichterlichen Rechtsprechung hinsichtlich des Zeitpunkts der Entstehung vertragsärztlicher Honoraransprüche bestand längere Zeit eine gewisse Unsicherheit. Zunächst ist festzuhalten, dass es vorliegend allein auf den insolvenzrechtlich relevanten Zeitpunkt der Entstehung des Honoraranspruchs ankommt. Die Ansicht des BGH, wonach ausschließlich die Erbringung einer vergütungsfähigen Leistung durch den Arzt maßgeblich sein soll, trägt zwar der Einordnung des Behandlungsvertrags als privatrechtliches Rechtsverhältnis Rechnung. Allerdings wird die komplexe sozialrechtliche Abrechnungssituation in der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausreichend berücksichtigt. 175 Vertragsärzte rechnen quartalsweise mit der Kassenärztlichen Vereinigung ab. Erst mit Einreichung der Abrechnungsunterlagen ist klar, wie der jeweilige Arzt bei der Honorarverteilung durch die Kassenärztliche Vereinigung zu berücksichtigen ist. Das Abstellen des BGH auf die Vornahme der vergütungsfähigen Handlung ist daher zwar im Rahmen der allgemeinen zivilrechtlichen Dogmatik korrekt, gleichwohl wird außer Acht gelassen, dass das Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung die Vergütungspflicht des gesetzlich versicherten Patienten „überlagert“.176 Unter Zugrundelegung des vertragsärztlichen Honorarsystems kann daher entweder auf den Zeitpunkt der Einreichung der Abrechnung 177 oder auf den Zeit-

173 BSGE 118, 30 (Rn. 32) = NZI 2015, 620, 623 m. Anm. Ahrens = ZIP 2015, 1079, 1082 m. Anm. Kayser; s. auch BSG GesR 2018, 729, 732 (Rn. 21). 174 BSGE 118, 30 (Rn. 32) = NZI 2015, 620, 623 m. Anm. Ahrens = ZIP 2015, 1079, 1082 m. Anm. Kayser. 175 So auch Kremer/Jürgens, ZInsO 2016, 895, 896. 176 BT-Drs. 17/10488, S. 18 f. 177 BSGE 118, 30 (Rn. 31) = NZI 2015, 620, 623 m. Anm. Ahrens = ZIP 2015, 1079, 1082 m. Anm. Kayser.

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punkt des Erlasses des Honorarbescheids178 abgestellt werden.179 Das BSG hat sich insolvenzrechtlich für ersteren Zeitpunkt entschieden und begründet dies damit, dass der Arzt eine gesicherte Rechtsposition erlangt. Um eine dem Anwartschaftsrecht aus einem bedingten Rechtsgeschäft vergleichbare Rechtsposition zu erhalten, darf der Erwerb dieses Rechts nicht mehr einseitig durch die andere Partei verhindert werden können.180 Dies ist mit Eingang der Abrechnungsunterlagen bei der Kassenärztlichen Vereinigung der Fall. Zwar überprüft die Kassenärztliche Vereinigung die Abrechnung des Arztes, dabei wird aber keine zweite Abrechnung vorgenommen, sondern es findet lediglich eine sachlich-rechnerische Berichtigung statt.181 Der Vergütungsanspruch ist somit dem Grunde nach mit der Einreichung der Abrechnung entstanden und kann nicht mehr beseitigt werden. Die Erstarkung zum „Vollrecht“ hängt nur noch vom Erlass des Honorarbescheids ab.182 Die Ansicht des BSG, wonach der Zeitpunkt der Einreichung der Abrechnung bei der Kassenärztlichen Vereinigung maßgeblich sein soll, trägt sowohl der privatrechtlichen Ausgestaltung des Behandlungsvertrags als auch den Besonderheiten des Vertragsarztrechts Rechnung und überzeugt daher. 183 Zudem steht sie im Einklang mit § 140 Abs. 3 InsO,184 wonach es im Falle der Insolvenzanfechtung bei einer bedingten oder befristeten Rechtshandlung auf den Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände und nicht auf den Eintritt der Bedingung oder des Termins ankommt.185 Zur Erreichung einer einheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung auf diesem Gebiet sollte sich der BGH der Rechtsprechung des BSG anschließen. Bestrebungen in diese Richtung sind bereits erkennbar.186 Mit Urteil vom 21.2.2019187 hat der BGH nun ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und sich dem BSG angeschlossen. b) Vorausabtretung vertragsärztlicher Honorarforderungen Häufig hat ein insolventer Vertragsarzt seine gegen die Kassenärztliche Vereinigung bestehenden Honoraransprüche bereits vor Insolvenzeintritt abgetreten, 178

BSGE 105, 224 (Rn. 34 f.) = ZIP 2010, 2309, sog. „konkreter“ Honoraranspruch. Vgl. auch Kremer/Jürgens, ZInsO 2016, 895, 896. 180 Vgl. Larenz, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 13 II. 9., § 25 III. c); Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 20 Rn. 46; Bork, BGB AT, § 29 Rn. 1281; Staudinger/ders., Vor §§ 158–163 Rn. 53. 181 Kremer/Jürgens, ZInsO 2016, 895, 896. 182 So auch Kremer/Jürgens, ZInsO 2016, 895, 896. 183 So auch Kayser, ZIP 2015, 1083 f. Der Rspr. des BSG hat sich inzwischen auch das OLG Hamm NJW-RR 2017, 619 = MedR 2018, 94 m. Anm. Lauf = GesR 2017, 462 angeschlossen. 184 Vgl. Kremer/Jürgens, ZInsO 2016, 895, 896. 185 K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 140 Rn. 35; Uhlenbruck/Borries/Hirte, Insolvenzordnung, § 140 Rn. 39; MüKo-InsO/Kirchhof, § 140 Rn. 50 ff. 186 So spricht sich Kayser, ZIP 2015, 1083 f., der Vorsitzende des u. a. für Insolvenzrecht zuständigen IX. Zivilsenats des BGH, für die Ansicht des BSG aus und bezeichnet die bisherige Ansicht des BGH aus dem „Kassenarzturteil“ (BGHZ 167, 363 = NJW 2006, 2485 = MedR 2007, 44) als nicht „tragend“. 187 BGH, Urt. v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17 = NJW 2019, 1451 = ZIP 2019, 577. 179

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beispielsweise als Sicherheit für den Erhalt eines Darlehens. 188 In diesen Fällen ist fraglich, ob diese Abtretungen wirksam sind. Hiervon hängt ab, ob der Insolvenzverwalter auf die Einkünfte des Arztes zugreifen und sie zur Masse ziehen kann oder nicht. Bei den Einkünften des Arztes ist zwischen dem eigentlichen Honoraranspruch, der quartalsmäßig entsteht,189 und den Abschlagszahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung zu unterscheiden. aa) Abtretung des eigentlichen Honoraranspruchs Zunächst wird der eigentliche Honoraranspruch des Arztes betrachtet. Es stellt sich die Frage, ob vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Abtretungen von Honoraransprüchen wirksam sind. Grundsätzlich sind solche Vorausabtretungen vom Anwendungsbereich des § 91 Abs. 1 InsO erfasst. 190 Demnach können nach Verfahrenseröffnung keine Rechte mehr an Gegenständen der Insolvenzmasse erworben werden. (1) Grundsatz nach § 91 InsO Wurden honoraranspruchsbegründende Handlungen erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen, steht § 91 Abs. 1 InsO grundsätzlich einem Absonderungsrecht, welches bei Sicherungsabtretungen zugunsten des Zessionars allgemein angenommen wird,191 entgegen.192 Zwar ist die Abtretung künftiger Ansprüche bei hinreichender Bestimmbarkeit möglich, 193 der Zessionar wird aber erst mit der Entstehung der abgetretenen Forderung deren Inhaber. 194 Nimmt der Arzt also erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vergütungsfähige Leistungen vor, kann ein Gläubiger grundsätzlich keine Rechte mehr an den daraus entstandenen Honorarforderungen erwerben. Dementsprechend erachtet der BGH die Abtretung von Vergütungsforderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung, soweit sie auf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten ärztlichen Leis-

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S. Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 845 f.; Wegener/Köke, ZVI 2003, 382. S. dazu oben unter a). 190 Uhlenbruck/Mock, Insolvenzordnung, § 91 Rn. 16 ff.; K. Schmidt/Sternal, Insolvenzordnung, § 91 Rn. 31 f.; MüKo-InsO/Breuer, § 91 Rn. 43 ff.; Nerlich/Römermann/Kruth, Insolvenzordnung, § 91 Rn. 19 ff.; Braun/Kroth, Insolvenzordnung, § 91 Rn. 13. 191 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 18.42 ff., 18.45; K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 51 Rn. 11 ff.; Uhlenbruck/Brinkmann, Insolvenzordnung, § 51 Rn. 28 ff.; MüKoInsO/Ganter, § 51 Rn. 136 ff., 209b. 192 Vgl. Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 846; Ries, ZVI 2007, 398, 399; Uhlenbruck/Mock, Insolvenzordnung, § 91 Rn. 19. 193 Vgl. Staudinger/Busche, § 398 Rn. 64; MüKo-BGB/Roth/Kieninger, § 398 Rn. 78; RGRK/Weber, § 398 Rn. 68; Palandt/Grüneberg, § 398 Rn. 11. 194 BGHZ 30, 238, 239 f. = NJW 1959, 1539; BGHZ 88, 205, 206 f. = NJW 1984, 492 = ZIP 1983, 1326; BGH NJW 1995, 1668, 1671 = ZIP 1995, 630, 634; BGH NJW-RR 2010, 192, 193 = ZIP 2009, 2347. S. a. Staudinger/Busche, § 398 Rn. 71; MüKo-BGB/Roth/Kieninger, § 398 Rn. 78; Palandt/Grüneberg, § 398 Rn. 11. 189

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tungen beruhen, als unwirksam. 195 Dies gilt auch, wenn der Insolvenzverwalter die Praxis fortführt.196 Etwas anderes sah lediglich § 114 InsO a. F.197 vor. Eine vor Insolvenzeröffnung vereinbarte Sicherungszession bezüglich Einkünften aus einem Dienstverhältnis wirkte noch zwei Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort. Hier war lange Zeit umstritten, ob die Norm auf ärztliche Honoraransprüche anwendbar ist oder nicht.198 Es ging dabei um die Frage, ob vertragsärztliche Honorarforderungen als „Bezüge aus einem Dienstverhältnis“ i. S. d. § 114 InsO a. F. zu qualifizieren sind. Für den Fall der Bejahung wären vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte Vorausabtretungen von Honoraransprüchen (entgegen § 91 Abs. 1 InsO) noch zwei Jahre ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam gewesen. Erst danach wären die Honorareinkünfte des Arztes Teil der Masse geworden und hätten den Gläubigern zur Befriedigung ihrer Ansprüche zur Verfügung gestanden. Der Gesetzgeber hat § 114 InsO inzwischen (zum 1.7.2014) ersatzlos aufgehoben.199 Dieser Streit hat sich daher nun vollständig erledigt. § 91 Abs. 1 InsO gilt ohne Einschränkungen.200 (2) Schicksal von Vorausabtretungen bei Freigabe der Praxis Anders ist die Situation zu bewerten, wenn der Insolvenzverwalter die Arztpraxis als selbständige Tätigkeit freigegeben hat (§ 35 Abs. 2 InsO). Die Freigabe bewirkt in diesem Fall grundsätzlich die Massefreiheit der im Rahmen der selbständigen Tätigkeit erwirtschafteten Einkünfte. 201 Allerdings hat der Schuldner gem. § 35 Abs. 2 S. 2 InsO i. V. m. § 295 Abs. 2 InsO das fiktiv pfändbare Einkommen, das er bei Eingehung eines angemessenen Dienstverhältnisses erlangt hätte, an die Masse abzuführen,202 wobei Art und Umfang dieser Ausgleichszahlungen durch den Insolvenzverwalter zu konkretisieren sind. 203 Da nach der Freigabe die selbständige Tätigkeit des Schuldners von der Masse getrennt ist, stellt sich die Frage, ob Vorausabtretungen von vertragsärztlichen 195

BGHZ 167, 363 = NJW 2006, 2485 = MedR 2007, 44; BGH NJW-RR 2010, 860 f. = MedR 2010, 713 = ZIP 2010, 587. S. a. Bräuer, InVo 2006, 413, 416; Ries, ZVI 2007, 398, 399; Runkel, ZVI 2007, 45, 51. 196 BGH NJW-RR 2010, 860 = MedR 2010, 713 = ZIP 2010, 587. 197 Aufgehoben zum 1.7.2014 durch Gesetz v. 15.7.2013, BGBl. I, S. 2379. 198 Dafür u. a. Uhlenbruck, ZVI 2002, 49; dagegen schließlich BGHZ 167, 363, 369 ff. (Rn. 13 ff.) = NJW 2006, 2485, 2487 f. = MedR 2007, 44, 46 f. Darstellung der Problematik bei Schildt, Die Insolvenz des Freiberuflers, S. 105 ff.; Grau, Die Insolvenz des selbständigen Freiberuflers aus der Sicht des Verwalters, S. 139 ff.; Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839, 847; ders., ZVI 2007, 45, 50; Wegener/Köke, ZVI 2003, 382, 383 ff. 199 Ausf. zur Aufhebung von § 114 InsO Ahrens, NZI 2014, 529 ff. 200 Uhlenbruck/Mock, Insolvenzordnung, § 91 Rn. 22; Ahrens, NZI 2014, 529, 530 f. 201 Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 99; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 103; BeckOK-InsO/Jilek, § 35 Rn. 68. 202 Vgl. Schönherr, NZI 2013, 643; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 105; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 140; BeckOK-InsO/Jilek, § 35 Rn. 73. 203 Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 105. Zur Bemessung des Anspruchs s. Küpper/Heinze, ZInsO 2009, 1785, 1786 f.

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Honorarforderungen auch bei Freigabe einer Arztpraxis unwirksam sind. Nach Ansicht des BGH sind Vorausabtretungen in diesem Fall wirksam.204 Dies begründet der Senat mit dem Rechtsgedanken von § 185 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB. Infolge Konvaleszenz erweise sich die Vorausabtretung als wirksam. 205 Der Schuldner erlange die Verfügungsbefugnis über die ab Wirksamwerden der Freigabe erwirtschafteten Vergütungsforderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung durch die Freigabe gem. § 35 Abs. 2 S. 1 InsO zurück. Eine Verfügungsbeschränkung sei nämlich nicht gerechtfertigt, sofern das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners betroffen ist. 206 Ab dem Zeitpunkt der Freigabe seien Abtretungen von Vergütungsforderungen daher (ex nunc) als wirksam anzusehen. Die Auffassung des BGH stößt in der Literatur auf Kritik. Es wird konstatiert, dem gesetzgeberischen Ziel des § 35 Abs. 2 InsO, der Förderung des Aufbaus einer neuen wirtschaftlichen Existenz des Schuldners,207 würde widersprochen.208 Denn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Freigabe der selbständigen Tätigkeit dürfte, insbesondere im Falle einer freiberuflichen Tätigkeit, eine Globalzession in der Regel die einzige verbleibende Kreditsicherheit für den Insolvenzschuldner sein.209 Dies erschwere die Weiterführung der Tätigkeit während des Insolvenzverfahrens und danach erheblich. Der Schuldner würde erneut mit seinen alten Gläubigern „wirtschaftlich konfrontiert“ und die Einstellung der selbständigen Tätigkeit könnte dann sinnvoller sein als die Fortführung. 210 Daher wird, zumindest vereinzelt, die Abtretung einer nach Freigabe der Praxis erlangten Forderung gem. § 400 BGB, § 89 Abs. 1 InsO für unwirksam gehalten.211 bb) Abtretung des Anspruchs auf Abschlagszahlungen Vom tatsächlichen Honoraranspruch des Arztes zu unterscheiden sind die Ansprüche auf Abschlagszahlungen, welche die Kassenärztliche Vereinigung in der Regel monatlich an den Arzt leistet. Fraglich ist, wie diese Abschlagszahlungen rechtlich einzuordnen sind und wie sie im Rahmen der Insolvenz, insbesondere im Falle der Abtretung des Anspruchs, zu behandeln sind. (1) Rechtsnatur der Abschlagszahlungen Unklar ist zunächst die Rechtsnatur der Abschlagszahlungen. Diese sind nicht gesetzlich geregelt, finden sich aber in den Honorarverteilungsmaßstäben oder

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BGH NZI 2013, 641 = ZIP 2013, 1181 = ZInsO 2013, 1146. BGH NZI 2013, 641 = ZIP 2013, 1181 = ZInsO 2013, 1146. Krit. ggü. der Begründung des BGH Lüdtke, ZVI 2013, 228 f. S. a. Uhlenbruck/Mock, Insolvenzordnung, § 91 Rn. 20, 81; K. Schmidt/Sternal, Insolvenzordnung, § 91 Rn. 31. 206 BGH NZI 2013, 641, 643 (Rn. 26) = ZIP 2013, 1181 = ZInsO 2013, 1146. 207 Vgl. BT-Drs. 16/3227, S. 17. 208 Münzel, ZInsO 2014, 761, 765 ff.; Pape, WM 2013, 1145, 1150; Schönherr, NZI 2013, 643, 644; Lüdtke, ZVI 2013, 228 f.; darstellend Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1584. 209 Schönherr, NZI 2013, 643, 644. 210 Vgl. Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1584; Schönherr, NZI 2013, 643, 644. 211 Lüdtke, ZVI 2013, 228, 229. 205

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen wieder.212 Das BSG sieht in den Abschlagszahlungen eine „vorzeitige Erfüllung“.213 Dabei zieht es zum einen „den Gedanken des § 140 Abs. 3 InsO“ heran und berücksichtigt andererseits, dass die Kassenärztliche Vereinigung nicht frei darüber entscheiden kann, ob sie entsprechende Abschlagszahlungen leistet. Dazu ist sie typischerweise aufgrund von Honorarverteilungsregelungen oder einer Richtlinie zur Abrechnung verpflichtet.214 Zwar muss sie dem Arzt das eigentliche Honorar zu diesem Zeitpunkt noch nicht zahlen, gem. § 271 Abs. 2 BGB kann sie aber bereits vor Fälligkeit erfüllen. Bei den Abschlagszahlungen handelt es sich folglich um eine vorweggenommene Tilgung des Vergütungsanspruchs. 215 Dies bestätigt auch ein Blick auf die zum Dienstvertragsrecht ergangene Rechtsprechung des BGH.216 Demnach bewirkt eine vorweggenommene Tilgung unmittelbar und ohne Aufrechnung die Erfüllung des erst später entstehenden Lohnanspruchs. 217 So liegt es auch bei den Abschlagszahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung, sie sind bei der Höhe des tatsächlich auszuzahlenden Honorars zu berücksichtigen. Nach Saldierung des Honoraranspruchs mit den Abschlagszahlungen erhält der Arzt entweder eine Zahlung, oder die Kassenärztliche Vereinigung hat einen Rückzahlungsanspruch gegen den Arzt. Diesen kann die Kassenärztliche Vereinigung entweder einfordern oder sie verrechnet den Anspruch mit künftigen Honoraransprüchen des Arztes. Die Abschlagszahlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen an die Vertragsärzte sind daher Leistungen auf bereits verdienten, aber noch nicht fälligen Lohn. Damit entsprechen sie dem dienstvertraglichen Begriff der Abschlagszahlung.218

212 Kremer/Jürgens, ZInsO 2016, 895, 897. S. exemplarisch § 11 Nr. 3) lit. a) (S. 17) des Honorarverteilungsmaßstabs der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein für das dritte Quartal 2018 (abrufbar unter: https://www.kvno.de/downloads/honorar/hvm1803.pdf, zuletzt abgerufen am 19.12.2018). Dort sind die Abschlagszahlungen geregelt. 213 BSGE 118, 30 (Rn. 34) = NZI 2015, 620, 623 f. m. Anm. Ahrens = ZIP 2015, 1079, 1082 f. m. Anm. Kayser. 214 BSGE 105, 224 (Rn. 45) = ZIP 2010, 2309; BSGE 118, 30 (Rn. 34) = NZI 2015, 620, 623 f. m. Anm. Ahrens = ZIP 2015, 1079, 1082 f. m. Anm. Kayser. 215 So auch Kayser, ZIP 2015, 1083, 1084. Kritik am Begriff der „Abschlagszahlung“ üben Kremer/Jürgens, ZInsO 2016, 895, 897. Nach ihrer Ansicht handelt es sich bei den Abschlagszahlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht um solche i. S. d. § 632a BGB, vielmehr um eine Vorauszahlung bzw. Anzahlung. Der Begriff beschreibe eine Teil- oder Anzahlung für eine noch nicht erbrachte Gegenleistung, auf die der Gläubiger der Geldleistung noch keinen Anspruch habe. Zur Begründung führen sie an, dass der Auftraggeber bei den werkvertraglichen Abschlagszahlungen an den Auftragnehmer leiste, um dessen Vorleistungsrisiko zu minimieren und den stattgefundenen Wertzuwachs nach und nach auszugleichen. Ein vergleichbares Vorleistungsrisiko bestehe für Ärzte aber nicht, da das Gesetzliche Krankenversicherungssystem wegen der Mitgliedschaftspflicht „insolvenzsicher“ und die Erfüllung des Honoraranspruchs daher nicht gefährdet sei. 216 BGH, Urt. v. 21. 2. 2013 − IX ZR 69/12 = ZIP 2013, 586; s. a. Kayser, ZIP 2015, 1083, 1084. 217 BGH ZIP 2013, 586 (Rn. 14). S. a. MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 614 Rn. 18; Palandt/Weidenkaff, § 614 Rn. 3. 218 Vgl. MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 614 Rn. 20.

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(2) Wirkung der Abtretung im Rahmen der Insolvenz Entscheidend für die Wirksamkeit von im Voraus abgetretenen Forderungen in der Insolvenz ist der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung, wie der BGH bereits für die Vorausabtretung von vertragsärztlichen Honorarforderungen gegen die Kassenärztliche Vereinigung festgestellt hat.219 Für die insolvenzrechtliche Zuordnung von im Voraus abgetretenen Ansprüchen auf Abschlagszahlungen kommt es nach der Rechtsprechung des BSG, ergangen zur Freigabe einer Arztpraxis nach § 35 Abs. 2 InsO, auf den Zeitpunkt ihrer Zahlung an.220 Grundlage für diesen Zeitpunkt ist die Regelung des Honorarverteilungsmaßstabs oder die Abrechnungsrichtlinie der Kassenärztlichen Vereinigung. Vor Verfahrenseröffnung geleistete Abschlagszahlungen sind damit, sofern der Schuldner den Anspruch auf sie abgetreten hat, nicht Teil der Insolvenzmasse. Anders ist dies hingegen bei Abschlagszahlungen, die zwar bereits vor Verfahrenseröffnung abgetreten, aber erst nach Verfahrenseröffnung an den Schuldner geleistet worden sind. Diese können gem. § 91 Abs. 1 InsO grundsätzlich nicht wirksam abgetreten werden. Alle ab Verfahrenseröffnung an den Arzt geleisteten Abschlagszahlungen sind folglich Teil der Insolvenzmasse, sofern der Insolvenzverwalter die Praxis (als selbständige Tätigkeit des Schuldners) nicht nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO freigegeben hat.221 3. Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung In der Beziehung zwischen Vertragsarzt und Kassenärztlicher Vereinigung können nicht nur Ansprüche des Arztes gegen die Kassenärztliche Vereinigung, sondern unter Umständen auch sog. Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung gegen den Arzt entstehen. Diese können etwa durch unwirtschaftliches Handeln des Arztes oder aufgrund zu viel gezahlten Honorars begründet werden. Hier ist fraglich, welche Qualität diese Forderungen in der Insolvenz des Vertragsarztes haben und ob die Kassenärztliche Vereinigung mit ihren Regressansprüchen gegen Honoraransprüche des Arztes aufrechnen kann. a) Entstehung von Regressansprüchen aa) Regressansprüche wegen unwirtschaftlichen Verhaltens des Arztes Das Wirtschaftlichkeitsgebot gem. § 12 SGB V ist eines der zentralen Grundprinzipien des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung. 222 Danach müssen die

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Vgl. BGHZ 167, 363, 366 (Rn. 6) = NJW 2006, 2485, 2486 = MedR 2007, 44, 45. Näher hierzu unter a) aa) und b) aa) (1). 220 BSGE 118, 30 (Rn. 34) = NZI 2015, 620, 623 f. m. Anm. Ahrens = ZIP 2015, 1079, 1083 m. Anm. Kayser. 221 S. hierzu oben D. II. 2. b) aa) (2). 222 Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 414; Arnade, Kostendruck und Standard, S. 189; von Langsdorff, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 24 Rn. 1; KassKomm/Roters, Sozialversicherungsrecht, § 12 SGB V Rn. 2; Becker/Kingreen/Scholz,

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Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das notwendige Maß nicht überschreiten (vgl. § 12 Abs. 1 S. 1 SGB V). Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 S. 2 SGB V).223 Das Wirtschaftlichkeitsgebot wird speziell für Vertragsärzte noch einmal in § 70 Abs. 1 S. 2 SGB V wiederholt. Dieser Verpflichtung wird durch die in § 106 SGB V normierte Wirtschaftlichkeitsprüfung Nachdruck verliehen, 224 welche durch die sog. gemeinsame Prüfungsstelle, bestehend aus Vertretern von Krankenkasse und Kassenärztlicher Vereinigung (vgl. § 106c Abs. 1 S. 1 u. 2 SGB V), vorgenommen wird.225 Stellt die gemeinsame Prüfungsstelle ein unwirtschaftliches Verhalten des Arztes fest, erhält die Krankenkasse einen Anspruch auf Minderung der Gesamtvergütung gegen die Kassenärztliche Vereinigung, diese kann wiederum beim Vertragsarzt Regress nehmen.226 Ihr steht, nach Erlass eines entsprechenden Regressbescheids,227 ein Rückzahlungsanspruch gegen den Arzt zu. bb) Regressansprüche wegen zu viel gezahlten Honorars Zu Regressansprüchen der Kassenärztlichen Vereinigung kann es auch durch zu hohe monatliche Abschlagszahlungen228 an den Arzt kommen. 229 Stellt sich nach SGB V, § 12 Rn. 1; Bergmann/Pauge/Steinmeyer/Grötschel, Gesamtes Medizinrecht, § 12 SGB V Rn. 1; KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 106 SGB V Rn. 3. 223 Zu den einzelnen Kriterien s. KassKomm/Roters, Sozialversicherungsrecht, § 12 SGB V Rn. 26 ff.; Bergmann/Pauge/Steinmeyer/Grötschel, Gesamtes Medizinrecht, § 12 SGB V Rn. 6 ff.; Überblick bei Arnade, Kostendruck und Standard, S. 190 f. 224 von Langsdorff, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 24 Rn. 1, zu den einzelnen Prüfungsmethoden Rn. 4 ff.; s. hierzu auch Jörg, Das neue Kassenarztrecht, Rn. 426 ff. 225 KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 106c SGB V Rn. 3 f.; BeckOK-Sozialrecht/Wehebrink, § 106c SGB V Rn. 1; Berchtold/Huster/Rehborn/Ossege, Gesundheitsrecht, § 106c SGB V Rn. 1 ff.; Bergmann/Pauge/Steinmeyer/Altmiks, Gesamtes Medizinrecht, § 106c SGB V Rn. 2 ff. Vgl. auch die Kommentierungen zu § 106 SGB V a. F., wo die gemeinsame Prüfungsstelle zuvor geregelt war: Krauskopf/Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 106 SGB V Rn. 68; Bergmann/Pauge/Steinmeyer/Altmiks, Gesamtes Medizinrecht, § 106 aF SGB V Rn. 71 ff. 226 Vgl. Eichenhofer/von Koppenfels-Spies/Wenner/Seifert, SGB V, § 106 Rn. 29. Ausführlich zum Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnungen von Leistungen Goecke, MedR 2002, 442. 227 Die Regressbescheide der Kassenärztlichen Vereinigungen sind Verwaltungsakte, sie können nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber wegen § 87 InsO nicht mehr ggü. dem Arzt festgesetzt werden. Adressat der Bescheide muss der Verwalter sein, sonst sind sie nichtig, vgl. LSG NRW, Beschl. v. 13.4.2011 – L 11 KA 121/10 B ER, L 11 KA 16/11 B ER; SG Marburg, Urt. v. 12.7.2007 – S 12 KA 711/06 (juris-Rn. 29); SG Düsseldorf, ZInsO 2012, 1731 ff.; Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1584. Die Forderungen müssen zur Tabelle angemeldet werden. Vgl. hierzu SG Marburg, Urt. v. 12.7.2007 – S 12 KA 711/06 (juris-Rn. 29); SG Berlin, Urt. v. 14.2.2003 – S 86 KR 2117/00 (juris-Rn. 21); van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 368. Dasselbe galt auch schon unter der Konkursordnung, vgl. BSGE 88, 146 = ZIP 2001, 1159. 228 S. hierzu oben D. II. 2 b) bb) (1).

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Eingang der Abrechnungsunterlagen des Arztes heraus, dass dieser ein zu hohes Honorar erhalten hat, entsteht ein Regressanspruch der Kassenärztlichen Vereinigung in Höhe des überzahlten Honorars. Ist dies der Fall, macht die Kassenärztliche Vereinigung den Regressanspruch in der Regel im Wege der Aufrechnung gegen danach entstandene Honorarforderungen des Arztes geltend. b) Behandlung von Regressansprüchen in der Insolvenz des Vertragsarztes Für die Kassenärztlichen Vereinigungen wie für die Insolvenzverwalter ist vor allem die Frage von Bedeutung, ob die Kassenärztliche Vereinigung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit wirksam entstandenen Regressforderungen gegen Honorarforderungen des Arztes aufrechnen kann. Hierfür wäre zunächst erforderlich, dass es sich bei den Regressforderungen der Kassenärztlichen Vereinigung um Masseverbindlichkeiten i. S. v. § 55 InsO handelt. Ist dies nicht der Fall, sind sie als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden. Nach der Rechtsprechung des BSG 230 besteht insofern ein Unterschied zwischen den verschiedenen Arten von Regressforderungen. So seien Regressforderungen aufgrund überzahlten Honorars, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch die Fortführung der Praxis entstanden sind, Masseverbindlichkeiten. Denn sie seien untrennbar mit der Teilnahme an der vertragsärztlichen Honorarverteilung verbunden und entstünden damit automatisch durch das Verhalten des Insolvenzverwalters, auch ohne dass dieser die Begründung einer Verbindlichkeit bezweckt habe.231 Fordere die Kassenärztliche Vereinigung hingegen Regress wegen unwirtschaftlichen Verhaltens des Arztes, etwa aufgrund der Überschreitung von Richtgrößen bei der Verschreibung von Arzneimitteln, begründe dies keine Masseverbindlichkeit.232 Denn der Regress werde weder „durch Handlungen des Insolvenzverwalters“ (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO), noch in anderer Weise durch die Verwaltung der Masse (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) begründet. Eine Aufrechnung ist daher allenfalls mit nach Verfahrenseröffnung entstandenen Regressforderungen wegen überzahlten vertragsärztlichen Honorars möglich. Grundsätzlich liegen die Voraussetzungen für eine Aufrechnung (§ 387 BGB) vor. Die Honorarforderung des Arztes (Hauptforderung) und die Regressforderung der Kassenärztlichen Vereinigung (Gegenforderung) sind gleichartig i. S. v. § 387 BGB, da sie jeweils auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet sind.233 Die Hauptforderung muss auch erfüllbar sein.234 Erfüllbarkeit bezeichnet den Zeitpunkt, ab

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So in einem Fall, den das BSG im Jahr 2011 zu entscheiden hatte, BSG MedR 2012, 476 = ZIP 2011, 1972. 230 S. BSG MedR 2016, 154 = ZIP 2015, 2087. 231 BSG MedR 2016, 154, 155 (Rn. 21) = ZIP 2015, 2087. 232 BSG MedR 2016, 154, 155 (Rn. 20 f.) = ZIP 2015, 2087. 233 BSG MedR 2012, 343, 344; 2012, 476, 477 = ZIP 2011, 1972 ff. 234 Staudinger/Gursky, § 387 Rn. 116; MüKo-BGB/Schlüter, § 387 Rn. 38; Jauernig/Stürner, BGB, § 387 Rn. 8; Palandt/Grüneberg, § 387 Rn. 12; Larenz, Schuldrecht I, § 18 VI. 4; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 310.

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dem der Schuldner leisten darf. 235 Vertragsärztliche Honorarforderungen sind mit ihrer Konkretisierung nach Abschluss und Abrechnung des jeweiligen Quartals erfüllbar.236 Eine Aufrechnung durch die Kassenärztliche Vereinigung ist dann grundsätzlich möglich. In der Insolvenz des Vertragsarztes steht dem jedoch § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen. Nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn die Hauptforderung und damit die Aufrechnungslage erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist.237 Entsteht der Honoraranspruch des Arztes also erst nach Verfahrenseröffnung, verhindert § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Aufrechnung. Auch § 95 Abs. 1 S. 1 InsO (der § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO grundsätzlich vorgeht)238 ändert daran nichts. Danach kann, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig sind oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet sind, die Aufrechnung erst erfolgen, wenn ihre Voraussetzungen eingetreten sind. Damit wird eine „Aufrechnungsanwartschaft“, also das schutzwürdige Vertrauen auf den Eintritt einer Aufrechnungslage geschützt.239 Das setzt jedoch voraus, dass beide Forderungen bereits bei Verfahrenseröffnung im rechtlichen Kern begründet waren.240 Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn gegen Honoraransprüche des Arztes aufgerechnet werden soll, die erst nach Verfahrenseröffnung entstanden sind. Nach Ansicht des BSG stellt diese Situation auch keine unzumutbare Gefährdung des Sicherstellungsauftrags dar. Dass die aus überhöhten Abschlagszahlungen resultierende Erstattungsforderung der Kassenärztlichen Vereinigung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch in Höhe der Insolvenzquote erfüllt wird, sei unvermeidliche Folge der gesetzlichen Regelung. Es gebe keinen rechtlichen Ansatz dafür, die Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber anderen Insolvenzgläubigern dadurch zu privilegieren, dass ihnen gestattet wird, überhöhte Abschlagszahlungen ungeachtet der zwischenzeitlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Wege der Aufrechnung gegen neu entstandene Honorarforderungen auszugleichen.241 Vielmehr sei es keine Besonderheit des Vertragsarztrechts, dass die insolvenzbedingten Forderungsausfälle von der Gesamtheit der Mitglieder (Vertragsärzte) zu tragen sind, denn auch die Forderungsausfälle, die etwa Sozial-

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MüKo-BGB/Krüger, § 271 Rn. 3; Jauernig/Stadler, BGB, § 271 Rn. 3; Palandt/Grüneberg, § 271 Rn. 1; Larenz, Schuldrecht I, § 14 V; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 176. 236 BSG MedR 2012, 343, 344; 2012, 476, 477 = ZIP 2011, 1972 ff. 237 BSG MedR 2012, 476, 477 f.; K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 96 Rn. 5; Kübler/Prütting/Bork/Lüke, Insolvenzordnung, § 96 Rn. 10; Uhlenbruck/Sinz, Insolvenzordnung, § 96 Rn. 4; MüKo-InsO/Brandes/Lohmann, § 96 Rn. 6. 238 BGHZ 160, 1, 3 = NJW-RR 2004, 1561, 1562; BGH NJW-RR 2005, 487; K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 95 Rn. 1; Uhlenbruck/Sinz, Insolvenzordnung, § 95 Rn. 3; MüKo-InsO/Brandes/Lohmann, § 95 Rn. 5. 239 Vgl. BSG MedR 2012, 343, 345; 2012, 476, 478 = ZIP 2011, 1972 ff.; K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 95 Rn. 1; MüKo-InsO/Brandes/Lohmann, § 95 Rn. 2. 240 BSG MedR 2012, 343, 345; 2012, 476, 478 = ZIP 2011, 1972 ff.; K. Schmidt/Thole, Insolvenzordnung, § 95 Rn. 1. 241 BSG MedR 2012, 343, 345; 2012, 476, 478 = ZIP 2011, 1972 ff.

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versicherungsträgern infolge der Insolvenz eines Beitragszahlers entstünden, seien letztlich von allen Beitragszahlern zu tragen. 242 Es bleibt festzuhalten, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG, eine Aufrechnung der Kassenärztlichen Vereinigung mit Regressforderungen gegen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene vertragsärztliche Honorarforderungen gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht möglich ist. § 95 Abs. 1 S. 1 InsO ist nicht anwendbar, denn nach dieser Norm müssen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beide Forderungen bereits im rechtlichen Kern begründet gewesen sein. Daran fehlt es bei vertragsärztlichen Honoraransprüchen, die erst nach Verfahrenseröffnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden.243

III. Einkünfte aus privatärztlicher Tätigkeit Auch privatärztliche Honorarforderungen sind pfändbar und damit Teil der Insolvenzmasse.244 Grundsätzlich sind privat- und vertragsärztliche Einkünfte in der Insolvenz des Arztes gleich zu behandeln, faktische Unterschiede ergeben sich gleichwohl aus der Verschiedenheit der Vergütungssysteme.245 1. Privatärztliche Vergütung Gemäß § 630a Abs. 1 BGB wird der Privatpatient durch den Abschluss eines Behandlungsvertrags mit dem Arzt zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, unabhängig davon, ob er für den Fall der medizinischen Behandlung versichert ist und von einem Versicherer den gezahlten Betrag erstattet erhält. 246 Üblicherweise wird eine Vergütung jedoch nicht ausdrücklich vereinbart, dann besteht die Entgeltpflicht des Patienten aufgrund des gem. § 630b BGB anwendbaren § 612 Abs. 1 BGB.247 Die Höhe des Honorars ergibt sich aus der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), die zwingendes Recht ist.248 Eine Abbedingung ist daher nicht möglich, gleichwohl kann durch eine Honorarabrede von der Höhe der

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BSG MedR 2012, 476, 478 f. = ZIP 2011, 1972 ff. BSG MedR 2012, 343. Die Honorarforderungen entstehen nämlich erst mit der Einreichung der Abrechnung bei der Kassenärztlichen Vereinigung, s. hierzu oben D. II. 2. a). 244 BGHZ 162, 187 = NJW 2005, 1505 = MedR 2005, 467. 245 S. allg. zu den Unterschieden zwischen der Privaten und der Gesetzlichen Krankenversicherung Kalis, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 42 Rn. 7 f. 246 BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 123; NK-BGB/Voigt, § 630a Rn. 19; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 75 Rn. 1; vgl. auch MüKo-BGB/Wagner, § 630a Rn. 15. 247 BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 124; MüKo-BGB/Wagner, § 630a Rn. 55; Jauernig/Mansel, BGB, § 630a Rn. 11; NK-BGB/Voigt, § 630a Rn. 19; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 44; vgl. hierzu auch BT-Drs. 17/10488, S. 20. 248 BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 124; MüKo-BGB/Wagner, § 630a Rn. 55; NKBGB/Voigt, § 630b Rn. 5; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 44; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 75 Rn. 1. Für Zahnärzte bemisst sich das Honorar nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). 243

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

Vergütung abgewichen werden (§ 2 Abs. 1 GOÄ).249 Die GOÄ gilt für sämtliche ärztliche Leistungen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (vgl. § 1 Abs. 1 GOÄ). Anders als beim gesetzlich versicherten Patienten erhält der Arzt seine Vergütung also direkt vom Privatpatienten. Dieser ist Schuldner des Vergütungsanspruchs aus § 630a Abs. 1 BGB. 2. Übertragbarkeit der Rechtsprechung zur Abtretung vertragsärztlicher Honoraransprüche Aufgrund der oben beschriebenen Unterschiede zwischen den vertrags- und privatärztlichen Vergütungssystemen stellt sich die Frage nach der Übertragbarkeit der von der Rechtsprechung zur Behandlung abgetretener vertragsärztlicher Honorarforderungen in der Insolvenz aufgestellten Grundsätze auf abgetretene privatärztliche Honorarforderungen. a) Zeitpunkt der Entstehung privatärztlicher Honoraransprüche Bei der Feststellung des Entstehungszeitpunkts privatärztlicher Honorarforderungen kann, anders als bei vertragsärztlichen Honorarforderungen, nicht auf die Abrechnung gegenüber der Krankenkasse des Patienten bzw. der Kassenärztlichen Vereinigung abgestellt werden. Vielmehr rechnet der Arzt direkt mit dem Patienten ab.250 Nach dem allgemeinen Grundsatz, dass der Anspruch auf Vergütung für geleistete Dienste nicht vor der Dienstleistung entsteht,251 fällt der Entstehungszeitpunkt des privatärztlichen Honoraranspruchs mit dem Zeitpunkt der Erbringung der vergütungsfähigen Leistung durch den Arzt zusammen. Einer Konkretisierung durch die Abrechnung, wie es bei vertragsärztlichen Honorarforderungen der Fall ist, bedarf es nicht. Denn bereits mit Erbringung der Dienstleistung entsteht ein konkreter, bestimmbarer Anspruch auf die Gegenleistung (Vergütung) des Patienten. Die Fälligkeit des Honoraranspruchs tritt allerdings, abweichend von der dienstvertragsrechtlichen Grundsatzregel des § 614 S. 1 BGB,252 nicht mit der Verrichtung der Dienste ein, also der Vornahme der Behandlung, sondern gem. § 12 Abs. 1 GOÄ erst wenn dem Patienten eine den Anforderungen der GOÄ entsprechende Rechnung erteilt worden ist. 253 Dies ändert jedoch nichts am insol249 BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 131; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 47; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 75 Rn. 3; D. Prütting/Hübner, Medizinrecht, § 2 GOÄ Rn. 2; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, § 2 GOÄ Rn. 2. 250 BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 123; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 43; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 75 Rn. 31. 251 RGZ 142, 291, 295; BGH ZIP 1997, 513 f.; BGHZ 167, 363, 366 (Rn. 7) = NJW 2006, 2485, 2486 = MedR 2007, 44, 45; BGH ZIP 2013, 1181 (Rn. 19). 252 S. hierzu Staudinger/Richardi/Fischinger, § 614 Rn. 1; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 614 Rn. 1; Jauernig/Mansel, BGB, § 614 Rn. 1; ErfK/Preis, § 614 BGB Rn. 1. 253 BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 134; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 50; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 75 Rn. 13; s. a.

D. Einkünfte

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venzrechtlichen Entstehungszeitpunkt der Honorarforderung, 254 es kommt allein darauf an, ob eine nach der GOÄ abrechenbare Leistung erbracht wurde. 255 Die durch die Rechnungsstellung begründete Fälligkeit ist daher für die Frage nach dem Schicksal im Voraus abgetretener (privat-)ärztlicher Honorarforderungen in der Insolvenz des Arztes nicht von Bedeutung. b) Das Schicksal abgetretener privatärztlicher Honoraransprüche in der Insolvenz Bei der Übertragung der Rechtsprechung zur Behandlung abgetretener vertragsärztlicher Honoraransprüche in der Insolvenz des Arztes ist zu berücksichtigen, dass der Zeitpunkt der Entstehung vertragsärztlicher Honoraransprüche von denen privatärztlicher Honorarforderungen abweicht. Es gilt der von § 91 Abs. 1 InsO festgelegte Grundsatz, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Rechte mehr an Gegenständen der Insolvenzmasse erworben werden können, Honoraransprüche also ab Verfahrenseröffnung nicht mehr abgetreten werden können. Für vertragsärztliche Honorarforderungen bedeutet dies, dass sowohl die Abtretung als auch die Abrechnung des abgetretenen Anspruchs vor Verfahrenseröffnung liegen müssen, damit die Abtretung in der Insolvenz Bestand hat. Privatärztliche Honorarforderungen entstehen aber, wie gezeigt, bereits mit Vornahme der Behandlung. Es ist daher für eine in der Insolvenz des Arztes wirksame Abtretung ausreichend, dass die Abtretung des Honoraranspruchs und die Vornahme der Behandlung, die den im Voraus abgetretenen Honoraranspruch entstehen lässt, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen. Vorausabtretungen von Ansprüchen, die aus Behandlungen von Patienten resultieren, die nach Verfahrenseröffnung vorgenommen wurden, sind in der Insolvenz des Arztes indes nicht wirksam.256 MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 614 Rn. 9; D. Prütting/Kiesecker, Medizinrecht, § 12 GOÄ Rn. 2 ff.; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, § 12 GOÄ Rn. 1. 254 Der BGH hat für den Fall vertragsärztlicher Honoraransprüche festgestellt, dass Regelungen hinsichtlich der Fälligkeit „keinen Einfluß“ auf die Entstehung des Anspruchs haben, BGHZ 167, 363, 366 (Rn. 7) = NJW 2006, 2485, 2486 = MedR 2007, 44, 45; s. a. BGH NJW 2019, 1451, 1454 (Rn. 31). 255 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 51. Zu beachten ist allerdings, dass für Fragen des Verjährungsbeginns privatärztlicher Honorarforderungen auf die Fälligkeit und damit auf die Erstellung der Rechnung (§ 12 Abs. 1 GOÄ) abzustellen ist, vgl. Narr, MedR 1986, 74, 75; Clausen, MedR 2000, 129 ff.; Miebach, in: Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, § 12 GOÄ Rn. 11; LG Frankfurt NJW-RR 1997, 1080; a. A. Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 75 Rn. 13. Dies liegt daran, dass, hinsichtlich der Verjährung eines Anspruchs, dieser erst im Zeitpunkt seiner Fälligkeit als entstanden i. S. v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB anzusehen ist, BGHZ 53, 222, 225 = NJW 1970, 938; BGHZ 113, 188, 193 = NJW 1991, 836 f.; BGH ZIP 2001, 611, 613 (st. Rspr.); s. a. MüKo-BGB/Grothe, § 199 Rn. 4; Staudinger/Peters/Jacoby, § 199 Rn. 5; Jauernig/Mansel, BGB, § 199 Rn. 2; Palandt/Ellenberger, § 199 Rn. 3. 256 Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 29; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 7.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

Festzuhalten bleibt, dass der Entstehungszeitpunkt des jeweiligen (vertragsoder privatärztlichen) Honoraranspruchs über die Wirksamkeit der Abtretung des Anspruchs in der Insolvenz entscheidet. Aufgrund der unterschiedlichen Entstehungszeitpunkte von vertrags- und privatärztlichen Honorarforderungen ergeben sich daher Unterschiede auch hinsichtlich der Wirksamkeit der Abtretungen in der Insolvenz. Während Abtretungen privatärztlicher Honorarforderungen wirksam sind, sofern die Abtretung und die Vornahme der Behandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen, ist die Abtretung vertragsärztlicher Honoraransprüche nur wirksam, wenn zusätzlich auch die Abrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. 3. Liquidation von Honorarforderungen durch Verrechnungsstellen Ein Sonderproblem stellt bei privatärztlichen Honorarforderungen die Liquidation durch Verrechnungsstellen257 dar. Aufgrund des immer komplexer werdenden Behandlungsalltags treten Ärzte ihre Honoraransprüche aus der Behandlung privatversicherter Patienten häufig an Verrechnungsstellen ab.258 Solche Abtretungen sind AGB-rechtlich grundsätzlich zulässig.259 Wirksam sind sie aber nur, wenn der Patient im Voraus ausdrücklich eingewilligt hat. 260 Tritt der Arzt die Honorarforderung ohne die Einwilligung des Patienten an eine Verrechnungsstelle ab, ist die Abtretung wegen Verstoßes gegen § 203 StGB gem. § 134 BGB nichtig.261 Denn die zur Abrechnung benötigten Patientendaten unter257

Unter den Begriff der Verrechnungsstelle werden hier sowohl privatärztliche Verrechnungsstellen als auch gewerbliche Inkassobüros gefasst. Diese Unternehmen stehen Ärzten zur Verfügung, wenn sie externe Stellen mit der Abrechnung betrauen wollen. S. hierzu Hasenbein, Einziehung privatärztlicher Honorarforderungen durch Inkassounternehmen, S. 6 ff. 258 Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1585; Buchner, MedR 2013, 337, 340; Gramberg-Danielsen/Kern, NJW 1998, 2708. Privatärztliche Verrechnungsstellen existieren allerdings seit fast 100 Jahren, erst in jüngerer Vergangenheit erfolgte indes eine erhebliche Einschränkung der „Arbeitsgrundlage“ von Verrechnungsstellen und Inkassobüros, die im privatärztlichen Verrechnungswesen tätig sind, vgl. Fischer/Uthoff, MedR 1996, 115. 259 BGH NJW 2014, 141 = MedR 2014, 491 m. Anm. Buchner = VersR 2014, 1220. 260 BGHZ 115, 123, 126 ff. = NJW 1991, 2955, 2956 f. = MedR 1991, 327, 328 f. m. Anm. Taupitz; BGH NJW 2014, 141, 142 (Rn. 9) = MedR 2014, 491, 492 m. Anm. Buchner = VersR 2014, 1220; Jauernig/Mansel, BGB, § 630a Rn. 12; Taupitz, ArztR 1992, 141 f.; Buchner, MedR 2013, 337, 340; Gramberg-Danielsen/Kern, NJW 1998, 2708, 2710; hierzu Hasenbein, Einziehung privatärztlicher Honorarforderungen durch Inkassounternehmen, S. 37 ff., 40 f.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 50; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 75 Rn. 20. Bis zum 25.5.2018 musste die Einwilligung wegen § 4a Abs. 1 S. 3 BDSG (alt) zwingend schriftlich erfolgen. Nach Inkrafttreten der DS-GVO ist eine ausdr. Einwilligung ausreichend, s. hierzu im 5. Kap. unter C. II. 2. b) bb). 261 BGHZ 115, 123, 124 ff. = NJW 1991, 2955, 2956 f. = MedR 1991, 327, 328 f. m. Anm. Taupitz; BGH NJW 1996, 775 = VersR 1996, 461; BGH NJW 2014, 141, 142 (Rn. 9) = MedR 2014, 491, 492 m. Anm. Buchner = VersR 2014, 1220; Jauernig/Mansel, BGB, § 630a Rn. 12; Fischer/Uthoff, MedR 1996, 115, 118; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 75 Rn. 20. Ausf. hierzu Hasenbein, Einziehung privatärztlicher Honorarforderungen durch Inkassounternehmen, S. 55 ff.

D. Einkünfte

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liegen der ärztlichen Schweigepflicht, sie geben häufig über „intimste Dinge des Patienten“ Auskunft.262 Die unbefugte Weitergabe stellt daher einen Bruch der Schweigepflicht dar und ist nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrt.263

IV. Pfändungsschutz nach § 36 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO Ärztliche Honoraransprüche sind grundsätzlich pfändbar,264 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird das Einkommen des Arztes daher als Neuerwerb Teil der Insolvenzmasse, § 35 Abs. 1 InsO. Zum Schutze der Existenz des Schuldners muss diesem aber ein Teil seines Einkommens belassen werden, von dem er menschenwürdig leben kann. Dies folgt aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip); dem Schuldner muss ein Existenzminimum verbleiben.265 Neben dem Schutz vor der Pfändung bestimmter Gegenstände, etwa solcher, die der Schuldner zur Berufsausübung benötigt (s. hierzu unter A. II.), ist auch das Arbeitseinkommen des Schuldners bis zu einer bestimmten Grenze vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt, vgl. § 36 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO. 1. Der Begriff des Arbeitseinkommens i. S. v. § 850 ZPO Eine allgemeine Definition des Begriffs „Arbeitseinkommen“ existiert nicht. Auch § 850 Abs. 1 ZPO spricht unbestimmt vom Arbeitseinkommen des Schuldners, Absatz 2 der Norm konkretisiert den Begriff aber und gibt an, dass darunter „Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten, Arbeits- und Dienstlöhne, Ruhegelder und ähnliche nach dem einstweiligen oder dauernden Ausscheiden aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gewährte fortlaufende Einkünfte, ferner Hinterbliebenenbezüge sowie sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in

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BGHZ 115, 123, 128 = NJW 1991, 2955, 2957 = MedR 1991, 327, 329 m. Anm. Taupitz; krit. zur BGH-Rspr. aus heutiger Sicht Giesen, NStZ 2012, 122 ff. S. a. AG Neuss NJW 1990, 2937, 2938. 263 Hierzu ausführlich im 5. Kap. B. I. 2. und C. II. 2. b) (Übergabe der Patientenkartei beim Praxisverkauf). 264 BGHZ 96, 324, 326 ff. = NJW 1986, 2362 f. = MedR 1987, 44 m. Anm. Uhlenbruck; BGHZ 162, 187, 191 ff. = NJW 2005, 1505, 1506 = MedR 2005, 467, 468 = ZIP 2005, 722, 723 f.; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 26; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 7; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 438, 387; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 91; s. a. Diepold, MDR 1993, 835 f. An dieser Stelle sei klargestellt, dass die (oben beschriebene) Nichtigkeit der Abtretung von Honorarforderungen an Verrechnungsstellen nicht zur Unübertragbarkeit und damit auch nicht zur Unpfändbarkeit (vertrags-)ärztlicher Honorarforderungen nach § 851 Abs. 1 ZPO führt, sodass hieraus nicht abgeleitet werden kann, dass ärztliche Honorarforderungen generell nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen und damit auch nicht zur Insolvenzmasse gehören (§ 36 Abs. 1 S. 1 InsO). S. hierzu Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 24 f.; Schildt, Die Insolvenz des Freiberuflers, S. 64 ff., 75. 265 BGHZ 161, 371 = NJW 2005, 681, 682; BGH FamRZ 2004, 1717; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 850 Rn. 3; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, § 850 Rn. 1; Zöller/Herget, ZPO, § 850 Rn. 1.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

Anspruch nehmen“ zu verstehen sind. Nach herrschender Ansicht ist der Begriff des Arbeitseinkommens grundsätzlich weit auszulegen.266 Es existieren dennoch Grenzen. So werden von § 850 Abs. 2 ZPO nur fortlaufende Bezüge erfasst.267 Dies ergibt sich aus der Zusammenschau mit § 850i ZPO, welcher explizit auch nicht wiederkehrende Bezüge nennt. Diese werden indes nicht automatisch geschützt (wie dies bei § 850 ZPO der Fall ist), sondern nur auf Antrag des Schuldners.268 2. Differenzierung zwischen vertrags- und privatärztlichem Honorar Auch mit Blick auf die Definition des Arbeitseinkommens ist hinsichtlich der Art des ärztlichen Honorars zu unterscheiden. Ärztliche Honorare können durch die Erbringung privat- oder vertragsärztlicher Leistungen entstehen. Wichtig ist dabei insbesondere, ob es sich um fortlaufende Bezüge handelt oder nicht. a) Privatärztliche Honorare Privatärztliche Leistungen werden gegenüber Patienten erbracht, die jeweils selbst zur Entrichtung der Vergütung verpflichtet sind (§ 630a Abs. 1 BGB). Die Ansprüche des Arztes gegen seine Privatpatienten sind in der Regel nicht als fortlaufend zu qualifizieren. Privatärztliche Honorare sind daher, wie generell bei Freiberuflern, nicht von § 850 ZPO geschützt. Sie werden aber von § 850i ZPO als „nicht wiederkehrende zahlbare Vergütung“ erfasst.269 Um den Pfändungsschutz nach § 850i ZPO zu erlangen, muss der Schuldner indes einen Antrag stellen. Tut er dies nicht, ist sein gesamtes Einkommen pfändbar. Zusätzlich steht es ihm offen, einen Antrag nach § 850f ZPO zu stellen, um einen Teil des pfändbaren Einkommens einbehalten zu können. b) Vertragsärztliche Honorare Vertragsärztliche Leistungen hingegen werden dem Arzt, auch wenn er unterschiedliche Patienten behandelt, einheitlich von der Kassenärztlichen Vereinigung vergütet. Hier erhält der Vertragsarzt fortlaufende Zahlungen, die zwar in der Höhe schwanken können, dem Grunde nach aber durch die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entstehen und turnusmäßig wiederkehren. Vertragsärztliche Honoraransprüche sollen daher dem Pfändungsschutz nach § 850 ZPO unter-

266 Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 850 Rn. 38; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, § 850 Rn. 19 m. w. N. 267 Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 850 Rn. 39; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, § 850 Rn. 19; Zöller/Herget, ZPO, § 850 Rn. 9; Ahrens, NJW-Spezial 2011, 341; Grau, Die Insolvenz des selbständigen Freiberuflers aus der Sicht des Verwalters, S. 45. 268 Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 850 Rn. 39; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, § 850 Rn. 13; Zöller/Herget, ZPO, § 850i Rn. 1; Musielak/Voit/Becker, ZPO, § 850i Rn. 4. 269 BGH NJW 2008, 227, 229; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 850i Rn. 4; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, § 850i Rn. 6; MüKo-ZPO/Smid, § 850i Rn. 8; Zöller/Herget, ZPO, § 850i Rn. 1.

D. Einkünfte

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fallen.270 Davon ist zumindest dann auszugehen, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit mengenmäßig den größten Teil der ärztlichen Tätigkeit ausmacht. 271 Die Höhe des Pfändungsfreibetrages richtet sich bei vertragsärztlichen Honoraren nach § 850c ZPO. Nicht anwendbar ist § 850a Nr. 3 ZPO, wonach Aufwandsentschädigungen unpfändbar sind.272 Denn diese Norm passt nicht zum Wesen des vertragsärztlichen Honoraranspruchs, der sich nicht in einzelne Posten aufteilen lässt. 273 Deshalb scheidet auch eine analoge Anwendung der Norm aus.274 3. Pfändungsschutz bei ärztlichen Kooperationen Zu beachten ist, dass die Pfändungsschutzregeln nach allgemeiner Ansicht nur natürlichen Personen zugutekommen.275 Wird die insolvente Praxis von einem Arzt als natürliche Person geführt, sind die Pfändungsschutzregelungen wie oben erläutert anwendbar. Arztpraxen können aber auch als Personengesellschaft (z. B. GbR) oder als juristische Person (z. B. GmbH) organisiert sein. Dies wiederum ist abhängig von der berufsrechtlichen Kooperationsform. 276 Je nach Art der Kooperationsform wird das Honorar direkt an den behandelnden Arzt oder aber an die Praxis ausgezahlt.277 Letzteres ist beim Vorliegen einer Berufsausübungsgemeinschaft der Fall.278 In diesen Fällen greift der Pfändungsschutz nach § 36 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO grundsätzlich nicht und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Personengesellschaft oder eine juristische Person handelt, da jedenfalls keine natürliche Person vorliegt. Dies führte dazu, dass Ärzte, die ihren Beruf kooperativ in einer Gesellschaft ausüben, keinen Pfändungsschutz hinsichtlich ihres Einkommens erhielten. Der Grundsatz, dass nur natürliche Personen von den Pfändungsschutzregeln erfasst sind, gilt aber nicht uneingeschränkt. So sollen juristische Personen jedenfalls dann erfasst sein, wenn die Einkünfte der Gesellschaft tatsächlich auf der Arbeitsleistung ihrer Mitglieder beruhen.279 Denn Sinn und Zweck der Pfändungs270

BGHZ 96, 324, 327 f. = NJW 1986, 2362 f. = MedR 1987, 44 m. Anm. Uhlenbruck; OLG Nürnberg MedR 2003, 52, 53; Uhlenbruck, ZVI 2002, 49, 52; Grau, Die Insolvenz des selbständigen Freiberuflers aus der Sicht des Verwalters, S. 45; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 850 Rn. 70; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, § 850 Rn. 39. S. a. BGHZ 167, 363, 372 f. = NJW 2006, 2485, 2488 = MedR 2007, 44. 271 Grau, Die Insolvenz des selbständigen Freiberuflers aus der Sicht des Verwalters, S. 45. 272 BGHZ 96, 324, 329 ff. = NJW 1986, 2362 f. = MedR 1987, 44 m. Anm. Uhlenbruck. 273 BGHZ 96, 324, 330 f. = NJW 1986, 2362 f. = MedR 1987, 44, 46 m. Anm. Uhlenbruck. 274 BGHZ 96, 324, 331 = NJW 1986, 2362 f. = MedR 1987, 44, 46 m. Anm. Uhlenbruck. 275 Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 850 Rn. 44, 51; MüKo-ZPO/Smid, § 850 Rn. 12; Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, § 850 Rn. 11. 276 S. zu den Kooperations- und Rechtsformen von Arztpraxen das 1. Kap. 277 Dies ist sowohl bei privat- als auch bei vertragsärztlicher Tätigkeit der Fall. 278 Vgl. Ehmann, MedR 1994, 141, 145; Halbe/Rothfuß, in: Halbe/Schirmer, Handbuch Kooperationen im Gesundheitswesen, A 1100, Rn. 9. 279 Vgl. Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 850 Rn. 16, der über § 765a ZPO die §§ 850 ff. ZPO auf juristische Personen entspr. anwendet, wenn die Einkünfte der juristischen Person

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

schutzregelungen zum Arbeitseinkommen ist die Sicherstellung des Existenzminimums des Schuldners.280 Hierbei kann es letztlich nicht darauf ankommen, in welcher Rechtsform die Tätigkeit ausgeübt wird. Dies ist gerade bei Ärzten evident, denn diese erbringen ihre Arbeitsleistung stets persönlich, unabhängig davon, in welcher Rechts- oder Kooperationsform sie tätig werden. Auch die Einkünfte von Ärztegesellschaften unterfallen daher in der Regel den Pfändungsschutzvorschriften der § 36 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO. 4. Ergebnis Ärztliche Honorare sind als Arbeitseinkommen des Arztes grundsätzlich vom Pfändungsschutz des § 36 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO erfasst. Es ergeben sich jedoch Unterschiede zwischen vertrags- und privatärztlichen Honoraransprüchen. Während vertragsärztlich erzielte Honorare als wiederkehrende Bezüge i. S. v. § 850 ZPO anzusehen sind, wenn sie den überwiegenden Teil der ärztlichen Leistungen ausmachen, ist dies bei privatärztlichen Honoraren nicht der Fall. Diese sind als nicht wiederkehrende Vergütung von § 850i ZPO erfasst. Der Pfändungsschutz wird in diesem Fall nur auf Antrag gewährt. Hierin liegt der wichtigste Unterschied zum Schutz nach § 850 ZPO, der automatisch erfolgt. Weiterhin ist zu beachten, dass grundsätzlich nur natürliche Personen geschützt werden. Wird das Honorar an die Praxis selbst, also die sie betreibende Gesellschaft, ausgezahlt, so greift § 36 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO nicht. Eine Ausnahme wird aber bei Personengesellschaften und juristischen Personen gemacht, deren Einkünfte auf der Arbeitsleistung ihrer Mitglieder beruhen, wie dies bei Arztpraxen regelmäßig der Fall ist. Dann wird Pfändungsschutz hinsichtlich der Einnahmen der Gesellschaft gewährt. Nur der pfändbare Teil der Einkünfte ist daher Teil der Insolvenzmasse.

E. Die Arbeitskraft des Arztes E. Die Arbeitskraft des Arztes

Ebenfalls von einiger Bedeutung für Gläubiger und Insolvenzverwalter ist die Frage, ob die Arbeitskraft des Arztes als solche Teil der Insolvenzmasse ist, der Arzt also verpflichtet ist, seine Arbeitskraft zugunsten der Masse einzusetzen. Eine solche Pflicht könnte sich aus § 97 Abs. 2 InsO ergeben, wonach der Schuldner den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen hat. Die Vorschrift, deren Einhaltung mit den Mitteln des § 98 InsO erzwungen werden kann, sieht eine aktive Mitwirkung des Schuldners vor. 281 Nach dem weiten Wortlaut der Norm könnte der Schuldner daher auch zum Einsatz seiner auf der Arbeitsleistung ihrer Mitglieder beruhen. Gleiches muss auch für Personengesellschaften gelten. 280 BGHZ 161, 371 = NJW 2005, 681, 682; BGH FamRZ 2004, 1717; Wieczorek/Schütze/Lüke, ZPO, § 850 Rn. 3; Stein/Jonas/Würdinger, ZPO, § 850 Rn. 1; Zöller/Herget, ZPO, § 850 Rn. 1. 281 Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 97 Rn. 16; MüKo-InsO/Stephan, § 97 Rn. 30; Nerlich/Römermann/Kruth, Insolvenzordnung, § 97 Rn. 13; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 27 f.; Grub, Kölner Schrift zur InsO, S. 491, 509 f. (Rn. 63).

E. Die Arbeitskraft des Arztes

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Arbeitskraft gezwungen werden.282 Dennoch ist ganz überwiegend anerkannt, dass die Arbeitskraft des Schuldners an sich nicht Teil der Insolvenzmasse ist.283 Dieser muss also weder eine lukrative Erwerbstätigkeit fortsetzen, noch zugunsten der Gläubiger eine solche aufnehmen.284 Grund dafür ist, wie bereits das Reichsgericht festgestellt hat, dass eine Arbeitspflicht des Schuldners „zu einer Art modernen Schuldknechtschaft“ führen würde.285 Dem aber steht das Persönlichkeitsrecht des Schuldners286 und das von Art. 12 Abs. 2 GG geschützte Recht, dass niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden kann,287 entgegen. § 97 Abs. 2 InsO verpflichtet demnach nur zu einer punktuellen Mitwirkung des Schuldners bei der Erfüllung der Aufgaben des Verwalters, die zeitlich angemessen sein muss.288 Die Grenze ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalles. Auch aus § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO ergibt sich keine allgemeine Arbeitspflicht des Schuldners im Insolvenzverfahren. Folge eines Verstoßes gegen die in § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO normierten Obliegenheiten289 ist, dass die Restschuldbefreiung gem. § 296 Abs. 1 S. 1 InsO versagt werden kann. Eine Arbeitspflicht kann aus der Norm folglich nicht hergeleitet werden.290 Obgleich die Arbeitskraft des Schuldners selbst nicht in die Insolvenzmasse fällt, wird das daraus erzielte pfändbare Einkommen Teil der Masse und steht den Gläubigern zur gemeinschaftlichen Befriedigung zur Verfügung.291 Ärztliche 282

Grub, Kölner Schrift zur InsO, S. 491, 509 f.; Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 97 Rn. 16. 283 RGZ 69, 63; 70, 226, 230; BGH WM IV B 64, 114, 115 (Urt. v. 27.11.1963 – VIII ZR 278/62); BGH NJW 1987, 1268, 1269; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.07, 20.58; Grub, Kölner Schrift zur InsO, S. 491, 509 ff., 511 (Rn. 62, 65); Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 16; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 436; Klopp/Kluth/Wimmer, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 26 Rn. 11; Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 97 Rn. 16; MüKo-InsO/Stephan, § 97 Rn. 33; K. Schmidt/Jungmann, Insolvenzordnung, § 97 Rn. 20; Nerlich/Römermann/Nerlich, Insolvenzordnung, § 129 Rn. 92; Uhlenbruck/Hirte/Ede, § 129 Rn. 419; MüKo-AnfG/Kirchhof, § 1 Rn. 83; Haertlein, in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, § 1 AnfG Rn. 18; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 93; Küpper/Heinze, ZInsO 2009, 1785. 284 OLG Düsseldorf NJW 1982, 1712, 1713 = ZIP 1982, 720 f.; Gerhardt, in: FS Gaul, 1997, S. 139, 141; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 436; Uhlenbruck/Borries/Hirte, Insolvenzordnung, § 129 Rn. 419; Nerlich/Römermann/Nerlich, Insolvenzordnung, § 129 Rn. 92; MüKo-AnfG/Kirchhof, § 1 Rn. 83. 285 RGZ 70, 226, 230. 286 OLG Düsseldorf NJW 1982, 1712, 1713 = ZIP 1982, 720 f. 287 Maunz/Dürig/Scholz, GG-Kommentar, Art. 12 Rn. 7 f.; Dreier/Wieland, GG-Kommentar, Art. 12 Rn. 54; Bugger, Der Selbständige in der Insolvenz, S. 84; Küpper/Heinze, ZInsO 2009, 1785. 288 Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 97 Rn. 16; MüKo-InsO/Stephan, § 97 Rn. 33; K. Schmidt/Jungmann, Insolvenzordnung, § 97 Rn. 20; Braun/Kroth, Insolvenzordnung, § 97 Rn. 12; Grub, Kölner Schrift zur InsO, S. 491, 511 (Rn. 65). 289 Näher zum Begriff der Obliegenheit Uhlenbruck/Sternal, Insolvenzordnung, § 295 Rn. 5; MüKo-InsO/Ehricke, § 295 Rn. 11. 290 So auch Kühne, Die Insolvenz des selbständig tätigen Schuldners, S. 25 f.; MüKoInsO/Stephan, § 97 Rn. 33. 291 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.07 ff.; Klopp/Kluth/Wimmer, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 26 Rn. 11; MüKo-AnfG/Kirchhof, § 1 Rn. 83 f.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

Honorarforderungen sind daher, gleich welchen Ursprungs, vom Insolvenzbeschlag erfasst.292

F. Die Freigabe der ärztlichen Praxis F. Die Freigabe der ärztlichen Praxis

Im Rahmen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Selbständigen treten besondere Probleme im Zusammenhang mit der Insolvenzmasse auf. Dies hängt auch damit zusammen, dass dem Schuldner wegen Art. 12 GG eine selbständige Tätigkeit während des Insolvenzverfahrens nicht untersagt werden kann.293 Übt er eine solche Tätigkeit aus, kann dies aber ein Risiko für die Masse darstellen, da sie für Verbindlichkeiten aus der Tätigkeit haftet.294 Eine Möglichkeit, mit der selbständigen Tätigkeit des Schuldners im Insolvenzverfahren umzugehen, ist die insolvenzrechtliche Freigabe der Tätigkeit. Auch im Zusammenhang mit der Insolvenz von Arztpraxen ist die Freigabe von Interesse für Insolvenzverwalter, Gläubiger und Schuldner. Erklärt der Insolvenzverwalter die Freigabe, so wird ein Teil des Schuldnervermögens aus der Insolvenzmasse herausgenommen. Mit der Freigabe gehen allerdings neben Chancen auch Risiken für Gläubiger und Schuldner einher. Ist die selbständige Tätigkeit des Schuldners freigegeben worden, entgehen der Masse etwa (mögliche) Gewinne. Zu beachten ist, dass oberstes Verfahrensziel stets die Befriedigung der Gläubiger bleibt.295 Dieses Ziel darf auch durch eine Freigabe nicht gefährdet werden.

I. Begriff und Arten der Freigabe Als Freigabe im insolvenzrechtlichen Sinn wird allgemein die Überführung von dem Insolvenzbeschlag unterliegenden massezugehörigen Rechten in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners verstanden. 296 Zu unterscheiden ist zwischen echter und unechter Freigabe sowie der Freigabe der (gesamten) selbständigen Tätigkeit des Schuldners nach § 35 Abs. 2 InsO, die von besonderem Interesse bei der Insolvenz von Arztpraxen sein kann.

292

Hierzu ausf. unter D. Sternal, NZI 2006, 185, 189; Andres, NZI 2006, 198; Holzer, ZVI 2007, 289; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 90; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 47b; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 52. 294 Sternal, NZI 2006, 185, 189; Holzer, ZVI 2007, 289; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 90; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 47b; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 49. 295 Vgl. Ahrens, NZI 2007, 622, 623; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 97. 296 Weber, JZ 1963, 223; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 13.14; Haberzettl, NZI 2017, 474. 293

F. Die Freigabe der ärztlichen Praxis

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1. Echte und unechte Freigabe a) Echte Freigabe Die echte Freigabe bewirkt die Rückgabe einzelner, dem Insolvenzbeschlag unterliegender Gegenstände in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners. 297 Das Rechtsinstitut der Freigabe war bereits unter Geltung der Konkursordnung allgemein anerkannt, allerdings ohne ausdrückliche Regelung im Gesetz. 298 Die Insolvenzordnung setzt die echte Freigabe in § 32 Abs. 3 S. 1 voraus.299 Die Freigabeerklärung erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Insolvenzverwalters gegenüber dem Schuldner, sie bedarf keiner besonderen Form und kann auch konkludent erfolgen. 300 Da Gegenstände aus der Masse in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners übergehen, bewirkt die Freigabeerklärung eine Änderung der Rechtslage. Die Erklärung kann daher nicht ohne weiteres zurückgenommen werden. Insbesondere ist ein Widerruf der Freigabeerklärung nicht möglich.301 Folge der echten Freigabe und damit der Rückführung einzelner Vermögensgegenstände in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners ist die Wiedererlangung der Verfügungsbefugnis durch den Schuldner. 302 Ein Erwerb neuen Vermögens ist darin nicht zu sehen, denn der Schuldner bleibt auch während des Verfahrens Inhaber der Massegegenstände. 303 Er darf jedoch nicht mehr über sie verfügen. Dies wird durch die Freigabe rückgängig gemacht, der Schuldner ist wieder alleinverfügungsbefugt. Für die Masse bedeutet dies, dass sie Vermögensgegenstände verliert. Eine Verwertung der freigegebenen Gegenstände zugunsten der Gläubiger ist nicht mehr möglich.304 Gleichzeitig kann die Masse durch das freigegebene Vermögen auch nicht mehr verpflichtet und Masseverbindlichkeiten 297

Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 71; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 85; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 13; Weber, JZ 1963, 223; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 13.14; Haberzettl, NZI 2017, 474. 298 Vgl. Jaeger/Henckel/Henckel, Konkursordnung, § 6 KO Rn. 17 ff.; Uhlenbruck, KTS 2004, 275, 278; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 71; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 84; s. a. BGHZ 163, 32, 34 = NJW 2005, 2015, 2016 = ZIP 2005, 1034. Zur Wirkung der Freigabe s. BGHZ 35, 180 ff. = NJW 1961, 1528. 299 BGHZ 163, 32, 34 = NJW 2005, 2015, 2016 = ZIP 2005, 1034; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 71; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 84; Haberzettl, NZI 2017, 474. 300 BGHZ 127, 156, 163 = NJW 1994, 3232 = ZIP 1994, 1700; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 13.15; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 73; MüKoInsO/Peters, § 35 Rn. 100; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 53; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 8 f. 301 Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 73; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 100; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 134; s. a. RGZ 60, 107, 109. 302 Uhlenbruck, KTS 2004, 275, 278; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 82; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 85; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 137; Nerlich/Römermann/Andres, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 51. 303 Uhlenbruck, KTS 2004, 275, 278; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 82; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 115; Nerlich/Römermann/Andres, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 49; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 14. 304 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 13.18; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 103.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

können nicht länger begründet werden. 305 Die Freigabe kann daher auch zum Schutz der Masse erfolgen.306 Insolvenzverwalter werden sich zu einer echten Freigabe regelmäßig nur entschließen, wenn die Kosten der Verwaltung und Verwertung voraussichtlich den Verwertungserlös übersteigen werden oder die Gegenstände unverwertbar sind.307 b) Unechte Freigabe Die unechte Freigabe betrifft eine gänzlich andere Situation als diejenige der echten Freigabe. Es handelt sich um die Herausgabe von massefremden Gegenständen durch den Insolvenzverwalter.308 Es geht folglich nicht um eine Schmälerung der Masse, sondern um die Herausgabe von Gegenständen, die nie Teil der Masse waren, etwa weil an ihnen ein Aussonderungsrecht besteht.309 Die unechte Freigabe hat daher rein deklaratorische Wirkung,310 eine Änderung der Rechtslage wird nicht herbeigeführt. 2. Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO Durch die in § 35 Abs. 2 S. 1 InsO normierte Möglichkeit der Freigabe der gesamten selbständigen Tätigkeit des Schuldners wird diesem die Möglichkeit eröffnet, seine wirtschaftliche Existenz zu sichern, indem er seine Tätigkeit auf eigene Rechnung und nicht zugunsten der Insolvenzmasse fortführt oder aufnimmt. 311 Die Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners ist keine echte Freigabe im zuvor genannten Sinne, da nicht nur einzelne Gegenstände, sondern das gesamte der selbständigen Tätigkeit des Schuldners gewidmete Vermögen als Inbegriff von Rechten und Pflichten freigegeben wird. 312 Dazu gehören auch die damit zusam-

305

Bereits begründete Verbindlichkeiten bleiben jedoch bestehen, vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 13.19; Uhlenbruck, KTS 2004, 275, 278, 288. 306 Bspw. um eine Belastung der Masse mit Realsteuern (z. B. Grundsteuern) zu vermeiden. S. hierzu allg. MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 90 ff.; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 52, 55. 307 Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 74; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 85; Nerlich/Römermann/Andres, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 51; vgl. auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 13.18; Smid, DZWIR 2008, 133, 135 f.; Sternal, NZI 2006, 185, 189. 308 Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 85; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 86; Haberzettl, NZI 2017, 474. 309 Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 85; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 86; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 18; Haberzettl, NZI 2017, 474. 310 Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 85; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 86; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 18; Haberzettl, NZI 2017, 474. 311 Vgl. Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 90; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 49. S. zur Auswirkung der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO auf Arbeitsverhältnisse Hergenröder, DZWIR 2013, 251 ff.; Bugger, Der Selbständige in der Insolvenz, S. 141 ff. 312 BT-Drs. 16/3227, S. 17 („…der ‚echten‘ Freigabe ähnlichen Erklärung…“); BGH NJW 2019, 1451, 1453 (Rn. 20); Ahrens, NZI 2007, 622, 624; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 91; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 47b f.; K. Schmidt/Büteröwe,

F. Die Freigabe der ärztlichen Praxis

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menhängenden Vertragsverhältnisse. 313 Die Freigabeerklärung hat der Insolvenzverwalter gegenüber dem Schuldner vorzunehmen, sie ist grundsätzlich formfrei möglich.314 Dem Gericht ist die Freigabe anzuzeigen, dieses gibt sie dann öffentlich bekannt, vgl. § 35 Abs. 3 S. 1, 2 InsO. Der Inhalt der Erklärung kann positiv oder negativ sein, also entweder die Zugehörigkeit oder die Nichtzugehörigkeit der selbständigen Tätigkeit zur Masse beinhalten. § 35 Abs. 2 S. 1 InsO verlangt in jedem Fall eine Erklärung des Insolvenzverwalters über die Freigabe oder Nichtfreigabe der selbständigen Tätigkeit.315 a) Positiverklärung Die Positiverklärung hat rein deklaratorische Wirkung. 316 Denn die Aussage, dass das Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit des Schuldners zur Insolvenzmasse gehört, bestätigt lediglich den gesetzlich durch § 35 Abs. 1 InsO ohnehin festgelegten Zustand nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, fällt doch grundsätzlich das gesamte Vermögen des Schuldners nebst Neuerwerb in die Insolvenzmasse. Die Positiverklärung kann dadurch allenfalls klarstellenden Charakter haben und Unsicherheiten hinsichtlich einer etwaigen Freigabe beseitigen.317 b) Negativerklärung Die Negativerklärung hingegen entfaltet konstitutive rechtliche Wirkungen, Folge ist die Überführung des mit der selbständigen Tätigkeit des Schuldners verbundenen Vermögens in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners. 318 Damit wird das „rechtliche Band“ zwischen dem Vermögen aus der selbständigen Tätigkeit und der Insolvenzmasse zerschnitten.319 Dieses Vermögen haftet den Insolvenzgläubigern nicht mehr. Der Neuerwerb des Schuldners aus der selbständigen Tätigkeit ist massefrei. Gleichzeitig wird eine Verminderung der Masse durch die selbständige Tätigkeit des Schuldners vermieden, fortan entstehende Verbindlichkeiten sind

Insolvenzordnung, § 35 Rn. 53. Näher zum Begriff der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO Smid, DZWIR 2008, 133 f. 313 BT-Drs. 16/3227, S. 17; BGH NJW 2019, 1451, 1453 (Rn. 20); Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 91; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 47f; s. hierzu auch K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 56; Haberzettl, NZI 2017, 474, 478. 314 Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 93 f.; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 53; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 135; Holzer, ZVI 2007, 289, 293. 315 Vgl. BT-Drs. 16/4194, S. 14; Pape, NZI 2007, 481; Ahrens, NZI 2007, 622, 623; Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 697. 316 Vgl. auch Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 697; Holzer, ZVI 2007, 289, 292. 317 Vgl. BT-Drs. 16/3227, S. 17; so auch Holzer, ZVI 2007, 289, 292; Bugger, Der Selbständige in der Insolvenz, S. 168. 318 Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 99; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 47c; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 137 ff.; Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 697. 319 So Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 697.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

keine Masseverbindlichkeiten.320 Der Masse steht gegen den Schuldner außerdem ein Ausgleichsanspruch nach § 295 Abs. 2 InsO321 zu, vgl. § 35 Abs. 2 S. 2 InsO.322 Der Schuldner muss die Gläubiger durch Zahlungen so stellen, als wäre er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen (§ 295 Abs. 2 InsO). Es handelt sich um eine einklagbare und (in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners) vollstreckbare Leistungspflicht.323 Die Gläubiger müssen die Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners nicht zwangsläufig hinnehmen, Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung können die Anordnung der Unwirksamkeit der Negativerklärung durch das Insolvenzgericht beantragen, wenn sie nicht einverstanden sind.324

II. Freigabe bei der Insolvenz von Personengesellschaften und juristischen Personen Bereits unter Geltung der Konkursordnung war umstritten, ob auch bei der Insolvenz von juristischen Personen und Personengesellschaften einzelne Vermögensgegenstände aus der Insolvenzmasse freigegeben werden können.325 Diese Diskussion, die inzwischen um die Möglichkeit der Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO erweitert worden ist, konnte bis heute nicht beendet werden. 1. Streitstand Nach einer Ansicht326 ist eine Freigabe bei juristischen Personen und Personengesellschaften generell nicht möglich, weil Gesellschaften im Insolvenzverfahren

320

Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 99; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 47b; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 52; Ahrens, NZI 2007, 622, 626. 321 Zwischenzeitlich wurde aufgrund eines Redaktionsversehens auf § 295 Abs. 3 InsO verwiesen, dabei war stets § 295 Abs. 2 InsO gemeint, s. hierzu Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 105. Zur Bemessung des Anspruchs s. Küpper/Heinze, ZInsO 2009, 1785, 1786 f. 322 Ein Verweis auf die Regelung des § 295 Abs. 2 InsO hatte im Regierungsentwurf zu § 35 Abs. 2 InsO noch gefehlt, zur Kritik und dem Vorschlag einer entsprechenden Anwendung von § 295 Abs. 2 InsO s. Andres/Pape, NZI 2005, 141, 144 ff., 146 ff. 323 BGH NJW-RR 2014, 617 = NZI 2014, 461; Andres, NZI 2006, 198, 200; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 105; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 140. Zurückhaltender Küpper/Heinze, ZInsO 2009, 1785, 1787. 324 BT-Drs. 16/3227, S. 17; Pape, NZI 2007, 481 f.; Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 698; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 106; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 47m; K. Schmidt/Büteröwe, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 58; Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 142. 325 Vgl. Weber, JZ 1963, 223 f.; K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015, 1021 f.; Ahrens, NZI 2007, 622, 624; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 72 m. w. N. 326 Weber, JZ 1963, 223 f.; K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1916 f.; ders./Schulz, ZIP 1982, 1015, 1016 ff.; Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 697; Holzer, ZVI 2007, 289, 291; s. a. Ahrens, NZI 2007, 622, 624.

F. Die Freigabe der ärztlichen Praxis

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grundsätzlich vollabgewickelt würden,327 sie also nach dem Verfahren nicht mehr existierten. Sie könnten daher auch nicht über insolvenzfreies Vermögen verfügen.328 Diese Argumentation kann gleichermaßen für die echte Freigabe wie für die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO herangezogen werden. In beiden Fällen kann der Schuldner das freigegebene Vermögen nicht mehr nutzen, da er mit Abschluss des Verfahrens gar nicht mehr existierte. Trifft diese Ansicht zu, stünde dies der Möglichkeit der Freigabe entgegen. Nach der Rechtsprechung329 und der herrschenden Auffassung in der Litera330 muss es jedoch nicht zwingend zu einer Vollabwicklung von juristischen tur Personen und Personengesellschaften im Insolvenzverfahren kommen. Dagegen spreche etwa, dass der entsprechende Passus im Gesetzesentwurf331 zur InsO, nach dem das Insolvenzverfahren zwingend an die Stelle der gesellschafts- oder organisationsrechtlichen Abwicklung treten sollte, gestrichen wurde. Dies zeige, dass eine Vollabwicklung nicht zwingend sei, eine solche jedenfalls nach der Absicht des Gesetzgebers nicht auf Kosten der Gläubiger vorgenommen werden solle.332 Zwar sei davon auszugehen, dass im Regelfall auf eine nachträgliche gesellschaftsrechtliche Liquidation verzichtet werden könne, die Gesellschaft also im Insolvenzverfahren mitabgewickelt werde, im Falle der Freigabe von Massegegenständen handele es sich aber um eine Ausnahme von diesem Grundsatz.333 Hauptzweck des Insolvenzverfahrens bleibe überdies die Befriedigung der Gläubiger, daher müsse die Vollbeendigung der Gesellschaft jedenfalls dort zurücktreten, wo sie im Widerspruch zu den Interessen der Gläubiger stehe.334 Diese müssten folglich auf eine Verwertung von Gegenständen, die mehr Kosten verursachten, als sie einbringen, verzichten können.335 Speziell gegen die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO bei juristischen Personen und Personengesellschaften wird zudem der Wort327 Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 11 ff., 429 f.; K. Schmidt, ZGR 1998, 633, 635 ff.; s. a. Weber, JZ 1963, 223, der betont, dass die „juristische Person (…) im Konkurs (…) ‚stirbt‘“. Darstellung bei MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 104 ff. 328 So Weber, JZ 1963, 223 f.; K. Schmidt, ZIP 2000, 1913, 1916 f.; ders./Schulz, ZIP 1982, 1015, 1016 ff.; s. a. Ahrens, NZI 2007, 622, 624. 329 BGHZ 163, 32, 34 ff. = NJW 2005, 2015, 2016 = ZIP 2005, 1034; BGHZ 148, 252, 258 ff. = NJW 2001, 2966, 2967 = ZIP 2001, 1469; BGH NJW 1996, 2035, 2036 = ZIP 1996, 842, 844. 330 MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 109 ff.; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 72; Nerlich/Römermann/Andres, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 58; BeckOK-InsO/Jilek, § 35 Rn. 60; Haberzettl, NZI 2017, 474, 476; Uhlenbruck, KTS 2004, 275, 284 f.; ders., in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 22 Rn. 12; a. A. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 11 ff., 429 f. 331 BT-Drs. 12/2443, S. 10 (§ 1 Abs. 2 S. 3 RegE-InsO). 332 MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 109; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung § 35 Rn. 72; Haberzettl, NZI 2017, 474, 476. 333 MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 109 ff., 112; Haberzettl, NZI 2017, 474, 476. 334 BGHZ 163, 32, 35 f. = NJW 2005, 2015, 2016 = ZIP 2005, 1034; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 72; a. A. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 19 ff., 429 f. 335 BGHZ 163, 32, 36 = NJW 2005, 2015, 2016 = ZIP 2005, 1034; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 114.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

laut des Gesetzes angeführt. Eine „selbständige Tätigkeit“ könne nur durch natürliche Personen ausgeübt werden.336 Diesem Argument wird indes entgegnet, die „selbständige Tätigkeit“ i. S. v. § 35 Abs. 2 S. 1 InsO knüpfe nicht an die Person des Schuldners, sondern an die Art der Tätigkeit an, sodass letztlich alle Insolvenzsubjekte eine selbständige Tätigkeit ausüben könnten.337 2. Stellungnahme Zwar ist es richtig, dass Personengesellschaften und juristische Personen durch das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen in der Regel vollbeendet werden, sie mangels Existenz nach dem Insolvenzverfahren also über kein Vermögen mehr verfügen können. Gleichwohl ist dem BGH und der herrschenden Ansicht in der Literatur zuzustimmen, dass es der Hauptzweck des Insolvenzverfahrens – die Befriedigung der Gläubiger (§ 1 S. 1 InsO) – gebietet, dass eine Freigabe auch im Verfahren über das Vermögen von Personengesellschaften und juristischen Personen möglich ist. Eine Gefährdung der Belange der Gläubiger durch die Verwirklichung „ordnungspolitischer Ziele“, also die zwangsläufige Abwicklung von Gesellschaften im Insolvenzverfahren, würde eine Verfehlung des eigentlichen Verfahrenszwecks bedeuten.338 Überdies kann die Durchführung eines Insolvenzverfahrens auch zu einer Sanierung der juristischen Person oder der Personengesellschaft führen,339 sodass ihre Existenz erhalten bleibt. Der Erhalt von Unternehmen ist ein explizites Ziel des Insolvenzverfahrens nach der InsO (vgl. § 1 S. 1 a. E. InsO). Insofern besteht auch ein Unterschied zur früheren Rechtslage. Unternehmen sind aber selbst keine Subjekte im Insolvenzverfahren, sondern die dahinterstehenden natürlichen und juristischen Personen oder Personengesellschaften (vgl. § 11 InsO), sodass es möglich sein muss, auch diese über das Insolvenzverfahren hinaus zu erhalten. Auch hier sprechen die Belange der Gläubiger und der Zweck des Insolvenzverfahrens schließlich entscheidend für die Möglichkeit der Freigabe bei juristischen Personen und Personengesellschaften. Wenn die Tätigkeit rentabel ist und die Gläubiger durch die Zahlungen des Schuldners (vgl. § 295 Abs. 2 InsO) besser gestellt werden als bei einer Liquidation der Gesellschaft, muss die Freigabe zur Erreichung des Zwecks des § 1 S. 1 InsO möglich sein. Dies gilt für die echte Freigabe wie für die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO. Beides ist daher im Ergebnis bei juristischen Personen und Personengesellschaften ebenso möglich wie bei natürlichen Personen. 340

336

Holzer, ZVI 2007, 289, 291; Kübler/Prütting/Bork/ders., Insolvenzordnung, § 35 Rn. 107. 337 Heinze, ZVI 2007, 349, 351. 338 MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 106. 339 S. hierzu Rattunde, ZIP 2003, 2103 ff. („Sanierung durch Insolvenz“). 340 So im Ergebnis auch Heinze, ZVI 2007, 349, 351.

F. Die Freigabe der ärztlichen Praxis

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III. Bedeutung der Freigabe bei der Insolvenz von Arztpraxen Insbesondere die Möglichkeit der Freigabe des gesamten Praxisbetriebs als Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Schuldners i. S. v. § 35 Abs. 2 S. 1 InsO ist von Interesse für die Beteiligten.341 Die ärztliche Tätigkeit kann dann außerhalb des Insolvenzverfahrens und frei von jeglicher Einflussnahme des Insolvenzverwalters weitergeführt werden. Damit können Konflikte mit dem ärztlichen Berufsund Standesrecht vermieden werden, die entstehen, wenn der Insolvenzverwalter die Praxis verwaltet oder anderweitig Einfluss auf die Tätigkeit des Arztes nimmt.342 Gleichzeitig stellt die Freigabe auch ein Risiko dar. Zum einen für die Gläubiger, weil sie einen wichtigen Teil der Masse verlieren – bei guter Profitabilität der Praxis entgeht ihnen der Gewinn –, zum anderen für den Schuldner, weil er für alle aus der selbständigen Tätigkeit entstehenden Verbindlichkeiten wieder in vollem Umfang haftet.343 Da in der Praxis – wie bereits erwähnt – häufig bemängelt wird, dass bei der Liquidation von Arztpraxen nur geringe Werte zusammenkommen,344 kann die Freigabe, trotz damit einhergehender Entlassung der Arztpraxis aus der Masse, für die Gläubiger attraktiv sein. Denn der Schuldner hat das fiktiv pfändbare Einkommen, welches er nach seiner beruflichen Qualifikation aufgrund Ausbildung und Erfahrung in einem angemessenen Dienst- oder Arbeitsverhältnis verdienen würde, an die Masse abzuführen (vgl. § 35 Abs. 2 S. 2 InsO i. V. m. § 295 Abs. 2 InsO).345 Dadurch kommt, bei Rentabilität der Praxis, ein sicherer Zufluss in die Masse, der den Liquidationserlös übersteigen kann. Die Masse profitiert damit zwar nicht vom wirtschaftlichen Erfolg des Schuldners (also vom über ein fiktives Einkommen hinausgehenden Gewinn), partizipiert aber auch nicht an dem Risiko.346 Somit kann die Freigabe für die Gläubiger, aber auch für den Schuldner, der eigenständig seine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und diese auch nach Beendigung des Insolvenzverfahrens weiterführen kann, von Vorteil sein. Die Prognose über die Wirtschaftlichkeit der Praxis und die Vor- und Nachteile der Freigabe gegenüber anderen Verwertungsformen hat der Insolvenzverwalter zu treffen. Für diesen ist die Freigabe ebenfalls nicht risikolos, haftet er den Beteiligten doch ggf. auf Schadensersatz nach § 60 InsO.347 Andererseits kann sich die 341

Vgl. auch Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 95; Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1583; van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 365 f.; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 101 ff. S. a. BGH ZIP 2018, 543 = NZI 2018, 275. 342 S. hierzu das 4. Kap. 343 S. hierzu BGH ZIP 2018, 543 f. = NZI 2018, 275, 276. 344 Vgl. Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839 f.; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 93; Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 773 (Rn. 6); Bange, ZInsO 2006, 362; HKAKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 56; van Zwoll/Mai/Eckardt/Rehborn, Die Arztpraxis in Krise und Insolvenz, Rn. 401. 345 Vgl. van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 366; s. hierzu auch Küpper/Heinze, ZInsO 2009, 1785, 1786 f. 346 van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 366. 347 Vgl. Uhlenbruck, KTS 2004, 275, 290; Holzer, ZVI 2007, 289, 291; Nerlich/Römermann/Rein, Insolvenzordnung, § 60 Rn. 53 ff.

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3. Kap.: Die Arztpraxis als Teil der Insolvenzmasse

Freigabemöglichkeit sogar zur Pflicht konkretisieren, wenn dadurch eine Schädigung der Masse verhindert wird oder erheblich größere Werte für die Masse zusammenkommen als bei einer anderweitigen Verwertung. Unstrittig ist, dass jedenfalls eine Einzelpraxis, also eine durch einen einzelnen Arzt als natürliche Person geführte Praxis, freigegeben werden kann.348 Auch wenn nach wie vor umstritten ist, ob eine Freigabe auch bei Personengesellschaften und juristischen Personen erfolgen kann, ist aufgrund der vom BGH anerkannten Möglichkeit eines insolvenzfreien Vermögens von Personengesellschaften und juristischen Personen sowie der möglichen Vorteile hinsichtlich der Befriedigung der Gläubiger davon auszugehen, dass die Freigabe grundsätzlich möglich ist.349 Das muss auch für die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO gelten, denn die zuvor genannten Argumente des BGH greifen hier ebenfalls.350 Somit kann die Freigabe im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Arztpraxen ein wichtiges Instrument für Insolvenzverwalter sein. Inwiefern es sich bei der Freigabe auch um ein probates Mittel zur Sanierung insolventer Arztpraxen handelt, wird im 6. Kapitel untersucht. 351

348

Vgl. dazu oben unter F. II. BGHZ 163, 32, 34 ff. = NJW 2005, 2015, 2016 = ZIP 2005, 1034; BGHZ 148, 252, 258 ff. = NJW 2001, 2966, 2967 = ZIP 2001, 1469; BGH NJW 1996, 2035, 2036 = ZIP 1996, 842, 844; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 109 ff.; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 72; Nerlich/Römermann/Andres, Insolvenzordnung, § 36 Rn. 58; BeckOK-InsO/Jilek, § 35 Rn. 60; Haberzettl, NZI 2017, 474, 476; Heinze, ZVI 2007, 349, 351; Uhlenbruck, KTS 2004, 275, 284 f.; ders., in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 22 Rn. 12. 350 Die Frage, ob auch eine Freigabe nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO bei Personengesellschaften und juristischen Personen erfolgen kann, ist bislang wenig beleuchtet worden, höchstrichterliche Rspr. hierzu existiert nicht. Einige Stimmen in der Lit. sind dagegen, eine einheitliche Begründung gibt es jedoch nicht (vgl. nur Haberzettl, NZI 2017, 474, 477; Holzer, ZVI 2007, 289, 291; Haarmeyer, ZInsO 2007, 696, 697). Die Argumente des BGH und der herrschenden Ansicht in der Lit. zur echten Freigabe bei juristischen Personen und Personengesellschaften lassen sich jedenfalls übertragen. Insb. die Berücksichtigung der Belange der Gläubiger erfordert daher die Zulässigkeit der Freigabe nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO. Für die Zulässigkeit: Heinze, ZVI 2007, 349, 351. 351 S. dort unter B. III. 349

Kapitel 4: Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter 4. Kap.: Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

Wird eine Arztpraxis im Insolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter geführt, ergeben sich zahlreiche rechtliche Fragestellungen, die einer näheren Betrachtung bedürfen (dazu unter A.). Ebenfalls von Interesse – nicht nur für die betroffenen Ärzte, sondern insbesondere auch für deren Patienten – ist die Frage nach dem Schicksal von Behandlungsverträgen nach dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter (hierzu unter B.).

A. Führung der Praxis durch den Insolvenzverwalter A. Führung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

Im Folgenden werden die aus der Führung der Praxis durch den Insolvenzverwalter resultierenden Probleme zunächst anhand des eigentlichen Insolvenzverfahrens betrachtet (I.), anschließend wird gesondert auf das Eröffnungsverfahren eingegangen (II.).

I. Insolvenzverfahren Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Arztpraxis, geht die Befugnis, die Praxis zu verwalten, grundsätzlich auf den Insolvenzverwalter über.1 Diese Situation bringt indes rechtliche Schwierigkeiten mit sich, es drohen Konflikte mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht, das die Fremdverwaltung ärztlicher Praxen nicht vorsieht, sowie mit dem Vertragsarztrecht. 1. Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis Der Schuldner ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht länger befugt, das insolvenzbefangene Vermögen zu verwalten und Verfügungen hierüber zu treffen.2 Diese Kompetenz geht gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über, der im Regelfall allein verwaltungs- und verfügungsbefugt ist. Folge dieses Kompetenzübergangs ist, dass der Verwalter die Geschäfte des Schuldners bis zu der Beendigung des Verfahrens, 3 einer Freigabe der Praxis4 oder

1

Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 94; van Zwoll, ZMGR 2011, 364; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 29; Schick, NJW 1990, 2359, 2360; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1033 f. 2 Uhlenbruck/Mock, Insolvenzordnung, § 80 Rn. 5; MüKo-InsO/Ott/Vuia, § 80 Rn. 11; K. Schmidt/Sternal, Insolvenzordnung, § 80 Rn. 6; Braun/Kroth, Insolvenzordnung, § 80 Rn. 11. 3 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 13.05 (II. Verwaltung der Masse); Uhlenbruck/Mock, Insolvenzordnung, § 80 Rn. 7. 4 K. Schmidt/Sternal, Insolvenzordnung, § 80 Rn. 5; MüKo-InsO/Ott/Vuia, § 80 Rn. 65; Nerlich/Römermann/Wittkowski/Kruth, Insolvenzordnung, § 80 Rn. 10, 11b, 95a. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Lauf, Die Arztpraxis in der Insolvenz, Kölner Schriften zum Medizinrecht 24, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60425-0_5

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4. Kap.: Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

der Anordnung der Eigenverwaltung (§ 271 S. 1 InsO) durch das Gericht5 weiterführt. Dies ist bei der Insolvenz einer Arztpraxis in mehrfacher Hinsicht problematisch. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Arztpraxen besteht die Besonderheit, dass der Insolvenzverwalter nach dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis eine Tätigkeit ausüben müsste, für die eine besondere berufliche Qualifikation erforderlich ist. 6 Kerngeschäft jeder Arztpraxis ist die Behandlung von Patienten. Der Verwalter wird aber, außer in extrem seltenen Fällen, kein Arzt sein, also nicht die berufliche Qualifikation aufweisen, um Patienten behandeln zu können. Es ist ihm daher rein faktisch schon nicht möglich, diese Aufgabe zu übernehmen.7 Zudem ist es ihm auch nicht erlaubt, denn als Arzt darf in Deutschland nur arbeiten, wer durch Approbation zugelassen ist, § 2 Abs. 1 BÄO. Der Verwalter wird sich daher auf die betriebswirtschaftliche Führung der Praxis beschränken (müssen). Aber auch dies führt zu Problemen, insbesondere mit Regelungen des ärztlichen Berufs- und Standesrechts kann es zu Konflikten kommen.8 2. Konflikt mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht a) Ärztliches Berufs- und Standesrecht Hinsichtlich der den Arztberuf betreffenden normativen Vorgaben ist formal zwischen Berufsrecht und Standesrecht zu differenzieren. 9 Diese Differenzierung folgt daraus, dass der ärztliche Beruf ein „verkammerter“ freier Beruf ist,10 womit die Möglichkeit einhergeht, sich selbst gewisse Normen zu setzen. Folge ist, dass

5

Uhlenbruck/Mock, Insolvenzordnung, § 80 Rn. 2; MüKo-InsO/Ott/Vuia, § 80 Rn. 2; K. Schmidt/Sternal, Insolvenzordnung, § 80 Rn. 4; Braun/Kroth, Insolvenzordnung, § 80 Rn. 2. 6 Vgl. Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 94; van Zwoll, ZMGR 2011, 364; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 29; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1033 f.; Schick, NJW 1990, 2359, 2361. 7 Außerdem ist der Arzt in aller Regel zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Dies folgt für Behandlungsverträge aus §§ 630a, 630b BGB i. V. m. § 613 S. 1 BGB. Das Berufsrecht der Ärzte normiert in § 19 Abs. 1 S. 1 MBO-Ä die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung in der Praxis. Daneben enthalten sowohl das Vertragsarztrecht mit § 15 Abs. 1 S. 1 SGB V als auch das privatärztliche Gebührenrecht mit § 4 Abs. 2 GOÄ Regelungen, die den Arzt zur persönlichen Leistungserbringung verpflichten. S. hierzu ausf. HK-AKM/Steinhilper, Nr. 4060 Rn. 5 ff.; ders., in: Halbe/Schirmer, HBKG, E 1200 Rn. 6 ff.; Achterfeld, Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen, S. 35 ff.; s. a. Gitter/Köhler, Der Grundsatz der persönlichen ärztlichen Leistungspflicht, S. 12 ff., 15 ff.; Peikert, MedR 2000, 352 ff. 8 Schick, NJW 1990, 2359, 2360; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1034; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 29; van Zwoll, ZMGR 2011, 364; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 94. 9 Im Schrifttum wird diese Unterscheidung freilich kaum vorgenommen. Meist wird der Begriff Berufsrecht synonym für das Berufs- und das Standesrecht verwendet. Im Folgenden soll indessen eine differenzierte Betrachtung erfolgen. 10 Vgl. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 157.

A. Führung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

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zwei Arten von Normen existieren, diejenigen, welche die Ärzteschaft sich selbst gibt, und solche, die der Gesetzgeber erlassen hat. Den freien Berufen ist historisch eine gewisse Autonomie und Selbstverwaltung (in Kammern) zugebilligt.11 Sie sind daher in der Lage, sich selbst Rechtsnormen zu geben.12 Diese Normen sind „unterstaatliches Recht“13, also nicht durch den Gesetzgeber, sondern durch den Berufsstand selbst gesetztes Recht. Dieses wird als Standesrecht bezeichnet. 14 Es ergeht in Form von Satzungen, wird von den Landesärztekammern erlassen und ist für die Ärzte, die Mitglieder 15 der jeweiligen Landesärztekammer sind, verbindlich.16 Rechtsgrundlage für den Erlass der Satzungen ist das im jeweiligen Bundesland geltende Heilberufs- oder Kammergesetz.17 Die Regelungen in den Berufsordnungen der Landesärztekammern gehen inhaltlich auf die (selbst nicht verbindliche) 18 Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä) zurück. Diese wird von der Bundesärztekammer verabschiedet und dient den Landesärztekammern als Richtlinie für den Erlass eigener Berufsordnungen;19 dabei werden deutschlandweit

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Kluth, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, A. I. 1 Rn. 6; Ratzel/Küpper, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 5. Kap. Rn. 23 ff., 43 ff.; Sickor, Normenhierarchie im Arztrecht, S. 152 ff. 12 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 157 f.; Wiesing, in: Wiesing, Ethik in der Medizin, S. 71; Ratzel/Küpper, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 5. Kap. Rn. 120. Das Bundesverfassungsgericht hat dies für den Bereich der Weiterbildungsordnungen im sog. „Facharztbeschluss“ ausdr. anerkannt, die Grenzen der Abgabe der Rechtsetzungsbefugnis aber ebenfalls betont: BVerfGE 33, 125, 155 ff. = NJW 1972, 1504, 1509 ff. 13 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 157; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, Einleitung Rn. 1: „Satzungsrecht und als solches in der Hierarchie der Rechtsnormen unter dem formellen Gesetzesrecht angesiedelt“. 14 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 158; Sickor, Normenhierarchie im Arztrecht, S. 151. 15 Die Ausübung eines „verkammerten“ Berufs führt zu einer Pflichtmitgliedschaft in der jeweiligen Kammer, so sind auch Ärzte Pflichtmitglieder der für sie zuständigen (Landesärzte-)Kammer, vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. II. Rn. 17; Ratzel/Lippert/J. Prütting/J. Prütting, MBO-Ä, § 2 Rn. 42; Ratzel/Küpper, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 5. Kap. Rn. 46 f.; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 420 Rn. 9; Scholz, MedR 2015, 635. 16 Spann, Ärztliche Rechts- und Standeskunde, S. 215; Wiesing, in: Wiesing, Ethik in der Medizin, S. 71; Ratzel/Lippert/J. Prütting/J. Prütting, MBO-Ä, § 1 Rn. 2, 4. 17 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, Einleitung Rn. 5; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 420 Rn. 2 f.; D. Prütting/Rehborn, Medizinrecht, Präambel MBO-Ä Rn. 2. Vgl. auch den ersten Satz der Präambel der MBO-Ä: „Die auf der Grundlage der Kammer- und Heilberufsgesetze beschlossene Berufsordnung (…)“. 18 Spann, Ärztliche Rechts- und Standeskunde, S. 215; Wiesing, in: Wiesing, Ethik in der Medizin, S. 71; Sickor, Normenhierarchie im Arztrecht, S. 173 ff.; Laufs, in: FS Weißauer, 1986, S. 88, 91; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, Vorbem. MBO Rn. 1; D. Prütting/Rehborn, Medizinrecht, Einl. MBO-Ä Rn. 2. 19 Spann, Ärztliche Rechts- und Standeskunde, S. 215; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 459 f.; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, Vorbem. MBO Rn. 1 f.; D. Prütting/Rehborn, Medizinrecht, Einl. MBO-Ä Rn. 2.

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4. Kap.: Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

einheitliche Normvorgaben beabsichtigt. 20 Tatsächlich haben die Landesärztekammern die MBO-Ä (teilweise mit geringen Abweichungen) übernommen.21 Demgegenüber werden unter dem Begriff des Berufsrechts allgemein alle Normen verstanden, die in irgendeiner Weise die Ausübung eines oder den Zugang zu einem bestimmten Beruf regeln.22 Standesrecht ist also begrifflich enger zu verstehen als Berufsrecht. Zusammengefasst kann nach Taupitz eine Differenzierung dahingehend vorgenommen werden, dass man zum Standesrecht das eigene Recht des Standes, gesetzt durch den Stand, zählt, wohingegen das Berufsrecht aus Regelungen besteht, die von der staatlich verfassten Rechtsgemeinschaft von außen an den Stand herangetragen, die also dem Stand gesetzt werden. 23 Das ärztliche Berufsrecht kann demnach in Deutschland Bundes- oder Landesrecht sein. Dies hängt davon ab, ob die Gesetzgebungskompetenz dem Bund oder den Ländern zugewiesen ist, Art. 70 ff. GG. Grundsätzlich ist nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich der Zulassung zum ärztlichen Beruf gegeben. Dies bedeutet, dass die Länder hierzu nur Regelungen treffen können, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nicht Gebrauch gemacht hat, Art. 72 Abs. 1 GG. Die Zulassung zum ärztlichen Beruf hat der Bundesgesetzgeber durch die Bundesärzteordnung (BÄO) und die Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) geregelt.24 Hinsichtlich der übrigen Bereiche, etwa der Berufsausübung, liegt die Gesetzgebungszuständigkeit, mangels spezieller verfassungsrechtlicher Regelung, nach dem allgemeinen Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern. 25 Diese haben davon in den jeweiligen Heilberufs- oder Kammergesetzen Gebrauch gemacht und ihre Rechtsetzungskompetenz in diesem Bereich teilweise an die Landesärztekammern abgegeben und diese zum Erlass von Satzungen ermächtigt.26 Die Landesärztekammern, die Personalkörperschaften des öffentlichen Rechts sind,27 haben Berufsordnungen für die zu ihrem Kammerbereich gehörenden Ärztinnen und Ärzte erlassen, die für diese verbindlich sind. Nur wenn die Beschlüsse des Deutschen Ärztetages28 (etwa eine Änderung der MBO-Ä) in die 20

Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, Vorbem. MBO Rn. 1; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 460; Sickor, Normenhierarchie im Arztrecht, S. 172. 21 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, Einleitung Rn. 4; Wiesing, in: Wiesing, Ethik in der Medizin, S. 71. 22 Vgl. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 157; Ratzel/Küpper, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 5. Kap. Rn. 120. 23 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 158 f. 24 Kluth, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, A. I. 1 Rn. 14, A. I. 4 Rn. 1; HK-AKM/Haage, Nr. 852 Rn. 1 f. 25 Maunz/Dürig/Maunz, GG-Kommentar, Art. 74 Rn. 210, 215; Laufs, Arztrecht, 51993, Rn. 54; Spickhoff/Steiner, Medizinrecht, Art. 74 GG Rn. 6; Kluth, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, A. I. 1 Rn. 14, A. I. 4 Rn. 1; D. Prütting/Rehborn, Medizinrecht, Einl. MBO-Ä Rn. 2. 26 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, Einleitung Rn. 3 ff.; D. Prütting/Rehborn, Medizinrecht, Einl. MBO-Ä Rn. 2; Kluth, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, A. I. 4 Rn. 6; Laufs, Arztrecht, 51993, Rn. 55. 27 Scholz, MedR 2015, 635. 28 Der Deutsche Ärztetag ist die Hauptversammlung und damit Organ der Bundesärztekammer, sie wird als „Parlament der Ärzteschaft“ bezeichnet. Die insg. 17 Landesärzte-

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Berufsordnungen der Landesärztekammern übernommen werden, sind diese verbindlich. Dazu bedarf es je nach Bundesland jedoch vorerst der Änderung der Heilberufs- oder Kammergesetze durch den Landesgesetzgeber.29 In Deutschland gibt es eine ausgeprägte Interaktion zwischen Standes- und Berufsrecht, also zwischen nichtstaatlichem und staatlich gesetztem Recht, daher sind die Übergänge teilweise fließend.30 Aus diesem Grund ist die Differenzierung zwischen beiden Normarten häufig schwierig. Da die MBO-Ä in den einzelnen Ländern bzw. Gebieten der Landesärztekammern als Satzungsrecht in Form der jeweiligen Berufsordnung der Kammer verbindlich gilt,31 wird sie im Folgenden einfachheitshalber herangezogen, um die in der Insolvenz von Arztpraxen auftretenden rechtlichen Konflikte mit dem Standesrecht allgemein darzustellen. Darüber hinaus wird die Bundesärzteordnung (BÄO) betrachtet. Hierbei handelt es sich nach der oben genannten Definition um Berufsrecht (in Form von Bundesrecht). b) Konflikte mit einzelnen Regelungen Bei der Verwaltung einer insolventen Arztpraxis durch einen Insolvenzverwalter ergeben sich rechtliche Probleme insbesondere im Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 BÄO und aus § 2 Abs. 4 MBO-Ä, darüber hinaus auch mit der in § 9 MBO-Ä standesrechtlich kodifizierten ärztlichen Schweigepflicht.32 aa) § 2 Abs. 1 BÄO (1) Regelungszweck § 2 BÄO regelt, unter welchen Voraussetzungen die Ausübung der Heilkunde unter der Bezeichnung „Arzt“ in Deutschland zulässig ist.33 Absatz 1 nennt den Regelfall, wonach die Zulassung als Arzt durch Approbation erfolgt. Die Approbation ist die staatliche Erlaubnis zur dauernden, eigenverantwortlichen und selb-

kammern entsenden nach ihrem Satzungsrecht insg. 250 Delegierte. Aufgabe des Deutschen Ärztetages ist es u. a., länderübergreifende Regelungen zum Standesrecht (in der MBO-Ä) mit Empfehlungscharakter zu erarbeiten und zu verabschieden, nachzulesen ist dies auf der Webseite der Bundesärztekammer: http://www.bundesaerztekammer.de /aerztetag/ (zuletzt abgerufen am 19.12.2018). Vgl. auch Kluth, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, A. I. 1 Rn. 6; Ratzel/Küpper, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 5. Kap. Rn. 75. 29 Braun/Richter, MedR 2005, 685. 30 Ratzel/Küpper, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 5. Kap. Rn. 120. 31 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, Einleitung Rn. 4. Lediglich die Ärztekammer Berlin hat die Struktur der MBO-Ä nicht übernommen. In den übrigen Berufsordnungen der Kammern wurde die MBO-Ä, allenfalls mit geringen Abweichungen im Detail, übernommen. S. hierzu auch oben unter A. I. 2. a). 32 S. hierzu das 5. Kap., insb. unter C. 33 Spickhoff/Schelling, Medizinrecht, § 2 BÄO Rn. 1; D. Prütting/Hoppe/Seebohm/Rompf, Medizinrecht, § 2 BÄO Rn. 1.

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ständigen Ausübung der Heilkunde am Menschen.34 Sie ist weder teil- noch einschränkbar.35 Durch die Approbation ist der Arzt berechtigt, sich in freier Praxis niederzulassen, sie ermächtigt aber nicht automatisch zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung.36 Hierzu ist eine gesonderte Zulassung erforderlich. Aus dem Umstand, dass dem Bund die Gesetzgebungszuständigkeit hinsichtlich der Zulassung zum ärztlichen Beruf vom Verfassungsgeber zugewiesen wurde, geht hervor, dass dieser das Ziel eines bundeseinheitlichen Arztbildes hatte.37 Dieses bundeseinheitliche Arztbild38, das auf einheitlicher Ausbildung, Prüfung und Berufszulassung beruht, 39 hat einen doppelten Schutzzweck. Zum einen dient es dem Ansehen des Arztberufs,40 zum anderen werden automatisch gewisse fachliche Standards hinsichtlich der Berufsausübung etabliert,41 was letztlich dem Schutz der Patienten dient.42 Denn sie können sich darauf verlassen, dass eine Person, die unter der Berufsbezeichnung „Arzt“ praktiziert, die bundeseinheitlichen Ausbildungs- und Zulassungsstandards erfüllt. Ein weiterer Hinweis auf den patientenschützenden Charakter ist den Regelungen zur Erteilung der Approbation zu entnehmen. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO ist die Approbation nur zu erteilen, wenn der Arzt sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Zeigt der Arzt nach Erteilung der Approbation ein solches Verhalten, ist die Approbation zu widerrufen, § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO.43 Durch die Pflicht zum Widerruf der Approbation bei Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs zeigt sich, dass zum einen die Außenwirkung des Berufsstands und zum anderen die Patienten vor der Behandlung durch eine nicht geeignete Person geschützt werden sollen.44 Die Erteilung und der Entzug der Approba34

Spickhoff/Schelling, Medizinrecht, § 2 BÄO Rn. 2; D. Prütting/Hoppe/Seebohm/Rompf, Medizinrecht, § 2 BÄO Rn. 2; HK-AKM/Haage, Nr. 160 Rn. 1. 35 BVerwGE 108, 100 = NJW 1999, 1798 = MedR 1999, 423. 36 Scholz, MedR 2015, 635 f.; Spickhoff/Schelling, Medizinrecht, § 2 BÄO Rn. 2; D. Prütting/Hoppe/Seebohm/Rompf, Medizinrecht, § 2 BÄO Rn. 2. 37 HK-AKM/Haage, Nr. 160 Rn. 2. Dieses Arztbild ist zumindest rechtlich „fest verankert“, Laufs, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. I Rn. 1. 38 Zur Entwicklung des Arztbilds s. die Beiträge in Katzenmeier/Bergdolt, Das Bild des Arztes im 21. Jahrhundert; Laufs, MedR 1986, 163; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. I Rn. 1, 14 ff. 39 HK-AKM/Haage, Nr. 160 Rn. 2 ff. 40 BVerwG NJW 1993, 806; HK-AKM/Haage, Nr. 160 Rn. 42. 41 Laufs, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. I Rn. 12 („Gewährleistung eines hohen fachwissenschaftlichen Leistungsvermögens“); HK-AKM/Haage, Nr. 1172 Rn. 2 (S. 7); für Altenpfleger, deren Berufsausbildung ebenfalls bundeseinheitlich, gestützt auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, geregelt ist s. BVerfGE 106, 62, 108 = NJW 2003, 42, 43 = MedR 2003, 168. 42 Laut BVerfG dient eine bundeseinheitliche, auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG basierende Regelung dem „Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren“, BVerfGE 106, 62, 108 = NJW 2003, 42, 43 = MedR 2003, 168. 43 HK-AKM/Haage, Nr. 160 Rn. 118. 44 S. zur Entziehung der Zulassung bei Rechtsanwälten BVerfGE 66, 337, 353 ff. = NJW 1984, 2341, 2342 f.; zur Verhängung eines vorläufigen Berufsverbots bei Rechtsanwälten BVerfGE 44, 105, 115 ff. = NJW 1977, 892, 893 f. In beiden Fällen geht das Bundesverfas-

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tion dienen damit letztlich auch dem Interesse der Bevölkerung an einer funktionierenden Gesundheitsversorgung und dem Schutz vor Gesundheitsgefahren.45 (2) Konflikt bei Führung der Praxis durch den Insolvenzverwalter Ist nun im Falle der Insolvenz der Arztpraxis der Verwalter nach § 80 Abs. 1 InsO verpflichtet, die Arztpraxis zu führen und müsste er die Behandlungen selbst vornehmen, obwohl er kein Arzt ist, steht dem der Schutzzweck von § 2 Abs. 1 BÄO entgegen.46 Denn der Verwalter kann einen Patienten nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst behandeln, er hat die bundeseinheitliche Ausbildung (in aller Regel) nicht durchlaufen und wurde nicht durch Approbation zugelassen. Dass der Insolvenzverwalter nicht die Rolle des Arztes in dessen Praxis übernehmen kann, erscheint (auch ohne die normative Untermauerung durch § 2 Abs. 1 BÄO) unzweifelhaft.47 Die vollständige Übernahme der Geschäfte durch den Verwalter ist aber der von § 80 Abs. 1 InsO vorgesehene Regelfall im Regelinsolvenzverfahren. Dies führt unausweichlich zu einem Konflikt. Der Verwalter kann sich auch nicht einfach auf die betriebswirtschaftliche Führung der Praxis beschränken. Zum einen dürfte die betriebswirtschaftliche Führung einer Arztpraxis nur schwer von der Ausübung der Heilkunde zu trennen sein, zum anderen würde der Verwalter seine Aufgabe nicht wie vom Gesetz vorgesehen ausführen und selbst in die Gefahr der Haftung geraten.48 Er hätte dann eine dem Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren ähnliche Stellung inne. Diese unterscheidet sich aber gerade von der Stellung des Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren. In diesem Verfahren ist der Konflikt mit § 2 Abs. 1 BÄO unvermeidbar.49 Auch eine gemeinschaftliche Praxisführung von (die Behandlungen ausführendem) Arzt und (die Praxis betriebswirtschaftlich verwaltendem) Insolvenzverwalter ist daher abzulehnen.50

sungsgericht i. R. d. Abwägung auf den Schutz der Mandanten ein, betont aber, dass die Entziehung der Zulassung „nur unter strengen Voraussetzungen zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft“ ist, BVerfGE 44, 105, 117 = NJW 1977, 892, 893. 45 Denn dies ist Schutzzweck von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG, der verfassungsrechtlichen Norm, die Rechtsgrundlage für den Erlass der BÄO und der ÄApprO ist, vgl. Fn. 42. S. a. HK-AKM/Haage, Nr. 1172 Rn. 2. 46 Vgl. Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1034; van Zwoll, ZMGR 2011, 364; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 94; s. a. BSG MedR 2016, 154, 155 (Rn. 20) = ZIP 2015, 2087. 47 d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, Rn. 261 (S. 87). So auch Schick, NJW 1990, 2359, 2360, der auch im Falle des Vorliegens der persönlichen Berufsqualifikation beim Insolvenzverwalter eine Übernahme der freiberuflichen Tätigkeit durch diesen unter Verweis auf die Stellung des Verwalters als „unbeteiligter Dritter“ im Verhältnis zu den Patienten, die er „vorfindet“, ablehnt. Mit Blick auf die ärztliche Schweigepflicht (s. hierzu ausf. das 5. Kap.) ist dem zuzustimmen. 48 Vgl. Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1034; van Zwoll, ZMGR 2011, 364. 49 So auch Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1034. 50 So auch Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 94.

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bb) § 2 Abs. 4 MBO-Ä (1) Regelungszweck § 2 Abs. 4 MBO-Ä bestimmt, dass Ärztinnen und Ärzte „hinsichtlich ihrer ärztlichen Entscheidungen keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen“ dürfen. Der Arzt soll seinen Beruf also in fachlicher Hinsicht weisungsfrei, ausschließlich nach seiner Sachkunde, seinem Gewissen und nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausüben.51 Diese Vorgabe findet sich am Anfang der MBO-Ä, in einem Umfeld von Normen, die allgemeine ärztliche Pflichten zusammenstellen und ethischmoralische52 Anforderungen an die Ausübung des ärztlichen Berufs formulieren. Nach Taupitz kommt dem Standesrecht, zu dem die MBO-Ä zählt,53 eine Binnenund eine Außenfunktion zu.54 Zu unterscheiden sind daher die Wirkungen, die die Musterberufsordnung der Ärzte im inneren Bereich der Standesgemeinschaft entfaltet, von solchen, die sie nach außen, in Bezug auf die Gesamtgesellschaft hat.55 Nach innen bewirken Standesordnungen die Herausbildung eines einheitlichen Selbstverständnisses des Berufsstands.56 Sie geben den Angehörigen des Berufsstands eine Orientierung und können von ihnen als normative Anhaltspunkte für ein Verhalten herangezogen werden. 57 Für Ärzte formuliert die MBO-Ä solche allgemeinen Verhaltensregeln in den §§ 1 bis 3 (konkretisiert in den §§ 4 bis 16). Hierzu zählen etwa die Aufgaben, Leben zu erhalten, Leiden zu lindern (§ 1 Abs. 2 MBO-Ä), den Beruf nach ihrem Gewissen58 und den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit auszuüben (§ 2 Abs. 1 MBO-Ä), das ärztliche Handeln am Wohl der Patienten auszurichten (§ 2 Abs. 2 MBO-Ä), die Beachtung des anerkannten Standes medizinischer Erkenntnisse (§ 2 Abs. 3 MBO-Ä) sowie die Ausübung des ärztlichen Berufs frei von der Weisung von Nichtärzten (§ 2 Abs. 4 MBO-Ä). Die genannten Grundsätze bewirken zum einen den Schutz der Patienten, 59 die sich auf ein normgerechtes, ihren Interessen entsprechendes Verhalten verlassen können (diesen Grundgedanken formuliert bereits § 1 Abs. 1 MBO-Ä: „Ärztinnen

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Ratzel/Lippert/J. Prütting/J. Prütting, MBO-Ä, § 2 Rn. 31. Zu diesen allg. Anforderungen an den Arztberuf s. Laufs, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. I Rn. 1 ff. 53 S. hierzu oben unter A. I. 2. a). 54 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 454, 455 ff., 497 ff. 55 Vgl. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 454. 56 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 455 ff.; s. a. Woopen, MedR 2011, 232, 233. 57 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 461; Laufs, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. I Rn. 12; konkret im Hinblick auf § 2 MBO-Ä Ratzel/Lippert/J. Prütting/J. Prütting, MBO-Ä, § 2 Rn. 2. 58 S. hierzu BVerwGE 27, 303 = NJW 1968, 218; Laufs, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. I Rn. 10; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, § 2 MBO Rn. 2; Ratzel/Lippert/J. Prütting/J. Prütting, MBO-Ä, § 2 Rn. 27 ff. 59 Vgl. Woopen, MedR 2011, 232, 233; Peikert, MedR 2000, 352, 353; Ratzel/Lippert/J. Prütting/J. Prütting, MBO-Ä, § 2 Rn. 5. 52

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und Ärzte dienen der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung.“). Zum anderen bezwecken die Normen die Herausbildung eines bestimmten Berufsbilds nach außen, 60 das sogar die interne Verbindlichkeit noch weiter steigern kann.61 Es ist daher festzuhalten, dass die ärztlichen Standesregeln keinen reinen Selbstzweck verfolgen, sondern den Angehörigen des ärztlichen Berufsstands auch zum Zwecke des Patientenwohls gewisse verbindliche Verhaltensregeln auferlegen. (2) Konflikt bei Verwaltung der Praxis durch einen Nichtarzt Verwaltet nun der Insolvenzverwalter die Arztpraxis, 62 so hat er die Entscheidungen hinsichtlich der Behandlung von Patienten zu treffen. Selbst wenn er nicht persönlich die Behandlung vornimmt und dadurch einen Konflikt mit § 2 Abs. 1 BÄO vermeidet, besteht eine Friktion mit dem ärztlichen Standesrecht. Denn die betriebswirtschaftliche Führung der Praxis und die Erteilung von Weisungen hinsichtlich der Behandlung (etwa bezüglich der Organisation oder der Finanzierung)63 der Patienten ist nach § 2 Abs. 4 MBO-Ä untersagt, der Arzt würde diese standesrechtliche Norm, die für ihn verbindlich ist, verletzen. Hierzu kann es beispielsweise im Rahmen der Behandlung von gesetzlich versicherten Patienten kommen, wenn der Arzt es für medizinisch geboten hält, einen Patienten in einer bestimmten Art und Weise zu behandeln, die von der Krankenkasse nach einer Prüfung gem. §§ 106 ff. SGB V als unwirtschaftlich eingestuft wird. In einem solchen Fall erlangt die Krankenkasse einen Anspruch auf anteilige Verringerung der Gesamtvergütung gegen die Kassenärztliche Vereinigung, diese wiederum kann beim Arzt Regress nehmen.64 Die Kosten solcher Regressmaßnahmen fielen unmittelbar der Masse zur Last,65 die durch etwaige Rückzahlungen oder Kürzungen geschmälert wird. Der Insolvenzverwalter müsste dies im Interesse der Gläubiger und zur Erreichung des Zwecks des Insolvenzverfahrens verhindern. Zu Regressforderungen kann es auch im Zusammenhang mit der Verschreibung von Medikamenten kommen. 66 Auch in diesen Fällen müsste der Insolvenzverwalter zum Schutze der Masse eingreifen. 60

Dies ist insb. bei den ärztlichen Standesordnungen schon früh zu erkennen gewesen, s. dazu die Diskussion zum Beschl. der „Grundsätze einer ärztlichen Standesordnung“ des 17. Deutschen Ärztetages 1889 in Braunschweig, ÄVBl. 1889, Sp. 273 ff., hierzu näher Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 282, 502 f. 61 Vgl. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, S. 497 ff. 62 Zu Konflikten bei „nichtärztlichem Management“ allg. Woopen, in: Katzenmeier/Bergdolt, Das Bild des Arztes im 21. Jahrhundert, S. 181, 188 ff. 63 Ratzel/Lippert/J. Prütting/J. Prütting, MBO-Ä, § 2 Rn. 32. 64 Eichenhofer/von Koppenfels-Spies/Wenner/Seifert, SGB V, § 106 Rn. 28 f.; s. a. von Langsdorff, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 24 Rn. 66 ff.; Berchtold/Huster/Rehborn/Ossege, Gesundheitsrecht, § 106 SGB V Rn. 52, § 106b SGB V Rn. 23. S. hierzu auch im 3. Kap. D. II. 3. 65 Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1034; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 29; van Zwoll, ZMGR 2011, 364. 66 Bspw. wenn der Arzt einem gesetzlich versicherten Patienten ein Medikament verschreibt, das vom Budget der Praxis nicht gedeckt ist, vgl. Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1034; van Zwoll, ZMGR 2011, 364. Dieses Beispiel nennt auch Eichenhofer/von Koppen-

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Die Einwirkung auf medizinische Entscheidungen des Arztes aber stünde in einem eklatanten Widerspruch zu den Grundsätzen der ärztlichen Berufsausübung und stellt eine Gefährdung des Wohls der Patienten dar.67 Der Arzt ist verpflichtet, den Patienten die gefahrloseste und sicherste Therapie zukommen zu lassen,68 der Grundsatz „salus aegroti suprema lex“69 ist seit jeher das oberste Handlungsgebot der Ärzte. Eine auf die wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger des Arztes ausgerichtete Behandlung von Patienten (sozusagen nach dem Grundsatz „salus creditorum suprema lex“, wie es § 1 S. 1 InsO vom Insolvenzverwalter fordert) ist mit diesem Grundsatz unvereinbar.70 Zwar wirft das sozialrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot71, das in § 12 SGB V gesetzlich verankert ist, generell Fragen der Vereinbarkeit mit dem ärztlichen Berufsethos und dem Standesrecht auf, 72 die Rechtsprechung hat dieses Gebot jedoch als notwendig anerkannt und gebilligt.73 Die schwierige Aufgabe der Abwägung im Hinblick auf die konkrete Behandlung eines Patienten unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots ist originär Ärzten vorbehalten,74 Grenze der Sparsamkeit ist die Gefahrerhöhung für den Patienten.75 Die Abwägung kann nach diesen Kriterien nicht von einem Dritten, fels-Spies/Wenner/Seifert, SGB V, § 106b Rn. 16. Zum Kostenregress wegen unzulässiger Verordnung von Impfstoffen s. BSG MedR 2017, 998 m. Anm. Clemens = NZS 2017, 559. 67 Vgl. Woopen, in: Katzenmeier/Bergdolt, Das Bild des Arztes im 21. Jahrhundert, S. 181, 188 ff., 193; Maio, in: Katzenmeier/Bergdolt, Das Bild des Arztes im 21. Jahrhundert, S. 21, 28, 31 ff. So auch VG Berlin, ZVI 2004, 618, bestätigt durch OVG BerlinBrandenburg ZVI 2004, 620 für die (auch nur betriebswirtschaftliche) Führung einer Apotheke durch einen Insolvenzverwalter. 68 Vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 288 f.; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. X Rn. 28; s. a. Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 42 Rn. 9, der dies auch aus dem Inhalt des Arztvertrags herleitet und als Grenze des Wirtschaftlichkeitsgebots betrachtet. 69 Vgl. Laufs, in: Eser, Recht und Medizin, S. 387, 388; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 288 f.; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. X Rn. 28. 70 S. allgemein zur Ökonomisierung der Medizin Maio, in: Katzenmeier/Bergdolt, Das Bild des Arztes im 21. Jahrhundert, S. 21, 28: „(…), sodass der Arzt die Regeln der Marktwirtschaft gerade nicht zum Ausgangspunkt seines Handelns nehmen kann.“ 71 S. hierzu Arnade, Kostendruck und Standard, S. 189 ff.; Schmitz-Luhn, Priorisierung in der Medizin, S. 147 ff.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 290 ff.; von Langsdorff, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 9 Rn. 1 ff.; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 42 Rn. 8. 72 S. Laufs, NJW 1989, 1521, 1523; ders., Der ärztliche Heilauftrag aus juristischer Sicht, S. 46 ff.; K. Wieland, Kommentar zur Mxime „Salus aegroti suprema lex“ aus ökonomischer Sicht, S. 112, 113 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 290 ff.; s. a. Woopen, in: Schäfer/Frewer/Schockenhoff/Wetzstein, Gesundheitskonzepte im Wandel, S. 189 ff.; dies., MedR 2011, 232, 235. 73 BVerfG NJW 1997, 3085; BVerfGE 115, 25, 45 ff. = NJW 2006, 84, 87 = MedR 2006, 164, 166; BVerfG NJW 2008, 3556, 3557. 74 K. Wieland, Kommentar zur Mxime „Salus aegroti suprema lex“ aus ökonomischer Sicht, S. 112 f., 117. 75 Laufs, NJW 1989, 1521, 1523; ders., Der ärztliche Heilauftrag aus juristischer Sicht, S. 46; Ulsenheimer, MedR 1995, 438, 439; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. X Rn. 28; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 42 Rn. 8; von Langsdorff, in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 9 Rn. 11. Zu

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sei es ein Insolvenzverwalter oder ein nichtärztlicher Klinikmanager, getroffen werden. 3. Konflikt mit dem Vertragsarztrecht Neben Friktionen mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht droht auch ein Konflikt mit dem Vertragsarztrecht. Grundlage für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ist die vertragsärztliche Zulassung, § 95 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 SGB V. Die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung erlischt nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens 76 und geht auch nicht auf den Insolvenzverwalter über.77 Folglich bleibt der Arzt auch in der Insolvenz zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt. Voraussetzung ist allerdings, dass er nicht der Einflussnahme einer dritten Person ausgesetzt ist. Denn wenn der Arzt in beruflicher Hinsicht von den Vorgaben einer anderen Person abhängig ist, führt dies dazu, dass die Tätigkeit nicht – wie von § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV gefordert – „in freier Praxis“ ausgeübt wird.78 Dieses Merkmal setzt nach der Rechtsprechung des BSG nämlich voraus, dass neben der wirtschaftlichen Verantwortlichkeit auch eine ausreichende Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht besteht.79 Führt ein Vertragsarzt gemeinsam mit einem Insolvenzverwalter die Arztpraxis, muss er seine vertragsärztliche Tätigkeit also in Abstimmung mit einer anderen Person ausüben, ist er für diese Tätigkeit „ungeeignet“, weshalb ihm die Zulassung nach § 95 Abs. 6 S. 1 SGB V entzogen werden müsste.80 Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vom Arzt auf den Insolvenzverwalter führt daher dazu, dass der Arzt nicht mehr im vertragsärztlichen Bereich tätig werden kann, also keine Kassenpatienten mehr behandeln kann. Jeder Vertragsarzt und jede vertragsärztliche Praxis wäre daher mit der Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens dazu gezwungen, die vertragsärztliche Tätigkeit einzustellen. Andernfalls drohte nach der Rechtsprechung des BSG die Entziehung der Zulassung. 4. Ergebnis Bei der Verwaltung einer Arztpraxis durch einen Insolvenzverwalter bestehen Friktionen mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht sowie dem Vertragsarztrecht. Der Verwalter selbst kann die Praxis wegen der in § 2 Abs. 1 BÄO festgeschriebenen Erforderlichkeit einer Approbation zur Ausübung des ärztlichen den Konsequenzen der ökonomisch motivierten Behandlungsverweigerung s. Bohmeier/Schmitz-Luhn/Streng, MedR 2011, 704. 76 Zum Schicksal der vertragsärztlichen Zulassung in der Insolvenz des Arztes s. oben im 3. Kap. C. I. 77 BSGE 86, 121, 123 = NJW 2001, 2823, 2824 = MedR 2001, 159, 160. 78 BSGE 106, 222 (Rn. 36 ff.) = MedR 2011, 298; BSG GesR 2011, 682 (Rn. 10); BSG MedR 2016, 154 (Rn. 20) = ZIP 2015, 2087. S. a. Ziegler, MedR 2018, 645, 646 ff.; Meschke, MedR 2018, 655 ff. 79 BSGE 106, 222 (Rn. 36 ff.) = MedR 2011, 298; BSG GesR 2011, 682 (Rn. 10); Ziegler, MedR 2018, 645, 648; Meschke, MedR 2018, 655, 657. 80 So ausdr. das BSG, vgl. BSG GesR 2011, 682 (Rn. 10); BSG MedR 2016, 154 (Rn. 20) = ZIP 2015, 2087.

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4. Kap.: Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

Berufs in der Bundesrepublik Deutschland nicht führen, kann selbst also keine Patienten behandeln. Obgleich dies in der Literatur so niemals ernsthaft in Erwägung gezogen worden ist,81 entspräche es der Systematik des Insolvenzrechts. Denkbar ist aber die Führung der Praxis durch den oder die Schuldner (also Ärzte) gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter. 82 Hierbei ergibt sich indes ein weiteres rechtliches Problem. § 2 Abs. 4 MBO-Ä (bzw. die entsprechenden Normen der Berufsordnungen der Landesärztekammern) statuiert, dass Ärzte hinsichtlich ihrer ärztlichen Entscheidungen keine Weisungen von Nichtärzten entgegennehmen dürfen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass ärztliche Entscheidungen nicht von sachfremden Erwägungen geleitet werden. Wird die Praxis aber von Arzt und Verwalter geführt, liegt keine Weisungsfreiheit i. S. v. § 2 Abs. 4 MBO-Ä mehr vor. Aufgabe des Insolvenzverwalters ist nämlich (u. a.) der Schutz der Masse, er hat die Interessen der Gläubiger wahrzunehmen, um die gleichmäßige und möglichst umfassende Befriedigung aller Gläubiger zu verwirklichen.83 Dafür muss er sich aktiv in allen Bereichen der Praxisführung einbringen. Der Arzt hingegen ist allein dem Wohl des Patienten verpflichtet. Dabei hat er zwar (zumindest im vertragsärztlichen Bereich) auch auf die Wirtschaftlichkeit von Behandlungsmaßnahmen zu achten (vgl. § 12 SGB V), dies jedoch nur in beschränktem Maße und zum Wohle der Gemeinschaft.84 Ein Handeln im Interesse der Gläubiger des Arztes ist mit dem ärztlichen Standesrecht und dem Berufsethos unvereinbar, die bestmögliche und sichere Behandlung der Patienten könnte so nicht gewährleistet werden. Im Ergebnis ist daher auch eine gemeinsame Verwaltung der Arztpraxis durch Arzt und Insolvenzverwalter abzulehnen. 85 Daneben besteht ein Konflikt mit dem Vertragsarztrecht. Eine Führung der vertragsärztlichen Praxis durch den oder die Ärzte gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter ist keine Tätigkeit „in freier Praxis“, wie dies § 32 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV verlangt. Daraus folgt, dass der Arzt in solchen Fällen nicht geeignet ist, seine vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben. Nach der Rechtsprechung des BSG fehlt es an der notwendigen wirtschaftlichen Verantwortlichkeit sowie einer ausreichenden Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht. 86 Sollte der Verwalter (mit oder ohne den Arzt) die Praxis führen, verstieße dies möglichweise auch gegen § 5 Heilpraktikergesetz (HeilprG).87 Nach dieser Norm kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden, wer die Heilkunde ausübt, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt zu sein und ohne eine Erlaubnis nach § 1 HeilprG zu besitzen. Da der Insolvenzver81 82

So auch d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, Rn. 261. Vgl. Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 25; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87,

94. 83

Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.04. S. dazu Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. X Rn. 28 ff. 85 So auch Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 94; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1034. Ebenso für den Betrieb einer Apotheke VG Berlin ZVI 2004, 618, 619, bestätigt durch OVG Berlin-Brandenburg ZVI 2004, 620 f. Die Gerichte haben ausdr. eine auch nur den Zahlungsverkehr und den Forderungseinzug betreffende Verwaltung der Apotheke durch den Insolvenzverwalter für unzulässig erachtet. 86 BSGE 106, 222 (Rn. 36 ff.) = MedR 2011, 298; BSG GesR 2011, 682 (Rn. 10). 87 Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, § 2 MBO Rn. 6. 84

A. Führung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

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walter in aller Regel kein Arzt ist, kann er sich bei Führung der Praxis strafbar machen.88 Die Möglichkeit einer unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung von Patienten (beispielsweise durch eine wirtschaftlich motivierte, unzureichende Behandlung) ist für die Verwirklichung des Straftatbestands ausreichend. 89 Auch dem Arzt drohen ernste (berufs-)rechtliche Konsequenzen. So kann er in einem berufsgerichtlichen Verfahren mit Sanktionen belegt werden, etwa mit Verwarnung, Verweis und Geldbuße.90 Verletzt er seine Pflicht zur Verschwiegenheit, drohen ebenfalls rechtliche Sanktionen.91 Daneben können haftungsrechtliche Folgen ausgelöst werden. Der Arzt schuldet dem Patienten eine fachgerechte, dem medizinischen Standard 92 entsprechende Behandlung, vgl. § 630a Abs. 2 BGB.93 Diese wird der Insolvenzverwalter nicht vornehmen können. Dem Patienten können daraus Schadensersatzansprüche entstehen, die letztlich zu Lasten der Masse gehen. Eine mögliche Lösung für die dargestellten Konflikte könnte in der Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenzgericht liegen, §§ 270 ff. InsO. 94

II. Eröffnungsverfahren Im Insolvenzeröffnungsverfahren ist der Schuldner grundsätzlich befugt, seine Praxis weiterhin zu führen.95 Dies folgt aus der Systematik des Gesetzes, denn Sicherungsmaßnahmen, wie die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung, sind nur zu treffen, wenn sie zum Schutz der Masse „erforderlich“ sind. 96 Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO erfolgt erst durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Allerdings kann das Gericht zum Schutz der Masse vor nachteiligen Veränderungen in der Vermögenslage des Schuldners bis zur Eröffnung des Verfahrens Sicherheitsmaßnahmen nach § 21 InsO veranlassen. Dazu gehört nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO insbesondere die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Hinsichtlich der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ist zwischen dem sog. „starken“ (dazu 1.) und dem „schwachen“ (dazu 2.) vorläufigen Insol88

Dies gilt jedenfalls, wenn Patienten dadurch potentiell gefährdet werden. Der Eintritt einer konkreten Gefahr ist hingegen nicht erforderlich, vgl. Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, § 5 HeilPrG Rn. 3. 89 Erbs/Kohlhaas/Pelchen/Häberle, Strafrechtliche Nebengesetze, § 5 HeilPrG Rn. 2; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, § 5 HeilPrG Rn. 3. 90 Vgl. Ratzel/Lippert/J. Prütting/J. Prütting, MBO-Ä, § 2 Rn. 45. 91 S. hierzu im 5. Kap. B. und C. 92 Eingehend zu Begriff und Bedeutung des medizinischen Standards Jansen, Der Medizinische Standard. 93 BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 103; MüKo-BGB/Wagner, § 630a Rn. 96 f.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 34; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, § 630a BGB Rn. 36; Griebau, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 10. Kap. Rn. 8. 94 Hierzu näher im 6. Kap. unter B. I. (Eigenverwaltung). 95 Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 25. 96 Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 25; Uhlenbruck/ders., Insolvenzordnung, § 21 Rn. 3 ff.; MüKo-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 2; Braun/Böhm, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 6.

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4. Kap.: Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

venzverwalter zu unterscheiden. Je nach Anordnung des Insolvenzgerichts ergeben sich unterschiedliche Auswirkungen auf das Verfahren, die es im Rahmen der Arztpraxisinsolvenz zu berücksichtigen gilt. Im Folgenden werden daher die Begriffe „starker“ und „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter erläutert und die Auswirkungen der jeweiligen gerichtlichen Anordnung untersucht.97 1. Bestellung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters Die Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters hängt vor allem davon ab, ob das Gericht dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO auferlegt.98 Denn der Rechtsverlust auf Seiten des Schuldners führt zu einer Vermehrung der Kompetenzen des vorläufigen Verwalters. 99 Hat das Insolvenzgericht ein allgemeines Verfügungsverbot erlassen, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen auf einen zu bestellenden (vorläufigen) Insolvenzverwalter über, § 22 Abs. 1 S. 1 InsO. Ein mit diesen weitreichenden Befugnissen ausgestatteter Verwalter wird auch als „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter bezeichnet. 100 Es treten damit dieselben verfügungsrechtlichen Wirkungen ein, wie sie auch im eröffneten Verfahren von § 80 Abs. 1 InsO ausgelöst werden.101 Die Rechtsstellung des vorläufigen „starken“ Insolvenzverwalters gleicht daher der des Verwalters im eröffneten Verfahren.102 Dementsprechend können bereits im Eröffnungsverfahren dieselben rechtlichen Probleme auftreten, wie im eigentlichen Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Arztpraxis. Es ergeben sich insbesondere Konflikte mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht. Bei Übernahme der Praxisführung durch den Verwalter würde gegen § 2 Abs. 1 BÄO verstoßen. Führen Arzt und vorläufiger „starker“ Insolvenzverwalter die Praxis gemeinsam, widerspricht dies jedenfalls § 2 Abs. 4 MBO-Ä, wonach der Arzt seinen Beruf frei von fachlichen Weisungen eines Nichtarztes ausüben muss. 103 Auch ein Konflikt mit dem Vertragsarztrecht ist, wie oben gezeigt, unvermeidbar.

97

Im Eröffnungsverfahren auftretende Probleme bzgl. der ärztlichen Schweigepflicht werden gesondert im 5. Kap. unter C. I. besprochen. 98 MüKo-InsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 23; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 2; Braun/Böhm, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 3; Andres/Leithaus/Leithaus, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 4; Uhlenbruck, Kölner Schrift zur InsO, S. 159, 162 (Rn. 2, 3); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.42, 7.43 ff. 99 MüKo-InsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 22, 23. 100 Uhlenbruck, Kölner Schrift zur InsO, S. 159, 162 (Rn. 3); Uhlenbruck/Vallender, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 2; MüKo-InsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 23; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 2 ff.; K. Schmidt/Hölzle, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 1; Braun/Böhm, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 3; Andres/Leithaus/Leithaus, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 4. 101 MüKo-InsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 23; K. Schmidt/Hölzle, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 23. 102 Vgl. Uhlenbruck, Kölner Schrift zur InsO, S. 159, 163 (Rn. 3). 103 S. hierzu unter I. 2. b) bb).

A. Führung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

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2. Bestellung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters Erlegt das Insolvenzgericht dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auf, so bestimmen sich die Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht nach § 22 Abs. 1 S. 1 InsO. Ein Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis erfolgt nicht automatisch. Vielmehr legt das Gericht in diesem Fall selbst den Rahmen der Rechte und Pflichten des vorläufigen Verwalters nach § 22 Abs. 2 InsO fest.104 Grenze der Kompetenzzuweisung durch das Gericht sind die Rechte und Pflichten eines „starken“ Verwalters, die nicht überschritten werden dürfen.105 Dieser Verwalter wird auch als „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter bezeichnet,106 da ihm regelmäßig weniger Befugnisse als dem „starken“ vorläufigen Verwalter verliehen sind. Sind keine weiteren Sicherungsmaßnahmen zur Einschränkung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners ergangen, erlangt der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter gegenüber dem Schuldner allenfalls die Stellung einer gerichtlich bestellten Aufsichtsperson oder eines Beraters.107 Bei Bestellung eines vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalters werden die Befugnisse des Schuldners, sein Vermögen zu verwalten und Verfügungen darüber zu treffen, damit zwar nicht so stark eingeschränkt wie bei Anordnung der „starken“ vorläufigen Verwaltung, gleichwohl hat eine dritte Person Einwirkungsmöglichkeiten auf den Betrieb der Praxis. Der vorläufige Verwalter wird den Schuldner, ähnlich wie ein Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren, im Interesse der Gläubiger zu einer möglichst wirtschaftlichen Verhaltensweise bewegen. Eine nachteilige Veränderung der Vermögensmasse des Schuldners vor Verfahrenseröffnung ist zu verhindern, dies ist Zweck der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren, zu denen auch die vorläufige „schwache“ Insolvenzverwaltung gehört, vgl. § 21 Abs. 1 S. 1 InsO. Dadurch entsteht ein Konflikt mit § 2 Abs. 4 MBO-Ä,108 der allenfalls bei sehr restriktiver Kompetenzzuweisung an den vorläufigen „schwachen“ Verwalter vermieden werden könnte. Das Vertragsarztrechts würde aber dennoch verletzt,109 denn hier ist unter anderem die wirtschaftliche Verantwortlichkeit des Arztes von Bedeutung, die bei Bestel104

Uhlenbruck/Vallender, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 7; MüKo-InsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 28; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 209, 210 ff.; Andres/Leithaus/Leithaus, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 5; Uhlenbruck, Kölner Schrift zur InsO, S. 159, 191 (Rn. 50); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.44. 105 BGHZ 151, 353, 366 = NJW 2002, 3326, 3329 = ZIP 2002, 1626, 1629; MüKoInsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 28; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 209; Andres/Leithaus/Leithaus, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 5; K. Schmidt/Hölzle, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 30. 106 Uhlenbruck, Kölner Schrift zur InsO, S. 159, 164 (Rn. 7), 191 (Rn. 50); Uhlenbruck/Vallender, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 7, 8; MüKo-InsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 28; Nerlich/Römermann/Mönning, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 209; K. Schmidt/Hölzle, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 1; Braun/Böhm, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 4; Andres/Leithaus/Leithaus, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 5. 107 Uhlenbruck/Vallender, Insolvenzordnung, § 22 Rn. 6; MüKo-InsO/Haarmeyer, § 22 Rn. 30. 108 Vgl. dazu die Ausführungen unter I. 2. b) bb). 109 Hierzu ausf. oben unter I. 3.

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4. Kap.: Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

lung eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters zumindest eingeschränkt wäre. 3. Verzicht auf die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters Der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter kann also unter Umständen bestellt werden, ohne dass ihm echte Befugnisse verliehen werden. Dann aber stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters. Jedenfalls für den Fall, dass der Schuldner die Eigenverwaltung beantragt hat, soll das Gericht von der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters gänzlich absehen können.110 Auch in anderen Fällen ist der Verzicht auf die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung jedenfalls (theoretisch) möglich, das Gericht entscheidet darüber nach freiem Ermessen. 111 Wird eine vorläufige Insolvenzverwaltung nicht angeordnet, kann der Schuldner die Praxis im Insolvenzeröffnungsverfahren also eigenständig weiterführen, so wird ein Konflikt mit der ärztlichen Schweigepflicht sowie dem ärztlichen Berufsund Standesrecht vermieden. Allerdings ist dies nur möglich, wenn im Laufe des Eröffnungsverfahrens keine negativen Veränderungen des Praxisvermögens durch die schuldnerische Fortführung zu erwarten sind. Dies wird parktisch wohl selten der Fall sein, weshalb die Gerichte, selbst wenn der Schuldner einen Antrag auf Eigenverwaltung gestellt hat, selten von der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters absehen werden. 112 4. Ergebnis Bei Anordnung der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung durch das Gericht ergeben sich die gleichen Probleme, wie sie auch im eröffneten Insolvenzverfahren bestehen. Insbesondere Konflikte mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht sowie der ärztlichen Schweigepflicht und dem Vertragsarztrecht sind unvermeidbar. Diese Konflikte lassen sich nur vermeiden, wenn von der Anordnung der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung abgesehen wird. Es bleibt die Möglichkeit der Anordnung der „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung. Hier stehen dem Verwalter weniger weitreichende Befugnisse zu, sodass zumindest ein Konflikt mit § 2 Abs. 1 BÄO vermieden wird. Trotzdem wird er einen gewissen Einfluss auf den Schuldner nehmen müssen. Dies kann zu einem Konflikt mit § 2 Abs. 4 MBO-Ä führen. Auch die ärztliche Schweigepflicht droht beeinträchtigt zu werden. Jedenfalls die vom Vertragsarztrecht geforderte wirtschaftliche Verantwortlichkeit und die ausreichende Wahrung der Handlungsfreiheit des Arztes in beruflicher und persönlicher Hinsicht sind nicht gegeben. Es ist daher allenfalls eine sehr restriktive Anordnung der „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung denkbar. Dann aber kann von der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung möglicherweise gänzlich abgesehen werden. Nur so ist sichergestellt, dass es 110

Delhaes, NZI 1998, 102, 103; Schildt, Die Insolvenz des Freiberuflers, S. 119; eher krit. Uhlenbruck, Kölner Schrift zur InsO, S. 159, 161 (Rn. 1). 111 Vgl. Schildt, Die Insolvenz des Freiberuflers, S. 119; Delhaes, NZI 1998, 102, 103. 112 Vgl. insoweit Uhlenbruck, Kölner Schrift zur InsO, S. 159, 161 (Rn. 1).

B. Schicksal von Behandlungsverträgen in der Insolvenz der Arztpraxis

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weder zu Problemen mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht noch mit der ärztlichen Schweigepflicht und dem Vertragsarztrecht kommt. Der Verzicht auf die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung im Eröffnungsverfahren ist aber nur möglich, wenn nicht die Gefahr der Verschlechterung der schuldnerischen Vermögensverhältnisse droht.113 Andernfalls bliebe nur die (zumindest vorläufige) Einstellung des Praxisbetriebs, wenn Konflikte mit der ärztlichen Schweigepflicht, dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht sowie dem Vertragsarztrecht vermieden werden sollen.

III. Fazit Die Verwaltung und Fortführung der Arztpraxis durch einen Insolvenzverwalter birgt, im Insolvenzverfahren wie im Eröffnungsverfahren, zahlreiche rechtliche Probleme. Dies ist der Situation geschuldet, dass zur Ausübung des ärztlichen Berufs eine besondere berufliche Qualifikation erforderlich ist und berufs- und standesrechtliche Regelungen spezielle Vorgaben für die Berufsausübung machen. Bei strikter Beachtung dieser Vorgaben unterläge das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Arztpraxen großen Einschränkungen. Allerdings müssen die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden, das heißt auch und vor allem die Interessen der Gläubiger. Es wäre mit Blick auf den Schutz der Gläubiger nicht hinnehmbar, wenn das Insolvenzverfahren bei Arztpraxen aufgrund der geschilderten Besonderheiten undurchführbar würde. Zwischen den Interessen der Beteiligten muss daher ein Ausgleich gefunden werden. 114 Das bedeutet, dass unter Umständen sogar die ärztliche Schweigepflicht oder das Gebot der Weisungsfreiheit eingeschränkt werden müssen. Die Grenze muss aber stets dort liegen, wo eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Patienten droht.

B. Schicksal von Behandlungsverträgen in der Insolvenz der Arztpraxis B. Schicksal von Behandlungsverträgen in der Insolvenz der Arztpraxis

Seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes115 und der damit einhergehenden Kodifikation des Behandlungsvertrags in §§ 630a ff. BGB kann nicht mehr bezweifelt werden, dass die Beziehung zwischen Arzt und Patient privatrechtlicher Natur ist.116 Ein bürgerlich-rechtliches Vertragsverhältnis kommt nicht nur zwi113

Bei der Insolvenz von Arztpraxen kann dies etwa der Fall sein, wenn die Praxis rentabel ist und die Insolvenz auf zu hohe Entnahmen der Ärzte zurückzuführen ist (was praktisch nicht selten der Fall sein soll, vgl. d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, Rn. 38; Ziegler, ZInsO 2014, 1577; Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21 f.; Uhlenbruck, ZVI 2002, 49). 114 Zu möglichen Lösungen der Konflikte s. im 6. Kap. unter B. 115 Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (PatRG) v. 20.2.2013, BGBl. I, S. 277, in Kraft getreten am 26.2.2013. 116 Vgl. BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 16 ff.; Griebau, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 10. Kap. Rn. 9; Wagner, VersR 2012, 789, 790; Spickhoff, VersR 2013, 267, 270; Rehborn, GesR 2013, 257, 258; s. a. die Gesetzesbegründung, BTDrs. 17/10488, S. 17 f.; a. A. aber Hauck, SGb 2014, 8, 11 f.

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4. Kap.: Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

schen Privatpatient und Arzt, sondern auch zwischen Kassenpatient und Vertragsarzt zustande.117 Um das Schicksal von Behandlungsverträgen in der Insolvenz einer Arztpraxis feststellen zu können, wird zunächst erläutert, was grundsätzlich mit Verträgen in der Insolvenz geschieht (I.). Sodann ist zu klären, um welche Art von Vertrag es sich beim Behandlungsvertrag handelt (II. 1.). Daruafhin kann eine insolvenzrechtliche Einordnung erfolgen (II. 2.). Von Interesse ist das Schicksal von Behandlungsverträgen in der Insolvenz dabei nicht nur für den betroffenen Arzt und den Insolvenzverwalter, sondern auch für die Patienten des Schuldners. Denn sie erwarten oder benötigen möglicherweise eine Behandlung durch den Schuldner und müssen sich gegebenenfalls einen anderen Arzt suchen.

I. Verträge in der Insolvenz Das Schicksal und die rechtliche Behandlung bereits bestehender Verträge in der Insolvenz richtet sich nach mehreren Kriterien. Zum einen kommt es darauf an, welche Vertragspartei sich im Insolvenzverfahren befindet, zum anderen ist der Vertragstypus von entscheidender Bedeutung. Die Insolvenzordnung differenziert nämlich in den §§ 103 ff. nach der Art des Vertragsverhältnisses. 1. Frühere Rechtslage Nach der vom BGH seit dem Jahr 1988118 angewandten sog. „Erlöschenstheorie“ bewirkte die Eröffnung des Konkursverfahrens das Erlöschen der gegenseitigen Erfüllungsansprüche. 119 Wählte der Verwalter die Nichterfüllung, blieb es bei diesem Zustand, wählte er Erfüllung, so entstanden die Erfüllungsansprüche neu.120 Ziel dieser Rechtsprechung war ein verstärkter Schutz der Insolvenzmasse.121 Insbesondere sollte verhindert werden, dass die Masse, bei Erfüllungswahl durch den Verwalter, zur Leistung verpflichtet blieb, wenn der Vertragspartner mit alten Forderungen aufrechnete.122 Denn wenn bei Wahl der Erfüllung durch den Verwalter die Ansprüche neu begründet wurden, war eine Verrechnung nicht möglich, dies folgte aus § 55 S. 1 Nr. 1 KO (Vorgängernorm von § 96 Nr. 1 InsO). Der BGH hat diese Rechtsprechung allerdings im Jahr 2002 aufgegeben.123 Seit117

BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 47; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 1; Wagner, VersR 2012, 789, 790; Rehborn, GesR 2013, 257, 258. 118 Die Entscheidungen ergingen zur Zeit der Konkursordnung, Vorgängernorm von § 103 InsO war § 17 KO. Inhaltlich glich § 17 Abs. 1 KO dem heutigen § 103 Abs. 1 InsO. 119 Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 6; K. Schmidt/Ringstmeier, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 11; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 31 Rn. 5; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 187. Ausf. zur früheren Rechtslage Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 5 ff. 120 K. Schmidt/Ringstmeier, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 11; Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 6. 121 Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 6; MüKo-InsO/Kreft, § 103 Rn. 11. 122 Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 6; K. Schmidt/Ringstmeier, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 10. 123 BGHZ 150, 353 = NJW 2002, 2783 = ZIP 2002, 1093.

B. Schicksal von Behandlungsverträgen in der Insolvenz der Arztpraxis

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dem geht er nicht länger vom Erlöschen der Erfüllungsansprüche aus, sondern von der fehlenden Durchsetzbarkeit.124 Auch hierdurch wird der Schutz der Insolvenzmasse in ausreichendem Maß verwirklicht. 125 2. Aktuelle Rechtslage Grundsätzlich wirkt sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in materiellrechtlicher Hinsicht nicht auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dessen Vertragspartner aus, sie hat keinen Einfluss auf Bestand oder Inhalt des Vertragsverhältnisses.126 Auch die vertraglichen Erfüllungsansprüche bleiben bestehen, sind aber, wegen der Nichterfüllungseinrede des § 320 Abs. 1 S. 1 BGB, nicht durchsetzbar.127 Denn nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB kann derjenige, der aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, die Erbringung der ihm obliegenden Leistung bis zur Erbringung der Gegenleistung verweigern. Dies ist Ausdruck des funktionellen Synallagmas von Leistung und Gegenleistung. 128 Dem Vertragspartner des Schuldners steht ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein durchsetzbarer Anspruch mehr gegen diesen zu. Mit Mitteln der Masse kann der Schuldner die Gegenleistung nicht erbringen, da er mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis verloren hat, über sie zu verfügen. Dieses Recht ist nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen.129 Daher kann der Gläubiger die Erbringung seiner Leistung nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB verweigern. Einzig der Insolvenzverwalter ist befugt, im eröffneten Verfahren Verfügungen über die Insolvenzmasse vorzunehmen. Seine Rechte in Bezug auf bestehende Vertragsverhältnisse ergeben sich aus §§ 103 ff. InsO. Grundsätzlich kann der Verwalter bei einem gegenseitigen Vertrag, der vom Schuldner oder dessen Vertragspartner nicht oder noch nicht vollständig erfüllt ist, wählen, ob er anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung verlangen will, 124

BGHZ 150, 353, 359 = NJW 2002, 2783, 2785 = ZIP 2002, 1093; BGH NJW 2006, 915, 916 f. = ZIP 2006, 87, 90; BGH NJW 2007, 1594 = ZIP 2007, 778, 779. S. hierzu im Folgenden unter 2. 125 Vgl. MüKo-InsO/Kreft, § 103 Rn. 13. 126 BGHZ 150, 353, 359 = NJW 2002, 2783, 2785 = ZIP 2002, 1093; BGH NJW 1996, 1056, 1057 = ZIP 1996, 426, 427; Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 11; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 20.07; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 31 Rn. 5. 127 BGHZ 150, 353, 359 = NJW 2002, 2783, 2785 = ZIP 2002, 1093; BGH NJW 2006, 915, 916 f. = ZIP 2006, 87, 90; BGH NJW 2007, 1594 = ZIP 2007, 778, 779; MüKoInsO/Kreft, § 103 Rn. 13, 18; Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 11; K. Schmidt/Ringstmeier, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 1; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 31 Rn. 5. 128 BGHZ 198, 150, 156 (Rn. 20) = NJW 2013, 3297, 3299 = ZIP 2013, 1824; Staudinger/Schwarze, Vorbem. zu §§ 320–326 Rn. 21, § 320 Rn. 1; MüKo-BGB/Emmerich, § 320 Rn. 1; Jauernig/Stadler, BGB, § 320 Rn. 2; Soergel/Gsell, Vor § 320 Rn. 16, § 320 Rn. 2; Palandt/Grüneberg, Einf v § 320 Rn. 14, § 320 Rn. 1; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, § 13 II. 6. (S. 318 f.); Larenz, Schuldrecht I, § 15 I. (S. 203); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 20.09. 129 S. hierzu oben unter A. I. 1.

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4. Kap.: Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

§ 103 Abs. 1 InsO. Dem Verwalter steht also ein Wahlrecht hinsichtlich der Durchführung des Vertrags zu.130 Entscheidet er sich dafür, den Vertrag zu erfüllen, so verpflichtet er damit die Masse.131 Die Einrede des § 320 Abs. 1 S. 1 BGB besteht nicht länger und die Leistungen werden wie vereinbart ausgetauscht. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, bleibt die Einrede des § 320 Abs. 1 S. 1 BGB bestehen und der Vertragspartner des Schuldners erhält einen Schadensersatzanspruch gegen die Masse, allerdings als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO).132 Von diesem in § 103 InsO geregelten Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen für unterschiedliche Typen von Verträgen. So trifft beispielsweise § 104 InsO eine besondere Regelung für Fixgeschäfte und Finanzleistungen, die §§ 109 und 110 InsO beinhalten Sonderregeln für Miet- und Pachtverhältnisse und die §§ 115 und 116 InsO legen das Erlöschen von Aufträgen und Geschäftsbesorgungsverträgen fest. Darüber hinaus existieren, neben weiteren Ausnahmen, auch besondere Regelungen über Dienstverhältnisse. § 108 Abs. 1 S. 1 InsO regelt, dass Dienstverhältnisse des Schuldners mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen. Diese Regelung gilt sowohl für den Fall, dass der Schuldner Dienstberechtigter als auch für den Fall, dass er Dienstverpflichteter ist.133 Letzteres ist entscheidend für das Schicksal von Behandlungsverträgen in der Insolvenz des Behandelnden.

II. Der Behandlungsvertrag in der Insolvenz Die Frage des Schicksals von Behandlungsverträgen ist in der Insolvenz von Ärzten und Arztpraxen insbesondere mit Blick auf die Arzt-Patient-Beziehung von großer Bedeutung. Denn wenn Ärzten aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Schließung der Praxis droht, kann Patienten beispielsweise die Frage belasten, ob eine begonnene Therapie bei demselben Arzt fortgesetzt werden kann.

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Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 96; MüKo-InsO/Huber, § 103 Rn. 148; K. Schmidt/Ringstmeier, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 2, 21 ff.; Braun/Kroth, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 42; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 20.16; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 199; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 31 Rn. 3. 131 Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 132, 133 f.; MüKo-InsO/Kreft, § 103 Rn. 39; K. Schmidt/Ringstmeier, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 39; Braun/Kroth, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 48; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 20.16; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 31 Rn. 17. 132 Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 165 ff., 174; MüKo-InsO/Huber, § 103 Rn. 176; K. Schmidt/Ringstmeier, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 52 ff.; Braun/Kroth, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 52; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 20.24; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 31 Rn. 16. 133 Uhlenbruck/Ries, Insolvenzordnung, § 108 Rn. 46, 48; K. Schmidt/Ringstmeier, Insolvenzordnung, § 108 Rn. 29; Braun/Kroth, Insolvenzordnung, § 108 Rn. 13; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 20.57 ff.

B. Schicksal von Behandlungsverträgen in der Insolvenz der Arztpraxis

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1. Rechtsnatur des Behandlungsvertrags Der Behandlungs- oder Arztvertrag ist im BGB (§§ 630a ff.) als Sonderform des Dienstvertrags kodifiziert worden.134 Dies entsprach der überwiegenden Ansicht in der Rechtswissenschaft, der Vertrag zwischen Arzt und Patient wurde bereits vor der Kodifizierung zumeist als Dienstvertrag i. S. v. § 611 BGB eingeordnet.135 Gegenstand des Vertrags ist grundsätzlich die Leistung von Diensten. Damit ist klar, dass es sich nicht um einen Werkvertrag handelt.136 Bei einem solchen ist regelmäßig ein Erfolg, die Herstellung eines Werks geschuldet. 137 Der Arzt aber kann und will den Behandlungserfolg nicht garantieren, denn der menschliche Körper ist, auch für den Arzt, nicht vollends beherrschbar, die Heilung des Patienten ist von zahlreichen Faktoren abhängig.138 Eine „Gesundheitsgarantie“ kann der Arzt nicht geben, sie würde den Mediziner zudem mit einem unüberschaubaren Haftungsrisiko belasten.139 Wegen der Unberechenbarkeiten des lebenden Organismus schuldet der Arzt daher nicht den Heilungserfolg, sondern lediglich das fachgerechte Bemühen. 140 Vereinzelt kann bei einem Behandlungsvertrag aber auch ein Erfolg geschuldet sein, etwa die Vornahme von Röntgendiagnostik,141 die Erbringung von Laborleistungen,142 oder die Anpassung einer (Zahn-)Prothese,143 wobei in letzterem Fall 134

BT-Drs. 17/10488, S. 17; BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 20; HK-AKM/ders., Nr. 800 Rn. 2 ff.; MüKo-BGB/Wagner, § 630a Rn. 3; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 26; Griebau, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 10. Kap. Rn. 1. Zur Geschichte der Kodifizierung des Behandlungsvertrags im BGB s. HKAKM/Katzenmeier, Nr. 800 Rn. 2 ff. 135 BGHZ 36, 306, 309; 76, 249, 261; 97, 273, 277; BGH NJW 1981, 630; 1990, 761; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 99; Laufs, Arztrecht, 51993, Rn. 100; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 7; Larenz, Schuldrecht II/1, § 52 I (S. 252); RGRK/Anders/Gehle, § 611 Rn. 165. 136 So aber Jakobs, NJW 1975, 1437; Darstellung der unterschiedlichen Ansichten bei Uhlenbruck/Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 32002, § 39 Rn. 16 ff. 137 Staudinger/Peters/Jacoby, § 631 Rn. 1, 2 ff.; MüKo-BGB/Busche, § 631 Rn. 1, 11; Jauernig/Mansel, BGB, Vor § 631 Rn. 2; Palandt/Sprau, Einf v § 631 Rn. 1; Larenz, Schuldrecht II/1, § 53 I. 138 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 99; ders., NJW 2013, 817, 818; BeckOK-BGB/ders., § 630a Rn. 20; MüKo-BGB/Wagner, § 630a Rn. 4; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 26. Vgl. auch die Gesetzesbegründung zu § 630a BGB, BT-Drs. 17/10488, S. 17. 139 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 99 f. 140 BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 20; ders., NJW 2013, 817, 818; HKAKM/ders., Nr. 800 Rn. 8; MüKo-BGB/Wagner, § 630a Rn. 4; Jauernig/Mansel, BGB, Vor § 630a Rn. 2; Kern, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 38 Rn. 9 ff.; Griebau, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 10. Kap. Rn. 1; ausf. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 100. S. a. die Gesetzesbegründung zum Patientenrechtegesetz, BT-Drs. 17/10488, S. 17. 141 Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, § 630a BGB Rn. 9; Palandt/Weidenkaff, Vor § 630a Rn. 5. 142 Erman/Rehborn/Gescher, § 630a Rn. 3; MüKo-BGB/Busche, § 631 Rn. 124; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, § 630a BGB Rn. 9; Palandt/Weidenkaff, Vor § 630a Rn. 5. 143 Katzenmeier, NJW 2013, 817, 818; BeckOK-BGB/ders., § 630a Rn. 22 f.; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 28; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, § 630a BGB Rn. 9; Erman/Rehborn/Gescher, § 630a Rn. 3. Zudem steht es den Parteien

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4. Kap.: Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter

gleichwohl ein Behandlungsvertrag vorliegt und sich (nur) die Gewährleistung nach dem Werkvertragsrecht richtet.144 2. Schicksal in der Insolvenz Die Einordnung des Behandlungsvertrags als (besonderer) Dienstvertrag145 hat zur Folge, dass in der Insolvenz der Arztpraxis § 108 InsO Anwendung findet. Demnach bestehen Behandlungsverträge mit Wirkung für die Masse fort. Dem Insolvenzverwalter steht kein Wahlrecht hinsichtlich der Erfüllung zu, wie es § 103 InsO festlegt. Die Vorschriften über die Abwicklung schwebender Verträge sind unanwendbar.146 Denn § 108 InsO geht als speziellere Regelung vor.147 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arztpraxis führt daher nicht zur Undurchsetzbarkeit der Ansprüche aus dem Behandlungsvertrag. Patienten können weiterhin Erfüllung verlangen.148 Dies ist aus Sicht der Patienten besonders in schwierigen Behandlungs- und Lebenssituationen, wie etwa einer Chemotherapie oder einer Injektionskur von großer Bedeutung, da sie sich während der Therapie keinen neuen Arzt suchen müssen, sondern einen (vertraglichen) Anspruch auf Fortsetzung der Behandlung (Erfüllung) bei dem bereits bekannten Behandler haben. Mit Blick auf die äußerst sensible Beziehung zwischen Arzt und Patient ist dies besonders wichtig, denn eine intakte vertrauensvolle Beziehung zwischen Arzt und Patient kann helfen, den gewünschten Heilungserfolg herbeizuführen. Zu beachten ist, dass Behandlungsverträge mit werkvertraglichem Charakter anders zu behandeln sind als die dem Regelfall entsprechenden besonderen Dienstverträge i. S. v. § 630a BGB. Dies ist bei Verträgen der Fall, die die Erbringung einer einzelnen Werkleistung zum Inhalt haben, etwa die Anfertigung eines Röntgenbildes. Dies ändert zwar nichts an der Einordnung des Vertrags als Behandlungsvertrag,149 die werkvertragliche Ausgestaltung ist insolvenzrechtlich aufgrund der Privatautonomie frei, den Vertrag als Werkvertrag auszugestalten, vgl. BTDrs. 17/10488, S. 17; Jauernig/Mansel, BGB, Vor § 630a Rn. 3; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 29. 144 BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 23; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 28. 145 S. dazu oben unter B. II. 1. 146 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 20.58 f. 147 BGHZ 204, 83, 92 (Rn. 28) = NJW 2015, 1109, 1111 = ZIP 2015, 589; BGH NJW 2014, 2585 (Rn. 8) = ZIP 2014, 1341; BGHZ 173, 116, 119 (Rn. 9) = NJW 2007, 3715, 3716 = ZIP 2007, 2087, 2088; BGH NJW-RR 2006, 188, 189 (Rn. 19) = ZIP 2005, 2267, 2268; Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 108 Rn. 2; K. Schmidt/Ringstmeier, Insolvenzordnung, § 108 Rn. 2; Nerlich/Römermann/Balthasar, Insolvenzordnung, § 108 Rn. 3; Braun/Kroth, Insolvenzordnung, § 108 Rn. 1. 148 Es entstehen bei Vertragsärzten auch keine Probleme mit Blick auf Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen, denn wenn der Arzt weiterhin seinen vertragsärztlichen Pflichten nachkommt und Patienten behandelt, wird er auch weiterhin vergütet. Der Honoraranspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung wird allerdings Teil der Insolvenzmasse (s. hierzu im 3. Kap. unter D. I. und II.). 149 BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 23; Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. III Rn. 28.

B. Schicksal von Behandlungsverträgen in der Insolvenz der Arztpraxis

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jedoch zu berücksichtigen. Hier besteht kein Unterschied zu sonstigen Werkverträgen, die § 103 InsO unterfallen. 150 Liegt der Schwerpunkt, also die Hauptleistung, auf der Erbringung einer Werkleistung, kommt § 103 InsO zur Anwendung.151 Dem Insolvenzverwalter steht dann ein Wahlrecht hinsichtlich der Erfüllung des Vertrags zu, § 103 Abs. 1 InsO. Dabei ist allerdings zu beachten, dass er den Schuldner nicht zur Mitarbeit zwingen kann. Daher wird er Erfüllung nur wählen können, wenn der Schuldner auch willens ist, die Leistung zu erbringen. Dies erfordert eine Abstimmung und eine enge Zusammenarbeit zwischen Schuldner und Insolvenzverwalter. Der Abschluss neuer (Behandlungs-)Verträge, die die Masse verpflichten, ist dem Arzt nicht möglich, diese Befugnis obliegt nach Verfahrenseröffnung (im Regelinsolvenzverfahren) dem Insolvenzverwalter. Indes liegt die Entscheidung über den Einsatz seiner Arbeitskraft allein beim Schuldner, hierüber kann der Verwalter nicht verfügen.152 Auch hier ist daher die Abstimmung und Zusammenarbeit von Schuldner und Verwalter von großer Bedeutung, um die Praxis im Regelinsolvenzverfahren fortführen zu können. Ein derartiges Zusammenwirken von Arzt und Verwalter führt indessen zu gravierenden rechtlichen Problemen, etwa mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht, die bereits an anderer Stelle besprochen worden sind.153

III. Ergebnis Behandlungsverträge, die im Regelfall als Dienstverträge einzuordnen sind, haben in der Insolvenz grundsätzlich Bestand. Dies folgt aus § 108 InsO. Der Insolvenzverwalter hat kein Wahlrecht hinsichtlich der Erfüllung des Vertrages nach § 103 Abs. 1 InsO. Diese Einordnung ist besonders für Patienten vorteilhaft. Denn sie haben einen Anspruch auf die Fortsetzung bereits begonnener Therapien und damit zusammenhängender Behandlungsleistungen. Eine Ausnahme bilden solche Verträge, die die Erbringung einer Werkleistung zum Inhalt haben. Hier ist nicht § 108 InsO, sondern § 103 InsO anwendbar, sodass die Durchführung des Vertrages von der Erfüllungswahl des Verwalters abhängt, wobei zu beachten ist, dass dieser nicht über die Arbeitskraft des Schuldners verfügen darf, ein kooperatives Zusammenwirken von Insolvenzverwalter und Schuldner daher notwendig ist.

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Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 91; Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 51; MüKo-InsO/Huber, § 103 Rn. 85; Nerlich/Römermann/Balthasar, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 18; Braun/Kroth, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 7. 151 Vgl. Uhlenbruck/Wegener, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 26; K. Schmidt/Ringstmeier, Insolvenzordnung, § 103 Rn. 19. 152 S. hierzu im 3. Kap. unter E. 153 Zu Konflikten mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht s. oben A. II., zu Problemen mit der ärztlichen Schweigepflicht s. im 5. Kap. unter C.

Kapitel 5: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die ärztliche Schweigepflicht und die Arzt-Patient-Beziehung 5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

Gerät eine Arztpraxis in die Insolvenz, wirkt sich dies auch auf die Arzt-PatientBeziehung aus. Weniger die Kenntnis des Patienten von der Insolvenz als die rechtlichen und faktischen Eingriffe in das Behandlungsverhältnis1 belasten dabei die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient. Probleme können vor allem daraus entstehen, dass die insolvenzrechtlichen Regelungen der Besonderheit des Verhältnisses zwischen Arzt und Patient nicht Rechnung tragen. Die Interessen Verfahrensunbeteiligter werden in der Insolvenzordnung nicht explizit berücksichtigt. Ziel des Insolvenzverfahrens ist die möglichst umfassende Befriedigung der Gläubiger, hieran orientiert sich das Verfahren. Dadurch ergeben sich Konflikte mit den Rechten der Patienten, etwa dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das durch die ärztliche Schweigepflicht geschützt wird.2 Im Folgenden werden die Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung untersucht. Dies geschieht am Beispiel der ärztlichen Schweigepflicht, die vor allem dem Schutz der Patienten dient.

A. Besonderheiten der Arzt-Patient-Beziehung A. Besonderheiten der Arzt-Patient-Beziehung

Zwischen Arzt und Patient besteht ein besonderes Verhältnis, das weit über eine rein juristische Vertragsbeziehung hinausgeht.3 Es ist vor allem gekennzeichnet durch Fürsorge, Vertrauen und Verständnis.4 Der notleidende Patient wendet sich an den Arzt, der sich wissenschaftlich und zugleich menschlich um die Leiden des Patienten zu kümmern hat.5 Dem Arzt werden Rechtsgüter von höchstem Rang, namentlich das Leben und die Gesundheit, anvertraut und ihm wird dadurch ein Einblick in die Intimsphäre des Patienten gewährt. 6 Der Arzt wird daher zur Vertrauensperson des Patienten.7 Im Laufe der Geschichte hat sich die anfangs mythische Beziehung zwischen Arzt und Patient zu einer Freundschaft („philia“) ent-

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S. dazu im 4. Kap. Näher hierzu unter B. I. (s. Fn. 27). 3 BVerfGE 52, 131, 169 f. = NJW 1979, 1925, 1930; s. a. Wiethölter, Azt und Patient als Rechtsgenossen, S. 71, 105; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 5; Laufs, MedR 1986, 163, 164; ders., in: Eser, Recht und Medizin, S. 387, 391. 4 Wiethölter, Arzt und Patient als Rechtsgenossen, S. 71, 104; s. a. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 5. 5 Jaspers, Die Idee des Arztes, S. 111; Laufs, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 1 Rn. 7; s. a. Keil, Rechtsfragen der individualisierten Medizin, S. 135. 6 Laufs, MedR 1986, 163; ders., in: Eser, Recht und Medizin, S. 387; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 6. 7 S. dazu Buchborn, MedR 1984, 126, 128; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 9 f.; Maio, Mittelpunkt Mensch, S. 233 f. 2

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Lauf, Die Arztpraxis in der Insolvenz, Kölner Schriften zum Medizinrecht 24, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60425-0_6

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

wickelt.8 Heute hat sich das Bild des Arztes und mit ihm auch die Beziehung zwischen Arzt und Patient stark gewandelt.9 Der Behandelte wurde zum „mündigen Patienten“10, der Arzt immer mehr zum Spezialisten11. Aus der paternalistisch12 ausgeprägten Freundschaft wird eine Partnerschaft. 13 Dem im Jahr 2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetz liegt die Vorstellung einer Beziehung „auf Augenhöhe“ zugrunde.14 Trotz dieser Entwicklungen bleibt das Verhältnis zwischen Arzt und Patient etwas Besonderes. Eingriffe in die Beziehung können für Patienten weitreichende Folgen haben, entsprechend strebt die Zweierbeziehung danach, sich gegen Einflüsse von außen abzuschirmen. Dritte dürfen grundsätzlich nicht intervenieren.15 Das Behandlungsklima in der Arzt-Patient-Beziehung ist von großer Bedeutung für den Erfolg therapeutischer Maßnahmen und letztlich für den Behandlungsausgang. Der Heilungserfolg hängt nicht zuletzt von der guten Kooperation und der Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patient ab, die es dem Arzt ermöglichen, den persönlichen Bedürfnissen des Patienten gerecht zu werden. 16 Die Compliance des Patienten wird umso größer sein, je besser die Vertrauensbeziehung zu dem ihn behandelnden Arzt ist. 17 Im Falle der Insolvenz der Arztpraxis dringen jedoch Dritte unmittelbar in die Beziehung zwischen Arzt und Patient ein. Gemäß § 80 Abs. 1 InsO ist grundsätzlich der Insolvenzverwalter zur Führung der Praxis ermächtigt. Auch wenn der Verwalter als Nichtarzt mangels ausreichender beruflicher Qualifikation sicherlich niemals die ärztliche Tätigkeit an sich übernehmen wird, muss er aus ökonomischen Gründen in die Beziehung zwischen Arzt und Patient einbezogen werden. So kann und wird es beispielsweise erforderlich sein, dass der Insolvenzverwalter im Rahmen der Masseverwaltung Einblick in die Behandlungsunterlagen der

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v. Uexküll/Wesiack, Theorie der Humanmedizin, S. 584 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 6 f. 9 Zum Wandel des Arztbildes s. die Beiträge in Katzenmeier/Bergdolt, Das Bild des Arztes im 21. Jahrhundert, s. hier insb. die Beiträge von Hoppe, Die Patient-ArztBeziehung im 21. Jahrhundert, S. 1 ff. und Laufs, Die jüngere Entwicklung des Arztberufs im Spiegel des Rechts, S. 9 ff. S. a. v. Uexküll/Wesiack, Theorie der Humanmedizin, S. 575 ff. 10 Vgl. BT-Drs. 17/10488, S. 1, 9; s. a. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. V Rn. 27, 107. 11 Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik, S. 62; s. a. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 13 f. 12 S. hierzu Emanuel/Emanuel, in: Wiesing, Ethik in der Medizin, S. 101 f. Vgl. zum ärztlichen Paternalismus auch Maio, Mittelpunkt Mensch, S. 214 ff. 13 v. Uexküll/Wesiack, Theorie der Humanmedizin, S. 595 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 8 f. Zur Ausgestaltung der Partnerschaft s. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. V Rn. 103 ff. 14 BT-Drs. 17/10488, S. 9; s. a. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. V Rn. 27. 15 Wieland, Strukturwandel der Medizin und ärztliche Ethik, S. 58 f.; Katzenmeier, Arzthaftung, S. 8 f. 16 Vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 5 ff.; Keil, Rechtsfragen der individualisierten Medizin, S. 136; Maio, Mittelpunkt Mensch, S. 234. 17 Vgl. Maio, Mittelpunkt Mensch, S. 234.

B. Die ärztliche Schweigepflicht

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Patienten nimmt.18 Das kann das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient belasten. Auch die drohende Schließung oder Umgestaltung der Praxis, in die ein Patient sein Vertrauen setzt, kann sich negativ auf die Arzt-Patient-Beziehung auswirken. Die Problematik wird im Folgenden am Beispiel der ärztlichen Schweigepflicht – die vor allem dem Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient dient19 – untersucht.

B. Die ärztliche Schweigepflicht I. Rechtliche Anknüpfungspunkte der ärztlichen Schweigepflicht B. Die ärztliche Schweigepflicht

Die heute20 sowohl standesrechtlich (§ 9 Abs. 1 S. 1 MBO-Ä) normierte als auch strafrechtlich (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) sanktionierte ärztliche Schweigepflicht ist Grundpfeiler für die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient. 21 Denn die Gewissheit, dass der Arzt nicht alles weitergibt, was er im Rahmen der Behandlung über den Patienten erfährt, ist von zentraler Bedeutung für eine partnerschaftliche Beziehung von Arzt und Patient. 22 Der „Grundstein“ für die ärztliche Schweigepflicht findet sich bereits im Hippokratischen Eid.23 Zwar legen Mediziner diesen Eid heute nicht mehr in seiner ursprünglichen Form ab.24 Die Ver18

S. dazu auch unter C. 2. a) u. b). Vgl. Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 1; s. a. Maio, Mittelpunkt Mensch, S. 234. 20 Zur historischen Entwicklung der ärztlichen Schweigepflicht s. Hübner, Umfang und Grenzen des strafrechtlichen Schutzes des Arztgeheimnisses nach § 203 StGB, S. 25 ff.; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 17 f.; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 65 Rn. 1 ff. 21 Zum besonderen Charakter der Arzt-Patient-Beziehung umfassend Katzenmeier, Arzthaftung, S. 5 ff.; s. hierzu auch oben unter A. 22 BVerfGE 32, 373, 380 = NJW 1972, 1123, 1124; Laufs, Arztrecht, 51993, Rn. 423; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 13 f.; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 3; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 934; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 Rn. 61; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 1; Grömig, NJW 1970, 1209, 1210; Dochow, GesR 2018, 137, 138. 23 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 3; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 65 Rn. 1; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 934; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, § 9 MBO Rn. 1; Dörfer, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 9 Rn. 1; Spann, Ärztliche Rechts- und Standeskunde, S. 234; Taylor, in: Laing/McHale, Principles of Medical Law, Rn. 12.05. Der hippokratische Eid ist abgedruckt bei Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Der hippokratische Eid (vor Kap. I) sowie bei Maio, Mittelpunkt Mensch, S. 107. S. a. allg. zum hippokratischen Eid HK-AKM/Katzenmeier, Nr. 2530. 24 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 4; HK-AKM/ders., Nr. 2530 Rn. 10. S. aber das der MBO-Ä vorangestellte Gelöbnis, das an den hippokratischen Eid und das „Genfer Gelöbnis“ angelehnt ist und in dem es u. a. heißt: „Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus wahren.“ Nachzulesen bei Ratzel/Lippert/J. Prütting, MBO-Ä, Gelöbnis, S. 7; s. hierzu auch Maio, Mittelpunkt Mensch, S. 108 f. 19

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

pflichtung zur Verschwiegenheit ist aber auch nach Jahrtausenden noch zentraler Bestandteil der ärztlichen Standesethik, 25 was die Wichtigkeit der Verschwiegenheitspflicht zeigt.26 Die ärztliche Schweigepflicht dient heute (auch) dem Schutz des verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgesicherten allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Patienten. 27 Rechtsgrundlage ist § 9 MBO-Ä in der Fassung der Berufsordnungen der Landesärztekammern.28 § 203 StGB hingegen ist keine Rechtsgrundlage der ärztlichen Schweigepflicht, sondern stellt lediglich eine Sanktionierung der Verletzung von Privatgeheimnissen dar und gewährleistet damit den strafrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Patienten.29 1. Ärztliches Standesrecht Die ärztliche Schweigepflicht ist, wie bereits erwähnt, in § 9 MBO-Ä und entsprechend in den rechtsverbindlichen Berufsordnungen der Landesärztekammern geregelt. Die Norm umschreibt, was von der Schweigepflicht erfasst wird und wann sie gilt.30 In personeller Hinsicht entfaltet sie Geltung für alle approbierten Ärzte als Mitglieder ihrer jeweiligen Landesärztekammern. 31 Miteinbezogen von der standesrechtlichen Regelung werden das Hilfspersonal des Arztes und die in Ausbildung befindlichen Personen. 32 § 9 Abs. 1 MBO-Ä regelt die generelle Pflicht zur Verschwiegenheit und normiert ausdrücklich, dass von der Verpflichtung zu schweigen auch schriftliche Mitteilungen der Patienten, Röntgenaufnahmen und sonstige Untersuchungsbefunde erfasst sind. In den folgenden Absätzen finden sich schweigepflichtbezogene Sonderregelungen. Absatz 2 normiert die Offenbarungsbefugnisse der Ärzte Laufs, NJW 1975, 1433; ders., Arztrecht, 51993, Rn. 421; Rehborn, GesR 2017, 409, 410; Dochow, GesR 2018, 137, 138; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 4; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 65 Rn. 7; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 858. 26 Vgl. Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 1, der von einer der „zentralen Vorschriften des ärztlichen Berufsrechtes“ spricht. So auch Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, § 9 MBO Rn. 1. S. a. Taylor, in: Laing/McHale, Principles of Medical Law, Rn. 12.05; Wiesing, in: Wiesing, Ethik in der Medizin, S. 36. 27 Vgl. Laufs, Arztrecht, 51993, Rn. 424; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 13; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 65 Rn. 15; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, 15. Kap. Rn. 116; Dörfer, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 9 Rn. 7; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 19; Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1588; Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu/Wiese, MedR 2017, 199, 200; Dochow, GesR 2018, 137, 139. Für einen Schutz auch des Arztes durch Art. 12 Abs. 1 GG Henssler/Kleen/Riegler, MedR 2016, 850, 851 f. 28 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 3; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 4; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 Rn. 63. 29 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 10; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 3; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 Rn. 61. 30 Zu Inhalt und Umfang der Schweigepflicht s. II. 31 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 18. 32 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 18. 25

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(dazu näher unter III.). Der dritte Absatz von § 9 MBO-Ä schreibt Ärztinnen und Ärzten vor, dass sie ihr Personal über die gesetzliche Pflicht zur Verschwiegenheit belehren und dies schriftlich festhalten müssen. Absatz 4 legt schließlich fest, dass mehrere gleichzeitig oder nacheinander behandelnde Ärzte untereinander von der Schweigepflicht befreit sind, wenn das Einverständnis des Patienten diesbezüglich vorliegt oder anzunehmen ist.33 Verletzt der Arzt die Schweigepflicht, so kommen standes- und berufsrechtliche Konsequenzen durch die kammerbezogene Berufsgerichtsbarkeit in Betracht.34 Zu den Sanktionsmöglichkeiten gehören die Verwarnung, der Verweis, die Entziehung des passiven Berufswahlrechts, die Geldbuße, teilweise die Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Berufs sowie die Veröffentlichung der Entscheidung.35 Für den Fall, dass die Verletzung der Schweigepflicht eine besondere Schwere oder eine besondere Häufigkeit aufweist, kann außerdem als ultima ratio das Ruhen oder der Widerruf der Approbation durch die Approbationsbehörde angeordnet werden (vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO).36 2. Strafrecht Die strafrechtlich in § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB verankerte Schweigepflicht dient in erster Linie dem Schutz des aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Patienten fließenden Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und damit dem Schutz des Individualinteresses an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen. 37 Aber auch das Interesse der Bevölkerung an der Verschwiegenheit bestimmter Berufsgruppen, zu denen auch die Ärzte gehören, ist als Allgemeininteresse vom

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Zur Belehrungspflicht ggü Mitarbeitern des Arztes nach § 9 Abs. 3 MBO-Ä s. D. Prütting/Rehborn, Medizinrecht, § 9 MBO-Ä Rn. 7 ff. 34 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 5; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 94; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 126. 35 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 5 mit Nachweisen zu den jeweiligen Normen der Heilberufsgesetze/ Kammergesetze für Heilberufe der Länder in Fn. 11. Exemplarisch seien hier § 58 Heilberufe-Kammergesetz Baden-Württemberg, § 60 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen und § 55 Sächsisches Heilberufekammergesetz genannt. S. a. Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 94; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 126. 36 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 5. 37 BGHZ 115, 123, 125 = NJW 1991, 1724 = MedR 1991, 327; BGHZ 122, 115, 117 = NJW 1993, 1638; Laufs, NJW 1975, 1433 f.; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 3; Fischer, StGB, § 203 Rn. 3; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 11; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 65 Rn. 11, 15 ff.; Spickhoff/Knauer/Brose, Medizinrecht, §§ 203–205 StGB Rn. 1; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap Rn. 116; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 22; Hübner, Umfang und Grenzen des strafrechtlichen Schutzes des Arztgeheimnisses nach § 203 StGB, S. 64 f.; Giesen, NStZ 2012, 122, 123; Rehborn, GesR 2017, 409, 411; Dochow, GesR 2018, 137, 138 f.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

Schutzziel der Norm erfasst, womit auch mittelbar eine funktionierende Gesundheitspflege geschützt ist.38 Strafbar macht sich, wer ein fremdes Geheimnis unbefugt offenbart, das ihm als Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, anvertraut oder sonst bekannt wurde. Nicht erfasst sind demnach Heilpraktiker, da für sie keine staatliche Berufsausbildung gefordert ist.39 Die von § 203 StGB geschützten Geheimnisse sind Privatgeheimnisse und damit solche, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und an denen der Betroffene ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat.40 Die Kenntniserlangung muss in der Eigenschaft als Arzt erfolgen, also in unmittelbarem inneren Zusammenhang mit der beruflichen Funktion stehen.41 Dabei ist nicht erforderlich, dass der Arzt während der Behandlung Kenntnis von dem Geheimnis erlangt. Vielmehr kann es ihm auch außerhalb der Praxis bzw. seines Dienstes anvertraut werden.42 Einzig entscheidend ist, dass ihm das Geheimnis gerade deshalb anvertraut wird, weil er Arzt ist. 43 Dies ist nicht der Fall, wenn er außerhalb seiner be38 Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 3; Fischer, StGB, § 203 Rn. 3; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 11; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 860; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 65 Rn. 16; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap Rn. 116; Bernsmann/Geilen, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rn. 594; Kohlhaas, Medizin und Recht, S. 6 f.; Hübner, Umfang und Grenzen des strafrechtlichen Schutzes des Arztgeheimnisses nach § 203 StGB, S. 63; Laufs, NJW 1975, 1433, 1434; Henssler/Kleen/Riegler, MedR 2016, 850, 851; Rehborn, GesR 2017, 409, 411 f. S. a. BVerfGE 32, 373, 379, 380 = NJW 1972, 1123, 1124. 39 Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 62; Fischer, StGB, § 203 Rn. 19; Spickhoff/Knauer/Brose, Medizinrecht, §§ 203–205 StGB Rn. 13; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap Rn. 117; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 8; Kohlhaas, Medizin und Recht, S. 8; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 23. Zur Ausbildung der Heilpraktiker s. Schumacher, Alternativmedizin, S. 32 ff. 40 OLG Köln NJW 2000, 3656; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 5 ff.; Fischer, StGB, § 203 Rn. 6 ff.; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 862; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 28; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap Rn. 118. 41 Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 865; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 66 Rn. 5; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 15; Spickhoff/Knauer/Brose, Medizinrecht, §§ 203–205 StGB Rn. 26; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 37; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap Rn. 119; Bernsmann/Geilen, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rn. 598. 42 Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 865; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 66 Rn. 5; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 15; Spickhoff/Knauer/Brose, Medizinrecht, §§ 203–205 StGB Rn. 26; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 37; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap Rn. 119; Hübner, Umfang und Grenzen des strafrechtlichen Schutzes des Arztgeheimnisses nach § 203 StGB, S. 74. 43 Vgl. Spickhoff/Knauer/Brose, Medizinrecht, §§ 203–205 StGB Rn. 26.

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ruflichen Sphäre, als Privatperson, wie jeder beliebige Dritte Kenntnis erlangt hat.44 Tathandlung ist das Offenbaren, das heißt die Weitergabe des Geheimnisses und seines Trägers an einen Dritten, dem diese Tatsachen noch nicht oder nicht sicher bekannt sind.45 Dies gilt auch dann, wenn der Dritte seinerseits schweigepflichtig ist, beispielsweise weil er selbst Arzt ist. 46 Bei Minderjährigen muss das Informationsinteresse der Eltern im Einzelfall mit der Verschwiegenheitspflicht abgewogen werden, wobei die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Kindes ausschlaggebend ist.47 Kein offenbaren im Sinne der Vorschrift liegt nach dem neuen48 § 203 Abs. 3 StGB vor, wenn die schweigepflichtige Person „Geheimnisse den bei ihnen berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen“ zugänglich macht. Dazu gehören beispielsweise Krankenschwestern und -pfleger, Arzthelfer und Sprechstundenhilfen sowie Medizinstudenten und das in Ausbildung befindliche Pflege- oder Praxispersonal.49 Das Strafmaß reicht von Geldstrafe bis hin zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr (vgl. § 203 Abs. 1 StGB). Nutzt der Täter das erfahrene Geheimnis wirtschaftlich zur Gewinnerzielung aus, „verwertet“ er es also, macht er sich nach § 204 StGB strafbar.50 Das Strafmaß reicht in diesem Fall von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren. Die Taten nach §§ 203, 204 StGB 44 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 12; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 866; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 66 Rn. 6; Spickhoff/Knauer/Brose, Medizinrecht, §§ 203–205 StGB Rn. 27; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 30. 45 Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 20 f.; Fischer, StGB, § 203 Rn. 33 f.; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 873; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 66 Rn. 8; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 121. Zur Problematik des Offenbarensbegriffs bei der arbeitsteiligen Medizin, insb. bei der Einschaltung von Verrechnungsstellen s. Giesen, NStZ 2012, 122, 125 f. 46 Laufs, Arztrecht, 51993, Rn. 436; Fischer, StGB, § 203 Rn. 35; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 873; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 66 Rn. 8; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 123; Grömig, NJW 1970, 1209, 1210 ff.; Gramberg-Danielsen/Kern, NJW 1998, 2708, 2709. S. dazu auch BGHZ 116, 268, 272 = NJW 1992, 737, 739 = MedR 1992, 104, 105. 47 Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 868; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 71 Rn. 35 ff.; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 124. 48 § 203 StGB wurde geändert durch Gesetz v. 30.10.2017, BGBl. I, S. 3618 mit Wirkung vom 9.11.2017. 49 BeckOK-StGB/Weidemann, § 203 Rn. 35 f.; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 24 f.; Fischer, StGB, § 203 Rn. 40, 41. Dies war auch vor der Änderung von § 203 StGB bereits allgemein anerkannt, vgl. Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 860; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 6 u. 9; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap Rn. 117; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 18 ff. Zur Änderung von § 203 Abs. 3 StGB, wonach fremde Geheimnisse auch ggü. weiteren Personen offenbart werden dürfen, s. Dochow, GesR 2018, 137 ff. 50 Zur Strafbarkeit nach § 204 StGB s. Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 204; Fischer, StGB, § 204; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 874; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 141; Bernsmann/Geilen, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rn. 613 ff.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

werden gemäß § 205 StGB nur auf Antrag verfolgt, gehören aber nicht zu den Privatklagedelikten.51 Antragsberechtigt ist der Geheimnisträger, nicht aber der Anvertrauende.52 Gemäß § 203 Abs. 5 StGB wird der Täter auch bestraft, wenn er das fremde Geheimnis nach dem Tode des Betroffenen unbefugt offenbart. 53 Das Strafrecht schützt somit auch postmortal das Persönlichkeitsrecht des Patienten in gleichem Maße wie zu dessen Lebzeiten.54 Die materiell-rechtliche Schweigepflicht hat ihre strafprozessuale Ausformung in §§ 53, 53a StPO. Die Normen sind jedoch nicht deckungsgleich, so setzt § 53 StPO beispielsweise kein Geheimnis i. S. v. § 203 StGB voraus.55 Nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO besteht ein Zeugnisverweigerungsrecht, 56 auf das der Arzt sich berufen kann, dies muss er aber grundsätzlich nicht tun. 57 Es obliegt ausschließlich ihm, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch zu machen und sich nach Abwägung der widerstreitenden Interessen zur Aussage zu entschließen oder nicht; der Patient hat keinen Anspruch darauf, dass der Arzt von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht.58 Für den Arzt besteht, sofern er sich zur Aussage entschließt, aber das Risiko, sich nach § 203 StGB strafbar zu machen. 59 Entbindet jedoch der Patient den Arzt von der Schweigepflicht, so ist dieser gem. § 53 Abs. 2 StPO verpflichtet, auszusagen, und handelt in diesem Falle auch nicht unbefugt i. S. v. § 203 Abs. 1 StGB.60 3. Zivilrecht Die ärztliche Schweigepflicht wirkt sich auch auf die zivilrechtliche Beziehung zwischen Arzt und Patient aus. Sowohl im vertraglichen als auch im außervertraglichen Bereich beeinflusst sie das Behandlungsgeschehen. Eine Missachtung seitens des Arztes führt zu zivilrechtlicher Sanktionierung. 51

Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 905; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 143; Bernsmann/Geilen, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 4 Rn. 611. 52 Str., s. dazu Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 205 Rn. 5; vgl. auch Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 905. 53 S. dazu im einzelnen Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 108; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 871. 54 Zu den Rechtfertigungsgründen s. unter III. (Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht). 55 Henssler/Kleen/Riegler, MedR 2016, 850, 852. Zum Verhältnis von § 53 StPO zu § 203 StGB s. im einzelnen KK-StPO/Senge, § 53 Rn. 3 ff.; MüKo-StPO/Percic, § 53 Rn. 6 f. 56 Näher zum Zeugnisverweigerungsrecht des Arztes Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 906 ff.; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 144 ff. 57 KK-StPO/Senge, § 53 Rn. 45; MüKo-StPO/Percic, § 53 Rn. 53; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 906; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 48; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 144. 58 BGHSt 18, 146 ff. = NJW 1963, 723; BGHSt 42, 73, 74 ff. = NJW 1996, 2435, 2436 = MedR 1997, 270; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 906; KK-StPO/Senge, § 53 Rn. 7; MüKo-StPO/Percic, § 53 Rn. 53. 59 KK-StPO/Senge, § 53 Rn. 4, 7; MüKo-StPO/Percic, § 53 Rn. 53; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 906. 60 BGHSt 18, 146, 147 = NJW 1963, 723; KK-StPO/Senge, § 53 Rn. 45, 51; MüKoStPO/Percic, § 53 Rn. 55; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 906.

B. Die ärztliche Schweigepflicht

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a) Vertragsrecht Die ärztliche Pflicht zur Verschwiegenheit ist eine zentrale Nebenpflicht des Behandlungsvertrags.61 Zwar hat der Gesetzgeber diese Nebenpflicht nicht in den §§ 630a ff. BGB kodifiziert, ihr Bestehen ist aber unstreitig. 62 Verletzt der Arzt diese Nebenpflicht und entsteht dem Patienten hieraus ein materieller Schaden, so ist der Arzt nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig. Besteht in der Pflichtverletzung auch eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Patienten, kommt – nach den hierzu entwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung63 – zusätzlich eine Entschädigung in Geld in Betracht.64 Eine Besonderheit der ärztlichen Schweigepflicht als Nebenpflicht des Behandlungsvertrags besteht darin, dass diese nicht mit der Erfüllung der Hauptleistungspflicht (der Behandlung des Patienten) endet. Vielmehr überdauert diese Schutzpflicht die Hauptleistungspflicht.65 Verletzt der Arzt die Schweigepflicht auch lange nach Abschluss der Behandlung, so macht er sich weiterhin schadensersatzpflichtig. Es handelt sich um einen seltenen Fall der Pflichtverletzung nach Vertragsabwicklung, der sog. culpa post contractum finitum. 66 Die Schweigepflicht als zivilrechtliche Pflicht setzt aber nicht unbedingt den Abschluss eines Behandlungsvertrags mit dem Arzt voraus. Sie kann bereits durch einen bloßen informatorischen Kontakt oder eine Vertragsanbahnung statuiert werden. Gibt der Arzt Informationen weiter, die er durch einen solchen Kontakt erhalten hat, haftet er aus culpa in contrahendo gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB.67 Denn der Patient bringt dem Arzt bereits durch das bloße Aufsuchen sein schutzwürdiges Vertrauen entgegen. Da der Arzt als Experte aufge61 BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 119; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 6; Palandt/Weidenkaff, § 630a Rn. 21; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 2; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, § 630a BGB Rn. 46; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 90; Dörfer, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 9 Rn. 5; Brenner, Arzt und Recht, S. 151; Hübner, Umfang und Grenzen des strafrechtlichen Schutzes des Arztgeheimnisses nach § 203 StGB, S. 40; N. v. Bar, Gesetzlich nicht normierte ärztliche Auskunfts- und Offenbarungspflichten, S. 14 ff. 62 Vgl. BeckOK-BGB/Katzenmeier, § 630a Rn. 119; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 6; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 2; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, § 630a BGB Rn. 46; Palandt/Weidenkaff, § 630a Rn. 21; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 90; Dörfer, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 9 Rn. 5; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 37. 63 BGHZ 26, 349, 353; 30, 7, 16 f.; 169, 340; 128, 1 = NJW 1995, 861. Darstellung bei NK-BGB/Katzenmeier, § 823 Rn. 245 ff.; MüKo-BGB/Rixecker, Allg PersönlR (nach § 12) Rn. 294 ff. S. hierzu näher im Folgenden unter b). 64 S. dazu Kullmann, MedR 2001, 343 ff.; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 6; allg. NK-BGB/Katzenmeier, § 823 Rn. 245 ff.; MüKo-BGB/Rixecker, Allg PersönlR (nach § 12) Rn. 294 ff. 65 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 8; N. v. Bar, Gesetzlich nicht normierte ärztliche Auskunfts- und Offenbarungspflichten, S. 16. 66 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 8; s. dazu auch v. Bar, AcP 179 (1979), 452, 467. 67 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 7. Allg. zur Schadenshaftung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB s. Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 Rn. 150 ff.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

sucht wird, entsteht insoweit ein „ähnlicher geschäftlicher Kontakt“ i. S. v. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB, der die Schweigepflicht als Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB zur Folge hat.68 b) Deliktsrecht Auch durch das Deliktsrecht wird die unbefugte Offenbarung von Patientendaten sanktioniert. Der Arzt ist dem Patienten gem. § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein sonstiges Recht i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB69 und wird von der Rechtsprechung direkt aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet.70 Es existiert in unterschiedlichen Ausprägungen und wird im Zusammenhang mit der ärztlichen Schweigepflicht regelmäßig in seiner Ausformung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung relevant. 71 Eine Entschädigung in Geld wegen eines erlittenen immateriellen Schadens wird dem Patienten nach den Grundsätzen der Rechtsprechung jedoch nur dann zugesprochen, wenn der Eingriff schwerwiegend ist und nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. 72 Als weitere deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch aufgrund einer Verletzung der Schweigepflicht kommt § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 203 StGB in Betracht. Die strafrechtliche Kodifizierung der Schweigepflicht in § 203 StGB erweist sich zugleich als Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB,73 aus dessen Verletzung ein Schadensersatzanspruch resultiert. Es gelten auch hier die oben erwähnten, von der Judikatur statuierten, einschränkenden Voraussetzungen zum Ersatz immaterieller Schäden bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

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Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 7; Staudinger/Löwisch/Feldmann, § 311 Rn. 105. Zum Bestehen der Nebenpflichten im vor- bzw. nichtvertraglichen Bereich s. v. Bar, AcP 179 (1979), 452, 467; MüKo-BGB/Bachmann, § 241 Rn. 106. 69 Vgl. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 80 I 3.; MüKo-BGB/Wagner, § 823 Rn. 363 ff.; NK-BGB/Katzenmeier, § 823 Rn. 177 ff.; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 9; Palandt/Sprau, § 823 Rn. 19. 70 BGHZ 26, 349; 35, 363, 367 f.; 39, 124, 130 ff. = NJW 1963, 902; BGHZ 128, 1, 15 = NJW 1995, 861; Staudinger/Hager, § 823 Rn. C 2; MüKo-BGB/Rixecker, Allg PersönlR (nach § 12) Rn. 295; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 9. 71 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 9. Zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung s. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 80 II 4., 5.; NKBGB/Katzenmeier, § 823 Rn. 231. 72 BGHZ 128,1, 12 = NJW 1995, 861, 864; BGHZ 132, 13, 27 = NJW 1996, 1131, 1134; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 80 I 4. b); MüKo-BGB/Rixecker, Allg PersönlR (nach § 12) Rn. 294; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 9. 73 OLG Hamm, MedR 1995, 328; MüKo-BGB/Wagner, § 823 Rn. 525; NK-BGB/Katzenmeier, § 823 Rn. 538; ders., in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 9; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 934; Hübner, Umfang und Grenzen des strafrechtlichen Schutzes des Arztgeheimnisses nach § 203 StGB, S. 47 f.

B. Die ärztliche Schweigepflicht

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II. Umfang der ärztlichen Schweigepflicht 1. Sachlicher Umfang In sachlicher Hinsicht ist der Umfang der ärztlichen Schweigepflicht denkbar weit. Um einer möglichst umfassenden und erfolgreichen Therapie willen muss der Arzt Einsicht in die höchstpersönlichen Verhältnisse des Patienten nehmen. Daher erlangt er nicht nur klassische medizinische Erkenntnisse über die Krankheit des Patienten, sondern auch Informationen hinsichtlich dessen persönlicher, familiärer, wirtschaftlicher, beruflicher, finanzieller und sozialer Situation, über die der Patient im Gespräch mit dem Arzt Angaben macht.74 Um das in den Arzt gesetzte Vertrauen des Patienten umfassend zu schützen, beinhaltet die Schweigepflicht die Gesamtheit der Angaben des Patienten. 75 Dazu gehört auch die Tatsache, dass ein Patient überhaupt einen Arzt aufsucht76 sowie die Identität eines Patienten.77 Der Schweigepflicht unterfällt daher im Ergebnis alles, was dem Arzt anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. 78 Sie gilt gegenüber jedermann, der außerhalb der Arzt-Patient-Beziehung steht,79 und besteht daher grundsätzlich auch zwischen schweigepflichtigen Personen.80 Voraussetzung ist aber, dass dem Arzt gerade in seiner Funktion als solchem die Patienteninformationen bekannt geworden sind, also zumindest in faktischem Bezug zu seiner Berufsausübung. 81 Dies bedeutet, dass private, etwa bei gesell74 Laufs, NJW 1975, 1433, 1434; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 12; Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu/Wiese, MedR 2017, 199, 200 f. 75 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 12; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 4; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 Rn. 63; Henssler/Kleen/Riegler, MedR 2016, 850, 852. 76 LG Köln NJW 1959, 1598; OLG Bremen MedR 1984, 112; OLG Karlsruhe NJW 1984, 676; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 6; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 7; Fischer, StGB, § 203 Rn. 7; Kohlhaas, Medizin und Recht, S. 11; Brenner, Arzt und Recht, S. 107. 77 OLG Karlsruhe VersR 2007, 245; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 936; Fischer, StGB, § 203 Rn. 7; Kohlhaas, Medizin und Recht, S. 11. 78 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 4; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 12; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 Rn. 63. 79 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 7, 28; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 Rn. 64. 80 BGHZ 115, 123, 128 f. = NJW 1991, 2955, 2957 = MedR 1991, 327, 329; BGHZ 116, 268, 272 = NJW 1992, 737, 739 = MedR 1992, 104, 105; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 22; Fischer, StGB, § 203 Rn. 35; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 873; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, § 9 MBO Rn. 3; Grömig, NJW 1970, 1209, 1210 ff.; Kuhlmann, JZ 1974, 670 ff.; Laufs, NJW 1975, 1433, 1435; ders., Arztrecht, 51993, Rn. 436; Spann, Ärztliche Rechts- und Standeskunde, S. 248; Gramberg-Danielsen/Kern, NJW 1998, 2708, 2709. 81 HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 15; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 12; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 4; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, § 9 MBO Rn. 2; D. Prütting/Scholz, Medizinrecht, § 9 MBO-Ä Rn. 2. S. hierzu auch die Ausführungen zur strafrechtlichen Verankerung der Schweigepflicht oben unter I. 2.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

schaftlichen Gelegenheiten in Erfahrung gebrachte Informationen nicht der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.82 Zudem müssen die Daten nicht unter den Geheimnisbegriff des § 203 StGB fallen, um von der Schweigepflicht (nach § 9 MBO-Ä) erfasst zu sein.83 Die Unterschiede zwischen § 9 MBO-Ä und § 203 StGB sind zwar gering. § 203 StGB ist aber gerade keine Statuierung der Schweigepflicht, sondern stellt den Geheimnismissbrauch unter Strafe und setzt die Pflicht zur Verschwiegenheit damit voraus. 84 2. Zeitlicher Umfang Auch zeitlich ist die Schutzdimension der ärztlichen Schweigepflicht weitreichend. Sie gilt grundsätzlich unbegrenzt ab Kenntniserlangung und besteht auch über den Tod des Patienten hinaus.85 Normiert ist dies standesrechtlich in § 9 Abs. 1 MBO-Ä. Strafrechtlichen Niederschlag hat der postmortale Geheimnisschutz in § 203 Abs. 5 StGB gefunden.86 Zivilrechtlich stellt sich die Situation hingegen differenzierter dar. Bis zum Tode des Patienten ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowohl deliktsrechtlich als auch vertrags- und quasivertragsrechtlich geschützt. 87 Danach schützt das Zivilrecht die zu Lebzeiten begründete Schweigepflicht nur noch in begrenztem Umfang.88 Ein im Zeitpunkt des Todes bestehender Behandlungsvertrag ist kein erbtaugliches Rechtsverhältnis. 89 Die Erben können zwar die noch zu Lebzeiten in der Person des Erblassers entstandenen Schadensersatzansprüche gegen den die Schweigepflicht brechenden Arzt geltend machen. 90 Weitergehende Ansprüche, beispielsweise auf Ersatz von am Erbe aufgrund von Informationsweitergabe durch den Arzt entstandenen materiellen Schäden, sind aber nicht vererbbar und können daher nicht geltend gemacht werden.91 Katzenmeier spricht hinsichtlich des postmortalen Schutzes des Persönlichkeitsrechts daher von einem Rückfall der „Arzt-Patient-Beziehung auf das allgemeine zivilrechtliche Niveau“.92 So kann die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen nur 82

Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 12; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 15 ff.; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, § 9 MBO Rn. 2. Vgl. auch hierzu die Ausführungen zur strafrechtlichen Verankerung der Schweigepflicht unter I. 2. 83 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 4 f.; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, § 9 MBO Rn. 2. 84 Vgl. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 10. 85 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 14; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 23; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 24 f.; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, § 9 MBO Rn. 2; D. Prütting/Rehborn, Medizinrecht, § 9 MBOÄ Rn. 2a; Dörfer, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 9 Rn. 15 f. 86 Zu den Einzelheiten s. Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 108; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 24. 87 S. dazu oben unter B. I. 3. 88 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 16. Allg. zum Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts s. MüKo-BGB/Leipold, § 1922 Rn. 123 ff. 89 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 16 m. w. N. 90 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 16. 91 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 16. 92 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 17.

B. Die ärztliche Schweigepflicht

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dann Schadensersatzansprüche zur Folge haben, wenn die auf die Erben übergegangenen vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts unbefugt kommerzialisiert werden. 93 Dazu muss nach der Judikatur des BGH das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen jedoch schon zu Lebzeiten Vermögenswert gewonnen haben.94 Eine Geldentschädigung wegen postmortaler Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird grundsätzlich mit der Begründung abgelehnt, dass die mit dem Geldersatz verbundene Genugtuungsfunktion nicht mehr erfüllt werden könne.95

III. Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht Zwar ist die ärztliche Schweigepflicht, wie oben gezeigt, eine weitreichende Pflicht, sie besteht aber nicht grenzenlos. Sowohl in berufs- und zivilrechtlicher als auch in strafrechtlicher Sicht sind ihr Grenzen gesetzt. Unter bestimmten Umständen ist der Arzt daher berechtigt oder sogar verpflichtet, vertrauliche Patienteninformationen offenzulegen. 1. Entbindung von der Schweigepflicht durch Einwilligung Da die Schweigepflicht vornehmlich dem Schutz des Patienten dient, liegt es in dessen Macht, den Arzt ganz oder teilweise von dieser zu entbinden. 96 Im Berufsrecht sieht § 9 Abs. 2 S. 1 MBO-Ä dies ausdrücklich vor und ermächtigt den Arzt in diesem Fall zur Offenbarung. Gleichwohl ergibt sich aus der Entbindung von der Schweigepflicht keine Pflicht, sondern nur die Befugnis zur Offenbarung.97 Die Einwilligung in die Preisgabe der Patienteninformationen ist kein Rechtsgeschäft, der einwilligende Patient muss daher nicht geschäftsfähig sein. Vielmehr kommt es auf dessen natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit an.98 Die Einwilligung kann ausdrücklich oder konkludent erteilt werden, wobei ein Widerruf jederzeit möglich ist.99 Hat der Patient wirksam eingewilligt, drohen dem Arzt bei Of93

Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 17; MüKo-BGB/Leipold, § 1922 Rn. 124. Vgl. zur unbefugten Kommerzialisierung auch BGHZ 143, 214 = NJW 2000, 2195 = JZ 2000, 1056 m. Anm. Schack; BGH NJW 2000, 2201. 94 Vgl. BGH NJW 2012, 1728, 1729 f.; MüKo-BGB/Leipold, § 1922 Rn. 124. 95 BGH NJW 1974, 1371; BGHZ 165, 203 = NJW 2006, 605; MüKo-BGB/Leipold, § 1922 Rn. 124. 96 Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 59; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 18; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 55 ff.; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 876; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 8; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 942; Dörfer, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 9 Rn. 17 f. 97 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 18; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 55; Rehborn, GesR 2017, 409, 413. 98 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 18; HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 42; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 55; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 942; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 44; Kohlhaas, Medizin und Recht, S. 14. 99 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 18; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 876; Dörfer, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 9

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

fenbarung der Patienteninformationen keine berufs- oder zivilrechtlichen Sanktionen.100 Auch strafbar macht er sich nicht, 101 da die Offenbarung der Patienteninformationen dann nicht „unbefugt“ im Sinne der Norm ist. 102 Liegt keine ausdrückliche oder konkludente Einwilligung des Patienten vor, kommt eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht,103 dies jedoch nur, wenn der Patient sich seines wirklichen Willens dauerhaft oder vorübergehend nicht mehr entäußern kann (bspw. im Falle des Todes oder der Bewusstlosigkeit, vgl. auch § 630d Abs. 1 S. 4 BGB).104 Kann der Patient selbst, wenn auch nur mit erheblichem Aufwand, befragt werden, kommt ein Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung nicht in Betracht, da andernfalls das Selbstbestimmungsrecht des Patienten unterlaufen würde.105 2. Zurücktreten der Schweigepflicht Neben der Entbindung durch den Patienten kommt auch ein Zurücktreten der Schweigepflicht aufgrund gesetzlicher Offenbarungspflichten oder nach Abwägung mit anderen gewichtigen Rechtsgütern in Betracht. Im Falle gesetzlicher Offenbarungspflichten hat der Gesetzgeber selbst eine Abwägung vorgenommen und so für bestimmte Fallgruppen Mitteilungspflichten verbindlich angeordnet. Hier gilt es zu beachten, dass untergesetzliche Rechtsnormen nicht ausreichen, um eine Auskunfts- oder Mitteilungspflicht des Arztes Rn. 18. Zur Möglichkeit und den Folgen des Widerrufs s. BGHSt 42, 73 = NJW 1996, 2435 = MedR 1997, 270. 100 Vgl. Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 18; Ratzel/Lippert/Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 55. 101 Nach h. M. handelt es sich beim Einverständnis des Patienten um eine rechtfertigende Einwilligung, nicht um ein tatbestandsausschließendes Einverständnis (vgl. Fischer, StGB, § 203 Rn. 61; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 875 f.; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 1, 8; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 128 ff.; a. A. Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 30; OLG Köln NJW 1962, 686). Darstellung des Streits bei Hübner, Umfang und Grenzen des strafrechtlichen Schutzes des Arztgeheimnisses nach § 203 StGB, S. 76 f. 102 Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 875 f.; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 1, 8; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 128 ff.; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 43; Kohlhaas, Medizin und Recht, S. 14. 103 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 19; Fischer, StGB, § 203 Rn. 72; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 887; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 10; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 943; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 134; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 50; Dörfer, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 9 Rn. 18. 104 Fischer, StGB, § 203 Rn. 72; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 887; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 10; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 943; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 134; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 50; Dörfer, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 9 Rn. 18; Hübner, Umfang und Grenzen des strafrechtlichen Schutzes des Arztgeheimnisses nach § 203 StGB, S. 96. 105 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 19.

B. Die ärztliche Schweigepflicht

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zu statuieren.106 Daher kann in den ärztlichen Berufsordnungen, die untergesetzliche Rechtsnormen sind, eine solche Auskunftspflicht nicht wirksam festgelegt werden, wohl aber in Bundes- und Landesgesetzen.107 Zu nennen sind hier etwa die Mitteilungspflichten gegenüber den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern, die das Allgemeininteresse an einem (kosten-)effizienten Gesundheitssystem schützen (vgl. §§ 294 ff. SGB V, § 100 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X i. V. m. § 35 SGB I, § 67a SGB X).108 Auch das Infektionsschutzgesetz des Bundes, nach dem im Interesse der allgemeinen Gesundheitsfürsorge gewisse Befunde meldepflichtig sind (s. §§ 6 ff. IfSG), ist ein solches Gesetz.109 Auf Ebene des Landesrechts normiert beispielsweise § 23 BestattG BW eine Pflicht zur Auskunft des behandelnden Arztes über die letzten Behandlungsmaßnahmen gegenüber dem Arzt, der die Leichenschau durchführt. 110 Aber auch in anderen, nicht ausdrücklich normierten Fällen kann die Schweigepflicht zurücktreten und für den Arzt ein Offenbarungsrecht oder sogar eine Mitteilungspflicht bestehen. Dazu gehören in strafrechtlicher Hinsicht die Fälle des rechtfertigenden Notstands nach § 34 StGB.111 Hierunter fallen beispielsweise die Informierung der Verkehrsbehörde über schwere Ausfallerscheinungen eines unbeirrbar autofahrenden Patienten durch dessen Arzt, um akute Gefährdungen der Allgemeinheit zu verhindern,112 sowie die Benachrichtigung der Polizei bei begründetem Verdacht einer Kindesmisshandlung oder Kindesmissbrauchs. 113 In

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Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 58; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 138. 107 Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 58 ff. 108 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 26; Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 7 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 941; näher HK-AKM/Kiesecker, Nr. 4740 Rn. 70 ff. 109 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 26; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 60 ff.; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 54; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 44; Fischer, StGB, § 203 Rn. 75, allesamt mit weiteren Beispielen. S. a. Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu/Wiese, MedR 2017, 199, 203 ff. 110 Vgl. Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 64; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 44. 111 Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 56 ff.; Fischer, StGB, § 203 Rn. 86; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 67 ff.; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 27; Ulsenheimer, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 12 ff.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 946; Brenner, Arzt und Recht, S. 113 f. Ausf. hierzu Hübner, Umfang und Grenzen des strafrechtlichen Schutzes des Arztgeheimnisses nach § 203 StGB, S. 99 ff. 112 BGH NJW 1968, 2288; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 27; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 893; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 12; Fischer, StGB, § 203 Rn. 90; Timm, Grenzen der ärztlichen Schweigepflicht, S. 69. 113 KG Berlin NJW 2014, 640, 641 = MedR 2013, 787, 788 f.; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 27; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 897; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 58; Brenner, Arzt und Recht, S. 113; Rehborn, GesR 2017, 409, 414.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

letzteren Fällen ist § 4 KKG114 zu beachten, der zwar in Absatz 3 die Informationsweiterleitung an das Jugendamt vorsieht, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. So muss der Arzt insbesondere zuvor mit dem Kind und dessen Personensorgeberechtigten „die Situation erörtern“, § 4 Abs. 1 KKG. Liegen die Voraussetzungen des § 34 StGB vor, folgt hieraus für den Arzt grundsätzlich nur eine Offenbarungsbefugnis, jedoch keine Pflicht. 115 Entscheidet er sich für eine Offenbarung, so ist er gerechtfertigt, auch zivil- und berufsrechtliche Sanktionen bestehen nicht.116 Für das Berufsrecht folgt dies explizit aus § 9 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 MBO-Ä, ansonsten ergibt sich diese Folge aufgrund der sog. „Universalität der Rechtfertigung“, also deren rechtsgebietsübergreifender Wirkung.117 In speziell gelagerten Einzelfällen kann die Offenbarungsbefugnis auch zu einer Offenbarungspflicht erstarken. 118 Dies ist etwa in Fällen denkbar, in denen der Arzt einen an HIV erkrankten Patienten behandelt sowie dessen Ehe- oder Sexualpartner und der erkrankte Patient uneinsichtig hinsichtlich der Informierung seines Partners über die Erkrankung ist. Dann muss der Arzt im Interesse der Gesundheit und des Lebens dem Partner die Erkrankung offenlegen. 119 Auch im Falle des Auskunftsverlangens eines durch heterologe Insemination gezeugten Kindes hinsichtlich seiner Abstammung kann der Arzt sich nicht auf seine Schweigepflicht berufen, sondern ist dem Kind zur Auskunft verpflichtet. 120 In jedem Fall ist stets eine Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht und zur Vermeidung einer „Verwässerung“121 des Schutzes der Schweigepflicht, ist normativer Anhaltspunkt für die Abwägung § 34 StGB, dessen Voraussetzungen vorliegen müssen.122 Ein Recht (bzw. die Pflicht) zur Offenbarung besteht nur dann, wenn dies zum Schutz eines höherrangigen Rechtsguts erforderlich ist und ein 114

Das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) v. 22.12.2011 (BGBl. I, S. 2975) ist am 1.1.2012 in Kraft getreten. 115 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 27; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 899; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 12 ff.; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 58. 116 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 28. 117 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 260; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 28 (Fn. 50). 118 Eberbach, JR 1986, 230, 233; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 895; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 14; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 29; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 137. 119 Eberbach, JR 1986, 230, 233; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 892, 895; ders., in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 14; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 29; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 58. 120 BGH NJW 2015, 1098; OLG Hamm NJW 2013, 1167, 1169 = MedR 2013, 672 m. Anm. Spickhoff; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 30; D. Prütting/Tsambikakis, Medizinrecht, § 203 StGB Rn. 59a. 121 So Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 946. 122 Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 888; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 27; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 946.

C. Konfliktlage in der Insolvenz

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angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks darstellt. 123 Die Gefahr darf überdies nicht anders abwendbar sein. Sind diese strengen Voraussetzungen nicht erfüllt und existiert auch keine gesetzliche Offenbarungspflicht, so darf die ärztliche Pflicht zur Verschwiegenheit nicht gebrochen werden. Gibt der Arzt dennoch unbefugt Patienteninformationen an Dritte weiter, drohen ihm nicht unerhebliche berufs-, zivil- und strafrechtliche Sanktionen.

C. Konfliktlage in der Insolvenz C. Konfliktlage in der Insolvenz

Die weitreichenden insolvenzrechtlichen Befugnisse des Insolvenzverwalters können zu Konflikten mit der ärztlichen Schweigepflicht führen. In der Insolvenz der Arztpraxis muss der Insolvenzverwalter Einsicht in die Unterlagen und Dokumente der Praxis nehmen. Dies ist notwendig, um die Vermögenslage des Insolvenzschuldners bewerten zu können, worauf das weitere Vorgehen in der Insolvenz gründet. Die Vermögenslage und die wirtschaftliche Perspektive sind entscheidend für das Schicksal der Praxis. Hiervon hängt ab, ob sie liquidiert oder fortgeführt wird, der Insolvenzverwalter sie freigibt oder sie in Eigenverwaltung oder im Insolvenzplanverfahren saniert werden soll. Um diese Entscheidung treffen zu können, werden umfangreiche Informationen benötigt. Davon betroffen sind auch solche Daten und Dokumente, die persönliche Informationen über die Patienten des Schuldners enthalten und daher der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen.124 Gleiches gilt, wenn der Verwalter die Praxis nach Verfahrenseröffnung verwalten soll. Hierbei kommt es zu Konflikten, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Patienten aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und das Recht der Gläubiger auf eine möglichst umfassende Befriedigung aus Art. 14 Abs. 1 GG können kollidieren. Die Situation ist nicht ohne weiteres aufzulösen und hat auch die Gerichte in der Vergangenheit schon vereinzelt beschäftigt.125 Die hohe Sensibilität der betroffenen Daten und die bereits erläuterte besondere (Vertrauens-)Beziehung zwischen Arzt und Patient verschärfen die Situation zusätzlich und erfordern angemessene Lösungen unter Wahrung der widerstreitenden Interessen.

123 Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 888; Giring, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 15. Kap. Rn. 135; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 946 ff.; Rehborn, GesR 2017, 409, 413 f. 124 Vgl. Ossege, GesR 2013, 16, 18 f.; Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1588 f.; van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 366 f.; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 36; ders., NZI 2003, 530, 532. 125 S. nur BGHZ 162, 187 = NJW 2005, 1505 = MedR 2005, 467 = GesR 2005, 365 m. Anm. van Zwoll; BGH NJW 2009, 1603 = MedR 2009, 531 m. Anm. Bultmann = ZIP 2009, 976.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

I. Eröffnungsverfahren Bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren können Konflikte mit der ärztlichen Schweigepflicht auftreten. Das Gericht kann vorläufige Sicherungsmaßnahmen anordnen, die dazu dienen, nachteilige Veränderungen in der Vermögensmasse des Schuldners bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verhindern (vgl. § 21 Abs. 1 S. 1 InsO). 126 Zu den in § 21 Abs. 2 InsO aufgezählten Sicherungsmaßnahmen, die nicht abschließend sind,127 gehören unter anderem die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (Nr. 1) und die Auferlegung eines vorläufigen allgemeinen Verfügungsverbots (Nr. 3). Daneben treffen den Schuldner im Eröffnungsverfahren Auskunfts- und Mitwirkungspflichten.128 1. Auskunftspflichten des Schuldners Die Auskunftspflichten des Schuldners gegenüber dem vorläufigen Insolvenzverwalter sind weitreichend und umfassen nicht nur alle Informationen über die derzeitige Vermögenslage, sondern auch solche Informationen, die zur Beurteilung der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens erforderlich sind. 129 Im Falle der Arztpraxis bedeutet dies, dass der Arzt dem Verwalter sämtliche Praxisunterlagen offenzulegen hat, aus denen sich die wirtschaftliche Lage der Praxis erschließt. Dazu zählen auch die Patientenunterlagen. Nur anhand dieser Unterlagen kann festgestellt werden, welches ökonomische Potential in der Praxis steckt und ob und wie dieses in Zukunft realisiert werden kann. Bewirkt die Fortführung der Praxis nämlich eine erhebliche Verminderung des Schuldnervermögens, hat der vorläufige Insolvenzverwalter die Stilllegung der Praxis beim Insolvenzgericht zu beantragen (vgl. § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO).130 Ein großer Teil der vom Arzt offenzulegenden Informationen unterliegt allerdings der ärztlichen Schweigepflicht und darf nicht weitergegeben werden. Der Arzt befindet sich daher in einer äußerst prekären Lage. Unterstützt er den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht, drohen ihm insolvenzrechtliche Sanktionen, 131 tut er es doch, so besteht unter

126 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 7.34; Uhlenbruck/Vallender, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 1; K. Schmidt/Hölzle, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 3; MüKo-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 1. S. zu den vorläufigen Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren auch in der Einl. unter C. II. 3. b). 127 HK-InsO/Rüntz/Laroche, § 21 Rn. 6; Uhlenbruck/Vallender, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 10; K. Schmidt/Hölzle, Insolvenzordnung, § 21 Rn. 33; MüKo-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 44; Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 20 Rn. 3. 128 Vgl. Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 20 Rn. 67 f. 129 Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 20 Rn. 67; Uhlenbruck, Kölner Schrift zur InsO, S. 159, 203 (Rn. 73); vgl. hierzu auch Kübler/Prütting/Bork/Holzer, Insolvenzordnung, § 20 Rn. 24 ff., 28 f. 130 Vgl. Uhlenbruck, Kölner Schrift zur InsO, S. 159, 183 (Rn. 36); Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 35. 131 Das Gericht kann dann gem. §§ 22 Abs. 3 S. 3, 98 Abs. 2, 3, 101 Abs. 1 S. 1 InsO Zwangsmaßnahmen bis hin zur Haft anordnen, vgl. Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 20 Rn. 66; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 28; ders., NZI 2003, 530, 531 f.; s. a. HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 62.

C. Konfliktlage in der Insolvenz

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anderem die Gefahr, dass er sich wegen des Bruchs der ärztlichen Schweigepflicht strafbar macht.132 2. Mitwirkungspflichten des Schuldners Nach § 22 Abs. 3 S. 3 InsO hat der Schuldner den Insolvenzverwalter nach den Maßgaben des § 97 InsO bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen. Auch wenn nicht immer ganz klar ist, wozu der Schuldner im Einzelnen verpflichtet ist,133 steht fest, dass die Mitwirkungspflichten über eine reine Auskunftspflicht hinausgehen, der Schuldner hat den Verwalter vielmehr aktiv zu unterstützen.134 Dies gilt auch im Falle der (späteren) Liquidation der Praxis.135 Hier kann es ebenfalls zu einem Konflikt mit der ärztlichen Schweigepflicht kommen. Auch aus Sicht des Verwalters ist unklar, wozu er selbst überhaupt berechtigt ist. Insbesondere die Frage, ob der Verwalter unter Mithilfe des Arztes die Abrechnung durchführen darf, wird uneinheitlich beurteilt. Einerseits wird die Auffassung vertreten, darin sei ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht zu sehen, mit der Folge, dass der Arzt sich nach § 203 StGB strafbar mache.136 Die in § 22 Abs. 3 S. 2 InsO normierte Pflicht den Insolvenzverwalter bei der Abrechnung zu unterstützen, ließe eine Strafbarkeit nicht entfallen.137 Die Gegenansicht sieht in § 22 Abs. 3 S. 2 InsO sehr wohl einen Umstand, der die Strafbarkeit des Arztes nach § 203 StGB entfallen lässt, da die Offenbarung der Behandlungsunterlagen in diesem Fall durch die Insolvenzordnung gedeckt und damit nicht „unbefugt“ i. S. d. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB sei.138 3. Sicherungsmaßnahmen Wichtigste Sicherungsmaßnahmen sind der Erlass eines vorläufigen allgemeinen Verfügungsverbots für den Schuldner und die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung durch das Insolvenzgericht. Beides kann zusammen, aber auch getrennt angeordnet werden. Werden beide Sicherungsmittel zusammen angeordnet, stellt sich die Situation wie im eröffneten Insolvenzverfahren dar. 139 Der Verwalter müsste dann grundsätzlich die Praxis anstelle des Arztes führen, was zu

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Neben einer strafrechtlichen Sanktionierung können dem Arzt auch berufs- und zivilrechtliche Sanktionen drohen. Zu den Konsequenzen einer Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht s. unter II. 133 Vgl. Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 95 ff. Zum Inhalt der Mitwirkungspflichten s. a. Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 97 Rn. 16 ff.; K. Schmidt/Jungmann, Insolvenzordnung, § 97 Rn. 19 ff.; MüKo-InsO/Stephan, § 97 Rn. 30 ff. 134 Voigt-Salus, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 20 Rn. 68; K. Schmidt/Jungmann, Insolvenzordnung, § 97 Rn. 20 f.; Vallender, NZI 2003, 530, 532; s. zu den Mitwirkungspflichten (auch speziell von organschaftlichen Vertretern von Verbänden) Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 93 ff., 95. 135 Vgl. Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 37. 136 Ossege, GesR 2013, 16, 18 f.; so wohl auch Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 36. 137 Ossege, GesR 2013, 16, 19. 138 Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1589. S. zu dieser Problematik im eröffneten Insolvenzverfahren unter II. 1. 139 S. dazu unter II. 1.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

zahlreichen Problemen mit dem ärztlichen Berufsrecht 140 und mit der ärztlichen Schweigepflicht führt. Denn der Verwalter benötigt auch hier zahlreiche von der ärztlichen Schweigepflicht umfasste Informationen. Es ergeben sich im Eröffnungsverfahren damit letztlich die gleichen Probleme wie im eröffneten Verfahren. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle von einer gesonderten Darstellung abgesehen.141

II. Insolvenzverfahren Im eröffneten Insolvenzverfahren ergeben sich die meisten Konflikte zwischen insolvenzrechtlichen, berufsrechtlichen und strafrechtlichen Normen. Vor allem im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht kommt es dabei zu zahlreichen Problemen. Bislang haben sich Rechtsprechung und rechtwissenschaftliche Literatur noch nicht umfassend mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Daher besteht in der Praxis teils erhebliche Rechtsunsicherheit, eine Situation, die für Schuldner, Gläubiger, Insolvenzverwalter und Patienten höchst unbefriedigend ist. 1. Verwaltung der Praxis durch den Insolvenzverwalter Wie bereits gezeigt geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter über.142 Der Schuldner kann dadurch nicht mehr selbst über sein Vermögen verfügen, der Verwalter führt die Geschäfte des Schuldners. Damit der Insolvenzverwalter seinen Aufgaben nachgehen und das schuldnerische Vermögen verwalten kann, benötigt er zahlreiche Informationen. Gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 InsO treffen den Schuldner Auskunftspflichten über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse. Nach Satz 2 ist er zudem verpflichtet, den Insolvenzverwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen. Dabei müsste der Arzt dem Verwalter grundsätzlich auch Informationen offenlegen, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, dies ist insbesondere der Fall, wenn es um die Mitwirkung bei der Abrechnung oder der Liquidation 143 geht. Besonders problematisch ist, dass das Insolvenzrecht dem Insolvenzverwalter keine weiterreichenden Einsichtnahmebefugnisse einräumt, es also nicht klar ist, was der Arzt zu offenbaren hat und was nicht. 144 140

S. hierzu im 4. Kap. A. I. 2. S. daher zu den sich ergebenden Konflikten unten II. Lösungsansätze werden nachfolgend unter III. besprochen. 142 S. hierzu ausf. im 4. Kap. unter A. I. 1. 143 Vgl. Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 36 f.; ders., NZI 2003, 531 f.; van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 366; Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1588; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 54, 62. 144 Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 36 meint, der Insolvenzverwalter könne grundsätzlich „ohne Zustimmung der Patienten keine Einsicht“ in die Patientenkartei oder die Behandlungsunterlagen nehmen. Allerdings muss, im Interesse der Gläubiger, in bestimmten Fällen eine Einsichtnahme auch ohne die Zustimmung der Patienten möglich sein, da andernfalls ein Insolvenzverfahren über das Vermögen von Arztpraxen nicht durchführbar wäre. S. zu dieser Problematik unter 2. b) sowie III. 141

C. Konfliktlage in der Insolvenz

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Insbesondere ist umstritten, ob der Insolvenzverwalter, unterstützt durch den Arzt, zur Abrechnung berechtigt ist. 145 Einerseits wird die Auffassung vertreten, darin sei ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht zu sehen mit der Folge, dass der Arzt sich nach § 203 StGB strafbar mache. 146 Aus den §§ 97, 98 InsO ergebe sich, dass der Arzt selbst „mit den Mitteln der InsO dazu gebracht werden kann, die Abrechnung (…) zu erstellen“, keinesfalls dürfe dies jedoch durch den Insolvenzverwalter geschehen.147 Die Gegenansicht geht davon aus, dass ein Offenbaren der Behandlungsunterlagen aufgrund der Mitwirkungspflichten des Schuldners nicht per se „unbefugt“ i. S. d. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist.148 Durch Änderung des § 203 StGB im Jahr 2017 könnte sich indes eine neue Situation mit Blick auf die Strafbarkeit des Arztes ergeben haben. So könnte der Insolvenzverwalter als „sonstige Person“ i. S. d. neuen § 203 Abs. 3 S. 2 StGB angesehen werden. Nach dem Wortlaut der Norm ist es durchaus möglich, den Verwalter als Person einzuordnen, die an der „beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit“ des Arztes mitwirkt. Dann wäre die Offenlegung der Patientendaten gegenüber dem Verwalter erlaubt.149 Nach der Gesetzesbegründung sollen vor allem Personen erfasst sein, die im Rahmen folgender Tätigkeiten hinzugezogen werden: „Schreibarbeiten, Rechnungswesen, Annahme von Telefonanrufen, Aktenarchivierung und Aktenvernichtung, Einrichtung, Betrieb, Wartung – einschließlich Fernwartung – und Anpassung informationstechnischer Anlagen, Anwendungen und Systeme aller Art, beispielsweise auch von entsprechend ausgestatteten medizinischen Geräten, Bereitstellung von informationstechnischen Anlagen und Systemen zur externen Speicherung von Daten sowie Mitwirkung an der Erfüllung von Buchführungs- und steuerrechtlichen Pflichten des Berufsgeheimnisträgers“, wobei die aufgeführten Beispiele nicht abschließend sind.150 Erforderlich ist die Mitwirkung im „Einvernehmen mit der schweigepflichtigen Person“. 151 Die Insolvenz ist jedoch eine Sondersituation, der Insolvenzverwalter wird nicht vom Arzt hinzugezogen, vielmehr bestimmt das Gesetz in § 80 Abs. 1 InsO, dass die Befugnis des Schuldners, sein Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen (also auch eine Arztpraxis zu führen), durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig auf den Insolvenzverwalter übergeht. Von einer einvernehmlichen Hinzuziehung kann nicht gesprochen werden. Ein Blick auf § 97 Abs. 2 InsO zeigt zudem, dass vielmehr der Arzt als Schuldner verpflichtet ist, den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen und nicht anders herum. Folglich

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Vgl. Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1589; Ossege, GesR 2013, 16, 19. Ossege, GesR 2013, 16, 18 f.; so wohl auch Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 36. 147 Ossege, GesR 2013, 16, 19. 148 Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1589. S. zu dieser Problematik im Eröffnugnsverfahren oben unter I. 2. 149 Vgl. BT-Drs. 18/11936, S. 28 („…tatbestandsmäßig, aber letztlich erlaubt…“); die genaue dogmatische Einordnung des § 203 Abs. 3 S. 2 StGB ist nicht geklärt, s. etwa Dochow, GesR 2018, 137, 142: „nicht rechtswidrig“; Hoeren, MMR 2018, 12, 15: „Rechtfertigungsgrund“; BeckOK-StGB/Weidemann, § 203 Rn. 35 ff.: „VI. Tatbestandsausschluss nach Abs. 3“, so auch Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 24. 150 BT-Drs. 18/11936, S. 22 f. 151 BT-Drs. 18/11936, S. 23. 146

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

unterfallen Insolvenzverwalter nicht § 203 Abs. 3 S. 2 StGB.152 Dies zeigt sich auch vor dem Hintergrund, dass die Änderung des § 203 StGB vor allem mit Blick auf die Herausforderungen der Digitalisierung und die damit zusammenhängenden Probleme bei der Datenverarbeitung erfolgt ist.153 Die zuvor beschriebenen Probleme im Insolvenzverfahren werden durch die Neuerungen in § 203 StGB also nicht gelöst.154 2. Veräußerung der Praxis im Rahmen des Insolvenzverfahrens Zu Konflikten mit der ärztlichen Schweigepflicht kommt es auch bei einer Veräußerung der Praxis im Insolvenzverfahren. Nicht nur der Insolvenzverwalter, auch der Käufer muss sich von der Werthaltigkeit der Praxis überzeugen, um eine Kaufentscheidung treffen zu können. 155 Hierfür muss regelmäßig Einsicht in die Praxisunterlagen genommen werden. Da die Schweigepflicht aber auch zwischen Ärzten156 besteht und der Käufer daher grundsätzlich nicht befugt ist, Praxisunterlagen einzusehen, die Patientendaten enthalten, entstehen regelmäßig Konfliktsituationen im Rahmen der Praxisveräußerung. a) Zur Veräußerung von Arztpraxen Früher war umstritten, ob Praxen von Freiberuflern, also auch Ärzten, überhaupt veräußert werden können.157 Dies wurde, auch von der Rechtsprechung, mit der Begründung abgelehnt, die Veräußerung einer Arztpraxis sei standeswidrig. 158 Indes wird die Veräußerung von Arztpraxen inzwischen seit geraumer Zeit von Rechtsprechung und Schrifttum allgemein für zulässig gehalten. 159 Zu Problemen mit der ärztlichen Schweigepflicht kann es bei der Veräußerung einer Praxis – auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens – insbesondere im Zusammenhang mit der Übergabe der Patientenkartei kommen.

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Selbst wenn man dies anders sieht, führt das nicht dazu, dass ein Konflikt mit der ärztlichen Schweigepflicht vollständig vermieden wird, denn die berufsrechtliche Normierung der Schweigepflicht in § 9 MBO-Ä enthält keine Ausnahme hinsichtlich der Offenbarung von Informationen an „sonstige Personen“, vgl. Dochow, GesR 2018, 137, 151. 153 S. BT-Drs. 18/11936, S. 17 f. 154 Zu Lösungsansätzen s. unter III. 155 Hierzu im Einzelnen Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 35, 155 ff. 156 Spann, Ärztliche Rechts- und Standeskunde, S. 248. 157 S. hierzu und zur Veräußerung von Arztpraxen allgemein sowie im Insolvenzverfahren ausf. im 6. Kap. unter A. I. 158 RGZ 144, 1; s. hierzu auch Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 175; Wollny, Unternehmens- und Praxisübertragungen, Rn. 2074; Uhlenbruck, ArztR 1971, 100 m. w. N. 159 Vgl. RGZ 153, 294; BGHZ 16, 71 = NJW 1955, 337; BGH NJW 1959, 1584; 1974, 602; s. a. Uhlenbruck, ArztR 1971, 100; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 1 jew. m. w. N.; Laufs, MedR 1989, 309; Rieger, Lexikon des Arztrechts, 11984, Rn. 1404; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 175; HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 1 ff.; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 1 ff.; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 369 ff.

C. Konfliktlage in der Insolvenz

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b) Die Übergabe der Patientenkartei und der Krankenunterlagen Der verkaufende Arzt kann dem Käufer nicht ohne weiteres die Patientenkartei und die der ärztlichen Schweigepflicht unterfallenden Daten der Patienten übergeben, da sonst eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Patienten und zugleich ein Bruch der ärztlichen Schweigepflicht vorläge. aa) Einwilligung der Patienten in die Weitergabe ihrer Unterlagen Ein Patient kann den Arzt stets von der Schweigepflicht entbinden.160 Dies führt dazu, dass dem Arzt das Recht zusteht, die den Patienten betreffenden Daten zu offenbaren. In einem solchen Fall drohen dem Arzt keine straf- oder zivilrechtlichen Konsequenzen, denn die Einwilligung des Patienten führt dazu, dass die Offenbarung der Informationen nicht unbefugt 161 i. S. v. § 203 Abs. 1 StGB ist. Auch beim Verkauf einer Arztpraxis samt Patientenkartei und -unterlagen liegt eine Offenbarung der Daten vor.162 Der Arzt macht sich daher grundsätzlich nur dann nicht strafbar und kann nur dann einen wirksamen Praxiskaufvertrag schließen, wenn er vorab die Einwilligung jedes einzelnen Patienten einholt. 163 Zunächst war nach der Judikatur des BGH stets eine mutmaßliche Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner Unterlagen an den Übernehmer der Praxis anzunehmen.164 Dies wurde mit der objektiven Vorteilhaftigkeit für den Patienten begründet, da dieser bei Aufsuchen des Nachfolgers von dessen Zugriff auf alte Behandlungsunterlagen profitiere. 165 Diese Rechtsprechung erfuhr jedoch mit der zunehmenden Bedeutung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, welches durch das Volkszählungsurteil 166 des Bundesverfassungsgerichts erstmals anerkannt wurde, 167 eine Änderung, sodass heute (auch nach der Rechtsprechung des BGH) vor der Übergabe der Patientenkartei oder anderer personenbezogener Daten stets eine eindeutige Einwilligung jedes einzelnen Patienten vorliegen muss.168 Die Einwilligung des Patienten muss aber grundsätzlich nicht 160

S. dazu oben unter B. III. 1. S. dazu oben unter B. III. 1. 162 Vgl. Rieger, MedR 1992, 147. 163 BGHZ 116, 268, 273 = NJW 1992, 737, 739 = MedR 1992, 104, 105; Ehlers/Scheibeck/Conradi, DStR 1999,1532, 1533; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 92 f.; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 6; HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 79; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 176; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 118; Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 17 Rn. 15. 164 S. BGH NJW 1974, 602; Römermann, NJW 2012, 1694; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 92; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 175; Brenner, Arzt und Recht, S. 116. 165 BGH NJW 1974, 602; krit. hierzu Kuhlmann, JZ 1974, 670, 671 f.; Laufs, NJW 1975, 1433, 1435 f. 166 BVerfGE 65, 1 = NJW 1984, 419. 167 S. hierzu Maunz/Dürig/Di Fabio, GG-Kommentar, Art. 2 Abs. 1 Rn. 173 ff.; Simitis, NJW 1984, 398 ff. 168 BGHZ 116, 268, 273 = NJW 1992, 737, 739 = MedR 1992, 104, 105; Taupitz, ArztR 1992, 141; Kamps, NJW 1992, 1545; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 33; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 6; 161

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

ausdrücklich erklärt werden, es reicht aus, wenn er diese durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringt, etwa indem er sich dem Praxisnachfolger zur (weiteren) Behandlung anvertraut. 169 In jedem Fall muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Patienten hinreichend beachtet werden. Ein Praxiskaufvertrag, der „die uneingeschränkte Verpflichtung eines Arztes zur Übergabe solcher Unterlagen an seinen Praxisnachfolger“ enthält, ist daher nach § 134 BGB i. V. m. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB nichtig.170 bb) Auswirkungen des Datenschutzrechts Zwar hat der BGH in seinem grundlegenden Urteil aus dem Jahr 1991 entschieden, dass die Einwilligung des Patienten in die Weitergabe seiner Daten an den Praxisnachfolger auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann,171 dabei blieb allerdings das Datenschutzrecht außen vor. Trotz des Bestehens berufs- und strafrechtlicher Verschwiegenheitspflichten ist das Datenschutzrecht daneben anwendbar, die darin normierten Anforderungen gelten. 172 Bis zum 25. Mai 2018 waren die Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) maßgeblich. Hiernach bedurfte die Zustimmung des Patienten in die Weitergabe seiner Daten im Rahmen des Praxisverkaufs gemäß § 4a Abs. 1 S. 3 BDSG a. F. der Schriftform.173 Eine konkludente Einwilligung kam nicht in Betracht.

HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 79; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 92; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 176; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 118. 169 BGHZ 116, 268, 275 = NJW 1992, 737, 740 = MedR 1992, 104, 106; Ehlers/Scheibeck/Conradi, DStR 1999, 1532, 1533; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 176; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 383; Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 17 Rn. 15. Zu den Auswirkungen des Datenschutzrechts auf die Übergabe der Patientenkartei s. unter bb). 170 BGHZ 116, 268, 272 = NJW 1992, 737, 739 = MedR 1992, 104, 105; BGH NJW 1996, 773, 774; Ehlers/Scheibeck/Conradi, DStR 1999, 1532, 1533; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 92; HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 78; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 176; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 119. 171 BGHZ 116, 268, 275 = NJW 1992, 737, 740 = MedR 1992, 104, 106. 172 Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 72 Rn. 19 ff.; Simitis/Dix, BDSG, § 1 Rn. 184 ff.; Buchner, MedR 2013, 337, 342; ders./Schwichtenberg, GuP 2016, 218, 223; Dochow, GesR 2018, 137, 149. Zum Einfluss des Datenschutzrechts auf die Einsichtnahme und Übertragung von Daten in der Insolvenz s. Berberich/Kanschik, NZI 2017, 1, 7 ff. 173 Roßnagel, NJW 1989, 2303, 2304; Rieger, MedR 1992, 147, 148; ders., Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 95; Taupitz, ArztR 1992, 141, 142; Ehlers/Scheibeck/Conradi, DStR 1999, 1532, 1533; Buchner, MedR 2013, 337, 342; Berberich/Kanschik, NZI 2017, 1, 8 f.; HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 80; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 72 Rn. 25. Zum Erfordernis der Schriftform s. Simitis/Simitis, BDSG, § 4a Rn. 33 ff. Auf die vormals erforderliche Schriftform weisen auch Kühling/Buchner/Buchner/Kühling, DS-GVO, Art. 7 Rn. 27 hin.

C. Konfliktlage in der Insolvenz

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Durch das Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung174 (DS-GVO) am 25. Mai 2018 hat sich die Rechtslage verändert. Das BDSG wurde angepasst und enthält nur noch ergänzende Regeln, primär ist die DS-GVO anzuwenden.175 Sie ist als Verordnung in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in den Mitgliedsstaaten (Art. 288 AEUV).176 Nach Art. 9 Abs. 1, Abs. 2 lit. a) DS-GVO ist die Verarbeitung von Gesundheitsdaten grundsätzlich untersagt, es sei denn der Betroffene hat ausdrücklich eingewilligt (Verbotstatbestand mit Erlaubnisvorbehalt)177. Art. 7 DS-GVO regelt die Bedingungen für die Erteilung einer Einwilligung. Es existiert zwar kein Schriftformerfordernis mehr, wie es das BDSG (a. F.) noch enthielt,178 die Ausdrücklichkeit der Einwilligung ist aber erforderlich.179 Dies ergibt sich letztlich aus einer Zusammenschau der Art. 7, 9 Abs. 1, Abs. 2 lit. a), 6 Abs. 1 lit. a), 4 Nr. 11 DS-GVO und der Erwägungsgründe zur DSGVO.180 Insbesondere aus beweisrechtlichen Gründen ist eine schriftliche Einwilligung daher sinnvoll.181 Eine konkludente Einwilligung der Patienten ist folglich auch nach aktueller Rechtslage nicht möglich. Dies erschwert die Veräußerung der Praxis samt Patientenkartei erheblich. Denn die Patienten müssen im Vorfeld alle (ggf. schriftlich) befragt werden. Die Vorlage einer formularmäßigen Erklärung bei der ersten Behandlung ist nicht möglich, da diese nicht zuletzt mit Blick auf § 307 BGB rechtsunwirksam sein dürfte.182

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Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). 175 Vgl. Schantz, NJW 2016, 841; Buchner/Schwichtenberg, GuP 2016, 218, 219. 176 Kühling/Buchner/Buchner, DS-GVO, Art. 1 Rn. 4; Schantz, NJW 2016, 1841; Buchner/Schwichtenberg, GuP 2016, 218, 219; Spranger, MedR 2017, 864. 177 Kühling/Buchner/Weichert, DS-GVO, Art. 9 Rn. 7, 34, 47 ff.; Buchner/Schwichtenberg, GuP 2016, 218, 219 f. 178 S. Kühling/Buchner/Buchner/Kühling, DS-GVO, Art. 7 Rn. 27; Schantz, NJW 2016, 1841, 1844. 179 Dies ergibt sich auch aus Erwägungsgrund Nr. 32 (Einwilligung) zur DS-GVO, abrufbar unter https://dsgvo-gesetz.de/erwaegungsgruende/nr-32/ (zuletzt abgerufen am 19.12.2018, die Erwägungsgründe sind auch abgedruckt bei Kühling/Buchner, DS-GVO, S. 49 ff., Nr. 32 auf S. 55 f.). S. a. Schantz, NJW 2016, 1841, 1844; Buchner/Schwichtenberg, GuP 2016, 218, 220; Berberich/Kanschik, NZI 2017, 1, 9. 180 Vgl. Buchner/Schwichtenberg, GuP 2016, 218, 220; Spranger, MedR 2017, 864, 865. 181 So auch Kühling/Buchner/Buchner/Kühling, DS-GVO, Art. 7 Rn. 27. In Erwägungsgrund Nr. 32 (Einwilligung) zur DS-GVO, abrufbar unter https://dsgvo-gesetz.de/erwaegungs-gruende/nr-32/ (zuletzt abgerufen am 19.12.2018), wird die Schriftform („die auch elektronisch erfolgen“ könne) zudem ausdr. genannt. 182 Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 96; ders., MedR 1992, 147, 150; Kamps, NJW 1992, 1545, 1547; HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 81.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

III. Lösungsansätze Die Literatur hat sich in der jüngeren Vergangenheit erstmals mit den speziell im Zusammenhang mit der Insolvenz von Arztpraxen auftretenden Problemen hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht beschäftigt.183 Dabei sind verschiedene Lösungsansätze zu unterschiedlichen Problembereichen vorgeschlagen worden, die im Folgenden kritisch untersucht werden. 1. Zwei-Schrank-Modell Speziell für die Übergabe der Patientenkartei beim Praxisverkauf wurde das sog. Zwei-Schrank-Modell184 entwickelt.185 Um die rechtswidrige Einsichtnahme des die Praxis übernehmenden Arztes zu verhindern, sollen nach diesem Modell zwei gesonderte Aktensysteme parallel geführt werden. Der übernehmende Arzt nutzt einen Schrank, in dem die Unterlagen seiner eigenen Patienten sowie derjenigen Patienten des Vorgängers enthalten sind, die bereits in die Weitergabe ihrer Unterlagen eingewilligt haben. Auf diesen kann er stets zugreifen. Daneben existiert ein weiterer Aktenschrank, in dem sich die Akten der Patienten des Vorgängers befinden, die (noch) nicht in die Weitergabe ihrer Patientenunterlagen eingewilligt haben. An ihm behält der verkaufende Arzt zunächst das Eigentum, der Schrank ist verschlossen, der Praxisübernehmer kann auf ihn grundsätzlich nicht zugreifen.186 Im Praxisübernahmevertrag vereinbaren die Parteien eine Verwahrungsklausel, die den Erwerber verpflichtet, die Altkartei für den Veräußerer zu verwahren, und die ihm nur für den Fall einer später erfolgenden Einwilligung der Patienten erlaubt, auf deren Daten (jeweils einzeln) zuzugreifen. 187 Der Schlüssel für diesen Aktenschrank kann auch beim verkaufenden Arzt oder einer anderen Person verbleiben, sofern diese die Unterlagen kennt und der Schweigepflicht unterliegt. Als Beispiel wird hier häufig eine Person genannt, die schon seit langer Zeit in der Praxis arbeitet (auch unter dem Vorgänger) und zum Hilfspersonal des Arztes gehört.188 Willigt nun ein Patient in die Weitergabe seiner Unterlagen an 183

Genannt seien hier die Beiträge von Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 36 f.; van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 366 f.; Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1586 ff. 184 Begriffsprägend Kamps, NJW 1992, 1545, 1546. 185 So bei Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 97 ff.; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 34; HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 82; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 6; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 120; Dörfer, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 6 Rn. B 199. 186 Vgl. Kamps, NJW 1992, 1545, 1546; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 98; HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 82; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 6. 187 Vgl. Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 98; HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 82; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 6; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 120; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 383; Halbe, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 17 Rn. 15. 188 So etwa Rieger, MedR 1992, 147, 149: „(…) Arzthelferin, die früher in der Praxis des Veräußerers tätig war und jetzt vom Nachfolger übernommen wird“. Ähnlich auch Kamps, NJW 1992, 1545, 1546: „langgediente(n) Helferin“.

C. Konfliktlage in der Insolvenz

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den Praxisübernehmer ein, so erhält dieser Zugriff auf den verschlossenen Aktenschrank, um die Unterlagen des einwilligenden Patienten herauszunehmen und in seine eigene Kartei einzupflegen, wodurch das Eigentum auf ihn übergeht. 189 Bei einem EDV-basierten Kartei- bzw. Behandlungsunterlagensystem funktioniert das Modell ähnlich. Hier müssen die Daten der Patienten, die nicht eingewilligt haben, mit einem Kennwort vor dem Zugriff des Praxisübernehmers geschützt werden. Willigen die Patienten in die Weitergabe ihrer Daten ein, erhält der übernehmende Arzt das Kennwort bzw. werden die jeweiligen Daten freigeschaltet, sodass er auf diese zugreifen kann.190 Auf diese Weise kann in beiden Fällen das Selbstbestimmungsrecht der Patienten gewahrt werden und eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht ist nicht zu befürchten. Das Zwei-Schrank-Modell wurde insbesondere nach dem Urteil des BGH 191 aus dem Jahr 1991 diskutiert, wonach, in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung, nicht von einer mutmaßlichen Einwilligung aller Patienten einer Arztpraxis in die Weitergabe ihrer Daten an einen die Praxis übernehmenden Arzt auszugehen sei, sondern die Weitergabe grundsätzlich einer ausdrücklichen Einwilligung der Patienten bedürfe.192 Insbesondere durch die Münchener Empfehlungen193 von 1992 wurde das System populär. Die Grundidee ist jedoch älter. 194 Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist das Zwei-Schrank-Modell die beste Möglichkeit, die Rechte der Patienten zu wahren und die von der Rechtsprechung geschaffenen Voraussetzungen für die Übergabe von Patientendaten an einen Praxisübernehmer zu erfüllen. Auch hier ist das Datenschutzrecht zu beachten, die Einwilligung des jeweiligen Patienten muss also ausdrücklich erfolgen.195 2. Verschwiegenheitspflicht des Insolvenzverwalters Ein weitergehender Schutz der persönlichen Daten bestünde möglicherweise, wenn der Insolvenzverwalter einer Verschwiegenheitspflicht unterläge. Im neueren Schrifttum196 ist die Frage nach einer Schweigepflicht für Insolvenzverwalter bereits aufgeworfen worden. Bislang wurde ihr aber wenig Aufmerksamkeit zuteil. Für die Problematik der Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht im Insolvenzverfahren könnte sie jedoch von großer Bedeutung sein. 189

Vgl. Kamps, NJW 1992, 1545, 1546; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 99; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 6; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 383. 190 Vgl. Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 102, der zudem anmerkt, dass die Software „Zeit und Gegenstand“ des Datenzugriffs dokumentieren muss; so auch Dörfer, in: Narr, Ärztliches Berufsrecht, VI., 6 Rn. B 199. S. a. HKAKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 83; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 6. 191 BGHZ 116, 268 = NJW 1992, 737 = MedR 1992, 104. 192 BGHZ 116, 268, 273 = NJW 1992, 737, 739 = MedR 1992, 104, 105. 193 Abgedruckt in MedR 1992, 207; das System findet sich auch bei Rieger, MedR 1992, 147, 149 f.; ähnlich auch bei Taupitz, ArztR 1992, 141, 143. 194 S. Uhlenbruck, ArztR 1978, 231, 232 f. 195 S. unter II. 2. b) bb). 196 S. insb. Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290; dies., EWiR 2009, 391 und Bork, ZIP 2007, 793.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

a) Bestehen einer Schweigepflicht für Insolvenzverwalter de lege lata Es ist zunächst zu überprüfen, ob eine allgemeine Verschwiegenheitspflicht für Insolvenzverwalter nach geltendem Recht besteht. Eine solche kann sich aus unterschiedlichen Quellen ergeben. Dazu gehören das Insolvenzrecht selbst, aber auch das Strafrecht sowie berufsrechtliche Regelungen. aa) Insolvenzrechtliche Schweigepflicht Eine allgemeine Verschwiegenheitspflicht für Insolvenzverwalter ist weder in der Insolvenzordnung noch in den insolvenzrechtlichen Nebengesetzen ausdrücklich enthalten.197 § 56 InsO gibt zwar vor, dass eine geeignete Person zum Insolvenzverwalter bestellt werden muss. Hieraus lässt sich jedoch keine originäre Verschwiegenheitspflicht für Insolvenzverwalter ableiten.198 Zwar dürfte ein Insolvenzverwalter, der nicht diskret mit den Informationen umgeht, die er durch die Ausübung seiner Tätigkeit erlangt hat, nicht erneut zum Verwalter bestellt werden. Aus einer solchen „Bestellungsvoraussetzung“ ergibt sich aber keine Pflicht zur Verschwiegenheit, welche die Geheimnisse der Betroffenen umfassend schützt.199 Der BGH hat in mehreren Urteilen vorsichtig anklingen lassen, dass er die Verschwiegenheit von Insolvenzverwaltern gewissermaßen voraussetzt, ohne jedoch von einer Rechtspflicht zu sprechen.200 Die Aussagen des Gerichts hierzu sind vage.201 Insgesamt kann daher nicht von einer insolvenzrechtlichen Pflicht zur Verschwiegenheit für den Insolvenzverwalter ausgegangen werden. 202 bb) Strafrechtliche Schweigepflicht Das Strafrecht sanktioniert in § 203 StGB den Bruch der Verschwiegenheitspflicht durch die dort genannten Personen. Hierin liegt jedoch – wie bereits erwähnt – keine Begründung einer originären Schweigepflicht. 203 Vielmehr setzt § 203 StGB eine anderweitige Pflicht zur Verschwiegenheit voraus und sanktioniert den Ge-

197

Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290; Nerlich/Römermann/Rein, Insolvenzordnung, § 60 Rn. 64. 198 Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290 f. 199 Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2291. 200 Vgl. BGHZ 141, 173, 179 = NJW 1999, 1544, 1547 = ZIP 1999, 621, 625 f.; BGH ZIP 2004, 915, 917 (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 158, 212); BGHZ 159, 122, 129 = ZIP 2004, 1214, 1216; BGHZ 162, 187, 194 = NJW 2005, 1505, 1507 = MedR 2005, 467 f. = ZIP 2005, 722, 724. 201 Dies zeigt auch die Formulierung in BGHZ 141, 173, 179 = NJW 1999, 1544, 1547 = ZIP 1999, 621, 625 f.: „Dies mag Anlaß sein, den Verwalter aufgrund seiner Bestellung ähnlichen Verschwiegenheitspflichten zu unterwerfen wie den insolvent gewordenen Geheimnisträger selbst.“ 202 Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2293; Nerlich/Römermann/Rein, Insolvenzordnung,§ 60 Rn. 64. 203 Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 10; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 3; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 Rn. 61, 63; a. A. Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2298. S. hierzu auch oben unter B. I.

C. Konfliktlage in der Insolvenz

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heimnisbruch.204 Es ist daher terminologisch höchst zweifelhaft, inwiefern überhaupt von einer strafrechtlichen Schweigepflicht die Rede sein kann. Ließen sich Insolvenzverwalter aber unter § 203 StGB subsumieren, ergäbe sich daraus jedenfalls eine Strafbarkeit für das Offenbaren von Geheimnissen, von denen der Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Tätigkeit Kenntnis erlangt hat. Insofern resultierte aus dem Strafrecht zumindest in tatsächlicher Hinsicht eine Schweigepflicht. Der Insolvenzverwalter ist nicht in § 203 Abs. 1 StGB benannt, hieraus kann sich somit grundsätzlich keine Pflicht zur Verschwiegenheit ergeben. Häufig, wenn auch nicht immer, gehören Insolvenzverwalter jedoch einem der in § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB genannten Berufe an, sind also beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer. In diesen Fällen könnte eine Schweigepflicht aus der Angehörigkeit zu den in § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB genannten Berufen folgen. Dies dürfte jedoch nicht bei einer Tätigkeit als Insolvenzverwalter der Fall sein, da das Strafrecht strenge Maßstäbe setzt und eine normative Unklarheit aufgrund des Bestimmtheitsgebots (Art. 103 Abs. 2 GG) im Zweifel dazu führt, dass die Insolvenzverwaltung eine eigenständige, nicht von § 203 StGB erfasste Tätigkeit ist.205 Auch Amtsträger i. S. v. § 203 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB ist der Insolvenzverwalter nicht, denn als Träger eines privaten Amtes steht er weder in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis noch ist er dazu bestellt, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. 206 Er unterfällt somit im Ergebnis nicht dem Straftatbestand des § 203 StGB.207 cc) Berufsrechtliche Schweigepflicht Eine Verschwiegenheitspflicht für den Insolvenzverwalter könnte sich aus dem jeweiligen Recht des Berufs ergeben, dem der Insolvenzverwalter angehört. 208 Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass der Insolvenzverwalter überhaupt einem Beruf angehört, der eine Schweigepflicht vorsieht. In Betracht kommen insbesondere Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die allesamt berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten unterliegen (vgl. § 43a Abs. 2 BRAO für Rechtsanwälte; § 57 Abs. 1 StBerG für Steuerberater und § 43 Abs. 1 WPO für Wirtschaftsprüfer). Diese Verschwiegenheitspflichten gelten jedoch nur, wenn die Tätigkeit als Insolvenzverwalter zum Beruf des Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers gehört, stellt sie hingegen einen eigenständigen Zweitberuf dar, so unterliegt der Insolvenzverwalter den Pflichten des Erstberufs nicht. 209

204

Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, Kap. IX Rn. 10; Ratzel/Lippert/J. Prütting/Lippert, MBO-Ä, § 9 Rn. 3; Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, § 13 Rn. 61. 205 Näher dazu Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2298. 206 Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2299 f. 207 Vgl. Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2299; Nerlich/Römermann/Rein, Insolvenzordnung, § 60 Rn. 64. 208 Vgl. Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2294. 209 Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2294.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

Im Jahr 2004 hat der Senat für Wirtschaftsprüfersachen des BGH entschieden, dass es sich bei der Insolvenzverwaltung nicht um einen eigenständigen Zweitberuf handelt.210 Die berufsrechtlichen Pflichten seien übertragbar, wobei den Besonderheiten der Insolvenzverwaltung Rechnung zu tragen sei.211 Dies bedeutet, dass das Berufsrecht „insolvenzspezifisch“ auszulegen ist.212 Die berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten sind daher auf ihre Geltung im Rahmen der Insolvenzverwaltung zu überprüfen. Vorrangiges Ziel der Verschwiegenheitspflichten im Berufsrecht ist der Schutz des zwischen Berufsträger und Mandanten bestehenden Vertrauensverhältnisses.213 Dieses ist Grundlage für den offenen Informationsaustausch zwischen Berufsträgern und ihren Mandanten. Im Insolvenzverfahren stellt sich die Situation jedoch anders dar. Der Insolvenzverwalter erlangt kraft Gesetzes die Verfügungsmacht über alle zur Durchführung des Verfahrens erforderlichen Unterlagen (§§ 80 Abs. 1, 148 Abs. 1 InsO) und der Schuldner ist zur Mitwirkung verpflichtet (§ 97 InsO), die sogar zwangsweise durchgesetzt werden kann.214 Die insolvenzspezifische Betrachtung der berufsrechtlichen Schweigepflicht führt daher dazu, dass diese im Insolvenzverfahren nicht fortgelten kann.215 Eine berufsrechtliche Schweigepflicht für Insolvenzverwalter existiert folglich nicht. dd) Zwischenfazit Eine Schweigepflicht, wie sie für Ärzte216 oder Rechtsanwälte217 existiert, kann für den Beruf des Insolvenzverwalters nach derzeitiger Rechtslage nicht angenommen werden.218 Gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 InsO ist eine geeignete Person zum Insolvenzverwalter zu bestellen. Zur Eignung gehört mit Sicherheit auch ein hohes Maß an Diskretion und Verschwiegenheit. Aus dieser Norm ergibt sich aber keine originäre Rechtspflicht zur Verschwiegenheit. Selbst wenn der Insolvenzverwalter einem Beruf angehört, der einer berufsrechtlichen Schweigepflicht unterliegt, ergibt eine insolvenzspezifische Auslegung, dass diese Pflicht im Insolvenzverfahren nicht fortgilt. Auch das Strafrecht sanktioniert den übermäßig redseligen Insolvenzverwalter nicht. Er unterfällt keinem der Tatbestände des § 203 StGB.

210

BGHSt 49, 258 = NJW 2005, 1057 = ZIP 2005, 176. BGHSt 49, 258, 265 = NJW 2005, 1057, 1059 = ZIP 2005, 176, 178 f. 212 BGHSt 49, 258, 265 = NJW 2005, 1057, 1059 = ZIP 2005, 176, 178 f.; so auch Prütting, ZIP 2002, 1965, 1968; Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2295. 213 Henssler, NJW 1994, 1817; Deckenbrock, BB 2002, 2453, 2459; ders./Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2297. 214 Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2297. 215 Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2298. 216 S. dazu oben unter B. 217 S. hierzu Henssler, NJW 1994, 1817. 218 Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2299, 2300; Nerlich/Römermann/Rein, Insolvenzordnung, § 60 Rn. 64; s. a. OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.2.2012 – 24 W 4/12 = BeckRS 2012, 4347; a. A. Bork, ZIP 2007, 793, 796. 211

C. Konfliktlage in der Insolvenz

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b) Statuierung einer gesetzlichen Schweigepflicht für Insolvenzverwalter de lege ferenda Um das Schutzniveau von Geheimnissen Dritter im Insolvenzverfahren zu erhöhen, wird im Schrifttum vorgeschlagen, eine gesetzliche Schweigepflicht für Insolvenzverwalter einzuführen.219 Dies solle die bestehenden Probleme „überwinden“ und die Betroffenen besser gegen die „Weitergabe und Verwertung ihrer Geheimnisse“ schützen.220 aa) Vorschlag von Deckenbrock und Fleckner Deckenbrock und Fleckner fordern, dem Insolvenzverwalter erweiterte Einsichtsund Verwertungsbefugnisse einzuräumen und gleichzeitig eine Verschwiegenheitspflicht einzuführen, um sowohl den Rechten der Gläubiger (aus Art. 14 Abs. 1 GG) als auch den Rechten der Geheimnisinhaber (aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) gerecht zu werden. 221 Diese Verschwiegenheitspflicht müsse jedoch zahlreiche Ausnahmen enthalten, um den Insolvenzverwalter handlungsfähig zu machen. So muss dieser etwa in der Lage sein, das Insolvenzgericht, die Gläubigerversammlung und den Gläubigerausschuss zu informieren, ohne gegen die Schweigepflicht zu verstoßen. 222 Unterläge der Insolvenzverwalter einer gesetzlichen Pflicht zur Verschwiegenheit, bestünde auch kein Grund, seine Einsichtsrechte zu beschneiden, ausgenommen wären Sonderkonstellationen, zu denen etwa ärztliche Diagnosen gehören sollen, die zu schwärzen wären.223 Die gesetzliche Schweigepflicht des Insolvenzverwalters könne entweder in der Insolvenzordnung selbst verankert werden oder in einer neu zu schaffenden Insolvenzverwalterordnung, die zudem eine klare gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit des Insolvenzverwalters böte.224 bb) Stellungnahme Der Ansatz bietet zwar durchaus die Möglichkeit, die Geheimnisse von verfahrensunbeteiligten Dritten besser zu schützen; Schwierigkeiten ergeben sich aber vor allem in Sonderkonstellationen, zu denen aufgrund der hohen Sensibilität der (Patienten-)Daten auch die Insolvenz einer Arztpraxis gehört.225 Das „Schwärzen“ aller ärztlichen Diagnosen in den Abrechnungsunterlagen, wie Deckenbrock und Fleckner es vorschlagen,226 dürfte sich als zeitraubend und damit in der Insolvenz als unpraktikabel erweisen. Selbst wenn nur ein Teil der Diagnosen geschwärzt werden müsste, würde dies einen hohen zeitlichen und ggf. auch finanziellen Aufwand bedeuten. Sämtliche Unterlagen des Arztes müssten vor Übergabe an den Insolvenzverwalter überprüft und bearbeitet werden. 219 220 221 222 223 224 225 226

Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2299 ff.; dies., EWiR 2009, 391, 392. Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2299. Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2299 f. Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2300. Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2300. Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2301. So auch Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2300. Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2300.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

Zudem bietet der Ansatz für das oben beschriebene Problem der Übergabe der Patientenunterlagen an den Insolvenzverwalter keine Lösung. Denn die Schweigepflicht gilt auch zwischen schweigepflichtigen Personen. 227 Die Weitergabe der Daten stellte also nach wie vor einen Bruch der Schweigepflicht durch den insolventen Arzt dar. Hieran ändert die Etablierung einer gesetzlichen Schweigepflicht für den Insolvenzverwalter nichts. Vielmehr kommt es auf die Frage an, ob der insolvente Arzt Daten an den Insolvenzverwalter weitergeben darf. Dies könnte durch eine eindeutige gesetzliche Regelung über die Reichweite der Einsichts- und Verwertungsrechte des Insolvenzverwalters geklärt werden. Da bislang eine solche Regelung nicht existiert, ist eine Einzelfallabwägung der Interessen von Gläubigern und Dritten vorzunehmen. Dies hat im Zweifel durch die Gerichte zu erfolgen, was zeitintensiv ist und mit Einbußen an Rechtssicherheit einhergeht. 3. Doppelte Aktenführung a) Vorschlag aus der Literatur In der Literatur wurde zur Vermeidung von Konflikten mit der ärztlichen Schweigepflicht in der Insolvenz der Arztpraxis ein weiterer Vorschlag unterbreitet.228 Danach ist eine doppelte Karteiführung vorgesehen. Neben der eigentlichen Patientenkartei soll eine weitere angefertigt werden, wobei die Angaben, welche eine Identifizierung des jeweiligen Patienten ermöglichen (also insbesondere der Name) „geschwärzt“ werden sollen.229 Diese Aufgabe müsse von einem „medizinisch entsprechend ausgebildeten Fachspezialisten“ vorgenommen werden, den der Insolvenzverwalter zu diesem Zwecke hinzuziehen könne. 230 Im täglichen Praxisbetrieb würde dadurch eine „parallele“ Dokumentierung erforderlich. b) Stellungnahme Ob der beschriebene Vorschlag zu einer Lösung der Probleme hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht bei der Arztpraxisinsolvenz führen kann, erscheint zweifelhaft.231 Zum einen bedeutet er einen enormen zusätzlichen Aufwand in allen Arztpraxen. Denn mit der doppelten Dokumentierung kann nicht erst im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen werden, sondern alle Praxen müssten diese konsequenterweise immer vornehmen, damit der Insolvenzverwalter im Falle der Insolvenz der Praxis sofort auf alle Praxisunterlagen zugreifen kann. Aber selbst eine doppelte Dokumentation erst ab Beginn des Insolvenz-

227

BGHZ 115, 123, 128 f. = NJW 1991, 2955, 2957 = MedR 1991, 327, 329; BGHZ 116, 268, 272 = NJW 1992, 737, 739 = MedR 1992, 104, 105; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, § 203 Rn. 22; Fischer, StGB, § 203 Rn. 35; Ulsenheimer, in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Rn. 873; Spickhoff/Scholz, Medizinrecht, § 9 MBO Rn. 3; Grömig, NJW 1970, 1209, 1210 ff.; Kuhlmann, JZ 1974, 670 ff.; Laufs, NJW 1975, 1433, 1435; ders., Arztrecht, 51993, Rn. 436. 228 van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 366 f. 229 van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 366. 230 van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 366. 231 So auch Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1589, der den Ansatz für „wenig praktikabel“ hält.

C. Konfliktlage in der Insolvenz

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verfahrens, die dem Insolvenzverwalter eine Kontrolle des Arztes ermöglichte,232 bedeutete einen unverhältnismäßig hohen zeitlichen (und auch finanziellen) Aufwand und wäre daher ungeeignet. Entscheidend aber ist, dass auch durch diesen Ansatz die Problematik der Weitergabe der Daten nicht gelöst wird. Denn die „Schwärzungen“ in den Akten sollen durch einen „medizinisch entsprechend ausgebildeten Fachspezialisten“ erfolgen,233 also eine dritte Person. Diese Person darf aber, selbst wenn sie ihrerseits einer Verpflichtung zur Verschwiegenheit unterliegt, nicht Einsicht in die Patientenunterlagen nehmen, da die Schweigepflicht gegenüber jedem gilt, der außerhalb der Arzt-Patient-Beziehung steht, und damit, wie oben bereits erwähnt, auch zwischen schweigepflichtigen Personen. 234 Daher ist das gesamte Konstrukt letztlich ohne Funktion. Denn weder der Insolvenzverwalter noch irgendeine weitere Person dürfen Einblick in Patientenunterlagen nehmen. Aus diesem Grund taugt das Modell nicht, um die sich aus der ärztlichen Schweigepflicht ergebenden rechtlichen Probleme im Rahmen der Arztpraxisinsolvenz zu lösen. 235 4. Interessenabwägung In Ermangelung gesetzlicher Regelungen über die Einsichts- und Verwertungsrechte des Insolvenzverwalters ist im Einzelfall eine Abwägung der Güter und Interessen der Betroffenen vorzunehmen, um festzustellen, worauf der Insolvenzverwalter zugreifen darf. Hierbei sind die geschützten Rechtspositionen aller Betroffenen, also der Gläubiger, des Schuldners und Dritter (etwa der Patienten im Arztpraxisinsolvenzverfahren) gegeneinander abzuwägen. In den letzten Jahren ergingen hierzu zwei wichtige höchstrichterliche Entscheidungen, welche die derzeitige Rechtslage prägen. a) Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2005 (Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 62/04) aa) Sachverhalt und Urteilsgründe Richtungsweisend war zunächst die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2005.236 Im zugrunde liegenden Fall begehrte der Insolvenzverwalter unter anderem Auskunft über die Daten (Name, Vorname und Anschrift) der vom Schuldner seit dem Tag der Insolvenzeröffnung behandelten (Privat-)Patienten. Der Schuldner kam dem nur teilweise nach und legte, unter Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht, eine Aufstellung der Forderungen gegen Privatpatienten nur in anonymisierter Form vor. Dies war für den Insolvenzverwalter jedoch unzureichend. Er gab an, die nicht anonymisierten Patientendaten zu benötigen, um etwaige Ansprüche der Masse überprüfen zu können. Da der Schuldner nicht kooperierte, 232

So van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 366. van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 366. 234 Vgl. dazu oben unter C. III. 2. b) bb) (Fn. 227). 235 Vgl. auch Ziegler, ZInsO 2014, 1577, 1589. Zu weiterer Kritik s. a. die Autorin selbst: van Zwoll, ZMGR 2011, 364, 366 f. 236 BGHZ 162, 187 = NJW 2005, 1505 = MedR 2005, 467. 233

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

erging eine Haftanordnung gegen ihn, deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen war. Der BGH entschied im Sinne des Insolvenzverwalters und billigte die Haft aufgrund der mangelnden Kooperation des Schuldners und damit der Verletzung seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten aus § 97 InsO. In seinem Beschluss setzte sich der BGH insbesondere mit der Frage auseinander, ob in der Offenbarung der Daten ein Bruch der ärztlichen Schweigepflicht liegt. Um diese Frage zu beantworten, sei eine Güterabwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der Patienten auf der einen und dem Befriedigungsinteresse der Gläubiger auf der anderen Seite vorzunehmen. Das Geheimhaltungsinteresse der Patienten folge aus dem aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das Befriedigungsinteresse der Gläubiger ergebe sich aus Art. 14 Abs. 1 GG. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedeutet die Preisgabe der Daten zwar eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Patienten, die dieses Recht schützende ärztliche Schweigepflicht muss aber zurücktreten, wenn „überragende Interessen des Gemeinwohls oder vorrangige Belange Dritter dies gebieten“.237 Die Güterabwägung ergebe in diesem Fall, dass das Befriedigungsinteresse der Gläubiger das Geheimhaltungsinteresse der Patienten überwiegt, da die Daten für die Durchsetzung der Gläubigerrechte erforderlich seien. Der Eingriff in die Rechte der Patienten sei überdies geringfügig, denn der Insolvenzverwalter dürfe die ihm zugänglich gemachten Daten nur verwerten, soweit dies zur Erfüllung der ihm im Insolvenzverfahren obliegenden Aufgaben notwendig sei. Die Intimsphäre der Patienten sei zudem nicht betroffen, sodass eine Güterabwägung auch nicht von vornherein ausgeschlossen sei. bb) Bewertung Der BGH hat damit klar zugunsten (der Rechte) der Gläubiger entschieden. Der Insolvenzverwalter darf Einsicht in alle Patientendaten nehmen, die zur Feststellung und Mehrung der Masse notwendig sind, er darf also auch den Namen und die Anschrift eines Patienten in Erfahrung bringen. Auch wenn das Ergebnis notwendig und richtig erscheint,238 liefert der BGH hierfür keine ausreichende Begründung. Die Erwähnung der Notwendigkeit der Informationspreisgabe für die Durchführung des Verfahrens und die Wahrnehmung der Aufgaben des Verwalters ist für sich genommen noch nicht überzeugend. Sie ist vielmehr Ursache als Lösung des Problems. Auch der vage Hinweis auf die Integrität des Verwalters, die vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass keine gesetzlich normierte Verschwiegenheitspflicht für Insolvenzverwalter existiert,239 ist nicht ausreichend, um den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Patienten zu rechtfertigen. Es verbleibt zudem eine Ungewissheit hinsichtlich derjenigen Patientendaten mit Intimsphärenbezug, also dem einer Abwägung von vornherein unzugänglichen Bereich. 237

BGHZ 162, 187, 192 = NJW 2005, 1505, 1506 = MedR 2005, 467 f. So auch van Zwoll, GesR 2005, 368. 239 S. hierzu auch Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290, 2292 f., die ebenfalls nicht annehmen, dass der BGH von einer Schweigepflicht für Insolvenzverwalter ausgeht. 238

C. Konfliktlage in der Insolvenz

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Im vorliegenden Fall lehnte der BGH die Berührung der Intimsphäre der Patienten pauschal ohne Begründung ab. In Zukunft dürfte daher unklar sein, wann dieser Bereich betroffen ist. Klarheit kann dann nur ein Urteil im jeweiligen Einzelfall bringen, eine wenig zufriedenstellende Situation – sowohl für Patienten als auch für Insolvenzverwalter. b) Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2009 (Beschl. v. 5.2.2009 – IX ZB 85/08) aa) Sachverhalt und Urteilsgründe Im Jahr 2009 folgte ein weiterer Beschluss des BGH, bei dem es um die Einsichtnahme des Insolvenzverwalters in Patientendaten eines Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse ging. 240 Der Praxisinhaber hatte einen Insolvenzantrag gestellt, war im anschließenden Insolvenzverfahren jedoch nicht uneingeschränkt zur Kooperation mit dem Insolvenzverwalter bereit, insbesondere hatte er sich geweigert, dem Insolvenzverwalter zur Feststellung seiner Einkünfte Einsicht in die Behandlungsunterlagen zu gewähren. Der neunte Zivilsenat entschied unter Berufung auf seine oben geschilderte Rechtsprechung aus dem Jahr 2005, dass auch ein Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse dem Insolvenzverwalter diejenigen Patientendaten zur Verfügung stellen müsse, die benötigt werden, um die Forderungen der Gläubiger durchzusetzen. Es ergebe sich insoweit kein Unterschied zu einer auf einem sonstigen Gebiet tätigen Facharztpraxis, die Patienten seien durch eine mögliche Kenntnisnahme der Gläubiger vom Aufsuchen eines Facharzts für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse nicht stärker belastet, „als wenn es sich um eine sonstige Facharztpraxis gehandelt hätte“.241 Das Bedürfnis der Gläubiger nach Offenlegung der Patientendaten gegenüber dem Insolvenzverwalter habe auch hier Vorrang vor dem Anspruch der Patienten auf Schutz ihrer Daten, dies folge aus dem Interesse der Insolvenzgläubiger an der Transparenz der Einnahmen ihres Schuldners. Andernfalls könne „über das Vermögen eines Arztes (…) überhaupt kein Insolvenzverfahren durchgeführt werden“.242 Die Entscheidung aus dem Jahr 2009 führt die im Jahr 2005 vorgegebene Linie der Rechtsprechung fort. Das Befriedigungsinteresse der Gläubiger hat Vorrang vor dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Patienten, selbst wenn äußerst sensible Patientendaten, wie das Aufsuchen eines Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse, offenbart werden. bb) Bewertung Das eigentliche Problem wird durch einen eher beiläufigen Satz in der Entscheidungsbegründung offenbart. Würde dem Interesse der Gläubiger kein Vorrang

240

BGH NJW 2009, 1603 = MedR 2009, 531 m. Anm. Bultmann = EWiR 2009, 391 m. Bespr. Deckenbrock/Fleckner. 241 BGH NJW 2009, 1603 = MedR 2009, 531. 242 BGH NJW 2009, 1603 = MedR 2009, 531.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

eingeräumt, könnte „überhaupt kein Insolvenzverfahren durchgeführt werden“. 243 Dies ist jedoch kein Argument, um ein Einsichtsrecht zu begründen. Vielmehr muss gezeigt werden, warum das Interesse der Patienten auch im konkreten Fall hinter den Interessen der Gläubiger zurückzutreten hat, was allerdings kaum in praktikabler Weise zu begründen sein dürfte. Eine denkbare Begründung wäre, dass der Eingriff nicht besonders schwer wiegt. Es werden keine Daten über den Gesundheitszustand einzelner Patienten weitergegeben, sondern lediglich die Tatsache, dass ein Patient überhaupt den Arzt aufsucht. Freilich kann dies bei einem Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse bereits eine große Belastung für den betroffenen Patienten darstellen. Der Patient kann zwar beim Aufsuchen des Arztes auch auf der Straße erkannt und identifiziert werden (so der BGH in seinem Urteil aus dem Jahr 2005),244 dieses Argument überzeugt indes nicht, denn die Situationen sind kaum vergleichbar, eine Identifizierung auf der Straße dürfte weitaus schwieriger sein als das Ablesen eines Namens mit dazugehöriger Anschrift auf einer Liste. Darüber hinaus können aus der Häufigkeit der Arztbesuche, die sich aus den Abrechnungsunterlagen ergeben kann, Rückschlüsse auf Schwere und Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung des jeweiligen Patienten gezogen werden. Vor diesem Hintergrund ist die knappe Begründung der Entscheidung des BGH bedauerlich.245 c) Abschließende Stellungnahme In beiden Entscheidungen des BGH ging die Güter- und Interessenabwägung jeweils deutlich zugunsten der Gläubiger und zu Lasten der Patienten aus. Das Befriedigungsinteresse der Gläubiger überwiege das Interesse der Patienten am Schutz ihrer Daten. Auf beiden Seiten sind Rechte von Verfassungsrang betroffen, auf Seiten der Gläubiger das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Befriedigungsrecht, auf Patientenseite das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.246 Es muss daher sehr genau bestimmt werden, welche Intensität der Eingriff hat und ob er verhältnismäßig ist. Bei Eingriffen in die Intimsphäre ist eine Abwägung von vornherein ausgeschlossen, Eingriffe in den Kernbereich persönlicher Lebensführung sind generell unzulässig. 247 Nach Ansicht des Gerichts ist dieser Bereich aber nicht betroffen. 248 Geht es lediglich um Name und Anschrift der Patienten, ist dem zuzustimmen, selbst wenn es sich um Patienten eines Facharztes für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse handelt. Denn diese betreffen die Beziehung des Patienten zu seiner Umwelt. Lassen sich aus den Abrechnungsunterlagen des Arztes aber weitere Informationen gewinnen, 243

BGH NJW 2009, 1603 = MedR 2009, 531. BGHZ 162, 187, 192 f. = NJW 2005, 1505, 1506 = MedR 2005, 467 f. 245 So auch Deckenbrock/Fleckner, EWiR 2009, 391, 392. 246 Zur Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung s. Maunz/Dürig/Di Fabio, GG-Kommentar, Art. 2 Abs. 1 Rn. 173 ff. 247 BVerfGE 80, 367, 373 = NJW 1990, 563, 564; BVerfGE 34, 238, 245 = NJW 1973, 891, 892; BVerfGE 6, 32, 41 = NJW 1957, 297; BVerfGE 27, 1, 6 = NJW 1970, 555; BVerfGE 32, 373, 378 f. = NJW 1972, 1123; Maunz/Dürig/Di Fabio, GG-Kommentar, Art. 2 Abs. 1 Rn. 158; Dreier/Dreier, GG-Kommentar, Art. 2 I Rn. 92 f. 248 Vgl. BGHZ 162, 187, 192 = NJW 2005, 1505, 1506 = MedR 2005, 467 f. 244

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etwa über die Dauer und Häufigkeit der Arztbesuche, so betreffen die Daten zunehmend die Intimsphäre des Patienten, zumindest wenn Rückschlüsse auf Art und Schwere der Erkrankung gezogen werden können. Die Abgrenzung kann aber nur im Einzelfall gerichtlich erfolgen. Allgemeine Aussagen hierzu lassen sich nicht treffen. So wird im Zweifelsfall eine Klärung durch die Gerichte unumgänglich. Eine Interessenabwägung ist indes notwendigerweise eine Einzelfallentscheidung. Die genannten Entscheidungen des BGH machen es für die Betroffenen zwar leichter, die Rechtsprechung in diesem Punkt einzuschätzen, doch versprechen sie keine Rechtssicherheit. Auch in Zukunft müssen Güter- und Interessenabwägungen anhand des Einzelfalls vorgenommen werden. Die Abwägung im Einzelfall hat aber nicht nur Nachteile. Positive Folge der Abwägung im konkreten Fall ist die Verwirklichung eines höheren Grades an Einzelfallgerechtigkeit, die auch den Patienten zugutekommt. Auch aus diesem Grund ist dem BGH im Ergebnis zuzustimmen. Die Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit ist begrüßenswert und die Verhinderung der generellen Undurchführbarkeit von Insolvenzverfahren über das Vermögen von Ärzten und Arztpraxen wiegt, als Allgemeininteresse, im Regelfall schwerer als das Interesse der Patienten am Schutz ihrer der Privatsphäre entstammenden Daten vor der Einsichtnahme durch den Insolvenzverwalter. Zu kritisieren sind aber die gelieferten Entscheidungsbegründungen. Vor dem Hintergrund der hohen Sensibilität der betroffenen Rechtsgüter fallen diese viel zu knapp aus und werden der Komplexität der Thematik nicht gerecht. Dadurch wird der Eindruck erweckt, das Gericht berücksichtige bei der Abwägung die Interessen der Patienten nicht in ausreichendem Maße und der Blick richte sich einseitig auf die Gläubiger.

IV. Fazit Der Schutz der Arzt-Patient-Beziehung wird im Arztpraxisinsolvenzverfahren bislang nur unzureichend verwirklicht. Dies zeigt sich in aller Deutlichkeit am Beispiel der ärztlichen Schweigepflicht, die im Insolvenzverfahren zahlreiche Konflikte hervorruft. Sofern überhaupt eine Interessenabwägung vorgenommen wird, geht diese meist zulasten der Interessen der betroffenen Patienten aus. Abhilfe wäre indes möglich. Tatsächlich führt die ärztliche Schweigepflicht in der Insolvenz der Arztpraxis insbesondere an zwei Punkten zu Problemen: Zum einen immer dann, wenn der Insolvenzverwalter Einsicht in die patientenbezogenen Praxisunterlagen nehmen muss, und zum anderen bei der Veräußerung der Arztpraxis. Für den Fall der Veräußerung von Arztpraxen wurde mit dem Zwei-SchrankModell ein Verfahren erarbeitet, welches die Patientendaten vor dem unbefugten Zugriff des Praxisübernehmers schützt. 249 Hierdurch ist in der Vergangenheit ein gangbarer Weg geschaffen worden, der auch im Falle der Insolvenz der Arztpraxis

249

S. dazu oben unter C. III. 1.

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5. Kap.: Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die Arzt-Patient-Beziehung

und der daraus resultierenden Veräußerung und Übergabe der Patientenkartei beschritten werden kann. Das Zwei-Schrank-Modell bietet aber keineswegs eine Lösung für sämtliche in Zusammenhang mit der Schweigepflicht stehenden Probleme bei der Arztpraxisinsolvenz. Insbesondere kann hierdurch nicht die Einsichtnahme des Insolvenzverwalters und die damit verbundene Offenbarung von Patientendaten verhindert werden. Bislang gibt es keine allgemeine Lösung für dieses Problem. Vielmehr müssen die Interessen von Gläubigern und Patienten im Einzelfall abgewogen werden.250 Dies bietet im Voraus keine Rechtssicherheit und kann das gesamte Verfahren lähmen. Der Insolvenzverwalter ist im Zweifel handlungsunfähig und muss eine Entscheidung der Gerichte abwarten, bevor er Einsicht in die Unterlagen nehmen kann, will er nicht eine Verletzung der Rechte der Patienten in Kauf nehmen. In der Literatur wurde zur Vermeidung dieser Probleme über eine Schweigepflicht für Insolvenzverwalter nachgedacht. 251 Nach geltendem Recht existiert eine solche Schweigepflicht nicht. Es wird daher vorgeschlagen, diese gesetzlich zu verankern. Indes löste die Einführung einer (gesetzlichen) Schweigepflicht für Insolvenzverwalter das eigentliche Problem in der Insolvenz der Arztpraxis nicht. Dieses liegt nämlich in der Übergabe der Patientenunterlagen an den Insolvenzverwalter. Gibt ein Arzt die Behandlungsunterlagen an den Insolvenzverwalter weiter, bedeutet dies in der Regel einen Bruch der Schweigepflicht, der berufs-, zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Da die Schweigepflicht auch zwischen zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen gilt, beispielsweise auch zwischen Ärzten, ändert die Einführung einer Schweigepflicht für Insolvenzverwalter nichts an der Problematik bei der Übergabe der Daten. Sie ist nur mit einer Einwilligung der Betroffenen möglich. Fehlt eine solche, wäre nach wie vor eine Interessenabwägung im Einzelfall notwendig. In der Vergangenheit tendierten die Gerichte im Rahmen der Interessenabwägung immer mehr dazu, den Insolvenzverwaltern die Einsichtnahme zu gestatten.252 Anderenfalls wäre die Durchführung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Arztes oder einer Arztpraxis praktisch unmöglich. 253 Die Gläubiger könnten niemals befriedigt werden. Die Gerichte sehen daher das Befriedigungsinteresse der Gläubiger (aus Art. 14 Abs. 1 GG) als vorrangig an gegenüber dem Interesse der Patienten am Schutz ihrer Daten (aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG).254 Mit Recht kann daher auch über eine gesetzliche Normierung von Einsichtsund Verwertungsrechten des Insolvenzverwalters nachgedacht werden. Die Nor250

S. dazu oben unter C. III. 4. Entwickelt wurde die Idee von Deckenbrock/Fleckner, ZIP 2005, 2290; dies., EWiR 2009, 391. S. hierzu auch oben unter C. III. 2. 252 BGHZ 162, 187 = NJW 2005, 1505 = MedR 2005, 467 = GesR 2005, 365 m. Anm. van Zwoll; BGH NJW 2009, 1603 = MedR 2009, 531 m. Anm. Bultmann = ZIP 2009, 976. 253 So auch BGH NJW 2009, 1603 = MedR 2009, 531 = ZIP 2009, 976. 254 BGHZ 162, 187, 192 = NJW 2005, 1505, 1506 = MedR 2005, 467 f.; BGH NJW 2009, 1603 = MedR 2009, 531 = ZIP 2009, 976 f. 251

C. Konfliktlage in der Insolvenz

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mierung bedeutete de iure keine Schlechterstellung der Patienten, um deren Daten es geht. Zudem wird Rechtssicherheit geschaffen, lange Gerichtsverfahren würden überflüssig und das Insolvenzverfahren beschleunigt. Durch die Normierung einer Schweigepflicht für Insolvenzverwalter ändert sich zwar, wie oben gezeigt, an der Grundproblematik der Übergabe von Patientendaten vom Arzt an den Insolvenzverwalter nichts. Auch hier würden die Patienten aber jedenfalls nicht schlechter gestellt, im Gegenteil, der Schutz ihrer Daten würde verbessert. Denn nach gegenwärtiger Rechtslage erhält der Insolvenzverwalter in der Regel Einblick in ihre Daten, ohne dass ihn eine Pflicht zur Verschwiegenheit trifft. Würde diese Rechtslage nun gesetzlich fixiert und zudem eine Schweigepflicht eingeführt, wären die Interessen der Patienten am Schutz ihrer Daten besser verwirklicht als derzeit. Ein Tätigwerden des Gesetzgebers ist zwar nicht immer notwendig und nicht jede Sonderkonstellation muss gesetzlich geregelt werden, die hier behandelte Konfliktlage kann jedoch durch die Rechtsprechung allein nicht befriedigend aufgelöst werden. Die Abwägungskriterien sind notwendigerweise einzelfallbezogen und können daher nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Um für Patienten, Ärzte und Insolvenzverwalter Rechtssicherheit zu schaffen und langwierige Verfahren zu vermeiden, sollte ein gesetzgeberisches Tätigwerden daher zumindest in Betracht gezogen werden.

Kapitel 6: Schicksal der insolventen Arztpraxis 6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

Für die insolvente Arztpraxis kann das Verfahren auf unterschiedliche Weise enden. Entweder wird die Praxis liquidiert, dann existiert sie mit Verfahrensbeendigung nicht mehr, oder sie wird erhalten und saniert. Oberstes Ziel des Insolvenzverfahrens ist nach § 1 S. 1 InsO die Befriedigung der Gläubiger. Dieses Verfahrensziel entscheidet letztlich über das Schicksal der insolventen Praxis. Denn der Insolvenzverwalter hat die Form der Haftungsverwirklichung zu wählen, welche die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger sicherstellt.1 Daneben ist aber auch die Erhaltung von Unternehmen (ebenso wie von freiberuflichen Praxen) ein erklärtes Ziel des Insolvenzverfahrens nach der InsO (vgl. § 1 S. 1 a. E. InsO), welches der Verwalter zu berücksichtigen hat. Letztlich muss er anhand einer Prognose entscheiden, wie die Befriedigung der Gläubiger sichergestellt wird, sei es durch eine Veräußerung der Praxis (im Ganzen oder in Teilen; hierzu unter A. I.) oder durch eine Fortführung (A. II.) und Sanierung (B.). Eine Sanierung um jeden Preis darf es dabei nicht geben. 2 Allein die Perspektive der Gläubiger ist entscheidend. Sanierungsversuche sollten daher nur erfolgen, wenn sie die zu erwartende Insolvenzdividende der Gläubiger übersteigen, 3 die Sanierung den Gläubigern also einen Vorteil gegenüber der Liquidation einbringt.

A. Die Verwertung insolventer Arztpraxen A. Die Verwertung insolventer Arztpraxen

Unter dem Begriff Verwertung werden sämtliche Handlungen verstanden, die dazu dienen, das in der Insolvenzmasse gebundene Vermögen des Schuldners verfügbar zu machen.4 Der Verwalter ist hierzu nach dem Berichtstermin, soweit die Gläubiger nichts anderes beschlossen haben, verpflichtet. 5 Die ursprüngliche Form der Haftungsverwirklichung im Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren ist die Verwertung durch Liquidation.6 Möglich ist aber auch die Befriedigung der Gläubiger bei Fortführung der Praxis zu ihren Gunsten. Der Schuldner kann die Praxis weiter betreiben und muss die Erlöse, abzüglich gewisser Beträge, die er zum leben und wirtschaften benötigt, an die Gläubiger auskehren. Beide Formen der Verwertung werden im Folgenden näher unter dem Gesichtspunkt betrachtet,

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Uhlenbruck/I. Pape, Insolvenzordnung, § 1 Rn. 7. Thole, JZ 2011, 765, 772. 3 Thole, JZ 2011, 765, 772. 4 MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 159 Rn. 4; s. a. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 13.35; Nerlich/Römermann/Balthasar, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 5; K. Schmidt/Jungmann, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 2 („[…] endgültige Umwandlung des realen Vermögens des Schuldners in Geld […]“). 5 Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 2; MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 159 Rn. 3; K. Schmidt/Jungmann, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 1. 6 Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 1; MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 159 Rn. 1; K. Schmidt/Jungmann, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 1 f.; Andres/Leithaus/Andres, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 2. 2

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Lauf, Die Arztpraxis in der Insolvenz, Kölner Schriften zum Medizinrecht 24, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60425-0_7

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

welche Art und Weise der Haftungsverwirklichung im Insolvenzverfahren über das Vermögen insolventer Arztpraxen die sinnvollste ist.

I. Die Veräußerung der Arztpraxis Möglich ist zunächst die Verwertung in Form der Veräußerung der Arztpraxis7 und der anschließenden Verteilung der Einnahmen an die Gläubiger. Es ist indes nicht unumstritten, ob und unter welchen Bedingungen Arztpraxen im Insolvenzverfahren veräußert werden können (1.). Des Weiteren stellt sich die Frage, wie die Veräußerung einer Praxis konkret erfolgt. Es besteht die Möglichkeit, die Praxis als Ganzes oder in Teilen zu veräußern (2. u. 3.). 1. Veräußerbarkeit von Arztpraxen Damit es zu einer Verwertung durch Liquidation der Arztpraxis kommen kann, muss diese überhaupt veräußerbar sein. Nur wenn Arztpraxen als solche verkauft werden können, stellen sie einen im Insolvenzverfahren liquidierbaren Wert dar. Es ist daher zunächst zu klären, ob Arztpraxen generell veräußert werden können (a)) und ob dies auch zwecks Verwertung durch den Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren möglich ist (b)). a) Generelle Veräußerbarkeit Früher galt es als nicht standesgemäß, eine Arztpraxis zu verkaufen oder zu übernehmen.8 Auch in der Rechtswissenschaft wurde eine Übertragung von Arztpraxen zunächst als unzulässig erachtet. So hielt es das Reichsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 19269 nicht für möglich, dass ein Arzt die Praxis eines verstorbenen Kollegen weiterführen kann, da die Praxis des Arztes mit dessen Tode „aufgelöst“ sei.10 Erst einige Jahre später erachtete das Reichsgericht den Verkauf einer Arztpraxis dann – in Abkehr von seiner bisherigen Rechtspre-

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Allg. zur Veräußerung von Arztpraxen, der Bestimmung des Kaufpreises und dem Leistungsstörungsrecht s. Uhlenbruck, ArztR 1971, 100; Laufs, MedR 1989, 309; Kamps, NJW 1992, 1545; Cramer/Henkel/Maier/Wimmer, MedR 1999, 498; Cramer, MedR 2009, 716; Römermann, NJW 2012, 1694; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis; Wollny, Unternehmens- und Praxisübertragungen, Rn. 2061 ff.; Möller, in: Ehlers, Fortführung von Arztpraxen; Frielingsdorf, Praxiswert; HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap.; Merk, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 12; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 175 ff.; s. a. die Beiträge in: AG RAe im MedR, Zulassung und Praxisverkauf. Zur Veräußerung der Arztpraxis und den damit zusammenhängenden Problemen mit der ärztlichen Schweigepflicht s. im 5. Kap. C. II. 2. 8 Vgl. Uhlenbruck, ArztR 1971, 100; Kuhlmann, JZ 1974, 670; Laufs, NJW 1975, 1433, 1436; ders., MedR 1989, 309; Römermann, NJW 2012, 1694; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 175; Wollny, Unternehmens- und Praxisübertragungen, Rn. 2074. 9 RGZ 144, 1. 10 RGZ 144, 1, 4.

A. Die Verwertung insolventer Arztpraxen

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chung – rechtlich für zulässig.11 Dieser Ansicht hat sich der BGH angeschlossen.12 Heute ist allgemein anerkannt, dass eine Arztpraxis als solche veräußert werden kann.13 Der Praxiskauf kann als Unternehmenskauf eingeordnet werden. 14 Denn freiberufliche Praxen werden grundsätzlich wie Unternehmen veräußert. 15 Im Hinblick auf eine Veräußerung wird die Arztpraxis, in Anlehnung an den Unternehmensbegriff16, als Gesamtheit all dessen beschrieben, was die gegenständliche und personelle Grundlage der Tätigkeit des in freier Praxis tätigen Arztes bei der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben bildet.17 Sie kann als solche im Ganzen, aber auch in Teilen veräußert werden, sofern die einzelnen Teile selbständige Funktionseinheiten bilden.18 Wird die Praxis als Gesamtheit dessen veräußert, was in sachlicher und personeller Hinsicht die Grundlage der ärztlichen Tätigkeit bildet, spricht man von einem Asset Deal.19 In diesem Falle werden alle in der Praxis verkörperten materiellen und immateriellen Werte zusammen übertragen. Kauft ein Arzt hingegen Anteile an einer ärztlichen Berufsausübungsgemeinschaft, so liegt begrifflich ebenfalls eine Praxisveräußerung vor, dann aber in Form eines Share Deals. 20 Sollte die Berufsausübungsgemeinschaft als GbR organisiert sein, was häufig der Fall ist, können Gesellschaftsanteile jedoch nur übertragen werden, wenn dies

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RGZ 153, 294. BGHZ 16, 71 = NJW 1955, 337; NJW 1959, 1584; 1974, 602; s. a. Uhlenbruck, ArztR 1971, 100; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 1 jew. m. w. N. 13 Uhlenbruck, ArztR 1971, 100; Laufs, MedR 1989, 309; Rieger, Lexikon des Arztrechts, 1 1984, Rn. 1404; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 1; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 175; HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 1 ff.; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 1 ff.; Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 369 ff. 14 Vgl. Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 2; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 37 ff.; Merk, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 12 Rn. 1 ff.; Möller, in: Ehlers, Fortführung von Arztpraxen, Rn. 464. 15 BT-Drs. 16/6040, S. 242; MüKo-BGB/Westermann, § 453 Rn. 17 ff.; BeckOKBGB/Faust, § 453 Rn. 24; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 56. 16 Vgl. hierzu MüKo-BGB/Westermann, § 453 Rn. 20; BeckOK-BGB/Faust, BGB, § 453 Rn. 27. 17 BGH NJW 1981, 2000, 2002; Rieger, Lexikon des Arztrechts, 11984, Rn. 196; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 18 Rn. 1; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 37. 18 Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 38; HKAKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 4. Bspw. kann eine Kassenpraxis abgegeben, die Privatpraxis aber weitergeführt werden (so Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 3). 19 Vgl. HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 2; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 56. S. hierzu näher unter 2. 20 Vgl. HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 10; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 59. S. hierzu ebenfalls unter 2. 12

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

abweichend von §§ 717, 719 BGB im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist.21 Neben diesen beiden Konstellationen ist auch die Einbringung der Praxis beim Zusammenschluss mindestens zweier Ärzte möglich oder als Einlage beim Eintritt in eine bereits bestehende Gemeinschaftspraxis. 22 Zur Arztpraxis gehören neben den Praxisräumen und der Praxiseinrichtung sowie den Gegenständen, die der Arzt zur Berufsausübung benötigt, auch die Patientenkartei und die Krankenunterlagen, in ihr ist somit ein materieller und ein ideeller Wert (sog. Goodwill23) verkörpert.24 Der ideelle Wert oder Goodwill besteht im wirtschaftlichen Wert für den übernehmenden Arzt, also in der Chance, die Patienten der Praxis zu übernehmen und für sich zu gewinnen und so die Praxis aufzubauen.25 Regelmäßig stellt die Patientenkartei den Goodwill und größten Wert einer Arztpraxis dar, der Praxiserwerber legt daher auf sie besonderen Wert.26 Obgleich die generelle Veräußerbarkeit einer Arztpraxis feststeht, stellt sich aktuell immer noch die Frage, ob eine Arztpraxis auch im Insolvenzverfahren durch den Insolvenzverwalter veräußert werden kann. b) Veräußerbarkeit im Insolvenzverfahren Eine generelle Veräußerungssperre für Arztpraxen gibt es im Insolvenzverfahren nicht. Anerkannt ist jedenfalls, dass der Inhaber einer freiberuflichen Praxis diese selbst veräußern kann.27 Es ist aber umstritten, ob der Insolvenzverwalter ohne Zustimmung des Schuldners die Praxis veräußern darf.28 Nach teilweise vertretener Ansicht beruht der Wert der Praxis auf einem engen persönlichen Vertrauensverhältnis der Mandanten oder Patienten zum Inhaber (Schuldner), in das nicht im Wege der Gesamtvollstreckung eingegriffen werden darf. 29 Zudem solle dem 21 HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 10; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 61. 22 Vgl. HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 4 f. 23 Ausf. zum Goodwill von Arztpraxen s. Uhlenbruck, ArztR 1978, 231 ff.; s. a. Cramer/Henkel/Maier/Wimmer, MedR 1999, 498 ff.; Frielingsdorf, Praxiswert, S. 15 f., 21 ff. 24 Uhlenbruck, ArztR 1978, 231; Laufs, MedR 1989, 309; Ehlers/Scheibeck/Conradi, DStR 1999, 1532; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 1; HKAKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 2; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 176; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 37. 25 Uhlenbruck, ArztR 1978, 231; Laufs, MedR 1989, 309; Rieger, Lexikon des Arztrechts, 1 1984, Rn. 1404; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 1; HKAKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 2; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 176. 26 Laufs, MedR 1989, 309; Cramer/Henkel/Maier/Wimmer, MedR 1999, 498 f.; Frielingsdorf, Praxiswert, S. 15 f. 27 BGHZ 43, 46, 47 ff. = NJW 1965, 580; BGH NJW 1973, 98, 100; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.09. 28 So: Uhlenbruck, in: FS Henckel, 1995, S. 877 ff., 886; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 90; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 277, 288; MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 508; Kluth, NJW 2002, 186; a. A. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.09; Nerlich/Römermann/Andres, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 73; Schick, NJW 1990, 2359, 2361. 29 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.09 m. w. N.

A. Die Verwertung insolventer Arztpraxen

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Schuldner die Möglichkeit belassen werden, die Praxis selbst fortzuführen.30 Seine Zustimmung zur Veräußerung sei daher stets erforderlich. Diese Ansicht sieht sich Kritik ausgesetzt, die Gegenmeinung hält die Veräußerung der Arztpraxis durch den Insolvenzverwalter auch ohne Zustimmung des Schuldners für möglich. Die im Berufsgeheimnis zum Ausdruck kommende enge Beziehung zwischen Freiberufler und Mandant bzw. Patient schütze nicht den Freiberufler, sondern dessen Mandanten bzw. Patienten. 31 Darüber hinaus sei es inkonsequent, die Praxis zwar einerseits als der Insolvenzmasse zugehörig zu betrachten, die Verwertbarkeit aber andererseits von der Zustimmung des Schuldners abhängig zu machen.32 Auch wenn bei letzterem Argument andere Formen der Verwertung als die Liquidation unbeachtet bleiben, ist grundsätzlich der Ansicht zuzustimmen, die von einer Veräußerungsbefugnis des Insolvenzverwalters ohne Zustimmung des Schuldners ausgeht.33 Dafür spricht, dass nur so das Verfahrensziel der Insolvenzordnung, die möglichst umfassende Befriedigung der Gläubiger, erreicht werden kann.34 Zu beachten ist aber, dass die Veräußerung der Patientendaten, die einen erheblichen Teil des Praxiswertes ausmachen, nur mit der Zustimmung der Patienten erfolgen darf.35 Dadurch wird der Schutz ihrer Interessen sichergestellt, einer zusätzlichen Zustimmung des Praxisinhabers zu der Veräußerung der Arztpraxis bedarf es nicht. 2. Veräußerung der Praxis im Ganzen Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, die Arztpraxis im Ganzen zu veräußern. Dabei handelt es sich nach allgemeiner Ansicht um einen Unternehmenskauf.36 Es wird das gesamte materielle und ideelle Vermögen der Arztpraxis übertragen.37 Der Käufer wird durch die Transaktion Inhaber der gesamten Praxis. Ist Rechtsträger der Arztpraxis eine (Personen- oder Kapital-)Gesellschaft, kann der Kauf durch die Übertragung der Gesellschaftsanteile als Share Deal erfolgen38. In der Praxis birgt der Erwerb der gesamten Praxis große Risiken für den Übernehmer. Insbesondere beim Share Deal ist im Vorfeld nicht klar, was genau gekauft wird. 30

Vgl. Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 237 m. w. N. Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 237. 32 Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 237. 33 So auch die h. M., vgl. Uhlenbruck, in: FS Henckel, 1995, S. 877 ff., 886; Gerhardt, in: FS Gaul, 1997, S. 139, 145; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 37; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 90; Uhlenbruck/Hirte/Praß, Insolvenzordnung, § 35 Rn. 288; MüKoInsO/Peters, § 35 Rn. 508; Kluth, NJW 2002, 186. 34 Vgl. MüKo-InsO/Peters, § 35 Rn. 508; Uhlenbruck, in: FS Henckel, 1995, S. 877, 886. 35 S. hierzu im 5. Kap. C. II. 2. b). 36 Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 2; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 37 ff.; Merk, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 12 Rn. 1 ff.; Möller, in: Ehlers, Fortführung von Arztpraxen, Rn. 464. 37 Vgl. Wollny, Unternehmens- und Praxisübertragungen, Rn. 2079 ff., 2081. 38 HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 10; s. hierzu auch Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 22; Heckschen, in: Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, § 4 Rn. 1350 ff., 1356 ff. 31

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

Das gesamte „Unternehmen Arztpraxis“ geht über, damit auch alle Verbindlichkeiten und Pflichten.39 Die Praxis kann aber auch durch Übertragung der Gesamtheit der dem Betrieb dienenden Wirtschaftsgüter (in sachlicher und personeller Hinsicht) im Wege der Singularsukzession veräußert werden (Asset Deal).40 In diesem Fall werden alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs (einzeln und unter Wahrung der sachenrechtlichen Grundsätze) übertragen, sodass der Erwerber die Tätigkeit des Veräußerers fortsetzen kann.41 Die Verbindlichkeiten gehen dabei nur über, wenn dies vereinbart wird. Aus diesem Grund stellt der Asset Deal beim Verkauf von Unternehmen in der Insolvenz häufig die sinnvollere Art der Veräußerung dar. 42 Die Übertragung einer Praxis auf einen anderen Rechtsträger kann durch das Vertragsarztrecht erschwert werden.43 Denn Vertragsarztzulassung und -sitz sind nicht veräußerlich und – als höchstpersönliche Rechte – nicht übertragbar.44 Der Käufer erhält sie also nicht automatisch durch den Erwerb der Praxis. Der Praxiskauf lohnt daher nur, wenn der Käufer bereits eine Zulassung und einen Sitz innehat. Dies ist in Gebieten mit Überversorgung häufig problematisch. Denkbar ist daher, dass der bisherige Praxisinhaber den Verzicht auf die Zulassung erklärt (§ 103 Abs. 3a S. 1 SGB V), sodass der Sitz von der Kassenärztlichen Vereinigung ausgeschrieben werden muss (§ 103 Abs. 4 S. 1 SGB V).45 Es ist allerdings keinesfalls sichergestellt, dass der Zulassungsausschuss bei mehreren Bewerbern dem potentiellen Käufer den Sitz zuweist, was ein erhebliches Risiko für Käufer und Verkäufer darstellt.46 Der Kaufvertrag wird daher regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der Erteilung der Zulassung an den Erwerber geschlossen.47 Ebenfalls nicht ohne weiteres möglich ist die Übergabe der Patientenkartei, die einen Großteil des Goodwill der Arztpraxis ausmacht.48 Da die Übergabe der sen39 Vgl. Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 22; Heckschen, in: Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, § 4 Rn. 1356. 40 HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 2; Heckschen, in: Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, § 4 Rn. 1362; Primozic/Doetsch, NJW 2010, 2922, 2923. 41 Heckschen, in: Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, § 4 Rn. 1362. 42 Vgl. Heckschen, in: Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, § 4 Rn. 1352. 43 Hierzu ausf. Seer, DStR 1995, 377. 44 S. hierzu im 3. Kap. C. 45 Vgl. Bange, ZInsO 2006, 362, 364. 46 Daher wird empfohlen, den Verzicht unter der Bedingung zu erklären, dass der Käufer den Sitz erhält, was in der Lit., trotz grundsätzlicher Bedingungsfeindlichkeit des Verzichts, überwiegend für zulässig erachtet wird, vgl. Möller, MedR 1994, 218, 219 f.; Steinhilper, MedR 1994, 227, 228 f.; Wertenbruch, MedR 1996, 485, 487 f.; Karst, MedR 1996, 554, 555 ff.; Hesral, in: Ehlers, Fortführung von Arztpraxen, Rn. 297; Rieger, Rechtsfragen beim Verkauf und Erwerb einer Arztpraxis, Kap. I Rn. 32; Bange, ZInsO 2006, 362, 364; a. A. Preißler, MedR 1994, 242. Darstellung des Streits bei Haack, in: Wenzel, Handbuch des Fachanwalts Medizinrecht, Kap. 11 Rn. 372. 47 Vgl. Preißler, MedR 1994, 242 f.; Seer, DStR 1995, 377, 380. 48 Vgl. hierzu im 3. Kap. B. II. u. im 5. Kap. C. II. 2.

A. Die Verwertung insolventer Arztpraxen

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siblen Patientendaten der Zustimmung jedes einzelnen Patienten bedarf, können Kartei und Unterlagen nicht einfach mitveräußert werden. Allenfalls durch aufwendige und kostenintensive Befragungen kann die Einwilligung der Patienten eingeholt werden.49 Eine Übertragung der gesamten Arztpraxis scheidet daher aufgrund der genannten Probleme praktisch aus. Die bestmögliche Gläubigerbefriedigung kann auf diese Weise nicht erreicht werden. 3. Veräußerung des Praxisinventars Möglich ist aber die Veräußerung einzelner Gegenstände ohne Übertragung des „Unternehmens Arztpraxis“. So können etwa das Mobiliar und die medizinischen Geräte der Praxis, sofern sie Teil der Masse sind und nicht dem Pfändungsschutz unterliegen,50 einzeln veräußert werden. Aus dem Erlös, der in die Insolvenzmasse fällt, können dann die Gläubiger befriedigt werden. Auch hier ist die Übertragung von Vertragsarztzulassung und -sitz nicht möglich. Die Veräußerung der Patientenkartei samt den Patientenunterlagen hingegen kann unter der Voraussetzung der Einwilligung der Patienten erfolgen. Dies bedeutet zwar einen großen Aufwand, der Insolvenzverwalter kann aber im Einzelfall abwägen, ob mit dem Aufwand ein wirtschaftlicher Nutzen für die Gläubiger einhergeht oder nicht. Die Veräußerung des Praxisinventars bietet eine weitaus bessere Möglichkeit, die Arztpraxis durch Liquidation zu verwerten, als die Veräußerung im Ganzen. Es werden nicht nur Probleme mit der ärztlichen Schweigepflicht und dem Vertragsarztrecht vermieden, sondern die Vermögenswerte können getrennt vom Rechtsträger und damit getrennt von den Verbindlichkeiten übertragen werden. Problematisch ist aber, dass dabei meist nur verhältnismäßig geringe Werte zusammenkommen und gerade der Goodwill nicht realisiert werden kann. Auch gegen diese Form der Liquidation bestehen daher erhebliche Bedenken mit Blick auf das Ziel der Gläubigerbefriedigung. 4. Ergebnis Die Veräußerung der Arztpraxis im Insolvenzverfahren ist nicht die optimale Form der Haftungsverwirklichung. Eine Veräußerung im Ganzen birgt zahlreiche Probleme, die auf die Besonderheit der ärztlichen Tätigkeit und die damit einhergehenden besonderen Pflichten zurückzuführen sind. So sind etwa Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz unveräußerlich und können nicht verwertet werden. Hinzu kommt, dass der in der Patientenkartei und den Patientenunterlagen verkörperte Goodwill der Praxis nicht ohne weiteres realisiert werden kann, da die ärztliche Schweigepflicht dem entgegensteht. Auch die Veräußerung einzelner Gegenstände der Praxis, etwa des Mobiliars und der medizinischen Geräte, führt nicht zur Erreichung des Verfahrensziels des § 1 S. 1 InsO, denn es kommen nur geringe Werte zusammen, wenn der Goodwill

49 50

Hierzu näher im 5. Kap. C. III. S. hierzu im 3. Kap. unter A. II.

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

der Praxis nicht realisiert wird. Daher wird die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger auf diesem Weg nicht erreicht.51 Es sind mithin andere Formen der Haftungsverwirklichung zu betrachten und im Hinblick auf die Erreichung des Verfahrensziels des § 1 S. 1 InsO zu untersuchen.

II. Fortführung der Praxis Neben der Liquidation kommt auch die Fortführung der Praxis zugunsten der Gläubiger in Betracht.52 Der Schuldner führt dann (i. d. R. gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter) die Praxis fort und gibt die Erlöse, abzüglich des Betrags, den er zum leben und wirtschaften benötigt, an die Gläubiger ab. Ob die Praxis dauerhaft fortgeführt wird, steht dem Insolvenzverwalter allerdings nicht frei, vielmehr ist er an die Entscheidung der Gläubigerversammlung gebunden.53 Zwar ist die vorläufige Fortführung bis zur endgültigen Verwertung durch Liquidation auch ohne Zustimmung der Gläubigerversammlung zulässig,54 eine endgültige Fortführung als Form der Haftungsverwirklichung kann indes nur von den Gläubigern beschlossen werden.55 Die Fortführung wird, auch mit Blick auf das Hauptziel des Insolvenzverfahrens, der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger, nur dann gewählt werden, wenn der Fortführungswert den Liquidationswert erwartungsgemäß übersteigt. 56 Da die Verwertung durch Liquidation bei Arztpraxen, wie gezeigt, mit großen rechtlichen Schwierigkeiten einhergeht, ist die Fortführung grundsätzlich eine realistische Alternative zur Veräußerung der Praxis. Auch hier ergeben sich indes Probleme, die es zu berücksichtigen gilt. So kann der Verwalter, der i. d. R. kein approbierter Arzt ist, aufgrund fehlender beruflicher Qualifikation die Praxis nicht selbst fortführen. Vielmehr ist er auf die Mitarbeit des Schuldners, der allerdings zum Einsatz seiner Arbeitskraft nicht

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So auch: Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 93; Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 773 (Rn. 6); Bange, ZInsO 2006, 362. 52 Uhlenbruck, in: FS Henckel, 1995, S. 877, 883 ff.; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 24 ff.; Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 157 Rn. 10; MüKoInsO/Görg/Janssen, § 159 Rn. 6; Nerlich/Römermann/Balthasar, Insolvenzordnung, § 157 Rn. 9; K. Schmidt/Jungmann, Insolvenzordnung, § 157 Rn. 6; d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, Rn. 261. 53 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 13.37; Kübler/Prütting/Bork/Webel, Insolvenzordnung, § 157 Rn. 2, 7 f.; K. Schmidt/Jungmann, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 4; Nerlich/Römermann/Balthasar, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 5 f. 54 MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 159 Rn. 6; K. Schmidt/Jungmann, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Balthasar, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 6. 55 Vgl. MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 159 Rn. 6; Uhlenbruck/Zipperer, § 157 Rn. 10; Nerlich/Römermann/Balthasar, Insolvenzordnung, § 159 Rn. 6. Teilweise wird der Beschl. der Gläubigerversammlung für eine endgültige Fortführung nur i. R. e. Insolvenzplans für möglich gehalten, so Andres/Leithaus/Andres, Insolvenzordnung, § 156, § 157 Rn. 12 u. MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 157 Rn. 11. S. hierzu auch Kübler/Prütting/Bork/Webel, Insolvenzordnung, § 157 Rn. 14a. 56 Thole, JZ 2011, 765, 772.

B. Möglichkeiten der Sanierung insolventer Arztpraxen

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gezwungen werden kann,57 angewiesen.58 Der Schuldner muss die Praxis gemeinsam mit dem Verwalter führen. Dies wiederum ist aus standesrechtlicher Sicht problematisch.59 Denn der Arzt muss weisungsfrei agieren und sich am Wohle der Patienten orientieren. Der Verwalter hingegen wird zur bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger tätig.60 Die Interessen von Arzt und Verwalter können daher kollidieren, denn beide sind unterschiedlichen Zielen verpflichtet. Dies darf nicht zu einem Nachteil oder gar einer gesundheitlichen Gefahr für die Patienten werden. Das ärztliche Standesrecht untersagt es Ärzten daher in § 2 Abs. 4 MBO-Ä, Weisungen von Nichtärzten entgegenzunehmen. Auch die ärztliche Schweigepflicht steht einer gemeinsamen Fortführung der Praxis durch Arzt und Verwalter entgegen.61 Denn sie gilt auch gegenüber dem Insolvenzverwalter. Der Arzt darf die ihm von den Patienten anvertrauten Informationen nicht ohne deren Zustimmung offenlegen. Es ist zudem häufig unklar, ob die Praxis überhaupt rentabel fortgeführt werden kann. Selbst wenn dies der Fall ist, bestehen jedoch letztlich unüberwindbare rechtliche Hindernisse. Die gemeinsame Fortführung der Arztpraxis durch den Schuldner und den Insolvenzverwalter scheidet daher als Form der Haftungsverwirklichung aus.62

B. Möglichkeiten der Sanierung insolventer Arztpraxen B. Möglichkeiten der Sanierung insolventer Arztpraxen

Neben dem Hauptziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung intendiert die Insolvenzordnung auch den Erhalt von Unternehmen63 durch Sanierung.64 Die Sanierung insolventer Unternehmen hat stetig an Bedeutung gewonnen, was sich

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Vgl. dazu die Ausführungen im 3. Kap. unter E.; s. a. Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 93. 58 Vgl. Schick, NJW 1990, 2359, 2361 f.; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 27 ff.; Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 234; s. a. Kübler/Prütting/Bork/Webel, Insolvenzordnung, § 157 Rn. 7. 59 S. hierzu im 4. Kap. A. I. 2. 60 Dies ist eines der Ziele des Insolvenzverfahrens, vgl. Kübler/Prütting/Bork/Prütting, Insolvenzordnung, § 1 Rn. 28 ff.; MüKo-InsO/Ganter/Lohmann, § 1 Rn. 20; HK-InsO/Sternal, § 1 Rn. 3; Bork, Einführung Insolvenzrecht, Rn. 1; Thole, JZ 2011, 765, 771; Uhlenbruck, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 10 Rn. 1. 61 S. zu Konflikten mit der ärztlichen Schweigepflicht im 5. Kap. C. I. 1. u. C. II. 62 So auch Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 94. 63 Unternehmen in diesem Sinne kann auch die Praxis eines Freiberuflers, etwa eine Arztpraxis, sein, vgl. Schmittmann, ZInsO 2004, 725. 64 Dies ist str., so: Prütting, Kölner Schrift zur InsO, S. 1, 21 (Rn. 65 ff.); Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 261; BeckOK-InsO/Madaus, § 1 Rn. 9 ff.; Uhlenbruck/I. Pape, Insolvenzordnung, § 1 Rn. 6 f.; K. Schmidt/K. Schmidt, Insolvenzordnung, § 1 Rn. 6 ff.; einschränkend MüKo-InsO/Ganter/Lohmann, § 1 Rn. 85 („nachgeordnetes oder partielles Verfahrensziel“); a. A.: Braun/Kießner, Insolvenzordnung, § 1 Rn. 2. Zur „Sanierungsaufgabe“ des Insolvenzrechts und zu Möglichkeiten der Sanierung im Insolvenzverfahren s. Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2104; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 261 ff.

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

auch im Gesetzgebungsverfahren zur Insolvenzordnung 65 und dem Erlass des ESUG66 gezeigt hat.67 Eine Verwertung durch Liquidation, mit welcher der Ausschluss der Sanierung einhergeht, ist längst nicht mehr alternativlos. Im Folgenden werden ausschließlich die Möglichkeiten der Sanierung innerhalb des Insolvenzverfahrens betrachtet unter Ausschluss außergerichtlicher Sanierungsoptionen. 68 Wird eine Sanierung bei Erhalt des Unternehmens oder der freiberuflichen Praxis angestrebt, ist fraglich, wie diese realisiert werden kann, ohne dass es zu einer Benachteiligung der Gläubiger und damit einer Verfehlung des Verfahrensziels der Insolvenzordnung kommt. Das Gesetz selbst sieht neben dem Regelinsolvenzverfahren besondere Verfahrensarten vor, die eine Sanierung im Insolvenzverfahren ermöglichen sollen und dabei den Interessen von Gläubigern und Schuldner Rechnung tragen. Insbesondere in den praktisch komplizierten Fällen der Insolvenz von Arztpraxen erweisen sich diese Verfahrensarten als Möglichkeit zur Vermeidung von Konflikten im Verfahren und bei der Haftungsverwirklichung.69

I. Eigenverwaltungsverfahren Die Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. InsO ist eine besondere Verfahrensart der Insolvenzordnung und stellt eine Neuerung gegenüber der Konkursordnung dar, die ein vergleichbares Institut nicht kannte. Es dient nicht zwangsläufig der Sanierung des Schuldners, vielmehr sollen vornehmlich Kosten eingespart und das Verfahren beschleunigt werden.70 Indes wird die Eigenverwaltung nicht nur in der Literatur vor allem im Rahmen einer möglichen Sanierung des Schuldners genannt.71 Insbesondere zusammen mit einem Insolvenzplan (s. dazu unter II.) kann

65 Vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 73 ff., 77 f.; MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 159 Rn. 1; s. dazu auch Kübler, in: Kübler, HRI, § 1 Rn. 12; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 261 f.; Thole, JZ 2011, 765 ff., insb. 768 ff.; Vallender, NZI 2010, 838, 840 ff. 66 Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), v. 7.12.2011, BGBl. I, S. 2582. Die stete Zunahme der Bedeutung des Sanierungsgedankens zeigt sich hier besonders deutlich. 67 S. aber auch Thole, JZ 2011, 765, 771 f., der vor einer Verselbständigung des Sanierungszwecks warnt. 68 Zu außergerichtlichen Sanierungsmöglichkeiten s. d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, Rn. 43 ff.; Schildt, Die Insolvenz des Freiberuflers, S. 186 ff.; Siemon, NZI 2016, 57 ff. 69 Diese Konflikte wurden in den Kapiteln 3 bis 5 dargelegt. 70 BT-Drs. 12/2443, S. 223; Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 768 f.; Kübler/Prütting/Bork/ders., Insolvenzordnung, § 270 Rn. 4 f.; K. Schmidt/Undritz, Insolvenzordnung, Vorbem. zu §§ 270–285 Rn. 1; Vallender, WM 1998, 2129. 71 K. Schmidt/Undritz, Insolvenzordnung, Vorbem. zu §§ 270–285 Rn. 8; Kübler/Prütting/Bork/Pape, Insolvenzordnung, § 270 Rn. 6; ders., Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 770; Vallender, NZI 2010, 838, 841 f.; Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 236; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1034 f.; Kübler, in: Kübler, HRI, § 1 Rn. 17. Inzwischen hat der Gesetzgeber mit der Einführung der §§ 270a u. 270b InsO durch das ESUG den Sanierungsgedanken unmittelbar im Gesetz verankert. Zur Entwicklung des Eigenverwaltungsverfahrens in der Praxis s. Pape, ZIP 2013, 2285 ff.

B. Möglichkeiten der Sanierung insolventer Arztpraxen

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die Eigenverwaltung als mögliches Verfahren zum Zwecke der Sanierung des Schuldners eingeordnet werden. 72 1. Besonderheiten des Eigenverwaltungsverfahrens Im Eigenverwaltungsverfahren wird, anders als im Regelinsolvenzverfahren, kein Insolvenzverwalter bestellt, ein Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis findet nicht statt. Der Schuldner bleibt daher auch nach Verfahrenseröffnung weiterhin befugt, sein Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen.73 Damit kann er selbst die unternehmerischen Entscheidungen treffen, die zur Sanierung führen sollen. Überwacht wird er dabei von einem Sachwalter (§§ 270c S. 1, 274 InsO),74 bei diesem haben die Gläubiger ihre Forderungen auch anzumelden (§ 270c S. 2 InsO). Hauptaufgabe des Sachwalters ist die Aufsicht über den Schuldner, welche eine ordnungsgemäße Verfahrensabwicklung gewährleisten soll.75 Die Eigenverwaltung steht aber nicht jedem Schuldner offen, vielmehr nur Kaufleuten, diesen gleichgestellten Personen (darunter Freiberufler) und Gesellschaften. Zugelassen ist die Eigenverwaltung, wenn der Schuldner dies beantragt und die Anordnung nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt (§ 270 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 InsO). Auf Antrag des Schuldners oder der Gläubigerversammlung, auch ohne die Darlegung von Gründen, hat das Gericht die Eigenverwaltung aufzuheben.76 Zum Schutze einzelner Gläubiger reicht auch ein Antrag durch nur einen oder wenige Gläubiger aus, wenn glaubhaft gemacht wird (§ 272 Abs. 2 InsO), dass es bei Aufrechterhaltung der Eigenverwaltung zu Verzögerungen des Verfahrens oder Nachteilen für die Gläubiger kommt.77 Eine Sanierung durch Eigenverwaltung darf also nicht auf Kosten der Gläubiger erfolgen.

72 Vgl. Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 770 (Rn. 2); Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 236; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1031 ff., 1034 f. 73 HK-InsO/Brünkmans, § 270 Rn. 29; Kübler/Prütting/Bork/Pape, Insolvenzordnung, § 270 Rn. 1; Prütting, in: FS Kirchhof, 2003, S. 433, 434; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 39 Rn. 1. 74 Zur Stellung des Sachwalters s. Prütting, in: FS Kirchhof, 2003, S. 433, 434, 437 ff. 75 Vallender, WM 1998, 2136; HK-InsO/Brünkmans, § 270a Rn. 13; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 39 Rn. 19. 76 Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 39 Rn. 16; a. A. Uhlenbruck, WM 1999, 1197, 1203, der wohl davon ausgeht, das Gericht habe eine Wahl bzgl. seiner Entscheidung. 77 HK-InsO/Brünkmans, § 270 Rn. 13 ff.; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 39 Rn. 17.

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

2. Die Sanierung insolventer Arztpraxen im Eigenverwaltungsverfahren Die Durchführung der Eigenverwaltung wird bei der Insolvenz von Freiberuflern häufig als Lösung der im Regelinsolvenzverfahren auftretenden Probleme erachtet.78 Tatsächlich bietet diese Verfahrensform Vorteile, sie birgt aber auch Risiken. a) Vorteile Bei Freiberuflern, insbesondere bei Ärzten, geht die Durchführung des Regelinsolvenzverfahrens mit erheblichen rechtlichen Problemen einher. Nach dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter bereiten vor allem Regelungen des ärztlichen Berufs- und Standesrechts Schwierigkeiten.79 Im Eigenverwaltungsverfahren ist der Schuldner aber – anders als im Regelinsolvenzverfahren – selbst zur Führung der Arztpraxis berechtigt, ihm wird lediglich ein sog. Sachwalter zur Seite gestellt. Zur Erfüllung seiner Beaufsichtigungsund Überwachungsaufgaben sind dem Sachwalter gewisse Befugnisse eingeräumt, etwa die Prüfung von Konten und Büchern80 sowie das Betreten der Geschäftsräume81 des Schuldners.82 Den Sachwalter trifft insbesondere die Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung, s. § 274 Abs. 2 InsO. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass der Schuldner keine Gegenstände der Insolvenzmasse beiseiteschafft oder Dritte entgegen dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger bevorzugt.83 Mit den Überwachungs- und Prüfungspflichten des Sachwalters geht aber keine allgemeine Weisungsbefugnis einher.84 Aufgrund der zahlreichen Handlungs-, Zustimmungs- und Widerspruchsbefugnisse, die dem Sachwalter eingeräumt sind, kann (und soll) er zwar Einfluss auf die Entscheidungen

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Vgl. nur Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1033 f.; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 32 f.; Prütting, in: FS Jaeger, 2014, S. 87, 94 f.; Bugger, Der Selbständige in der Insolvenz, S. 9 ff. 79 S. hierzu im 4. Kap. A. I. 2. 80 Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 12 ff., 14; K. Schmidt/Undritz, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 11; MüKo-InsO/Tetzlaff/Kern, § 274 Rn. 48; Nerlich/Römermann/Riggert, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 8 f. 81 Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 12; K. Schmidt/Undritz, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 11; MüKo-InsO/Tetzlaff/Kern, § 274 Rn. 55; Nerlich/Römermann/Riggert, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 8 f. 82 Der Sachwalter ist zum Zwecke der Überwachung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners mit den Befugnissen des Insolvenzverwalters ausgestattet, §§ 274 Abs. 2 S. 2, 22 Abs. 3 InsO, Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 270c Rn. 3; MüKo-InsO/Tetzlaff/Kern, § 274 Rn. 46 ff. Weitere Befugnisse ergeben sich aus den Regelungen zur Eigenverwaltung, §§ 270 ff. InsO, vgl. Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 270c Rn. 3; K. Schmidt/Undritz, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 8 ff.; MüKo-InsO/Tetzlaff/Kern, § 274 Rn. 46 ff. 83 MüKo-InsO/Tetzlaff/Kern, § 274 Rn. 51; Andres/Leithaus/Andres, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 11; Braun/Riggert, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 12. 84 Kübler/Prütting/Bork/Pape, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 72; Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 12; MüKo-InsO/Tetzlaff/Kern, § 274 Rn. 51.

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des Schuldners hinsichtlich der Führung der Praxis nehmen, 85 dies geschieht allerdings nur mittelbar und in deutliche geringerem Maße als durch den Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren. Der Konflikt zwischen insolvenzrechtlichen und berufsrechtlichen Regeln wird so größtenteils vermieden. 86 Dies ist auch aus Sicht der Patienten vorteilhaft, die ein Interesse an der Beachtung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts haben. Zudem können die Kenntnisse und Erfahrungen des Arztes, insbesondere mit Blick auf eine mögliche Fortführung und Sanierung der Praxis, am besten genutzt werden.87 Es liegt daher nahe, die Eigenverwaltung als Ausweg aus dem Dilemma der Arztpraxisinsolvenz zu sehen. Allerdings ist diese Verfahrensart auch mit Risiken und Nachteilen verbunden. b) Nachteile Aus Sicht des Schuldners sind zunächst kaum Nachteile zu erkennen. Er kann trotz Insolvenzverfahrens weiter seine Geschäfte führen. Allerdings muss er dies nun im Interesse der Gläubiger tun.88 Hinzu kommt bei Personengesellschaften die Gefahr einer zunehmenden persönlichen Haftung (§ 128 HGB) der Gesellschafter, die der Sachwalter ihnen gegenüber nach §§ 280, 93 InsO geltend macht, was zu internen Konflikten führen kann.89 Konflikte können auch entstehen, wenn sich die Kompetenzen zwischen Schuldner und Sachwalter überschneiden oder diese unklar verteilt sind.90 Es wird zudem darauf hingewiesen, dass den Patienten die Verfahrenseröffnung nicht verborgen bleibt, was dazu führen kann, dass sich diese von der Praxis abwenden.91 Dies wiederum erschwert eine Praxisfortführung generell. Die größten Risiken ergeben sich aber mit Blick auf die Gläubiger. Denn dem in die Insolvenz geratenen Schuldner wird nun wieder die wirtschaftliche Verantwortung übertragen.92 Misslingt die Trendwende, wird die Masse geschmälert und die Befriedigungsquote der Gläubiger sinkt. Darüber hinaus kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der Schuldner die Freiheiten der Eigenverwaltung ausnutzt und dadurch die Gläubiger schädigt oder das Verfahren verzögert. 93 Auch wenn sich dieses Risiko in der Praxis offenbar selten verwirklicht hat,94 besteht eine nicht zu vernachlässigende Gefahr für die Gläubiger. Hinzu tritt eine weitere 85 Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 270c Rn. 3; MüKo-InsO/Tetzlaff, § 270 Rn. 145; Nerlich/Römermann/Riggert, Insolvenzordnung, § 274 Rn. 4 ff. 86 Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1033 f.; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 32; Kübler/Prütting/Bork/Pape, Insolvenzordnung, § 270 Rn. 66; Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 270 Rn. 5. 87 Vgl. Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 32; Westrick, NZI 2003, 65, 69. 88 Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 794 ff., 796 (Rn. 54). 89 Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 776 f. (Rn. 15). 90 Vgl. Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21, 33. 91 Kluth, NJW 2002, 186, 187. 92 Zu Kritik hieran s. Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 691; Leipold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 169. 93 Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 776 f. (Rn. 14 f.); s. a. HK-InsO/Brünkmans, § 270 Rn. 13 ff. 94 So Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 769 (Rn. 2); Westrick, NZI 2003, 65, 67.

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Unsicherheit für das Verfahren an sich, denn es kann jederzeit ohne Angabe von Gründen durch die Gläubigerversammlung oder den Schuldner beendet werden.95 Dann hat das Gericht die Eigenverwaltung aufzuheben, 96 es wird das Regelinsolvenzverfahren eröffnet. So ergibt sich eine völlig neue Situation, die das Gesamtverfahren letztlich erheblich verzögert.97 c) Fazit Die zuvor dargelegten rechtlichen Konflikte, die im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen von Arztpraxen auftreten, können größtenteils durch das Eigenverwaltungsverfahren vermieden werden. Die Eigenverwaltung kommt aber nur in Betracht, wenn der Schuldner hierfür geeignet ist. Dies kann insbesondere bei einer durch den Schuldner selbst verschuldeten Insolvenz fraglich sein, wenn sie sich als Ergebnis seiner wirtschaftlichen Führung der Praxis erweist. Festzuhalten ist, dass die Eigenverwaltung in Bezug auf Arztpraxen gewichtige Vorteile gegenüber dem Regelinsolvenzverfahren bietet. Die Vorteile gehen zwar auch mit Risiken einher, diese sind aber eingrenzbar. Insbesondere in Kombination mit einem Insolvenzplan kann die Eigenverwaltung das geeignete Mittel im Arztpraxisinsolvenzverfahren sein und gute Aussichten für die Sanierung der Praxis bieten.

II. Insolvenzplanverfahren Unter Geltung der Konkursordnung wurde bemängelt, dass kein Mittel zur Sanierung insolventer Unternehmen im Konkursverfahren existierte.98 Als besondere Verfahrensart der InsO wurde das Insolvenzplanverfahren auch mit dem Zweck eingeführt, dem Schuldner die Sanierung zu ermöglichen.99 Diese Verfahrensart trat an die Stelle von Vergleich und Zwangsvergleich. 100 Gläubiger- und Schuldnerinteressen sollten gebündelt und eine Zerschlagung des schuldnerischen Unternehmens unter Auflösung des Rechtsträgers vermieden werden. 101 Dabei darf, auch wenn flexible privatautonome Lösungen angestrebt werden, 102 der Grundsatz 95 Dies kann im Verfahren, aufgrund der „Zerbrechlichkeit“ der Situation, zu einer erheblichen Unsicherheit bei allen Beteiligten führen, vgl. Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2107. 96 Vallender, WM 1998, 2129, 2134; Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 782 f. (Rn. 24 ff.). 97 Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 777 (Rn. 15), 782 (Rn. 24). 98 Vgl. hierzu und allg. zur Reformbedürftigkeit des Konkursrechts Kilger, KTS 1975, 142 ff.; Hanisch, ZZP 90 (1977), 1 ff.; Uhlenbruck, NJW 1975, 897 ff. 99 Uhlenbruck/Lüer/Streit, Insolvenzordnung, Vorbem. zu §§ 217–269 Rn. 1, 3 ff., § 270 Rn. 4; Nerlich/Römermann/Braun, Insolvenzordnung, Vorbem. zu §§ 217–269 Rn. 24 f.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.03; Vallender, NZI 2010, 838, 840 f.; Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2104; vgl. auch BT-Drs. 12/2443, S. 90 f. 100 BT-Drs. 12/2443, S. 90; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.01. Dazu näher Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 38 Rn. 1 mit zahlreichen Nachweisen. 101 Uhlenbruck/Lüer/Streit, Insolvenzordnung, Vorbem. zu §§ 217–269 Rn. 4. 102 So BT-Drs. 12/2443, S. 90.

B. Möglichkeiten der Sanierung insolventer Arztpraxen

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der Gleichbehandlung und bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger nicht umgangen werden. 1. Besonderheiten des Insolvenzplanverfahrens Der Insolvenzplan ist zunächst nichts weiter als die verschriftlichte Festlegung, wie die Haftungsverwirklichung zugunsten der Gläubiger erfolgen soll. 103 Dabei ist auch eine Liquidation des schuldnerischen Unternehmens nicht ausgeschlossen, bei Liquidation durch einen Insolvenzplan entfällt jedoch die zeitliche Begrenzung der Fortführung.104 Drei Arten von Insolvenzplänen werden unterschieden: der Sanierungsplan, der Übertragungsplan und der Liquidationsplan. 105 Der Sanierungsplan sieht vor, die Ertragskraft des Schuldners wiederherzustellen, und enthält die hierzu notwendigen Maßnahmen.106 Ein Übertragungsplan ermöglicht die Sanierung des Schuldners durch Verkauf des gesamten Unternehmens oder einzelner funktionsfähiger Unternehmensteile. 107 Der Liquidationsplan hingegen bezweckt die ganzheitliche Verwertung des Unternehmens. 108 Jeder Insolvenzplan besteht aus zwei Teilen, einem darstellenden und einem gestaltenden Teil (§ 219 S. 1 InsO). Der darstellende Teil zeigt unter anderem die Unternehmenslage auf, schildert die Gründe für die Insolvenz und erläutert erforderliche Sanierungsmaßnahmen. Der gestaltende Teil legt fest, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll (§ 221 InsO). Unter den Gläubigern werden Gruppen gebildet (§ 222 InsO), deren Mitglieder im Verfahren untereinander gleich behandelt werden. Ist der Plan ausgearbeitet, wird er dem Gericht zur Prüfung vorgelegt (§ 231 InsO). Das Gericht kann den Plan zurückweisen, wenn beispielsweise offensichtlich keine Aussicht auf Annahme des Plans durch die Gläubiger besteht (§ 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO) oder wenn die Ansprüche der Beteiligten offensichtlich nicht erfüllt werden können (§ 231 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Weist das Gericht den Plan nicht zurück, so wird er den Beteiligten (etwa dem Gläubigerausschuss) zur Stellungnahme zugeleitet und zur Einsichtnahme der Beteiligten niedergelegt (§§ 232, 234 InsO). Anschließend wird über den Plan abgestimmt (§§ 235 ff. InsO). Im Falle der Annahme durch die Gläubiger entscheidet das Insolvenzgericht über die Bestätigung des Plans (§ 248 InsO). Ist dieser bestätigt, so treten die im gestaltenden Teil festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten ein (§ 254 InsO). Sobald der Insolvenzplan rechtskräftig ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 Abs. 1 InsO), damit fällt das Verwal103

Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 38 Rn. 9. Uhlenbruck, Das neue Insolvenzrecht, S. 103; Burger/Schellberg, DB 1994, 1833 ff.; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 38 Rn. 9 m. w. N. Zur Veräußerung einer Arztpraxis i. R. e. Liquidationsinsolvenzplanverfahrens s. Bange, ZInsO 2006, 362. 105 Vgl. HK-InsO/Haas, § 217 Rn. 15 ff.; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 38 Rn. 9. 106 Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 38 Rn. 10. 107 HK-InsO/Haas, § 217 Rn. 17; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 38 Rn. 10 f. 108 Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 38 Rn. 11. 104

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

tungs- und Verfügungsrecht an den Schuldner zurück (§ 259 Abs. 1 S. 2 InsO). Der bestätigte Plan wirkt in Verbindung mit der Eintragung in die Tabelle wie ein vollstreckbarer Titel (§ 257 Abs. 1 S. 1 InsO).109 2. Eignung des Insolvenzplanverfahrens für die Sanierung insolventer Arztpraxen Ein Insolvenzplan kann ausschließlich innerhalb eines eröffneten Insolvenzverfahrens aufgestellt werden.110 Zunächst war die Durchführung des Insolvenzplanverfahrens nur im Regelinsolvenzverfahren und nicht im Verbraucherinsolvenzverfahren möglich (vgl. § 312 Abs. 2 InsO a. F.111). Seit dem 1.7.2014 kann ein Insolvenzplan aber auch im Verbraucherinsolvenzverfahren aufgestellt werden.112 Bei der Insolvenz von Arztpraxen bedeutete die alte Rechtslage indes ebenfalls kein Hindernis, denn das Betreiben einer Arztpraxis stellt eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit i. S. v. § 304 Abs. 1 S. 1 InsO dar, was generell die Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens ausschließt. Selbst wenn die selbständige ambulante ärztliche Tätigkeit bereits vor Antragstellung aufgegeben wurde, ist das Regelinsolvenzverfahren meist die richtige Verfahrensart, da die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners in aller Regel nicht überschaubar i. S. v. § 304 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 InsO sind. 113 Darüber hinaus bestehen meist Ansprüche des Praxispersonals aus Arbeitsverhältnissen (§ 304 Abs. 1 S. 2 InsO), was die Anwendung der Regelungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens ebenfalls ausschließt.114 Es kommt daher regelmäßig das Regelinsolvenzverfahren zur Anwendung. Bei der Insolvenz von Arztpraxen kann ein Insolvenzplan damit im Ergebnis immer aufgestellt werden.115 a) Vorteile Größter Vorteil des Insolvenzplanverfahrens ist das hohe Maß an Flexibilität, das diese Verfahrensform ermöglicht. 116 Genau auf den Schuldner zugeschnittene Maßnahmen schaffen optimale Voraussetzungen für die angestrebte Sanierung. Durch privatautonome Regelungen zwischen Gläubigern und Schuldner kann von 109 Näher zum Ablauf des Insolvenzplanverfahrens Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.07 ff.; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 38 Rn. 22 ff. 110 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.07; Uhlenbruck/Lüer/Streit, Insolvenzordnung, § 217 Rn. 2. 111 § 312 InsO wurde aufgehoben zum 1.7.2014 durch Gesetz v. 15.7.2013, BGBl. I, S. 2379, s. hierzu Uhlenbruck/Lüer/Streit, Insolvenzordnung, § 217 Rn. 2. 112 Dies ordnet Art. 103h S. 2 EGInsO ausdr. an, vgl. auch BR-Drs. 467/12, S. 24 f.; Uhlenbruck/Lüer/Streit, Insolvenzordnung, § 217 Rn. 2; MüKo-InsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 3; K. Schmidt/Spliedt, Insolvenzordnung, § 217 Rn. 1. 113 Vgl. Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1031; Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 236. S. a. OLG Celle NJW-RR 2001, 482 = ZIP 2000, 2315, das bei einem Jahresumsatz von 400.000 DM die Geringfügigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit verneinte. 114 Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 236. 115 Vgl. auch Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1031 f.; Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 236 f. 116 Vgl. MüKo-InsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 1; K. Schmidt/Spliedt, Insolvenzordnung, § 217 Rn. 8; d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, Rn. 299, 302; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1031; Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 237; s. a. BT-Drs. 12/2443, S. 90.

B. Möglichkeiten der Sanierung insolventer Arztpraxen

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den Normen der InsO abgewichen werden, was sich letztlich für beide Seiten auszahlen kann. Auch im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens kann der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurückerlangen und die Arztpraxis selbst führen. Hierdurch werden die oben bereits angesprochenen Konflikte der im Zusammenhang mit dem ärztlichen Beruf stehenden rechtlichen Regelungen und dem Insolvenzrecht vermieden. Aus Sicht der Gläubiger und unter Zugrundelegung ökonomischer Aspekte ist das Insolvenzplanverfahren bei der Insolvenz von Arztpraxen ebenfalls von Vorteil. Wie bereits festgestellt ist die Haftungsverwirklichung durch Liquidation selten geeignet, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen.117 Der durch den Insolvenzplan bezweckte Erhalt der Praxis zur Erwirtschaftung von Erlösen, die dann an die Gläubiger ausgekehrt werden, verspricht eine bessere Befriedigungsquote.118 Hier kann der Goodwill der Praxis realisiert werden. 119 Zudem bleibt die Arztpraxis erhalten, der Arzt kann dort weiter tätig sein und auf seinen Patientenstamm zurückgreifen. Auch aus Sicht der Patienten ist es, nicht zuletzt mit Blick auf länger andauernde Therapien oder chronische Erkrankungen, positiv, dass der Mediziner, dem sie ggf. schon seit Jahren vertrauen, weiterhin ihr Behandler bleibt. b) Nachteile Das Insolvenzplanverfahren bringt aber nicht nur Vorteile mit sich. Die Erstellung eines Insolvenzplans ist aufwendig, kann mitunter lange dauern und kostet Geld, das dem Schuldner ohnehin fehlt. 120 Überdies müssen die Interessen der Gläubiger harmonisiert werden und ihnen sind schwierige Entscheidungen, etwa der Verzicht auf einen Teil ihrer Forderungen, abzuverlangen. Überhaupt kann die Einarbeitung der Gläubiger, insbesondere der Kleingläubiger, problematisch sein. Denn mit der Auseinandersetzung mit dem Entwurf eines Insolvenzplans und den darauf aufbauenden Entscheidungsprozessen können sie überfordert sein.121 Ein weiteres gewichtiges Problem stellt die Neuaufnahme von Krediten dar. 122 Der Schuldner benötigt Geld, um Restrukturierungsmaßnahmen durchzuführen und die Arztpraxis überhaupt fortführen zu können. Sicherheiten für die Neukredite können meist nicht gegeben werden und die Abtretung der Honorarforderungen, die der Arzt gegen die Kassenärztliche Vereinigung hat, ist spätestens ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr möglich. 123

117

S. hierzu in diesem Kap. unter A. I. Uhlenbruck/Lüer/Streit, Insolvenzordnung, Vorbem. zu §§ 217–269 Rn. 1; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1031, 1034; Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 237; Gutsche, GuP 2012, 52, 54. 119 Gutsche, GuP 2012, 52. 120 Vgl. HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 99; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1035. 121 HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 95. 122 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.60; HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 96; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1035. 123 S. hierzu im 3. Kap. D. II. 2. b). 118

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

c) Fazit Das Insolvenzplanverfahren ist für die Sanierung von Arztpraxen eine geeignete Verfahrensform. Es bietet ein hohes Maß an Flexibilität und kann rechtliche Konflikte, die sich beispielsweise mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht ergeben, vermeiden. Auch aus ökonomischer Sicht lohnt sich die Fortführung und Sanierung einer insolventen Arztpraxis mit Hilfe des Insolvenzplanverfahrens, denn nur so kann der Goodwill der Praxis realisiert werden, was zu einer besseren Befriedigung der Gläubiger führt, verglichen mit der Liquidation der Praxis. Es muss aber im Einzelfall ermittelt werden, ob sich die aufwendige Erstellung eines Insolvenzplans lohnt und diese finanziell möglich ist. Das ist bei Großinsolvenzen regelmäßig der Fall, die Insolvenz einer Arztpraxis nimmt solche Dimensionen aber nicht an. Dies wiederum bedeutet aber, dass auch die Erstellung eines Plans nicht so aufwendig ist, die Kosten dementsprechend geringer ausfallen können. Die größte Schwierigkeit dürfte aber in der Überzeugung der Gläubiger und der Beschaffung von Krediten zur Fortführung der Praxis liegen. Hierbei kommt es neben der wirtschaftlichen Ausgangssituation auch auf das Geschick des Insolvenzverwalters und die Ausgestaltung des Insolvenzplans an. Um Sicherheiten für Kredite leisten zu können, kann im Insolvenzplan beispielsweise ein „Kreditrahmen“ festgelegt werden, aus dem bei Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens (also dem Scheitern der Sanierung) die Neugläubiger bevorzugt befriedigt werden.124 Gelingt die Aufstellung eines Plans, besteht eine gute Möglichkeit, Gläubigerund Schuldnerinteressen in Einklang zu bringen und eine hohe Befriedigungsquote bei gleichzeitiger Fortführung der Praxis zu erreichen. Zur Vermeidung der berufs-, standes- und vertragsarztrechtlichen Konflikte und zur Erhöhung der Sanierungschancen sollte das Insolvenzplanverfahren in Kombination mit dem Eigenverwaltungsverfahren zur Anwendung kommen.125

III. Die Freigabe der Praxis als Sanierungsmöglichkeit Durch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO wird diese aus der Masse herausgenommen und in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners überführt, wodurch dieser die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurückerhält.126 Die Freigabe ist zwar keine originäre Sanierungsmaßnahme, sie kann aber reflexartig die Sanierung fördern.127 Denn sobald die selbständige Tätigkeit aus der Masse herausgenommen ist, müssen die erzielten Gewinne nicht mehr an die Gläubiger abgegeben werden. Sie stehen wieder dem Schuldner zu, 124

Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.60 ff. Pape, Kölner Schrift zur InsO, S. 767, 770 (Rn. 2); HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 75 ff.; Vallender, WM 1998, 2129, 2132; Graf/Wunsch, ZIP 2001, 1029, 1034 ff.; Hess/Röpke, NZI 2003, 233, 236; Bales, NZI 2008, 216. 126 S. zur Freigabe allg. und bei Arztpraxen im 3. Kap. unter F. Die Freigabe wird dort i. R. d. im Zusammenhang mit der Insolvenzmasse stehenden Probleme ausführlich besprochen, da es sich originär um eine die Insolvenzmasse betreffende Maßnahme handelt. Dies zeigt auch die Verankerung in § 35 InsO. 127 Ähnlich HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 101 ff., 103. 125

B. Möglichkeiten der Sanierung insolventer Arztpraxen

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der mit diesen Mitteln wirtschaften und einen Neustart beginnen, sich also selbst sanieren kann, angestoßen durch die Freigabe der Tätigkeit. Handelt es sich beim Insolvenzschuldner um eine Einzelpraxis, mithin – sofern keine juristische Person vorliegt – um eine natürliche Person, betrifft die Insolvenz auch das private Vermögen des Schuldners. Die Eröffnung einer neuen Praxis ist ihm dann aus ökonomischen Gründen nicht möglich. Die Herauslösung der insolventen Praxis aus der Insolvenzmasse kann dem Schuldner jedoch die Weiterführung ermöglichen. Der Masse wird indes der wichtigste Teil genommen, sodass die Freigabe im Ergebnis nur bei absoluter Unwirtschaftlichkeit der Praxis oder gegen Zahlung (eines angemessenen Teils) der künftigen Erlöse an die Masse erfolgen darf. Dem Schuldner wäre dann zwar die Möglichkeit gegeben, neu anzufangen. Die Fortführung der Praxis kann allerdings schwierig sein, wenn dem Schuldner die Mittel fehlen, um die laufenden Kosten zu bezahlen und den Betrieb aufrecht zu erhalten. Er ist dann auf neue Kredite oder Zahlungen aus der Masse angewiesen, beides dürfte oft schwer zu realisieren sein. Zumindest aber müsste dem Schuldner ein den unpfändbaren Teil der Einnahmen übersteigender Geldbetrag belassen werden, damit er vernünftig wirtschaften kann. Ob die Gläubiger zu solchen Zugeständnissen bereit sind, ist ebenfalls zweifelhaft. Bei Gesellschaften im Allgemeinen und damit auch bei Ärztegesellschaften ist umstritten, ob eine Freigabe rechtlich überhaupt möglich ist.128 Wird die Gesellschaft durch das Insolvenzverfahren liquidiert, kann es kein insolvenzfreies Vermögen der Gesellschaft geben. Dieses aber ist notwendige Voraussetzung der Freigabe. Sinnvoller – auch mit Blick auf den Erhalt und die Fortführung der Praxis – ist in jedem Fall die Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens, welches es den Beteiligten ermöglicht, von der Insolvenzordnung abweichende, felxible, im Einzelfall dennoch sinnvolle Regelungen zu treffen. Dies kann etwa die Fortführung der Praxis sein, so als wäre eine Freigabe erfolgt, wobei Gewinne dennoch in vereinbartem Umfang an die Gläubiger ausgekehrt werden. Auch der Spielraum hinsichtlich der finanziellen Mittel, die dem Schuldner zur Fortführung überlassen werden, kann individuell geregelt und angepasst werden. Es zeigt sich, dass die Freigabe der Arztpraxis nach § 35 Abs. 2 InsO nicht für die Sanierung geeignet ist. Eigenverwaltung und Insolvenzplanverfahren sind diesbezüglich die besseren Mittel. Allenfalls bei Alternativlosigkeit aufgrund fehlender finanzieller Mittel kann die Freigabe eine „Sanierungsunterstützung“ sein.129

IV. Übertragende Sanierung Im Zusammenhang mit der Insolvenz von Unternehmen fällt immer wieder der Begriff der übertragenden Sanierung. Er wurde von Karsten Schmidt geprägt und bereits zur Zeit der Konkursordnung verwendet. 130 Im Folgenden wird zunächst 128 129 130

S. hierzu im 3. Kap. F. II. So HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 103. K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 336.

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

der Begriff erläutert (1.), anschließend wird die Zweckmäßigkeit einer übertragenden Sanierung bei der Insolvenz von Arztpraxen untersucht (2.). 1. Konzept der übertragenden Sanierung Unter übertragender Sanierung wird die Erhaltung insolventer Unternehmen (bzw. Teilen von diesen) durch Übertragung auf einen neuen Rechtsträger verstanden. 131 Wesentliche Vermögensgegenstände des schuldnerischen Unternehmens werden ohne Übernahme der Verbindlichkeiten auf den neuen schuldenfreien Rechtsträger übertragen. Der alte Rechtsträger (bei dem die Schulden verbleiben) wird im Insolvenzverfahren vollabgewickelt und existiert mit Beendigung des Verfahrens nicht mehr.132 Die Übertragung der Vermögengegenstände durch Veräußerung kann als Share Deal oder als Asset Deal erfolgen, 133 wobei meist der Asset Deal gewählt wird, da nur so die Aktiva ohne Passiva aus dem Vermögen herausgelöst werden können.134 Letztlich bleibt also das Unternehmen bestehen, es wechselt lediglich der Rechtsträger. Das Unternehmen kann so einen Neustart beginnen. Die Gläubigerversammlung muss der übertragenden Sanierung zustimmen (§ 160 Abs. 1, 2 Nr. 1 InsO),135 denn mit ihr gehen erhebliche Risiken für die Gläubiger einher.136 Die Werte des Unternehmens werden aus der Masse herausgelöst und damit dem Zugriff der Gläubiger entzogen, während die Passiva dort verbleiben. Dafür muss der Masse freilich ein Ausgleich zufließen. Dies geschieht in Form des Zerschlagungswerts, der als durch die Veräußerung erlangtes Surrogat in die Masse fällt.137 Die übertragende Sanierung ist damit (auch) eine Form der Verwertung zugunsten der Gläubiger. Kritisiert wird allerdings, dass die Gläubiger nicht automatisch am Sanierungserfolg teilhaben, obwohl sie ihn durch ihre Zustimmung erst möglich gemacht haben. 138 Im Rahmen des Insolvenzplanverfah-

131 Wellensiek, NZI 2002, 233, 234 ff.; Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 157 Rn. 7; MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 157 Rn. 16; Steffan, in: Oppenländer/Tröllitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 38 Rn. 96; Undritz, in: Kübler, HRI, § 2 Rn. 9; Müller, Der Verband in der Insolvenz, S. 281, 284 f. 132 Wellensiek, NZI 2002, 233, 234; MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 157 Rn. 17; Steffan, in: Oppenländer/Tröllitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 38 Rn. 96; Undritz, in: Kübler, HRI, § 2 Rn. 9. 133 Vgl. Zipperer, NZI 2008, 206, 207. 134 Vgl. Wellensiek, NZI 2002, 233, 234 f.; MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 157 Rn. 17; Steffan, in: Oppenländer/Tröllitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 38 Rn. 96 f.; Undritz, in: Kübler, HRI, § 2 Rn. 9. Denkbar ist zwar auch die zum Zwecke der Sanierung erfolgende Übertragung samt Passiva, dies dürfte indes selten der Fall sein. Es handelt sich dann eher um eine reine Unternehmensveräußerung (s. hierzu oben unter A. I.). 135 Zipperer, NZI 2008, 206, 209; Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 157 Rn. 7; Heckschen, in: Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Gestaltungspraxis, § 4 Rn. 1413. 136 Vgl. hierzu Zipperer, NZI 2008, 206, 208. 137 K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 336; Zipperer, NZI 2008, 206, 207; Uhlenbruck/Zipperer, Insolvenzordnung, § 157 Rn. 7; MüKo-InsO/Görg/Janssen, § 157 Rn. 16 f.; Steffan, in: Oppenländer/Tröllitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 38 Rn. 97. 138 S. hierzu und zu weiterer Kritik am Instrument der übertragenden Sanierung K. Schmidt, ZIP 1980, 328, 336 f.

B. Möglichkeiten der Sanierung insolventer Arztpraxen

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rens, in dem die übertragende Sanierung ebenso wie im Regelverfahren möglich ist,139 läst sich dies indes durch privatautonome Regelungen herbeiführen. 2. Übertragende Sanierung bei Arztpraxen Da die übertragende Sanierung ein attraktives Mittel zur Restrukturierung und Entschuldung von Unternehmen ist, stellt sich die Frage, ob es auch bei der Insolvenz von Arztpraxen zweckmäßigerweise zur Anwendung kommen kann. Dabei sind die Besonderheiten, die das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Arztpraxen mit sich bringt, zu beachten. a) Einzelpraxen Zunächst ist festzustellen, dass die übertragende Sanierung bei Arztpraxen, die nicht in Form einer Gesellschaft betrieben werden, nicht in Frage kommt. Denn die Praxis ist dann identisch mit dem Einzelarzt,140 also dem Schuldner. Sie kann nicht an einen Dritten übertragen werden. Insbesondere kann sie nicht als Praxis im Ganzen veräußert werden, die wesentlichen Merkmale wie Vertragsarztzulassung und -sitz sind unveräußerlich, die Patientenkartei kann ebenfalls nicht ohne weiteres übertragen werden. Denkbar ist allenfalls die Einbringung der Einzelpraxis in eine Gemeinschaftspraxis in Form der Teilpraxisveräußerung.141 In dieser Konstellation schließen sich zwei Ärzte zur gemeinsamen Berufsausübung zusammen, wobei ein Arzt seine Einzelpraxis als Einlage einbringt, der Partner aber über keine Praxis bzw. keine Zulassung verfügt.142 Hier ließe sich die Praxis erhalten, indem sie durch Aufnahme eines Partners Teil einer Berufsausübungsgemeinschaft wird. Ob sich dadurch allerdings ein ausreichender Veräußerungserlös erzielen lässt, ist fraglich. Wird die Praxis aber ohnehin fortgeführt, könnten auf diese Weise zumindest Kosten eingespart werden. Der Anteil des Schuldners an den künftigen Erlösen der Gemeinschaftspraxis müsste dann an die Gläubiger ausgekehrt werden. Hierbei handelt es sich indes nicht um die oben beschriebene typische Form der übertragenden Sanierung, vielmehr um eine spezielle Form der Praxisfortführung. 143 b) Ärztegesellschaften Praxen, die als Gesellschaft organisiert sind, können hingegen grundsätzlich auf einen neuen Rechtsträger übertragen werden. 144 Hier könnte es aber zu rechtlichen Konflikten mit den den ärztlichen Beruf regelnden Vorschriften kommen. Vertragsarztzulassung und -sitz sind an natürliche Personen gebunden und können

139

Wellensiek, NZI 2002, 233, 237 f. S. hierzu im 1. Kap. A. II. 141 Vgl. hierzu HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 4; Rieger, Lexikon des Arztrechts, 11984, Rn. 1405; Schlund, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, § 19 Rn. 3; Staufer, in: Ratzel/Luxenburger, Handbuch Medizinrecht, 19. Kap. Rn. 39 f. 142 HK-AKM/Ziegler, Nr. 4330 Rn. 4; Rieger, Lexikon des Arztrechts, 11984, Rn. 1405. 143 Zur Einbringung einer (Einzel-)Praxis in ein MVZ s. unter c). 144 HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 65; Gutsche, GuP 2012, 52. 140

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

aufgrund des höchstpersönlichen Charakters nicht mitübertragen werden. 145 Die Patientendaten dürfen nicht ohne die Zustimmung jedes einzelnen Patienten veräußert werden. Zur Übertragung bleibt daher letztlich nichts Werthaltiges mehr übrig. Allenfalls die Ärzte, die Gesellschafter sind, könnten einen neuen Rechtsträger gründen und die Praxis auf diesen übertragen. Die an ihre Person gebundenen Rechte und Pflichten (etwa Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, Patientenstamm) blieben bestehen und gingen mit ihnen über. Dann müssten die Ärztegesellschafter aber in der Lage sein, einen angemessenen Kaufpreis an die Masse zu bezahlen, was aufgrund der persönlichen Haftung nach § 128 HGB (analog) und der damit verbundenen Schmälerung ihres Privatvermögens zumindest bei Personengesellschaften meist ausgeschlossen sein dürfte. Das Szenario ist aber insbesondere im seltenen Fall des Vorliegens einer Arztpraxis-GmbH denkbar.146 Die übertragende Sanierung könnte hier vor allem bei Durchführung des Insolvenzplanverfahrens sinnvoll sein, wenn die Gläubiger auch am Sanierungserfolg der weitergeführten Praxis teilhaben können. Ob es der Durchführung einer übertragenden Sanierung im Insolvenzplanverfahren überhaupt bedarf, ist allerdings fraglich. Die gewünschten Rechtsfolgen lassen sich hier durch privatautonome Vereinbarungen zwischen Gläubigern und Schuldner auch so herbeiführen. c) Exkurs: Einbringung der Praxis in ein MVZ Sofern der Schuldner über eine vertragsärztliche Zulassung verfügt, ist auch die Gründung eines MVZ (ggf. mit weiteren gründungsberechtigten Akteuren) unter Einbringung des Vertragsarztsitzes denkbar.147 Dann würde die Praxis des Schuldners – inklusive Goodwill – in dem MVZ aufgehen. Gemäß § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V ist der Schuldner als Arzt berechtigt, ein MVZ zu gründen. Das MVZ benötigt indes einen Vertragsarztsitz, um an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen zu können. Einen solchen zu erhalten, kann mit Schwierigkeiten verbunden sein.148 Es besteht aber die Möglichkeit, dass der Schuldner auf seinen Sitz zugunsten des MVZ verzichtet, wenn er dort als angestellter Arzt tätig wird (vgl. § 103 Abs. 4a SGB V).149 Zwar muss der Zulas-

145

S. hierzu im 3. Kap. unter C. So auch Gutsche, GuP 2012, 52. S. a. HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 65, der diesen Sanierungsweg zwar für ungeeignet bei Freiberuflerpraxen hält, aber dennoch feststellt, dass dies „(…) bei Ärzte-GmbHs (…) der einfachere Weg“ ist. Diese Feststellung wird jedoch nicht weiter konkretisiert. 147 Dabei sind die gesetzlichen Vorgaben zu beachten. Auf die genauen Voraussetzungen der Gründung eines MVZ wird an dieser Stelle nicht eingegangen, s. hierzu Halbe/Orlowski/Schirmer, in: Halbe/Schirmer, HBKG, B 1400; Michels/Möller/Ketteler-Eising, Ärztliche Kooperationen, S. 302 ff. 148 Vgl. Seer, DStR 1995, 377 ff.; s. hierzu auch in diesem Kap. unter A. I. 2. 149 KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 103 SGB V Rn. 39; Becker/Kingreen/Kaltenborn, SGB V, § 103 Rn. 16; Halbe/Orlowski/Schirmer, in: Halbe/Schirmer, HBKG, B 1400 Rn. 115 f. Zu beachten ist, dass der Arzt nach der Rspr. des BSG mindestens drei Jahre in dem MVZ tätig sein muss, vgl. BSGE 121, 143 (Rn. 27 f.) = MedR 2016, 1006, 1010, s. dazu Plagemann/Bergmann, DStR 2017, 1392, 1393. 146

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sungsausschuss der Anstellung des Arztes zustimmen, das MVZ hat aber grundsätzlich einen Anspruch darauf, § 103 Abs. 4a S. 1 SGB V.150 An dem MVZ können sich weitere (dazu berechtigte) Akteure beteiligen. Auf diese Weise kann Kapital für die Sanierung des Schuldners gewonnen werden. Dabei sind allerdings die bestehenden Restriktionen zu beachten. Ein Investor kann als (Fremd-)Kapitalgeber beispielsweise nicht direkt an einem MVZ beteiligt werden, da branchenfremde Kapitalinteressen wegen der Gefahr der Aushöhlung der ärztlichen Unabhängigkeit nach Vorstellung des Gesetzgebers ausgeschlossen sein sollen.151 Möglich ist eine Beteiligung daher nur, wenn der Investor die Beteiligung an dem MVZ indirekt über einen der in § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V genannten Akteure erwirbt. Insbesondere über ein Krankenhaus (wo deutlich weniger Restriktionen hinsichtlich der Beteiligung von branchenfremden Kapitalgebern existieren)152 oder einen sog. Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen kann eine Beteiligung an dem MVZ möglich sein.153 Wird das MVZ in der Rechtsform der GmbH betrieben, was meist der Fall ist,154 kann der Schuldner Gesellschafter (und als natürliche Person ggf. Geschäftsführer bzw. medizinischer Leiter) des MVZ werden. Die erzielten Gewinne müsste er zunächst oberhalb der Pfändungsfreibeträge oder etwaiger privatautonom zwischen Gläubigern und Schuldner (z. B. im Rahmen eines Insolvenzplans) bestimmter Beträge an die Gläubiger abgeben. Die Einbringung einer Arztpraxis in ein MVZ ist zwar denkbar, dürfte als Sanierungsoption im Insolvenzverfahren aufgrund des hohen Aufwands aber regelmäßig ausscheiden. Der Gründungsprozess ist komplex, kann längere Zeit dauern und kostet letztlich Geld, das dem Schuldner ohnehin fehlt. d) Fazit Die übertragende Sanierung, die vor allem in der Insolvenz von Unternehmen von Bedeutung ist,155 bietet sich als Option für die Sanierung insolventer Arztpraxen regelmäßig nicht an. Die Regelungen des ärztlichen Berufsrechts und das Ver150

Die Anstellung kann nur versagt werden, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen, § 103 Abs. 4a S. 1 HS. 2 SGB V, vgl. Halbe/Orlowski/Schirmer, in: Halbe/Schirmer, HBKG, B 1400 Rn. 116; s. a. KassKomm/Hess, Sozialversicherungsrecht, § 103 SGB V Rn. 39; Becker/Kingreen/Kaltenborn, SGB V, § 103 Rn. 16. 151 S. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG), BT-Drs. 17/6906, S. 70 f.; vgl. auch Halbe/Orlowski/Schirmer, in: Halbe/Schirmer, HBKG, B 1400 Rn. 55. 152 Vgl. Halbe/Orlowski/Schirmer, in: Halbe/Schirmer, HBKG, B 1400 Rn. 55. 153 Vgl. Halbe/Orlowski/Schirmer, in: Halbe/Schirmer, HBKG, B 1400 Rn. 59. 154 Halbe/Orlowski/Schirmer, in: Halbe/Schirmer, HBKG, B 1400 Rn. 51 a. E. Zu beachten ist, dass das in Rechtsform der GmbH betriebene MVZ keine Ärzte-GmbH i. S. v. § 23a MBO-Ä ist, denn das MVZ ist keine ärztliche Praxis, vgl. Halbe/Orlowski/Schirmer, in: Halbe/Schirmer, HBKG, B 1400 Rn. 82. Die in § 23a MBO-Ä normierten strengen Vorschriften hinsichtlich der Gründung und des Betriebs einer Ärzte-GmbH (insb. in personeller Hinsicht) finden daher keine Anwendung auf MVZ. 155 Vgl. Wellensiek, NZI 2002, 233; Steffan, in: Oppenländer/Tröllitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 38 Rn. 96; Undritz, in: Kübler, HRI, § 2 Rn. 10.

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

tragsarztrecht verhindern die Übertragung wichtiger Vermögenswerte, wie Vertragsarztzulassung und -sitz, an Dritte. Mit dem Eigenverwaltungs- und dem Insolvenzplanverfahren stehen zudem geeignetere Mittel für die Sanierung insolventer Arztpraxen im Insolvenzverfahren zur Verfügung. 156 Allenfalls in Ausnahmefällen kann in der übertragenden Sanierung ein Mittel zum Erhalt der Praxis liegen.

V. Restschuldbefreiung Stets von Interesse für den Insolvenzschuldner ist die Restschuldbefreiung. Sie ermöglicht nach Durchlaufen des Insolvenzverfahrens die Befreiung von allen noch bestehenden Verbindlichkeiten und ist daher von großer Bedeutung für einen wirtschaftlichen Neuanfang des Schuldners. Aus diesem Grund wirkt die Restschuldbefreiung bei der Sanierung des Schuldners mit, auch wenn sie an sich keine Sanierungsmaßnahme ist. 1. Gegenstand und Wirkung der Restschuldbefreiung Die Restschuldbefreiung ist in § 1 S. 2 InsO als eines der Hauptziele des Insolvenzverfahrens genannt. 157 Von den Regelungen der §§ 286 ff. InsO sind nur natürliche Personen erfasst, unabhängig davon, ob sie zuvor das Regel- oder das Privatinsolvenzverfahren durchlaufen haben. 158 Personengesellschaften und juristische Personen können Restschuldbefreiung im Anschluss an das Insolvenzverfahren nicht erlangen. Dafür besteht auch keine Notwendigkeit, werden sie doch regelmäßig (wenn auch nichts zwangsläufig) durch das Insolvenzverfahren aufgelöst.159 Voraussetzung der Restschuldbefreiung ist, dass der Schuldner selbst sowohl den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens,160 als auch auf Restschuldbefreiung stellt und erklärt, dass er seine pfändbaren Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an die Gläubiger abtritt (§ 287 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 InsO). Diese Phase nennt sich auch Wohlverhaltensperiode.161 Übersteht der Schuldner die Wohlverhaltensperiode, ohne dass es zu einer vorzei156

So auch Gutsche, GuP 2012, 52. Vgl. HK-InsO/Sternal, § 1 Rn. 8; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 41 Rn. 1. 158 Vgl. HK-InsO/Waltenberger, § 286 Rn. 2; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 41 Rn. 8. 159 Uhlenbruck/Sternal, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 3; Braun/Pehl, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 5; Nerlich/Römermann/Römermann, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 5; Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 41 Rn. 1. 160 BGH NZI 2004, 511; 2004, 593; BGHZ 162, 181 = NJW 2005, 1433; Uhlenbruck/Sternal, Insolvenzordnung, § 287 Rn. 10; MüKo-InsO/Stephan, § 287 Rn. 12 f.; K. Schmidt/Henning, Insolvenzordnung, § 287 Rn. 4; Braun/Pehl, Insolvenzordnung, § 287 Rn. 5. Nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung war dies noch umstritten, vgl. Pape, NZI 2002, 186, 187; Fuchs, NZI 2002, 298 ff. 161 Vgl. Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 41 Rn. 39, der von „Wohlverhaltensphase“ spricht. 157

B. Möglichkeiten der Sanierung insolventer Arztpraxen

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tigen Beendigung oder gar Versagung der Restschuldbefreiung kommt, können sämtliche Insolvenzgläubiger (auch solche, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben) ihre Forderungen gegenüber dem Schuldner nicht mehr durchsetzen, § 301 InsO. Dieser kann einen wirtschaftlichen Neustart wagen. Für den Schuldner besteht die Möglichkeit, die Restschuldbefreiung früher zu erlangen, wenn er die Verfahrenskosten gezahlt hat und entweder drei Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind und dem Insolvenzverwalter innerhalb dieses Zeitraums ein Betrag zugeflossen ist, der eine Befriedigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger in Höhe von mindestens 35 Prozent ermöglicht (§ 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO), oder fünf Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind (§ 300 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO).162 2. Restschuldbefreiung bei Arztpraxen Nach der eindeutigen Regelung des § 286 InsO, die vorgibt, dass ausschließlich natürliche Personen Restschuldbefreiung erlangen können, steht diese Option nur einzelnen Ärzten, nicht aber Ärztegesellschaften offen. Dies bedeutet, dass nur Einzelpraxen, die nicht in der Rechtsform der juristischen Person organisiert sind,163 das Restschuldbefreiungsverfahren durchlaufen können. Der die Praxis betreibende Arzt kann bei entsprechendem Antrag und Verhalten in der Wohlverhaltensperiode Restschuldbefreiung nach Verfahrensbeendigung erlangen. 164 Während der Wohlverhaltensperiode hat er alle Einkünfte an die Gläubiger abzugeben und erhält nur den Betrag, der der Entlohnung entspricht, die er bei Eingehung eines angemessenen Dienstverhältnisses erhielte (§ 295 Abs. 2 InsO). Wird die Restschuldbefreiung erteilt, ist der Arzt bzw. die Einzelpraxis von allen Verbindlichkeiten aus dem Insolvenzverfahren befreit. Dadurch wird ein erheblicher Beitrag zur Sanierung der Praxis geleistet. Ärztegesellschaften können, wie bereits erörtert, Restschuldbefreiung nicht erlangen. Handelt es sich indes um eine Personengesellschaft, bei Arztpraxisgesellschaften häufig um eine GbR, können die Gesellschafter, sofern über ihr Vermögen als Folge der persönlichen Haftung (analog § 128 HGB) ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, in diesem Verfahren Restschuldbefreiung auch hinsichtlich der Forderungen erlangen, die aus der persönlichen Gesellschafterhaftung resultieren.165 Hierdurch wird letztlich auch die Sanierung der Praxis ermöglicht, sofern sie das Insolvenzverfahren übersteht und nicht liquidiert wird, da die Gesellschafter dann ebenfalls frei von alten Schulden die Tätigkeit weiterführen können. Im Ergebnis ist die Restschuldbefreiung auch bei der Insolvenz von Arztpraxen ein nicht zu vernachlässigendes Instrument zur Entschuldung. Bei Personengesellschaften hilft sie lediglich den (Ärzte-)Gesellschaftern. Kapitalgesellschaf162 Zu den Hintergründen und Einzelheiten der Norm s. Uhlenbruck/Sternal, Insolvenzordnung, § 300 Rn. 1 ff., 8 ff.; MüKo-InsO/Stephan, § 300 Rn. 19 ff.; K. Schmidt/Henning, Insolvenzordnung, § 300 Rn. 11 ff. 163 Zur Möglichkeit, eine Einzelpraxis in Form der juristischen Person zu betreiben, s. im 1. Kap. A. II. 164 Vgl. HK-AKM/Bert, Nr. 2650 Rn. 42 ff., 44. 165 Uhlenbruck/Sternal, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 4; MüKo-InsO/Stephan, § 286 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Römermann, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 6.

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6. Kap.: Schicksal der insolventen Arztpraxis

ten, die über eine festgelegte Haftsumme verfügen und in der Regel im Insolvenzverfahren liquidiert werden, benötigen die Restschuldbefreiung ohnehin nicht. 166 Restschuldbefreiung kann auch im Eigenverwaltungsverfahren erlangt werden, dem Insolvenzplanverfahren ist sie ohnehin immanent (vgl. § 227 InsO).167

C. Fazit C. Fazit

Die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Arztpraxen spiegeln sich auch bei den Überlegungen zu Verwertung und Sanierung der Praxis wider. Einfache Lösungen gibt es nicht. Zwar ist die Veräußerung der Praxis im Insolvenzverfahren ohne Zustimmung des Schuldners möglich, gleichwohl bestehen gegen diese Form der Verwertung große Bedenken. Denn ein Großteil des Praxiswerts – bestehend aus Goodwill, Vertragsarztzulassung und -sitz und der Patientenkartei – kann nicht realisiert werden. Um die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger zu erreichen, muss die Praxis daher, sofern sie rentabel ist, fortgeführt und saniert werden. Vorzugswürdige Sanierungsoptionen bei der Insolvenz von Arztpraxen sind die Eigenverwaltung und das Insolvenzplanverfahren, die auch miteinander kombiniert werden können. Hier können die Konflikte mit Regelungen des ärztlichen Berufs- und Standesrechts, der ärztlichen Schweigepflicht und dem Vertragsarztrecht vermieden werden. Zudem ist es möglich, den Goodwill zu realisieren, was zu einer erheblich besseren Befriedigungsquote bei den Gläubigern führt. Auch der Arzt profitiert, weil er seine Tätigkeit fortsetzen und seine Existenz auf diese Weise sichern kann. Zuletzt ist die Fortführung und Sanierung der Praxis auch für die Patienten von Vorteil, da sie weiterhin bei dem ihnen vertrauten Arzt in Behandlung bleiben können. Dort ist der Patient mit seiner Krankheitsgeschichte bekannt, eine konstruktive Behandlungsatmosphäre kann so unter Wahrung eines intakten Arzt-Patient-Verhältnisses erhalten werden.

166 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 26.01; Uhlenbruck/Sternal, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 3; Nerlich/Römermann/Römermann, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 5; Braun/Pehl, Insolvenzordnung, § 286 Rn. 5; BeckOK-InsO/Riedel, § 286 Rn. 2. 167 Pape, in: Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, Kap. 41 Rn. 9 u. 10; Nerlich/Römermann/Riggert, Insolvenzordnung, § 270 Rn. 12.

Kapitel 7: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse A. Ergebnisse I. Zur Insolvenzfähigkeit von Arztpraxen A. Kap.: Ergebnisse 7. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Die Insolvenzfähigkeit ist in § 11 InsO geregelt. Sie richtet sich nach der Rechtsform des Schuldners.1 Ist die Praxis nur die Niederlassung eines Einzelarztes und verfügt sie über keine eigene Rechtspersönlichkeit, so ist der Arzt als natürliche Person Schuldner im Insolvenzverfahren und als solcher insolvenzfähig nach § 11 Abs. 1 InsO. Arztpraxen können aber auch als juristische Person oder als (teil-) rechtsfähige Personengesellschaft organisiert sein, dann sind sie selbst gem. § 11 Abs. 1 S. 1 InsO bzw. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO insolvenzfähig. In jedem Falle steht den Gläubigern einer Arztpraxis damit ein insolvenzfähiger Schuldner im Insolvenzverfahren zur Verfügung.2 Sei es eine (oder mehrere) natürliche Person(en), eine juristische Person oder eine in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO genannte Personengesellschaft (etwa die GbR). Wer genau Schuldner eines Verfahrens ist, hängt davon ab, um welche Art von Arztpraxis es sich im konkreten Fall handelt und wie diese zivilrechtlich organisiert ist.

II. Zur Insolvenzmasse 1. Grundsatz Dem Grunde nach fällt eine Arztpraxis in ihrer Gesamtheit in die Insolvenzmasse.3 Dies bedeutet, dass auch das gesamte Inventar der Praxis Teil der Insolvenzmasse wird. Daher sind neben Schreibtischen, Behandlungsliegen, Computern und anderer Praxiseinrichtung auch medizinische Geräte vom Insolvenzbeschlag erfasst. Zur Insolvenzmasse als Sondervermögen gehört jedoch grundsätzlich nur das der Masse zugewiesene Vermögen des Schuldners. Bewegliche Sachen sind nur erfasst, wenn sie im Eigentum des Schuldners stehen und nicht der Ausnahmeregelung in § 36 InsO unterfallen. 2. Nicht pfändbare Gegenstände § 36 InsO bestimmt i. V. m. den Pfändungsschutzvorschriften der ZPO, welche Gegenstände des Schuldners nicht Teil der Insolvenzmasse sind.4 Dabei ist hinsichtlich der Anwendbarkeit der Normen allerdings zwischen Schuldnern, die natürliche Personen sind, und solchen, die in Form einer juristischen Person oder 1 2 3 4

Zu Erscheinungs- und Rechtsformen von Arztpraxen s. das 1. Kap. S. 2. Kap. S. 3. Kap. A. I. S. 3. Kap. A. II.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 N. Lauf, Die Arztpraxis in der Insolvenz, Kölner Schriften zum Medizinrecht 24, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60425-0_8

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7. Kap.: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

einer Personengesellschaft organisiert sind, zu unterscheiden. Ärzte, die als natürliche Personen ihre niedergelassene berufliche Tätigkeit ausüben, sind in der Insolvenz jedenfalls von den Vollstreckungsschutzregelungen erfasst. Von besonderer Bedeutung für Ärzte und Arztpraxen ist dabei § 36 InsO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO, wonach gewisse Gegenstände unpfändbar sind, die der Schuldner zur Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit benötigt. Der Großteil der Praxiseinrichtung und der medizinischen Geräte ist daher unpfändbar und mithin nicht Teil der Insolvenzmasse. Arztpraxen, die als juristische Personen oder Personengesellschaften organisiert sind, unterliegen dem Vollstreckungsschutz in der Regel nicht. Zwar ist es grundsätzlich denkbar, auch juristischen Personen und Personengesellschaften in der Einzelzwangsvollstreckung den Pfändungsschutz aus § 811 Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 7 ZPO zu gewähren. In der Insolvenz ist dies jedoch nicht möglich. Denn Gesellschaften werden in der Regel im Insolvenzverfahren vollabgewickelt. Mit Beendigung des Insolvenzverfahrens existieren sie dann nicht mehr. Sinn und Zweck des Vollstreckungsschutzes ist die Sicherung der Existenz des Schuldners im Insolvenzverfahren und darüber hinaus. Dieser Zweck kann nur bei natürlichen Personen, nicht aber bei juristischen Personen und Personengesellschaften erreicht werden. Folglich ist § 36 InsO teleologisch zu reduzieren, die Norm findet nur auf natürliche Personen Anwendung. 3. Patientenkartei und Patientenunterlagen Sowohl die Patientenkartei als auch die patientenbezogenen Unterlagen sind dem Grunde nach Teil der Insolvenzmasse. Da diese aber sensible persönliche Daten der Patienten enthalten, kann der Insolvenzverwalter, sofern ihm die Einsicht überhaupt gestattet wird, nicht ohne die Zustimmung der Betroffenen über die Unterlagen verfügen, indem er sie etwa an Dritte veräußert.5 Dies gebietet die ärztliche Schweigepflicht und das von dieser geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Patienten. Die Daten dürfen nur mit der ausdrücklichen Einwilligung der Patienten weitergegeben werden. Verträge über die Weitergabe der Daten ohne die Zustimmung der Patienten sind (gem. § 134 BGB) nichtig. Das Dilemma für Gläubiger und Insolvenzverwalter besteht daher darin, dass mit den patientenbezogenen Unterlagen zwar wirtschaftlich werthaltige Bestandteile der Insolvenzmasse vorliegen, diese aber nur sehr eingeschränkt verwertet werden können. Diese Einschränkung, die die Interessen der Gläubiger in erheblichem Maße betrifft, ist aufgrund des hohen Stellenwertes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Patienten jedoch gerechtfertigt und daher hinzunehmen. Eine Verwertung ist zudem nicht vollkommen ausgeschlossen. So kann der Insolvenzverwalter mit Zustimmung der Patienten über die Daten verfügen oder er realisiert den Wert des Patientenstamms des insolventen Arztes, indem die Praxis fortgeführt wird und die erzielten Gewinne (die oberhalb des Pfändungsfreibetrags liegen) zur Masse gezogen werden.

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S. 3. Kap. B. II.

A. Ergebnisse

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4. Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz Vertragsarztzulassung und Vertragsarztsitz sind höchstpersönliche Rechte und als solche generell unveräußerlich und unpfändbar.6 Sie werden daher nicht Teil der Insolvenzmasse und können vom Insolvenzverwalter nicht zugunsten der Masse verwertet werden. Dies gilt auch für die Insolvenz von Berufsausübungsgemeinschaften. Hier sind Zulassung und Sitz an die Person eines Gesellschafters gebunden, nicht an die Gesellschaft. 5. Einkünfte Grundsätzlich sind Honoraransprüche freiberuflich tätiger Personen in vollem Umfang pfändbar und fallen ohne Abzüge in die Insolvenzmasse. Damit sind auch ärztliche Honoraransprüche, seien sie vertrags- oder privatärztlichen Ursprungs, Teil der Masse. Im Zusammenhang mit diesen Ansprüchen ergeben sich aber mitunter größere rechtliche Schwierigkeiten. 7 Hat ein Vertragsarzt seine Honoraransprüche, die ihm gegen die Kassenärztliche Vereinigung zustehen, etwa im Voraus an einen Dritten (bspw. eine Bank) abgetreten, so sind diese Abtretungen nur wirksam, wenn die Honoraransprüche bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens8 entstanden sind, § 91 Abs. 1 InsO. Der Zeitpunkt der Entstehung vertragsärztlicher Honoraransprüche wurde indes von BGH und BSG bislang nicht einheitlich beurteilt.9 Überzeugend ist die Ansicht des BSG,10 wonach die Ansprüche (erst) mit der Einreichung der Abrechnung entstehen (und nicht bereits bei Vornahme der Behandlung). Andernfalls blieben die Besonderheiten des Vertragsarztrechts unberücksichtigt. Demzufolge sind nur solche vertragsärztlichen Honoraransprüche wirksam im Voraus abgetreten, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgetreten und zur Abrechnung eingereicht worden sind. Abweichend ist die Situation indes bei privatärztlichen Honoraransprüchen zu beurteilen. Aufgrund der unterschiedlichen Vergütungssysteme für vertrags- und privatärztliche Leistungen weichen die Entstehungszeitpunkte der Honoraransprüche voneinander ab. Privatärztliche Honorarforderungen entstehen bereits mit Vornahme der Behandlung. Es ist daher für eine in der Insolvenz des Arztes wirksame Abtretung von privatärztlichen Honoraransprüchen ausreichend, dass die Abtretung des Anspruchs und die Vornahme der Behandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen.

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S. 3. Kap. C. S. 3. Kap. D. 8 Bzw. bei erfolgter Anfechtung durch den Insolvenzverwalter vor dem anfechtungsrechtlich relevanten Zeitpunkt, vgl. §§ 130 ff. InsO. 9 Hierzu ausführlich im 3. Kap. D. II. 2. a). 10 Dieser Ansicht hat sich der BGH mit Urt. v. 21.2.2019 – IX ZR 246/17 = NJW 2019, 1451 = ZIP 2019, 577, unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung, angeschlossen. 7

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7. Kap.: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

6. Arbeitskraft des Arztes Die Arbeitskraft des Schuldners ist nicht Teil der Insolvenzmasse. 11 Denn dies würde – wie bereits das Reichsgericht 12 festgestellt hatte – „zu einer Art modernen Schuldknechtschaft“ des Schuldners führen. Dem aber steht das Persönlichkeitsrecht des Schuldners und das von Art. 12 Abs. 2 GG geschützte Recht, dass niemand zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden kann, entgegen. 7. Freigabe der Praxis nach § 35 Abs. 2 S. 1 InsO Es steht fest, dass jedenfalls eine Einzelpraxis, also eine durch einen einzelnen Arzt als natürliche Person geführte Praxis, in der Insolvenz grundsätzlich freigegeben werden kann.13 Auch wenn nach wie vor umstritten ist, ob eine Freigabe auch bei Personengesellschaften und juristischen Personen erfolgen kann, ist aufgrund der vom BGH anerkannten Möglichkeit eines insolvenzfreien Vermögens von Personengesellschaften und juristischen Personen sowie der potentiellen Vorteile hinsichtlich der Befriedigung der Gläubiger von der Möglichkeit der Freigabe auszugehen.

III. Verwaltung der Arztpraxis durch den Insolvenzverwalter Die Verwaltung und Fortführung der Arztpraxis durch einen Insolvenzverwalter birgt, im Insolvenzverfahren wie bereits im Eröffnungsverfahren, verschiedene rechtliche Probleme. 14 Dies ist der Situation geschuldet, dass zur Ausübung des ärztlichen Berufs eine besondere berufliche Qualifikation erforderlich ist und berufs- und standesrechtliche Regelungen existieren, die spezielle Vorgaben für die Ausübung und Unabhängigkeit der ärztlichen Tätigkeit enthalten. Sofern der Insolvenzverwalter kein approbierter Arzt ist, darf er den ärztlichen Beruf nicht ausüben, § 2 Abs. 1 BÄO. Er darf die Praxis daher im Insolvenzverfahren nicht selbst führen. Denkbar ist allenfalls eine gemeinsame Führung der Arztpraxis durch den Insolvenzverwalter und den Arzt. Aufgabe des Insolvenzverwalters ist aber der Schutz der Masse, er hat die Interessen der Gläubiger wahrzunehmen, um den Zweck des § 1 S. 1 InsO, die gleichmäßige und möglichst umfassende Befriedigung aller Gläubiger, zu verwirklichen. Dies verpflichtet ihn zu einer allein wirtschaftlichen Aspekten untergeordneten Führung der Arztpraxis. Der Verwalter muss sich dafür aktiv in allen Bereichen der Praxisführung einbringen. Ärzte haben ihren Beruf nach § 2 Abs. 4 MBO-Ä aber frei von fachlichen Weisungen von Nichtärzten auszuüben. Dies kann im Insolvenzverfahren nicht sichergestellt werden, der Insolvenzverwalter wird zur Wahrnehmung seiner Aufgaben auch Weisungen an den Arzt erteilen müssen. Der Konflikt mit dem ärztlichen Berufs- und Standesrecht ist unvermeidbar. Auch die gemeinsame Fortfüh-

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S. 3. Kap. E. RGZ 70, 226, 230. S. zur Freigabe ausführlich im 3. Kap. unter F. S. 4. Kap.

A. Ergebnisse

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rung der Praxis durch Arzt und Insolvenzverwalter im Regelinsolvenzverfahren ist daher abzulehnen.

IV. Behandlungsverträge in der Insolvenz Behandlungsverträge, die im Regelfall als Dienstverträge einzuordnen sind, haben in der Insolvenz grundsätzlich Bestand.15 Dies folgt aus § 108 InsO, der klarstellt, dass Dienstverträge in der Insolvenz grundsätzlich fortbestehen und der Insolvenzverwalter kein Wahlrecht hinsichtlich der Erfüllung des Vertrages gem. § 103 Abs. 1 InsO hat. Diese Einordnung ist besonders für Patienten vorteilhaft. Denn sie haben einen Anspruch auf die Fortsetzung bereits begonnener Therapien und damit zusammenhängender Behandlungsleistungen. Sie müssen sich also auch in dem Fall, dass die Praxis, in der sie sich behandeln lassen, ins Insolvenzverfahren gerät, keinen neuen Arzt suchen. Eine Ausnahme bilden solche Verträge, die die Erbringung einer Werkleistung zum Inhalt haben. Hier ist nicht § 108 InsO, sondern § 103 InsO anwendbar, sodass die Durchführung des Vertrages von der Erfüllungswahl des Verwalters abhängt. Dabei ist zu beachten, dass dieser nicht über die Arbeitskraft des Schuldners verfügen darf, ein kooperatives Zusammenwirken von Insolvenzverwalter und Schuldner ist daher notwendig.

V. Auswirkungen der Arztpraxisinsolvenz auf die ärztliche Schweigepflicht und die Arzt-Patient-Beziehung Der Schutz der Arzt-Patient-Beziehung wird im Arztpraxisinsolvenzverfahren bislang nur unzureichend verwirklicht. Dies zeigt sich in aller Deutlichkeit am Beispiel der ärztlichen Schweigepflicht.16 Sofern in den zahlreichen, im Rahmen des Verfahrens entstehenden Konfliktsituationen überhaupt eine Interessenabwägung vorgenommen wird, geht diese meist zulasten der betroffenen Patienten aus. Abhilfe wäre indes möglich. Tatsächlich verursacht die ärztliche Schweigepflicht in der Insolvenz der Arztpraxis insbesondere an zwei Punkten Probleme, zum einen immer dann, wenn der Insolvenzverwalter Einsicht in die patientenbezogenen Praxisunterlagen nehmen muss,17 und zum anderen, wenn die Arztpraxis im Insolvenzverfahren veräußert werden soll.18 Für den Fall der Veräußerung von Arztpraxen wurde mit dem Zwei-SchrankModell ein Verfahren erarbeitet, welches die Patienten vor dem unbefugten Zugriff des Praxisübernehmers auf ihre Daten schützt.19 Hierdurch ist in der Vergangenheit ein gangbarer (wenn auch aufwendiger) Weg geschaffen worden, der auch

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S. zum Schicksal von Behandlungsverträgen in der Insolvenz der Arztpraxis im 4. Kap. unter B. II. 16 S. hierzu insg. das 5. Kap. 17 S. 5. Kap. C. II. 1. 18 S. 5. Kap. C. II. 2. 19 S. 5. Kap. C. III. 1.

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7. Kap.: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

im Falle der Insolvenz der Arztpraxis und der dadurch bedingten Veräußerung und Übergabe der Patientenkartei beschritten werden kann. Das Zwei-Schrank-Modell bietet aber keineswegs eine Lösung für sämtliche im Zusammenhang mit der Schweigepflicht stehenden Probleme bei der Arztpraxisinsolvenz. Insbesondere kann hierdurch nicht die Einsichtnahme des Insolvenzverwalters und die damit verbundene Offenbarung von Patientendaten verhindert werden. Hier müssen die Interessen von Gläubigern und Patienten im Einzelfall abgewogen werden. Der Insolvenzverwalter ist daher im Streitfall handlungsunfähig und muss die Entscheidung eines Gerichts abwarten, bevor er Einsicht in die Unterlagen nehmen kann, will er nicht eine Verletzung der Rechte der Patienten in Kauf nehmen. Zur Vermeidung dieser Probleme lässt sich über die Etablierung einer Schweigepflicht für Insolvenzverwalter (de lege ferenda) nachdenken.20 Das eigentliche Problem in der Insolvenz der Arztpraxis würde dadurch indes nicht gelöst. Dieses liegt nämlich in der Übergabe der Patientenunterlagen an den Insolvenzverwalter. Da die Schweigepflicht auch zwischen zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen gilt, ändert die Einführung einer Schweigepflicht für Insolvenzverwalter nichts an der Problematik. Gibt ein Arzt die Behandlungsunterlagen an den Insolvenzverwalter weiter, bedeutet dies in der Regel einen Bruch der Schweigepflicht, der berufs-, zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht.21 Die Übergabe der Daten ist nur mit einer Einwilligung der Betroffenen möglich. Liegt die Einwilligung nicht vor, ist eine Interessenabwägung im Einzelfall notwendig.22 In der Vergangenheit tendierten die Gerichte im Rahmen der Interessenabwägung immer mehr dazu, den Insolvenzverwaltern die Einsichtnahme zu gestatten. Anderenfalls wäre die Durchführung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Arztes oder einer Arztpraxis auch praktisch unmöglich. Die Gläubiger könnten niemals befriedigt werden. Die Gerichte sehen daher das Befriedigungsinteresse der Gläubiger (aus Art. 14 Abs. 1 GG) im Ergebnis gewichtiger an als das Interesse der Patienten am Schutz ihrer Daten (aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Mit Recht kann daher auch über eine gesetzliche Normierung von Einsichts- und Verwertungsrechten des Insolvenzverwalters nachgedacht werden. Die kombinierte Normierung von Einsichts- und Verwertungsrechten und einer Schweigepflicht für den Insolvenzverwalter bedeutete de iure keine Schlechterstellung der Patienten. Im Gegenteil, der Schutz ihrer Daten würde verbessert. Denn nach gegenwärtiger Rechtslage erhält der Insolvenzverwalter in der Regel Einblick in ihre Daten, ohne dass ihn eine Pflicht zur Verschwiegenheit trifft.

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S. 5. Kap. C. III. 2. b). S. hierzu im 5. Kap. unter B. S. 5. Kap. C. III. 4.

B. Fazit

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VI. Die Verwertung der Praxis: Liquidation oder Sanierung? Die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Arztpraxen spiegeln sich auch bei den Überlegungen zu Verwertung und Sanierung der Praxis wider.23 Zwar ist die Veräußerung der Praxis im Insolvenzverfahren ohne Zustimmung des Schuldners möglich, gleichwohl bestehen gegen diese Form der Verwertung Bedenken. Denn ein Großteil des Praxiswerts, bestehend aus Goodwill, Vertragsarztzulassung und -sitz und der Patientenkartei kann auf diese Weise nicht realisiert werden. Um die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger zu erreichen, muss die Praxis daher, sofern sie rentabel ist 24, fortgeführt und saniert werden. Vorzugswürdige Sanierungsoptionen bei der Insolvenz von Arztpraxen sind die Eigenverwaltung und das Insolvenzplanverfahren, die nach Möglichkeit miteinander kombiniert werden sollten. So können Konflikte mit Regelungen des ärztlichen Berufs- und Standesrechts, der ärztlichen Schweigepflicht und dem Vertragsarztrecht durch flexible privatautonome Vereinbarungen vermieden werden. Zudem ist die Realisierung des Goodwills der Praxis möglich, was zu einer erheblich besseren Befriedigungsquote bei den Gläubigern führt. Auch der Arzt profitiert, kann er doch seine Tätigkeit fortsetzen und seine Existenz auf diese Weise sichern. Zuletzt ist die Fortführung und Sanierung der Praxis auch für die Patienten von Vorteil, da sie bei dem ihnen vertrauten Arzt in Behandlung bleiben können. Dort ist der Patient bekannt, eine konstruktive Behandlungsatmosphäre unter Wahrung eines intakten Arzt-Patient-Verhältnisses kann so erhalten werden, was dem Wohle des Patienten zugutekommt.

B. Fazit B. Fazit

Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Insolvenz von Arztpraxen eine besondere rechtliche Komplexität aufweist. Diese resultiert aus der Besonderheit des ärztlichen Berufs und den daraus folgenden rechtlichen Spezialregelungen, die im Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit stehen. Vor allem die besondere Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient, die unter anderem in der ärztlichen Schweigepflicht normativen Niederschlag gefunden hat, bereitet Probleme im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Ärzten. Lösungen können nur unter Einbeziehung der Rechte und Interessen aller Betroffenen gefunden werden, der Verfahrensbeteiligten (Gläubiger und Schuldner) und der Patienten. Letztere sind bislang allenfalls oberflächlich berücksichtigt worden. Diese Arbeit zeigt, dass die Vermeidung der größten Konflikte durchaus möglich ist. Hierzu bedarf es keiner umfassenden Gesetzesinitiativen. Das aktuelle Insolvenzrecht bietet, insbesondere mit dem Eigenverwaltungs- und dem Insolvenzplanverfahren, ausreichend Flexi23

S. 6. Kap. Was nicht selten der Fall ist, führen doch häufig das Konsumverhalten und damit verbundene Entnahmen von Ärzten zur Insolvenz der Praxis, so d’Avoine, Arzt und Praxis in Krise und Insolvenz, Rn. 38; Ziegler, ZInsO 2014, 1577; Runkel, in: FS Gerhardt, 2005, S. 839; Vallender, in: FS Metzeler, 2003, S. 21 f.; Uhlenbruck, ZVI 2002, 49.

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7. Kap.: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

bilität, um den Interessen von Gläubigern, Schuldnern und Patienten gerecht zu werden. Dafür aber ist eine konsequente Nutzung dieser bestehenden Möglichkeiten in der Praxis notwendig. Das Bewusstsein für die Problematik sollte bei Insolvenzverwaltern und Insolvenzgerichten geschärft werden. Es lässt sich allerdings nicht vermeiden, dass im Einzelfall die Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen werden müssen. In diesem Fall ist eine umfassende, der Sensibilität der Thematik gerecht werdende Abwägung zwingend erforderlich. Dabei müssen gerade auch die Rechte und Interessen der verfahrensunbeteiligten Patienten beachtet werden. Dies darf indes nicht in einer praktischen Undurchführbarkeit von Insolvenzverfahren über das Vermögen von Arztpraxen resultieren. Gegebenenfalls müssen die Individualinteressen der Patienten hinter dem Allgemeininteresse an der Durchführbarkeit von Insolvenzverfahren zurückstehen.

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