Diaspora und Imperium: Armenier im vorrevolutionären Russland (17. bis 19. Jahrhundert) 9783412506803, 9783412505721

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Diaspora und Imperium: Armenier im vorrevolutionären Russland (17. bis 19. Jahrhundert)
 9783412506803, 9783412505721

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Armenier im östlichen Europa Armenians in Eastern Europe Herausgegeben von / Edited by Bálint Kovács & Stefan Troebst In Verbindung mit / In connection with Marina Dmitrieva & Christian Lübke Band 4 / Vol. 4 Herausgeberbeirat / Editorial Board: René Bekius, Amsterdam (NL) Gérard Dédéyan, Montpellier (FR) Waldemar Deluga, Warsaw (PL) Viktor I. Djatlov, Irkutsk (RU) Armenuhi Drost-Abgarjan, Halle/S. (DE) Irina Ja. Hajuk, L’viv (UA) Richard G. Hovannisian, Los Angeles (USA) Andreas Kappeler, Vienna (AT) Armen Ju. Kazarjan, Moscow (RU) Kéram Kévonian, Paris (FR) Dickran Kouymjian, Fresno (USA) Rudi Matthee, Newark (USA) Evgenija Mitseva (†), Sofia (BG) Claire Mouradian, Paris (FR) Claude Mutafian, Paris (FR) Aleksandr L. Osipjan, Kramatorsk (UA) Judit Pál, Cluj-Napoca (RO) Irina N. Skvorcova, Minsk (BY) Anna Sirinian, Bologna (IT) Krzysztof Stopka, Cracow (PL) Ronald G. Suny, Chicago (USA) Šušanik Xačikjan, Yerevan (AM)

Diaspora und Imperium Armenier im vorrevolutionären Russland (17. bis 19. Jahrhundert) Tamara Ganjalyan

2016 BÖHL­AU VER­L AG KÖLN WEI­M AR WIEN

Das dieser Publikation zugrunde liegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministerums für Bildung und Forschung unter dem Förderschwerpunkt ­„Geisteswissenschaftliche Zentren“ (Förderkennzeichen 01UG1410) gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin.

Dr. Tamara Ganjalyan war von 2011 bis 2013 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am GWZO Leipzig und ist derzeit am Historischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen tätig.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Das Bild zeigt in Russland lebende Armenier in ihrer typischen Kleidung. Bildmotiv entmommen aus: Friedrich Ferdinand Hempel /Christian Gottfried Heinrich Geißler: „Abbildung und Beschreibung der Völkerstämme und Völker unter des russischen Kaisers Alexander menschenfreundlichen Regierung: Oder Charakter dieser Völker aus der Lage und Beschaffenheit ihrer Wohnplätze entwickelt und in ihren Sitten, Gebräuchen und Beschäftigungen nach den angegebenen Werken der in- und ausländischen Litteratur“. Industrie-Comptoir Leipzig 1803, Abb. LXII.

© 2016 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D–50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Lektoratsbüro textbaustelle, Berlin Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-50572-1

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung  1 Einleitung 

.................................................................... 

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.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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2 Diaspora: Einige theoretische Vorbemerkungen 

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2.1 Diaspora – ein Konzept im Spiegel der Wissenschaften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die wirtschaftliche Bedeutung der Diaspora  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Händlerdiasporas, Handelskolonien und middleman minorities  .. . . . . 2.2.2 Von Nischen, gaps und Modernisierung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Beziehung der Diaspora mit der Elite – Instrumentalisierung oder Symbiose?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Diaspora und Imperium  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Die armenische Diaspora  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich, 17.–19. Jahrhundert  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.1 Die Rolle der Armenier in Orienthandel und Textilindustrie des Russländischen Reichs  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Die Wolgahandelsroute im 17. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Armenische Kaufleute und Unternehmer  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Die Rolle der Armenier bei der Erschließung der südlichen Peripherie des Reiches  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Russische Expansion und Kolonisierung des Südens im 18. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Armenische Kolonien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die armenische Diaspora im Spiegel der Ersten Allgemeinen Volkszählung des Russländischen Reiches von 1897  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Volkszählungen als historische Quelle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Klärende Vorbemerkungen zu Konzeption, Durchführung und Auswertung der Volkszählung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Auswahl und Bearbeitung der Volkszählungsdaten für die vorliegende Arbeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.5 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . 4 Schluss 

   

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35 39 46



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55 55 60

 

 

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.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Contents

5 Literatur  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  207

5.1 Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Archivquellen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Publizierte Quellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Sekundärliteratur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6 Orts- und Sachregister 

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  237

Vorbemerkung Die vorliegende Untersuchung entstand im Rahmen der von Prof. Dr. Stefan Troebst zusammen mit Prof. Dr. Christian Lübke geleiteten und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Projektgruppe „Armenier in Wirtschaft und Kultur Ostmitteleuropas (14.–19. Jahrhundert)“ des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) an der Universität Leipzig, der ich von 2011 bis 2013 angehörte. Im Anschluss daran wurde mein Forschungsprojekt durch ein Promotionsstipendium der Gerda Henkel Stiftung gefördert und 2016 als Dissertation am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig angenommen. Die vorliegende Monographie stellt die überarbeitete und erweiterte Fassung dieser Qualifikationsschrift dar. Zu den Personen, die zum Entstehen dieser Arbeit in der einen oder anderen Form beigetragen haben, gehören Prof. em. Dr. Andreas Kappeler von der Universität Wien, der überhaupt meine Beschäftigung mit der Thematik der Armenier im Russländischen Reich anregte. Des Weiteren bedanke ich mich bei Frau Karine Zakharyan, die im Sommer 2012 für mich Literaturrecherchen in Transnistrien durchführte und mir so unter anderem eine Kopie des unveröffentlichten Typoskripts von Džordž Fan’jan zugänglich machte, sowie bei Amatuni Virabyan und Sonya Mirzoyan vom Nationalarchiv Armeniens und beim Russländischen Staatlichen Historischen Archiv für die freundliche Bereitstellung der Archivbestände. Nicht zuletzt danke ich meinem Dissertationsbetreuer, Herrn Prof. Dr. Stefan Troebst, für seinen fachlichen Beistand, Frau Prof. Dr. Maren Möhring vom Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig für das Zweitgutachten sowie der Gerda Henkel Stiftung für die finanzielle Unterstützung, die es mir erlaubte, meine Promotion trotz Elternzeit erfolgreich abzuschließen. Dem GWZO bin ich für einen Druckkostenzuschuss und für die Aufnahme meiner Arbeit in die GWZO-Buchreihe „Armenier im östlichen Europa/Armenians in Eastern Europe“ zu Dank verpflichtet. Gießen, im April 2016

1  Einleitung Im Jahre 1803 erschien im Leipziger Industrie-Comptoir-Verlag ein kurzer Band mit einem langen Titel. „Abbildung und Beschreibung der Völkerstämme und Völker unter des Russischen Kaisers Alexander menschenfreundlichen Regierung. Oder Charakter dieser Völker aus der Lage und Beschaffenheit ihrer Wohnplätze entwickelt und in ihren Sitten, Gebräuchen und Beschäftigungen nach den angegebenen Werken der in- und ausländischen Litteratur“ nannte sich das Werk, für dessen Illustrationen der Leipziger Kupferstecher und Zeichner Christian Gottfried Heinrich Geißler, der einige Jahre in Russland gelebt und dort auch den Naturforscher Peter Simon Pallas auf eine Expedition in den Süden des Reiches begleitet hatte und der später zum Illustrator der Völkerschlacht werden sollte, verantwortlich zeichnete. Der Text stammte aus der Feder des Juristen Friedrich Ferdinand Hempel, der seine Ausführungen nicht auf eigene Anschauungen, sondern, so würde man heute sagen, auf Sekundärliteratur gründete. Neben anderen „Völkerstämmen und Völkern“ widmete er auch den armenischen Einwohnern Russlands ein Kapitel. Darin heißt es: „Armenier leben als Kolonisten und zerstreute Einwohner in dem Taurischen Gouv[ernement] in der Krim, nämlich in Astrachan, Georgien und auch zum Theil in Petersburg, Moskwa, Orenburg, Kislar, Mosdock und anderen Städten des R[ussischen] R[eiches]. […] Sie leben wie die Juden, doch mehr freywillig, durch Asien und Europa zerstreut […] und nur der kleinste Theil von ihnen hält sich in seinem wahren Vaterlande auf. Des Handelsgewinns wegen lassen sie sich, wie die Juden, Bedrückungen und Misshandlungen gefallen. […] Dieser Zerstreuung ungeachtet und ob sie gleich ihren Aufenthalt oft verändern, arten sie doch eben so wenig wie die Juden und Zigeuner aus und behalten unter allen Himmelsrichtungen ihr Ansehen, ihre Neigungen und Sitten. […]. Sie haben Fähigkeiten zu allerley Gewerben und Künsten, nur dürfen sie keine Anstrengung und beharrliche Arbeit erfordern, denn diese vermeiden sie wie die Juden und Zigeuner möglichst. […] Sie sind von Natur faul und träge, legen sich daher auch alle auf das Handeln. […] Der Handel wird bei ihnen zur Leidenschaft; sie zeigen sich daher emsig, gewinnsüchtig und machen sich kein Gewissen daraus, ihren beschränkten Verstand auf Betrügereyen zu wenden. Das ganze Leben Vieler ist eine Wanderschaft. – Ihr Handel verdient eigentlich diesen respektablen Nahmen nicht, denn nie unternehmen sie etwas als patriotische Kaufleute, sondern überall ziehen sie einen kleinen und nahen Wucher größern gemeinnützigen Vortheilen vor. Die Armenier sind in ihrem Vaterlande Andächtler und abergläubisch, in der Entfernung aber hat die Religion keine Schranken für ihren Eigennutz; […] Die Armenier reden ihre eigene Sprache und haben Schulen, aber der Trieb zum Handel und die Gewinnsucht umnebelt und verschlingt ihre Fähigkeiten. […] außer dem Handel beschäftigen sich verschiedne mit Gold, Silber und Edelsteinarbeiten, einige sind

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Uhrmacher, mehrere Bader und Barbiers, auch besitzen etliche Manufakturen auf verschiedne seidne und halbseidne Zeuge“1.

Der wiederholte Vergleich zwischen Juden und Armeniern, der sich im Text Hempels – und nicht nur dort – findet, kommt nicht von ungefähr. Auch in der modernen sozial- und geschichtswissenschaftlichen Literatur wurde mehrfach festgehalten, dass bestimmte, oft allochthone, ethnische und/oder religiöse Minderheiten sich in einigen sozioökonomischen Eigenschaften von der jeweiligen Mehrheitspopulation einer Gesellschaft unterschieden und durch ihre beruflichen Tätigkeiten bestimmte gesellschaftliche Funktionen erfüllten, typischerweise zuvorderst in den Bereichen des Handels und des Finanzwesens. Nicht nur in den europäischen Ländern des Mittelalters traten etwa die Juden als in der Diasporaforschung so genannte „middleman minorities“ (auch „mobile Diasporas“ oder „imperiale Minderheiten“) auf, auch im frühneuzeitlichen Moskauer Staat und Russländischen Reich ließen gewisse allochthone ethnoreligiöse Minoritäten Merkmale erkennen, die sie sowohl vom Staatsvolk der Russen als auch von anderen Bevölkerungsgruppen des Reiches unterschieden und die in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft, aber auch der Staatsführung, Wissenschaft u. a. m. mitunter entscheidende Beiträge zur gesellschaftlichen Entwicklung Russlands leisteten. Dabei zeigten sich zwischen den verschiedenen diasporischen Gemeinschaften auffallend viele Parallelen, nicht zuletzt auch in ihrer Interaktion mit den Vertretern des imperialen Herrschaftsapparats. Prominentestes Beispiel für eine solche allochthone Minderheit sind die Deutschen im Zarenreich des 18. und 19. Jahrhunderts. Während die so genannte westliche Historiografie sich mittlerweile wiederholt mit der Geschichte der deutschen 2

1 Hempel, Friedrich Ferdinand/Geissler, Christian Gottfried Heinrich: Abbildung und Beschreibung der Völkerstämme und Völker unter des russischen Kaisers Alexander menschenfreundlicher Regierung oder Charakter dieser Völker: aus der Lage und Beschaffenheit ihrer Wohnplätze entwickelt, und in ihren Sitten, Gebräuchen und Beschäftigungen nach den angegebenen Werken der in- und ausländischen Litteratur. Leipzig 1803, 127 f. 2 Eine kleine, bei weitem nicht vollständige Auswahl der Literatur: Brandes, Detlef/Dönninghaus, Victor: Bibliographie zur Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen. Bd. 1: Von der Einwanderung bis 1917. München 1994. – Fleischhauer, Ingeborg: Die Deutschen im Zarenreich. Zwei Jahrhunderte deutsch-russische Kulturgemeinschaft. Stuttgart 1991. – Brandes, Detlef: Von den Zaren adoptiert. Die deutschen Kolonisten und die Balkansiedler in Neurussland und Bessarabien, 1751 – 1914. München 1993. – Myeshkov, Dmytro: Die Schwarzmeerdeutschen und ihre Welten. 1781 – 1871. Düsseldorf 2008. – Schulz-Vorbach, Klaus-Dieter: Die Deutschen im Osten. Vom Balkan bis Sibirien. Hamburg 1990. – Stricker, Gerd: Deutsche Geschichte im Osten Europas: Russland. München 2002. – Koch, Fred C./Eichhorn, Jacob: The Volga Germans: In Russia and the Americas, from 1763 to the Present. University Park 1974. – Dalos, György: Geschichte der Russlanddeutschen. Von Katharina der Großen bis zur Gegenwart. München 2014. – Hecker, Hans: Die Deutschen im Russischen Reich, in der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten. Köln 2000 sowie die Arbeiten von Alfred Eisfeld.

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und jüdischen 3, in geringerem Maße auch der griechischen 4 Diaspora im Russländischen Reich widmete, ist sie bisher jedoch kaum auf die außerhalb des Südkaukasus anzutreffenden armenischen Gemeinschaften im Zarenreich aufmerksam geworden, und dies trotz der zumindest zeitweise nicht geringen Bedeutung armenischer Akteure im Bereich der russländischen Wirtschaft, speziell des Außen- und Transithandels des Reiches. Dies liegt – neben der vergleichsweise geringen Anzahl der russländischen Armenier außerhalb des Südkaukasus – vermutlich auch daran, dass Russland für die Geschichte und die Geschichtsschreibung der armenischen Diaspora eine nicht nur geografisch periphere Lage einnimmt. In der Welt der armenischen Diaspora, von Westeuropa über Ostmitteleuropa, Kleinasien, den Nahen Osten bis Persien und Indien (später auch Nord- und Südamerika sowie Australien), befanden sich die russisch dominierten Gebiete Osteuropas lange in einer Art Randposition.5 Die Hauptwarenströme armenischer Händler flossen die meiste Zeit an Russland vorbei von Indien und Persien über Kleinasien und das Mittelmeer nach Zentral- und Westeuropa. Und auch in kultureller wie geistiger Hinsicht scheinen die armenischen Gemeinden im vorrevolutionären Russland wenn auch nicht vollständig isoliert, so doch einigermaßen abgerückt von den jeweils aktuellen Entwicklungen in der armenischen Diaspora anderer Weltregionen gewesen zu sein. Auch nach Ostmitteleuropa, so etwa in das geografisch benachbarte Galizien, wo seit dem Mittelalter eine bedeutende armenische Diaspora beheimatet war, scheint es 3 Z. B. Friedlaender, Israel: The Jews of Russia and Poland. Cambridge 2009. – Nathans, Benjamin: Beyond the Pale. The Jewish Encounter with Late Imperial Russia. Berkeley-Los Angeles-London 2002. – Gitelman, Zvi Y.: A Century of Ambivalence. The Jews of Russia and the Soviet Union, 1881 to the Present. Bloomington 1988. – Dohrn, Verena: Jüdische Eliten im Russischen Reich. Aufklärung und Integration im 19. Jahrhundert. Köln 2008. – Zipperstein, Steven J.: The Jews of Odessa. A Cultural History, 1794 – 1881. Stanford 1985. – Everyday Jewish Life in Imperial Russia: Select Documents, 1772 – 1914. Hg. v. Chaeran Y. Freeze und Jay M. Harris. Waltham 2013. – Petrovsky-Shtern, Yohanan: The Golden Age Shtetl. A New History of Jewish Life in East Europe. Princeton 2014. 4 So u. a. Kardasis, Vassilis: Diaspora Merchants in the Black Sea. The Greeks in Southern Russia, 1775 – 1861. Lanham 2001. – Ders.: Greek Diaspora in Southern Russia in the Eighteenth Through Nineteenth Centuries. In: Homelands and Diasporas. Greeks, Jews and Their Migrations. Hg. v. Minna Rozen. London 2008, 161 – 167. – Kappeler, Andreas: Die griechische Diaspora im Zarenreich. In: Griechische Kultur in Südosteuropa in der Neuzeit. Beiträge zum Symposium in memoriam Gunnar Hering (Wien, 16.–18. Dezember 2004). Hg. v. Maria A. Stassinogoulou und Ionnis Zelepos. Wien 2008, 351 – 362. – Hösch, Edgar: Die Nežiner Griechen. In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 52 (1996), 57 – 68. – Mazis, John Athanasios: The Greeks of Odessa. Diaspora Leadership in Late Imperial Russia. Boulder-New York 2004. – Pappas, Nicholas Charles: Greeks in Russian Military Service in the Late Eighteenth and Early Nineteenth Centuries. Thessaloniki 1991. 5 Dies erfuhr in der – schon außerhalb unseres Betrachtungszeitraums gelegenen – Zeit nach 1917 mit der politisch-ideologischen Trennung der Sowjetunion von der „westlichen Welt“ und der damit einhergehenden Beschränkung des Menschen-, Waren- und Ideenflusses zwischen den Ländern des Sowjetsystems und der nichtkommunistischen Außenwelt nochmals eine bedeutende Akzentuierung.

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(zumindest ab dem 17. Jahrhundert) kaum nennenswerte wirtschaftliche, kulturelle oder personelle Verbindungen gegeben zu haben. Einer der möglichen Gründe hierfür mag die konfessionelle Trennung der in den (ehemals) polnischen Gebieten lebenden Armenier, die der unierten bzw. armenisch-katholischen Kirche unter dem Supremat des Papstes in Rom zugehörig waren, und jenen in Russland, welche ganz überwiegend der armenisch-apostolischen Kirche mit ihrem Oberhaupt in Edschmiazin (arm. ­Ēǰmiacin) angehörten, gewesen sein.6 Die materiellen und ideellen Beziehungen der armenischen Gemeinden in Russland führten in der Regel eher nach Süden und Osten, in das Osmanische und Persische Reich, inklusive des historischen Armeniens. Mit der vorliegenden Arbeit soll nun der Versuch unternommen werden, in diese Forschungslücke vorzustoßen. Dabei lauten die erkenntnisleitenden Fragestellungen wie folgt: 1. Wie lassen sich die Befunde der sozial- und geschichtswissenschaftlichen Diasporaforschung, insbesondere jene in Bezug auf so genannte „middleman minorities“, auf die Armenier im Russländischen Reich (außerhalb des Südkaukasus) beziehen, konkret gefragt: 2. Welche Rolle spielten Vertreter der armenischen Diaspora vom 17. bis ins 19. Jahrhundert in den verschiedenen Regionen des vorrevolutionären Russlands in dessen wirtschaftlicher Entwicklung und territorialer Expansion einschließlich der Integration neu erworbener peripherer Räume? 3. Finden sich Hinweise auf diasporatypische sozioökonomische Merkmale, die der theoretischen Literatur folgend zu erwarten wären, auch im empirischen demografischen Quellenmaterial? Schließlich: 4. Lassen sich im Verhältnis und in der Interaktion zwischen russländischer Regierung und armenischer Diaspora bestimmte Muster erkennen, die für eine besondere Art des Verhältnisses bzw. der Beziehung zwischen den beiden historischen Phänomenen Imperium und Diaspora sprechen? Zur Bearbeitung dieser Fragestellungen gliedert sich die vorliegende Arbeit im Wesentlichen in einen einführenden theoretischen Teil, welcher den Ausgangspunkt für die daran anknüpfende Untersuchung bildet, und einen empirischen Teil, der der Analyse des Fallbeispiels der armenischen Diaspora im vorrevolutionären Russland gewidmet ist. Im ersten Teil meiner Arbeit „Diaspora: einige theoretische Vorbemerkungen“ werden die Forschungslage und die Diskussionsverläufe zu sozial- und geschichtswissenschaftlichen Diasporatheorien skizziert. Dabei wird nach einer allgemeinen Klärung des Begriffes und der Konzepte von „Diaspora“ die wissenschaftliche Reflexion über die wirtschaftlichen Funktionen und Charakteristika der Diasporas, wie sie in der einschlägigen Literatur beschrieben wurden, den Schwerpunkt der Ausführungen bilden. In diesem Rahmen werden vor allem die Konzepte der „Händlerdiasporas“ und der „middleman minorities“ einer genaueren

6 Dies muss aber, solange eingehende Studien zu dieser Thematik fehlen, letztlich Spekulation bleiben.

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Betrachtung unterzogen werden. Von besonderem Interesse ist dabei die Beziehung zwischen solchen diasporischen Gruppen und der herrschenden Elite des Aufnahmelandes, welche unter den Aspekten von Instrumentalisierung und Symbiose untersucht und beschrieben wurde. Im Lichte der bis dahin aufgestellten Hypothesen werden anschließend die Erkenntnisse der neueren Imperienforschung, insbesondere der so genannten New Imperial History, bezüglich der Rolle diasporischer Minderheiten in frühneuzeitlichen multiethnischen Reichen zusammenfassend wiedergegeben. Den Abschluss des theoretischen Teils bildet eine Darstellung konstitutiver Merkmale in Fremd- und Selbstbeschreibungen der armenischen als einer der so genannten klassischen oder archetypischen Diasporas. Der empirische Teil der Arbeit widmet sich dann dem konkreten historischen Fallbeispiel der armenischen Diaspora im vorrevolutionären Russland. Unter dem Titel „Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich, 17.–19. Jahrhundert“ wird genanntes Fallbeispiel in drei Schritten untersucht. Dabei stehen im ersten Kapitel der empirischen Studie armenische Fernhändler und ihre Rolle im russländischen Orienthandel des 17. und 18. Jahrhunderts sowie im Anschluss daran armenische Unternehmer in der russländischen Textil(proto)industrie im Vordergrund der Betrachtung. Das zweite Kapitel widmet sich der Geschichte armenischer Kolonien im Russländischen Reich des 18. und frühen 19. Jahrhunderts im Kontext der in dieser Epoche stattfindenden russländischen Expansion und Binnenkolonisierung (auch) mithilfe ausländischer Siedler in den südlichen Grenzregionen des Imperiums. Der dritte und letzte Abschnitt der empirischen Fallstudie besteht aus der Analyse und Auswertung des demografischen statistischen Quellenmaterials der Ersten Allgemeinen Volkszählung des Russländischen Reiches von 1897. Nach einer Klärung der Besonderheiten dieser ersten und letzten Volkszählung des Zarenreiches, welche den Umgang mit und die Interpretation ihrer Ergebnisse nicht unwesentlich beeinflussen, werden die Originaldaten des Zensus aufbereitet und im Hinblick auf ihre Aussagekraft bezüglich der armenischen Diaspora als eine middleman minority im vorrevolutionären Russland untersucht. Im Schlusswort werden die Ergebnisse der theoretischen und der empirischen Untersuchung zusammengefasst und synthetisiert. An dieser Stelle noch einige Worte zum Forschungsstand. Die Geschichte des armenisch vermittelten Orienthandels, und hier vor allem des von den armenischen Kaufleuten aus Neu-Julfa (arm. Nor ǰowła) betriebenen Handels mit persischer Rohseide, ist ein mittlerweile recht rege erforschtes Kapitel armenischer Geschichte. Insbesondere Sebouh David Aslanian, der im Jahr 2011 seine Monografie „From the Indian Ocean to the Mediterranean. The Global Trade Networks of Armenian Merchants from New Julfa“ vorlegte, hat durch seine einschlägigen Arbeiten fundierte und detailreiche Einsichten in die Organisation und das Funktionieren dieses weltumspannenden Handels- und Kommunikationsnetzwerks geliefert. Aber auch die Werke von Michel Aghassian, Kéram Kévonian, Ina Baghdiantz McCabe, Vahan Baibourtian und Edmund Herzig müssen in diesem Zusammenhang genannt werden. Auch innerhalb der sowjetischen wie postsowjetischen russischen und armenischen Historiografie, stellvertretend zu nennen wäre hier etwa Shushanik Khachikyan (Šowšanik

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Xač’ikyan), bildet die Tätigkeit armenischer Fernhändler im russländischen Orienthandel allgemein sowie speziell im Rohseidentransithandel über die Wolgaroute das wohl besterforschte Gebiet in der Geschichte der armenischen Diaspora des vorrevolutionären Russlands. Anders hingegen zeigt sich die Forschungslage betreffend die armenischen Kolonien des Russländischen Reiches. Dieser Forschungsgegenstand ist zumal der westlichen Geschichtswissenschaft weitgehend unbekannt. Zwar existiert eine ganze Reihe einschlägiger Arbeiten zum Thema der russländischen Kolonisierungspolitik des 18. bis 19. Jahrhunderts, wo sich diese aber mit der Besiedelung der imperialen Frontier durch ausländische Kolonisten beschäftigen, geschieht dies in den meisten Fällen im Hinblick auf deutsche und andere europäische Siedler. Seitens der (sowjet-)armenischen Geschichtsschreibung sind eine Vielzahl an Aufsätzen sowie eine kleinere Zahl Monografien überliefert, welche sich den verschiedenen armenischen Siedlungen und Kolonien des Russländischen Reiches widmen, wobei die armenische Gemeinde und Kolonie in Astrachan wohl aufgrund ihrer großen innerarmenischen geistigen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung wie auch aufgrund der vergleichsweise guten Quellenlage die mit Abstand größte Beachtung erfuhr. Zu den anderen armenischen Kolonien wurden vereinzelte Studien angefertigt, so zum Beispiel die Aufsätze und die Monografie zur Geschichte Grigoriopols von Žores Ananyan. In den meisten Fällen aber erscheinen in den genannten (sowjet-)armenischen Arbeiten die armenischen Kolonien im Russländischen Reich als weitgehend isoliertes Phänomen, das eher peripher in Zusammenhang mit der russländischen Expansionspolitik des 18. Jahrhunderts gebracht wird. Aus dem Blickwinkel geriet dabei häufig der Zusammenhang mit dem Prozess der Landnahme und der, insbesondere der von Ausländern betriebenen, Binnenkolonisierung der südlichen Peripherie des Imperiums dieser Epoche. Doch steht die Geschichte der Entstehung ebenso wie der Auflösung armenischer Kolonien (im rechtlichen Sinne) nicht losgelöst von solchen Entwicklungen, sondern kann nur als ein integraler Teil dieses größeren historischen Kontextes gelesen werden. Als ein solcher integraler Teil der (moskauischen und) russländischen Geschichte wurde die Geschichte der armenischen Diaspora, zumal seitens der so genannten westlichen Historiografie, bisher kaum behandelt. Schließlich stellt eine Hauptprimärquelle der vorliegenden Arbeit, die Erste Allgemeine Volkszählung des Russländischen Reiches, ein bis dato noch wenig genutztes Quellenkonvolut dar, das namentlich seitens der Geschichtsschreibung über die Armenier des Reiches oder etwa seitens der Diasporaforschung noch nie umfassend ausgewertet wurde. Neben den insgesamt 89 nach Regionen gegliederten Bänden dieser Ersten Allgemeinen Volkszählung des Russländischen Reiches stammen weitere Primärquellen der vorliegenden Arbeit aus den Beständen des Nationalarchivs Armeniens (Hayastani Azgayin Arxiv) in Yerevan sowie des Russländischen Staatlichen Historischen Archivs (Rossijskij Gosudarstvennyj Istoričeskij Archiv) in St. Petersburg, wo ich vor allem Material zur Entstehung und Entwicklung armenischer Kolonien sammeln konnte. Darüber hinaus standen mir mehrere publizierte Quellen und Quellensammlungen zur Verfügung, darunter die ersten beiden Teile des „Polnoe Sobranie Zakonov Rossijskoj Imperii“ (Vollständige Sammlung der Gesetze des Russländischen Reiches), erschienen 1830 und 1884, die einschlägigen Sammlungen

Einleitung

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„Sobranie aktov otnosjaščichsja k obozreniju istorii armjanskago naroda“ (Dokumentensammlung betreffend die Übersicht über die Geschichte des armenischen Volkes) von 1833 – 1838, die Reihe „Armjano-russkie otnošenija“ (Armenisch-russische Beziehungen) der Armenischen Akademie der Wissenschaften von 1953 bis 1990, das unveröffentlicht gebliebene Typoskript „Grigoriopol’. Osnovanie i stanovlenie. 1792 – 1802“ (Grigoriopol. Gründung und Entstehung. 1792 – 1802) des armenisch-moldauischen Historikers Džordž S. Fan’jan (Datum unbekannt), welches sich heute im Grigoriopoler regionalkundlichen Museum befindet, und andere. Da es sich bei der vorliegenden Arbeit um eine Fortführung meiner Forschung zum Thema, welche ich im Rahmen meiner Diplomarbeit 7 an der Universität Wien aufgenommen habe, handelt, wurden einige Textpassagen von dort adaptiert; dies betrifft in erster Linie im empirischen Teil das Kapitel „Die armenische Diaspora im Spiegel der Ersten Allgemeinen Volkszählung des Russländischen Reiches von 1897“ sowie, mit Ausnahme des Kapitels „Diaspora und Imperium“, den theoretischen Teil, wo jedoch die Erkenntnisse zusätzlicher neuerer Sekundärliteratur Berücksichtigung fanden. Übersetzungen aus dem Russischen stammen von mir selbst. Die Transliteration aus dem Russischen erfolgte nach der im deutschen Sprachraum üblichen Norm DIN 1460, jene aus dem Armenischen gemäß dem Transliterationsgebrauch der Revue des Études Arméniennes. Im Deutschen gängige Ortsnamen wie Moskau, St. Petersburg, Kiev, Lemberg und Warschau wurden, mit Ausnahme der bibliographischen Angaben, in dieser Variante geschrieben, desgleichen wurde von einer Transliteration des Weichheitszeichens im Auslaut bei russischen Städtenamen abgesehen. In der vorliegenden Arbeit werden durchgehend die Begriffe „Russländisches Reich“ und „russländisch“ verwendet, wo sie als deutsche Wiedergabe des Adjektivs „rossijskij“ im Unterschied zu „russkij“ dienen. Während sich „russisch/russkij“ lediglich auf die so genannte großrussische Ethnie bezieht, bezeichnet „russländisch/rossijskij“ den Ethnien und Kulturen übergreifenden Verband des zarischen Imperiums (Rossijskaja Imperija) – wie im Übrigen auch der heutigen Russländischen Föderation (Rossijskaja Federacija).

7 Erkinger, Tamara: Die armenische Diaspora im vorrevolutionären Russland. Diplomarbeit Wien 2010.

2  Diaspora: Einige theoretische Vorbemerkungen 2.1  Diaspora – ein Konzept im Spiegel der Wissenschaften Der Begriff „Diaspora“ als Bezeichnung einer mittlerweile nurmehr schwer zu überblickenden Anzahl von ethnischen, kulturellen und/oder religiösen Minderheiten oder Migrantenpopulationen hat sich im Verlaufe der vergangenen etwa drei Jahrzehnte zu einem in Medien, Politik und nicht zuletzt in den verschiedenen Disziplinen der sozial-, geistes- und kulturwissenschaftlichen Forschung oft bemühten Modewort entwickelt, welches sowohl von außen in deskriptiver wie auch interpretativer Art als auch von Vertretern entsprechender Gruppen in Form der Eigendefinition, dabei nicht selten geknüpft an kulturelle, politische oder rechtliche Ansprüche, anscheinend nur allzu gerne reklamiert wird. Der bemerkenswerte Siegeszug eines etwa zweieinhalbtausend Jahre alten Begriffes 8 vom altgriechischen Verb für „zerstreuen“ oder „teilen“ über die biblische Zerstreuung der Juden als Strafe Gottes hin zu seiner Popularisierung, Säkularisierung und zugleich auch Verwissenschaftlichung ab den 1950er Jahren 9 und schließlich seiner „unbegrenzten Ausweitung und losen Definition“10 gipfelte in einer bis heute anhaltenden „Explosion“11 der Verwendung von „Diaspora“, deren oftmals fehlende oder ungenügende Definition in der wissenschaftlichen Literatur wiederholt kritisiert wurde.12 Nicht von ungefähr unternahmen seit den 1970er Jahren eine Reihe von (vorwiegend angelsächsischen) sozial- und kulturwissenschaftlichen Autoren Versuche einer theoretischen Fundierung und Typologisierung des Konzeptes der „Diaspora“13 – mit allerdings widersprüchlichen Ergebnissen. Seit dem Ende der Sowjetunion wurde die Diasporaforschung „westlicher Prägung“ auch von den russischen Sozialwissenschaften aufgegriffen,14 wo die Prämissen und Hypothesen der theoretischen Diasporaliteratur aus Nordamerika und Westeuropa durchaus kritisch reflektiert werden. 8 Dufoix, Stéphane: Diasporas. In: Encyclopedia of Globalization. Bd. 1. Hg. v. Roland Robertson und Jan Aart Scholte. New York 2006, 311 – 316, hier 311. 9 Ebd., 312. 10 Ebd. 11 Ebd., 313. 12 Zum Beispiel in Brubaker, Rogers: The “Diaspora” Diaspora. In: Ethnic and Racial Studies 28/1 (2005), 1 – 19. 13 Allerdings finden sich die Anfänge wissenschaftlicher Beschäftigung mit dieser Problematik – auch wenn der Begriff „Diaspora“ damals in seinem heutigen Verständnis noch nicht gebräuchlich war – bei den klassischen Autoren der deutschen Sozialforschung, vor allem bei Max Weber, Georg Simmel und Werner Sombart. Mehr dazu weiter unten. 14 Beredtes Zeugnis dafür ist die seit dem Jahr 1999 halbjährlich in Moskau erscheinende Zeitschrift „Diaspory“.

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In dem Bemühen einer semantischen Präzisierung und theoretischen Nutzbarmachung von „Diaspora“ sind es vor allem zwei Strömungen der Argumentation, welchen man in der theoretischen Literatur der letzten Jahre und Jahrzehnte begegnet. Anders als Autoren wie etwa Abner Cohen oder John Armstrong, die „Diaspora“ eher lose oder umfassend-allgemein als „verstreute ethnische Gruppe“15 definieren beziehungsweise als „any ethnic collectivity which lacks a territorial base within a given polity, i. e., is a relatively small minority throughout all portions of the polity“,16 beabsichtigen die Vertreter der ersten Hauptströmung eine Kategorisierung und Typologisierung des Phänomens „Diaspora“, deren Ziel in der Festlegung bestimmter Kriterien besteht, anhand derer eine begrenzte Anzahl von Populationen als Diaspora klassifiziert und demgemäß andere von dieser Bezeichnung ausgeschlossen werden sollen. Im Anschluss daran oder auch parallel dazu nehmen einige Autoren eine Klassifizierung in „Diaspora-Subtypen“ vor wie zum Beispiel „Opferdiasporas“, „Händlerdiasporas“, „imperiale Diasporas“ usw. Die prominentesten Vertreter dieser kategorialen Herangehensweise an das Problem der Definition von „Diaspora“ sind Robin Cohen,17 Gabriel Sheffer 18 und William Safran 19. Weite Verbreitung fand der von Safran ausgearbeitete und von Cohen ergänzte Kriterienkatalog, der zusammengefasst folgende Punkte berührt:20 1. eine Geschichte der (freiwilligen oder erzwungenen) Migration von einem Ursprungsgebiet oder „Heimatland“ in zwei oder mehr räumlich davon abgetrennte Gebiete, 2. die Aufrechterhaltung eines kollektiven Gedächtnisses, von Visionen und Mythen über jenes Heimatland, sei dieses real oder imaginiert, 3. der Glaube an eine niemals vollständige Akzeptanz durch die aufnehmende Gesellschaft, ein Gefühl der Entfremdung von der und eine belastete Beziehung zur Aufnahmegesellschaft, 4. das Motiv der Rückkehr in die alte Heimat, sei es die eigene oder die Rückkehr der nachfolgenden Generationen,21 15 Cohen, Abner: Cultural Strategies in the Organization of Trading Diasporas. In: The Development of Indigenous Trade and Markets in West Africa. Studies Presented and Discussed at the 10th International African Seminar at Fourah Bay College, Freetown, December 1969. Hg. v. Claude Meillassoux. London 1971, 266 – 280, hier 267. 16 Armstrong, John A.: Mobilized and Proletarian Diasporas. In: American Political Science Review 70 (1976), 393 – 408, hier 393. 17 Cohen, Robin: Global Diasporas. London 22008 [11997]. 18 Sheffer, Gabriel: Diaspora Politics: At Home Abroad. Cambridge 22006 [12003]; Ders.: A Profile of Ethno-National Diasporas. In: Diaspora Entrepreneurial Networks. Four Centuries of History. Hg. v. Ina Baghdiantz McCabe, Gelina Harlaftis und Ioanna Pepelasis Minoglou. Oxford 2005, 359 – 370. 19 Safran, William: Diasporas in Modern Societies: Myths of Homeland and Return. Aus: Diaspora 1/1 (1991), 83 – 99. In: Migration, Diasporas and Transnationalism. Hg. v. Steven Vertovec und Robin Cohen. Cheltenham-Northampton 1999, 364 – 380. 20 Safran, Diasporas in Modern Societies, 364 f.; Cohen, Global Diasporas, 17. 21 Für Avtar Brah ist die „Heimat“ jedoch weniger ein Ort als ein Gefühl. Er spricht deshalb auch nicht von einem Verlangen nach einem Heimatland, sondern von einem „Heimat-Verlangen“ (homing

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5. die Idealisierung des alten Heimatlandes und der Glaube an eine Verpflichtung ihm gegenüber, seiner Aufrechterhaltung oder (Wieder-)Errichtung, 6. das Unterhalten verschiedenartiger Beziehungen zum Heimatland, 7. ein starkes ethnisches Gruppenbewusstsein, das über lange Zeit hinweg besteht, basierend auf einer gemeinsamen Geschichte, Kultur, Religion und den Glauben an ein gemeinsames Schicksal,22 8. die Solidarität und ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit Vertretern der gleichen Gruppe in anderen Regionen der Zerstreuung,23 9. die Möglichkeit eines kreativen, bereichernden Lebens in einer toleranten Aufnahmegesellschaft. Ein solches kategorisierendes und typologisierendes Vorgehen, wie es im Zentrum der Arbeiten der oben genannten und weiterer Autoren steht, fand allerdings auch seine Kritiker, die in ihrer Mehrzahl der dekonstruktivistischen Wissenschaftskritik zuzurechnen sind.24 Kritisiert wird hier vor allem der „essentialistische Ansatz“, welcher der Betrachtung von Diaspora als einer Erfüllung oder Nichterfüllung von festgelegten Kriterien zugrunde liegen soll. Gegenstände der Untersuchung der den Cultural Studies und dem Poststrukturalismus desire), welches in der Diaspora (im räumlichen Sinne) mithilfe der dort zur Verfügung stehenden Ressourcen und Möglichkeiten befriedigt wird. Brah, Avtar: Cartographies of Diaspora. Contesting Identities. London 1996, 190 – 193, zitiert nach Moosmüller, Alois: Diaspora – zwischen Reproduktion von „Heimat“, Assimilation und transnationaler Identität. In: Interkulturelle Kommunikation und Diaspora. Die kulturelle Gestaltung von Lebens- und Arbeitswelten in der Fremde. Hg. v. Dems. Münster-New York-Berlin 2002, 11 – 28, hier 16 f. 22 Für die Formung, Aufrechterhaltung und (nach innen und außen gerichtete) Propagierung eines solchen Gruppenbewusstseins und seiner spezifischen Inhalte und Referenzpunkte spielen die von den diasporaeigenen Eliten (wie Kulturschaffende im weiteren Sinne, aber auch Individuen und Gruppen mit auf wirtschaftlicher Grundlage basierendem politisch-kulturellen Einfluss) dominierten Institutionen der Diaspora eine wesentliche Rolle. S. dazu Tölölyan, Khachig: Elites and Institutions in the Armenian Transnation. In: Diaspora 9/1 (2000), 107 – 136. 23 Die sich aus den auf mehreren Ebenen bestehenden Vernetzungen zwischen Herkunftsort, Aufnahmeland und den weiteren Gemeinden derselben ethnisch-kulturellen oder ethnoreligiösen Gruppe ergebende Dreiecksbeziehung bildet ein zur (zumindest idealtypisch so gedachten) linearen Migration von einem Ursprungs- zu einem Zielort in Kontrast stehendes konstitutives Merkmal von Diasporas. Siehe dazu zum Beispiel Kokot, Waltraud: Diaspora – Ethnologische Forschungsansätze. In: Interkulturelle Kommunikation und Diaspora. Die kulturelle Gestaltung von Lebens- und Arbeitswelten in der Fremde. Hg. v. Alois Moosmüller. Münster-New York-Berlin 2002, 29 – 39. 24 Beispiele solcher kritischer Stellungnahmen finden sich unter anderem in Mayer, Ruth: Diaspora. Eine kritische Begriffsbestimmung. Bielefeld 2005. – Dufoix, Diasporas 2006 und 2008. – Tiškov, Valerij A.: Istoričeskij fenomen diaspory [Das historische Phänomen der Diaspora]. In: Etnografičeskoe Obozrenie 2 (2000), 43 – 63. – Gilroy, Paul: Diaspora. In: Paragraph 17/1 (1994), 207 – 212. – Clifford, James: Diasporas. Aus: Cultural Anthropology 9/3 (1994). In: Migration, Diasporas and Transnationalism. Hg. v. Steven Vertovec und Robin Cohen. Cheltenham-Northampton 1999, 215 – 251.

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Diaspora: Einige theoretische Vorbemerkungen

entsprungenen 25 Schule sind die Identifikationen und das Bewusstsein der Diaspora, das Verhältnis von Heimat und Exil bzw. Zentrum und Peripherie sowie Fragen der Globalisierung, Transnationalisierung und Hybridität. Die in der Tradition des Postkolonialismus stehenden Vertreter der Diasporaforschung beschrieben Diasporas mitunter als „emblems of transnationalism“26 und attestierten ihnen Qualitäten, welche symptomatisch für die Welt im Zeitalter der „Globalisierung“ seien, so deren „Hybridität“ und „Glokalität“, womit das kulturelle Leben der Diaspora im „Dazwischen“ (in Homi Bhabhas Drittem Raum), also jenseits herkömmlicher, eindeutiger Identitäten sowie ihr Bezug zum Globalen einerseits wie zum Lokalen andererseits gemeint ist. Derartige „glokale Hybride“ besäßen das Privileg besonderer Einsicht, könnten dank ihrer „speziellen Position […] kritisch dominante Diskurse von Nation und Liberalismus beleuchten“27 – die Diaspora wird in diesem Diskurs zur „Metapher einer Form von Befreiungskampf“.28 Was bei dieser Lesart jedoch leicht aus dem Blickwinkel gerät, ist die Tatsache, dass sich die Angehörigen von Diasporas in der Regel als partikulare Gemeinschaft imaginieren, wobei der Kategorie des Ursprungs bzw. der ursprünglichen Herkunft besondere Bedeutung beigemessen wird, sie ihr Kollektiv also in den meisten Fällen entlang primordialer kulturell-hereditärer Marker konstruieren. In diesem Sinne muss Diaspora als ein „special case of ethnicity“29 verstanden werden. Die Position der dekonstruktivistischen Kritiker einer kategorialen Diasporaforschung steht derweil in Analogie zur Kritik am so genannten primordialistischen Modell der Nationalismusforschung. Letzteres postuliert die einer jeden Ethnie innewohnenden „ursprünglichen“ kulturellen und sozialen Eigenschaften und versteht Nationen daher nicht als moderne und instrumentale Konstrukte, sondern als Resultat einer quasinatürlichen Genese.30 Nun ist jedoch Ethnizität – ebenso wie etwa Nation und Rasse – nicht ein 25 Dufoix, Diasporas 2006, 313. 26 Tölölyan, Khachig: The Nation-State and Its Others: In Lieu of a Preface. In: Diaspora 1 (1991), 3 – 7, hier 6. Tölölyan selbst kritisiert jedoch in einem späteren Artikel die „scholarly celebration of the diasporic“ als porös, kosmopolitisch, deterritorialisiert und „capable of offering […] flexible, multiple identities“, da er eine solche Sichtweise zwar nicht für grundsätzlich falsch, aber als zu einseitig betrachtet. Er schreibt: „Exercises of power and nationalism […], the drive for location and reterritorialization […] is the indispensable other of diasporic mobility and porousness.“ Ders., Elites and Institutions, 112. 27 Wie Faist die betreffenden Thesen kritisch zusammenfasst. Faist, Thomas: Grenzen überschreiten. Das Konzept transstaatliche Räume und seine Anwendungen. In: Transstaatliche Räume. Politik, Wirtschaft und Kultur in und zwischen Deutschland und der Türkei. Hg. v. Dems. Bielefeld 2000, 9 – 56, hier 44. Siehe auch Faist, Thomas: Jenseits von Nation und Postnation. Eine neue Perspektive für die Integrationsforschung. In: Transstaatliche Räume. Politik, Wirtschaft und Kultur in und zwischen Deutschland und der Türkei. Hg. v. Dems. Bielefeld 2000, 339 – 392, hier 376 f., sowie Cohen, Global Diasporas, 11 – 13. 28 Moosmüller, 15. 29 Sökefeld, Martin: Mobilizing in Transnational Space: A Social Movement Approach to the Fornation of Diaspora. In: Global Networks 6, 3 (2006), 265 – 284. 30 Den Gegenstandpunkt der „Modernisten“ vertreten z. B. Benedict Anderson und Ernest Gellner.

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Ding in der Welt, sondern eine Sichtweise auf die Welt, wie Rogers Brubaker überzeugend dargelegt hat.31 Wie andere mentale Kategorien auch bildet sie ein Koordinatensystem, entlang dessen die Erfahrungen und Wahrnehmungen des Individuums verarbeitet, geordnet und bewertet werden. Ethnische Identifikation bedeutet demnach die Kategorisierung des personellen Selbst nach als ethnisch definierten Parametern. Die Bevorzugung einer solchen gegenüber anderen denkbaren „Identitäten“32 geschieht jedoch situativ, das heißt in einen gegebenen kontextuellen Beziehungsrahmen eingebettet. Bestimmte Situationen ermöglichen oder begünstigen demnach die Selbst- und Fremd-Identifikation als ethnisch, welcher in genannten Situationen mehr Bedeutung für die Konstitution des Selbst und für dessen Verortung im sozialen Raum beigemessen wird als anderen möglichen Identifikationen. Ebenso wie etwa Gender ist Ethnizität somit eine Konstruktion, die ungeachtet ihres Konstruktionscharakters soziale Wirkmacht entfaltet,33 fungiert sie doch nicht nur als individuelle und interindividuelle Wahrnehmungs- und Handlungskategorie, sondern legitimiert sich auch und gerade durch ihren Anspruch, als gleichartig wahrgenommene Subjekte zu einer Gemeinschaft zusammenzuschließen. Das Wesen jener Gleichartigkeit ist für die Bildung der Gemeinschaft konstitutiv, bezieht sich also auf Eigenschaften, welche als ethnisch bedeutungsvoll gewertet werden wie genetische Abkunft, Sprache, physisches Erscheinungsbild oder Gewohnheiten des lebenspraktischen Verhaltens. Jedoch wird dabei nicht allen zur Verfügung stehenden Eigenarten gleiche Signifikanz für die Kennzeichnung von Zugehörigkeit beigemessen: „Some cultural features are used by the actors as signals and emblems of differences, others are ignored, and in some relationships radical differences are played down and denied.“34 Die Bedeutung der mithilfe solcher Marker geschaffenen symbolischen Grenze geht demnach über jene des tatsächlichen Vorhandenseins von Gemeinsamkeiten innerhalb der Wir-Gruppe sowie von Unterschieden zur Fremdgruppe hinaus, sodass „the ethnic boundary […] defines the group, not the cultural stuff that it encloses“.35

31 Brubaker, Rogers: Ethnizität ohne Gruppen. Hamburg 2007. 32 Identität wird hier und im Folgenden verstanden als von den Akteuren selbst als solche wahrgenommene Identität, im Sinne einer Praxiskategorie. Zum Problem des Begriffes „Identität“ siehe Brubaker, Rogers/Cooper, Frederick: Beyond „Identity“. In: Theory and Society 29 (2000), 1 – 47, online unter: http://www.sscnet.ucla.edu/soc/faculty/brubaker/Publications/18_Beyond_Identity.pdf (13. 05. 2016). 33 Da Ethnizität also nicht nur eine Kategorie des Denkens sondern auch eine Kategorie des Handelns ist, gewinnt sie Wirklichkeit, insofern als ihre Folgen real sind (in Anlehnung an das viel zitierte Theorem „If men define situations as real, they are real in their consequences“. Thomas, William Isaac/Thomas, Dorothy Swaine: The Child in America: Behavior Problems and Programs. New York 1928, 527). 34 Barth, Fredrik: Introduction. In: Ethnic Groups and Boundaries. The Social Organization of Culture Difference. Hg. v. Dems. Bergen 1969, 1 – 37, hier 14. 35 Ebd., 15.

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Diaspora: Einige theoretische Vorbemerkungen

Seit der Jahrhundertwende befindet sich die Diasporaforschung – folgt man Robin Cohens Ausführungen zu deren historischer Entwicklung 36 – in einer Phase der Konsolidierung, in welcher zwar Elemente der postmodernistischen, dekonstruktivistischen Kritik Eingang gefunden haben, Letztere aber auch als Gefährdung der analytischen und deskriptiven Wirkungsmacht des Diaspora-Begriffes erkannt wurde, weshalb seitdem die grundlegenden Elemente und Idealtypen der „diasporischen Idee“ eine Bestätigung erfahren haben.37 Wenn man also nicht so weit gehen will wie Stéphane Dufoix, der dem Konzept Diaspora theoretische Leblosigkeit sowie ein prinzipielles Unvermögen, reale Phänomene zu beschreiben, und überhaupt die wissenschaftliche Nutzlosigkeit unterstellt,38 so tut man sicher gut daran, sich beim instrumentalen Umgang mit Diaspora zumindest zweier Dinge bewusst zu bleiben. Zum einen umschreiben solche Kategorien, Subkategorien und Typologien wie die oben dargestellten und weitere stets Idealtypen und nicht zwangsläufig die faktische Realität. Idealtypen im weberischen Sinn stellen ein Werkzeug zum leichteren Verständnis der Realität über den Weg der Simplifizierung ebendieser Realität dar.39 Der Idealtyp dient in diesem Sinne als Maßstab, mit dessen Hilfe Ähnlichkeiten und Unterschiede aufgezeigt werden können,40 kann jedoch niemals die vielgestaltige Realität mit all ihren „Abweichungen“ und „Ausnahmen“ spiegelbildlich wiedergeben. Zum anderen kann und sollte Diaspora verstanden werden als spezifische Art der wechselseitigen sozialen Beziehungen, der Lebensstrategien und -praktiken sowie als situative Antwort auf die speziellen Herausforderungen im Aufnahmeland.41 Diaspora wäre dann eine Strategie der Adaption der Migranten an die aufnehmende Gesellschaft.42

2.2  Die wirtschaftliche Bedeutung der Diaspora Einen wichtigen Aspekt des wissenschaftlichen Interesses am Diasporaphänomen bildete seit dem 18. Jahrhundert der augenfällige wirtschaftliche Erfolg bestimmter ethnischer, kultureller und/oder religiöser Minderheiten. Besonders die, gemessen an ihrem geringen 36 Cohen, Global Diasporas, 1 f. 37 Ebd., 2. 38 Dufoix, Diasporas 2008, 107 f. 39 Cohen, Global Diasporas, 161. 40 Ebd. 41 Deren Grundlage die Absicht zur Aufrechterhaltung der eigenen Lebensart außerhalb der „Heimat“ bildet. Djatlov, Viktor: Čto takoe diaspora [Was ist Diaspora]? In: Armjanskaja diaspora: očerki sociokul’turnoj tipologii. Hg. v. Dems. und Ėduard Melkonjan. Erevan 2009, 7 – 35, hier 24. 42 Ebd., 25. Denise Aghanian bemerkt: „In many respects Diasporas are not actual but imaginary and symbolic communities.“ Aghanian, Denise: The Armenian Diaspora. Cohesion and Fracture. Lanham-Boulder-New York-Toronto-Plymouth 2007, 36.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Diaspora

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Anteil an der Gesamtpopulation einer gegebenen Region, unverhältnismäßig starke Präsenz dieser Minderheiten respektive Diasporas in manchen Bereichen des wirtschaftlichen Lebens, insbesondere jenen des Handels und Finanzwesens stand dabei im Zentrum wissenschaftlicher Beachtung. Naturgemäß bezog sich diese Beobachtung in jener Zeit und in vielen Fällen sogar bis zum heutigen Tag auf die jüdische Diaspora Europas.43 Besonders die deutschen Pioniere der Soziologie 44 des 19. und frühen 20. Jahrhunderts widmeten sich diesem Problem und schufen zu jener Zeit Werke, die zum Teil bis heute ihren Einfluss auf die Theorienbildung in der Diasporathematik ausüben. Besonders die Werke Max Webers, danach die Arbeit Werner Sombarts beeinflussten das Denken über den Zusammenhang zwischen Diaspora und Wirtschaft (genauer: wirtschaftlicher Entwicklung) nachhaltig. Sombart vertrat in seinem „Die Juden und das Wirtschaftsleben“ von 1911 den Standpunkt, die Juden seien die Begründer des modernen, individualistischen und rationalen Kapitalismus in Europa gewesen.45 Ihr Erfolgsrezept erblickt Sombart unter anderem in dem Umstand, dass sich die Juden, anders als ihre christlichen Konkurrenten, nicht an die wirtschaftliche Tätigkeit beschränkenden christlichen Traditionen und moralischen Vorgaben zu halten brauchten 46 und dadurch eine moderne, kommerzialisierte Form des Wirtschaftens betreiben konnten.47 Hinzu kämen weitere den Handel begünstigende Faktoren wie ihre räumliche Verbreitung und ihr (rationales statt traditionales Verhalten befördernder) Charakter der Fremdheit innerhalb der christlichen europäischen Gesellschaften. Schließlich nennt Sombart auch ein spezifisches „jüdisches Wesen“,48 das in einer hohen Anpassungsfähigkeit, Einfühlungsvermögen sowie abstraktem und rationalem Denken Ausdruck finde,49 sowie die jüdische Religion selbst. Demgegenüber sprach Weber den Juden in „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ (1904 – 1905, überarbeitet 1920) und in dem 1922 posthum erschienenen Werk „Wirtschaft und Gesellschaft“ eine solche Rolle kategorisch ab. Zwar räumte auch Weber ein, dass „an der wichtigen ökonomischen Rolle der Juden in der wirtschaft­ lichen Entwicklung der Neuzeit nicht gezweifelt“50 werden könne, doch seien sie klassische 43 Walter P. Zenner nennt Voltaire, Kant und Marx als Beispiele für jene Intellektuellen, die sich schon im 18. und 19. Jahrhundert mit der Frage des Zusammenhangs zwischen den Eigenheiten und der wirtschaftlichen Partizipation der Juden auseinandersetzten. Zenner, Walter P.: Minorities in the Middle. New York 1991, 1. 44 Ebd, 2. 45 Sombart, Werner: Die Juden und das Wirtschaftsleben. Leipzig 1911, VII, 15, 24. 46 Ebd., 140 f, 151 – 153. 47 Ebd., 176 f, 179 f. 48 Ebd., 328. 49 Ebd., 328 – 334. 50 Lehmann, Hartmut: The Rise of Capitalism: Weber versus Sombart. In: Weber’s Protestant Ethic. Origins, Evidence, Contexts. Hg. v. Dems. und Guenther Roth. Cambridge 1993, 195 – 208, hier 203.

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Vertreter eines „vormodernen, spekulativen, politisch orientierten, nicht bürgerlichen“ oder „Abenteurer-Kapitalismus“51 gewesen, der geprägt sei von moralisch-wirtschaftlicher Skrupellosigkeit, vorbehaltlosem Geldtrieb und rücksichtslosem Gewinnstreben, Traditionsgebundenheit und einer wirtschaftlichen „Doppelethik“52. Diese Doppelethik mit ihrer unterschiedlichen Außen- und Binnenmoral als Hauptkennzeichen des jüdischen „Pariah­ kapitalismus“53 habe verhindert, dass die Juden zu Begründern des modernen Kapitalismus werden konnten,54 welcher, gemäß dem puritanischen Leitsatz „honesty is the best policy“,55 von einer gegenüber allen Kunden, Wirtschaftspartnern etc. einheitlichen Wirtschaftsethik getragen werde. Das Konzept des Pariahvolkes, das einen dem modernen Kapitalismus gegenübergestellten „Pariahkapitalismus“ betreibe, womit entweder implizit oder explizit auch die evolutionär inferiore Position des Letzteren oder ein ihm inhärenter Mangel (Mangel an Rationalität, Mangel an Modernität, Mangel an Innovation usw.) zum Ausdruck gebracht wird, blieb schon bei Weber nicht auf die Juden beschränkt, sondern bezog sich bei ihm und vielen nachfolgenden Autoren und Autorinnen auch auf andere Minderheiten- bzw. Diasporagruppen, oder überhaupt auf außereuropäische (das heißt außerwestliche?) ökonomische Akteure. Daher findet sich vieles von dem, was schon bei Weber in Bezug auf das jüdische „Pariahvolk“ konstatiert wird, auch noch in der neueren Literatur, die sich mit der wirtschaftlichen Tätigkeit und Rolle von Diasporagruppen beschäftigt – sei es in zustimmender oder kritischer Art.56

2.2.1  Händlerdiasporas, Handelskolonien und middleman minorities Die wissenschaftliche Debatte um die wirtschaftliche Aktivität von ethnischen Minderheiten hat im Laufe der letzten Jahrzehnte eine Fülle von Literatur hervorgebracht, die sich in ihrer Mehrzahl vorwiegend mit dem Phänomen der sogenannten ethnic economy neuerer Einwanderergruppen in westlichen Industrienationen (d. h. vorwiegend in den USA) beschäftigt. Auch in der Sowjetunion wurden in den 1970er Jahren Arbeiten verfasst, die

51 Weber, Max: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Tübingen 1934, 181. Sonderdruck aus: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I. Tübingen 1920, 1 – 206. 52 Ebd., 42 f. 53 Ebd., 181. 54 Ebd., 181 f. – Weber, Max: Wirtschaftsgeschichte. Leipzig 1923, 307. 55 Ebd., 312. 56 Zu den kritischen Stellungnahmen s. Momigliano, Arnaldo: A Note on Max Weber’s Definition of Judaism as a Pariah Religion. In: History and Theory 19/3 (1980), 313 – 318 und Love, John: Max Weber’s Ancient Judaism. In: The Cambridge Companion to Weber. Hg. v. Stephen P. Turner. Cambridge 2000, 200 – 222.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Diaspora

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sich dem beschriebenen Phänomen widmeten.57 Allerdings gestaltete sich die theoretische Einordnung dieses Phänomens aufgrund der durch die marxistisch-leninistischen Vorgaben erzeugten ideologischen Beschränkungen als schwierig. Erst in den 1990er Jahren fand die russische Diasporaforschung Anschluss an den in Nordamerika und Westeuropa geführten theoretischen Diskurs.58 Da viele der Prämissen jener Diskussion jedoch auf unseren Forschungsgegenstand nicht oder nur zum Teil anwendbar sind, soll an dieser Stelle der/die interessierte LeserIn lediglich zum weiteren Studium an einige der prominentesten Vertreter dieser Debatte verwiesen werden.59 Zwei theoretische Konzepte, die unserem Forschungsgebiet näher liegen als die sich vorwiegend auf industrielle und postindustrielle Gesellschaften beziehende ethnic economy, sind 57 Dabei bezog man sich zumeist auf die unternehmerische Tätigkeit der chinesischen Minderheit in Südostasien. Djatlov, Viktor: Predprinimatel’skie men’šinstva: Torgaši, čužaki ili poslannye bogom [Unternehmerminderheiten. Krämer, Fremdlinge oder Gottgesandte]? Moskva 1996. In: http://www. situation.ru/app/rs/lib/torg/index.htm (17. 05. 2016). 58 Hier wurde die Anwendbarkeit dieses vorwiegend aus den USA stammenden Konzepts auf die zeitgenössischen russischen Verhältnisse wiederholt in Zweifel gezogen. S. dazu Brednikova, Ol’ga/Pačenkov, Oleg: Ėtničnost’ “ėtničeskoj ėkonomiki” i social’nye seti migrantov [Die Ethnizität der „ethnischen Ökonomie“ und die sozialen Netzwerke der Migranten]. In: Ėtničnost’ i ėkonomika. Sbornik statej po materialam meždunarodnogo seminara. Sankt Peterburg 9.–12. 9. 1999. Hg. v. O. Brednikova, V. Voronkov und E. Čikadze. St. Peterburg 2000. In: http://cisr.ru/publications/etnichnost-i-ekonomika/ (13. 06. 2016). – Damberg, Sergej/­ Čikadze, Elena: Armjane v obuvnom biznese Peterburga [Armenier im Schuhgeschäft Petersburgs]. In: Ebd. – Gabdrachmanova, G. F.: Ėtničnost’ i ėkonomika: Poisk metodologii issledovanij [Ethnizität und Ökonomie. Suche der Methodologie der Untersuchungen]. In: http://www.isras.ru/ abstract_bank/1207645684.pdf (28. 02. 2011). – Ryžova, N. P.: Fenomen ėtničeskogo predprinimatel’stva: zapadnaja tradicija i rossijskoe pročtenie [Das Phänomen ethnischen Unternehmertums: westliche Tradition und russländische Lesart]. 2008. In: http://www.nrgumis.ru/articles/123/ (13. 06. 2016). – Voronkov, Viktor: Suščestvuet li ėtničeskaja ėkonomika [Exisitiert eine ethnische Ökonomie]? In: Ėtničnost’ i Ėkonomika. Sbornik statej po materialam meždunarodnogo seminara. Sankt Peterburg 9.–12. 9. 1999. Hg. v. O. Brednikova, V. Voronkov und E. Čikadze. St. Peterburg 2000. In: http://cisr.ru/publications/etnichnost-i-ekonomika/ (13. 06. 2016). 59 Es sind vor allem folgende Autoren und Werke zu nennen: Aldrich, Howard/Waldinger, Roger: Ethnicity and Entrepreneurship. In: Annual Review of Sociology 16 (1990), 111 – 135. – Bonacich, Edna: The Other Side of Ethnic Entrepreneurship: A Dialogue with Waldinger, Aldrich, Ward and Associates. In: International Migration Review XXVII /3 (1993), 685 – 692.  – Light, Ivan/­ Karageorgis, Stavros: The Ethnic Economy. In: Handbook of Economic Sociology. Hg. v. Neil J. Smelser und Richard Swedberg. Princeton 1994, 647 – 671. – Portes, Alejandro: The Economic Sociology of Immigration. Essays on Network, Ethnicity, and Entrepreneurship. New York 1995. – Rosen, Bernard C.: Race, Ethnicity, and the Achievement Syndrome. In: American Sociological Review 24/1 (1959), 47 – 60. – Waldinger, Roger: Immigrant Enterprise. A Critique and Reformulation. In: Theory and Society 15 (1986), 249 – 285. – Ders./Aldrich, Howard/Ward, Robert: Ethnic Entrepreneurs. Newbury Park-London-New Delhi 1990.

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jene der Händlerdiaspora 60 und der so genannten middleman minority 61. Dabei stehen die diesen Bezeichnungen zugrunde liegenden Thesen in enger Verbindung und teils weitgehender Überschneidung miteinander.62 Zweck beider Konzepte ist die Beschreibung und ursächliche Erklärung des bereits weiter oben angesprochenen Phänomens des wirtschaft­ lichen Erfolgs bestimmter ethnischer, kultureller und/oder religiöser Minderheiten bei deren gleichzeitiger politischer Machtlosigkeit in einer gegebenen Aufnahmegesellschaft 63 – insbesondere innerhalb der Rahmenbedingungen einer vormodernen, agrarischen, feudalen und vornationalen (multiethnischen) Gesellschaft. Grundlegende Werke zur Theorie der Händlerdiaspora sind jene des Anthropologen Abner Cohen 64 (der auch als Vater des Begriffes gilt) und des Historikers Philip Curtin 65. Eine Händlerdiaspora tritt hier als besondere Form der sozialen Organisation in Erscheinung, deren Ziel die Kontrolle oder gar Monopolisierung bestimmter Zweige des (Fern-) Handels ist, was durch deren Ethnisierung erreicht werden soll. Angesichts der der Diaspora mangelnden Möglichkeit formaler und physischer Zwangsausübung auf ihre Mitglieder zum Zwecke genannter Monopolisierung basiert die Händlerdiaspora auf rituellen bzw. religiösen Glaubensinhalten, Strukturen und Praktiken, welche sowohl ihren inneren Autoritätsmechanismen zugrunde liegen 66 als auch vor Infiltration von außen und damit vor dem Bruch des wirtschaftlichen Monopols durch Außenseiter schützen. Die Religion dient in diesem Sinne als „Blaupause“ für die Errichtung eines Diasporanetzwerks,67 welches in seiner Organisation mit strategisch situierten Gemeinden innerhalb eines Handels- und Siedlungsnetzwerks als „interrelated net of commercial communities“68 strukturelle Stabilität mit personeller Mobilität kombiniert.69 Die Händlerdiaspora kann also als Strategie verstanden werden, diverse technische Probleme, die der Fernhandel unter den Bedingungen

60 In der Literatur alternierend als „trade diaspora“, „trading diaspora“, „Handelsminderheit“ und „merchant diaspora“/„Kaufmannsdiaspora“ bezeichnet. 61 Da in der deutschsprachigen Literatur dieser Begriff in der Regel unübersetzt Verwendung findet, wird er auch in der vorliegenden Arbeit in seiner englischen Originalfassung belassen. Alternative, wenn auch weniger verbreitete Bezeichnungen der middleman minority sind mobile/mobilisierte Diaspora und imperiale Minderheit. 62 Diese Überlappung lässt sich unter anderem daran ersehen, dass etwa Viktor Djatlov in seinen Arbeiten überwiegend den Terminus „Händlerminderheiten“ bzw. „Handelsvolk“ gebraucht, sich damit aber auf dasselbe Phänomen, das andernorts als middleman minority bezeichnet wird, bezieht. S. Djatlov, Predprinimatel’skie men’šinstva und Ders.: Evrei: diaspora i “torgovy narod” [Juden: Diaspora und „Handelsvolk“]. In: Sibirskij Evrejskij Sbornik 2 (1996), 6 – 14. 63 Zenner, Minorities in the Middle, xii. 64 Cohen, Abner: Custom and Politics in Urban Africa. London 1969; Ders.: Cultural Strategies. 65 Curtin, Philip D.: Cross-Cultural Trade in World History. Cambridge 1984. 66 Cohen, Cultural Strategies, 269. 67 Ebd., 277. 68 Curtin, 2. 69 Cohen, Cultural Strategies, 267.

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einer vorindustriellen und multiethnischen Gesellschaft mit sich bringt, zu lösen,70 sowie gleichzeitig und in Verbindung damit als bestimmte Form der Herrschaftsausübung (nach innen) und als ein Mittel im Kampf um ökonomische und soziale Ressourcen im Aufnahmeland.71 Dabei waren die Aktivitäten der Händlerdiaspora nicht nur für diese selbst von ökonomischem Nutzen, sondern brachten auch der jeweiligen Aufnahmegesellschaft wirtschaftliche Vorteile, da Letztere von den Kultur vermittelnden Funktionen der Diaspora profitierte, welche im Rahmen des interethnischen/interkulturellen Handels notwendig wurden.72 Wo eine größere Gruppe von Vertretern einer solchen Händlerdiaspora sich, sei es auf Zeit oder dauerhaft, zum Zwecke ihrer Geschäftstätigkeit niederließ, spricht man häufig von Händler- oder Handelskolonien. Zwar bezeichnet im deutschen geschichtswissenschaftlichen Sprachgebrauch der Begriff Kolonie (von lat. colere: bebauen, [be-]wohnen, pflegen, ehren) in den meisten Fällen ein „durch Unterwerfung angeeignetes und in Abhängigkeit gehaltenes (meist überseeisches) Gebiet“73 sowie die Siedlung der zum Mutterland, welches exklusive Besitzansprüche auf die Kolonie erhebt, in Abhängigkeit stehenden eingewanderten Kolonisten (d. h. der „landfremden Herrschaftsträger“) als ein politisch-gesellschaftlicher Personenverband 74. Somit wird „Kolonie“ üblicherweise in einem semantischen Zusammenhang mit Kolonialismus interpretiert, welcher die Elemente des Herrschafts- und Besitzanspruches des so genannten Mutterlandes über die Kolonie sowie der (politischen, wirtschaftlichen) Abhängigkeit der Kolonie vom Mutterland betont. So lässt Finley in seiner Typologisierung von Kolonien gesellschaftliche Gebilde von Landfremden, welche das Merkmal einer solchen Abhängigkeit nicht teilen, wie z. B. die Stützpunkte im Handelsnetzwerk der Genueser, nicht als Kolonien gelten, sondern sieht sie lediglich als Kontore im Rahmen des osmanisch-europäischen Kapitulationssystems.75 Und auch Braudel spricht von Handelskolonien nur in exploitativem, dependentem Sinne, etwa wenn es um die Dominanz der Engländer über die Wirtschaft Portugals im 18. Jahrhundert geht.76

70 Ebd., 266 f. Genannte technische Schwierigkeiten liegen in der Sicherung eines kontinuierlichen und schnellen Austauschs von Informationen betreffend die Marktkonditionen, in der Geschwindigkeit des Umsatzes von Waren und Kapital und in der Organisation von Kredit und Vertrauen, auf welchen der Handel basiert. Cohen, Custom and Politics, 19. 71 Djatlov, Čto takoe diaspora, 32. 72 Curtin, 3. 73 Pfeifer, Wolfgang: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Berlin 1993. Digitalisiert unter: www.dwds.de (23. 05. 2016). 74 Osterhammel, Jürgen: Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen. München 62009 (11995). 75 Finley, M. I.: Colonies. An Attempt at a Typology. In: Transactions of the Royal Historical Society 5/26 (1976), 167 – 188. 76 Braudel, Fernand: Sozialgeschichte des 15.–18. Jahrhunderts. Bd. 2: Der Handel. Frankfurt am Main u. a. 1986.

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Doch existiert neben der genannten noch eine weitere historisch relevante Bedeutung des Begriffs Kolonie. Diese Bedeutung bezieht sich nicht auf die Dichotomie zwischen Eroberern und Eroberten, Kolonisierenden und Kolonisierten und auf das sich in politischen Ansprüchen, militärischem Zwang und/oder wirtschaftlicher Ausbeutung äußernde Machtgefälle zwischen beiden, sondern beschreibt „Kolonie“ eher im Sinne der lateinischen colonia (Ansiedlung, Niederlassung) als „Personengruppe gleicher Nationalität außerhalb des Mutterlandes“77 oder „Gruppe von Ausländern gleicher Nationalität in einer Stadt oder einem Land, die gemeinsame Interessen verfolgt oder Traditionen pflegt“78. In dieser Konnotation rückt die Kolonie in konzeptionelle Nähe zur Diaspora. So definieren die Herausgeber einer neuen Anthologie zum Thema Händlerkolonien Letztere synonym zur Händlerdiaspora als „establishment of groups of merchants of a shared ethnicity in foreign lands and the creation of international commercial networks in the early modern period“79. Anders als beim weiter oben beschriebenen Verständnis von Kolonie spricht man im Falle der Händlerkolonie also von einer Niederlassung landesfremder Kaufleute einer bestimmten ethnischen und/oder regionalen Herkunft, die im Aufnahmeland privilegierten Status genießen und meist fortgesetzte Beziehungen zu ihren Herkunftsorten unterhalten, gleichzeitig aber der politischen und administrativen Autorität der Institutionen dieses Aufnahmelandes unterstehen (ähnlich der antiken Paroikia in der Welt der griechischen Kolonien). Angesichts ihrer Beförderung der Außenhandelsbeziehungen einer Stadt oder eines Landes und deren/dessen Einbindung in eine stetig expandierende Weltwirtschaft, angesichts der dadurch erfolgenden Erhöhung des Warenumschlages von Häfen und der damit einhergehenden Steigerung von Zoll- und Steuereinnahmen und schließlich der Vermittlung von bisher wenig verbreiteten Techniken der Handels- und Unternehmensführung gewährte die örtliche politische Elite in vielen Fällen den Kaufleuten solcher Minderheitengemeinschaften Schutz und Privilegien nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiet, sondern etwa auch im Bereich der Religionsausübung oder der mehr oder weniger begrenzten inneren Selbstverwaltung ihrer Kolonien. Letztere organisierten sich zum Beispiel im Mittelmeerraum, dem jeweiligen rechtlichen und infrastrukturellen Rahmen vor Ort gemäß, in semiautonomen Gemeinden oder so genannten Nationen, einer aus dem Mittelalter stammenden Institution, die sich über gemeinsame Handelsinteressen ebenso wie über die gemeinsame geographische Herkunft definierte 80; vielerorts vertrat ein zu diesem Zweck ernannter oder auch von der jeweiligen „Nation“ selbst gewählter Konsul diese gegenüber den lokalen

77 Pfeifer. 78 Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS). Hg. v. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Online unter: www.dwds.de (23. 05. 2016). 79 Zakharov, Victor N./Harlaftis, Gelina/Katsiardi-Hering, Olga: Introduction. In: Merchant Colonies in the Early Modern Period. Hg. v. Victor N. Zakharov, Gelina Harlaftis und Olga Katsiardi-Hering. London 2012, 1 – 10, hier 2. 80 Schwara, Desanka: Kaufleute, Seefahrer und Piraten im Mittelmeerraum der Neuzeit. Entgrenzende Diaspora – verbindende Imaginationen. München 2011, 33.

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Behörden. Mitunter waren die fremden Kaufleute in der Ausübung ihrer Tätigkeit auf ausgewiesene Plätze beschränkt wie auf die „Fondaci“ genannten Handelshöfe in Venedig für deutsche und osmanische Händler. An den Orten ihrer Händlerkolonien verstanden es deren Mitglieder also, die jeweilige institutionelle Umgebung zugunsten ihrer (nicht nur) merkantilen Tätigkeit und deren weiterer Expansion zu nutzen. Zum Bedeutungsverlust und schließlich zum Verschwinden der frühneuzeitlichen Händlerkolonien trugen zweifellos mehrere Faktoren bei. Zum einen führte zunehmende Konkurrenz durch einheimische Kaufleute oder Handelsgesellschaften im Laufe der Zeit zum Verlust der Dominanz vieler fremder Händlergemeinschaften auf bestimmten Gebieten insbesondere des Fernhandels. Zum anderen spielte auch die wirtschaftliche wie politische Konjunktur vor Ort eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Handelskolonien ebenso wie der sie beherbergenden Städte. Schließlich konnten selbst Ereignisse fernab der Handelskolonie diese und das Netzwerk, in welches sie eingebettet war, bedrohen. So erholte sich etwa das riesige eurasische Handels- und Kommunikationsnetzwerk der Armenier von Neu-Julfa, von welchem später noch die Rede sein wird, nie mehr von der Zerstörung seines zentralen Knotenpunkts durch die politischen Zerrüttungen im Iran der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Faktoren des wirtschaftlichen Erfolgs der Händlerdiaspora liegen zum einen in ihren sozioökonomischen (ethnischen, kulturellen und/oder familiären) Netzwerken, den Mechanismen der inneren Solidarität und des Vertrauens sowie dem sprachlichen und kulturellen Wissen – also in den diasporatypischen Eigenschaften der Gruppe selbst.81 Zum anderen sind es aber auch ihre spezifischen funktionalen Charakteristika, vor allem ihre Funktion als Füller einer ökonomischen Nische in der Gastgesellschaft,82 sowie die in der Aufnahmegesellschaft vorgefundenen politischen Umstände und die sich dadurch der Diaspora bietenden Möglichkeiten 83 und schließlich die ethnische Differenz zwischen Händler und Kunden selbst, welche die dem Handel inhärenten sozialen Spannungen zwischen den genannten Parteien reduzieren 84 und den Händler außerdem von wirtschaftlich beschränkenden Werten und Traditionen der Gastgesellschaft befreien kann,85 welche die wirtschaftliche Tätigkeit der Händlerdiaspora begünstigen. Hieran knüpft die Diskussion um die Rolle des Fremden 81 So z. B. auch bei Cohen, Global Diasporas. 11997, 160. 82 Z. B. bei Cohen, Global Diasporas. 11997. – Curtin. – Djatlov, Viktor: Diaspora: popytka opredelit’sja v ponjatijach [Versuch einer Begriffsdefinition]. In: Diaspory. Nezavisimyj Naučnyj Žurnal 1 (1999), 8 – 23. 83 Baghdiantz McCabe, Ina: Global Trading Ambitions in Diaspora: The Armenians and their Eurasian Silk Trade, 1530 – 1750. In: Diaspora Entrepreneurial Networks. Four Centuries of History. Hg. v. Ders., Gelina Harlaftis und Ioanna Pepelasis Minoglou. Oxford-New York 2005, 27 – 48. – Gourgouris, Stathis: The Concept of “Diaspora” in the Contemporary World. In: Diaspora Entrepreneurial Networks. Four Centuries of History. Hg. v. Ders., Gelina Harlaftis und Ioanna Pepelasis Minoglou. Oxford-New York 2005, 383 – 390. 84 Z. B. bei Foster, Brian L.: Ethnicity and Commerce. In: American Ethnologist 1/3 (1974), 437 – 448. 85 Z. B. bei Sombart und Foster.

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als Innovator, wie er insbesondere bei Georg Simmel 86, in Joseph Schumpeters „innovativem Unternehmer“87 und auch im marginal man bei Robert E. Park 88 in Erscheinung tritt, an.89 Im Mittelpunkt dieser Diskussion stehen die Gelöstheit von den Beschränkungen der Traditionen, der Bräuche und sozialen Bindungen als Vorbedingung von Innovation. Sein Kosmopolitismus, seine Ungebundenheit und daraus erwachsene geistige Beweglichkeit prädestinieren den Fremden, eingefahrene Wege zu verlassen und Neues zu erschaffen. Allerdings sahen und sehen viele Autoren Händlerdiasporas in Bezug auf ihre sozialen Eigenschaften als in der einen oder anderen Weise defizitär. Oftmals wird auf ihre unvollständige Sozialstruktur verwiesen, was sie in scharfem Kontrast zur Aufnahmegesellschaft erscheinen lässt, welche – anders als die Händlerdiaspora – über eine diversifizierte Berufsstruktur, politische und Klassenstratifikation verfüge.90 Darüber hinaus besitze die Händlerdiaspora aufgrund des oftmals geringen gesellschaftlichen Ansehens kommerzieller Berufe in den betreffenden Gastgesellschaften 91 nicht selten hohen Wohlstand bei gleichzeitig niedrigem sozialem Status.92 Außerdem beteilige sich die Händlerdiaspora nicht an politischen Aktivitäten des Gastlandes oder am Staatsaufbau desselben. Doch auch auf wirtschaftlichem Gebiet werden, ganz in der Tradition Webers stehend, den Händlerdiasporas Unternehmungen im Rahmen reiner Familienbetriebe zugeschrieben, welche lediglich 86 Simmel, Georg: Exkurs über den Fremden. Aus: Ders.: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Berlin 1908. In: Der Fremde als sozialer Typus. Klassische soziologische Texte zu einem aktuellen Phänomen. Hg. v. Peter-Ulrich Merz-Benz und Gerhard Wagner. Konstanz 2002, 47 – 53. 87 Schumpeter, Joseph: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus. Berlin 41997 [11912]. 88 Park, Robert: Human Migration and the Marginal Man. In: American Journal of Sociology 33 (1928), 881 – 893. 89 Aufgegriffen wurden diese Thesen in neuerer Zeit unter anderem von Robert Hettlage und John A. Armstrong, während z. B. Everett E. Hagen dem Fremden als sozialem Typus eine Rolle in der Modernisierung bzw. als Innovator prinzipiell abspricht. Hettlage, Robert: Der Fremde: Kulturmittler, Kulturbringer, Herausforderer von Kultur. In: Kulturtypen, Kulturcharaktere. Träger, Mittler und Stifter von Kultur. Hg. v. Wolfgang Lipp. Berlin 1987, 25 – 44. – Armstrong, John A.: Socializing for Modernization in a Multiethnic Elite. In: Entrepreneurship in Imperial Russia and the Soviet Union. Hg. v. Gregory Guroff. Princeton 1983, 84 – 103. – Hagen, Everett E.: On the Theory of Social Change. How Economic Growth Begins. Homewood 1962. 90 Curtin, 5. 91 Gideon Sjoberg erklärt den niedrigen sozialen Status von Händlern und deren Geringschätzung durch die Elite in der vorindustriellen Gesellschaft zum einen damit, dass Händler durch ihre Tätigkeit in Kontakt treten müssen mit den verschiedensten Gruppen der Gesellschaft, also auch der „Unterschicht“, und im Falle des Fernhandels auch zu Fremden und so zu „potenziellen Verbreitern neuer und häretischer Ideen und damit auch potenziellen Gefährdern von Macht und Status der Elite“ würden. Zum anderen resultiert der niedrige Status von Händlern aber auch aus deren „mundaner“ Tätigkeit selbst, welche in Kontrast zum „religiös-philosophischen Wertesystem der dominanten Gruppe“ steht. Sjoberg, Gideon: The Preindustrial City. New York-London 1960, 136, 140, 183. 92 Curtin, 6.

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einen risikoreichen Hausierhandel betrieben hätten,93 ganz im Unterschied zu den rational organisierten europäischen Handelsgesellschaften, die zudem einen Beitrag zum Aufbau „ihres“ jeweiligen Staates geleistet hätten, weshalb sie in den meisten Studien dezidiert von der Bezeichnung als Händlerdiaspora ausgeschlossen werden.94 Allerdings blieben solche Ansichten über die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Defizite der Händlerdiasporas nicht unkritisiert.95 Auf die Bedeutung von Händlerdiasporas (oder middleman minorities, siehe unten) im Bereich von Politik und Administration wird später noch eingegangen werden. Wie bereits angedeutet, lässt sich in Bezug auf die Konzepte der Händlerdiaspora und der middleman minority 96 eine weitgehende Überschneidung feststellen, sowohl was ihre gruppenspezifischen Eigenschaften betrifft als auch hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten und Funktionen. Allerdings steht in Bezug auf die middleman minority – wie es der Name ja schon nahelegt – deren postulierte Mittlerfunktion wie auch deren Rolle in der (sozio) ökonomischen „Modernisierung“ vormoderner Gesellschaften im Zentrum der Betrachtung. Diese Mittlerfunktion der middleman minority bezieht sich auf mehrere Ebenen. Einerseits wird sie, ebenso wie die Händlerdiaspora, als Vermittlerin zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen und (später auch) Staaten gesehen,97 andererseits erlaubt es die nicht untere, sondern mittlere soziale Position ihrer Angehörigen innerhalb der Aufnah 93 Baghdiantz McCabe, Global Trading Ambitions, 35. – Dies., Trading Diaspora, State Building and the Idea of National Interest. In: Conference Proceedings. Interactions: Regional Studies, Global Processes and Historical Analysis (Library of Congress, Washington, D. C. 28.2.–3. 3. 2001). In: http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/p/2005/history_cooperative/www.historycooperative.org/ proceedings/interactions/mccabe.html (13. 06. 2016), 1 – 11, hier 11. 94 Ausnahmen bilden z. B. Masters, Bruce: The Origins of Western Economic Dominance in the Middle East. Mercantilism and the Islamic Economy in Aleppo, 1600 – 1750. New York-London 1988 und Kotkin, Joel: Stämme der Macht. Der Erfolg weltweiter Clans in Wirtschaft und Politik. Reinbek 1996. Masters zählt die englische Levant Company zu den Händlerdiasporas, Kotkin die Briten zu seinen „Weltstämmen“, ein Begriff, den er alternierend mit „Diaspora“ gebraucht. 95 Baghdiantz McCabe, Global Trading Ambitions. – Dies., Trading Diaspora. – Aslanian, Sebouh David: From the Indian Ocean to the Mediterranean. The Global Trade Networks of Armenian Merchants from New Julfa. Berkeley-New York-London 2011. 96 Erstmals gebraucht wurde dieser Begriff von dem amerikanischen Soziologen Howard Paul Becker. Becker, Howard Paul: Constructive Typology in the Social Sciences. In: Contemporary Social Theory. Hg. v. Dems., Harry Elmer Barnes und Frances Bennett Becker. New York-London 1940, 17 – 46. – Ders.: Man in Reciprocity. Introductory Lectures on Culture, Society and Personality. New York 1956. – Ders.: Through Values to Social Interpretation. Essays on Social Contexts, Actions, Types, and Prospects. Durham 1950. Als deutschsprachige, überarbeitete Ausgabe: Ders.: Soziologie als Wissenschaft vom sozialen Handeln. Hg. v. Burkart Holzner. Würzburg 1959. Alternativ gebraucht Becker auch die Bezeichnung „marginales Handelsvolk“, die vermutlich von Robert Parks marginal man inspiriert wurde. 97 Becker, Soziologie, 178 – 181.

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megesellschaft,98 als Mittler zwischen Produzenten und Konsumenten, Arbeitgebern und -nehmern, zwischen Stadt und Land sowie allgemein zwischen der Elite und der Masse der Gesellschaft aufzutreten.99 Daraus folgt (in vormodernen, multiethnischen Gesellschaften) ihre Funktion als Puffer zwischen der herrschenden Elite und der Masse der Bevölkerung. Folgt man Edna Bonacich, so bedingt die dieser Minderheit eigene Orientierung auf das ursprüngliche Heimatland, ihr Motiv der Rückkehr in Letzteres die Bevorzugung von so genannten „liquiden“ Berufen, das heißt solchen, die keine feste Bindung an das Aufnahmeland, etwa durch Kapitalinvestition im Rahmen industriellen Unternehmertums oder im Rahmen der Landwirtschaft, erfordern, sondern über transportables Kapital verfügen und an keinen festen Standort gebunden sind – also Handel, aber auch diverse Dienstleistungen und bestimmte Handwerke.100 Das Rückkehrmotiv bewirke nicht zuletzt auch einen hohen Grad an Zukunfts- und Erfolgsorientierung,101 was zum wirtschaftlichen Erfolg der middleman minority im Aufnahmeland beitrage. Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit die wirtschaftliche Spezialisierung einer Händlerdiaspora oder middleman minority Resultat einer freiwilligen Wahl oder das Ergebnis externer Rollenzuweisung und bestimmter historischer, situativer Bedingungen in der Aufnahmegesellschaft darstellt. Dies wäre insbesondere dort der Fall, wo das Entstehen einer middleman minority mit der Existenz eines „dysfunktionalen ökonomischen Spalts“102 (eines in der Literatur so genannten status gap) bzw. einer ökonomischen Nische in der Aufnahmegesellschaft zusammenhängt.

2.2.2  Von Nischen, gaps und Modernisierung Solche ökonomische Nischen, wie sie eine middleman minority besetzt, entstehen insbesondere dann, wenn in vormodernen, agrarischen, feudalen, dabei häufig multiethnischen und imperialen Staatsgebilden und Gesellschaften im Gefolge ihrer zunehmenden Kapitalisierung und „Modernisierung“103 sowie ihrer verstärkten Einbindung in den Weltmarkt der Bedarf 98 Bonacich, Edna: A Theory of Middleman Minorities. In: American Sociological Review 38 (1973), 583 – 594. 99 Ebd., 583. 100 Ebd., 585. 101 Ebd. 102 Reid, Anthony: Entrepreneurial Minorities, Nationalism, and the State. In: Essential Outsiders. Chinese and Jews in the Modern Transformation of Southeast Asia and Central Europe. Hg. v. Dems. und Daniel Chirot. Seattle-London 1997, 33 – 74, hier 36. 103 Modernisierung bezeichnet einen „Komplex miteinander zusammenhängender struktureller, kultureller, psychischer und physischer Veränderungen, der […] die Welt, in der wir augenblicklich leben, geformt hat und noch immer in eine bestimmte Richtung lenkt“. Diese Entwicklung setzte „im Spätmittelalter langsam ein […] und [setzte] sich im Laufe des [19. und 20.] Jahrhunderts beschleunigt fort […]“. Van der Loo, Hans/Van Reijen, Willem: Modernisierung. Projekt und

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nach Subjekten und Subjektkollektiven entsteht, die komplementäre und vermittelnde Rollen übernehmen und Funktionen erfüllen, die sowohl der Masse der Bevölkerung als auch deren politischer Elite verschlossen sind – sei dies aus Mangel an entsprechenden Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen, sei es aus moralisch-rituellen oder Statusgründen. Letzteres erklärt sich aus dem niedrigen sozialen Status händlerischer und finanzieller Tätigkeiten (aber auch der freien und akademischen Berufe)104 in vielen traditionellen Gesellschaften,105 wo sozialer Status und Prestige in der Regel an Landbesitz und (politische) Macht gebunden war – gerade jene Bereiche, welchen der middleman minority meist verwehrt waren.106 In Zeiten wirtschaftlicher Modernisierung und sozialer Mobilisierung 107 entsteht in solchen traditionellen Gesellschaften jedoch nicht selten ein in der englischsprachigen Literatur so genannter status gap, der definiert wird als „the yawning social void which occurs when superordinate and subordinate portions of a society are not bridged by continuous, intermediate degrees of status“.108 Die Überbrückung dieses Spaltes ist neben dem Beitrag zur (Proto-)Modernisierung der vormodernen Aufnahmegesellschaft einer der Effekte der wirtschaftlichen, aber auch

Paradox. München 1992, 11. Die miteinander verwobenen Umwandlungsprozesse der Modernisierung umfassen wirtschaftliche Industrialisierung, demografische Urbanisierung, strukturelle Differenzierung, kulturelle Rationalisierung, politische Demokratisierung, psychische Individualisierung und physische Domestizierung. Ebd., 12, 30. Auf die Problematik der Begriffe „Moderne“, „Modernisierung“ und „Modernität“, insbesondere im Zusammenhang mit der Geschichte europäischer Expansion in außereuropäische Regionen, weist u. a. John Darwin hin, der rät, „diesen Begriff [‚Moderne’, T. G.] als unscharfe Abstraktion zu akzeptieren, als eine provisorische Checkliste gesellschaftlicher und kultureller Muster, welche die Produktion von Wohlstand und Macht zu einem bestimmten Zeitpunkt fördern“, und der feststellt: „Was an einem Staat modern ist, lässt sich nicht präzise festlegen, sondern nur in Relation […] zu anderen Staaten.“ Als Prüfstein gelte dabei am besten das Maß, „mit dem in beliebigen Gesellschaften Ressourcen und Menschen für Aufgaben mobilisiert und ständig umgruppiert werden können, wenn neue Bedürfnisse auftreten oder neue Zwänge spürbar werden“. Darwin, John: Der imperiale Traum. Die Globalgeschichte großer Reiche 1400 – 2000. Frankfurt am Main-New York 2010, 38 f. 104 Djatlov, Evrei, 10. Zum sozialen Status akademischer Berufe im vorrevolutionären Russland Juchnëva, Natalija V.: Mnogonacional’naja stolica imperii [Die multiethnische Hauptstadt des Imperiums]. In: Mnogonacional’nyj Peterburg. Hg. v. A. V. Gadlo. St. Peterburg 2002, 9 – 71. 105 S. dazu unter anderem Sjoberg. 106 Djatlov, Evrei, 9. – Ders., Predprinimatel’skie men’šinstva. 107 Diese bezeichnet den „process in which major clusters of old social, economic and psychological commitments are eroded or broken and people become available for new patterns of socialization and behaviour“ und umfasst Veränderungen bzw. Wechsel in Bezug auf den Wohnort, den Beruf, das soziale Umfeld, Institutionen, Rollen, Verhaltensweisen, Erfahrungen und Erwartungen, persönliche Bedürfnisse und anderes mehr. Deutsch, Karl: Social Mobilization and Political Development. In: American Political Science Review 55/3 (1961), 493 – 514, hier 493 f. 108 Rinder, Irwin: Strangers in the Land. Social Relations in the Status Gap. In: Social Problem 6 (1958), 253 – 260, hier 253.

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Diaspora: Einige theoretische Vorbemerkungen

administrativen oder militärischen Tätigkeit ausländischer Spezialisten oder einer middleman minority. Das modernisierende Potenzial der „mobilisierten Diaspora“ ergibt sich dabei nicht (allein) aus ihrer Spezialisierung auf Vermittlerrollen, sondern aus den relativen Vorteilen (relativ größere Fähigkeiten und Kenntnisse in bestimmten Bereichen), über welche sie gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen verfügt.109 Diese relativen Vorteile bewirken, dass die middleman minority zwar „does not have a general status advantage, yet […] enjoys many material and cultural advantages compared to other groups in the multiethnic polity“.110 Die bisher dargestellten Charakteristika und Funktionen einer middleman minority als Mittelstück zwischen Elite und Masse (Adel und Bauern), als Füllerin einer ökonomischen Nische insbesondere auf dem Gebiet des (Fern-)Handels und modernisierendes Element in der Aufnahmegesellschaft beschrieb erstmals der deutsche Wirtschaftshistoriker ­Wilhelm Roscher 111, dessen These zur Basis der nachfolgenden middleman-Theorien wurde.112 Roscher beobachtete ebenso ein weiteres, in der Fachliteratur immer wieder beschriebenes Phänomen, dass nämlich eine solche Minderheit mit der voranschreitenden wirtschaftlichen Modernisierung und sozialen Mobilisierung der Aufnahmegesellschaft, dem Erstarken von Städtewesen und nationalem Bürgertum und dem Aufstieg einer einheimischen Händlerschicht besagte Minderheit ihre Monopolstellung im Handel verliert und in direkten Wettbewerb mit der einheimischen Bevölkerung tritt.113 Am Ende dieser Entwicklung stünden die Diskriminierung und Verfolgung der middleman minority. Roscher beobachtet diese Entwicklung „[…] bei sehr vielen Völkern: dass sie nämlich die Anfänge ihres Handels von einem fremden, höher kultivirten Volke besorgen lassen, hernach aber, sobald sie selbst dazu reif werden, oft unter heftigem Kampfe, sich von solcher Vormundschaft zu emancipiren suchen“114 und folgert: „Man darf hier wirklich von einem historischen Gesetze reden“.115

109 Armstrong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 396 f. 110 Ebd., 393. Dies mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, war doch parallel dazu von dem geringen sozialen Status kommerzieller Berufe in vielen traditionellen Gesellschaften die Rede. Armstrongs These wird sich aber in der empirischen Analyse im Bezug auf die armenische Diaspora im vorrevolutionären Russland bestätigen. 111 Roscher, Wilhelm: Die Stellung der Juden im Mittelalter, betrachtet vom Standpunkte der allgemeinen Handelspolitik. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 31 (1875), 503 – 526. 112 Zenner, 2. Natürlich muss man im Zusammenhang mit der Rolle von Minderheiten bzw. Diasporas als Modernisierer auch das Werk Werner Sombarts erwähnen, der ja die Juden als (Mit-)Begründer des modernen Kapitalismus sah, wie bereits weiter oben dargestellt wurde. 113 Roscher, 510 f. 114 Ebd., 516. 115 Ebd.

Die Beziehung der Diaspora mit der Elite

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2.3  Die Beziehung der Diaspora mit der Elite – Instrumentalisierung oder Symbiose? Die Funktion der mobilisierten Diaspora, Händlerdiaspora oder middleman minority als Nutzerin einer ökonomischen Nische und Beförderin der sozialen und wirtschaftlichen Modernisierung in ihrer Aufnahmegesellschaft wird freilich nicht nur von den konkreten historischen Situationen, in welchen sich Möglichkeiten für innovative bzw. modernisierende Tätigkeiten eröffnen, die von Außenstehenden, das heißt von außerhalb der gegebenen sozialen Ordnung Kommenden ergriffen werden können (oder anders ausgedrückt: Situationen, in welchen sogar ein Bedarf an von außen kommenden Innovatoren entsteht), sowie von den Eigenschaften, welche diese Außenseiter zur Übernahme jener innovativen oder modernisierenden Rollen befähigen oder gar prädestinieren, mitbestimmt. Denn eine entscheidende Rolle in diesem Prozess kommt nicht zuletzt der politischen Elite der aufnehmenden Gesellschaft zu, welche das Entstehen und die Tätigkeit der middleman minority in dem gegebenen geographisch-politischen Rahmen überhaupt ermöglicht und nicht selten aktiv fördert. In diesem Licht kann die Übernahme bestimmter gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rollen durch die Minderheit also ebenso als Überlassung oder gar Übergabe dieser Rollen an die Minderheit durch die Elite der betreffenden Gesellschaft verstanden werden. Die Motive der Elite der Mehrheitsbevölkerung sind dabei mehrschichtig. Eine wesentliche Rolle für ihre Bereitschaft, der Diaspora „despised but lucrative commercial roles“116 zu überlassen, spielt der bereits weiter oben angesprochene Faktor des sozialen Status, welcher die Elite (neben oftmals fehlender eigener Fähigkeiten und Erfahrungen) daran hindert, bestimmte kommerzielle, aber auch administrative Tätigkeiten selbst auszuführen. Weshalb andererseits nicht die einheimische bzw. Mehrheitsbevölkerung besagte Funktionen übernimmt, liegt nicht nur in deren mangelnder Qualifikation begründet, sondern erklärt sich zuweilen auch aus dem Umstand, dass die Elite es für die Aufrechterhaltung ihres sozialen Status und ihrer politisch dominierenden Position als „weniger bedrohlich“ oder „gefährdend“ erachtet, solche vermittelnden und (proto)modernisierenden Rollen bestimmten von außen kommenden Gruppen zu überlassen oder zu übergeben, welche zu diesem Zweck nicht selten ins Land gerufen und ob ihrer wichtigen Funktionen für die Aufnahmegesellschaft von der politischen Elite privilegiert und geschützt werden,117 als sie der eigenen untertänigen Bevölkerung zu überlassen.118 Den Grund dafür bildet der Umstand, dass die von außerhalb der gewachsenen sozialen und herrschaftlichen Strukturen kommende Diaspora im Aufnahmeland über keinen verwurzelten Rückhalt und keine lokale Machtbasis verfügt. Ganz anders die einheimische 116 Armstrong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 396. 117 So geschehen u. a. mit der Einladung deutscher Juden durch die Könige des mittelalterlichen Polen. Roscher, 505, 513. 118 Reid, 34.

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Diaspora: Einige theoretische Vorbemerkungen

Bevölkerung (insbesondere deren obere soziale Schicht wie Großgrundbesitzer, Stammesfürsten, Adel usw.), welche – wird sie mit verantwortlichen und Schlüsselpositionen, etwa in der Staats- oder Hofverwaltung oder den Finanzen betraut – nicht nur der Versuchung ausgesetzt ist, „ihre Klienten und Verwandten zu bevorzugen“,119 sondern diese Positionen „gleichzeitig zur Festigung der eigenen Position“120 zuungunsten des Herrschers missbrauchen kann. Gellner bemerkt, dass „unter manchen Umständen jede Art einer Schlüsselspezialisierung […] ihren Angehörigen eine gefährliche Macht einräumen“ kann. Der Vorbehalt solcher Positionen an Außenseitergruppen bildet eine Möglichkeit, „diese Gefahr zu neutralisieren und gleichzeitig das Spezialistentum zu respektieren“121. Die privilegierte und protektionierte, dabei gleichzeitig kulturell und sozial außen stehende Minderheit hingegen bleibt dem Herrscher persönlich verantwortlich und loyal. Die Diaspora bleibt direkt von der Gnade des Herrschers abhängig, was sie zu nachgerade idealen Instrumenten seiner Politik werden lässt.122 Die Rolle der privilegierten, aber sozial exkludierten Minderheit (besser: deren sozialer Elite) als Dienerin der Macht war insbesondere dann von Nutzen, wenn es galt, die persön­ liche Herrschaft des Fürsten auf Kosten einheimischer Feudalherren im Sinne absolutistischer Staatsführung auszuweiten.123 Dies geschah nicht nur in den deutschen Kleinstaaten des 17. und 18. Jahrhunderts betreffend die jüdische Minderheit, sondern auch im persischen Safavidenreich, wo die Integration der armenischen Diaspora der Dynastie unter anderem dazu diente, ihre absolutistische Macht gegenüber einer Vielzahl von feudalen Hochburgen zu stärken.124 Dabei waren die Durchsetzung des Absolutismus, die Zentralisierung und die Modernisierung des Staates miteinander verbundene Prozesse,125 und in ihnen allen konnte die Führungsschicht ethnischer, kultureller und/oder religiöser Minderheiten dem Herrscher nützlich sein. Angehörige von Diasporas spielten demnach durchaus eine Rolle in der frühneuzeitlichen Staatsbildung.126 Die spezialisierte Diaspora dominiert also auf den betreffenden Gebieten innovativer, aber auch riskanter Unternehmungen und dient damit der Elite des Aufnahmelandes als

119 Gellner, Ernest: Nationalismus und Moderne. Berlin 1991, 153. 120 Ebd. 121 Ebd., 153 f. 122 Coser, Lewis A.: The Alien as a Servant of Power: Court Jews and Christian Renegades. In: American Sociological Review 37 (1972), 574 – 581, hier 574. 123 Oder, wie Coser schreibt: „[…] in periods of social transformation when rulers want to wrest economic and political resources from dispersed power centers not under their control“. Ebd. 124 Baghdiantz McCabe, Global Trading Ambitions, 39. – Dies.: The Shah’s Silk for Europe’s Silver. The Eurasian Trade of the Julfa Armenians in Safavid Iran and India (1530 – 1750). Atlanta 1999. – Aslanian, Indian Ocean, 30 f., 41 f. 125 Armstrong, John A.: Mobilized Diaspora in Tsarist Russia: The Case of the Baltic Germans. In: Soviet Nationality Policies and Practices. Hg. v. Jeremy R. Azrael. New York 1978, 73 – 104, hier 86. 126 Baghdiantz McCabe, Trading Diaspora, 2. – Aslanian, Indian Ocean, 3.

Die Beziehung der Diaspora mit der Elite

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modernisierendes oder protomodernisierendes Element, oft in Verbindung mit der Durchsetzung absolutistischer Herrschaftsansprüche. Dabei besetzt die Diaspora keine im eigentlichen Sinn politisch machtvollen Positionen (da sie zwar „ausführendes Organ“ des Herrscherwillens ist, diesem jedoch untergeordnet bleibt). Deshalb ist die verbreitete Tätigkeit etwa der Juden, Armenier, Griechen und anderer Angehöriger von Diasporas im Dienst vormoderner Staaten, sei es als so genannte „Hofjuden“, Ratgeber, Übersetzer, Hofbankiers oder Diplomaten, die den betreffenden Personen oft großen Reichtum und einigen Einfluss einbrachten, nicht gleichbedeutend mit politischer Herrschaft.127 Trotz ihrer Instrumentalisierung und der bestehenden Abhängigkeit der middleman minority von der politischen Elite des Aufnahmelandes gestaltet sich ihre Beziehung als eine Art von wechselseitiger Austauschbeziehung oder Symbiose,128 in deren Rahmen beide Seiten „calculated the costs and benefits involved in their interactions“129. Dabei stehen die Komplementärfunktionen, welche die middleman minority bzw. deren führende soziale Schicht in den verschiedenen kommerziellen, administrativen und/oder akademischen Bereichen für die politische Elite der Aufnahmegesellschaft bzw. für den Herrscher erfüllt, auf der einen Seite der Privilegierung und dem Schutz durch den Herrscher auf der anderen Seite gegenüber. Die solcherart privilegierte Gruppe muss aber in politischer Abhängigkeit gehalten werden, um die Kontrolle der herrschenden Elite über das Vermögen der Minderheit nicht zu gefährden.130 Diese Abhängigkeit kann erreicht werden durch die „Ethnisierung“ kommerzieller Rollen, wodurch die Erfüllung dieser Rollen auf jene Gruppen beschränkt bleibt, die in politischer Abhängigkeit gehalten werden können.131 Ist diese Ethnisierung einmal vollzogen, trachtet die betreffende Minderheit danach, diese kommerziellen Rollen auszuweiten und anhand ihrer Ethnie oder Religion erblich zu monopolisieren.132 Je mehr die Minderheit nach kommerzieller Privilegierung strebt, desto anfälliger wird sie für Ausbeutung durch die Elite und je unabkömmlicher ihre wirtschaftliche Tätigkeit für die Elite ist, desto mehr ist Letztere darauf bedacht, rigide soziale Grenzen sowie die Mittel zur Entziehung der Einnahmen der Minderheit aufrechtzuerhalten.133 127 128 129

Djatlov, Evrei, 9. Als „symbiotische Beziehung“ bei Djatlov, Predprinimatel’skie men’šinstva und Djatlov, Evrei. Armstrong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 394. Eine solche bewusste und rationale Kosten-Nutzen-Rechnung vollzog sich nicht auf der Ebene der Bevölkerungsgruppen als Ganzer, und auch innerhalb der Eliten sowohl der dominanten ethnischen Gruppe als auch der Diaspora waren durchaus divergierende Interessen und Wahrnehmungen bezüglich der genannten reziproken Beziehung vorhanden. Armstrong, Mobilized Diaspora in Tsarist Russia, 75. 130 Hamilton, Gary: Pariah Capitalism: A Paradox of Power and Dependence. In: Ethnic Groups 2 (1978), 1 – 15, hier 2. 131 Ebd. 132 Ebd. 133 Ebd., 10.

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Diaspora: Einige theoretische Vorbemerkungen

Obwohl die middleman minority also eine (vor allem wirtschaftlich) durchaus privilegierte Position erlangen konnte und die Beziehungen zwischen ihrer Elite und dem Herrscher in vielen Fällen direkt und persönlich waren, blieben diese Beziehungen doch asymmetrisch.134 Nicht nur war der soziale bzw. Statusabstand zwischen den Parteien unüberbrückbar, auch erwartete der Herrscher im Gegenzug für die gewährten Titel, Privilegien und finanziellen Zuwendungen ein hohes Maß an Loyalität und Dankbarkeit, sodass die ihm dienenden Angehörigen der Diaspora dem Herrscher gegenüber in permanenter Schuld standen.135 Ist die middleman minority zunächst für die Elite des Aufnahmelandes aufgrund ihrer komplementären Funktionen noch unersetzlich,136 so wird durch die im Zuge der Modernisierung sich vollziehende soziale Mobilisierung der Mehrheitsbevölkerung, welche nunmehr die traditionellen Rollen der Minderheit übernehmen kann, die Position der Diaspora gefährdet und Letztere für die Regierung verzichtbar.137 Folge davon sind häufig ethnische Konflikte, Vertreibungen oder gar Genozid.138 Eine weit verbreitete, wenn auch nicht von allen Autoren unterstützte 139 These ist jene von der Rolle der middleman minority als „Sündenbock“ in Zeiten sozialen Umbruchs. Dieser These zufolge „opfert“ die dominierende Elite die mittlerweile verzichtbar gewordene middleman minority als Sündenbock an die unzufriedene Bevölkerung und sichert damit ihre eigene Position, welche durch die sich vollziehende soziale Mobilisierung der Masse gefährdet wird.140 Dieses Szenario tritt, so Armstrong, aber nur dann auf, „when a dominant elite’s interest in utilizing a diaspora has eroded and the alternative of scapegoating affords a shortrun advantage“.141 Aufgrund der Eigenschaft der middleman minority als „Puffer“ zwischen der Elite und der untergeordneten Masse der Aufnahmegesellschaft bildet sie für die benachteiligte Bevölkerungsmehrheit die Hauptquelle des Kontaktes mit der Elite 142, wodurch sie schließlich in den Augen der Masse die Elite selbst symbolisiert. Dieser Umstand wird für die middleman 134 Coser, 577. 135 Ebd. Die politische Abhängigkeit der Diaspora vom Herrscher und ihre Loyalität ihm gegenüber führt Armstrong jedoch in erster Linie auf das Sicherheitsbedürfnis der Diaspora zurück. Arm­ strong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 398. 136 Ebd., 397. 137 Ebd., 398. 138 Einer These Walter P. Zenners zufolge sind middleman minorities besonders von Genozid bedroht. Zenner, Walter P.: Middleman Minorities and Genocide. In: Genocide and the Modern Age. Etiology and Case Studies of Mass Death. Hg. v. Isidor Wallimann und Michael N. Dobkowski. Syracuse 2000 (1New York 1987), 253 – 281. 139 Kritisch äußern sich etwa Safran, Diasporas in Modern Societies, 377 und Horowitz, Donald L.: Ethnic Groups in Conflict. Berkeley-Los Angeles-London 42005 [11985], 105, 140. 140 Armstrong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 399. – Blalock, Hubert: Toward a Theory of Minority Group Relations. New York 1967. – Rinder. 141 Armstrong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 401. 142 Blalock, 81.

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minority vor allem in Spannungszeiten gefährlich, da nun die Minderheit „is to be ­placed on the front lines of battle in any showdown between the elite and peasant groups“143. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nach dem Tod eines Herrschers jene, die dessen unpopuläre Maßnahmen (mit)durchgeführt haben, für die „Untaten“ der alten Regierung verantwortlich gemacht werden. Die Gilden und Stände, so schreibt Coser, können nun ihren Frustrationen freien Lauf lassen. So dient die middleman minority ihrem Herrscher selbst noch in ihrem Abstieg,144 denn: „Their [der Bevölkerung, T.G.] hatred was directed not against the prince, who was surrounded by the trappings of divine right and so high that he could not be ­reached by their criticisms, but against his ‘evil councillors’ who levied taxes in his name and carried out his policies.“145

2.4  Diaspora und Imperium Das beschriebene wechselseitige Austauschverhältnis zwischen Herrscher und middleman minority führt an dieser Stelle zu der Bedeutung diasporischer Gemeinschaften für Formen der Politik frühneuzeitlicher multiethnischer Gemeinwesen, die als imperial interpretiert werden können.146 Dabei wird „imperial“ hier nicht notwendigerweise – und nicht ausschließlich – im Sinne eindeutiger politischer, struktureller und kultureller Abhängigkeit von (zumal überseeischen) Kolonien von einem „Mutterland“ und die Ausbeutung Ersterer durch dieses verstanden, wie dies die klassischen Imperialismustheorien nahelegen. Vielmehr soll als imperial all jenes verstanden werden, das sich auf das Entstehen, Expandieren, Konsolidieren, Funktionieren, Legitimieren und Verteidigen eines von mehrdimensionaler Differenz geprägten politischen Gemeinwesens bezieht, innerhalb dessen sich definierte soziale, politische, regionale, kulturelle und ethnische Einheiten voneinander unterscheiden lassen, welche in einer spezifischen hierarchisch organisierten Interaktion miteinander stehen. Einen Teil dieser innerimperialen Interaktion bilden kulturelle, religiöse, dynastische,

143 Ebd., 81 f. 144 Coser, 577. 145 Carsten, F. L.: The Court Jews. A Prelude to Emancipation. In: Publications of the Leo Baeck Institute. Year Book III. London 1958, 140 – 156, hier 150. Zitiert nach: Coser, 577. 146 In Bezug auf Russland sind bisher in erster Linie die Juden als „imperiale Nation“ beschrieben worden. Als solche nutzten und überschritten sie zugleich ihre rechtliche, soziale, wirtschaftliche und politische Marginalität, welche ihnen das Russländische Reich zuwies, und waren dabei bestrebt, sich in unterschiedliche Segmente der imperialen Gesellschaft zu integrieren. Die vielgestaltige Judenpolitik des Reiches war von der allgemeinen Lage sowohl innerhalb wie außerhalb des Imperiums, jedoch auch von den anderen nationalen Minderheiten des Reiches beeinflusst. Die Juden ihrerseits passten sich der imperialen Situation an, indem sie sich mit dem übernationalen Regime identifizierten; zudem leisteten sie ihren eigenen Beitrag zur Kultur der sich entwickelnden Städte des Reiches. Gerasimov, Ilya u. a.: Jews as an „Imperial Nation“? In: Ab Imperio 4 (2003), 15 – 20. S. auch die anderen Beiträge in diesem Band.

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Diaspora: Einige theoretische Vorbemerkungen

symbolische und mythische Deutungs- und Legitimationsangebote, welche zumeist integrative wie auch identitätsstiftende Funktionen erfüllen. Auch wenn im Folgenden vereinfachend von „Zentren“ und „Peripherien“ die Rede sein wird, soll dies nicht ein lineares und durchgehendes Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnis implizieren,147 sondern auf ein komplexes Beziehungsmuster verweisen,148 welches durch ein Spannungsverhältnis zwischen der Schaffung und Aufrechterhaltung von Differenz auf der einen und von Inkorporation und Integration einer multipel heterogenen Bevölkerung auf der anderen Seite gekennzeichnet ist.149 In diesem Sinne soll das frühneuzeitliche Imperium im Folgenden auch nicht lediglich als Manifestation von Imperialismus 150 verstanden werden, sondern eher als Verkörperung dessen, was andernorts die „imperiale Situation“ genannt und als spezifische, ungleichmäßige und ambivalente Heterogenität, die ihre eigene historische Dynamik erzeugt, definiert wurde.151 Es ist dies ein Ansatz, der vor allem von den ErzählerInnen der New Imperial History vertreten wird. Hier erscheint das Imperium als analytische Kategorie, mithilfe derer vielfache, einander überlappende Arten der Differenz und Diversität untersucht werden, die sich der regulären Klassifizierung entziehen.152

147 Neben anderen hat Lieven darauf hingewiesen, dass viele „aristokratische Imperien“ die Bevölkerung der zentralen Regionen stärker ausbeuteten als jene in den Peripherien, „because it was politically safer and logistically easier to do so“. Lieven, Dominic: Empire. The Russian Empire and Its Rivals. London 2003, xv. Nicht zuletzt im Falle des Russländischen Reich lassen sich dafür empirische Belege erbringen. 148 Für das Verständnis von Imperium als Beziehungen (im Sinne eines Sets an Ansprüchen, Praktiken und Reputationen) plädiert Beissinger, Mark: Situating Empire. In: Ab Imperio 3 (2005), 89 – 95, hier 95. 149 Burbank und Cooper bezeichnen dies als „Politik der Differenz“, als Teil des imperialen Herrschaftsrepertoires. Burbank, Jane/Cooper, Frederick: Empires in World History. Power and the Politics of Difference. Oxford 2010, 11 – 13. Die oft konstatierte klare Dichotomie zwischen Zentrum und Peripherie stellen auch von Hirschhausen und Leonhard in Frage und plädieren für einen analytischen Fokus auf „the plurality and interaction of functions such as imperial and colonial, or agencies such as centre and periphery“. Hirschhausen, Ulrike von/Leonhard, Jörn: Beyond Rise, Decline and Fall. Comparing Multi-Ethnic Empires in the Long Nineteenth Century. In: Comparing Empires. Encounters and Transfers in the Long Nineteenth Century. Hg. v. Dens. Göttingen 2011, 9 – 34, hier 32. 150 Hier gemeint als das heute in der Regel negativ konnotierte Ausgreifen einer imperialen Metropole auf von dieser abhängig gemachte und ausgebeutete Kolonien, etwa im Sinne des „Great Game“ der europäischen Mächte im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. 151 Gerasimov, Ilya u. a.: New Imperial History and the Challenges of Empire. In: Empire Speaks Out. Languages of Rationalization and Self-Description in the Russian Empire. Hg. v. Ilya Gerasimov, Jan Kusber und Alexander Semyonov. Leiden-Boston 2009, 3 – 32, hier 24. 152 Ebd., 17 – 23. Zur „New Imperial History“ s. auch Dies., In Search of a New Imperial History. In: Ab Imperio 1 (2005), 33 – 56. – Lovell, Stephen/Martin, Alexander M./Werth, Paul W.: Some Paradoxes of the „New Imperial History“. In: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History 1/4 (2000), 623 – 625.

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Innerhalb der von Inkorporation, Integration und Differenzierung gleichermaßen geprägten Beziehung zwischen „Zentrum“ und „Peripherie“ (das hier ebenso sozial und politisch wie regional verstanden werden kann, also Territorien, aber auch Bevölkerungsgruppen meint 153) handeln middleman minorities in intermediärer Situation. So steht die weiter oben dargestellte Bedeutung der middleman minorities für die Durchsetzung und Festigung autokratischer Herrschaftsansprüche der politischen Führung eines Staates gegenüber feudalen, bürokratischen oder anderen, mit dem politischen Zentrum konkurrierenden Machtpositionen in enger Verbindung mit der Rolle, die viele solcher Minderheiten spielten, auch dort, wo es galt, dem imperialen Herrschaftsanspruch eines Zentrums gegenüber der Masse der Bevölkerung, insbesondere in den Peripherien eines multiethnischen (und expansiven) Reiches, Geltung zu verschaffen.154 In den Grenzregionen vornationaler Reiche, wo die imperiale Herrschaft noch nicht gefestigt war, traten sowohl Angehörige eingeborener Eliten der Peripherie als auch allochthone Gruppen wie die idealtypischen middleman minorities, deren Wohlergehen von der Gnade des imperialen Herrn abhängig war, als interkulturelle und interethnische Vermittler auf. Hier bildeten sie nicht selten das Bindeglied zwischen der indigenen Bevölkerung und der zentralen Elite des Imperiums und wurden somit in eine vermittelnde Position innerhalb einer vertikalen imperialen Beziehungsstruktur erhoben.155 Solche cultural brokers brachten als „Dolmetscher, Missionare, sprachkundige Angehörige der Kolonialverwaltung, kommerzielle Zwischenschichten [… und] westlich erzogene ‚evolués’“156 die gesonderten gesellschaftlichen Gruppen miteinander in Verbindung, trugen auf diese Weise zur Ausweitung und Stabilisierung des Machtanspruches des imperialen Zentrums bei und beförderten damit die Kolonisierung und/oder Integration neu erworbener Gebiete. John LeDonne beschreibt in seinem Aufsatz über die „grand strategy“ des Russländischen Reiches als eines der sich im frühen 18. Jahrhundert etablierenden grundlegenden Prinzipien dieser Strategie 153 Ich bin mir freilich der Problematik der historiografischen Anwendung dieser Begriffe bewusst (sowohl in ihrer gesellschaftlichen wie in ihrer territorialen Bedeutung), weshalb hier auch nicht die Existenz eindeutig abgrenzbarer oder essentialisierter Entitäten von wie immer gearteten „Zentren“ und „Peripherien“ unterstellt werden soll. Operationale Termini solcher Art bleiben letztlich konstruierte Idealtypen, die der Komplexität konkreter historischer Prozesse kaum gerecht werden können. 154 Osterhammel spricht sogar von der überlebenswichtigen Funktion vermittelnder religiös-ethnischer Minderheiten und externer Ressourcen für alle Reiche. Osterhammel, Jürgen: Imperien. In: Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien. Hg. v. Gunilla Budde, Sebastian Conrad und Oliver Janz. Göttingen 2006, 56 – 67, hier 64. 155 Burbank/Cooper, 14. Dies konnte auch mit der imperialen Strategie des „divide et impera“ zusammengehen, die bestehende Spannungen zwischen Regionen, ethnischen oder religiösen Gruppen an der Peripherie ausnutzte. Doyle spricht deshalb in Bezug auf Händlerdiasporas von einer Kombination vertikaler und horizontaler Gliederung der imperialen Gesellschaft. Doyle, Michael W.: Empires. Ithaca-London 1986, 364. S. dazu auch Osterhammel, Jürgen: Kulturelle Grenzen in der Expansion Europas. In: Saeculum 46 (1995), 101 – 138. 156 Osterhammel, Kulturelle Grenzen, 125.

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das Anlegen eines Glacis von Klientelgesellschaften, „through which imperial desires could be translated into reality without the use of force“.157 Die Mission solcher Klientelgesellschaften als „fünfte Kolonnen“ des imperialen Zentrums sei es gewesen, „to create favorable conditions for the projection of maximum power by a highly mobile army concentrated in the Muscovite core. Baltic Germans, Lithuanians, Moldavians, Georgians, etc., facilitated the administration of empire without requiring the employment of Russians and prepared the way for Russian expansion into the frontier.“ 158

Das Imperium profitierte also von den Fähigkeiten und Verbindungen vermittelnder Ge­ meinschaften, indem die seiner Bevölkerung innewohnende kulturelle und soziale Differenz funktionalisiert wurde.159 Ihre bereits weiter oben beschriebene Abhängigkeit lässt von den in die imperiale Funktionselite aufgenommenen Vertretern einer solchen Minderheit „Loyalität und Tatkraft […] erwarten, auch wenn der Oberherr fern ist und seinen Sachwalter nicht direkt kontrollieren kann“160, was in abseits des politischen Zentrums gelegenen grenznahen Regionen von besonderem Nutzen ist. So konnte es also nicht zuletzt im Russländischen Reich dazu kommen, dass nicht die Bevölkerung des imperialen Zentrums am meisten von dessen Expansion profitierte, sondern dass „die eigentlichen Nutznießer des zarischen Imperiums […] periphere Gruppen und nationale Minderheiten [waren], die innerhalb der imperialen Ordnung Positionen einnahmen, in die sie sonst niemals gelangt wären“.161

Die Grenzregionen multiethnischer Imperien waren nicht nur Räume einander überlappender und miteinander konkurrierender territorialer Ansprüche und Zielgebiete versuchter politischer, wirtschaftlicher und kultureller Einflussnahme anderer Reiche 162 und/oder

157 LeDonne, John P.: The Grand Strategy of the Russian Empire, 1650 – 1831. In: The Military and Society in Russia: 1450 – 1917. Hg. v. E. Lohr und M. Poe. Leiden 2002, 175 – 195, hier: 180. S. dazu auch Armstrongs Hinweis auf die administrative, wissenschaftliche und technische Tätigkeit der Deutschen des Russländischen Reiches im Rahmen der Binnenkolonisierung der asiatischen Peripherien des Imperiums in Armstrong, Mobilized Diaspora in Tsarist Russia 80 f. und Djatlovs Studie zur Rolle mehrerer „Händlerminderheiten“ als Instrumente der Kolonisierung und soziopolitisches Bindeglied in Afrika und der arabischen Welt. S. Djatlov, Predprinimatel’skie men’šinstva sowie die Ausführungen der vorliegenden Arbeit weiter unten. 158 LeDonne: The Grand Strategy, 181 f. 159 Burbank/Cooper, 12. 160 Münkler, Herfried: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. Berlin 2008, 44. 161 Ebd., 42. – Osterhammel, Kulturelle Grenzen, 118. – Aslanian, Indian Ocean 3 f. 162 Miller, Alexei/Rieber, Alfred J.: Introduction: Imperial Rule. In: Imperial Rule. Hg. v. Dens. Budapest-New York 2004, 1 – 6, hier 5.

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benachbarter Gesellschaften, sondern zugleich Zonen des Übergangs, des Austauschs von Bevölkerungen, Waren und Ideen 163 und schließlich Zonen der Hybridisierung unterschiedlicher Lebensweisen. Dazu trug nicht zuletzt die Durchlässigkeit oder Porosität imperialer Grenzen im Vergleich zur idealiter klar gezogenen Demarkationslinie eines neuzeitlichen nationalstaatlich organisierten Territoriums bei.164 Die imperiale Erschließungsgrenze oder Frontier insbesondere war keine statische Grenzlinie, sondern ein dynamischer, auf Expansion und nachfolgende Konsolidierung und Integration angelegter Raum. Zu dessen Sicherung kooperierten Imperien, wie bereits weiter oben angedeutet, mitunter mit ansässigen Eliten oder anderen, nicht dem imperialen Zentrum entstammenden Gruppen; so wurden im Falle des Russländischen Reiches neben anderen halbnomadische Kosaken zur Grenzsicherung eingesetzt.165 Die zur Geltendmachung und Verteidigung imperialer Territorialansprüche notwendige Grenzsicherung wie freilich auch die territoriale Expansion eines Reiches und erst recht sein Aufstieg zur internationalen Großmacht erforderte die Mobilisierung von Ressourcen, insbesondere zum Zwecke der Kriegsführung.166 Die Mobilisierung von Ressourcen konnte dabei auch über die Grenzen des Imperiums hinausgreifen, insofern als gerade im Bereich des Militärs ausländische Spezialisten – neben aus dem Ausland übernommener Technologie – dort herangezogen wurden, wo die eigenen personellen bzw. materiellen bzw. Wissensressourcen für die Bedürfnisse des Reiches im Rahmen internationaler oder interimperialer Konkurrenz nicht ausreichend waren. Doch gibt es noch einen weiteren Bereich, in welchem Diasporas eine nicht unwichtige Rolle zu spielen imstande waren – sei es als aktiv gestaltendes Element oder als eher passives Objekt des Gestaltens Dritter. Hier ist die Rede von den Außenbeziehungen des Imperiums, in welchem die Angehörigen der middleman minority lebten. Zum einen waren internationale diasporische Handelsnetzwerke natürlich von wirtschaftlicher Bedeutung, insofern als sie etwa protoglobalisierende Prozesse sowohl beförderten als auch davon profitierten.167 Zum anderen konnten ihre Tätigkeiten aber auch politisches und militärisches Gewicht erlangen, wenn zum Beispiel neuartiges militärisches Gerät importiert wurde und wenn die von der Diaspora frequentierten Handelsrouten von geostrategischer und militärischer Bedeutung waren. Auf solche Weise konnten die kommerziellen Vorteile, welche die Aufnahmegesellschaft durch die Tätigkeiten der middleman minority erhielten, gleichermaßen für die internationalen Beziehungen und hier nicht zuletzt für die geostrategische, militärische und imperiale Position des multiethnischen Gemeinwesens nutzbar

163 Rieber, Alfred J.: Koncepcii i konstrukcii frontira: sravnitel’no-istoričeskij podchod [Konzepte und Konstruktionen der Frontier: ein vergleichend-historischer Zugang]. In: Novaja imperskaja istorija postsovetskogo prostranstva. Hg. v. Ilya Gerasimov u. a. Kazan’ 2004, 199 – 222, hier 222. 164 Ebd., 199 f. – Münkler, 16 – 18. 165 Ebd., 155 f. 166 Lieven, Empire, 41. 167 Aslanian, Indian Ocean 4.

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gemacht werden.168 Doch nicht nur über ihre kommerziellen Aktivitäten, auch in direkter Weise waren Mitglieder von middleman minorities an internationalen und außenpolitischen Vorgängen beteiligt, vor allem als Diplomaten und Übersetzer.169 Die Beziehung zwischen den Angehörigen der Diaspora und dem politischen Gemeinwesen, in welchem sie leben, wird also nicht zuletzt durch die Bedeutung der Minderheit für die internationalen Beziehungen der Aufnahmegesellschaft geformt.170 Von entscheidendem Einfluss auf die Art der staatlichen Politik der Minderheit gegenüber wie auch auf die Reaktion der Letzteren auf diese Politik ist die jeweilige internationale Konstellation,171 welche als Teil des Hintergrundes gesehen werden muss, vor welchem sich genannte Beziehung gestaltet. Insbesondere vormoderne multiethnische Reiche erweisen sich aufgrund der weitgehenden Abhängigkeit ihrer inneren Entwicklungen von äußeren Gegebenheiten als „highly penetrated systems“.172 Deshalb, so Armstrong, „[…] the numerous treatments which depict mobilized diasporas exclusively as victims of intrasystemic forces ignore the crucial effects of international politics upon the exchange relation between diaspora and dominant ethnic elite“.173

Ein solcher Einfluss der internationalen Politik auf die Austauschbeziehung zwischen Diaspora und Elite macht sich zum Beispiel dann geltend, wenn die Minderheit Kontakt mit äußeren Kräften (der Regierung anderer Staaten oder internationalen Foren) aufnimmt, um die Erlangung ihrer eigenen Ziele (wie politische Autonomie) zu fördern, oder wenn sie selbst von äußeren Kräften instrumentalisiert wird.174 Das Interesse anderer Staaten als Garanten außernationaler Patronage 175 liegt dabei nicht nur in humanitären Erwägungen begründet, sondern verfolgt nicht selten eigene Ziele bei der Instrumentalisierung von Differenzen zwischen der Minderheit und ihrer Aufnahmegesellschaft 176 – die Rolle des 168 Armstrong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 400. 169 Angesichts ihrer wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Vermittlertätigkeiten zwischen den frühneuzeitlichen Imperien attestiert Aslanian etwa den Neu-Julfaer Armeniern (vor dem Aufkommen des Nationalismus Ende des 18. Jahrhunderts) eine hybride und synkretische Identität, die er „transimperial cosmopolitanism“ nennt. Aslanian, Indian Ocean, 6, 66. 170 Suppan, Arnold: Conclusion. In: Ethnic Groups in International Relations. Hg. v. Paul Smith. Dartmouth 1991, 331 – 341, hier 336. 171 Ebd. 172 Rosenau, James N.: The Scientific Study of Foreign Policy. New York 1971, nach: Armstrong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 399. 173 Ebd. 174 Smith, Paul: Introduction. In: Ethnic Groups in International Relations. Hg. v. Paul Smith. Dartmouth 1991, 1 – 11, hier 7. 175 Pearson, Raymond: National Minorities in Eastern Europe. 1848 – 1945. London-Basingstoke 1983, nach: Smith, Introduction, 8. 176 Ebd.

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Russländischen Imperiums als Schutzmacht der Armenier im Osmanischen Reich bildet hier ein aussagekräftiges Beispiel. Schließlich können Diasporagruppen einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Art der Beziehung ihres Aufnahmelandes zu ihrem realen oder symbolischen „Heimatland“ ausüben – man denke nur an die Lobbyarbeit amerikanischer Juden betreffend die Beziehungen der USA zu Israel. Dem Aufnahmeland können durch solchen Einfluss und Vermittlertätigkeit der Diaspora durchaus Vorteile erwachsen, da die Diaspora ihren Einfluss auch in ihrem Heimatland zugunsten der Position der Aufnahmelandes geltend machen kann.177 Wohl besonders deutlich macht sich das Potenzial der Diaspora zur Einwirkung auf die politischen (aber auch wirtschaftlichen, kulturellen und militärischen) Verhältnisse des Heimatlandes in gewaltsamen bzw. kriegerischen Konflikten, in welchen das Heimatland involviert ist, bemerkbar. Die Möglichkeiten der Einflussnahme der Diasporas auf solche Konflikte sind vielfältig und umfassen wirtschaftliche, personelle, politische und mediale Aktionen, die in ihrem Ergebnis sowohl konfliktverschärfend als auch friedenschaffend oder neutral sein können.178 Dabei tritt die Diaspora nicht notwendigerweise als geschlossener Block auf, vielmehr können interne Interessendivergenzen und daraus resultierend widersprüchliche Handlungen verschiedener Individuen und Gruppen in der Diaspora bestehen, ebenso wie sich schließlich Ziele und Methoden der Einflussnahme der Diaspora auf den Konflikt im Verlauf der verschiedenen Phasen des Konflikts ändern können.179 Die internationalen Kontakte der Diaspora – seien es solche zu anderen, möglicherweise mit der Regierung des Aufnahmelandes konkurrierenden Staaten, seien es solche zu weiteren Zentren derselben Diaspora in anderen Ländern oder zu ihrem „Heimatland“ – sind es letztlich auch, die oftmals im Laufe der historischen Entwicklung der Beziehung zwischen politischer Elite und Diaspora zu einem sich verstärkenden Misstrauen der Elite bezüglich der Loyalität der Minderheit führen.180 Dieses Misstrauen kann früher oder später die Nützlichkeit der middleman minority als interkulturelle bzw. internationale Vermittler überwiegen und somit aufheben.181 Doch resultiert es letztlich auch in einer selbsterfüllen-

177 Weshalb der israelische Politikwissenschaftler Yossi Shain davon überzeugt ist, dass „die Diasporas […] den USA [helfen,] ihre weltpolitische Dominanz auszubauen“. Shain, Yossi: Marketing the American Creed Abroad. Diasporas in the U. S. and Their Homelands. Cambridge 1999, nach: Moosmüller, 15. 178 Zur Rolle von Diasporas in Konflikten s. Smith, Hazel/Stares Paul: Diasporas in Conflict: Peace-­ Makers or Peace-Wreckers? Tokyo-New York-Paris 2007. 179 Smith, Hazel: Diasporas in International Conflict. In: Diasporas in Conflict: Peace-Makers or Peace-­Wreckers? Tokyo-New York-Paris 2007, 3 – 16. – Bercovitch, Jacob: A Neglected Relation­ ship: Diasporas and Conflict Resolution. In: Diasporas in Conflict: Peace-Makers or Peace-Wreckers? Tokyo-New York-Paris 2007, 17 – 38. 180 Tatsächlich befinden sich Diasporas in einem fortgesetzten Dilemma, „sowohl gegenüber dem Herkunftsland als auch gegenüber dem Residenzland loyal sein zu wollen (müssen)“. Moosmüller, 13. 181 Armstrong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 400 f. Armstrong hat allerdings in einer späteren Arbeit seine These, dass das Misstrauen der Elite den

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den Prophezeiung, denn die middleman minority reagiert auf solches Misstrauen der Elite mit Entfremdung vom Staat 182 und die vormalige reziproke Austauschbeziehung mündet in eine „ascending spiral of mutual hostility [which] rapidly erodes the position of the mobilized diaspora“.183

2.5  Die armenische Diaspora Die armenische gilt allgemein als eine der klassischen oder archetypischen Diasporas. Bis ins 20. Jahrhundert hinein bezeichneten die Armenier selbst ihre Siedlungen außerhalb des historischen Heimatlandes nicht als „Diaspora“ oder „Exil“ (arm. „spyurk“), sondern verwendeten dafür den aus dem Syrischen stammenden Begriff „gaghut’“, was so viel bedeutet wie „Kolonie“.184 Erst nach dem Genozid von 1915/16 fand die Bezeichnung „Diaspora“ („spyurk“) Verbreitung.185 Etwa seit dieser Zeit hätten, so Nichanians Argument, die Armenier realisiert, dass sie nicht länger Kolonien, sondern eine Diaspora konstituieren.186 Eines der Kennzeichen einer „archetypischen Diaspora“ ist die Aufrechterhaltung eines sakralen (Ursprungs-)Mythos.187 Ein solcher Mythos ist ein „coherent belief (true or false) that Nutzen der middleman minority in den Außenbeziehungen des Staates aufhebt, zumindest im Hinblick auf die Deutschen des Russländischen Reiches nicht verifizieren können. Armstrong, Mobilized Diaspora in Tsarist Russia, 96 f. 182 Armstrong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 401. Dies war im Falle der Russlanddeutschen insbesondere bei der Intelligenzija der Fall, während die adelige deutsche Elite auch nach Beginn der Anfeindungen seitens der russischen Elite dem Imperium gegenüber loyal blieb. Die daraus resultierenden inneren Spannungen hinderten die Diaspora daran, weiterhin vollen Nutzen aus der Austauschbeziehung mit der russischen Elite zu ziehen. Armstrong, Mobilized Diaspora in Tsarist Russia, 97. 183 Ebd. 184 Nichanian, Marc: Enlightenment and Historical Thought. In: Enlightenment and Diaspora. The Armenian and Jewish Cases. Hg. v. Richard G. Hovannisian und David N. Myers. Atlanta 1999, 87 – 123, hier 94. Diese „Kolonien“ dürfen jedoch nicht als Kolonien etwa im antiken griechischen oder modernen westeuropäischen Sinn verstanden werden, da sie in der Regel nicht mit militärischer oder politischer Macht verbunden waren und auch keine kulturelle Vorherrschaft auf die nichtarmenische Umgebung ausübten. Allerdings zeigten sich diese so genannten Kolonien als äußerst erfolgreich auf vielen Gebieten innerhalb der Strukturen der gegebenen Gesellschaft, nicht zuletzt auf dem Gebiet der Wirtschaft und des Handels. Zekiyan, Boghos Levon: The Armenian Way to Enlightenment: The Diaspora and its Role. In: Enlightenment and Diaspora, 45 – 85, hier 45 f. 185 Dallak’yan setzt den Zeitraum, ab welchem im armenischen Diskurs die Verwendung des Begriffes „spyurk“ Verbreitung fand, sogar erst mit den 1990er Jahren an. Dallak’yan, Karlen: Hay sp’yowṙk’i patmowt’yown [Geschichte der armenischen Diaspora]. Ere͡wan 2004, 4. 186 Nichanian, 94. 187 Armstrong, John A.: Nations before Nationalism. Chapel Hill 1982, xv.

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arouses strong and widespread social affect“.188 Teile dieses Ursprungsmythos und zugleich Kernstück der Identität der armenischen Diaspora bilden zum einen der Anspruch, von dem Urvater Hayk abzustammen, von welchem sich das Ethnonym „Hay“ ableiten soll, zum anderen die eigene Religion mit ihrem Zentrum in Ēǰmiacin, aber auch das armenische Alphabet und die armenische Sakralsprache.189 Einige armenische Autoren nehmen für Armenien eine herausragende Bedeutung für die Weltgeschichte in Anspruch, was zuweilen auch mit biblischer Autorität 190 unterstrichen wird. So ist Armenien durch den Umstand, dass der Legende nach Noahs Arche auf dem Berg Ararat strandete, gemäß dieser Argumentation „at the epicentre of the rebirth, if not the birth, of the earth“,191 womit auch die Idealisierung der Heimat der Vorfahren einhergeht. Diese mystifizierte Beziehung zum Heimatland äußert sich unter anderem in dem Verständnis Armeniens als Land des Paradieses 192 und der armenischen Sprache (genauer: des Grabar) als Sprache des Paradieses.193 Diese Idealisierung und Sentimentalisierung des Heimatlandes und die damit verbundene (zumindest ideologische, wenn schon nicht physische) Rückkehrbewegung lässt die Diaspora als Mittel zum Zweck – der Wiedererrichtung der und der Rückkehr in die Heimat – erscheinen. Der Rückkehrmythos dient somit als Quelle von Sinn und Schicksal und bildet die ideologische Rechtfertigung für die Fortdauer der Diaspora, wie Denise Aghanian bemerkt.194 Damit einher geht allerdings auch die Rückwärtsgewandtheit und der Konservativismus vieler Diasporagemeinden, deren romantisiertes Bild vom Heimatland nicht selten weit entfernt ist von der zeitgenössischen Realität.195 In etwa zeitgleich mit diesen Vorstellungen (d. h. ab dem späten 18. Jahrhundert) entstand auch das Verständnis armenischer Geschichte als teleologische Entwicklung vom Zustand der Unterdrückung und der Dunkelheit hin zu einer hellen Zukunft unter dem besonderen Schutz Gottes, der über Land und Volk gleichermaßen wacht. Diese teleologische Geschichtsauffassung geht im Wesentlichen auf den Mechitaristenmönch und Begründer der modernen armenischen Historiografie Mik’ayel Č’amč’yan zurück, dessen dreibändige „Geschichte der Armenier“ (1784 – 88) den Mythos von „survival and revival“196 zementierte.

188 Ebd., xxii. 189 Ebd., 212, 288. – Cohen, Global Diasporas. 11997, 43. – Smith, Anthony D.: Chosen Peoples. Sacred Sources of National Identity. Oxford 2003, 67 f. 190 Cohen, Global Diasporas. 11997, 43. 191 Ebd. 192 So lauten die ersten Worte eines populären Volksliedes von Hovhan Mirza Vanandec’i (1772 – 1840): „Armenien, Land des Paradieses“. Zekiyan, 47. 193 Bei dem Mechitaristen und Führer der armenischen Romantik Łevond Ališan (1820 – 1901). Ebd.; Smith, Chosen Peoples, 73. 194 Aghanian, 33. 195 Ebd. 196 Oshagan, Vahé: From Enlightenment to Renaissance: The Armenian Experience. In: Enlightenment and Diaspora. The Armenian and Jewish Cases. Hg. v. Richard G. Hovannisian und David N. Myers. Atlanta 1999, 145 – 180, hier 179.

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Die ideologische Grundlage dieses Werkes prägt die armenische Geschichtsschreibung und armenisches Selbstverständnis zum Teil bis heute. Der Schriftsteller Parowyr Se͡wak meinte dazu im Jahre 1966 kritisch: „[…] das historische Prinzip von Č’amč’yan war folgendes: Da die Arche Noah am Gipfel des Ararat gestrandet ist, ist Armenien die Wiege der Menschheit. Da […] das ehemalige Paradies von Adam und Eva zwischen den Flüssen Tigris und Euphrat lag, ist Armenien das Land des Paradieses. […] Für diese ‚da’ kann und muss man dem Vater Č’amč’yan vergeben, und man muss feindlich all diejenigen betrachten, die auch heute ungefähr nach dem gleichen Prinzip urteilen: […] ‚Als wir Platon übersetzten, lebten diese Völker noch auf den Bäumen.’ […] Diese Art von Patriotismus ist ein weiches Kissen, das gefüllt ist nicht mit Taubenfedern, sondern mit einschläferndem Haschisch […].“197

Unter Armeniern recht verbreitet ist die Auffassung, dass die armenische Geschichte ebenso wie die armenische Ethnizität und armenischer Nationalismus frei von strukturellen Zwängen sind und stattdessen in gewissem Sinne „gottgegebene“ Kräfte darstellen.198 Deshalb bedürfe die armenische Geschichte oder die armenische Kultur keiner strukturellen Analyse.199 Bemerkenswert, aber wohl kaum verwunderlich die Parallelen zum jüdischen Selbstverständnis als „auserwähltes Volk“ Gottes (Armenier sahen sich zuweilen als „Herde des Neuen Israel“200), die Abgrenzung zwischen dem Wir und den Anderen, zwischen Juden und Gojim auf der einen, zwischen Armeniern und Otarner (die „Anderen“, d. h. Nichtarmenier) auf der anderen Seite, die Überzeugung, eine besondere Rolle in der Menschheitsgeschichte zu spielen und Märtyrer des wahren Glaubens zu sein.201 Bezug nehmend auf die jüngste Geschichte könnte man auch die jamaikanischen Rastafaris in diesen Vergleich mit einbeziehen, welche ebenfalls in biblisch autorisierter Diktion die Kulmination ihrer leidvollen Geschichte in der Rückkehr in ihr (in diesem Fall äthiopisches) „Zion“ erblicken und scharfe Position gegenüber „Babylon“ beziehen, ein Synonym für die Gesamtheit westlicher (weißer) Kultur. Die weite Verbreitung und Beliebtheit des „Komplexes des auserwählten Volkes“ erklärt Max Weber mit dem Umstand, dass dieses adelnde Prädikat von gleichermaßen jeglichem Mitglied einander verschmähender Gruppen in Anspruch genommen werden kann, da es anders als Statusdifferenzierungen nicht auf Unterordnung beruht.202 Zudem

197 Se͡wak, Parowyr: Azgayin Snaparcowt’yown ew azgayin aržanapatvowt’yown [Nationale Eitelkeit und nationale Würde]. Ere͡wan 1966. In: Parowyr Se͡wak. Erkeri žoġovaçow. Bd. 3. Ere͡wan 1983, 51 – 60, hier 52 f. Übersetzung Davit Ganjalyan. 198 Aghanian, 58 f. 199 Ebd., 59. 200 Ebd., 75. 201 S. dazu auch Suny, Ronald Grigor: Looking Toward Ararat. Armenia in Modern History. Bloomington-Indianapolis 1993, 7. 202 Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Tübingen 51985 [11922], 239.

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dient der Mythos des auserwählten Volkes dem kulturellen und ethnischen Überleben in der Diaspora, da er nicht nur als Marker der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zur eigenen Gruppe dient, sondern auch als Mittel der sozialen Distanzierung bzw. Abgrenzung zur Umgebung genutzt wird, während er gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt nach innen verstärkt.203 Die Selbstabgrenzung und Selbsterhöhung der Diaspora kann demnach nicht zuletzt als ein Schutzmechanismus gegenüber dem „Anderen“ verstanden werden, das aus dem Bedürfnis nach Selbstbehauptung und Sicherheit entspringt.204 Auf die Bedeutung des Mythos der göttlichen Auserwählung und des Bundes mit Gott für die ethnische und später nationale Identität einer Reihe von Völkern hat Anthony D. Smith in „Chosen Peoples“ hingewiesen.205 Die sakrale Ausersehung der Armenier bildete ein Kernthema armenischer Geschichtsschreibung bereits der frühen Chronisten ab dem 5. Jahrhundert Teil dieses Mythos ist die Mission der Aufrechterhaltung armenischer Kultur und Lebensweise und die Verteidigung des Christentums gegenüber den „ungläubigen“ Nachbarn und fremden Herren Armeniens. Anders als im Falle der Juden besteht der göttliche Bund jedoch nicht mit dem armenischen Volk, sondern mit seiner Kirche, der deshalb eine überragende Bedeutung in der Bewahrung und Bekräftigung armenischer Identität zukam. Über Jahrhunderte hinweg bildete die armenisch-apostolische Kirche die „sole institution responsible for ‚carrying’ the sense of separate Armenian ethnoreligious identity into the modern epoch“.206 Auf der Grundlage der bis in die Spätantike zurückreichenden sakralen Mythen ethnischer Identität konnten die modernen Nationalisten ab dem späten 18. Jahrhundert ihre politische Vision der Einzigartigkeit des „Armeniertums“ entwickeln – woran bezeichnenderweise, wie bereits weiter oben angedeutet, gerade die Mönche des Mechitaristenordens wesentlich beteiligt waren.207 Die Rolle der Religion als Angelpunkt armenischer Identität und als Mittel zur Aufrechterhaltung dieser Identität in der die Jahrhunderte überspannenden Diaspora, aber auch im lange Zeit von muslimischen Herrschern kontrollierten Heimatland war insbesondere in vornationaler Zeit eine kaum zu überschätzende. Zusammen mit der Religion trug, so Richard Grigor Suny, im frühen 4. Jahrhundert ein Komplex von Mythen, Erinnerungen, Werten und Symbolen zur Entstehung einer eigenen armenischen Ethnie bei.208 Bis zum Zeitalter des modernen Nationalismus verstanden sich die Armenier und die armenische Diaspora also vorwiegend als religiöse Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft war jedoch keineswegs homogen, vielmehr entstanden im Laufe der Zeit sowohl zwischen den als auch innerhalb der einzelnen armenischen Gemeinden kulturelle und soziale Unterschiede. Besonders in der Diaspora entwickelte sich eine Vielfalt 203 Aghanian, 28 f. 204 Moosmüller, 19. 205 Smith, Chosen Peoples. – Oshagan. 206 Smith, Chosen Peoples, 72. 207 Ebd., 72 f. 208 Suny, Looking Toward Ararat, 8.

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an Loyalitäten, so gegenüber ihrem jeweiligen Geburtsort und verschiedenen Kulturen.209 Die Armenier waren daher „[…] not a single people with a clear national sense but rather an intricate, multifaceted society with conflicting loyalties“.210 Angesichts der Unterschiede und Widersprüche, welchen die Armenier ausgesetzt waren, erwiesen sich die Kirche und ihre Würdenträger insbesondere in der Diaspora als jene Elemente, welchen es zu verdanken war, dass kulturelle Traditionen wie auch Zusammengehörigkeitsgefühl der Armenier über die Jahrhunderte erhalten werden konnten.211 In der modernen armenischen Diaspora (insbesondere jene in den säkularen und pluralistischen Gesellschaften der so genannten „westlichen Welt“) scheint die Religion, oder vielleicht genauer: die Kirche, einiges an Bedeutung für die Lebensführung und das Selbstverständnis ihrer Mitglieder eingebüßt zu haben. Wie für den Großteil der nichtarmenischen Bevölkerung auch wurde die Religion zunehmend zu lediglich einer unter vielen „Abteilungen“ des Lebens, eines seiner zahlreichen Aspekte:212 „For Armenians today […] the sphere of religion is becoming increasingly isolated and definable as a distinct category of experience.“213 Folge dieser zunehmenden Säkularisierung ist, dass die Rolle der Kirche als nationale Institution, die „forges deep psychological links with the past“214, zwar von den Angehörigen der Diaspora nach wie vor hoch geschätzt wird, sie aber zur selben Zeit die alten visuellen, linguistischen und musikalischen Präsentationen oft nicht mehr verstehen oder gar überhaupt nicht mehr erleben, da die Teilnahme an Gottesdiensten und die Beteiligung am kirchlichen Leben mit jeder Generation abnimmt.215 In vormoderner Zeit jedoch führten die starke Loyalität gegenüber der Religion, die Mythen, welche auch von Seiten der Kirche aufrechterhalten wurden, die Verbundenheit mit Sprache und altem Heimatland zu einer Geisteshaltung, welche die Entwicklung der armenischen 209 Oshagan, 162. 210 Suny, Looking Toward Ararat, 4. Anders bewertet Zekiyan dieses Phänomen. Trotz der Unterschiedlichkeit der jeweiligen Umgebungen und deren Einflüssen sei es den Armeniern in der Diaspora gelungen, einen „klaren nationalen Charakter“ zu bewahren, da sie ein „singuläres Verständnis ihrer nationalen Identität“ gehabt hätten sowie von der Beziehung dieser Identität zu den umgebenden dominanten Kulturen. Zekiyan, 80. 211 Suny, Looking Toward Ararat, 10 f. Aghanian schreibt dazu: „The Armenian church transcended its spiritual role to become the cultural overlord of the Diaspora.“ Aghanian, 16. 212 Vertovec, Steven: Religion and Diaspora. Paper, presented at the conference “New L ­ andscapes of Religion in the West”, School of Geography and the Environment, University of Oxford, 27.–29. September 2000. In: http://www.transcomm.ox.ac.uk/working%20papers/Vertovec01. PDF (13. 06. 2016), 32. 213 Pattie, Susan Paul: Faith in History. Armenians Rebuilding Community. Washington, D. C. 1997, 214, nach: Vertovec, 33. 214 Ebd. 215 Ebd.

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Kultur nachhaltig beeinflusste. Die Bewahrung des Alten und Grundlegenden und die Stärkung des Zusammenhalts in einer als feindlich wahrgenommenen Welt bedingten „a formidable obstacle to change, almost a fear of what was ‚foreign‘“.216 Bezeichnend die Äußerung des armenischen Schriftstellers Hakob Ošakan (1883 – 1948): „Our nation has nothing to learn from the rest of the world.“217 In paradoxer Kombination mit dieser Einstellung steht jedoch gleichzeitig die Fähigkeit zur Adaption und die Bereitschaft zur Aufnahme von Neuem. So bewirkte die Konfrontation mit fremden Kulturen im Laufe der Geschichte des armenischen Volkes immer wieder eine fruchtbare Synthese und Erneuerung.218 Daher wurden gerade die Zentren der Diaspora (wie Kaffa, Neu-Julfa, Tiflis, Venedig usw.) zu Orten sowohl geistiger als auch materieller Errungenschaften, die auf die gesamte armenische Welt ausstrahlten. Über die Jahrhunderte entwickelten sich so armenische Kultur, Kunst und Lebensform außerhalb des historischen Armenien.219 Die Entfaltung und Entwicklung des kulturellen und geistigen Lebens der armenischen Diaspora wurde nicht nur von der Kirche getragen, sondern gründete sich auch auf die Tätigkeit armenischer reicher Kaufleute als Mäzene und Beförderer von Bildung, Kultur und Kunst. Ihre finanziellen Mittel ermöglichten erst die Errichtung von Schulen, Kirchen, Druckerpressen und anderen Institutionen.220 Verwiesen sei an dieser Stelle nur an einige der prominentesten armenischen Mäzene mit händlerischem Hintergrund, die Familie Lazaryan/Lazarev, die das bedeutendste armenische Bildungszentrum seiner Zeit, das Lazarev Institut für Orientalische Sprachen in Moskau, schufen. So bildete die wirtschaftliche Tätigkeit der armenischen Diaspora einen weiteren Faktor, der zum Erhalt der ethnischen Identifikation beitrug und „den Erhalt der kulturellen Autonomie und den Widerstand gegen Assimilation ermöglichte“.221 Ähnlichkeiten zwischen armenischer und jüdischer Diaspora ergeben sich nicht allein aus den bei beiden Gruppen vorhandenen vor allem religiös begründeten Mythen von Ursprung, Auserwähltheit und historischer Mission, sondern ebenso im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten und auf die Rollen, welche sie an den Orten ihrer Verstreuung spielten. Wilhelm Roscher schrieb im Jahr 1875 über die Armenier, es erinnere an die Juden, „wie sie in ihrer ursprünglichen Heimath überwiegend Ackerbau und Viehzucht treiben, in der Fremde Gewerbfleiss, Handel und Geldgeschäfte“.222

216 Oshagan, 180. 217 Ebd. 218 Zekiyan spricht von einem „kosmopolitischen Trend der armenischen Kultur“. Zekiyan, 80. 219 Ebd., 79. 220 S. z. B. Oshagan, 151. 221 Chalmuchamedov, A. M.: Armjanskaja diaspora kak ėtnopolitičeskij fenomen [Die armenische Diaspora als ethnopolitisches Phänomen]. In: Ėtnografičeskoe Obozrenie 2 (1999), 82 – 92, hier 83. 222 Roscher, 523.

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Die merkantile Stellung der Armenier stehe auch in Zusammenhang damit, dass „ihr Land eine Art vorderasiatischer Schweiz“223 sei, dessen für die Landwirtschaft recht ungünstige natürliche Verhältnisse zu periodischer Auswanderung führten. Anders als die Schweiz sei Armenien aber von Ländern umgeben, „die viel roher sind, und wo der Handel noch grösstentheils Hausierhandel sein muss“.224 Armstrong hingegen sieht die Ursprünge der kommerziellen Spezialisierung der armenischen (und im Übrigen ebenso der jüdischen) Diaspora schon in ihrem Heimatland. So hätten sie über die Jahrhunderte Fähigkeiten und Kenntnisse erworben, die sie später für ihre Residenzgesellschaften so nützlich werden ließen.225 Zur Entwicklung der armenischen Diaspora zu einer middleman minority trug nicht zuletzt deren religiöse Sonderstellung bei, die es den Armeniern, ähnlich wie den Juden, erlaubte, relativ ungehindert zwischen der christlichen und der islamischen Welt zu verkehren, da sie aufgrund ihrer gesonderten religiösen Situation weder mit Orthodoxen noch mit Katholiken identifiziert werden konnten.226 Ihre sozioökonomisch vermittelnde und modernisierende Rolle im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Osteuropa 227 sowie im Nahen und Mittleren Osten 228 konnte die armenische Diaspora nicht zuletzt deshalb wahrnehmen, da mächtige Herrscher wie die persischen Shahs oder die russischen Zaren ihr den angesichts des niedrigen Niveaus der der Diaspora zur Verfügung stehenden Macht durch Zwangsausübung erforderlichen Schutz gewährten.229 Für den wirtschaftlichen Erfolg der armenischen Diaspora waren schließlich ebenso die professionelle Nutzung verschiedener Transportarten, die Tätigkeit in Regionen, welche noch nicht von (politisch) stärkeren Rivalen ausgebeutet wurden, ein funktionierendes Kommunikationsnetzwerk zwischen den einzelnen armenischen Gemeinden, diplomatische Erfahrungen und ihre Fähigkeit als interkulturelle Vermittler verantwortlich.230 Die Vermittlerposition der Armenier (inner- wie außerhalb Armeniens) zwischen Europa und Asien, zwischen Ost und West (beziehungsweise Nord/West und Süd/Ost) ist und war jedoch nicht auf den Bereich des Handels oder allgemeiner: des Wirtschaftens beschränkt. Vielmehr kann diese Mittler- oder Grenzlage auch in einem mehr metaphysischen Sinne als ein durchgängiges Motiv armenischer Geschichte seit der Spätantike betrachtet werden.

223 Ebd. 224 Ebd., 524. 225 Armstrong, Nations before Nationalism, 209. 226 Ebd., 210. 227 Ebd., 118 – 122. 228 Roscher, 523. 229 Curtin, 204. 230 Die hier wiedergegebene Aufzählung folgt Zekiyan, 54 f., findet sich aber so oder ähnlich in einer Vielzahl von Arbeiten.

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Levon Abrahamian beschreibt die Vermittlerrolle der Armenier zwischen Ost und West gar als ein „universal model of an Armenian way of life“,231 als Überlebensmodell – das jedoch nicht immer erfolgreich war.232

231 Abrahamian, Levon: Armenian Identity in a Changing World. Costa Mesa 2006, 348. 232 Dazu Abrahamian: „There are two sides of the coin and a cost to ‚being in between’: the same fate of being in between has brought many misfortunes to Armenia and the Armenians, since the West and the East not only cooperate, but also war, and those in between become the immediate victims of such wars.“ Abrahamian, 348.

3  Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich, 17.–19. Jahrhundert 3.1  Die Rolle der Armenier in Orienthandel und Textilindustrie des Russländischen Reichs 3.1.1  Die Wolgahandelsroute im 17. Jahrhundert Der Orienthandelsweg von Indien und Persien über das Kaspische Meer oder durch den Kaukasus und über die Wolga Richtung Nordost- und Westeuropa war bereits seit Jahrhunderten bekannt und wurde insbesondere nach der Eroberung der Khanate Kazan (1552) und Astrachan (1556), dessen Hauptstadt rasch zum russischen Zentrum des Transithandels mit persischer Rohseide wurde, befahren. Die wichtigste Exportroute für persische Rohseide nach Europa führte jedoch über den Levanteweg, der auf verschiedenen Zweigen entweder über Land nach Bursa und Istanbul und danach durch den Balkan oder über See zur Adria oder nach Aleppo und von dort zum Hafen von Iskanderun oder schließlich über Land nach Izmir und von dort über das Mittelmeer nach Venedig, Livorno, Marseille und in andere europäische Hafenstädte verlief. Im 16. Jahrhundert stieg Aleppo zum Hauptumschlagplatz für persische Rohseide auf, wo armenische Kaufleute mit europäischen Händlern in Kontakt traten, während im darauffolgenden Jahrhundert Izmir an Bedeutung gewann. Im Laufe dieser Zeit erhöhte sich das Volumen des persischen Rohseidenexports über die Levanteroute von geschätzten einigen Zehntausend Kilogramm um 1500 auf ca. 200.000 kg hundert Jahre später und 500.000 kg im frühen 18. Jahrhundert.233 Der auch armenisch betriebene Exporthandel durch den Persischen Golf und um das Kap der Guten Hoffnung begann um 1620, war aber aufgrund der Länge dieser Route und der entsprechend hohen Transportkosten von geringerer Bedeutung.234 Im 16. und 17. Jahrhundert kam es zu einem gewissen Bedeutungszuwachs des Handelsweges über Russland, für den mehrere Umstände verantwortlich zeichneten. So resultierte dessen Attraktivität als Transitroute für in Europa nun vermehrt nachgefragte orientalische Luxuswaren unter anderem aus der deutlich geringeren Distanz zwischen den asiatischen 233 Herzig, Edmund: The Volume of Iranian Raw Silk Exports in the Safavid Period. In: Iranian Studies 25/1 – 2 (1992), 61 – 79, hier 71. 234 Über die Kaproute wurden jährlich nicht mehr als 500 Ballen Rohseide Richtung Europa transportiert. Matthee, Rudolph (Rudi): The Safavid Economy as Part of the World Economy. In: Iran and the World in the Safavid Age. Hg. v. Willem Floor und Edmund Herzig. New York 2012, 31 – 47, hier 42.

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

Seidenanbaugebieten und dem westlichen Europa über die Kaspi-Wolga-Route im Vergleich zum Seeweg um den afrikanischen Kontinent und aus der enormen Höhe der vom Sultan geforderten Zölle auf durch das Osmanische Reich transportierte Waren.235 Armenische Händler nicht nur aus Persien, sondern auch aus dem Osmanischen Reich und von der Krim befuhren die Handelswege durch Russland zu Wasser wie über Land, zum Beispiel von Konstantinopel über Kaffa und Azov und auf Don und Oka nach Moskau oder auf dem Landweg über Akkerman, Perekop, Novgorod und Kaluga nach Moskau und verkauften orientalische Waren an russische Kaufleute, welche diese dann im Binnenhandel vertrieben.236 Schon ab dem 16. Jahrhundert bemühten sich europäische Händler um das Recht auf Transit der persischen Rohseide durch Moskauer Territorium – stets mit dem Ziel vor Augen, über Russland eine alternative Handelsroute für den Indienhandel zu etablieren –, meist jedoch vergeblich. Zu wichtig war dem Moskauer Staat nicht nur der Persien- und Indienhandel an sich, sondern vor allem war er nicht gewillt, seine strategisch äußerst bedeutsame Stellung im Süden entlang der Wolgaroute und an den Küsten des Kaspischen Meeres angesichts der expansionistischen Ambitionen der Osmanen zu gefährden. Zwar erhielt die englische Moskowitische Kompanie von Ivan IV. das Recht auf zollfreien Handel, ihre persischen Expeditionen (die letzte davon 1579) blieben aber ohne durchschlagenden Erfolg, und im folgenden Jahrhundert wurde Engländern und Holländern der Transithandel durch Russland untersagt.237 Und auch der Holsteinischen Kompanie, welche als einzige europäische Handelsunternehmung im Jahre 1634 das russische Transitrecht nach Persien erhielt, wurde bereits 6 Jahre darauf der entsprechende Vertrag gekündigt, da sie sich als nicht in der Lage gezeigt hatte, die vereinbarte jährliche Abgabe zu leisten.238 Das Moskauer Reich selbst hatte nach den Zerrüttungen der Smuta erhöhten Bedarf an Kapital, vor allem an Edelmetallen, welche man dort nach dem Verlust des Baltikums vor allem durch die Stimulierung des Orienthandels ins Land zu lenken hoffte.239 So führte 235 Zevakin, E. S.: Persidskij vopros v russko-evropejskich otnošenijach XVII v. [Die persische Frage in den russisch-europäischen Beziehungen im 17. Jahrhundert]. In: Istoričeskie zapiski 8 (1940), 129 – 162, hier 129 f. 236 Baibourtian, Vahan: International Trade and the Armenian Merchants in the Seventeenth Century. New Delhi 2004, 142, 149. 237 Matthee, Rudolph (Rudi): The Politics of Trade in Safavid Iran: Silk for Silver. 1600 – 1730. Cambridge 1999, 31. – Voskanjan, Vazgen K.: Novo-torgovyj ustav i dogovor s armjanskoj torgovoj kompaniej v 1667 g. [Das Neue Handelsstatut und die Verhandlung mit der armenischen Handelskompanie im Jahre 1667]. In: Lraber hasarakakan gitowt’yownneri/Vestnik obščestvennych nauk Akademii Nauk Armjanskoj SSR 6 (1947), 29 – 43, hier 32. 238 Kukanova, Nina G.: Rol’ armjanskogo kupečestva v razvitii russko-iranskoj torgovli v poslednej treti XVII v. [Die Rolle der armenischen Kaufmannschaft in der Entwicklung des russisch-iranischen Handels im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts]. In: Kratkie soobščenija Instituta Narodov Azii 30 (1961), 20 – 34, hier 21. – Voskanjan, 32. 239 Golikova, N. B.: Očerki po istorii gorodov Rossii konca XVII–načala XVIII v. [Essays zur Geschichte der Städte Russlands vom Ende des 17. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts]. Moskva 1982, 161.

Die Rolle der Armenier in Orienthandel

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das gesteigerte Interesse auch der europäischen Handelsnationen am orientalischen Markt und die günstige Lage Russlands zwischen Ost und West zu einem Anstieg des russischen Außenhandels.240 Die starke Präsenz von ausländischen Händlern auf dem russischen Markt hatte derweil schon im 16. Jahrhundert den Protest der russischen Kaufleute, allen voran der gosti, hervorgerufen.241 Da die russische Kaufmannschaft aber nicht in der Lage war, mit den Mitteln des ökonomischen Wettbewerbs gegen die kapitalstärkeren und besser organisierten westeuropäischen Kaufleute zu bestehen, blieb letztlich nur das Mittel einer protektionistischen staatlichen Wirtschaftspolitik, um die Dominanz ausländischer Händler auf dem russischen Markt einzudämmen.242 So konnten die gosti nach fruchtlosen Bemühungen unter Ivan IV . im späten 16. Jahrhundert schließlich durchsetzen, dass die Bewegungsfreiheit ausländischer Händler von Regierungsseite eingeschränkt wurde. Ausländer wurden zunächst (1569) vom Einzelhandel ausgeschlossen, 1584 wurden die Tätigkeiten der Europäer auf die im selben Jahr gegründete Hafenstadt Archangel’sk am Weißen Meer beschränkt (der nun aber allen europäischen Staaten geöffnet wurde, womit die englische Moskowitische Kompanie ihre Monopolstellung im Handel mit Russland verlor),243 orientalische Kaufleute durften nur in den Handelshöfen der gosti operieren und die von ihnen zu entrichtenden Steuern und Zölle wurden erhöht, außerdem wurden sie gezwungen, russische Händler als Zwischenhändler zu benutzen.244 Die ausländischen Händler fanden jedoch bald Mittel, genannte Einschränkungen zu umgehen. Zu den Gründen der Unterlegenheit russischer Kaufleute gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten schreibt Baron unter anderem: „[…] the [Russian] merchants sought to conceal their wealth from a government that unceremoniously laid hands on the substance of others in time of need. They refrained from organizing trading companies because to do otherwise would attract attention and invite trouble“245, denn: „Given the 240 Zevakin, 132. 241 Die gosti, Mitte des 16. Jahrhunderts erstmals urkundlich erwähnt, bildeten die wohlhabendste und rechtlich privilegierteste Schicht der Kaufleute im Moskauer Staat. Der Rang eines gost’ wurde vom Zar verliehen und erhob seinen Träger über die anderen Kaufleute (der gostinnaja sotnja und der sukonnaja sotnja) wie auch über die städtische Gemeinde. Neben besonderen Rechten brachte der Rang eines gost’ aber auch bestimmte Verpflichtungen gegenüber dem Zaren mit sich, so z. B. Steuereintreibung und Administration des staatlichen Tavernenwesens. Bushkovitch, Paul: The Merchants of Moscow. 1580 – 1650. Cambridge 1980, 13 – 15. – Preobraženskij/Perchavko. – Baron, Samuel H.: Who Were the Gosti? In: California Slavic Studies 7 (1973), 1 – 40. 242 Zevakin, 132. 243 Die erfolglosen Versuche der Engländer, ihre frühere Stellung zurückzuerlangen und das Transitrecht auf den Seidenhandel zu erhalten, wurden schließlich in den 1630er Jahren aufgegeben. Zevakin, 133 f. 244 Matthee, Politics of Trade, 32. 245 Baron, Samuel H.: Entrepreneurs and Entrepreneurship in Sixteenth/Seventeenth-Century Russia. In: Entrepreneurship in Imperial Russia and the Soviet Union. Hg. v. Gregory Guroff. Princeton 1983, 27 – 58, hier 55.

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

numerous hazards inherent in business activity in Muscovy, it is no wonder that entrepreneurs were conservative, cautious, wary of undertakings that would make them yet more insecure.“246

Daher hätten sich die herrschenden Umstände im Moskauer Staat negativ auf die Möglichkeit zu merkantilen Langzeitstrategien und gemeinschaftlichen Unternehmungen ausgewirkt. Ermolaeva entwirft ein pessimistisches Bild, wenn sie (bezogen auf das 17. und frühe 18. Jahrhundert) schreibt: „Die Regierung […] unterstützte die Verbreitung des Handelskapitals insgesamt wenig. […] gewinnbringende Zweige des Handels und der Produktion blieben entweder ein Monopol der Staatskasse oder sie fielen unter deren strenge Kontrolle. […] Die Privilegien erlegten [den Kaufleuten] eine Reihe schwieriger Dienstverpflichtungen auf, die die händlerisch-unternehmerische Tätigkeit störten.“247

Allerdings spielte der Staat nicht immer die Rolle eines Hemmnisses für die Initiativen der russischen Kaufleute. Bushkovitch spricht für das 17. Jahrhundert von einer „two-sided relationship between the merchants and the state“ und nennt in diesem Zusammenhang die Rolle der Moskauer Kaufleute in der Steuereintreibung und im Tavernenmonopol.248 Mit ein Grund für den Erfolg europäischer ebenso wie orientalischer Händler in Russland auf Kosten der einheimischen Kaufleute war neben der russischen Kapitalarmut auch das zarische Eigeninteresse. Denn eine Reihe besonders lukrativer Im- und Exportgüter 249 stand unter staatlichem Monopol, womit die Zaren zugleich als „Privatunternehmer“ auftraten.250 Der Monopolhandel zwischen Zar und Schah vollzog sich nicht zuletzt über die im 17. Jahrhundert regelmäßiger werdenden diplomatischen Gesandtschaften beider Länder, welche neben der politischen gleichfalls kommerzielle Bedeutung hatten.251 So reisten 246 Ebd., 53. – Zu den russischen Kaufleuten der vorpetrinischen Ära s. Preobraženskij, A. A./ Perchavko, V. B.: Kupečestvo Rusi. IX–XVII veka [Die Kaufmannschaft der Rus’. 9.–17. Jahrhundert]. Ekaterinburg 1997. 247 Ermolaeva, L. K.: Krupnoe kupečestvo Rossii [Die Großkaufmannschaft Russlands]. In: Istoričeskie zapiski 114 (1986), 303 – 325, hier 322. 248 Bushkovitch, 151, 167. 249 Die unter staatlichem Monopol stehenden, so genannten „verbotenen“ Exportgüter waren im 17. Jahrhundert Pelze, Jagdfalken, Buntmetalle, Schreibpapier, europäisches Tuch, Walrosselfenbein und Beize. Kukanova, Nina G.: Iz istorii russko-iranskich torgovych svjazej v XVII veke (po dannym ZGADA i drugich archivov) [Aus der Geschichte der russisch-iranischen Handelsbeziehungen im 17. Jahrhundert (nach den Quellen des ZGADA und anderer Archive)]. In: Kratkie soobščenija Instituta Vostokovedenija 26 (1958), 41 – 53, hier 51. 250 Heller, Klaus: Zur Entwicklung der Handelsbeziehungen des Moskauer Reiches mit Persien und Mittelasien im 16. und 17. Jahrhundert. In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 52 (1996), 35 – 43, hier 40. – Zevakin, 156. – Troebst, Stefan: Isfahan-Moskau-Amsterdam. Zur Entstehungsgeschichte des moskauischen Transitprivilegs für die Armenische Handelskompanie in Persien (1666 – 1676). In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 41 (1993), 180 – 209, hier 191. 251 Kukanova, Iz istorii, 42.

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mit den Botschaftern (nicht selten selbst aus den Reihen der großen Kaufleute rekrutiert) auch Händler, die die staatlichen Monopolwaren zollfrei führen durften. Selbst die dem fremden Hof dargebrachten „Geschenke“ (meist besonders wertvolle und seltene Waren, die nicht frei ausgeführt werden durften) waren Teil des Handels zwischen den Monarchen.252 In den 1640er und 1650er Jahren entsandte Zar Aleksej Michajlovič (Alexei I.) eine Reihe von russischen Kaufleuten als Gesandte nach Persien und Zentralasien, um die Handelsbeziehungen mit diesen Regionen zu vertiefen, vor allem aber mit dem Ziel, einen Zugang zu den Märkten Indiens zu erschließen. Letzteres Vorhaben scheiterte zwar, doch konnte ­Anisim Gribov 1646 von Schah Abbas II. die Erlaubnis für russische Händler zum Handel in Persien erwirken.253 Die Zollfreiheit der im staatlichen Auftrag gehandelten Waren machten sich in der Folge einige persische Kaufleute widerrechtlich für ihren eigenen Handel zunutze, was trotz zahlreicher offizieller Beschwerden an den Schah nicht unterbunden wurde.254 So teilte der Zar „aus kommerziellem wie aus fiskalischem Eigeninteresse die Sorgen der russischen Kaufleute über die Umtriebe der Orientalen nur halbherzig […] und [war] selbst noch nach energischen gesetzlichen Schritten zur Eindämmung des Ausländerhandels im eigenen Reich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts immer wieder zu Ausnahmeregelungen gegenüber nationalen Gruppen dieser östlichen Kaufmannschaft wie gegenüber einzelnen östlichen Kaufleuten bereit“.255

Zu den genannten „energischen gesetzlichen Schritten“ zählte zum einen der Verlust der Privilegien der Moskowitischen Kompanie im Jahre 1649, womit bis Anfang des 18. Jahrhunderts die Holländer (die nun auch den persisch-europäischen Seidenhandel dominierten, jedoch kein Transitrecht durch Russland besaßen) zur führenden westlichen Handelsmacht in Russland wurden, und zum anderen insbesondere der novotorgovyj ustav (Neues Handelsstatut) von 1667.256 Er beschränkte die Tätigkeit europäischer Kaufleute auf die Grenzstädte und untersagte ihnen den Handel untereinander sowie den Verkauf von Waren im Einzelhandel und auf Jahrmärkten.257 Im Unterschied zur ausführlichen Rege 252 Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj Imperii [Vollständige Sammlung der Gesetze des Russländischen Reiches] Pervoe sobranie (1649 – 1825). St. Peterburg 1830 (im Folgenden PSZ I), Bd. 1, Nr. 618. – Preobraženskij/Perchavko, 166 – 174. 253 Preobraženskij/Perchavko, 172 f. 254 Kukanova, Iz istorii, 45 – 47. 255 Heller, 41. 256 Zevakin, 132, 134 f. Troebst ist der Meinung, mit dem Neuen Handelsstatut seien weniger protektionistische als vielmehr fiskalpolitische Ziele verfolgt worden. Der Zar war demnach an einer Erhöhung der Einnahmen aus dem Transithandel und einem verstärkten Zustrom von Edelmetallen aus dem Westen interessiert. Troebst, Isfahan-Moskau-Amsterdam, 188. 257 PSZ I, Bd. 1, Nr. 408. – Andreev, A. I.: Novotorgovyj Ustav 1667 g. (k istorii ego sostavlenija) [Das Neue Handelsstatut von 1667 (zur Geschichte seiner Erstellung)]. In: Istoričeskie zapiski 13 (1942),

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lung der Tätigkeit europäischer Händler werden die so genannten „östlichen“ Kaufleute (Perser, Inder, Bucharer, Armenier, Kumyken und die Einwohner Astrachans) im Neuen Handelsstatut in nur 4 von insgesamt 94 Paragraphen behandelt. Diese bestimmten die Höhe der auf eingeführte ausländische und auf ausgeführte russische Waren in Astrachan sowie der in Moskau zu zahlenden Zölle, verboten Erwerb und Ausfuhr von Edelmetallen sowie die Ausfuhr von Monopolwaren und verfügten, dass in den Grenzstädten und auf den großen Jahrmärkten das Gepäck der Perser und Armenier eingehend untersucht werden solle, um versteckte Perlen und Edelsteine aufzuspüren.258 Im Unterschied zu den europäischen Kaufleuten war ihnen der Handel im Inneren Russlands gestattet; der Außenhandel der orientalischen Händler war jedoch auf Astrachan begrenzt. Zwischen diesen und den vor allem auf Archangel’sk beschränkten Europäern konnte also nunmehr kein direkter Handel mehr stattfinden und es bedurfte der Vermittlertätigkeit der russischen Kaufmannschaft, um den Transithandel mit persischen Waren, allen voran der Rohseide, betreiben zu können. Der Zar erkannte jedoch, dass ein solches kapitalaufwändiges Unterfangen von den unter chronischem Kapitalmangel und schlechter Organisation leidenden russischen Kaufleuten kaum zu bewerkstelligen war. Die dadurch entstandene Situation beschreibt Troebst so: „Die handelsgeografische und -kommunikative Lücke, die das Neue Handelsstatut zwischen den […] ‚westlichen’ Kaufleuten auf der einen und orientalischen auf der anderen Seite […] riss, bedurfte aus der Sicht des Zaren der Schließung mittels staatlichen Eingriffs. Da das Neue Handelsstatut einer Ausnahmegenehmigung für Westeuropäer zum Transit nach Persien diametral entgegenstand, mussten andere intermédiaries gefunden werden. Das Ergebnis dieser Suche war die Übereinkunft mit der [Neu-Julfaer] Armenischen Handelskompanie.“259

3.1.2  Armenische Kaufleute und Unternehmer Die Vorgeschichte dieser Neu-Julfaer Kaufleute reicht ungefähr zur Mitte des 16. Jahrhunderts zurück, als armenische Händler, von der steigenden Nachfrage nach Luxusgütern und Rohstoffen in Europa einerseits sowie der Behinderung des direkten europäisch-orientalischen Handels durch die Expansion der Osmanen andererseits profitierend, zu Mittelsmännern vor allem im Seidenhandel zwischen Persien und der Levante geworden waren. Zu dieser Zeit erlebte das strategisch günstig an der Seidenstraße gelegene Julfa (arm. ǰowła) 303 – 307, hier 304. Andreev ist der Meinung, das Neue Handelsstatut sei in Reaktion auf eine Bittschrift Moskauer Kaufleute aus dem Jahr 1646 verabschiedet worden. – Auch 1626 und 1648 hatten die russischen Kaufleute gegen die scheinbar übermächtige europäische Konkurrenz protestiert. Voskanjan, 30. 258 PSZ I, Bd. 1, Nr. 408. 259 Troebst, Isfahan-Moskau-Amsterdam, 188. Kursiv im Original.

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am Fluss Arax einen rasanten Aufstieg.260 Die Stadt und ihre Bewohner gelangten zu großem Wohlstand, den sie in erster Linie dem Handel mit Rohseide verdankten; so handelten die Julfaer Kaufleute unter anderem mit den Kaufleuten des Levantehandels und mit der englischen Moskowitischen Kompanie.261 Im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen dem Osmanischen und dem Persischen Reich ließ Schah Abbas I. im Jahr 1604 neben der Bevölkerung einer Reihe von Regionen des historischen Armeniens auch die Einwohner Julfas und einiger umgebender Handelsstädte deportieren. Während die ländliche Bevölkerung unter anderem in die Seidenanbauregion Gilan deportiert wurde, verfügte der Schah, die Städter und insbesondere deren wohlhabende Oberschicht in der neuen persischen Hauptstadt Isfahan anzusiedeln. Nachdem sich ihr Zusammenleben mit den Muslimen dort als zu schwierig erwiesen hatte, fanden die armenischen Kaufleute schließlich in der zu diesem Zwecke eigens angelegten Vorstadt, dem so genannten NeuJulfa, Unterkunft.262 Baghdiantz McCabe hat in ihren Arbeiten die These vertreten, dass die Übersiedlung der Armenier nach Neu-Julfa Teil eines größeren und bereits in den 1590er Jahren aufgekommenen politischen Plans Schah Abbas’ gewesen sei, der beabsichtigt habe, mithilfe der Armenier seinen zentralen, absolutistischen Machtanspruch im Inneren des Landes gegenüber den persischen Feudalherren durchzusetzen wie auch den Reichtum der Staatskasse durch den Handel der Armenier zu mehren. Allerdings widersprechen andere AutorInnen 263 der Vorstellung eines „Masterplans“ des Schah und gehen stattdessen davon aus, dass die Deportation der Armenier eine spontane Aktion unter den Rahmenbedingungen des Krieges und im Zusammenhang mit Abbas’ Politik der verbrannten Erde darstellte. Nichtsdestoweniger spielten Armenier eine gewichtige Rolle sowohl in der Wirtschaft des Persischen Reiches als auch für die politischen Belange der Safaviden. Bekannt ist in diesem Zusammenhang die Institution der Ghulams, kaukasischer Konvertiten, die oftmals zu Schlüsselpositionen in der zentralen Reichsregierung aufstiegen und vor allem seit Abbas I. in Diensten der zentralisierenden absolutistischen Vorhaben der Schahs standen.264 260 Herzig, Edmund M.: The Rise of the Julfa Merchants in the Late Sixteenth Century. In: Safavid Persia. The History and Politics of an Islamic Society. Hg. v. Charles Melville. London-New York 1996, 305 – 322, hier 305 f. 261 Ebd., 307. 262 Über die Umstände der Umsiedlung siehe z. B. Korganjan, N. K.: K voprosu o nasil’stvennom pereselenii armjan šachom Abbasom I [Zur Frage der gewaltsamen Umsiedlung der Armenier durch Schah Abbas I.]. In: Patma-banasirakan handes/Istoriko-filologičeskij žurnal 101 – 102/2 – 3 (1983), 286 – 298. 263 Zuletzt Aslanian, Indian Ocean. 264 Aslanian, Indian Ocean, 30 f. – Rota, Giorgio: Caucasians in Safavid Service in the 17th Century. In: Caucasia Between the Ottoman Empire and Iran, 1555 – 1914. Hg. v. Raoul Motika und Michael Ursinus. Wiesbaden 2000, 107 – 120. – Babaie, Sussan u. a.: Slaves of the Shah. New Elites in Safavid Iran. London 2004.

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Die Julfaer ihrerseits galten Abbas als eine Art „service gentry“,265 etwa in der Funktion als Gesandte des Schahs im Ausland, und unterhielten darüber hinaus Beziehungen zu den Ghulams, welche die Seidenanbaugebiete im Norden des Landes kontrollierten. Als „alien community with no power interests in Iran and no national state of their own“ bezeichnet Aslanian die Julfaer denn auch in Anlehnung an Coser als „ideal servants of power“.266 Die Monopolisierung der persischen Seidenwirtschaft zugunsten der Krone war es, welche nicht nur von besonderer Bedeutung für Abbas’ Politik war, sondern auch das Herzstück seiner Beziehungen zu den Armeniern bildete. 1619 konnten die Julfaer im Rahmen einer Auktion die English East India Company überbieten und so das Monopol des Seidenexports erwerben, welches sie jedoch unter Abbas’ Nachfolger Safi verloren.267 Aufgrund seiner strategisch günstigen Lage zwischen Indien und Europa lag die wirtschaftliche Bedeutung Persiens in der Frühen Neuzeit vor allem in seiner Rolle im europäisch-orientalischen Transithandel. Darüber hinaus exportierte das Land aber auch eigene Erzeugnisse, allen voran Rohseide aus den Anbaugebieten im Norden des Irans. In einem guten Jahr exportierte der Iran etwa 5000 bis 6000 Ballen (à 100 kg) Rohseide.268 Hauptmotor des Export- und Transithandels der Safaviden bildete der chronische Mangel an Edelmetallen in Persien, das deshalb auf den Tausch seiner (Re-)Exporte gegen Gold und Silber mit Europa angewiesen war. Die Julfaer armenischen Kaufleute spielten in dessen Befriedigung eine besondere Rolle: Eine Schätzung besagt, dass sie mit jeder Karawane von der Levante ca. 200.000 Golddukaten nach Persien brachten.269 Zu allen Zeiten überwog der Umfang der von Armeniern gehandelten persischen Rohseide jenen der Europäer, deren Seehandel im Indischen Ozean, um das Kap von Afrika und im Mittelmeer den zu großen Teilen über Land durchgeführten Karawanenhandel der Julfaer nicht wesentlich zu beeinträchtigen vermochte. So besaßen Letztere im 17. Jahrhundert einen de facto Monopolstatus im persisch-europäischen Seidenhandel. Bis in die 1740er Jahre dominierten die armenischen Kaufleute Neu-Julfas im persischen Rohseidenhandel und waren darüber hinaus am internationalen Handel zwischen Ost und West, insbesondere von Seide, daneben aber auch anderen Luxus- und Gebrauchsgütern, in prominenter Position beteiligt. Ihr Handels- und Kommunikationsnetzwerk erstreckte sich von Südostasien bis Nordwesteuropa und verfügte neben dem administrativen, wirtschaftlichen und geistig-kulturellen Zentrum in Neu-Julfa über eine Vielzahl von Handelsniederlassungen oder „Kolonien“, die im Laufe ihrer Entwicklung zu Anziehungspunkten

265 Aslanian, Indian Ocean, 38. 266 Aslanian, Indian Ocean, 41 f. – S. auch Babaie u. a. 267 Aslanian, Indian Ocean, 38. – Aghassian, Michel/Kévonian, Kéram: The Armenian Merchant Network: Overall Autonomy and Local Integration. In: Merchants, Companies and Trade. Europe and Asia in the Early Modern Era. Hg. v. Sushil Chaudhury und Michel Morineau. Cambridge 1999, 74 – 94, hier 87. 268 Matthee, Safavid Economy, 34. 269 Ebd., 40.

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armenischer Migration ebenso wie zu Stätten armenischen kulturellen, religiösen und politischen Lebens wurden. Strukturelle Grundlage der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten der Julfaer, auf der auch die Administration der vom Schah privilegierten Gemeinde Neu-Julfas, die im 17. und 18. Jahrhundert etwa 10.000 bis 30.000 Personen umfasste,270 sowie das Kommunikations- und Handelssystem ihrer Kaufleute basierte, war die patriarchale Großfamilie. Diese „central institution of pre-modern Armenian society“ 271, die vom jeweils ältesten lebenden männlichen Familienmitglied geleitet wurde, konnte mehrere hundert Personen umfassen und ermöglichte deshalb das Überleben mancher Familienbetriebe über Jahrhunderte hinweg. Des Weiteren begünstigte der hohe Grad an sozialer Kontrolle und gegenseitigem Vertrauen sowie die Konzentration von Kapital innerhalb der Großfamilie durch die Reduktion von Transaktionskosten im Rahmen eines riskanten asiatischen Fernhandels den Erfolg der auf solcher Grundlage betriebenen Handelsfirmen. Trotzdem beschränkten sich die Handelsunternehmungen der Julfaer nicht ausschließlich auf den Familienbetrieb, vielmehr bedienten sie sich im Rahmen des Fernhandels auch des in Mittelalter und Früher Neuzeit in weiten Teilen Asiens wie Europas verbreiteten und vermutlich aus der islamischen Tradition stammenden Commenda-Systems. Dieses System basierte auf der Arbeitsteilung zwischen einem das Kapital und/oder die Waren für die zu unternehmende Handelsexpedition zur Verfügung stellenden Finanzier aus der Elite der Chodschas (fars. xâǧe), also jener Kaufleute und männlichen Oberhäupter der wohlhabendsten und einflussreichsten Großfamilien, sowie einem Faktor oder Commenda-Agenten, entweder ein jüngeres Familienmitglied oder ein anderer Julfaer Händler mit geringem eigenem Kapital, der dem geschlossenen Commenda-Vertrag sowie den Instruktionen seines „Meisters“ in Neu-Julfa gemäß in dessen Namen Handelsoperationen etwa in Surat, Batavia, Venedig oder St. Petersburg durchführte und in diesen Außenstellen des Familienbetriebes quasi als Subunternehmer fungierte. Dabei wurden diese Faktoren in der Regel nicht regional, sondern global eingesetzt und konnten durch wiederholte Rotation zwischen den über Europa und Asien verstreuten Handelsniederlassungen der einzelnen Familienfirmen ein merkantiles, sprachliches und regionalkundliches Wissen akkumulieren, dass sie zu ernstzunehmenden Konkurrenten selbst der europäischen Handelskompanien machte.272 In der Regel erhielt der „Seniorpartner“ eines solchen Vertrages drei Viertel des Erlöses des Geschäfts; im Falle einer Mitbeteiligung des „Juniorpartners“ an der Finanzierung des Unternehmens erhielt Letzterer eine entsprechend höhere Gewinnbeteiligung. Ein Familienbetrieb 270 Aslanian, Indian Ocean, 179. Aslanian schätzt, dass davon zu jeder gegebenen Zeit ca. 1000 Personen aktiv im (Fern-)Handel tätig waren. Ebd. 271 Herzig, Edmund: The Family Firm in the Commercial Organisation of the Julfa Armenians. In: Etudes Safavides. Hg. v. Jean Calmard. Paris-Teheran 1993, 287 – 304, hier 288. 272 Troebst, Stefan: Mittelmeer und Ostsee im frühneuzeitlichen globalen Handelsnetzwerk der Armenier Isfahans. In: Armenisch-Deutsche Korrespondenz 158/1 (2013), 36 – 39.

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verfügte über 80 bis 100 Faktoren, die in dessen Namen operierten und das ihnen zur Verfügung gestellte Kapital in der Regel im Rahmen ihrer Handelsgeschäfte verdoppelten.273 Zu den wichtigsten Aufgaben des Faktors zählte die genaue Buchführung samt Abrechnung seiner kommerziellen Tätigkeiten im Rahmen seiner Handelsreise, die nach seiner Rückkehr dem Chodscha, dessen Anweisungen bezüglich finanzieller Investitionen, des Kaufs und Verkaufs von Gütern der Faktor im Ausland unbedingt Folge zu leisten hatte, vorgelegt werden musste. Chodscha und Commenda-Agent standen dabei über Briefwechsel in Kontakt, der sich mithilfe eines weitläufigen Kuriersystems vollzog. Dieses Informationsnetzwerk verband nicht nur die kommerziellen Auftraggeber und Finanziers mit ihren Partnern und Angestellten, sondern verknüpfte auch die zahlreichen Stützpunkte und Niederlassungen Julfaer Kaufleute in aller Welt miteinander und vor allem mit dem Knotenpunkt Neu-Julfa, der zentralen Drehscheibe von Kapital, Waren, Informationen und Menschen. Eine wichtige Funktion erfüllte die regelmäßige Korrespondenz der Händler, aber auch der armenischen Geistlichen, zwischen Zentrum und Peripherie nicht bloß in der Bereitstellung von Informationen zur aktuellen Marktlage und der politischen Situation vor Ort, vielmehr ebenso in der Verbreitung von Gerüchten über andere Kaufleute und Commenda-Agenten, ihr Verhalten, ihre Zuverlässigkeit und Reputation. Angesichts dieser Form der sozialen Überwachung lag es im Interesse zum Beispiel eines Faktoren, sich auch fern der Heimat den Instruktionen seines Herren gemäß zu verhalten und diesen nicht zu betrügen, da eine Schädigung seines Rufes seine zukünftige kommerzielle Tätigkeit gefährdet hätte. 274 Ihre Ausbildung erhielten diese Handelsreisenden zum einen bei älteren Familienmitgliedern, zum anderen verfügte die Neu-Julfaer armenische Gemeinde über eine spezielle Handelsschule am Erlöserkloster unter der Leitung des Schulmeisters Constant, wo in den 1680er Jahren etwa 300 Schüler lernten.275 Constants handschriftliches so genanntes Handelskompendium wurde nicht nur an dieser Schule als Lehrbuch verwendet, sondern diente auch armenischen Handelsreisenden als Handbuch. Dieses und andere Handelshandbücher in armenischer Sprache, einige davon in gedruckter Form, boten den armenischen Kaufleuten Informationen über Gewichte, Maße, Zölle, Preise, das Handelsgebaren und rechtliche Gegebenheiten in einer Vielzahl europäischer und asiatischer Städte sowie in Ägypten und Ostafrika.276

273 Moosvi, Shireen: Armenians in Asian Trade. 16th and 17th Centuries. In: Les arméniens dans le commerce asiatique au début de l’ère modern. Armenians in Asian Trade in the Early Modern Era. Hg. v. Shushil Chaudhury und Kéram Kévonian. Paris 2007, 103 – 112, hier 104. 274 Aslanian, Indian Ocean, 86 – 120, 178 – 181. – Ders: “The Salt in a Merchant’s Letter”: The Culture of Julfan Correspondence in the Indian Ocean and the Mediterranean. In: Journal of World History 19/2 (2008), 127 – 188. 275 Aslanian, Indian Ocean, 136. – Ders.: The Circulation of Men and Credit: the Role of the Commenda and the Family Firm in Julfan Society. In: Journal of the Economic and Social History of the Orient 50 (2007), 124 – 171. 276 Curtin, Cross-Cultural Trade, 193.

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Das bekannteste dieser Werke ist wohl das Handelshandbuch von Łukas Vanandec’i, welches 1699 in Amsterdam gedruckt wurde.277 Das Commenda-System erwies sich als ideales Instrument der globalen Expansion des Julfaer Handels wie auch als Möglichkeit, den Familienbetrieb durch die Beschäftigung von Commenda-Agenten über die Grenzen der Verwandtschaft innerhalb der Großfamilie hinaus zu erweitern.278 Ob die Julfaer Kaufleute neben ihren familienbasierten Unternehmen auch eine gemeinsame Dachorganisation in Gestalt einer „Julfaer Armenischen Handelskompanie“ gründeten, ist in der Forschung umstritten. Eine Vielzahl von AutorInnen ging selbstverständlich von der Existenz einer solchen Handelskompanie aus, Baghdiantz McCabe tritt in ihren Arbeiten entschieden für ihr Bestehen als „centralized and highly organized system of trading“279 und „comprehensive and coordinated organization“280 ein. Andere wie Edmund Herzig, Shushanik Khachikyan (Šowšanik Xač’ikyan) und Sebouh David Aslanian jedoch haben darauf hingewiesen, dass es keinen gesicherten historischen Beleg für eine Julfaer Armenische Handelskompanie gibt. In der Regel wird die Existenz einer geeinten Julfaer Armenischen Handelskompanie in der Sekundärliteratur an den im Jahre 1667 zwischen 22 Julfaer armenischen Kaufleuten und Zar Aleksej Michajlovič geschlossenen Vertrag festgemacht. In dessen russischer Fassung tritt als Unterzeichnende auch tatsächlich die „Armenische Handelskompanie“ auf. Allerdings handelte es sich dabei, so Khachikyan, um einen Übersetzungsfehler aus dem Armenischen ins Russische, im Zuge dessen aus „Kompanien“ im Plural die Kompanie im Singular wurde.281 Aus den Reihen der das Gemeindeleben in Neu-Julfa dominierenden Chodschas rekrutierten sich die Vorsteher der zwanzig Bezirke der Vorstadt, die Kadchudas (fars. kadxodā), welche zugleich die Wirtschaft Neu-Julfas dominierten. Als Vorsteher der Beistadt diente ein so genannter Kalantar (fars. kalāntar). Das Amt eines Kalantar wurde vom Schah verliehen und umfasste finanzielle, polizeiliche und andere Aufgaben; der Kalantar gehörte zwar der zivilen staatlichen Hierarchie an, galt aber zugleich als Interessenvertreter der Bevölkerung gegenüber der Regierung. Der Kalantar von Neu-Julfa war üblicherweise Armenier und genoss unter den Safaviden einigen Einfluss.282 Gemeinsam mit ihm bildeten die zwanzig Kadchudas die so genannte Kaufmannsversammlung. Sie war die Administrationsinstanz der armenischen Vorstadt und fungierte darüber hinaus als Jurisdiktions- und Kontrollinstanz 277 Vanandec’is Handbuch beruhte weitgehend auf Constants handschriftlichem Werk. Aslanian, The Salt, 15. – Ders., Circulation, 138. 278 Aslanian, Indian Ocean, 121 f.; Ders., Circulation. 279 Baghdiantz McCabe, The Shah’s Silk, 10. 280 Ebd., 204. 281 Khachikyan, Shushanik: Der armenisch-russische Handelsvertrag vom Jahr 1667 und die autonomen Körperschaften von Neu-Julfa. In: Armenier im östlichen Europa. Eine Anthologie. Hg. v. Tamara Ganjalyan, Bálint Kovács und Stefan Troebst. Köln-Wien-Weimar, in Vorbereitung. 282 Lambton, A. K. S.: Kalāntar. In: Encyclopedia of Islam. New Edition. Bd. 4. Hg. v. E. van Donzel, B. Lewis und Ch. Pellat. Leiden 1990, 474 – 476.

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betreffend das traditionelle Handels- und Vertragsrecht der Julfaer; die Versammlung entschied zum Beispiel in Streitfällen zwischen Commenda-Vertragsparteien. Über rechtliche Fragen in nicht rein kommerziellen Angelegenheiten entschied hingegen die Gemeindeversammlung, die sich neben den säkularen auch aus den kirchlichen Autoritäten Neu-Julfas zusammensetzte. In den über ganz Eurasien verstreuten Niederlassungen Julfaer Kaufleute tagten bei Bedarf außerdem „mobile Gerichte“, bestehend aus Mitgliedern der örtlichen Julfaer Händlergemeinde, die Rechtsstreitigkeiten zwischen Kaufleuten nach dem Julfaer Handelsrecht entschieden und mit der Kaufmannsversammlung in Neu-Julfa in Korrespondenz standen.283 Diese informellen wie halbformellen Institutionen in Gestalt eines geschlossenen und dichten Netzwerks, in welchem kommerzielle, familiäre und kirchliche interpersonelle Beziehungen miteinander verwoben sind, sowie der Kaufmanns- und Gemeindeversammlungen bildeten den Ursprung des den Fernhandel ermöglichenden gegenseitigen Vertrauens innerhalb der, wie Aslanian sie nennt, „Koalition“ der Julfaer Kaufleute.284 Genannte Institutionen nämlich erleichterten die soziale Kontrolle, die auf einem kontinuierlichen Informationsfluss zwischen Zentrum und Peripherie basierte und in welchem die Kaufmannsversammlung nicht zuletzt die Aufgabe einer Wissensdrehscheibe innehatte. Die Übermittlung von Informationen über die Reputation des einzelnen Händlers und die Verhängung von Strafen 285 im Falle von regelwidrigem Verhalten desselben durch die Kaufmannsversammlung in Julfa oder die „mobilen Gerichte“ in den Handelsniederlassungen erhöhten den Druck zu Konformität und steigerten dadurch den Grad an Kooperation und Solidarität innerhalb der Julfaer „Koalition“. Auf diese Weise konnten die Julfaer Kaufleute die Transaktionskosten ihrer weltweiten Handelsunternehmungen senken und gewannen so Wettbewerbsvorteile auch gegenüber Vertretern der europäischen Handelsnationen. Mit diesen standen die armenischen Kaufleute Neu-Julfas in teils intensivem geschäftlichem Kontakt, sei es in den Hafenstädten des östlichen Mittelmeeres, wo europäische Händler die von den Armeniern aus Indien und Persien über den Landweg herbeigebrachten Waren aufkauften und weiter gen Westen führten (sofern die Armenier sie nicht selbst auf den Schiffen europäischer Handelskompanien weitertransportierten), sei es in den Niederlassungen der Armenier in Europa selbst oder sei es gar als Geschäftspartner, die gemeinsame Unternehmungen betrieben wie zum Beispiel im Falle jenes aus Venedig nach

283 Aslanian, Indian Ocean, 185 – 197. – Ders.: Social Capital, “Trust” and the Role of Networks in Julfan Trade: Informal and Semi-Formal Institutions at Work. In: Journal of Global History 1/3 (2006), 383 – 402. 284 Dieser Koalition gehörten nur Neu-Julfaer Kaufleute an, während andere armenische Händler mit gleicher Sprache, Religion und kultureller Tradition nicht dazuzählten. 285 Ein Commenda-Agent konnte bei fehlerhafter oder absichtlich falscher Buchführung mit bis zu einem Jahr Gefängnis sowie wiederholtem Auspeitschen bestraft werden. Aslanian, Indian Ocean, 198.

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Marseille zugereisten Julfaer Kaufmanns, der 1629 gemeinsam mit einem der führenden Seidenimporteure der Stadt eine Partnerschaft einging und dafür von Ludwig XIV. ein Patent auf das Monopol der Handelsvermittlung für armenische und persische Kaufleute in Marseille erhielt.286 Doch auch als Geldverleiher, etwa an die niederländische Verenigde Oostindische Compagnie (VOC), traten armenische Kaufleute in Erscheinung. In erste Kontakte mit Vertretern der VOC, die die Armenier schon von Beginn an unter anderem als Übersetzer engagierten, waren die Julfaer im frühen 17. Jahrhundert in Aleppo getreten.287 Andererseits trachteten die Niederländer jedoch danach, die armenische Vermittlung im persischen Seidenhandel zu umgehen und direkten Zugang zu den Seidenproduktionsgebieten des Landes zu erhalten, was ihnen in seltenen Fällen auch gelang. Nicht nur im Rohseiden-, auch im Indigohandel waren Armenier eine ernstzunehmende Konkurrenz für die VOC und die englische East India Company. Der Levantehandel war bereits seit dem 16. Jahrhundert Schauplatz eines erbitterten Wettbewerbs zwischen Vertretern verschiedener Handelskompanien und -nationen geworden, in den nicht zuletzt die armenischen Kaufleute involviert waren. Diese Konkurrenz verschärfte sich noch, als die Armenier in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts begannen, sich auch am Seehandel zwischen Südostasien, Indien und dem Persischen Golf aktiv zu beteiligen und dadurch die Geschäfte der Engländer und Niederländer in dieser Region störten. Nachdem der Versuch der Engländer, den armenisch vermittelten Handel über die Levante auf die Kaproute umzulenken und dadurch in ihre Hände zu bringen, gescheitert war, bemühte sich die East India Company um Kooperation mit den Julfaern. Gemäß dem 1688 in London geschlossenen Vertrag zwischen der East India Company und dem Neu-Julfaer Chodscha Panos Kalantar gewährte die Company den Armeniern in Persien und Indien dieselben Privilegien, wie sie englische Kaufleute genossen. Im Gegenzug versprach die armenische Seite, ihren Handel mit Rohseide und Textilien künftig mit der EIC abzuwickeln.288 Allerdings trug genanntes Abkommen nicht die von den Engländern erhofften Früchte, da die meisten armenischen Händler nicht bereit waren, mit der Company zu kooperieren und ihre traditionelle Landhandelsroute zu den Häfen der Levante zugunsten des englisch dominierten Seehandels aufzugeben. Daher blieb der Rohseidenhandel weiterhin in den Händen der Armenier und als sich Mitte des 18. Jahrhunderts die englische Herrschaft über Bengalen gefestigt hatte,

286 Herzig, Edmund: Borrowed Terminology and Shared Techniques in New Julfa Armenian Commercial Documents. In: Iran and the World in the Safavid Age. Hg. v. Willem Floor und Edmund Herzig. New York 2012, 447 – 455, hier 449. 287 Bekius, René Arthur: The Armenian Colony in Amsterdam in the Seventeenth and Eighteenth Centuries: Armenian Merchants from Julfa before and after the Fall of the Safavid Empire. In: Iran and the World in the Safavid Age. Hg. v. Willem Floor und Edmund Herzig. New York 2012, 259 – 283, hier 263. 288 Baladouni, Vahé: Introduction. In: Armenian Merchants of the Seventeenth and Early Eighteenth Centuries: English East India Company Sources. Hg. v. Dems. und Margaret Makepeace. Philadelphia 1998, xv–xxxv, hier xxii.

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begann die EIC , die den Armeniern zuvor verliehenen Privilegien zu kürzen, was dazu führte, dass viele von ihnen den Subkontinent verließen.289 Aufgrund der Länge und Kostspieligkeit der Kaproute sowie der venezianisch-osmanischen und osmanisch-persischen Konflikte, die die Levanteroute wiederholt unterbrachen, suchten die Neu-Julfaer Fernhandelskaufleute im 17. Jahrhundert nach einer Alternativroute für die Ausfuhr der Rohseide und anderer orientalischer Waren nach Europa und richteten dabei ihr Augenmerk auf das Nachbarreich im Norden. Im Jahre 1660 erschien der Itimad al-dawle (Minister) des Schahs Sulejman und wohlhabende Julfaer Chodscha Zakar Sagradov (Sarhadyan/Šahrimanyan) mit seiner Gefolgschaft am Moskauer Hof und überreichte dem Zaren neben anderen wertvollen Geschenken einen von den von Zakar repräsentierten Julfaer Armeniern gestifteten diamantbesetzten Goldthron.290 Tatsächlich intensivierten sich in den 1660er Jahren die russisch-persischen Handelsbeziehungen; so gewannen in diesem Jahrzehnt Besuche armenischer Händler in russischen Städten an Häufigkeit und 1664 gewährte der Schah russischen Kaufleuten den zollfreien Handel und weitere Privilegien in Persien.291 Ab 1666 verhandelten zwei Repräsentanten der Julfaer Kaufleute, der Neffe Zakar Šahrimanyans, Stepan Ramadamskij, und der Botschafter des Schahs Grigor Lusikov (Lusikyan/ Lusikec) mit dem Leiter des Posol’skij Prikaz (des Vorläufers des russländischen Außenministeriums), Ordin-Naščokin 292, über die Gewährung des Transitrechts für persische Rohseide durch Russland:

289 Baibourtian, Vahan: Participation of Iranian Armenians in the World Trade in the 17th Century. In: Les arméniens dans le commerce asiatique au début de l’ère modern. Armenians in Asian Trade in the Early Modern Era. Hg. v. Shushil Chaudhury und Kéram Kévonian. Paris 2007, 43 – 48, hier 47. 290 Armjano-russkie otnošenija v XVII veke. Sbornik dokumentov. [Armenisch-russische Beziehungen im 17. Jahrhundert. Dokumentensammlung]. Bd. 1. Hg. v. V. A. Parsamjan. Erevan 1953 (im Folgenden Armjano-russkie otnošenija 1), Dok. 5. – Baghdiantz McCabe, The Shah’s Silk, 243. Sagradov war der Sohn des Julfaer Kaufmanns Sagrad Šahrimanyan. Die Šahrimanyans, die aufgrund ihrer katholischen Religion gute Beziehungen zum Papst und den Habsburgern hatten, waren es vor allem, die an Kontakten zum nördlichen Nachbarn und einer Nutzung des russischen Transitweges interessiert waren. Bajburtjan, V.(ahan) A.: Armjanskaja kolonija Novoj Džul’fy v XVII veke. Rol’ Novoj Džul’fy v irano-evropejskich političeskich i ėkonomičeskich svjazjach [Die armenische Kolonie von Neu-Julfa im 17. Jahrhundert. Die Rolle Neu-Julfas in den iranisch-europäischen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen]. Erevan 1969, 95. 291 Kukanova, Rol’ armjanskogo kupečestva, 23 f. 292 Afanasij Ordin-Naščokin als höchster Beamter in der Regierung Aleksej Michajlovičs war für eine Reihe von Reformmaßnahmen vor allem im Bereich der Wirtschaftsführung verantwortlich. Er war unter anderem auch maßgeblich am Entwurf des Neuen Handelsstatuts beteiligt. Troebst, Stefan: Schwellenjahr 1667? Zur Debatte über den „Durchbruch der Neuzeit“ im Moskauer Staat. In: Berliner Jahrbuch für osteuropäische Geschichte 2 (1995). Elitenwandel und Modernisierung in Osteuropa. Hg. v. Michael G. Müller, 151 – 171, hier 163 f.

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„Der persische Schah hat unserer Kompanie das Recht verliehen, Rohseide auszuführen durch jene Reiche, die wir wollen, und seit vielen Jahren führen wir Rohseide über die Türkei aus und durch den Transit dieser Seide machen die Türken große Zolleinnahmen. Und […] jetzt zog ich [Lusikov] aus zu dir, Zar, mit der Bitte, dass du […] uns Ausländern gewährst, Rohseide und andere persische Waren […] durch dein […] Moskauer Reich über das Meer in die deutschen Länder [d. h. Europa, T. G.] zu führen und wieder […] zurück über das Meer nach Archangel’sk und durch das Moskauer Reich mit deutschen [d. h. europäischen, T. G.] Waren und mit Goldmünzen nach Persien zu fahren. […] Durch den Transport der Seide und anderer Waren entsteht deinen Untertanen jeden Ranges großer Gewinn und die Ausländer [d. h. Europäer, T. G.], die jetzt auf Schiffen in die Türkei fahren, um [dort] diese Seide und andere Waren zu kaufen, […] werden nach Archangel’sk fahren und von ihnen werden dem Fiskus große Zolleinnahmen entstehen. […] Damit dieser gewinnbringende Handel in deinem […] Russländischen Reich ruhmreich sei und nicht in der Türkei.“293

Die Bemühungen der Julfaer zeigten schließlich Erfolg und so unterzeichneten am 31. Mai 1667 Grigor Matveev Lusikov, Stepan Moisev Ramadamskij und die zwanzig Mitglieder der Julfaer Kaufmannsversammlung einen Handelsvertrag mit Zar Aleksej Michajlovič.294 Durch diesen erlangten die Julfaer als einzige ausländische Händler in Russland das Recht auf den Transithandel mit Rohseide (und anderen persischen Waren) durch das Zarenreich. Die Motive für den Vertragsabschluss und die daran geknüpften Erwartungen wurden folgenderweise dargestellt: „Die Armenier […] führen jedes Jahr 4000 Ballen Rohseide in die Türkei und verkaufen sie den Deutschen. […] Und wenn die Armenier mit der Seide in die Türkei fahren, fügen ihnen Diebe viel Schaden und Verlust zu, sie rauben ihre Waren und erschlagen sie auf dem Weg und auf dem Meer werden sie von Piraten überfallen und auch auf dem weiteren Weg erleiden sie große Verluste. […] Zwischen unseren [Zaren] ist brüderliche Liebe und […] zwischen unseren Untertanen mehrt sich der Handel, und damit er sich auch in Zukunft mehr als in den vergangenen Jahren mehrt […], erlaubt unsere Zarische Hoheit den Isfahaner Armeniern und ihrer Kompanie, mit der Rohseide und anderen Waren nach Russland und durch unser Reich in die deutschen Länder zu fahren.“295

Der Vertrag von 1667 gewährte den Julfaern im Vergleich zu anderen ausländischen Kaufleuten weit günstigere Handelsbedingungen. So hatten sie etwa in Astrachan, wohin die armenischen Händler über das Kaspische Meer, aber auch auf dem Landweg durch den Kaukasus gelangten, einen Einfuhrzoll von lediglich 5 % (und nicht wie im Neuen Handelsstatut festgesetzt von 10 %) zu entrichten. Was nicht schon in Astrachan verkauft wurde, durfte nach Moskau weitertransportiert und dort zum Verkauf angeboten werden. Seide, die sie dort nicht absetzen konnten, durfte (gegen einen weiteren Binnenzoll von 5 %) zu 293 Armjano-russkie otnošenija 1, Dok. 6. 294 PSZ I, Bd. 1, Nr. 409. 295 Armjano-russkie otnošenija 1, Dok. 10.

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

den Grenzstädten gebracht werden. Konnte auch dort die Ware nicht abgesetzt werden, so war es den Julfaern gegen die Zahlung eines Ausfuhrzolls von 5 % gestattet, diese selbst über Novgorod, Smolensk und Archangel’sk nach Westeuropa zu bringen. Ihre Rückkehr mit europäischen Waren musste in jedem Fall über russisches Gebiet führen. Diese europäischen Importwaren wurden mit einem Importzoll belegt und auch eingeführte Edelmetallmünzen wurden besteuert. Zusätzlich zu den Zöllen waren in Astrachan, Moskau und den Grenzstädten Transitabgaben auf die Seide zu zahlen, deren Höhe von deren Qualität abhing.296 Diese weitreichenden Genehmigungen waren an zwei Bedingungen geknüpft: Zum einen verpflichteten sich die Julfaer, künftig den gesamten Export von persischer Rohseide nach Europa über den Moskauer Staat zu führen. Zum anderen sollte der Edelmetallerlös, den die Armenier durch den Verkauf in Europa erzielten, in Russland verbleiben, indem dort russische Waren angekauft und diese zollfrei nach Persien exportiert werden würden. Als Agent der Julfaer in Moskau wurde der Engländer Thomas Brain ernannt.297 Die Bestimmungen des 1667 Gültigkeit erlangenden Vertrages folgten in fast allen Punkten den Vorschlägen Ramadamskijs und Lusikovs und können deshalb als klarer Erfolg der Julfaer armenischen Diplomatie zugunsten einer deutlichen rechtlichen Privilegierung gegenüber anderen Ausländern in Russland gewertet werden. Die Moskauer gosti hingegen, die um ihre Erträge aus dem Zwischenhandel fürchteten, protestierten gegen die neuen Privilegien der Armenier, indem sie deren Handel als schädlich für den Fiskus porträtierten. In ihrer Eingabe an den Posol’skij Prikaz vom 15. Juli 1672 verlangten fünfzehn russische Kaufleute die Annullierung des Vertrages mit den Julfaern. Sie klagten: „Die Armenier werden […] mit Rohseide und allen persischen Waren ins Moskauer Reich und [in die Grenzstädte] und über das Meer in die deutschen Länder fahren und davon werden die [russischen] Kaufleute nicht profitieren. […] [Früher] handelten die Kaufleute [aus Persien] mit Rohseide und anderen persischen Waren in Moskau, Astrachan und anderen Städten immer mit den russischen Kaufleuten. [… Dadurch] verschafften [die russischen Kaufleute] der Staatskasse große Einnahmen. Die russischen Kaufleute hatten ihr Gewerbe und von diesem zahlten sie viele Abgaben. [Aber jetzt] werden die Kaufleute aus Persien nach Astrachan, Moskau und in die Grenzstädte fahren und mit den Deutschen handeln und ihre Waren für Efimki [d. h. Silbertaler, T. G.] an die Deutschen verkaufen. […] Und sie machen viel Gewinn. […] Alles Silber und die deutschen Waren werden sie nach Persien bringen. Und der Staatskasse entsteht großer Verlust und sie [übernehmen] das ganze Gewerbe der russischen Kaufleute und führen diese ins Elend. […] Das ist gegen frühere [zarische] Verordnungen und gegen den novotorgovyj ustav […].“298

296 PSZ I, Bd. 1, Nr. 409. 297 PSZ I, Bd. 1, Nr. 409, 410. 298 Armjano-russkie otnošenija 1, Dok. 19.

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Der Widerspruch zwischen den Regelungen des Neuen Handelsstatuts auf der einen und den Konzessionen an die Julfaer Kaufleute, welche entgegen dem Brauch ohne Konsultation der Moskauer Kaufmannschaft vergeben wurden, auf der anderen Seite lässt sich durch die Interessen des Zaren erklären. Voskanjan ist deshalb der Meinung, dass zwischen der Verabschiedung des Neuen Handelsstatuts und der des Vertrages mit den Julfaern nicht zufällig nur 40 Tage lagen. Nach dem russischen Friedensschluss mit Polen hätten sich Moskau neue Möglichkeiten auf dem Gebiet des Außenhandels nach Ost und West aufgetan. Das Ansuchen der Armenier auf Schließung besagten Vertrages im Jahre 1666 habe die Ausarbeitung des Neuen Handelsstatuts stimuliert und beschleunigt.299 Mit dem weitgehenden Ausschluss der Europäer aus dem russischen Innen- und Transithandel und der Monopolisierung der Julfaer im Seidentransithandel verfolgte die Moskauer Regierung sowohl wirtschaftlich-fiskalische als auch politisch-strategische Ziele. So galt es nicht nur, die Staatseinnahmen durch die Erhebung von Transitzöllen sowie das Edelmetallvolumen in Russland zu erhöhen, sondern auch die „Anziehungskraft des Reiches auf europäische Kaufleute, hier vor allem der Sommermesse in Archangel’sk“, zu steigern und die vom Neuen Handelsstatut „gerissene Transport- und Verkehrslücke zwischen dem Wolga­gebiet und dem Dvina-Delta“ zu schließen.300 Durch die Gewährung des Transitrechts an die Julfaer hoffte der Zar, den gesamten Rohseidenhandel zwischen Persien und Europa nach Russland ziehen zu können und sein Reich zur internationalen Drehscheibe im Ost-WestHandel werden zu lassen.301 Außerdem schienen die Armenier, von deren wirtschaftlichen und sprachlichen Kenntnissen im Orienthandel der Fiskus zu profitieren hoffte, im Vergleich zu den westeuropäischen Handelsnationen die staatlichen Interessen weniger zu gefährden, da sie sowohl über eine geringere Kapitalstärke verfügten als jene und zudem keine politisch-militärischen Kräfte etwa in Form einer Staatsorganisation hinter sich hatten.302 Andererseits waren die russischen Kaufleute zu jener Zeit aufgrund mangelnden Kapitals, ihrer organisatorischen Schwäche und relativ geringen Zahl nicht in der Lage, den Transithandel selber zu betreiben – im 17. Jahrhundert gab es in Moskau, dem kommerziellen Zentrum des Landes, unterschiedlichen Angaben zufolge nur etwa 20 bis 53 gosti und rund 280 Kaufleute der gostinnaja sotnja, während im Laufe desselben Jahrhunderts mehr als 1300 europäische Kaufleute in Russland operierten.303 Wahrscheinlich waren es 299 Voskanjan, 33. 300 Troebst, Isfahan-Moskau-Amsterdam, 191. 301 Voskanjan, 42 f. – Sartor, Wolfgang: Die Wolga als internationaler Handelsweg für persische Rohseide: Ein Beitrag zur Handelsgeschichte Russlands im 17. und 18. Jahrhundert. Phil. Diss., Berlin 1992, 92. – Astaškin, R. S.: Russko-armjanskij dogovor 1667 g. i problema torgovych putej na Vostok [Der russisch-armenische Vertrag von 1667 und das Problem der Handelswege in den Osten]. In: Vestnik Samarskogo Gosudarstennogo Universiteta 5/1/55 (2007), 76 – 80, hier 78. 302 Voskanjan, 42. 303 Kotilaine, J. T.: Competing Claims: Russian Foreign Trade via Arkhangelsk and the Eastern Baltic Ports in the 17th Century. In: Kritika: Explorations in Russian and Eurasian History 4/2 (2003), 279 – 311, hier 294 f. – Preobraženskij/Perchavko, 137, 143.

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

aber nicht nur ökonomische, sondern auch bündnispolitische Erwägungen, welche den Zar zum Abschluss des Vertrages mit den Julfaern bewegten. Denn mit der Belebung des Orienthandels verbanden sich nicht zuletzt auch strategische Überlegungen von Seiten des Zaren, welcher durch intensivierte ökonomische Beziehungen zum Safavidenreich ein bündnispolitisches Zusammenrücken Russlands und Persiens gegen das Osmanische Reich zu erreichen hoffte (abgesehen von den wirtschaftlichen Verlusten, die eine Umlenkung des Rohseidenhandels für die Osmanen mit sich bringen musste), stand doch die türkische Frage ab dem späten 17. Jahrhundert im Zentrum russischer Außenpolitik.304 So vergaßen die Julfaer bei ihren Verhandlungen mit dem Posol’skij Prikaz 1666 auch nicht zu erwähnen: „Du, Zar, hast große Freundschaft mit dem persischen Schah Abas und mit dem türkischen Zar hat Schah Abas großen Krieg.“305 Tatsächlich fürchtete man im Osmanischen Reich, dass Russland, das durch seine Präsenz in Astrachan die osmanischen expansionistischen Bestrebungen im kaukasisch-kaspischen Raum bedrohte und dessen Orienthandel die Zolleinnahmen aus dem Transithandel durch Anatolien verringerte, mit Persien eine antiosmanische Allianz bilden könnte.306 Moskau hatte bereits im Jahre 1586 eine Mission nach Persien entsandt, die sowohl die Möglichkeiten von intensivierten wirtschaftlichen Beziehungen als auch eines politisch-militärischen Bündnisses gegen die Osmanen erkunden sollte, und 1611 entsandte der Schah eine Delegation nach Russland und Polen, an welcher sich unter anderem zwei armenische Kaufleute beteiligten, um über ein Dreierbündnis gegen die Osmanen zu verhandeln.307 Allerdings kam ein russisch-persisches Bündnis gegen das Osmanische Reich nicht zustande, da das Ausgreifen Russlands in den kaukasischen und den kaspischen Raum auch von Seiten Persiens als Bedrohung der eigenen Einflusssphäre wahrgenommen wurde; insbesondere die georgische Frage wurde in der Folge zu einem chronischen Streitpunkt in den russisch-persischen Beziehungen. Zudem änderte sich die außenpolitische Lage Persiens mit dem Friedensschluss mit den Osmanen im Jahr 1639, welcher eine weitere Suche nach militärischen Verbündeten obsolet machte.308 Das änderte jedoch nichts daran, dass Persien durchaus ein wirtschaftliches Interesse am Zustande­ kommen eines russisch-persischen Handelsvertrags hatte, käme die vermehrte Ausfuhr 304 Zevakin, 131. – Aghassian/Kévonian, 88. – Astaškin, 77 f. 305 Armjano-russkie otnošenija 1, Dok. 6. Der letzte safavidisch-osmanische Krieg endete jedoch bereits 1639. 306 Baibourtian, International Trade, 139. Das Osmanische Reich bemühte sich schon im 16. Jahrhundert, das Moskauer Vordringen nach Süden aufzuhalten. So unternahm Sultan Selim II. 1569 den Versuch, Astrachan’ zu erobern, während sein Nachfolger Sultan Murad III. die Eroberung des Südkaukasus und der Küste des Kaspischen Meeres anstrebte. – Ebd., 140. 307 Ebd., 145, 147. 308 Ebd., 147 f., 150. – S. auch Matthee, Rudolph (Rudi): Suspicion, Fear, and Admiration: Pre-Nine­ teenth-Century Iranian Views of the English and the Russians. In: Iran and the Surrounding World. Interactions in Culture and Cultural Politics. Hg. v. Nikki R. Keddie und Rudi Matthee. Seattle-London 2002, 121 – 145.

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persischer Seide über den nördlichen Nachbarn doch nicht nur dem Fiskus zugute, sondern bedeutete überdies finanziellen Verlust für die Osmanen.309 Zudem war durch den 1665 ausgebrochenen venezianisch-osmanischen Konflikt die Levanteroute über das Mittelmeer für den persischen Export praktisch unbenutzbar geworden, und die Handelsroute um das Kap der Guten Hoffnung zu teuer, sodass der Kaspi-Wolga-Weg dem Schah als attraktive Alternative erscheinen musste. Die in den persisch-russischen diplomatischen Kontakten oft als Vermittler auftretenden armenischen Kaufleute waren ihrerseits an einer Verständigung Persiens mit Russland und einer Ausweitung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Reichen interessiert. Neben der Aussicht auf eine allgemeine Ausweitung des Handels mit Russland, welches die Familie Šahrimanyan als ihr Geschäftsgebiet betrachtete, stärkten auch die erwähnten zunehmenden politischen Konflikte im Mittelmeerraum, die Anlass zu einer räumlichen Umorientierung des armenischen Transithandels boten, das Interesse der Armenier an einem Vertragsabschluss mit dem Zaren. Schließlich hatten auch die wiederholten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Persischem und Osmanischem Reich zur Orientierung der armenischen weltlichen und geistlichen Eliten nach Russland als einer potenziellen politischen Schutzmacht bei getragen.310 In den ersten Jahren nach dem Vertragsabschluss von 1667 kam es aber zu keinem armenischen Transithandel mit persischer Rohseide über die Kaspi-Wolga-Route. Grund dafür war in erster Linie der Aufstand des Kosaken Stenka Razin im Süden des Russländischen Reiches, im Zuge dessen Astrachan erobert und der Wolgahandelsweg unterbrochen wurde. Die Julfaer Kaufleute wandten sich deshalb mit der Bitte um Wiederherstellung der Ordnung und der Gewährung von Sicherheit auf ihren Handelswegen an den Zaren und auch Grigor Lusikov reiste als formeller Gesandter des Schahs erneut nach Moskau, um die Behinderungen durch den Razin-Aufstand anzuzeigen und um Abhilfe zu bitten:311 „Es wurde bekannt, dass dieser unedle Kosak die Astrachaner betrog, die Festung eroberte und die Kaufleute ausraubte. Unsere Julfaer hörten davon und fuhren in die Türkei […], wir werden diese Reise [über die Türkei] machen, bis die russische Erde gereinigt ist, dann werden wir [nach Russland] kommen.“312

So konnte Lusikov erwirken, dass 1673 eine Ergänzung des Vertrages verabschiedet wurde, in welcher den armenischen Händlern besserer Schutz vor Überfällen auf ihrem Weg von Astrachan nach Moskau versprochen wurde; auch sollten auf Waren, die während des Transports verlustig gegangen waren, keine Abgaben erhoben werden.313 309 Kukanova, Rol’ armjanskogo kupečestva, 21. 310 Sartor, Die Wolga, 88, 115. 311 Armjano-russkie otnošenija 1, Dok. 20, 22. 312 Bajburtjan, Armjanskaja kolonija, 101. 313 PSZ I, Bd. 1, Nr. 539.

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

Der neue Vertrag enthielt gegenüber seinem Vorgängerwerk jedoch zwei Einschränkungen: Zum einen wurde den Armeniern verboten, innerhalb Russlands und sogar in Persien und dem Osmanischen Reich mit anderen als russischen Kaufleuten zu handeln. Zum anderen galt das Transitrecht nach Westeuropa nur noch dann, wenn zwischen dem Moskauer Staat und dem betreffenden Land Frieden herrschte.314 Dadurch sollte die Durchfahrt der armenischen Händler nach Europa eingeschränkt und ihre Waren in Russland konzentriert werden, wo die europäische Konkurrenz aufgrund der Begrenzungen, welchen ausländische Kaufleute unterworfen waren, weniger stark war.315 Erneut hatten sich die Julfaer im Vertrag zu verpflichten, das gesamte persische Rohseidenaufkommen nach bzw. über Russland zu führen. Der Vertrag des Jahres 1673 erwies sich damit als ein Kompromiss zwischen den Interessen des Zaren und jenen der Moskauer gosti, die gefordert hatten, dass die Armenier ihre Seide nur an russische Kaufleute verkaufen sollten. Letztere hatten nunmehr durch die Rücknahme des Gasthandelsrechts für die Armenier und die Beschneidung von deren Transitrecht „zumindest auf dem Papier die Möglichkeit, in Archangel’sk als Vermittler bei Handelstransaktionen zwischen armenischen und westeuropäischen Kaufleuten zu fungieren“. 316 In den auf den Vertragsabschluss von 1673 folgenden drei Jahren kamen die Armenier jedoch weder in die russischen Grenzstädte noch von dort nach Westeuropa.317 Dass der Handel der Julfaer in und durch Russland in den ersten Jahren nach 1673 nur in bescheidenem Umfang verlief, dürfte auch an der Willkür und der Unterdrückung durch lokale russische Machthaber gelegen haben.318 Erst ab 1676 kam der Rohseidentransit der Armenier in Gang; in diesem Jahr konnte der niederländische Russlandkaufmann Coenraat van Klenck trotz des Protests der Moskauer gosti 319 Zar Fёdor III Alekseevič (Fjodor III.) dazu bewegen, die den Julfaern 1667 gewährten Rechte auf Transit nach Westeuropa (v. a. Amsterdam) und auf den direkten Handel mit Europäern in Archangel’sk wiederherzustellen.320 Den politischen Hintergrund für diese erneute Ausweitung der Rechte der Julfaer bildete vermutlich der osmanisch-tatarische Feldzug in die Ukraine und die dadurch noch gestiegene Notwendigkeit Russlands, im Schah von Persien einen Verbündeten gegen die Türken zu suchen.321 Angesichts des ab dem Jahr 1676 steigenden Handelsaufkommens mit persischen Waren zeigten sich die russischen Kaufleute als nicht in der Lage, als Vermittler zwischen westeuropäischen und orientalischen Händlern in Russland zu fungieren. Die armenischen Kaufleute, so resümiert Troebst,

314 PSZ I, Bd. 1, Nr. 539. – Armjano-russkie otnošenija 1, Dok. 29. 315 Zevakin, 159. 316 Troebst, Isfahan-Moskau-Amsterdam, 198. 317 Kukanova, Rol’ armjanskogo kupečestva, 26. 318 Zevakin, 160. 319 PSZ I, Bd. 1, Nr. 539. – Armjano-russkie otnošenija 1, Dok. 37. 320 Troebst, Isfahan-Moskau-Amsterdam, 199 – 207. 321 Zevakin, 160.

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„waren daher nicht bloß ‚Mittelsmänner zwischen Russland und dem Orient’ […], sondern fungierten von 1676 an sowohl innerhalb des Moskauer Staates als Vermittler zwischen den persischen Produzenten und den westeuropäischen Russlandkaufleuten als auch im Transithandel als direkte Verbindung zu den Konsumenten Westeuropas“.322

Derweil bildeten sich in den Reihen der Julfaer armenischen Kaufleute am Ende des 17. Jahrhundertsverschiedene armenische Interessengruppen, Handelshäuser und Kaufmannszusammenschlüsse, die um die Erschließung neuer Ausfuhrrouten konkurrierten: „Die im Handel tätige armenische Elite Persiens differenzierte sich in den 1680er und 1690er Jahren zum einen entlang konfessioneller Trennungslinien, zum anderen aber entlang materieller Interessengrenzen. Innerhalb der armenischen Kaufmannschaft entstanden rivalisierende Gruppierungen, die sich um die Kaufmannsfamilien der gregorianisch-orthodoxen und traditionalistischen Calendar/Kalanta und der katholischen, westlich orientierten Šariman(jan)/Sarhad […] gruppierten.“323

Darüber hinaus formierte sich 1672 in Astrachan eine armenische Handelskompanie,324 die in der Folge mit den Kaufleuten aus Neu-Julfa in Wettbewerb stand. So waren die Julfaer Kaufleute Konkurrenten nicht nur der russischen, sondern auch anderer armenischer Händler. Während Letzteren an einer Ausweitung der wirtschaftlichen und auch politischen Beziehungen zu Russland gelegen war, richtete sich das Bestreben der Julfaer oft allein auf die Bekämpfung der innerarmenischen Konkurrenz und die Verteidigung ihres Monopols.325 Die armenische Diaspora stellte also keine Einheit dar, „simply put together because of a division along ethnic lines“, sondern die Armenier hatten vielmehr „very regional perceptions of themselves according to their town of origin […]. In forming networks these regional identities were crucial […]. The element of class […] also divided them ever more sharply.“326 Indessen versuchten auch europäische Mächte, vom Transithandel der Armenier zu profitieren. Es waren vor allem die Schweden, welche sich schon seit der Mitte des 16. Jahrhunderts um die Umleitung des Persienhandels vom Weißen Meer zum schwedischen Hafen Narva an der Ostsee bemühten. In den 1670er Jahren entsandte die nordische Großmacht zu diesem Zwecke eine Mission nach Moskau, die jedoch erfolglos blieb. Erst 1687 gelang

322 Troebst, Isfahan-Moskau-Amsterdam, 207. 323 Troebst, Stefan: Die Kaspi-Volga-Ostsee-Route in der Handelskontrollpolitik Karls XI. Die schwedischen Persien-Missionen von Ludvig Fabritius 1679 – 1700. In: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 54 (1998), 127 – 204, hier 176 f. 324 Sartor, Die Wolga, 98. 325 Kukanova, Nina G.: Russko-iranskie torgovye otnošenija [Russisch-iranische Handelsbeziehungen]. In: Istoričeskie zapiski 57 (1956), 232 – 254, hier 236. 326 Baghdiantz McCabe, Global Trading Ambitions, 40.

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

es Schweden durch die Missionen Ludvig Fabritius’ nach Isfahan und Moskau, das Recht des Transits über Narva für Kaufleute aus Persien zu erwirken, womit die Julfaer Händler zu den Wegbereitern der neuen Außenhandelsroute Russlands wurden, umso mehr als 1689 allen anderen orientalischen Kaufleuten der Handel mit europäischen Ländern untersagt wurde.327 Etwa ab dieser Zeit kam der Transithandel über Narva in Gang,328 wurde aber schon 10 Jahre darauf vom Großen Nordischen Krieg wieder unterbrochen 329 und ab 1708 als Transithafen von St. Petersburg abgelöst. In diesem Jahr verordnete Peter I. den armenischen Kaufleuten, in Hinkunft die Handelsroute von Moskau über Novgorod nach St. Petersburg zu befahren, um so den „französischen Kaufleuten“, die die Geschäfte der Armenier in Archangel’sk gestört hatten, zu entgehen. Angeregt worden war diese Maßnahme durch die Bitte des armenischen Kaufmanns Safar Vasil’ev, der 1705/06 schwere Verluste durch Piraten erlitten hatte.330 Der armenische Transithandel mit persischen Waren zeitigte also nicht nur konkrete ökonomische Folgen für Russland, sondern hatte auch bedeutende verkehrs- und handels­ politische Auswirkungen. Die im Zeitraum zwischen 1676 und 1689 erfolgte Revision der moskauischen Transitpolitik und die partielle Revision der Handelsverkehrspolitik mit der Verlegung des russischen Außenhandels von der Weißmeer- auf die Ostseeroute, bewirkte eine Steigerung der russischen Ausfuhr über Narva, sodass „der armenisch vermittelte Transithandel hier also als Wegbereiter für den moskauischen Außenhandel fungierte“.331 Die Bedeutung der Ostseeroute stieg dann im 18. Jahrhundert weiter an. In dem vor allem

327 Bajburtjan, Armjanskaja kolonija, 116. – Ders.: Armjanskoe poselenie Nor Džuga v Irane i torgovlja meždu Vostokom i Zapadom v XVII v. [Die armenische Siedlung Neu-Julfa im Iran und der Handel zwischen Osten und Westen im 17. Jahrhundert]. In: Sovetskoe vostokovedenie. Problemy i perspektivy. Hg. v. Akademija Nauk SSSR. Institut Vostokovedenija. Moskva 1988, 166 – 173, hier 170. 328 Nach 1688 trafen keine armenischen Händler mehr in Archangel’sk ein. In den 1690er Jahren kamen etwa 20 bis 30 Armenier nach Narva, die dort über einen Handelshof verfügten. Im Spitzenjahr 1696, als mehr als 50 armenische Kaufleute in die Stadt kamen, betrugen die Seidenexporte über Narva 10 Prozent des gesamten westeuropäischen Seidenimports. Kotilaine, Competing Claims, 304. 329 Troebst, Stefan: Russland als „Magazin der Handlung zwischen Asien und Europa“? Die Frage des Orienthandels bei der schwedischen Moskaugesandtschaft 1673/74. In: Russische und Ukrainische Geschichte vom 16.–18. Jahrhundert. Hg. v. Robert O. Crummey, Holm Sundhaussen und Ricarda Vulpius. Wiesbaden 2001, 287 – 300. – Ders.: Narva between Isfahan and Amsterdam: Sweden, Russia and the Safavid Empire – A Mercantile Perspective. Paper given at the International Conference “Iran and the World in the Safavid Age”, The Iranian Heritage Foundation (IHF), The Centre for Historical Research on the Middle East (CHROME) at the University of Manchester and the Centre for Near and Middle Eastern Studies of the London School of Oriental and African Studies (SOAS), London, September 4 – 8, 2002. 330 Armenians and Russia (1626 – 1796). A Documentary Record. Hg. v. George A. Bournoutian. Costa Mesa 2001, Dok. 63. – Baibourtian, International Trade, 182. 331 Troebst, Isfahan-Moskau-Amsterdam, 208.

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von Peter I. verfolgten Plan, das Russländische Reich, und hier insbesondere St. Petersburg, zur Drehscheibe im Ost-West-Handel werden zu lassen – ein Plan allerdings, der in dieser Dimension nie verwirklicht werden konnte – spielte der Transithandel mit persischer Rohseide eine zentrale Rolle.332 Doch exportierten die Julfaer Armenier zu keinem Zeitpunkt die gesamte persische Rohseidenproduktion über Russland, so wie dies in den Verträgen festgeschrieben worden war. Bis zum Beginn des Großen Nordischen Krieges transportierten die armenischen Händler im Durchschnitt jährlich 5 % des persischen Seidenexportes über das Reich.333 Der Großteil der von den Julfaern gehandelten persischen Waren gelangte immer noch über die Levanteroute nach Europa. Außerdem dienten die Verträge von 1667/73 vielen orientalischen Kaufleuten, unter ihnen auch Armeniern, als Präzedenzfall, auf dessen Grundlage sie das persönliche Recht zur Weiterfahrt nach Moskau forderten – und in vielen Fällen auch erhielten.334 Die russische Kaufmannschaft protestierte gegen die Handelspraxis der Julfaer, die – wie sie sagten – entgegen den Bedingungen der Verträge nur einen kleinen Teil der persischen Rohseide über Russland führten und dort den Russen nur Seide minderer Qualität und zu überhöhten Preisen verkauften, während sie die hochwertige Ware nach Europa brachten und damit hohe Gewinne erzielten.335 Die gosti forderten die Einschränkung des Handels der Armenier sowie die Ausweisung der ausländischen Händler aus Russland.336 Die Regierung aber trat erneut als Unterstützerin der armenischen und anderer orientalischer Kaufleute auf; in zarischen Verordnungen wurden die Privilegien der Armenier bestätigt sowie die Vojevoden der Provinzen entlang des Handelsweges ermahnt, den Handel der Armenier nicht zu behindern und die Bedingungen der Verträge etwa durch das Erheben von überhöhten Zöllen nicht zu verletzen.337 Die wiederholt erhobenen Einwände der russischen Kaufleute konnten den Handel der Julfaer wie auch anderer orientalischer Kaufleute, die von der Zentralregierung unterstützt wurden, also nicht beenden. Um das aus Sicht Peters I. immer noch unbefriedigend geringe Orienthandelsaufkommen im Russländischen Reich zu erhöhen, instruierte der Zar den soeben von ihm gegründeten Senat am 2. März 1711: „Der persische Handel ist zu vermehren und die Armenier sind nach Möglichkeit freundlich zu behandeln und es sind ihnen Erleichterungen zu verschaffen, damit sie Lust bekommen auf vermehrte Anreise.“338 332 Sartor, Die Wolga, 292. – Zevakin, 161. 333 Troebst, Isfahan-Moskau-Amsterdam, 208. 334 So neben anderen jene armenischen Kaufleute aus Georgien sowie aus Smyrna, die 1712 bzw. 1717 dieselben Handelsrechte wie die Julfaer erhielten. Armjano-russkie otnošenija v pervoj treti XVIII veka. Sbornik dokumentov [Armenisch-russische Beziehungen im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts. Dokumentensammlung]. Bd. 2, Teil 1. Hg. v. Ašot Ioannisjan. Erevan 1964 (im Folgenden Armjano-russkie otnošenija 2/1), Dok. 28. – Ebd., Dok. 42. – Golikova, 165. 335 Armjano-russkie otnošenija 1, Dok. 47. 336 Zevakin, 160. – Golikova, 165. 337 Armjano-russkie otnošenija 1, Dok. 79, 80, 94. – Sartor, Die Wolga, 94. – Golikova, 165. 338 PSZ I, Bd. 4, Nr. 2330.

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Bezugnehmend auf eine Bittschrift des armenischen Kaufmanns Safar Vasil’ev, der die unrechtmäßige Erhebung von Zöllen auf seine Waren in Archangel’sk beklagte (auch in Astrachan war es in der Vergangenheit zu Missbrauch durch die Beamten gekommen), wurde unter anderem festgesetzt, dass die von den Armeniern geforderten Abgaben nur noch in Moskau zu erheben seien. Außerdem war es den Armeniern ab sofort gestattet, Diamanten, Edelsteine und Perlen zollfrei einzuführen, um damit den Handel dieser Waren vom Osmanischen ins Russländische Reich umzulenken. Als Ausgleich dazu mussten die vom Erlös der in Europa verkauften Edelsteine und Perlen dort erworbenen Waren bei der Wiedereinreise nach Russland verzollt werden.339 Trotzdem erfüllten die Julfaer weiterhin die Vertragsbestimmungen nicht und befuhren ihre alten Handelswege zu den vorderasiatischen Hafenstädten und über das Mittelmeer, wozu die mangelnde Sicherheit der Händler und ihrer Waren auf der Wolgaroute, Missbräuche durch russländische Beamte und Aufstände im Süden des Reiches wie die Bulavin-Revolte von 1705 – 1707 beitrugen.340 Doch auch im Inneren Russlands kam es zu Vertragsverletzungen durch die Julfaer, so zum Beispiel, als diese Importwaren im Einzelhandel vertrieben.341 Die Unzufriedenheit Peters I. mit den Tätigkeiten der Julfaer Händler kam schließlich in den Instruktionen an den russischen Gesandten Artemi Volynskij zum Ausdruck, der in den Jahren 1715 – 1717 auf Mission zum persischen Schah geschickt wurde. So enthielten Peters Instruktionen an Volynskij, neben dem Einsatz für den Schutz russischer Kaufleute in Persien und die Ausweitung ihres Handels sowie die Auslotung der Möglichkeit einer Passage dieser Kaufleute nach Indien, auch den Auftrag, beim Schah darauf zu insistieren, dass dieser die Armenier dazu anhalte, ihre Seide vertragsgemäß über das Russländische Reich und nicht weiterhin über das Mittelmeer zu führen. Insbesondere solle es den russischen Händlern gestattet werden, ohne Einmischung der Armenier in Gilan Rohseide einzukaufen. Weiters sei die Lage der Armenier in Persien zu erkunden: „Ob sie viele sind und wo sie leben, ob es unter ihnen bekannte Edelleute oder Kaufleute gibt und wie sie zum Zaren stehen. [Volysnkij soll] sich ihnen freundlich zugeneigt zeigen und sich erkundigen, ob noch andere Christen und Andersgläubige im Lande leben und falls ja, wie deren [wirtschaft­ liche] Lage ist.“342

Volynskij traf sich im Rahmen seiner Persienmission nicht nur mit Vertretern des Staates, sondern ebenso mit armenischen Kaufleuten, welche er von den Vorteilen des Transithandels 339 Armjano-russkie otnošenija 2/1, Dok. 24. 340 Baibourtian, International Trade, 182. 341 Armjano-russkie otnošenija 2/1, Dok. 37. Gegen das Verbot des Einzelhandels protestierten daraufhin in Moskau ansässige armenische Kleinhändler, die nicht den Julfaer Kaufleuten angehörten. Armjano-russkie otnošenija 2/1, Dok 39, 40. 342 Ebd., Dok. 36.

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über Russland zu überzeugen suchte, wozu er instruiert worden war, sich nötigenfalls des Mittels der Bestechung zu bedienen und die persische Regierung darauf zu drängen, den armenischen Handel durch osmanisches Gebiet zu behindern. Schließlich hatte Peter den Gesandten auch instruiert, die militärische und außenpolitische Lage Persiens zu erkunden, so dessen Beziehungen zum Osmanischen Reich und die Bereitschaft, mit Petersburg eine Allianz gegen die Osmanen einzugehen. Bereits im Hinblick auf die Vorbereitung zur Übernahme der nordpersischen Seidenanbaugebiete, wie sie dann im Zuge des persischen Feldzugs erfolgen sollte, wurde dem Gesandten aufgetragen, das Vorhandensein von Befestigungsanlagen in Gilan und die naturräumliche Beschaffenheit der kaspischen Küstenregion sowie die Größe der persischen Armee zu erkunden: „Aber davon sollen die Perser nichts erfahren und [Volynskij soll] ein geheimes Tagebuch führen, in dem er alles ausführlich beschreibt.“343 In seiner Unterredung mit dem russischen Gesandten kam der persische Premierminister auf Gerüchte über die außenpolitischen Aktivitäten des Russländischen Reiches zu sprechen, die ihm von einem Julfaer Armenier zugetragen worden seien. Darauf entgegnete Volynskij: „Das soll Seine Exzellenz nicht glauben, denn es wird immer auf beiden Seiten viele Feinde geben, die nicht wollen, dass zwischen dem Zar und dem Schah Freundschaft herrscht, und die auf jede Weise aufhetzen. Man soll den Armeniern nicht glauben, die aus Eigeninteresse und weil sie sich von der persischen Untertanenschaft befreien wollen, absichtlich nach dem suchen, womit sie aufhetzen können […], obwohl sie sich dem Schah gegenüber treu zeigen. […] Der Gesandte sagte, […] dass man nicht nur die Armenier, sondern auch andere Christen, die aus ihrem [eigenen] Interesse hier sind, außer uns [Russen] Feinde nennen kann.“344

Auf die Klage der Russen über den Vertragsbruch der Julfaer entgegnete der Schah aber: „Die Kaufleute können tun, was sie wollen, und wenn die Kompanie gezwungen wird, dass ihre Kaufleute nicht mehr in andere Länder fahren und nach Russland zurückkehren, dann werden sie nicht mehr Handel treiben und ein solcher Befehl ist unanständig. Wir haben befohlen, dass jeder Kaufmann, der seine Waren nach Russland führen und dort handeln möchte, dies gemäß Unserem Ukas tun [darf ] und alle wissen das.“345

Es gelang Volynskij zwar, vom Schah das freie Handelsrecht für russische Kaufleute in Persien und zur Ausfuhr von Rohseide nach Russland zu erwirken,346 ein anderes Ziel seiner 343 Ebd. 344 Ebd., Dok. 41. 345 Ebd., Dok. 47. 346 PSZ I, Bd. 5, Nr. 3097. Zur von den russischen Kaufleuten erbetenen Erlaubnis zur Gründung einer gemeinsamen russisch-armenischen Persienhandelskompanie kam es allerdings nicht. Ter-Avakimova, S. A.: Armjano-russkie

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Mission, die Herstellung des vertragsgemäßen Handels der Julfaer Armenier, konnte er jedoch nicht erreichen. So wurden schließlich zwei Jahre nach den Verhandlungen des 1719 zum Gouverneur von Astrachan aufgestiegenen Volynskij und hauptsächlich auf dessen Betreiben 347 die Privilegien der Julfaer Kaufleute annulliert und sie den anderen ausländischen Händlern in Russland rechtlich gleichgestellt. Im Ukas vom 6. Juni 1719 hieß es: „Im Vertrag mit der Armenischen Kompanie war festgesetzt, dass sie alle Seide, die jedes Jahr in Persien hergestellt wird, einführt und in anderen Ländern diesen Handel nicht betreibt […] und dass sie den Ausländern, die nach Persien kommen, diese Rohseide nicht verkauft, weil [dies] gemäß dem Ukas des Schahs verboten ist. […] Die Armenier zeigten sich vertragsbrüchig, weil sie viel Rohseide an Russland vorbei durch die Türkei führen […]. Im Jahr 1711 zeigte der Zar den Armeniern barmherzige Nächstenliebe, damit sie ihren Handel im Russländischen Reich gemäß dem Vertrag vermehren […]. Seine Zarische Hoheit […] gewährte den Armeniern viele Vorteile […], doch die barmherzige Nächstenliebe S. Z. H. ihnen gegenüber trug in ihrem Handel aus Persien keine Früchte. Deshalb kündigt S. Z. H. jetzt alle Punkte des Vertrags. Und wenn die Armenier im Russländischen Reich handeln wollen, müssen sie die üblichen Zölle zahlen gemäß dem novotorgovyj ustav wie die Ausländer anderer Reiche.“348

Zwischen dem Erscheinen dieses Ukas (der allerdings, nach dem Versprechen der Julfaer, ihren Transithandel künftig nur noch über Russland zu führen, schon 1720 zum Teil wieder rückgängig gemacht wurde, als verfügt wurde, dass auf Transitwaren wieder der privilegierte Zollsatz des früheren Vertrages erhoben und nur in Russland verkaufte Importwaren nach dem Neuem Handelsstatut verzollt werden sollten 349) und dem Beginn des persischen Feldzuges im Jahre 1722 verfolgte die russländische Regierung eine von Volynskij beeinflusste Politik der Einschränkung der Rechte armenischer Händler, während zur selben Zeit die Invasion nach Persien und die Eroberung der dortigen Seidenanbaugebiete vorbereitet wurde.350 Die Inbesitznahme der westlichen Küste des Kaspischen Meeres mit den dort gelegenen Handelsstraßen und Seidenanbaugebieten sollte zur endgültigen Lösung des Problems des Seidenimports, von dem nicht nur der Fiskus profitierte, sondern von welchem auch die von Peter geförderte russländische Textilindustrie abhängig war, beitragen. Als Vorwand für den Einmarsch russländischer Truppen diente ein Überfall auf russische Kaufleute in Schemacha (aser. Şamaxı) 1722. Die persischen Seidenprovinzen an der Küste des Kaspischen Meeres

347 348 349 350

svjazi po materialam žurnala poslannika A. P. Volynskogo [Armenisch-russische Beziehungen nach den Materialien des Tagebuchs des Gesandten A. P. Volynskij]. In: Iz istorii vekovoj družby. Hg. v. M. G. Nersisjan. Erevan 1983, 53 – 61, hier 56 f. Baibourtian, International Trade, 183. Armjano-russkie otnošenija 2/1, Dok. 56. PSZ I, Bd. 6, Nr. 3618. Baibourtian, International Trade, 184 f.

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wurden besetzt und im Jahr darauf vertraglich an das Russländische Reich abgetreten.351 An diesem persischen Feldzug nahm auch eine armenisch-georgische Schwadron teil, deren Mitglieder sich vorwiegend aus Armeniern aus Karabach, anderen Gebieten des östlichen Südkaukasus und Georgien rekrutierten und die ebenfalls von Armeniern kommandiert wurde.352 Russländische Armenier beteiligten sich nicht nur als Soldaten, sondern auch als Handwerker, Übersetzer und Kundschafter an diesem Krieg.353 Mit der Beherrschung der Handelswege entlang der westlichen Küste des Kaspischen Meeres und der örtlichen Seidenanbaugebiete befand sich das Russländische Reich nun theoretisch in der Lage, den gesamten Seidenhandel durch diese Region zu kontrollieren. Und auch für den Aufbau einer russländischen Seidenwirtschaft schienen die eroberten Gebiete erfolgversprechend zu sein. So war die Regierung bestrebt, in den betreffenden Regionen Armenier, die Erfahrung im Seidenbau hatten, anzusiedeln, und Peter forderte die ört­lichen Mächte der eroberten kaspischen Regionen dazu auf, den Armeniern Grundstücke zur Besiedelung zur Verfügung zu stellen. Doch übten diese im Ganzen „unwirtschaftlichen“ Gebiete auf die armenischen Umsiedler aus dem Südkaukasus und dem Inneren Persiens keinen großen Reiz aus und sie bevorzugten eher Astrachan, Moskau und St. Petersburg als neue Siedlungsorte.354 Außerdem wurden die kaspischen Gebiete schon wenige Jahre nach dem Feldzug wieder preisgegeben – das ohnehin nur auf dem Papier zum Russländischen Reich geschlagene Mazenderan und Astrabad schon 1729, Gilan 1732 und 1735 schließlich auch Baku und Derbent.355 Von besonderem wirtschaftlichem Interesse war jedoch der Seidenhandel in und aus den besagten Regionen, zu dessen Förderung die Regierung schon unmittelbar nach deren Eroberung Maßnahmen ergriff. 1723 sandte Peter I. den Kaufmann und Berater des Zaren in Fragen der Ostpolitik, Ivan Karapet (Karapet Širvanov/Širvanyan), Bruder des Vorstehenden der St. Petersburger armenischen Gemeinde, Hofdolmetschers und Industriellen Luka Širvanov (Łukas Širvanyan) mit einem Schreiben in armenischer Übersetzung an die Armenier nach Persien, in welchem Peter den armenischen Kaufleuten Schutz, freien Handel, Niederlassungsrecht und (nicht näher spezifizierte) Privilegien im Russländischen Reich inklusive der eroberten kaspischen Regionen und Städte zusicherte.356 351 Sartor, Die Wolga, 118. 352 Chačaturjan, Vartan A.: Stanovlenie armjanskich kolonij v Rossii [Die Entstehung armenischer Kolonien in Russland]. In: Diaspory 1 – 2 (2000), 78 – 97, hier 87. 353 Ders.: Astrachanskaja armjanskaja kolonija i russko-armjanskie otnošenija v XVIII v. [Die Astrachaner armenische Kolonie und die russisch-armenischen Beziehungen im 18. Jahrhundert]. In: Lraber hasarakakan gitowt’yownneri/Vestnik obščestvennych nauk Akademii Nauk Armjanksoj SSR 10 (1978), 77 – 85, hier 77. 354 Sartor, Die Wolga, 120. 355 Amburger, Erik: Geschichte der Behördenorganisation Russlands von Peter dem Großen bis 1917. Leiden 1966, 49. – Russländische Kaufleute erhielten bei dieser Gelegenheit jedoch die Zusicherung des zollfreien und ungehinderten Handels in und durch Persien. PSZ I, Bd. 9, Nr. 6648. 356 Armjano-russkie otnošenija 2/1, Dok. 183.

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Das Jahr 1723 markiert zudem den Beginn einer neuen Phase der russländischen Wirtschaftspolitik, die sich vor allem der Vermehrung des Außenhandels verschrieb. So wurde das Kommerzkollegium angewiesen, den russländischen Außenhandel sowohl mit Persien als auch mit den europäischen Ländern in jeder Weise zu fördern. Diesem Ziel sollte neben der Entsendung von Kaufmannssöhnen zur Lehre nach Europa vor allem die Gründung neuer Handelskompanien dienen.357 Daneben war die Regierung bestrebt, den einträglichen Orienthandel nunmehr in die Hände russischer Kaufleute zu legen, sodass die bereits 1723 gegründete armenisch-russische Kompanie neben der Intensivierung des Orienthandels auch dem Zweck dienen sollte, den russischen Händlern entsprechende Kenntnisse zu vermitteln, wobei erfahrenen Julfaer Kaufleuten die Rolle von Lehrmeistern in der Kompanie zugedacht war.358 Der Unterstützung russischer Händler gegenüber ihren armenischen Konkurrenten diente außerdem der Ukas desselben Jahres „Über die Vermehrung des armenischen Handels“, der verfügte, dass die Julfaer die bisher nach Europa exportierten persischen Waren nunmehr ins Reich führen sollten; zudem erhielten die Astrachaner armenischen Kaufleute das Recht, ungehindert in Gilan Handel zu treiben.359 Dies sollte dazu führen, dass der Export der persischen Waren aus Russland in Zukunft von russischen Kaufleuten besorgt werden sollte, während die Julfaer diese Güter nur noch ins Reich importierten. Allerdings erhielten Letztere schon 1725 das Recht des binnenzollfreien Transits durch das Russländische Reich und des Exports nach Europa zurück 360 und zwei Jahre darauf wurde der von ihnen in St. Petersburg zu leistende Ausfuhrzoll von 3 auf die auch von russischen Händlern zu leistenden 2 Prozent gesenkt.361 Dies führte in der Folge zur erneuten praktischen Alleinstellung der Julfaer Armenier im russländischen Persienhandel, was schließlich auch das Ende der erst wenige Jahre zuvor ins Leben gerufenen armenisch-russischen Kompanie bedeutete.362 In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wuchs der Orienthandel armenischer Kaufleute durch das Russländische Reich im Vergleich zum vorangegangenen Jahrhundert 357 PSZ I, Bd. 7, Nr. 4348 358 Storch, Heinrich: Historisch-statistisches Gemälde des Russischen Reiches am Ende des achtzehnten Jahrhunderts und unter der Regierung Katharina der Zweyten. Bd. 5. Leipzig 1802, 104 f. – Kukanova, Russko-iranskie torgovye otnošenija, 252. 359 PSZ I, Bd. 7, Nr. 4224, n. 5. 360 PSZ I, Bd. 7, Nr. 4745. Der Zoll auf im Transit nach Europa geführte Seide wurde ab diesem Jahr nicht mehr in Astrachan, sondern nur noch in St. Petersburg erhoben. Nicht selten bürgten vor der Astrachaner Zollbehörde Julfaer Kaufleute für andere armenische Händler dafür, dass Letztere ihre Seide nicht im Inneren des Landes verkaufen und in Petersburg den geforderten Zoll abführen würden. Jucht, Aleksandr I.: Zapisnye knigi astrachanskoj krepostnoj kontory kak istočnik po istorii armjanskoj kolonii v Astrachani v XVIII veke [Die Notizbücher des Astrachaner Leibeigenenkontors als Quelle zur Geschichte der armenischen Kolonie in Astrachan’ im 18. Jahrhundert]. In: Patma-banasirakan handes/Istoriko-filologičeskij žurnal 2 (1960), 63 – 75, hier 72. 361 PSZ I, Bd. 7, Nr. 5086. 362 Storch, Bd. 5, 297 f.

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beträchtlich. So erhöhte sich bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts sowohl das Volumen des Handels zwischen dem Russländischen Reich und Persien sowie dem Südkaukasus als auch jenes des armenischen Transithandels. Hatte der Jahresdurchschnitt der im Transit mitgeführten Rohseide in den Jahren 1676 bis 1685 noch bei 735 Pud (12.039,30 kg) gelegen, stieg er im Zeitraum zwischen 1723 und 1734 auf über 2000 Pud (32.760 kg) und 1743 bis 1747 gar auf 4867 Pud (79.721,46 kg), bevor er zur Jahrhundertmitte wieder stark absank.363 Die aus Astrachan Richtung Moskau geführte Rohseide wurde zumeist auf der Wolga­ route zu Wasser befördert. Während über das Kaspische Meer leichte Segelschiffe eingesetzt wurden, befuhr man die Strecke zwischen Astrachan und Caricyn auf Binnenschiffen mit einem Ladevermögen von rund 45 Tonnen und einer Besatzung von 15 bis 20 Mann.364 Gelegentlich aber, insbesondere zu Zeiten von Banditenüberfällen auf der Wolga, transportierten die armenischen Kaufleute ihre Waren zwischen Caricyn oder Saratov und Moskau auf Pferdefuhrwerken bzw. im Winter auf Schlitten. Ein typisches solches Fuhrwerk maß Mitte des 18. Jahrhunderts rund 3 Meter Länge und 0,8 bis 1 Meter Breite und wurde von ein bis zwei Pferden gezogen. Im Winter war aufgrund des Zustandes der Straßen die Reise billiger und schneller als im Sommer; so betrug die pro Tag zurückgelegte Strecke zwischen Moskau und St. Petersburg im Winter etwa 65, im Sommer hingegen nur ca. 50 Kilometer.365 Insgesamt nahm die Reise von Gilan nach St. Petersburg an die 95 Tage in Anspruch.366 Neben Rohseide wurden vor allem Baumwolle und Textilwaren, aber auch kaspischer Fisch und Kaviar importiert, während die russländischen Exportprodukte vorwiegend aus Industrie- und Landwirtschaftsprodukten, Leder und Pelzen bestanden (allerdings war der Anteil des Reexports europäischer Güter am Warenumschlag des Orienthandels größer als jener des Exports russländischer Produkte 367). Der Import von Seide, Baumwolle und Textilien aus dem Orient befriedigte die Bedürfnisse der russländischen Industrie ebenso wie jene der oberen Schichten der Gesellschaft nach Produkten, die im Reich selbst nicht erhältlich waren. Der Großteil der über Astrachan importierten Waren wurde

363 Sartor, Der armenische Rohseidenhandel im 17. und 18. Jahrhundert: Die Russland-Route. In: Armenier im östlichen Europa. Eine Anthologie. Hg. v. Tamara Ganjalyan, Bálint Kovács und Stefan Troebst. Köln-Wien-Weimar, in Vorbereitung. Grund für den Rückgang des Transithandelsaufkommens zur Jahrhundertmitte war die Einführung des neuen Zolltarifs 1754, der den Import gegenüber dem Transit bevorzugte. Ebd. 364 Curtin, 191. 365 Ebd. 366 Davon etwa 30 Tage von Gilan nach Astrachan, 45 Tage von Astrachan nach Moskau und von dort weitere 20 Tage bis St. Petersburg. Im Vergleich dazu dauerte der Transport von Rohseide aus Gilan nach Smyrna (Izmir) 70 und nach Aleppo 60 Tage. Curtin, 191. 367 Rjabcev, A. L.: Prioritety vnešnej torgovli Rossii v XVIII veke I rol’ russko-iranskich ė­ konomičeskich svjazej [Prioritäten des russischen Außenhandels im 18. Jahrhundert und die Rolle der russisch-­ iranischen ökonomischen Beziehungen]. In: http://www.sgu.ru/files/nodes/9810/10.pdf (17. 05. 2016), 1 – 7, hier 5.

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in die Handels- und Industriezentren des Landes weitergehandelt: nach Moskau, Nižnij Novgorod, Jaroslavl und Kazan. Jedoch sank im Laufe des 18. Jahrhunderts die Bedeutung Astrachans als Handelshafen, während St. Petersburg das Monopol zur Ausfuhr von einheimischen Waren erlangte.368 Vom Beginn der 1740er bis zum Anfang der 1780er Jahre verringerte sich vor allem aufgrund der politischen Instabilität im Persischen Reich, aber auch wegen der Konkurrenz durch die englische East India Company, die nach dem Verlust der Privilegien der Julfaer armenischen Kaufleute eine erstarkte Stellung im Transithandel erlangen konnte, der Umfang des russisch-persischen Handels über Astrachan etwa um die Hälfte.369 Trotz einer ab der Mitte des Jahrhunderts erfolgenden Intensivierung des russländischen Handels mit dem Kaukasus und Zentralasien (von wo der Rohstoff für die zu dieser Zeit an Bedeutung gewinnende russländische Baumwollindustrie importiert wurde) sank als Folge des Einbruches des Persienhandels der Anteil des Orienthandels über Astrachan am gesamten Außenhandel des Reiches bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf rund 1 %.370 Auch hinsichtlich der Beteiligung armenischer Kaufleute am russländischen Orienthandel brachte die zweite Hälfte des Jahrhunderts bedeutende Veränderungen mit sich: Der Anteil der Julfaer armenischen Kaufleute an diesem Handel ging vor allem ab den 1730er Jahren zugunsten der in Astrachan ansässigen Armenier zurück.371 Dazu trug nicht zuletzt bei, dass viele Armenier aufgrund der sich für sie in den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts unter Nadir Schah verschlechternden Situation in Persien 372 nach Astrachan übersiedelten; die besonders privilegierte Situation der Astrachaner Armenier trug zur weiteren Stärkung von deren wirtschaftlicher Position im russländischen Handel bei.373 Die Anfänge der orientalischen, so auch der armenischen Handelskolonien Astrachans reichen schon in vorrussische Zeit zurück. So lebten in der Gegend des späteren Astrachan sowie in dessen tatarischer Vorgängerstadt Chadschi-Tarchan (Xacitarxan) schon seit dem Mittelalter Armenier, die vorwiegend dem Handel sowie dem Handwerk nachgingen. Ihre

368 Rjabcev, 3. 369 Jucht, Aleksandr I.: Torgovlja Rossii so stranami vostoka vo vtoroj polovine XVIII v. i armjanskoe kupečestvo [Der Handel Russlands mit den orientalischen Ländern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die armenische Kaufmannschaft]. In: Patma-banasirakan handes/Istoriko-filologičeskij žurnal 93/2 (1981), 85 – 106, hier 87 f. 370 Ebd., 104. 371 Sartor, Der armenische Rohseidenhandel. 372 In den Jahren 1746 – 47 belastete Nadir Schah die Neu-Julfaer mit extrem hohen Steuern und ließ seine Soldaten die Vorstadt plündern. Hinzu kamen die Unsicherheit der Handelswege von und nach Neu-Julfa und Missbräuche durch persische Beamte. Aslanian, Indian Ocean, 202, 204. 373 Sartor, Die Wolga, 173. – Chačaturjan, Vartan: K voprosu ob učastii astrachanskich armjan v ėkonomičeskom razvitii juga Rossii (XVIII vek) [Zur Frage der Teilnahme der Astrachaner Armenier an der wirtschaftlichen Entwicklung im Süden Russlands (18. Jahrhundert)]. In: Patma-banasirakan handes/Istoriko-filologičeskij žurnal 1 (2000), 93 – 106, hier 98 f.

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Zahl vergrößerte sich nach der moskauischen Eroberung, sodass die armenische Siedlung der Stadt in der Folgezeit stetig an Bedeutung gewann.374 Dank des Orienthandels und der geografischen Nähe Astrachans zum strategisch wichtigen Kaukasus entwickelte sich die Stadt nicht nur zum bedeutendsten Wirtschafts- und Verwaltungsstandort im Süden des Reiches, sondern auch zum herausragenden Zentrum armenischer Handels­tätigkeit in Russland. Bereits ab der Zeit nach der Eroberung der Stadt reisten Gesandte armenischer Kaufleute aus dem Südkaukasus in die Hauptstadt und erwirkten das Recht auf Handel über Astrachan nach Moskau und andere Städte. Sie führten aus Persien, dem Südkaukasus und der Türkei Rohseide, Textilerzeugnisse, Teppiche, Leder, Edelsteine und Juwelierwaren nach Russland ein;375 dabei waren armenische Händler sowohl am Seehandel über das Kaspische Meer als auch am Überlandhandel entlang der kaspischen Westküste beteiligt. Nach 1614 kam es infolge der Intensivierung des kaspischen Handels nach dem Verlust der baltischen Häfen an Schweden zu einem erneuten Anwachsen der armenischen Bevölkerung der Stadt. Doch es war vor allem das Neue Handelsstatut von 1667, welches die Handelsrechte europäischer Kaufleute in Russland beschnitt, und die zur selben Zeit erfolgende Privilegierung der armenischen Kaufleute aus Neu-Julfa im Rohseidenhandel, die zum Wachstum des Orienthandels über Astrachan und der Vergrößerung der armenischen Gemeinde dort führten. Neben armenischen lockte Astrachan als Haupteinfuhrhafen für persische Rohseide und andere orientalische Waren ebenso persische, bucharische, tatarische und indische Kaufleute in die Stadt. Um sie besser kontrollieren zu können, wurden ihnen bestimmte Grundstücke in der Stadt als Aufenthaltsort zugewiesen, wo in der Folge die orientalischen Handelshöfe entstanden,376 welche den Kaufleuten nicht nur als Handelsplatz, sondern auch als Wohnstätten dienten. Diese Handelshöfe bildeten die Keimzellen, aus welchen sich im weiteren Verlauf die späteren orientalischen slobody Astrachans entwickelten.377 Zunächst verfügten die armenischen Händler jedoch über keinen eigenen Handelshof, sondern hielten sich auf dem „Gilanischen Hof“ auf, der von persischen und 374 Ende des 16. Jahrhunderts lebten 10 bis 15 armenische Familien in Astrachan’. Chačaturjan, ­Vartan A.: Obrazovanie armjanskoj kolonii v Astrachani. In: Patma-banasirakan handes/Istoriko-filologičeskij žurnal 4 (1983), 44 – 57, hier 48. 375 Kugryševa, Ėvelina: Istorija armjan v Astrachani [Geschichte der Armenier in Astrachan’]. Astrachan’ 2007, 28, 31. 376 Gerasimidi, Elena I.: Osobennosti stanovlenija astrachanskogo kupečestva v XVII–XVIII vv. [Besonderheiten der Entstehung der Astrachaner Kaufmannschaft im 17.–18. Jahrhundert]. In: Gramota 3 (2009), 60 – 62, hier 61. 377 Golikova, 160. Eine sloboda ist ein von bestimmten staatlichen Abgaben und Dienstpflichten befreites Dorf, Vorstadt oder Stadtteil. In Astrachan’ (wie auch in anderen russischen Städten) siedelten Armenier, Tataren und andere Nichtrussen in ihren je eigenen slobody. Die räumliche Trennung der armenischen von den russischen sloboda wurde sogar per Senatsbeschluss bekräftigt. Gmelin, Samuel Gottlieb: Reise durch Russland zur Untersuchung der drey Natur-Reiche. Zweyter Theil. Reise von Tscherkask nach Astrachan und dem Aufenthalt in dieser Stadt. Von dem Anfang des Augusts 1769 bis zum fünften Junius 1770. St. Petersburg 1774, 103 f. – Armjano-russkie otnošenija v XVIII veke. 1760 – 1800 gg.

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südkaukasischen Kaufleuten besucht wurde (während der „Bucharische Hof“ Kaufleute aus Zentralasien und Indien beherbergte). Der erste armenische Handelshof ist ab 1630 am Gartenhügel (sadovyj bugor), jenseits der Mauern der Weißen Stadt (belyj gorod), belegt. Am armenischen Handelshof befanden sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts neben Verkaufsbuden auch die Wohnstätten von 40 armenischen Familien.378 Die Armenier genossen wie auch andere so genannte orientalische Ausländer in Astrachan eine Reihe von Privilegien. Von den Lasten und Pflichten, welchen russländische Untertanen unterlagen, waren armenische Kaufleute befreit, lediglich zur Zahlung der Warenzölle, der Miete für ihre Verkaufsbuden und einer Gebühr für das Wohnrecht in Astrachan waren sie verpflichtet.379 Zu Beginn der 1720er Jahre hatten die russischen Kaufleute durch ihre Beschwerden an den Hauptmagistrat in St. Petersburg gegen das Tun der armenischen und anderer orientalischer Händler erreicht, dass Letzteren der Einzelhandel in der Stadt verboten wurde, es sei denn, die entsprechenden Händler ließen sich in den posad  380 einschreiben. Gegen das Verbot des Einzelhandels wie des Handels außerhalb ihrer Handelshöfe und die Verordnung, stattdessen nur noch en gros an russische Kaufleute zu verkaufen, protestierten die armenischen und anderen ausländischen Kaufleute – abgesehen davon, dass sie wiederholt gegen selbiges Verbot verstießen.381 Daher legte der Astrachaner Magistrat im Namen der russischen Kaufleute der Stadt Beschwerde beim Senat ein. Vor dem Hintergrund des kaspischen Feldzuges trat der Astrachaner Gouverneur Volynskij aber für eine Aufhebung des Einzelhandelsverbots für Ausländer auf. Dem Senat gegenüber erklärte er, dass nicht nur die russischen Kaufleute nicht in der Lage seien, auch nur den zehnten Teil der im Großhandel vertriebenen Waren der orientalischen Kaufleute zu erwerben, sondern: „Wenn gemäß dem Handelsstatut und früheren Erlässen den Ausländern der Handel verboten wird oder sie aus Astrachan in ihre Heimatländer ausgeliefert werden, dann können die neu Anreisenden, die zu rufen befohlen ist, Zweifel bekommen. […] Damit diese Ausländer durch das Verbot nicht verzagen, sondern ihnen zum Handel große Lust gemacht wird und angesichts des jetzigen Feldzuges den Astrachaner Armeniern, Bucharen und übrigen Ausländern erlaubt wird zu handeln und Industrien

378 379 380 381

Sbornik dokumentov. [Armenisch-russische Beziehungen im 18. Jahrhundert. 1760 – 1800. Dokumentensammlung]. Bd. 4. Hg. v. M. G. Nersisjan. Erevan 1990 (im Folgenden Armjano-russkie otnošenija 4), Dok. 339. Golikova, 14. Kugryševa, 53 f. Die außerhalb der Kremlmauern gelegene Vorstadt, in welcher die slobody der Händler und Handwerker lagen. Armjano-russkie otnošenija 2/1, Dok. 37. – Jucht, Aleksandr I.: Pravovoe položenie astrachanskich armjan v pervoj polovine XVIII veka [Die rechtliche Lage der Astrachaner Armenier in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts]. In: Lraber hasarakakan gitowt’yownneri/Vestnik obščestvennych nauk Akademii Nauk Armjanskoj SSR 12 (1960), 47 – 60, hier 48.

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zu besitzen […], damit ihnen und anderen Ausländern Lust gemacht wird, nach Astrachan zu kommen und den Handel zu vermehren.“382

Der Senat schloss sich Volynskijs Standpunkt an und hob die vom Hauptmagistrat erlassenen Handelsbeschränkungen für orientalische Kaufleute in Astrachan im Jahre 1723 auf.383 Demnach scheiterte das Bestreben der vom städtischen Magistrat unterstützten russischen Kaufleute zunächst, die in Astrachan Handel treibenden Armenier den allgemeinen russländischen Gesetzen und bürgerlichen Pflichten zu unterwerfen. Obwohl einige Jahre darauf (1729 und 1731) das Einzelhandelsverbot für nicht in die Kaufmannsgilden eingeschriebene ausländische Händler wieder eingeführt wurde, verstießen Letztere erneut gegen diese Bestimmung, sodass die russischen Kaufleute von neuem Beschwerde einlegten. So beklagte sich der Astrachaner Kaufmann Fёdor Čeprakov 1736 beim Senat: „Es gibt in Astrachan armenische Händler, die seit langem in ihrer sloboda mit Frauen und Kindern leben und viel Handel betreiben im Groß- und Einzelhandel und ihre eigenen Verkaufsbuden und Fabriken besitzen und davon reich werden […], sie zahlen auf Exportwaren keinerlei Zoll und keinerlei Abgaben und keine Kopfsteuer […], der Astrachaner [russischen, T. G.] Kaufmannschaft fügen sie nicht geringe Störung und Kränkung zu, und die Astrachaner Kaufleute sind schwach und die ausländischen Kaufleute besitzen großen Reichtum. […] Sie bereiten den Astrachaner Kaufleuten Ruin, weil Letztere auf ihre Waren Zölle und Abgaben zahlen und Soldaten einquartieren und Dienste leisten, was sie ruiniert und sie in Schwäche und Unvermögen bringt. Die ausländischen Kaufleute besitzen größere Unternehmen als die Astrachaner Kaufmannschaft und sie helfen Letzterer nicht.“

Čeprakov forderte, dass die Ausländer die einheimischen Kaufleute bei deren Abgaben und Dienstverpflichtungen unterstützen sollten und im Falle ihrer Weigerung ihnen das Betreiben von Einzelhandel und der Besitz von Fabriken verboten werden sollte und sie nur noch in gemieteten Läden und den Handelshöfen handeln sollten: „Ihre eigenen Läden und Handelsunternehmungen und Fabriken sollen sie der Astrachaner Kaufmannschaft verkaufen, weil diese aus wenigen Leuten besteht und das alles verschlimmert wird durch die vielen Dienstverpflichtungen und sie ihren Handel wegen der Störung der oben genannten Kaufleute nicht ausbreiten können.“384

Um dem teils gesetzeswidrigen Tun der armenischen Kaufleute Einhalt zu gebieten, verfügte der Senat 1736, dass die Astrachaner Armenier in russländische Untertanenschaft zu nehmen und in die Kaufmannsgilden einzuschreiben seien. Das Verbot des Einzelhandels 382 PSZ I, Bd. 7, Nr. 4304. 383 Ebd. 384 PSZ I, Bd. 9, Nr. 7129.

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für nicht in die Kaufmannschaft Eingeschriebene wurde bekräftigt und sie wurden gezwungen, ihre Läden und Fabriken zu verkaufen; außerdem hatten sie mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, die russischen Kaufleute in Zukunft nicht mehr zu stören.385 Nachdem die armenischen Händler daraufhin bei der Gouvernementskanzlei Beschwerde eingelegt hatten, in welcher sie darauf hinwiesen, dass die Umsetzung des Senatsbeschlusses ihrem Außenhandel großen Schaden zufügen und zur Ausreise der Armenier aus Russland führen würde, wurde das Inkrafttreten des fraglichen Ukas bis auf Weiteres ausgesetzt.386 In der Tat waren die orientalischen Händler in Astrachan eine ernstzunehmende Konkurrenz für die russischen Kaufleute der Stadt. Nicht nur wuchs die Zahl der armenischen Einwohner Astrachans im Laufe des 18. Jahrhunderts stetig an; auch war die armenische Kolonie Astrachans eine der personenstärksten und umfasste unter allen orientalischen Gemeinden Astrachans auch die höchste Zahl an Kaufleuten.387 Auch der armenische Handelshof war, gemessen an der Zahl seiner Verkaufsbuden, der größte der Stadt.388 Darüber hinaus betrieben armenische Händler auch Verkaufsläden in anderen Teilen der Stadt, insbesondere in der Großen Zeile und am tatarischen Basar.389 Jedoch war die armenische Gemeinde Astrachans hinsichtlich des Wohlstandes ihrer Mitglieder sehr differenziert und ein Großteil der Armenier der Stadt lebte, vor allem in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in Pfahl- oder Bretterhäusern, einige besaßen überhaupt keinen eigenen Wohnraum und lebten zur Miete oder Untermiete.390 So war die indische die finanzstärkere orientalische Kolonie Astrachans 391 und indische Kaufleute betrieben auch vordringlich den Handel mit teureren und stark nachgefragten Waren, während etwa Kaufleute aus Derbent in erster Linie mit billigen Gebrauchswaren handelten. Die armenischen Kaufleute hingegen, deren Mehrzahl zu den Reihen der mittleren und Kleinhändler zählte, legten auf ein breit gefächertes Sortiment wert; sie 385 Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 339. – PSZ I, Bd. 9, Nr. 7129. 386 Jucht, Pravovoe položenie, 50. 387 Nach Russen und Tataren waren die Armenier die drittgrößte ethnische Gruppe in Astrachan. ­Chačaturjan, Vartan A.: Naselenie armjanskoj kolonii v Astrachani vo vtoroj polovine XVIII veka [Die Bevölkerung der armenischen Kolonie in Astrachan’ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts]. In: Lraber hasarakakan gitowt’yownneri/Vestnik obščestvennych nauk Akademii Nauk Armjanskoj SSR 7 (1965), 77 – 86, hier 78. Im Unterschied zu den in Astrachan lebenden indischen Händlern zogen die Armenier in der Regel mit ihren Familien hierher. Daher war das starke Anwachsen der armenischen Gemeinde Astrachans in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts trotz fortgesetzter Immigration in erster Linie auf natürliches Wachstum zurückzuführen. Ebd. – Bartlett, Roger P.: Human Capital. The Settlement of Foreigners in Russia 1762 – 1804. Cambridge 1979, 150. 388 Ende des 18. Jahrhunderts umfasste der armenische Handelshof 78 solcher Buden, der russische 59 und der indische Handelshof 75. Chačaturjan, Naselenie armjanskoj kolonii, 80. 389 Jucht, Zapisnye knigi, 67. 390 Jucht, Zapisnye knigi, 68. 391 1724 besaßen 47 armenische Kaufleute 18 % des Warenwertes aller orientalischen Kaufleute. Die 36 indischen Kaufleute hingegen verfügten über 78,50 % des Warenwertes. Golikova, 184.

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handelten nicht nur mit Tuchen, Leder und Pelzen, sondern ebenso mit Lebensmitteln und Holzwaren.392 In den 1720er Jahren dominierten die indischen Kaufleute Astrachans den Außenhandel mit Persien und überflügelten darin sogar die privilegierten Armenier.393 Die im Orienthandel tätigen Armenier stammten aus verschiedenen Regionen des Südkaukasus und Persiens, aus Astrachan und der Türkei; andererseits stieg bis zur Mitte des Jahrhunderts die Bedeutung russländischer gegenüber ausländischen Kaufleuten.394 Das gilt auch für den russländischen Binnenhandel, an welchem sich armenische Händler aus Astrachan, Moskau und Čerkassk stärker beteiligten als solche aus dem Persischen und dem Osmanischen Reich. Im Inneren Russlands (in erster Linie am Makarev-Jahrmarkt, in Moskau und den Wolgastädten) verkauften Armenier importierte orientalische Waren und erwarben russische Manufakturwaren sowie Leder und Pelze. Der Agrarhandel hingegen wurde von russischen Kaufleuten betrieben, in diesem Handelszweig waren Armenier in den 1720er bis 1740er Jahren in der Regel nicht tätig.395 Überhaupt waren armenische Händler am russländischen Binnenhandel deutlich weniger beteiligt als am gewinnbringenderen Transithandel. So stellten im Zeitraum von 1681 bis 1747 Russen fast 57 % der im Binnenhandel mit Rohseide tätigen Kaufleute, während auf Armenier etwas über 23 % entfielen.396 Zwar war auch im Binnenhandel das Kapitalvermögen der ausländischen Händler (besonders der Inder) größer als jenes der russischen, doch war hier der Unterschied nicht so groß wie im Transithandel.397 Im Rohseidenhandel entfiel der Großteil der Handelstätigkeit bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts auf die Julfaer, danach dominierten dort die russländischen, das heißt vor allem die Astrachaner Armenier. Während die armenischen Kaufleute im Transithandel mit orientalischen Waren in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ihre de facto Monopolstellung behaupten konnten, waren Vertreter der armenischen Gemeinde Astrachans auch im russländischen Binnenhandel sehr aktiv. In diesem Bereich dominierten jedoch nicht 392 Ebd., 192 f. 393 Dale, Stephen Frederic: Indian Merchants and Eurasian Trade, 1600 – 1750. Cambridge 32002 (11994), 112. 394 Jucht, Aleksandr I.: Vostočnaja torgovlja Rossii v 30 – 40 godach XVIII veka i rol’ v nej armjanskich kupcov [Der Orienthandel Russlands in den 30er bis 40er Jahren des 18. Jahrhunderts und die Rolle armenischer Kaufleute in ihm]. In: Haykakan SSṘ Gitowt’yownneri Akademiayi tełekagir/Izvestija Akademii Nauk Armjanskoj SSR 8 (1956), 43 – 62, hier 52, 48. – Etwa ab der Mitte der 1750er Jahre stieg der Anteil ausländischer gegenüber inländischen armenischen Händlern im Orienthandel über Astrachan’ wieder. Jucht, Torgovlja Rossii, 100. 395 Jucht, Aleksandr I.: Učastie armjanskogo kupečestva vo vnutrennej torgovle Rossii (20 – 40-e gody XVIII v.) [Die Teilnahme armenischer Kaufleute am russischen Binnenhandel (20er bis 40er Jahre des 18. Jahrhunderts)]. In: Patma-banasirakan handes 3/86 (1979), 112 – 128. – Ders.: Torgovye svjazi Astrachani v 20-ch godach XVIII v. [Die Handelsbeziehungen Astrachans in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts]. In: Istoričeskaja geografija Rossii. XII–načalo XX v. Sbornik statej k 70-letiju professora Ljubomira Grigor’eviča Beskrovnogo. Moskva 1975, 177 – 192. 396 Sartor, Der armenische Rohseidenhandel. 397 Sartor, Der armenische Rohseidenhandel.

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Ausländer (wie die Julfaer), sondern russländische Untertanen:398 1726 betrug der Wert der von ausländischen Armeniern auf der Wolga gehandelten Waren 8700 Rubel, jener der von Astrachaner Armeniern gehandelten Waren 2100 Rubel; bis zum Jahr 1737 war der Warenwert der Fuhren der ausländischen Armenier auf 26.900 und jener der Astrachaner Armenier auf 40.300 Rubel gestiegen. 10 Jahre später schließlich betrug der Warenwert des Wolgahandels der Ausländer nur noch 9300, der der Astrachaner hingegen 25.100 Rubel.399 Dabei handelten die armenischen Einwohner Astrachans auch auf dem Binnenmarkt vorwiegend mit orientalischen Waren wie Seiden- und Baumwollprodukten, importierten Nahrungsmitteln wie Reis, Wein und Früchten, die sie vor allem nach Moskau, auf den Makarev-Jahrmarkt und die Städte an der Wolga führten.400 Die Mehrheit der im Binnenhandel tätigen Armenier zählte zu den Gruppen der Klein- und mittleren Händler, der Löwenanteil am gehandelten Warenwert entfiel jedoch auf die Großhändler.401 Aus dem Ausland (das heißt überwiegend aus Persien) importiert wurden durch armenische Händler neben Rohseide und Seidenstoffen ebenso Färbemittel, Edelsteine und Nahrungsmittel, während sie russische Manufakturwaren und europäische Produkte exportierten. Im Jahr 1724 entfiel, gemessen am Warenwert, ein Viertel des gesamten Handelsaufkommens über den Astrachaner Hafen auf armenische Händler 402 und im Zeitraum zwischen 1737 und 1785 besorgten selbige ein Drittel bis mehr als die Hälfte des gesamten Warenimports sowie zwischen einem Fünftel und ca. 40 % des gesamten Warenexports über Astrachan.403 Armenier blieben im Rohseidenhandel im und durch das Russländische Reich noch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts führend, wenn sich auch ihr Anteil an den Seidenhändlern insgesamt verringerte. Waren im Zeitraum 1676 – 1685 noch alle Händler im Transit mit Rohseide Armenier gewesen, so betrug ihr Anteil in den 1740er Jahren noch um die 70 %,404 während in den 1750er Jahren armenische Händler noch für ca. 60 % des Umfanges des getätigten russländischen Orienthandels über Astrachan verantwortlich zeichneten, bevor dieser Wert in den Jahren 1777 – 1781 schließlich auf knapp 38 % sank.405 Die Gründe für den in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfolgenden Bedeutungsverlust armenischer Kaufleute im russisch-orientalischen Handel lagen zum einen in den innenpolitischen und als Folge auch wirtschaftlichen Zerrüttungen in Persien und der dadurch bedingten Auswanderung einer Vielzahl armenischer Händler aus dem Iran, zum anderen im Erstarken der Position der East India Company im europäisch-persischen Handel und schließlich in 398 Jucht, Aleksandr I.: Torgovye svjazi Astrachani s vnutrennim rynkom (20 – 50-e gody XVIII v.) [Die Handelsbeziehungen Astrachans mit dem Binnenmarkt (20er bis 50er Jahre des 18. Jahrhunderts)]. In: Istoričeskie zapiski 118 (1990), 140 – 201, hier 152. 399 Chačaturjan, K voprosu ob učastii, 97. 400 Jucht, Torgovye svjazi Astrachani, 197. 401 Ebd. 402 Chačaturjan, K voprosu ob učastii, 95. 403 Chačaturjan, Naselenie armjanskoj kolonii, 83. 404 Sartor, Der armenische Rohseidenhandel. – Chačaturjan, K voprosu ob učastii, 96. 405 Jucht, Torgovlja Rossii, 100 f.

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der vermehrten Teilnahme persischer und zentralasiatischer Kaufleute am russländischen Orienthandel. Angesichts des steten Mangels an frei verfügbaren Finanzmitteln erfolgten nicht selten Zusammenschlüsse zwischen mehreren Kaufleuten, mitunter unterschiedlicher Herkunft, zum Zwecke der Zusammenlegung des für die Handelsunternehmung erforderlichen Kapitals. 1725 z. B. hatten Mitglieder der armenischen und der indischen Kolonie Astrachans eine gemeinsame „Kompanie“ gebildet, in welcher die Armenier den Großteil der Organisation übernahmen, die Inder hingegen den Großteil des Kapitals zur Verfügung stellten.406 Im selben Jahr lieh sich ein Astrachaner armenischer Kaufmann von einem Inder Geld, um damit Waren einzukaufen, welche er nach Moskau brachte und dort veräußerte. Nach seiner Rückkehr musste der Händler nicht nur das geliehene Geld, sondern auch zwei Drittel des erzielten Gewinns an seinen indischen Partner abführen.407 Ähnliche Geschäftsverbindungen zwischen armenischen und indischen (wie auch zwischen russischen und indischen) Kaufleuten waren keine Seltenheit. Aus Sicht der Letzteren stellten sie eine Möglichkeit dar, mittels Agenten die für Inder in Russland außerhalb Astrachans geltenden Bewegungsund Handelseinschränkungen zu umgehen und auf diese Weise ihre Waren auch nach den wolgaaufwärts gelegenen Städten zu handeln.408 Neben dem Import von persischen Produkten, insbesondere Stoffen und anderen Textilwaren, taten sich die kapitalstarken indischen Kaufleute in Astrachan auch als Geldverleiher hervor. Seltener als die Inder traten armenische Kaufleute als Geber von Handelskrediten auf, wobei sich beobachten lässt, dass der von ihnen geforderte Zins sich, den Umständen russländischen Geschäftswesens und russländischer Gesetzgebung anpassend, im Laufe der Zeit verringerte.409 Die Höhe der den Astrachaner Armeniern gewährten Kredite reichte von einigen Rubeln bis zu mehr als 10.000 Rubeln, was nicht zuletzt Beleg für die große soziale Differenzierung innerhalb der armenischen Gemeinde ist, aber auch bezeugt, dass das Leihen wie Verleihen von Handelskrediten unter armenischen Kaufleuten weit verbreitete Geschäftspraxis war.410 Um der Gefahr der Nichtzurückzahlung eines gewährten Kredits zu entgehen, forderten die Kreditgeber oft Bürgschaften für den Schuldner oder gar die Verpfändung von dessen 406 Golikova, 189. 407 Ananjan, Žores/Chačaturjan, Vartan: Rol’ kredita v dejatel’nosti armjanskogo kupečestva v Rossii (XVII–XVIII vv.) [Die Rolle des Kredits bei der Tätigkeit der armenischen Kaufmannschaft in Russland (17.–18. Jahrhundert)]. In: Patma-banasirakan handes/Istoriko-filologičeskij žurnal 2 (1986), 150 – 167, hier 155. – Jucht, Zapisnye knigi, 64. 408 Dale, 102, 118. 409 1742 berichtete der Astrachaner Gouverneur Tatiščev über Zinssätze von 30 bis 40 %; Gesetze der Jahre 1754 und 1764 beschränkten den jährlich zu erhebenden Kreditzins auf 6 %. PSZ I, Bd. 14, Nr. 10.235; PSZ I, Bd. 16, Nr. 12.124. – Ananjan/Chačaturjan, Rol’ kredita, 152 f. – Jucht, Zapisnye knigi, 66. 410 Jucht, Zapisnye knigi, 65. – Ananjan, Armjanskij torgovyj kapital v Rossii (konec XVII–načalo XIX v.) [Das armenische Handelskapital in Russland (Ende des 17. bis Anfang des 19. Jahrhunderts)]. In: Patma-banasirakan handes/Istoriko-filologičeskij žurnal 1993 1 – 2 (1993), 43 – 58, hier 47.

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persönlichem Besitz, wobei dessen Wert jenen des Kredits nicht selten bei Weitem überstieg. Für gewöhnlich war ein Kreditnehmer im Falle der Verunglückung oder des Raubs an seiner Handelsunternehmung von seiner Verantwortung gegenüber dem Kreditgeber befreit.411 Die russischen Händler, welche anders als ihre orientalischen Konkurrenten das Handeln auf Kredit nicht gewohnt waren, beklagten sich über jene Praxis insbesondere der armenischen Kaufleute, für welche in einer Zeit des völligen oder weitgehenden Fehlens staatlicher Kreditanstalten und der Knappheit freier Geldmittel verschiedene Formen des Kreditwesens einen wichtigen Bestandteil insbesondere von über den lokalen Markt hinausreichenden Handelsoperationen bildete.412 Im 18. Jahrhundert traten Armenier, darunter Luka Širvanov, Ivan Karapet und die Lazarevs, sogar als Kreditgeber russischer Kaufleute, Bürokraten und Adelsfamilien auf. Schließlich bediente sich selbst die staatliche russländische Verwaltung manches Mal der Dienste armenischer Kaufleute, um über den Weg der Überbringung von Wechseln nach Persien Geld ins Ausland zu transferieren und in persischer Währung einzulösen. Die sich an solchen Operationen beteiligenden armenischen Kaufleute verlangten dafür in der Regel einen 20-prozentigen Zuschlag.413 Eine erste staatliche Kreditanstalt entstand in Astrachan erst 1764, allerdings vergab sie Kredite beinahe ausschließlich an russische Kaufleute, weshalb 1779 eine der zuvor genannten Bank unterstellte Kreditbank für die Astrachaner Armenier etabliert und mit 50.000 Rubeln (weniger als ein Drittel des Kapitals der Astrachaner Kommerzbank) finanziert wurde.414 Derweil fanden die Astrachaner Armenier in ihrem Streben nach Bewahrung bzw. Ausweitung ihrer Rechte durchaus bei lokalen Machthabern Unterstützung. Der Astrachaner Gouverneur Vasilij Tatiščev (1741 – 1745), der ein Programm der Besiedelung und wirtschaftlichen Entwicklung des Astrachaner Gebiets betrieb, förderte den Zuzug von Armeniern in die Stadt und verteidigte deren Positionen gegenüber dem städtischen Magistrat. Ebenso trat Tatiščev als Gegner jeglicher Einschränkung des händlerischen und industriellen Lebens der orientalischen Einwohner Astrachans sowie ihrer Einschreibung in die russländische Untertanenschaft auf. Er schlug dem Senat vor, die orientalischen Kaufleute stattdessen in zeitlich befristete Untertanenschaft aufzunehmen und ihnen verschiedene Privilegien zu gewähren, wogegen jedoch die russischen Kaufleute protestierten.415 Der Widerstand der Armenier gegen eine Einschränkung ihrer Sonderrechte zeitigte schließlich Erfolg. Ungeachtet der Proteste der russischen Kaufmannschaft Astrachans beschloss der Senat 1744, die 8 Jahre zuvor erlassenen Verordnungen zu annullieren. Nunmehr wurde den orientalischen Kaufleuten das Recht auf zeitlich befristete Untertanenschaft 411 412 413 414 415

Jucht, Zapisnye knigi, 64 f. Ananjan/Chačaturjan, Rol’ kredita, 156, 159. Ebd., 164. Ebd., 165. – PSZ I, Bd. 20, Nr. 14.853. Jucht, Pravovoe položenie, 51. – Kugryševa, 61 f.

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gewährt; bei Annahme derselben waren sie nicht verpflichtet, sich in die Astrachaner Kaufmannschaft einzuschreiben (sie wurden stattdessen als Astrachaner meščane registriert), durften sich frei in der Stadt ansiedeln und dort Häuser erwerben, besaßen gegen eine Bezahlung von 10 Prozent ihres Besitzes das Recht auf Wiederausreise, genossen Religionsfreiheit und durften nicht zwangsbekehrt werden, das Betreiben von Fabriken und Manufakturen war ihnen gestattet, vom Dienst in staatlichen Organen waren sie befreit, sie zahlten begünstigte Zölle auf ihre Waren und waren von der Kopfsteuer, weiteren städtischen und staatlichen Steuern sowie von der Pflicht der Soldateneinquartierung befreit.416 Die wohl bedeutendste Verfügung jedoch betraf die Einrichtung eines eigenen Gerichts für Armenier, Inder sowie der so genannten bucharischen, gilanischen und agryžanischen Tataren 417 „nach ihren Gesetzen und hergebrachten Gebräuchen, damit den Fremdgläubigen Lust gemacht wird, nach Astrachan zu ziehen“.418 In der Folge unterstützte die Astrachaner Gouvernementskanzlei unter Gouverneur Tatiščev den Entscheid des Senats, während der städtische Magistrat und der Hauptmagistrat, die Interessen der russischen Posadleute vertretend, weiterhin gegen die Privilegierung der orientalischen Einwohner der Stadt protestierten.419 1746 erfolgte die Einrichtung des so genannten Armenischen Gerichts (bis 1765 als „Rathaus“ bezeichnet), welches für die Verwaltung und Rechtsprechung der in Astrachan als Händler tätigen Armenier, Inder, Bucharen, Perser, Tataren, Griechen und Georgier zuständig war. Die Richter wurden von den Ausländern selbst in ihr Amt gewählt, Gerichtsverfahren fanden gemäß den jeweiligen gemeinschaftseigenen Gesetzen und Bräuchen statt. Lediglich in Streitfällen mit Russen entschieden der Magistrat und die Gouvernementskanzlei.420 Im Gegenzug zur Befreiung von städtischen Dienstverpflichtungen und Steuern hatten die orientalischen Kaufleute Abgaben auf ihren Handel und ihre Industrien zu leisten, die der russischen Kaufmannschaft zugutekommen sollten;421 zum Zweck der Berechnung der 416 PSZ I, Bd. 12, Nr. 8919. – PSZ I, Bd. 19, Nr. 13.647. 417 Als agryžanische Tataren (d. h. „Bastard-Tataren“) wurden die in Astrachan lebenden Nachkommen der Verbindung zwischen indischen Händlern und ihren einheimischen tatarischen Ehefrauen bezeichnet. Ozereckovskij berichtet, dass Astrachaner Tataren, die bei indischen Kaufleuten verschuldet waren, ihre Ehefrauen als Bezahlung ihrer Schulden den Indern überließen. Ozereckovskij, N.: Opisanie Koly i Astrachani [Beschreibung Kolas und Astrachans]. St. Peterburg 1804, 128 f. 418 PSZ I, Bd. 12, Nr. 8919. 419 Jucht, Pravovoe položenie, 53 – 56. 420 PSZ I, Bd. 12, Nr. 9311 421 Die armenischen Kaufleute in russländischer Untertanenschaft zahlten jährlich 1000 Rubel an den Magistrat, wovon 739 zur Unterstützung der russischen Kaufmannschaft und der Rest zur Errichtung von Brücken verwendet wurde. Nach dem Protest des armenischen Rathauses wurde dieser Betrag auf insgesamt 739 Rubel verringert. Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 339. – PSZ I, Bd. 19, Nr. 13.647. – Jucht, Aleksandr I.: Social’naja bor’ba v astrachanskoj armjanskoj kolonii (seredina XVIII v.) [Der soziale Kampf in der Astrachaner armenischen Kolonie (Mitte des 18. Jahrhunderts)]. In: Lraber hasarakakan gitowt’yownneri/Vestnik obščestvennych nauk Akademii Nauk Armjanskoj SSR 6 (1979), 69 – 80, hier 70 f. – Sbornik Imperatorskago Russkago Istoričeskago Obščestva. Bd. 134.

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Höhe der von ihnen zu entrichtenden Abgaben wurden die Armenier nach dem Umfang ihrer Unternehmen in drei „Parteien“ eingeteilt 422: Personen mit „Kapitalbesitz“ (dies betraf Kaufleute, wohlhabende handeltreibende Handwerker und einen Teil der Kleinhändler) bezahlten demzufolge je nach dem Umfang ihres Vermögens einige Dutzend Kopeken bis zu 72 Rubel jährlich. Angehörige der zweiten, „nicht Kapital besitzenden“ Gruppe, die sich aus Handwerkern, Verkäufern und Kleinhändlern zusammensetzte, hatten im Jahr 5 bis 20 Kopeken abzuführen. Die dritte „Partei“ schließlich war gänzlich von der Zahlung der betreffenden Abgabe befreit.423 Zusätzlich zu genannter Abgabe an den Magistrat zahlte die armenische Kolonie, quasi als Gegenleistung für ihre Befreiung von der Pflicht der Soldateneinquartierung in ihren Häusern, 600 Rubel jährlich an die Gouvernementskanzlei zur Finanzierung des Baus von Kasernen. Als Begründung dieser umfangreichen Privilegierung heißt es im Ukas: „Wenn ihnen im Handel und den Industrien Verbote auferlegt und sie dem Magistrat unterstellt würden, zögen sie aus Astrachan fort und ihre Geschäftspartner in Asien, bei denen sie Kredit haben und von welchen sie Waren erhalten, würden ihnen keinen Kredit mehr gewähren, und andere Ausländer, die davon erführen, würden nicht mehr nach Russland ziehen.“424

Die 1744/46 erfolgte Privilegierung der Armenier auf rechtlichem und wirtschaftlichem Gebiet blieb nicht lange unangefochten. Schon 1748 schlug die Gouvernementskanzlei dem Senat vor, genannte Privilegien nur jenen angedeihen zu lassen, welche die ewige Untertanenschaft annähmen, Ausländern jedoch den Einzelhandel, den Besitz von Verkaufsbuden und Fabriken, das Wohnen außerhalb der Handelshöfe und die Heirat zu untersagen. Der Senat schloss sich diesem Vorschlag jedoch nicht an.425 Schließlich forderte auch der Astrachaner Gouverneur Nikita Beketov (1763 – 1780), die Armenier und Tataren der Stadt denselben Gesetzen und Pflichten zu unterwerfen wie die russischen Kaufleute und dass das Rathaus in seiner gerichtlichen Funktion nur für Ausländer zuständig sein sollte, die sich zeitlich begrenzt in der Stadt aufhielten. Außerdem sollten die Rechtsgeschäfte der armenischen Händler in russischer Sprache abgewickelt werden und ihre Kinder hätten die russische Schrift zu erlernen.426 Hg. v. Imperatorskoe Russkoe Istoričeskoe Obščestvo (im Folgenden SIRIO). St. Peterburg 1911, 162. 422 PSZ I, Bd. 12, Nr. 9311. 423 Jucht, Social’naja bor’ba, 71. 424 PSZ I, Bd. 12, Nr. 9311. 425 Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 339. Allerdings wurde 1759 verfügt, dass Armenier, die keine Kaufleute waren, der Juristiktion des städtischen Magistrats und der örtlichen Polizei zu unterstellen seien. PSZ I, Bd. 15, Nr. 11.009. 426 PSZ I, Bd. 16, Nr. 12.174. Zur Zeit des russisch-osmanischen Krieges (1768 – 1774) wandte sich Beketov erneut an den Senat und forderte, von den armenischen und tatarischen Handel treibenden meščane in Astrachan dieselbe

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Katharina II . aber, deren Manifest von 1763 ausländischen Siedlern eine Reihe von Privilegien wie das Recht auf innere Selbstverwaltung und Religionsfreiheit versprochen hatte, lehnte 1765 Beketovs Ansuchen ab. Sie wies den Gouverneur darauf hin, dass die betroffenen Ausländer gemäß dem Manifest zu behandeln seien, sie also innere Selbstjustiz hätten. Erklärend fügte sie hinzu: „Die in Astrachan lebenden Armenier hatten immer das Bestreben nach der Einrichtung eines Gerichts gemäß ihren Gesetzen und Gewohnheiten, andernfalls würden sie hier kaum für lange Zeit bleiben. Darüber hinaus scheint ihr Aufenthalt in Russland in Erwägung ihres nicht geringen Handels […] überhaupt nicht ohne Nutzen zu sein. Und so wie das ihnen früher entgegengebrachte Wohlwollen nicht verhindert hat, sie mit Abgaben zu belegen, so scheint es, dass es nicht unmöglich wäre, [die Abgaben] zu vermehren, indem [die Armenier] selbst sich mehren, und [das] ohne Änderung ihrer Regierung. So besteht unser Wille jetzt darin, sie in ihrer früheren Ordnung der Urteilsvollstreckung zu belassen und nur deren Nachteile zu berichtigen mit einigen neuen Einrichtungen, aber […] als zusätzliche zu den alten. Um ihnen Lust zu machen auf das Leben hier ist es natürlich nötig, ihnen eine gewisse Freiheit nach ihrer Art zu erlauben. […] Der geeignetste Weg zu ihrer Beruhigung und Zufriedenstellung scheint zu sein, der Armenier, Mohammedaner und Inder […] Richter in einem Haus zu versammeln, die aus jeder Nation mit allgemeiner Stimme gewählt werden, je zwei oder drei Personen, und dieses Gericht ‚Allgemeines Gericht der Astrachaner Asiaten’ zu nennen.“427

Allerdings sollten die Richter der Armenier, Tataren und Inder in getrennten Räumen tagen, „denn die Armenier könnten als Christen die gemeinsame Tagung mit Tataren und Indern, die ja Mohammedaner und Götzendiener sind, als Beleidigung ansehen“.428 Auf Beketovs Vorschlag der sprachlichen Russifizierung entgegnete die Kaiserin: „Wenn den Astrachaner Asiaten die Änderung ihres Gerichts als eine solche Last erschien, dann kann der gegen ihren eigenen Willen durchgeführte Unterricht ihrer Kinder in der russischen Schrift zu umso mehr Unruhe führen. Deshalb scheint es besser, ihnen ihren Willen zu lassen, denn [sonst] sehen Wir daraus keinen weiteren Nutzen. Wir wünschen, dass diese Andersgläubigen mehr mit anständiger Freundlichkeit und Wohlwollen geführt werden als mit Strenge und erzwungener Änderung ihrer Gewohnheiten – und das erhoffen Wir auch von Ihnen.“429

Kriegssteuer zu erheben, welcher die russländischen Kaufleute und Fabrikanten unterworfen worden waren, da sie dieselben Rechte genießen würden wie jene und zudem im Unterschied zu Letzteren von vielen Pflichten entbunden seien. Der Senat jedoch lehnte diesen Vorschlag ab und befahl Beketov, von den Astrachaner Armeniern und Tataren nur die bisher üblichen Abgaben zu erheben. PSZ I, Bd. 18, Nr. 13.375; PSZ I, Bd. 19, Nr. 13.647. 427 PSZ I, Bd. 17, Nr. 12.307. 428 Ebd. 429 Ebd.

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Katharinas Entschluss stellte somit eine Kompromisslösung dar. Zum einen unterwarf sie das das alte „Rathaus“ ersetzende Asiatische Gericht, welches juristische, fiskalische und polizeiliche Funktionen erfüllte und die Armenier gegenüber dem Gouvernements- und Zentralorganen des Staates vertrat, der Oberaufsicht eines russischen Offiziers, der „alle Unregelmäßigkeiten verhüten“ sollte, die „immer in großer Zahl geschahen und bis heute sich fortsetzen“430, und für dessen Entschädigung von 375 Rubeln im Jahr die armenische und die tatarische Gemeinde selbst aufzukommen hatten, wovon die Armenier 215 und die Tataren 125 Rubel trugen. Andererseits aber wurde die innere Selbstverwaltung der armenischen Kolonie aufrechterhalten. Gemäß der sozialen Zusammensetzung der armenischen Gemeinde wurde je ein Richter aus den Reihen der Großkaufleute (der so genannten ersten Partei), der mittleren Kaufleute (der zweiten Partei) sowie der Kleinhändler und Handwerker (der dritten Partei) für eine Amtszeit von einem Jahr in das Asiatische Gericht gewählt, wobei zwei der Richter armenisch-apostolischen, einer katholischen Glaubens zu sein hatten.431 Als Appellationsinstanz des Asiatischen Gerichts diente wie schon zuvor die Gouvernementskanzlei. Grundlage der Rechtsprechung des armenischen Gerichts bildete das von dessen ersten Richtern Eliazar Grigoryan, Grigor Kampanyan und Hovhanes, Sohn des Sarkis, verfasste und 1765 fertig gestellte Gesetzbuch der Astrachaner Armenier 432, dessen Quellen sowohl armenisches Gewohnheitsrecht als auch kanonisches Recht sowie das Gesetzbuch des Mxit’ar Goš (1130 – 1213) und schließlich russische Gesetzgebung, vor allem der uloženie von 1649 und die Gesetzgebung Peters I., bildeten, wobei die familienrechtlichen Bestimmungen des Gesetzbuches sich an Mxit’ar Gošs Werk orientierten, während das Strafrecht vom russischen Recht beeinflusst war.433 Neben Straf- und Zivilrecht regelte das Gesetzbuch die Rechte der Richter und Prokuren und die Prozessordnung. Das armenische Gericht war zuständig für alle Straf- und zivilen Rechtsfälle zwischen Armeniern, außer wenn mindestens einer der beiden Geistlicher war.434 Das Strafrecht umfasste auch die Todesstrafe (wobei Todesurteile jedoch erst nach einer Bestätigung durch den Petersburger Senat Gültigkeit erlangten)435 sowie die Folter

430 So Gouverneur Beketov 1766 bezugnehmend auf eine Beschwerde der Astrachner Armenier betreffend die Einsetzung besagten Offiziers. SIRIO, 163. 431 Kugryševa, 104. 432 Die Gültigkeit dieses Gesetzbuchs wurde später auch auf die armenischen Kolonien von Kizljar, Mozdok, Neu-Nachičevan und Grigoriopol ausgeweitet. 433 Avakjan, Ruben Osipovič: Sudebnik astrachanskich armjan 1765 goda, kak pamjatnik prava i vekovoj družby meždu armjanskim i russkim narodom [Das Gesetzbuch der Astrachaner Armenier aus dem Jahr 1765 als Denkmal des Rechts und der jahrhundertelangen Freundschaft zwischen dem armenischen und dem russischen Volk]. In: Materialy vserossijskoj naučno-praktičeskoj konferenzii „Jurisprudencija v Sovremennoj Rossii“, 05 marta 2011g. In: http://sibac.info (22. 10. 2011). 434 Rechtsfälle unter Beteiligung von Geistlichen wurden am nach den Verordnungen des Erzbischofs Iosif auf Grundlage des kanonischen Rechts eingerichteten armenischen geistlichen Gericht verhandelt. Ebd. 435 Jucht, Social’naja bor’ba, 70.

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zur Geständniserzwingung, wobei unterschiedliche Strafen für freie Bürger und Dienstboten, Männer und Frauen vorgesehen waren. Das Zivilrecht behandelte unter anderem das Familien-, Ehe- und Erbrecht, das Handels- und Vertragsrecht und den Umgang mit Dienstboten sowie das Kredit- und Geldgeschäftswesen unter den Armeniern.436 Schließlich regelte das armenische Gericht auch die Zunftordnung437 für armenische Handwerker. Diese waren von der städtischen Zunftordnung ausgenommen, konnten aber nur in die armenischen Zünfte aufgenommen werden, sofern sie russländische Untertanen waren. Neben der Privilegierung der Astrachaner Armenier bestand eine weitere Maßnahme der Petersburger Regierung zum Zwecke der Wiederbelebung des Persienhandels zur Mitte des Jahrhunderts, aber auch der Brechung der zu jener Zeit immer noch bestehenden Dominanz der Julfaer, welche wie zuvor einen großen Teil der persischen Waren nicht über das Russländische Reich, sondern über Kleinasien exportierten,438 in der Einführung des zollfreien Imports von Rohseide zur Versorgung der heimischen Textilindustrie 1754 sowie in der Gründung dreier Orienthandelskompanien, welche auf Grundlage eines petrinischen Ukas zur Förderung des Handels durch Kompanien aus dem Jahr 1723439 das Monopol auf den Handel mit Persien, den Schwarzmeerhandel mit der Türkei und den italienischen Staaten sowie mit den zentralasiatischen Regionen östlich des Kaspischen Meeres, insbesondere Buchara und Chiva, erhielten. Im Jahre 1754 wandte sich eine Gruppe von Kaufleuten unter der Führung des Moskauer Unternehmers Koz’ma Matveev (ein weiterer Mitantragsteller war der in Moskau ansässige armenische Händler und Seidenfabrikant Vasilij Chastatov) mit der Bitte an den Senat, ihnen die Gründung einer Persischen Handelskompanie zu gestatten, die das Monopol auf den Export russischer und europäischer Waren nach Persien erhalten sollte. Gegen dieses Vorhaben protestierten die Kaufleute Astrachans, die ihre Lebensgrundlage durch 436 Zu letzterem Punkt siehe Ananjan/Chačaturjan, Rol’ kredita. 437 Zünfte wurden in Russland erst unter Peter I. nach deutschem Vorbild eingeführt. 438 Ananjan, Žores: Iz istorii ėkonomičeskoj politiki Ekateriny II: russko-armjanskie torgovye kompanii XVIII veka i pričiny ich kracha [Aus der Geschichte der Wirtschaftspolitik Katharinas II.: russisch-armenische Handelskompanien des 18. Jahrhunderts und die Ursachen ihres Zusammenbruchs]. In: Meždunarodnaja konferencija “Ekaterina Velikaja: ėpocha rossijskoj istorii” v pamjat’ 200-letiju so dnja smerti Ekateriny II (1729 – 1796) k 275-letiju Akademii Nauk. Sankt Peterburg 26 – 29. avgusta 1996. Tezisy dokladov. Hg. v. Rossijskoj Akademii Nauk. Sankt Peterburg 1996, 171 – 174, hier 173. – Ders.: Armjanskij torgovyj kapital, 49. 439 PSZ I, Bd. 7, Nr. 4348. Pläne zur Gründung einer russischen oder russisch-armenischen Kompanie für den Handel mit Persien hatte es sowohl unter einigen russischen Kaufleuten wie in Regierungskreisen schon einige Jahre vor 1723 gegeben. Ter-Avakimova. – Ananjan, Žores A.: „Zapiski“ Gmelina kak istočnik po izučeniju russko-armjanskich torgovo-ėkonomičeskich otnošenij vo vtoroj polovine XVIII v. [Die „Notizen“ Gmelins als Quelle für die Erforschung der russisch-armenischen händlerisch-wirtschaftlichen Beziehungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts]. In: Iz istorii vekovoj družby. Hg. v. M. G. Nersisjan. Erevan 1983, 95 – 108.

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ein solches Monopol gefährdet sahen;440 ein Protest, der vom Astrachaner Gouverneur Žilin mit dem Argument unterstützt wurde, die Einführung besagten Monopols würde zu „äußerster Armut“ der in Astrachan ansässigen und in die russländische Untertanenschaft aufgenommenen Einwanderer aus den orientalischen Ländern führen und deren Abreise aus dem Reich bewirken.441 Im Senat fand die Bittschrift der Astrachaner Kaufleute allerdings kein Gehör; ihnen wurde lediglich angeboten, sich in die Kompanie durch Erwerb von Aktien einzukaufen und damit dem drohenden Handelsverbot zu entgehen. Jedoch schloss sich Kaiserin Elisabeth dem Entscheid des Senats nicht an und so wandten sich die armenischen Kaufleute Astrachans erneut mit einer Bittschrift an die Regierung, das Recht auf freien Handel mit Persien aufrechtzuerhalten. In der Zwischenzeit hatten jedoch auch andere Bewerber Anträge auf die Verleihung eines Handelsmonopols mit Persien gestellt, sodass der Senat im März 1758 schließlich nicht Matveev und seinen Partnern, sondern dem in St. Petersburg ansässigen und aus Neu-Julfa stammenden armenischen Händler aus dem Stand der meščane Manvel Isachanov, der gemeinsam mit seinen Brüdern im Jahr 1752 die russländische Untertanenschaft erlangt hatte, und seinen Partnern, darunter dem Astrachaner Kaufmann und Eigentümer der Kaspischen Schifffahrtskompanie Fëdor Kobjakov, das Recht auf die Gründung einer Persischen Handelskompanie verlieh. Ihren Hauptsitz bezog die als Aktiengesellschaft gegründete Kompanie in Astrachan, weitere Kontore unterhielt sie in Kizljar, Moskau und St. Petersburg.442 Die Gründe für den Erfolg der Brüder Isachanov gegenüber ihren Konkurrenten in der Frage der Verleihung des Handelsmonopols mit Persien lagen vermutlich in dem Umstand, dass die Isachanovs anders als die anderen Bewerber für ihre Kompanie keine staatlichen Darlehen oder Titel forderten, jedoch über Erfahrung im Persienhandel verfügten – und schließlich dürften auch Manvel Isachanovs gute Beziehungen zum Kaiserhof eine nicht unwichtige Rolle gespielt haben.443

440 Armjano-russkie otnošenija vo vtorom tricatiletii XVIII veka. Sbornik dokumentov [Armenisch-russische Beziehungen im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts. Dokumentensammlung]. Bd. 3. Hg. v. V. K. Voskanjan. (im Folgenden Armjano-russkie otnošenija 3). Erevan 1978, Dok. 213. 441 Vgl. Jucht, Aleksandr I.: Russko-armjanskaja kompanija „persidskogo torga“ v seredine XVIII veka [Die russisch-armenische Persische Handelskompanie in der Mitte des 18. Jahrhunderts]. In: Patma-banasirakan handes/Istoriko-filologičeskij žurnal 101 – 102/2 – 3 (1983), 224 – 239, hier 226. 442 PSZ I, Bd. 15, Nr. 10.848. – Armjano-russkie otnošenija 3, Dok. 205. Nachdem die Familie Isachanov bereits 1752 mit dem Ansinnen auf Gründung einer Persischen Handelskompanie gescheitert war, hatte sie im Jahr 1757 um Erlaubnis zur Gründung einer Kompanie mit dem Monopol auf den Handel mit Pferden aus den Steppengebieten von Astrachan und Kizljar nach Persien angesucht. Das Kollegium für Ausländische Angelegenheiten hatte dieses Ansuchen aber mit der Begründung abgelehnt, dass ein solches Monopol auf den Pferdehandel den örtlichen tatarischen, kalmückischen und kumykischen Nomaden Schaden zufügen würde. Armjano-russkie otnošenija 3, Dok. 221 – 222. – Jucht, Russko-armjanskaja kompanija, 229. 443 Vgl. ebd., 230.

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Die Kompanie, die das Monopol auf den Handel mit Persien über Astrachan und Kizljar erhielt, exportierte in erster Linie russländische Industrie- und landwirtschaftliche Produkte wie Juchten und anderes Leder, Leinen, Pelz, Talg, Kernseife und Weizenmehl, des Weiteren europäische Reexportwaren wie Tuche, Indigo und andere Farbstoffe, wertvolle Seidenstoffe, Zucker, Pfeffer und Metallerzeugnisse. Importiert wurden vor allem Rohseide, Baumwollgarn sowie Seiden- und Baumwollstoffe. Allerdings blieb der Umfang des Handels der Persischen Handelskompanie weit hinter den Erwartungen der Regierung zurück – im Jahr ihrer Gründung gelang es der Kompanie nicht, irgendwelche Überseehandelsoperationen zu organisieren und auch im Jahr 1760 betrug der Wert des Exports der Kompanie über Astrachan weniger als 30.000 Rubel, jener des Import etwas mehr als 23.000 Rubel.444 Zudem verfügten die Gründer der Kompanie nur über geringes Eigenkapital und waren kaum imstande, ihre Schulden gemäß den zuvor vereinbarten Bedingungen zu begleichen. Daher waren auch etwa die Astrachaner armenischen und russischen Kaufleute nicht an einem Einkauf in die Persische Handelskompanie interessiert, erachteten sie doch eine solche Kapitalanlage angesichts der genannten Risiken als zu unsicher.445 Da nun aber zum einen jenen Kaufleuten, welche nicht Aktionäre der Kompanie waren, sämtlicher Handel mit Persien untersagt, zum anderen jedoch der Handelsumfang der Kompanie so gering war, dass selbst die Astrachaner Textilindustrie nicht mit ausreichend Rohstoffen versorgt werden konnte und sich der Preis für Rohseide folglich stark erhöhte, erging Anfang der 1760er Jahre eine Reihe von Bittschriften an die Regierung, in welchen die Aufhebung des Monopols und die Wiedereinführung des freien Handels mit Persien gefordert wurden. In einem solchen Schreiben aus dem Oktober 1760 an Kaiserin Elisabeth, unterzeichnet von teils in enger Verbindung mit Julfaer Kaufleuten stehenden 32 Astrachaner armenischen Händlern und Manufakturisten, die „noch vor der Einrichtung der Persischen Handelskompanie 1758 […] von ihren Waren nicht wenig Zoll in die Staatskasse zahlten“, sprachen sie sich nachdrücklich gegen das Monopol der Kompanie aus, deren Direktoren „sie [die Kompanie, T. G.] nicht auf Vermögen gründeten und sie nicht gemäß ihrer Verpflichtung zufriedenstellend mit Kapital ausstatteten und der Kompanie keinen einzigen wohlhabenden Aktionär hinzufügten – nur aus Neid und Unersättlichkeit strebten sie danach, dass sie, Kabjakov und die Armenier, diesen Handel beherrschen und ihn allein nutzen, und wir […] erfuhren großes Ungemach“.446

444 Ebd., 231. Im Vergleichszeitraum 1737 – 1744 lag der durchschnittliche Jahresumschlag des Außenhandels über Astrachan bei mehr als einer Million Rubel, im Zeitraum 1750 – 1759 bei knapp 700.000 Rubel. Jucht, Torgovlja Rossii, 87. 445 „Ihnen [unsere Waren] auf Kredit anzuvertrauen, ist unmöglich, weil sie […] offensichtlich Leute ohne Kapital und ohne Vermögen sind und nur danach streben, aus fremdem Kapital Gewinn zu ziehen und reich zu werden.“ Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 2. S. weiter unten im Text. 446 Ebd.

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Darüber hinaus habe besagter Kobjakov illegal von nicht der Kompanie angehörenden Kaufleuten Bestechungsgelder angenommen, damit diese ihre Waren nach Persien führen durften. „Und so“, so die Verfasser der Bittschrift, „nutzten die Gründer der Persischen Handelskompanie […], wie zu sehen ist, ihren Eifer zur Einrichtung der Kompanie nicht zugunsten des Interesses Eurer Kaiserlichen Hoheit und auch nicht zugunsten des allgemeinen Volksnutzens“.447

Schließlich wirke sich das Monopol der Kompanie schädlich auf die wirtschaftliche Lage der Stadt Astrachan aus, da nicht nur der Handel mit Persien, sondern gleichfalls die Versorgung der hiesigen Manufakturen mit Rohstoffen und damit die Arbeitsplätze der dort Beschäftigten gefährdet und viele Einwohner der Stadt der Armut ausgesetzt seien – mit entsprechenden Folgen für die Staatseinnahmen, wie die Bittsteller nicht vergaßen zu erwähnen. Nicht nur Astrachaner armenische Kaufleute, auch Moskauer Seidenfabrikanten wandten sich protestierend an das Manufakturkollegium und beklagten, dass die Persische Handelskompanie seit Beginn ihres Bestehens kein einziges Pud Rohseide nach Moskau gebracht habe. Sie erbaten die Erlaubnis, selbst nach Persien handeln zu dürfen, um dort ihre Waren für Seide zu tauschen.448 Die Beschwerden der Astrachaner und Moskauer Unternehmer fanden schließlich Unterstützung. Obwohl sich eine Mehrheit im Senat bereits 1761 für die Aufhebung des Monopols der Persischen Handelskompanie aussprach, erfolgte die Abkehr vom Monopolwesen in der Handelspolitik erst unter Katharina II. Der Ukas von 1762 bedeutete das Aus für die in den Jahren zuvor ins Leben gerufenen Orientkompanien und gab den Handel mit Persien, Buchara und Chiva endgültig frei.449 Der Handel mit letzteren Regionen über Astrachan und Kizljar war seit 1759 dem Monopol der Handelskompanie des Grafen Roman Voroncov unterstanden.450 Die „In Chiva und Buchara Handelnde Kompanie“ unterhielt Kontore in Astrachan, Moskau und St. Petersburg und exportierte sowohl einheimische wie europäische Waren, die sie gegen Edelmetalle, Edelsteine und Textilien veräußerte. Voroncov hoffte, dass seine Kompanie den Grundstein für einen ungehinderten russischen Indienhandel legen und in weiterer Folge das Russländische Reich zur Drehscheibe des indisch-europäischen Handels werden würde.451 Doch auch Voroncovs Kompanie konnte nicht zum Wachstum des zentralasiatisch-russischen Handels über Astrachan beitragen und erst nach ihrer Liquidierung 1762 setzte sich der 10 Jahre zuvor beginnende Anstieg des Umfangs genannten Handels fort.452

447 Ebd. 448 Jucht, Russko-armjanskaja kompanija, 235. 449 PSZ I, Bd. 16, Nr. 11.630, n. 16. 450 PSZ I, Bd. 15, Nr. 11.046. 451 Jucht, Aleksandr I.: Torgovye kompanii v Rossii v seredine XVIII v. [Handelskompanien in Russland in der Mitte des 18. Jahrhunderts]. In: Istoričeskie zapiski 111 (1984), 238 – 295, hier 280. 452 Ebd., 288.

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Vergleichsweise bessere Erfolge erzielte die dritte der in den 1750er Jahren ins Leben gerufenen russländischen Orienthandelskompanien. Anders als jene der Persischen und der Zentralasiatischen Kompanie ging die Gründung der „Russländischen in Konstantinopel Handelnden Kompanie“ auf die Initiative der Regierung selbst zurück. Den Hintergrund dafür bildete das im Rahmen des allgemeinen russländischen Außenhandels wie des russländischen Orienthandels im Besonderen vergleichsweise geringe Handelsaufkommen des Reiches mit dem Osmanischen Reich. In den 1740er Jahren begann die Regierung Elisabeths deshalb, Mittel zur Intensivierung des Schwarzmeerhandels mit den Ländern des Nahen Ostens und des Mittelmeerraums zu ergreifen. Nachdem Verhandlungen mit den Moskauer Kaufleuten unter der Führung Žuravlevs und Evreinovs zu keinem Ergebnis geführt hatten, veröffentlichte der Senat 1755 einen Ukas, in welcher die russländische Kaufmannschaft zur Gründung einer Kompanie für den Schwarzmeerhandel über den wenige Jahre zuvor angelegten Temernikovsker Hafen (später Rostov-na-Donu) nach von den Kompaneuren vorzuschlagenden Bedingungen aufgerufen wurde.453 Erst eineinhalb Jahre später meldeten sich drei Kaufleute mit den Bedingungen zur Gründung besagter Kompanie: der 1754 mit seinem Antrag auf Einrichtung einer Persischen Handelskompanie gescheiterte armenische Persienkaufmann und Seidenfabrikant Vasilij Chastatov sowie Nikita Šemjakin aus Kaluga und Aleksej Jaroslavcev aus Jaroslavl. Sie erbaten das Monopol auf den Handel über den Temernikovsker Hafen in das Osmanische Reich und die italienischen Staaten sowie das Recht zur Ausfuhr bestimmter russländischer (darunter schwere Juchten, Talg, Wachs und Eisen) wie chinesischer Waren unter Zahlung der üblichen Zölle. Nachdem auch die Zollkommission besagten Antrag positiv beurteilt und in den gestellten Bedingungen keine Gefährdung des Exportvolumens des Petersburger Hafens gesehen hatte, erfolgte im Februar 1757 die offizielle Gründung der privilegierten Kompanie.454 Allen nicht der Kompanie angehörenden Kaufleuten war es bei Androhung einer Geldstrafe und Konfiskation ihrer Waren verboten, über den Temernikovsker Hafen und Čerkassk zur See wie zu Land zu handeln, „damit davon der Kompanie kein Schaden und keine Störung widerfährt“455, welches Verbot die örtlichen Beamten zu überwachen hatten. Schließlich, so die Begründung, stünde es allen Interessierten frei, Aktien der Kompanie zu erwerben und dadurch an deren Privilegien teilzuhaben. Zur Überwachung des Monopols der Kompanie und zum Schutz ihres Handels in den unter der Kontrolle der Donkosaken stehenden Regionen wurde deren Ataman Generalmajor Efremov beauftragt. Im Gegenzug erhielten die Kosaken das Recht auf den Erwerb von Aktien der Kompanie (wovon sie in der Folge jedoch keinen Gebrauch machten, weshalb das Eigenkapital des Unternehmens nicht mehr als 60.000 Rubel betrug 456). Die Kompanie erhielt die Erlaubnis, auf eigene Kosten ein Hauptkontor 453 PSZ I, Bd. 14, Nr. 10.368. 454 PSZ I, Bd. 14, Nr. 10.694. 455 Ebd. 456 Bis zur Mitte des Jahres 1759 erhielt die Kompanie zudem staatliche Kredite in Höhe von insgesamt 50.000 Rubel. Jucht, Torgovye kompanii, 248, 251.

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in Moskau, ein weiteres Kontor sowie Lagerräume und andere benötigte Einrichtungen am Temernikovsker Hafen oder in Čerkassk zu errichten (später erbaute sie ein drittes Kontor in Konstantinopel) und zu deren Betreiben eigene Bedienstete in Lohn zu nehmen. Im Falle einer Dienstvernachlässigung durch einen Angestellten durfte im Kontor selbst über den Betroffenen gerichtet werden; hier erfolgte auch die Ausgabe von Pässen mit eigenem staatlichem Siegel an die Handelsreisenden der Kompanie.457 Zum Schutz vor Raubüberfällen wurden bewaffnete Konvois von Soldaten und Kosaken gestellt, die jedoch von der Kompanie verpflegt werden mussten. Schließlich waren das Kapital der Konstantinopeler Kompanie, seine Kontore und geschäftlichen Unterlagen von Konfiskation und Revision ausgenommen, seine Mitglieder von zivilen Dienstpflichten und der Soldateneinquartierung befreit. Doch befand sich der Temernikovsker Hafen, noch ohne bauliche Infrastruktur und ohne Besiedelung seiner Umgebung, in der Zeit unmittelbar nach der Gründung der Kompanie nicht in einem Zustand, der den regelmäßigen Handel mit Konstantinopel erlaubt hätte, weshalb dieser zunächst von Čerkassk aus betrieben wurde. Da gemäß dem Belgrader Friedensvertrag von 1739 dem Russländischen Reich der Bau und Unterhalt einer eigenen Schwarzmeerflotte untersagt war, nahmen Vertreter der Kompanie selbständig Verhandlungen mit dem osmanischen Pascha auf und konnten so den Bau von Schiffen zu ihrem Gebrauch sowie die Erlaubnis zur Beschäftigung ihrer Seeleute auf dieser Handelsflotte erreichen.458 Mit dem wirtschaftlichen Bedeutungsgewinn des Temernikovsker Hafens wuchs auch das jährliche Handelsvolumen der Konstantinopeler Kompanie: Zwischen den Jahren 1758 und 1762 stieg es von weniger als 87.000 Rubel auf 170.000 Rubel und trug damit zum Wachstum des russländisch-osmanischen Handels insgesamt bei.459 Trotzdem blieb der Umfang des Schwarzmeerhandels immer noch deutlich hinter jenem des kaspischen Handels zurück und die Tätigkeit der Konstantinopeler Kompanie konnte, trotz ihrer im Vergleich zu den anderen russländischen Orienthandelskompanien jener Zeit erzielten besseren Ergebnisse, die in sie gesteckten Erwartungen seitens der Regierung nicht erfüllen. Mitte des Jahres 1762 wurde so auch das Monopol dieser Kompanie aufgehoben; zwar setzte sie ihre Tätigkeit noch einige Jahre fort, ihr Handelsvolumen sank jedoch als Folge des Verlusts ihrer privilegierten Stellung. Sowohl die Kompanie Isachanovs als auch jene Chastatovs waren armenisch-russische Unternehmungen unter der Führung St. Petersburger und Moskauer armenischer Händler, deren geschäftliche Interessen, anders als jene der armenischen Kaufleute insbesondere in Astrachan, enger mit der russländischen Wirtschaft verknüpft waren und die in Konkurrenz zu den Julfaer und einem Teil der Astrachaner armenischen Kaufmannschaft standen. Der 457 458 459

PSZ I, Bd. 14, Nr. 10.694.

Jucht, Torgovye kompanii, 249 f. Ebd., 252. So betrug die Summe des auf diesen Handel erhobenen Zolls im Jahre 1762 mehr als das Doppelte jener des Jahres 1757 (53.810 bzw. 19.852 Rubel). Ebd., 253.

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Widerstand der Letzteren war mithin ein Grund für das Misslingen genannter Kompanien.460 Weitere Faktoren, die dazu führten, dass den russisch-armenischen Orienthandelskompanien der Mitte des 18. Jahrhunderts nicht der erhoffte Erfolg beschieden war, führt Jucht in seiner Arbeit auf:461 Zum einen verfügten die Gründer der Kompanien und ihre Partner nicht über ausreichendes Eigenkapital und in einigen Fällen ebenso wenig über die erforderlichen Fachkenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Außen- und insbesondere des Orienthandels. Zum anderen erschwerten und beschränkten außenpolitische Faktoren wie die zu jener Zeit in Persien herrschende Anarchie mit entsprechend negativen Folgen für das Wirtschaftsleben und die Sicherheit der Handelswege sowie andererseits die einschränkende Politik des Osmanischen Reiches gegenüber Russland vor allem in Bezug auf den Schwarzmeerhandel das Wachstum des russisch-osmanischen, russisch-persischen und russisch-zentralasiatischen Handels. Die Abkehr vom merkantilistisch geprägten Monopolwesen in der russländischen Handels­politik unter Katharina II. ermöglichte somit die Rückkehr zu günstigeren Voraussetzungen für die weitere Entwicklung des russländischen Orienthandels unter auch armenischer Beteiligung.462 Die umfassende Reform- und Kolonisierungspolitik der Kaiserin ging indessen Hand in Hand mit einer Politik der Unifizierung der Verwaltung des Reiches. Zu diesem Zweck erließ Katharina Gesetze, welche die rechtliche Lage ihrer Untertanen vereinheitlichen und rationalisieren sollten. Eine dieser Verordnungen bildete die 1785 erlassene Gnadenurkunde an die Städte, die den rechtlichen Status aller Stadtbewohner des Reiches regelte. Für die armenische Kolonie Astrachans bedeutete dies, dass der Druck auf die Armenier, ihren rechtlichen Sonderstatus aufzugeben und sich in die allgemeine städtische Rechtsordnung einzufügen, wuchs. Besonders bedeutend waren hier die Verordnungen betreffend die Regelung des Kaufmannsstandes. Dieser war je nach Umfang des persönlichen Vermögens des einzelnen Kaufmanns in drei Gilden unterteilt; alle Kaufleute mit einem Kapitalbesitz von mehr als 1000 Rubel waren verpflichtet, sich in die Gilden einzuschreiben, für die ein jährlicher Mitgliedsbeitrag zu entrichten war.463 Die Angehörigen der Kaufmannsgilden genossen gewisse Vorrechte wie die Befreiung von einigen staatlichen Dienstverpflichtungen und das Recht auf Selbstverwaltung. Privilegiert war vor allem die erste Gilde, deren Mitglieder ein 460 Ananjan, Armjanskij torgovyj kapital, 50. 461 Jucht, Torgovye kompanii, 289 f. 462 Ein von dem Mitglied der Russländischen Akademie der Wissenschaften Samuel Gottlieb Gmelin nach seinen Forschungsreisen (1768 – 1774), die ihn unter anderem nach Persien führten, an die Kommission über den Handel eingebrachter Vorschlag zur Gründung einer neuen russisch-armenischen Handelskompanie, welche dazu beitragen sollte, die Bedingungen der Tätigkeit der russischen Kaufmannschaft in Persien zu verbessern und den Umfang des Außenhandels mit diesem Reich zu erhöhen, wurde von der Kommission mit Hinweis auf die Wichtigkeit des freien Handels abgewiesen. Ananjan, „Zapiski“ Gmelina, 103 – 108. 463 PSZ I, Bd. 22, Nr. 16.187.

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Kapital von 10.000 bis 50.000 Rubel vorzuweisen hatten. Sie wurden von der Körperstrafe ausgenommen und erhielten das Recht auf unbegrenzten Handel innerhalb wie außerhalb des Imperiums, das Recht auf maritimen Handel, auf den Besitz von Fabriken und Hochseeschiffen.464 Demgegenüber waren Kaufleuten der zweiten und dritten Gilde der Außenhandel sowie die Hochseeschifffahrt untersagt. Ausländer, deren Zahl in der betreffenden Stadt mindestens 500 Familien umfasste, erhielten das Recht auf Repräsentation im städtischen Magistrat und am Zollgericht, wo sie in ihrer eigenen Sprache verhandeln durften.465 Von der Einschreibung in die allgemeinen städtischen Zünfte blieben die armenischen Handwerker jedoch ausgenommen.466 Für die armenischen Händler Astrachans bedeutete die Einführung der Gnadenurkunde an die Städte insgesamt eine Verschlechterung ihrer Position. Im Jahr 1790 verfügten nur 11 Astrachaner Armenier über das notwendige Kapital zur Einschreibung in die erste Gilde, 16 weitere konnten der zweiten und 172 der dritten Gilde beitreten.467 Dabei waren die Unterschiede im Vermögen der Kaufleute der ersten und dritten Gilde enorm: Während im Jahr 1790 ein armenischer Kaufmann der ersten Gilde im Durchschnitt mehr als 16.000 Rubel an Eigenkapital besaß, verfügte ein armenischer Kaufmann der dritten Gilde durchschnittlich über etwas mehr als 1000 Rubel. Insgesamt überstieg das Vermögen der armenischen Gildenkaufleute jedoch jenes ihrer russischen und tatarischen Standesgenossen. Die armenischen Kaufleute der dritten Gilde betrieben aber meist nur Kleinhandel und viele von ihnen waren weder im Handel tätig noch besaßen sie eigene Wohnhäuser.468 Jene armenischen Händler, die das erforderliche Kapitalvermögen zur Einschreibung in die Gilden nicht aufbringen konnten, mussten sich im Stand der meščane registrieren und waren dadurch erheblichen Einschränkungen in ihrer Handelstätigkeit ausgesetzt. Als deshalb auch drei Jahre nach Erlass der Gnadenurkunde etwa drei Viertel der armenischen Einwohner Astrachans noch immer nicht in einem der Stände registriert waren, wurde verfügt, dass für jene Armenier und „Asiaten“, die sich nicht in die Kaufmannschaft oder das Meščanstvo einschreiben wollten, bis auf Weiteres die alten Regelungen gültig blieben; für ihre Verwaltung wurde die „Behörde für die nicht in die Stadtordnung eingeschriebenen Armenier“ eingerichtet, welche die Funktionen und Strukturen des Asiatischen Gerichts

464 Ebd. In den 1760er Jahren hatten die Kaufleute das Recht auf den Erwerb und den Bau von Handelsschiffen zur Schifffahrt auf dem Kaspischen Meer erhalten, bis dahin staatliches Monopol; die Erlaubnis für armenische Kaufleute erfolgte 1769. 1798 befanden sich 7 Hochseeschiffe in Astrachan’ in armenischem Besitz. Bartlett, Human Capital, 153 f. – PSZ I, Bd. 17, Nr. 13.384. – Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 339. 465 PSZ I, Bd. 22, Nr. 16.187. 466 Kugryševa, 70. 467 Kugryševa, 82. – Chačaturjan, Naselenie armjanskoj kolonii, 81. 468 Chačaturjan, Naselenie armjanskoj kolonii, 82,85.

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aufrechterhielt.469 Die prinzipielle Pflicht, sich in den Ständen registrieren zu lassen, wurde damit aber nicht aufgehoben, weshalb im Jahr 1796 die Astrachaner Armenier eine Delegation zu Katharina II. sandten, die darum bat, sie von der Pflicht zur Einschreibung in die Gilden zu befreien.470 Tatsächlich ließ im Jahr darauf Katharinas Sohn und Nachfolger auf dem Thron, Paul I., die alten Rechte der Astrachaner Armenier wiederherstellen. Zu dieser Entscheidung dürfte beigetragen haben, dass die Beschneidung der Sonderrechte der orientalischen Ausländer negative Auswirkungen auf die Wirtschaft Astrachans und den Orienthandel gezeitigt hatte.471 So wurde das „Allgemeine Gericht der in Astrachan handelnden Asiaten“, das bis 1800 unter dieser Bezeichnung bestand, eingerichtet (in dem jetzt jedoch keine Strafsachen mehr verhandelt wurden), Armenier erhielten erneut das Recht auf zeitlich befristete Untertanenschaft und durften nicht mehr gezwungen werden, sich in die Kaufmannsgilden einzuschreiben. Zwar wurden sie von der Pflicht der Soldateneinquartierung wieder befreit, unterlagen aber im Bereich des Handels wie andere Ausländer den Bestimmungen des Neuen Handelsstatuts.472 Die erneut geschaffene privilegierte Stellung der Armenier blieb nicht ohne Kritik. In einem Bericht über die Lage der Astrachaner Armenier an die Expedition für Staatliche Wirtschaft, Ausländerfürsorge und Dörfliche Hauswirtschaft aus dem Jahr 1798 schilderte Gouverneur Ivan Zacharov (1798 – 1800) seine Sicht der Dinge. Er kritisierte, dass viele Armenier aufgrund der Privilegienpolitik der Regierung nicht die Untertanenschaft annehmen und sich vielen Abgaben und Pflichten entziehen würden. Deshalb sei es „überhaupt nicht verwunderlich, dass ihre Zahl bei Erhalt solch bedeutender Vorteile und angesichts ihrer Entziehung von einigen auferlegten Pflichten im Laufe der Zeit anwächst und ihre Häuser in Astrachan große slobody bilden und sie in Kizljar fast die gesamte Bevölkerung stellen. Weil sie alles ausnutzen, fast nichts bezahlen, wie man so sagt, im Status in Statu bleiben und ihnen das Leben in diesem so gutherzigen Staat angenehm ist.“473

469 PSZ I, Bd. 22, Nr. 16.617. – Chačaturjan, Vartan A.: Administrativno-pravovoe položenie astrachanskich armjan vo vtoroj polovine XVIII v. [Die administrativ-rechtliche Lage der Astrachaner Armenier in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts]. In: Lraber hasarakakan gitowt’yownneri/ Vestnik obščestvennych nauk Akademii Nauk Armjanskoj SSR 12 (1963), 57 – 68, hier 63 f. Anders als zuvor unterlagen nun allerdings auch die nicht eingeschriebenen Armenier der Pflicht zur Soldateneinquartierung. 470 Siehe auch die Bittschrift der Gesandten der Astrachaner Armenier an den Generalprokuror des Regierenden Senats, Aleksej Kurakin, von 1797 in Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 307. 471 Avakjan. – Chačaturjan, Vartan A.: Sudebno-administrativnye organy astrachanskich armjan XVIII –XIX vv. i ich archivnye fondy [Gerichtlich-administrative Organe der Astrachaner Armenier des 18. und 19. Jahrhunderts und ihre Archivfonds]. In: Vestnik archivov Armenii 3/30 (1971), 135 – 144, hier 139. 472 PSZ I, Bd. 24, Nr. 17.860. 473 Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 339.

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Des Weiteren würde nur ein Teil der Armenier die geforderten Abgaben zum Bau von Kasernen leisten. Die Erlaubnis zum maritimen Handel habe dazu geführt, dass die Armenier das Gewerbe der russischen Kaufleute untergraben würden, da sie sich nicht an die daran geknüpften Beschränkungen hielten. Auch die Bestimmungen bezüglich des Asiatischen Gerichts wären in der Praxis nicht befolgt worden, da dieses Gericht in Wahrheit nur von den Armeniern benutzt worden sei und „niemand von den anderen Asiaten nicht einmal in den allerkleinsten Streitfällen sich diesem Gericht unterwerfen wollte“, da sie dort keine eigenen Richter gehabt hätten, die nach ihren Gewohnheitsrechten gerichtet, und sie die im Asiatischen Gericht geltenden Ordnungen und Gesetze und die Sprache nicht verstanden hätten.474 Wie die Lage in der 1788 eingerichteten Behörde für die nicht eingeschriebenen Armenier sei, sei zwar nicht bekannt, aber es stehe zu vermuten, dass die Situation auch dort „genauso schludrig und unbefriedigend“ sei. Auch die Befreiung von der Soldateneinquartierung kritisierte Zacharov: „Angesichts dessen, dass sie keine Abgaben zahlen, von den bürgerlichen Pflichten entbunden sind und alle Vorzüge des Kaufleute- und Meščanestandes genießen, würde diese Pflicht – die nur eine einzige ist – keine untragbare Belastung darstellen.“475

Aber, so resümiert der Gouverneur, „die Armenier schaffen es, überall ihren Vorteil zu finden, während die russländischen kaisertreuen Bürger resigniert stets alle ihnen auferlegte Pflichten tragen.“476

Abschließend beschreibt Zacharov die Lage der Armenier in Astrachan so: „1. Urteilend nach dem sichtbaren Lebensstil der Armenier, ihrer Kleidung und ihrem Aufputz, ihrem Müßiggang und ihrer Neigung zum Herumschlendern bei beiden Geschlechtern, ihrer Ernährung, ihren Häusern und ihrer Dienerschaft (zum Großteil russische Leibeigene […]) muss man schließen, dass ihre Lage ohne Armut ist. 2. Sie betreiben alle Gewerbe […], die Bürger laut der Stadtverordnung betreiben dürfen […], und dazu noch ohne Beschränkung durch die Gilden, durch bürgerliche Pflichten oder Sorgen über das Zahlen von Abgaben. 3. Ihre Einnahmen zu bemessen ist unmöglich, diese sind für jeden geheim. Aber wenn man die Ausgaben, die innerhalb und außerhalb der Häuser getätigt werden, bedenkt, dann kann man sich vorstellen, dass die Quellen ihrer Einnahmen nicht ärmlich sind. 4. Wie viel finanziellen Vorteil sie bekommen haben […], ist aufgrund der Uneinsichtigkeit in diese Dinge nicht mit Sicherheit zu sagen. Aber wenn man Einblick nimmt in ihre Privilegien und ihr geschicktes Ausweichen von Belastungen

474 Ebd. 475 Ebd. 476 Ebd.

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und Pflichten bedenkt […], dann ist es korrekt, sich vorzustellen, dass sie einen großen Vorteil besaßen und bis heute besitzen.“477

Doch ungeachtet solcher Vorbehalte bestätigte Paul I. nochmals die zwei Jahre zuvor wiederhergestellten Rechte für die Armenier Astrachans, Kizljars und Mozdoks in seiner Gnadenurkunde von 1799. Auch wies er die militärischen und zivilen Beamten an, die Armenier zu unterstützen.478 Seine Motive stellte der Kaiser folgendermaßen dar: „In Nachsicht der Uns vorgelegten Bitten der Armenier von Astrachan, Kizljar, Mozdok und allen armenischen Gemeinden unseres Reiches, die seit der Zeit ihrer Siedlung sich auszeichneten durch Fleiß, gründlichen Häuserbau, Tugend und vorbildliches Verhalten […], gewähren Wir […,] nicht nur alle früheren Rechte und Vorteile zu unterstützen […,] sondern geben ihnen auch zur Anregung einer großen Eifersucht zum Fleiß und zur Fortsetzung der von ihnen angefangenen nützlichen Unternehmungen und zur Inspiration der Lust auf Nachahmung auch in anderen ausländischen Siedlungen verschiedene Vorteile und Vorzüge […].“479

So wurden im Jahr 1800 das eigenständige armenische Gericht wiederhergestellt und alle Änderungen von 1785 rückgängig gemacht. Auch die Astrachaner Tataren erhielten ihr eigenes Gericht zurück, während alle übrigen Ausländer bei Bedarf ein Schiedsgericht wählen durften, das der Gouvernementsregierung unterstand.480 Letztere bildete zudem die Appellationsinstanz für das armenische und tatarische Gericht.481 Neben der Rechtsprechung oblagen dem armenischen Gericht die Verwaltung der armenischen Kolonie und die Eintreibung von Abgaben, Zählungen in der armenischen Gemeinde, die Ausgabe von Pässen und die Erhebung des Beitrags zum Erhalt der Gerichtskanzlei. Daneben hatte die armenische Kolonie drei militärische Kasernen mit Heizmaterial und Gebrauchsgegenständen zu versorgen. Hausbesitzer schließlich zahlten eine Grundabgabe und die Inhaber von Verkaufsläden eine Ladenabgabe.482 Mit dem Antritt der Regierung Alexanders I. (1801 – 1825) setzten erneut Bemühungen zur Rechtsangleichung der ausländischen Kaufleute an die allgemeinen städtischen Verordnungen ein, die schließlich bis zur Mitte des Jahrhunderts zur Abschaffung des Sonderstatus der Armenier führten. Mit dem Manifest von 1807 wurden ausländische Kaufleute erneut

477 Ebd. 478 Adamjan, 30 – 32. – PSZ I, Bd. 25, Nr. 19.169. 479 PSZ I, Bd. 25, Nr. 19.169. – Hajastani Azgajin Archiv [im Folgenden HAA] 57/1/502 480 Adamjan, 34 – 36. 481 PSZ I, Bd. 27, Nr. 20.240. Der städtische Magistrat, der bis dahin Appellationsinstanz für die Armenier gewesen war, hatte zuvor an den Senat bekundet, mit der Behandlung der Streitfälle der Asiaten aufgrund des Sprachenproblems überfordert zu sein. PSZ I, Bd. 26, Nr. 19.656. 482 Chačaturjan, Sudebno-administrativnye organy, 140.

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dem Statut von 1785 unterworfen und verpflichtet, sich innerhalb von 6 Monaten in die Gilden einzuschreiben und die ewige Untertanenschaft anzunehmen. Jene Kaufleute, die dem nicht Folge leisteten, wurden Beschränkungen wie dem Verbot des Einzelhandels und des Handels untereinander unterworfen. Die armenischen Kaufleute wurden aufgefordert, sich der Gnadenurkunde an die Städte und den Bestimmungen des Manifests zu unterstellen, welche „alle bisherigen Ausnahmevorteile unvergleichlich übertreffen“.483 In der Begründung hieß es, die früheren Ausnahmen für die armenischen Kaufleute seien nicht mehr zeitgemäß, da sie auf Grundlage der damaligen Umstände verliehen worden seien.484 Die erneute Einschränkung der Rechte der armenischen Händler wirkte sich bereits im Jahr des Erlasses des Manifests negativ auf das wirtschaftliche Leben Astrachans aus. Nach einer Reihe von Protesten seitens der Armenier sah sich Alexander veranlasst, schon im Jahr darauf die Pflicht zur Einschreibung in die Stände für die Armenier auf unbestimmte Zeit auszusetzen.485 Doch nach der 1824 erfolgenden erneuten Verfügung an alle ausländischen Händler im Reich, sich binnen 6 Monaten in die Kaufmannsgilden einzuschreiben, wurden im Jahr darauf die Handelsmöglichkeiten nicht eingeschriebener ausländischer Kaufleute nochmals eingeschränkt; ab diesem Zeitpunkt war ihnen nur noch der Handel auf den großen Jahrmärkten, den Gasthöfen und den Zollstationen gestattet.486 Ab 1831 galten die Bestimmungen des Manifests Pauls I. (1799) nur noch für jene Armenier, welche bereits vor dessen Erlass Mitglieder der Astrachaner, Kizljarer und Mozdoker armenischen Gemeinden gewesen waren (in Astrachan waren dies zu jener Zeit nur noch 139 Personen 487), nicht jedoch für deren Nachkommen und für später Zugereiste. Letzteren wurde abermals eine Frist von 6 Monaten zur Annahme der ewigen russländischen Untertanenschaft gesetzt.488 Jene Armenier, welche die Vorzüge des Manifests von 1799 nicht mehr genossen, wurden wie alle anderen Bürger den städtischen und anderen Verpflichtungen und Abgaben unterworfen, ebenso wurden die von ihnen zu entrichtenden Steuern über die nächsten 10 Jahre schrittweise der allgemeinen Steuerlast angeglichen.489 Die Annullierung der Sonderrechte der Armenier betraf schließlich auch das Armenische Gericht. Nachdem dieses 1835 in Vormundschaftsangelegenheiten dem allgemeinen Russländischen Gesetz unterstellt worden war,490 erfolgte 5 Jahre später seine endgültige Abschaffung, 483 PSZ I, Bd. 29, Nr. 22.418. 484 Ebd. 485 Chačaturjan, Sudebno-administrativnye organy, 141. 486 PSZ I, Bd. 39, Nr. 30.115; Bd. 40, Nr. 30.434. 487 Chačaturjan, Sudebno-administrativnye organy, 141. 488 Polnoe sobranie zakonov Rossijskoj Imperii. Vtoroe sobranie (1825 – 1881) [Vollständige Sammlung der Gesetze des Russländischen Reiches. Zweite Sammlung (1825 – 1881)]. St. Peterburg 1884 (im Folgenden PSZ II), Bd. 6, Nr. 4613. Diese Frist wurde später bis zum 1. 1. 1833 verlängert. PSZ II, Bd. 7, Nr. 5196. 489 PSZ II, Bd. 11, Nr. 8828, Nr. 9196. 490 PSZ II, Bd. 10, Nr. 8169.

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„weil das ihnen gewährte Ausnahmerecht, unter sich ihre eigenen Gerichte zu nutzen nach alten und jetzt schon niemandem bekannten Sitten und Bräuchen, wegen der geänderten Umstände jetzt nicht mehr im Gebrauch ist und ihnen zum Nachteil gereicht“.491 Auch die Übersetzer in den armenischen Gerichten wurden damit entlassen.492 Nachdem Bittschriften der Armenier aus Karasubazar, Staryj Krym, Grigoriopol und Neu-Nachičevan 1840 dazu geführt hatten, dass die 4 Jahre zuvor beschlossene Angleichung der Steuerlast der armenischen und russischen Bevölkerung zumindest für jene Armenier, auf welche sich die Geltung des Manifests Pauls I. erstreckte,493 sowie deren Nachkommen rückgängig gemacht wurde, wurde diese Rücknahme acht Jahre später auch auf die armenische Gemeinde Astrachans ausgedehnt.494 Folglich zahlten die Betroffenen anstelle der Kopfsteuer eine jährliche Haushaltssteuer von zwei Rubeln. Während der nächsten Jahrzehnte behielten die Armenier Astrachans nur noch das Recht der Entsendung von Schiedsrichtern in die allgemeinen Gerichte sowie das Recht zur Wahl eines Ältestenrats, der die armenische Gemeinde nach außen vertrat, bis 1887 auch diese letzten Reste der einstigen armenischen Selbstverwaltung abgeschafft wurden.495 Während sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die Rolle Astrachans als Außenhandelsstandort verringerte, gewann der russländische Binnenmarkt als Tätigkeitsfeld der armenischen Händler an Bedeutung. Befördert durch die Entwicklung der Dampfschifffahrt auf der Wolga und die den Außenhandel störenden russisch-persischen Kriege verlegten sich die armenischen Kaufleute Astrachans zunehmend vor allem auf den Einzelhandel innerhalb der Stadt, wo sie in erster Linie Manufakturwaren, Lebens- und Genussmittel, zum Beispiel Tabakwaren, die auf der so genannten Tabakzeile im Zentrum der Stadt verkauft wurden, vertrieben. Schon zu Beginn des Jahrhunderts besaßen die armenischen Händler eine große Zahl an hölzernen Verkaufsbuden außerhalb des armenischen gostinyj dvor, in denen sie im Unterschied zum Handelshof, wo nur Großhandel betrieben wurde, „jede Kleinigkeit und verschiedene Stoffe, gewebt in den dortigen Fabriken, von welchen es in Astrachan 175 gibt“,496 verkauften. Viele russische Kaufleute der Stadt hingegen verschmähten den Einzelhandel, weshalb im russischen Handelshof auch auswärtige Händler tätig waren. Die russischen Kaufleute widmeten sich in erster Linie dem einträglicheren, früher verstaatlichten Fischgewerbe, für welches sie unter Katharina II. das Patent erhalten hatten.497 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts intensivierten sich jedoch auch die persisch-russischen wirtschaftlichen Beziehungen trotz zweier zu jener Zeit ausgetragener Kriege zwischen

491 PSZ II, Bd. 15, Nr. 13.302. 492 Ebd. 493 PSZ II, Bd. 15, Nr. 13.987. 494 PSZ II, Bd. 23, Nr. 22.163. 495 Kugryševa, 113 f. 496 Ozereckovskij, 125. 497 Ebd., 107 – 109.

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beiden Mächten. Nicht nur benötigte die rasch wachsende russländische Textilindustrie Rohstoffe aus dem Nachbarreich, sondern auch die russländischen Exporte nach Persien und in das Osmanische Reich erfuhren eine bedeutende Steigerung – wenn auch der Orienthandel stets nur einen kleinen Teil des gesamten russländischen Außenhandels bildete.498 Dabei blieb die Handelsbilanz des Russländischen Reiches im Orienthandel passiv, und im Unterschied zur russländischen Ausfuhr nach Europa wurden hier vorwiegend industrielle Produkte, in erster Linie Baumwollstoffe, exportiert.499 Mit dem russisch-persischen Friedensschluss von Gjulistan (1813) erhielten die persischen und russländischen Kaufleute das Recht auf freien Handel und Transit.500 Der in Gjulistan festgesetzte begünstigte Zollsatz von 5 % wurde im Jahre 1821 auch auf die Einfuhr westeuropäischer Waren in den Südkaukasus ausgedehnt, die außerdem zollfreien Transit nach Persien erhielten. Dies führte zu einer enormen Steigerung des Imports westeuropäischer Erzeugnisse in die genannten Gebiete. Russischerseits erhoffte man sich von dieser Liberalisierung eine Stärkung der Position des Russländischen Reiches im Transithandel und Gewinne zugunsten des Fiskus.501 Doch auch die armenischen Händler, welche den Großteil dieses Handels betrieben, profitierten von der neuen Situation. Die negativen Seiten des Tarifsystems von 1821 aber bestanden in einer Gefährdung des russländischen Exports bestimmter Waren in den Südkaukasus und nach Persien und somit der betreffenden russländischen Industrien, da deren Produkte auf dem asiatischen Markt allmählich von europäischen verdrängt wurden. Nicht nur Finanzminister Kankrin, sondern auch die Kreise der russländischen Kaufmannschaft und Fabrikanten beklagten diesen Umstand und forderten Maßnahmen zum Schutz der einheimischen Industrie. Eine kollektive Beschwerde von 30 Textilfabrikanten an die Regierung beklagte etwa: „Die jetzt gewährte Freiheit, Waren aus dem Ausland nach Odessa, […] Georgien und Persien einzuführen, beendet fast vollständig den Absatz unserer Textilerzeugnisse in diesem Land [Persien, T. G.], denn die Armenier und Perser, die früher zum Zwecke des Handels in Georgien und Persien für große Summen Tuche und andere russländische Erzeugnisse in Moskau und auf dem Nižnij Novgoroder Jahrmarkt eingekauft haben, fordern diese jetzt von uns nicht und bringen die gesamte Menge aus Leipzig und allgemein [aus] fremden Ländern für den Transit.“502 498 In den Jahren 1846 – 48 betrug der Handel mit dem Osmanischen Reich (Import und Export) 5 % des russländischen Außenhandels, im Falle Persiens lag der Anteil noch niedriger. Im Vergleich dazu betrug der Handel mit Großbritannien 33,6 % und mit Deutschland 11,4 % des gesamten russländischen Außenhandels. Chromov, P. A.: Ėkonomika Rossii. Period promyšlennogo kapitalizma [Die Wirtschaft Russlands. Periode des Industriekapitalismus]. Moskva 1963, 175. 499 Chromov, 175. 500 Kukanova, Nina G.: Russko-iranskaja torgovlja. 30 – 50-e gody XIX veka [Russisch-iranischer Handel. 30er bis 50er Jahre des 19. Jahrhunderts]. Moskau 1984, 6. 501 Ebd., 7. 502 Rožkova, M. K.: Ėkonomičeskaja politika carskogo pravitel’stva na Srednem Vostoke vo vtoroj četverti XIX veka i russkaja buržuazija [Die Wirtschaftspolitik der zarischen Regierung im Mittleren

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Trotzdem wuchs dank des Transits über den Südkaukasus das Handelsvolumen russländischer Waren nach Persien weiter an, wofür besonders die günstigen Handelsbedingungen verantwortlich waren, die nach dem zweiten russisch-persischen Krieg (1826 – 1828) vereinbart worden waren.503 1831 wurden schließlich die privilegierten Zollbestimmungen für den Transit westeuropäischer Waren über den Südkaukasus abgeschafft und die südkaukasischen Häfen für europäische Schiffe geschlossen. Doch weder die liberalen Tarifbestimmungen der 1820er Jahre noch deren Aufhebung 10 Jahre später konnten die in diese Maßnahmen gesteckten Hoffnungen der Erschließung eines breiten orientalischen Absatzmarktes für die russländische Industrie wirklich erfüllen.504 Die westeuropäischen, d. h. vor allem britischen Händler fanden schnell andere Wege nach Persien, insbesondere über den Hafen von Trapezunt. So kam es, dass die russländischen Fabrikanten die Wiedereröffnung der südkaukasischen Häfen forderten, „denn die Armenier, die in direkte Beziehungen mit Leipzig getreten waren, fanden es gewinnbringender, ausländische Waren über Triest und Trapezunt zu beziehen als russische [Waren, T. G.] aus Nižnij Novgorod“.505 Die handelspolitischen Maßnahmen der russländischen Regierung waren Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch nicht mehr in der Lage, die einheimische Industrie vor der westeuropäischen Konkurrenz zu schützen. Zu groß war der qualitative Unterschied der Produkte, zu sehr waren auch die südkaukasischen und persischen Gebiete mittlerweile in den Weltmarkt integriert.506 Dabei taten sich im Handel zwischen Persien und dem Südkaukasus auf der einen und Westeuropa auf der anderen Seite auch Mitte des 19. Jahrhunderts Armenier neben Georgiern und Azeri hervor.507 Die südkaukasischen Händler erwarben aber ebenso unter anderem persische Textilien, die sie im Inneren des Reiches, z. B. auf dem Nižnij Novgoroder Jahrmarkt, verkauften. In einigen Regionen Persiens wurden die russländischen von europäischen Waren verdrängt, in anderen hingegen konnte die Einfuhr von Produkten der russländischen Industrie (v. a. der Metallindustrie) gesteigert werden.508 Die britische Konkurrenz im Rohseidenhandel führte in den 1830er bis 50er Jahren zu einer Verteuerung dieses Rohstoffs. Trotzdem erhöhte sich der russländische Seidenimport aus Persien in diesem Zeitraum um ein Vielfaches.509 Die sich verstärkende Position des britischen Handels über das Osmanische Reich nach Persien bedeutete für das Russländische Reich nicht nur eine ökonomische, sondern ebenso Osten im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts und die russische Bourgeoisie], 84. Zitiert nach: Kukanova, Russko-iranskaja torgovlja, 9. 503 Persische Untertanen erhielten für den Handel im Russländischen Reich dieselben Rechte wie russländische Untertanen. Kukanova, Russko-iranskaja torgovlja, 10. 504 Ebd., 11. 505 Ebd. 506 Ebd., 13. 507 Ebd., 16. 508 Insgesamt blieb die Handelsbilanz des Reiches mit Persien aber passiv. Ebd., 21. 509 Während verarbeitete Textilien aufgrund der Entwicklung der einheimischen Industrie kaum mehr importiert wurden. Chromov, 213.

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eine politische Bedrohung, denn es bestand aus Sicht Petersburgs die Gefahr der Bildung eines persisch-osmanisch-britischen Blocks.510 Die kolonialen Bestrebungen Großbritanniens in Zentralasien kollidierten hier mit den Interessen des Russländischen Reiches. Dieser Konflikt, der sich in den 30er bis 50er Jahren des 19. Jahrhunderts verstärkte, fand seinen Ausdruck nicht zuletzt in einem russisch-britischen Handelskampf um den persischen Markt. Außerdem unterhielt das Russländische Reich Handelsbeziehungen mit Indien und Zentralasien, obwohl Letztere in relativ geringem Umfang verliefen. Die Bedeutung des Handels der Armenier in Zentralasien und Indien war im Übrigen so groß, dass ihnen verantwortliche Posten in verschiedenen russischen Handelskompanien anvertraut wurden.511 Dabei übernahmen armenische Kaufleute im Rahmen der russländischen Ost(handels) politik mitunter die Rolle von Repräsentanten des Reiches, als es etwa im 18. und 19. Jahrhundert darum ging, neue Handelsverbindungen über Zentralasien nach Afghanistan und Indien zu erschließen,512 wobei unter anderen die Familie Lazarev (Lazaryan) eine nicht unwichtige Rolle spielte. Der in den 1740er Jahren aus Neu-Julfa eingewanderten Familie entstammten einige der bekanntesten armenischen Unternehmer der frühen russländischen Textilindustrie. Diese entwickelte sich seit dem 17. Jahrhundert auf das Betreiben Peters I., der zuvor die Seidenindustrie Frankreichs kennen gelernt hatte und eine solche nun in seinem eigenen Reich errichten wollte, um eine weitgehende Unabhängigkeit von ausländischen Importen dieses Luxusgutes zu erreichen. Zu diesem Zwecke förderte und unterstützte er in großem Maßstab und mit enormen finanziellen Mitteln private unternehmerische Initiativen.513 Die „staatlichen“ Manufakturen unterstanden den 1719 eingerichteten Manufakturkollegien (von 1742 bis 1779 als selbstständiges Manufakturkollegium) und ab 1808 dem Innenministerium.514 Die dem Manufakturkollegium unterstellten Betriebe genossen eine Reihe von staatlichen Privilegien. So standen die Fabrikanten mit ihren Familien, aber auch ihre Arbeiter außerhalb der Verwaltung der örtlichen Machthaber und waren hingegen unmittelbar der

510 Kukanova, Russko-iranskaja torgovlja, 10. 511 Jucht, Vostočnaja torgovlja Rossii, 62. – Čobanjan P. A.: Rol’ zakavkazskich kupcov v russko-­ indijskoj torgovle (XVIII–nač. XIX v.) [Die Rolle südkaukasischer Kaufleute im russisch-indischen Handel (18. bis Anfang 19. Jahrhundert)]. In: Kavkaz i Vizantija. Bd. 3. Hg. v. Akademija Nauk Armjanskoj SSR. Institut Vostokovedenija. Erevan 1982, 73 – 88, hier 79. 512 Čobanjan berichtet von einer Episode während der Handelsreise des armenischen Kaufmanns Danibegov in den Jahren 1815 – 1820 nach Zentralasien. Als sich Danibegov auf dieser Reise in einem kasachischen Nomadenlager aufhielt, soll er dreieinhalbtausend Kasachen dazu bewogen haben, freiwillig die russländische Untertanenschaft anzunehmen. Čobanjan, 83. 513 Ljubomirov, Pavel G.: Očerki po istorii russkoj promyšlennosti [Essays zur Geschichte der russischen Industrie]. Moskva 1947, 105. 514 Amburger, 228 f. – Chačaturjan, Vartan A.: Rol’ armjan v tkackoj promyšlennosti Astrachani [Die Rolle der Armenier in der Textilindustrie Astrachans]. In: Patma-banasirakan handes/Istoriko-­ filologičeskij žurnal 3/90 (1980), 229 – 243, hier 230.

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Gerichtsbarkeit des Manufakturkollegiums unterworfen. Diese privilegierten Betriebe versorgte die Regierung außerdem mit Zwangsarbeitern und sie gewährte den Unternehmern das Recht, Werkzeuge und einen Teil der Rohseide zollfrei zu importieren. Des Weiteren gewährte die Regierung besagten Manufakturen staatliche Subsidien; einige Fabrikanten genossen darüber hinaus das Monopol auf die Erzeugung bestimmter Waren.515 Die Betreiber der Textilmanufakturen erhielten zudem das Recht, Fachkräfte aus dem Ausland anzustellen, was in der Regel freiwillige Lohnarbeiter betraf, aber auch gekaufte Arbeitskräfte umfassen konnte.516 Die Besitzer dieser privilegierten Manufakturen entstammten meist nicht dem Adel, sondern der Kaufmannschaft, doch hatte ihre Stimme in staatlichen Kreisen Gewicht. Um die Produktion der einheimischen Seidenindustrie zu schützen, wurde zudem bereits 1719 ein Importverbot für ausländische Seidenstoffe verfügt (ausgenommen davon waren persische und chinesische Erzeugnisse), welches allerdings schon nach dem Tod Peters I. aufgehoben wurde.517 Bereits seit den Anfängen der staatlich geförderten Textilindustrie beteiligten sich Armenier als Unternehmer ebenso wie als Arbeitskräfte an diesem Produktionszweig. So gründete schon im Jahr 1681 der Armenier Zachar Paulsen (Pavlov) den „Neuen Brokathof“ und ab 1684 betrieb Kanzler V. V. Golicyn gemeinsam mit armenischen Kaufleuten eine Seidenmanufaktur in Moskau. 1717 gründete ebenfalls in Moskau der aus Neu-Julfa immigrierte Ignatij Francevič (Francov) Šeriman (Šahrimanyan) gemeinsam mit russischen Industriellen eine Seidenmanufaktur 518 (die Manufaktur Šerimans befand sich ab 1736 in Frjanovo bei Moskau). In den 1730er und 40er Jahren folgten weitere Textilmanufakturgründungen durch Armenier in Astrachan und bei Kizljar 519 – 1736 etwa errichteten Avetis Korosov und Hakob Moltrech eine staatlich privilegierte Wolltuchmanufaktur im Gouvernement Astrachan, die auf 15 Jahre von Abgaben befreit wurde und zu deren Schutz Soldaten der nahe gelegenen Garnison abkommandiert wurden. Im Gegenzug wurden die Betreiber verpflichtet, Stoffe von hoher („ausländischer“) Qualität herzustellen und keine entlaufenen Leibeigenen, Soldaten und Matrosen einzustellen.520

515 Ljubomirov, 559. 516 Snošenija Petra Velikago s armjanskim narodom [Die Beziehungen Peters des Großen zum armenischen Volk]. Hg. v. G. A. Ėzov. Sankt Peterburg 1898, LXXII. 517 Storch, Heinrich: Historisch-statistisches Gemälde des Russischen Reiches am Ende des achtzehnten Jahrhunderts und unter der Regierung Katharina der Zweyten. Bd. 3. Leipzig 1799, 239 f. 518 Troebst, Kaspi-Volga-Ostsee-Route, 153. – Agajan, C. P.: Rossija v sud’bach armjan i Armenii [Russland in den Schicksalen der Armenier und Armeniens]. Moskva 1994, 135. 519 Armjano-russkie otnošenija 3, Dok. 64, 104, 115. Die erste eigentliche Seidenmanufaktur Astrachans wurde 1740/41 von einer Gruppe armenischer Unternehmer – unter ihnen Luka Širvanov – gegründet. Schon 1746 wurde diese Manufaktur allerdings, unter neuem Eigentümer, nach Moskau verlegt und dort mit dem Betrieb des Armeniers Maksimov fusioniert. Ljubomirov, 638. 520 Armjano-russkie otnošenija 3, Dok. 64.

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Mitte des 18. Jahrhunderts befanden sich 7 Seidenmanufakturen in Astrachan und 3 in Moskau im Besitz armenischer Unternehmer,521 in zwei weiteren Moskauer Manufakturen waren Armenier Teilhaber, darunter jene 1760 von einem Georgier gemeinsam mit dem Armenier Sergej Ivanov (der seit demselben Jahr auch eine Seidenmanufaktur in Astrachan besaß) gegründete Seidenmanufaktur, die sich bereits 15 Jahre später aufgrund von Verschuldung unter staatlicher Beschlagnahme befand.522 Ein anderer georgischer Unternehmer, Nikolaj Saakadze, war der Betreiber einer Seidenmanufaktur bei Kizljar, in der auch armenische Arbeiter beschäftigt wurden.523 1771 schließlich folgte die Gründung einer Seidenmanufaktur des Armeniers Chachverdov in St. Petersburg.524 Lazar’ Lazarev erwarb 1758 die Seidenmanufaktur der Francovs/Šerimans in Frjanovo, die sich bis in die 1820er Jahre im Besitz der Lazarevs befinden sollte. Die Manufaktur, die im späten 18. Jahrhundert mit 96 Webstühlen und 230 „zugeschriebenen“ und gekauften Arbeitern von beachtlicher Größe und mit 50.000 Rubel recht kapitalstark war,525 zählte zu den wenigen des Reiches, in der hochqualitative Stoffe erzeugt wurden (die in erster Linie der Belieferung des Hofes dienten) und die als Einzige – nach europäischem Vorbild – mit einer wasserbetriebenen Mühle arbeitete. Die Lazarevs hatten mit der Seidenmanufaktur und dem Dorf auch 65 dort lebende Personen gekauft.526 Da vor allem jene Manufakturen, welche hochwertigere und teurere Stoffe produzierten, aufgrund der mangelnden Nachfrage am Binnenmarkt wie auch aufgrund der im Vergleich zur Industrie anderer Länder minderwertigen Technik und des Spezialistenmangels für ihr Überleben praktisch vollständig auf die Privilegien und die Unterstützung des Staates angewiesen waren, führte die Einschränkung dieser privilegierenden Maßnahmen nach dem Tod Peters I. zu einer Erschütterung der russländischen Seidenindustrie.527 Allerdings griff Kaiserin Elisabeth (und nach ihr Peter III.) die Industriepolitik Peters I. wieder auf; in ihrer Regierungszeit wurden die russländischen Binnenzölle sowie der Einfuhrzoll auf orientalische Rohseide abgeschafft.528 Die Nachfrage nach den Erzeugnissen der hei 521 Agajan, 136. 522 Indova, E. I.: O rossijskich manufakturach vtoroj poloviny XVIII v. [Über die russländischen Manufakturen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts]. In: Istoričeskaja geografija Rossii. XII–načalo XX v. Sbornik statej k 70-letiju professora Ljubomira Grigor’eviča Beskrovnogo. Moskva 1975, 248 – 345, hier 258, 294. – Ljubomirov, 578. Nur für kurze Zeit in armenischem Besitz befand sich eine weitere, 1754 gegründete Seidenmanufaktur im Kreis Moskau. Ivan Mirman war einer von nacheinander 4 Besitzern dieser Manufaktur innerhalb von zwei Jahrzehnten. Indova, 268. 523 Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 20. 524 Indova, 340. 525 Indova, 267. Daneben besaßen die Lazarevs noch eine bedeutend kleinere Dependance in Moskau. – Storch gibt für das Jahr 1784 sogar die Anzahl von 110 Webstühlen, 500 männlichen Arbeitern und eine jährliche Verarbeitung von 200 Pud Rohseide in Frjanovo an. Storch, Bd. 3, 243. 526 Ljubomirov, 571, 575, 593 f. – Bazijanc, Ašot P./Martirosjan, R.: Obelisk. Erevan 1993, 41. 527 Ljubomirov, 561 f. 528 Ebd., 563 f.

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mischen Seidenindustrie auf dem Binnenmarkt stieg Mitte des 18. Jahrhunderts ebenso wie die Qualifikation der in den Seidenmanufakturen beschäftigten Spezialisten und die Qualität ihrer Produkte. Einen bedeutenden Platz in der russländischen Textilproduktion nahmen die Seidenund Baumwollmanufakturen in Astrachan ein. Die örtliche Seidenindustrie entstand bereits im späten 17. Jahrhundert, und in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Stadt zu einem wichtigen kommerziellen und industriellen Zentrum des Russländischen Reiches, vor allem dessen südlicher Regionen. Die Anfänge der baumwollverarbeitenden Industrie, welche sich später als die Seidenindustrie entwickelte, gehen in Astrachan ganz wesentlich auf armenische Unternehmer und Handwerker zurück und im späten 18. Jahrhundert befand sich hier nach Moskau die höchste Zahl an seidenverarbeitenden Betrieben des Landes. Hier war auch der Anteil armenischer Fabrikanten und Facharbeiter besonders hoch. 1769 waren 5 von 9 „staatlichen“ Textilmanufakturen in den Händen armenischer Unternehmer (in ganz Russland existierten in jenem Jahr 57 solcher Manufakturen).529 Im Jahre 1787 befanden sich 32 von insgesamt 38 Seidenmanufakturen und 81 von 85 Baumwollmanufakturen Astrachans in armenischem Besitz.530 Daneben fanden sich armenische Unternehmer auch in der Lederverarbeitung und der Textilfärberei. In der Astrachaner Textilindustrie dominierten jedoch kleine handwerkliche Betriebe sowie Formen der Heimarbeit und des Verlagssystems, wo meist billige Stoffe von eher geringer Qualität für den lokalen Markt produziert wurden.531 So befriedigte der Großteil der Textilerzeugnisse aus Astrachaner Betrieben die Nachfrage der örtlichen Bevölkerung; nur ein verhältnismäßig geringer Teil der Produktion wurde ins Innere des Reiches gehandelt, so nach Saratov und in andere Wolgastädte. Während die Nachfrage nach Seidenstoffen gering war, fanden Baumwolltuche in der Stadt dank ihres geringeren Preises und ihrer Befriedigung der örtlichen Nachfrage nach orientalischen Stoffen und Mustern guten Absatz.532 Vorwiegend in Heimarbeit verrichtet wurde das Spinnen der Baumwolle für die örtliche Baumwoll­industrie. Diese Arbeit verrichteten neben Armeniern auch Kalmücken und Tataren, die ihre Produkte entweder den Manufakturen verkauften oder sie selbst auf den Markt brachten.533 Diese selbstständigen Spinner und Weber von Seiden- und Baumwollstoffen befanden sich nicht selten in Abhängigkeit von meist indischen Kapitalgebern, die den Kleinunternehmern das benötigte Rohmaterial zu überhöhten Preisen zur Verfügung stellten und deren fertige Produkte billig ankauften, um sie dann von ebenfalls von ihnen abhängigen Mittelsleuten vertreiben zu lassen.534

529 530 531 532 533 534

Chačaturjan, Rol’ armjan, 230. Chačaturjan, Naselenie armjanskoj kolonii 84. – Ders., Rol’ armjan, 231, 233. Ljubomirov, 115, 637. – Chromov, 73. Chačaturjan, Rol’ armjan, 233, 237 f. Ljubomirov, 648. Ebd., 649.

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Das Weberhandwerk war unter den Armeniern der Stadt weit verbreitet, allerdings handelte es sich im Großteil der Fälle um kleine Familienbetriebe. Wie die Betreiber von Manufakturen unterstanden auch die armenischen Weber der Stadt der Aufsicht des Manufakturkollegiums, welches ihre Werkstätten als „Fabriken“ wertete, und genossen deshalb einige Privilegien wie die fünfjährige Befreiung von Steuern und die Entbindung von Dienstpflichten.535 Obwohl Gouverneur Tatiščev gegen die Gleichstellung von handwerklichen Webern und Manufakturisten protestierte und die Unterstellung Ersterer unter den städtischen Magistrat forderte, bestätigte das Manufakturkollegium 1744 den Status quo.536 Da die armenischen Weber zwar für den Markt produzierten, oft aber nicht in der Lage waren, ihre Produkte selbst zu den Märkten anderer russischer Städte zu bringen, verkauften sie diese nicht selten an armenische und indische Händler. Einige Weber beschäftigten neben Familienangehörigen auch Lehrlinge und/oder Lohnarbeiter, die sich vor allem aus der armenischen Gemeinde Astrachans rekrutierten. Meist handelte es sich bei diesen Lohnarbeitern um verarmte ehemalige Weber, die aus Mangel an eigenem Wohnraum bei ihren Arbeitgebern lebten. Allerdings arbeiteten in den Betrieben armenischer Fabrikanten und Handwerker auch russische und tatarische Lehrlinge, die sich wie ihre armenischen Kollegen vertraglich zu einer Lehrzeit von 4 bis 5 Jahren bei ihrem Lehrherrn verpflichteten.537 Etwa die Hälfte aller armenischen Weber der Stadt befand sich an der Grenze zur Armut und viele von ihnen verschuldeten sich, während wenige Wohlhabende neben ihrem Handwerk auch Handel betrieben und über eigenes Kapital von 150 bis 200 Rubel verfügten.538 In den Textilmanufakturen Astrachans waren aufgrund des Mangels an Leibeigenen in der Region in erster Linie freie Lohnarbeiter beschäftigt,539 die sich unter anderem aus der großen Zahl von entlaufenen Leibeigenen und Gefangenen, Deserteuren und anderen „Illegalen“ rekrutierten, die aus dem Inneren Russlands, aber auch aus Persien und Zen­ tralasien in diese Grenzregion des Reiches zogen.540 Ein Teil der Beschäftigten der Astrachaner Seidenindustrie rekrutierte sich aus Russen und anderen Astrachaner Einwohnern, die bei den armenischen Manufakturbesitzern verschuldet waren. Um ihre Schuld abzuarbeiten, wurden sie von den Fabrikanten in Dienst genommen; allerdings war es diesen Arbeitern 535 Jucht, Aleksandr I.: Armjanskie remeslenniki v Astrachani v pervoj polovine XVIII v. [Armenische Handwerker in Astrachan’ in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts]. In: Lraber hasarakakan gitowt’yownneri/vestnik obščestvennych nauk Akademii Nauk Armjanskoj SSR 1 (1958), 37 – 54, hier 48. 536 Ebd., 48 f. 537 Sbornik Imperatorskago Russkago Istoričeskago Obščestva. Bd. 134, 169. 538 Jucht, Armjanskie remeslenniki, 51 f. 539 Insgesamt waren in der im Vergleich mit anderen Industriezweigen des Landes fortschrittlichen Baumwollindustrie vorwiegend Lohnarbeiter und nicht zwangsverpflichtete Arbeiter beschäftigt. Jacunskij, V. K.: Social’no-ėkonomičeskaja istorija Rossii XVIII–XIX vv. Izbrannye trudy [Sozio­ ökonomische Geschichte Russlands 18.–19. Jahrhundert. Ausgewählte Arbeiten]. Moskva 1973, 131. – Chromov, 67 f. 540 Chačaturjan, Rol’ armjan, 240.

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aufgrund der hohen Zinsen nicht nur nicht möglich, ihre Schulden zu begleichen, sondern es wurden auch „ihre gesamten Familien in die ewige Sklaverei der schlitzohrigen Armenier geführt“,541 wie es in einer Beschreibung aus dem Jahr 1804 heißt. Schließlich waren auch armenische Frauen im Astrachaner Textilgewerbe beschäftigt; im Jahre 1804 etwa waren es mehr als 500.542 Nachdem unter Katharina II. die so genannten „staatlichen“ Betriebe ihre Monopolstellung und ihre Privilegien verloren hatten, erlebte die Astrachaner Textilindustrie Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts einen Niedergang. Die Hauptursachen dafür lagen sowohl in der Konkurrenz durch die zentralrussischen Textilbetriebe sowie im Handelsrückgang mit Persien zur Zeit der russisch-persischen Kriege, aber auch im Rückzug der indischen Geldgeber aus Russland. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu einem fast vollständigen Erlöschen der Textilindustrie der Stadt.543 Mit dem Niedergang der Textilindustrie waren Armenier – sowohl als Industrielle wie auch als Lohnarbeiter – vermehrt in den im 19. Jahrhundert aufsteigenden Industriezweigen wie der Seifensiederei, der Kerzenfabrikation, dem Fischfang und der fischverarbeitenden Industrie, der Tabakindustrie und der Salzförderung tätig. Das Gouvernement Astrachan wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Zentrum der fischverarbeitenden Industrie und des Schiffsbaus und Schiffsverkehrs. Viele reiche armenische Kaufleute betrieben Schifffahrt auf Kaspischem Meer und Wolga, unter anderem im Bereich des Erdöl­ transports, dank dessen Astrachan, gemessen am Wert der umgeschlagenen Fracht, zum größten Flusshafen Russlands wurde.544 Außerdem existierten in dieser Zeit in Astrachan metall- und holzverarbeitende Betriebe, Bierbrauereien sowie eine Vielzahl von Handwerksund Handelsbetrieben.545 Das Projekt einer eigenen russländischen Rohseidenproduktion war bereits unter Aleksej Michajlovič verfolgt worden, hatte jedoch keinen Erfolg gezeitigt. Peter I. nahm diese Pläne wieder auf und ab seiner Regierungszeit entwickelte sich, insbesondere im nordkaukasischen Terekgebiet, tatsächlich eine einheimische Seidenproduktion von gewissem, wenn auch weit hinter den Importen aus Persien und anderen Ländern zurückliegendem Umfang, an der sich Armenier auffallend oft beteiligten.546 Sie betrieben nicht nur den Anbau von Maulbeerbäumen und die Zucht von Seidenraupen, sondern auch Manufakturen zur Herstellung 541 Ozereckovskij, 126 f. 542 Chačaturjan, Naselenie armjanskoj kolonii, 85. 543 Die Zahl der baumwollverarbeitenden Betriebe Astrachans verringerte sich aufgrund der starken Konkurrenz der zentralrussischen Industrie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von 77 im Jahre 1813/14 auf 27 im Jahre 1825, 6 im Jahre 1849 und 3 im Jahre 1866. Chromov, 72 f., 116. – ­Ljubomirov, 655 f., 659. 544 Kugryševa, 95. 545 Ebd., 49. 546 Bagdasarjan, R. Z.: Torgovo-ėkonomičeskaja dejatel’nost’armjanskogo kupečestva na Tereke (XVIII– načalo XX vv.) [Die händlerisch-wirtschaftliche Tätigkeit der armenischen Kaufmannschaft am Terek

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des Rohseidengarns, wobei ihnen Unterstützung seitens der Regierung zuteil wurde. Schon im Jahre 1718 erhielt der armenische Kaufmann Safar Vasil’ev die Erlaubnis zum Bau einer Manufaktur zur Herstellung von Rohseide. Dieser am Terek errichtete Betrieb soll 1722 bei seiner Rückkehr vom persischen Feldzug von Peter I. persönlich besucht worden sein. Zu dieser Zeit arbeiteten dort bereits über zweihundert Armenier sowie hundertfünfzig Tataren und fünfzig Russen.547 Nach Vasil’evs Tod wurde die Manufaktur von Luka Širvanov (der Vasil’evs verwitwete Schwiegertochter geheiratet hatte) weitergeführt.548 1735 wurde die Einrichtung in die Nähe der neu errichteten Festung Kizljar verlegt, wo die Siedlung Šelkozavodskaja entstand, die von armenischen und georgischen Arbeitern vor allem aus Gilan besiedelt wurde.549 1750 endlich ging die Fabrik in den Besitz des Oberdirektors der ersten russländischen Aktionärsgesellschaft und Besitzers einer weiteren Seidenmanufaktur in Moskau, des Armeniers Vasilij Chastatov, über und produzierte zwei Jahrzehnte später 131 kg Rohseide jährlich.550 Im Süden des Reiches entstand im Laufe des 18. Jahrhunderts noch eine Reihe ähnlicher „Fabriken“; allein in Kizljar zählte man in den 1740er Jahren vierundzwanzig Rohseidenproduzenten, die Mehrheit davon Armenier.551 Doch auch in der Umgebung von Astrachan erfuhr dieser Wirtschaftszweig Verbreitung. Schon 1720 war hier am Fluss Achtuba ein staatlicher Seidenbaubetrieb mit Plantagen und einer Spinnfabrik errichtet worden. Dem Unternehmer Movses Sarafov wurde ebenfalls im Gouvernement Astrachan im Jahre 1763 nicht nur Land zur Anlegung von Gärten zur Seidenproduktion und der Errichtung einer Manufaktur überlassen, sondern auch ein zinsloses Darlehen von 10.000 Rubeln gewährt und gestattet, die umliegenden Dörfer mit einigen Hundert Einwohnern als Arbeitskräfte zu erwerben.552 Zur Verbreitung des Seidenbaus nach dem Vorbild der Achtubinsker Wirtschaft verfügte Katharina II . auf Grundlage eines von Evdokim Ščerbinin, dem Gouverneur der Sloboda-­Ukraine (später Gouvernement Char’kov), ausgearbeiteten Projekts die Förderung der Seidenwirtschaft auch in diesem Teil des Russländischen Reiches. In einem Reskript an Ščerbinin schrieb Katharina: „Unser Vorhaben besteht nicht darin, dass einzig die Staatskasse daraus Gewinn ziehe, sondern darin, dass jeder, der […] sich mit diesem Gewerbe beschäftigt, seinen eigenen Nutzen habe. Deshalb beschließen Wir, dass von staatlicher Seite den Bewohnern die Art der Aussaat der Maulbeerbäume

547 548 549 550 551 552

(18. bis Anfang 20. Jahrhundert)]. In: Lraber hasarakakan gitowt’yownneri/Vestnik obščestvennych nauk 2 (2001), 46 – 61. – Sartor, Die Wolga, 98. Bagdasarjan, 47. Armjano-russkie otnošenija 3, Dok. 115. – Indova, 312. Volkova, N. G.: O rasselenii armjan na Severnom Kavkaze do načala XX veka. In: Patma-bana­ sirakan handes/Istoriko-filologičeskij žurnal 3 (1966), 257 – 270, hier 260. Bagdasarjan, 48. – PSZ I, Bd. 24, Nr. 18.240. Bagdasarjan, 51. PSZ I, Bd. 16, Nr. 11.937.

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und die Pflege der Seidenraupen gezeigt werde und eine kleine Fabrik für das Aufspulen der Seide errichtet werde; und dass vor allem danach gestrebt werde, dass jeder, der den Nutzen dieser Sache sieht, selbige in seinem Hause aufnehme und vermehre.“553

Doch trotz staatlicher Bemühungen um die Ausbreitung des russländischen Seidenbaus blieb sowohl die Quantität als auch die Qualität der im Reich produzierten Rohseide hinter den Erwartungen der Regierung zurück. Der staatliche Betrieb in Achtubinsk etwa erwies sich als wirtschaftlich völlig unrentabel. Die diesem Betrieb zugeschriebenen Bauern konnten die ihnen auferlegte Abgabe an den Fiskus in Form von Rohseide nur leisten, indem sie Kokons von den armenischen und kosakischen Plantagen am Terek erwarben und sie in ihrer Fabrik sponnen.554 Ebenso dem Niedergang verfallen war Chastatovs Unternehmen bei Kizljar, das aufgrund des Unvermögens seines Besitzers, das vom Staat erhaltene Darlehen zurückzuzahlen, seit 1784 unter staatlicher Verwaltung stand. Zur Regierungszeit Pauls I. wurde deshalb nach einem Projekt der Expedition der Staatlichen Wirtschaft, Ausländerfürsorge und Dörflichen Hauswirtschaft ein neues System der Wirtschaftsförderung auf dem Gebiet der Seidenwirtschaft eingeführt, welches den Seidenbau in jenen Gebieten fördern sollte, wo, wie etwa unter den Armeniern und Kosaken am Terek und an der Kaukasischen Linie oder bei den Griechen und Tataren auf der Krim, die Bevölkerung sich bereits in meist kleinem Maßstab mit diesem Landwirtschaftszweig beschäftigte. Durch ein System von Belohnungen und Geldstrafen ebenso wie mittels Überwachung und Schulung seitens erfahrener Spinner von Seidengarn, die durch das jeweilige Gouvernement offiziell für diese Aufgabe zu ernennen und bevorzugt aus den Reihen der Kizljarer Armenier und Georgier zu rekrutieren seien, sollten in Hinkunft befriedigendere Resultate erzielt werden.555 Insgesamt verfolgte das neue Programm der Regierung eine Abkehr von staatlichen Betrieben zugunsten privater Unternehmungen, die sich, besonders im Falle der Kizljarer Seidenbetriebe, in der Vergangenheit als effizienter erwiesen hatten. Die Vergabe von Land zur Anlage von Maulbeerbaumplantagen geschah unter der Bedingung der verpflichtenden Pflanzung einer Mindestzahl von 250 Bäumen pro Desjatine 556. Als weiterer Anreiz zur vermehrten Seidenproduktion wurden schließlich die armenischen Haushalte in ­Kizljar und Svjatoj Krest unter der Bedingung der Aufnahme der Seidenproduktion von der Einquartierung von Soldaten befreit 557 und Lehrlinge, die bei den in den betreffenden Gouvernements staatlich als Lehrmeister eingesetzten Spinnern lernten, wurden für die Zeit ihrer

553 Skal’kovskij, Apollon: Opyt statističeskago opisanija Novorossijskogo kraja [Versuch einer statistischen Beschreibung des neurussischen Kreises]. Bd. 2. Odessa 1853, 155 f. 554 PSZ I, Bd. 24, Nr. 18.240. 555 PSZ I, Bd. 24, Nr. 18.240. – PSZ I, Bd. 26, Nr. 19.290. 556 Eine Desjatine entspricht 1,0925 ha. 557 PSZ I, Bd. 25, Nr. 18.935.

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Ausbildung – und bei erfolgreicher Absolvierung derselben für immer – von der Rekrutierung in die Armee befreit.558 Verantwortlich für die Durchführung des Programms waren die Gouverneure, die von örtlichen Inspektoren und Unterinspektoren unterstützt wurden; als Hauptinspektor entlang der Kaukasuslinie ernannte die Behörde Baron Marschall von Bieberstein, der in Georgien die Kunst des Seidenbaus studiert hatte.559 Die armenischen Siedler der Umgebung von Kizljar hatten sich Bieberstein zufolge als fleißige Seidenbauern erwiesen, deren Erträge in der Zukunft noch eine weitere Zunahme erwarten ließen, und auch die Neu-Nachičevaner Armenier hatten, neben anderen ausländischen Kolonisten der Region, gute Erfolge erzielt. Der Neu-Nachičevaner Armenische Magistrat habe, „ohne auf Anleitung oder Erinnerung durch die Inspektoren zu warten, alle [zum Seidenbau] notwendigen Maßnahmen ergriffen, mit sie vor anderen auszeichnender Aufmerksamkeit“.560 Er schlug außerdem vor, im Seidenbau erfahrene Bewohner Kizljars jährlich zur Zeit der Aufzucht der Seidenraupen zu den Plantagen unerfahrener Seidenbauern zu schicken, um Letztere zu unterrichten, wofür den Kizljarern ein staatliches Gehalt verliehen werden sollte. Tatsächlich zeitigten die Bestimmungen von 1797/1800 rasch einigen Erfolg, obwohl die einheimische Produktion von Rohseide immer noch weit hinter den ausländischen Importen zurücklag: Während im Jahr 1798  23. 9049,72 kg Rohseide importiert wurden, betrug die russländische Ernte im Jahr darauf lediglich 3112,2 kg.561 Chastatovs Unternehmen hingegen wurde nun endgültig konfisziert, die 40 Leibeigenen, die Chastatov für seinen Betrieb zugeschrieben worden waren, zu Staatsbauern ernannt, während die bei der Fabrik angesiedelten Armenier und Georgier ihre alten Rechte und Privilegien behielten. In seinem Bericht aus dem Jahr 1802 bezifferte Bieberstein die Ernte dieses Jahres auf 5962,32 kg Rohseide, was zwar insgesamt auf ein Wachstum dieses Wirtschaftszweiges hinwies, welches jedoch regional sehr unterschiedlich ausgeprägt war.562 Während zum Beispiel im Gouvernement Cherson bulgarische Kolonisten lange die einzigen Siedler der Region waren, die sich der Seidenwirtschaft widmeten, waren es andernorts oft Armenier, die sich als Pioniere der Rohseidenproduktion hervortaten. So wurden auch Armenier neben Griechen in den Empfehlungen der Regierung immer wieder als geeignet für die Arbeiten des Seidenbaus genannt, waren sie doch zum Teil aus ihrer südkaukasischen Heimat mit diesen Tätigkeiten vertraut. Im Laufe des 18. Jahrhunderts investierten armenische Kaufleute also, sei es durch die Gründung von Manufakturen oder durch das Züchten von Maulbeerbäumen und Seidenraupen, in die russländische Seidenindustrie. In dieser spielten Armenier als Unternehmer und Kaufleute eine ebenso einflussreiche Rolle wie als Landwirte, Handwerker 558 PSZ I, Bd. 27, Nr. 20.746. 559 PSZ I, Bd. 26, Nr. 19.290. – PSZ I, Bd. 27, Nr. 20.746. 560 PSZ I, Bd. 27, Nr. 20.746. 561 PSZ I, Bd. 26, Nr. 19.290. 562 PSZ I, Bd. 27, Nr. 20.746.

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und Facharbeiter. Darin unterschieden sie sich von anderen orientalischen Kaufleuten, allen voran den Indern, welche sich mehr und mehr aus dem Orienthandel zurückzogen und sich auf das Geldgeschäft und Kreditwesen verlegten.563 Insgesamt jedoch blieb die Rohseidenproduktion im Süden des Russländischen Reiches vernachlässigbar, da sich die meisten Siedler in ihrer Tätigkeit lieber auf andere Zweige der Landwirtschaft, die schneller gewinnversprechend schienen, konzentrierten. So konnte die erhoffte Unabhängigkeit des Reiches von ausländischen Importen, sowohl was den Import von Rohseide als auch was die Einfuhr von Seidenstoffen betraf, trotz einer sich im Laufe des 18. Jahrhunderts rasch entwickelnden russländischen Seidenwirtschaft nicht erreicht werden. Armenische Händler und Unternehmer, vom Staat gefördert und mit Privilegien ausgestattet, leisteten also keinen unwesentlichen Beitrag für die Entwicklung des russländischen Orienthandels und der Textil-, insbesondere der Seidenindustrie des Landes, wenn dessen Umfang und wirtschaftlicher Erfolg auch oftmals hinter den hochgesteckten Zielen der Regierung zurückblieb. Ausdruck der Privilegierung armenischer Händler wie auch des Wettbewerbs zwischen den russischen Kaufleuten und ihren armenischen Konkurrenten, die in einigen Handelszweigen erfolgreicher waren und in mancher Hinsicht auch von der Regierung bevorzugt wurden, sind die zahlreichen Petitionen und Beschwerden russischer Kaufleute, aber auch einiger lokaler Beamter und Gouverneure, die gegen die Privilegierung der Armenier protestierten – wenn auch zumeist erfolglos. Denn die Regierung vertrat in aller Regel das Interesse des Fiskus und verhinderte damit ein intensives Wachstum von Handel und Industrie, und auch das Monopolwesen in Außenhandel und Textilindustrie erwies sich letztlich nicht selten mehr als Hemmschuh denn als Förderer des russländischen Wirtschaftswachstums.564 Die widersprüchliche Rolle des Staates fasst Sartor so zusammen: „Einerseits war er übermächtig und hemmte durch seine Eingriffe das Wachstum der Wirtschaft. Andererseits wurde versucht, die Entwicklung durch […] die Initiativen zum Ausbau des Osthandels, die Förderung des Handels der östlichen Ausländer und durch den Ausbau der Seidenmanufakturen [zu stimulieren]. Die russischen Kaufleute spielten dagegen eine stärker passive, manchmal auch destruktive Rolle, wie es bei der Opposition gegen den Handel der Armenier der Fall war.“565

563 Čobanjan, 75. 564 Rjabcev, 6. – Storch, Bd. 3, 416 – 419. 565 Sartor, Die Wolga, 298. Diese Widersprüchlichkeit der Maßnahmen der Regierung beschreibt auch Kukanova: „[…] mal ermunterte [die Regierung] die einheimischen Kapitalisten, mal hielt [sie] deren Initiative zurück, mal versuchte [sie] auf sehr gewinnbringender anteiliger Grundlage, ihr eigenes Kapital mit dem Kapital der großen Unternehmer zu vereinigen und im Geheimen (unter dem Auftreten als private Kompanie) mit dem Iran Handel zu treiben.“ Kukanova, Russko-iranskaja torgovlja, 24 f.

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3.2  Die Rolle der Armenier bei der Erschließung der südlichen Peripherie des Reiches 3.2.1  Russische Expansion und Kolonisierung des Südens im 18. Jahrhundert Die Kolonisation als ein „Prozess der Landnahme oder des Landesausbaus“566 in den Steppenregionen im Süden des Russländischen Reiches durch russische, ukrainische und ausländische „Kolonisten“567 wurde in der Regel sowohl von den zeitgenössischen politischen Akteuren als auch vom Großteil der russländischen Historiker in Begriffen wie „Besiedelung“ (zaselenie), „Umsiedlung“ (pereselenie) oder der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes verortet.568 Seltener und im Wesentlichen erst seit den 1990er Jahren wurde die südliche und südöstliche Ausdehnung des Russländischen Reiches des 16. bis 18. Jahrhunderts als eine imperiale Expansion, als ein kolonialer Vorgang interpretiert und in einen Vergleich mit ähnlichen Politiken anderer europäischer (und außereuropäischer) Reiche gesetzt. 569 So hat die neuere Russlandhistoriografie wiederholt zeigen können, dass die Expansion des im 18. Jahrhundert zu einer europäischen Großmacht aufsteigenden „Imperium inter pares“570 keinem russländischen Sonderweg folgte, sondern sich auch in ideologischer Hinsicht in die Geschichte der weltweiten Expansion der europäischen Kolonialreiche einfügte. Die Mehrung des staatlichen Territoriums und seiner Bevölkerung galt der absolutistischen Führung des Russländischen Reiches ganz im Sinne ihrer Zeit als Mittel, „das Ansehen des Herrschers und die Macht des Staates […] zu vergrößern“.571 Dabei sah sich das Reich ähnlich wie andere europäische Imperien mit einer Zivilisierungsmission betraut, welche es gegenüber seinen „asiatischen“ Besitzungen wie dem Kaukasus, Sibirien und Zentralasien zu erfüllen zu haben glaubte.572 566 Hausmann, Guido: Kolonisation. In: Studienhandbuch östliches Europa. Bd. 2: Geschichte des Russischen Reiches und der Sowjetunion. Hg. v. Thomas M. Bohn und Dietmar Neutatz. KölnWeimar-Wien 2009, 235 – 242, hier 235. 567 Als „Kolonisten“ erscheinen in den russländischen Quellen jedoch nur die ausländischen Siedler. 568 Im Unterschied dazu wurde etwa die Eroberung Zentralasiens im 19. Jahrhundert in der sowjetischen Historiografie nicht selten als Ausdruck eines russländischen „Imperialismus“ gebrandmarkt. 569 Siehe z. B. Sunderland, Willard: Taming the Wild Field. Colonization and Empire on the Russian Steppe. Ithaca-London 2004. – Khodarkovsky, Michael: Russia’s Steppe Frontier. The Making of a Colonial Empire, 1500 – 1800. Bloomington-Indiana 2004. – Brower, Daniel R./Lazzerini, Edward J. (Hg.): Russia’s Orient. Imperial Borderlands and Peoples, 1700 – 1917. Bloomington-Indianapolis 1997. 570 Vgl. den Sammelband: Imperium inter pares. Rol’ transferov v istorii Rossijskoj Imperii (1700 – 1917) [Imperium inter pares. Die Rolle von Transfers in der Geschichte des Russländischen Reiches (1700 – 1917)]. Hg. v. Martin Aust, Ricarda Vulpius und Aleksej Miller. Moskva 2010. 571 Fleischhauer, 97. 572 Sunderland, Willard: Ministerstvo Aziatskoj Rossii: Nikogda ne suščestvovavšee, no imevšee dlja ėtogo vse šansy kolonial’noe vedomostvo [Das Ministerium des Asiatischen Russlands: Eine

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Die Besiedelung der zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert eroberten südlichen Peripherien des Reiches vollzog sich vor dem Hintergrund der Konkurrenz mit den beiden angrenzenden Imperien der Osmanen und Persiens. Im Rahmen der fortschreitenden Expansion der russländischen Frontier im Schwarzmeerraum und im Kaukasus war eines der vorrangigen Ziele der russländischen Regierung die Etablierung militärischer und wirtschaftlicher Stärke in dieser Grenzregion dreier Imperien. Der Stärkung des Einflusses und der Durchsetzung des Herrschaftsanspruches des im 18. Jahrhundert zur Großmacht aufgestiegenen Russland diente auch und gerade die so genannte Kolonisierung der zu erschließenden Gebiete mit in- und ausländischen Siedlern. Die russländische Expansion Richtung Süden befand sich damit in direkter Verbindung mit den aktuellen militärischen und diplomatischen Entwicklungen auf internationaler Ebene.573 Die dahinter stehenden militärischen Überlegungen beeinflussten Form und Ziele der wirtschaftlichen und administrativen Maßnahmen der Kolonisierungspolitik in dieser Region. Deren militärische und ökonomische Zielsetzungen waren eng miteinander verknüpft; so ging der Bau von Festungen und Häfen Hand in Hand mit der Ansiedlung von auch ziviler Bevölkerung und der Gründung von Städten.574 Zugleich eröffneten sich an den neuen Peripherien des Imperiums aber auch Räume des Experiments und der Erprobung einer „idealen Gesellschaft“,575 die etwa zur Zeit Katharinas II . unter den Schlagworten Rationalität, Nützlichkeit und Aufklärung stand. Die Besiedelung des „leeren“ Landes auch mithilfe ausländischer Siedler würde, so die Vorstellung der peuplistischen Planer, sowohl der Krone als auch den Siedlern selbst von Nutzen sein.576 Dabei unterschieden sich die ausländischen Kolonisten im Grad ihrer „Nützlichkeit“ entsprechend ihrer angeblichen Disposition zu unterschiedlichen natürlich-klimatischen Kolonialbehörde, die nie existiere, aber dazu alle Chancen besaß]. In: Imperium inter pares. Rol’ transferov v istorii Rossijskoj Imperii (1700 – 1917). Hg. v. Martin Aust, Ricarda Vulpius und Aleksej Miller. Moskva 2010, 105 – 149, hier 125. – Rieber, Alfred J.: Colonizing Eurasia. In: Peopling the Russian Periphery. Borderland Colonization in Eurasian History. Hg. v. Nicholas B. Breyfogle, Abby Schrader und Willard Sunderland. London-New York 2007, 265 – 279. – Baberowski, Jörg: Civilizatorskaja missija i nacionalizm v Zakavkaz’e: 1828 – 1914 gg. [Zivilisatorische Mission und Nationalismus im Südkaukasus: 1828 – 1914]. In: Novaja imperskaja istorija postsovetskogo prostranstva. Hg. v. I. Gerasimov u. a. Kazan’ 2004, 307 – 352. – Vulpius, Ricarda: Vesternizacija Rossii i formirovanie rossijskoj civilizatorskoj missii v XVIII veke [Die Verwestlichung Russlands und das Entstehen der russländischen Zivilisierungsmission im 18. Jahrhundert]. In: Imperium inter pares. Rol’ transferov v istorii Rossijskoj Imperii (1700 – 1917). Hg. v. Martin Aust, Ricarda Vulpius und Aleksej Miller. Moskva 2010, 14 – 41. – Khodarkovsky, Russia’s Steppe Frontier, 184 – 189. 573 Raeff, Marc: The Style of Russia’s Imperial Policy and Prince Potemkin. In: Statesmen and State­ craft of the Modern West: Essays in Honor of Dwight E. Lee and H. Donaldson Jordan. Hg. v. Gerald N. Grob. Barre 1967, 1 – 51, hier 4. 574 Ebd., 5. 575 S. dazu etwa die Beiträge Rieber: Colonizing Eurasia. – Duran, James A.: Catherine II, Potemkin and Colonization Policy in Southern Russia. In: Russian Review 28/1 (1969), 23 – 36. 576 Vgl. Sunderland, Taming the Wild Field, 78.

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Bedingungen und Berufen; Armenier zum Beispiel galten wie andere „asiatische Kolonisten“ als geeignet für die Beförderung des im Reich wenig verbreiteten Obst-, Wein- und Seidenbaus.577 Die Bestimmung ausländischer Kolonien war demnach zum einen die Erfüllung einer Transmissionsfunktion in der Vermittlung fortschrittlicher und aufgeklärter landwirtschaftlicher Wirtschaftsweise und Technologie ebenso wie einer disziplinierten Lebensweise,578 zum anderen war die Ansiedlung ausländischer Kolonisten an den Peripherien des Reiches Teil eines größeren Eroberungs-, Erschließungs- und Integrationsprozesses der Steppenregionen im Süden Russlands, der neben der militärischen Sicherung zuvorderst durch großangelegte bäuerliche Besiedelung vorangetrieben werden sollte (wobei beides durchaus in enger Verbindung miteinander stand). Ideologisch getragen wurden diese Maßnahmen von den in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch im übrigen Europa, insbesondere in den deutschsprachigen Kontinentalreichen, weit verbreiteten Ideen des (Spät-)Merkantilismus und Kameralismus. Kernstück dieser politischen Philosophie war die Überzeugung, dass die Stärke eines Staates abhängig war von der Menge seiner Einwohner. Demzufolge habe die Größe der Bevölkerung direkte Auswirkungen auf alle wichtigen Bereiche der Staatsführung: auf die Politik im Bereich der militärischen Verteidigungsmöglichkeiten, auf das so genannte Polizeiwesen über die Möglichkeit besserer innerer Kontrolle durch eine höhere Bevölkerungsdichte, auf den Handel im Bereich sowohl des Konsums als auch des Warenumlaufs und auf das Finanzwesen durch höhere Steuereinnahmen. In erster Linie aber bedeutete eine größere Bevölkerung mehr landwirtschaftliche Produktion als Basis des nationalen Wohlstands und der nationalen Stärke – und damit in Konsequenz auch der internationalen Macht.579 Daraus folgte, dass die Kolonisierung der russländischen Steppenregionen ab der Mitte des 18. Jahrhunderts vorrangig dem Ideal einer systematisch betriebenen, staatlich gelenkten landwirtschaftlichen Massenbesiedelung folgte.580

577 So das Mitglied der Russländischen Akademie der Wissenschaften Peter Simon Pallas in einem Memorandum über die Besiedelung der Krim. Nach: Sunderland, Taming the Wild Field, 81. 578 S. z. B. Rieber: Colonizing Eurasia, 268 – 270. 579 Vgl. Bartlett, Human Capital, 24. – Bartlett, Roger P.: Poselenie inostrancev v Rossii pri Ekaterne II i proekty osvoboždenija krepostnych krestjan [Die Ansiedlung von Ausländern im Russland Katharinas II. und die Projekte zur Befreiung der leibeigenen Bauern]. In: Evropejskoe prosveščenie i civilizacija Rossii. Hg. v. S. Ja. Karp und S. A. Mezin. Moskva 2004, 255 – 263, hier 255. – Bartlett, Roger P./Mitchell, Bruce: State-Sponsored Immigration into Eastern Europe in the Eighteenth and Nineteenth Centuries. In: The German Lands and Eastern Europe. Essays on the History of their Social, Cultural and Political Relations. Hg. v. Roger Bartlett und Karen Schönwälder. London-Basingstoke-New York 1999, 91 – 114, hier 101. 580 Bartlett/Mitchell. – Ržeuckij, V. S.: Francuzy na russkich dorogach: Immigracionnaja politika Ekateriny II i formirovanie francuzskich zemljačestv v Rossii [Franzosen auf russischen Wegen. Die Einwanderungspolitik Katharinas II. und das Entstehen der französischen Landsmannschaften in Russland]. In: Evropejskoe prosveščenie i civilizacija Rossii. Hg. v. S. Ja. Karp und S. A. Mezin. Moskva 2004, 238 – 254.

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Die Motive dieser staatlichen Peuplierungspolitik 581, in deren Rahmen sich die Ansiedlung von einheimischen Staatsbauern und Leibeigenen ebenso wie von ausländischen so genannten Kolonisten in den unterbevölkerten und wirtschaftlich wenig entwickelten Grenzregionen (wie der Wolgaregion, dem Schwarzmeergebiet und dem Nordkaukasus) vollzog, bezogen sich in erster Linie auf die militärische und politische Herrschaftssicherung in den betreffenden Gebieten; erst an zweiter Stelle sollte der Anstieg der örtlichen Bevölkerung durch die Beförderung von Handel, Industrie und insbesondere der Landwirtschaft den Zielen der russländischen Sozialpolitik ebenso dienen wie der Entwicklung der Ökonomie.582 Hinzu kamen in ihrer Beziehung zu den so genannten „östlichen“ Ausländern wie den Armeniern seitens der staatlichen Ausländer- und Kolonisierungspolitik gewisse religiöse Motive, die jedoch ebenso wie die handelsökonomischen und peuplierungspolitischen Maßnahmen in enger Verbindung mit der zarischen Ostpolitik standen.583 Nichtsdestoweniger bezogen sich die in Armenier und andere orientalische Immigranten gesetzten Hoffnungen der Regierung vordergründig zunächst auf den Orienthandel und die Seidenproduktion; so wurden nicht zuletzt Unternehmer, die neue Industriezweige ins Reich brachten, besonders begünstigt. Doch ob es nun in erster Linie die wirtschaftlichen oder die militärisch-politischen Erwägungen waren, die die Einstellung der Regierung gegenüber den ausländischen Siedlern stärker prägten, „in any event“, so resümiert Marc Raeff, „there is no doubt that Catherine and Potëmkin thought of these settlers above all in terms of the needs of an imperial domestic policy“.584 Die an das Russländische Reich gekommenen Steppenregionen galten – als weitläufige, aber unterbevölkerte Gebiete – sowohl als unproduktiv wie auch als Sicherheitsrisiko, boten sie in ihrer naturräumlichen Offenheit doch wenig Schutz vor Invasionen oder Raubzügen etwa nomadischer Steppenvölker und der Krimtataren. So spielten nicht nur Kosaken eine wichtige Rolle in der Sicherung und militärbäuerlichen Besiedelung der Steppenregionen nördlich des Schwarzen Meeres, sondern auch militärische Kolonistensiedlungen wie im

581 Die sich, obwohl es schon in den Jahrzehnten zuvor durchaus Vorläufer einer solchen Politik gegeben hatte, als „allgemein akzeptierter Kanon politischer Theorie“ im Russländischen Reich erst um die Mitte des 18. Jahrhundert durchsetzte. Bartlett, Human Capital, 26 f. 582 Ebd., 3, 26. Dazu Hildermeier: „Bei der Einverleibung der Steppe gingen Sicherheitsüberlegungen, Motive staatlich-nationaler, vielleicht von einem religiös begründeten Sendungsbewusstsein getragener Machtentfaltung und das unstillbare, zugleich tatsächlich wachsende Bedürfnis des Staates nach mehr Steuern und Rekruten (auch zur materiellen Untermauerung außenpolitisch-militärischer Selbstbehauptung) Hand in Hand.“ Hildermeier, Manfred: Geschichte Russlands. Vom Mittelalter bis zur Oktoberrevolution. München 2013, 556 f. 583 Bartlett, Human Capital, 17. Das religiöse Motiv der Ausbreitung des Christentums und der Befreiung der Christen vom „Joch“ der Herrschaft Ungläubiger war einer der vielfältigen Faktoren der territorialen Expansion des Russländischen Reiches im 18. Jahrhundert. Raeff, The Style, 1. 584 Ebd., 18.

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so genannten Neuserbien, in welchen die systematische Peuplierung des späteren Neurussland ihren Anfang fand. Die ab 1751 bzw. 1753 erfolgende Besiedelung Neuserbiens und Slavjanoserbiens (in den späteren Gouvernements Cherson und Ekaterinoslav gelegen) durch nach der Auflösung von Teilen der österreichischen Militärgrenze von dort eingewanderte Serben, andere Süd­ slawen und Walachen unter der Führung der in russländische Dienste getretenen Offiziere Ivan Horvat, Ivan Ševič und Rajko Preradovič stellte den Versuch der Regierung Elisabeths dar, die Sicherung und Befestigung der Frontier im Einzugsgebiet der Krimtataren mit deren landwirtschaftlicher Erschließung und bäuerlichen Besiedelung zu vereinen. Dafür erhielten die aus dem Habsburgerreich eingewanderten Militärsiedler, die direkt dem Kriegskollegium unterstellt wurden, finanzielle Unterstützung, Landzuteilungen und das Recht, in Friedenszeiten Handel und Handwerk zu betreiben.585 Doch die in die neuserbischen und slavjanoserbischen Siedlungen gesetzten Hoffnungen erfüllten sich nicht, wozu die schwierigen natürlichen Bedingungen vor Ort und mangelnde landwirtschaftliche Fähigkeiten der Kolonisten ebenso beitrugen wie Zerwürfnisse Horvats mit anderen Mitgliedern seines Husarenregiments und der Geistlichkeit, seine unrechtmäßige Aneignung staatlicher und privater Gelder und andere Missstände.586 Eine Untersuchungskommission unter General Mel’gunov sowie unter Nikita Panin, dem Vorsteher des Kollegiums für Auswärtige Angelegenheiten, und dessen Bruder kam zu dem Schluss, dass die neuserbischen Siedlungen dem Staat mehr Kosten als Nutzen brächten; so wurde im Jahre 1763 Horvat das Kommando entzogen.587 Zudem war es angesichts der immer noch geringen Bevölkerungsdichte im betreffenden Gebiet ab jetzt auch anderen außer den aus dem Balkan eingewanderten Siedlern (vor allem aus Polen „entflohenen“ Ukrainern sowie Russen und Altgläubigen) und Personen jeden Standes gestattet, sich dort niederzulassen;588 1764 schließlich wurden die vormals autonomen Gebiete Neuserbien und Slavjanoserbien, die selbst in ihrem Inneren uneinheitlich aufgebaut gewesen waren, den Zentralisierungsbestrebungen der Regierung entsprechend zum Gouvernement Neurussland vereinigt und

585 PSZ I, Bd. 13, Nr. 9919, 9921, 9924. 586 Bagalej, D. I.: Kolonizacija novorossijskago kraja i pervye ego šagi po puti kul’tury [Die Kolonisierung des neurussischen Gebietes und seine ersten Schritte auf dem Weg der Kultur]. Kiev 1889, 80, 83. – PSZ I, Bd. 16, Nr. 11.861. 587 PSZ I, Bd. 16, Nr. 12.099. Im Jahr darauf wurde Horvat enteignet und vor das Militärgericht gestellt, seine Güter und andere Besitztümer wurden zwangsveräußert und der Erlös der Staatskasse zugeführt, seine Kinder aus dem Staatsdienst ausgeschlossen. Zapiski Odesskago Obščestva Istorii i Drevnostej [Notizen der Odessaer Gesellschaft für Geschichte und Altertum]. (Im Folgenden ZOOID). Bd. 8. Hg. v. Odesskoe Obščestvo Istorii i Drevnostej (1872), 270 f. 588 Bis zum Jahre 1765 hatte sich der Anteil der Moldauer und Serben an der Bevölkerung Neurusslands auf 15,40 % respektive 3,22 % verringert, jener der Ukrainer und Russen dagegen erhöht. Brandes, 23.

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Mel’gunov als Kriegsgouverneur unterstellt.589 Neuserbien wurde in 70 Kreise aufgeteilt, von welchen 52 für militärische, zwei für städtische und 16 für kolonisatorische Besiedelung vorgesehen waren.590 Die gesetzliche Grundlage für die Ansiedlung von Ausländern im Russländischen Reich ab Katharina II . schuf die junge Kaiserin mit den Manifesten der Jahre 1762 und 1763. In diesen Erlassen fanden die merkantilistischen Ideen der russländischen Staatsführung (durchaus mit Zustimmung aus den Reihen der oberen Ränge der russischen Gesellschaft) ihren systematischen peuplierungspolitischen Ausdruck.591 „Mit Unserer Besteigung des Allrussländischen Kaiserlichen Thrones“, so die Einleitung des Manifests vom 4. Dezember 1762, „setzten Wir es Uns zur obersten Maxime, für immer für die Ruhe und den Wohlstand des Uns von Gott anvertrauten ausgedehnten Imperiums und für die Vermehrung seiner Einwohner zu sorgen.“592 Ausländer – nicht jedoch Juden – sowie ins Ausland geflohene Russen wurden eingeladen, sich im Reich niederzulassen „zu ihrem und der ganzen Gesellschaft Nutzen“593. Jedoch enthielt dieses erste Manifest noch keine detaillierten Regelungen bezüglich der Rechte und Pflichten der angeworbenen Kolonisten, weshalb seine Resonanz gering blieb.594 Gut ein halbes Jahr später erfolgte der Erlass des zweiten, weit ausführlicheren Manifests. Es betonte das große Ausmaß „leeren Landes“ und dessen natürliche Ressourcen sowie günstige Bedingungen für Handel und Industrie, die so lange ungenutzt bleiben würden, als die betreffenden Regionen nicht mit einer ausreichenden Zahl von Arbeitskräften besiedelt würden, und es regelte die Bedingungen von Anreise und Ansiedlung der Kolonisten. Gegen das Leisten eines Treueschwurs auf die Krone versprach das Manifest bedürftigen Immigranten finanzielle Unterstützung ihrer Reise, die freie Wahl des Wohnortes, zeitlich befristete Befreiung von Steuern, Entbindung vom Staats- und Militärdienst und der Soldateneinquartierung, die materielle Unterstützung beim Existenzaufbau und Religionsfreiheit.595 Eigenständige Kolonien erhielten das Recht auf innere Selbstverwaltung sowie militärischen Schutz in der Aufbauphase der Kolonie und das Recht, zollfrei Jahrmärkte und Märkte abzuhalten. Besondere Unterstützung erhielten Unternehmer, die neue Industriezweige ins Reich brachten; sie wurden zudem auf 10 Jahre von der Zahlung 589 Auerbach, Hans: Die Besiedelung der Südukraine in den Jahren 1774 – 1787. Wiesbaden 1965, 28. – Skal’kovskij, Apollon: Chronologičeskoe obozrenie istorii Novorossijskago kraja, 1731 – 1823. Čast’ I. C’ 1731–go po 1796-j god’ [Chronologische Übersicht über die Geschichte des neurussischen Gebiets. Teil I. Von 1731 bis 1796]. Odessa 1836, 64. 590 PSZ I, Bd. 16, Nr. 12.099. S. auch Nr. 11.861, 12.180. 591 Bartlett, Human Capital, 31, 34. 592 PSZ I, Bd. 16, Nr. 11.720. 593 Ebd. Die Aufhebung des Verbots der jüdischen Besiedelung Neurusslands erfolgte allerdings schon 1769. PSZ I, Bd. 18, Nr. 13.383. 594 S. auch Fleischhauer, 98. 595 Nur der Bau von Klöstern sowie das Missionieren unter Christen war ausdrücklich untersagt. PSZ I, Bd. 16, Nr. 11.880.

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von Binnen- und Exportzöllen ausgenommen, während alle selbstständigen Unternehmer das Recht auf den Erwerb von Leibeigenen als Arbeitskräfte erhielten. Schließlich wurde es den Immigranten freigestellt, noch weitere, über die Provisionen des Manifests hinausgehende Privilegien mit der zugleich mit dem Erlass des zweiten Manifests gegründeten Kanzlei für Ausländerfürsorge 596 zu verhandeln. Während der folgenden vierzig Jahre verlief die Ansiedlung von Ausländern im Russländischen Reich auf Grundlage der Manifeste von 1762 und 1763, zunächst unter der Ägide der Kanzlei für Ausländerfürsorge. Einige der Bestimmungen der Manifeste waren durchaus nicht neu, sondern griffen ältere Privilegien und Verordnungen auf, die zum Teil seit dem späten 17. Jahrhundert – auch armenischen Händlern und Unternehmern – gewährt worden waren. Trotzdem blieb ihre Publikation nicht ohne Einfluss auf die armenische Einwanderung ins Russländische Reich. Die Armenier Astrachans etwa übersetzten das Manifest von 1762 ins Armenische und schickten es nach Persien, um ihre Gemeinde mit armenischen Immigranten aus dem Nachbarreich zu vergrößern.597 Die Besiedelung des neu geschaffenen Gouvernements nördlich des Schwarzen Meeres erfolgte nach dem 1763 von General A. P. Mel’gunov ausgearbeiteten und im März des folgenden Jahres beschlossenen „kaiserlich bestätigten Plan über die Verteilung von staatlichem Land und seiner Besiedelung im Gouvernement Neurussland“.598 Besondere Betonung erfuhr darin die militärbäuerliche Besiedelung dieser Grenzregion, doch auch für die zivile Besiedelung durch Ausländer und aus dem Ausland zurückkehrende Russen (vor allem Altgläubige) wurde eine Reihe von Vergünstigungen beschlossen. Freie Siedler erhielten Zuteilungen staatlichen Landes, Steuererleichterungen und finanzielle Unterstützung, während private Grundherren, die neurussisches Land vom Staat erwarben oder als Dienstgüter erhielten, verpflichtet waren, dieses innerhalb dreier Jahre zu besiedeln.599 Ziel des Besiedelungsplanes für Neurussland war demnach sowohl dessen militärische Sicherung als auch seine Peuplierung durch eine vorwiegend bäuerliche Bevölkerung und schließlich die Förderung von im Russländischen Reich noch nicht oder nur wenig verbreiteten Zweigen der Produktion wie Seiden-, Wein- und Tabakwirtschaft. Besondere Bestimmungen enthielt der Erlass schließlich zum Schutz des geringen Waldbestandes (so durften Häuser nicht aus Holz errichtet werden) und zur Volksbildung und -gesundheit.600 596 PSZ I, Bd. 16, Nr. 11879, 11.881. 597 Bartlett, Human Capital, 57. 598 PSZ I, Bd. 16, Nr. 12.099. 599 Als in den 1790er Jahren noch nicht vergebenes Land bereits knapp wurde, stoppte die Regierung die freie Verteilung von Ländereien und veräußerte diese nur noch gegen Bezahlung. PSZ I, Bd. 23, Nr. 17.228. – Kabuzan, V. M.: Zaselenie Novorossii (Ekaterinoslavskoj i chersonskoj gubernij) v XVIII–pervoj polovine XIX veka (1719 – 1858) [Die Besiedelung Neurusslands (der Gouvernements Ekaterinoslav und Cherson) vom 18. bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1719 – 1858)]. Moskva 1976, 162 f. 600 PSZ I, Bd. 16, Nr. 12.099.

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Um die Peuplierung Neurusslands zu beschleunigen, sollten nicht nur die in den kaiserlichen Manifesten den Siedlern versprochenen Vorteile und Vergünstigungen im Ausland (allen voran in den deutschen Ländern) publik gemacht werden, sondern auch staatliche und private Lokatoren aktiv um Aussiedlungswillige werben. Erfolgreiche Werber erhielten Prämien in Form von Geld und Rangerhöhungen.601 Allerdings erfolgte in den ersten Jahren noch keine massenhafte Besiedelung des neuen Gouvernements; Skalkovskij schätzt die Einwohnerzahl der drei neurussischen Provinzen Elisavetgrad, der Ekaterininsker Provinz und Bachmut am Vorabend des russisch-osmanischen Krieges von 1768 – 1774 auf insgesamt 100.000 Personen beiderlei Geschlechts.602 Indessen wurden die Expansion der russländischen Befestigungslinien und die militärbäuerliche Besiedelung an der neurussischen Frontier auch während des Krieges fortgesetzt; so warben Offiziere russländischer Regimenter in osmanischem Gebiet und in Polen um Siedler.603 Im Jahre 1773 zählte die Bevölkerung des Gouvernements etwa 124.000 und im Jahr darauf 158.000 Personen beiderlei Geschlechts.604 Richtig in Gang kam die Immigration nach Neurussland allerdings erst nach dem Friedensschluss von Küçük Kaynarca, der die Grenze des Russländischen Reiches im Südwesten bis an den Bug vorschob, und der Ernennung Grigorij Potëmkins zum Generalgouverneur Neurusslands im Jahre 1774. Dessen vorrangige Aufgabe war nach dem Sieg über die Osmanen und der Auflösung der seiner Pufferfunktion zwischen Osmanischem und Russländischem Reich verlustig gegangenen Zaporožer Seč 605 zunächst die militärische Befestigung der natürlicher Grenzen weitgehend entbehrenden riesigen Steppenregion zwischen dem Bug im Westen und dem Jaik (seit 1775 genannt Ural) im Osten. Doch neben militärischen Reformen, vor allem in Bezug auf die Donkosaken, die nun endgültig in Dienst des russländischen Heeres genommen wurden, der Ansiedlung von Armeeregimentern in der Dnjeprregion und der Anlage von Häfen und Festungen, allen voran der Festungsstadt Cherson,606 setzte ­Potëmkin auch die Peuplierung der russländischen Grenzregion fort. Im Bereich der innerhalb weniger Jahre vollzogenen (oft jedoch unvollendet gebliebenen) Festungsbauten entstanden Wohnstätten in- und ausländischer Siedler, die nicht selten zu eigenen Truppen zusammengestellt wurden, wie das aus Einwanderern aus dem Balkan bestehende „Albanische Heer“, welches Aufgaben bei der Grenzsicherung übernahm und auch im Krimfeldzug von 1781 – 1783 eingesetzt wurde.607 Potëmkin, als Generalgouverneur Neurusslands (ab 601 Ebd. – Auerbach, 102 f. 602 Skal’kovskij, Chronologičeskoe obozrenie, 76 f. 603 Brandes, 24. 604 Skal’kovskij, Chronologičeskoe obozrenie, 90, 95. 605 Brandes, 25. – PSZ I, Bd. 20, Nr. 14.354. 606 Auerbach, 55 – 59. 607 Ebd., 70 f., 73 f. Die Priorität militärischer Sicherung in der Besiedelungspolitik unter Potëmkin spiegelt die Tatsache wider, dass etwa 80 % der zu jener Zeit in der Region angesiedelten Staatsbauern militärische Siedler waren. Duran, 23.

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1783/84 zusammen mit dem Gouvernement Azov und dem Gebiet Taurien als Statthalterschaft Ekaterinoslav) und ab 1781 zudem Oberhaupt der Statthalterschaft Saratov, innerhalb deren bis 1785 auch Kaukasien verwaltet wurde,608 regierte diese südlichen Provinzen unter der von Katharina II . vorgegebenen Ägide der Modernisierung und Rationalisierung des gesamten Lebens im Russländischen Reich beinahe als absoluter, wenn auch aufgeklärter Herrscher: „[…] he kept an eye on every facet of life of the regions under his adminis­ tration and took a hand in deciding even the most trivial details“, wofür ihm Katharina fast unbegrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung stellte.609 Während die Ansiedlung von Ausländern an der russländischen Frontier fortgesetzt wurde, bildeten den Großteil der Neusiedler einheimische Staatsbauern aus dem Inneren Russlands sowie aus dem Ausland zurückkehrende Altgläubige, geflohene Leibeigene, Deserteure und ehemalige Zaporožer Kosaken, welchen Amnestie und die Gewährung der auch von anderen Siedlern genossenen Rechte versprochen wurde.610 Tatsächlich nahm die Ansiedlung von ausländischen Kolonisten gegenüber russländischen Umsiedlern zur Zeit Potëmkins nicht mehr denselben Stellenwert ein wie noch in den 1760er Jahren.611 Obwohl weiterhin Gruppen ausländischer Siedler ins Reich einwanderten bzw. angesiedelt wurden – wie die im Jahre 1778 von der Krim „evakuierten“ Griechen, Georgier und Armenier oder die nach dem russisch-osmanischen Krieg von 1787 – 1791 im neuerworbenen Gebiet zwischen Bug und Dnjestr angesiedelten Armenier, Bulgaren und Moldauer – verloren die ausländischen Siedler gegenüber russischen und ukrainischen Binnenmigranten an zahlenmäßiger Bedeutung. Von der 432.249 Personen zählenden männlichen Einwohnerschaft der Statthalterschaft Ekaterinoslav im Jahre 1794 waren 14.966 Personen rechtlich privilegierte ausländische Kolonisten, Kaufleute sowie griechische und armenische Umsiedler von der Krim, deren Zahl sich seit 1792 nicht verändert hatte, während die Zahl der nicht privilegierten Siedler sowie der Soldaten im selben Zeitraum um 12.649 Personen männlichen Geschlechts gestiegen war.612 So gewann bis zum Ende des Jahrhunderts in Regierungskreisen mehr und mehr die Einsicht an Verbreitung, dass die Kolonisierung mit Ausländern dem Staat letztlich mehr an finanziellem und administrativem Aufwand koste als die Peuplierung der russländischen Grenzgebiete mit einheimischen Siedlern und außerdem viele ausländische Kolonien nicht die erwartete landwirtschaftliche Produktivität vorweisen konnten. Im Zuge der Reform der Gouvernementsverwaltung von 1775 und im Zeichen ihres Programms der reichsweiten

608 1784 folgte ihm sein Cousin Pavel Sergeevič Potëmkin, der schon in den Jahren 1774 – 85 Gouverneur von Astrachan und Azov gewesen war und ab 1782 an der Kaukasischen Linie befehligte, als Oberhaupt der Statthalterschaft Saratov nach. Ab 1785 war Pavel Potëmkin der erste Statthalter Kaukasiens. Bartlett, Human Capital, 117. – Amburger, 373, 413 f. 609 Raeff, The Style, 24, 28, 31. – S. auch Auerbach, 98 f. 610 Duran, 29. 611 Bartlett, Human Capital, 142. 612 Skal’kovskij, Chronologičeskoe obozrenie, 231 f.

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Vereinheitlichung der Verwaltung hatte Katharina zudem die Sonderverwaltung der Kolonisten durch die Kanzlei für Ausländerfürsorge im Jahre 1782 aufgehoben.613 Dies bedeutete jedoch keine Abkehr von der Praxis der Ausländeransiedlung und der Privilegierung der Kolonisten. Nach der Vereinigung der neurussischen und azovschen Gouvernements zur Statthalterschaft Ekaterinoslav z. B. wurde den dortigen griechischen, katholischen und armenischen Siedlern die Einrichtung von Gerichten bzw. Magistraten auf Staatskosten gestattet.614 Nach der Durchführung einiger Inspektionsreisen in die neurussischen deutschen Kolonien 615 ließ Paul I., der sich zum Ziel gesetzt hatte, die in den betreffenden Kolonien herrschenden Missstände zu beseitigen, deren Sonderverwaltung wieder einrichten und dazu im Jahre 1797 die Expedition der Staatlichen Wirtschaft, Ausländerfürsorge und Dörflichen Hauswirtschaft beim Senat gründen (ab 1803 als Expedition für Staatswirtschaft im Innenministerium).616 Die in dieser Einrichtung hergestellte institutionelle Verbindung von Agrarpolitik und Ausländerfürsorge spiegelte die Zielsetzung von Pauls Kolonisierungspolitik wider, durch die Vorbildwirkung ausländischer Kolonien das Niveau der einheimischen Landwirtschaft zu heben.617 Allerdings oblag die Zuständigkeit für die so genannten „asiatischen Völker“, zu welchen auch die Armenier gerechnet wurden, und zwar sowohl für Personen, die sich in russländischer Untertanenschaft befanden als auch für jene, mit welchen „in Nachbarschaft Handel und andere Beziehungen geführt werden“, dem ebenfalls 1797 eingerichteten Asiatischen Departement im Kollegium für Auswärtige Angelegenheiten unter der Führung der Staatsräte Laškarev und Konstantinov.618 Nach der Einführung des Ministerialsystems, das die alten Kollegien ablöste, ergingen die Aufgaben des Kollegiums für Auswärtige Angelegenheiten an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, wo 1819 ein Asiatisches Departement und im Jahr darauf das Asiatische Komitee gebildet wurde.619 Zwar setzte sich im frühen 19. Jahrhundert der quantitative Bedeutungsverlust ausländischer Siedler gegenüber Einheimischen fort, doch wurden etwa die Deutschen oder die Christen aus dem Osmanischen Reich weiterhin als nützliche Kolonisatoren betrachtet.620 Nach der Einreise einer Gruppe verarmter deutscher Einwanderer begann sich die offizielle Politik gegenüber den Kolonisten jedoch zu ändern. Genannten Vorfall zum Anlass nehmend beklagte Innenminister Viktor Kočubej gegenüber dem Senat, dass unter den seit dem Erlass des Manifests von 1763 in großer Zahl eingewanderten Ausländern sich 613 PSZ I, Bd. 21, Nr. 15.383, 15.411. 614 PSZ I, Bd. 21, Nr. 15.700. 615 Paul hatte den Schichtmeister Brigonzi, den Hofrat Contenius und Geheimrat Gabliz beauftragt, die deutschen Kolonien zu inspizieren, deren Zustand zu beschreiben und die Ursachen für Missstände zu eruieren. Brandes, 48 – 58. – Fleischhauer, 123 f. 616 PSZ I, Bd. 24, Nr. 17.865, 17.866. 617 Fleischhauer, 127. 618 PSZ I, Bd. 24, Nr. 17.844. 619 PSZ I, Bd. 27, Nr. 20.406, Bd. 31, Nr. 24.307. – Amburger, 285. 620 Sunderland, Taming the Wild Field, 115.

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„viele schlechte Landwirte und größtenteils sehr Arme [befanden], die bis heute dem Staat wenig Nutzen gebracht haben“.621 Angesichts der Kosten, die dies für den Staat bedeute und auch angesichts des geringer werdenden Ausmaßes freien Landes in den südlichen Provinzen und der steigenden Bevölkerungsdichte im Inneren Russlands solle die Regierung in Zukunft weniger, dafür aber gezielt nach ihrer Nützlichkeit (vor allem zugunsten der Entwicklung der Landwirtschaft) ausgewählte Kolonisten ansiedeln; besondere Förderung sollten dabei der Weinbau, die Seidenwirtschaft und die Schafzucht erfahren. Auch Richelieu (Armand Emmanuel du Plessis), seit Februar 1804 Hauptverwalter der neurussischen Kolonien und ab 1805 Generalgouverneur Neurusslands, verlor binnen Kurzem seinen Optimismus hinsichtlich der russländischen Kolonisierungspolitik angesichts der hohen Zahl verarmter und der Landwirtschaft unkundiger deutscher Umsiedler.622Auf Kočubejs Anregung brach Alexander I. in den „Regeln der Aufnahme und Ansiedlung ausländischer Kolonisten“ von 1804 mit der Peuplierungspolitik seiner Großmutter, die die schiere Quantität der Kolonisten über deren Fähigkeiten gestellt hatte. An die Stelle der massenweisen Besiedelung sollte nun die Kolonisierung von wenigen Ausländern stehen, die den Einheimischen als Vorbilder in Landwirtschaft und Handwerk gelten sollten. Ab sofort wurden nur noch Immigranten mit einer festgelegten Höhe Eigenkapital oder Besitz ins Land gelassen, außerdem durften die Ausländer nur noch familienweise und nicht als Einzelpersonen einreisen (da Letztere und sogar kinderlose Ehepaare keinen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb würden aufbauen können). Wer jedoch die Genehmigung zur Einreise erhielt und sich niederließ, genoss ebenso wie die Kolonisten früherer Jahre Privilegien und staatliche Unterstützung.623 Doch bereits 6 Jahre später musste die Darlehenszahlung an Kolonisten als Folge der Kontinentalsperre und des Kriegs mit den Osmanen gestrichen werden.624 Für dieselbe Summe, so hieß es, für welche eine deutsche Kolonistenfamilie unterhalten werde, die darüber hinaus von der Rekrutenpflicht und von Abgaben befreit sei, könnten 50 russländische Bauernfamilien nach „unbewohnten Orten“ übersiedelt werden.625 Fortan stand die Umsiedlung einheimischer Staatsbauern im Zentrum russländischer Kolonisierungspolitik, da sie der Staatskasse nicht nur billiger kam, sondern auch zur Lösung des Problems der angeblichen Landknappheit und Überbevölkerung in den innerrussischen Gouvernements beitragen sollte.626 Das Gesetz von 1819 über das Verbot der Ausgabe von Pässen an einreisewillige Ausländer 627 markierte das Ende der aktiven Ausländerwerbung im Russländischen Reich. Zwar setzte sich die Einwanderung ausländischer Siedler auch in den nächsten Jahren fort, doch sollten die nun geltenden

621 PSZ I, Bd. 28, Nr. 21.163. 622 Myeshkov, 366. 623 PSZ I, Bd. 28, Nr. 21.163. 624 Bartlett, Human Capital, 230. 625 PSZ I, Bd. 31, Nr. 24.131. 626 Sunderland, Taming the Wild Field, 126. 627 PSZ I, Bd. 36, Nr. 27.954.

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restriktiveren Bestimmungen vor allem dazu dienen, die Kolonisten zur Übernahme der russländischen Untertanenschaft zu bewegen.628 Nachdem den Kolonien selbst noch Anfang des 19. Jahrhunderts im Hinblick auf die unzureichende Vorbereitung der russländischen Beamten auf diese Aufgabe bezüglich ihrer Verwaltung noch weitgehende Rechte zugestanden worden waren, wurden im Jahr 1837 alle bestehenden ausländischen Kolonien dem Ministerium der Reichsdomänen unterstellt; in der Folge begann der Staat, sich aktiver als zuvor in die inneren Belange der Kolonien einzubringen.629 Im Kaukasus verzögerte sich diese Entwicklung gegenüber den südrussischen Provinzen. Ende der 1850er Jahre etablierte der Statthalter des Kaukasus die „Verwaltung für Landwirtschaft und Kolonien Ausländischer Ansiedler im Kaukasus und in Transkaukasien“; erst in den 1880er Jahren wurden hier die Kolonien dem Domänenministerium unterstellt.630 Das Ende aller Kolonien (außerhalb des Südkaukasus) als eigenständige ausländische Siedlungen mit Sonderverwaltung bedeutete schließlich die Verabschiedung der „kaiserlich bestätigten Regelungen über die Organisation der Siedler mit Eigenbesitz (ehemalige Kolonisten)“ von 1871, die die früheren Kolonisten in rechtlicher und adminis­tra­ tiver Hinsicht mit den so genannten Bauern mit Eigenbesitz (den ehemaligen Staatsbauern) gleichstellten.631 Diese Entwicklungen betrafen freilich auch die armenischen Kolonien und Siedler des Reiches. So regelte etwa eine Verordnung aus dem Jahr 1836 die stufenweise rechtliche Angleichung der armenischen Einwohner der Gouvernements Cherson, Astrachan, Taurien und Ekaterinoslav an die russischen Bürger hinsichtlich der Zahlung von Steuern und Abgaben.632 Auf der Ebene der Religionspolitik wurde 1810 für die nichtorthodoxen christlichen Glaubensbekenntnisse die Hauptverwaltung der Geistlichen Angelegenheiten Fremder Konfessionen gebildet (im selben Jahr erhielten die Armenisch-Katholischen einen eigenen Bischof ), die wenige Jahre später dem Ministerium der Geistlichen Angelegenheiten und der Volksaufklärung, danach dem Ministerium der Volksaufklärung einverleibt wurde. 1832 ging die administrative Gewalt über die nichtorthodoxen Konfessionen schließlich an das Innenministerium über.633 Im Falle der armenisch-apostolischen Kirche war von Bedeutung, dass sich ihr religiöses Zentrum in Ēǰmiacin zunächst noch außerhalb des russländischen Herrschaftsgebiets befand. Deshalb wurde mit dem Konsistorium für die Statthalterschaft Kaukasien 1785 in Astrachan eine Verwaltungsstelle im Inneren des Reiches geschaffen. 1809 wurde verfügt, dass alle armenisch-apostolischen Armenier des Reiches dem Patriarchen in Astrachan unterstehen. Für die Armenier in Neurussland und Bessarabien wurde 1830 die Diözese Nachičevan-Bessarabien eingerichtet, deren Sitz sich zuerst in Kišinëv, später in 628 Fleischhauer, 174 f. 629 PSZ II, Bd. 12, Nr. 10.834. – Myeshkov, 358. 630 Amburger, 251 f. 631 PSZ II, Bd. 46, Nr. 49705. 632 Rossijskij Gosudarstvennyj Istoričeskij Archiv [im Folgenden RGIA] 1152/3/129. – HAA 54/1/94. 633 Amburger, 176, 186.

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Feodosija auf der Krim befand.634 Mit dem položenie von 1836 erfolgte der Erlass eines Statutes zur Regelung der Administration der armenisch-apostolischen Kirche, das sowohl recht weitreichende Zugeständnisse an die Autonomie dieser Kirche enthielt, diese aber gleichzeitig unter direkte Kontrolle durch den Staat (und die zarische Geheimpolizei) brachte. Das položenie anerkannte die traditionellen Privilegien der armenisch-apostolischen Kirche und legitimierte und institutionalisierte deren administrativen und spirituellen Einfluss im Bildungsbereich.635 Die spirituelle Führerschaft des Katholikos Aller Armenier und das Recht aller armenischen Gemeinden des Russländischen Reiches auf freie Religionsausübung wurden bestätigt, die armenische Geistlichkeit von zivilen Verpflichtungen befreit. Schließlich gewährte das položenie die Einrichtung von armenischen Schulen unter kirchlicher Kontrolle. Durch die Betrauung der Kirche mit der Aufgabe der armenischen Schulbildung erhoffte die Regierung wohl, das Erstarken eines armenischen Nationalismus verhindern zu können, wie Walker schreibt: „When the Russian authorities had entrusted Armenian education to the Church […] they believed that they had left it in the ineffectual hands of ignorant clerics“636, was sich einige Jahrzehnte später jedoch als fatales Fehlurteil erweisen sollte. Darüber hinaus wurde mit dem položenie die Möglichkeit der Einflussnahme der russländischen Regierung auf kirchliche Entscheidungen durch die Unterstellung der armenisch-apostolischen Kirche unter die Aufsicht eines Synods in Ēǰmiacin nicht unwesentlich erweitert. Sowohl der Synod als auch der Katholikos wurden der Aufsicht des Departements der Fremden Konfessionen des Innenministeriums unterstellt 637. Dies verunmöglichte es dem Katholikos, von den Beschlüssen des Synods, welche mit „Auf Befehl des Kaisers von Russland“ eingeleitet wurden, unabhängige Entscheidungen zu treffen.638 Doch trotz dieser Einschränkung war das položenie von 1836 vermutlich die großzügigste Verordnung, welche einer nichtorthodoxen Kirche im Russländischen Reich gewährt wurde.639

3.2.2  Armenische Kolonien Obwohl in der Literatur gelegentlich alle historischen armenischen Gemeinden oder Ansiedlungen in der Diaspora als „Kolonien“ bezeichnet werden, wird in der vorliegenden Arbeit 634 Amburger, 186. 635 Vgl. Gregorian, Vartan: The Impact of Russia on the Armenians and Armenia. In: Russia and Asia. Essays on the Influence of Russia on the Asian Peoples. Hg. v. Wayne S. Vucinich. Stanford 1972, 166 – 218, hier 195. 636 Walker, Christopher J.: Armenia. The Survival of a Nation. London-Sydney-New York 1984, 67. 637 Amburger, 186. Der Katholikos Aller Armenier leitete die Diözesen Erevan, Grusien, Karabach und Širvan. Ebd. 638 Walker, 56. 639 Gregorian, 196. Auch Walker meint dazu: „[…] in the context of Russian autocracy, it was a liberal document; and moreover it worked in practice to the benefit of the Armenian people.“ Walker, 56.

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dieser Begriff tatsächlich nur für jene armenischen Siedlungen im Russländischen Reich gebraucht, welchen die zarische Regierung den rechtlichen Status einer ausländischen Kolonie verlieh. Obwohl armenische Gemeinden in Russland bereits seit dem Mittelalter belegt sind, wurden armenische Kolonien erst während des 18. Jahrhunderts etabliert. Es handelte sich dabei um 8 armenische Gemeinden, die charakteristischerweise in der Nähe oder gar direkt an den südlichen Grenzen des Reiches gelegen waren. Den Status einer Kolonie erhielten diese Gemeinden zwischen den 1740er Jahren und dem Ende des 18. Jahrhunderts. Die meisten dieser Kolonien – Astrachan, Kizljar, Mozdok, Staryj Krym und Karasubazar (heute Bilohirs’k) – entstanden auf der Grundlage älterer armenischer Gemeinden in den betreffenden multiethnischen Städten, während drei Kolonien – Neu-Nachičevan, ­Grigoriopol und Svjatoj Krest (heute Budënnovsk) – als armenische Städte gegründet wurden. Ihre Lage ist auf den folgenden beiden Karten dargestellt. Keine unwesentliche Rolle bei der Ansiedlung von Armeniern in den südlichen Grenzregionen des Russländischen Reiches spielten der in der armenischen Aufklärungs- und Befreiungsbewegung tätige Astrachaner Erzbischof Iosif Argutinskij (Hovsep Argutjan-Erkajnabazyk), geistliches Oberhaupt aller Armenier im Russländischen Reich und 1800 zum Fürsten Dolgorukij ernannt, und sein Mitstreiter und Gönner Ivan Lazarev (Hovhannes Lazaryan). Zur Zeit des russisch-osmanischen Krieges von 1768 – 1774 verbreitete sich unter den russländischen Armeniern die Idee der Errichtung eines unabhängigen armenischen Staates unter dem Protektorat des Zaren. Ein solches Projekt stellte 1769 der aus Holland stammende Astrachaner armenische Kaufmann und Seidenfabrikant Movses Sarafov, vermutlich unter Beteiligung von Grigor Kampanyan und Ivan Lazarev, dem Kollegium für Auswärtige Angelegenheiten vor.640 Integraler Bestandteil des Planes zur Befreiung Armeniens von der Herrschaft seiner persischen und osmanischen Herren bildete dabei die Übersiedlung von Armeniern nach Russland, was als erster Schritt hin zur Errichtung eines armenischen Königreiches betrachtet wurde. Mit der Ankunft Iosif Argutinskijs im Russländischen Reich erfuhr die dortige armenische Befreiungsbewegung zusätzlichen Aufwind. So unterbreiteten Argutinskij und Ivan Lazarev 1780 Aleksandr Suvorov, nachdem dieser im Rahmen militärischer Pläne eines Krieges gegen Persien zum Zwecke der Stärkung der wirtschaftlichen und politischen Situation des Russländischen Reiches im Kaukasus und der kaspischen Region mit dem Oberkommando eines solchen Feldzuges betraut worden war, ihren Plan zur Befreiung Armeniens und der Errichtung eines armenischen Königreichs unter russländischer Oberherrschaft.641 Drei Jahre später legte Argutinskij der Regierung 640 Chačaturjan, Astrachanskaja armjanskaja kolonija, 79 f. – Barchudarjan, V. B.: Armjanskie kolonii v Rossii i ich rol’ v armjano-russkich otnošenijach [Die armenischen Kolonien in Russland und ihre Rolle in den armenisch-russischen Beziehungen]. In: Iz istorii vekovoj družby. Hg. v. M. G. Nersisjan. Erevan 1983, 124 – 135, hier 133. 641 Barchudarjan, V. B.: Armjanskie kolonii, 133 f. – Bartlett, Human Capital, 152. – Kugryševa, 142. – Vanjan, L. V.: Rol’ sem’i Lazarevych v razvitii russko-armjanskich otnošenij [Die Rolle der

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Karte 1: Lage der armenischen Kolonien (außer Grigoriopol). Von links: ­Karasubazar, Staryj Krym, Neu-Nachičevan, Svjatoj Krest, Mozdok, Kizljar, Astrachan.

Staryj Krym Karasubazar

Karte aus: Stieler, Adolf: Stieler’s Hand-Atlas über alle Theile der Erde. Gotha 1876, Karte 55.

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Astrachan

Neu-Nachičevan

Svjatoj Krest Kizljar Mozdok

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Karte 2: Lage der armenischen Kolonie ­Grigoriopol.

Karte aus: Stieler, Adolf: Stieler’s Hand-Atlas über alle Theile der Erde. Gotha 1876, Karte 54.

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Grigoriopol

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erneut ein entsprechendes Projekt mit dem Titel „Die Form eines Bündnisvertrages zwischen zwei Völkern, dem russischen und dem armenischen“ vor. Und im Jahre 1784 erschien als Abgesandter der Armenier und Meliks im Südkaukasus Stepan Davt’yan bei General Pavel Potëmkin, in dessen Auftrag Davt’yan Missionen nach Persien unternommen hatte, auf der Festung Georgievsk. Potëmkin sandte den Kenner der Verhältnisse im Osmanischen und Persischen Reich und Vertreter der armenischen Befreiungsbewegung zu seinem Cousin Grigorij Potëmkin nach St. Petersburg, wo Davt’yan Verhandlungen mit der Regierung Katharinas II. führte.642 Zu jener Zeit war nicht nur der Günstling Katharinas, Grigorij Potëmkin, der von den Vertretern der armenischen Befreiungsbewegung als möglicher Herrscher des armenischen Königreichs in Betracht gezogen wurde, sondern auch die russländische Regierung selbst der Idee einer Zusammenarbeit mit Männern wie Argutinskij, den Lazarevs, Davt’yan und anderen durchaus gewogen, ergaben sich doch aus der Zusammenarbeit der militärischen und politischen Führung des Reiches mit diesen nicht zuletzt Vorteile für die russländische Ost- und Expansionspolitik. Während aber die armenische Seite die Errichtung eines unabhängigen Staates im Südkaukasus zum Ziel hatte, rechnete man von Seiten der Regierung mit einer Stärkung der russländischen Position im Südkaukasus durch die Einverleibung des armenisch besiedelten Territoriums; darüber hinaus sollte eine möglichst rasche Besiedelung und wirtschaftliche Erschließung der neu eroberten Grenzregionen mithilfe armenischer Siedler die außenpolitische Position des Russländischen Reiches auch in den neurussischen Gebieten festigen.643 Aus Sicht der Vertreter der armenischen Befreiungsbewegung barg die Umsiedlung von Armeniern aus osmanischem Gebiet und ihre Konzentration auf südrussländischem Territorium zumindest die Aussicht auf deren späteren Umzug in ein unabhängiges Armenien. So kam Personen wie Argutinskij, Lazarev und Davt’yan auch eine entscheidende Rolle bei den Übersiedlungsaktionen von armenischen Siedlern von der Krim und aus dem Osmanischen Reich in die neu eroberten russländischen Gebiete zu, als deren Ergebnis die Gründung armenischer Kolonien in den südlichen Grenzregionen des Reiches stand. Nicht nur erfuhr ihr Projekt der Besiedelung des Nordkaukasus und der Krim durch Armenier seitens der Regierung Unterstützung, auch in der Umsiedlung der Krimer und Moldauer Armenier nach Neurussland taten sich Argutinskij und Lazarev als Ratgeber der russländischen militärischen und politischen Führung sowie als Organisatoren und Finanziers unter der Leitung Grigorij

Familie Lazarev in der Entwicklung der russisch-armenischen Beziehungen]. In: Armjane juga Rossii: istorija, kul’tura, obščee buduščee. Materialy Vserossijskoj naučnoj konferencii 30 maja–2 ijunja 2012 g. Rostov-na-Donu. Hg. v. Rossijskaja Akademija Nauk u. a. Rostov-na-Donu 2012, 329 – 334, hier 330. 642 Ananjan, Žores: K voprosu o zaselenii juga Rossii armjanami vo vtoroj polovine XVIII stoletija [Zur Frage der Besiedelung des russischen Südens mit Armeniern]. In: Haykakan SSṘ gitowt’yownneri Akademiayi tełekagir. Hasarakakan gitowt’yownner/Izvestija Akademii Nauk Armjanskoj SSR. Obščestvennye nauki 5 (1963), 45 – 54, hier 49 – 52. 643 Ebd., 45, 48.

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Potëmkins hervor, während Letzterer Stepan Davt’yan mit der Umsiedlung der Armenier aus der Moldau beauftragte.644 Die unter Beteiligung Ivan Lazarevs ausgehandelten Konditionen für die aus der Krim nach Neu-Nachičevan übersiedelten Armenier dienten in der Folge als Vorlage für alle später gegründeten armenischen Kolonien. Schließlich betätigten sich Argutinskij und Lazarev auch als Stifter einer Reihe von kulturellen und Bildungseinrichtungen und leisteten damit einen nicht unwesentlichen Beitrag zur kulturellen Entwicklung der armenischen Kolonien des Reiches.645 Die älteste armenische Kolonie befand sich im südrussischen Astrachan. Die Stadt, in einer kaum besiedelten und hauptsächlich von Nomaden bewohnten Steppenregion gelegen, besaß seit jeher aufgrund ihrer überaus günstigen Lage in der Nähe des Kaspischen Meeres und am Wolgahandelsweg wie auch aufgrund der reichen Fisch- und Salzvorkommen in der Region besondere wirtschaftliche wie strategische Bedeutung. Nach der moskauischen Eroberung im Jahre 1554 und der Neuerrichtung der befestigten russischen Stadt 4 Jahre darauf zog eine große Zahl von Migranten unterschiedlicher ethnischer und sozialer Herkunft in diesen Handelsknotenpunkt im Süden Russlands. Eine besondere Rolle in diesem Kolonisationsprozess spielten von Beginn an Händler und Kaufleute.646 Im Zuge des Orienthandels entwickelte sich Astrachan, wo es bereits seit dem Mittelalter eine armenische Ansiedlung gegeben hatte, die sich nach der moskauischen Eroberung im 16. und insbesondere im Verlauf des 18. Jahrhunderts durch Zuzug von Armeniern aus dem Südkaukasus und dem Inneren Persiens vergrößerte, zum bedeutendsten Zentrum nicht nur der Handelstätigkeit, sondern auch des kulturellen und politischen Lebens der Armenier in Russland.647 In seinem Werk „Reise durch Russland zur Untersuchung der drey Natur-Reiche“ von 1774 beschrieb der aus Tübingen stammende Naturforscher und Mitglied der Russländischen Akademie der Wissenschaften, Samuel Gottlieb Gmelin, der im Rahmen seiner im Auftrag Katharinas II. durchgeführten Expedition durch Südrussland und Persien auch in Astrachan Station machte, unter anderem die Armenier der Stadt, ihr Aussehen, ihre religiösen Bräuche, ihre Wohnstätten sowie ihre wirtschaftliche und politische Lage. Unter anderem heißt es dort: „Sie besitzen alle möglichen Freiheiten, welche sie sich wünschen können, und in manchen Stücken noch größere als die Russen selbst.“648 Tatsächlich genossen die Armenier wie auch andere so genannte orientalische Ausländer in Astrachan eine Reihe

644 Vanjan, 330 f. – Ananjan, K voprosu, 53. 645 Bagdykov, Minas: Žizn’ vo imja naroda. Očerk o predvoditele armjan Rossii, osnovatele Nachičevani-­ na-Donu archiepiskope Iosife Argutinskom-Dolgorukom [Ein Leben im Namen des Volkes. Essay über den Anführer der Armenier Russlands, den Gründer Nachičevans am Don, Erzbischof Iosif Argutinskij-Dolgorukij] (08. 12. 2000). In: http://www.relga.ru/Environ/WebObjects/tgu-www.woa/ wa/Main?textid=1362&level1=main&level2=articles (13. 06. 2016). 646 Gerasimidi, 60. 647 PSZ I, Bd. 12, Dok. 8919. 648 Gmelin, 146.

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von Privilegien. So waren die armenischen Kaufleute von den Lasten und Pflichten befreit, welchen russländische Untertanen unterlagen, und waren lediglich zur Zahlung der Warenzölle, der Miete für ihre Verkaufsbuden und einer Gebühr für das Wohnrecht in Astrachan verpflichtet.649 Von besonderer Bedeutung nicht nur für die Armenier in Astrachan selbst, sondern auch für andere armenische Gemeinden des Reiches war die Selbstverwaltung durch das so genannte Armenische Rathaus bzw. Gericht, welches in den 1740er Jahren eingerichtet wurde und dessen Jurisdiktion sich auf eine Reihe von armenischen Kolonien erstreckte, bevor diese ihren eigenen Magistrat erhielten.650 Den Hintergrund dieser Privilegierungen bildete das Bestreben der Regierung, den Orienthandel Russlands zu befördern und zusätzliche armenische Migranten, die nicht unbedeutende Kapitalinvestitionen in diesen Handel tätigten, nach Astrachan zu ziehen. Die sich als Resultat der wohlwollenden Politik insbesondere unter Peter I. weiter vergrößernde armenische Gemeinde Astrachans umfasste um 1724 etwa 500 Bewohner männlichen Geschlechts und zur Zeit der zweiten Revision von 1747 rund eineinhalbtausend Personen beiderlei Geschlechts, welche mehr als ein Zehntel aller Häuser der Stadt besaßen.651 Gegen Ende des Jahrhunderts betrug die Zahl der armenischen Einwohner Astrachans an die 5000 bei einer Gesamteinwohnerschaft von 28.000. Zu dieser Zeit besaßen die Armenier ein Fünftel aller Häuser und mehr als die Hälfte aller gemauerten („steinernen“) Gebäude der Stadt.652 Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde die rechtliche Lage der Armenier des Reiches immer mehr jener des Großteils der russländischen Bevölkerung angeglichen. Vor allem nach der Eingliederung Ostarmeniens in das Russländische Reich verloren die Armenier ihre politische Bedeutung für die Regierung und auch die wirtschaftliche Bedeutung Astrachans für den Süden Russlands ging im 19. Jh. zurück.653 Doch nicht nur auf wirtschaftlichem, auch auf kulturellem und religiösem Gebiet konnte Astrachan noch lange nach der Aufhebung der rechtlichen Eigenständigkeit der armenischen Kolonie seine herausragende Stellung innerhalb der armenischen Gemeinden des Russländischen Reiches bewahren. So verfügte die armenische Gemeinde Astrachans im 19. Jahrhundert über eine Reihe von zumeist kirchlichen Bildungseinrichtungen. Schon Erzbischof Iosif hatte sich um die Errichtung eines Priesterseminars in Astrachan bemüht, das jedoch erst 1838 eröffnet und bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts wiederholt geschlossen und wieder geöffnet wurde, bis es 1906 in einem Gebäude in der neuen armenischen Sloboda seinen Sitz nahm, in welchem sich heute die Medizinische Akademie befindet.654 Eine andere bedeutende armenische Bildungseinrichtung, die „Astrachaner Armenische Agababov-Lehranstalt“, wurde 1810 von dem Kaufmann der ersten Gilde Nikolaj Agababov gegründet. Ein besonderes Anliegen 649 Kugryševa, 53 f. 650 Über diese Institution wurde bereits im Kapitel 3.1.1 ausführlich berichtet. 651 Chačaturjan, Obrazovanie, 55, 57. 652 Chačaturjan, Naselenie armjanskoj kolonii, 78. 653 Avakjan. 654 Kugryševa,147 f.

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war ihm die Bildung der Kinder aus den ärmeren Schichten der armenischen städtischen Bevölkerung, die er aus seinen eigenen Mitteln für die Dauer ihrer Schulzeit unterstützte.655 Zu den Lehrenden dieser Anstalt zählten im Laufe des 19. Jahrhunderts Vertreter der armenischen Intelligenz Astrachans, zum Beispiel der Pädagoge Gerasim Semënovič Sobolev (Karapet Sobolyanc’), der schließlich 1905 eine eigene Realschule eröffnete. Sobolev war zudem Mitglied der städtischen Verwaltung, Leiter der kirchlichen armenischen Schule und Vorsitzender einer Reihe von lokalen öffentlichen Institutionen.656 Obwohl die armenische Gemeinde Astrachans also im Verlauf mehrerer Jahrzehnte sukzessive an Privilegien und Sonderrechten verlor und ihre Mitglieder immer mehr dem allgemeinen Rechtsstatus der russländischen Stadtbewohner angeglichen wurden, so behielt Astrachan doch seine wirtschaftliche, politische und kulturelle Bedeutung für die Armenier im Russländischen Reich. In dieser Stadt war es, wo noch bis zum Untergang des Imperiums ein bedeutender Teil der sozialen, kulturellen und politischen Elite der armenischen Diaspora des Russländischen Reiches lebte. Neben Astrachan wiesen auch die städtischen Ansiedlungen des Nordkaukasus eine vergleichsweise alte armenische Besiedelung auf. Bereits im Mittelalter waren Armenier, vor allem von der Krim aus, in den nordwestlichen Kaukasus eingewandert; größeren Maßstab erlangte die armenische Einwanderung allerdings erst im 18. Jahrhundert, als der Nordkaukasus enorme geostrategische Bedeutung für das expandierende Russländische Reich erlangte. Armenische Kaufleute nutzten die auch in militärischer Hinsicht wichtigen Handelsrouten der Region und taten sich insbesondere als Vermittler zwischen den „gorcy“ und den Russen sowie im Handel des Reiches mit dem Südkaukasus hervor. Doch nicht nur als Kaufleute lebten Armenier im Nordkaukasus, auch als Soldaten in russländischen Diensten sowie als Bauern, die in einigen Zweigen der Landwirtschaft eine regionale Vorreiterrolle einnahmen. So waren Armenier hier Pioniere im Weinbau, Reis- und Baumwollanbau, in der Seiden- und Cognacproduktion. Der Großteil der armenischen Immigration aus osmanischen und persischen Gebieten erfolgte in die kaukasischen Festungsstädte K ­ izljar und Mozdok, deren armenische Gemeinden später zu Kolonien ernannt wurden. Der Ursprung der armenischen Kolonie von Kizljar reicht in das Jahr 1724 zurück, als Peter I. den aus verschiedenen Provinzen Persiens einwandernden Armeniern erlaubte, sich an dem Ort der später hier entstehenden Stadt niederzulassen.657 Nach der in den Verträgen

655 Kačinskaja, Larisa: Astrachan’. Gorod i ljudi [Astrachan’. Die Stadt und die Menschen]. Astrachan’ 2001, 97. 656 1911 wurden Sobolev für seine Verdienste vom Bürgermeister Astrachans die staatlichen Orden von St. Anna und St. Stanislav verliehen. Ebd. 657 Volkova, O rasselenii armjan, 260. Allerdings sollen schon in der kosakischen Vorgängersiedlung der Stadt Kizljar seit dem 17. Jahrhundert Armenier gelebt haben. Ananjan, Žores/Chačaturjan, Vartan: Armjanskie obščiny Rossii [Armenische Gemeinden Russlands]. Erevan 1993, 33.

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von Rascht (fars. Rašt/Rešt) (1732) und Ganja (aser. Gǝncǝ) (1735) vereinbarten Rückgabe der im persischen Feldzug eroberten Regionen und dem damit verbundenen Abzug der russländischen Truppen galt es, einen neuen Ort für die Stationierung der betroffenen Garnisonen auf russländischem Gebiet zu finden. Zu diesem Zweck wurde 1736 die Festung Kizljar errichtet, wo schließlich auch die armenisch-georgische Schwadron, die während des persischen Feldzuges an der Seite der Russen gekämpft hatte, stationiert wurde. 658 Während der folgenden Jahre wuchs Kizljar zu einer überwiegend armenischen Stadt heran, deren Bedeutung sich vor allem aus seiner strategisch günstigen Lage entlang der Handelsroute von Astrachan zum östlichen Kaukasus, nach Georgien und zu den kaspischen Küsten des Iran speiste. Obwohl in der Stadt auch russische, persische, tadschikische und indische Kaufleute lebten (nach Astrachan befand sich hier die zweitgrößte indische Händlerkolonie Russlands) lag der Großteil des Warenumsatzes wie der Kapitalanlagen in Händen der Armenier.659 Aufgrund der sich intensivierenden militärischen Aktivität des Reiches im Kaukasus und der dadurch steigenden strategischen Bedeutung der örtlichen Handelswege blieb die armenisch-georgische Schwadron bis nach der Jahrhundertmitte bestehen.660 Während die Stadt vorwiegend von armenischen Händlern und Handwerkern bewohnt wurde, betätigten sich armenische Siedler in ihrer Umgebung unter anderem im Weinbau, im Reisanbau und vor allem im Seidenbau, und die Region wurde bald zu einem Zentrum nicht nur der russländischen Seidenproduktion, sondern auch der Wein- und Branntweinherstellung.661 Bis zur Öffnung ihres eigenen Gerichts, des so genannten Kizljarer Rathauses, im Jahre 1800 unterstand die armenische Gemeinde dem armenischen Gericht von Astrachan. Das K ­ izljarer Rathaus erfüllte bis 1840 seine Funktionen als Organ der inneren Selbstverwaltung der Armenier der Stadt.662 Nachdem Kizljar über mehrere Jahrzehnte der einzige russländische militärisch-strategische Punkt entlang des Landweges in den Südkaukasus und nach Persien gewesen war, wurde Mozdok in den 1760er Jahren als eine Siedlung für neugetaufte gorcy angelegt.663 Die ersten armenischen Einwohner der Stadt waren aus Kizljar abwandernde Landwirte, die in der Umgebung Mozdoks vor allem die staatlich geförderten Landwirtschaftszweige des Baumwoll-, Seiden- und Weinbaus betrieben. Daneben wurde das armenische Viertel 658 Ananjan/Chačaturjan, Armjanskie obščiny, 32 f. Die Schwadron war nach der Rückgabe der eroberten Gebiete an Persien zwar aufgelöst worden, doch hatten sich deren Kommandanten mit der Begründung, bei einer Rückkehr nach Persien dort aufgrund ihres Kampfes auf russländischer Seite Repressalien ausgesetzt zu sein, trotz gegenteiliger Bestimmung im Vertrag von Ganja geweigert, das Reich zu verlassen und darum gebeten, in russländischen Diensten bleiben zu können. Dieser Bitte wurde 1736 entsprochen, die Schwadron wieder aufgestellt und in Kizljar angesiedelt. PSZ I, Bd. 9, Nr. 7026. 659 Vgl. Bagdasarjan, 55. 660 Ihre Auflösung erfolgte 1764. PSZ I, Bd. 16, Nr. 12.152. 661 Chačaturjan, Stanovlenie, 87 f. – Bagdasarjan, 51, 56 f. 662 Ananjan/Chačaturjan, Armjanskie obščiny, 35 f. 663 Ebd., 36. – PSZ I, Bd. 16, Nr. 12.286. – Bartlett, Human Capital, 41.

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Mozdoks ebenso von Händlern und Handwerkern bewohnt. Wie Kizljar erhielt auch Mozdok die Rechte und Privilegien einer armenischen Kolonie 664 und unterstand gleichfalls zunächst dem armenischen Gericht von Astrachan. Die armenische Einwohnerschaft beider Städte vergrößerte sich, vorwiegend durch Zuwanderung von Armeniern aus Karabach, nach dem Erlass des Manifests Pauls I. von 1799, das die Rechte der bereits bestehenden armenischen Kolonien bestätigte sowie neue Kolonien begründete. 1806 betrug die armenische Einwohnerzahl von Kizljar ca. 5400 und jene von Mozdok etwa 700; jedoch zogen einige Armenier in den folgenden Jahren aus Kizljar in andere Städte des Nordkaukasus.665 Neben dem Seidenbau und der Seidenindustrie war es vor allem der Handel, der die wirtschaftliche Bedeutung der Region für das Russländische Reich begründete. Die herausragende Bedeutung der Städte Mozdok und insbesondere Kizljar als Handelsknotenpunkte und Zentren des von armenischen Kaufleuten vermittelten kaukasischen regionalen wie internationalen Handels belegt unter anderem die unter den nordkaukasischen Armeniern weitverbreitete Zweisprachigkeit. In Kizljar und Mozdok beispielsweise diente die nogaische Sprache als Verkehrssprache in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Armeniern und den anderen ethnischen Gruppen der Region.666 Eine ähnliche Entstehungsgeschichte wie die armenische Kolonie Kizljar hat schließlich auch die jüngste der drei nordkaukasischen armenischen Kolonien, Svjatoj Krest. Infolge des Rückzugs der russländischen Truppen unter Valerian Zubov aus Persien nach dem erneuten Vorstoß in die westkaspische Region im Jahr 1796 bat Iosif Argutinskij die russländische Kommandantur um die Evakuierung der armenischen Bewohner der Bezirke Derbent und Muškur an der kaspischen Westküste. Angesichts des zu erwartenden wirtschafts- und bevölkerungspolitischen sowie letztlich strategischen Nutzens einer Ansiedlung von mehr als fünftausend armenischen Flüchtlingen auf der russländischen Seite der Grenzregion genehmigte die Regierung die 1797 beginnenden Umsiedlungen. Während ein Teil der Armenier sich in Kizljar, Mozdok oder Astrachan niederließ, gründeten andere bäuerliche Siedlungen, wo sie sich unter anderem dem Seidenbau widmeten.667 Für die umgesiedelten Handwerker und Händler hingegen erfolgte 1799 die Erlaubnis zur Gründung einer neuen Stadt als armenische Kolonie, deren Privilegien sich auch auf die Dörfer der Umsiedler erstreckten.668 Svjatoj Krest behielt jedoch über Jahrzehnte dörflichen Charakter und erst in den 1830er Jahren erhöhte sich seine Einwohnerzahl durch Zuzug aus den umliegenden armenischen Dörfern.669 Im Nordkaukasus trugen armenische Landwirte, Handwerker, Unternehmer und Händler durch die Einführung neuer Wirtschaftstypen wie einer marktorientierten 664 PSZ I, Bd. 25, Nr. 19.169. 665 Volkova, 260 f. 666 Ebd., 268. 667 Ananjan/Chačaturjan, Armjanskie obščiny, 52 f. 668 PSZ I, Bd. 25, Nr. 18.935. – PSZ I, Bd. 25, Nr. 19.166. 669 Ananjan/Chačaturjan, Armjanskie obščiny, 55.

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Landwirtschaft und Industrien, vor allem aber durch die regionale und überregionale Integration der nordkaukasischen Wirtschaft durch dichte Handelsbeziehungen in andere Gebiete des Russländischen Reiches wie auch nach Persien dazu bei, diese politisch instabile Grenzregion in den wirtschaftlichen, sozialen und administrativen Bestand des Imperiums einzugliedern.670 Die Lage in Neurussland nach dem Frieden von Küçük Kaynarca 1774 erforderte aus russländischer Sicht ein schnelleres und entschlosseneres Vorgehen als im Nordkaukasus. 671 Das unmittelbare politische Ziel war zunächst die militärische Konsolidierung und darauf folgend die zivile Besiedelung Neurusslands. Der Zuzug von Ausländern galt auch jetzt, wie schon in früherer Zeit, als ein Hauptmittel zur Erlangung dieses Ziels. Der Friedensvertrag hatte derweil dem Reich nicht nur territoriale Zugewinne gebracht, sondern auch die nominale Unabhängigkeit des Krimkhanats von den Osmanen etabliert und damit den russländischen Einfluss auf die innere Entwicklung der Halbinsel ermöglicht. Nach der Installierung Şahin Girays als neuem Khan der Krim 672 suchten die Russen die Autonomie der Krim durch eine „Evakuierung“ seiner wirtschaftlich erfolgreichen christlichen Bevölkerung (vorwiegend Griechen und Armenier, daneben auch Georgier und Walachen) weiter zu schwächen. Außerdem würde eine Umsiedlung dieser Untertanen des Khans auf russländischen Boden zu dessen Peuplierung und wirtschaftlicher Entwicklung beitragen.673 Ein Plan zur Umsiedlung der Krimer Christen wurde von Feldmarschall Pëtr Rumjancev ausgearbeitet und von Katharina II . bestätigt; dessen Ausführung wurde dem Kommandeur der Kaukasischen Linie, Aleksandr Suvorov, übertragen. Ein Gutteil der christlichen Bevölkerung war jedoch nicht bereit, ihre Heimat zu verlassen, sodass Suvorov direkt mit den griechischen und armenischen geistlichen Führern über die Bedingungen der Umsiedlung ihrer Gemeinden verhandelte, bei welcher Gelegenheit auch Geldgeschenke

670 Velikaja, N. N.: O chozjajstvennych zanjatijach armjan Terskogo levoberež’ja v XVIII –pervoj polovine XIX vv. [Über die beruflichen Tätigkeiten der Armenier des linken Terekufers im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts]. In: Armjane juga Rossii: istorija, kul’tura, obščee buduščee. Materialy Vserossijskoj naučnoj konferencii 30 maja–2 ijunja 2012 g. Rostov-na-Donu. Hg. v. Rossijskaja Akademija Nauk u. a. Rostov-na-Donu 2012, 237 – 241, hier 239. – Klyčnikov, Ju. Ju.: „Priučivši gorcev s davnich vremën vce proizvedenija zemli sbyvat’ posredstvom ich …“: Rol’ armjanskogo kupečestva v rossijskoj politike na Severnom Kavkaze [„Sie haben die gorcy vor langer Zeit daran gewöhnt, alle Produkte des Landes vermittels ihrer zu verkaufen …“: Die Rolle der armenischen Kaufmannschaft in der russländischen Politik im Nordkaukasus]. In: Armjane juga Rossii: istorija, kul’tura, obščee buduščee. Materialy Vserossijskoj naučnoj konferencii 30 maja–2 ijunja 2012 g. Rostov-na-Donu. Hg. v. Rossijskaja Akademija Nauk u. a. Rostov-naDonu 2012, 60 – 66. 671 Bartlett, Human Capital, 124. 672 De Madariaga, Isabel: Russia in the Age of Catherine the Great. London 1981, 380. 673 Nersisjan, M. G.: Iz istorii russko-armjanskich otnošenii [Aus der Geschichte der russisch-armenischen Bezieungen]. Erevan 1956, 14.

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an die Geistlichen flossen.674 Schließlich einigten sich die Vertreter der griechischen und armenischen Gemeinde mit der russländischen Militärführung über ihre „Evakuierung“ unter der Bedingung von materieller Unterstützung und der Gewährung von Privilegien an ihren vorgesehenen Siedlungsorten, an deren Ausarbeitung auch Ivan Lazarev beteiligt war.675 Unterstützung erhielten diese Konditionen nicht nur seitens Suvorovs, das Projekt der Umsiedlung der Armenier zu vorteilhaften Konditionen wurde auch vom armenischen Erzbischof Iosif unterstützt, der sowohl mit Suvorov als auch mit Katharinas Hof in Kontakt stand.676 Finanzielle Kompensation für ihre Verluste wurde den Umsiedlern ebenso versprochen, wie dem Khan, der seine Steuern zahlenden christlichen Untertanen nach einer Zahlung von 100.000 Rubeln von der russländischen Regierung und der Zusicherung, dass das Reich sich nicht in die innere Selbstverwaltung des Khanats einmischen werde, ziehen ließ.677 Doch die Realität der Umsiedlung der etwa 18.400 Griechen, 12.500 Armenier und 380 Georgier und Walachen 678 (insgesamt mehr als drei Viertel der christlichen Bevölkerung der Krim)679 erwies sich als schwieriger, als es in den Verhandlungen mit den Führern der christlichen Gemeinden vorausgesehen worden war. Die staatliche materielle Unterstützung der Umsiedler stellte sich als ungenügend heraus, lokale zarische Beamte handelten willkürlich und bei ihrer Ankunft am vereinbarten künftigen Siedlungsort im Gebiet Ekaterinoslav mussten die Armenier feststellen, dass dieser bereits von anderen Siedlern in Besitz genommen worden war.680 Aufgrund solcher Härten starb schon während ihrer Reise sowie in der ersten Zeit danach eine große Zahl der Umsiedler an Hunger, Kälte und Epidemien. Erst Ende 1779 erhielten die armenischen „Evakuierten“ (deren

674 Fisher, Alan W.: The Russian Annexation of the Crimea. 1772 – 1783. Cambridge 1970, 103. 675 Wie breit diese Zustimmung innerhalb der christlichen Gemeinschaften tatsächlich war, bleibt jedoch schwer zu entscheiden. Eine zeitgenössische Quelle berichtet, dass vor allem die griechische und armenische Unterschicht sich nicht durch die Muslime bedroht fühlte und nicht unbedingt danach strebte, ihre Wohnorte zu verlassen. Eine bedeutende Zahl an Evakuierten dürfte also nicht ganz freiwillig ihre Heimat verlassen haben. Die wahren Profiteure der Umsiedlung waren demnach die geistlichen Führer der griechischen und armenischen Gemeinden, die nach Abschluss der Aktion nochmals finanzielle Zuwendungen der russländischen Regierung erhielten. Fisher, 103 f. – Madariaga, 380. 676 Nersisjan, M. G.: A. V. Suvorov i russko-armjanskie otnošenija v 1770 – 1780-ch godach [A. V. Suvorov und die russisch-armenischen Beziehungen in den 1770er und 1780er Jahren]. Erevan 1981, 35 f. 677 Von diesem Betrag gingen 50.000 Rubel an den Khan selbst, während die zweite Hälfte zwischen seinen Brüdern, den Bejs und Mirzas (den Oberhäuptern der landbesitzenden Familien) und den Beamten aufgeteilt wurde. Vodarskij, Ja. E./Eliseeva, O. I./Kabuzan, V. M.: Naselenie Kryma v konce XVIII–konce XX vekov (čislennost’, pazmeščenie, ëtničeskij sostav) [Die Bevölkerung der Krim 18.–Ende 20. Jahrhundert (Zahl, Verteilung, ethnische Zusammensetzung)]. Moskva 2003, 87. – Fisher, 104. 678 Nersisjan, Iz istorii, 27. 679 Chačaturjan, Stanovlenie, 90. 680 Chačaturjan, Stanovlenie, 90.

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Zahl sich bis zu diesem Zeitpunkt bereits auf 9000 verringert hatte)681 die Erlaubnis, an den unteren Don weiterzuziehen. Hier, nahe der Festung des Heiligen Dmitrij Rostovskij im Gouvernement Azov, wurde die armenische Stadt Neu-Nachičevan gegründet, welche die Privilegien einer Kolonie erhielt,682 sowie 5 armenische Dörfer in deren Umgebung. Argutinskij wurde mit der Planung des Stadtbaus beauftragt, der von der Regierung finanziert wurde.683 Während für die Ansiedlung der apostolischen Armenier Neu-Nachičevan ausersehen war, wurde den aus der Krim ausgesiedelten armenischen Katholiken Ekaterinoslav als neue Wohnstatt zugewiesen. Wie die Armenier Neu-Nachičevans erhielten auch sie neben wirtschaftlichen und anderen Privilegien das Recht auf innere Selbstverwaltung durch das in diesem Falle „Katholische Gericht“.684 Außer Handel und Handwerk widmeten sich die armenischen Kolonisten des Dongebiets der Landwirtschaft. Anders als auf der Krim, wo die Armenier hauptsächlich Obst- und Weinbau betrieben hatten, waren sie in den wirtschaftlich noch wenig erschlossenen Steppenregionen ihrer neuen Heimat zuvorderst im Ackerbau sowie der Seidenproduktion und der Merinoschafzucht tätig, beides Landwirtschaftszweige, die von der Regierung besonders gefördert wurden. In diesen Bereichen, aber auch im zuvor im Don-Kosaken-Oblast’ wenig entwickelten Weizenanbau nahmen die armenischen Umsiedler rasch eine Pionierrolle ein.685 Als im Jahr 1783 die Krim in russländischen Besitz überging, sah sich die Regierung dort vor eine in gewissem Maße paradoxe Situation gestellt: Die Konsequenzen der von ihr mitherbeigeführten ökonomischen Schwächung der Region durch die Evakuierung der wirtschaftlich aktiven christlichen Bevölkerung hatten nun die Russen selbst zu tragen, die offensichtlich 5 Jahre zuvor selber nicht mit einer so baldigen Annexion der Halbinsel gerechnet hatten.686 Nun galt es also, die Krim, die zudem in den 1770er Jahren einen nicht geringen Teil ihrer tatarischen Bevölkerung durch Krieg, Bürgerkrieg, Epidemien und Auswanderung in das Osmanische Reich verloren hatte,687 durch „intensive und systematische Siedlungsaktivität“688 neu zu bevölkern und ihre Wirtschaft wiederaufzubauen. Doch obwohl viele der wenige Jahre zuvor evakuierten Armenier und Griechen aufgrund der im Vergleich zu ihrer früheren Lage schlechteren Lebensbedingungen an ihren 681 Ter-Sarkisjanc, Alla: Donskie armjane: Ėtnokul’turnaja charakteristika [Die Don-Armenier: Ethnokulturelle Charakteristik]. In: Sovetskaja Ėtnografija Nr. 3 (1991), 44. 682 PSZ I, Bd. 20, Nr. 14.942. 683 Agajan, 148. 684 PSZ I, Bd. 20, Nr. 14.943. – PSZ I, Bd. 21, Nr. 15.700. 685 Šiškina, D. Ju.: Prirodopol’zovanie donskich armjan (konec XVIII–načalo XX vv.) [Die Umweltnutzung der Don-Armenier (Ende 18. bis Anfang 20. Jahrhundert)]. In: Armjane juga Rossii: istorija, kul’tura, obščee buduščee. Materialy Vserossijskoj naučnoj konferencii 30 maja–2 ijunja 2012 g. Rostov-na-Donu. Hg. v. Rossijskaja Akademija Nauk u. a. Rostov-na-Donu 2012, 305 – 310. 686 Chačaturjan, Stanovlenie, 92. 687 Družinina, E. I.: Severnoe Pričernomor’e v 1775 – 1800 gg. [Die nördliche Schwarzmeerregion in den Jahren 1775 – 1800]. Moskva 1959, 104. 688 Bartlett, Human Capital, 125.

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neurussischen Siedlungsorten, die zur Verarmung nicht weniger Umgesiedelter geführt hatten, auf die Krim zurückkehren wollten, verbot ihnen dies die Regierung zunächst. Nur wenigen Umgesiedelten gelang deshalb die Rückkehr in ihre frühere Heimat, wo es in den noch verbliebenen örtlichen armenischen Gemeinden durch den Abzug eines Großteils der krimarmenischen Bevölkerung 1778 zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Niedergang gekommen war.689 Nach der Annexion der Krim traten nicht nur viele katholische Armenier, sondern auch ein Teil der Neu-Nachičevaner den Rückweg auf die Krim an, deren Reihen sich schließlich durch armenische Flüchtlinge aus dem Osmanischen Reich verstärkten.690 Sie ließen sich in erster Linie in ihren früheren Heimatstädten, dem zuvor entvölkerten Staryj Krym sowie im alten armenischen Viertel von Feodosija nieder. Im Rahmen der potëmkinschen Peuplierungspolitik erfolgte die Einwanderung verschiedener Siedlergruppen aus dem Inneren des Reiches auf die Halbinsel, die weiterhin von vielen Tataren Richtung Osmanisches Reich verlassen wurde, was selbst durch diverse Zugeständnisse an die Tataren kaum verhindert werden konnte. So erhielten schließlich die ausgesiedelten katholischen Krimarmenier 1787 die Erlaubnis, in ihre alte Heimat zurückzukehren. In den Jahren 1789 – 1790 zogen etwa tausend armenische Katholiken von Ekaterinoslav nach Karasubazar. Die ihnen bei ihrer Aussiedlung von der Krim verliehenen Privilegien, darunter das Recht auf Gründung eines Katholischen Gerichts, konnten sie an ihrem neuen alten Siedlungsort geltend machen, sodass besagtes Gericht in Karasubazar jene Funktionen wahrnahm, welche in den anderen armenischen Kolonien vom armenischen Rathaus oder Magistrat erfüllt wurden. Allerdings verlief die Repatriierung der Karasubazarer Armenier nicht ohne Schwierigkeiten. Der von ihnen bei ihrer Aussiedlung zurückgelassene Besitz, ihre Wohnhäuser und sogar ihre Kathedrale waren der muslimischen Gemeinde übertragen worden und die russländische Verwaltung beeilte sich aus Gründen der Rücksichtnahme auf die tatarische Bevölkerung nicht, diesen Besitz an die Armenier rückzuführen.691 Zudem wurde die Rückkehr der Armenier auf die Krim, im Unterschied zu ihrer Aussiedlung, seitens der Regierung materiell nicht unterstützt. Die Karasubazarer Armenier sahen sich also erneut vor die Herausforderung gestellt, sich eine Existenz aufzubauen; erst 1810 zum Beispiel verfügte die Gemeinde wieder über eine steinerne Kathedrale.692 Doch gerade im religiösen Bereich sahen sich die katholischen Armenier, anders als etwa deutsche katholische Kolonisten auf der Krim, gewissen Beschränkungen ausgesetzt, da die russländische Regierung zugunsten der apostolischen Kirche unter Erzbischof Iosif, der auf ein Verbot der sich verbreitenden Praxis von Übertritten apostolischer Armenier zum armenisch-katholischen

689 Vodarskij/Elisseva/Kabuzan, 87. – Agajan, 158. 690 Ananjan/Chačaturjan, Armjanskie obščiny, 56. 691 Tur, V. G.: Osobennosti vozroždenija armjano-katoličeskoj obščiny Karasubazara v konce XVIII v. [Besonderheiten der Wiederbelebung der armenisch-katholischen Gemeinde von Karasubazar am Ende des 18. Jahrhunderts]. In: Materialy po archeologii, istorii i ėtnografii Tavrii 15 (2009), 561 – 572, hier 563. 692 Ebd., 563 f.

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Glauben drängte, die Zahl armenisch-katholischer Gemeinden zu begrenzen suchte und ihrer Kirche die Mission untersagte.693 Durch das Manifest Pauls I. erhielt auch die armenische Gemeinde von Staryj Krym 1799 den Status einer Kolonie einschließlich eines armenischen Magistrats und weiterer Privilegien, die sich an den Rechten und Vergünstigungen orientierten, welche zwanzig Jahre zuvor den Nachičevanern verliehen worden waren.694 Aber erst nach der Öffnung des Magistrats im Jahre 1805 setzte eine intensive Besiedelung Staryj Kryms ein, das zwei Jahre darauf etwa eineinhalbtausend Einwohner zählte, von welchen an die achtzig Prozent Armenier waren; bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die Bevölkerungszahl der Stadt auf 4000 gestiegen.695 Neben Handel und Handwerk gingen die Armenier Staryj Kryms auch der Landwirtschaft nach, so dem Obst- und Melonenbau, der Seiden- und der Tabakwirtschaft. Typisch für die Wirtschaftsweise der Armenier auf der Krim waren weiter der Weinanbau und die Weinherstellung. Der Seidenbau war es jedoch, der besondere Unterstützung seitens der Regierung erfuhr. Diese nutzend bemühten sich einige armenische Unternehmer um die Entwicklung und Ausbreitung des Seidenbaus; sie gründeten marktwirtschaftlich organisierte Farmen, führten fortschrittliche Methoden der Kultivierung des Bodens und moderne landwirtschaftliche Technik aus dem Ausland ein.696 Im Bereich des Handels waren die Armenier der Krim sowohl im innerrussländischen als auch im internationalen Handel, vorwiegend mit dem Osmanischen und dem Persischen Reich, vertreten. Anfang des 20. Jahrhunderts waren fast 11 Prozent aller in den Gilden eingeschriebenen Kaufleute der Krim Armenier,697 doch waren diese ebenso am Handel außerhalb der Gilden beteiligt. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gründeten einige wohlhabende Armenier Fabriken, z. B. eine Ziegelei in Staryj Krym sowie Mühlen, Leder- und Schuhfabriken, Seifensiedereien und Kerzenziehereien.698 Die Erzeugnisse der armenischen Handwerker erfreuten sich auf der Krim aufgrund ihrer guten Qualität hoher Nachfrage. Zu erwähnen sind hier vor allem die Teppichherstellung, die bei den Armeniern eine lange Tradition besaß, die Spitzenflechterei und das Juwelierwesen.699 Können bewiesen ebenfalls die armenischen Maurer, Bauarbeiter und Steinmetze, deren Arbeit sich an Klöstern, Grabsteinen und Kapellen zeigte.700 693 Ebd. 694 PSZ I, Bd. 25, Nr. 19.168. 695 Ananjan/Chačaturjan, Armjanskie obščiny, 57 f. 696 Agajan, 162. 697 Und lagen damit an fünfter Stelle nach Russen, Ukrainern, Juden und Krimtataren. Finogeev, B. L.: Krymskie tatary, nemcy, greki, armjane, bolgary. Nacional’noe masterstvo i ego vlijanie na ėkonomičeskoe razvitie Kryma [Die Krim-Tataren, -Deutschen, -Griechen, -Armenier, -Bulgaren. Nationale Handwerkskunst und ihr Einfluss auf die ökonomische Entwicklung der Krim]. Simferopol’ 1997, 64. 698 Ebd., 65. 699 Ebd., 64. 700 Ebd., 65.

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Mehr als 10 Jahre nach der Übersiedlung der Christen von der Krim nach Neurussland erfolgte, im Zuge des russisch-osmanischen Krieges von 1787 – 1791, eine weitere großangelegte Umsiedlungsaktion von Armeniern, diesmal aus den osmanisch kontrollierten moldauischen und bessarabischen Gebieten an das linke Dnjestrufer, das mit dem Friedensvertrag von Jassy vom Osmanischen an das Russländische Reich abgetreten worden war. Der Petersburger Regierung war daran gelegen, das soeben gewonnene Territorium zwischen Bug und Dnjestr zu besiedeln und wirtschaftlich zu erschließen. Aus territorialen und organisatorischen Gesichtspunkten schien dies am einfachsten durch eine Übersiedlung der Christen aus den von den russländischen Streitkräften besetzten Gebieten Bessarabiens und der Moldau zu erreichen zu sein. Mit ihnen nahm die russländische Seite, vertreten durch den Hauptkommandierenden Grigorij Potëmkin und die Generäle Zubov und Kutuzov, noch zu Kriegszeiten Gespräche auf.701 Auf armenischer Seite verhandelte der Erzbischof Iosif. Von Potëmkin zum Verantwortlichen für die Übersiedlung der auf osmanischem Territorium lebenden Armenier ins Russländische Reich ernannt, befand sich Argutinskij gemeinsam mit Stepan Davt’yan und dem Archimandrit G ­ rigorij Zachar’janov (Grigor Zaxaryan) bereits während der Kriegshandlungen bei Potëmkin an der moldauischen Front.702 Bei der Werbung armenischer Siedler durch den Erzbischof dienten die Propagierung zahlreicher Privilegien und Vergünstigungen, welche die Armenier im Russländischen Reich zu erwarten hätten, und das Beispiel der armenischen Kolonie Neu-Nachičevan als Anreiz. Zunächst wurden die moldauischen und bessarabischen Armenier in Bendery zusammengeführt, wo sie in den Häusern der dortigen armenischen Gemeinde Quartier bezogen. Danach würde ihre Überführung über den Dnjestr nach Dubossary (zu jener Zeit wichtiger Grenz- und Verbindungspunkt in den russländisch-osmanischen Beziehungen) erfolgen, in dessen unmittelbarer Nähe sich der Ort ihrer neuen Siedlung, benannt nach Grigorij Potëmkins Namenspatron und dem Hl. Gregor dem Erleuchter, befinden sollte.703 Die Einwohner der Stadt Grigoriopol würden sich, so der Wunsch der Siedler selbst wie auch die Pläne der Regierung, zuvorderst mit Handel und Gartenbau beschäftigen.704 Während die wohlhabenderen Armenier auf eigene Kosten auf russländisches Territorium übersiedelten, mangelte es nicht wenigen sowohl an geeigneten Transportmöglichkeiten als auch an elementarer Versorgung mit Kleidung und Lebensmitteln.705 Die

701 Chačaturjan, Stanovlenie, 91. 702 Ananjan, Žores: Osnovanie goroda Grigoriopolja [Die Gründung der Stadt Grigoriopol]. In: Patma-­ banasirakan handes/Istoriko-filologičeskij žurnal 1 (1964), 149 – 162, hier 149 – 151. – Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 250. 703 Grigoriopol’. Osnovanie i stanovlenie (1792 – 1802) [Grigoriopol. Gründung und Entstehung (1792 – 1802)]. Hg. v. Džordž S. Fan’jan. Unveröffentlichtes Manuskript, 355. 704 Ananjan, Žores A.: Armjanskaja kolonija Grigoriopol’ [Die armenische Kolonie Grigoriopol]. Erevan 1969, 44. 705 Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 255.

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Übersiedlung des Großteils der in Bendery zusammengekommenen rund 4000 aus Izmail, Isakča, Kilija, Akkerman und Bendery stammenden Armenier nach Dubossary vollzog sich schließlich zwischen Frühjahr und Ende des Jahres 1791, doch auch in den folgenden Jahren kamen weitere Siedler hinzu. Die Übersiedler lebten zunächst in den Häusern der einheimischen moldauischen Bevölkerung von Dubossary, bis 1792 die offizielle kaiserliche Anordnung zum Bau der neuen armenischen Stadt erging. Allerdings verfügte Katharina II . zugleich die Verlegung des Gründungsortes Grigoriopols von Dubossary in das Gebiet der beiden Dörfer Čërnaja und Černica, was bei den Armeniern einigen Unmut hervorrief.706 Hinzu kam, dass bei einem Teil der auf ihren Weiterzug wartenden Siedler aufgrund der beengten Wohnverhältnisse in Dubossary und der Ungewissheit ihres weiteren Schicksals Bestrebungen aufkamen, über die Grenze in ihre frühere Heimat zurückzukehren.707 Um dem Unmut und dem Rückkehrwillen insbesondere der Akkermaner Armenier zu begegnen, sah sich Gouverneur Kochovskij veranlasst, den Neu-Nachičevaner Magistratsvorsitzenden Oberstleutnant Pavel Tumanov nach Dubossary zu rufen und ihm die Führung über die armenischen Umsiedler zu übertragen. Später ernannte er Tumanov zum Stadthauptmann Grigoriopols, um „für die Einhaltung der Ordnung und Ruhe unter den Grigoriopoler Armeniern und für ihre Fürsorge [zu sorgen]“708. Am 25. Juli 1792 erfolgte endlich die feierliche Grundsteinlegung der Stadt Grigoriopol.709 Doch warteten die von Armut betroffenen Armenier, die mangels fertiggestellter Wohnhäuser immer noch auf den Höfen der moldauischen Einwohner der umliegenden Dörfer oder in Erdhütten hausen mussten, weiterhin auf die Verleihung der ihnen versprochenen Privilegien und Zuwendungen. Die soziale Lage der Siedler der im Bau befindlichen Stadt gestaltete sich in diesen ersten Jahren überhaupt äußerst prekär. Nach Angaben Tumanovs waren zweitausend Erwachsene mit mehr als 250 Kindern nicht einmal in der Lage, für ihre tägliche Verpflegung mit Lebensmitteln zu sorgen, weshalb wiederholt Kostgeld aus der Fiskalkammer des Gouvernements nach Grigoriopol gesandt werden musste, und auch noch in den folgenden Jahren blieben viele Einwohner der Stadt auf staatliche Unterstützung angewiesen.710 Das Ausbleiben der ihnen vor ihrer Übersiedlung auf russländisches Territorium zugesagten Privilegien, die drückende Armut in der noch weitgehend unterkunftslosen Stadt sowie die aus den äußeren Umständen sich ergebende Verzögerung der Aufnahme der Feldbestellung und anderer Möglichkeiten, für ihr eigenes Auskommen zu sorgen, ließen einige

706 Grigoriopol’. Osnovanie i stanovlenie, Dok. 1. – Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 264. 707 Ananjan, Osnovanie, 159. – S. auch Grigoriopol’. Osnovanie i stanovlenie, Dok. 6. 708 Grigoriopol’. Osnovanie i stanovlenie, Dok. 16. Die Bestellung zum Stadthauptmann Tumanovs durch Kochovskij erfolgte am 6. Mai 1792. Ebd. 709 ZOOID , Bd. 9 (1875), 310. – Die Stadtplanung erfolgte unter der Leitung von François Sainte de Wollant, erster Architekt der Städte Odessa, Voznesensk, Tiraspol und anderer. Grigoriopol’. Osnovanie i stanovlenie, 362. 710 Ebd., Dok. 18, 19, 20.

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Siedler zu dem Schluss kommen, dass das Leben in ihren Herkunftsorten im Osmanischen Reich ihrer jetzigen unsicheren Lage vorzuziehen sei. Im Mai 1794 erteilte die Regierung den Ausreisewilligen die Erlaubnis zur Rückkehr in osmanisches Gebiet, sodass sich bereits bis zum Juni 1794 die Zahl der zwei Jahre zuvor nach Grigoriopol übersiedelten Familien von ursprünglich 821 auf 632 verringerte; im Oktober desselben Jahres lebten nur noch 602 armenische Familien in der neuen armenischen Kolonie.711 Am 12. Oktober 1794, zwei Jahre nach Gründung der Stadt Grigoriopol, erfolgte endlich die kaiserliche Bestätigung der versprochenen Privilegien. Darüber hinaus bildete der Ukas die rechtliche Grundlage zur Einrichtung des Grigoriopoler städtischen Magistrats mit den Funktionen eines armenischen Gerichts, das nach armenischem Gewohnheitsrecht und in armenischer Sprache funktionierte und der Gouvernementsregierung unterstellt war. Eingerichtet und staatlich finanziert wurde weiters eine Bauexpedition zur Leitung und Beaufsichtigung sämtlicher Bauarbeiten in Grigoriopol, wie die Errichtung von weiteren 325 Wohnhäusern 712, kirchlichen Gebäuden, einem Gymnasium, Verkaufsbuden und einem Handelshof, Kaffeehäusern und einer Banja. Schließlich erhielt die Kolonie nun auch ihr eigenes Wappen und Siegel.713 Trotzdem schritt die Errichtung von Unterkünften vor allem für die ärmere Bevölkerungsschicht nach wie vor nur langsam voran und nicht wenige der Not leidenden Siedler waren weiterhin gezwungen, in Erdhütten zu hausen. Gouverneur Seleckij, der im Herbst 1797 die Kolonie besuchte, fand die Grigoriopoler Armenier „in äußerster Armut und viele Familien ohne Dach über dem Kopf“ vor.714 Ende des Jahres 1797 waren erst 128 Wohnhäuser für zu dieser Zeit 612 in Grigoriopol lebende Familien fertiggestellt – beinahe 80 Prozent aller Kolonisten verfügten also immer noch nicht über eine dauerhafte eigene Bleibe.715 Mit ein Grund für die unzureichende Versorgung der Armenier mit Wohnraum war, dass Gouvernement- und Zentralverwaltung von einer falschen Zahl in Grigoriopol ansässiger Haushalte ausgingen, die um mehr als hundert Familien niedriger lag als deren tatsächliche Anzahl.716 Eine weitere Folge dieses Irrtums war, dass der Stadt bedeutend weniger landwirtschaftliches Nutzland zugesprochen wurde als von Argutinskij ursprünglich vorgeschlagen. 711 Armjano-russkie otnošenija 4, Dok. 325. – Grigoriopol’. Osnovanie i stanovlenie, 359 f., Dok.27. – PSZ I, Bd. 23, 17.260. Die genannten verbliebenen Familien hatten in der Zwischenzeit die russländische Untertanenschaft angenommen. Grigoriopol’. Osnovanie i stanovlenie, 27, 29. 712 Über ausreichend Eigenkapital verfügende Kaufleute und Handwerker leisteten den Bau ihrer Wohnhäuser selbst, der in diesem Falle nicht staatlich finanziert wurde. Ananjan, Armjanskaja kolonija, 88. 713 Grigoriopol’. Osnovanie i stanovlenie, Dok. 33. – PSZ I, Bd. 23, 17.260. 714 RGIA 1374/1/55/35. – Ananjan, Armjanskaja kolonija, 94. 715 Armjano-russkie otnošenija 4, 325. 716 Ebd. Im Jahr 1795 waren hundert weitere Familien aus dem Ausland in die Kolonie gezogen. Grigoriopol’. Osnovanie i stanovlenie, Dok. 48.

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Trotzdem war Grigoriopol Ende des 18. Jahrhunderts mit ca. 4000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt des Oblast’ Očakov.717 Die wirtschaftliche Lage Grigoriopols zu dieser Zeit beschreibt eine zeitgenössische Quelle: „In der Stadt betreiben 27 Familien Großhandel […]. Im Einzelhandel und in Verkaufsbuden sind 54 Familien tätig […]. [Es gibt] 118 Familien in den Zünften […] und 403 Arbeiterfamilien“718. Unternehmer wie der Kaufmann und Industrielle Ivan Satov, der mit mehreren Handwerkerfamilien nach Grigoriopol immigriert war, gründeten hier Baumwoll- und Lederfabriken.719 Ab dem frühen 19. Jahrhundert spielte die Stadt eine gewisse Rolle im wirtschaftlichen Leben Neurusslands, unter anderem wurden von hier Waren, vor allem Produkte der Viehzucht wie Fett, über die 1794 gegründete Hafenstadt Odessa ins Ausland exportiert.720 Besonders eng aber waren die Verbindungen der Händler Grigoriopols mit dem Osmanischen Reich; über den Dnjestr führten sie von dort türkische Stoffe, Wein und Lebensmittel ein.721 Jedoch lag die Stadt etwas abseits der Haupthandelswege der Region, und Odessa, mit seinem weitaus größeren ökonomischen Potenzial, zog im Laufe der Jahre viele Handeltreibende und vermögende Kaufleute aus Grigoriopol an sich. Mit der Westverlegung der Reichsgrenze als Folge des russisch-osmanischen Krieges von 1806 – 1812 und der Annexion Bessarabiens wurde zudem der Plan Katharinas II., Grigoriopol als Bistumssitz an der russländisch-osmanischen Grenze zu etablieren, hinfällig, sodass das ursprüngliche Vorhaben des Baus einer Bischofsresidenz mit Konsistorium und Seminar, einer Kathedrale, eines Klosters und zweier steinerner Kirchen nicht im geplanten Umfang und Zeitraum realisiert wurde.722 Die Rolle als eparchiales armenisches Zentrum ging im Folgenden auf Kišinëv über. So verringerte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts infolge Wegzugs armenischer Siedler wie auch aufgrund der Zunahme nichtarmenischer Einwohner der Anteil der Armenier an der Stadtbevölkerung stetig, was sich in der Entwicklung der Gemeindemitgliederzahlen der armenisch-apostolischen Kirche Grigoriopols widerspiegelt. Zwischen 1840 und 1860 belief sich deren Zahl auf 899, aber schon bis 1889 hatte sich die Gemeinde auf 435 und 7 Jahre danach auf 363 Mitglieder verkleinert. Anfang des 20. Jahrhunderts schließlich zählte die armenisch-apostolische Kirche der Stadt nicht mehr als 300 Mitglieder.723 717 Družinina, 199, 201. 718 Opisanie Atlasa Novorossijskoj gubernii 1799 g. In: CGVIA, f. VUA, d. 18336. Zitiert nach: Družinina, 250. 719 Agajan, 164. Schon Ende des 18. Jahrhunderts hatte es in der Stadt 150 Verkaufsbuden gegeben. Toramanjan, A.: Iz istorii stroitel’noj dejatel’nosti armjan v Moldavii [Aus der Geschichte der Bautätigkeit der Armenier in Moldau]. Moskva 1991, 47. 720 Agajan, 165. – Družinina, 250. 721 Družinina, 250. 722 Ananjan, Armjanskaja kolonija, 95. 723 HAA, fond 56/opis’ 1, darin: 10044/193 f., 3221/37 – 9, 836/210 – 12, 9300/2 f., 4046/106 – 108, 8583/55 f., 3515/141 f. sowie 56/16/475/92 f.

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3.3  Die armenische Diaspora im Spiegel der Ersten Allgemeinen Volkszählung des Russländischen Reiches von 1897 3.3.1  Volkszählungen als historische Quelle Die Frage, inwiefern Volkszählungsdaten als historische Quelle zur Beantwortung von Fragestellungen, die nicht die Volkszählung selbst zum Inhalt haben, sondern deren Ergebnisse als vorgeblich (mehr oder weniger) objektive Informationsquelle im Dienste eigenen Erkenntnisinteresses heranziehen, ergiebig oder gar zulässig sind, scheint heute weit schwieriger zu beantworten als noch vor wenigen Jahrzehnten. Während sich der Sammelband von Bauer, Kappeler und Roth 724 im Jahre 1991 ausführlich mit der Geschichte der Planung, Konzeption, Durchführung und Auswertung der Ersten Allgemeinen Volkszählung des Russländischen Reiches (pervaja vseobščaja perepis’ naselenija Rossijskoj Imperii) vom 28. Januar 1897 auseinandersetzt und eine detaillierte Quellenkritik vor allem im Hinblick auf die Frage nach der Zuverlässigkeit der Daten liefert, stehen manche HistorikerInnen heute Volkszählungen und ähnlichen Datenkompilationen als Informationsquelle zur Beantwortung anderer Fragestellungen kritisch gegenüber und untersuchen die Datensammlung selbst als Forschungsgegenstand. Analog zur weitgehenden Aufgabe des Anspruchs der Historiografie, zu zeigen, „wie es eigentlich gewesen“, stehen häufig Fragen der Konstruktion von Wirklichkeit im Zentrum des historiografischen Interesses. Jüngere geschichtswissenschaftliche Arbeiten zur Volkszählung des Jahres 1897725 haben diese als eine imperiale Strategie im Dienste der Beherrschung, Ordnung und Kontrolle über Menschen und Territorien beschrieben, die nicht nur konkrete fiskalische und militärische sowie mit dem Faktor des europäischen Mächtewettbewerbs verbundene Ziele verfolgte, sondern auch eine Rolle bei der Schaffung von imagined communities spielte – Letzteres sowohl im Sinne einer umfassenden „imperialen Gemeinschaft“ als auch im Sinne der Mobilisierung nationaler u. a. partikularer Gruppen. Insofern schuf die Erste Allgemeine Volkszählung des Russländischen Reiches auch ein Stück weit die Realität, die sie dokumentieren wollte. 724 Die Nationalitäten des Russischen Reiches in der Volkszählung von 1897. A: Quellenkritische Dokumentation und Datenhandbuch. Hg. v. Henning Bauer, Andreas Kappeler und Brigitte Roth. Stuttgart 1991. 725 Darrow, David W.: Census as a Technology of Empire. In: Ab Imperio 4 (2002), 145 – 176. – Hirschhausen, Ulrike von: People that Count. The Imperial Census in Nineteenth- and Early Twentieth-Century Europe and India. In: Comparing Empires. Encounters and Transfers in the Long Nineteenth Century. Hg. v. Jörn Leonhard und Ulrike von Hirschhausen. Göttingen 2011, 145 – 170. –Hirschhausen, Ulrike von/Leonhard, Jörn: Empires und Nationalstaaten im 19. Jahrhundert. Göttingen 2011, 53 – 77. – Cadiot, Juliette: Searching for Nationality: Statistics and National Categories at the End of the Russian Empire (1897 – 1917). In: http://www.people.fas. harvard.edu (17. 05. 2016), 1 – 20 (auch erschienen in: The Russian Review 64 [2005], 440 – 455).

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Wenn im Folgenden die Ergebnisse dieser Volkszählung trotzdem als historische Quelle zur Beantwortung der Frage nach den demografischen Charakteristika der armenischen Diaspora im vorrevolutionären Russland herangezogen werden, muss dies also mit einer stets mitgedachten Einschränkung der prinzipiellen Aussagekraft dieser Quellengattung (wie im Übrigen auch jeder anderen Quellengattung) geschehen. Welche speziellen Merkmale der Quelle noch weiter zu beachten sind, soll im nächsten Kapitel umrissen werden.

3.3.2  Klärende Vorbemerkungen zu Konzeption, Durchführung und Auswertung der Volkszählung Die für die vorliegende Arbeit herangezogenen Daten der Ersten Allgemeinen Volkszählung des Russländischen Reiches weisen einige spezifische Charakteristika auf, welche für die Beurteilung ihrer Aussagekraft im hier gegebenen Zusammenhang von Bedeutung sind. Diese einschränkenden Besonderheiten betreffen vor allem die Erhebungsgrößen der ethnischen Zugehörigkeit bzw. der Nationalität der demoskopischen Subjekte, ihrer (Schul-)Bildung, ihrer beruflichen Tätigkeit und ihrer ständischen Zugehörigkeit sowie der Urbanisierung. Das gemäß unserer Fragestellung wichtigste Charakteristikum bezieht sich auf die Art der Erhebung der ethnischen oder nationalen Zugehörigkeit der in der Volkszählung dokumentierten Bevölkerung. Die Erhebung dieser Variable erfolgte, durchaus dem zeitgenössischen Usus entsprechend, über die Frage nach der Muttersprache der gezählten Einwohner der Reiches. In den Zählerinstruktionen zur Volkszählung wurde „Muttersprache“ als jene Sprache definiert, „die jeder für seine Muttersprache hält“726, worunter gemeinhin „die Sprache verstanden [wurde], die gewöhnlich in der Familie, zu Hause gesprochen wird“727. Durch diese Art der Erhebung der Nationalität ergab sich zum einen eine „Tendenz zur Erhöhung des Anteils der Russischsprachigen“728, zum anderen beinhaltete sie auch einen Spielraum für die Interpretation der Variable „Muttersprache“ durch Zähler wie Befragte 729

726 Vgl. Pravila dlja zapolnenija. In: Bertil’on, Ž: Kurs administrativnoj statistiki, č. 1, Priemy sobiranija i razrabotki statističeskich svedenij. Perepisi naselenija, perevod s francuzskago N. F. Džunkovskago (Moskva 1897), 352. Zitiert nach: Roth, Brigitte: Sprachen. In: Die Nationalitäten des Russischen Reiches in der Volkszählung von 1897. A: Quellenkritische Dokumentation und Datenhandbuch. Hg. v. Henning Bauer, Andreas Kappeler und Brigitte Roth. Stuttgart 1991, 137 – 284, hier 144. 727 Juchnëva, N. V.: Ėtničeskij sostav i ėthnosocial’naja struktura naselenija Peterburga. Vtoraja polovina XIX–načalo XX veka. Statističeskij analiz [Ethnische Zusammensetzung und ethnosoziale Struktur der Bevölkerung St. Petersburgs. Zweite Hälfte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts]. Leningrad 1984, 9. 728 Roth, Sprachen, 143. 729 Vgl. ebd., 146. – S. dazu auch Cadiot, Juliette: Kak uporjadočivali raznoobrazie: spiski i klassifikacii nacional’nostej v Rossijskoj Imperii i v Sovetskom Sojuze (1897 – 1939 gg.) [Wie man die Unterschiedlichkeit ordnete: Listen und Klassifikationen der Nationalitäten im Russländischen Reich und in der Sowjetunion (1897 – 1939)]. In: Ab Imperio 4 (2002), 177 – 206.

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und schließlich ergab sich durch sie auch das nicht unwesentliche Problem, dass „diese Variable […] nicht immer das richtige Verständnis von Nationalität [wiedergab]“730, wie selbst in einer offiziellen Veröffentlichung zur Volkszählung festgehalten wurde. Juchnëva hält die durch die Erhebung der Variable Muttersprache verursachte Verfälschung aber insgesamt für gering, da in Gebieten kompakter ethnischer Siedlung für gemeinhin Sprache und Ethnizität deckungsgleich waren. In Regionen gemischtethnischer Siedlung mit starker Tendenz zur sprachlichen Assimilierung sei es jedoch durchaus zu statistischen Verzerrungen gekommen.731 So erscheine etwa durch die Erhebung der Muttersprache als Indikator der ethnischen bzw. nationalen Zugehörigkeit, so Bruk und Kabuzan, der Anteil der Großrussen an der Bevölkerung um 8 % zu hoch, während jener der Armenier um 5 bis 10 % zu niedrig angesetzt sei.732 Allerdings sieht Roth diesen Umstand nicht als Ergebnis einer bewussten Beeinflussung oder Verfälschung der Volkszählungsresultate im Rahmen der Russifizierungspolitik der 1890er Jahre 733 und bezweifelt auch, dass eine direkte Frage nach der „Nationalität“ der Befragten unter den gegebenen Umständen einer großteils analphabetischen und noch kaum nationalbewussten Bevölkerung verlässlichere Ergebnisse erbracht hätte.734 Tatsächlich lag es den Organisatoren der Volkszählung daran, durch die Erhebung der Muttersprache ein möglichst realitätsnahes Ergebnis über die nationale Zugehörigkeit zu erhalten. In den Erläuterungen zur Volkszählung hieß es: „Muttersprache bedeutet nicht […] Umgangssprache; eher bedeutet dies die Zugehörigkeit zu einer bekannten Völkerschaft.“735 Unter der Volkszählungsvariable der Sprache Armenisch wurde, so Roth, „auch ein Teil der armenischen Zigeuner erfasst, während ein Teil der türksprachigen Armenier unter ‚Tatarisch’ berichtet wurde“,736 außerdem benutzten die christlichen Udi, von welchen einige der armenisch-apostolischen Kirche angehörten, Armenisch als Schriftsprache.737 Nicht nur die Sprache der Befragten diente den Durchführenden der Volkszählung als ethnischer Marker, sondern auch die Konfession. Folglich wurde das Fehlen der Frage nach der Nationalität bis zu einem gewissen Grad auch durch die Angaben zur Konfession

730 In: Posobija pri razrabotke vseobščej perepisi naselenija. Izdanie vtoroe, 1898 goda, No. 2,3,4,5,6,7 i 8. Dlja rukovodstva rabočim, pri otmetkach. Hg. v. Central’nyj statističeskij komitet Ministerstva vnutrennich Del. St. Peterburg 1899, 56. Zitiert nach: Roth, Sprachen, 145. 731 Juchnëva, Mnogonacional’naja stolica, 23. 732 Bruk, S. I./Kabuzan, V. M.: Dinamika i ėtničeskij sostav naselenija Rossii v ėpochu imperializma (konec XIX v.–1917 g.). In: SSSR 3 (1980), 74 – 93, hier: 90 f. 733 Roth, Sprachen, 151. Etwas anders sieht dies Darrow, der zumindest den ausführenden Organen der Volkszählung vor Ort in manchen Fällen durchaus russifizierende Absichten unterstellt. Darrow, 170 – 173. 734 Roth, Sprachen, 149. 735 Juchnëva, Mnogonacional’naja stolica, 24. Auslassung dort. – S. auch Cadiot, Searching for Nationality. 736 Roth, Sprachen 189. 737 Roth, Sprachen, 212.

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substituiert.738 Besonders im Falle der Armenier mit ihren Nationalkirchen, der armenisch-apostolischen und der armenisch-katholischen Kirche bietet sich ein Vergleich der Angaben zur Muttersprache mit jenen zur Konfession an. Hier zeigt sich, dass in den untersuchten Gebieten insgesamt 2303 Armenischsprachige nicht Mitglieder einer der beiden armenischen Kirchen waren, während 6162 Anhänger beider armenischer Kirchen eine andere Sprache als Armenisch als Muttersprache angegeben hatten.739 Die Zugehörigkeit zur armenisch-apostolischen wie zur armenisch-katholischen Kirche war, wie die Zugehörigkeit zu allen nichtorthodoxen Bekenntnissen, im Wesentlichen erblich bedingt;740 die Daten zur Zugehörigkeit zu den armenischen Kirchen gelten als zuverlässig. Durch den nationalen Charakter dieser beiden Konfessionen erhalten die Daten zum religiösen Bekenntnis besonders im Fall der Armenier mitunter „größere Bedeutung zur Bestimmung der Nationalität als [die] Variable […] ‚Muttersprache’“,741 und so empfiehlt auch Roth, zur Bestimmung der Personenzahl armenischer Nationalität zu der Anzahl der Armenischsprachigen jene der anderssprachigen Anhänger der armenischen Kirchen, welche als sprachlich assimilierte Armenier zu gelten haben, hinzuzurechnen – im Falle der armenischen Diaspora wären dies also 94.037 Armenischsprachige plus 6162 sprachlich assimilierte Anhänger der armenischen Kirchen, ergibt 100.199 Armenier im Russländischen Reich außerhalb des Südkaukasus. Schließlich diente auch die Kategorie des Standes (soslovie) zumindest in einigen Regionen des Russländischen Reiches als ethnischer Marker wie etwa im Falle der Unterscheidung zwischen (nichtrussischen) inorodcy und (russischen) Bauern in Sibirien.742 Die Stände, welche juristische Kategorien von Personengruppen gleichen Rechts darstellten, dürfen nicht als Herrschafts-, sondern lediglich als Sozialstände begriffen werden.743 Mit Ausnahme der Kaufleute bildeten sie Sammelkategorien, in welche man eintreten konnte oder musste.744 Über die Stände der Bauern und meščane hatte die Korporation Disziplinargewalt inne, in den Ständen der persönlichen Adeligen und Ehrenbürger fehlte eine solche Korporation von jeher.745 Soziale Aufwärtsmobilität, so erläutert Schmidt, „zog den Standeswechsel nahezu zwangsläufig nach sich, Abwärtsmobilität durchaus nicht“.746 738 Cadiot, Searching for Nationality, 6. 739 Mehr dazu im Rahmen der folgenden Auswertung der Volkszählungsergebnisse. 740 Roth, Brigitte: Religionen/Konfessionen. In: Die Nationalitäten des Russischen Reiches in der Volkszählung von 1897. A: Quellenkritische Dokumentation und Datenhandbuch. Hg. v. Henning Bauer, Andreas Kappeler und Brigitte Roth. Stuttgart 1991, 285 – 323, hier 288. 741 Ebd., 290. 742 Cadiot, Searching for Nationality, 3 – 5. 743 Schmidt, Christoph: Stände. In: Die Nationalitäten des Russischen Reiches in der Volkszählung von 1897. A: Quellenkritische Dokumentation und Datenhandbuch. Hg. v. Henning Bauer, Andreas Kappeler und Brigitte Roth. Stuttgart 1991, 377 – 429, hier 377 f. 744 Ebd., 379. 745 Ebd. 746 Ebd., 381.

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Dabei vollzog sich ein Aufstieg in einen höheren Stand meist nicht innerhalb einer Generation; selbst der Aufstieg vom Bauernstand zum Meščanin nahm für gewöhnlich Jahrzehnte in Anspruch. Für viele Bauern und meščane endete der Standesaufstieg, je nach Art der Schule, die sie besucht hatten, mit Erreichen des persönlichen Ehrenbürgers.747 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entschärfte sich jedoch die Standestrennung und zumindest in den Städten verringerten sich die althergebrachten Privilegien bestimmter Stände. 748 Allerdings blieb auch nach den Reformen Alexanders II. die Kluft zwischen den ehemals lastenpflichtigen (Bauern, meščane) und den nicht lastenpflichtigen Ständen bestehen und Bauern und meščane unterlagen weiterhin der Dienstpflicht (wie etwa Straßenbau), deren Ausmaß je nach Gouvernement unterschiedlich ausfallen konnte.749 Im Rahmen der Erhebung und Aufbereitung der Volkszählungsdaten zu den Ständen ist zu beachten, dass einige Personengruppen (Teile der Intelligenz, der freien Berufe und der unteren Beamten) „vom Ständenetz nicht vollständig erfasst wurden“750 und ihre ständische Zuordnung dem Ermessen der Zähler überlassen wurde. Im Zuge der Aufbereitung wurden weiters die beiden rechtlich unterschiedlichen Stände der erblichen und der persönlichen Ehrenbürger in einer Sammelkategorie zusammengefasst (zu den erblichen Ehrenbürgern zählten u. a. Nachkommen armenisch-apostolischer Priester, zu den persönlichen Ehrenbürgern Nachkommen und Witwen armenisch-apostolischer Kirchendiener 751), ebenso wenig wurde unterschieden zwischen den Kaufleuten erster und zweiter Gilde. Als „Geistliche“ wurden nur Geistliche der christlichen Konfessionen gezählt.752 Die armenischen Adeligen genossen nicht dieselben Rechte wie etwa die russischen, ein Teil von ihnen hatte bis ins 20. Jahrhundert um die Bestätigung seiner Adelsrechte zu kämpfen; volle Gleichberechtigung erlangten sie nur über die Dienstkarriere.753 Trotzdem liegt die Zahl der erblichen Adeligen unter den Armeniern vermutlich über der Anzahl der tatsächlich anerkannten armenischen Adeligen, da während der Durchführung der Volkszählung keine diesbezüglichen Kontrollen stattfanden.754 Außerdem waren die erblichen Adeligen bei Armeniern und einigen anderen nichtrussischen Ethnien sozial stark differenziert und kamen zum Teil den Bauern nahe.755 Schließlich sind auch die Angaben zu den persönlichen Adeligen als überhöht anzusehen, da in diese Kategorie auch nichtadelige Beamte miteinbezogen wurden.756 747 Vgl. ebd. 748 So wurde 1863 für meščane und 1886 für Bauern die Kopfsteuer und allmählich auch die Prügelstrafe abgeschafft, 1874 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, 1898 die meščane zu bisher den Kaufleuten vorbehaltenen Tätigkeiten zugelassen. Ebd., 386. 749 Ebd., 383. 750 Ebd., 388. 751 Ebd., 401 f. 752 Ebd., 388. 753 vgl. ebd., 395. 754 Ebd., 396. 755 vgl. ebd., 397. 756 Ebd., 397.

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Bei den Bauern gilt es zu bedenken, dass dieser Stand sich weder auf die Landbevölkerung, noch auf die in der Landwirtschaft Tätigen beschränkte, sondern sich in diesem Stand auch viele Industriearbeiter, Handwerker und Handeltreibende befanden.757 Bei der Bewertung der Daten zur Bildung/Alphabetisierung ist zu beachten, dass die Variable „lesefähig“ immer zugleich „russisch lesefähig“ bedeutet. Konnte ein Befragter nur in einer anderen Sprache als Russisch lesen, so wurde dies unter „lesefähig in anderen Sprachen“ vermerkt. Personen, die eine der so genannten „fremdstämmigen Elementarschulen“, wie z. B. eine unter der Kontrolle der armenischen Kirche stehende Elementarschule, besucht hatten, wurden automatisch in letztere Kategorie aufgenommen.758 Personen hingegen, die in einer anderen Sprache als Russisch lesefähig waren und eine mittlere oder höhere Lehranstalt des In- oder Auslandes besucht hatten, wurden unter „mehr als Elementarschulbildung“ vermerkt und galten grundsätzlich als russisch lesefähig.759 Da zur Zeit der Volkszählung die armenischen konfessionellen Schulen geschlossen waren, kann vermutet werden, dass eine Reihe von Befragten, die eine solche Schule besucht hatten oder unter Umständen im Geheimen weiterhin besuchten, dies den Zählern nicht bekannt gaben. Und schließlich hatten die Befragten auch nicht die Möglichkeit, zwei oder mehr Angaben zur Sprache ihrer Lesefähigkeit zu machen, sodass eine sowohl armenisch als auch russisch lesefähige Person unter „russisch lesefähig“ dokumentiert wurde. Als Resultat all dieser Umstände liegen die Angaben zu den in den Volkszählungsergebnissen unter „anderssprachig lesefähig“ vermerkten Personen unter deren tatsächlicher Anzahl.760 Weitere Schwachpunkte der Erhebung der Variable Bildung/Alphabetisierung bestehen darin, dass die Schreibfähigkeit allgemein nicht erhoben wurde, es aufgrund der Fragestellung unklar blieb, „ob man in einer Schule […] noch lernt, gelernt hat, eine Ausbildung beendet hat oder nicht“,761 in der „gemischte[n] Erfassung von Absolventen einer Schule mit Personen, die den Schulbesuch abgebrochen haben oder zum Zeitpunkt der Zählung in einer Schule lernten“762 und in der Erfassung lediglich des staatlichen Bildungssystems. Erfasst wurden jedoch auch Schüler und Absolventen der armenischen geistlichen Akademien und Seminare.763 Vor allem die Dokumentation der Berufe weist einige gravierende Mängel auf, die bereits von zeitgenössischen Statistikern kritisiert wurden. So warnt auch Pawlik vor 757 Ebd., 410. 758 Hausmann, Guido: Bildung/Alphabetisierung. In: Die Nationalitäten des Russischen Reiches in der Volkszählung von 1897. A: Quellenkritische Dokumentation und Datenhandbuch. Hg. v. Henning Bauer, Andreas Kappeler und Brigitte Roth. Stuttgart 1991, 324 – 376, hier 365. 759 Hausmann, Bildung/Alphabetisierung, 365, 368. 760 Ebd., 367 f. 761 Kotel’nikov, A.: Istorija proizvodstva i razrabotki vseobščej perepisi naselenija 28go janvarja 1897 g. St. Peterburg 1909, 32 f. Zitiert nach: Hausmann, Bildung/Alphabetisierung, 371. 762 Ebd. 763 Ebd.

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einer unkritischen Nutzung der Angaben zur Berufstätigkeit.764 Gegenstand der Kritik wurde vor allem die fehlende Erhebung der Stellung im Beruf wie auch die ungenaue Definition von „Hauptberuf“ und „Nebenberuf“, die zum einen auf die russischen Verhältnisse kaum anzuwenden gewesen sei und zum anderen dazu geführt habe, dass die verbreitete bäuerliche Saisonarbeit in der Fabrik zuungunsten der agrarischen Naturalwirtschaft überschätzt worden sei.765 Hier kommt hinzu, dass die Volkszählung im Winter durchgeführt wurde und daher die Anzahl der in der Landwirtschaft Tätigen niedriger ausfiel, als es bei einer Sommerzählung der Fall gewesen wäre, auch einige andere Gewerbezweige setzten über den Winter ihre Arbeit aus.766 Des Weiteren wurden viele in einem Betrieb oder in der Landwirtschaft mitarbeitende Familienangehörige nicht als aktiv berufstätig registriert.767 Aus den genannten Einschränkungen und Mängeln ergibt sich, dass die Volkszählungsdaten zu den Berufen kaum die Fragen nach sozialer Schichtung und der „Verteilung von Arbeiterschaft und Intelligenz auf bestimmte Ethnien“768 beantworten können. Die Angaben bilden als „Mischung von berufs- und gewerbestatistischem Material mit großen sozialen Spannbreiten in einzelnen Gruppen“ lediglich „zweifelhafte Sozialkategorien“ und sollten, so Pawlik, nur relativ betrachtet werden.769 Zuletzt muss noch der den Angaben zur Urbanisierung zugrunde liegende Stadtbegriff in der Volkszählung geklärt werden. Als Stadt im rechtlichen Sinne galten jene Siedlungen, auf welche die Städteordnung, die diesen Siedlungen städtische Selbstverwaltung zuerkannte, angewandt wurde. Die Einwohnerzahl, ökonomische und soziale Faktoren spielten in dieser Definition der Stadt hingegen keine Rolle.770 Das bedeutet, dass sich einerseits unter den 930 in der Volkszählung erhobenen Städten auch Siedlungen mit weniger als tausend Einwohnern befinden, andererseits aber industrialisierte posady und viele wirtschaftlich 764 Pawlik, Claudia: Berufe. In: Die Nationalitäten des Russischen Reiches in der Volkszählung von 1897. A: Quellenkritische Dokumentation und Datenhandbuch. Hg. v. Henning Bauer, Andreas Kappeler und Brigitte Roth. Stuttgart 1991, 430 – 488, hier 430. 765 Ebd., 449. Andererseits kommt Kadomcev zu dem gegenteiligen Ergebnis, da seiner Meinung nach die bäuerlichen Saisonarbeiter aus Steuerfurcht die Landwirtschaft als ihren (Haupt-)Beruf angegeben hätten. Kadomcev, B. P.: Professional’nyj i socal’nyj sostav naselenija Evropoejskoj Rossii po dannym perepisi 1897 g. (Kritiko-statističeskij etjud) [Berufliche und soziale Zusammensetzung der Bevölkerung des europäischen Russlands nach den Daten der Volkszählung von 1897 (kritisch-statistische Etüde]. In: Trudy studentov ėkonomičeskogo otdelenija Sankt-Peterburgskogo političeskogo instituta. St. Peterburg 1909, 5 – 19, hier 20. Nach: Pawlik, 458. 766 Vgl. Ebd., 457. 767 Ebd. 768 Ebd., 464. 769 Ebd., 465. 770 Roth, Brigitte: Region. In: Die Nationalitäten des Russischen Reiches in der Volkszählung von 1897. A: Quellenkritische Dokumentation und Datenhandbuch. Hg. v. Henning Bauer, Andreas Kappeler und Brigitte Roth. Stuttgart 1991, 513 – 538, hier 516.

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

bedeutende Siedlungen mit zum Teil 10.000 bis 31.000 Einwohnern 771 nicht als städtische Siedlungen anerkannt waren und deren Einwohner daher auch nicht als urbanisierte Bevölkerung gezählt wurden. Daraus folgt, dass die Urbanisierung insbesondere in den industrialisierten Gebieten zu niedrig angesetzt ist. Die Orientierung der Volkszählung an der gesetzlichen Stadtdefinition bewirkte eine „Konzentration in der Auswahl der Städte auf die administrativen Punkte, die nur zu etwa zwei Dritteln auch ökonomische Städte sind“.772

3.3.3  Auswahl und Bearbeitung der Volkszählungsdaten für die vorliegende Arbeit Für die vorliegende Arbeit wurden die 89 Originalbände der Ersten Allgemeinen Volkszählung des Russländischen Reiches herangezogen. Da sich die Untersuchungen dieser Arbeit auf die armenische Diaspora beziehen, wurden die südkaukasischen Gouvernements Baku, Elisavetpol, Kars, Kutais, Tiflis und Erevan nicht berücksichtigt. Das Großfürstentum Finnland wurde 1897 nicht in die Volkszählung miteinbezogen. Bei der Auswahl der verbliebenen Gebiete bildete eine Mindestanzahl von hundert Armenischsprachigen oder hundert Angehörigen der armenischen Konfessionen (d. h. armenisch-apostolisches und/ oder armenisch-katholisches Bekenntnis) die Grenzgröße, ab welcher die Daten des entsprechenden Gebietes erhoben und ausgewertet wurden. Bei Vorliegen getrennter Bände für Gouvernements und die in ihnen befindlichen Großstädte wurde im Falle der Dokumentation von weniger als hundert Armeniern außerhalb der jeweiligen Großstadt nur der Band dieser Stadt und nicht der Band des Gouvernements insgesamt untersucht.773 Einige Daten zu den betreffenden Gouvernements wurden nachträglich dem Obščij Svod (eine 1905 publizierte Zusammenfassung der Volkszählungsergebnisse in zwei Bänden) entnommen,774 Daten zur Reichsebene und Großregionsebene stammen aus dem Datenband von Bauer, Kappeler und Roth.775 Durch beschriebenes Vorgehen wurden die Bände der folgenden Gebiete ausgewählt und ausgewertet: Gouvernement Astrachan (Band 2), Gouvernement Bessarabien (Band 3), Gouvernement Voronež (Band 9), Don-Kosaken-Oblast’ (Band 12), Gouvernement Ekaterinoslav 771 So 10 mittelgroße Städte im Ural. Ebd., 524. 772 Ebd. 773 Dies ist der Fall bei den Gouvernements/Städten Warschau, St. Petersburg und Moskau. 774 Obščij svod po Imperii resul’tatov razrabotki dannych Pervoj Vseobščej perepisi naselenija, proizvedennoj 28 janvarja 1897 goda [Allgemeine Sammlung der Ergebnisse der Ausarbeitungen der Daten der Ersten Allgemeinen Volkszählung auf Imperiumsebene, durchgeführt am 28. Januar 1897]. Hg. v. N. A. Trojnickij. St. Peterburg 1905 (im Folgenden Obščij svod). 775 Die Nationalitäten des Russischen Reiches in der Volkszählung von 1897. B: Ausgewählte Daten zur sozio-ethnischen Struktur des Russischen Reiches – erste Auswertungen der Kölner NFR-Datenbank. Hg. v. Henning Bauer, Andreas Kappeler und Brigitte Roth. Stuttgart 1991 (im Folgenden Nationalitäten B).

Die armenische Diaspora

163

(Band 13), Gouvernement Kiev (Band 16), Stadt Moskau (Band 24), Stadt St. Petersburg (Band 37), Gouvernement Saratov (Band 38), Gouvernement Taurien (Band 41), Gouvernement Char’kov (Band 46), Gouvernement Cherson (Band 47), Stadt Warschau (Band 51), Oblast’ Dagestan (Band 62), Oblast’ Kuban (Band 65), Gouvernement Stavropol (Band 67), Oblast’ Terek (Band 68), Schwarzmeer-Gouvernement (Band 70), Gouvernement Irkutsk (Band 75), Insel Sachalin (Band 77), Transkaspi-Oblast’ (Band 82), Oblast’ Samarkand (Band 83), Oblast’ Fergana (Band 89). Da Fragen zur Frauen- und Geschlechtergeschichte in der vorliegenden Arbeit nicht untersucht werden, wurde auf die in den Originalbänden bestehende Trennung zwischen weiblich und männlich zwecks Vereinfachung der Aufbereitung verzichtet. Weiters wurden die Angaben zur Bildung/Lesefähigkeit nicht nach Altersgruppen aufgeschlüsselt, sondern lediglich die Gesamtdaten aller Altersgruppen zur weiteren Bearbeitung herangezogen. Schließlich wurden in den von mir gefertigten Unterlagen außer bei den Angaben zur Urbanisierung Stadt- und Landbevölkerung nicht getrennt aufgeführt. Die im Folgenden verwendeten Variablen „Nichtrussen“ und „übrige Anderssprachige“ sind von mir selbst geschaffene Sammelkategorien, die sich in dieser Form nicht in der Quelle finden. „Nichtrussen“ bezeichnet dabei die Gesamtbevölkerung abzüglich der Russischsprachigen, „übrige Anderssprachige“ sind alle nicht russisch und nicht armenisch Sprechenden, d. h. also „Nichtrussen“ abzüglich der Armenischsprachigen. Da es sich also bei den so genannten „übrigen Anderssprachigen“ um eine Sammelkategorie handelt, die eine große Anzahl unterschiedlicher Sprachgemeinschaften bzw. Ethnien umfasst, sind die weiter unten gemachten Angaben zu den Eigenschaften dieser Gruppe, wie sie über die Volkszählungsdaten ermittelt wurden, nur mit großem Vorbehalt zu interpretieren. Unter den „übrigen Anderssprachigen“ können sich nämlich durchaus Sprachgemeinschaften befinden, deren statistisch erhobene Charakteristika sich von jenen der Sammelkategorie als Ganzer erheblich unterscheiden, deren Personenstärke aber zu gering ist, um die Ergebnisse für die Sammelkategorie wesentlich zu beeinflussen. Die hier verwendeten Bezeichnungen der Variablen der Volkszählung, insbesondere jene der Großregionen sowie der Berufszweige, entsprechen nicht den in den Volkszählungsbänden selbst verwendeten Begriffen, sondern beziehen sich auf die Arbeit von Bauer, Kappeler und Roth. In diesem Werk wurden zwecks leichterer Übersicht Sammelkategorien insbesondere der im Original 65 Berufe geschaffen sowie die einzelnen Gouvernements und Oblasti zu Großregionen zusammengefasst. Beides wurde für die hier vorliegende Arbeit übernommen. Das heutzutage im deutschen Sprachraum problematisierte und daher nicht mehr gebräuchliche Ethnonym Zigeuner wurde aus der Originalquelle entlehnt (dort cygane) und darf im hier gegebenen Zusammenhang selbstverständlich nicht als pejorative Bezeichnung missverstanden werden. Wo Druck- oder Rechenfehler in den Quellen selbst identifiziert werden konnten, wurde dies als Anmerkung festgehalten. Für alle anderen möglicherweise vorhandenen Fehler oder Unstimmigkeiten trage ich Verantwortung.

164

Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

3.3.4  Ergebnisse Tabelle 1: Zahl und Anteil der Armenier (nach Sprache) an der Gesamtbevölkerung in allen Großregionen des Reiches sowie in den Gouvernements/Oblasti mit jeweils mindestens 100 armenischen Einwohnern (nach Religion oder Sprache). geografische Einheit

armenisch776

Reich Großregion Transkaukasus Reich, exklusive Transkaukasus

1.173.096 1.079.059 94.037

100/1247,48 91,98/1147,48 8,02/100

Großregion Polen Gouvernement Warschau davon: Stadt Warschau Großregion Baltikum Großregion Weißrussland-Litauen Großregion Ukraine Gouvernement Kiev davon: Stadt Kiev Gouvernement Char’kov davon: Stadt Char’kov Großregion Neurussland Don-Kosaken-Oblast’ davon: Stadt Rostov Gouvernement Ekaterinoslav davon: Stadt Ekaterinoslav778 Gouvernement Taurien Gouvernement Cherson davon: Stadt Odessa Gouvernement Bessarabien davon: Stadt Kišinëv 779

182 104777

0,02/0,19 0,01/0,11

– 0,01

96 66 143 841 100

0,01/0,10 0,01/0,07 0,01/0,15 0,07/0,89 0,01/0,11

0,01 – – – –



0,01/0,07 0,05/0,65

0,01 0,02

468 40.867 27.234

0,04/0,50 3,48/43,46 2,32/28,96

0,27 0,38 1,06



2216 545

0,19/2,36 0,05/0,58

1,85 0,03



33 8938 2070

–/0,04 0,76/9,50 0,18/2,20

0,03 0,62 0,08



1401 2080

0,12/1,49 0,18/2,21

0,35 0,11



369

0,03/0,39

0,34

69 615

in %

in % der Ge­samt­ bevölkerung 0,93 21,87 0,08

776 Wenn nicht anders angegeben, entnommen aus Bauer/Kappeler/Roth, Nationalitäten B, für die Ebenen des Reiches und der Großregionen sowie den jeweiligen Originalbänden der Volkszählung für die Gouvernement- u. Stadtebenen. 777 Entnommen aus Obščij svod, Varšavskaja Gubernija. 778 Entnommen aus Nationalitäten B, 397.

165

Die armenische Diaspora

Großregion Nordkaukasus Oblast’ Dagestan Oblast’ Kuban Gouvernement Stavropol Oblast’ Terek Schwarzmeer-Gouvernement Großregion Zentralasien Transkaspi-Oblast’ Oblast’ Samarkand Oblast’ Fergana Großregion Steppe Großregion Sibirien Gouvernement Irkutsk Insel Sachalin Großregion Untere Wolga-Südural Gouvernement Astrachan davon: Stadt Astrachan Gouvernement Saratov davon: Stadt Saratov Großregion Mittlere Wolga-Nordural Großregion Nordrussland Gouvernement St. Petersburg davon: Stadt St. Petersburg Großregion Zentralrussland Gouvernement Moskau davon: Stadt Moskau Großregion Zentral-Schwarzerde Gouvernement Voronež

39.035 1636 13.926 5385 11.803 6285 4847 4256 370 177 15 629 213 167 4494 4270

3,33/41,51 0,14/1,74 1,19/14,81 0,46/5,73 1,01/12,55 0,54/6,68 0,41/5,15 0,36/4,53 0,03/0,39 0,02/0,19 –/0,02 0,05/0,67 0,02/0,23 0,01/0,18 0,38/4,78 0,36/4,54

0,90 0,29 0,73 0,62 1,26 10,93 0,09 1,11 0,04 0,01 – 0,01 0,04 0,59 0,05 0,43

4038 168

0,34/4,29 0,01/0,18

3,58 0,01

61 64 799 788780

0,01/0,06 0,01/0,07 0,07/0,85 0,07/0,84

0,04 – 0,01 0,04

753 1706 1633781

0,06/0,80 0,15/1,81 0,14/1,74

0,06 0,01 0,07

1604 349 168

0,14/1,71 0,03/0,37 0,01/0,18

0,15 – 0,01

779 Entnommen aus Nationalitäten B, 399. 780 Entnommen aus Obščij svod, Sankt-Peterburgskaja Gubernija. 781 Entnommen aus Obščij svod, Moskovskaja Gubernija.

166

Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

Diagramm 1: Urbanisierung der Armenisch-, Russisch- und übrigen Anderssprachigen in den untersuchten Gebieten insgesamt.782 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 armenisch

russisch

übrige

Diagramm 2: Bildung der Armenisch-, Russisch- und übrigen Anderssprachigen in den untersuchten Gebieten insgesamt.783 armenisch

russisch

übrige

45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 lesef. insges.

russisch lesef.

andere lesef.

m. a. E.

782 Auf Grundlage der Volkszählungsdaten der für diese Arbeit ausgewerteten Bände (siehe die Anmerkungen im Kapitel 3.3.3). 783 Auf Grundlage der Volkszählungsdaten der für diese Arbeit ausgewerteten Bände. Getrennt nach lesefähig insgesamt (lesef. insges.), in russischer Sprache lesefähig (russisch lesef.), in einer anderen Sprache als Russisch lesefähig (andere lesef.), mehr als Elementarschulbildung (m. a. E.)

Die armenische Diaspora

167

Diagramm 3: Armenisch-, russisch- und übrige anderssprachige Berufstätige nach Berufs­ zweigen in den untersuchten Gebieten insgesamt.784 armenisch

russisch

übrige

60 50 40 30 20 10

fre

ie

Be

ru fe

Ha nd el Re nt ie rs M Di ilit en är st le ist un Di g en st bo te n Ki rc Ag he ra rw ve ra es rb en .G ew er be Ve rw al tu ng Be rg an ba de u re Be ru fe

0

784 Auf Grundlage der Volkszählungsdaten der für diese Arbeit ausgewerteten Bände.

168

Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

Tabelle 2: Berufstätige (ohne Familienangehörige) nach Sprache in den untersuchten Gebie­ ten insgesamt 785, nach Berufszweigen 786 und Branchen. Berufszweig Branche alle 1 Agrarwesen

1.1 Feldbau



1.2 Tierzucht787



1.3 Forstwirtschaft, ­Fischfang, Jagd788 2 Bergbau789 3 verarbeitendes Gewerbe

3.1 Metall und Metallprodukte790 3.2 Holz und Holzprodukte791 3.3 Textil- und Kürschnergewerbe792 3.4 mineralische, chemische und Papiererzeugnisse793

armenisch (%) 33.515 (100) 6680 (19,93) 6445 (19,23) 94 (0,28) 141 (0,42) 86 (0,26) 5157 (15,39) 356 (1,06) 176 (0,53) 1881 (5,61) 306 (0,91)

russisch (%) 3.958.958 (100) 1.196.639 (30,23) 1.134.228 (28,65) 20.366 (0,51) 42.045 (1,06) 37.618 (0,95) 893.304 (22,56) 135.143 (3,41) 80.473 (2,03) 337.198 (8,52) 62.916 (1,56)

übrige (%) 3.663.808 (100) 2.142.925 (58,49) 1.955.151 (53,36) 157.019 (4,29) 30.755 (0,84) 16.149 (0,44) 443.409 (12,10) 73.539 (2,01) 42.570 (1,16) 187.682 (5,12) 22.339 (0,61)

Nichtrussen (%) 3.697.323 (100) 2.149.605 (58,14) 1.961.596 (53,05) 157.113 (4,25) 30.896 (0,84) 16.235 (0,44) 448.566 (12,13) 73.895 (2) 42.746 (1,16) 189.563 (5,13) 22.645 (0,61)

gesamt (%) 7.656.281 (100) 3.346.244 (43,71) 3.095.824 (40,44) 177.479 (2,32) 72.941 (0,95) 53.853 (0,70) 1.341.870 (17,53) 209.038 (2,73) 123.219 (1,61) 526.761 (6,88) 85.561 (1,12)

785 Exklusive der Gouvernements Kiev, Char’kov und des Oblast’ Fergana, da in der Tabelle der entsprechenden Bände keine Kategorie „armenisch“ enthalten ist. 786 Die Einteilung der Berufsgruppen in die hier angeführten Berufszweige folgt jener in Nationalitäten B, 26 – 29. 787 Umfasst die Berufsgruppen 18. Bienen- und Seidenraupenzucht und 19. Tierzucht. 788 Umfasst die Berufsgruppen 20. Forstwirtschaft und Holzgewerbe und 21. Fischfang und Jagd. 789 Entspricht der Berufsgruppe 22. Erzgewinnung und Bergwerke. 790 Umfasst die Berufsgruppen 23. Metallgießerei und 27. Metallverarbeitung. 791 Umfasst die Berufsgruppen 26. Holzverarbeitung und 39. Herstellung von Kutschen und hölzernen Schiffen. 792 Umfasst die Berufsgruppen 24. Verarbeitung von Textilien, 25. Verarbeitung tierischer Produkte und 37. Anfertigung von Kleidung. 793 Umfasst die Berufsgruppen 28. Verarbeitung mineralischer Stoffe (Keramikerzeugnisse), 29. chemische Betriebe und mit ihnen verbundene Produktionszweige und 34. Druckereiwesen und Papiererzeugnisse.

169

Die armenische Diaspora





3.5 Nahrungs- und Genussmittel794 3.6 technische und Luxusartikel795 3.7 Baugewerbe796



3.8 sonstige797



4 Banken/Handel

4.1 Kredit, Versicherung, Agenturen798 4.2 Agrarhandel799



4.3 Rohstoff-, Bau- und Haushaltswarenhandel800 4.4 Textil- und Kürschnerhandel801 4.5 Luxushandel802



4.6 sonstige803



1132 (3,38) 208 (0,62) 1052 (3,14) 46 (0,14) 9407 (28,07) 340 (1,01) 3592 (10,72) 257 (0,77) 2982 (8,90) 76 (0,23) 2160 (6,44)

87.964 (2,22) 26.077 (0,66) 135.296 (3,42) 28.237 (0,71) 220.919 (5,58) 16.106 (0,41) 87.576 (2,21) 17.775 (0,45) 34.751 (0,88) 4682 (0,12) 60.029 (1,52)

44.672 (1,22) 12.118 (0,33) 47.929 (1,31) 12.560 (0,34) 189.233 (5,16) 11.821 (0,32) 79.190 (2,16) 13.547 (0,37) 26.967 (0,74) 2445 (0,07) 55.263 (1,51)

45.804 (1,24) 12.326 (0,33) 48.981 (1,32) 12.606 (0,34) 198.640 (5,37) 12.161 (0,33) 82.782 (2,24) 13.804 (0,37) 29.949 (0,81) 2521 (0,07) 57.423 (1,55)

133.768 (1,75) 38.403 (0,50) 184.277 (2,41) 40.843 (0,53) 419.559 (5,48) 28.267 (0,37) 170.358 (2,23) 31.579 (0,41) 64.700 (0,85) 7203 (0,09) 117.452 (1,53)

794 Umfasst die Berufsgruppen 30. Branntweinbrennerei, Bier- und Metbrauerei, 31. Herstellung sonstiger Getränke und Gärungsprodukte, 32. Verarbeitung pflanzlicher und tierischer Lebensmittel und 33. Tabak und Tabakerzeugnisse. 795 Umfasst die Berufsgruppen 35. Herstellung von physikalischen, optischen, chirurgischen Geräten, Spieluhren, Spielzeugen u. a. und 36. Schmuckerzeugnisse, Malerei, Herstellung von Kult- und Luxusgegenständen usw. 796 Entspricht der Berufsgruppe 38. Bau- und Renoviertätigkeit. 797 Entspricht der Berufsgruppe 40. Mitwirkung an bisher nicht aufgeführten oder nicht bestimmten Produktionszweigen. 798 Umfasst die Berufsgruppen 46. Kredit- und öffentliche Kommerzinstitute und 47. Handelsvermittlung. 799 Umfasst die Berufsgruppen 49. Viehhandel, 50. Handel mit Getreideprodukten und 51. Handel mit anderen landwirtschaftlichen Produkten. 800 Umfasst die Berufsgruppen 52. Handel mit Baumaterialien und Brennstoffen, 53. Handel mit Haushaltswaren und 54. Handel mit Metallerzeugnissen, Maschinen und Waffen. 801 Umfasst die Berufsgruppen 55. Stoff- und Kleiderhandel und 56. Handel mit Leder, Pelzen usw. 802 Entspricht der Berufsgruppe 57. Handel mit Luxusartikeln, wissenschaftlichen, künstlerischen und kultischen Artikeln. 803 Umfasst die Berufsgruppen 48. Handel allgemein, ohne bestimmte Einteilung, 58. Handel mit anderen Waren und 59. Wanderhandel.

170

Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

5 Dienstleistung 5.1 Transport und Kommunikation804 5.2 Gastgewerbe805

5.3 Einrichtungen für Körperpflege und Hygiene 6 Dienstboten806 7 freie Berufe

7.1 private juristische Tätigkeit 7.2 Bildung, Wissenschaft und Kunst807 7.3 medizinischer und ­sozialer Dienst808 8 Rentiers809 9 Verwaltung810 10 Militär 11 Kirche811

3312 (9,88) 1102 (3,29) 1561 (4,66) 649 (1,94) 3371 (10,06) 639 (1,91) 69 (0,21) 433 (1,29) 137 (0,41) 2137 (6,38) 389 (1,16) 445 (1,33) 290 (0,87)

292.845 (7,40) 184.608 (4,66) 69.107 (1,75) 39.130 (0,99) 636.147 (16,07) 84.505 (2,13) 3.014 (0,08) 46.236 (1,17) 35.255 (0,89) 125.628 (3,17) 72.047 (1,82) 152.380 (3,85) 38.262 (0,97)

103.746 (2,83) 69.827 (1,91) 21.742 (0,59) 12.177 (0,33) 384.291 (10,49) 47.022 (1,28) 1.347 (0,04) 30.470 (0,83) 15.205 (0,42) 62.757 (1,71) 25.950 (0,71) 122.228 (3,34) 21.156 (0,58)

107.058 (2,90) 70.929 (1,92) 23.303 (0,63) 12.826 (0,35) 387.662 (10,48) 47.661 (1,29) 1.416 (0,04) 30.903 (0,84) 15.342 (0,41) 64.894 (1,76) 26.339 (0,71) 122.673 (3,32) 21.446 (0,58)

399.903 (5,22) 255.537 (3,34) 92.410 (1,21) 51.956 (0,68) 1.023.809 (13,37) 132.166 (1,73) 4.430 (0,06) 77.139 (1,01) 50.597 (0,66) 190.522 (2,49) 98.386 (1,29) 275.053 (3,59) 59.708 (0,78)

804 Umfasst die Berufsgruppen 41. Wasserverkehr, 42. Eisenbahn, 43. Fuhrgewerbe, 44. übrige Transporteinrichtungen und Verkehrsmittel auf dem Landwege und 45. Post, Telegrafie, Telefon. 805 Umfasst die Berufsgruppen 60. Gasthäuser, Hotels, möblierte Zimmer, Klubs und 61. Getränkehandel. 806 Entspricht der Berufsgruppe 13. Privattätigkeit und Privatdienst, Dienerschaft, Tagelöhner. 807 Umfasst die Berufsgruppen 9. Lehr- und Erziehungstätigkeit und 10. Wissenschaft, Literatur, Künste. 808 Umfasst die Berufsgruppen 11. ärztliche und pflegerische Tätigkeit und 12. Dienst bei Wohltätig­ keits­einrichtungen. 809 Entspricht der Berufsgruppe 14. Personen, die von Erträgen aus Kapital und Immobilien oder aus Mitteln der Eltern und Verwandten leben. 810 Umfasst die Berufsgruppen 1. Verwaltung, Gericht, Polizei und 2. öffentliche (Landes- und städtische) und ständische Dienste. 811 Umfasst die Berufsgruppen 5. Gottesdienst orthodox, 6. Gottesdienst andere christliche Bekenntnisse, 7. Gottesdienst nichtchristliche Bekenntnisse und 8. Amtspersonen bei Kirchen, Gebetshäusern, Moscheen, Synagogen, Friedhöfen usw., einschl. Dienerschaft und Wächter.

171

Die armenische Diaspora

12 andere



12.1 Unterstützungs­ empfänger812 12.2 Unfreie und Strafableistende 12.3 Prostitution



12.4 sonstige813



1602 (4,78) 850 (2,54) 200 (0,60) 12 (0,04) 540 (1,61)

208.664 (5,27) 136.133 (3,44) 19.621 (0,50) 4279 (0,11) 48.631 (1,23)

104.942 (2,86) 51.620 (1,41) 11.534 (0,31) 2000 (0,05) 39.788 (1,09)

106.544 (2,88) 52.470 (1,42) 11.734 (0,32) 2012 (0,05) 40.328 (1,09)

315.208 (4,12) 188.603 (2,46) 31.355 (0,41) 6291 (0,08) 88.959 (1,16)

812 Entspricht der Berufsgruppe 15. Personen, die aus Mitteln des Staates, von öffentlichen Einrichtungen oder Privatpersonen leben. 813 Umfasst die Beschäftigungsgruppen 63. unbestimmter Beruf und 65. keine Angabe.

172

Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

Diagramm 4: Armenisch-, Russisch- und übrige Anderssprachige nach Ständen in den untersuchten Gebieten insgesamt.814

armenisch

russisch

übrige

70 60 50 40 30 20 10

e

so

ns

tig

e

St ä

nd

cy

n

or od

ke

In

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0

Zur Veranschaulichung der komplizierten Lage in den sozioökonomischen Eigenschaften der armenischen Diaspora im Russländischen Reich seien an dieser Stelle Schaubilder eingefügt, welche die jeweils dominanten beruflichen Verhältnisse und Standeszugehörigkeiten sowie den Grad der Urbanisierung und Alphabetisierung der Armenischsprachigen in den einzelnen Regionen darstellen.

814 Auf Grundlage der Volkszählungsdaten der für diese Arbeit ausgewerteten Bände (siehe Kapitel 3.3.3).

173

Die armenische Diaspora

Tabelle 3: Urbanisierung der Armenischsprachigen in den Regionen (in %) 0 – 10 20 – 30 40 – 50 Warschau Kiev Char’kov Don-Kosaken Ekaterinoslav Taurien Cherson Bessarabien Dagestan Kuban Stavropol Terek Schwarzmeer Transkaspi Samarkand Fergana Irkutsk Sachalin Astrachan Saratov Voronež St. Petersburg Moskau

50 – 60

60 – 70 70 – 80 80 – 85

85 – 90

90 – 95 95 – 100 X

X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

Tabelle 4: Alphabetisierung 815 der Armenischsprachigen in den Regionen (in %) 10 – 20 Kiev816 Char’kov Don-Kosaken Ekaterinoslav Taurien Cherson Bessarabien Dagestan Kuban Stavropol Terek Schwarzmeer Transkaspi Samarkand Fergana817 Irkutsk Sachalin Astrachan Voronež818 Stadt Warschau819 Stadt Rostov Stadt Odessa Stadt Astrachan820 Stadt St. Petersburg821 Stadt Moskau

20 – 30 30 – 40

40 – 50

50 – 60

60 – 70

70 – 80

80 – 90 X

90 – 100

X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X

815 Lesefähig insgesamt. 816 Hier nicht Armenischsprachige, sondern Angehörige beider armenischer Kirchen. 817 Hier nicht Armenischsprachige, sondern Angehörige beider armenischer Kirchen. 818 Hier nicht Armenischsprachige, sondern Angehörige beider armenischer Kirchen. 819 Hier nicht Armenischsprachige, sondern Angehörige beider armenischer Kirchen. 820 Hier nicht Armenischsprachige, sondern Angehörige beider armenischer Kirchen. 821 Hier nicht Armenischsprachige, sondern Angehörige beider armenischer Kirchen.

X X

175

Die armenische Diaspora

Tabelle 5: Dominante Berufszweige 822 der Armenischsprachigen in den Regionen

Ukraine Don-Kosaken Ekaterinoslav Taurien Cherson Bessarabien Dagestan Kuban Stavropol Terek Schwarzmeer Transkaspi Samarkand Irkutsk Sachalin Astrachan Saratov Voronež Stadt Warschau Stadt St. Petersburg Stadt Moskau Stadt Astrachan Stadt Rostov Stadt Kišinëv Stadt Odessa

H X X Xag Xag X X X Xt X Xag

V/M Xm

I/K/R X

DL X

A Xf

VG X X X

X

X X

X

Xtr X X X X

X X X

X X Xf X Xf

X

X X Xb X X X Xb Xb Xb

DB

B

X X X X X X X X X X

X X

X Xag Xag Xt Xal X Xt Xag Xag X

X

X

X X X

X Xr

X

X X

X

Xr

X X

U

X

X X X

X X Xtr

X X X X

X

X

H – Handel, V/M – Verwaltung/Militär, I/K/R – Intelligenz/Kirche/Rentiers, DL – Dienstleistung, A – Agrarwesen, VG – verarbeitendes Gewerbe, DB – Dienstboten, B – Bergbau, U – Unfreie und Strafableistende ag – Agrarhandel, t – Textilhandel, al – Handel allgemein, m – Militär, r – Rentiers, tr – Transportwesen, f – Feldbau, b – Baugewerbe

822 Hier nicht relativ zu den anderen Bevölkerungsgruppen. Jener Berufszweig, in welchem die jeweils größte einzelne Gruppe von Armenischsprachigen dokumentiert ist, wird hier fett gedruckt wiedergegeben.

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

Tabelle 6: Dominante Standeszugehörigkeiten 823 der Armenischsprachigen in den Regionen Adel Don-Kosaken Ekaterinoslav Taurien Cherson Bessarabien Dagestan Kuban Stavropol Terek Schwarzmeer Transkaspi Samarkand Irkutsk Sachalin Astrachan Stadt Moskau Stadt Astrachan Stadt Rostov Stadt Kišinëv Stadt Odessa

Ehren­ bürger

Kauf­ leute X

X X X X X

X

X

X

X

Meščane

Bauern

X X X X X X X X X

X X

X X X

X X

X X

X

X X X X

X X X X X X

X X

X X X X X

Ausländer Geistliche

X X X X

andere

X X X

X

X

X

Xo Xo

X X X

X

o – ohne Standeszugehörigkeit

823 Hier nicht relativ zu den anderen Bevölkerungsgruppen. Jener Stand, in welchem die jeweils größte einzelne Gruppe von Armenischsprachigen dokumentiert ist, wird hier fett gedruckt wiedergegeben.

Die armenische Diaspora

177

3.3.5  Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse Bei der Urbanisierung der einzelnen Bevölkerungsgruppen in den untersuchten Gouvernements/Oblasti weisen die Armenischsprachigen mit 60,77 % eine deutlich stärkere Urbanisierung auf als die Russischsprachigen (30,59 %) und die übrigen Anderssprachigen (13,32 %). In allen Großregionen liegt die Urbanisierungsrate der Armenischsprachigen über jener von Russisch- wie auch übrigen Anderssprachigen 824, am stärksten urbanisiert waren die Armenischsprachigen dabei in Nordrussland (St. Petersburg), gefolgt von Zentralrussland (Moskau), Untere Wolga-Südural (Astrachan) und Polen (Warschau). Am geringsten urbanisiert waren die Armenischsprachigen in Sibirien, weiterhin in Neurussland und Nordkaukasus. In allen Großregionen mit Ausnahme von Nordrussland und Zentralrussland sind die Russischsprachigen stärker urbanisiert als die übrigen Anderssprachigen. Die höhere Urbanisierung der Armenischsprachigen gegenüber den Russischsprachigen und übrigen Anderssprachigen ist besonders deutlich in der Region Untere Wolga-Südural 825, weniger groß ist der Vorsprung in der Urbanisierung der Armenischsprachigen gegenüber den Russischsprachigen in der Großregion Polen 826 und gegenüber den übrigen Anderssprachigen in der Großregion Nordrussland 827. Wenn man nun mithilfe des Gamma-Koeffizienten (γ)828 die Stärke des Zusammenhangs zwischen den Größen „armenische Muttersprache“ einerseits und „Urbanisierung“ andererseits berechnet, so zeigt sich, dass zwischen beiden Merkmalen ein eindeutiger (nämlich stark positiver) statistischer Zusammenhang besteht 829. Das bedeutet, dass das Bevölkerungsmerkmal der armenischen Muttersprache tatsächlich mit dem Grad der Urbanisierung in positiver Weise korrelierte. Kein Zusammenhang hingegen bestand zwischen dem Urbanisierungsgrad der Armenischsprachigen und deren Anteil an der Gesamtbevölkerung, 824 Ausnahmen auf Gouvernementebene sind das Schwarzmeer-Gouvernement, wo die Armenischsprachigen weniger urbanisiert waren als die beiden anderen Bevölkerungsgruppen, und die Oblasti Fergana und Samarkand, wo die Russischsprachigen stärker urbanisiert waren als Armenisch- und übrige Anderssprachige. 825 Urbanisierte Armenischsprachige: urbanisierte Russischsprachige = 7,75 : 1, urbanisierte Armenischsprachige: urbanisierte übrige Anderssprachige = 30,41 : 1. 826 Das Verhältnis urbanisierter Armenischsprachiger zu urbanisierten Russischsprachigen beträgt hier 1,42 : 1. 827 Urbanisierte Armenischsprachige : urbanisierte übrige Anderssprachige = 3,18 : 1. 828 Gamma ist ein Korrelationskoeffizient, der die Stärke des statistischen Zusammenhangs zweier ordinalskalierter Merkmale darstellt. Ergibt γ einen Wert von -1, so spricht man von einem perfekt negativen, ergibt es +1, von einem perfekt positiven Zusammenhang. 829 Insgesamt lebten in den untersuchten Gebieten 56.478 Armenischsprachige in Städten. Im Falle der Unabhängigkeit der Variablen „armenisch“ und „urbanisiert“ ergäbe sich jedoch eine Anzahl von lediglich 18.545 urbanisierten Armenischsprachigen. Demzufolge liegt die tatsächliche Urbanisierung der Armenischsprachigen um 204,55 % über dem statistisch erwarteten Wert. Der Gamma-Koeffizient für die Stärke des Zusammenhangs zwischen den Merkmalen „armenisch“ und „urbanisiert“ beträgt γ = 0,72.

178

Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

während die Russischsprachigen dort stärker urbanisiert waren, wo ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung geringer war.830 Den höchsten Prozentsatz an Lesefähigkeit der über 10-Jährigen erreichen die Armenischsprachigen unter den für diese Untersuchung herangezogenen Großregionen, für welche die entsprechenden Daten verfügbar sind 831, in der Großregion Zentralrussland (ca. 9 Zehntel), gefolgt von der Region Untere Wolga-Südural (mehr als zwei Drittel)832, während in Zentralasien, Neurussland, Sibirien und Nordkaukasus (mit dem niedrigsten Wert) die Prozentsätze knapp unter 50 angesiedelt sind. Fast überall liegt die Lesefähigkeit der über 10-jährigen Armenischsprachigen höher sowohl als jene der Russischsprachigen wie auch als jene der übrigen Anderssprachigen derselben Altersklasse.833 Außer in den Großregionen Untere Wolga-Südural und Zentralrussland waren die Russischsprachigen überall stärker alphabetisiert als die übrigen Anderssprachigen. Besonders groß war der Vorsprung in der Alphabetisierung der Armenischsprachigen gegenüber den Russischsprachigen in Sibirien 834, gegenüber den übrigen Anderssprachigen in Zentralasien. Am kleinsten war dieser Vorsprung gegenüber den Russischsprachigen in Zentralasien 835, gegenüber den übrigen Anderssprachigen in Neurussland 836. Fasst man alle Großregionen, für welche Daten vorhanden sind, zusammen, so liegt die Lesefähigkeit der über 10-jährigen Armenischsprachigen doppelt so hoch wie jene der Russischsprachigen und fast 5 mal über jener der übrigen Anderssprachigen. Auch im Bereich der über die Elementarschule hinausgehenden Bildung waren die Armenischsprachigen im Vergleich zu den anderen Bevölkerungsgruppen auffallend stark vertreten. Außer in Zentralasien zählten die Armenischsprachigen in allen Großregionen zu einem größeren Anteil zu den Personen mit höherer Bildung als Russisch- und übrige 830 Aussagen über diese Zusammenhänge können aufgrund der Datenlage nicht anhand von Koeffizientenberechnungen, sondern lediglich auf Grundlage der grafischen Umwandlung der entsprechenden statistischen Werte getroffen werden. Daher sind genannte Aussagen auch nicht als mathematisch untermauerte Fakten, sondern als Beschreibung von Tendenzen zu verstehen. 831 Dies sind die Großregionen Neurussland, Nordkaukasus, Zentralasien, Sibirien, Untere Wolga-­ Südural und Zentralrussland. 832 Zieht man zu den Daten der Bildung nach Sprache noch die Daten zur Lesefähigkeit nach Religionszugehörigkeit hinzu, so findet man unter den Anhängern der beiden armenischen Kirchen (zusammengenommen) die höchsten Prozentwerte alphabetisierter Personen in den Regionen Stadt St. Petersburg (91,53 %), Stadt Moskau (89,38 %), Stadt Warschau (82,39 %), Gouvernement Kiev (81,20 %), Gouvernement Voronež (70,91 %). 833 Nur im Schwarzmeer-Gouvernement hatten die beiden anderen Bevölkerungsgruppen eine höhere Alphabetisierung als die Armenischsprachigen. 834 Lesefähige Armenischsprachige : lesefähige Russischsprachige = 2,80 : 1. 835 In Zentralasien beträgt das Verhältnis armenischsprachiger Lesefähiger zu russischsprachigen Lesefähigen 1,04 : 1 und jenes der armenischsprachigen zu den übrigen anderssprachigen Lesefähigen 15,24 : 1. 836 Lesefähige Armenischsprachige : lesefähige übrige Anderssprachige = 1,82 : 1.

Die armenische Diaspora

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Anderssprachige. In Moskau verfügten sogar ca. 55 % der Armenischsprachigen über eine höhere Bildung, in Astrachan waren es knapp 15 %, in Rostov 17 %.837 Überregional betrachtet weisen die Anhänger der armenisch-katholischen Kirche einen deutlich höheren Grad an Alphabetisierung auf als die Anhänger der armenisch-apostolischen Kirche.838 In allen Gebieten zusammengenommen besteht eine moderat positive statistische Korrelation zwischen den Variablen armenische Muttersprache und der Lesefähigkeit in einer anderen Sprache als Russisch, mehr als Elementarschulbildung und Lesefähigkeit insgesamt. Alle 3 Bevölkerungsgruppen wiesen dort eine höhere Bildung (d. h. größerer Anteil von alphabetisierten Personen sowie an jenen mit mehr als Elementarschulbildung) auf, wo sie stärker urbanisiert waren. Jedoch waren vor allem Armenisch- und übrige Anderssprachige, in geringerer Ausprägung auch die Russischsprachigen, dort von geringerer Alphabetisierung und Bildung, wo sie einen höheren Anteil an der Gesamtbevölkerung stellten. Wo es also nur kleine Gruppen von Armenischsprachigen gab, hatten diese Gruppen als Ganzes gesehen einen höheren Alphabetisierungs- und Bildungsgrad als dort, wo es verhältnismäßig größere Gruppen Armenischsprachiger gab.839 Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass jene vergleichsweise größeren Gruppen Armenischsprachiger mehr Familien mit (noch nicht lesefähigen) Kindern umfassten, als wo es nur wenige (erwachsene) Armenischsprachige gab. Die Angaben zur Religion der Armenischsprachigen zeigen, dass etwa 96 % der Armenischsprachigen der armenisch-apostolischen Kirche und ca. 2 % der armenisch-katholischen Kirche angehörten. Die meisten Armenisch-Katholischen sind in Polen, der Ukraine und Teilen Neurusslands (Taurien, Bessarabien) dokumentiert, während im Don-Kosaken-­Oblast’, in Teilen Zentralasiens und im Nordkaukasus die Armenischsprachigen fast geschlossen der armenisch-apostolischen Kirche angehörten. Nur etwas über 2 % der Armenischsprachigen hatten also ein anderes Glaubensbekenntnis, waren somit religiös akkulturiert. Dabei finden sich die meisten religiös akkulturierten Armenischsprachigen in Sibirien, der Ukraine, aber auch in Teilen Neurusslands (Ekaterinoslav, Bessarabien). Knapp 92 % der Anhänger beider armenischen Kirchen sprachen Armenisch als Muttersprache. Von den Armenisch-Katholischen aber gab ca. ein Fünftel eine andere Sprache als Armenisch als Muttersprache an, allen voran Polnisch, danach Russisch und Deutsch. Von

837 Zu den Gouvernements Kiev und Voronež sowie zu den Städten St. Petersburg und Warschau, wo die Lesefähigkeit der Anhänger der armenischen Kirchen sehr hohe Prozentsätze erreichte, fehlen Daten zur Bildung der Armenischsprachigen, so auch zur Variable „mehr als Elementarschulbildung“. 838 In allen untersuchten Gebieten zusammengenommen waren 64,15 % der Armenisch-Katholischen lesefähig, aber nur 39,50 % der Armenisch-Apostolischen. 839 Einzige Ausnahme scheint hier die Stadt Rostov zu sein, wo die Armenischsprachigen im Vergleich mit den anderen untersuchten Gebieten (für welche Daten zur Lesefähigkeit vorliegen!) einen relativ hohen Anteil an der Bevölkerung stellten und gleichzeitig eine vergleichsweise recht hohe Lesefähigkeit aufwiesen.

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

den Armenisch-Apostolischen nannten nur etwa 6 % eine andere Sprache als Armenisch ihre Muttersprache, hier dominierte Persisch, gefolgt von Russisch. Die meisten sprachlich akkulturierten Anhänger der armenischen Kirchen lebten in Polen und der Ukraine, in den Großstädten St. Petersburg und Odessa, in Teilen Neurusslands (Bessarabien, Cherson, Ekaterinoslav) und des Nordkaukasus (Terek). Insgesamt war also die sprachliche Akkulturation verbreiteter als die religiöse, wobei jedoch beide – von einzelnen regionalen Ausnahmen abgesehen – als gering zu bezeichnen sind. In allen untersuchten Großregionen mit Ausnahme Sibiriens sind die berufstätigen Armenischsprachigen zu über einem Zehntel im Bereich Handel und Bankwesen beschäftigt. Dabei reichen die Werte von 9,84 % (Sibirien) bis 60,82 % (Zentral-Schwarzerde) und liegen großteils zwischen ca. 20 % und 40 %, womit die Beschäftigung der berufstätigen Armenischsprachigen jene der Russisch- sowie der übrigen Anderssprachigen (als Gesamtgruppe) in dieser Berufsgruppe überall, auch in Sibirien, deutlich übersteigt. Im Vergleich mit dem Rest der Bevölkerung erhöhte Beschäftigungsraten haben die Armenischsprachigen auch in den Erwerbszweigen Dienstleistung (vor allem Zentral-Schwarzerde und Zentralasien) und Rentiers, in Letzterem besonders in der Region Nordrussland (St. Petersburg), gefolgt von Zentralrussland (Moskau) und Untere Wolga-Südural (Astrachan). Auffallend gering ist die Beschäftigung der armenischsprachigen Berufstätigen in den Bereichen Agrarwesen und Militär. Zu über 10 % im Agrarwesen beschäftigt waren Armenischsprachige nur in den Großregionen Neurussland, Nordkaukasus und Sibirien, doch lagen sie auch hier hinter Russisch- und übrigen Anderssprachigen zurück. Eine ansonsten ungewöhnlich hohe Beschäftigung im Militär wiesen die Armenischsprachigen nur in den Großregionen Ukraine und Polen auf. Interessanterweise sind die Armenischsprachigen in jenen Gebieten, wo ihr Hauptbeschäftigungsbereich das verarbeitende Gewerbe darstellt,840 vor allem im Baugewerbe vertreten, wohingegen überregional betrachtet die Lebensmittel- und Textilindustrie unter den im verarbeitenden Gewerbe tätigen Armenischsprachigen dominieren. Untersucht man nun, ob die relative Über- oder Unterrepräsentierung der Armenischsprachigen in den einzelnen Berufszweigen auch statistisch nachweisbar ist, so stellt sich heraus, dass ein starker positiver Zusammenhang besteht zwischen dem Merkmal armenische Muttersprache und der Tätigkeit in Handel/Bankwesen, weiterhin weniger ausgeprägt positive Zusammenhänge mit den Erwerbsbereichen Dienstleistung und Rentiers. (Moderat) negativ hingegen ist die Korrelation zwischen armenischer Muttersprache und der Tätigkeit im Agrarwesen und Militär. Wo die Armenischsprachigen aber verstärkt im Agrarwesen tätig waren, dort hatten sie auch einen höheren Anteil an der Gesamtbevölkerung als anderswo. Umgekehrt findet man dort, wo besonders wenige Armenischsprachige lebten, unter diesen vermehrte Tätigkeit im Bergbau, in den freien Berufen, als Rentiers, in der Verwaltung

840 Das sind die Oblasti Dagestan, Samarkand, das Gouvernement Irkutsk und der Transkapi-Oblast’.

Die armenische Diaspora

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und im Militär. Es wird nicht verwundern, dass die Beschäftigung im Agrarwesen bei allen 3 Bevölkerungsgruppen mit geringer Urbanisierung einhergeht. Ein eindeutig positiver Zusammenhang 841 zwischen der Urbanisierung und den einzelnen Erwerbstätigkeiten der Armenischsprachigen kann nur für die Rentiers festgestellt werden, tendenziell ebenfalls mit höherer Urbanisierung einhergehend war die Tätigkeit der Armenischsprachigen in Handel/Bankwesen, in der Dienstleistung, in der Verwaltung und der Kirche. Interessanterweise ist bei den Russisch- und übrigen Anderssprachigen die Beschäftigung im Bereich Kirche eher mit geringer Urbanisierung verbunden. Berufszweige, die unter den Armenischsprachigen mit einem höheren Grad an Lesefähigkeit einhergingen, waren das verarbeitende Gewerbe, Handel/Bankwesen, Dienstleistungen, die freien Berufe, Rentiers und die Verwaltung. Mit einem geringeren Anteil lesefähiger Armenischsprachiger gehen die Berufszweige Agrarwesen und Dienstboten einher.842 Besonders wenige Personen mit mehr als Elementarschulbildung gab es unter den Armenischsprachigen dort, wo sie vermehrt in den Berufszweigen Agrarwesen, Bergbau und Militär anzutreffen waren. Viele Armenischsprachige mit höherer Bildung hingegen gab es dort, wo sie in Handel/Bankwesen, in den Dienstleistungen, den freien Berufen, unter den Rentiers und in der Verwaltung tätig waren.843 In jenen Großregionen, für welche die entsprechenden Daten vorliegen 844, finden sich die Armenischsprachigen vorwiegend im Stand der meščane (Ausnahmen sind hier Zen­ tralasien und Sibirien). Außer in Sibirien übersteigt daher der Anteil der Armenischsprachigen im Stand der meščane jenen der Russisch- und der übrigen Anderssprachigen. Ebenso liegt der Anteil der Armenischsprachigen in den Ständen der Kaufleute (vor allem Zen­ tralrussland und Untere Wolga-Südural) und der Ehrenbürger in allen Großregionen, für welche Daten vorhanden sind, über jenem der beiden anderen Bevölkerungsgruppen, mit Ausnahme Sibiriens gilt dasselbe für die Stände der Geistlichen und der Ausländer (höchster Wert der Letzteren im Nordkaukasus, gefolgt von Neurussland). Eine besonders niedrige 841 Nicht im Sinne einer statistisch nachweisbaren Korrelation, sondern im Sinne einer räumlichen Koinzidenz! Siehe dazu die Ausführungen weiter oben in den Fußnoten zur Urbanisierung. 842 Auch bei den Russisch- und übrigen Anderssprachigen ging eine hohe Beschäftigung im Agrarwesen mit geringer Lesefähigkeit einher, allerdings besteht bei den russischsprachigen Dienstboten keine erkennbare (negative oder positive) Koinzidenz mit der Lesefähigkeit und für die übrigen anderssprachigen Dienstboten zeigt sich sogar eine höhere Lesefähigkeit bei vermehrter Beschäftigung als Dienstboten. Im Bereich der Kirche stellt sich das Bild anders dar: Im Falle der Armenischsprachigen kann kein eindeutiges Zusammenfallen von Alphabetisierung oder Nichtalphabetisierung und Tätigkeit in der Kirche konstatiert werden; bei den Russischsprachigen hingegen ist die Lesefähigkeit bei hoher Beschäftigung in der Kirche gering, während sie bei den übrigen Anderssprachigen hoch ist. 843 Von geringerer Bildung waren unter den Russischsprachigen offenbar jene, die im Agrarwesen, im Bergbau und in der Kirche beschäftigt waren, unter den übrigen Anderssprachigen nur jene im Agrarwesen. 844 Das sind Neurussland, Nordkaukasus, Zentralasien, Sibirien, Untere Wolga-Südural und Zentralrussland.

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

Zugehörigkeit der Armenischsprachigen besteht zu den Ständen der Kosaken 845 und i­ norodcy, gefolgt vom Bauernstand. Eine Zugehörigkeit zum Bauernstand Armenischsprachiger von über 10 % findet sich nur in jenen Großregionen, wo auch ihre Beschäftigung im Agrarwesen die 10 % übersteigt (Neurussland, Nordkaukasus, Sibirien). Ausnahme bildet die Großregion Zentralasien. Dort ist die Zugehörigkeit der Armenischsprachigen zum Bauernstand mit über 50 % am höchsten, ihre Beschäftigung im Agrarwesen beträgt jedoch lediglich 1,41 %.846 Überhaupt waren die Armenischsprachigen nur in jenen Gebieten stärker im Stand der Bauern als in anderen Ständen vertreten, wo die Bevölkerungsmehrheit den inorodcy zugerechnet wurde (dies betraf die zentralasiatischen Oblasti Samarkand und Transkaspien) oder wo die Russischsprachigen nicht Bauern, sondern vornehmlich Kosaken waren (so im Don-Kosaken-Oblast’ und dem Oblast’ Kuban). Ein stark positiver Zusammenhang nach Gamma besteht zwischen armenischer Muttersprache und der Zugehörigkeit zu den Ständen der Kaufleute und Ausländer, moderat positiv die Zugehörigkeit zu den Geistlichen, Ehrenbürgern und meščane. Eindeutig negativ hingegen ist die Korrelation bei Kosaken und inorodcy, etwas schwächer ausgeprägt bei den Bauern. Wo der Anteil der Armenischsprachigen an der Gesamtbevölkerung vergleichsweise hoch war, war ihre Zugehörigkeit zu den Ständen des Adels und der Geistlichen gering. Für den Adel gilt selbiges auch im Falle der Russisch- und übrigen Anderssprachigen 847. Bis auf Bauern, Kosaken und eventuell Ausländer lebten bei allen 3 Bevölkerungsgruppen die Vertreter aller Stände eher in den Städten als auf dem Land. Analog zur Urbanisierung geht die Zugehörigkeit der Armenischsprachigen zu allen Ständen außer Bauern, Ausländern und Kosaken mit Lesefähigkeit und mehr als Elementarschulbildung einher 848. Die Armenischsprachigen waren dort in großer Zahl dem Adel angehörig, wo sie auch im verarbeitenden Gewerbe,849 in der Dienstleistung, den freien Berufen, als Rentiers und in der Verwaltung, eventuell auch unter den Dienstboten und in der Kirche stark vertreten waren. Ehrenbürger finden sich vor allem dort, wo auch die Beschäftigung im Handel, unter Umständen auch im verarbeitenden Gewerbe, den Dienstleistungen, als Rentiers und in der Verwaltung hoch ist. Die Zugehörigkeit zum geistlichen Stand koinzidiert mit der Tätigkeit in den freien Berufen, als Rentiers, in der Verwaltung 845 Armenischsprachige Kosaken gab es fast ausschließlich im Oblast’ Kuban. Möglicherweise handelte es sich bei diesen um Čerkesogai (sprachlich und kulturell – nicht aber religiös – an die Tscherkessen assimilierte Armenier), die den Kosaken rechtlich gleichgestellt waren. 846 Nationalitäten B, 342. 847 Während außerdem die Russischsprachigen dort, wo sie einen hohen Anteil an der Bevölkerung stellten, auch in nur geringer Zahl den Ehrenbürgern und Geistlichen angehörten; bei den übrigen Anderssprachigen ist geringe Zugehörigkeit zum Kaufleutestand bei hohem Bevölkerungsanteil gegeben. 848 Übrige anderssprachige Ausländer hingegen waren scheinbar vermehrt lesefähig. Die russisch- und übrigen anderssprachigen Geistlichen scheinen über eine geringere Lesefähigkeit und Bildung verfügt zu haben als die armenischsprachigen Geistlichen. 849 Dort, wo nicht mehr als 5 % der armenischsprachigen Bevölkerung dem Adelsstand angehörten.

Die armenische Diaspora

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und der Kirche. Kaufleute finden sich wenig überraschend dort, wo Handel getrieben wird, des Weiteren aber auch bei verbreiteter Tätigkeit als Rentiers, in der Verwaltung, vielleicht auch im verarbeitenden Gewerbe und in der Kirche. Bei den meščane gibt es nur schwache positive Koinzidenzen zur Tätigkeit im Handel, in der Kirche, als Rentiers und in der Verwaltung. Die wenigen armenischsprachigen Kosaken finden sich vorwiegend dort, wo die Armenischsprachigen im Handel tätig waren; für Bauern und Ausländer gibt es keine positiven Koinzidenzen mit bestimmten Erwerbszweigen. Eine genaue Bestimmung der sozialen Stratifikation der armenischen Diaspora im Russländischen Reich anhand des vorliegenden Quellenmaterials ist leider nicht möglich. Zu bedenken wären diesbezüglich lediglich einige allgemeine Umstände im Zusammenhang mit beruflicher Tätigkeit, Standeszugehörigkeit und sozialer Position. So galten grob gesprochen einige der unter der armenischen Diaspora recht weit verbreiteten Tätigkeiten wie das Transportgewebe (ca. 3,29 % der berufstätigen armenischen Diaspora),850 die Verarbeitung von Lebensmitteln (3,38 %) und das Textilwesen (5,61 %) als Berufe mit eher geringem sozialem Ansehen. Andererseits standen die von eigenem Einkommen lebenden Rentiers (6,38 %) und die in der staatlichen Verwaltung Tätigen (1,16 %) in der Regel am oberen Ende der sozialen Leiter.851 Die Tätigkeit im Handel und Geldwesen (28,07 %) besaß in der russländischen Gesellschaft ein traditionell eher niedriges soziales Ansehen, was freilich nicht ausschloss, dass manche (Groß-)Kaufleute der oberen Gilde zu großem Reichtum und damit verbunden gewissem gesellschaftlichem Ansehen gelangen konnten, was für die Zeit der Industrialisierung und Kapitalisierung des späten 19. Jahrhunderts noch mehr zu gelten haben wird als für frühere Epochen. Zur Gruppe der Großhändler können im Allgemeinen jene Händler gezählt werden, welche in der Volkszählung als im Handel mit „verschiedenen Waren“ (dies wären reichsweit maximal 6,44 % der berufstätigen armenischen Diaspora),852 mit Baumaterialien und Brennholz (max. 0,77 %), im Getreidehandel und im Viehhandel (gemeinsam max. 10,72 %) registriert wurden.853 Allerdings gab es innerhalb dieser Gruppe von Großhändlern (ethnisch übergreifend gesprochen) wichtige soziale Unterschiede; im Handel mit „verschiedenen Waren“ waren mehr Kaufleute (inklusive Ehrenbürger) als Angehörige des Bauernstandes beschäftigt, während im Handel mit Baumaterialien, Brennholz, Getreide und Vieh ganz überwiegend Bauern vertreten waren.854

850 Hier und im Folgenden siehe Tabelle 2. 851 S. Herlihy, Patricia: The Ethnic Composition of the City of Odessa in the Nineteenth Century. In: Harvard Ukrainian Studies 1/1 (1977), 53 – 78, hier 62. 852 Hier und im Folgenden s. Tabelle 2. 853 Juchnëva, Mnogonacional’naja stolica, 39. 854 Diese Ausführungen in Juchnëva, Mnogonacional’naja stolica, 39 beziehen sich dort zwar auf St. Petersburg, können meiner Meinung nach aber ohne große Einschränkungen auch auf andere Regionen des Reiches umgelegt werden.

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Händler und Kolonisten: Armenier im Russländischen Reich

Das meščanstvo, dem (mit 46,99 %) etwa die Hälfte der armenischen Diaspora des Reiches angehörte, galt gemeinhin als „das Armenhaus der Bürgergemeinden“.855 Innerhalb der Kaufmannschaft (4,16 %) müsste zwischen den Angehörigen der verschiedenen Gilden unterschieden werden, was aber in der Volkszählung von 1897 nicht erfolgte. Insgesamt wird aber die Mehrheit der Kaufleute eine höhere soziale Position genossen und über mehr materielle Mittel verfügt haben als die Mehrheit der meščane. Praktisch unmöglich sind Aussagen über die soziale Lage der Ausländer (15,37 %), während die Bauern (27,38 %) die Grundschicht der Bevölkerung des Reiches bildeten und die Ehrenbürger (1,91 %) bereits zur oberen sozialen Bevölkerungsschicht zu zählen sind. All diese Aussagen gelten jedoch nur mit großem Vorbehalt, was sich aus den Eigenarten der Volkszählung ergibt, wie sie weiter oben erläutert wurden. Dabei gilt es freilich, die regionalen Unterschiede zu beachten, welche sich naturgemäß zwischen den einzelnen, geografisch teils weit voneinander entfernten und in verschiedenen historischen Epochen entstandenen armenischen Populationen zeigten. 1. In den am Wolgahandelsweg gelegenen Gouvernement Saratov (Stadt Caricyn 856), im Gouvernement Voronež am Don (Stadt Voronež 857) und in Rostov am Don tritt die armenische Diaspora vor allem als Händlergruppe in Erscheinung. Am stärksten überwog die Handelstätigkeit in den zahlenmäßig kleinen armenischen Gemeinden in den Städten der stark agrarisch und ländlich geprägten Gouvernements Saratov und Voronež (in Voronež dominierte Textilhandel, in Saratov Agrarhandel). Daneben waren die Armenier dort auch im Gastgewerbe und in der Verarbeitung von Lebensmitteln tätig, in Voronež zudem im Militär, in dem dort die Armenier sogar zu einem höheren relativen Anteil vertreten waren als die Russen. Es handelte sich hier also in erster Linie (!) um recht kleine Gemeinschaften armenischer Händler, die sich strategisch günstig entlang der Transportrouten der Region (über die Flüsse Wolga, Don und Voronež) niedergelassen hatten oder sich gegebenenfalls auf bestimmte Zeit zu wirtschaftlichen Zwecken dort aufhielten. Ähnlich dominant wie in den Gouvernements Saratov und Voronež war der Handel unter den Armenischsprachigen in der Stadt Rostov, wo sich die zweitgrößte armenische Gemeinde (nach Astrachan) befand. Nach dem Handel (Agrarhandel) waren die verbreitetsten Berufssparten der Armenier das Gastgewerbe und die Textilindustrie. Der Großteil der armenischen Gemeinde Rostovs zählte zu den meščane, sehr viele Armenischsprachige waren Ausländer, aber auch Ehrenbürger und Kaufleute. Recht hoch jedenfalls war der Grad der Alphabetisierung und der über die Elementarschulbildung hinausgehenden Bildung der Armenischsprachigen in Rostov.

855 Hildermeier, Manfred: Bürgertum und Stadt in Russland 1760 – 1870. Rechtliche Lage und soziale Struktur. Köln-Wien 1986, 440. 856 In Caricyn lebte die größte Gruppe Armenischsprachiger im Gouvernement Saratov. 857 In der Stadt Voronež lebte die größte Gruppe Armenischsprachiger im Gouvernement Voronež.

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2. In den großen Städten mit langer armenischer Siedlungsgeschichte Moskau, Astrachan und St. Petersburg findet man unter den Armenischsprachigen nicht nur eine breite Händlerschicht, sondern auch große Gruppen von Angehörigen der Intelligenz, des Adels und der Bürokratie. So waren die Gruppen der armenischen Diaspora in diesen Städten stark im Handel, aber auch unter den Rentiers, im kirchlichen Bereich, in den freien Berufen, der Verwaltung und unter den Unterstützungsempfängern (dies umfasst sowohl Schüler und Studenten, die Stipendien erhielten, als auch Hilfsbedürftige, Waisen usw.) vertreten 858. Während in Moskau und Astrachan die je größte Gruppe berufstätiger Armenischsprachiger auf den Handel entfiel, standen in St. Petersburg die Rentiers an erster Stelle. In allen 3 Städten gehörten die Armenischsprachigen insbesondere den Ständen der meščane, Kaufleute, Ehrenbürger, des persönlichen und erblichen Adels und der Geistlichkeit an.859 Man wird also behaupten können, dass in diesen Metropolen ein bedeutender Teil der sozialen, kulturellen und politischen Elite der armenischen Diaspora des Russländischen Reiches vertreten war, wobei besonders die Hauptstadt des Imperiums (gefolgt von Moskau) ein Anziehungspunkt für armenische Studenten, Wissenschaftler, Künstler und Beamte war. 3. Mit einigen Einschränkungen (wie einer im Vergleich zu den oben genannten Regionen erhöhten Tätigkeit in der Landwirtschaft, besonders im Gouvernement Stavropol, einerseits und einem höheren Anteil an Ausländern, besonders im Oblast’ Kuban 860, andererseits) gelten die oben beschriebenen Charakteristika auch für die Großregion Nordkaukasus außerhalb des Schwarzmeer-Gouvernements. Mit Ausnahme des letzteren Gebiets waren die Armenier des Nordkaukasus stärker urbanisiert und in der Regel auch alphabetisiert als Russen und Anderssprachige. Überall waren die Armenischsprachigen vor allem im Handel tätig, aber auch im Textilgewerbe, dem Gastgewerbe und Transportwesen. Die Mehrheit der Armenischsprachigen stellten fast überall die meščane, eine mit den anderen Bevölkerungsgruppen verglichen sehr starke Präsenz hatten die Armenischsprachigen auch unter den Kaufleuten, den Ehrenbürgern, dem Adel und den Geistlichen. Auffallend ist der hohe Anteil von Armeniern im Militär und in der Verwaltung in Dagestan 861 und insbesondere im Oblast’ Kuban. Es lassen sich also auch in den meisten Gebieten des Nordkaukasus recht typische diasporische Merkmale der armenischen Minderheit feststellen, die hier in einer ganz überwiegend agrarischen Gesellschaft bestimmte sozioökonomische Nischen besetzt und vor allem im Handel, aber auch im Textilwesen, dem Gastgewerbe und Transportwesen und regionsweise zudem in Verwaltung und Militär Funktionen übernommen hatte,

858 In Astrachan’ außerdem im verarbeitenden Gewerbe und unter den Dienstboten, in Moskau und St. Petersburg weiters im Bergbau und in St. Petersburg auch im Militär. 859 Dies bezieht sich auf Astrachan’ und Moskau; für St. Petersburg liegen leider keine Angaben zur Standeszugehörigkeit der Armenischsprachigen vor. 860 In den Nordkaukasus flohen zu den Zeiten ethnischer Unruhen im Osmanischen Reich viele Armenier – während der Massaker in den 1890er Jahren vornehmlich in den Oblast’ Kuban. 861 In Dagestan gab es gleichzeitig viele armenischsprachige Rentiers, aber auch Strafgefangene.

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die vom Großteil der ländlichen und kaum mobilisierten Bevölkerung nicht vollbracht wurden oder werden konnten. Ähnlich heterogen wie im Nordkaukasus verhielt sich die Situation in Neurussland. In einigen Gebieten 862 gab es sonst ungewöhnlich viele Armenier im Bauernstand und in der Landwirtschaft.863 Zwar waren die Armenischsprachigen überall mehr oder weniger stark im Handel vertreten, dominierend war dieses Tätigkeitsfeld aber nur in einigen Gouvernements (Ekaterinoslav und Taurien), während andernorts das Agrarwesen (Don-Kosaken-Oblast’), Dienstleistungen (Cherson) und sogar die Dienstbotenschaft (Bessarabien)864 an erster Stelle standen. Zwar wiesen in Neurussland die Armenischsprachigen eine geringere Urbanisierung und Alphabetisierung/Bildung auf als in einigen anderen Regionen, in beidem lagen sie aber immer noch (meist deutlich) über den Russisch- und übrigen Anderssprachigen. Eine spezielle Situation begegnet uns in der bessarabischen Hauptstadt Kišinëv. Hier überwogen die Elemente des Adels, der Intelligenz sowie der zivilen und militärischen Staatsführung über den Handel. Ein ausgesprochen großer Teil der Armenischsprachigen in dieser Stadt lebte als Rentiers, weiter von Dienstleistungen (Körperpflege und Hygiene), freien Berufen (ärztliche und pflegerische Tätigkeit), Verwaltung und Kirche; auch im Militär finden sich hier recht viele Armenischsprachige. Hingegen waren die Armenier in Kišinëv im Handel kaum vertreten. Trotzdem waren sie im Kaufleutestand überrepräsentiert, so auch unter den Adelsständen und insbesondere den Geistlichen (Kišinëv war seit 1879 wieder Sitz des armenisch-apostolischen Erzbischofs der Diözese Nachičevan-Bessarabien); zudem waren viele Armenischsprachige in Kišinëv ausländische Staatsangehörige. In Kišinëv bietet sich also das Bild einer breiten sozialen, politischen und geistlichen armenischen Elite, die zum Teil an der administrativen und militärischen Staatsführung in der Region teilgenommen zu haben scheint, während die armenische Mittelschicht (was überregional betrachtet für die armenische Diaspora untypisch ist) weniger im Handel als im Dienstleistungsbereich tätig war. Auffällig ist in ganz Neurussland ein hoher Anteil von Ausländern unter den Armenischsprachigen. Das gilt auch für die Stadt Odessa, wo ein Drittel der Armenier, die hier nicht im Handel, sondern in den Dienstleistungen (Transportwesen, Körperpflege und Hygiene) tätig waren, ausländische Staatsbürger waren. Dies legt die Vermutung nahe, dass in die Gebiete Neurusslands (vor allem Taurien und Cherson) sowie in Teile des Nordkaukasus (Schwarzmeergouvernement und Oblast’ Kuban), die alle am Schwarzen Meer gelegen sind und dadurch von Kleinasien aus über den Wasserweg relativ einfach zu erreichen sind, in den letzten Jahren und Jahrzehnten vor Durchführung der Allgemeinen Volkszählung eine größere Zahl von armenischen Immigranten bzw. Flüchtlingen vor allem aus dem Osmanischen Reich zogen. 862 Vor allem im Don-Kosaken-Oblast’ und im Gouvernement Ekaterinsoslav. 863 So im Don-Kosaken-Oblast’, in Taurien und Bessarabien. 864 Diese waren wahrscheinlich zu einem guten Teil bei der verhältnismäßig hohen Zahl an armenischen Adeligen in Bessarabien angestellt.

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4. Die Ukraine und Polen stellen in gewisser Hinsicht Sonderfälle dar. Beides Gebiete mit einer bereits sehr alten armenischen Siedlungsgeschichte, lebte zur Zeit der Volkszählung besonders in den Gouvernements Warschau und Kiev nur eine sehr kleine Zahl Armenischsprachiger. Zudem waren die Armenier in Polen und der Ukraine religiös und sprachlich recht stark akkulturiert (wobei das Polnische und Russische über das Ukrainische dominierten), was auf die verbreiteten Assimilationsprozesse der seit jeher kleinen und verstreuten armenischen Gemeinden dieser Regionen und auf die im 17. Jahrhundert einsetzende Polonisierungspolitik zurückzuführen ist, welche zudem zu einer starken Auswanderung der Armenier führte. Als Folge dieser Prozesse ist eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Regionen die hohe Zahl von Armenisch-Katholischen gegenüber den Armenisch-Apostolischen, wie sie ansonsten im Russländischen Reich nicht zu beobachten war. Wie auch in anderen Regionen des Reiches wiesen die Armenischsprachigen Polens und der Ukraine eine im Vergleich zu den anderen Bevölkerungsgruppen hohe Alphabetisierung und (besonders) Urbanisierung auf. Auffallend ist hier der hohe relative Anteil der Armenischsprachigen im Militär (vor Polen und Ukrainern). Dabei waren die Armenischsprachigen in der Ukraine sogar zu einem höheren relativen Anteil im Militär vertreten als die Russischsprachigen; Gleiches gilt für die Verwaltung. In der Ukraine war sogar die Mehrheit der Armenischsprachigen im Militär tätig, während in Polen der Handel dominierte. 5. Am wenigsten dem „klassischen“ Bild einer middleman minority entsprechen die in der Volkszählung dokumentierten sozioökonomischen Merkmale der Armenier in Zentralasien (hinsichtlich Bildung und Standeszugehörigkeit), Sibirien (berufliche Struktur und Standeszugehörigkeit) und im nordkaukasischen Schwarzmeer-Gouvernement (hinsichtlich Urbanisierung, Bildung und beruflicher Struktur). Im Falle Sibiriens lässt sich dieser Umstand recht einfach damit erklären, dass hier davon ausgegangen werden kann, dass die große Mehrheit der örtlichen Armenier aus (teils ehemaligen) Strafgefangenen, Zwangsarbeitern und Verbannten bestand. Im Falle Zentralasiens und des Schwarzmeer-Gouvernements gilt es zu bedenken, dass dies Regionen darstellen, die erst in den letzten zwei bis 3 Jahrzehnten vor der Durchführung der Volkszählung kolonialisiert und von Nichteinheimischen in größerer Zahl besiedelt wurden. Die armenischen Siedler Zentralasiens immigrierten direkt aus den Gebieten Ost- und Westarmeniens, deren soziale und wirtschaftliche Struktur in manchem entscheidend von den „alten“ armenischen Diasporasiedlungen des Reiches abwich. In den Oblasti Samarkand und Fergana, wo die Armenischsprachigen nur gering urbanisiert waren, befand sich zudem mit großer Wahrscheinlichkeit die Mehrheit der Armenier zeitlich begrenzt als (Kontrakt-)Arbeiter im Zuge des Eisenbahnbaus und anderer Bauunternehmungen. Unter den Armeniern im Schwarzmeer-Gouvernement befand sich schließlich eine große Zahl von Immigranten und Flüchtlingen aus dem Osmanischen Reich, die in den 1870er Jahren und erneut in der Zeit der groß angelegten Massaker an der armenischen Bevölkerung in den 1890er Jahren ins Russländische Reich flohen.

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Entsprechen nun die ausgewerteten Ergebnisse der russländischen Volkszählung von 1897 jenen soziodemografischen Charakteristika, die man von einer idealtypischen mobilen Diaspora oder middleman minority, wie sie im ersten Teil dieser Arbeit beschrieben wurde, erwarten würde? Zunächst muss dabei festgehalten werden, dass es sich der Natur der Quellenlage gemäß bei den hier zusammengetragenen Daten um eine Momentaufnahme handelt. Es können also allein aufgrund dieses statistischen Materials keine Aussagen über zeitliche Entwicklungen getroffen werden, sondern man muss sich an dieser Stelle darauf beschränken, nach sozusagen „statischen“ Charakteristika einer Population zu suchen. Weiters kommt hinzu, dass aufgrund der Besonderheiten des Quellenmaterials nicht alle Aspekte oder Charakteristika einer idealtypischen middleman minority untersucht werden können. So kann man auf Grundlage der Volkszählungsergebnisse zum Beispiel den Fragen der Endogamie, der inneren Solidarität der Diasporagruppe, ihrer „Doppelmoral“, ihrer sakralen Mythen, der Art und des Ausmaßes ihrer Kontakte zu Vertretern der Mehrheitsgesellschaft wie zu jenen der eigenen Ethnie in anderen Ländern, der Organisation ihrer Gemeinschaft u. v. m. nicht nachgehen. Und selbst der Aussagewert jener Parameter, die im Rahmen der Ersten Allgemeinen Volkszählung des Russländischen Reiches erhoben wurden, ist in mancher Hinsicht begrenzt, wie bereits dargelegt wurde. Vor allem die fehlende Möglichkeit einer sozialen Differenzierung anhand der Daten zur Berufstätigkeit, aber auch jenen zur Standeszugehörigkeit,865 stellt ein wesentliches Hindernis in dem Bestreben dar, die These der Rolle der armenischen Diaspora als einer middleman minority im Russländischen Reich zu verifizieren oder zu falsifizieren. Trotz all dieser Einschränkungen soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, das gegebene Material im Hinblick auf diese These zu untersuchen: 1. Als erstes jener Merkmale einer middleman minority, die auf Grundlage der Volkszählungsdaten behandelt werden können, sei deren verstärkte Tätigkeit in Handel und Finanzwesen genannt. Hier hat sich, wie bereits weiter oben dargestellt, gezeigt, dass die Armenischsprachigen in den untersuchten Gebieten tatsächlich überproportional vor allem im Handel vertreten waren. Nicht nur dass ihre Beschäftigungsraten in diesem Gewerbe jene der Russisch- und übrigen Anderssprachigen überall deutlich überstiegen, der Zusammenhang zwischen armenischer Diaspora (hier über den Parameter armenische Muttersprache) und Handelstätigkeit lässt sich auch mathematisch nachweisen. Ihre Tätigkeit im Handel (und Bankwesen) war dabei tendenziell einhergehend mit dem Leben in Städten und höherer Alphabetisierung und Bildung. Zahlenmäßig am stärksten vertreten waren die Armenischsprachigen im Agrarhandel, gefolgt vom Textilhandel und sonstigen Handel.

865 Die Stände im Russländischen Reich waren, wie bereits beschrieben, keine Herrschaftsstände wie in West- und Mitteleuropa und geben auch nicht zwangsläufig Auskunft über die ökonomische Lage der ihr Angehörenden. S. Schmidt, 377 – 429.

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Als zweites Indiz für eine verstärkte Tätigkeit in kommerziellen Berufen dient die Zugehörigkeit der Armenier zum Kaufleutestand, die ebenfalls überall höher ist, als es bei den Russisch- und übrigen Anderssprachigen der Fall war. Auch hier lässt sich der Zusammenhang zwischen armenischer Muttersprache und Standeszugehörigkeit statistisch eindeutig nachweisen. Ebenso wie die berufliche Tätigkeit in Handel und Bankwesen koinzidiert auch die Zugehörigkeit zum Kaufleutestand mit Urbanisierung und höherer Alphabetisierung und Bildung. Die armenischsprachigen Kaufleute scheinen jedoch nicht nur im Handel, sondern auch unter den Rentiers, in der Verwaltung 866, im verarbeitenden Gewerbe und im kirchlichen Bereich zu finden gewesen sein. Auf der anderen Seite dürfte auch eine nicht unwesentliche Zahl der armenischsprachigen Ehrenbürger und Kosaken sowie eventuell auch der meščane in kommerziellen Berufen tätig gewesen sein (allerdings wurde erst 1898 den meščane der Zugang zu bisher den Kaufleuten vorbehaltenen Tätigkeiten wie dem Handel en gros offiziell gestattet).867 2. Als ein weiteres Kriterium einer middleman minority gilt, wie gezeigt wurde, deren kommerzieller Erfolg bei gleichzeitig geringer politischer Macht und ihrer Abhängigkeit von den politischen Eliten bzw. dem Herrscher. Da im Russländischen Reich jener Zeit – in dem es weder offizielle politische Parteien noch ein Parlament gab – die einzige Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Politik die Beamtenlaufbahn darstellte,868 wäre hier zunächst das Ausmaß der beruflichen Tätigkeit der Armenischsprachigen in der Verwaltung zu untersuchen. Hier zeigt sich, dass räumlich übergreifend betrachtet die Armenischsprachigen in geringerem Maß im Verwaltungsbereich tätig waren als die Russischsprachigen, wenn auch in höherem Maß als die übrigen Anderssprachigen (als Gesamtgruppe) – hier muss jedoch beachtet werden, dass zur Zeit der Volkszählung aufgrund der damals herrschenden antiarmenischen Politik die Zahl der im Staatsdienst tätigen Armenier unter Umständen niedriger lag, als es einige Jahre zuvor oder danach der Fall war. So war auf Initiative des kaukasischen Hauptchefs der Zivilverwaltung Golicyn die Zahl der Armenier im Staatsdienst reduziert worden. Regionale Ausnahmen bilden vor allem die Ukraine und Nordrussland, aber auch Zentralrussland und einzelne Gouvernements, wo die Armenischsprachigen stärker in der Verwaltung vertreten waren als die Russischsprachigen.869 Da die oberen Ränge der Beamtenschaft dem Adel vorbehalten waren, gilt es in zweiter Linie auch, die Vertretung der Armenier in den beiden Adelsständen zu untersuchen. Allerdings waren

866 Da Kaufleuten der Eintritt in die Beamtenschaft untersagt war, könnte es sich hierbei nur um in der Verwaltung tätige nicht beamtete Personen handeln und/oder um Kaufleute, die innerhalb der ständischen Institutionen Verwaltungsaufgaben nachgingen. 867 Schmidt, 386. 868 Vgl. ebd., 382. 869 Astrachan’ im unteren Wolgagebiet, Ekaterinoslav in Neurussland, Irkutsk in Sibirien, Kuban und Stavropol im Nordkaukasus.

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freilich nicht alle Adeligen im Staatsdienst tätig 870 und darüber hinaus hat wohl auch die dokumentierte Anzahl armenischsprachiger Adeliger aufgrund einiger Besonderheiten der Datenerhebung als überhöht zu gelten.871 Trotzdem gehörte in den untersuchten Gebieten zusammengenommen ein geringerer Teil der Armenischsprachigen dem Adel an, als es bei den Russischsprachigen der Fall war, jedoch ein höherer Teil als bei den übrigen Anderssprachigen – es wiederholt sich hier also das Bild, das schon im Zusammenhang mit der Tätigkeit in der Verwaltung zu erkennen war. In den meisten der Gebiete, in welchen die Armenischsprachigen zu einem höheren relativen Anteil in der Verwaltung tätig waren als die Russischsprachigen, hatten sie auch einen höheren relativen Anteil an den erblichen und persönlichen Adeligen als die Russisch- und übrigen Anderssprachigen. Den Kaufleuten, persönlichen Ehrenbürgern, meščane und Bauern war der Eintritt in die Beamtenschaft untersagt. Damit ergibt sich, dass etwa 78,50 % bis 80,50 % der Armenischsprachigen der Zugang zu staatlichen Ämtern versperrt war.872 Die vergleichsweise hohe Anzahl von Ehrenbürgern unter den Armenischsprachigen speist sich im Falle der erblichen Ehrenbürger aus „Nichtadeligen, die nicht im Staatsdienst standen, aber aufgrund ihrer Bildung gewisse Rechte und Privilegien erreicht hatten“,873 sowie aus „in Ehren ergrauten Kaufleuten“874 und Nachkommen armenisch-apostolischer Priester. Die persönlichen Ehrenbürger hingegen rekrutierten sich u. a. aus den Kreisen der Nachkommen armenisch-apostolischer Kirchendiener, Absolventen bestimmter Hochschulen, Soldaten und Künstler. Der persönliche Ehrenbürger war im Wesentlichen ein Produkt der Industrialisierung und trug – im Gegensatz zum großbürgerlichen erblichen Ehrenbürger – noch Züge der meščanstvo.875 Da die Daten der Volkszählung aber nicht zwischen erblichen und persönlichen Ehrenbürgern unterscheiden, ist es nicht möglich, zu entscheiden, wie viele der armenischsprachigen Ehrenbürger zum Staatsdienst berechtigt waren oder diesen gar betrieben. Die Frage nach der mangelnden politischen Macht bei kommerziellem Erfolg kann also nicht eindeutig beantwortet werden. Regional übergreifend betrachtet scheint es so gewesen zu sein, dass die armenische Diaspora in geringerem Maß an politischen bzw. adminis­ trativen Prozessen beteiligt war als die russische Mehrheitsbevölkerung, gleichzeitig dürfte sie aber potenter gewesen sein als die Mehrzahl der übrigen Nichtrussen. Darüber hinaus 870 Der Aufstieg im Rahmen der von Peter I. 1722 eingeführten Rangtabelle löste sich im Laufe der Geschichte dieser Institution, besonders bei den Zivilrängen, von der tatsächlichen Dienststellung. So wurde die Beförderung zu höheren Rängen und damit auch der Erwerb des Adels nicht selten als Auszeichnung für besondere Leistungen verliehen. Ein bestimmter Dienstrang blieb nur für die leitenden Positionen Voraussetzung. Amburger, 55. 871 S. Schmidt, 396 f. 872 Bei den Russischsprachigen waren es 71 % bis 71,75 %, bei den übrigen Anderssprachigen 78,70 % bis 79 %. 873 Schmidt, 389. 874 Ebd., 401. 875 Ebd., 402.

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gab es einige Regionen, in welchen die Armenischsprachigen in Adel und Verwaltung sogar stärker präsent waren als die Russischsprachigen (gemessen an dem jeweiligen Anteil an der Gesamtbevölkerung der beiden Gruppen). Allerdings drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, inwieweit eine (Beamten-)Tätigkeit im Staatsdienst in einem autokratischen Herrschaftssystem überhaupt Ausdruck von Macht sein kann. So kann man auch argumentieren, dass der Souverän Vertreter der armenischen Diaspora gezielt in jenen Bereichen einsetzen ließ, in welchen deren spezielle Fähigkeiten ihm zugutekommen mussten 876 – wie zum Beispiel in den südlichen Grenzgebieten des Reiches, wo sie nicht nur kommerzielle, sondern eben auch staatliche und militärische Positionen übernahmen, welche sich mit den orientalischen Untertanen des Reiches beschäftigten, wie etwa Armstrong schreibt.877 Die Besonderheiten der vorrevolutionären russländischen Verhältnisse in Betracht ziehend, kann wohl nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass Beamtentum (bzw. Berufstätigkeit in der Verwaltung bzw. Zugehörigkeit zu den Adelsständen) gleichzusetzen ist mit politischer Macht, welche letztlich dem autokratischen Herrscher allein zukam. Unter diesem Gesichtspunkt lässt sich also die in manchen Regionen des Reiches gegebene vergleichsweise starke Präsenz von Vertretern der armenischen Diaspora in Verwaltung und Adel durchaus auch als der einheimischen Führung dienliche „Nutzung“ einer middleman minority interpretieren, welche in eine reziproke Austauschbeziehung zur Elite der Mehrheitsgesellschaft getreten ist – was jedoch den Aufstieg Einzelner in regierende oder regierungsnahe Kreise nicht ausschließt.878 Unsere Primärquelle in Betracht ziehend, kann man also schlussfolgern, dass die armenische Diaspora im Russländischen Reich des Jahres 1897 (also während der Hochzeit staatlicher antiarmenischer Politik!) zwar in der Regel keine politisch herrschenden Positionen besetzte, sich aber – vor allem in bestimmten Regionen – nichtsdestoweniger an der Administration des Staates beteiligte und über eine (sozioökonomische und politische) Führungsschicht verfügte, die einer vollständigen Gesellschaft mit Ober- und Unterschichten und diversifizierter Berufsstruktur – wenn auch mit Schwerpunkt auf dem Handel – vorstand. Tätigkeiten wie Funktionen der armenischen Diaspora beschränkten sich also nicht auf den Handel allein, sondern trugen auch in anderen Formen zum gesellschaftlichen Leben im Russländischen Reich bei. 876 So schreibt z. B. auch Kappeler in Bezug auf die Deutschen und Deutschbalten in der Beamtenschaft: „Nicht die Deutschen regierten den russischen Staat, sondern dieser benutzte die Deutschen, die auf die Gnade des Herrschers angewiesen waren, als Instrumente für seine Ziele.“ Kappeler, Andreas: Russland als Vielvölkerreich. Entstehung, Geschichte, Zerfall. München 22008 (11992), 115. 877 Armstrong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 402. 878 Wie den des Politikers und Beraters Peters I. in Kaukasusfragen, Ivan Karapet, dessen Bruders, des Hofdolmetschers Luka Širvanov (ab 1724), und des Dolmetschers der Regierung, Safar Vasil’ev (um 1700), sowie eineinhalb Jahrhunderte danach des interimistischen Generalgouverneurs von Char’kov, späteren Innenministers des Reiches und Chefs der russländischen Geheimpolizei, Michail Loris-Melikov (Innenminister 1880 – 1881). S. Sartor, Die Wolga, 169, 178 und Kappeler, Russland als Vielvölkerreich, 248.

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3. Anders als im Falle der politischen Macht lässt sich die Frage nach den äußeren Charakteristika einer mobilisierten und modernisierenden middleman minority innerhalb einer weitgehend traditionellen multiethnischen Gesellschaft relativ einfach und positiv beantworten. Hierbei stehen im Wesentlichen die Merkmale Urbanisierung und Bildung zur Verfügung. Wie bereits gezeigt wurde, lag die Urbanisierungsrate der Armenischsprachigen fast überall deutlich höher als jene der Russisch- und übrigen Anderssprachigen und der Zusammenhang zwischen armenischer Muttersprache und Urbanisierung ist auch statistisch eindeutig gegeben. Abgesehen von der reinen Anzahl der in Städten lebenden Armenier zeugt auch deren überproportionale Vertretung in den städtischen Ständen 879 (also meščane, Kaufleute und Ehrenbürger) von ihrem urbanisierten Lebensstil. Dabei können – mit einiger Vorsicht angesichts der zum Teil großen sozioökonomischen Unterschiede innerhalb der einzelnen Stände – die Ehrenbürger und Kaufleute eher zur städtischen Mittel- bis Oberschicht, die meščane (und somit fast die Hälfte der armenischen Diaspora) zur städtischen Unter- bis Mittelschicht gerechnet werden. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Lesefähigkeit und der höheren Bildung der Armenischsprachigen, welche auch (fast) überall über jener der beiden anderen Bevölkerungsgruppen lagen, wofür ebenfalls (wenn auch nicht so deutlich wie im Fall der Urbanisierung) ein statistisch relevanter Zusammenhang mit dem Parameter armenische Muttersprache besteht. Dabei treten regional höhere Alphabetisierung/Bildung und höhere Urbanisierung (bzw. niedrigere Alphabetisierung und niedrigere Urbanisierung) gleichzeitig auf. Jene Vertreter der armenischen Diaspora, die in Städten lebten und alphabetisiert waren bzw. über höhere Bildung verfügten, scheinen vorwiegend im Handel, als Rentiers, in der Dienstleistung und Verwaltung tätig gewesen zu sein und den Adelsständen, den Ehrenbürgern, Geistlichen, Kaufleuten und meščane angehört zu haben. Das zahlenmäßige Überwiegen jener Armenischsprachigen, die (auch) Russisch-Lesekenntnisse aufwiesen, über jene, die nur in einer anderen Sprache als Russisch lesefähig waren, zeigt die große Bedeutung der Beherrschung des Russischen für die Vermittlungstätigkeiten der armenischen Diaspora innerhalb der russländischen Gesellschaft.880 4. Die durch das Rückkehrmotiv begründete Zukunfts- und Erfolgsorientierung der middleman minority, welche sich in der Bevorzugung von Tätigkeiten niederschlägt, die nur geringe Kapitalinvestitionen erfordern und deren Ausführende räumlich mobil bleiben (also die Bevorzugung von so genannten „liquiden Berufen“), lässt sich zuvorderst an ihrer sehr geringen Vertretung in der Landwirtschaft demonstrieren.881 Im Agrarwesen waren die

879 S. Schmidt, 378. 880 Vgl. Kappeler, Russland als Vielvölkerreich, 258. Gleiches gilt für die Diasporagruppen der Juden, Griechen und Deutschen. Ebd. 881 Einzige Ausnahme bildet das Schwarzmeer-Gouvernement, wo die Armenischsprachigen auch hinsichtlich Urbanisierung und Bildung ansonsten untypische Merkmale zeigen (hoher Anteil an der

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Armenischsprachigen in deutlich geringerem Maß beschäftigt als Russisch- und übrige Anderssprachige, und diese negative Korrelation ist auch statistisch nachweisbar. Neben dem Handel war die armenische Diaspora auch unter den Rentiers und in der Dienstleistung überrepräsentiert. In der Dienstleistung dominierte das Gastgewerbe (in erster Linie der Getränkehandel), gefolgt vom Transportwesen (v. a. Fuhrgewerbe und übrige Transporteinrichtungen und Verkehrsmittel auf dem Landwege), aber auch im Bereich Körperpflege und Hygiene waren sie insgesamt stärker vertreten als Russisch- und übrige Anderssprachige. Sowohl Handel als auch Gastgewerbe und Transportwesen können wohl als mobile, „liquide“ Berufsfelder angesehen werden. Zudem gelten Gast- und Schankwirte (neben Kleinhändlern und Geldverleihern) klassischerweise als Bindeglieder zwischen Stadt und Land, Produzent und Konsument, Untertanen und Obrigkeit. Es fällt an dieser Stelle eine wohl kaum zufällige Ähnlichkeit zur beruflichen Stratifikation der Juden des Russländischen Reiches auf, welche im Ansiedlungsrayon und dem Königreich Polen den Kleinhandel, das Schneiderhandwerk, die Gewerbe der Fuhrleute und Barbiere sowie das Schankgewerbe dominierten.882 Im Bereich des verarbeitenden Gewerbes dominierte auch in der armenischen Diaspora das Textilgewerbe883, überrepräsentiert waren sie aber im Nahrungs- und Genussmittelsektor. 5. Als letzten Punkt bleibt zu untersuchen, wie es um die Assimilationsbereitschaft und die Rolle der Religion in der armenischen Diaspora bestellt war. Hier konnte bereits gezeigt werden, dass sowohl sprachliche als auch religiöse Akkulturation/Assimilation innerhalb der armenischen Diaspora als gering zu betrachten sind, wobei an der Religion länger festgehalten worden zu sein scheint als an der armenischen Sprache. Nur ein sehr kleiner Teil der Armenischsprachigen hatte ein nichtarmenisches Glaubensbekenntnis angenommen. Als nichtarmenische Muttersprache dominiert allerdings nicht etwa Russisch, sondern die jeweilige Landessprache der Herkunftsgebiete ihrer Sprecher (Persisch bzw. Polnisch). Auffällig ist, dass die (zahlenmäßig wenigen) Armenisch-Katholischen in viel höherem Maß eine andere Muttersprache als Armenisch sprachen als die Armenisch-Apostolischen. Das Festhalten an Sprache und (vor allem) Religion zeugt von einer relativ geringen Assimilationsbereitschaft der armenischen Diaspora im Russländischen Reich.884 Die identitätsstiftende Bevölkerung, geringe Urbanisierung, geringe Alphabetisierung und Bildung, hoher Beschäftigtenanteil im Agrarwesen). 882 S. Kappeler, 118. 883 Andererseits passen die verhältnismäßig zahlreichen Gründungen von Textilmanufakturen und -fabriken durch armenische Unternehmer nicht zu der auf Bonacich zurückgehenden These der „liquiden Berufe“ der Diaspora im Aufnahmeland. 884 Hier muss als Einschränkung allerdings festgehalten werden, dass wie gezeigt mehr als 15 % der Armenischsprachigen im Russländischen Reich (außerhalb des Transkaukasus) keine Untertanen dieses Staates, sondern Ausländer waren. Die anscheinend geringe Assimilationsbereitschaft kann also auch darin begründet liegen, dass viele Armenischsprachige noch nicht lange genug im Russländischen Reich gelebt hatten, um assimiliert zu werden.

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und -bewahrende Funktion der armenischen Religion(en) mit ihrer Sakralsprache, ihren Mythen und ihrem geistigen Zentrum in der „Urheimat“ hat sicher zur Aufrechterhaltung der Zugehörigkeit zu ihr/ihnen auch in der Diaspora beigetragen. Nicht unwichtig war aber wohl auch, dass die beiden armenischen Konfessionen und deren Klerus vom russländischen Staat anerkannt waren. Die Geistlichen genossen somit eine Reihe von Privilegien.885 Der Anteil der Armenischsprachigen im geistlichen Stand war in den meisten Gebieten größer als bei den beiden anderen Bevölkerungsgruppen. Wo der Anteil der Armenischsprachigen an der Gesamtbevölkerung höher war, gab es jedoch weniger armenischsprachige Geistliche als dort, wo nur kleine Gruppen der Diaspora lebten. Die Geistlichen dürften überwiegend in Städten gewohnt haben und waren vermutlich nicht nur im kirchlichen Bereich, sondern auch in der Verwaltung, den freien Berufen und als Rentiers tätig. Andererseits scheinen in der Kirche auch Angehörige der Stände der Kaufleute, des Adels und der meščane beschäftigt gewesen zu sein.886 Zusammenfassend bietet also das demografische Quellenmaterial (auf das gesamte Russländische Reich außerhalb des Südkaukasus ausgelegt) für das Jahr 1897 das Bild einer urbanisierten, gebildeten, hauptsächlich (aber nicht ausschließlich!) in mobilen, vermittelnden, „liquiden“ Erwerbszweigen – allen voran dem Handel – tätigen, nur wenig assimilierten Minderheitengruppe mit kaum zu übersehenden Ähnlichkeiten etwa mit der jüdischen Diaspora und anderen middleman minorities, wie sie in der Literatur wiederholt beschrieben worden sind.

885 Ausnahme von persönlichen Steuern, vom Wehrdienst und von der Körperstrafe. Schmidt, 398. 886 Solche Aussagen (oder besser Vermutungen) über Zusammenhänge zwischen Standeszugehörigkeiten und Berufen sind nur unter großem Vorbehalt zu treffen und beziehen sich aufgrund fehlender Datengrundlage in der Primärquelle lediglich auf geografische Koinzidenzen.

4  Schluss Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die armenische Diaspora im vorrevolutionären Russland im Hinblick auf den aus den Sozialwissenschaften stammenden Idealtypus der so genannten middleman minority darzustellen. Der Zweck dieses wie auch des damit eng verwandten Konzeptes der Händlerdiaspora ist es, zu erklären, warum bestimmte ethnische, kulturelle oder religiöse Minderheiten in ihrem jeweiligen Aufnahmeland, und zwar insbesondere im Falle vormoderner, agrarischer, feudaler und vornationaler multiethnischer Gesellschaften, zwar keine politisch machtvollen Positionen einnahmen, aber auf der Ebene des Wirtschaftslebens gemessen an ihrer geringen Populationsstärke überproportional stark vertreten und oft auffallend erfolgreich waren. Abner Cohen und Philip Curtin beschrieben Händlerdiasporas als besondere Form der sozialen Organisation. Deren Ziel sei es gewesen, bestimmte Zweige des (Fern-)Handels durch Ethnisierung derselben zu kontrollieren. Eine solche Gemeinschaft basiert auf rituellen bzw. religiösen Glaubensinhalten, Strukturen und Praktiken. Die Händlerdiaspora verfügt über strategisch situierte kommerzielle Gemeinden innerhalb eines Handels- und Siedlungsnetzwerks, welches sich sowohl durch strukturelle Stabilität als auch durch personelle Mobilität auszeichnet.887 Bringt die Organisation von Fernhandel unter den Bedingungen einer vorindustriellen und multiethnischen Gesellschaft verschiedene technische Probleme mit sich, so kann die Organisation einer Händlerdiaspora als Strategie verstanden werden, diese zu lösen.888 Zugleich bildet die Diaspora eine bestimmte Form der Herrschaftsausübung (nach innen) sowie ein Mittel im Kampf um ökonomische und soziale Ressourcen im Aufnahmeland.889 Trotz weitgehender Überschneidung der Typologien von Händlerdiaspora und middleman minority steht in Bezug auf Letztere deren Mittlerfunktion – zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen und Staaten, zwischen Produzenten und Konsumenten, Arbeitgebern und -nehmern, zwischen Stadt und Land sowie allgemein zwischen der Elite und der Masse der Gesellschaft – und ihre Rolle in der (sozio)ökonomischen „Modernisierung“ vormoderner Gesellschaften im Vordergrund. Middleman minorities bildeten dadurch eine Art Puffer zwischen der Elite und der Masse der Bevölkerung. So galten auch die Armenier neben Juden und Griechen schon seit dem Altertum als eine klassische Diaspora. Im frühneuzeitlichen Eurasien traten Angehörige der armenischen Diaspora insbesondere als (Fern-)Händler in Erscheinung, die auch außerhalb ihres so genannten „historischen Heimatlandes“ im Südkaukasus und in Ostanatolien ein ausgedehntes Netzwerk merkantiler Routen mit Niederlassungen in einer Vielzahl von Städten 887 Cohen, Cultural Strategies, 267. 888 Ebd., 266 f. – Cohen, Custom and Politics, 19. 889 Djatlov, Čto takoe diaspora, 32.

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des Vorderen Orients, des Schwarzmeer- und Mittelmeerraums unterhielten. Es waren zumeist armenische Kaufleute aus dem persischen Neu-Julfa, die an so weit voneinander entfernten Orten wie Manila, Surat, Aleppo, Venedig und Amsterdam mit orientalischen und europäischen Gebrauchs- und Luxuswaren handelten, allen voran mit persischer Rohseide. Auch auf dem Gebiet des späteren Russländischen Reiches, wo armenische Kaufleute schon seit dem Mittelalter aktiv gewesen waren, befuhren die Neu-Julfaer Seidenhändler neben anderen Handelsrouten die Wolgaroute und handelten in Astrachan, Moskau, Narva und St. Petersburg nicht nur mit einheimischen, sondern auch mit europäischen Kaufleuten. Diasporas wie die armenische profitierten nicht nur selbst von ihren Aktivitäten auf dem Gebiet des Handels, ebenso zog deren Aufnahmegesellschaft daraus ökonomische Vorteile, da sie von den Kultur vermittelnden Funktionen der Diaspora profitierte, welche im Rahmen des interethnischen/interkulturellen Handels notwendig wurden.890 Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert trug die händlerische und unternehmerische Tätigkeit der im Vergleich zu anderen ausländischen Händlern im Russländischen Reich privilegierten armenischen Kaufleute, insbesondere im Bereich des Orienthandels, zur Ausbreitung und Festigung der wirtschaftlichen Beziehungen des Russländischen Reiches mit dem Persischen und dem Osmanischen Reich bei, bedeutete für den Fiskus Einnahmen in Form von Import- und Transitzöllen und brachte die in Russland dringend benötigten Edelmetalle aus Europa ins Land. Vor allem versorgte der armenisch vermittelte Orienthandel auch die junge einheimische Textilindustrie mit dringend benötigten Rohstoffen. In diesem aufstrebenden und staatlich geförderten Industriezweig traten Armenier auffallend oft als Unternehmer sowohl der privilegierten „staatlichen“ als auch privater Einrichtungen auf. Angehörige der armenischen Diaspora förderten also die Außenhandelsbeziehungen des Reiches und dessen Einbindung in eine stetig expandierende Weltwirtschaft und sie vermittelten bisher wenig verbreitete Techniken der Handels- und Unternehmensführung. Als Faktoren des wirtschaftlichen Erfolgs einer middleman minority nennt die einschlägige Literatur zum einen ihre diasporatypischen Charakteristika wie ihre sozioökonomischen Netzwerke, Mechanismen der inneren Solidarität und des Vertrauens sowie sprachliches und kulturelles Wissen.891 Weitere Faktoren waren ihre Fähigkeit, wirtschaftliche Nischen zu besetzen, und die in der Aufnahmegesellschaft vorgefundenen politischen Umstände und die sich dadurch für die Diaspora ergebenden Chancen und schließlich die ethnische Differenz zwischen Händlern und Kunden selbst. Betrachtet man nun den überragenden wirtschaftlichen Erfolg der armenischen Kaufleute, und hier in erster Linie jener aus Neu-Julfa, im Moskauer Staat und im Russländischen Reich, so sieht man, dass seine Gründe nicht nur in den effizienten Kommunika­ tionsnetzwerken und Handelsmethoden der Armenier sowie in der organisatorischen und finanziellen Schwäche der russischen Kaufleute lagen, sondern vor allem in den spezifischen

890 Curtin, 3. 891 So z. B. auch bei Cohen, Global Diasporas. 11997, 160.

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historischen politischen Gegebenheiten, die es den Armeniern erlaubten, reziproke Beziehungen mit den regierenden Kreisen einzugehen und so ihre vorteilhafte Position zu festigen: „Political opportunity, whether negotiated or offered to a network, remains the key to their economic success. To keep these political opportunities […], these cosmopolitan networks excelled at forging congenial relations with courts and municipalities in both Asia and Europe.“892

Armenische Kaufleute wurden wiederholt von den Mächtigen Europas und Asiens unterstützt, geschützt und oft gegenüber anderen, selbst einheimischen Händlern bevorzugt und konnten dadurch nicht nur zur wirtschaftlichen Elite des Safavidenreiches aufsteigen, wo sie das Ausfuhrmonopol auf Rohseide verliehen bekamen, eine wichtige Rolle für den Haushalt des Hofes spielten, den sie zeitweise finanzierten, und sogar diplomatische Missionen im Namen des Schahs erfüllten, sondern erhielten gleichsam Handelsprivilegien etwa im Frankreich Richelieus und Colberts, in den Niederlanden und dem Mogulreich des indischen Subkontinents. Weitreichende Zugeständnisse auf wirtschaftlichem wie rechtlichem Gebiet erhielten armenische Händler auch in Russland. Die strukturellen Bedingungen, welche die Armenier dort vorfanden, ermöglichten es ihnen, in bestimmten Bereichen des Handels und der Industrie eine herausragende Stellung zu erlangen. Schon im Neuen Handelsstatut waren so genannte orientalische Kaufleute von einigen der rigiden Bestimmungen betreffend den Handel ausländischer Kaufleute ausgenommen. Dies führte unweigerlich zu wiederholtem Protest der russischen Kaufmannschaft, der aber in vielen Fällen von Seiten des Staates kaum berücksichtigt wurde. Somit deckten sich die staatlichen Interessen mit jenen der russischen Kaufleute nicht immer, ja standen diesen manchmal sogar entgegen.893 Gegenüber den armenischen und anderen orientalischen Kaufleuten hingegen zeigte sich die Regierung nicht selten als eine Art „Schutzmacht“. Weshalb Diasporagruppen wie die armenische in frühneuzeitlichen multiethnischen Reichen wie dem Russländischen bestimmte Schlüsselpositionen vor allem in wirtschaftlichen Bereichen besetzen und lukrative kommerzielle Rollen übernehmen konnten, lag nicht zuletzt an der mangelnden speziellen Qualifikation der einheimischen Masse der Bevölkerung wie auch deren politischer Elite, wobei die Letztere auch aus Gründen der Wahrung ihres über den Rest der Bevölkerung weit erhobenen sozialen Status von einer Tätigkeit etwa auf dem Gebiet des Handels absah. Zudem schien es besagter Elite, so die Prämissen der einschlägigen theoretischen Literatur, für die Aufrechterhaltung ihres Status und ihrer politisch dominierenden Position als „weniger bedrohlich“, vermittelnde und (proto)modernisierende Rollen bestimmten von außen kommenden Gruppen zu überlassen oder zu übergeben, welche zu diesem Zweck nicht selten ins Land gerufen und ob ihrer

892 Baghdiantz McCabe, Global Trading Ambitions, 45. 893 Zevakin, 162.

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wichtigen Funktionen für die Aufnahmegesellschaft von der politischer Elite privilegiert und geschützt wurden, als sie der eigenen untertänigen Bevölkerung zu überlassen.894 Wie gezeigt wurde, galt dies im Falle des Moskauer Staates bzw. des Russländischen Reiches aber insbesondere auch für die Konkurrenz durch europäische Handelsgesellschaften, die nicht nur eingedenk ihrer kommerziellen und technologischen Potenz, sondern vor allem auch angesichts der Tatsache, dass hinter ihrem Rücken etablierte und mitunter mit Russland konkurrierende Staaten standen, der Regierung als weit bedrohlicher scheinen mussten als die Handelshäuser der Neu-Julfaer Armenier.895 Darüber hinaus stand die „Schutzpolitik“ Russlands gegenüber den armenischen Kaufleuten nicht nur in Zusammenhang mit der staatlichen Wirtschaftspolitik dieser Epoche, deren Ziele – ganz im Geiste eines kameralistisch geprägten Merkantilismus – die Erhöhung der Staatseinnahmen und des Edelmetallvolumens durch eine Vermittlerrolle Russlands im internationalen Ost-West-Handel sowie der Aufbau einer einheimischen Textilindustrie war, sondern ebenso mit den Interessen der russländischen Ostpolitik, die auf die Ausweitung kommerzieller und politischer Beziehungen und auch des geopolitischen Einflusses im Kaukasus und in Zentralasien gerichtet war 896 (inklusive des Bestrebens, über den Weg intensivierter Handelsbeziehungen mit dem Schah dessen Unterstützung gegen das Osmanische Reich zu gewinnen). So lassen sich der Erfolg armenischer Händler und Unternehmer im Russland des 17. bis 19. Jahrhunderts und die weitreichenden Zugeständnisse, die die Armenier zu einer Zeit der weitgehenden Beschränkung europäischen Handels und des zunehmenden protonationalistischen Protests der Moskauer Kaufleute erhielten, nur vor dem Hintergrund der Vereinbarkeit der wirtschaftlichen und politischen Interessen der Armenier mit den vielschichtigen Motiven der Zaren verstehen, die handels- und fiskalpolitische Erwägungen ebenso umfassten wie außen- und bündnispolitische Zielsetzungen. Wie an früherer Stelle bereits ausgeführt wurde, nahm die Beziehung zwischen einer middleman minority und der politischen Elite trotz der Instrumentalisierung der Minderheit durch die herrschenden Kräfte und der Abhängigkeit der middleman minority oft die Form einer wechselseitigen Austauschbeziehung oder Symbiose an 897, in deren Rahmen beide Seiten die „Kosten und Erträge [ihrer] Interaktion“ kalkulierten.898 Im Rahmen dieser Interaktion leistete die Minderheit wichtige Komplementärfunktionen in verschiedenen Bereichen, während die politische Elite Privilegien und Schutz verlieh. In diesem Licht ist auch die im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts immer wieder neu verhandelte

894 Reid, 34. 895 Im 17. Jahrhundert wurde Engländern und Holländern der Transithandel durch Russland untersagt und auch der Holsteinischen Kompanie, welche als einzige europäische Handelsunternehmung im Jahre 1634 das russische Transitrecht nach Persien erhielt, wurde mangels Erfolgs bereits 6 Jahre darauf der entsprechende Vertrag gekündigt. 896 Jucht, Učastie, 113 f. 897 Djatlov, Predprinimatel’skie men’šinstva. – Djatlov, Evrei. 898 Armstrong, Mobilized and Proletarian Diasporas, 394.

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Austauschbeziehung zwischen der Elite der armenischen Kaufleute und der Moskauer bzw. Petersburger Regierung, deren Prämisse zwar die Nutzziehung beider Seiten war, die sich jedoch in ihrer offiziellen, vertraglich festgelegten Ausdrucksform vorrangig der Begrifflichkeit des „Gewinns“ (pribyl’) und „Verlusts“ (ubyl’) für den Staat bzw. die Staatskasse bediente, zu verstehen. Den armenischen Vertragspartnern, die ihre Privilegierung und Monopolisierung im Seidentransithandel als gewinnbringend für den russischen Fiskus und damit als im Eigeninteresse des Zaren stehend präsentieren konnten, gelang es, die ihnen gewährten Sonderrechte trotz ihres fortgesetzten Vertragsbruches und im Wesentlichen unbeschadet der Proteste der russischen Kaufmannschaft bis ins Jahr 1719 zu wahren und selbst nach der in diesem Jahr erfolgten Kündigung des Vertrages ihre dominierende Position im russischen Orienthandel noch über Jahrzehnte zu verteidigen. Dass die frühneuzeitlichen Handelsnetzwerke von middleman minorities im Laufe der Zeit an Bedeutung verloren, muss wohl auf mehrere Faktoren zurückgeführt werden. Einerseits führte sich intensivierende Konkurrenz durch einheimische Händler oder Handelsgesellschaften zum Verlust der Dominanz vieler fremder Händlergemeinschaften auf bestimmten Gebieten insbesondere des Fernhandels. Schon Wilhelm Roscher beobachtete, dass eine solche Minderheit mit der voranschreitenden wirtschaftlichen Modernisierung und sozialen Mobilisierung der Aufnahmegesellschaft, dem Erstarken von Städtewesen und nationalem Bürgertum und dem Aufstieg einer einheimischen Händlerschicht ihre Monopolstellung im Handel verliert und zunehmend in direkten Wettbewerb mit der einheimischen Bevölkerung tritt.899 Zum anderen spielten auch die wirtschaftliche wie politische Konjunktur im Aufnahme- sowie Ereignisse im Herkunftsland eine wichtige Rolle für die Entwicklung der diasporischen Netzwerke. So erholte sich etwa das riesige eurasische Handels- und Kommunikationsnetzwerk der Armenier von Neu-Julfa nie mehr von der Zerstörung seines zentralen Knotenpunkts durch die politischen Zerrüttungen im Iran der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Bedeutung der armenischen Diaspora im vorrevolutionären Russland beschränkte sich aber nicht auf wirtschaftliche Funktionen in den Bereichen der Anbindung des Reiches an den Weltmarkt der Protoglobalisierung und seiner (Proto-)Industrialisierung im Rahmen des Textilwesens, sondern war auch wiederholt eng verknüpft mit den imperialen Bestrebungen eines zur Weltmacht aufsteigenden und expandierenden Reiches. Wie bereits zu Beginn dieser Arbeit geschildert wurde, handelten middleman minorities wie die armenische Diaspora innerhalb der von Inkorporation, Integration und Differenzierung gleichermaßen geprägten Beziehung zwischen Zentrum und Peripherie vormoderner Imperien in intermediärer Situation. Gruppen wie die armenische Diaspora spielten aus diesem Grund eine Rolle bei der Durchsetzung des imperialen, autokratischen Herrschaftsanspruchs eines Zentrums gegenüber der Masse der Bevölkerung, insbesondere in den Peripherien eines multiethnischen und expansiven Reiches. Somit profitierten Imperien von den Fähigkeiten und Verbindungen vermittelnder Gemeinschaften, indem die kulturelle und soziale

899 Roscher, 510 f.

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Differenz ihrer Bevölkerung funktionalisiert wurde.900 Die in die imperiale Funktionselite aufgenommenen Vertreter einer solchen Minderheit ließen aufgrund der Abhängigkeit ihres Wohlergehens vom Herrscher auch in peripheren Regionen, wo man sie „nicht direkt kontrollieren kann“, „Loyalität und Tatkraft […] erwarten“901. Wie Herfried Münkler schreibt, führte dies etwa im Russländischen Reich dazu, dass nicht die Bevölkerung des imperialen Zentrums am meisten von dessen Expansion profitierte, sondern dass „die eigentlichen Nutznießer des zarischen Imperiums […] periphere Gruppen und nationale Minderheiten [waren], die innerhalb der imperialen Ordnung Positionen einnahmen, in die sie sonst niemals gelangt wären“.902 So erlangten nicht zuletzt ausländische Kolonisten, darunter Armenier, im Rahmen der unter den Prämissen der Aufklärung, kameralistischer Staatsideen und der Peuplierungspolitik der russländischen Kaiser des 18. Jahrhunderts durchgeführten Kolonisierungspolitik eine rechtlich und wirtschaftlich privilegiertere Stellung, als sie der Großteil der russischen Untertanen des Reiches innehatte. Dabei war bereits mindestens seit Peter I. der notorische Fachkräftemangel auf diversen Gebieten der Staats- und Wirtschaftsführung des Reiches ein wesentlicher Faktor der russländischen Ausländer- und Kolonisierungspolitik. Wie in anderen Imperien auch wurden ausländische Spezialisten dort herangezogen, wo die eigenen personellen, materiellen oder Wissensressourcen für die Bedürfnisse des Reiches unter den Bedingungen internationaler oder interimperialer Konkurrenz nicht ausreichend waren. Im Rahmen einer ethnosozialen Arbeitsteilung zwischen der russischen großteils bäuerlichen Mehrheitsbevölkerung auf der einen und Diasporagruppen wie den Armeniern auf der anderen Seite übernahmen solche Minderheiten komplementäre Funktionen in einer Reihe von Tätigkeitsbereichen – dies waren neben dem Fernhandel auch die Gebiete der Diplomatie, der Verwaltung, des Militärs und der zarischen Herrschaftssicherung.903 Insbesondere in den südlichen Grenzregionen des Russländischen Reiches, wo die imperiale Herrschaft noch nicht gefestigt war, bildete die allochthone Gruppe der armenischen Diaspora, deren Wohlergehen von der Gnade des imperialen Herren abhängig war, nicht selten das Bindeglied zwischen der indigenen Bevölkerung und der zentralen Elite des Reiches. In einer vermittelnden Position innerhalb der vertikalen imperialen Beziehungsstruktur 904 brachten armenische Kolonisten, Dolmetscher, Händler und andere cultural brokers die gesonderten gesellschaftlichen Gruppen miteinander in Verbindung und begünstigten auf diese Weise die Kolonisierung und Integration neu erworbener Gebiete. Die an den

900 Burbank/Cooper, 12. 901 Münkler, 44. 902 Ebd., 42. – Osterhammel, Kulturelle Grenzen, 118. – Aslanian, Indian Ocean 3 f. 903 Kappeler, Andreas: Historische Voraussetzungen des Nationalitätenproblems im russischen Vielvölkerreich. In: Geschichte und Gesellschaft 8/2 (1982). Nationalitätenprobleme in Osteuropa. Hg. v. Dietrich Geyer, 159 – 183, hier 167. 904 Burbank/Cooper, 14.

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Rändern des Imperiums angesiedelten Armenier förderten damit, wie einige andere ethnische Minderheiten, die Verwaltung des Reiches vor Ort, ohne dass dafür Russen eingesetzt werden mussten, und bereiteten den Weg für die weitere imperiale Expansion.905 Im ersten Teil dieser Arbeit war von der Bedeutung des Vorhandenseins eines „dysfunktionalen ökonomischen Spalts“906, eines so genannten status gap bzw. einer ökonomischen Nische in der Aufnahmegesellschaft, für die Tätigkeit von middleman minorities die Rede. Zur Entstehung solcher wirtschaftlicher Nischen kam es in frühneuzeitlichen agrarischen Gesellschaften vor allem in Zeiten zunehmender Kapitalisierung und Modernisierung sowie der verstärkten Einbindung in den Weltmarkt, was dazu führte, dass ein Bedarf nach Spezialisten oder spezialisierten Gruppen entstand, die Funktionen erfüllen konnten, die sowohl der Masse der Bevölkerung als auch deren politischer Elite verschlossen waren. Im Falle der armenischen Diaspora im Russländischen Reich konnte man erkennen, dass deren Angehörige in ihrer Eigenschaft als (Fern-)Händler wie auch als Kolonisten der südrussländischen Frontier in vielen Fällen ökonomische Nischen besetzten und dadurch komplementäre Rollen übernahmen, in welchen Bereichen sie nicht selten eine führende oder gar Monopolstellung erlangten, sei es im Rohseiden- und sonstigen Orienthandel über Astrachan, im Handel mit den Völkern des Nord- und Südkaukasus über Kizljar und Mozdok, im Seidenbau und der Seidenindustrie, in der Cognacherstellung usw. Die Armenier schienen also über einige „nützliche“ Eigenschaften zu verfügen, welche zum „Vorteil“ des Staates fruchtbar gemacht werden konnten – um in der utilitaristischen Sprache der zeitgenössischen russländischen Bürokratie zu sprechen. Es waren ihre speziellen Kenntnisse, Fähigkeiten und Ressourcen, einige davon typisch für Diasporas (wie u. a. Sprachkenntnisse und Handelsnetzwerke entlang verwandtschaftlicher Linien), die es den Armeniern erlaubten, komplementäre Funktionen in ihrem Aufnahmeland zu erfüllen. Anzeichen einer gewissen ethnosozialen Arbeitsteilung zwischen der armenischen Diaspora und der vorwiegend agrarischen Mehrheitsbevölkerung in den verschiedenen Regionen des Reiches zeigten sich sogar noch zu Ende des 19. Jahrhunderts. Dabei waren die Armenier zu keinem Zeitpunkt die einzige diasporische Minderheit im vorrevolutionären Russland, auch nicht seine „wichtigste“ aus Sicht der Planung der imperialen Regierung – hier waren es vor allem deutsche Spezialisten und Kolonisten, die die Vorstellung der zarischen Bürokraten dominierten.907 Warum aber Angehörige der armenischen Diaspora neben anderen Minderheiten des Russländischen Reiches keine geringe Aufmerksamkeit seitens regierender Kreise und politischer Planer erfuhren, ist auf mehrere Gründe zurückzuführen. Zum einen waren ökonomische Gesichtspunkte fraglos ein wichtiger Faktor in der Beziehung zwischen der (Elite der) armenischen Diaspora und den Repräsentanten der russländischen Regierung. Art und Entwicklung dieser Beziehung 905 Vgl. LeDonne, The Grand Strategy, 181 f. 906 Reid, 36. 907 Als weitere Minderheiten zu nennen wären in diesem Zusammenhang auch die Griechen und andere Gruppen von Ausländern bzw. Kolonisten.

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wurden aber auch von der Bedeutung beeinflusst, welche die russländische Führung den Armeniern im Rahmen der imperialen Außenpolitik, insbesondere gegenüber dem Osmanischen Reich, zuschrieb. Am offensichtlichsten war dies in den ehemals osmanischen Grenzregionen des Reiches, die während des 18. Jahrhunderts erobert wurden. Hier kam den armenischen Kolonisten eine Brückenkopffunktion zu den armenischen Gemeinden jenseits der Grenze, also christlichen Untertanen der Osmanen, zu. Deutlich spiegelt sich dies in den zahlreichen Erklärungen der lokalen wie zentralen Regierungsbehörden ebenso wie der armenischen Organisatoren der Umsiedlungs- und Kolonisierungsvorgänge wider, in welchen die Ankündigung, die Kunde von der guten staatlichen Behandlung der Armenier und dem Gedeihen ihrer Kolonien im Russländischen Reich werde sich über dessen Grenzen hinweg verbreiten und noch mehr armenische Siedler ins Land ziehen, beinahe schon zum Topos geriet. Aus armenischer Perspektive galt die Konzentration der vorwiegend aus dem Osmanischen Reich stammenden armenischen Siedler auf südrussländischem Territorium vielen Vertretern der armenischen Befreiungsbewegung des 18. Jahrhunderts, darunter Persönlichkeiten wie den Lazarevs (Lazaryans) und Erzbischof Iosif Argutinskij-Dolgorukij, als erster Schritt auf dem Weg zur Errichtung eines südkaukasischen armenischen Königreiches unter dem Protektorat St. Petersburgs, und es ist kein Zufall, dass Grigorij Potëmkin, einer der Hauptdirigenten der Umsiedlungen von Armeniern in sein „persönliches Reich“ Neurussland, den Vertretern der armenischen Befreiungsbewegung als Wunschkandidat für den Posten des gekrönten Staatsoberhauptes eines zu errichtenden Armeniens galt. Aus Sicht der Petersburger Verwaltung kam den in ihrer großen Mehrheit aus dem Persischen und Osmanischen Reich nach Russland immigrierten bzw. „zu immigrierenden“ Armeniern im Süden des Reiches eine besondere Bedeutung zu. Nicht nur waren sie Angehörige einer christlichen Minderheit aus den muslimischen Konkurrenzmächten ohne eigenes Staatswesen, darüber hinaus verfügten sie in vielen Fällen über sprachliche sowie professionelle Qualifikationen in gerade jenen Wirtschaftsbereichen, welche für die Besiedelung, wirtschaftliche Erschließung und Verteidigung der neuen Grenzregionen von großem Wert waren – dies betraf nicht nur den zwischenethnischen und überregionalen Handel, sondern z. B. auch bestimmte vom Staat in den neu eroberten Territorien des Reiches besonders geförderte Zweige der Landwirtschaft. Außerdem waren die meisten der etwa in das kaum urbanisierte Neurussland einwandernden bzw. übersiedelten Armenier im Unterschied zu anderen in- wie ausländischen Siedlern städtischer Herkunft und gründeten dort Städte, die in erster Linie wirtschaftliche Funktionen für die umgebenden Gebiete erfüllten.908 Neben den Tätigkeiten der armenischen Diaspora auf den Gebieten des Handels, des Wein-, Obst- und Seidenbaus und der Textilindustrie, wo Armenier oftmals eine Pionierrolle innehatten, waren es auch die militärischen, außenpolitischen, geostrategischen und ökonomischen Zielsetzungen der russländischen Herrscher und Herrscherinnen

908 Chačaturjan, Stanovlenie, 90.

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im Rahmen ihrer Ostpolitik, die die wechselseitigen Beziehungen zwischen zarischer Führungsschicht und armenischer Diaspora prägten. In den durch die südliche Expansion gewonnenen Territorien gingen die imperialen Bestrebungen der Konsolidierung einer russländischen zentralisierten Herrschaft nach innen wie nach außen mit den Maßnahmen zur wirtschaftlichen Modernisierung und Rationalisierung unter dem Einfluss einer merkantilistischen Peuplierungspolitik sowie schließlich auch gewisse religiös-ideologische Motivationen im Sinne der Befreiung der Christenheit vom „muslimischen Joch“ und ihrer Unterstellung unter russländischen Schutz eine enge Verbindung ein. Die Erlangung, Sicherung und Wahrung des territorialen und dynastisch-autokratischen Herrschaftsanspruches gegenüber den eigenen Untertanen wie auch gegenüber Persern und Osmanen stand jedoch stets vor den demgegenüber sekundären Zielen der wirtschaftlichen Erschließung der eroberten Gebiete und des Schutzes der orientalischen und orthodoxen Christen im Osmanenreich. Zudem verband sich aus Sicht der Regierung die Tatsache, dass die Armenier wie andere Angehörige nichttürkischer Ethnien aus dem Osmanischen Reich meist ethnische oder kulturell-religiöse Animositäten gegen die Osmanen hegten, mit der Hoffnung, diese Siedler als treue Verteidiger der Grenze gegenüber einem osmanischen Wiedererstarken einsetzen zu können.909 Die Maßnahmen zur Übersiedlung der Christen aus der Krim und aus Moldau kann außerdem als Fortsetzung der traditionellen russländischen Politik gesehen werden, Verbündete oder Kollaborateure innerhalb feindlichen Gebiets zu umwerben und für sich zu gewinnen.910 Dabei waren die Angehörigen der armenischen Diaspora (d. h. insbesondere ihre geistliche, politische und wirtschaftliche Führungsschicht) beileibe kein bloßer Spielball der russländischen Pläne auf geostrategischem, politischem und ökonomischem Gebiet. In ihrer Funktion als Mittragende, wenn nicht in einzelnen Fällen gar Wegbereiter der administrativen, sozioökonomischen und auf längere Sicht auch kulturellen Unifizierung innerhalb eines expandierenden Imperiums (zu erwähnen wäre hier u. a. die Mittlerfunktion der armenischen Händler im Nordkaukasus zwischen Russen und „Gorcy“ bzw. zwischen den Kolonialherren und den zu Kolonisierenden) profitierten die armenischen Gemeinden und Kolonien des Reiches in vielfältiger Weise von der privilegierenden Politik und dem Wohlwollen der Petersburger Führung ihnen gegenüber. Nicht nur war es den Eliten der armenischen Diaspora dadurch möglich, zu oft großem Reichtum und Ansehen zu gelangen, auch stiegen Angehörige dieser Elite im zivilen und militärischen Staatsdienst bis zum Adelsstand, in Einzelfällen gar bis in die regierenden Kreise auf – wie im 18. Jahrhundert im Falle des Beraters der Regierung in Kaukasusfragen, Ivan Karapet, und der Hofdolmetscher Luka Širvanov und Safar Vasil’ev sowie im 19. Jahrhundert im Falle des Innenministers und Chefs der Geheimpolizei Michail Loris-Melikov.

909 Vgl. Herlihy, Patricia: Odessa: A History. 1794 – 1914. Cambridge 1991, 16. 910 Vgl. Bartlett, Human Capital, 131.

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Die Praxis der Kolonisierung unterschied sich jedoch nicht selten eklatant vom Ideal der Planung. Denn obwohl die zentralen Regierungsbehörden die grundlegenden Leitlinien der Kolonisierungspolitik vorgaben und etwa über Fragen der zu besiedelnden Gebiete, die Auswahl geeigneter Kolonisten, die Finanzierung und die Grundlinien ihrer Verwaltung entschieden, waren es die unteren Ebenen der russländischen Verwaltung vor Ort, welchen die Umsetzung dieser Politik in die alltägliche Praxis oblag.911 Deren Vertreter wie die in den einzelnen Kolonistenbezirken ernannten Aufseher über die Kolonien, viele von ihnen von mangelhafter fachlicher wie moralischer Eignung, waren es, welche gegenüber den ausländischen Kolonisten den Staat vertraten – nicht selten zum Leidwesen der Betroffenen. Der Widerspruch zwischen Planung und Realität der Ausländerkolonisierung schlug sich zum Beispiel in der unzureichenden Versorgung neuankommender Siedler mit Saatgut und anderen Lebensnotwendigkeiten, in verspäteter Auszahlung der staatlichen Darlehen durch die Beamten sowie in deren Korruption und Untreue nieder.912 Was dies konkret für die armenischen Umgesiedelten von der Krim und aus den moldauischen Gebieten bedeutete, für welche im ausgehenden 18. Jahrhundert auf russländischem Boden eigene Städte gegründet wurden und die sowohl während als auch nach ihrer von oben dirigierten Umsiedlung in vielen Fällen unter Missorganisation und Missbrauch sowie deren Folgen für die materielle Existenz und sogar Gesundheit und Leben litten, wurde in den Ausführungen über die armenischen Kolonien dargestellt. Auf die rechtliche Lage der armenischen Kolonisten musste es sich auf längere Sicht negativ auswirken, dass sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die russländische Herrschaft im Nord- und Südkaukasus etablierte und sich die ethnisch russische händlerische und industrielle Bevölkerungsschicht verbreiterte. Beide Entwicklungen schwächten den Einfluss der armenischen Gemeinden auf Politik und Wirtschaft des südlichen Russlands.913 Zudem begann sich seit Anfang des 19. Jahrhunderts in Regierungskreisen die Ansicht durchzusetzen, dass die Anwerbung und Ansiedlung ausländischer Kolonisten auf russländischem Boden dem Staat letztlich mehr Kosten als Nutzen brächte, weshalb die Kolonisierung der russländischen Frontier durch Ausländer mehr und mehr zugunsten der Ansiedlung russischer Bauern eingeschränkt wurde. Als Folge dieser Prozesse verloren auch die armenischen Kolonien allmählich an Bedeutung und zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Sonderstatus der Armenier im Russländischen Reich offiziell abgeschafft. In Übereinstimmung mit der allgemeinen Entwicklung der russländischen Kolonisierungspolitik dieser Zeit erging in den 1830er und 40er Jahren eine Reihe von Verordnungen, die die Privilegien der russländischen Armenier auf händlerischem und industriellem Gebiet einschränkten;914 so wurden in den 1840er Jahren die armenischen Gerichte in Astrachan und anderen

911 Myeshkov, 358 f. 912 Ebd., 358 – 362, 453 f. 913 Vgl. Chačaturjan, Stanovlenie, 96. 914 Pogosjan, L. A.: Armjanskaja kolonija Armavira [Die armenische Kolonie Armavir]. Erevan 1981, 98.

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Städten aufgelöst und die Armenier im Russländischen Reich in die allgemeine ständische und städtische Sozialordnung eingegliedert. Trotzdem bewahrte die armenische Diaspora im vorrevolutionären Russland noch bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert einige soziodemographische Charakteristika, wie sie die idealtypische middleman minority auszeichnen. Wie anhand der Ergebnisse der Ersten Allgemeinen Volkszählung von 1897 gezeigt werden konnte, waren Vertreter der armenischen Diaspora in praktisch allen Regionen des Reiches zu hohen Anteilen im Handel vertreten, wobei die Dominanz der Händlerschicht auf Kosten anderer sozialer Gruppen der Armenier in den südrussischen Gebieten an den Handelswegen von Wolga und Don besonders ausgeprägt war. Neben dem Handel waren weitere praktisch überall verbreitete Tätigkeitsfelder die Lebensmittel- und Textilbranche, das Gastgewerbe, die Körperpflege und das Transportwesen. Außerdem waren Armenier in einigen Regionen des Russländischen Reiches (vor allem in der Hauptstadt St. Petersburg sowie in Kišinëv, Astrachan, dem Nordkaukasus, Polen und der Ukraine) im imperialen Administrations- und Verteidigungsapparat stark vertreten. Die örtliche armenische Minderheit scheint dort in den militärischen und/oder zivilen Organen des Staates Funktionen zugunsten der regionalen bürokratischen und/oder militärischen Führung übernommen zu haben. Des Weiteren gehörten Vertreter der armenischen Diaspora im Vergleich mit den Russen und anderen ethnischen Gruppen vermehrt den städtischen Ständen an und zeigten vielerorts eine starke Präsenz in der weltlichen und geistlichen Intelligenz – am stärksten ausgeprägt war dies in den Großstädten St. Petersburg, Moskau, Astrachan und Kišinëv. Schließlich wies die armenische Diaspora fast überall im Reich eine höhere Urbanisierung, Alphabetisierung und Bildung auf als die Russisch- und übrigen Anderssprachigen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass armenische Händler und Kolonisten im Russland des späten 17. bis frühen 19. Jahrhunderts trotz ihrer vergleichsweise geringen Zahl (außerhalb des Südkaukasus waren es zu Ende des hier betrachteten Zeitraumes rund 100.000 Personen und damit nur etwa 0,08 Prozent der Gesamtbevölkerung) beitrugen zu einer engeren Anbindung des Reiches an einen expandierenden Weltmarkt und der Vermittlung von Technologie und Fachwissen auf den Gebieten des Handels und der Seidenwirtschaft. Darüber hinaus hatten sie Anteil an der wirtschaftlichen Erschließung und Intensivierung ökonomischer und sozialer Verflechtungen des peripheren territorialen Raumes und seiner Urbarmachung und nahmen damit schließlich auch teil an Russlands „(Proto)modernisierung von oben“ (das heißt Ausbau von Handel und Protoindustrie, Entwicklung bestimmter Zweige der Landwirtschaft, Urbanisierung usw.). Ihre vielfältigen Tätigkeiten förderten somit die Integration neu eroberter Gebiete in den imperialen Herrschaftsbereich und die Festigung des zentralen russländischen Herrschaftsanspruches vor Ort wie auch gegenüber einer Außenwelt, die in Begriffen von imperialem Wettbewerb und dem Kampf um internationalen Einfluss wahrgenommen wurde. Was sich also zwischen den russischen und armenischen Eliten entwickelte, war eine immer wieder neu verhandelte Austauschbeziehung, die zwar auf der Wahrnehmung und

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Bewertung der „Nützlichkeit“ der Armenier für die Erreichung russländischer staatlicher Ziele beruhte, letztendlich jedoch zum Vorteil beider Seiten gestaltet wurde. Erst als das Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen der Privilegierung von Ausländern vonseiten der russländischen Bürokratie als unvorteilhaft für den Staat angesehen zu werden begann, wurden die Armenier schrittweise ihres speziellen Status enthoben, wurde ihre rechtliche Lage allmählich jener der Mehrheitsbevölkerung angeglichen und die Armenier schließlich zu gewöhnlichen Untertanen des Zaren.

5  Literatur 5.1  Quellen 5.1.1  Archivquellen Hayastani Azgayin Arxiv (HAA)[Nationalarchiv Armeniens], Yerevan Bestand des geistlichen Vorstands und der kirchlichen Vormundschaft der Armenier von Neu-Nachičevan fond 54/opis’ 1/delo 46, 94 Bestand des Heiligen Aufklärerischen Synods von Ēǰmiacin fond 56/opis’ 1/delo 119, 836, 3221, 3515, 3778, 4046, 8064, 8583, 9300, 9842, 10044 fond 56/opis’ 15/delo 1041 fond 56/opis’ 16/delo 475 fond 56/opis’ 18/delo 16 Bestand des Sekretariats des Katholikos Aller Armenier fond 57/opis’ 1/delo 15, 502 fond 57/opis’ 2/delo 1846 Bestand des Konsistoriums der Eparchie der Armenier von Neu-Nachičevan und Bessarabien fond 320/opis’ 1/delo 907 Rossijskij Gosudarstvennyj Istoričeskij Archiv (RGIA) [Russländisches Staatliches Historisches Archiv], St. Petersburg Bestand des ersten Departements des Ministeriums der Reichsdomänen fond 383/opis’ 29/delo 292 fond 383/opis’ 1/delo 419 Bestand der Familie Lazarev fond 880/opis’ 5/delo 378 Bestand des Departements der Staatlichen Wirtschaft des Staatsrates fond 1152/opis’ 3/delo 129 fond 1152/opis’ 4/delo 125 Bestand des Wirtschaftsdepartements des Ministeriums des Inneren fond 1287/opis’ 33/delo 2547 Bestand der Kanzlei des Generalprokurors des Senats fond 1374/opis’ 4/delo 214 fond 1374/opis’ 1/delo 55 fond 1374/opis’ 1/delo 68 fond 1374/opis’ 1/delo 318 fond 1374/opis’ 1/delo 68

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Literatur

fond 1374/opis’ 2/delo 1815 fond 1374/opis’ 4/delo 214 fond 1374/opis’ 5/delo 15

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6  Orts- und Sachregister

A Abgabe  56, 70, 73, 78, 87, 93 – 95, 105 – 108, 113, 119, 132 f. Abhängigkeit  27, 36 f., 39 – 42, 44, 115, 189, 198, 200 Absolutismus  36 f., 61, 122, 130 Achtuba 118 Ackerbau  51, 148, 168, 175 Adel  34, 36, 92, 113, 158 f., 172, 176, 182, 185 f., 189 – 192, 194, 203 Adelige s. Adel Adelsstand s. Adel Administration s. Verwaltung  Adria 55 Afghanistan 112 Afrika  56, 62, 64 Agentur 169 Agrarhandel  89, 169, 175, 183 f., 188 Agrarwesen  167 f., 175, 180 – 182, 186, 192 Ägypten 64 Akademie  15, 141 f., 160 Akkerman  56, 152 Akkulturation  179 f., 187, 193 Aktie  98, 101 Albanisches Heer  129 Aleppo  55, 67, 196 Allochthon  10, 41, 200 Alphabetisierung  160, 172, 174, 178 f., 181, 184, 186 – 189, 192, 205 Ältestenrat 109 Altgläubige  126, 128, 130 Amerika  11, 17, 25, 45 Amsterdam  65, 74, 196 Anatolien  72, 195 Antike  28, 49, 52 Ararat  47 f. Arax 61 Archangelsk  57, 60, 69 f., 71, 74, 76, 78 Arbeitgeber  32, 116, 195 Arbeitnehmer  32, 195 Armenien  7, 12, 14, 47 – 49, 51 f., 61, 135, 140, 142, 187, 202

armenisch-apostolisch  12, 49, 96, 133 f., 148 f., 154, 157 – 159, 162, 179 f., 186 f., 190, 193 armenisch-georgische Schwadron  81, 144 armenisch-katholisch  12, 133, 149 f., 158, 162, 179, 187, 193 Armenisches Gericht  93, 96 f., 107 – 109, 142, 144 f., 153, 204 Armenisches Rathaus  93 f., 96, 142, 144, 149 Asiatisches Departement  131 Asiatisches Gericht  95 f., 104, 106 Asiatisches Komitee  131 Assimilation  51, 157 f., 187, 193 f. Astrabad 81 Astrachan  9, 14, 55, 60, 69 f., 72 f., 75, 78, 80 – 100, 102 – 109, 113 – 118, 128, 133, 135 f., 141 – 145, 162, 165, 173 – 177, 179 f., 184 f., 196, 201, 204 f. Ataman 101 Aufklärung  123, 133, 135, 200 Aufnahmegesellschaft s. Aufnahmeland  Aufnahmeland  13, 18 f., 22, 26 – 30, 32 – 36, 37 f., 43 – 45, 52, 195 f., 198 f., 201 Ausbeutung  28, 37, 39 f. Außenhandel  28, 57, 60, 71, 76, 82, 84, 88 f., 101, 104, 109 f., 121, 196 Außenpolitik  44, 72, 79, 103, 140, 202 Außenseiter  26, 35 f. auserwähltes Volk  48 f., 51 Ausländer  14, 28, 57, 59, 69 f., 80, 86 f., 90, 93 – 95, 104 f., 107, 119, 121, 125, 127 f., 130 – 132, 141, 146, 172, 176, 181 – 186, 200, 204, 206 Ausnahmerecht s. Sonderrecht  Austausch  97, 39, 43 f., 46, 191, 198 f., 205 Australien 11 Autokratie  41, 191, 199, 203 Autonomie s. Unabhängigkeit  Außenministerium s. Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Azeri 111 Azov  56, 103 f., 148

238

Orts- und Sachregister

B Bachmut 129 Baku  81, 162 Balkan  56, 126, 129 Baltikum  56, 164 Bank  92, 169 Bankwesen  180 f., 188 f. Batavia 63 Bauarbeiter  150, 153 Bauern  34, 119 f., 124 – 126, 128, 130, 132 f., 143, 145, 158 – 163, 172, 176, 182 – 184, 186, 190, 200, 204 Bauexpedition 153 Baugewerbe  169, 175, 180 Bauhandel 169 Baumaterialien 183 Baumwollanbau  143 f. Baumwolle  83, 99, 110, 115 Baumwollindustrie s. Textilindustrie  Baumwollmanufaktur  115, 154 Beamte  78, 101, 107, 121, 133, 147, 159, 185, 189 – 191, 204 Befreiungsbewegung  135, 140, 202 Belgrad 102 Bendery  151 f. Bergbau  167 f., 175, 180 f. Berufe  10, 30, 32 f., 124, 156, 159 – 161, 163, 167 – 172, 175, 180 – 189, 191 – 194, Beschwerde  59, 86 – 88, 100, 110, 121 Besiedelung  14, 81, 92, 102, 122 – 129, 132, 140, 143, 146, 150, 22 Bessarabien  133, 151, 154, 162, 164, 173 – 176, 179 f., 186 Bildung  51, 128, 134, 141 – 143, 156, 160, 163, 166, 170, 178 f., 181 f., 184, 186 – 190, 192, 205 Bilhorod-Dnistrovs‘kyj s. Akkerman Bilohirs’k s. Karasubazar Binnenhandel  56, 89 f. Binnenmarkt  90, 109, 114 f. Binnenzoll s. Zoll  Bischof  133, 135, 142, 147, 149, 151, 154, 186, 202 Bittschrift s. Petition  Botschafter s. Gesandter  Branntwein  143 f., 201 Brauerei 117 Brennholz s. Holz  Briten  111 f.

Buchara  97, 100 Bucharer  60, 85, 93 Buchführung 64 Budёnnovsk  s. Svjatoj Krest Bug  129 f., 151 Bulavin-Revolte 78 Bulgaren  120, 130 Bündnispolitik  72, 140, 198 Bürgertum  34, 97, 106, 108, 133, 199 Bursa 55

C Caricyn  83, 184 Čerkassk  89, 101 f. Čёrnaja 152 Černica 152 Chadschi-Tarchan 84 Char‘kov  118, 163 f., 173 f. chemische Erzeugnisse  168 Cherson  120, 126, 128, 133, 163 f., 173 – 176, 180, 186 Chiva  97, 100 Chodscha  63 – 65, 67 f. Christen  23, 49, 52, 78 f., 95, 131, 133, 146 – 148, 151, 157, 159, 202 f. Cognac s. Branntwein  Commenda  63 – 66 cultural broker  41, 200 Cultural Studies  19

D Dagestan  163, 165, 173 – 176, 185 Darlehen s. Kredit  Demografie  12 f., 156, 188, 194 Departement der Fremden Konfessionen  134 Deportation 61 Derbent  81, 88, 145 Deserteure  116, 130 Deutsche  10, 14 f., 29, 69 f., 131 f., 149, 201 deutsche Länder  36, 69 f., 129 Diamanten s. Edelsteine  Diaspora  10 – 15, 17 – 20, 22 f., 26 – 29, 34 – 39, 43 – 47, 49 – 52, 75, 134, 143, 155 f., 158, 162, 172, 183 – 186, 188, 190 – 196, 199 – 203, 205 Diasporaforschung  10, 12, 14, 17, 20, 22, 25 Dienstboten  97, 167, 170, 175, 181 f., 186 Dienstgut 128

Orts- und Sachregister

Dienstleistung  32, 167, 170, 175, 180 f., 182, 186, 192 f. Dienstpflicht  58, 87, 93, 102 f., 116, 159 Differenz  29, 39 – 42, 44, 48, 91, 188, 196, 199 f. Diözese Nachičevan-Bessarabien  133, 186 Diplomat  37, 44, 52, 58, 73 Diplomatie  70, 123, 197, 200 Diskriminierung 34 Dnjeprregion 129 Dnjestr  130, 151, 154 Dolmetscher s. Übersetzer  Don  56, 148, 184, 205 Donkosaken s. Kosaken  Don-Kosaken-Oblast‘  148, 162, 164, 173 – 176, 179, 182, 186 Dubossary  151 f. Dvina-Delta 71

E East India Company  62, 67, 84, 90 Edelmetall  9, 62, 68 – 70, 86, 60, 62, 70 f., 100, 196, 198 Edelsteine  9, 60, 78, 85, 90, 100 Ehrenbürger  158 f., 172, 176, 181 – 185, 189 f., 192 Einzelhandel  57, 59, 78, 86 f., 94, 108 f., 154 Ēǰmiacin  12, 47, 133 f. Ekaterininsker Provinz  129 Ekaterinoslav  126, 130 f., 133, 147 – 149, 162, 164, 173 – 176, 179 f., 186 Elisavetpol 162 Elisavetgrad 129 Elite  13, 28, 32 – 39, 41 – 46, 63, 73, 75, 143, 185 f., 189, 191, 195, 197 – 201, 203, 205 Engländer  27, 56, 67, 70 Erdöl 117 Erevan s. Yerevan 162 Erschließung  43, 75, 111, 122, 124, 126, 140, 202 f., 205 Erste Allgemeine Volkszählung des Russländischen Reiches  s. Volkszählung Ethik  23 f., 33, 188, 204 ethnic economy  24 f. Ethnie  15, 20, 37, 49, 159, 161, 163, 188, 203 Ethnisierung  26, 37, 195 Ethnizität  20 f., 48, 157 Europa  9 – 11, 17, 23, 25, 52, 55 – 58, 60, 62 f., 66, 68 – 71, 74 – 78, 82, 110 f., 122, 124, 196 f.

239

Evakuierung  145 – 148 Exil  20, 46 Expansion  12 – 14, 29, 42 f., 56, 60, 65, 72, 122 f., 129, 140, 200 f., 203 Expedition für Staatliche Wirtschaft, Ausländerfürsorge und Dörfliche Hauswirtschaft  105, 119, 131 Export  55, 62, 70, 73, 82, 97 Exportwaren  58, 87, 99 Exportzoll s. Zoll

F Fabrik  87 f., 118 – 120, 161, 93 f., 104, 109, 116, 150 Facharbeiter s. Fachkräfte  Fachkräfte  113, 115, 121, 200 Familienbetrieb  63, 65 Färbemittel  67, 90, 99 Feldbau s. Ackerbau  Feodosija  134, 149 Fergana  163, 165, 173 f., 187 Fernhandel  13 f., 26, 29, 63, 66, 68, 195, 199 f. Festung  73, 118, 123, 129, 140, 143 f., 148 Feudal  26, 32, 36, 41, 61, 195 Finanzen s. Finanzwesen Finanzier  63 f., 117, 140 Finanzwesen  10, 23, 36, 51, 97, 121, 124, 183, 188 Finnland 162 Fischfang  117, 168 Fischindustrie 117 Fiskus s. Staatskasse  Forstwirtschaft 168 Frankreich  112, 197 Franzosen 76 freie Berufe  167, 170 Fremder  29 f. Frontier  14, 42 f., 123, 126, 129 f., 201, 204 Fuhrgewerbe s. Transportgewerbe 

G Galizien 11 Ganja 144 Gartenbau  124, 148, 150 f., 202 Gastgesellschaft s. Aufnahmeland  Gastgewerbe  170, 184 f., 193, 205 Gasthof s. Handelshof  Gebrauchsgüter  62, 88, 107, 196 Gefangene s. Strafgefangene 

240

Orts- und Sachregister

Geistliche  64, 96, 126, 134, 142, 147, 159, 172, 176, 181 f., 185 f., 190, 192, 194 Geldgeber s. Finanzier Geldgeschäft s. Finanzwesen Geldverleiher  67, 91, 193 Gemeinschaft  20 f., 49, 155, 188, 195 Genozid  38, 46 Genueser 27 Genussmittel  109, 169, 193 Georgien  9, 81, 110, 120, 144 Georgier  93, 111, 114, 119 f., 130, 146 f. Georgievsk 140 Gesandter  59, 62, 68, 73, 78 f., 85, 140 Gesetzbuch 96 Getreidehandel s. Agrarhandel  Gewinn  9, 24, 58, 63, 69 f., 77, 84, 89, 91, 110 f., 118, 121, 199 Gewohnheitsrecht  96, 106, 153 Ghulam  61 f. Gilan  61, 78 f., 81 – 83, 85, 93, 118 Gilde  39, 87, 103 – 106, 108, 142, 150, 159, 183 f. Gjulistan 110 Globalisierung  20, 199 Glokalität 20 Gnadenurkunde an die Städte  103 f., 108 Gojim 48 Gold s. Edelmetall  gorcy  143 f., 203 gosti  57, 70 f., 74, 77 gostinnaja sotnja  71 gostinyj dvor  s. Handelshof  Gouvernementskanzlei  88, 93 f., 96 Gouverneur  80, 86, 92 – 95, 98, 105 f., 116, 118, 120 f., 127, 129, 132, 152 f. Grabar 47 Grenze  21, 37, 43, 65, 129, 135, 152, 154, 202 f. Grenzregion  13, 41 f., 116, 123, 125, 128 f., 135, 140, 145 f., 200, 202 Griechen  37, 93, 119 f., 130, 146 – 148, 195 Grigoriopol  14 f., 109, 135 f., 138 f., 151 – 154 Großer Nordischer Krieg  76 f. Großhandel  86, 109, 154 Großkaufmann  96, 90, 183 Großrussen s. Russen 

H Handel  9, 23, 29, 32, 34, 51 f., 56 f., 59 – 62, 67 – 71, 74 – 82, 84 – 88, 90, 93 f., 97 – 102, 104, 106, 108, 110 f., 116, 121, 124 – 127, 131, 142 f., 145, 148, 150 f., 169, 175, 180 – 189, 191 – 194, 197 – 199, 201 f., 205 Handelsbilanz 110 Handelsgesellschaft  29, 31, 198 f. Handelshandbuch  64 f. Handelshaus  75, 198 Handelshof  29, 57, 85 – 88, 94, 108 f., 153 Handelskompanie s. Kompanie  Handelskompendium s. Handelshandbuch Handelsrecht  66, 74, 79, 85 Handelsreise  64, 102 Handelsroute  43, 55 f., 67, 73, 76 – 78, 81, 103, 141, 143 f., 154, 184, 196, 205 Handelsvolumen  55, 83, 101 f., 111 Händlerdiaspora  12, 18, 24, 26 – 32, 35, 195 Händlerkolonie s. Kolonie  Händlerschicht s. Kaufleute  Handwerk  32, 84, 116 f., 126, 132, 148, 150, 193 Handwerker  81, 94, 96 f., 104, 115 f., 120, 144 f., 150, 154, 160 Hauptverwaltung der Geistlichen Angelegenheiten Fremder Konfessionen  133 Haushaltswaren 169 Hausierhandel  31, 52 Heimarbeit 115 Heimat  18 – 20, 27 f., 32, 39, 45 – 47, 49 – 52, 64, 86, 120, 146, 148 f., 152, 194 f., 199 Herkunftsland s. Heimat Herrschaft  10, 27, 35 – 37, 41, 67, 123, 125, 133, 135, 158, 191, 195, 199 f., 203 – 205 Herrscher  36 – 39, 49, 52, 122, 130, 140, 189, 191, 200, 202 Heterogenität 40 Historiografie  10, 13 f., 47, 122, 155 Holland 135 Holländer s. Niederländer  Holsteinische Kompanie  56 Holz  89, 128, 168, 183 Holzindustrie 117 holzverarbeitende Betriebe  s. Holzindustrie Hybridität  20, 43 Hygiene s. Körperpflege 

Orts- und Sachregister

I Iaşi s. Jassy Idealtyp  22, 41, 188, 195, 205 Identifikation  20 f., 51 Identität  20 f., 40, 47, 49, 193 imagined community  155 Imperialismus  39 f. Imperium  12 – 15, 39 – 43, 45, 104, 122 f., 127, 143, 146, 185, 200 f., 203 Import  43, 67, 80, 82 – 84, 89 – 91, 97, 99, 110 – 113, 117, 120 f. Importwaren  70, 78, 80 Importzoll s. Zoll  Inder  60, 89, 91, 93, 95, 121 Indien  11, 55, 59, 62, 66 f., 78, 86, 112 Indienhandel s. Orienthandel  Indigo s. Färbemittel  Indischer Ozean  62 Industrialisierung  183, 190, 199 Industrie  13, 32, 83 f., 86, 92 – 94, 99, 110 f., 114 f., 117, 121, 125, 127, 146, 160, 196 f., 204 f. Industrieller  81, 99, 113, 116 f., 154 Infrastruktur  28, 102 Inkorporation  40 f., 199 Innenministerium s. Ministerium für Innere Angelegenheiten Innovation  24, 30, 35 f. Inorodcy  158, 172, 182 Instrumentalisierung  13, 35, 37, 44, 198 Integration  12, 36, 40 f., 43, 124, 146, 199 f., 205 Intelligenz  143, 159, 161, 175, 185 f., 205 Intelligenzija s. Intelligenz  Investition  32, 64, 142, 192 Iran  s. Persisches Reich  Irkutsk  163, 165, 173 – 176 Isakča 152 Isfahan  61, 69, 76 Iskanderun 55 islamische Welt  52 Istanbul  55 f., 101 f. italienische Staaten  97, 101 Izmail 152 Izmir 55

J Jagd 168 Jahrmarkt  59 f., 89 f., 108, 110 f., 127

241

Jaik 129 Jaroslavl  84, 101 Jassy 151 Juchten s. Leder  Juden  9 f., 17, 23 f., 37, 45, 48 f., 51 f., 127, 193, 195 Julfa 60 juristische Tätigkeit  170 Juwelier-  85, 150

K Kadchuda 65 Kaffa  51, 56 Kaiser s. Zar Kalantar  65, 67 Kalmücken 115 Kaluga  56, 101 Kameralismus  124, 198, 200 Kanzlei für Ausländerfürsorge  128, 131 Kap der Guten Hoffnung  55, 62, 73 Kapital  32, 56, 63 f., 94, 99, 102, 104, 116 Kapitalismus  23 f. Kaproute  67 f. Karabach  81, 145 Karasubazar  109, 135 f., 149 Karawanenhandel 62 Kars 162 Kaserne  94, 106 f. Kaspi-Wolga-Weg s. Wolgaroute  kaspischer Feldzug  s. russisch-persische Kriege Kaspisches Meer  55, 69, 83, 85, 117 Kathedrale s. Kirche  Katholiken  52, 148 f. Katholisches Gericht  148 f. Kaufmannschaft s. Kaufleute  Kaufmannsstand  103, 186, 189 Kaufmannsversammlung  65 f., 69 Kaufleute  9, 13, 28 f., 34, 51, 55 – 113, 117, 120 f., 130, 141 – 145, 150, 154, 158 f., 172, 176, 181 – 186, 189 f., 192, 194, 196 – 199, 205 Kaukasien s. Kaukasus  Kaukasische Linie  119, 146 Kaukasus  55, 69, 84 f., 117, 122 f., 125, 130, 133, 135, 140, 143 – 146, 165, 177 – 182, 185 – 187, 198, 203, 205 Kaviar 83 Kazan  55, 84

242

Orts- und Sachregister

Khan  146 f. Khanat  55, 146 f. Kiev  15, 163 f., 173 f., 187 Kilija 152 Kirche  12, 49 – 51, 133 f., 149 f., 154, 157 – 160, 167, 170, 175, 179 – 183, 186, 190, 194 Kišinёv  133, 154, 164, 175 f., 186, 205 Kizljar  98 – 100, 105, 107 f., 113 f., 118 – 120, 135 – 137, 143 – 145, 201 Kleidung s. Textilien  Kleinasien  11, 97, 186 Kleinhandel  104, 193 Kleinhändler  88, 94, 96, 193 Klientel 42 Kloster  64, 150, 154 Kollegium für Auswärtige Angelegenheiten  131, 135 Kolonialismus  20, 27 Kolonialreich 122 Kolonie  13 f., 24, 27 – 29, 39, 46, 62, 84, 88, 91, 94, 96, 103, 107, 124, 127, 130 – 145, 148 – 151, 153, 202 – 204 Kolonisierung  13 f., 41, 122 – 124, 130, 132, 200, 202, 204 Kolonisierungspolitik  14, 103, 123, 125, 131 f., 200, 204 Kolonisten  9, 13 f., 27, 55, 120, 122 – 127, 130 – 134, 148 f., 153, 200 – 202, 204 f. Kommerzkollegium 82 Kommunikation  13, 29, 52, 62 f., 170, 196, 199 Kompanie  56 f., 59 – 61, 63, 65 – 67, 69, 75, 79 f., 82, 91, 97 – 103, 112 Komplementarität  33, 37 f., 198, 200 f. Konfession s. Religion  Konfiskation  101 f., 120 Konkurrenz s. Wettbewerb  Konsolidierung  22, 39, 43, 146, 203 Konstantinopel s. Istanbul  Konsul 28 Konsum 124 Konsument  32, 75, 193, 195 Körperpflege  170, 186, 193, 205 Korruption 204 Kosaken  43, 73, 101 f., 119, 125, 129 f., 172, 182 f., 189 Kosmopolitismus 30 Kredit  91 f., 94, 97 f., 118 f., 121, 132, 169, 204

Kreditanstalt s. Bank  Kriegskollegium 126 Krim  9, 56, 119, 130, 134, 140 f., 143, 146 – 151, 203 f. Krimfeldzug  129, 148 Krimtataren  125 f. Kuban  163, 165, 173 – 176, 182, 185 f. Küçük Kaynarca  129, 146 Kumyken 60 Kunden  24, 29, 196 Kundschafter 81 Kunst  9, 51, 170, 185, 190 Kurier 64 Kürschner  168 f. Kutais 162

L Landesausbau 122 Landnahme  14, 122 Landwirtschaft  32, 52, 83, 99, 119, 121, 124 – 126, 130 – 133, 143 f., 146, 148, 150, 153, 160 f., 185 f., 192, 202, 205 Lazarev Institut  51 Lebensmittel  89 f., 151 f., 154, 180, 183 f., 205 Leder  83, 85, 89, 99, 101, 115, 150, 154 Lehrling  116, 119 Lehrmeister  82, 119 Leibeigene  106, 113, 116, 120, 125, 128, 130 Leipzig  9, 110 f. Lesefähigkeit  160, 163, 178 f., 181 f., 192 Levante  60 – 62, 67 Levanteroute  55, 68, 73, 77 liquide Berufe  32, 192 – 194 Litauen 164 Livorno 55 Lohnarbeit  113, 116 f. Lokator 129 London 67 Loyalität  36, 38, 42, 45, 50, 200 Luxushandel 169 Luxuswaren  55, 60, 62, 112, 169, 196

M Magistrat  86 f., 92 – 94, 104, 116, 120, 131, 142, 149 f., 152 f. Makarev  89 f. Manifest  95, 107 – 109, 127 – 129, 131, 145, 150

Orts- und Sachregister

Manila 196 Manufaktur  10, 100, 112 – 118, 120 f. Manufakturist s. Industrieller  Manufakturkollegium  100, 112 f., 116 Manufakturwaren  89 f., 93, 109 Marginalität 30 Markt  57, 92, 110, 112, 115 f. Marseille  55, 67 Matrosen 113 Maulbeerbäume  117 – 120 Maurer 150 Mäzen 51 Mazenderan 81 Mechitaristen  47, 49 Medizin  142, 170 Mehrheit  10, 35, 38, 182, 188, 190 f., 200 f., 206 Melik 140 Merkantilismus  103, 124, 127, 198, 203 Meščane  93, 98, 104, 106, 158 f., 172, 176, 181 – 185, 189 f., 192, 194 Metall  99, 168 Metallindustrie  111, 117 middleman minority  10, 12 f., 24, 26, 31 – 35, 37 – 39, 41, 43 – 46, 52, 187 – 189, 191 f., 194 – 199, 201, 205 Migration  18, 63, 129, 143 Militär  170, 175, 180 f., 184 – 187 Militärdienst  120, 127, 132 Militärsiedler 126 Minderheit  10, 13, 17, 22 – 24, 26, 28, 32, 34 – 39, 41 f., 44 f., 185, 194 f., 198 – 202, 205 mineralische Erzeugnisse  168 Ministerium der Geistlichen Angelegenheiten und der Volksaufklärung  133 Ministerium der Reichsdomänen  133 Ministerium der Volksaufklärung  133 Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten  68, 131 Ministerium für Innere Angelegenheiten  112, 131, 133 f. Mission  42, 49, 51, 72, 75 f., 78, 80, 140, 150, 197 Missionar 41 Mittelalter  10 f., 28, 52, 63, 84, 135, 141, 143, 196 Mittelmeer  11, 55, 62, 66, 73, 78 Mittelmeerraum  28, 73, 101, 196 Mittlerer Osten  52 Mobilisierung  33 f., 38, 43, 155, 199

243

Mobilität  26, 158, 195 Modernisierung  31 – 38, 130, 195, 199, 201, 203, 205, 52, 192, 197 Modernität 24 Mogulreich 197 Moldau  140 f., 151, 203 f. Moldauer  130, 152 Monopol  26, 34, 37, 57 f., 62, 67, 71, 75, 84, 89, 97 – 103, 113, 117, 121, 197, 199, 201 Monopolwaren  59 f. Moral s. Ethik  Moskau  15, 51, 56, 60, 69 – 73, 75 – 78, 81, 83, 85, 89 – 91, 97 f., 100, 102, 110, 113 – 115, 118, 163, 165, 173 – 177, 179 f., 185, 196, 205 Moskauer Staat  10, 56, 58, 70 Moskowitische Kompanie  56 f., 59, 61 Mozdok  107 f., 135 – 137, 143 – 145, 201 Multiethnisch  13, 26 f., 32, 39, 41 – 44, 135, 192, 195, 197, 199 Muscovy Company  s. Moskowitische Kompanie Muškur 145 Muslime  49, 61, 149, 202 f. Mutterland s. Heimat  Muttersprache  156 – 158, 177, 179 f., 182, 188 f., 192 f. Mythos  40, 46 f., 49

N Naher Osten  11, 101 Nahrungsmittel s. Lebensmittel  Narva  75 f., 196 Nation  20, 28, 51, 67, 95 Nationalität  28, 156 – 158 Nationalismus  20, 48 f., 134 Netzwerk  13, 26 f., 29, 43, 52, 62, 64, 66, 195 f., 199, 201 Neues Handelsstatut  s. novotorgovyj ustav  Neu-Julfa  13, 29, 51, 61 – 68, 75, 85, 98, 112 f., 196, 198 f. Neu-Nachičevan  109, 120, 135 – 137, 141, 148 f., 151 f. Neurussland  126, 128 f., 131 – 133, 140, 146, 149, 151, 154, 164, 177 – 182, 186, 202 Neuserbien  126 f. New Imperial History  13, 40 Nichtrussen  158 f., 163, 168, 190 Niederlande 197

244

Orts- und Sachregister

Niederländer  56, 59, 67, 74 Nische  29, 32, 34 f., 185, 196, 201 Nižnij Novgorod  84, 110 f. Nomaden  125, 141 Nordkaukasus s. Kaukasus  Nordosteuropa 55 Nordrussland  165, 177, 180, 189 Nordwesteuropa 62 Novgorod  56, 70, 76 novotorgovyj ustav  59 f., 69 – 71, 80, 85 f., 105, 197 Nützlichkeit  45, 123, 132, 206

O Obščij Svod  162 Obstanbau s. Gartenbau  Očakov 154 Odessa  110, 154, 164, 174 – 176, 180, 186 Oka 56 Ökonomie s. Wirtschaft  Opferdiaspora s. Diaspora  Orenburg 9 Orient  75, 83 Orienthandel  13 f., 55 f., 71 f., 75, 77, 82 – 85, 89 – 91, 97 f., 100 – 103, 105, 110, 121, 125, 141 f., 196, 199, 201 Orthodoxe  52, 75, 203 Osmanen  29, 56, 60, 72 f., 79, 102, 123, 129, 132, 135, 146, 202 f. osmanisch-persischer Krieg  61, 72 f. Osmanisches Reich  12, 45, 56, 61, 69, 72 – 74, 78 – 80, 85, 89, 97, 101, 103, 110 f., 129, 131, 140, 143, 148 – 151, 153 f., 186 f., 196, 198, 202 f. Ost-West-Handel  71, 77, 198 Osteuropa  11, 52 Ostmitteleuropa 11 Ostpolitik  81, 125, 198, 203 Ostsee 75 Ostseeroute 76 Otarner 48

P Papiererzeugnisse 168 Pariah- 24 Pascha 102 Pelze  83, 89, 99 Perekop 56

Peripherie  11 f., 14, 20, 40 f., 64, 66, 122 – 124, 199 f., 205 Perlen  60, 78 Perser  59 f., 67, 79, 85, 91, 93, 110, 144, 203 Persienhandel s. Orienthandel  Persischer Golf  55, 67 Persisches Reich  11 f., 29, 36, 55 f., 59 – 62, 66 – 76, 78 – 85, 89 f., 92, 97 – 100, 103, 110 f., 116 f., 123, 128, 135, 140 f., 143 – 146, 150, 196 f., 199, 202 Petition  78, 98 – 100, 109, 121 Peuplierung  126, 128 – 130, 146 Peuplierungspolitik  125, 127, 132, 149, 200, 203 Pfeffer 99 Polen  71 f., 126, 129, 164, 177, 179 f., 187, 193, 205 Polizei  65, 96, 124, 134, 203 Polonisierung 187 Položenie 134 Portugal 27 Posad  86, 93, 161 Posol’skij Prikaz  68, 70, 72 Postkolonialismus 20 Poststrukturalismus 19 Priester s. Geistliche  Privilegien  28, 35 – 38, 58 f., 63, 67 f., 70, 77, 80 f., 84 – 86, 89, 92 – 95, 97, 101 – 103, 150 f., 111 – 114, 116 f., 120 f., 128, 130 – 132, 134, 142 f., 145, 147 – 153, 159, 190, 194, 196 – 200, 203 f., 206 Produzent  32, 75, 118, 193, 195 Prostitution 171 Protest  57, 70, 74, 77, 86, 92 f., 100, 108, 116, 121, 197 – 199

R Rasse 20 Rascht 144 Rathaus  93 f., 96, 142, 144, 149 Rationalisierung  103, 130, 203 Rationalität  24, 123 Reexport  83, 99 Regierung  9, 12, 38 f., 44 f., 57 f., 61, 65, 71, 77, 79 – 82, 95, 97 f., 99, 101 f., 105, 107, 110 f., 113 f., 117 – 121, 123, 125 f., 130, 132, 134 f., 140, 142, 145, 147 – 151, 153, 191, 197 – 199, 201 – 204 Reis 90 Reisanbau 143 Rekrut s. Militärdienst 

Orts- und Sachregister

Religion  9, 12, 19, 23, 26, 28, 37, 47, 49 f., 75, 133 f., 157 – 160, 162, 164, 179, 193 f. Religionsfreiheit  93, 95, 127 Religionspolitik 133 Rentier  167, 170, 175, 180 – 183, 185 f., 189, 192 – 194 Reputation  64, 66 Residenzland s. Aufnahmeland  Ressource  27, 43, 127, 195, 200 f. Richter  93, 95 f., 106, 109 Rohseide  13 f., 55 f., 60 – 62, 67 – 74, 77 – 80, 83, 85, 89 f., 97, 99 f., 111, 113 f., 117 – 121, 196 f., 201 Rohstoff  60, 84, 99 f., 110 f., 169, 196 Rom 12 Rostov am Don  101, 164, 174 – 176, 179, 184 Rückkehr  18, 32, 47 f., 64, 70, 91, 149, 153 Russen  10, 56 – 60, 68, 70 f., 74, 77 – 80, 82, 86 – 89, 92 – 94, 99, 106, 109, 116, 118, 121, 126 – 128, 141, 143 f., 146, 148, 157, 184 f., 196 f., 200 f., 203 – 205 Russifizierung  95, 157 russisch-osmanische Kriege  74, 129 f., 132, 135, 151, 154 russisch-persische Kriege  79 f., 86, 109, 111, 117 f., 135, 144  Russland  s. Russländisches Reich Russländisches Reich  9 – 15, 41 – 43, 45, 55 – 60, 68 – 83, 85, 88 – 91, 94 f., 97, 100, 102 f., 110 – 112, 115 – 118, 121 – 123, 125, 127 – 130, 132, 134 f., 140 – 146, 151, 155 f., 158, 162, 172, 183, 185, 187 – 189, 191, 193 f., 195 – 202, 204 f.

S Sachalin  163, 165, 173 – 176 Safaviden  61 f., 65 Safavidenreich  s. Persisches Reich  Säkularisierung  17, 50 Salz  117, 141 Samarkand  163, 165, 173 – 176, 182, 187 Sankt Petersburg  14 f., 63, 76 f., 81 – 84, 86, 98, 100, 102, 114, 140, 163, 165, 173 – 175, 177, 180, 185, 196, 202, 205 Saratov  83, 115, 130, 163, 165, 173, 175, 184 Schafzucht  132, 148 Schah  58 f., 61 – 63, 65, 68 f., 72 – 74, 78 – 80, 84, 197 f. Schemacha 80 Schifffahrt  98, 104, 109, 117

245

Schiffsbau 117 Schulden  99, 114, 116 f. Schule  9, 51, 64, 134, 143, 159 f., 178, 185 Schutz  28, 35, 37, 45, 47, 49, 52, 73, 78, 81, 101 f., 110 f., 113, 125, 127 f., 197 f., 203 Schwarzmeerflotte 102 Schwarzmeer-Gouvernement  163, 165, 185, 187, 196 Schwarzmeerhandel  97, 101 – 103 Schwarzmeerraum 123 Schweden  75 f., 85 Schweiz 52 Selbstverwaltung  28, 95 f., 103, 109, 127, 142, 144, 147 f., 161 Senat  77, 86 – 88, 92 – 94, 96 – 98, 100 f., 131 Serben 126 Seide  62, 69 f., 73 f., 77 f., 80, 83, 90, 99 f., 113, 115, 119, 121 Seidenanbaugebiet  56, 62, 79 – 81 Seidenbau  67, 77, 80 f., 117 – 121, 124 f., 142, 144 f., 148, 150, 201 f., Seidengarn  118 f. Seidenhandel  59 f., 62, 67, 71 f., 81, 85, 89 f., 111 Seidenindustrie s. Textilindustrie  Seidenmanufaktur  10, 112 – 118 Seidenproduktion s. Seidenbau  Seidenraupen  117, 119 f. Seidenstraße 60 Seidenwirtschaft  62, 81, 118 – 121, 128, 132, 150, 205 Seehandel  62, 67, 85, 99 Šelkozavodskaja 118 Seminar  142, 154, 160 Sibirien  122, 158, 165, 177 – 182, 187 Siedler  13 f., 81, 95, 120 f., 123, 125 f., 128 – 133, 140, 144 f., 147 – 149, 151 – 154, 187, 202 – 204 Silber s. Edelmetall  Slavjanoserbien 126 Sloboda  85, 87, 105, 142 Sloboda-Ukraine 118 Smolensk 70 Smuta 56 Smyrna s. Izmir Soldaten  81, 102, 113, 130, 143, 190 Soldateneinquartierung  87, 93 f., 102, 105 f., 119, 127 Solidarität  19, 29, 66, 188, 196 Sonderrecht  92, 105, 108 f., 143, 199

246

Orts- und Sachregister

Sonderverwaltung  131, 133 Sonderweg 122 soslovie s. Stand  Sowjetunion  13 f., 17, 24 sozialer Dienst  170 Sozialstruktur 30 Soziologie s. Sozialwissenschaft  Sozialwissenschaft  17, 23, 195 Spezialisierung  32, 34, 36, 52, 201 Spezialist  34, 36, 43, 114 f., 200 f. Spinner  145, 119 Staatsbauern  120, 125, 130, 132 f. Staatsdienst  189 – 191, 203 Staatskasse  58, 61, 69 – 71, 73, 80, 99, 110, 118, 121, 132, 196, 199 Stand  39, 98, 104 f., 108, 126, 158 – 160, 172, 181 f., 185, 192, 194, 205 Standeszugehörigkeit  172, 176, 183, 187 – 189 Statthalterschaft  130 f., 133 Staryj Krym  109, 135 f., 149 f. Status  28, 30, 33 – 35, 38, 48, 103, 105, 107, 135, 143, 150, 197, 204, 206 status gap  32 f., 201 Stavropol  163, 165, 173 – 176, 185 Steinmetz 150 Steppenregion  122, 124 f., 129, 141, 148, 165 Steuer  28, 57 f., 70, 87, 93, 108 f., 116, 124, 127 f., 133, 147 Stipendien 185 Stoffe s. Textilien  Strafableistende s. Strafgefangene  Strafgefangene  116, 171, 175, 187 Südkaukasus  11 f., 81, 83, 85 f., 89, 110 f., 120, 133, 140 f., 143 f., 158, 162, 164, 194 f., 201 f., 204 f. Südostasien  62, 67 Südrussland  133, 140 f., 201 f., 205 Südslawen 126 Sultan 56 Sündenbock 38 Surat  63, 196 Svjatoj Krest  119, 135 – 137, 145 Symbiose  13, 35, 37, 198 Synod 134

T Tabak  109, 117 – 128, 150 Tadschiken 144

Tataren  85, 93 – 96, 104, 107, 115 f., 188 f., 125 f., 148 f. Taurien  130, 133, 163 f., 173 – 176, 179, 186 Tavernen 58 Technik  28, 114, 150, 196 technische Artikel  169 Technologie  43, 124, 205 Teilhaber 144 Temernikovsker Hafen  101 f. Teppiche  85, 150 Terek  117 – 119, 163, 165, 173 – 176, 180 Textilbranche s. Textilwesen  Textilgewerbe s. Textilwesen  Textilien  67, 83, 90 f., 99 f., 106, 109 – 111, 113 – 115, 121, 151, 154 Textilhandel  67, 175, 184, 188 Textilindustrie  55, 80, 84, 97, 99, 110, 112 – 117, 120 f., 145, 180, 184, 196, 198, 201 f. Textilwaren s. Textilien  Textilwesen  117, 183, 185, 193, 199, 205 Tierzucht s. Viehzucht  Tiflis  51, 162 Tradition  20, 23 f., 28 – 30, 33, 38, 50, 63, 66, 75, 150, 192 Transaktionskosten  63, 66 Transithandel  11, 14, 55 f., 60, 62, 69, 71 – 78, 80, 82 – 84, 89 f., 110 f., 199 Transitrecht  56, 59, 68 f., 71, 74, 110 Transitzoll s. Zoll Transkaspi-Oblast‘  163, 165, 173 – 176, 182 Transkaukasien s. Südkaukasus Transkaukasus s. Südkaukasus Transnational 20 Transportgewerbe  175, 185 f., 193, 205 Transportwesen s. Transportgewerbe Trapezunt 111 Triest 111 Türkei  s. Osmanisches Reich  Türken  69, 74 Typologie  22, 195

U Überlandhandel 85 Übersetzer  37, 41, 44, 67, 81, 109, 200, 203 Übersiedlung s. Umsiedlung  Udi 157 Ukas  79 f., 82, 88, 94, 97, 100 f., 153

Orts- und Sachregister

Ukraine  74, 118, 164, 175, 179 f., 187, 189, 205 Ukrainer  126, 187, 122, 130 Uloženie 96 Umsiedler s. Siedler  Umsiedlung  61, 122, 132, 135, 140 f., 145 – 147, 151 f., 202 – 204 Unabhängigkeit  44, 51, 112, 121, 134 f., 140, 146 Unfreie s. Strafgefangene  Unternehmer  13, 30, 32, 58, 60, 63, 97, 100, 112 – 115, 118, 120 f., 125, 127 f., 145, 150, 154, 196, 198 Unterstützungsempfänger  171, 185 Untertanenschaft  79, 87, 92, 94, 98, 105, 108, 131, 133 Ural 129 Urbanisierung  156, 161 – 163, 166, 172 f., 177 – 179, 181 f., 185 – 187, 189, 192, 194, 202, 205

V Venedig  29, 51, 55, 63, 66, 196 verarbeitendes Gewerbe  115, 117, 168, 175, 180 – 183, 189, 193 Verenigde Oostindische Compagnie  67 Verfolgung 34 Verkaufsbuden  86 – 88, 94, 109, 142, 153 f. Verlagssystem 115 Vermittler  31, 34, 41, 45, 52 f., 60, 73 – 75, 143, 198 Verschuldung s. Schulden  Versicherung 169 Vertrag  56, 63, 65 – 67, 69 – 74, 77 – 81, 97, 102, 116, 140, 143, 146, 151, 199 Vertrauen  29, 63, 66, 196 Verwaltung  28, 31, 34 – 37, 41 f., 62 f., 65, 85, 92 f., 103 f., 107, 112, 119, 123, 130 f., 133 f., 143, 146, 149, 153, 162, 167, 170, 175, 180 – 183, 185 – 187, 189 – 192, 194, 200 – 205 Verwaltung für Landwirtschaft und Kolonien Ausländischer Ansiedler im Kaukasus und in Transkaukasien  133 Viehhandel s. Agrarhandel  Viehzucht  51, 154, 168 Vojevod 77 Völkermord s. Genozid Volkszählung  13 – 15, 155 – 163, 183 f., 186 – 190, 205 Vormodern  24, 26, 31 – 33, 37, 44, 50, 195, 199 Voronež  162, 165, 173 – 175, 184

247

W Walachen  126, 146 f. Waren  43, 56, 59 f., 63 f., 66, 68 – 70, 73 f., 76 – 79, 82 – 91, 93 f., 97, 99 – 101, 110 f., 113, 154, 183 Warschau  15, 163 f., 173 – 175, 187 Weber  115 f. Wechsel 92 Wein  90, 128, 144, 150 Weinbau  132, 124, 143 f., 148, 150 Weißes Meer  57, 75 Weißmeerroute 76 Weißrussland 164 Weizen  99, 148 Weltmarkt  32, 111, 199, 201, 205 Weltwirtschaft  28, 196 Westeuropa  11, 17, 25, 55, 57, 60, 70 f., 74 f., 110 f. Wettbewerb  23, 29, 34, 43, 57, 63, 66 f., 74 f., 82, 84, 88, 92, 98, 102, 111, 117, 121, 123, 155, 198 – 200, 202, 205 Wirtschaft  10 f., 23, 27, 61, 65, 102, 105, 118 f., 121, 125, 131, 146, 148, 204 Wirtschaftspolitik  57, 82, 145, 198 Wissen  29, 63, 196 wissenschaftliche Tätigkeit  10, 170, 185 Wohlstand  30, 61, 88, 124, 127 Wohnrecht  86, 142 Wolga  55, 83, 90, 109, 117, 165, 177 f., 180 f., 184, 205 Wolgahandelsweg s. Wolgaroute  Wolgaregion 125 Wolgaroute  14, 56, 73, 78, 83, 141, 184, 196, 55 Wucher 9

Y Yerevan 14

Z Zaporožer Kosaken  s. Zaporožer Seč  Zaporožer Seč  129 f. Zar  9, 52, 58 – 60, 65, 68 – 69, 71 – 74, 77 – 81, 95, 98 – 100, 103, 107, 114, 127 – 129, 134 f., 198 – 200, 206 Zentral-Schwarzerde  165, 180 Zentralasien  59, 84, 86, 112, 116, 122, 165, 178 – 182, 187, 198 Zentralisierung  36, 61, 126, 203 Zentralrussland  117, 165, 177 f., 180 f., 189

248

Orts- und Sachregister

Zentrum  20, 41 – 43, 47, 51, 55, 62, 64, 66, 71 f., 85, 109, 115, 117, 133, 141, 144, 154, 194, 199 f. Zigeuner  9, 157, 163 Zins  91, 117 f. Zivilisierungsmission 122

Zoll  28, 56 f., 59 f., 64, 68 – 72, 77 f., 80, 82, 86 f., 93, 97, 99, 101, 104, 108, 110 f., 113 f., 127 f., 142, 196 Zunft  97, 104, 154 Zwangsarbeiter  113, 187 Zwischenhandel 70 Zwischenhändler 57

ARMENIER IM ÖSTLICHEN EUROPA – ARMENIANS IN EASTERN EUROPE HERAUSGEGEBEN VON STEFAN TROEBST UND BÁLINT KOVÁCS

BD. 1 | TAMARA GANJALYAN, BÁLINT KOVÁCS, STEFAN TROEBST (HG.) ARMENIER IM ÖSTLICHEN EUROPA EINE ANTHOLOGIE 2016. CA. 528 S. CA. 15 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-412-21104-2

BD. 4 | TAMARA GANJALYAN DIASPORA UND IMPERIUM ARMENIER IM VORREVOLUTIONÄREN RUSSLAND (17. BIS 19. JAHRHUNDERT) 2016. 248 S. 2 KT. GB. ISBN 978-3-412-50572-1 BD. 2 | MARINA DMITRIEVA, BÁLINT KOVÁCS, STEFAN TROEBST (HG.) DIE KUNST DER ARMENIER IM ÖSTLICHEN EUROPA 2014. 256 S. 28 S/W. U. 27 FARB. ABB. GB. ISBN 978-3-412-21107-3 BD. 3 | KONRAD SIEKIERSKI, STEFAN TROEBST (HG.) ARMENIANS IN POST-SOCIALIST EUROPE 2016. 237 S. GB. ISBN 978-3-412-50155-6

BD. 5 | BÁLINT KOVÁCS FRÜHNEUZEITLICHE NETZWERKE SIEBENBÜRGISCHER ARMENIER KULTURTRANSFER NACH VENEDIG, POLEN-LITAUEN UND IN DAS OSMANISCHE REICH 2017. CA. 248 S. CA. 10 S/W-ABB. GB. ISBN 978-3-412-50722-0 BD. 6 | MINAS BŽŠKYANC EINE REISE NACH POLEN UND IN DIE ANDEREN LÄNDER, DIE VON ARMENIERN BEWOHNT WERDEN, DEREN VORFAHREN AUS DER STADT ANI STAMMEN ÜBERSETZT UND KOMMENTIERT VON BÁLINT KOVÁCS UND GRIGOR GRIGORJAN 2017. CA. 368 S. CA. 7 S/W-ABB. GB.

UK873

ISBN 978-3-412-50724-4

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VISUELLE GESCHICHTSKULTUR HERAUSGEGEBEN VON STEFAN TROEBST IN VERBINDUNG MIT ARNOLD BARTETZKY, STEVEN A. MANSBACH UND MAŁGORZATA OMILANOWSK A

EINE AUSWAHL

BD. 5 | JUTTA FAEHNDRICH EINE ENDLICHE GESCHICHTE

BD. 1 | ARNOLD BARTETZKY, MARINA

DIE HEIMATBÜCHER DER

DMITRIEVA, STEFAN TROEBST (HG.)

DEUTSCHEN VERTRIEBENEN

NEUE STAATEN – NEUE BILDER?

2011. XII, 303 S. 36 S/W-ABB. GB.

VISUELLE KULTUR IM DIENST

ISBN 978-3-412-20588-1

STAATLICHER SELBSTDARSTELLUNG IN ZENTRAL- UND OSTEUROPA SEIT 1918

BD. 6 | MARTINA BALEVA

UNTER MITARBEIT VON

BULGARIEN IM BILD

THOMAS FICHTNER.

DIE ERFINDUNG VON NATIONEN

2005. X, 364 S. 177 S/W- UND 16 FARB.

AUF DEM BALKAN IN DER KUNST

ABB. AUF 88 TAF. GB.

DES 19. JAHRHUNDERTS

ISBN 978-3-412-14704-4

2012. 294 S. 123 S/W- UND 19 FARB. ABB. GB.

BD. 2 | ULF BRUNNBAUER,

ISBN 978-3-412-20687-1

STEFAN TROEBST (HG.) ZWISCHEN AMNESIE UND NOSTALGIE

BD. 7 | ELENA TEMPER

DIE ERINNERUNG AN DEN

BELARUS VERBILDLICHEN

KOMMUNISMUS IN SÜDOSTEUROPA

STAATSSYMBOLIK UND NATIONS-

2007. VI, 308 S. 37 S/W-ABB. UND 9 TAB.

BILDUNG SEIT 1990

GB. | ISBN 978-3-412-13106-7

2012. 332 S. 52 S/W-ABB. UND 22 FARB. ABB. GB. | ISBN 978-3-412-20699-4

BD. 3 | MARTIN AUST, KRZYSZTOF RUCHNIEWICZ, STEFAN TROEBST (HG.)

BD. 8 | JENNY ALWART

VERFLOCHTENE ERINNERUNGEN

MIT TARAS ŠEVČENKO STAAT MACHEN

POLEN UND SEINE NACHBARN

ERINNERUNGSKULTUR UND

IM 19. UND 20. JAHRHUNDERT

GESCHICHTSPOLITIK IN DER UKRAINE

2009. VII, 285 S. 33 S/W-ABB. GB.

VOR UND NACH 1991

ISBN 978-3-412-20292-7

2012. 220 S. 25 S/W- UND 22 FARB. ABB. GB. | ISBN 978-3-412-20769-4

BD. 4 | JACEK FRIEDRICH NEUE STADT IN ALTEM GEWAND DER WIEDERAUFBAU DANZIGS 1945–1960 2010. VIII, 276 S. 105 S/W-ABB. AUF

TT166

48 TAF. GB. | ISBN 978-3-412-20312-2

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VISUELLE GESCHICHTSKULTUR BD. 9 | ARNOLD BARTETZKY NATION – STAAT – STADT ARCHITEKTUR, DENKMALPFLEGE UND VISUELLE GESCHICHTSKULTUR VOM 19. BIS ZUM 21. JAHRHUNDERT 2012. 276 S. 69 S/W- UND 177 FARB. ABB. GB. | ISBN 978-3-412-20819-6 BD. 10 | AGNIESZKA GASIOR (HG.) MARIA IN DER KRISE KULTPRAXIS ZWISCHEN KONFESSION UND POLITIK IN OSTMITTELEUROPA 2014. 388 S. 81 S/W- UND 47 FARB. ABB. GB. | ISBN 978-3-412-21077-9 BD. 11 | ARNOLD BARTETZKY, RUDOLF JAWORSKI (HG.) GESCHICHTE IM RUNDUMBLICK PANORAMABILDER IM ÖSTLICHEN EUROPA 2014. 213 S. 24 S/W- UND 70 FARB. ABB. GB. | ISBN 978-3-412-22147-8 BD. 12 | ARNOLD BARTETZKY, CHRISTIAN DIETZ, JÖRG HASPEL (HG.) VON DER ABLEHNUNG ZUR ANEIGNUNG? DAS ARCHITEKTONISCHE ERBE DES SOZIALISMUS IN MITTEL- UND OSTEUROPA FROM REJECTION TO APPROPRIATION? THE ARCHITECTURAL HERITAGE OF SOCIALISM IN CENTRAL AND EASTERN EUROPE 2014. 297 S. 43 S/W- UND 175 FARB. ABB.

TT166

GB. | ISBN 978-3-412-22148-5

BD. 13 | AGNIESZKA GASIOR, AGNIESZKA HALEMBA, STEFAN TROEBST (HG.) GEBROCHENE KONTINUITÄTEN TRANSNATIONALITÄT IN DEN ERINNERUNGSKULTUREN OSTMITTELEUROPAS IM 20. JAHRHUNDERT 2014. 352 S. 51 S/W- UND 12 FARB. ABB. GB. | ISBN 978-3-412-22256-7 BD. 14 | STEFAN ROHDEWALD GÖTTER DER NATIONEN RELIGIÖSE ERINNERUNGSFIGUREN IN SERBIEN, BULGARIEN UND MAKEDONIEN BIS 1944 2014. 905 S. 18 S/W- UND 10 FARB. ABB. GB. | ISBN 978-3-412-22244-4 BD. 15 | MARINA DMITRIEVA, LARS KARL (HG.) DAS JAHR 1813, OSTMITTELEUROPA UND LEIPZIG DIE VÖLKERSCHLACHT ALS (TRANS)NATIONALER ERINNERUNGSORT 2016. 299 S. 50 S/W- UND 40 FARB. ABB. GB. | ISBN 978-3-412-50399-4

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ZUR KUNDE SÜDOSTEUROPAS HERAUSGEGEBEN VON K ARL K ASER

EINE AUSWAHL

BAND II/38 | ENGELBERT DEUSCH DAS K. (U.) K. KULTUSPROTEKTORAT IM

BAND II/42 | BOZIDAR JEZERNIK

ALBANISCHEN SIEDLUNGSGEBIET IN

DAS WILDE EUROPA

SEINEM KULTURELLEN, POLITISCHEN

DER BALKAN IN DEN AUGEN WESTLI-

UND WIRTSCHAFTLICHEN UMFELD

CHER REISENDER

2009. 1035 S. BR.

2016. 328 S. 42 S/W-ABB. GB.

ISBN 978-3-205-78150-9

ISBN 978-3-205-79674-9

BAND II/37 | HANNES GRANDITS BAND II/41 | KARL KASER

HERRSCHAFT UND LOYALITÄT IN DER

ANDERE BLICKE

SPÄTOSMANISCHEN GESELLSCHAFT

RELIGION UND VISUELLE KULTUREN AUF

DAS BEISPIEL DER MULTIKONFESSIO-

DEM BALKAN UND IM NAHEN OSTEN

NELLEN HERZEGOWINA

2013. 359 S. 81 S/W-ABB. GB.

2008. XIX, 789 S. 24 S/W-ABB. 3 KT.

ISBN 978-3-205-78952-9

BR. | ISBN 978-3-205-77802-8

BAND II/40 | KARL KASER

BAND II/36 | ELEFTHERIOS P. ALEXAKIS

BALKAN UND NAHER OSTEN

DIE KINDER DES SCHWEIGENS

EINFÜHRUNG IN EINE GEMEINSAME

FAMILIE, VERWANDTSCHAFT UND

GESCHICHTE

HEIRAT BEI DEN ARVANITEN IM

2011. 462 S. 132 S/W- UND 8 FARB. ABB.

SÜDÖSTLICHEN ATTIKA (1850–1940)

GB. | ISBN 978-3-205-78624-5

2008. 289 S. 20 S/W-ABB. 3 KT. BR. ISBN 978-3-205-77772-4

SK686

BAND II/39 | NADA BOSKOVSKA DAS JUGOSLAWISCHE MAKEDONIEN

BAND II/35 | ULF BRUNNBAUER

1918–1941

»DIE SOZIALISTISCHE LEBENSWEISE«

EINE RANDREGION ZWISCHEN

IDEOLOGIE, GESELLSCHAFT, FAMILIE

REPRESSION UND INTEGRATION

UND POLITIK IN BULGARIEN (1944–1989)

2009. 392 S. 15 S/W-ABB. 5 KT. GB.

2007. 768 S. 21 S/W-ABB. 62 TAB. 2 GRAFI-

ISBN 978-3-205-78355-8

KEN. BR. | ISBN 978-3-205-77577-5

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JERONIM PEROVIĆ

DER NORDKAUKASUS UNTER RUSSISCHER HERRSCHAFT GESCHICHTE EINER VIELVÖLKERREGION ZWISCHEN REBELLION UND ANPASSUNG (BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE OSTEUROPAS, BAND 49)

Im islamisch geprägten Nordkaukasus stieß Russlands imperiale Expansion auf den erbitterten Widerstand der dort lebenden Völker. Nach Ende des blutigen Eroberungskriegs im 19. Jahrhundert blieb es insbesondere in den von Tschetschenen und Dagestanern besiedelten Zonen unruhig. Die von Stalin angeordnete Deportation der Tschetschenen und anderer Nordkaukasusvölker im Zweiten Weltkrieg war die radikale Maßnahme eines im Kern schwachen Staates, der daran scheiterte, seinen Herrschaftsanspruch durchzusetzen. Dieses Buch beleuchtet die noch kaum erforschte Geschichte des Nordkaukasus im Kontext des russländisch-imperialen und sowjetischen Vielvölkerstaates. Es fragt nach den Ursachen der häufigen Gewalt, den Formen der Anpassung und des Widerstands sowie den gesellschaftlichen Veränderungen in einer bis heute krisengeschüttelten Region. 2015. 544 S. 31 S/W- UND 13 FARB. ABB. GB. 155 X 230 MM ISBN 978-3-412-22482-0

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HOLM SUNDHAUSSEN, KONRAD CLEWING (HG.)

LEXIKON ZUR GESCHICHTE SÜDOSTEUROPAS

Von den Karpaten bis zum Mittelmeer, von der Slowakei bis Zypern: Dieses Lexikon zur Geschichte Südosteuropas gibt Auskunft über Raumbegriffe, Völker, Religionen, Staaten, Gesellschaften, Recht, Wirtschaft, Kultur und über zentrale Ereignisse in der Region vom Ende der Antike bis zur Gegenwart. Die 2. Auflage wurde um viele neue Begriffe erweitert und die Texte unter Berücksichtigung des jüngsten Forschungsstands aktualisiert. Die Querverweise und ein Sachregister erleichtern die Benützung. Die mitwirkenden Autorinnen und Autoren sind renommierte Fachleute, die ein breites Spektrum geografischer, methodischer und thematischer Schwerpunkte garantieren. 2016. 2., ERWEITERTE UND AKTUALISIERE AUFL. 1102 S. 10 KT. GB. 170 X 240 MM | ISBN 978-3-205-78667-2

„[G]ehört in die Handbibliothek eines jeden, der an den Vorgängen in dieser Region interessiert ist.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung zur ersten Aufl age)

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ANDREAS KAPPELER

DIE TSCHUWASCHEN EIN VOLK IM SCHATTEN DER GESCHICHTE

Die turksprachigen Tschuwaschen leben mehrheitlich in der nach ihnen benannten, südlich der Wolga liegenden Republik. Das Volk ist wenig bekannt und zählt heute etwa 1,7 Millionen Menschen. Das Buch holt die Tschuwaschen aus dem Schatten der »großen Geschichte« heraus und schildert sie als Träger von Aufständen und als Opfer von Repressionen seit dem 17. Jahrhundert und besonders in der frühen Sowjetunion sowie als Gegenstände ethnographischer Beschreibungen im 18. Jahrhundert. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts traten einzelne Persönlichkeiten als Mittler zwischen dem tschuwaschischen Dorf und der russischen Stadt hervor, vom »Auf klärer« über den nationalen Aktivisten, den Nationaldichter und den Revolutionär bis hin zu einem Astronauten, einer Ballerina, einem weltbekannten Poeten, einem auch in Moskau aktiven Politiker und einem herausragenden Historiker. Das zentrale Anliegen des Buches ist es, die Geschichte Russlands und der Sowjetunion aus der Perspektive dieses kleinen Volkes an der Peripherie neu zu erzählen. 2016. 276 S. 57 S/W-ABB. GB. 155 X 230 MM. | ISBN 978-3-412-50564-6

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