Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE): Band 2 Brann - Einslin [2nd rev. and enlarged Edition] 9783110946567

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Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE): Band 2 Brann - Einslin [2nd rev. and enlarged Edition]
 9783110946567

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DEUTSCHE BIOGRAPHISCHE ENZYKLOPÄDIE (DBE) 2. Ausgabe

Herausgegeben von Rudolf Vierhaus

DEUTSCHE BIOGRAPHISCHE ENZYKLOPÄDIE (DBE) 2. Ausgabe

Herausgegeben von Rudolf Vierhaus unter Mitarbeit von Dietrich von Engelhardt, Wolfram Fischer, Hans-Albrecht Koch, Bernd Moeller und Klaus G. Saur

DEUTSCHE BIOGRAPHISCHE ENZYKLOPÄDIE (DBE) 2., überarbeitete und erweiterte Ausgabe Herausgegeben von Rudolf Vierhaus

Band 2 Brann – Einslin

K · G · Saur München 2005

Wissenschaftlicher Beirat der zweiten Ausgabe: Professor Dr. Dietrich von Engelhardt, Professor Drs. Dr. h. c. Wolfram Fischer, Professor Dr. Hans-Albrecht Koch, Professor Dr. Dr. h. c. Bernd Moeller, Professor Dr. h. c. mult. Klaus G. Saur Redaktionelle Leitung: Bruno Jahn Redaktion: Sven Koch, Mike W. Malm, Barbara Palmbach, Sandra Schaeff, Alexander Seelos, Mirko Vonderstein, Ute Wielandt Redaktionsschluß: 15. November 2005

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

0 Gedruckt auf s¨aurefreiem und chlorarmem Papier Printed on acid-free and chlorine-free paper Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved K.G. Saur Verlag GmbH, M¨unchen 2005 Printed in the Federal Republic of Germany Satz: bsix information exchange GmbH, Braunschweig Druck und Binden: Strauss GmbH, M¨orlenbach ISBN-10: 3-598-25030-4 (Gesamt) ISBN-13: 978-3-598-25030-9 (Gesamt) ISBN-10: 3-598-25032-0 (Band 2) ISBN-13: 978-3-598-25032-3 (Band 2)

Inhaltsverzeichnis

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hinweise f¨ur die Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Verzeichnis der h¨aufig benutzten Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

X

Verzeichnis der abgek¨urzt zitierten Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII

Verzeichnis der allgemeinen Abk¨urzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXXI

Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII

Biographische Artikel Brann – Einslin

Autorenverzeichnis

Professor Dr. Thomas Anz Alfred D¨oblin

Dr. Martin Evang Rudolf Bultmann

Dr. des. Rainald Becker Hans Ehard

Professor Dr. J¨org-Ulrich Fechner Matthias Claudius

Professor Dr. Wolfgang Benz Ignatz Bubis Professor Dr. Albrecht Beutel Gerhard Ebeling Dr. Ingrid Bigler-Marschall Marlene Dietrich Dr. Hans Erich B¨odeker Karl Clauer Jean-Baptiste Baron von Cloots Professor Dr. Helmut B¨orsch-Supan Daniel Chodowiecki ¨ Dr. Marion Bruck Ferruccio Busoni Dietrich Buxtehude Dr. Axel Burkarth Johann Heinrich von Dannecker ˇ Dr. Germinal Civikov Paul Celan Professor Dr. Karl Czok Heinrich Graf von Br¨uhl Professor Dr. Peter Dilg Otto Brunfels Euricius Cordus Valerius Cordus Professor Dr. Lothar Dittrich Alfred Brehm Professor Dr. Wolfgang U. Eckart Ernst Wilhelm von Br¨ucke Dr. Michael Engel Robert Wilhelm Bunsen Adolf Butenandt Professor Dr. Dietrich von Engelhardt Alexander Braun Carl Gustav Carus Lorenz Florens Friedrich von Crell Heinrich Philipp Damerow

Professor Dr. Konrad Feilchenfeldt Clemens Brentano Professor Dr. Fritz Fellner Engelbert Dollfuß Professor Drs. Dr. h. c. Wolfram Fischer Johannes Broermann Dorothee G¨obel Paul Dessau Professor Dr. Claus Grimm ¨ Lucas Cranach d. A. Dr. Nils Grosch Werner Egk Professor Dr. Michael Hagner Karl Friedrich Burdach Emil Du Bois-Reymond Dr. Jan-Christoph Hauschild Georg B¨uchner Professor Dr. Manfred Heim Julius D¨opfner Dr. Friedrich Frh. Hiller von Gaertringen † Bernhard F¨urst von B¨ulow ¨ Professor Dr. Albrecht Hirschmuller Josef Breuer Dr. Andreas Hochholzer Elias Canetti Professor Dr. Dr. h. c. Helmut Holzhey Hermann Cohen Professor Dr. Hans Werner Ingensiep Carl Erich Correns

Privatdozent Dr. Paul Erker Rudolf Diesel

Bruno Jahn Franz Brentano Johann Friedrich von Cotta Albert Drach

Professor Dr. Wilhelm K. Essler Rudolf Carnap

Professor Dr. Lothar Jordan Annette von Droste-H¨ulshoff

vi

Autorenverzeichnis Professor Dr. Thomas Kaufmann Johannes Brenz Martin Bucer Johannes Bugenhagen Heinrich Bullinger

Professor Dr. Walter Pape Wilhelm Busch

Eugen Keuerleber † Otto Dix

Professor Dr. Roland Pietsch Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg

Professor Dr. Jan Knopf Bertolt Brecht

Dr. Judith Purver Joseph Frh. von Eichendorff

Professor Dr. Hans-Albrecht Koch Heimito von Doderer

Professor Dr. Rudolf Reinhardt Carl Theodor von Dalberg

Professor Dr. Fritz Krafft Nicolaus Copernicus

Privatdozent Dr. Karsten Rudolph Otto Braun Rudolf Breitscheid Friedrich Ebert

Dr. Hans-Martin Kruckis Heinrich D¨untzer ¨ Professor Dr. Werner Friedrich Kummel Paul Ehrlich Professor Dr. Erwin Leibfried Wilhelm Dilthey ¨ Professor Dr. Paul Michael Lutzeler Hermann Broch Professor Dr. Klaus Luig Helmut Coing Professor Dr. Ulrich Mach´e Simon Dach ¨ Dr. sc. Gunter Meißner Lovis Corinth Dr. h. c. Matthias Mende Albrecht D¨urer Professor Dr. Reinhard Mocek Hans Driesch Professor Dr. Dr. h. c. Bernd Moeller Hans Frh. von Campenhausen Johann Joseph Ignaz von D¨ollinger Professor Dr. Dr. h. c. Rudolf Morsey Heinrich Br¨uning ¨ Professor Dr. Irmgard Muller Anton Felix Dohrn ¨ Reinhard Muller Sebastian Brant Johann Jacob Breitinger Konrad Celtis

Professor Dr. Margarita Pazi † Max Brod

Professor Dr. Eda Sagarra Marie Frfr. von Ebner-Eschenbach Professor Dr. h. c. mult. Klaus G. Saur Friedrich Arnold Brockhaus Professor Dr. Berndt Schaller Martin Buber Professor Dr. Wolfgang Schild Benedikt II. Carpzov Professor Dr. Dr. Johannes Schilling Johannes Cochl¨aus Professor Dr. Dr. h. c. Ivo Schneider Rudolph Clausius Professor Dr. Henning Schr¨oer † Johann Amos Comenius Professor Dr. Harm G. Schr¨oter Gottlieb Daimler Carl Duisberg Dr. Peter Schumann Leo Graf von Caprivi Carl von Clausewitz Friedrich Dahlmann Rudolf von Delbr¨uck Johann Gustav Droysen Eike von Repgow Professor Dr. Christoph Siegrist Friedrich D¨urrenmatt Professor Dr. Heribert Smolinsky Johannes Eck

Professor Dr. Bernd Naumann Johann Heinrich Campe

Dr. Theo Sommer Marion Gr¨afin D¨onhoff

Professor Dr. Harry Oelke Otto Dibelius

Professor Dr. Georg Steer Eckhart von Hochheim

Dr. Martin Ott Julius Echter von Mespelbrunn

Professor Dr. Wolfram Steinbeck Anton Bruckner

Professor Dr. Heinz Paetzold Ernst Cassirer

Stefan Stirnemann Konrad Duden

vii

Autorenverzeichnis Professor Dr. Dres. h. c. Michael Stolleis Hermann Conring Professor Dr. Dr. h. c. Rudolf Vierhaus Jacob Burckhardt Hans Delbr¨uck Jutta Wietog Heinrich Dr¨ager

viii

Professor Dr. Hans Wußing Georg Cantor Richard Dedekind Gustav Peter Dirichlet Professor Dr. Walter Ziegler Alfred Delp

¨ die Benutzung Hinweise fur

1. Die Artikel setzen sich aus Name und Lebensdaten, Biographie und Literaturhinweisen zusammen. Der Artikelkopf besteht aus Name (mit Namensvarianten), Vorname (zum Rufnamen zus¨atzliche Vornamen werden in Klammern gesetzt) und gegebenenfalls Adelspr¨adikat. Pseudonyme, Geburtsname, eigentlicher Name und irrt¨umlich zugeordnete Namen werden genannt. Der Berufsbezeichnung folgen Geburts- und Todesdatum mit Ortsangaben. Die Biographien informieren u¨ ber das Leben und Wirken der Personen, u¨ ber Herkunft, Bildungsweg, einflußreiche Begegnungen, Entwicklung im beruflichen Leben, Wirkungsorte, bezeichnende Werke und Leistungen, Freundschaften und Beziehungen, Zugeh¨origkeit zu Gruppen und Vereinigungen, Rezeption sowie in besonderen F¨allen u¨ ber Preise und Ehrungen. 2. Lebensdaten werden nach der vorhandenen Literatur und nach Nekrologen so exakt wie m¨oglich eingesetzt. F¨ur Daten gilt der Gregorianische Kalender (neuer Stil). 3. Die Personen des Mittelalters bis zu der Zeit um 1500 sind nach ihren Vornamen sortiert, alle sp¨ateren – abgesehen von regierenden F¨ursten – nach ihrem Nachnamen. Wo dieses Verfahren zu Unklarheiten f¨uhren k¨onnte, finden sich Verweisungen.

4. C verweist am Schluß eines Artikels auf eine weiterf¨uhrende lexikalische Literaturangabe. Am Ende der ausf¨uhrlichen, namentlich gezeichneten Artikel zu besonders herausragenden Pers¨onlichkeiten werden weitere Werke der behandelten Person aufgef¨uhrt und umfangreiche Literaturangaben gemacht. 5. Bei der alphabetischen Anordnung der Artikel erfolgt bei Namensgleichheit die Sortierung in der Chronologie des Geburtsdatums. Bei pers¨onlichen Namen gilt als Ordnungsprinzip: am Anfang stehen jeweils die deutschen K¨onige; ihnen folgen die u¨ brigen F¨ursten, alphabetisch nach Territorien angeordnet; dann Pers¨onlichkeiten des Mittelalters, deren Beiname z. B. Herkunft, Stand oder Beruf bezeichnet. Danach werden die Artikel alphabetisch nach dem Familiennamen der Person angeordnet. Adelspr¨adikate und a¨ hnliche Namensbestandteile werden nachgestellt. Umlaute gelten als zwei Buchstaben, weitere diakritische Zeichen haben auf die Sortierung keinen Einfluß. ß wird wie ss behandelt. 6. Wird in einem Artikel mit einem Pfeil auf einen anderen Namen verwiesen, kann ein Artikel zu dieser Person an entsprechender Stelle des Alphabets nachgeschlagen werden.

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Verzeichnis der h¨aufig benutzten Werke

Alberti, Eduard: Lexikon der Schleswig-HolsteinLauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1829 bis Mitte 1866. 2 Bde., Kiel 1867 / 68. Alberti, Eduard: Lexikon der Schleswig-HolsteinLauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1866-1882. 2 Bde., Kiel 1885 / 86. Bader, Karl: Lexikon deutscher Bibliothekare im Hauptund Nebenamt bei F¨ursten, Staaten und St¨adten. Leipzig 1925. Bayern. Biographische Skizzen aus dem K¨onigreich Bayern. Hrsg. v. Anton Mansch. Berlin ca. 1913. Bosls bayerische Biographie. 8000 Pers¨onlichkeiten aus 15 Jahrhunderten. Hrsg. v. Karl Bosl. Regensburg 1983. Bosls bayerische Biographie. Erg.-Bd.: 1000 Pers¨onlichkeiten aus 15 Jahrhunderten. Regensburg 1988. ¨ Brennsohn, Isidor: Die Arzte Kurlands von 1825-1900. Ein biographisches Lexicon. Kurl¨andische Gesellschaft f¨ur Literatur und Kunst. Mitau 1902. ¨ Brennsohn, Isidor: Die Arzte Livlands von den a¨ ltesten Zeiten bis zur Gegenwart. Ein biographisches Lexikon nebst einer historischen Einleitung u¨ ber das Medizinalwesen Livlands. Riga 1905. Brockhaus Enzyklop¨adie in 24 B¨anden. 19. Aufl. Mannheim 1987-94. Brockhaus Riemann. Musiklexikon. In 4 B¨anden und einem Erg¨anzungsband hrsg. v. Carl Dahlhaus und Hans Heinrich Eggebrecht. Mainz / M¨unchen 1989. Br¨ummer, Franz: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. 6., v¨ollig neu bearb. und stark verm. Aufl. Leipzig 1913. Die Dermatologen deutscher Sprache. Bio-bibliographisches Verzeichnis. Fr¨uher u. d. T.: Deutscher Dermatologen-Kalender und Deutsches DermatologenVerzeichnis. Leipzig 1955. Deutsch-¨osterreichisches K¨unstler- und SchriftstellerLexikon. Biographien und Bibliographie der Wiener K¨unstler und Schriftsteller. Biographien und Bibliographie der deutschen K¨unstler und Schriftsteller in ¨ Osterreich-Ungarn außer Wien. Hrsg. v. Hermann Cl. Kosel. 2 Bde., Wien 1902-06. Das Deutsche F¨uhrerlexikon: 1934/35. Berlin 1934. Der deutsche Reichstag. Fr¨uher u. d. T.: ReichstagsHandbuch. 3. Wahlperiode nach dem 30. 1. 1933. Berlin 1936. Deutsche Tonk¨unstler und Musiker in Wort und Bild. Hrsg. v. Friedrich Jansa. 2. Ausg. Leipzig 1911. Deutscher Chirurgenkalender. Hrsg. v. A. Borchard und W. von Brunn. 2. Aufl. Leipzig 1926. Deutscher Wirtschaftsf¨uhrer. Lebensg¨ange deutscher Wirtschaftspers¨onlichkeiten. Hrsg. v. Georg Wenzel. Hamburg u. a. 1929. Deutsches Dermatologen-Verzeichnis. Lebens- und Leistungschau. Hrsg. v. Erhard Riecke. 2. Aufl.; 1. Aufl. u. d. T.: Deutscher Dermatologen-Kalender. Leipzig 1939.

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Deutsches Gyn¨akologen-Verzeichnis. Wissenschaftlicher Werdegang und wissenschaftliches Schaffen deutscher Gyn¨akologen. Hrsg. v. Walter Stoeckel. 2. Aufl. des Deutschen Gyn¨akologenkalenders. Leipzig 1939. Deutsches Kolonial-Lexikon. Hrsg. v. Heinrich Schnee. 3 Bde., Leipzig 1920. Deutsches Musiker-Lexikon. Hrsg. v. Erich H. M¨uller. Dresden 1929. Deutsches Zeitgenossenlexikon. Biographisches Handbuch deutscher M¨anner und Frauen der Gegenwart. Hrsg. v. Franz Neubert. Leipzig 1905. ¨ Deutschlands, Osterreich-Ungarns und der Schweiz Gelehrte, K¨unstler und Schriftsteller in Wort und Bild. Hrsg. v. Gustav Adolf M¨uller. Hannover 1908. Dlabacˇz, Gottfried Johann: Allgemeines historisches K¨unstler-Lexikon f¨ur B¨ohmen und zum Theil auch f¨ur M¨ahren und Schlesien. Hrsg. v. Paul Bergner. 3 Bde., Prag 1815. Dr¨ull, Dagmar: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1652-1802. Berlin, Heidelberg u. a. 1991. Dr¨ull, Dagmar: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803-1932. Berlin, Heidelberg u. a. 1986. Dr¨ull-Zimmermann, Dagmar: Heidelberger Gelehrtenlexikon 1386-1651. Berlin, Heidelberg u. a. 2002. Egerl¨ander biografisches Lexikon. Mit ausgew¨ahlten Personen aus dem ehemaligen Regierungsbezirk Eger. Hrsg. v. Josef Weinmann. Bd. 1: A-M; Bd. 2: N-Z. Bayreuth 1985-87. Eisenberg, Ludwig: Das geistige Wien. Mittheilungen u¨ ber die in Wien lebenden Architekten, Bildhauer, B¨uhnenk¨unstler, Graphiker, Journalisten, Maler, Musiker und Schriftsteller. 2 Bde., Wien 1893. Fikenscher, Georg Wolfgang Augustin: Gelehrtes F¨urstentum Baireuth. 12 Bde., N¨urnberg 1792-1805. Das geistige Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts. Enzyklop¨adie des deutschen Geisteslebens in biographischen Skizzen. Bd. 1: Die Bildenden K¨unstler. Leipzig / Berlin 1898. Das geistige Pommern. Große Deutsche aus Pommern. Sonderausstellung im Landeshaus Stettin. Stettin 1939. Geistige Welt. Gallerie von Zeitgenossen auf dem Gebiete der K¨unste und Wissenschaften. Hrsg. v. Anton Mansch. Berlin ca. 1910. Geistiges und k¨unstlerisches M¨unchen in Selbstbiographien. Hrsg. v. W. Zils. M¨unchen 1913. Gradmann, Johann Jacob: Das gelehrte Schwaben oder Lexicon der jetzt lebenden schw¨abischen Schriftsteller. Ravensburg 1802. ¨ Das Große Buch der Osterreicher. 4500 Personendarstellungen in Wort und Bild. Hrsg. v. Walter Kleindel. Wien 1987. Das große Lexikon der Musik in 8 B¨anden. Hrsg. v. Marc Honegger und G¨unther Massenkeil. Freiburg/Breisgau 1978-82. Große Sudetendeutsche. Hrsg. v. Josef Schneider. M¨unchen 1957.

Verzeichnis der h¨aufig benutzten Werke Haan, Wilhelm: S¨achsisches Schriftsteller-Lexicon. Alphabetisch geordnete Zusammenstellung der im K¨onigreich Sachsen gegenw¨artig lebenden Gelehrten, Schriftsteller und K¨unstler, nebst kurzen biographischen Notizen und Nachweis ihrer im Druck erschienenen Schriften. Leipzig 1875. Handw¨orterbuch der Staatswissenschaften. Hrsg. v. Ludwig Elster. 4. Aufl. 8 Bde., Erg¨anzungsbd. Jena 1923-29. Heiduk, Franz: Oberschlesisches Literatur-Lexikon. Biographisch-bibliographisches Handbuch. Teil 1: A-H; Teil 2: I-P.; Teil 3: Q-Z. Berlin 1990-2000. Heß, Richard: Lebensbilder hervorragender Forstm¨anner und um das Forstwesen verdienter Mathematiker, Naturforscher und National¨okonomen. Berlin 1885. Hinrichsen, Adolf: Das literarische Deutschland. 2., verb. und verm. Aufl. Berlin / Leipzig 1891. His, Eduard: Basler Gelehrte des 19. Jahrhunderts. Basel 1941. Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz. Hrsg. v. Henrich T¨urler. 7 B¨ande, Suppl. Neuenburg / Basel 1921-34. Hochschullehrer der Wirtschaftswissenschaften in der ¨ Bundesrepublik Deutschland, Osterreich und der deutschsprachigen Schweiz. 2. Aufl. Berlin 1966. Hofer, Fritz; H¨ageli, Sonja: Z¨urcher Personenlexikon. 800 biographische Portr¨ats aus zwei Jahrtausenden. Z¨urich / M¨unchen 1986. Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beitr¨age zur Wiener Zeitgeschichte. Hrsg. v. Franz Planer. Wien 1929. J¨ocher, Christian Gottlieb: Allgemeines GelehrtenLexicon. Darinne die Gelehrten aller St¨ande . . . vom Anfange der Welt bis auf ietzige Zeit . . . Nach ihrer Geburt, Leben, . . . Schrifften aus den glaubw¨urdigsten Scribenten in alphabetischer Ordnung beschrieben werden. 4 Bde., Leipzig 1750 / 51. J¨ocher, Christian Gottlieb: Allgemeines GelehrtenLexicon. Fortsetzung und Erg¨anzungen zu Christian Gottlieb J¨ochers allgemeinem Gelehrten-Lexicon, worin die Schriftsteller aller St¨ande nach ihren vornehmsten Lebensumst¨anden und Schriften beschrieben werden. Hrsg. v. Johann Christoph Adelung; [Bd. 3-6] Heinrich Wilhelm Rotermund. [Bd. 7] Otto G¨unther. 7 Bde., Leipzig / Delmenhorst / Bremen 17841897. Kehrein, Joseph: Biographisch-literarisches Lexikon der katholischen deutschen Dichter, Volks- und Jugendschriftsteller im 19. Jahrhundert. 2 Bde., Z¨urich / Stuttgart / W¨urzburg 1868-71. Kobolt, Anton Maria: Baierisches Gelehrten-Lexikon. Landshut 1795. K¨opfe der Forschung an Rhein und Ruhr. Dortmund 1963. K¨opfe der Politik, Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Hrsg. v. Karl Ritter von Klimesch. 2 Bde., Augsburg 1953. Kordes, Berend: Lexikon der jetzt lebenden SchleswigHolsteinischen und Eutinischen Schriftsteller. Schleswig 1797. Kosch, Wilhelm: Biographisches Staatshandbuch. Lexikon der Politik, Presse und Publizistik. Fortgef¨uhrt v. Eugen Kuri. 2 Bde., Bern / M¨unchen 1963. K¨urschners biographisches Theater-Handbuch: Schauspiel, Oper, Film, Rundfunk. Deutschland – ¨ Osterreich – Schweiz. Hrsg. v. Herbert A. Frenzel und Hans-Joachim Moser. Berlin 1956. K¨urschners Deutscher Gelehrten-Kalender. Berlin, sp¨ater M¨unchen 1925 ff.

K¨urschners Deutscher Literaturkalender: [nebst] Nekrolog 1901-1935, 1936-1970 und 1971-1998. Jg. 29 ff. Berlin, sp¨ater M¨unchen 1907 ff. K¨urschners Deutscher Musik-Kalender. M¨unchen 2002 ff. K¨urschners Deutscher Sachbuch-Kalender. M¨unchen / Leipzig 2002 ff. K¨urschners Handbuch der bildenden K¨unstler. M¨unchen / Leipzig 2005. Kunowski, Johannes: Deutsches Soldatentum: 100 Lebensbilder großer deutscher Soldaten. Berlin 1940. Kutzbach, Karl August: Autorenlexikon der Gegenwart. Sch¨one Literatur verfaßt in deutscher Sprache. Mit einer Chronik seit 1945. Bonn 1950. Leesch, Wolfgang: Die deutschen Archivare 1500-1945. Bd. 2: Biographisches Lexikon. M¨unchen u. a. 1992. Der Lehrk¨orper der Technischen Hochschule Hannover 1831-1956. Neuauflage. Hannover 1956. Lemmen, Joseph von: Tirolisches K¨unstler-Lexikon. Innsbruck 1830. Lennhoff, Eugen; Posner, Oskar: Internationales Freimauer-Lexikon. Z¨urich / Leipzig / Wien [1932]. Lexikon deutscher Frauen der Feder: eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienenen Werke weiblicher Autoren nebst Biographien der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. v. Sophie Pataky. 2 Bde., Berlin 1898. Lexikon der Frau. 2 Bde., Z¨urich 1953 / 54. Lipowsky, Felix Joseph: Baierisches K¨unstler-Lexicon. 2 Bde., M¨unchen 1810. Lipowsky, Felix Joseph: Baierisches Musik-Lexikon. M¨unchen 1811. Lippisches Autorenlexikon. Bd 1: Lebende und nach dem 1.1.1983 verstorbene Autoren mit Nachtr¨agen. Hrsg. v. Detlev Hellfaier. Bearb. v. Ernst Fleischhack. Lemgo 1986. Meusel, Johann Georg: Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller. 15 Bde., Leipzig 1802-15. Meusel, Johann Georg: Teutsches K¨unstler-Lexikon oder Verzeichnis der jetzt lebenden Teutschen K¨unstler. 2., u¨ berarb. Aufl. 2 Bde., Lemgo 1808 / 09. Mitteldeutsche K¨opfe. Lebensbilder aus einem Jahrtausend. Frankfurt (Main) 1959. Neue Schweizer Biographie. Hrsg. v. A. Brucker. Basel 1938. Neues Lexikon des Judentums. Hrsg. v. Julius H. ¨ Schoeps. G¨utersloh / M¨unchen 1992. Uberarb. Neuausg. G¨utersloh / M¨unchen 1998. Nowack, Karl Gabriel: Schlesisches SchriftstellerLexikon: oder bio-bibliographisches Verzeichnis der im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts lebenden schlesischen Schriftsteller. 6 Bde., Breslau 1836-43. ¨ Osterreicher der Gegenwart. Lexikon sch¨opferischer und schaffender Zeitgenossen. Hrsg. v. Robert Teichl. Wien 1951. Otto, Gottlieb Friedrich: Lexikon der seit dem 15. Jahrhunderte verstorbenen und jetztlebenden Oberlausizischen Schriftsteller und K¨unstler. 3 Bde. und Suppl. G¨orlitz 1800-03; 1821. Pagel, Julius Leopold: Biographisches Lexikon hervor¨ ragender Arzte des 19. Jahrhunderts. Berlin / Wien 1901. Pˆaris, Alain: Lexikon der Interpreten klassischer Musik im 20. Jh. M¨unchen / Kassel 1992. ¨ Personenlexikon Osterreich. Hrsg. v. Ernst Bruckm¨uller. Wien 2001.

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Verzeichnis der h¨aufig benutzten Werke P¨utter, Johann Stephan: Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-AugustusUniversit¨at zu G¨ottingen: fortgesetzt von Friedrich Saalfeld und Georg H. Oesterley. 4 Bde., G¨ottingen 1765-1838. Raßmann, Ernst: Nachrichten von dem Leben und den Schriften M¨unsterl¨andischer Schriftsteller des 18. und 19. Jahrhunderts. M¨unster (Westfalen) 1866. N. F. 1881. Recke, Johann Friedrich von; Napiersky, Karl Eduard: Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Estland und Kurland. 4 Bde., Mitau 1827-32. Recke, Johann Friedrich von; Napiersky, Karl Eduard: Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland. Nachtr¨age und Fortsetzungen, bearb. v. Theodor Beise. 2 Bde., Mitau 1859-61. Reden-Esbeck, Friedrich Johann von: Deutsches B¨uhnenLexikon. Das Leben und Wirken aller hervorragenden deutschen B¨uhnen-Leiter und K¨unstler vom Beginn der Schauspielkunst bis zur Gegenwart. 1.-9. Heft. Eichst¨att 1879. Reichstags-Handbuch (teil.: Amtliches . . .). Legislatur (Wahl)-Periode 1890-1933. Berlin 1890-1933. Renkhoff, Otto: Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus 13 Jahrhunderten. 2., vollst. u¨ berarb. und erweit. Aufl. = Ver¨offentlichungen der Historischen Kommission f¨ur Nassau. 39. Wiesbaden 1992. Riemann, Hugo: Musiklexikon. Hrsg. v. Alfred Einstein. 11. Aufl. Berlin 1929. Rotermund, Heinrich Wilhelm: Das gelehrte Hannover oder Lexikon von Schriftstellern und Schriftstellerinnen, gelehrten Gesch¨aftsm¨annern und K¨unstlern, die seit der Reformation in und außerhalb den s¨amtlichen zum jetzigen K¨onigreich geh¨origen Provinzen gelebt haben und noch leben. 2 Bde., A-K. Bremen 1823. Rotermund, Heinrich Wilhelm: Lexikon aller Gelehrten, die seit der Reformation in Bremen gelebt haben, nebst Nachrichten von gebohrnen Bremern, die in andern L¨andern Ehrenstellen bekleideten. 2 Bde. und Anh. Bremen 1818. Rudolf, Rainer; Ulreich, Eduard: Karpatendeutsches biographisches Lexikon. Stuttgart 1988. Sachsens Gelehrte, K¨unstler und Schriftsteller in Wort und Bild. Nebst eines Anhang „Nichtsachsen“. Hrsg. v. Bruno Volger. Leipzig 1907 / 08. Savelsberg, Heinrich: Aachener Gelehrte in a¨ lterer und neuerer Zeit. Aachen 1906. Schmidt, Andreas Gottfried: Anhalt’sches SchriftstellerLexikon: oder historisch-literarische Nachrichten u¨ ber die Schriftsteller, welche in Anhalt geboren sind oder gewirkt haben, aus den drei letzten Jahrhunderten gesammelt und bis auf unsere Zeiten fortgef¨uhret. Bernburg 1830.

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¨ Verzeichnis der abgekurzt zitierten Literatur

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¨ Verzeichnis der abgekurzt zitierten Literatur Biogr Lex B¨ohmen Biographisches Lexikon zur Geschichte der b¨ohmischen L¨ander. Hrsg. v. Ferdinand Seibt. 4 Bde., M¨unchen 1979-2003. Biogr Lex Ober¨ost Biographisches Lexikon von Ober¨osterreich. Hrsg. v. Martha Khil. Lfg. 1-14. Linz 1955-68. Biogr Verstorb Schweiz Biographisches Lexikon verstorbener Schweizer. In memoriam. Bd. 1-8. Basel 1947-82. Bleibrunner Große Niederbayern. Zw¨olf Lebensbilder. Hrsg. v. Hans Bleibrunner. Passau 1972. BLW Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik. Hrsg. v. Wolfgang Benz und Hermann Graml. M¨unchen 1988. B¨ohm Wolfgang B¨ohm: Biographisches Handbuch zur Geschichte des Pflanzenbaus. M¨unchen 1997. B¨orner Friedrich B¨orner: Nachrichten von den vornehmsten ¨ Lebensumst¨anden und Schriften jetzt lebender Arzte in und um Deutschland. 3 Bde. [nebst] Erg¨anzung. Wolfenb¨uttel 1749-73. B¨ottcher Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller. 20. Jahrhundert. Hrsg. v. Kurt B¨ottcher u. a. = Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller. Von den Anf¨angen bis zur Gegenwart. Bd. 2. Hildesheim, Z¨urich, New York 1993. Bonn 1 Bonner Gelehrte. Beitr¨age zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. 1: Evangelische Theologie. = 150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universit¨at zu Bonn 1818-1968. 2,1. Bonn 1968. Bonn 2 Bonner Gelehrte. Beitr¨age zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. 2: Katholische Theologie = 150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelm-Universit¨at zu Bonn 1818-1968. 2,2. Bonn 1968. Bonn 3 Bonner Gelehrte. Beitr¨age zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. 3: Staatswissenschaften = 150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universit¨at zu Bonn 1818-1968. 2,3. Bonn 1969. Bonn 4 Bonner Gelehrte. Beitr¨age zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. 4: Philosophie und Altertumswissenschaften = 150 Jahre Rheinische FriedrichWilhelms-Universit¨at zu Bonn 1818-1968. 2,4. Bonn 1968. Bonn 5 Bonner Gelehrte. Beitr¨age zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. 5: Geschichtswissenschaften = 150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universit¨at zu Bonn 1818-1968. 2,5. Bonn 1968. Bonn 6 Bonner Gelehrte. Beitr¨age zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. Bd. 6: Landwirtschaftswissenschaften = 150 Jahre Rheinische-Friedrich-WilhelmsUniversit¨at zu Bonn 1818-1968. Bd. 2,6. Bonn 1971.

Bonn 8 Bonner Gelehrte. Beitr¨age zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn. Bd. 8: Mathematik und Naturwissenschaften = 150 Jahre Rheinische FriedrichWilhelms-Universit¨at zu Bonn 1818-1968. Bd. 2,8. Bonn 1970. Bosse Baltische K¨opfe. 24 Lebensbilder aus acht Jahrhunderten deutschen Wirkens in baltischen Landen. Hrsg. v. Heinrich Bosse und Arved Frh. von Taube. Bovenden 1953. Braune Elite 1 Die braune Elite. 22 biographische Skizzen. Hrsg. v. Romuald Smelser und Rainer Zitelmann. Darmstadt 1989. Braune Elite 2 Die braune Elite II. 21 weitere biographische Skizzen. Hrsg. v. Romuald Smelser und Rainer Zitelmann. Darmstadt 1993. Brauneder ¨ Juristen in Osterreich 1200-1980. Hrsg. v. Wilhelm Brauneder. Wien 1987. Braunschweig Braunschweigisches Biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. v. Horst-R¨udiger Jarck und G¨unter Scheel. Hannover 1996. Breitner Beitr¨age zur o¨ sterreichischen Musik der Gegenwart. Dokumente zu Leben und Werk zeitgen¨ossischer Komponisten. Bearb. v. Karin Breitner u. a. Tutzing 1992. Brem Bio 1 Bremische Biographie des 19. Jahrhunderts. Hrsg. von der Historischen Gesellschaft des K¨unstlervereins. Bremen 1912. Brem Bio 2 Bremische Biographie 1912-1962. Bearb. v. Wilhelm L¨uhrs. Bremen 1969. Brinker-Gabler 1 Deutsche Dichterinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Hrsg. v. Gisela Brinker-Gabler. Frankfurt/ Main 1978. Brinker-Gabler 2 Gisela Brinker-Gabler / Karola Ludwig / Angela W¨offen: Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 18001945. M¨unchen 1986. Brischar Johann Nepomuk Brischar: Die katholischen Kanzelredner Deutschlands seit den drei letzten Jahrhunderten. Als Beitrag zur Geschichte der deutschen Kanzelberedsamkeit, sowie als Material zur praktischen Ben¨utzung f¨ur Prediger. 5 Bde., Schaffhausen 1867-71. Bromberg Thomas Gey: Die preußische Verwaltung des Regierungsbezirks Bromberg 1871-1920. K¨oln / Berlin 1976. Brun Schweizerisches K¨unstler-Lexikon. Hrsg. v. Carl Brun. 4 Bde., Frauenfeld 1905-17. Buchkunst Gunter Quarg / Wolfgang Schmitz: Deutsche Buchkunst im 20. Jahrhundert. Katalog zur Ausstellung anl¨aßlich des 75j¨ahrigen Bestehens der Universit¨ats- und Stadtbibliothek K¨oln vom 19. Juni bis 5. August 1995. K¨oln 1995.

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xxx

¨ ¨ Zurcher Arzte ¨ Christoph M¨orgeli / Bruno Weber: Z¨urcher Arzte aus vier Jahrhunderten. Die Portr¨atgalerie im Medizinhistorischen Museum der Universit¨at Z¨urich. Hrsg. ¨ von der Arztegesellschaft des Kantons Z¨urich. Zollikon 1998.

¨ Abkurzungsverzeichnis

Abt. a. d. AG a. o. Prof. apl. Prof. a. St. AT Aufl. Ausg.

Abteilung an dem, an der, auf der Aktiengesellschaft außerordentlicher Professor außerplanm¨aßiger Professor alter Stil Altes Testament Auflage Ausgabe

b. BBC Bd., Bde. Bearb. bearb. bes. Bez. Bibliogr. Biogr. BRD bzw.

bei British Broadcasting Corporation Band, B¨ande Bearbeiter(in) bearbeitet besonders Bezirk Bibliographie Biographie Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise

ca. CDU CSU Cty.

circa Christlich Demokratische Union Christlich-Soziale Union in Bayern County

¨ d. A. d¨an. dass. DDR DEK dems. D´ep. ders. d. Gr. dies. Diss. d. J. dt.

¨ der (die) Altere d¨anisch dasselbe Deutsche Demokratische Republik Deutsche Evangelische Kirche demselben D´epartement derselbe der (die) Große dieselbe(n) Dissertation der (die) J¨ungere deutsch

ebd. ed. e. h. eigentl. EKD EKU engl. erw. ETH

ebenda edited ehrenhalber eigentlich Evangelische Kirche in Deutschland Evangelische Kirche der Union englisch erweitert Eidgen¨ossische Technische Hochschule e. V. eingetragener Verein evang. evangelisch f., ff. folgende Seite(n), folgendes (folgende) Jahre

Faks. FDP Frfr. Frh. frz. geb. Gem. gest. Gestapo Gf. GmbH H. Habil. h. c. Hrsg. hrsg.

Faksimile Freie Demokratische Partei Freifrau Freiherr franz¨osisch geboren(e) Gemeinde gestorben Geheime Staatspolizei Graf Gesellschaft mit beschr¨ankter Haftung Heft Habilitation honoris causa Herausgeber(in) herausgegeben

Ing. Ingenieur Jg. Jahrgang Jh. Jahrhundert kath. kgl. k. k. KPD Kr. Kt. k. u. k. lat. Lfg. lic. Lit. Ltd. luth.

katholisch k¨oniglich kaiserlich-k¨oniglich Kommunistische Partei Deutschlands Kreis Kanton kaiserlich und k¨oniglich lateinisch Lieferung licentiatus Literatur Limited lutherisch

Nachdr. n. e. Neudr. N. F. Nr. NSDAP

Nachdruck nicht ermittelt Neudruck Neue Folge Nummer Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NT Neues Testament

o¨ sterr. ¨ OVP o. J. o. Prof. preuß. Prof. Prov. Pseud.

o¨ sterreichisch ¨ Osterreichische Volkspartei ohne Jahr ordentlicher Professor preußisch Professor(in) Provinz Pseudonym

xxxi

¨ Abkurzungsverzeichnis Red. Redaktion rev. revidiert, revised S. SA schweizer. SED sog. Sp. SPD ¨ SPO SS St. TH Tl., Tle. trans. Tsd. TU

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Seite Sturmabteilung schweizerisch Sozialistische Einheitspartei Deutschlands sogenannt Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands ¨ Sozialdemokratische Partei Osterreichs Schutzstaffel Sankt Technische Hochschule Teil, Teile translation, translated Tausend Technische Universit¨at

u. a. ¨ Ubers. u¨ bers. Univ. u. o¨ . urspr. USPD

unter anderem, und andere ¨ ¨ Ubersetzer(in), Ubersetzung u¨ bersetzt Universit¨at, University und o¨ fter urspr¨unglich Unabh¨angige Sozialdemokratische Partei Deutschlands

v. v. d. verb. verh. verm. ver¨off. verw. vgl. vorm.

von vor dem, vor der verbessert verheiratet vermehrt ver¨offentlicht verwitwet vergleiche vormals

z. B. zum Beispiel z. T. zum Teil

Abbildungsnachweis

akg-images Berlin Schutzumschlag, S. 1, 30, 36, 46, 48, 59, 62, 71, 88, 90, 94, 108, 111, 118, 122, 130, 146, 149, 172, 182, 201, 210, 219, 244, 248, 252, 271, 293, 304, 327, 353, 357a, 374, 390, 402, 409, 421, 471, 479, 482, 483, 539, 566, 584, 602, 618, 633, 651, 660, 665, 682, 733, 739, 741, 756, 761, 765, 812, 850, 867, 873 Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem S. 414 Bildarchiv Foto Marburg S. 206 Deutsches Museum, M¨unchen S. 357b Dr¨agerwerk AG, L¨ubeck S. 712 Duncker & Humblot GmbH, Berlin S. 98 Erzbisch¨ofliches Archiv M¨unchen, Kardinal D¨opfner-Archiv S. 669 IMAGNO/Barbara Pflaum S. 657 IMAGNO/Ullstein S. 275a, 710 Klaus Kallabis S. 667 Mohr Siebeck GmbH & Co. KG, T¨ubingen S. 272 SUB G¨ottingen S. 438 Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main S. 311 Ullstein Bild/Adolf W¨urth S. 148 University of Pittsburgh S. 288 Universit¨atsarchiv T¨ubingen S. 790

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B Brann, Hellmut Walter, seit 1941 Henry Walter B., Journalist, Essayist, * 7. 5. 1903 Berlin, † 9. 2. 1978 Tacoma Park (Maryland, USA). B., Sohn eines Kaufmanns, studierte in Berlin, Heidelberg und Z¨urich Klassische Philologie, Geschichte, Philosophie und Politik. Er war seit 1924 als freier Redakteur f¨ur Berliner Tageszeitungen t¨atig und gab 1928-33 den „Pressewirtschaftsdienst“ sowie den „Internationalen Pressedienst“ heraus. 1926 in Berlin promoviert (Rousseaus Einfluß auf die Hegelsche Staatsphilosophie in ihrer Entwicklung und Vollendung), war er 1926-32 Dozent f¨ur Philosophie und Psychologie und 1932 / 33 Studienreferendar in Potsdam. B., Mitglied der SPD, emigrierte 1933 nach Paris, wo er u. a. bei der Zeitschrift „Sozialistische Warte“ mitarbeitete. 1939 / 40 in einem Lager in S¨udfrankreich interniert, ging er 1941 in die USA, wurde Assistent an der Columbia Univ. und 1943 Dozent f¨ur Deutsch an der Rutgers Univ. in New Brunswick. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitete er f¨ur die „New Yorker Staatszeitung“, bis er 1952 eine Stelle als Bibliothekar an der Armed Forces Medical Library in Washington erhielt. Seit 1967 war er freier Journalist und Autor; er ver¨offentlichte u. a. Schopenhauer und das Judentum (1975). C Lex dt-j¨ud Autoren

Brann, Marcus Mordechaj, Rabbiner, Historiker, * 9. 7. 1849 Rawitsch (Posen), † 26. 9. 1920 Breslau. Nach dem Studium in Breslau und der Promotion 1873 erhielt B., Sohn eines Talmudisten und Rabbiners, 1876 das Rabbinatsdiplom. Seit 1875 war er stellvertretender Rabbiner in Breslau, wurde 1883 Waisenhausdirektor in Berlin, 1885 Rabbiner in Pleß (Oberschlesien) und 1891 als Nachfolger seines Lehrers Heinrich → Graetz Inhaber des Lehrstuhls f¨ur Geschichte am J¨udisch-Theologischen Seminar in Breslau (seit 1914 Professor). Zu seinen Hauptwerken z¨ahlt eine Geschichte der Juden in Schlesien (6 Bde., 1896-1917). Seit 1893 gab er die „Monatsschrift f¨ur Geschichte und Wissenschaft des Judentums“ heraus. C Lex dt-j¨ud Autoren

Brann, Paul, Marionettentheaterdirektor, * 5. 1. 1873 Oels (Schlesien), † 2.(?) 9. 1955 Oxford. B. begann 1895 das Studium der Germanistik an der Univ. Berlin und kam 1897 nach M¨unchen. Dort geh¨orte er zum Kreis um Otto Julius → Bierbaums Zeitschrift „Insel“ und zeichnete auch f¨ur den „Simplicissimus“. Er ver¨offentlichte Gedichte und war als Schauspieler und Regisseur t¨atig. 1906 er¨offnete B. das Hans-Sachs-Theater (seit 1907 Marionettentheater M¨unchner K¨unstler), an dem er u. a. zusammen mit Olaf → Gulbransson und Ernst → Stern Volksst¨ucke, Opern von → Gluck und → Mozart sowie Dramen zeitgen¨ossischer Autoren wie Maurice Maeterlinck inszenierte. Gastspiele f¨uhrten ihn u. a. nach Dresden, Hamburg, Wien, Z¨urich und Paris. 1914-18 nahm er am Ersten Weltkrieg teil. Anfang der zwanziger Jahre organisierte er sein Theater in Form einer Marionetten-Wanderb¨uhne. B. emigrierte 1934 nach Großbritannien, wo er bis 1940 Puppenspiele auff¨uhrte. C Exiltheater

Brann, Salomon, Rabbiner, * 3. 11. 1814 Rawitsch (Posen), † 16. 3. 1903 Schneidem¨uhl. B. wurde in Lissa und Berlin zum Rabbiner ausgebildet und geh¨orte seit 1839 dem Rabbinatskollegium in Rawitsch

an. Von 1853 bis zu seinem Tod war er Rabbiner, Prediger und Religionslehrer in Schneidem¨uhl. Er ver¨offentlichte seit 1844 wissenschaftliche Betr¨age im „Orient“ und in der „Monatsschrift f¨ur Geschichte und Wissenschaft des Judentums“. Ferner arbeitete er an der Krotoschiner Ausgabe des Talmud (1866) mit. In Schneidem¨uhl trug er zur Vers¨ohnung zwischen Orthodoxen und Liberalen bei.

Brant, Sebastian, latinisiert: Titio, Schriftsteller, Publizist, * 1457 Straßburg, † 10. 5. 1521 Straßburg. B., Sohn des Ratsherrn und Gastwirts Diebolt B. d. J., studierte seit Herbst 1475 klassische Sprachen und Rechtswissenschaft an der Univ. Basel und lehrte kanonisches und ziviles Recht, seit 1484 auch Poesie. 1489 wurde er zum Dr. utriusque juris promoviert, war 1492 Dekan der Juristischen Fakult¨at, 1496 Prof. des r¨omischen und kanonischen Rechts. 1500 kehrte B. als Rechtskonsulent nach Straßburg zur¨uck und wirkte von 1503 bis zu seinem Tod als Stadtschreiber (Kanzler) f¨ur seine Vaterstadt. Kaiser → Maximilian ernannte ihn zum kaiserlichen Rat und zum Beisitzer des Hofgerichts in Speyer. B.s schriftstellerisches Werk umfaßt juristische, historischgeographische, satirisch-didaktische Schriften, lateinische ¨ Dichtung, Editionen und Ubersetzungen antiker Autoren; als Berater (Corrector) der Basler Drucker war er an zahlreichen in Basel gedruckten B¨uchern beteiligt. Als juristischer Schriftsteller und Editor propagierte und popularisierte B. das r¨omische Recht, von dem er sich eine Erneuerung und Besserung des Rechtszustandes im Reich erhoffte. Als Straßburger Stadtschreiber verfaßte er eine Reihe von historisch-geographischen Werken; seine an antiken Vorbildern orientierten lateinischen Gedichte gab er 1494 und 1498 heraus. Sein Weg zum volkssprachlichen Dichter begann ¨ mit Ubersetzungen lateinischer Dichtungen und moraldidaktischer Werke aus antik-mittelalterlicher Tradition; als Publizist wirkte B. zwischen 1488 und 1504 vor allem durch das illustrierte Flugblatt. Mit seinem bekanntesten Werk, der didaktischen Moralsatire Das Narrenschiff (Erstdruck Basel 1494), brachte B. das Krisenbewußtsein der vorreformatorischen Zeit mit einpr¨agsamen deutschen Versen zum Ausdruck und schuf auf der Grundlage sp¨atmittelalterlicher Traditionen einen „Bestseller“. In u¨ ber hundert Verskapiteln beschrieb er satirisch ebensoviele Narrentypen als Verk¨orperungen sozialer und moralischer Normabweichungen. Dabei wird der Narr nicht mehr einfach als Außenseiter gesehen, sondern als Prototyp des Zeitgenossen, der von der „wissheyt“ abgewichen ist und dem ein Spiegel vorgehalten werden muß. Kritisiert wird nicht die n¨arrische Existenz an sich, sondern das Verbleiben darin trotz Warnung und besserer Einsicht; der Narr erh¨alt die Rolle einer Instanz, mit der soziale Realit¨aten erst kritisch erkannt werden k¨onnen. Als Ganzes erscheint das Narrenschiff als aus b¨urgerlich-patriotischer Tugendperspektive angelegter „Weisheitsspiegel“. Jedem Kapitel ist ein Holzschnitt vorangestellt, etwa drei Viertel dieser Illustrationen

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Brantner stammen von Albrecht → D¨urer; die enge Verbindung von Text und Bild d¨urfte wesentlich zum Erfolg des Buches beigetragen haben. AUSGABEN: Das Narrenschiff. Nach der Erstausgabe 1494 mit den Zus¨atzen der Ausgabe von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben. Hrsg. v. Manfred Lemmer. 4., erw. Aufl., T¨ubingen 2004. – Das Narrenschiff. Faksimile des Erstdrucks. Hrsg. v. Dieter Wuttke. Baden-Baden 1994. – Das Narrenschiff. Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494. Hrsg. v. Joachim Knape. Stuttgart 2005. – Der richterliche Clagspiegel. Hrsg. v. Peter Jentzmik. 2., erw. und verb. Aufl., Limburg 1993. LITERATUR: Edwin H. Zeydel: S. B. New York 1967. – Joachim Knape / Dieter Wuttke: S.-B.-Bibliographie. Forschungsliteratur von 1800 bis 1985. T¨ubingen 1990. – Joachim Knape: Dichtung, Recht und Freiheit: S. B. BadenBaden 1992. – S. B., Das Narrenschyff. Ausstellungskatalog zum 500j¨ahrigen Jubil¨aum [. . .]. Basel 1994. – Michael Rupp: „Narrenschiff“ und „Stultifera navis“. Dt. und lat. Moralsatire von S. B. und Jakob Locher in Basel 1494-1498. M¨unster 2002. – Thomas Wilhelmi (Hrsg.): S. B. Forschungsbeitr¨age zu seinem Leben, zum „Narrenschiff“ und zum u¨ brigen Werk. Basel 2002. – Nikolaus Henkel: Der Zeitgenosse als Narr. Literarische Personencharakteristik in S. B.s „Narrenschiff“ und Jakob Lochners „Stultifera navis“. In: Self-Fashioning. Personen(selbst)darstellung. Hrsg. v. Rudolf Suntrup und Jan R. Veenstra. Frankfurt / Main 2003. – Humanisten am Oberrhein. Neue Gelehrte im Dienst alter Herren. Hrsg. v. Sven Lembke u. a. Leinfelden-Echterdingen 2004. Reinhard M¨uller

Brantner, Ignaz, Theaterdirektor, Schriftsteller, * 22. 10. 1886 Villach (K¨arnten), † 24. 12. 1960 Wien. Der Sohn eines Theaterangestellten spielte zun¨achst Kinderrollen, bildete sich autodidaktisch zum Schauspieler aus und kam 1904 zu einer bayerischen Wandertruppe. Sp¨ater war er an verschiedenen o¨ sterr. B¨uhnen (Leoben, Krems, Wiener Neustadt, Preßburg und Innsbruck) engagiert, seit 1913 am Hoftheater in M¨unchen. In Regensburg wurde er 1923 Oberspielleiter, 1924 Theaterdirektor. 1928 u¨ bernahm er die Leitung des Stadttheaters St. Gallen, sp¨ater die des CorsoTheaters in Z¨urich und 1948 die des Landestheaters in Linz / Donau. B. verfaßte mehrere Operettentexte (H¨ochste Eisenbahn, 1943) und Volksst¨ucke. C Czeike

Brantzky, Franz, Architekt, * 19. 1. 1871 K¨oln, † 28. 4. 1945 Dinkelsb¨uhl. B. studierte an der Kunstakademie in M¨unchen und arbeitete dann sieben Jahre im Atelier Gustav → Eberleins in K¨oln. Seit 1895 als freier Architekt t¨atig, erbaute er Monumentalund Wohnbauten, z. B. das Kunstgewerbe-Museum in K¨oln oder das Warenhaus Jacobsen in Kiel. 1889 ver¨offentlichte er seine Reiseskizzen, zwischen 1895 und 1897 entstandene architektonische Bleistiftzeichnungen. 1904 gr¨undete B. zusammen mti Malern, Bildhauern und anderen Architekten die K¨unstlervereinigung „Stil“. 1906 erschien ein weiterer Band mit Entw¨urfen und Pl¨anen u. a. zu Grabkapellen und Ged¨achtnishallen. C AKL Brarens, Heinrich, Seemann, * 31. 8. 1751 F¨ohr, † 4. 8. 1826 T¨onning. B. fuhr als Schiffskapit¨an w¨ahrend 20 Jahren zumeist auf dem Mittelmeer, unternahm aber auch einige Reisen auf der Ostsee und machte 1785 im Auftrag der d¨anischen Regierung eine Expedition nach Gr¨onland mit. 1796 richtete er eine Schule f¨ur Navigation ein und lehrte dort, bis er 1799 eine Stelle als Lotseninspektor an der Eider annahm und im folgenden Jahr nach T¨onning zog. Sein System der praktischen Steuermannskunde (1800) erreichte mehrere Auflagen. C Neuer Nekr, Jg. 4

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Brasch, Horst, Politiker, * 23. 12. 1922 Berlin, † 18. 8. 1989 Berlin. Der Sohn eines kaufm¨annischen Angestellten emigrierte 1939 nach Großbritannien, wo er als Werkzeugmacher arbeitete. Nach dem Kriegseintritt der UdSSR war er am Aufbau der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ) in Großbritannien beteiligt. 1944 in die Exil-KPD aufgenommen, kehrte er 1946 nach Deutschland zur¨uck, wurde Mitglied der SED und Lizenztr¨ager f¨ur die FDJ in Berlin. 1948 hatte er den Vorsitz der FDJ in Brandenburg inne. B. war 1959-66 Vizepr¨asident des Nationalrats der Nationalen Front, dann Stellvertreter des Kulturministers. Nach einem Studium an der Parteihochschule der KPdSU wurde er 1971 Sekret¨ar der SEDBezirksleitung in Karl-Marx-Stadt, 1975 Vizepr¨asident und Generalsekret¨ar der Liga f¨ur V¨olkerfreundschaft. B. war der Vater von Thomas → B. C BBL Brasch, Martin, Jurist, * 4. 12. 1906 Breslau, † Ende 1939 Berlin. B. kam aus dem j¨udischen Wanderbund „Kameraden“, bestand noch 1933 das Assessorexamen, wurde aber nicht mehr ernannt. Er begab sich nach Berlin in den Dienst der j¨udischen Gemeinde, wo er mit Auswanderungsfragen und der Wirtschaftshilfe f¨ur Gewerbetreibende befaßt war. Seit Anfang 1939 f¨uhrte er Verhandlungen mit der „Verbindungsstelle“ der Gestapo. Als er sich nicht gef¨ugig zeigte, wurde B. im Herbst des Jahres verhaftet und in ein Lager deportiert. C Lowenthal Brasch, Moritz, Essayist, Philosoph, * 18. 8. 1843 Zempelburg (Westpreußen), † 16. 9. 1895 Leipzig. B., Sohn einer Schriftstellerin, studierte Naturwissenschaften und Medizin, sp¨ater Literatur, Geschichte und Philosophie an den Universit¨aten Berlin, Greifswald und Jena (1863-68). Nach der Promotion 1870 aufgrund der Dissertation Benedict von Spinoza’s System der Philosophie nach der Ethik und den u¨ brigen Traktaten desselben in genetischer Entwicklung dargestellt und mit einer Biographie Spinoza’s versehen lebte er als freier Wissenschaftler in Berlin. 1874 wurde er Redakteur des Brockhausschen Konversationslexikons. Seit 1880 war er freier Schriftsteller und Mitarbeiter wissenschaftlicher und literarischer Zeitschriften. Er ver¨offentlichte u. a. Moses Mendelssohn. Lichtstrahlen aus seinen philosophischen Schriften und Briefen. Nebst Biographie und Charakteristik Mendelssohn’s (1875), Die Klassiker der Philosophie. Von den fr¨uhesten griechischen Denkern bis auf die Gegenwart (3 Bde., o. J. [1884 / 85]), Die Philosophie der Gegenwart. Ihre Richtungen und ihre Hauptvertreter (1888) und Lehrbuch der Geschichte der Philosophie (1893). Er gab u. a. Moses Mendelssohns Schriften zur Philosophie, Aesthetik und Apologetik (2 Bde., 1880), Werke Arthur → Schopenhauers und Abhandlungen Friedrich → Ueberwegs heraus. C Lex dt-j¨ud Autoren Brasch, Thomas, Pseud. Bernhart Bahl, Schriftsteller, Regisseur, * 19. 2. 1945 Westow (Cty. North Yorkshire, England), † 3. 11. 2001 Berlin. B., Sohn von Horst → B., begann 1964 in Leipzig das Studium der Journalistik, wurde 1965 exmatrikuliert und war dann in verschiedenen Berufen t¨atig. Von 1967 bis zur Exmatrikulation und Verhaftung 1968 studierte er Dramaturgie an der Hochschule f¨ur Film und Fernsehen in Potsdam und war seit 1969 Fr¨aser. 1971 / 72 arbeitete er im BrechtArchiv und wurde nach der Entlassung freier Schriftsteller. 1976 u¨ bersiedelte B. in der Folge der Ereignisse nach der Ausb¨urgerung Wolf Biermanns in die Bundesrepublik, wo er 1977 mit den Erz¨ahlungen Vor den V¨atern sterben die S¨ohne erfolgreich war (Neuaufl. 2002). Danach arbeitete er vor allem f¨ur das Theater (u. a. Lovely Rita, 1978; Mercedes, 1983; Frauen. Krieg. Lustspiel, 1988) und f¨uhrte

Brass Regie bei den Spielfilmen Engel aus Eisen (1981), Domino (1982) und Der Passagier – Welcome to Germany (1988). B., der in seinen lakonischen oder skizzenhaften Texten h¨aufig Außenseitertum und Ausbruchsversuche aus Rollenzw¨angen gestaltete, aber in Theaterarbeiten auch antike oder historische Stoffe parabelhaft interpretierte, u¨ bersetzte in den neunziger Jahren vor allem Shakespeare und Tschechow und bearbeitete St¨ucke von → Brecht, → Kotzebue und Ezra Pound. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen der Auswahlband Kargo. 32. Versuch, auf einem untergehenden Schiff aus eigener Haut zu entkommen (1977), der Gedichtband Der sch¨one 27. September (1980) und der Roman M¨adchenm¨order Brunke (1999). 2002 erschien B.s nachgelassene Lyrik unter dem Titel Wer durch mein Leben will, muss durch mein Zimmer. Gedichte (hrsg. von Fritz J. Raddatz und Katharina Thalbach). C KLG

Braschius, Martin, Epiker, Lyriker, Rhetoriker, * 1565 Grubenhagen (Mecklenburg), † April 1601 Rostock. B., Sohn eines Predigers, studierte seit 1580 in Rostock, wo er 1586 den Magistergrad erwarb. Anschließend Rektor der Lateinschule in Malchin, wurde er 1593 zum Prof. f¨ur Logik in Rostock ernannt und 1594 in Heidelberg zum Dichter gekr¨ont. B. unterhielt Beziehungen zu Humanisten wie Paulus → Melissus Schede, Johannes → Posthius und Friedrich → Taubmann. Er selbst verfaßte u. a. Reisegedichte (Carmina in itinere Germanico et ex eo nuper nata, 1595), Gelegenheitsgedichte und Reden. Zu seinen Werken z¨ahlen ferner Classicum ad Germanos contra Turcos Musulmannos (1597), Varadini Hungariae Propugnaculi ampli et munitissimi contra Turcarum [. . .] (1600) und Pro honoris et verae gloriae studio [. . .] (1600). C Killy Braschler, Jean, schweizer. Fabrikant, * 7. 2. 1829 Uster (Kt. Z¨urich), † 19. 4. 1892 Wetzikon (Kt. Z¨urich). Der Sohn eines Landwirts machte bei dem Tuchh¨andler Hans H. Boller in Uster eine Ausbildung zum Kaufmann. Seit 1850 f¨uhrte B. mit einem seiner Br¨uder Bollers Firma weiter und expandierte mehrfach. Er erweiterte den Tuchhandel zun¨achst 1857 nach Herisau, bevor er das Unternehmen 1863 um eine Spinnerei am Aabach bei Wetzikon vergr¨oßerte. Außerdem gr¨undete B. mit seinen Br¨udern die Feinspinnerei Braschler & Cie., deren kaufm¨annische F¨uhrung er innehatte und die 1872 durch einen neuen Fabrikbau nochmals erweitert wurde. C HLS Braschler, Otto, schweizer. Maler, * 27. 1. 1909 Ins (Kt. Bern), † 28. 12. 1985 Chur (Kt. Graub¨unden). ´ Nach dem Studium an der Ecole des Beaux-Arts in Genf (1929-34) war B. kurze Zeit als Zeichenlehrer in Frauenfeld t¨atig. Seit 1937 verbrachte B. zwei Jahre an der Acad´emie de la Grande Chaumi`ere in Paris und ließ sich 1939 in Chur nieder, wo er bis zu seinem Tod als freier K¨unstler t¨atig war. ¨ Die bevorzugten Themen seiner Olbilder, Aquarelle, Kohleund Bleistiftzeichnungen sind Personen, aber auch Stilleben und Landschaften; er hinterließ auch mehrere Motive aus der Stadt Chur (Sch¨utzenhaus Chur, 1949). C AKL

Braß, August (Heinrich), Redakteur, * 30. 7. 1818 Berlin, † 8. 12. 1876 Wochowsee bei Storkow. Nach einem Studium in Berlin bet¨atigte sich B., Sohn eines Gerichtsrats, zun¨achst als Schriftsteller. Er beteiligte sich 1849 am Aufstand in Baden, floh dann in die Schweiz, kehrte 1861, nach Erlaß der Amnestie, zur¨uck und wurde Chefredakteur des großdeutsch-demokratischen „Norddeutschen Wochenblatts“ in Berlin, das noch im selben Jahr in „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ umbenannt wurde. 1862 erwarb er das Blatt. B. wertete die Zeitung durch einen umfangreichen Auslandsteil auf, f¨ur den er Wilhelm → Liebknecht als Mitarbeiter gewinnen konnte. Die Zeitung entwickelte sich allm¨ahlich zum halboffiziellen Sprachrohr

der → Bismarck-Regierung. Die Leitartikel wurden teilweise von Bismarck pers¨onlich redigiert, der dem Blatt regelm¨aßig exklusive Informationen zukommen ließ. Es war auch B.’ Zeitung, die 1870 Bismarcks „Emser Depesche“ ver¨offentlichte. Im selben Jahr kam es zu Differenzen zwischen Bis¨ marck und B., weil dieser Osterreich und Napoleon III. unterst¨utzte. B. verkaufte die Zeitung 1872 und u¨ bernahm 1873 die „Post“ (Berlin). Er ver¨offentlichte mehrere historische Romane, u. a. Der Scharfrichter von Berlin (1844) und Die Pest von Venedig (1848). C DSL

Brass, Kurt, Chemiker, * 4. 10. 1880 Hohenstadt (M¨ahren), † 14. 4. 1964 Lindau. Der Enkel von Wilhelm → B. und Sohn eines Kaufmanns und Fabrikanten studierte seit 1899 an der H¨oheren Chemieschule in M¨ulhausen (Elsaß) und der Univ. Basel (Promotion 1903, Kondensationsprodukte des Dioxycumaranons mit Isatin und Aldehyden). Erste praktische Erfahrungen erwarb er in den Betrieben seines Vaters, einer F¨arberei, einer Bleicherei und einer Zuckerfabrik. 1908 / 09 setzte er das Studium in M¨unchen fort. 1909-13 war er unbesoldeter Assistent im Chemisch-Technischen Laboratorium der TH M¨unchen und habilitierte sich dort 1914 mit der Arbeit Ein Beitrag zur Synthese von K¨upen-Farbstoffen, bevor er 1914-18 am Ersten Weltkrieg teilnahm. Seit 1919 war er Privatdozent, seit 1920 a. o. Prof. an der TH M¨unchen, seit 1922 a. o. Prof. an der TH Stuttgart. Nach vor¨ubergehender T¨atigkeit in Graz und Br¨unn (1927) u¨ bernahm er 1928 die Leitung des Instituts f¨ur organisch-chemische Technologie an der TH Prag, deren Rektor er 1938 / 39 war. B., der 1918-33 Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei gewesen war, trat 1934 in die Sudetendeutsche Partei ein und war 1936-38 deren Abgeordneter im tschechoslowakischen Senat. 1938 wurde er Mitglied der NSDAP, 1939 der SA und Kreisamtsleiter f¨ur Technik im Kreis Prag der NSDAP, 1942 ¨ SA-Obersturmbannf¨uhrer. B. ver¨offentlichte u. a. Ubersicht u¨ ber die Zwischenprodukte der Fabrikation von Farbstoffen aus den Bestandteilen des Steinkohlenteers, ihre Abstammung und Verwandtschaft (1923), Praktikum der F¨arberei und Druckerei (1929) und Kolloidchemische Studie an einem technischen, hochmolekularen Azofarbstoff (1932). C Gr¨uttner

Brass, Otto, Verleger, Politiker, * 21. 12. 1875 Wermelskirchen, † 13. 11. 1950 Masserberg (Th¨uringen). Der Sohn eines Webers durchlief eine Lehre als Feilenhauer und machte sich 1897 selbst¨andig. Politisch engagierte er sich seit 1895 in der SPD und gewerkschaftlich als Vorsitzender des Feilenhauerverbandes. Seit 1905 war er Vorsitzender der Ortskrankenkasse in Remscheid. 1913 u¨ bernahm der die Gesch¨aftsf¨uhrung der „Remscheider Arbeiterzeitung“. Als Gr¨undungsmitglied und Abgeordneter der Unabh¨angigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) geh¨orte B. 1919 / 20 der Nationalversammlung und 1920-24 dem Reichstag an. 1920 bis zum Ausschluß 1922 geh¨orte er der KPD, danach wieder der SPD an. B. war Vertriebsleiter der E. Laubschen Verlagsbuchhandlung in Berlin. 1933 tauchte er unter und gr¨undete 1936 zusammen mit Hermann → Brill die Widerstandsgruppe „Deutsche Volksfront“. 1938 wurde er verhaftet und im folgenden Jahr vom nationalsozialistischen Volksgerichtshof wegen Hochverrats zu zw¨olf Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach Kriegsende erneut Mitglied der SPD, trat er f¨ur die Gr¨undung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes ein und schloß sich 1946 der SED an. C Schr¨oder

Brass, Wilhelm (Engelbert), Fabrikant, * 26. 3. 1819 Geneiken bei Rheydt, † 11. 7. 1897 Hohenstadt (M¨ahren). Nach der Lehre im v¨aterlichen F¨arbereibetrieb ging B. 1856 nach Hohenstadt in M¨ahren und errichtete dort die „K. K.

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Brassert private Hohenst¨adter Rotf¨arberei“, aus der sich die gr¨oßere Firma „Wilhelm Brass & S¨ohne“ mit Zweigbetrieben in Niedergrund bei Warnsdorf und in Czenstochau entwickelte. Sein mit der Technik der T¨urkisch-Rotf¨arberei gef¨arbtes „Brass-Garn“ wurde auf dem ganzen Balkan, in Polen und Rußland abgesetzt. Vorbildlich f¨ur diese Zeit waren die sozialen Einrichtungen, die B. f¨ur seine 1500 Arbeiter und Angestellten ins Leben rief: eine Betriebskrankenkasse, einen Arbeiterpensionsfonds und ein Betriebshospital. C NDB

Brassert, Hermann (Friedrich Wilhelm), Jurist, Berghauptmann, * 20. 5. 1820 Dortmund, † 16. 3. 1901 Bonn. B., Sohn eines Oberbergrats, studierte 1841-44 in Berlin, Heidelberg und Bonn Rechtswissenschaften, wurde 1848 Assessor, 1850 Justitiar des Bergamts in Siegen und 1855 Oberbergrat des Oberbergamtes in Bonn. B. ver¨offentlichte zahlreiche Abhandlungen zum Bergrecht sowie 1858 das Kompendium Bergordnungen der preußischen Lande. Er gr¨undete 1860 zusammen mit Heinrich von → Achenbach die „Zeitschrift f¨ur Bergrecht“. Seit 1861 entwarf er im Auftrag der preuß. Regierung ein einheitliches Bergrecht f¨ur ganz Preußen, das „Allgemeine Berggesetz“, das 1865 in Kraft trat. 1864 wurde er Vortragender Rat im Handelsministerium sowie Berghauptmann und Direktor des Oberbergamtes in Bonn. C NDB

Brassicanus, Johannes, eigentl. K¨ol, Kohl, Grammatiker, P¨adagoge, * nach 1470 Konstanz, † 1514 Wildbad. B. studierte seit 1489 in T¨ubingen, wurde 1493 Magister und lehrte zun¨achst in Cannstatt und an der lateinischen Schule in Urach, sp¨ater im T¨ubinger P¨adagogium. Er war mit Heinrich → Bebel und anderen Humanisten befreundet und wird als Lehrer Philipp → Melanchthons genannt. 1508 ver¨offentlichte B. eine lateinische Grammatik (Grammaticae institutiones), die in 15 Jahren acht Mal aufgelegt wurde. Ferner verfaßte er Anklageschriften gegen den Eintritt der Stadt Basel in die Eidgenossenschaft. Seine beiden S¨ohne, Johannes Alexander und Johannes Ludwig → B., wurden als neulateinische Dichter bekannt. C NDB Brassicanus, Johannes Alexander, auch K¨ohl, Kohlberger, Kohlburger, Humanist, Dichter, * 1500 Cannstatt (oder Stuttgart), † 25. 11. 1539 Wien. Der Sohn des Grammatikers Johannes K¨ol, genannt → B. und Bruder von Johannes Ludwig → B. studierte in T¨ubingen und erlangte 1517 den Magistergrad. Kaiser → Maximilian I. kr¨onte ihn 1518 zum Poeta laureatus. In den folgenden Jahren verfaßte B. ein satirisches Encomium in Anlehnung an → Erasmus von Rotterdam (Pan – Omnis, 1519) sowie eine Reihe von Preisgedichten auf das habsburgische Herrscherhaus. Als Nachfolger Johannes → Reuchlins wurde B. 1522 Prof. des Griechischen in Ingolstadt, 1524 Prof. der Rhetorik sowie der Rechte an der Univ. Wien. Auch lehrte er Griechisch und trat weiterhin als Dichter sowie als Kommentator und Herausgeber theologischer Schriften herC LMU vor. Brassicanus, Johannes Ludwig, Jurist, Dichter, * 1509 T¨ubingen, † 3. 6. 1549 Wien. B., Sohn von Johannes → B., kam mit seinem Bruder Johannes Alexander → B. 1524 nach Wien. 1529 / 30 arbeitete er als Griechischlehrer in Leipzig und trat 1530 in die Dienste Johannes → Fabris, des Bischofs von Wien. B. ging 1532 zum Jurastudium nach Heidelberg, wurde 1536 in Padua promoviert und kehrte 1537 als Prof. der Pandekten, sp¨ater des kanonischen Rechts nach Wien zur¨uck. 1548 wurde er schließlich Rat der K¨onigin → Maria von Ungarn. B. verfaßte mehrere lateinische Gedichte, u. a.

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die Horaz-Imitation Paean lyricus de victoria Caroli Augusti, ein Triumphlied auf den Sieg → Karls V. und → Ferdinands I. u¨ ber den Schmalkaldischen Bund. C Killy

Brastberger, Immanuel Gottlob, evang. Theologe, * 10. 4. 1716 Sulz / Neckar, † 13. 7. 1764 N¨urtingen. B., Sohn eines Dekans, absolvierte die theologischen Studien in T¨ubingen und erhielt 1737 eine Stelle als Vikar in Stuttgart. 1738 wurde er Garnisonsprediger in Ludwigsburg, 1745 Pfarrer in Oberesslingen und 1756 Dekan in N¨urtingen. B. geh¨ort mit Ludwig → Hofacker und Philipp Friedrich → Hiller zu den wichtigsten Protagonisten des schw¨abischen Pietismus. Seine Predigten und Erbauungsschriften (Evangelische Zeugnisse der Wahrheit zur Aufmunterung im wahren Christentum, 1758) fanden sehr weite Verbreitung. C RGG

Brater, Karl (Ludwig Theodor), Publizist, Politiker, * 27. 6. 1819 Ansbach, † 20. 10. 1869 M¨unchen. Der Sohn eines Oberappellationsgerichtsrats studierte Rechtswissenschaften in Erlangen, Heidelberg und W¨urzburg und war sp¨ater Mitglied der Gesetzgebungskommission des bayerischen Justizministeriums. 1848 schied er aus dem Staatsdienst aus und war als Publizist und Redakteur bei der „Augsburger Abendzeitung“ t¨atig. 1851 kurze Zeit B¨urgermeister von N¨ordlingen, gab er seit 1856 zusammen mit Johann Caspar → Bluntschli das Deutsche Staatsw¨orterbuch heraus. B., ein gem¨aßigter Liberaler, war 1858-69 Mitglied der bayerischen Zweiten Kammer, trat 1859 auch dem Nationalverein bei und gr¨undete 1863 die Deutsche Fortschrittspartei f¨ur Bayern. B. gab seit 1859 die „S¨uddeutsche Zeitung“ heraus. C NDB Bratke, Gustav, Politiker, * 29. 7. 1878 Hannover, † 24. 10. 1952 Hannover. Nach einer Lehre als Lithograph erwarb sich B. kaufm¨annische Kenntnisse und war seit 1910 Lagerhalter des Konsumvereins Misburg. 1912 in den Misburger Gemeindeausschuß gew¨ahlt und auch in der Genossenschaftsbewegung aktiv, war er nach dem Ersten Weltkrieg B¨urgermeister und Vorsitzender des Provinzialausschusses Hannover, sp¨ater auch Landtags- und Kreistagsabgeordneter. Seit 1920 war er stellvertretender Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im Preußischen Landtag. 1933 von den Nationalsozialisten verhaftet, wurde B. nach neun Monaten Untersuchungshaft entlassen und Prokurist einer Baufirma. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von der Milit¨arregierung als Oberb¨urgermeister und Oberstadtdirektor Hannovers eingesetzt, war er sp¨ater u. a. Pr¨asidiumsmitglied des Deutschen St¨adtetags.

Bratring, Friedrich Wilhelm August, Bibliothekar, Geograph, * 8. 12. 1772 Losse (Altmark), † 10. 1. 1829 Berlin. Der Sohn eines evang. Pfarrers war 1799 Hilfsarbeiter an der Kgl. Bibliothek Berlin, 1803 Geheimer expedierender Sekret¨ar beim Preußischen Generaldirektorium und seit 1813 gerichtlicher B¨ucherauktionskommissar in Berlin. Neben einer Statistisch-topographischen Beschreibung der Mark Brandenburg (3 Bde., 1804-09, Neuausg. 1968) ver¨offentlichte er u. a. Mein Vaterland Preußen (1807) und Spanien und die Spanier (1813). C NDB Bratschi, Peter, schweizer. Schriftsteller, * 23. 10. 1886 St. Stephan (Kt. Bern), † 5. 12. 1975 Bern. Nach einer Ausbildung zum Mechaniker arbeitete B., Sohn eines Volksschullehrers, seit 1912 in der Zentralverwaltung der Gewerkschaft f¨ur Industrie, Gewerbe, Dienstleistungen (SMUV), wo er u. a. f¨ur Presseangelegenheiten zust¨andig war. 1950-56 redigierte er die „SMUV-Zeitung“ (Bern). 1924-40 war B., Mitglied der Sozialdemokraten, Großrat von

Braubach Bern. Er ver¨offentlichte Erz¨ahlungen (Dem Dorfschulmei¨ ster sein Altester, 1920; Die Melchiorbuben, 1948) Dramen (u. a. Der Berg, 1946) und Gedichtb¨ande und war als Mundartdichter t¨atig (Dem Leben zugetan, 1959). C DLL, 20. Jh.

Bratschi, Robert, schweizer. Gewerkschafter, Politiker, * 6. 2. 1891 Lengnau (Kt. Bern), † 23. 5. 1981 Bern. B. studierte am Technikum Biel und wurde 1908 Beamter bei den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Seit 1918 war er Vorstandsmitglied des Schweizerischen EisenbahnerVerbandes, 1920-45 dessen Generalsekret¨ar, 1922-67 sozialdemokratischer Nationalrat, 1922-53 Pr¨asident des F¨oderativverbandes des Personals o¨ ffentlicher Verwaltungen und Betriebe. 1922-32 geh¨orte er dem Stadtrat von Bern an, seit 1930 dem Grossen Rat des Kt. Bern. B. war 1934-53 Pr¨asident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, 1950-53 der Internationalen Transportarbeiterf¨oderation und 1946-53 des Schweizerischen EisenbahnerVerbandes. Er war 1921-62 Mitglied des Verwaltungsrates der SBB, Mitglied des Bankrates der Nationalbank sowie Verwaltungsrats- und Ausschußmitglied des Alters- und Hinterlassenenversicherung-Fonds.

Bratt, Harald, eigentl. August Riekel, Schriftsteller, * 23. 9. 1897 Wolfsanger (Hessen), † 1. 8. 1967 Tutzing (Bayern). B. studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Staatswissenschaften in M¨unchen, G¨ottingen und Marburg, wo er 1922 zum Dr. phil. promoviert wurde (Psychologische Untersuchungen an H¨uhnern). Nach seiner Habilitation 1923 war er Dozent f¨ur P¨adagogik an der TH Braunschweig, wo er das Internationale Institut f¨ur Erziehungswissenschaften leitete. 1933 zum o. Prof. ernannt, wurde er wegen seiner Kritik an der nationalsozialistischen Kulturpolitik im selben Jahr entlassen. B. versuchte sich dann als Dramatiker und lebte nach 1945 als freier Schriftsteller an wechselnden Orten, 1948-53 auch in Afrika und Amerika. 1956 wurde er als Prof. rehabilitiert. In den folgenden Jahren schrieb er zahlreiche Drehb¨ucher f¨ur Unterhaltungsfilme. B. ver¨offentlichte Die Probleme der Lehrerbildung. Gedanken und Vorschl¨age (1925), Vom Wesen der Erziehung (1927), Die Demokratisierung der Bildung (1928) und Drei Generationen. Die p¨adagogische Situation der Gegenwart und das Bildungsideal der Zukunft (1932). Sp¨ater entstanden Dramen wie Seine Exzellenz der Narr (1933), Das Haus Romanow (1937) und Sch¨utzenfest (1941), ferner die Autobiographie Masken und Kulissen (1955). C DLL, 20. Jh. Bratter, Carl Adolf, Journalist, Redakteur, Schriftsteller, * 19. 2. 1861 Wien, † n. e. B. studierte Philologie an der Univ. Wien und war 1885-1901 in New York t¨atig, dann als Korrespondent der „New Yorker Staatszeitung“ in Berlin. Seit 1905 BalkanKorrespondent der „Hamburger Nachrichten“ und der „New York Sun“, arbeitete er 1908-31 als Redakteur im Ullstein¨ Verlag. Neben Ubersetzungen hinterließ er einen Roman sowie historisch-politische Werke wie z. B. Die preußischt¨urkische B¨undnispolitik Friedrichs des Großen (1915). C Reichshandbuch Bratuschek, Ernst (Karl Ludwig), Philosoph, P¨adagoge, * 2. 3. 1837 Auleben bei Nordhausen, † 15. 1. 1883 Gießen. B. studierte zun¨achst Theologie und Medizin in Berlin, sp¨ater Philosophie, seit 1862 Philologie und wurde 1865 mit der Arbeit Platonis Phaedri dispositio promoviert. Zu seinen Lehrern geh¨orten u. a. August → B¨ockh und Friedrich Adolf → Trendelenburg. Seit 1867 Lehrer an der FriedrichWerderschen Gewerbeschule, ging er 1870 als Oberlehrer an die Luisenschule in Berlin. Nach der Habilitation 1871 war B. als Privatdozent der Philosophie t¨atig. 1873 folgte

er einem Ruf als o. Prof. der Philosophie nach Gießen, wo er auch P¨adagogik lehrte. B. war Mitarbeiter der „Philosophischen Monatshefte“. Er ver¨offentlichte u. a. Germanische G¨ottersage (1869, 21878), Adolf Trendelenburg (1873) und Summi in philosophia honores (1876). Aus dem Nachlaß herausgegeben wurde Die Erziehung Friedrichs des Großen (1885). C Hess Bio, Bd 1

Braubach, Daniel, Nautiker, * M¨arz 1766 Bremen, † 31. 1. 1828 Hamburg. Der Sohn eines Feldmessers, der als Kriegsfl¨uchtling in Bremen Ratsdiener war, trat zun¨achst als Seemann in russische, dann englische Dienste, kehrte 1789 nach Bremen zur¨uck und war seit 1790 Direktor der von ihm und Carl → Cassel initiierten Navigationsschule. Sein 1791 herausgegebener Versuch eines mathematischen Unterrichts f¨ur Seefahrer gilt als erstes brauchbares hochdeutsches Lehrbuch der Navigation. Nachdem die Schule w¨ahrend der franz¨osischen Besatzung aufgel¨ost worden war, folgte er 1821 einem Ruf als Lehrer und Vorsteher an die staatliche Navigationsschule in Hamburg. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Versuch einer kurzen Theorie des Maneuvre und der Construction der Schiffe (1800), Vor¨ubungen zur Mechanik f¨ur Seefahrer (1801) und Beytr¨age zur Erweiterung der Kenntniß der Seewissenschaften (1818). C Brem Bio 1 Braubach, Max, Historiker, * 10. 4. 1899 Metz, † 21. 6. 1975 Bonn. Das Studium der Geschichte und National¨okonomie absolvierte B., Sohn eines Bergrats, 1919-22 an den Universit¨aten Heidelberg, Bonn und M¨unchen. Nach Promotion (1922) und Habilitation (1924) in Bonn wurde er dort 1928 als Nachfolger seines Lehrers Aloys → Schulte o. Prof. der mittleren und neueren Geschichte und Direktor des Historischen Seminars an der Universit¨at, deren Rektor er 1959 / 60 war. 1967 wurde er emeritiert. B. war Mitglied des Beirats der G¨orres-Gesellschaft (seit 1930), Vorsitzender des Historischen Vereins f¨ur den Niederrhein (seit 1936) und Mitglied der Historischen Kommission bei der M¨unchner Akademie der Wissenschaften sowie der Kommission zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien; ferner geh¨orte er dem Beirat f¨ur das Institut f¨ur Zeitgeschichte in M¨unchen an. Sein Hauptwerk ist die große Biographie Prinz Eugen von Savoyen (5 Bde., 1963-65); daneben stehen Werke zur rheinischen Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts (Kurk¨oln. Gestalten und Ereignisse aus zwei Jahrhunderten rheinischer Geschichte, 1949) und die diplomatiegeschichtliche Arbeit Wien und Versailles von Ludwig XIV. bis Kaunitz (1952). C H¨opfner Braubach, Peter, Drucker, * um 1500 Braubach (Hessen), † 31. 5. 1567 Frankfurt / Main. B. war seit 1528 in Wittenberg immatrikuliert. Dann Faktor bei dem Straßburger Drucker Wolfgang → K¨opfel, arbeitete er sp¨ater in der Druckerei von Johann Setzer in Hagenau. Nach dessen Tod 1532 u¨ bernahm er die Druckerei und verlegte sie 1536 nach Schw¨abisch Hall, was vermutlich auf Anregung des Reformators Johannes → Brenz geschah, von dem zahlreiche Drucke bei B. erschienen sind. Sp¨ater u¨ bergab er die Druckerei seinem Schwager Pankratius Queck. Er selbst ging nach Frankfurt / Main, wo er 1540 das B¨urgerrecht erhielt und eine neue Druckerei einrichtete. Dort stand er in enger Verbindung mit dem Reformatorenkreis um → Melanchthon und begleitete u. a. Hartmann → Beyer 1554 zur Leipziger Fr¨uhjahrsmesse. B. druckte bevorzugt Klassikerausgaben (u. a. Aristoteles, Cicero, Homer, Tacitus) sowie theologische Werke von Autoren aus dem Kreis um Brenz und Beyer. C NDB

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Brauchitsch Brauchitsch, Bernhard (Eduard Adolf) von, Milit¨ar, * 12. 10. 1833 Berlin, † 7. 5. 1910 Naumburg / Saale. Nach dem Studium der Rechts- und Kameralwissenschaften an den Universit¨aten Bonn, Heidelberg, Halle und Berlin war B. seit 1855 Auskultator am Appellationsgericht und seit 1857 Referendar. 1859 trat er in den preuß. Milit¨ardienst ein. Er nahm am Feldzug 1866 teil und wurde 1867 in das Kriegsministerium versetzt. 1870 Generalstabsoffizier beim Generalgouvernement Lothringen, war er seit 1872 wieder im Kriegsministerium, Abteilung f¨ur pers¨onliche Angelegenheiten, deren Chef er seit 1876 war. 1883 wurde er Oberst, 1889 General a` la suite und Inspekteur der Kriegsschulen, 1890 Direktor der Kriegsakademie und 1896 als General der Kavallerie in den Ruhestand versetzt. B. war der Vater von Walther von → B. C Priesdorff, Bd 8

Brauchitsch, Ludwig Mathias Nathanael Gottlieb von, Milit¨ar, * 7. 5. 1757 Breslau, † 19. 1. 1827 Berlin. B. war seit 1770 Page am Hof des Prinzen → Ferdinand von Preußen. Er nahm an den Feldz¨ugen von 1778 / 79 und 1792-95 teil und wurde 1797 Major. F¨ur die Verteidigung von Danzig 1806 / 07 wurde er 1807 mit dem Orden Pour le m´erite ausgezeichnet und noch im gleichen Jahr als Mitglied des Kriegsgerichts nach K¨onigsberg berufen. 1809 erfolgte B.s Ernennung zum Oberstleutnant und Kommandanten von Berlin. 1812 wurde er Generalmajor und Chef der Gendarmerie, 1814 Generalleutnant und u¨ bernahm 1820 auch die Gesch¨afte des Gouverneurs von Berlin. C Priesdorff, Bd 3

Brauchitsch, Manfred von, Automobilrennfahrer, Sportfunktion¨ar, * 15. 8. 1905 Hamburg, † 5. 2. 2003 Gr¨afenwarth. B., Sohn eines Offiziers, geh¨orte 1923 dem Freikorps Erhardt an und trat 1924 in die Reichswehr ein, mußte jedoch die milit¨arische Laufbahn nach einem Motorradunfall aufgeben. 1929 wechselte er zum Automobilsport, fuhr erste Rennen und konnte sich 1932 beim Avus-Rennen gegen Rudolf → Caracciola durchsetzen. Nach diesem mit einem Fahrzeug von Mercedes errungenen Sieg war B. 1933-39 Werksfahrer der Daimler-Benz AG und gewann 1934 das Eifelrennen mit einem „Silberpfeil“. Danach feierte er u. a. 1937 beim Großen Preis von Monaco und 1938 beim Großen Preis von Frankreich zum Teil spektakul¨are Erfolge. 1932 u¨ bernahm B. die Hauptrolle in dem UFA-Film Kampf und ver¨offentlichte 1939 sein erstes Buch (Kampf mit 500 PS). W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs war er Sturmf¨uhrer im Nationalsozialistischen Kraftfahrer-Korps (NSKK), 1941-43 Sekret¨ar des Generaldirektors der Junkerswerke in Dessau und arbeitete 1944 als Referent f¨ur Panzerfragen im R¨ustungsministerium Albert → Speers. 1948 wurde B. zum Sportpr¨asidenten des neugegr¨undeten Automobilclubs von Deutschland gew¨ahlt, lebte 1949 / 50 in Argentinien und beteiligte sich als Pr¨asident des westdeutschen Komitees an der Vorbereitung der Weltfestspiele in Ostberlin (1951) und Bukarest (1953). 1953 verbrachte er wegen Verdachts der „Vorbereitung zum Hochverrat, Geheimb¨undelei und Staatsgef¨ahrdung“ acht Monate in Untersuchungshaft. Nach der Flucht in die DDR vor erneuter Verhaftung 1954 war er 1957-60 Sportpr¨asident des Allgemeinen Deutschen Motorsportverbandes und 1960-90 Pr¨asident der Gesellschaft zur F¨orderung des olympischen Gedankens. 1964 erschien seine Autobiographie Ohne Kampf kein Sieg. C DDR

Brauchitsch, (Heinrich Alfred Hermann) Walther von, Milit¨ar, * 4. 10. 1881 Berlin, † 18. 10. 1948 Hamburg. B., Sohn von Bernhard von → B. trat 1900 in das Kadettenkorps ein und geh¨orte seit 1912 dem Großen Generalstab an. 1921 wurde er als Major in die Reichswehr u¨ bernommen. 1922 in das Reichswehrministerium versetzt, wurde

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er 1931 Generalmajor. Mit Ernennung zum Generalleutnant (1933) wurde B. Befehlshaber im Wehrkreis I (K¨onigsberg). Seit 1937 war er als General der Artillerie Befehlshaber des Gruppenkommandos 4, seit 1938 als Generaloberst Oberbefehlshaber des Heeres. Seit 1940 Generalfeldmarschall, wurde er von → Hitler f¨ur das Mißlingen des russischen Winterfeldzugs 1941 / 42 verantwortlich gemacht und 1941 entlassen. B. starb vor seiner Verhandlung vor einem britischen Milit¨argericht. C Altpreuß Biogr, Bd 4

Brauchitsch, (Friedrich) Wilhelm (Carl) von, Landrat, * 21. 2. 1820 Potsdam, † 6. 1. 1884 Klein-Katz bei Danzig. Nach dem Besuch der Ritterakademie Brandenburg studierte B. 1837-40 Rechtswissenschaften in Berlin und Bonn und war danach als Auskultator bei der Justizkammer in Schwedt und als Referendar bei der Justizkammer in Potsdam t¨atig. Seit 1847 / 48 dort und seit 1849 in Danzig Regierungsassessor, wurde er 1854 zum Landrat des Kreises Danzig ernannt, den er bis 1865 leitete. 1865 wurde ihm der Titel Geheimer Regierungsrat verliehen. Er lebte als Rittergutsbesitzer in Klein-Katz und geh¨orte 1866-70 in der Fraktion der Konservativen dem preuß. Abgeordnetenhaus an. B. gilt als F¨orderer des konservativen Vereinswesens und war Mitbegr¨under der „Westpreußischen Zeitung“. 1867-77 war er Mitglied des Reichstags. C Haunfelder, Preuß Abg

Brauchle, Alfred (Karl), Internist, Naturheilkundiger, * 22. 3. 1898 Schopfheim (Baden), † 21. 11. 1964 Sch¨onenberg / Schwarzwald. B. studierte nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg Medizin in Freiburg / Breisgau, wurde 1924 promoviert (Pers¨onliche Eigenart und Schizophrenie) und arbeitete 1923-25 als Medizinalpraktikant und Assistent am St¨adtischen Krankenhaus und W¨ochnerinnenheim in L¨orrach. Er war bis 1928 Assistent an der Hydrotherapeutischen Universit¨atsklinik Berlin, dann als Facharzt f¨ur Innere Medizin Chefarzt des Prießnitzkrankenhauses in Berlin-Mahlow. 1934 wurde er Chefarzt der Abteilung f¨ur Naturheilkunde des RudolfHeß-Krankenhauses in Dresden und war nebenbei seit 1935 Dozent an der Dresdener Medizinischen Akademie f¨ur a¨ rztliche Fortbildung. Er habilitierte sich 1939 mit der Arbeit Naturheilkunde des praktischen Arztes. Bd. 1: Vorlesungen u¨ ber allgemeine Naturheilkunde und erhielt 1942 den Professorentitel. Bis 1946 Chefarzt des Sanatoriums Glotterbad (bei Freiburg / Breisgau), zog er sich nach einem Entnazifizierungsverfahren zun¨achst ins Privatleben zur¨uck. 1949-60 war er noch einmal Chefarzt des Parksanatoriums Sonne in Sch¨onau (Schwarzwald), danach arbeitete er in seiner Privatpraxis in Sch¨onenberg (Schwarzwald). B., der sich um die Anwendung von Naturheilverfahren in der Medizin verdient machte, war Mitbegr¨under und 1. Vorsitzender des Zentral¨ verbandes der Arzte f¨ur Naturheilverfahren. Er ver¨offentlichte u. a. Hypnose und Autosuggestion (1929, 131963), Naturheilkunde in Lebensbildern (1937), Große Natur¨arzte (1944) und Das große Buch der Naturheilkunde (1957, 181987). C Heidel / Lienert Brauckmann, Karl, Lehrer, * 30. 11. 1862 Hengsen (Kr. H¨orde), † n. e. B. unterrichtete acht Jahre an einer Taubstummenanstalt. Nachdem er noch zwei Jahre Medizin und P¨adagogik in Jena studiert hatte, gr¨undete er dort eine Schule f¨ur geh¨orleidende Kinder. B. entwickelte das sogenannte Jenaer Verfahren im Absehunterricht und ver¨offentlichte u. a. Die psychische Entwicklung und Behandlung schwerh¨origer Kinder (1901). C Reichshandbuch Brauda, Benno, Ingenieur, * 14. 6. 1874 Eydtkuhnen (Ostpreußen), † 1937. Nach dem Studium an der TH Paris und praktischer Ausbildung beim Fahrrad-Fabrikanten Rochet war B. beim

Brauer Automobil-Hersteller Phoebus-Aster t¨atig. Seit 1900 bei der Firma Daracque in Suresnes (Seine), ging er 1901 als deren Vertreter nach Deutschland und erreichte, daß die Firma Opel in Lizenz den Bau und Vertrieb f¨ur Darracq in Deutschland u¨ bernahm. Bis 1904 in leitender Stellung bei Opel, war B. zusammen mit Hanns Hilz f¨ur die Vertretung des Unternehmens in D¨usseldorf verantwortlich. 1907 u¨ bernahm er die Vertretung f¨ur Deutschland von AustroDaimler-Motoren-A.G., Wien, und wurde nach Umwandlung der neugegr¨undeten Filiale des Wiener Werkes in eine A.G. 1921 ordentliches Vorstandsmitglied. Nach dem Ausscheiden 1925 gr¨undete er die Brauda-Motoren-A.G., die „O. M.“, „Brescia“ und „Isotta Fraschini“ (Mailand) vertrieb. 1927 wurde er in die Leitung der Berliner Filiale der SteyrWerke berufen. Auch Gewinner zahlreicher Autorennen, galt B. als Pionier des deutschen Automobilwesens. C Reichshandbuch

Brauer, Eduard, Jurist, Schriftsteller, * 2. 11. 1811 Karlsruhe, † 7. / 8. 1. 1871 Bruchsal. B. studierte seit 1830 Rechtswissenschaften in G¨ottingen, sp¨ater in Heidelberg und bestand 1834 das Staatsexamen. Seit 1839 Amtsassessor in Pforzheim, war er seit 1843 beim Landamt Karlsruhe t¨atig, seit 1844 als Amtmann. 1845 wurde B. Hofgerichtsrat in Mannheim, 1858 in Bruchsal und war dort seit 1864 Oberhofgerichtsrat. Neben zahlreichen juristischen Abhandlungen, darunter Die deutschen Schwurgerichtsgesetze in ihren Hauptbestimmungen u¨ bersichtlich zusammengestellt, mit kurzem Hinweis auf fremdes [. . .] Recht (1856), ver¨offentlichte er u. a. Gedichte (1834) und Badische Sagenbilder in Lied und Reim (1858). C DLL

Brauer, Friedrich Moritz, o¨ sterr. Zoologe, * 12. 5. 1832

Berlin, † 23. 12. 1985 Chapel Hill (North Carolina, USA). B. studierte seit 1913, unterbrochen durch den freiwilligen Kriegsdienst 1914-19, Mathematik in Heidelberg und Berlin. 1926-28 war er Hilfsassistent am Institut f¨ur Mathematik der ¨ Univ. Berlin, nach der Promotion 1928 (Uber diophantische Gleichungen mit endlich vielen L¨osungen) Assistent. Er habilitierte sich 1932 und war bis zu seiner Entlassung 1935 als Privatdozent t¨atig. 1939 emigrierte B. in die USA, wo er bis 1942 am Institute for Advanced Study der Princeton Univ., New Jersey, als Assistent t¨atig war. Er wurde Prof. der Mathematik an der Univ. North Carolina in Chapel Hill, 1966 emeritiert und war noch bis 1975 Gastprofessor an der Wake Forest Univ. in Winston-Salem, North Carolina. B. ver¨of¨ fentlichte u. a. Uber Sequenzen von Potenzresten (2 Tle., 1928-31). C BHdE, Bd 2

Wien, † 29. 12. 1904 Wien. Der Sohn eines Buchh¨andlers studierte 1853-60 Medizin in Wien, wurde 1871 promoviert und trat im selben Jahr in das Zoologische Hofkabinett ein. Gleichzeitig seit 1872 Privatdozent und seit 1874 a. o. Prof. der Zoologie an der Univ. Wien, wurde er 1876 Kustos am Zoologischen Hofkabinett. Nach seiner Ernennung zum o. Prof. der Zoologie an der Wiener Univ. war er 1898-1903 Direktor der Zoologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums. B. gelang die Gr¨undung eines nat¨urlichen Dipteren-Systems (Orthorrhapha-Cyclorrhapha) und f¨uhrte die phylogenetische Betrachtungsweise in die Entomologie ein. Er war Mitglied ¨ der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften sowie der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und Mitbegr¨under der k. k. Zoologischen Gesellschaft. B. vero¨ ffentlichte u. a. eine Beschreibung und Beobachtung der o¨ sterreichischen Arten der Gattung Chrysopa (1850), Neuroptera austriaca (1857) und Systematisch-zoologische Stu¨ Akad, Jg. 55 dien (1885). C Almanach Ost

Brauer, Arnold Hermann Louis Friedrich, Wirtschafts-

Brauer, (August) Ludolf, Internist, * 1. 7. 1865 Hohen-

funktion¨ar, * 11. 5. 1878 Hannover, † 4. 4. 1962. B. studierte Jura und Volkswirtschaft in M¨unchen, Berlin, G¨ottingen, Leipzig und Paris und absolvierte in Hamburg und London eine kaufm¨annische Ausbildung. 1905-10 war er Beamter der Handelskammer in Berlin, Halle und Villingen, 1910-12 deutscher Handelssachverst¨andiger in Japan. 1913-17 Syndikus beim Zentralverband deutscher Industrieller, folgte B. 1920 einem Ruf als stellvertretender Vorstand und Direktor im Leipziger Meßamt. Er wurde Vizepr¨asident der Union der internationalen Messen in Mailand, 1924 Konsul von Chile. 1933 u¨ bernahm er die Leitung des London Office of the Leipzig Fair. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs war B. in der Gesch¨aftsf¨uhrung des Kriegsausschusses der Deutschen Industrie, sp¨ater als Referent im Kriegsamt t¨atig. 1947-49 wirkte er als Beirat der Handelskammer in Santiago de Chile.

hausen (Kr. Thorn), † 25. 11. 1951 M¨unchen. B., Sohn eines Gutsbesitzers, studierte seit 1885 Medizin in Bonn, Marburg, M¨unchen und Freiburg / Breisgau und wurde 1892 promoviert (Ein Fall von Elephantiasis congenita). Als Assistent von Wilhelm Heinrich → Erb habilitierte er sich 1897 in Heidelberg (Der Einfluß des Quecksilbers auf das Nervensystem des Kaninchens). 1904 wurde er a. o. Prof., 1905 o. Prof. und Direktor der Medizinischen Klinik Marburg, 1910 Direktor des Krankenhauses Hamburg-Eppendorf und 1919 o. Prof. an der Univ. Hamburg, deren Rektor er 1930 / 31 war. 1914-18 war er als Internist beratend in Polen, Pal¨astina und in der T¨urkei t¨atig. Besondere Verdienste erwarb er sich in der Tuberkuloseforschung; er f¨uhrte den Begriff der „Kollapstherapie“ in der Tuberkulosebehandlung ein und gilt als wissenschaftlicher Begr¨under des „Pneumothorax“. 1927 regte B. die Gr¨undung der Deutschen Forschungsanstalt f¨ur Tuberkulose an. Nach der Emeritierung 1934 aus politischen Gr¨unden gr¨undete er in Wiesbaden das Institut f¨ur Altersgestaltung und Altern. B. entwickelte die ¨ Uberdruckatmung zur k¨unstlichen Beatmung in der Lungenund Herzchirurgie ebenso wie die „Cardiolysis“. Er war Mitherausgeber eines Handbuchs der Tuberkulose (1914-22) und seit 1947 Direktor des Tuberkulose-Forschungsinstituts in M¨unchen. Seit 1932 geh¨orte er der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina an. B. verfaßte u. a. Die Erkennung und Verh¨utung des Fleckfiebers und R¨uckfallfiebers. Nebst Vorschriften zur Bek¨ampfung der L¨auseplage bei der Truppe (1915, 21916) und Die Ruhr, ihr Wesen und ihre Behandlung (1918, 21922). C Altpreuß Biogr, Bd 4

Brauer, Alfred Theodor, Mathematiker, * 9. 4. 1894

Brauer, (Karl Ludwig Wilhelm) Arthur von, Diplomat, Staatsmann, * 17. 11. 1845 Karlsruhe, † 25. 4. 1926 BadenBaden. Der Sohn von Wilhelm → B. trat nach dem Jurastudium in G¨ottingen, Berlin, Heidelberg und Freiburg / Breisgau 1868 in den badischen Justizdienst ein, nahm am DeutschFranz¨osischen Krieg teil und war seit 1872 im Ausw¨artigen Amt des Reiches t¨atig. 1875 kam er als Konsul nach St. Petersburg, wurde nobilitiert, 1881 Vortragender Rat und 1888-90 Generalkonsul in Kairo. 1890 wurde er badischer Gesandter in Berlin, 1893 großherzoglicher Minister in Karlsruhe, 1901 Staatsminister, 1905 Großhofmeister. Als Politiker galt B. als national-liberal gesinnt. Er verfaßte u. a. Die deutsche Diplomatie unter Bismarck (1906). 1936 erschien von ihm Im Dienste Bismarcks. Pers¨onliche Erinnerungen (hrsg. von Helmuth Rogge). C Bad Bio N.F., Bd 4

Brauer, Max, Dirigent, Komponist, * 9. 5. 1855 Mannheim, † 2. 1. 1918 Karlsruhe. B. war 1875 / 76 Sch¨uler von Vinzenz → Lachner in Karlsruhe und studierte 1877-80 am Konservatorium in K¨oln.

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Brauer 1880 wurde er Musikdirektor beim C¨acilienverein in Kaiserslautern, 1888 an der Hofkirche in Karlsruhe, wo er 1905 den Bachverein gr¨undete. B. komponierte haupts¨achlich Kammermusik, ferner zwei Opern (Morgiane, 1890; Der Lotse, 1895).

Harvard University, 1959-63 als Direktor des Instituts f¨ur Mathematik. B. ver¨offentlichte u. a. On the order of finite projective groups in a given dimension (1969). Postum erschienen 1980 Collected papers. C BHdE, Bd 2

Brauer, Max (Julius Friedrich), Politiker, * 3. 9. 1887

* 16. 1. 1880 Kleve, † 19. 3. 1942 St. Paul (Minnesota, USA). Seit 1907 als Direktorialassistent beim Volksverein f¨ur das katholische Deutschland, kam B., Sohn eines Schuhfabrikanten, mit der internationalen christlichen Gewerkschaftsbewegung in Ber¨uhrung und war seit 1908 deren Gesch¨aftsf¨uhrer in K¨oln. 1912 wurde er Redakteur des „Zentralblatts der Christlichen Gewerkschaften“, 1917 auch der „Deutschen Arbeit“. Nach 1918 war er zeitweise Sekret¨ar Adam → Stegerwalds und Heinrich → Br¨unings, studierte in Bonn Wirtschaftswissenschaften und wurde 1920 bei Heinrich Dietzel promoviert (Das Betriebsr¨ategesetz und die Gewerkschaften). B. habilitierte sich 1923 (Lohnpolitik in der Nachkriegszeit) und wurde noch w¨ahrend des laufenden Habilitationsverfahrens zum Prof. der National¨okonomie an der TH Karlsruhe berufen. 1928 wurde er als Direktor der sozialpolitischen und -rechtlichen Abteilung und Honorarprof. Nachfolger Max → Schelers am K¨olner Forschungsinstitut f¨ur Sozialwissenschaft und leitete seit 1930 das Bildungswerk der christlichen Gewerkschaften in K¨onigswinter. Nach kurzer Inhaftierung 1933 folgte er einem Ruf an das St. Thomas College in St. Paul (Minnesota, USA). B. gr¨undete 1929 das „Sozialrechtliche Jahrbuch“ und ver¨offentlichte u. a. Gewerkschaft und Volkswirtschaft (1912), Der moderne deutsche Sozialismus (1929) und Die Erf¨ullung der Volkswirtschaft (1934). C Hagemann

Altona (heute zu Hamburg), † 2. 2. 1973 Hamburg. B., Sohn eines Glasbl¨asers, erlernte den Beruf des Vaters und war 1910-19 Angestellter der Konsum-Genossenschaft in Hamburg. Seit 1903 SPD-Mitglied, wurde er 1916 Stadtverordneter, 1919 Zweiter B¨urgermeister und K¨ammerer von Altona, 1924 Oberb¨urgermeister von Altona und Mitglied des Preußischen Staatsrats. B. war Mitglied des Provinzialrats von Schleswig-Holstein und des Deutschen St¨adtetags. 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt und verhaftet, ¨ fl¨uchtete er u¨ ber Osterreich und die Schweiz nach Frankreich und ging f¨ur den V¨olkerbund nach China, 1937 in die USA, wo er u. a. an der Columbia Univ. Vorlesungen hielt und als Generalbevollm¨achtigter der American Federation of Labor t¨atig war. Seit 1946 wieder als Generalbevollm¨achtigter der American Federation of Labor in Deutschland, war B. bis 1953 und 1957-60 Erster B¨urgermeister von Hamburg, seit 1949 Mitglied des Deutschen Rats der Europ¨aischen Bewegung und vertrat Hamburg im Bundesrat. 1961-65 geh¨orte er ¨ dem Deutschen Bundestag an. B. ver¨offentlichte u. a. Offentliche Wirtschaft. Gestern – Heute – Morgen (1951), N¨uchternen Sinnes und heißen Herzens. Reden und Ansprachen (1953, 21956) und Ziel und Weg sozialdemokratischer KomC Verwaltung munalpolitik (1958).

Brauer, (Johann) Nikolaus (Friedrich), Staatsmann, * 14. 1. 1754 B¨udingen, † 17. 11. 1813 Karlsruhe. Der Sohn eines f¨urstlich isenburgischen Geheimen Rats trat nach dem Jurastudium in Gießen und G¨ottingen 1774 als Regierungsrat in die Dienste des Markgrafen → Karl Friedrich von Baden. 1788 wurde er Geheimer Hofrat, 1790 Hofratsdirektor mit Sitz und Stimme im Geheimratskollegium und 1792 Wirklicher Geheimer Rat. Seit 1807 war er Dirigierender Geheimrat beim Polizeireferat des Staatsministeriums und wurde zum Staatsrat sowie zum Ministerialdirektor im Justizministerium ernannt. Er war Vorsitzender der Kommission zur Einf¨uhrung des Code Napol´eon und bewerkstelligte bis 1810 dessen Anpassung an die spezifisch badischen Verh¨altnisse. 1811 wurde B. Vortragender Geheimer Kabinettsrat des Ministeriums des Innern sowie des Justizministeriums. Durch seinen Entwurf der Organisationsedikte von 1803 und die Einf¨uhrung des Code Napol´eon als badisches Landrecht galt er als bedeutender Organisator des neugegr¨undeten badischen Staates. B. verfaßte u. a. eine Abhandlung zur Erl¨auterung des Westph¨alischen Friedens (3 Bde., 1782-85) und Erl¨auterungen u¨ ber den Code Napol´eon und die großherzoglich-badische b¨urgerliche Gesetzgebung (6 Bde., 1809-12). Er war der Vater von Wilhelm von → B. C Verwaltung

Brauer, Richard Dagobert, Mathematiker, * 10. 2. 1901 Berlin, † 17. 4. 1977 Boston. Der Kaufmannssohn studierte 1919-25 Mathematik in Heidelberg und Berlin, wo er Assistent bei Issai → Schur war. ¨ Nach seiner Promotion 1926 (Uber die Darstellung von Gruppen in Galloischen Feldern) war er bis zu seiner Entlassung 1933 an der Univ. K¨onigsberg als Assistent, seit 1927 als Privatdozent t¨atig. Bis 1934 Gastprofessor an der Univ. Kentucky in Lexington, war er 1934 / 35 Assistent am Institute for Advanced Study in Princeton (New Jersey). 1935 emigrierte B. nach Kanada, wo er Prof. der Mathematik an der Univ. Toronto wurde. Seit 1948 lebte er wieder in den USA und war bis 1952 Prof. der Mathematik an der University of Michigan in Ann Arbor, dann bis 1977 an der

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Brauer, Theodor, Politiker, Wirtschaftswissenschaftler,

Brauer, (Johann Emanuel Friedrich) Wilhelm von, Jurist, * 1. 7. 1809 Karlsruhe, † 30. 4. 1890 Karlsruhe. Nach dem Jurastudium in G¨ottingen und Heidelberg war B., Sohn von Johann Friedrich → B., im badischen Verwaltungsdienst t¨atig und wurde 1841 Assessor, 1843 Ministerialrat im Justizministerium. Seit 1849 Generalauditor beim badischen Armeekorps, blieb er in dieser Stellung, bis die Milit¨arhoheit an Preußen u¨ berging. 1843-72 war er Regierungskommissar bei beiden Kammern des Landtags und hatte großen Einfluß auf die badische Gesetzgebung. B. verfaßte zahlreiche Werke, die sich u. a. mit Verwaltungs-, Kriminal- und Milit¨arstrafrecht besch¨aftigen (Das badische Milit¨arprivatrecht, 1852; Handbuch des deutschen Milit¨arstrafrechts, 1872). Er war der Vater von Arthur → B. C NDB

Brauksiepe, Aenne, geb. Engels, Politikerin, * 23. 2. 1912 Duisburg, † 1. 1. 1997 Oelde (Westfalen). Nach dem Abitur 1931 zwei Jahre in der Behindertenf¨ursorge t¨atig, ging B., deren Mutter Stadtverordnete der Zentrumspartei war, 1934 nach Glasgow, lebte seit 1937 in den Niederlanden und unterrichtete k¨orperlich behinderte Kinder. 1943 kehrte sie nach Duisburg zur¨uck, wo sie 1945 Stadtverordnete wurde. 1949-72 geh¨orte B. f¨ur die CDU, deren Mitgr¨underin sie war, dem Deutschen Bundestag an. Seit 1956 Mitglied des Bundesvorstandes der CDU, war sie 1958-71 Vorsitzende der Bundesvereinigung der Frauen der CDU und wurde 1965 stellvertretende Vorsitzende der CDU / CSU-Bundestagsfraktion. B. geh¨orte 1966-69 dem CDUParteipr¨asidium an und war 1968 / 69 Bundesministerin f¨ur Familie und Jugend. Als erste Frau in diesem Amt propagierte sie eine moderne Familienpolitik und engagierte sich u. a f¨ur eine Verbesserung des Familienlastenausgleichssystems. B. war zudem Vizepr¨asidentin des Familienbundes Deutscher Katholiken, Landesvorsitzende der Europ¨aischen Frauen-Union, Vorsitzende im Kuratorium des deutschen M¨uttergenesungswerks und Zweite Vorsitzende der Studienstiftung des Deutschen Volkes. C Kempf / Merz

Braun Braumuller, ¨ Georg, Maler, Graphiker, * 16. 9. 1870 Berlin, † 4. 9. 1927 Wiesbaden. Seit 1889 G¨artner in Breslau, besuchte B., Sohn eines Generalleutnants, 1891-94 die Kunstakademie in Kassel und 1894-96 die Weimarer Kunstschule. Seit 1896 in M¨unchen ans¨assig, bildete er sich dort an der Malschule von Friedrich → Fehr, dann als Sch¨uler von Ernst → Neumann fort und war vorwiegend als Graphiker t¨atig. In Wiesbaden leitete er die erste Graphikschule. Unter seinen Werken befinden sich zahlreiche Portr¨ats (u. a. von Max Petzold, Max → Reger und Martin → Greif), meist als farbige Holzschnitte. B. schuf auch die Illustrationen zu den Erz¨ahlb¨anden Ut ne l¨utte Stadt und In’n Middelkraug von Otto → Piper sowie f¨ur das Jahrbuch f¨ur lyrische Wortkunst „Avalun“. Er war Mitglied der C AKL Graphischen Vereinigung M¨unchner K¨unstler.

Braumuller, ¨ Wilhelm (Karl Ernst Heinrich) Ritter von, Verleger, * 19. 3. 1807 Zillbach (Th¨uringen), † 25. 7. 1884 Wien. B., Sohn eines Pfarrers, war seit 1820 Buchh¨andlerlehrling in Eisenach und seit 1826 Gehilfe bei Carl → Gerold in Wien. Zusammen mit Ludwig Wilhelm Seidel u¨ bernahm er 1836 den Verlag R. von Moesle, der 1840 in Braum¨uller & Seidel umbenannt wurde. Nach dem Ausscheiden Seidels 1848 f¨uhrte B. den Verlag allein weiter. Urspr¨unglich ein auf Rechts-, Staats- und Geisteswissenschaften spezialisierter Verlag, lag der Schwerpunkt sp¨ater haupts¨achlich auf medizinischem Gebiet. Besonderen Ruf erwarb sich B. mit dem Druck medizinischer Abbildungstafeln. 1884 u¨ bergab B. die Verlagsf¨uhrung an seinen Sohn Wilhelm B. C NDB

Braumuller, ¨ Wilhelm, Industrieller, * 9. 5. 1872 Waldenburg (Schlesien), † 28. 4. 1938 M¨unchen. Nach praktischer Ausbildung u. a. beim Bergbauamt Breslau studierte B. an der Univ. und der Bergakademie in Berlin und wurde 1896 Bergreferendar, 1903 Bergassessor. 1898-1901 war er Beauftragter der Schantung-Bergbaugesellschaft Berlin zur Erschließung von Kohlen- und Erzlagerst¨atten in der chinesischen Provinz Schantung, 1903-09 Vorstandsmitglied und Bergwerksdirektor der Union AG f¨ur Bergbau, Eisenund Stahlindustrie Dortmund. 1910 folgte er einem Ruf als technischer Direktor an die Duisburger Kupferh¨utte, deren Generaldirektor er 1918-35 war. C Reichshandbuch

Braun, Adolf, Politiker, Journalist, * 20. 3. 1862 Laag (Steiermark), † 13. 5. 1929 Berlin. B., Sohn eines Bauunternehmers, Bruder von Heinrich → B. und Schwager von Victor → Adler, wuchs in Wien auf und studierte seit 1882 National¨okonomie, Geschichte und Philosophie in Basel und Freiburg / Breisgau, wo er 1888 mit der Arbeit Zur Statistik der Hausindustrie promoviert wurde. Er war er an der Gr¨undung der Sozialdemokrati¨ schen Arbeiterpartei Osterreichs 1888 / 89 beteiligt. B. war zun¨achst als Redakteur bei der Wiener „Gleichheit“, sp¨ater bei der „M¨unchner Post“, der „S¨achsischen Arbeiterzeitung“ in Dresden und schließlich beim „Vorw¨arts“ in Berlin. 1898 wurde er aus Preußen ausgewiesen, ging nach N¨urnberg und war dort seit 1902 Chefredakteur der „Fr¨ankischen Tagespost“. 1918 wurde er deutscher Staatsb¨urger. B. geh¨orte sowohl der Weimarer Nationalversammlung als auch dem Deutschen Reichstag (1919 / 20) an und war 1920-27 Mitglied des Parteivorstands der SPD in Berlin. Als Sozialpolitiker besch¨aftigte er sich vor allem mit gewerkschaftlichen Fragen und ver¨offentlichte u. a. Zum Achtstundentag! (1901), Die Tarifvertr¨age und die deutschen Gewerkschaften (1908), Die Gewerkschaften, ihre Entwicklung und K¨ampfe (1914, 3 1925) und Geldvolumen und Arbeitslohn (1920). C Osterroth

Braun, Alexander (Carl Heinrich), Botaniker, Naturphilosoph, * 10. 5. 1805 Regensburg, † 29. 3. 1877 Berlin. B., Sohn eines Thurn und Taxisschen Postinspektors, studierte Medizin, vor allem aber Botanik in Heidelberg, wo er sich mit Karl Friedrich → Schimper und Louis Agassiz befreundete, sowie in M¨unchen und T¨ubingen, wo er 1829 mit einer Arbeit u¨ ber die Pflanzengruppe der Farne promoviert wurde. Zu seinen Lehrern geh¨orten Friedrich Sigismund → Leuckart, Gottlieb Wilhelm → Bischoff, Franz Joseph Schelver, Lorenz → Oken, Gotthilf Heinrich von → Schubert und auch → Schelling („das Haupt der ganzen Universit¨at“). 1832 wurde B. Lehrer der Botanik und Zoologie am Polytechnikum in Karlsruhe, 1846 folgte er dem Ruf auf den Lehrstuhl f¨ur Botanik in Freiburg / Breisgau, 1850 wurde er nach Gießen und 1851 nach Berlin berufen, zugleich als Direktor des Botanischen Gartens; die Rekto¨ ratszeit 1865 / 66 er¨offnete B. mit der Rede Uber das Wesen der Universit¨at. B. gilt als Hauptvertreter der idealistischen Morphologie der Pflanzen; die mit Schimper unter dessen „freundschaftlicher F¨uhrung“ entwickelte Theorie der Blattstellung wurde eine Grundlage der Systematik der Bl¨utenpflanzen; seine Algenuntersuchungen trugen in Kritik an Matthias Jakob → Schleiden und Theodor → Schwann wesentlich zur Weiterentwicklung der Zellentheorie bei; sein nat¨urliches System der Pflanzen fand Anwendung im Berliner Botanischen Garten (publiziert bei Paul F. A. → Ascherson, Flora der Provinz Brandenburg, 1864). In den Betrachtungen u¨ ber die Erscheinung der Verj¨ungung in der Natur (1851) wird → Goethes Metamorphoselehre zwar aufgegriffen, aber zugleich ver¨andert und zur Unterscheidung zwischen der anorganischen und organischen Natur mit ihrem „Triebe nach Vollendung“ herangezogen. In der Monographie Das Individuum der Pflanze in seinem Verh¨altniss zur Species (1853) wird Darwins Lehre der Evolution anerkannt, aber in Ablehnung der Selektionstheorie unter das Prinzip der Teleologie gestellt. Mehrfach setzte B. sich in popul¨aren Ver¨offentlichungen f¨ur die Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse ein. ¨ Die Universit¨atsrede Uber den Zusammenhang der naturwissenschaftlichen Disciplinen unter sich und mit der Wissenschaft im Allgemeinen (1855) betont erneut die romantischnaturphilosophische Orientierung, die seine zeitgen¨ossische Resonanz behindert hat: „So erscheint denn die Naturgeschichte innig verflochten mit der Lebensgeschichte des Menschen und mit seiner Lebensaufgabe.“ Geehrt wurde B. durch die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina und die Preußische Akademie der Wissenschaften. 1882 edierte die Tochter Cecilie Mettenius Alexander Braun’s Leben nach seinem handschriftlichen Nachlass dargestellt. LITERATUR: Brigitte Hoppe: Deutscher Idealismus und Naturforschung. Werdegang und Werk von A. B. (1805 bis 1877). In: Technikgeschichte 36 (1969) S. 111-132. – Gerald L. Geison: B. In: DSB, Bd. 1, 1970, S. 425-427. – Michel Gu´ed`es: La th´eorie de la m´etamorphose en morphologie v´eg´etale, la m´etamorphose et l’id´ee d’´evolution chez Alexandre B. (1805-1877). In: Episteme 7 (1979) S. 32-51. Dietrich von Engelhardt Braun, Alfred (Johann August), Regisseur, Schauspieler, Reporter, * 3. 5. 1888 Berlin, † 3. 1. 1978 Berlin. 1905 / 06 an der Schauspielschule des Deutschen Theaters in Berlin unter Max → Reinhardt ausgebildet, war B. 1907-23 Schauspieler und Regisseur (u. a. am Schiller-Theater, Berlin). Danach vor allem beim Rundfunk t¨atig, erprobte er zusammen mit Arnolt → Bronnen und Bertolt → Brecht in Klassikerbearbeitungen rundfunkspezifische Formen des Dramatischen, machte sich jedoch auch durch aktuelle Reportagen und H¨orspiele einen Namen. 1930 wurde er Leiter

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Braun der H¨orspielabteilung der Berliner Funkstunde. 1933 entlassen, dann in „Schutzhaft“ genommen, emigrierte B., seit 1928 Mitglied der SPD, 1934 in die Schweiz, wo er bis 1935 als Schauspieler am Schauspielhaus Z¨urich, bis 1937 auch als Regisseur am Stadttheater Basel engagiert war. Ein 1936 gestellter Antrag auf Rehabilitierung und Wiederbesch¨aftigung im deutschen Rundfunk wurde durch → Goebbels abgelehnt. Nach kurzem Engagement in Straßburg zwei Jahre als Rhetoriklehrer in der T¨urkei, war er seit 1939 wieder in Berlin, wo er zumindest teilweise rehabilitiert wurde und sich an der Filmproduktion Veit → Harlans beteiligte. 1941 wurde er Mitglied der Reichsfilmkammer. 1945 konnte er seine Karriere zun¨achst bei Radio Stuttgart, sp¨ater beim Ostberliner Rundfunk fortsetzen und war 1954-58 Intendant bzw. Programmdirektor des Senders Freies Berlin. 1968 erschien Achtung, Achtung, hier ist Berlin! Aus der Geschichte des Deutschen Rundfunks in Berlin 1923-1932. C Exiltheater

Braun, Angelika, geb. Stratmann, Journalistin, * 22. 8. 1897 Neuss (Rheinland), † 1972 Paris. Nach einer Lehrerausbildung bis 1923 im Schuldienst t¨atig, ging B. nach Saarbr¨ucken, wo sie als Journalistin f¨ur die „Volksstimme“ arbeitete und sp¨ater 2. Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt wurde. 1935 emigrierte sie nach Forbach (Lothringen), dann nach Metz und Paris. Sie war Mitarbeiterin des Office Sarrois in Paris, bis sie 1940 u¨ ber Bordeaux, Casablanca und Gibraltar nach Großbritannien fliehen mußte. Dort im Auftrag des Ern¨ahrungsministeriums in der Fl¨uchtlingshilfe t¨atig, kehrte sie 1946 nach Saarbr¨ucken zur¨uck und wurde Mitarbeiterin bei der „Saarbr¨ucker Zeitung“, dann Chefredakteurin von „Charme“. B. war 1947 Mitglied der Verfassungskommission, 1947-50 Mitglied des Saarl¨andischen Landtags und bis 1950 Erste Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt. Nach der Saarabstimmung 1955 ließ sie sich wieder in Paris nieder. Seit 1924 war sie mit Max → B. verheiratet. C BHdE, Bd 1

Braun, Anna Maria, geb. Pfr¨undt, Wachsbossiererin, * 1642 Lyon, † 13. 8. 1713 Frankfurt / Main. B. war die Tochter des Bildhauers und Stahlschneiders Georg Pfr¨undt, von dem sie als Wachsbossiererin ausgebildet wurde. Nach dem Tod ihres Mannes, des markgr¨aflichen Geheimsekret¨ars und Wachsbossierers Bartholom¨aus B., verdiente sie ihren Lebensunterhalt mit der Herstellung von Wachsportr¨ats. Sie erhielt zahlreiche Auftr¨age aus adligen Kreisen und kam u. a. zweimal an den kaiserlichen Hof nach Wien, um Portr¨ats der kaiserlichen Familie anzufertigen. C AKL

Braun, Augustin, Maler, Kupferstecher, * um 1570 K¨oln, † nach 1641. B. lernte in K¨oln vermutlich bei einem niederl¨andischen Kupferstecher und trat wohl 1603 der dortigen Malerzunft bei. Er entfaltete in K¨oln eine rege k¨unstlerische T¨atigkeit, die von 1591 bis 1639 nachweisbar ist. Er schuf Martyrien, Passionsbilder und Legendendarstellungen f¨ur zahlreiche Kirchen der Stadt, illustrierte zahlreiche B¨ucher und schilderte in Tuschezeichnungen Ereignisse von lokalhistorischer Bedeutung. B. ist in Taufb¨uchern der Zeit h¨aufig als Pate angef¨uhrt. C AKL Braun, Carl, auch Braun-Grosser, S¨anger, * 2. 6. 1886 Meisenheim, † 24. 4. 1960 Hamburg. B. erhielt Gesangsunterricht bei Hermann Gausche in Straßburg, studierte bei Eugen Robert → Weiss in Berlin und war 1904 Eleve an der dortigen Hofoper. Er studierte bei Ernst → Grenzebach, deb¨utierte 1906 am Hoftheater Wiesbaden, gastierte in London und trat bei den Bayreuther Festspielen auf. 1908-11 war er an der Wiener Staatsoper, 1912 am neugegr¨undeten Deutschen Opernhaus in Berlin

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und 1913-17 an der Metropolitan Opera in New York engagiert. 1920 kehrte B. an die Berliner Staatsoper zur¨uck, gab 1921 sein festes Engagement auf und gastierte in der ganzen Welt, u. a. 1922 bei der ersten deutschsprachigen → Wagner-Auff¨uhrung in S¨udamerika am Teatro Col´on in Buenos Aires. 1927-33 war er einer der f¨uhrenden Solisten der Wagner-Festspiele in der Zoppoter Waldoper, nahm 1933 noch einmal ein Engagement an der St¨adtischen Oper Berlin an und arbeitete seit 1935 auch als Regisseur. 1936 gr¨undete B. in Berlin eine B¨uhnenagentur, die er 1945 nach Oberhausen und 1949 nach Hamburg verlegte. C MGG

Braun, Christoph Heinrich Gottlob von, Milit¨ar, * 25. 10. 1714 Giersleben (Anhalt), † 24. 12. 1798 Berlin. B. war seit 1732 Page bei August Ludwig von AnhaltK¨othen und nahm 1734 als F¨ahnrich am Rheinfeldzug teil. 1735 trat er in preuß. Dienste u¨ ber; 1746 wurde er Kapit¨an und Kompaniechef. Seit 1777 Generalmajor, wurde er 1781 Kommandant von Berlin und 1784 Generalleutnant sowie Ritter des Ordens vom Schwarzen Adler. Als General der Infanterie nahm B. 1794 seinen Abschied. C Priesdorff, Bd 2 Braun, David, Jurist, * 12. 1. 1895 Schrimm (Prov. Posen), † Ende 1944 Konzentrationslager Auschwitz. Der im Ersten Weltkrieg vor Verdun schwer verwundete B. war 15 Jahre Landgerichtsrat in Beuthen, u¨ bersiedelte nach der Entlassung 1937 nach Berlin und arbeitete dort zun¨achst in der Hauptgesch¨aftsstelle des Centralvereins deutscher Staatsb¨urger j¨udischen Glaubens, sp¨ater in der Reichsvereinigung. Am 28. 10. 1944 wurde er mit Frau und Tochter nach Auschwitz deportiert. C Lowenthal Braun, (August) Emil, Arch¨aologe, * 19. 4. 1809 Gotha, † 11. 9. 1856 Rom. B., Sohn eines Forstmeisters, studierte zun¨achst Medizin, seit 1830 Arch¨aologie in G¨ottingen bei Otfried → M¨uller und Germanistik bei Georg Friedrich → Benecke und in M¨unchen Philosophie bei Friedrich Wilhelm Joseph von → Schelling. Nach der Promotion wurde er Sch¨uler Karl August → B¨ottigers in Dresden, 1833 Amanuensis am Berliner Museum. Im selben Jahr ging er nach Rom, wo er 1834 eine Stelle als Unterarchivar und Bibliothekar am Istituto di Corrispondenza Archeologica antrat. 1835 wurde er Sekret¨ar, 1836 redigierender Sekret¨ar; 1840-56 leitete er das Institut. B. ver¨offentlichte u. a. Die 12 Reliefs der Villa Spada (1845) und Griechische G¨otterlehre (2 Bde., 1850-54), Die Ruinen und Museen Roms (1854). 1891 erschien Emil Brauns Briefwechsel mit den Br¨udern Grimm und Joseph von Laßberg (hrsg. von Rudolf → Ehwald). C Lullies Braun, Ernst (Vincenz), o¨ sterr. P¨adiater, * 9. 1. 1847 Wien, † 28. 7. 1901 Maria Enzersdorf (Nieder¨osterreich). B. studierte seit 1864 Medizin an der Univ. Wien, wurde 1870 promoviert und war dann Sekundararzt an der LandesGeb¨ar und -Findelanstalt, seit 1879 Primararzt. 1888 wurde er Direktor der Anstalt, 1897 in Anerkennung seiner Verdienste k. k. Regierungsrat. B. widmete sich der S¨auglingsern¨ahrung, -pflege und -behandlung sowie der Impfung. Ihm ¨ ist es zu verdanken, daß die Ubertragung von Ophthalmoblennorrh¨oe durch Isolierung der erkrankten S¨auglinge an seiner Anstalt v¨ollig unterbunden werden konnte. Ein besonderes Anliegen war B. die Frage des Kinderschutzes, f¨ur den er sich als Mitglied des Landessanit¨atsrats wirksam einsetzen konnte. C Biogr Jahrb, Bd 6 Braun, Ernst, Maschinenbauwissenschaftler, * 21. 2. 1878 Sch¨onm¨unzach (W¨urttemberg), † 27. 4. 1962 Ulm. B. studierte an der TH Stuttgart Maschinenbau und war seit 1902 Assistent an der Materialpr¨ufungsanstalt der TH. 1903 u¨ bernahm er in Vertretung die o. Professur f¨ur technische

Braun Mechanik. 1906 wurde er Konstrukteur bei der Maschinenfabrik Germania in Chemnitz und wechselte noch im gleichen Jahr als Ingenieur zur Maschinenfabrik Escher-Wyss in Z¨urich u¨ ber. Nach der Promotion an der TH Stuttgart 1909 wurde B. 1910 Prof. f¨ur Kraftmaschinen an der TH Hannover, 1913 f¨ur Maschinenbau an der TH Darmstadt. Seit 1921 hatte B. die Leitung des Lehrstuhls f¨ur Wasserkraftmaschinen und -anlagen an der TH Stuttgart inne. Im Wintersemester 1939 / 40 war er auch mit der Vertretung der o. Professur f¨ur Wasserkraftmaschinen an der Deutschen TH Prag betraut. B. wurde 1948 emeritiert.

Braun, Eva (Anna Paula), eigentl. E. Hitler, * 6. 2. 1912 Berlin, † 30. 4. 1945 Berlin. B. wurde 1929 durch den Photographen Heinrich → Hoffmann mit Adolf → Hitler bekanntgemacht. Seit 1932 Hitlers Geliebte, zog sie bald in den Berghof (Obersalzberg bei Berchtesgaden). Nach 1939 oft in Berlin, heirateten B. und Hitler noch am 28. 4. 1945 im F¨uhrerbunker unter der zerst¨orten Neuen Reichskanzlei. Zwei Tage sp¨ater begingen beide gemeinsam Selbstmord.

Braun, Felix, o¨ sterr. Schriftsteller, Germanist, * 4. 11. 1885 Wien, † 29. 11. 1973 Klosterneuburg (Niedero¨ sterreich). B., Sohn eines Buchhalters und Bruder von Robert → B. und K¨athe → Braun-Prager, studierte Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte an der Univ. Wien und wurde 1908 promoviert (Die Holzschnittillustrationen des Vergil Solis). Nach vor¨ubergehender T¨atigkeit als Chefredakteur der „National-Zeitung“ in Berlin ging er als freier Schriftsteller nach Wien, wo er u. a. mit Hugo von → Hofmannsthal befreundet war. 1928-37 lehrte er als Dozent f¨ur deutsche Literatur in Palermo, 1937 / 38 in Padua und emigrierte 1938 nach Großbritannien, wo er als Lehrer f¨ur Literatur und Kunstgeschichte in der Erwachsenenbildung und als Mit¨ arbeiter der „Osterreichischen Kulturbl¨atter“ t¨atig war. Seit 1951 wieder in Wien ans¨assig, wurde er Dozent f¨ur Kunstgeschichte, Theater und dramatische Kunst am ReinhardtSeminar und an der Akademie der Angewandten K¨unste. B. schrieb u. a. Gedichte (1909), klassizistische Versdramen (u. a. Tantalos, 1917) und Romane (Agnes Altkirchner, 1927, zuletzt 1965, Neufassung: Herbst des Reiches, 1936) und gab die Lyrikanthologien Der tausendj¨ahrige Rosenstrauch (1949 u. o¨ .) und Die Lyra des Orpheus (1952) heraus. Er er¨ hielt 1918 den Bauernfeld-Preis, 1951 den Osterreichischen Staatspreis f¨ur Literatur und 1965 den Grillparzer-Preis. B. war Mitglied des o¨ sterr. Kunstsenats und der Deutschen Akademie f¨ur Sprache und Dichtung in Darmstadt. C Lex dt-j¨ud Autoren

¨ Physik. Er ver¨offentlichte u. a. Uber elektrische Kraft¨uber¨ tragung, insbesondere u¨ ber Drehstrom (1892), Uber physikalische Forschungsart (1899) und Drahtlose Telegraphie durch Wasser und Luft (1901). C NDB

Braun, Friedrich von, evang. Theologe, * 18. 11. 1850 Kirchheim / Teck, † 31. 5. 1904 Jerusalem. B. studierte in T¨ubingen, war nach Studienreisen nach Berlin und England kurze Zeit Vikar in Ravensburg und Stuttgart und seit 1876 Repetent am Theologischen Stift in T¨ubingen. 1879 wurde er Pfarrer in Esslingen, 1880 Hofkaplan in Stuttgart, 1887 Hofprediger, 1896 ordentliches Mitglied des Konsistoriums und 1897 Stadtdekan und Erster Pfarrer an der Hospitalkirche in Stuttgart. Seit 1890 war er Leiter des W¨urttembergischen Hauptvereins der Gustav-AdolfStiftung, seit 1894 des S¨uddeutschen J¨unglingsbundes. B. nahm 1898 f¨ur W¨urttemberg an der Kaiserreise zur Einweihung der Erl¨oserkirche in Jerusalem teil. 1904 war er bei der Einweihung der deutschen evang. Kirche in Jaffa anwesend, zu deren Bau er maßgeblich beigetragen hatte. C BBKL Braun, Friedrich Edler von, Politiker, * 18. 4. 1863 N¨urnberg, † 12. 5. 1923 M¨unchen. Nach dem Jurastudium in Erlangen, Berlin und M¨unchen war B., dessen Vater Senatspr¨asident am Oberlandesgericht M¨unchen war, seit 1885 im bayerischen Verwaltungsdienst t¨atig. 1908 kam er ins Innenministerium, wurde 1910 Ministerialrat und 1914 als Ministerialdirektor Leiter der Abteilung f¨ur Landwirtschaft. Seit 1916 Unterstaatssekret¨ar, wurde er an das Kriegsern¨ahrungsamt nach Berlin berufen und nahm an den Waffenstillstandsverhandlungen in Spa als Sachverst¨andiger f¨ur Lebensmittelfragen und die Handelsflotte teil. Seit 1919 war B. zusammen mit Carl → Legien Pr¨asident des Reichsausschusses der deutschen Landwirtschaft. 1920 trat er in die Deutschnationale Volkspartei ein und war als deren Abgeordneter 1920-23 Mitglied des Reichstags. B. verfaßte u. a. Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft (1921). C NDB

Braun, (Karl) Ferdinand, Physiker, * 6. 6. 1850 Fulda,

Braun, Georg, auch Brunus, Bruin, Topograph, Geograph, * 1542, † 10. 3. 1622 K¨oln. B. war zun¨achst Archidiakon in Dortmund, sp¨ater Kanoniker und Dechant in St. Maria ad Gradus in K¨oln. Er schrieb den Text zum sechsb¨andigen Kupferstichwerk Civitates orbis terrarum (1572-1618, Kupferstiche von Franz → Hogenberg), einer kartographischen und topographischen Darstellung der wichtigsten St¨adte der Welt. Zu sinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Urbium praecipuarium totius mundi (1600) und Hamburgum (1657, Stadtprospekt von 1589). C NDB

† 20. 4. 1918 Brooklyn (New York, USA). Nach dem Mathematik- und Physikstudium in Marburg und Berlin war B., Sohn eines Gerichtsobersekret¨ars, seit 1870 Assistent von Georg Hermann → Quincke an der Gewerbeakademie in Berlin. 1870 wurde er mit der Arbeit Ueber den Einfluss von Steifigkeit, Befestigung und Amplitude auf die Schwingungen von Saiten promoviert und folgte Quincke als Assistent nach W¨urzburg. Seit 1874 Oberlehrer an der Thomasschule in Leipzig, war er seit 1876 a. o. Prof. f¨ur theoretische Physik an der Univ. Marburg. 1880 ging er in gleicher Funktion nach Straßburg, 1883 nach Karlsruhe und wurde 1885 o. Prof. der Experimentalphysik in T¨ubingen. Dort erbaute er bis 1888 das neue Physikalische Institut. 1895 wurde er o. Prof. und Direktor des Physikalischen Instituts Straßburg. B. war der Erfinder der „Braunschen R¨ohre“ und erhielt zusammen mit Guglielmo Marconi 1909 f¨ur die Entwicklung eines gekoppelten Senders mit geschlossenem Schwingungskreis f¨ur die Funktechnik den Nobelpreis f¨ur

Braun, Gustav von, o¨ sterr. Gyn¨akologe, * 28. 5. 1829 Zistersdorf (Nieder¨osterreich), † 2. 2. 1911 Wien. Nach dem Studium in Prag und Wien wurde B., Sohn eines Kreisarztes und Bruder von Carl Rudolf von → Braun von Fernwald, 1853 an der Univ. Wien promoviert und war bis 1856 Assistent an der Geburtshilflichen Klinik in Wien. Er habilitierte sich 1856, war dann als Privatdozent t¨atig und folgte 1862 einem Ruf als a. o. Prof. der Geburtshilfe an die Josefs-Akademie. Nach deren Aufhebung wurde er Prof. an der Wiener Univ. und 1873 Vorstand der Hebammen-Klinik. B. ver¨offentlichte u. a. ein Compendium der Kinderheilkunde (1862, 21871), ein Compendium der Frauenkrankheiten (1863, 21872), ein Compendium der Frauenkrankheiten (1863), ein Compendium der Geburtshilfe (1864, 21875), ein Compendium der Kinderkrankheiten (1870) und ein Lehrbuch der Geburtshilfe f¨ur Hebammen ¨ (1888, 21894). 1 C Arzte

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Braun Braun, Gustav Oskar Max, Geograph, * 30. 5. 1881 Dorpat, † 11. 11. 1940 Oslo. Nach dem Studium in K¨onigsberg und G¨ottingen wurde B., Sohn von Maximilian → B., 1903 in K¨onigsberg mit der Arbeit Ostpreußenes Seen promoviert; 1907 habilitierte er sich an der Univ. Greifswald. Seit 1909 in Berlin ans¨assig, war er dort seit 1911 Abteilungsleiter des Instituts f¨ur Meereskunde und folgte 1912 einem Ruf als o. Prof. der Geographie nach Basel. Seit 1917 war B. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. 1918 wurde er o. Prof. an der Univ. Greifswald und 1933 emeritiert. B. war 1. Vorsitzender der Geographischen Gesellschaft Greifswald, Vorstandsmitglied des Nordischen Instituts und Direktor des Instituts f¨ur Finnlandkunde. Er ver¨offentlichte u. a. Grundz¨uge der Physiogeographie (1911, 31930), Die Erforschung der Pole (1912) und Deutschland dargestellt auf Grund eigener Beobachtung, der Karten und der Literatur (1916, 21926-36). C NDB

Braun, Hanns, Journalist, Schriftsteller, * 17. 9. 1893 N¨urnberg, † 25. 9. 1966 Regensburg. B., Sohn eines Buchh¨andlers, studierte seit 1912 neuere Geschichte, Germanistik und Anglistik in M¨unchen, Berlin und Kiel und wurde 1916 in M¨unchen promoviert. 1916 war er f¨ur verschiedene expressionistische Zeitungen (u. a. „Die Aktion“) t¨atig, 1916-43 Feuilletonredakteur der „M¨unchener Zeitung“. 1942 u¨ bernahm er einen Lehrauftrag f¨ur Theatergeschichte an der Univ. M¨unchen, wurde jedoch 1944 mit Schreibverbot belegt. Seit 1949 war B. Honorarprofessor f¨ur Theatergeschichte an der Univ. M¨unchen, seit 1954 Direktor und a. o. Prof. am M¨unchner Institut f¨ur Zeitungswissenschaft. Er ver¨offentlichte u. a. eine Kompilation von Anachronismen aus der Weltliteratur unter dem Titel Hier irrt Goethe – unter Anderen (1937, verm. Neuaufl. 1953) und den Reisebericht Die Reise nach Ostafrika (1939). C Killy

Braun, Hans, Glockengießer, * 1588 Marburg, begraben 5. 3. 1639 Ulm. Seit 1608 B¨urger von Ulm, wurde B. sp¨ater dort Zunftmeister der Schmiedezunft. Er goß zahlreiche Glocken, Kanonen und M¨orser. 1627 stellte er – basierend auf Berechnungen Johannes → Keplers – einen f¨ur das Maß- und Gewichtssystem der freien Reichsstadt Ulm maßgebenden Bronzekessel her (heute im Ulmer Museum). C AKL

Braun, Hans, Gewerkschafter, * 21. 10. 1861 Wertingen (Schwaben), † 5. 1. 1907 M¨unchen. B. durchlief eine Steinmetzlehre. Er engagierte sich in M¨unchen in der christlich-sozialen Bewegung. 1895 zum Leiter des Vereins „Arbeiterschutz“ ernannt, setzte er sich besonders f¨ur die Organisation der Hilfsarbeiter ein. Zusammen mit Karl → Schirmer nahm B. auf dem Internationalen Arbeiterschutz-Kongreß in Z¨urich 1897 die Interessen der Christlichen Gewerkschaften in Bayern wahr. 1900-04 war er Sekret¨ar des Bayerischen Gewerkschaftskartells. 1901 gr¨undete B. den Christlich-sozialen Verband nichtgewerblicher Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands, dessen Vorsitz er u¨ bernahm. 1904 wurde er Vorsitzender des Zentralverbandes der Hilfs- und Transportarbeiter und -arbeiterinnen.

Braun, Hans, Phytopathologe, * 2. 2. 1896 Stettin, † 15. 1. 1969 Bonn. Der aus einer Stettiner Kaufmannsfamilie stammende B. durchlief eine kaufm¨annische, sp¨ater landwirtschaftliche Ausbildung und studierte nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg seit 1921 Agrarwissenschaften in M¨unchen, Halle / Saale und Berlin. Nach dem Diplomexamen 1924

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wurde er Sch¨uler von Otto → Appel an der Biologischen Reichsanstalt f¨ur Land- und Forstwirtschaft in Berlin. Er schloß seine Studien 1925 mit der Promotion an der Berliner Landwirtschaftlichen Hochschule ab (Die Bek¨ampfung von Hypochnus solani P. u. D. durch Beizung) und erhielt noch im selben Jahr eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Biologischen Reichsanstalt. 1931 habilitierte er sich mit der Arbeit Untersuchungen u¨ ber den Einfluß von Kohlens¨aure und Sauerstoff auf Keimung und Pflanzengutwert der Kartoffelknolle f¨ur das Fach Phytopathologie an der Berliner Landwirtschaftlichen Hochschule und wurde 1935 nichtbeamteter a. o. Prof. und Lehrbeauftragter f¨ur Pflanzenschutz. 1936 zum Regierungsrat ernannt, arbeitete B. bis 1945 an der Biologischen Reichsanstalt, erhielt dann einen Lehrauftrag f¨ur Pflanzenschutz in G¨ottingen, bevor ihm 1947 die Leitung des Instituts f¨ur Boden- und Pflanzenhygiene in Hannoversch M¨unden u¨ bertragen wurde. 1948 u¨ bernahm er schließlich den Lehrstuhl f¨ur Pflanzenkrankheiten an der Univ. Bonn, den er bis zu seiner Emeritierung 1964 innehatte. B. besch¨aftigte sich insbesondere mit praktischen Fragen des Pflanzenschutzes und der Pflanzenhygiene. Bekannt wurde er vor allem durch die Fortf¨uhrung des phytomedizinischen Standardwerks Die wichtigsten Krankheiten und Sch¨adlinge der landwirtschaftlichen und g¨artnerischen Kulturpflanzen und ihre Bek¨ampfung, das von Eduard → Riehm begr¨undet worden war, und die Abhandlung Geschichte der Phytomedizin (1965). B. erhielt 1961 die Große Goldenen Plakette der Landwirtschaftskammer Rheinland. C B¨ohm

Braun, Hans, o¨ sterr. S¨anger, * 14. 5. 1917 Wien, † 2. 5. 1992 Wien. B. sang bei den Peterlini-S¨angerknaben in Wien und studierte Gesang bei Hermann → Gallos und Hans → Duhan an der Wiener Musikhochschule. Nach ersten Auftritten (1941) und einem Engagement am Stadttheater in K¨onigsberg (1943-45) geh¨orte B. 1945-79 dem Ensemble der Wiener Staatsoper an, wo er in 75 Opernpartien zu h¨oren war (u. a. als Wolfram in Tannh¨auser und als Zar in Zar und Zimmermann). Gastauftritte f¨uhrten ihn an die Covent Garden Opera in London (1949, 1953), an die Mail¨ander Scala (1950), an das Teatro San Carlo in Neapel, nach Florenz, Berlin, M¨unchen und Hamburg. Erfolge feierte B. auch bei den Salzburger Festspielen (1949 / 50 und 1953, als Minister in Fidelio, als Olivier in Capriccio und als Tarquinius in Benjamin Brittens The Rape of Lucretia) und bei den Bayreuther Festspielen (1953 als Heerrufer in Lohengrin). Neben seinem Wirken auf der Opernb¨uhne trat B. als Konzert- und Oratiorens¨anger auf. Nach seinem Abschied von der B¨uhne wurde er an der Wiener Oper zum Ehrenmitglied ernannt. C Kutsch Braun, Harald (Heinrich Oskar), Regisseur, * 26. 4. 1901 Berlin, † 24. 9. 1960 Xanten. B. studierte an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau und Berlin, wo er 1923 mit der Arbeit Liliencron und der Naturalismus promoviert wurde. Er war bis 1932 Herausgeber der literarischen Monatsschrift „Eckart“, Redakteur und Kritiker beim Scherl-Verlag sowie bis zu seiner Entlassung 1937 Abteilungsleiter der „Berliner Funkstunde“, Referent und H¨orspielregisseur beim Reichssender Berlin. Dann Drehbuchautor und Regisseur bei der Froelich-Film und der UFA, wurde er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Intendant der Heidelberger Kammerspiele und war zudem seit 1946 Lizenztr¨ager und Mitbegr¨under der Neuen Deutschen FilmGmbH, M¨unchen-Geiselgasteig. 1952 und 1953 erhielt B. Bambi-Preis. 1955 wurde er Mitglied der Berliner Akademie der K¨unste. C Cinegraph

Braun Braun, Heinrich, eigentl. Mathias B., Benediktiner, Schulreformer, * 17. 2. 1732 Trostberg / Alz (Oberbayern), † 9. 11. 1792 M¨unchen. Nach dem Philosophiestudium in Salzburg trat B., Sohn eines B¨ackers, 1750 in den Benediktinerorden ein und studierte am Studium generale in Rott / Inn, wo er 1756 promoviert wurde. 1758-62 war er Gymnasiallehrer in Freising, anschließend Prof. der Theologie und Bibliothekar in Tegernsee. 1767 wurde B. Kanonikus am M¨unchner Liebfrauenstift, 1768 Mitglied des Kurf¨urstlichen Geistlichen Rats und war 1770-73 Landeskommissar f¨ur das gesamte bayerische Volksschulwesen. 1777 wurde er Direktor s¨amtlicher Lyzeen, Gymnasien, Stadt- und Landesschulen, 1778 Leiter des gesamten Schulwesens in Bayern. Die von ihm angestrebte Schulreform umfaßte die allgemeine Schulpflicht, festumrissene Lehrpl¨ane, moderne p¨adagogische Ans¨atze, die klassisch-humanistische mit weltb¨urgerlichen Bildungszielen zu vereinen suchten, sowie die Hebung des Lehrerstandes. Er schrieb u. a. ein Deutsch-Orthographisches W¨orterbuch. C NDB

Braun, Heinrich, Chirurg, * 18. 2. 1847 Beerfelden (Hessen), † 10. 5. 1911 G¨ottingen. B. studierte in Gießen und Berlin, wurde 1872 promoviert und war 1871-74 Assistent am Pathologisch-Anatomischen Institut in Gießen. 1873 habilitierte er sich dort f¨ur Anatomie und Physiologie (Ueber den Modus der Magensaftsecretion) und war seit 1874 Assistent an der Chirurgischen Klinik Heidelberg, u. a. unter Vinzenz von → Czerny. Seit 1875 auch Privatdozent f¨ur Chirurgie, folgte B. 1878 einem Ruf als a. o. Prof. an die Univ. Mannheim, wo er 1884 Direktor der Chirurgischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses wurde. Noch im selben Jahr u¨ bernahm er den Lehrstuhl f¨ur Chirurgie an der Univ. Jena, wurde 1888 o. Prof. in Marburg, 1890 in K¨onigsberg und war 1895-1911 Ordinarius in G¨ottingen. B. gelang u. a. die Entwicklung des „Braunschen Appara¨ tes“ zur Ather-Chloroform-Mischnarkose, der „Braunschen Schiene“ zur funktionsgerechten Lagerung von Extremit¨aten sowie die Verbesserung der Lokalan¨asthesie durch Zusatz von Suprarenin. Zu seinen Publikationen geh¨oren Die Lokalan¨asthesie (1905, sp¨ater unter dem Titel Die o¨ rtliche Bet¨aubung, 81933), Der psychische Ursprung des Lebens. Erkenntnis oder Glaube (1931) und Der individuelle Charakter des Psychischen (1934). B. war seit 1888 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und seit 1904 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft f¨ur Chirurgie. C Scholz

Braun, Heinrich, Maler, * 28. 8. 1852 Kirchheim / Teck, † 30. 8. 1892 G¨oppingen. B. besuchte seit 1867 die Kunstschule in Stuttgart, seit 1871 die Akademie in M¨unchen. B. wurde Mitglied der „Allotria“ und zeichnete zun¨achst f¨ur die „Kneipzeitung“, bald jedoch auch f¨ur die „Fliegenden Bl¨atter“ und die „M¨unchner Bilderbogen“. B. illustrierte zahlreiche B¨ucher, u. a. Emma → Laddeys Ein Jahr in M¨archen (o. J.). C AKL

Braun, Heinrich, Politiker, Journalist, * 24. 11. 1854 Budapest, † 9. 2. 1927 Berlin. B., Bruder von Adolf → B., studierte Volkswirtschaft, Jura und Statistik in Wien, G¨ottingen, Straßburg, Berlin und Halle und wurde 1881 promoviert (Fr. Albert Lange als Sozial¨okonom nach seinem Leben und seinen Schriften). Unter dem Einfluß Victor → Adlers, dessen Schwager er war, wurde er Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. Wegen Verbreitung verbotener Schriften wurde er aufgrund des Sozialistengesetzes in Straßburg in Untersuchungshaft genommen. Am geheimen Parteitag der Sozialdemokraten in St. Gallen nahm er als Schriftf¨uhrer teil. B. war Mitbegr¨under der sozialdemokratischen „Neuen Zeit“ (1883), des „Archivs f¨ur

soziale Gesetzgebung und Statistik“ (1888) und des „Sozialpolitischen Centralblatts“ (1892). 1903 / 04 geh¨orte er bis zur Ung¨ultigkeitserkl¨arung der Wahl dem Reichstag an. Zusammen mit seiner Frau Lily → B. war er seit 1905 Herausgeber der Wochenschrift „Die neue Gesellschaft“. Die von ihr angestrebte innere Erneuerung der Sozialdemokratie blieb erfolglos; die Zeitschrift wurde 1907 eingestellt. B. wurde als Revisionist in der Partei heftig angegriffen. Seit 1911 gab er in Fortf¨uhrung des „Archivs“ die „Annalen f¨ur soziale Politik und Gesetzgebung“ heraus. B. war zuletzt mit Julie → Braun-Vogelstein verheiratet. C Lex dt-j¨ud Autoren

Braun, Heinrich, Chirurg, * 1. 1. 1862 Rawitsch (Posen), ¨ † 26. 4. 1934 Uberlingen. B. studierte Medizin in Straßburg, Leipzig und Greifswald, wo er 1887 promoviert wurde. 1888-91 war er Assistent an der Chirurgischen Klinik in Halle, u. a. bei Richard → Volkmann. 1891-93 als Facharzt f¨ur Chirurgie in Leipzig t¨atig, habilitierte er sich 1894 f¨ur sein Fachgebiet (Untersuchungen u¨ ber den Bau der Synovialmembranen und Gelenkknorpel, sowie u¨ ber die Resorption fl¨ussiger und fester K¨orper aus den Gelenkh¨ohlen) und war seit 1899 Oberarzt der Chirurgischen Abteilung des Leipziger Diakonissenhauses. 1905 wurde er a. o. Prof. an der Univ. Leip¨ zig, 1906 Arztlicher Direktor und chirurgischer Oberarzt am Staatlichen Krankenstift Zwickau. B. erwarb sich besondere Verdienste durch die Weiterentwicklung der Lokalan¨asthesie (z. B. durch die Verwendung von Adrenalin) und kon¨ struierte den „Braunschen Apparat“ zur Ather-ChloroformMischnarkose (1913 / 22). Er verfaßte u. a. das Handbuch Die Lokalan¨asthesie, ihre wissenschaftlichen Grundlagen und praktische Anwendung (1905) und entwickelte die „Braunsche Schiene“ zur funktionsgerechten Lagerung von Extremit¨aten. 1924 wurde er Vorsitzender der Deutschen Gesell¨ schaft f¨ur Chirurgie. 2, 3 C Arzte Braun, Heinz (Heinrich), Jurist, Politiker, * 10. 4. 1883 Neuss (Rheinland), † 22. 12. 1962 Z¨urich. Nach dem Philologie- und Jurastudium in Bonn und Halle war B. seit 1924 als Rechtsanwalt in Magdeburg t¨atig. Er war Mitglied des Bundesvorstandes und Syndikus des Reichsbanners; bekannt wurde er als Verteidiger des im sog. K¨olling-Haas-Prozeß zu Unrecht Angeklagten Rudolf → Haas. 1933 von den Nationalsozialisten kurzzeitig in Haft genommen, floh er ins Saargebiet, wo er politischer Redakteur der „Volksstimme“ war. Seit 1935 in Frankreich, wurde B. im Office Sarrois Mitarbeiter seines Bruders Max → B. 1940 emigrierte er nach Großbritannien, war Mitglied der „Gruppe der Parlamentarier“ um Karl H¨oltermann und f¨ur die britische Regierung t¨atig. 1945 / 46 juristischer Berater beim Gerichtshof in N¨urnberg, wurde er 1946 Generalstaatsanwalt des Saarlandes, 1947 Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung und geh¨orte bis 1955 dem Saarl¨andischen Landtag an. 1947-55 Saarl¨andischer Justizminister, war B. nach der Saarabstimmung 1955 politisch nicht mehr aktiv. Er ver¨offentlichte u. a. Am Justizmord vorbei (1928). C BHdE, Bd 1 Braun, Hel (Helene), Mathematikerin, * 3. 6. 1914 Frankfurt / Main, † 15. 5. 1986 Hamburg. B. studierte seit 1935 in Frankfurt Versicherungsmathematik, ¨ wurde 1937 promoviert (Uber die Zerlegung quadratischer Formen in Quadrate) und habilitierte sich 1940 in G¨ottingen mit der Arbeit Zur Theorie der hermitischen Formen. Seit 1947 dort a. o. Prof., wurde sie 1952 nach Hamburg berufen und 1965 zum Wissenschaftlichen Rat, 1968 zur o. Prof. ernannt. 1970 erhielt sie eine Gastprofessur am Tata Institute of Fundamental Research in Bombay. Ihre Forschungen lagen haupts¨achlich auf dem Gebiet der Zahlentheorie der quadratischen Formen und der Jordan-Algebra. Sie ver¨offentlichte u. a. Jordan-Algebren (1966, mit Max Koecher)

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Braun und Vorlesungen u¨ ber algebraische Topologie (1964, mit Emil → Artin; engl. 1969, frz. 1973). Ihre Erinnerungen Eine Frau und die Mathematik 1933-1940. Der Beginn einer wissenschaftlichen Laufbahn erschienen 1990.

Braun, Helena, S¨angerin, * 20. 3. 1903 D¨usseldorf, † 2. 9. 1990 Sonthofen. B. studierte in K¨oln und D¨usseldorf und wurde 1928 am Stadttheater Koblenz als S¨angerin und Schauspielerin engagiert. 1930 ging sie nach Bielefeld, 1931 nach Wuppertal und entwickelte sich zum dramatischen Sopran. 1933 wurde B. an das Staatstheater von Wiesbaden engagiert, wo sie Mittelpunkt der bis 1939 stattfindenden Maifestspiele war. 1939 sang sie die Br¨unnhilde bei den Wagner-Festspielen der Zoppoter Waldoper. Seit 1940 geh¨orte sie der Wiener Staatsoper, seit 1941 auch der Bayerischen Staatsoper an. 1941 / 42 wirkte sie bei den Salzburger Mozart-Festspielen mit. 1944 gab B. in der letzten M¨unchner Opernauff¨uhrung vor Kriegsende die Marta in → d’Alberts Tiefland, im November 1945 in der ersten Opernauff¨uhrung nach dem Krieg die Leonore in → Beethovens Fidelio. 1949 sang sie als Br¨unnhilde an der Metropolitan Opera in New York, 1950 als Isolde und als Marschallin bei den ersten M¨unchner Opernfestspielen nach dem Krieg. Von 1955 bis zum Ende ihrer Karriere 1959 war sie vorwiegend auf Gastspielen zu h¨oren, vor allem an der Berliner Staatsoper. B. vertrat den mit ihrer Generation ausgestorbenen Typ des deutschen hochdramatischen Soprans. C MGG Braun, Herbert, evang. Theologe, * 4. 5. 1903 Warlubien (Westpreußen), † 27. 8. 1991 Mainz. B. studierte 1922-26 in K¨onigsberg, T¨ubingen und Rostock, erwarb 1929 in Halle das Lizentiat der Theologie, wurde 1930 Pfarrer in Friedrichshof (Ostpreußen), 1931 in Lamgarben und 1940 in Drengfurt. 1937 wurde er als Mitglied der Bekennenden Kirche inhaftiert. Seit 1947 war er Dozent, seit 1949 Prof. des Neuen Testaments an der Kirchlichen Hochschule in Berlin und 1952-71 o. Prof. in Mainz. B., Verfechter des „Entmythologisierungsprogramms“ Rudolf → Bultmanns, erforschte die Stellung des Neuen Testaments im Rahmen der antiken Religiosit¨at und stellte die Bedeutsamkeit neutestamentlicher Gedankeng¨ange f¨ur den Menschen heute heraus. Er ver¨offentlichte u. a. Sp¨atj¨udischh¨aretischer und fr¨uhchristlicher Radikalismus. Jesus von Nazareth und die essenische Qumran-Sekte (2 Bde., 1957), Gesammelte Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt (1962, 21967), Qumran und das Neue Testament (2 Bde., 1966) und Jesus. Der Mann aus Nazareth und seine Zeit (1969). C LThK

Braun, Hermann, Radierer, Maler, * 22. 4. 1862 Hausberge (Kr. Minden), † 29. 9. 1908 Hausberge. B. studierte seit 1881 Architektur an der TH Braunschweig, seit 1884 Malerei an der M¨unchner Kunstakademie und seit 1886 an der Kunstschule in Karlsruhe. Anschließend war er Assistent in der Radierklasse von Bruno → Krauskopf und trat um 1895 mit eigenst¨andigen Radierungen hervor. Auf Reisen durch Deutschland schuf er mehr als 3500 St¨adteansichten. C AKL

Braun, Hieronymus, auch Praun, Kartograph, Geometer, Kanzleischreiber, * 18. 12. 1566 (?) N¨urnberg, † 1. 4. 1620 N¨urnberg. B. war im Dienst der Reichsstadt N¨urnberg als Kanzleischreiber und Geometer angestellt. Er fertigte Prunkvertr¨age aus und entwarf Vorlagen f¨ur M¨unzstempel. Vor allem aber zeichnete er Karten und Prospekte von einzelnen Teilen oder ¨ Amtern des N¨urnberger Gebiet, z. B. die Karte des Amtes Velden. Als eines seiner Hauptwerke gilt der Prospekt der Stadt N¨urnberg (1608). C AKL

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Braun, Hugo, Bakteriologe, * 7. 4. 1881 Prag, † 19. 11. 1963 M¨unchen. B. studierte an der Deutschen Univ. Prag Medizin (Promotion 1907) und war 1905-09 Assistent am Hygienischen und Pharmakologischen Institut der Univ. Prag, bis 1910 am Hygienischen Institut der Universit¨aten Bremen und Frankfurt / Main. 1913 / 14 nahm er an einer Forschungsreise nach Deutsch-Ostafrika teil, habilitierte sich 1916 in Frankfurt / Main und war seit 1918 Direktor der Bakteriologischen Abteilung des Hygienischen Instituts. 1921 wurde B. a. o. Professor. 1933 entlassen, emigrierte er in die T¨urkei, wo er eine o. Professur an der Univ. Istanbul u¨ bernahm und zahlreiche ins T¨urkische u¨ bersetzte Arbeiten ver¨offentlichte. Nach seiner R¨uckkehr 1949 war er bis 1958 o. Prof. der Hygiene und Bakteriologie an der Univ. M¨unchen und 1951-63 Direktor des Deutschen Forschungsinstituts f¨ur Tuberkulose, M¨unchen. Die Braun-Huslersche Reaktion ist nach ihm benannt. B. ver¨offentlichte u. a. Methoden zur Untersuchung des Verwendungsstoffwechsels pathogener Bakterien (1930). ¨ 2, 3 C Arzte Braun, Isabella, Schriftstellerin, Publizistin, * 12. 12. 1815 Jettingen (Schwaben), † 2. 5. 1886 M¨unchen. B., Tochter eines gr¨aflich-stauffenbergischen Rentamtmanns, war seit 1837 Volksschullehrerin in Neuburg / Donau. Nach ihrer fr¨uhzeitigen Pensionierung 1848 begann sie, angeregt von Christoph von → Schmid, Jugendb¨ucher zu schreiben. Seit 1854 in M¨unchen ans¨assig, gr¨undete und leitete sie die „Jugendbl¨atter f¨ur christliche Unterhaltung und Belehrung“, zu deren Mitarbeitern sp¨ater u. a. Franz Graf → Pocci, Franz von → Kobell und Franz → Trautmann geh¨orten. B. ver¨offentlichte u. a. Heinrich Findelkind (1860), Aus meiner Jugendzeit (1871) und Die Stiefmutter (21872). C Leb Bayer Schwaben, Bd 5 Braun, Joachim Werner, Mikrobiologe, * 16. 11. 1914 Berlin, † 19. 11. 1972 New Brunswick (New Jersey, USA). B. studierte Zoologie, wurde 1936 in G¨ottingen promoviert und emigrierte noch im gleichen Jahr in die USA. 1936 / 37 war er an der Univ. Michigan in Ann Arbor t¨atig, 1937-48 Forschungsassistent an der Univ. of California in Berkeley und 1948-55 als Mikrobiologe f¨ur die Armee der Vereinigten Staaten in Frederick (Maryland) t¨atig. B. wurde 1955 Prof. der Mikrobiologie am Mikrobiologischen Institut in New Brunswick (New Jersey). Er lehrte 1957-63 als Gastprofessor an der Medizinischen Schule in Puerto Rico, 1962 / 63 an der Hebrew University School of Medicine, 1969 / 70 am Weizmann Insitut in Rehovot (Israel) und 1970 am Pasteur Institut in Paris. Von 1956 an war er Berater des Public Health Service, 1960-68 Berater des amerikanischen Verteidigungsministeriums. B. ver¨offentlichte u. a. A study of spontaneous mutation (mit Richard Blanc u. a., 1945), Bacterial genetics (1953) und Biochemical aspects of microbial pathogenecity (in: Annals of the New York Academy of Sciences 88, 1960, S. 1021-1318). C BHdE, Bd 2 Braun, Johann Adam, Schriftsteller, * 24. 12. 1753 Augsburg, † n. e. B. (entgegen fr¨uheren Annahmen nicht identisch mit dem 1765 in Mainz geborenen Arzt und Theologen gleichen Namens) ver¨offentlichte, meist anonym, Lustspiele, Erz¨ahlungen und Romane. Er schrieb einige Briefromane, u. a. die → Goethe gewidmete Werther-Nachahmung Joseph Cotardo und Rosaura Bianki, eine r¨uhrende Erzehlung aus geheimen Nachrichten von Venedig und Cadix geschildert in empfindsamen Briefen (1778). C Killy Braun, Johann Andreas, Mediziner, * 22. 2. 1771 Kassel, † 27. 7. 1833. B. studierte seit 1789 in Jena, wurde dort 1792 promoviert (Sistens meletemata quaedam circa doctrinam de motu san-

Braun guinis) und ließ sich nach einj¨ahrigem Aufenthalt in Berlin als Stadt- und Landphysikus in Waltershausen nieder. Er erhielt sp¨ater auch das Physikat des Amtes Reinhardsbrunn. B. machte sich besonders um die Bek¨ampfung der Kuhpocken verdient, gegen die er etwa 12 000 Kinder impfte. Er vero¨ ffentlichte u. a. Erfahrungen u¨ ber die Schutzkraft der Kuhpocken gegen die Menschenblattern (1816) und Der Arzt in ¨ der Noth (1818). 1 C Arzte

Braun, Johann Balthasar, Jurist, * Am¨oneburg (Hessen), † 4. 11. 1688 Salzburg. B. studierte Rechtswissenschaften in Mainz, Heidelberg, Gießen, Marburg und W¨urzburg, wo er promoviert wurde. 1671 folgte er einem Ruf an die Akademie in Salzburg, wurde Prof. der Institutionen, 1674 der Pandekten und erhielt 1680 das Lehramt des Codex und des deutschen Staatsrechts. B. war hochf¨urstlicher Salzburgischer Rat.

Braun, Johann Karl, kath. Theologe, Publizist, Schriftsteller, * 20. 7. 1820 Gebweiler (Elsaß), † 24. 6. 1877 Einsiedeln (Schweiz). Ausgebildet in Straßburg, wurde B., Sohn eines Gerbers, dort 1846 zum Priester geweiht und war dann bis 1848 als Organisator der kath. Seelsorge f¨ur die Deutschen in Paris t¨atig. Wieder in Gebweiler, gr¨undete und leitete er bis 1856 die Zeitung „Katholischer Volksfreund“ und wurde damit zum Begr¨under der deutschsprachigen kath. Presse im Elsaß. Nach 1870 a¨ ußerst kritisch gegen¨uber der deutschen Verwaltung, wurde B. zu sechs Monaten Haft verurteilt, konnte jedoch rechtzeitig nach Paris fliehen. Neben Zeitungsartikeln schrieb er Gedichte (Das B¨olchengl¨ockchen, 1868, 31875). C LThK

Braun, Johann Karl Ludwig, Milit¨ar, * 18. 4. 1771 Berlin, † 5. 9. 1835 Berlin. Der Sohn eines Kriegs- und Dom¨anenrats trat 1788 in die preuß. Armee ein und nahm an zahlreichen Feldz¨ugen teil. 1813 wurde er Oberst, 1824 Artillerieinspekteur und 1825 Generalleutnant. Seit 1828 geh¨orte er der Kommission zur Pr¨ufung milit¨arwissenschaftlicher und technischer Gegenst¨ande an. Er war engster Mitarbeiter Gerhard von → Scharnhorsts und August Wilhelm von → Gneisenaus. Ein von B. entworfenes Exerzierreglement wurde Grundlage des Artilleriereglements von 1812. Nach dem Tilsiter Frieden erwarb er sich große Verdienste um den Wiederaufbau der Artillerie und der Infanterie. B. war der Vater von Lebrecht Johann Ernst von → B. C NDB

Braun, Johann Philipp Otto, Journalist, Schriftsteller, * 1. 8. 1824 Kassel, † 11. 6. 1900 M¨unchen. B. studierte 1845-49 Jura an den Univ. Bonn, Heidelberg und Marburg, wo er sich vor allem auch in politischen studentischen Vereinigungen engagierte. Wieder in Kassel ans¨assig, setzte B. die w¨ahrend seiner Studienzeit begonnene literarische T¨atigkeit fort. Eine Anstellung bei der hessischen Verwaltung war ihm wegen seiner politischen Aktivit¨aten als Student verwehrt. 1850 ging er nach Paris, 1851 nach London und wurde 1855 Berichterstatter der „Allgemeinen Zeitung“ in Madrid. 1856 kehrte er nach Kassel zur¨uck und wurde 1857 Redakteur des „Kasseler Sonntagsblatts“, 1860 des „Schw¨abischen Merkurs“ in Augsburg und 1864 der „Allgemeinen Zeitung“. 1869 u¨ bernahm er die Chefredaktion der „Allgemeinen Zeitung“ sowie deren „Beilage“. Nach seiner Pensionierung 1889 u¨ bersetzte er vornehmlich spanische Literatur und schrieb Gedichte (Aus allerlei Tonarten, 1893, 21898). C Biogr Jahrb, Bd 6

Braun, Johann Wilhelm Josef, kath. Theologe, Politiker, * 27. 4. 1801 Hof Gronau bei D¨uren, † 30. 9. 1863 Bonn. B., Sohn eines Gutsbesitzers, studierte in K¨oln, Bonn, Gießen (Dr. phil. 1825) und Wien, wo er 1825 zum Priester

geweiht wurde. 1826 wurde er in Breslau zum Dr. theol. promoviert. Nach einem zweij¨ahrigen Romaufenthalt habilitierte er sich 1828 in Bonn f¨ur Kirchengeschichte und neutestamentliche Exegese wurde im selben Jahr a. o. Prof., 1833 o. Prof. der Kirchengeschichte. 1832 begr¨undete er zusammen mit Johann Heinrich → Achterfeldt die „Zeitschrift f¨ur Philosophie und katholische Theologie“, die bis 1852 bestand. Als Anh¨anger von Georg → Hermes (Die Lehren des sogenannten Hermesianismus u¨ ber das Verh¨altnis der Vernunft zur Offenbarung) war B. 1837 / 38 in Rom, wo er sich vergeblich um die Aufhebung des p¨apstlichen Verdammungsdekretes gegen die Hermesianischen Schriften bem¨uhte. 1843 wurde ihm die missio canonica entzogen, und er wurde von seinen Amtspflichten entbunden. 1848 / 49 war er Mitglied der Nationalversammlung, 1850 des Unionsparlaments in Erfurt und 1852-62 preuß. Landtagsabgeordneter in Berlin. C Unionsparl

Braun, Joseph, kath. Theologe, Dichter, * 3. 2. 1823 Koblenz, † 29. 1. 1898 Kaiserswerth (heute zu D¨usseldorf). B., der fr¨uh seine Eltern verlor, studierte seit 1850 Theologie in Bonn und wurde 1854 in K¨oln zum Priester geweiht. Er war Lehrer am Progymnasium in Siegburg, anschließend Vikar und Pfarrer in verschiedenen Orten, bis er 1871 die Pfarrei in Mengden / Sieg u¨ bernahm und 1888 die in H¨uchelhoven bei K¨oln u¨ bernahm. Zuletzt lebte er in Kaiserswerth / Rhein. B. verfaßte zahlreiche, meist religi¨ose Gedichte und Schriften (u. a. Lieder vom Leben im irdischen Eden, 1877). C DLL Braun, Joseph, Jesuit, Kunsthistoriker, Arch¨aologe, * 31. 1. 1857 Wipperf¨urth, † 8. 7. 1947 Pullach bei M¨unchen. B. studierte Theologie in Bonn, wurde 1881 zum Priester geweiht und trat 1890 in den Jesuitenorden ein. Er lehrte als Prof. der Kunstgeschichte und christlichen Arch¨aologie an den Anstalten des Jesuitenordens in Valkenburg, Frankfurt / Main und Pullach bei M¨unchen. B. verfaßte zahlreiche B¨ucher zur christlichen Arch¨aologie, Liturgie und Paramentik, u. a. Die liturgische Gewandung im Okzident und Orient (1907), Liturgisches Handlexikon (1922, 21924), Der christliche Altar in seiner geschichtlichen Entwicklung (2 Bde., 1924), Die Reliquiare des christlichen Kultus und ihre Entwicklung (1940) und Tracht und Attribute des Heiligen in der deutschen Kunst (1943). C LThK

Braun, Julius (Karl Heinrich), Balneologe, Dichter, * 17. 5. 1822 Magdeburg, † 29. 8. 1878 Oeynhausen. B. war nach dem Studium in Halle und Berlin zun¨achst seit 1849 praktischer Arzt in Aschersleben, seit 1855 Sanit¨atsrat und Badearzt in Oeynhausen. Er verfaßte zahlreiche balneologische Werke, u. a. Bad Oeynhausen und die chronischen Krankheiten der h¨oheren St¨ande (1857) sowie ein Systematisches Lehrbuch der Balneologie (1868, 51885 / 86), das in mehrere Sprachen u¨ bersetzt wurde. B. war auch als Dichter ¨ t¨atig und u¨ bertrug Dantes H¨olle. 1 C Arzte Braun, Julius, Kunsthistoriker, Philologe, * 16. 7. 1825 Karlsruhe, † 22. 7. 1869 M¨unchen. B. studierte seit 1843 zun¨achst Theologie, dann Philologie und Kunstgeschichte in Heidelberg und Berlin. 1850-53 un¨ ternahm er eine Studienreise, u. a. nach Agypten, Syrien, Griechenland, Italien und Frankreich. 1853 wurde er Privatdozent in Heidelberg, 1860 Prof. f¨ur Arch¨aologie und Alte Literatur in T¨ubingen, ging jedoch schon bald nach M¨unchen, wo er Vorlesungen an der Akademie der K¨unste hielt. Neben seinem Hauptwerk Naturgeschichte der Sage (2 Bde., 1864) ver¨offentlichte B. u. a. Studien und Skizzen aus den L¨andern der alten Kultur (1854), Historische Landschaften (1867) und Gem¨alde der Mohammedanischen Welt (hrsg. mit M. Carri`ere, 1870). C ADB

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Braun Braun, Julius (Wilhelm), Schriftsteller, Kaufmann, * 28. 11. 1843 Eschwege / Werra, † 5. 10. 1895 Halensee (heute zu Berlin). Zun¨achst in der Apotheke seines Vaters in Eschwege t¨atig, durchlief B. eine kaufm¨annische Lehre, war in Kassel im Buchhandel t¨atig und gr¨undete dort 1865 ein Porzellan- und Glaswarengesch¨aft. 1879 gab er sein Gesch¨aft auf und ließ sich in Berlin nieder, wo er sich seiner schriftstellerischen T¨atigkeit widmete. B. schrieb Theaterst¨ucke (u. a. Ein politischer Verbrecher, 1869) und einige Romane (u. a. Umsonst gelebt, 1894). Als eines seiner Hauptwerke gilt die mit seiner Frau Luise herausgegebene Sammlung Schiller und Goethe im Urtheile ihrer Zeitgenossen (6 Bde., 1882-85). C DSL

Braun, Julius von, Chemiker, * 26. 7. 1875 Warschau, † 8. 1. 1939 Heidelberg. Nach dem Chemiestudium in G¨ottingen und M¨unchen wurde B. 1898 in G¨ottingen mit der Arbeit Ueber die isomeren Pulegone promoviert und war dort als Assistent, nach seiner Habilitation als Privatdozent t¨atig. 1909 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. an die Univ. Breslau. 1915-17 war er Prof. an der Hochschulabteilung der Zivilverwaltung Warschau und Prorektor der TH Warschau. 1918 wurde er Prof. an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin, 1921 Ordinarius an der Univ. Frankfurt / Main. B. erforschte in erster Linie Kohlenstoff-Verbindungen, speziell deren Bindungsfestigkeit, pharmakologische Wirkung und Geruchseigenschaften. Er verfaßte u. a. ein Lehrbuch der organischen Chemie (1925). C Reichshandbuch

Braun, Karl (Joseph Wilhelm), auch B.-Wiesbaden, Politiker, Jurist, * 4. 3. 1822 Hadamar, † 14. 7. 1893 Freiburg / Breisgau. Der Sohn eines Lehrers und Rektors studierte Klassische Philologie in Marburg sowie Rechtswissenschaften in G¨ottingen und trat 1843 in den nassauischen Staatsdienst ein. 1849 war er Prokurator am Hof- und Appellationsgericht in Dillenburg, 1855-67 wieder in Wiesbaden t¨atig. 1856 wurde er in Gießen zum Dr. jur. promoviert. Er schrieb f¨ur das „Siegener B¨urgerblatt“ und die „Nassauische Zeitung“ und pl¨adierte f¨ur eine demokratische Verfassung auf dem Boden der Monarchie. Seit 1849 war B. Abgeordneter der nassauischen Zweiten Kammer, 1858-66 deren Pr¨asident. Nach der Annexion Nassaus durch Preußen k¨ampfte er erfolgreich f¨ur die Beibehaltung der nassauischen Gemeindeverfassung. Als Reichstagsabgeordneter (1867-87) zun¨achst nationalliberal gesinnt und Anh¨anger → Bismarcks, wandelte er sich zum freisinnigen Liberalen und Gegner der Schutzzollpolitik Bismarcks. 1859 war B. Mitbegr¨under der „RheinLahn-Zeitung“ und 1873 / 74 Herausgeber der „Spenerschen Zeitung“. Er ver¨offentlichte u. a. Bilder aus der deutschen Kleinstaaterei (2 Bde., 1869; Neue Folge, 2 Bde., 1870), Aus der Mappe eines deutschen Reichsb¨urgers (3 Bde., 1874) und Pand¨amonium (2 Bde., 1887). C Haunfelder, Lib Abg

Braun, Karl, Jesuit, Astronom, * 27. 4. 1831 Neustadt (Kr. Kirchhain, Hessen), † 3. 6. 1907 Radegund (Steiermark). B., Sohn eines Kaufmanns und Stadtk¨ammerers, studierte Naturwissenschaften an der Gregoriana in Rom, wo er promoviert wurde. Er trat 1861 in die Gesellschaft Jesu ein, studierte Mathematik in Paris und ging 1878 als Direktor des Erzbisch¨oflichen Haynald-Observatoriums nach Kalocsa (Ungarn). 1884 ließ er sich als Privatgelehrter in Mariaschein in B¨ohmen nieder. B. erfand zahlreiche physikalische, mathematische und meteorologische Ger¨ate, u. a. ein Passagemikrometer, einen Apparat zur Photographie der Protuberanzen der Sonne sowie ein Ger¨at zur Bestimmung der Gravitationskonstante und mittleren Erddichte (Oszillation). Er

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ver¨offentlichte u. a. Kosmogonie (1889), Die Gravitations¨ Constante (1896), Uber die Gravitations-Konstante, die Masse und mittlere Dichte der Erde nach neueren expe¨ rimentellen Bestimmungen (1897) und Uber Kosmogonie vom Standpunkt christlicher Wissenschaft nebst einer Theorie der Sonne und einigen darauf bez¨uglichen philosophischen Betrachtungen (1905). Autobiographische Notizen finden sich „Natur und Offenbarung“ 54 (1908), S. 193-200 und 274-282. C Leb Kurhessen, Bd 2

Braun, Karl Adolf Frh. von, Jurist, * 27. 9. 1716 Eisleben, † 18. 9. 1795 Wien. B. studierte seit 1734 Philosophie, Mathematik und Rechtswissenschaften an der Univ. Leipzig. Seit 1738 an der Univ. Jena, wurde er dort 1740 mit der Arbeit De Iuribus Episcopi Catholici in Germania zum Dr. jur. promoviert . 1743 folgte er einem Ruf als o. Prof. nach Erlangen. 1760 wurde er Geheimer Regierungsrat, im gleichen Jahr geadelt, als Reichshofrat nach Wien berufen und 1764 in den Reichsfreiherrenstand erhoben. B. verfaßte zahlreiche juristische Abhandlungen, u. a. Anmerkungen u¨ ber die Pandekten, darin sowohl die r¨omischen als deutschen Rechte abgehandelt werden (1745). Braun, Karl Friedrich Wilhelm, auch Baruthinus, Botaniker, * 1. 12. 1800 Bayreuth, † 20. 7. 1864 Bayreuth. Trotz großen Interesses f¨ur die Botanik absolvierte B. auf Wunsch seiner Eltern in Regensburg eine Lehre als Apotheker und war als Gehilfe in Salzburg und Klagenfurt t¨atig. Er studierte dann Pharmazeutik in Erfurt und Prag und u¨ bernahm die Apotheke seines Vaters in Bayreuth. Kurze Zeit sp¨ater verkaufte er die Apotheke, um sich v¨ollig seinen botanischen Studien widmen zu k¨onnen. Seit 1833 war B. auch Lehrer der Naturgeschichte an der Gewerbeschule in Bayreuth. 1843 wurde B. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Er forschte vor allem auf dem Gebiet der Pal¨aobotanik und ver¨offentlichte u. a. ein Verzeichniss der in der Kreis-Naturalien-Sammlung zu ¨ Bayreuth befindlichen Petrefacten (1840), Uber die giftigen Thiere (1840) und Beitr¨age zur Urgeschichte der Pflanzen (1843). Die Konifere Pallisya Brauni wurde nach B. benannt. C ADB Braun, Karl Guido Robert, kath. Theologe, * 31. 12. 1841 Aschaffenburg, † 24. 10. 1909 W¨urzburg. B., Sohn eines Kaufmanns, studierte seit 1860 in M¨unchen und W¨urzburg, wo er an das Priesterseminar u¨ berwechselte und 1864 zum Priester geweiht wurde. Zun¨achst in der praktischen Seelsorge als Kaplan u. a. in Neustadt, Schweinfurt und Untereuerheim t¨atig, war B. seit 1873 Assistent im Klerikalseminar W¨urzburg. 1876 wurde er promoviert, 1879 Subregens, 1886 Regens des Seminars. Seit 1889 war er Domkapitular und Dompfarrer in W¨urzburg. B. stand in enger Verbindung zum Mainzer Theologenkreis und war seit 1890 Pr¨ases des neugegr¨undeten kath. Arbeitervereins. In dieser Funktion gelang ihm die Schaffung einer Sterbekasse, einer Krankenzuschußkasse und eines Volksb¨uros. Sp¨ater u¨ bernahm er die Leitung des Vereins kath. erwerbst¨atiger Frauen und M¨adchen. B. verfaßte u. a. eine Geschichte der Heranbildung des Klerus in der Di¨ozese W¨urzburg (2 Bde., 1889). C Leb Franken, Bd 3 Braun, Karl Joseph Eduard, auch Joseph Eduard B., Journalist, Schriftsteller, * 24. 8. 1818 Hadamar, † 1. 6. 1847 Freiburg / Breisgau. B., Sohn eines Prorektors, studierte seit 1839 in Bonn, wurde jedoch wegen der Beteiligung an einem Duell von der Univ. relegiert und ging nach Dillenburg. Sp¨ater in Baden-Baden, war er Mitarbeiter bei der Zeitschrift „Europa“, bis er 1846 zun¨achst nach Stuttgart, dann nach Freiburg / Breisgau u¨ bersiedelte und dort die Leitung der „S¨uddeutschen Zeitung“

Braun u¨ bernahm. Er schrieb u. a. Sonette (Goethe und Gretchen, 1842) und Friedrich R¨uckert als Lyriker (1844). B. starb an den in einem Duell erlittenen Verwundungen.

Braun, Karl Otto, Maler, * 24. 12. 1852 M¨unchen, † 8. 2. 1904 M¨unchen. B., der Sohn von Kaspar → B., wurde zun¨achst von seinem Vater ausgebildet und studierte dann an der M¨unchner Kunstakademie als Sch¨uler Arthur von → Rambergs und Karl von → Pilotys. W¨ahrend er anfangs auch Genrebilder malte, konzentrierte er sich sp¨ater auf Landschaften. C AKL

Braun, Karl Philipp, Botaniker, * 14. 3. 1870 Biebrich / Rhein, † 27. 10. 1935. B., Sohn eines Kaufmanns, studierte Pharmazie in M¨unchen und Basel, wo er 1900 mit der Arbeit Beitr¨age zur Anatomie der Adansonia digitata promoviert wurde. 1902-04 war er Assistent an der Tier¨arztlichen Hochschule in Stuttgart, dann an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim. Nach seinem Eintritt in den Dienst des Reichskolonialamtes 1904 war er bis 1920 als Botaniker am Biologisch-Landwirtschaftlichen Institut in Amani (DeutschOstafrika) t¨atig. Wieder in Deutschland, leitete er 1921-34 die Zweigstelle der Biologischen Reichsanstalt f¨ur Landund Forstwirtschaft in Stade; 1925-34 war er Professor. Er besch¨aftigte sich besonders mit Pflanzenpathologie, tropischen Pflanzen und der Geschichte der Kulturpflanzen. B. verfaßte u. a. eine Geschichte der Pflanzenkrankheiten und Pflanzensch¨adlinge bis 1880 (in: Handbuch der Pflanzenkrankheiten, begr. von Paul → Sorauer, Bd. 1, hrsg. von Bernhard → Rademacher, 61933, S. 1-79).

Braun, Kaspar, Holzschneider, Zeichner, Verleger, * 13. 8. 1807 Aschaffenburg, † 22. 10. 1877 M¨unchen. B., dessen Vater B¨urgermeister von Aschaffenburg war, besuchte 1832 die M¨unchner Akademie und bildete sich im Fach Malerei. Anl¨aßlich einer Parisreise trat er 1837 in das Atelier Louis Br´evi`eres ein, gr¨undete nach der R¨uckkehr in M¨unchen eine Xylographische Anstalt und trat sp¨ater in Verbindung mit dem Verlag des Buchh¨andlers Friedrich → Schneider, aus der der weithin bekannte Verlag Braun & Schneider entstand. B. brachte den „M¨unchener Bilderbogen“ und die 1844 gegr¨undeten „Fliegenden Bl¨attern“ heraus und trug zu beiden Zeitschriften eigene Holzschnitte bei. Er war der Vater von Karl Otto → B. C AKL

Braun, Konrad von, auch K. Brunus, Rechtsgelehrter, Diplomat, kath. Theologe, * um 1491 Kirchheim / Neckar, † 20. 6. 1563 M¨unchen. Der Sohn eines Fischers studierte seit 1510 Rechtswissenschaften in T¨ubingen, wurde dort promoviert und war seit 1521 Prof. der Rechte, 1523 / 24 Rektor. Seit 1526 Rat des Bischofs von W¨urzburg, Konrad von → Th¨ungen, nahm er an den Reichstagen von Speyer (1529), Augsburg (1530) und Regensburg (1532) teil. 1533 wurde er Beisitzer am Reichskammergericht in Speyer und war 1535 / 36 Kanzler des W¨urzburger Bischofs. Seit 1540 war er Direktor der Kanzlei am Reichskammergericht in Speyer und stand seit 1542 in bayerischen Diensten, zun¨achst in Straubing, seit 1545 in Landshut. Von 1551 bis zu seinem Tod war er Kanzler des Augsburger Bischofs Kardinal Otto → Truchseß von Waldburg in Dillingen. B. wurde vermutlich vor 1545 Kleriker, machte sich als streng kurial gesinnter Verteidiger der kath. Kirche einen Namen, arbeitete gegen den Augsburger Religionsfrieden und trat als einer der ersten in Deutschland gegen die Magdeburger Centurien auf. C NDB ¨ Braun, Kurt, Okonom, * 13. 9. 1897 Berlin, † 18. 9. 1985. B. studierte seit 1916 in Berlin und wurde 1922 an der Univ. Breslau mit der Arbeit Die Konzentration der Berufsvereine der deutschen Arbeitgeber und ihrer Arbeitnehmer und

ihre rechtliche Bedeutung promoviert. Nach vor¨ubergehender T¨atigkeit als Amtsrichter in Berlin und beim Internationalen Kartellverband der Gl¨uhlampenfabrikanten arbeitete er 1924-38 als privater Berater von Industrie und Gewerkschaften. 1940 in die USA emigriert, arbeitete er bis 1942 in der wirtschaftspolitischen Forschungsabteilung der University of New Hampshire und war 1942-51 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Brookings Institution in Washington, D. C. Daneben bet¨atigte er sich als Berater der Abteilung Industriepersonal des US-Kriegsministeriums (1944 / 45), als Volkswirtschaftlicher Berater des Statistischen Amtes des USArbeitsministeriums (1945) und als Leiter der Informationsabteilung im B¨uro f¨ur Wirtschaftsanalyse des Lohnstabilisierungsausschusses (1951). 1951-60 war B. Abteilungsleiter im US-Außenministerium und nahm gleichzeitig eine Gastprofessur an der Howard University in Washington, D. C., wahr. Anschließend kehrte er als Leiter der Abteilung Westeuropa in das Statistische Amt des US-Arbeitsministeriums zur¨uck und ging 1967 zur Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverb¨ande in Washington, D. C. Er ver¨offentlichte u. a. The Right to Organize and its Limits (1950) und Labor Disputes and Their Settlements (1955). C Hagemann

Braun, Lebrecht Johann Ernst von, Milit¨ar, * 22. 11. 1816 Koblenz, † 13. 2. 1891 Berlin. Der Sohn von Johann Karl Ludwig → B. trat 1834 als Pionier in den milit¨arischen Dienst. Er war seit 1860 Major, seit 1866 Oberst und Inspektor der 1. Pionierinspektion. 1871 wurde B. in den Adelsstand erhoben und zum Generalmajor bef¨ordert. Er war seit 1873 Vorsitzender der Pr¨ufungskommission des Ingenieurkorps, seit 1881 Generalleutnant. C Priesdorff, Bd 8 Braun, Lily, eigentl. Amelia Jenny Emilie Klothilde Johanna B., geb. von Kretschmann, verwitw. Giˇzycki, Schriftstellerin, Politikerin, * 2. 7. 1865 Halberstadt, † 8. 8. 1916 Zehlendorf (heute zu Berlin) B. war die Tochter des Generals Hans von Kretschmann und Enkelin Jenny von → Gustedts. Sie ver¨offentlichte zun¨achst meist literarhistorische Arbeiten und kam nach ihrer Heirat mit Georg von Giˇzycki (1893) mit der Deutschen Gesellschaft f¨ur ethische Kultur in Verbindung; sp¨ater wurde sie Mitherausgeberin der Zeitschrift „Ethische Kultur“. Nach dem Tod ihres Mannes 1895 trat B. der Sozialdemokratischen Partei bei. Sie begann, sich neben allgemein politischen Themen vor allem f¨ur die Frauenfrage zu interessieren, und wurde im selben Jahr Mitarbeiterin der Zeitschrift „Die Frauenfrage“ sowie Vorstandsmitglied im Verein „Frauenwohl“. 1896 heiratete sie den Journalisten und Politiker Heinrich → B. Durch die gemeinsame Arbeit mit ihm sah sie sich bald als Revisionistin der parteiinternen Kritik ausgesetzt und wurde auch von Clara → Zetkin als zu wenig radikal kritisiert. B. begr¨ußte den Ersten Weltkrieg (Die Frauen und der Krieg, 1915), in dem sie ihre Vorstellungen einer klassen¨ubergreifenden Solidarit¨at verwirklicht sah. Sie verfaßte neben zahlreichen Schriften zur Frauenfrage, unter denen sich das Standardwerk Die Frauenfrage, ihre geschichtliche Entwicklung und wirtschaftliche Seite (1901) befindet, eine Darstellung des Biedermeier, Im Schatten der Titanen (1908), und Memoiren einer Sozialistin (2 Bde., 1909-11). Gesammelte Werke B.s erschienen 1922 in f¨unf B¨anden. C Frauen Braun, Louis, eigentl. Ludwig B., Maler, * 23. 9. 1836 Schw¨abisch Hall, † 18. 2. 1916 M¨unchen. Der Bruder von Reinhold → B. studierte zun¨achst am Polytechnikum, sp¨ater an der Kunstschule in Stuttgart. Er ar¨ beitete als Illustrator f¨ur Zeitschriften wie „Uber Land und Meer“, „Illustrierte Zeitung“ und „Daheim“. Seit 1855 lebte er in Weimar und war seit 1859 in Paris im Atelier von Horace Vernet t¨atig. B.s bevorzugtes Sujet war das Milit¨ar; zum

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Braun Zweck der Motivsuche nahm er an den Feldz¨ugen von 1864 und 1866 sowie am Deutsch-Franz¨osischen Krieg 1870 / 71 teil. 1871 ließ er sich in M¨unchen nieder. B. war Prof. an C AKL der Kunstakademie in M¨unchen.

Braun, Ludwig, o¨ sterr. Internist, Kardiologe, * 12. 8. 1867 M¨ahrisch-Ostrau, † 8. 5. 1936 Wien. Nach dem Medizinstudium in Wien wurde B. 1891 promoviert und war dann am Allgemeinen Krankenhaus in Wien t¨atig. 1900 habilitierte er sich f¨ur Innere Medizin und wurde 1911 a. o. Prof. und Vorstand der II. Medizinischen Abteilung am Rothschild-Spital in Wien. Wissenschaftlich besch¨aftigte er sich vor allem mit der Pathologie der Herzkrankheiten, mit philosophischen und psychologischen Themen. Er ver¨offentlichte u. a. Diagnose und Therapie der Herzkrankheiten (1903, 21913), Herz und Psyche in ihren Wirkungen auf einander (1920) und Herz und Angst (1932). ¨ 2, 3 C Arzte Braun, Magnus Frh. von, Jurist, Beamter, Politiker, * 8. 2. 1878 Neucken bei Preußisch Eylau, † 30. 8. 1972 Oberaudorf / Inn. B., dessen Vater Herr auch Neuchen war, studierte Jura und Staatswissenschaften in G¨ottingen und K¨onigsberg; 1902 wurde er Referendar, 1905 Regierungsassessor, 1906-10 Assessor im Ministerium f¨ur Handel und Gewerbe. Seit 1910 war er Landrat in Wirsitz (Bez. Bromberg). 1915 wurde B. in das Reichsamt des Innern berufen, wo er 1917 zum Ministerialdirektor und Pressechef aufstieg. 1918 wurde er Leiter der politischen Abteilung der Milit¨arverwaltung in Wilna, dann Regierungspr¨asident in Gumbinnen, 1920 Verbandsdirektor der Raiffeisen-Genossenschaften f¨ur Brandenburg, Schleswig-Holstein und die Grenzmark und 1930 stellvertretender Pr¨asident des Reichsverbandes der Deutschen Landwirtschaftlichen Genossenschaften. 1932 / 33 war B. Reichsminister f¨ur Ern¨ahrung und Landwirtschaft. 1955 ver¨offentlichte er seine Erinnerungen Von Ostpreußen bis Texas. B. war der Vater von Wernher von → B.

gab 1930 Frauenbewegung, Frauenbildung und Frauen¨ arbeit in Osterreich heraus. In ihrem Fachgebiet ver¨offentlichte sie u. a. Theorie der staatlichen Wirtschaftspolitik (1929). B. war Ehrenmitglied der National¨okonomischen Gesellschaft der Univ. Wien und geh¨orte dem Mises-Kreis C Hagemann an.

Braun, Matthias Bernhard, auch M. Braun von Braun, Bildhauer, * 24. 2. 1684 Oetz (Tirol), † 15. 2. 1738 Prag. B., Sohn eines Schmieds und Bauern, ging in Stams bei einem Bildhauer und zwei Malerin die Lehre, wanderte als Geselle durch Italien und erhielt seine weitere Ausbildung vermutlich bei Michael B. → Mandl in Salzburg. Seit etwa 1704 war er im Dienst des Kunstm¨azens Franz Anton Graf → Sporck auf dessen G¨utern in B¨ohmen t¨atig. Sp¨ater ging er nach Prag, wo 1710 die Gruppe der hl. Luitgard auf der Prager Karlsbr¨ucke (nach Entw¨urfen des Malers Peter Brandel) entstand, 1711 die Gruppe des hl. Ivo (im Auftrag des Abtes von Plass). 1711 beantragte B. das B¨urgerrecht der Stadt Prag. Er konnte im Lauf der Jahre in Prag einen wohl ebenso erfolgreichen wie umfangreichen Werkstattbetrieb aufbauen, zu dessen Mitarbeitern auch die Br¨uder Theny und Georg Patzak z¨ahlten. Einer seiner gr¨oßten Auftraggeber blieb auch in sp¨ateren Jahren Graf Sporck. B.s Werkstatt stellte zahlreiche bemalte Kirchenfiguren aus Holz und Sandstein her. C AKL

Braun, Martha Stephanie, geb. Hermann, auch Browne,

Braun, (Wilhelm) Max, Schlosser, Ingenieur, Industrieller, * 25. 10. 1890 Schillgallen (Ostpreußen), † 6. 11. 1951 Frankfurt / Main. B., Sohn eines Bauern, durchlief eine Ausbildung als Maschinenschlosser, arbeitete seit 1910 in Hamburg und Berlin und bildete sich in Feinmechanik weiter. 1921 gr¨undete er in Frankfurt / Main eine elektrotechnische Spezialfabrik zur Produktion eines von ihm entwickelten Ger¨ats, das der Herstellung von Treibriemenverbindungen diente. Wenig sp¨ater produzierte er auch Bauelemente f¨ur Plattenspieler und Lautsprecher und entwickelte 1929 eines der ersten Radios, das Empf¨anger und Lautsprecher miteinander verband. Hierf¨ur besch¨aftigte er sich auch mit der Konstruktion von Kunststoffspritzmaschinen und verwendete als einer der ersten das neue Material Kunststoff zur Herstellung von u. a. Skalen und Einstellkn¨opfen. 1936 stellte B. das erste tragbare, batteriebetriebene Radioger¨at her und wurde hief¨ur auf der Pariser „Exposition Internationale des Arts et Techniques dans la Vie Moderne“ mit einem Preis ausgezeichnet. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs f¨ur die R¨ustungsindustrie t¨atig, arbeitete er zugleich an der Entwicklung von Taschenlampen und Trockenrasierern. 1950 kam sein erstes Haushaltsger¨at (Multimix) auf den Markt. Nach B.s Tod u¨ bernahmen seine S¨ohne Artur und Erwin die Leitung des Unternehmens. C Frankf Biogr

National¨okonomin, * 12. 12. 1898 Wien, † 2. 3. 1990 New York. B. studierte in Freiburg / Breisgau und Wien National¨okonomie und wurde 1921 mit der Dissertation Theorie des Papiergeldes promoviert. Bis zu ihrer Emigration 1938 in die USA arbeitete sie als freie Wissenschaftsjournalistin und schrieb u. a. regelm¨aßig in den „Mitteilungen des Verbandes o¨ sterreichischer Banken und Bankiers“ Beitr¨age zu w¨ahrungspolitischen Fragen. 1929 erschien ihre international viel beachtete Arbeit Theorie der staatlichen Wirtschaftspolitik. 1942-44 war B. Assistant Professor f¨ur Volkswirtschaftslehre und Geographie in Cincinnati, 1944-47 Analyst f¨ur das State Department. 1947-71 wirkte sie am Brooklyn College, seit 1963 als Full Professor. Ihre Forschungsschwerpunkte waren u. a. die Theorie der wirtschaftlichen Planung, regionale Entwicklung und Transport sowie Standortfragen. Sie engagierte sich in der Frauenbewegung und

Braun, Max (Mathias), Journalist, Politiker, * 13. 8. 1892 Neuss (Rheinland), † 3. 7. 1945 London. B., Bruder von Heinz → B., war zun¨achst Volksschullehrer, seit 1919 als Journalist und SPD-Politiker t¨atig. 1923 wurde er Chefredakteur der „Volksstimme“ in Saarbr¨ucken und war seit 1925 im Vorstand der saarl¨andischen SPD (1925-28: 2. Vorsitzender, 1928-35: 1. Vorsitzender) sowie Mitglied des Saarl¨andischen Landesrats. 1933-35 war er Chefredakteur der „Deutschen Freiheit“, floh nach der Saarabstimmung 1935 nach Forbach (Lothringen) und war dort Mitbegr¨under der Beratungsstelle f¨ur Saarfl¨uchtlinge. In Paris wurde er Mitarbeiter im Office Sarrois, u. a. Chefredakteur der „Nachrichten von der Saar“ (1935 / 36) und der „Deutschen Freiheit“ (bis 1939) sowie Mitarbeiter der „Pariser Tageszeitung“. Bis 1938 in der Volksfront aktiv, schloß er sich 1941 in Großbritannien der „Gruppe der Parlamentarier“ um Karl

Braun, Maria, Hofschneiderin, Unternehmerin, * 18. 1. 1871 M¨unchen, † 19. 7. 1947 Dorfen / Isen. B. richtete ihr Modeatelier f¨ur „Feine Damenmoden“ in der Residenzstraße in M¨unchen ein. Ihre Kundinnen entstammten großenteils dem deutschen Hochadel, so den Wittelsbachern, den Hohenzollern und Sachsen, aber auch aus dem Hause Thurn und Taxis. Der Einfluß franz¨osischer Couturiers wie Paul Poiret ist erkennbar. Durchschnittlich besch¨aftigte B. u¨ ber 40 Damen- und Herrenschneider, Kunstgewerblerinnen usw. Das Modeatelier wurde im Juli 1944 bei einem alliierten Bombenangriff zerst¨ort.

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Braun H¨oltermann an. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde B. auf der Isle of Man interniert. Er war mit Angelika → B. verheiratet. C Osterroth

Braun, Maximilian, Anatom, Zoologe, * 30. 9. 1850 Myslowitz (Oberschlesien), † 19. (22.) 2. 1930 K¨onigsberg. Nach dem Medizinstudium in Greifswald und W¨urzburg wurde B. 1874 in W¨urzburg promoviert (Ueber die histologischen Vorg¨ange bei der H¨autung von Astacus fluviatilis) und bestand 1876 das medizinische Staatsexamen. Dann kurze Zeit als Assistent am Zoologischen Institut W¨urzburg t¨atig, erwarb er 1877 den Dr. phil. (Lacerta Lilfordi und Lacerta Muralis) und habilitierte sich 1878 f¨ur Zoologie (Das Urogenitalsystem der einheimischen Reptilien). 1880 wurde er Prosektor am Vergleichend-Anatomischen Institut in Dorpat, 1883 a. o., 1884 o. Prof. der Zoologie. 1886 folgte er einem Ruf als o. Prof. an die Univ. Rostock und war 1891-1922 Ordinarius f¨ur Zoologie und vergleichende Anatomie in K¨onigsberg sowie Direktor des Zoologischen Museums. B.s besonderes Interesse galt der Parasitologie. Ihm gelang u. a. die Entdeckung des Zwischenwirtes und ¨ Ubertr¨ agers des Bothriocephalus latus. 1885 wurde B. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Er ver¨offentlichte u. a. Beitr¨age zur Kenntniss der fauna baltica (2 Bde., 1881-84), Die thierischen Parasiten des Menschen (1883, 41908, engl. 1906, t¨urk. 1941) und 1Die Umformung der Gliedmassen bei den h¨oheren Thieren ¨ (1896). C Arzte Schlesien

Braun, Nikolaus, auch Mikl´os B´ela, Maler, Schriftsteller, * 1900 Berlin, † 1950 New York. B. studierte zusammen mit Arthur → Segal an der Kunstschule Berlin und war sp¨ater Mitglied der 1918 gegr¨undeten Novembergruppe, die sich besonders der F¨orderung moderner Kunsttendenzen widmete. Er experimentierte in seinen Werken vor allem mit der Wirkung von Licht und galt damit als Vorl¨aufer der kinetischen Kunst. Zusammen mit Segal verfaßte er 1925 Lichtprobleme der bildenden Kunst. 1938 emigrierte er nach Ungarn, 1949 in die USA und war in Chicago am New Baushaus t¨atig. Die Werke aus seiner Berliner Periode sind verschollen. C AKL Braun, Otto, eigentl. Carl Otto B., Politiker, * 28. 1. 1872 K¨onigsberg, † 15. 12. 1955 Ascona (Schweiz). Aus bedr¨uckenden Familienverh¨altnissen kommend, erlernte B. nach der Volksschule das Steindruckerhandwerk. 1888 trat er in die illegale SPD ein und engagierte sich sogleich in der idealistischen Rebellion der „Jungen“ gegen die Parteif¨uhrung. Von Hugo → Haase gef¨ordert, trat der Sohn eines kleinen Eisenbahnangestellten dennoch in die typische Funktion¨arslaufbahn ein: 1891 Schriftf¨uhrer, 1897 Vorsitzender des Arbeiter-Wahlvereins K¨onigsberg, 1893 Herausgeber, Redakteur und Drucker der „Volkstrib¨une“ (sp¨ater: „K¨onigsberger Volkszeitung“), 1900 Gesch¨aftsf¨uhrer der Ortskrankenkasse, 1902 Stadtverordneter in K¨onigsberg, Mitbegr¨under des Deutschen Landarbeiter-Verbandes, dessen Vorstand er von 1909 bis 1920 angeh¨orte. Der Aufstieg in die regionale und nationale Politik begann mit der Wahl zum Vorsitzenden des Bezirks Ostpreußen (1898) und der Wahl in die Kontrollkommission (1905). 1911 wurde B. Hauptkassierer und Mitglied des Parteivorstandes (bis 1919 bzw. 1921), 1913 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses. Im Ersten

Weltkrieg, in dem er seinen Sohn verlor, unterst¨utzte B. die Burgfriedenspolitik. In der Revolution avancierte der agrarpolitische Experte zum preuß. Landwirtschaftsminister (zun¨achst zusammen mit dem USPD-Politiker Adolf Hofer). B. geh¨orte sowohl der Nationalversammlung und dem Reichstag (bis 1932) als auch dem Preußischen Landtag (bis 1933) an. Das Scheitern der Regierung → Hirsch im Kapp-L¨uttwitz-Putsch brachte den energisch und zielklar handelnden B. am 27. 3. 1920 in das Amt des preuß. Ministerpr¨asidenten, das er mit einer zweimonatigen Unterbrechung bis zu seinem Amtsverzicht am 25. 3. 1933 bekleidete. B. kandidierte nach → Eberts Tod 1925 f¨ur das Amt des Reichspr¨asidenten, zog seine Bewerbung jedoch im zweiten Wahlgang zugunsten des Kandidaten der Weimarer Koalition, des Zentrumspolitikers Wilhelm → Marx, zur¨uck, der → Hindenburg unterlag. Unter B., dem wahrscheinlich politisch einflußreichsten sozialdemokratischen Politiker und einem der popul¨arsten Staatsm¨anner der Weimarer Republik, der jedoch in den eigenen Reihen stets umstritten blieb, entwickelte sich Preußen zu einem modernen Freistaat, der durch die Republikanisierung des Beamtenapparates eine der Hauptst¨utzen der ersten deutschen Demokratie bildete. Nach der Landtagswahl vom April 1932, bei der die Weimarer Koalition zwar ihre Mehrheit einb¨ußte, die Regierung aber gesch¨aftsf¨uhrend im Amt blieb, resignierte B. Im Zuge des Staatsstreichs von → Papens gegen das demokratische Preußen wurde B. abgesetzt. Nach der Macht¨ubertragung an → Hitler fl¨uchtete B. am 4. 3. 1933 nach Ascona, wo sich seine gel¨ahmte Frau aufhielt. Im Schweizer Exil enthielt sich B. lange Zeit jeglicher politischer Aktivit¨at. 1942 fand er Anschluß an den von Georg Ritzel organisierten Kreis deutscher Exilpolitiker, zu dem auch Wilhelm → Dittmann, Wilhelm → Hoegner und Joseph → Wirth geh¨orten, und arbeitete im Januar 1943 ein Memorandum f¨ur die alliierte Deutschlandpolitik nach dem Kriegsende aus, das jedoch keine Beachtung fand. Im Juli 1943 trat der entschiedene Gegner des kommunistisch gesteuerten Bundes Freies Deutschland in der Schweiz als Mitverfasser der Richtlinien eines demokratischen Antinaziblocks hervor und gr¨undete als Vorsitzender der Union deutscher Sozialisten und Gewerkschafter in der Schweiz zusammen mit Hoegner, Wirth u. a. die Arbeitsgemeinschaft Das Demokratische Deutschland, aus der er sich wegen anhaltender Querelen und der mangelnden Akzeptanz seiner zunehmend unrealistischer erscheinenden politischen Vorschl¨age und Nachkriegspl¨ane im April 1946 zur¨uckzog. In die Bundesrepublik Deutschland unternahm er noch mehrere Reisen, u. a. zum SPD-Bundesparteitag 1950 und 1952. WERKE: Von Weimar zu Hitler. New York 1940. LITERATUR: Hagen Schulze: O. B. oder Preußens demokratische Sendung. Eine Biographie. Frankfurt / Main u. a. 1977 (Lit.). Karsten Rudolph

Braun, Otto Philipp, auch Ot´on Felipe B., Milit¨ar, * 13. 12. 1798 Kassel, † 24. 7. 1869 Kassel. B., Sohn eines Hofsattlers und Wagenfabrikanten, studierte 1815-18 Tierarzneikunde in Hannover und G¨ottingen. 1818 ging er nach Philadelphia, 1819 nach Haiti und baute dort ein Gest¨ut auf. Seit 1820 im Heer Bolivars, nahm er 1823 an der Befreiung Perus teil. Seit 1825 Oberst, wurde B. nach dem Sieg u¨ ber den Rebellengeneral Gamarra bei Oruro Brigadegeneral von Bolivien. Er war Pr¨afekt und Oberbefehlshaber der Departements La Paz, Cochabamba und Oruro, nach Bolivars Tod 1830 Mitarbeiter des bolivianischen Pr¨asidenten Santa Cruz, seit 1835 Kriegsminister sowie bolivianischer und peruanischer Generalleutnant. Nach der Entmachtung von Santa Cruz 1839 mußte B. das Land verlassen; er ließ sich 1840 in Kassel nieder. C NDB

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Braun Braun, Paul von, Staatsmann, Jurist, * 16. 9. 1820 Kitzingen, † 26. 2. 1892 Speyer. Nach dem Jurastudium in Heidelberg und W¨urzburg trat B., Sohn eines Apothekers, in das bayerische Handelsministerium ein. Seit 1866 Ministerialrat und engster Mitarbeiter des Ministers Gustav von → Schl¨or, hatte B. maßgeblichen Anteil an der Ausarbeitung der Gewerbeordnung von 1868. 1869-71 war er Staatsminister des Innern. Nach dem R¨ucktritt des Ministerpr¨asidenten Otto Graf von → BraySteinburg stellte auch B. sein Amt zur Verf¨ugung und war dann bis zu seinem Tod Regierungspr¨asident der Pfalz. Er wurde 1871 nobilitiert. C NDB

Braun, Peter (Anton) Baron von, o¨ sterr. Komponist, Theaterdirektor, Industrieller, * 18. 10. 1764 Wien, † 15. 11. 1819 Wien. B. trat 1777 in den Staatsdienst ein und wurde Hofse¨ kret¨ar. Angeregt vom industriellen Aufschwung Osterreichs, gr¨undete er 1789 eine Seidenfabrik, f¨ur die er Arbeiter aus Lyon kommen ließ. Seit 1790 auch Großh¨andler, wandte er sich kulturellen Aktivit¨aten zu. 1794-1807 war er leitender Direktor beider Hoftheater in Wien und gleichzeitig seit 1796 Hofbankier. B. f¨orderte Kunst und Wissenschaft, veranstaltete und unterst¨utzte zahlreiche Wohlt¨atigkeitskonzerte und war selbst als Pianist und Komponist (Sonata per il cembalo solo, 1800) t¨atig. 1795 wurde er in den Freiherrenstand C Czeike erhoben.

Braun, Philipp, kath. Theologe, Jurist, * 22. 3. 1654 Hollstadt (Neustadt / Saale), † 1. 6. 1735 W¨urzburg. Seit 1670 im W¨urzburger Klerikalseminar, wurde B. 1678 zum Priester geweiht, 1679 Subregens des Seminars und ging sp¨ater zu Studienzwecken nach Rom. Dort war er seit 1681 Lehrer am Johanneskonvikt. Zur¨uck in Deutschland, wurde er 1683 Regens des W¨urzburger Seminars und erhielt 1684 den Lehrstuhl f¨ur kanonisches Recht an der Univ. W¨urzburg. Seit 1691 Dr. theol., war B. seit 1693 Kanonikus und Prediger am Stift Haug. 1705 wurde er Generalvikar der Di¨ozese W¨urzburg, 1711 Dechant seines Stiftes. B. verfaßte Principia iuris canonici (1698). C ADB

Braun, Placidus, Benediktiner, Historiker, Bibliothekar, * 11. 2. 1756 Peiting (Oberbayern), † 23. 10. 1829 Augsburg. B., ein ehemaliger Jesuitenz¨ogling, trat 1775 im Kloster St. Ulrich in Augsburg in den Benediktinerorden ein und wurde 1779 zum Priester geweiht. Seit 1785 war er Bibliothekar und Archivar des Stiftes. Auch nach der Aufhebung des Klosters blieb er in St. Ulrich. B.s historische Forschungen konzentrierten sich auf die Augsburger Kirchengeschichte bzw. die Geschichte seines Stiftes. Er schrieb u. a. eine Geschichte der Bisch¨ofe von Augsburg (4 Bde., 1813-15). C Leb Bayer Schwaben, Bd 8

Braun, Reinhold, Maler, * 25. 4. 1821 Altensteig (W¨urttemberg), † 21. 1. 1884 M¨unchen. Der a¨ ltere Bruder von Louis → B. studierte am Stuttgarter Polytechnikum und ging sp¨ater nach M¨unchen, wo vor allem der Soldatenzeichner Carl Friedrich → Heinzmann und der Tiermaler Friedrich → Voltz großen Einfluß auf seine k¨unstlerische Entwicklung hatten. 1849 als Schlachtenmaler bei der Niederschlagung des badischen Aufstandes zugelas¨ sen, war B. u. a. Zeuge der Belagerung und der Ubergabe von Rastatt, die er im Aquarell festhielt. In Stuttgart malte er eine Reihe von Genrebildern sowie Pferdebilder, die ihm den Beinamen „Der schw¨abische Wouwermann“ einbrachten. Seit 1872 war er in M¨unchen ans¨assig. B. ließ sich selbst durch ein Augenleiden, das seit 1876 seine Sehkraft stark einschr¨ankte, nicht vom Malen abhalten. C AKL

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Braun, Reinhold, eigentl. Emil Paul R. B.-Eckelsbach, Schriftsteller, * 10. 12. 1879 Berlin, † 14. 12. 1959 Freiburg / Breisgau. Der Sohn eines Polizisten besuchte 1898-1901 das Lehrerseminar in Drossen. Anschließend unterrichtete er am Gymnasium in Grabow bei Landsberg / Warthe, seit 1904 in Weißensee und seit 1906 in Berlin, mußte seinen Beruf jedoch aus gesundheitlichen Gr¨unden aufgeben. Er wurde Schriftleiter der Bl¨atter „Sonntagsfeier“ und „Der lichte Weg“. Nach 1945 lebte B. in Lochham. Er verfaßte zahlreiche Erz¨ahlungen, Gedichte und Erbauungsb¨ucher, in denen er traditionelle Werte wie Heimatliebe, Eheleben und Fr¨ommigkeit propagierte: Das Heimgl¨uckbuch (1920), Das Buch vom deutschen Vater (1929), Vom wehrhaften Herzen. Ein Buch f¨ur Soldaten (1940) und Das heiter-tapfere Herz. Erz¨ahltes und Gedachtes zum wahren Menschsein (1955). Er schrieb ferner Biographien (u. a. Albert Schweitzer, 1956; Helen Keller, 1957) und gab Anthologien wie Das Reich muß uns doch bleiben! Religi¨ose Gedichte aus dem Weltkrieg (1917) und K¨ampfer. Stille Geschichten aus dem Weltkriege C DLL, 20. Jh. (1918) heraus. Braun, Robert, Pseud. Robert Montis, Chemiker, Schriftsteller, Journalist, Bibliothekar, * 2. 3. 1896 Wien, † 16. 3. 1972 Uppsala (Schweden). Der Bruder von Felix → B. und K¨athe → Braun-Prager studierte Naturwissenschaften, wurde 1920 an der Univ. Wien promoviert und war 1920-25 Chemiker in der Industrie. 1919 ver¨offentlichte er seinen ersten Gedichtband (Gang in der Nacht) und war seit 1925 als freier Schriftsteller und Journalist t¨atig. Neben seiner Mitarbeit beim „Deutschen Nachrichtenb¨uro“ in Berlin arbeitete er auch f¨ur den Rundfunk. In Berlin stand er in Verbindung mit Stefan → Zweig und Jakob → Wassermann. 1934 trat B. zur kath. Kirche u¨ ber und kam in Kontakt mit dem Kreis um Dietrich von → Hildebrand. 1938 emigrierte er nach Schweden und war 1943-65 Bibliothekar am Kunsthistorischen Institut der Univ. Uppsala. 1948 erhielt er die schwedische Staatsb¨urgerschaft. Als Journalist schrieb er u. a. f¨ur das „Svenska Dagbladet“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Die Presse“ und die „Basler ¨ Nachrichten“. B. war als Ubersetzer t¨atig und verfaßte Essays (Das wiedergefundene Wort, 1956) und Gedichte (Gehen und Gehen in Wien, 1966). 1961 erschien sein Abschied vom Wienerwald. Ein Lebensbericht (Neuaufl. 1971, schwed. C Lex dt-j¨ud Autoren 1969). Braun, Rudolf, Unternehmer, Politiker, * 21. 7. 1889 Wetter (Kr. Marburg / Lahn), † 25. 7. 1975 Marburg / Lahn. B. schloß das Studium der Chemie, Botanik und Pharmazie an den Universit¨aten Marburg, G¨ottingen und Frankfurt / Main mit der Promotion ab und meldete sich im August 1914 freiwillig zum Kriegsdienst. Nach dem Krieg war er in der chemischen Industrie t¨atig, nahm 1923 am HitlerPutsch in M¨unchen teil und trat 1929 in die NSDAP ein. Seit 1924 Inhaber einer Fabrik f¨ur pharmazeutisch-chemische Produkte, engagierte sich B. nach 1933 nicht nur als Mitglied des Reichstags vor allem auf wirtschaftspolitischem Gebiet. 1933 wurde er Pr¨asident der Industrie- und Handelskammer Kassel und Gauwirtschaftsberater der NSDAP im Gau Kurhessen, 1935 zudem Vizepr¨asident der Bezirkswirtschaftskammern Hessen und Th¨uringen und preuß. Provinzialrat der Provinz Hessen-Nassau. B., der auch Direktor der Landeskreditkasse Kassel und Mitglied mehrerer Aufsichtsr¨ate war, wurde w¨ahrend des Zweiten Weltkriegs zum Wehrwirtschaftsf¨uhrer ernannt. Er leitete seine chemischC Lilla, Statisten pharmazeutische Fabrik bis 1971.

Braun Braun, Rudolf, schweizer. Biologe, * 24. 1. 1920 Lenzburg (Kt. Aargau), † 1. 2. 1999 Unterengstringen (Kt. Z¨urich). Der Sohn eines Musikers studierte seit 1940 an der ETH Z¨urich Naturwissenschaften, wurde Assistent am Botanischen Institut und forschte 1946-48 als Stipendiat der Univ. S˜ao Paulo im Amazonasgebiet. 1951 an der ETH mit der Arbeit Limnologische Untersuchungen an einigen Seen im Amazonasgebiet promoviert, war er 1952 / 53 Leiter des Instituts f¨ur qualitative Wasserwirtschaft und Hydrobiologie an der TH Karlsruhe, 1953-55 der Abteilung Limnologie am Kantonalen Labor in Aarau und 1955-87 Chef der Abteilung Feste Abfallstoffe an der Eidgen¨ossischen Anstalt f¨ur Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gew¨asserschutz an der ETH Z¨urich, wo er die M¨ullforschung endg¨ultig etablierte; 1970 wurde B dort zum a. o. Prof. und 1973 zum Ordinarius f¨ur Abfallbeseitigung ernannt. Er war seit 1955 Wissenschaftlicher Sekret¨ar der Internationalen Arbeitsgemeinschaft f¨ur M¨ullforschung, 1970-85 Pr¨asident der Schweizer. Vereinigung f¨ur Gew¨asserschutz und Lufthygiene und ab 1972 Pr¨asident der F¨oderation Europ¨aischer Gew¨asserschutz. B., dessen Engagement vor allem dem Umweltschutz und der Abfallwirtschaft galt, ver¨offentlichte u. a. Rio Mar. Erlebnisse und Abenteuer eines jungen Schweizer Forschers am Amazonas (1957), Otto Jaag. Ein Leben f¨ur den Gew¨asserschutz (1982) und Von der Abfallbeseitigung zur o¨ kologischen Abfallwirtschaft (1986). C HLS

Braun, Samuel, schweizer. Chirurg, Forschungsreisender, * 19. 3. 1590 Basel, † 31. 8. 1668 Basel. B., Sohn eines Wollwebers, reiste 1611-13 nach Niederguinea, 1614-16 nach Oberguinea, 1616 / 17 ans westliche und 1620 / 21 ans o¨ stliche Mittelmeer, 1617-20 an die Goldk¨uste und ließ sich dann als Wundarzt und Geburtshelfer in Basel nieder. Er wurde Meister der Scherer-Zunft. Auf Anregung seines Freundes, des Pfarrers Johannes Gross, verfaßte er einen Bericht u¨ ber seine Reisen, der heute als das erste wissenschaftliche Werk u¨ ber Westafrika im deutschen Sprachraum gilt (Samuel Braun des Wundartzet und Burgers zu Basel Schiffarten [. . .], 1624, Faks.-Ausg. 1946). C NDB

Braun, Sigismund Frh. von, Diplomat, * 15. 11. 1911 Zehlendorf (heute zu Berlin), † 13. 7. 1998 Bonn. B., Sohn Magnus von → B.s und Bruder Wernher von → B.s, studierte an den Universit¨aten Hamburg und Berlin Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft, machte gleichzeitig eine Banklehre in Hamburg und ging 1933 als Austauschstudent f¨ur ein Jahr nach Cincinnati (Ohio, USA). Nach einer zweij¨ahrigen Weltreise (Fl¨uchtige G¨aste. Auf Weltenbummel 1933-1935, 1993) trat er 1936 in den diplomatischen Dienst ein und war 1937 / 38 Attach´e an der Botschaft in Paris, 1938-41 am Generalkonsulat in Addis Abeba. Die Jahre 1941-43 verbrachte er als Zivilinternierter in Kenia. 1943 ausgetauscht, wurde er der Botschaft beim Heiligen Stuhl zugeteilt. 1947 / 48 war er Verteidiger im Wilhelmstraßenprozeß in N¨urnberg, geh¨orte 1949-51 als Leiter der Außenhandelsabteilung dem rheinland-pf¨alzischen Wirtschaftsministerium an und war 1951-53 Direktor der Kl¨ockner-Humboldt-Deutz AG. 1953 kehrte B. in den Ausw¨artigen Dienst zur¨uck und wurde als Botschaftsrat nach London entsandt. Seit 1958 Chef des Protokolls der Bundesregierung, wurde er 1962 Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York, 1968 Botschafter in Paris, 1970 Staatssekret¨ar im Ausw¨artigen Amt und war 1972-76 erneut Botschafter in Paris. C Munzinger

Braun, Victor (Conrad), S¨anger, * 4. 8. 1935 Windsor (Ontario, Kanada), † 6. 1. 2001 Ulm. Aus einer deutsch-russischen Mennonitenfamilie stammend, die 1920 aus Rußland nach Kanada emigrierte, studierte B.

Geologie an der University of Western Ontario. Nach dem Sieg in einem Gesangwettbewerb des kanadischen Rundfunks ließ er seine Stimme in London (Kanada) und bei Hermann → Geiger-Torel am Konservatorium in Toronto ausbilden. 1961 deb¨utierte er dort als Angelotti in Tosca und wurde Mitglied der Canadian Opera Company. 1963 erhielt B. ein Stipendium f¨ur eine weitere Ausbildung in Wien, trat 1964-67 am Opernhaus in Frankfurt / Main auf und gastierte an der Deutschen Oper am Rhein in D¨usseldorf-Duisburg (1965-68), an der Staatsoper Hamburg (1968-69) und am Opernhaus in K¨oln. Seit 1967 war er Mitglied der Bayerischen Staatsoper M¨unchen. Im selben Jahr gab er den Wolfram im Tannh¨auser an der Mail¨ander Scala und trat als Solist in der Matth¨auspassion von → Bach in Madrid auf. 1969-71 gastierte er u. a. in der Rolle des Grafen in Le Nozze di Figaro an der Covent Garden Opera in London und sang 1989 an der Grand Opera in Paris den Hans Sachs in den Meistersingern. Bis 2000 trat er bei zahlreichen Gastspielen in Opernh¨ausern und bei Festivals in Europa, Japan und Nordamerika auf. B. war auch als Konzert- und Lieders¨anger international erfolgreich. C Kutsch

Braun, Waldemar, Industrieller, Jurist, * 10. 11. 1877 St. Petersburg, † 11. 6. 1954. B., Neffe von Ferdinand → B., studierte Rechts- und Staatswissenschaften an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, Berlin und Marburg und wurde in Heidelberg promoviert. 1900 war er preuß. Gerichtsreferendar in Homburg, Frankfurt / Main und Berlin und seit 1904 Gerichtsassessor. Bis 1906 beurlaubt, bildete er sich im Bankfach fort und unternahm mehrere Studienreisen. 1906-10 war er Gerichtsassessor in Bad Homburg und am Landgericht in Neuwied, seit 1911 Landrichter in Neuwied. 1913 schied er aus dem Staatsdienst aus und wurde Syndikus der Hartmann & Braun AG, 1920 Vorstandsmitglied des Unternehmens und 1939 Vorstandsvorsitzender. B. war 1924-34 Vorsitzender des Verbandes Mitteldeutscher Industrieller, 1934-42 Leiter der Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie und seit 1949 Mitglied des Kuratoriums der Univ. Frankfurt / Main. Braun, Walter, Unternehmer, * 26. 8. 1913 Mannheim, † 27. 11. 1989 N¨urnberg. B. wurde in Berlin und im elterlichen Gesch¨aft zum Kaufmann ausgebildet. 1938 erwarb er eine Hut- und Modewarengroßhandlung mit Hutfabrik in N¨urnberg. Nach der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg und dem Aufbau des kriegszerst¨orten Unternehmens er¨offnete B. 1956 eine Niederlassung in M¨unchen. 1957 wurde er Vorstandsmitglied, 1960 Pr¨asident des Landesverbands des Bayerischen Großund Außenhandels, 1981 Vizepr¨asident des Bundesverbands des deutschen Groß- und Außenhandels. 1963-67 war er Pr¨asidiumsmitglied, 1967-71 Vizepr¨asident und 1971-89 Pr¨asident der Industrie- und Handelskammer N¨urnberg. Seit 1969 geh¨orte B. dem Bayerischen Senat an. 1967 wurde er o¨ sterr. Honorarkonsul f¨ur Ober-, Mittel-, Unterfranken und Oberpfalz. C Bayer Senat Braun, Wernher Frh. von, Raketenkonstrukteur, * 23. 3. 1912 Wirsitz (Westpreußen), † 16. 6. 1977 Alexandria (Virginia, USA). Der Sohn Magnus von → B.s hatte im „Verein f¨ur Raumschiffahrt“ Kontakte mit Hermann → Oberth und Rudolf → Nebel und wurde noch w¨ahrend seines Studiums an der TH Berlin Mitarbeiter Walter → Dornbergers in der vom Heereswaffenamt errichteten Raketenversuchsstelle in Kummersdorf. 1934 wurde er an der Univ. Berlin mit einer Arbeit u¨ ber Konstruktive, theoretische und experimentelle Beitr¨age zu dem Problem der Fl¨ussigkeitsrakete promoviert, die zur geheimen Kommandosache erkl¨art wurde und nicht ver¨offentlicht werden durfte. Die Herstellung der ersten vollst¨andigen Rakete war B. 1933 gelungen, ein Jahr

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Braun sp¨ater erreichten seine A 1- und A 2-Modelle („Max und Moritz“) auf der Nordseeinsel Borkum eine H¨ohe von 2200 Metern. 1937, dem Jahr seines Eintritts in die NSDAP, wurde er technischer Leiter der neugegr¨undeten HeeresVersuchsanstalt in Peenem¨unde, wo im Sp¨atherbst mit dem Start von A 3 die eigentliche Geschichte der deutschen Raketenversuche begann und 1943 die A 4 (sp¨ater V 2) als erste Großrakete der Welt eine vierfache Schallgeschwindigkeit erreichte. Im September 1945 wurde B. mit insgesamt 115 Raketenspezialisten im Rahmen der Aktion „Paperclip“ nach El Paso (Texas, USA) ausgeflogen, wo er – seit 1955 amerikanischer Staatsb¨urger – am Aufbau des Raketenzentrums in Huntsville mitwirkte. 1960 wurde er dort Direktor des George C. Marshall Space Flight Center und entwickelte in den Folgejahren das Saturn-5-Programm, in dessen Rahmen 1969 mit dem Raumschiff Apollo 11 die erste Mondlandung gelang. 1970 wurde B. stellvertretender Direktor der NASA-Planungsabteilung. Als der US-Kongreß die Mittel f¨ur die teure Weltraumfahrt drastisch k¨urzte, resignierte er und wurde Vizepr¨asident beim Luft- und Raumfahrtkonzern Fairchild. B. ver¨offentlichte u. a. Vorstoß zum Mars (1957) und Start in den Weltraum. Geschichte meines Lebens (1962). C Munzinger

Braun, Wilhelm von, Beamter, Geologe, * 1. 10. 1790 Thal bei Ruhla, † 6. 2. 1872 Gotha. B. studierte Kameralwissenschaften in Jena und G¨ottingen und unternahm, finanziell unterst¨utzt durch Herzog August ¨ von Sachsen-Gotha, eine Studienreise durch Osterreich, die Schweiz und Italien. Zur¨uck in Gotha, wurde er KammerAssessor, 1830 Kammerpr¨asident in Anhalt-Bernburg und 1848 Staatsminister. Nach seinem R¨ucktritt widmete er sich vor allem geologischen Forschungen. Das Braunit, ein Hartmanganerz, wurde nach B. benannt. C ADB

Braun, Wunibald (Joseph), Kaufmann, Industrieller, * 20. 9. 1839 Eiterfeld (Kr. H¨unfeld), † 29. 12. 1912 Frankfurt / Main. B., der sich nach kaufm¨annischer T¨atigkeit in Rußland 1878 in Frankfurt / Main niederließ, wurde 1882 stiller Teilhaber der physikalisch-astronomischen Werkst¨atte Eugen → Hartmanns in W¨urzburg. Nach dem Umzug nach Bockenheim 1884 stand das Unternehmen, das nunmehr als „Hartmann & Braun, Fabrik electrotechnischer Apparate, optische Anstalt, physikalisch-astronomische Werkst¨atte“ firmierte und sich auf die Herstellung elektrischer Meßinstrumente spezialisierte, unter der kaufm¨annischen Leitung B.s. 1901 wurde die OHG in eine Aktiengesellschaft umgewandelt; B. u¨ bernahm den Vorsitz im Aufsichtsrat. C Frankf Biogr

Braun-Blanquet, Josias, schweizer. Phytosoziologe, Geobotaniker, * 3. 8. 1884 Chur (Schweiz), † 20. 9. 1980 Montpellier (Frankreich). Der gelernte Kaufmann erhielt ohne Abitur die Erlaubnis zum Studium an der Univ. Montpellier und wurde dort 1915 mit der pflanzensoziologischen Arbeit Les C´evennes m´eridionales. Massif de L’Aigoual promoviert. 1923 habilitierte er sich an der ETH Z¨urich, wurde Assistent am Botanischen Institut Montpellier, dann Konservator am Geobotanischen Institut R¨ubel in Z¨urich sowie Privatdozent f¨ur Botanik an der ETH Z¨urich und schließlich Direktor der Station internationale de g´eobotanique m´editerran´eenne et alpine in Montpellier. B.-B. gilt als Begr¨under der modernen Pflanzensoziologie; seine Systematik der Pflanzengesellschaften fand weltweit Anerkennung, wobei das 1928 erstmals publizierte Werk Pflanzensoziologie. Grundz¨uge der Vegetationskunde (31964) zum Standardwerk des Faches wurde. Zu seinen weiteren Ver¨offentlichungen z¨ahlen Flora von Graub¨unden (1932-36, mit Eduard → R¨ubel),

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¨ Ubersicht der h¨oheren Vegetationseinheiten Mitteleuropas (1943) und Die inneralpine Trockenvegetation (1961). B.B. gab die Zeitschriften „Podromus der Pflanzengesellschaften“ und „Communications de la Station internationale de g´eobotanique m´editerran´eenne et alpine“ heraus und war Ehren- und korrespondierendes Mitglied zahlreicher botanischer sowie naturwissenschaftlicher Vereinigungen, u. a. der Deutschen Botanischen Gesellschaft, der Zoologisch¨ botanischen Gesellschaft in Osterreich, der British Ecological Society und des Consejo superior de Investigaciones cient´ıficas Madrid. C B¨ohm

Braun von Braunthal, Johann Karl Ritter, Pseud. Jean Charles, o¨ sterr. Schriftsteller, * 6. 6. 1802 Eger (B¨ohmen), † 26. 11. 1866 Wien. Nach dem fr¨uhen Tod seines Vaters, eines Tuchfabrikanten, verbrachte B. v. B. seine Jugend in a¨ rmlichen Verh¨altnissen, studierte in Wien und war 1826-29 in Breslau als Erzieher t¨atig. In Berlin zur evang. Kirche u¨ bergetreten, kehrte er 1830 nach Wien zur¨uck und war dort bis 1837 Her¨ ausgeber des „Osterreichischen Musenalmanachs“, zerstritt sich dann jedoch mit Anastasius → Gr¨un. Kurz darauf ging B. v. B. nach Dresden, wo er 1845 Archivar des F¨ursten Colloredo-Mansfeld wurde. Seit 1850 wieder in Wien, war er bis 1855 Bibliothekar der Polizeihofstelle und widmete sich dann ausschließlich seinem literarischen Schaffen. Neben Gedichten, Dramen (Faust, 1835; On Juan, 1842), gesellschaftskritischen (Die Erbs¨unde (1848) und historischen Romanen (Napoleon I. in Wien, 2 Bde., 1860; Neuhof, 3 Bde., 1864) schrieb er u. a. das Textbuch zu Conradin → Kreutzers Nachtlager von Granada (1844). B. v. B. war einer der o¨ sterr. Weggef¨ahrten des „Jungen Deutschland“. C Killy Braun-Feldweg, Wilhelm, Designer, Maler, * 29. 1. 1908 Ulm, † 12. 4. 1998 W¨urzburg. B.-F. wurde 1922-25 zum Stahlgraveur ausgebildet, studierte nach einem Volontariat in einer Stahlwarenfabrik 1927 an der Kunstgewerbeschule und 1928-35 an der Akademie der bildenden K¨unste in Stuttgart (u. a. bei Heinrich → Altherr) und wurde 1938 an der TH Stuttgart promoviert (Christoph Thomas Scheffler, ein Asamsch¨uler, Beitr¨age zu seinem malerischen Werk). Nach der R¨uckkehr aus der Kriegsgefangenschaft seit 1949 Lehrer an der Fachschule f¨ur Edelmetallehre in Schw¨abisch Gm¨und, wurde er 1950 zum Prof. ernannt und war 1958-73 Prof. der industriellen Formgebung an der Hochschule f¨ur Bildende K¨unste in Berlin. B.-F. gilt als ein Wegbereiter des Industriedesigns in Deutschland. Neben Entw¨urfen f¨ur Haushaltsgegenst¨ande vor allem in Glas und Metall schuf er Zeichenmaschinen, Computer und Ger¨ate f¨ur die Photoindustrie. Seit 1975 in W¨urzburg ans¨assig, widmete er sich vor allem der Malerei. B.-F. ver¨offentlichte u. a. Metall. Werkformen und Arbeitsweisen (1950, 2 1968, Nachdr. 1988) und Industrial Design Heute (1966). 1998 erschien Form und Industrie. Wilhelm Braun-Feldweg (hrsg. von Siegfried Gronert). C AKL

Braun von Fernwald, Carl Rudolf Ritter, o¨ sterr. Gyn¨akologe, * 22. 3. 1822 / 23 Zistersdorf (Nieder¨osterreich), † 28. 3. 1891 Wien. Nach dem Medizinstudium in Wien wurde B. v. F., Sohn eines Kreisarztes und Bruder von Gustav von → Braun, 1847 promoviert; er war dann Sekundararzt am Allgemeinen Krankenhaus und 1849-53 Assistent an der Geburtshilflichen Klinik Johann Kleins. 1853 habilitierte er sich und wurde im gleichen Jahr o. Prof. der Geburtshilfe an der Hebammen-Lehranstalt Alle Laste in Trient. Seit 1856 war er als Nachfolger Kleins o. Prof. an der Univ. Wien und Leiter der Geburtshilflichen Klinik, 1867 und 1871 Dekan der Medizinischen Fakult¨at und 1868 / 69 Rektor der Universit¨at. B. v. F. erwarb sich besondere Verdienste um die

Braune praktische Geburtshilfe durch Entwicklung neuer Methoden und Instrumente; er trennte die Gyn¨akologie als eigenes Fach von der Chirurgie und war maßgeblich an der Einrichtung und am Ausbau der Heil- und Lehrst¨atte f¨ur Gyn¨akologie und Geburtshilfe beteiligt. 1857 erschien sein Lehrbuch der Geburtshilfe (21881). 1872 wurde er in den Ritterstand erhoben und erhielt 1877 den Titel Hofrat. B. v. F. war der ¨ Vater von Richard → B. v. F. C Arzte 1

Braun von Fernwald, Richard Ritter, o¨ sterr. Gyn¨akologe, * 25. 11. 1866 Wien, † 25. 8. 1955 Wien. Der Sohn von Carl Rudolf → B. v. F. studierte an der Univ. Wien und wurde dort 1890 als erster Mediziner sub auspiciis imperatoris promoviert. 1890-92 war er an der Chirurgischen Klinik unter Theodor → Billroth und an der Klinik unter seinem Onkel Rudolf → Chrobak t¨atig, 1892-98 als klinischer Assistent an der III. Geburtshilflichen Klinik unter Gustav von → Braun. B. habilitierte sich 1895 f¨ur Geburtshilfe und Gyn¨akologie und war seit 1902 a. o. Prof. sowie Chefarzt des Frauenspitals in Wien. Er ver¨offentlichte u. a. Der Kaiserschnitt bei engem Becken (1894), Ueber Uterusruptur (1894) ¨ und Uber Asepsis und Antisepsis in der Geburtshilfe (1895). ¨ 2, 3 C Arzte

Braun-Prager, K¨athe, Pseud. Anna Maria Brandt, geb. Braun, o¨ sterr. Lyrikerin, * 12. 2. 1888 Wien, † 18. 6. 1967 Wien. Zun¨achst als Bankangestellte, dann als Lehrerin t¨atig, begr¨undete B.-P., Schwester von Felix und Robert → Braun, ¨ 1928 die Literarische Frauenstunde bei der Osterreichischen Radioverkehrs-AG (RAVAG). Seit 1930 organisierte sie Literaturkurse und hielt zahlreiche Vortr¨age, besonders u¨ ber Frauen-Literatur und Philosophie. B.-P. emigrierte 1939 nach Großbritannien, wo sie u. a. eine Vortragsreihe u¨ ber große o¨ sterr. Komponisten hielt, die von der BBC aus¨ gestrahlt wurde. 1951 kehrte sie nach Osterreich zur¨uck ¨ und war als freie Schriftstellerin, Ubersetzerin und Malerin t¨atig. Sie ver¨offentlichte Gedichte (u. a. Bei der Kerze, 1929; Verfr¨uhter Herbst, 1932; Verwandelte Welt, 1956; Die Mondwolke, 1963), Novellen (Heimkehr, 1958) sowie Heimat in der Fremde. Erlebnisse und Erz¨ahlungen aus England (1958, Neuaufl. 1968). B. war mit Hans → Prager verheiratet. C Lex dt-j¨ud Autoren Braun-Vogelstein, Julie, geb. Vogelstein, Schriftstellerin, Kunsthistorikerin, * 26. 1. 1883 Stettin, † 6. 2. 1971 New York. B.-V., Tochter des Rabbiners Heinemann → Vogelstein, studierte 1907-10 Arch¨aologie, Kunstgeschichte, Geschichte und Philosophie an den Universit¨aten Berlin, M¨unchen, Paris, London und Wien. 1919 wurde sie in Heidelberg mit der Arbeit Von franz¨osischer Buchmalerei promoviert. Nach zahlreichen Studienreisen ließ sie sich als freie Schriftstellerin in Berlin nieder. Sie stand in Verbindung mit Adam von → Trott zu Solz. 1935 emigrierte B.-V. nach Frankreich, 1936 in die USA, wo sie sich in New York niederließ. Hier unterhielt sie Kontakte mit der Exil-SPD, der German Labor Delegation und war befreundet mit dem Juristen und Politiker Friedrich → Stampfer. B.-V. machte sich verdient um die Herausgabe der Werke von Heinrich → Braun, mit dem sie seit 1920 verheiratet war, von dessen erster Frau Lily → Braun (Gesammelte Werke, 1923) und deren Sohn Otto (1897-1918). Neben biographischen Werken (u. a. Lily Braun. Ein Lebensbild, 1923; Ein Menschenleben. Heinrich Braun und sein Schicksal, 1932, Neuaufl. unter dem Titel Heinrich Braun. Ein Leben f¨ur den Sozialismus, 1967) ver¨offentlichte sie u. a. Die ionische S¨aule (1921), Art. The image of the West (1952) und Geist und Gestalt in der abendl¨andischen Kunst (1957). 1966 erschienen ihre Memoiren Was niemals stirbt. Gestalten und Erinnerungen. C Wendland

Braunbeck, Gustav, Sportler, Verleger, * 6. 6. 1866 Heilbronn, † 29. 4. 1928. 1890-93 deutscher und Europameister der Niederradkunstmeisterschaften, wandte sich B. seit 1893 dem Motorsport zu. Als Autorennfahrer errang er zahlreiche Preise, dann entdeckte er den Motorbootsport (u. a. Kaiserpreis 1906 und 1907). B. gewann u¨ ber 200 Preise in verschiedenen sportlichen Wettbewerben. 1900 gr¨undete er den Allgemeinen Schnauferl-Club, 1906 den Deutschen Motorboot-Klub, war 1907 Mitbegr¨under des Motor-Yacht-Clubs Deutschland, ferner stellvertretender Pr¨asident des Berliner Auto-Clubs und Mitglied des Aero-Clubs. In seinem Verlag BraunbeckGutenberg erschienen die wichtigsten publizistischen Organe des Motorsports wie z. B. „Das Schnauferl“ (1901), „Das Motorboot“ (1904), „Die Luftflotte“ (1908) sowie seit 1904 die „Deutsche Zeitschrift f¨ur Luftschiffahrt“ und die „Allgemeine Automobil-Zeitung“.

Braunbek, Werner, Physiker, * 8. 1. 1901 Bautzen, † 9. 2. 1977 T¨ubingen. Nach Studien in Stuttgart, M¨unchen und Berlin wurde der examinierte Diplom-Ingenieur 1925 mit der Dissertation Die Funkenverz¨ogerung in ihrer Abh¨angigkeit von Spannung und Ionisation zum Dr.-Ing. promoviert und habilitierte sich im folgenden Jahr an der TH Stuttgart f¨ur theoretische Physik. 1936 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. an die Univ. T¨ubingen, an der er seit 1959 als Ordinarius las. Neben fachwissenschaftlichen Werken wie Die Methoden und Ergebnisse der Atomkernforschung (1949) schrieb B. eine Reihe von B¨uchern, die auch dem Laien das Thema Atomenergie in verst¨andlicher Sprache nahebrachte (Grundbegriffe der Kernphysik, 1958). Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Wenn selbst Atome einfrieren. Physik der tiefsten Temperaturen (1970), Neue Physik. Revolution¨are Ergebnisse der Physik (1973) und Die Physik in der Welt von morgen2 (1975).

Braunburg, Rudolf, Pseud. Bettina Aib, Schriftsteller, Journalist, * 19. 7. 1924 Landsberg / Warthe, † 21. 2. 1996 Waldbr¨ol. Der Sohn eines Schlossermeisters ging 1942 als Pilot zur Luftwaffe. Nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er P¨adagogik und arbeitete als Lehrer in Hamburg. Seit 1955 war er Navigationsoffizier und Flugkapit¨an bei der Lufthansa. Daneben ver¨offentlichte B. zunehmend journalistische Arbeiten, u. a. in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, in „Die Zeit“ und „Transatlantik“. Hinzu kamen Rundfunkbeitr¨age und Unterhaltungsromane aus der Welt der Luftfahrt: Dem Himmel n¨aher als der Erde (1957), Atlantikflug (1964), Zwischenlandung (1970, zuletzt 1981) und Nachtstart (1977, zuletzt 1991). In einem Sachbuch schilderte er die Geschichte der Lufthansa (Kranich in der Sonne, 1978, 3 1991 als Die Geschichte der Lufthansa). Autobiographisch sind die B¨ucher Alle meine Fl¨uge (1965) und Ein Leben auf Fl¨ugeln (1981). C DLL, 20. Jh. Braune, Albert, Mediziner, * 14. 4. 1799 Leipzig, † 12. 9. 1848 Leipzig. B. besuchte die F¨urstenschule in Pforta, studierte seit 1818 Medizin in Leipzig, wurde 1826 promoviert (De certitudine in exercenda arte medica) und habilitierte sich im gleichen Jahr. 1834 wurde er a. o. Prof. der Medizin, 1835 Vorstandsmitglied der Poliklinik f¨ur Innere Krankheiten, 1838 o. Prof. f¨ur allgemeine Therapie und spezielle Arzneimittellehre. B. ¨ war der Vater von Christian Wilhelm → B. 1 C Arzte Braune, Christian Wilhelm, Chirurg, * 17. 7. 1831 Leipzig, † 29. 4. 1892 Leipzig. Der Sohn von Albert → B. begann das Medizinstudium 1851 in Leipzig, studierte sp¨ater in G¨ottingen und W¨urzburg (unter Rudolf → Virchow) und wurde 1856 in Leipzig promo-

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Braune viert (De cutis facultate jodium resorbendi). B. war Assistent an der Medizinischen Klinik in Leipzig, sp¨ater chirurgischer Assistent und habilitierte sich 1860 f¨ur Chirurgie. Bis 1863 unternahm er mehrere Studienreisen, wurde Assistent an der Anatomischen Anstalt in Leipzig und hielt Vorlesungen, u. a. u¨ ber Chirurgie und topographische Anatomie. Er nahm 1864 als Arzt am Feldzug in Schleswig-Holstein teil und war seit 1866 a. o. Prof. der Kriegsheilkunde und topographischen Anatomie. B. verfaßte zahlreiche anatomische Abhandlungen; als eines seiner Hauptwerke gilt ein Topographischanatomischer Atlas, nach Durchschnitten an gefrorenen Cadavern (1867-72). C ADB

Braune, Franz Anton von, o¨ sterr. Botaniker, * 16. 3. 1766 Zell / Pinzgau (Salzburg), † 24. 9. 1853 Salzburg. B. studierte Philosophie, Rechts- und Kameralwissenschaften in Salzburg und wurde 1794 Kanzlist, 1801 Sekret¨ar im Salz- und Bergwesen bei der f¨urstlichen Hofkammer in Salzburg. Er widmete sich vor allem botanischen und topographischen Forschungen in der Gegend um Salzburg und verfaßte u. a. Salzburgische Flora (3 Bde., 1797). B. war Redakteur der „Medicinisch-chirurgischen Zeitung“. C ADB Braune, Hermann, Chemiker, * 2. 12. 1886 Gießen, † 18. 2. 1977 Laatzen bei Hannover. Der Sohn des Philologen Wilhelm Theodor → B. studierte in Heidelberg und Kiel und wurde 1911 in Heidelberg mit der Arbeit Einfluss des Wassers auf Diazoessigesterkatalyse und Ionenspaltung in a¨ thylalkoholischer L¨osung promoviert. Zun¨achst Assistent an der TH Z¨urich, war er seit 1913 Assistent am Elektrochemischen Institut der TH Hannover und leistete 1915-19 Milit¨ardienst. Seit 1919 war B. Privatdozent f¨ur physikalische Chemie an der TH Hannover. 1923 wurde er zum Verwalter der o. Professur f¨ur physikalische Chemie und Elektrochemie an der TH Hannover ernannt; seit 1924 war er a. o. Prof., von 1927 an o. Prof. und Vorstand des Elektrochemischen Instituts (sp¨ater umbenannt in Institut f¨ur Physikalische Chemie). B. wurde 1955 emeritiert. Braune, Paul (Gerhard), evang. Theologe, * 16. 12. 1887 Tornow (Kr. Landsberg / Warthe), † 19. 9. 1954 Bethel (heute zu Bielefeld). B. wuchs in einer Pfarrersfamilie auf studierte seit 1906 an der Theologischen Schule in Bethel, dann in Halle / Saale und in Berlin (1908-10). Anfangs Hilfsprediger in H¨agerm¨uhle (bei Eberswalde), war er seit 1914 Pfarrer in Hohenkr¨anig (bei Schwedt / Oder). 1922 u¨ bernahm er auf Bitten Friedrich von → Bodelschwinghs d. J. die Leitung der Hoffnungstaler Anstalten in Lobetal bei Berlin, eines Zweigs der Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel. Um den Ausbau der Anstalt machte B. sich besonders verdient. Seit 1932 war er Vizepr¨asident des Zentralausschusses f¨ur die Innere Mission. W¨ahrend der Herrschaft der Nationalsozialisten k¨ampfte B. zusammen mit Bodelschwingh gegen das Euthanasie-Programm und war zeitweise in Gestapo-Haft. 1945 wurde er Pr¨asident der Inneren Mission f¨ur die Ostgebiete, Mitglied der Kirchenleitung Berlin-Brandenburg, Vizepr¨ases der Provinzialsynode und Pr¨asidialmitglied der Generalsynode der evang. Kirche in Deutschland. C BBKL Braune, Rudolf, Schriftsteller, Redakteur, * 16. 2. 1907 Dresden, † 12. 6. 1932 bei D¨usseldorf-Oberkassel. Der Sohn eines Eisenbahnbeamten gab 1924 / 25 mit gleichgesinnten Mitsch¨ulern die Zeitschrift „Der Mob“ heraus. Dem dort artikulierten Protest gegen Spießb¨urgertum und die b¨urgerliche Ordnung setzten Schulleitung und Polizei bald ein Ende. B. verließ Dresden in Richtung D¨usseldorf und arbeitete dort als Buchh¨andler. Als Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes fand er Kontakt zur Tageszeitung der Kommunistischen Partei „Freiheit“, die fortan

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zum Forum seiner Gedichte, Kurzgeschichten und Reportagen wurde. Hier erschien 1928 sein erster Roman Der Kampf auf der Kille als Fortsetzung. B. kam bei einem Badeunfall ums Leben. Das M¨adchen an der Orga Privat (1930), ein Beispiel f¨ur die junge proletarisch-revolution¨are Literatur in der Weimarer Republik, landete 1933 auf dem Scheiterhaufen der Nationalsozialisten, die Wiederauflage (1975) blieb ein wenig erfolgreicher Versuch der Neuentdeckung B.s. C Sch¨utz

Braune, Wilhelm Theodor, Germanist, * 20. 2. 1850 Großthiemig / Saale, † 10. 11. 1926 Heidelberg. B., Sohn eines Pfarrers, studierte seit 1869 Klassische und Deutsche Philologie an der Univ. Leipzig, wurde 1872 promoviert (Untersuchungen zu Heinrich von Veldeke) und ha¨ bilitierte sich 1874 (Uber die Quantit¨at der deutschen Endsilben). Zun¨achst Privatdozent und seit 1877 a. o. Prof., folgte er 1880 einem Ruf als o. Prof. der Deutschen Sprache und Literatur an die Univ. Gießen und lehrte 1888-1919 an der Univ. Heidelberg, wo er erster Direktor des GermanischRomanischen Seminars war. B. war 1874-91 und 1907-24 Mitherausgeber der „Beitr¨age zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur“, in denen neben zahlreichen Aufs¨atzen der Junggrammatiker seine Untersuchungen Zur Kenntnis des Fr¨ankischen und zur hochdeutschen Lautverschiebung (1874) und Die Handschriftenverh¨altnisse des Nibelungenliedes (1900) erschienen. Er verfaßte mehrere grammatische Handb¨ucher (u. a. Gotische Grammatik, 1880, 9 1920, zuletzt 181973; Althochdeutsche Grammatik, 1886, 4 1911, 141987) die zu den Standardwerken der Germanistik C IGL geh¨oren. B. war der Vater von Hermann → B. Brauneis, Victor, o¨ sterr. Jurist, Finanzexperte, * 22. 9. 1876 Wien, † 2. 6. 1938 Wien. Nach dem Jurastudium an der Univ. Wien wurde B. 1899 promoviert und trat kurz darauf in die Finanzprokuratur ein. 1901 wechselte er ins Finanzministerium u¨ ber und war dort zun¨achst im Zolldepartement, dann in der Steuersektion und schließlich in der Abteilung f¨ur Staatskredit und W¨ahrungsangelegenheiten t¨atig. 1919 wurde er Ministerialrat und B¨orsenkommissar der Wiener Effektenb¨orse. 1920-22 war er Direktor des o¨ sterr. Kreditinstituts f¨ur o¨ ffentliche Unternehmungen, danach bis zu seinem Tod Generaldirektor ¨ der Osterreichischen Nationalbank. Als Finanzexperte war ¨ B. u. a. Delegationsmitglied f¨ur Osterreich bei den Friedensverhandlungen in Saint-Germain, verhandelte 1919 in Paris ¨ u¨ ber die Reliefkredite f¨ur Osterreich und wirkte bei den Anleiheverhandlungen 1922 in Prag mit.

Brauner, Leo, Botaniker, * 16. 5. 1898 Wien, † 1. 1. 1974 M¨unchen. B. studierte 1919-22 Botanik, Physik und Chemie an den Universit¨aten Wien, Greifswald und Jena und war anschließend Assistent am Botanischen Institut der Univ. Berlin, 1924 an der Univ. W¨urzburg. 1925 habilitierte er sich mit der ¨ Univ. Jena mit der Arbeit Uber die Beziehungen zwischen Reizmenge und Reizerfolg, war als Privatdozent t¨atig und wurde 1932 a. o. Professor. 1933 entlassen, emigrierte B. in die T¨urkei und war bis 1955 Prof. und Direktor des Botanischen Instituts der Univ. Istanbul. Nach Deutschland zur¨uckgekehrt, lehrte B., seit 1960 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, bis zu seiner Emeritierung 1966 als Ordinarius f¨ur Botanik an der Univ. M¨unchen; er war Direktor des Botanischen Instituts der Univ. und des Botanischen Gartens in M¨unchen-Nymphenburg. B.s besonderes Interesse galt der Pflanzenphysiologie; er u¨ berarbeitete Das kleine pflanzenphysiologische Praktikum (2 Tle., 1929-32), das Wilhelm → Detmer begonnen hatte. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren Die Pflanze. Eine moderne

Braunitzer Botanik (1930), Einf¨uhrung in die physikalische Chemie der Pflanzenzelle (1958) und Versuche zur Bewegungsphysiologie der Pflanzen (1966). C BHdE, Bd 2

Braunert, Horst, Althistoriker, * 11. 3. 1922 G¨orlitz, † 19. 8. 1976 Kiel. B. studierte nach der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg seit 1945 Altertumswissenschaften in Bonn, war Sch¨uler von Friedrich → Oertel und wurde 1951 mit einer Arbeit zur Bev¨olkerungsgeschichte des ptolem¨aischen und r¨omischen ¨ Agypten promoviert. In den folgenden Jahren arbeitete er als Assistent am Althistorischen Seminar in Bonn, leitete zusammen mit seiner Frau das Internationale Studentenheim der Univ. und habilitierte sich mit der Schrift Die Binnen¨ wanderung. Studien zur Sozialgeschichte Agyptens in der Ptolem¨aer- und Kaiserzeit. 1962 wurde er zum Wissenschaftlichen Rat an der Univ. Kiel ernannt, wo er seit 1963 eine o. Professur innehatte. 1968 / 69 war er Rektor der Universit¨at. Dar¨uber hinaus engagierte sich B. in der Westdeutschen Rektorenkonferenz und im Wissenschaftsrat. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit waren die Papyrologie, die r¨omische Rechts- und Sozialgeschichte sowie die allgemeine hellenistische Geschichte.

Braunfels, Ludwig, urspr. Lazarus B., Pseud. Quintus ¨ Fixlein, Jurist, Publizist, Ubersetzer, * 22. 4. 1810 Frankfurt / Main, † 25. 9. 1885 Frankfurt / Main. B., Sohn eines Kaufmanns, studierte Philosophie und Philologie in Heidelberg und Rechtswissenschaft in Berlin, wandte sich dann dem Journalismus zu und war bis 1837 Redakteur der „Rhein-Mosel-Zeitung“ in Koblenz. Seit 1838 studierte er Rechtswissenschaften in Bonn; 1842 promoviert, ließ er sich 1843 als Rechtsanwalt in Frankfurt / Main nieder. B. war Mitinhaber und politischer Redakteur der „Frankfurter Zeitung“ (1859-66) und verfaßte Theaterkritiken f¨ur das „Frankfurter Museum“. Als Mitglied der Fortschrittspartei geh¨orte er den Frankfurter Gesetzgebenden K¨orperschaften an. B. schrieb Dramen, u¨ bersetzte franz¨osische und spanische Literatur ins Deutsche (u. a. Moli`ere, Ponsard) und das Nibelungenlied ins Neuhochdeutsche (1846, mit Einleitung und W¨orterbuch). Seine literaturwissenschaftlichen Forschungen konzentrierten sich sp¨ater vor allem auf den Don Quijote. Er trug eine umfangreiche Spezialbibliothek zu diesem Thema zusammen, die nach seinem Tod in den Besitz der Staatsbibliothek Berlin u¨ berging. Eine kritische Ausgabe ¨ mit sprachlichem Kommentar, Ubersetzung und inhaltlichen Erl¨auterungen konnte er nicht fertigstellen, gab jedoch seine ¨ Ubersetzung des Don Quijote 1883 mit Anmerkungen heraus. F¨ur seine Verdienste um die spanische Literatur wurde B. von der spanischen Regierung zum Konsul in Frankfurt ernannt. C Lex dt-j¨ud Autoren Braunfels, Walter, Komponist, * 19. 12. 1882 Frankfurt / Main, † 19. 3. 1954 K¨oln. B. studierte in Frankfurt / Main bei James Kwast, in Wien bei Theodor → Leschetizky und Karl Navr´atil und in M¨unchen bei Ludwig → Thuille und Felix → Mottl. Zun¨achst als freischaffender Pianist und Komponist t¨atig, war er von 1925 bis zu seiner Entlassung 1933 Direktor der Musikhochschule K¨oln. 1933 wurden seine Werke verboten. Seit 1945 war er wieder Direktor, 1947-50 Pr¨asident der Staatlichen Hochschule f¨ur Musik in K¨oln. B. komponierte B¨uhnen- und Orchesterwerke, darunter die Oper Die V¨ogel (1920), geistliche Chorwerke (u. a. Te Deum, 1922), Lieder und Kammermusik (u. a. vier Streichquartette). Er war der Vater von Wolfgang → B. C MGG Braunfels, Wolfgang, Kunsthistoriker, * 5. 10. 1911 M¨unchen, † 5. 3. 1987 Krailling. Der Sohn von Walter → B. studierte Kunstgeschichte in K¨oln, Paris, Florenz und Bonn (Promotion 1937, Fran¸cois

de Cuvillies) und nahm nach einem Aufenthalt bei seinem Großvater Adolf von → Hildebrand in Florenz seit 1940 am Zweiten Weltkrieg teil. 1945-53 war er als Assistent am Wallraf-Richartz-Museum in K¨oln, seit 1949 auch als Lektor f¨ur den Schwann-Verlag in D¨usseldorf t¨atig. 1950 habilitierte sich B. bei Hans Kauffmann in K¨oln (Mittelalterliche Stadtbaukunst in der Toskana, ver¨offentlicht 1953). 1953-65 war er o. Prof. und Direktor des Kunstgeschichtlichen Instituts an der TH Aachen, anschließend bis 1978 als Nachfolger von Hans → Sedlmayr Ordinarius und Vorstand des Kunsthistorischen Seminars an der Univ. M¨unchen. In Forschung und Lehre wandte sich B. sowohl aktuellen Problemen (u. a. Vers¨aumnisse der M¨unchner Stadtplanung) als auch historischen Fragen (Kunst im Heiligen R¨omischen Reich Deutscher Nation, 8 Bde., 1979-81) zu. C Metzler Kunsthistoriker

Braungart, Richard, Agrarwissenschaftler, * 4. 12. 1839 Kissingen, † 7. 4. 1916 M¨unchen. Nach dem Landwirtschaftsstudium in Weihenstephan bei Freising 1856-58 war B., Sohn eines Schneidermeisters, bis 1862 Wiesenbaumeister und Lehrer an der Wiesenbauschule in W¨urzburg. 1863-65 als Kulturingenieur in B¨ohmen t¨atig, war er nebenbei kurze Zeit Dozent f¨ur Bodenkultur in Tetschen-Liebwerd. 1865 wurde er Direktorial-Assistent an er Central-Landwirtschaftsschule in Weihenstephan, 1867 Dozent, 1869 Prof. f¨ur Bodenkunde, Pflanzenproduktionslehre und landwirtschaftliche Ger¨ate- und Maschinenkunde. B. besch¨aftigte sich vor allem mit dem Hopfenbau und der Entwicklung von Landmaschinen. Er war Organisator der 1865-75 durchgef¨uhrten systematischen Pflugpr¨ufungen durch die Weihenstephaner Ger¨atepr¨ufungsstation und schuf damit eine Vorstufe zum sp¨ateren Landmaschinenpr¨ufungswesen. B. ver¨offentlichte u. a. Die Ackerbauger¨athe in ihren praktischen Beziehungen wie nach ihrer urgeschichtlichen und ethnographischen Bedeutung (1881), Die Beurteilung des Hopfens als Braumaterial (1882), Der Hopfen aller hopfenbauenden L¨ander der Erde als Braumaterial (1901) und Die Urheimat der Landwirtschaft aller indogermanischen V¨olker (1912) und regte die Einrichtung eines Ackerbauger¨ate-Museums an. Er war der Vater des Kunstkritikers Richard → B. C B¨ohm

Braungart, Richard, Schriftsteller, Kunstkritiker, * 19. 2. 1872 Freising (Oberbayern), † 20. 2. 1963 M¨unchen. Der Sohn des Agrarwissenschaftlers Richard → B. studierte zun¨achst Jura, dann Kunst, Musik und Literatur an der Univ. M¨unchen. Seit 1903 war er bei der „M¨unchner Zeitung“ f¨ur die Ressorts Kunst und Theater zust¨andig sowie st¨andiger Mitarbeiter u. a. bei „Westermanns Monatsheften“, der „Leipziger Illustrierten Zeitung“ und der Berliner Zeitschrift „Exlibris“. 1946 wurde er Kunstkritiker beim „M¨unchner Merkur“. B. verfaßte kunsttheoretische Schriften und K¨unstlerbiographien (Die drei Br¨uder Schiestl, 1923). C DLL, 20. Jh.

Braunhofer, Karl, Schauspieler, * 1799 Mondsee bei Salzburg, † 17. 5. 1846 Nordhausen bei Hannover. Als S¨anger erfolglos, wandte sich B. der Schauspielerei zu und begann seine Laufbahn in Bamberg. Es folgten Engagements in D¨usseldorf, Detmold und Gastspielreisen durch ganz Deutschland. Seit 1829 spielte er am Hoftheater in Mannheim. Zu seinen Hauptrollen geh¨orten u. a. der Egmont und Hamlet.

Braunitzer, Gerhard, Biochemiker, * 24. 9. 1921 Maribor, † 27. 5. 1989 M¨unchen. B. studierte in Zagreb und Graz Chemie, nahm seit 1944 am Zweiten Weltkrieg teil und kehrte 1946 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zur¨uck. 1950 an der Univ. T¨ubingen

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¨ Braunmuhl ¨ promoviert (Uber die chromatographische Gruppentrennung von Proteinhydrolysaten) wurde er 1956 Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut f¨ur Biochemie in Martinsried. 1963 habilitierte er sich in M¨unchen (Die H¨amoglobinpartikel), wurde dort 1964 a. o. Prof. und 1972 Direktor der Abteilung f¨ur Proteinchemie am Max-Planck-Institut f¨ur Biochemie. B. geh¨orte seit 1969 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und seit 1980 deren Senat an; 1978 wurde er Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. B. bet¨atigte sich vor allem in der H¨amoglobinforschung. Er untersuchte eine große Zahl von verschiedenen Tierarten und gelangte so zu universell anwendbaren Erkenntnissen. Auch etablierte er den „Braunitzer-Gap“. C Jb BAW 1989

Braunmuhl, ¨ (Johann) Anton Edler von, Mathematikhistoriker, * 22. 12. 1853 Tiflis, † 7. 3. 1907 M¨unchen. Nach dem Studium Mathematik und Physik an der TH und der Univ. M¨unchen (1873-77) war B., Sohn eines Architekten, Real- und Gymnasiallehrer f¨ur Mathematik, seit 1884 auch Privatdozent an der TH M¨unchen. 1892 wurde er dort o. Prof. der Mathematik. B. lehrte vor allem synthetische Geometrie, Trigonometrie und algebraische Analyse, seit 1903 auch h¨ohere Mathematik. Sein besonderes Interesse galt der Mathematikgeschichte (u. a. Vorlesungen u¨ ber die Geschichte der Trigonometrie, 2 Bde., 1900-03). B. war neben Moritz → Cantor und Maximilian → Curtze einer der f¨uhrenden Mathematikhistoriker. C NDB Braunmuller, ¨ Benedikt, eigentl. Anton B., Benediktiner, Historiker, * 12. 3. 1825 R¨otz (Oberpfalz), † 12. 6. 1898 M¨unchen. B. studierte in Regensburg und M¨unchen und trat 1850 / 51 in das Benediktinerstift Metten ein. Er war zun¨achst als Studienlehrer in Bayern und Ober¨osterreich t¨atig, dann Direktor des bisch¨oflichen Seminars und seit 1884 Abt von Metten. B. besch¨aftigte sich haupts¨achlich mit historischen Forschungen und verfaßte u. a. Beitr¨age zur Geschichte der Bildung in den drei ersten Jahrhunderten des Christentums (1855). C Leb Regensburg

Braunreuther, Kurt, National¨okonom, Historiker, * 28. 7. 1913 Leipzig, † 19. 7. 1975 Berlin. B. wurde fr¨uh in der Arbeiterjugend t¨atig. Seit 1932 Mitglied der KPD, nahm er 1947 an der Humboldt-Universit¨at in Berlin ein Studium der Wirtschaftswissenschaften auf und wurde 1955 mit einer Arbeit u¨ ber Die Bedeutung der physiokratischen Bewegung in Deutschland in der zweiten H¨alfte des 18. Jahrhunderts promoviert. Nach der Habilitation wurde B. 1960 Prof., 1963 Leiter einer Arbeitsgruppe f¨ur Soziologie am Institut f¨ur Wirtschaftswissenschaften der Akademie der Wissenschaften der DDR. Seit 1969 war er wissenschaftlicher Arbeitsleiter f¨ur das Gebiet „Geschichte und Kritik der b¨urgerlichen Soziologie“ am Zentralinstitut f¨ur Philosophie der Akademie (Studien zur Geschichte der ¨ politischen Okonomie und der Soziologie, 1978). C DDR Brauns, Heinrich, kath. Theologe, Politiker, * 3. 1. 1868 K¨oln, † 19. 10. 1939 Lindenberg / Allg¨au. Der aus einer Handwerkerfamilie stammende B. studierte in Bonn und K¨oln Theologie, in Bonn und Freiburg / Breisgau National¨okonomie sowie Staatswissenschaften und wurde ¨ 1905 promoviert (Der Ubergang von der Handweberei zum Fabrikbetrieb in der Niederrheinischen Samt- und SeidenIndustrie und die Lage der Arbeiter in dieser Periode). 1890-95 war er Kaplan in Krefeld, 1895-1900 Vikar in Borbeck bei Essen. Er wurde Direktor an der Zentralstelle des Volksvereins f¨ur das kath. Deutschland und 1919 in die Weimarer Nationalversammlung, 1920 in den Reichstag gew¨ahlt. B. geh¨orte dem Vorstand der Zentrumspartei an und war

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1920-28 Reichsarbeitsminister. Als engagierter Sozialpolitiker verfaßte er zahlreiche Schriften, u. a. Die christlichen Gewerkschaften (1908), Lohnpolitik (1921) und Wirtschaftskrisis und Sozialpolitik (1924). Sp¨ater war er in der internationalen kath. Arbeiterbewegung aktiv. C Seiters

Brauns, Hermann, Industrieller, * 19. 9. 1838 Forsthaus Selzerturm bei Uslar, † 5. 6. 1911 Eisenach. B., Sohn eines hannoverschen Forstmeisters, studierte zun¨achst Chemie, sp¨ater H¨uttenwesen und wurde 1863 Leiter das Stahlwerkes Krupp in Essen. Dort war er Direktor des ersten Bessemerwerkes in Deutschland, das er selbst technisch ausgestaltete. 1873 wurde er technischer Direktor der Georgs-Marien-H¨utte in Osnabr¨uck, 1877 der Union AG f¨ur Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie in Dortmund. 1885-1902 war B. Generaldirektor der Union Bergbau AG. Besondere Verdienste erwarb er sich durch seine Bem¨uhungen um den Bau des Dortmund-Ems-Kanals und des Dortmunder Hafens. C NDB

Brauns, Julius (Johann Dietrich Adolf), Stenograph, * 8. 1. 1857 Ludwigslust (Mecklenburg), † 24. 2. 1931 Hamburg-Bergedorf. Das Philologiestudium absolvierte B., Sohn eines Tischlers, 1875-78 in Berlin und Greifswald; 1884 wurde er in Kiel promoviert. Zun¨achst Lehrer an verschiedenen Hamburger Schulen, war er seit 1892 Lektor f¨ur romanische Sprachen an der dortigen Universit¨at. Seit 1882 besch¨aftigte er sich mit theoretischen Studien zur Kurzschrift und ver¨offentlichte 1888 ein von ihm selbst ausgearbeitetes System (Entwurf und Begr¨undung eines neuen Schulkurzschrift-Systems und einer auf der Auslautsymbolik beruhenden Schnellschrift, 1888). 1892-1921 gab B. die „Kurzschriftlichen Mitteilungen“ heraus. C NDB

Brauns, Reinhard Anton, Mineraloge, Geologe, * 20. 8. 1861 Eiterfeld bei Kassel, † 28. 1. 1937 Bonn. B., Sohn eines Staatsanwalts, studierte seit 1881 in Marburg, wo er 1885 promoviert wurde. 1887 habilitierte er sich mit der Arbeit Studien u¨ ber den Palaeopikrit von Amelose bei Biedenkopf und dessen Umwandlungsprodukte und lehrte als Privatdozent an der Univ. Marburg, seit 1894 als o. Prof. der Mineralogie und Geologie an der TH Karlsruhe. 1890 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. Seit 1895 war er als Prof. in Gießen, seit 1904 in Kiel t¨atig und 1907-34 Prof. an der Univ. Bonn. 1909 wurde er zum Geheimen Bergrat ernannt. B. erforschte u. a. optische Anomalien der Kristalle. Er war Mitbegr¨under der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft (1908) sowie Redakteur des „Neuen Jahrbuches f¨ur Mineralogie, Geologie und Pal¨aontologie“ und des „Centralblattes f¨ur Mineralogie, Geologie und Pal¨aontologie“. B. ver¨offentlichte u. a. Die optischen Anomalien der Krystalle (1891), Mineralogie (1910, 9 1955) und Vulkane und Erdbeben (1913). C Bonn 8

Braunsberger, Otto, Jesuit, Historiker, * 21. 2. 1850 F¨ussen / Allg¨au, † 27. 3. 1926 Exaten bei Baexem (Niederlande). Nach Studien in Metten, Rom und M¨unchen wurde B. 1874 zum Priester geweiht. Der Promotion 1876 in M¨unchen folgte 1878 der Eintritt in den Jesuitenorden. 1883-86 war er als Sch¨uler Johannes → Janssens mit historischen Studien befaßt. B. verfaßte zahlreiche Schriften zur Geschichte, vor allem zu Leben und Werk des Petrus → Canisius (Entstehung und erste Entwicklung der Katechismen des seligen Petrus Canisius, 1893). C BBKL

Braunschweig, Hansj¨org, schweizer. Politiker, Jurist, * 8. 1. 1930 Basel, † 9. 2. 1999 D¨ubendorf (Kt. Z¨urich). Der Sohn eines Kaufmanns studierte Jura in Genf und Basel, wo er 1956 zum Dr. jur. promoviert wurde (Der internatio-

Braus nale Beamtenschutz nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes vom 11. April 1949 u¨ ber die Wiedergutmachung der im Dienste der Vereinigten Nationen erlittenen Sch¨aden). Nach mehrj¨ahriger T¨atigkeit als Sekret¨ar des Internationalen Zivildienstes arbeitete B. 1962 / 63 f¨ur die Internationale Liga der Rotkreuzgesellschaften in Algerien und 1963-66 f¨ur das Schweizerische Arbeiterhilfswerk. Danach war er bis 1994 Amtsvormund der Stadt Z¨urich. Gleichzeitig engagierte sich der Sozialdemokrat politisch, so im Basler Verfassungsrat, 1968-78 im Z¨urcher Kantonsrat und 1978-90 im Nationalrat. 1976-82 f¨uhrte er die Sozialdemokratische Partei im Kanton Z¨urich an. 1964-75 war B. Pr¨asident des Schweizerischen Friedensrats und leitete 1982-92 die Arbeitsgemeinschaft f¨ur R¨ustungskontrolle. Er ver¨offentlichte u.a. F¨ur die Abschaffung der Milit¨arjustiz (1974) und Freiheit kleingeschrieben (1990). C HLS

Braunschweig, Paul Heinrich, Ophthalmologe, * 6. 10. 1859 Insterburg (Ostpreußen), † 29. 9. 1927. Nach Studien in Jena, K¨onigsberg und Halle wurde B. 1883 promoviert (Ueber heredit¨ar-syphilitische Epiphysenerkrankung) und war dann Assistent bei einem Danziger Augenarzt, sp¨ater am Hygienischen Institut in Berlin und 1887-92 an der Universit¨ats-Augenklinik in Halle unter Albert → Graefe. 1893 habilitierte er sich dort (Die prim¨aren Geschw¨ulste des Sehnerven) und war seit 1902 Professor. B. schrieb u. a. Zur Kenntnis der infantilen Xerosis conjuncti¨ vae (1890). 2 C Arzte

Braunschweig, Saly, schweizer. Unternehmer, * 20. 7. 1891 Solothurn, † 10. 3. 1946 Z¨urich. B., Sohn des Kaufmanns Simon B., f¨uhrte nach dessen fr¨uhem Tod das Familienunternehmen weiter, das er mit seinem Bruder zur Firma A. & S. Braunschweig erweiterte. 1931-46 leitete er wie zuvor sein Vater die Israelitische Cultusgemeinde in Z¨urich. 1943-46 war er Pr¨asident des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes. B. geh¨orte dem Vorstand der Jewish Agency for Palestine und dem Exekutivkomitee des J¨udischen Weltkongresses an. C HLS

Braunstein, Joseph, Musiker, Musikwissenschaftler, * 9. 2. 1892 Wien, † 10. 3. 1996 New York. B. erhielt Geigenunterricht und war Sch¨uler an der von C. Lillich in Wien geleiteten Musikschule. Er studierte Musikwissenschaft an der dortigen Universit¨at, nahm am Ersten Weltkrieg teil, erhielt Kompositionsunterricht bei Arnold → Sch¨onberg und wurde 1920 zum Dr. phil. promoviert. Zun¨achst Substitut an der Wiener Staatsoper, wurde er 1926 Musikredakteur bei „Radio Wien“. 1940 emigrierte B. u¨ ber Italien in die USA, wo er 1950-57 Fachbibliothekar in der Musikabteilung der New York Public Library war. 1957-72 unterrichtete er Musikgeschichte am Mannes College of Music, 1958-81 an der Manhattan School of Music und 1964 / 65 an der Juillard School of Music. Seit 1961 war er Programmleiter der Musica Aeterna Konzerte und seit 1975 Senior Annotator of the Programs of the Chamber Music Society of Lincoln Center. B. ver¨offentlichte u. a. Beethovens Leonore-Ouvert¨uren. Eine historischstilkritische Untersuchung (1927) und Richard Wagner und die Alpen (1928).

Braunthal, Alfred, National¨okonom, * 10. 2. 1897 Wien, † 4. 2. 1980 Boston. B., Sohn eines j¨udischen Buchhalters und Bruder von Bertha und Julius → B., studierte 1917-20 Philosophie, Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Wien und Berlin und wurde 1920 mit der Dissertation Karl Marx als Geschichtsphilosoph zum Dr. phil. promoviert. 1921 arbeitete er als Finanzredakteur der „Leipziger Volkszeitung“ und erhielt im selben Jahr eine Dozentenstelle an der Heimvolkshochschule in Tinz (Th¨uringen), deren Leitung er 1925-28 innehatte. Seit

1929 als Wirtschaftswissenschaftler in der Forschungsstelle f¨ur Wirtschaftspolitik in Berlin t¨atig, emigrierte B. 1933 nach Br¨ussel und ging 1936 in die USA. 1937 wurde er Research Director der Gewerkschaft United Hatters, Cap and Millinery Workers International Union in der American Federation of Labor, 1944 Forschungsbeauftragter der American Labor Conference on International Affairs. 1950 kehrte B. nach Br¨ussel zur¨uck, um die Wirtschafts- und Sozialabteilung des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG) aufzubauen und zu leiten und war 1965-68 Assistent des IBFG-Generalsekret¨ars. Er ver¨offentlichte u. a. Die Entwicklungstendenzen der kapitalistischen Weltwirtschaft (1927, Neuaufl. 1971), Die Wirtschaft der Gegenwart und ihre Gesetze. Ein sozialistisches Lehrbuch der National¨okonomie (1930), Die Weltwirtschaftskrise (1933) und Safeguards Against Oppressive Labor Conditions in Backward Countries (1944). C Hagemann

Braunthal, Bertha, eigentl. B. Clark, Parteifunktion¨arin, * 1. 2. 1887 Wien, † 1967 London. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs Sekret¨arin in den Niederlanden, ging B., Schwester von Julius und Alfred → B., sp¨ater nach Berlin, wo sie Mitglied der Spartakus-Gruppe und der Unabh¨angigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) wurde. Seit 1920 war sie Sekret¨arin f¨ur Frauenpropaganda beim Zentralkomitee der USPD, kurze Zeit sp¨ater auch Mitglied des Zentralkomitees. 1921 nahm sie als Delegierte an der 2. Internationalen Frauenkonferenz in Moskau teil und wurde im gleichen Jahr in das Zentralkomitee der KPD gew¨ahlt. Zusammen mit ihrem Mann William Clark war sie Redaktionsmitglied der „Inprekorr“. Nach der Aufl¨osung der Komintern 1943 arbei¨ tete B. als Ubersetzerin f¨ur die Kommunistische Partei in Großbritannien. C BHdE, Bd 1 Braunthal, Julius, Pseud. Friedrich Otto, F. O., Politiker, Journalist, Schriftsteller, * 5. 5. 1891 Wien, † 28. 4. 1972 London. Nach einer Buchbinderlehre 1905-08 besuchte B., Bruder von Bertha und Alfred → B., die Parteischule der Sozial¨ demokratischen Arbeiterpartei Osterreichs (SDAP). 1918-20 war er im Heeresministerium unter Julius → Deutsch t¨atig, 1919-34 Redakteur der „Arbeiter-Zeitung“, 1923-34 Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Kampf“. 1927 gr¨undete er mit Anton → Jenschik die Zeitung „Das Kleine Blatt“, deren Chefredakteur er bis 1934 war. 1929 wurde er auch Chefredakteur des Wochenblatts „Der Kuckuck“. 1923-34 Mitglied des Reichsvorstandes des Republikanischen Schutzbundes, wurde er 1934 verhaftet, im Anhaltelager W¨ollersdorf gefangengehalten und 1935 ausgewiesen. B. ging nach London, war dort bis 1938 Redakteur bei der „Tribune“ und anschließend bis 1939 Sekret¨ar Friedrich → Adlers in Br¨ussel. 1949-51 war B. Sekret¨ar der Internationalen Sozialistischen Konferenz, 1951 Mitbegr¨under und bis 1956 Sekret¨ar der Sozialistischen Internationale. 1954-72 geh¨orte er dem Vorstand des Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam, an. B. ver¨offentlichte u. a. Die Arbeiterr¨ate in Deutsch¨osterreich (1919), Die Wiener Julitage 1927 (1927), 40 Jahre 1. Mai (1929), Need Germany survive? (1943), In Search of the millenium (1945, dt. Auf der Suche nach dem Millenium, 2 Bde., 1948 / 49, Neuausg. 1964), The tragedy of Austria (1949), Geschichte der Internationale (3 Bde., 1961-72, 31978) und Victor und Friedrich Adler. Zwei Generationen Arbeiterbewegung (1965). C Lex o¨ sterr Exillit Braus, Hermann, Anatom, * 15. 8. 1868 Burtscheid (heute zu Aachen), † 28. 11. 1924 W¨urzburg. B., Sohn eines praktischen Arztes, studierte seit 1888 Medizin in Bonn, Jena, Berlin und Heidelberg (Promotion 1892, Ueber die Rami ventrales der vorderen Spiralnerven einiger

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Brause Selachier) und war dann Assistent in Jena, wo er sich 1896 habilitierte (Untersuchungen zur vergleichenden Histologie der Leber der Wirbelthiere). 1899-1901 war er Prosektor bei Albert von → Koelliker in W¨urzburg, sp¨ater in Heidelberg, wurde dort a. o. Prof. und u¨ bernahm als Nachfolger Max → F¨urbringers 1912 den Lehrstuhl f¨ur Anatomie. 1921 folgte er einem Ruf als Prof. nach W¨urzburg. Basierend auf seinen vergleichend-anatomischen Forschungen, gelang B. die Entwicklung einer Methode embryonaler Transplantation von Gliedmaßenknospen. Als sein Hauptwerk gilt Anatomie des Menschen (Bd. 1-2, 1921-24, 3. Bd. von Curt Elze vollendet). B. wurde 1924 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. C NDB

Brause, Johann Georg Emil von, Milit¨ar, * 14. 12. 1774 Stettin, † 10. 4. 1836 Berlin. B. besuchte seit 1788 die Acad´emie militaire und war sp¨ater Generalstabsoffizier. 1813 wurde er zun¨achst Gouverneur des Prinzen → Wilhelm von Preußen und Adjutant des Generalgouverneurs zwischen Elbe und Oder, dann Verbindungsoffizier im Hauptquartier des Kronprinzen von Schweden. Seit 1814 wieder Gouverneur des Prinzen Wilhelm von Preußen, wurde B. 1817 mit dem Kommando des Kadettenkorps betraut. Seit 1818 war er Oberst, seit 1825 Generalmajor und seit 1834 Direktor der Allgemeinen Kriegsschule in Berlin. C Priesdorff, Bd 4 Brauser, August Georg, Mediziner, * 4. 9. 1833 Regensburg, † 26. 1. 1901 Regensburg. Nach dem Medizinstudium in Erlangen, W¨urzburg, Leipzig und Berlin wurde B. 1858 promoviert (Ein Fall von operativ behandelter Epispadiasis), war bis 1858 Assistent an der Chirurgischen Klinik in Erlangen und ließ sich dann als praktischer Arzt in Regensburg nieder. Er verfaßte u. a. Ein Fall von Croup, durch den Luftr¨ohrenschnitt geheilt (1866) und Ein Wort u¨ ber o¨ ffentliche Gesundheitspflege (1876). Als Mitglied des gesch¨aftsf¨uhrenden Ausschusses des deutschen ¨ Arztevereinsbundes (bis 1894) ver¨offentlichte B. zahlreiche Schriften zu Vereins- und Standesfragen. Seit 1889 war er ¨ k¨oniglich bayerischer Hofrat. 1 C Arzte

Brausewetter, Art(h)ur (Friedrich Leon), Pseud. A. Sewett, Friedrich Leoni, Schriftsteller, * 27. 3. 1864 Stettin, † 26. 12. 1946 Heidelberg. Der Sohn eines Kaufmanns studierte evang. Theologie und Philosophie in Berlin und Bonn. Seit 1890 Pfarrer in Reichenberg im Danziger Werder, wurde er 1893 Diakon in Danzig, 1911 dort Archidiakon und 1934 in Zoppot. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte er als freier Schriftsteller in Heidelberg. Neben Unterhaltungsromanen (Wer die Liebe liebt wie Du, 1916; Tore o¨ ffnen sich, 1936; Der Ruf der Heimat, 1937) verfaßte B. nationalkonservative Schriften zur Politik (Danzig deutsch und treu, 1933) und Essayistisches (Die Weltanschauung als Erlebnis, 1920; Die Kulturaufgabe des deutschen Theaters, 1921; Eine neue Kirche, 1933). C Altpreuß Biogr, Bd 3 ¨ Brausewetter, Ernst, Ubersetzer, * 2. 6. 1863 K¨onigsberg, † 31. 10. 1904 Berlin. Zun¨achst Buchh¨andler in K¨onigsberg, unternahm B. zahlreiche Studienreisen ins Ausland, vor allem in die skandinavischen L¨ander. Seit 1894 lebte er in Berlin, wo er als ¨ Redakteur und Ubersetzer t¨atig war. Er u¨ bersetzte haupts¨achlich skandinavische Literatur ins Deutsche, u. a. Werke von Strindberg, Garborg und Hedberg, und verfaßte literaturtheoretische Schriften (u. a. Finnland im Bilde seiner Dichtung und seiner Dichter, 1900). C Altpreuß Biogr, Bd 1

Brausewetter, Otto (Friedrich), Maler, * 11. 9. 1835 Saalfeld (Ostpreußen), † 8. 8. 1904 Berlin. B. studierte an der Kunstakademie in K¨onigsberg und war dann in Frankfurt / Main und M¨unchen t¨atig, 1860-69 ab-

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wechselnd in K¨onigsberg und Danzig. 1869 ließ er sich in Berlin nieder, wo er seit 1882 an der Kunstakademie lehrte, seit 1888 als Professor. B. malte haupts¨achlich Geschichts- und Genrebilder; als eines seiner Hauptwerke gilt das Gem¨alde General von Yorks Ansprache an die ostpreußischen St¨ande am 5. 2. 1813 (f¨ur den Sitzungssaal des C AKL preuß. Provinziallandtags K¨onigsberg, 1888).

Brauweiler, Arnold von, Politiker, * um 1473, † 4. 7. 1552 K¨oln. B. schloß das 1484 begonnene Studium an der Univ. K¨oln nicht ab, widmete sich statt dessen dem Tuchhandel, wurde 1510 in den Rat gew¨ahlt und amtierte seit 1516 als B¨urgermeister von K¨oln. 1526 war er als Abgesandter der Stadt auf dem Reichstag in Speyer. B. trat bei der Organisation des Widerstandes der Stadt gegen die Pl¨ane des Erzbischofs Hermann von → Wied hervor, um im K¨olner Erzstift die Reformation einzuf¨uhren. B. war Kuratoriumsmitglied der K¨olner Universit¨at. C ADB

Brauweiler, Heinz, Publizist, * 1. 1. 1885 M¨onchenGladbach, † 1976 Berlin. Nach dem Jurastudium an der Univ. Bonn wurde B., Sohn eines Oberlandmessers, in Erlangen promoviert, war in Aachen und Elberfeld journalistisch t¨atig und ging als politischer Redakteur der „Zentrums-Parlaments-Correspondenz“ nach Berlin. 1911-13 war er Chefredakteur der „Westdeutschen Volkszeitung“ in Hagen (Westfalen) und 1913-20 des „D¨usseldorfer Tagblatts“. 1920 geh¨orte er zu den Begr¨undern der „Vereinigung f¨ur st¨andischen Aufbau“ und gab die „Bl¨atter f¨ur st¨andischen Aufbau“ heraus. B. war Leiter der politischen Abteilung des „Stahlhelm“ und 1932 / 33 Dozent an der Hochschule f¨ur Politik in Berlin. C DLL, 20. Jh.

Brauweiler, Roland Heinrich Wilhelm, Beamter, * 27. 7. 1879 Trier, † 6. 9. 1935. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und der National¨okonomie in Genf, M¨unchen, Berlin und Bonn war B. in Trier, Potsdam, Heydekrug (Ostpreußen) und Oppeln (Oberschlesien) t¨atig. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er Landrat im Kreis Lublinitz (Oberschlesien), 1921 Regierungspr¨asident in Oppeln, 1923 in Marienwerder (Westpreußen). 1925 schied B. aus dem Staatsdienst aus und war seit 1926 gesch¨aftsf¨uhrendes Pr¨asidialmitglied der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverb¨ande, Berlin, sowie Mitglied des vorl¨aufigen Reichswirtschaftsrates.

Brawand, Samuel, schweizer. Politiker, * 18. 5. 1898 Grindelwald (Kt. Bern), † 11. 7. 2001 Grindelwald. Der Sohn eines Bergf¨uhrers versuchte sich nach seiner Ausbildung am Lehrerseminar in Hofwil in verschiedenen Berufen. Neben T¨atigkeiten als Lehrer und Viehz¨uchter in Grindelwald war er als Bergf¨uhrer und Bergsteiger (mehrere Erstbesteigungen) t¨atig. B. war Mitglied des Gemeinderats in Grindelwald, 1933-35 Berner Großrat, 1935-47 und 1955-67 Nationalrat und 1947-62 Regierungsrat f¨ur Bau und Eisenbahn. Er u¨ bernahm das Amt des Pr¨asidenten der Eidgen¨ossischen Straßenbau-Kommission, geh¨orte der Internationalen Simplonkommission an, war Direktor der BernL¨otschberg-Simplon-Bahn AG (1962-68) und Pr¨asident der Oberhasli-Kraftwerke. Daneben ver¨offentlichte B. mehrere B¨ucher u¨ ber die Grindelwalder Mundart, u. a. GrindelwaldDytsch. Sterbende W¨orter der Muttersprache (1977), Nah Fyraben. Grindelwalder Mundart, Anekdoten, Erinnerungen (1982, 21998) und Weischt was d seischd? Grindelwaldtytsch (1988). 1962 erhielt er die Ehrendoktorw¨urde der Univ. Bern. C HLS

Brecht Brawe, Joachim Wilhelm von, Schriftsteller, * 4. 2. 1738 Weißenfels, † 7. 4. 1758 Dresden. B., Sohn eines s¨achsischen Beamten, besuchte 1750-55 die F¨urstenschule Schulpforta und studierte seit 1755 Rechtswissenschaften in Leipzig. Dort war er u. a. befreundet mit Ewald von → Kleist, Christian Felix → Weiße und → Lessing. Nach dem Vorbild von Lessings Miß Sara Sampson (1755) schrieb er ein b¨urgerliches Trauerspiel in Prosa Der Freygeist (Erstdruck 1758 im Anhang zur Bibliothek der sch¨onen Wissenschaften; 1767 als Einzelausgabe). B.s Drama Brutus (entstanden 1757 / 58; Erstdruck in Trauerspiele Brawes, 1768) gilt durch die Verwendung des Blankverses als wegbereitend f¨ur die Abl¨osung des Alexandriners durch den f¨unff¨ußigen Jambus im klassischen deutschen Drama. C Killy Braxein, Fabian Abraham von, Politiker, * 27. 9. 1722 Rittergut Banners bei Liebstadt (Ostpreußen). Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in K¨onigsberg trat B. in den preuß. Staatsdienst ein. Seit 1746 Hofgerichtsrat, wurde er 1751 anl¨aßlich der Generaljustizreform Oberappellationsrat. Als Preußen von russischen Truppen besetzt wurde, ging er 1757 mit der preuß. Regierung nach Danzig, kehrte jedoch bald als Tribunalrat und Mitdeputierter der Ritterschaft zur¨uck. Nach dem Frieden wurde er 1763 zum Etats- und Kriegsminister ernannt.

Bray, Fran¸cois Gabriel Graf von, Diplomat, * 25. 12. 1765 Rouen (Frankreich), † 3. 9. 1832 Irlbach (Niederbayern). Zun¨achst Diplomat des Malteserordens, trat B. unter Kurf¨urst → Maximilian IV. Joseph in bayerische Dienste. 1801-07 war er Gesandter Bayerns in Berlin, seit 1808 in St. Petersburg und 1822-27 in Paris. Er galt als einer der wichtigsten außenpolitischen Berater des Grafen → Montgelas. Unter K¨onig → Ludwig I. war B. 1827-31 Gesandter in Wien, verscherzte sich jedoch die Sympathien des K¨onigs, als er auf Anregung → Metternichs versuchte, ihn gegen den B¨urgerk¨onig Louis Philippe einzunehmen. B. verfaßte u. a. M´emoires du comte Fran¸cois Gabriel de Bray (1811) und Essai critique sur la histoire de la Livland (1817). Er war der Vater von Otto Graf von → BraySteinburg. C NDB Bray-Steinburg, Hippolyt Graf von, Diplomat, * 18. 8. 1842 Athen, † 7. 3. 1913 M¨unchen. B.-S., Sohn von Otto → B.-S., studierte Rechtswissenschaften in Bonn und M¨unchen, trat 1866 in den bayerischen Staatsdienst und war seit 1868 an der Gesandtschaft in London, sp¨ater in Berlin t¨atig. 1871 in das Ausw¨artige Amt des Reiches u¨ bernommen, war er zun¨achst Sekret¨ar in Konstantinopel, Wien und London, seit 1876 Generalkonsul in Belgrad. 1878 wurde er Ministerresident, 1882 kaiserlicher Gesandter in Belgrad, 1892 in Lissabon. 1895 war B.-S. Gesandter in Stockholm, seit 1897 in Bukarest. 1900 schied er aus dem Staatsdienst aus. B.-S. hatte einen erblichen Sitz im bayerischen Reichsrat.

Bray-Steinburg, Otto (Camillus Hugo Gabriel) Graf von, Diplomat, Politiker, * 17. 5. 1807 Berlin, † 9. 1. 1899 M¨unchen. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in G¨ottingen und M¨unchen trat B.-S., Sohn von Fran¸cois Gabriel Graf von → Bray, in den diplomatischen Dienst Bayerns ein und war zun¨achst in Wien, Paris und Athen t¨atig. 1843-59 hielt er sich als Gesandter in St. Petersburg auf, 1846 / 47 und 1848 / 49 unterbrochen durch seine Berufung zum Außenminister. 1859 / 60 war er Gesandter in Berlin, dann in Wien und folgte 1870 einem Ruf K¨onig → Ludwigs II., um abermals das Außenministerium sowie den Vorsitz im Ministerrat zu u¨ bernehmen. Er machte sich vor allem bei den Verhand-

lungen um den Eintritt Bayerns in den Norddeutschen Bund verdient und konnte Bayern wichtige Sonderrechte sichern. Als Gegner der bayerischen Kulturkampfpolitik nahm B.-S. 1871 seinen Abschied als Außenminister und war bis 1897 erneut bayerischer Gesandter in Wien. Er war der Vater von C NDB Hippolyt → B.-S.

Brechbuhl, ¨ Otto, schweizer. Architekt, * 9. 7. 1889 Saignel´egier (Kt. Bern), † 12. 3. 1984 Bern. Nach einem Architekturstudium am Technikum in Biel arbeitete B. seit 1910 in Berlin bei Otto Rudolf → Salvisberg. 1922 entstand mit B. als Partner in Bern eine schweizer. Filiale von dessen B¨uro. B. entwarf in den n¨achsten Jahrzehnten mehrere Krankenhausbauten, u. a. 1926-29 in Bern (Lory-Spital) und 1934 in Pruntrut. Hinzu kamen Projekte wie das S¨auglings- und M¨utterheim Elfenau (1928-30). Seine dem Neuen Bauen verpflichtete Linie mit Schwerpunkt auf Spit¨alern f¨uhrte B. auch seit 1958 fort, als er mit Johannes → Itten ein Architekturb¨uro gr¨undete, das sp¨ater in eine C AKL Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Brecher, Gustav, Dirigent, Komponist, Musikschriftsteller, * 5. 2. 1879 Eichwald bei Teplitz-Sch¨onau, † Mai 1940 auf See, N¨ahe Ostende (Belgien). B. begann seine Dirigentenlaufbahn 1899 als Volont¨ar am Leipziger Stadttheater, ging 1900 an die Wiener Hofoper und war 1902 am Stadttheater in Olm¨utz, seit 1903 am Hamburger Stadttheater. 1911 wurde er erster Kapellmeister an der K¨olner Oper und ging 1916 an die Oper in Frankfurt / Main. 1921-23 war er Lehrer am Sternschen Konservatorium in Berlin, 1923-33 Generalmusikdirektor und Operndirektor in Leipzig. B. komponierte neben zahlreichen Liedern u. a. die Sinfonie Aus unserer Zeit (1897) und war als Musik¨ schriftsteller t¨atig (Opern-Ubersetzungen, 1911); er arrangierte und dirigierte die Urauff¨uhrung von Ernst → Kreneks Jonny spielt auf (1927) und Kurt → Weills Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1930). Auf der Flucht vor den Nationalsozialisten nahm er sich zusammen mit seiner Frau Gertrude Deutsch das Leben. C Fellerer, 6. Folge Brecht, Arnold, Politiker, Politikwissenschaftler, * 26. 1. 1884 L¨ubeck, † 11. 9. 1977 Eutin (SchleswigHolstein). Nach dem Jurastudium in Bonn, Berlin und G¨ottingen wurde B., Sohn eines Juristen und Bruder von Gustav → B., 1906 in Leipzig promoviert, 1910 Assessor, 1914 Landrichter und 1918 Regierungsrat im Reichswirtschaftsministerium. Im selben Jahr kam er als Referent und Schriftf¨uhrer der Kabinettssitzungen in die Reichskanzlei und wurde 1919 Vortragender Rat. Seit 1921 war B. Ministerialdirektor in der Abteilung f¨ur Verfassung, Verwaltung und Beamtentum des Reichsinnenministeriums. 1927 in den Dienst der preuß. Regierung u¨ bergetreten, war er deren Bevollm¨achtigter im Reichsrat. Nach dem sog. Preußenschlag 1932 vertrat er Preußen vor dem Staatsgerichtshof. Nach seiner Erwiderung auf die Antrittsrede → Hitlers im Reichstag 1933 wurde B. entlassen und kurzfristig in Haft genommen. Er emigrierte nach New York, wo er bis 1953 als Prof. f¨ur Staats- und Finanzwissenschaften an der New School for Social Research lehrte. An der Schaffung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland war B. als Berater beteiligt. Seine Arbeit Political theory (dt. Politische Theorie, 1961) wurde 1960 mit dem Woodrow Wilson Foundation Award f¨ur das beste politikwissenschaftliche Buch des Jahres 1959 ausgezeichnet. B.s Memoiren erschienen in zwei B¨anden (Aus n¨achster N¨ahe. Lebenserinnerungen 1884-1927, 1966; Mit der Kraft des Geistes. Lebenserinnerungen zweite H¨alfte 1927-1967, 1967). C SHLB, Bd 7

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Brecht Brecht, Bertolt, auch Bert B., eigentl. Eugen Berthold Friedrich B., Pseud. Berthold Eugen, Kin-jeh, Schriftsteller, Regisseur, * 10. 2. 1898 Augsburg, † 14. 8. 1956 Berlin. Als Sohn des kaufm¨annischen Angestellten Berthold B. und seiner aus Schwaben stammenden Ehefrau Sophie Brezing wuchs B. in einfachen b¨urgerlichen Verh¨altnissen auf, an denen sich nur wenig a¨ nderte, als der Vater zum Prokuristen und kaufm¨annischen Direktor (1914) der Haindlschen Papierfabrik in Augsburg aufstieg. Literarische Anregungen bekam er weder vom Elternhaus, in dem es kaum B¨ucher gab, noch durch die Schule, die B. als durchschnittlicher Sch¨uler absolvierte. Nach dem Abitur 1917 schrieb sich B. in M¨unchen als Student der Medizin und der Naturwissenschaften ein, ohne jedoch ernsthaft sein Studium aufzunehmen (1921 exmatrikuliert). Er war zu dieser Zeit bereits entschlossen, seine dichterischen Neigungen beruflich zu verfolgen. Er verfaßte Theaterkritiken und besuchte das Theaterseminar von Artur → Kutscher, das ihn zu seinem ersten Drama Baal anregte. Es gelang ihm, mit verschiedenen Verlagen Vertr¨age u¨ ber seine Werke (weitgehend unfertige Projekte) abzuschließen (Kiepenheuer, Ullstein). Die Abenteuererz¨ahlung Bargan l¨aßt es sein (1921 publiziert) machte B. erstmals u¨ berregional bekannt. Mit seinem Drama Trommeln in der Nacht, 1922 in M¨unchen uraufgef¨uhrt, wurde er zum Geheimtip eines kritisch-engagierten, links orientierten Theaters. Vom Erfolg stimuliert, sah er nur noch die Metropole Berlin als die ihm angemessene Wirkungsst¨atte an und siedelte, nachdem er schon seit 1921 Kontakte zu Berliner Theatern aufgenommen hatte, 1924 in die Hauptstadt um. Am Deutschen Theater (Max → Reinhardt) erhielt er die Stelle eines Dramaturgen und damit die M¨oglichkeit, seine St¨ucke zu inszenieren. Freundschaften mit linksgerichteten K¨unstlern und Publizisten (Arnolt → Bronnen, George → Grosz, Fritz → Sternberg, Sergej Tretjakow u. a.) vertieften seine gesellschaftskritische Distanz zur Weimarer Repu¨ blik. Uber den Marxismus suchte er Antworten auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Widerspr¨uche der Zeit zu finden und diese a¨ sthetisch zu gestalten (Freundschaft mit Karl → Korsch). Obgleich er mit den revolution¨aren Zielen der Kommunisten sympathisierte und sie, stets auf Parteikritik stoßend, in seinen St¨ucken („Lehrst¨ucke“, Heilige Johanna der Schlachth¨ofe, Die Mutter) auch eigenwillig propagierte, war er nie Mitglied der KPD und vertrat auch nie ihr Programm. Am Tag nach dem Reichstagsbrand ging B. mit seiner Familie in die Emigration. Nach verschiedenen Stationen – Prag, Schweiz, Paris – siedelte er sich von 1933 bis 1939 in D¨anemark (Insel F¨unen, Svendborg) an. 1935 wurde ihm die deutsche Staatsb¨urgerschaft aberkannt. Vom Publikum und von der praktischen Theaterarbeit abgeschnitten, begann die reichste Phase seiner poetischen Produktion. Sie stand fast ausschließlich im Dienst des antifaschistischen Kampfes, den er gemeinsam mit Walter → Benjamin, Karl Korsch, Hanns → Eisler u. a. in seinem Werk f¨uhrte. An der ¨ Offentlichkeitsarbeit beteiligte sich B. z. B. durch die Redaktion an der Moskauer Exilzeitschrift „Das Wort“, in der ¨ er auch seine Arbeiten publizierte. Uber Schweden (1939) und Finnland (1940 / 41) fl¨uchtete er in die USA (Santa Monica, 1941-47), um dort als Drehbuchautor zu arbeiten. Als Autor und St¨uckeschreiber konnte er sich in den USA nicht durchsetzen. Die erfolgreiche Theaterarbeit mit Charles Laughton am Galilei (1945-47) blieb Episode. Statt

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dessen setzte er seine schriftstellerische Arbeit – u. a. mit Lion → Feuchtwanger, Heinrich → Mann, Eric Bentley, besonders auch mit den Komponisten Hanns Eisler und Paul → Dessau – mit Blick auf das Kriegsende und die R¨uckkehr nach Deutschland fort. Die R¨uckkehr erfolgte 1947 u¨ ber Z¨urich, Prag nach Berlin (Ostsektor), wo B. bis zu seinem Lebensende lebte und arbeitete. Mit seiner 1950 erworbenen o¨ sterr. Staatsb¨urgerschaft wollte er sich – trotz seiner Entscheidung f¨ur den propagierten Aufbau des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik – f¨ur das gesamte Deutschland, an dessen Wiedervereinigung er bis zuletzt geglaubt hat, offen halten. 1949 gr¨undete B.s zweite Ehefrau Helene → Weigel das „Berliner Ensemble“, das seit 1954 unter ihrer Leitung im Theater am Schiffbauerdamm arbeitete. Mit ihm bot sich die M¨oglichkeit, mit Modell-Inszenierungen seiner und fremder St¨ucke seine Vorstellungen von einem neuen „epischen Theater“ zu realisieren. 1950 wurde er Mitglied der Deutschen Akademie der K¨unste in Berlin (Ost). Nach dem 17. 6. 1953 zog er sich, entt¨auscht vom Funktion¨arsstaat der DDR, in dem er den „alten Naziapparat“ wirken sah, und von der mangelnden Beteiligung der „Weisheit des Volkes“ am Aufbau des sogenannten Sozialismus, nach Buckow zur¨uck, beteiligte sich aber weiterhin an der Theaterarbeit im Berliner Ensemble und mit zahlreichen Aufrufen an der Erhaltung des Friedens. B. geh¨ort zu den singul¨aren Erscheinungen der deutschsprachigen Literatur des 20. Jahrhunderts. Obgleich seine Bedeutung und Wirkung im wesentlichen auf den Dramen beruhen und er sich selbst in erster Linie als „St¨uckeschreiber“ verstand, umfaßt sein Werk alle Gattungen der Literatur der Zeit: Lyrik (etwa 2800 Gedichte), Erz¨ahlung (u. a. die Kalendergeschichten, 1949), Roman (Dreigroschenroman, 1934), Epos (Versifizierung des Kommunistischen Manifests von → Marx und → Engels, 1945), Autobiographie (in Form von Journalen, 1938-55), literatur-, theatertheoretische und philosophisch-gesellschaftliche Schriften, sowie Arbeiten f¨ur die Medien H¨orfunk („Radiolehrst¨uck“, 1927), Film (Kuhle Wampe, 1930, Drehb¨ucher im USA-Exil) und theaterpraktische Arbeit. Das poetische Werk pr¨asentiert sich als Zeitdichtung. Fast alle Werke B.s, der sich damit u. a. in der Tradition Shakespeares sah, stellen Gegenentw¨urfe zu bereits Vorhandenem (Tradition) und zugleich Auseinandersetzungen mit Ereignissen der Zeit dar. Ihre abschließende G¨ultigkeit und damit ihre prinzipielle Abgeschlossenheit als autonome Kunstwerke bestritt B. dadurch, daß er sie als Versuche (Name der Publikationsreihe der Werke seit 1930) deklarierte, die er bei allen sich bietenden M¨oglichkeiten bearbeitete, ver¨anderte und aktualisierte. Deshalb liegen viele seiner großen St¨ucke in mehreren – z. T. radikal ver¨anderten – Fassungen vor (z. B. Leben des Galilei in drei großen Fassungen von 1938 / 39, 1947 und 1955 / 56). Auch die Lyrik arbeitete B. f¨ur Ausgaben oder Drucke um und faßte sie teilweise neu. Andere – auch gr¨oßere und bedeutende – Arbeiten blieben im Entwurf stecken: das philosophisch-poetische Werk Buch der Wendungen (1934-55), der satirische Tuiroman (1931-37) u¨ ber die verh¨angnisvolle Rolle der Intellektuellen im Deutschland der zwanziger und dreißiger Jahre und die theatertheoretische Schrift, die zugleich als auff¨uhrbares St¨uck gedacht war, Der Messingkauf (1948-55). Sie gewinnen wie andere bedeutende Werke der modernen Avantgarde (z. B. → Kafkas Romane, → Musils Mann ohne Eigenschaften) gerade als Fragmente ihre eigentliche Bedeutung. Offenheit, Ver¨anderung und Ver¨anderbarkeit sind die grundlegenden Kategorien f¨ur B.s Werk und seine Inhalte. B.s Werk l¨aßt sich in drei Perioden einteilen. 1. (1918-33): ¨ Nach lyrischen und zeitkommentierenden poetischen Ubungen beginnt 1918 mit dem dramatischen Erstling Baal

Brecht (1. Fassung) das haltbare und wirksam werdende dichterische Werk B.s, das durch eine eigenwillige satirischzeitkritische Poesie gekennzeichnet ist. Es ist zun¨achst noch vor allem lyrisch orientiert (auch Baal ist Lyriker) und durch zahlreiche Gedichte der produktiven Jahre 1918-23 ausgezeichnet. Da B. zugleich komponierte und seine Verse zur Klampfe sang – mit nachhaltigem Publikumserfolg (auch im Kabarett der Zeit) –, setzte er seine Gedichte vor allem als gesungene Lieder durch (Erinnerung an die Marie A. als Parodie auf einen Schlager der Zeit), was sich in den sp¨aten zwanziger und fr¨uhen dreißiger Jahren fortsetzte in der Zusammenarbeit mit Kurt → Weill, Paul → Hindemith und Hanns Eisler (u. a.): mit den sogenannten Lehrst¨ucken (z. B. Der Flug der Lindberghs, 1927; Die Maßnahme, 1929-31), mit der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1927-30), einem der nachhaltigsten B¨uhnenskandale der Weimarer Republik, und mit der legend¨aren Dreigroschenoper (1928), die B.s und Kurt Weills gr¨oßten B¨uhnenerfolg der Vorkriegszeit bedeutete. Diese erste Periode ist bestimmt durch zunehmende politisch-engagierte Kritik an den gesellschaftlichen Verh¨altnissen der Weimarer Republik – am deutlichsten im St¨uck Die heilige Johanna der Schlachth¨ofe (1930) – und durch die Warnung vor der Macht¨ubergabe an die Nationalsozialisten (zahlreiche Kampflieder wie z. B. Das Solidarit¨atslied), in der B. schon Ende der zwanziger Jahre Barbarei und Krieg beschlossen sah. 2. (1933-47): Obgleich B. in den ersten Exiljahren noch in der Lage war, in Paris 1933, 1937 und 1938 (Die sieben Tods¨unden der Kleinb¨urger, Gewehre der Frau Carrar, Furcht und Elend des III. Reiches) oder in Kopenhagen und Prag 1938 (Die Gewehre der Frau Carrar) seine St¨ucke spielen und so publikumswirksam werden zu lassen, entstanden seine als klassisch angesehenen Werke weitgehend als Arbeiten f¨ur die Schublade. Mit Mutter Courage und ihre Kinder schrieb B. 1939 sein klassisches Antikriegsst¨uck, zu dem er 1949 eine Modell-Inszenierung entwickelte und das ihm in den fr¨uhen f¨unfziger Jahren zum Weltruf verhalf (durch die Auff¨uhrungen des Berliner Ensembles 1951 und in Paris 1954). Der gute Mensch von Sezuan (1939-41) bildet das Modellst¨uck des epischen Theaters in der Form einer experimentellen Parabel, in die B. traditionelle Theatertechniken der Commedia dell’arte und Shakespeares integriert und in der er musterhaft seine „Verfremdungseffekte“ einsetzt; „Verfremdung“ verstanden als Fremdmachen des Bekannten und Vertrauten, um „Staunen und Neugierde“ zu wecken. Wie mit der Figur der Mutter Courage und der „gespaltenen“ Person Shen Te / Shui Ta im Guten Menschen schafft B. mit seiner Kom¨odie Herr Puntila und sein Knecht Matti (1940) in der Figur des Gutsherrn Puntila, der sich betrunken menschlich geriert, n¨uchtern aber der Ausbeuter bleibt, der er ist, einen weiteren literarischen Archetypus. Im Kaukasischen Kreidekreis (1944) kommen mit der Magd Grusche, die das Kind ihrer Herrschaft rettet und es als ihr eigenes aufzieht, und dem Richter Azdak, der, um das Kind der „richtigen“, d. h. m¨utterlichen Mutter zusprechen zu k¨onnen, geltendes Recht bricht, zwei weitere Typen menschlicher M¨oglichkeiten zu B.s Figurenarsenal hinzu. 3. (1947-56): Nach seiner R¨uckkehr nach Berlin galt seine Arbeit haupts¨achlich dem Bem¨uhen, mit ModellInszenierungen sowie mit der Bearbeitung fremder Dramen (Die Antigone des Sophokles, 1948; Der Hofmeister, 1949) den Standard der Schauspielkunst wieder zu erreichen, wie er ihn bis 1933 mit seinem epischen Theater entwickelt hatte. Durch die politische Nachkriegsentwicklung desillusioniert, schrieb B. vor allem seine lakonischen Buckower Elegien (August 1953), ein seinem Alter unangemessen weises und im Goetheschen Sinn naives Alterswerk.

B. erhielt 1922 den Kleist-Preis, 1951 den Nationalpreis I. Klasse der DDR und 1954 den Stalin-Friedenspreis Moskau. WERKE: Werke. Hrsg. v. Werner Hecht / Jan Knopf / Werner Mittenzwei / Klaus-Detlef M¨uller. 30 Bde., Berlin, Weimar, Frankfurt / Main 1988-2000. LITERATUR: Klaus V¨olker: B. B. Eine Biographie. M¨unchen / Wien 1976. – J¨org-Wilhelm Joost / Klaus-Detlef M¨uller / Michael Voges: B. B. Epoche, Werk, Wirkung. M¨unchen 1985. – Werner Mittenzwei: Das Leben des B. B. 2 Bde., Berlin 1986. – Werner Hecht: B.-Chronik. 1898-1956. Frankfurt / Main 21998. – Jan Knopf: B. B. Stuttgart 2000. – B.-Handbuch. Hrsg. v. Jan Knopf. 5 Bde., Stuttgart / Weimar 2001-03. Jan Knopf

Brecht, Gustav (Heinrich Theodor), Wirtschaftsfunktion¨ar, Unternehmer, * 9. 1. 1880 L¨ubeck, † 9. 10. 1965 Abwinkl / Tegernsee. B., Bruder von Arnold → B., studierte seit 1898 Maschinenbau und Elektrotechnik in Braunschweig und Charlottenburg und wurde 1904 Regierungsbauf¨uhrer bei den Eisenbahndirektionen Berlin und Essen, 1906 Regierungsbaumeister. 1907-11 leitete er die Wechselstrombahnabteilung bei der AEG. Seit 1912 war er im Ministerium der o¨ ffentlichen Arbeiten t¨atig und wurde 1918 Referent, sp¨ater Vortragender Rat und Leiter der Sektion Kohle und Energiewirtschaft im Reichswirtschaftsministerium. Von 1920 an war B. Vorstandsmitglied des Reichskohlenverbandes Berlin, 1925-45 Vorstandvorsitzender der Rheinischen AG f¨ur Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation in K¨oln. Er geh¨orte dem Vorstand des Reichsverbandes der Deutschen Industrie und dem Aufsichtsrat zahlreicher Unternehmen (u. a. Rheinisches Braunkohlensyndikat) an. 1924 / 25 war er Mitglied des Internationalen Sonderkomitees f¨ur Sachlieferungen in Paris. C SHBL, Bd 7 Brecht, Theodor, evang. Theologe, * 17. 9. 1855 Garrweiler bei Nagold, † 28. 8. 1901 Groß-Sachsenheim bei Heilbronn. Ausgebildet am Seminar in Blaubeuren, studierte B. 1873-77 Theologie in T¨ubingen und wurde 1878 Pfarrverweser in Birkenfeld, dann in Schura, 1882 Pfarrer in Oberkochen. 1886 / 87 war er an der Gr¨undung des Evangelischen Bundes beteiligt. Er gab die „Mitteilungen u¨ ber die konfessionellen Verh¨altnisse in W¨urttemberg“, die sog. „Gr¨unen Hefte“, heraus und leitete bis 1892 die „Kirchliche Korrespondenz“, das Organ des Evangelischen Bundes. 1894 u¨ bernahm B. die Pfarrei in Gerabronn, 1901 die Stadtpfarrei Groß-Sachsenheim. Er verfaßte u. a. Kirche und Sklaverei (1890). C Biogr Jahrb, Bd 6 Brecht, (Karl) Walther, Germanist, * 31. 8. 1876 Berlin, † 1. 7. 1950 M¨unchen. B., Sohn eines Augenarztes, studierte 1896-1901 Geschichte, Deutsche Philologie, Kunstgeschichte, Philosophie und Geographie in Freiburg / Breisgau, Bonn, G¨ottingen und Berlin; 1903 wurde er in G¨ottingen promoviert (Die Verfasser der Epistolae obscurorum virorum). Nach seiner Habilitation 1906 (Ulrich von Lichtenstein als Lyriker) ging er als Privatdozent f¨ur Deutsche Philologie an die Univ. G¨ottingen und wechselte 1910 als Prof. an die Kgl. Akademie in Posen. 1914 u¨ bernahm B. in Nachfolge Jacob → Minors eine o. Professur an der Univ. Wien und folgte 1926 einem Ruf nach Breslau. Von 1927 bis zu seiner Zwangsemeritierung 1937 (wegen seiner „nichtarischen“ Ehefrau) lehrte er an der Univ. M¨unchen. B. war befreundet mit Hugo von → Hofmannsthal (H. v. H., W. B.: Briefwechsel, hrsg. von Christoph K¨onig und David Oels, 2005), dessen Nachlaßverwalter er war. Er ver¨offentlichte u. a. Heinse und der a¨ sthetische Immoralismus. Zur Geschichte der italienischen Renaissance in

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Brechtel Deutschland (1911) und Conrad Ferdinand Meyer und das Kunstwerk seiner Gedichtsammlung (1918). B., der korrespondierendes bzw. zeitweise wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien war, wurde 1929 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. C IGL

Brechtel, Franz Joachim, auch F. J. Prechtl, Komponist, getauft 9. 12. 1554 N¨urnberg, begraben 20. 9. 1593 N¨urnberg. Eigentlich Schreib- und Rechenmeister, sp¨ater auch B¨uchsenmacher in N¨urnberg, komponierte B., Sohn von Stephan ¨ → B., zahlreiche Lieder, die heute als Uberleitung vom kontrapunktischen Chorlied zum generalbaßbegleiteten Sololied der Barockzeit gelten. Sie wurden noch zu seinen Lebzeiten gedruckt, u. a. unter dem Titel Neue kurtzweilige Teutsche Liedlein mit dreyen Stimmen nach art der Welschen Villanellen (1859). C NDB Brechtel, Stephan, Kalligraph, Mathematiker, * 1523 Bamberg, † 27. 6. 1574 N¨urnberg. B. war seit 1540 in N¨urnberg ans¨assig und wurde Sch¨uler des Schreibmeisters Johann → Neud¨orfer und eines unbekannten Mathematicus in Amberg; sp¨ater ging er nach Leipzig, wo er seine Kenntnisse in Mathematik erweiterte und sich bei Leonhard Schofer zum B¨uchsenmeister ausbilden ließ. W¨ahrend der Belagerung Leipzigs im Schmalkaldischen Krieg 1546 / 47 als B¨uchsenmeister t¨atig, ging B. sp¨ater nach N¨urnberg, wurde dort Leiter einer Schreib- und Rechenschule und war seit 1548 N¨urnberger B¨urger. 1550 erwarb er das Wohnhaus des Bildhauers ¨ W¨ahrend der Pest 1561-63 hielt sich B. Veit → Stoß d. A. in Bamberg auf, wo er eine Pergamentabschrift der Geometrielehrb¨ucher des Euklid fertigte (Euclidis Elementorum geometricorum libri XV). 1563 wurde er Genannter des Gr¨oßeren Rats in N¨urnberg. Er besch¨aftigte sich mit der Verbesserung der Proportionen der deutschen Buchstaben und ver¨offentlichte u. a. Wechsel, daraus gelehrt wirdt, wann man zu N¨urmberg, Augspurg, Franckfurt, Ulm oder anderer ortt teutscher Landen, ein Summa gelts reinscher m¨untz auff wechsel nimbt (1568). B. war der Vater von Franz Joachim → B. C AKL Breckling, Friedrich, luth. Theologe, * 1629 Handewitt bei Flensburg, † 16. 3. 1711 Den Haag. B., Sohn eines Pastors, studierte in Rostock, K¨onigsberg, Helmstedt, Wittenberg, Leipzig, Jena und Gießen, wo er 1653 Magister wurde. Auf Studienreisen nach Hamburg, Straßburg und Amsterdam mit den Werken Joachim → Betkes vertraut gemacht, wurde er unter dem Einfluß von Christian → Hoburg und Ludwig Friedrich → Gifftheil zum Spiritualisten. Er wurde Pfarrer in Flensburg, geriet in Konflikt mit dem dortigen Konsistorium und dem Generalsuperintendenten Stephan Klotz und floh zu Johann Amos → Comenius nach Amsterdam. 1660-68 war er Pfarrer der luth. Gemeinde in Zwolle, wurde jedoch u. a. wegen seiner scharfen Kirchenkritik entlassen. 1672-90 hielt sich B. in Amsterdam, danach in Den Haag auf. Er war Mitarbeiter an Gottfried → Arnolds Unparteyischer Kirchen- und KetzerHistorie (1699 / 1700) und stand in Briefwechsel mit Philipp Jakob → Spener. B. ver¨offentlichte u. a. Speculum seu Lapis lydius pastorum (1660), Das ewige Evangelium (1660) und Mysterium magnum, Christus in nobis (1662). C SHBL, Bd 7 Brede, Hans Dieter, Hygieniker, Mikrobiologe, Tropenmediziner, * 14. 3. 1921 K¨oln, † 9. 5. 1998 Frankfurt / Main. Nach dem Medizinstudium in K¨oln wurde B. 1946 mit der Dissertation Die K¨olner Grundwasser-Hygiene als Auswertung der Privatbrunnenverh¨altnisse des linksrheinischen

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K¨olner Stadtgebietes promoviert und erwarb 1948 das Diplom f¨ur Tropenkrankheiten und Schiffshygiene. Nach der Habilitation 1955 f¨ur Hygiene und Medizinische Mikrobiologie und verschiedenen Auslandsengagements war er 1974-86 Pr¨asident des Paul Ehrlich Instituts (Bundesamt f¨ur Sera und Impfstoffe) und 1974-87 Direktor des Georg Speyer Hauses in Frankfurt / Main. B. ver¨offentlichte u. a. Paul Ehrlich – Forscher f¨ur das Leben (1980), Tendenz der prophylaktischen Medizin (1980), Beitr¨age zur Chemotherapie. Bewertung biologischer Substanzen (1983) und Pathogenese und Therapie der Infektionskrankheiten (1993). Er war Herausgeber der Arbeiten aus dem Paul Ehrlich Institut, Georg Speyer Haus und Ferdinand Blum Institut.

Bredel, Willi, Schriftsteller, * 2. 5. 1901 Hamburg, † 27. 10. 1964 Berlin. Zun¨achst Metalldreher bei Hamburger Werften, trat B., Sohn eines Tabakarbeiters und einer Zigarrenkistenkleberin, 1919 in die KPD ein und war zusammen mit Ernst → Th¨almann 1923 am Hamburger Aufstand beteiligt. Nach zweij¨ahriger Haft wurde er Mitarbeiter des Parteiorgans „Hamburger Volkszeitung“, 1928 deren Redakteur. 1930-32 war er wegen Landes- und Hochverrats inhaftiert (in dieser Zeit entstanden die Romane Maschinenfabrik N & K., 1930, und Die Rosenhofstraße, 1931), reiste dann in die UdSSR und wurde nach seiner R¨uckkehr 1933 im Konzentrationslager Fuhlsb¨uttel ˇ interniert. 1934 konnte er u¨ ber die CSR in die UdSSR emigrieren. Dort gab er zusammen mit Bertolt → Brecht und Lion → Feuchtwanger die Zeitschrift „Das Wort“ (1936-39, Nachdr. 11 Bde., 1969) heraus. Sein Roman Die Pr¨ufung (1934) war der erste international beachtete Roman, der u¨ ber den Terror in einem deutschen Konzentrationslager berichtete. Als Kriegskommissar nahm er 1937 / 38 in den Internationalen Brigaden am Spanischen B¨urgerkrieg teil. 1939 kehrte er nach Moskau zur¨uck, nahm seit 1941 auf sowjetischer Seit am Zweiten Weltkrieg teil und geh¨orte 1943 zu den Begr¨undern des Nationalkomitees „Freien Deutschland“. 1945 nach Deutschland zur¨uckgekehrt, war B. Mitbegr¨under und bis 1949 Vorsitzender des Kulturbundes in Mecklenburg, 1947-49 Abgeordneter im Mecklenburgischen Landtag und 1948-50 Mitglied der (Provisorischen) Volkskammer. 1947-50 war er Chefredakteur der Literaturzeitschrift „Heute und Morgen“, 1952-56 der Zeitschrift „Neue deutsche Literatur“, des Organs des Schriftstellerverbandes der DDR. 1954-64 geh¨orte er dem Zentralkomitee der SED an. 1956 wurde er Vizepr¨asident, 1962 Pr¨asident der Akademie der K¨unste der DDR. B. schrieb u. a. die Romantrilogien Verwandte und Bekannte (1941-53) und Ein neues Kapitel (1959-64). C Killy

Bredemann, Gustav (Karl Johannes), Botaniker, * 15. 6. 1880 K¨onigswartha (Kr. Bautzen), † 20. 11. 1960 Hamburg. B. studierte seit 1903 Pharmazie an der Univ. Marburg, war seit 1905 Assistent an der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Marburg, seit 1906 am Botanischen Institut der Univ. Marburg und wurde 1909 mit der Arbeit Bacillus amylobacter A. M. et Bredemann in morphologischer, physiologischer und systematischer Beziehung, mit besonderer Ber¨ucksichtigung des Stickstoffbindungsverm¨ogens dieser Spezies promoviert. Seit 1908 Abteilungsleiter der Landwirtschaftlichen Versuchsstation Kassel-Herleshausen, trat er 1913 als landwirtschaftlicher Sachverst¨andiger und Leiter des Botanischen Gartens in Rabaul (Neuguinea) in den Dienst des Reichskolonialamtes. 1915 kehrte er nach Deutschland zur¨uck und war 1916-18 Generalinspekteur beim T¨urkischen Landwirtschaftsministerium und 1919 / 20 Gesch¨aftsf¨uhrer der Landesstelle f¨ur Spinnpflanzen in Berlin. B. wurde 1921 Direktor des Instituts f¨ur Pflanzenz¨uchtung der Preußischen landwirtschaftlichen Versuchs- und Forschungsanstalten in

Bredow Landsberg / Warthe, 1927 o. Prof. f¨ur angewandte Botanik an der Univ. Hamburg und Leiter des dortigen Staatsinstituts f¨ur Angewandte Botanik. B.s wissenschaftliches Interesse galt vor allem der Rauchschadenkunde und der Brennessel-Forschung. Er war Mitglied der Deutschen Botanischen Gesellschaft und Mitherausgeber der Zeitschrift „Landwirtschaftliche Forschung“. B. ver¨offentlichte u. a. Entstehung, Erkennung und Beurteilung von Rauchsch¨aden (1932, mit Wilhelm und Emil → Haselhoff), Botanica oeconomica (1948), Landwirtschaftliche Forschung (1949), Biochemie und Physiologie des Fluors und der industriellen Fluor-Rauchsch¨aden. Berlin 1951. – Die große Brennessel. Urtica dioica L. Forschungen u¨ ber ihren Anbau zur Fasergewinnung (1959) und Die Große Brennessel, Urtica dioica L. Forschungen u¨ ber ihren Anbau zur Fasergewinnung (1959). C B¨ohm

Bredemeyer, Reiner, Komponist, * 2. 2. 1929 Velez (Kolumbien), † 5. 12. 1995 Berlin. B., Sohn eines Bauingenieurs, erhielt in Breslau Klavier-, Violin- und musiktheoretischen Unterricht und studierte 1951 / 52 bei Karl → H¨oller an der Akademie der Tonkunst sowie privat bei Carl → Orff in M¨unchen. 1954 ging er in die DDR, geh¨orte 1954-57 der Meisterklasse Rudolf → WagnerR´egenys an der Deutschen Akademie der K¨unste in Berlin an und war Lehrbeauftragter an der Schauspielschule Berlin. B. arbeitete als musikalischer Leiter an verschiedenen Theatern, 1957-60 am Theater der Freundschaft und seit 1961 am Deutschen Theater in Berlin. 1978 wurde er Mitglied, 1988 o. Prof. f¨ur Komposition an der Akademie der K¨unste, an der er bis 1991 Meistersch¨uler ausbildete. Seit 1993 geh¨orte er der Akademie der K¨unste Berlin-Brandenburg an. Ausgehend von Anton → Webern, schrieb B. Vokalmusik (u. a. Die Winterreise, 1984; Die sch¨one M¨ullerin, 1986), B¨uhnenwerke (u. a. Candide, 1986), Orchestermusik, Kammer- und Klaviermusik sowie Musik f¨ur Fernsehfilme und H¨orspiele. 1975 wurde er mit dem Kunstpreis der DDR ausgezeichnet. C MGG

Breden, Christiane von → Christen, Ada Bredenbach, Matthias, auch Bredembach, Breidbach, Brempke, Humanist, P¨adagoge, * 1499 Kierspe bei Altena (Westfalen), † 5. 6. 1559 Emmerich. B. schloß das Studium an der Univ. K¨oln (1521-24) als Magister artium ab. Er wurde Lehrer am Gymnasium in Emmerich, 1533 dessen Rektor. Neben einigen Lehrb¨uchern verfaßte er die Schrift De dissidiis ecclesiae componendis (1557), in der er vor allem f¨ur das Festhalten am alten Glauben eintritt, jedoch auch die Reformbed¨urftigkeit der Kirche zugibt. B. war der Vater von Tilmann → B. C LThK Bredetzky, Samuel, evang. Theologe, * 18. 3. 1772 vermutlich Leibitz (Ungarn), † 25. 6. 1812. B. studierte Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften an der Univ. Jena und wurde 1798, nach einem l¨angeren Aufenthalt in Ungarn, wo er als Sekret¨ar t¨atig gewesen war, ¨ Prof. an der B¨urgerschule in Odenburg. Seit 1802 Katechet und Vikar in Wien, wurde er 1805 Prediger in Krakau, 1806 in Lemberg und war galizischer Superintendent; von 1808 an war er Superintendent von Augsburg. B.s besonderes Interesse galt der Statistik und Topographie; er verfaßte u. a. Neue Beitr¨age zur Topographie und Statistik von Ungarn (1807).

Bredig, Georg, Physikochemiker, * 1. 10. 1868 Glogau (Schlesien), † 24. 4. 1944 New York. B. studierte an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, Berlin und Leipzig und wurde 1894 in Leipzig mit der Dissertation I. Beitr¨age zur St¨ochiometrie der Ionenbeweglich¨ keit. II. Uber die Affinit¨atsgr¨ossen der Basen promoviert.

Seit 1892 Assistent am Physikalisch-Chemischen Institut, ¨ habilitierte er sich 1901 mit der Arbeit Uber die Chemie der extremen Temperaturen f¨ur physikalische Chemie an der Univ. Leipzig. Gleichzeitig war er a. o. Prof. und Direktor der Physikalisch-Chemischen Abteilung des Chemischen Labors der Univ. Heidelberg. 1910 wurde er o. Prof. und Direktor des Labors f¨ur Physikalische Chemie und Elektrochemie der TH Z¨urich, 1911 o. Prof. der physikalischen Chemie und Elektrochemie an der TH Karlsruhe, der er 1922 / 23 als Pr¨asident vorstand. 1933 emeritiert, emigrierte B. kurz darauf in die USA. Er ver¨offentlichte u. a. Anorganische Fer¨ mente (1901), Denkmethoden der Chemie (1923) und Uber Katalyse (1923). C BHdE, Bd 2

Brednow, Walter, Mediziner, * 13. 2. 1896 Berlin, † 11. 9. 1976 Jena. B. studierte 1918-22 Medizin in Berlin und M¨unchen, wurde 1923 in Berlin mit der Dissertation Reproduktionsversuche an pseudologischen Kindern promoviert und war 1923-27 als Assistent in Berlin und Greifswald, seit 1928 bei Hermann → Straub an der Univ. G¨ottingen t¨atig. Seit 1930 Privatdozent f¨ur Innere Medizin und R¨ontgenologie, wurde er 1936 zum a. o. Prof. in G¨ottingen ernannt und wechselte 1947 als o. Prof. auf einen Lehrstuhl f¨ur Innere Medizin an die Univ. Jena. Seit 1951 u¨ bernahm B. dort die Leitung der Medizinischen Nerven- und Tuberkuloseklinik. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen wichtige Arbeiten zur R¨ontgenologie, u. a. der R¨ontgenatlas der Lungenkrankheiten (1931, 6 1948, 1.-5. Aufl. mit Erich Hofmann) und der R¨ontgenatlas der Erkrankungen des Herzens (1936, 41947). B. wurde 1958 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen.

Bredow, Caspar Ludwig von, Milit¨ar, * 1685 Neuzauche (Kr. L¨ubben), † 11. 1. 1773 Ihlow (Kr. Oberbarnim). Der Bruder des Generals Friedrich Sigismund von → B. trat 1701 in den Milit¨ardienst ein; seit 1711 war er Stabsrittmeister, seit 1714 Kapit¨an und Kompaniechef. 1733 dem Kronprinzen Friedrich zugeteilt, wurde er 1739 Oberst, 1741 Chef des K¨urassierregiments Nr. 11. Seit 1747 war B. Generalleutnant. C Priesdorff, Bd 1

Bredow, Ferdinand von, Milit¨ar, * 16. 5. 1884 Neuruppin, † 30. 6. 1934 Berlin. Der Tradition seiner uradligen m¨arkischen Familie folgend, schlug B. eine milit¨arische Laufbahn ein, besuchte 1912-14 die Kriegsakademie und nahm 1914-18 als Offizier an den K¨ampfen in Frankreich teil. Nach dem Ersten Weltkrieg in die Reichswehr u¨ bernommen, geh¨orte er seit 1925 der Abwehrabteilung des Reichswehrministeriums an, deren Leitung er u¨ bernahm. 1932 wurde er Stellvertreter des Reichswehrministers Kurt von → Schleicher und Chef des Ministeramts. Anfang 1933 zum Generalmajor bef¨ordert, wurde B. kurz nach der Macht¨ubernahme der Nationalsozialisten seines Amtes enthoben. Durch seine fr¨uhere T¨atigkeit mit der Vergangenheit und mit Interna der NSDAP vertraut und von → G¨oring pers¨onlich verfolgt, wurde er im M¨arz 1933 von der Gestapo verhaftet. W¨ahrend der Aktionen gegen politische Gegner im Zuge des sog. R¨ohm-Putsches wurde B. in seiner Berliner Wohnung von einem Kommando der SS erschossen. Bredow, Friedrich Sigismund von, Milit¨ar, * 5. 5. 1683 Falkenberg bei Beeskow, † 15. 6. 1759 Frankfurt / Oder. B. war seit 1696 Page beim Kurf¨ursten → Friedrich III., seit 1701 Kammerjunker, seit 1705 Kapit¨an in einem Dragonerregiment. Er wurde 1714 Major, 1737 Generalmajor. Er machte die Feldz¨uge 1740-42 und 1744 / 45 mit und war seit 1747 General der Kavallerie. B. war der Bruder von Caspar Ludwig von → B. C Priesdorff, Bd 1

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Bredow Bredow, Gabriel Gottfried, auch Gottfried Gabriel B., P¨adagoge, Historiker, * 14. 12. 1773 Berlin, † 5. 9. 1814. B. studierte zun¨achst Theologie, dann Philologie an der Univ. Halle; 1794 wurde er Lehrer am Grauen Kloster in Berlin, 1796 an der Stadtschule in Eutin, sp¨ater deren Rektor. Seine historischen Studien trugen ihm 1804 einen Ruf als Dozent an die Univ. Helmstedt ein; 1809 kam er an die Univ. Frankfurt / Oder, wo er auch als Bibliothekar an der Steinwehrschen Bibliothek t¨atig war. 1811 wurde er als Regierungsrat in Breslau mit der Leitung der Schulen des Bezirks betraut. B.s Forschungen galten vor allem dem Altertum (u. a. Untersuchungen u¨ ber einzelne Gegenst¨ande der alten Geschichte, Geographie und Chronologie, 1800-02). C Weber

Bredow, Gottfried Albrecht von, Milit¨ar, * 1650 Bischofssee bei Frankfurt / Oder, † 6. 7. 1730 Peitz. B. trat 1667 in die Armee ein, wurde 1680 Leutnant, nahm 1689-97 am Feldzug gegen Frankreich teil und wurde 1692 Major, 1719 Generalleutnant. Seit 1726 war er Gouverneur von Peitz. C Priesdorff, Bd 1

Bredow, Hans (Karl August Friedrich), Ingenieur, * 26. 11. 1879 Schlawe (Pommern), † 9. 1. 1959 Wiesbaden. B., Sohn eines Rentiers, studierte seit 1898 an der Univ. Kiel sowie am Friedrichs-Polytechnikum in K¨othen und war seit 1903 bei der AEG t¨atig. 1904-08 Ingenieur bei der Telefunken GmbH in Berlin, war er als deren technischer Direktor (bis 1918) maßgeblich am Aufbau des deutschen Schiffs¨ und Uberseefunkdienstes beteiligt. 1919 wurde er Ministerialdirektor im Reichspostministerium, 1921 Staatssekret¨ar f¨ur Fernmeldewesen und war 1926-33 Rundfunk-Kommissar des Reichspostministeriums und Vorstandsvorsitzender der Reichsrundfunkgesellschaft. In diesen Funktionen hatte er entscheidend Anteil am Aufbau des deutschen Rundfunknetzes. Nach 1945 war er Regierungspr¨asident in Wiesbaden, 1949-51 Verwaltungsratsvorsitzender des Hessischen Rund¨ funks. B. verfaßte u. a. Im Banne der Atherwellen (2 Bde., 1954-56, 21960). C Schulz

Bredow, Matthias Christoph von, Staatsmann, * 27. 2. 1685 Senzke, † 20. 10. 1734 Worinen. Nach dem Studium in Frankfurt / Oder und einer anschließenden Studienreise nach Italien, England und Holland war B., Sohn eines preuß. Generals, seit 1715 Landrat des havell¨andischen Kreises und erwarb sich Verdienste um die Entw¨asserung der havell¨andischen Luch. Als Pr¨asident des Litauischen Departements der Kriegs- und Dom¨anenkammer in Gumbinnen, sp¨ater K¨onigsberg, hatte er maßgeblichen Anteil am wirtschaftlichen Aufbau des Gebiets. B. wurde 1726 Wirklicher Geheimer Etats- und Kriegsrat und erhielt einen Sitz in der preuß. Regierung. C NDB

Bredow, Traugott, Beamter, * 1. 6. 1859, † 1928. Der nach dem Jurastudium als Regierungsreferendar in die Staatsverwaltung 1883 eingetretene B. machte, nachdem er in verschiedenen Beh¨orden gearbeitet hatte, bei der Bezirksregierung Stettin mit der Sanierung der vom Zusammenbruch bedrohten National-Hypotheken-Kredit-Gesellschaft auf sich aufmerksam. 1898 an das preuß. Ministerium f¨ur o¨ ffentliche Arbeiten berufen, wurde er wenige Monate sp¨ater zum Geheimen Regierungsrat und Vortragenden Rat ernannt. Bis 1913 zum Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat aufgestiegen, war er u. a. Mitglied der Kommission f¨ur Beaufsichtigung der Versuchsanstalt f¨ur Wasserbau und Schiffbau. Technisch interessiert, kam er mit dem sich entwickelnden Flugwesen in Ber¨uhrung und bearbeitete bald im Ministerium damit zusammenh¨angende Fragen. Nach dem Weltkrieg in das neue Ministerium f¨ur Volkswohlfahrt u¨ bernommen,

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wechselte er 1921 in den Reichsdienst zum dortigen Innenministerium und u¨ bernahm die Leitung des Reichsluftamtes. Hier hatte B. eine Schl¨usselfunktion bei der Entwicklung der zivilen Luftfahrt unter den einschr¨ankenden Bedingungen des Versailler Vertrags und der Aufsicht durch die Entente inne, was in engem Zusammenhang mit den geheimen Bestrebungen der Reichswehr zur Schaffung der Grundlagen einer neuen deutschen Fliegerwaffe stand. Die Aufhebung der Selbst¨andigkeit seines Ressorts im Zusammenhang mit der Sparpolitik im Gefolge der W¨ahrungsreform nahm B. zum Anlaß, 1924 vorzeitig in den Ruhestand zu treten.

Bredt, (Wilhelm) August, Politiker, * 16. 3. 1817 Barmen (heute zu Wuppertal), † 23. 3. 1895 Honnef. Der aus einer Fabrikantenfamilie stammende B. studierte Jura in Bonn und Berlin, trat in den Staatsdienst ein und wurde 1846 Assessor. Seit 1847 kommissarischer Verwalter des Landratsamtes Elberfeld und Mitglied des Herrenhauses, wurde er 1848 zum Abgeordneten f¨ur die Preußische Konstituierende Nationalversammlung gew¨ahlt; er schloß sich dem „Rechten Zentrum“ an. 1849 war er Zivilkommissar bei den Regierungstruppen, seit 1854 Hilfsarbeiter im Finanzministerium. Seit 1855 kommissarischer, von 1857 an Oberb¨urgermeister der Stadt Barmen, widmete sich B. besonders dem Arbeiterschutz und dem Ausbau des SchulweC NDB sens. Er war der Vater von Julius → B. Bredt, Ernst Wilhelm, Kunsthistoriker, * 4. 5. 1869 Leipzig, † 2. 12. 1938. In Leipzig, Genf und New York zum Buchh¨andler ausgebildet, studierte B. 1896-99 neuere Sprachen und Kunstgeschichte in Freiburg / Breisgau und M¨unchen und wurde 1899 promoviert (Der Handschriftenschmuck Augsburgs im 15. Jahrhundert). Seit 1901 arbeitete er als Assistent am Germanischen Nationalmuseum in N¨urnberg. Seit 1904 war er in der Graphischen Sammlung in M¨unchen t¨atig, zuletzt als Hauptkonservator. B. war 1906-17 Dozent f¨ur Kunstgeschichte an der Kunstgewerbeschule, seit 1913 Professor. Er schrieb u. a. Chodowiecki. Zwischen Rokoko und Romantik (1918). Bredt, Ferdinand Max, Maler, * 7. 6. 1860 Leipzig, † 8. 6. 1921 Ruhpolding (Oberbayern). Nach abgeschlossener Buchh¨andlerlehre in Stuttgart besuchte B. die Stuttgarter Kunstschule, wo er u. a. Sch¨uler von Bernhard von → Neher und Karl von → H¨aberlin war. Nach seiner Ausbildung bei Wilhelm von → Lindenschmit in M¨unchen unternahm er zahlreiche Studienreisen, u. a. nach Griechenland und in den Orient. Seit 1897 war er in Ruhpolding (Oberbayern) ans¨assig. Er bevorzugte f¨ur seine Gem¨alde orientalische Motive und Themen. B. war Mitbegr¨under und Mitglied der M¨unchner Sezession. C AKL Bredt, Heinrich, Pathologe, * 29. 1. 1906 Oberneudorf (Siebenb¨urgen), † 1. 11. 1989 Freiburg / Breisgau. B. wurde 1931 in Berlin zum Dr. med. promoviert (Ein Fall von Uterus masculinus simplex rudimentarius nebst multiplen Missbildungen bei einem Neugeborenen), habilitierte sich 1935 an der Univ. Berlin, wurde 1942 apl. Prof. in Leipzig, 1949 o. Prof. der Pathologie und lehrte 1959-74 an der Univ. Mainz. Seit 1951 war er Mitglied der S¨achsischen Akademie der Wissenschaften, seit 1951 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, seit 1955 der Deutschen Akademie der Wissenschaften und seit 1965 der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz (1971-79 Pr¨asident). B. arbeitete auf den Gebieten der Pathologie des Gef¨aßsystems und der angeborenen Fehlbildungen ¨ des Herzens. Er schrieb u. a. Uber den Tod (1958) und Ex-

Bregler treme Lebensbedingungen und organische Gef¨aßerkrankung (1967) und war Herausgeber von „Virchows Archiv. Abt. A“.

Bredt, Johann Viktor, Jurist, Politiker, * 2. 3. 1879 Barmen (heute zu Wuppertal), † 1. 12. 1940 Marburg / Lahn. Zun¨achst Volont¨ar beim Barmer Bankverein (1897 / 98), studierte B., Sohn eines Großkaufmanns und Fabrikbesitzers, Jura und National¨okonomie in T¨ubingen, G¨ottingen und Bonn, wurde 1901 zum Dr. jur. (Die Gefahrtragung beim Werkvertrag nach R¨omischem Recht und B¨urgerlichem Gesetzbuch), 1904 zum Dr. phil. (Die Lohnindustrie gekennzeichnet in einer Darstellung der Wuppertaler Lohnbleicherei) promoviert und habilitierte sich 1909 in Marburg. 1903-09 war er im Verwaltungsdienst t¨atig und folgte dann einem Ruf als Prof. des Staats-, Verwaltungs-, V¨olker- und Kirchenrechts nach Marburg. Als Freikonservativer war er 1911-18 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses, 1921-24 des Preuß. Landtags. B. gr¨undete die Reichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei) und geh¨orte als deren Vorsitzender 1924-32 dem Reichstag an. 1930 / 31 war er Reichsjustizminister im Kabinett → Br¨uning. B. ver¨offentlichte Die Trennung von Kirche und Staat (1919) sowie ein dreib¨andiges Neues evangelisches Kirchenrecht f¨ur Preußen (1921-27), die erste, umfassende Darstellung des Themas nach dem Ende des landesherrlichen Kirchenregiments. C Wuppertal Bio, Bd 8

Bredt, (Conrad) Julius, Chemiker, * 29. 3. 1855 Berlin, † 21. 9. 1937 Aachen. Der Sohn von August → B. studierte in Leipzig, Frank¨ furt / Main und Straßburg, wo er 1880 mit der Arbeit Uber das Lacton [Lakton] der Isocaprons¨aure und die Constitution der Lactone promoviert wurde. Bis 1882 war er Unterrichtsassistent in Straßburg, arbeitete dann einige Jahre in der Farbstoff-Industrie und habilitierte sich 1889 f¨ur organische Chemie an der Univ. Bonn. Dort war er als erster Unterrichtsassistent t¨atig, bis er 1897 einem Ruf als Prof. an die TH Aachen folgte. B. besch¨aftigte sich mit der Erforschung der Fetts¨auren, entwickelte die Campher-Formel (1893) sowie eine Morphologie des Campher-Skeletts und stellte die sogenannte B.sche Regel auf, die zum Basiswissen der Stereochemie gez¨ahlt wird. Er ver¨offentlichte u. a. Die Doctor-Promotion an technischen Hochschulen und die Bedeutung der wissenschaflichen Arbeit f¨ur die organischchemische Technik (1900) und Ist die Best¨andigkeit der Ketopins¨aure ein Sonderfall der Bredtschen Regel? Und wie verl¨auft die Ketonspaltung bei ß-Ketons¨auren? (1927). C NDB

Bredt, Rudolph, Ingenieur, Industrieller, * 17. 4. 1842 Barmen (heute zu Wuppertal), † 18. 5. 1900 Wetter / Ruhr. Nach dem Maschinenbau- und Mathematikstudium in Karlsruhe und Z¨urich war B. zun¨achst in Berlin, dann in England bei einer Lokomotiv- und Maschinenfabrik t¨atig, wo er sich vor allem f¨ur den Kranbau interessierte. Seit 1867 wieder in Deutschland, trat er in die Firma Stuckenholz in Wetter / Ruhr ein, die er zu einer der ersten Kranbaufabriken Deutschlands aufbaute. Nach dem Ausscheiden von Gustav Stuckenholz 1876 war B. alleiniger Inhaber des Unternehmens. 1887 wurde der erste elektrisch angetriebene Laufkran gebaut. Kurz vor seinem Tod u¨ bertrug B. die Firma seinem langj¨ahrigen Mitarbeiter Wolfgang → Reuter, dem sp¨ateren Gr¨under des Maschinenbaukonzerns DEMAG AG. C Rhein-Westf Wirt, Bd 17

Br´ee, Malvine, geb. Burstein, o¨ sterr. Musikerin,

¨ * 14. 3. 1851 Jablunkau (Osterr.-Schlesien), † 3. 2. 1937 Wien. Ihre Ausbildung zur Pianistin erhielt B. bei Franz → Liszt in Weimar und bei Theodor → Leschetizky in Wien, des-

sen Assistentin sie 1893 wurde (Grundlagen der Methode Leschetizky, 1902). B., die u. a. mit Anton Rubinstein, Richard → Wagner und Mark Twain verkehrte, z¨ahlte als Klavierp¨adagogin in Wien neben anderen bedeutenden Pers¨onlichkeiten Artur → Schnabel und Ludwig → Wittgenstein zu ihren Sch¨ulern.

Brefeld, Ludwig, Staatsmann, * 31. 3. 1837 Telgte bei M¨unster (Westfalen), † 15. 2. 1907 Freiburg / Breisgau. Der j¨ungere Bruder des Botanikers Oskar → B. trat nach einem in Bonn, Heidelberg und Berlin absolvierten Studium der Rechtswissenschaften in den Justizdienst ein, amtierte eine Zeitlang als Kreisrichter und war seit 1867 in Saarbr¨ucken, Elberfeld und Hannover in der Staatsbahnverwaltung t¨atig. W¨ahrend des Kriegs von 1870 / 71 war B. mit der Verwaltung der konfiszierten Eisenbahnen in Frankreich betraut; 1872 wurde er zum Eisenbahndirektor und 1876 zum Geheimen Oberregierungsrat ernannt. Seit 1881 Ministerialdirektor der Eisenbahnabteilung des Ministeriums der o¨ ffentlichen Arbeiten und seit 1895 Unterstaatssekret¨ar und Vorsitzender des Landeseisenbahnrats, wurde er 1896 preuß. Staatsminister und Minister f¨ur Handel und Gewerbe. B. mußte 1901 im Zuge der Krise um den von den Konservativen strikt abgelehnten Bau des Mittellandkanals zur¨uckgetreten. C Biogr Jahrb, Bd 12

Brefeld, (Julius) Oskar, Botaniker, Bakteriologe, * 19. 10. 1839 Telgte bei M¨unster (Westfalen), † 7. 1. 1925 Berlin. Zun¨achst wie sein Vater Apotheker, wandte sich B. 1863 dem Studium der Botanik und der Chemie zu, habilitierte sich 1874 in Berlin und erhielt eine Dozentenstelle an der Forstakademie Eberswalde. 1884 wurde er als o. Prof. an die Univ. M¨unster, 1898 an die Univ. Breslau berufen und trat 1907 wegen eines Augenleidens in den Ruhestand. Er gilt als Begr¨under der Bakteriologie und der modernen Pilzforschung. B. z¨uchtete u¨ ber Jahrzehnte Pilze auf k¨unstlichem N¨ahrboden und ver¨offentlichte seine dabei gewonnenen Erkenntnisse u¨ ber ihre Systematik, Morphologie und Biologie u. a. in den Untersuchungen aus dem Gesamtgebiet der Mykologie (15 Bde., 1872-1912). Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Autobasidiomyceten und die Begr¨undung des nat¨urlichen Systems der Pilze (1889) und Die Bl¨uteninfektion bei den Brandpilzen und die nat¨urliche Verbreitung der Brandkrankheiten (1905). Seine Forschungsergebnisse waren auch von Bedeutung f¨ur die moderne Medizin. Als Robert → Koch die Sporen der Milzbrandbakterien entdeckte, f¨uhrte B. die Nachpr¨ufung durch. Sein Bruder war ¨ der preuß. Handelsminister Ludwig → B. 2 C Arzte

Bregler, Philipp Friedrich, Jurist, * 14. 2. 1727 Vilseck / Vils (Oberpfalz), † 1810 Bamberg. Der Sohn eines Forstmeisters bezog 1739 die Hohe Schule in Bamberg, studierte Rechtswissenschaften, verbrachte einige Zeit beim Reichskammergericht in Wetzlar und setzte seine Studien an den Universit¨aten Gießen und Marburg fort, wo er selber erste Vorlesungen hielt. 1752 nach Bamberg zur¨uckgekehrt, errang er dort 1753 die Lizentiatenw¨urde und wurde zum Regierungsassessor ernannt. Seit 1753 war er in Bamberg Prof. des Natur- und V¨olkerrechts und der Institutionen; 1754 wurde er promoviert und zum Hof- und Regierungsrat erhoben. Seit 1758 amtierte B. als Konsulent des Klosters Langheim, u¨ bertrug dieses Amt erst in hohem Alter seinem Sohn und verbrachte den Rest seines Lebens in Bamberg. Zu seinen juristischen Ver¨offentlichungen geh¨ort eine Abhandlung De executione in Status et cives immediatos Imperii, non pro lubitu Archi-Dicasteriorum, sed principibus Circuli proprii convocantibus regulariter deferenda (1755).

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Brehm Brehm, Alfred Edmund, Zoologe, Forschungsreisender, Schriftsteller, * 2. 2. 1829 Renthendorf (Th¨uringen), † 11. 11. 1884 Renthendorf. B. wurde von seinem Vater, dem Pfarrer Christian Ludwig → B., einem der bedeutendsten Ornithologen seiner Zeit in Deutschland, zur Feldbeobachtung sowie zum Sammeln und Pr¨aparieren von Naturobjekten, speziell V¨ogeln der heimischen Ornis geschult. Im Fr¨uhjahr 1847 brach er das Architekturstudium ab und nahm an Jagd- und Sammelexpeditionen des Barons Johann W. von → M¨uller teil. Bis 1852 hielt er sich in Unter¨agypten, Kordofan, Nubien sowie am Unterlauf des Blauen Nils in Gesellschaft bedeutender Naturforscher wie Eduard → R¨uppell und Theodor von → Heuglin auf. B., der 1849 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt wurde, interessierte nicht die zoologische Systematik, sondern die Lebensweise von Tieren. In Afrika gewann er die Erkenntnis, daß das Jagen von Tieren und Sammeln von Pr¨aparaten keinen ausreichenden Einblick in ihre Biologie erm¨oglichen. Daher hielt er w¨ahrend seines Aufenthalts in Afrika verschiedene S¨augetiere. Von 1853 bis 1855 studierte er Zoologie in Jena und wurde am 1. 5. 1855 promoviert. 1856 / 57 unternahm er mit seinem Bruder Reinhold B. eine Spanienreise und war 1858 in Leipzig als Schriftsteller t¨atig (Beitr¨age u. a. in der „Gartenlaube“). B. reiste 1860 nach Norwegisch-Lappland und zu den Lofoten, war 1861 / 62 Lehrer f¨ur Geographie und Naturkunde in Leipzig und begleitete 1862 → Ernst II. von Sachsen-CoburgGotha nach Eritrea (Ergebnisse einer Reise nach Habesch [. . .], 1863). Mit Emil Adolf → Roßm¨aßler publizierte er gemeinsam Die Thiere des Waldes (2 Bde., 1864-67), mit Otto → Finsch Gefangene V¨ogel (2 Bde., 1872-76). B. wurde 1863 zum Direktor des in diesem Jahr er¨offneten Zoologischen Gartens in Hamburg berufen; er unternahm eine Studienreise zu den wichtigsten westeurop¨aischen Zoos. Beobachtungen an gehaltenen Tieren – eigene wie die anderer Tierg¨artner – und die Auswertung der Literatur bildeten den zoologischen Gehalt seines Hauptwerkes Illustrirtes Thierleben, das 1864-70 in sechs B¨anden erschien und sofort popul¨ar wurde. Die sp¨atere Bewertung seiner Darstellungen als anthropomorph ber¨ucksichtigt nicht, daß die Interpretationen zeitgem¨aß waren. 1866 nach Querelen vor allem mit dem zoologisch ambitionierten Pr¨asidenten des Verwaltungsrates Heinrich Adolph → Meyer gek¨undigt (Meine Stellung zum Zoologischen Garten in Hamburg und meine Entlassung, 1866), war er 1867-74 Direktor des fr¨uheren Berliner Aquariums (Vivarium). Mit dem Architekten Wilhelm L¨uer entwickelte er einen neuartigen Typus der Tierschaustellung (Grottenarchitektur, Klaviersaitengitter, Verwendung von Naturelementen f¨ur naturnahe K¨afiggestaltung) und war danach als freier Schriftsteller und Vortragsreisender t¨atig. 1876-79 erschien die zweite, auf zehn B¨ande erweiterte Auflage von B.s Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreiches. Obgleich B. nach dem Tod seines Vaters 1864 in seinen Publikationen Darwins Ansichten erw¨ahnte, aber nicht prononciert verfocht, war er zunehmend Kritik vor allem klerikal-konservativer Kreise ausgesetzt. 1876 reiste er u. a. mit Otto Finsch zum Altai und zur M¨undung des Ob, 1878 mit dem o¨ sterr. Kronprinzen → Rudolf in das Donaudelta und 1879 nach Spanien. Er ¨ hielt zahlreiche popul¨are Vortr¨age (Vom Nordpol zum Aqua-

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tor, postum 1890) und war 1883 bis April 1884 auf einer Vortragsreise in den USA, von der er schwerkrank zur¨uckkehrte. B.s Bedeutung f¨ur die Geschichte der Zoologie liegt in der Verbreitung der immer wieder verbesserten und erweiterten hohen Auflage seines Tierlebens. Es blieb bis Mitte des 20. Jh. das popul¨are Hauptwerk f¨ur zoologische Informationen. WEITERE WERKE: Reiseskizzen aus Nordafrika [. . .]. 3 Bde., Jena 1855. – Das Leben der V¨ogel. Glogau 1861. LITERATUR: Siegfried Schmitz: Tiervater B. Seine Reisen, sein Leben, sein Werk. M¨unchen 1984. Frankfurt / Main 1986. – Hans-Dietrich Haemmerlein: Der Sohn des Vogelpastors. Szenen, Bilder, Dokumente aus dem Leben von A. E. B. Berlin 1985. – Harrow Strehlow: A. B. als Tierg¨artner. In: Sitzungs-Berichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. N. F. 27 (1987) S. 67-80. Lothar Dittrich

Brehm, Bruno von, Pseud. Bruno Clemens, Schriftsteller, * 23. 7. 1892 Laibach, † 5. 6. 1974 Altaussee (Steiermark). B., Sohn eines k. u. k. Hauptmanns, geriet, 1914 verwundet, f¨ur zwei Jahre in russische Gefangenschaft und k¨ampfte 1916-18 an der Italienfront. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs studierte er an der Univ. Wien Kunstgeschichte und war nach der Promotion (1922) als Assistent am Kunsthistorischen Institut und im Verlagswesen t¨atig. Daneben zun¨achst Autor von Unterhaltungsliteratur und seit 1928 freier Schriftsteller, wandte sich B. sp¨ater u. a. mit Apis und Este. Ein Franz-Ferdinand-Roman (3 Bde., 1931) Darstellungen des Untergangs der Donaumonarchie zu. Schon seit Beginn der dreißiger Jahre u¨ berzeugter Nationalsozialist, ¨ war er nach dem „Anschluß“ Osterreichs 1938 Herausgeber der Zeitschrift „Der getreue Eckart“. 1945 wurde er als nationalsozialistisch belastet in Haft genommen und ließ sich nach der Entlassung in Altaussee nieder. In der 1960 / 61 entstandenen Romantrilogie Das zw¨olfj¨ahrige Reich beschrieb B. auf verharmlosende Weise den Aufstieg und den Fall → Hitlers. C Hillesheim Brehm, Christian Ludwig, evang. Theologe, Ornithologe, * 24. 1. 1787 Sch¨onau v. d. Walde bei Gotha, † 23. 6. 1864 Renthendorf bei Triptis (Th¨uringen). Der einer Pastorenfamilie entstammende B. studierte 1807-09 an der Univ. Jena Theologie, war als Hauslehrer t¨atig, erhielt 1812 in Drackendorf seine erste Pfarrstelle und u¨ bernahm noch im selben Jahr das Pastorat von Renthendorf, wo er bis an sein Lebensende blieb. Daneben widmete sich B., der schon in seiner Jugend den Naturforscher Johann Matth¨aus → Bechstein kennengelernt hatte, ornithologischen Studien. Zusammen mit seinen S¨ohnen, unter ihnen dem sp¨ater bekannten Zoologen Alfred Edmund → B., legte er eine Sammlung von etwa 15 000 Vogelb¨algen an. Mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen u¨ ber die subspezifischen Unterschiede schuf B. die Grundlage zu einer ornithologischen Systematik. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen u. a. Beitr¨age zur Vogelkunde in vollst¨andigen Beschreibungen mehrerer neu entdeckter und vieler seltener, oder nicht geh¨orig beobachteter deutscher V¨ogel (2 Bde., 1820-22, Nachdr. 1971), Naturgeschichte aller V¨ogel Deutschlands (1831) und Die Kunst, V¨ogel als B¨alge zu bereiten, auszustopfen, aufzustellen und aufzubewahren (1842). B. war seit 1822 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. C NDB Brehm, Eugen M(ax), Pseud. Ernst Bredt, Max Hole, Max Herb, Katja Herb, Publizist, Politiker, * 4. 10. 1909 Ulm, † 27. 11. 1995 Reading (England). Seit 1925 f¨uhrendes Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft und seit 1929 der Gruppe revolution¨arer Pazifisten in

Brehmer Ulm, lebte B. von 1930 an als Buchh¨andler und Schriftsteller in Berlin. Als Mitbegr¨under der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) und Mitglied der Leitung der revolution¨aren Pazifisten 1933 eine Zeitlang in „Schutzhaft“, kn¨upfte er 1934 in London Kontakte zur Independent Labour Party, wurde wegen illegaler Arbeit f¨ur die SAPD in Dresden verhaftet und floh 1935 nach Prag. Dort war B. in der Fl¨uchtlingshilfe und u. a. f¨ur die Zeitschriften „Die Wahrheit“, „Sozialdemokrat“ und „Die Br¨ucke“ t¨atig; er trat in Verbindung zur Volkssozialistischen Bewegung und zu antistalinistischen Kreisen. Seit 1939 in London ans¨assig und 1940 kurzzeitig interniert, war er bis zu seiner Pensionierung in London Mitarbeiter des BBC Monitoring Service, Publizist (u. a. Towards a New German Foreign Policy, 1943) und 1945-50 Korrespondent der „Neuen Zeitung“ (M¨unchen). C BHdE, Bd 1

Brehm, Georg Nikolaus, Jurist, * 18. 2. 1753 Hof, † 22. 12. 1811 Leipzig. B. bezog 1773 die Univ. Leipzig, erwarb 1780 den Grad eines Magisters der Weltweisheit (Philosophie) und erhielt als Verfasser einer juristischen Abhandlung 1781 die Erlaubnis, rechtswissenschaftliche Vorlesungen zu halten. Durch zahlreiche Ver¨offentlichungen zu theologischen, philosophischen und juristischen Fragen bekannt geworden und vom kurf¨urstlich s¨achsischen Hof mit einer Pension bedacht, wurde er 1786 zum a. o. Prof. der Univ. Leipzig und 1792 in das Große F¨urstenkolleg berufen. Zu seinen weiteren Schriften z¨ahlen Er¨orterungen u¨ ber die Bedeutung der Bildung f¨ur seine b¨urgerlichen Zeitgenossen, eine philosophische Be¨ trachtung u¨ ber das Naturrecht, eine Schrift Uber die nat¨urliche Gleichheit der Menschen (1794) und ein Bibliographisches Handbuch der gesammten neuern, sowohl allgemeinen, als besondern griechischen und r¨omischen Litteratur der neuern Zeit (2 Bde., 1797-1800). Brehm, Karl August, Jurist, * 20. 9. 1762 Leipzig, † 7. 10. 1844 Leipzig. B. studierte in Leipzig Rechtswissenschaften und wurde dort 1788 promoviert. Er erhielt eine Privatdozentur, war gleichzeitig als Advokat t¨atig und verfaßte u. a. Gutachten zu f¨ur den Messe- und Handelsplatz Leipzig wichtigen wirtschaftsund handelsrechtlichen Fragen. Sp¨ater wurde er Beisitzer der Juristischen Fakult¨at, Oberhofgerichtsrat und Leipziger Stadtrichter. Er ver¨offentlichte Disputationes juris (9 Tle., 1810-26).

Brehme, Christian, Pseud. Corimbo, der Best¨andige, Dichter, Bibliothekar, * 26. 4. 1613 Leipzig, † 10. 9. 1667 Dresden. B., fr¨uh verwaister Sohn eines Baumeisters, nahm um 1630 in Wittenberg ein juristisches Studium auf, wechselte an die Univ. Leipzig, wo er sich dem Dichterkreis um Paul → Fleming und Gottfried Finckelthaus anschloß, und ließ sich 1633 als S¨oldner anwerben. Seit 1639 Geheimer Kammerdiener und von 1640 an Bibliothekar am s¨achsischen Hof in Dresden, heiratete er in das Dresdener B¨urgertum ein, wurde Stadtrat, mehrmals B¨urgermeister und 1660 Kurf¨urstlicher Rat. Als Dichter trat er in seiner Leipziger Jugendzeit durch formal am Werk von Martin → Opitz geschulte Liebes- und Trinklieder hervor, die 1637 gesammelt als Allerhandt Lustige / Trawrige / und nach gelegenheit der zeit vorgekommene Gedichte erschienen. 1647 ver¨offentlichte B. den vierteiligen Sch¨aferroman Die vier Tage Einer Newen und Lustigen Sch¨afferey. Sein Sp¨atwerk, die dreiteiligen Christlichen Unterredungen (1659 / 60) und die darin enthaltenen Zw¨olff Geistlichen Gespr¨ache geh¨oren zur zeitgen¨ossischen religi¨osen Erbauungsliteratur. C Killy

Brehme, Hans (Ludwig Wilhelm), Komponist, Musiker, * 10. 3. 1904 Potsdam, † 10. 11. 1957 Stuttgart. B. studierte 1922-26 Klavier und Komposition an der Staatlichen Hochschule f¨ur Musik in Berlin und war 1926 / 27 Sch¨uler Wilhelm → Kempffs. 1928 wurde er an der Staatlichen Hochschule f¨ur Musik in Stuttgart Dozent, 1940 Prof. f¨ur Komposition, Klavier und Partiturspiel. Seit 1945 lehrte er an der Staatlichen Hochschule f¨ur Musikerziehung in Trossingen. Neben den Opern Der Uhrmacher von Straßburg (1941) und Liebe ist teuer (1950) komponierte B. jeweils zwei am Stil Max → Regers orientierte Sinfonien und Klavierkonzerte, ferner Kammermusik, Klavierund Orgelst¨ucke. C MGG Brehme, Hugo, Photograph, * 8. 12. 1882 Eisenach, † 13. 6. 1954 Mexiko-Stadt. Der Sohn eines Schumachers wurde seit 1898 in Erfurt zum Photographen ausgebildet und war 1900 / 01 Expeditionsphotograph in Afrika, kehrte aber wegen einer Erkrankung an Malaria nach Deutschland zur¨uck. 1905-07 hielt er sich in Mexiko auf, ließ sich 1908 in Mexiko-Stadt nieder, arbeitete 1910-13 bei der Agencia de Informaci´on Fotogr´afica und war dann als freier Photograph im eigenen Photostudio t¨atig. 1951 nahm er die mexikanische Staatsb¨urgerschaft an. B., der als ein Wegbereiter der modernen mexikanischen Photographie gilt, war sowohl in Mexiko wie im Ausland erfolgreich. Er ver¨offentlichte u. a. Das malerische Mexiko (1923) und Mexiko. Baukunst, Landschaft, Volksleben (1925). Mit seinem Werk, das stilistisch der Landschaftsmalerei des 19. Jh. folgt und vor allem Landschaften, st¨adtische Denkm¨aler, Zeugnisse der pr¨akolumbianischen Kultur und die Landbev¨olkerung darstellt, schuf er ein idealisierendes, vor allem in Europa und den USA lange vorherrschendes Mexikobild. C AKL Brehme, Wilhelm Leopold, Mediziner, * 8. 7. 1797 Heichelheim bei Weimar, † 25. 9. 1837 Jena. Das 1815 in Jena begonnene und 1818 mit der Promotion zum Doktor der Medizin und der Chirurgie abgeschlossene Studium (De ophtalmoblennorrhoea generatim et praecipue de venaesectionis utilitae in oculi affectionibus rheumaticis vel arthriticis) setzte B. in Wien fort, besch¨aftigte sich dort vor allem mit der Augenheilkunde und ließ sich nach der R¨uckkehr als praktischer Arzt in Neustadt / Orla nieder. Nach der Habilitation 1823 in Jena kehrte er 1824 nach Weimar zur¨uck, wo er sich als Mitarbeiter des großherzoglichen Industriekomptoirs und verschiedener Nachschlagewerke schriftstellerisch bet¨atigte. Seit 1828 Privatdozent an der Univ. Jena, leistete er vor allem Mittellosen unentgeltliche a¨ rztliche Hilfe, so daß er, als er einem Schlaganfall erlag, v¨ollig verarmt war. Zum Bedauern seiner Zeitgenossen nahm er die Rezepte f¨ur eine selbstentwickelte, als „Geheimmittel“ geltende s¨aurelose Zahntinktur, f¨ur ein ¨ aus den Bl¨uten Hautwaschpulver gegen Akne und f¨ur ein Ol einheimischer Rosen mit ins Grab. C Neuer Nekr, Jg. 15 Brehmer, (Heinrich) Friedrich, Bildhauer, Medailleur, * 25. 11. 1815 Hannover, † 2. 2. 1889 Hannover. Seine Lehre durchlief B. zun¨achst bei seinem Vater, einem hannoverschen M¨unzjustierer, Mechaniker und Eichmeister, lernte anschließend bei einem Juwelier und ließ sich in Paris zum Medailleur ausbilden. Durch Vermittlung des dortigen hannoverschen Gesandten gelangte eine von ihm angefertigte Medaille mit dem Reliefportr¨at K¨onig → Ernst Augusts nach Hannover. Da sie diesem gefiel, befahl er dem Finanzministerium, den 1846 nach Hannover zur¨uckgekehrten B. als M¨unzgraveur anzustellen. B. wurde jedoch nur als Stempelschneider und freier Mitarbeiter besch¨aftigt und erst 1864,

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Brehmer als er zum zweitenmal einen Ruf an die Petersburger M¨unze erhielt, fest angestellt. Er schuf auch f¨ur andere norddeutsche St¨adte und kleinere F¨urstent¨umer etliche Medaillen und M¨unzen. C AKL

Brehmer, Fritz, Schriftsteller, Theaterdirektor, * 10. 8. 1873 Philadelphia (USA), † 7. 11. 1952 Hamburg. Der Sohn des Fabrikanten Hugo → B. begann 1892 eine Laufbahn in der Kaiserlichen Marine, befehligte u. a. ein deutsches Kanonenboot in S¨udchina und wurde im Ersten Weltkrieg Fregattenkapit¨an, Leiter des Hauptb¨uros der Staatswerft in Kiel und Kommandeur der Nordseeflieger beim Stab der Hochseeflotte. Seit 1918 geh¨orte er dem Vorstand der B¨uhnen Max → Reinhardts an und wurde 1920 Direktor des neuer¨offneten Großen Schauspielhauses. 1923 gr¨undete B. in Dresden die „Jahresschau deutscher Arbeit“, mit der er wechselnde Ausstellungen wie die „Internationale Hygiene-Ausstellung“ von 1930 veranstaltete. Seit 1923 amtierte er als Vertreter der Regierung von S¨udafrika und seit 1930 als deren Konsul in Hamburg. B. trat als Verfasser von Dramen und Erz¨ahlungen hervor und schrieb u. a. Tobias K¨aferbeins seem¨annische Laufbahn (1914) und Die Odyssee in Oldstadt (1948). C Reichshandbuch

Brehmer, Hermann, Lungenarzt, * 14. 8. 1826 Kurtsch bei Strehlen (Schlesien), † 22. 12. 1889 G¨orbersdorf (Schlesien). B. nahm 1847 in Breslau ein Studium der Naturwissenschaften, Mathematik und Astronomie auf, mußte die Univ. 1850 als „Achtundvierziger“ und „politisch Verd¨achtiger“ verlassen und erhielt mit Hilfe Alexander von → Humboldts die Erlaubnis, das Studium in Berlin fortzusetzen. Dort wechselte er an die Medizinische Fakult¨at und wurde 1853 mit einer Dissertation u¨ ber die Heilbarkeit von Tuberkulose promoviert (dt. Die Gesetze der Heilbarkeit der Lungenschwindsucht), f¨ur die er 1853 in die Deutsche Akademie ¨ der Naturforscher Leopoldina aufgenommen wurde. Uberzeugt davon, daß die Schwindsucht aus einem Mißverh¨altnis zwischen einem zu schwachen Herzen und einer zu volumin¨osen Lunge resultiere und in gewissen geographischen Breiten nicht vork¨ame, gr¨undete B. 1854 in G¨orbersdorf im Waldenburger Gebirge (Schlesien) das erste, bald viel frequentierte Sanatorium f¨ur Lungenkranke, in dem die Patienten zur St¨arkung der Herzt¨atigkeit zu k¨orperlicher Bewegung und zum Bergsteigen angehalten wurden. Er ver¨offentlichte u. a. Die chronische Lungenschwindsucht und Tuberkulose der Lunge, ihre Ursache und ihre Heilung (1857, 21869) und Aetiologie und Therapie der chronischen Lungenschwindsucht (1881). C Leb Schlesien, Bd 1

Brehmer, Hugo, Fabrikant, Erfinder, * 27. 10. 1844 Falkenhusen bei L¨ubeck, † 24. 12. 1891 Leipzig. Nach der Schlosserlehre bei der L¨ubecker Eisenbahngesellschaft und einer T¨atigkeit bei der Firma Borsig in Berlin besuchte B., Sohn eines Gutsp¨achters, mit seinem Bruder August 1866-68 die Werkmeisterschule in Berlin und folgte diesem 1872 nach Philadelphia. Dort gr¨undeten sie 1873 die Firma Brehmer-Brothers, in der sie mit Hilfe der von B. erfundenen U-f¨ormigen Heftklammern und einer von ihm entwickelten Drahtheftmaschine Faltschachteln herstellten. 1875 konstruierte er eine Drahtbuchheftmaschine, die erstmals bei der Herstellung des Katalogs der Weltausstellung in Philadelphia 1876 verwendet wurde. B. erfand ferner die erste funktionsf¨ahige Fadenbuchheftmaschine und eine Drahtheftmaschine f¨ur die Kartonagenfabrikation. 1879 gr¨undete er eine zweite Fabrik in Leipzig-Plagwitz. B.s Sohn war der Schriftsteller Fritz → B., sein Vetter der L¨ubecker B¨urgerC SHBL, Bd 11 meister Wilhelm → B.

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Brehmer, Klaus Peter, auch KP Brehmer, Graphiker, Maler, * 12. 9. 1938 Berlin, † 16. 12. 1997 Hamburg. Nach einer Ausbildung zum Reproduktionstechniker in Duisburg studierte B. 1959-61 an der Werkkunstschule in Krefeld und 1961-63 an der D¨usseldorfer Kunstakademie. 1963 arbeitete er im Atelier von Stanley William Hayter in Paris, lebte danach in Berlin und war seit 1971 Prof. an der Hochschule f¨ur Bildende K¨unste in Hamburg. B. begann mit Montagedrucken aus Zeitungen, Prospekten in Massenauflagen und wurde in den sechziger Jahren zu einem Hauptvertreter des „kapitalistischen Realismus“, der provokativkritisch die konsumorientierte Alltagswelt in Frage stellte. Einfl¨usse der amerikanischen Pop-Art, Werbung und geometrischen Malerei zeigten sich in Aufstellern und sog. Trivialgraphiken sowie in Bildkompositionen aus verfremdeten Massenprodukten. Sp¨ater wandte sich B. dem Kurzfilm (Fernsehoper, 1971), „Sichtagitationen“ zur Veranschaulichung politischer Verh¨altnisse (Korrektur der deutschen Nationalfarben anhand der Verteilung des Volksverm¨ogens, 1972) und Selbstbeobachtungen in Form von Protokollen und Tabellen (Tageb¨ucher, 1976-81) zu. 1975 entstand eine Serie von Zeichnungen, Drucken und Installationen als „Bilder von Menschen“ u¨ ber den Menschen als Versuchsobjekt in wissenschaftlicher Forschung (Akt). C AKL Brehmer, Wilhelm, B¨urgermeister, Heimatforscher, * 19. 5. 1828 L¨ubeck, † 2. 5. 1905 L¨ubeck. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften er¨offnete B., Sohn des L¨ubecker Senators Heinrich B., 1858 in L¨ubeck eine Anwaltspraxis. Daneben versah er verschiedene o¨ ffent¨ liche Amter, wurde 1870 zum Senator gew¨ahlt und hatte 1897 / 98 und 1901 / 02 das Amt des B¨urgermeisters inne. Als langj¨ahriger Vorsitzender des Vereins f¨ur hansische Geschichte verfaßte B. etliche Abhandlungen zur Geschichte der Hanse und der Stadt L¨ubeck. C SHBL, Bd 11 Brehmer, Wilhelm von, Biologe, * 24. 1. 1883 Minden (Westfalen), † 22. 10. 1959 Kassel. Das in Berlin und Kiel absolvierte Studium der Biologie ¨ beendete B. 1915 mit der Promotion in Berlin (Uber die systematische Gliederung und Entwickelung der Gattung Wahlenbergia in Afrika). Seit 1913 war er Assistent am Botanischen Institut in Berlin, unternahm 1913 / 14 eine Forschungsreise durch Afrika, zog als Freiwilliger in den Ersten Weltkrieg und kehrte 1922 an das Botanische Institut in Berlin zur¨uck. Seit 1924 Direktor des PathologischAnatomischen Laboratoriums der Biologischen Reichsanstalt in Berlin-Dahlem, leitete B. 1934 / 35 das ParacelsusInstitut in N¨urnberg, 1938-43 das Forschungslabor f¨ur Blutund Geschwulstkrankheiten in Berlin und 1944-46 das Institut f¨ur Geschwulst- und Infektionskrankheiten in GroßGlienicke bei Berlin. 1947 gr¨undete er in Bad Kreuznach die Internationale Freie Akademie f¨ur Virus- und Krebsforschung. B. befaßte sich auch mit der Poliomyelitis, der pernizi¨osen An¨amie und verschiedenen Tierseuchen. 1932 entdeckte er die als krebsausl¨osend geltende Mikrobe Siphonospora polymorpha, aus dem er das Medikament Toxinal entwickelte. Er ver¨offentlichte u. a. „Siphonospora polymorpha v. Br.“ in ihrer Bedeutung f¨ur Blut- und Geschwulstkrankheiten unter besonderer Ber¨ucksichtigung des Krebs (1947). C Munzinger Breicha, Otto, o¨ sterr. Publizist, * 26. 7. 1932 Wien, † 28. 12. 2003 Wien. B. studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Kunstgeschichte in Wien, wo er 1961 mit der Dissertation Idee und Verwirklichung des Dramatischen bei Raimund Berger promoviert wurde. 1962-72 war er Mitarbeiter und stellver¨ tretender Leiter der Osterreichischen Gesellschaft f¨ur Literatur, gleichzeitig schrieb er Literatur- und Kunstkritiken

Breidenstein f¨ur o¨ sterr. und deutsche Zeitungen („Kurier“, „Frankfurter Rundschau“ und „Stuttgarter Zeitung“). 1966-2001 gab er – bis zu dessen Tod 1969 mit Gerhard → Fritsch – die Halbjahresschrift „protokolle“ heraus; mit Hilde → Spiel und Georg Eisler betreute er 1969-74 die Jahreshefte f¨ur Kunst und Literatur „ver sacrum“. Nachdem ihm 1972 die Leitung des Kulturhauses der Stadt Graz u¨ bertragen worden war, wechselte er 1980 als Leiter, seit 1983 als Direktor an die Salzburger Landessammlungen und Moderne Galerie Rupertinum. B. geh¨orte zu den Gr¨undungsmitgliedern der Grazer Autorenversammlung, war Mitglied der o¨ sterr. Sektion der Internationalen Kunstkritikervereinigung und 1974-77 Direktoriumsmitglied des „steirischen herbst“. Er verfaßte mehrere Kunstmonographien, u. a. u¨ ber Fritz → Wotruba. B. wurde mit dem Preis der Stadt Wien f¨ur Publizistik (1981) und mit dem Alfred-Kerr-Preis des deutschen Buchhandels C Killy (1981 / 82) ausgezeichnet.

Breidbach, Emmerich Joseph Frh. von, Erzbischof von Mainz, * 12. 11. 1707 Koblenz, † 11. 6. 1774 Mainz. Seit 1732 Domkapitular in Mainz und seit 1736 in Trier, wurde B. 1763 Erzbischof und Kurf¨urst von Mainz, 1768 auch Bischof von Worms. Er verk¨orperte den Typus des aufgekl¨arten Landesherrn und f¨uhrte in seinem Herrschaftsbereich eine Reihe von Reformen durch. Diese galten im kirchlichen Bereich 1769 der Reduktion der Feiertage und dem Klosterwesen 1771 (Erlaß einer umfassenden Klosterreform). 1769 verfaßte B. zusammen mit den Erzbisch¨ofen von Trier und K¨oln die gegen Rom gerichteten Gravamina der rheinischen Erzbisch¨ofe. 1773 vollzog er in seinem Erzbistum die vom Papst verf¨ugte Aufhebung des Jesuitenordens und nutzte, um die Hebung der allgemeinen Bildung und des Wohlstandes bem¨uht, dessen Verm¨ogen zum Ausbau des Schulwesens. C Gatz 3

Breidenbach, Moritz Wilhelm August, Jurist, Staatsmann, * 13. 11. 1796 Offenbach / Main, † 2. 4. 1857 Darmstadt. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und der Promotion 1817 in Heidelberg war B. seit 1820 als Advokat in Darmstadt t¨atig und wurde 1831 zum Fiskalanwalt beim großherzoglich hessischen Ministerium des Innern ernannt. Von 1836 an amtierte er als wirklicher Ministerialrat und Regierungskommissar beim Landtag. Seit Beginn des Jahres 1848 Mitglied des Staatsrats, mußte er im Zuge der M¨arzereignisse zur¨ucktreten, wurde jedoch 1849 zum Direktor des Oberstudienrats berufen. B., ein u¨ berzeugter Monarchist, war maßgeblich an der Schaffung des hessischen Strafgesetzbuchs, des allgemeinen deutschen Wechselrechts und des Handelsrechts beteiligt. Als seine wichtigste juristische Schrift gilt der Commentar u¨ ber das Große Hessische Strafgesetzbuch [. . .] (1842).

Breidenbach, Tilli, Schauspielerin, * 2. 10. 1910 V¨olklingen / Saar, † 22. 10. 1994 M¨unchen. B. studierte in K¨oln Germanistik, Romanistik und Kunstgeschichte und besuchte die Schauspielschule der dortigen St¨adtischen B¨uhnen. 1947 / 48 und 1951 / 52 am Staatstheater in Darmstadt engagiert, wirkte sie 1948-50 am SchleswigHolsteinischen Landestheater in Kiel und 1950 / 51 in Essen. Seit 1952 geh¨orte sie dem Ensemble des Stadttheaters Luzern an, gastierte u. a. an der Freien Volksb¨uhne Berlin, am Schauspielhaus Z¨urich und bis 1984 am Theater am Sozialamt in M¨unchen und war seit 1964 auch f¨ur das Fernsehen t¨atig (u. a. in Haus ohne H¨uter, 1975; Titanic, 1984; Lindenstraße, 1985 / 86). B¨uhnenerfolge feierte sie vor allem in der Titelrolle von Jean Giraudoux’ Die Irre von Chaillot und als Mathilde in Friedrich → D¨urrenmatts Die Physiker. C Huber

Breidenbach, Wolf, Bankier, * August 1750 Bredenbach bei Kassel, † 27. 2. 1829 Offenbach. B. kam als mittelloser junger Mann zum Talmudstudium nach Frankfurt / Main, diente einem Adligen als Hausfaktor und er¨offnete sp¨ater in Offenbach eine Bank und einen Juwelierladen. Seit 1771 Hoffaktor des F¨ursten von IsenburgBirstein, wurde er 1799 Hof- und Kammeragent und 1812 f¨urstlich isenburgischer Rat. B., der seit 1803 das Finanzdepartement des F¨urstentums Isenburg leitete und auch an den H¨ofen von Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel als Hoffaktor t¨atig war, erreichte 1803 die Aufhebung des von den Juden bis dahin erhobenen Leibzolls in Isenburg, den Territorien der F¨ursten Solms und in Hessen-Homburg. 1804 folgten u. a. Aschaffenburg, Frankfurt / Main, Hessen-Darmstadt, das Kurf¨urstentum Mainz und Regensburg und 1806 Nassau. Seine in einem Prozeß gegen Isenburg-Birstein erreichte Anerkennung als Staatsdiener war von Bedeutung f¨ur die Stellung sp¨aterer Hoffinanziers. C NDB

Breidenstein, August, Mediziner, * 28. 11. 1810 Homburg v. d. H., † 24. 4. 1835 New Orleans (Louisiana, USA). B., Sohn eines Oberhofpredigers, studierte seit 1828 Medizin in Gießen und G¨ottingen, beteiligte sich 1830 am Warschauer Aufstand, wurde 1831 promoviert und war dann als Milit¨ararzt t¨atig. Nach der Teilnahme am Frankfurter Wachensturm 1833 wurde B., der dem Gießener Kreis um Friedrich Ludwig → Weidig angeh¨orte, verhaftet, konnte aber nach Frankreich und schließlich nach Bern fliehen. 1834 nahm er am Savoyerzug teil und hatte als Mitglied der Gruppe Junges Deutschland Anteil an der Gr¨undung des Berner Klubs. Ein von B. mitverantwortetes politisches Flugblatt f¨uhrte 1834 zu seiner Ausweisung aus der Schweiz. In die USA emigriert, praktizierte B. als Arzt in New Orleans. C Dvorak

Breidenstein, Heinrich Karl, Musikwissenschaftler, Komponist, * 28. 2. 1796 Steinau bei Schl¨uchtern (Hessen), † 12. 7. 1876 Bonn. Nach dem in Heidelberg und Berlin u. a bei → Schleiermacher und → Hegel absolvierten Studium der Philosophie, Jurisprudenz und Philologie war B., Sohn eines Schullehrers und Organisten, als Hauslehrer in Stuttgart und als Oberlehrer in Heidelberg t¨atig. Nach der Promotion 1821 ¨ in Gießen (Uber das Sch¨one in der Musik) hielt er in K¨oln musikwissenschaftliche Vortr¨age und wurde 1822 Universit¨atsmusikdirektor, 1823 Dozent und 1826 unbesoldeter Prof. der Musik an der Univ. Bonn. Als Inhaber des ersten deutschen Lehrstuhls f¨ur Musik lehrte B. u. a. Musikgeschichte, -theorie, -psychologie und -¨asthetik. Er machte sich auch um die Musikpflege in Bonn verdient, veranstaltete Konzerte, trat als Dirigent auf und regte den Bau des → Beethoven-Denkmals an, zu dessen Enth¨ullung 1845 er die Festschrift verfaßte und eine Kantate auff¨uhrte. Er komponierte u. a. Motetten, Lieder, Orgelwerke und den Choral Wenn ich ihn nur habe (1825) nach dem Text von → Novalis. C MGG ¨ Breidenstein, Johannes Philipp, Okonom, Musiker, * 9. 4. 1729 Niederdorfelden bei Hanau, † 18. 1. 1785 Gießen. Als Sohn eines Schulmeisters und Rittergutsverwalters zu dessen Nachfolger bestimmt, erhielt B. zun¨achst eine entsprechende praktische Ausbildung. Auf dem Gymnasium von Hanau setzte er nebenbei seine schon zu Hause begonnene Ausbildung zum Organisten fort. 1745 wurde er als Siebzehnj¨ahriger zum Musikdirektor und Organisten des St. Magdalenenstifts, der reformierten Hauptkirche von Hanau, berufen, erhielt jedoch trotz eines gleichzeitig begonnenen Studium generale nicht die damit verbundene Stelle eines

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Breider Gymnasiallehrers. 1760 wurde er Administrator des Hospitals und des Waisenhauses von Hanau, 1777 o. Prof. der Landwirtschaft und des Kameralrechnungswesens an der Univ. Gießen. B. nahm zu landwirtschaftlichen Fragen Stellung, beschrieb ein Wahres Mittel eine Fruchttheuerung auf ewig von einem Staat abzuhalten (1773), komponierte einige Sonaten f¨ur Klavier und brachte 1770 Vom Hrn. Canonikus Gleim neue Lieder in Melodie gebracht und auf das Clavier gesetzt heraus. C Strieder

Breider, Hans, Zoologe, Genetiker, * 20. 5. 1908 Effeln bei Lippstadt, † 22. 11. 2000 W¨urzburg. B. studierte Biologie und wurde 1935 an der Univ. M¨unster mit der Dissertation Geschlechtsbestimmung und -differenzierung bei Limia nigrofasciata, caudofasciata, vittata und deren Artbastarden promoviert. 1936 habilitierte er sich an der TH Braunschweig mit der Arbeit Eine Erbanalyse von Artmerkmalen geographisch vikariierender Arten der Gattung Limia. 1936-45 war B. Abteilungsleiter am Kaiser-Wilhelm-Institut f¨ur Rebenz¨uchtung in M¨uncheberg und u¨ bernahm 1947 die Oberleitung der Rebenz¨uchtung an der Landesanstalt f¨ur Rebenz¨uchtung in Alzey. 1950 geh¨orte er zu den Begr¨undern der Landesanstalt f¨ur Weinbau und Gartenbau in Veitsh¨ochheim, deren erster Direktor er wurde. 1953-73 war er auch Direktor der Landesanstalt f¨ur Wein-, Obst- und Gartenanbau in W¨urzburg. Gastprofessuren f¨uhrten ihn u. a. nach Siena (Italien) und Mendoza (Argentinien). B. geh¨orte zu den bedeutendsten Rebenz¨uchtern Deutschlands. Er hat sich insbesondere beim Anbau von Frankenwein durch die Entwicklung neuer Rebsorten große Verdienste erworben. B. ver¨offentlichte u. a. Die Gesetze der Vererbung und Z¨uchtung. In Versuchen mit Aquariumfischen ¨ dargestellt (1938) und Uber Zufall und Wahrscheinlichkeit (1995).

Breier, Eduard, o¨ sterr. Schriftsteller, Journalist, * 3. 11. 1811 Varaˇzdin (Kroatien), † 3. 6. 1886 Gaiwitz bei Znaim / Thaya (M¨ahren). B., Sohn j¨udischer Eltern, begann 1831 zun¨achst eine milit¨arische Laufbahn, wandte sich sp¨ater der Literatur und dem Journalismus zu und redigierte 1847 / 48 die „Prager Zeitung“. Anschließend ließ er sich als freier Schriftsteller und Feuilletonredakteur verschiedener Zeitschriften in Wien nieder. W¨ahrend er in seinen ersten Werken wie in Der Fluch des Rabbi (1841) noch die Welt der o¨ sterr. Juden beschrieb, verfaßte B. sp¨ater etliche Romane und Sittenbilder, die vor allem die o¨ sterr. und ungarische Geschichte des 18. und 19. Jh. behandeln (u. a. Der Congress zu Wien, 4 Bde., 1854; Josef Kaiser, 1861). 1853 gab er Wien in der Nacht, einen „Sittenroman aus der Gegenwart“ heraus, 1854 den Roman Die beiden Grasel (2 Bde.), eine Schilderung des Lebens der unteren Wiener Volksschichten. C Lex dt-j¨ud Autoren Breining, J¨org → Preining, J¨org Breinl, Friedrich, Bakteriologe, * 26. 5. 1888 Bielitz

¨ (Osterr.-Schlesien), † 29. 7. 1936 Prag. Nach dem 1908 in Prag aufgenommenen und 1913 mit der Promotion abgeschlossenen Studium der Medizin diente B. im Ersten Weltkrieg in der o¨ sterreichisch-ungarischen Armee als Bakteriologe. Nach Kriegsende war er als Assistent am Hygienischen Institut der Deutschen Univ. Prag t¨atig, habilitierte sich dort 1921 und wurde 1927 a. o., 1929 o. Prof. der Bakteriologie, Serologie und Hygiene. Er leitete das Hygieneinstitut der dortigen Univ. und war 1932 / 33 Dekan der Medizinischen Fakult¨at. B. war Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft f¨ur Volksgesundheit in der Tschechoslowakei und gab die Zeitschrift „Volksgesundheit“ (1929-32) heraus. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen Untersuchungen u¨ ber die experimentelle Fleckfieberinfektion und -immunit¨at (1923), die er mit Hilfe k¨unstlich infizierter

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Kleiderl¨ause zu erreichen suchte. Weitere Forschungen B.s galten der Bakterienmutation, dem Rocky Mountains Spot¨ ted Fever und Problemen der Immunit¨at. 2, 3 C Arzte

Breisach, Paul, o¨ sterr. Dirigent, * 3. 6. 1896 Wien, † 26. 12. 1952 New York. Der Sohn eines Wiener Bankiers diente 1914-18 als Offizier in der o¨ sterr.-ungarischen Armee, studierte anschließend u. a. bei Bruno → Walter Musik und wurde 1919 Assistent von Richard → Strauss an der Wiener Staatsoper. 1921-24 war er Dirigent am Mannheimer Nationaltheater, 1924 / 25 am Deutschen Opernhaus Berlin, 1925-30 Generalmusikdirektor in Mainz und seit 1930 Dirigent an der Berliner Staatsoper; 1933 wurde er aus rassischen Gr¨unden entlassen. Danach gab er Gastspiele in Wien, Budapest, Prag, Stockholm, Lissabon, Mailand, Riga und Leningrad und emigrierte 1939 von Ungarn aus in die USA. Dort deb¨utierte er 1940 mit dem Chicagoer Symphonieorchester, dirigierte seit 1941 an der Metropolitan Opera in New York, wechselte 1946 an die Oper von San Francisco, wo er 1947 die Urauff¨uhrung von Benjamin Brittens Oper The rape of Lucretia leitete, und war daneben als Gastdirigent an verschiedenen renommierten Opernh¨ausern der USA t¨atig. C BHdE, Bd 2

Breisach, Wilhelm von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 3. 1. 1812 Eisenstadt, † 9. 2. 1894 Graz. 1831 als Kadett in den o¨ sterr. Milit¨ardienst eingetreten, nahm B. 1848 / 49 an der Blockade von Venedig und der Beschießung Anconas teil und kommandierte anschließend o¨ sterr. Kriegsschiffe in den adriatischen K¨ustengew¨assern, ¨ im u¨ brigen Mittelmeer und in Ubersee. Seit 1851 Arsenalsdirektor, wurde er 1855 in das Oberkommando der Marine berufen und 1857 zum Linienschiffskapit¨an ernannt. 1857-62 stand er der Marinekanzlei des Kaisers vor und avancierte 1863 zum Seebezirkskommandanten von Venedig, 1864 zum Hafenadmiral von Triest.

Breisky, August, Gyn¨akologe, * 25. 3. 1832 Klattau (B¨ohmen), † 25. 5. 1889 Wien. Nach dem an der Univ. Prag beendeten Studium der Medizin und einer 1855 aufgenommenen T¨atigkeit am dortigen Pathologisch-Anatomischen Institut begann B., Sohn eines Kreishauptmanns, 1858 als Assistent an der Prager Geburtshilflichen Klinik mit gyn¨akologischer Forschung. 1866 wurde er als Prof. der Geburtshilfe und Gyn¨akologie nach Salzburg berufen, wechselte 1867 nach Bern, folgte 1874 einem Ruf an die Univ. Prag und erhielt 1886 eine Pro¨ fessur in Wien. Sein Werk Uber den Einfluß der Kyphose auf die Beckengestalt (1865), eine von ihm entwickelte Methode der exakten Beckenvermessung und seine Leistungen auf dem Gebiet der medikament¨osen und chirurgischen Gyn¨akologie machten B. zu einem der gesuchtesten Gyn¨akologen seiner Zeit. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨ort ferner Die Krankheiten der Vagina (1879, 21886). Mit der strikten Befolgung der hygienischen Vorschriften von Ignaz Philipp → Semmelweis f¨uhrte B. in allen Kliniken, in denen er operierte, die Asepsis in die gyn¨akologischen Abteilungen ein. Er wurde 1887 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. B. war der Vater von Walter → B. C NDB

Breisky, Walter, o¨ sterr. Politiker, * 8. 7. 1871 Bern, † 25. 9. 1944 Klosterneuburg (Nieder¨osterreich). Der Sohn des Gyn¨akologen August → B. trat nach dem Jurastudium in die nieder¨osterr. Statthalterei ein und wechselte 1899 in das Unterrichtsministerium, wo er seit 1905 Referent f¨ur den evang. Kultus war. Seit 1907 im Pressedepartement des Ministerratspr¨asidiums t¨atig, amtierte B. von Juli 1919 bis September 1920 als Staatssekret¨ar des Innern und des Unterrichts, seit 1920 als Vizekanzler und Minister f¨ur Kultur und Unterricht. F¨ur einen Tag (26. / 27. 1. 1922)

Breitenbach Regierungschef, trat er im Mai 1922 zur¨uck, wurde 1923 Pr¨asident des Bundesamtes f¨ur Statistik und trat 1931 in den Ruhestand. 1944 wurde B. wegen H¨orens eines „Feindsenders“ denunziert, vor¨ubergehend verhaftet und beging nach der Entlassung Selbstmord.

Breit, Franz Xaver von, Gyn¨akologe, * 1. 7. 1817 Mieders bei Innsbruck, † 17. 8. 1868 T¨ubingen. B. studierte 1837-41 an den Universit¨aten Wien, Prag und Padua Medizin und erhielt 1844 eine Assistentenstelle an der 1. Wiener Geb¨arklinik, an der Ignaz Philipp → Semmelweis an der Bek¨ampfung des Kindbettfiebers arbeitete. Seit 1847 war er a. o. Prof. der Geburtshilfe, seit 1848 Vorstand der Geburtshilflichen Klinik und o. Prof. an der Univ. T¨ubingen. Damit wurde dort erstmals eine Trennung der Geburtshilfe von der Chirurgie vollzogen. Zur Vermeidung des f¨ur die M¨utter seinerzeit lebensbedrohenden Kaiserschnitts propagierte B. die k¨unstlich eingeleitete Fr¨uhgeburt. Als einer der ersten Gyn¨akologen verwendete er bei Operationen und zur allgemeinen Schmerzbek¨ampfung Chloroform. Die meisten ¨ seiner Schriften (u. a. Uber die Wendung des Kindes auf den Kopf, 1848) ver¨offentlichte er im „Archiv f¨ur physiologische Heilkunde“. 1863 wurde ihm f¨ur seine Verdienste das w¨urttembergische Ritterkreuz des Kronordens und der pers¨onliche Adel verliehen. C NDB Breit, Herbert, evang. Theologe, * 3. 9. 1908 Augsburg, † 6. 10. 1993 M¨unchen. Nach dem Theologiestudium in Erlangen und T¨ubingen wurde B. 1933 mit einer Arbeit u¨ ber Die Predigt des Deuteronomisten promoviert und im gleichen Jahr in Augsburg zum Pfarrer ordiniert. 1937 wechselte er als Studienrat an das Theresien-Gymnasium in M¨unchen. W¨ahrend des Zweiten Weltkrieges war er in der Wehrmachtsseelsorge in Frankreich und an der Ostfront eingesetzt. 1948 u¨ bernahm B. das Dekanat Weilheim, 1956 das in Kempten, ehe er 1960 Gr¨undungsrektor des Prediger- und Studienseminars der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands in Pullach wurde. Nach seinem Ausscheiden 1974 u¨ bernahm er kommissarisch den Lehrstuhl f¨ur praktische Theologie in Erlangen und wurde 1982 dort Honorarprofessor. Breit, Thomas, evang. Theologe, * 16. 3. 1880 Ansbach, † 18. 11. 1966 Augsburg. B., Sohn eines Oberlehrers, studierte Mathematik und Theologie in Erlangen und Greifswald, wurde 1903 in Ansbach ordiniert, war Vikar in Baldingen und N¨ordlingen und 1904 bei der Stadtmission in Berlin. 1905 ging er als Hilfsgeistlicher nach M¨unchen, wurde 1908 Pfarrer in Augsburg und war im Ersten Weltkrieg Feldseelsorger. 1925 wurde er Dekan in Hof, 1933 Oberkirchenrat im evangelischlutherischen Landeskirchenamt in M¨unchen. Hier war er zeitweise Stellvertreter des Landesbischofs Hans → Meiser. B. schloß sich der Bekennenden Kirche an und war 1934 neben Karl → Barth und Hans → Asmussen einer der Verfasser der Theologischen Erkl¨arung von Barmen. Er wurde Mitglied im Reichsbruderrat und im Rat der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK), war 1934-36 Mitglied der Vorl¨aufigen Kirchenleitung der DEK und 1936-38 Vorsitzender des „Lutherrats“ in Berlin. 1947 ehrte ihn die Theologische Fakult¨at Erlangen mit der Verleihung des D. theol. h. c. 1947-59 war B. Mitglied des Bayerischen Senats. Er ver¨offentlichte u. a. Lieben, Leiden, Lernen. Predigten (1920) und Bekenntnisgebundenes Kirchenregiment (1936). C Bayer Senat Breitbach, Joseph, Pseud. Jean-Charlot Saleck, Schriftsteller, Journalist, * 20. 9. 1903 Koblenz-Ehrenbreitstein, † 9. 5. 1980 M¨unchen. Der Sohn des Rektors von Ehrenbreitstein brach 1921 das Gymnasium vorzeitig ab, war journalistisch t¨atig, kn¨upfte erste Kontakte zur „Nouvelle Revue Fran¸caise“ (NRF) und

arbeitete seit 1924 als Buchh¨andler in Koblenz und Augsburg. Seit 1931 lebte er in Paris, schrieb f¨ur die NRF und zusammen mit Jean Schlumberger im „Figaro“ u¨ ber politische Themen. 1938 meldete er sich zur franz¨osischen Armee und arbeitete f¨ur den Nachrichtendienst. B.s Bibliothek und Manuskripte (u. a. der Roman Clemens und die Tageb¨ucher ¨ Uber meine Umwelt) wurden 1940 in Paris von der Gestapo beschlagnahmt. Seit 1945 franz¨osischer Staatsb¨urger, trat B. f¨ur die deutsch-franz¨osische Verst¨andigung ein; 1948-51 war er Korrespondent der „Zeit“. Seit 1961 lebte B. in M¨unchen und Paris. 1962 erschien sein als einer der wichtigen politischen Romane der Nachkriegszeit geltender, von politischer Moral und pers¨onlichen Motiven handelnder Bericht u¨ ber Bruno, der in sieben Sprachen u¨ bersetzt wurde. Ferner schrieb er u. a. die der neuen Sachlichkeit zuzuordnenden Erz¨ahlungen Rot gegen Rot (1929) sowie den autobiographischen Schelmenroman Das blaue Bidet oder Das eigentliche Leben (1978); 1971 wurde sein Drama Requiem f¨ur die Kirche uraufgef¨uhrt. Seit 1998 wird der hochdotierte Joseph C Killy Breitbach-Preis vergeben.

Breitbach, Karl, Maler, * 14. 5. 1833 Berlin, † 26. 6. 1904 Kassel. Die an der Berliner Kunstakademie begonnene Ausbildung setzte B. 1862 / 63 in Paris fort, kehrte nach Berlin zur¨uck und wurde dort sp¨ater zum Akademieprofessor ernannt. 1900 hielt er sich in der K¨unstlerkolonie Dachau auf. Anfangs vor allem als Landschaftsmaler t¨atig, bevorzugte er s¨uddeutsche und alpenl¨andische Motive, wandte sich sp¨ater der Genremalerei zu, schuf etliche Portr¨ats und ging schließlich zur Aquarelltechnik u¨ ber. Zu seinen Werken, die er seit 1860 regelm¨aßig auf den Ausstellungen der Berliner Kunstakademie zeigte, z¨ahlen neben Aquarellen Aus Dachau ein Marientag in Sterzing und als eines der letzten Bilder das Aquarell Aus dem Bodetal. C AKL

Breitenauer, Igna(t)z Alexander, Bildhauer, * 3. 5. 1757 Eichst¨att, † 4. 5. 1838 Eichst¨att. Seine erste Ausbildung empfing B. bei seinem Vater, einem Eichst¨atter Bildhauer, ging 1774 bei Georg Angerer in Freising und anschließend bei Ignaz Ingerl in Augsburg in die Lehre und studierte seit 1777 u. a. bei Roman Anton → Boos an der Maler- und Bildhauerakademie in M¨unchen. Dort schuf er u. a. nach dessen Entw¨urfen die Statuen des Apoll, des Bacchus, der Diana und der Ceres f¨ur den Nymphenburger Park. 1785 wurde B. in Eichst¨att zum Hofbildhauer ernannt und amtierte nach der Aufhebung des F¨urstbistums als Zeichenlehrer am dortigen Gymnasium. B.s aus Alabaster, Kalkstein und Holz gearbeitete Statuen weisen eine noch vom Barock und Rokoko beeinflußte naturalistische Darstellungsweise auf. In Eichst¨att befinden sich etliche von B. geschaffene Grabm¨aler, darunter das des F¨urstbischofs Johann Anton von → Zehmen im Dom. C AKL

Breitenbach, Eduard, Unternehmer, * 20. 10. 1853 Weidenau (Siegerland), † 1937 Weidenau. B., Sohn des Eisengießers Johann Heinrich B., erwarb seine praktischen Kenntnisse w¨ahrend einer sechsj¨ahrigen T¨atigkeit im v¨aterlichen Betrieb. Theoretisch bildete er sich auf der Real- und Handwerkerfortbildungsschule in Siegen, wo er wegen seiner herausragenden Leistungen durch den Oberpr¨asidenten der Provinz Westfalen mit der „Ersten Silbernen Medaille“ ausgezeichnet wurde. B. erweiterte seine theoretischen Kenntnisse auf der Herzoglichen Bergwerksschule in Holzminden und besuchte bis 1877 die Abteilung f¨ur Maschinen- und M¨uhlenbauer. 1880 gr¨undete er in Weidenau eine Eisengießerei zur Herstellung von Walzwerkswalzen, die in kurzer Zeit einen beeindruckenden Auf-

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Breitenbach schwung verzeichnete. B. leitete die Firma Ed. Breitenbach bis 1916; unter seinen Nachfolgern entwickelte sie sich zu einem hochspezialisierten Unternehmen f¨ur Stahlguß. C Fuchs

Breitenbach, Franz Joseph, schweizer. Komponist, Musiker, * 27. 4. 1853 Muri bei Bern, † 30. 8. 1934 Luzern. 1871-73 besuchte B. das Stuttgarter Konservatorium, war einige Zeit zweiter Domorganist in Freiburg / Breisgau, ging 1874 als Chordirektor und Organist nach Wil (St. Gallen), 1876 nach Muri und wurde 1878 Organist und Leiter des kath. Kirchengesangvereins Baden. Seit 1889 war B. als Stiftsorganist, Dirigent und Leiter der von ihm gegr¨undeten Organistenschule in Luzern t¨atig. Zu seinen zahlreichen, vor allem kirchenmusikalischen Kompositionen geh¨ort neben Motetten, Chor- und Orgelwerken eine Missa festivalis. C Refardt

Breitenbach, Georg von, Jurist, * Leipzig, † 1540 / 41 (?). B. wurde 1501 an der Univ. Leipzig immatrikuliert und dort 1525 zum Ordinarius oder Vizeordinarius der Juristischen Fakult¨at berufen. Seit 1519 zun¨achst in freundschaftlichem Kontakt mit → Luther, stritt er im Auftrag des Herzogs → Georg von Sachsen sp¨ater gegen die Reformation und wurde im Zuge dessen von Luther als „teuflischer Jurist“ bezeichnet. Seit etwa 1540 stand B. als Kanzler in den Diensten des Kurf¨ursten → Joachim von Brandenburg, starb aber bald nach seinem Amtsantritt. C ADB

Breitenbach, Johann Wolfgang, Chemiker, * 22. 6. 1908 Wien, † 6. 1. 1978 Wien. Nach dem Studium der Chemie und Physik an der Univ. ¨ Wien, an der er 1937 mit einer Arbeit Uber die Kinetik thermischer Polymerisationsreaktionen promoviert wurde, war B., Sohn eines Privatbeamten, seit 1938 Assistent am Physikalisch-Chemischen Institut, an dem er sich 1943 habilitierte und die Leitung des dortigen Praktikums u¨ bernahm. Seit 1951 a. o. Prof., wurde er 1961 o. Prof. an der Univ. Wien, an der er bis zu seinem Tod lehrte. B., der sich vor allem mit der physikalischen Chemie hochpolymerer Stoffe befaßte, gelang u. a. die endg¨ultige Kl¨arung der Vorg¨ange um die spontane Polymerisation des Styrols und die gr¨undliche Erforschung der „Popcorn“-Polymerisation. Seit 1942 ¨ war er Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften. B. ver¨offentlichte u. a. Chemie und Technologie der Kunststoffe (1942) und Chemische und physikalische Grundlagen der Kunststoffe (1962). ¨ Akad, Jg. 128 C Almanach Ost

Breitenbach, Johannes von, Jurist, * Meißen, † 1507 (?). Der aus adliger Meißener Familie, nach anderen Quellen aber aus Hessen stammende B. studierte in Perugia und Leipzig, erlangte dort 1465 das juristische Bakkalaureat, wurde zum Doktor beider Rechte promoviert und zum Amtmann von Stolpen ernannt. Seit 1476 Konsistorialassessor in Meißen, seit 1484 Mitglied des s¨achsischen Oberhofgerichts und Prof. des kanonischen Rechts an der Univ. Leipzig, hatte er starken Anteil an der Gesetzgebung in Sachsen. Bekannt wurde B. durch eine Streitschrift, in der er 1489 die von dem Dominikanerpater Georg von Frickenhausen angezweifelte unbefleckte Empf¨angnis Mariens verteidigte. Trotzdem stand er der Kurie kritisch gegen¨uber, war ein Gegner des Z¨olibats und protestierte in einer weiteren Streitschrift gegen einen von Papst Innozenz VIII. 1481 erlassenen „Butterbrief“, der der Freiberger Kirche gegen die Zahlung von Ablaßgeldern den Genuß sonst in der Fastenzeit verbotener Speisen gestattete. C ADB

Breitenbach, Joseph, Photograph, * 3. 4. 1896 M¨unchen, † 7. 10. 1984 New York. B., Sohn eines Weingroßh¨andlers, durchlief eine kaufm¨annische Lehre in einer Chemikalienfirma und wechselte als

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Buchhalter zu einem Versicherungsbeamten-Verband. Seit 1913 Mitglied der Jugendgruppe der SPD und seit 1915 in engem Kontakt zu Kurt → Eisner, geh¨orte er nach dem Kriegsdienst 1918 dem M¨unchner Arbeiter- und Soldatenrat an. 1918 / 19 besuchte er die Univ. M¨unchen, an der er Kunstgeschichte und Philosophie studierte. Seit 1919 war er im elterlichen Gesch¨aft t¨atig, das er 1922 u¨ bernahm und das 1932 Konkurs anmelden mußte. Nebenbei arbeitete er als Photograph u. a. f¨ur die „M¨unchner Illustrierte“ und die „Berliner Illustrierte“. Bekannt wurden seine Theateraufnahmen f¨ur die M¨unchner Kammerspiele und Portr¨ats u. a. von Karl → Valentin, Joachim → Ringelnatz und Therese → Giehse. Als rassisch Verfolgter emigrierte B. 1933 nach Paris, wo er 1934 eine Photoschule gr¨undete und an zahlreichen Ausstellungen teilnahm. Als Korrespondent war er f¨ur die British International News t¨atig. In Paris entstanden Portraitaufnahmen von Bertolt → Brecht, Wassily → Kandinsky, Max → Ernst und James Joyce. 1939-41 in Frankreich interniert, gelang ihm 1941 die Emigration in die USA, wo er u. a. f¨ur „Harper’s Bazaar“, „Life“ und „Time“ arbeitete. B. erhielt Lehrauftr¨age an verschiedenen Kunstschulen und Universit¨aten (1946 Cooper Union Art School, 1949 New School of Social Research) und reiste 1956-67 als Photograph im Auftrag der United Nations, von Unicef und internationalen Unternehmen. 1983 stiftete B. zahlreiche seiner Photographien dem M¨unchner Stadtmuseum. C AKL

Breitenbach, Paul (Justin) von, Staatsmann, * 16. 4. 1850 Danzig, † 10. 3. 1930 B¨uckeburg. Der Sohn eines Justizrats studierte 1869-73 in Berlin und Leipzig Rechts- und Staatswissenschaften, war in Danzig, Magdeburg und Berlin an Gerichten t¨atig und wechselte 1878 in die Eisenbahnverwaltung. Seit 1897 Pr¨asident der Preußisch-Hessischen Eisenbahndirektion in Mainz und sp¨ater Pr¨asident der Eisenbahndirektion K¨oln, wurde er 1906 preuß. Minister der o¨ ffentlichen Arbeiten und Chef des Reichsamts f¨ur die Verwaltung der Reichseisenbahnen. 1909 wurde er in den Adelsstand erhoben. Seit 1916 Vizepr¨asident des preuß. Staatsministeriums, trat B. 1917 aus Protest gegen das Eindringen seiner Meinung nach linksgerichteter ¨ Personen in die Regierung zur¨uck und gab 1918 alle Amter auf. Er machte sich vor allem um die Vereinheitlichung, den Ausbau und die Modernisierung des preuß. Eisenbahnwesens sowie um den Ausbau der Verkehrswege in Ostpreußen verdient. C Rhein-Westf Wirt, Bd 2 ¨ Breitenbauch, Georg August von, Schriftsteller, Ubersetzer, * 28. 8. 1731 Wilsdruff bei Dresden, † 15. 9. 1817 Bucha (Th¨uringen). B., Sohn eines kurf¨urstlich-s¨achsischen Geheimrats, Kapelldirektors und Kammerherrn, studierte 1749-53 an der Univ. Jena, wo seine Begeisterung f¨ur Kunst und Literatur geweckt wurde. Nach einer l¨angeren Bildungsreise durch Frankreich hielt er sich 1754 in Berlin auf und machte dort die Bekanntschaft von Gotthold Ephraim → Lessing, Johann Georg → Sulzer und Moses → Mendelssohn. Anschließend u¨ bernahm er das elterliche Landgut in Bucha. Neben seiner Arbeit als Landwirt und Gerichtsherr entfaltete B., der seit 1782 (oder 1792) den Titel eines Weimarischen Kammerrats f¨uhrte, eine umfangreiche T¨atigkeit als Schriftsteller und ¨ Ubersetzer. Nach fr¨uhen Dichtungen im Stile der Sch¨aferpoesie (Bukolische Erz¨ahlungen und vermischte Gedichte, 1763; J¨udische Sch¨afergedichte, 1767) schrieb er historische und geographische Abhandlungen (Schilderungen ber¨uhmter Gegenden des Althertums und neuerer Zeiten, 1763; Staat der gesammten Tartarey in den alten und neuern Zeiten, 1780; Leben der Kaiserin Adelheid, 1782, 21788) und stellte als Hilfsmittel f¨ur das Geschichtsstudium Anleitungen, Zeit¨ tafeln, Karten und synchronistische Ubersichten zusammen (V¨olkerkarte der Welt, 1786; Synchronistische Darstellung

Breitfeld der Revolutionen der Asiater und Europ¨aer, 1791). B. u¨ bersetzte Werke von Pindar, Horaz und Statius ins Deutsche und ver¨offentlichte mit dem „Poetischen Kalender“ (1772, 2 ¨ 1783) einen historischen Uberblick u¨ ber die deutsche Literatur einschließlich eines Verzeichnisses mit Geburts- und Todestagen deutscher Schriftsteller. C Killy

Breitengraser, Wilhelm, auch Breytengasser, Komponist, Schulmann, * um 1495 N¨urnberg, † 23. 12. 1542 N¨urnberg. B., der die 1514 bezogene Univ. Leipzig ohne akademischen Abschluß verließ, war bis an sein Lebensende in N¨urnberg als Trivialschulmeister an St. Aegidien t¨atig. Er wurde als Komponist polyphoner Werke bekannt. Dazu z¨ahlen 14 mit humanistischen Leitspr¨uchen in lateinischer Sprache versehene weltliche deutsche Lieder, zwei franz¨osische Chansons, eine Messe, sechs f¨ur die Orgel bearbeitete lateinische Psalmen und 22 geistliche Musiks¨atze in lateinischer Sprache. Als Mitglied des N¨urnberger Humanistenkreises war B . u. a. mit Helius Eobanus → Hessus und Thomas → Venatorius befreundet. C MGG

Breitenlohner, Jakob, o¨ sterr. Chemiker, Geologe, * 21. 7. 1833 Oberweyr (Ober¨osterreich), † 24. 3. 1897 Wien. Der a¨ rmlichen Verh¨altnissen entstammende B. studierte an den Universit¨aten Graz und Wien und wurde 1860 zum Doktor der Chemie promoviert. Seit 1861 Leiter der gr¨aflich Stadionschen Torfproduktefabrik in Chlumetz, trat er 1865 an der Landwirtschaftlichen Versuchsanstalt der F¨ursten Schwarzenberg in Lobositz (B¨ohmen) eine Stelle als Chemiker an. 1875 wurde B. Dozent f¨ur Meteorologie, Klimatologie und Standortlehre an der Forstakademie Mariabrunn, wechselte in derselben Funktion an die neugegr¨undete Hochschule f¨ur Bodenkultur in Wien und erhielt 1881 den Titel eines Professors. Zu seinen zahlreichen in verschiedenen Fachzeitschriften erschienenen wissenschaftlichen Abhandlungen geh¨oren neben Aufs¨atzen u¨ ber L¨oßb¨oden, Basalt und Pl¨aner vor allem Studien u¨ ber mitteleurop¨aische Moorgebiete. In seinen Ver¨offentlichungen wandte er sich auch gegen eine zu starke Verminderung des Waldbestandes wegen der zu bef¨urchtenden negativen Folgen auf das Klima. 1886 erschien von ihm Die meteorologische Gipfelstation Sonnblick in der Goldberggruppe der Hohen Tauern, Seeh¨ohe 3103 Meter (1886). C Biogr Jahrb, Bd 2

dat des Predigtamtes in Frankfurt / Main und trat durch Beitr¨age zu verschiedenen Zeitschriften literarisch hervor. 1785 wurde B. zweiter evangelisch-reformierter Prediger in Marburg und r¨uckte 1820 zum ersten Prediger auf. Neben etlichen Predigten und theologischen Betrachtungen ver¨offentlichte er u. a. einen Plan zur Verbesserung der Lutherischen B¨urgerschule zu Marburg. Nebst einem Vorschlage, das Lebendigbegraben durch Errichtung eines Leichenhauses unm¨oglich zu machen (1797) sowie Janchen, des P¨achters Ernst Sohn. Eine l¨andliche Familiengeschichte (1804). C Neuer Nekr, Jg. 3

Breitenstein, Max, Schriftsteller, Journalist, * 10. 11. 1855 Pirnitz bei Iglau (M¨ahren), † 22. 9. 1926 Wien. Nach Beendigung eines rechtswissenschaftlichen Studiums an der Univ. Wien widmete sich B. seit 1876 der Publizistik und gab bis 1881 die von ihm gegr¨undete akademische Wochenschrift „Alma Mater“ heraus, ferner die „Wiener Correspondenz“, die „Allgemeine Juristenzeitung“, die „Gerichtshalle“ und 1877-81 den „Akademischen Kalender der o¨ sterreichischen Hochschulen“. Er verfaßte eine Anzahl Essays, humoristische Skizzen, befaßte sich mit der o¨ sterr. Hochschulreform, formulierte Bedenken gegen den Strafgesetz¨ entwurf f¨ur Osterreich (1890), ver¨offentlichte eine Sammlung o¨ sterr. Parlamentsreden und gab Breitensteins Repetitorien f¨ur Studierende aller Fakult¨aten heraus. C Wininger Breitenstern, Ulrike von, Musikerin, * 1776 Wismar, † 10. 7. 1828 Wismar. Die Tochter des Vizepr¨asidenten beim Oberappellationsgericht der damals schwedisch besetzten Provinz Mecklenburg galt als ausgezeichnete Pianistin und Klavierlehrerin. In ihrer Heimatstadt Wismar sozial engagiert und anerkannt erfolgreich um die Hebung des allgemeinen Bildungsniveaus bem¨uht, veranstaltete B. Konzerte, deren Erl¨os den Armen zugute kam und leitete einen von ihr ins Leben gerufenen Chor. C Neuer Nekr, Jg. 6 Breitenstr¨ater, Hans, Sportler, * 9. 2. 1897 Hecklingen bei Magdeburg, † 23. 1. 1972. Der zweimalige deutsche Meister im Schwergewicht galt 1920-23 als einer der besten Boxer seiner Gewichtsklasse in Mitteleuropa. Er schlug u. a. Otto → Flint und Jeff de Paus und gewann 1926 gegen Paul Samson-K¨orner die deutsche Meisterschaft, verlor jedoch noch im selben Jahr seinen Titel, als er gegen Franz Diener unterlag. Nach seinem R¨uckzug aus dem Ring gr¨undete B. in Berlin eine Sportschule und war als Ringrichter t¨atig.

Breitenstein, Ernst, schweizer. Maler, * 12. 7. 1857 Binningen (Kt. Basel), † 15. 11. 1929 Binningen. B. erlernte 1873-76 die Flachmalerei, besuchte nebenher die Basler Zeichen- und Modellierschule, arbeitete als Dekorationsmaler an Stoffen und Fayence¨ofen und assistierte Ernst → St¨uckelberg bei der Ausmalung der Tellskapelle. Seit 1881 war er als Fayencemaler bei Theodor Deck in Paris t¨atig, lernte im Atelier Cola Rossi und konnte mit Unterst¨utzung eines M¨azens zwei Studienreisen nach Algier unternehmen. 1882-84 stellte er im Pariser Salon Landschaften, Portr¨ats und Genreszenen aus und erhielt 1889 auf der Weltausstellung eine Bronzemedaille f¨ur ein Portr¨at seiner Mutter. Nach der R¨uckkehr in die Schweiz im selben Jahr und der Gr¨undung eines eigenen Ateliers in Binningen bei Basel w¨ahlte B. f¨ur seine Bilder meist schweizer. Motive. Im Basler Museum befindet sich heute neben einem Selbstportr¨at und einem Bild seiner Kinder das Gem¨alde Auf freier ¨ Alpenh¨oh. 1929 erschien B.s Autobiographie Oppis us mim L¨abe. C AKL

Breitfeld, Carl, Techniker, * 12. 11. 1868 Prag, † 13. 4. 1934. Als Sohn eines Prager Maschinenfabrikbesitzers studierte B. an der Deutschen TH in Prag und der ETH Z¨urich und trat 1897 nach dem Milit¨ardienst bei den Kraft¨ubertragungswerken Rheinfelden seine erste Stelle als Ingenieur an. Seit 1899 bei der AEG in Berlin und Wien, seit 1901 als Assistent an der TH Darmstadt t¨atig, lebte B. von 1902 an als Privatgelehrter in Prag und r¨uckte 1915 als Freiwilliger ins Feld. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 wurde er Dozent, 1920 Prof. der theoretischen Elektrotechnik an der Deutschen TH in Prag. B., dessen Spezialgebiet die Theorie der Wechselstr¨ome war, verfaßte u. a. Berechnung von Wechselstromfernleitungen (1912) und Analysis von Grundproblemen der theoretischen Wechselstromtechnik (1927).

Breitenstein, Johannes Philipp, auch Breidenstein, reformierter Theologe, * 16. 7. 1753 Niederdorfelden bei Hanau, † 21. 11. 1825 Marburg. Der Sohn eines Schulmeisters studierte in Heidelberg, G¨ottingen und Erlangen Theologie, wurde danach Kandi-

Breitfeld, Walter, Politiker, Milit¨ar, * 5. 12. 1903 Meinersdorf (Sachsen), † 21. 6. 1981 Berlin. B., Strumpfwirker und seit 1923 Mitglied der KPD, war nach 1933 im Untergrund politisch t¨atig, wurde 1934 in Abwesenheit zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt und konnte

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Breitfuss nach Prag emigrieren. 1937 nahm er als Politkommissar des Th¨almann-Bataillons am Spanischen B¨urgerkrieg teil, schloß sich 1939 in Frankreich der R´esistance an und war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Ostdeutschland am Aufbau der KPD und SED beteiligt. Seit 1949 stellvertretender Leiter der Politabteilung der Deutschen Volkspolizei (DVP) in Dresden, avancierte B. 1953 zum Vizepr¨asidenten der DVP in Berlin, geh¨orte 1954-63 der Volkskammer der DDR an, war 1957-62 stellvertretender Kommandeur der Grenzpolizei und wurde 1959 zum Generalmajor bef¨ordert. Seit 1962 leitete er die Politische Verwaltung des Grenzkommandos der Nationalen Volksarmee und seit 1972 den Zentralen Man¨overstab der DDR. C DDR

Breitfuss, Leonid, eigentl. Ludwig Gottlieb B., Polarforscher, * 1. 12. 1864 St. Petersburg, † 20. 7. 1950 Bad Pyrmont. Der einer deutschen Petersburger Kaufmannsfamilie entstammende B. begann 1889 an der Univ. Berlin ein naturwissenschaftliches Studium mit dem Schwerpunkt Biologie (Promotion 1898, Die arctische Kalkschwammfauna) und kn¨upfte Kontakte zu Naturwissenschaftlern und Polarforschern wie Hermann von → Helmholtz, Ernst → Haeckel und Fridtjof Nansen. 1898-1909 war er Mitglied, sp¨ater Leiter der russischen Murmansk-Expedition zur Erforschung der Fischereibiologie. Anschließend in leitender Stellung beim Hydrographischen Institut der Kaiserlichen Marine t¨atig und auch nach der Revolution bis 1920 in dieser Position, u¨ bersiedelte B. 1921 nach Berlin. Seine wissenschaftliche Hauptbesch¨aftigung galt dort den Fragen der Nordostpassage. Daneben engagierte er sich in der Internationalen Gesellschaft zum Studium der Arktis mit Luftfahrzeugen „Aeroarctic“ und erforschte im Zoologischen Institut Kalkschw¨amme. B. ver¨offentlichte neben Berichten u¨ ber die Murmansk-Expedition (8 Bde., 1902-08) u. a. Kalkschwammfauna des weissen Meeres und der Eismeerk¨usten des europ¨aischen Russlands (1898), Die Erschließung des eurasiatischen hohen Nordens. 30 Jahre eigener Arbeit an der wissenschaftlichen und kulturellen Erschließung des N¨ordlichen Eismeers, 1898-1928 (1930), Le spugne calcaree dell’Adriatico con riflesso a tutto il Mediterraneo (1935), Das Nordpolargebiet (1943), Die Antarktis, ihre Natur, Erforschung und Walfang (1949) sowie eine Autobiographie (1949). C NDB

Breithaupt, (Johann Friedrich) August, Mineraloge, Unternehmer, * 18. 5. 1791 Probstzella (Th¨uringen), † 22. 9. 1873 Freiberg (Sachsen). B., Sohn eines herzoglich s¨achsischen Rats, studierte 1809-11 in Jena Naturwissenschaften und Mathematik, anschließend bei Abraham Gottlob → Werner in Freiberg Bergbau und Geologie und wurde dort 1813 zum Lehrer und Inspektor der akademischen Sammlung berufen. 1826-66 war er Prof. an der Bergakademie Freiberg und als staatlicher Edelsteininspektor t¨atig. Maßgeblich an der Fortentwicklung der modernen Mineralogie beteiligt, bestimmte B. das spezifische Gewicht von etwa 4500 Mineralien, entdeckte 47 Mineralspezies und erkannte durch Winkelmessung erstmals die Prim¨arformen etlicher Minerale. Wichtig f¨ur den Bergbau war seine 1849 entwickelte Lehre von der Paragenesis, dem geselligen Vorkommen bestimmter Minerale. Seit 1817 befaßte er sich in zahlreichen Arbeiten mit der amorphen Kristallstruktur und den Pseudomorphosen; er ver¨offentlich¨ te u. a. Uber die Echtheit der Krystalle (1815), Vollst¨andige Charakteristik des Mineralsystems (1820, 31832), Die Bergstadt Freiberg im K¨onigreiche Sachsen, in Hinsicht auf Geschichte, Statistik, Kultur und Gewerbe, besonders auf ¨ Bergbau und H¨uttenwesen (1825), Ubersicht des Mineralsystems (1830), Vollst¨andiges Handbuch der Mineralogie (3 Bde., 1836-47), Die Paragenesis der Mineralien (1849).

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B. war 1840 Mitbegr¨under des Erzgebirgischen SteinkohlenAktienvereins zu Zwickau und bis 1873 stellvertretender Vorsitzender von dessen Direktorium. Nach B., seit 1863 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, wurde das nat¨urliche Antimonnickel Breithauptit benannt. C NDB

Breithaupt, Christian David, evang. Theologe, P¨adagoge, Schriftsteller, * 15. 12. 1770 Katharinau bei Saalfeld, † 15. 4. 1854 bei Angerm¨unde. Der einer Pastorenfamilie entstammende B. studierte 1789-93 in Leipzig und Jena Theologie, wurde 1798 Rektor der Stadtschule von Gr¨afenthal und erhielt 1815 eine Pfarrstelle in Großgeschwenda im Herzogtum SachsenMeiningen. Seit 1815 war er Rektor des Gymnasiums in Rostock, von 1819 an Rektor des Gymnasiums in Greifswald. 1836 trat er wegen Differenzen mit den staatlichen Aufsichtsbeh¨orden in den Ruhestand. B. machte sich auch als Schriftsteller einen Namen; er ver¨offentlichte u. a. Dem Protestantismus. Eine Rede bey der S¨acularfeier der Reformation (1817), Briefe u¨ ber alte und neue Trag¨odie (1820) und den Versuch einer Greifswalder Schulgeschichte (2 Bde., 1827-29). C ADB

Breithaupt, Friedrich Wilhelm, Mechaniker, M¨unzmeister, * 23. 7. 1780 Kassel, † 20. 6. 1855 Kassel. B., Bruder von Heinrich Carl → B., trat 1798 in die Werkstatt seines Vaters Johann Christian → B. ein, in der geod¨atische, mathematische, astronomische und chirurgische Instrumente hergestellt wurden, und setzte seine Ausbildung in Freiberg fort. 1810 gelang ihm eine Verbesserung des Howgreschen Nivellierungsinstruments, 1826 erfand er die Differentialschraube und 1827 eine Nonienverdeckung. 1806 wurde er hessischer Bergmechanikus, 1814 kurf¨urstlich hessischer Hofmechanikus und M¨unzmeister. F¨ur eine von ihm entwickelte erste Kreisteilmaschine wurde B., Ehrenmitglied der S¨achsischen o¨ konomischen Gesellschaft, 1824 mit der Goldenen Medaille des Kurf¨ursten von Hessen-Kassel ausgezeichnet. B. war der Vater von Georg August und Wilhelm → B. 1832 wurde die Werkstatt zur Fabrik „Geod¨atische Instrumente F. W. Breithaupt & Sohn“ erweitert. C NDB Breithaupt, Georg, Geod¨at, Fabrikant, * 24. 2. 1873 Kassel, † 1. 8. 1957 Kassel. B., Sohn Wilhelm → B.s und Urenkel Friedrich Wilhelm → B.s, studierte an der TH M¨unchen und den Universit¨aten ¨ M¨unchen und Straßburg, wo er 1898 mit der Arbeit Uber das optische Verhalten eingebrannter Gold- und Platinschichten promoviert wurde, und war seit 1900 Teilhaber, seit 1914 Alleininhaber des Familienunternehmens. Nach der R¨uckkehr aus dem Ersten Weltkrieg, in dem die Firma Breithaupt in großem Umfang Meßger¨ate an das deutsche Milit¨ar geliefert hatte, errichtete er 1918 in Kassel ein sp¨ater mehrfach erweitertes neues Werk. B. kn¨upfte vielf¨altige Wirtschaftsbeziehungen in alle Welt, besonders nach Osteuropa und in die Sowjetunion, und belieferte sowohl wissenschaftliche Einrichtungen als auch die Armeen zahlreicher L¨ander. Eine seiner eigenen Neukonstruktionen und Erfindungen stellte er in Neue Bussole f¨ur das Krokieren (1922) vor. B. geh¨orte dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft f¨ur Mechanik und Optik und dem Ausschuß des Deutschen Museums in M¨unchen an. C Reichshandbuch

Breithaupt, Georg August, Mechaniker, * 17. 8. 1806 Kassel, † 14. 2. 1888 Kassel. Wie sein Vater Friedrich Wilhelm → B. befaßte sich auch B. mit der Konstruktion geod¨atischer Instrumente. Um 1834 arbeitete er mit Carl Friedrich → Gauß in G¨ottingen am Bau eines Magnetometers und eines Heliotropen. Ferner konstruierte er neben Nivellierinstrumenten, Grubentheodoliten

Breiting und astronomischen Instrumenten 1850 die erste L¨angenteilmaschine auf Meterbasis. Seit der Einf¨uhrung des Metermaßes in Preußen 1866 stellte B. in der von seinem Vater ererbten Firma in Kassel die Normalmeter f¨ur die Eichungskommission des Norddeutschen Bundes serienm¨aßig her. Er konstruierte ferner 1866 Kippregeln und 1869 verbesserte Kathetometer. C NDB

Breithaupt, Heinrich Carl, Mechaniker, * 22. 6. 1775 Kassel, † 10. 6. 1856 B¨uckeburg. Der Sohn des Mechanikers Johann Christian → B. war wie dieser zun¨achst Hofmechanikus in Kassel und wurde sp¨ater als Prof. an das Gymnasium von B¨uckeburg berufen. Er erfand 1798 den Grubentheodoliten, stellte seine anderen Erfindungen in Neue Zeichen- und Vermessungsinstrumente, nebst drei verschiedenen von anderen erfundenen Stangenzirkeln (1812) vor und verfaßte neben arithmetischen und ¨ geometrischen Ubungsb¨ uchern f¨ur den Unterricht ein Handund Lehrbuch der Feldmeßkunst (1824). Breithaupt, Joachim Justus, evang. Theologe, * 17. 2. 1658 Northeim (Niedersachsen), † 16. 3. 1732 Kloster Berge bei Magdeburg. Nach dem Theologiestudium in Helmstedt seit 1680 Konrektor in Wolfenb¨uttel, setzte B., Sohn eines Pastors, 1681 sein Studium in Kiel fort und wurde nach einem Aufenthalt in Frankfurt / Main, wo er Kontakt zu Philipp Jakob → Spener aufnahm, in Kiel zum Prof. der Homiletik berufen. 1685 ging er als Hofprediger und Konsistorialrat nach Meiningen, 1687 als Pastor der Predigerkirche, Senior des geistlichen Ministeriums und Prof. nach Erfurt. Dort trat er f¨ur den wegen seiner pietistischen Haltung ausgewiesenen Diakon August Hermann → Francke ein, folgte diesem 1691 an die Univ. Halle und wurde dort 1694 Prof. der Theologie und Domprediger sowie Magdeburger Konsistorialrat. B., der mit Francke und Paul → Anton der Theologischen Fakult¨at der Univ. Halle ihr pietistisches Gepr¨age gab, amtierte seit 1705 auch als Superintendent des Herzogtums Magdeburg. C RGG Breithaupt, Johann Christian, Mechaniker, * 23. 6. 1736 Hartenauer Hof bei Darmstadt, † 1. 4. 1799 Kassel. Der Sohn eines Darmst¨adter F¨orsters wurde wegen seines Interesses f¨ur die Mechanik bei dem dortigen Hofb¨uchsenmacher in die Lehre gegeben und von seinem Landesherrn zur weiteren Ausbildung nach Koblenz und in eine mechanischoptische Werkstatt nach Kassel geschickt. Dort gr¨undete er 1762 eine eigene mechanische Werkst¨atte und wurde 1768 zum Hofmechanikus ernannt. B. entwickelte und produzierte mathematische, astronomische und geod¨atische Instrumente, erfand den ersten Distanzmesser und konstruierte 1785 den großen Mauerquadranten f¨ur die im Zwehrenturm in Kassel untergebrachte Sternwarte. Er war der Vater von Heinrich Carl und Friedrich Wilhelm → B. C Strieder Breithaupt, Johannes Wilhelm Wolfgang, evang. Theologe, * 22. 11. 1738 Helmstedt, † 29. 11. 1818 Braunschweig. Als Sohn eines Predigers in Helmstedt aufgewachsen, studierte B. an der dortigen Univ. Theologie und ging 1772 als Diakon nach Clausthal. 1776 wurde er Pastor von St. Martin in Braunschweig und war seit 1786 zugleich Superintendent von Querum. B., der von der Kanzel und in einer mit anderen Theologen ausgetragenen literarischen Fehde die pers¨onliche Existenz des Teufels behaptete, machte sich auch mit zahlreichen theologischen Ver¨offentlichungen einen Namen (Von der Unsterblichkeit und dem Zustand der Seele nach dem Tode, 1767; Unterricht in der Religion, nach den Grunds¨atzen des wahren Christenthums, 1778). C NDB

Breithaupt, (Theodor Maria Paul Franz) Rudolf, Musikschriftsteller, Komponist, * 11. 8. 1873 Braunschweig, † 2. 4. 1945 Ballenstedt / Harz. B., Sohn eines herzoglich braunschweigischen Rats, absolvierte zun¨achst an den Universit¨aten Jena, Leipzig und Berlin das Studium der Rechtswissenschaften, bezog 1897 das Konservatorium in Leipzig und studierte u. a. Musikwissenschaften bei Hugo → Riemann. Seit 1898 Mitarbeiter der „Neuen Zeitschrift f¨ur Musik“ und des „Kunstwart“ (Musikalische Zeit- und Streitfragen. Gesammelte Skizzen und Aufs¨atze, o. J.), lebte er von 1900 an als Musikschriftsteller in Dresden, Wien und Berlin, wo er 1918 die Leitung der Klavierklasse des Sternschen Konservatoriums u¨ bernahm. Der von ihm in Die nat¨urliche Klaviertechnik (1905, 3., vollst¨andig umgearb. und verm. Auflage, 3 Bde., 1912-21) und anderen Schriften propagierte Vortragsstil setzte sich letztlich durch. Neben einigen Liedern und Gedichten (Gedichte, 1920) komponierte B. Klavierund Konzertst¨ucke und gab die Klavierphantasien in fis-Moll von Richard → Wagner heraus. C MGG Breithaupt, Wilhelm Ritter von, Konstrukteur, Milit¨ar, * 5. 9. 1809 Kassel, † 26. 3. 1889 Kassel. Als Offizier der kurhessischen Armee erfand B., Sohn des Kasseler Hofmechanikus Friedrich Wilhelm → B., 1853 den Rotationsz¨under, auf dessen Prinzip alle sp¨ateren Geschoßz¨under beruhen. 1854 wurde der „Breithauptsche Z¨under“ in die hessische Artillerie und 1863, nachdem B. 1859 als Major in o¨ sterr. Dienste getreten war, auch in die o¨ sterr. Artillerie eingef¨uhrt. Dort konstruierte er u. a. das Z¨undersystem des o¨ sterr. Feldschrapnells und wurde 1862 f¨ur seine Verdienste geadelt. B. ver¨offentlichte Der Entwicklungsgang und die darauf gegr¨undete Systematik des Z¨underwesens, sowie das einheitliche Sprenggeschossfeuer mit Hindeutung auf die Beziehungen zum glatten und gezogenen Gesch¨utz (1868). Breithaupt, Wilhelm, Mechaniker, Geod¨at, * 2. 10. 1841 Kassel, † 29. 12. 1931 Kassel. B., Sohn des Mechanikers Georg August → B., nahm nach dem Studium an den Nivellements f¨ur die europ¨aische Gradmessung teil und trat 1864 in die v¨aterliche Fabrik „F. W. Breithaupt & Sohn“ ein, deren Teilhaber er 1868-1914 war. Zu seinen Leistungen als Erfinder geh¨oren u. a. die Konstruktion des Puller-Breithauptschen Kreistachymeters (1900), eines mit Distanzmesser versehenen tachymetrischen Nivellierinstruments, und des zusammen mit Albert → Heim entwickelten Geologenkompasses zur Orientierung unter Tage. Zu besonderer Bedeutung gelangte das Seibt-Breithauptsche Feinnivellier bei den Nivellements des Kaiser-WilhelmKanals, der Wolga und des Simplontunnels. C NDB Breiting, Hermann, S¨anger, * 12. 10. 1804 Augsburg, † 5. 12. 1860 Hofheim / Taunus. Der Sohn des Augsburger Stadtphysikus studierte zun¨achst einige Semester Medizin, absolvierte anschließend eine Gesangsausbildung und gab 1825 in Mannheim sein Deb¨ut als Tenor, dem Auftritte in M¨unchen und weitere erfolgreiche Gastspiele folgten. 1829 von Gaspare → Spontini f¨ur sechs Jahre an das Berliner Hoftheater berufen, mußte er wegen eines ersten Ausbruchs einer Geisteskrankheit sein Engagement vorzeitig beenden, ging, gesundheitlich wiederhergestellt, an das Linzer Theater und wurde 1829 an das K¨arntnertortheater in Wien verpflichtet. Dort und bei Auftritten in großen deutschen Theatern, in London, St. Petersburg und Paris feierte B. Triumphe als Heldentenor. Seit 1843 geh¨orte er dem Ensemble des Darmst¨adter Hoftheaters an, mußte 1856 von der B¨uhne abtreten und wurde 1858 in die C Kutsch Irrenanstalt Hofheim / Taunus eingewiesen.

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Breitinger Breitinger, David, schweizer. Mathematiker, * 17. 11. 1737 Sch¨onholzerswilen (Kt. Thurgau), † 30. 1. 1811 Z¨urich. Der Sohn eines aus Z¨urich stammenden Predigers wurde 1759 in das geistliche Ministerium in Z¨urich aufgenommen. Nachdem sein Plan, als Prediger in eine reformierte Bergarbeitergemeinde nach Bayonne in S¨udfrankreich zu gehen, gescheitert war, unternahm B. eine ausgedehnte Bildungsreise durch Frankreich. Nach der R¨uckkehr widmete er sich dem Studium der Mathematik und Physik und wurde 1773 Prof. der Mathematik an der gerade gegr¨undeten Z¨urcher Kunstschule. B. stiftete die Z¨uricher T¨ochterschule und geh¨orte den Kuratorien verschiedener Schweizer Schulen an. Er verfaßte ein Mathematiklehrbuch und propagierte 1786 in der Nachricht von dem Einschlagen des Blitzes in einen Wetterableiter, nebst Berichtigung einiger Begriffe u¨ ber die Wirkung der Ableiter das Anbringen von Blitzableitern.

Breitinger, Heinrich, schweizer. Romanist, * 11. 3. 1832 Ellikon (Kt. Thurgau), † 2. 3. 1889 Z¨urich. Der einer alten Z¨uricher Theologenfamilie entstammende B. besuchte das Gymnasium in Z¨urich und Erlangen. Sein dort begonnenes Studium der Medizin mußte er wegen einer bei einem Duell erlittenen Handverletzung aufgeben und wandte sich dem Studium der neuen Sprachen zu. Nach Aufenthalten in Z¨urich, Basel, Lausanne und London wurde er 1857 als Lehrer f¨ur Englisch und Franz¨osisch an die Kantonsschule von Frauenfeld berufen. Seit 1876 war er o. Prof. der Neueren Sprachen an der Univ. Z¨urich. Neben einigen Schriften zur franz¨osischen Grammatik verfaßte B. u. a. Der Salon Rambouillet (1874) und lieferte mit seinen Essays ¨ Aus neueren Litteraturen (1879) einen Uberblick u¨ ber die zeitgen¨ossische franz¨osische Literatur des 19. Jahrhunderts. 1890 erschien Studien und Wandertag . . . Mit Portrait und Lebensabriss. C ADB

Breitinger, Johann Jacob, schweizer. Philologe, reformierter Theologe, Schriftsteller, * 1. oder 15. 3. 1701 Z¨urich, † 14. 12. 1776 Z¨urich. B. wuchs als Sohn eines Zuckerb¨ackers und sp¨ateren Majors der Z¨urcher B¨urgermiliz in Z¨urich auf, wo er auch die Schulen besuchte und 1720 ordiniert wurde. Gleichzeitig begann er seine publizistische T¨atigkeit, h¨aufig gemeinsam mit Johann Jacob → Bodmer, mit dem er 1721-23 die Wochenschrift „Die Discourse der Mahlern“ herausgab (Nachdr. 1969). Diese aus 94 Nummern bestehenden „Discourse“, f¨ur die Joseph Addisons „Spectator“ (1711 / 12-1714) als Vorbild diente, gelten als wichtiges Zeugnis der damaligen a¨ sthetisch-poetologischen Diskussion u¨ ber eine mehr vernunft- oder gef¨uhlsbetonte Dichtungsauffassung. 1723 edierte B. Persius und 1730-32 eine kommentierte Ausgabe der griechischen Version des Alten Testaments. 1731 erfolgte die Berufung B.s als Prof. f¨ur Hebr¨aisch an das Collegium Humanitatis und an das Carolinum in Z¨urich, seit 1740 lehrte er Logik und Rhetorik, nach 1745 am Carolinum auch griechische Philologie; daneben wirkte er als Chorherr des Stiftskapitels zum Großm¨unster, als Kirchen- und Schulrat sowie als Stiftsbibliothekar. 1768 regte B. die Gr¨undung der „Asketischen Gesellschaft“ an und setzte sich f¨ur Verbesserungen des akademischen Unterrichts und der Gef¨angnisseelsorge ein; maßgeblich war sein Einfluß auf die z¨urcherische Theologie des 18. Jahrhunderts.

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Bedeutsamer als B.s meist in lateinischer Sprache verfaßte Studien und Abhandlungen zu Theologie und Philosophie waren seine mit Bodmer ver¨offentlichten Schriften zur deutschen Literatur. Unter seinem Namen erschienen u. a. die Critische Abhandlung Von der Natur, den Absichten und dem Gebrauch der Gleichnisse [. . .] (1740; Nachdr. 1967) und die zweib¨andige Critische Dichtkunst, Worinnen die Poetische Mahlerei in Absicht auf die Erfindung im Grunde untersuchet [. . .] wird (1740; Nachdr. 1966), welche philosophisch-¨asthetische Aspekte Leibniz-Wolffscher Pr¨agung mit Rhetoriktradition und dem Neuansatz Alexander Gottlieb → Baumgartens vereinigt. Seine literaturtheoretischen Schriften trugen entscheidend dazu bei, der Auffassung von der freien Sch¨opferkraft der Phantasie zum Durchbruch zu verhelfen und die vor allem von Johann Christoph → Gottsched vertretene rationalistisch-utilitaristische Sicht auf Poesie und Dichtkunst zu u¨ berwinden und ab¨ zul¨osen. B.s a¨ sthetisch-poetologische Uberlegungen wurden dichterisch wirksam etwa in der Lyrik eines Immanuel Jakob → Pyra, des G¨ottinger Hainbundes, der sogenannten Bremer Beitr¨ager und vor allem in der Dichtung → Klopstocks. WEITERE WERKE: Helvetische Bibliothek. Hrsg. mit J. J. Bodmer. 6 St¨ucke, Z¨urich 1735-41. – Historische und Critische Beytr¨age Zu der Historie der Eidsgenossen. 4 Teile, Z¨urich 1739. – Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften, Zur Verbesserung des Urtheils und des Witzes in den Wercken der Wolredenheit und der Poesie. Hrsg. mit J. J. Bodmer. 12 St¨ucke, Z¨urich 1741-44. – Vertheidigung der Schweitzerischen Muse, Hrn. D. Albrecht Hallers. Z¨urich 1744. – Martin Opitzens Von Boberfeld Gedichte. Von J. J. B. und J. J. Bodmer besorget. Erster Theil. Z¨urich 1745. – Johann Jacob Bodmer / J. J. B.: Schriften zur Literatur. Hrsg. v. Volker Meid. Stuttgart 1980. LITERATUR: VD 17. – Wolfgang Bender: J. J. Bodmer und J. J. B. Stuttgart 1973 (Bibliogr.). – Angelika Wetterer: Publikumsbezug und Wahrheitsanspruch. T¨ubingen 1981. – Thomas Brunnschweiler: J. J. B.s Bedencken von Comoedien oder Spilen. Die Theaterfeindlichkeit im Alten Z¨urich. Edition, Kommentar, Monographie. Bern 1989. – Jill Anne Kowalik: The Poetics of Historical Perspectivism. B.’s Critische Dichtkunst and the Neoclassic Tradition. Chapel Hill 1992. – Gabriele D¨urbeck: Einbildungskraft und Aufkl¨arung. ¨ Perspektiven der Philosophie, Anthropologie und Asthetik um 1750. T¨ubingen 1998. Reinhard M¨uller

Breitinger, Johann Jakob, schweizer. reformierter Theologe, * 19. 4. 1575 Z¨urich, † 1. 4. 1645 Z¨urich. B., Sohn eines Gerbers und Mitglied des Großen Z¨urcher Rats, wurde nach dem Studium in Marburg, Franeker, Leiden, Heidelberg und Basel 1579 in den Coetus der Z¨urcher Prediger aufgenommen und mit der Seelsorge in einigen Landfilialen betraut. 1611 von der Stadtgemeinde St. Peter zum Diakon berufen, wurde er 1613 vom Großen Rat zum Pfarrer am Großm¨unster und Vorsteher der Z¨urcher Kirche gew¨ahlt. Als strenger Verfechter der Zweiten Helvetischen Konfession war er u. a. maßgeblich an den Beschl¨ussen der Dordrechter Synode von 1618 / 19 beteiligt. In Z¨urich f¨uhrte B. die Kinderlehre und die Pfarrvisitationen ein, reformierte die Liturgie und widmete sich besonders der Armenpflege und dem Ausbau des Schulwesens. Er veranstaltete große Sammlungen zugunsten der Opfer des Dreißigj¨ahrigen Kriegs in Deutschland und bem¨uhte sich, die reformierte Schweiz zum Eingreifen in den Krieg gegen die Katholiken zu bewegen. Nach der Niederlage der Schweden bei N¨ordlingen 1634 zog sich B. aus der Politik zur¨uck. Er bearbeitete das Neue Testament der Z¨urcher Bibel neu (1629) und ver¨offentlichte u. a. Synodalreden (1613-43). C RGG

Breitner Breitkopf, Bernhard Christoph, Drucker, Verleger, * 2. 3. 1695 Clausthal / Harz, † 28. 3. 1777 Leipzig. B. kam nach einer Druckerlehre in Goslar 1715 als Geselle nach Leipzig und heiratete dort 1719 in die Buchdruckerei M¨uller ein. Im selben Jahr erhielt er das B¨urgerrecht der Stadt Leipzig. Der finanzielle Erfolg seines Unternehmens veranlaßte ihn 1732 zur Verlegung seiner Druckerei in das große Haus „Goldener B¨ar“, der seitdem zusammen mit dem Spruch „non timet“ das Firmensignet bildete. Nicht unbedeutend gef¨ordert von B.s Freund Johann Christoph → Gottsched, entwickelte sich die Druckerei zu einem erfolgreichen Unternehmen, das 1742 18 Gesellen besch¨aftigte. Bis 1761 erschienen in B.s Druckerei und dem angeschlossenen Verlag 656 Druckwerke, darunter historische und theologische Schriften und 1746-59 die „Neue theologische Bibliothek“. Unter seinem Sohn Johann Gottlob → B. entwickelte sich die Firma zu einer der angesehensten Druckereien und Verlage seiner Zeit. C MGG Breitkopf, Bernhard Theodor, Verleger, Komponist, * 20. 3. 1745 Leipzig, † 1820 St. Petersburg. Der a¨ lteste Sohn des Johann Gottlob → B. und Urenkel Bernhard Christoph → B.s erlernte bei seinem Vater die Buchdruckerkunst und wurde 1769 in die Leipziger Innung aufgenommen. Daneben komponierte er Lieder und T¨anze und vertonte 1770 in seinem Liederheft Neue Lieder und Melodien 20 nur dort erhaltene Jugendgedichte → Goethes. 1777 u¨ bersiedelte er nach Rußland und gr¨undete 1781 in St. Petersburg eine Buch- und Notendruckerei. Dort gab er u. a. 1795-97 das Giornale musicale del Teatro Italiano in Pietroburgo und 1820 eigene Kompositionen zu russischen Gedichten heraus. Er war als Bibliothekar an den Kaiserlichen russischen Staatsdruckereien t¨atig und erteilte Musikunterricht am von → Katharina II. gegr¨undeten Smolnyj-Institut f¨ur adlige M¨adchen. B. wurde zum russischen Staatsrat und in den russischen Dienstadel erhoben. C MGG Breitkopf, Christoph Gottlob, Drucker, Verleger, * 22. 9. 1750 Leipzig, † 7. 4. 1800 Leipzig. Wie sein a¨ lterer Bruder Bernhard Theodor → B. erlernte B. in der Firma seines Vaters Johann Gottlob → B. das Druckerhandwerk. Von seinem Jugendfreund → Goethe wegen seiner geistigen F¨ahigkeiten gesch¨atzt, aber nicht gesch¨aftst¨uchtig genug, den großen v¨aterlichen Verlag zu f¨uhren, nahm er 1795 Gottfried Christoph → H¨artel zum Teilhaber. Seitdem firmiert der Verlag, den H¨artel seit 1796 als alleiniger Inhaber weiterf¨uhrte, als „Breitkopf & H¨artel“. Das Leipziger Stammhaus bestand bis 1945 weiter, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet und zum volkseigenen Betrieb umgewandelt. Aus einem 1945 in Wiesbaden gegr¨undeten Zweigunternehmen wurde 1947 der selbst¨andige Verlag Breitkopf & H¨artel. C MGG Breitkopf, Gregor, auch Bredekoph, Laticephalus, Humanist, * um 1472 Konitz, † 1529 Leipzig. B. bezog 1490 die Univ. Leipzig, erlangte 1503 den Magistergrad und wurde in die Artistenfakult¨at aufgenommen. Innerhalb von 25 Jahren war er f¨unfmal Vizerektor, zweimal Dekan und einmal (1508) Rektor. 1500-14 geh¨orte er dem Marienkolleg, sp¨ater dem kleinen F¨urstenkolleg an. Bei der Disputation zwischen → Luther und Johannes → Eck 1519 wurde er zum Disputator gew¨ahlt. Seit 1523 war er Lizentiat und Dr. theol. und trat sp¨ater in die Theologische Fakult¨at u¨ ber. B. galt als bedeutender scholastischer Logiker. Er schrieb u. a. „Daß die widertauff yrrig sey“ (1528) und gab Werke lateinischer Klassiker (u. a. Horaz, Tibull und Seneca) heraus. C Altpreuß Biogr, Bd 1

Breitkopf, Johann Gottlob (Immanuel), Typograph, Verleger, * 23. 11. 1719 Leipzig, † 28. 1. 1794 Leipzig. Nach dem u. a. bei dem Freund der Familie Johann Christoph → Gottsched absolvierten Studium trat B. 1735 in die Druckerei seines Vaters Bernhard Christoph → B. ein und erhielt 1745 die Druckerei als selbst¨andigen Wirkungsbereich anvertraut. Er machte sich vor allem als Typograph und Sch¨opfer der Breitkopf-Fraktur f¨ur die bei ihm erschienenen Werke der deutschen Klassik einen Namen. 1754 gelang B. eine deutliche Verbesserung des Notentypendrucks (Nachricht von einer neue Art Noten zu drucken, 1755). Seine Erfindung des Drucks mit zerlegbaren Notentypen stellte er 1756 mit der Prachtausgabe des von der Kurprinzessin → Maria Antonia Walpurga von Sachsen komponierten Musikdramas Il trionfo della fedelt`a vor. Bald ließen auch → Telemann, Leopold → Mozart und Carl Philipp Emanuel → Bach bei ihm drucken. Johann Adam → Hiller beriet B. in vielen musikalischen Fragen. Seit 1762 Teilhaber des familieneigenen Verlags, der seitdem als B. Chr. Breitkopf und Sohn firmierte, legte B. eine große Sammlung von Musikmanuskripten an, die er 1762-87 als Cataloghi delle sinfonie in neuen B¨anden im Druck herausgab. Er selber verfaßte einige Schriften zu Fragen der Typographie und ein großes, u. a. von → Lessing und → Winckelmann gef¨ordertes, aber ¨ unvollendet gebliebenes Werk Uber die Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst (1779). B. war der Vater von Bernhard Theodor und Christoph Gottlob → B. C MGG Breitling, Wilhelm (August) von, Staatsmann, * 4. 1. 1835 Gaildorf (W¨urttemberg), † 20. 4. 1914 Stuttgart. B. trat nach dem Studium der Rechtswissenschaften in den w¨urttembergischen Staatsdienst ein und war seit 1860 an verschiedenen Gerichten t¨atig. Seit 1883 Vortragender Rat und seit 1887 Direktor im Justizministerium, wurde er 1889 Wirklicher Staatsrat sowie Mitglied des Geheimen Rats und des Verwaltungsgerichtshofs; er war an der Erarbeitung des B¨urgerlichen Gesetzbuches (BGB) beteiligt. 1896 zum Justizminister ernannt, f¨uhrte B., unter Ber¨ucksichtigung landesspezifischer juristischer Traditionen, in W¨urttemberg das BGB ein. Seit 1901 auch Pr¨asident des Staatsministeriums, setzte er neben einer Steuer- und Verwaltungsreform 1906 eine Verfassungsrevision durch, durch die die Zweite Kammer in eine reine Volkskammer umgewandelt wurde. C NDB Breitner, Anton, o¨ sterr. Schriftsteller, * 18. 3. 1858 Wien, † 30. 5. 1928 Mattsee (Salzburg). B. studierte Landwirtschaft in Tharandt und Leipzig und ließ sich 1885 in Mattsee nahe Salzburg nieder, wo er sich bis 1888 an den dort und in Schalkham vorgenommenen Ausgrabungen beteiligte. Er schrieb das Epos Der M¨onch von Mattsee (1882), die kulturgeschichtliche Skizze Diemut (1894), gab seit 1894 die Literaturbilder Fin de si`ecle heraus und beschrieb in Die Odyssee einer Kaise¨ rin (1895) das Leben der Kaiserin → Elisabeth von Osterreich. B. befaßte sich ferner mit dem Werk Joseph Viktor von → Scheffels, gab 1890 ein Scheffel-Gedenkbuch und seit 1904 das „Scheffel-Jahrbuch“ heraus, gr¨undete den o¨ sterr. Zweig des Scheffel-Bunds und errichtete in Mattsee ein Scheffel-Museum, das sp¨ater von dessen Geburtsstadt Karlsruhe u¨ bernommen wurde. Er war der Vater des Chirurgen Burghard → B. Breitner, Burghard, Pseud. Bruno Sturm, o¨ sterr. Chirurg, Schriftsteller, * 10. 6. 1884 Mattsee (Salzburg), † 28. 3. 1956 Innsbruck. B., Sohn des Schriftstellers Anton → B., studierte in Graz und Kiel Medizin und wurde 1908 in Wien promoviert. Nach kurzen T¨atigkeiten als Dramaturg an den Grazer B¨uhnen und als Schiffsarzt wandte er sich 1909 der Chirurgie zu

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Breitner ¨ und nahm 1912 als Delegierter des Osterreichischen Roten Kreuzes am Balkankrieg teil (Kriegstagebuch. Balkankrieg 1913, 1913). 1914 geriet er als Milit¨ararzt in russische Gefangenschaft, in der er sich als Chirurg in Gefangenenlagern in Wladiwostok und Chabarowsk den Ruf des „Engels von Sibirien“ erwarb. 1920 zur¨uckgekehrt, habilitierte sich B. 1922 an der Univ. Wien f¨ur Chirurgie; er wurde dort Privatdozent und 1917 a. o. Prof., 1932 o. Prof. an der Univ. Innsbruck (Rektor 1952 / 53) und Leiter der Chirurgischen Universit¨atsklinik. Nach dem Zweiten Weltkrieg war ¨ B. Pr¨asident des Osterreichischen Roten Kreuzes. 1951 kandidierte er erfolglos f¨ur das Amt des Bundespr¨asidenten. B. trat schon fr¨uh als Verfasser von Dramen (u. a. Will’s tagen?, 1901; Fest der Menschheit, 1945) und Novellen (Die Spinne von Isera, 1903) hervor und ver¨offentlichte 1921 Unverwundet gefangen. Aus meinem sibirischen Tagebuch. Zu seinen medizinischen und medizinhistorischen Studien geh¨oren Sportsch¨aden und Sportverletzungen (1937, 21953), ¨ Das Problem der Bisexualit¨at (1951), Arztliche Ethik (1948), ¨ Geschichte der Medizin in Osterreich (1951) und Der ewige Eid (1953). Postum erschien seine Autobiographie Hand an ¨ zwei Pfl¨ugen (1958). 2, 3 C Arzte

¨ der Gemeinde Wien (1927) und Osterreich und die Schweiz. Vergleich und Ausblick (1944). B. starb kurz vor seiner geplanten R¨uckkehr nach Wien. 1951 wurde dort die HugoBreitner-Gesellschaft zur F¨orderung k¨unstlerischen Nachwuchses gegr¨undet. C Leser

Breitner, Erhard, Pseud. Karl Leonhard Baggesen, o¨ sterr. Schriftsteller, Journalist, Verleger, * 18. 6. 1884 Wien, seit Juni 1943 verschollen (Graz). Nach dem an den Universit¨aten Wien und Berlin absolvierten Studium wandte sich B. dem Journalismus zu und war als Chefredakteur in Leipzig und beim „8 Uhr-Abendblatt“ in Berlin t¨atig. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs diente er als Kriegsberichterstatter im k. und k. Kriegspressequartier. 1919 gr¨undete er die „Neue Berliner Zeitung“. Daneben machte er sich auch als Schriftsteller einen Namen. Seinen 1914 / 15 erschienenen Kriegsbildern (2 Bde.) folgte 1924 der Roman Unterwelt und das Lebensbild Der reichste Mann der Welt. J. D. Rockefeller (1926). Neben weiteren Romanen ver¨offentlichte B. Biographien u¨ ber Peter den Großen, Madame du Barry, Mirabeau, Kaiser → Maximilian I. und Jeanne d’Arc. C DLL, 20. Jh.

Breitscheid, Rudolf, Politiker, * 2. 11. 1874 K¨oln,

Breitner, Hugo, o¨ sterr. Politiker, * 9. 11. 1873 Wien, † 5. 3. 1946 Claremont (Kalifornien, USA). ¨ B., Sohn eines B¨orserats, arbeitete seit 1894 bei der Osterreichischen L¨anderbank, war nebenberuflich als Musik- und Kunstkritiker sowie als Lokalberichterstatter beim „Neuen Wiener Journal“ und bei der „Neuen Freien Presse“ t¨atig und gab die „Wiener Kunst-Korrespondenz“ heraus. F¨uhrend im ¨ Reichsverein der Bank- und Sparkassenbeamten Osterreichs engagiert, erreichte er eine Verk¨urzung der Arbeitszeit und ein geregeltes Gehaltsschema. 1907-11 war B. Vizepr¨asident des Vereins und hatte die Redaktion der Vereinszeitschrift „Der o¨ sterreichische Bankbeamte“ inne. Seit 1910 Prokurist, wurde er 1914 stellvertretender Direktor und 1917 Direktor der L¨anderbank. Meinungsverschiedenheiten u¨ ber die Bankpolitik f¨uhrten 1918 zu seiner fr¨uhzeitigen Pensionierung. 1918 trat B. in die Sozialdemokratische Arbeiterpartei ein und geh¨orte 1918-32 zun¨achst der provisorischen Gemeindevertretung, dann dem Wiener Gemeinderat an. Als Finanzstadtrat (1920-32) schuf B. die finanzpolitische Grundlage f¨ur die Verwaltung des „Roten Wien“ (u. a. progressive Wohnbausteuer, hohe Besteuerung großer Sportveranstaltungen, Luxussteuern). 1932 u¨ bernahm er die Leitung einer Sparkassenzentrale der Gemeinde Wien. Im Februar 1934 vor¨ubergehend in Haft, emigrierte B. 1936 nach Italien und ging 1938 in die USA, war Mitglied des Austrian Labor Committee und der Austrian Labor Information und zuletzt Dozent f¨ur St¨adtewesen an der Univ. Claremont. Er ver¨offentlichte u. a. Kapitalistische oder sozialistische Steuerpolitik – wer soll die Steuern bezahlen (1926), Seipel-Steuern oder Breitner-Steuern? Die Wahrheit u¨ ber die Steuerpolitik

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Breitner, Joseph, o¨ sterr. Bildhauer, * 19. 12. 1864 Wien, † 22. 11. 1930 Wien. Der einer Handwerkerfamilie entstammende B. absolvierte seine k¨unstlerische Ausbildung an der Wiener Kunstgewerbeschule und bei Studienaufenthalten in Italien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. 1895-1920 lehrte er Bildhauerei an der Wiener Kunstgewerbeschule, seit 1898 als Professor. B., Mitglied des Wiener K¨unstlerhauses, schuf neben Genrestatuetten (u. a. Im Kampf ums t¨agliche Brot), deren Sujets er meist dem allt¨aglichen Leben entnahm, Grabdenkm¨aler, Holzplastiken, Reliefs, Portr¨atb¨usten und plastische Dekorationen o¨ ffentlicher Geb¨aude. Dazu z¨ahlen das Statthalter-Graf-Thun-Denkmal in Salzburg und das Standbild Herzog → Heinrichs II. Jasomirgott und die Portalfiguren Glaube, Liebe, Hoffnung an der Wiener Schottenkirche. C AKL † 24. 8. 1944 Buchenwald. Nach dem Besuch eines K¨olner Gymnasiums studierte der Sohn eines Buchh¨andlers National¨okonomie in M¨unchen und Marburg und wurde 1898 promoviert. Anschließend war B. Redakteur bei verschiedenen liberalen Zeitungen in Hamburg und Hannover, danach Gesch¨aftsf¨uhrer des Handelsvertragsvereins in Berlin (1905-08). 1903 wurde er Mitglied der „Freisinnigen Vereinigung“, die im selben Jahr den von Friedrich → Naumann gef¨uhrten „Nationalsozialen Verein“ aufnahm, und geh¨orte seit 1904 der Berliner Stadtverordnetenversammlung und dem Brandenburger Provinziallandtag an. Aus Kritik an der insbesondere von Naumann propagierten Schwenkung zur liberal-konservativen Blockpolitik verließ er die Partei und gr¨undete 1908 zusammen mit Theodor → Barth und Hellmut von → Gerlach die „Demokratische Vereinigung“, deren Vorsitzender er wurde. Entt¨auscht von der geringen Resonanz, die die Partei fand, trat B. 1912 in die SPD ein, beendete die Herausgeberschaft des Wochenblatts „Das freie Volk“ und arbeitete bis 1915 an Friedrich → Stampfers „Pressekorrespondenz“ mit. B., der fr¨uhzeitig die Burgfriedenspolitik kritisiert hatte, schloß sich der Opposition an. Seit 1916 war er Chefredakteur der „Sozialistischen Auslandspolitik“ – die nach dem Krieg unter dem Titel „Der Sozialist“ als w¨ochentliches Theorieorgan der Unabh¨angigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) erschien – und diente als Armierungssoldat (1916-18). In der Revolution amtierte er als preuß. Innenminister (November 1918 bis Januar 1919). 1920 wurde er in den Reichstag gew¨ahlt und geh¨orte danach zur engeren ¨ F¨uhrung der USPD. B., der von Beginn an die Ubertragung „russischer Methoden“ auf die deutschen Verh¨altnisse ablehnte, z¨ahlte zu den entschiedenen Gegnern der Aufnahmebedingungen f¨ur die Kommunistische Internationale. Nach der Vereinigung von Mehrheitssozialisten (MSPD) und USPD (1922) avancierte er zum f¨uhrenden Außenpolitiker der Weimarer Sozialdemokratie. Er unterst¨utzte nachhaltig die Locarnopolitik Gustav → Stresemanns und geh¨orte der V¨olkerbundsdelegation an (1926-30). 1928 wurde er neben Otto → Wels und Wilhelm → Dittmann zum Vorsitzenden

Breker der Reichstagsfraktion, 1931 in den Parteivorstand gew¨ahlt. B. verteidigte energisch die Große Koalition, unterst¨utzte auch die Tolerierungspolitik gegen¨uber Heinrich → Br¨uning, konnte sich aber im November 1931 ebenso unter bestimmten Bedingungen ein B¨undnis mit der KPD zur Abwehr der NSDAP vorstellen. Einen Tag nach der Ernennung → Hitlers zum Reichskanzler warnte er namens des Parteivorstandes vor „ungest¨umen und voreiligen Aktionen“ (die Rede wurde unter dem Titel Bereit sein ist alles! ver¨offentlicht); Ende M¨arz 1933 mußte er in die Schweiz, Ende August 1933 nach Frankreich emigrieren. Von Paris aus hielt er Verbindung zur Sozialdemokratischen Partei im Exil (Sopade), unternahm politische Auslandsreisen und schrieb f¨ur verschiedene sozialistische Zeitungen in West- und Mitteleuropa. Angesichts des Versagens des V¨olkerbundes gegen¨uber dem Faschismus beteiligte sich B. wie andere nach Frankreich emigrierte sozialdemokratische Politiker an den Besprechungen des von der KPD gelenkten vorl¨aufigen Pariser Volksfront-Ausschusses, dem Heinrich → Mann vorstand. Im Zuge des Zerfalls des Volksfront-Ausschusses 1937 distanzierte sich B. von der KPD-Politik und zog sich vom politischen Engagement zur¨uck. Im August 1940 fl¨uchtete er zusammen mit Rudolf → Hilferding vor den deutschen Truppen nach S¨udfrankreich. Am 11. 12. 1941 lieferten die Vichy-Beh¨orden die beiden Fl¨uchtlinge aus. Nach zehn Monaten Haft im Gef¨angnis in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin u¨ berstellte man ihn zusammen mit seiner Frau Tony, geb. Drevermann, ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Im September 1943 wurde er ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht, wo er bei einem Luftangriff ums Leben kam. WERKE: Der B¨ulow-Block und der Liberalismus. M¨unchen 1908. – Reichstagsreden. Hrsg. v. Gerhard Zwoch Bonn 1974. – Antifaschistische Beitr¨age 1933 bis 1939. Ausgew¨ahlt und eingeleitet v. Dieter Lange. Frankfurt / Main 1979. LITERATUR: Peter Pistorius: R. B. 1874-1944. Diss. K¨oln 1970. Karsten Rudolph

Breitsprecher von Breitenstern, Franz Philipp, Jurist, * Juli 1739 Bergen / R¨ugen, † 27. 11. 1798. B. v. B. bezog 1756 die Univ. Greifswald, studierte Philosophie, Mathematik und Rechtswissenschaften, wechselte 1759 an die Univ. Kiel, setzte seine Studien in G¨ottingen fort und kehrte 1763 in seinen Geburtsort Bergen zur¨uck. Dort gewann er als Sachwalter juristische Praxis und wurde 1763 in Greifswald promoviert, 1766 Rechtskonsulent der Landeskommission von Schwedisch-Pommern, 1769 o. Prof. an der Univ. Greifswald und 1772 Beisitzer des kgl. geistlichen Konsistoriums. 1776 ging B. v. B. als Assessor an das Tribunal in Wismar; 1788 wurde er zu dessen Vizepr¨asidenten berufen, in den Adelsstand erhoben und 1795 mit dem kgl. schwedischen Nordsternorden dekoriert. Neben einigen juristischen Schriften in lateinischer Sprache erschien 1806 postum seine Abhandlung von der Querel, nach Maßgabe der K¨oniglichen Tribunalsordnung f¨ur die Schwedisch-Pommerschen Staaten; mit einigen Zus¨atzen und einem Beytrage zur neuern Geschichte des K. H. Tribunals zu Greifswald. C ADB

Brekenfeld, Hermann, Bankier, * 9. 10. 1885 Neu-Barnim, † 3. 2. 1958 Berlin. Nach dem in Berlin und M¨unchen absolvierten Studium der Rechtswissenschaften und der R¨uckkehr aus dem Ersten Weltkrieg trat B., Sohn eines Sanit¨atsrats, 1918 in die Preußische Staatsbank ein, wurde 1920 zum Oberfinanzrat und 1921 zum Staatsfinanzrat ernannt und 1926 zum Stellvertreter des Pr¨asidenten berufen. Er geh¨orte den Aufsichtsr¨aten zahlreicher deutscher Banken und Bergwerksbetriebe an und war Aufsichtsratsvorsitzender der Bank f¨ur

wertbest¨andige Anlagen in Berlin. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war B. Mitglied etlicher Aufsichtsr¨ate und Vorstand der Preußischen Bergwerks- und H¨utten-A.-G. in Berlin / Hannover und der Vereinigten Elektrizit¨ats- und Bergwerks-A.-G. in Hamburg. C Altpreuß Biogr, Bd 4

Breker, Arno, Bildhauer, * 19. 7. 1900 Elberfeld (heute zu Wuppertal), † 13. 2. 1991 D¨usseldorf. Der Sohn eines Steinmetzen durchlief zun¨achst selbst eine Steinbildhauerlehre, besuchte 1920-25 die D¨usseldorfer Kunstakademie und erhielt erste Auftr¨age von dem Architekten Wilhelm → Kreis. Seit 1927 lebte er als freischaffender Bildhauer in Paris, wo er u. a. mit Jean Cocteau, Constantin Brancusi, Man Ray und Salvador Dal´ı verkehrte. Studienreisen f¨uhrten ihn w¨ahrend dieser Zeit nach Rom und Nordafrika, wo er Freundschaft mit Aristide Maillol schloß. Seit 1934 in Berlin t¨atig, erregte er mit den Aktfiguren Zehnk¨ampfer und Die Siegerin f¨ur den Wettbewerb um die skulpturale Ausstattung des Olympiastadions die Aufmerksamkeit → Hitlers und → Goebbels’. 1937-45 leitete er als Prof. eine Bildhauerklasse an der Hochschule der Bildenden K¨unste in Berlin. Seit 1938 erhielt er zahlreiche Staatsauftr¨age f¨ur Monumentalplastiken, die in engem Kontakt mit Albert → Speer und auf ausdr¨ucklichen Wunsch Hitlers f¨ur den geplanten Ausbau Berlins mit seiner neuen Nord-S¨ud-Achse, zahlreichen Pl¨atzen, Brunnen und Triumphbogen geschaffen wurden. Ein erstes Großatelier wurde B. in Berlin-Dahlem eingerichtet, 1941 folgte die Gr¨undung der A. B. Steinbildhauerwerkst¨atten GmbH in Wriezen / Oder, wo zahlreiche Kriegsgefangene an der Umsetzung der Modelle in Stein und Bronze arbeiteten. Werke wie die f¨ur die neue Reichskanzlei geschaffenen Monumentalfiguren Fackeltr¨ager und Schwertr¨ager (von Hitler in Partei und Wehrmacht umbenannt) zeichneten sich durch einen entindividualisierten, aber dennoch naturnahen Idealismus aus, wobei gerade bei den m¨annlichen Figuren das HeroischAthletische betont wurde. Neben den Großplastiken schuf B. auch zahlreiche Portr¨ats, darunter sowohl Bronzeb¨usten von Parteigr¨oßen wie auch K¨unstlern (z. B. Max Liebermann, 1935). Nach dem Zweiten Weltkrieg als „Mitl¨aufer“ eingestuft, kehrte B. 1950 nach D¨usseldorf zur¨uck, gestaltete u. a. die Reliefs am Geb¨aude des Gerling-Konzerns in K¨oln. Seit 1960 unterhielt er erneut ein Atelier in Paris und arbeitete vorrangig als Bildhauer und Graphiker, machte aber auch durch Portr¨atb¨usten bekannter Zeitgenossen wie → Adenauer (1979) und Peter und Irene → Ludwig (1988) wieder von sich reden. 1980 stellte die Bundesregierung das Schloß N¨orvenich bei K¨oln zum Aufbau des 1985 er¨offneten „Museums A. B. – Sammlung Europ¨aischer Kunst“ zur Verf¨ugung. B. war Mitglied der Preußischen Akademie der K¨unste sowie Ehrenmitglied der Heinrich-vonZ¨ugelfreunde-Gesellschaft W¨orth am Rhein und wurde u. a. mit dem Ehrenring der bildenden Kunst des deutschen Kulturwerkes europ¨aischen Geistes (1974) ausgezeichnet. C AKL

Breker, Hans, Pseud. Hans van Breek, Bildhauer, Zeichner, * 15. 1. 1906 Elberfeld (heute zu Wuppertal), † 15. 11. 1993 D¨usseldorf. B. wurde zun¨achst von seinem Vater zum Steinbildhauer ausgebildet, studierte 1925-27 an der Kunstakademie Dresden und war 1927-32 Meistersch¨uler der D¨usseldorfer Kunstakademie. Im Gegensatz zu seinem Bruder Arno → B. wurde seine Kunst in der Zeit des Nationalsozialismus mehrfach mißbilligt; 1937 ließ → Hitler pers¨onlich eine → Beethoven-Plastik aus dem M¨unchner Haus der Kunst entfernen. Dennoch erhielt B. auch gelegentlich Auftr¨age von nationalsozialistischen Institutionen, u. a. schuf er eine Mutter-Kind-Gruppe f¨ur das NSV-M¨utterheim in Meisenheim am Glan. Daneben entstanden Reliefs und lebensnahe

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Brell Portr¨atb¨usten (z. B. Friedrich der Große, um 1940). 1945 erhielt B. einen Lehrauftrag an der Hochschule f¨ur Architektur und bildende K¨unste in Weimar, wurde dort 1948 Prof. f¨ur Freie Plastik und kehrte 1954 als freischaffender K¨unstler nach D¨usseldorf zur¨uck. Seine realistische Darstellungsweise pr¨agte viele junge K¨unstler in der DDR. B. schuf nach 1954 vor allem baugebundene Plastiken, in seinem Sp¨atwerk C AKL auch vermehrt Portr¨atzeichnungen.

Brell, Heinrich, o¨ sterr. Physiker, * 21. 12. 1877 Sandh¨ubel

¨ (Osterr.-Schlesien), † 18. 3. 1934 Graz. Zun¨achst als Mittelschullehrer t¨atig, wurde B. 1914 Dozent f¨ur theoretische Physik, 1918 Lehrbeauftragter f¨ur Vektorrechnung an der Univ. Graz. Seit 1924 war er o. Prof. der Physik und Mathematik an der Montanistischen Hochschule Leoben, 1926 / 27 und 1928 / 29 deren Rektor. Dort besch¨aftigte er sich zuletzt vor allem mit Wellen- und Quantenmechanik sowie Fragen der Atomphysik. B. ver¨offent¨ lichte u. a. Uber eine neue Fassung des verallgemeinerten Prinzips der kleinsten Aktion (1913) und Zur Frage der Linearit¨at der Lorentz-Transformation (1930).

Breloer, Bernhard, Indologe, Jurist, * 8. 11. 1894 Herne (Westfalen), † 20. 4. 1947 Tiflis (Georgien). Nach dem Kriegsdienst 1914-18 studierte B., Sohn eines M¨uhlenbesitzers, in Jena, Bonn und M¨unchen Indologie, Musikwissenschaft und klassische Philologie und wurde 1921 mit einer Arbeit u¨ ber die pentatonische Grundlage der klassischen indischen Musik promoviert. Seit 1923 befaßte er sich an der Univ. Berlin mit indischem Recht, wurde 1927 in Bonn zum Dr. jur. promoviert, habilitierte sich dort f¨ur Indologie und wurde 1935 o. Prof. der Indologie an der Univ. Berlin. Im ersten Band seiner Kautaliya-Studien lieferte B. eine mit Hilfe des Rechtsvergleichs gewonnene Deutung des Inhalts der Fragmente des Megasthenes u¨ ber Indien und die Erkenntnis, daß es im alten Indien weder Grund- und Landeigentum noch Sklavenhaltung wie in der europ¨aischen Antike gab. Im zweiten Band behandelte er Altindisches Privatrecht bei Megasthenes und Kautaliya (1928), im dritten die Finanzverwaltung und Wirtschaftsf¨uhrung (1934). B. starb in russischer Kriegsgefangenschaft. C NDB Breloh, Heinz, Bildhauer, Videok¨unstler, * 1940 Hilden, † 9. 1. 2001 K¨oln. B. studierte 1961-63 Bildhauerei bei Gustav → Seitz an der Hochschule f¨ur Bildende K¨unste Hamburg und 1964-67 bei Fritz → Wotruba an der Akademie der Bildenden K¨unste Wien. 1970 wurde er Mitbegr¨under der Zeitschrift „Nummer“ und war 1974 an der Ausstellung Projekt 74 beteiligt. 1977 zeigte er seine Videoinstallation Schwarz / WeißSchwingen auf der documenta VI in Kassel. Neben Videoarbeiten und Photoserien (a. a. Einachsige Figuren, Rotationsk¨orper, 1978) schuf B. Plastiken, zumeist in Gips oder Ton, die von ihm ohne weitere Hilfsmittel in einer K¨orperaktion bearbeitet wurden, um so die eigene Bewegung direkt an das formbare Material weiterzugeben und gleichzeitig zu fixieren. Die Auseinandersetzung mit der eigenen K¨orpersprache und der Raumerfahrung stand im Mittelpunkt von B.s k¨unstlerischem Schaffen. W¨ahrend er in den Plastiken die Beziehungen der K¨orpervolumen im Raum erfahrbar zu machen suchte, thematisierte er in den Videoarbeiten und Photoserien das perspektivische wie zeitliche Raumerleben. C AKL Brem, Beppo, Schauspieler, * 11. 3. 1906 M¨unchen, † 5. 9. 1990 M¨unchen. Der zun¨achst als B¨uhnenschreiner und Komparse an den M¨unchner Kammerspielen besch¨aftigte B. nahm seit 1925 Schauspielunterricht und gab 1927 an der Reichenhaller

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Bauernb¨uhne sein Deb¨ut. Nach Engagements in Ulm, Regensburg und Berlin kehrte er nach M¨unchen zur¨uck. Spezialisiert auf das Charakter- und Dialektfach, spielte er u. a. den Herzog von Alba in Don Carlos, die Titelrolle in Der Brandner Kaspar schaut ins Paradies und wirkte in Marieluise → Fleißers Fegefeuer in Ingolstadt und in etlichen Auff¨uhrungen von St¨ucken Ludwig → Thomas mit. In seinen Filmen, zu denen neben Quax der Bruchpilot (1941), Des Teufels General (1955) und Der verkaufte Großvater (1961) auch Streifen wie Pudelnackt in Oberbayern (1969) z¨ahlen, verk¨orperte er zumeist den Typus des humorigen Urbayern. Dasselbe tat er als Kriminalkommissar in der erfolgreichen, 1961-81 in 117 Folgen gesendeten Fernsehserie Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger. C Cinegraph

Bremer, Christoph, Schriftsteller, Bibliothekar, * 2. 6. 1621 Hamburg, † 10. 1. 1696. B. besuchte das Johanneum und seit 1640 das Gymnasium seiner Heimatstadt Hamburg, studierte in Wittenberg Theologie und erlangte 1646 den Magistergrad. 1651 wurde er zum Lehrer an die Elisabethschule und zum Kantor von St. Christoph in Breslau berufen. Seit 1674 war er dort Rektor der neust¨adtischen Schule und Bibliothekar an der Bibliothek St. Bernhardin. Zu B.s Schriften z¨ahlen Exercitia philologica ad Cant. III (1646).

Bremer, Claus, Schriftsteller, Dramaturg, Regisseur, ¨ Ubersetzer, * 11. 7. 1924 Hamburg, † 15. 5. 1996 Forch bei Z¨urich. Nach der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg studierte B. 1945-49 an den Universit¨aten Hamburg und Freiburg / Breisgau und wurde 1947-49 zum Schauspieler ausgebildet. 1949-51 Regieassistent in Freiburg, war er seit 1952 Regieassistent und 1956-61 Chefdramaturg am Landestheater in Darmstadt, dann an den Theatern in Bern (bis 1962), Ulm (1962-66), wo er bis 1965 auch an der Hochschule f¨ur Gestaltung lehrte, und 1970-78 in Z¨urich. In seinem Konzept eines „Mitspiel“-Theaters versuchte B., das Publikum in den dramatischen Prozeß miteinzubeziehen, arbeitete dabei u. a. mit Wolf → Vostell zusammen und inszenierte auch ¨ eigene umgangssprachliche Ubersetzungen von klassischen St¨ucken. 1948-54 gab er mit Rainer Maria → Gerhardt die „internationale revue f¨ur moderne dichtung: fragmente“ heraus, war 1957-59 Mitarbeiter der Zeitschrift „material“ sowie des „Neuen Forum“ und seit 1981 Herausgeber der Literaturzeitschrift „orte“. B. war einer der Begr¨under der Konkreten Poesie, deren Formen er sp¨ater aufgab (Farbe bekennen. Mein Weg durch die konkrete Poesie, 1983). Er ver¨offentlichte vor allem Gedichte (u. a. tabellen und variationen, 1960; ideogramme, 1964; Man tr¨agt keine M¨utzen nach Athen, 1984) und Essays (Theater ohne Vorhang, 1962; Thema Theater, 1969). C KLG ¨ Kaufmann, B¨urgermeister von Bremer, Detlev d. A., Hamburg, * 1403, † 1464 Hamburg. Der Sohn eines Kaufmanns wurde selbst Kaufmann im Flandernhandel und war seit 1432 Mitglied des Hamburger Rats. Er machte sich im Feldzug in Ostfriesland so verdient, daß er nach dem Fall von Emden 1434 zum Hauptmann von ganz Ostfriesland gew¨ahlt wurde. Dort erreichte er die politische Einheit, einen Landfrieden und das Ende der Piraterie. Dasselbe tat er 1445-47 als Amtmann von Ritzeb¨uttel und Otterndorf im Gebiet zwischen Elbe- und Weserm¨undung. Seit 1447 B¨urgermeister von Hamburg, bem¨uhte er sich vergeblich um den Bau eines Kanals zwischen Nord- und Ostsee und Verbindungen der Elbearme. 1457 Mitglied einer Hansedeputation, gelang ihm eine Einigung mit Flandern und die Verlegung des Hansekontors von Utrecht nach Br¨ugge. 1461 verweigerte B. dem zum Grafen von Holstein gew¨ahlten K¨onig → Christian I. von D¨anemark die Erbhuldigung, son-

Bremiker dern bestimmte mit einer rein pers¨onlichen „Annehmung“ per Handschlag f¨ur Jahrhunderte das Verh¨altnis Hamburgs zu D¨anemark. C NDB * 10. 8. 1759 Hannover, † 7. 3. 1836 Hannover. Der hannoverschem Adel entstammende B. amtierte seit 1795 in Hannover als Hofrichter und Schatzrat. 1803 schloß er als Unterh¨andler Hannovers die Sulinger Konvention mit Frankreich, die die kampflose Kapitulation Hannovers bedeutete. In den folgenden Jahren trat er als Vermittler zwischen der franz¨osischen Besatzungsmacht und der kurf¨urstlich hannoverschen Verwaltung auf. Nach dem Abzug der Franzosen 1805 wurde B. zum Kabinettsminister des ¨ Außeren berufen, nach der zweiten Besetzung Hannovers entlassen, leitete aber inoffiziell bis 1813 weiter die hannoverschen Beh¨orden. 1815-30 f¨uhrte er in Hannover eine Politik der Restauration im Sinne des in London residierenden Ministers Graf Ernst → M¨unster durch. 1830 wurde B. in den Grafenstand erhoben, jedoch 1832, als sich die politischen Verh¨altnisse infolge der Julirevolution ver¨andert hatten, entlassen. C Leb Nieders, Bd 3

dierte Klassische Arch¨aologie in Marburg, M¨unchen, Rostock und Gießen, wohin er seinem Lehrer Carl → Watzinger folgte. Bei diesem wurde er mit der Dissertation Die Haartracht des Mannes in archaisch-griechischer Zeit promoviert. Als Mitarbeiter des Oberhessischen Museums in Gießen besch¨aftigte er sich erstmals mit seinem sp¨ateren Spezialgebiet, der deutschen und europ¨aischen Vorgeschichte, und absolvierte 1911 ein Volontariat am R¨omischGermanischen Zentralmuseum in Mainz. Einen Schwerpunkt seiner Forschungen bildete das Neolithikum. Aus britischer Kriegsgefangenschaft zur¨uckgekehrt, habilitierte er sich 1920 an der Univ. Marburg f¨ur Pr¨ahistorische Arch¨aologie mit Einschluß der fr¨uhklassischen und r¨omischgriechischen (Die Mittelmeerkultur der j¨ungeren Stein- und a¨ lteren Bronzezeit), wurde Assistent am Arch¨aologischen Seminar der Univ. Marburg und Denkmalpfleger im Regierungsbezirk Kassel und bereitete eine umfangreiche Arbeit zum Indogermanenproblem vor, die er nicht mehr fertigstellen konnte. 1922 zum a. o. Prof. ernannt, folgte er 1925 einem Ruf nach Dublin, wo er als Kurator der Irischen Abteilung am National Museum of Ireland t¨atig war. C Mecklenburg, Bd 2

Bremer, Johannes Gottfried, Schriftsteller, * 22. 5. 1744

Bremer, Wilhelm August Eduard, Mediziner, * 1. 8. 1787

Bremer, Friedrich Franz Dietrich Graf von, Staatsmann,

Altona (heute zu Hamburg), † nach 1810 Berlin (?). B., Pastellmaler und Autor zahlreicher, zum Teil in Zeitschriften anonym erschienener Abhandlungen, lebte bis 1759 in Altona, seit 1770 in Berlin und von 1772 an in Leipzig. Zu seinen Werken geh¨oren mehrere philosophische Betrachtungen wie die Wahren Maximen des Lebens f¨ur Personen von Stande (1774), eine mit Anekdoten u¨ ber → Friedrich ¨ II. von Preußen versehene Schrift Uber die Unsterblichkeit der Seele. Nach einer Argumentation von der großen Seele Friedrichs des Einzigen (1787), einige Beschreibungen von Ereignissen der Franz¨osischen Revolution, ein Lehrbuch der ¨ Naturgeschichte und V¨olkerkunde sowie Ubersetzungen aus dem Franz¨osischen. C DLL

Bremer, Otto, Germanist, * 22. 11. 1862 Stralsund, † 8. 8. 1936 Halle / Saale. B., Sohn eines Buchh¨andlers, studierte 1881-85 an den Universit¨aten Leipzig, Berlin und Heidelberg Deutsche Philologie und Vergleichende Sprachwissenschaft, wurde 1885 in Leipzig promoviert, habilitierte sich 1888 an der Univ. Halle (Einleitung zu einer amringisch-f¨ohringischen Sprachlehre) und wurde dort 1888 Privatdozent, 1898 Titularprofessor f¨ur Deutsche Philologie. 1904-21 war er nichtbeamteter a. o. Prof. f¨ur Phonetik und Allgemeine Sprachwissenschaft, seit 1919 auch f¨ur Deutsche Mundartforschung, 1921-28 beamteter a. o. Prof. und 1928 o. Prof. f¨ur Phonetik, Allgemeine Sprachwissenschaft und Deutsche Mundartforschung an der Univ. Halle. B. betrieb mit Mundartforschung u. a. auf Studienreisen nach Amrum und F¨ohr, Nordfriesland, Helgoland und Wangeroog betrieb. 1893-1926 gab er die „Sammlung kurzer Grammatiken deutscher Mundarten“ heraus. 1911 gr¨undete er die seit 1910 von ihm aufgebaute Phonetische Sammlung, die 1922 eine selbst¨andige Einrichtung der Univ. Halle wurde. B. befaßte sich vor allem mit dem Lautlichen und seiner Entwicklung und betrachtete die Ver¨anderung der gesprochenen Sprache als das Werk der jeweils j¨ungsten Generation. Mit seiner f¨ur das Brockhaus Konversationslexikon geschaffenen Mundartenkarte geriet er in Gegensatz zu Georg → Wenker, dessen Sprachatlas er in seinen Beitr¨agen zur Geographie der deutschen Mundarten (1895) kritisierte. 1918 erschien seine Deutsche Lautkunde. C IGL

Bremer, Walter (Erich Emanuel Friedrich), standesamtlich: Walther, Klassischer Arch¨aologe, Pr¨ahistoriker, * 8. 7. 1887 Wismar, † 19. 11. 1926 Dublin. B., Sohn eines Kaufmanns und m¨utterlicherseits verwandt mit dem Klassischen Philologen Friedrich → L¨ubker, stu-

Berlin, † 20. 2. 1850 Berlin. Nach seinem 1807-11 in Berlin und G¨ottingen absolvierten Studium der Medizin nahm B. 1813-15 als Arzt bei der Landwehr an den Befreiungskriegen teil. Schon seit 1804 ver¨offentlichte er in dem von Christoph Wilhelm → Hufeland herausgegebenen „Journal der praktischen Arzneykunde und Wundarzneykunst“ mehrere Aufs¨atze (u. a. ¨ Uber die neuentdeckten Kuhpocken). Von 1816 an war er Direktor der kgl. Schutzblattern-Impfungsanstalt in Berlin, geh¨orte 1830-43 dem Medizinalkollegium an und wurde zum Medizinalrat ernannt. Neben den Jahresberichten der Impfanstalt gab B. 1819-30 Berichte u¨ ber die Witterungsund Gesundheitsverh¨altnisse sowie die Sterblichkeitsraten in Berlin und 1830 / 31 Beobachtungen u¨ ber den Verlauf der ¨ Choleraepidemie heraus. 1 C Arzte

Bremi, Johannes Heinrich, schweizer. reformierter Theologe, Philologe, * 4. 12. 1772 Z¨urich, † 10. 5. 1837 Baden (Kt. Aargau). Nach einer unter Johann Jakob → Hottinger absolvierten Ausbildung in Z¨urich begab sich B. 1793 f¨ur ein Jahr zum Studium der Philologie bei Friedrich August → Wolf an die Univ. Halle. Nach der R¨uckkehr nach Z¨urich Adjunkt an der Lateinschule, wurde er 1797 Prof. der Theologie am oberen und Prof. der Katechetik am unteren Kollegium. Seit 1809 unterrichtete er Griechisch am Collegium Carolinum, wurde 1798 in den Erziehungsrat der Stadt Z¨urich und sp¨ater auch zum Mitglied des Kirchenrats gew¨ahlt. Er war Verfasser politischer und p¨adagogischer Schriften (u. a. Ermunterung an Z¨urichs studierende Jugend, 1819) sowie einer Abhandlung u¨ ber → Pestalozzi und schrieb Neli, der Kannengießer. Eine wahre Geschichte (1822). Auf dem Gebiet der Klassischen Philologie trat B. als Herausgeber der Philologischen Beitr¨age aus der Schweiz (1819), der Werke von Sueton, Cicero und Cornelius Nepos sowie der Reden des Demosthenes und des Isokrates hervor. C Neuer Nekr, Jg. 15

Bremiker, Carl, Astronom, Geod¨at, * 23. 2. 1804 Hagen (Westfalen), † 26. 3. 1877 Berlin. Der Fabrikantensohn, Geometer bei der rheinisch-westf¨alischen Landesvermessung und Mitarbeiter am „Berliner Astronomischen Jahrbuch“, machte sich 1840 mit seiner ¨ Schrift Uber die Wiederkehr des Ponsschen (Enckeschen) Cometen im Jahr 1838 auch als Astronom einen Namen. 1850-77 gab er das „Nautische Jahrbuch“ heraus, war Inspektor der Plankommission im preuß. Handelsministerium und wurde 1868 Abteilungsleiter im Preußischen

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Bremme Geod¨atischen Institut. B. erarbeitete f¨unf der Berliner Akademischen Sternkarten und gab eine Neuauflage der Crelleschen Rechentafeln sowie die auf dem logarithmischtrigonometrischen Handbuch von Georg von Vega basierenden siebenstelligen „Bremiker-Logarithmentafeln“ heraus. Er verfaßte u. a. Theorie des Amsler’schen Polarplanimeters (1863), Studien u¨ ber h¨ohere Geod¨asie (1869) und Logarithmisch-trigonometrisches Handbuch (1876). C NDB

Bremme, Friedrich, Industrieller, * 17. 1. 1845 Unna (Westfalen), † 20. 1. 1904 Gleiwitz. B. studierte in Clausthal das Berg- und H¨uttenfach. 1883-86 war er in der Gr¨afl. Henckel von Donnersmarckschen Verwaltung des Hochofenwerks Antonienh¨utte t¨atig. Besondere Verdienste erwarb er sich beim Aufbau der oberschlesischen Kohlechemie. Als Direktor der Julienh¨utte (1886-1901) veranlaßte B. den Bau einer Benzolanlage. Seit 1891 Leiter der Oberschlesischen Kokswerke, betrieb er nicht nur den Ausbau ihrer Anlagen in Zabrze, sondern sorgte auch f¨ur den Bau einer Koksofenanlage und Ammoniakfabrik auf der Gleiwitzer H¨utte sowie einer Benzolfabrik auf der Florentiner-Grube. Auf seine Initiative hin wurden u¨ ber Oberschlesien hinaus Kokereianlagen errichtet, u. a. in Hamburg, Decazeville (Frankreich) und M¨ahrisch¨ Ostrau (Osterreich-Ungarn). Nachdem der Ostrauer Bergwerksbezirk durch die Oberschlesischen Kokswerke u¨ bernommen worden war, widmete sich B. der Repr¨asentanz der Gewerkschaft Marie-Anne in Ellgoth.

Brems, Alois, Bischof von Eichst¨att, * 19. 4. 1906 Ziegelhof bei Eichst¨att, † 16. 2. 1987 Eichst¨att. B. studierte an der Theologischen Hochschule in Eichst¨att Philosophie und Theologie und empfing 1930 die Priesterweihe. Anschließend Kaplan in Breitenbrunn (Oberpfalz) und in Schwabach, setzte er das Studium seit 1932 an der p¨apstlichen Univ. Gregoriana in Rom fort, an der er 1935 zum Dr. theol. promoviert wurde (De authentica interpretatione Codicis J. C.). 1936 als Kaplan nach Eichst¨att zur¨uckgekehrt, wurde B. 1937 erster Jugendpfarrer der Di¨ozese Eichst¨att. Zusammen mit Ottilie Moßhammer gab er das dreib¨andige Wort an die Jugend heraus, ein Standardwerk der kath. Jugendarbeit. Seit 1950 leitete er die neugeschaffene M¨anner- und Frauenseelsorge und gr¨undete auf Schloß Hirschberg eine Erwachsenenbildungsst¨atte. 1953 in das Domkapitel gew¨ahlt, wurde er 1966 Generalvikar und engster Mitarbeiter von Bischof Joseph → Schr¨offer und war 1968-83 dessen Nachfolger. B. hatte maßgeblichen Anteil an der 1980 erfolgten Umwandlung der Eichst¨atter Theologischen Hochschule in eine kath. Universit¨at. C Gatz 5 Bremser, Johann Gottfried, Mediziner, Zoologe, * 19. 8. 1767 Wertheim / Main, † 27. 8. 1827 Wien. Nach dem 1796 an der Univ. Jena mit der Promotion (De calce antimonii Hoffmanni cum sulfure) abgeschlossenen Studium der Medizin unternahm B., Sohn eines f¨urstlich l¨owensteinischen Regierungssekret¨ars, eine ausgedehnte Reise durch Deutschland, die Schweiz und Italien und ließ sich 1797 als praktischer Arzt in Wien nieder. Als fr¨uher Verfechter der Schutzimpfung nach der Methode Edward Jenners forderte er in mehreren Ver¨offentlichungen (u. a. Die Kuhpocken als Staatsangelegenheit betrachtet, 1806) die Einf¨uhrung eines staatlich angeordneten Impfzwangs. Ferner befaßte er sich mit Masern und Scharlach, Krankheitsvorbeugung und Hygiene. B. legte im Naturhistorischen Museum in Wien eine Sammlung von Eingeweidew¨urmern an und wurde dort 1808 Stipendiat, 1811 Kustos. 1820 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Mit seiner in die franz¨osische (1824, 21837) und italienische (1828) Sprache u¨ bersetzten Untersuchung

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¨ Uber lebende W¨urmer im lebenden Menschen (1819) lieferte er einen wichtigen Beitrag zur Kenntnis der Morphologie und Systematik dieser Parasiten und der durch sie hervorgerufenen Krankheitsbilder. B. experimentierte auch mit galvanischer Behandlung erkrankter Sinnesorgane. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Ein paar Worte u¨ ber die Scharlachkrankheit und die Masern (1806) und Medizinische Par¨omien (1806). C NDB

Brendel, Adam, Mediziner, * Naila, † 30. 9. 1719 Wittenberg. B. war o. Prof. der Medizin und Anatomie an der Univ. Wittenberg und wurde f¨ur seine medizinischen und astronomischen Ver¨offentlichungen in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Er ver¨offentlichte u. a. De Homero medico (1700), De embryone in ovulo ante conceptionem praeexistente (1703), Dissertatio de balneis veterum ad Horatium (1704), De nutritione foetus in utero materno (1704) und Observationum anatomicarum decades III (1715-18). B. war der Vater von Johann ¨ Gottfried → B. 1 C Arzte Brendel, Christian Friedrich, Bergingenieur, * 26. 12. 1776 Neust¨adtel bei Schneeberg / Erzgebirge, † 20. 11. 1861 Freiberg (Sachsen). Der einer Bergarbeiterfamilie entstammende B. bezog 1797 die Bergakademie Freiberg, arbeitete nebenbei im Bergbau und wurde nach dreij¨ahrigem Studium zum Steiger an mehreren Gruben bef¨ordert. 1802 schickte ihn die s¨achsische Regierung auf eine ausgedehnte Studienreise in den Harz, das Mansfelder Land, nach Frankreich und England, wo er eingehende maschinenbauliche Kenntnisse erwarb. 1805 zur¨uckgekehrt, wurde B. als Salinenbaumeister nach D¨urrenberg bei Merseburg versetzt, modernisierte dort und in benachbarten Salinen das Maschinenwesen und wurde 1811 zum Kunstmeister ernannt. 1814 u¨ bernahm er in Freiberg die Leitung des Bergmaschinenwesens, erhielt 1817 den Titel eines Maschinendirektors und war 1846-51 Bergrat im Oberbergamt. Zu seinen Verdiensten um den s¨achsischen Bergbau geh¨ort der Bau von Wassers¨aulen, modernen Dampfmaschinen (seit 1808) und der ersten Schienenbahn Deutschlands (1829). 1832 war B. an der Einf¨uhrung des Metersystems in Sachsen beteiligt. Er war der Vater von (Karl) Franz → B. C Techniker Brendel, (Karl) Franz, Musikschriftsteller, * 26. 11. 1811 Stolberg / Harz, † 25. 11. 1868 Leipzig. B., Sohn des Bergingenieurs Christian Friedrich → B., begann 1832 in Leipzig das Studium der Philosophie, Kunst¨ geschichte und Asthetik, nahm nebenbei Klavierunterricht bei Friedrich → Wieck, studierte zwei Jahre an der Univ. Berlin und besuchte dann die Bergakademie Freiberg, wo er 1840 mit der Arbeit Kritik der commissarischen Berichte und Protocolle u¨ ber die a¨ rztliche Beobachtung der Somnambule Christiane H¨ohne in Dresden promoviert wurde. In Dresden, Leipzig und Freiberg hielt er musikwissenschaftliche Vorlesungen. 1844 u¨ bernahm B. die Redaktion der 1834 von Robert → Schumann gegr¨undeten „Neuen Zeitschrift f¨ur Musik“, in der er wie in der Monatsschrift „Anregungen f¨ur Kunst, Leben und Wissenschaft“ (1856-61) die Neudeutsche Schule und das Werk → Liszts (Franz Liszt als Symphoniker, 1859) und → Wagners propagierte. B. schrieb Grundz¨uge der Geschichte der Musik (1848, 61887 hrsg. von Wilhelm → Kienzl) und Geschichte der Musik in Italien, Deutschland und Frankreich von den ersten christlichen Zeiten an (2 Bde., 1852, 81903). Dem Ziel, die musikalische Bildung des B¨urgertums zu heben, diente der von ihm 1859 mitbegr¨undete und geleitete Allgemeine Deutsche Musikverein. B. war mit der Pianistin Elisabeth B., geb. Trautmann, verheiratet. C MGG

Brendel von Homburg Brendel, Franz Anton, Bischof von Straßburg, * 4. 10. 1735 Lohr / Main, † 22. 5. 1800 Straßburg. Nach dem Studium der Theologie in Straßburg und der Priesterweihe (1759) wirkte B. zun¨achst als Kanzelredner und wurde 1769 Prof. des kanonischen Rechts. Obgleich er in seinen Vorlesungen die Suprematie des Papstes kritisierte, verweigerte er beim Ausbruch der Franz¨osischen Revolution den Eid auf die Verfassung und leistete ihn 1791 nur aufgrund der Annahme, daß die Zivilkonstitution zwar antikanonisch, aber nicht antikatholisch sei. Daraufhin unter Beteiligung von Protestanten zum Bischof gew¨ahlt, wurde B. von Kardinal Rohan als „lutherischer Bischof“ abgelehnt und von der Kurie nicht best¨atigt. Er arbeitete mit dem Straßburger Jakobinerf¨uhrer Eulogius → Schneider zusammen und blieb in der Frage des Z¨olibats unnachgiebig. Nach der Umwandlung des Straßburger M¨unsters in einen Tempel der Vernunft 1793 wurde B. verhaftet, 1794 freigelassen und 1798 Archivar im Straßburger Bezirksarchiv. C NDB Brendel, Johann Gottfried, Mediziner, Mathematiker, * 12. 2. 1712 Wittenberg, † 17. 1. 1758 G¨ottingen. Der Sohn des Medizinprofessors Adam → B. studierte nach dem Besuch der F¨urstenschule in Grimma Medizin in Wittenberg und wurde 1736 promoviert (De vanitate complurium remediorum). Seit 1738 war er a. o., seit 1739 o. Prof. an der Univ. G¨ottingen und seit 1756 Leibarzt des Landgrafen → Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel. B., der etliche Schriften medizinischen, naturwissenschaftlichen, philologischen und mathematischen Inhalts verfaßte, galt als einer der gr¨undlichsten deutschen Gelehrten seiner Zeit. Viele seiner Schriften, u. a. De affectibus soporosis (1747), De dolore capitis (1747), De motu cordis (1747), De concha auris humanae (1747), De maximo et minimo geometrico in fabrica corporis humani (1751), De valetudine ex hypochondriis (1752) und De lethargo (1752), sind in den von Heinrich August Wrisberg nach B.s Tod herausgegebenen Opuscula mathematici et medici argumenti (3 Bde., 1769-75) enthalten. Ebenfalls posthum erschienen Medicina legalis sive forensis (hrsg. von Friedrich Gottlieb Meyer, 1789) und Praelectiones de cognoscendis et curandis morbis (hrsg. von Her¨ mann Wilhelm Lindemann, 3 Bde., 1792-94). C Arzte 1 Brendel, (Otto Rudolf) Martin, Astronom, * 12. 8. 1862 Niedersch¨onhausen (heute zu Berlin), † 6. 9. 1939 Freiburg / Breisgau. Das in M¨unchen, Stockholm, Paris und London absolvierte Studium der Mathematik und der Astronomie beendete B., Sohn eines Kaufmanns, 1890 mit der Promotion in Berlin ¨ (Uber die Anwendung der Gyld´en’schen absoluten St¨orungstheorie auf die Breitenst¨orungen einer gewissen Klasse kleiner Planeten, nebst numerischem Beispiel f¨ur den Planeten 46 Hestia). 1892 habilitierte er sich in Greifswald und wurde 1898 a. o. Prof. der theoretischen Astronomie an der Univ. G¨ottingen, 1902 Lehrbeauftragter f¨ur Versicherungsmathematik und Geod¨asie. 1904 wurde B. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Seit 1907 Dozent f¨ur Mathematik und Versicherungsmathematik an der Akademie f¨ur Sozial- und Handelswissenschaften in Frankfurt / Main und Leiter der Sternwarte des Physikalischen Vereins, gr¨undete er 1913 das Planeteninstitut zur Berechnung von Planetenbahnen. 1914 wurde er o. Prof. an der Univ. Frankfurt und Direktor der Universit¨atssternwarte. Neben versicherungsmathematischen Abhandlungen ver¨offentlichte B. etliche Schriften zur Himmelsmechanik und St¨orungstheorie, Untersuchungen u¨ ber die Bewegung des Mondes (1925) und eine Theorie der kleinen Planeten (4 Bde., 1898-1911). Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ¨ ferner Theorie des Mondes (1905) und Uber die geod¨ati-

schen Arbeiten von Gauß (1924). Er gab die Werke von Carl Friedrich → Gauß (Bd. 7-12, 1898-1929) heraus. C NDB

Brendel, Otto Johannes, Kunsthistoriker, Arch¨aologe, * 10. 10. 1901 N¨urnberg, † 8. 10. 1973 New York. Der Sohn eines evang. Theologen studierte an der Univ. Heidelberg Arch¨aologie und Kunstgeschichte. 1928 wurde er an der Univ. Heidelberg bei Ludwig → Curtius mit der Dissertation Ikonographie des Kaisers Augustus promoviert und arbeitete an verschiedenen Außenstellen des Deutschen Arch¨aologischen Instituts. 1931-37 Privatdozent an der Univ. Erlangen, arbeitete B. seit 1936 am Deutschen Arch¨aologischen Institut in Rom. 1938 emigrierte B. in die USA und lehrte seit 1939 an der Washington University in St. Louis, seit 1941 an der Indiana University in Bloomington, 1949-51 an der American Academy in Rom. 1956-70 war er Prof. der Kunstgeschichte und Arch¨aologie an der Columbia University. Er verfaßte zahlreiche Schriften zur r¨omischen Kunst der Antike und Etruscan Art (1978, 21995). C Lullies Brendel, Sebald, Jurist, * 8. 9. 1780 / 82 Karlstadt / Main, † 31. 12. 1844. Nach dem 1812 mit der Promotion in Landshut abgeschlossenen Studium der Rechtswissenschaften hielt B. zun¨achst Privatvorlesungen in Heidelberg. 1814 reiste er zum Kongreß nach Wien, wo er mit seiner Schrift Das Recht und die Verwaltung der milden Stiftungen, mit besonderer R¨ucksicht auf die Vermengung ihrer Eink¨unfte mit dem Staatsverm¨ogen (1814) auf sich aufmerksam machte. Seit 1819 o. Prof. der Rechte an der Univ. W¨urzburg, lehrte er Enzyklop¨adie und Methodologie der Jurisprudenz, deutsche Rechtsgeschichte, V¨olkerrecht, die Lehre von der o¨ ffentlichen Gerichtsbarkeit, Polizeiwissenschaft und Diplomatie. Seine Lehrbefugnis f¨ur Kirchenrecht wurde ihm 1823 nach Erscheinen seines Handbuchs des katholischen und protestantischen Kirchenrechts wegen zu liberaler Ansichten entzogen. 1832-34 amtierte er als Amtsgerichtsassessor in Amberg. Zu B.s Schriften z¨ahlen auch Abhandlungen u¨ ber den Rheinbund und den Wert von Volksvertretungen sowie Betrachtungen u¨ ber den Werth der Preßfreiheit (1815). C Neuer Nekr, Jg. 22 Brendel, Walter, Chirurg, * 6. 11. 1922 Karlsruhe, † 29. 8. 1989 M¨unchen. ¨ Nach dem Studium in Heidelberg (Promotion 1949, Uber postoperative Parotitis) besch¨aftigte sich B. 1950-61 als Assistent am W.-G.-Kerckhoff-Institut der Max-PlanckGesellschaft in Bad Nauheim vor allem mit Problemen des Kreislaufs und der Temperaturregulation. 1959 habilitierte er sich in Gießen (Die Bedeutung der Hirntemperatur f¨ur die K¨altegegenregulation), erhielt eine Privatdozentur und war seit 1961 Leiter der Abteilung Experimentelle Chirurgie der Universit¨atsklinik M¨unchen. 1965 wurde er a. o. Prof., 1969 erster o. Prof. der Experimentalchirurgie in Deutschland und bekam ein eigenes Institut. Auf Anregung des Chirurgen Rudolf → Zenker entwickelte B. zusammen mit Rudolf → Pichlmayr ein die Abstoßung transplantierter Organe verhinderndes Antilymphozytenserum (ALS). Bei der zweiten von Christiaan Barnard 1967 in Kapstadt vorgenommenen Herztransplantation wurde ALS erstmals erfolgreich eingesetzt. Einen erheblichen medizinischen Fortschritt bedeutete auch die in B.s Institut entwickelte Stoßwellenbehandlung von Gallen- und Nierensteinen. C Munzinger Brendel von Homburg, Daniel, Erzbischof und Kurf¨urst von Mainz, * 22. 3. 1523 Aschaffenburg, † 22. 3. 1582 Aschaffenburg. Der seit 1555 als Erzbischof und Kurf¨urst von Mainz und damit als Erzkanzler des Reiches amtierende B. v. H. nahm die Kaiserkr¨onungen von → Maximilian II. (1564)

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Brendicke und → Rudolf II. (1576) vor. 1561 berief er die Jesuiten nach Mainz, 1575 nach Heiligenstadt und zog zur Seelsorge Germaniker wie Nikolaus → Elgard und Vitus Miletus heran. B. v. H. erwarb 1581 die protestantischen Grafschaften Rieneck und K¨onigstein f¨ur das Erzstift und leitete die Rekatholisierung des Eichsfelds ein. C Gatz 2

Brendicke, Hans, Schriftsteller, * 19. 11. 1850 Berlin, † 8. 4. 1925 Berlin. B. nahm 1870 / 71 am Deutsch-Franz¨osischen Krieg teil, absolvierte nach dem mit der Promotion zum Dr. phil. abgeschlossenen Studium die staatliche Turnlehrerpr¨ufung und war anschließend literarisch t¨atig. Er ver¨offentlichte eine Genealogie s¨amtlicher griechischer G¨otter (1881), einige Werke f¨ur Sammler verschiedener Fachgebiete und gab 1885-98 die illustrierte Zeitschrift „Der Sammler“ heraus. F¨ur seine den Sport betreffenden Schriften wie die Geschichte der Deutschen Turnerschaft 1860-85 (1885) und Bedeutung und Nutzen des M¨adchenturnens (1885) wurde er zum Ehrenmitglied der Deutschen Turnerschaft ernannt. B. bet¨atigte sich auch als preußisch-brandenburgischer Heimatforscher, untersuchte den Berliner Wortschatz zu den Zeiten Kaiser Wilhelms I. (1897) und verfaßte Chroniken m¨arkischer St¨adte sowie Biographien der K¨onigin → Luise und der Kaiserin → Viktoria (Kaiserin Friedrich, 1906).

Bˇrenek, Anton, o¨ sterr. Bildhauer, * 23. 10. 1848 Br¨unn, † 18. 11. 1908 Baden (Nieder¨osterreich). B., Sohn eines Bildhauers, nahm nach einer ersten Ausbildung bei seinem Vater 1872 ein Studium an der Wiener Kunstgewerbeschule auf, setzte es 1874 an der Akademie f¨ur bildende K¨unste fort und arbeitete einige Jahre am Wiener Maria-Theresia- und am Beethoven-Denkmal mit. Als Prof. f¨ur Modellieren und Zeichnen an der Staatsgewerbeschule in Reichenberg t¨atig, folgte er 1881 einem Ruf an die Staatsgewerbeschule in Wien. Zu B.s meist in staatlichem Auftrag entstandenen Werken geh¨oren vier figurale Reliefs f¨ur die Attika des Wiener Reichsratsgeb¨audes, eine Victoria im neuen Fl¨ugel der Hofburg, zahlreiche Denkm¨aler und B¨usten in allen Teilen der Donaumonarchie und eine die o¨ sterr. Kaiserkrone haltende Kindergruppe f¨ur die Statthalterei in Triest. C AKL

Brenk, Johannes Wolfgang, Pseud. Advok. Nordmann, Papinius, Jurist, Schriftsteller, * 1. 3. 1704 Eichelsdorf bei K¨onigsberg (Franken), † 21. 11. 1789 Schobdach bei Wassertr¨udingen (Franken). Der Pastorensohn lernte schon als Kind bei fr¨ankischen Juden Hebr¨aisch, bezog 1722 die Univ. Altdorf und studierte dort Philosophie, seit 1724 in Jena Theologie und Rechtswissenschaften. Anschließend war er als juristischer Berater in Ansbach, Sachsen und Siebenb¨urgen t¨atig und f¨uhrte ein unstetes Wanderleben. Versuche, sein Studium in Halle, Jena, Leipzig oder G¨ottingen, wo er sich als Korrektor, Notar und Hebr¨aischlehrer bet¨atigte, zu beenden, scheiterten an seiner Relegation. Seit 1743 Magister der Univ. Halle und Gr¨under eines Geheimbundes, wurde er 1748 auch dort relegiert. Er trat in Amsterdam kurzzeitig zum Judentum u¨ ber, kehrte nach Franken zur¨uck, amtierte seit 1756 als Hessen-Kasseler Legationssekret¨ar, seit 1760 als Legationsrat in N¨urnberg und wurde 1763 entlassen. B. ver¨offentlichte zahlreiche Schriften juristischen und theologischen Inhalts und gab 1755-57 Allgemeine o¨ conomische und philosophische Betrachtungen, vermischte Nachrichten heraus.

Brenkenhoff, Franz Balthasar Sch¨onberg von, Beamter, * 15. 4. 1723 Reideburg bei Halle / Saale, † 21. 5. 1780 Hohenkarzig bei Friedeberg (Neumark). B., der als Sohn eines s¨achsischen, seit 1734 in o¨ sterr. Diensten stehenden Rittmeisters, seine Erziehung am Hof

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von Anhalt-Dessau erhalten hatte, schuf auf einem Pachtgut eine Musterwirtschaft und gelangte im Siebenj¨ahrigen Krieg durch Korn- und Pferdelieferungen an Preußen zu Wohlstand. Seit 1762 als Geheimer Finanzrat in preuß. Diensten und von → Friedrich II. mit dem „Retablissement“ von Pommern und der Neumark betraut, leitete er die Urbarmachung des Netze- und Warthebruchs und wurde 1772 nach der Ersten Polnischen Teilung Verwalter des Netzedistrikts. 1772-75 schuf er mit dem Bau des Bromberger Kanals eine Wasserverbindung zwischen Netze und Weichsel. Die „Meliorationen“ Friedrichs II., die Erschließung von 250 000 ha ¨ Odland und die Ansiedlung von 300 000 Siedlern in 900 Kolonistend¨orfern sind zum Großteil das Verdienst B.s. Seine eigenen Besitzungen, auf denen er mit neuen Anbaumethoden und mit Nutztierzucht experimentierte, wurden wegen Verquickung staatlicher und privater Gelder nach B.s Tod konfisziert. C NDB

Brenn, Franz, schweizer. Musikwissenschaftler, Kapellmeister, Komponist, * 21. 12. 1907 Sargans, † 3. 9. 1963 Z¨urich. B. wurde 1927-29 an der Akademie f¨ur Musik in Wien zum Organisten und Chordirigenten ausgebildet. 1929-31 studierte er an der Kapellmeisterschule des Neuen Konservatoriums sowie Musikwissenschaft an der Univ. in Wien und wurde 1931 mit der Arbeit Die Meßkompositionen des Johann Joseph Fux promoviert. Bis 1934 war B. als Chordirigent und Journalist in Basel t¨atig, besuchte 1932 / 33 Dirigierkurse von Felix von → Weingartner und arbeitete als Organist in Basel und Luzern. 1940 wurde er Lehrbeauftragter, 1950 a. o. Prof. am musikwissenschaftlichen Institut in Freiburg (Schweiz), wo er seit 1943 auch Harmonielehre und Kontrapunkt am Konservatorium lehrte. B. ver¨offentlichte u. a. Form in der Musik (1953). Zu seinen Kompositionen geh¨oren u. a. Orgelst¨ucke und eine Symphonie. C MGG

Brenn, Gustav Adolf Ewald Frh. von, Staatsmann, * 1772, † 1838 Dresden. B. studierte 1789-91 die Rechte in Jena und Leipzig. 1793 wurde er kurs¨achsischer Regierungsrat in Zeitz, 1801 Mitglied des Appellationsgerichts in Dresden, 1808 Vortragender Rat im k¨oniglich s¨achsischen Ministerium und 1813 Vortragender Rat bei der Kriegsverwaltungskammer. Seine T¨atigkeit im preuß. Staatsdienst begann er 1815 als Chef der vierten Abteilung des preuß. General-Gouvernements. Bei Aufl¨osung dieser Abteilung wurde B. 1816 Regierungsdirektor in Potsdam. 1825-30 war er Regierungspr¨asident in Merseburg, seit 1830 Staatsminister des Innern und der Polizei in Berlin und 1834-37 Minister des Innern f¨ur die Gewerbeangelegenheiten. 1830 wurde B. in den Freiherrnstand erhoben.

Brennecke, Carl Wilhelm Adolf, Ozeanograph, Meteorologe, * 6. 7. 1875 Hildesheim, † 19. 2. 1924 Bergedorf (heute zu Hamburg). B. war nach dem Studium der Ingenieurwissenschaften an der TH Charlottenburg und der Naturwissenschaften an der Univ. Berlin 1898-1903 im preuß. meteorologischen Dienst t¨atig. 1903 wurde er mit der Arbeit Beziehungen zwischen der Luftdruckverteilung und den Eisverh¨altnissen des Ostgr¨onl¨andischen Meeres promoviert. Seit 1904 Ozeanograph an der Deutschen Seewarte in Hamburg, amtierte er 1920-24 dort als Abteilungsvorsteher und Chefredakteur der „Annalen der Hydrographie und der maritimen Meteorologie“ und der Reihe „Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte“. 1905-07 nahm B. an der bis in die S¨udsee f¨uhrenden „Planet“-Expedition, 1911 / 12 an der Deutschen Antarktischen Expedition auf dem Polarschiff „Deutschland“ und 1923 an der Polarfahrt des Fangschiffs „Polarbj¨orn“

Brenner teil. B.s. auf diesen Forschungsreisen vor allem im Atlantik vorgenommenen Temperatur-, Salz- und Sauerstoffgehaltsreihenmessungen lieferten erste exakte Erkenntnisse u¨ ber Tiefenwasserbewegung und den in mittlerer Wassertiefe vor sich gehenden horizontalen Wasseraustausch zwischen beiden Hemisph¨aren. Er ver¨offentlichte u. a. Die L¨ander an der unteren Donau und Konstantinopel. Reise-Erinnerungen aus dem Herbst 1868 (1870), Ozeanographie (1909) und Die ozeanographischen Arbeiten der Deutschen Antarktischen C NDB Expedition 1911-1912 (1921).

Brennecke, Emil, Industrieller, * 13. 11. 1863 Witten / Ruhr, † 4. 4. 1930 Quedlinburg. Der Sohn eines Bauunternehmers erhielt 1878-83 eine praktische Ausbildung im Gußstahlwerk Witten und besuchte 1883-85 die Rheinisch-Westf¨alische H¨uttenschule in Bochum. Seit 1899 Prokurist und Stahlwerksdirektor des Eisenh¨uttenwerks Thale / Harz, baute er u. a. ein SiemensMartin-Werk und wurde 1917 Generaldirektor. Zu seinen Verdiensten geh¨ort die Vergr¨oßerung der Industrieanlagen in Thale, die er zum gr¨oßten Emaillierwerk f¨ur Bleche und Stahlbeh¨alter in Europa und zum wichtigsten FeinblechwalzC NDB werk Deutschlands ausbaute.

Brennecke, (Karl Wilhelm) Erich, Geod¨at, * 5. 2. 1885 Bockenem bei Hildesheim, † 11. 8. 1967. B. besuchte 1903-05 die Landwirtschaftliche Hochschule in Berlin und war 1906-11 als Landmesser beim Landeskulturamt der Rheinprovinz t¨atig. 1912-14 studierte er an der Univ. Leipzig sowie an der TH und der Univ. Berlin Geod¨asie, wurde 1919 Assistent an der Landwirtschaftlichen ¨ Hochschule in Berlin (Promotion 1921, Uber die Ausgleichung der Dreieckskette Swakopmund-Gobabis [DeutschS¨udwest-Afrika] – bei der die Dreieckswinkel beobachtet sind –, die aber nach Richtungen ausgeglichen ist. Eine kritische Untersuchung), erhielt 1921 eine Dozentenstelle in Danzig und kehrte 1922 als Dozent an die Landwirtschaftliche Hochschule in Berlin zur¨uck. Seit 1922 Observator am Geod¨atischen Institut in Potsdam, wurde B. 1928 zum o. Prof. und Direktor des Instituts f¨ur Vermessungskunde an der TH Berlin berufen und nach deren Umwandlung nach dem Zweiten Weltkrieg in die TU Berlin in seinem Amt best¨atigt. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren Die Aufgaben und Arbeiten des Geod¨atischen Instituts in Potsdam in der Zeit nach dem Weltkriege (1927), Grundlagen einer geod¨atischen Meßtheorie, ihre Anwendung und kulturelle Bedeutung (1949) und Zur Bedeutung eines vergleichenden Studiums der „Geod¨atischen Organisationen“ (1957).

Brennecke, Jakob Andreas, evang. Theologe, Schriftsteller, * 1. 3. 1765 Magdeburg, † nach 1829. Nach seinem Dienst bei der preuß. Armee (1784-87) studierte B. 1789-91 in Halle Theologie. Anschließend war er als Hauslehrer in Aschersleben und Calbe / Saale t¨atig und ging 1796 als Hofmeister nach Kurland. Nachdem er dort sowie in Livland und Litauen einige Jahre in verschiedenen deutsch-baltischen Adels- und Pastorenfamilien als Privatlehrer gelebt hatte, kehrte er nach Magdeburg zur¨uck, wo sich sein weiterer Lebensweg im dunkeln verliert. Er schrieb u. a. Scenen aus der Vorzeit der Deutschen (1793), Hymen, Gott der Ehen; ein komisches Gedicht in zw¨olf B¨uchern (1793), gab die Erholungsstunden. Ein Taschenbuch f¨ur Deutsche des Nordens auf das Jahr 1811 und 1812 heraus und ver¨offentlichte einen Biblischen Beweis: daß Jesus nach seiner Auferstehung noch sieben und zwanzig Jahre leibhaftig auf Erden gelebt [. . .] (1819).

Brennecke, Johannes Benjamin, Gyn¨akologe, * 2. 11. 1849 Cr¨ochern bei Wolmirstedt, † 30. 7. 1931 Magdeburg. B., Sohn eines Pfarrers, studierte seit 1869 Medizin an der Univ. Halle und ließ sich nach der Promotion 1875 (Ueber incomplete Uterusrupturen) als Gyn¨akologe in Magdeburg nieder, wo er 1880 eine Privatklinik er¨offnete. Mit etlichen Publikationen wie den Praktischen Regeln zur Sicherung eines gesundheitsgem¨aßen Wochenbettverlaufs. Ein Mahnruf an das Publikum und an die Hebammen (1883) Hebammen oder Diakonissinnen f¨ur Geburtshilfe? Eine Kritik des Hebammenwesens (1884, 21888) trug er zur F¨orderung des Hebammenwesens und zur Gr¨undung von Hebammenschulen bei. Er setzte sich f¨ur den Bau von Entbindungsheimen ein und schrieb dar¨uber u. a. Die Kreis-Entbindungsanstalt und ihre grundlegende Bedeutung f¨ur Mutter- und S¨auglingsschutz (1917). Andere Schriften B.s betrafen die Geburtsund Wochenbetthygiene, Geschlechtskrankheiten und wie Freiheit! Ein offenes Wort zur sexuellen Frage an Deutschlands Jugend (1907) die Sexualkunde. 1903 erschien von ihm Die Erziehung zur Sittlichkeit, eine Forderung der Gesundheitspflege und des Volkswohls (1903). C MBL

Brennecke, Ludwig Nathaniel August, Hafenbauingenieur, * 6. 3. 1843 Leitzkau bei Magdeburg, † 10. 4. 1931 Buchschlag bei Frankfurt / Main. B., Sohn eines Pastors und Vetter des Schriftstellers Paul → Heyse, trat nach dem an der Gewerbeakademie Berlin absolvierten Maschinenbau- und Bauwesenstudium in den Dienst der Eisenbahn und war dort am Bau der Elbbr¨ucken in H¨amerten, D¨omitz und Lauenburg beteiligt. Anschließend arbeitete er sechs Jahre im Br¨uckenbau in Rußland und erbaute u. a. die erste feste Newabr¨ucke in St. Petersburg. Nach der R¨uckkehr arbeitete er im Reichs-Marine-Amt in Berlin, war 1886-91 beim Bau des Nord-Ostseekanals t¨atig und leitete in der Marinewerft Kiel den Bau von Trockendocks und Hafenanlagen. Seit 1895 Marine-Hafenbaudirektor in Wilhelmshaven, f¨uhrte B. die durch die Flottenpl¨ane von Alfred von → Tirpitz n¨otig gewordenen Erweiterungen des Hafens durch. Er schrieb u. a. Der Grundbau (2 Bde., 1886, 2 1927-30). C NDB Brenneke, (Johann Friedrich Robert) Adolf, Archivar, * 23. 8. 1875 (Bad) Gandersheim (Niedersachsen), † 20. 1. 1946 Gelsenkirchen. Nach dem an den Universit¨aten Jena, G¨ottingen und M¨unchen absolvierten und 1898 in Marburg mit der Promotion (Die ordentlichen direkten Staatssteuern Mecklenburgs im Mittelalter, 1900) abgeschlossenen Studium der Geschichte und Germanistik trat der aus einer Musikerfamilie stammende B. 1900 in den Archivdienst. 1905-08 war er am Staatsarchiv Danzig t¨atig, danach am Staatsarchiv Hannover, dessen Direktor er 1923 wurde. 1930-43 leitete er das preuß. Geheime Staatsarchiv in Berlin-Dahlem. Mit seiner Methode einer Archivstrukturanalyse erhob er die Archivwissenschaft in den Rang einer historischen Hilfswissenschaft und trug mit seiner „Theorie des freien Provenienzprinzips“ entscheidend zur Weiterentwicklung der archivalischen Ordnungsrichtlinien bei. Daneben befaßte sich B. mit der nieders¨achsischen Landesgeschichte und schrieb u. a. die Vor- und nachreformatorische Klosterherrschaft und die Geschichte der Kirchenreform im F¨urstentum CalenbergG¨ottingen (2 Bde., 1928 / 29). C NDB Brenner, Adam, o¨ sterr. Maler, * 21. 12. 1800 Wien, † 22. 4. 1891. Zus¨atzlich zu seiner kaufm¨annischen Ausbildung erlernte B. Sprachen, Musik und Zeichnen, besuchte nebenher die Akademie der bildenden K¨unste in Wien und malte erste Stilleben, Genreszenen und Portr¨ats. Mit Hilfe von Kupferstichen studierte er die alten Meister und wandte sich

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Brenner ¨ endg¨ultig der Malerei zu. Zu seinen ersten Olbildern geh¨oren ein Fr¨uchtest¨uck (1833) und St. Stephan von Gl¨aubigen beerdigt (1835), das sich in der Galerie des Belvedere befindet. Nach einem Aufenthalt in M¨unchen, wo er die Werke der Nazarener kennenlernte, schuf B. mit Ferdinands II. Rettung durch das K¨urassierregiment Dampierre in der Burg zu Wien sein erstes Historiengem¨alde. Im Auftrag o¨ sterr. Magnatenfamilien f¨uhrte er Altarbl¨atter f¨ur b¨ohmische, m¨ahrische und ungarische Kirchen aus und vervollst¨andigte die Ahnengalerie der F¨ursten Esterhazy. B. war auch als Restaurator t¨atig. C AKL

Brenner, Eduard Johann Wilhelm, P¨adagoge, Politiker,

Regens und Prof. der Dogmatik am Lyzeum, wurde B. 1821 Mitglied des neuerrichteten Domkapitels und 1844 Domdekan von Bamberg. Zu seinen Hauptwerken z¨ahlen Freye Darstellung der Theologie in der Idee des Himmelreichs (3 Bde., 1815-18) und Katholische Dogmatik (3 Bde., 1826-29); 1811-14 gab er die „Theologische Zeitschrift“ von Johann Joseph → Batz heraus. Eine von B., dem Vorsitzenden des Bamberger Historischen Vereins, von 1818 bis zu seinem Tod gef¨uhrte Bamberger Chronik ist eine detaillierte Quelle f¨ur das Leben im biedermeierlichen Bamberg; Ausz¨uge daraus ver¨offentlichte er 1831 als Paradoxen der Zeit. C Leb Franken, Bd 6

Anglist, * 4. 10. 1888 M¨unchen, † 16. 1. 1970 Oberaudorf. B. studierte in M¨unchen und W¨urzburg Anglistik, wurde 1913 promoviert und war 1913 / 14 f¨ur das New English Dictionary in Oxford, seit 1919 als Dozent an der Univ. Erlangen und der Hindenburg-Hochschule in N¨urnberg t¨atig. 1926 zum Prof. der Anglistik an der Hochschule f¨ur Wirtschaft und Sozialwissenschaften in N¨urnberg und zum Direktor der Volkshochschule ernannt, wurde er 1933 aus politischen Gr¨unden entlassen. 1927 gr¨undete B. die Deutschenglische Akademische Ausstauschstelle in London, die er bis 1929 leitete. 1929-33 Mitglied des Exekutivkomitees des Weltbundes f¨ur Erwachsenenbildung, unternahm er 1934 eine Vortragsreise durch die USA. Seit 1945 o. Prof. der Anglistik und Amerikanistik und Rektor der Univ. Erlangen (1946-48), 1945 / 46 Rektor der Hochschule f¨ur Wirtschaft und Sozialwissenschaften und SPD-Stadtrat in N¨urnberg, wurde er 1950 als Staatssekret¨ar in das bayerische Kultusministerium berufen. B. verfaßte u. a. die Biographie Abraham Lincoln (1947). C BHE

Basel, † 31. 10. 1874 Basel. B., Sohn eines Spezereih¨andlers, studierte in Z¨urich, Basel und Freiburg / Breisgau Medizin und wurde 1830 in Basel ohne Vorlage einer Dissertation promoviert. Seit 1833 Arzt in der Irrenanstalt „Almosen“, einem ehemaligen Barf¨ußerkloster, wo er Ketten und Pr¨ugel abschaffte, habilitierte er sich 1835 mit der Arbeit Was sind psychische Krankheiten (Antrittsvorlesung Begriffsbestimmung und Einteilung der psychischen Krankheiten) und u¨ bernahm 1842 die Leitung der neuer¨offneten Irrenanstalt in Basel. 1855 wurde er dort zum a. o. Prof. und damit zum ersten Dozenten f¨ur Psychiatrie an einer schweizer. Hochschule ernannt. In mehreren Abhandlungen berichtete B. u¨ ber die Entwicklung und die Verh¨altnisse der Anstalt in Basel. 1871 legte er dem Verein der Schweizerischen Irren¨arzte Grundz¨uge eines Irrengesetzes vor. 1846-53 und 1859-63 war B. freisinniger Basler Großrat. C HLS

Brenner, Ernst, schweizer. Politiker, * 9. 12. 1856 Basel,

Brenner, Hans, Schauspieler, * 25. 11. 1938 Innsbruck,

† 11. 3. 1911 Menton / Cˆote d’Azur. Nach dem in Basel, M¨unchen und Leipzig absolvierten Studium der Rechtswissenschaften ließ sich B., Sohn eines Tapetenh¨andlers, 1879 als Anwalt in Basel nieder. Als Mitglied der Freisinnigen geh¨orte er 1881-84 dem dortigen Gemeinderat an, wurde 1884 Regierungsrat und 1887 Regierungspr¨asident. Seit 1887 geh¨orte er dem Nationalrat an, 1894 / 95 als Pr¨asident. 1897-1911 amtierte er als Bundesrat f¨ur das Justiz- und Polizeidepartement und war 1901-08 schweizer. Bundespr¨asident. B. befaßte sich mit der Vereinheitlichung des schweizer. Zivilrechts, leitete eine Vereinheitlichung des Strafrechts ein und schuf Gesetze f¨ur Muster-, Modell- und Patentschutz. C Schweiz Bundesr¨ate

† 4. 9. 1998 M¨unchen. Nach Schauspielunterricht in Innsbruck trat B. zun¨achst am Theater f¨ur Vorarlberg in Bregenz auf und war seit 1965 u. a. in Heidelberg und Z¨urich, 1969-71 an den M¨unchner Kammerspielen t¨atig. 1972-75 am Staatstheater Darmstadt engagiert, geh¨orte er 1975 dem Bayerischen Staatsschauspiel, 1976-79 dem D¨usseldorfer Schauspielhaus an, spielte 1982 bei den Festspielen in Telfs (Tirol) und ging 1983 an das M¨unchner Volkstheater. B., der seit 1969 oft mit Ruth Drexel zusammenarbeitete, trat als Charakterdarsteller wie als Volksschauspieler mit weitgef¨achertem Repertoire hervor und war vor allem in St¨ucken von → Nestroy, → Brecht und Franz Xaver Kroetz (u. a. in den Urauff¨uhrungen von Hartn¨ackig / Heimarbeit, 1971; Lieber Fritz, 1975) erfolgreich. Daneben war er f¨ur den Film, vor allem aber f¨ur das Fernsehen t¨atig, wirkte u. a. in den M¨unchner G’schichten (1974) und in Todesspiel (1997) mit und wurde auch als Fernsehpf¨ortner Alois Baierl bekannt (Nix f¨ur unguat, 1984-86). C Sucher

Brenner, Franz, Bergbauunternehmer, * 4. 9. 1863 Vorscheid (Kr. Aachen), † 28. 10. 1928 Bonn. B., Sohn eines sp¨ateren Grubendirektors, erhielt eine Ausbildung zum Bergmann, h¨orte w¨ahrend seines Milit¨ardienstes Vorlesungen an der Berliner Bergakademie und begann seine berufliche Laufbahn 1884 als Steiger. Sp¨ater wurde er Obersteiger und Betriebsf¨uhrer im Aachener Revier. 1891 wechselte B. ins Ruhrgebiet, war zun¨achst Grubenverwalter und seit 1895 Vorstandsmitglied in einem Steinkohlebergwerk, bis er 1905 in den Vorstand des neugegr¨undeten Steinkohlenbergwerks Friedrich Heinrich AG berufen wurde. Dort war er nahezu zwanzig Jahre verantwortlich f¨ur den Aufund Ausbau der Zechenanlage Friedrich Heinrich in KampLintfort.

Brenner, Friedrich von, kath. Theologe, * 10. 1. 1784 Bamberg, † 20. 8. 1848 Bamberg. Der Sohn eines Bamberger Hutmachers studierte in seiner Heimatstadt Theologie, empfing 1807 die Priesterweihe und wurde 1808 als Sch¨uler von Johann Michael → Sailer in Landshut promoviert und zum Stadtkaplan ernannt. Seit 1813 Subregens im Klerikalseminar in Bamberg, seit 1820

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Brenner, Friedrich, schweizer. Psychiater, * 8. 1. 1809

Brenner, Hans Georg, Pseud. Reinhold Th. Grabe,

¨ Schriftsteller, Ubersetzer, * 13. 2. 1903 Barranowen (Ostpreußen), † 10. 8. 1961 Hamburg. B., Sohn eines Pfarrers, lebte nach dem Studium der Philosophie, Literatur und Theatergeschichte bis zu seiner Einberufung kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs als freier Schriftsteller in Berlin. Seit der R¨uckkehr aus der Gefangenschaft 1945 war er in Rottach-Egern / Tegernsee ans¨assig. B. war Mitbegr¨under und Namensgeber der „Gruppe 47“, zu deren a¨ sthetischer Neuorientierung er nach 1950 beitrug. 1952 wurde er Chefredakteur der Zeitschrift „Literatur“ in Stuttgart und war seit 1953 als Lektor beim Claassen-Verlag in Hamburg t¨atig. B. selber schrieb neben Gedichten, Dramen, und H¨orspielen meist sozialkritischen Inhalts u. a. die Biographie Das Geheimnis des Adolph Frh. von Knigge (1936) sowie die Romane Fahrt u¨ ber den See (1934) und

Brenner Das ehrsame Sodom (1950). Er u¨ bersetzte Werke Jean-Paul Sartres (Wege der Freiheit. Was ist Literatur?, 1950) und Albert Camus’ (Der Mythos des Sisyphos, 1958). C Killy

Brenner, Karl Johann, schweizer. Jurist, * 25. 9. 1814 Basel, † 15. 8. 1883 Basel. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Basel und Heidelberg war B. als Advokat t¨atig. 1839-81 vertrat er die Freisinnigen in Basel als Großrat. 1842 geh¨orte B. zu den Begr¨undern der Basler „National-Zeitung“, f¨ur die er mehrere Jahre redaktionell arbeitete. Er engagierte sich 1845 bei den Freischaren, war deshalb vor¨ubergehend in Haft und geh¨orte seit 1846 der Verfassungskommission und deren Petitionskommission an. 1848 u¨ bernahm er das Amt des Bundesrichters. B. stiftete den Basler kirchlichen Reformverein. C HLS

Brenner, Ludwig von, o¨ sterr. Dirigent, Komponist, * 19. 9. 1833 Wien, † 9. 2. 1902 Berlin. B., Z¨ogling des Prager Priesterseminars und anschließend als Konservator in Leipzig t¨atig, lebte 1850-72 als Geiger und Dirigent verschiedener Orchester in St. Petersburg. Seit 1873 dirigierte er die Neue Berliner Symphoniekapelle, seit 1876 das Reichshallen-Orchester in Berlin, wurde zum kgl. Musikdirektor ernannt und gab seit 1877 Gastspiele in Stockholm und anderen europ¨aischen St¨adten. 1882 / 83 war er Leiter des Berliner Philharmonischen Orchesters in Berlin, ging anschließend als Gastdirigent auf Tournee und wirkte zuletzt als Lehrer f¨ur Komposition in Berlin. B. trat auch als Komponist von Kirchenmusik, T¨anzen und M¨arschen hervor.

Brenner, Martin, Arzt, evang. Pfarrer, Historiker, * Bistritz (?), † 24. 1. 1553 Hermannstadt (Siebenb¨urgen). Der aus Bistritz (fr¨uher N¨osen) in Siebenb¨urgen stammende B. war zun¨achst als Arzt t¨atig, u¨ bernahm 1542 die Pfarrstelle in Heidendorf und ließ sich sp¨ater in Hermannstadt nieder. Er trat als Verfasser einiger Werke zur Geschichte Siebenb¨urgens und Ungarns hervor und gab u. a. einen Dialogus ad Matthiam, invictissimum Hungariae regem (1540) sowie die Rerum Hungaricarum decades tres (1543) heraus, die nach B.s Tod mehrfach ver¨andert und erg¨anzt auch in Deutschland im Druck erschienen.

Brenner, Martin, auch Prenner, F¨urstbischof von Seckau, * 11. 11. 1548 Dietenheim (W¨urttemberg), † 14. 10. 1616 Retzhof bei Leibnitz (Steiermark). B., Sohn eines Metzgermeisters, studierte in Dillingen und Ingolstadt, war dort und in Padua als Erzieher t¨atig und wurde 1581 von der Univ. Pavia zum Dr. theol. promoviert. Von Erzbischof Khuen-Belasy 1582 zum Seminarrektor in Salzburg bestimmt, wurde B. 1583 dortiger Stadtpfarrer und 1585 Bischof von Seckau. 1591 setzte ihn der Salzburger Erzbischof Wolf Dietrich von → Raitenau als Generalvikar der Steiermark ein. Von Kaiser → Ferdinand II. in die Reformationskommission berufen, leitete er als „Apostel der Steiermark“ und „Malleus haereticorum“ auf energische, jedoch unblutige Weise die Gegenreformation in Inner¨osterreich ein. C Gatz 2

Brenner, (Karl) Oscar, auch Oskar, Germanist, * 13. 6. 1854 Windsheim (Mittelfranken), † 12. 6. 1920 Dirlewang bei Mindelheim. Von einem an den Universit¨aten Erlangen und M¨unchen begonnenen Studium der evang. Theologie und Klassischen Philologie wechselte B., Sohn eines Apothekers, zur Germanistik und wurde 1877 promoviert (Nord- und Mitteleuropa in den Schriften der Alten bis zum Auftreten der Cimbern und Teutonen). Nach der Habilitation an der Univ. ¨ M¨unchen 1878 (Uber die Kristni-Saga) hielt er Vorlesungen

¨ und Ubungen zu allen Bereichen der Germanistik und ver¨offentlichte u. a. ein Altnordisches Handbuch (1882) und eine Untersuchung u¨ ber Mundarten und Schriftsprache in Bayern (1890). Diese sprach- und volkskundlichen Forschungen dehnte er in sp¨ateren Werken auf die benachbarten hessischen, th¨uringischen, b¨ohmischen und s¨achsischen Dialekte aus. Seit 1892 o. Prof. der deutschen Philologie in W¨urzburg, gab B. die Zeitschriften „Bayerns Mundarten“ (1892-95, mit August → Hartmann) und „Mittheilungen und Umfragen zur Bayerischen Volkskunde und Mundartforschung“ (1895 ff., 1912-20 unter dem Titel „Bl¨atter zur bayerischen Volkskunde“) heraus und wirkte an der Weimarer Luther-Ausgabe mit. Er befaßte sich ferner mit der Erforschung der Gegenwartssprache, geh¨orte dem Gesamtvorstand des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins an und publizierte 1902 Die lautlichen und geschichtlichen Grundlagen unserer Rechtschreibung (41914). C IGL

Brenner, Otto, Gewerkschafter, * 8. 11. 1907 Hannover, † 15. 4. 1972 Frankfurt / Main. Von Beruf Elektromonteur, geh¨orte B., Sohn eines Metallarbeiters, seit 1920 der Sozialistischen Arbeiterjugend, seit 1922 dem Deutschen Metallarbeiterverband und sp¨ater der Funktion¨arsspitze der Jugendorganisation der SPD an. 1929 trat er aus Protest gegen die Haltung der sozialdemokratischen Reichsregierung in der Frage des Panzerkreuzerbaus aus der SPD aus und wurde 1931 Mitgr¨under der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP). 1933 verhaftet, wurde er zu zwei Jahren Gef¨angnis verurteilt und arbeitete bis 1945 als Tiefbauarbeiter, Monteur und Zeitungsbote in Frankfurt / Main. 1945 Mitbegr¨under der SPD und der Gewerkschaften, 1951-53 Mitglied des Nieders¨achsischen Landtags und seit 1952 neben Hans → Br¨ummer gleichberechtigter, seit 1956 Erster Vorsitzender der IG Metall, k¨ampfte B. gegen Wiederbewaffnung, Atomr¨ustung und Notstandsgesetze. Er setzte u. a. die 40-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, Schutzabkommen gegen Rationalisierungsmaßnahmen, h¨oheres Urlaubsgeld und mehr Urlaubstage durch, war bei schwacher Konjunktur aber auch zu Kompromissen bereit. Seit 1961 Pr¨asident des Internationalen Metallarbeiterbundes, wurde er 1971 Vorsitzender des Europ¨aischen Gewerkschaftsbundes. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren F¨ur eine bessere Welt (1970) und Aus Reden und Aufs¨atzen (1972). C Jacoby

Brenner, Paul Adolf, schweizer. Schriftsteller, * 29. 1. 1910 Z¨urich, † 20. 9. 1967 Z¨urich. B., der bis 1957 in Z¨urich den Beruf eines Kaufmanns im v¨aterlichen Betrieb aus¨ubte, geh¨orte seit etwa 1942 einem in engem Kontakt mit der „Neuen Z¨urcher Zeitung“ stehenden Dichterkreis an. Dessen Ziel der Bewahrung der klassischromantischen Formentradition in der Lyrik verfolgte auch er in seinen Gedichtb¨anden wie Das trostreiche Antlitz (1941), Haus der Nacht (1954) und Zwischenzeit (1962). C DLL

Brenner, Paul Albert, Metallurge, * 30. 3. 1897 Stuttgart, † 20. 3. 1973 Samedan (Schweiz). Nach dem Besuch der TH Stuttgart und einer praktischen Ausbildung bei Daimler-Benz in Untert¨urkheim war B. 1923-36 zun¨achst Assistent, dann Direktor des WerkstoffForschungsinstituts an der Deutschen Versuchsanstalt f¨ur Luftfahrt in Berlin-Adlershof. 1936 u¨ bernahm er die Leitung des Forschungsinstituts der Vereinigten Leichtmetallwerke in Hannover und erhielt 1941 einen Lehrauftrag f¨ur Metallkunde an der dortigen TH . Seit 1946 am Royal Aircraft Establishment in Farnborough in Großbritannien wissenschaftlich t¨atig, wurde B. 1948 mit der Leitung der Forschungsinstitute der Vereinigten Aluminiumwerke und der Vereinigten Leichtmetallwerke in Bonn und 1952 mit einer

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Brenner Honorarprofessur f¨ur Leichtmetallkunde an der TH Hannover betraut. Zu seinen Leistungen geh¨oren Verbesserungen auf dem Gebiet des Stranggießens und der Plattierverfahren sowie die Erforschung von Korrosionserscheinungen.

Brenner, (August) Rudolf, Neurologe, * 19. 3. 1821 Merseburg, † 17. 10. 1884 Leipzig. Nach dem in Berlin und Halle absolvierten Studium der Medizin (Promotion 1845, De communicatione chemica inter plantas et animalia) er¨offnete B. eine Praxis in Quedlinburg und war zugleich als Badearzt in Suderode / Harz t¨atig. Im Krimkrieg als Hospitalarzt in russischen Diensten, ließ er sich 1856 in St. Petersburg nieder, wo er als Spezialist f¨ur Elektrotherapie und Nervenarzt am Maximilianshospital zu Ansehen gelangte. 1875 kehrte er nach Merseburg zur¨uck und wurde 1877 a. o. Prof. der Elektrotherapie an der Univ. Leipzig. B. ver¨offentlichte Untersuchungen und Beobachtungen auf dem Gebiete der Elektrotherapie (2 Bde., 1868 / 69), untersuchte das motorische Zuckungsgesetz unter normalen und pathologischen Bedingungen und entdeckte die galvanischen Reaktionen des nerv¨osen Geh¨orapparats. Ihm gelang ferner die erste Erkenntnis der polaren Wirkungen des galvanischen Stroms und ihre Bedeutung f¨ur Elektrodiagnostik und -therapie. C NDB

Brenner-Felsach, Ignaz von, o¨ sterr. Turkologe, Beamter, * 28. 3. 1772 Wien, † 10. 1. 1849 Wien. B.-F. trat 1787 in die Orientalische Akademie in Wien ein, schrieb ein t¨urkisches Drama sowie ein tschagatisches W¨orterbuch und diente als Palastdolmetscher in Konstantinopel. 1802 wurde er o¨ sterr. Hofkonzipist und 1806 als Konsularagent in die Walachei versetzt. Nach Wien zur¨uckgekehrt, erhielt B.-F. 1810 die Stelle eines Hofsekret¨ars bei der Staatskanzlei f¨ur die Orientalische Sektion und wurde 1817 zum Hofrat ernannt. Zu seinen osmanischen Studien geh¨oren dreib¨andige Ausz¨uge Aus den Schriften des T¨urken Hassan (1808) und der Ausflug von Konstantinopel nach ¨ Brussa in Kleinasien im Jahre 1793 (1818). C OBL Brenner-Kron, Emma, geb. Kron, schweizer. Schriftstellerin, * 18. 8. 1823 Muttenz bei Basel, † 29. 7. 1875 Basel. B.-K., Tochter eines Kaufmanns, unterhielt seit 1847 eine 1849 einseitig beendete Liebesbeziehung zu dem Lyriker Heinrich → Leuthold und heiratete sp¨ater den Basler Politiker Carl Brenner. Ihre Mundartgedichte (u. a. Bilder aus dem Basler Familienleben, 1867) zeichnen ein humorvolles Bild einer Basler Lokalidylle. B.-K. stand in engem pers¨onlichen und brieflichen Kontakt u. a. mit den Schriftstellern Gottfried → Keller und Hans Christian Andersen, dem Kunsthistoriker Jacob → Burckhardt und dem Germanisten Wilhelm → Wackernagel. C DLL Brennerberg, Irene von, Musikerin, * 14. 3. 1873 Kronstadt (Siebenb¨urgen), † 1. 10. 1922. Die Tochter des Kronst¨adter B¨urgermeisters erhielt schon als Kind Violinunterricht, trat als Neunj¨ahrige erstmals o¨ ffentlich auf und spielte als Elfj¨ahrige vor der K¨onigin Elisabeth von Rum¨anien (→ Carmen Sylva). 1886 bezog sie das Wiener Konservatorium, studierte dort u. a. bei Jakob → Gr¨un und erhielt bei ihrem Abgang 1889 den ersten Preis im Fach Violine. Anschließend vervollkommnete B. ihre musikalische Ausbildung bei Martin-Pierre-Joseph Marsick in Paris und begann, auf Konzertreisen zu gehen. Die n¨achsten Jahre trat sie in allen großen St¨adten Europas und vor etlichen gekr¨onten H¨auptern auf. Als anerkannte Violinvirtuosin vielfach ausgezeichnet, ließ sich B. 1896 in Berlin nieder, wo sie neben ihren Auftritten Violinunterricht erteilte. Brennert, Hans, Journalist, Schriftsteller, * 24. 6. 1870 Berlin, † 8. 2. 1942 Berlin. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Berlin arbeitete B., Sohn eines Rektors, zun¨achst im preuß. Justiz-

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und im Berliner Verwaltungsdienst und leitete 1920-30 das Nachrichtenamt der Stadt Berlin. Daneben bet¨atigte sich der u. a. mit Ida und Richard → Dehmel befreundete B. seit 1895 als Schriftsteller, B¨uhnen-, Rundfunk- und Filmautor, Vortragsk¨unstler und als Mitarbeiter des „Berliner Tageblatts“, der „Vossischen Zeitung“ und der „B. Z. am Mittag“. Zu seinen meist im preuß. und Berliner Milieu angesiedelten Werken z¨ahlen die Tragikom¨odie Die Hasenpfote (1901), die Erz¨ahlungen Jungfern und Junggesellen (1906, 40 1915), die Operette Venus auf Seide (1908), die Versnovelle Fr¨uhlingsk¨usse (1919) und Berlin. Geschichten und Ges¨ange (3 Bde., 1924 / 25). B. geh¨orte u. a. dem Vorstand des Verbandes Deutscher B¨uhnenschriftsteller und -komponisten, dem PEN-Club und dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller an. C Reichshandbuch

Brenneysen, Enno Rudolf, ostfriesischer Kanzler, * 26. 10. 1669 Esens, † 22. 9. 1734 Aurich. Das Studium der Jurisprudenz in Halle schloß B., Sohn eines B¨urgermeisters, 1695 mit einer Dissertation ab (Vom Recht des F¨ursten in Mitteldingen), in der er f¨ur das Territorialsystem und weitgehende Befugnisse der jeweiligen Herrscher eintrat. Seit 1697 als advocatus fisci in ostfriesischen Diensten, wurde er 1698 Regierungs- und Kanzleirat, 1708 Vizekanzler und 1720 Kanzler. Seit 1720 war B. auch mit der Leitung des Geheimen Rats betraut. Er bestimmte Verwaltung und Politik Ostfrieslands, k¨ampfte f¨ur einen pietistisch beeinflußten luth. Absolutismus und sah auf die Wahrung der f¨urstlichen Rechte. Ihm gelang es jedoch nicht, der sozialen Folgen der Weihnachtsflut von 1717 Herr zu werden. B. machte sich um das staatliche Archiv und u. a mit seiner Schrift Politische Historie von Ostfriesland (o. J.) um die ostfriesische Geschichtsschreibung verdient. C NDB Brennwald, Caspar, schweizer. Kaufmann, Diplomat, * 1. 5. 1838 M¨annedorf (Kt. Z¨urich), † 10. 7. 1899 Z¨urich. Der Sohn eines B¨ackermeisters war 1862 / 63 im Handelshaus Hunziker & Co. in Aarau kaufm¨annisch t¨atig, wandte sich dann aber der Diplomatie zu. 1863 / 64 Legationsrat und Sekret¨ar der Japan-Mission des schweizer. Bundesrats, wirkte er u. a. am ersten japanisch-schweizer. Handelsvertrag von 1864 mit. 1866-78 repr¨asentierte B. die Schweiz als Generalkonsul in Japan. Daneben war er 1865 Mitbegr¨under der Firma Siber & Brennwald in Yokohama, die u. a. Reis- und Seide nach Europa exportierte und deren Niederlassung in London B. 1878-82 selbst leitete. Er ver¨offentlichte Schweizerische Mission nach Japan. Berichte u¨ ber Import und Export Japans (1864) und Generalbericht betreffend den kommerziellen Theil der schweizerischen Abordnung nach Japan (1865). C HLS

Brennwald, Heinrich, schweizer. Chronist, * um 1478 Z¨urich, † Ende April 1551 Z¨urich. Nach dem Studium in Basel wurde B., Sohn eines Ratsherrn und sp¨ateren B¨urgermeisters von Z¨urich, 1496 Pfarrer von Lufingen, 1500 Chorherr von Embrach, 1518 dortiger Propst und 1520 p¨apstlicher Protonotar. Inzwischen ein Anh¨anger → Zwinglis, u¨ bergab er 1525 sein Stift der Regierung und erhielt das Amt eines Almosenobmanns und Schreibers der Kommission f¨ur die Verwaltung des s¨akularisierten Kirchenbesitzes. 1528-36 amtierte er als erster Pfleger des in ein Amt umgewandelten Klosters T¨oss. Bekannt wurde B. vor allem durch seine 1508-16 entstandene Chronik von den Helvetiern bis 1509, der ersten, u. a. auf Lokalchroniken basierenden Gesamtdarstellung der schweizer. Geschichte. Er gab den Anstoß f¨ur die sp¨ateren historischen Arbeiten seines Schwiegersohns Johannes → Stumpf, der B.s Chronik fortsetzte. C Wiggenhauser

Brentano Brentano, Auguste Magdalena Margarete, geb. Bussmann, Journalistin, * 1. 1. 1791 Frankfurt / Main, † 17. 4. 1832 Frankfurt / Main. Die Nichte des Bankiers Simon Moritz von → Bethmann wurde 1807 die zweite Frau Clemens → B.s. Nach der Scheidung dieser a¨ ußerst ungl¨ucklichen Ehe 1812 bet¨atigte sich B. als bonapartistische Journalistin in Paris. 1815 versuchte sie vergeblich, Napoleon in die Verbannung nach St. Helena zu begleiten. 1817 heiratete sie in zweiter Ehe den Frankfurter Bankier August Ehrmann, mit dem sie mehrere Kinder hatte. B.s Halbschwester war die franz¨osische Schriftstellerin Gr¨afin Marie d’Agoult, die Lebensgef¨ahrtin Franz → Liszts und Mutter Cosima → Wagners. B. starb durch Selbstmord.

Brentano, Bettine von → Arnim, Bettine von Brentano, Christian, Schriftsteller, * 24. 1. 1784 Frankfurt / Main, † 27. 10. 1851 Aschaffenburg. Der Bruder von Clemens → B. und Bettine von → Arnim studierte 1803-08 in Marburg und Jena Medizin und u¨ bernahm anschließend bis 1815 die Bewirtschaftung der Familieng¨uter in Bukowan (B¨ohmen). Dort verfaßte er auf Anregung von Clemens einen unver¨offentlichten Lustspielzyklus u¨ ber die st¨andische Gesellschaftsordnung. 1816 nach Frankfurt zur¨uckgekehrt, schrieb er f¨ur eine private Auff¨uhrung das Schattenspiel Der ungl¨uckliche Franzose oder Der deutschen Freiheit Himmelfahrt, eine Satire auf den Haß auf die Franzosen. Beeinflußt von Johann Michael → Sailer, wandte sich B. einem dogmatischen Katholizismus zu. Er hielt sich 1823-27 in Rom auf und trat u. a. als Mitarbeiter der Zeitschrift „Katholik“ f¨ur die Unabh¨angigkeit der Kirche ein. Sp¨ater lebte er mit Clemens in Aschaffenburg, den er mit der Nonne Anna Katharina → Emmerick bekanntmachte und dessen Gesammelte Werke (7 Bde.) er 1852-55 herausgab. Seine eigenen Nachgelassenen religi¨osen Schriften erschienen 1854. B. war der Vater von Franz und Lujo → B. C Killy

Brentano, Clemens, Pseud. Maria, Dichter, Journalist, * 9. 9. 1778 Ehrenbreitstein (heute zu Koblenz), † 28. 7. 1842 Aschaffenburg. V¨aterlicherseits italienischer Abstammung, m¨utterlicherseits Enkel der Schriftstellerin Sophie → La Roche, stand B. von Jugend an unter den sich kreuzenden Einfl¨ussen einer Familie mit europ¨aischer Genealogie. In seine fr¨uhe Jugendzeit f¨allt im Jahr 1793 der Tod seiner Mutter, deren Verlust ihn damals ebenso ersch¨utterte und pr¨agte wie 1806 der Tod seiner ersten Frau Sophie Mereau (→ Brentano). Nach mehreren vorzeitig abgebrochenen Praktika und Studien immatrikulierte er sich 1797 in Halle und bevorzugte fortan das Leben in Universit¨atsst¨adten. 1798 wechselte er nach Jena und war hier Zeuge der fr¨uhromantischen Bewegung. 1803 nahm er seinen Wohnsitz kurzfristig in Marburg, 1804 zog er nach Heidelberg, 1808 nach Landshut und 1809 nach Berlin. Im gesellschaftlichen Umkreis der Univ. und unter dem Einfluß einer beginnenden germanischen Altertumskunde hatte B. zusammen mit Achim von → Arnim bereits 1805 in Heidelberg den ersten ihrer insgesamt drei B¨ande umfassenden Sammlung vielfach vertonter Lieder Des Knaben Wunderhorn herausgegeben. Die Wiederentdeckung volkst¨umlicher Literaturtraditionen in der Heidelberger Romantik stand im Zeichen einer nationalen Erneuerung Deutschlands, die bei B. in der Berliner Zeit auch offen antij¨udische T¨one hervorbrachte. 1811 verließ er Berlin und lebte bis zu seiner

R¨uckkehr 1814 zeitweilig in Prag, auf dem b¨ohmischen Familienlandgut in Bukowan und in Wien. Seit 1810 war B. in eine pers¨onliche und k¨unstlerische Krise geraten, aus der er in der R¨uckbesinnung auf den kath. Glauben einen Ausweg suchte. Seine „Generalbeichte“ bezeichnete 1817 eine Lebenswende, in deren Folge er sich ¨ eine Zeitlang aus der gesellschaftlichen Offentlichkeit v¨ollig zur¨uckzog. B. lebte seit 1819 im westf¨alischen D¨ulmen, wo er am Krankenbett der ehemaligen Augustinerin Anna Katharina → Emmerick deren vision¨are Erscheinungen beobachtete und aufzeichnete und damit literarische Vorarbeit f¨ur seine religi¨osen Schriften leistete. Nachdem Anna Katharina Emmerick 1824 gestorben war, lebte B. zeitweilig in Koblenz, Frankfurt und Regensburg, ehe er 1833 nach M¨unchen u¨ bersiedelte. Im selben Jahr erschien von ihm als Ergebnis seiner D¨ulmener Jahre anonym Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi. 1837 folgte das M¨archen Gockel Hinkel und Gackeleia. B.s k¨unstlerische Entwicklung stand grunds¨atzlich im Zeichen eines quellenkundlichen Interesses, das nicht nur die Zeugnisse volkst¨umlicher Liedtraditionen, sondern auch ¨ Volksb¨ucher und M¨archen, sowie die Uberlieferung kirchengeschichtlicher, biblischer und altorientalischer Stoffe f¨ur das eigene literarische Werk umzusetzen vermochte. Dabei u¨ berwog zu seinen Lebzeiten der literarische Sammeleifer den Publikationsdrang. Hauptwerke wie die Romanzen vom Rosenkranz, die M¨archen, sowie die Lehrjahre Jesu und das Leben der heiligen Jungfrau Maria wurden erst postum ver¨offentlicht. WEITERE WERKE: Werke. Hrsg. v. Wolfgang Fr¨uhwald / Bernhard Gajek / Friedhelm Kemp. 4 Bde. M¨unchen 1963 bis 1968. 21978. – S¨amtliche Werke und Briefe. Historischkritische Ausgabe. Veranstaltet vom Freien Deutschen Hochstift. Hrsg. v. J¨urgen Behrens u. a. Stuttgart u. a. 1975 ff. LITERATUR: Konrad Feilchenfeldt / Luciano Zagari (Hrsg.): Die Brentano. Eine europ¨aische Familie. T¨ubingen 1992 (Reihe der Villa Vigoni, Bd. 6). – Klaus G¨unzel: Die Brentanos. Eine deutsche Familiengeschichte. Z¨urich 1993. – Hartwig Schultz (Hrsg.): C. B. 1778-1842 zum 150. Todestag. Bern u. a. 1993 (Memoria 1992). – Hartwig Schultz: C. B. Stuttgart 1999. – Ders.: Schwarzer Schmetterling. Zwanzig Kapitel aus dem Leben des romantischen Dichters C. B. Berlin 2000. Konrad Feilchenfeldt

Brentano, Clemens von, Diplomat, * 20. 7. 1886 Friedberg (Hessen), † 20. 6. 1965 Meran. B., Sohn des hessischen Justizministers Otto Rudolf von → B. di Tremezzo, trat nach dem mit der Promotion beendeten Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in den diplomatischen Dienst. Nach einer T¨atigkeit als Attach´e im Ausw¨artigen Amt war er 19 Legationsrat an der Deutschen Gesandtschaft in Athen, 1925 / 26 Botschaftsrat an der deutschen Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl. Als Abgeordneter des Zentrums geh¨orte B. vor 1933 zeitweise dem Reichstag an. 1943 zur Industrie- und Handelskammer dienstverpflichtet, behielt er auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vorerst seine Stelle. 1946 wurde er mit der Leitung der Badischen Staatskanzlei betraut, 1950 zum Generalkonsul und 1951 zum ersten Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Italien berufen. C Munzinger

Brentano, Dominik (Anton Cajetan) von, kath. Theologe, Publizist, * 6. 10. 1740 Rapperswil / Z¨urichsee, † 2. 7. 1797 Gebrazhofen (heute zu Leutkirch im Allg¨au). B., Sohn eines Seidenfabrikanten, trat nach dem in Mailand absolvierten Studium der Theologie um 1770 als Hofkaplan und geistlicher Rat in den Dienst des F¨urstabts von Kempten und wurde 1794 Pfarrer von Gebrazhofen / Allg¨au. Als aufgekl¨arter Theologe stand er, Mitglied und Redner

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Brentano der Eklektischen Loge „Zur aufgehenden Sonne“, der p¨apst¨ lichen Macht kritisch gegen¨uber (Uber den Ursprung der weltlichen Macht des Papstes, 1781; Katechetischer Unterricht u¨ ber die Frage: Wie verh¨alt sich die bisch¨ofliche Macht zur p¨apstlichen? 1787). Wegen ihrer popul¨aren Fassung weit verbreitet waren die von B. u¨ bersetzten und kommentierten Heiligen Schriften des Neuen Testaments (2 Bde., 1790), die sp¨ater auch auf alttestamentliche Schriften erweitert wurden und von Augustin → Scholz u¨ berarbeitet 1820-37 in 17 B¨anden erschienen. C LThK

Brentano, Franz, Unternehmer, Bankier, * 1765 Frankfurt / Main, † 1844 Frankfurt / Main. Der Sohn des Großkaufmanns Peter Anton B. und Stiefbruder von Bettine und Clemens → B., stand zun¨achst dem v¨aterlichen Unternehmen in Frankfurt / Main vor, ehe er 1792, ebenfalls in Frankfurt / Main, ein eigenes Handels- und Bankhaus gr¨undete. Bedeutung erlangte das 1806 durch ihn erworbene „Brentano-Haus“ in Winkel / Rheingau, denn hier versammelten sich die Rhein-Romantiker um Bettine und Clemens Brentano. Vom 1. bis 8. September 1814 weilte dort als Gast des Hauses auch Johann Wolfgang von → Goethe.

Brentano, Franz (Clemens Honoratus Hermann Josef), Philosoph, * 16. 1. 1838 Marienberg bei Boppard / Rhein, † 17. 3. 1917 Z¨urich. B., Sohn Christian → B.s, Neffe von Clemens → B. und Bettine von → Arnim und Bruder des Sozialpolitikers Lujo → B., studierte Philosophie, Theologie, Mathematik und Naturwissenschaften in M¨unchen, W¨urzburg, Berlin (u. a. bei Friedrich Adolf → Trendelenburg) und M¨unster (u. a. bei Franz Jakob → Clemens). 1862 wurde er aufgrund seiner ersten Ver¨offentlichung Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles (Nachdr. 1984) in T¨ubingen in absentia promoviert. Im selben Jahr war er drei Monate Novize im Dominikanerkonvent in Graz. 1864 empfing er die Priesterweihe. 1866 habilitierte sich B. in W¨urzburg (Die Psychologie des Aristoteles, insbesondere seine Lehre ⊗ ποιητικοζ ℜ , Nachdr. 1967). 1872 wurde er dort vom νουζ a. o. Professor. 1873 ließ B., der vier Jahre zuvor eine Denkschrift, in der er die p¨apstliche Unfehlbarkeit als theologisch unhaltbar und historisch nicht herleitbar bezeichnet hatte, sein Priesteramt ruhen und legte seine Professur nieder. 1874 erhielt er einen Ruf als o. Prof. der Philosophie an die Univ. Wien. 1879 trat er aus der Kirche aus. Als ihm wegen seiner Vergangenheit als Geistlicher eine Heirat nach o¨ sterr. Recht untersagt wurde, gab er die o¨ sterr. Staatsb¨urgerschaft auf und nahm die s¨achsische an. Wieder in Wien und zur Niederlegung seiner Professur gezwungen, lehrte er fortan als Privatdozent. Nach dem Tod seiner Frau verließ er Wien 1895 und lebte nach k¨urzeren Aufenthalten in der Schweiz und in Italien von 1898 bis zum Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg in Florenz. 1915 ging B., seit 1903 erblindend, nach Z¨urich. In seiner Wiener Abschiedsvorlesung Die vier Phasen der Philosophie und ihr augenblicklicher Stand (1895, erw. 2 1926) brachte B. zum Ausdruck, daß er in seinem eigenen Denken den Neubeginn einer wissenschaftlichen Besch¨aftigung mit philosophischen Problemen sah. Ausgehend von Aristoteles (Aristoteles Lehre vom Ursprung des menschlichen Geistes, 1911, 21980) und beeinflußt von John Stuart Mill und Auguste Comte, entwickelte er eine auf der Psychologie begr¨undete empirisch-naturwissenschaftliche Metho-

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dik, die er u. a. in der Psychologie vom empirischen Standpunkte (1874; revidiert und erw. 1911; 3 Bde., 1924-28, hrsg. von Oskar → Kraus; Nachdr. 1955-68; engl. 1973, 1995) formulierte. Zeit seines Lebens war B. bestrebt, der Philosophie den Charakter einer Wissenschaft zu verleihen (vgl. dazu seine in der Habilitationsdisputation vertretene These „Vera philosophia methodus nulla alia nisi scientia naturalis est“). Die ph¨anomenale Psychologie bzw. Ph¨anomenologie verstand er als philosophische Grundwissenschaft. Seine Lehre von der Intentionalit¨at des Bewußtseins, nach der alle psychischen Empfindungen auf außerhalb des Bewußtseins liegende Dinge gerichtet sind, war Wegbereiterin der neueren Aktpsychologie. Seine Schrift Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis (1889, 41955, Nachdr. 1969, engl. 1969), die „zum Gedankenkreise einer ‚Deskriptiven Psychologie‘“ geh¨ort, bietet eine Theorie des Sittlichen. Nach B.s Tod wurden von seinen Sch¨ulern Oskar Kraus und Alfred → Kastil, sp¨ater von Franziska → Mayer-Hillebrand, zahlreiche unver¨offentlichte Manuskripte B.s publiziert sowie bereits erschienene Arbeiten durch Einf¨ugungen aus seinen Manuskripten neu herausgegeben, u. a. Versuch u¨ ber die Erkenntnis (1925, 21970), Vom Dasein Gottes (1929, Nachdr. 1980, engl. 1987), Wahrheit und Evidenz. Erkenntnistheoretische Abhandlungen und Briefe (1930, Nachdr. 1974), Kategorienlehre (1933, Nachdr. 1985), Grundlegung und Aufbau ¨ der Ethik (1952, Nachdr. 1978) und Grundz¨uge der Asthetik (1959, Neuausg. 1977, 21988). B.s Werk beeinflußte u. a. die Ph¨anomenologie (Edmund → Husserl), die Gegenstandstheorie (Alexius von → Meinong) und die Sprachphilosophie. Aus seinen zahlreichen Sch¨ulern (u. a. Christian von → Ehrenfels, Franz → Hillebrand, Alois → H¨ofler, Alfred Kastil, Oskar Kraus, Anton → Marty, Carl → Stumpf) ging eine philosophische Schule hervor. WEITERE WERKE: Ueber die Zukunft der Philosophie. Wien 1893. Erw. Ausg. Leipzig 1929, 21968. – Untersuchungen zur Sinnespsychologie. Leipzig 1907, 21979. – Gesammelte philosophische Schriften. Hrsg. v. Oskar Kraus und Alfred Kastil. 22 Bde., Leipzig 1922-33. – Deskriptive Psychologie. Hrsg. v. Roderick M. Chisholm und Wilhelm Baumgartner. Hamburg 1982. Engl. 1995. – Briefe an Carl Stumpf. 1867-1917. Hrsg. und eingeleitet von Gerhard Oberkofler. Graz 1989. LITERATUR: Paolo Gregoretti: F. B. Bibliografia completa (1862-1982). Trient 1983. – Oskar Kraus: F. B. Zur Kenntnis seines Lebens und seiner Lehre. Mit Beitr¨agen von Carl Stumpf und Edmund Husserl. M¨unchen 1919. – Alfred Kastil: Die Philosophie F. B.s. Eine Einf¨uhrung in seine Lehre. Salzburg 1951. Hamburg 21978. – Roderick M. Chisholm / Rudolf Haller (Hrsg.): Die Philosophie F. B.s. Amsterdam 1978. – Brentano Studien. Internationales Jahrbuch der Franz Brentano Forschung. Dettelbach 1989 ff. – Josef M. Werle: F. B. und die Zukunft der Philosophie. Studien zur Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftssystematik im 19. Jahrhundert. Amsterdam / Atlanta (Ga.) 1989. – Dieter M¨unch: Psychologie und Metaphysik. Historischsystematische Untersuchungen zum Fr¨uhwerk F. B.s. Frankfurt / Main 1996. – Eberhard Tiefensee: Philosophie und Religion bei F. B. (1838-1917). T¨ubingen 1998. – Wilhelm Baumgartner u. a. (Hrsg.): Das Erbe B.s. Akten der Konferenz „The Legacy of B.“ in Krak´ow. Dettelbach 2000. – The Cambridge companion to B. Hrsg. v. Dale Jacquette. Cambridge u. a. 2004. – Arkadiusz Chrudzimski: Die Ontologie F. B.s. Dordrecht u. a. 2004. Bruno Jahn

Brentano, Hanny, geb. Legai, Klostername: Maria Rafaela, Benediktinerin, Schriftstellerin, * 9. 2. 1872 Moskau, † 23. 6. 1940. Die humanistisch gebildete Tochter eines deutschbaltischen russischen Staatsbeamten begann nach dem Tod ihres Man-

Brentano nes Max B. 1905 eine literarische Laufbahn. 1906 erschien ihr erstes Werk, Peter der Große und seine Zeit, dem Biographien Kaiser → Franz Josephs, → Friedrich Barbarossas und der F¨urstin Amalie von → Gallitzin folgten. Ferner verfaßte sie ein Lehrbuch der lettischen Sprache und u¨ bersetzte Werke von Lev Tolstoj (Ausgew¨ahlte Werke, 8 Bde., 1911 / 12). 1908 konvertierte B. zum Katholizismus, wurde Generalsekret¨arin der Kath. Reichsfrauenorganisation ¨ ¨ in Osterreich und gab 1911-19 die „Osterreichische Frauenwelt“ heraus. 1919 trat sie in das Benediktinerinnenkloster ¨ Nonnberg bei Salzburg ein. Uber diesen Schritt berichtete sie in ihrer 1925 erschienenen Autobiographie Wie Gott mich rief. C Kosch: Kath

Brentano, (Franz Ernst) Heinrich, kath. Theologe, P¨adagoge, * 1759 Rapperswil / Z¨urichsee, † 1831. B. war Pfarrer in den w¨urttembergischen Gemeinden Poltringen, Ehingen / Donau und Hirrlingen bei T¨ubingen. 1805 wurde er als erster kath. Prediger und geistlicher Rat nach Stuttgart berufen und 1808 zum landesherrlichen Dekan, Kustos und Kanonikus des Kollegiatstifts in Radolfzell am Bodensee ernannt. B. schrieb u. a. ein Andachtsbuch f¨ur die katholische Eydgenossenschaft (1794), einen Versuch eines Handbuches zum christkatholischen Religions-Unterrichte f¨ur die oberen Klassen in B¨urger- und Landschulen [. . .] (1806) und eine Glaubens-, Sitten- und Mittellehre (1806) mit Instruktionen f¨ur die w¨urttembergischen Landschullehrer.

Brentano, Lorenz Peter Karl, Politiker, * 14. 11. 1813 Mannheim, † 17. 9. 1891 Chicago. Der seit 1837 als Advokat in Mannheim t¨atige B., Sohn eines Großkaufmanns, zog 1846 in die Badische Zweite Kammer ein, wo er zu den f¨uhrenden Oppositionellen z¨ahlte. 1848 geh¨orte er dem Parlament in der Paulskirche an, kehrte jedoch im selben Jahr nach Baden zur¨uck und trat im Mai 1849 beim badischen Aufstand an die Spitze der Provisorischen Regierung. Seine Bem¨uhungen, einen Kompromiß mit der badischen Staatsgewalt zu erreichen, scheiterten am Widerstand der Radikalen unter Gustav von → Struve. B. floh in die Schweiz, wurde in Baden in Abwesenheit zu einer lebensl¨anglichen Zuchthausstrafe verurteilt und wanderte 1850 in die USA aus. Zun¨achst Journalist beim „Leuchtturm“ in Pottsville (Pennsylvania), Farmer in Michigan und Anwalt in Chicago, wurde er 1860 Chefredakteur und Mitherausgeber der „Illinois-Staats-Zeitung“, der bedeutendsten Tageszeitung der deutschen Republikaner im Westen. 1869 nach Deutschland zur¨uckgekehrt, war B. seit 1872 amerikanischer Konsul in Dresden. 1878 wurde er in den amerikanischen Kongreß gew¨ahlt. C NDB

Brentano, Lujo, eigentl. Ludwig Josef B., National¨okonom, * 18. 12. 1844 Aschaffenburg, † 9. 9. 1931 M¨unchen. B., Sohn Christian → B.s und Bruder Franz → B.s, studierte an verschiedenen deutschen Universit¨aten National¨okonomie und besuchte das Statistische Seminar Ernst → Engels in Berlin, den er 1868 auf einer Studienreise nach England begleitete. Seine dort gewonnenen Erkenntnisse verarbeitete er zu dem Werk Die Arbeitergilden der Gegenwart (2 Bde., 1871 / 72, Neudr. 1900). 1871 habilitierte er sich in Berlin, wurde Mitbegr¨under des Vereins f¨ur Sozialpolitik, erhielt 1872 eine Professur in Breslau und wechselte 1882 nach Straßburg, 1888 nach Wien, 1889 nach Leipzig, 1891 an die Univ. M¨unchen. B. geh¨orte zu den f¨uhrenden sozialpolitisch orientierten, von ihren Gegnern als „Kathedersozialisten“ bezeichneten deutschen National¨okonomen und trat in seinen Publikationen u. a. f¨ur die Gewerkschaftsbewegung und den Freihandel (Das Freihandelsargument, 1901; Die deutschen Getreidez¨olle, 1910, 31925) ein. Seine Bem¨uhungen, auch

auf politische Entscheidungen Einfluß zu nehmen, schilderte er in seiner Autobiographie Mein Leben im Kampf um die soziale Entwicklung Deutschlands (1931). Sein wirtschaftsgeschichtliches Hauptwerk ist eine dreib¨andige Geschichte der wirtschaftlichen Entwicklung Englands (1927-29). B. besch¨aftigte sich auch mit dem antiken Wirtschaftsleben (Die byzantinische Volkswirtschaft, 1917; Das Wirtschafts¨ leben der antiken Welt, 1927). C Okonomen

Brentano, Margherita von, Philosophin, * 9. 9. 1922 Sauerburg, † 21. 3. 1995 Berlin. Die Schwester des sp¨ateren Außenministers der AdenauerRegierung, Heinrich von → B., setzte ihr im Berlin der ersten Kriegsjahre begonnenes Studium der Geschichte, Germanistik und Anglistik in Freiburg fort. 1948 wurde sie bei → Heidegger mit der Dissertation Die Bedeutung des „Εν“ als Grundbegriff der aristotelischen Metaphysik promoviert. Anschließend leitete sie bis 1956 den Jugend- und Schulfunk des S¨udwestfunks, ehe sie sich als Assistentin Wilhelm → Weischedels an der Freien Univ. Berlin zunehmend politischen Fragen zuwandte. Mit der Bef¨urwortung einer Anerkennung der Oder-Neiße-Linie erregte sie 1961 Aufsehen. 1971 habilitierte sich B. und war bis zu ihrer Emeritierung 1988 Prof. an der Freien Univ. Berlin. Ihr Einsatz f¨ur eine von politisch-moralischer Praxis getragene Philosophie machte sie zur Gegnerin der Atombewaffnung und des Nachr¨ustungsbeschlusses; zuletzt galt ihr besonderes Engagement der Errichtung eines Holocaust-Mahnmals in Berlin. 1973-84 war B. Vorstandsvorsitzende der Heinrich-HeineStiftung f¨ur Philosophie und kritische Wissenschaft. Sie vero¨ ffentlichte u. a. B¨urgerlicher und faschistischer Antisemitismus (1968, mit Peter Furth) und Philosophie, Theoriestreit, Wissenschaftspluralismus (1978).

Brentano, Maximiliane, geb. von La Roche, * 31. 5. 1756 Mainz, † 19. 11. 1793 Frankfurt / Main. Die als Tochter des kurtrierischen Kanzlers und der Schriftstellerin Sophie von → La Roche in einem hochgebildeten Elternhaus aufgewachsene B. heiratete 1774 den verwitweten, mehr als zwanzig Jahre a¨ lteren Frankfurter Großkaufmann Peter Anton B. Dieser ungl¨ucklichen Ehe entsprossen u. a. Clemens, Christian und Bettine → B. (→ Arnim). Sie starb bei der Geburt ihres zw¨olften Kindes. Ihr Jugendfreund → Goethe, der sie sehr sch¨atzte, ließ in die nach dem Bild Charlotte → Buffs gestaltete Figur der Lotte im Werther auch pers¨onliche Z¨uge B.s einfließen.

Brentano, Sophie Friederike, geb. Schubart, gesch. Mereau, Pseud. Serafine, Schriftstellerin, * 28. 3. 1770 Altenburg, † 31. 10. 1806 Heidelberg. B., Tochter eines Obersteuerbuchhalters, war seit 1793 mit dem Prof. der Philosophie und der Rechte in Jena Friedrich Karl Ernst Mereau verheiratet, von dem sie sich 1801 scheiden ließ. Als Schriftstellerin stand sie zun¨achst unter dem Einfluß → Wielands und → Schillers, f¨ur dessen „Thalia“ und „Horen“ sie Beitr¨age lieferte, und ging sp¨ater zur romantischen Schule u¨ ber. Unter dem Namen Mereau erschienen der Roman Das Bl¨uthenalter der Empfindung (1794), der Briefroman Amanda und Eduard (1797), Gedichte (2 Bde., 1800-02) und die Zeitschrift „Kalathiskos“ (2 Bde., 1801 / 02). Seit ihrer Eheschließung mit Clemens ¨ → B. 1803 war sie vor allem als Herausgeberin und Ubersetzerin t¨atig, redigierte mit ihm Spanische und Italienische Novellen (1804-06) und ver¨offentlichte 1806 den Roman Sa¨ pho und Phaon. Zu ihren Ubersetzungen z¨ahlt Die Prinzessin von Cleve (1799) und die noch kurz vor ihrem Tod im Wochenbett vollendete Fiametta von Boccaccio. C Killy

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Brentano di Tremezzo Brentano di Tremezzo, Bernard von, Schriftsteller, Journalist, * 15. 10. 1901 Offenbach / Main, † 29. 12. 1964 Wiesbaden. Der Sohn des Ministers Otto Rudolf von → B. und einer ebenfalls dem Hause B. entstammenden Mutter ließ sich nach dem Studium als freier Schriftsteller in Berlin nieder. Auf Empfehlung Joseph → Roths trat er als Kritiker in die Redaktion der „Frankfurter Zeitung“ ein und wechselte 1930 zum „Berliner Tageblatt“. B. ver¨offentlichte Gedichte, die Kom¨odie Geld (1924), Essays und 1932 das Buch Der Beginn der Barbarei in Deutschland. Politisch f¨ur die Linke engagiert, bereiste er 1930 und 1932 die Sowjetunion und kehrte, ern¨uchtert durch die Erfahrungen im Stalinismus, zur¨uck. 1933 ging er, ohne selbst nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt zu sein, ins Schweizer Exil. Dort vero¨ ffentlichte er u. a. 1936 den die Umbruchszeit vom Kaiserreich zur Weimarer Republik schildernden Roman Theodor Chindler. Seit 1949 als freier Journalist in Wiesbaden t¨atig, brachte B. 1952 die Textcollage Du Land der Liebe und 1962 die Essaysammlung Sch¨one Literatur und o¨ ffentliche Meinung heraus. C Killy

Brentano di Tremezzo, Heinrich (Joseph Maximilian Johann Maria) von, Politiker, * 20. 6. 1904 Offenbach / Main, † 14. 11. 1964 Darmstadt. B., Sohn von Otto Rudolf von → B., war nach dem 1930 mit der Promotion (Die Rechtsstellung des Parlamentspr¨asidenten nach Deutschem Verfassungs- und Gesch¨aftsordnungsrecht) beendeten Studium der Rechtswissenschaften als Anwalt am Oberlandesgericht Darmstadt t¨atig, bis er 1943 als Staatsanwalt in Hanau dienstverpflichtet wurde. 1945 wieder als Rechtsanwalt und Notar t¨atig, wurde er Pr¨asident der Anwalts- und Notariatskammer, u¨ bernahm den stellvertretenden Vorsitz der neugegr¨undeten CDU in Darmstadt und wirkte maßgeblich an der Ausarbeitung der hessischen Verfassung mit. 1946-49 war B. Abgeordneter im Hessischen Landtag und unterst¨utzte als Fraktionsvorsitzender und Mitglied des Landesvorstandes der CDU die Große Koalition in Hessen. 1948 / 49 geh¨orte er dem Parlamentarischen Rat, seit 1949 dem Deutschen Bundestag an und war 1949-55 sowie 1961-64 Vorsitzender der CDU / CSU-Fraktion. 1950-55 war B. Vizepr¨asident der Beratenden Versammlung des Europarats, 1952-55 Mitglied der Gemeinsamen Versammlung der Montanunion und 1954-56 Pr¨asident der Parlamentarischen Sektion des Deutschen Rates der Europ¨aischen Bewegung. Als Außenminister (1955-61) vertrat er Konrad → Adenauers außenpolitische Konzeption der Anlehnung an den Westen und trug wesentlich zum Zustandekommen der R¨omischen Vertr¨age und der Europ¨aischen Wirtschaftsgemeinschaft bei. C MdB

Brentano di Tremezzo, Otto Rudolf von, Politiker, * 9. 12. 1855 Darmstadt, † 21. 7. 1927 Darmstadt. Der einer aus Oberitalien geb¨urtigen und in Hessen ans¨assigen Familie entstammende B. studierte in M¨unchen und Gießen Rechtswissenschaften. 1884 ließ er sich als Rechtsanwalt in Friedberg nieder, er¨offnete 1891 eine Kanzlei in Offenbach und wurde 1902 Geheimer Justizrat. 1897 zog B. als Abgeordneter des Zentrums in die Hessische Zweite Kammer ein, stand dort seit 1897 dem Gesetzgebungsausschuß vor und wurde 1912 Vorsitzender der Zentrumspartei in Hessen. Auch nach dem Ende der Monarchie Mitglied des Hessischen Landtags, u¨ bernahm er im Februar 1919 das Justizministerium, hatte seit Dezember 1921 das Amt des hessischen Innenministers inne und geh¨orte 1919 / 20 der Nationalversammlung und 1920-24 dem Reichstag an. Seine S¨ohne waren der Schriftsteller Bernard, der Diplomat Clemens und der Politiker Heinrich von → B. C Haunfelder, Zentrumspartei

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Brentel, Friedrich, auch Brendel, Br¨andel, Brendle, Brindel, Prendtl, Brentel le P`ere, Maler, Radierer, Kalligraph, * 9. 7. 1580 Lauingen (W¨urttemberg), † 17. 5. 1651 Straßburg. Zun¨achst Sch¨uler seines Vaters, des Kupferstechers, Malers und Verlegers Georg B., kam B. 1595 als Geselle zu Melchior Spener nach Straßburg, mit dem er sich wahrscheinlich einige Zeit in den Niederlanden aufhielt. In B.s Straßburger Werkstatt entstanden zun¨achst Kupferstiche f¨ur das w¨urttembergische und das lothringische Herzogshaus. Sp¨ater belieferte er auch Stadt und Univ. Straßburg sowie den gesamten schweizer. und s¨uddeutschen Raum. Seit etwa 1620 ging B. von Radierungen eigener Entw¨urfe zur Miniaturmalerei nach fremden Vorbildern u¨ ber, u. a. nach Landschaften, Portr¨ats, Allegorien, mythologischen und religi¨osen Szenen und bekannten Werken großer Meister. B. schuf auch kalligraphische Arbeiten und Wappenb¨ucher in Gouachetechnik auf Pergament. Als sein Hauptwerk gilt das 1647 f¨ur den Markgrafen → Wilhelm von Baden-Baden angefertigte, 12 Monatsbilder und zahlreiche biblische Darstellungen enthaltende zweib¨andige Manuskript Officium Beatae Mariae Virginis. B.s Entw¨urfe dienten im 17. Jh. auch im Elsaß t¨atigen Schweizer Glasmalern als Vorbild. C AKL Brenz, Johannes, Reformator, luth. Theologe, * 24. 6. 1499 Weil der Stadt, † 11. 9. 1570 Stuttgart. Als Sohn des aus der reichsst¨adtischen F¨uhrungsschicht von Weil der Stadt stammenden Schultheißen und Richters Martin Heß, gen. Prentz, geboren, fand der sp¨atere Reformator und f¨uhrende Kirchenmann B. einen fr¨uhen Zugang zu den weiterf¨uhrenden Bildungseinrichtungen seiner Zeit. Bereits 1514 wurde er in Heidelberg immatrikuliert, wo er wahrscheinlich 1518 den Grad eines Magister artium erwarb. An der Univ. kn¨upfte B. zahlreiche, f¨ur sein weiteres Wirken wichtige pers¨onliche Kontakte, etwa zu den sp¨ateren Reformatoren Johannes → Oekolampad (Basel) und Martin → Bucer (Straßburg), und wuchs in ein humanistisches Bildungsmilieu hinein, das eine besondere Offenheit f¨ur Anliegen des Wittenberger Bibelprofessors Martin → Luther zeigen sollte. Die pers¨onliche Begegnung mit Luther am Rande einer in Heidelberg gehaltenen Disputation der Augustinereremiten scheint den jugendlichen Scholaren mit dessen an Paulus und Augustinus ankn¨upfender Gnadenlehre bekannt gemacht und f¨ur Anliegen des Wittenberger Reformators gewonnen zu haben. Seit Herbst 1522 war B. als Prediger in Schw¨abisch-Hall t¨atig und trotz seiner zun¨achst bescheidenen kirchlichen Stellung zumal als Kirchenorganisator f¨uhrend an der sukzessiven, in enger Tuchf¨uhlung mit der st¨adtischen Obrigkeit vollzogenen, eruptive Umbr¨uche vermeidenden Einf¨uhrung der Reformation in der schw¨abischen Reichsstadt seit 1524 beteiligt. Bei der Formierung einer schw¨abisch-fr¨ankischen Front gegen die vor allem von Oekolampad, → Zwingli und den Straßburger Reformatoren vertretene symbolische Deutung der leiblichen Pr¨asenz Christi im Abendmahl leistete B. als maßgeblicher Verfasser des Syngramma Suevicum (Herbst 1525) einen wesentlichen Beitrag, der ihn in ein besonderes Vertrauensverh¨altnis zu Luther brachte. Von den sp¨aten zwanziger Jahren des 16. Jh. an entfaltete B. eine ausstrahlende T¨atigkeit als theologischer Ratgeber und „Reformator“ vor allem bei der Reformation s¨uddeutscher Territorien (Brandenburg-Ansbach) und oberdeutscher St¨adte (Heilbronn, N¨ordlingen, Dinkelsb¨uhl). Seit 1535 war

Bresgen er an der reformatorischen Umgestaltung des Herzogtums W¨urttemberg, 1537 / 38 auch an der Reform der Univ. T¨ubingen beteiligt und nahm an wichtigen religionspolitischen Ereignissen (Augsburger Reichstag 1530, Religionsgespr¨ache in Hagenau und Worms 1541, Regensburg 1546) teil. Infolge des Interims mußte B. 1548 Schw¨abisch-Hall endg¨ultig verlassen; 1552 geh¨orte er zur w¨urttembergisch-reichsst¨adtischen Gesandtschaft auf dem Tridentinum und war seit 1553 Propst an der Stuttgarter Stiftskirche und damit wichtigster Kirchenmann des Herzogtums W¨urttemberg, dessen kirchlicher Wiederaufbau nach dem Interim maßgeblich von B. gestaltet wurde. Durch die Abfassung verschiedener Kirchenordnungen und als Autor des wohl verbreitetsten oberdeutschen Katechismus wirkte B. nachhaltig auf die reformatorische Umgestaltung und geistliche Konsolidierung eines luth. Kirchenwesens in S¨udwestdeutschland ein. Als Bibelausleger, dessen stattliches exegetisches Werk zumeist in engem Zusammenhang mit seiner Predigtt¨atigkeit entstand, wirkte B. weit ¨ u¨ ber den engeren Kontext seiner Amter hinaus und kann als einer der einflußreichsten Theologen des sich formierenden konfessionell-lutherischen Konfessionssystems bezeichnet werden. Als theologisches Spezifikum B.’ ist sein Interesse an der ungeteilten gottmenschlichen Weltgegenwart Christi anzusprechen, die – an Luther ankn¨upfend – das in der Person Christi begegnende Heil in seiner Bedeutung f¨ur das allgemeine Verh¨altnis Gottes zu seiner Sch¨opfung auszulegen versuchte. Durch seine in kontroversen Auseinandersetzungen vor allem mit reformierten Gegnern formulierten sp¨aten christologischen Schriften hat B. pr¨agend auf die dogmatische Lehrbildung der luth. Christologie eingewirkt. Sofern der luth. Christologie wichtige Impulse auf die weitere deutsche Geistesgeschichte (→ B¨ohme, → Leibniz, Deutscher Idealismus) zugeschrieben werden, reichen seine Wirkungen unter der Gestalt spezifischer Umformungen bis an die Schwelle der Gegenwart. B. gilt zu Recht als einer der bei aller theologischen Eigenst¨andigkeit treuesten „Sch¨uler“ Luthers, der dank seiner weit bis in die Epoche der sich formierenden luth. Fr¨uhorthodoxie hineinreichenden Lebensspanne genuine Anliegen des Wittenberger Reformators vor allem in theologisch zentralen Zusammenh¨angen der Christologie und der Abendmahlstheologie pr¨asent hielt und Einfluß auf den Aufbau des konfessionellen Territorialkirchentums hatte. WERKE: J. B. Werke. Hrsg. v. Martin Brecht u. a. T¨ubingen 1970 ff. LITERATUR: Walther K¨ohler: Bibliographia Brentiana. Berlin 1904. – VD 16, B 7469-7995. – VD 17. – Martin Brecht: Die fr¨uhe Theologie des J. B. T¨ubingen 1966. – Ders.: B. In: TRE, Bd. 7, 1981, S. 170-181. – Hans-Christian Brandy: Die sp¨ate Christologie des J. B. T¨ubingen 1991. – Christoph Weismann: Die Katechismen des J. B. Bd. 1-2, Berlin / New York, 1990-93. Thomas Kaufmann

Brenzel, Otto, Politiker, * 22. 5. 1898 Frankfurt / Main, † 27. 9. 1945 Kopenhagen. B. erlernte das Schreinerhandwerk und war seit 1913 f¨uhrend in der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend und seit 1916 auch gewerkschaftlich t¨atig. 1920 aus der franz¨osischen Kriegsgefangenschaft entlassen, wurde er Mitglied der SPD, trat bald der KPD bei und geh¨orte 1924-28 dem Gemeinderat von Frankfurt-Fechenheim, bis 1925 auch dem Bezirksrat und 1930-33 dem Reichstag an. 1933 begab sich B. in den Untergrund, wurde in Abwesenheit zu 16 Jahren Zuchthaus verurteilt und konnte im September 1936 in die Schweiz fliehen. Dort wurde er wegen seiner T¨atigkeit f¨ur die Rote Hilfe noch im selben Jahr ausgewiesen und emigrierte nach D¨anemark, wo er weiter f¨ur die Rote Hilfe arbeitete und der Leitung der KPD-Abschnittsleitung Nord

sowie der Redaktion der „Deutschen Nachrichten“ in Kopenhagen angeh¨orte. C BHdE, Bd 1

Brescius, Karl Friedrich, evang. Theologe, Philosoph, * 3. 1. 1766 Bautzen, † 24. 8. 1842 Berlin. Nach dem in Leipzig absolvierten Studium der Theologie wurde B. 1788 Hofprediger, Schulrektor, Adjunkt des Superintendenten und Erzieher des jungen Grafen Hermann von → P¨uckler in der Standesherrschaft Muskau. Dort trug er, Mitglied der Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften, erheblich zur Verbesserung des Schulwesens bei. Seit 1806 war er Pastor in Triebel, von 1811 an Pastor in L¨ubben und Generalsuperintendent der Niederlausitz. Bei der Eingliederung Muskaus in das K¨onigreich Preußen wurde B. unter Beibehaltung dieses Amtes Konsistorial- und Schulrat in Frankfurt / Oder, wo er 1817-19 als Leiter der Provinzialsynode mit der Ausarbeitung einer neuen Kirchenordnung betraut war. Seit 1827 Mitglied des Konsistoriums in Berlin, wurde er 1836 Generalsuperintendent von Frankfurt. Zu B.s Ver¨offentlichungen z¨ahlen neben Rezensionen etliche theologische Abhandlungen und eine Schrift u¨ ber → Kant. C Neuer Nekr, Jg. 20 Brese, Wilhelm, Politiker, Landwirt, * 28. 12. 1896 Scharnhorst bei Celle, † 9. 3. 1994 Scharnhorst. B., Sohn eines Schmiedemeisters, besuchte seit 1911 die Pr¨aparandenanstalt in Uelzen. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg wurde er 1918 Lehrer in Marwede. Er unterrichtete bis 1923 an der Volksschule seiner Heimatgemeinde Scharnhorst und u¨ bernahm dann den Bauernhof seiner Ehefrau. 1924-28 war er Mitglied der Deutschnationalen Partei, 1928 einer der Begr¨under der Christlich-Nationalen Bauernund Landvolkpartei und bis 1933 deren Vorsitzender im Bezirk Hannover-Ost. 1928 wurde er B¨urgermeister von Marwede bei Eschede, f¨uhrte den Vorsitz im Landgemeindetag in Celle und geh¨orte dessen Landesvorstand an. 1945 trat B. in die CDU ein und war 1946-66 Kreisverbandsvorsitzender in Celle und Bezirksvorsitzender f¨ur L¨uneburg. 1948 / 49 geh¨orte er dem Wirtschaftsrat f¨ur das Vereinigte Wirtschaftsgebiet an. B. war in der 1.-5. Wahlperiode (1949-69) Mitglied des Deutschen Bundestags und bis 1973 B¨urgermeister von Marwede. C MdB Brese-Winiary, (Johann) Leopold (Ludwig) von, Milit¨ar, * 9. 9. 1787 Berlin, † 4. 5. 1878 Berlin. Der Sohn des Berliner Hofpostmeisters trat 1805 in die Ingenieur-Akademie Potsdam ein und geh¨orte nach den Befreiungskriegen der Ingenieurabteilung des Kriegsministeriums an. Als deren Dirigent und Inspekteur der Artillerie- und Ingenieurschule und seit 1843 Generalmajor, wurde er 1849 Generalinspekteur der Festungen und Chef der Ingenieure und Pioniere. Seine Erfolge um den Ausbau der Eisenbahnen und deren milit¨arische Nutzung trugen entscheidend zur Entwicklung des Pionier- und Ingenieurwesens in der preuß. Armee bei. 1856 wurde er in den Adelsstand erhoben, 1858 zum General der Infanterie bef¨ordert. C NDB Bresgen, Cesar, o¨ sterr. Komponist, * 16. 10. 1913 Florenz, † 7. 4. 1988 Salzburg. Neben einer privaten musikalischen Ausbildung in M¨unchen war B., Sohn eines Malers und einer Pianistin, seit 1925 bei Radio M¨unchen besch¨aftigt, besuchte 1930-36 die dortige Akademie der Tonkunst und war seit 1931 als Organist von St. Rupert t¨atig. 1933 als Komponist an der Mary-WigmanSchule in London t¨atig, u¨ bernahm er 1939 neben einer Stelle als Kompositionslehrer die Leitung der Musikschule f¨ur Jugend und Volk am Mozarteum in Salzburg. 1964 wurde er zum a. o. Prof. und 1969 zum o. Prof. ernannt. Zu seinen mit Elementen der Volksmusik durchsetzten, rhythmisch vom Werk Igor Strawinskys beeinflußten Kompositionen z¨ahlen das Tanzsingspiel Die schlaue M¨ullerin (1943), die Kinder-

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Bresgen opern Der Igel als Br¨autigam (1948) und Br¨uderlein Hund (1955), die M¨archenoper Der Mann im Mond (1958), das Oratorium Das Spiel vom Menschen (1982) und die Impressioni nella notte (1984) f¨ur kleines Orchester. B. ver¨offentlichte u. a. Musik in der Krise (1975) und Der Scholi – ein Salzburger Student, Vagant und Musikus um 1800 (1984). C MGG

Praxis und wurde 1826 o. Prof. der Arzneimittellehre an der dortigen Universit¨at. M. J. B. Orfilas Le¸cons de m´edecine l´egale (1821) wurden von B. 1822 in die deutsche Sprache u¨ bersetzt. Seit 1834 war er Geheimrat und Leibarzt K¨onig → Ludwigs I. B. war der Vater von Bernhard → B. C Neuer Nekr, Jg. 29

Bresgen, (Karl) Maximilian (Hubert), Hals-Nasen-Ohren-

Zeichnerin, * 6. 12. 1856 M¨unchen, † 12. 5. 1927 Neuillysur-Seine. Die Tochter von Bernhard → B. wuchs in Z¨urich auf, erhielt dort ersten Malunterricht und besuchte 1876-80 die Acad´emie Julian in Paris. Sie bereiste die Bretagne, Italien und zum Studium der alten Meister wiederholt die Niederlande. 1880 trat sie mit ihrem ersten Portr¨at hervor, dem nach etlichen anderen 1886 das Selbstportr¨at mit Mutter und Schwester (Chez moi, Jeu de Paume, Paris) folgte. Sie wurde als hervorragende Portr¨atistin, vor allem von Frauen und Kindern, bekannt. Seit 1896 malte sie auch Blumenbilder. Seit 1900 nahm B. in Paris regelm¨aßig an Ausstellungen teil. Zu ihren sp¨ateren Werken, die im Gegensatz zu ihren heiteren Fr¨uhwerken in zunehmend d¨usterer Stimmung gehalten sind, geh¨oren Die Malerin und ihr Modell (1921) und die T¨anzerin (1926). C AKL

Arzt, * 1. 3. 1850 Ahrweiler (Rheinland), † 2. 6. 1915 Wiesbaden. B., Sohn eines Gerbereibesitzers, studierte seit 1869 in Jena, Heidelberg und Berlin Medizin und wurde 1872 in Heidelberg promoviert. Nach bestandener Staatspr¨ufung setzte er seine Ausbildung bei Rudolf → Virchow am Anatomischen Institut in Berlin und als Assistent Carl → Stoerks in Wien fort, ließ sich 1877 als Facharzt f¨ur Hals-, Nasen- und Ohrenerkrankungen in Frankfurt / Main nieder und verlegte seine Praxis 1899 aus Gesundheitsgr¨unden nach Wiesbaden. Sein besonderes Interesse galt der Entwicklung der Rhinologie. In seinen zahlreichen Publikationen wies er auch auf den entwicklungs- und leistungshemmenden Einfluß chronischer Katarrhe bei Kindern hin. Er ver¨offentlichte u. a. Ueber den Husten (1879), Grundz¨uge einer Pathologie und Therapie der Nasen-, Mund-, Rachen und Kehlkopfkrankheiten (1884, 31896), Der Kopfschmerz bei Nasen- und Rachenleiden (1894, 31901), Die Kurmittel Wiesbadens bei Erkrankungen der Athemwege (1905, 51914 unter dem Titel Die Erkrankungen der Atemwege und ihre Heilung durch die Kurmittel Wiesbadens) und Die a¨ rztliche Beeinflussung ¨ des Kranken (1911). 2 C Arzte

Breslau, Bernhard, Gyn¨akologe, * 9. 5. 1829 M¨unchen, † 31. 12. 1866 Z¨urich. Nach der Promotion zum Dr. med. 1852 in M¨unchen (De totius uteri exstirpatione) absolvierte B., Sohn des Mediziners Heinrich von → B., in W¨urzburg, Berlin und Edinburgh eine Ausbildug zum Gyn¨akologen und Geburtshelfer. 1856 habilitierte er sich an der Univ. M¨unchen (Diagnostik der Tumoren des Uterus ausserhalb der Schwangerschaft) und wurde 1858 Ordinarius f¨ur Geburtshilfe und Gyn¨akologie sowie Vorstand der Klinik der Univ. Z¨urich. Dort machte er sich besonders um die Unterweisung breiter Schichten in der S¨auglingspflege verdient. Er erforschte vor allem Beckenanomalien, die Entstehung des Geschlechts der ¨ F¨oten und deren Uberlebenschancen nach dem Tod der Mutter. Dem Kindbettfieber versuchte er mit Verabreichung starker Purganzien zu begegnen. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren u. a. Diagnostik der Tumoren des Uterus außerhalb der Schwangerschaft und des Wochenbetts vom klinischen Standpunkte aus (1856). Die Fertigstellung seiner neuen Geb¨aranstalt erlebte B., der einer Ansteckung mit Leichengift erlag, nicht mehr. Er war der Vater von Louise → B. ¨ 1 C Arzte Breslau, Heinrich von, Mediziner, * 26. 12. 1784 Ansbach, † 16. 2. 1851 M¨unchen. B., Sohn unbemittelter Eltern, begann das Studium 1803 an der Univ. Halle, das er nach deren Schließung 1806 in T¨ubingen fortsetzte, wo er eine lebenslange Freundschaft mit Ludwig → Uhland und Justinus → Kerner schloß. 1808 in W¨urzburg promoviert, suchte er 1809 in M¨unchen vergeblich eine Anstellung, begab sich u¨ ber Augsburg nach Paris und u¨ bernahm dann die Leitung eines franz¨osischen Spitals in Middelburg auf Beveland (Niederlande). Als Milit¨ararzt machte er 1812 Napoleons Rußlandfeldzug mit. 1815 nach Paris zur¨uckgekehrt, nahm B. an der Schlacht von Waterloo teil, wurde gefangengenommen, aber als geb¨urtiger Ansbacher als Milit¨ararzt in Saargem¨und in bayerische Dienste u¨ bernommen. Sp¨ater er¨offnete er in M¨unchen eine a¨ rztliche

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Breslau, Marie-Louise-Catherine, schweizer. Malerin,

Breslauer, Alfred (Franz Friedrich), Architekt, * 23. 6. 1866 Berlin, † 19. 3. 1954 Z¨urich. Nach dem freiwilligen Dienst in einem Garderegiment studierte B. an der TH Charlottenburg Architektur, unternahm Studienreisen durch Westeuropa, den Orient und Rußland und war danach als Regierungsbaumeister in Berlin t¨atig. 1897 trat er in das Architekturb¨uro von Paul Messel in Berlin ein, mit dem er u. a. das dortige Theater und das Kaufhaus Wertheim in Berlin baute. 1901 gr¨undete er zusammen mit Paul Salinger das Architekturb¨uro Breslauer & Salinger. In der Folgezeit errichtete er, haupts¨achlich in Berlin und Brandenburg, Wohn- und Gesch¨aftsh¨auser, Landh¨auser, Industriellenvillen und Schloßneubauten f¨ur den m¨arkischen Adel; er leitete u. a. den Erweiterungs- und Umbau des Schlosses Muskau. B. wurde 1919 zum Prof. ernannt und 1924 in die Akademie der K¨unste in Berlin berufen. 1933 emigrierte er in die Schweiz. Er war der Vater von Marianne → B. C AKL

Breslauer, Bernd (Hartmut), auch Bernard H. B., Antiquar, * 1. 7. 1918 Charlottenburg (heute zu Berlin), † 14. 8. 2004 New York. Der Sohn von Martin → B. mußte seine Schulausbildung wegen seiner j¨udischen Herkunft 1935 vorzeitig abbrechen und durchlief eine Lehre in der v¨aterlichen Verlagsbuchhandlung in Berlin. 1937 emigrierte die Familie nach London, wo B. in dem neu gegr¨undeten Betrieb seines Vaters mitarbeitete. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor¨ubergehend auf der Isle of Man interniert, trat er 1940 in die britische Armee ein und diente im Alien Pioneer Corps, sp¨ater im britischen Geheimdienst. Nach Kriegsende baute B. zun¨achst in der m¨utterlichen Wohnung in Chiswick eine eigene Verlagsbuchhandlung auf, die er 1947 in das Zentrum von London verlegte. In den folgenden Jahrzehnten war er als Antiquar, Gutachter und Agent f¨ur international bedeutende Bibliotheken und Bibliophilensammlungen t¨atig, wurde eine anerkannte Autorit¨at auf dem Gebiet illuminierter Handschriften sowie historischer Bucheinb¨ande und baute seine eigene Sammlung, die „Bibliotheca Bibliographica Breslaueriana“, aus. 1977 verlegte er den Sitz seiner Firma von London nach New York. B. ver¨offentlichte mehrere Werke u¨ ber das Antiquariatswesen sowie Sammlungskataloge, darunter Glanz und Elend der Antiquare (1980) und Heinrich IV. Graf und Herr zu Castell. Ein deutscher B¨uchersammler der Renaissance und die f¨ur ihn w¨ahrend seiner Studienjahre in Orl´eans, Pa-

Breslaur ris und Bologna hergestellten Einb¨ande (1992). 1997 verlieh ihm die Freie Univ. Berlin die Ehrendoktorw¨urde. 2005 wurde B.s umfangreiche Sammlung historischer Handschriften, Bibliotheks- und Privatsammlungskataloge in New York versteigert.

Breslauer, Bernhard, Jurist, Politiker, * 16. 11. 1851 Posen, † 11. 2. 1928 Berlin. Um die Bildung einer st¨andigen o¨ ffentlich-rechtlichen Vertretung der deutschen Juden bem¨uht, gr¨undete B. den „Verein der Posener“, engagierte sich in dem von Paul → Nathan ins Leben gerufenen „Komitee f¨ur die russischen Juden“ und an f¨uhrender Stelle im „Verband der deutschen Juden“. Nach ¨ der Ubersiedlung nach Berlin geh¨orte er der Repr¨asentantenversammlung und zweimal dem Vorstand der dortigen J¨udischen Gemeinde an. 1908 gr¨undete er in Berlin die „Vereinigung f¨ur das liberale Judentum in Deutschland“, der er bis 1917 vorstand. Zu B.s zahlreichen Publikationen geh¨oren neben Untersuchungen u¨ ber die Diskriminierung der Juden an den Universit¨aten und im Justizdienst u. a. Abhandlungen wie Das j¨udische Recht nach dem System des B¨urgerlichen Gesetzbuchs. B. war der Vater von Walter → B. C Wininger Breslauer, Hans Karl, Pseud. Jenny Romberg, Bastian Schneider, James O’Cleaner, o¨ sterr. Regisseur, Schriftsteller, * 2. 6. 1888 Wien, † 15. 4. 1965 Salzburg. ¨ Zur Vorbereitung der Ubernahme des elterlichen Kaffeehauses in Wien absolvierte B. eine kaufm¨annische Ausbildung, wandte sich aber bald einer schauspielerischen Laufbahn zu und erhielt Engagements in Wien, K¨oln und Wiesbaden. Daneben schriftstellerisch t¨atig, schrieb er 1910 das erste Film¨ drehbuch Osterreichs, wandte sich dem Regiefach zu und wurde Regisseur u. a. bei der Sascha-Film AG. Seine ersten Erfolge feierte B., verheiratet mit seiner Hauptdarstellerin Anny Milety, als Chefregisseur der Mondial AG mit den Filmen Verklungene Zeiten und Der liebe Augustin. Er war Verfasser zahlreicher Kurzgeschichten, H¨orspiele und Romane, darunter Das Ei des Kolumbus (1941) und Wo wohnt das Gl¨uck? (1961). C DLL

Breslauer, Marianne, verh. Feilchenfeldt, Photographin, Kunsth¨andlerin, * 20. 11. 1909 Berlin, † 7. 2. 2001 Z¨urich. Angeregt durch die Portr¨atphotographin Hanna Riess, studierte B., Tochter von Alfred → B., 1927-29 Photographie im Lette-Haus in Berlin. 1929 lernte sie in Paris Werner Rohde und Man Ray kennen, der ihr sein Atelier zur Verf¨ugung stellte. Es entstanden Stadtansichten von Paris und zahlreiche Portr¨ats von Prominenten. In der „Frankfurter Zeitung“ erschienen erste Photographien von B., in einer Beilage der Zeitschrift „F¨ur die Frau“ eine Reportage u¨ ber die Clochards von Paris. 1930 nahm B. an der M¨unchner Ausstellung „Das Lichtbild“ teil. 1930-32 war sie als Photoreporterin f¨ur die Bild-Agentur Ullstein in Berlin t¨atig und unternahm l¨angere Reisen nach Italien, Jerusalem und 1932 erneut nach Paris, wo sie Portr¨ataufnahmen von Picasso und Ambroise Vollard anfertigte. 1933 arbeitete sie zusammen mit Annemarie → Schwarzenbach an einer Photoreportage in Spanien. Entgegen der Aufforderung der Agentur, ihren j¨udischen Namen durch ein Pseudonym zu ersetzen, emigrierte B. 1936 u¨ ber Amsterdam in die Schweiz, wo sie den ebenfalls emigrierten Kunsth¨andler Walter → Feilchenfeld heiratete. In der Schweiz entstanden eine Reihe von Portr¨ats, u. a. von Therese → Giehse und Erika → Mann. Charakteristisch f¨ur B.s Aufnahmen sind ungew¨ohnliche Perspektiven und Stimmungen, h¨aufig erh¨ohte Standpunkte sowie ein Interesse f¨ur strukturelle Details. Stilistisch sind ihre Arbeiten der Photographie des neuen Sehens bzw. der Neuen Photographie zuzuordnen. 1938 gab B. die Photographie auf und widmete sich gemeinsam mit ihrem Mann dem Kunsthandel. C AKL

Breslauer, Martin, Antiquar, * 16. 12. 1871 Berlin, † 16. 10. 1940 London. B. war f¨ur kurze Zeit Buchh¨andlerlehrling in Leipzig und Berlin, studierte dann einige Semester Germanistik und Geschichte und gr¨undete 1898 in Berlin zusammen mit Edmund Meyer eine Sortimentsbuchhandlung und ein Antiquariat, das er nach der Trennung von Meyer 1904 unter eigenem Namen fortf¨uhrte. Zwischen 1928 und 1935 wurden in seinem Haus bedeutende Bibliotheken und Sammlungen wie die von Werner → Wolffheim, Karl → Sch¨uddekopf und Eduard → Grisebach versteigert. Nach der 1936 erzwungenen Schließung des Antiquariats emigrierte B., der zu den Begr¨undern der Maximilian-Gesellschaft geh¨orte, im folgenden Jahr nach London und er¨offnete dort ein neues Unternehmen. Er besaß eine mehrere tausend B¨ande umfassende Sammlung von Nachschlagewerken, die heute zum großen Teil in der Bibliotheca Bodmeriana aufgestellt ist. Er ver¨offentlichte u. a. Erinnerungen eines Antiquars (1927). B. kam bei einem Bombenangriff ums Leben. Er war der Vater von Bernd → B. C Lex dt-j¨ud Autoren

Breslauer, Siegmund, Theaterdirektor, Unternehmer, * 9. 6. 1900 Hamburg, † 28. 6. 1966 Bad T¨olz. Nach einer kaufm¨annischen Lehre war B. bis 1933 in verschiedenen Berufen kaufm¨annisch t¨atig und arbeitete bis zu seiner Emigration nach Argentinien 1938 in der Chemiebranche. Dort zun¨achst Agent f¨ur Kaffeehausmusiker und Nachtklubs¨anger, wurde er 1946 Verwaltungsleiter des von Paul Walter → Jacob gegr¨undeten deutschen Exiltheaters Freie Deutsche B¨uhne in Buenos Aires, 1950 dessen Direktor. 1959 kehrte er nach Deutschland zur¨uck und gr¨undete mit Ilse Elkins-Rosen in M¨unchen die Theater- und Filmagentur Breslauer-Elkins. C Exiltheater

Breslauer, Walter, Jurist, Politiker, * 3. 7. 1890 Berlin, † 11. 5. 1981 London. Wie sein Vater Bernhard → B. widmete sich B., Mitbegr¨under des J¨udischen Liberalen Jugendvereins Berlin, fr¨uh j¨udischer Verbandsarbeit. W¨ahrend des 1908-11 an den Universit¨aten Berlin und Freiburg absolvierten und 1914 in G¨ottingen mit der Promotion zum Dr. jur. abgeschlossenen Studiums war er aktives Mitglied der Freien Jugendschaft. 1919-31 Rechtsanwalt und 1928-31 Notar in Berlin, geh¨orte er seit 1925 dem Preußischen Landesverband J¨udischer Gemeinden an; 1930 / 31 war er deren Vorsitzender und bis 1932 auch Vorsitzender der J¨udischen Liberalen Partei. 1933 von den Nationalsozialisten mit Berufsverbot belegt, emigrierte B. 1936 nach Großbritannien, studierte an der London School of Economics Rechtswissenschaften und war, 1940 kurzzeitig auf der Isle of Man interniert, 1937-72 in London als Rechtsanwalt t¨atig. B. war Mitbegr¨under und langj¨ahriger Vorstand des New Liberal Jewish Congress. C BHdE, Bd 1

Breslaur, Emil, Musikp¨adagoge, Musikkritiker, * 29. 5. 1836 Cottbus, † 26. 7. 1899 Berlin. Nach einer theologischen Ausbildung war B. zun¨achst in der j¨udischen Gemeinde von Cottbus als Religionslehrer und Prediger t¨atig. 1863-67 studierte er am Sternschen Konservatorium in Berlin Musik und lehrte seit 1868 an der Kullakschen Akademie Klavierspiel und Musiktheorie. 1879 gr¨undete er ein eigenes Konservatorium mit einem Seminar zur Ausbildung von Klavierp¨adagogen und den Verein der Musiklehrer und -lehrerinnen, der 1886 zum Deutschen Musiklehrerverband erweitert wurde. B. war als Musikkritiker bei der „Spenerschen Zeitung“ und dem „Fremdenblatt“, seit 1883 als Chorleiter an der Reformsynagoge t¨atig. Er machte sich als Verfasser etlicher Musiklehrb¨ucher einen Namen, erhielt f¨ur Die technischen Grundlagen des Kla-

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Bresler vierspiels (1874) den Professorentitel und gab seit 1878 die Zeitschrift „Der Klavierlehrer“ heraus. B. komponierte einige Chorwerke, Lieder, Klavierst¨ucke und Serenaden f¨ur Streichorchester.

f¨ur ihre Entstehungszeit, nur von einfachen menschlichen Empfindungen. Anderen seinerzeit f¨ur zu ernst empfundenen Texten B.s f¨ugte Christian Heinrich → Postel sp¨ater koC Killy mische Elemente hinzu.

Bresler, Johannes, Psychiater, * 7. 2. 1866 Ludwigsdorf

Bressart, Felix, eigentl. F. Breslau, Schauspieler, Mediziner, * 12. 3. 1892 Eydtkuhnen (Ostpreußen), † 17. (25 ?) 3. 1949 Hollywood. Der ausgebildete Mediziner B. wurde nach ersten Engagements in W¨urzburg, Hannover, Dresden und Wien 1927 von Viktor → Barnowsky nach Berlin ans Theater geholt und trat u. a. unter der Regie von Erwin → Piscator in Schloß Wetterstein von Frank → Wedekind auf. Er wechselte sp¨ater an die Volksb¨uhne, trat dort h¨aufig in komischen Rollen auf und begann 1930 mit dem Ball im Savoy seine Laufbahn als Filmschauspieler. Es folgten weitere Filme in Deutschland (u. a. Die drei von der Tankstelle, 1930, mit Lilian → Harvey), der Schweiz, Frankreich (C’´etait un musicien, 1934), Un¨ garn und Osterreich. 1938 in die USA emigriert, spielte B. unter Ernst → Lubitsch u. a. in Ninotschka (1939) und To be or not to be (1942) und unter amerikanischen Regisseuren in Swanee River (1939), zuletzt 1949 in Take one false Step. Daneben praktizierte B. als Arzt in Hollywood. C Cinegraph

(Kr. Oels, Schlesien), † 2. 10. 1942 Kreuzburg (Oberschlesien). Der Sohn eines Lehrers schloß das Studium der Medizin in Breslau und M¨unchen 1891 mit der Promotion ab und war anschließend Assistent an der Privat-Nervenheilanstalt in G¨orlitz, dann an der Provinzial-Irrenanstalt Bunzlau. Seit 1895 Oberarzt der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt in Freiburg (Schlesien), wurde er 1915 zum Sanit¨atsrat und 1919 zum Direktor der Provinz-Irrenanstalt Kreuzburg ernannt. 1940 wurde ihm von → Hitler die Medaille f¨ur deutsche Volkspflege verliehen. B. leitete die von ihm 1899 begr¨undete „Psychiatrisch-Neurologische Wochenschrift“ und gab seit 1901 die Monatsschrift „Der Irrenschutz“ und seit 1907 zusammen Gustav → Vorbrodt die „Zeitschrift f¨ur Religionspsychologie. Grenzfragen der Theologie und Medizin“ heraus. Zu B.s Ver¨offentlichungen z¨ahlen u. a. Alkohol, auch in geringeren Mengen Gift (1902), Erbsyphilis und Nervensystem (1904), Die Simulation von Geistesst¨orung und Epilepsie (1904), Greisenalter und Criminalit¨at (1907), Religionshygiene (1907), Die Willensfreiheit in moderner theologischer, psychiatrischer und juristischer Beleuchtung (1908), Kurzgefaßtes Repetitorium der Psychiatrie (1912) und Jenseits von klug und bl¨ode (1922). Aus dem Spanischen u¨ bersetzte er Werke des Mediziners und Nobelpreistr¨agers Ram´on y Cajal. B.s Lebenserinnerungen Aus zwei Jahrhunderten erschienen 1937 / 38.

Bresnitz von Sydaˇcoff, Philipp Franz, eigentl. P. F. Bresnitz, o¨ sterr. Schriftsteller, Journalist, * 2. 11. 1868 Wien, † n. e. Der einer s¨udslawischen Adelsfamilie entstammende B. war urspr¨unglich f¨ur den geistlichen Stand bestimmt, studierte in Wien jedoch Philosophie und schrieb erste Theaterkritiken f¨ur die „Wiener Morgenpost“. Er bereiste den Orient, Rußland und die Balkanl¨ander, wo er u. a. enge Kontakte zu K¨onig Milan von Serbien und F¨urst → Alexander von Bulgarien kn¨upfte. 1893 vom t¨urkischen Sultan des Hochverrats bezichtigt, wurde B. in Belgrad interniert, konnte jedoch nach Semlin entfliehen, wo er das „Semliner Tageblatt“ gr¨undete. Nach Wien zur¨uckgekehrt, ver¨offentlichte er neben den Erinnerungen F¨unf Jahre am Hofe des K¨onigs von Serbien (1895) Studien zur s¨udslawischen Frage, zum Panslawismus und zu Interna des russischen Hofs. B. war Herausgeber und Chefredakteur der „Balkanischen Korrespondenz“, Vizepr¨asident des Reichsausschusses Groߨosterreich und im Ersten Weltkrieg Mitglied des o¨ sterr. Generalstabs. C DLL

Bressand, Friedrich Christian, Librettist, Theaterleiter, ¨ Ubersetzer, * um 1670 Durlach (Baden), † 4. 4. 1699 Wolfenb¨uttel. Der Sohn eines markgr¨aflich badischen Mundkochs gelangte nach der Zerst¨orung Durlachs durch die Franzosen 1689 an den Hof Herzog → Anton Ulrichs von Braunschweig-L¨uneburg. Dort zun¨achst als Geheimer Kammerschreiber t¨atig, wurde er 1690 mit wichtigen Funktionen am Braunschweiger Theater und mit der Gestaltung aller h¨ofischer Festlichkeiten betraut. B. u¨ bersetzte aus dem Italienischen und als einer der ersten Racine und Corneille ins Deutsche. Er trat als Verfasser etlicher Libretti f¨ur Singspiele und Opern (u. a. Cleopatra, 1691; Jason, 1692), Sch¨aferspiele, Ballette und Maskeraden hervor. Dem Geschmack des Hochbarock entsprechend, sind B.s meist in Alexandrinern gehaltene Verslibretti vor allem durch starke Effekte und dekorative Elemente bestimmt. Seine Oper Erindo (1693) handelt, ungew¨ohnlich

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Bresselau, Mendel, Schriftsteller, * um 1760, † 1827. B., Sch¨uler Moses → Mendelssohns, war einige Jahre in der reichen j¨udischen Familie Friedl¨ander in Berlin als Hauslehrer t¨atig. Durch Mendelssohn zum korrekten hebr¨aischen Stilisten herangebildet, gab er 1786 in Berlin sein von Geburt und Jugend handelndes moralisches Drama Jaldeth uwachruth heraus. Zusammen mit anderen j¨udischen Literaten erließ er 1783 einen Aufruf zur Gr¨undung eines Vereins zur F¨orderung der hebr¨aischen Sprache und einer Zeitschrift „Measseph“ („Der Sammler“). Noch im selben Jahr erschien die erste Nummer dieser Zeitschrift, in der u. a. David → Friedl¨ander, Moses Mendelssohn und Joseph Witzenhausen Beitr¨age zur hebr¨aischen Sprache und Literatur ver¨offentlichten. C Wininger Breßl, Johann Baptist, Verleger, * 16. 5. 1801 Passau, † 3. 8. 1864 Passau. Der Sohn eines Zeugmachers schloß das Studium der Philosophie und Philologie in M¨unchen, Landshut und Heidelberg mit der Promotion ab und durchlief eine Lehre als Buchdrucker. 1829 gr¨undete er die kulturelle Wochenzeitschrift „Passavia“, die er zu einer politischen Zeitung mit liberalem Charakter ausbaute. 1847 vereinigte er das Blatt mit dem „Kourier an der Donau“ zur „Donau-Zeitung“, die zur ersten großen Passauer Tageszeitung wurde. B. war seit 1847 Mitinhaber der Druckerei Ambrosi. 1862 u¨ bergab er die „Donau-Zeitung“ an Josef → Bucher. B. war Gr¨undungsmitglied des Historischen Vereins f¨ur Niederbayern (1830) sowie des Arbeiterbildungsvereins (1848) und gab Baiern. Eine constitutionelle Flugschrift (1831) heraus. Bresslau, Ernst Ludwig, Zoologe, * 10. 7. 1877 Berlin, † 9. 5. 1935 S˜ao Paulo (Brasilien). Der Sohn des Historikers Harry → B. begann 1895 in M¨unchen das Studium der Medizin, der Naturwissenschaften und der Zoologie und wurde 1901 in Straßburg mit der Arbeit Beitr¨age zur Entwicklungsgeschichte der Mammarorgane bei den Beutelthieren zum Dr. med. promoviert. 1903 habilitierte er sich dort f¨ur Zoologie und war seit 1909 a. o. Professor. 1913 / 14 unternahm er eine Forschungsreise durch Mittel- und Nordostbrasilien, leitete seit 1919 die Zoologische Abteilung des Georg-Speyer-Hauses in Frankfurt / Main und wurde 1925 o. Prof. und Vorstand des Zoologischen Instituts der Univ. K¨oln. Von den Nationalsozialisten seines Amtes enthoben, emigrierte er 1934 nach S˜ao Paulo, wo ihm die Leitung des Zoologischen Universit¨atsinstituts

Bretholz u¨ bertragen wurde. B. befaßte sich vor allem mit dem Aufbau des Milchdr¨usenapparats bei S¨augetieren und protozoologische Untersuchungen. Er ver¨offentlichte u. a. Zoologisches W¨orterbuch (1912), Die Strudelw¨urmer (1913), Beitr¨age zur Kenntnis der Lebensweise unserer Stechm¨ucken (1917), The mammary apparatus of the mammalia (1920) und Versuche mit schwefeliger S¨aure zur Vernichtung u¨ berwinternder Stechm¨ucken (1922). C BHdE, Bd 2

Bresslau, Harry, Historiker, * 22. 3. 1848 Dannenberg / Elbe, † 27. 10. 1926 Heidelberg. B., Sohn eines j¨udischen Bankiers, studierte in G¨ottingen und Berlin Geschichte, Romanistik und Klassische Philologie, wurde 1869 bei Georg → Waitz in G¨ottingen promoviert (Die Kanzlei Konrads II.) und unterrichtete anschließend in Frankfurt / Main und Berlin. Auf Anregung von Johann Gustav → Droysen habilitierte er sich 1872 in Berlin, wurde 1877 a. o. Prof. und wechselte 1890 als o. Prof. an die Univ. Straßburg. B. machte sich besonders um die mittelalterliche Quellenforschung verdient; seit 1888 geh¨orte er der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae Historica an, gab deren „Neues Archiv der Gesellschaft f¨ur a¨ ltere deutsche Geschichtskunde“ (Bd. 14-28) heraus und leitete die Diplomata- und Scriptoresabteilung. B. ver¨offentlichte u. a. Jahrb¨ucher des deutschen Reiches unter Heinrich II. (mit Siegfried Hirsch und Herman Papst, 3 Bde., 1875), Jahrb¨ucher des deutschen Reiches unter Konrad II. (2 Bde., 1879-84), Handbuch der Urkundenlehre f¨ur Deutschland und Italien (Bd 1-2.1, 1889-1915, Bd. 2.2 aus dem Nachlaß 1931) und Geschichte der Monumenta Germaniae historica (1921, Nachdr. 1976). Er war Mitbegr¨under des „Archivs f¨ur Urkundenforschung“ und der „Historischen Commission f¨ur Geschichte der Juden in Deutschland“. 1918 aus Straßburg ausgewiesen, ging er zun¨achst nach Hamburg und 1919 nach Heidelberg. B., dessen Tochter Helene mit Albert → Schweitzer verheiratet war, war der Vater von Ernst Ludwig → B. C Lex dt-j¨ud Autoren

Bressler, Emil, o¨ sterr. Architekt, * 3. 12. 1847 Wien, † 29. 1. 1921 Wien. Seine Ausbildung absolvierte B. an den Technischen Hoch´ schulen in Wien und Stuttgart und an der Ecole des BeauxArts in Paris. Er war Oberbaurat und langj¨ahriger Pr¨asident der Zentralvereinigung der o¨ sterr. Architekten. B. baute das Redaktionsgeb¨aude des „Extrablatts“, erneuerte das Palais Windischgraetz und errichtete das Gesch¨aftshaus „Eisgr¨ubl“ in Wien, ferner die Schl¨osser Mauer und Altkettenhof in Schwechat sowie Ausstellungsbauten in Amsterdam (1883) und Antwerpen (1885). In Preßburg wirkte er am Bau der Pfarrkirche Blumenthal und des Sparkassengeb¨audes mit. C AKL

Bresslern-Roth, Norbertine von, geb. Roth, o¨ sterr. Malerin, * 13. 11. 1891 Graz, † 30. 11. 1978 Graz. Ihre 1901 an der steierm¨arkischen Kunstschule in GrazKroisbach begonnene Ausbildung setzte B.-R. 1911-16 an der Akademie der bildenden K¨unste in Wien und in der Tiermalschule von H. von → Hayek in Dachau fort. Seit 1916 in Graz ans¨assig, wurde sie durch ihre naturalistischen Tierdarstellungen und Bewegungsstudien bekannt. Sie reiste durch Europa und Afrika, wo zahlreiche Tierdarstellungen (u. a. Sterbender, von Pfeil durchbohrter L¨owe) entstanden. Sp¨ater schuf sie stilisierte Figurenkompositionen wie Tanz der M¨anner (1932). 1932 erhielt B.-R., die auch naturwissenschaftliche Werke und Kinderb¨ucher illustrierte, den Professorentitel. C AKL

Brestel, Rudolf, o¨ sterr. Staatsmann, * 16. 5. 1816 Wien, † 4. 3. 1881 Wien. B., Sohn eines Garderittmeisters, studierte an der Wiener Sternwarte, war seit 1836 an der Olm¨utzer Lehrkanzel f¨ur

Mathematik t¨atig und wurde 1844 als Supplent an die Univ. Wien berufen. 1848 in den o¨ sterr. Reichstag gew¨ahlt, geh¨orte er dem Verfassungsausschuß in Kremsier an, wurde vor¨ubergehend politisch verfolgt und verlor seinen Lehrstuhl. 1855 war er an der Gr¨undung der Wiener Creditanstalt beteiligt, wurde 1861 in den Nieder¨osterreichischen Landtag gew¨ahlt und in den Landesausschuß, 1864 in das Abgeordnetenhaus entsandt. Seit 1867 k. k. Finanzminister, trug B. maßgeblich zur finanziellen Abwicklung des o¨ sterreichisch-ungarischen Ausgleichs bei; umstritten blieb seine Quotenvereinbarung mit Ungarn und der Verkauf von Staatsbetrieben. Als Mitglied des Abgeordnetenhauses trat er nach seiner Entlassung 1870 als Gegner des Ministeriums Hohenwarth-Sch¨affle hervor. C NDB

Bretfeld-Chlumczansky, Franz Josef Frh. von, o¨ sterr. Historiker, Kunstsammler, * 1779 Prag, † 23. 11. 1839 Wien. B. trat nach dem Besuch der Prager Univ. in das b¨ohmische Landesgubernium ein und wurde 1808 an die Staatskanzlei in Wien versetzt, wo er zum Hofrat avancierte. Bekannt wurde er durch seine der Allgemeinheit zug¨anglichen Sammlungen. Dazu z¨ahlte eine mehr als 12 000 B¨ande umfassende Bibliothek, in der sich u. a. alle b¨ohmischen Originallandtagsbeschl¨usse befanden, die als Quelle f¨ur B.s Historische Darstellung s¨amtlicher von den a¨ ltesten Zeiten bis zu dem Jahre 1627 abgehaltenen b¨ohmischen Landtage (1810) dienten. Er trug ferner eine aus mehr als 30 000 Exponaten bestehende M¨unz- und Medaillensammlung, eine genealogisch-heraldische Sammlung des o¨ sterreichisch-b¨ohmischen Adels und eine arch¨aologische Sammlung zusammen und legte eine Gem¨aldegalerie an, zu der Werke → D¨urers, → Holbeins, → Cranachs und Rembrandts geh¨orten. C Wurzbach

Bretholz, Berthold, Historiker, * 9. 7. 1862 Freiberg (M¨ahren), † 27. 11. 1936 Br¨unn. Nach dem Studium der Geschichte und der Jurisprudenz in ¨ Wien war der Sohn eines j¨udischen Wollh¨andlers am Osterreichischen Institut f¨ur Geschichtsforschung und 1888-92 f¨ur die Monumenta Germaniae Historica t¨atig. 1892 zum Landeshistoriographen von M¨ahren bestellt, leitete B. 1909-26 das Landesarchiv in Br¨unn. Seit 1905 war er Mitglied der ¨ Kommission f¨ur neuere Geschichte Osterreichs, geh¨orte seit ¨ 1907 dem Osterreichischen Archivrat an und erhielt 1909 eine Honorarprofessur an der Deutschen TH Br¨unn. Zu seinen zahlreichen Werken geh¨oren neben der Geschichte B¨ohmens und M¨ahrens (4 Bde., 1921-25) eine Geschichte der Juden in M¨ahren und eine Lateinische Pal¨aographie (1906, 31926). Die in B.s Kontinuit¨atstheorie formulierte These, daß die Sudentendeutschen nicht Nachfahren von Kolonisatoren, sondern von vor den Slawen eingewanderten Germanen seien, stieß bei den Tschechen auf heftigen Widerspruch. B. war der Vater von Wolfgang → B. C NDB

Bretholz, Wolfgang (Henry), Pseud. Walter Bartz, Otto Olm, Journalist, * 22. 8. 1904 Br¨unn, † 31. 8. 1969 Lausanne. Der Sohn des Historikers Berthold → B. trat 1925 nach dem Jurastudium in die politische Redaktion der „Dresdner Neuesten Nachrichten“ ein; 1928 / 29 war er bei den „Braunschweiger Neuesten Nachrichten“ und bis 1931 in Berlin als freier Journalist und als Mitarbeiter u. a. beim „Tage-Buch“ t¨atig. Seit 1931 innenpolitischer Redakteur beim „Berliner Tageblatt“, wurde B. 1933 von den Nationalsozialisten mit Berufsverbot belegt und emigrierte nach Prag, wo er im Politikressort des „Prager Mittag“, 1935-38 bei der „Prager Presse“ und f¨ur deutsche Exilpublikationen arbeitete. 1939 emigrierte er nach Warschau, u¨ ber die Sowjetunion

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Bˇretislav und Rum¨anien 1940 in die T¨urkei, wo er der Vertretung der tschechischen Exilregierung 1942-44 als Presseattach´e ˇ diente. 1947 in die CSR zur¨uckgekehrt, floh B. 1949 nach Deutschland und war Mitarbeiter der „Saarbr¨ucker Zeitung“, der „Welt am Sonntag“ und des ZDF. In seinem Buch Ich sah sie st¨urzen (1955) schilderte er die Ereignisse der Jahre 1944-48 in Osteuropa. C BHdE, Bd 1

Bˇretislav I., Herzog von B¨ohmen, * um 1005 / 12, † 10. 1. 1055. B., Sohn des Herzogs Udalrich von B¨ohmen, eroberte 1029 M¨ahren, das danach in enger Verbindung mit B¨ohmen blieb. Nach dem Tod seines Vaters 1037 Herzog von B¨ohmen, drang er in Polen ein, zerst¨orte Krakau, eroberte Gnesen und kehrte 1039 mit dem Leichnam des heiligen → Adalberts nach Prag zur¨uck. Besorgt u¨ ber den Machtzuwachs B.s, forderte K¨onig → Heinrich III. Rechenschaft u¨ ber dessen Vorgehen und drang 1041 bis nach Prag vor. B. gelobte daraufhin Gehorsam, zahlte r¨uckst¨andigen Tribut, leistete in Regensburg erneut den Treueeid, verzichtete auf Polen und wurde offiziell mit dem Herzogtum B¨ohmen belehnt. 1042, 1044 und 1051 nahm B. an Heinrichs Feldz¨ugen gegen Ungarn teil. Die Streitigkeiten mit Polen dauerten bis 1054 an, als Heinrich III. Schlesien Kasimir I. von Polen gegen Zahlung eines j¨ahrlichen Zinses an B¨ohmen zusprach. C LexMA

Bretke, Johann, litauisch Janas Bretkunas, evang. Theologe, * 1536 Bammeln bei Friedland (Ostpreußen), † 1. 10. 1602 K¨onigsberg. Nach dem Studium in K¨onigsberg (seit 1555) und Wittenberg (seit 1557) war B. seit 1562 Pfarrer von Labiau und von 1587 bis an sein Lebensende Pastor an der litauischen Kirche in K¨onigsberg. Bem¨uht, das Litauische literaturf¨ahig zu machen, verfaßte er 1569 eine Predigtsammlung, 1589 ein Gesangbuch und eine Postille in litauischer Sprache und schuf 1579-90 die erste litauische Bibel¨ubersetzung, die auf derjenigen → Luthers und auf eigenen Studien hebr¨aischer Texte, der Septuaginta und der Vulgata basierte. Es erschien allerdings nur der von Johann Rhesa 1625 in K¨onigsberg herausgegebene und stark ver¨anderte Psalter im Druck. Neben seinen theologischen Schriften stellte B. eine Chronik des Landes Preußen zusammen, die sp¨ater allerdings nur in Bruchst¨ucken ver¨offentlicht wurde. Er starb an der Pest. C Altpreuß Biogr, Bd 5 Bretscher, Karl, schweizer. Industrieller, * 27. 5. 1885 Enge (Kt. Z¨urich), † 3. 3. 1966 Bern. B., dessen Vater im Baugewerbe arbeitete und sp¨ater zum Chef des statistischen B¨uros der Nordostbahn aufstieg, durchlief eine Mechanikerlehre, bildete sich am Technikum Winterthur zum Elektrotechniker aus und erhielt eine Stelle bei der Bell Telefone-Gesellschaft in Antwerpen. In deren Auftrag installierte er 1908 in Bern die erste manuell betriebene Telephonzentrale. Durch Reisen in die USA mit den Neuerungen des automatischen Fernsprechwesens vertraut, trat er zum Aufbau einer eigenst¨andigen schweizer. Telephonindustrie 1918 in die Hasler AG ein, deren Direktor er 1922 wurde. Seit 1923 errichtete er in schwedischer Lizenz Landtelephonzentralen, 1932 in Olten und 1934 in Luzern die ersten Großzentralen nach dem eigenen „System Hasler 31“. 1935 zur¨uckgetreten, aber weiter im Verwaltungsrat seiner Firma und im 1927 von ihm ins Leben gerufenen „Verband pro Telephon“ t¨atig, setzte B. u. a. die Bildung von Lehrst¨uhlen f¨ur Hochfrequenztechnik und technische Physik an der ETH Z¨urich durch und trat aktiv f¨ur die Verst¨andigung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein. C Schweizer Pioniere, Bd 19

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Bretscher, Marie, schweizer. Schriftstellerin, * 14. 11. 1888 Winterthur, † 11. 6. 1970 Winterthur. Nach dem Besuch der H¨oheren Schule seit 1921 Sekret¨arin der Literarischen Vereinigung Winterthur, war B. seit als freie Schriftstellerin t¨atig. Ihre h¨aufig von Entsagung und Aufopferung handelnden Romane, Gedichte und Novellen sind in einem konventionellen, von der Romantik inspirierten Stil gehalten. Den Gedichten (1931) folgten mehrere Erz¨ahlungen und Romane, darunter Die Magd Brigitte ¨ (1940) und das M¨archen Die goldenen Apfel (1959). C DLL, 20. Jh.

Bretscher, Willy, schweizer. Publizist, Politiker, * 26. 10. 1897 Winterthur, † 12. 1. 1992 Z¨urich. Nach einer kaufm¨annischen Ausbildung war B., Sohn eines Malermeisters, beim „Neuen Winterthurer Tagblatt“, seit 1917 in der Inlandsredaktion der „Neuen Z¨urcher Zeitung“ t¨atig, 1925-29 als deren Korrespondent in Berlin. 1933-67 Chefredakteur, engagierte er sich im Kampf gegen Nationalsozialismus und Kommunismus und machte seine Zeitung zu einem der international angesehensten Bl¨atter. Mitglied des Parteivorstandes der Freisinnigen im Kanton Z¨urich seit 1933, geh¨orte er 1951-67 als Spezialist f¨ur außenpolitische Fragen dem Nationalrat an. B. war Vizepr¨asident der Liberalen Weltunion und Mitbegr¨under des Atlantischen Instituts. Er ver¨offentlichte u. a. Sowjetrußland nach Stalins Tod und Verdammung (1950). 1987 erschienen 70 Leitartikel B.s unter dem Titel Im Sturm von Krise und Krieg (31988) in Buchform. C DLL, 20. Jh.

Bretschneider, Emil, auch E. V. Bretshneider, Mediziner, Geograph, * 1833 Riga, † 12. 5. 1901 St. Petersburg. Das 1858 mit der Promotion (Quaedam de arsenici efficacia disquisitiones) an der Univ. Dorpat abgeschlossene Studium der Medizin setzte B. mit einer Ausbildung in Berlin, Wien und Paris fort. 1862-65 war er Arzt der russischen Gesandtschaft in Teheran und wurde 1866 in derselben Eigenschaft an die russische Botschaft in Peking versetzt. W¨ahrend seines dortigen achtzehnj¨ahrigen Aufenthalts befaßte er sich eingehend mit der Geographie, Arch¨aologie und Botanik Chinas. Seine Forschungsergebnisse ver¨offentlichte B. in deutschen Fachzeitschriften (u. a. „Geographisches Jahrbuch“, „Petermanns Geographische Mitteilungen“) und in großen Einzeluntersuchungen wie den Notices of the mediaeval geography and history of Central and Western Asia (1876) und der History of European botanical discoveries in China (2 Bde., 1898). Nach der Pensionierung f¨uhrte er seine wissenschaftliche T¨atigkeit in St. Petersburg fort, wo er w¨ahrend der Vorbereitung einer Arbeit u¨ ber die Eroberung von Turkestan starb. C Biogr Jahrb, Bd 6 Bretschneider, Friedrich Frh. von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 1770 Usingen (Hessen-Nassau), † 3. 6. 1846 Mailand. Der Sohn des Schriftstellers Heinrich Gottfried von → B. nahm an Gefechten mit den T¨urken (1789) sowie in den Niederlanden und am Rhein an den K¨ampfen gegen die franz¨osischen Revolutionstruppen teil. Nach dem Feldzug von 1805 und den K¨ampfen in Bayern 1809 wurde er 1813 als Oberst in die Steiermark beordert, drang bis nach Belluno und Castelfranco vor und verteidigte erfolgreich Bassano. 1815 wurde B. Generalmajor, 1830 Feldmarschalleutnant und Division¨ar in Mailand, 1836 Festungskommandant von Piacenza, 1837 Stadtkommandant von Mailand und 1843 in den Freiherrenstand erhoben.

Bretschneider, Friedrich Wilhelm Theodor, Kupferstecher, * 31. 10. 1821 Blankenburg / Harz, † 19. 10. 1878 Holzminden / Weser. Nach dem Besuch des Gymnasiums begann B., Sohn eines Juweliers, 1838 in Braunschweig eine Ausbildung zum Li-

Bretz thographen, absolvierte am Collegium Carolinum eine Zeichenausbildung und widmete sich seit 1840 dem Kupferstich. 1847-50 war er in Paris t¨atig, kehrte 1850 nach Braunschweig zur¨uck und unterrichtete an der dortigen B¨urgerschule sowie an der Baugewerkschule und dem Gymnasium von Holzminden. Neben mehreren Ansichten des Harzes und Portr¨ats schuf er Genreszenen nach Gem¨alden bekannter Maler, u. a. die Affenbarbierstube nach David Teniers. C AKL

Bretschneider, Hans-J¨urgen, Chirurg, * 30. 7. 1922 Neubrandenburg, † 9. 12. 1993 Bovenden. B. studierte zun¨achst Schiffsbau, Mathematik und Mathematische Statistik, wandte sich dann dem Studium der Medizin zu und wurde 1952 zum Dr. med. promoviert (Anwendung der Varianzanalyse in der experimentellen Medizin). Nach ¨ der Habilitation 1958 in G¨ottingen (Uber den Mechanismus der hypoxischen Coronarerweiterung) folgte er 1960 einem Ruf als Spezialist f¨ur Herzchirurgie an die Chirurgische Universit¨atsklinik in K¨oln und u¨ bernahm 1968 die Leitung des Ersten Physiologischen Instituts in G¨ottingen. Er verbesserte die Erfolge der Herzchirurgie und der Transplantationsmedizin, indem er die Injektion der sogenannten kardioplegischen L¨osung einf¨uhrte, die das Herz bei Operationen schlagartig lahmlegt und dessen Wiederbelebung nicht erschwert. Sp¨ater suchte er nach medizinischen M¨oglichkeiten, die durch Durchblutungsst¨orungen im Gehirn hervorgerufenen Sch¨aden zu verhindern oder zu verringern. Ebenso aktiv beteiligte sich B. an den Diskussionen u¨ ber Theorie und Ethik der Medizin. C G¨ott Gel Bretschneider, Heinrich Gottfried von, Schriftsteller, * 6. 3. 1739 Gera, † 1. 11. 1810 Schloß Krimitz bei Pilsen. B., Sohn eines k¨oniglich polnischen und kurf¨urstlich s¨achsischen Rittmeisters, trat 1753 in ein s¨achsisches Regiment ein, k¨ampfte im Siebenj¨ahrigen Krieg auch auf preuß. Seite, war einige Zeit Landeshauptmann von Usingen in Nassau und bereiste 1773 England und Frankreich. Nach der R¨uckkehr lebte er in Wien und Berlin, wo er im aufkl¨arerischen „Montagsklub“ verkehrte. 1777 trat er als Vizekreishauptmann in Temesvar in den o¨ sterr. Staatsdienst ein und wurde 1778 Bibliothekar in Ofen, Kaiserlicher Rat und 1784 Bibliothekar der Lemberger Hochschule. Als bedeu¨ tender aufgekl¨arter Schriftsteller Osterreichs verkehrte er mit → Joseph II., Josef von → Sonnenfels und Gottfried van → Swieten. 1776 erschien seine Satire auf das WertherFieber, 1788 ein antiklerikaler Almanach, ferner Texte zu Opern, Fabeln, freimaurerische Schriften, ein Roman und 1793 B.s autobiographisch gef¨arbter, gegen die Empfindsamkeit gerichteter Episodenroman Georg Wallers Leben und Sitten. 1892 erschienen seine Erinnerungen Denkw¨urdigkeiten aus dem Leben des k. k. Hofrathes H. G. von Bretschneider, 1739-1810 (hrsg. von Karl F. Linger). B. war der Vater von Friedrich von → B. C Killy Bretschneider, Hermann, o¨ sterr. Chemiker, * 15. 1. 1905 Bad Ischl (Ober¨osterreich), † 6. 12. 1985 Innsbruck. B. studierte Chemie an der Univ. Wien, wurde 1928 promoviert (Untersuchungen u¨ ber Tabaksalkaloide, Stoffe der Paracotorinde und u¨ ber eine Phenolbase des Opiums) und war Assistent an der Univ. Wien. Seit 1936 in der pharmazeutischen Industrie t¨atig, habilitierte er sich 1947 in Innsbruck und wurde 1948 supplierender Leiter des Instituts f¨ur Pharmazeutische Chemie an der Univ. Innsbruck. 1950 zum a. o. Prof. ernannt, wurde er 1952 Leiter des Instituts f¨ur Organische und Pharmazeutische Chemie, das er 1956-76 als ¨ o. Prof. leitete. B., korrespondierendes Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaft, besch¨aftigte sich vor allem mit der organischen Synthese pharmakodyna-

mischer Verbindungen (u. a. Steroidhormone, synthetische Oestrogene, Salicyls¨aurederivate und Antibiotika sowie Sul¨ Akad, Jg. 136 fonamide). C Almanach Ost

Bretschneider, Johann → Placotomus, Johannes Bretschneider, Karl Gottlieb, evang. Theologe, * 11. 2. 1776 Gersdorf / Erzgebirge, † 22. 1. 1848 Gotha. Der einer Pastorenfamilie entstammende B. begann 1794 das Studium der Theologie in Leipzig, nahm 1797 eine Stelle als Hauslehrer an, wurde 1804 an der Univ. Wittenberg promoviert, habilitierte sich im selben Jahr und hielt theologische und philosophische Vorlesungen. 1807 wurde er Oberpfarrer in Annaberg, 1808 in Schneeberg, lehnte 1809 einen Ruf an die Univ. K¨onigsberg ab und wurde 1816 Generalsuperintendent von Gotha. B., ein Verfechter des rationalen Supranaturalismus, verfaßte u. a. ein Handbuch der Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche (1814, 41838) und ein griechisch-lateinisches Lexikon f¨ur das Neue Testament. Seit 1834 gab er im „Corpus Reformatorum“ Werke → Melanchthons heraus (Bd. 1-15, 1834-48). Er bezweifelte die Echtheit der johanneischen Schriften und trat (auch in viel gelesenen religi¨osen Romane, darunter Heinrich und Antonio oder die Proselyten der r¨omischen und evangelischen Kirche, 1826, 51843) f¨ur die Kirchenunion ein. 1851 erschienen seine Erinnerungen Aus meinem Leben. C TRE Bretschneider-Hermann, Bodo, Agrarwissenschaftler, * 11. 8. 1924 Prenzlau (Uckermark), † 24. 11. 1981 Witzenhausen. B.-H., Sohn eines Landwirts, studierte 1949-52 Landwirtschaft an der Univ. Gießen, arbeitete dann als Wirtschaftsberater in Braunschweig, ehe er 1954 an die Univ. zur¨uckkehrte und 1958 mit der Arbeit Feldversuche zur Placierung der D¨ungung mit Zuckerr¨uben auf verschiedenen Standorten in Gießen promoviert wurde. Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Versuchsfeldleiter am Institut f¨ur Pflanzenbau und Pflanzenz¨uchtung der Univ. Gießen. B.-H. wirkte am Aufbau des Phytotrons, einer Anlage zur Pflanzenanzucht unter kontrollierten Klimabedingungen, in Rauischholzhausen mit und u¨ bernahm dessen technische Leitung. Als Sekret¨ar der internationalen Arbeitsgemeinschaft f¨ur Bodenfruchtbarkeit war er auch f¨ur die Dokumentation und Auswertung der Daten der Internationalen ¨ Okologischen Dauer-D¨ungeversuche verantwortlich. C B¨ohm

Brettreich, Maximilian Friedrich Ritter von, Politiker, Jurist, * 25. 12. 1858 Bamberg, † 21. 3. 1938 w¨ahrend einer Schiffsreise zwischen Haifa und Santorin. B. studierte 1876-88 an der Univ. W¨urzburg die Rechte und begann seine Laufbahn im bayerischen Staatsdienst 1884 als Polizeikommiss¨ar in Regensburg. 1889 in das Innenministerium nach M¨unchen berufen, avancierte er dort, unterbrochen von einer T¨atigkeit als Bezirksamtmann in Sonthofen, 1903 zum Ministerialrat. Seit 1905 Regierungspr¨asident der Oberpfalz und von Regensburg und 1906 geadelt, wurde B. 1907 bayerischer Staatsminister des Innern, 1913 Regierungspr¨asident von Unterfranken und Aschaffenburg; von 1916 bis Herbst 1918 war er erneut bayerischer Innenminister.

Bretz, Julius, Maler, * 16. 1. 1870 Wiesbaden, † 26. 12. 1953 Bad Honnef. Nach einem abgebrochenen Studium an der D¨usseldorfer Kunstakademie empfing B. seine weitere k¨unstlerische Ausbildung in Den Haag und stellte 1892 und 1896 in Berlin seine ersten holl¨andischen Ansichten aus. Nach mehreren Reisen nach Paris im Siegerland und in D¨usseldorf ans¨assig, ¨ schuf er vor allem zart kolorierte Olgem¨ alde, Pastelle und

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Bretzner Kohlezeichnungen von Landschaften des Sieg- und Aggertales sowie von Blumenst¨ucken und Stilleben, die u. a. vom Wallraf-Richartz-Museum in K¨oln und dem Kunsthaus Z¨urich angekauft wurden. Seit 1921 lebte und arbeitete B. in Bad Honnef. C AKL

Bretzner, Christoph Friedrich, Schriftsteller, * 10. 12. 1746 Leipzig, † 31. 8. 1807 Leipzig. Von Beruf Kaufmann, schrieb B., Sohn eines kurf¨urstlich s¨achsischen Hoftapezierers, zahlreiche Dramen und Romane. In seinen 1769-96 erschienenen B¨uhnenst¨ucken kritisierte er im Sinne b¨urgerlich-aufgekl¨arten Denkens die Nachahmung des Adels durch gesellschaftliche Aufsteiger (Die Erbschaft aus Ostindien, 1781; Das Leben eines Liederlichen. Ein moralisch-satyrisches Gem¨alde nach Chodowiecki und Hogarth, 5 Bde., 1787 / 88) stellte wie in Der Geisterbeschw¨orer 1790 u¨ bersinnliche Ph¨anomene als Betr¨ugereien dar und verteidigte die tugendhafte Liebe gegen Standesdenken. Popul¨ar wurden St¨ucke wie das Lustspiel Das R¨auschchen (1786) durch das Auftreten charakteristischer, im Dialekt agierender Personen und die mitunter satirische Verarbeitung aktueller Ereignisse und Moden. Gegen B.s anfangs heftigen Protest verarbeitete Wolfgang Amadeus → Mozart das Singspiel Belmonte und Constanze (1781) zum Libretto f¨ur Die Entf¨uhrung aus dem Serail. 1794 bearbeitete B. dessen Cos`ı fan tutte unter dem Titel Weibertreu, oder die M¨adchen sind von Flandern. C Killy ¨ auch Preu, Prew, Georg, Maler, Breu, J¨org d. A., Zeichner, * um 1475 / 80, † 1536 Augsburg. ¨ abgeschlossenen Nach seiner 1493 bei Ulrich → Apt d. A. ¨ Lehre und der Gesellenwanderung durch Osterreich war B., ¨ Sohn eines Webers, von 1502 bis zur Ubergabe der Werkstatt an seinen Sohn J¨org → B. d. J. 1534 in Augsburg t¨atig. In seinem dem „Donaustil“ zugeh¨origen, Elemente der Renaissance und des Manierismus verbindenden Malstil schuf er 1500 den dramatisch bewegte Figurenkompositionen aufweisenden Bernhardsaltar der Stiftskirche in Zwettl, 1501 den Aggsbacher Altar in Herzogenburg und 1502 den Passionsalter im Stift Melk. B. zeichnete seit 1504 auch Vorbilder f¨ur Holzschnitte und lieferte u. a. um 1520 verschiedene Entw¨urfe f¨ur die Kabinettscheiben der Kriege und Jagden Maximilians in der Manier der klassisch-festlichen Augsburger Kunst. Er entwarf Kabinettscheiben f¨ur die Landshuter Residenz, beteiligte sich an der Ausstattung der Fuggerkapelle von St. Anna in Augsburg und lieferte f¨ur das M¨unchner Lusthaus Herzog → Wilhelms IV. von Bayern u. a. ein die Geschichte der Lucretia darstellendes Gem¨alde. C AKL

Breu, J¨org d. J., auch Preu, Prew, Maler, Zeichner, * nach 1510, † 1547 Augsburg. B. arbeitete zun¨achst als Lehrling und Geselle in der Werk¨ die er 1534 u¨ bernahm. statt seines Vaters J¨org → B. d. A., Deutliche Einfl¨usse der venezianischen Renaissance sprechen daf¨ur, daß B. vor 1533 eine Venedigreise unternommen hat. 1536 / 37 war er nachweislich f¨ur Herzog → Otto Heinrich von der Pfalz in Neuburg / Donau t¨atig, wo die heute nur ¨ in Uberresten vorhandenen Fresken im nahen Schloß Gr¨unau entstanden. Weitere gesicherte Arbeiten B.s sind die ebenfalls nur als Reste erhaltenen Ausmalungen des Weberhauses und der Amtsstube in Augsburg. Die um 1535 entstandene, die Eroberung von Rhodos durch die K¨onigin Artemisia darstellende Tafel befindet sich in der Gem¨aldegalerie von Schloß Schleißheim. Zu den von B. geschaffenen Holzschnitten z¨ahlen Illustrationen f¨ur eine von Hans → Tirol verfaßte Prachthandschrift, biblische Szenen und Darstellungen zeitgen¨ossischer Ereignisse wie Das venezianische Bankett von 1539. B.s Bilder zeigen kleinere und zartere Figuren als die seines Vaters und weisen deutliche Z¨uge des beginnenden Manierismus auf. C AKL

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Breu, Josef, o¨ sterr. Geograph, * 5. 1. 1914 Triest, † 26. 4. 1998 Wien. B., Sohn eines Kaufmanns, studierte seit 1932 an der Univ. Wien Geographie und Geschichte – u. a. bei Fritz → Machatschek, Hugo → Hassinger und Johann → S¨olch – und wurde 1937 mit der Dissertation Die Kroatensiedlung im Burgenland und in den anschließenden Gebieten (Nachdr. 1970) promoviert. Nach einer Volont¨arsassistentenzeit am Geographischen Institut der Univ. Wien (1936-38) und dem Ablegen der Pr¨ufungen f¨ur das Lehramt an H¨oheren Schulen trat er 1939 eine Stelle als Studienreferendar am Gymnasium Melk an, wurde jedoch noch im selben Jahr zur Wehrmacht eingezogen. Aus kurzer Kriegsgefangenschaft zur¨uckgekehrt arbeitete B. zun¨achst als Vermessungstechniker und als Privatlehrer, wurde 1952 beim Bundesamt f¨ur Eich- und Vermessungswesen angestellt und begann ein Studium des Vermessungswesen an der TH Wien. 1956-66 war er als Gymnasialprofessor t¨atig, 1966-79 u¨ bernahm er die Leitung ¨ der Geographischen Abteilung des Osterreichischen Ost- und S¨udosteuropa-Instituts, dem er bereits seit 1959 durch Mitarbeit verbunden war. Als Hauptredakteur war er verantwortlich f¨ur den Atlas der Donaul¨ander (1970-89), der zu ¨ den wichtigsten kartographischen Werken Osterreichs nach dem Zweiten Weltkrieg z¨ahlt. 1974 habilitiert, lehrte B. als a. o. Prof. am Institut f¨ur Geographie der Univ. Wien. Er war ¨ seit 1982 korrespondierendes Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften und stand der Abteilung Ortsnamenkunde des Instituts f¨ur Kartographie vor. B. ver¨offentlichte u. a. Die Transkription in der Kartographie (1969) und ¨ Geographisches Namenbuch Osterreichs (1975). ¨ Akad, Jg. 150 C Almanach Ost

Breuberg, Gerlach Reiz von, Landvogt der Wetterau, Reichsvikar von Th¨uringen, † 1306 Ortenberg. Unter K¨onig → Rudolf von Habsburg im Dienst des Reiches t¨atig, machte sich B. um die Wahrung des Landfriedens in Th¨uringen verdient. Um 1291 wurde er Landrichter und Landvogt der Wetterau und in diesem Amt von K¨onig → Adolf von Nassau best¨atigt, den er bei der Besetzung der Wettiner Gebiete maßgeblich unterst¨utzte. Seit 1295 Landfriedenshauptmann und Reichsvikar von Th¨uringen, wurde B. nach dem Regierungsantritt → Albrechts von ¨ Osterreich wegen seiner engen Beziehungen zu den rheinischen Kurf¨ursten entlassen, geh¨orte aber noch 1303 zu den vom K¨onig bestimmten Richtern des Hofgerichts. C NDB

Breuer, Hans, S¨anger, Regisseur, * 27. 4. 1868 K¨oln, † 11. 10. 1929 Perchtoldsdorf (Nieder¨osterreich). Das bei Benno → Stolzenberg in K¨oln begonnene Gesangstudium setzte B. bei Julius → Kniese und Cosima → Wagner in Bayreuth fort und deb¨utierte 1894 in kleinen Partien in Lohengrin und in Parsifal. 1896-1919 feierte er bei den Bayreuther Festspielen allj¨ahrliche Erfolge als Mime im Ring und sang 1899 auch den David in den Meistersingern. 1896 / 97 war B. am Opernhaus in Breslau engagiert, geh¨orte 1898-1900 dem Ensemble der Metropolitan Opera in New York an, gab Gastspiele in Covent Garden in London und erhielt 1900 ein Engagement an der Hofoper Wien, an der er bis an sein Lebensende t¨atig war. Als einer der gefeiertesten Buffoten¨ore seiner Zeit sang er 1910 beim Salzburger Mozart-Fest den Monostatos in der Zauberfl¨ote, bei den Salzburger Festspielen von 1922-25 und 1928 den Basilio in Die Hochzeit des Figaro und den Monostatos. Bei den Salzburger Festspielen f¨uhrte B. auch Regie und leitete 1919 an der Wiener Staatsoper die Urauff¨uhrung der Oper Die Frau ohne Schatten von Richard → Strauss. Er war der C Kutsch Vater des Schauspielers Siegfried → B.

Breuer Breuer, Hans, eigentl. Johannes Emil B., Mediziner,

Breuer, Johann Gregor, P¨adagoge, * 26. 11. 1820 Neuss,

Liedersammler, * 30. 4. 1883 Gr¨obers bei Halle / Saale, † 20. 4. 1918 Melres bei Verdun. Als Medizinstudent (Promotion 1910, Herzkranke Kinder im sp¨ateren Leben) nahm B., Sohn eines Kaufmanns, 1901 in Steglitz (heute zu Berlin) an der von Karl → Fischer ins Leben gerufenen Gr¨undung einer Abspaltung des Wandervogels teil und war seit 1907 Vorsitzender des Deutschen Bundes Wandervogel. Auf seine Initiative hin o¨ ffnete sich der bis dahin aus Obersch¨ulern bestehende Wandervogel auch Jugendlichen aus anderen Schichten, nahm M¨adchen auf und entwickelte ein auf gemeinsamen Wanderungen und Zeltlagern entstandenes neues jugendspezifisches, der Erwachsenenwelt kritisch gegen¨uberstehendes Lebensgef¨uhl. Mit seinem 1909 erschienenen Liederbuch Zupfgeigenhansl (101913, 1641940, Neudr. 1950) machte B. den Wandervogel mit alten deutschen Volksliedern bekannt. 1911 trat er von seinem Amt zur¨uck und ließ sich als Arzt in Gr¨afenroda (Th¨uringen) nieder. Bei Kriegsbeginn 1914 meldete er sich freiwillig, wurde Bataillonsarzt und fiel vor Verdun. C MGG

begraben 2. 4. 1897 San Remo. Der Sohn eines M¨ullers erhielt 1838 eine Stelle als Hilfslehrer an der kath. M¨adchenschule in Elberfeld. Seit 1845 Hauptlehrer, engagierte er sich vor allem f¨ur die Armen der Industriestadt Barmen-Elberfeld und gr¨undete u. a. 1841 einen katholisch-karitativen Verein zur Pflege Kranker, 1844 den Verein „Parlament“ zum Bau des St.-Josef-Hospitals, 1845 einen M¨adchenverein, 1846 einen sp¨ater von Adolph → Kolping geleiteten Gesellenverein, 1847 einen Verein zur Betreuung von Dienstm¨adchen, eine Stellenvermittlung und 1866 den Spar- und Darlehensverein zum Hl. Josef. B. stritt u. a. f¨ur eine Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiter und ihrer Wohnsituation. C Wuppertal Bio, Bd 6

Breuer, Heinz, Chemiker, Mediziner, * 2. 5. 1926 Bonn, † 20. 8. 1982 Bonn. Nach kurzer Milit¨arzeit bei der Kriegsmarine und vor¨ubergehender Internierung studierte B. seit 1945 in Bonn Chemie und wurde 1952 mit der Arbeit Steroidhormone, ihre Wirkung auf Atmung und Glykolyse von tierischem und Mamma-Carcinom-Gewebe promoviert. Zur gleichen Zeit studierte er Medizin, habilitierte sich 1958 f¨ur Physiologie und klinische Chemie und wurde 1963 apl. Prof. der klinischen und physiologischen Chemie an der Univ. Bonn. 1974-78 war B. Vizepr¨asident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 1968-72 Pr¨asident der Deutschen Gesellschaft f¨ur Klinische Chemie und 1975 / 76 sowie 1981 / 82 Pr¨asident der Deutschen Gesellschaft f¨ur Endokrinologie. Haupts¨achlich auf dem Gebiet der Biochemie der Hormone arbeitend, besch¨aftigte er sich u. a. mit der Isolierung und Identifizie¨ rung unbekannter Ostrogene, der Untersuchung der Wechselwirkung der Steroidhormone und der Entwicklung von Referenz- und definitiven Methoden in der klinischen Chemie. B. ver¨offentlichte u. a. Fragen der Forschungspolitik (mit Otto P¨oggeler, 1980) und gab mit Daisy Hamel und Hans Ludwig Krusk¨amper Methoden der Hormonbestimmung (1975) heraus.

Breuer, Isaak, Jurist, * 19. 9. 1883 P´apa (Ungarn), † 10. 7. 1946 Jerusalem. Der aus einer Frankfurter Rabbinerfamilie stammende B. studierte 1902-04 Philosophie, Philologie und Geschichte in Gießen, erhielt 1904 den Titel eines Rabbiners, setzte die Studien 1904-06 an der Univ. Straßburg fort und widmete sich 1906-09 dem Studium der Rechtswissenschaften in Berlin und Marburg. 1911 promoviert (Die rechtliche Natur der Patentlizenz), geh¨orte B. zu den Gr¨undern des Bundes J¨udischer Anw¨alte in Frankfurt / Main, dessen erster Pr¨asident er war. 1912 beteiligte sich B. in Kattowitz an der Gr¨undungsversammlung der Agudas Jisroel. Seit 1913 war er als Rechtsanwalt in Frankfurt t¨atig, nahm 1915-18 am Ersten Weltkrieg teil und wurde nach Kriegsende Mitglied der Hauptverwaltung der Vaad Hapoel, einer Untergruppe der Agudas Jisroel. 1936 emigrierte B. nach Pal¨astina, vertrat die Agudat Isroel auf internationaler Ebene und war Mitbegr¨under und Pr¨asident der Poalei Agudat Israel. Neben Romanen wie Ein Kampf um Gott (1920) und Falk Nefts Heimkehr (1923) ver¨offentlichte B. u. a. Die preußische Austrittsgesetzgebung und das Judentum (1913), Messiasspuren (1918) und Die Welt als Sch¨opfung und Natur (1926). C Lex dt-j¨ud Autoren

Breuer, Josef, o¨ sterr. Mediziner, * 15. 1. 1842 Wien, † 25. 6. 1925 Wien. B., Sohn eines liberalen j¨udischen Religionslehrers, studierte in Wien Medizin, wurde 1864 promoviert, war Assistent Theodor → Oppolzers, arbeitete u¨ ber Temperaturregulation und Physiologie der Atmung („Hering-Breuer-Reflex“) und ließ sich 1871 als praktischer Arzt in Wien nieder. Nebenher f¨uhrte er Untersuchungen zu Bau und Funktion des Innenohrs durch („Mach-Breuersche Str¨omungstheorie der Endolymphe“), habilitierte sich 1874 f¨ur Innere Medizin, gab jedoch die venia legendi 1884 zur¨uck. Er war Hausarzt und Freund zahlreicher Mitglieder des Wiener Professorenkollegiums und des gehobenen Wiener B¨urgertums. B. war philosophisch gebildet und befaßte sich mit Fragen der Erkenntnistheorie und mit der theoretischen Fundierung des Darwinismus. Als aufgekl¨arter und assimilierter Jude bekannte er sich zu einer Art Pantheismus in Anlehnung an → Goethe und Gustav Theodor → Fechner. Sein Wahlspruch war das „suum esse conservare“, „sein Wesen erhalten“ Spinozas. B.s Physiologie war geleitet von der Suche nach dem Zusammenhang von Struktur und Funktion, also von einer teleologischen Fragestellung; sein spezielles Interesse galt Regulationsvorg¨angen in der Form von Selbststeuerungsmechanismen. Im Gegensatz zu vielen Physiologen der biophysikalischen Bewegung um Ernst → Br¨ucke, Hermann von → Helmholtz und Emil → Du Bois-Reymond bekannte er sich zum Neovitalismus. 1880-82 behandelte B. eine junge Patientin, Bertha → Pappenheim („Anna O.“), wegen eines nerv¨osen Hustens und wegen einer Vielzahl weiterer hysterischer Symptome (Stimmungswechsel, Bewußtseinsalterationen, Sehst¨orungen, L¨ahmungen und Kontrakturen, Aphasie usw.). Arzt und Patientin beobachteten, daß bestimmte Symptome dann verschwanden, wenn es gelang, im Gespr¨ach das erste Auftreten zu reproduzieren und die begleitenden Affekte wachzurufen und abzureagieren, und entwickelten eine systematische Prozedur, die die Patientin als „talking cure“ oder als „chimney-sweeping“ (Kaminfegen) bezeichnete. B.s Verfahren entwickelte sein 14 Jahre j¨ungerer Kollege und Freund Sigmund → Freud an eigenen F¨allen weiter. Diskussion und Auseinandersetzung beider f¨uhrten zu einer gemeinsamen ¨ Publikation 1893 (Uber den psychischen Mechanismus hysterischer Ph¨anomene. Vorl¨aufige Mittheilung) bzw. 1895 (Studien u¨ ber Hysterie), in der die Autoren ihre „Kathartische Methode“ theoretisch und praktisch beschrieben und durch f¨unf ausf¨uhrliche Krankengeschichten veranschaulichten. In der Folge brachten pers¨onliche Differenzen und sachliche Meinungsverschiedenheiten die Kooperation zu einem

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Breuer Ende. B. verfolgte aber die weitere Entwicklung der Psychoanalyse interessiert, und Kontakte zwischen den Familien Freud und B. blieben u¨ ber B.s Tod hinaus erhalten. WEITERE WERKE: Die Selbststeuerung der Athmung durch den Nervus vagus. In: Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften, Wien, Mathematisch-naturwissenschaftliche ¨ Klasse 58 / 2 (1868) S. 909-937. – Uber die Function der Bogeng¨ange des Ohrlabyrinthes. In: Medizinische Jahrb¨ucher 4 (1874) S. 72-124. – Die Krisis des Darwinismus und die Teleologie (Vortrag 1902). Neudruck T¨ubingen 1986. – Studien u¨ ber den Vestibularapparat. In: Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften, Wien, Mathematischnaturwissenschaftliche Klasse 112 / 3 (1903) S. 315-394. – Briefwechsel mit Marie von Ebner-Eschenbach. Hrsg. v. Robert A. Kann. Wien 1969. LITERATUR: Albrecht Hirschm¨uller: Physiologie und Psychoanalyse in Leben und Werk J. B.s. Bern / Stuttgart 1978 ¨ (Jahrbuch der Psychoanalyse, Beiheft 4). Engl. Ubers. 1989, ¨ frz. Ubers. 1991. Enth¨alt Briefwechsel B.s mit T. Gomperz, F. Brentano, A. F. Seligmann, A. D. Klein, W. Fließ (diese nur in der engl. und frz. Ausgabe) sowie die Originalkrankengeschichte der „Anna O.“. Albrecht Hirschm¨uller

Breuer, Leo, eigentl. Leonhard B., Maler, * 21. 9. 1893 Endenich (heute zu Bonn), † 14. 3. 1975 Bonn. B. studierte 1912-21, unterbrochen 1915-18 von Kriegsdienst und Gefangenschaft in Rußland, an der K¨olner Kunstgewerbeschule und 1921 / 22 an der Akademie in Kassel. Seit 1922 trat er mit Portr¨ats im Stil der Neuen Sachlichkeit hervor, geh¨orte seit 1928 der Rheinischen Sezession an, schuf B¨uhnenbilder und arbeitete als Illustrator u. a. f¨ur den „Querschnitt“. 1933 ging B. zum Expressionismus u¨ ber und emigrierte 1934 nach Den Haag, 1935 nach Br¨ussel, wo er 1938 in der Ausstellung „L’art n’a pas patrie“ seine ersten abstrakten Figurenkompositionen ausstellte. Seit 1940 in Frankreich interniert, wurde er 1941 interniert und lebte seit 1943 im Untergrund. 1945 floh er kurz vor Kriegende nach Paris; er lebte dort und seit 1952 auch in Bonn als freischaffender K¨unstler. Seit 1951 schuf B. Darstellungen seriell angeordneter geometrischer Formen, von 1967 an auch kinetische Reliefs. C AKL

Breuer, (Friedrich) Ludwig, Diplomat, * 28. 2. 1786 Dresden, † 31. 12. 1833 Dresden. Nach dem Besuch der Univ. Leipzig war B., Sohn eines Kaufmanns, 1808-12 s¨achsischer Legationssekret¨ar in M¨unchen. 1813-15 vertrat er neben Karl Friedrich Ludwig von Watzdorf und Friedrich Albert Graf von der Schulenburg-Klosterroda das mit Napoleon verb¨undete und nach dessen Niederlage schwer bedr¨angte Sachsen bei den Alliierten und auf dem Wiener Kongreß. 1824 als Geheimer Kabinettsrat in das Departement der ausw¨artigen Angelegenheiten berufen, wirkte B. 1830 / 31 an der Ernennung Prinz → Friedrich Augusts zum Mitregenten und der Formulierung der S¨achsischen Verfassung mit. Er trat auch als Schriftstel¨ ler und Ubersetzer hervor, gab Britische Dichterproben (3 Bde., 1819-27) heraus, ver¨offentlichte Gedichte (1835) und ¨ wirkte seit 1827 an der Dante-Ubersetzung Prinz → Johanns von Sachsen mit. C NDB

Breuer, Marcel Lajos, Architekt, Designer, * 22. 5. 1902 F¨unfkirchen (heute P´ecs, Ungarn), † 1. 7. 1981 New York. Seine in Wien begonnene Ausbildung zum Architekten setzte B. 1920-24 als Sch¨uler von Walter → Gropius am Weimarer Bauhaus fort, leitete seit 1925 dessen M¨obelwerkstatt und entwarf u. a. die ersten serienm¨aßig produzierten freischwingenden Stahlrohrst¨uhle, 1926 den Bau und die Innenausstattung des Bauhauses Dessau. Seit 1928 als Architekt in Berlin t¨atig, nahm er 1930 an den Ausstellungen des Werkbundes teil und baute u. a. das Folkwangmuseum in

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Essen sowie 1935 / 36 Wohnbauten im Doldertal in Z¨urich. 1933 in seine Heimat Ungarn zur¨uckgekehrt, u¨ bersiedelte B. wegen mangelnder Akzeptanz 1935 nach London, wo er vor allem als M¨obeldesigner arbeitete. 1937-46 lehrte er Architektur an der Harvard University in Cambridge (Massachusetts, USA) und lebte danach als Architekt in New York. Dort baute er B¨uro- und Universit¨atsgeb¨aude, 1963-66 das Whitney Museum of American Art. Eine seiner Nachkriegsarbeiten in Europa ist die Beteiligung am 1953-58 entstandenen UNESCO-Geb¨aude in Paris. B. ver¨offentlichte u. a. Arts in our time (1939) und The modern house (1940). C AKL

Breuer, Peter, auch Bauer, Br¨auer, Brauer, Brayer, Brewer, Bildschnitzer, * um 1472 Zwickau (?), † 12. 9. 1541 Zwickau. Nach einer ersten in Zwickau absolvierten Ausbildung war B. 1492 wahrscheinlich als Geselle bei Tilman → Riemenschneider in W¨urzburg und 1494 kurzzeitig in Ulm t¨atig. 1497 ließ er sich als selbst¨andiger Schnitzer in Zwickau nieder, wo er, bestimmt vom Stil Riemenschneiders, den Altar der Kirche von Steinsdorf bei Plauen, die Figuren des Altars der Nikolaikirche in Zwickau und sein Hauptwerk, die Beweinung Christi in der Zwickauer Marienkirche, schuf. Seit 1504 im Besitz des Zwickauer B¨urgerrechts und Haus- und Werkstattbesitzer, ging B. zur Herstellung kompletter Alt¨are u¨ ber, f¨ur deren Bemalung er angestellte Maler besch¨aftigte. Bis zur Reformation, die seiner Arbeit f¨ur die Kirche 1521 ein Ende setzte, schnitzte er neben etlichen sp¨atgotischen Alt¨aren f¨ur th¨uringische Dorfkirchen, von denen 24 erhalten sind, mehr als 200 Einzelfiguren und Gruppen. Sein letztes Werk ist ein Kruzifix f¨ur das Rathaus von Zwickau. C AKL Breuer, Peter (Christian), Bildhauer, * 19. 5. 1856 K¨oln, † 1. 5. 1930 Berlin. B. erlernte 1871-74 Steinbildhauerei und Holzschnitzerei in K¨oln, besuchte 1874-78 die Kunstakademie in M¨unchen und setzte seine Ausbildung an der Berliner Hochschule f¨ur bildende K¨unste fort. Seit 1892 dort Hilfslehrer, wurde B. 1905 zum Prof. ernannt und 1909 in den Senat der Akademie der K¨unste in Berlin gew¨ahlt. Neben Entw¨urfen f¨ur Kleinplastiken und kunstgewerbliche Gegenst¨ande schuf er mehrfach pr¨amierte Monumentalstatuen (u. a. eine Kolossalb¨uste der Kaiserin → Augusta, 1883), Denkm¨aler im Stil des naturalistischen Neobarock, 1897 eine Christusgruppe, das Lilienthal-Denkmal in Berlin-Lichterfelde und die Gruppe des Kurf¨ursten → Johann Sigismund f¨ur die Siegesallee in Berlin. C AKL

Breuer, Philipp, Schauspieler, * 1813 M¨ulheim / Ruhr (?), † 27. 11. 1851 Wiesbaden. Als Sohn eines einer Wandertruppe angeh¨orenden Schauspielers trat B. fr¨uh in Kinderrrollen auf, eignete sich autodidaktisch das Englische und Franz¨osische sowie Kenntnisse in Geschichte und Kunst an und spielte bald an verschiedenen B¨uhnen gr¨oßere Rollen. Nach einigen Jahren erfolgreicher T¨atigkeit am Theater von Riga kehrte er in das Rheinland zur¨uck und wurde 1845 als Heldendarsteller an das Stadttheater Frankfurt / Main berufen. Daneben hielt er in den „Museumskonzerten“ Vortr¨age und Dichterlesungen. Einen besonderen Erfolg erlebte er mit seinem Er¨offnungsvortrag, mit dem er 1848 eine Vorstellungsreihe deutscher Trauerspiele f¨ur die Abgeordneten der Frankfurter Paulskirche er¨offnete. C Neuer Nekr, Jg. 29

Breuer, Robert, eigentl. Lucian Friedl¨ander, Pseud. Germanicus, Journalist, Schriftsteller, * 20. 7. 1878 Rzeki bei Tschenstochau (Polen), † 30. 4. 1943 Martinique. B., Sohn eines j¨udischen Getreideh¨andlers, wurde Mitglied der SPD und Mitarbeiter des „Vorw¨arts“. 1909 geh¨orte er

Breuner zu den Begr¨undern des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller, dem er sp¨ater als Gesch¨aftsf¨uhrer vorstand. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs war er unter dem Pseud. Germanicus f¨ur die Zeitschrift „Schaub¨uhne“ und f¨ur den Deutschen Werkbund t¨atig. 1917 Sekret¨ar im Nationalausschuß zur Herbeif¨uhrung eines Verst¨andigungsfriedens, wurde er 1918 stellvertretender Pressechef der Staatskanzlei und des Ausw¨artigen Amtes; er galt als Vertrauter der Regierungen Ebert und Braun-Severing. Seit 1920 Gesch¨aftsf¨uhrer des Verlags f¨ur Sozialwissenschaft und Chefredakteur der „Glocke“ in Berlin, seit 1925 Abteilungsleiter der Reichszentrale f¨ur Heimatdienst, wurde B. 1932 vor¨ubergehend in „Schutzhaft“ genommen und emigrierte 1933 nach Paris. Dort war er f¨ur verschiedene deutsche Exilzeitschriften t¨atig, unterzeichnete 1936 den Volksfrontaufruf, wurde 1939 bei Kriegsausbruch interniert und wanderte 1940 nach Martinique aus. C BHdE, Bd 1

Breuer, Robert, Schriftsteller, Musikkritiker, * 3. 10. 1909 Wien, † 24. 6. 1996 Forest Hills (New York, USA). B., Sohn eines Schneidermeisters, erhielt mit sechs Jahren Klavierunterricht und studierte sp¨ater an der Univ. Wien Jura und Musik; in den theoretischen F¨achern wurde er von H. Geier und Richard → Neumann unterwiesen. Seit Ende der zwanziger Jahre war B. als Publizist t¨atig, gr¨undete 1928 die Jugendbeilage der „Neuen Freien Presse“ und war Berichterstatter f¨ur Tageszeitungen in Br¨unn, Preßburg, Zagreb und Stettin. 1938 nach England, 1940 in die USA emigriert, war B. Theater- und Musikberichterstatter f¨ur europ¨aische Tageszeitungen, u. a. f¨ur die „Neue Z¨urcher Zeitung“ (seit 1950) und den Sender RIAS Berlin (1964-72). 1941 wurde er Mitarbeiter des „Aufbau“, dessen Musikressort er 1961-92 leitete. Als Musikkritiker arbeitete er u. a. f¨ur die „New York Times“. 1988 erschien Nacht u¨ ber Wien. Ein Erlebnisbericht aus den Tagen des Anschlusses im M¨arz 1938 (Erstfassung 1938 in England). C Lex o¨ sterr Exillit

Breuer, Salomo, Rabbiner, Talmudist, * 27. 6. 1850 Neutra (Slowakei), † 17. 7. 1926 Frankfurt / Main. Der einer j¨udischen Gelehrtenfamilie entstammende B. wirkte nach seiner 1875 in Heidelberg erfolgten Promotion zun¨achst als Rabbiner in Mainz und in P´apa in Ungarn. 1890 wurde er von der J¨udischen Gemeinde in Frankfurt / Main als Nachfolger seines verstorbenen Schwiegervaters Samson Raphael → Hirsch zum Oberrabbiner gew¨ahlt. Er gr¨undete den Verband orthodoxer Rabbiner Deutschlands, der im Gegensatz zu der traditionell gesetzestreuen HildesheimerSchule keine auch dem Allgemeinen Rabbiner-Verband angeh¨orenden Rabbiner aufnahm. In der Agudas Jisroel setzte B., der auch eine f¨uhrende Rolle in der Freien Vereinigung zur F¨orderung der Interessen des orthodoxen Judentums spielte, seine orthodoxen Vorstellungen letztlich durch. In Frankfurt gr¨undete B., der als einer der besten Talmudisten Westeuropas galt, die bald hundert Sch¨uler z¨ahlende Jeschiwa Samson Raphael Hirsch. Er war der Vater von Samson → B.

Breuer, Samson, Mathematiker, * 22. 4. 1891 Frankfurt / Main, † 9. 5. 1974 Haifa (Israel). B., Sohn des orthodoxen Rabbiners Salomo → B., besuchte die von seinem Vater gegr¨undete Jeschiwa und die Oberrealschule in Frankfurt / Main. Seit 1912 studierte er in Gießen, Heidelberg, Straßburg, Frankfurt / Main und G¨ottin¨ gen, wurde 1918 mit der Dissertation Uber die irreduktiblen aufl¨osbaren trimonischen Gleichungen f¨unften Grades promoviert und zog anschließend in den Ersten Weltkrieg. 1921 habilitierte er sich an der TH Karlsruhe mit der Arbeit Beitr¨age zum Abel’schen Gleichungsproblem, erhielt eine Privatdozentur f¨ur Mathematik und wurde 1925 zum a. o.

Prof. ernannt. Seit 1928 Dozent f¨ur Versicherungsmathematik an der Univ. Frankfurt und von den Nationalsozialisten entlassen, emigrierte B. 1933 nach Pal¨astina. Dort war er 1934-45 bei einer Versicherung t¨atig, leitete 1949-54 die Versicherungsabteilung des israelischen Finanzministeriums und war 1954-66 Hauptaktuar des Nationalen Versicherungsinstituts in Jerusalem. B. schrieb u. a. Aufl¨osbare Gleichungen (1925), Zu den Newtonschen Formeln f¨ur die Potenzsummen der Wurzeln einer Gleichung (1925), Zur Theorie der metazyklischen Gleichungen von Primzahlgrad (1925) sowie Arbeiten u¨ ber Gruppentheorie und Aktuarfragen im Versicherungswesen. C BHdE, Bd 1

Breuer, Siegfried, o¨ sterr. Schauspieler, * 24. 6. 1906 Wien, † 1. 2. 1954 G¨ottingen. Der Sohn des S¨angers Hans → B. und Patensohn Siegfried → Wagners entschied sich B. f¨ur eine B¨uhnenlaufbahn. Nach seiner Ausbildung an der Wiener Akademie f¨ur Musik und darstellende Kunst wurde er 1923 an das Deutsche Volkstheater verpflichtet. Es folgten Engagements in Prag, Aussig und Berlin, wo B. seinen ersten Film Leinen aus Irland drehte. Zu seinen Vorkriegsfilmen z¨ahlen auch Operettenverfilmungen und die Romanze in Moll. Nach 1945 wirkte B. u. a. in Der dritte Mann mit und f¨uhrte im Schuß durchs Fenster erstmals Regie. Nach Musikfilmen und Kom¨odien wie In M¨unchen steht ein Hofbr¨auhaus rief ihn Heinz → Hilpert ¨ 1953 zur Ubernahme der Rolle des Nathan an das G¨ottinger Theater. B. war seit 1941 mit der Schauspielerin und T¨anzerin Maria → Andergast verheiratet. C Munzinger

Breuhaus de Groot, Fritz August, Architekt, Designer, * 9. 2. 1883 Solingen, † 2. 12. 1960 K¨oln. Die Ausbildung zum Architekten absolvierte der der niederl¨andischen Malerfamilie de Groot entstammende B. de G. an der Bau- und Kunstgewerbeschule D¨usseldorf und den Technischen Hochschulen Stuttgart, Darmstadt und Berlin-Charlottenburg. Anschließend war er in D¨usseldorf, M¨unchen, Bremen, seit 1932 in Berlin und nach 1945 in K¨oln t¨atig. Neben Wohnsiedlungen f¨ur die Thyssen-Werke in Herborn und dem Sitz der Westfalenbank in Bochum errichtete B. de G. vor allem Villen, Landh¨auser und Hotelbauten (u. a. Landhaus Andreae in Feldafing am Starnberger See, Villa Caslano am Luganer See, Schloß Nordkirchen f¨ur den Herzog von Arenberg). B. de G. machte sich auch als Innenarchitekt, als Autor von Fachb¨uchern wie Das Haus eines Kunstfreundes und als Designer einen Namen. Er entwarf Inneneinrichtungen von Ozeandampfern, Zeppelinen und Schlafwagen sowie Automobile, M¨obel, Porzellan und Tapeten. C AKL

Breuker, Johannes, Publizist, * 24. 5. 1817 Kirchhellen (Westfalen), † 15. 6. 1885 Kirchhellen. Nach einer humanistischen Erziehung bet¨atigte sich B. in der Landwirtschaft und gr¨undete 1870 das Wochenblatt „Der westf¨alische Bauer“, das 1876 offizielles Sprachrohr des Westf¨alischen Bauernvereins wurde. Er bek¨ampfte in seiner Zeitung vehement die bismarcksche Wirtschaftspolitik, was ihm zeitweise Haft einbrachte. Programmatische Wirkung entfaltete sein Pamphlet Rechte und Pflichten des Bauernstandes (1869). C DLL

Breuner, Philipp Friedrich Frh. von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 1601, † 1638 Warnem¨unde (Mecklenburg). Der einem aus Utrecht und K¨oln kommenden und im 14. Jh. in die Steiermark eingewanderten Adelsgeschlecht entstammende B. stand zu Beginn des Dreißigj¨ahrigen Kriegs in o¨ sterr. Milit¨ardiensten. 1625 war er als Oberst eines Regiments an der Niederschlagung des o¨ sterr. Bauernaufstandes beteiligt, k¨ampfte gegen die D¨anen und gegen die Schweden. Bis zu → Wallensteins Tod 1634 stand er in dessen Diensten, wurde in der Schlacht von L¨utzen verwundet, nahm

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Breunig 1634 an der Belagerung Regensburgs teil, eroberte 1635 das von den Schweden besetzte Heidelberg und r¨uckte, inzwischen Feldzeugmeister, zusammen mit Matthias Graf von → Gallas bis an die Ostsee vor. Er starb bei der Belagerung Warnem¨undes. C ADB

Breunig, Georg Ritter von, Jurist, Politiker, * 1. 8. 1855 Dettelbach (Unterfranken), † 6. 1. 1933 M¨unchen. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in W¨urzburg, Leipzig und Berlin trat B., Sohn eines M¨uhlenbesitzers, in den bayerischen Staatsdienst ein und wurde 1895 Regierungs- und Fiskalrat in W¨urzburg, 1901 Rat am Verwaltungsgerichtshof in M¨unchen. Seit 1903 Ministerialrat im bayerischen Finanzministerium und Kronanwalt, seit 1912 Finanzminister, wirkte B. federf¨uhrend an der Umgestaltung der bayerischen Steuergesetzgebung mit. 1913 gr¨undete er die „Bayerische Staatszeitung“, erreichte im selben Jahr die Erhebung des Prinzregenten → Ludwig (III.) zum K¨onig von Bayern und wurde in den Adelsstand erhoben. Nach der Revolution von 1918 mit der ganzen Regierung zur¨uckgetreten, bekleidete er 1920-23 das Amt des Senatspr¨asidenten des 1918 auf seine Initiative hin gegr¨undeten Reichsfinanzhofs in M¨unchen. C NDB

Breuning, Christian Heinrich, Jurist, * 24. 12. 1719 Leipzig, † 16. 11. 1780 Leipzig. B. besuchte die Leipziger Thomasschule, an der sein Vater Lehrer war, und bezog 1739 die Juristische Fakult¨at der dortigen Universit¨at. 1749 erreichte er das Bakkalaureat, wurde 1752 zum Doktor der Rechte promoviert und erhielt 1754 eine a. o. Professur. Seit 1756 Mitglied der Gelehrten Gesellschaft in Duisburg, wurde er 1762 o. Prof. des Natur- und V¨olkerrechts an der Univ. Leipzig. B. ver¨offentlichte zahlreiche juristische Abhandlungen und Vorlesungen in lateinischer Sprache, darunter De iuramento iure gentium incognito (1762), Differentia iuris Romani et Germanici in legitima et quaerela inofficiosi testamenti (1762) und eine Moralische Betrachtung u¨ ber den Entschluß und Wahl bey der zweyten Ehe (1776).

Breuning, J¨org → Preining, J¨org Breuning, Konrad von, Vogt von T¨ubingen, * um 1461, † 27. 9. 1517 Stuttgart. Der einer T¨ubinger Patrizierfamilie entstammende B. wurde 1492 Vogt von T¨ubingen, geh¨orte als Vertrauter Graf → Eberhards im Barte dem Hofgericht an und war maßgeblich an der Absetzung Herzog → Eberhards II. beteiligt. Unter Herzog → Ulrich Mitglied des Großen Rats, vermittelte er 1514 beim Remstaler Aufstand des Armen Konrad zwischen Herzog und Landschaft. Nach der Ermordung des Ritters Hans von Hutten im Jahr 1515 und der Flucht der Herzogin Sabina enthob Herzog Ulrich B. seines Amtes als Vogt, ließ ihn 1516 verhaften, erzwang durch schwerste Folter ein von B. gleich wieder widerrufenes Gest¨andnis des Hochverrats und Majest¨atsverbrechens und ließ ihn enthaupten. C Leb Schwaben, Bd 4

Breus, Karl, o¨ sterr. Gyn¨akologe, * 12. 4. 1852 Wien, † 15. 6. 1914 Latschach / Faaker See (K¨arnten). Der Sohn eines o¨ sterr. Milit¨ararztes studierte an der Univ. Wien Medizin, sammelte als pathologisch-anatomischer Assistent erste wissenschaftliche Erfahrungen und wurde 1876 promoviert. Seit 1878 Geburtshelfer und Assistent Gustav von → Brauns, wurde er 1883 zum Prof. der Geburtshilfe und 1892 der Gyn¨akologie ernannt. In seiner ersten gr¨oßeren Publikation lieferte er eine Beschreibung des fortan „Breussches Ei“ benannten Eis in der zweiten Schwangerschafts¨ woche. In der Untersuchung Uber wahre Epithel f¨uhrende Cystenbildung in Uterusmyomen (1894) f¨uhrte er deren Entstehung auf Residuen des Gartnerschen Ganges zur¨uck. Das

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von ihm beschriebene subser¨ose subchoriale H¨amatom der Dezidua erhielt die Bezeichnung „Breus-Mole“. Sein Hauptwerk Die pathologischen Beckenformen (3 Bde.) erschien ¨ 1899-1912. 2 C Arzte

Breusing, Friedrich August Arthur, Nautiker, * 18. 3. 1818 Osnabr¨uck, † 28. 9. 1892 Bremen. Nach dem an den Universit¨aten Bonn, Berlin und G¨ottingen absolvierten Studium der Mathematik, Physik, Botanik, Geologie und Meteorologie besuchte B., Sohn eines Provinzial-Steuerdirektors, die Navigationsschule in Hamburg und wurde 1850 Lehrer, 1858 Direktor der Seefahrtsschule in Bremen. Sein 1852 erstmals erschienenes Handbuch der Steuermannskunst (51890) wird als Lehrbuch der Navigation noch heute benutzt. Als klassisches kartographisches Werk gilt B.s Arbeit u¨ ber Das Verebnen der Kugeloberfl¨ache f¨ur Gradnetzentw¨urfe (1892). Er befaßte sich auch mit der Seefahrt in der Antike und der Geschichte der Nautik (u. a. Die Nautik der Alten, 1886; Steuermannskunst, 1871; Die nautischen Instrumente bis zur Erfindung des Spiegelsextanten, 1890). C Brem Bio 1 Brever, Johann, auch Johannes Breverus, evang. Theologe, * 11. 3. 1616 Eisleben, † 12. 5. 1700 Riga. Nach dem Pesttod seines Vaters, eines Konsistorialsekret¨ars, wurde B. 1634 von Verwandten zur Ausbildung an das Gymnasium von Riga geschickt. Mit einem Stipendium des Rats der Stadt Riga versehen, bezog er 1639 die Univ. Marburg, setzte sein Studium der Theologie und Philosophie 1640 in Helmstedt fort und bereiste die Niederlande, Norddeutschland und Sachsen. 1643 wurde er Prof. der Rhetorik, 1645 Prof. der Philosophie und 1650 der Geschichte am Gymnasium in Riga. Seit 1655 auch Inspektor der Domschule und seit 1656 Diakon am Dom, wurde B. 1657 Oberpastor des Stadtkonsistoriums, 1677 Prof. der Theologie und 1690 Superintendent. 1693 verlieh ihm die Univ. Uppsala auf Befehl K¨onig Karls XI. den Doktortitel. B. ver¨offentlichte zahlreiche theologische Abhandlungen, Predigten, Lehrprogamme sowie einen Katechismus und besorgte 1664 die sechste Ausgabe des Rigaer Gesangbuchs. Sein Sohn war der Jurist Hermann von → Brevern. C ADB Brevern, Hermann von, Jurist, * 20. 7. 1663 Riga, † 3. 7. 1721 St. Petersburg. Der Sohn des Rigaer Superintendenten Johann → Brever und einer livl¨andischen Adligen begann 1683 in Altdorf ein Studium der Rechtswissenschaften und bezog 1686 die Univ. Jena. Nach Aufenthalten an verschiedenen deutschen F¨urstenh¨ofen, in Ungarn, Italien, Frankreich, den Niederlanden und England kehrte er 1691 nach Riga zur¨uck. Seit 1693 Beisitzer am Landgericht, wurde B. 1694 in den Adelsstand erhoben, 1696 zum Pr¨ases im Burggericht und 1701 zum Beisitzer im Hofgericht ernannt. Bei Beginn des Nordischen Kriegs begab er sich f¨ur einige Zeit nach L¨ubeck, u¨ bernahm nach seiner R¨uckkehr in Riga kurzzeitig das Amt des Statthalters und hielt sich bis zur Unterwerfung Livlands unter die russische Herrschaft erneut in L¨ubeck auf. 1711 wurde er von Zar Peter I. zum Vizepr¨asidenten des livl¨andischen Hofgerichts und 1717 des Reichsjustizkollegiums in St. Petersburg berufen. B. verfaßte u. a. einige Gutachten u¨ ber das die Selbst¨andigkeit der Deutschen im Baltikum garantierende Privilegium Sigismundi Augusti.

Brewer, Heinrich, auch Heinrich von Puffendorf, kath. Theologe, Historiker, * 6. 9. 1640 Puffendorf bei Geilenkirchen (Rheinland), † um 1715 Puffendorf. Nach der Priesterweihe 1664 war B. Hauslehrer in K¨oln, Kaplan am Bonner M¨unster und erwarb 1667 in K¨oln den theologischen Lizentiatengrad. Seit 1669 Rektor des Frauenklosters zur seligsten Jungfrau in Groß-Nazareth in K¨oln,

Breyer war er 1682-1711 Pfarrer von St. Jakob in Aachen. Bekannt wurde er vor allem als Verfasser der Fortsetzung der seinerzeit popul¨aren, von Johann Adolf Brachel und Christian Adolf Th¨ulden begonnenen Universalgeschichte Historia rerum notabiliorum [. . .] um die Jahre 1661-73. 1676 brachte B. dieses Geschichtswerk noch einmal in einer achtb¨andigen, mit Kupferstichen und Landkarten versehenen Gesamtausgabe heraus. In Anerkennung seiner Verdienste erhielt B. den Ehrentitel eines Kaiserlichen Historiographen. C Wetzer / Welte

Brewer, Hubert, auch Heinrich B., Jurist, Historiker, * um 1750. B., o. Prof. des Naturrechts, der Institutionen und der Geschichte an der Univ. Bonn und Beisitzer im Akademierat f¨ur das kurk¨olnische Schulwesen, wurde als Spezialist f¨ur deutsches und kurk¨olnisches Recht in juristischen Streitf¨allen auch als Praktiker herangezogen. Zu seinen Schriften geh¨oren eine Abhandlung De jurisdictione, judiciis et stylo curiarum quoad Archi-Episcopatum et Electoratum Coloniensem (1778) und Systema juris Romani in foris Germaniae, & patria Coloniensi (1779).

Brewer, Johann Paul, auch Jean Paul B., Mathematiker, Jurist, † 25. 8. 1840 D¨usseldorf. In seiner ersten, 1816 erschienenen Schrift befaßte sich B., Prof. der Physik und Mathematik am Lyzeum in D¨usseldorf, mit der Frage Was hat uns die j¨ungst vergangene Zeit gelehrt? Was d¨urfen wir von der zuk¨unftigen hoffen. In der Folgezeit trat er als Verfasser etlicher mathematischer und physikalischer Lehrb¨ucher hervor; dazu z¨ahlen ein Lehrbuch der Geometrie und ebenen Trigonometrie (1822), Anfangsgr¨unde der Arithmetik f¨ur Schulen (1824) und ein dreib¨andiges Lehrbuch der Mechanik (1829-32). B. nahm Stellung zu juristischen Fragen und schrieb eine Geschichte der franz¨osischen Gerichtsverfassung vom Ursprunge der fr¨ankischen Monarchie bis zu unseren Zeiten (2 Bde., 1837).

Brey, August, Politiker, Journalist, * 1. 8. 1864 Gelnhausen / Kinzig (Hessen), † 18. 7. 1937 Ronnenberg. Seit 1885 in der Gewerkschaftsbewegung und der SPD engagiert, wurde B. 1890 Vorsitzender des von ihm mitbegr¨undeten „Verbands der Fabrik-, Land- und Hilfsarbeiter und -arbeiterinnen“, deren Organ „Der Proletarier“ er bis 1906 redaktionell betreute. Als Vorsitzender der sozialdemokratischen Landesorganisation f¨ur die Provinz Hannover wurde B. 1906 in den Reichstag gew¨ahlt. 1919 / 20 geh¨orte er der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung und der Preußischen Landesversammlung an, seit 1920 wieder dem Reichstag. C Osterroth Brey, Henriette, Schriftstellerin, * 15. 11. 1875 Capellen bei Geldern, † 27. 5. 1953 Ramersdorf bei Bonn. Die Tochter des Kunstmalers Theodor B. trat als Autorin seinerzeit vielgelesener und in andere Sprachen u¨ bersetzter Erz¨ahlungen und Romane hervor. Ihrem ersten, 1912 erschienenen Roman Es fiel ein Reif folgte 1913 der Novellenband Die am Leben zerbrechen. 1926 ver¨offentlichte sie unter dem Titel Der K¨onigsruf eine Sammlung ihrer Essays. C DLL

Breycha-Vauthier de Baillamont, Arthur Carl Baron de, o¨ sterr. Diplomat, Bibliothekar, * 1. 7. 1903 Wien, † 15. 2. 1986 Wien. B.-V. studierte 1921-26 Rechts- und Staatswissenschaften an den Universit¨aten Wien, Innsbruck, L¨owen und London (Promotion 1925) und war 1927 / 28 am Institut f¨ur Weltwirtschaft in Kiel t¨atig. Seit 1928 Leiter des juristischen Auskunftsdienstes der Bibliothek des V¨olkerbundes in Genf und (bis 1963) Sekret¨ar der „International Federation of Library

Associations“, seit 1939 im Schweizer Exil, leitete er zeitweise die Bibliothek des V¨olkerbundes, 1943-46 die der United Nations in Genf. 1950 wurde er Vizepr¨asident des „Welt¨ bundes der Osterreicher“, war 1964-68 a. o. o¨ sterr. Botschafter in Beirut und 1968-76 Leiter der Diplomatischen Akademie in Wien. Zu B.-V.s Ver¨offentlichungen z¨ahlen Das Arbeitsmaterial des V¨olkerbundes (1934), eine Geschichte des Malteserritterordens, eine Biographie → Metternichs, eine ¨ Sammlung von Schriften o¨ sterr. Exilautoren und Osterreich in der Levante (1972). C BHdE, Bd 1

Breyer, Johann Christoph Friedrich, Jurist, * 2. 2. 1749 Stuttgart, † 12. 10. 1777. Wie sein Vater Johann Gottlieb → B. wandte sich B. der Jurisprudenz zu, beendete sein Studium an der Univ. T¨ubingen 1769 mit der Promotion und ging anschließend auf eine ausgedehnte Reise durch Deutschland. 1772 ernannte ihn Herzog Carl von W¨urttemberg zum Geheimen Archivar und a. o. Prof. der Rechte an der Univ. T¨ubingen; 1773 wurde er o. Prof. und Beisitzer am Hofgericht. B. ver¨offentlichte 1767 eine Rede auf die Frage: Sind viel oder weniger Gesetze einem Staat n¨utzlicher, schrieb u. a. eine Untersuchung u¨ ber die Sukzessionsfrage im Falle des Aussterbens der H¨auser Baden und Brandenburg-Bayreuth und Die Theilungen im w¨urttembergischen Hause und die Reichsunmittelbarkeit (1774). B.s Vetter war der in Erlangen lehrende Prof. der Philosophie Johann Friedrich → B. Breyer, Johann Friedrich, evang. Theologe, Philosoph, * 2. 12. 1738 Stuttgart, † 28. 6. 1826 Erlangen. B., ein Neffe des Juristen Johann Gottlieb → B., bezog 1756 das T¨ubinger Stift, studierte Philosophie, Mathematik und Geschichte und erlangte 1758 den Magistergrad. Nach dem theologischen Examen wurde er 1761 als Prediger der deutschen evang. Gemeinde und Lehrer der Kinder des preuß. Konsuls nach Livorno berufen. 1768 reiste er u¨ ber Rom (Bekanntschaft mit → Winckelmann), Neapel, Venedig und M¨unchen nach Hamburg, wo er u. a. mit → Lessing verkehrte. 1769 wurde er o. Prof. der Philosophie an der Univ. ¨ Erlangen, 1773 Altester des Instituts der Moral und der Sch¨onen Wissenschaften. 1776 wurde er ferner zum Prof. der deutschen Literatur und Sch¨onen Wissenschaften, 1782 zum brandenburgischen und sp¨ater zum bayerischen Hofrat ¨ ernannt. B. schrieb u. a. Uber den Eigennutz menschlicher Handlungen und Wie verh¨alt sich das, was ist, zu dem, was seyn soll (1802). C Neuer Nekr, Jg. 4 Breyer, Johann Gottlieb, Jurist, * 25. 12. 1715 Stuttgart, † 25. 1. 1796 Stuttgart. Nach dem an der Univ. T¨ubingen absolvierten Studium der Jurisprudenz bereiste B. Deutschland, Frankreich, England, die Niederlande und Ungarn und trat 1740 als Leutnant in ein o¨ sterr. Regiment ein. Zuletzt Hauptmann und Auditor, quittierte er 1745 den Dienst und kehrte nach W¨urttemberg zur¨uck. Dort avancierte er zum herzoglich w¨urttembergischen Regierungsrat und Geheimsekret¨ar, 1788 zum Geheimen Legationsrat und 1795 zum Geheimen Rat. B. ver¨offentlichte zahlreiche f¨ur W¨urttemberg bedeutende juristische Werke, darunter 1782 die erste im Druck erschienene systematische Darstellung des w¨urttembergischen Staatsrechts, Elementa juris publici Wirtembergici atque serenissimorum ducum privati. Seiner 1788 erschienenen Abhandlung von der Untheilbarkeit der herzogl. Wirtemberg- und M¨ompelgardischen Lande folgten zwei Untersuchungen u¨ ber außerhalb des Kernlandes liegende w¨urttembergische Besitzungen. B.s Sohn war der Jurist Johann Christoph Friedrich → B., Johann Friedrich → B. sein Neffe. C ADB

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Breyer Breyer, Karl Wilhelm Friedrich von, Historiker, * 29. 9. 1771 Heutingsheim (heute zu Freiberg am Neckar), † 28. 4. 1818 M¨unchen. Der Pastorensohn bezog 1789 das T¨ubinger Stift und nahm 1794 nach dem Abschluß des Studiums der Theologie und Philosophie eine Hauslehrerstelle an. 1797 begann er in Jena ein Studium der Geschichte und Philosophie, pflegte engen Kontakt zu → Fichte, habilitierte sich 1800 und erhielt 1803 eine a. o. Professur der Geschichte. 1804 erfolgte B.s Berufung auf den Lehrstuhl f¨ur Geschichte und Statistik an der Univ. Landshut und seine Ernennung zum bayerischen Hofrat. 1807 wurde er in die Kgl. Akademie der Wissenschaften sowie zum Lehrer der Geschichte am M¨unchner Lyzeum berufen. B. verfaßte u. a. Abhandlungen zur bayerischen Geschichte, einen Grundriß der Universalgeschichte (2 Bde., 1802), eine Geschichte des Dreißigj¨ahrigen Kriegs (1811) und ein Lehrbuch der allgemeinen Geschichte (1817). C LMU Breyer, Robert, Maler, * 19. 6. 1866 Stuttgart, † 26. 2. 1941 Stuttgart. B. studierte zun¨achst am Polytechnikum in M¨unchen, 1888-90 Malerei an der dortigen Kunstakademie und begab sich anschließend auf eine Studienreise nach Italien, Frankreich, Spanien und in die Niederlande. Seine ersten Portr¨ats, Landschaften, Stilleben und Interieurs im Stil des Impressionismus waren 1895 in der Ausstellung der M¨unchner Sezession zu sehen. Anfang der neunziger Jahre malte er in Zusammenarbeit mit Max → Slevogt Bilder, die mit „Sleyer“ signiert wurden. Seit 1899 beschickte er u. a. die Ausstellungen der Berliner Sezession, des M¨unchner Glaspalastes und des Deutschen K¨unstlerbundes. Von 1901 an lebte er in Berlin, folgte 1914 einem Ruf an die Akademie der K¨unste in Stuttgart, leitete dort die Malklasse und amtierte 1921-23 als Akademiedirektor. C AKL Breymann, Adolf August Wilhelm, Bildhauer, * 16. 6. 1839 Mahlum bei Braunschweig, † 1. 9. 1878 Wolfenb¨uttel. Der einer Pastorenfamilie entstammende B. trat 1857 in Braunschweig in die Werkstatt des Hofbildhauers Str¨umpell ein, setzte seine Ausbildung in der Erzgießerei und Kupfertreiberei von Georg → Howaldt fort und bezog 1859 die Kunstakademie Dresden. Seit 1861 war er in der Werkstatt von Johann → Schilling t¨atig, verkehrte in den Dresdner K¨unstlerkreisen und pflegte engen Kontakt u. a. zu Julius → Schnorr von Carolsfeld und Ludwig → Richter. 1866 schuf er sein Hauptwerk, ein Standbild → Heinrich des L¨owen, das, umgeben von anderen von B. gestalteten Figuren, 1874 auf dem Brunnen des Braunschweiger Hagenmarkts aufgestellt wurde. 1869 reiste er nach Rom und Neapel, wo u. a. einige Figuren von Bauernkindern entstanden. 1872 erhielt er in London den Auftrag f¨ur zwei Engelskulpturen f¨ur das Grabmal des Prinzen → Albert von CoburgGotha. Von dem Denkmal f¨ur die im Krieg 1870 / 71 gefallenen Braunschweiger konnte B. nur die Figur der Germania und eine Kriegergruppe vollenden. C AKL Breymann, Heinrich Adam Julius, P¨adagoge, Schriftsteller, * 10. 9. 1717 Bruchmachtstetten bei Braunschweig, † 6. 3. 1797. Nach dem Studium unternahm B. eine Bildungsreise nach Italien und begleitete anschließend einige junge Adlige als Hofmeister an die Univ. Frankfurt / Oder. Sein ausgezeichneter Ruf als P¨adagoge f¨uhrte zur Ernennung zum Direktor des Ritterkollegiums in Brandenburg. Zu seinen Sch¨ulern z¨ahlte u. a. der sp¨atere Minister Friedrich Wilhelm von der → Schulenburg-Kehnert. Große Beachtung fanden B.s im Druck erschienenen Lehrprogramme und seine Beytr¨age zur Erziehung, besonders der adelichen Jugend (6 Bde., 1772-74).

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Breymann, Karl, o¨ sterr. Forstwissenschaftler, Mathematiker, * 21. 5. 1807 Salzburg, † 12. 2. 1870 Mariabrunn bei Wien. Nach einer Forst- und Jagdlehre besuchte B. 1825-28 die Forstakademie Mariabrunn; 1828 wurde er Forstamtsassistent in Friedburg und 1831 Revierf¨orster in Fiechtenstein im Innkreis. Seit 1843 Forstmeister in Spital am Pyson und seit 1848 in Salzburg, wurde er 1850 Leiter des Forsttaxationswesens des Herzogtums Salzburg. 1852 erhielt B. eine Professur an der Forstakademie Mariabrunn, an der er bis zu seinem Tod t¨atig blieb. Er ver¨offentlichte u. a. Die sph¨arische Trigonometrie in analytischer Darstellung (1840), Lehrbuch der niederen Geod¨asie zum Gebrauche auf forstlichen, technischen und milit¨arischen Lehranstalten, sowie auch zum Selbstunterrichte f¨ur jeden Freund dieser Wissenschaft (1854), Anleitung zur Waldwertberechnung, sowie zur Berechnung des Holzzuwachses und nachhaltigen Ertrages der W¨alder (1855) und Tafeln f¨ur Forst-Ingenieure und Taxatoren (1859). C ADB Breyne, Jakob, auch Breyn(ius), Botaniker, Kaufmann, * 14. 1. 1637 Danzig, † 25. 1. 1697 Danzig. Der Sohn aus K¨oln stammender Eltern studierte in Leiden und erwarb nach einer ausgedehnten Studienreise 1668 das Danziger B¨urgerrecht als Kaufmann. Daneben bet¨atigte sich B. als Botaniker, besuchte G¨arten in Holland, deren exotische Pflanzen er beschrieb, und korrespondierte mit den bedeutenden zeitgen¨ossischen Botanikern. Seine mit Kupferstichen versehenen Werke, deren Druck er selber u¨ berwachte, geh¨oren zu den sorgf¨altigst edierten botanischen Werken seiner Zeit (u. a. De Indiae utriusque re naturali et medicinali, 1658; Exoticarum aliarumque minus cognitarum plantarum centuria prima, 1678; Prodromus fasciculi rarum plantarum, 1689). Die zweite Auflage einiger Werke B.s besorgte sein Sohn Johann Philipp → B. C Altpreuß Biogr, Bd 1

Breyne, Johann Philipp, Botaniker, Mediziner, * 9. 8. 1680 Danzig, † 20. 12. 1764 Danzig. B., Sohn Jakob → B.s, studierte in Leiden, wurde dort 1699 zum Dr. med. promoviert und ließ sich anschließend in Danzig als Arzt nieder. Er verfaßte einige botanische, besonders Heilpflanzen betreffende Abhandlungen (u. a. De radice GinSem seu Nisi et Chrysanthemo bidente zeylanico, 1700). B. wurde 1715 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Als Mitglied der Royal Society in London schrieb er Observations and descriptions of some Mammoth’s bones and teeth dug up in Siberia (1737). C Altpreuß Biogr, Bd 1

Breysig, Johann Adam, Maler, * 1. 4. 1766 Leutesdorf / Rhein, † 29. 8. 1831 Danzig. Nach der ersten Ausbildung bei einem Koblenzer Theatermaler schloß sich B. einer fahrenden Theatergruppe an. 1792 reiste er nach Rom, wo er seinen schon seit 1789 gehegten Plan eines Rundbilds r¨omischer Ansichten verwirklichte. Bevor er seine Erfindung vorstellen konnte, tat dies Barker 1794 in London unter der Bezeichnung „Panorama“. 1800 malte B. ein großes Panorama von Rom, das wie sp¨atere Panoramen u. a. in Berlin mit großem Erfolg ausgestellt wurde. Seit 1796 Baukommissar des F¨ursten von Anhalt-Bernburg sowie als Theatermaler und B¨uhnenbildner auch anderweitig besch¨aftigt, wurde B. 1799 Prof. an der Provinzialkunstschule in Magdeburg. 1804 mit dem Aufbau der Kunstund Handwerksschule in Danzig betraut, war er 1806-08 als Theatermaler in K¨onigsberg t¨atig und kehrte 1809 als Direktor der Kunst- und Handwerksschule nach Danzig zur¨uck. B. verfaßte kunsttheoretische Schriften wie Die Farbens¨aule (1811) und Planospektive (1811-19). C AKL

Bridel-Brideri Breysig, Kurt, Historiker, * 5. 7. 1866 Posen, † 16. 6. 1940 Bergholz-Rehbr¨ucke bei Potsdam. B., Sohn eines Gymnasiallehrers, studierte als Sch¨uler Gustav von → Schmollers in Berlin Geschichte und wurde dort 1892 Privatdozent, 1896 a. o. und 1923 o. Professor. Ausgehend von Untersuchungen u¨ ber die politische, soziale und kulturelle Entwicklung europ¨aischer V¨olker, suchte er ein universalhistorisches Entwicklungsgesetz nachzuweisen (u. a. Die Kulturgeschichte der Neuzeit, 2 Bde., 1900 / 01; Der Stufenbau und die Gesetze der Weltgeschichte, 1905, 21927). In Naturgeschichte und Menschheitsgeschichte (1933) stellte er wie in seiner Geschichte der Menschheit (2 Bde., 1936-39; 5 Bde., 1955) das Natur- und das Menschheitsgeschehen als miteinander verbunden dar. Zu seinen Hauptwerken z¨ahlen ferner Vom geschichtlichen Werden (3 Bde., 1925-28), Vom Sein und Erkennen geschichtlicher Dinge. Umrisse einer zuk¨unftigen Geschichtslehre (4 Bde., 1935-44) und Gestaltungen des Entwicklungsgedankens (1940). B. gab 1926-32 die Reihe „Forschungen zur Geschichts- und Gesellschaftslehre“ heraus. B., einer der Begr¨under der Kulturgeschichte, beeinflußte u. a. Oswald → Spenglers Kulturmorphologie. C NDB Brezina, Aristides, o¨ sterr. Naturwissenschaftler, * 4. 5. 1848 (?) Wien, † 25. 5. 1909 Wien. Als Sohn eines Wiener Advokaten urspr¨unglich f¨ur eine juristische Laufbahn bestimmt, trat B. jedoch 1862 als Eleve in das Hofmineralienkabinett ein und besuchte 1862-66 neben dem Gymnasium naturwissenschaftliche Vorlesungen an der Univ. Wien. Dort nahm er 1866 sein Studium auf, setzte es 1868-70 an der Univ. Berlin fort und wurde 1872 in T¨ubingen an der ersten Naturwissenschaftlichen Fakult¨at (seit 1863) Deutschlands zum Dr. rer. nat. promoviert. 1874 habilitierte er sich an der Univ. Wien f¨ur Kristallographie und Kristallphysik. Seit 1868 Assistent am Hofmineralienkabinett, wurde B. dort 1874 zum Kustos, 1885 zum Leiter und 1889 zum Direktor der Mineralogisch-Petrographischen Abteilung des Naturhistorischen Hofmuseums berufen. Er ver¨offentlichte u. a. Das Wesen der Kristalle (1873), Krystallographische Untersuchungen an homologen und isomeren Reihen (1884), Die Meteoritensammlung der Universit¨at T¨ubingen (1896) und Der Meteorsteinfall zu Mern (1909). B. geh¨orte seit 1865 der Geologischen Reichsanstalt an und wurde 1890 zum Ehrenmitglied der Kaiserlichen Russischen Mineralogischen Gesellschaft ernannt.

Bricht, Walter, Komponist, Dirigent, Musiker, * 21. 9. 1904 Wien, † 20. 3. 1970 Bloomington (Indiana, USA). B. studierte 1924-28 bei Franz → Schmidt an der Wiener Akademie Kompositionslehre, Klavier und Dirigieren, gab zahlreiche Konzerte und trat als Klavierbegleiter u. a. Gregor Piatigorskys und Erica → Morinis auf. B., 1932-34 Mit¨ glied des Osterreichischen Komponistenbundes, unterrichtete seit 1934 Musiktheorie am Wiener Volkskonservatorium und Klavier an der Horak-Musikschule. Wegen seiner j¨udischen Herkunft von den Nationalsozialisten mit Berufs- und Auftrittsverbot belegt, emigrierte er 1938 u¨ ber die Niederlande in die USA. 1939-44 war er musikalischer Direktor am Mason College of Music and Fine Arts, unterrichtete 1944-63 an der New York School of Music und war anschließend Prof. f¨ur Gesang, Klavier und Musiktheorie an der University of Indiana. B. komponierte u. a. eine Sinfonie in a-Moll (1934), Das große Halleluja (1937) f¨ur M¨annerchor und Orchester und das Streichquartett Chaconne (1967). C BHdE, Bd 2

Brictius thon Norde, auch Briccius, Brixius Northanus, Rodanus, Reformator, * vor 1503 Sch¨oppingen (Westfalen) (?), † 4. 8. 1557 L¨ubeck. Der erstmals als luth. predigender Kaplan in B¨uderich bei Wesel genannte B., Sohn eines Kapit¨ans, wurde dort 1530 von → Johann III. von J¨ulich und Kleve vertrieben, wirkte 1532 als Gehilfe Bernhard → Rothmanns in M¨unster, versah dort das Predigeramt an St. Martin und predigte 1533 auch in Ahlen evangelisch. Im selben Jahr ver¨offentlichte er in M¨unster einen kritischen Bericht Martin → Bucers u¨ ber das Straßburger Verh¨or des T¨auferpropheten Melchior ¨ → Hoffman in niederdeutscher Ubersetzung und verlor, als die T¨auferherrschaft in der Stadt begann, sein Amt. Er wurde 1534 zum Superintendenten in Soest ernannt und war in der Folge einer der Reformatoren dieser Stadt, die er 1537 auf dem Bundestag zu Schmalkalden vertrat. 1535 veranlaßte er mit einer Anfrage → Luther zu der Antwort Etliche Artikel, so von den Papisten itzt newlich verfelscht an die Soester Prediger. 1548 mußte B. als Gegner des Interims Soest ver¨ lassen und ging als Diakon an St. Agidien nach L¨ubeck. C NDB

Bridel, Carl, schweizer. Ingenieur, * 29. 1. 1869 Yverdon, † 22. 12. 1945. B., Sohn des Ingenieurs Gustav → B., absolvierte die ETH Z¨urich, sammelte in Großbritannien und Frankreich praktische Berufserfahrung, war anschließend als Adjunkt und Kreisingenieur bei der Jura-Simplon-Bahn besch¨aftigt und leitete seit 1900 deren Werkst¨atten in Biel. Seit 1905 Oberinspektor der Anatolischen Bahnen in Konstantinopel, wurde er mit der Leitung der Erweiterungsarbeiten der Bagdadbahn und des Baus des Hafens von Haidar-Pascha betraut. 1918 kehrte er in die Schweiz zur¨uck, wo er bis 1944 den Berner Oberland-Bahnen vorstand. C Biogr Verstorb Schweiz, Bd 1 Bridel, Gustav, schweizer. Ingenieur, * 26. 10. 1827 Biel, † 3. 12. 1884 Bern. Nach dem Besuch h¨oherer Schulen in Biel und Genf bezog ´ B. 1844 die Ecole Centrale in Paris, trat 1847 als diplomierter Maschinenbauingenieur in den Dienst der franz¨osischen Ostbahn und wurde 1849 zum Inspektor bef¨ordert. Als Mitbegr¨under des Ingenieurvereins war er Mitherausgeber der Fachzeitschrift „Trait´e e´ l´ementaire des chemins de fer“. Seit 1852 Werkf¨uhrer in einem Pariser Baugesch¨aft, wurde B. 1855 anl¨aßlich der dortigen Weltausstellung mit der Bauleitung des Industriepalastes betraut. Mit seiner 1855 in Yverdon gegr¨undeten Konstruktionswerkst¨atte baute er die meisten westschweizer. Eisenbahnbr¨ucken. 1863 war er an der Planung der Juragew¨asserkorrektur beteiligt, die er 1868 leitete. Seit 1873 Oberingenieur der Jurabahn, wechselte B. 1879 in derselben Funktion an die Gotthardbahn und wurde 1882 in den Schweizer Schulrat, 1884 in die Direktion der Jura-Bern-Luzern-Bahn berufen. B. war der Vater von Carl → B. C Schweizer Pioniere, Bd 69 Bridel-Brideri, Samuel Elias von, evang. Theologe, Botaniker, * 28. 11. 1761 Crassier (Kt. Waadt), † 7. 1. 1828 Gotha. Der Sohn eines fr¨uh verstorbenen reformierten Predigers nahm nach dem Besuch der Domschule in Halberstadt an der Univ. Halle das Studium der Theologie auf. Dem Versuch der gewaltsamen Rekrutierung in die preuß. Armee entging er nur knapp durch die Flucht nach Helmstedt, wo er sein Studium beendete. Nach einer T¨atigkeit als Hauslehrer in Gudersleben (Th¨uringen) wurde er als literarischer Erzieher der sp¨ateren Herz¨oge August und Friedrich IV. von Sachsen-Gotha-Altenburg an den Hof in Gotha berufen und sp¨ater zum Legationsrat ernannt. B.-B., der 1825 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt

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Bridler wurde, trieb botanische Studien und gab 1797-1822 eine Beschreibung aller damals bekannten Moose heraus, die in erg¨anzter Auflage 1826 / 27 unter dem Titel Bryologia universa noch einmal erschien. Sein Gedichtband D´elassements po´etiques (o. J.) erschien in Paris. C Neuer Nekr, Jg. 6

Bridler, Placidus, Benediktiner, Theologe, Jurist, * 1613 Bischofszell (Kt. Thurgau), † 15. 11. 1679 Weil (Kt. Thurgau). B. trat 1631 in das Stift St. Gallen ein, empfing 1638 die Priesterweihe und war nach dem Studium der Theologie einige Zeit als Lehrer t¨atig. Anschließend nahm er in Ingolstadt das Studium des kanonischen Rechts auf, setzte es in Rom fort und lehrte nach der Promotion kanonisches Recht in Rosach. 1651 erhielt er eine Professur in Salzburg, kehrte 1653 in das Kloster St. Gallen zur¨uck und lebte zuletzt als Vikar in Weil (Kt. Thurgau). Neben Kommentaren zum kanonischen Recht verfaßte B. u. a. Positiones de deo uno et trino (1638) und eine Abhandlung De vita et honestate clericorum (1648). C ADB

Brie, Friedrich (Daniel Wilhelm), Anglist, * 21. 11. 1880 Breslau, † 12. 9. 1948 Freiburg / Breisgau. Der Sohn des Juristen Siegfried → B. wurde 1902 bei dem Anglisten Alois → Brandl in Berlin promoviert, hielt sich 1904 / 05 in Großbritannien auf und habilitierte sich 1905 bei Wilhelm → Vi¨etor in Marburg. Beeinflußt von deren Methode der Textkritik und Stoffgeschichte, gab B. 1905 The Brut, or the Chronicles of England heraus. Seit 1905 Privatdozent in Marburg und seit 1910 Prof. in Freiburg, wirkte er bestimmend auf die Entwicklung einer mehr geistesgeschichtlich orientierten Anglistik. Er ver¨offentlichte u. a. Imperialistische Str¨omungen in der englischen Literatur (1916, 2 1928), Sidneys Arcadia. Eine Studie zur englischen Renaissance (1918) und Die nationale Literatur Schottlands von den Anf¨angen bis zur Renaissance (1937). Von den Nationalsozialisten wegen seiner j¨udischen Vorfahren 1937 zwangsemeritiert, kehrte B. nach Kriegsende 1945 auf seinen Freiburger Lehrstuhl zur¨uck. C Bad Bio N.F., Bd 1 Brie, Siegfried, Jurist, * 21. 1. 1838 Hamburg, † 3. 12. 1931 Breslau. Das in Heidelberg, Leipzig und Berlin absolvierte Studium der Rechts- und Staatswissenschaften beendete B. 1861 mit der Promotion in Berlin (De legibus iuribusque imperii Germanici interitu cummunitatis). 1866 habilitierte er sich in Heidelberg und wurde dort 1869 zum a. o. Prof. ernannt. Seit 1874 war er o. Prof. an der Univ. Rostock, 1878-1921 in Breslau, wo er 1890 / 91 das Amt des Rektors innehatte. B. ver¨offentlichte u. a. Die Geschichte der Lehre vom Bundesstaat (1874), Theorie der Staatenverbindungen (1886) und Die Lehre vom Gewohnheitsrecht (1899). Seit 1898 gab er die Abhandlungen aus dem Staats- und Verwaltungsrecht heraus. B. war der Vater des Anglisten Friedrich → B. Briefer, Nikolaus, auch Brieffer, Humanist, Historiker, * um 1484 Basel, † 15. 4. 1548 Basel. B., Sohn eines Ratsherrn, war Chorherr und Dekan von St. Peter in Basel, 1511 und 1520 Rektor der dortigen Universit¨at. Bei der Berner Disputation von 1528 vertrat er die Altgl¨aubigen. Vor den Unruhen in Basel wich er eine Zeitlang nach Frankreich aus, kehrte 1532 nach Basel zur¨uck, wurde 1538 in das Collegium juris consultorum aufgenommen und 1539 erneut zum Rektor der Univ. gew¨ahlt. Als Mitarbeiter von → Beatus Rhenanus, Johannes → Stumpf und Gilg → Tschudi wirkte B. an der Erarbeitung der 1541 erschienenen Genealogie das Hauses Habsburg und an der Chronik der Basler Bisch¨ofe 741-1529 mit. C NDB

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Briefs, Goetz Anton, Volkswirtschaftler, Soziologe, * 1. 1. 1889 Eschweiler (Rheinland), † 16. 5. 1974 Rom. B. studierte zun¨achst Philosophie und Geschichte in M¨unchen, wechselte dann zur National¨okonomie und beendete sein Studium 1911 mit der Promotion (Das Spirituskartell) an der Univ. Freiburg / Breisgau. Nach Studienaufenthalten in Frankreich und Großbritannien habilitierte er sich 1913 in Freiburg (Untersuchungen zur klassischen National¨okonomie), arbeitete zu Beginn des Ersten Weltkrieges bei verschiedenen milit¨arischen und zivilen Reichs¨amtern in Berlin, bevor er 1916 vertretungsweise den volkswirtschaftlichen Lehrstuhl in Gießen u¨ bernahm. Dort zum a. o. Prof. ernannt, kehrte B. 1919 zun¨achst nach Freiburg zur¨uck, wechselte 1921 an die Univ. W¨urzburg und wurde dort 1922 o. Professor. Bereits im folgenden Jahr wurde er nach Freiburg zur¨uckberufen. Von 1928 bis zu seiner Emigration 1934 leitete B. das von ihm gegr¨undete Institut f¨ur Betriebssoziologie und soziale Betriebslehre an der TH BerlinCharlottenburg, u¨ bernahm gleichzeitig einen Lehrauftrag an der Berliner Handelshochschule sowie Gastprofessuren an den Univ. Wien, Bern und Salzburg. Seit 1934 Visiting Professor an der Catholic University in Washington, D. C., wurde B. 1937 an die dortige Georgetown University berufen, hielt 1938-48 auch Vorlesungen an der Columbia University und wurde 1962 emeritiert. Der von der kath. Soziallehre beeinflußte Begr¨under der Betriebssoziologie und bedeutende Gewerkschaftstheoretiker schrieb u. a. Das moderne Proletariat (1926) und Zwischen Kapitalismus und Syndikalismus (1951). C Hagemann

Briegel, Wolfgang Carl, Komponist, * 21. 5. 1626 K¨onigsberg (Unterfranken), † 19. 11. 1712 Darmstadt. In N¨urnberg musikalisch ausgebildet und seit 1643 an der Univ. Altdorf immatrikuliert, erhielt B., dessen Vater als „Discantist“ erw¨ahnt wird, 1645 in Schweinfurt seine erste Anstellung; 1651 wurde er Hofkantor in Gotha und 1664 auch Hofkapellmeister. 1671-1709 war er Kapellmeister der Darmst¨adter Hofkapelle. Zu seinem kirchenmusikalischen Werk z¨ahlen der Geistliche musikalische Rosengarten (1658), Evangelische Gespr¨ache [. . .] in heute gebr¨auchlicher Concert-Art (1660-81), der Evangelische Blumengarten [. . .] auf leichte madrigalische Art (1666-69) und Geistliche Oden Andreas Gryphii (1670). 1687 gab B. in Darmstadt Das große Cantional oder Kirchengesangsbuch heraus. Er komponierte auch weltliche Vokal- und Instrumentalmusik (u. a. Musikalisches Tafelkonfekt, 1672), Sonaten, Kapricen und ein Singspiel. C MGG Brieger, Adolf, Schriftsteller, Klassischer Philologe, * 12. 10. 1832 R¨onkendorf (Pommern), † 17. 1. 1913 Halle. Der Sohn eines Lehrers bezog 1853 die Univ. Greifswald, studierte dort anfangs Theologie, wandte sich bald der klassischen Philologie zu und wurde 1857 mit einer Arbeit u¨ ber Plinius promoviert. 1858 trat er in den Schuldienst ein, unterrichtete 1859 am Gymnasium von Greifenberg und seit 1860 in Stolp in Hinterpommern, von wo er, ein engagierter Liberaler, 1863 wegen seines Agitierens gegen die preuß. Heeresreform nach Posen zwangsversetzt wurde. 1876 ging er an das st¨adtische Gymnasium nach Halle. Dort gab er u. a. Studien u¨ ber Lukrez und Epikur und die Werke von Lukrez (Lucreti Cari de rerum natura libri sex, 1894) heraus. In Halle z¨ahlte B. zu den Mitbegr¨undern der Literarischen Gesellschaft. 1870 ver¨offentlichte er sein erstes lyrisches Epos Kr¨osus und Adrastus (1870), dem u. a. die Gedichtb¨ande K¨onig Humbert in Neapel (1885) und Verirrt und heimgefunden (1899) folgten. C Bursian, Jg. 36 Brieger, Heinrich, Arbeitsmediziner, * 9. 8. 1895 Cosel (Schlesien), † 11. 2. 1972 Philadelphia. Nach dem 1913-18 an den Universit¨aten Breslau und M¨unchen absolvierten Studium der Medizin (Promotion

Briegleb 1920, Die Klinik der akuten Chromatvergiftung) spezialisierte sich B. bis 1922 an Krankenh¨ausern in Breslau und Berlin auf Innere Medizin und Toxikologie. Seit 1922 u. a. Dozent f¨ur Arbeitsmedizin und Leiter der Gesundheitsabteilung an der st¨adtischen Gesundheitsschule in Breslau, verfaßte er u. a. Beitr¨age zur Kenntnis der k¨orperlichen Beschaffenheit der arbeitenden Bev¨olkerung (1925). Daneben studierte er in Frankfurt / Main Pr¨aventivmedizin, in Marburg Gerichtsmedizin und Toxikologie und war 1926-29 am dortigen Gerichtsmedizinischen Institut sowie 1929-33 als Dozent an der Sozialhygienischen Akademie in Breslau t¨atig. Seit 1930 approbierter Internist und Ministerialrat im Gesundheitsministerium in Berlin, emigrierte B. 1937 in die USA und wurde 1940 Dozent f¨ur Pr¨aventiv- und Arbeitsmedizin am Hahnemann Medical College in Philadelphia, 1945 Dozent und 1952 Prof. am dortigen Jefferson Medical College, 1966 Prof. an der dortigen Drexel University. C BHdE, Bd 2

Brieger, Lothar, eigentl. Brieger-Wasservogel, Pseud. Lobri, Kunsthistoriker, Journalist, * 6. 9. 1879 Zwickau, † 17. 3. 1949 Berlin. B., Sohn eines Optikers, war seit 1914 als Kunstkritiker der „Berliner Zeitung am Mittag“, der „Vossischen Zeitung“ und sp¨ater auch f¨ur den Ullstein-Verlag t¨atig. Er ver¨offentlichte u. a. Das Kunstsammeln: Eine kurze Einf¨uhrung in seine Theorie und Praxis (1917), Das Pastell: Seine Geschichte und seine Meister (1921) und Ein Jahrhundert deutscher Erstausgaben: Die wichtigsten Erst- und Originalausgaben von etwa 1750 bis etwa 1880 (1925). Wegen seiner j¨udischen Herkunft emigrierte B. 1933 nach Shanghai, betrieb dort einen Antiquit¨atenhandel und schrieb Artikel f¨ur die „Shanghai Morgenpost“ sowie f¨ur amerikanische Zeitungen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte er nach Westberlin zur¨uck. C Lex dt-j¨ud Autoren Brieger, Ludwig, Mediziner, * 26. 7. 1849 Glatz (Schlesien), † 18. 10. 1919 Berlin. Nach dem in Breslau, Straßburg, Wien und Berlin absolvierten Studium der Medizin (Promotion 1874, Beitr¨age zum Lungenbrand) hatte B. Assistentenstellen in Breslau, Bern und Berlin inne, betrieb dort physiologisch-chemische Studien und habilitierte sich 1881. Danach Dozent, gr¨undete er 1887 in Berlin eine Privatpoliklinik f¨ur innere Krankheiten mit angeschlossenem Laboratorium und wurde 1890 a. o. Prof., 1891 Abteilungsvorstand am Kgl. Institut f¨ur Infektionskrankheiten. B. befaßte sich u. a. mit Stoffwechselund Infektionskrankheiten, erkannte die basische Natur der Bakteriengifte, denen er den Namen „Toxine“ gab, und ¨ schrieb Uber Ptomaine (3 Bde., 1885 / 86). Er schuf die wissenschaftliche Grundlage f¨ur die physikalische Therapie und ver¨offentlichte Moderne Hydrotherapie (mit August Laqueur, 1904). 1900 erhielt er von der Univ. Berlin einen Lehrauftrag f¨ur physikalisch-di¨atetische Heilmethoden; 1901 wurde B. Direktor der Universit¨atsanstalt f¨ur Wasserheilverfahren und 1919 zum Honorarprofessor ernannt. C NDB Brieger, Theodor, evang. Theologe, Kirchenhistoriker, * 4. 6. 1842 Greifswald, † 9. 6. 1915 Leipzig. B. studierte in Greifswald, Erlangen und T¨ubingen Theologie, wurde 1870 in Leipzig promoviert und ging als Privatdozent nach Halle; 1873 erhielt er dort eine a. o. Professur und war 1873-76 Kustos der Universit¨atsbibliothek. Seit 1876 o. Prof. der Kirchengeschichte in Marburg, kehrte B. 1886 an die Univ. Leipzig zur¨uck, an der er 1892 / 93 das Amt des Rektors innehatte. B. befaßte sich vor allem mit der Erforschung der Reformationsgeschichte; in Ullsteins Weltgeschichte ver¨offentlichte er Die Reformation (1907, erw. 1914). Zusammen mit seinem Lehrer Albrecht → Ritschl

gr¨undete er 1876 die „Zeitschrift f¨ur Kirchengeschichte“ und gab gemeinsam mit Franz Wilhelm → Dibelius die „Beitr¨age C RGG zur S¨achsischen Kirchengeschichte“ heraus.

Briegleb, Elard, evang. Theologe, Schriftsteller, * 5. 5. 1822 Hopfmannsfeld / Vogelsberg, † 15. 6. 1904 Worms. Der einer Pastorenfamilie entstammende B. studierte in Gießen Theologie, besuchte anschließend das Predigerseminar in Friedberg / Wetterau und war 1848 Hauslehrer und Pfarrverweser in Hirzenhain am Vogelsberg. 1851 wurde ihm in Butzbach die Leitung der Knabenschule u¨ bertragen. Seit 1854 war er Pfarrvikar in Nidda und seit 1855 Pfarrer in Alsheim bei Worms, Hohen-S¨ulzen und Pfeddersheim (1874-95). Bekannt wurde B. als Verfasser von Gedichten wie Wie’s klingt am Rhei’ (1886) in der Mundart der hessischen Pfalz und Vivat der Vogelsberg (1896), das ihm den Beinamen „Der S¨anger des Vogelsbergs“ einbrachte. Von der patriotischen Begeisterung jener Zeit getragen, schrieb B. 1898 Bismarck-Lieder. C Biogr Jahrb, Bd 9

Briegleb, Hans Karl, Jurist, * 1. 5. 1805 Bayreuth, † 5. 9. 1879 G¨ottingen. B., Advokat in N¨urnberg, ver¨offentlichte 1839 sein in der Tradition Moritz August von → Bethmann Hollwegs stehendes, die historische Schule auch auf die Prozeßwissenschaft ¨ ausdehnendes Werk Uber executorische Urkunden und Executivprozeß. 1841 wurde er o. Prof. an der Univ. Erlangen. ¨ Uberzeugt von der Bedeutung der italienischen Jurisprudenz des 13.-15. Jh. f¨ur die Theorie des deutschen Zivilprozesses, gab B. mehrere juristische Traktate jener Zeit heraus. 1845 an die Univ. G¨ottingen berufen, schrieb er u. a. eine Einleitung in die Theorie der summarischen Prozesse (1859). 1849 geh¨orte er der hannoverschen St¨andeversammlung sowie der Ersten Kammer an und leitete die Adreßkommission zur Beantwortung der Thronrede. C ADB

Briegleb, Johann Christian, Philosoph, P¨adagoge, Klassischer Philologe, * 2. 12. 1741 G¨orlitz, † 23. 6. 1805 Coburg. B., Sohn von Johann Valentin → B., begann 1759 in Jena das Studium der Theologie, Geschichte, Philosophie und Philologie bei Christian Adolph → Klotz, dem er nach der Erlangung des Magistergrades 1763 nach G¨ottingen folgte. Dort war er Hofmeister im Haus Hardenberg und Erzieher u. a. des sp¨ateren preuß. Staatskanzlers Karl August von → Hardenberg. 1768 wurde er Philosophielehrer am Gymnasium Casimirianum in Coburg, 1770 auch mit der Professur des Griechischen und der orientalischen Sprachen betraut. Seit 1783 herzoglich Coburgischer Rat, wurde er 1796 als Nachfolger seines Schwiegervaters Lorenz Adam → Bartenstein Direktor des Gymnasiums und 1800 zum Konsistorialrat ernannt. B. verfaßte philologische und von → Leibniz und Christian → Wolff beeinflußte philosophische Abhandlungen (u. a. Grunds¨atze der Logik, 1774, 41791; Philosophische Grunds¨atze von der menschlichen Seele, von Gott und unsern Pflichten, 1778, 31800). C Krieg

Briegleb, Johann Valentin, evang. Theologe, Klassischer Philologe, P¨adagoge, * 1. 1. 1715 Gotha, † 22. 5. 1782. Der Sohn eines Tischlers studierte an den Univ. Gotha und Jena Theologie, Philosophie und Philologie, erlangte den Grad eines Magisters der Philosophie und war sp¨ater l¨angere Zeit Subrektor des Gymnasiums von G¨orlitz. Konflikte mit ¨ dem Rat der Stadt veranlaßten B. 1750 zur Ubersiedlung nach Eisenach, wo er zum Konrektor des Gymnasiums ernannt wurde. Er ver¨offentlichte mehrere Schriften theologischen und philologischen Inhalts in lateinischer Sprache,

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Briegleb 1758 eine Abhandlung De Philippi Melanchthonis in litteras meritis und 1770 eine Syntaxis gerundiorum, supinorum et participiorum, durch biblische Exempel erl¨autert. B. war der Vater von Johann Christian → B.

Briegleb, Moritz (Adolf), Politiker, Jurist, * 10. 11. 1809 Coburg, † 28. 4. 1872 Berlin. Seit 1832 Advokat und Gerichtshalter in Coburg, wurde B., Enkel von Johann Christian → B., 1842 in den Landtag des Herzogtums Sachsen-Coburg gew¨ahlt, dem er bis 1852 angeh¨orte. 1843 protestierte er gegen dessen verfassungswidrige Aufl¨osung durch Herzog → Ernst I. von Coburg. In einer Kriminaluntersuchung vom Oberappellationsgericht freigesprochen, wurde er Hofadvokat Herzog → Ernsts II. von Coburg und arbeitete die Stadtordnung von 1846 aus. Mitglied des Vorparlaments in Frankfurt und Schriftf¨uhrer des F¨unfzigerausschusses, wurde B., F¨uhrer der Coburger konstitutionellen Liberalen, 1848 in die Frankfurter Nationalversammlung gew¨ahlt. Seit 1851 mit der Verwaltung der privaten Besitzungen des Prinzen → Albert und seit 1859 auch K¨onig → Leopolds von Belgien betraut, kehrte er erst 1865 nach beider Tod und langj¨ahrigen Aufenthalten in England und Belgien in die Coburger Kommunalpolitik zur¨uck und wurde 1871 in den Reichstag gew¨ahlt, wo er sich den Nationalliberalen anschloß. C Fr¨ank Leb, Bd 6

Brielmaier, Gebhard, Schreiner, Politiker, Gewerkschafter, * 13. 1. 1871 Sandgrub-Liebenau (W¨urttemberg), † 12. 6. 1929 St. Gallen (Schweiz). Nach einer Schreinerlehre arbeitete B. seit 1896 in seinem Beruf in Sankt Gallen, wo er sich 1901 der Christlichen Holzarbeitergewerkschaft anschloß. 1905-09 redigierte er den „Gewerkschafter“ und war 1907-15 Pr¨asident des Christlichsozialen Gewerkschaftsbundes. F¨ur die Christlichsoziale Partei geh¨orte B. 1912-21 dem Großen Rat des Kantons St. Gallen an. 1915 wurde er Verwalter der Genossenschaft Konkordia in S.t Gallen. B. gilt neben Johann Baptist → Jung und Alois → Scheiwiler als einer der Pioniere der christlich gepr¨agten Gewerkschaftsarbeit in der Schweiz. C HLS Briemle, Theodosius, Franziskaner, * 12. 11. 1883 Ennetach / Donau, † 25. 2. 1970 Sigmaringen. Seit 1900 Mitglied des Franziskanerordens, empfing B. 1907 die Priesterweihe, war als Volksmissionar, 1915-17 als Milit¨argeistlicher t¨atig und studierte 1917-19 an der Univ. M¨unster Theologie. Seit 1919 lebte er im Kloster Kelkheim im Taunus und gr¨undete 1923 die Zeitschrift f¨ur Volksmissionare „Paulus“, die er bis 1936 redigierte. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten bek¨ampfte er offen deren Rassenpolitik. Als Fastenprediger in Frankfurt / Main wegen Verstoßes gegen den „Kanzelparagraphen“ verfolgt, floh B. 1936 in die Niederlande. 1938 emigrierte er in die Schweiz und ließ sich in Basel nieder, wo er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu den Organisatoren der Katholischen Deutschlandhilfe geh¨orte. 1950 nach Deutschland zur¨uckgekehrt, lebte B. bis zu seinem Tod in Kloster Gorbach bei Sigmaringen. C BHdE, Bd 1

Briers, Daniel de, auch Brier, Prior, Bruers, Kaufmann, † 1633 Frankfurt / Main. Der Sohn aus Antwerpen stammender Refugi´es besaß zusammen mit Ruland Benoit aus Kassel und Gerhard Heusch aus Antwerpen die zur Ausbeutung der Diamantenminen von Visapur und Golkonda in Ostindien und zum Handel mit Halbedelsteinen gegr¨undete Indianische Compagnie in Frankfurt / Main. Damit erwirtschafteten sie bei einem Kapital von 36 000 Reichstalern j¨ahrlich mehr als eine halbe Million Reichstaler Gewinn. Vor allem bei B., dem wichtigsten Teilhaber, waren w¨ahrend des Dreißigj¨ahrigen Kriegs etliche F¨ursten und Heerf¨uhrer so stark verschuldet, daß die

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Compagnie in Zahlungsschwierigkeiten geriet. Dies l¨oste einen der damals gr¨oßten Handels- und Erbstreite in Frankfurt aus, der auch den Reichshofrat und das Reichskammergericht besch¨aftigte und zweimal zur Einsetzung von kaiserlichen Untersuchungsaussch¨ussen f¨uhrte. C NDB

Briesemeister, Otto, S¨anger, Mediziner, * 18. 5. 1866 Arnswalde (Neumark), † 16. 6. 1910 Berlin. B. studierte in Berlin, W¨urzburg und Leipzig Medizin (Promotion 1903, Die Arteriosclerose und Syphilis in ihrem Verh¨altnis zur Entstehung des Aortenaneurysma), nahm in Leipzig auch Gesangsunterricht und war anschließend als Milit¨ararzt t¨atig. Daneben trat er als Konzerts¨anger auf und feierte 1893 am Theater von Detmold sein B¨uhnendeb¨ut. 1894 / 95 als Tenor am Stadttheater Aachen und seit 1895 am Opernhaus von Breslau engagiert, gastierte B. an allen großen deutschen B¨uhnen, in Wien, London, Paris und Stockholm. 1899-1909 sang er bei den Bayreuther Festspielen den Loge im Ring-Zyklus, gab u. a. mehrfach Gastspiele in M¨unchen und praktizierte in Berlin als Facharzt f¨ur Halsleiden. C Kutsch Briesen, Constantin (Karl Alexander Wilhelm), Landrat, * 15. 7. 1821 Pritten (Kr. Dramburg), † 9. 8. 1877 Homburg v. d. H. B., Sohn eines Rittergutsbesitzers, war Abk¨ommling eines neum¨arkisch-pommerschen Uradelsgeschlechts. Seit 1841 studierte er in Bonn, dann in Berlin und K¨onigsberg Rechtswissenschaften, wurde Ende 1842 Auskultator beim Kammergericht Berlin und wechselte 1844 als Regierungsreferendar in den Verwaltungsdienst zur Regierung Potsdam. Seit Juni 1849 Assessor bei der Regierung Trier, u¨ bernahm B. 1850 kommissarisch, 1853 definitiv das Landratsamt Merzig. 1854 / 55 vertretungsweise im Landratsamt Saarburg t¨atig, war er 1866 / 67 Zivilkommissar f¨ur Hessen-Homburg. 1867 wurde er Kammerherr und f¨ur zwei Jahre Mitglied als Freikonservativer des preuß. Abgeordnetenhauses. 1868 in den einstweiligen Ruhestand versetzt, wurde er im Sp¨atsommer 1869 wieder als Regierungsrat an die Regierung D¨usseldorf berufen. 1870 wirkte B. als 2. Adjutant des stellvertretenden Generalkommandos, wovon er 1871 aus Elsaß-Lothringen abberufen wurde. 1875 u¨ bernahm er das Landratsamt von Neuss, 1876 das des Obertaunuskreises, dessen Leitung er bis zu seinem Freitod aus¨ubte. C Preuß Staatsmin, Bd. 4 Briesen, Kurt von, Milit¨ar, * 3. 5. 1883 Anklam, † 20. 11. 1941 bei Deriewka (Sowjetunion). B. trat 1904 als Kadett in die Armee ein, wurde w¨ahrend des Ersten Weltkriegs Stabsoffizier und war bis 1920 in der Reichswehr. 1934 wurde er reaktiviert und nach der Bef¨orderung zum Generalmajor 1938 Kommandeur einer Infanteriedivision. Im November 1940 u¨ bernahm B. als Kommandierender General das II. Armeekorps an der Ostfront, wo er im folgenden Jahr fiel. Briesmann, Johannes, auch Bris(s)mann, Reformator, * 31. 12. 1488 Cottbus, † 1. 10. 1549 K¨onigsberg. Urspr¨unglich Franziskaner, studierte B. 1518 in Frankfurt / Oder, wandelte sich auf der Leipziger Disputation zum Anh¨anger → Luthers, setzte sein Studium in Wittenberg fort und wurde dort 1522 zum Dr. theol. promoviert. Auf Luthers Empfehlung berief ihn der Hochmeister des Deutschen Ordens → Albrecht von Brandenburg 1523 zur Einf¨uhrung der Reformation nach K¨onigsberg, wo er als Domprediger die erste evang. Predigt hielt. Seit der Umwandlung des Ordensstaates 1525 in ein weltliches Herzogtum geh¨orte B. zusammen mit Paul → Speratus und Johannes → Poliander dem Regierungskollegium des nunmehrigen Herzogs Albrecht von Preußen an und hatte besonderen Anteil am Aufbau des Schul- und Kirchenwesens. 1527-31 weilte er als

Brill Reformator in Riga, erließ dort 1530 die Kurze Ordnung des Kirchendienstes samt einer Vorrede von Ceremonien und wurde 1531 Dompfarrer in K¨onigsberg, 1548 Pr¨asident des Bistums Samland sowie Kurator der Universit¨at. C LThK

Brik, Johann Emanuel, Techniker, * 7. 5. 1842 Hermanov Mestec (B¨ohmen), † 7. 1. 1925 Eferding. Nach einem ingenieurwissenschaftlichen Studium an der TH Wien war B. dort 1866-68 als Assistent f¨ur Wasser- und Straßenbau t¨atig. 1868-70 entwarf er Br¨ucken f¨ur die Pustertalbahn und die Bahnstrecke St. Peter-Fiume. Als Ingenieur der Nordwestbahn baute er 1870-73 die Bahnlinie Jungbunzlau-Kolin, das Thayaviadukt bei Znaim und die Elbetalbr¨ucken. Seit 1873 o. Prof. des Br¨uckenbaus und der Baumechanik an der TH Br¨unn, 1876 / 77 und 1885 / 86 deren Rektor, leitete B. den Bau der Schwarzawabr¨ucke bei Br¨unn und plante den Eisendachstuhl der Bahnhofshalle in Budapest sowie den Umbau des B¨uhnendachstuhls des Br¨unner Stadttheaters. 1893-1913 war er o. Prof. des Br¨uckenbaus an der TH Wien, 1897 / 98 deren Rektor und 1903-05 Dekan der Bauingenieurschule. Brill, Alexander (Wilhelm) von, Mathematiker, * 20. 9. 1842 Darmstadt, † 18. 6. 1935 T¨ubingen. B., Sohn eines Druckereibesitzers, studierte seit 1860 Architektur, Ingenieurwissenschaften und Mathematik in Karlsruhe und Gießen, wo er 1864 promoviert wurde und sich 1867 habilitierte mit der Arbeit Beitr¨age zur Lehre von den eindeutigen Transformationen. 1869 ging er als o. Prof. an die Polytechnische Schule Darmstadt, 1875 an das Polytechnikum in M¨unchen und war seit 1884 in T¨ubingen t¨atig. B. war mehrere Male Vorsitzender der Deutschen Mathematiker-Vereinigung und seit 1924 zusammen mit Max → Planck ausw¨artiges Mitglied der Accademia dei Lincei in Rom. Er gilt zusammen mit Max → Noether als Begr¨under der algebraisch-geometrischen Richtung in der Theorie der algebraischen Funktionen und verfaßte ¨ u. a. Uber die Discriminante von Resultanten (1889), Die Entwicklung der Theorie der algebraischen Funktionen in a¨ lterer und neuerer Zeit (1894, mit Noether) und Das Relativit¨atsprinzip (1918). B. war der Vater von August Christian → B. C NDB

Brill, Alfred, Astronom, * 23. 6. 1885 Eschwege / Werra, † 29. 7. 1949 Potsdam-Babelsberg. B. studierte 1903-07 in Marburg, G¨ottingen und M¨unchen ¨ und wurde 1908 in G¨ottingen mit der Arbeit Uber die Elastizit¨at der Erde promoviert. Seit 1914 Privatdozent an der Univ. Frankfurt / Main, wurde er dort 1922 a. o. Professor. Seit 1929 war B. an der Sternwarte Berlin-Neubabelsberg t¨atig. Sein besonderes Interesse galt der Astrophysik, Astrophotometrie und Stellarstatistik. B. ver¨offentlichte u. a. Das Temperaturproblem in der Astrophysik (1930), Neue Methoden in der Stellarstatistik (1937) und Die Bestimmung der effektiven absoluten Sterndichte (1939). Brill, August Christian, Maschinenbauer, Fabrikant, * 15. 10. 1879 M¨unchen, † 14. 12. 1964 Oberursel / Taunus. Der Sohn Alexander → B.s studierte Maschinenbau, schloß das Studium als Diplomingenieur ab und wurde Leiter der Maschinenfabrik Turner in Oberursel. 1937-45 nahm er an der TH Darmstadt einen Lehrauftrag f¨ur Gerbereimaschinen wahr. F¨ur seine Verdienste um den Maschinenbau ernannte ihn die TH Darmstadt zum Ehrensenator. Brill, Ernst-Heinrich, Mediziner, * 6. 8. 1892 Darmstadt, † 2. 5. 1945 Rostock. B., Sohn eines Gerichtsassessors, studierte seit 1912 Medizin in Jena und Heidelberg, leistete 1914-18 Kriegsdienst,

u. a. als Feldhilfsarzt, und wurde 1920 in Jena mit der Dissertation Epilepsie bei endokrinischer Fettsucht promoviert. Nach weiteren medizinischen Stationen, u. a. am Pathologischen Institut in Jena und an der Sozialhygienischen Akademie Charlottenburg (Berlin), war er seit 1924 Assistent an der Hautklinik der Univ. Jena, habilitierte sich dort 1926 f¨ur Dermatologie und Venerologie und wurde im selben Jahr zum Oberarzt, 1930 zum a. o. Prof. ernannt. 1932 trat er in die NSDAP und die SA ein. Gegen den Willen der Fakult¨at 1933 in Rostock zum o. Prof. f¨ur Haut- und Geschlechtskrankheiten berufen, geh¨orte B. 1934-45 auch dem Senat der Univ. Rostock an, war 1935-37 Gaudozentenbundf¨uhrer von Mecklenburg und hatte 1936 / 37 das Amt des Rektors der Univ. inne (Rektoratsrede 1937, Von den Aufgaben deutscher Wissenschaft). 1937 wurde er Mitglied der SS, 1939 SS-Sturmbannf¨uhrer. 1945 nahm er sich das Leben. B.s Forschungen und Ver¨offentlichung beziehen sich vor allem auf Stoffwechseluntersuchungen bei Hautkrankheiten sowie auf experimentelle Untersuchungen des vegetativen Systems bei Hautkrankheiten. C Gr¨uttner

Brill, Fritz, Photograph, * 1. 7. 1904 Hannover, † 13. 9. 1997 Hofgeismar. B. studierte zun¨achst Volkswirtschaft und besuchte 1926-29 die Kunstgewerbeschule, 1928-30 die Kunstschule von Johannes → Itten in Berlin. Nach einem Volontariat 1931 bei Herbert → Bayer gr¨undete er 1932 mit seiner sp¨ateren Frau Hedwig → Bornemann ein Atelier f¨ur Werbegestaltung in Berlin. Als Autodidakt begann er 1936 photographisch zu arbeiten; 1938 folgte der Aufbau eines chemischphysikalischen Labors f¨ur Industriemikroskopie. Nach dem Zweiten Weltkrieg in Hofgeismar ans¨assig, schuf B. 1945-49 eine Serie von Photographien, die den Dialog zwischen Natur und Kultur thematisierten und 1949 von Arnold → Bode in der von ihm gegr¨undeten Hessischen Sezession gezeigt wurden. 1950 kehrte B. zur angewandten wissenschaftlichen Photographie zur¨uck, begann 1952 f¨ur seine Auftraggeber aus der Industrie experimentell mit dem Medium Film zu arbeiten (u. a. Aus eigener Kraft f¨ur VW, 1953; Steckenpferd der Hausfrau f¨ur die Firma Oetker, 1954) und gr¨undete 1955 das Chemisch-physikalische Institut f¨ur Photoanalyse in Hofgeismar. B. gilt als Pionier der experimentellen Mikround Makrophotographie. C AKL Brill, Hermann (Louis), Jurist, Politiker, * 9. 2. 1895 Gr¨afenroda (Th¨uringen), † 22. 6. 1959 Wiesbaden. B., Sohn eines Schneidermeisters, besuchte das Lehrerseminar in Gotha und war 1916-20 Lehrer in Naundorf. Er war Vortragender Rat im th¨uringischen Ministerium f¨ur Volksbildung (seit 1921) und Ministerialdirektor im dortigen Innenministerium (1923); 1924 wurde er als politischer Beamter verabschiedet wurde. 1924-26 studierte B. Rechtswis¨ senschaft, Politische Okonomie, Soziologie und Philosophie an der Univ. Jena, wo er 1929 zum Dr. jur. promoviert wurde (Studien zur Entstehung und Entwicklung der deutschen Selbstverwaltung). 1927 wurde er Mitglied des th¨uringischen Staatsgerichtshofs, 1932 des Dienststrafhofs in Jena. Als Mitglied der USPD, seit 1922 der SPD, geh¨orte B. 1920-33 dem th¨uringischen Landtag an und wurde 1932 in den Reichstag gew¨ahlt. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung entlassen und wiederholt in „Schutzhaft“ genommen, trat er 1934 in Berlin der Widerstandsgruppe „Neu Beginnen“ bei und gr¨undete 1936 zusammen mit Otto → Brass die Widerstandsgruppe „Deutsche Volksfront“. Nach seiner Verhaftung wurde B. 1939 zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt, kam 1943 in das Konzentrationslager Buchenwald und geh¨orte dem dortigen Volksfront-Komitee an. 1945 wurde B. von der Amerikanischen Milit¨arregierung als Regierungspr¨asident mit der Bildung einer deutschen Pro-

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Brill vinzialverwaltung f¨ur das Land Th¨uringen beauftragt. Mit dem Wechsel der Besatzungsmacht siedelte er nach Hessen u¨ ber und wurde 1946 dort Staatssekret¨ar und Chef der Staatskanzlei. Im selben Jahr ver¨offentlichte er eine Dokumentensammlung zur antifaschistischen Widerstandsbewegung mit dem Titel Gegen den Strom. Nachdem er 1948 zum Honorarprofessor f¨ur o¨ ffentliches Recht an der Univ. Frankfurt / Main ernannt worden war, legte er 1949 seine ¨ politischen Amter nieder. Im gleichen Jahr wurde er in den ersten Deutschen Bundestag gew¨ahlt, dem er bis 1953 angeh¨orte. Seit 1951 lehrte B. zudem an der Hochschule f¨ur Verwaltungswissenschaft in Speyer und publizierte zur politischen Theorie (Aufgaben und Grenzen der Verwaltung, 1953). C MdB

Brill, Rudolf, Physikochemiker, * 7. 9. 1899 Eschwege, † 17. 2. 1989 Lenggries (Oberbayern). Der Sohn eines Kaufmanns studierte seit 1918 an der Univ. Berlin Chemie und war nach der Promotion 1923 (R¨ontgenographische Untersuchungen. Ein Beitrag zur chemischen Konstitution des Seidenfibreins) bei Alwin → Mittasch im Ammoniak-Laboratorium der Badischen Anilin- und Sodafabrik, sp¨ater im Forschungslabor Oppau der IG Farbenindustrie AG in Ludwigshafen t¨atig. 1941 trat er in die NSDAP ein und wurde o. Prof. f¨ur Anorganische und Physikalische Chemie an der TH Darmstadt und Honorarprofessor an der Univ. Heidelberg. 1943-45 war er Dozentenbundf¨uhrer und Leiter der Dozentenschaft an der TH Darmstadt. Seit 1947 wissenschaftlicher Berater im Laboratorium der Signal Corps in Fort Monmouth (USA), seit 1948 im Forschungslaboratorium der Phillips Petroleum Company in Bartlesville (USA), wurde er 1950 Full Professor of Experimental Physics am Polytechnic Institute of Brooklyn, New York. 1959-69 war B. Direktor des Fritz-Haber-Instituts der MaxPlanck-Gesellschaft in Berlin. 1941 wurde er Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Er war Fellow der New York Academy of Sciences, Honorarprofessor in Heidelberg und Berlin und Ehrenmitglied der Gesellschaft Deutscher Chemiker. B. trug Wesentliches zum Fortschritt der Physikochemie bei, nutzte die Physik der R¨ontgenstrahlen zur Erforschung der Materie und besch¨aftigte sich mit den chemischen Bindungen im Festk¨orper. Er ver¨offentlichte u. a. X-ray study of magnesium oxide (mit Carl → Hermann und Clemens Peters, 1946) und Inorganic chemistry (1948) und gab Fortschritte der Strukturforschung mit Beugungsmethoden (1964) heraus. C Gr¨uttner Brilling, Bernhard, Rabbiner, Historiker, * 3. 6. 1906 Tremessen (Posen), † 7. 7. 1987 M¨unster. W¨ahrend des Studiums der klassischen Sprachen, der Geschichte und National¨okonomie in Berlin und Breslau wurde B., Sohn eines Kantors und Lehrers, zus¨atzlich an den dortigen Rabbinerseminaren ausgebildet. Seit 1927 Archivar der j¨udischen Gemeinde in Breslau, wurde er 1932 zum Rabbiner ordiniert. 1938 wurde er in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht; er konnte jedoch 1939 nach Pal¨astina emigrieren und erhielt 1946 eine Stelle als Archivar in Tel Aviv. Bald nach seiner R¨uckkehr nach Deutschland 1957 wurde er an der Univ. M¨unster promoviert (Die Juden und die Stadt Breslau im 16. und 17. Jahrhundert), wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institutum Delitzschianum und Lehrbeauftragter f¨ur Geschichte und Glauben der deutschen Juden (bis 1970). B. war langj¨ahriger Vorsitzender der Kommission f¨ur die Geschichte der Juden in Hessen und erhielt 1980 / 81 den Leo-Baeck-Preis. In seinem Werk behandelte er die Geschichte der Juden in Westfalen und Schlesien (Die j¨udischen Gemeinden Mittelschlesiens, 1972). C Lex dt-j¨ud Autoren

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Brillinger, Hieronymus, schweizer. kath. Theologe, * 30. 9. 1469 Basel, † 10. 1. 1537 Freiburg / Breisgau (?). B., Sohn eines Prokuratos am bisch¨oflichen Gericht in Basel, wurde 1482 zum Diakon geweiht, 1485 in Basel immatrikuliert und u¨ bernahm 1487 das Amt des Provisors der M¨unsterschule. 1492 wurde er Kaplan zu St. Peter, 1502 Domkaplan und 1505 Rektor der Univ. Basel. Forschungsreisen, auf denen er nach r¨omischen Altert¨umern suchte, f¨uhrten ihn 1492 nach Rom, 1509 nach Frankfurt / Main, Mainz und Rheinzabern. 1510 u¨ berf¨uhrte er die Grabkrone der K¨onigin Anna in den Kirchenschatz des M¨unsters. Als Gegner der Reformation ging er mit dem Basler Domkapitel nach Freiburg / Breisgau. B. legte vor 1513 ein Diplomatar des Basler Hochstifts an, u¨ bersetzte die Gr¨oßeren Basler Annalen ins Lateinische und u¨ berarbeitete seit 1510 die Chronik der Basler Bisch¨ofe des → Nikolaus Gerung im humanistischen Sinn. Nach 1513 verfaßte er ein Ceremoniale Basiliensis episcopatus. C HLS Brillmacher, Peter Michael, Jesuit, * 1542 K¨oln, † 25. 8. 1595 Mainz. B. trat 1558 in den Jesuitenorden ein, wurde im folgenden Jahr in K¨oln Baccalaureus und erlangte 1560 den Grad des Magister artium. Seit 1561 im Kolleg in Trier, wurde er 1567 zum Priester geweiht. Neben seiner T¨atigkeit als Prediger studierte B. das Hebr¨aische und Griechische, sp¨ater in Paris orientalische Sprachen. 1569 predigte er im Dom von Speyer und war seit 1570 Vizerektor, sp¨ater Rektor des dortigen Jesuitenkollegs. Nach 1578 in K¨oln t¨atig, war B. 1585-87 in Kleve und D¨usseldorf Berater und Prediger des Herzogs von J¨ulich-Kleve-Berg. Seit 1588 in M¨unster, wurde er dort Leiter des Jesuitenkollegs und des Gymnasiums Paulinum. B. verfaßte einige Kom¨odien und Trag¨odien, die zu den Vorl¨aufern des Jesuitendramas z¨ahlen, und zahlreiche theologische Schriften, u. a. Evidiotheca, Brillenk¨astlein (1593). C NDB Brincken, Gertrud von den, eigentl. G. SchmiedKowarzik, Schriftstellerin, * 18. 4. 1892 Gut BrinckPedwalen (Kurland), † 17. 11. 1982 Regensburg. B. war einige Jahre als Krankenschwester und Englischlehrerin in Tuckum t¨atig. 1925 heiratete sie den PhilosophieProfessor Walther → Schmied-Kowarzik; seit 1927 war sie in Deutschland ans¨assig, zun¨achst in Frankfurt / Main, dann in Friedberg. 1939 ließ sie sich dann in M¨odling (bei Wien) nieder. Ihr erstes Werk, der Gedichtband Wer das Dunkel nicht kennt, erschien 1911. Sp¨ater verfaßte B. haupts¨achlich Romane, in deren Mittelpunkt ihre baltische Heimat steht. C Killy

Brinckman, John (Frederic), auch Brinckmann, Schriftsteller, * 3. 7. 1814 Rostock, † 20. 9. 1870 G¨ustrow. B., Sohn eines Kaufmanns und Schiffseigners, studierte in Rostock Jura, dann Philosophie, Geschichte und Sprachen, mußte das Studium jedoch wegen seiner politischen Aktivit¨aten als Burschenschaftler abbrechen. 1839 nach New ¨ York emigriert, war er dort als Journalist, Ubersetzer und Gesandtschaftssekret¨ar t¨atig. Seit 1849 wieder in Deutschland, war er zun¨achst Hauslehrer, dann Leiter einer Privatschule in Goldberg und seit 1849 Lehrer an der Real- und B¨urgerschule in G¨ustrow, seit 1860 deren Direktor. B. schrieb plattdeutsche Erz¨ahlungen (u. a. Dat Br¨uden geiht um, 1854; Kasper-Ohm un ick, 1855; erw. Fassung 1868) und Gedichte (Vagel Grip, 1859). 1914 erschienen B.s S¨amtliche Werke (5 Bde., hrsg. von Otto Weltzen), 2002-04 Briefe, Dokumente, Texte (2 Bde., hrsg. von Wolfgang M¨uns). C Killy

Bringmann Brinckmann, Albert Erich, Kunsthistoriker, * 4. 9. 1881

Brinckmann, Karl Heinrich (Hinrich) Ludwig, Jurist,

Norderney, † 10. 8. 1958 K¨oln. B., Sohn eines Architekten und Baurats, studierte Kunstgeschichte und Arch¨aologie an den Universit¨aten Berlin und M¨unchen und wurde 1905 mit der Arbeit Baumstilisierungen in der mittelalterlichen Malerei promoviert. Nach Forschungsreisen im In- und Ausland erhielt er 1909 eine Assistentenstelle an der TH Aachen, habilitierte sich dort 1910 mit einer seinem Lehrer Heinrich → W¨olfflin gewidmeten Schrift u¨ ber St¨adtebau seit der Renaissance und wurde Privatdozent. Seit 1912 a. o. Prof. f¨ur Baugeschichte an der TH Karlsruhe, wurde er 1919 zum o. Prof. berufen, ging aber im selben Jahr nach Rostock, um an er dortigen Univ. als o. Prof. das Kunstgeschichtliche Institut zu gr¨unden. Die gleiche Aufgabe u¨ bernahm er 1921 an der Univ. K¨oln. Als Nachfolger seines Lehrers → Goldschmidt wurde er 1931 auf den Berliner Lehrstuhl berufen, den er 1935 f¨ur Wilhelm → Pinder r¨aumen mußte. An die Univ. Frankfurt / Main versetzt, wirkte B. dort bis zu seiner Emeritierung 1946 als Ordinarius. Sein Hauptinteresse galt der St¨adtebauforschung sowie der Kunst des Barock und insbesondere der barocken Plastik. Er gab 1916-38 das Handbuch der Kunstwissenschaft heraus und ver¨offentlichte u. a. Baukunst des 17. und 18. Jahrhunderts in den romanischen L¨andern (1915, 51925), Barockskulptur (1917, 31931) und Geist der Nationen. Italiener, Franzosen, Deutsche (1938, 41948). B. war Ehrenmitglied des Londoner Town Planning Institute sowie korrespondierendes Mitglied der Societ`a Piemontese di Archeologia e Belle Arti in Turin. C Metzler Kunsthistoriker

* 1809 Hamburg, † 26. 5. 1855 Heidelberg. Nach langj¨ahriger T¨atigkeit als Anwalt habilitierte sich B. 1846 an der Univ. Heidelberg f¨ur Handels-, Wechsel- und Seerecht und war danach als Dozent t¨atig. 1853 geh¨orte er zu den Mitbegr¨undern der „Kritischen Zeitschrift f¨ur die gesammte Rechtswissenschaft“. B.s besonderes Interesse galt dem Handelsrecht (Lehrbuch des Handelsrechts, 2 Bde., 1853-60). Er war der Vater von Justus → B. C ADB

Brinckmann, Hans-Heinrich, Trainer, * 14. 11. 1911 Ratzeburg, † 11. 3. 1991 L¨uneburg. In L¨ubeck aufgewachsen, ritt B. fr¨uh Galopprennen und Springen; 1935 wurde er an die Kavallerieschule von Hannover geholt. Vor dem Zweiten Weltkrieg war er der weltbeste Springreiter, in seinem erfolgreichsten Jahr 1939 holte er mit seinem Pferd „Oberst II“ den Großen Preis von Rom. 1953 verabschiedete sich B., der insgesamt zehn Nationenpreise gewonnen hatte, mit dem Sieg im Großen Preis von Wies¨ baden vom aktiven Sport und wurde Ausbilder in Agypten, 1969 Bundestrainer in der Bundesrepublik Deutschland. In der Folgezeit erwarb er sich den Ruf als einer der besten Parcoursbauer im internationalen Turniersport.

Brinckmann, Justus, Kunsthistoriker, Jurist, * 23. 5. 1843 Hamburg, † 8. 2. 1915 Bergedorf (heute zu Hamburg). B., Sohn von Karl Heinrich Ludwig → B., unternahm nach dem Besuch des Johanneums 1860 ausgedehnte Reisen durch das benachbarte Ausland. Seit 1865 studierte er Naturwissenschaften, Staatsrecht und National¨okonomie in Leipzig, sp¨ater auch Kunstgeschichte in Wien. Nach der Promotion zum Dr. jur. ließ sich B. als Anwalt in Hamburg nieder und arbeitete zeitweilig als Redakteur am „Hamburgischen Correspondenten“ mit, seit 1868 vor allem als Kunstreferent. Seit 1871 war er als politischer Redakteur t¨atig. 1873 wurde B. „Gr¨undungssecretair“ der Hamburger Gewerbekammer. Im selben Jahr war er Kommissar f¨ur die Weltausstellung in Wien, sp¨ater Juror f¨ur die Weltausstellungen in Antwerpen (1885) und Paris (1900). 1877 wurde B. zum ersten Direktor des Museums f¨ur Kunst und Gewerbe ernannt, zu dessen Gr¨undung er entscheidend beigetragen hatte. Er setzte sich besonders f¨ur die F¨orderung des Hamburger Kunstgewerbes, vor allem der norddeutschen Heimatkunst ein. Der von B. 1886 gegr¨undete Kunstgewerbe-Verein wurde 1969 in Justus Brinckmann Gesellschaft e. V. unbenannt. B. ver¨offentlichte u. a. Kunst und Kunstgewerbe in Japan (1883) und Kunst und Handwerk in Japan (1889). C NDB

Brinckmann, Philipp Hieronymus, Maler, Radierer, * 1709 Speyer, begraben 21. 12. 1761 Mannheim. Ausgebildet durch Johann Georg Dathan, unternahm B. sp¨ater eine Studienreise in die Schweiz und war seit 1737 am kurpf¨alzischen Hof in Mannheim Hofmaler, Kammerrat und Oberaufseher der Bildergalerie. Neben Gem¨alden (Landschaften, Genrebilder, Portr¨ats, biblische Darstellungen) schuf er einige Radierungen nach Rembrandt. C AKL

Brinckmeier, (Johann Peter Ludwig) Eduard, Pseud. Eduard von Miletus, E. Montegna, Sherry, Historiker, ¨ Ubersetzer, Schriftsteller, * 28. 4. 1811 Wolfenb¨uttel, † 13. 10. 1897 Braunschweig. B., Sohn eines Rentmeisters, studierte 1830-33 in G¨ottingen, Jena und Halle Theologie, sp¨ater Geschichte und Sprachwissenschaft und wurde zum Dr. phil. promoviert. Er war dann als Korrektor und Zeitschriftenredakteur in Braunschweig t¨atig ver¨offentlichte Novellen, u¨ bersetzte englische und franz¨osische Literatur und schrieb Werke zur spanischen Literaturgeschichte und Sprache. Als Dolmetscher und Dozent lebte er seit 1841 in Leipzig und sp¨ater in Halle, bis er, 1847 zum Hofrat ernannt, 1848 nach Braunschweig zur¨uckkehrte. In den Jahren 1850-63 erschien das bedeutendste historische Werk B.s, das Glossarium diplomaticum. Sp¨ater widmete er sich dem Handel mit Kr¨autern und Pflanzen und ver¨offentlichte zu Beginn der neunziger Jahre zahlreiche botanische Ratgeber. C DSL

Bringmann, August, Zimmermann, Gewerkschafter, Historiker, * 6. 3. 1861, † 29. 11. 1921. Zum Zimmerer ausgebildet, war B. sp¨ater als Gewerkschaftsfunktion¨ar u. a. Redakteur des „Zimmerer“, gab Praktische Winke f¨ur die Deutsche Zimmererbewegung (1903, 3 1909) heraus und geh¨orte 1896-1902 der Generalkommission der Gewerkschaften an. Mit der Geschichte der deutschen Zimmererbewegung (2 Bde., 1903-05, 21905-09, Nachdr. 1981) wurde er zu einem Wegbereiter der Arbeitergeschichtsschreibung. C Beier Bringmann, Karl, Journalist, Verleger, * 26. 12. 1912 D¨usseldorf, † 8. 10. 1994 D¨usseldorf. Nach dem Studium der Philosophie, Geschichte, Publizistik und Kunstgeschichte in K¨oln und Berlin wurde B. dort 1937 bei Emil → Dovifat mit der Arbeit Die konfessionell-politische Tagespresse des Niederrheins im 19. Jahrhundert promoviert. Er sammelte Berufserfahrungen beim fr¨uheren Zentrumsorgan „Germania“ sowie als ¨ Redakteur des „Arzteblatts f¨ur Berlin“ und anderer a¨ rztlicher Standesbl¨atter. Nach Kriegsdienst als Fachberichterstatter der Heeres-Sanit¨atsinspektion und Kriegsgefangenschaft nahm er Ende 1945 bei der „Ruhr-Zeitung“ in Dortmund, sp¨ater bei der „Rheinischen Post“ (Ressort Kulturpolitik) in D¨usseldorf seine journalistische Arbeit wieder auf. 1951-53 war er Vorsitzender des Rheinisch-Westf¨alischen Journalistenverbandes, 1952-58 Gesch¨aftsf¨uhrer und Chefredakteur der „Katholischen Nachrichten-Agentur“, zu deren Neugr¨undung er mit einen Grundsatzentwurf beigetragen hatte. 1959 wurde B. Verlagsleiter in der RheinischBergischen Druckerei- und Verlagsgesellschaft, 1964 Mitgesellschafter des Unternehmens. Im selben Jahr u¨ bernahm

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Bringolf er die Gesch¨aftsf¨uhrung einer Reihe weiterer Firmen der Branche, u. a. des Droste-Verlags. Daneben entfaltete B. eine rege ehrenamtliche T¨atigkeit im Pressebereich, so als Vorstandsmitglied des Verbandes Rheinisch-westf¨alischer Zeitungsverleger (1969-78) und der Katholischen Weltunion der Presse in Genf (1950-81). 1951 gr¨undete er mit Dovifat in D¨usseldorf die Zeitungsfachlichen Fortbildungskurse, aus denen das Deutsche Institut f¨ur publizistische Bildungsarbeit entstand. B. war als Dozent und Honorarprofessor an den Universit¨aten Bochum und D¨usseldorf ein aktiver F¨orderer der universit¨aren Journalistenausbildung. Er ver¨offentlichte u. a. Kaleidaskop eines Lebens als Publizist (1987).

Bringolf, Walther, schweizer. Politiker, Redakteur, * 1. 8. 1895 L¨orrach, † 24. 3. 1981 Schaffhausen. Der Sohn eines Nachtw¨achters besuchte nach einer Maurerlehre das Technikum Winterthur, das er aus Geldmangel jedoch vorzeitig verließ. 1917 war er Mitbegr¨under des Schaffhauser Soldatenvereins und seit 1918 erster Zentralpr¨asident des Schweizerischen Soldatenbunds. Seit 1919 SP-Mitglied, nahm B. 1920 als Delegierter am 2. Weltkongreß der Komintern in Moskau teil. 1921 war er Gr¨undungsmitglied der Kommunistischen Partei der Schweiz, deren Zentralkomitee er seit 1922 angeh¨orte. 1922-32 redigierte er das Parteiblatt „Arbeiter-Zeitung“ (Schaffhausen). Seit 1924 war B. Schaffhauser Stadtrat und Kantonsrat, 1925-71 auch Nationalrat. 1930 wurde er nach Auseinandersetzungen innerhalb der Komintern aus der KP ausgeschlossen. 1932-68 war er Stadtpr¨asident in Schaffhausen. 1935 schloß sich B. der SP an, die er 1952-62 f¨uhrte. 1961 / 62 war er Pr¨asident des Nationalrats. 1976 wurde B. Ehrenpr¨asident der Sozialdemokratischen Internationalen und 1980 Pr¨asident der Internationalen Bach-Gesellschaft. Er ver¨offentlichte u. a. Mein Leben (1965). C HLS

Brinitzer, Carl, Pseud. Usikota, Schriftsteller, Journalist, * 30. 1. 1907 Riga, † 24. 10. 1974 Kingston Lewes (Großbritannien). Nach dem Jurastudium in Genf, Hamburg, M¨unchen, Berlin und Kiel wurde B., Sohn eines Arztes, 1930 promoviert (Strafrechtliche Maßnahmen zur Bek¨ampfung der Prostitution) und war bis 1933 als Rechtsanwalt in Kiel t¨atig. Dann kurze Zeit Staatsanwalt beim Oberlandesgericht Kiel, wurde er noch im gleichen Jahr entlassen. B., der schon w¨ahrend seiner juristischen T¨atigkeit u. a. f¨ur den „L¨ubecker Volksboten“ und die „Schleswig-Holsteinische Volkszeitung“ geschrieben hatte (z. B. satirische Gedichte), ließ sich dann als freier Schriftsteller in Rom nieder. Seit 1936 in London, war er bis 1938 Journalist f¨ur den „New Statesman“ und bis 1945 Nachrichten¨ubersetzer und -sprecher bei der BBC / Deutscher Dienst, dessen Programmleiter er bis 1967 war. 1945-64 moderierte er auch verschiedene BBC-Programme in europ¨aischen Rundfunkanstalten. B. verfaßte außerdem H¨orspiele und Biographien (Heinrich Heine. Roman seines Lebens, 1960; Das streitbare Leben des Verlegers Julius Campe, 1962). C Lex dt-j¨ud Autoren Brink, Charles Oscar, eigentl. Karl Oskar Levy, Klassischer Philologe, * 13. 3. 1907 Charlottenburg (heute zu Berlin), † 2. 3. 1994 Cambridge (Großbritannien). Der aus einem j¨udischen Elternhaus stammende B., Sohn eines Anwalts, studierte seit 1925 Philosophie, Indogermanistik, Alte Geschichte, Arch¨aologie und Klassische Philologie in Berlin und Oxford und wurde 1933 mit der Arbeit Stil und Form der pseudoaristotelischen Magna Moralia promoviert. Zu seinen Lehrern geh¨orten Werner → Jaeger, Ulrich von → Wilamowitz-Moellendorf und Eduard → Norden. Nach der Mitarbeit am „Thesaurus Linguae Latinae“ (1933-38) kam B. 1938 nach Großbritannien, um am „Oxford Latin Dictionary“ mitzuarbeiten, lehrte Classics am Magdalen

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College der Faculty of Literae Humaniores in Oxford und seit 1948 an der Scottish University of St. Andrews. Seit 1951 hatte er einen Lehrstuhl f¨ur Lateinische Philologie an der Univ. Liverpool inne und war 1954-74 Prof. in Cambridge. 1960 und 1966 geh¨orte er dem Institute for Advanced Study in Princeton an. Zusammen mit der Cambridge University Press gr¨undete B. 1963 die Reihe „Cambridge Classical Texts and Commentaries“, in der unter seiner Herausgeberschaft 30 B¨ande erschienen. 1964 wurde er in die British Academy aufgenommen. Schwerpunkte seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit bildeten die Schriften von Tacitus und Horaz. Er ver¨offentlichte u. a. Horace on Poetry (3 Bde., 1963-82). C Jb BAW 1995

Brinkhaus, Hermann (Joseph), Industrieller, * 4. 3. 1819 Horstmar, † 24. 2. 1885 Warendorf. B., Sohn eines Leinenh¨andlers, durchlief eine kaufm¨annische Lehre und war in verschiedenen textilverarbeitenden Betrieben t¨atig, bis er 1843 das Detailgesch¨aft H. Brinkhaus, 1847 zusammen mit seinem Schwager Eduard Wiemann die Textilfabrik Fa. Brinkhaus & Wiemann gr¨undete. B.s Betrieb war einer der ersten, der die Rohnesselerzeugung wie die Bundweberei auf mechanische Fabrikation umstellte. Nach der Trennung B.s und Wiemanns 1879 erbaute B. ein neues Werk (nun wieder H. Brinkhaus benannt) in Warendorf. Es folgten Zweigwerke in Sassenberg (1899) und Freckenhorst (1908). B.s Werk gelangte zu f¨uhrender Bedeutung in der Inlettindustrie. Als Demokrat auch sozialpolitisch aktiv, hatte B. u. a. großen Anteil an der Verbesserung der Webl¨ohne. C NDB

Brinkmann, Carl, Wirtschaftswissenschaftler, Soziologe, * 19. 3. 1885 Tilsit, † 20. 5. 1954 Oberstdorf / Allg¨au. B., Sohn eines Rechtsanwalts, studierte 1903-08 Geschichte und Staatswissenschaften an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, G¨ottingen, Oxford und Berlin und wurde 1908 in Berlin promoviert. 1913 habilitierte er sich in Freiburg / Breisgau und war dort bis 1918, dann in Berlin als Privatdozent und im Ausw¨artigen Amt t¨atig. Seit 1921 a. o. Prof. in Berlin, folgte er 1923 einem Ruf als o. Prof. der Wirtschaftswissenschaften an die Univ. Heidelberg. 1942-45 wieder an der Univ. Berlin t¨atig, war B. seit 1947 Prof. an der Univ. T¨ubingen. B. war Mitglied der Akademie f¨ur Deutsches Recht in Berlin sowie der Akademie der Wissenschaften in Heidelberg. Er verfaßte zahlreiche B¨ucher zur National¨okonomie, Soziologie und Wirtschaftsgeschichte, u. a. Wirtschaftsformen und Lebensformen (1944, 21950) und Wirtschaftstheorie (1948). C Altpreuß Biogr, Bd 3 Brinkmann, Carl Gustav Frh. von, auch Brinckman(n), Pseud. Selmar, Diplomat, Dichter, * 24. 2. 1764 Gut Nacka bei Stockholm, † 24. 12. 1847 Stockholm. B. entstammte einer nach Schweden eingewanderten ostfriesischen Familie; sein Vater war Advokat, seine Mutter die Tochter eines k¨oniglich schwedischen Kammerherrn. 1782-85 am P¨adagogium der Herrnhuter Br¨udergemeine in Niesky ausgebildet, studierte B. 1787-89 Philosophie und Jura in Halle, trat 1791 in den diplomatischen Dienst Schwedens ein und war seit 1792 Legationssekret¨ar in Berlin, befreundet u. a. mit Friedrich → Schleiermacher und Friedrich → Gentz. Er schrieb Beitr¨age f¨ur → Wielands „Merkur“ und den „Vossischen Musenalmanach“. Nach einem Aufenthalt in Paris (1798-1801) wieder Legationssekret¨ar in Berlin, folgte er 1807 / 08 dem preuß. Hof als Gesandter nach Memel und K¨onigsberg. 1808-10 als Gesandter in London, lebte er seit 1811 in Stockholm, wo er mehrere Male stellvertretender Hofkanzler und Mitglied des Kollegiums zur Beratung der allgemeinen Reichsangelegenheiten war. 1835 wurde B. in den Freiherrenstand erhoben. Neben seiner Lyrik (u. a. Gedichte von Selmar, 2 Bde., 1789) hinterließ er einen umfangreichen Briefwechsel. C Killy

Brinkmann Brinkmann, Hennig, Germanist, * 29. 8. 1901 K¨onigsberg (Ostpreußen), † 8. 7. 2000 L¨udinghausen (Westfalen). B., Sohn eines Klassischen Philologen, studierte seit 1918 Germanistik, Geschichte und Latein in Bonn und M¨unchen; 1923 wurde er in Bonn mit der Dissertation Die lateinische Liebesdichtung des Mittelalters promoviert. 1923-25 unterrichtete B. an der Stoyschen Erziehungsanstalt in Jena, habilitierte sich 1924 mit der Arbeit Entstehungsgeschichte des Minnegesangs (Nachdr. 1971) f¨ur Deutsche und Mittellateinische Philologie und wurde Privatdozent an der dortigen Universit¨at. 1929-37 hatte er eine Assistentenstelle am Deutschen Seminar inne, u¨ bernahm 1929 / 30 die Vertretung einer o. Professur und war 1930-38 nichtbeamteter a. o. Professor. Seit 1938 lehrte B. als o. Prof. an der Univ. Frankfurt / Main. Nach dem Zweiten Weltkrieg zun¨achst nicht wieder in das universit¨are Lehramt u¨ bernommen, lebte er 1945-48 als Privatgelehrter in Lippstadt, wo er an einer ersten Fassung seines Buches Die Deutsche Sprache (1962) schrieb. 1948-56 unterrichtete B. an Gymnasien in Lippstadt und D¨usseldorf; 1956 wurde er f¨ur die Mitarbeit am Arbeitsprogramm „Sprache und Gemeinschaft“ vom Schuldienst freigestellt. Seit 1957 war er a. o. Prof. f¨ur Lateinische Dichtung des Mittelalters, 1963-69 o. Prof. f¨ur Mittellateinische Philologie an der Univ. M¨unchen. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen ferner Die Idee des Lebens in der deutschen Romantik (1926), Zu Wesen und Form mittelalterlicher Dichtung (1928, 21979) und Mittelalterliche Hermeneutik (1980). C IGL

Brinkmann, Johann Peter, Mediziner, * 13. 6. 1746 Orsoy (heute zu Rheinberg), † 26. 6. 1785 St. Petersburg. Nach dem Studium in Duisburg, G¨ottingen und Leiden wurde B. 1765 an der Univ. Leiden promoviert (De alumine) und unternahm anschließend eine Studienreise nach Paris. Dann praktischer Arzt in Kleve, praktizierte er seit 1770 in D¨usseldorf und war sp¨ater Medizinalrat und Leibarzt des J¨ulich-Bergschen F¨urstenhauses. B. wurde vom Kurf¨ursten → Karl Theodor mit der Abfassung einer neuen Medizinalordnung, die 1773 in Kraft trat, betraut und zum Direktor des Collegium Medicum des Herzogtums ernannt. Seine anonym publizierte Schrift Philosophische Betrachtungen eines Christen u¨ ber Toleranz in Religion (1780) f¨uhrte zu einer Anklage wegen Gottlosigkeit. Nach seinem Freispruch verließ er D¨usseldorf und war f¨ur wenige Wochen 1785 nach ausgeschlagenen Rufen nach Leiden und G¨ottingen Leibarzt der Großf¨ursten Alexander und Constantin in St. Petersburg. B. setzte sich auf medizinischem Gebiet vor allem f¨ur Verbesserungen in der Hygiene ein. Er ver¨offentlichte u. a. Beweis der M¨oglichkeit, daß einige Leute lebendig begraben werden, nebst der Anzeige, wie man dergleichen Vorf¨alle verh¨uten k¨onne (1772, auch 1777), Patriotische Vorschl¨age zur Verbesserung der chirurgischen Anstalten und Verh¨utung des Einreissens der Epidemien bei den Armeen, 1780, 21790), ¨ Anweisung f¨ur Arzte und Wund¨arzte, um bei gerichtlichen Untersuchungen vollst¨andige visa reperta zu liefern (1781, 3 1802) und Vergleichung der Erziehung der Alten mit der ¨ heutigen (1784, 21788). 1 C Arzte Brinkmann, Johannes Bernhard, Bischof von M¨unster, * 4. 2. 1813 Everswinkel bei M¨unster, † 13. 4. 1889 M¨unster. B. wurde 1839 zum Priester geweiht und war seit 1840 Kaplan in Beckum. 1853 u¨ bernahm er das Amt des Seelsorgers an der Strafanstalt in M¨unster und wurde 1854 Direktor der Weltpriesterkongregation in Kevelaer sowie Rektor an der Gnadenkapelle. Seit 1857 Generalvikar in M¨unster, war B. seit 1870 Bischof von M¨unster. W¨ahrend des Kulturkampfes wurde er 1875 vom staatlichen Gerichtshof f¨ur kirchliche Angelegenheiten abgesetzt und ging ins Exil nach Holland. Nach seiner R¨uckkehr 1884 war er wieder Bischof in M¨unster. C Gatz 4

Brinkmann, Richard (Alois), Germanist, * 16. 6. 1921 Elberfeld (heute zu Wuppertal), † 2. 11. 2002 T¨ubingen. B., Sohn eines Kaufmanns, studierte seit 1939 Deutsche Philologie, Kunstgeschichte und Philosophie sowie Latein und Theologie in G¨ottingen, M¨unster und T¨ubingen, leistete 1941-44 Kriegsdienst und wurde 1949 bei Paul → Kluckhohn mit der Dissertation Das Bild vom Menschen bei Fontane promoviert. 1947-57 zun¨achst wissenschaftliche Hilfskraft, sp¨ater Assistent an der Univ. T¨ubingen, habilitierte sich B. 1956 mit der Arbeit Gehalt und Grenzen des Begriffs Realismus f¨ur die erz¨ahlende Dichtung des neunzehnten Jahrhunderts (31977). 1956-59 war er Privatdozent f¨ur Deutsche Philologie und 1959-86 o. Prof. an der Univ. T¨ubingen. 1976-80 war er Vorsitzender der SenatsKommission f¨ur germanistische Forschung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft und 1985-93 wissenschaftlicher Leiter des Heinrich-Fabri-Instituts in Blaubeuren. B. ¨ geh¨orte der Osterreichischen und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften an und war 1975-80 Vizepr¨asident der Internationalen Vereinigung f¨ur Germanische Sprache und Literaturwissenschaft. Er ver¨offentlichte u. a. Nachtwachen von Bonaventura. Kehrseite der Fr¨uhromantik (1966), ¨ Theodor Fontane. Uber die Verbindlichkeit des Unverbindlichen (1967, 21977) und Wirklichkeiten. Essays zur Literatur (1982). C IGL Brinkmann, Roland, Geologe, * 23. 1. 1898 Hagenow (Mecklenburg), † 3. 4. 1995 Hamburg. B. studierte Naturwissenschaften in Rostock, T¨ubingen, G¨ottingen und Freiburg / Breisgau und wurde 1921 mit der Dissertation Die Gliederung des Diluviums von Norddeutschland promoviert. 1921-33 war er Assistent Hans → Stille s an der Univ. G¨ottingen, wo er sich 1923 mit der Arbeit Dogger und Oxford im S¨udbaltikum f¨ur Geologie und Pal¨aontologie habilitierte und 1929 apl. Prof. wurde. Seit 1933 o. Prof. der Geologie und Pal¨aontologie sowie Direktor des Geologischen Staatsinstituts in Hamburg, wurde B. 1937 aus politischen Gr¨unden entlassen. 1937-39 war er f¨ur eine deutsch-spanische Gesellschaft des „B¨uro Keppler“ als beratender Geologe in Spanien und Portugal, 1940-44 als kommissarischer Leiter der Geologischen Landesanstalt in Polen t¨atig. 1944 kehrte er in das Reichsamt f¨ur Bodenforschung nach Berlin zur¨uck und lehrte 1946-49 als o. Prof. an der Univ. Rostock. 1949 verhaftet, mußte er die Zeit bis zu seinem Freispruch 1951 u. a. in Warschau in Untersuchungshaft zubringen. 1952-63 war B., seit 1952 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, o. Prof. der Geologie an der Univ. Bonn, 1954-56 und 1958 / 59 Schriftleiter der „Geologischen Rundschau“ und hatte 1961-64 den Vorsitz des Vorstandes der Geologischen Vereinigung inne. Nach seiner Emeritierung ging er nach Izmir (Westanatolien) und baute an der dortigen Naturwissenschaftlichen Fakult¨at ein Geologisches Universit¨atsinstitut auf; 1973 kehrte er nach Deutschland zur¨uck. B. f¨uhrte das von Emanuel → Kayser begr¨undete Lehrbuch Abriß der Geologie (2 Bde., 61940-1948, 91961-66, Bd. 1 101967) fort, schrieb u. a. Statistisch-biostratigraphische Untersuchungen an mitteljurassischen Ammoniten u¨ ber Artbegriff und Stammesentwicklung (1929), Betikum und Keltiberikum in S¨udostspanien (1931), Geologic evolution of Europe (1969), Geology of Turkey (1976), Geowissenschaftliche Bibliographie der T¨urkei 1825-1980 (2 Tle., 1981-84), Historische Geologie. Erd- und Lebensgeschichte (1986) und gab das Lehrbuch der Allgemeinen Geologie (3 Bde., 1964-72) heraus. Brinkmann, Rolf Dieter, Schriftsteller, * 16. 4. 1940 Vechta bei Oldenburg, † 23. 4. 1975 London. B. begann eine Ausbildung zum Verwaltungsangestellten beim Finanzamt Oldenburg, absolvierte eine Buchh¨andlerlehre in Essen und war seit 1962 in K¨oln ans¨assig. Seit

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Brinkmann 1963 studierte er dort an der P¨adagogischen Hochschule und war von 1966 an als freier Schriftsteller t¨atig. B. schrieb Gedichte, Erz¨ahlungen und einen Roman (Keiner weiß mehr, 1968); er wurde der „K¨olner Schule des Neuen Realismus“ zugeordnet. Ende der sechziger Jahre begann er sich mit Underground-Literatur zu besch¨aftigen, woraus die beiden Anthologien ACID (1969) und Silver Screen (1969) entstanden. Seine Gedichte (Godzilla, 1968; Die Piloten, 1968; Standphotos, 1969; Gras, 1970) sind von Frank O’Hara, dem Unterhaltungsfilm sowie von der amerikanischen Pop- und Underground-Literatur beeinflußt. B. drehte Schmalfilme, veranstaltete multimediale Lesungen und schrieb H¨orspiele. Er unternahm zahlreiche Reisen, u. a. nach Italien, Großbritannien und in die USA. B. war 1971 Stipendiat des Landes Nordrhein-Westfalen, 1972 / 73 der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom; 1974 war er Gastlektor am German Department in Austin (Texas). Kurz nach seinem Tod erschien der Gedichtband Westw¨arts 1 & 2 (1975). Das Text-Collage-Album Rom, Blicke (postum 1979) vereinigt autobiographisch-tagebuchartige Texte mit Arbeiten zu einem in K¨oln begonnenen Roman. 1988 erschien mit Schnitte der letzte seiner in Rom entstandenen Materialienb¨ande. C Killy

Brinkmann, (Johann Heinrich) Theodor, Agrarwissenschaftler, * 24. 4. 1877 Marl, † 11. 8. 1951 Bonn. B. arbeitete zun¨achst auf dem elterlichen Bauernhof, ehe er 1901-04 Landwirtschaft und National¨okonomie in Bonn und Jena studierte. Nach der Promotion bei Wilhelm → Edler 1906 (Die Entwicklung der Schweinezucht in D¨anemark) wurde er Assistent an der Versuchsstation und Lehranstalt f¨ur Molkereiwesen in Kiel. 1908 habilitierte er sich in Jena mit einer Arbeit u¨ ber die Entwicklung der Produktion in der d¨anischen Landwirtschaft. Im selben Jahr u¨ bernahm B. die Vertretung des Lehrstuhls von Friedrich → Aereboe an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Bonn-Poppelsdorf. 1910 zun¨achst zum Titularprofessor ernannt, war er dort 1911-48 o. Prof. undDirektor des Instituts f¨ur Landwirtschaftliche Betriebslehre. 1945 f¨uhrte er als erster Nachkriegsrektor die Rektorats- und Kuratorialgesch¨afte der Univ. Bonn und wurde Dekan der Landwirtschaftlichen Fakult¨at. B. machte sich besonders verdient um die Systematisierung der Fruchtfolgeformen und die Behandlung der landwirtschaftlichen Betriebslehre als systematische Wissen¨ schaft; er schrieb u. a. eine Okonomik des landwirtschaftlichen Betriebes (1914). C Bonn 6 Brinktrine, Johannes, kath. Theologe, * 22. 3. 1889 Paderborn, † 13. 12. 1965 Paderborn. B. studierte in Paderborn, Breslau, Rom und Freiburg Theologie und Philosophie. 1912 wurde er zum Priester geweiht und 1915 in Freiburg zum Dr. theol. promoviert (Der Messopferbegriff in den ersten zwei Jahrhunderten). 1918-20 war er Studienpr¨afekt am Collegium Leonianum und lehrte 1922-31 Liturgik. 1931-38 war er Prof. f¨ur Fundamentaltheologie und 1938-68 f¨ur Dogmatik in Paderborn. 1959 wurde B. Socius der P¨apstlichen R¨omischen Akademie f¨ur Theologie. W¨ahrend des Zweiten Vatikanischen Konzils war er in einer Kommission zum Thema „De doctrina fidei et morum“ t¨atig. Gepr¨agt von Thomas von Aquin und Garrigou-Lagrange, ver¨offentlichte B. u. a. Die heilige Messe in ihrem Werden und Wesen (1931), Das Opfer der Eucharistie. Dogmatische Untersuchungen u¨ ber das Wesen des Meßopfers (1938), Offenbarung und Kirche (1947-49) und Einleitung in die Dogmatik (1951). C BBKL Brintzinger, Herbert, Chemiker, * 2. 2. 1898 Esslingen / Neckar, † 20. 11. 1969 T¨ubingen. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg begann B. das Studium der Chemie an der TH Stuttgart, das er 1922 mit der Promotion abschloß (Die Beeinflussung des Farbumschlages

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von Indikatoren durch Schutzkolloide). W¨ahrend der folgenden Jahre war er als Assistent am Institut f¨ur anorganische Chemie der TH Breslau sowie als technischer Direktor einer italienischen Keramikfabrik t¨atig. 1927 habilitierte er sich mit der Arbeit Ueber den Einfluß hydrophiler Kolloide auf das Leitverm¨ogen von S¨auren und Basen f¨ur anorganische Chemie an der Univ. Jena; 1933 wurde er dort apl. Prof., 1938 a. o. Prof. und Direktor des Instituts f¨ur technische Chemie. Seit 1937 war B. Mitglied der NSDAP. Seit 1948 lehrte er als Gastprofessor an der TH Stuttgart und u¨ bernahm die Leitung der Forschungsabteilung der Papierfabrik Scheufelen in Oberlenningen. 1950 gr¨undete er in Stuttgart ein Forschungsinstitut f¨ur Pigmente und Lacke. B. entdeckte neue Kunstharze und ver¨offentlichte zahlreiche Beitr¨age zur anorganischen, technischen, Kolloid- und analytischen Chemie.

Brinz, Alois Ritter von, Jurist, Politiker, * 25. 2. 1820 Weiler / Allg¨au, † 13. 9. 1887 M¨unchen. Nach dem Studium der Klassischen Philologie studierte B., Sohn eines Landgerichtsaktuars, Jura in M¨unchen und Berlin, trat in den bayerischen Staatsdienst ein und habilitierte sich 1849 (Die Lehre von der Compensation). 1851 folgte er einem Ruf an die Univ. Erlangen, wo er 1854 o. Prof. wurde. Seit 1857 Ordinarius in Prag, widmete er sich verst¨arkt der Politik und schloß sich der liberal-großdeutschen Richtung an. 1861 wurde B. in den b¨ohmischen Landtag gew¨ahlt und sp¨ater auch in den Reichsrat entsandt. Ein Ruf nach Wien 1865 wurde von der o¨ sterr. Regierung nicht best¨atigt. 1866 u¨ bernahm B. eine Professur in T¨ubingen und war seit 1871 Prof. des r¨omischen Zivilrechts in M¨unchen, 1874-87 Herausgeber der „Kritischen Vierteljahresschrift f¨ur Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“. Als eines seiner Hauptwerke gilt das Lehrbuch der Pandekten (2 Bde., 1857-71, 21873-94 in 4 B¨anden). C NDB

Brion, Friederike (Elisabeth), * 1752 Niederr¨odern, † 3. 4. 1813 Meißenheim bei Lahr. B. war die Tochter des Pfarrers Johann Jakob B. in Sesenheim, wo → Goethe sie w¨ahrend seiner Straßburger Studienzeit 1770 kennenlernte. Als seine Studien 1771 abgeschlossen waren, trennte sich Goethe von B., die sp¨ater eine Zeitlang mit dem Dichter Jakob Michael Reinhold → Lenz befreundet war. Nach dem Tod ihres Vaters 1787 ging sie mit ihren Geschwistern zun¨achst nach Rothan und war seit 1805 in Meißenheim ans¨assig, wo ihr Schwager als Pfarrer amtierte. Goethe erw¨ahnte sie u. a. in Dichtung und Wahrheit (Kap. 10-12). C NDB

Brion, Georg Gustav Alfred, Techniker, * 28. 3. 1873 Straßburg, † 15. 6. 1950 Straßburg. B. studierte 1891-96 Naturwissenschaften in Straßburg und ¨ Leipzig und wurde 1896 in Straßburg promoviert (Uber den ¨ Ubergang der Kohle aus dem nichtleitenden in den leitenden Zustand). Bis 1897 studierte er Elektrotechnik in Z¨urich und war bis 1898 Assistent am Eidgen¨ossischen Polytechnikum in Z¨urich. Dann bis 1900 als Assistent an der TH Dresden t¨atig, wurde er dort 1901 Adjunkt und 1907 Privatdozent. Seit 1911 war er a. o., von 1912 an o. Prof. der Elektrotechnik an der Bergakademie Freiberg. B. verfaßte u. a. Starkstrommeßtechnik (1932).

Brioschi, Othmar, o¨ sterr. Maler, Zeichner, * 17. 9. 1854 Wien, † 8. 7. 1912 Rom. B. studierte seit 1874 an der M¨unchner Kunstakademie, sp¨ater an der Akademie in Wien und war 1878-80 als Gehilfe seines Vaters, des Theatermalers Carlo B., t¨atig. 1882 erhielt er das zweij¨ahrige Kenyon-Reisestipendium f¨ur Rom, wo er sich 1885 niederließ. Seit 1905 war er Prof. an der dortigen Accademia di S. Luca. B. schuf vor allem Landschaften und war an der Innendekoration des Naturhistorischen Museums in Wien beteiligt. C AKL

Brix Brisch, Klaus, Islamist, Museumsdirektor, * 7. 2. 1923 Oppeln, † 9. 2. 2001 Berlin. Nach einem Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Klassischen Arch¨aologie und einer Promotion 1955 mit einer Arbeit u¨ ber die Entstehung der gegenstandslosen Malerei im Werk → Kandinskys wandte sich B. der Kunst des Islam mit dem Schwerpunkt der spanischen Diaspora zu. Er nahm an Grabungen des Deutschen Arch¨aologischen Instituts teil und war 1960-67 an dessen Abteilung in Kairo t¨atig. 1967-88 war er Direktor des Museums f¨ur Islamische Kunst der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Hier gelang es B., die durch die kriegsbedingte Teilung des Museums stark dezimierte Sammlung neu aufzubauen und durch teils spektakul¨are Erwerbungen und Ausstellungen, z. B. zu Suleiman dem Pr¨achtigen (1988), dem Haus internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen. Zu den herausragenden von B. in die Wege geleiteten Ank¨aufen geh¨oren eine reich ornamentierte Gebetsnische des 16. Jh. sowie die monumentale h¨olzerne Kuppel aus dem Torre de las Damas der Alhambra in Granada. B. war seit 1973 korrespondierendes Mitglied der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando Madrid, seit 1976 ordentliches Mitglied des Deutschen Arch¨aologischen Instituts; 1977 wurde er zum Honorarprofessor an der Freien Univ. Berlin ernannt. Brischar, Johannes Nepomuk, kath. Theologe, Kirchenhistoriker, * 22. 8. 1819 Horb (W¨urttemberg), † 11. 4. 1897 B¨uhl (heute zu T¨ubingen). 1844 zum Priester geweiht, war B. seit 1846 Repetent am Wilhelmsstift in T¨ubingen und hielt dort Vorlesungen u¨ ber Geschichte. Seit 1851 war er Redakteur bei der „Wiener Literaturzeitung“ und u¨ bernahm 1853 das Pfarramt in B¨uhl. B. besch¨aftigte sich vor allem mit Kirchengeschichte und schrieb u. a. Die katholischen Kanzelredner Deutschlands seit den letzten Jahrhunderten (5 Bde., 1866-71). C LThK Brisger, Eberhard, luth. Prediger, * um 1490 M¨uhlheim bei Koblenz, † 24. 1. 1545 Altenburg (Th¨uringen). B. war Augustinerm¨onch, studierte 1508 in Wittenberg und seit 1509 im K¨olner Generalstudium der Augustiner. Seit 1519 wieder im Augustiner-Kloster in Wittenberg, wurde er dessen letzter Prior. 1524 u¨ bergab er zusammen mit → Luther das Kloster an den Kurf¨ursten. 1525 verließ B. das Kloster und wurde Prediger in St. Bartholom¨ai in Altenburg, wo er vermutlich eine Zeitlang → Spalatin als Superintendent vertrat. 1539 / 40 war B. Superintendent in Zeitz sowie Prediger in St. Michael. C NDB Britsch, Gustav (Adolf), Kunsthistoriker, Kunstp¨adagoge, * 11. 8. 1879 Hedelfingen bei Stuttgart, † 27. 10. 1923 Starnberg. B., Sohn eines Volksschulrektors, studierte Architektur an der TH Stuttgart, u. a. als Sch¨uler Theodor → Fischers, dann Philosophie in M¨unchen bei Hans → Cornelius. Seit 1908 in Florenz, gr¨undete er 1909 ein Institut f¨ur theoretische und angewandte Kunstwissenschaft, das er 1911 nach M¨unchen verlegte. Nach dem Ersten Weltkrieg rief B. zusammen mit Egon Kornmann in Starnberg die Schule f¨ur Bildende Kunst ins Leben. Als sein Hauptwerk gilt Theorie der bildenden Kunst (hrsg. von E. Kornmann, 1926, 31952). C NDB

Britting, (Josef) Georg, Schriftsteller, * 17. 2. 1891 Regensburg, † 27. 4. 1964 M¨unchen. B., Sohn eines st¨adtischen Beamten, begann in M¨unchen mit dem Studium der National¨okonomie und meldete sich 1914 freiwillig zum Kriegsdienst. Nach Kriegsende in Regensburg ans¨assig, war er dort Mitglied des revolution¨aren Arbeiter- und Soldatenrats und nebenbei als Theaterkritiker t¨atig. 1919 gr¨undete er zusammen mit dem Maler Josef → Achmann die sp¨atexpressionistische Literatur- und Kunst-

zeitschrift „Die Sichel“. Seit 1921 als freier Schriftsteller in M¨unchen, war er auch Mitglied des Dichterstammtisches „Unter den Fischen“, zu dem u. a. Paul → Alverdes, Eugen → Roth und Carl → Hanser geh¨orten. Den Durchbruch als Lyriker brachte der 1935 ver¨offentlichte Band Der irdische Tag (erneut 1948). 1939 folgte Rabe, Roß und Hahn. W¨ahrend in den dreißiger Jahren der Gegenstandsbereich seiner Gedichte auf die Natur beschr¨ankt war, brachte eine Besch¨aftigung B.s mit antiken Metren Anfang der vierziger Jahre eine formale und motivische Differenzierung seiner Lyrik mit sich (Lob des Weines, 1944, erw. 1950). Nach der Sonettensammlung Die Begegnung (1947) kehrte er zur Naturlyrik zur¨uck (Unter hohen B¨aumen, 1951; Der unverst¨orte Kalender, aus dem Nachlaß herausgegeben von Ingeborg Britting und Friedrich Podszus, 1965). B. schrieb auch Prosa, darunter den den Roman Lebenslauf eines dicken Mannes, der Hamlet hieß (1932) sowie die Erz¨ahlungen Das treue Eheweib (1933) und Der bekr¨anzte Weiher (1937); 1941 erschien der Band Der Schneckenweg. 1957-67 erschien eine Gesamtausgabe der Werke B.s in 8 B¨anden. C Killy

Brix, Adolf Ferdinand Wenceslaus, Mathematiker, Ingenieur, * 20. 2. 1798 Wesel, † 14. 2. 1870 Charlottenburg (heute zu Berlin). Seit 1827 Baukondukteur, wurde B. 1834 FabrikenKommissionsrat, 1853 Geheimer Regierungsrat und 1866 Geheimer Oberregierungsrat. Er war Direktor der k¨oniglich preuß. Normal-Eichungs-Kommission, Mitglied der technischen Deputation f¨ur Gewerbe im Handelsministerium und der technischen Baudeputation sowie Dozent f¨ur angewandte Mathematik am Gewerbeinstitut in Berlin; er hielt auch Vorlesungen u¨ ber angewandte Mathematik und h¨ohere Analysis an der Bauakademie Berlin. B. ver¨offentlichte u. a. Elementar-Lehrbuch der dynamischen Wissenschaften mit besonderer R¨ucksicht auf technische Anwendung (2 Bde., 1831), Abhandlung u¨ ber die Cohaesions- und ElasticitaetsVerh¨altnisse einiger nach ihren Dimensionen beim Bau der H¨angebr¨ucken in Anwendung kommenden Eisendr¨ahte des In- und Auslandes (1837), Vorschl¨age zu einem neuen Maass- und Gewichts-System f¨ur Deutschland (1848) und ¨ Uber die Reibung und den Widerstand der Fuhrwerke auf Straßen von verschiedener Beschaffenheit (1850). C ADB

Brix, Joseph, Ingenieur, St¨adtebauer, * 27. 6. 1859 Rosenheim (Oberbayern), † 10. 1. 1943 Berlin. Der Sohn eines Bauunternehmers wurde nach T¨atigkeiten in M¨unchen, Mainz, Wiesbaden und Altona 1898 Direktor der Allgemeinen St¨adtereinigungsgesellschaft in Wiesbaden, deren Bet¨atigungsfeld (vor allem Stadtentw¨asserungsarbeiten) er international ausbaute. 1904 wurde B. an der TH Charlottenburg erster o. Prof. f¨ur St¨adtebau und st¨adtischen Tiefbau in Deutschland und begr¨undete 1907 mit Felix → Genzemer das Berliner Seminar f¨ur St¨adtebau. B., der zus¨atzlich zu den a¨ sthetischen vor allem sozial-wirtschaftliche und hygienische Aspekte in den St¨adtebau einbrachte, war u. a. am Entwurf der Kanalisationen f¨ur Sofia und Bergen (Norwegen) und der Bebauungspl¨ane f¨ur Groß-Berlin, Montevideo und Darul-Aman (Afghanistan) beteiligt und bereitete als Gr¨under der Studiengesellschaft f¨ur Automobilstraßenbau auch den Weg f¨ur den Autobahnbau. Er ver¨offentlichte u. a. Grundlagen f¨ur die Projektierung und Ausf¨uhrung von Kanalisationen (1912), Die Hygiene des St¨adtebaus (mit Joseph → St¨ubben, 1912) und Die Wasserversorgung (1936, seit 31946 mit Hermann Heyd und Ernst Gerlach, 51952) und war Mitherausgeber von Die Stadtentw¨asserung in Deutschland (2 Bde., 1934, mit Karl → Imhoff) und des Handw¨orterbuchs der Kommunalwissenschaften (4 Bde., 1918-24, mit Hugo Lindemann, Otto → Most, Hugo → Preuß und Albert → Suedekum, 2 Erg.-Bde. bis 1927).

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Brix Brix, (Heinrich Otto) Richard, Milit¨ar, * 24. 2. 1831 Berlin, † 20. 12. 1895 Berlin. Nachdem er 1851 innerhalb der preuß. Artillerie den Rang eines Offiziers erreicht hatte, wechselte B. 1858 zur Kavallerie und besuchte die Allgemeine Kriegsschule. An den Kriegen von 1866 und 1870 / 71 nahm er als Rittmeister teil. Von 1878 bis zu seinem Tod bekleidete er die Stelle des Vorstehers der Geheimen Kriegskanzlei in Berlin. Seine schriftstellerischen Arbeiten befassen sich mit der Geschichte und Organisation des spanischen und russischen Heeres sowie mit den Besonderheiten der Kavallerie (Gedanken u¨ ber die Organisation, Ausbildung und Verwendung der Kavallerie bei der modernen Kriegf¨uhrung, 1881). C ADB Broch, Hermann (Josef), o¨ sterr. Schriftsteller, Essayist, Philosoph, * 1. 11. 1886 Wien, † 30. 5. 1951 New Haven (Connecticut, USA). Als Sohn j¨udischer Eltern wuchs B. in Wien auf. Sein Vater war Textilh¨andler m¨ahrischer Herkunft, seine Mutter die Tochter eines Wiener Lederfabrikanten. B. besuchte ein Realgymnasium in Wien und eine Textilfachschule in M¨ulhausen (Elsaß). 1909 konvertierte er zum Katholizismus. Im gleichen Jahr heiratete er Franziska von Rothermann, die Tochter eines Zuckerfabrikanten aus Hirm (Burgenland), von der er sich 1923 scheiden ließ. 1910 wurde sein Sohn Hermann Friedrich geboren. Im Jahr der Heirat trat er als Verwaltungsrat in das Familienunternehmen „Spinnfabrik Teesdorf“ in Teesdorf (Nieder¨osterreich) ein. Gleichzeitig betrieb er autodidaktisch mathematische und philosophische Studien (Werttheorie). In das Jahrzehnt zwischen 1913 und 1922 fielen erste Publikationen philosophischer Essays und literarischer Arbeiten u. a. in Ludwig von → Fickers Zeitschrift „Der Brenner“ und Franz → Bleis „Summa“. 1917 lernte er in Wien die Modeschriftstellerin Ea von Allesch kennen; die intensive Beziehung dauerte bis 1928. 1927 verkaufte B. die Fabrik, um an der Univ. Wien Philosophie (Wiener Kreis) studieren zu k¨onnen. In den folgenden Jahren entstand eines seiner beiden Hauptwerke, die Romantrilogie Die Schlafwandler (1930-32). Das Opus weist B. als repr¨asentativen Romancier der Moderne aus. Die Trilogie wurde von der ¨ Kritik stark beachtet, war aber kein Verkaufserfolg. Uber sein damaliges Vorbild hielt er 1932 den Vortrag James Joyce und die Gegenwart. Wie Die Schlafwandler weisen auch die folgenden literarischen Arbeiten, das Trauerspiel Die Ents¨uhnung (1932), die Kom¨odie Aus der Luft gegriffen (1934) und der Roman Die Verzauberung (1935), jene f¨ur B. bezeichnende Mischung aus zeitkritischen und mythischen Tendenzen auf. Die antifaschistischen Ansichten des Autors werden in der Verzauberung besonders deutlich. 1933 ver¨offentlichte er einen kleineren Roman, Die Unbekannte Gr¨oße, in dem die Grenzen mathematisch-wissenschaftlicher Erkenntnis dichterisch behandelt werden. 1936 begann B. mit der V¨olkerbundResolution die Serie seiner politischen Essays, die auf eine St¨arkung der Demokratie abzielten. Nach dem „Anschluß“ ¨ Osterreichs wurde B. verhaftet, doch gelang ihm im Herbst 1938 die Emigration in die USA (mit einer Zwischenstation in Großbritannien). B. lebte in New York, in Princeton (bei seinem Freund Erich von Kahler) und in New Haven; 1944 wurde er amerikanischer Staatsb¨urger. 1945 publizierte B. sein zweites opus magnum, den Ro¨ man Der Tod des Vergil, den er 1937 in Osterreich begonnen hatte. B. sah in Vergil einen Dichter im Zeitbruch, einen Geistes- und Schicksalsverwandten, der die Krise seiner

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Epoche durchlebte und dichterisch gestaltete. F¨ur das Buch erhielt er 1944 einen Preis der American Academy of Arts and Letters in New York. Zwischen 1943 und 1947 entstand seine umfangreiche Studie Massenwahntheorie, eine Analyse des Nationalsozialismus. Im Zentrum des Buches steht die ethische Begr¨undung der als „irdisch-absolut“ verstandenen Menschenrechte. 1949 heiratete B. in zweiter Ehe die Graphikerin Anne Marie Meier-Graefe. In seinen letzten Lebensjahren schrieb er den kulturkritischen Essay Hofmannsthal und seine Zeit (1948) sowie den „Roman in elf Erz¨ahlungen“ Die Schuldlosen (1950). In diesem Roman bezog er einige bereits in den fr¨uhen dreißiger Jahren publizierte Novellen ein. Das Hauptthema des Buches ist moralische Schuld (als Gleichg¨ultigkeit gegen¨uber fremdem Leid), die B. als Ursache f¨ur die Vorg¨ange in Deutschland w¨ahrend des Nationalsozialismus verstand. Als Lyriker ist B. nicht bekannt geworden, doch war ihm selbst dieser Teil seines Werkes wichtig. Er war ein passionierter Briefschreiber, und seine Korrespondenz ist ein substantieller Teil seines Œuv¨ res. W¨ahrend der Uberarbeitung seines Romans Die Verzauberung starb B. 1951 an einem Herzschlag. Die Urne mit seiner Asche wurde auf dem Union District Cemetery in Killingworth (Connecticut, USA) beigesetzt. WERKE: Kommentierte Werkausgabe in 13 B¨anden. Hrsg. v. Paul Michael L¨utzeler. Frankfurt / Main 1974-81. – Hannah Arendt, H. B. Briefwechsel. Hrsg. v. Paul Michael L¨utzeler. Frankfurt / Main 2000. – H. B., Annemarie Meier-Graefe: Der Tod im Exil. Briefwechsel 1950 / 51. Hrsg. v. Paul Michael L¨utzeler. Frankfurt / Main 2001. – Thomas Mann und H. B.: Freundschaft im Exil. Hrsg. v. Paul Michael L¨utzeler. Frankfurt / Main 2004. – Hans G. Adler und H. B.: Zwei Schriftsteller im Exil. Briefwechsel. Hrsg. und kommentiert von Ronald Speirs und John White. G¨ottingen 2004. – H. B. und Ruth Norden: Transatlantische Korrespondenz, 1934-1938 und 1945-1948. Hrsg. v. Paul Michael L¨utzeler. Frankfurt / Main 2005. LITERATUR: Paul Michael L¨utzeler: H. B. Eine Biographie. Frankfurt / Main 1985. – Paul Michael L¨utzeler (Hrsg.): H. B. Frankfurt / Main 1986. – Michael Kessler / Paul Michael L¨utzeler (Hrsg.): H. B. Das dichterische Werk. T¨ubingen 1987. – Stephen D. Dowden: H. B. Literature, Philosophy, Politics. Columbia (South Carolina) 1988. – Andreas Mersch: Aesthetik, Ethik und Religion bei H. B. Frankfurt / Main u. a. 1989. – Paul Michael L¨utzeler: Die Entropie des Menschen. Studien zum Werk H. B.s. W¨urzburg 2000. – Manfred Durzak: H. B. Neuausg. Reinbek 2001. – H. B. 1886-1951. Eine Chronik. Bearb. v. Paul Michael L¨utzeler. Marbach / Neckar 2001. – Joseph Strelka: Poeta doctus H. B. T¨ubingen / Basel 2001. – H. B. Neue Studien. Hrsg. v. Michael Kessler. T¨ubingen 2003. Paul Michael L¨utzeler

Brochowska, Pauline Marie Julie von, Pseud. Theophania, Dichterin, * 14. 11. 1794, † 9. 5. 1853 in Spanien. Die aus einer Offiziersfamilie stammende B. wurde seit 1807 bei den Ursulinerinnen in Prag erzogen und lebte seit 1810 bei ihrer Mutter in Dresden. 1812 wurde sie zur Oberhofmeisterin der Prinzessin → Amalia von Sachsen ernannt. B. schrieb Gedichte (Charitas, 1827) und Opernlibretti (u. a. Der rote Domino, Musik von J. C. Lobe, aufgef¨uhrt 1837). 1835 heriratete sie einen k¨oniglich s¨achsischen Kammerherrn. B. starb w¨ahrend eines Besuches in Spanien.

Brociner, Marco, Journalist, Schriftsteller, * 2. 12. 1852 Jassy (Rum¨anien), † 12. 4. 1942 Wien. B. studierte seit 1871 in Leipzig, M¨unchen, Berlin und Heidelberg und wurde 1878 promoviert. Dann mehrere Jahre Redakteur beim „Bukarester Tageblatt“, ging er 1887 nach Wien und war seit 1888 Redakteur beim „Neuen Wiener Tagblatt“, seit 1892 zust¨andig f¨ur das Referat u¨ ber das Deutsche Volkstheater. B. war Mitarbeiter der „Wiener Literatur-

Brockelmann Zeitung“ und des „Neuen Wiener Journals“ sowie sp¨ater Chefredakteur des „Neuen Wiener Tagblatts“. Er schrieb Romane und Novellen, haupts¨achlich jedoch Dramen (u. a. Hinter dem Vorhang, 1910). C Lex dt-j¨ud Autoren

Brock, Paul (Friedrich Karl), Schauspieler, Regisseur, * 25. 9. 1844 Berlin, † 9. 8. 1897 Berlin. Zun¨achst f¨ur die kaufm¨annische Laufbahn bestimmt, wandte sich B. der Schauspielerei zu und wurde am Urania-Theater in Berlin ausgebildet. 1866 deb¨utierte er am Hoftheater in Detmold; danach erhielt er Engagements im Fach des Jugendlichen Liebhabers und Ersten Helden an den Stadttheatern von Hamburg (1868-69), K¨onigsberg (1869-71) und Bremen (1871-72). 1872 folgte er einem Ruf an die Weimarer Hofb¨uhne, wo er u. a. den Faust und den Marquis Posa spielte und seit 1876 auch als Regisseur t¨atig war; 1887 wurde er Oberregisseur.

Brock-Sulzer, Elisabeth, schweizer. Theaterkritikerin, * 25. 1. 1903 Elgg, † 16. 10. 1981 Z¨urich. Die Tochter eines Lehrers studierte Romanistik in Z¨urich, wo sie 1927 promoviert wurde. 1931-68 war B.-S. Hauptlehrerin an der T¨ochterschule in Z¨urich, 1945-77 Mitarbeiterin der „Tat“. Sie profilierte sich besonders als progressive Theaterkritikerin, die Friedrich → D¨urrenmatt unterst¨utzte und sein Werk in mehreren B¨uchern behandelte, u. a. in D¨urrenmatt ¨ in unserer Zeit (1971). B.-S. trat auch als Ramuz-Ubersetzerin hervor. C HLS

Brockdorff, Cay (Ludwig Georg Konrad) Baron von, Philosoph, * 17. 4. 1874 Itzehoe, † 29. 1. 1946 Kiel. Nach dem Studium der Philosophie, der Naturwissenschaften und der Medizin in Heidelberg und Kiel (vor allem bei Alois → Riehl) wurde B., Sohn eines Landgerichtspr¨asidenten, 1898 in Kiel promoviert (Kants Teleologie) und habilitierte sich 1901 an der TH Braunschweig f¨ur Philosophie. Er war dort als Privatdozent, seit 1908 als a. o. Prof. t¨atig, habilitierte sich aber aus beruflichen und politischen Gr¨unden ¨ 1910 erneut an der Univ. Kiel (Uber die philosophia perennis), wo er seit 1921 a. o. Prof. war. B. war einer der f¨uhrenden Historiker der europ¨aischen Aufkl¨arungsphilosophie. 1929 gr¨undete er zusammen mit Ferdinand → T¨onnies die Hobbes-Gesellschaft, deren Vorsitzender er 1936 wurde. B. ver¨offentlichte u. a. Die Geschichte der Philosophie und das Problem ihrer Begreiflichkeit (1906, 21908), Die englische Aufkl¨arungsphilosophie (1924), Die deutsche Aufkl¨arungsphilosophie (1926) und Hobbes als Philosoph, P¨adagoge und Soziologe (1929). C NDB Brockdorff, Kai Lorenz Graf von, Jurist, Politiker, * 26. 1. 1766 Rittergut Klein-Nordsee, † 18. 5. 1840 Hamburg. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Kiel und G¨ottingen war der aus holsteinischem Uradel stammende B., Sohn eines Gutsbesitzers, zun¨achst Auskultant am Obergericht in Gottorf und ging dann als Hof- und Kanzleirat nach Celle. 1789 wurde er Rat am schleswigschen Obergericht und 1795 Mitglied der deutschen Kanzlei in Kopenhagen. Seit 1802 Kanzler des Herzogtums Holstein, war B. sowohl Chef der Landesregierung als auch Pr¨asident des Obergerichts in Gl¨uckstadt. 1819-34 geh¨orte er dem Kuratorium der Univ. Kiel an und war Pr¨asident des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts f¨ur die Herzogt¨umer Schleswig, Holstein und Lauenburg mit Sitz in Kiel. B. war der letzte Kanzler Holsteins. 1838 wurde er in den d¨anischen Grafenstand erhoben. Er war der Vater von Konrad Graf von → Brockdorff-Ahlefeldt. C SHBL, Bd 3

Brockdorff, Ursula Gr¨afin, geb. von Behr-Negendanck, Politikerin, * 1. 3. 1936 Berlin, † 12. 4. 1989 in Oberbayern. B. kam 1945 mit ihren Eltern als Fl¨uchtling nach SchleswigHolstein. Nach ihrer Heirat zog sie auf das Familiengut der Brockdorffs in Kletkamp, wo sie sich im Rahmen des Deutschen Roten Kreuzes engagierte, und war seit 1973 Vizepr¨asidentin des schleswig-holsteinischen Landesverbandes des Roten Kreuzes. 1978 trat sie der CDU bei. Im zweiten Kabinett → Barschel wurde sie 1983 Sozialministerin von Schleswig-Holstein. C Munzinger Brockdorff-Ahlefeldt, Konrad (Friedrich Gottlieb) Graf von, Politiker, * 17. 7. 1823 Borstel (Kr. Segeberg), † 15. 5. 1909 Ascheberg. B.-A., Sohn von Kai Lorenz von → B., studierte Rechtswissenschaften in Jena, Heidelberg und Kiel und wurde Auskultant bei den holsteinischen Obergerichten. Drei Jahre sp¨ater verließ er den Staatsdienst wieder und war 1854-68 Deputierter des Preetzer adligen G¨uterdistrikts, 1855-88 Mitglied der Holsteinischen St¨andeversammlung. Seit 1878 Kommendatar bei der Schleswig-Holsteinischen Genossenschaft des Johanniterordens, war B.-A. seit 1886 Mitglied des Herrenhauses und 1888 Kreisdeputierter. C SHBL, Bd 3 Brockdorff-Rantzau, Ulrich (Karl Christian) Graf von, Diplomat, * 29. 5. 1869 Schleswig, † 8. 9. 1928 Berlin. Nach dem Jurastudium in Neuenburg, Freiburg / Breisgau, Berlin und Leipzig (Dr. jur. 1891) trat B.-R., Sohn eines preuß. Regierungsassessors, 1894 als Attach´e in das Ausw¨artige Amt in Berlin ein. Bis 1896 bei der Gesandtschaft in Br¨ussel, war B.-R. im folgenden Jahr in Berlin und 1897-1901 Legationssekret¨ar in St. Petersburg. Er wurde Legations- bzw. Botschaftsrat in Wien und Den Haag, 1909 politischer Generalkonsul in Budapest und 1912 Gesandter in Kopenhagen. 1918 ging er als Staatssekret¨ar des Ausw¨artigen nach Berlin zur¨uck und wurde 1919 Reichsaußenminister; er f¨uhrte die Deutsche Delegation bei den Friedensverhandlungen in Versailles. Nachdem die deutschen Gegenvorschl¨age, insbesondere zur Kriegsschuldfrage, von den Alliierten abgelehnt worden waren, weigerte sich B.-R., den Versailler Vertrag zu unterzeichnen, und trat von seinem Amt zur¨uck. Als Botschafter in Moskau (seit 1922) war er maßgeblich am Zustandekommen des Berliner Vertrages 1926 beteiligt. C NDB Brocke, Erwin, Jurist, * 20. 1. 1921 Vahldorf bei Magdeburg, † 2. 2. 2004 Marburg. B., der nach der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg erblindet war, studierte Rechtswissenschaften in Marburg, wo er 1948 zum Dr. jur. promoviert wurde (Einstimmigkeit, Mehrheitsprinzip und schiedsrichterliche Entscheidung als Mittel der Willensbildung). Seit 1951 war er als Rechtsanwalt t¨atig. 1954 wurde B. Sozialgerichtsrat, 1956 Direktor am Sozialgericht Marburg und 1961 Richter am Bundessozialgericht (BSG). Dort wurde er 1973 Vorsitzender Richter des VII. Senats und 1980 Vizepr¨asident. 1987 erhielt er eine Honorarprofessur in Marburg. Am BSG war B. mit Fragen der Sozialgerichtsbarkeit und besonders der Arbeitslosenversicherung befaßt. Er ver¨offentlichte u. a. Der Sozialrichter: Grundriß des Verfahrenrechts der Sozialgerichtsbarkeit (1956) und Die Entsch¨adigung von Beisitzern, Zeugen und Sachverst¨andigen (1957).

Brockelmann, Carl, Orientalist, * 17. 9. 1868 Rostock, † 6. 5. 1956 Halle / Saale. Nach Studien in Rostock, Breslau und Straßburg wurde B. 1893 Privatdozent, 1900 a. o. Prof. an der Univ. Breslau. 1903 folgte er einem Ruf als o. Prof. an die Univ. K¨onigsberg und war 1910-22 in Halle / Saale, 1922-23 in Berlin und

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Brockes danach in Breslau t¨atig. 1935 emeritiert, wurde B. 1945 Bibliotheksrat und Honorarprofessor an der Univ. Halle / Saale. B. verfaßte u. a. einen Grundriß der vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen (2 Bde., 1908-13).

Brockes, Barthold H(e)inrich, Dichter, Ratsherr, * 22. 9. 1680 Hamburg, † 16. 1. 1747 Hamburg. B., Sohn eines Kaufmanns, studierte seit 1700 Jura und Philosophie in Halle, absolvierte am Reichskammergericht in Wetzlar ein Praktikum und unternahm Reisen durch Europa. 1704 wurde er in Leiden zum Lizentiaten der Rechte promoviert. Nach Hamburg zur¨uckgekehrt, widmete er sich dank des v¨aterlichen Verm¨ogens vor allem seinen literarischen Neigungen. 1715 war B., einer der Tr¨ager der Aufkl¨arung in Hamburg, unter den Gr¨undern der „Teutsch-¨ubenden Gesellschaft“ nach dem Vorbild barocker Sprachgesellschaften. Als Rat der Stadt Hamburg (seit 1720) war er auch mit diplomatischen Missionen betraut. 1724 geh¨orte B. zu den Gr¨undern der „Patriotischen Gesellschaft“. F¨ur ihr Organ, die Moralische Wochenschrift „Der Patriot“ (1724-26) verfaßte er wichtige Beitr¨age, u. a. zur Verbesserung von Erziehung und Bildung, auch der Frauen. Seit 1730 Kaiserlicher Pfalzgraf und Poeta laureatus, wurde er 1735 zum Amtmann von Ritzeb¨uttel und 1741 zum Landherrn auf dem Hamburger Berg ernannt. B. schrieb u. a. Gedichte und Oratorientexte, darunter sein Passionsoratorium Der f¨ur die S¨unde der Welt gemarterte und Sterbende Jesus [. . .] von 1712 (61721, Neudr. 1965), das Reinhard → Keiser, Georg Friedrich → H¨andel und Georg Philipp → Telemann ver¨ tonten, und ver¨offentlichte Ubersetzungen im sp¨atbarocken Sprachstil. Als sein Hauptwerk gilt die Gedichtsammlung Irdisches Vergn¨ugen in Gott (1721-48), mit der er die deutsche Naturlyrik begr¨undete. Die aus neun Teilen bestehende ¨ Sammlung enth¨alt neben den eigenen Gedichten auch Ubersetzungen, u. a. von Fabeln von Antoine Houdar de la Motte und der Night Thoughts von Edward Young. C Killy Brockes, Heinrich, B¨urgermeister, * 3. 10. 1567 L¨ubeck, † 19. 12. 1623 L¨ubeck. Seit 1586 studierte B., dessen Vater B¨urgermeister von L¨ubeck war, Rechtswissenschaften in T¨ubingen, Marburg und Padua, war seit 1593 auf Reisen durch die Schweiz, Frankreich, Spanien, England und Holland und bildete sich anschließend in Speyer juristisch fort. 1597 zur¨uck in L¨ubeck, wurde er dort 1601 Ratsherr und 1604 Gesandter. Er zeichnete u. a. verantwortlich f¨ur den Handelsvertrag mit Spanien 1606. 1609 wurde B. B¨urgermeister von L¨ubeck; zu seinen Verdiensten geh¨orte u. a. das B¨undnis mit den Generalstaaten von 1613. C NDB Brockhaus, Albert (Eduard), Verleger, * 2. 9. 1855 Leipzig, † 27. 3. 1921 Leipzig. B., Sohn von Eduard → B. und Bruder des Kunsthistorikers Heinrich → B., durchlief nach vor¨ubergehendem Studium der Philosophie in Heidelberg eine Buchh¨andlerlehre, zun¨achst in der Sortimentsbuchhandlung Jurany & Henzel in Wiesbaden, dann im v¨aterlichen Gesch¨aft und ging f¨ur ein Jahr nach London und Paris. Nach einem weiteren kurzen Universit¨atsbesuch (Heidelberg, Straßburg) trat er 1881 als Teilhaber in die Firma F. A. Brockhaus ein und setzte die von seinem Vater begonnene Spezialisierung des Verlags fort. Zugunsten des Ausbaus des Lexikons sowie geographischer und Reiseliteratur wurden u. a. die Zeitschriften aus dem Verlagsprogramm gestrichen. 1890 wurden eine Zweigfirma Brockhaus & Efron in St. Petersburg, sp¨ater Filialen in Paris und in London gegr¨undet. B. war Pr¨asident des vierten Internationalen Verlegerkongresses in Leipzig 1901. Als Vorsteher des B¨orsenvereins (1901-07) brachte er die Kr¨onersche Reform (Schutz des Ladenpreises) zum Abschluß. Er beteiligte sich an der Organisation der Ortskrankenkassen, war 1887-89 Stadtverordneter in Leipzig und

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wurde 1913 Mitglied der Ersten Kammer des s¨achsischen Landesparlaments. B. war Sammler japanischer Schnitzereien und ver¨offentlichte Netsuke. Versuch einer Geschichte des japanischen Schnitzkunst (1905, 31924). 1956 erschien Sven Hedin und Albert Brockhaus. Eine Freundschaft in Briefen. B. war der Vater von Hans → B. C NDB

Brockhaus, Carl (Friedrich Wilhelm), Laienprediger, Lehrer, * 7. 4. 1822 Himmelmert bei Plettenberg (Westfalen), † 9. 5. 1899 Elberfeld (heute zu Wuppertal). Nach dem Besuch des Lehrerseminars in Soest (1840-42) war B. als Lehrer in Breckerfeld t¨atig, seit 1848 als Hauptlehrer in Elberfeld. Er geh¨orte zu den Begr¨undern der „Evangelischen Gesellschaft“ (1848), des „Evangelischen Erziehungsvereins“ (1849) und des „Evangelischen Br¨udervereins“ (1850), dessen Gesch¨aftsf¨uhrer er wurde. Unter dem Einfluß von Heinrich Thorens wurde er zum Darbysten, verließ den Br¨uderverein und verbreitete auf zahlreichen Reisen die neue Lehre; er gilt als Gr¨under des deutschen Darbysmus. B. wirkte an der „Elberfelder Bibel“ (1854-71) mit, verfaßte zahlreiche religi¨ose Abhandlungen und schrieb geistliche Lieder. Er ver¨offentlichte Alles in Christo (111934). C RGG

Brockhaus, Friedrich, Drucker, Verleger, * 23. 9. 1800 Dortmund, † 24. 8. 1865 Dresden. B., a¨ ltester Sohn von Friedrich Arnold → B., erhielt 1816 beim Unternehmen Vieweg in Braunschweig eine Ausbildung zum Buchdrucker, trat 1819 als Geselle in die Druckerei seines Vaters ein, die zun¨achst noch unter dem Namen „Zweite Teubnersche Druckerei“ firmierte, und sammelte 1819 / 20 auf eine Reise nach Straßburg und Paris Erfahrungen bei Herstellern von Schnellpressen. 1823 u¨ bernahm B. die Leitung der nun in F. A. Brockhaus umbenannten Druckerei, setzte seit 1826 Schnellpressen in seinem Betrieb ein und war damit in Leipzig der Wegbereiter f¨ur dieses technische Verfahren. In enger Zusammenarbeit mit Friedrich → Koenig baute er den Betrieb zu einer der modernsten und gr¨oßten Druckereien Deutschlands aus und erweiterte das Unternehmen u. a. durch den Aufkauf einer Schriftgießerei (1836) sowie die Einrichtung einer Buchbinderei (1842) und einer Stahldruckerei (1844). B., seit 1827 mit der Schauspielerin Luise Wagner, der Schwester des Komponisten Richard → Wagner, verheiratet, war Gr¨under der der liberalen „Leipziger Zeitung“ (1837), die nach dem Verbot in Preußen 1842 seit 1843 als „Deutsche Allgemeine Zeitung“ erschien. Nach dem Ablaufen des Gesellschaftervertrags mit seinem Bruder Heinrich → B. 1849 zog sich B. aus dem Gesch¨aft zur¨uck. In der Kommunalpolitik engagierte sich B. als Stadtverordneter und Mitglied der Kommunalgarde.

Brockhaus, Friedrich Arnold, eigentl. David A. F. B., Verleger, * 4. 5. 1772 Dortmund, † 20. 8. 1823 Leipzig. Der Sohn des Kaufmanns und Ratsherrn Johann Heinrich B. wurde in D¨usseldorf zum Kaufmann ausgebildet. Ein kurzer Studienaufenthalt in Leipzig 1793 / 94 legte den Grundstein f¨ur seine umfassende Allgemeinbildung. 1796 gr¨undete B. in Dortmund mit zwei Kompagnons eine Großhandelsfirma f¨ur englische Manufakturwaren. Nach einem Zerw¨urfnis mit seinen Partnern entschloß er sich, nach Holland zu gehen, in das Hauptabsatzgebiet seines Unternehmens; zun¨achst in Arnheim, ließ er sich 1802 in Amsterdam nieder und machte sich selbst¨andig. Wegen der Auswirkungen der Kontinentalsperre auf das Gesch¨aft wechselte B. 1805 zum

Brockhaus Buchhandel und gr¨undete in Amsterdam die Buchhandlung Rohloff & Comp. (seit 1807 Kunst- und Industrie-Comptoir). Seit 1814 tr¨agt der Verlag den Namen F. A. Brockhaus. Auf der Leipziger Buchh¨andlermesse zu Michaelis 1808 kaufte B. die Rechte an einem unvollendeten Konversationslexikon, das 1796 von Renatus Gotthelf L¨obel und Christian Wilhelm Franke begonnen worden war. Den Restbestand dieses Werkes lieferte er seit 1809 unter dem neuen Titel Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handw¨orterbuch f¨ur die in der gesellschaftlichen Unterhaltung aus den Wissenschaften und K¨unsten vorkommenden Gegenst¨ande (6 Bde.) aus; 1809 und 1811 erschienen zwei Erg¨anzungsb¨ande. B. pendelte zun¨achst zwischen Amsterdam und Leipzig, siedelte mit dem Verlag 1811 nach Altenburg (Herzogtum Sachsen-Altenburg) u¨ ber und verlegte 1817 / 18 den Firmensitz schließlich nach Leipzig, wo er eine eigene Druckerei errichtete. 1818 wurde er Leipziger B¨urger und baute systematisch seinen Verlag aus. Er pflegte Literatur und Wissenschaft und wurde der erste Verleger → Schopenhauers, zun¨achst von Die Welt als Wille und Vorstellung (1819), sp¨ater von dessen Gesamtwerk. Bis zu B.’ Tod z¨ahlte der Verlag u. a. Friedrich von → Raumer, Henrik → Steffens, Friedrich → R¨uckert und Johann Heinrich → Voß zu seinen Autoren. Ferner erschienen eine Reihe von Zeitschriften und Jahrb¨uchern, das Taschenbuch „Urania“ (1810-48), die „Deutschen Bl¨atter“ (1813-16), → Okens „Isis“ und der von B. selbst redigierte „Hermes oder kritisches Jahrbuch der Literatur“. Das Konversationslexikon wurde ein großer Erfolg; die f¨unfte Auflage erschien 1819 / 20 in zehn B¨anden unter dem Titel Allgemeine deutsche Real-Encyklop¨adie f¨ur die gebildeten St¨ande (Conversations-Lexicon). Die Neuauflagen erschienen deswegen so schnell nacheinander, weil Raubdrucke auf den Markt gekommen waren, die B. mit sehr preisg¨unstigen Ausgaben unterlaufen konnte. In den knapp 18 Jahren seines Wirkens in Leipzig r¨uckte B. in die erste Reihe der deutschen und international anerkannten Verleger auf. Er k¨ampfte mit seinen Standesgenossen erfolgreich gegen Nachdruck und Zensur und konnte seinen S¨ohnen Friedrich und Heinrich → B., die in der Leitung des Unternehmens nachfolgten, ein wohlbestelltes Haus u¨ bergeben. Seine entscheidende Leistung lag darin, daß er den Namen Brockhaus zum Synonym f¨ur Konversationslexika machte und die deutsche Lexikographie im 19. Jh. zu ihren großen Erfolgen f¨uhrte. LITERATUR: Heinrich Eduard Brockhaus: F. A. B. Sein Leben und Wirken nach Briefen und anderen Aufzeichnungen geschildert. 3 Bde., Leipzig 1872-81. – Ders.: Die Firma F. A. Brockhaus von der Begr¨undung bis zum hundertj¨ahrigen Jubil¨aum 1805-1905. Leipzig 1905. Faks.-Ausg. mit einer Einf¨uhrung von Thomas Keiderling. Mannheim 2005. – Schopenhauer und B. Hrsg. v. Carl Gebhardt. Leipzig 1926. – Peter von Gebhardt: Geschichte der Familie Brockhaus aus Unna in Westfalen. Leipzig 1928. – Arthur H¨ubscher: Hundertf¨unfzig Jahre F. A. Brockhaus 1805 bis 1955. Wiesbaden 1955. – Ein Jubil¨aum des Wissens. 175 Jahre F. A. Brockhaus. Wiesbaden 1980. – Gertrud Milkereit: F. A. B. In: Rheinisch-Westf¨alische Wirtschaftsbiographien. Bd. 11. M¨unster 1983, S. 5-41. – F. A. Brockhaus 1905-2005. Hrsg. v. Thomas Keiderling. Mannheim 2005. – Alfred Estermann: Schopenhauers Kampf um sein Werk. Der Philosoph und seine Verleger. Frankfurt / Main, Leipzig 2005. Klaus G. Saur

Brockhaus, Friedrich Arnold, Jurist, * 21. 9. 1838 Dresden, † 14. 10. 1895 Jena. Der Sohn von Hermann → B. wurde 1863 mit der Arbeit De comitatu Germanico in Leipzig zum Dr. jur. promoviert. 1863 habilitierte er sich in Jena und wurde 1868 a. o. Prof.,

folgte 1871 einem Ruf als o. Prof. des Straf- und Kirchenrechts nach Basel, ging 1872 nach Kiel, 1888 nach Marburg und kehrte 1889 nach Jena zur¨uck. B. ver¨offentlichte u. a. Das Legitimit¨atsprincip. Eine staatsrechtliche Abhandlung (1868) und Der Einfluß fremder Rechte auf die Entwicklung des deutschen Rechts (1883). C ADB

Brockhaus, Hans, Verleger, * 6. 10. 1888 Leipzig, † 19. 12. 1965 Wiesbaden. Der Sohn von Albert → B. besuchte das Gymnasium in Leipzig und bildete sich 1909-14 in Bonn, Leipzig, Paris und London zum Verlagsbuchh¨andler aus. 1914 wurde der Urenkel des Verlagsgr¨unders Friedrich Arnold → B. Mitinhaber des F. A. Brockhaus Verlags, den er nach dem Ersten Weltkrieg in Leipzig wiederaufbaute und nach dem Zweiten Weltkrieg in Wiesbaden neu gr¨undete. Hier erschien 1952-57 die 16. Auflage des Großen Brockhaus in zw¨olf B¨anden. 1955 erhielt B. die Ehrendoktorw¨urde der Philosophischen Fakult¨at der Univ. Mainz.

Brockhaus, Heinrich, Verleger, * 4. 2. 1804 Amsterdam, † 15. 11. 1874 Leipzig. B., Sohn von Friedrich Arnold → B., wuchs nach dem Tod seiner Mutter 1809 bei der Familie seines Onkels Gottlieb in Dortmund auf, war 1817-19 in der Privaterziehungsanstalt Wackerbartsruhe bei Dresden untergebracht und trat 1819 zur Lehre in das Gesch¨aft seines Vaters ein, das er nach dessen Tod 1823 zusammen mit seinem Bruder Friedrich → B. u¨ bernahm. Zust¨andig f¨ur die Verlagsprojekte, war B. f¨ur die Redaktion des „Literarischen Conversationsblatts“ (seit 1826 „Bl¨atter f¨ur literarische Unterhaltung“) selbst verantwortlich; die Betreuung des Conversations-Lexicon, das noch 1823 in 6. Auflage ausgeliefert wurde, u¨ bertrug er Friedrich Christian August → Hasse. 1827 erwarben B. und sein Bruder Friedrich auf eigene Rechnung die Kommissionsbuchhandlung von Heinrich Eduard → Gr¨afe. 1829 ging die Firma F. A. Brockhaus an die Br¨uder als Gesellschafter u¨ ber. Unter B.’ Leitung entstand ein vielgestaltiges Verlagsprogramm, zu dem um 1830 Vertreter des „Jungen Deutschland“ wie → Gutzkow, → Mundt und → Laube, Lyriker wie → Hoffmann von Fallersleben und → Prutz und ein von Friedrich → Raumer herausgegebenes „Historisches Taschenbuch“ (1830 ff.) geh¨orten. Mit dem Ankauf der Firma „Johann Friedrich Gleditsch“ wurden auch die Rechte an der Allgemeinen Enyklop¨adie der Wissenschaft und K¨unste von → Ersch und → Gruber erworben. 1837 erhielt die Firma die Lizenz zur Herausgabe der „Leipziger Allgemeinen Zeitung“ (seit 1842 „Deutsche Allgemeine Zeitung“). Das seit Mitte der dreißiger Jahre herausgegebene „Pfennig-Blatt“ ging 1847 vollst¨andig an F. A. Brockhaus u¨ ber. 1842-47 erschien in zw¨olf Teilen die Reihe „Der Neue Pitaval. Eine Sammlung der interessantesten Criminalgeschichten aller L¨ander“. In den dreißiger und vierziger Jahren engagierte sich B. als Stadtverordneter kommunalpolitisch, wurde 1842 in die II. Kammer des S¨achsischen Landtags gew¨ahlt und nahm 1848 am Frankfurter Vorparlament teil. 1837 war er maßgeblich an der Gr¨undung des Leipziger Kunstvereins beteiligt, dessen erster Ausschußvorsitzender er wurde. Als mit Ende des Jahres 1849 der zwischen den Br¨udern bestehende Gesellschaftsvertrag ablief und sich Friedrich B. aus dem Gesch¨aftsleben zur¨uckzog, war B. seit 1850 alleiniger Gesch¨aftsf¨uhrer des Unternehmens, dessen Teilhaber 1854 sein Sohn Eduard → B. wurde. Seit 1864 u¨ berließ B. die Gesch¨aftsf¨uhrung fast vollst¨andig seinen S¨ohnen Hans Eduard und Rudolf. B. bereiste nahezu ganz Europa sowie Afrika und hielt seine Eindr¨ucke in Reisetageb¨uchern fest. Von den 1884-87 in f¨unf B¨anden als Privatdruck erschiene-

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Brockhaus nen Tageb¨uchern B.s liegen zwei Auswahlb¨ande vor: Italien, Spanien und Portugal 1834 bis 1872 (2003) und Deutschland 1834 bis 1872 (2004, mit einer biographischen Skizze; beide hrsg. von Volker Titel).

Brockhaus, Heinrich, Kunsthistoriker, * 3. 3. 1858 Leipzig, † 24. 10. 1941 Leipzig. B., Sohn von Heinrich Eduard → B. und Bruder von Albert → B., studierte Geschichte, Kunstgeschichte und National¨okonomie, wurde 1882 in Leipzig promoviert (Die Vorgeschichte des N¨urnberger Kurf¨urstentages von 1640) und habilitierte sich dort 1885 mit der Arbeit Ueber die Schrift des Pomponius Gauricus „De sculptura“ f¨ur mittelalterliche und neue Kunstgeschichte. 1887 / 88 unternahm er ausgedehnte Studienreisen, u. a. nach Italien, Griechenland, Sy¨ rien, Pal¨astina und Agypten, und war seit 1892 a. o. Prof. an der Univ. Leipzig. 1897 beurlaubt, ging er nach Florenz, um dort das Kunsthistorische Institut einzurichten, das er bis 1912 leitete. Seit 1913 wieder in Deutschland, ließ sich B. zun¨achst als Privatgelehrter in Dresden nieder und war seit 1917 in Leipzig ans¨assig. Besonderes Interesse widmete er der byzantinischen Kunst und der Florentiner Kunst der Renaissance. Er ver¨offentlichte u. a. Die Kunst in den Athoskl¨ostern (1891, 21924) und Michelangelo und die MediciKapelle (1909, 21911). C NDB Brockhaus, (Heinrich) Eduard, Verleger, * 7. 8. 1829 Leipzig, † 11. 1. 1914 Leipzig. B., Sohn von Heinrich → B., studierte in Leipzig, Heidelberg und Berlin, trat nach der Promotion 1850 in die seit diesem Jahr seinem Vater allein geh¨orende Firma ein, erhielt 1852 Prokura und wurde 1854 Teilhaber des Unternehmens. 1857-63 redigierte er die im Verlag erscheinende „Deutsche Allgemeine Zeitung“. 1889 wurde mit Ilja Abramoviˇc Efron in St. Petersburg die Firma Brockhaus & Efron (seit 1898 Aktiengesellschaft) gegr¨undet mit dem Ziel der Herausgabe ˙ einer Enciklopediˇ ceskij slovar’ (41 Bde. in 82 Halbb¨anden, 1890-1904, 2 Suppl.-Bde. in 4 Halbb¨anden, 1906 und 1907). Grundlage des Unternehmens war die 13. Auflage des Conversations-Lexikons von Brockhaus (16 Bde., 1882-87). Eine seit 1911 erschienene 2. Auflage unter dem Titel Novyj e˙ nciklopediˇceskij slovar’ mußte wegen des Ersten Weltkriegs 1916 mit Bd. 29 (statt der geplanten 48 Bde.) eingestellt werden (Nachdr. der 2. Aufl., Moskau 1997). B. war 1872-86 Vorsitzender des Deutschen Buchdruckervereins, 1880-94 Vorsitzender des Vereins der Buchh¨andler zu Leipzig und 1892-95 Schriftf¨uhrer, dann Vorsteher des B¨orsenvereins deutscher Buchh¨andler. Er war Initiator der Historischen Kommission des B¨orsenvereins (1876), deren Vorsitz er 29 Jahre lang innehatte. 1861-70 geh¨orte B. dem Leipziger Stadtverordnetenkollegium, 1870-78 dem Vorstand der Nationalliberalen Partei und 1871-78 dem Deutschen Reichstag an. Er verfaßte eine Biographie seines Großvaters: Friedrich Arnold Brockhaus. Sein Leben und Wirken nach Briefen und anderen Aufzeichnungen geschildert (3 Bde., 1872-81). B., der sich 1895 aus dem Gesch¨aftsleben zur¨uckzog, war der Vater von Albert und Heinrich → B. C NDB Brockhaus, Hermann, Orientalist, * 28. 1. 1806 Amsterdam, † 5. 1. 1877 Leipzig. Nach dem Studium der orientalischen Sprachen in Leipzig, G¨ottingen und Bonn unternahm B., Sohn von Friedrich Arnold → B., 1829-35 eine Studienreise nach Kopenhagen, Paris, London und Oxford. Nach der R¨uckkehr zun¨achst Privatgelehrter in Dresden, wurde er 1838 in Leipzig promoviert. 1839 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. der orientalischen Sprachen nach Jena und wurde 1841 o. Prof. f¨ur altindische Sprachen und Literatur in Leipzig. B. war mit Ottilie Wagner, einer Schwester Richard → Wagners verheiratet. 1846 wurde B. Mitglied der S¨achsischen Gesellschaft der Wissenschaften, 1860 der Bayerischen Akademie der Wissen-

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schaften. Sein besonderes Interesse galt den Dramen und ¨ M¨archen Indiens. Er besorgte die Ubersetzung und Herausgabe von Kathˆa-sarit-sˆagara. Die M¨archensammlung des Sri Somadeva Bhatta aus Kaschmir (1839-66) und ver¨offentlichte Ueber den Druck sanskritischer Werke mit lateinischen Buchstaben (1841). B. war der Vater des Juristen Friedrich Arnold → B. C NDB

Brockhaus, Max, Verleger, * 13. 4. 1867 Leipzig, † 9. 5. 1957 L¨orrach. Aus der bekannten Leipziger Verlegerfamilie stammend, erhielt B. seine Verlagsausbildung in Leipzig, Z¨urich, Berlin, Br¨ussel und London. Anstatt in die Firma der Familie einzutreten, gr¨undete er 1893 unter seinem Namen einen eigenen Musikverlag in den R¨aumen des Leipziger Stammhauses der Firma F. A. Brockhaus. Dort ver¨offentlichte er vor allem Werke Siegfried → Wagners, Hans → Pfitzners und Engelbert → Humperdincks. Am musikalischen Leben seiner Stadt u. a. als Vorsitzender des Direktoriums der GewandhausKonzerte (1920-36) teilnehmend, setzte sich B. f¨ur die Berufungen Wilhelm → Furtw¨anglers und Bruno → Walters als Dirigenten nach Leipzig ein. Nach der Zerst¨orung des Leipziger Brockhaus-Verlags im Zweiten Weltkrieg ging er zun¨achst in das nahegelegene Pillnitz, 1955 nach L¨orrach, wo seine Tochter und sein Schwiegersohn den Musikverlag wieder aufbauten. C Munzinger

Brockhausen, Carl, Jurist, * 9. 5. 1859 Emmerich / Rhein, † 16. 9. 1951 Kitzb¨uhel (Tirol). B., Sohn eines Kaufmanns, studierte Rechtswissenschaften an der Univ. Wien, wurde 1882 promoviert und trat im selben Jahr in den o¨ sterr. Staatsdienst ein. 1894 habilitierte er sich in Wien f¨ur Verwaltungsrecht (Vereinigung und Trennung von Gemeinden) und war seit 1905 a. o., seit 1907 o. Prof., 1891-1908 Syndikus der Wiener Universit¨at. 1916 rief er in Z¨urich die „Internationale Rundschau“ ins Leben und engagierte sich nach dem Ersten Weltkrieg verst¨arkt f¨ur die V¨olkerverst¨andigung (Erdwandel, Seelenwandel und die V¨olker Europas, 1936). Er war Mitbegr¨under der ersten volkst¨umlichen Universit¨atskurse in Europa (1895 / 96) und wurde 1929 ins Unterrichtsministerium berufen. B. ver¨offentlichte u. a. Die o¨ sterreichische Gemeindeordnung (1905), Demokratisierung der Verwaltung (1920) und Deutschland im Spiegel Frankreichs (1926). C NDB

Brockhausen, Karl Christian von, Diplomat, * 1766 Gut Coldemantz bei Greifenberg, † 12. 12. 1829 Berlin. Zun¨achst in der Kadettenschule in Stolp, war B. seit 1782 in Berlin, wo er vor allem von Minister Graf Herzberg gef¨ordert wurde. Seit 1786 Legationsrat, war er 1787 / 88 in Paris und Den Haag, sp¨ater in London. Seit 1791 Gesandter am Hof Gustavs III. von Schweden, ging B. 1795 als Gesandter nach Dresden. Nach dem Frieden von Tilsit (1807) wurde B. zum Staatsminister ernannt und als Gesandter an den kaiserlichen Hof in Paris entsandt. 1810 kehrte er nach Deutschland zur¨uck, war 1814-16 Gesandter am niederl¨andischen Hof und wurde 1817 Mitglied des Staatsrats, in dem er vor allem f¨ur Handelsangelegenheiten sowie Kultus und Erziehung zust¨andig war. C ADB

Brockhusen, Theodor Adolf Hillmann, auch Theo von B., Maler, * 16. 7. 1882 Marggrabowa (Ostpreußen), † 20. 4. 1919 Berlin. B. besuchte 1898-1904 die Kunstakademie in K¨onigsberg, wo er u. a. Sch¨uler von Ludwig → Dettmann, Maximilian → Schmidt und Olof → Jernberg war. Seit 1904 in Berlin ans¨assig, wurde er Mitglied, sp¨ater Pr¨asident der dortigen Sezession. Zun¨achst von Max → Liebermann, sp¨ater von den Werken van Goghs beeinflußt, malte B. vor allem Landschaften. Er schuf auch großformatige Kohlezeichnungen, Radierungen und Kreidelithographien. C AKL

Brockmann Brockie, Marianus, Taufname: Daniel, Benediktiner,

Brockmann, Johann Franz Hieronymus, o¨ sterr. Schau-

Historiker, * 1687 Edinburgh, † 2. 12. 1755 Regensburg. B. war der Sohn von George B., des Besitzverwalters der ehemaligen Benediktinerabtei St. Thomas Becket. M¨onch seit 1705, studierte B. in Regensburg Philosophie. Nachdem er 1708 die Profeß im dortigen Schottenkloster abgelegt hatte, wechselte er 1711 zum Theologiestudium nach Erfurt, wo er 1713 zum Priester geweiht wurde. Seit 1714 Philosophiedozent an der Univ. Erfurt, wurde er 1717 o. Prof. f¨ur Philosophie, 1719 auch Prior des dortigen Schottenklosters. 1727-39 hielt er sich mit Unterbrechungen als Missionar in Schottland auf. B. galt als Experte f¨ur das Werk des Duns Scotus. Er besch¨aftigte sich mit der Geschichte der deutschen Schottenkl¨oster und der schottischen Kl¨oster. Bedeutsam ist seine Neuausgabe des Codex Regularum von Lukas → Holste, einer von B. um mehrere B¨ande erweiterten Sammlung der Regeln fast aller M¨onchsorden (6 Bde., 1759, Nachdr. 1957 / 58).

spieler, * 30. 9. 1745 Graz, † 12. 4. 1812 Wien. Zun¨achst trat B. bei verschiedenen wandernden Gauklertruppen auf und reiste seit 1762 mit der Bodenburgschen Gesell¨ schaft durch Osterreich und Ungarn. 1771 folgte er einem Ruf Friedrich Ludwig → Schr¨oders nach Hamburg, wo er vor allem als erster deutschsprachiger Hamlet große Erfolge feierte. 1778 nahm B. ein Engagement am Burgtheater an, dessen Leitung er 1789-91 innehatte. Seit 1807 war er auch als Regisseur t¨atig. B.s Darstellung des Hamlet bei seinem Gastspiel bei Karl Theophil → Doebbelin in Berlin wurde 1777 / 78 von Daniel → Chodowiecki in 15 Kupferstichen C NDB festgehalten.

Brockmann, Franz Christian, Kaufmann, * 25. 11. 1763 Bielefeld, † nach 11. 5. 1825 C´adiz (?). B. war der Sohn des Textilunternehmers Heinrich B. und der Franziska Hoffbauer aus Bielefeld und verheiratet mit Teresa Balbina Asensio. Der Vater war in zweiter Ehe mit Johanna Charlotte van Laer verheiratet. Die Hoffbauers und die van Laers geh¨orten zu den wichtigen Bielefelder Leinenaufk¨aufern; beide waren an der „Interessenschaft“, das heißt an den hinter den Leinenbleichen stehenden Aktiengesellschaften, beteiligt. Die van Laers z¨ahlten bereits um 1720 zu den einflußreichen H¨andlern Bielefelds und waren, gemessen am Steueraufkommen, in den zwanziger Jahren des 19. Jh. die wohlhabendste Familie der Stadt. B. hatte sich mit seinen Halbbr¨udern Johann Christian, August Heinrich und Adolf Ernst in C´adiz niedergelassen, Spaniens wichtigstem Hafen im Verkehr mit seinen amerikanischen Kolonien. Wie die zahlreichen anderen deutschen, franz¨osischen, niederl¨andischen, anglo-irischen und italienischen H¨andler am Ort waren sie vom direkten Zugang zum lukrativen Kolonialhandel ausgeschlossen und beteiligten sich daran u¨ ber spanische Mittelsm¨anner. Das Handelshaus „Brockmann & Sobrinos“ (Brockmann & Neffen) war schon vor 1774 vom Onkel Johann Christian B. gegr¨undet worden und bestand bis mindestens 1833. Die Brockmanns exportierten vor allem die westf¨alischen Leinenstoffe in den spanisch-amerikanischen Wirtschaftsraum, wo sie als „Osnabrughs“, „Lienzos de la Rosa“ oder „Creguelas de Westfalia“ großen Absatz fanden. Daneben handelten sie auch mit anderen deutschen Manufakturwaren. Brockmann, Hans Heinrich, Chemiker, * 18. 10. 1903 Altkloster (heute zu Buxtehude), † 1. 5. 1988 G¨ottingen. B. studierte seit 1922 Chemie an den Universit¨aten Hamburg und Halle (u. a. bei Emil → Abderhalden) und wurde 1928 mit der Arbeit Synthese einiger Polypeptide und Studien u¨ ber ihr Verhalten, sowie das einiger Derivate gegen¨uber verd¨unntem Alkali, verd¨unnter S¨aure und Fermenten promoviert. Seit 1930 am Kaiser-Wilhelm-Institut f¨ur medizinische Forschung in Heidelberg t¨atig, ging er nach der Habilitation 1936 zu Adolf → Windaus an die Univ. G¨ottingen, 1941 an die Univ. Posen. Seit 1933 war B. Mitglied der NSDAP. 1945 kehrte er als o. Prof. nach G¨ottingen zur¨uck. B., seit 1946 Mitglied der Akademie der Wissenschaften in G¨ottingen und seit 1956 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, bestimmte die Konstitution des Vitamins D3. Er besch¨aftigte sich mit Pflanzenfarbstoffen und der Chemie der Antibiotika, vor allem mit den Stoffwechselprodukten von Actinomyceten, wobei ihm die Strukturaufkl¨arung und Totalsynthese des Actinomycins gelang. C Jb AWG 1992

Brockmann, Johann Heinrich, kath. Theologe, * 4. 3. 1767 Liesborn (heute zu Wadersloh), † 27. 9. 1837 M¨unster. B. studierte Theologie in Dillingen als Sch¨uler Johann Michael → Sailers. W¨ahrend einer anschließenden Studienreise lernte er in der Schweiz Johann Caspar → Lavater kennen. 1790 wurde er in M¨unster zum Priester geweiht und bald darauf Gymnasiallehrer. Seit 1800 war B. Prof. der Moraltheologie, seit 1803 auch der Pastoraltheologie. 1812-15 war er Domkapitular, seit 1814 Domprediger und seit 1837 Dompropst. Als B.s Hauptwerk gilt eine Pastoral-Anweisung zur Verwaltung der Seelsorge in der katholischen Kirche (3 Bde., 1836-47). C Wetzer / Welte Brockmann, Johannes, Politiker, * 17. 7. 1888 Paderborn, † 14. 12. 1975 M¨unster. B. besuchte das Lehrerseminar in Paderborn, war 1911-30 Volksschullehrer in Stenern bei Bocholt und in Rinkerode, seit 1930 als Schulleiter und wurde 1933 aus dem Schuldienst entlassen. Er war bis 1933 Vorsitzender der westf¨alischen Windthorstb¨unde, Mitglied des Reichsausschusses der Zentrumspartei und 1925-33 Mitglied des Preußischen Landtags. 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet. 1945 nahm er seine T¨atigkeit im Schuldienst wieder auf und wurde Generalreferent f¨ur Kultus bei der Westf¨alischen Provinzialregierung. 1946-48 war B. Vorsitzender der Deutschen Zentrumspartei, 1947-58 Mitglied des Landtags von NordrheinWestfalen als Fraktionsvorsitzender seiner Partei und geh¨orte 1948 / 49 dem Parlamentarischen Rat an. 1952-57 war er gesch¨aftsf¨uhrender Vorsitzender des Zentrums, 1953-57 Mitglied des Deutschen Bundestags und hatte bis 1961 einen Sitz im Kreistag von M¨unster-Land. C F¨orst Brockmann, Reiner, auch Broocman, latinisiert Broc¨ mannus, Lyriker, Ubersetzer, * 28. 4. 1609 Schwaan (Mecklenburg), † 29. 11. 1647 Kadrina (Tristfer / Wirland, Estland). B., Sohn eines Pfarrers, erhielt seine Ausbildung an der Univ. Rostock und ging 1634 als Prof. f¨ur Griechisch an das Gymnasium in Reval. Dort unterrichtete er seit 1636 auch Geschichte und verfaßte griechische, lateinische und deutsche Gedichte. Einen ersten H¨ohepunkt erreichte sein literarisches Schaffen, als der Dichter Paul → Fleming auf dem Weg nach Persien u¨ ber ein Jahr lang in Reval Station machte und sich um diesen eine literarische „Sch¨afergesellschaft“ bildete. Einige der in dieser Zeit entstandenen Gedichte B.s wurden in den gesammelten Gedichten Flemings abgedruckt (Flemings Teutsche Poemata, 1646). Seit 1637 widmete sich B. dem Studium der estnischen Sprache und ver¨offentlichte im selben Jahr ein erstes estnisches Gedicht (Carmen Alexandrinum Esthonicum ad leges Opitij poeticas compositum), das den Beginn der estnischen Kunstlyrik markiert. Anschließend widmete er sich der Nachdichtung von deutschen Kirchenliedern f¨ur das estnische Gesangbuch

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Brockmann-Jerosch ¨ sowie einer Ubertragung des Neuen Testaments ins Estnische. 1639 ging B. als Pfarrer nach Kadrina in Wirland; 1642 wurde er Assessor des Konsistoriums, 1643 Propst in Wirland. C Mecklenburg, Bd 4

Brockmann-Jerosch, Heinrich, eigentl. H. Krzymowski, Botaniker, * 23. 5. 1879 Winterthur, † 16. 2. 1939 Z¨urich. An der ETH Z¨urich zum Landwirtschaftsingenieur ausgebildet, studierte B.-J., Sohn eines aus Polen stammenden Lehrers, an der Univ. Z¨urich und wurde 1905 mit der Dissertation Die Flora des Puschlav promoviert. 1909 habilitierte er sich mit der Arbeit Die fossilen Pflanzenreste des glazialen Delta bei Kaltbrunn, bei Uznach, Kanton St. Gallen, und deren Bedeutung f¨ur die Auffassung des Wesens der Eiszeit, wurde Privatdozent und war seit 1922 Prof. in Z¨urich. 1932 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. Er unternahm zahlreiche Forschungsreisen durch Europa und war Leiter der Internationalen Pflanzengeographischen Excursionen. Er vero¨ ffentlichte u. a. Die Flora des Puschlav und ihre Pflanzengesellschaften (1907), Die Einteilung der Pflanzengesellschaften nach o¨ kologisch-physiognomischen Gesichtspunkten (1912) und Die Vegetation der Schweiz (1925). B. nahm 1905 den Nachnamen seines Großvaters m¨utterlicherseits, Heinrich Andreas Brockmann, sowie den Namen seiner Frau Marie Jerosch an. C NDB Brod, Max, Schriftsteller, Kulturphilosoph, * 27. 5. 1884 Prag, † 20. 12. 1968 Tel Aviv. B. war Sohn einer seit drei Jahrhunderten in Prag ans¨assigen j¨udischen Mittelstandsfamilie; die in vielen seiner ¨ Werke veranschaulichte Uberzeugung, daß es des Menschen Pflicht sei, Ungl¨uck und Leid zu bek¨ampfen, wurzelt in ¨ der Uberwindung einer schweren Kyphose, die seine Kindheit und fr¨uhe Jugend verd¨usterte. Er besuchte die Piaristen-Volksschule, das StefansGymnasium, studierte an der Deutschen Univ. in Prag Jura und wurde 1907 promoviert. Anschließend war er bis 1924 bei der Postdirektion in Prag beamtet, 1924-29 Kulturreferent im Ministerratspr¨asidium ˇ der CSR, 1929-39 Literatur- und Musikkritiker des „Prager Tagblatts“, Mitbegr¨under des j¨udischen Nationalrats in ˇ der CSR, dann als dessen Vizepr¨asident besonders um die Errichtung hebr¨aischer Schulen bem¨uht. B. verließ mit seiner Frau am 15. 3. 1939 Prag, und von da an „betrachtete er (sein) Leben als reines Geschenk . . .“. Seit 1939 lebte er in Israel und war als Dramaturg der „Habima“ und als Musikkritiker t¨atig. Die weitgehend von → Schopenhauer beeinflußte erste literarische Phase B.s, der „Indifferentismus“, wurde mit dem Roman Schloß Nornepygge (1908) beendet. Die Begegnung mit Martin → Buber und dessen Vortr¨age in Prag 1909 / 10 vertieften B.s Verst¨andnis des Judentums, best¨arkten sein j¨udisches Identit¨atsbewußtsein und f¨uhrten ihn schließlich zum Zionismus. Die Bedeutung der Tat im Judentum und die daraus resultierende ethische Verpflichtung bildet fortan den Kern von B.s Werk; das Streben nach der „Verwirklichung“ als ethisches Postulat, das die Durchsetzung eines ethischen Effekts in der Realit¨at bedeutet, bestimmt das Darstellungsziel seiner folgenden Schaffensepochen und liegt auch seiner unerm¨udlichen T¨atigkeit als F¨orderer und Entdecker neuer Talente zugrunde; um nur die drei bedeutendsten zu nennen: Franz → Werfel, Jaroslav Haˇsek und Leoˇs Janaˇcek. Der immanente Sinn des Lebens, der f¨ur B. in der als sittliches

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Prinzip erfaßten verwirklichenden Tat liegt, wird erstmals in ¨ der Uberwindung der selbstbezogenen Triebe in Tycho Brahes Weg zu Gott (1915), dem Roman, mit dem B. ber¨uhmt wurde, dichterisch gestaltet; es ist der erste der sechs historischen Romane, in denen sich stets der Kampf des Protagonisten, die sittliche Wahrheit zu erreichen, spiegelt und die B. als den zentralen Punkt seines Werks haben wollte: 1925 folgte Reubeni, F¨urst der Juden, wo die Frage nach dem Zweck der S¨unde in der Sch¨opfung gestellt wird. Die Niederschrift von Johannes Reuchlin und sein Kampf (1965) erforderte ein kompliziertes Sprachstudium. 1921, in Heidentum Christentum Judentum, hatte sich B. bereits zu der Auffassung durchgerungen, die er in den zwei B¨anden Diesseits und Jenseits (1947 / 48) modifiziert, dann in Das Unzerst¨orbare (1968) und in Von der Unsterblichkeit der Seele (1969) u¨ berarbeitet und erweitert, doch im wesentlichen unver¨andert beibeh¨alt: In der Beherrschung oder ¨ Uberwindung des kausalen Zusammenhangs von S¨unde und Tat liegt die Bew¨ahrungsprobe des Menschen, die er mit Hilfe des Willens bestehen kann. In dem religionsphilosophischen Werk von 1921 findet sich bereits die Unterscheidung der drei Ebenen des Willens und der Tat. Die Konzeption der „Wahlfreiheit“ – der zweiten Ebene – und der „Schaffensfreiheit“ – der dritten –, die ohne Gnade nicht erreicht werden kann, die Spannweite dieser Willensfreiheit und die Pflicht des Menschen, sie zum Guten f¨ur sich und die Welt zu lenken, war das nie beendete Diskussionsthema zwischen B. und → Kafka. B. lernte Kafka 1902 kennen und erkannte sofort seine außergew¨ohnliche literarische Begabung. Die Ermutigung, die Kafka aus dieser steten Anerkennung erwuchs, kann nicht u¨ bersch¨atzt werden. B. erfaßte und interpretierte Kafkas Werk, das f¨ur ihn nichts Unklares enthielt, als die Spiegelung einer mit Kafkas ungeheurer Sensibilit¨at erf¨uhlten Wirklichkeit, die sich nicht mit allgemeing¨ultigen Wirklichkeitsbegriffen messen l¨aßt, und bewies die seelische Kraft zur „freien sittlich richtigen Tat“, indem er sich u¨ ber den Widerspruch, der zwischen Kafkas Verf¨ugung, seine Manuskripte zu verbrennen, und der Wahl des Vollstreckers lag, hinwegsetzte. Mit der textkritischen Ausgabe von Kafkas Werk erwiesen sich auch die durch Jahrzehnte erhobenen Kritiken gegen B.s Kafka-Ausgaben als gegenstandslos. WEITERE WERKE: Heinrich Heine. Amsterdam 1934. – Franz Kafka. Prag 1937 – Galilei in Gefangenschaft. Winterthur 1948. – Streitbares Leben. M¨unchen 1960. – Der Prager Kreis. Stuttgart 1966. LITERATUR: Bernd Wilhelm Wessling. M. B. Ein Portrait. Stuttgart 1969. – Margarita Pazi: M. B., Werk und Pers¨onlichkeit. Bonn 1970. – Dies. (Hrsg.): M. B., 1884-1984, Untersuchungen zu M. B.s literarischen und philosophischen Schriften. New York 1987. – Claus-Ekkehard B¨arsch: M. B. im Kampf um das Judentum. Wien 1992. – Pavel Dolezal: Tom´as G. Masaryk, M. B. und das Prager Tagblatt (1918-1938). Frankfurt / Main u. a. 2004. Margarita Pazi

Broda, Abraham ben Saul, Rabbiner, Talmudforscher, * um 1640 Bunzlau, † 11. 4. 1717 Frankfurt / Main. B. war zun¨achst Rabbiner in Lichtenstadt, seit 1692 in Raudnitz und wurde 1693 Jeschiwahaupt in Prag. Nach Auseinandersetzungen verließ er Prag und wurde 1709 Rabbiner in Metz, 1713 Rabbiner und Jeschiwahaupt in Frankfurt / Main. Zu seinen Sch¨ulern z¨ahlten u. a. Ionah Landsofer und Nathanael Weil. B. verfaßte u. a. Eschel Abraham (1747). C Wininger

Broda, (Hans) Christian, o¨ sterr. Politiker, * 12. 3. 1916 Wien, † 1. 2. 1987 Wien. Im Widerstand gegen den St¨andestaat, dann auch gegen die Nationalsozialisten im Widerstand t¨atig, mußte B., Bru-

Brodmann der von Engelbert → B., 1934 und 1943 Freiheitsstrafen verb¨ußen. 1947 schloß er das Jurastudium mit der Promotion ab und arbeitete seit 1948 als Rechtsanwalt in Wien. 1957-59 ¨ dem Bundesrat und 1959-83 dem Nageh¨orte er f¨ur die SPO tionalrat an. 1960-66 und 1970-83 war B. Justizminister. In seiner Amtszeit erbrachten grundlegende Reformen auf dem Gebiet des Familien-, des Personen- und des Strafrechts u. a. die Gleichstellung der Frau im Familienrecht, die Einf¨uhrung der Fristenl¨osung, die Straffreiheit f¨ur Homosexualit¨at und die Verbesserung des Kinder- und Jugendschutzes. B. ¨ und Pr¨asident war Mitglied des Parteivorstandes der SPO ¨ Er ver¨offentlichte u. a. der Kraftfahrerorganisation ARBO. Demokratie, Recht, Gesellschaft (1962), Die o¨ sterreichische Strafrechtsreform (1965) und Rechtspolitik, Rechtsreform. Ein Vierteljahrhundert Arbeit f¨ur Demokratie und Recht (1986). 1987 erhielt B. den Menschenrechtspreis des Europarats. C Czeike

Broda, Engelbert, o¨ sterr. Chemiker, * 29. 8. 1910 Wien, † 26. 10. 1983 Wien. Der Bruder Christian → B.s studierte in Wien und Berlin Chemie und wurde 1934 in Wien promoviert (1 Ueber den R¨ontgenzerfall von Ammonpersulfatl¨osungen. 2. Studien zum viskosimetrischen und osmotischen Verhalten der Hochpolymeren in L¨osung). Anschließend arbeitete er als Privatassistent bei Herman Francis → Mark, seit 1937 auch als Patentanwaltsanw¨arter. 1938 nach Großbritannien emigriert, wurde er nach zweimaliger Internierung (1939 / 40) in die Cambridger Forschungsgruppe des Department of Atomic Energy berufen. 1941-46 war er meist am Cavendish Laboratory auf verschiedenen Gebieten der radioaktiven Chemie, der Elektrochemie und der Kernphysik t¨atig. Seit 1946 in Edinburgh, kehrte B. 1947 nach Wien zur¨uck, habilitierte sich 1948 und war seit 1954 a. o., 1968-80 o. Prof. der angewandten physikalischen Chemie und Radiochemie an der Univ. Wien. Er ver¨offentlichte u. a. Atomkraft – Furcht und Hoffnung (1956), Radioaktive Isotope in der Bioche¨ mie (1958) und Kernenergie in Osterreich (1976). Postum erschien 1985 Wissenschaft, Verantwortung, Frieden (hrsg. von Paul Broda).

Broda, Rudolf, Soziologe, * um 1880 Wien, † Mai 1932 Yellow Springs (Ohio, USA). Nach zahlreichen Studienreisen war B. 1907-14 Prof. der Soziologie am Freien Kolleg f¨ur soziologische Wissenschaft in Paris. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs am Minerva-Institut in Z¨urich, war er 1920-23 Mitarbeiter des Internationalen Arbeitsamtes. Er wurde Dozent an der Harvard University in Boston, 1927 an der Antioch University in Yellow Springs. B. war Herausgeber der Dokumente des Fortschritts (o. J.), die schon 1909 die Idee eines V¨olkerbunds vertraten. Mit Julius → Deutsch ver¨offentlichte er 1914 Das moderne Proletariat. Eine sozialpsychologische Studie.

Brodde, Otto, Musiker, * 21. 3. 1910 Gilgenburg (Ostpreußen), † 24. 8. 1982 Hamburg. Nach privater musikalischer Ausbildung in Dortmund studierte B. Musikwissenschaft in M¨unchen und wurde 1935 mit der Arbeit Johann Gottfried Walther (1684-1748). Leben und Werk promoviert. Bereits seit 1927 als Kantor und Organist t¨atig, wurde er 1935 als Dozent f¨ur Hymnologie, Liturgik und Kirchenmusikgeschichte an die Folkwangschule in Essen berufen und war seit 1946 Dozent f¨ur Kirchenmusik in Hamburg. 1962 wurde er zum Kirchenmusikdirektor, 1963 zum Prof. ernannt. Seit 1949 war er Schriftleiter der Zeitschrift „Der Kirchenchor“ und seit 1951 Mitherausgeber von „Der Kirchenmusiker“. B. ver¨offentlichte u. a. Johann Cr¨uger, Weg und Werk (1935), Johann Heermann (1948) und gab u. a. ein Liturgisches Chorbuch (2 Bde., 1958-62, Bd. 1 21961) und Th¨uringer Motetten (2 Bde., 1968) heraus. C MGG

Brode, Max, Musiker, Dirigent, * 25. 2. 1850 Berlin, † 30. 12. 1917 K¨onigsberg. B. besuchte 1863-67 das Sternsche Konservatorium in Berlin und bis 1869 das Leipziger Konservatorium. Dann einige Zeit Primgeiger eines Quartetts in Mitau, studierte er 1870-73 an der Kgl. Hochschule Berlin als Sch¨uler Joseph → Joachims. 1874-76 war B. Violinlehrer am Augsburger Konservatorium und seit 1876 Konzertmeister am Stadttheater in K¨onigsberg, wo er die Sinfoniekonzerte initiierte. 1891 u¨ bernahm er die Leitung der Philharmonie und wurde 1894 akademischer Musikdirektor, 1897 Prof. an der K¨onigsberger Universit¨at; seit 1898 war er auch Leiter der Singakademie. C Altpreuß Biogr, Bd 3

Brodersen, Friedrich, S¨anger, * 1. 12. 1873 Bad Boll (W¨urttemberg), † 19. 3. 1926 Krefeld. B., Sohn eines Pfarrers, studierte Architektur an der Baugewerbeschule in Stuttgart. Neben der Arbeit in seinem Beruf nahm er Gesangsunterricht bei Heinrich Bertram und deb¨utierte 1900 als Bariton am Stadttheater in N¨urnberg. 1903 ging er an die M¨unchner Hofoper, der er bis zu seinem Tod als Mitglied verbunden blieb; 1910 wurde er zum Kammers¨anger ernannt. In M¨unchen wirkte B. in mehreren Urauff¨uhrungen mit, u. a. in Opern von Ermanno → WolfFerrari, in Violanta von Erich Wolfgang → Korngold und in Pal¨astrina von Hans → Pfitzner. C Kutsch Brodhagen, Peter Heinrich Christoph, Mathematiker, * 25. 10. 1753 Hamburg, † 25. 5. 1805 Itzehoe. Mit dem Ziel, Seemann zu werden, widmete sich B. mathematischen und nautischen Studien. Von Johann Georg → B¨usch gef¨ordert, besuchte er die Univ. G¨ottingen (bis 1782), versah danach den Unterricht der Technologie, Chemie, Naturgeschichte und Warenkunde an der Handelsakademie in Hamburg und hielt Vorlesungen f¨ur Seeleute. Seit 1797 Hilfslehrer am Hamburger Gymnasium, wurde B. dort als Nachfolger des 1800 verstorbenen B¨usch Mathematiklehrer. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen Lehrb¨ucher zur Mathematik (Versuch einer Dynamik zum Gebrauche derjenigen, die keine h¨ohere Mathematik verstehen, 1787; Handbuch der theoretischen und praktischen Arithmetik, 1790; Gemeinn¨utzige Encyclop¨adie f¨ur Handwerker, K¨unstler und Fabrikanten oder die ersten Kenntniße der Mathematik, Physik, Chemie und Technologie, 1792) und Navigation sowie Abhandlungen u¨ ber das M¨unzwesen.

Brodmann, Korbinian, Psychiater, * 17. 11. 1868 Liggersdorf, † 22. 8. 1918 M¨unchen. B. studierte in M¨unchen, W¨urzburg, Berlin und Freiburg / Breisgau und erhielt 1895 seine Approbation mit der Dissertation Ein Beitrag zur Kenntnis der chronischen Ependymsklerose. Die Assistenzzeit verbrachte er an der Nervenheilanstalt Alexanderbad und war sp¨ater am Pathologischen Institut in Leipzig t¨atig, wo er 1898 promoviert wurde. Dann Assistent an der Psychiatrischen Klinik in Jena, an der Irrenanstalt Frankfurt / Main und am Neurobiologischen Institut der Univ. Berlin, war er 1910-16 zun¨achst Assistenz-, sp¨ater Oberarzt und Leiter des Anatomischen Laboratoriums der Psychiatrischen Klinik T¨ubingen. Nach der Habilitation ging er als Prosektor an die Landesheilanstalt Nietleben (bei Halle / Saale) und 1918 als Leiter der Topographisch-Histologischen Abteilung an die Forschungsanstalt f¨ur Psychiatrie in M¨unchen. Als eines seiner Hauptwerke gilt eine Vergleichende Lokalisationslehre der Großhirnrinde in ihren Prinzipien dargestellt auf Grund des Zellenbaues (1909, 21925). C Deutsche Irr

Brodmann, Roman, schweizer. Journalist, Regisseur, * 18. 6. 1920 Binningen (Kt. Basel), † 1. 2. 1990 Basel. B. verbrachte seine Volont¨arszeit beim „Basler Volksblatt“ und war seit 1943 bei der Z¨urcher Tageszeitung „Die Tat“,

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Brodnitz seit 1949 als freier Journalist t¨atig. 1960-63 war er Chefredakteur der „Z¨urcher Woche“ und arbeitete daneben f¨ur das Fernsehen. F¨ur die von ihm konzipierte Sendung Das Freitagsmagazin erhielt er 1961 den Prix Italia. Die massive Sozialkritik, die B. in seinen Beitr¨agen u¨ bte, f¨uhrte zu seiner Entlassung, woraufhin er zun¨achst f¨ur das Zweite Deutsche Fernsehen, sp¨ater f¨ur die ARD arbeitete. Außerdem war er Dozent an der Film- und Fernsehschule in M¨unchen. Er besch¨aftigte sich u. a. mit Themen wie Antisemitismus in der Schweiz und Dienstverweigerer und erregte besonderes Aufsehen mit dem Film Der Traum vom Schlachten der heiligsten Kuh (1987), der sich kritisch mit der Schweizer Armee auseinandersetzte. B. wurde 1968 mit dem Deutschen Pressepreis und 1983 mit dem Basler Kulturpreis ausgezeichnet; viermal erhielt er den Grimme-Preis. C HLS

Brodnitz, Georg, National¨okonom, * 18. 11. 1876 Berlin, † um die Jahreswende 1941 / 42 Ł´od´z. Der aus einer Unternehmerfamilie stammende B. studierte in Paris, Oxford, Berlin und Halle Rechts- und Staatswissenschaften. 1900 wurde er in Leipzig zum Dr. jur. promoviert, begann ein Referendariat am Kammergericht und f¨uhrte gleichzeitig seine o¨ konomischen Studien am staatswissenschaftlichen Seminar an der Univ. Halle fort, wo er 1901 mit der Arbeit Vergleichende Studien u¨ ber Betriebsstatistik und Betriebsformen der englischen Textilindustrie zum Dr. phil. promoviert wurde. 1902 habilitierte er sich dort mit der von Johannes → Conrad betreuten Studie Bismarcks national¨okonomische Anschauungen f¨ur Staatswissenschaften, nahm 1908-14 eine Lehrstuhlvertretung wahr und wurde 1909 a. o. Prof. an der Univ. Halle. B.s Forschungsinteresse galt der englischen Wirtschaftsgeschichte, insbesondere im Vergleich zu Deutschland. 1923 u¨ bernahm er die alleinige Herausgabe der „Zeitschrift f¨ur die gesamte Staatswissenschaft“. 1933 wurde er auf der Grundlage des nationalsozialistischen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums ohne Bez¨uge in den Ruhestand versetzt. Er ver¨offentlichte u. a. Englische Wirtschaftsgeschichte (Bd. 1, 1918) und Das System des Wirtschaftskrieges (1920). Nach Litzmannstadt (heute Ł´od´z), deportiert, kam B. dort um. C Hagemann Brodnitz, K¨athe, verh. Fr¨ohlich, Schriftstellerin, * 10. 3. 1884 Berlin, † 16. 3. 1971 St. Petersburg (Florida, USA). Die aus einer j¨udischen Familie stammende B., Tochter eines Maschinenfabrikanten, studierte in Freiburg / Breisgau und M¨unchen Philosophie und wurde 1912 mit der Dissertation Der junge Tieck und seine M¨archenkom¨odien promoviert. In M¨unchen geh¨orte sie dem Kreis um Artur → Kutscher an und war mit Ricarda → Huch, Hans → Leybold, → Klabund und Hugo → Ball befreundet. 1913 unternahm sie eine l¨angere Reise in die USA. Vor dem Ersten Weltkrieg entstanden mit der Novelle Ich bin dir treu! (1911) und der kunsthistorischen Studie Nazarener und Romantiker (1914) erste schriftstellerische Arbeiten. In den zwanziger Jahren kehrte B. nach Berlin zur¨uck und schrieb vor allem in expressionistischer Tradition stehende Mysterienspiele, die inhaltlich auf antike Mythologie und das Alte Testament zur¨uckgingen (u. a. Mysterien, 1931). 1938 emigrierte B. in die USA, wo sie als Sprachlehrerin und Dozentin (Vassar College, New York; Wheaton College, Massachusetts) unterrichtete. C DLL, 20. Jh.

Brodsky, Adolf, auch Brodskij, Musiker, Musikp¨adagoge, * 21. 3. 1851 Taganrog (Rußland), † 22. 1. 1929 Manchester. B., der bereits als Knabe als Geiger auftrat, studierte zun¨achst am Wiener Konservatorium als Sch¨uler von Joseph ¨ sp¨ater am Konservatorium in Odessa → Hellmesberger d. A.,

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und wurde zweiter Geiger im Hellmesbergerschen Quartett. 1868-70 war er Mitglied des Wiener Hofopernorchesters. Nach einer Reihe von Konzertreisen (1870-73) trat er 1874 die Nachfolge Ferdinand → Laubs als Violinlehrer am Kaiserlichen Konservatorium in Moskau an. 1879-81 beim Symphonieorchester Kiew, war B. 1883-91 Lehrer am Leipziger Konservatorium. W¨ahrend dieser Zeit gr¨undete er das Brodsky-Quartett. 1891-94 war er Konzertmeister beim New Yorker Symphonieorchester, danach Konzertmeister, Direktor und Prof. am Royal College of Music in Manchester. C MGG

Brody, Heinrich Chajim, auch Heinrich Haim B., Pseud. H. Salomonsohn, Rabbiner, Talmudforscher, * 21. 5. 1868 Ungv´ar (Ungarn), † 6. 5. 1942 Pal¨astina. B. studierte an der Jeschiwa in Preßburg, dann am Rabbinerseminar in Berlin, wo er 1898 sein Examen ablegte und 1894 promoviert wurde. 1896 gr¨undete er zusammen mit Aron → Freimann die „Zeitschrift f¨ur hebr¨aische Bibliographie“, deren Herausgeber er bis 1906 war. 1898 wurde er Rabbiner in Nachod (B¨ohmen), 1905 Leiter der TalmudTora-Schule in Prag, 1912 Oberrabbiner. Seit 1902 Pr¨asident der ungarischen Misrachi-Organisation und seit 1920 des J¨udischen Wohlfahrtszentrums Prag, war er 1930-33 Direktor des Forschungsinstituts f¨ur hebr¨aische Dichtung. B. emigrierte 1934 nach Pal¨astina, wurde Abteilungsleiter am Schocken-Institut, Direktor des Instituts f¨ur hebr¨aische Dichtung und Vorstandsmitglied der Mekizei Nirdanim Society. B. verfaßte u. a. Widerspricht der Zionismus unserer Religion? (1898). C BHdE, Bd 1

Br¨ockelmann, Julie, geb. Wagner, Schauspielerin, * 3. 9. 1804 Bremen, † 3. 9. 1848 Pasewalk. B. begann ihre Laufbahn als Schauspielerin in Amsterdam, wurde durch Gastspiele in Karlsruhe und Berlin auch in Deutschland bekannt und erhielt ein Engagement in Stettin. Sie spielte in Posen und Schleswig, bis sie 1832 den Schauspieler Wilhelm → B. heiratete, der 1834 Theaterdirektor in Pommern wurde. B. beteiligte sich an der Leitung des Theaterunternehmens und war bis zu ihrem Tod im Fach der M¨utter und Anstandsdamen schauspielerisch t¨atig. Br¨ockelmann, Wilhelm, Schauspieler, * 1749 Kassel, † 2. 7. 1807 L¨ubeck. B., der 1775 deb¨utierte, wurde als Interpret komischer Rollen an verschiedenen B¨uhnen bekannt. 1783 erhielt er ein Engagement in Hamburg, 1788 am Mecklenburg-Schweriner Hoftheater und schließlich am L¨ubecker Theater. Er schrieb B¨uhnenst¨ucke wie Die Hautboisten (1797) B. war der Vater des Schauspielers Wilhelm → B. Br¨ockelmann, Wilhelm, Schauspieler, * 18. 6. 1797 Altona (heute zu Hamburg), † 5. 5. 1854 Stargard. Als Sohn des Schauspielers Wilhelm → B. begann B. seine Theaterlaufbahn schon als Kind in Hamburg. Sp¨ater erhielt er ein Engagement in Hannover, setzte dort seine Ausbildung als Kom¨odienschauspieler fort und trat auch als S¨anger auf. Er spielte an verschiedenen B¨uhnen Deutschlands und der Schweiz, bis er 1834 Theaterdirektor in Pommern wurde; er trat weiterhin in komischen Charakterrollen auf. B. war mit der Schauspielerin Julie → B. verheiratat. Br¨ocker, Ludwig Oskar, Historiker, Journalist, Lehrer, * 23. 9. 1814 Greifswald, † 24. 12. 1895 Hamburg (?). Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Leipzig und Jena (Dr. jur.) widmete sich B. in Heidelberg historischen Studien und wurde 1838 zum Dr. phil. promoviert. Seit 1839 lehrte er in Kiel und sp¨ater in T¨ubingen als Privatdozent, wurde 1848 Mitarbeiter der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ und ging 1850 als Redakteur der „Hamburger Nachrichten“ in die Hansestadt. 1856-84 unterrichtete er dort als

Br¨omel Gymnasiallehrer franz¨osische Sprache, Geschichte und Geographie. Er schrieb u. a. Geschichte des deutschen Volkes und des deutschen Reiches von 843-1024 (2 Bde., 1890).

Br¨ocker, Walter, Philosophiehistoriker, * 19. 7. 1902 Itzehoe, † 2. 8. 1992 Kiel. B. wurde 1928 in Marburg zum Dr. phil. promoviert (Kants „Kritik der a¨ sthetischen Urteilskraft“. Versuch einer ph¨anomenologischen Interpretation und Kritik des I. Teiles) und habilitierte sich 1934 in Freiburg / Breisgau mit der Arbeit Aristoteles (51987). 1940 folgte er einem Ruf als o. Prof. f¨ur Philosophie nach Rostock und lehrte seit 1948 in Kiel, wo er auch Direktor des Philosophischen Seminars war. B. gab Texte Platons und → Heideggers heraus. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen Im Strudel des Nihilismus (1951), Die Geschichte der Philosophie vor Sokrates (1965, 21986), Platos Gespr¨ache (1967, 51999), Materialien zur Geschichte der Philosophie (1972) und Poetische Theologie (1980). Broedrich, Silvio, Politiker, * 9. 3. 1870 Mitau (heute Jelgava, Lettland), † 2. 5. 1952 Eutin (Holstein). B. studierte Theologie in Dorpat. Seit 1908 entstanden auf dem Familiengut Kurmahlen in Kurland, das er durch Ankauf weiterer G¨uter vergr¨oßert hatte, durch Parzellierung eine Anzahl deutscher landwirtschaftlicher Pacht- und Eigentumssiedlungen. Die hier erworbenen Erfahrungen setzte er w¨ahrend des Ersten Weltkriegs als Mitarbeiter am Reichssiedlungsgesetz um. 1923-26 war B. Berater der litauischen Regierung bei der Agrarreform, 1927-33 Leiter der Reichsstelle f¨ur Siedlerberatung, sp¨ater der Nord-Siedlung GmbH, Berlin. 1929-39 unterhielt er ein Lehrgut (Jeserig, Brandenburg). Seit 1945 in Holstein ans¨assig, gr¨undete B. dort 1947 die Ostholsteinische Landsiedlung GmbH. C NDB Br¨oer, Ernst, Musiker, Komponist, * 11. 4. 1809 Ohlau (Schlesien), † 25. / 26. 3. 1886 Tarnopol. B. war Organist und Regens chori an der Dorotheenkirche in Breslau und 1843 / 84 Gesanglehrer am dortigen k¨oniglich kath. Matthiasgymnasium. Er trat außerdem als Violoncellist auf umd schuf zahlreiche Kompositionen, meist Kirchenkompositionen. 1884 zog er sich aus dem Berufsleben zur¨uck und ließ sich in Tarnopol nieder. B. verfaßte u. a. eine Gesanglehre f¨ur Gymnasien und h¨ohere B¨urgerschulen (1847). C ADB Br¨oger, Karl, Schriftsteller, * 10. 3. 1886 N¨urnberg, † 4. 5. 1944 N¨urnberg. Nach abgebrochener kaufm¨annischer Lehre, einigen Jahren als Bauhilfsarbeiter und Milit¨ardienst wandte sich B., Sohn eines Schusters und einer Bortenwirkerin, der Schriftstellerei zu. Seit 1910 von Franz → Muncker gef¨ordert, wurde er 1912 Redakteur bei der „Fr¨ankischen Tagespost“, nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1919 Leiter des Feuilletons. Schriftstellerisch war er vor allem mit Werken erfolgreich, die den Krieg als Gemeinschaftserlebnis feierten (u. a. Kamerad, als wir marschiert . . ., 1916; Flamme, 1920; Deutschland, ein lyrischer Gesang in drei Kreisen, 1923). Als Sozialdemokrat im M¨arz 1933 in den Stadtrat von N¨urnberg gew¨ahlt, wurde er bald darauf wegen seiner Weigerung, in die NSDAP einzutreten, bis September 1933 im Konzentrationslager Dachau interniert. B., dessen Werk von einem humanit¨aren Sozialismus mit starkem, zum Teil ins Religi¨ose u¨ berh¨ohten Gemeinschaftsgedanken gepr¨agt ist, schrieb neben Romanen (u. a. N¨urnberg, Roman einer Stadt, 1935) und Kinderb¨uchern (u. a. Reta und Marie, 1934) Deutsche Republik. Betrachtungen und Bekenntnisse zum Werk von Weimar (1926). Autobiographisch ist Der Held im Schatten (1919). B. konnte nicht verhindern, daß einige seiner Gedichte und Lieder von den Nationalsozialisten in ihre Propaganda u¨ bernommen wurden. C Imhoff

Br¨ohan, Karl (Heinz), Unternehmer, Porzellan- und Kunsthistoriker, M¨azen, * 6. 7. 1921 Hamburg, † 2. 1. 2000 Berlin. B. wurde 1941 Soldat. Als Import- und Exportkaufmann ausgebildet, gr¨undete er 1947 in Hamburg einen Großhandel f¨ur zahnmedizinische Ger¨ate und Importe, der zur materiellen Basis seiner k¨unstlerischen Interessen und seines M¨azenaten¨ tums wurde. Nach der Ubersiedlung nach Berlin sammelte B. Werke des 18. Jh. der K¨oniglichen Porzellanmanufaktur Berlin. Diese Sammlung bildet den Grundstock des BelvedereMuseums im Charlottenburger Schloßpark. Seit etwa 1970 begann B. mit dem Aufbau seiner Kunstsammlung der Epoche von 1889 bis 1939, die angewandte Kunst aller Materialbereiche international sowie Gem¨alde und Graphik der Berliner Secession umfaßt. Sein 1973 gegr¨undetes Privatmuseum existierte in Berlin-Dahlem bis 1983 und wurde dann durch Schenkungen an das Land Berlin o¨ ffentlicher Besitz. Es entstand das Br¨ohan-Museum, Landesmuseum f¨ur Jugendstil, Art D´eco und Funktionalismus (1889-1939) in Berlin-Charlottenburg, das B. bis zu seinem Tod leitete. Unter seiner Leitung wurde in mehreren B¨anden die wissenschaftliche Katalogisierung des Museums durchgef¨uhrt. B. wurde 1976 zum Professor ehrenhalber ernannt und 1996 mit der Ernst-Reuter-Plakette ausgezeichnet. Broekel, Johanna Antonie, Pseud. A. Brook, Schriftstellerin, * 1. 9. 1819 Tondern (Schleswig), † 21. 10. 1890 Kiel. Die fr¨uh verwaiste Tochter eines Rechtsanwalts gr¨undete im Alter von 24 Jahren in Kiel eine M¨adchenschule mit Internat und u¨ bernahm deren Leitung. Seit den sechziger Jahren schriftstellerisch t¨atig, zog sie sich 1873 aus ihrem p¨adagogischen Beruf zur¨uck. B. schrieb Gedichte, Novellen und Romane (u. a. Nur eine Tochter, 1882).

Br¨okelmann, Friedrich Wilhelm, Industrieller, * 1799, † 1890. B., Sohn eines Stadtk¨ammerers, durchlief eine kaufm¨annische Lehre, arbeitete in einer Dortmunder Tuchhandlung und trat 1820 in die Kolonialwarengroßhandlung und Essigfabrik Peter Overbeck ein. Mit Wilhelm → Overbeck gr¨undete er 1826 die Firma Br¨okelmann und Overbeck in Neheim zur ¨ und Perl-Gerstenherstellung. In den folgenden Jahren Olwurde das Unternehmen best¨andig durch Zuk¨aufe erweitert und modernisiert, so 1835 durch die Anlage einer Malzessigbrauerei und 1870 durch die Einf¨uhrung hydraulischer Pressen. B., der das Gesch¨aft seit 1846 unter seinem Namen allein f¨uhrte, erwarb Beteiligungen an weiteren Firmen, war 1839 zusammen mit Josef → Cosack Mitbegr¨under eines Puddlings- und Walzwerkes in H¨usten und investierte ¨ seit 1867 erfolgreich in die Herstellung von Ollampen. B. engagierte sich f¨ur die Beseitigung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Probleme seiner Heimatregion und richtete 1857 gemeinsam mit Cosack 1857 eine Stiftung f¨ur arbeitsunf¨ahige Personen ein. C Rhein-Westf Wirt, Bd 11 Br¨olmann, Stephan, Jurist, Historiker, * 1551 K¨oln, † 10. 11. 1622 K¨oln. B. war o. Prof. der Rechte an der Univ. K¨oln und besch¨aftigte sich auch mit historischen und arch¨aologischen Studien. Er verfaßte eine ausf¨uhrliche Geschichte der Stadt K¨oln, die jedoch nur auszugsweise in Druck erschien (Epideigma sive specimen historiae veteris omnis et purae etc. civitatis Ubiorum et eorum ad Rhenum Agripinensis oppidi etc., 1608). C ADB

Br¨omel, Wilhelm Heinrich, Schriftsteller, * 21. 4. 1754 Loburg bei Magdeburg, † 28. 11. 1808 Berlin. B. war 1780-86 in Hamburg und 1786-1808 in Berlin als preuß. Forstwirtschaftsbeamter t¨atig. Er u¨ bersetzte Romane

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Br¨omme aus dem Englischen und Franz¨osischen und schrieb selbst haupts¨achlich Kom¨odien. Die Auff¨uhrung seines St¨uckes Gerechtigkeit und Rache (1783) in Hamburg wurde verboC Killy ten.

Br¨omme, Adolf, S¨anger, Gesangsp¨adagoge, * 22. 2. 1826 St. Petersburg, † 8. 9. 1905 Wiesbaden. B. studierte zun¨achst Architektur an der Berliner Bauakademie und widmete sich seit 1849 ausschließlich der Musik. Nach einer Ausbildung bei Hans Michael → Schletterer in Zweibr¨ucken und August Eduard → Grell in Berlin studierte er in Paris Gesang. 1855-69 war er S¨anger und Gesanglehrer in St. Petersburg, 1870-78 Gesanglehrer am Konservatorium in Dresden; 1879 ließ er sich in Wiesbaden nieder. B. verfaßte Entwicklung der Gesangsstimme aus dem nat¨urlichen Sprechton (1893, 41906). Br¨omse, August, Maler, Kupferstecher, * 2. 9. 1873 Franzensbad, † 7. 11. 1925 Prag. B. besuchte 1893-98 die Kunstakademie in Berlin, wo er u. a. Sch¨uler von Woldemar → Friedrich, Christian Ludwig Bockelmann und Paul → Meyerheim war und Privatunterricht bei dem Kupferstecher Louis → Jacoby erhielt. Seit 1906 war er in Prag ans¨assig, von 1910 an Prof. an der dortigen Akademie. B. schuf u. a. den Radierungszyklus Der Tod und das M¨adchen (14 Bl¨atter, 1902 / 03). C AKL Br¨omse, Heinrich, Jurist, B¨urgermeister, * 1. H¨alfte 15. Jh., † 1502 L¨ubeck. B. wurde in Bologna zum Lizentiaten der Rechte promoviert und war seit 1466 in L¨ubeck ans¨assig, wo er 1477 in den Rat und 1488 zum B¨urgermeister der Stadt gew¨ahlt wurde. Er war der Vater von Nicolaus → B. C ADB Br¨omse, Nicolaus, B¨urgermeister, * nach 1470 L¨ubeck, † 1. 11. 1543 L¨ubeck. Der Sohn Heinrich → B.s wurde 1514 in den Rat der Stadt L¨ubeck und 1519 zum B¨urgermeister gew¨ahlt. Lange Zeit am Hof → Karls V., wurde er dort zum Ritter geschlagen und zum kaiserlichen Rat ernannt. B. war mehrmals in diplomatischen Missionen f¨ur die Stadt L¨ubeck auf Reisen und konnte u. a. die Anspr¨uche Christians II. von D¨anemark auf L¨ubeck abwenden. Als Gegner der Reformation mußte er 1531 vor der Bewegung J¨urgen → Wullenwevers fliehen und ging an den Hof Karls V. Nach dem Sturz WullenweC NDB vers wurde B. 1535 wieder eingesetzt. Broemser, Philipp, Physiologe, * 28. 7. 1886 R¨udesheim / Rhein, † 11. 11. 1940 M¨unchen. B., Sohn eines Arztes, studierte seit 1905 Medizin in Marburg, Freiburg / Breisgau, M¨unchen und Berlin und war anschließend am Physiologischen Institut in Marburg t¨atig, wo ¨ er 1911 promoviert wurde (Uber Summation von Zuckungen bei verschieden starken Reizen). Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg habilitierte er sich 1918 an der Univ. M¨unchen f¨ur Physiologie (Die Bedeutung der Lehre von den erzwungenen Schwingungen in der Physiologie) und war 1919-25 Konservator am dortigen Physiologischen Institut. 1922 wurde er nichtbeamteter a. o. Professor. 1925 uber¨ nahm er eine o. Professur in Basel; 1930-34 war er in Heidelberg und danach als Nachfolger Otto → Franks o. Prof. f¨ur Physiologie an der Univ. M¨unchen, deren Rektorat er von 1938 bis zu seinem Tod innehatte. 1937 wurde er Mitglied der NSDAP und setzte sich o¨ ffentlich f¨ur die neue Regierung ¨ ein, so auch in der Rektoratsrede von 1939 (Uber die Aufgaben der Hochschule im nationalsozialistischen Reich). B. entwickelte die von Frank aufgestellten Registrierprinzipien f¨ur den Blutkreislauf weiter („Broemser-Ranke-Methodik“). Er verfaßte u. a. ein Kurzgefaßtes Lehrbuch der Physiolo-

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gie (1934, 21938). B. wurde 1932 Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 1938 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und 1940 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. C Prof Basel

Broermann, Johannes, Verleger, * 17. 10. 1897 Oelde (Westfalen), † 4. 11. 1984 Berlin. Der zweite Sohn in der kinderreichen Familie eines kath. Landbrieftr¨agers konnte seinen Wunsch, wie der a¨ ltere Bruder das Gymnasium zu besuchen, nicht erf¨ullen und lernte zun¨achst Buchbinder, holte aber als Externer das Abitur nach und studierte Philosophie, Rechts- und Staatswissenschaften. Nach der Promotion zum Dr. jur. 1922 schloß er ein Studium der Kunstgeschichte an, trat 1925 in das Generalsekretariat der Zentrumspartei ein und war in zahlreichen, auch internationalen Organisationen t¨atig. 1929 wurde er Pressereferent im Reichsministerium f¨ur die besetzten rheinischen Gebiete, 1930 stellvertretender Rundfunk- und Pressereferent im Reichsinnenministerium, das der Reichswehrminister → Groener kommissarisch leitete. Wenige Tage nach der Machtergreifung → Hitlers, am 6. 2. 1933, entließ ihn der neue Innenminister → Frick mit Wirkung vom 31. 3. 1933 aus diesem Amt. Nach einem vergeblichen Versuch, sich zu habilitieren – er lehnte es ab, die daf¨ur vorgeschriebenen ¨ Ubungen bei der SA zu absolvieren –, versuchte B. zun¨achst erfolglos, beruflich wieder Fuß zu fassen. 1938 erwarb er mit Hilfe eines Personalkredits, f¨ur den er keine Sicherheiten bieten konnte, den Verlag Duncker & Humblot in M¨unchen f¨ur 96 500 RM, verlegte ihn wieder nach Berlin, wo er 1798 gegr¨undet worden war, und f¨uhrte ihn, nicht ohne Schwierigkeiten, bis zum Kriegsende fort, obwohl die Reichsschrifttumskammer im August 1944 die Einstellung der Verlagst¨atigkeit angeordnet hatte. Bereits 1943 war bei einem Luftangriff auf Leipzig, wo sich das Lager befand, der gesamte Bestand vernichtet worden. 1945 wurde B. zun¨achst von sowjetischen Truppen in Haft genommen. Nach seiner Entlassung suchte ihn der mit ihm aus der Zentrumsjugend bekannte John B. Mason, inzwischen Prof. an der Stanford University und Kulturreferent im Stab von General Eisenhower, auf und beauftragte ihn, f¨ur die Hoover War Library der Stanford University und die Library of Congress die gesamte deutsche Literatur, die seit 1939 in den USA nicht mehr erworben werden konnte, zu beschaffen. B. bekam daf¨ur vom US-Senat eine Ausnahmegenehmigung vom „Verbot f¨ur den Handel mit dem Feind“. Im Gegenzug konnte B. mit Hilfe eines von der amerikanischen Milit¨arregierung eingerichteten Fonds ausl¨andische Literatur und Zeitschriften f¨ur deutsche Bibliotheken beschaffen. Die so verdienten Dollars – es waren die ersten, die 1946 legal an einen Berliner Gesch¨aftsmann flossen – bildeten den Grundstock f¨ur den Wiederaufbau des Verlags, f¨ur den B. 1947 eine Lizenz der amerikanischen Milit¨arregierung erhielt. Die erste Nachkriegsver¨offentlichung war die vom Deutschen Institut f¨ur Wirtschaftsforschung erar¨ beitete Studie u¨ ber Berlins Wirtschaft im Ubergang. In den folgenden knapp vier Jahrzehnten, in denen er als Alleininhaber den Verlag patriarchalisch f¨uhrte, schloß B. an die alte Tradition des Verlags an, indem er vor allem wirtschafts-, sozial- und rechtswissenschaftliche Studien und Zeitschriften verlegte. Zahlreiche neue Schriftenreihen wurden begonnen. Seit 1953 verlegt Duncker & Humblot im Auftrag der

Broicher Bayerischen Akademie der Wissenschaften die Neue Deutsche Biographie (NDB). F¨ur seine Verdienste erhielt B. das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, einen Ehrendoktor der Juristischen Fakult¨at der Univ. Freiburg und mehrere p¨apstliche Orden; der o¨ sterr. Bundespr¨asident verlieh ihm den Titel eines Professors. WERKE: Als Presse-Chef bei Reichsminister Groener. In: Der Staat 22 (1983) S. 231 ff. LITERATUR: Joseph Listl: Die Verlegerpers¨onlichkeit J. B. In: Ders. / Herbert Schambeck (Hrsg.): Demokratie in Anfechtung und Bew¨ahrung. Festschrift f¨ur J. B. Berlin 1982, S. 1-20. – Norbert Simon (Hrsg.): Duncker & Humblot Verlagsbibliographie 1798-1945. Berlin 1998, S. 31-37. Wolfram Fischer

Br¨otli, Johannes, T¨aufer, * um 1494, † 1528 Schaffhausen. B. studierte seit 1515 in Basel und war 1520 / 21 Pfarrverweser in Vilters. Dann Priester in Quarten / Walensee (Schweiz), ließ er sich mit seiner Familie 1523 in Zollikon nieder. Seit 1524 trat er als Gegner → Zwinglis auf und bek¨ampfte u. a. die Kindertaufe. Er war Mitunterzeichner des zweiten Schreibens der Z¨urcher T¨aufer an Thomas → M¨untzer und wurde aus Stadt und Land Z¨urich verbannt. Sp¨ater vom Z¨urcher Rat unter der Anklage der Verschw¨orung verfolgt, ging B. nach Hallau (Kt. Schaffhausen), wo er bis zur In¨ vasion der Osterreicher den Schutz der Beh¨orden genoß. B. wurde als T¨aufer 1528 verbrannt. C NDB

Broggio, Giulio, Architekt, † 15. 8. 1703 Leitmeritz. B. war seit 1673 B¨urger von Leitmeritz, wo er schon seit 1658 Mitglied der Maurerzunft und seit 1670 am Bau der Domkirche besch¨aftigt war. 1675 arbeitete er am Bau der Kirche von Dlaschkowitz und 1688-92 an der Kirche in ¨ Tschischkowitz. 167-76 war er Altester der Maurer- und Steinmetzzunft in Leitmeritz und seit 1680 Ratsherr der Stadt. 1689-1701 arbeitete er am Bau der Wallfahrtskirche in Politz, der bisch¨oflichen Residenz in Leitmeritz und vermutlich des bisch¨oflichen Konsistoriums. B. war der Vater von Octavian → B. C AKL Broggio, Octavian, auch Octaviano, Ottaviano B., Architekt, getauft 2. 1. 1670 Tschischkowitz bei Leitmeritz, † 24. 7. 1742 Leitmeritz. Ausgebildet von seinem Vater Giulio → B., war B. seit 1687 Mitglied der Maurerzunft von Leitmeritz, seit 1694 B¨urger der Stadt und zwischen 1718 und 1731 Ratsherr und Zunft¨altester. Er schuf zahlreiche Bauten in und um Leitmeritz, u. a. Kirche und Pfarrhaus in Großmergenthal und die Wenzelskirche in Leitmeritz. 1725 war er mit der Umgestaltung der Stadtkirche von Raudnitz beauftragt; auch die Hauptfassade des Klosters Osseg bei Teplitz stammt von ihm. B. gilt als einer der f¨uhrenden Barockbaumeister B¨ohmens im 16. Jahrhundert. C AKL Broich, Franz, Ingenieur, Manager, * 15. 10. 1906 Trier, † 29. 3. 1992 Chieming / Chiemgau. B. studierte an der TH M¨unchen und wurde 1931 promoviert (Ph¨aorphorbid b und Rhodin g). Nach einer T¨atigkeit als Assistent am dortigen Organischen Institut und einem Stipendium der Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaft f¨ur Eiweißarbeiten am Physiologischen Institut der Univ. Halle trat er 1933 bei der I.G.-Farbenindustrie AG im Werk Ludwigshafen ein. F¨ur das Buna-Werk (synthetischer Kautschuk) der I.G.-Farben in Schkopau entwickelte er ein Vierstufen-Verfahren zur Herstellung von Butadien und leitete seit 1936 den Aufbau und die Funktion dieser ButadienProduktion. Am Ende des Zweiten Weltkriegs war B. stellvertretender Leiter der Schkopauer Kunststoffabteilung. Im Oktober 1945 trat er in die Chemische Werke H¨uls GmbH,

Marl, ein. Im Zuge der dort von Paul → Baumann eingeleiteten Diversifikation der Produkte stieg B. u¨ ber die Leitung der „Organischen Abteilung“ 1958 in den Vorstand des seit 1953 als Chemische Werke H¨uls AG firmierenden Unternehmens auf. 1965-72 war er als Nachfolger Baumanns Vorsitzender des Vorstands, danach bis 1980 Mitglied des Aufsichtsrats. B. stellte die Organisation der H¨uls AG von der funktionalen auf die divisionale Struktur um und leitete so eine Entwicklung ein, die 1998 in einer „marktorientierten Management-Holding“ gipfelte. 1966 wurde B. Honorarprofessor der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakult¨at der Univ. M¨unster, 1967 Ehrendoktor der TH Aachen; 1969 erhielt er von der Deutschen Gesellschaft f¨ur Fettforschung die Norman-Medaille. B. war u. a. Mitglied des Aufsichtsrats des Haftpflichtverbands der deutschen Industrie und des Feuerschadenverbands, Mitglied des Vorstands des Lippeverbands, der DECHEMA und des Pr¨asidiums des Verbands der chemischen Industrie sowie Vorsitzender der Fachvereinigung Organische Chemie.

Broich-Oppert, Georg von, Diplomat, * 24. 10. 1897 Berlin, † 5. 10. 1979 Bonn. B.-O., Sohn eines Landgerichtsrats, wurde von seinem Stiefgroßvater Franz von Broich adoptiert. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg, Milt¨ardienst und dem Jurastudium in G¨ottingen und Bonn (1920-24) war B.-O. kurze Zeit im preuß. Innenministerium t¨atig. 1925 entschied er sich f¨ur den diplomatischen Dienst und wurde 1927 Attach´e in Budapest, 1929 Vizekonsul in Memel und 1932 Legationssekret¨ar in Wien. 1934 nach Berlin zur¨uckberufen, arbeitete er als Referent f¨ur Skandinavien-Fragen, bis er 1935 aus politischen Gr¨unden einstweilig und 1937 endg¨ultig in den Ruhestand versetzt wurde. B.-O., der zu den Gr¨undern der CDU in Berlin geh¨orte, war 1946-50 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung und 1949-51 Chef der Stadtkanzlei. Seit 1951 wieder im diplomatischen Dienst, vertrat er die Bundesrepublik Deutschland in Norwegen, ging 1956 als deutscher Beobachter zu den Vereinten Nationen nach New York und kehrte 1958 als Personalchef des Ausw¨artigen Amtes nach Bonn zur¨uck. Von 1959 bis zu seiner Pensionierung 1962 war B.-O. Botschafter in Ankara. C BHdAD

Broicher, (Johann) Karl (Anton), Jurist, * 8. 5. 1805 Sinzig, † 22. 11. 1881 Bonn. Nach dem Studium der Rechte trat B., Sohn eines Rechtsanwalts, 1825 als Auskultator in den Justizdienst beim Landgericht Koblenz ein. 1828 bereits Referendar beim Oberlandesgericht Magdeburg, ging er nach Naumburg und wurde 1830 Assessor beim Rheinischen Appellationsgerichtshof in K¨oln, von wo er zum Justizsenat nach Ehrenbreitstein abgeordnet wurde. Seine n¨achsten Stationen waren das Landgericht in Kleve, wieder Koblenz und 1832 erneut K¨oln, wo er 1836 an das Landgericht wechselte und 1841 zum Appellationsgerichtsrat ernannt wurde. 1848 / 49 vor¨ubergehend als Mitglied der Handelsgesetzgebungskommission im Reichsministerium der Justiz t¨atig, kehrte er 1849 an den Rheinischen Appellationsgerichtshof zur¨uck. Im selben Jahr wurde B. Mitglied der Zweiten Preußischen Kammer, geh¨orte dort zur Fraktion der Linken, legte sein Mandat 1851 aber nieder. 1850 war er Abgeordneter des Erfurter Unionsparlaments (Bahnhofspartei). 1851 ging B. als Geheimer Oberrevisionsrat zum Revisions- und Kassationshof f¨ur die Rheinprovinz. 1853 wurde er zugleich Obertribunalsrat und Mitglied des Disziplinarhofs f¨ur nichtrichterliche Beamte und 1854 Mitglied der Immediatjustizexaminationskommission. Seit 1855 war er f¨ur 15 Jahre Pr¨asident am Rheinischen Appellationsgerichtshof in K¨oln. Seine Berufung 1869 zum Kronsyndikus ging mit dem Eintritt in das Preußische Herrenhaus einher. C Unionsparl

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Broizem Broizem, Georg Hermann, Milit¨ar, * 5. 10. 1850 Leipzig, † 11. 3. 1918. B. trat 1868 in die s¨achsische Armee ein, nahm am DeutschFranz¨osischen Krieg 1870 / 71 teil und wurde 1874 Oberleutnant. 1879 als Hauptmann zum Generalstab abkommandiert, wurde er 1886 Major, 1890 Oberstleutnant. 1892 mit dem Kommando des Gardereiterregiments betraut, wurde er 1893 Oberst und 1904 General der Kavallerie. Brokes, Heinrich, auch H. Brockes, Jurist, * 15. 8. 1706 L¨ubeck, † 21. 5. 1773 L¨ubeck. B. studierte Rechtswissenschaften und Philosophie in Wittenberg, Halle und Leipzig und wurde 1730 in Wittenberg promoviert. Seit 1740 war er dort a. o. Prof. der Rechte und a. o. Beisitzer der Juristenfakult¨at. 1743 folgte er einem Ruf als o. Prof. der Rechte sowie Beisitzer des Sch¨offenstuhls nach Jena; 1744 wurde er dort Beisitzer des Hofgerichts, 1747 Prof. der Pandekten und Beisitzer der Juristenfakult¨at und 1748 zum herzoglich sachsen-gothaischen und altenburgischen Hofrat ernannt. Seit 1753 war er erster Syndikus und Konsistorialpr¨asident in L¨ubeck, wo er 1768 dritter B¨urgermeister wurde. B. verfaßte u. a. eine R¨omische Rechtsgeschichte (1732). C ADB

Brokoff, Ferdinand Maximilian, auch Brokof, Prokof, Prokop, Bildhauer, getauft 12. 9. 1688 Rothenhaus bei Komotau, † M¨arz 1731 Prag. B. wurde von seinem Vater Johann → B., sp¨ater von Andreas Quitainer ausgebildet. Seit 1707 war er in der Prager Familienwerkstatt mit selbst¨andigen Arbeiten besch¨aftigt. Er schuf u. a. zahlreiche Plastiken f¨ur die Karlsbr¨ucke in Prag. 1722 folgte er einem Ruf Johann Bernhard → Fischer von Erlachs nach Breslau, wo er mit der Ausschm¨uckung der f¨urstlichen Domkapelle betraut war. Seit 1726 wieder in Prag, errichtete er 1726-28 die Mariens¨aule auf dem Hradschiner Platz, war dann kurzzeitig in Wien und wurde nach seiner R¨uckkehr 1728 B¨urger der Prager Neustadt. Seine Heiligenstatuen tragen individuelle Z¨uge, bei seinen Grabplastiken sind die Bildnisse der Verstorbenen mit allegorischen Figuren umgeben. C AKL

Brokoff, Johann, auch Brokof, Bildhauer, * 23. 6. 1652 St. Georgenberg, † 28. 12. 1718 Prag. B. kam zur Ausbildung vermutlich um 1675 nach Prag; vor der Pest floh er nach Rohnsberg. 1682-85 lebte er in Manetin (bei Pilsen), 1685-87 in Kl¨osterle / Eger, danach in Rothenhaus (bei Komotau), seit 1692 wieder in Prag, wo er 1693 B¨urger der Altstadt wurde und eine Werkst¨atte einrichtete. B. und sein Sohn Ferdinand Maximilian → B. waren maßgeblich an der plastischen Ausschm¨uckung der Prager Karlsbr¨ucke beteiligt. Bei einigen wichtigen St¨ucken, so z. B. der Bronzestatue des St. Johann von Nepomuk, ist unklar, ob sie von Vater oder Sohn B. geschaffen wurden. B. wirkte auch sp¨ater noch in anderen St¨adten, u. a. in Braunau (acht Sandsteinfiguren f¨ur die Terrassen der Stiftskirche, 1709), Tetschen-Altstadt (Pulsnitzbr¨ucke, 1714) und Skramnik (St.-Johann-von-Nepomuk-Statue, 1715) auf. C AKL

Broll, Karl Georg, Unternehmer, Politiker, * 25. 9. 1882 Hannover, † 15. 9. 1940 Stockhausen (Leun). Der Sohn des Landmessers und nachmaligen Vorstehers des Katasteramts Braunfels, Karl Ferdinand B., wuchs nach dem fr¨uhen Tod seiner Mutter bei einer Tante in Melsungen auf. Infolge der Versetzung seines Vaters lebte B. seit 1892 in Braunfels. Nach dem Abitur 1901 in D¨uren u¨ bernahm er die 1896 durch seinen Vater erbohrte Mineralquelle in Biskirchen, die den Namen „Heilquelle Karlssprudel“ erhielt. Bis 1939 entwickelte B. die Quelle zur viertgr¨oßten Deutschlands. 1914 erwarb er die Georgsquelle bei Biskirchen. Trotz seines unternehmerischen Engagements fand er die Zeit, in

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Gießen und Marburg ein juristisches Studium zu absolvieren. 1927 pachtete er den Gertrudisbrunnen in Biskirchen. B. war Kreistagsmitglied, Vorsitzender des Kreisausschusses Wetzlar sowie Mitglied des Provinziallandtags der Rheinprovinz und des Kommunallandtags des Regierungsbezirks Wiesbaden.

Bromeis, August (Wilhelm), Maler, * 28. 11. 1813 Wilhelmsh¨ohe (heute zu Kassel), † 12. 1. 1881 Kassel. B., Sohn eines Architekten, studierte zun¨achst Malerei an der Akademie in Kassel, 1831-33 in M¨unchen. Seit 1833 war er in Rom ans¨assig und war dort Sch¨uler von Joseph Anton → Koch. 1848 verließ er Rom und ließ sich in Frankfurt / Main nieder, bis er 1857 nach D¨usseldorf u¨ bersiedelte. 1867 ging er als Dozent an die Akademie in Kassel, wo er 1868 Prof. wurde. B. malte vor allem Landschaften. C AKL

Bromig, Johann Leonhard, auch Promig, Bildhauer, Erzgießer, getauft 2. 11. 1670 N¨urnberg, begraben 15. 6. 1740 N¨urnberg. B., u¨ ber dessen Ausbildung nichts bekannt ist, schuf 1689 den Tritonbrunnen auf dem Maxplatz in N¨urnberg, der aus Anlaß des Sieges Kaiser → Lepolds I. 1687 u¨ ber die T¨urken errichtet wurde. Als Vorbild diente ihm die „fontana del tritone“ auf der Piazza Barberini in Rom (1640) von Giovanni Lorenzo Bernini. Sp¨ater stellte er f¨ur kirchliche Auftraggeber Alt¨are und Kanzeln her und fertigte Grabdenkm¨aler an (u. a. um 1709 f¨ur Paulus V. Tucher von Simmelsdorf, 1943 zerst¨ort). Die 1725 von ihm geschaffene bronzene Brunnenfigur Herkules mit der Lern¨aischen Schlange (heute im Liebighaus, Frankfurt / Main) hatte ihre Aufstellung urspr¨unglich im privaten Kontext. Zwei Bronzegruppen (Herkules mit dem L¨owen und Herkules mit dem Drachen) in Schloß Sch¨onbrunn bei Wien, die fr¨uher als Werke von Adriaen de Vries galten, k¨onnten ebenfalls von B. stammen. C AKL Bromme, Karl Rudolf, auch K. R. Brommy, Pseud. R. Termo, Milit¨ar, * 10. 9. 1804 Anger bei Leipzig, † 9. 1. 1860 St. Magnus bei Bremen. Nach der Ausbildung an der Navigationsschule Hamburg bei der Handelsmarine t¨atig, ging B., Sohn eines Gutsbesitzers, 1827 nach Griechenland, wo er am Kampf gegen die T¨urkei teilnahm. Er war an der Reorganisation der griechischen Flotte beteiligt und kehrte 1843 nach Deutschland zur¨uck. Zun¨achst in Berlin, wurde er 1848 Abgeordneter im Frankfurter Parlament und mit der Organisation der ersten Reichsmarine betraut, die jedoch nach der Aufl¨osung der Frankfurter Reichsregierung 1853 verkauft wurde. Er ließ sich in Bremerhaven nieder und trat 1857 als Chef der technischen Abteilung bei der Sektion der Admiralit¨at in Mailand in o¨ sterr. Dienste. B. ver¨offentlichte u. a. Skizzen aus dem Leben eines Seemanns (1832) und Die Marine (1848, Nachdr. 1982). Die von ihm f¨ur die deutsche Flotte ausgearbeitete Dienstvorschrift wurde sp¨ater von der neuen kaiserlichen Marine gr¨oßtenteils u¨ bernommen. C Oldenburg

Bromme, Moritz Theodor William, Schriftsteller, * 15. 7. 1873 Leipzig, † 19. 2. 1926 L¨ubeck. B. kam erstmals u¨ ber seinen Vater, einen Bahnarbeiter, mit sozialdemokratischer Literatur in Ber¨uhrung und arbeitete, nachdem er den Schulbesuch aus finanziellen Gr¨unden abgebrochen hatte, u. a. als Kellner und in unterschiedlichen Betrieben in Th¨uringen. Seit 1890 Gewerkschaft-, seit 1891 SPD-Mitglied, besuchte er die Parteischule in Berlin und schrieb erste Artikel f¨ur Parteizeitungen und -zeitschriften. 1903 zwang ihn ein Lungenleiden zu einem Aufenthalt in einem Lungensanatorium bei Weimar. Dort schrieb B. auf Veranlassung von Paul → G¨ohre seine Lebensgeschichte eines modernen Arbeiters (1905, Neudr. 1971), ein Werk, das neben Karl → Fischers Denkw¨urdigkeiten und Erinnerungen eines Arbeiters zu den bedeutendsten fr¨uhen Zeugnissen

Bronner sozialistisch-autobiographischer Literatur z¨ahlt. Seit 1906 arbeitete B. als Redakteur in Leipzig und Altenburg und war seit 1909 Parteisekret¨ar in L¨ubeck, wo er 1919 zum Senator gew¨ahlt wurde. C Killy

Bromme, Paul (Franz Rudolf), Journalist, Politiker, * 24. 12. 1906 Ronneburg (Th¨uringen), † 2. 2. 1975 L¨ubeck. B., dessen Vater 1920-25 Senator in L¨ubeck war, studierte Volkswirtschaft und Rechtswissenschaft in Hamburg und trat 1927 in die SPD ein. Seit 1930 Mitarbeiter beim „L¨ubecker ˇ Volksboten“, emigrierte er 1933 in die CSR; 1934 / 35 war er in Kopenhagen, 1935 in Schweden und seit 1938 in Norwegen. 1939 wurde er Mitglied der Arbeitsgemeinschaft deutscher und o¨ sterreichischer Sozialisten. Seit 1940 wieder in Schweden, arbeitete er 1941-47 als Redakteur der sozial¨ demokratischen Zeitschrift „Orebro-Kuriren“. 1948 wurde er zum SPD-Vorsitzenden in L¨ubeck gew¨ahlt. 1947 / 48 war er Leiter des Presseamtes L¨ubeck, 1949-51 Chefredakteur der sozialdemokratischen „L¨ubecker Freien Presse“. Wirtschaftliche Schwierigkeiten und innerparteiliche Auseinandersetzungen zwangen B., von diesem Posten zur¨uckzutreten. 1948-74 geh¨orte er der L¨ubecker B¨urgerschaft an, war 1949-53 Mitglied des Deutschen Bundestags und wurde 1953 seiner Partei¨amter enthoben. 1954 rehabilitiert, war er 1954-71 Mitglied des Landtags von Schleswig-Holstein, seit 1956 Erster stellvertretender B¨urgermeister von L¨ubeck. Als Mitorganisator der rechtsoppositionellen Julius-LeberGesellschaft wurde 1973 ein Parteiausschlußverfahren gegen ihn eingeleitet, dessen Ende B. jedoch nicht mehr erlebte. C MdB

Brommer, Frank, Arch¨aologe, * 8. 9. 1911 Berlin, † 21. 4. 1993 Koblenz. Nach der Habilitation 1944 in Berlin wurde B. 1946 Privatdozent in Marburg, dann a. o. Prof. und war von 1958 bis zu seiner Emeritierung 1976 o. Prof. f¨ur klassische Arch¨aologie an der Univ. Mainz. Im Zentrum seines Interesses standen die Plastik und die Vasenmalerei des klassischen Griechenland. B. ver¨offentlichte Dokumentationen der Skulpturen des Parthenon und Denkm¨alerlisten zur griechischen Heldensage (1971 ff.).

Bronk, Otto von, Physiker, Erfinder, * 29. 2. 1872 Danzig, † 5. 8. 1951 Berlin. Der Sohn eines Grundbesitzers gr¨undete 1896 in Berlin ein Laboratorium f¨ur Elektrophysik und besch¨aftigte sich vor allem mit drahtloser Telegraphie, R¨ontgenstrahlentechnik und der Herstellung von Selenzellen. 1902 meldete B. ein Farbfernseh-Patent an. Seit 1911 war er Leiter der Patentabteilung bei Telefunken. C Altpreuß Biogr, Bd 4 Bronn, Heinrich Georg, Zoologe, Pal¨aontologe, * 3. 3. 1800 Ziegelhausen bei Heidelberg, † 5. 7. 1862 Heidelberg. B., Sohn eines Forstbeamten, studierte seit 1817 in Heidelberg zun¨achst Kameral-, dann Naturwissenschaften und war seit 1821 Privatdozent, seit 1833 mit Lehrauftrag f¨ur Allgemeine Naturgeschichte und Zoologie und seit 1837 an o. Prof. f¨ur Angewandte Naturgeschichte und Zoologie an der Univ. Heidelberg. Er war Direktor der Zoologischen Sammlung und hatte auch den Lehrstuhl f¨ur Zoologie inne. B. war 1830-62 Mitherausgeber des „Jahrbuchs f¨ur Mineralogie, Geologie, Geognosie und Petrefactenkunde“. Seit 1832 war er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. B. ver¨offentlichte u. a. Zur angewandten Naturgeschichte und Physiologie (1824), System der urweltlichen Pflanzenthiere (1825), Ergebnisse meiner naturhistorisch-¨okonomischen Reisen (1832), Handbuch einer Geschichte der Natur (3 Bde., 1841-49) und Allgemeine Einleitung in die Naturgeschichte (1853). 1860 brachte er

¨ die erste deutsche Ubersetzung von Charles Darwins The origin of species (1859) heraus, in der er aus philosophischtheologischen Gr¨unden den zentralen, auf den Menschen bezogenen Satz aussparte: „Much light will he thrown on the origin of man and his history.“ Durch seine eigenen Arbeiten wie die erste chronologische Darstellung der damals bekannten Fossilien (Lthaea geognostica, 2 Bde., 1834-38; 3., stark verm. Aufl. 1852-56), in der er von der Einheit der Geschichte der Erde und des Lebens ausging, war B. jedoch ein Wegbereiter der Deszendenztheorie in der Pal¨aontologie. C NDB

Bronn, Jegor (Israel), Chemiker, * 18. 3. 1870 Minsk, † 3. 4. 1932 Berlin. Nach Studien an der TH Berlin-Charlottenburg und der H¨oheren St¨adtischen Chemieschule M¨ulhausen (1888-93) war B. zun¨achst in der Industrie t¨atig. 1900 nahm er seine Studien in Berlin wieder auf, wobei er sich besonders mit physikalischer Chemie besch¨aftigte. 1902 gr¨undete er ein Laboratorium und war 1906-24 bei den Rombacher H¨uttenwerken (Lothringen) besch¨aftigt. B. erfand die Kryptolheizung und entwickelte u. a. eine Methode der Herstellung von hochprozentigem Ferrosilizium im Großbetrieb sowie das sogenannte Linde-Concordia-Bronn-Verfahren. Er vero¨ ffentlichte u. a. Die chemische Industrie Russlands (1901), Verfl¨ussigtes Ammoniak als L¨osungsmittel (1905) und Der elektrische Ofen im Dienste der Keramischen Gewerbe und der Glas- und Quarzglaserzeugung (1910). C NDB Bronnen, Arnolt, eigentl. Arnold Hans Bronner, Pseud. A. H. Schelle-Noetzel, o¨ sterr. Schriftsteller, Publizist, * 19. 8. 1895 Wien, † 12. 10. 1959 Berlin. B., Sohn eines Schriftstellers, studierte ohne Abschluß Jura und Philosophie an der Univ. Wien. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg und italienischer Gefangenschaft (1917-20) ging er nach Berlin, wo er 1920-22 als Angestellter im Kaufhaus Wertheim t¨atig war. Seit 1922 (Urauff¨uhrung des Dramas Vatermord, im Druck erschienen 1920) hatte B., der mit Bertolt → Brecht zusammenarbeitete, Theatererfolge als Dramaturg und fr¨uhexpressionister Dramatiker. 1929 wandte sich B. dem Nationalsozialismus zu (Roman O. S., 1929, Neuausg. 1995) und bet¨atigte sich als nationalistischer Agitator. Der seit demselben Jahr mit Joseph → Goebbels befreundete B. war von 1933 bis zu seiner Entlassung wegen mangelnder politischer Zuverl¨assigkeit 1935 Dramaturg bei der Reichsfunkgesellschaft. Er erreichte seine Wiedereinstellung und war 1936-40 als Programmleiter und 1942 / 43 f¨ur die Auslandsabteilung des Propagandaministeriums t¨atig. 1937 wurde er aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. 1943 ging B. nach Goisern (Ober¨osterreich) und nahm Kontakt mit der o¨ sterr. Widerstandsbewegung auf. 1944 leistete er Kriegsdienst. Von Mai bis Juli 1945 war B. unter falscher Identit¨at kommunistischer B¨urgermeister von Goisern, 1945-50 Kulturredakteur der kommunistischen Zeitung „Neue Zeit“ in Linz und seit 1951 Dramaturg des „Neuen Theaters in der Scala“ in Wien. 1955 folgte er einer Einladung Johannes R. → Bechers nach Ostberlin, wo er als Theaterkritiker f¨ur die „Berliner Zeitung“ t¨atig war. C Lex dt-j¨ud Autoren

Bronner, Ferdinand Wilhelm, urspr. Elieser Feiwel, Pseud. Franz Adamus, o¨ sterr. Schriftsteller, * 15. 10. 1867 Auschwitz, † 8. 6. 1948 Bad Ischl (Ober¨osterreich). Nach Studien in Berlin und Wien wurde B. 1894 in Wien promoviert und war dann Realschulprofessor in J¨agerndorf (Schlesien), seit 1900 Gymnasialprofessor in Wien. Er verfaßte u. a. den viel beachteten Dramenzyklus Jahrhundertwende (Familie Wawroch, 1899; Neues Leben, 1902; Schmelz der Nibelunge, 1905). B. war der Vater von Arnolt → Bronnen. C Lex dt-j¨ud Autoren

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Bronner Bronner, Franz Xaver, Schriftsteller, Bibliothekar, * 23. 12. 1758 H¨ochst¨adt / Donau, † 12. 8. 1850 Aarau (Kt. Aargau). Nach dem Besuch des Seminars in Dillingen und Neuburg trat B., Sohn eines Ziegelbrenners, 1776 in das Benediktinerkloster in Donauw¨orth ein. Er kam in Kontakt mit der kath. Aufkl¨arung und wurde 1782 Mitglied des Illuminatenordens. 1783 empfing er die Priesterweihe. 1785 floh er aus dem Kloster, ging in die Schweiz und arbeitete in Z¨urich als Notensetzer. 1786 zur¨uck in Deutschland, trat er in den Dienst des Weihbischofs von Augsburg und floh 1793 erneut nach Z¨urich. 1794 / 95-98 war B. Redakteur der „Z¨urcher Zeitung“, 1798 Sekret¨ar des Regierungsstatthalters des Kantons Z¨urich, Johann Caspar → Pfenninger und 1798-1801 Kanzleichef des helvetischen Ministers der K¨unste und Wissenschaften, Philipp Albert → Stapfer. Von April bis Juni 1799 redigierte B. das offizielle Organ der Regierung, das „Helvetische Tagblatt“, und gab 1799 / 1800 den „Freyheitsfreund“ heraus. 1804-10 und 1817-27 war er Mathematikprofessor an der Kantonsschule in Aarau, 1810-17 Prof. f¨ur Physik an der ¨ Univ. Kasan (Rußland). Nach seinem Ubertritt zum reformatorischen Glauben seit 1820 aargauischer B¨urger, wurde er 1829 Kantonsbibliothekar und Staatsarchivar in Aarau. B. schrieb u. a. Idyllen in der Nachfolge Salomon → Gessners, wissenschaftliche Studien (u. a. Historische, geographische und statistische Beschreibung des Kantons Aargau, 1844) sowie die Autobiographie Franz Xaver Bronners Leben, von ihm selbst beschrieben (1795). C Leb Bayer Schwaben, Bd 4 Bronner, Georg, eigentl. J¨urgen B., Musiker, Komponist, * 17. 2. 1667 Hamburg, begraben 8. 3. 1720 Hamburg. B. war seit 1688 als K¨uster, 1689-1718 auch als Organist am Heilig-Geist-Spital in Hamburg der Nachfolger seines Vaters und 1699 1699 vor¨ubergehend Direktor der Oper. Er komponierte sieben Opern (teilweise zusammen mit Johann → Mattheson und Johann Christian → Schieferdecker) sowie Kantaten und ver¨offentlichte ein Musikalisches Choralbuch (1715). C MGG ¨ Bronner, Johann Philipp, Onologe, * 11. 2. 1792 Neckargem¨und, † 4. 12. 1864 Wiesloch. B., Sohn eines Apothekers, studierte Pharmazie in W¨urzburg, war seit 1816 Apotheker in Wiesloch und begann 1820, sich mit Weinbau zu besch¨aftigen. Er unternahm zahlreiche Reisen in die Weinbaugebiete Europas und entwickelte 1825 mit dem sogenannten Bockschnitt (Der Bockschnitt, 1830) und der Halbbogenerziehung neue Methoden, Reben zu ziehen. 1830 gr¨undete er eine Rebschule, die in den folgenden Jahren immer mehr erweitert wurde. B. geh¨ort zu den Erstentdeckern des Absorptionsverm¨ogens von B¨oden; er befaßte sich mit Fragen zur Vereinfachung des Weinbaus und schrieb u. a. Der Weinbau in S¨uddeutschland (7 Tle., 1833-42) und Der Weinbau und die Weinbereitung in der Champagne (1840). C B¨ohm

Bronnert, Emil, Chemiker, Industrieller, * 17. 1. 1868 Straßburg, † 1928 Straßburg. Der Chemiker B. hatte sich als Lehrer an der ChemieSchule in M¨ulhausen (Elsaß) jahrelang mit der Aufl¨osung von Zellulose in hochkonzentrierten Salzl¨osungen, besonders in Zinkchlorid, besch¨aftigt. Hierdurch kam er in Verbindung mit dem M¨ulhauser Textilindustriellen Theodor → Schlumberger. Dieser beteiligte sich mit einer Gruppe els¨assischer Industrieller 1899 an der Gr¨undung der Vereinigten Glanzstoff-Fabriken AG in Elberfeld, um B.s Verfahren in die Praxis umzusetzen. B., der die Bezeichnung „Glanzstoff“ im Namen der Firma vorschlug, wurde Mitglied des Vorstands des neu gegr¨undeten Unternehmens.

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Er war f¨ur das Werk in Niedermorschweiler zust¨andig und baute daneben eine Patentzentrale in Dornach im Elsaß auf. Im M¨arz 1923 zog er sich aus der Firmenleitung zur¨uck.

Bronsart von Schellendorf, Hans (August Alexander), Komponist, Dirigent, Theaterintendant, * 11. 2. 1830 Berlin, † 3. 11. 1913 M¨unchen. B. v. S., Sohn von Heinrich Karl Christoph → B. v. S. und Bruder von Paul und Walter → B. v. S., studierte 1849-52 an der Univ. Berlin und war Sch¨uler von Siegfried → Dehn, sp¨ater von Franz → Liszt in Weimar. Dann einige Zeit als Pianist auf Konzertreisen, dirigierte er daneben u. a. 1860-62 die Euterpe-Konzerte in Leipzig und war 1865-66 als Nachfolger Hans von → B¨ulows Dirigent bei der Gesellschaft der Musikfreunde in Berlin. Seit 1867 Intendant des Kgl. Hoftheaters in Hannover, wurde er sp¨ater auch zum Kgl. Kammerherrn ernannt und war 1887-95 Generalintendant des Hoftheaters in Weimar. B. v. S. komponierte u. a. das Klavierkonzert Nachkl¨ange aus der Jugendzeit und ver¨offentlichte Musikalische Pflichten (1858). Seit 1861 war er mit Ingeborg → B. v. S. verheiratet. C MGG Bronsart von Schellendorf, Heinrich Karl Christoph, Milit¨ar, * 16. 11. 1803 Braunsberg, † 2. 11. 1874 Hannover. B. v. S. trat 1815 in die preuß. Armee ein, besuchte 1827-30 die Allgemeine Kriegsschule und wurde 1856 Oberst und Kommandant von Wesel, 1859 Kommandant von Danzig und Generalmajor. Seit 1864 war er Generalleutnant sowie ¨ Direktor des Milit¨ar-Okonomie-Departements im Kriegsministerium, Pr¨ases der Examinationskommission f¨ur Intendanturbeamte und Direktoriumsmitglied des Potsdamer Großen Milit¨ar-Waisenhauses. Im Zuge der Mobilmachung 1866 zum Generalintendanten der Armee ernannt, zog sich B. v. S. Ende des Jahres aus dem aktiven Dienst zur¨uck. Er war der Vater von Paul und Walter → B. v. S. C Priesdorff, Bd 6 Bronsart von Schellendorf, Ingeborg (Lena), geb. Starck, Musikerin, Komponistin, * 24. 8. 1840 St. Petersburg, † 17. 6. 1913 M¨unchen. B. v. S., Tochter eines Kaufmanns, war seit 1861 mit Hans → B. v. S. verheiratet. Sie war Sch¨ulerin von Nicolaus von Martinow, Adolf → Henselt und seit 1858 von Franz → Liszt und sp¨ater als Pianistin und Komponistin t¨atig. Neben vier Opern (u. a. Die G¨ottin zu Sais) komponierte B. v. S. Konzerte f¨ur Klavier und Orchester und Klaviersolowerke. C MGG Bronsart von Schellendorf, Paul (Leopold Eduard Heinrich Anton), Milit¨ar, Staatsmann, * 25. 1. 1832 Danzig, † 23. 6. 1891 Schettnienen. Seit 1845 Kadett, besuchte B. v. S., Sohn von Heinrich Karl Christoph → B. v. S. und Bruder von Hans und Walter → B. v. S., 1855-58 die Allgemeine Kriegsschule. Von 1861 an war er Hauptmann im Großen Generalsstab, sp¨ater im Generalstab des II. Armeekorps. B. v. S. nahm u. a. 1866 an der Schlacht von K¨oniggr¨atz teil; 1870 wurde er Abteilungschef im Großem Generalstab des Großen Hauptquartiers. Seit 1881 Generalleutnant, erfolgte 1883 B. v. S.s Ernennung zum Staats- und Kriegsminister. In diesem Amt war er maßgeblich an der Durchf¨uhrung der Wehrvorlage von 1887 / 88 beteiligt. 1889 schied er aus seinem Amt aus und war danach Kommandierender General des I. Armeekorps. B. v. S. ver¨offentlichte u. a. Der Dienst im Generalstab im Frieden und Kriege (2 Bde., 1875 / 76, 41905). C Priesdorff, Bd 8 Bronsart von Schellendorf, Walter, Milit¨ar, Staatsmann, * 21. 12. 1833 Danzig, † 13. 12. 1914 Gut Marienhof (Mecklenburg). Der Bruder von Hans und Paul → B. v. S. war seit Kadett in Kulm und besuchte 1855-58 die Allgemeine Kriegsschule.

Brosius Seit 1862 Hauptmann im Großen Generalstab, nahm er u. a. am Sturm auf die D¨uppeler Schanzen 1864, an der Schlacht von K¨oniggr¨atz 1866 und am Deutsch-Franz¨osischen Krieg teil. 1873 wurde er Oberst, 1880 Generalmajor, 1881 Generalstabschef des 10. Armeekorps, 1888 Kommandierender General des III. Armeekorps. 1893-96 war er Staats- und Kriegsminister. C Priesdorff, Bd 8

Bronsgeest, Cornelis, S¨anger, Regisseur, * 24. 7. 1878 Leiden (Niederlande), † 22. 9. 1957 Berlin. B. studierte zun¨achst Architektur, entschied sich dann aber f¨ur eine Gesangsausbildung, die er bei Richard SchulzDornburg in K¨oln und bei Julius → Stockhausen in Frankfurt / Main erhielt. 1902 gab er sein Deb¨ut am Stadttheater in Magdeburg, ging 1903 an das Stadttheater (Opernhaus) Hamburg und geh¨orte 1908-19 und 1921-23 dem Ensemble der Hofoper in Berlin an. Gastspiele f¨uhrten B. nach Holland, Belgien, Großbritannien, Frankreich und Nordamerika. Seit 1924 leitete B. die Opern-Sendeb¨uhne des Senders Berlin, gr¨undete das Berliner Rundfunk-Orchester sowie den Rundfunk-Chor und richtete Opern f¨ur den Funk ein. 1933 war er aus politischen Gr¨unden gezwungen, seine Rundfunkarbeit niederzulegen und wirkte 1935-44 als Regisseur am Berliner Theater der Jugend. Mit einem kleinen Ensemble gab er w¨ahrend des Zweiten Weltkriegs Vorstellungen vor Soldaten. Nach dem Krieg organisierte er erste Opernauff¨uhrungen in Berlin. C Kutsch Brosamer, Hans, auch Br¨osamer, Maler, Kupferstecher, * um 1495 vermutlich Fulda, † um 1554 Erfurt. B. war wohl zun¨achst in Fulda ans¨assig (Gem¨alde des Kanzlers Otthera, 1536), sp¨ater in Erfurt, wo er u. a. ein Portr¨at des Landgrafen → Philipp von Hessen und den Holzschnitt Bathseba im Bade schuf. Dar¨uber hinaus existieren B¨ucher mit Illustrationen von B.s Hand, erschienen in Ingolstadt, Wittenberg, Magdeburg und Frankfurt / Main. Er schuf neben Gem¨alden, Holzschnitten und einigen Zeichnungen zahlreiche Kupferstiche. Da es im 16. Jh. mehrere Meister gab, die mit HB signierten, ist bei vielen Werken die Autorschaft B.’s nicht gesichert. C AKL

Brosch, Klemens, o¨ sterr. Maler, Graphiker, * 21. 10. 1894 Linz, † 17. 12. 1926 Linz. Der Sohn eines B¨urgerschuldirektors war 1913 / 14 an der Wiener Akademie der bildenden K¨unste Sch¨uler von Rudolf → Bacher, erlebte den Anfang des Ersten Weltkriegs als Freiwilliger und setzte 1917 / 18 seine Akademiestudien bei F. → Schmutzer fort. Nachdem eine beim Fronteinsatz entstandene Lungenkrankheit mit Morphium behandelt worden war, blieb B. f¨ur den Rest seines Lebens trotz mehrerer Entziehungskuren drogenabh¨angig. In seiner nur 16 Jahre umfassenden Schaffenszeit entstand ein Œuvre von rund 120 Tusche- und Federzeichnungen, das lange als verschollen galt und erst j¨ungst wieder aufgetaucht ist. In seinen Skizzen von den K¨ampfen in den Karpaten vermengen sich apokalyptische Vorstellungen mit den Kriegserfahrungen. B. setzte seinem Leben selbst eine Ende. C AKL

Brosch, Moritz, Redakteur, Historiker, * 7. 4. 1829 Prag, † 13. 7. 1907 Venedig. B. studierte Geschichte, Arch¨aologie und Jura in Prag und Wien, wurde zum Dr. jur. promoviert und war als politischer Redakteur der Wiener Tageszeitung „Der Wanderer“ t¨atig. Sp¨ater widmete er sich haupts¨achlich historischen Arbeiten. Seit 1873 war B. in Venedig ans¨assig. Er schrieb u. a. eine Geschichte des Kirchenstaates (2 Bde., 1880-82). ¨ C OBL

Brosch von Aarenau, Alexander Edler, o¨ sterr. Milit¨ar, * 8. 10. 1870 Temesvar, † 7. 9. 1914 bei Rawa-Ruska (Ostgalizien). Nach dem Besuch der k. k. Technischen Milit¨arakademie bis 1890 und der Kriegsschule des Generalstabs (1893-95) war B. v. A. seit 1897 Pionierhauptmann und trat 1899 in das Kriegsministerium ein. Danach Truppenoffizier bei den Tiroler Kaiserj¨agern, wurde er 1906 Fl¨ugeladjutant des o¨ sterr. Thronfolgers → Franz Ferdinand, sp¨ater Oberstleutnant. Er galt als einer der wichtigsten Vertrauten und Berater des Thronfolgers und organisierte u. a. dessen Kleine Milit¨arkanzlei, die 1908 vom Kaiser genehmigt wurde. 1911 ersuchte B. v. A. um seine R¨uckversetzung zu den Tiroler Kaiserj¨agern. C NDB

Brosche, Franz Xaver, Fabrikant, * 22. 10. 1776 Lucka bei Auscha (B¨ohmen), † 18. 3. 1858 Prag. B. durchlief eine kaufm¨annische Lehre in Jitschin, ging sp¨ater nach Prag und gr¨undete dort 1805 ein Handelshaus. 1815 folgte die Gr¨undung einer chemischen Fabrik, die vor allem chemische Hilfsstoffe herstellte. C ADB Broschek, Albert (Vincent), Buchdrucker, Verleger, * 3. 2. 1858 Danzig, † 10. 7. 1925 K¨onigsberg. Als ausgebildeter Setzer war B., Sohn eines Schuhmachers, zun¨achst in Danzig, dann in G¨orlitz und seit 1886 in Graudenz bei dem Verleger Gustav Roethe t¨atig. Dort war er Faktor, dann Gesch¨aftsf¨uhrer, stiller Teilhaber und schließlich Verlagsdirektor. 1901 schied er bei Roethe aus, begann Zeitungsunternehmen aufzukaufen und erwarb schließlich 1907 das „Hamburger Fremdenblatt“. Im Laufe der Jahre gelang ihm durch Modernisierungen, Ausbau der Redaktion und Anwendung neuer technischer Verfahren (Kupfertiefdruck, 1911) eine betr¨achtliche Ausweitung des Verlags. Seit 1918 gab er u. a. die „Hamburger Illustrierte“ heraus. Dem Zeitungsverlag war ein Buchverlag angegliedert. B. geh¨orte dem Vorstand des Vereins deutscher Zeitungsverleger an. C Altpreuß Biogr, Bd 3

Brosi, Albert, Jurist, Politiker, Parteifunktion¨ar, * 7. 4. 1836 Olten, † 8. 5. 1911 Solothurn. B. studierte Jura in Genf, Heidelberg und Berlin und war seit 1862 Anwalt in Solothurn. Politisch aktiv wurde er als Gegner der von Wilhelm → Vigier initiierten Verfassungsrevisionsbewegung. Sp¨ater bet¨atigte sich B. als Vork¨ampfer der christkatholischen Reformbewegung im Solothurner Kulturkampf. 1869 wurde er Kantonsrat, 1896 Kantonspr¨asident, 1874-82 war er Regierungsrat, 1875-82 St¨anderat. B. war Mitglied des Nationalrats und Pr¨asident der Christkatholischen Nationalsynode. C HLS Brosig, Moritz, Musikdirektor, Komponist, * 15. 10. 1815 Fuchswinkel (Oberschlesien), † 24. 1. 1887 Breslau. Nach dem Tod seines Vaters, eines Rittergutsbesitzers, u¨ bersiedelte B. mit seiner Familie nach Breslau, wurde vom Domorganisten Joseph Franz Wolf ausgebildet und u¨ bernahm nach dessen Tod 1843 das Amt des Domorganisten. 1853 wurde er Domkapellmeister, 1871 Dozent am Institut f¨ur Kirchenmusik der dortigen Univ. und 1872 Musikdirektor. B. komponierte vor allem kirchenmusikalische Werke und verfaßte einige musiktheoretische Abhandlungen, u. a. Modulationstheorie (1865). C MGG

Brosius, Caspar Max, Psychiater, * 11. 6. 1825 Burgsteinfurt, † 17. 2. 1910. Nach dem Medizinstudium in Greifswald, Bonn und Prag wurde B. 1847 in Bonn promoviert (De hebetudine animi) und ließ sich 1849 in Burgsteinfurt als praktischer Arzt nieder. 1857 gr¨undete er das Asyl f¨ur Gehirn- und Nervenkranke in Bendorf, dessen Leitung er innehatte. Seit 1860

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Brost war B. Mitredakteur, seit 1878 alleiniger Redakteur der Zeitschrift „Irrenfreund. Psychiatrische Monatsschrift f¨ur prakti¨ sche Arzte“. Er geh¨orte zu den ersten deutschen Bef¨urwortern des Non-Restraints-Systems in der Behandlung Geisteskranker, das er auch in seiner Anstalt anwandte. B. ver¨of¨ fentlichte u. a. Psychiatrische Abhandlung f¨ur Arzte und Studirende (3 Hefte, 1862-65), Die Elemente des Irrseins (1865) und Aus meiner psychiatrischen Wirksamkeit. Zwei Adressen ¨ an die praktischen Arzte (1878 / 79). C Deutsche Irr

Brost, Erich (Eduard), Verleger, Journalist, * 29. 10. 1903 Elbing (Westpreußen), † 8. 10. 1995 Essen. B., Sohn eines Mechanikers, machte eine Buchhandelslehre, trat 1921 in die Sozialdemokratische Partei Danzigs ein, war 1925-36 Redakteur der „Danziger Volksstimme“, 1928-36 Vorsitzender des „Arbeiterkulturbundes“, 1934-36 Mitglied des Landesvorstandes der Sozialdemokratischen Partei Danzigs und geh¨orte 1935 / 36 dem Danziger Volkstag an. 1936 nach Parteiverbot wegen angeblicher Aufstandsvorbereitungen verfolgt, emigrierte er nach Warschau, arbeitete an den „Deutschland-Berichten“ der Exil-SPD mit und war als Korrespondent f¨ur schwedische, niederl¨andische und finnische Zeitschriften t¨atig. 1939 ging er nach Stockholm, 1940 nach Helsinki, 1942 nach Uppsala und 1943 nach London, wo er Mitarbeiter der BBC wurde. 1945 nach Deutschland zur¨uckgekehrt, wurde er Redakteur der britischen Besatzungspresse in K¨oln und Hamburg und war 1946 / 47 Chefredakteur der „Neuen Ruhr-Zeitung“ in Essen, seit 1948 Herausgeber und Verleger der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ in Bochum, seit 1953 in Essen. C Schr¨oder

Broszat, Martin, Historiker, * 14. 8. 1926 Leipzig, † 14. 10. 1989 M¨unchen. B., Sohn eines Postinspektors, wurde 1944 in die NSDAP aufgenommen und war Flakhelfer im Zweiten Weltkrieg. Das 1946 in Leipzig begonnene Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie setzte er 1949 in K¨oln fort, arbeitete an der von Theodor → Schieder geleiteten „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Mitteleuropa“ mit, wurde 1952 mit der Arbeit Die antisemitische Bewegung im Wilhelminischen Deutschland promoviert und ging 1955 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Institut f¨ur Zeitgeschichte in M¨unchen. Hier redigierte er seit 1960 die „Vierteljahrshefte f¨ur Zeitgeschichte“ und r¨uckte 1972 als Nachfolger von Helmut → Krausnick an die Spitze des Instituts, das er bis zu seinem Tod leitete. B. war Gastprofessor in Oxford (1966) und Honorarprofessor der Universit¨aten Konstanz (1972) und M¨unchen (1980). Sein Hauptarbeitsgebiet war die Sozialgeschichte des „Dritten Reiches“ und die Geschichte des Antisemitismus in Deutschland. 1958 gab er die autobiographischen Aufzeichnungen von Rudolf → H¨oß heraus (Kommandant in Auschwitz). In Der Staat Hitlers (1969) gelang ihm die Darstellung einer umfassenden Strukturgeschichte des Nationalsozialismus. Die von ihm geleitete Dokumentation Bayern in der NS-Zeit (8 Bde., 1977-83) zeichnete kaum erschlossene Bereiche der Alltagswelt auf. 1984 erschien Die Machtergreifung. Der Aufstieg der NSDAP und die Zerst¨orung der Weimarer Republik, 1986 Nach Hitler. Der schwierige Umgang mit unserer Geschichte. C Historikerlex

Brotanek, Rudolf, Anglist, * 4. 4. 1870 Troppau, † 31. 12. 1944 Erlangen. B. studierte Anglistik, Germanistik und Romanistik an der Univ. Wien, wo er u. a. Sch¨uler des Anglisten Jacob M. → Schipper war. 1895 wurde er mit der Arbeit Untersuchungen zu den Gedichten Alexander Montgomeries promoviert, war dann als Bibliothekar an der k. k. Hofbibliothek t¨atig und seit 1902 Privatdozent an der Wiener Univ. 1908 wurde

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er a. o., 1911 o. Prof. an der Univ. Prag und war seit 1918 o. Prof. an der TH Dresden, seit 1922-36 an der Univ. Erlangen. 1936 wurde er zum Geheimen Regierungsrat ernannt. B. war Herausgeber der Neudrucke fr¨uhneuenglischer Grammatiken (1905 ff.) und schrieb u. a. Englische Maskenspiele (1902).

Brotuff, Ernst, Historiker, Jurist, * 1497 Merseburg, † vermutlich 1565 Merseburg. B. war zun¨achst Schreiber, dann Rat und Anwalt des Klosters St. Peter in Merseburg. Er schloß sich der Reformation an und war seit 1543 Syndikus der Stadt Merseburg. 1550 wurde er vom Kurf¨ursten zum dritten Schulverwalter von Schulpforta ernannt, kehrte jedoch schon zwei Jahre sp¨ater als B¨urgermeister nach Merseburg zur¨uck. B. besch¨aftigte sich mit historischen Studien, besonders der Geschichte Merseburgs, Meißens und Th¨uringens und verfaßte eine Genealogische Geschichte des Hauses Anhalt (o. J.). C ADB

Brouwer, Christoph, Historiker, * 10. 11. 1559 Arnheim (Geldern), † 2. 6. 1617 Trier. B. trat 1580 in Trier in den Jesuitenorden ein, war sp¨ater Prof. der Philosophie an der Univ. Trier und 1601-13 Rektor des Kollegs in Fulda. Als Historiker besch¨aftigte er sich haupts¨achlich mit Untersuchungen zur Stadtgeschichte (z. B. Trier und Fulda) und dem Leben Heiliger wie → Liudger, → Meinwerk und → Godehard. Als B.s Hauptwerk gilt die Darstellung der Geschichte des Erzstiftes Trier Antiquitatum et annalium Trevirensium libri XXV (in Ausz¨ugen schon 1629 gedruckt, erg¨anzt und herausgegeben von Jakob → Masen in 2 B¨anden, 1670). C NDB Brouwer, Walther, Agrarwissenschaftler, * 12. 1. 1895 Wilhelmshaven, † 20. 7. 1979 Stuttgart. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg arbeitete B. in der landwirtschaftlichen Praxis, studierte 1922-25 Landwirtschaft an der Univ. G¨ottingen und wurde dort bei Otto → Tornau mit der Dissertation Die Beziehungen zwischen Ernte und Witterung in der Landwirtschaft promoviert. Anschließend Assistent bei Wilhelm → Freckmann am Institut f¨ur Meliorationswesen und Moorkultur der Preußischen Landwirtschaftlichen Versuchs- und Forschungsanstalten in Landsberg / Warthe, seit 1928 Oberassistent am Institut f¨ur Kulturtechnik an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin, habilitierte sich B. 1930 mit der Arbeit Der Einfluß des Wassers auf das Gedeihen von Gr¨asern im Reinbestand und die Wirkung der Witterungsfaktoren auf die Wiesenertr¨age und folgte 1934 als Nachfolger Ernst → Klapps einem Ruf auf den Lehrstuhl f¨ur Pflanzenbau und Pflanzenz¨uchtung der Univ. Jena. 1945-63 war er Direktor des Instituts f¨ur Pflanzenbau und Pflanzenz¨uchtung an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim sowie Leiter der W¨urttembergischen Landeszuchtanstalt. B. besch¨aftigte sich mit Fragen des Allgemeinen Pflanzenbaus und der Kulturtechnik, insbesondere aber mit den Problemen der Feldberegnung. Seine Forschungsergebnisse ver¨offentlichte er u. a. im Handbuch der Samenkunde f¨ur Landwirtschaft, Gartenbau und Forstwirtschaft mit einem Schl¨ussel zur Bestimmung der wichtigsten landwirtschaftlichen Samen (mit Adolf → St¨ahlin, 1955, 21975) und im Handbuch des Speziellen Pflanzenbaues (2 Bde., 1972-76). B. begr¨undete 1928 die „Deutsche Landwirtschaftliche Rundschau“, war 1949-70 Herausgeber der „Zeitschrift f¨ur Acker- und Pflanzenbau“ und 1961-63 Vorsitzender, sp¨ater Ehrenmitglied der Gesellschaft f¨ur Pflanzenbauwissenschaften. C B¨ohm Browe, Peter, Jesuit, Theologe, * 22. 12. 1876 Salzburg, † 18. 5. 1949 Baden-Baden. Nach Jurastudien in Berlin trat B. 1895 in den Jesuitenorden ein. Er studierte Philosophie und arbeitete 1901-05 als Mathematiklehrer in S˜ao Leopoldo (Brasilien). Nach vier Jah-

Bruch ren theologischer Ausbildung in Valkenburg (Niederlande) wurde er 1912 zum Priester geweiht. Im Ersten Weltkrieg war B. zwei Jahre lang Divisionspfarrer, setzte dann seine Studien der Rechtswissenschaften in Berlin fort und wurde Studentenseelsorger in Frankfurt / Main. Als Lehrer der Moraltheologie war er an den Ordensschulen in Maastricht, Valkenburg, Frankfurt / Main und Immensee (Schweiz) t¨atig. B. ver¨offentlichte eine Reihe wichtiger Abhandlungen zur Kirchen- und Fr¨ommigkeitsgeschichte des Mittelalters, u. a. Die Verehrung der Eucharistie im Mittelalter (1933). C NDB

Brown, Charles, Ingenieur, * 30. 6. 1827 Uxbridge (heute London, † 6. 10. 1905 Basel. In England zum Ingenieur ausgebildet, kam B., Sohn eines Zahnarztes, 1851 nach Winterthur, arbeitete bis 1871 in der Maschinenfabrik der Gebr¨uder Sulzer und beteiligte sich maßgeblich an der Entwicklung der Sulzerschen Ventildampfmaschine. 1871 gr¨undete er die „Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik“ in Winterthur, deren Leitung er bis 1884 innehatte. Seit 1877 wurden dort u. a. Straßenbahnlokomotiven mit Dampfantrieb produziert. 1884 wurde B. technischer Direktor der Z¨urcher Maschinenfabrik Oerlikon und er¨offnete deren elektrotechnische Abteilung, die sein Sohn Charles Eug`ene Lancelot → B. seit 1886 leitete. B. war danach in Newcastle und Pozzuoli mit dem Bau von Werkst¨atten besch¨aftigt und lebte als Ingenieur in Neapel. 1890 ließ er sich als beratender Ingenieur, Konstrukteur und Erfinder in Basel nieder. C NDB Brown, Charles Eug`ene Lancelot, schweizer. Ingenieur, * 19. 6. 1863 Winterthur, † 2. 5. 1924 Montagnola bei Lugano. B. durchlief eine Lehre als Elektroingenieur in Basel und u¨ bernahm 1886 die Leitung der von seinem Vater Charles → B. er¨offneten elektrotechnischen Abteilung der Maschinenfabrik Oerlikon in Z¨urich. Er entwickelte die ersten leistungsf¨ahigen Gleichstrommaschinen und f¨uhrte zusammen mit Walter → Boveri 1888 die erste Gleichstrom¨ubertragung von Kriegstetten nach Solothurn durch. Seit 1889 befaßte sich B. mit der Wechselstromtechnik und beteiligte sich an der Konstruktion von Generatoren. Mit Walter Boveri gr¨undete er 1891 die Firma „Brown, Boveri & Cie.“ in Baden (Aargau), die großen Anteil am Ausbau der schweizer. Wasserkraftwerke und an der Weiterentwicklung von Dampfturbinen hatte. Seit der Umwandlung der Firma in eine Aktiengesellschaft (1900) war B. Verwaltungsratsvorsitzender, bis er sich 1911 nach Montagnola zur¨uckzog. C Leb Aargau Browne, Maximilian Ulysses Reichsgraf von, Milit¨ar, * 23. 10. 1705 Basel, † 26. 6. 1757 bei Prag. Der Sohn eines 1690 aus Irland geflohenen kath. Adligen wurde mit 30 Jahren Infanterieoberst in der o¨ sterr. Armee. Er nahm am Polnischen Thronfolgekrieg (1733-35), als Generalfeldwachmeister am Feldzug → Karls VI. gegen die T¨urken (seit 1737), am Ersten Schlesischen Krieg und am ¨ Osterreichischen Erbfolgekrieg teil. Seit 1753 Feldmarschall und Generalkommandant in B¨ohmen, machte B. die ersten Schlachten des Siebenj¨ahrigen Kriegs mit. C NDB

Broxtermann, Theobald Wilhelm, Jurist, Schriftsteller, Archivar, * Juni 1771 Osnabr¨uck, † 14. 9. (?) 1800 M¨unchen. Im Alter von 15 Jahren ver¨offentlichte B., Sohn eines Advokaten und Domsyndikus, seine ersten Gedichte. Bald darauf folgte sein episches Werk Benno, Bischof von Osnabr¨uck, das → Wieland 1788 in seinen „Teutschen Merkur“ aufnahm. 1790 begann B. das Jurastudium in G¨ottingen und wurde

1793 in Osnabr¨uck als Advokat zugelassen. Er gab diese T¨atigkeit bald wieder auf, lebte als freier Schriftsteller in den Niederlanden und hielt Vorlesungen u¨ ber Naturrecht und die Philosophie → Kants in Utrecht. 1797 erhielt er eine Stelle als Archivar und Kanzleirat bei Graf → Wilhelm von PfalzBirkenfeld, mit dem er im selben Jahr nach M¨unchen zog. 1841 erschienen B.s S¨ammtliche Werke (hrsg. von Eduard C Westf Autoren, Bd 1 Wedekind).

Bruch, Christian Gottlieb, evang. Theologe, * 14. 1. 1772 Pirmasens, † 30. 5. 1836 K¨oln (?). Nach dem Studium der Theologie in Marburg und Jena wurde B. 1789 Feldprediger bei einem pf¨alzischen Regiment. 1794 wechselte er als Zweiter Prediger nach Meisenheim, 1798 nach Veldenz. Als Pfarrer der evang. Gemeinde wurde er 1803 nach K¨oln berufen, wo er bis zu seinem Tod t¨atig war. 1816 erfolgte seine Ernennung zum Konsistorialrat. B., der um die Union der luth. und der reformierten Kirche sowie um einen Ausgleich mit der kath. Kirche bem¨uht ¨ war, ver¨offentlichte u. a. Ubersetzungen aus dem Franz¨osischen, darunter Des Herrn von Beaufort Vorschlag zur Vereinigung aller christlichen Kirchen (1808). C Neuer Nekr, Jg. 14 Bruch, Karl Wilhelm Ludwig, Anatom, Physiologe, * 1. 5. 1819 Mainz, † 4. 1. 1884 Heppenheim. B. studierte seit 1837 in Gießen und Berlin, wurde 1842 promoviert und habilitierte sich 1845 mit der Arbeit Nonnulla de rigore mortis in Heidelberg, wo er anschließend als Privatdozent lehrte. Seit 1850 o. Prof. der Anatomie und Physiologie in Basel (Antrittsrede: Ueber die naturwissenschaftliche Richtung der Physiologie und ihren Einfluss auf die Medicin, 1851), wurde B. 1855 zum o. Prof. in Gießen ernannt. Zu seinen Publikationen z¨ahlen Die Diagnose der b¨osartigen Geschw¨ulste. Nach eigenen Untersuchungen (1847), Zur Physiologie der Sprache (1854), Ueber die Befruchtung des thierischen Eies und u¨ ber die histologische Deutung desselben (1855) und Vergleichende Osteologie des Rheinlachses (1861). Bruch, Max (Karl August), Komponist, Dirigent, * 6. 1. 1838 K¨oln, † 2. 10. 1920 Berlin. B., Sohn eines Polizeirats und Enkel des Theologen Christian Gottlieb → B., erhielt eine erste musikalische Ausbildung durch seine Mutter, die Sopranistin Wilhelmine B., geb. Almenr¨ader. Mit 14 Jahren gewann er f¨ur eine seiner Kompositionen ein Stipendium und studierte dann 1853-57 in Frankfurt / Main und Leipzig als Sch¨uler von Ferdinand → Hiller (Komposition), Carl → Reinecke und Ferdinand Breunung (Klavier), 1859 an der Univ. Bonn auch Geschichte, Literatur und Rheinische Kunstgeschichte. Nach einer T¨atigkeit als Musiklehrer in K¨oln (1858-61) zog er f¨ur einige Jahre nach Mannheim und wurde 1865 als Musikdirektor nach Koblenz berufen. 1867-70 war er Hofkapellmeister in Sondershausen, lebte 1870-78 als freischaffender Komponist in Berlin und Bonn und wurde 1878 Dirigent des Sternschen Gesangvereins in Berlin. B. leitete 1880-83 die Philharmonic Society in Liverpool und 1883-89 den Breslauer Orchesterverein. 1891-1910 war er Leiter der Meisterschule f¨ur Komposition an der Berliner Musikakademie, an der er u. a. Ralph Vaughan Williams unterrichtete. Zun¨achst mit Opern hervorgetreten (u. a. Die Loreley, 1863), entwickelte B. seit 1871 das weltliche Oratorium (Odysseus, 1872; Achilleus, 1885; Moses, 1895; Gustav Adolf, 1898), wobei er erst einen Gegenentwurf zu → Wagners Ring versuchte und sp¨ater zum Vertreter eines wilhelminisch-protestantischen Kulturverst¨andnisses wurde. Daneben komponierte der mit → Brahms befreundete B. zahlreiche, vielfach aufgef¨uhrte Kantaten und Chorwerke sowie oft auf Volksmelodien aufbauende Lieder

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Bruch und T¨anze. Zu seinen Instrumentalwerken z¨ahlen drei Symphonien, Konzertwerke (darunter eine „Schottische Fantasie“ in der Nachfolge → Mendelssohn Bartholdys) und Kammermusik. C MGG

Bruch, Walter, Ingenieur, * 2. 3. 1908 Neustadt / Weinstraße, † 5. 5. 1990 Hannover. Nach dem Studium der Elektrotechnik am Technikum Mittweida war B. zun¨achst im Berliner B¨uro des Fernsehpioniers D´enes von → Mih´aly t¨atig und trat 1935 in die Abteilung „Fernsehen und Physikalische Forschung“ der TelefunkenGesellschaft in Hannover ein. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs entwickelte er eine Kabelfernsehanlage zur Beobachtung von Raketenstarts. 1946 er¨offnete B. ein eigenes Entwicklungslabor in Berlin. Seit 1950 wieder bei Telefunken in Hannover, entwickelte B. auf der Grundlage des Umkehrprinzips von Bernard Loughlin das Farbfernsehsystem PAL, das 1967 offiziell in der Bundesrepublik Deutschland eingef¨uhrt wurde. Zur Umsetzung von Sendungen aus dem franz¨osischen SECAM-System in das PAL-System stellte er 1967 ein Transcodierger¨at vor. Nach seiner Pensionierung 1974 war B. als Berater des Zweiten Deutschen Fernsehens t¨atig. Er ver¨offentlichte u. a. Kleine Geschichte des deutschen Fernsehens (1967), Die Fernsehstory (1969) und PAL – das Farbfernsehen (mit Heide Riedel, 1987). C Munzinger

Bruchhausen, Albert (Georg Justus Maria) von, Kommunalbeamter, * 21. 4. 1859 Oelde, † 23. 4. 1948 Buchheim bei Freiburg / Breisgau. Als Sohn eines Juristen (zuletzt Landgerichtsrats) studierte B. in Freiburg und Straßburg die Rechte, wurde 1883 Referendar und 1888 Gerichtsassessor. Nach dreij¨ahriger T¨atigkeit als Rechtsanwalt in Essen wurde er dort zum Beigeordneten und 1899 zum 1. B¨urgermeister von Recklinghausen gew¨ahlt. Seit 1904 Oberb¨urgermeister von Trier, baute er die st¨adtischen Versorgungsbetriebe im Sinne der Daseinsvorsorge des sog. Munizipalsozialismus aus, schaffte eine weitere Eingemeindung und modernisierte die Verwaltung der Stadt. Bei seinem Amtsende 1927 erhielt er die Trierer Ehrenb¨urgerw¨urde. B. geh¨orte dem Rheinischen Provinziallandtag und 1904-18 auch dem Preußischen Herrenhaus (Neue Fraktion) an. C Trier

Bruchhausen, Friedrich Wilhelm Bernhard von, Chemiker, * 25. 9. 1886 Steinau (Kr. Schl¨uchtern), † 4. 2. 1966 Braunschweig. Zun¨achst absolvierte B. 1903-06 eine Apothekerlehre und besuchte seit 1909 die Univ. Marburg. Nach dem pharmazeutischen Examen (1911) widmete er sich Studien der Lebensmittelchemie und wurde 1921 mit der Dissertation Beitr¨age zur Kenntnis des Corycavins promoviert. 1925 habilitierte er sich mit der Arbeit Zur Kenntnis des Corycavidins und Corycavamins und lehrte von 1926 an als o. Prof. Pharmazie und Lebensmittelchemie an der Univ. M¨unster, bis er 1931 an die Univ. W¨urzburg und 1938 an die TH Braunschweig berufen wurde. B., der 1947 die Schriftleitung des „Archivs f¨ur Pharmazie“ u¨ bernahm und 1953 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt wurde, ver¨offentlichte u. a. ein Lehrbuch der pharmazeutischen Chemie (1933) und eine Anleitung zur Qualitativen Analyse (1948).

Bruchmann, Franz (Seraph Joseph Vinzenz) Ritter von, Redemptorist, Jurist, * 5. 4. 1798 Wien, † 23. 5. 1867 Gars / Inn. ¨ B., Sohn eines Großh¨andlers und Direktors bei der Osterreichischen Nationalbank, studierte in Wien und Erlangen. Nach der Promotion zum Dr. jur. utr. 1827 in Wien trat er in den o¨ sterr. Staatsdienst ein. B., der dem Wiener Schubertkreis angeh¨orte, war auch dichterisch t¨atig. Mehrere seiner

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Lieder wurden von Franz → Schubert vertont. Nach dem Tod seiner Frau wurde er 1831 Redemptorist, 1833 Priester und f¨uhrte 1841 auf Veranlassung K¨onig → Ludwigs I. den Redemptoristenorden in Alt¨otting ein. Die Kongregation breitete sich weiter aus, und B. u¨ bernahm 1847-54 als Provinzial die Betreuung der o¨ sterr. und deutschen Niederlassungen. Seit 1855 beschr¨ankte sich sein Aufgabengebiet auf die deutschen und von 1856 an auf die bayerischen Niederlassungen. C LThK

Bruck, Carl, Dermatologe, * 28. 2. 1879 Glatz (Schlesien), † 12. 6. 1944 Hamburg. Nach dem Abschluß des Medizinstudiums, das er an den Universit¨aten Berlin und M¨unchen 1902 mit der Promotion absolviert hatte (Ueber den Einfluß kalter hydriatischer Proceduren auf den Blutdruck), war B., Sohn eines Farbrikbesitzers, 1902-06 als Assistent unter Robert → Koch in Berlin t¨atig. 1906-08 beteiligte er sich an einer Expedition zur Erforschung der Syphilis nach Java und wurde dann Oberarzt an der Breslauer Universit¨atsklinik f¨ur Hautkrankheiten. Seit 1909 lehrte er als Privatdozent (Die Serodiagnose der Syphilis) und seit 1911 als Prof. an der Univ. Breslau, bis er 1914 als Chefarzt der Dermatologischen Abteilung an das St¨adtische Krankenhaus in Altona wechselte. Nach dem Verlust dieser Stelle 1933 betrieb B. eine Praxis f¨ur Haut- und Geschlechtskrankheiten. Gemeinsam mit Albert → Neisser und August von → Wassermann gilt B. als Begr¨under der Serodiagnostik der Syphilis. Er verfaßte zahlreiche serologische, dermatologische und venerologische Beitr¨age (Rezepttaschenbuch f¨ur Dermatologen, 1922, 2 1925; Gonorrhoe, 1934). Vor der Verhaftung aufgrund einer Denunziation beging B., zwei Tage sp¨ater seine Ehefrau ¨ Schlesien C Arzte Suizid. Bruck, Eberhard Friedrich, Jurist, * 15. 11. 1877 Breslau, † 12. 10. 1960. B., Bruder von Werner Friedrich → B., studierte in Breslau, M¨unchen und Berlin Rechtswissenschaften und arbeitete nach der Promotion (1904, Zur Lehre von den Rechtsgesch¨aften, bei denen Bedingung und Zeitbestimmung unzul¨assig sind [R¨omisches und gemeines Recht])) als Gerichtsassessor. Nach weiteren Studien an der Univ. Leipzig lehrte er seit 1909 als Privatdozent f¨ur r¨omisches Recht in Breslau (Habilitationsschrift Die Schenkung auf den Todesfall im griechischen Recht bis zum Beginn der hellenistischen Epoche, zugleich ein Beitrag zur Geschichte des Testaments), bis er 1913 als Prof. nach Genf berufen wurde. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs war er Kriegsgerichtsrat, kehrte nach Breslau zur¨uck und wurde dort 1920 o. Professor. 1929 wechselte er an die Univ. Frankfurt / Main, 1932 nach Bonn. Von den Nationalsozialisten 1936 zum R¨ucktritt gezwungen, emigrierte er 1939 in die USA und erhielt eine Stelle an der Harvard School of Law in Cambridge, an der er bis zu seiner Emeritierung 1952 t¨atig war. ¨ B. ver¨offentlichte u. a. Uber R¨omisches Recht im Rahmen der Kulturgeschichte (1953). C BHdE, Bd 2 Bruck, Julius, Zahnmediziner, * 6. 10. 1840 Breslau, † 20. 4. 1902 Breslau. Als Sohn eines Zahnarztes studierte B. in Breslau, Berlin, Bonn und Paris Medizin und Zahnheilkunde. Er wurde 1866 in Erlangen promoviert und habilitierte sich 1871 als erster in Breslau f¨ur Zahnheilkunde (Beitr¨age zur Histologie und Pathologie der Zahnpulpa). Die Gr¨undung des zahn¨arztlichen Instituts der Univ. Breslau ging auf seine Initiative zur¨uck. Dort lehrte B., der 1891 zum a. o. Prof. ernannt wurde, bis zu seiner Emeritierung 1895. Er befaßte sich besonders mit Techniken der Durchleuchtung von K¨orperteilen (Das Urethroskop zur Durchleuchtung der Blase und ihrer

Bruckmann Nachbarteile und das Stomatoskop zur Durchleuchtung der Z¨ahne und ihrer Nachbarteile, 1867). B. war der Vater von ¨ Walther Wolfgang → B. Schlesien C Arzte

Bruck, Karl Ludwig Frh. von, o¨ sterr. Staatsmann, * 18. 10. 1798 Elberfeld (heute zu Wuppertal), † 23. 4. 1860 Wien. Zum Kaufmann ausgebildet und vor¨ubergehend als Buchh¨andler t¨atig, ging B., Sohn eines Buchbinders, 1821 nach Triest, arbeitete u. a. im Versicherungswesen und wurde ¨ 1833 leitender Direktor des Osterreichischen Lloyd und Gr¨under der angeschlossenen Dampfschiffahrtsgesellschaft. 1848 geh¨orte er der Frankfurter Nationalversammlung an und u¨ bernahm, nachdem er das ihm von der Reichsregierung angebotene Amt des Reichsmarineministers abgelehnt hatte, das o¨ sterr. Handelsministerium im Kabinett → Schwarzenberg. Sein Fernziel der wirtschaftlichen Ei¨ nigung Osterreichs mit Italien und den deutschen Staaten konnte B. nicht verwirklichen; er beseitigte jedoch die Zoll¨ schranken innerhalb Osterreich-Ungarns, f¨uhrte in der gesamten Monarchie Handels- und Gewerbekammern ein und schloß den preußisch-¨osterreichischen Postvertrag ab. 1851 ¨ trat er zur¨uck, leitete bis 1853 den Osterreichischen Lloyd und f¨uhrte 1852 / 53 Verhandlungen u¨ ber einen Zoll- und Handelsvertrag mit Preußen. 1853 wurde er Botschafter in Konstantinopel, 1855 Finanzminister. Seine Bem¨uhungen um die Sanierung des Staatshaushalts wurden durch den Krieg von 1859 gegen Sardinien-Piemont zunichte gemacht. Als man ihn wegen Unterschlagungen verd¨achtigte und in Ungnaden entließ, beging B. Selbstmord. C Verwaltung Bruck, Walther Wolfgang, Zahnmediziner, * 4. 3. 1872 Breslau, † 31. 3. 1937 Breslau. Der Sohn des Zahnmediziners Julius → B. studierte in Breslau und seit 1895 in Baltimore Zahnheilkunde. 1896 in Baltimore in Zahnheilkunde promoviert, wurde er 1900 Dozent am Zahn¨arztlichen Institut der Univ. Breslau und habilitierte sich hier 1912 in diesem Fach. 1908 erfolgte seine Ernennung zum tit. Prof. an der Medizinischen Fakult¨at (Dr. med. 1920, Der goldene Zahn des Schlesischen Knaben [1593]. Ein Beitrag zur Geschichte der Zahnheilkunde); seit 1927 war er auch Dozent an der TH Breslau. B. besch¨aftigte sich mit der konservierenden Zahnmedizin (Das F¨ullen der Z¨ahne mit Porzellan, 1902) und der Geschichte der Zahnheilkunde (u. a. Zahn¨arztliche Darstellungen aus alter Zeit, ¨ 1921). Schlesien C Arzte

Bruck, Werner Friedrich, Wirtschaftswissenschaftler, * 23. 8. 1880 Breslau, † 29. 5. 1945 New York. Nach volkswirtschaftlichen Studien in Breslau und Leipzig habilitierte sich B., Bruder von Eberhard Friedrich → B., 1907 an der Univ. Gießen und lehrte dort 1913-22 als a. o. Prof. der wirtschaftlichen Staatswissenschaften. Er unternahm im Auftrag des Reichskolonialamts 1912-14 Reisen nach Ostafrika und Indien, wo er als Fachmann f¨ur textile Anbau- und Verarbeitungsmethoden Feldstudien durchf¨uhrte. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs war er im Kriegs-, Innen- und Wirtschaftsministerium, bei der Deutschen Botschaft in Konstantinopel und schließlich beim Warschauer Generalgouvernement als Berater t¨atig; seit 1918 geh¨orte er der Demobilmachungsabteilung des Reichswirtschaftsministeriums an. 1922 folgte er einem Ruf als Prof. an das Institut f¨ur Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Univ. M¨unster. Von den Nationalsozialisten 1933 entlassen, emigrierte B. u¨ ber die Niederlande nach Großbritannien und lehrte als Visiting Professor am College of South Wales der Univ. Cardiff. 1940 erhielt er einen Ruf an die New School for Social Research in New York. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten lehnte B. sowohl liberale Markttheorien angels¨achsischer Tradition als auch planungswirtschaftliche Modelle entschieden ab und setzte sich f¨ur einen

organisierten Kapitalismus auf der Basis o¨ ffentlicher Kartelle ein. Er ver¨offentlichte u. a. Exportindustrie und Binnenmarkt (1929), The road to planned economy (1934) und Social and economic history of Germany from William II to Hitler 1888-1938 (1938). C Hagemann

Bruckbr¨au, Friedrich Wilhelm, Pseud. Baron Belial,

¨ Beamter, Ubersetzer, Schriftsteller, * 14. 4. 1792 M¨unchen, † 23. 12. 1874 M¨unchen. Nach dem Studium der Philosophie und der neueren Sprachen, das er in Landshut absolviert hatte, schlug B. 1810 wie schon sein Vater eine Zollamtslaufbahn ein. 1833 erfolgte seine Ernennung zum Hauptzollamtsverwalter in Burghausen. 1843 trat er in den Ruhestand und kehrte nach M¨unchen ¨ zur¨uck. Er bet¨atigte sich als Ubersetzer (Werke von Petrarca, Milton, George Sand und Alexandre Dumas) und verfaßte selbst Gedichte, Dramen, Erz¨ahlungen und erotische Romane (Rosa’s Gardinenseufzer, nachgehaucht, 2 Bde., 1832), die jedoch beim Publikum nur wenig Anklang fanden. Er war Redakteur der literarischen Zeitschrift „Eos“ (1824-28) und Herausgeber des „Bayerischen Beobachters“ (seit 1829). C Killy

Brucker, (Johann) Jacob, evang. Theologe, Philosoph, * 22. 1. 1696 Augsburg, † 26. 11. 1770 Augsburg. Der Sohn eines Schneiders studierte 1715-20 in Jena Theologie und Philosophie bei Johann Franz → Buddeus. 1724 wurde er Prediger und Rektor der Lateinschule in Kaufbeuren. B. schrieb in Deutschland die erste Geschichte der Philosophie (Historia critica philosophiae a mundi incunabulis ad nostram usque aetatem deducta, 5 Bde., 1742-44); sie hatte Einfluß auf die franz¨osische Encyclop´edie. 1744 wurde B. als Pfarrer nach Augsburg berufen, wo er bis zu seinem Tod t¨atig war. Seit 1731 geh¨orte er der Preußischen Akademie der Wissenschaften und seit 1736 der Deutschen Gesellschaft in Leipzig an. Er ver¨offentlichte einen BilderSal heutiges Tages lebender und durch Gelahrtheit ber¨uhmter Schrifft-Steller (illustriert von Johann Jakob → Haid, Teil 1-10, 1741-55; Anhang, 1766; gleichzeitg erschien die lateinische Fassung, jedoch ohne den Anhang: Pinacotheca Scriptorum nostra aetate litteris illustrium). Angeregt durch den Erfolg dieses biographischen Werks publizierten B. und Haid mit dem Ehren-Tempel der Deutschen Gelehrsamkeit [. . .] (1747) eine zweite a¨ hnliche Sammlung. C Enz Phil Wiss

Bruckmann, (Ferdinand) Alexander, Maler, * 21. 2. 1806 Ellwangen, † 9. 2. 1852 Stuttgart. B., Sohn eines Architekten, erhielt seit 1820 eine Ausbildung als Medailleur in der Heilbronner Silberwarenfabrik seines Vetters Peter → B. als Sch¨uler Konrad → Weitbrechts. 1826 wandte er sich der Malerei zu und nahm Unterricht bei Eberhard von → W¨achter in Stuttgart, 1827-29 bei Heinrich Maria → Hess in M¨unchen. 1829-40 geh¨orte B. dem M¨unchner Kunstverein an. Seine ersten gr¨oßeren Bilder malte er w¨ahrend eines Aufenthalts in Rom 1829-32. Wieder in M¨unchen, schuf er u. a. Fresken in der kgl. Residenz. Von 1840 an lebte B. in Stuttgart, Ulm und Augsburg; in dieser Zeit entstanden zahlreiche Portr¨ats, Historiengem¨alde wie Thusnelda in der Gefangenschaft und die Ausmalung des Festsaals der Stuttgarter Kunstschule. B. beging Selbstmord. C AKL Bruckmann, Friedrich, Verleger, * 4. 6. 1814 Deutz (heute zu K¨oln), † 17. 3. 1898 Arco. B., dessen Vater Kaufmann, Gutsbesitzer und B¨urgermeister in Deutz war, unternahm mehrere Bildungreisen, ging dann bei einer franz¨osischen Porzellanmanufaktur in S`evres in die Lehre und errichtete nach seiner R¨uckkehr eine eigene Porzellanfabrik. 1858 gr¨undete er in Frankfurt / Main den Verlag f¨ur Kunst und Wissenschaft und erzielte mit

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Bruckmann der Herausgabe von Wilhelm → Kaulbachs Goethe-Galerie einen ersten verlegerischen Erfolg. 1861 w¨ahlte er Stuttgart, 1863 M¨unchen als neuen Standort des Unternehmens. Er verlegte, reproduktionstechnisch jeweils auf dem neuesten Stand, vor allem arch¨aologische und kunstgeschichtliche Bildwerke. 1885 gr¨undete B. die erste deutsche Kunstzeitschrift „Kunst f¨ur alle“. Er war der Vater von Hugo → B. C NDB

Bruckmann, Hugo, Verleger, Politiker, * 13. 10. 1863 M¨unchen, † 3. 9. 1941 M¨unchen. B. durchlief eine Lehre bei einem Dresdner Kunsth¨andler, arbeitete f¨ur eine Bank in K¨oln sowie f¨ur die Berliner Handelsgesellschaft und trat 1886 in den von seinem Vater Friedrich → B. gegr¨undeten Verlag „Friedrich Bruckmann AG“ in M¨unchen ein. Bis 1908 geh¨orte er dem Vorstand und bis 1917 dem Aufsichtsrat des v¨aterlichen Verlags an. Sein eigener Verlag, den er 1917 in M¨unchen ins Leben rief, bestand bis 1930. B. verlegte kunsthistorische, kulturgeschichtliche sowie arch¨aologische Werke und u¨ bernahm die Leitung der „M¨unchen-Augsburger Abendzeitung“, der „S¨uddeutschen Monatshefte“ sowie der „M¨unchner Neuesten Nachrichten“ (1924-35). Er trat der NSDAP, die er seit 1921 finanziell unterst¨utzte, 1925 bei und geh¨orte von 1932 bis zu seinem Tod als Mitglied der NSDAP-Fraktion dem Reichstag an. Nach 1933 war B. Mitglied des Vorstandes des Deutschen Museums, des Senats der Reichskulturkammer und Vorsitzender des Verwaltungsrats des Deutschen Nachrichtenb¨uros. C Lilla, Statisten Bruckmann, (Georg) Peter, Fabrikant, * 10. 6. 1778 Heilbronn / Neckar, † 4. 12. 1850 Heilbronn / Neckar. B. ging bei seinem Vater, einem Gold- und Silberschmied, in die Lehre und erhielt weitere Ausbildungen im Modellieren und Stempelschneiden in Wien, Paris und Genf. 1805 gr¨undete er in seiner Heimatstadt die Silberwarenfabrik „Peter Bruckmann und S¨ohne“. Da B. 1810 erstmals Silberwaren mit selbstgeschnittenen Stempeln auf Pressen pr¨agte, konnte er sich zur Zeit der Kontinentalsperre gegen die franz¨osische Konkurrenz durchsetzen. 1820 erwarb er eine gr¨oßere Presse und stellte so als erster deutscher Fabrikant die Edelmetallverarbeitung auf maschinelle Produktion um. Die k¨unstlerische Gestaltung der Silberpr¨agungen bestimmte der Medailleur Konrad → Weitbrecht, den B. 1819 eingestellt hatte. B. schuf auch Portraitmedaillen und Gedenkm¨unzen, u. a. von → Luther und von der K¨onigin → Katharina von Westfalen. 1842 gr¨undete er eine Zeichenund Modellierschule zur Ausbildung des kunsthandwerklichen Nachwuchses. Seine Firma wurde von seinen S¨ohnen und Enkeln weitergef¨uhrt und erreichte im Jugendstil eine Bl¨utezeit. C Leb Schwaben, Bd 4 Bruckmann, Peter, Bildhauer, * 13. 8. 1850 Heilbronn, † 24. 12. 1925 Solln bei M¨unchen. B., ein Enkel von Georg Peter → B., nahm als junger Mann am Deutsch-Franz¨osischen Krieg von 1870 / 71 teil und ging nach seiner R¨uckkehr an die M¨unchner Kunstakademie, wo er Sch¨uler Wilhelm von → Kaulbachs war. Sp¨ater machte er die Bekanntschaft des Malers Arnold → B¨ocklin, dessen Tochter Clara er in Florenz heiratete. 1881-84 lebte er in Rom und bis zum Tod B¨ocklins 1901 in Z¨urich. Dort schuf er in Zusammenarbeit mit seinem Schwiegervater vielfarbige Plastiken: W¨ahrend B¨ocklin die Entw¨urfe schuf und die Bemalung ausf¨uhrte, u¨ bernahm B. die plastische Gestaltung (z. B. Froschk¨onig, 1886). Sp¨ater lebte B. in Fiesole bei Florenz und schließlich in M¨unchen. C AKL Bruckmann, Peter, Industrieller, Politiker, * 13. 1. 1865 Heilbronn, † 2. 3. 1937 Heilbronn. B. studierte an der Kunstgewerbeschule und der TH M¨unchen und trat 1887 in die Firma „Peter Bruckmann

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und S¨ohne AG“ ein, die sein Großvater Peter → B. 1805 gegr¨undet hatte. Unter seiner Leitung wurden die Werkst¨atten der Gold- und Silberwarenfabrik renoviert. B., der insbesondere als Kommunalpolitiker bekannt wurde, geh¨orte 1915-33 als Abgeordneter der Deutschen Demokratischen Partei dem w¨urttembergischen Landtag an. Als Vorsitzender des S¨udwestdeutschen Kanalvereins setzte er sich u. a. f¨ur die Erschließung des Neckars f¨ur die Großschiffahrt ein. Dar¨uber hinaus f¨uhrte er seit der Gr¨undung des Deutschen Werkbunds (1907) jahrzehntelang dessen Vorsitz. C NDB

Bruckner, (Josef) Anton, o¨ sterr. Komponist, * 4. 9. 1824 Ansfelden (Ober¨osterreich), † 11. 10. 1896 Wien. Der Familie eines musikalisch begabten Schulmeisters entstammend, erhielt B. mit elf Jahren Orgelunterricht, kam 1837 als Singknabe an das Stift St. Florian, wo er, nach einer Ausbildung zum Schullehrer in Linz, zun¨achst als Schulgehilfe, seit 1848 als Organist t¨atig war. 1855 wurde B. Domorganist in Linz, studierte daneben bis 1861 am Wiener Konservatorium Musiktheorie bei Simon → Sechter und 1861-63 Formenlehre und Instrumentation bei Otto → Kitzler, der ihn vor allem mit dem Werk Richard → Wagners vertraut machte. Nach Konzertreisen als bereits namhafter Orgelimprovisator wurde er 1868 Nachfolger Sechters am Konservatorium und lehrte seit 1875 auch Musiktheorie an der Wiener Universit¨at. Sein kompositorisches Hauptwerk hat B. erst mit 40 Jahren begonnen. Es besteht aus drei 1864-68 entstandenen großen Messen, einem Te Deum (1881-84), einem Streichquintett (1878 / 79) und insgesamt elf Symphonien, von denen er zwei f¨ur ung¨ultig erkl¨arte, n¨amlich die fr¨uhe Studiensymphonie von 1863 und die 1869 entstandene, (durch Mißdeutung ihres Annullierungszeichens) f¨alschlicherweise sogenannte Nullte. Die 1. g¨ultige Symphonie komponierte B. 1865 / 66. 1871-76 entstanden in Wien die 2. bis 5. Symphonie, von denen die 4., die Romantische, die bekannteste ist. Vor allem durch seine abg¨ottische Verehrung Wagners, dem er seine 3. Symphonie widmete, geriet B. zwischen die Fronten der „Fortschrittspartei“ der „Neudeutschen“ und der Wiener Konservativen um den Musikkritiker Eduard → Hanslick. B.s Werke fielen durch oder wurden f¨ur unauff¨uhrbar erkl¨art. Erst 1884, nachdem auch die 6. Symphonie (1879-81) ungeh¨ort beiseitegelegt worden war, gelang B. mit der ein Jahr zuvor vollendeten 7. der Durchbruch zu breiter Anerkennung. Erneut auf Schwierigkeiten stieß er mit der 8. Symphonie, die 1887 als unspielbar abgelehnt und erst 1892 in u¨ berarbeiteter Fassung uraufgef¨uhrt wurde. B. hat in zwei Phasen, jeweils nach besonders schmerzlich empfundenen R¨uckschl¨agen, 1876-78 und 1887-91 die meisten seiner Symphonien, oft auf Anraten seiner Freunde, zum Teil erheblich umgearbeitet. Bezeichnenderweise bewahrte er jedoch die verschiedenen Versionen sorgf¨altig auf. Es gibt keinen Komponisten, bei dem die Frage nach der endg¨ultigen Werkfassung so ungekl¨art ist wie bei B. Sie ist im Grunde unkl¨arbar, zumal B.s Kompositionsweise Striche, Umstellungen und Erg¨anzungen, im Unterschied z. B. zu der seines Antipoden Johannes → Brahms, grunds¨atzlich m¨oglich erscheinen l¨aßt. Unvollendet blieb die 9. Symphonie, an der B. mit langen Unterbrechungen seit 1887 immer wieder geschrieben hat. Er starb u¨ ber der Arbeit am Finale. Daß B. vorgeschlagen haben soll, gegebenenfalls als Schlußsatz das Te Deum aufzuf¨uhren, d¨urfte eine Erfindung seiner Verehrer

Bruckner sein, die mit einem Chorfinale ihren Meister an die Seite → Beethovens zu r¨ucken suchten. Mit seinen Symphonien ist es B. gelungen, ein g¨anzlich eigenes, grunds¨atzlich gleichbleibendes symphonisches Konzept in jeweils sehr unterschiedlichen kompositorischen L¨osungen zu verwirklichen. Er verbindet eine bis dahin unerh¨orte Monumentalit¨at als prim¨ares Gattungsmerkmal der Symphonie mit einer Gestaltungsweise, die den musikalischen Prozeß in parataktischen, kontrastreichen Blockbildungen, „registerartiger“ Instrumentation und mehrschrittigen großen Steigerungsz¨ugen stets ein h¨ochstes Ziel, den Durchbruch der thematischen Idee, anstreben und schließlich erreichen l¨aßt. B.s Symphonien sind Manifestationen idealer „Erf¨ullung“, nicht zuletzt auch in religi¨osem Sinne. Auf eigenen Wunsch wurde er unter „seiner“ Orgel in der Stiftskirche von St. Florian beigesetzt. LITERATUR: Renate Grasberger: B.-Bibliographie Teil I (bis 1974). Graz 1985. – Dies.: B.-Bibliographie Teil II (1975-1999) und Nachtr¨age zu Band I (bis 1974). Wien 2002. – August Halm: Die Symphonien A. B.s. M¨unchen 1913. Nachdr. Hildesheim 1975. – August G¨ollerich / Max Auer: A. B. Ein Lebens- und Schaffensbild. Erg. und hrsg. von Max Auer. 4 Bde., Regensburg 1922-37. – Werner Korte: B. und Brahms. Die sp¨atromantische L¨osung der autonomen Konzeption. Tutzing 1963. – A. B. Dokumente und Studien. Hrsg. vom Anton Bruckner Institut Linz. Graz, sp¨ater Wien 1979 ff. – B.-Jahrbuch. Linz 1980 ff. – Manfred Wagner: B. Leben, Werke, Dokumente. Mainz 1983. – Mathias Hansen: A. B. Leipzig 1987. – Christoph-Hellmut Mahling (Hrsg.): A. B. Studien zu Werk und Wirkung. Tutzing 1988. – Peter G¨ulke: Brahms. Bruckner. Zwei Studien. Kassel 1989. – Wolfram Steinbeck: A. B. Neunte Symphonie d-Moll. M¨unchen 1993. – B.-Probleme. Kongreßbericht Berlin 1996. Hrsg. v. Albrecht Riethm¨uller. Stuttgart 1999. – Renate Ulm (Hrsg.): Die Symphonien B.s. Entstehung, Deutung, Wirkung. Kassel u. a. 2002. – Bo Marschner: Zwischen Einf¨uhlung und Abstraktion. Studien zum Problem des Symphonischen Typus A. B.s. Aarhus 2002. Wolfram Steinbeck

Bruckner, Daniel, schweizer. Jurist, Historiker, * 4. 4. 1707 Basel, † 30. 12. 1781 Basel. B. studierte die Rechte in Basel. Nach zw¨olfj¨ahriger T¨atigkeit, u. a. als Vertreter des Stadtschreibers, erhielt er 1744 die Stelle eines Kanzleivorstehers und u¨ bernahm 1755 als Registrator die Leitung und Reorganisation des Basler Archivs. 1765 wechselte er in die Staatskanzlei. Sein Versuch einer Beschreibung historischer und nat¨urlicher Merkw¨urdigkeiten der Landschaft Basel (mit Illustrationen von E. B¨uchel) erschien 1748-63. C HLS

Bruckner, Ferdinand, bis 1946: Theodor Tagger, Pseud. seit 1925 Ferdinand Bruckner, Dramatiker, * 26. 8. 1891 Sofia (Bulgarien), † 5. 12. 1958 Berlin. Nach einem Studium der Philologie, Musik, Medizin und der Rechtswissenschaften, das er ohne Abschluß beendete, ließ sich B., Sohn eines Bankkaufmanns, in Berlin nieder, arbeitete als Lektor, schrieb f¨ur expressionistische Zeitschriften und gab 1917 / 18 die literarische Zeitschrift „Marsyas“ heraus. 1922 gr¨undete er das Berliner Renaissance-Theater und u¨ bernahm dessen Leitung, bis er 1927 Direktor des Theaters am Kurf¨urstendamm wurde. Unter dem Pseudonym B. ver¨offentlichte er zeitkritische Theaterst¨ucke, in denen er zunehmend die Technik der Simultanb¨uhne und filmische Elemente verwendete. Nach der nationalsozialistischen Macht¨ ergreifung emigrierte er u¨ ber Osterreich nach Frankreich und 1936 in die USA, wo er bei verschiedenen Exilzeitschriften mitarbeitete und seit 1937 in New York Lehrauftr¨age am Brooklyn und am Queens College wahrnahm. Zu Beginn seiner Exilzeit verfaßte B., der mit Schauspielen wie Krankheit der Jugend (1926) und Elisabeth von England (1930, Neudr.

1983) auch international erfolgreich war, mit dem St¨uck Die Rassen, das 1933 in Z¨urich uraufgef¨uhrt wurde, eine Anklage gegen den rassenideologischen Terror des Nationalsozialismus. 1951 nach Europa zur¨uckgekehrt, war er seit 1953 in Berlin am Schillertheater und am Schloßparktheater als Chefdramaturg t¨atig. C Lex dt-j¨ud Autoren

Bruckner, Isaak, schweizer. Konstrukteur, Kartograph, * 23. 7. 1686 Diegten (Kt. Basel-Landschaft), † 6. 4. 1762 Basel. Zum G¨urtelmacher, Steinschneider und Mechaniker ausgebildet, spezialisierte sich B., Sohn eines reformierten Pfarrers, auf die Konstruktion von Globen und geographischmathematischen Instrumenten. Seit 1711 war er in Paris, wo er zum kgl. Geographen ernannt wurde, und seit 1733 unter Leonhard → Euler an der St. Petersburger Akademie t¨atig. Nach 1745 arbeitete er in England, den Niederlanden und Frankreich, bevor er sich um 1752 in Basel niederließ. B. lehrte als Privatdozent Geographie an der dortigen Universit¨at. Neben seinem Nouvel Atlas de Marine (1749) ist seine 1754 / 55 mit Daniel → Bernoulli erarbeitete Weltkarte von Bedeutung. C HLS

Bruckner, Karl, o¨ sterr. Schriftsteller, * 9. 1. 1906 Wien, † 25. 10. 1982 Wien. B. schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, reiste f¨ur zwei Jahre nach Brasilien (1934-36) und nahm schließlich als Meldefahrer am Zweiten Weltkrieg teil. 1946 wandte er sich der Schriftstellerei zu und lebte als freier Autor in Wien. Seine Jugendromane und -sachb¨ucher sind realistisch gehalten und von sozialem Engagement getragen. Sein pazifistisches Kinderbuch Sadako will leben (1961) wurde international bekannt. C Killy Bruckner, Michael, auch Br¨uggener, Sekret¨ar des Deutschen Ordens, Diplomat, * nach 1510 Aub (Unterfranken), † 16. 2. 1582 Kurland. 1550 stand B. als Kleriker und Notar im Dienst des W¨urzburger Bischofs. Er reiste um 1550 nach Livland und wurde Mitglied des Deutschen Ordens, 1551 Sekret¨ar des Ordensmeisters. In dieser Funktion unternahm er mehrere Gesandtschaftsreisen, u. a. zum deutschen Kaiser und auf Reichstage. 1555 wurde er Ordensrat und setzte sich neben → Gotthard Kettler f¨ur eine enge Bindung Livlands an das Reich ein. Nach der S¨akularisation des Ordensstaates trat B. 1562 als herzoglich kurl¨andischer Rat mit diplomatischen Aufgaben in den Dienst Gotthards, des ersten Herzogs von Kurland. C NDB

Bruckner, Wilhelm (Theophil), schweizer. Germanist, * 1. 3. 1870 Basel, † 17. 12. 1952 Basel. B., Sohn eines Arztes und Hom¨oopathen, studierte seit 1888 an den Universit¨aten Berlin und Basel Deutsche Philologie, Vergleichende Sprachwissenschaft und Geschichte und wurde 1895 in Basel mit der Dissertation Studien zur Geschichte der langobardischen Sprache promoviert (Nachdr. 1969). 1895-1935 unterrichtete er Griechisch, Latein, Deutsch und Geschichte am Humanistischen Gymnasium Basel, habilitierte sich 1899 f¨ur Germanische Philologie und war 1905-08 und 1914-40 a. o. Prof. an der dortigen Universit¨at. 1924 / 25 und 1936 / 37-40 u¨ bernahm er dort auch Professurvertretungen f¨ur Deutsche Sprachgeschichte ¨ und Altere deutsche Literaturgeschichte. Neben der althochdeutschen und der mittelhochdeutschen Literatur standen vor allem die Basler Mundart und die Heimatkunde im Zentrum seines Interesses. B. ver¨offentlichte u. a. Die Sprache der Langobarden (1895), Die Bedeutung der Ortsnamen f¨ur die Erkenntnis alter Sprach- und Siedlungsgrenzen in der Westschweiz (1936) und Schweizer Ortsnamenkunde (1945). Zu seinen Sch¨ulern geh¨orte u. a. Hanns → B¨achthold-St¨aubli. C IGL

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Bruckner Bruckner, Winfried, o¨ sterr. Journalist, Schriftsteller, * 15. 7. 1937 Krems (Nieder¨osterreich), † 27. 6. 2003 Leopoldsdorf (Nieder¨osterreich). B. studierte Psychologie und Zeitungswissenschaft. Seit ¨ 1955 war er in der Redaktion der Jugendzeitschrift des Oster¨ reichischen Gewerkschaftsbundes (OGB), „Der jugendliche Arbeiter“, t¨atig, aus der unter seiner Mitwirkung das Jugendmagazin „Hallo!“ entstand. 1966-97 war B. Chefredak¨ teur der OGB-Mitgliederzeitschrift „Solidarit¨at“, 1991-97 ¨ zudem Pressesprecher von OGB-Pr¨ asident Fritz Verzet¨ ¨ nitsch und 1993-97 Leiter des OGB-Referats f¨ur Offentlichkeitsarbeit. 1980-89 geh¨orte er dem ORF-Kuratorium an. B. schrieb Jugendb¨ucher, Erz¨ahlungen, Romane, Fernsehbeitr¨age, H¨orspiele und Theaterst¨ucke, darunter Die toten Engel (1963, 141993), Die Pfoten des Feuers (1965), T¨otet ihn (1967), R¨aubergold (1979), Nach der Arbeit (1987) und Teufel, Tod und Hexenbrut. Wiener Sagen f¨ur Erwachsene ¨ (2001). 1966 wurde er mit dem Osterreichischen Staatspreis f¨ur Jugendliteratur ausgezeichnet. C DLL, 20. Jh.

Brucks, Otto, Musiker, S¨anger, Theaterdirektor, * 28. 11. 1858 Braunschweig, † 15. 1. 1914 Metz. B. ließ sich an der Berliner Musikhochschule zum Instrumentalisten ausbilden und war 1875 / 76 als Tubaspieler Mitglied des Bayreuther Festspiel-Orchesters. In der folgenden Zeit spielte er im Orchester der Wiener Hofoper und seit 1879 in dem der Berliner Hofoper. 1894 zum kgl. Kammermusiker ernannt, wandte er sich dem Gesang zu und ließ seinen Bariton in Berlin bei Franz → Betz ausbilden. Dem Deb¨ut 1883 an der Dresdner Hofoper folgten Engagements in Hamburg, D¨usseldorf und am Deutschen Theater in Prag. Auf dem H¨ohepunkt seiner Karriere sang er 1890-98 an der Hofoper in M¨unchen. Der in erster Linie als → Wagner-Interpret (Hans Sachs, Wotan) bekannte S¨anger u¨ bernahm 1906-12 die Leitung des Stadttheaters in Metz. B. komponierte u. a. die Oper Herzog Reginald, Lieder und C Kutsch andere Vokalmusik. Bruch, ¨ Josef, Philologe, * 1. 8. 1886 Theussau (B¨ohmen), † 27. 3. 1962 Wien. Nach dem Abschluß des Studiums der romanischen und keltischen Sprachwissenschaften an den Universit¨aten Prag, Wien und Leipzig wurde B. 1911 an der Deutschen Univ. Prag promoviert. Dort seit 1913 als Privatdozent t¨atig, wurde er 1915 an die Univ. Wien berufen und nahm 1923-25 eine ordentliche Professur der romanischen Philologie an der Staatsuniversit¨at Riga wahr. 1926 wurde er a. o. Prof., 1929 o. Prof. in Innsbruck und lehrte seit 1950 an der Univ. Wien. B. schrieb u. a. Der Einfluß der germanischen Sprachen auf das Vulg¨arlatein (1913). Bruche, ¨ Ernst (Carl Reinhold), Physiker, * 28. 3. 1900 Hamburg, † 8. 2. 1985 Gundelsheim bei Mosbach (Baden). Der Sohn eines Apothekers und Inhabers einer pharmazeutischen Fabrik studierte 1919-24 an der TH Danzig, war 1920-28 Assistent am Physikalischen Institut und wurde ¨ 1926 mit der Arbeit Uber das Faden- und Fl¨achenmanometer promoviert. 1927-33 lehrte er als Privatdozent der dortigen Hochschule experimentelle und technische Physik und war 1928-45 als Leiter des Physikalischen Laboratoriums am AEG-Forschungsinstitut in Berlin-Reinickendorf maßgeblich an der Entwicklung des Elektronenmikroskops sowie der Erforschung der Elektronenoptik beteiligt. 1943 wurde er an der Univ. Berlin Honorarprofessor f¨ur Physik, insbesondere f¨ur Elektronenoptik. B., der gemeinsam mit Alfred Recknagel Elektronenger¨ate (1941) ver¨offentlichte und 1944-73 als Herausgeber der „Physikalischen Bl¨atter“ zeichnete, leitete 1946-73 das Physikalische Laboratorium in Mosbach. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner

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Geometrische Elektronenoptik (1934), Physikalische Schriften (1949) und Zur Problematik der W¨unschelrute (1962). C Altpreuß Biogr, Bd 4

Brucher, ¨ Heinz, Botaniker, Pflanzengenetiker, * 14. 1. 1915 Darmstadt, † 17. 12. 1991 Farm Condorhuasi (Distrikt Mendoza, Argentinien). Der Sohn eines Tierarztes studierte seit 1933 Naturwissenschaften, insbesondere Botanik, Zoologie, Vererbungslehre und Anthropologie, an den Universit¨aten Jena und T¨ubingen und wurde 1938 mit einer Arbeit u¨ ber das Problem der reziprok verschiedenen Art- und Rassenbastarde bei Epilobium (Weidenr¨oschen) in T¨ubingen promoviert. Nach der Habilitation 1940 wurde er Dozent f¨ur Botanik und pflanzliche Vererbungslehre an der Univ. Jena und war gleichzeitig am Kaiser-Wilhelm-Institut f¨ur Z¨uchtungslehre in M¨uncheberg bei Berlin t¨atig. 1943 wurde er zum Direktor des neu eingerichteten Instituts f¨ur Pflanzengenetik, SS-Versuchsgut Lannach bei Graz, ernannt. Noch im selben Jahr reiste er im Auftrag der SS nach S¨udrußland, wo ein unter seiner Regie agierendes „Sammelkommando“ wichtiges Saat- und Pflanzenmaterial f¨ur die landwirtschaftliche Forschung raubte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wanderte B. nach Argentinien aus, wurde 1948 Prof. f¨ur Genetik und Botanik an der Univ. Tucum´an und Direktor des Entwicklungsprojekts f¨ur tropische Saatzucht in Trinidad (Westindien). Er war auch als UNESCO-Berater f¨ur Biologie t¨atig und ver¨offentlichte u. a. Stammesgeschichte der Getreide (1950) sowie Tropische Nutzpflanzen. Ursprung, Evolution und Domestikation (1977). C B¨ohm ¨ Bruck, ¨ Anton (Theobald), Badearzt, Ubersetzer, Schriftsteller, * 29. 9. 1798 Osnabr¨uck, † 22. 7. 1885 Osnabr¨uck. B. studierte seit 1816 in M¨unster, G¨ottingen und Wien Medizin (Promotion 1818) und ließ sich nach Reisen durch Deutschland, Rußland und D¨anemark 1828 als Dozent in G¨ottingen nieder. Im folgenden Jahr wurde er Brunnenarzt in Driburg, bis er 1884, zum Sanit¨atsrat ernannt, nach Osnabr¨uck zog. B. u¨ bersetzte Francis Bacons Novum organum scientiarum unter dem Titel Neues Organ (1830), schrieb biographische Artikel u¨ ber → Goethe und Shakespeare und ver¨offentlichte 1827 Beitr¨age zur Erkenntniß und Heilung der Lebensst¨orungen mit vorherrschend physischen Krankheitserscheinungen. 1863 erschienen von ihm Balneologische Aphorismen (21872). C Killy

Bruck, ¨ Anton Philipp, kath. Theologe, Kirchenhistoriker, * 16. 4. 1913 Bingen, † 15. 12. 1984 Worms. B. war der Sohn eines Elektroingenieurs und mit Bischof Heinrich → B. verwandt. Nach dem Studium am Mainzer Priesterseminar 1937 zum Priester geweiht, wurde er Kaplan an St. Joseph (Mainz); seit 1939 war er als Hilfsbibliothekar t¨atig. Seit 1940 studierte B. Geschichte in Frankfurt / Main, wo er 1943 zum Dr. phil. promoviert wurde (Beitr¨age zur Geschichte des Mainzer Erzbischofs Johann II. von Nassau bis zum Jahre 1405). 1942-45 war er Pfarrvikar in R¨usselsheim, 1943-84 Bibliothekar des Priesterseminars und 1944-84 Di¨ozesanarchivar in Mainz. 1948 dort zum Dr. theol. promoviert (Das Erzstift Mainz und das Tridentinum), habilitierte er sich 1951 (Die Mainzer theologische Fakult¨at im 18. Jahrhundert). Seit 1955 lehrte B. als a. o. Prof. und 1964-78 als o. Prof. der Kirchengeschichte in Mainz. 1947 geh¨orte er zu den Gr¨undungsmitgliedern der Arbeitsgemeinschaft kath. theologischer Bibliotheken. 1948 war er Mitbegr¨under der Gesellschaft f¨ur mittelrheinische Kirchengeschichte, 1949-52 ihr Gesch¨aftsf¨uhrer und seit 1973 stellvertretender Pr¨asident, 1949-70 Mitherausgeber des „Archivs f¨ur mittelrheinische Kirchengeschichte“. Er ver¨offentlichte u. a. Kurmainzer Schul-Geschichte (1960) und Mainz vom

¨ Brucke Verlust der Stadtfreiheit bis zum Ende des Dreißigj¨ahrigen Krieges (1972). B. wurde zum P¨apstlichen Hauspr¨alaten ernannt. C BBKL

Bruck, ¨ Christa Anita, eigentl. Christa Jaab, verh. Christa Ladisch, Schriftstellerin, * 9. 6. 1899 Liegnitz (Schlesien), † 22. 2. 1958 K¨onigstein / Taunus. Die Tochter eines Postbeamten arbeitete nach einer kaufm¨annischen Ausbildung als Stenotypistin und Sekret¨arin in Berlin. Nach ersten Kurzgeschichten f¨ur Zeitungen ver¨offentlichte sie mit Schicksale hinter Schreibmaschinen (1930, 2 1931) einen viel gelesenen Roman, in dem sie den Blick auf die Lebensverh¨altnisse von weiblichen Angestellten lenkte. 1932 erschien ihr zweites Buch mit a¨ hnlicher Thematik (Ein M¨adchen mit Prokura) und 1933 der Roman Der Richter von Memel. Ihr vorab als Zeitschriftenserie und 1941 als Buch ver¨offentlichter Roman Die Lawine wurde verfilmt. Nach zahlreichen Ortswechseln in den dreißiger Jahren ging B. nach dem Zweiten Weltkrieg nach D¨usseldorf, sp¨ater nach Bad Homburg und K¨onigstein / Taunus. C Killy

Bruck, ¨ Christian, eigentl. Heintz(e), Staatsmann, * um 1516 Wittenberg, † 18. 4. 1567 Gotha. B. studierte 1532-42 Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Wittenberg und Bologna, wurde 1543 in Wittenberg promoviert und ging mit seinem Vater Gregor → B. nach Weimar. 1543-67 war er s¨achsisch-ernestinischer Rat; 1556 wurde er von → Johann Friedrich II. zum Kanzler, 1566 zum Geheimen Rat ernannt und – in die sogenannten „Grumbachschen H¨andel“ verstrickt – im April 1567 hingerichtet. Einige Briefe B.s sind in Sammelwerken der Reformationsgeschichte, vor allem in Karl Gottlieb → Bretschneiders „Corpus Reformatorum“ abgedruckt sowie in Weimarer und Dresdner Archiven gesammelt. C NDB

Bruck, ¨ Eva, geb. Morgenstern, Schriftstellerin, * 13. 6. 1926 Berlin, † 5. 11. 1998 Berlin. B., Tochter einer Erzieherin und des Heilp¨adagogen und Psychologen Milan M., der ein Sch¨uler und Mitarbeiter von Sigmund → Freud war und Kontakt u. a. mit Franz → Werfel, Stefan → Zweig und Rainer Maria → Rilke hatte, floh 1933 mit ihrer Familie nach Wien und 1938 u¨ ber die Schweiz und Frankreich nach Großbritannien. 1944-47 studierte sie Modern Languages (Franz¨osisch und Deutsch) in Oxford und begann ihre schriftstellerische T¨atigkeit mit Reportagen f¨ur den Rundfunk und verschiedene Zeitungen. Gleichzeitig unterrichtete sie an einer Privatschule. 1949 ließ sich B. in Berlin (Ost) nieder und erhielt 1958 die DDR-Staatsb¨urgerschaft. Sie arbeitete als Journalistin f¨ur verschiedene Zeitschriften (u. a. „Das Magazin“, „Neue Berliner Illustrierte“) und als Simultandolmetscherin f¨ur Russisch, Deutsch, Franz¨osisch und Englisch. Sie bereiste u. a. die Mongolei, die Antarktis, die USA, Afrika und Japan und verfaßte Reisereportagen, die zum Teil nur als sog. SamisdatPublikationen erscheinen konnten. B., die mit Franz Carl → Weiskopf befreundet war, ver¨offentlichte u. a. Im Schatten des Hakenkreuzes. Kindheit und Jugend 1926-1949 (1993), Kleine Ostgeschichten (1996), die Erz¨ahlung Elisabeth – eine R¨uckblende (1998) und Kurzgeschichten. Sie war langj¨ahriges ehrenamtliches Vorstandsmitglied der j¨udischen Gemeinde. C Lex o¨ sterr Exillit

Bruck, ¨ Gregor, eigentl. Heintz(e), Staatsmann, * nach 12. 10. 1485 Br¨uck (Kr. Potsdam-Mittelmark), † 15., wahrscheinlicher 20. 2. 1557 Jena. Der B¨urgermeistersohn studierte 1502-09 in Wittenberg und Frankfurt / Oder, war dann als Jurist t¨atig, wurde 1519 Hofrat und bald, nachdem er Kurf¨urst → Friedrich den Weisen 1520 / 21 nach K¨oln und auf den Wormser Reichstag begleitet hatte, zum Kanzler ernannt. 1521 wurde er in Wittenberg

zum Dr. jur. utr. promoviert. Als Vermittler zwischen dem Hof und den Reformatoren nahm B. maßgeblichen Einfluß auf die kurs¨achsische Politik. Als einflußreichster Staatsmann der deutschen Reformation war er der Hauptverfasser der Speyerer Protestation 1529 und an der Gr¨undung des Schmalkaldischen Bundes wie des Torgauer Bundes beteiligt, sprach 1530 auf dem Augsburger Reichstag f¨ur die protestantischen St¨ande und setzte sich f¨ur die Einrichtung eines Konsistoriums in Sachsen ein. Nach dem Schmalkaldischen Krieg zog sich B. 1547 nach Jena zur¨uck und wirkte an der Gr¨undung der dortigen Univ. mit. B. beeinflußte die Konsistorialverfassung der evang. Landeskirchen und das evang. Eherecht. B. war der Vater von Christian → B. C TRE

Bruck, ¨ Heinrich, kath. Theologe, Bischof von Mainz, * 25. 10. 1831 Bingen / Rhein, † 5. 11. 1903 Mainz. Der Sohn eines K¨ufers und Bierbrauers erlernte das K¨uferhandwerk und studierte am neuerrichteten Mainzer Priesterseminar Theologie. Nach seiner Priesterweihe in Speyer 1855 wurde B. Kaplan in Nieder-Olm und 1856 / 57 Sch¨uler von Ignaz von → D¨ollinger in M¨unchen. Nach l¨angerem Studienaufenthalt in Rom wurde er 1857 Dozent, 1861 Prof. der Kirchengeschichte und 1887 zudem Prof. des Kirchenrechts am Mainzer Priesterseminar. 1889 zum Domkapitular ernannt, erfolgte 1899 die Wahl zum Bischof von Mainz. B. schrieb u. a. Die oberrheinische Kirchenprovinz von ihrer Gr¨undung bis zur Gegenwart (1868) und ein Lehrbuch der Kirchengeschichte (1874, 91906). C Gatz 4 Brucke, ¨ Ernst Theodor von, Physiologe, * 8. 10. 1880 Wien, † 12. 6. 1941 Boston. Nach dem Abschluß des Medizinstudiums an den Universit¨aten Wien und Leipzig wurde B., sohn eines Oberlandesgerichtsrats, 1905 in Wien promoviert und ging als Assistent an das Physiologische Institut in Leipzig, wo er sich 1907 ha¨ bilitierte (Uber die Beziehungen zwischen Aktionsstrom und Zuckungen des Muskels im Verlaufe der Erm¨udung). Seit 1908 lehrte er als Privatdozent, seit 1913 als a. o. Prof. an der dortigen Universit¨at. 1916 wurde er als Ordinarius und Vorstand des Physiologischen Instituts an die Univ. Innsbruck berufen und 1938, aufgrund der j¨udischen Herkunft ¨ seiner Mutter und seiner Ehefrau, aller Amter enthoben. Der Enkelsohn von Ernst Wilhelm von → B. emigrierte 1939 in die USA und wurde Gastprofessor der Harvard University in Cambridge (Mass). B., seit 1925 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, ver¨offentlichte u. a. Der S¨augetierorganismus und seine Leistungen (2 Tle., 1926) und Ernst Br¨ucke (1928), ferner Arbeiten zur Physiologie nerv¨oser Systeme und zentralnerv¨oser Hemmungserscheinungen sowie zur physiologischen Optik. Er war der Vater von Franz Theodor → B. C BHdE, Bd 2

Brucke, ¨ Ernst Wilhelm von, Physiologe, * 1. 9. 1819 Berlin, † 7. 1. 1892 Wien. B. wurde als Sohn des Historienmalers Johann Gottfried B. (1796-1873) und der Stralsunder B¨urgerstochter Christine B., geb. M¨uller, geboren. Nach dem fr¨uhen Tod der Mutter (1822) wuchs die Halbwaise im Haus des Superintendenten C. Droysen auf. B. studierte seit 1838 in Berlin, Heidelberg und wieder in Berlin, wo er 1842 bei Johannes → M¨uller promoviert wurde (De diffusione humanorum per septa mortua et viva); w¨ahrend der Assistentenzeit bei M¨uller (seit 1843) gelang ihm 1844 die Habilitation (Privatdozentur); 1848 wurde er o. Prof. f¨ur Physiologie in K¨onigsberg, 1849

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¨ Brucke o. Prof. in Wien. Dort wurden ihm h¨ochste Ehrungen, u. a. die Erhebung in den erblichen Adel (1873), zuteil. Dar¨uber hinaus bekleidete er 1879 das Rektorat der Univ. und war Mitglied der Akademie der Wissenschaften sowie des Ordens Pour le m´erite. 1852 wurde B. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. B. geh¨orte mit Carl → Ludwig, Hermann von → Helmholtz und Emil → Du Bois-Reymond zu den entschiedenen Verfechtern der Schule der organischen Physik, die Physiologie ausschließlich auf dem Boden der exakten Naturwissenschaften betreiben wollte und sich im dezidierten Gegensatz zur sogenannten „romantischen Physiologie“ oder zu a¨ lteren vitalistischen Str¨omungen sah. Ber¨uhmt ist in diesem ¨ Zusammenhang die Außerung Du Bois-Reymonds in einem Brief an E. Hallmann, in der es heißt: „Br¨ucke und ich, wir haben uns verschworen, die Wahrheit geltend zu machen, daß im Organismus keine anderen Kr¨afte wirksam sind als die gemein physikalisch-chemischen.“ In Wien war er Mitglied der Kerngruppe der ber¨uhmten Wiener Klinischen Medizin, der u. a. Carl von → Rokitansky, Ferdinand von → Hebra und der Anatom Joseph → Hyrtl angeh¨orten. Mit Hyrtl kam es auch zu heftigen akademischen Auseinandersetzungen. B.s physiologisch-anatomische Arbeiten waren umfassend und erstreckten sich in K¨onigsberg auf die Erforschung der Augenmuskulatur. In Wien traten Forschungen zur Verdauungsphysiologie, zur Wirksamkeit des Pepsins, zu Harn und Gallenfarbstoff sowie zur Blutgerinnung hinzu. In den vergleichenden zellphysiologischen Studien bewies er die Wesensgleichheit des Protoplasmas bei Pflanzen und Tieren. Im Anschluß an Max Schulze deutete B. das Protoplasma als bedeutenden Bestandteil der Zelle und diese mit Rudolf → Virchow als Elementarorganismus des Lebendigen. F¨ur lange Zeit richtungweisend waren auch Studien zur Reizbewegung, die B. an Mimosa pudica vornahm. Weit u¨ ber die Physiologie hinausweisend, aber doch immer von ihr geleitet waren schließlich seine philologisch-¨asthetischen Arbeiten zu Phonetik, Versmaß und Farblehre. WERKE: De diffusione humorum per septa mortua et viva. Berlin 1842. – Anatomische Beschreibung des menschlichen Augapfels. Berlin 1847. – Grundz¨uge der Physiologie und Systematik der Sprachlaute. Wien 1856. – Die Elementarorganismen. Wien 1861. – Neue Methode der phonetischen Transcription. Wien 1863. – Beitr¨age zur Lehre von der Verdauung. Wien 1869. – Die physiologischen Grundlagen der neuhochdeutschen Verskunst. Wien 1871. – Vorlesungen u¨ ber Physiologie. 2 Bde., Wien 1873 / 74. – Br¨uchst¨ucke aus der Theorie der bildenden K¨unste. Leipzig 1877. LITERATUR: H. Ziegenspeck: B. In: NDB, Bd. 2, 1955, S. 655. – Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule. Graz / K¨oln 1965. – Paul Frederic Cranefield: The Philosophical and Cultural Interests of the Biophysics Movement of 1847. Journal of the History of Medicine 21 (1966) S.1-7. – Karl Eduard Rothschuh: Physiologie im Werden. Stuttgart 1969. – Emma Lesky: B., E. W. von. In: DSB, Bd. 2, 1970, S. 530-532. – Karl Eduard Rothschuh: History of Physiology. New York 1973, S. 234-235. – Karl Eduard Rothschuh: Hyrtl contra B.: Ein Gelehrtenstreit im 19. Jh. und seine Hintergr¨unde. In: Clio Medica 9 (1974) S. 81-92. – H. Br¨ucke u. a. (Hrsg.): E. W. v. B. Briefe an Emil Du Bois-Reymond. ¨ Graz 1978. – Christoph Gradmann: B., E. W. v. In: Arztelexikon – Von der Antike bis ins 20. Jahrhundert. Hrsg. v. Wolfgang U. Eckart / Christoph Gradmann. M¨unchen 1995, S. 80 f. Wolfgang U. Eckart

Brucke, ¨ Franz Theodor, Pharmakologe, Mediziner, * 15. 1. 1908 Leipzig, † 24. 3. 1970 Wien. Der Sohn Ernst Theodor von → B.s wurde nach dem Studium in Innsbruck, Wien, Berlin und Leipzig 1931 in Innsbruck zum Dr. med. promoviert. B. ging 1932 als Vo-

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lont¨ar an das Biochemische Institut der Kaiser-WilhelmStiftung in Berlin und noch im gleichen Jahr als wissenschaftliche Hilfskraft an das Pharmakologische Institut der Univ. Graz (bis 1933); an der 1. Medizinischen Universit¨atsklinik in Wien wurde er Hilfsarzt und 1934 Assistent des dortigen Pharmakologischen Instituts. Ein RockefellerStipendium erm¨oglichte ihm, 1936 / 37 in London und Cambridge zu arbeiten. 1941 habilitierte sich B. f¨ur Pharmakologie und Toxikologie in Wien und leitete seit 1946 (seit 1948 als Ordinarius) das Pharmakologische Institut. Seine Arbei¨ ten besch¨aftigen sich mit der Pharmakologie der Ubertr¨ agersubstanzen des vegetativen Nervensystems sowie mit der Wirkung von Muskelrelaxantien. C Czeike

Brucke, ¨ Hans-Gottfried, o¨ sterr. Chirurg, * 31. 12. 1905 Leipzig, † 29. 1. 2000. B. studierte an den Universit¨aten Innsbruck und Wien Medizin, wurde 1929 promoviert und ging noch im gleichen Jahr als wissenschaftlicher Assistent an die Johns Hopkins University in Baltimore (USA). 1930 zur¨uckgekehrt, wirkte er bis 1935 an der Chirurgischen Universit¨atsklinik in Wien, dann an der Universit¨ats-Frauenklinik in Innsbruck und 1936 / 37 an der Chirurgischen Universit¨atsklinik in Graz. B. war 1939-45 Chirurg in den Luftwaffenlazaretten Br¨ussel und Baden-Baden. Wieder in Graz, kehrte er 1947-50 an die Chirurgische Universit¨atsklinik zur¨uck und lehrte seit 1947 als Privatdozent der Chirurgie. Sein Hauptinteresse galt den chirurgisch-physiologischen Grenzgebie¨ ten. Uber 60 wissenschaftliche Ver¨offentlichungen, darunter Die Eingriffe am Gallensystem (1956), behandeln u. a. neue Operationsverfahren und plastische Chirurgie. Bruckmann, ¨ Franz Ernst, Mediziner, Naturforscher, * 27. 9. 1697 Marienthal bei Helmstedt, † 21. 3. 1753 Wolfenb¨uttel. Der Amtmannssohn bezog 1716 die Univ. Jena, wurde 1721 zum Dr. med. promoviert (De avellana Mexicana vulgo cacao dicta), machte 1723 eine bedeutende Erbschaft in Ungarn und ließ sich als Arzt in Braunschweig, 1728 in Wolfenb¨uttel nieder. 1725 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. B. legte eine beachtliche naturwissenschaftliche Sammlung und Bibliothek an und schrieb zahlreiche B¨ucher und Aufs¨atze meist botanischen Inhalts. 1747 wurde er Assessor am Collegium medicum in Braunschweig. B. ver¨offentlichte u. a. Magnalia Dei in locis subterraneis, oder: Beschreibung aller mehr als 3200 Bergwerke durch die vier Theile der Welt (2 Tle., 1717-32), Specimen [. . .] botanico-medicum (4 Tle., 1727) und Bibliotheca animalis (1743). Er war der Vater von Urban Friedrich Benedikt → B. C NDB Bruckmann, ¨ Karl Philipp, Badearzt, * 22. 4. 1741 Braubach (Hessen), † 1814 Bad Ems. B. studierte seit 1759 Medizin an der Univ. Gießen, wurde 1763 promoviert (De aneurysmate arteriae cruralis in cartilaginem et os mutato) und ließ sich 1756 als Arzt in der Niedergrafschaft Katzenelnbogen nieder. 1772 u¨ bernahm er das Amt des Stadtphysikus in Boppard und verpflichtete sich 1775 zudem als Badearzt in Ems (Neue verbesserte und vollst¨andige Beschreibung der gesunden warmen B¨ader zu Embs, 1772). 1786 erschien von ihn eine Enarratio choreae St. Viti et epilepsiae, quae per fontes medicatos et thermas Embsenses curate sunt. Seit 1787 wirkte B. als Stadt- und Amtsarzt in Oberlahnstein. Bruckmann, ¨ Urban Friedrich Benedikt, Mineraloge, Mediziner, * 23. 4. 1728 Wolfenb¨uttel, † 20. 6. 1812 Braunschweig. Der Sohn Franz Ernst → B.s war Doktor der Pharmakologie, Prof. der Anatomie sowie Hofrat und Leibarzt in Braunschweig (Promotion 1750, De nuce Been). Als Edelsteinken-

¨ Bruckner ner ver¨offentlichte B. eine Reihe von Arbeiten, darunter Untersuchung der Ursachen, woher die best¨andige Bewegung der unteren Kinnlade bey einigen alten Leuten r¨uhre (1752) und Abhandlung von den Edelsteinen (1757, Nachtrag 1778 und 1783). In einem Zeitraum von mehr als 60 Jahren legte er mit großer Sachkenntnis und enormem Kostenaufwand eine beeindruckende Mineraliensammlung an. 1780 wurde B. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. C ADB

Bruckner, ¨ Alexander, Historiker, * 5. 8. 1834 St. Petersburg, † 16. 11. 1896 Jena. Urspr¨unglich zum Kaufmann bestimmt, studierte B. 1857-61 Geschichts- und Staatswissenschaften in Heidelberg, Jena und Berlin. Nach St. Petersburg zur¨uckgekehrt, lehrte er an der dortigen Rechtsschule, bevor er 1867 als Prof. nach Odessa berufen wurde. 1872 wechselte B. nach Dorpat, von wo er 1891, wohl wegen seiner kritischen Haltung zur Russifizierung der Stadt, nach Kasan strafversetzt werden sollte. Er trat diese Stelle jedoch nicht an, sondern zog sich nach Jena zur¨uck. B.s Ver¨offentlichungen wie Die Europ¨aisierung Rußlands (1888) und Katharina II. (1883) sind herausragende Beitr¨age zur deutschen Historiographie Rußlands.

Bruckner, ¨ Alexander, Slawist, * 29. 1. 1856 Tarnopol (Galizien), † 24. 5. 1939 Berlin. B. lehrte seit 1878 als Privatdozent an der Univ. Lemberg und nahm seit 1881 eine a. o., von 1892 an eine o. Professur der slawischen Sprachen und Literaturen an der Univ. Berlin wahr. Er ver¨offentlichte Arbeiten zur polnischen und russischen Literatur (u. a. Geschichte der polnischen Literatur, 1902), der polnischen Sprache (Słownik etymologiczny jezyka ˛ polskiego, 1919-27, 41985) sowie zur polnischen und litauischen Literatur (u. a. Dzieje kultury polskiej, 4 Bde., ¨ 1930-46). B. war der Vater von Eduard → B. C OBL

Bruckner, ¨ Arthur, Ophthalmologe, * 24. 8. 1877 Dorpat, † 29. 3. 1975 Basel. Nach dem Studium an den Universit¨aten Heidelberg, Jena, M¨unchen und W¨urzburg, wo er 1901 promoviert wurde (Die Raumschwelle bei Simultanreizung), arbeitete B. bis 1903 als Assistent des Physiologen Ewald → Hering in Leipzig, dann bis 1907 bei dem Ophthalmologen Carl von → Hess in W¨urzburg, wo er sich 1906 habilitierte (Ueber Persistenz von Resten der Tunica vasculosa lentis). Seit 1907 Privatdozent in K¨onigsberg, wurde er dort 1910 a. o. Prof. der Augenheilkunde, bis er 1912 an die Univ. Berlin ging. 1921 folgte er einem Ruf als Ordinarius nach Jena und 1923 nach Basel, wo er Leiter der Universit¨ats-Augenklinik wurde. Sein Hauptinteresse galt der Sinnesphysiologie und Zytologie des menschlichen Auges (Grundriß der Augenheilkunde, mit Wilhelm Meisner, 1919, 21929). B. ver¨offentlichte Grundz¨uge der Brillenlehre f¨ur Augen¨arzte (1924) und gab gemeinsam mit Franz → Schieck das Kurze Handbuch der Ophthalmologie (7 Bde., 1930-32) heraus. ¨ 2, 3 C Arzte

Bruckner, ¨ Benno Bruno, evang. Theologe, * 9. 5. 1824 Roßwein (Sachsen), † 2. 5. 1905 Berlin. Der Sohn eines Klempnermeisters studierte in Leipzig und wurde 1850 Pfarrer in Hohburg bei Wurzen. 1853 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. des Neuen Testaments und als zweiter Universit¨atsprediger nach Leipzig, wo er 1855 Ordinarius und im folgenden Jahr erster Universit¨atsprediger sowie Direktor des Seminars f¨ur Praktische Theologie wurde. B. war an der Gr¨undung der landeskirchlichen Konferenzen in Meißen und des Predigerseminars in St. Pauli, dessen Leitung er u¨ bernahm, beteiligt. 1869-98 Propst an St. Nikolai und Marien in Berlin, hatte er an der dortigen Univ. bis 1873 eine Professur f¨ur Neues Testament inne und war

1873-92 Generalsuperintendent, 1877-92 geistlicher Vizepr¨asident des Evangelischen Oberkirchenrats. C BBKL

Bruckner, ¨ Christian Gotthelf, Fabrikant, * 18. 10. 1769 Mylau (Vogtland), † 14. 6. 1834 Mylau. Der gelernte Weber, Sohn eines Seilermeisters, f¨uhrte seit 1789 einen Zwischenhandel f¨ur Webereierzeugnisse, exportierte vor allem nach Wien und Oberitalien und betrieb nebenbei ein Bankgesch¨aft, das als Familienunternehmen bis nach dem Zweiten Weltkrieg bestand. Die 1808 gegr¨undete Baumwollspinnerei, bald eine der gr¨oßten Sachsens, wurde 1836 mit der ersten Dampfmaschine des Vogtlandes ausgestattet. C NDB

Bruckner, ¨ Christine, geb. Emde, Schriftstellerin, * 10. 12. 1921 Schmillinghausen (heute zu Arolsen), † 21. 12. 1996 Kassel. Nach dem Abitur 1943 arbeitete die Tochter eines evang. Kirchenrats in einem Generalkommando und als Buchhalterin in einem Flugzeugwerk, wurde 1946 Diplombibliothekarin und studierte dann Kunstgeschichte, Volkswirtschaft, Literaturwissenschaft und Psychologie. Zur gleichen Zeit war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstinstitut Marburg und seit 1951 Redakteurin bei einer Frauenzeitschrift in N¨urnberg. 1954 gewann sie mit Ehe die Spuren verwehen den ersten Preis bei einem Romanpreisausschreiben des C. Bertelsmann Verlags, was ihr eine Existenz als freie Schriftstellerin in Kassel erm¨oglichte. In den folgenden Jahren trat sie mit Romanen hervor, die vor allem Probleme von Liebe, Ehe, Partnerschaft und die Benachteiligung der Frau zum Thema haben und die M¨oglichkeiten der weiblichen Selbstverwirklichung darstellen (Jauche und Levkojen, 1975; Nirgendwo ist Poenichen, 1977; Die Quindts, 1985: die erfolgreiche Triologie der Lebensgeschichte der Enkelin eines hinterpommerschen Gutsbesitzers). 1983 erschien Wenn du geredet h¨attest, Desdemona. Ungehaltene Reden ungehaltener Frauen. B. war mit dem Schriftsteller und Maler OttoHeinrich K¨uhner verheiratet, mit dem sie 1985 den Kasseler Literaturpreis f¨ur grotesken Humor stiftete. 1980-84 war sie Pr¨asidentin des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland. B. verfaßte auch H¨orspiele und Kinderliteratur. C KLG

Bruckner, ¨ Edmund, Diplomat, Beamter, * 1. 1. 1871 Friedersdorf (Kr. G¨orlitz), † 31. 12. 1935 Berlin. Nach dem rechtswissenschaftlichen Studium 1891-95 in Halle, Leipzig und Breslau, trat B., Sohn eines Pfarrers und Kreisschulinspektors, in den preuß. Justizdienst ein und wurde 1901 Assessor. Seit 1902 im Ausw¨artigen Dienst (sp¨ater Reichskolonialamt) war er 1903-05 Bezirksamtmann und Referent im Kamerun, 1910 / 11 stellvertretender Gouverneur von Deutsch-S¨udwestafrika und 1911 / 12 Gouverneur von Togo. Als Geheimer Oberregierungsrat kehrte er zur¨uck und war im Ersten Weltkrieg im Generalgouvernement in Br¨ussel besch¨aftigt. Seit 1918 wieder im Reichskolonialamt (seit 1919 Reichskolonialministerium) t¨atig, wechselte B. 1920 ins Reichsfinanzministerium und wurde 1921 Ministerialrat. 1924-35 u¨ bernahm er die Leitung der Kolonialabteilung des Ausw¨artigen Amtes und veranlaßte den privaten Wiedererwerb der deutschen Pflanzungen am Kamerunberg. C BHdAD

Bruckner, ¨ Eduard, Meteorologe, Geograph, * 29. 7. 1862 Jena, † 20. 5. 1927 Wien. B., Sohn von Alexander → B., studierte seit 1881 Physik und Meteorologie in Dorpat sowie Geographie in Dresden und M¨unchen, wurde 1885 promoviert (Die letzte Vergletscherung des Salzachgebietes) und war Dozent an der Deutschen Seewarte Hamburg sowie Redaktor der „Meteorologischen Zeitschrift“. 1888 wurde er zum a. o., 1891 zum o. Prof. f¨ur Geographie an der Univ. Bern ernannt, deren

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¨ Bruckner Rektor er 1899 / 1900 war (Die Schweizerische Landschaft einst und jetzt, Rektoratsrede 1899); 1900 folgte er einem Ruf nach Halle, 1906 nach Wien. B. war Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (seit 1905), Pr¨asident der Wiener Geographischen Gesellschaft und Mitglied der Internationalen Gletscherkommission f¨ur Deutsch¨ land und f¨ur Osterreich. Seine Forschungen galten der thematischen oder allgemeinen und physikalischen Geographie, der Klimageschichte (Br¨ucknersche Periode), der Vergletscherung der Alpen, der ozeanographischen Erforschung der Adria und der Entwicklung einer Bibliographie der Schweizerischen L¨anderkunde. 1906 gr¨undete er die „Zeitschrift f¨ur Gletscherkunde“, die er bis 1927 herausgab. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren u. a. Die Vergletscherung des Salzachgebietes nebst Beobachtungen u¨ ber die Eiszeit in der Schweiz (1886), Klima-Schwankungen seit 1700 (1890), Die feste Erdrinde und ihre Formen (1897), Die Alpen im Eiszeitalter (mit Albrecht Penck, 3 Bde., 1909) und Dalmatien und das o¨ sterreichische K¨ustenland (1911). ¨ Natur b) C Ost

Bruckner, ¨ Helmuth, Politiker, Redakteur, * 7. 5. 1896

Bruckner, ¨ Ernst Moritz Karl, Beamter, Jurist,

Bruckner, ¨ Johann Gottfried, Schauspieler, * 1730

* 7. 1. 1807 Volkenroda (Th¨uringen), † 22. 6. 1887 Gotha. Nach dem Abschluß des rechtswissenschaftlichen Studiums in Jena und G¨ottingen trat B. 1825 in den gothaischen Staatsdienst ein und wechselte 1834 in den Dienst der F¨ursten von Hohenlohe-Kirchberg und -Langenburg u¨ ber, die ihn 1838 zum Hof- und Konsistorialrat der f¨urstlichen Kanzlei in Ohrdruf ernannten. Mit diplomatischem Geschick gelang es ihm 1848, eine drohende Revolte in Ohrdruf zu verhindern und wurde daf¨ur zum Ehrenb¨urger der Stadt ernannt und als Vertreter seiner F¨ursten in den zun¨achst provisorischen, sp¨ater definitiven Landtag gew¨ahlt, wo unter seinem Vorsitz das Staatsgrundgesetz von 1849 geschaffen wurde. Als die Hohenlohische Gerichtsbarkeit an den Gothaischen Staat u¨ berging, wurde B. Justizamtmann und 1858 Landrat des Bezirks Ohrdruf. Er ver¨offentlichte u. a. ein W¨orterbuch der Landesgesetze des Herzogtums Gotha (1867). C ADB

Bruckner, ¨ Ernst Theodor Johann, evang. Theologe, Lyriker, Dramatiker, * 13. 9. 1746 Neetzka (MecklenburgStrelitz), † 29. 5. 1805 Neubrandenburg. Der Sohn eines Pfarrers studierte seit 1765 an der Univ. Halle / Saale Theologie; 1770 wurde er Hofmeister und Pfarrvertreter in Wesenburg und 1771 Pfarrer in Groß-Vielen (Mecklenburg). Auf Antrag von Johann Heinrich → Voß wurde er 1772 Mitglied des G¨ottinger Hainbundes (Bundesname „Manobard“ oder „Cilyn“). B. ver¨offentlichte anonym das Trauerspiel Etwas f¨ur die Deutsche Schaub¨uhne (1772) sowie seit 1773 Gedichte und Epigramme vor allem im „G¨ottinger“ und im „Vossischen Musenalmanach“. 1789 wurde er Pastor, 1801 Oberpastor an der Marienkirche in Neubrandenburg. Seine Predigten [. . .] (1778 / 79, 1786, 1792 / 93) wiesen ihn als Anh¨anger der neologischen Aufkl¨arungstheologie, wie sie z. B. von Johann Salomo → Semler (dessen Sch¨uler er in Halle gewesen war) propagiert wurde, aus. C Killy

Bruckner, ¨ Gustav Adam, Botaniker, Mediziner, * 18. 12. 1789 Neubrandenburg, † 30. 3. 1860 Ludwigslust. Als Sohn eines Arztes studierte B. Medizin und wurde in G¨ottingen 1811 promoviert. Er schloß eine zweij¨ahrige Studienreise nach Italien an und ließ sich dann 1813 als praktischer Arzt in Ludwigslust bei Berlin nieder. 1818 wurde er zum Kreisphysikus und Hofchirurgen, sp¨ater zum Medizinalrat und 1860 zum Geheimen Medizinalrat ernannt. B. ver¨offentlichte u. a. Bemerkungen u¨ ber die Flora von Rom, auf f¨unf Meilen im Umfang (1814) sowie Studien u¨ ber die Geographie Mecklenburgs.

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Peilau (Kr. Reichenbach, Eulengebirge), † nach 1945 UdSSR (?). B., Sohn eines Volksschullehrers, studierte Geschichte, Philosophie, Geographie und sp¨ater Volkswirtschaftslehre an der Univ. Breslau. 1914 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger; seit 1921 war er beim Deutschen Selbstschutz in Oberschlesien. Seit 1924 Redakteur der „Schlesischen Volksstimme“, war er 1924-26 Stadtverordneter in Breslau, 1925 Begr¨under der NSDAP in Schlesien und ehrenamtlicher Leiter des Gaues. B. war 1930-34 Mitglied des Reichstags und 1932 / 33 des Preuß. Landtags. Als Bevollm¨achtigter der Provinz Niederschlesien geh¨orte er 1933 / 34 dem Reichsrat an. 1932 wurde er Landesinspektor Ost der NSDAP und 1932 / 33 Kommissar Ost der NSDAP. 1933 Oberpr¨asident von Schlesien, wurde er 1934 im Zusammenhang mit dem „R¨ohm-Putsch“ in Haft genommen, im Dezember desselben Jahres seines Amtes enthoben und aus der Partei ausgeschlossen. B. starb vermutlich nach 1945 in sowjetischer Haft. C Lilla, Statisten Illmersdorf (Sachsen), † 18. 10. 1786 Berlin. Der Predigersohn lernte in Berlin als Lehrling der Voßschen Buchhandlung → Lessing und durch diesen einige Schauspieler kennen. B. entdeckte seine Theaterleidenschaft, deb¨utierte unter falschem Namen 1752 in Dresden und wurde 1753 von der Kochschen Truppe in Leipzig engagiert. Mit Conrad → Ekhof ging er 1757 zu Franz → Schuch nach Danzig, kehrte aber bald zu Heinrich Gottfried → Koch nach Hamburg zur¨uck und blieb dieser Gesellschaft, die nach Kochs Tod 1775 von Karl Theophil → Doebbelin geleitet und nach Berlin verlegt wurde, treu. B., der mit der Schauspielerin Katharina Magdalena → B. verheiratet war, wurde durch seine Leistungen in leidenschaftlichen Rollen und im feinen Lustspiel bekannt. C ADB

Bruckner, ¨ Johann Jakob, Jurist, Schriftsteller, * 20. 9. 1762 Leipzig, † 22. 1. 1811 Leipzig. B. studierte in Leipzig Jura und ließ sich dort als Anwalt und Notar nieder. Die Eindr¨ucke einer Reise mit dem Landschaftsmaler Christian August → G¨unther durch die S¨achsische Schweiz hielt er in Reisebeschreibungen fest, die zun¨achst in zwei Heften unter dem Titel Natursch¨onheiten s¨achsischer Gegenden (1798 / 99), sp¨ater in einer erweiterten, vier Hefte umfassenden Neuausgabe als Pittoreske Reise durch Sachsen (1800-06) erschienen. Um die Jahrhundertwende begann B. mit dem Schreiben von Ritter- und Schauerromanen, von denen er nahezu zwanzig verfaßte (u. a. Der Bastard, 1799, Dianora, 1799, Bertha von Dornenstein, 1803). Von der zeitgen¨ossischen Kritik als trivial abgelehnt, erfreuten sich diese Werke großer Beliebtheit beim Publikum und erschienen zum Teil in mehreren Auflagen. 1799-1802 war B., der auch Gedichte schrieb, Redakteur des „Leipziger Taschenkalenders“ und vor¨ubergehend auch des Merseburger Wochenblatts „Orpheolyra“. C Killy

Bruckner, ¨ Johannes Max, Mathematiker, * 5. 8. 1860 Harthau bei Zittau, † 1. 11. 1934 Bautzen. Nach dem Studium 1880-85 an der Univ. Leipzig (Promo¨ tion 1886, Uber eine besondere Art der konformen Abbildung einer Ebene auf eine anders) unterrichtete B., Sohn eines Guide im k¨oniglichen Generalstab und sp¨ateren Forstrentamtmanns, 1887-97 als Oberlehrer am Realgymnasium Zittau und anschließend als Prof., zuletzt als Oberstudienrektor am Gymnasium in Bautzen. Er ver¨offentlichte u. a. Das Ottapanosche Problem (1892), Vielecke und Vielfla¨ che. Theorie und Geschichte (1900), Uber die gleicheckig gleichfl¨achigen, diskontinuierlichen und nichtkonvexen Po¨ lyeder (1906) und Uber die Ableitung der allgemeinen Polytope und die nach Isomorphismus verschiedenen Typen der

¨ Bruckner allgemeinen Achtzelle (Oktatope) (1909). Seine Sammlung von u¨ ber 200 selbstgebauten mathematischen Modellen von Sternk¨orpern vermachte B. 1930 / 31 dem Mathematischen C NDB Institut der Univ. Heidelberg.

vatorium in Wiesbaden und wurde 1896 zum Kgl. Konzertmeister, 1908 zum Prof. ernannt. Als Komponist wurde B. vor allem mit St¨ucken f¨ur sein Instrument bekannt.

Bruckner, ¨ Katharina Magdalena, geb. Kle(e)felder,

† 11. 4. 1982 Nizza. Nach dem Studium der Psychologie an den Universit¨aten Leipzig und M¨unster arbeitete B., Sohn eines Ingenieurs, im sozialp¨adagogischen Bereich, schloß Mitte der sechziger Jahre eine Ausbildung zum Psychoanalytiker am SigmundFreud-Institut in Frankfurt / Main an und u¨ bernahm 1967 den Lehrstuhl f¨ur Psychologie sowie die Direktion des Psychologischen Seminars an der TU Hannover. B.s Solidarit¨at mit der Protestbewegung von 1968, seine stete Kritik an westdeutschen Verh¨altnissen (Zur Sozialpsychologie des Kapitalismus, 1972; Staatsfeinde. Innerstaatliche Feinderkl¨arung in der BRD, mit Alfred Krovoza, 1972; Versuch, uns und anderen die Bundesrepublik zu erkl¨aren, 1978) sowie der Verdacht, er habe Mitglieder der „Baader-Meinhof-Gruppe“ unterst¨utzt, f¨uhrten 1972 zu seiner Suspendierung, die 1977 im Zusammenhang mit seiner Publikation Die MescaleroAff¨are – ein Lehrst¨uck u¨ ber Aufkl¨arung und politische Kultur best¨atigt wurde. 1980 sprach ihn der Bundesgerichtshof vom Verdacht der Staatsverunglimpfung frei. Zu B.s Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Ulrike Meinhof und die deutschen ¨ Verh¨altnisse (1976) und Uber die Gewalt (1979). C Killy

Schauspielerin, * 1718 / 19 K¨onigstein bei Dresden, † 26. 12. 1804 K¨othen / Saale. B. begann ihre B¨uhnenkarriere bei Friederike Caroline → Neuber in Dresden. 1750 heiratete sie in Danzig den Schauspieler Klotzsch, 1756 Johann Gottfried → B. Sie wurde Ensemblemitglied der Kochschen, sp¨ater Doebbelinschen Gesellschaft in Berlin und in Rollen komischer M¨utter und z¨ankischer Weiber gefeiert. 1791 verließ sie die B¨uhne C ADB und lebte bis zu ihrem Tod in K¨othen / Saale.

Bruckner, ¨ (Heinrich) Max, eigentl. Heinrich Maximilian B., Maler, B¨uhnenbildner, * 14. 3. 1836 Coburg, † 2. 5. 1919 Coburg. B. erhielt eine Ausbildung zum Konditor und arbeitete bei seinem Vater, einem Theatermaler. 1854-57 war er Sch¨uler von Albert → Zimmermann in M¨unchen und bildete sich anschließend mit einem Stipendium des Herzogs von SachsenGotha-Coburg in London und Berlin im Fach B¨uhnenbild weiter. Nach der Ausgestaltung des Saals im Hoftheater Meiningen (1858) war er seit 1862 in Coburg t¨atig, seit 1865 als Hoftheatermaler auf Lebenszeit. 1872 gr¨undete B. zusammen mit seinem Bruder Gotthold ein „Atelier f¨ur szenische ¨ B¨uhnenbilder“. Uber den B¨uhnentechniker Karl → Brandt kam er 1874 in Kontakt mit Richard → Wagner, f¨ur den er zun¨achst die Ausf¨uhrung der Dekorationen f¨ur den Ring des Nibelungen u¨ bernahm. F¨ur Wagner und nach dessen Tod f¨ur Cosima → Wagner schuf er B¨uhnenbilder f¨ur Tristan und Isolde (1886), Die Meistersinger (1888), Tannh¨auser (1891) und Der fliegende Holl¨ander (1901). Neben Meiningen und Bayreuth erf¨ullte er Auftr¨age f¨ur B¨uhnenbilder in Darmstadt, Mannheim, Wiesbaden, Hamburg und K¨oln. B. z¨ahlte zu den wichtigsten europ¨aischen B¨uhnenbildnern seiner Zeit. Er war auch als Landschaftsmaler t¨atig. C AKL

Bruckner, ¨ Nathanael, Bankier, Unternehmer, * 10. 8. 1864 Neudorf, † 23. 2. 1943 Berlin. B. wurde nach Jura- und Volkswirtschaftsstudien an den Universit¨aten M¨unchen, Berlin, Heidelberg und Straßburg 1890 promoviert (Die Entwicklung der großst¨adtischen Bev¨olkerung im Gebiete des deutschen Reiches) und zum Gesch¨aftsf¨uhrer des Instituts f¨ur Gemeinwohl in Frankfurt / Main ernannt. Zugleich war er Redakteur der „Bl¨atter f¨ur soziale Praxis“. 1894 kam er als Syndikus zur Elektrizit¨ats A. G. (vormals Schuckert & Co.) nach N¨urnberg, wirkte 1907-14 bei der Metallbank und Metallurgischen Gesellschaft in Frankfurt / Main und war seit 1914 Direktor der Metallh¨utte A.G. in Duisburg, bis er 1918 in das Reichsschatzministerium und Stickstoff-Syndikat G.m.b.H. berufen wurde. Seit 1921 Vorstand der Stickstoff-Kreditgesellschaft G.m.b.H., u¨ bernahm er 1925 die Leitung der Deutschen L¨anderbank A.G. in Berlin. B. war Aufsichtsratsmitglied der Erd¨ol- und Kohle-Verwertungs-A.G. in Berlin. C Reichshandbuch

Bruckner, ¨ Oskar, Musiker, Komponist, * 2. 1. 1857 Erfurt, † 8. 6. 1930 Wiesbaden. B. studierte 1876-81 am Dresdner Konservatorium bei Friedrich → Gr¨utzmacher Violoncello und bei Felix → Draeseke Musiktheorie. Nach der Absolvierung seiner Milit¨arzeit begab er sich auf Konzertreisen durch Deutschland, Rußland, die Niederlande und Polen. Er wurde Solocellist der Hofkapelle Neustrelitz (Kammervirtuose) und spielte 1886-1919 am Hoftheater Wiesbaden, 1896-1901 auch bei den Bayreuther Festspielen. Zeitweise unterrichtete er am Konser-

Bruckner, ¨ Peter, Psychologe, * 13. 5. 1922 Dresden,

Bruckner, ¨ Roland, Ophthalmologe, * 8. 6. 1912 Berlin, † 23. 8. 1996 Basel. B. studierte Medizin an der Univ. Basel, wo er 1937 promoviert wurde (Sur le retour du cœur a` sa fr´equence normale apr`es une stimulation du vague). Seit 1948 Privatdozent, erhielt er 1963 eine a. o. Professur f¨ur Ophthalmologie. Zuletzt war B. Chefarzt der Augenabteilung des St. Claraspitals in Basel. Seit 1970 war er Mitherausgeber der Zeitschrift „Augen¨arztliche Fortbildung“ und der „Jahreskurse f¨ur praktische Augenheilkunde“. B. ver¨offentlichte u. a. Aktuelle Probleme des schielendes Kindes (1958), Der Augenkranke in ¨ der Allgemeinpraxis (1966, 21982) und Arztlicher Rat f¨ur Augenkranke (1973, 21986).

Bruckner, ¨ Wilhelm, Jurist, Politiker, * 29. 9. 1878, † 18. 9. 1928 Schwerin. Der Sohn eines Kirchenrats studierte an den Universit¨aten G¨ottingen, Berlin und Rostock Mathematik sowie Staatsund Rechtswissenschaften (Promotion 1901, Verm¨achtniserwerb nach gemeinem Rechte und nach dem B¨urgerlichen Gesetzbuche). Zun¨achst als Referendar in Rostock t¨atig, war B. 1905-09 Senatssekret¨ar, Regierungsrat und Amtsrichter in L¨ubeck (L¨ubecksches Staats- und Verwaltungsrecht, 1908). 1910-12 war er Erster B¨urgermeister von Schleswig, 1913-19 Oberkirchenrat in Schwerin, seit 1919 Ministerialdirektor im Justizministerium und 1921-23 amtierender Justizminister in Mecklenburg-Schwerin.

Bruckner, ¨ Wilhelm, Milit¨ar, Volkswirt, * 11. 12. 1884 Baden-Baden, † 20. 8. 1954 Herbsdorf / Chiemgau. Der Sohn eines Musikers studierte in Straßburg, Freiburg / Breisgau, Heidelberg und M¨unchen Rechts- und Volkswirtschaft. B. nahm am Ersten Weltkrieg teil, geh¨orte nach Kriegsende dem Freikorps Epp an, trat in die Reichswehr ein und war an der Niederschlagung der R¨aterepublik in M¨unchen beteiligt. 1922 trat er in die SA ein und wurde im Februar 1923 SA-Regimentsf¨uhrer in M¨unchen. F¨ur seine Teilnahme am Hitlerputsch vom 9. 11. 1923 wurde er zu eineinhalb Jahren Gef¨angnis verurteilt, nach viereinhalb Monaten jedoch amnestiert und 1924 zum Generalsekret¨ar des Vereins f¨ur das Deutschtum im Ausland ernannt. Seit 1930 Chef-Adjutant und pers¨onlicher Begleiter → Hitlers, wurde

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¨ Bruckner er 1934 SA-Obergruppenf¨uhrer. Eine Auseinandersetzung mit Hitlers Hausintendanten Kannenberg f¨uhrte 1940 zu seiner u¨ berraschenden Entlassung. 1941 ging B., der seit 1936 dem Reichstag angeh¨orte, zur Wehrmacht. C Lilla, Statisten

Bruckner, ¨ Wilhelm Hieronymus, Jurist, * 23. 4. 1656 Erfurt, † 23. 4. 1736 Jena. B. studierte zun¨achst Philosophie und Theologie, dann Rechtswissenschaften in Erfurt und Jena; 1684 wurde er dort promoviert und im folgenden Jahr als a. o. Prof. nach Erfurt berufen. Seit 1690 las er als o. Prof. der Institutionen, sp¨ater auch der Pandekten wiederum in Jena, wo er zum Beisitzer des Sch¨oppenstuhls und des Hofgerichts sowie zum s¨achsischen Hofrat ernannt wurde.

Bruel, ¨ Ludwig August, Beamter, Politiker, * 20. 12. 1818 Hannover, † 29. 2. 1896 Berlin. Nach juristischen Studien in G¨ottingen und Berlin trat B., Sohn eines k¨oniglichen M¨unzmeisters, in den hannoverschen Staatsdienst ein, war im Kultusministerium seit 1846 f¨ur das Ressort Kirche und Kultus zust¨andig, wurde 1863 Generalsekret¨ar und verfaßte 1864 die Kirchenvorstands- und Synodenordnung. 1866-68 war er als Direktor des Kultus¨ Departements der Ziviladministration f¨ur die Ubernahme der Verwaltung Hannovers durch Preußen verantwortlich. 1870 wurde B. Vorsteher des B¨urgerkollegiums der Stadt Hannover und Vorsitzender des St¨andischen Ausschusses der Evangelischen Landessynode. 1870-96 war er Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses; 1875-84 und 1890-93 vertrat er als Reichstagsmitglied die Interessen der Welfen. C Haunfelder, Zentrumspartei

Brues, ¨ Otto, Schriftsteller, Redakteur, * 1. 5. 1897 Krefeld, † 18. 4. 1967 Krefeld. B., Sohn eines Redakteurs, nahm am Ersten Weltkrieg teil, studierte anschließend Germanistik und Kunstgeschichte an der Univ. Bonn und wurde 1922 Feuilletonredakteur des „Stadtanzeigers“ der „K¨olnischen Zeitung“, sp¨ater Kulturredakteur der „D¨usseldorfer Zeitung“. Seit 1937 Mitglied der NSDAP, schrieb er regelm¨aßig f¨ur die nationalsozialistische Zeitschrift „Rheinische Bl¨atter“. Nach 1945 lebte er als freier Schriftsteller in Au (Oberbayern), 1950-55 in D¨usseldorf und zuletzt in Krefeld. 1953-63 war er Lektor f¨ur Theaterkritik an der Univ. K¨oln und Kulturredakteur des „Mittag“. B. schrieb Lyrik und Theaterst¨ucke, wurde aber vor allem als unterhaltsamer Erz¨ahler von Menschen, der Geschichte und Landschaft des Niederrheins bekannt (Der Silberkelch, 2 Bde., 1948). 1942 erhielt er den Rheinischen Literaturpreis; 1967 wurde er Ehrenb¨urger der Stadt Krefeld. Brugel, ¨ Fritz (Friedrich), Pseud. Dr. Dubski, Bedrich Dubsky, Wenzel Sladek, Bibliothekar, Schriftsteller, Diplomat, * 13. 2. 1897 Wien, † 4. 7. 1955 London. Aufgewachsen in Prag, studierte B., Sohn von Ludwig → B., an der Univ. Wien Geschichte, war nach der Promotion 1921 (Beitr¨age zur Geschichte der Deutschen in B¨ohmen) als Theaterkritiker bei der „Arbeiter-Zeitung“ t¨atig und leitete 1922-34 die Sozialwissenschaftliche Studienbibliothek der dortigen Arbeiterkammer. 1924-34 geh¨orte er dem Verwaltungsrat der RAVAG an; 1933 war er Gr¨undungsmitglied und stellvertretender Obmann der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. B. ver¨offentlichte lyrische und politische Gedichte (Zueignung, 1923; Klage um Adonis, 1931); er ist auch Autor des Lieder Die Arbeiter von Wien. Nach den Februark¨ampfen 1934 emigrierte er in die Tschechoslowakei (Februar-Ballade, 1935, Neuausg. 1946), nahm ¨ nach Ausb¨urgerung aus Osterreich 1935 die tschechische Staatsb¨urgerschaft an, bereiste 1936 / 37 die UdSSR, ging 1938 nach Frankreich, 1941 u¨ ber Spanien und Portugal nach Großbritannien, wo er im Auftrag der tschechischen Exil-

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regierung t¨atig wurde. 1945 trat B. in den diplomatischen Dienst der Tschechoslowakei ein und wurde 1946 Leiter ˇ der Milit¨armission der CSR in Berlin und tschechoslowakischer Gesch¨aftstr¨ager bei der Interalliierten Kontrollkommission f¨ur Deutschland, 1949 Leiter der Abteilung Deutsch¨ ˇ land und Osterreich des CSR-Außenministeriums. Aus Protest gegen die Willk¨ur der Justiz in der Tschechoslowakei quittierte er 1949 den Dienst und floh u¨ ber die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz 1950 nach London. B. ver¨offentlichte Aus den Anf¨angen der sozialistischen Presse (1929), Der Weg der Internationale (1931), Der deutsche Sozialismus von Ludwig Gall bis Karl Marx (hrsg. mit Benedikt → Kautsky, 1931), F¨uhrung und Verf¨uhrung. Antwort an Rudolf Borchardt (1931), Gedichte aus Europa (1937, Neuausg. 1945), Die Gedichte des Episthenes (1940) sowie den Roman Verschw¨orer (1951, Neuausg. 1988, engl. 1952). C Lex dt-j¨ud Autoren

Brugel, ¨ Ludwig, o¨ sterr. Journalist, * 6. 2. 1866 Großmeseritsch (M¨ahren), † 30. 8. 1942 Konzentrationslager Theresienstadt. B. studierte Medizin und trat 1884 in die Sozialdemokratische Arbeiterpartei in Br¨unn ein. Nach mehrerj¨ahriger T¨atigkeit als Parlamentskorrespondent f¨ur das „Neue Wiener Tagblatt“ wechselte er 1895 zur „Morgenzeitung“ (Wien), bei der er vor allem f¨ur das Feuilleton schrieb. Seit 1918 arbeitete er als Presseschef der o¨ sterr. Staatskanzlei unter Karl → Renner. B. ver¨offentlichte u. a. Soziale Gesetzgebung in ¨ Osterreich von 1848-1918 (1919) und Geschichte der o¨ sterreichischen Sozialdemokratie (5 Bde., 1922-25). Nach dem ¨ „Anschluß“ Osterreichs verhaftet, wurde B. am 14. 8. 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo er wenig sp¨ater ermordet wurde. B. war der Vater von Fritz → B. C Lex dt-j¨ud Autoren

Brugelmann, ¨ Johann Gottfried, Fabrikant, * 6. 7. 1750 Elberfeld (heute zu Wuppertal), † 15. 2. 1803 D¨usseldorf. B., dessen Vater Kaufmann und B¨urgermeister von Elberfeld war, durchlief in der Schweiz eine kaufm¨annische Lehre und trat in das v¨aterliche Textilunternehmen in Wuppertal ein. W¨ahrend eines Studienaufenthalts in England lernte er bei dem Erfinder der Spinnmaschine, Sir Richard Arkwright, in Cromford und gr¨undete 1783 die erste mechanische Spinnerei Kontinentaleuropas in Ratingen bei D¨usseldorf, der er den Namen „Cromford“ gab. 1784 wurde B. zum pf¨alzischen Kommerzienrat ernannt. C NDB Bruggemann, ¨ Alfred, Hals-Nasen-Ohrenarzt, * 2. 7. 1882 Rotthausen (heute zu Gelsenkirchen), † 3. 7. 1971 Gießen. Der Enkel Karl Heinrich → B.s und Sohn eines Bergwerksdirektors studierte Medizin an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, Straßburg, W¨urzburg und M¨unchen, erhielt 1908 seine Approbation (Zur Casuistik der Osteomalacie beim Mann) und war bis 1910 Assistent am Pathologischen Institut in D¨usseldorf, bis 1912 an der Chirurgischen Universit¨atsklinik in Kiel und anschließend an der Universit¨atsOhrenklinik in Gießen, wo er 1913 Oberarzt wurde und sich f¨ur Hals-Nasen-Ohrenheilkunde habilitierte (Das erschwerte D´ecanulement und seine Behandlung mit besonderer Ber¨ucksichtigung der Dilatationsverfahren). Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg war B. als a. o. Prof. an den Universit¨aten Dorpat und in Gießen t¨atig, wo er 1922 o. Prof. und Direktor der Hals-Nasen-Ohrenklinik wurde. 1926 und 1942 / 43 war er Dekan der Medizinischen Fakult¨at, 1929 / 30 und 1943-45 Rektor der Univ. Gießen. 1930 u¨ bernahm er zudem die Leitung der Heilst¨atte Seltersberg f¨ur Tuberkulose der oberen Luftwege. 1937 trat er in die NSDAP ein. Seit 1940 war B. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. 1945 entlassen, befand er sich in Internierungshaft und wurde zun¨achst als „Hauptschuldiger“, sp¨ater als „Mitl¨aufer“ eingestuft. Sp¨ater war er als

¨ Brugmann Arzt in Gießen t¨atig. B. ver¨offentlichte u. a. Krankheiten des a¨ ußeren und mittleren Ohres (1922) Die entz¨undlichen Erkrankungen der Stirnh¨ohle (in: Handbuch der Hals-, Nasen-, und Ohren-Heilkunde, Bd. 2, 1926) und Die Grundlagen der C Gießen a¨ rztlichen T¨atigkeit (1930).

Bruggemann, ¨ Friedrich Adolph, Versicherungsfachmann, * 17. 4. 1797 Magdeburg, † 10. 8. 1878 Aachen. Der Sohn eines Verwaltungsjuristen war K¨ammererkontrolleur der Stadt Magdeburg, als er von David → Hansemann 1825 als Hauptagent f¨ur dessen Aachener FeuerVersicherungs-Gesellschaft empfohlen wurde. Er nahm diese T¨atigkeit drei Jahre lang nebenamtlich wahr und trat 1828 ganz in die Dienste der Gesellschaft. 1831 ging B. als Generalbevollm¨achtigter nach Berlin. 1834 erreichte er die Zulassung der Aachener als erste inl¨andische Feuerversicherungsgesellschaft in Bayern, die seitdem als „Aachener und M¨unchener“ firmierte. 1845 wurde B. Generalagent und ¨ seit dem Ubertritt Hansemanns in die Politik 1848 praktisch deren Generaldirektor. F¨ur seine Verdienste wurde er in Preußen zum Hofrat, in Bayern und W¨urttemberg zum Geheimen Hofrat ernannt. C Arps

Bruggemann, ¨ Hans, auch Bruegemann, Bildschnitzer, Bildhauer, * um 1480 Walsrode (L¨uneburger Heide), † nach 1523 Husum (?). Vermutlich wurde B. in Niedersachsen ausgebildet und begab sich anschließend auf Wanderschaft durch die Niederlande. 1514-21 schuf er sein Hauptwerk, den ber¨uhmten Hochaltar f¨ur die Augustiner-Chorherrenkirche in Bordesholm (Holstein). Aus Eichenholz geschnitzt, mit 385 unbemalten Figuren, die das Meßopfer, die Passion Christi, Maria und das J¨ungste Gericht darstellen, befindet sich das Werk seit 1666 im Dom von Schleswig. Ein kleiner Altar, den B. um 1523 f¨ur seine Heimatstadt schnitzte, ging verloren. B. schuf auch einen hl. Georg f¨ur die Marienkirche in Husum, der die Z¨uge des Kaisers Karl V. tr¨agt, und eine 3,80 m große Christophorusstatue f¨ur den Dom von Schleswig. C SHBL, Bd 1

Bruggemann, ¨ Karl Heinrich, National¨okonom, Redakteur, Publizist, * 29. 8. 1810 Hopsten (Westfalen), † 1. 7. 1887 K¨oln. Der Sohn eines Arztes studierte an den Universit¨aten Bonn und Heidelberg Rechts- und Staatswissenschaften, stand dort bald an der Spitze der studentischen Freiheitsbewegung und hielt 1832 eine der Hauptreden auf dem Hambacher und dem Wilhelmsbader Fest. Daf¨ur 1836 zum Tod verurteilt, wurde B. zu lebenslanger Festungshaft begnadigt und 1840 von K¨onig → Friedrich Wilhelm IV. amnestiert. Sein Wunsch, sich an der Berliner Univ. zu habilitieren, scheiterte am Einspruch des Kultusministers Johann Albrecht Friedrich → Eichhorn. B. ging nach Paris und Berlin, wurde Mitarbeiter an namhaften Zeitungen und ver¨offentlichte u. a. Dr. Lists ¨ nationales System der politischen Okonomie (1842), in dem er Friedrich → List vorwarf, Adam Heinrich von → M¨uller zu plagiieren. Im Herbst 1845 wurde er Chefredakteur der „K¨olnischen Zeitung“ und mußte, um die Zeitung vor dem Verbot zu bewahren – er stand in Opposition zur preuß. Politik (bis 1866) –, 1855 die Redaktionsleitung aufgeben und als „namenloser Mitarbeiter“ im Hintergrund arbeiten. C Leb Westfalen, Bd 7

Bruggemann, ¨ Ludwig Wilhelm, evang. Theologe, * 1. 3. 1743 Jakobshagen (Pommern), † 1. 3. 1817 Stettin. 1761 war B. an der Univ. Frankfurt / Oder immatrikuliert. Er u¨ bernahm 1765 die Pfarrei Gielsdorf und Wilkendorf in der Mittelmark und wurde im gleichen Jahr Feld- und Garnisonsprediger in Berlin. Gleichzeitig ernannte ihn K¨onig → Friedrich II. zum Seelsorger seiner Schwester, der Prinzessin → Anna Amalia von Preußen. Im Februar 1773 wurde

B. Hofprediger an der Schloßkirche in Stettin und zum k¨oniglich-preußischen Konsistorialrat ernannt. B. ver¨offentlichte u. a. eine Ausf¨uhrliche Beschreibung des gegenw¨artigen Zustandes des K¨oniglich Preußischen Herzogtums Vorund Hinter-Pommern (3 Bde., 1779-84; 2 Erg¨anzungsb¨ande, 1800). C Leb Pommern, Bd 3

Bruggemann, ¨ (Johann Heinrich) Theodor, Schulmann, Beamter, Politiker, * 31. 3. 1796 Soest, † 6. 3. 1866 Berlin. B., Sohn eines Branntweinbrenners, studierte seit 1812 an der Akademie in M¨unster Theologie, Philosophie und Philologie. 1814 wurde er Lehrer f¨ur alte Sprachen am Gymnasium in D¨usseldorf, das er seit 1823 als alleiniger Direktor f¨uhrte. 1831 folgte seine Ernennung zum Schulrat in Koblenz. 1837 reiste B. in diplomatischer Mission nach Rom und wurde 1839 in das Kultusministerium nach Berlin berufen; seit 1843 war er Vortragender Rat, seit 1865 Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat. B. wurde 1850 Mitglied des Erfurter Parlaments; 1849-54 war er Mitglied der I. preuß. Kammer (1. Vizepr¨asident 1851-54) und 1854-66 des preuß. Herrenhauses (2. Vizepr¨asident 1854 / 55). C Unionsparl

Brugger, ¨ Christian Gregor, schweizer. Naturkundler, * 11. 3. 1833 Churwalden, † 16. 10. 1899 Chur. B., Sohn eines Landschreibers und Bauern, studierte in M¨unchen und Innsbruck Naturwissenschaften. 1859 wurde er Konservator am Botanischen Museum des Z¨urcher Polytechnikums und 1870 Lehrer an der B¨undner Kantonsschule. B., der 1860 Zur Flora Tirols publizierte, besch¨aftigte sich auch mit Geographie und Meteorologie sowie mit der Flora und Fauna Graub¨undens. 1876-88 erschienen seine Beitr¨age zur Natur-Chronik der Schweiz insbesondere der Rh¨atischen Alpen. C HLS

Brugger, ¨ Friedrich, schweizer. Politiker, Jurist, Milit¨ar, * 21. 3. 1854 Churwalden, † 29. 1. 1930 Chur. Der Sohn eines Offiziers in p¨apstlichen Diensten studierte in L¨owen und M¨unchen Rechtswissenschaften (Promotion 1877). Nach Chur zur¨uckgekehrt, ließ er sich als ¨ Rechtsanwalt nieder und u¨ bernahm die Amter eines Regierungssekret¨ars, Gerichtsschreibers und Staatsanwalts (1891). 1887-89, 1909-11 und 1913-15 geh¨orte er dem B¨undner Großen Rat, 1900-07 dem Kleinen Rat (Bau- und Forstdepartement) an. 1907-30 war er Abgeordneter des Schweizer. St¨anderats, 1918 / 19 dessen Pr¨asident und vertrat dort die Katholisch-Konservative Partei Graub¨undens. B. war 1909-14 Oberstdivision¨ar und Kommandant der St.-Gotthard-Befestigung, seit 1914 Generaladjutant der Schweizer. Armee und seit 1918 Korpskommandant. Mit Theophil von Sprecher reformierte er das „B¨undner Tagblatt“. Der B¨undner Konservativ-Demokratischen Partei stand er 1923-30 als Pr¨asident vor. C Biogr Verstorb Schweiz, Bd 2

Brugmann, ¨ Arnold, Historiker, * 14. 3. 1912 L¨uchow (Holstein), † 24. 6. 1995 Hamburg. Der Sohn eines Bauern studierte seit 1931 Geschichte und Philosophie in Freiburg / Breisgau, Dorpat und Heidelberg. Im selben Jahr trat er in die NSDAP und 1932 in die SA ein. 1934 wurde er in Heidelberg promoviert. 1935 schloß er sich der SS an und u¨ bernahm die stellvertretende Leitung der Sicherheitsdienst-Schule in Berlin; 1936 wurde er Leiter der Reichsfachgruppe Kulturwissenschaft in der Reichsstudentenf¨uhrung. 1937 habilitierte er sich in Jena mit der Arbeit Roms Kampf um den Menschen. 1938 / 39 war B. Dozent f¨ur Mittlere und Neuere Geschichte an der Univ. Berlin, seit 1939 SS-Hauptsturmf¨uhrer und Leiter des Instituts f¨ur deutsche Studentengeschichte in W¨urzburg, wo er zugleich eine Dozentur an der Univ. innehatte. 1942 u¨ bernahm er die Leitung des Hauptarchivs der NSDAP und wurde apl. Prof.

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¨ Brugmann f¨ur Mittlere und Neuere Geschichte an der Univ. M¨unchen. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte B. in Celle, seit 1959 in Dortmund und seit 1962 in Hamburg. C Gr¨uttner

Brugmann, ¨ Heinrich Leonhard, Industrieller, * 28. 7. 1832 N¨utterden (Kr. Kleve), † 10. 12. 1893 K¨oln. Von seinen Eltern zum Priester bestimmt, entschied sich B., Sohn eines Landwirts, gegen den geistlichen Stand, studierte an der Bergschule in Bochum und ließ sich als konzessionierter Ingenieur f¨ur bergbauliche Vermessungen in Dortmund nieder. Dank seiner Kenntnisse auf dem Grundst¨ucksmarkt und dem Gebiet der Bergwerksverleihungen verdiente B. ein Verm¨ogen. 1873 gr¨undete er eine Aktienbrauerei, die unter dem Namen „Dortmunder Union-Brauerei AG“ bekannt wurde, stand dieser bis zu seinem Tod vor und baute Anfang der achtziger Jahre des 19. Jh. eine Koksanstalt mit ¨ 88 Ofen auf der Zeche Zollern in Marten. Gegen 1890 wurde er auf der Suche nach Kalilagern im S¨udharz f¨undig und begr¨undete mit der Zeche „Gl¨uckauf“ Sondershausen den dortigen Kalibergbau. C NDB Brugmann, ¨ Walther, Regisseur, * 21. 8. 1884 Leipzig, † 25. 8. 1945 Bern. Der aus einer Kaufmannsfamilie stammende B. begann eine Buchh¨andlerlehre, nahm dann Schauspielunterricht und erhielt 1904 ein erstes Engagement in Leipzig. Seit 1907 am Theater in Gera t¨atig, kehrte er 1909 nach Leipzig zur¨uck und wurde Assistent des Regisseurs Hans Loewenfeld. 1912 ging er als Schauspieler und Regisseur an das Stadttheater Hamburg-Altona, 1917 nach Frankfurt / Main, wo er u. a. seine erste Operninszenierung und die Urauff¨uhrung von Ernst → Kreneks Der Sprung u¨ ber den Schatten vorlegte. 1922 / 23 war B. Schauspieler in Spielfilmen, u. a. als Partner von Asta → Nielsen, und 1924-33 Operndirektor in Leipzig. Seit 1933 Oberspielleiter am Bayerischen Staatstheater M¨unchen, seit 1934 am Großen Schauspielhaus Berlin, wurde er 1936 aus politischen Gr¨unden entlassen, aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen und zeitweilig inhaftiert. 1938 unternahm er mit Richard → Tauber Tourneen ¨ durch Osterreich und Italien. Seit demselben Jahr war B. am Stadttheater Bern f¨ur das Schauspiel, seit 1939 als Oberspielleiter auch f¨ur die Oper zust¨andig. C MGG Bruhl, ¨ Alfred Graf von, Maler, * 25. 4. 1862 Pf¨orten (Lausitz), † 28. 2. 1922 Weizenrodau bei Schweidnitz. B. studierte in D¨usseldorf bei Albert → Baur und Christian → Kr¨oner sowie in Karlsruhe bei Hermann → Baisch Malerei. Bevorzugt malte er Jagd- und Wildszenen (u. a. An der Suhle, 1902) und stellte regelm¨aßig auf den großen D¨usseldorfer Ausstellungen, aber auch in M¨unchen und Berlin aus. B. war Mitglied des Vereins zur Veranstaltung von Kunstausstellungen in D¨usseldorf und einer der Leiter der „Ausstellung f¨ur Christliche Kunst“ 1909. Seit 1916 Direktor der Kunstakademie in K¨onigsberg, wurde er 1919 von revoltierenden Sch¨ulern zum R¨ucktritt veranlaßt. C AKL Bruhl, ¨ Carl (Friedrich Moritz Paul) Graf von, Theaterintendant, * 18. 5. 1772 Pf¨orten (Lausitz), † 9. 8. 1837 Berlin. B., Sohn eines preuß. Obersten und Generalintendanten der Chausseen und Enkel von Heinrich von → B., studierte 1790-98 in Berlin und Thale Forstwissenschaft und trat 1796 als Referendar der kurm¨arkischen Kammer in den preuß. Staatsdienst ein. Besuche am Weimarer Hof weckten sein Interesse am Theater; 1800 trat er unter → Goethes Leitung in Pal¨aophron und Neoterpe auf. Nach der R¨uckkehr aus den Befreiungskriegen und dem Tod August Wilhelm → Ifflands wurde B. 1815 Generalintendant der Schauspiele in Berlin. Er verpflichtete 1816 das Schauspielerehepaar Pius Alexander und Amalie → Wolff sowie den Regisseur Ludwig → Devrient und arbeitete mit Karl Friedrich → Schinkel als

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B¨uhnenbildner und beim Neubau des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt. Gegen den ihm 1819 zugewiesenen Generalmusikdirektor Gaspare → Spontini eingestellt, gab B. 1828 sein Amt auf und u¨ bernahm 1830 die Generalintendanz der Berliner Museen. C AKL

Bruhl, ¨ Friedrich Aloys(ius) Graf von, Staatsmann, Schriftsteller, * 31. 7. 1739 Dresden, † 31. 1. 1793 Berlin. Nach Studien an den Universit¨aten Leipzig und Leiden wurde der Sohn Heinrich Graf von → B.s 1758 polnischer Krongeneralfeldzeugmeister und 1764 Gouverneur von War¨ schau. Nach dem Verlust seiner Amter 1785 lebte er auf Gut Pf¨orten in der Niederlausitz, galt als Anh¨anger und M¨azen der Freimaurerei und schrieb zahlreiche an franz¨osischem Vorbild orientierte Kom¨odien, u. a. f¨ur sein Privattheater in Pf¨orten (Theatralische Belustigungen, 5 Bde., 1785-90). C Killy Bruhl, ¨ Gustav, Pseud. Kara Giorg, Mediziner, Schriftsteller, * 31. 5. 1826 Herdorf, † 16. 2. 1903 Cincinnati (USA). Im Anschluß an das Studium der Medizin, Philosophie und Geschichte an den Universit¨aten Halle, M¨unchen und Berlin wanderte B. 1848 in die USA aus. Er ließ sich als Arzt in Cincinnati nieder, war Mitbegr¨under des ersten deutschen Spitals und nutzte einen Aufenthalt in Europa, um sich in Prag und Wien in Laryngologie auszubilden. B. hielt Vorlesungen u¨ ber Kehlkopferkrankungen am Miami-MedicalCollege (Cincinnati) und redigierte 1869-71 die von ihm gegr¨undete Monatsschrift „Der Deutsche Pionier“. Anthropologische und ethnologische Studien f¨uhrten ihn nach Mexiko, Mittel- und S¨udamerika, auch um seine Theorie der pr¨akolumbischen Syphilis zu st¨utzen (Die Culturv¨olker AltAmerikas, 9. Abt., 1875-78). B. schrieb neben seinen wissenschaftlichen Arbeiten auch Reiseberichte, Gedichte (Abendglocken, 1897) und Balladen. C NDB Bruhl, ¨ Heidi, Schauspielerin, * 30. 1. 1942 M¨unchen, † 8. 6. 1991 Starnberg. Mit sechs Jahren erhielt B. Ballettunterricht, mit zw¨olf stand sie f¨ur den Film Der letzte Sommer zum ersten Mal vor der Kamera. Die Immenhof-Filme machten sie zum popul¨arsten Kinderstar der Bundesrepublik Deutschland der f¨unfziger Jahre. Von ihrem Vater betreut und gezielt auf eine ShowKarriere vorbereitet, nahm sie Schauspiel- und Gesangsunterricht und war 1961 mit dem Schlager Wir wollen niemals auseinandergehen erfolgreich. In den sechziger Jahren spielte sie in Musicals in Berlin, M¨unchen und Hamburg und versuchte danach, ihre Karriere in den USA fortzusetzen. Zur¨uckgekehrt, arbeitete B. als Musikverlegerin und Produzentin. In den achtziger Jahren spielte sie in zahlreichen Fernseh-Produktionen mit. C Huber

Bruhl, ¨ Heinrich Graf von, Staatsmann, * 13. 8. 1700 Gangloffs¨ommern bei S¨ommerda, † 28. 10. 1763 Dresden. B., Sohn des Oberhofmarschalls am Hof des Sekundogeniturf¨urstentums SachsenWeißenfels, wurde mit 13 Jahren Page und folgte dann der Herzoginwitwe nach Leipzig, die ihn jedoch 1719 dem Dresdner Hof → Augusts II. (des Starken) empfahl. Den Mangel einer soliden Schulbildung glich er mit Selbststudien aus: Geschichte der Wettiner, Kunst, Musik, Sprachen (Franz¨osisch, Polnisch, Latein). 1727 wurde er Kammerjunker, zwei Jahre bearbeitete er als „Vortragender“ Kammerberichte und Bittschriften. Unter den wenigen Freunden ragte Graf Sulkowski

¨ Bruhl (1695-1762), der langj¨ahrige Vertraute des Kurprinzen, hervor. Doch w¨ahrend Sulkowski 1730 als Oberst ein Regiment kommandierte, war B. „K¨ammerer der k¨oniglichen Garderobe“. Damit begann sein steiler Aufstieg: Chef des Steuerwesens, Leiter des Departements Inneres, 1732 Vizesteuerdirektor und ein Jahr sp¨ater Direktor der Staatsg¨uter und der Bergwerke, mit 31 Jahren einer der j¨ungsten Geheimen R¨ate und Minister in Kursachsen. Den Tod Augusts II. 1733 nutzte B. auf seine Weise: Er sicherte wichtige Staatspapiere, den Kronschatz und Kostbarkeiten, verhandelte im Interesse des Nachfolgers mit dem Interimsregenten Graf Potocki (1654-1738), Primas von Polen, kehrte dann erst nach Dresden zur¨uck, wo ihm der neue Landesherr, → Friedrich August II., die Verwaltung der Staatsfinanzen u¨ bertrug. Seine Entscheidung, B. und Sulkowski praktisch als gleichberechtigte Minister zu berufen, hatte Konkurrenzdenken und Intrigen zur Folge, die schließlich 1738 zur Amtsenthebung Sulkowskis f¨uhrten, von der Kurf¨urstin mitbetrieben. Damit begann die eigentliche „Periode Br¨uhls, oder, wenn man so will, diejenige Friedrichs des Großen; denn diese beiden M¨anner haben im Guten und B¨osen die hier behandelte Geschichte ungleich mehr bestimmt als Friedrich August II.“ (H. Kretzschmar). Die politischen Voraussetzungen der Kronerwerbung in Polen hatte B. zwar mitgestaltet, entscheidend war jedoch im Erbfolgekrieg und bei der Doppelwahl (gegen Sta¨ nislaw Leszczynski) die Haltung Rußlands und Osterreichs. Mit dem Machtantritt → Friedrichs II. in Brandenburg¨ Preußen lehnte B. dessen B¨undnisangebot gegen Osterreich ab, denn er versprach sich von Habsburg Garantien f¨ur den Erwerb der o¨ sterr. Lehen Crossen (Niederlausitz) und Z¨ullichau (Schlesien) – wie er bereits von August II. (dem Starken) angestrebt worden war –, um damit eine direkte Landverbindung nach Polen zu erhalten, die nicht zustande kam. Von 1740 an hatte f¨ur Sachsen der preußisch-s¨achsische Gegensatz prim¨are Bedeutung. Gegen B.s Widerspruch gew¨ahrte Friedrich August II. dem Preußenk¨onig den Oberbefehl u¨ ber das s¨achsische Heer, das dieser im Kampf gegen ¨ Osterreich fast restlos ruinierte. B.s Diplomatie war erfolglos ¨ (Defensivvertrag mit Osterreich 1743, Garantien Rußlands f¨ur Sachsen-Polen 1744) gegen¨uber der Kriegspolitik Friedrichs (1744 widerrechtliche Besetzung Sachsens im zweiten und dritten Schlesischen Krieg 1756). Dessen Gegnerschaft artete in Haß und Vernichtung aus: Hauptquartiernahme im Br¨uhlschen Palais 1756 / 57, systematische Pl¨underung und Zerst¨orung seiner Schl¨osser und Besitzungen durch Spezialkommandos (Palais in Dresden, Schl¨osser in Grechwitz, Nischwitz, Pf¨orten, Oberlichtenau). Im Brief an die Gr¨afin B. schrieb Friedrich 1757: „Ich will seine Freundschaft gar nicht, ich verachte ihn zu sehr, und ich weiß die Mittel, meine offenen und versteckten Feinde zu besiegen“ (Polit. Correspond. XIV, S. 452). Sachsen f¨ur Preußen zu annektieren (vgl. die Politischen Testamente 1752 und 1768) gelang ihm 1763 infolge außenpolitischer Widerst¨ande nicht. Doch wurde Sachsen zu einem Staat „dritter Gr¨oße“ degradiert. Als Politiker und Premierminister war B. nur ein Abklatsch von Richelieu und Mazarin, die in Frankreich Grundlagen f¨ur eine nationale absolutistische Monarchie schufen. Trotz seiner politischen und organisatorischen F¨ahigkeiten – er verstand es, t¨uchtige b¨urgerliche Beamte in seinen Dienst zu nehmen – reichte seine Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht u¨ ber regionale Dimensionen hinaus, war prim¨ar auf den Hof und nicht auf das Wohl des Landes orientiert und mit erheblichen M¨angeln behaftet. Nach der Katastrophe von 1763 und B.s Tod wurde gegen ihn ein Prozeß wegen „des Vergreifens an landesherrlichen Cassen“ sowie der „Anmaßung“ und „Majest¨atsbeleidigung“ angestrengt, der ihm Veruntreuungen von u¨ ber vier Millionen Talern anlastete, weshalb Besitzt¨umer und Verm¨ogen unter Sequester gestellt wur-

den. Doch 1768 schlug der landesherrliche Administrator → Xaver diesen Prozeß nieder. Ein Teil des sequestrierten Verm¨ogens (Finanzen, Geb¨aude, Bibliothek) wurde dem Fiskus zugesprochen, die kostbare Gem¨aldesammlung an die russische Zarin verkauft. Die G¨uter erbten seine S¨ohne. Von der Nachwelt gleichsam als „Verderber Sachsens“ verurteilt, wurde mit einer kritischen W¨urdigung erst in der Gegenwart begonnen. LITERATUR: Otto Eduard Schmidt: Minister Graf B. und Karl Heinrich von Heinecken. Leipzig 1920. – Alad´ar von Borovicz´eny: Graf v. B. Z¨urich / Leipzig / Wien 1929. – Hellmuth R¨oßler: B. In: NDB, Bd. 2, 1955, S. 660-662. – W. May: Der Prozeß gegen den Grafen B. In: S¨achsische Heimatbl¨atter, 1971, Heft 5. – Walter Fellmann: H. Graf B. Leipzig 1989. Karl Czok

Bruhl, ¨ Julius Wilhelm, Chemiker, * 13. 2. 1850 Warschau, † 5. 2. 1911 Heidelberg. Der Sohn eines Industriellen begann 1868 am Polytechnikum in Z¨urich das Studium der Chemie, verließ 1870 bei Ausbruch des Deutsch-Franz¨osischen Kriegs die Schweiz und studierte in Berlin mathematische Physik. 1873 ging er als Assistent an das Chemische Laboratorium des Polytechnikums in Aachen, habilitierte sich dort, bevor er 1875 in G¨ottingen mit der Arbeit Die Constitution der ganz substituirten Amido- und Phosphido-S¨auren und Darstellung substituirter A-Amido-Propions¨auren promoviert wurde, und erforschte, von Hans → Landolt beeinflußt, physikalischchemische Probleme, vor allem den Zusammenhang zwischen physikalischen Eigenschaften und Konstitution eines K¨orpers. B. entdeckte, daß Mehrfachbindungen im Molek¨ul einen gesetzm¨aßigen Einfluß auf die Molrefraktion aus¨uben. 1880-84 war er Prof. der technischen Chemie an der TH Lemberg und lehrte 1884-87 in Freiburg / Breisgau, 1888-98 ¨ in Heidelberg. B. ver¨offentlichte u. a. Uber den Zusammenhang zwischen den optischen und den thermischen Eigenschaften fl¨ussiger organischer K¨orper (1882) und Chemie der sechsgliedrigen heterocyklischen Systeme (mit Edvard Hjelt und Ossian Aschan, 1899). C NDB Bruhl, ¨ Karl Bernhard, o¨ sterr. Zoologe, Anatom, * 5. 5. 1820 Prag, † 14. 8. 1899 Graz. Nach dem Medizinstudium und der Promotion 1847 (Mag. vet. 1850) in Wien unternahm B. eine mehrj¨ahrige wissenschaftliche Reise nach Italien, Frankreich und England, kehrte 1855 zur¨uck und wurde 1857 als Prof. der Zoologie und vergleichenden Anatomie an die Univ. Krakau, 1858 in gleicher Stellung nach Pest berufen (Einige Worte u¨ ber die wissenschaftliche Stellung, Bedeutung und Tragweite der Zoologie, 1858). Wieder in Wien, u¨ bernahm er 1861-70 den neu errichteten Lehrstuhl der Zootomie und leitete das 1863 von ihm gegr¨undete Zootomische Institut. Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit (Zootomie aller Thierklassen f¨ur Lernende, 1874-82) unterrichtete B. im Auftrag des Unterrichtsministeriums 1871-90 an Schulen. ¨ 1 C Arzte Bruhl, ¨ (Johann August) Moritz, Schriftsteller, Publizist, * 26. 7. 1819 D¨usseldorf, † 13. 1. 1877 Wien. Der Sohn j¨udischer Eltern wurde zum Dr. phil. promoviert, ver¨offentlichte 1839 erste Arbeiten (Walter Scott und seine Freunde nach John G. Lockhart, 5 Bde., 1839-41) und gr¨undete 1841 die „Mannheimer Zeitung“. Bald gab er die Redaktion ab, ging nach K¨oln, sp¨ater nach Frankfurt / Main und konvertierte 1843 in Schw¨abisch Gm¨und zur kath. Kirche. B. ließ sich in Wien nieder und arbeitete als Publizist, ¨ Kulturhistoriker, Erz¨ahler, Ubersetzer und Biograph (Johann Michael Sailer. Systematische Anthologie aus seinen Schriften, und Lebensbild, 1855). 1854 erschien seine Geschichte der katholischen Literatur Deutschlands vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. C Lex dt-j¨ud Autoren

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¨ Bruhler Bruhler, ¨ Ernst-Christoph, Politiker, P¨adagoge, * 12. 2. 1891 Mannheim, † 30. 8. 1961 Freiburg / Breisgau. B. studierte seit 1909 Geschichte, Germanistik und Anglistik in Heidelberg und Freiburg, wo er 1914 zum Dr. phil. promoviert wurde. 1919-24 war er Gymnasiallehrer in Freiburg, dann Chefredakteur der „Breisgauer Zeitung“, bevor er 1933 in den Schuldienst zur¨uckkehrte. Als Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei wurde er 1922 Stadtverordneter, 1928 Stadtrat und geh¨orte 1929-33 dem Badischen Landtag an. Inzwischen Oberstudiendirektor, wurde B. 1943 aus politischen Gr¨unden pensioniert und sp¨ater inhaftiert. Seit 1950 war er Oberstudiendirektor und Leiter der P¨adagogischen Akademie II in Freiburg. 1953-57 war er Mitglied des Deutschen Bundestags, seit 1955 als Fraktionsvorsitzender der Deutschen Partei (DP). 1955-57 war er Vorsitzender der DP; 1958 wurde er Mitglied der CDU. C MdB

Bruhlmann, ¨ Hans Ernst, schweizer. Maler, * 25. 2. 1878 Amriswil (Kt. Thurgau), † 29. 9. 1911 Stuttgart. B., Sohn eines Pfarrers, besuchte 1898 / 99 die Kunstgewerbeschule in Z¨urich und studierte seit 1902 bei Carlos → Grethe, Stephan Graf Kalckreuth und Adolf → H¨olzel an der Kunstakademie in Stuttgart. Ein Stipendium erlaubte ihm 1906 eine Studienreise nach Florenz, Assisi und Rom. Zur¨uckgekehrt, ließ er sich in Stuttgart nieder, schuf 1907 Wandmalereien in den Pfullinger Hallen (bei Reutlingen) und 1908 in der Stuttgarter Erl¨oserkirche (zerst¨ort). B. reiste mehrmals nach Paris, lernte C´ezannes Werk kennen, das neben der Arbeit mit H¨olzel gr¨oßten Einfluß auf sein Schaffen hatte, und erhielt 1909 den Auftrag zur Ausmalung des Z¨urcher Kunsthauses. Unheilbar erkrankt, beging B. Selbstmord. Neben Wandgem¨alden hinterließ er Bildnisse, Landschaften, Stilleben und ein Selbstportr¨at. C AKL Brulisauer, ¨ Bartholom¨aus, Ordensname: Magnus, Benediktiner, Chronist, * 29. 1. 1582 Appenzell, † 15. 9. 1646 St. Gallen. Nach dem fr¨uhen Tod beider Eltern trat B. 1596 in das Kloster St. Gallen ein, legte 1598 das Ordensgel¨ubde ab, studierte 1603-11 in Dillingen und kehrte nach seiner Promotion zum lic. theol. 1611 ins Kloster St. Gallen zur¨uck. Seit 1612 Kapitelsekret¨ar, war B. an der Ausarbeitung des Vertrags mit der Di¨ozese Konstanz (1613) beteiligt und wurde 1615 Pfarrer in Alt St. Johann. 1630 zum Prior und Statthalter von St. Johann, sp¨ater zum Unterstatthalter in Wil und Homburg ernannt, wurde er 1642 mit der Bearbeitung der St. Gallener Klosterchronik seines Vorg¨angers und Lehrers Jodok Metzler beauftragt; bis zu seinem Tod stellte er zwei B¨ande, die in das Jahr 1442 reichen, fertig. B. komponierte auch Kirchenlieder. 1691 erschien sin Directorium cantus Congregationis Helveto-Benedictae. C HLS Brull, ¨ Adolf (Elchanan), j¨udischer Theologe, Philologe, Journalist, * 27. 4. 1846 Kojetein (M¨ahren), † 16. 9. 1908 Frankfurt / Main. Der Sohn des Rabbiners Jakob → B. besuchte das j¨udischtheologische Seminar in Breslau und studierte an den Universit¨aten Wien, Prag und Breslau Philosophie. 1867 wurde er mit der Arbeit Fremdsprachliche Redensarten und ausdr¨ucklich als fremdsprachlich bezeichnete W¨orter in den Talmuden und Midraschim promoviert. Er erteilte seit 1871 Religionsunterricht am Philanthropin in Frankfurt / Main und war seit 1881 Herausgeber und bis 1908 auch Redakteur der „Popul¨ar-wissenschaftlichen Monatsbl¨atter zur Belehrung u¨ ber das Judentum f¨ur Gebildete aller Konfessionen“. C Lex dt-j¨ud Autoren

Brull, ¨ Ignaz, o¨ sterr. Komponist, Musiker, * 7. 11. 1846 Proßnitz (M¨ahren), † 17. 9. 1907 Wien. Der aus einer Garnh¨andlerfamilie stammende B. erhielt bei seiner Mutter ersten Klavierunterricht und studierte dann

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in Wien bei Julius → Epstein Klavier und bei Johann Rufinatscha und Otto → Dessoff Kompositionslehre. Auf ¨ Konzertreisen, die ihn u¨ ber die Grenzen Osterreichs und Deutschlands hinausf¨uhrten, stellte er eigene Kompositionen vor (u. a. Klavierkonzert F-Dur op. 10), zog sich aber als Pianist bald zur¨uck, um sich vor allem der Opernkomposition zu widmen. Nach seiner 1864 vollendeten ersten Oper Die Bettler von Samarkand feierte er 1875 mit der Oper Das goldene Kreuz seinen gr¨oßten Erfolg. B. unterrichtete 1872-78 an den Horakschen Klavierschulen in Wien und wurde dort 1881 k¨unstlerischer Mitdirektor. Er war mit Johannes → Brahms befreundet. C MGG

Brull, ¨ Jakob (ben Michael), Rabbiner, Talmudforscher, * 16. 1. 1812 Neu-Rausnitz (M¨ahren), † 29. 11. 1889 Kojetein (M¨ahren). Der Kaufmannssohn studierte an den talmudischen Hochschulen Preßburg und Budapest. Vom Landrabbiner Nehemias Trebitsch (B.s sp¨aterem Schwiegervater) approbiert, wurde er Rabbinatsvikar und 1844 als Rabbiner nach Kojetein berufen. Er widmete sich dem Studium des Talmud und ver¨offentlichte u. a. eine hebr¨aische Einleitung in die Mischna Mebo ha-Mischna (2 Bde., 1876-81). Zu B.s Sch¨ulern z¨ahlten auch seine S¨ohne Adolf und Nehemias → B. sowie David → Kaufmann. C ADB

Brull, ¨ Nehemias (Nachum), Rabbiner, Schriftsteller, Publizist, * 16. 3. 1843 Neu-Raußnitz (M¨ahren), † 5. 2. 1891 Frankfurt / Main. Als junger Rabbiner kam B., Sohn von Jakob → B., zu weiteren Studien nach Wien, wo er in dem von ihm mitbegr¨undeten „Verein der Rabbinatskandidaten“ Vortr¨age u¨ ber j¨udische Geschichte hielt. Er wurde in Leipzig der Arbeit Die r¨omischen Kaiser in Talmud und Midrasch promoviert und als Rabbiner in die Gemeinde Bisenz (M¨ahren), 1870 in die israelitische Gemeinde von Frankfurt / Main berufen. 1874-90 gab er die „Jahrb¨ucher f¨ur j¨udische Geschichte und Literatur“ (10 Bde.) heraus und setzte die Arbeit 1890 im „Zentralanzeiger f¨ur J¨udische Literatur“ fort. C Lex dt-j¨ud Autoren

Brulow, ¨ Caspar, auch Br¨ulovius, Dramatiker, * 18. 9. 1585 Falkenberg (Kr. Pyritz, Pommern), † 14. 7. 1627 Straßburg. B. kam 1609 nach Straßburg, erlangte nach dem Studium 1611 den Magistertitel und ver¨offentlichte im selben Jahr mit Andromeda das erste seiner sieben in lateinischer Sprache geschriebenen Schuldramen; 1616 folgte Iulius Caesar, 1621 Moyses. Seit 1612 unterrichtete er am dortigen Gymnasium und leitete die im Schulhof stattfindenden Theaterauff¨uhrungen. 1615 wurde er Prof. der Poesie an der dazugeh¨origen Akademie und 1616 zum Poeta laureatus gekr¨ont. 1622 erfolgte seine Ernennung zum Gymnasialdirektor, 1626 zum Prof. der Geschichte und Dichtkunst. B.s St¨ucke wurden in ¨ Straßburg aufgef¨uhrt und erreichten durch deutsche Ubersetzungen ein weiteres Publikum. 1619-25 erschien seine Auslegung der Hl. Schrift (3 Bde.). C Killy Brummer, ¨ (Karl Wilhelm) Franz, Lexikograph, * 17. 11. 1836 Wusterhausen bei Potsdam, † 30. 1. 1923 M¨unchen. Der Schuhmachersohn absolvierte das Lehrerseminar in K¨openick, erhielt 1856 die erste Stelle in Zehdenick (Regierungsbezirk Potsdam) und wurde 1860 Kantor in Trebbin, 1863 Lehrer und Organist in Lauen, 1879 Konrektor der dortigen Knabenschule. B. sammelte biographisch-literarische und bibliographische Notizen u¨ ber deutsche Dichter und Schriftsteller, ver¨offentlichte das Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrhunderts (2 Bde., 1885; 8 Bde., 61913) und gab u. a. Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (1890) heraus. C NDB

¨ Bruning Brummer, ¨ Johann, Gewerkschafter, * 13. 12. 1886 Tauberbischofsheim, † 19. 12. 1966 Oberaichen bei Stuttgart. Nach dem Besuch der Volks- und Gewerbeschule erlernte B. wie vor ihm sein Vater das Schmiedehandwerk und arbeitete in verschiedenen Großbetrieben der Metallindustrie in Mannheim. 1904 trat er der gewerkschaftlichen Organisation der Schmiede bei, wurde zwei Jahre sp¨ater Mitglied der SPD und schloß sich als Kriegsgegner 1917 der USPD an. Nach der Revolution 1918 geh¨orte B. der vorl¨aufigen badischen Volksregierung an, war dann Stadtverordneter von Mannheim und, 1922 zur SPD zur¨uckgekehrt, 1925-27 Mitglied des badischen Landtags. Seit 1919 war er hauptamtlich f¨ur die Gewerkschaft t¨atig. 1934 wurde er zu 15 Monaten Haft verurteilt. Nach 1945 am Wiederaufbau der Gewerkschaften beteiligt, wurde er zun¨achst Vorsitzender des Bezirks Nord-W¨urttemberg und Baden, im Oktober 1948 Bundesvorsitzender der Industriegewerkschaft Metall (bis 1957). C Schr¨oder Brun, ¨ Herbert (Julius), Komponist, * 9. 7. 1918 Berlin, † 6. 11. 2000 Urbana (Illinois, USA). B. erhielt Klavierunterricht u. a. bei Victor Ernst Wolff und setzte nach der Emigration 1936 seine Ausbildung zum Pianisten am Jerusalemer Konservatorium bei Arie Abilea fort und war Kompositionssch¨uler von Stefan → Wolpe und Wolf → Rosenberg. 1948 / 49 hielt er sich als Gewinner des ESCO Foundation Award zeitweise in den USA auf (Tanglewood, Texas; Columbia University, New York). Seit 1950 war B. als Jazzpianist, Musikp¨adagoge und Komponist in Tel Aviv, Jerusalem und Haifa t¨atig. 1955-61 lebte er in Paris, K¨oln und M¨unchen, wirkte als Theaterkomponist und -dirigent, hielt Vortr¨age und Seminare und verfaßte Rundfunkessays. 1962 unternahm er eine Vortragsreise durch die USA und beteiligte sich 1963 an einem Computermusikprojekt an der University of Illinois in Urbana, an der er 1965-88 als Professor of Music lehrte. B., Mitglied der American Society of Cybernetics, komponierte Vokalmusik, B¨uhnenwerke, darunter das Musical The Queen of Sheba (1951), Kammermusik (u. a. die elektronischen Kompositionen Anepigraphe, 1957 / 58). Er schrieb u. a. Musik auf der Flucht vor sich ¨ selbst (1969) und Uber Musik und zum Computer (1971). 1994 wurde B. mit der Norbert-Wiener-Medaille ausgezeichnet. C MGG

Brunauer, ¨ Stefan Robert, auch Brunauer, Dermatologe, * 31. 8. 1887 Wien, † 20. 11. 1968 Palo Alto. Nach dem Medizinstudium in Wien und der Promotion 1912 setzte B., Sohn eines Arztes, seine theoretische Ausbildung am Institut f¨ur Experimentelle Pathologie bei Richard → Paltauf fort. Anschließend war er Assistent bei Salomon → Ehrmann an der Abteilung f¨ur Haut- und Geschlechtskrankheiten des Wiedner Krankenhauses (1919-23) und bei Moritz → Oppenheim (1923-25). Nach seiner Habilitation f¨ur Haut- und Geschlechtskrankheiten arbeitete B. als Dozent an der Univ. Wien und leitete 1927-38 das Ambulato¨ rium f¨ur Haut- und Geschlechtskrankheiten der Osterreichischen Bundesbahnen. 1938 nach London emigriert, wurde er Forschungsassistent am St. John’s, sp¨ater am Metropolitan Hospital und ging 1947 in die USA. Dort wirkte er zun¨achst als Consulting Dermatologist am Mount Sinai Hospital in Chicago und seit 1949 an der Skin and Cancer Unit der New York University. B. ver¨offentlichte u. a. Zum Problem ¨ der Mycosis fungoides (1953). 2, 3 C Arzte ¨ Brune, ¨ Friedrich, Geobiologe, Okologe, * 23. 10. 1878 Usseln (Waldeck), † 13. 2. 1965 Bremen. B., Sohn eines Landwirts, studierte an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin, wurde 1907 mit der Arbeit Studien u¨ ber den Einfluß des Klimas auf das Gedeihen von Moorwiesen und Moorweiden promoviert und war dann Versuchsleiter beim Verein zur F¨orderung der Moorkultur im deutschen

Reiche. Sp¨ater wurde er Leiter der landwirtschaftlichen Abteilung der Moor-Versuchsstation in Bremen, der er 1929-48 als Direktor vorstand. B.s Hauptinteresse galt der landwirtschaftlichen Nutzung von Moorb¨oden; er verfaßte u. a. Die ¨ Kultur der Hochmoore (1931) und Odlandskultur. Kurze Anleitung zur Urbarmachung und Bewirtschaftung von Moorund Heideb¨oden (1949). C B¨ohm

Brune, ¨ Heinrich, Maler, * 5. 11. 1869 Bonn, † 1. 5. 1945 Oberpfaffenhofen. Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschulen in K¨oln und Hannover ging B., der aus einer Familie von Dekorationsmalerin stammte, 1893 nach M¨unchen und setzte das Studium an der Kunstakademie (u. a. bei Otto → Seitz) fort. Er malte in der Tradition der Impressionisten haupts¨achlich Landschaften, Bildnisse und Akte. B. hielt sich l¨angere Zeit in Paris auf; zahlreiche Gem¨alde entstanden in S¨udfrankreich, an der Riviera, am Gardasee, in Franken, Schwaben und am Rhein. Im Paris befreundete er sich mit Auguste Renoir. Seit 1906 stellte er als Mitglied der Luitpoldgruppe regelm¨aßig im M¨unchner Glaspalast, 1904, 1907 und 1910 auf der Großen Berliner Kunstausstellung aus. C AKL Bruning, ¨ (Johann) Adolf von, Chemiker, Industrieller, * 16. 1. 1837 Ronsdorf bei Elberfeld, † 21. 4. 1884 Frankfurt / Main. B., Sohn eines Justizrats und Enkel von Johann R¨utger → B., studierte seit 1853 Chemie im Laboratorium von Remigius → Fresenius in Wiesbaden, setzte 1856 seine Studien an den Universit¨aten Christiania (Oslo), Berlin und Heidelberg fort und wurde 1859 promoviert. Er trat in die Fa. W. Spindler in Berlin ein und wurde 1862 von seinem Studienfreund Eugen → Lucius abgeworben; seit 1864 war er Teilhaber sowie technischer Direktor der Fa. Meister, Lucius & Co. B. befaßte sich vor allem mit der Entwicklung und Herstellung k¨unstlicher Farbstoffe und war maßgeblich am Ausbau der sp¨ateren Farbwerke Hoechst, vormals Meister, Lucius & Br¨uning beteiligt. Er gr¨undete eine Hilfskasse f¨ur erkrankte Arbeiter, einen Kreditfonds zum Bau von Eigenheimen und f¨orderte den Werkswohnungsbau. 1874-81 vertrat er als Reichstagsabgeordneter die Nationalliberale Partei und erwarb, 1876 nach Frankfurt / Main u¨ bergesiedelt, die „Frankfurter Presse“, die er 1880 mit dem „Frankfurter Journal“ vereinte. B., der 1883 nobilitiert wurde, war Mitbegr¨under des Deutschen Kolonialvereins. C Leb Nassau, Bd 6

Bruning, ¨ Friedrich (Wilhelm Johann), Chirurg, * 21. 3. 1879 Neum¨unster (Holstein), † 4. 11. 1938 Berlin. B. wurde nach dem Medizinstudium in Freiburg / Breisgau, Kiel und Bonn 1903 in Freiburg promoviert (Ueber das Auftreten des Fettes im Knochenmark in den ersten Lebensjahren), wirkte 1903-07 als Assistent am dortigen Evangelischen Diakonissen-Krankenhaus und nahm seit 1909 aktiv am Milit¨ardienst teil. 1915-18 unterrichtete er am Lehrkrankenhaus G¨ulhane in Konstantinopel, habilitierte sich 1919 in Berlin f¨ur Chirurgie und wurde 1922 a. o. Professor. Seit demselben Jahr leitete er die Chirurgische Abteilung am Gr¨afin-Rittberg-Krankenhaus in Berlin-Lichterfelde. B. ver¨offentlichte u. a Die Chirurgie des vegetativen Nerven¨ systems (1924, mit Otto Stahl). C Arzte 2, 3

Bruning, ¨ Heinrich, Politiker, Bankier, * 3. 4. 1836 Hollern bei Stade, † 1920. Nach dem Studium an den Universit¨aten M¨unchen und G¨ottingen und dem Referendariat war B. seit 1863 Assessor in Medingen, Soltau und Weener. 1864 wurde er B¨urgermeister und Landrat in Buxtehude, 1871 Oberb¨urgermeister in Minden, gr¨undete dort den westf¨alischen St¨adtetag und war 1880-88 Oberb¨urgermeister und Landschaftsrat der

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¨ Bruning Stadt Osnabr¨uck. Er vertrat die St¨adte Minden und Osnabr¨uck im preuß. Herrenhaus. B. war 1888-1903 Generaldirektor der Gothaer Feuerversicherungsbank. Er ver¨offentlichte u. a Die G¨ottinger Studentenschaft zu Anfang des 19. Jahrhunderts, ihr Verbindungswesen, ihre Teilnahme an den Freiheitskriegen 1813 / 15 (1910).

Bruning, ¨ Heinrich, Politiker, * 26. 11. 1885 M¨unster, † 30. 3. 1970 Norwich (Vermont, USA). Nach dem Abitur in M¨unster (1904) studierte B. in M¨unchen und Straßburg Geschichte und Volkswirtschaft (1911 Staatsexamen), 1911-13 in England; 1915 wurde er in Bonn promoviert. Das „Frontk¨ampfererlebnis“ im Ersten Weltkrieg 1914-18 pr¨agte den Kriegsfreiwilligen. In Berlin war B. 1919 zun¨achst Mitarbeiter von Carl → Sonnenschein und dann von Adam → Stegerwald. 1920 u¨ bernahm er die Gesch¨aftsf¨uhrung des (Christlichen) Deutschen Gewerkschaftsbunds. 1924-33 geh¨orte er dem Reichstag (Zentrum) und 1928-30 auch dem Preußischen Landtag an, seit 5. 12. 1929 als Vorsitzender der Reichstagsfraktion. Er z¨ahlte zu den f¨uhrenden Finanzpolitikern. Seit dem 30. 3. 1930 Reichskanzler, suchte B. die bedrohte rechtsstaatliche Ordnung im Sinne eines reformierten, st¨arker autorit¨aren Parlamentarismus zu erhalten, den defizit¨aren Reichshaushalt auszugleichen und die Folgen der seit 1929 herrschenden Weltwirtschaftskrise zu u¨ berwinden. Die vom Reichspr¨asidenten Paul von → Hindenburg gest¨utzte b¨urgerliche Minderheitsregierung arbeitete nach der Neuwahl des Reichstags am 14. 9. 1930, die der NSDAP den Durchbruch verschafft hatte, mit Hilfe des pr¨asidialen Notverordnungsrechts. Die auf diese Weise m¨ogliche, von der SPD tolerierte rigorose Spar- und Deflationspolitik sowie die Zahlung der im Young-Plan (1929 / 30) neu geregelten Reparationsverpflichtungen versch¨arften die Krise. B. gelang es, den ausl¨andischen Regierungen und Gl¨aubigern die Zahlungswilligkeit des Reiches, aber auch dessen Zahlungsunf¨ahigkeit zu verdeutlichen und im Juli 1931 ein Moratorium zu erwirken. Nach einer Kabinettsumbildung Oktober 1931 auch Außenminister, vermochte B. mit seiner „Durchhaltepolitik“ jedoch nicht, ein weiteres Anwachsen der Arbeitslosigkeit und Massenverelendung zu verhindern. Davon profitierten NSDAP und KPD. Nachdem B. durch seinen Einsatz am 10. 4. 1932 die Wiederwahl Hindenburgs erreicht hatte, wollte der von seiner Umgebung beeinflußte ¨ dreiundachtzigj¨ahrige Reichspr¨asident die erhoffte Uberwindung der Krise mit einer st¨arker rechtsgerichteten Regierung verkn¨upft sehen. B.s Sturz am 30. 5. 1932 beschleunigte das Ende der strukturell instabilen Weimarer Republik. B. resignierte und stimmte am 23. 3. 1933 auch dem „Erm¨achtigungsgesetz“ zu. Am 6. 5. 1933 u¨ bernahm er nur widerwillig den Vorsitz des Zentrums, das sich am 5. 7. 1933 aufl¨osen mußte. B. emigrierte am 24. 5. 1934 und gelangte nach einem mehrj¨ahrigen wechselvollen Wanderleben in die USA. 1937-51 Prof. f¨ur Verwaltungswissenschaften an der Harvard University, mied er den Kontakt mit anderen Emigranten. Er warnte die amerikanische Regierung vor der Gefahr des Vordringens der UdSSR. B., der im Sinne seiner fr¨uheren Vorstellungen die Gr¨undung der CDU begr¨ußt hatte, lehrte 1951-55 Politische Wissenschaften in K¨oln, fand sich jedoch in der alten Heimat nicht mehr zurecht. Er kritisierte die von Konrad → Adenauer forcierte Politik der Westbindung und kehrte 1955 in die USA zur¨uck. Das historische Urteil u¨ ber seine geschichtliche Leistung bleibt gespalten.

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WERKE: Memoiren 1918-1934. Stuttgart 1970. – Briefe und Gespr¨ache 1934-1945; Briefe 1946-1960. Hrsg. v. Claire Nix. 2 Bde., Stuttgart 1974. – Akten der Reichskanzlei. Die Kabinette B. I und II. Bearb. v. Tilman Koops. 3 Bde., Boppard 1982-90. LITERATUR: Rudolf Morsey: H. B. In: Die Großen Deutschen unserer Epoche. Hrsg. v. Lothar Gall. Frankfurt / Main 1985. – Gerhard Schulz: Von B. zu Hitler. Berlin 1992. – Frank M¨uller: Die „B.-Papers“. Der letzte Zentrumskanzler im Spiegel seiner Selbstzeugnisse. Frankfurt / Main 1993. – Wilhelm L. Patch Jr.: H. B. and the dissolution of the Weimar Republic. Cambridge 1998. – Herbert H¨omig: B. Kanzler in der Krise der Weimarer Republik. Paderborn 2000. – Ders.: B. Politik ohne Auftrag. Zwischen Weimarer und Bonner Republik. Paderborn 2005. Rudolf Morsey

Bruning, ¨ Hermann, P¨adiater, * 16. 4. 1873 Sprockh¨ovel (Westfalen), † 30. 4. 1955 Rostock. B. studierte an den Universit¨aten W¨urzburg, Kiel, M¨unchen, Bonn und Leipzig Medizin, wurde 1898 in Bonn promoviert (Gastrostomieen) und arbeitete am dortigen Pathologischen Institut, sp¨ater an der Leipziger Universit¨atsKinderklinik. 1905 habilitierte er sich in Rostock f¨ur Kinderheilkunde (Beitr¨age zur Lehre der nat¨urlichen und k¨unstlichen S¨auglingsern¨ahrung) und wurde 1908 a. o. Prof., 1919 o. Prof. und Direktor der Universit¨ats-Kinderklinik von Rostock. 1939 emeritiert, leitete er 1942 / 43 kommissarisch die Greifswalder und 1952 / 53 die Rostocker Kinderklinik. B. ver¨offentlichte u. a. ein Handbuch der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie des Kindesalters (mit Ernst → Schwalbe, 2 Bde, 1912-24), ein Kurzgefasstes Lehrbuch der Untersuchung am Krankenbette des Kindes (1921) und eine B¨ader- und Kurortlehre f¨ur das Kindesalter ¨ (1930). 2, 3 C Arzte

Bruning, ¨ Johann R¨utger, Kaufmann, B¨urgermeister von Elberfeld, * 13. 8. 1775 Elberfeld (heute zu Wuppertal), † 22. 7. 1837 Elberfeld. B. bereitete sich zun¨achst auf ein Theologiestudium vor, durchlief dann jedoch eine kaufm¨annische Ausbildung in M¨ulheim / Rhein und arbeitete eine Zeitlang in diesem Beruf. 1796 u¨ bernahm er nach dem Tod des Vaters dessen Gesch¨aft, einen Kommissionshandel in Leinengarn. 1802 wurde B. in Elberfeld zum Gemeinsmann gew¨ahlt und die folgenden drei Jahre im Amt best¨atigt; 1806 erfolgte seine ¨ Wahl zum B¨urgermeister. Nach Ubergang des Herzogtums Berg an Frankreich wurde B. 1809 Adjunkt, 1813 Maire des Kantons Elberfeld. Nach dem Ende der franz¨osischen Herrschaft verlieh ihm der Gouverneur des bergischen Landes das Pr¨adikat eines Oberb¨urgermeisters; wenig sp¨ater fiel die Stadt unter preuß. Verwaltung. Seit 1814 gab B. mit den „Annalen“ die ersten regelm¨aßig erscheinenden Verwaltungsberichte einer preuß. Stadt heraus. Er war verantwortlich f¨ur eine Reform des Schulden- und Schulwesens sowie die Einrichtung eines B¨urgerkrankenhauses, einer Leihanstalt, einer Sparkasse sowie eines eigenen Landgerichts. 1822 geh¨orte er einer Kommission unter dem Vorsitz des Kronprinzen → Friedrich Wilhelm an, die u¨ ber Zusammensetzung und Zusammenberufung der rheinischen Provinzialst¨ande beriet. Als B. 1823 aufgrund finanzieller Schwierigkeiten einer von ihm erworbenen Baumwollspinnerei sein Amt niederlegte, betrieb die B¨urgerschaft seine Wiedereinsetzung, die 1825 erfolgte. Er ver¨offentlichte u. a. Elberfeld und die b¨urgerliche Verfassung (1830) und Die Gerichtsverfassung des Stadt- und Landbezirkes Elberfeld (1835). Bruning, ¨ Kurt, Geograph, * 27. 11. 1897 Magdeburg, † 14. 8. 1961 Hannover. B. studierte an den Universit¨aten Halle und Marburg sowie an der Bergakademie in Clausthal; 1919-27 war er Assistent

¨ Brunings an der Univ. Marburg (Promotion 1923, Beitr¨age zur Kenntnis des rheinisch-westf¨alischen Unterkarbons), der Bergakademie Clausthal und der TH Hannover. 1929 u¨ bernahm er die Vertretung des Ordinarius f¨ur Geographie an der Univ. M¨unster. Als a. o. Prof. der Geographie und Wirtschaftsgeographie lehrte er 1930-33 an der TH Braunschweig. B. war seit 1928 Mitarbeiter der Hannoverschen Provinzialverwaltung, f¨uhrte 1933 die landeskundlichen Arbeiten fort und leitete den Aufbau des Archivs f¨ur Landeskunde und Statistik. Seit 1937 war er Direktor des Instituts f¨ur Landesplanung und nieders¨achsische Landeskunde an der Univ. G¨ottingen und wurde 1939 Prof. der Geographie und Landesplanung. 1945-51 pr¨asidierte B. die Akademie f¨ur Raumforschung und Landesplanung in Hannover; 1955 war er Vizepr¨asident der Europ¨aischen Forschungsgruppe f¨ur Fl¨uchtlingsfragen in M¨unchen. Er ver¨offentlichte u. a. Der Bergbau im Harze und im Mansfeldschen (1926) und Probleme der innergebietlichen Neuordnung (1953).

er sich als Chef der Zentralverwaltung f¨ur das Schutzgebiet Kiautschou in Ostasien um die Gr¨undung einer deutschchinesischen Hochschule und die handelspolitische Entwicklung der dortigen Kolonie. 1916-18 war B. Bevollm¨achtigter beim Bundesrat, nahm 1919 als Konteradmiral seinen Abschied und wurde 1920 f¨ur die Deutsche Volkspartei Mitglied des Deutschen Reichstags. Er ver¨offentlichte Die politische Zersetzung und die Trag¨odie der deutschen Flotte (1926).

Bruninghaus, ¨ Johann Caspar, Unternehmer, Guts-

dorf, † 25. 12. 1970 Ratingen. Nach der Studienzeit 1949-51 bei Willi → Baumeister in Stuttgart kehrte B. in seine Heimatstadt zur¨uck. Er reiste allj¨ahrlich nach Paris und hielt sich wiederholt in S¨udfrankreich, Spanien, Italien und Holland auf. In den f¨unfziger Jahren entstanden informelle Kompositionen. 1961 gewann der den Villa-Romana-Preis mit Romaufenthalt. Die Bilder der sechziger Jahre zeigen synthetische Landschaften aus der Vogelperspektive. Ferner schuf er plastische Objekte, die von kartographischen Symbolen, Verkehrszeichen und Signalen durchsetzt sind und der Pop-art nahestehen. Seit 1969 war B. Prof. an der Kunstakademie D¨usseldorf. C AKL

besitzer, * 20. 10. 1791 Br¨uninghausen bei L¨udenscheid, † 16. 12. 1863 Werdohl (Sauerland). B. stammte aus einer bedeutenden Reidemeisterfamilie, die an zahlreichen H¨ammern beteiligt war, mit Stahlprodukten handelte und zugleich Landwirtschaft betrieb. Nach dem Besuch der Rektoratsschule in L¨udenscheid begann er eine kaufm¨annische Ausbildung in Bremen und u¨ bernahm nach dem Tod von Vater und Großvater 1810 zusammen mit seinem Bruder Peter → B. Beteiligungen an mehreren H¨ammern und an der Kommissionsfirma Gebr. Br¨uninghaus. 1828 errichtete er eine der ersten Drahtwalzen im Kreis L¨udenscheid. 1832-34 wurden die H¨ammer, Drahtwalzen und der Metallhandel in der Firma Gebr. Br¨uninghaus vereinigt. Nach einem Schlaganfall von B. 1841 trennten sich die Teilhaber. B. selbst u¨ bernahm Rohstahl- und Reckh¨ammer und ging eine Verbindung mit J. D. Geck ein. 1855 siedelte er nach dem an der neuen Ruhr-Sieg-Bahn gelegenen Werdohl u¨ ber, wo seine S¨ohne mit H. Schreiber aus Santh¨utten bei Siegen seit 1862 ein neues Werk unter dem Namen „Gebr. Br¨uninghaus & Co., Werdohl“ aufbauten. 1833-37 war B. Abgeordneter auf dem 4. und 5. Westf¨alischen Landtag. C Rhein-Westf Wirt, Bd 18

Bruninghaus, ¨ Alfred, Industrieller, * 5. 9. 1881 Werdohl

Bruninghaus, ¨ Peter, Unternehmer, Gutsbesitzer,

(Sauerland), † 24. 1. 1960 Dortmund. Der Industriellensohn studierte an der TH und Bergakademie in Berlin, ging als Betriebsassistent der DeutschLuxemburgischen Bergwerks- und H¨utten-A.G. nach Differdingen und wurde 1911 Betriebschef der Rheinischen Stahlwerke. Seit 1918 Betriebsdirektor der Eisen- und Stahlwerke H¨osch A.G. in Dortmund, wurde er 1920 H¨uttendirektor und stellvertretendes Vorstandsmitglied. B. war Vorstandsmitglied des Arbeitgeberverbandes D¨usseldorf, der H¨uttenund Walzwerk-Berufsgenossenschaft, des Vereins deutscher Eisenh¨uttenleute, des Schutzverbandes der Eisen- und Metallindustrie sowie Mitglied des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und C Reichshandbuch Westfalen.

* 9. 7. 1794 Br¨uninghausen bei L¨udenscheid, † 17. 11. 1865 Siegen. B. schlug eine kaufm¨annische Laufbahn in D¨usseldorf ein und u¨ bernahm nach dem Tod von Vater und Großvater unter F¨uhrung seines a¨ lteren Bruders Johann Caspar → B. Beteiligungen an mehreren H¨ammern und der Kommissionsfirma Gebr. Br¨uninghaus. 1832-34 wurden die H¨ammer, Drahtwalzen und der Metallhandel in der Firma Gebr. Br¨uninghaus vereinigt. Nach einem Schlaganfall des Bruders 1841 trennten sich die Teilhaber; B. u¨ bernahm die Osemundh¨ammer und Drahtwalzen, deren Leitung 1847 auf seinen Sohn u¨ berging. Nach dem Niedergang des Unternehmens versuchte B. seit 1858, es wieder neu aufzubauen. B., der Friedrich Wilhelm → Harkort politisch nahestand, war 1845 Abgeordneter auf dem 8. Westf¨alischen Landtag, 1847 auf dem Vereinigten Landtag, 1848 auf der Preußischen Nationalversammlung und 1849 Mitglied der 2. preuß. Kammer. C Rhein-Westf Wirt, Bd 18

Bruning, ¨ Peter, Maler, Graphiker, * 21. 11. 1929 D¨ussel-

Bruninghaus, ¨ Ernst Caspar, Industrieller, * 6. 3. 1873 Werdohl (Sauerland), † 3. 4. 1938 Konstanz. Aus einer alten Eisenh¨uttenbesitzerfamilie stammend, trat B. 1894 in das Familienunternehmen ein. 1896 gr¨undete er die Lenne Elektrizit¨ats- und Industriewerke, eine der er¨ sten Uberlandzentralen, firmierte 1901 in Stahlwerke Gebr. Br¨uninghaus G.m.b.H. um und wurde deren kaufm¨annischer Leiter; nach der Umwandlung 1906 in eine A.G. war er deren Vorstand. B. geh¨orte dem Vorstand zahlreicher industrieller Unternehmen an; u. a. war er Aufsichtsratsvorsitzender der Pr¨azisionswerke G.m.b.H. in Bielefeld. C Reichshandbuch

Bruninghaus, ¨ Franz Willi, Milit¨ar, Politiker, * 22. 1. 1870 Berlin, † 11. 10. 1951 F¨orderstedt bei Magdeburg. B. trat 1888 in die Kriegsmarine ein, besuchte 1898 / 99 die Marine-Akademie und befehligte 1904 / 05 verschiedene Schiffe. Im Reichsmarineamt war er Dezernent f¨ur Organisations-, Personal- und Etatfragen. 1908-12 bem¨uhte

Brunings, ¨ Christian, Wasserbaumeister, * 8. 11. 1736 Neckerau (Pfalz), † 16. 5. 1805 Den Haag. Fr¨uh besch¨aftigte sich B. mit der Baukunst, bevorzugt mit dem Wasserbau. 1769 trat er als General-Inspektor der Flußbauten in holl¨andische Dienste und avancierte zum Direktor des gesamten Fluß- und Seedeichwesens. B. ver¨offentlichte u. a. Berichte und Protokolle u¨ ber das Wasser der Oberstr¨ome (2 Bde., 1778), Abhandlung u¨ ber die Geschwindigkeit des fließenden Wassers und von den Mitteln, dieselbe auf allen Tiefen zu bestimmen (1798) sowie Abhandlungen u¨ ber hydraulische Ger¨ate. C ADB

Brunings, ¨ Wilhelm, Hals-Nasen-Ohren-Arzt, * 31. 1. 1876 Kuhstedt bei Bremerv¨orde, † 3. 10. 1958 M¨unchen. B. wurde nach dem Studium an den Universit¨aten T¨ubingen, Erlangen und Berlin 1899 zum Dr. phil. (Zur Physiologie des Kreislaufes der Fische) und 1907 in T¨ubingen zum Dr.

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¨ Brunneck med. (Zur Technik der Bronchioskopie) promoviert. Er habi¨ litierte sich in Z¨urich f¨ur Physiologie (Uber den Ruhestrom des Froschmuskels), in Freiburg / Breisgau f¨ur Laryngologie (Technische Grundlagen zur Endoskopie der Luft- und Speisewege), in Jena f¨ur Otologie und wurde 1917 als a. o. Prof., 1921 als o. Prof. der Oto-Rhino-Laryngologie an die Univ. Greifswald, 1926 nach Jena und 1930 nach M¨unchen berufen, wo er 1933 Dekan der Medizinischen Fakult¨at war (Emeritieriung 1950). B. konstruierte ein Otokalorimeter und publizierte u. a. mit Alfred → Denker ein Lehrbuch der Krankheiten des Ohres und der Luftwege einschließlich der Mundkrankheiten (1912; 14., neu bearb. Aufl. 1952). 1928 wurde B. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leo¨ poldina aufgenommen. C Arzte 2, 3

Brunneck, ¨ Carl Otto Magnus von, Politiker, * 28. 1. 1786 Brandenburg, † 25. 12. 1866 Berlin. Der Sohn von Wilhelm Magnus von → B. besuchte die Milit¨arschule und Univ. in K¨onigsberg, war 1806 Regimentsadjutant, nahm nach dem Feldzug 1806 / 07 im Jahr 1810 seinen Abschied, beteiligte sich an den Befreiungskriegen und widmete sich seit 1817 der Bewirtschaftung seines Guts Bellschwitz. Seit 1831 geh¨orte er dem preuß. Provinziallandtag an. Als F¨uhrer der Liberalen, der seinem Schwager Theodor von → Sch¨on politisch nahestand, vertrat er die Provinz auf dem Vereinigten Landtag von 1847 / 48 in Berlin und wandte sich gegen eine radikale Demokratie. 1849-54 geh¨orte er der I. preuß. Kammer an. B. wirkte an der Verfassung von 1850 mit und nahm am Unionsparlament in Erfurt teil. 1854-66 war er Mitglied des preuß. Herrenhauses. B. war der Vater von Wilhelm von → B. C Unionsparl Brunneck, ¨ Wilhelm (August Magnus) von, Jurist, Bibliothekar, * 7. 3. 1839 Berlin, † 10. 4. 1917 Halle / Saale. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an den Universit¨aten Heidelberg und Halle / Saale wurde der Sohn des Politikers Carl Otto Magnus von → B. 1862 in Halle promoviert (De dominio ferarum quae illicite capiuntur) und habilitierte sich 1866 (Die Jagdgenossenschaften). 1867-77 lebte er, mit privaten wissenschaftlichen Studien besch¨aftigt, in K¨onigsberg, kehrte 1879 als Bibliothekar der Halleschen Universit¨ats- und von Ponickauischen Bibliothek (bis 1887) nach Halle zur¨uck und wurde 1882 a. o. Prof., 1885 o. Honorarprofessor der Rechtsgeschichte. B. besch¨aftigte sich mit altem und modernem Recht und der Rechtsgeschichte. Er ver¨offentlichte u. a. Siziliens mittelalterliche Stadtrechte (1881) und Zur Geschichte des Grundeigentums in Ost- und Westpreußen (2 Bde., 1891-96). C NDB Brunneck, ¨ Wilhelm Magnus von, Milit¨ar, * 1. 5. 1727 Bellschwitz (Westpreußen), † 22. 4. 1817 Bellschwitz. B. trat 1743 in die preuß. Armee ein und nahm als Hauptmann am Zweiten Schlesischen und am Siebenj¨ahrigen Krieg teil. Als Oberstleutnant erhielt er 1766 die Generalinspektion u¨ ber die westf¨alischen Infanterieregimenter. Er machte den Bayerischen Erbfolgekrieg mit, wurde General und erhielt nach dem Regierungsantritt → Friedrich Wilhelms II. das Infanterieregiment in K¨oslin. Seit 1793 Gouverneur von K¨onigsberg, Memel und Pillau sowie Generalinspektor der ostpreuß. Infanterieregimenter, nahm er Danzig in Besitz und kommandierte den Grenzkordon gegen Polen. Seit 1798 General der Infanterie, schied B. 1805 als Generalfeldmarschall aus der Armee aus. B. war der Vater von Carl Otto Magnus von → B. C Priesdorff, Bd 2 Brunner, ¨ Karl, Maler, * 4. 12. 1847 Karlsruhe, † 17. 1. 1918 Wilhelmsh¨ohe (heute zu Kassel). B. studierte 1865-70 Malerei an der Kunstakademie in Karlsruhe, nahm 1870 / 71 als Krankenpfleger am DeutschFranz¨osischen Krieg teil und kam Ende 1871 nach Wien in

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das Atelier Hans → Makarts, wo er an der Vorbereitung zu Catarina Cornaro sowie an anderen Werken beteiligt war und die Portr¨ats von Edelsheim und seiner Frau schuf. 1873 besuchte er Kellers Meisterschule in Karlsruhe, siedelte 1874 nach Basel u¨ ber und unternahm Studienreisen nach Paris, Italien, Sizilien und Afrika. Werke wie Raub des Hylas und die Kolossalgem¨alde in der Basler Kunsthalle entstanden 1876. B. kehrte 1884 nach Karlsruhe zur¨uck, malte zahlreiche Bildnisse im Auftrag Großherzog → Friedrichs I. (u. a. das Fresko Christus am Kreuz in der Kirche von M¨uhlburgKarlsruhe); 1888-1914 unterrichtete er an der Kunstgewerbeschule in Kassel. C AKL

Brunninghausen, ¨ Hermann Joseph, Chirurg, * 17. 4. 1761 Nideggen / Niederrhein, † 7. 2. 1834 W¨urzburg. B. studierte an den Universit¨aten W¨urzburg und G¨ottingen Philosophie und Arzneiwissenschaft, arbeitete sieben Jahre als chirurgischer Assistent bei Karl Kaspar von → Siebold am Julius-Spital in W¨urzburg und wurde 1791 Oberlandwundarzt und Prof. der Chirurgie an der Univ. W¨urzburg (bis 1824). 1803 lehnte er einen Ruf an die Univ. Dorpat, 1807 an die Univ. T¨ubingen ab. B. verbesserte die Geburts¨ zange und ver¨offentlichte u. a. Uber eine neue Geburtszange (1802), Gemeinn¨utziger Unterricht u¨ ber die Br¨uche (1811, 2 1816) und Erfahrungen und Bemerkungen u¨ ber die Amputation (1818). C NDB Brunnow, ¨ Franz Friedrich Ernst, Astronom, * 18. 11. 1821 Berlin, † 20. 8. 1891 Heidelberg. Der Sohn eines Kanzleirats studierte an der Univ. Berlin (Promotion 1843, De attractione moleculari) und wurde 1847 Leiter der Privat-Sternwarte Bilk bei D¨usseldorf, 1851 erster Assistent an der Berliner Sternwarte. 1854 folgte B. einem Ruf als Direktor der Sternwarte nach Ann Arbor in Michigan (USA) und 1865 als Prof. der Astronomie an die Univ. Dublin, wo er zum „Astronomer Royal for Ireland“ und Direktor der Sternwarte Dunsink ernannt wurde. 1874 kehrte er nach kurzem Aufenthalt in der Schweiz nach Deutschland zur¨uck. Neben zahlreichen Ver¨offentlichungen u¨ ber Kometen, kleine Planeten und Fixsternparallaxen erschien 1851 ein Lehrbuch der sph¨arischen Astronomie (41881). Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Tafeln der Flora, mit Ber¨ucksichtigung der St¨orungen durch Jupiter und Saturn (1855) und Tables of Victoria (1859). C NDB

Bruschweiler, ¨ Carl, schweizer. Statistiker, * 6. 12. 1878 Romanshorn (Kt. Thurgau), † 5. 6. 1956 Bern. B., Sohn eines Schuhmachers und Kaufmanns, besuchte das Lehrerseminar in Kreuzlingen und studierte anschließend Volkswirtschaft in St. Gallen und Z¨urich. Seit 1908 Adjunkt, wurde er 1924 Leiter des Statistischen Amts der Stadt Z¨urich. 1931-46 leitete er das Eidgen¨ossische Statistische Amt (sp¨ater Schweizerisches Bundesamt f¨ur Statistik), ferner das Sozialmuseum in Z¨urich. B. geh¨orte seit 1933 dem Internationalen Statistischen Institut und seit 1936 der Statistischen Expertenkommission des V¨olkerbunds an. 1935 beriet er die T¨urkei bei der Organisation ihrer ersten Volksz¨ahlung. B. ver¨offentlichte u. a. Wir als ViermillionenVolk (1939), Bev¨olkerungsprobleme und Familienschutz in der Schweiz (1941) und Sal¨are kaufm¨annischer Angestellter in der Schweiz, 1928-1942 (1944). C HLS

Bruschweiler, ¨ Paul Felix, reformierter Theologe, * 20. 2. 1870 Schiers (Kt. Graub¨unden), † 25. 10. 1947 Biel (Kr. Bern). B., Sohn eines Seminarlehrers und sp¨ateren Adjunkten des Postinspektorats St. Gallen, studierte Theologie an den Universit¨aten Basel, Paris, Berlin und Z¨urich. 1894 legte er in Z¨urich das Staatsexamen ab und erwarb den Grad eines

Brugger Bachelier en th´eologie in Paris. 1894-1918 war B. Pfarrer der gemischten deutsch-franz¨osischen evangelisch-reformierten Kirchgemeinde in Moskau, wo er zusammen mit seiner Frau mehrere soziale Einrichtungen und 1908 die Reformierte Schule mit Gymnasium gr¨undete. Im Ersten Weltkrieg war er Vizepr¨asident des Komitees f¨ur Hilfe an deutsche Kriegsgefangene. Nach der Flucht aus Rußland 1919 hielt er sich in Lausanne auf. 1920-26 versah B. Vikariate im Elsaß; 1926-28 war er Pfarrer in Lugano und 1932-44 in Kyburg. Er ver¨offentlichte u. a. Geschichtlicher R¨uckblick auf die Entwicklung der evangelisch-reformierten Gemeinde in Moskau 1629-1901 (1902). C HLS

Brusewitz, ¨ Oskar, evang. Theologe, * 30. 5. 1929 Wilkischken / Tilsit, † 22. 8. 1976 Zeitz. B., Sohn eines Malermeisters, nahm am Zweiten Weltkrieg teil und geriet in Kriegsgefangenschaft. Nach einer Ausbildung zum Schuhmacher in Sachsen legte er 1951 in Osnabr¨uck die Meisterpr¨ufung ab, ging dann nach Th¨uringen und arbeitete als Schuhmacher in Weißensee. 1964-69 erhielt er eine Predigerausbildung in Erfurt und war anschließend bis 1976 als Pfarrer in Rippicha (Kr. Zeitz) t¨atig. Weithin bekannt wurde B. durch seine Selbstverbrennung vor der Michaeliskirche in Zeitz, mit der er gegen die Religionsund Kirchenfeindlichkeit des SED-Regimes protestierte. C Altpreuß Biogr, Bd 4

Brutsch, ¨ Wilhelm, schweizer. Fabrikant, * 2. 1. 1881 Buch (Kt. Schaffhausen), † 7. 6. 1943 St. Gallen (Kt. St. Gallen). B. erhielt in Winterthur eine Ausbildung zum Mechaniker und wurde nach einer T¨atigkeit in einer Karlsruher Fabrik f¨ur N¨ahmaschinen 1903 Werkstattleiter bei dem N¨ahmaschinenHersteller Hermann Moos in St. Gallen. Er konstruierte 1911 eine neuartige Strickmaschine und begann 1919 selbst mit der Fabrikation von N¨ahmaschinen. Auf B. gingen Entwicklung und Einf¨uhrung der sog. Zickzack-N¨ahmaschine zur¨uck. C HLS

Brutt, ¨ Adolf (Carl Johannes), Bildhauer, * 10. 5. 1855 Husum, † 6. 11. 1939 Bad Berka. Zun¨achst als Steinmetzlehrling bei Meister M¨ullenhoff in Kiel t¨atig, kam B., Sohn eines Portr¨at- und Porzellanmalers, 1875 nach Berlin, um bis 1878 an der Kunstakademie zu studieren. Er besuchte die Kunstakademien in M¨unchen und Dresden, ließ sich 1882 in Berlin nieder, schlug sich mit dekorativen Arbeiten durch (Silberservice f¨ur Prinz → Wilhelm) und feierte 1887 seinen ersten Erfolg mit der Bronzegruppe Gerettet. B. schuf zahlreiche Denkm¨aler, u. a. das Standbild Ottos des Faulen (1899) und K¨onig → Friedrich Wilhelms II. (1900) f¨ur die Siegeshalle in Berlin und die Marmorfigur Diana (Nationalgalerie Berlin, 1903). Als sein Hauptwerk entstand in Weimar, wo er von 1905 bis zur R¨uckkehr nach Berlin 1910 an der HandwerksKunstschule unterrichtete, die Gruppe Die Nacht (1908). B. war seit 1893 Mitglied, seit 1896 Prof. der Akademie der K¨unste in Berlin. C SHBL, Bd 8

Brutt, ¨ Ferdinand (Martin Cordt), Maler, * 13. 7. 1849 Hamburg, † 6. 11. 1936 Bergen bei Celle. Der gelernte Lithograph besuchte die Gewerbeschule seiner Heimatstadt und studierte seit 1870 an der Kunstakademie in Weimar. 1876 ging er nach D¨usseldorf und unterrichtete an der dortigen Kunstakademie, seit 1893 als Professor. 1889 unternahm er Studienreisen nach Italien, Tirol und Norddeutschland. 1898 verlegte er seinen Wohnsitz nach Kronberg / Taunus; bis 1920 war er Mitglied der Malerkolonie und zuletzt in Bergen ans¨assig. B. schuf u. a. Landschaftsbilder des Taunus, Historienbilder sowie Portr¨ats. 1906-13 entstanden die acht Fresken des Frankfurter Rathauses. C AKL

Bruggencate, Paul ten, schweizer. Astronom, * 24. 2. 1901 Arosa, † 14. 9. 1961 G¨ottingen. B. studierte seit 1920 an der TH Stuttgart sowie den Universit¨aten M¨unchen und G¨ottingen; 1924 wurde er in M¨unchen mit der Arbeit Die Konstruktion und kosmogonische Stellung der Sternhaufen promoviert und im gleichen Jahr Assistent an der Sternwarte in G¨ottingen. 1926 ging er als Astronom an die Bosscha-Sternwarte in Lembang auf Java. Wieder in Deutschland, wurde er 1929 Privatdozent der Astronomie und 1931 Leiter des Astronomisch-Mathematischen Instituts der Univ. Greifswald und wechselte 1935 als Hauptobservator und apl. Prof. der Astrophysik an das Observatorium in Potsdam; 1941 kehrte er als Ordinarius und Direktor der Universit¨ats-Sternwarte nach G¨ottingen zur¨uck. B. vero¨ ffentlichte u. a. Sternhaufen (1927), 1Zur Erforschung des Weltalls (1934) und Astronomie, Astrophysik und Kosmogonie (1948). C Poggendorff 6

Brugger, Ernst, schweizer. Politiker, * 10. 3. 1914 Bellinzona, † 20. 6. 1998 Gossau. Der Sohn eines Lokomotivf¨uhrers trat nach Ablegen des Sekundarlehrerexamens in Z¨urich 1936 eine Lehrerstelle in Gossau an, wo er im Gemeinderat seine politische Karriere begann. Nach Funktionen in verschiedenen regionalen Gremien wurde B. 1969 als Vertreter der Z¨urcher Freisinnigen in den Bundesrat gew¨ahlt. Als Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartments war seine Amtszeit gepr¨agt vom ¨ ¨ Ubergang von einer Uberkonjunktur, die er mit Bundesbeschl¨ussen zu d¨ampfen versuchte, und der Rezession in der Folge der Erd¨olkrise von 1975, auf die er mit F¨orderungsmaßnahmen reagierte. Seine gr¨oßten Erfolge feierte B. in der Außenwirtschaftspolitik – nicht zuletzt seine Bem¨uhungen erm¨oglichten 1972 die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit den Europ¨aischen Gemeinschaften. 1974 wurde B. zum Bundespr¨asidenten gew¨ahlt; 1978 legte er aus gesundheitlichen Gr¨unden seine Mitgliedschaft im Bundesrat nieder. C Schweiz Bundesr¨ate

Brugger, (Franz) Friedrich, Bildhauer, * 13. 1. 1815 M¨unchen, † 9. 4. 1870 M¨unchen. Im Alter von vierzehn Jahren studierte B. bei Konrad → Eberhard und bald darauf bei Ludwig von → Schwanthaler an der M¨unchner Kunstakademie. 1836 ließ Schwanthaler den begabten Sch¨uler bei den f¨ur die Walhalla bestimmten Standbildern der Walk¨uren selbst¨andig gew¨ahren und empfahl ihn an Bertel → Thorvaldsen in Rom, der B.s Talent 1841-43 weiter f¨orderte. Im Auftrag K¨onig → Ludwigs I. modellierte B. Kolossalstatuen, schuf f¨ur die Ruhmeshalle einige B¨usten (u. a. Georg von → Reichenbach) und fertigte im Auftrag K¨onig → Maximilians II. u. a. die Statuen des Baumeisters → Klenze und des Philosophen → Schelling an. C AKL

Brugger, Philipp, Beamter, * 28. 5. 1864 / 65 Wiesloch (Baden), † 16. 12. 1943 Konstanz. B. war seit 1896 Gerichtsassessor in Leipzig, wurde 1899 zum B¨urgermeister von Oppeln gew¨ahlt und ging 1907 als Geheimer Regierungsrat und Vortragender Rat des Kultusministeriums nach Berlin. 1919 zum Regierungspr¨asidenten und Staatskommissar der Univ. K¨oln ernannt, war er 1921-32 Staatssekret¨ar f¨ur die besetzten Gebiete. Er war Mitglied des Hauptausschusses des Vereins f¨ur das Deutschtum im Ausland und der Deutschen Kolonialgesellschaft.

Brugger, Walter, Jesuit, Philosoph, * 17. 12. 1904 Radolfzell / Bodensee, † 13. 5. 1990 M¨unchen. B. trat 1924 in die Gesellschaft Jesu ein, studierte in Pullach bei M¨unchen Philosophie, in Innsbruck Theologie, war 1929-31 und 1936 / 37 Repetitor der Philosophie am Germanicum in Rom, lehrte 1937 als Privatdozent der Fundamentaltheologie in Poona (Indien) und kam 1938 als Dozent an

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Bruggisser das Berchmannskolleg in Pullach bei M¨unchen, wo er 1945 zum Prof. der Philosophie berufen wurde. Er ver¨offentlichte u. a. Theologia naturalis (1959), Summe einer philosophischen Gotteslehre (1979) und Grundz¨uge einer philosophischen Anthropologie (1986). B. gab ein Philosophisches W¨orterbuch (1948, 171985) und mit Johannes Baptist → Lotz die „Pullacher philosophischen Forschungen“ (1955-58) heraus. C Christl Phil, Bd 2

Bruggisser, Anton, schweizer. Mediziner, Industrieller, Politiker, * 15. 3. 1835 Wohlen (Kt. Aargau), † 21. 3. 1905 Wohlen. Der Sohn eines Richters war seit 1854 Student der Medizin in M¨unchen, W¨urzburg, Prag und Wien und wurde 1857 in Bern promoviert. Er ließ sich als Arzt in seiner Hei¨ matgemeinde nieder, pr¨asidierte 30 Jahre die Arztegesellschaft des Freiamts und geh¨orte der Eidgen¨ossischen Chole¨ rakommission sowie der Schweizerischen Arztekommission an. Seit 1871 Teilhaber der Fa. M. Bruggisser & Cie., widmete er sich ganz der Industrie. Als Mitglied des Großen Rats 1879-89 und des Nationalrats 1881-84 k¨ummerte sich B. um sozialpolitische und national¨okonomische Fragen. Er war Pr¨asident der Schulbeh¨orde und der Armenpflege, Vorstandsmitglied der Krankenkasse sowie an der Gr¨undung des kantonalen Krankenhauses und der neuen Waisenanstalt beteiligt. C Biogr Lex Aargau Bruggisser, Johann Peter, schweizer. Jurist, Politiker, * 26. 7. 1806 Wohlen (Kt. Aargau), † 8. 1. 1870. B. studierte an den Universit¨aten M¨unchen, Heidelberg und Freiburg / Breisgau Jura, u¨ bernahm die v¨aterliche Strohflechtereifirma und vertrat 1845 den Kanton Aargau an der Tagsatzung. Mehrmals war er Pr¨asident des aargauischen Großen Rats und bis 1847 der Schulpflege in Wohlen. Nach seinem R¨ucktritt geh¨orte B. bis 1866 dem Nationalrat an. C Leb Aargau Bruggmann, Carl, schweizer. Diplomat, * 3. 4. 1889 Oberhelfenschwil (Kt. St. Gallen), † 16. 9. 1967 Vevey (Kt. Waadt). B. schloß das Studium der Rechtswissenschaft in Straßburg, Heidelberg, Berlin und Bern 1912 mit der Promotion ab und ließ sich 1913 als Anwalt in St. Gallen nieder. 1917 trat er in den diplomatischen Dienst ein und war an den Botschaften in Petrograd, Br¨ussel, Washington und Paris t¨atig, bevor er seit 1925 in der Handelsabteilung in Bern arbeitete. 1927 wurde B. als Legationsrat mit der kommissarischen Leitung der Prager Gesandtschaft betraut und amtierte dort bis 1939, zuletzt als bevollm¨achtigter Minister. Seit Beginn des Zweiten Weltkriegs vertrat B. sein Land als Botschafter in Washington. C HLS Brugier, Gustav, kath. Theologe, Literarhistoriker, Lyriker, * 18. 8. 1829 Tauberbischofsheim, † 13. 9. 1903 Konstanz. Im Anschluß an das Theologiestudium in Freiburg / Breisgau wurde B. 1852 zum Priester geweiht, war 1852-60 Kaplan in Karlsruhe, 1860-74 Klosterpfarrer in Rastatt, unterrichtete zugleich an der dortigen h¨oheren T¨ochterschule und kam 1874 als M¨unsterpfarrer nach Konstanz. Er schrieb Gedichte im Stil Joseph Viktor von → Scheffels und ver¨offentlichte u. a. eine Geschichte der Deutschen National-Literatur (1865, 61880). Brugman, Johannes, Franziskaner, * um 1400 Kempen (Rheinland), † Ende 1473 Nimwegen. B. trat 1445 in das Minoritenkloster St. Om´er (Nordfrankreich) ein und versuchte auf zahlreichen Reisen, die strenge Observanz des Ordens zu verbreiten. Er war Klostervorsteher in Mecheln, dann in Sluis und seit 1462 Provinzialvikar der K¨olner Observantenprovinz. Etwa 46 Fragmente

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meist an Nonnen gerichteter Predigten sind bekannt sowie lateinische Traktate z. B. u¨ ber Verst¨oße gegen die Ideen des Franziskus. B. verbrachte seinen Lebensabend im Observantenkloster von Nimwegen. C VL

Brugmann, Karl (Friedrich Christian), auch Brugman, Sprachwissenschaftler, * 16. 3. 1849 Wiesbaden, † 29. 6. 1919 Leipzig. B., Sohn eines Staatskassendirektors, studierte seit 1867 an den Universit¨aten Halle / Saale und Leipzig Klassische Philologie und Vergleichende indoeurop¨aische Sprachwissenschaft. 1871 in Leipzig promoviert, habilitierte er sich nach einer T¨atigkeit als Lehrer in Wiesbaden und Leipzig 1877 f¨ur Sanskrit und vergleichende Sprachwissenschaft. 1882 wurde B. a. o. Prof. in Leipzig, 1884 Ordinarius f¨ur vergleichende Sprachwissenschaft in Freiburg / Breisgau und u¨ bernahm 1887 den neugegr¨undeten Lehrstuhl der indogermanischen Sprachwissenschaft in Leipzig. Mit seinem Grundriß der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen (1886-1910, 21897-1916) war er einer der bedeutendsten Systematiker der Indogermanistik. 1891 gr¨undete B., ein f¨uhrender Vertreter der Junggrammatiker, zusammen mit Wilhelm → Streitberg die Zeitschrift „Indogermanische Forschungen“. 1912 wurde er erster Vorsitzender der Indogermanischen Gesellschaft. B. ver¨offentlichte u. a. Morphologische Untersuchungen auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen (1878, Nachdr. 1975) und Der Ursprung des Scheinsubjekts ‚es‘ in den romanischen und in den germanischen Sprachen (1917). C Lex Gramm ¨ Brugsch(-Pascha), Heinrich (Karl Ferdinand), Agyptologe, * 18. 2. 1827 Berlin, † 9. 9. 1894 Berlin. B., Sohn eines Wachtmeisters, studierte in Berlin Philologie und Arch¨aologie, reiste im Auftrag des preuß. K¨onigs ¨ 1853 nach Agypten, habilitierte sich nach seiner R¨uckkehr ¨ 1854 in Berlin und war als Assistent am Agyptischen Museum t¨atig. 1857 / 58 sowie 1860 unternahm er erneut Reisen in den Orient und war 1864-68 preuß. Konsul in Kairo, ¨ 1868-70 Prof. der Agyptologie in G¨ottingen und 1870-78 Di´ ´ rektor der Ecole d’Egyptologie in Kairo. 1869-78 war er Mitglied der G¨ottinger Akademie der Wissenschaften. 1870 vom Khediven zum Bei, 1881 zum Pascha ernannt, begleitete B. 1884 Prinz → Friedrich Karl von Preußen auf einer Orientreise und wurde mit diplomatischen Aufgaben betraut. 1891 ¨ brachte er von einer Agyptenreise im Auftrag der preuß. Regierung 3000 Papyrusrollen mit; seine letzte Forschungsreise f¨uhrte ihn 1892 in die Libysche W¨uste. B. begr¨undete 1863 die „Zeitschrift f¨ur a¨ gyptische Sprache und Altertumskunde“ und ver¨offentlichte u. a. ein Hieroglyphischdemotisches W¨orterbuch (7 Bde., 1867-82), ferner Reiseberichte und die Autobiographie Mein Leben und mein Wandern (1893). Er war der Vater von Theodor → B. C NDB

Brugsch, Theodor, Internist, * 11. 10. 1878 Graz, † 11. 7. 1963 Berlin. Der Sohn von Heinrich → B. studierte 1898-1902 in Berlin und wurde 1903 promoviert (Die Entwicklung des Ligamentum caudale beim Menschen). B. wurde 1906 Assistent, 1912 Oberarzt an der II. Medizinischen Klinik der Berliner Charit´e, 1919 Leiter der dortigen II. Medizinischen Poliklinik. 1909 habilitierte er sich, war seit 1910 Titularprofessor und wurde 1921 a. o. Professor. Seit 1927 Ordinarius f¨ur Innere Medizin und Direktor der Universit¨atsklinik in Halle / Saale, wurde er nach Konflikten mit dem NS-Regime 1935 aller ¨ Amter enthoben. 1945-57 war er o. Prof. und Direktor der I. Medizinischen Klinik der Charit´e in Berlin und engagierte sich politisch f¨ur die Entwicklung der DDR (1948 / 49 Mitglied des Volksrats, 1949-54 der Volkskammer, 1957 Vizepr¨asident des Kulturbundes). Seit 1932 geh¨orte B. der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina an. Sein

Bruhs Hauptinteresse galt der Bauchspeicheldr¨use, der zentralen Regulierung des vegetativen Nervensystems, der Rolle der Hypophyse im Zuckerstoffwechsel sowie der hypophys¨aren Magersucht (Lehrbuch der inneren Medizin, 2 Bde., 1931, 14 1951). Nach B. ist u. a. die Brugsch-Reaktion, ein Porphyrinnachweis im Harn, benannt. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Di¨atetik innerer Erkrankungen (1911, 21919 unter dem Titel Lehrbuch der Di¨atetik der Gesunden und Kranken), Die Zuckerkrankheit (1927) und Ern¨ahrungslehre und Di¨atetik (1956). 1959 erschien von ihm Arzt seit f¨unf Jahrzehnten (zahlreiche Neuauflagen bis 1987). ¨ C Arzte 2, 3

Bruhn, Christian Nis Nikolaus, Kieferchirurg, Dentist, * 9. 1. 1868 Segeberg (Holstein), † 27. 8. 1942 D¨usseldorf. Nach dem Studium der Zahnheilkunde an den Universit¨aten Berlin und W¨urzburg wurde B. 1888 in M¨unchen approbiert. Er war Assistent in M¨unchen, Karlsruhe und Darmstadt, habilitierte sich 1908 an der D¨usseldorfer Akademie f¨ur praktische Medizin f¨ur Zahnheilkunde und wurde dort 1923 zum a. o. Prof., 1924 zum o. Prof. der Kiefer- und Zahnheilkunde berufen. B. gr¨undete die Westdeutsche Kieferklinik, die 1923 von der Stadt D¨usseldorf u¨ bernommen wurde, und gab Die heutigen Behandlungswege der Kieferschußverletzungen (10 Hefte, 1915-18) und ein Handbuch ¨ der Zahnheilkunde (3 Bde., 1926) heraus. 2, 3 C Arzte Bruhn, David, evang. Theologe, Liederdichter, * 30. 9. 1727 Memel, † 27. 4. 1782 Berlin. Der Kaufmannssohn studierte seit 1743 in K¨onigsberg, seit 1747 in Halle / Saale Theologie und war Siegmund Jakob → Baumgartens Sch¨uler und Bibliothekar. 1750 wurde er Konrektor am C¨ollnischen Gymnasium in Berlin, 1752 Prediger an der dortigen Kadettenanstalt, 1754 Diakon und 1756 Archidiakon der Berliner Marienkirche. B. u¨ berarbeitete und verfaßte Lieder, gab Predigten und Erbauungsschriften heraus und war Mit¨ubersetzer der von Baumgarten herausgegebenen Allgemeinen Welthistorie. C BBKL Bruhn, Richard, Industrieller, * 25. 6. 1886 Cismar (Schleswig-Holstein), † 8. 7. 1964 D¨usseldorf. B. studierte Staatswissenschaften und wurde 1926 in Kiel mit der Arbeit Zur wirtschaftlichen Lage der gewerblichen Arbeiterschaft in Deutschland und im Kriege 1914-18 zum Dr. rer. pol. promoviert. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte er leitende Stellungen in verschiedenen Industrieunternehmen inne, bevor er 1930 Mitglied des Aufsichtsrats der Zschopauer Motorenwerke J. S. Rasmussen wurde. Mit seiner Beteiligung kam 1932 der Zusammenschluß von Audi, DKW, Horch und Wanderer zur Auto-Union (25 000 Besch¨aftigte) zustande. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs war er Wehrwirtschaftsf¨uhrer. Nach dem Krieg und dem Verlust der Produktionsst¨atten im Osten Deutschlands gelang B. 1948 / 49 der Wiederaufbau des Konzerns, nunmehr mit dem Stammsitz Ingolstadt und weiteren Werken in M¨unchen, N¨urnberg, Frankfurt, Hannover und Berlin. 1953 wurde B. mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Bruhn, Wilhelm, Verleger, Politiker, * 18. 1. 1869 Saal (Pommern), † 20. 10. 1951 Berlin. B. besuchte 1886-89 das Lehrerseminar in Franzburg, leistete 1889 Milit¨ardienst in Stralsund und war 1889-94 Lehrer. Daneben im Zeitungs- und Druckereibetrieb t¨atig, wurde er 1895 Verleger in Berlin und Herausgeber der „Staatsb¨urger-Zeitung“. 1903-18 war er Reichstagsmitglied f¨ur die Deutsch-Nationale Partei und geh¨orte dann der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, seit 1920 wieder dem Reichstag an. C MdR

Bruhns, Carl, Dermatologe, * 24. 11. 1869 Leipzig, † 27. 1. 1934 Berlin. Nach dem Medizinstudium in Leipzig wurde B. 1893 promoviert. Als Assistent war er 1893-95 an der Leipziger Medizinischen Klinik, bis 1896 an der Dermatologischen Klinik in Bern, bis 1903 an der Berliner Universit¨ats- und Poliklinik f¨ur Syphilis und Hautkrankheiten t¨atig. 1900 habilitierte er sich f¨ur Dermatologie und wurde 1908 Titularprofessor und Direktor am Charlottenburger Krankenhaus, 1922 Extraordinarius. B. ver¨offentlichte zahlreiche Arbeiten auf dem Gebiet der Syphilidologie, u. a. mit Arthur Alexander Allgemeine Mykologie (in: Handbuch der Haut- und Geschlechtskrank¨ heiten, Bd. 11). 2, 3 C Arzte Bruhns, Karl Christian, Astronom, * 22. 11. 1830 Pl¨on (Holstein), † 25. 7. 1881 Leipzig. B. erlernte wie sein Vater das Schlosserhandwerk, arbeitete als Mechaniker bei Siemens & Halske und war nach dem Studium seit 1852 Observator an der Sternwarte in Berlin. Er habilitierte sich, lehrte seit 1859 als Privatdozent an der Berliner Univ. und wurde 1860 a. o. Prof. an der Univ. Leipzig. 1867 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. Seit 1868 war er Ordinarius f¨ur Astronomie und Direktor der unter seiner Leitung erbauten Sternwarte. Er geh¨orte der Preuß. Gradmessungskommission an und war 1863 Mitbegr¨under des ersten deutschen meteorologischen Beobachtungssystems in Sachsen. B. entdeckte u. a. sechs Kometen und bestimmte die Bahnelemente schon bekannter Planetoiden und Kometen genauer. Er vero¨ ffentlichte u. a. Geschichte und Beschreibung der Leipziger Sternwarte (1861), Atlas der Astronomie (1872) und Catalog der Bibliothek der Astronomischen Gesellschaft (1880). C SHBL, Bd 3 Bruhns, Leopold Paul, Kunsthistoriker, Bibliothekar, * 13. 11. 1884 Nissi (Estland), † 27. 12. 1957 Rom. B. studierte an den Universit¨aten Dorpat, Bonn, Freiburg / Breisgau, Basel und W¨urzburg, wo er 1913 promoviert wurde. 1920 habilitierte er sich in Frankfurt / Main und war dort bis 1924 Dozent f¨ur Kunstgeschichte, 1924-27 Prof. der Kunstgeschichte in Rostock, 1927-34 in Leipzig und 1934-53 Leiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts f¨ur Kunstgeschichte (Bibliotheca Hertziana) in Rom. B. hinterließ ein umfangreiches Werk, darunter eine Geschichte der Kunst, an ihren Meisterwerken dargestellt (8 Bde., 1927-32; neu bearb. Aufl., 6 Bde., 1954 / 55; auch als Die Meisterwerke erschienen). Bruhns, Nicolaus, auch Bruns, Komponist, Musiker, * Dezember 1665 Schwabstedt bei Husum, † 29. 3. 1697 Husum. B. entstammte einem schleswig-holsteinischen Musikergeschlecht, erhielt den ersten Unterricht bei seinem Vater und kam mit 16 Jahren zur Ausbildung zu seinem Onkel, einem Violinisten der Ratsmusik in L¨ubeck und Mitarbeiter Dietrich → Buxtehudes, der B. in Orgel und Komposition unterwies. Nach Wanderjahren als Orgel- und Geigenvirtuose – u. a. als Organist in Kopenhagen – erhielt er 1689 das Organistenamt der Stadtkirche in Husum. B. komponierte Orgelwerke und Kantaten; sein Gesamtwerk wurde von Fritz → Stein herausgegeben (2 Bde., 1937-39). C SHBL, Bd 5 Bruhs, Hubert, Bildhauer, * 22. 9. 1922 K¨oln, † 3. 7. 2005 Windeck. B. lernte Bildhauerei und keramisches Arbeiten an der Werkschule K¨oln und studierte Architektur an der K¨olner Staatsbauschule. Nach dem Verlust eines Großteils seiner Sehkraft im Zweiten Weltkrieg wandte er sich der Bildhauerei zu. Zu seinen bedeutendsten Arbeiten z¨ahlen die 1959-62 geschaffenen acht Engel am K¨olner Dom. Weitere Werke f¨ur

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Bruiningk den o¨ ffentlichen Raum folgten; besonderes Aufsehen erregten das monumentale Ziegelrelief Der Rat am Rathaus der Stadt H¨urth und die zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus 1983 dort errichtete Bronzeskulptur Der Schrei. B. wurde 1980 mit dem Kulturpreis der Stadt H¨urth und 1992 mit dem Kulturpreis des Rhein-Erft-Kreises ausgezeichnet.

¨ er 1836 die Uberweisung der textlosen Holzschnitt- und Kupferschnitt-Inkunabeln der Bayerische Staatsbibliothek an das Kupferstichkabinett erreichte. B. ver¨offentlichte u. a. ein Dictionnaire des monogrammes [. . .] (2 Bde., 1817) und leistete Vorarbeiten f¨ur Georg Kapsar → Naglers Monogrammisten. Er war der Vater von Karl Johann → B. C AKL

Bruiningk, Heinrich, Bischof der Br¨udergemeine,

Prulliot, Maler, * 1739 Mannheim, † 1827 M¨unchen. B., Vater von Franz → B., war Prof. an der D¨usseldorfer Kunstakademie sowie Inspektor der dortigen Galerie. Er folgte der Galerie in gleicher Stellung, als diese 1805 nach M¨unchen verlegt wurde. Die meisten seiner Werke entstanden in D¨usseldorf; ein Teil seiner Arbeiten wurde bei einem Brand 1794 vernichtet. Die Sammlung der D¨usseldorfer Kunstakademie bewahrt das Werk Abraham will den Isaak opfern. C AKL

* 1738, † 1785 Herrnhut. B. wurde als Vierzehnj¨ahriger in die Br¨udergemeine aufgenommen und bereitete sich im Seminar von Barby auf den Kirchendienst vor. Er wurde Diakon und Pfleger der ledigen Br¨uder in Gnadenfrei, ging 1769 als Prediger nach Zeist und kehrte 1777 nach Gnadenfrei zur¨uck. 1782 wurde er zum Bischof der Br¨udergemeine geweiht. B. war der Vater von Heinrich Friedrich von → B.

Bruiningk, Heinrich Friedrich Frh. von, auch Bruinigk, Bischof der Br¨udergemeine, Agrar¨okonom, * 29. 12. 1773 Utrecht (Niederlande), † 19. 3. 1850 Landeshut (Schlesien). Der Sohn Heinrich → B.s war nach der Ausbildung am P¨adagogium und Theologischen Seminar zu Niesky und Barby zun¨achst als Lehrer t¨atig. Seit 1795 studierte er in Leipzig Verwaltungswissenschaft und trat 1796 in die Verwaltung der Herzoglich Anhalt-Dessauischen G¨uter ein. 1814 wurde er Prediger in Reichenstein, 1819 in Landeshut, wo er zuletzt Pastor primarius war. Er schrieb u¨ ber agrar¨okonomische Fragen (Bemerkungen u¨ ber das landwirtschaftli¨ che System der Anhalt-Dessauischen Okonomie zu W¨orlitz, in Briefen, 1808) und ver¨offentlichte u. a. Ideen im Geiste des wahren Herrnhutianismus [. . .] (1812). Brukenthal, Samuel Frh. von, auch Bruckenthal, o¨ sterr. Diplomat, * 26. 7. 1721 Leschkirch, † 9. 4. 1803 Hermannstadt. Der aus einer alteingesessenen siebenb¨urgischen K¨onigsrichterfamilie stammende B. studierte 1743-45 in Halle / Saale und Jena Jura. Danach in s¨achsichen Diensten, trat er 1754 in den staatlichen Verwaltungsdienst des Guberniums in Hermannstadt ein. 1762 war er siebenb¨urgischer Provinzialkanzler, 1765-74 Leiter der Siebenb¨urgischen Hofkanzlei in Wien, 1774-77 Pr¨ases des Guberniums und 1777-87 Landesgouverneur. Seine Ablehnung der Reformen → Josephs II. f¨uhrten 1787 zu seiner Entlassung. C Sutter Brukner, Fritz, o¨ sterr. Literaturwissenschaftler, Schriftsteller, Verleger, * 3. 8. 1881 Wien, † 4. 7. 1944 Wien. Der Fabrikantensohn studierte an der Wiener Univ. Jura und wurde 1906 promoviert. 1909 gab er zwei unbekannte St¨ucke Johann → Nestroys neu heraus und ließ 1910 eine vierteilige Nestroy-Ausgabe, 1914 eine Ausgabe der Liebesbriefe Ferdinand → Raimunds sowie 1921 eine siebenb¨andige Raimund-Gesamtausgabe, die er gemeinsam mit Eduard Friedrich Ferdinand → Castle redigiert hatte, folgen. Im selben Jahr erschienen die ersten B¨ande von Nestroys S¨amtlichen Werken (15 Bde., 1924-30). B., der am Ersten Weltkrieg als Oberleutnant teilnahm, war seit 1913 Teilhaber des Schrollschen Kunstverlags. 1938 wurde er mit Berufsverbot belegt. C Kosch: Theater Brulliot, Franz (Josef Augustinus), auch Bruillot, Franciscus, Kupferstecher, Kunsthistoriker, * 16. 2. 1780 D¨usseldorf, † 13. 11. 1836 M¨unchen. B., Sohn Joseph → B.s, besuchte die Kunstakademie in D¨usseldorf, 1805 die in M¨unchen. Seit 1808 war er Assistent am M¨unchner Kupferstichkabinett, begann mit der Katalogisierung der Best¨ande nach Adam von → Bartsch und wurde 1822 Konservator. Er machte sich durch bedeutende Ank¨aufe und eine Gesamtinventarisierung bis 1834 um den Ausbau der Sammlung verdient sowie dadurch, daß

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Brulliot, Joseph (August), auch Broulliot, Bruillot,

Brulliot, Karl Johann, S¨anger, Regisseur, * 31. 7. 1831 M¨unchen, † 23. 3. 1897 M¨unchen. Der Sohn des Konservators Franz → B. begann in M¨unchen Jura und zugleich Gesang am dortigen Konservatorium zu studieren. 1853 von Eduard → Devrient als Erster Baß f¨ur das Karlsruher Hoftheater verpflichtet und 1859 zum Opernregisseur bestellt, wechselte B. 1873 an das M¨unchner Hoftheater, wo er zu Beginn als S¨anger, sp¨ater als Schauspieler, vor allem aber als Regisseur t¨atig war. Er inszenierte dort mehr als 30 Opern, darunter die Premieren der Opern Siegfried (1878) und Die G¨otterd¨ammerung (1878) von Richard → Wagner. 1892 nahm er Abschied vom Theater und unterrichtete bis zu seinem Tod an der Kgl. Musikschule in M¨unchen. B. war mit der Koloraturs¨angerin Anna Braunhofer, geb. Masius, verheiratet. C Kutsch

Brumbey, Karl Wilhelm, evang. Theologe, Dichter, * 24. 1. 1757 Dresden, † zwischen 1826 und 1834 Berlin. B. studierte in Halle, wurde 1785 Diakon in Alt-Landsberg, sp¨ater Pastor in Buchholz und Wiesendahl und kam 1788 als dritter Prediger an die Jerusalems- und Neue Kirche in Berlin. Streitigkeiten in der Kirchengemeinde und mit den Vorgesetzten zwangen ihn 1796, sein Amt niederzulegen. Sp¨ater mußte B. sogar Preußen auf Befehl des K¨onigs verlassen. Erst nach dem Tod → Friedrich Wilhelms II. erhielt er die Erlaubnis zur R¨uckkehr. B. ver¨offentlichte von der Aufkl¨arung beeinflußte Kom¨odien, geistliche Lieder, Erbau¨ ungsschriften, Ubersetzungen, Musikspiele und Biographien; er schrieb die Rechtfertigungsschrift Aktenm¨aßige Darstellungen der Ideen, Handlungen und endlichen Schicksale des demittierten Predigers Brumbey und seines Anhangs zu Berlin (1797).

Brumhard, August, Forstwissenschaftler, * 12. 9. 1803 Bromskirchen (Kr. Frankenberg), † 26. 3. 1858 Offenbach. Der Sohn eines Theologen besuchte nach Abschluß der Forstlehre (1822 / 23) in K¨onigstadt / Main die Forstlehranstalt in Aschaffenburg und 1826-28 die Univ. Marburg. B. war mit verschiedenen Waldteilungen sowie Revierverwaltungen besch¨aftigt und schrieb f¨ur die „Forst- und Jagdzeitung“. 1833 ver¨offentlichte er einen Versuch zur Begr¨undung einer zeitgem¨aßen Forststrafgesetzgebung. Mit besonderer R¨ucksicht auf das Großherzogtum Hessen entworfen und wurde 1837 Revier-, sp¨ater Oberf¨orster in Rainrod. Er war Herausgeber dreier Hefte der „Beitr¨age zur praktischen Forst- und Jagdwissenschaft“ (1846, 1849, 1852). 1843 lehnte B. den Ruf als Prof. der Forstwissenschaft an das Polytechnikum in Karlsruhe ab. C ADB Brummer, Friedrich, Jurist, * Februar 1642 Leipzig, † 3. 12. 1668 bei Lyon. Der Kaufmannssohn war Sch¨uler und Freund von Thomas → Reinesius. Er studierte seit 1660 an den Universit¨aten

Brunck Jena und Leipzig Rechtswissenschaften und begab sich 1666 auf Studienreisen, die ihn u¨ ber Hamburg und die Niederlande nach Frankreich f¨uhrten. B. lebte einige Zeit in Paris und ver¨offentlichte einen Commentarius ad legem Ciniam (1668). Auf dem Weg nach Italien ertrank er bei Lyon. Georg → Beyer gab seine Werke heraus (Brummeriana, sive opuscula iuridico-historico-philologica, 1712). C ADB

→ Bruckner beeinflußt, komponierte B. haupts¨achlich Symphonien. Erst sp¨ater wandte er sich auch kleineren, vornehmlich konzertanten Formen zu, darunter einigen Chors¨atzen. Er gilt als einer der bedeutendsten schweizer. Symphoniker seiner Zeit. C MGG

Brun, Georg, Dramatiker, * um 1500, † 1552 Freiburg

Brun, Graf von Egisheim und Dagsburg, Bischof von Toul → Leo IX., Papst

(Schweiz). B. lebte nachweislich von 1539 bis zu seinem Tod in Freiburg (Schweiz) und wirkte dort als Schulmeister. Sein Drama in alemannischen Knittelversen Die Geschichte des Propheten Danielis wurde 1544 aufgef¨uhrt und im folgenden Jahr bei Matthias → Apiarius in Bern gedruckt. C NDB

Brun von Querfurt, auch Bruns, genannt Bonifatius,

Brun, Rudolf → Rudolf Brun

Missionar, * um 974 Querfurt, † 9. 3. 1009 Sudauen (?). B., der mit dem s¨achsischen Kaiserhaus verwandt war, erhielt eine geistliche Ausbildung als Domsch¨uler in Magdeburg und wurde Kanoniker und 995, nach anderen Quellen 997, als Domherr in die Hofkapelle → Ottos III. aufgenommen. Er begleitete den Kaiser 996 / 97 auf dessen Italienreise. In Rom wendete sich sein Leben. Der politisch einflußreiche Geistliche wurde M¨onch und faßte den Entschluß, die Missionsarbeit des 997 als M¨artyrer gestorbenen → Adalbert von Prag bei den Preußen fortzusetzen. Papst Silvester II. ernannte ihn zum Erzbischof der o¨ stlichen Heiden, und sowohl → Heinrich II. als auch Herzog Bolesław von Polen sagten ihm Unterst¨utzung zu. Doch die politischen Auseinandersetzungen zwischen den Genannten hinderten B. an der Umsetzung seiner Pl¨ane. So wandte er sich 1003 zun¨achst nach Siebenb¨urgen, missionierte seit 1005 in Ungarn und S¨udrußland, bevor er 1009 nach Preußen aufbrach und dort nur einige Wochen sp¨ater den M¨artyrertod fand. B. verfaßte eine Biographie Adalberts von Prag. C TRE

Brun, Sophie Christiane Friederike, geb. M¨unter,

Brun → auch Bruno Brun von K¨arnten → Gregor V., Papst

Brun von Sch¨onebeck, Dichter, 13. Jh. B. entstammte einem f¨uhrenden Patriziergeschlecht Magdeburgs. Er organisierte in j¨ungeren Jahren ein Ritterfest, bei dem die Teilnehmer in der Rolle von Artus- und Gralsrittern auftraten. Dessen Darstellung durch B. (in der Magdeburger Sch¨oppenchronik bezeugt) ist verloren. Vollst¨andig u¨ berliefert ist einzig seine 1275 / 76 entstandene Auslegung des Hohen Lieds (12 719 Verse), die sich an ein patrizischh¨ofisches Publikum wendet. Schlichter sind die anderen religi¨osen Dichtungen B.s (u. a. eine Ave Maria-Auslegung), die vermutlich a¨ lter sind. C VL

Brun, Alphonse Aim´e, Musiker, Konservatoriumsdirektor, * 25. 10. 1888 Frankfurt / Main, † 27. 3. 1963 Bern. B. war Violinsch¨uler seines Vaters Alphonse B., bevor er 1908-12 an der Berliner Hochschule f¨ur Musik bei Karl → Klingler, Carl → Flesch und Adolf → Busch studierte. 1912 wurde er Konzertmeister der Bernischen Musikgesellschaft, 1925 Direktor des Konservatoriums f¨ur Musik in Bern. Mit dem von ihm 1916 gegr¨undeten Berner Streichquartett unternahm er Konzertreisen in ganz Europa.

Brun, Fritz, Komponist, Dirigent, Musiker, * 18. 8. 1878 Luzern, † 29. 11. 1959 Grossh¨ochstetten (Kt. Bern). B. studierte u. a. als Sch¨uler von Franz → W¨ullner 1896-1901 am Musikkonservatorium in K¨oln, unternahm danach Studienreisen nach Berlin und London, war 1902 / 03 Klavier- und Theorielehrer am Konservatorium Dortmund und ging dann als Klavierlehrer an die Musikschule in Bern. Seit 1906 dort Dirigent des gemischten Chores „C¨acilienverein“ und der „Liedertafel“, wurde er 1909 Dirigent der Symphoniekonzerte der Bernischen Musikgesellschaft. Diese Aufgaben legte er 1941 nieder, um sich ganz seiner kompositorischen Arbeit zu widmen. Von → Brahms und

Schriftstellerin, * 3. 6. 1765 Gr¨afentonna (Th¨uringen), † 25. 3. 1835 Kopenhagen. Aufgewachsen als Tochter des geistlichen Dichters und Predigers an der deutschen St. Petrikirche in Kopenhagen, Balthasar M¨unter, heiratete B. 1783 den Kaufmann und d¨anischen Konsul in St. Petersburg Konstantin B. Sie unternahm zahlreiche Reisen nach S¨udeuropa und lebte zeitweilig in der Schweiz und in Rom, wo sie u. a. mit Angelica → Kauffmann befreundet war. 1810 kehrte sie nach Kopenhagen zur¨uck. 1795 erschienen ihre von Friedrich → Matthisson herausgegebenen empfindsamen Gedichte. Ihre Tageb¨ucher und Reisebeschreibungen (Episoden aus Reisen, 4 Bde., 1808-14; R¨omisches Leben, 1833) sowie die Autobiographie Wahrheit aus Morgentr¨aumen und Idas a¨ sthetische Entwicklung (1824) schildern u. a. zahlreiche Begegnungen mit bedeutenden Zeitgenossen, darunter mit → Goethe, den sie 1795 in Karlsbad kennengelernt hatte und der B.s Gedicht Ich denke dein zu N¨ahe des Geliebten umschrieb. C Killy

Brunau, Andreas, B¨urgermeister, * um 1400 Pommern, † nach 1456. B. wurde 1436 erstmals als Sch¨offenmeister in K¨onigsbergAltstadt erw¨ahnt, 1438 als Ratsherr, 1445-55 als B¨urgermeister. Er war ein wohlhabender Handelsherr und Mitbegr¨under des Preußischen Bundes 1440. B. z¨ahlte zu den F¨uhrern der ordensfeindlichen Partei und zur Gesandtschaft des Bundes an den kaiserlichen Hof 1452. Er war an der Bundesgesandtschaft, die 1454 K¨onig Kasimir von Polen die Herrschaft u¨ ber Preußen anbot, nicht beteiligt, geh¨orte jedoch zu den Bevollm¨achtigten, die die Krakauer Beschl¨usse in Thorn ratifizierten. Die ordensfeindliche Politik B.s wurde von der Mehrzahl der Altstadt-K¨onigsberger B¨urger nicht gebilligt; der Aufstand im M¨arz 1455 f¨uhrte zur Wiederanerkennung der Ordensherrschaft und zur Vertreibung des Rats. C Altpreuß Biogr, Bd 1

Brunchorst, Christoph, evang. Theologe, Liederdichter, * 13. 11. 1604 Erfurt, † 26. 3. 1664 Gotha. Nach seinem Studium in Erfurt und Jena wurde B. 1628 Pfarrer in Ehreshausen (Eichsfeld), sp¨ater in T¨opfern. Seit 1634 Inspektor und Konsistorialassessor in Heiligenstadt, mußte er 1636, als das Eichsfeld erneut unter die Herrschaft des Kurf¨ursten von Mainz kam, weichen und ging nach Weimar, wo er an der sogenannten „Ernestinischen Bibel“ mitarbeitete. B. wurde Pfarrer in Hohlstedt, 1640 Hofprediger und Konsistorialassessor in Gotha. Er schrieb Buß- und Klagelieder, die in Christliche Vorstellung der hohen geistlichen Anfechtungen (1663) ver¨offentlicht wurden. C BBKL Brunck, Constantin, Dirigent, Gesangsp¨adagoge, Komponist, * 30. 5. 1884 N¨urnberg, † 23. 5. 1964 N¨urnberg. Nach einer Apothekerlehre begann B. 1901 an der Musikschule seiner Heimatstadt mit dem Musikstudium, das

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Brunck er 1905-09 in Berlin u. a. als Meistersch¨uler von Engelbert → Humperdinck fortsetzte. W¨ahrend der folgenden zwei Studienjahre am Kgl. Konservatorium in Mailand bei Giuseppe Frugatta dirigierte er den deutschen Chorverein Mailand. 1911 kehrte B. nach N¨urnberg zur¨uck, leitete dort verschiedene Arbeiterch¨ore, schrieb f¨ur die „Fr¨ankische Tagespost“ und unterrichtete an der st¨adtischen Volkshochschule. Seit 1925 leitete er die Musik-Volksb¨ucherei N¨urnberg. B. komponierte u. a. Lieder und Klavierwerke sowie St¨ucke f¨ur kleines Orchester.

Brunck, Heinrich von, Chemiker, Industrieller, * 26. 3. 1847 Winterborn (Pfalz), † 4. 12. 1911 Ludwigshafen. Aus einer pf¨alzischen Bauernfamilie stammend, studierte B. seit 1863 in Z¨urich, Gent und T¨ubingen Chemie, wurde 1867 ¨ mit der Arbeit Uber einige Abk¨ommlinge des Phenols promoviert und arbeitete die folgenden zwei Jahre bei der Firma de Ha¨en in List bei Hannover. Seit 1869 als Chemiker in der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik (BASF) t¨atig, wurde er 1873 Leiter der Filiale in Hochfeld bei Duisburg, 1875 Leiter der Alizarin-Abteilung des Hauptwerkes, 1879 Prokurist, 1884 leitender technischer Direktor und 1907 Aufsichtsratsvorsitzender. B. erwarb sich große Verdienste um die Entwicklung der synthetischen Farbstoffe (besonders der technischen Synthese des Indigos) und des Kontaktverfahrens zur Herstellung von Schwefels¨aure. 1908 betraute er Carl → Bosch mit der Entwicklung der großtechnischen Ammoniaksynthese. Er errichtete u. a. 1892 die Lungenheilst¨atte der BASF in Dannenfels (Pfalz). 1905 wurde B. in den pers¨onlichen Adel erhoben, 1907 zum Geheimen Kommerzienrat ernannt. C NDB Brunck, Otto, Chemiker, * 4. 7. 1866 Kirchheimbolanden (Pfalz), † 29. 1. 1946 Freiberg (Sachsen). B., Neffe von Heinrich von → B., studierte 1884-89 an der TH M¨unchen Chemie, war 1890 Assistent am Chemischen Institut der Univ. Erlangen, wurde 1892 mit der Arbeit Ueber einige Derivate des Diphenylparaphenylendiamins promoviert und ging zur Vervollkommnung seiner Kenntnisse 1892 an das Chemische Laboratorium der Bergakademie Freiberg, wo er 1893 erster Assistent und Privatdozent wurde. 1896 erfolgte seine Berufung zum a. o. Prof., 1902 zum o. Prof. der Chemie. Er widmete sich besonders der Analyse von Metallen und entwickelte 1905 eine Methode zur Bestimmung des Schwefelgehalts der Kohle. B. ver¨offentlichte u. a. Die chemische Untersuchung der Grubenwetter (1908), Vorkommen, Gewinnung und Verarbeitung deutschen Roh¨oles auf Schmier¨ole (1935) und Quantitative Analyse (1936). C NDB Brunckhorst, Arnold Matthias, Komponist, * um 1670 Celle / Wietzendorf (?), † 1725 Hannover (?). B. wirkte zun¨achst seit 1693 als Organist an verschiedenen Kirchen in Hildesheim. 1697 berief ihn Herzog → Georg Wilhelm von Braunschweig-L¨uneburg an die Stadtkirche in Celle. 1720 ging B. nach Hannover, wo er unter Kurf¨urst → Georg Ludwig von Hannover als Hoforganist und Orgelgutachter t¨atig war. Daneben schuf er Kompositionen, die norddeutsche, th¨uringische und italienische (Scarlatti) Einfl¨usse aufweisen. Viele seiner Werke, darunter eine Passion, sind verschollen. Bekannt sind eine Cembalo-Sonate, ein Orgel-Pr¨aludium mit Fuge sowie Festtagsoratorien. C MGG Brundert, Willi, Politiker, Jurist, * 12. 6. 1912 Magdeburg, † 7. 5. 1970 Frankfurt / Main. Der Sohn eines Buchhalters studierte in Halle und Frankfurt / Main Rechtswissenschaft und wurde 1935 in Hamburg promoviert. Seit 1930 Mitglied der SPD und des Reichsbanners, geh¨orte er w¨ahrend der nationalsozialistischen Diktatur

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zum Widerstandskreis um Carlo → Mierendorff und Theodor → Haubach. Nach der R¨uckkehr aus britischer Kriegsgefangenschaft arbeitete er seit 1946 als Ministerialdirektor im Wirtschaftsministerium des Landes Sachsen-Anhalt und lehrte daneben seit 1948 als Prof. an der Univ. Halle. In einem Schauprozeß in Dessau 1950 wegen „Wirtschaftsspionage“ zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, wurde B. 1957 in die Bundesrepublik Deutschland entlassen und u¨ bernahm 1958 die Leitung der hessischen Landesfinanzschule in Rotenburg / Fulda. 1963 berief in August → Zinn zum Leiter der hessischen Staatskanzlei. Im folgenden Jahr zum Oberb¨urgermeister von Frankfurt gew¨ahlt, hatte er das Amt bis 1970 inne. B. war Pr¨asident des Deutschen St¨adtetags sowie Pr¨asident des Deutschen B¨uhnenvereins. Er schrieb u. a. Es begann im Theater (1958) und Rechtsstaat und Unrechtssystem (1963). C MBL

Brunetti-Pisano, August, o¨ sterr. Schriftsteller, Komponist, * 24. 10. 1870 St. Gilgen (Salzburg), † 1. 9. 1943 Salzburg. Der Sohn eines Steuerverwalters war Sch¨uler Joseph Gabriel → Rheinbergers an der Akademie f¨ur Tonkunst in M¨unchen. Er war Lehrer u. a. in Adnet und Salzburg, wo er nach seiner Pensionierung 1908 als freier Dichter und Komponist lebte. B.-P. schuf vier Musikdramen, darunter Liebesopfer (1912) nach der Vorlage von → Kleists K¨athchen von Heilbronn.

Brunfels, Otto, luth. Prediger, Lehrer, Arzt, Botaniker, * um 1489 Mainz, † 23. 11. 1534 Bern. Nachdem der Sohn eines K¨ufers in Mainz den Magistergrad erlangt hatte, trat er in das Straßburger Kart¨auserkloster ein. Sein Bekenntnis zu → Luther veranlaßte ihn jedoch 1521 zur Flucht, und zwar mit Hilfe Ulrichs von → Hutten, der ihm eine Pfarrstelle in Steinau bei Schl¨uchtern besorgte. Kurz darauf wieder auf der Flucht, wirkte B. anschließend als Prediger in Neuenburg / Breisgau, bis er 1524 das B¨urgerrecht in Straßburg erwarb, wo er die n¨achsten Jahre als Schullehrer verbrachte. Wiewohl schon in fortgeschrittenem Alter, absolvierte er in Basel noch seine Promotion zum Dr. med., um Ende 1533 einem Ruf als Stadtarzt nach Bern zu folgen. Obgleich B., der Beziehungen zu zahlreichen bekannten Pers¨onlichkeiten unterhielt, eine F¨ulle von theologischen, p¨adagogischen und medizinischen Schriften hinterlassen und ¨ sich auch als Ubersetzer sowie Herausgeber bet¨atigt hat, verdankt er seine bleibende Bedeutung im wesentlichen seinem (mehrfach aufgelegten) botanischen Werk, das zumindest f¨ur Deutschland als der erste Versuch einer nach humanistischen Grunds¨atzen betriebenen Pflanzenkunde gelten darf. So vero¨ ffentlichte er 1530 in Straßburg unter dem Titel Herbarum vivae eicones [. . .] ein lateinisches Kr¨auterbuch, dem 1532 ein zweiter und 1536 postum ein dritter Band folgten. Das Verdienst, damit ein tragf¨ahiges Fundament f¨ur die k¨unftige Entwicklung der noch rein medizinisch-pharmazeutisch ausgerichteten ‚res herbaria‘ zu einer autonomen Naturwissenschaft gelegt zu haben, geb¨uhrt B. freilich keineswegs allein. Vielmehr machen den Hauptwert dieses Werkes die von Hans → Weiditz d. J. angefertigten Illustrationen aus, die alle bis dahin gedruckten, meist grob schematisierenden Pflanzenabbildungen an Naturtreue weit u¨ bertreffen. Demgegen¨uber bringt der Text kaum Neues, da B. – wie damals u¨ blich – die heimische Flora in erster Linie nach den Angaben der antiken Autorit¨aten zu identifizieren suchte, wobei

Brunn er allerdings auch schon Fachschriften italienischer Humanisten sowie deutscher Zeitgenossen heranzog und bisweilen sogar eigenes Naturstudium erkennen l¨aßt. Deutlicher treten solch selbst¨andige Beobachtungen und Ansichten hingegen in B.’ deutsch abgefaßtem und daher nicht zuletzt f¨ur Laien gedachtem Contrafayt Kre¨uterb˚uch hervor, das 1532 ebenfalls in Straßburg erschien und 1537 durch einen zweiten Teil aus seinem Nachlaß erg¨anzt wurde (Neudr. 1964). Wenn B. auch der scholastisch-mittelalterlichen Tradition noch durchaus verpflichtet war und die von ihm angewandte philologisch-vergleichende Forschungsmethode eine pers¨onlich-kritische Urteilsbildung weitgehend verhinderte, so stellt sein botanisches Werk – fast ein halbes Jahrhundert nach den Mainzer ‚Herbarius‘-, ‚Gart‘- und ‚Hortus‘Drucken – gleichwohl das fr¨uheste Zeugnis der neuzeitlichen Kr¨auterbuchliteratur dar. Zu Recht er¨offnet B. deshalb (zusammen mit seinen unmittelbaren Nachfolgern auf diesem Gebiet: Hieronymus → Bock und Leonhart → Fuchs) die Reihe der sogenannten Deutschen V¨ater der Pflanzenkunde. LITERATUR: VD 16, B 8462-8578. – F[riedrich] W[ilhelm] E[mil] Roth: Die Schriften des O. B. 1519-1536. In: Jahrbuch f¨ur Geschichte, Sprache und Litteratur Elsass-Lothringens 16 (1900) S. 257-288. – T. A. Sprague: The Herbal of O. B. In: The Linnean Society’s Journal – Botany 48 (1928) S. 79-124. – Jerry Stannard: B., O. In: DSB, Bd. 2, 1970, S. 535-538 (mit einer Bibliographie der Prim¨ar- und der Sekund¨arliteratur). – Carlo Ginzburg: Il nicodemismo. Turin 1970, S. 3-60 (zur Theologie von O. B.). – Jean-Claude Margolin: O. B. dans le milieu e´ vang´elique rh´enan. In: Georges Livet / Francis Rapp (Hrsg.): Strasbourg au cœur religieux du XVI si`ecle. Straßburg 1977, S. 111-141. – Gerhard Baader: Mittelalter und Neuzeit im Werk von O. B. In: Medizinhistorisches Journal 13 (1978) S. 186-203. – Peter Dilg: Die ‚Reformation der Apotecken‘ (1536) des Berner Stadtarztes O. B. In: Gesnerus 36 (1979) S. 181-205. – Sylvia Weigelt: O. B. Seine Wirksamkeit in der fr¨uhb¨urgerlichen Revolution unter besonderer Ber¨ucksichtigung seiner Flugschrift ‚Vom Pfaffenzehnten‘. Stuttgart 1986. – Joachim Telle: B., O. In: Killy, Bd. 2, 1989, S. 260 f. Peter Dilg

Brunhuber, August David, Ophthalmologe, Geologe, * 23. 1. 1851 Burghausen (Oberbayern), † 15. 2. 1928 Regensburg. B., Sohn eines Bataillonsauditeurs, studierte 1869-73 an den Universit¨aten M¨unchen und Freiburg / Breisgau Medizin, war 1874-76 Assistent in Freiburg, wurde dort 1875 promoviert und ging zur Vervollkommnung seiner Kenntnisse 1876 / 77 nach Breslau. 1877 ließ er sich in Regensburg nieder und gr¨undete eine Praxis, 1881 eine Augenklinik. Seit 1872 Mitglied des Naturwissenschaftlichen Vereins Regensburg, 1900-20 dessen Vorsitzender, wurde B. zu einem hervorragendem Kenner der geologischen Verh¨altnisse Regensburgs sowie der gesamten Oberpfalz. Er ver¨offentlichte u. a. Das B¨uchlein vom gesunden und kranken Auge (1890, 41903) und Die geologischen Verh¨altnisse von Regensburg und Umgebung (1917, 21921). C NDB

Brunies, Stephan, schweizer. Botaniker, * 18. 2. 1877 Cinuos-chel (Kt. Graub¨unden), † 12. 3. 1953 Basel. Nach naturwissenschaftlichen Studien an den Universit¨aten Breslau und Z¨urich war B. seit 1908 als Lehrer in Basel t¨atig. 1909-35 wirkte er als Erster Sekret¨ar des Schweizerischen Bundes f¨ur Naturschutz (SBN) und bem¨uhte sich um die Verbreitung des Nationalparkgedankens. B. gr¨undete 1926 die „Schweizerischen Bl¨atter f¨ur Naturschutz“ und war bis zur R¨uckkehr in den Schuldienst Redakteur der offiziellen SBN-Zeitung „Schweizer Naturschutz“. 1914-41 geh¨orte er der Eidgen¨ossischen Nationalparkkommission an und war Oberaufseher des Nationalparks. B. ver¨offentlichte u. a. Der

schweizerische Nationalpark (1914), Streifz¨uge durch den Schweizerischen Nationalpark (1923) und Unser Nationalpark und die Außerschweizerischen alpinen Reservationen (1928).

Brunmeyer, Andreas, auch Brunnmayer, Brunnmayr, Komponist, Musiker, * 23. 11. 1762 Laufen, † 10. 2. 1815 Salzburg. B. sang als Kind im Chor des Benediktinerstiftes Michaelbeuern, erlernte dort das Orgelspielen und wurde wegen seiner musikalischen Begabung als Sch¨uler Michael → Haydns nach Salzburg geschickt. Ein f¨urstlicher M¨azen erm¨oglichte ihm die weitere Ausbildung als Organist in Wien, von wo aus er 1802 als Stadtpfarr-Organist nach Salzburg zur¨uckkehrte. B. komponierte u. a. Messen, Oratorien, Menuette sowie zwei komische Opern (Das Geisterschloß und Der ausgestopfte Mann, nach Libretti von Joseph Haseneder). Brunn, Balthasar von, auch B. v. Brunne, Staatsmann, * 28. 8. 1593 Brunne (Mark), † 20. 7. 1643 K¨onigsberg. B. stammte aus einer m¨arkischen Adelsfamilie. Nach Studienjahren in Frankfurt, Jena und Straßburg unternahm er 1624 eine ausgedehnte Reise durch Frankreich. Seit 1629 Hof- und Kammergerichtsrat, wurde er 1633 zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt und vertrat 1638 Kurf¨urst → Georg Wilhelm beim Empfang der pommerschen Lehen in Wien. Unter Kurf¨urst → Friedrich Wilhelm wirkte B. in K¨onigsberg am Aufbau der inneren Verwaltung mit. C NDB Brunn, Heinrich von, Arch¨aologe, * 23. 1. 1822 W¨orlitz, † 23. 7. 1894 Schliersee. B., Sohn eines Propstes, studierte in Bonn (Promotion 1843, Artificium liberae Graeciae tempora) und ging 1843 als Mitarbeiter an das Deutsche Arch¨aologische Institut in Rom. 1853 ver¨offentlichte er den ersten Band seiner Geschichte der griechischen K¨unstler (Bd. 2, 1859, 21888 / 89). 1854-56 lehrte er in Bonn als Privatdozent und kehrte dann als Sekret¨ar an das Institut nach Rom zur¨uck. 1865 wurde er als Prof. der Arch¨aologie und Kurator des M¨unzkabinetts sowie der Vasensammlung nach M¨unchen berufen. Sein Hauptinteresse galt der bildenden Kunst der Antike. Unter Heranziehung literarischer Quellen entwickelte er Methoden der Stilkritik, um die griechischen Originale r¨omischer Kopien zu ermitteln. B. gilt als einer der Begr¨under der neuzeitlichen Altertumskunde. Er ver¨offentlichte u. a. Denkm¨aler Griechischer und R¨omischer Sculptur (1888-1906, fortgesetzt von Paul Julius → Arndt) und Griechische Kunstgeschichte (2 Bde., 1893-97). B. war der Vater von Hermann → B. C Lullies Brunn, (Karl) Hermann, auch (Carl) Hermann B., Mathematiker, Bibliotheksdirektor, * 1. 8. 1862 Rom, † 20. 9. 1939 M¨unchen. B., Sohn Heinrich von → B.s, studierte in M¨unchen und Berlin Mathematik, wurde 1887 in M¨unchen mit der Arbeit Ueber Ovale und Eifl¨achen promoviert und habili¨ tierte sich 1889 mit einer Arbeit Uber Kurven ohne Wendepunkte. 1894 u¨ bernahm er eine Assistentenstelle bei Sebastian → Finsterwalder an der TH und wurde 1896 dort Bibliothekar, 1920 Direktor der Bibliothek. B. lehrte als Privatdozent und seit 1906 als Honorarprofessor. Seine Forschungen galten besonders der geometrischen Theorie konvexer Figuren von allgemeiner Definition. Er ver¨offentlichte u. a. ¨ Verkettung (1892), Uber ein Paradoxon der Wahrscheinlichkeitsrechnung (1893) und Beziehungen des DuBoisReymondschen Mittelwertsatzes zur Ovaltheorie (1905). C NDB Brunn, Lukas, auch Lucas B., Mathematiker, * Annaberg, † 1. 1. 1628 Dresden. B. studierte 1598-1601 in Leipzig; seit 1607 war er Sch¨uler des Mathematikers Johannes → Praetorius, danach des Ma-

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Brunn lers und Radierers Johann → Hauer in N¨urnberg. Seit 1619 lebte er als Inspektor der Kunstkammer in Dresden. B. erfand das auf einer Rechenschiene angebrachte Schraubenmikrometer zum Messen kleiner Gr¨oßen. Er ver¨offentlichte u. a. Praxis perspectivae, d. i. von Verzeichnungen ein ausf¨uhrlicher Bericht, darinnen das jenige, was die Scenographie erfordert, begrieffen [. . .] (1615) und Euclidis elementa practica oder Auszug aller Problematum aus den 15 B¨uchern Euclidis (1626). C NDB

Brunn, Walter (Albert Ferdinand) von, Chirurg, Medizinhistoriker, * 2. 9. 1876 G¨ottingen, † 21. 12. 1952 Leipzig. B., Sohn eines Anatomen, studierte in G¨ottingen und Rostock, wo er 1899 promoviert wurde (Ein Beitrag zur Kenntnis von den ersten Resorptionsvorg¨angen). Er war Assistent am Anatomischen Institut in Greifswald, am Pathologischen und Hygienischen Institut in G¨ottingen sowie an den Chirurgischen Kliniken in Berlin und Marburg. Seine 1906 in Rostock als niedergelassener Chirurg begonnene T¨atigkeit fand mit dem Verlust eines Arms w¨ahrend des Ersten Weltkriegs ein Ende. B. habilitierte sich 1921 f¨ur Geschichte der Medizin (Die Stellung des Guy de Chauliac in der Chirurgie des Mittelalters), lehrte als Privatdozent und Prof. in Rostock, seit 1934 in Leipzig und u¨ bernahm als Direktor das Karl-Sudhoff-Institut (Antrittsvorlesung 1935, Der Krieg als Lehrmeister der Chirurgie). 1935 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen, deren Vizepr¨asident er 1947-51 war. B. ver¨offentlichte u. a. eine Kurze Geschichte der Chirurgie (1928), Paracelsus und seine Schwindsuchtslehre (1941), Geschichte der Chirurgie (1948) und Medizinische Zeitschriften im 19. Jahrhundert (1963). C Mecklenburg, Bd 1 Brunnemann, Johannes, evang. Theologe, Jurist, * 7. 4. 1608 C¨olln (heute zu Berlin), † 15. 12. 1672 Frankfurt / Oder. Dem Vater folgend, der von Beruf Pastor war, studierte B. 1627-30 Theologie in Wittenberg, ging 1632 nach Frankfurt / Oder und wurde 1636 o. Prof. der Logik. Er wandte sich der Jurisprudenz zu, wurde 1638 promoviert und war in den folgenden Jahren Prof. der Institutionen, der Pandekten, des Codex und der Dekretalen sowie seit 1653 Ordinarius der Juristenfakult¨at. B.s kirchenrechtliche Vorstellungen waren an einer praktischen Pastoraltheologie orientiert. Seine apologetische Schrift Tractatus iuridicus de inquisitionis processu (1647, dt. 1717) war f¨ur die Praxis der Hexenprozesse in Pommern und Brandenburg von Bedeutung. C RGG

Brunnenmeister, Emil, Jurist, * 5. 5. 1854 Kreuzlingen (Kt. Thurgau), † 22. 1. 1896 Wien. B. ging nach der Promotion in Leipzig 1878 nach Basel, wo er als Privatdozent Strafrecht und Strafprozeß las. 1879 wurde er als o. Prof. nach Z¨urich, 1882 nach Halle berufen; von 1889 bis zu seinem Tod lehrte er in Wien. Als Strafrechtswissenschaftler betonte er den Vergeltungscharakter der Strafe. Bedeutenden Ruf erwarb sich B. als Rechtshistoriker mit profunder Kenntnis der Quellen des mittelalterlichen und antiken Strafrechts. Er ver¨offentlichte u. a. Das T¨otungsverbrechen im altr¨omischen Recht (1887). C ADB

Brunner, Adolf, schweizer. Komponist, * 25. 6. 1901 Z¨urich, † 15. 2. 1992 Thalwil. Nach Studienjahren in Berlin, Paris und Rom arbeitete B. seit 1949 beim Radiostudio Z¨urich und leitete dort zuletzt die Abteilung „Politik und Aktuelles“. 1960 verließ er den Rundfunk und widmete sich als freischaffender Komponist vor allem der evang. Kirchenmusik. B. schuf Klavier- und Orgelwerke und komponierte Vokal- und Kammermusik. Von großer Bedeutung f¨ur die Erneuerung der Kirchenmusik waren seine mit Singstimmen und Kammerinstrumenten

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besetzten Geistlichen Konzerte, etwa Jesus und die Samariterin und Das Weihnachtsevangelium. B. ver¨offentlichte u. a. Wesen, Funktion und Ort der Musik im Gottesdienst (1960). C MGG

Brunner, Alfred, schweizer. Chirurg, * 30. 8. 1890 Diessenhofen (Schweiz), † 17. 8. 1972 Z¨urich. Das Studium der Medizin in Lausanne, Z¨urich, Berlin und Wien schloß B., Sohn eines Chemikers, in M¨unchen mit der Promotion ab (Beitrag zur Frage der Pleurareflexe). 1915-23 assistierte er an den Chirurgischen Kliniken in Z¨urich sowie in M¨unchen bei Ferdinand → Sauerbruch (Habilitationsschrift: Die chirurgische Behandlung der Lungentuberkulose). Seit 1923 Oberarzt der Chirurgischen Universit¨atsklinik und Privatdozent, ging B. 1926 als Chefarzt nach St. Gallen. 1941 folgte er einem Ruf als Prof. der Chirurgie und Direktor der Universit¨atsklinik an die Univ. Z¨urich. 1952 wurde B. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Sein besonderes Interesse galt der Thoraxchirurgie (Chirurgie der Lunge und des Brustfelles, 1938). B. gab ein Lehrbuch f¨ur Chirurgie (2 Bde., 1949 / 50) heraus. C HLS Brunner, Andreas, Jesuit, Geschichtsschreiber, * 30. 11. 1589 Hall (Tirol), † 20. 4. 1650 Innsbruck. B. trat 1605 in Landsberg / Lech in den Jesuitenorden ein und studierte 1608-18 in Ingolstadt Philosophie und Theologie. 1619 in Eichst¨att zum Priester geweiht, lehrte er bis 1621 als Prof. der Ethik in Dillingen und Freiburg / Breisgau. Seit 1622 arbeitete B. an den von Kurf¨urst → Maximilian I. in Auftrag gegebenen Annales virtutis et fortunae Boiorum (3 Tle., 1626-37; Neuausg. hrsg. von Gottfried Wilhelm → Leibniz, 1710). Das Werk schildert die bayerische Geschichte der Jahre 600 v. Chr. bis 1314. W¨ahrend des Einfalls der Schweden unter Gustav Adolf verbrachte er die Jahre 1632 bis 1635 als deren Geisel in Augsburg, seit 1637 wirkte er als Prediger in Innsbruck. B. verfaßte auch Schuldramen. C Killy Brunner, Andreas, schweizer. Unternehmer, Politiker, * 2. 5. 1923 Obstalden (Kt. Glarus), † 22. 1. 1988 Zug. Der Sohn von Emil → B. studierte Jura in Bern und Z¨urich, wo er 1948 zum Dr. jur. promoviert wurde (Rechtsstaat gegen Totalstaat). Nach einem Wirtschaftsstudium in den USA war er dort 1950-55 in der Papierindustrie t¨atig. 1956 kehrte B. in die Schweiz zur¨uck und arbeitete f¨ur Landis & Gyr (Zug); er war Finanzdirektor, Mitglied des Verwaltungsrats, seit 1966 Mitglied des Vorstands und 1972-84 Pr¨asident des Verwaltungsrats. 1972-74 hielt er die Mehrheit am „Luzerner Tagblatt“. 1959-74 geh¨orte B. f¨ur die FDP dem Kantonsrat von Zug und 1968-75 dem Nationalrat an, wo er sich u. a. mit der Reform des Aktienrechts und der Sozialversicherung besch¨aftigte. C HLS Brunner, Armin, Pseud. B. Armin, Adrian Berger, B. Paul, Teutoburg, Redakteur, Schriftsteller, * 1. 8. 1864 Mißlitz (M¨ahren), † 8. 11. 1929 Wien. B., Sohn des Leiters der st¨adtischen M¨adchenschule in Wien, trat 1887 in das Korrespondenzb¨uro Wilhelm ein, kam 1893 als Redakteur zum „Neuen Wiener Journal“ und wurde sp¨ater Schriftleiter der „Neuen Freien Presse“, 1915 Redakteur des „Concordia-Kalenders“. Daneben schrieb er feuilletonistische Beitr¨age f¨ur verschiedene Tageszeitungen sowie f¨ur literarische und humoristische Periodika. B. ver¨offentlichte Jugendliteratur, Gedichte, Opernlibretti, sprachkritische Betrachtungen (u. a. Schlecht Deutsch, 1895) und Unterhaltungsromane (u. a. Erbgift, 1900). C Lex dt-j¨ud Autoren

Brunner Brunner, August (Eugen Albert), Jesuit, Theologe, Philosoph, * 3. 1. 1894 Orschwihr (Elsaß), † 11. 4. 1985 M¨unchen. B. trat 1912 in die Gesellschaft Jesu ein, studierte 1923-25 in Ore Place / Hastings (England), war in Irland und Stockholm t¨atig und lehrte seit 1929 in Valkenburg Philosophie. 1937 u¨ bernahm er einen Lehrstuhl f¨ur Logik und Metaphysik an der franz¨osischen Hochschule des Ordens auf der Insel Jersey, lebte seit 1941 in Paris, lehrte seit 1943 in Valspr´es-le-Puy (Haute-Loire) und ging 1946 nach M¨unchen. B. besch¨aftigte sich haupts¨achlich mit Thomas von Aquin, → Husserl und Sartre; im Mittelpunkt seines philosophischen Interesses stand das Erkenntnisproblem. B. geh¨orte zu den Herausgebern der Monatsschrift „Stimmen der Zeit“. Er ver¨offentlichte u. a. Die Grundfragen der Philosophie. Ein systematischer Aufbau (1933, 81982), Erkenntnistheorie ´ (1948), La Personne incarn´ee. Etude sur la ph´enom´enologie et la philosophie existentialiste (1947), Der Stufenbau der Welt. Ontologische Untersuchungen u¨ ber Person, Leben, Stoff (1950), Glaube und Erkenntnis. Philosophisch-theologische Darlegung (1951), Die Religion. Eine philosophische Untersuchung auf geschichtlicher Grundlage (1956), Geschichtlichkeit (1961), Person und Begegnung. Eine Grundlegung der Philosophie (1982) und Offenbarung und Glaube (1985). C Christl Phil, Bd 3 Brunner, Conrad, Mediziner, Medizinhistoriker, * 31. 8. 1859 Diessenhofen (Schweiz), † 8. 6. 1927 Z¨urich. Alter Familientradition folgend, begann B. in Z¨urich das Studium der Medizin, das er 1885 mit der Promotion abschloß (Ueber Behandlung und Endresultate der Querbr¨uche der Patella). In Wien, Leipzig, Berlin, Dresden und M¨unchen vervollkommnete er seine Kenntnisse, bevor er in Z¨urich eine Praxis er¨offnete und sich 1890 habilitierte f¨ur Chirurgie (Ueber Catgutinfektion). 1896 u¨ bernahm er die Chefarztposition am Thurgauer Kantonsspital in M¨unsterlingen, das er bis zu seiner Pensionierung 1922 leitete und zu einem modernen Klinikum umbaute. Internationales Ansehen erwarb sich B. durch seine Forschungen u¨ ber die Wundbehandlung, der er bakteriologische, experimentelle und klinische Studien widmete (Handbuch der Wundbehandlung, 1916, 21926). Daneben ver¨offentlichte er Arbeiten zur Medi¨ zingeschichte, u. a. Die Spuren der r¨omischen Arzte auf dem Boden der Schweiz (1893), Die Verwundeten in den Kriegen der alten Eidgenossenschaft (2 Tle., 1903), Aus den Briefen hervorragender Schweizer Aerzte des 17. Jahrhunderts ¨ (mit Wilhelm Muralt, 1920) und Uber Medizin und Krankenpflege im Mittelalter in schweizerischen Landen (1922). Brunner, Constantin, eigentl. Leopold Wertheimer, urspr. Arjeh Jehuda Wertheimer, Philosoph, Schriftsteller, * 28. 8. 1862 Altona (heute zu Hamburg), † 27. 8. 1937 Den Haag. Der in j¨udischer Tradition erzogene Enkel des Oberrabbiners von Altona und Sohn eines Kaufmanns, studierte in K¨oln, Freiburg / Breisgau und Berlin Philosophie und Geschichte, wobei er sich in Abkehr vom Judentum und heftiger Gegnerschaft zum Zionismus vor allem an Spinoza und → Goethe orientierte. Sein Hauptwerk Die Lehre von den Geistigen und vom Volke (1908, 21927, Nachdruck 1962) ist von der Verbindung von Geniekult und Kulturkritik durchdrungen. B.s Geistphilosophie, eine Verbindung materialistischer Weltanschauung, die nur relativ g¨ultig ist, mit absoluter idealistischer Einheitslehre, wirkte auf Walther → Rathenau und Gustav → Landauer, aber auch auf die j¨udische Jugendbewegung, aus deren Reihen sich in der Emigration esoterische Brunner-Zirkel bildeten. 1918 analysierte B. in der Schrift Der Judenhaß und die Juden den Antisemitismus. 1933 mußte er aus Deutschland in die Niederlande emigrieren. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen Unser Christus

oder das Wesen des Genies (1921, Neuaufl. 1958), Vom Einsiedler Constantin Brunner. Mein Leben und Schaffen [. . .] (1924) und Aus meinem Tagebuch (1928, 21967). C Lex dt-j¨ud Autoren

Brunner, Eddie (Eduard), schweizer. Musiker, * 19. 7. 1912 Z¨urich, † 18. 7. 1960 Binningen (Kt. BaselLandschaft). Der Sohn eines Rechtsanwalts erlernte Tenorsaxophon und Klarinette und trat als Jazzmusiker auf, u. a. in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. B. war dabei bis 1948 Bandleader der „Original Teddies“ Teddy Staufers. 1952 wechselte er als Tonmeister und Regisseur zum Radiostudio Basel und arbeitete dort besonders an der Weiterentwicklung von Stereoklang und Playback. Ab 1954 wandte er sich zunehmend der Klassik zu, galt aber weiterhin als schweizer. Jazz-Pionier im Bereich des „straight jazz“. C MGG Brunner, Emil, schweizer. evang. Theologe, * 23. 12. 1889 Winterthur, † 6. 4. 1966 Z¨urich. Nach Studienjahren in Z¨urich, Berlin und New York wurde B. 1912 als Pfarrer der Z¨urcher Reformierten Landeskirche ordiniert und 1913 an der Univ. Z¨urich mit der Arbeit Das Symbolische in der religi¨osen Erkenntnis. Beitr¨age zu einer Theorie des religi¨osen Erkennens promoviert. Anschließend ging er als Franz¨osischlehrer nach Großbritannien. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte er in die Schweiz zur¨uck und wirkte 1916-24 als Pfarrer in Obstalden. 1922 habilitierte er sich und wurde 1924 als Prof. an die Univ. Z¨urich berufen, wo er, mit Unterbrechung durch Gastdozenturen in Princeton und Tokio, bis 1953 systematische und praktische Theologie lehrte. Neben Karl → Barth und Friedrich → Gogarten war er einer der Protagonisten der sogenannten „Dialektischen Theologie“. In Anlehnung an Kierkegaard und in Abkehr von → Schleiermacher besch¨aftigte ihn vor allem die Problematik von Glaube und Offenbarung in der rationalistisch gepr¨agten Welt der Gegenwart. Anthropologisches Merkmal des Menschen ist seine Vernunftbegabung, die ihm die Einsicht in die Begrenztheit seiner Erkenntnisf¨ahigkeit und damit die personale Begegnung mit Gottes Wirken erm¨oglicht. Aus dieser anthropologischen Argumentation erschließt sich B.s sp¨atere Hinwendung zur Sozialethik unter dem Leitgedanken der Gerechtigkeit sowie seine Mitarbeit in der o¨ kumenischen Bewegung. Zu seinen Hauptwerken z¨ahlen Erlebnis, Erkenntnis und Glaube (1921, 51933), Der Mittler. Zur Besinnung u¨ ber den Christusglauben (1927, 41947), Das Gebot und die Ordnungen. Entwurf einer protestantisch-theologischen Ethik (1932, 31939, 41978), Der Mensch im Widerspruch. Die christliche Lehre vom wahren und vom wirklichen Menschen (1937, 41965) und Dogmatik (2 Bde., 1946-50; 3 Bde., 1960). B. war der Vater Andreas → B. C TRE Brunner, Ferdinand, o¨ sterr. Maler, * 1. 5. 1870 Wien, † 30. 11. 1945 Wien. B. arbeitete nach der Schulzeit einige Jahre im Atelier der Hoftheatermaler Hermann → Burghart und Jan → Kautsky, bevor er 1891-96 an der Wiener Kunstakademie als Sch¨uler von Eduard → Peithner von Lichtenfels studierte. Erste gr¨oßere Ausstellungen zwischen 1904 und 1909 in D¨usseldorf und M¨unchen machten ihn als Landschaftsmaler bekannt. 1922 wurde ihm in Wien der Professorentitel verliehen. Gem¨alde wie H¨auser aus Gaudenzdorf und Wanderer befinden sich im Besitz der Wiener Staatsgalerie. B. malte vorwiegend stimmungsvolle Flachlandschaften. C AKL Brunner, Franz, Industrieller, Ingenieur, * 5. 4. 1875 Pola (Italien), † 13. 4. 1965. Das Studium f¨uhrte B. u¨ ber Wien und Z¨urich nach Darmstadt, wo er 1899 Assistent f¨ur Statik und Br¨uckenbau

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Brunner war. W¨ahrend der n¨achsten 20 Jahre arbeitete er als Ingenieur und Oberingenieur an Projekten des Eisengroßbr¨uckenbaus und des Eisenwasserbaus in zahlreichen europ¨aischen L¨andern. Seit 1919 leitete er f¨ur mehrere Jahre den Arbeitgeberverband der Maschinen- und Eisenindustrie. Neben seiner T¨atigkeit als Generaldirektor und Vorstand der AktienGesellschaft f¨ur Eisenindustrie und Br¨uckenbau, Duisburg, geh¨orte B. verschiedenen Verb¨anden und technischen Kommissionen an. 1933 erhielt er einen Ruf als o. Prof. des Br¨ucken-, Hoch- und Wasserbaus an die TH Graz.

Brunner, Fritz, schweizer. P¨adagoge, Schriftsteller, * 12. 2. 1899 Wald bei Z¨urich, † 3. 1. 1991 Z¨urich. B. studierte in Z¨urich, Grenoble, Paris und Florenz, war 1921-26 Sekundarlehrer in Uster und unterrichtete dann in ¨ Z¨urich-Unterstraß. Uber mehrere Jahrzehnte leitete er die p¨adagogischen Ausstellungen des Pestalozzianums Z¨urich. 1926 erschien B.s erste Jugendschrift Bruuch und Lied im Z¨uribiet. Zahlreiche Jugenderz¨ahlungen wie Die Kette zum Feriengl¨uck (1960) sowie p¨adagogische Bastel- und Spielanleitungen folgten. B. initiierte mit anderen das Internationale Kuratorium f¨ur das Jugendbuch, das Schweizerische Jugendschriftenwerk und den Schweizerischen Bund f¨ur Jugendliteratur. C HLS Brunner, Georg, Maler, Lithograph, * 20. 2. 1804 Darmstadt, † 19. 11. 1882 Darmstadt. Der Sohn des Hofmusikers Christian B. verließ mit vierzehn Jahren das Gymnasium und trat als Lehrling in die hessische Staatslithographie ein. Als ausgebildeter Kartenzeichner arbeitete er 1824 in M¨unchen, anschließend bis 1830 in Leipzig. Nach einer Reise durch Deutschland siedelte er im selben Jahr nach Paris u¨ ber. Seit 1833 waren dort seine Werke, haupts¨achlich Stilleben und Genrebilder, in zahlreichen Ausstellungen zu sehen. Infolge des Deutsch-Franz¨osischen Kriegs wurde B. 1870 aus Frankreich ausgewiesen und kehrte nach Darmstadt zur¨uck. Das dortige Landesmuseum ist im Besitz einiger seiner Werke, darunter auch eines Selbstbildnisses. C Hess Bio, Bd 2 Brunner, Guido, Diplomat, Politiker, * 27. 5. 1930 Madrid, † 2. 12. 1997 Madrid. B., Sohn eines AEG-Direktors und einer spanischen Mutter, studierte Rechtswissenschaften in Madrid, Heidelberg und M¨unchen, wo er 1955 promoviert wurde. Mit Thomas → Dehler befreundet, schloß er sich fr¨uh der FDP an. Seit 1955 war B. im Ausw¨artigen Dienst t¨atig, und zwar im Ministerb¨uro Heinrich von → Brentanos und im B¨uro des Staatssekret¨ars Albert Hilger van → Scherpenberg. Nach diplomatischer Verwendung in Liverpool, Madrid und bei den Vereinten Nationen in New York (bis 1968) leitete er das Referat f¨ur technologische Fragen der Außenpolitik in der politischen Abteilung, u¨ bernahm 1970 das Amt des Pressesprechers des Ausw¨artigen Amtes und wurde 1972 Leiter des dortigen Planungsstabes und 1974 zum Ministerialdirektor bef¨ordert. 1973 / 74 leitete B. die Delegation der Bundesrepublik Deutschland bei der Konferenz u¨ ber Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). 1974-80 war er EGKommissar f¨ur Wissenschaft, Bildung und Technologie, seit 1977 auch f¨ur Energie. 1980 / 81 war B. Mitglied des Deutschen Bundestags, 1981 B¨urgermeister und Senator f¨ur Wirtschaft und Verkehr von Berlin (West) und 1982-92 Botschafter in Madrid, wo er seit 1992 als Gesch¨aftsmann lebte. Er ver¨offentlichte u. a. Bipolarit¨at und Sicherheit (1965), Friedenssicherungsaktionen der Vereinten Nationen (1968) und El Poder y la Uni´on (1989). C MdB Brunner, Heinrich, Rechtshistoriker, * 21. 6. 1840 Wels (Ober¨osterreich), † 11. 8. 1915 Bad Kissingen. B., Sohn eines Statthaltereirats, studierte seit 1858 in Wien Recht, Geschichte und historische Hilfswissenschaften, ar-

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beitete 1861-63 am Institut f¨ur o¨ sterreichische Geschichtsforschung und wurde 1864 zum Dr. jur. promoviert. Nach der Habilitation 1865 in Wien lehrte er als Privatdozent deutsche Rechtsgeschichte, folgte 1866 einem Ruf als a. o. Prof. nach Lemberg, wurde dort 1868 Ordinarius, las seit 1870 in Prag, seit 1872 an der neugegr¨undeten Univ. Straßburg und wurde 1873 Nachfolger von Carl Gustav → Homeyer in Berlin, wo er 1896 / 97 Rektor der Univ. war. 1884 wurde B. Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und 1887 Leiter der Leges-Abteilung der Monumenta Germaniae Historica. B. gilt als Begr¨under der modernen deutschen Rechtsgeschichte. B.s Hauptwerk Deutsche Rechtsgeschichte (2 Bde., 1887-92) blieb unvollendet. C NDB

Brunner, Heinrich, schweizer. Bibliothekar, * 18. 10. 1869 Z¨urich, † 29. 10. 1928 Winterthur. Nach einem Praktikum bei der Badischen Landesvermessung in Freiburg / Breisgau studierte B. in Z¨urich Geographie. Vor Studienabschluß war er Bibliothekar der Pestalozzibibliothek, Sekret¨ar der Stadtbibliothek Z¨urich und schließlich Bibliothekar an der Eidgen¨ossischen Technischen Hochschule. 1902 u¨ bernahm er f¨ur sieben Jahre die Redaktion des Geographischen Lexikons der Schweiz in Neuchˆatel. Seit 1909 arbeitete B. bei der Stadtbibliothek in Winterthur. Er gab das Historisch-biographische Lexikon der Schweiz (1920 ff.) heraus. ¨ Brunner, Hellmut, Agyptologe, * 11. 5. 1913 H¨ochst (heute zu Frankfurt / Main), † 18. 2. 1997 T¨ubingen. B., Enkel des Rechtshistorikers Heinrich → B., studierte Theologie und Orientalistik, wurde 1936 in M¨unchen promoviert und habilitierte sich 1942. Seit 1950 Assistent an der Evangelisch-Theologischen Fakult¨at der Univ. T¨ubingen, ¨ wurde er 1960 a. o. Prof. und war 1964-78 o. Prof. der Agyptologie. B. leistete wichtige Beitr¨age zur Erforschung der a¨ gyptischen Sprache, Geschichte, Religion, Literatur, Kunst und Arch¨aologie; im besonderen besch¨aftigte er sich mit den Beziehungen zwischen der alt¨agyptischen Kultur und dem Alten Testament. Er baute die a¨ gyptologische Sammlung der Univ. T¨ubingen auf und war Initiator des Sonderforschungsbereichs „T¨ubinger Atlas des Vorderen Orients“ (seit 1968). B. ver¨offentlichte u. a. Die Lehre des Cheti, Sohnes des Duauf (1944), Alt¨agyptische Erziehung (1957), Abriß der mittel¨agyptischen Grammatik (1961, 21967), Die Geburt des Gottk¨onigs (1964), Grundz¨uge einer Geschichte der alt¨agyptischen Literatur (1966, 41986), Grundz¨uge der alt¨agyptischen Religion (1983) und Das h¨orende Herz. Kleine Schrif¨ ten zur Religions- und Geistesgeschichte Agyptens (1988). C RGG

Brunner, Hugo, Bibliothekar, * 24. 9. 1853 Gudensberg bei Kassel, † 9. 6. 1922 Jesberg bei Kassel. B. unterrichtete nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Philologie und Geschichte u¨ ber acht Jahre im h¨oheren Lehramt, bevor er 1887 Bibliothekar der Landesbibliothek Kassel wurde. 1900 stieg er zum Oberbibliothekar und 1912 zum Direktor der Landesbibliothek auf; 1910 wurde ihm der Professorentitel verliehen. Mit Werken wie Geschichte der Residenzstadt Kassel 913-1913 (1913) machte er sich als Regionalhistoriker um seine Heimatstadt verdient. C Leb Kurhessen, Bd 1 Brunner, Jakob, schweizer. Unternehmer, * 24. 1. 1802 Winterthur, † 27. 11. 1878 Stein am Rhein. Der Sohn eines Modelstechers leitete nach der Lehre eine Spinnerei in St. Gallen und beteiligte sich 1835 an einer Spinnereineugr¨undung in Freienstein (Freienstein-Teufen). Die gemeinsam mit Jacob Ziegler-Imhoof gegr¨undete Firma Ziegler, Brunner & Co. (seit 1846 Imhoof, Brunner & Co.) expandierte in den folgenden Jahren kontinuierlich. Auf eine

Brunner zus¨atzliche Weberei folgten 1858 eine Gießerei zur Herstellung der Webstuhlgußteile und 1864 eine Spulerei in Flaach. 1870 zog sich B. aus der Gesch¨aftsf¨uhrung zur¨uck. 1847-48 und 1850-54 war B. f¨ur die Freisinnig-Demokratische Partei Z¨urcher Großrat. Er stiftete eine Gewerbeschule, an der er selbst unterrichtete. C HLS

Brunner, Jakob, schweizer. Photograph, Drucker, * 11. 6. 1846 K¨usnacht (Kt. Z¨urich), † 16. 7. 1927 Z¨urich. Nach einer Ausbildung zum Steindrucker in Z¨urich und den Wanderjahren ließ sich B. 1873 als Photograph in Basel nieder. 1874 er¨offnete er ein Gesch¨aft in Winterthur, begann mit Photodruck und benutzte seit 1877 eine Schnellpresse f¨ur Lichtdrucke. 1892 gr¨undete er eine Firma in Z¨urich, die seit 1896 als Polygraphisches Institut AG firmierte. Hinzu kam 1901 die Brunner & Co. Kunstanstalt, die 1904 nach Como expandierte. 1911 f¨uhrte B. in der Schweiz den KupC AKL fertiefdruck ein. Brunner, Johann Conrad von, Brunn von Hammerstein, Mediziner, * 16. 1. 1653 Diessenhofen bei Schaffhausen, † 2. 10. 1727 Mannheim. B., Sohn eines B¨urgermeisters, wurde 1672 in Straßburg mit der Arbeit De foetu monstroso et bicipite promoviert und unternahm anschließend Studienreisen nach Paris, London, Oxford, Amsterdam und Leiden, bevor er sich 1675 in seinem Geburtsort als Arzt niederließ. 1686 (1687 ?) folgte er einem Ruf als o. Prof. der Physiologie und Anatomie nach Heidelberg. Als Leibarzt trat B. 1696 in den Dienst des Kurf¨ursten → Johann Wilhelm, der ihn 1711 in den Adelsstand erhob. Von 1720 bis zu seinem Tod arbeitete er in derselben Funktion f¨ur Kurf¨urst → Karl Philipp in Mannheim. B. besaß einen hervorragenden Ruf in seiner Zeit. Als Wissenschaftler widmete er sich vor allem der Anatomie. B. beschrieb als erster die nach ihm benannten Dr¨usen des Zw¨olffingerdarms (De glandulis in intestino duodeno, 1687 / 88). Er erforschte die Bauchspeicheldr¨use (Experimenta nova circa pancreas, 1683, 21722) und Mißbildungen des Zentralnervensystems. Brunner, Karl, Anglist, * 8. 6. 1887 Karolinenthal bei Prag, † 26. 4. 1965 Innsbruck. B. studierte Anglistik in Wien, Berlin und Innsbruck (Promotion 1910), habilitierte sich 1915 und wurde im folgenden Jahr Privatdozent an der Univ. Wien. 1918-24 lehrte er (seit 1922 als a. o. Prof.) dort an der Hochschule f¨ur Welthandel, danach als o. Prof. der englischen Sprache und Literatur an der Univ. Innsbruck. 1938 wurde B. die Lehrbefugnis entzogen, die er 1945 wieder erhielt. Neben zahlreichen Ver¨offentlichungen zur englischen Literatur sind vor allem seine Arbeiten zur englischen Grammatik bemerkenswert. Er ver¨offentlichte u. a. Abriß der Mittelenglischen Grammatik (1938, 31953), Altenglische Grammatik nach der angels¨achsischen Grammatik von Eduard Sievers neubearbeitet (1942, 2 1951), Die englische Sprache. Ihre geschichtliche Entwicklung (2 Bde., 1950 / 51, 21958-60) und William Shakespeare C Lex Gramm (1957). Brunner, Karl, schweizer. National¨okonom, * 16. 2. 1916 Z¨urich, † 9. 5. 1989 Rochester (New York). B. studierte Sozial¨okonomie an der Univ. Z¨urich und wurde 1943 zum Dr. oec. publ. promoviert. Als Rockefellerstipendiat ging er 1949 in die USA, wo er Professuren in Los Angeles (1951-66), Ohio (1966-71) und Rochester (1971-89) innehatte. 1973-87 lehrte er außerdem an der Univ. Bern ¨ Okonometrie. B., international f¨uhrender Geldtheoretiker, war mit Milton Friedman Begr¨under und Hauptvertreter des Monetarismus. Er gab das „Journal of Money, Credit and Banking“ (1964-74) und das „Journal of Monetary Policy“ (1974-84) heraus und begr¨undete das die US-amerikanische

Geld- und Finanzpolitik untersuchende Shadow Open Market Committee. B.s wichtige Beitr¨age sind gesammelt in Monetary Economics (1989).

Brunner, Kaspar, Schlosser, Uhrmacher, Zeugmeister, * vor 1526, † 9. 10. 1561 N¨urnberg. Die erste urkundliche Erw¨ahnung B.s stammt aus dem Jahr 1526, als er in Bern zum „Zitgloggen Richter“ gew¨ahlt wurde. In dieser f¨ur das Gemeinwesen sehr wichtigen Funktion hatte er die Schlaguhr am Berner Zeitglockenturm zu warten und ihren Gang zu regulieren. 1527 beauftragt, ein neues Uhrwerk einzurichten, wurde B. nach der Fertigstellung 1530 vom Rat der Stadt zum „Werkmeister der Schmiede“ und 1537 zum B¨uchsenmeister ernannt. 1541 ging er nach N¨urnberg, wo er als Zeugmeister die Pflege und Instandhaltung der Waffen und Munitionsvorr¨ate u¨ bernahm. Sein handwerkliches K¨onnen und seine artilleristischen Kenntnisse standen der Stadt in mehreren Kriegsz¨ugen zur Verf¨ugung. Er verfaßte eine Anleitung zum Gesch¨utzgießen (Gr¨undlicher und eigentlichen bericht des b¨uchsengießens mit aller zugeh¨orung aus rechtem mas und wolsteender proportion abteiteilt, 1547). C AKL Brunner, Leonhard, auch Fontanus, luth. Theologe, * vor 1500 Esslingen, † 20. 12. 1558 Landau / Pfalz. B. studierte seit 1510 in Heidelberg; 1526 wurde er Diaconus an Alt-St. Peter in Straßburg und 1527 vom Rat der Stadt Worms als Prediger gegen die dort aktiven T¨aufer berufen. In der Folge des Augsburger Interims kehrte er 1548 nach Straßburg zur¨uck und war dort als Lehrer, sp¨ater wieder als Diakon t¨atig. 1553 wurde er Pfarrer in Landau. 1524 erschien seine Konkordanz des Neuen Testaments, Werke u¨ ber Seelsorge und Glaubensfragen folgten. Sein Catechismus und Anweisung zu christlichem Glauben (1543) erlangte einige Verbreitung. C NDB Brunner, Max Alfred, schweizer. Unternehmer, * 31. 5. 1907 Neuhausen am Rheinfall (Kt. Schaffhausen), † 20. 4. 1978 Schaffhausen. Der Sohn eines Kaufmanns erhielt eine kaufm¨annische Ausbildung in Winterthur sowie im Kaffeehandel in Haiti. Seit 1932 im v¨aterlichen Kaffeehandel, der Coffex AG in Schaffhausen, t¨atig, f¨uhrte B. nach dem Tod seines Vaters 1940 die Gesch¨afte und expandierte mit dem Unternehmen nach Amsterdam, Straßburg und Triest. B. war zeitweise Pr¨asident des FC Schaffhausen. C HLS Brunner, Moritz Ritter von, Milit¨ar, Schriftsteller, * 30. 4. 1839 Wien, † 25. 10. 1904 Wien. Der Sohn eines Hofbediensteten diente zeit seines Lebens in der Armee. B. nahm an den Kriegen 1859 gegen Italien, 1866 gegen Preußen teil und brachte es bis zum Feldmarschalleutnant und Sektionschef im k. k. Reichskriegsministerium. 1876-86 lehrte er als Prof. der Fortifikation an der Technischen Milit¨arakademie. 1889 war B. Befestigungsbaudirektor der Festung Przemysl. Als Redakteur einer milit¨arischen Fachzeitschrift schrieb er u¨ ber Befestigung und Festungskrieg. Brunner, Otto, Historiker, * 21. 4. 1898 M¨odling (Niedero¨ sterreich), † 12. 6. 1982 Hamburg. B., Sohn eines Bezirksrichters, studierte Geschichte in Wien, wurde 1922 promoviert und war 1923-31 als wissenschaftlicher Beamter am Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien t¨atig. 1929 habilitierte er sich mit einer Arbeit zur Wiener Finanzgeschichte im Mittelalter und in der Fr¨uhen Neuzeit, wurde 1931 a. o. Prof. an der Univ. Wien und lehrte dort, seit 1941 als o. Prof., mittelalterliche und o¨ sterr. Geschichte; von 1954 bis zu seiner Emeritierung 1968 war er o. Prof. der Univ. Hamburg, 1959 / 60 deren Rektor. Seit 1944 war er

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Brunner ¨ wirkliches Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften. Seine Forschungen befaßten sich vor allem mit der Verfassungs- und Sozialgeschichte des Sp¨atmittelalters und der Fr¨uhen Neuzeit (Land und Herrschaft. Grundfra¨ gen der territorialen Verfassungsgeschichte Osterreichs im Mittelalter, 1939, Nachdr. 1981; Adeliges Landleben und europ¨aischer Geist. Leben und Werk Wolf Helmhards von Hohberg 1611-1678, 1949). Mit Neue Wege der Sozialgeschichte (1956) leistete er einen bedeutenden Beitrag zur Theorie und Methodologie der Geschichtswissenschaft. Als Mitherausgeber des Historischen Lexikons zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland war er einer der Anreger der modernen Begriffsgeschichte. C Killy

Brunner, Peter, Klostername: Luitpold, Benediktiner, Historiker, * 15. 6. 1823 Passau, † 9. 1. 1881 Augsburg. Von 1842 bis 1846 studierte B. Rechtswissenschaft und Geschichte in M¨unchen. Nach dem Eintritt in den Benediktinerorden und einem in Ottobeuren verbrachten Noviziatsjahr studierte er in M¨unchen Theologie und wurde 1850 zum Priester geweiht. Zwei Jahre wirkte er in der neugegr¨undeten Abtei St. Bonifaz als Prediger und Pfarrkooperator, bevor er 1852 in das Stift St. Stephan nach Augsburg wechselte, wo er bis an sein Lebensende an dem mit dem Stift verbundenen Gymnasium als Prof. Religion und Philosophie unterrichtete. 1866 verlieh ihm die Univ. W¨urzburg in W¨urdigung seiner historischen Forschungen den Doktortitel der Philosophie. Mittelpunkt seiner Ver¨offentlichungen war immer wieder die Stadt Augsburg in ihren vielf¨altigen Bez¨ugen zur Geschichte des deutschen Reiches, wie etwa in Kaiser Maximilian I. und die Reichsstadt Augsburg (1877). Brunner, Peter, evang. Theologe, * 25. 4. 1900 Arheilgen (heute zu Darmstadt), † 24. 5. 1981 Heidelberg. B. studierte evang. Theologie an den Universit¨aten Gießen, Marburg, Boston und Cambridge (Massachusetts, USA), da´ nach in Frankreich bei Etienne H. Gilson auch kath. Theologie, war seelsorgerisch t¨atig, wurde 1925 promoviert (Vom Glauben bei Calvin) und habilitierte sich 1927 in Gießen (Probleme der Teleologie bei Maimonides, Thomas von Aquin und Spinoza, 1928). Als Gemeindepfarrer wurde er 1934 wegen regimekritischer Predigten verhaftet und f¨ur kurze Zeit in das Konzentrationslager Dachau verbracht. 1936 wurde B. Dozent an der Theologischen Schule in Wuppertal. 1947-68 war er o. Prof. der systematischen Theologie in Heidelberg. B., einer der f¨uhrenden luth. Theologen der Nachkriegszeit, war um die Erneuerung des luth. Gottesdienstes, insbesondere des Abendmahls, bem¨uht. Im o¨ kumenischen Dialog ein Vork¨ampfer der Einheit der Kirchen, ¨ pl¨adierte er bereits 1955 f¨ur die Ubernahme der Apostolischen Sukzession durch die luth. Kirchen. B. ver¨offentlichte u. a. Die Zehn Gebote Gottes (1946), Das lutherische Bekenntnis in der Union (1952), Nikolaus von Amsdorf als Bischof von Naumburg (1961), Luther und die Welt des 20. Jahrhunderts (1961), Pro Ecclesia. Gesammelte Aufs¨atze zur dogmatischen Theologie (2 Bde., 1962-66, 31992) und Bem¨uhungen um die einigende Wahrheit (1977). C ELThG Brunner, Philipp Joseph, kath. Theologe, * 9. 5. 1758 Philippsburg, † 4. 11. 1829 Karlsruhe. Als der junge Repetent der Philosophie am Konvikt in Heidelberg 1782 seine von aufkl¨arerischem Gedankengut ber¨uhrte Schrift Primae notiones theologicae ver¨offentlichte, erregte er damit den Unwillen seiner kirchlichen Vorgesetzten. B. wurde versetzt und war fast 20 Jahre in Landgemeinden als Pfarrvikar, Kaplan und Pfarrer t¨atig. 1803 wurde er Schul- und Kirchenrat der kath. Kirchenkommission des F¨urstbistums Bruchsal. Nachdem Bruchsal dem Großherzogtum Baden zugeschlagen worden war,

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arbeitete B. bis 1826 in verschiedenen Positionen, zuletzt im badischen Innenministerium, an der Neuorganisation des Kirchen- und Schulwesens. Er war ein Verfechter des Staatskirchentums, strebte ein aufgekl¨artes Christentum an und setzte sich f¨ur die allgemeine Volksbildung ein. C ADB

Brunner, Rudolf, schweizer. Jurist, Politiker, * 26. 11. 1827 Bern, † 11. 3. 1894 Bern. Der aus einem alteingesessenen Berner Handelsgeschlecht stammende B. studierte seit 1847 Jura in Bern und Heidelberg, wo er die Revolution von 1848 miterlebte. Nach dem F¨ursprecherexamen (1851), der Promotion und einem Aufenthalt in Paris war er als Rechtsanwalt t¨atig, zuletzt mit eigener Kanzlei. 1863-68 und 1881-86 geh¨orte B., seit 1859 F¨uhrer der bernischen und schweizer. Radikalen, dem Gemeinderat, 1873-81 dem Stadtrat von Bern an. 1866-94 war er Groß- und Nationalrat, seit 1866 Vizepr¨asident und seit 1872 Pr¨asident des Nationalrats. 1879 wurde er Vorstandsmitglied des Schweizerischen Volksvereins und 1880 Pr¨asident des Komitees der Vereinigten Freisinnigen der Stadt Bern. Seine politischen Grundziele legte B. in dem 1866 publizierten Text Demokratisches Programm nieder, in dem er u. a. die konsequente Einf¨uhrung von Referenden im Kanton Bern forderte. Daneben k¨ampfte er f¨ur die Vereinheitlichung des Sozial- und Steuerrechts sowie f¨ur die Verstaatlichung der Jura-Eisenbahnen. C HLS Brunner, Sebastian, Pseud. Max Veitel Stern, o¨ sterr. kath. Theologe, Schriftsteller, * 10. 12. 1814 Wien, † 27. 11. 1893 Wien. B., Sohn eines Seidenzeugfrabikanten, studierte 1834-38 in Wien Theologie, empfing 1838 die Priesterweihe und wurde 1845 in Wien zum Dr. phil., 1848 in Freiburg / Breisgau zum Dr. theol. promoviert. Er war Kaplan und Pfarrer in Neudorf / Laa und Altlerchenfeld bei Wien, sp¨ater Feiertagsprediger an der Universit¨atskirche in Wien und lebte dort seit 1856 als freier Schriftsteller. 1865 wurde er zum apostolischen Protonotar und p¨apstlichen Hauspr¨alaten, 1875 zum Konsistorialrat ernannt. 1848 gr¨undete B. die „Wiener katholische Kirchenzeitung“, die er bis 1865 leitete. Seine schriftstellerische T¨atigkeit erstreckte sich von historischen, apologetischen und literarhistorischen Werken u¨ ber Reisebeschreibungen bis zu Gedichten. Von → Jean Paul beeinflußt, adaptierte B. verschiedene stilistische Mittel und verband Satire und Sprachkomik mit scharfer Polemik, u. a. gegen die Deutsche Klassik, Liberalismus, Judentum und josephinische Aufkl¨arung. Autobiographisch ist Woher? Wohin? Geschichten, Gedanken, Bilder aus meinem Leben (2 Bde., 1855, 2 1865 in 5 B¨anden). Seine Gesammelten Er¨ahlungen und poetischen Schriften erschienen 1864-73 in 18 B¨anden. C Killy Brunner, Thomas, auch Pegaeus, Dramatiker, Schulmann, * um 1535 Landshut, † 28. 10. 1570 / 71 Steyr (Ober¨osterreich). Nach der Steyrer Chronik soll B. als Sch¨uler → Melanchthons in Wittenberg studiert haben. Seit 1558 war er Rektor der evang. Lateinschule in Steyr. Einmal j¨ahrlich f¨uhrte er mit seinen Sch¨ulern o¨ ffentlich ein biblisches Schuldrama auf. Die von B. zu diesem Zweck geschriebenen Texte gingen zum großen Teil verloren, lediglich die St¨ucke Jacob und seine zw¨olf S¨ohne (1566, Neudr. 1928), Tobias (1569, Neudr. 1978) und Isaac und Rebecca (1569, Neudr. 1983) sind u¨ berliefert. C Killy Brunner, Wolfgang Matthias, Mediziner, * 21. 11. 1680 Regensburg, † 26. 12. 1722 Regensburg. B. studierte Medizin und wurde 1707 in Groningen (Holland) promoviert. Er praktizierte erst in Obelj¨onne und Bremen und ließ sich 1711 in Hamburg nieder, wo er w¨ahrend der zweij¨ahrigen Epidemie als Pestarzt arbeitete.

Bruno Dabei wurde B. selbst von der lebensbedrohlichen Krankheit befallen, u¨ berlebte aber und kehrte noch vor 1715 in seine Heimatstadt zur¨uck. Neben anderen Schriften ver¨offentlichte er 1715 einen Bericht u¨ ber die Seuche mit dem Titel Merkw¨urdige observationes bey der sogenannten Kontagion, welche sich anno 1712 in Hamburg angefangen und 1714 geendigt [. . .].

Brunner-Lehenstein, Karl Heinrich, o¨ sterr. Architekt, Ingenieur, St¨adteplaner, * 31. 10. 1887 Perchtoldsdorf (Nieder¨osterreich), † 15. 6. 1960 Wien. In Wien studierte B.-L. an der TH Architektur und an der Univ. National¨okonomie, in Dresden besuchte er das St¨adtebauseminar. 1926 habilitierte er sich f¨ur Baupolitik, St¨adtebau und Siedlungswesen an der TH Wien. 1929 folgte er einem Ruf als o. Prof. nach Santiago de Chile und 1934 nach Bogot´a, wo er 1936-38 o¨ sterr. Honorarkonsul war. Der Berufung an die Wiener Akademie 1938 verweigerte sich B.-L. aus politischen Gr¨unden. In den folgenden Jahren arbeitete er in verschiedenen L¨andern des amerikanischen Kontinents als Hochschullehrer, Regierungsbeamter und Stadtplaner. Erst 1948 kehrte er nach Wien zur¨uck und wurde dort als Leiter der Stadtplanung mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg betraut. Gleichzeitig lehrte er wieder an der TH als Prof. des St¨adtebaus und Siedlungswesens. B.-L. begriff als einer der ersten Stadtplanung auch als gesellschafts- und sozialpolitische Aufgabe; in diesem Sinne arbeitete er u¨ ber 30 Stadtregulierungspl¨ane f¨ur s¨udamerikanische St¨adte aus, u. a. f¨ur das Regierungsviertel von Santiago de Chile. C AKL Brunner von Wattenwyl, Karl Ritter, Physiker, Entomologe, * 13. 6. 1823 Bern, † 24. 8. 1914 Kirchdorf / Krems (Ober¨osterreich). B. v. W., Sohn eines Chemikers, studierte Physik und Geologie in Genf, Bern und seit 1843 Berlin, wurde dort 1846 mit der Arbeit De ratione, quae inter fluidorum cohaesionem et calorem aliasque viresmoleculares intercedit promoviert, kehrte nach Bern zur¨uck, habilitierte sich 1847 und lehrte seit 1849 als Professor. 1852 war er als Geologe an den internationalen Verhandlungen u¨ ber die Rheinkorrektion beteiligt. Im folgenden Jahr machte er sich in ausgedehnten Studienreisen u¨ ber das Telegraphenwesen kundig. 1853-57 leitete er den Aufbau der Telegraphie in der Schweiz, 1857 ¨ in Osterreich. Sp¨ater organisierte er das Telegraphenwesen in ganz S¨udosteuropa, vor allem in Griechenland und der T¨urkei. Seit 1872 war er als Ministerialrat im o¨ sterr. Handelsministerium t¨atig. 1880 wurde er in den Ritterstand erhoben. B. v. W., seit 1884 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, widmete sich der Insektenforschung; seine Orthopteren-Sammlung ist heute dem Wiener Naturhistorischen Museum eingegliedert. Er ver¨offentlichte u. a. Geognostische Beschreibung der Gebirgsmasse des Stockhorns (ca. 1840), Aper¸cu g´eologique des environs du Lac de Lugano (ca. 1840) und Untersuchungen u¨ ber die Coh¨asion der Fl¨ussigkeiten (1849). C NDB

Brunngraber, Rudolf, Pseud. C. Benjamin, o¨ sterr. Schriftsteller, * 20. 9. 1901 Wien, † 5. 4. 1960 Wien. B., Sohn eines Maurergehilfen und einer Hilfsarbeiterin, besuchte 1915-20 das Landeslehrerseminar in Wien, arbeitete bis 1923 in einer Speditionsfirma und war danach arbeitslos. 1926-30 studierte er an der Akademie f¨ur angewandte Kunst in Wien. Seit 1927 Mitglied der Sozialdemokratischen ¨ Arbeiterpartei Osterreichs, lehrte er in sozialdemokratischen Bildungseinrichtungen und arbeitete 1930-32 als Gebrauchsgraphiker und war 1932 / 33 im „Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum“ Otto → Neuraths t¨atig, auf dessen Anregung der Roman Karl und das 20. Jahrhundert (1932, Neuausg. 1952, 1977, 1988) entstand. Der Roman wurde im Juli

1933 in Deutschland wegen B.s Stellungnahme gegen die B¨ucherverbrennungen verboten. 1933 war B. Mitbegr¨under, seit Februar 1934 auch Obmann der Vereinigung sozialisti¨ scher Schriftsteller Osterreichs. Im M¨arz 1933 wurde er Lektor beim gewerkschaftseigenen Verlag Elbem¨uhl. 1939 trat er in die Reichsschrifttumskammer ein, aus der er nach Verweigerung propagandistischer Mitarbeit im folgenden Jahr ausgeschlossen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg schrieb er Drehb¨ucher f¨ur Georg Wilhelm → Pabst und Wolfgang → Liebeneiner, u¨ bernahm den Vorsitz der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller und Journalisten und profilierte sich als Gegner der Sowjetunion. B. ver¨offentlichte u. a. die Romane Radium (1936, Neuausg. 1948), Opiumkrieg (1939, Neuausg. 1951 und 1963) und Zucker aus Cuba (1941, 3 ¨ 1944, Neuausg. 1948, gek¨urzte Neuausg. 1993), Uberwindung des Nihilismus. Betrachtungen eines Aktivisten (1949) sowie den autobiographischen Roman Der Mann im Mond (1972). C Lex o¨ sterr Exillit

Brunnhofer, Gottlieb Hermann, Pseud. Alfred Werder, Pacificus Winfried, Bibliothekar, Orientalist, * 16. 3. 1841 Aarau (Kt. Aargau), † 28. 10. 1916 M¨unchen. Der Sohn eines Messerschmieds studierte 1861-65 klassische Philologie in Z¨urich und Bonn sowie vergleichende Sprachwissenschaft und Sanskrit in Berlin. Danach kehrte er in die Schweiz zur¨uck, unterrichtete als Lehrer in Frick und Wettingen, nahm eine Stelle als Kantonsbibliothekar in Aarau an und wechselte 1888 als Gymnasiallehrer ins kurl¨andische ¨ Goldingen. 1891-1901 lebte er als Ubersetzer in St. Petersburg, habilitierte sich 1901 an der Univ. Bern und war dann bis 1914 an der dortigen Eidgen¨ossischen Zentralbibliothek t¨atig. Daneben las er, seit 1908 als Titularprofessor, u¨ ber russische Sprache, historische Geographie des Orients und Urgeschichte. Von 1915 bis zu seinem Tod war B. Biblio¨ thekar an der TH M¨unchen. B. schrieb u. a. Uber den Geist der indischen Lyrik (1882), Goethe’s Bildkraft im Lichte der ethnologischen Sprach- und Mythenvergleichung (1890) und Rußlands Hand u¨ ber Asien (1897). Brunnow, Ernst Georg von, Schriftsteller, Hom¨oopath, * 6. 4. 1796 Dresden, † 4. 5. 1845 Dresden. B., Sohn eines Offiziers, studierte 1815-19 in Leipzig Rechtswissenschaften und trat 1820 als Assessor beim Kollegium der Landesregierung in den Staatsdienst ein. Dort lernte er Christian Friedrich Samuel → Hahnemann und durch ihn die Hom¨oopathie kennen, die ihm bei einer Augenerkrankung zur Heilung verhalf. 1822 quittierte er den Staatsdienst, um sich der Verbreitung der Hom¨oopathie und der Schriftstellerei zu widmen. B. ver¨offentlichte Dichtungen (1833) und Ein Blick auf Hahnemann und die Hom¨oopathie (1844), u¨ bersetzte 1824 Hahnemanns Organon der Heilkunde ins Franz¨osische und gab 1826 dessen Materia medica pura heraus. C DSL

Brunnquell, Josef Friedrich August, Jurist, * 27. 8. 1781 Hildburghausen, † 11. 9. 1827 Erfurt. Nach dem Studium in Jena kehrte B. 1804 als Hofadvokat in seine Heimatstadt zur¨uck, wechselte aber bald an den Hof zu Weimar, wo er 1807 zum Regierungsassessor und 1811 zum Regierungsrat ernannt wurde. Seit 1815 war er Obergeleitsmann in Erfurt. B. ver¨offentlichte rechtshistorische Aufs¨atze und Monographien sowie die seinerzeit vielbeachtete Abhandlung Staatsrecht des teutschen Bundes und der Bundesstaaten (1824).

Bruno → auch Brun Bruno, Bischof von Augsburg, * zwischen 973 und 976 Regensburg, † 24. 4. 1029 Regensburg. Der j¨ungere Bruder von Kaiser → Heinrich II. erhielt, wahrscheinlich in Freising und Regensburg, eine geistliche Aus-

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Bruno bildung. 1003 wirkte er an einer Verschw¨orung, die Quellen behaupten aus Eifersucht, gegen Heinrich mit. Nach der durch die Schwester → Gisela bewirkten Vers¨ohnung machte Heinrich 1005 B. zum Kanzler und 1006 zum Bischof von Augsburg. Im Todesjahr des Kaisers 1024 f¨ur kurze Zeit in die Verbannung geschickt, u¨ bertrug ihm dessen Nachfolger → Konrad II. w¨ahrend seines Italienzugs 1026 die Aufsicht u¨ ber seinen Sohn → Heinrich und die Reichsverweserschaft. So rehabilitiert, nahm B. 1028 an der Wahl, Salbung und Kr¨onung Konrads in Aachen teil, bevor er ein Jahr sp¨ater im kaiserlichen Hoflager zu Regensburg als letzter Sohn des s¨achsischen Kaiserhauses verstarb. In B.s Amtszeit wurde u. a. das Kollegiatstift St. Moritz in Augsburg gegr¨undet, in dessen Kirche er begraben liegt. C Leb Bayer Schwaben, Bd 2

Bruno I., Erzbischof von K¨oln, * Mai 925, † 11. 10. 965 Reims. Als j¨ungster Bruder Kaiser → Ottos I. war B. fr¨uh f¨ur die geistliche Laufbahn bestimmt. Er wurde in der Domschule von Utrecht erzogen, kam aber 939 an den Hof seines Bruders und wurde dort 940 Kanzler, 951 Erzkapellan. Im Juli 953 zum Erzbischof von K¨oln gew¨ahlt, wurde er noch im selben Jahr von seinem Bruder auch als Herzog von Lothringen eingesetzt. W¨ahrend der Herzogsrevolte 953 / 54 stand er an der Seite des Kaisers. Durch geschickte und umsichtige Verwaltung erwarb er sich in der Folgezeit in seiner Doppelstellung als Erzbischof und Reichsf¨urst große Verdienste um die Wiedereinbindung Lothringens in das Reich. 961 salbte er seinen Neffen → Otto II. zum K¨onig und verwaltete zusammen mit Erzbischof → Wilhelm von Mainz w¨ahrend des zweiten Italienzugs Ottos I. das Reich. B. f¨orderte die Klosterreform und u¨ bte als erster Erzbischof von K¨oln das M¨unzrecht aus. C TRE Bruno II., Erzbischof von K¨oln, * um 1100, † 29. 5. 1137 Trani (Italien). B., Sohn des Grafen Adolf I. von Berg, studierte wohl vor 1119 in Reims und wurde sp¨ater unter seinem Onkel → Bruno von Trier Kanoniker am Dom in Trier, 1119 Propst von St. Castor in Koblenz und 1127 von St. Gereon in K¨oln. 1130 lehnte er die Wahl zum Erzbischof von Trier ab und ging zu einem weiteren Studienaufenthalt nach Paris, wo er Bernhard von Clairvaux kennenlernte. Als kurz darauf Erzbischof → Friedrich von K¨oln starb, kehrte er 1131 als Bewerber um die Nachfolge nach K¨oln zur¨uck und wurde auf Veranlassung von K¨onig → Lothar III. im zweiten Anlauf gew¨ahlt. 1134 u¨ berwarf er sich w¨ahrend des K¨olner Aufstandes kurzzeitig mit dem K¨onig. Drei Jahre sp¨ater starb B. w¨ahrend eines Kriegszugs gegen die Normannen in Apulien. C LexMA

Bruno IV. von Sayn, Erzbischof von K¨oln, * um 1150, † 2. 11. 1208 Burg Blankenberg an der Sieg. B., Sohn des Grafen Eberhard I. von Sayn, erscheint als Propst des stadtk¨olnischen Stiftes St. Mariengraden 1180 erstmals auf einer Urkunde des K¨olner Erzbischofs → Philipp von Heinsberg. Wenig sp¨ater (vor September 1182) muß ihm die Propstei des St. Kastorstifts in Koblenz zugefallen sein. Seit 1192 stand B. zudem der a¨ ußerst gut bestellten Bonner Propstei vor. Eng verbunden zeigte er sich mit K¨onig → Otto IV., f¨ur den er u. a. einen wichtigen Botengang zu Papst Innozenz III. unternahm und an dessen Feldzug gegen die Staufer 1200 / 01 er beteiligt war. 1205 wurde B. zum Erzbischof von K¨oln ernannt, hatte in diesem Amt jedoch lange Zeit K¨onig → Philipp von Schwaben Widerstand zu leisten, der die Einsetzung des ihm wohlgesonnenen → Adolf von Altena als Erzbischof verfolgte. Zusammen mit K¨onig Otto IV. erlitt B. 1206 in der Schlacht bei Wassenberg eine Niederlage gegen Philipp, wurde gefangengenommen und blieb bis November 1207 in Haft. Auf

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Betreiben Innozenz’ III., der die beiden Kontrahenten um den K¨olner Bischofsstuhl nach Rom kommen ließ, mußte Philipp jedoch Ende des Jahres zun¨achst einlenken. Nach der dessen Ermordung 1208 vereitelte B. mit dem Mainzer Erzbischof → Siegfried II. und Pfalzgraf Heinrich die vom franz¨osischen K¨onig Philipp II. 3 unterst¨utzte K¨onigskandidatur Herzog Heinrichs von Brabant und k¨urte K¨onig → Otto IV. Im September 1208 kehrte B. als Erzbischof nach K¨oln zur¨uck, starb jedoch bereits wenige Monate sp¨ater. C Leb Rhein, Bd 18

Bruno von Schauenburg, Bischof von Olm¨utz, * um 1205 Schaumburg / Weser (?), † 17. 2. 1281 Olm¨utz. B., Sohn → Adolfs III. von Holstein, wurde 1229 Dompropst in L¨ubeck und Domherr in Magdeburg, 1236 Dompropst in Hamburg. 1239-45 war er in Magdeburg, Rom und Paris in finanziellen Angelegenheiten der Kirche t¨atig. Am 19. 9. 1245 wurde er vom Papst zum Bischof von Olm¨utz ernannt. Von diesem Grenzbistum des Reiches aus entfaltete B. große Wirkungen als Diplomat, Staatsmann und Kolonisator. Als leitender Staatsmann verhalf er dem b¨ohmischen Herrscherhaus seit 1249 zur Ausdehnung seiner Macht von der Adria bis zur Ostsee. 1278 wurde er von → Rudolf von Habsburg zum Statthalter f¨ur Nordm¨ahren ernannt. Im engeren Bezirk seines Bistums hat er durch Kirchenreform, planm¨aßigen Einsatz des deutschen Lehnswesens sowie des Magdeburger Vasallenrechts und durch ein großangelegtes Siedlungswerk die deutsche Kolonisation im Osten maßgeblich vorangetrieben. C Gatz 1 Bruno, Graf von Bretten und Lauffen, Erzbischof von Trier, * 2. H¨alfte 11. Jh. Bretten (Kraichgau), † 25. 4. 1124 Trier. B. war Dompropst in Trier, bevor er 1102 von Kaiser → Heinrich IV. zum Erzbischof ernannt und in Mainz geweiht wurde. In der Auseinandersetzung zwischen weltlicher und geistlicher Macht nahm B. eine vermittelnde Position ein. So gelang es ihm durch pers¨onliche Vorsprache in Rom, seine Einsetzung nachtr¨aglich durch Papst Paschalis II. legitimieren zu lassen. 1106 nahm er am Konzil in Guastalla teil; in den Jahren 1110-12 und 1118 befand er sich an der Seite von Kaiser → Heinrich V., 1119 und 1120 bei Papst Calixt II. Dieser u¨ bertrug ihm die Metropolitangewalt u¨ ber Metz, Toul und Verdun und befreite ihn u¨ berdies von der Jurisdiktion der p¨apstlichen Legaten. B. verstand es erfolgreich, seine weltlichen Herrschaftsinteressen zu wahren. Er vollendete den Westchor des Trierer Domes und errichtete die Neubauten von St. Paulin in Trier und St. Florin in Koblenz. C LexMA Bruno, auch Brun, Bischof von W¨urzburg, * um 1005, † 27. 5. 1045 Persenbeug (Nieder¨osterreich). Der Sohn Herzog Konrads I. von K¨arnten und nahe Verwandte des salischen K¨onigshauses war zuerst kgl. Kaplan, stieg 1027 zum Kanzler f¨ur Italien auf und wurde 1034 von → Konrad II. zum Bischof von W¨urzburg ernannt. Schon von Konrad als Berater gesch¨atzt, z¨ahlte B. unter → Heinrich III. zu den einflußreichsten und angesehensten Kirchenf¨ursten des Reiches. Er begleitete den K¨onig auf seiner Reise durch das Reich und war f¨ur ihn u. a. auch als Brautwerber um Agnes von Poitou t¨atig. In W¨urzburg initiierte B. den Neubau des Doms. Als einer der wenigen geistlichen F¨ursten seiner Zeit widmete er sich mit der kompilierenden Niederschrift eines Psalmenkommentars auch theologisch-exegetischen Fragen. Er starb, w¨ahrend er Heinrich III. nach Ungarn begleitete. C LexMA Bruno von K¨oln, Gr¨under des Kart¨auserordens, * um 1030 K¨oln, † 6. 10. 1101 La Torre (Italien). B. erhielt an der Domschule zu Reims eine theologische und philosophische Ausbildung. Nach einem Kanonikat bei St.

Bruns Cunibert in K¨oln kehrte er nach Reims zur¨uck, wo er 1075 unter Erzbischof Manasses I. Kanzler der Reimser Kirche wurde. In der Folgezeit distanzierte er sich im Konflikt mit Manasses von den in weiten Teilen weltlichen Interessen und Lebensweisen des Klerus und der Kirche der Zeit des Investiturstreites und strebte nach einem Leben in strikter Spiritualit¨at. Er trat in das Benediktinerkloster Molesme ein, zog sich aber bald mit sechs Gef¨ahrten in eine Ein¨ode zur¨uck. Sein ehemaliger Sch¨uler, der nunmehrige Bischof von Grenoble Hugo de Chateauneuf, u¨ berließ ihm die Ein¨ode Chartreuse, wo B. 1084 das erste Kloster des sp¨ateren Kart¨auserordens gr¨undete. 1090 nach Rom berufen, zog B. sich bereits 1091 wieder in die Einsamkeit, diesmal nach La Torre in Kalabrien, zur¨uck. Papst Urban II. gew¨ahrte seinem Orden Konfirmation und Exemtion. B. wurde 1514 heiliggesprochen. C LexMA

Bruno von Magdeburg, auch B. von Merseburg, Schriftsteller, Geschichtsschreiber, * um 1050. B. wirkte als Geistlicher im Domkapitel zu Magdeburg unter Erzbischof Werner. Mit diesem war er am Aufstand der Sachsen gegen → Heinrich IV. 1073-75 beteiligt. Als Werner nach der Schlacht bei Mellrichstadt umkam, schloß sich B. dessen Kampfgef¨ahrten Werner von Merseburg an, dem er 1082 sein Buch u¨ ber den Sachsenkrieg widmete. Sein Werk Saxonicum bellum (hrsg. von Hans-Eberhard Lohmann 1937) kann in seiner parteiischen Schilderung der Vorg¨ange nicht als zuverl¨assig gelten, bietet aber f¨ur die Forschung wichtige Nachrichten und Schriftst¨ucke. Unbeweisbar ist, daß B. sp¨ater Kanzler des Gegenk¨onigs → Hermann geworden sein soll. C VL Bruno, Michael, National¨okonom, * 30. 7. 1932 Hamburg, † 26. 12. 1996 Jerusalem. B. wanderte 1933 mit seiner Familie nach Pal¨astina aus, studierte nach dem Milit¨ardienst Mathematik an der Hebr¨aischen Univ. in Jerusalem und setzte sein Studium in Cambridge (England) fort, wo er den Bachelor Degree ¨ erwarb. Nach einem Studium der Okonomie, das er 1956 mit dem Master’s Degree in Economics abschloß, arbeitete er in der Forschungsabteilung der Bank of Israel, an der er nach der Promotion an der Stanford University 1962 Forschungsdirektor wurde. 1985 wurde B., der seit 1963 am Department of Economics der Hebr¨aischen Univ. in Jerusalem lehrte, wurde 1970 zum Full Professor ernannt und war zuletzt Carl Melchior Professor of International Economics. Gastprofessuren f¨uhrten ihn an das Massachusetts Institute of Technology und die Harvard University. B. Leiter einer Gruppe von Wissenschaftlern, die die Wirtschaftspolitik der israelischen Regierung neu ordnete, und 1986 Gouverneur der Bank of Israel. 1993-96 war er Chef¨okonom der Weltbank in Washington. Seine Forschungsschwerpunkte lagen im Bereich der Entwicklungsprobleme der israelischen Volkswirtschaft und der Kapitaltheorie; er ver¨offentlichte u. a. Economics of Worldwide Stagflation (mit Jeffrey D. Sachs, 1985) und Crisis, Stabilization and Economic Reform (1993). B. war Mitglied der israelischen Academy of Sciences (seit 1975), Ehrenmitglied der amerikanischen Academy of Arts and Sciences und 1992-95 Pr¨asident der International Economic Association. Er wurde mit dem Israel Prize ausgezeichnet. C Hagemann

Brunotte, Heinz (Arnold August), evang. Theologe, * 11. 6. 1896 Hannover, † 2. 2. 1984 Hannover. Nach dem Studium der Theologie in Marburg, T¨ubingen und G¨ottingen sowie einer Ausbildung am Predigerseminar in Loccum war B. seit 1927 Pfarrer in Hoyershausen bei Alfeld. Er war seit fr¨uher Zeit aktives Mitglied der Bekennenden Kirche, trat aber gleichwohl 1936 als Oberkonsistorialrat in die Kirchenkanzlei der Deutschen Evangelischen Kirche

ein, in der er bis 1945 eine maßgebliche Rolle spielte. 1946 folgte die Berufung zum Oberlandeskirchenrat in Hannover. 1949-65 gewann B. als Pr¨asident der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bis 1963 des Kirchenamtes der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) zentrale Bedeutung beim Aufbau der kirchlichen Nachkriegsordnung. Er war Mitverfasser der Grundordnung der EKD, Mitherausgeber der Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes (1958-83), der „Lutherischen Monatshefte“ (seit 1962) und des Evangelischen Kirchenlexikons (4 Bde., 1956-61) und ver¨offentlichte u. a. Bekenntnis und Kirchenverfassung. Aufs¨atze zur kirchlichen Zeitgeschichte (1977). C RGG

Brunow, Ludwig, Bildhauer, * 9. 7. 1843 Lutheran, bei L¨ubz † 21. 1. 1913 Berlin. Aus einfachen Verh¨altnissen stammend, lernte B. das Tischlerhandwerk, besuchte 1866 die Berliner Bauakademie und studierte 1867-69 an der Berliner Kunstakademie unter Rudolf Siemering. 1874-77 unternahm er eine Studienreise nach Paris und Italien. B. schuf Brunnen- und Genrefiguren, Portr¨atb¨usten und zahlreiche Denkm¨aler und Statuen wie etwa die Bronzeplastiken → Friedrichs I. und → Friedrich Wilhelms II. f¨ur die Ruhmeshalle des Berliner Zeughauses, das Reiterdenkmal f¨ur Großherzog → Friedrich Franz II. im Schweriner Schlossgarten, an dem er zehn Jahre lang arbeitete, und das Reiterdenkmal Kaiser → Wilhelms I. in Erfurt. C AKL

Brunquell, Johann Salomon, Jurist, Rechtshistoriker, * 22. 5. 1693 Quedlinburg, † 21. 5. 1735 G¨ottingen. B. studierte 1712-16 in Jena und Leipzig, war kurze Zeit Advokat in Quedlinburg und kehrte 1717 als Hofmeister nach Jena zur¨uck. 1720 wurde er dort zum Dr. jur. promoviert, las als Privatdozent und wurde 1723 als ordentlicher Advokat beim Hofgericht zugelassen. Seit 1728 a. o. Prof., wurde B. 1730 als o. Prof. der Institutionen und kurz darauf auch der Pandekten berufen. Seit 1733 Hofrat, wurde er 1735 als Prof. des kanonischen Rechts und Ordinarius der Juristenfakult¨at nach G¨ottingen berufen. B. ver¨offentlichte eine Historia iuris Romano-Germanici (1727).

Bruns, Fritz, Luftfahrtforscher, * 18. 5. 1895 Osnabr¨uck, † 17. 9. 1974 Osnabr¨uck. B. studierte, unterbrochen vom Ersten Weltkrieg, 1913-22 in M¨unster und M¨unchen Mathematik und Physik. Nach der Promotion 1922 (Untersuchung der charakteristischen Strahlenfl¨achen der Strahlensysteme, die durch drei analytische Funktionen einer komplexen Ver¨anderlichen erzeugt werden) unterrichtete er in Geestem¨unde, Harburg und Norden, seit 1927 an der Oberrealschule in Herford. Hier war er bald auch Leiter der Jungfliegergruppe des Vereins f¨ur Luftfahrt und betrieb private Studien im Modellflug, wobei ihn besonders die Prinzipien des Vogelflugs interessierten. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs wurde er als Zensuroffizier herangezogen. Danach nahm er seine Studien in Herford wieder auf, wobei ihn besonders die Vorstellung vom Fliegen durch Muskelkraft faszinierte. B. entwickelte eine durch einen Schwingfl¨ugelrotor mittels Kardanstabgetriebe von einer Person angetriebene Apparatur, deren Funktionsf¨ahigkeit er in o¨ ffentlichen Vorf¨uhrungen 1953 / 54 unter Beweis stellte. Er ver¨offentlichte Der Sinuscosinuseffekt (1955). C Munzinger Bruns, Hans-J¨urgen, Jurist, * 28. 3. 1908 D¨uren (Rheinland), † 12. 1. 1994 Baden-Baden. B., Sohn eines Landmessers, studierte 1927-30 Rechtswissenschaft in Gießen, Freiburg / Breisgau und Frankfurt / Main, wurde dort 1931 promoviert (K¨onnen die Organe juristischer Personen, die im Interesse ihrer K¨orperschaften

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Bruns Rechtsg¨uter Dritter verletzten, bestraft werden?) und beendete 1934 seine Referendarszeit mit der zweiten juristischen Staatspr¨ufung. 1933 trat er in die NSDAP und die SS ein. 1934-38 Gerichtsassessor im Preußischen Justizministerium, wechselte er anschließend ins Reichsjustizministerium, wurde 1938 zum Landgerichtsrat ernannt und habilitierte sich im selben Jahr in Greifswald f¨ur Straf- und Prozeßrecht (Die Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken). An der Univ. Greifswald u¨ bernahm B. 1938 / 39 eine Lehrstuhlvertretung, hatte 1939-41 eine beamtete a. o. Professur inne und war vor¨ubergehend Dozentenbundf¨uhrer und Leiter der Dozentenschaft. 1941 erhielt er den Ruf auf eine o. Professur f¨ur Strafrecht und Strafprozeßrecht an der Reichsuniversit¨at Posen, konnte die Stelle jedoch nicht antreten, da er zum Kriegsdienst einberufen wurde und als SS-Richter der Reserve am SS-Gericht in M¨unchen t¨atig war. Nach Kriegsende arbeitete B. freiberuflich in Frankfurt / Main, 1953-73 lehrte er als o. Prof. Strafrecht und Strafprozeßrecht an der Univ. Erlangen. C Gr¨uttner

Bruns, (Ernst) Heinrich, Mathematiker, Astronom, * 4. 9. 1848 Berlin, † 23. 9. 1919 Leipzig. Nach dem Studium der Mathematik und Astronomie wurde B. 1871 in Berlin mit der Arbeit De proprietate quadam functionis potentialis corporum homogeneorum promoviert. In den folgenden Jahren arbeitete er an den Sternwarten Pulkowa und Dorpat, bevor er 1876 als a. o. Prof. f¨ur Mathematik an die Berliner Univ. berufen wurde. 1882 wurde B. o. Prof. der Astronomie und Direktor der Sternwarte in Leipzig, wo er 1912 das Amts des Rektors der Univ. u¨ bernahm (Von Ptolem¨aus bis Newton). 1882 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina und 1884 in die K¨oniglich S¨achsische Akademie der Wissenschaften. B. war korrespondierendes Mitglied der Akademien der Wissenschaften in M¨unchen, Berlin und Stockholm. Er ver¨offentlichte Arbeiten u¨ ber Potentialtheorie, die Figur der Erde, Dreik¨orperprobleme und geometrische Optik. Im Bereich der Stellarstatistik verfaßte B. u. a. Wahrscheinlichkeitsrechnung und Kollektivmaßlehre (1906) und Das Gruppenschema f¨ur zuf¨allige Ereignisse (1906). C Biermann

Bruns, Heinrich Julius, Schulmann, * 29. 6. 1746 Rohrsheim bei Halberstadt, † 23. 9. 1794 Reckahn (Mark Brandenburg). Als Musiklehrer und Schreiber fand B. Anstellung im Haus des Domherrn Friedrich Eberhard von → Rochow in Reckahn. Seine Ideen zur F¨orderung und Reform der Volksbildung stießen bei diesem auf Gegenliebe. Als der Schulmeister des Ortes starb, wurde B. dessen Nachfolger. In den zur Herrschaft Rochows geh¨origen D¨orfern Reckahn, Settin und Krane entstanden Dorfschulen, deren Ordnung und p¨adagogisches System Einfluß im ganzen norddeutschen Raum gewannen.

Bruns, Ivo, Klassischer Philologe, * 20. 5. 1853 Halle / Saale, † 16. 5. 1901 Kiel. Der Sohn von Karl Eduard Georg → B. studierte in Berlin und Bonn klassische Philologie und wurde 1877 mit einer Arbeit u¨ ber Platons Gesetze promoviert. Seit 1878 hielt er sich mehrmals zu Forschungszwecken in Paris auf, bevor er sich 1880 mit der Untersuchung Platos Gesetze, vor und nach ihrer Herausgabe durch Philippos von Opus in G¨ottingen habilitierte. 1884 wurde er dort a. o. Prof., 1890 o. Prof. in Kiel. Aus der Zahl von bedeutenden Editionen, Monographien und Aufs¨atzen ist besonders Das literarische Portr¨at der Griechen im vierten und f¨unften Jahrhundert (1896) zu nennen. C SHBL, Bd 5

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Bruns, Karl Eduard Georg, Jurist, * 24. 2. 1816 Helmstedt, † 10. 12. 1880 Berlin. Das Studium der Rechtswissenschaft absolvierte B., Sohn eines Juristen und Bruder von Viktor von → B., in G¨ottingen, Heidelberg und T¨ubingen, wo er 1838 promoviert wurde. Seit 1840 las er dort als Privatdozent, ging 1844 als a. o. Prof. nach Rostock und war seit 1849 o. Professor. B. wurde 1851 nach Halle, 1859 nach T¨ubingen und 1861 nach Berlin berufen, wo er 1870 / 71 Rektor der Univ. war. Er edierte Quellenwerke (Fontes juris Romani, 1860), ver¨offentlichte vergleichende Abhandlungen wie Die Besitzklagen des r¨omischen und des heutigen Rechts (1874) und gab die „Zeitschrift f¨ur Rechtsgeschichte“ heraus. B. war der Vater von Ivo → B. C NDB

Bruns, Ludwig, Neurologe, * 25. 6. 1858 Hannover, † 11. 11. 1916 Hannover. B. schloß das Studium der Medizin in G¨ottingen und M¨unchen 1882 mit der Promotion ab (Vergleichende anatomische Studien u¨ ber das Blutgef¨aßsystem der Netzhaut). Er nahm eine Assistentenstelle an der Provinzialirrenanstalt in Nietleben an, wechselte 1895 an die Psychiatrische und Nervenklinik Halle und ließ sich, nach Aufenthalten in Berlin und Paris, als Neurologe in Hannover nieder. 1903 wurde B. der Professorentitel verliehen. Er publizierte im gesamten Bereich der Neurologie; seine wichtigsten Arbeiten galten den Geschw¨ulsten des Nervensystems, der Pathologie der Muskeln und Nerven sowie traumatischen Neurosen. Er vero¨ ffentlichte u. a. Die Hysterie im Kindesalter (1897, 21906), Die traumatischen Neurosen (1901), Die Hysterie im Kindesalter (1903, 21906) und Handbuch der Nervenkrankheiten im Kindesalter (mit August → Cramer und Theodor → Ziehen, 1912).

Bruns, Marianne, Schriftstellerin, * 31. 8. 1897 Leipzig, † 1. 1. 1994 Dresden. Die Tochter einer Leipziger Kaufmannsfamilie, die sp¨ater ins Schlesische zog, hatte in Breslau Gesang studiert und an verschiedenen Zeitschriften mitgearbeitet. 1925 ver¨offentlichte sie ihren ersten Gedichtband Seliger Kreislauf. Es folgten Novellen, Schauspiele, Erz¨ahlungen und Romane, in die sie historische Pers¨onlichkeiten wie K¨athe → Kollwitz oder Clara → Zetkin (Uns hebt die Flut) einbezog. In der DDR, wo ihre fr¨uhe Ablehnung des Kapitalismus gew¨urdigt und die Schilderung der sozialistischen Arbeitwelt als operative Prosa im Sinne des Bitterfelder Weges gesch¨atzt wurden, fanden auch ihre Kinder- und Jugendb¨ucher großen Zuspruch. 1989 erschien ihre letzte Gedichtsammlung Ungew¨ohnliche Liebeserkl¨arung. C Killy

Bruns, Max, Schriftsteller, Drucker, * 13. 7. 1876 Minden (Westfalen), † 23. 7. 1945 Minden. B. erlernte das Buchdruckerhandwerk in der Verlagsdruckerei seines Vaters in Minden, wo er nach Beendigung der Lehrzeit und praktischen Erfahrungen als Buchdrucker in Hannover zun¨achst die technische Leitung des J. C. C. Bruns Verlags u¨ bernahm. 1889 wurde er in Bonn zum Dr. phil. promoviert (Laut- und Formenlehre des Livre d’Ananchet in der hs. 2585 der k. k. Hofbibliothek zu Wien). 1896 u¨ bernahm B. den Verlag, der seit 1898 eine Bl¨utezeit erlebte. 1899 heiratete er die Schriftstellerin Margarete B. (geb. Sieckmann). B. verlegte Autoren wie Alfred → Mombert und Edgar Allan Poe und gab die Reihen „Meisterwerke der Weltliteratur“ sowie „Auf silbernen Saiten“ heraus. Er u¨ bersetzte Verlaine, Mallarm´e und, gemeinsam mit seiner Frau, die Werke Baudelaires. B. schrieb u. a. die lyrischen Werke Aus meinem Blut (1897) und Garten der Ghaselen (1925). Gegen Ende der zwanziger Jahre mußte er den Verlag aufgeben und beschr¨ankte sich auf die Leitung der angeschlossenen Druckerei. B. erlag den Folgen eines Raub¨uberfalls. C Westf Autoren, Bd 3

Bruns Bruns, Oskar, Internist, * 16. 7. 1878 T¨ubingen, † 26. 9. 1946 Heidelberg. Die Studienjahre verbrachte der Sohn von Paul von → B. ¨ in T¨ubingen und Genf und wurde 1903 promoviert (Uber retrograde Amnesie). Er war Assistent in Leipzig und Berlin sowie Oberarzt in D¨usseldorf und Marburg, wo er sich ¨ 1909 mit der Arbeit Uber Folgezust¨ande beim einseitigen Pneumothorax habilitierte. Am Ersten Weltkrieg nahm B. als Stabsarzt und beratender Internist teil. 1918-21 leitete er die Medizinische Universit¨ats-Poliklinik in G¨ottingen und las dort als a. o. Prof., bevor er 1922 Direktor der Medizinischen Poliklinik in K¨onigsberg wurde. Nach 1945 u¨ bernahm er f¨ur drei Monate die Leitung des Physikalisch-therapeutischen Instituts in Jena. B. ver¨offentlichte u. a. experimentelle und klinische Studien u¨ ber Pneumothorax, Bronchialasthma, Erkrankungen der Pleura und Unterdruckatmung sowie Die ¨ Wiederbelebung (1929, mit Karl Thiel). 2, 3 C Arzte

Bruns, Paul (Eduard) von, Chirurg, * 2. 7. 1846 T¨ubingen, † 2. 6. 1916 T¨ubingen. Nach dem Studium in Berlin und T¨ubingen (Promotion 1870, Das Rankenneurom. Ein Beitrag zur Geschwulstlehre) nahm B. als Oberarzt am Deutsch-Franz¨osischen Krieg 1870 / 71 teil. Danach kehrte er als Assistenzarzt in die Klinik seines Vaters Viktor von → B. nach T¨ubingen zur¨uck, habilitierte sich dort 1875 f¨ur Chirurgie und wurde 1877 a. o. Prof. und 1882 Nachfolger seines Vaters. Seit 1886 war B. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Er bildete viele hervorragende Chirurgen aus und war Leibarzt des w¨urttembergischen K¨onigs und Obergeneralarzt des w¨urttembergischen Sanit¨atskorps. Seine Untersuchungen u¨ ber die Wirkung von Dum-Dum-Geschossen f¨uhrten zum Verbot dieser Waffen auf der Haager Friedenskonferenz. Das 1903 erlassene Gesetz u¨ ber das Verbot von Phosphorstreichh¨olzern ist B.s Forschungen u¨ ber die Phosphornekrose zu verdanken. Sein wissenschaftliches Interesse galt neben anderem der Kropfbehandlung und -operation (u. a. Die Laryngotomie zur Entfernung intralaryngealer Neubildungen, 1878). B. war Begr¨under und Herausgeber der „Beitr¨age zur klinischen Chirurgie“ und des Handbuches der praktischen Chirurgie (1899-1901). Er war der Vater von Oskar und Viktor → B. C NDB

Bruns, Paul, auch Bruns-Molar, S¨anger, Gesangsp¨adagoge, Musikschriftsteller, * 13. 6. 1867 Werden / Ruhr, † 2. 2. 1934 Berlin. B. studierte Rechtswissenschaft in Berlin, Bonn, Marburg und Leipzig und wurde zum Dr. jur. promoviert. 1893-97 studierte er Musikgeschichte und Gesang und vervollkommnete seine stimmliche Ausbildung in Neapel und Florenz. 1895-1900 war B. in Leipzig Mitherausgeber und Redakteur der ersten deutschen Fachzeitschrift f¨ur S¨anger und Gesanglehrer „Der Kunstgesang“, 1900-02 gab er in Berlin „Die Gesangskunst“ heraus. Danach wirkte B. dort als Gesangsmeister am Eichelberg’schen Konservatorium und sp¨ater am Stern’schen Konservatorium. In Neue Gesangmethode nach erweiterten Grundlehren vom prim¨aren Ton (1906) bestritt er die Existenz unterschiedlicher Register der menschlichen Singstimme. Seine Methode des Singens beschrieb B. in Minimalluft und St¨utze (1927) und Atemkunst und Stimmh¨ohe (1929). C MGG

Bruns, Paul Jakob, Orientalist, Literaturhistoriker, Bibliothekar, * 18. 7. 1743 Preetz (Holstein), † 17. 11. 1814 Halle / Saale. B., Sohn eines Klosterpredigers, studierte Theologie an der Univ. Jena und las dort seit 1764 u¨ ber biblische Wissenschaft. 1781 wurde er o. Prof. der Literaturgeschichte in Helmstedt und u¨ bernahm dort 1787 auch das Amt des Bibliothekars. 1796 erhielt er den Titel Hofrat und eine Professur f¨ur orientalische Sprachen. Nach der Aufhebung der

Univ. Helmstedt 1810 wechselte er als o. Prof. der Philosophie nach Halle. B. erwarb sich einen Ruf als bedeutender alttestamentlicher Textkritiker und Orientalist. Er war Mitarbeiter an Benjamin Kennicotts Sammlung hebr¨aischer Handschriften des Alten Testaments, ver¨offentlichte De rebus gestis Richardi Angliae regis in Palaestina (1780; syrisch / lateinisch), gab Romantische und andere Gedichte in altplattdeutscher Sprache (1798) heraus und schrieb eine Allgemeine Litter¨argeschichte (1804). C SHBL, Bd 5

Bruns, Simon, auch Brauns, Bruno, luth. Theologe, * Breslau, † 15. 6. 1570 Schneverdingen. B. studierte Theologie in Wittenberg und wurde von Abt Herbart von Halle 1549 als luth. Prediger an die Benediktinerklosterkirche St. Michael in L¨uneburg berufen. Obgleich er sich im selben Jahr dem Interim unterwarf, wurde B. weiterhin als rechtgl¨aubiger Lutheraner angesehen. Abt Eberhard ernannte ihn wahrscheinlich 1556 zum Superintendenten aller Klosterpfarreien und vermutlich 1566 zum ersten luth. Generalsuperintendenten und damit Administrator des Bistums Verden. In dieser Funktion gilt er als Mitverfasser der ersten luth. Kirchenordnung f¨ur Verden und als Begr¨under des luth. Gottesdienstes in den verdischen Landpfarreien. C ADB

Bruns, Viktor von, Chirurg, * 9. 8. 1812 Helmstedt, † 18. 3. 1883 T¨ubingen. B., Bruder von Karl Eduard Georg → B., studierte 1830-33 am Collegium Carolinum in Braunschweig Naturwissenschaften dann Medizin T¨ubingen, wo er 1836 mit einer Dissertation u¨ ber das zerebrale Nervensystem promoviert wurde (Disquisitiones anatomico-physiologicas de nervis cetaceorum cerebralibus). Nach einem Jahr als Assistenzarzt in Berlin und Halle erhielt er 1837 die Approbation und ließ sich in Braunschweig als praktischer Arzt nieder. Seit 1838 lehrte B., von 1839 an als Prof., am dortigen Collegium Anatomico-Chirurgicum Anatomie. 1841 erschien sein Lehrbuch der allgemeinen Anatomie des Menschen. Ein Jahr sp¨ater zum Prof. der Chirurgie und Leiter des herzoglichen Krankenhauses ernannt, wechselte B. 1843 als Direktor an die Chirurgische Klinik in T¨ubingen. Neben dem Lehrstuhl f¨ur Chirurgie vertrat er hier bis 1867 auch die Augenheilkunde. B. gilt als Begr¨under der operativen Behandlung von Kehlkopfkrankheiten (Die Laryngoskopie und die laryngoskopische Chirurgie, 1865) und leistete Grundlegendes auf dem Gebiet der Extremit¨aten-Galvanochirurgie. Er f¨uhrte ungefettete Baumwolle als Verbandmittel ein, die sogenannte Brunsche Verbandwatte. F¨ur seine Verdienste wurde B. pers¨onlich geadelt. Sein Handbuch der praktischen Chirurgie (1854) wurde sp¨ater von seinem Sohn Paul von → B. fortgef¨uhrt. C NDB

Bruns, Viktor, Jurist, * 30. 12. 1884 T¨ubingen, † 18. 9. 1943 K¨onigsberg. Der Sohn des Chirurgen Paul von → B. studierte in Leipzig und T¨ubingen, wurde dort 1910 promoviert (Besitzerwerb durch Interessenvertreter), im selben Jahr als a. o. Prof. an die Univ. Genf berufen und las seit 1912 in Berlin. 1924 gr¨undete er dort das Institut f¨ur ausl¨andisches o¨ ffentliches ¨ Recht und V¨olkerrecht, das unter seiner Agide ein Zentrum staats- und v¨olkerrechtlicher Forschung wurde. Von 1927 an war B. an zahlreichen internationalen Schiedsprozessen beteiligt. So agierte er u. a. als nationaler Richter f¨ur Danzig vor dem St¨andigen Internationalen Gerichtshof im Haag und als Staatsvertreter des Reichs bei den Verhandlungen u¨ ber die deutsch-¨osterreichische Zollunion. B. war Mitglied des St¨andigen Schiedshofs und des Institut de droit public sowie Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Mit Kurt → H¨antzschel gab er 1928-31 „Die Preßgesetze des Erdballs“ heraus. 1931 war er Gr¨under und Herusgeber der Fon-

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Brunschweiler tes juris gentium. In der Zeit des Nationalsozialismus versuchte er, die aggressiven Territorialanspr¨uche des Reiches in Beitr¨agen wie Die Schuld am Frieden und das deutsche Recht am Sudetenland (1939) v¨olkerrechtlich zu begr¨unden. C Altpreuß Biogr, Bd 4

Brunschweiler, Johann Joachim, schweizer. Unternehmer, * 17. 6. 1759 Erlen (Kt. Thurgau), † 31. 12. 1830 Hauptwil (Kt. Thurgau). B.s Vater war ein selbst¨andiger F¨arber, in dessen Firma B. das Handwerk erlernte, bevor er die Leitung der Gonzenbachschen F¨arberei in Hauptwil u¨ bernahm. Seit 1780 baute er eine Blauf¨arberei auf und u¨ bernahm 1808 die Firma Gonzenbachs. 1790 f¨uhrte B. die Verwendung von Krapp einf¨uhrte. Er bet¨atigte sich auch als Armenpfleger in Hauptwil. 1798 geh¨orte er dem thurgauischen Landeskomitee an und gab mit Hans Jakob von → Gonzenbach den Anstoß zur C HLS dortigen Befreiungsbewegung.

Brunschwig, Hieronymus, auch Brunschwygk, Arzt, * um 1450 Straßburg, † 1512 / 13 Straßburg. B. erlernte die Heilkunde in Bologna, Padua und Paris und zog dann in Aus¨ubung seiner Kunst durch S¨uddeutschland und das Rheinland. Sp¨ater ließ er sich als Wundarzt in seiner Heimatstadt nieder. Seine teilweise in deutscher Sprache verfaßten kompilatorischen Lehrb¨ucher fanden bis in das 17. Jh. hinein weite Verbreitung in ganz Europa. B.s Chirurgia (1497) kann als erstes Handbuch der Chirurgie gelten. Ein von ihm 1500 zum Gebrauch der armen Leute zusammengestelltes, 1508 umgearbeitetes kleines Buch u¨ ber die Destillierkunst wurde 1512 mit seinem Thesaurus pauperum, einem medizinisch-pharmazeutischen Vademecum vereinigt. Dieses Werk geh¨orte zu den heilkundlichen Volksb¨uchern des 16. Jahrhunderts. B. ver¨offentlichte auch einen kleinen Pesttraktat Liber pestilentialis de venenis epidemie (1500) und ein Hauss-Artzneyb¨uchlein (1580). C VL Brunst¨ad, (Hermann) Friedrich (Theodor), evang. Theologe, Philosoph, * 22. 7. 1883 Hannover, † 2. 11. 1944 Willershagen bei Gelbensande (Mecklenburg). Der Sohn eines M¨obelfabrikanten studierte seit 1901 in Heidelberg und Berlin Philosophie, Geschichte, neuere Sprachen, Staatswissenschaften und Theologie. 1909 aufgrund der Untersuchungen zu Hegels Geschichtstheorie promoviert, habilitierte er sich 1911 in Erlangen (Beitr¨age zum kritischen Erkenntnisbegriffe) und wurde dort 1917 a. o. Prof. der Philosophie. 1925 ging er als o. Prof. der systematischen Theologie nach Rostock. Daneben war B. 1922-34 Leiter der Evangelisch-Sozialen Schule des Johannesstiftes in Berlin-Spandau. B.s Religionsphilosophie war unter Bezugnahme auf → Kant und → Hegel vom Begriff der Gottesgesetzlichkeit bestimmt. Offenbarung und Glaube waren f¨ur ihn historisch und anthropologisch Grundlage aller Wissenschaft und Kultur („Philosophie aus dem Glauben“). In diesem Verst¨andnis wies B. der Theologie auch Verantwortung f¨ur sozialethische und politische Grundfragen zu. Er ver¨offentlichte u. a. Die Staatsideen der politischen Parteien (21920), Die Idee der Religion. Prinzipien der Religionsphilosophie (1922), Deutschland und der Sozialismus (1924, 21927) und Allgemeine Offenbarung. Zum Streit um die „nat¨urliche Theologie“ (1935). B. gab Hegels Vorlesungen u¨ ber die Philosophie der Geschichte (1925) heraus. C TRE

Brunswig, Peter, Bankier, * 10. 6. 1879 Neustrelitz, † 22. 1. 1953 Bonn. Nachdem B. 1904 sein Studium der Rechtswissenschaft in Rostock mit dem Assessorexamen und der Promotion abgeschlossen hatte, trat er im selben Jahr in die Deutsche

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Bank ein. 1906 erhielt er Prokura und wurde 1909 als Ver¨ treter der Bank und Filialleiter der Tochter Deutsche Uberseeische Bank nach Santiago de Chile entsandt. 1921 kehrte B. in die Zentrale nach Berlin zur¨uck und r¨uckte dort 1926 zum stellvertretenden Vorstandsmitglied auf. Zuletzt ordentliches Vorstandsmitglied, wurde er 1934 als Privatbankier Mitinhaber des Bankhauses C. G. Trinkaus in D¨usseldorf. B. hielt zahlreiche Aufsichtsratsmandate und war unter anderem Mitglied des Verwaltungsrats der Landeszentralbank C Leb Industrie 1 von Nordrhein-Westfalen.

Brunswik, Egon, Psychologe, * 18. 3. 1903 Budapest, † 7. 7. 1955 Berkeley (Kalifornien, USA). Der Sohn eines Ingenieurs studierte 1921-23 an der TH Wien, danach an der dortigen Univ. und legte 1926 die Lehramtspr¨ufung f¨ur Mittelschulen ab. 1927 wurde er aufgrund der Dissertation Strukturmonismus und Physik promoviert und war bis 1931 Assistent bei Karl → B¨uhler am Psychologischen Institut der Univ. sowie Lehrer am P¨adagogischen Institut der Stadt Wien. B. arbeitete im „Wiener Kreis“ mit. 1931 / 32 richtete er w¨ahrend einer Gastprofessur an der Univ. Ankara ein psychologisches Institut ein, wurde 1934 Privatdozent an der Univ. Wien und emigrierte nach einem Rockefeller Fellowship an der University of California in Berkeley 1936 in die USA. In Berkeley, wo er bis 1955 lehrte, wurde B. 1937 Assistant Professor und 1947 Full Professor. 1943 nahm er die US-Staatsb¨urgerschaft an. B. verstand die Psychologie als Naturwissenschaft, die psychologische Befunde aus den Umweltbedingungen erkl¨art, und befaßte sich mit dem Ursprung und der Dauerhaftigkeit von Wahrnehmung. In der Tradition von → Helmholtz stehend, vertrat er die Ansicht, daß Wahrnehmung nicht allein auf Sinnesdaten zur¨uckgef¨uhrt werden kann, sondern von erlernten Annahmen beeinflußt und einem unbewußten Denken a¨ hnlich wird. Seit seiner Emigration nahm B. an der Unity-of-Science-Bewegung teil. Er ver¨offentlichte u. a. Experimentelle Psychologie in Demonstrationen (1935), Systematic and Representative Design of Psychological Experiments (1947) und The Conceptual Framework of Psychology (1952). B. starb durch Selbstmord. C Stadler

Brunswik von Korompa, Maria Theresia Josefa Anna Johanne Aloysia Gr¨afin, auch Brunswick, urspr. Brunczvik, * 27. 7. 1775 Preßburg, † 23. 9. 1861 Pest (heute zu Budapest). B. v. K., Tochter eines Wirklichen Geheimen und Statthaltereirats in Preßburg, wurde lange Zeit f¨ur die Adressatin von → Beethovens Brief an die unsterbliche Geliebte gehalten. Sie war Sch¨ulerin und Freundin Beethovens, der ihr die Klaviersonate in Fis-Dur op. 78 widmete. Als Anh¨angerin der p¨adagogischen Anschauungen von Johann Heinrich → Pestalozzi gr¨undete B. v. K. 1828 in Ofen die erste KinC NDB derbewahranstalt in Mitteleuropa.

Brunward, Bischof von Schwerin, † 14. 1. 1238. B. geh¨orte wohl schon in jungen Jahren dem Schweriner Domkapitel an. Als Dekan wurde er 1191 von den einheimischen F¨ursten gegen den Kandidaten des Kapitels und Sohn des Grafen → Gunzelin von Schwerin zur Wahl um das Amt des Bischofs aufgestellt und 1192 gew¨ahlt. Obgleich diese Wahl vom Domkapitel 1195 als g¨ultig anerkannt wurde, bestanden die Gegens¨atze zwischen den Parteien bis 1218 fort. Bis dahin mußte sich B. meist außerhalb seiner Di¨ozese aufhalten. Durch Kirchen- und Klostergr¨undungen sowie durch Ansiedlung deutscher Einwanderer festigte er die Organisation des Kolonialbistums und leistete damit einen wesentlichen Beitrag zur christlichen Missionierung Norddeutschlands. Gleichzeitig gelang es ihm, die territoriale Ausdeh-

Brust nung der Di¨ozese gegen die Anspr¨uche der Bisch¨ofe von Havelberg und Kammin u. a. auch mit Waffengewalt zu verteidigen. C Gatz 1

Brupbacher, Fritz, schweizer. Mediziner, Schriftsteller, * 30. 6. 1874 Z¨urich, † 1. 1. 1945 Z¨urich. B., dessen Vater zuletzt Hotelier war, schloß das Studium der Medizin in Genf und Z¨urich 1898 mit dem Staatsexamen ab, wurde aus politischen Gr¨unden von der Promotion ausgeschlossen und bildete sich in Paris zum Psychiater aus. Er war Assistenzarzt an den privaten Irrenanstalten Z¨urichKilchberg und Schaffhausen sowie Chefarzt der Kilchberger Klinik. 1901 er¨offnete er eine Praxis in Z¨urich-Außersiehl. B., seit 1898 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei (SP) und 1901-04 Mitglied des Z¨urcher Großen Stadtrats, k¨ampfte f¨ur die Gleichberechtigung der Frau, das Frauenstudium und die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs; mit seinem politischen Engagement geriet er in Opposition zu den etablierten Parteien und wurde 1914 aus der SP, 1933 aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen, der er seit 1921 angeh¨ort hatte. Seit 1924 war er in dritter Ehe mit Paulette → B. verheiratet. B., der sich selbst als Revolution¨ar verstand, arbeitete an den Zeitschriften „Junge Schweiz“, „Polis“, „Vorposten“ und „Volksrecht“ mit. Er ver¨offentlichte u. a. Geburtshelfer Runge und die Frauenemanzipation (1899), Kindersegen, Fruchtverh¨utung, Fruchtabtreibung (1925, 51929), Michail Bakunin. Der Satan der Revolte (1929), Seelenhygiene f¨ur gesunde Heiden (1943) und Der Sinn des Lebens (1946). Ferner erschienen seine autobiographischen Schriften Erinnerungen eines Revoluzzers (1927) und 60 Jahre Ketzer (1935, 31981). C Killy

Brupbacher, Paulette, geb. Raygrodski, Medizinerin, * 16. 1. 1880 Pinsk (Rußland, heute Weißrußland), † 31. 12. 1967 Unterendingen (Kt. Aargau). Die Tochter eines j¨udischen Privatgelehrten studierte seit 1902 Philosophie in Bern, wo sie 1907 mit der Arbeit Die Bodenreform promoviert wurde. Nach einem Zweitstudium der Medizin in Genf u¨ bernahm sie dort eine Assistenzstelle und ging 1923 nach Z¨urich, wo sie eine eigene Praxis er¨offnete. 1924 heiratete B. in zweiter Ehe Fritz → B., mit dem sie eine Praxis in Z¨urich-Außersiehl betrieb. 1952 ging B. in den Ruhestand und lebte mehrere Jahre lang in Tel Aviv, bevor sie in die Schweiz zur¨uckkehrte. B. forderte in medizinischen und sexuellen Fragen gr¨oßere Entscheidungsfreiheit f¨ur Frauen, etwa hinsichtlich Abtreibung und Verh¨utung. Sie ver¨offentlichte u. a. Rationalisierung und Hygiene (1932), Sexualfrage und Geburtenregelung (1936), Meine Patientinnen (1953) und Hygiene f¨ur Jedermann (1955). C HLS

Brurein, Wilhelm, Architekt, * 10. 10. 1873 Mannheim, † 8. 4. 1932 Hamburg. Nach dem Besuch der Baugewerkschule in Mannheim und der Baugewerbeschule in Karlsruhe studierte B. an der TH M¨unchen Architektur. Im Anschluß daran unternahm er ausgedehnte Studienreisen nach Italien und Nordamerika und arbeitete in Architekturb¨uros in Wien und Berlin. 1904 er¨offnete er ein eigenes Architekturb¨uro in Berlin. B. nahm mit Erfolg an zahlreichen Wettbewerben, u. a. f¨ur den Bahnhof in Leipzig und die TH Buenos Aires, teil. In seinem Stil orientierte sich B. an einer modernisierten Auffassung monumentaler Bauformen der Renaissance. 1915-23 war er als Bezirksarchitekt verantwortlich f¨ur den Wiederaufbau der im Ersten Weltkrieg stark zerst¨orten ostpreußischen Stadt Lyck. C AKL Brus von Muglitz, ¨ Anton, Kreuzherr, Erzbischof von Prag, * 13. 2. 1518 M¨uglitz (M¨ahren), † 27. 8. 1580 Prag. B. v. M. studierte in Prag und Krakau, wurde Ordensmitglied der Kreuzherren mit dem roten Stern und 1541 zum Priester geweiht. Im Krieg gegen die T¨urken 1542-45 bew¨ahrte er

sich als Feldprediger. Nach dem Waffenstillstand wirkte B. als Seelsorger, wurde 1552 General-Großmeister des Ordens und nach Wiederausbruch der Feindseligkeiten von Kaiser → Ferdinand zum obersten Feldprediger, Generalvikar und Geheimen Rat ernannt. 1558 wurde B. v. M. Bischof von Wien, 1561 erhielt er das seit 140 Jahren vakante Amt des Erzbischofs von Prag. Auf dem Trienter Konzil 1562 war er kaiserlicher Legat und Orator. B. v. M. bem¨uhte sich besonders um die Rekatholisierung B¨ohmens. Er liegt im Prager St.-Veits-Dom auf dem Hradschin begraben. 1907 wurden die Briefe des Prager Erzbischofs A. B. v. M. 1562-1563 von Samuel → Steinherz ver¨offentlicht. C Gatz 2

Brusch, Kaspar, Bruschius, Dichter, Historiker, * 16. 8. 1518 Schlaggenwald (B¨ohmen), † 20. 11. 1559 Steinach bei Rothenburg. B., Sohn eines Schuhmachermeisters, studierte in Wittenberg und T¨ubingen und wurde 1539 Kantor in Ulm. 1541 von Kaiser → Karl V. zum Poeta laureatus gekr¨ont, hielt er sich 1542 in Wittenberg und Leipzig auf und war 1544 Rektor in Arnstadt, 1546 in Lindau. 1553 arbeitete er bei dem Buchdrucker Johannes → Oporinus in Basel und nahm schließlich luth. Pfarrstellen in Pettendorf bei Regensburg und in der N¨ahe von Rothenburg / Tauber an. Dort wurde B. von Adligen ermordet. B. schrieb Reisegedichte und vero¨ ffentlichte historisch-geographische Beschreibungen seiner engeren Heimat. Sein Hauptwerk ist eine [Chronologia] Monasteriorum Germaniae praecipuorum [. . .] (1551). C Killy

Brusenbauch, Arthur, auch Artur B., o¨ sterr. Maler, * 24. 1. 1881 Preßburg, † 18. 1. 1957 Abtsdorf / Attersee (Ober¨osterreich). B. war Theatermaler in Wien und unternahm einige ausgedehnte Reisen, bevor er die Wiener Staatsgewerbeschule besuchte und mit 29 Jahren ein Studium an der Akademie der bildenden K¨unste in Wien begann. 1910-15 und 1918-20 war er dort Sch¨uler von Rudolf → Jettmar und Rudolf → Bacher. 1916 geh¨orte B. dem Albrecht-D¨urer-Bund an, trat 1920 der Wiener Secession bei und wechselte 1939 ins K¨unstlerhaus. F¨ur sein Werk erhielt er u. a. 1928 den ¨ Osterreichischen Staatspreis. B. schuf in einem ihm eigenen postimpressionistischen Stil Glasfenster und Fresken an o¨ ffentlichen Geb¨auden und Kirchen vor allem in Wien und Nieder¨osterreich (u. a. die Wandmalereien im Altarraum der Anstaltskirche des Wilhelminenspitals in Wien). C AKL

Brust, Alfred, Schriftsteller, * 15. 6. 1891 Insterburg (Ostpreußen), † 18. 9. 1934 K¨onigsberg. Nach einer 1911 abgebrochenen Ausbildung im v¨aterlichen Beruf wurde B., Sohn eines Kaufmanns, Volont¨ar bei der „Tilsiter Zeitung“ und sp¨ater Redakteur in Annaberg. Als Soldat im Ersten Weltkrieg arbeitete er 1916-18 in der Presseabteilung des Oberbefehlshabers Ost in Litauen. 1918 / 19 war er Delegierter im Rigaer Soldatenrat und lebte danach als freier Schriftsteller in Cranz, Heydekrug und K¨onigsberg. F¨ur den Roman Die verlorene Erde (1926) erhielt B. den Kleist-Preis. C Killy

Brust, August, Gewerkschafter, Redakteur, Politiker, * 1. 8. 1862 Hamm (Werden, heute zu Essen), † 20. 4. 1924 Hannover. Von 1878 an war der Sohn eines Bergarbeiters selbst zwanzig Jahre lang Bergmann. Als u¨ berzeugter Katholik gr¨undete er 1894 den „Gewerkverein christlicher Bergarbeiter f¨ur den Oberamtsbezirk Dortmund“. Seit 1898 arbeitete er hauptamtlich als Redakteur der Zeitung des Gewerkvereins. B. bem¨uhte sich um den Zusammenschluß der verschiedenen christlichen Gewerkschaften zu einer Dachorganisation, ¨ legte jedoch 1904 seine Amter aus Resignation u¨ ber die politische Vereinnahmung seiner Bewegung zeitweise nieder,

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Brust wurde Redakteur der Zentrumszeitung und sp¨ater Stadtverordneter. 1908 in den Preußischen Landtag und 1918 zum Mitglied der Verfassunggebenden preuß. Landesversammlung gew¨ahlt, geh¨orte B. 1921 auch dem ersten Landtag von Westfalen-Nord an. C NDB

Brust, Herbert Waldemar Otto, Komponist, * 17. 4. 1900 K¨onigsberg, † 26. 6. 1968 Bremerhaven. B., Sohn eines Kaufmanns, studierte 1919-23 an der Akademischen Hochschule f¨ur Musik in Berlin-Charlottenburg Komposition und Orgel. F¨ur kurze Zeit war er als Dirigent der Philharmonie und des Musikvereins in K¨onigsberg t¨atig, bevor er sich nach Neukuhren im Samland zur¨uckzog, um sich seinem kompositorischen Werk zu widmen. Sp¨ater wirkte er als Schulmusiker in Bremerhaven. B. komponierte vor allem Kammermusik, Lieder, Ch¨ore und Kantaten. C Altpreuß Biogr, Bd 3

Brustellin, Alf, Filmproduzent, * 27. 7. 1940 Wien, † 11. 11. 1981 M¨unchen. Der Sohn eines Offiziers studierte Germanistik in M¨unchen, trat w¨ahrend des Studiums als Schauspieler, sp¨ater als Kabarettist auf und schrieb 1966-71 u. a. f¨ur die „S¨uddeutsche Zeitung“ und den „Spiegel“ Theater- und Filmrezensionen. Seit Ende der sechziger Jahre realisierte er als Drehbuchautor, Kameramann, Produzent und Regisseur Kultursendungen und Kinderfilme f¨ur das Fernsehen und mit wachsendem Erfolg Kinofilme. B., der zum Jungen Deutschen Film zu z¨ahlen ist, arbeitete mit dem Regisseur Bernhard Sinkel zusammen; gemeinsam drehten sie etwa den Film Berlinger – ein deutsches Abenteuer (1975), eine Episode f¨ur Deutschland im Herbst (1977 / 78) sowie verschiedene Literaturverfilmungen. B. starb an den Folgen eines Verkehrsunfalls. C Cinegraph

Museum, K¨oln) aus den zwanziger Jahren. Bedeutend in ihrer Eigenst¨andigkeit und Lebendigkeit ist vor allem B.s Portr¨atmalerei. C AKL

Bruyn, Bartholom¨aus d. J., auch Bruin, Maler, * um 1530 K¨oln, † zwischen 1607 und 1610 K¨oln. ¨ u¨ bernahm B. nach Als Sohn von Bartholom¨aus → B. d. A. 1550 sowohl dessen Werkstatt als auch die Vorliebe f¨ur die Portr¨atmalerei. 1571 konnte er seine Geschwister auszahlen und so die im Familienbesitz befindlichen H¨auser in St. Alban an sich ziehen. 1566-1606 regelm¨aßig zum Ratsherrn gew¨ahlt, fungierte B. 1591 auch als Bannerherr. Zu diesem Zeitpunkt hatte ihm eine zunehmende Sehschw¨ache die Aus¨ubung seiner Kunst schon unm¨oglich gemacht. C AKL Bruyn, Katharina de, Schauspielerin, * 24. 4. 1940 Tegernsee, † 26. 2. 1993 Bad Wiessee. Seit ihrem Deb¨ut in der „Kom¨odienstadel“-Auff¨uhrung Der Ehestreik (1971) spielte B. w¨ahrend der folgenden zwei Jahrzehnte an der Seite von Maxl → Graf, Beppo → Brem und Gustl → Bayrhammer in mehr als 20 Hauptrollen dieser B¨uhne, aber auch in St¨ucken von Curth Flatow und George Bernard Shaw. Im Fernsehen war sie in Produktionen wie Der Alte und Derrick zu sehen.

¨ auch de Bruyn, Bruin, BruBruyn, Bartholom¨aus d. A.,

Bry, Gerhard, National¨okonom, Wirtschaftshistoriker, * 29. 6. 1911 Berlin, † 13. 8. 1996 West Orange (New Jersey, USA). B. studierte 1930-33 Jura in Heidelberg und Berlin, h¨orte Vorlesungen des Soziologen Karl → Mannheim, unterhielt Kontakt zu Richard → L¨owenthal und wurde Mitglied des politischen Geheimbunds „Neu Beginnen“. Als sein Studium aus politischen Gr¨unden unterbrochen wurde, war er als Automechaniker, Bauarbeiter und Elektromonteur t¨atig und arbeitete auch nach seiner Emigration nach London als Handwerker. 1938 ging B. in die USA und absolvierte 1939-45 ein wirtschaftswissenschaftliches Studium an der Columbia University in New York, das er 1955 mit einer Promotion im Bereich Arbeits¨okonomik abschloß. Seine 1960 ver¨offentlichte und auf die Dissertation zur¨uckgehende Studie Wages in Germany fand in der wirtschaftshistorischen und sozialgeschichtlichen Forschung große Beachtung und gilt auch heute noch als Standardwerk. 1952-67 arbeitete B. als empirischer Konjunkturforscher im Research Staff des National Bureau of Economic Research. 1955-61 war er Associate Professor an der School of Business Administration der Rutgers University und 1961-76 Professor an der Graduate School of Business Administration der New York University. Zu seinen weiteren Werken z¨ahlen Cyclical Analysis of Time Series. Selected Procedures and Computer Programs (1971, mit Charlotte Boschan) sowie die autobiographische Ver¨offentlichung Brief Stories from a Long Life (1989). C Hagemann

nen, Bruns, Fuscus, Maler, * 1493 Wesel, † 22. 4. (?) 1555 K¨oln. B., Sch¨uler des Jan → Joest von Kalkar, begann seine Ausbildung 1505 in der Werkstatt des Jan Joest von Kalkar, in der auch Joos van Cleve arbeitete. Um 1512 trat er in K¨oln in eine Malerwerkstatt ein und wurde zwischen 1515 und 1518 Meister. 1518 zum ersten Mal in einem Ratsausschuß der Stadt erw¨ahnt, ist er in Quellen von 1549 bis 1552 als Ratsherr verzeichnet. In Fr¨uhwerken wie Anbetung des Kindes (1516, St¨adelinstitut Frankfurt / Main) ist der Einfluß seiner Lehrer deutlich ablesbar. In seinem sp¨ateren Schaffen wandte sich B., vermittelt durch die Niederl¨ander, immer mehr dem italienischen Manierismus zu. Zu seinen Hauptwerken geh¨oren die Alt¨are von Essen (1522-25) und Xanten (1529-34) sowie die Anbetung der K¨onige (Wallraf-Richartz-

Bry, Johann Theodor de, Kupferstecher, Radierer, B¨uchsenmeister, Verleger, * 1561 L¨uttich (Belgien), † 1623 Bad Schwalbach (Hessen). Der Sohn Theodor de → B.s und Schwiegervater Matth¨aus → Merians erlernte das Kupferstechen in Straßburg bei Etienne Delaune. Er selbst berichtet (Feuerwerksb¨uchlein, 1619), daß er danach einige Jahre in t¨urkischen Diensten stand. Seit etwa 1593 arbeitete er mit seinem Vater in Frankfurt / Main. 1594-1609 war B. B¨urger der Stadt, zog dann aber nach Oppenheim, weil er von seinem reformatorischen Glauben nicht lassen wollte; 1616 konnte er wieder nach Frankfurt zur¨uckkehren. B. kopierte nach deutschen, niederl¨andischen und italienischen Vorlagen und stach Vorlagen zu Goldschmiedearbeiten sowie Illustrationen zu bekannten

Brusto, Max, eigentl. Motek Brustowiecki, Pseud. Max Brusto, O. T. Surb, Journalist, Schriftsteller, * 15. 10. 1906 Kolno (Polen), † 25. 2. 1998 Paris. B. lebte zun¨achst in Magdeburg, sp¨ater in Hamburg und arbeitete f¨ur verschiedene, u. a. j¨udische Zeitungen und den Rundfunk. 1933 emigrierte er nach Frankreich, schrieb in Paris und Nizza f¨ur die „Pariser Tageszeitung“ und das „Gr¨une Journal“ und floh 1942 vor den Nationalsozialisten in die Schweiz. Seine Flucht mit einem Ruderboot u¨ ber den Genfer See und sein Leben als Fl¨uchtling schilderte er in dem Roman Ich bin ein Fl¨uchtling (1945) und in der Dokumentation Im Schweizer Rettungsboot (1967). In der Schweiz in unterschiedlichen Lagern interniert, kehrte B. 1946 nach Frankreich zur¨uck, wo er als freier Schriftsteller, Journalist und in der Werbung t¨atig war. Zu seinen weiteren Ver¨offentlichungen z¨ahlen Die letzten Vier (1940), Drei Franzosen (1945), Atelier Jim (1950, entstanden 1936) und das H¨orspiel Das Leben des Fran¸cois Villon (1962). C Lex dt-j¨ud Autoren

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Bubendey zeitgen¨ossischen Ver¨offentlichungen. Gemeinsam mit seinem Bruder Johann Israel B. f¨uhrte er die Reisewerke seines Vaters fort. C NDB

Bry, Theodor de, Goldschmied, Kupferstecher, Verleger, * 1528 L¨uttich (Belgien), † 27. 3. 1598 Frankfurt / Main. In seiner Geburtsstadt arbeitete B. als Goldschmied, bevor er aus religi¨osen Gr¨unden nach Straßburg ging und dort 1570 das B¨urgerrecht erwarb. Hier arbeitete er mit dem Kupferstecher Etienne Delaune zusammen, der seinen Sohn Johann Theodor de → B. ausbildete. Nach einer Englandreise ließ sich B. 1588 in Frankfurt / Main nieder, wo er 1591 B¨urger wurde. Er gab die Goldschmiedearbeit auf, widmete sich ganz der Kupferstecherei und betrieb mit seinen S¨ohnen einen Buch- und Kunsthandel. B. illustrierte einige große Reisewerke, die zum Teil nach seinem Tod von seinen S¨ohnen fortgesetzt wurden. 1597-99 ver¨offentlichte er gemeinsam mit seinen S¨ohnen vier B¨ande mit Portraits ber¨uhmter M¨anner der Renaissance. Einige Goldschmiedearbeiten B.s sind in Straßburg und Dresden, Zeichnungen in Berlin, N¨urnberg und Paris erhalten. Gemeinsam mit seinen S¨ohnen schuf B. fast 1500 thematisch vielf¨altige und handwerklich saubere Stiche. C NDB Brzoska, Heinrich Gustav, P¨adagoge, * 6. 5. (5. 6. ?) 1807 K¨onigsberg, † 9. 11. (12. 9. ?) 1839 Jena. B. begann das Studium der Philologie, Geschichte und Philosophie in K¨onigsberg, wo er Assistent an Johann Friedrich → Herbarts P¨adagogischem Seminar wurde. Nach Herbarts Weggang wechselte B. nach Berlin und Leipzig, wo er sich 1831 habilitierte. Seit 1832 las er als Privatdozent in Jena, u¨ bernahm die Leitung des dortigen Knabeninstituts von Heinrich → Gr¨afe und wurde 1835 zum a. o. Prof. berufen. Mit der Schrift Die Notwendigkeit p¨adagogischer Seminare an der Universit¨at und ihre zweckm¨aßige Einrichtung (1836) war er Vork¨ampfer der P¨adagogik als eigenst¨andiger wissenschaftlicher Disziplin. C Altpreuß Biogr, Bd 1 Bschorer, Hans Georg, auch Johann G. B., Bildschnitzer, * 31. 3. 1692 Oberndorf / Lech, † 2. 4. 1764 Oberndorf / Lech. B. lernte die Holzschnitzerei wohl zuerst bei seinem Vater und ging ab 1711 bei Christoph Bahmer in Augsburg in die Lehre, danach bildete er sich in Wallerstein und in Br¨unn bei Anton Riga fort. 1720-23 arbeitete er f¨ur den Wallersteiner Hof. Seit 1723 wirkte er in Oberndorf. Er schuf eine F¨ulle von Kirchenausstattungen in Donauw¨orth und Umgebung. Sein bedeutendstes Werk ist die Muttergottesfigur in Engelstetten (etwa 1735). B. geh¨orte zu den deutschen Bildschnitzern des Sp¨atbarock, deren Arbeiten den volkst¨umlichen Werken der Sp¨atgotik n¨aherstehen als dem gleichzeitigen Barock. C AKL Buback, Siegfried, Jurist, * 3. 1. 1920 Wilsdruff (Sachsen), † 7. 4. 1977 Karlsruhe. Nach rechtswissenschaftlichen Studien in Leipzig leistete B. Kriegsdienst, kehrte 1947 aus der Kriegsgefangenschaft zur¨uck und wurde 1950 Assessor im nieders¨achsischen Staatsdienst. Seit 1953 Staatsanwalt, wurde er 1959 als Erster Staatsanwalt an die Bundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof abgeordnet und 1963 zum Oberstaatsanwalt, 1971 zum Bundesanwalt ernannt. Er war mit einer kurzen Unterbrechung 1967 / 68 seit 1959 in der Abteilung Landesverrat an der Bundesanwaltschaft t¨atig und wurde u. a. mit den Ermittlungen, die 1962 zur „Spiegel“-Aff¨are f¨uhrten, sowie mit der Fahndung nach Andreas → Baader und Ulrike → Meinhof betraut; als Generalbundesanwalt (seit 1974) leitete er die Untersuchung im Spionagefall G¨unter Guillaume. B. fiel einem Mordanschlag zum Opfer, zu dem sich ein „Kommando Ulrike Meinhof“ bekannte. C Munzinger

Bube, Adolf, Archivar, * 23. 9. 1802 Gotha, † 17. 10. 1873 Gotha. Nach dem Abschluß theologischer und philologischer Studien in Jena kam B. 1824 als Erzieher nach Coburg, wurde 1829 Vorleser der Herzogin → Auguste und war bis 1834 Privatsekret¨ar in Mainz. Anschließend Archivsekret¨ar beim herzoglichen Oberkonsistorium in Gotha, wurde er 1839 Oberkonsistorialsekret¨ar und 1842 Direktor des Kunstkabinetts sowie des Chinesischen Kabinetts. Seit 1853 Archivrat, verließ er 1858 das Oberkonsistorium und leitete den Gothaer Kunstverein. B. schrieb Gedichte und gab u. a. Das herzogliche Kunstkabinett zu Gotha (1853) heraus. C ADB

Bubenberg, Adrian von, schweizer. Staatsmann, * um 1431 Spiez, † 1. / 7. 8. 1479 Bern. ¨ und Sohn eines sechsmaliDer Urenkel Johann → B.s d. A. gen Schultheißen von Bern war in seiner Jugend Page am burgundischen Hof, wurde 1451 in den Berner Rat der Zweihundert gew¨ahlt und war 1457-61 Vogt in Lenzburg. 1464 trat er als Nachfolger seines Vaters in den Berner Rat ein, wurde – nachdem er 1466 als Ritter vom Heiligen Grab von einer Pal¨astinareise zur¨uckgekehrt war – 1467 erstmals Schultheiß und f¨uhrte Bern im M¨ulh¨auser Krieg gegen den Sundgauer Adel. Im Twingherrenstreit (1469-71) wahrte er gemeinsam mit seinem sp¨ateren Kontrahenten Nikolaus von → Diesbach die Rechte des Adels gegen die Stadt, wurde von dessen Partei jedoch im Vorfeld der Burgunderkriege 1475 aus dem Berner Rat ausgeschlossen. B. verteidigte die Stadt Murten erfolgreich gegen den Herzog von Burgund und war 1476-79 erneut Berner Schultheiß. C NDB ¨ schweizer. Staatsmann, Bubenberg, Johann d. A., * um 1290, † 1369. B. stammte aus einer Berner Patrizierfamilie, die im 13. Jh. mehrmals Schultheißen der Stadt stellte, und wurde 1319 erstmals in diese h¨ochste Staatsw¨urde gew¨ahlt. W¨ahrend seiner Amtszeit errang er milit¨arische Siege u. a. gegen die Herren von Weissenburg sowie im Laupenkrieg und erarbeitete einen umfangreichen Friedensvertrag. Auch nach seinem R¨ucktritt als Schultheiß 1350 blieb B. politisch aktiv und f¨uhrte 1361 u. a. die Verhandlungen um eine Allianz mit ¨ Osterreich. C NDB

Bubendey, Johann Friedrich, Ingenieur, * 4. 7. 1848 Hamburg, † 10. 5. 1919 Hamburg. Urspr¨unglich zum Kaufmann bestimmt, brach B., Sohn eines Mathematikprofessors am Johanneum in Hamburg, 1865 diese Ausbildung ab. Nach Abschluß einer technischen Lehre studierte er Wasserbau am Z¨urcher Polytechnikum sowie an der TH Aachen und trat 1872 in die Strom- und Hafenbauverwaltung Hamburg ein. B. wurde 1879 B¨urochef, 1886 Wasserbauinspektor. Er war an der Gestaltung der Hamburger Hafenanlagen, an der Regulierung der Unterelbe sowie am Bau der St.-Pauli-Landungsbr¨ucken und des Elbtunnels beteiligt. 1895-1903 war er Prof. f¨ur Wasserbau an der TH Charlottenburg, 1901 / 02 deren Rektor. B. kehrte 1903 als Wasserbaudirektor nach Hamburg zur¨uck; im sogenannten K¨ohlbrandvertrag mit Preußen (1909) fand er eine L¨osung f¨ur die schwierige Stromverteilung zwischen Hamburg, Harburg und Altona. B. war der Vater des Redakteurs ¨ Johann Friedrich → B. C DBJ, Uberleitungsband 2

Bubendey, Johann Friedrich, Pseud. Peter Albinus, Hannes Deyben, Redakteur, Schriftsteller, * 17. 4. 1888 Hamburg, † 26. 1. 1964 Hamburg. Der Sohn des Ingenieurs Johann Friedrich → B. studierte Volkswirtschaft, Staats- und Verwaltungsrecht in Jena und Berlin und kam 1912 als Redakteur in seine Geburtsstadt. 1914-18 nahm er – zuletzt als Presseoffizier der Obersten

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Buber Heeresleitung – am Ersten Weltkrieg teil. B. wurde Mitinhaber des Verlags Dr. Bubendey und Kober und war 1920 und 1926 Reichstagskandidat der Deutschnationalen Volkspartei. Seit 1926 in Finkenkrug bei Berlin ans¨assig, gab er die „Illustrierte Denksport-Korrespondenz“ sowie den „Staatswissenschaftlichen Pressedienst“ heraus und war bis 1934 Referent und Leiter der Vortragsabteilung des Deutschlandsenders. B. schrieb mehrere Dramen (u. a. Ein Einbruch, 1907); w¨ahrend der Zeit des Nationalsozialismus ver¨offentlichte er zahlreiche politische Schriften sowie die gesammelten Briefe Albert Leo → Schlageters (Deutschland muß leben . . ., 1933).

Buber, Martin, (Mordechai), j¨udischer Religionsphilosoph, * 8. 2. 1878 Wien, † 13. 6. 1965 Jerusalem. B. entstammte einer großb¨urgerlichen j¨udischen Familie. Seine Jugendjahre verbrachte er 1881-92 nach der Scheidung der Eltern Karl B. und Elise Wurgast in Lemberg im großelterlichen Haus. Vom Großvater Salomo → B., einem als Editor rabbinischer Quellen bekannten Gelehrten, wurde er in die Welt j¨udischer Religiosit¨at und Geistigkeit eingef¨uhrt, von der Großmutter Adele in die Welt der sch¨onen Literatur, vornehmlich der deutschen Klassik. Seit seinem 13. Lebensjahr besuchte er das polnische Gymnasium in Lemberg und lernte auf diese Weise auch den slawischen Kulturraum kennen (seine erste Ver¨offentlichung ist polnisch geschrieben). Daneben geriet er auch in Ber¨uhrung mit Leben und Geist der chassidischen Bewegung des Ostjudentums, wuchs selbst aber als „kultur-assimilierter Westjude“ (A. B¨ohm) heran. Das breit angelegte Studium (Philosophie, Germanistik, klassische Philologie, Literatur- und Kunstgeschichte, Psychiatrie und National¨okonomie) begann 1896 in Wien und f¨uhrte u¨ ber Leipzig und Berlin nach Z¨urich. Unter seinen Lehrern ragen namentlich Wilhelm → Dilthey und Georg → Simmel hervor. F¨ur seine geistige Entwicklung bestimmend war insbesondere der Einfluß → Nietzsches, ferner die Besch¨aftigung mit Mystikern der Renaissance- und Reformationszeit wie Jacob → B¨ohme und Valentin → Weigel. Zu Marksteinen seines Lebens wurden 1899 in Z¨urich die Heirat mit Paula Winkler (sp¨ater unter dem SchriftstellerPseudonym Georg → Munk bekannt) und in Berlin im Kreis der von Heinrich und Julius → Hart begr¨undeten kulturrevolution¨aren, sozialistischen „Neuen Gemeinschaft“ die Begegnung mit Gustav → Landauer, dem er zeitlebens eng verbunden blieb. B. fand bereits fr¨uh Anschluß an die zionistische Bewegung: 1898 initiierte er eine zionistische Ortsgruppe und den Verein j¨udischer Studenten in Leipzig, 1899 nahm er als Delegierter am 3. zionistischen Kongreß in Basel teil und wurde Redakteur der zionistischen Zeitschrift „Die Welt“. 1901 trat er auf dem 5. zionistischen Kongreß in Basel als Sprecher der „kulturzionistischen“ Richtung gegen die national-politischen Zionisten auf, was zum Bruch mit Theodor → Herzl und Max → Nordau f¨uhrte. 1902 begr¨undete er mit Berthold → Feiwel den „J¨udischen Verlag“ im Sinne der kulturellen und geistigen „Erneuerung des Judentums“. Die Verbindung mit dem „Verein j¨udischer Hochsch¨uler Bar Kochba in Prag“ (seit 1903) diente dem gleichen Ziel. Mit dem Abschluß der Dissertation (Zur Geschichte des Individuationsproblems [Nikolaus von Cues und Jakob B¨ohme], Wien 1904) zog sich B. zunehmend aus der zionistischen Parteiarbeit zur¨uck.

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Schon fr¨uh mit namhaften Dichtern und Schriftstellern bekannt (u. a. Richard → Dehmel, Hermann → Hesse, sp¨ater Alfred → D¨oblin, Max → Brod, Arnold und Stefan → Zweig, Samuel Joseph Agnon), f¨uhlte er sich im Gefolge eigener ekstatischer Erfahrungen selbst zum Dichter berufen und begann eine vielseitige literarische T¨atigkeit: Im Mittelpunkt steht die j¨udische Mystik des Chassidismus (Die Geschichten des Rabbi Nachman, 1906; Die Legende des Baal Schem, 1908; beide w¨ahrend eines Aufenthalts in Florenz 1905 / 06 entstanden), daneben aber auch andere, namentlich orien¨ talische Uberlieferungen mythischen und mystischen Den¨ kens (Ekstatische Konfessionen, 1909; Ubersetzung der Reden und Gleichnisse des Tschuang Tse, mit einem Nachwort zur Lehre des Tao, 1910). Den Abschluß dieser ersten Schaffensphase bildet die kleine Prosadichtung Daniel (1913), die eine Synthese westlicher Lebensphilosophie und o¨ stlicher Mystik versucht, im Kern aber bereits Grundelemente des sp¨ater f¨ur B. kennzeichnenden Existentialismus und dialogischen Prinzips enth¨alt und von B. selbst r¨uckblickend als „Bekehrung“ bezeichnet wurde. In dieser Zeit bestritt B., inzwischen in Berlin ans¨assig, seinen Lebensunterhalt wesentlich durch das Lektorat bei R¨utten & Loening (bis 1915) als Herausgeber der sozialpsychologischen Schriftenreihe „Die Gesellschaft“. Seit 1913 wuchs zunehmend auch wieder das Interesse an Fragen der zionistischen Bewegung. Ans¨atze dazu finden sich bereits in den Drei Reden u¨ ber das Judentum, zwischen ¨ 1909 und 1911 in Prag gehalten, 1911 publiziert. Offentlich zum Ausdruck brachte er dies zun¨achst 1913 in Pl¨anen zur Gr¨undung einer j¨udischen Schule in Deutschland, die Erziehung „im Sinne eines wahrhaften und lebendigen Judentums inaugurieren sollte“, ferner 1916 unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs in seinen gesammelten Aufs¨atzen und Ansprachen u¨ ber Die j¨udische Bewegung, in der kleinen Schrift Vom Geist des Judentums sowie vor allem in der Herausgabe der Monatsschrift „Der Jude“, die bis 1924 von B. als Sprachrohr j¨udischer Neubesinnung und Sammlung geleitet wurde. 1916 – inzwischen nach Heppenheim an der Bergstraße umgezogen – kam es auch zur ersten Konzeption von Ich und Du, der 1923 ver¨offentlichten Grundschrift B.s, mit der er sich von der bisher eingenommenen mystischen Grundhaltung verabschiedete und die Kehre zum dialogischen Denken in Beziehung und Begegnung vollzog, Grundlage aller sp¨ateren sprachphilosophischen und p¨adagogischen Arbeiten. Die Greuel des Kriegs und die ihm folgenden revolution¨aren Umbr¨uche erlebte und deutete B. wie viele ihm verbundene Zeitgenossen als geistige und religi¨ose Krisis und als Widerlegung der nationalen Ideologie. Im Rahmen zionistischer Bestrebungen schloß er sich der von Aron David Gordon bestimmten revolution¨arsozialistischen, nichtmarxistischen Erneuerungsbewegung des Ha-poel Hazair an (Teilnahme am Zionistenkongreß in Karlsbad 1921). 1921 verabschiedete er sich indes erneut von der aktiven Parteiarbeit, ohne freilich seine Anteilnahme an zionistischen Fragen aufzugeben (insbesondere auch die damit verbundene Araberfrage; Unterst¨utzung der u. a. von den Freunden Hugo → Bergmann, Hans → Kohn und Gerschom → Scholem bestimmten Gruppe des „Berit Schalom“ beim Besuch Pal¨astinas 1927). In den folgenden Jahren wirkte B. von Heppenheim aus in sich vielf¨altig weitenden Kreisen. Seit 1919 initiierte er Tagungen zur Erneuerung des Bildungswesens, unterst¨utzt u. a. von Florens Christian Rang, Ernst → Michel, Paul → Natorp und anderen Mitgliedern des „s¨udwestdeutschen Kreises“ bzw. „Frankfurter Bundes“, und arbeitete mit an den p¨adagogischen Reformbestrebungen im „Internationalen Arbeitskreis f¨ur Erneuerung der Erziehung“ unter Elisabeth → Rotten sowie im „Hohenrodter Bund“. Er beteiligte

Buber-Neumann sich an den Bestrebungen des interkonfessionellen „Patmoskreises“ um Hans und Rudolf → Ehrenberg, Werner Picht, Eugen → Rosenstock-Huessy, Franz → Rosenzweig und Leo → Weismantel, die Begegnung und Zusammenarbeit der Religionen zu f¨ordern, und gab im Auftrag dieses Kreises 1926-30 zusammen mit Joseph → Wittig und Viktor von → Weizs¨acker die Zeitschrift „Die Kreatur“ heraus. Daneben u¨ bte er eine vielf¨altige Unterrichtst¨atigkeit aus: in Frankfurt seit 1919 an dem von Anton → Nobel gegr¨undeten „Freien j¨udischen Lehrhaus“, an der „Akademie der Arbeit“ sowie an der Univ. (seit 1923 mit einem Lehrauftrag f¨ur „Religionswissenschaft und j¨udische Ethik“, seit 1930 als Honorarprofessor f¨ur „Sozialwissenschaft“), ferner in freien Lehrgruppen in der Schweiz (Ascona 1924), in Holland (Amersfoort 1925) und sonst in Deutschland (Stuttgart 1928 / 29, Berlin 1929). Seit 1925 begann eine enge Zusammenarbeit mit Franz Rosenzweig bei der Verdeutschung der hebr¨aischen Bibel, die B. nach dessen Tod (1929) weiterf¨uhrte (1961 vollendet) und u¨ ber deren Grundlagen beide in dem Gemeinschaftswerk Die Schrift und ihre Verdeutschung (1934) Rechenschaft ablegten. In der Folgezeit traten dadurch neben der weitergef¨uhrten Besch¨aftigung mit der Welt des Chassidismus (Der große Maggid und seine Nachfolger, 1922; Der Baal-Schem-Tob, 1927; Die chassidischen B¨ucher, 1928; Hundert chassidische Geschichten, 1930) biblische Themen immer st¨arker in seinen Gesichtskreis (K¨onigtum Gottes, 1932). Nach der Machtergreifung der NSDAP legte B. vor dem offiziellen Entzug der venia legendi seine Frankfurter Professur nieder und bet¨atigte sich danach am Aufbau einer „Mittelstelle f¨ur j¨udische Erwachsenenbildung bei der Reichsvertretung der Juden in Deutschland“. 1935 wurde ihm jede o¨ ffentliche Lehrt¨atigkeit verboten. Versuche, ihn an die hebr¨aische Univ. in Jerusalem zu berufen, f¨uhrten erst 1938 zum Erfolg. Noch vor dem Novemberpogrom konnte er dorthin emigrieren und eine Professur f¨ur „Sozialpsychologie“ (in Folge eines orthodoxen Vetos nicht f¨ur „Religionsphilosophie“) u¨ bernehmen. Der schwere Neubeginn war bestimmt von dem Bem¨uhen, sich in den politischen Wirren des Landes an der Grundlegung und am Aufbau j¨udischer Erziehungsarbeit zu beteiligen und zusammen mit J. L. Magnes in der Gruppe „Ichud“ f¨ur j¨udisch-arabische Verst¨andigung einzutreten (Israel und Pal¨astina, 1944, hebr¨aisch). Er fand damit aber nur geringen Widerhall. Seine Schaffenskraft blieb ungebrochen. Die Ans¨atze von Ich und Du wurden weiter ausgebaut zu einer umfassenden philosophischen Anthropologie (sp¨ater zusammengefaßt in Schriften zum dialogischen Prinzip, 1954), die bibelwissenschaftlichen Werke Der Glaube der Propheten (1942, hebr¨aisch) und Moses (1945, hebr¨aisch) vollendet. Auch die vor der Vertreibung aus Deutschland beschrittenen Wege der Begegnung und Auseinandersetzung (Zwiegespr¨ach mit Karl Ludwig → Schmidt im Stuttgarter Lehrhaus, 1933) mit christlicher Weltsicht wurden fortgesetzt (Zwei Glaubensweisen, geschrieben 1948 in den Tagen der Belagerung Jerusalems, mit ausdr¨ucklichem Dank an Rudolf → Bultmann, Albert → Schweitzer, Rudolf → Otto und insbesondere Leonhard → Ragaz). Nach der Staatsgr¨undung Israels errichtete er 1949 in Jerusalem ein „Seminar f¨ur Erwachsenenbildung“, das er bis 1953 selbst leitete. 1960-62 war er der erste Pr¨asident der Akademie der Wissenschaften Israels. 1947 kam er erstmals wieder nach Europa, zu Vortr¨agen nach Paris, Basel, London; seit 1951 besuchte er auch mehrmals Deutschland, ebenso die USA. In dieser Zeit wurden ihm zahlreiche offizielle Ehrungen zuteil: 1951 in Hamburg der Hansische Goethepreis, 1953 in Frankfurt der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 1960 der Kulturpreis der Stadt

M¨unchen, 1961 der Große o¨ sterreichische Staatspreis, 1963 in Amsterdam der niederl¨andische Erasmuspreis; 1964 Ehrendoktorat der Univ. Heidelberg. W¨ahrend so im Ausland seine Weltgeltung als philosophischer und religi¨oser Denker und Erzieher wuchs und er dort als der große K¨under j¨udischer Existenzdeutung galt, fand er in der j¨udischen Welt, insbesondere Israel, auch nach seinem Tod bislang nur geringes Echo. WEITERE WERKE: Gesammelte Werke. 3 Bde., M¨unchen / Heidelberg 1962-64. – Nachlese. Heidelberg 1965. – Briefwechsel aus sieben Jahrzehnten. Hrsg. v. Grete Schaeder. 3 Bde., Heidelberg 1973-75. LITERATUR: Moshe Catanne: A bibliography of M. B.’s works. Jerusalem 1961. – Margot Cohn / Rafael Buber: M. B. A bibliography of his writings 1897-1978. Jerusalem 1980. – Hans Kohn: M. B. Sein Werk und seine Zeit. Hellerau bei Dresden 1930. K¨oln 31961. Dreieich 41979 (Nachwort von Robert Weltsch). – Arthur Schilp / Maurice Friedman (Hrsg.): M. B. Stuttgart 1963 (Bibliogr.). – Grete Schaeder M. B. Hebr¨aischer Humanismus. G¨ottingen 1966. – Gerhard Wehr: M. B. Reinbek bei Hamburg 1968. – Ernst Simon: M. B.s lebendiges Erbe. Heidelberg 1978. – Wolfgang Zink (Hrsg.): M. B. 1878-1978. Bonn 1978. – Augustin Rudolf M¨uller: M. B.s Verdeutschung der Schrift. St. Ottilien 1982. – Hermann Oberparleitner: M. B. und die Philosophie. Frankfurt 1982. – Maurice S. Friedman: M. B.’s life and work. 3 Bde., Detroit 1988. – Laurence Jay Silberstein: M. B.’s social and religious thought. New York 1989. – Gerhard Wehr: M. B. Leben, Werk und Wirkung. Z¨urich 1991, u¨ berarbeitete und erw. Fassung 1996. – Uwe Vetter: Im Dialog mit der Bibel. Grundlinien der Schriftauslegung M. B.s. Frankfurt 1992. – Stefan Brunnhuber: Der dialogische Aufbau der Wirklichkeit. Gemeinsame Elemente im Philosophiebegriff von M. B., Martin Heidegger und Sigmund Freud. Regensburg 1993. – Hans-Joachim Werner: M. B. Frankfurt / Main 1994. – Joachim Israel: M. B., Dialogphilosophie in Theorie und Praxis. Berlin 1995. Berndt Schaller

Buber, Paula → Munk, Georg Buber, Salomon, Bankier, Midraschforscher, * 2. 2. 1827 Lemberg, † 18. 12. 1906 Lemberg. B. stammte aus einer wohlhabenden Lemberger Kaufmannsfamilie, war Großgrundbesitzer und Bankdirektor und f¨uhrte den Titel „Kaiserlicher Rat“. Durch die Herausgabe textkritischer Editionen antiker und mittelalterlicher hebr¨aischer Schriften sowie durch die Ver¨offentlichung zahlreicher Aufs¨atze zu Fragen des rabbinischen Schrifttums trug er zur Entwicklung der Wissenschaft vom Judentum bei. Dar¨uber hinaus rekonstruierte er viele nur fragmentarisch u¨ berlieferte Texte. Er war der Großvater von Martin → B. C Lex dt-j¨ud Autoren Buber-Neumann, Margarete, geb. Th¨uring, Schriftstellerin, * 21. 10. 1901 Potsdam, † 6. 11. 1989 Frankfurt / Main. B.-N., Tochter eines Brauereidirektors, schloß sich fr¨uh der Freideutschen Jugend an und trat 1921 in den Kommunistischen Jugendverband und 1926 in die KPD ein. 1929 heiratete sie in zweiter Ehe Heinz → Neumann, einen f¨uhrenden KPD-Funktion¨ar, und floh mit ihm sp¨ater vor den Nationalsozialisten in die Sowjetunion. B.-N. war 1938-40 in Karaganda (Kasachstan) interniert und wurde nach Abschluß des Hitler-Stalin-Paktes an Deutschland ausgeliefert. Bis zur Befreiung durch die Alliierten war sie Gefangene im Konzentrationslager Ravensbr¨uck, wo sie Milena Jesenska, die Freundin Franz → Kafkas, kennenlernte. B.-N. war Mitbegr¨underin des Befreiungskomitees f¨ur die Opfer totalit¨arer Willk¨ur (1950) und des Instituts f¨ur politische Erziehung (1951). Sie schrieb u¨ ber die Entwicklung der kommunisti-

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Bubis schen Bewegung, war als Drehbuchautorin t¨atig und wurde vor allem durch ihre autobiographischen Schriften Als Gefangene bei Stalin und Hitler (1946) und Von Potsdam nach Moskau (1957) bekannt. C BBL

Bubis, Ignatz, Kaufmann, Politiker, * 12. 11. 1927 Breslau, † 13. 8. 1999 Frankfurt / Main. Das siebte Kind eines Schiffahrtsbeamten besuchte zwei Jahre die Grundschule in Breslau, weitere vier Jahre in Deblin (Polen), wohin die Familie wegen der nationalsozialistischen Judenverfolgung 1935 u¨ bergesiedelt war. Nach der Besetzung Polens wurde die Familie im Ghetto interniert, der Vater wurde im Vernichtungslager Treblinka ermordet, B. leistete bis zur Befreiung am 16. 1. 1945 Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik bei Tschenstochau (heute Czestochowa, ˛ Polen). Nach Stationen in Berlin und Dresden, Stuttgart und Pforzheim betrieb er seit 1956 in Frankfurt / Main einen Großhandel mit Schmuck und Edelmetall, konzentrierte sich dann aber auf Immobilien. Seit Ende der sechziger Jahre wurde B. im Konflikt mit Hausbesetzern im Frankfurter Westend bekannt. In Rainer Werner → Fassbinders antisemitischem St¨uck Der M¨ull, die Stadt und der Tod erschien sein Zerrbild in Gestalt des j¨udischen Spekulanten. Die Auff¨uhrung an der Frankfurter Schaub¨uhne verhinderte B. mit Freunden durch die Besetzung des Theaters, der eine breite o¨ ffentliche Diskussion u¨ ber Antisemitismus folgte. 1983 wurde B. Vorsitzender der j¨udischen Gemeinde Frankfurt / Main. Seit 1982 im Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland, kandidierte er 1991 vergeblich gegen Heinz → Galinski um den Vorsitz, wurde aber 1992 zu dessen Nachfolger gew¨ahlt und 1997 einstimmig im Amt des Pr¨asidenten best¨atigt. B. entwickelte ein von seinem Vorg¨anger deutlich unterscheidbares Amtsverst¨andnis als Repr¨asentant der deutschen Juden, suchte das Gespr¨ach mit Jugendlichen, zeigte sich bei großer o¨ ffentlicher und medialer Pr¨asenz kontaktfreudig und konziliant bei der Vertretung j¨udischer Interessen. Er erwarb rasch hohes Ansehen als moralische Instanz in Fragen der politischen Kultur in der Bundesrepublik Deutschland. B. vertrat mit pointierter Schlagfertigkeit und Augenmaß seine Positionen, warnte insbesondere vor der gef¨ahrlichen Zustimmung einer schweigenden Mitte zu rechtsextremer, intoleranter sowie xenophober Agitation. Die Zahl der in Deutschland lebenden Juden hat sich in der Amtszeit von B. durch Zuzug aus Osteuropa auf u¨ ber 70 000 verdoppelt. Als Politiker engagierte sich B. seit 1969 in der FDP (seit 1992 im Bundesvorstand). Seine Kritik an der Rede des Schriftstellers Martin Walser im Oktober 1998, der in der Paulskirche nach der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels f¨ur ein Ende der permanenten Auseinandersetzung mit Auschwitz pl¨adiert hatte, f¨uhrte zu einem teilweise in den Medien ausgetragenen Streit, der bei ihm den Eindruck hinterließ, als Mahner ins Abseits geraten zu sein. Erwartet wurde von ihm nur die Rolle des „Vers¨ohners“; daf¨ur hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten. B. starb nach kurzer schwerer Krankheit. Er wollte in Israel begraben sein. W¨ahrend der Beisetzung in Tel Aviv in Anwesenheit politischer Prominenz der Bundesrepublik wurde das offene Grab durch einen verwirrten Israeli gesch¨andet. B. steht als Vermittler deutsch-j¨udischer Integration in der Tradition von Martin → Buber und Leo → Baeck. WERKE: Ich bin ein deutscher Staatsb¨urger j¨udischen Glaubens. Ein autobiographisches Gespr¨ach mit Edith Kohn.

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K¨oln 1993. – „Damit bin ich l¨angst noch nicht fertig“. Die Autobiographie (mit Peter Sichrovsky). Frankfurt / Main 1996. LITERATUR: Die Walser-Bubis-Debatte. Eine Dokumentation. Hrsg. v. Frank Schirrmacher. Frankfurt / Main 1999. Wolfgang Benz

Bubna von Lititz, Ferdinand Graf, auch F. Bubna von Littitz, o¨ sterr. Milit¨ar, Diplomat, * 26. 11. 1768 Z´amrsk (B¨ohmen), † 6. 6. 1825 Mailand. B. v. L., Sohn eines k. k. K¨ammerers, trat 1784 in die o¨ sterr. Armee ein und nahm an den Feldz¨ugen gegen das Osmanische Reich (1789 / 90) und Frankreich (1792-1809) teil. Seit 1799 Generaladjutant Erzherzog → Karls, wurde er 1800 zum Oberst ernannt. B. v. L. machte die V¨olkerschlacht bei Leipzig und den Frankreichfeldzug mit, f¨uhrte 1814 als Oberbefehlshaber der o¨ sterr. Truppen in der Lombardei deren Vorstoß nach S¨udfrankreich und schlug 1821 die Unruhen in Piemont nieder. B. v. L. war einer der hervorragenden Diplomaten seiner Zeit; er begleitete F¨urst Johann I. von Liechtenstein 1809 ins napoleonische Hauptquartier und hielt sich 1813 erneut zu Verhandlungen in Frankreich auf. F¨ur seine milit¨arischen und diplomatischen Verdienste vom Kaiser mit G¨utern in B¨ohmen und Piemont entlohnt, war B. C NDB seit 1818 Generalgouverneur der Lombardei.

Bubnoff, Nicolai von, Slawist, Religionsphilosoph, * 7. 1. 1880 St. Petersburg, † 4. 8. 1962 Heidelberg. Nach dem Abschluß der Studien an den Universit¨aten St. Petersburg, Leipzig, Heidelberg und Freiburg / Breisgau wurde B., dessen Vater Wirklicher Staatsrat mit dem Titel Leibarzt des Zaren war, 1908 bei Wilhelm → Windelband promoviert (Das Wesen und die Voraussetzungen der Induktion) und habilitierte sich in Heidelberg 1911 (Zeitlichkeit und Zeitlosigkeit). 1921 nahm er die deutsche Staatsb¨urgerschaft an, wurde 1924 apl. Prof. an der Univ. Heidelberg und war 1933-50 Leiter der russischen Abteilung des dortigen Dolmetscher-Instituts. 1946 u¨ bernahm er den Lehrstuhl f¨ur Philosophie an der Wirtschaftshochschule Mannheim und wurde Honorarprofessor an der Univ. Heidelberg. B. ver¨offentlichte u. a. Friedrich Nietzsches Kulturphilosophie und Umwertungslehre (1924) und Kultur und Geschichte im russischen Denken der Gegenwart (1927). Seine Kleine russische Sprachlehre (1931) wurde mehrfach aufgelegt. Seit Mitte der zwanziger Jahre und besonders in seinem Sp¨atwerk widmete sich B. der Erforschung der russischen Philosophie, insbesondere der Religionsphilosophie. 1956 gab er Russische Religionsphilosophen. Dokumente heraus. C Bad Bio N.F., Bd 1 Bubnoff, Serge von, Geologe, * 27. 7. 1888 St. Petersburg, † 16. 11. 1957 Berlin. B. studierte seit 1906 an der Univ. Freiburg (Promotion 1912, Die Tektonik der Dinkelberge bei Basel) und war dort 1910 / 11 sowie in Heidelberg 1914-20 Assistent. Seit seiner Habilitation an der Univ. Breslau 1921 (Die hercynischen Br¨uche im Schwarzwald, ihre Beziehung zur carbonischen Faltung und ihre Posthumit¨at) war er am dortigen Osteuropa-Institut t¨atig und wurde 1922 a. o. Prof. der Geologie. 1927 habilitierte er sich auch an der Breslauer TH und folgte 1929 einem Ruf als Ordinarius und Direktor des GeologischPal¨aontologischen Instituts nach Greifswald. B. war seit 1950 Prof. an der Berliner Humboldt-Universit¨at und wurde 1951 Direktor des Geotektonischen Instituts der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Er war Mitglied mehrerer ost- und westdeutscher Akademien, seit 1935 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, Begr¨under und Herausgeber der „Geologischen Jahresberichte“ und arbeitete u. a. zur Erdgeschichte (Einf¨uhrung in die Erdge-

Bucer schichte, 2 Bde., 1941-49) sowie zur osteurop¨aischen Lagerst¨attenkunde. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Grundprobleme der Geologie (1931, 21954), Hydrologie, geologische Struktur und elektrische Leitf¨ahigkeit des Bodens in Norddeutschland (1952) und Fennosarmatia. Geologische Analyse des europ¨aischen Kerngebietes (1952). C Wußing

Bucelin, Gabriel, eigentl. Buz(e)lin, Benediktiner, schweizer. Historiker, * 27. 12. 1599 Diessenhofen, † 9. 6. 1681 Weingarten. B. wurde seit 1612 im Benediktinerkloster Weingarten erzogen, trat 1617 in den Orden ein, studierte in Dillingen Theologie und Philosophie und wurde 1624 zum Priester geweiht. Sp¨ater Novizenmeister in St. Trudpert und Weingarten, lehrte er um 1635 Humaniora im Kloster Feldkirch, wo er 1651-81 Prior war. B. schrieb Abhandlungen zur Kirchen- und Profangeschichte, zur Genealogie (Germania topo-chrono-stemmatographica, 4 Bde., 1655-78) sowie zur Hagiographie, die er teilweise mit aquarellierten Zeichnungen, vor allem Klosterprospekten, ausstattete. C LThK Bucer, Martin, auch Butzer, Reformator, * 11. 11. 1491 Schlettstadt, † 1. 3. 1551 Cambridge. Der aus bescheidenen wirtschaftlichen Verh¨altnissen stammende Sohn des Schlettst¨adter K¨ublers Klaus Butzer erhielt durch den Besuch der ber¨uhmten Lateinschule seiner Heimatstadt eine hervorragende humanistische Grundbildung. Seine Bildungsbed¨urfnisse konnte B. aufgrund materieller Not nur durch den Eintritt in das der Observanz angeschlossene Schlettst¨adter Dominikanerkloster befriedigen. Nach Ausweis seines B¨ucherverzeichnisses studierte er außer den heidnischen Philosophen und den Kirchenv¨atern besonders die thomistische Schulliteratur seines Ordens. B. unterhielt seit seiner Jugend intensive Kontakte zu f¨uhrenden humanistischen Pers¨onlichkeiten. Vor der f¨ur ihn schicksalhaften Begegnung mit → Luther am Rande der Heidelberger Disputation (1518) war die f¨ur ihn pr¨agende Gestalt → Erasmus von Rotterdam; inwieweit Elemente seiner Theologie B. lebenslang bestimmten, ist in der Forschung umstritten. Seit 1518 wurde B. einer der wichtigsten Propagandisten des Wittenberger Reformators in Oberdeutschland. Die durch Luther neu zur Sprache gebrachte antipelagianische Gnadenlehre Augustins f¨uhrte den jungen M¨onch in eine zunehmende Distanz zum r¨omischen Kirchentum. Nach der Entbindung von seinen M¨onchsgel¨ubden u¨ bernahm der Priester in rascher Folge verschiedene Pfarrstellen; die konfessorische Entscheidung f¨ur die Reformation manifestiert sich darin, daß der Weltgeistliche bereits im Sommer 1522 die Ehe mit einer ehemaligen Nonne einging. 1524 u¨ bernahm B. eine Pfarrstelle in Straßburg, dem Ort, an dem er nun f¨ur etwa zweieinhalb Jahrzehnte, bis zur Einf¨uhrung des Interims in der els¨assischen Reichsstadt, die Geschicke des allm¨ahlich der Reformation zugef¨uhrten Kirchenwesens entscheidend mitgestalten sollte. Durch seine Predigtt¨atigkeit, als theologischer Publizist, als Luther¨ubersetzer und als Kirchenorganisator war er neben seinen Straßburger Kollegen Matth¨aus → Zell, Wolfgang Fabricius → Capito, Kaspar → Hedio und einzelnen gleichgesinnten Ratspersonen, mit denen er eng zusammenarbeitete, entscheidend an der propagandistischen Durchsetzung und Ausgestaltung der Reformation in der reichsst¨adtischen Metropole beteiligt. In den Jahren vor dem Ausbruch des innerreformatorischen Abendmahlsstreites war

B.s Theologie stark von Luther gepr¨agt, ohne daß eigene Ans¨atze, etwa in seiner auf die st¨adtische Lebenswelt bezogenen Gemeinschaftsethik, fehlen. Der Ausbau einer eigenen, f¨ur die sp¨atere reformierte Dogmatik (starker Einfluß B.s auf Calvin besonders in bezug auf die Pr¨adestinationsanschauung) wegweisenden theologischen Position h¨angt urs¨achlich damit zusammen, daß sich B. im Herbst 1524 von Luthers auf das a¨ ußere Verheißungswort zentrierter Abendmahlstheologie zu l¨osen begann. W¨ahrend der ersten Phase des Abendmahlsstreites bis 1528 hatte B. einen wesentlichen Anteil an der Formierung einer oberdeutschschweizerischen Kampffront gegen die vor allem von Luther, Johannes → Bugenhagen und Johannes → Brenz vertretene, an der leiblichen Realpr¨asenz Christi in Brot und Wein orientierte Abendmahlsauffassung. Trotz der gegen¨uber Wittenberg vorget¨auschten irenischen Zwischenposition und im schmerzlichen Bewußtsein, von dem von ihm verehrten Luther getrennt zu sein, ging er in anonymen und pseudonymen Flugschriften und durch Texteingriffe in von ihm herausgegebene Schriften Luthers und Bugenhagens gegen die Wittenberger Abendmahlsauffassung vor. B. geh¨ort theologisch zu den „V¨atern“ des sich seit Mitte der zwanziger Jahre des 16. Jh. formierenden reformierten Konfessionstypus; gleichwohl muß als Charakteristikum seiner Position angesehen werden, daß er auch nach der im Zusammenhang des Augsburger Reichstags von 1530 offenkundig gewordenen Spaltungen des „Protestantismus“ darum bem¨uht war, unter Wahrung unaufgebbar wichtig scheinender Eigent¨umlichkeiten den Zusammenhang mit Luther nicht zu verlieren. Im wesentlichen seinem rastlosen Werben ist es zuzuschreiben, daß die Wittenberger Konkordie in der Abendmahlsfrage – wenn auch unter Preisgabe „zwinglianischer“ Positionen – 1536 zustande kam. In den vierziger Jahren war der wegen seiner Neigung, geschmeidige Vermittlungsformeln zu suchen, h¨ochst umstrittene B. an allen wichtigen Religionsgespr¨achen mit der kath. Seite beteiligt. Als evang. Kirchenorganisator war B. weithin geachtet; in zahlreichen St¨adten und Territorien wirkte er bei der Einf¨uhrung der Reformation und der Neugestaltung des Kirchenwesens mit, ohne seiner Straßburger Heimatkirche den Abschied zu geben. Durch scharfe Kirchenzuchtmaßnahmen, die ihn auch in Konflikte mit seiner Obrigkeit f¨uhrten, suchte B. die Wahrheit des Heiligungsstrebens, wie es besonders in t¨auferischen Kreisen gelebt wurde, im Rahmen der „Volkskirche“ zu verwirklichen. Durch sein umfangreiches, im sprachlichen Ausdruck nicht selten sperriges literarisches Werk und vor allem durch seine weitl¨aufige Korrespondenz wirkte er auf den Prozeß der reformatorischen Entwicklung in zahlreichen europ¨aischen L¨andern, insbesondere den Niederlanden, Frankreich und England, ein. Der Einf¨uhrung des Interims wollte sich der bei aller diplomatischen Beweglichkeit im Kern konfessorische Theologe nicht beugen; die letzten drei Lebensjahre verbrachte B. als hochgeachteter Theologieprofessor im englischen Exil. WERKE: Deutsche Schriften. G¨utersloh 1960 ff. – Opera latina. Paris 1954; Leiden 1982 ff. – Correspondance. Leiden 1979 ff. LITERATUR: VD 16, B 8825-8958. – VD 17. – Robert Stupperich: B., M. In: TRE, Bd. 7, 1981, S. 258-270. – Gottfried Hammann: M. B. Zwischen Volkskirche und Bekenntnisgemeinschaft. Stuttgart 1989. – Martin Greschat: M. B. Ein Reformator und seine Zeit 1491-1551. M¨unchen 1990 (Lit.). – Thomas Kaufmann: Die Abendmahlstheologie der Straßburger Reformatoren bis 1528. T¨ubingen 1992 (Lit.). – Christian Krieger / Marc Lienhard (Hrsg.): M. B. and Sixteenth Century Europe. 2 Bde., Leiden 1993 (Lit.). Thomas Kaufmann

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Bucerius Bucerius, Gerd, Verleger, Publizist, * 19. 5. 1906 Hamm (Westfalen), † 29. 9. 1995 Hamburg. B., Sohn eines hohen Verwaltunsgbeamten, der 1923 in die Hugo Stinnes Seeschiffahrts AG eintrat, studierte 1925-32 Rechtswissenschaften in Berlin, Hamburg und Freiburg / Breisgau. Zun¨achst Richter in Kiel und Flensburg, dann Rechtsanwalt in Hamburg, wurde er 1935 promoviert und trat 1936 in die v¨aterliche Anwaltskanzlei ein. Wegen seiner ersten Ehe mit der J¨udin Gretel Goldschmidt, die er nach England in Sicherheit bringen konnte, wurde B. in der Zeit des Nationalsozialismus als „wehrunw¨urdig“ eingestuft. 1941-45 war er Gesch¨aftsf¨uhrer und Syndikus der Diago-Werke Moeller und Co. in Hamburg. 1945 wurde B. von der britischen Besatzungsmacht zum Bausenator in Hamburg ernannt. Im Juni 1945 wurde B. Treuh¨ander des „Hamburger Tageblatts“, im Februar 1946 mit dem ehemaligen Chefredakteur Lowis H. Lorenz, dem Verlagskaufmann Ewald Schmidt di Simoni und dem Architekten Richard T¨ungel Linzenztr¨ager der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“. 1949 erwarb er f¨ur den Zeit-Verlag 50 Prozent der Henri Nannen GmbH, 1951 auch Henri → Nannens Anteil am „Stern“ und 1954 10 Prozent der Ullstein AG. 1948 / 49 geh¨orte B. als Vertreter Hamburgs dem Wirtschaftsrat f¨ur das Vereinigte Wirtschaftsgebiet an. 1949 zog B. f¨ur die CDU, der er seit 1946 angeh¨orte, in den Deutschen Bundestag ein; 1962 trat er aus der Partei aus und legte sein Mandat nieder. 1952-57 war er Bundesbeauftragter f¨ur die F¨orderung der Berliner Wirtschaft. 1957 wurde B. Alleinhaber der „Zeit“. 1962 u¨ bertrug er seinen seit 1960 von Richard Gruner gehaltenen Anteil am „Spiegel“ wieder an Rudolf → Augstein. 1965 wurde auf B.’ Betreiben die Gruner + Jahr GmbH & Co. KG gegr¨undet, von der er 1969 die „Zeit“ trennte und in seinen Tempus-Verlag u¨ berf¨uhrte, der 1970 in Zeit-Verlag GmbH umbenannt wurde. 1975 f¨uhrte er die „Zeit“ in die 1971 gegr¨undete Zeit-Stiftung u¨ ber. 1973-91 geh¨orte B. dem Aufsichtsrat der Bertelsmann AG an, dessen Vorsitzender er zeitweilig war. 1977 u¨ bergab er die gesch¨aftliche Leitung des Zeit-Verlags an seine Lebensgef¨ahrtin Hilde von Lang, 1985 die publizistische Leitung an den fr¨uheren Bundeskanzler Helmut Schmidt. B., der sich fr¨uh als M¨azen in Hamburg engagierte, f¨orderte den deutschen Begabtennachwuchs. Sein gesamtes Verm¨ogen vermachte er der gemeinn¨utzigen ZeitStiftung Ebelin und Gerd Bucerius, zu deren Projekten u. a. die Bucerius Law School und das Bucerius Kunst Forum in Hamburg z¨ahlen. B. ver¨offentlichte u. a. Der angeklagte Verleger. Notizen zur Freiheit der Presse (1974), Der Adenauer. Subjektive Beobachtungen eines unbequemen Weggenossen (1976) und Zwischenrufe und Ordnungsrufe. Zu Fragen der Zeit (1984). 2003 erschien Ein wenig betr¨ubt, Ihre Marion. Marion Gr¨afin D¨onhoff und Gerd Bucerius. Ein Briefwechsel aus f¨unf Jahrzehnten (hrsg. von Haug von Kuenheim, 2003). C MdB

Buch, Carl, Unternehmer, * 1819 Weidenau / Sieg, † 9. 4. 1885 Weidenau. B. erhielt eine Ausbildung zum Lehmformer, machte sich 1855 selbst¨andig und begann 1857 auf der Tiefenbacher H¨utte mit dem Guß von Eisen. In geringerem Umfang erhielt er Roheisen auch von der Burgholdinghauser H¨utte. Die Herstellung umfaßte zun¨achst eine große Anzahl unterschiedlicher Produkte – vom B¨ugeleisen u¨ ber Kirchenglocken bis hin zu Artikeln f¨ur Walzwerke. Nachdem B. 1860 eine erste kleine Eisengießerei bei der Birlenbacher H¨utte erworben hatte, errichtete er in Weidenau eine gr¨oßere, technisch fortschrittlichere Anlage, die er 1867 in Betrieb nahm und in den ¨ folgenden Jahren immer wieder modernisierte. Die Uberlegung, ein eigenes Puddel- und Walzwerk zu bauen, verwarf er hingegen, als sich in den achtziger Jahren abzeichnete,

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daß diese Verfahrenstechnik aufgrund neuer Entwicklungen bereits u¨ berholt war. Nach B.s Tod u¨ bernahmen seine beiden S¨ohne die Leitung der Gießerei. C Fuchs

Buch, Dietrich Sigismund von, Beamter, * 1646, † 1687.

B. begleitete als Reisemarschall Kurf¨urst → Friedrich Wilhelm von Brandenburg auf seinen Feldz¨ugen. Seine Tageb¨ucher aus den Jahren 1674-83, die beinahe t¨agliche Aufzeichnungen (u. a. aus den Feldz¨ugen gegen Schweden und Frankreich) enthalten, gelten als wichtige zeitgen¨ossische Quelle f¨ur die Biographie des Großen Kurf¨ursten (in deut¨ scher Ubersetzung nach dem franz¨osischen Original erstmals 1865).

Buch, Fritz Peter, Regisseur, Schriftsteller, * 21. 12. 1894 Frankfurt / Oder, † 14. 11. 1964 Wien. Nach dem Studium an den Universit¨aten Kiel, Leipzig und Breslau (Dr. phil.) war B. 1921-24 Regisseur und Dramatiker am Deutschen Theater Berlin, bis 1933 am Schauspielhaus Frankfurt / Main. Seit 1930 hielt er sich mehrfach zu Gastinszenierungen in Berlin, M¨unchen (Staatsschauspiel, Kammerspiele), Wien (Burg- und Volkstheater), D¨usseldorf und Salzburg auf. Neben der B¨uhnenarbeit (u. a. Br¨ulle China von Sergej M. Tretjakow, 1929) entstanden seit den dreißiger Jahren Filme, in denen er Regie f¨uhrte und die Drehb¨ucher schrieb (Gef¨ahrtin meines Sommers, 1942). B. war nach dem Zweiten Weltkrieg Leiter der Dramatischen Werkstatt Salz¨ burg. Er ver¨offentlichte Dramen und Ubersetzungen aus dem Englischen. C Munzinger

Buch, Johann von, Jurist, * um 1285 / 90, † nach 1356. B. stammte aus der Altmark und studierte seit 1305 Rechtswissenschaften an der Univ. Bologna. 1321 z¨ahlte er zu den militares der Vogtei Tangerm¨unde, unterhielt bis 1333 enge Beziehungen zu Herzog Otto dem Milden von Braunschweig und stieg im Dienst der wittelsbachischen Markgrafen von Brandenburg rasch in hohe Positionen auf. Seit 1333 war er consiliarius familiaris → Ludwigs des Bayern und von dessen Sohn → Ludwig des R¨omers. Als markgr¨aflicher Hofrichter wurde er 1335 zum capitaneus generalis der gesamten Mark ernannt und ist bis 1355 am markgr¨aflichen Hof belegt. B. schrieb u. a. die bald nach 1325 entstandene Glosse zum Sachsenspiegel → Eikes von Repgow, der damit erstmalig juristisch kommentiert wurde. C BBL

Buch, Johannes, Lehrer, Bibliothekar, * 1515 Gießen, † 29. 9. 1599 Kassel. B. wurde nach dem Studium 1538 Lehrer am P¨adagogium in Marburg, sp¨ater in Kassel und unterrichtete seit 1540 die Kinder Landgraf → Philipps des Großm¨utigen. Sp¨ater Kasseler Ratsherr, war er 1580 sowie von 1593 bis zu seinem Tod Bibliothekar der neugegr¨undeten f¨urstlichen Bibliothek in Kassel. Seine lateinischen Dichtungen sind nicht mehr vorhanden. C ADB

Buch, Karl Ludwig, Jurist, * 29. 12. 1753 Burgsteinfurt, † 17. 1. 1821 M¨unster. Nach dem Abschluß der juristischen Studien an der Univ. G¨ottingen 1775 vom kurbraunschweigischen Staatsministerium zum Generallandesempf¨anger der Reichsgrafschaft Bentheim ernannt, war B. daneben als Jurist bei Territorialund Reichsgerichten t¨atig; 1797 nahm er als Gesch¨aftstr¨ager der Batavischen Republik am Friedenskongreß in Rastatt teil. 1801 ließ er sich im Departement Ro¨er nieder, um seine nach franz¨osischem Recht vorgeschriebene zehnj¨ahrige Residenz zu beginnen, wurde 1811 vom franz¨osischem Gouvernement mit der Organisation der Justiz im neuen Departement Lippe beauftragt und war 1811-13 Kaiserlicher Prokurator beim Tribunal in M¨unster. B. ver¨offentlichte u. a. Darf der Bauernstand [. . .] auf die Fortdauer seiner Freiheit rechnen? (1814).

Buchbinder Buch, (Christian) Leopold Frh. von, Geologe, Pal¨aonto-

Buch, Walter, Politiker, * 24. 10. 1883 Bruchsal,

loge, * 25. / 26. 4. 1774 Stolpe / Uckermark, † 4. 3. 1853 Berlin. Der Sohn eines Gutsbesitzers und preuß. Diplomaten trat w¨ahrend des Studiums in Freiberg (bei Abraham Gottlob → Werner), Halle und G¨ottingen in Kontakt mit Alexander von → Humboldt und Johann Karl → Freiesleben. Seine auf zahlreichen Reisen durch Europa angestellten Beobachtungen (Geognostische Beobachtungen auf Reisen durch Deutschland und Italien, 2 Bde., 1802-09) ließen ihn zum Anh¨anger des Plutonismus und der Katastrophentheorie Cuviers werden; er trug durch seine Arbeiten entscheidend zur ¨ Uberwindung des Neptunismus bei. Nach dem Abschluß der ersten Geognostischen Karte Deutschlands im Jahr 1826 widmete sich B. haupts¨achlich der Pal¨aontologie; er erkannte die chronologische Bedeutung der Versteinerungen und pr¨agte den Begriff Leitfossil. Er war Mitglied der Akademien der Wissenschaften in Berlin, London, Paris und seit 1818 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina sowie Ehrenmitglied von mehr als f¨unfzig gelehrten Gesellschaften. Zu seinen Hauptforschungsgebieten z¨ahlten die Vulkanologie sowie die s¨uddeutsche Juraforschung. ¨ B. ver¨offentlichte u. a. Uber das Fortschreiten der Bildungen in der Natur (1806), Physicalische Beschreibung der ¨ Canarischen Inseln (1825) und Uber den Jura in Deutschland (1839). Seine Gesammelten Schriften (hrsg. von Julius → Ewald u. a.) erschienen in vier B¨anden 1867-85. C Wußing

† 12. 9. 1949 Ammersee. B. trat 1902 in die Armee ein und verließ sie nach Teilnahme am Ersten Weltkrieg im Rang eines Majors. Seit 1922 Mitglied der NSDAP, wurde er 1923 SA-F¨uhrer, 1927 Vorsitzender des Untersuchungs- und Schlichtungsausschusses der Reichsleitung der NSDAP. 1928 zog er in den Reichstag ein. Von → Hitler 1933 mit dem Aufbau einer Parteigerichtsbarkeit betraut, u¨ bernahm B. 1934 die Leitung des Obersten Parteigerichts. Als Reichsleiter geh¨orte er zur obersten Funktion¨arsschicht der Partei. B. war der Schwiegervater Martin → Bormanns. Er geh¨orte dem Sachverst¨andigenbeirat f¨ur Bev¨olkerungs- und Rassepolitik beim Reichsministerium des Innern an und trat publizistisch als radikaler Antisemit auf. B., der von alliierten Gerichten zu f¨unf bzw. drei Jahren Arbeitslager verurteilt wurde, beging Selbstmord. C Lilla, Statisten

Buch(-Carmzow), Leopold (Karl Vollrath) von, Verwaltungsbeamter, Politiker, * 17. 7. 1850 Stolpe / Oder, † 18. 1. 1927 Berlin. Aus einem m¨arkischen Adelsgeschlecht stammend, studierte B. in Heidelberg (dort Corps Saxoborussia), Berlin und K¨onigsberg die Rechte. Er nahm am Krieg 1870 / 71 teil, wurde 1878 Gerichtsassessor und trat 1881 zur Staatsverwaltung u¨ ber. Nach verschiedenen beruflichen Stationen wurde B. 1895 Oberpr¨asidialrat in Potsdam. Wegen seiner Wahl zum Hauptritterschaftsdirektor der Kur- und Neumark (bis 1920) verließ er den Staatsdienst, zumal er mit zwei Br¨udern die Ritterg¨uter Carmzow und Wilmersdorf in der Uckermark besaß. B. geh¨orte zu den f¨uhrenden konservativen Politikern Preußens, war Vorstandsmitglied der Deutschkonservativen Partei und mit dem sp¨ateren Kanzler Theodor von → Bethmann Hollweg gut bekannt. B. war zeitweise Vorsitzender des Brandenburgischen Provinzialausschusses und sp¨ater Kurator der Ritterakademie Brandenburg / Havel. 1890-95 geh¨orte er dem Preußischen Abgeordnetenhaus und 1901-1918 dem Herrenhaus an. 1912 erhielt er den seltenen Titel Wirklicher Geheimer Rat mit dem Anspruch auf die Anrede als „Exzellenz“. C Spenkuch Buch, Urs, schweizer. Unternehmer, * 1637 Solothurn, † 1699 Solothurn. Der Sohn eines Apothekers wurde 1664 Teilhaber des Handelshauses seines Schwagers Johann Viktor Besenval, das einen großen Teil des schweizer. Salzhandels kontrollierte. B. selbst erwarb 1668 ein Eisenhandels- und GoldgewinnungsMonopol und verarbeitete diese Rohstoffe u. a. in Oekingen und Olten. Daneben besch¨aftigte er sich mit der Melioration der B¨oden in Ettingen, Therwil, Dulliken und D¨aniken. Auf B. ging wohl auch die Gr¨undung des ersten kath. schweizer. Wochenblatts „Post-Zeitung“ 1695 zur¨uck. Politisch war B. seit 1658 als Großrat t¨atig. Seit 1680 war er Jungrat, seit 1689 Gemeinmann, 1686-88 Vogt von Flumenthal und 1696-98 Vogt in Kriegstetten. 1695 vertrat er Solothurn bei diplomatischen Verhandlungen in Wien, bei denen es um den Erwerb des Fricktals ging. C HLS

Buchal, Hermann (Franz Joseph), Komponist, Musiker, * 17. 1. 1884 Patschkau (Schlesien), † 30. 8. 1961 Jena. B. studierte 1906-10 Kirchenmusik und Komposition (bei Friedrich → Gernsheim) in Berlin und war 1907-10 Chordirigent sowie Organist der Kirchen Corpus Christi und St. Paulus in Berlin. 1910-15 Lehrer am Konservatorium in Beuthen, kehrte er nach dem Ersten Weltkrieg dorthin als freier Musiklehrer zur¨uck und nahm 1921 eine Berufung an das Schlesische Konservatorium in Breslau an, dessen Direktor er 1924 wurde. 1936 aus politischen Gr¨unden als Direktor entlassen, unterrichtete B. weiter an der Schlesischen Landesmusikschule. Er komponierte Chors¨atze, St¨ucke f¨ur Klavier und Geige sowie Lieder, darunter Angelus Domini C MGG f¨ur gemischten Chor und Soli. Buchberger, Michael, kath. Theologe, Bischof von Regensburg, * 8. 6. 1874 Jetzendorf (Oberbayern), † 10. 6. 1961 Straubing. B., Sohn eines Zimmermanns, studierte an der Univ. M¨unchen und der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising und wurde 1900 zum Priester geweiht. Seit 1906 a. o. Prof. f¨ur Kirchenrecht und bayerisches Verwaltungsrecht an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Regensburg, wurde er 1908 als Domkapitular nach M¨unchen berufen, wo er zugleich Direktor des Priesterhauses St. Johann Nepomuk, Pr¨afekt der Asamkirche und Di¨ozesanvorsitzender des Katholischen Preßvereins war. 1919 wurde B. zum Generalvikar, 1923 zum Weihbischof in M¨unchen und Freising, 1927 zum Bischof von Regensburg ernannt. Das 1939 u¨ bernommene Amt des Apostolischen Administrators Westb¨ohmens (Di¨ozese Budweis) gab er 1946 zur¨uck. Nach dem Zweiten Weltkrieg f¨orderte er die Arbeit der Caritas und gr¨undete 1949 das Di¨ozesan-Wohnungsbau- und Siedlungswerk. 1950 wurde er zum Titular-Erzbischof ernannt. B. gab u. a. das Lexikon f¨ur Theologie und Kirche in der ersten Auflage (10 Bde., 1930-38) heraus. Seine Schrift Gibt es noch eine Rettung (1931) wurde 1933 beschlagnahmt. C Gatz 5 Buchbinder, (Ludwig) Bernhard, Pseud. Gustav Klinger, o¨ sterr. Schriftsteller, Journalist, * 7. 7. 1849 Budapest, † 24. 6. 1922 Wien. B. war zun¨achst Schauspieler, sp¨ater Mitarbeiter des „Alten Politischen Volksblatts“ sowie des „Neuesten Pester Journals“ in Budapest und gab die humoristische Wochenschrift „Das kleine Journal“ heraus. 1887 siedelte er nach Wien u¨ ber, war Redakteur des „Neuen Wiener Journals“ und ver¨offentlichte zahlreiche Lustspiele, die als Volksst¨ucke teilweise Massenerfolge wurden, ferner Opern- und Operettentexte (u. a. Die F¨orster-Christl, 1908), Romane und Novellen. C Lex dt-j¨ud Autoren

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Buchebner Buchebner, Walter, o¨ sterr. Lyriker, Maler, Zeichner, * 9. 9. 1929 M¨urzzuschlag (Steiermark), † 4. 9. 1964 Wien. Wie bereits w¨ahrend des Studiums der Germanistik und Geographie an der Univ. Wien 1948-53 war B. auch danach in verschiedenen Berufen t¨atig; 1957 erhielt er durch die Vermittlung Rudolf → Felmayers eine Stelle als Leiter einer St¨adtischen B¨ucherei in Wien. 1951 schloß er sich dem Kreis um den Wiener Lyriker Hermann → Hakel an und ver¨offentlichte 1956-63 vereinzelt Gedichte in o¨ sterr. Zeitungen („Arbeiterzeitung“, „Wiener Zeitung“, „J¨udisches Echo“) und Zeitschriften („Neue Wege“, „Wort in der Zeit“). Er unternahm mehrere Reisen durch Europa, malte und zeichnete in seinen letzten Lebensjahren und erhielt in den sechziger Jahren Auszeichnungen f¨ur seine als „aktive Poesie“ propagierte Lyrik. B. beendete sein Leben selbst; seine Gedichte und Tageb¨ucher wurden 1974 unter dem Titel Die weiße Wildnis ver¨offentlicht. C Killy

Buchenau, Franz (Georg Philipp), Botaniker, Lehrer, * 12. 1. 1831 Kassel, † 23. 4. 1906 Bremen. B. studierte an den Universit¨aten Marburg und G¨ottingen, war seit 1851 Lehrer in Kassel, Hanau, Frankfurt und Friedrichsdorf / Taunus und kam 1855 an die Realschule Bremen, deren Direktorat er 1868-1903 innehatte. Er war langj¨ahriger Vorsitzender der Naturwissenschaftlichen Vereinigung Bremen sowie Vorstand der Abteilung Botanik der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (Mitglied seit 1866). B. publizierte haupts¨achlich zur regionalen Flora und gab u. a. das geographisch-topographische Handbuch Die freie Hansestadt Bremen und ihr Gebiet (1862, 3 1900) heraus. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner ¨ Uber die Bl¨uthenentwicklung einiger Dipsaceen Valerianeen und Compositen (1854), Deutsche Nordpolfahrt (1872) und Flora der ostfriesischen Inseln (1881). C Brem Bio 1

Buchenau, Heinrich, Numismatiker, * 20. 4. 1862

Staatsdienst ein. Seit 1878 im Handelsministerium, seit 1881 in der Abteilung Landwirtschaft des Innenministeriums t¨atig, regte er dort 1882 eine Erhebung u¨ ber die Situation der Landwirtschaft betreibenden Bev¨olkerung Badens an, die eine Reihe von F¨orderungsmaßnahmen ausl¨oste und in anderen L¨andern Nachahmung fand. Als badischer Finanzminister (seit 1893) besch¨aftigte sich B. haupts¨achlich mit Steuerfragen und mit der Neuordnung der Dom¨anenpolitik. Er ver¨offentlichte u. a. Grundz¨uge der deutschen Agrarpolitik (1897, 21899) und Finanzpolitik und Staatshaushalt im Großherzogtum Baden in den Jahren 1850-1900 (1902). C Verwaltung

Bucher, (Leonhard) Anton von, Pseud. P. F. Fabianus, Sebastian Brandl, kath. Theologe, Bildungspolitiker, Schriftsteller, * 11. 1. 1746 M¨unchen, † 8. 1. 1817 M¨unchen. B., Sohn eines kurf¨urstlichen Wappen- und Diplommalers, studierte seit 1763 in Ingolstadt und wurde nach der Priesterweihe 1768 Kaplan in M¨unchen, 1771 Volksschulkommissar, im folgenden Jahr Rektor der Volksschulen sowie nach Aufl¨osung des Jesuitenordens 1773 auch Rektor der Gymnasien in Bayern. Er war maßgebend an der Volksschulreform und an der Lateinschulordnung von 1774 beteiligt; 1777 erhielt er den Titel Geistlicher Rat. Da er sich mit seinen Vorstellungen einer Schulreform nicht mehr gegen seinen Kontrahenten Heinrich → Braun durchsetzen konnte, legte B. 1778 sein Rektorat nieder und ließ sich als Pfarrer nach Engelbrechtsm¨unster versetzen. 1783 wurde er korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Er geh¨orte sp¨ater dem Illuminatenorden an, unterst¨utzte um 1800 die republikanische bayerische „Patrioten-Partei“ und lebte seit 1813 als Benefiziat wieder in M¨unchen. Seine aufkl¨arerischen, oft mundartlich gef¨arbten Satiren (u. a. Kinderlehre auf dem Lande, 1782) z¨ahlen zu den H¨ohepunkten der Gattung. C Killy

Bremen, † 15. 5. 1931 M¨unchen. Nach dem Studium der Philologie und Geschichte an den Universit¨aten Leipzig, Jena und Straßburg wurde B. Geschichts- und Geographielehrer am Sophienstift in Weimar und betrieb daneben Studien zur Numismatik des Mittelalters. Als Kustos des k¨oniglich-bayerischen M¨unzkabinetts in M¨unchen 1908-27 ordnete und bearbeitete er dessen Best¨ande. Seit 1916 war er Prof. f¨ur mittelalterliche Geschichte und Geldgeschichte an der Univ. M¨unchen. B. schrieb Aufs¨atze f¨ur die „Bl¨atter f¨ur M¨unzkunde“, deren Herausgeber er 1899-1928 war, und ver¨offentlichte u. a. einen Grundriß der M¨unzkunde (1920).

* 20. 12. 1874 Marbach (Kt. Luzern), † 24. 5. 1940 Weggis. Nach dem Besuch des Lehrerseminars Hitzkirch unterrichtete B., Sohn eines Kleinbauern, 1896-1938 als Lehrer in Weggis. Seit 1917 war er als Schulinspektor im Bezirk Weggis t¨atig. Daneben verlegte er die „Wochen-Zeitung“ (Vitznau), schrieb Erz¨ahlungen und Dramen in Mundart, darunter D’r Amme vo W¨aggis (1924) und De Fischertoni (1930), und verfaßte regionalhistorische Studien. C HLS

Buchenau, Siegfried, Verleger, Publizist, * 3. 4. 1892

Bucher, Benedikt, Benediktiner, Theologe, * 19. 10. 1706

Bucher, Anton, schweizer. Verleger, Mundartdichter,

Hannoversch M¨unden, † 8. 7. 1964 Schwenningen / Neckar. Nach einer kaufm¨annischen Lehre und der Teilnahme am Ersten Weltkrieg trat B. 1919 in den Piper-Verlag M¨unchen ein und war 1922 Mitbegr¨under des Verlags S. Buchenau & A. H¨ager. Im folgenden Jahr zum Verlag Buchenau & Reichert umgewandelt, war der Betrieb seit 1925 mit dem RowohltVerlag Berlin liiert. B. wurde 1927 Gesch¨aftsf¨uhrer im Deutschen Buch-Club in Hamburg, betreute dort seit 1930 das Jahrbuch „Imprimatur“ der Gesellschaft der B¨ucherfreunde und war 1932-47 als Buchh¨andler in Hamburg und als Verleger in M¨unchen t¨atig. Anschließend Verlagsleiter des Hamburger Marion von Schr¨oder Verlags, wurde er 1953 Produktionsleiter im Verlag Wolfgang Kr¨uger, 1954 im Rowohlt Verlag Hamburg. Seit 1930 war B. mit der Pressendruckerin Oda Weitbrecht verheiratet.

Regensburg, † 8. 12. 1780 Oberaltaich. Nach dem Studium in Dillingen zum Priester geweiht, trat B. 1733 in den Benediktinerorden ein und wurde im Kloster Oberaltaich Hausprofessor der Philosophie und Theologie. Seit 1738 lehrte er Philosophie, seit 1740 auch Physik am Lyzeum in Freising, folgte 1741 einem Ruf als Prof. der Physik nach Salzburg und lehrte dort 1742-48 Theologie an der Universit¨at. Danach Hoftheologe und Berater des Salzburger Erzbischofs Andreas Jakob von → Dietrichstein, wurde B. salzburgischer Geistlicher Rat sowie Geistlicher Rat und Offizial des Bischofs von Chiemsee, dessen Di¨ozesan-Synode 1748 er vorbereitete. Nach dem Tod des Salzburger Erzbischofs 1753 zog sich B. nach Oberaltaich zur¨uck. Er vero¨ ffentlichte u. a. Natura Thomistice universalis in actuali praedicatione (1739).

Buchenberger, Adolf, Politiker, Volkswirt, * 18. 5. 1848

Bucher, Bruno (Adalbert), Kunsthistoriker, * 24. 4. 1826

Mosbach (Baden), † 20. 2. 1904 Karlsruhe. Nach dem Studium der Kameralwissenschaften an den Universit¨aten Freiburg, M¨unchen und Heidelberg trat B., Sohn eines 1859 verstorbenen Arztes, 1869 in den badischen

K¨oslin, † 9. 6. 1899 Wien. B., Sohn eines Gymnasialprofessors und Bruder von Lothar → B., brach die Ausbildung zum Kunstmaler an der Dresdner Akademie ab und wurde um 1855 publizistisch t¨atig.

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Bucher Seit 1865 in Wien ans¨assig, war er Redakteur des „Wanderers“ sowie der „Wiener Zeitung“ und profilierte sich als Burgtheater-Rezensent. Er engagierte sich f¨ur die Gr¨undung ¨ eines Osterreichischen Museums f¨ur Kunst und Industrie, dessen Sekret¨ar er 1869 wurde; 1885 trat er die Nachfolge Rudolf von → Eitelberger-Edelbergs als Vizedirektor an und war 1895-97 Direktor des Museums. B. gab Anfang der ¨ siebziger Jahre die „Osterreichische Wochenschrift f¨ur Wissenschaft und Kunst“ heraus und war 1876-89 Dozent f¨ur Geschichte der Kunsttechnik. Er publizierte u. a. das Real¨ lexikon des Kunstgewerbes (1883). C OBL

Bucher, Carl Josef, schweizer. Unternehmer, Verleger, * 19. 1. 1873 Luzern, † 2. 2. 1950 Luzern. Nach einer Ausbildung zum Setzer und Kaufmann in Lugano und London trat B., Sohn eines Buchdruckers, 1893 in die Firma seines Vaters ein. 1896 wurde er Teilhaber und 1899 Inhaber. Das sich unter B.s F¨uhrung zur gr¨oßten Druckerei in Luzern entwickelnde Unternehmen wurde 1913 in eine Aktiengesellschaft u¨ berf¨uhrt, deren Verwaltungsrat B. bis 1941 leitete. Mit dem Erwerb die Luzerner Genossenschaftsdruckerei 1916 wurde er Verleger der „Luzerner Neuesten Nachrichten“ (bis 1918 „Luzerner Tages-Anzeiger“). B. engagierte sich in den Vorst¨anden der Luzerner Handelskammer und des Luzerner Gewerbeverbands, dessen Pr¨asident er 1912-15 war. 1915-19 geh¨orte er als Freisinniger dem Luzerner Großrat an. C HLS

Bucher, Ewald, Jurist, Politiker, * 19. 7. 1914 Rottenburg am Neckar, † 31. 10. 1991 Mutlangen. B., Sohn eines Studienrates, studierte 1933-37 an den Universit¨aten T¨ubingen und M¨unchen Rechtswissenschaft und wurde 1941 mit der Arbeit Juristen in der Frankfurter Nationalversammlung promoviert. 1945 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, ließ er sich nach der Entlassung im selben Jahr als Rechtsanwalt in Schw¨abisch Gm¨und nieder. 1947 untersagte man dem ehemaligen Mitglied des NS-Sch¨ulerbundes (1931-33) und formellen Parteimitglied der NSDAP aufgrund der Ergebnisse seines Entnazifizierungsverfahrens f¨ur 18 Monate die Aus¨ubung seines Berufes. 1950 trat er der Deutschen Volkspartei (DVP) bei. 1953-69 geh¨orte B., jeweils u¨ ber die FDP / DVP-Landesliste gew¨ahlt, dem Deutschen Bundestag an. 1956-61 war er Parlamentarischer Fraktionsgesch¨aftsf¨uhrer, 1957-63 stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses. Im Dezember 1962 wurde B. Bundesminister der Justiz und legte den Gesetzesentwurf der lange diskutierten Großen Strafrechtsreform vor, der eine Verbesserung des Urheberrechts erwirkte. Als 1965 eine Gesetzes¨anderung des Bundestags den Beginn der strafrechtlichen Verj¨ahrungsfrist nationalsozialistischer Verbrechen vom 8. 5. 1945 auf den 1. 1. 1950 verlegte, trat er als Justizminister zur¨uck, da er auf den fundamentalen rechtsstaatlichen Standpunkt beharrte, daß der Staat eine Tat nur dann bestrafen k¨onne, wenn der Rechtsbestand der Strafbarkeit vor Begehen der Tat bestehe. 1965 / 66 war B. Bundeswohnungsbauminister. Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag zun¨achst in der Wirtschaft t¨atig, wurde er Vorsitzender des Instituts f¨ur St¨adtebau, Wohnungswirtschaft und Bausparwesen (Arnold-Knoblauch-Institut) in Bonn. 1972 trat B. aus der FDP aus, da ihm die Ausrichtung der Partei auf die sozialliberale Koalition zu starr erschien, und wurde 1983 Mitglied der CDU. C MdB

Bucher, Franz Josef, schweizer. Unternehmer, * 17. 1. 1834 Kerns, † 6. 10. 1906 Kairo. Der Sohn eines Bergbauern und Ratsherrn besuchte die Dorfschule in Kerns und 1844 / 45 die Realschule am Kollegium in Sarnen. Nach mehrj¨ahriger T¨atigkeit als Alpsenn und Bauer gr¨undete er 1864 mit Josef → Durrer die Firma Bucher & Durrer. Diese betrieb zun¨achst in Giswil

und Kerns S¨agereien; 1868 wurde sie um eine Parkettfabrik in Ried bei K¨agiswil erweitert. Die beiden Gesch¨aftspartner errichteten Scheunen und Wohnh¨auser aus Holz in der n¨aheren Umgebung, sp¨ater auch außerhalb. 1869 / 70 bauten sie das Hotel Sonnenberg in Engelberg und begannen so eine Hotelierskarriere, die in die Geschichte des Schweizer Fremdenverkehrs einging. B. erwarb eine unbebaute, schwer zug¨angliche Liegenschaft auf dem Grat des B¨urgenberges und er¨offnete nach der Erschließung des Gel¨andes dort 1873 das Grand Hotel B¨urgenstock, das um eine Seilbahn, ein Kraftwerk und weitere Hotels zu einem Ensemble erweitert wurde, das weltweite Bekanntheit erlangte und noch heute als Kurort großen Zuspruch erf¨ahrt. Neben weiteren Hotels errichtete B. Straßen- und Seilbahnen, die zu den modernsten ihrer Zeit geh¨orten. Als sich 1895 die Firma aufl¨oste, u¨ bernahm B. die Hotels und die Bergbahnen. In seinem Besitz befanden sich zeitweise zehn Erstklaßhotels mit 2500 Betten und ein halbes Dutzend Bergbahnen. B. war Gemeinderat in Kerns, 1884-96 Obwaldner Kantonsrat sowie Mitbegr¨under und Mitglied des Verwaltungsrates der 1886 gegr¨undeten Obwaldner Kantonalbank. B. starb kurz vor der Er¨offnung seines Hotels Semiramis bei Kairo. C Schweizer Pioniere, Bd 6

Bucher, Johann Peter, Jurist, * 10. 8. 1740 Kassel, † 25. 4. 1820. Nach dem Abschluß der 1757 begonnenen Studien in G¨ottingen wurde B. 1760 Hofmeister beim Grafen BentheimSteinfurt, 1762 in Harderwyk zum Dr. jur. promoviert und im folgenden Jahr zum zweiten Rechtsprofessor am Akademischen Gymnasium in Steinfurt ernannt. 1771 wechselte er an das Gymnasium in Hamm und folgte 1772 einem Ruf an die Univ. Rinteln, 1797 an die Univ. Marburg; daneben war er als Sachverst¨andiger und Berater bei verschiedenen Reichsgerichten t¨atig. 1815 wurde B. kurhessischer Geheimer Regierungsrat. Er ver¨offentlichte u. a. Von der Klugheit eines Regenten (1767). B. war der Vater von Karl Franz Ferdinand → B.

Bucher, Jordan, kath. Theologe, * 5. 3. 1823 Friedingen, † 18. 3. 1870 Heilbronn. B. studierte in T¨ubingen Theologie und Philologie, wurde 1848 promoviert, im gleichen Jahr zum Priester geweiht und Pr¨azeptoratsverweser in Mengen. 1849 kam er in gleicher Funktion nach Horb, 1852 als Kaplan nach Buchau und 1854 nach Scheer; seit 1860 war er Stadtpfarrer von Heilbronn. B. ver¨offentlichte zahlreiche theologische Abhandlungen, darunter Die sieben heiligen Weihen (1860), sowie einige Erbauungsschriften und p¨adagogische Aufs¨atze. C ADB

Bucher, Joseph, Redakteur, Verleger, * 23. 10. 1838 Waldkirchen, † 7. 12. 1909 Passau. B., Sohn eines Gastwirts und Metzgermeisters, studierte 1857-61 Rechtswissenschaften und Philosophie in M¨unchen. 1862 kaufte er von Johann → Breßl mit geerbtem Verm¨ogen die liberale Passauer „Donau-Zeitung“, zu der der „Passauer Kalender“ und das „Passauer Amts- und Wochenblatt“ geh¨orten. B. gab der „Donau-Zeitung“ ein monarchistisch, großdeutsch sowie konstitutionell-parlamentarisch gepr¨agtes Profil und unterst¨utzte die Deutsche Fortschrittspartei. Wegen zunehmender Kritik an den Liberalen wurde die Zeitung mehrfach zensiert. 1868 wurde B. Abgeordneter im Zollparlament und 1869 Mitglied des Bayerischen Landtags. Als Klerikaldemokrat schloß er sich der Patriotenpartei an, u¨ berwarf sich aber mit ihr und legte 1870 sein Mandat nieder. 1881-93 geh¨orte B. erneut dem Landtag an. 1889 verkaufte er die „Donau-Zeitung“. B. erhielt 1868 den Gregorius-Orden und den Michael-Orden, 1887 den FranzJoseph-Orden.

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Bucher Bucher, Karl Franz Ferdinand, Jurist, * 14. 6. 1786

Bucher, Urban Gottfried, Mediziner, * 1679 Frauenheim

Rinteln, † 3. 2. 1854 Erlangen. Der Sohn Johann Peter → B.s studierte Rechtswissenschaften in Marburg und wurde 1805 promoviert. Er war kurze Zeit Sekret¨ar Johannes von → M¨ullers in Kassel und folgte 1808 einem Ruf als o. Prof. der Rechte nach Halle. 1818 wurde er als Ordinarius an die Univ. Erlangen berufen und zum Hofrat ernannt. B. war Mitarbeiter der „Jahrb¨ucher der deutschen juristischen Literatur“; er ver¨offentlichte u. a. eine Systematische Darstellung des im K¨onigreich Westfalen geltenden napoleonischen Rechts (2 Bde., 1809).

(Sachsen), † n. e. ¨ Uber die Lebensumst¨ande B.s, der mit Friedrich Wilhelm → Stosch, Theodor Ludwig → Lau und Gabriel → Wagner zu den fr¨uhen deutschen Materialisten z¨ahlt, ist nur wenig bekannt. Er war Sohn eines Pfarrers, studierte seit 1699 in Wittenberg und wurde 1707 bei Friedrich → Hoffmann an der Medizinischen Fakult¨at der Univ. Halle promoviert. B. war Leibarzt des F¨ursten von F¨urstenberg, des Statthalters des Kurf¨ursten → Friedrich August I. 1722 ver¨offentlichte er Das Muster eines n¨utzlich-Belehrten in der Person des Herrn Doctor Johann Joachim Bechers, eine scharfe Kritik an der Herrschsucht und Intoleranz der Priester. Der vermutlich von B. verfaßte Zweyer Guten Freunde Brief-Wechsel vom Wesen der Seelen, der 1713 anonym erschien, ist der wichtigste Beitrag deutscher Freidenker zu einer spiritualistischen Rationalpsychologie. Der Verfasser erhebt die Forderung nach einer Belebung der Naturwissenschaften und einer umfassenden Erforschung der objektiven Realit¨at und skizziert auf der Grundlage eines aus medizinischen und philosophischen Quellen (u. a. Hobbes) gespeisten Materialismus eine sensualistische Erkenntnistheorie.

Bucher, (Adolf) Lothar, Politiker, Publizist, * 25. 10. 1817 Neustettin, † 12. 10. 1892 Glion bei Montreux. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften trat B., Bruder von Bruno → B., 1838 in den preuß. Staatsdienst ein und wurde Abgeordneter des linken Zentrums in der preuß. Nationalversammlung (1848) und der Zweiten Kammer (1849). Wegen seiner Mitwirkung am Steuerverweigerungsbeschluß als einziger zu Gef¨angnis verurteilt, floh er 1850 nach London, wo er bis zu seiner Amnestierung 1861 als Korrespondent der „Nationalzeitung“ lebte. Von → Bismarck 1864 ins Ausw¨artige Amt berufen, war er bis 1886 – seit 1865 Legationsrat, seit 1872 Geheimrat – einer seiner engsten Mitarbeiter. B. vermittelte Bismarcks Kontakt zu → Lassalle (dessen Testamentsvollstrecker er war), u¨ bernahm mehrmals diplomatische Sonderaufgaben und zeichnete sich vor allem bei der Abfassung wichtiger Schriftst¨ucke aus. Er folgte Bismarck in den Ruhestand und hatte großen Anteil an der Niederschrift von dessen Erinnerung und Gedanke. B. schrieb selbst u. a. Der Parlamentarismus, wie er ist (1855, 31884) und Bilder aus der Fremde (2 Bde., 1862). C Leb Pommern, Bd 2

Bucher, Rudolf, Mediziner, * 22. 2. 1899 Luzern, † 17. 3. 1971 Luzern. B., Sohn eines Arztes, studierte bis 1925 Medizin in Z¨urich, Berlin und Basel, war 1930-38 leitender Arzt der wissenschaftlichen Abteilung der Chirurgischen Universit¨atsklinik Basel und wurde 1931 promoviert. 1937 habilitierte er sich (Die Diffusionsanalyse am Blutplasmagel), er¨offnete eine Praxis in Z¨urich und engagierte sich seit 1938 in der chirurgischen Experimentalforschung. 1941 wurde er Chef des Blutspendedienstes der Armee, nahm 1941 / 42 an der ¨ Freiwilligen Schweizerischen Arztemission an der Ostfront teil, wurde Augenzeuge der Erschießung russischer Geiseln durch die Deutschen und erhielt Kenntnis von der Massenvernichtung der Juden in den Konzentrationslagern. Seine Appelle an die Schweizer Regierung, gegen diese Ereignisse und Situationen zu protestieren, blieben erfolglos. B. z¨ahlte 1952 zu den Begr¨undern der Schweizerischen Rettungsflugwacht Rega und geh¨orte 1947-50 dem Z¨urcher Kantonsrat sowie dem Nationalrat als Vertreter des Landesrings der Unabh¨angigen an. Zu seinen Arbeiten geh¨oren u. a. Das Rettungsschwimmen als Wettkampf (1927), Die Diffusionsanalyse am Blutplasmagel. Ein neuer Weg der Blutforschung (1937), Fliegen Retten Helfen (1961), Fragen des Ertrin¨ kungstodes und der Wiederbelebung. F¨ur Arzte, Studierende und gebildete Laienhelfer (1964) und Zwischen Verrat und Menschlichkeit. Erlebnisse eines Schweizer Arztes an der deutsch-russischen Front 1941 / 42 (1967).

Bucher, Samuel Friedrich, Philologe, * 16. 9. 1692 Rengersdorf (Lausitz), † 12. 5. 1765 Zittau. B. studierte in Wittenberg, wurde 1715 Magister und habilitierte sich an der dortigen Universit¨at. Seit 1719 a. o. Prof. der Altert¨umer sowie seit 1726 zus¨atzlich Rektor der Stadtschule, ging er 1728 als Konrektor ans Gymnasium nach Zittau. B. ver¨offentlichte zahlreiche, meist sprachwissenschaftliche Arbeiten, darunter eine Grammatica Hebraea (1722).

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Bucherer, Alfred (Heinrich), Physiker, * 9. 7. 1863 K¨oln, † 16. 4. 1927 Bonn. Der Sohn eines Chemiefabrikanten und Bruder Hans Theodor → B.s studierte seit 1884 an der TH Hannover sowie an den Universit¨aten Baltimore, Ithaca und Straßburg, wurde 1896 in Straßburg promoviert (Die Wirkung des Magnetismus auf die electromotorische Kraft) und war anschließend an der Univ. Leipzig t¨atig. 1899 habilitierte er sich an der Univ. Bonn f¨ur theoretische Physik und war dort 1912-23 Ordinarius. B.s Versuche zur Geschwindigkeitsabh¨angigkeit der Elektronenmasse (1907-09) erbrachten eine der ersten experimentellen Best¨atigungen der speziellen Relativit¨atstheorie und erregten großes Aufsehen. Er ver¨offentlichte u. a. Grundz¨uge einer thermodynamischen Theorie elektrochemischer Kr¨afte (1897), Elemente der Vektor-Analysis (1903), Mathematische Einf¨uhrung in die Elektronentheorie (1904) und Die Planetenbewegung auf Grund der Quantentheorie und eine Kritik der Einsteinschen Gravitationsgleichungen (1923). C DSB

Bucherer, Hans Theodor, Chemiker, * 19. 5. 1869 Ehrenfeld (heute zu K¨oln), † 29. 5. 1949 Benediktbeuern. Der Bruder Alfred → B.s studierte 1888-94 in M¨unchen, ¨ Karlsruhe und Leipzig (Promotion 1894, Uber einige Derivate des Keto-Hexens des Ketons der Alpha-Pimelin-S¨aure), war bis 1900 Chemiker bei der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen und habilitierte sich 1901 mit der ¨ Arbeit Uber die Einwirkung schwefligsauerer Salze aromatische Amido- und Hydroxyl-Verbindungen, in der er erstmals die sog. Bucherer-Reaktion beschrieb, f¨ur Chemie an der TH Dresden; 1905 folgte seine Ernennung zum a. o. Professor. Er stand 1908-11 dem Laboratorium der Firma Kalle & Co. in Biebrich vor, war 1911-13 Ordinarius f¨ur Farbenchemie an der TH Dresden, kam 1913 als Direktor der Chemischen Fabrikation an die Schering-Werke nach Berlin und nahm seit 1914 daneben einen Lehrauftrag an der TH Charlottenburg wahr. 1926-34 war er Ordinarius f¨ur chemische Technologie an der TH M¨unchen. B. ver¨offentlichte u. a. Die Teerfarbstoffe mit besonderer Ber¨ucksichtigung der synthetischen Methode (1904), Die Mineral-, Pflanzen- und Teerfarben. Ihre Darstellung, Verwendung, Erkennung und Echtheitspr¨ufung (1911) und Lehrbuch der Farbenchemie einschließlich der Gewinnung und Verarbeitung des Teers, sowie der Methoden zur Darstellung der Vor- und Zwischenprodukte (1921). C Poggendorff 7a

Buchholz Bucherer, Max, genannt Mabu, schweizer. Graphiker, Maler, * 8. 7. 1883 Basel, † 3. 1. 1974 Locarno. B. studierte bei Heinrich → Knirr und Angelo → Jank an der Kunstakademie M¨unchen und hielt sich zu Studien an der Acad´emie Julian 1903 und 1906 in Paris sowie am Bodensee und im schweizer. Hochgebirge auf. 1909 wurde er Lehrer f¨ur Graphik an der Gewerbeschule M¨unchen; mit Unterst¨utzung der o¨ sterreichisch-ungarischen Regierung unternahm er eine Reise nach Bosnien und in die Herzegowina sowie w¨ahrend des Ersten Weltkriegs nach Polen und Galizien. 1917-46 Kunstlehrer am Z¨urcher Gymnasium, war er u. a. Vizepr¨asident des Wirtschaftsbundes bildender K¨unstler, Gr¨under der Schweizer Graphischen Gesellschaft, Mitbegr¨under (1930) und Vorstandsmitglied des Internationalen Instituts zur Erforschung der Jugendzeichnung und redigierte 1932-35 die Mitteilungen des Wirtschaftsbundes. B. gab mehrere Graphiksammlungen heraus (Aus meinem Leben, 1922) und schrieb u. a. Der Original-Holzschnitt (1913). C AKL

Konzentrationslager Sachsenhausen interniert, arbeitete er anschließend bis Ende des Zweiten Weltkriegs in seinem erlernten Beruf. B. war 1945-49 Stadtverordneter der KPD (bzw. SED) und B¨urgermeister in Groitzsch, 1950 / 51 Landrat des Kreises Zinna, 1952-59 Erster Sekret¨ar der SEDBezirksleitung Chemnitz (bzw. Karl-Marx-Stadt), 1954-63 Mitglied des Zentralkomitees der SED, 1958-63 Mitglied der Volkskammer der DDR, 1959-61 stellvertretender Vorsitzender des Bundesvorstandes des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes und 1961-71 Vorsitzender des ZentralC DDR ausschusses der Volkssolidarit¨at.

Kremer, Drucker, Buchf¨uhrer, * um 1490 Jena, † 1577 Erfurt. B. war 1510 Buchf¨uhrer in Erfurt und druckte dort um 1515 sowie 1521-24 verschiedene, u¨ berwiegend reformatorische Schriften. 1523 / 24 lebte er in Jena, wo er als Erstdrucker Schriften von → Karlstadt, → Luther und Martin Reinhart druckte. Nach 1525 wieder in Erfurt ans¨assig, war B. noch bis 1563 als Buchf¨uhrer t¨atig. C Dilly

Buchheister, Carl, auch Karl B., Maler, * 17. 10. 1890 Hannover, † 2. 2. 1964 Hannover. B. studierte an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums, arbeitete bis 1923 gegenst¨andlich und wurde in den zwanziger Jahren mit Malereien zwischen Dadaismus und Konstruktivismus bekannt. Er stellte u. a. in Frankreich und den USA aus, war 1927-33 Vorsitzender des Gaues Hannover des Reichswirtschaftsverbandes bildender K¨unstler und wurde 1932 Mitglied der Gruppe AbstractionCr´eation. Zwischen 1933 und 1945 malte er unter politischem Druck wieder gegenst¨andlich, ging nach 45 jedoch sofort wieder zur abstrakten Malerei u¨ ber, n¨aherte sich der informellen Kunst und gestaltete seine Gem¨alde seit 1956 durch Einf¨ugung von Holzst¨ucken und Textilien als Reliefs. B. gilt als einer der Pioniere der abstrakten Malerei in C AKL Deutschland.

Buchheim, Karl (Arthur), Historiker, * 27. 3. 1889

Buchholtz, Alexander August von, Jurist, * 20. 1. 1802

Dresden, † 22. 8. 1982 M¨unchen. B. studierte Deutsch, Geschichte, Latein und Philosophie an den Universit¨aten Jena, Bonn und Leipzig (Dr. phil. 1913, Die Stellung der K¨olnischen Zeitung im vorm¨arzlichen rheinischen Liberalismus) und war seit 1916 Gymnasiallehrer im s¨achsischen Freiberg. Nach seiner aus politischen Gr¨unden erfolgten Entlassung in den Ruhestand betrieb er 1934-45 private Studien in Zusammenarbeit mit dem Institut f¨ur Kultur- und Universalgeschichte in Leipzig. B. habilitierte sich 1945 an der Univ. Leipzig f¨ur Geschichte und wurde 1946 Mitarbeiter, 1948 kommissarischer Leiter der dortigen Universit¨atsbibliothek. 1950-56 lehrte er als a. o. Prof. der Geschichte an der TH M¨unchen. B. ver¨offentlichte u. a. Logik der Tatsachen. Vom geschichtlichen Wesen der Sch¨opfung (1937), Geschichte der christlichen Parteien in Deutschland (1953) und Ultramontanismus und Demokratie (1963). C NDB

K¨onigsberg, † 2. 6. 1856 K¨onigsberg. Der Kaufmannssohn studierte seit 1819 als Sch¨uler Heinrich Eduard → Dirksens Rechtswissenschaften an der Univ. K¨onigsberg und wurde 1824 promoviert (Ad orationem Divi Severi de potioribus nominandis). Seit 1828 war er a. o. und seit 1833 o. Prof. der Rechte. Er arbeitete vor allem zum R¨omischen Recht und ver¨offentlichte u. a. Versuche u¨ ber einzelne Teile der Theorie des heutigen r¨omischen Rechts (1832). C Altpreuß Biogr, Bd 1

Buchfurer, ¨ Michel, eigentl. Johann Michael, auch Michel

Buchheim, Rudolf (Richard), Pharmakologe, Mediziner, * 1. 3. 1820 Bautzen, † 25. 12. 1879 Gießen. B., Sohn eines Stadt- und Landphysikus, studierte Medizin in Dresden und Leipzig, wurde 1845 promoviert (Meletemata quaedam de albuminae, pepsino et muco) und folgte 1847 einem Ruf als a. o. Prof. der Arzneimittellehre, Di¨atetik, Geschichte der Medizin und medizinischen Literatur nach Dorpat; 1849 wurde er dort Ordinarius. Das aus seiner Initiative entstandene, mit experimentellen Methoden arbeitende Pharmakologische Institut wurde unter seiner Leitung zum Vorbild aller sp¨ater entstandenen pharmakologischen Universit¨atsinstitute. 1867 wechselte B. als Ordinarius an die Univ. Gießen. Als sein Hauptwerk gilt das Lehrbuch der Arzneimittellehre (1853-56, 31876). C NDB

Buchheim, Walter, Politiker, * 28. 1. 1904 Pegau, † 1. 11. 1979. Von Beruf Metallschleifer, war B. bis 1931 in seinem Beruf und als Bergmann t¨atig; 1923 wurde er Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands KJVD, 1926 der KPD. Seit 1931 Stadtverordneter und hauptamtlicher Stadtrat in Groitzsch, wurde er 1933 verhaftet. 1934-36 im

Buchholtz, Arend, Bibliothekar, * 10. 4. 1857 Riga, † 29. 10. 1938. Nach dem Studium der Geschichte wurde B. 1890 Magistratsbibliothekar der Stadt Berlin und u¨ bernahm 1892 die Leitung der st¨adtischen Volksbibliotheken. In einer Denkschrift forderte er im gleichen Jahr vom Magistrat zus¨atzlich zu den Volksbibliotheken die Einrichtung von Lesehallen, von denen bis 1914 im Stadtgebiet schließlich zw¨olf entstanden. B. organisierte das Berliner Volksbibliothekswesen neu; seine Reformen wurden durch die Er¨offnung einer zentralen Stadtbibliothek abgeschlossen, deren Bestand er durch Stiftungen von 89 000 auf 280 000 B¨ande vermehren konnte. Er ver¨offentlichte u. a. Studien u¨ ber die Familie Lessing, die „Vossische Zeitung“ und die Buchdruckerkunst in Riga.

Buchholz, Albert, Psychiater, * 13. 1. 1859 K¨onigsberg, † 21. 1. 1927 Hamburg. B. studierte in K¨onigsberg und Leipzig Medizin, wurde 1886 mit der Arbeit Das Verhalten des Sphincter iridis verschiedener Tierarten gegen¨uber einer Reihe physikalischer und chemischer Einfl¨usse promoviert, war an verschiedenen Stellen als Assistent und Oberarzt t¨atig und habilitierte sich 1895 in Marburg mit der Studie Ueber die chronische Paranoia bei epileptischen Individuen. 1901 wurde er a. o. Prof. und Oberarzt an der Hamburgischen Irrenanstalt Friedrichsberg, 1919 a. o. Prof. f¨ur gerichtliche Psychiatrie an der neu gegr¨undeten Univ. Hamburg. B.’ Forschungen galten der Demenz, der Syphilis, Geistesst¨orungen bei Arteriosklerose, organischen Psychosen und der Sozialpsychiatrie.

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Buchholz Buchholz, Carl August, Jurist, * 1785 L¨ubeck,

Buchholz, Friedrich, Kunsthistoriker, Liturgiewissen-

† 15. 11. 1843 L¨ubeck. B., den Salomon Carlebach als „Anwalt der Juden Deutschlands“ bezeichnete, war Rechtsanwalt in seiner Geburtsstadt und forderte nach Aufhebung aller Verordnungen aus der franz¨osischen Besatzungszeit 1814 vom Rat der Stadt f¨ur Juden die B¨urgerrechte und die Aufnahme in die b¨urgerlichen ¨ Kollegien (Uber die Aufnahme der j¨udischen Glaubensgenossen zum B¨urgerrecht, 1814). 1815 vertrat er die Juden der Hansest¨adte Bremen, Hamburg und L¨ubeck auf dem Wiener Kongreß und verfaßte 1820 eine an die deutsche Bundesversammlung in Frankfurt gerichtete Denkschrift gegen die 1815 festgeschriebene Entrechtung der Juden.

schaftler, * 16. 12. 1902 Dessau (Anhalt), † 15. 3. 1967 Darmstadt. B. studierte Kunstgeschichte, Theologie und Philosophie und wurde 1928 in Leipzig mit der Arbeit Protestantismus und Kunst im sechzehnten Jahrhundert zum Dr. phil. promoviert. 1933 nahm er an der ersten Singwoche der „Kirchlichen Arbeit in Alpirsbach“ (KAA) teil, deren musikalische Leitung er seit 1935 innehatte; 1945 u¨ bernahm er auch die organisatorische Leitung als Pr¨ases der KAA. B. schrieb Vom Wesen der Gregorianik (1948), Von der Bindung und Freiheit der Musik und des Musikers in der Gemeinde (1955) und gab das Alpirsbacher Antiphonale (1950 ff.) heraus. Aus dem Nachlaß von B. erschien 1977 H¨oren wir, so leben wir (hrsg. von Eberhard Weismann). C RGG

Buchholz, Erich, Bildhauer, Maler, Graphiker, * 31. 1. 1891 Bromberg, † 29. 12. 1972 Berlin. B. studierte an der Kunstgewerbe- und Baugewerkschule in Berlin und trat 1917 eine Stelle als Dramaturg und B¨uhnenbildner am Bamberber Theater an. Nach seiner Heirat 1918 mit Lucia Kr¨uger bezog er eine Atelierwohnung in Berlin und fertigte dort erste abstrakte Arbeiten an. 1922 trat er in Verbindung mit El Lissitzky und Theo van Doesburg. Er bildete sich an der Kunstgewerbeschule und der Baugewerbeschule in Berlin fort und versuchte sich im Produktdesign und in der Architektur. Aufgrund der Schwierigkeiten, seine Familie mit k¨unstlerischer T¨atigkeit zu ern¨ahren, siedelte B. 1925 nach Germendorf u¨ ber, wo er er eine Kiesgrube betrieb und nur noch sporadisch k¨unstlerisch t¨atig war. Nach dem Tod seiner Ehefrau 1948 kehrte B. 1951 nach Belin zur¨uck und er¨offnete 1954 erneut ein Atelier. Neben Gem¨alden schuf er Skulpturen aus Glas, Holzreliefs sowie nach 1945 Plexiglasarbeiten und Siebdrucke, die er u. a. 1947 in Berlin C AKL und 1956 in New York ausstellte.

Buchholz, Ernst, Sportler, * 19. 6. 1920 K¨oln, † 3. 8. 1993 K¨oln. Als Tennisspieler wurde B. von Hanne N¨usslein entdeckt und machte bei Rotweiß K¨oln Karriere. Er wurde achtzehnmal deutscher Meister im Einzel und Doppel und spielte f¨unfzehnmal in der Davispokal-Mannschaft. Nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn war er Hotelier in K¨oln.

Buchholz, (Paul Ferdinand) Friedrich, Publizist, * 5. 2. 1768 Alt-Ruppin, † 14. 2. 1843 Berlin. Der Sohn einer altm¨arkischen Pfarrerfamilie studierte zun¨achst Theologie, sp¨ater neuere Sprachen in Halle und wurde 1787 Lehrer an der Ritterakademie in Brandenburg. 1800 verließ er den Schuldienst und lebte seitdem als freier Publizist in Berlin. B. war schon vor 1800 Mitarbeiter f¨uhrender politischer Zeitschriften in Deutschland wie der „Minerva“ und der „Europ¨aischen Annalen“. Er geh¨orte zu den Anh¨angern Napoleons und war ein Gegner → Gentzens. Nach den Befreiungskriegen nicht mehr frankophil, gr¨undete er 1815 das „Journal von und f¨ur Deutschland“ (seit 1820 „Neue Monatsschrift f¨ur Deutschland“, 40 Bde., 1820-35), das liberale und demokratische Gedanken vertrat, und gab das „Historische Taschenbuch“ (22 Bde., 1814-37, auch unter dem Titel „Geschichte der europ¨aischen Staaten seit dem Frieden von Wien“) heraus. Seit den zwanziger Jahren vom Saint-Simonismus beeinflußt, propagierte B. u. a. de Idee eines Gelehrtenparlaments. Er ver¨offentlichte u. a. Mo¨ ses und Jesus, oder Uber das intellektuelle und moralische Verh¨altnis der Juden und Christen (1803), Untersuchungen u¨ ber den Geburtsadel und die M¨oglichkeit seiner Fortdauer im 19. Jahrhundert (1807) und Geschichte Napoleon BonaC NDB parte’s (3 Bde., 1827-29).

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Buchholz, Hans Wilhelm, Mediziner, * 4. 12. 1910 Glogau, † 24. 3. 2002 Hamburg. B., Sohn eines Reichsbankkassierers, studierte vor¨ubergehend Maschinenbau in M¨unchen, dann Medizin in Jena, K¨onigsberg und seit 1935 an der Milit¨ar¨arztlichen Akademie und der Charit´e-Klinik in Berlin. 1936 beendete er sein Studium in D¨usseldorf und wurde, 1937 in Berlin mit der Arbeit ¨ Uber ein multilokul¨ares Riesenkystom der Leber promoviert, 1938 Assistent am Pathologischen Institut in D¨usseldorf. Am Zweiten Weltkrieg nahm er als Truppenarzt teil und geriet in amerikanische Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung 1946 praktizierte er als Arzt im Allgemeinen Krankenhaus in Heidelberg und seit 1950 am Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in Hamburg. Dort war er zun¨achst Oberarzt f¨ur ¨ Chirurgie, seit 1955 Chefarzt f¨ur Unfallchirurgie und Arztlicher Direktor. B. baute die Unfallchirurgie in St. Georg aus und besch¨aftigte sich zunehmend mit der Endoprothetik, die er in Deutschland etablierte. B., der zahlreiche maßgebliche Prothesen-Modelle entwickelte und mehr als hundert wissenschaftliche Aufs¨atze ver¨offentlichte, gr¨undete 1975 die gemeinn¨utzige ENDO-Klinik in Hamburg und Wintermoor. ¨ Schlesien C Arzte

Buchholz, Horst (Werner), Schauspieler, * 4. 12. 1933 Berlin, † 3. 3. 2003 Berlin. B., Sohn eines Schuhmachers, erhielt seit 1948 kleinere B¨uhnenrollen und war u. a. als Synchronsprecher t¨atig. Nach Abbruch der Schule 1950 nahm er Schauspielunterricht, trat bis 1955 an verschiedenen Berliner B¨uhnen auf und deb¨utierte 1952 als Statist in Die Spur f¨uhrt nach Berlin. Nach Rollen in Marianne (1955) und Helmut → K¨autners Himmel ohne Sterne (1956) widmete er sich vor allem dem Film und wurde mit seiner Rolle als jugendlicher Rebell in Georg Tresslers Die Halbstarken (1956) in Deutschland zum Star. Nach der Titelrolle in Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (1957) und der Mitwirkung in der britischen Produktion Tiger Bay (1959) auch international bekannt, erzielte B. in John Sturges Westernklassiker The Magnificient Seven (1960) seinen gr¨oßten Erfolg. Danach wirkte er vor allem in Action- und Unterhaltungsfilmen mit und arbeitete f¨ur das amerikanische und deutsche Fernsehen sowie f¨ur das Theater. Weitere bedeutende Filmauftritte von B. sind die Hauptrolle in Billy → Wilders One, two, three (1961), seine Mitwirkung in Wim Wenders’ In weiter Ferne so nah! (1993) und in Roberto Benignis La vita e` bella (1997).

Buchholz, Karl, Maler, * 23. 2. 1849 Schloßvippach bei Erfurt, † 25. 5. 1889 Oberweimar. Der Bauernsohn lernte bei einem Stubenmaler und erhielt nach dreij¨ahriger Berufst¨atigkeit ein Stipendium zum Besuch der Kunstschule Weimar. Er studierte bei Maximilian → Schmidt und arbeitete seit 1867 im eigenen Atelier. Bereits fr¨uh entstanden Landschaften in Freilichtmalerei,

Buchinger die der Schule von Barbizon nahestanden (u. a. Windm¨uhle, 1876). B., zu Lebzeiten nahezu erfolglos, beging Selbstmord. Er gilt als einer der herausragenden Landschaftsmaler seiner C AKL Zeit.

Buchholz, Peter, kath. Theologe, * 31. 1. 1888 Eisbach (Oberpleis, heute zu K¨onigswinter), † 4. 5. 1963 Bonn. B. studierte Theologie an der Univ. Bonn und am Priesterseminar in K¨oln. Er war nach der Priesterweihe 1911 in einer Essener Pfarrei und w¨ahrend des Ersten Weltkriegs als Divisionspfarrer t¨atig. 1926 wurde er Gef¨angnispfarrer in Essen, 1941 in D¨usseldorf. Er k¨ummerte sich zunehmend um die Todeskandidaten der nationalsozialistischen Justiz, nach der Versetzung nach Berlin-Pl¨otzensee vorwiegend um deutsche und ausl¨andische Widerstandsk¨ampfer. Seit August 1944 galt seine Arbeit haupts¨achlich den nach dem 20. 7. 1944 Verhafteten, f¨ur deren Familien er sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte. B. war 1945 / 46 Beirat f¨ur kirchliche Angelegenheiten im Berliner Magistrat, folgte 1946 einer R¨uckberufung in seine Heimatdi¨ozese und war bis 1953 wieder in D¨usseldorf t¨atig. Er beeinflußte den Aufbau der Straff¨alligenhilfe in der Bundesrepublik Deutschland. C Widerstand

Buchholz, Rudolf, Gyn¨akologe, * 13. 5. 1914 Glogau / Oder, † 17. 4. 1994 Marburg. B. begann 1933 in Jena das Studium der Medizin, das er nach der Relegation wegen antinationalsozialistischen Verhaltens in M¨unster und D¨usseldorf fortsetzte und 1942 mit der Promotion abschloß (Eine vergleichende Untersuchung u¨ ber die pharmakologische Wirkung des Helenins und des Santonins auf das isolierte Froschherz). Als Truppenarzt nahm B. am Frankreich- und am Rußlandfeldzug teil. 1948 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zur¨uckgekehrt, wurde er 1950 Assistent an der Frauenklinik der Medizinischen Akademie in D¨usseldorf. 1955 habilitierte er sich dort (Die gonadotropen Hypophysenhormone FSH und ICSH im mensuellen Zyklus der Frau), wurde 1956 Oberarzt an der D¨usseldorfer Klinik, 1961 apl. Prof. und war 1964-81 o. Prof. der Gyn¨akologie und Geburtshilfe an der Univ. Marburg. B.s Forschungsinteresse galt insbesondere den endokrinen Funktionsabl¨aufen im mensuellen Zyklus; er erbrachte den Nachweis einer Progesteronproduktion bereits vor der Ovulation. ¨ C Arzte Schlesien

Buchholz, Samuel, auch Buchholtz, Historiker, * 21. 9. 1717 Pritzwalk, † 29. 4. 1774 Kremmen. B., Sohn eines Pfarrers, studierte seit 1738 Theologie an der Univ. Halle, wurde 1744 Konrektor in Werben in der Altmark und trat hier in regen Kontakt u. a. mit Johann Joachim → Winckelmann. 1757-59 bekleidete er das Rektorat der Domschule in Havelberg und war anschließend bis 1768 Oberpfarrer in Lichen, danach in Kremmen. B. ver¨offentlichte u. a. eine Geschichte der Kurmark Brandenburg von den a¨ ltesten Zeiten bis zum Hubertusburger Frieden (6 Bde., C BBL 1765-75).

Buchholz, Wilhelm, Dramaturg, * 10. 12. 1836 L¨ubeck, † 25. 11. 1904 M¨unchen. Nach dem Studium in Leipzig und Jena (Dr. phil.) geh¨orte B. der Redaktion der „Deutschen Schaub¨uhne“ an, lebte sp¨ater zeitweise in Italien und ließ sich in Leipzig als Theaterkritiker der „Leipziger Zeitung“ nieder. 1876-82 war er Dramaturg am Leipziger Stadttheater und folgte 1882 einem Ruf → Perfalls an das M¨unchner Hoftheater, an dem er zuletzt unter Ernst von → Possart als Dramaturg t¨atig war. B. war mit Adelma → Harry verheiratet. Er schrieb mehrere B¨uhnenbearbeitungen sowie das Drama Dante (1886). C Biogr Jahrb, Bd 9

Buchholzer, Abraham, auch Buchholtzer, evang. Theologe, Geschichtsschreiber, * 7. 10. 1529 Sch¨ona (Sachsen), † 14. 6. 1584 Freistadt. Der Sohn Georg → B.s studierte in Frankfurt und Wittenberg, wo er in engen Kontakt zu → Melanchthon trat; 1556 wurde er Schulrektor in Gr¨unberg, 1563 Pfarrer in Sprottau. 1573 wechselte er als Hofprediger der Herzogin Katharina nach Crossen, wurde nach deren Tod 1574 entlassen und u¨ bernahm kurze Zeit sp¨ater ein Pfarramt in Freistadt. B. verfaßte – abgeschieden von aktuellen theologischen Problemen – einen umfangreichen Index chronologicus, den er kurz vor seinem Tod ver¨offentlichte. C ADB Buchholzer, Georg, auch Buchholtzer, evang. Theologe, * 1503 Dahme (Brandenburg), † 31. 5. 1566 Berlin. Nach dem Studium in Wittenberg war B., Sohn eines Ratsherrn, seit 1526 Pfarrer in verschiedenen m¨arkischen und s¨achsischen Orten. 1539 ernannte ihn Kurf¨urst → Joachim II., dessen Berater er bei der Durchf¨uhrung der Reformation war, zum Propst an St. Nikolai in Berlin. B. war an der Abfassung der evang. Kirchenordnung der Mark Brandenburg (1540) sowie an der Einrichtung des Konsistoriums beteiligt und reiste im Auftrag des Kurf¨ursten nach Wittenberg, um von → Luther die Artikel des s¨achsischen ¨ Konsistoriums zu erbitten. Uber das Augsburger Interim, dessen Gegner er war, geriet B. in heftigen Streit mit Johann → Agricola. Daß er die Frage nach der Notwendigkeit guter Werke f¨ur die Glaubenden bejahte, trug ihm die Gegnerschaft des Andreas → Musculus sowie des Kurf¨ursten ein, der 1565 B.s Absetzung erwirkte. B. war der Vater von AbraC NDB ham → B. Buchhorn, Josef, Publizist, * 10. 1. 1875 K¨oln, † 10. 8. 1954 Solingen. Nach dem Studium in Bonn, M¨unster und T¨ubingen (Dr. phil.) war B. Redakteur in D¨usseldorf (1899), Elberfeld (1900), Stuttgart (1904) und Danzig (1905). 1907 wurde er Feuilletonredakteur der „Berliner Neuesten Nachrichten“, 1913 Chefredakteur der Wochenschrift „Guckkasten“ (1913); im selben Jahr u¨ bernahm er die Berliner Vertretung des D¨usseldorfer Verlags W. Girardet, 1916 die des „Hannoverschen Kuriers“. 1921-32 war er Abgeordneter der Deutschen Volkspartei im Preußischen Landtag. B. gab seit 1929 die Korrespondenz „Der Kreis“ heraus, in der er die Gr¨undung einer großen deutschen Mittelstandspartei propagierte; nach 1933 war er Referent in der Reichsschrifttumskammer. Er schrieb u. a. Aufstand in N¨urnberg (1937).

Buchhorn, (Karl) Ludwig (Bernhard Christian), Kupferstecher, Maler, * 18. 4. 1770 Halberstadt, † 13. 11. 1856 Berlin. B. war Sch¨uler Daniel → Bergers, des ersten Direktors der Berliner akademischen Kupferstecherschule, auf deren Ausstellungen er seit 1789 vertreten war. Nach einigen Jahren bei der Chalkographischen Gesellschaft in Dessau und in Leipzig lebte er seit 1806 wieder in Berlin und wurde 1812 Mitglied, 1814 Prof. und Senator der Akademie der K¨unste. Nach dem Tod Bergers u¨ bernahm er 1824 die Leitung der Berliner Kupferstecherschule. Zun¨achst reproduzierte B. haupts¨achlich Gem¨alde a¨ lterer Meister, entwarf jedoch ab ca. 1822 auch eigenst¨andige Werke. Neben Kupferstichen (u. a. Christus nach Carlo Dolci) und Zeichnungen ¨ schuf B. Lithographien und Olgem¨ alde. C AKL

Buchinger, Johann Nepomuk, Jurist, Historiker, * 8. 5. 1781 Alt¨otting, † 27. 2. 1870 M¨unchen. Nach dem Studium in Landshut (1805 Dr. jur.) trat B. 1821 in den bayerischen Archivdienst ein und war 1829-35 in W¨urzburg, anschließend bis 1852 wieder in M¨unchen t¨atig.

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Buchinger Er hielt in W¨urzburg und (als Prof.) in M¨unchen Vorlesungen u¨ ber deutsches und bayerisches Territorial- und Staatsrecht. B. schrieb u. a. eine Geschichte des F¨urstenthums Passau (2 Bde., 1816-24).

wurf zu einem allgemeinen preuß. Landrecht, das erstmals 1620 als Landrecht des Herzogthums Preußen ver¨offentlicht C Altpreuß Biogr, Bd 1 wurde.

Buchinger, Michael, kath. Theologe, * 1520 Colmar,

Neustrelitz, † 16. 11. 1935 Rostock. Nach dem Abschluß der rechtswissenschaftlichen Studien an den Universit¨aten M¨unchen, G¨ottingen und Rostock und der Promotion zum Dr. jur. wurde B., Sohn von Hermann von → B., 1873 Auditor in Schwerin, 1879 Landgerichtsrat, 1884 Landgerichtsdirektor in G¨ustrow und 1886 Oberlandesgerichtsrat in Rostock. Seit 1893 als Mitglied der Deutschkonservativen Partei Abgeordneter des Reichstags, war er 1898-1900 Direktor der Kolonialabteilung des Ausw¨artigen Amtes. W¨ahrend seiner Amtszeit wurden DeutschNeuguinea wieder in die Verwaltung des Reiches u¨ bernommen, in der S¨udsee die Karolinen und Samoa erworben und die Erschließung Kameruns vorangetrieben. B. war Direktor des Großherzoglichen Konsistoriums und Vizerektor der Univ. Rostock. Er schrieb u. a. Landesprivatrecht der Großherzogt¨umer Mecklenburg (1905). C BHdAD

† 1571 Colmar. Nach dem Studium in Heidelberg und Freiburg (1539 Baccalaureus artium) war B. 1542 Pr¨abendar am Spital in Molsheim, 1550 Domvikar in Straßburg, um 1564 Pfarrer in Wolxheim und bald darauf Pr¨abendar in Schlettstadt; seit 1569 lebte er als Prediger an der Spitalkirche in Colmar. Er war zu seiner Zeit ein bekannter Prediger und Kontroverstheologe. Seine Kirchengeschichte Ecclesia (1556, 1560 neu unter dem Titel Historia ecclesiastica nova) weist ihn als entschiedenen Gegner der Reformation aus. Weite Verbreitung fanden Die Evangelien der Heiligenfeste (1570, 41581). C LThK

Buchinger, Otto, Mediziner, * 16. 2. 1878 Darmstadt, ¨ † 16. 4. 1966 Uberlingen. B. studierte in Gießen Medizin und wurde 1902 mit der ¨ Arbeit Uber den Einfluss des Pepsins auf die elektrische Leitf¨ahigkeit der Milch promoviert. 1919 war er Dozent f¨ur Tropenkrankheiten an der Kolonialschule in Witzenhausen. Dort gr¨undete er 1920 das Kurheim Dr. Otto Buchinger, in dem auf eine Verbindung von k¨orperlichen und psychischseelischen, spirituellen und sozialen Dimensionen Wert gelegt wurde. B. arbeitete mit einem multidisziplin¨aren The¨ rapiekonzept durch Arzte, Physiotherapeuten, Seelsorger sowie mit Kunsttherapie. Repressalien durch die Nationalsozialisten zwangen ihn 1935 zur Verlegung der Klinik nach Bad Pyrmont. Besonders bekannt wurde B., der den Begriff Heilfasten pr¨agte, nachdem er sein eigenes chronisches Gelenkrheuma 1919 durch Fasten geheilt hatte, mit der Ver¨offentlichung Das Heilfasten und seine Hilfsmethoden als biologischer Weg (1935, 242005). Seine Klinik, die er 1953 seinem Sohn Otto H. F. B. u¨ bergab und deren Leitung 1988 sein Enkel Andreas B. u¨ bernahm, stieg zum Stammhaus der Buchinger-Methode auf. B.s Tochter Maria und deren Mann, der Kaufmann Helmut Wilhelmi, gr¨undeten ¨ 1953 eine eigene Klinik in Uberlingen am Bodensee. Aus ¨ der Buchinger-Schule entstand 1986 die Arztegesellschaft Heilfasten und Ern¨ahrung. Zu B.s weiteren Publikationen z¨ahlen u. a. Alkohol und Tabak in der Marine. Kritik der modernen Antialkoholbewegung (1912), Die R¨oder-Methode (1933, 41947, Neuaufl. 1933 und 1993), Unterwegs. Bl¨atter, Bl¨uten und Bodenproben eines Wanderers (1940), Zur Hygiene des Inneren Menschen (1947) und Vom Marinearzt zum Fastenarzt (1955). Buchinger, Philipp Jakob, P¨adagoge, * 22. 9. 1819 Weinsheim bei Worms, † 6. 8. 1883 Bensheim. Als Sch¨uler Jakob Georg Rollers wurde B. 1837 von diesem zum Lehrer an dessen Taubstummenanstalt in Friedberg bestimmt. 1842 wurde er Direktor einer neuen Ausbildungsst¨atte in Bensheim. Im damaligen Methodenstreit verfocht er die Ausbildung in deutscher Sprache. B. schuf Unterst¨utzungsfonds f¨ur einen Einstieg unbemittelter Schulabg¨anger ins Berufsleben und ver¨offentlichte einen Bericht u¨ ber die Großherzogliche Taubstummen-Anstalt zu Bensheim (1875). Buchius, Levin, Jurist, * 1550 Verden / Aller (Niedersachsen), † August 1613 K¨onigsberg. Nach dem Studium in Marburg, Wittenberg und Jena wurde B. 1588 in T¨ubingen zum Dr. jur. promoviert, 1593 Hofgerichtsrat und Prof. juris primarius in K¨onigsberg. Im Auftrag von Herzog → Georg Friedrich schuf er den ersten Ent-

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Buchka, Gerhard von, Jurist, Politiker, * 18. 12. 1851

Buchka, Hermann (Friedrich Ludwig Rudolf) von, Jurist, * 19. 6. 1821 Schwanbeck bei Friedland (Mecklenburg), † 15. 6. 1896 Schwerin. B. studierte seit 1837 in G¨ottingen, Berlin und Heidelberg, wurde 1841 zum Dr. jur. promoviert, trat im folgenden Jahr in den mecklenburgischen Staatsdienst ein und habilitierte sich 1843 an der Univ. Rostock. 1847 ging er als Justizund Konsistorialrat nach Neustrelitz, war 1848 / 49 auch in der Landesregierung t¨atig und kam 1852 an das Oberappellationsgericht Rostock. Seit 1853 Oberappellationsgerichtsrat, wurde er 1866 an die Spitze des Justizministeriums berufen und f¨uhrte u. a. die neuen Reichsgesetze ein. B., Vater von Gerhard und Karl von → B., wurde 1891 nobilitiert und 1893 als Wirklicher Geheimer Rat in den Ruhestand entlassen. Er ver¨offentlichte u. a. Gedanken u¨ ber die Reform des mecklenburgischen Civilprocesses [. . .] (1848) und Die Lehre von der Stellvertretung bei Eingehung von Vertr¨agen (1852). C ADB

Buchka, Johann Simon, Liederdichter, * 27. 4. 1705 Arzberg / Fichtelgebirge, † 25. 3. 1752 Hof. B., Sohn eines Barchentwebers, studierte in Jena und Leipzig Theologie. Er wurde Lehrer f¨ur Mathematik, Philosophie und Poesie am P¨adagogium zu Kloster Bergen, 1734 Konrektor, 1739 Subdiakon und Hilfsprediger in Hof, 1745 Syndiakonus und Freitagsprediger. B. hinterließ eine Reihe von Gedichten und Liedern. Mit seiner Ode Das Lob der Regentinnen erhielt er 1731 den Preis der Poesie der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig, die ihn als Mitglied aufnahm. 1747 erschienen seine Evangelischen Bußthr¨anen u¨ ber die S¨unden seiner Jugend. Eine 1755 unter dem Titel Auserlesene Gedichte herausgegebene Sammlung seiner Gedichte enthielt auch das geistliche Lied „Steh armer Mensch, besinne dich“, das in mehrere Gesangb¨ucher aufgenommen wurde. C Killy

Buchka, Karl (Heinrich) von, Chemiker, * 7. 5. 1856 Rostock, † 16. 2. 1917 Basel. Der Sohn Hermann von → B.s und Bruder Gerhard von → B.s studierte seit 1872 Mathematik und Naturwissenschaften in G¨ottingen und Greifswald (Promotion 1877 ¨ Uber einige Nitroderivate des Acetophenon und u¨ ber Phenoxyls¨aure), habilitierte sich 1881 in G¨ottingen f¨ur Chemie und wurde Assistent am Chemischen Universit¨atslabor, 1891 a. o. Professor. 1896 Regierungsrat und Mitglied des Patentamtes, lehrte er seit 1897, zuletzt als Ordinarius, an der TH Charlottenburg, sp¨ater auch, zuletzt als Extraordinarius, an der Univ. Berlin. Seit 1902 Geheimer Regierungsrat,

Buchner wurde er als Vortragender Rat in das Reichsschatzamt berufen, 1906 zum Oberregierungsrat und 1916 zum Leiter der Technischen Pr¨ufungsstelle ernannt. B. war Mitherausgeber der „Zeitschrift f¨ur Untersuchung der Nahrungs- und Genußmittel sowie der Gebrauchsgegenst¨ande“. Er ver¨offentlichte u. a. ein Lehrbuch der analytischen Chemie (1891), Physikalisch-chemische Tabellen der anorganischen Chemie (1895) und Das Lebensmittelgewerbe (4 Bde., 1916 / 17).

Buchli, Jakob, schweizer. Ingenieur, * 4. 3. 1876 Chur, † 1. 4. 1945 Winterthur. Der Sohn eines Gerbers studierte seit 1897 Maschinenbau in Z¨urich. Seit 1902 bei der Schweizer. Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM) in Winterthur t¨atig, wurde er 1907 Leiter des Konstruktionsb¨uros. Nach einer T¨atigkeit als Oberingenieur bei der BBC Baden 1910-24 kehrte B. 1924 als technischer Direktor zur SLM zur¨uck. 1930-32 f¨uhrte er ein eigenes B¨uro f¨ur technische Beratung. 1932 wurde B. Mitglied und 1934 Pr¨asident des SLM-Verwaltungsrats. Auf B. gehen mehrere Innovationen im Eisenbahnbau zur¨uck, darunter der Buchli-Einzelachsantrieb, der Universalantrieb „Winterthur“ und das Java-Drehgestell. Er entwickelte ferner eine Hochdruck-Dampflokomotive. C HLS Buchmann, Albert, Politiker, * 28. 10. 1894 Pirmasens, † 17. 5. 1975 Berlin. B., Sohn eines Schuhmachers, schloß sich 1910 der freigewerkschaftlichen Bewegung an, lebte seit 1920 in M¨unchen und bildete sich dort neben seiner Erwerbst¨atigkeit als Schuhfabrikarbeiter autodidaktisch weiter. 1924-32 geh¨orte er als KPD-Mitglied f¨ur den Wahlbezirk OberbayernSchwaben, 1932 / 33 f¨ur W¨urttemberg-Baden dem Deutschen Reichstag an. B. rief nach der Macht¨ubernahme der Nationalsozialisten o¨ ffentlich zum Generalstreik auf, wurde verhaftet, wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt und war 1933-45 inhaftiert, u. a. in den Konzentrationslagern Dachau, Sachsenhausen und Flossenb¨urg. 1946-50 war er Mitglied der KPD-Fraktion im Landtag von Baden-W¨urttemberg. C Dt Kommunisten

Buchmayer, (Ernst) Richard (Immanuel), Musiker, Musikhistoriker, * 20. 4. 1856 Zittau, † 24. 5. 1934 Mauterndorf (Salzburg). B., Sohn eines Advokaten und kaiserlichen Abl¨osungskommissars, studierte 1875-79 am Konservatorium in Dresden, lehrte 1879-83 an der Musikschule Riga und kehrte als Klavierlehrer ans Konservatorium nach Dresden zur¨uck. Seit 1892 unterrichtete er an der Dresdner Musikschule, wurde 1906 zum Prof. ernannt und gab von 1907 an neben seiner T¨atigkeit als Konzertpianist und Musikhistoriker nur noch Privatunterricht. Seit 1891 veranstaltete B. sogenannte „Historische Konzerte“, in denen er die Klaviermusik → Bachs und die aus der Zeit davor pflegte. In verschiedenen Bibliotheken, vor allem in der L¨uneburger Stadtbibliothek (1903), entdeckte er zahlreiche unver¨offentlichte Musikhandschriften, darunter Werke von Georg → B¨ohm und Franz → Tunder, die er in seinen Konzerten auff¨uhrte. B. ver¨offentlichte u. a. Aus Richard Buchmayers Historischen Konzerten (5 Hefte, 1927) sowie einen R¨uckblick auf mein Leben (in: Zeitschrift f¨ur Musik, 1926). C NDB Buchner, Alois, kath. Theologe, * 20. 4. 1783 Murnau, † 29. 8. 1869 Passau. B. wurde Novize in Benediktbeuern und studierte nach der S¨akularisation des Benediktinerordens 1803 Theologie an der Univ. Landshut, wo er Sch¨uler Johann Michael → Sailers war. Nach der Promotion und Priesterweihe 1806 war er Kaplan in Krumbach, wurde 1816 Pfarrer und Schulinspektor in Rieden bei F¨ussen und kam 1818 als Prof. der Dogmatik nach Dillingen. 1824 wechselte er in gleicher Funktion an die Univ. W¨urzburg, 1827 nach M¨unchen. Seit 1838 war

B. Domkapitular in Passau, 1840-57 auch Rektor des dortigen Lyzeums. Er ver¨offentlichte u. a. eine Summa theologiae dogmaticae (4 Bde., 1828 / 29). C NDB

Buchner, (Joseph) Andreas, kath. Theologe, Historiker, * 23. 11. 1776 Altheim bei Landshut, † 13. 12. 1854 M¨unchen. ¨ B. studierte in Ingolstadt Philosophie, Okonomie, Mathematik und Physik, seit 1796 Theologie und trat 1797 in die „Congregatio major academica Ingolstadiensis“ und das Georgianum ein. Nach der Priesterweihe 1799 wurde er Supernumerar des Kollegiatstiftes St. Martin und Castulus in Landshut, 1802 Repetitor publicus an der dortigen Universit¨at. 1804 kam B. als Prof. der Philosophie zun¨achst an das Lyzeum in Amberg, noch im gleichen Jahr nach Dillingen und 1811 an das Lyzeum in Regensburg, an dem er auch Geschichte lehrte. 1824 wurde er korrespondierendes, 1835 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in M¨unchen. Seit 1826 lehrte er an der Univ. M¨unchen bayerische Geschichte. B. ver¨offentlichte philosophische und historische Arbeiten, darunter eine Geschichte von Baiern (10 Bde., 1820-38). Buchner, August, Dichter, Philologe, * 2. 11. 1591 Dresden, † 12. 2. 1661 Pollensdorf bei Wittenberg. Der Sohn des Baumeisters Paul → Puchners studierte seit 1610 in Wittenberg u. a. bei dem Klassischen Philologen Friedrich → Taubmann, wurde 1616 Magister und Prof. der Poesie, 1632 auch der Rhetorik; 1618, 1632 und 1654 war er Rektor, seit 1649 Senior der Universit¨at. 1641 wurde er als „Genossener“ Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft. B. f¨uhrte eine an der metrischen Reform des Martin → Opitz orientierte Poetik in Sachsen ein; sein eigenes Lehrund Regelwerk der Dichtkunst, das bereits als handschriftliches Manuskript zirkulierte und vor allem aus musikali¨ schen Uberlegungen auch die Verwendung des Dy´aktylus und Anap¨ast bef¨urwortete, wurde erst postum ver¨offentlicht (Anleitung zur deutschen Poeterey, 1665). Von B.s eigenen lyrischem Werk erschienen zu Lebzeiten nur zwei Sammlungen zu je vier geistlichen Gedichten (Nachtmal des Herrn und Weynacht-Gedancken, beide 1628). F¨ur Heinrich → Sch¨utz schrieb B. den Text zu der Ballettoper Orpheus. Zu seinem Sch¨ulerkreis z¨ahlten u. a. Andreas → Tscherning, Philipp von → Zesen, Simon → Dach, Michael → Schirmer, Paul → Gerhardt, Johann → Klaj und Paul → Fleming. C Killy Buchner, Charles, Bischof der Herrnhuter Br¨udergemeine, * 2. 10. 1842 Irwinhill (Jamaika), † 2. 1. 1907 Herrnhut. Als Achtj¨ahriger kam B., Sohn eines Missionars der Herrnhuter Br¨udergemeine, nach Europa, besuchte seit 1862 das Theologische Seminar der Br¨udergemeine in Gnadenfeld, war 1865-70 Lehrer an der Knabenerziehungsanstalt in Kleinwelka, seit 1870 Br¨uderpfleger in Gnadenfrei (Schlesien) und 1874-79 in Hausdorf bei Neurode. Anschließend Direktor des Lehrerseminars in Niesky, wurde er 1889 Mitglied des Missionsdepartements der Unit¨atsdirektion in Berthelsdorf bei Herrnhut, 1892 Bischof der Br¨udergemeine und 1896 Vorsitzender des Missionsdepartements. B. unternahm mehrere Missionsreisen nach Afrika und Amerika. Seit 1905 war er Vorsitzender des Ausschusses der deutschen evang. Missionen und Missionsvertreter beim Kolonialrat. Er ver¨offentlichte u. a. Acht Monate in S¨udafrika (1894). C NDB Buchner, Christian Friedrich, Publizist, * 20. 4. 1752 Magdeburg, † 8. 8. 1798. B. studierte 1769-72 Rechtswissenschaften an der Univ. Halle, war kurzzeitig in der Gerichtspraxis t¨atig und zog

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Buchner sich bald ins Privatleben zur¨uck. Er war mit Johann Georg → Meusel befreundet und einer der wichtigsten Mitarbeiter an dessen biographischem Nachschlagewerk Das gelehrte Teutschland. B. selbst ver¨offentlichte einen Nekrolog f¨ur Freunde deutscher Literatur (4 St¨ucke, 1796-99).

Buchner, Eduard, Chemiker, * 20. 5. 1860 M¨unchen, † 13. 8. 1917 Feldlazarett Focsani (Rum¨anien). Der Sohn Ernst → B.s wurde nach dem Studium der Chemie und Botanik in M¨unchen (Promotion 1888, Eine neue Synthese von Derivaten des Trimethylens) Assistent am Chemischen Labor der Univ. M¨unchen, habilitierte sich dort 1891 und wurde 1893 Dozent, 1895 Prof. an der Univ. Kiel. 1896-98 war er a. o. Prof. der analytischen und pharmazeutischen Chemie in T¨ubingen, folgte anschließend einem Ruf als Ordinarius an die Landwirtschaftliche Hochschule Berlin und lehrte seit 1900 gleichzeitig an der Univ. Berlin. 1907 erhielt er den Nobelpreis f¨ur die Entdeckung der Zymase als Ausl¨oser der alkoholischen G¨arung des Zuckers. 1909 ging er als Ordinarius nach Breslau, 1911 nach W¨urzburg. B., seit 1909 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, ver¨offentlichte u. a. ein Kurzes Lehrbuch der organischen Chemie (1893), Die Zymaseg¨arung (1903, gemeinsam mit seinem Bruder Hans → B. und Martin Hahn) und Beziehungen der Chemie zur Landwirtschaft (1904). C Wußing

Buchner, Ernst, Gerichtsmediziner, * 8. 11. 1812 M¨unchen, † 2. 1. 1872 M¨unchen. B., Neffe Alois → B.s, studierte Medizin in M¨unchen (Promotion 1834, De febre puerperali), er¨offnete dort 1838 eine Praxis und wurde bald zum Hofstabsarzt ernannt. 1843 habilitierte er sich f¨ur Geburtshilfe und gerichtliche Medizin und wurde 1858 Mitglied des Medizinalkomitees, 1869 a. o. Prof. der Gerichtsmedizin sowie erster Redakteur des neugegr¨undeten „Aerztlichen Intelligenzblatts“, des Vorl¨aufers der „M¨unchner Medizinischen Wochenschrift“. B. ver¨offentlichte u. a. ein Lehrbuch der gerichtlichen Me¨ dizin f¨ur Arzte und Juristen (1867, 21872). Er war der Vater von Eduard und Hans → B. Buchner, Ernst, Kunsthistoriker, * 20. 3. 1892 M¨unchen, † 3. 6. 1962. B. studierte 1912-14 und 1919-21 Kunstgeschichte u. a. bei Heinrich → W¨olfflin in M¨unchen, volontierte anschließend bei den Bayerischen Staatsgem¨aldesammlungen und der Graphischen Sammlung in M¨unchen und war 1922 / 23 am M¨unchner Residenzmuseum t¨atig. Seit 1923 Assessor bei den Staatsgem¨aldesammlungen, wurde er 1926 dort Konservator und gab 1924-28 gemeinsam mit Karl Feuchtmayr die „Beitr¨age zur Geschichte der deutschen Kunst“ heraus. B. wurde 1928 Direktor des Wallraf-Richartz-Museums in K¨oln und redigierte 1930-33 dessen Jahrbuch. 1933-45 war er Generaldirektor der Bayerischen Staatsgem¨aldesammlungen, seit 1940 Prof. der Kunstgeschichte an der Univ. M¨unchen. B. befaßte sich seit seiner Promotion u¨ ber Jan → Polack mit Malerei und Graphik des 14. bis 16. Jh. und schrieb u. a. Martin Schongauer als Maler (1941). C Munzinger Buchner, Hans, auch Hans von Constantz, Musiker, Komponist, * 27. 10. 1483 Ravensburg, † Februar 1538 Konstanz (?). In den Jahren 1500-04 Sch¨uler Paulus → Hofhaimers, wurde B., Sohn eines Organisten, 1506 zun¨achst f¨ur f¨unf Jahre, 1512 auf Lebenszeit Organist am M¨unster in Konstanz. Seit ¨ 1526 / 27 versah er Dienst in der Uberlinger Stiftskirche, wohin Bischof und Domkapitel aufgrund der Reformation in Konstanz ausgewichen waren. 1529 bewarb er sich vergeblich um die Organistenstelle am Dom zu Speyer. B. gilt als der bedeutendste der „Paulomimen“. Sein Hauptwerk, das

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Fundamentum, ein Lehrbuch f¨ur Orgelkomposition, Spielmethode und Intabulierpraxis, enth¨alt neben den ersten theoretischen Ausf¨uhrungen zum Orgelspiel u. a. zahlreiche Eigenkompositionen f¨ur Orgel. C MGG

Buchner, Hans (Ernst August), Mediziner, * 16. 12. 1850 M¨unchen, † 5. 4. 1902 M¨unchen. Der Sohn Ernst → B.s und Bruder Eduard → B.s studierte in M¨unchen und Leipzig, wurde 1874 zum Dr. med. promoviert (Beitr¨age zur Physiologie des Harnstoffs), 1875 Milit¨ararzt in bayerischen Diensten und habilitierte sich 1880 an der Univ. M¨unchen f¨ur Hygiene. 1892 wurde er dort a. o., 1894 als Nachfolger Max von → Pettenkofers o. Prof. der Hygiene und Direktor des Hygienischen Instituts. B. arbeitete vor allem zur Immunit¨atslehre und zur nat¨urlichen Widerstandsf¨ahigkeit gegen Infektionserreger, ver¨offentlichte u. a. Die neuern Gesichtspunkte in der Immunit¨atsfrage (1892), Die a¨ tiologische Therapie und Prophylaxis der Lungentuberculose (1893) und 1Acht Vortr¨age aus der Gesundheitslehre (1898, 41913) und bem¨uhte sich um die Verbreitung von Gymnastik und Sport. Seit 1895 war er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. C Biogr Jahrb, Bd 7 Buchner, Johann Andreas, Pharmazeut, * 6. 4. 1783 M¨unchen, † 6. 6. 1852 M¨unchen. Nach einer Apothekerlehre studierte B., Sohn eines G¨artners, Pharmazie bei Johann Bartholom¨aus → Trommsdorff an der Erfurter Akademie und wurde 1809 Oberapotheker in M¨unchen. 1818 ging er als a. o. Prof. der Pharmazie, Arzneiformellehre und Toxikologie an die Univ. Landshut, wurde 1822 Ordinarius und blieb auf diesem ersten, von der reinen Chemie getrennten Lehrstuhl auch nach der ¨ Ubersiedlung der Univ. nach M¨unchen 1826. B., Vater Ludwig Andreas → B.s, trug entscheidend zur wissenschaftlichen Begr¨undung seines Fachs bei; 1815 rief er „Buchners Repertorium f¨ur die Pharmazie“ ins Leben und gab es bis 1851 heraus. 1820 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. B.s Forschungen galten haupts¨achlich der Chemie der Pflanzeninhaltsstoffe; er entdeckte mehrere Glykoside und Bitterstoffe und isolierte als erster Paraffin. Neben seinem Hauptwerk Vollst¨andiger Inbegriff der Pharmazie (6 Bde., 1821-36) ver¨offentlichte ¨ er u. a. Toxikologie. Ein Handbuch f¨ur Arzte und Apotheker, so wie auch f¨ur Polizei- und Kriminal-Beamte (1827) und Lehrbuch der analytischen Chemie und St¨ochiometrie (1836). C LMU Buchner, Joseph (Benedict), Mediziner, Hom¨oopath, * 21. 3. 1813 Landshut, † 7. 11. 1879 M¨unchen. B. schloß das Studium der Medizin in M¨unchen 1839 mit ¨ der Promotion ab (Uber das Selbststillen) und wurde 1841 in Erlangen zum Dr. phil. promoviert. Seit 1851 war er Ehrenprofessor f¨ur Hom¨oopathie an der Univ. M¨unchen. B. ver¨offentlichte u. a. Hom¨oopathische Arzneibereitungslehre (2 Bde., 1840-44, 21852), Resultate der Krankenbehandlung allopathischer und hom¨oopathischer Schule (1843), Vademecum f¨ur Wasserfreunde und Kurg¨aste in Wasserheilanstalten (1845) und Der Sublimat in seinen physiologischen Wirkungen (1849). Buchner, Karl (Friedrich August), Jurist, Publizist, * 12. 2. 1800 Darmstadt, † 24. 4. 1872 Darmstadt. Seit 1817 Student der Rechtswissenschaften in Gießen, wurde B., Sohn eines Oberforstrats, bald Mitglied des Bundes der „Gießener Schwarzen“ und engagierte sich – wie auch seit 1819 in Heidelberg – in der Burschenschaft. Als liberaler Demokrat einunddreißigj¨ahrig unter Belassung des Justizratstitels in den Ruhestand versetzt, ließ er sich als Rechtsanwalt in Darmstadt nieder und widmete sich der Schriftstellerei, mit der er politisch und erzieherisch im

Buchner Sinne einer demokratischen Umgestaltung wirken wollte. Nach dem Tod August von → Kotzebues war B. ebenfalls politischer Verfolgung ausgesetzt. Er stand in regem Verkehr u. a. mit Ferdinand → Freiligrath, Eduard → Duller und Luise von → Ploennies, gab die Zeitschrift „Vaterland“, sp¨ater „Das rheinische Volksblatt“ heraus und schrieb u. a. Das Großherzogtum Hessen in seiner politischen und sozialen Entwicklung von Herbst 1847 bis Herbst 1850 (1850); die autobiographische Schrift Ein deutscher Advokat erschien 1844. C Hess Bio, Bd 3

Buchner, Ludwig Andreas, Pharmazeut, Mediziner, * 23. 7. 1813 M¨unchen, † 23. 10. 1897 M¨unchen. Der Sohn Johann Andreas → B.s erlernte in N¨urnberg den Apothekerberuf, studierte 1834 Pharmazie und Chemie in Paris, immatrikulierte sich im gleichen Jahr in M¨unchen und wurde dort 1839 zum Dr. phil. (De aqua salsa Rosenheimensi), 1842 zum Dr. med. promoviert (Neue chemische Untersuchung der Angelica-Wurzel). 1842 habilitierte sich B. an der Medizinischen Fakult¨at, verbrachte anschließend ein Semester bei Justus von → Liebig in Gießen und hielt Vorlesungen u¨ ber physiologische und pathologische Chemie in M¨unchen. 1847 wurde er a. o., nach dem Tod seines Vaters 1852 o. Prof. der Pharmazie und Toxikologie sowie Leiter des Pharmazeutischen Instituts in M¨unchen. B. gab 1852-76 das „Neue Repertorium f¨ur die Pharmazie“ heraus und vero¨ ffentlichte u. a. einen Commentar zur Pharmacopoea Ger¨ manica (2 Bde., 1872-84) sowie Uber die Beziehungen der Chemie zur Rechtspflege (1875). C NDB Buchner, Max (Joseph August Heinrich Markus), Diplomat, Ethnologe, * 25. 4. 1846 M¨unchen, † 7. 5. 1921 M¨unchen. B., Sohn eines Rechnungszensors bei der Staatsschuldentilgungskommission, war 1870 / 71 Milit¨ararzt, anschließend Schiffsarzt beim Norddeutschen Lloyd und 1873 / 74 bei der deutschen Marine. 1875 reiste er in englischen Diensten nach Neuseeland, 1878 im Auftrag der „Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland“ nach Zentralafrika. B. begleitete 1884 Gustav → Nachtigal nach Westafrika zur Gr¨undung der deutschen Kolonien Togo und Kamerun; er wurde Stellvertreter des Reichskommissars in Kamerun. 1887 wurde er Konservator, sp¨ater Direktor des Ethnographischen Museums in M¨unchen (bis 1907) und unternahm 1888-90 Reisen nach Ostasien, Australien und Ozeanien. B. ver¨offentlichte u. a. die L¨andermonographie Kamerun (1888) und Eine orientalische Reise und ein k¨oniglichen Museum (1919). C NDB Buchner, Max (Franz Christian), Chemiker, Industrieller, * 10. 7. 1866 Bamberg, † 10. 4. 1934 Mahle (Niedersachsen). Zun¨achst Buchh¨andler und Teilhaber des v¨aterlichen Verlags in Bamberg, studierte B. seit 1892 Chemie an der TH M¨unchen und der Univ. W¨urzburg. Nach der Promotion ¨ 1899 (Uber St¨arke und Salzbildung von Nitraminen und Isonitraminen sowie von S¨aureamiden) wurde er AbteilungsVorstand der Chemischen Fabrik Boehringer in MannheimWaldhof. 1904 gr¨undete er die Dynamidon G.m.b.H. zur Herstellung der von ihm erfundenen Korund-Keramik und arbeitete an der Herstellung von Tonerden f¨ur die Aluminiumproduktion. 1912-17 hielt er sich als Gutachter in Heidelberg sowie auf wissenschaftlichen Reisen in Norwegen auf, wurde 1917 Chefchemiker der Fabrik de Ha¨en und 1922 Vorstandsmitglied des Unternehmens. B. war Gesch¨aftsf¨uhrer der Ringgesellschaft chemischer Unternehmungen m.b.H. (seit 1924), Gr¨under und Vorsitzender der deutschen Gesellschaft f¨ur chemisches Apparatewesen, Vorstandsmitglied des Vereins deutscher Chemiker und anderer gelehrter Gesellschaften. Er war Gr¨under und Herausgeber

der Zeitschrift „Chemische Fabrik“ und ver¨offentlichte u. a. eine Denkschrift u¨ ber die Ziele und Aufgaben der Fachgruppe f¨ur chemisches Apparatewesen (1920). C NDB

Buchner, Max, Historiker, * 14. 9. 1881 M¨unchen, † 8. 4. 1941 M¨unchen. B., Sohn eines B¨ackereibesitzers und Kaufmanns, studierte seit 1901 an der Univ. M¨unchen (Promotion 1907, Die innere weltliche Regierung des Bischofs Rammung von Speier), habilitierte sich dort 1919 und wurde a. o. Prof. der Geschichte. Seit 1924 gab er die christlich-konservative Monatsschrift „Gelbe Hefte“ als Fortsetzung der „Historischpolitischen Bl¨atter“ heraus. 1927 folgte er einem Ruf als Ordinarius nach W¨urzburg, u¨ bernahm 1936 das M¨unchner historische Ordinariat und wurde 1940 als Inhaber eines konkordatgebundenen Lehrstuhls vorzeitig emeritiert. Als Historiker wurde er vor allem durch seine seit 1926 herausgegebenen Quellenf¨alschungen aus dem Gebiet der Geschichte bekannt und befaßte sich in Kaiser Wilhelm II., seine Weltanschauung und die deutschen Katholiken (1929) und Die Entwicklung des Marxismus und seiner Spielarten w¨ahrend des Weltkriegs (1933) auch mit Zeitgeschichte. 1940 erschien seine Biographie Friedrich Wilhelm Weber. Leben und Werk des Dreizehnlindendichters. C Weber Buchner, (Christian Ludwig) Otto, Naturwissenschaftler, Historiker, * 22. 5. 1828 Darmstadt, † 5. 2. 1897 Gießen. Nach dem Studium der Naturwissenschaften, der Mathematik und Chemie (1847-50) an der Univ. Gießen trat B. 1852 in den Staatsdienst ein und lehrte an verschiedenen Schulen. Seit 1859 war er zweiter Sekret¨ar der Oberhessischen Gesellschaft f¨ur Natur- und Heilkunde, seit 1866 Redaktionsmitglied der Zeitschrift „Gaea“. Zunehmend widmete er sich arch¨aologisch-historischen Arbeiten. B. war 1858-96 Pfleger des Germanischen Nationalmuseums sowie Gr¨undungsmitglied, seit 1895 Vorsitzender des Oberhessischen Vereins f¨ur Lokalgeschichte. Er ver¨offentlichte u. a. Die Mineral¨ole (1864) und Gießen vor 100 Jahren (1880), Kleine neue Beitr¨age zur a¨ lteren Geschichte der Hochschule Gießen (1885) und Aus Gießens Vergangenheit (1885). C Hess Bio, Bd 1 Buchner, Paul Ernst, Zoologe, * 12. 4. 1886 N¨urnberg, † 19. 10. 1978 Porto d’Ischia bei Neapel. Im Anschluß an das Biologie-Studium an den Universit¨aten M¨unchen und W¨urzburg (Promotion 1909, Das accessoirische Chromosom in Spermatogenese und Ovogenese der Orthopteren, zugleich ein Beitrag zur Kenntnis der Reduktion) war B. an der Zoologischen Station Neapel t¨atig, habilitierte sich 1912 an der Univ. M¨unchen f¨ur Zoologie und war seit 1919 a. o. Professor. Seit 1923 lehrte er als Ordinarius in Greifswald, seit 1926 in Breslau, 1934-44 in Leipzig. B. war Mitglied der S¨achsischen Akademie der Wissenschaften und seit 1936 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle. 1944 wurde er auf Ischia interniert und blieb nach der Freilassung als Privatgelehrter dort. Er befaßte sich haupts¨achlich mit Symbioseforschung, zu deren modernen Begr¨undern er z¨ahlt. B. ver¨offentlichte u. a. Tier und Pflanze in intrazellularer Symbiose (1921), Allgemeine Zoologie (1938), Allgemeine Zoologie (1938), Symbiose der Tiere mit pflanzlichen Mikroorganismen (1939, 31953, engl. 1965) und Gast auf Ischia. Aus Briefen und Memoiren von ¨ 500 Jahren (1968, 31977). 2, 3 C Arzte Buchner, Paula, auch Buchner-Lobeck, S¨angerin, * 15. 2. 1900 Wien, † 10. 8. 1963 Berlin. Nach einer Ausbildung bei Rosa → Papier-Paumgartner deb¨utierte B. 1926 am Stadttheater im b¨ohmischen Reichenberg und sang anschließend in Graz, 1933 / 34 am Opernhaus Hannover, 1934-36 am Nationaltheater Mannheim, 1936 / 37 an der Staatsoper Stuttgart. 1937-52 war sie Mitglied des

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Buchner Ensembles der Staatsoper Berlin, 1947-52 auch der St¨adtischen Oper Berlin. Als Sopranistin spezialisierte sie sich auf die Interpretation von → Wagner-Heroinen, sang 1939 die Kundry in der Bayreuther Inszenierung des Parsifal und 1942 die Br¨unnhilde im Ring des Nibelungen. Neben ihren Wagner-Rollen gl¨anzte sie u. a. auch als Marschallin im Rosenkavalier. C Kutsch

Buchner, Philipp Friedrich, Kapellmeister, Komponist, * 11. 9. 1614 Wertheim / Main, † 23. 3. 1669 W¨urzburg. Als Singknabe 1625-27 Sch¨uler der Kantorei des Johann Andreas → Herbst in Frankfurt / Main, wurde B., Sohn eines Organisten, dort 1634 Organist an der Barf¨ußerkirche und ging 1636 auf Reisen. In Polen, wo er sp¨atestens seit 1641 Musicus des Palatins von Krakau war, trat er wohl zum Katholizismus u¨ ber, kam in Italien in Kontakt mit der Schule Claudio Monteverdis und reiste schließlich nach Frankreich. Bei seiner R¨uckkehr nach Deutschland wurde er in W¨urzburg Kapellmeister Bischof Johann Philipp von → Sch¨onborns, dem er 1647 als Hofkapellmeister an den Mainzer Hof folgte. B. gab die deutschen Gesangb¨ucher des Kurf¨ursten heraus (1661), war seit 1666 Mitarbeiter am Neudruck der Mainzer Chorb¨ucher und wirkte durch seine Vokal- wie Instrumentalkompositionen im Rhein-Maingebiet innovativ. Er schrieb u. a. Harmonia instrumentalis (1664). C MGG Bucholtz, Andreas Heinrich, auch Buch(h)ol(t)z, luth. Theologe, Schriftsteller, * 25. 11. 1607 Sch¨oningen bei Braunschweig, † 20. 5. 1671 Braunschweig. Der Sohn eines Geistlichen und Bruder Christoph Joachim → B.s studierte seit 1628 Philosophie und Theologie in Wittenberg (Magister 1630), wurde 1632 Konrektor an der Stadtschule in Hameln, nahm seit 1634 einen Lehrauftrag an der Univ. Rostock wahr und setzte dort zugleich seine theologischen Studien fort. Seit 1637 Leiter des Gymnasiums in Lemgo, ließ sich B. 1639 in Rinteln nieder, wo er 1641 Prof. der Moralphilosophie und Poesie, 1645 auch der Theologie wurde. Seit 1647 war er Koadjutor in Braunschweig, seit ¨ 1663 Superintendent. B. ver¨offentlichte Ubersetzungen, religi¨ose Dichtungen, Erbauungsschriften sowie zwei vielgelesene Romane (u. a. Des Christlichen Teutschen Groß-F¨ursten Hercules und der b¨ohmischen k¨oniglichen Fr¨aulein Valiska Wunder-Geschichte, 2 Tle., 1659 / 60; Nachdr. 4 Bde., 1973-79), die als fr¨uheste Beispiele f¨ur deutsche Romanliteratur gelten. C Killy

Bucholtz, Christian Friedrich, auch Buch(h)olz, Pharmazeut, Chemiker, * 19. 9. 1770 Eisleben, † 9. 6. 1818 Erfurt. B., Neffe von Wilhelm Heinrich Sebastian → B., u¨ bernahm 1794 die v¨aterliche Apotheke und wurde 1800 Mitglied der Erfurter Akademie. 1808 wurde er an der Univ. Rinteln zum Dr. pharm., im folgenden Jahr in Erfurt zum Dr. phil. promoviert und Assessor des Collegium medicum et sanitatis. Seit 1808 redigierte er den „Almanach f¨ur Scheidek¨unstler“. B. wurde 1810 a. o., 1813 o. Prof. der Chemie in Erfurt. Er ver¨offentlichte u. a. einen Katechismus der Apothekerkunst (1810) und ein Handbuch der pharmaceutischen Wissenschaft (1820). C DSB

Bucholtz, Christoph Joachim, auch Buch(h)ol(t)z, Jurist, * 25. 11. 1607 Sch¨oningen bei Braunschweig, † 5. 12. 1679 Hameln. Der Bruder von Andreas Heinrich → B. studierte seit 1627 in Wittenberg, 1631-36 in Helmstedt Rechtswissenschaften. 1642-63 war er o. Prof. der Rechte an der Univ., hessischer Rat und Kanzleidirektor in Rinteln. Sp¨ater wurde B. Syndikus und B¨urgermeister in Hameln. Er ver¨offentlichte zahlreiche juristische Streitschriften und Abhandlungen (u. a. Dissertatio de exceptionibus, 1657). C Strieder

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Bucholtz, Franz Bernhard von, Staatsmann, Historiker, * 10. 6. 1790 M¨unster, † 4. 2. 1838 Wien. Der Sohn eines mit Johann Gottfried → Herder befreundeten Privatiers wuchs in den Kreisen um Franz von → F¨urstenberg und Amalie von → Gallitzin auf, studierte in M¨unster und G¨ottingen und trat 1813 in Wien in den o¨ sterr. Staatsdienst ein. An die o¨ sterr. Gesandtschaft beim deutschen Bundestag entsandt, lernte er in Frankfurt / Main Friedrich → Schlegel kennen. B. wurde 1817 nobilitiert, kehrte 1818 als Sekret¨ar der o¨ sterr. Staatskanzlei nach Wien zur¨uck und wurde 1837 zum Rat ernannt. 1821-25 redigierte er die „Wiener Jahrb¨ucher der Literatur“. Als sein Hauptwerk gilt eine Geschichte der Regierung Ferdinand I. (9 Bde., 1830-38). C Westf Autoren, Bd 1

Bucholtz, Wilhelm Heinrich Sebastian, auch Buch(h)ol(t)z, Mediziner, Pharmazeut, * 23. 12. 1734 Bernburg, † 16. 12. 1798 Weimar. Nach der Ausbildung zum Apotheker in Bernburg und Magdeburg sowie den Gesellenjahren in Hessen-Homburg, Gießen und Hildburghausen wurde B. 1754 Provisor in Weimar; 1761-63 studierte er Medizin in Jena (Promotion 1863, De saponibus quibusdam mineralibus). B. ließ sich in Weimar als Apotheker und Arzt nieder, wurde herzoglicher Leibarzt, Physikus und Bergrat sowie Mitglied mehrerer gelehrter ¨ Gesellschaften. Neben Ubersetzungen ver¨offentlichte er u. a. Nachricht von dem jetzt herrschenden Fleck- und FrieselFieber (1772), Chymische Versuche u¨ ber einige der neuesten einheimischen antiseptischen Substanzen (1776), Beytr¨age zur gerichtlichen Arzneygelahrtheit und zur medicinischen Policey (4 Bde., 1782-93) und Bemerkungen u¨ ber die verdorbene Luft in Gef¨angnissen, Zuchth¨ausern, Spit¨alern usw. und der Verbesserung dieser verdorbenen Luftarten (1794). B. wurde 1769 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen.

Buchrucker, Karl (Christoph Wilhelm) von, evang. Theologe, * 19. 11. 1827 Kleinweisach, † 29. 1. 1899 M¨unchen. Nach dem Abschluß der Studien u. a. bei Johann von → Hofmann an der Univ. Erlangen war der aus einer Pfarrerfamilie stammende B. seit 1850 Hauslehrer in Schwabach, anschließend Privatvikar in Burgfarrnbach und Gersfeld. Seine erste Pfarrstelle erhielt er 1854 in Oberlaimbach, kam 1863 nach N¨ordlingen, wo er sich besonders um eine Belebung der Inneren Mission bem¨uhte, und war seit 1873 Pfarrer und Dekan in M¨unchen. Als Oberkonsistorialrat (1885-98) leitete B. auch das Predigerseminar und beeinflußte die Entwicklung der evang. Landeskirche sowie die Religionsp¨adagogik. Er gr¨undete 1890 die „Neue kirchliche Zeitschrift“, deren Mitherausgeber er bis zu seinem Tod war. B., 1890 nobilitiert, ver¨offentlichte u. a. eine Ausgabe von → Luthers Kleinem Katechismus, die 1867 als „Revisionsvorschlag“ erschien, 1877 zum fakultativen Gebrauch zugelassen und 1898 (in 67. Auflage) von der Generalsynode zum ausschließlichen Gebrauch in allen Volks- und Mittelschulen Bayerns angenommen wurde. Neben religionsp¨adagogischen Werken (u. a. Der christliche Religionsunterricht in der Volksschule, 3 Bde., 1859-62, 31899; Die biblische Geschichte, 1864, 991919) auch Arbeiten wie Christian Friedrich Buchrucker. Ein Seelsorgerleben aus der Wende des vorigen und des gegenw¨artigen Jahrhunderts, beschrieben von dessen Enkel (2 Abt., 1876 / 77). C NDB Buchser, Frank, schweizer. Maler, * 15. 8. 1828 Feldbrunnen bei Solothurn, † 22. 11. 1890 Feldbrunnen bei Solothurn. Von den Eltern, die einen Bauerhof und ein Wirtshaus betrieben, in eine Orgel- und Klavierbauerlehre gegeben, bereiste B. Frankreich und Italien, beschloß 1847 in Italien Maler zu

Buchwald werden und trat in Rom in die p¨apstliche Garde ein, um seine Studien an der Academia di San Luca zu finanzieren. 1849 stand er im Kampf um die Repubblica Romana in Garibaldis Diensten, floh aber vor der Einnahme Roms nach Paris, wo er seine Studien fortsetzte. In den folgenden Jahren reiste er durch Belgien und Holland, Spanien, Marokko, England, die USA (1866-71), Italien und Griechenland. W¨ahrend seiner Wanderjahre schulte er sich an Werken alter Meister (u. a. Rembrandt, Van Dyck), war aber auch stark beeindruckt von der englischen Landschaftsmalerei und den Arbeiten Gustave Courbets. Erst 1885 ließ er sich endg¨ultig in der Schweiz nieder. 1862 war B. verantwortlich f¨ur den schweizer. Beitrag auf der Kunstschau der Weltausstellung in London, 1865 gr¨undete er die Gesellschaft schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten, initiierte einen nationalen Schweizer Kunstkredit und die Veranstaltung nationaler Kunstausstellungen, deren erste er 1890 noch erlebte. Bevorzugtes Thema seiner Arbeiten waren exotische, abenteuerliche und erotische Motive; u.a. stellte er die Lebensbedingungen der afroamerikanischen und indianischen Bev¨olkerung Nordamerikas dar. Seine Arbeiten weisen ihn als dem Realismus (seit 1855), sp¨ater dem Fr¨uhimpressionismus (seit 1857) verbunden aus (u. a. Olivenhain, 1884); einer seiner Sch¨uler war Cuno → Amiet. C AKL

Buchstab, Johannes, schweizer. kath. Theologe, * um 1499 Winterthur, † 29. 8. 1528 Freiburg (Schweiz). B. war seit 1522 Pfarrvikar in Herisau, ging 1523 als Schulmeister nach Bremgarten und war 1524-28 Schulmeister und Protokollf¨uhrer des Chorherrnstifts in Zofingen. 1526 nahm er an der Badener Disputation teil. Als Abgeordneter des Stifts Zofingen verfocht er bei der Berner Disputation 1528 den alten Glauben gegen → Zwingli und → Oekolampad. B. ver¨offentlichte 1527 / 28 eine Anzahl polemischer Schriften gegen Zwingli und die Reformation, darunter Eygentliche und gr¨undliche Kuntschafft aus g¨ottlicher biblischer Geschrifft, daß M. Ulrich Zwinglein eyn falscher Prophet und Verf¨urer des Christlichen Volks ist (1528). Er war erster geistlicher Schul- und Singmeister in Freiburg (Schweiz). C LThK

Buchstaller, Werner, Politiker, * 4. 11. 1923 Rosenheim, † 19. 10. 1989 Koblenz. Von Beruf Kaufmann, besuchte B. nach 1945 politische und gewerkschaftliche Akademien im In- und Ausland. Er wandte sich dem Verlagswesen zu und wurde Gesch¨aftsf¨uhrer des Jugendforum-Verlags und des Deutschen HeimatVerlags. B. war 1949-59 Zentralsekret¨ar und Vorsitzender, anschließend Bundesgesch¨aftsf¨uhrer der Jungsozialisten und geh¨orte daneben mehreren kommunalen, nationalen und internationalen sozialdemokratischen Gremien an. 1961-80 war er Mitglied des Bundestags. C Munzinger

Buchta, Hubert, S¨anger, * 31. 5. 1899 Wien, † 9. 9. 1986 Stuttgart. Neben einer T¨atigkeit im Bankgewerbe bildete sich B. zum Tenor aus. Er deb¨utierte 1926 als Operettens¨anger in M¨ahrisch-Ostrau, sang 1927 / 28 in Teplitz und wurde anschließend an die Staatsoper Stuttgart berufen (bis 1975), wo er in u¨ ber 120 Rollen auftrat, darunter in zahlreichen Urauff¨uhrungen (u. a. 1959 in Oedipus der Tyrann von Carl → Orff). C Kutsch Buchta, Richard, auch Puchta, o¨ sterr. Maler, Photograph, Forschungsreisender, * 19. 1. 1845 Radl´ow (Galizien), † 29. 7. 1894 Wien. Von Beruf Maler und Photograph, unternahm B. zahlreiche ¨ Reisen durch Europa und Agypten, reiste im Auftrag Gordon Paschas 1878-80 in den a¨ gyptischen Sudan und die libysche W¨uste und brachte die ersten Photographien aus dieser Gegend nach Europa. Seit 1882 war er f¨ur K¨onig → Ludwig II.

¨ in M¨unchen t¨atig, ging 1885 erneut nach Agypten und lebte seit 1887 in Wien. B. ver¨offentlichte Photob¨ande (Die oberen Nill¨ander, 1881) sowie historische Arbeiten (Der Sudan unter a¨ gyptischer Herrschaft, 1888) und malte Aquarelle mit orientalischen Darstellungen. C AKL

Buchthal, Hugo (Herbert), Kunsthistoriker, * 11. 8. 1909 Berlin, † 10. 11. 1996 London. B., Sohn eines Kaufmanns, studierte vor¨ubergehend National¨okonomie, 1929-33 Kunstgeschichte, Arch¨aologie und Philosophie in Paris, Heidelberg, Berlin und Hamburg, wo er 1933 zum Dr. phil. promoviert wurde (Codex Parisinus Graecus). Seit demselben Jahr Mitarbeiter des dortigen Warburg-Instituts, emigrierte er 1934 nach Großbritannien und wurde 1946 britischer Staatsb¨urger. 1941-43 war er Bibliothekar am Warburg-Institut in London, wo er 1944 / 45 und 1949 Kunstgeschichte an der Univ. lehrte. 1960-65 war er Prof. am Warburg-Institut London, 1965-75 Prof. am Institute of Fine Arts an der New York University. B. besch¨aftigte sich vor allem mit der Buchmalerei im Orient, in Byzanz und im westlichen Mittelmeerraum. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren u. a. The Miniatures of the Paris Psalter (1938), A Hand List of Illuminated Oriental Christian Manuscripts (1942), Miniature Painting in the Latin Kingdom of Jerusalem (1957) und Historia Trojana. Studies in the History of Medieval Secular Illustrations (1971). ¨ Akad, Jg. 147 C Almanach Ost Buchwald, Conrad, Kunsthistoriker, * 27. 7. 1867 Breslau, † 15. 4. 1931. Nach dem Abschluß kunsthistorischer und philosophischer Studien an der Univ. Breslau unternahm B. zahlreiche Studienreisen durch Europa und trat 1893 in den Museumsdienst ein. Seit 1899 war er Bibliothekar und Kustos des Schlesischen Museums f¨ur Kunstgewerbe und Altert¨umer in Breslau. B. war Sekret¨ar des Breslauer Kunstgewerbevereins, besch¨aftigte sich u¨ berwiegend mit deutscher Kunst der Gotik und ver¨offentlichte u. a. Adrian de Vries (1899). C Reichshandbuch

Buchwald, Georg (Apollo), evang. Theologe, * 16. 7. 1859 Großenhain (Sachsen), † 18. 2. 1947 Rochlitz. B., Sohn eines Tuchfabrikanten, studierte Theologie in Leipzig, wurde 1882 Oberlehrer an der Realschule in Mittweida, 1883 am Gymnasium Zwickau und 1885 auch Diakon an der dortigen Marien- und Katharinenkirche. Seit 1892 in Leipzig t¨atig, war er zun¨achst Diakon an der Kirche St. Matth¨ai, seit 1896 Pfarrer an der Michaelskirche. 1914-23 lebte er als Superintendent in Rochlitz. B., einer der herausragenden Lutherphilologen seiner Zeit, war seit 1885 Mitarbeiter der Braunschweiger und der Weimarer Lutherausgabe, f¨ur die er die Predigten bearbeitete. Er ver¨offentlichte zahlreiche Untersuchungen zu → Luther und zur Reformationsgeschichte, gab Das Wittenberger Ordiniertenbuch, 1537-1560 (2 Bde., 1899) und Das Matrikel des Hochstifts Merseburg 1469 bis 1558 (1926) heraus und schrieb neben Biographien (u. a. zu Paul → Eber und Stephan → Roth) Die evangelische Kirche im Jahrhundert der Reformation (1901, 131917). C NDB

Buchwald, Juliane Franziska von, geb. Freiin von Neuenstein, Hofdame, * 7. 10. 1707 Paris, † 19. 12. 1789 Gotha. Von der gebildeten Mutter erzogen, wurde B. 1724 Hofdame der Herzogin Elisabeth Sophie von Sachsen-Meiningen und schloß Freundschaft mit deren Tochter, der Prinzessin → Luise Dorothea. Sie folgte der Prinzessin 1735 nach deren Heirat mit dem Herzog von Sachsen-Gotha und Altenburg als Hofdame auf Schloß Friedenstein. B. galt als einflußreich bei Entscheidungen am Hof und z¨ahlte sp¨ater Voltaire, → Wieland, → Herder und → Goethe zu ihren Bekannten. C ADB

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Buchwald Buchwald, (Ernst) Reinhard, Literaturwissenschaftler, * 2. 2. 1884 Großenhain (Sachsen), † 13. 1. 1983 Heidelberg. B., Sohn eines Tuchfabrikanten, studierte seit 1903 in M¨unchen und Leipzig Kunstgeschichte, Klassische Philologie und Deutsche Literaturgeschichte und wurde 1906 bei Albert → K¨oster mit der Arbeit Joachim Greff. Untersuchungen u¨ ber die Anf¨ange des Renaissancedramas in Sachsen promoviert. Seit demselben Jahr wissenschaftlicher Mitarbeiter des Insel-Verlags in Leipzig, erhielt er 1910 Prokara und wechselte 1912 Position zum Eugen Diederichs-Verlag nach Jena, bei dem er (mit Unterbrechung durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg) bis 1919 als wissenschaftlicher Beirat und Leiter dem Vertriebsabteilung t¨atig war, 1918 / 19 als Prokurist. 1918 war B. wissenschaftlicher Mitarbeiter im Amt f¨ur Demobilmachung in Weimar, geh¨orte 1920 zu den Begr¨undern der Volkshochschule Th¨uringen in Jena und war 1920-23, 1925 / 26 und 1927-30 Gesch¨aftsf¨uhrer des Vereins Volkshochschule Th¨uringen sowie wissenschaftlicher Berater im Verlag Hermann B¨ohlau in Weimar. 1922-30 war er Regierungsrat im Th¨uringischen Ministerium f¨ur Volksbildung. 1929 / 30 lehrte B. Theorie und Praxis der Erwachsenenbildung an der Univ. Jena, unterrichtete 1930-32 an der Odenwaldschule Heppenheim und war 1931-44 Lehrbeauftragter (u. a. f¨ur P¨adagogik, seit 1943 f¨ur Deutsche Literaturgeschichte) an der Univ. Heidelberg. 1944-52 er Honorarprofessor f¨ur Bildungsgeschichte und Literaturgeschichte, 1945 Erziehungsdirektor der Stadt Heidelberg. B. ver¨offentlichte u. a. Schiller (2 Bde., 1937, 51966 in 1 Bd.), F¨uhrer durch Goethes Faustdichtung (1942, 81983) und Das Verm¨achtnis der deutschen Klassiker (1944, neue, wesentl. verm. Ausg. 1962). 1992 erschien Miterlebte Geschichte. Lebenserinnerungen 1884-1930 (hrsg. von Ulrich Herrmann). C IGL

Buchwald, Theo, Dirigent, * 27. 9. 1907 Wien, † 7. 9. 1960 Lima (Peru). B. studierte an der Univ. Wien Musikwissenschaft, Philosophie und Kunst, u. a. bei Guido → Adler und Wilhelm → Fischer. 1922 wurde er als Dirigent in Barmen-Elberfeld, 1923 an der Volksoper in Berlin verpflichtet. 1924-26 war er Dirigentenassistent in Magdeburg, 1927-29 Dirigent in M¨unchen und 1929-33 unter Erich → Kleiber an der Berliner Staatsoper. 1930-33 dirigierte B. das Symphonieorchester am Stadttheater in Halberstadt. 1935 emigrierte er nach Chile und lebte seit 1936 in Peru, wo er 1938 das Orquesta Sinfon´ıa Nacional gr¨undete, mit dem er Tourneen durch S¨udamerika unternahm. C NGroveD

Buchwitz, Otto, Politiker, * 27. 4. 1879 Breslau, † 9. 7. 1964 Dresden. Von Beruf Arbeiter in der Metall- und Textilindustrie, trat B., Sohn eines Eisenbahnschlossers, 1898 in die SPD ein, war nach dem Ersten Weltkrieg stellvertretender Landrat in G¨orlitz, 1919-21 Mitglied des Provinziallandtags und des Kreistags, 1921-24 des Preußischen Landtags und 1924-33 des Reichstags; 1919-33 war er daneben Sekret¨ar des SPDBezirks Niederschlesien und baute dort den Reichsbanner auf. Er bef¨urwortete eine Einheitsfront mit der KPD und floh 1933 nach D¨anemark, wo er mit Philipp → Scheidemann in Kontakt stand und publizistisch t¨atig war. 1940 wurde er nach Deutschland ausgeliefert und zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach der Befreiung aus der Haft u¨ bernahm B. 1945 den SPD-Landesvorsitz Sachsen, wurde 1946 Mitglied des Parteivorstandes bzw. Zentralkomitees der SED und war mit Wilhelm → Koenen SED-Landesvorsitzender in Sachsen, 1946-52 Mitglied des Landtags und dessen Pr¨asident, 1950-64 Mitglied und Alterspr¨asident der Volkskammer. Er ver¨offentlichte u. a. 50 Jahre Funktion¨ar der deut-

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schen Arbeiterbewegung (1949, 41973); seine Autobiographie Br¨uder, in eins nun die H¨ande erschien 1958. C BHdE, Bd 1

Buck, Friedrich Johann, Mathematiker, Bibliothekar, * 2. 11. 1722 K¨onigsberg, † 4. 8. 1786 K¨onigsberg. B., Sohn eines k¨oniglich preuß. Sekret¨ars, studierte in seiner Heimatstadt, erwarb 1743 die Lehrbefugnis f¨ur Philosophie und wurde 1747 in Frankfurt / Oder mit der Arbeit De Iis quibus Iure Romano non est permissum facere testamentum zum Dr. jur. promoviert. 1753 erhielt er in K¨onigsberg eine a. o. Professur f¨ur Mathematik und wurde 1759 o. Prof. der Logik und Metaphysik, 1770 Ordinarius der Mathematik. B. war seit 1747 zweiter, 1782-86 erster Bibliothekar der Stadtbibliothek K¨onigsberg. Er ver¨offentlichte u. a. Teleologische Betrachtungen u¨ ber den Rauch [. . .] (1755), Leichtere Aufl¨osungen einiger schweren trigonometrischen Aufgaben (1761) und Mathematischer Beweiß, daß die Algebra zur Entdeckung einiger verborgener Schriften bequem angewendet werden k¨onne (1772). C Altpreuß Biogr, Bd 1

Buck, Heinrich, Reeder, Ratsherr, † 19. 11. 1450 Danzig. B. wurde 1425 Danziger Sch¨offe, 1428 Ratsherr und zeichnete sich als Diplomat der hansischen Kaufleute aus. 1436 sandte er als F¨uhrer einer preußisch-livl¨andischen Handelsflotte Berichte u¨ ber die politische Lage in Holland und Burgund nach Danzig und beendete in der Bretagne einen seit 1419 dauernden Handelskrieg mit spanischen Kaufleuten durch die Unterzeichnung eines Friedensvertrags. 1437 zog B. an der Spitze der ersten preuß. Flotte nach England. C Altpreuß Biogr, Bd 1

Buck, Mich(a)el (Richard), Pseud. Richard Bidembach, Kulturhistoriker, Dichter, * 26. 9. 1832 Ertingen / Bussen, † 15. 9. 1888 Ehingen / Donau. Der aus einem schw¨abischen Bauerngeschlecht stammende B. studierte 1852-58 Medizin in M¨unchen und T¨ubingen, war u. a. mit Joseph Viktor von → Scheffel und Ludwig → Uhland befreundet und praktizierte sp¨ater als Arzt in Aulendorf, zuletzt als Oberamtsarzt in Ehingen. Er widmete sich volkskundlichen Studien, sammelte Erz¨ahlgut und erforschte Flurnamen; er gilt als einer der Pioniere der Namenkunde (Oberdeutsches Flurnamenbuch, 1880, 21931). Von den Dialekten des Alpenraums erforschte B. besonders das Ladinische. Als sein Hauptwerk gilt die kulturgeographische Monographie Auf dem Bussen (1886). Eine autobiographische Schrift befindet sich in der aus dem Nachlaß herausgebenen Sammlung von Mundartgedichten Bagenga (1892). C Killy

Buck, Rudolf, Komponist, * 18. 5. 1866 Burgsteinfurt, † 12. 5. 1952 T¨ubingen. B. erhielt seine Ausbildung an der Musikschule Sondershausen, in K¨oln und am Sternschen Konservatorium in Berlin. Anschließend war er als Musiklehrer und als Kritiker der „Berliner Neuesten Nachrichten“ sowie der „Allgemeinen Musikzeitung“ t¨atig. 1906 folgte er einem Ruf als Kapellmeister bei der Stadtverwaltung der internationalen Niederlassung von Shanghai; 1910 wurde er zum Prof. ernannt. 1919 aus China ausgewiesen, lebte B. seit 1921 als Komponist in T¨ubingen und wurde dort 1925 sein eigener Verleger. Er komponierte haupts¨achlich Schauspielmusik (Gevatter Tod, 1900) und Chors¨atze. 1928 erschien sein Wegweiser durch die M¨annerchor-Literatur.

Buck, (Johann) Wilhelm, Politiker, * 12. 11. 1869 Bautzen, † 2. 12. 1945 Radebeul. B., Sohn eines Fuhrwerkbesitzers und Landp¨achters, ließ sich zum Stukkateur ausbilden. 1887 in die SPD eingetreten, wurde er 1905 hauptamtlicher Gewerkschafts-, 1907 Arbeitersekret¨ar, 1908 Stadtverordneter und 1913 Mitglied des

Bud¨aus Reichstags. 1917 Stadtrat in Dresden, im folgenden Jahr Volksbeauftragter im s¨achsischen Ministerium f¨ur Kultus und Unterricht, geh¨orte er 1919 der Verfassunggebenden Nationalversammlung an. 1920-23 war er s¨achsischer Ministerpr¨asident, anschließend Kreishauptmann im Regierungsbezirk Dresden, als welcher er nach der Macht¨ubernahme durch die Nationalsozialisten entlassen wurde. 1926 trat B. aus der SPD aus und war Mitbegr¨under der Alten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. C Schr¨oder

Buckel, Werner, Physiker, * 15. 5. 1920 N¨ordlingen, † 2. 2. 2003 Karlsruhe. Das Studium der Physik in Erlangen und G¨ottingen schloß B. 1948 mit der Promotion Die Stabilit¨at von kritischen Str¨omen im „Zwischenzustand“ der Supraleitung ab. 1954 habilitierte er sich in G¨ottingen (ElektronenbeugungsAufnahmen von d¨unnen Metallschichten bei tiefen Temperaturen), u¨ bernahm 1960 den Lehrstuhl f¨ur Physik und die Leitung des Physikalischen Instituts der Univ. Karlsruhe und war daneben 1970-72 Direktor des Instituts f¨ur Festk¨orperforschung an der Kernforschungsanlage J¨ulich. 1975 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. B.s Forschungen f¨uhrten zur Entdeckung der amorphen Metalle und ihrer Eigenschaften, zur Herstellung von supraleitendem Palladium durch Implantation von Wasserstoff und zu einem vertieften Verst¨andnis des Ph¨anomens der Supraleitung. Daneben besch¨aftigte er sich mit ethischen Fragen, wies auf das Sicherheitsrisiko der Kernenergie hin und engagierte sich f¨ur alternative Energiegewinnung. B. ver¨offentlichte u. a. Metallphysik (1961), Supraleitung (1972, 62004, engl. 1991, 22004) und Nachdenken statt Nachr¨usten. Karlsruher Wissenschaftler f¨ur den Frieden (hrsg. mit G¨otz Großklaus und Hans Schulte, 1984).

Buckisch und L¨owenfels, Gottfried Ferdinand Ritter von, Jurist, Historiker, getauft 28. 1. 1641 Oels (Schlesien), † 19. 2. 1699 Mainz. Nach rechtswissenschaftlichen Studien in Leipzig und Jena wurde B. u. L., Sohn eines aus B¨ohmen vertriebenen evang. Richters, 1670 Ratmann in Strehlen, trat 1676 zum Katholizismus u¨ ber und beteiligte sich als Regierungssekret¨ar in Brieg an der Durchf¨uhrung der Gegenreformation. Zum kaiserlichen Rat ernannt und nobilitiert, wurde er sp¨ater Assessor beim Prager Burgamt. Um 1692 erhielt B. u. L. die Professur f¨ur Geschichte und Rechtswissenschaften an der Univ. Wien, verlor sie jedoch um 1694 wieder und folgte kurz vor seinem Tod einem Ruf an die Univ. Mainz. Seine nur in Abschriften verbreiteten Schlesischen Religionsakten (7 Bde.) sind ein wertvolles Quellenwerk zur Geschichte der Reformation und Gegenreformation. Er ver¨offentlichte u. a. Observationes historicae-politicae in instrumentum pacis Osnabrugo-Westphalicum (2 Bde., 1694-96). C NDB Buckwitz, Harry, Intendant, Regisseur, Hotelier, * 31. 3. 1904 M¨unchen, † 27. 12. 1987 Z¨urich. Im Anschluß an ein Universit¨atsstudium in M¨unchen bildete sich B. an der dortigen Schauspielschule Feldern-F¨orster aus und spielte nach einem ersten Engagement an den M¨unchner Kammerspielen 1926-37 in Mainz, Bochum, Augsburg und Freiburg. 1937 aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen, emigrierte er nach Afrika und war Hotelier in Tanganjika. Nach seiner Repatriierung 1940 leitete er bis zur Einberufung zum Kriegsdienst im Herbst 1944 ein Hotel in der von den Deutschen besetzten polnischen Stadt Ł´od´z. B. erhielt 1945 die Lizenz des M¨unchner Volkstheaters, war an dessen Aufbau 1945 / 46 beteiligt, wurde 1946 Direktor der M¨unchner Kammerspiele und setzte sich besonders f¨ur Bertolt → Brecht ein (u. a. Urauff¨uhrung von Der gute Mensch von Sezuan), der aus politischen Gr¨unden damals kaum gespielt wurde. Von 1951 bis zu seinem R¨ucktritt 1968 war B.

Generalintendant der St¨adtischen B¨uhnen Frankfurt („Buckwitzbetriebe“). 1966 wurde Pr¨asident der Deutschen Akademie der Darstellenden K¨unste in Frankfurt. 1970-77 leitete C Munzinger B. das Schauspielhaus Z¨urich.

Bucquoi, Erdmann Friedrich, Publizist, * 1. 9. 1751 Sorau, † 17. 7. 1823 Bunzlau. Im Waisenhaus erzogen, studierte B. Theologie, wurde 1773 Pfarrer in Tillendorf bei Bunzlau und gr¨undete im folgenden Jahr die „Bunzlauer Monatsschrift zum Unterricht und Vergn¨ugen“, eine der ersten deutschen Unterhaltungszeitschriften. Er redigierte das Blatt, dessen Erl¨os er dem Bunzlauer Waisenhaus zukommen ließ, auch nach seinem Umzug nach Sprottau, wo er 1789-96 Prediger war. Wegen seiner Verdienste um das Waisenhaus 1796 als Inspektor und Konrektor nach Bunzlau zur¨uckberufen, war er 1804-14 Direktor der Anstalt. B. ver¨offentlichte mehrere historische Arbeiten, darunter Leben und Ende Friedrichs des Einzigen (4 Bde., 1787-90, 21790-94). C ADB

Bucquoi, Johann Nepomuk Graf von, * 28. 6. 1741 Prag, † 12. 4. 1803 Gratzen (B¨ohmen). B., Sohn eines k. k. Geheimes Rats und Oberst-Landhofmeisters in B¨ohmen, engagierte sich, angeregt durch den Prager Reformkatholiken Karl Heinrich → Seibt, f¨ur Volksbildung und Armenf¨ursorge. 1772 gr¨undete er eine Landschule in Kaplitz, die sp¨ater ebenso wie sein 1779 in Grat¨ zen er¨offnetes Armeninstitut Nachahmung in ganz Osterreich fand. Seit 1783 Pr¨asident der obersten Hofkommission f¨ur fromme Stiftungen → Josephs II., war B. u. a. mit der Reform der Wiener Armenf¨ursorge befaßt. C NDB

Bucquoi, Karl (Bonaventura) Graf von, Heerf¨uhrer, * 9. 1.(?) 1571 Arras, † 10. 7. 1621 bei Neuh¨ausel. B., Sohn eines spanischen Kriegs- und Geheimen Rats, nahm ¨ am Feldzug Erzherzog → Albrechts von Osterreich gegen Frankreich und die Niederlande (1596-98) teil. 1600 wurde er Generalwachtmeister, 1602 Generalfeldzeugmeister, 1606 Kriegsrat sowie um 1616 Statthalter im Hennegau. 1618 wechselte B. als Geheimer Rat und Hofkriegsrat in die Dienste Kaiser → Matthias’, zog als Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen gegen die aufst¨andischen B¨ohmen, schlug Ernst II. Graf von → Mansfeld und verteidigte mehrmals Budweis und Wien. B. gilt als einer der wichtigsten Feldherrn im Dreißigj¨ahrigen Krieg auf kath. Seite und als derjenige, mit dem die Ausschreitungen der Truppen gegen¨uber der Zivilbev¨olkerung verst¨arkt einsetzten. Milit¨arisch in den niederl¨andischen Unabh¨angigkeitskriegen ausgebildet, war er einer der ersten Verfechter defensiver Strategien im o¨ sterr. Heer. C NDB Bucura, Constantin, o¨ sterr. Gyn¨akologe, * 3. 12. 1874 Triest, † 16. 11. 1935 Wien. B. studierte an der Univ. Wien (Promotion 1900) und bildete sich bei Ernst → Wertheim und Rudolf → Chrobak, dessen Assistent er war, zum Facharzt f¨ur Gyn¨akologie aus. 1908 habilitierte er sich in Wien f¨ur Geburtshilfe und Gyn¨akologie und wurde 1917 a. o. Professor. Seit 1922 war er Vorstand der Gyn¨akologischen Abteilung, seit 1929 Vizedirektor der Wiener Allgemeinen Poliklinik. B. besch¨aftigte sich vor allem mit der Behandlung der Gonorrhoe und ver¨offentlichte u. a. Geschlechtsunterschiede beim Menschen (1913), Die entz¨undlichen Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane (1930) und Die gonorrhoische Infektion der Genital¨ organe (1934). 2, 3 C Arzte

Bud¨aus, Johann Christian Gotthelf, Pseud. Justini de bona mente, Dikaiophili, Jurist, Historiker, * 1702 Budissin, † 31. 12. 1770. B. studierte seit 1720 Rechtswissenschaften in Jena und Wittenberg und wurde 1724 Oberamtsadvokat in der Markgrafschaft Oberlausitz. Nach der Promotion 1731 ging er

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Budberg nach G¨orlitz, sp¨ater nach Kamenz, wo er Kurs¨achsischer Rat wurde; seit 1743 lebte er in gleicher Position in Dresden. B. ver¨offentlichte 1755-66 zahlreiche historische Abhandlungen in den „Dresdner gelehrten Anzeigen“ sowie im „Lausitzischen Magazin“; er schrieb u. a. Gedanken von einer zum Staatsrecht eingerichteten Historie einzelner Deutscher Staaten (1732).

Budberg, Karl Woldemar Baron von, eigentl. B¨oninghausen, Beamter, Maler, * 28. 7. 1777 Strassenhof bei Riga, † 23. 2. 1842 Riga. Der Bruder Otto Christoph von → B.s schlug zun¨achst die milit¨arische Laufbahn ein, nahm 1787 als Kornett seinen Abschied und wurde Adjunkt beim Ordnungsgericht in St. Petersburg. B. studierte seit 1798 in Jena, dann bis 1802 an der Kunstakademie in Dresden, wurde 1810 auf → Goethes Anregung hin an der Univ. Jena zum Dr. phil. promoviert und als Ehrenmitglied in die Mineralogische Gesellschaft aufge¨ nommen. 1803-09 bekleidete er mehrere Amter in Riga und Wolmar, kam 1810 als Forstmeister nach St. Petersburg und war dann in der Kartographischen Abteilung des Finanzministeriums, seit 1813 in verschiedenen Gremien zur Ordnung der livl¨andischen Bauernangelegenheiten t¨atig. 1818 wurde er Assessor, sp¨ater Pr¨asident des livl¨andischen Ober- bzw. Provinzialkonsistoriums. B. ver¨offentlichte u. a. das Allgemeine Adressbuch f¨ur das Gouvernement Livland und die Provinz Oesel (1810); er malte vor allem Landschaften. C AKL

Budberg, Otto Christoph Frhr. von, Jurist, Schriftsteller, * 29. 9. 1772 Riga, † 17. 1. 1857 Walk. Der Bruder Karl Woldemar von → B.s studierte 1789-93 Rechtswissenschaften in G¨ottingen, wurde 1795 Assessor des Oberlandesgerichts, sp¨ater des livl¨andischen Hofgerichts in Riga und war dort 1808-10 Landrichter sowie seit 1813 Kirchspielrichter. 1818 / 19 hielt sich B. in Reval auf, lebte anschließend in Mannheim und kehrte 1829 nach Livland zur¨uck. Neben einigen o¨ konomischen Schriften ver¨offentlichte er u. a. Dramatische Versuche (3 Bde., 1825). Budde, Emil (Arnold), Physiker, Publizist, * 28. 7. 1842 Geldern, † 15. 8. 1921 Feldafing. Dem Studium der Theologie und Naturwissenschaften (Promotion 1864 mit De statu sphaeroidali) folgten einige Jahre als Gymnasiallehrer, bevor sich B. 1869 in Bonn habilitierte. 1870 / 71 Redakteur der „K¨olnischen Zeitung“, ging er 1872 als deren Korrespondent nach Paris, in gleicher Position 1878 nach Rom und 1881 nach Konstantinopel. Seit 1887 redigierte er die Zeitschrift „Fortschritte der Physik“ in Berlin. 1892 wurde B. Physiker bei der Firma Siemens & Halske, im folgenden Jahr Direktor des Charlottenburger Werks sowie Vorstandsmitglied, 1911 Aufsichtsratsmitglied des Unternehmens. Er war Vorsitzender der Vereinigung f¨ur exakte Wirtschaftsforschung. Neben wissenschaftlichen Arbeiten (Mechanik der Punkte im starren System, 2 Bde., 1890 / 91) ver¨offentlichte der Vater Werner → B.s auch feuilletonistische Schriften, darunter Erfahrungen eines Hadschi. Reiseberichte aus Pal¨astina (1888). Zu seinen Publikationen geh¨oren ferner Bl¨atter aus meinem Skizzenbuch (1893) und Naturwissenschaftliche Plaudereien (1906). Budde, Hermann von, Milit¨ar, Staatsmann, * 15. 11. 1851 Bensberg bei K¨oln, † 28. 4. 1906 Berlin. Als Leutnant im Krieg gegen Frankreich 1870 / 71 schwer verwundet, verließ B., Sohn eines Oberlehrers und Bruder Karl → B.s, den aktiven Dienst, bildete sich an der Kriegsakademie aus und wurde f¨ur seine Schrift Die franz¨osischen Eisenbahnen [. . .] (1877) ausgezeichnet. B. wurde in die Eisenbahnabteilung des Generalstabs berufen und 1895 zu ihrem Leiter bestellt. 1901 schied er aus dem Generalstab

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aus, um die Direktion der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik Berlin zu u¨ bernehmen. 1902 wurde er preuß. Minister der o¨ ffentlichen Arbeiten (Eisenbahnen und Wasserstraßen), Chef des Reichsamtes f¨ur die Verwaltung der Reichseisenbahnen und Mitglied des Bundesrats; 1904 erfolgte seine Nobilitierung. C Biogr Jahrb, Bd 11

Budde, Karl (Ferdinand Reinhard), evang. Theologe, * 13. 4. 1850 Bensberg bei K¨oln, † 29. 1. 1935 Marburg. Der Bruder Hermann von → B.s studierte seit 1867 Theologie in Bonn, Berlin und Utrecht, habilitierte sich 1873 in Bonn f¨ur Altes Testament und war 1878-85 Inspektor des Evangelisch-Theologischen Stifts, daneben Lehrer an einer H¨oheren T¨ochterschule. B. wurde 1879 a. o. Prof., folgte 1889 einem Ruf als Ordinarius nach Straßburg und ging 1900 nach Marburg, wo er bis zur Emeritierung 1921 lehrte. Er war einer der angesehensten historisch-kritischen Alttestamentler seiner Zeit und schrieb u. a. Die Religion des Volkes Israel bis zur Verbannung (1900, 31912 unter dem Titel Die altisraelische Religion). Seine umfangreiche Sammlung von Werken Ludwig → Richters vermachte er 1907 dem Museum Folkwang in Essen (Ludwig Richters Volkskunst, 1909, 21910). C NDB Budde, Werner, Chirurg, * 1. 9. 1886 Konstantinopel, † 28. 8. 1960 Halle. Der Sohn Emil → B.s studierte an den Universit¨aten Berlin, M¨unchen und Bonn (Promotion 1913, Zur Genese der Hufeisenniere und verwandter Nierenmißbildungen), erhielt eine fach¨arztliche Ausbildung in Halle und habilitierte sich dort 1920 f¨ur Chirurgie (Zur Frage des plastischen Ersatzes schleimhautbekleideter R¨ohren). B. war seit 1921 Oberarzt an der Chirurgischen Universit¨atsklinik in Halle, wurde 1925 a. o. Prof., u¨ bernahm im folgenden Jahr die Leitung der Chirurgischen Abteilung des dortigen St.-Barbara-Krankenhauses, verlor jedoch wegen der j¨udischen Herkunft seiner Ehefrau seine Lehrbefugnis. Seit 1945 war er Ordinarius und Direktor der Chirurgischen Universit¨atsklinik, 1945-48 Dekan. Er ver¨offentlichte zahlreiche Beitr¨age zur Magen-Darm-Chirurgie, Pathologie und Physiologie. B. wurde 1950 in die Deutsche Akademie der Na¨ turforscher Leopoldina aufgenommen. 2, 3 C Arzte Buddenberg, Arnold (Alfred August), Ingenieur, * 1. 5. 1880 Trier, † 23. 9. 1964 Berlin. B. studierte an den Technischen Hochschulen Hannover und Berlin, erhielt bei der Eisenbahndirektion M¨unster eine Ausbildung zum Regierungsbauf¨uhrer, wurde Dezernent und schließlich Abteilungspr¨asident im Reichsbahn-Zentralamt Berlin (bis 1945). Nach dem Zweiten Weltkrieg Mitglied der Hauptverwaltung Berlin der Deutschen Reichsbahn, war er seit 1947 a. o. Prof. und Inhaber des Lehrstuhls f¨ur Eisenbahnsicherungswesen an der TU Berlin-Charlottenburg. Er schrieb Das Eisenbahnsicherungswesen (2 Bde., 1948-51). Buddenberg, Hellmuth, Industriemanager, * 5. 5. 1924 B¨unde (Westfalen), † 5. 3. 2003 B¨unde. Der aus einer Beamtenfamilie stammende B. nahm nach Schulabschluß am Zweiten Weltkrieg teil, studierte nach R¨uckkehr aus der Kriegsgefangenschaft in Kiel und Hamburg Volks- und Betriebswirtschaft, u. a. bei Karl → Schiller, und schloß sein Studium mit der Promotion ab. 1949 begann er seine berufliche Laufbahn bei der OLEX GmbH in Hamburg, die 1950 nach Zusammenschluß mit der Eurotank als deutsche Tochter der British Petroleum Co. Ltd. (BP) firmierte. Nach Ausstattung mit Handlungsvollmacht (1953) und Prokura (1956) u¨ bernahm er 1959 die Leitung des Rechnungswesens, 1960 erfolgte seine Ernennung zum Direktor und 1965 die zum stellvertretenden Vorstandsmitglied der deutschen BP AG. Seit 1967 Mitglied des Vorstandes, wurde er 1972 dessen stellvertretender Vorsitzender. Als

Buddeus Vorsitzendem des Vorstandes (seit 1976) gelangen ihm mit Hilfe von Restrukturierungsmaßnahmen des Konzerns erhebliche Kosteneinsparungen, durch die das Unternehmen seit 1978 wieder Gewinn erwirtschaftete. Auf der Suche nach neuen Besch¨aftigungsfeldern erwarb die BP 1978 u. a. bedeutende Anteile an der Ruhrgas AG. Der zusammen mit Krupp und Ruhrkohle geplante Bau von zwei Kohlevergasungsanlagen kam hingegen nicht zustande. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Vorstandsvorsitzenden 1988 geh¨orte B. 1989-94 als stellvertretender Vorsitzender dem Aufsichtsrat an. 1989-2002 stand er dem Deutschen Verkehrsforum als Pr¨asident vor. C Munzinger

Buddenbrock, Gustav Johann, Jurist, * 5. 9. 1758 Schujenpahlen (Livland), † 14. 12. 1821 Riga. B. studierte 1775-79 in K¨onigsberg und G¨ottingen und bekleidete seit 1780 mehrere Richterstellen. 1783-96 war er Assessor am Oberlandesgericht sowie daneben Ritterschaftssekret¨ar, seit 1798 Landmarschall, 1800 Landrat und Mitglied des Hofgerichts in Riga. 1803 folgte er einer Berufung als Mitglied des Komitees zur Regulierung der livl¨andischen Bauernangelegenheiten nach St. Petersburg, war 1813-15 beim dortigen Innenministerium t¨atig und wurde, nach Riga zur¨uckgekehrt, 1817 Oberkirchenvorsteher des wendischen Kreises; 1818 folgte seine Ernennung zum Mitglied der livl¨andischen Provinzial-Gesetzkommission. B. ver¨offentlichte u. a. eine Sammlung der Gesetze, welche das heutige Livl¨andische Landrecht enth¨alt (2 Bde., 1804-21).

Buddenbrock, Johann Jobst Heinrich Wilhelm Frh. von, Milit¨ar, * 25. 9. 1707 K¨onigsberg, † 27. 11. 1781 Berlin. Der Sohn Wilhelm Dietrich von → B.s schlug der Familientradition folgend die milit¨arische Laufbahn ein, wurde 1732 Adjutant des Kronprinzen Friedrich und geh¨orte seinem Neuruppiner und Rheinsberg-Kreis an. B. wurde 1740 Major und Fl¨ugeladjutant, 1750 Chef des J¨agerkorps und 1753 Generalmajor. 1758 mit der Oberaufsicht u¨ ber das Kadettenkorps, 1764 mit der Wiederherstellung der Ritterakademie betraut, entstanden unter seiner Leitung u. a. die Kadettenh¨auser in Stolp und Kulm. 1767 folgte die Ernennung zum Generalleutnant. C Priesdorff, Bd 1

Buddenbrock, Wilhelm Dietrich von, Milit¨ar, * 15. 3. 1672 Tilsewischken (Litauen), † 28. 3. 1757 Breslau. Nach einigen Monaten Universit¨atsstudium in K¨onigsberg wurde B., Sohn eines kurbrandenburgischen Oberstleutnants, 1690 Soldat und nahm am Feldzug in den Niederlanden teil. Er zeichnete sich im Spanischen Erbfolgekrieg sowie im Krieg gegen Schweden aus und wurde 1724 Oberst. 1730 brachte er Kronprinz → Friedrich nach einem Fluchtversuch von Wesel nach K¨ustrin. Im Ersten Schlesischen Krieg trug B. als Generalleutnant wesentlich zum Sieg bei Chotusitz (1742) bei, wurde zum General der Kavallerie bef¨ordert und erhielt 1743 den Oberbefehl u¨ ber die preuß. Kavallerie. Im Zweiten Schlesischen Krieg war er 1744 Gouverneur von Breslau und kommandierte im folgenden Jahr als Generalfeldmarschall in den Schlachten bei Soor und Hohenfriedberg. B. war der Vater Johann Jobst Heinrich Wilhelm von → B.s. C NDB

Buddenbrock-Hettersdorff, Wolfgang (Erich Richard) Frh. von, Zoologe, * 25. 3. 1884 Bischdorf (Schlesien), † 11. 4. 1964 Mainz. B.-H., Urenkel Johann Gottfried → Herders und Sohn eines Landrats und Gutsbesitzers, studierte 1902-06 an der TH Charlottenburg, danach Zoologie an den Universit¨aten Jena und Heidelberg und wurde 1910 mit der Dissertation Beitr¨age zur Entwicklung der Statoblasten der Bryozoen ¨ promoviert. 1914 habilitierte er sich mit der Arbeit Uber die Orientierung der Krebse im Raum f¨ur Zoologie an der

Univ. Heidelberg, wurde dort nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1920 nichtbeamteter a. o. Prof. und ging im selben Jahr als Erster Assistent an das Zoologische Institut der Univ. Berlin. 1922 folgte er einem Ruf als Ordinarius an ¨ die Univ. Kiel. 1936 wegen einer kritischen Außerung gegen¨uber dem NSDAP-Gauleiter und Oberpr¨asidenten Hinrich → Lohse nach Halle strafversetzt, nahm B.-H. 1942 einen Ruf an die Univ. Wien an. Nach der Ausweisung aus ¨ Osterreich 1945 war er vor¨ubergehend in Marburg t¨atig und hatte von 1946 bis zu seiner Emeritierung 1954 eine Professur in Mainz inne. 1936 wurde B.-H. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt. Er widmete sich vor allem der Sinnesphysiologie der niederen Tiere. B. ver¨offentlichte u. a. einen Grundriß der vergleichenden Physiologie (1928, 21937-39 in 2 B¨anden) und Vergleichende Physiologie (6 Bde., 1950-56), ferner Untersuchungen u¨ ber die Schwimmbewegungen und die Statocysten der Gattung Pecten (1911), Bilder aus der Geschichte der biologischen Grundprobleme (1930) und Wie orientieren sich die Tiere? ¨ (1956). C Arzte 2, 3 ¨ Buddensieg, Hermann (Karl Robert), Ubersetzer, Schriftsteller, * 3. 6. 1893 Eisenach, † 12. 12. 1976 Heidelberg. B., Sohn eines Drogeriebesitzers, schloß 1920 das Studium der Rechts- und Staatswissenschaft an den Universit¨aten M¨unchen, Jena und Heidelberg mit einer Arbeit u¨ ber Wilhelm → Weitling ab. Bereits als Sch¨uler Mitglied der Freideutschen Jugendbewegung, gab er 1924-26 deren Zeitschrift „Der Rufer zur Wende“ heraus; 1931 wurde er Redakteur der Zeitschrift „Kommende Gemeinde“. Als Anh¨anger des Neoidealismus Rudolf → Euckens hielt er bis 1934 Vortr¨age im Eucken-Bund und in der Deutschen Glaubensbewegung, wurde 1938 als Schriftsteller mit Berufsverbot belegt und lebte danach als Briefmarkenh¨andler in Hamburg. B. gab 1947 seine aus u¨ ber 14 000 Versen bestehenden Hymnen an die G¨otter Griechenlands heraus; er ver¨of¨ fentlichte u. a. Ubersetzungen aus dem Polnischen und dem Litauischen. 1955 wurde er Vorsitzender des westdeutschen Mickiewicz-Gremiums und gab seit 1956 die „MickiewiczBl¨atter“ heraus. C Killy

Buddensieg, Rudolf (Oskar Gottlieb), Lehrer, Philologe, * 5. 9. 1844 Greußen, † 13. 10. 1908 Dresden. Nach dem Studium der Theologie und Philosophie an den Universit¨aten Leipzig und Berlin war B. 1867-73 Hauslehrer in London, dann Lehrer am Kgl. Andreanum in Hildesheim, 1874-87 am Vizthumschen Gymnasium in Dresden; 1887 wurde er Direktor des Freiherrlich Fletcherschen Lehrerseminars in Dresden-Neustadt, 1894 des Kgl. Lehrerinnenseminars. B. gab die Werke John Wyclifs heraus und ver¨offentlichte u. a. John Wiclif und seine Zeit (1885); 1882 wurde in London auf seine Veranlassung die Wiclif-Society gegr¨undet. C RE Buddeus, Arthur, Jurist, * 14. 5. 1811 Altenburg, † 29. 1. 1847 Leipzig. Der Sohn von Johann Karl Immanuel → B. studierte seit 1830 Rechtswissenschaften in Leipzig und Heidelberg, ließ sich nach einer Kavaliersreise durch Frankreich und Oberitalien als Notar in Leipzig nieder und f¨uhrte dort sp¨ater eine Anwaltspraxis. B. war Mitarbeiter von → Pierers Universallexikon und der von Johann Samuel → Ersch und Johann Gottfried → Gruber herausgebenen Enzyklop¨adie. Nach dem Tod des Vaters edierte er dessen Deutsches Anwaltsbuch 1844 erstmals und betreute auch weitere Auflagen. C Neuer Nekr, Jg. 25 Buddeus, Johann Franz, eigentl. Budde, evang. Theologe, Philosoph, * 25. 6. 1667 Anklam, † 10. 11. 1729 Gotha. B., Sohn eines Pastors, studierte in Wittenberg und Jena. 1692 wurde er Prof. f¨ur Griechisch und Latein am aka-

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Buddeus demischen Gymnasium in Coburg, 1693 Prof. der Moralphilosophie an der neuerrichteten Univ. Halle, kehrte 1705 als Prof. der Theologie nach Jena zur¨uck und wurde 1715 Ordinarius. Philosophisch an Christian → Thomasius, zum Teil auch an Locke orientiert, verfaßte B. in der Hallenser Zeit die Elementa philosophiae practicae (1697, 2. u¨ berarbeitete Aufl. 1703) und die Institutiones philosophiae eclecticae, die in zwei selbst¨andigen Teilen die Elementa philosophiae instrumentalis (1703, Logik) und die Elementa philosopiae theoreticae (1706, Metaphysik) behandeln; zusammen stellen sie – durchaus mit Lehrbuchcharakter – das vor → Wolff am weitesten verbreitete philosophische System dar. In den theologischen Arbeiten, die der mit August Hermann → Francke befreundete und von → Spener beeinflußte B. vor allem in Jena verfaßte, vermittelte er zwischen Pietismus und Orthodoxie. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen Selecta iuris naturae et gentium (1704), Institutiones theologiae moralis (1711; dt. 1719), Historia ecclesiastica veteris testamenti ab orbe condito usque ad Christum natum (2 Bde., 1715-18), Institutiones theologicae dogmaticae (1723), Isagoge historico-theologica ad theologiam universam singulasque eius partes (1727, erw. 1730) und Bedencken u¨ ber die Wolffianische Philosophie nebst einer historischen Einleitung zur gegenw¨artiger [sic] Controversie (1724). C TRE

Buddeus, Johann Karl Immanuel, Jurist, * 1780 Bufleben bei Gotha, † 28. 2. 1844 Leipzig. Der Enkel von Karl Franz → B. studierte in Jena Rechtswissenschaften, ließ sich 1803 als Advokat in Altenburg nieder, ging 1822 als Hof- und Justizrat nach Gera und wurde dort Polizeidirektor und schließlich Regierungsrat. Seit 1830 war B. Vorstand des Kollegiums der Stadtverordneten in Leipzig. Er redigierte das „Deutsche Staatsarchiv“ (5 Bde., 1840-44) und schrieb u. a. ein Alphabetisches Repertorium zur Verfassungsurkunde des K¨onigreichs Sachsen (1834); sein Sohn Arthur → B. setzte seine publizistische Arbeit fort. Buddeus, Karl Franz, Jurist, Staatsmann, * 15. 3. 1695 Halle, † 5. 7. 1753 Gotha. Der Sohn von Johann Franz → B. studierte seit 1711 an der Univ. Jena, ging 1719 zu Archivstudien nach Weimar, wurde noch im gleichen Jahr Hofadvokat und 1727 Landschaftskommissar. 1728 als Justizrat, Kammerkonsulent und Fiskal nach Rudolstadt berufen, wurde B. im folgenden Jahr Beisitzer der f¨urstlich schwarzburgischen Regierung und 1730 Wirklicher Hofrat. 1734 kam er in gleicher Position und als Mitglied der Landesregierung an den Hof des Herzogs von Sachsen-Gotha, wurde 1736 Obervormundschaftsrat und schließlich Direktor des Witwen-, Waisenund Zuchthauses. B. nahm nach dem Tod Herzog → Ernst Augusts (1748) Weimar-Eisenach f¨ur Gotha in vormundschaftlichen Besitz und wurde 1750 Vizekanzler der Landesregierung in Gotha. Seine Autobiographie Denkw¨urdigkeiten meines Lebens erschien 1748. Budding, Karl Johann Ferdinand, Regierungspr¨asident, * 17. 12. 1870 Emmerich / Rhein, † 1945. B., Sohn eines Großkaufmanns, studierte bis 1891 Rechtswissenschaft an den Universit¨aten Lausanne, M¨unchen, Berlin und Bonn und wurde zum Dr. jur. promoviert. 1898 wurde er Regierungsassessor in Koblenz, 1903 Regierungsrat und 1914 stellvertretender Regierungspr¨asident in Bromberg, 1917 stellvertretender Reichskommissar f¨ur Ein- und Ausfuhrbewilligungen und 1925 stellvertretender Regierungspr¨asident von K¨oln. 1926-34 war B. Regierungspr¨asident in Marienwerder. Er f¨orderte die Infrastruktur Ostpreußens. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren u. a. Die Polizei in Stadt und Land in Großbritannien (1908) und Der polnische Korridor als europ¨aisches Problem (1932, 21933). C Altpreuß Biogr, Bd 5

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Budenz, Josef, Linguist, * 13. 6. 1836 Rasdorf (Hessen), † 15. 4. 1892 Budapest. Im Anschluß an das Studium der Indogermanistik in Marburg und bei Theodor → Benfey in G¨ottingen und der Promotion (1858) ging B., Sohn eines Lehrers, auf Einladung von Paul Hunfalvy nach Ungarn, war zun¨achst Lehrer am Gymnasium in Stuhlweissenburg (Sz´ekesfeh´erv´ar), seit 1861 Zweiter Bibliothekar an der Bibliothek der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und stellte umfangreiche Forschungen zu den uralischen und altaischen Sprachen an. B. habilitierte sich 1868 an der Univ. Budapest und erhielt 1872 den eigens f¨ur ihn errichteten Lehrstuhl f¨ur altaische Sprachvergleichung. 1879-82 redigierte er die sprachwissenschaftliche Zeitschrift „Nyelvtudom´anyi K¨ozlem´enyek“. B. war Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Mit dem ungarisch-ugrischen vergleichenden W¨orterbuch (A magyar-ugor o¨ sszehasonlit´o sz´ot´ar, 1873-81) wurde er zum Begr¨under der finnisch-ugrischen Sprachforschung. Er ver¨offentlichte u. a. Ungarische Sprachstudien (2 Bde., 1869 / 70). C NDB Buder, Christian Gottlieb, Bibliothekar, * 29. 10. 1693 Kittlitz (Oberlausitz), † 9. 12. 1763. B. studierte in Leipzig und bei B. G. → Struve an der Univ. Jena und wurde dort 1722 Bibliothekar der Universit¨atsbibliothek, 1730 a. o., 1734 o. Prof. der Rechtswissenschaft. 1738 u¨ bernahm er nach Struves Tod dessen Lehrstuhl f¨ur Staats- und Lehnsrecht sowie den f¨ur Geschichte. B. vero¨ ffentlichte u. a. De bibliothecis publicis ad usum legatis (1723). Buder, Johannes, Botaniker, * 16. 11. 1884 Berlin, † 18. 7. 1966 Halle. B. studierte in seiner Geburtsstadt Naturwissenschaften, wurde 1908 mit der Dissertation Untersuchungen zur Statolithenhypothese promoviert, habilitierte sich 1911 an der Univ. Leipzig mit der Arbeit Studien an Laburnum Adami und wurde dort 1917 a. o. Professor; 1922 kam er als Ordinarius und Direktor des Botanischen Instituts und Gartens an die Univ. Greifswald. B. war 1928-45 Ordinarius und Direktor der Botanischen Anstalten der Univ. Breslau, lebte 1945-47 als Fl¨uchtling in G¨ottingen und folgte anschließend einem Ruf als Ordinarius und Direktor der Botanischen Anstalten nach Halle. 1950 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt. B. ver¨offentlichte u. a. Zur Biologie des Bakteriopurpurins und der Purpurbakterien (1919) und Neue phototropische Fundamentalversuche (in: Berichte der botanischen Gesellschaft 38, 1920). Buder, Paul von, evang. Theologe, * 15. 2. 1836 Leutkirch, † 5. 5. 1914 T¨ubingen. Im Anschluß an das Studium der Theologie in T¨ubingen wurde B. 1861 Repetent am T¨ubinger Stift und ging 1865 als Diakon und Bezirksschulinspektor nach Backnang. 1868 kam er als Hofgeistlicher, Mitarbeiter am Konsistorium und Mitglied der theologischen Pr¨ufungskommission nach Stuttgart, kehrte 1872 als Ephorus am Stift und a. o. Prof. an der Univ. nach T¨ubingen zur¨uck und wurde 1877 Ordinarius f¨ur ¨ Dogmatik und Neues Testament. B. schrieb u. a. Uber die apologetische Aufgabe der Theologie der Gegenwart (1876). C BBKL Buderus, Georg Friedrich Andreas, Industrieller, * 9. 3. 1777 Friedrichsh¨utte bei Laubach, † 26. 2. 1840 Frankfurt / Main. B., Sohn des Eisenh¨uttenmanns und Industriellen Johann Wilhelm → B., erhielt seine schulische Ausbildung auf dem Gymnasium in Idstein / Taunus, seine kaufm¨annische in Frankfurt / Main. Sein unternehmerisches Wirken begann 1812, als er die Lohnberger H¨utte pachtete. 1817 nahm B. die zu Hirzenhain im Kreis B¨udingen gelegene Eisenh¨utte

Budko in Pacht. 1822 erwarb er die Christiansh¨utte bei Schupach. Dem zum großherzoglich-hessischen Bergrat ernannten B. gelang es, seine Firma zum dominierenden Unternehmen des Ofengusses im Lahngebiet zu entwickeln. C Neuer Nekr, Jg. 18

Buderus, Georg (Karl Theodor), Industrieller, * 3. 4. 1808 Audenschmiede bei Weilm¨unster, † 8. 12. 1873 Hirzenhain (Kr. B¨udingen). Der Sohn des Bergmeisters Johann Christian Wilhelm B. studierte an der Univ. G¨ottingen und an der Bergakademie Freiberg (Sachsen) Bergbaukunde. Im Alter von nur 21 Jahren wurde ihm die Leitung der Hirzenhainer H¨utte u¨ bertragen. 1840 u¨ bernahm er die Leitung des Familienunternehmens „J. W. Buderus S¨ohne“. 1845-62 war er P¨achter der f¨urstlich-braunfelsischen H¨utten in Aßlar und Oberndorf. Der Gr¨under der Sophienh¨utte in Wetzlar wurde 1863 zum Bergrat ernannt. B., der als Nationalliberaler dem Reichstag angeh¨orte, war der Vater von Hugo → B.

Buderus, Hugo (Richard Otto Ernst), Industrieller, * 9. 3. 1841 Hirzenhain (Oberhessen), † 25. 1. 1907 Hirzenhain. Nach Studien in Gießen trat B., Sohn von Georg → B., in das Familienunternehmen ein und stand 1869 an der Spitze der Lahngruppe bei der Gr¨undung des Vereins Deutscher Eisengießereien, dessen langj¨ahriges Vorstandsmitglied er sp¨ater war. 1870 wurde er Prokurist, 1874 Teilhaber der Main-Weser-H¨utte, ersetzte deren Holzkohlenhoch¨ofen um 1880 durch Coupolofenbetrieb und begann u. a. die Produktion der ersten Dauerbrand¨ofen Deutschlands. B. erg¨anzte die Gießereibetriebe durch Werke zum Emaillebezug von Gußwaren sowie in den neunziger Jahren durch ein Zementwerk zur Verwertung der Hochofenschlacke. 1884-90 war er f¨ur die Nationalliberale Partei, deren Vorstand er 1887-90 angeh¨orte, Mitglied des Reichstags, 1887-1907 der I. Kammer des Hessischen Landtags. C Haunfelder, Lib Abg

Buderus, Johann Wilhelm (I), Industrieller, * 11. 1. 1690 Nassau, † 23. 6. 1753 Friedrichsh¨utte. B., Sohn eines B¨ackermeisters und B¨urgermeisters der Stadt Nassau, leitete die dem Grafen zu Solms-Laubach geh¨orende Friedrichsh¨utte seit 1717, zun¨achst f¨ur ihren damaligen P¨achter. 1731 u¨ bernahm er selbst den Pachtvertrag und gr¨undete die Buderus’schen Eisenwerke. Durch Reorganisation des alten Betriebs, Spezialisierung auf die Herstellung von Roheisen und mit kaufm¨annischem Geschick machte er die H¨utte zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen. Nach dem Tod B.s hatten erst seine Frau, seit 1768 sein Sohn Johann Wilhelm (II) → B. die Betriebsleitung inne.

Buderus, Johann Wilhelm (II), Industrieller, * 20. 7. 1740 Friedrichsh¨utte bei Laubach, † 1. 5. 1806 Friedrichsh¨utte. B., Sohn von Johann Wilhelm (I) → B., studierte in Marburg, wurde 1762 Buchhalter und u¨ bernahm 1768 von seinem Vater, dem Gr¨under der Buderus-Werke, die Leitung der Friedrichsh¨utte im Solms-Laubachschen Gebiet. Seit 1776 Bergrat, ging er erstmals zum eigenen Bergbau u¨ ber, erwarb mehrere Gruben, pachtete 1779 den Schellenhausener Hammer und erhielt das Eisenverkaufsmonopol in f¨unf ober¨ hessischen Amtern. 1798 konnte er die ertragreiche Audenschmiede bei Weilm¨unster aus dem Besitz seines Schwiegervaters Johannes Trieb erwerben. B. war der Vater von Georg Friedrich Andreas → B. C NDB

Budeus, Walter, Widerstandsk¨ampfer, * 29. 10. 1902, † 21. 8. 1944 Brandenburg-G¨orden. Von Beruf Maschinenschlosser, wurde B. 1931 Mitglied der KPD und beteiligte sich seit 1933 am illegalen Kampf gegen das nationalsozialistische Regime. 1936 fand er Besch¨afti-

gung in einer Berliner Munitionsfabrik und baute dort eine Betriebsgruppe auf. Er pflegte Kontakt zu nichtkommunistischen Arbeitern und arbeitete sp¨ater eng mit Robert → Uhrig zusammen. B. wurde 1942 von der Gestapo verhaftet, 1944 vom Volksgerichtshof zum Tod verurteilt und hingerichtet. C Widerstand

Budge, (Ludwig) Julius, Mediziner, * 11. 9. 1811 Wetzlar, † 14. 7. 1888 Greifswald. B. ließ sich nach dem Medizinstudium in Marburg, Berlin und W¨urzburg (Promotion 1833 mit De definitione morbi) 1834 als praktischer Arzt in Wetzlar, sp¨ater in Altenkirchen nieder. 1842 habilitierte er sich in Bonn und wurde dort 1847 a. o., 1855 o. Professor. Seit 1856 lebte B. in Greifswald, wo er Prof. der Anatomie und Physiologie sowie Direktor des Anatomischen, Physiologischen und Zoologischen Instituts war; nach 1873 lehrte er ausschließlich Anatomie. B. wurde 1851 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopol¨ dina aufgenommen. Er ver¨offentlichte u. a. Uber die Bewe¨ gung der Iris (1855), Uber die Einheit in der Natur (1863), ¨ den Compendium der Physiologie (1864, 31875) und Uber C Wininger Schmerz (1866). Budge, Siegfried, National¨okonom, * 18. 6. 1869 Frankfurt / Main, † 1. 9. 1941 Hamburg. Der Sohn eines Frankfurter Wertpapiergroßh¨andlers ließ sich nach dem Studium der Rechtswissenschaften 1896 als Rechtsanwalt nieder, studierte seit 1905 Volkswirtschaftslehre in Freiburg und wurde 1912 mit der Arbeit Das Malthussche Bev¨olkerungsgesetz und die theoretische National¨okonomie der letzten Jahrzehnte promoviert. 1921 habilitierte er sich an der Univ. Frankfurt mit der Studie Der Kapitalprofit. Eine kritische Untersuchung unter besonderer Ber¨ucksichtigung der Theorie Franz Oppenheimers und war dort von 1925 bis zu seiner Entlassung 1933 nichtbeamteter a. o. Professor. Versuche, danach eine Anstellung im Ausland zu erhalten, blieben erfolglos. B. ver¨offentlichte u. a. Grundz¨uge der theoretischen National¨okonomie (1925) und Lehre vom Geld (1. Band: Theorie des Geldes in zwei Halbb¨anden, 1931-33). C Hagemann Budik, Peter (Alcantara), o¨ sterr. Bibliothekar, Schriftsteller, * 18. 10. 1792 Butschowitz (M¨ahren), † 26. 3. 1858 Klagenfurt. Nach rechtswissenschaftlichen Studien in Olm¨utz und Wien war B. seit 1827 Bibliothekar an der Wiener Hofbibliothek, seit 1857 Lyzealbibliothekar in Klagenfurt. Er ver¨offentlichte bibliothekarische Schriften sowie dramatische und lyri¨ sche Versuche; ferner gab er lateinische Gedichte mit Ubersetzungen und Kommentaren sowie eine Kurzgefaßte Geschichte der literarischen Zust¨ande in K¨arnthen (1852) heraus.

Budko, Joseph, Graphiker, * 27. 8. 1888 Pł´on´ sk (Polen), † 17. 7. 1940 Jerusalem. Zun¨achst an der Kunstschule Wilna ausgebildet, arbeitete B. seit 1910 als Ziseleur in Berlin, war daneben Sch¨uler der Unterrichtsanstalt am Berliner Kunstgewerbemuseum und lernte bei Hermann → Struck die Technik des Radierens. Seit 1914 lebte er als freier K¨unstler in Berlin, gr¨undete und leitete den Ostj¨udischen K¨unstlerbund und trat vor allem mit dekorativer Kleinkunst (Illustrationen, Exlibris), in der er traditionelle j¨udische Symbolik und hebr¨aische Schriftzeichen ¨ stilisierte, an die Offentlichkeit (Mappenwerk mit 26 Radierungen Haggada schel Pessach, 1917). In den zwanziger Jahren begann B. auch zu malen. Als Jude 1933 zur Flucht aus Deutschland gezwungen, emigrierte B. nach Pal¨astina und leitete 1935-40 die Bezalel School of Art in Jerusalem. C AKL

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Budzislawski Budzislawski, Hermann, Pseud. Hermann Eschwege, Donald Bell, Journalist, Zeitungswissenschaftler, * 11. 2. 1901 Berlin, † 28. 4. 1978 Leipzig. Nach rechts- und staatswissenschaftlichen Studien in T¨ubingen war B., Sohn eines Fleischermeisters, seit 1924 Mitarbeiter u. a. der „Weltb¨uhne“ und trat 1929 in die SPD ein. Die Emigration f¨uhrte ihn u¨ ber die Schweiz (1933), Prag (1934), Paris (1938), Spanien und Portugal in die USA (1940). 1934-40 war B. Herausgeber und Chefredakteur der „Neuen Weltb¨uhne“. In den USA Mitarbeiter der Publizistin Dorothy Thompson und mehrerer Tageszeitungen sowie Mitbegr¨under des Council for a Democratic Germany, kehrte er 1948 nach Deutschland zur¨uck und war 1948-66 Prof. f¨ur internationales Pressewesen sowie Institutsdirektor an der Univ. Leipzig. B. trat 1948 in die SED ein, war 1949 / 50 und 1958-66 Abgeordneter der Volkskammer sowie Mitglied verschiedener staatlicher Kommissionen der DDR. 1967-71 gab er die Zeitschrift „Weltb¨uhne“ heraus. B. ver¨offentlichte u. a. Sozialistische Journalistik (1966). C BHdE, Bd 1 Bueb, Julius, Chemiker, Industrieller, * 27. 2. 1865 Freiburg / Breisgau, † 24. 5. 1944 Groß-Luckow (Mecklenburg). B. schloß das Studium an der Univ. Freiburg und der TH Karlsruhe 1889 als Diplomchemiker ab und wurde im folgenden Jahr mit der Arbeit Beitr¨age zur Kenntnis einiger Derivate der Chinolin- und Nicotins¨aure promoviert. Seit demselben Jahr war er Chefchemiker der Deutschen Continentalen Gasgesellschaft in Dresden. Daneben betrieb er Privatstudien und arbeitete u. a. an der Cyangewinnung aus Zuckerr¨uckst¨anden. 1914 zun¨achst im Frontdienst, wurde er 1915 ins Kriegsministerium berufen und war seit 1916 als „Reichs-Stickstoff-Kommissar“ f¨ur die Versorgung der Armee und der Zivilwirtschaft mit Stickstoff verantwortlich. Nach dem Ersten Weltkrieg war B. bis 1930 Vorstandsmitglied der Badischen Anilin- und Sodafabrik und der I. G. Farbenindustrie, Direktor der Ammoniak-Werke Merseburg sowie Generaldirektor und Gesch¨aftsf¨uhrer der StickstoffSyndikat G.m.b.H. in Berlin. Er ver¨offentlichte u. a. D¨ungemittel im Kriege (1917) und Stickstoffwirtschaft (1928).

Buchel, ¨ Anna vom, * um 1695 Elberfeld (heute zu Wuppertal), † 13. 11. 1743 Ronsdorf. B. besuchte seit etwa 1712 die pietistischen Privatveranstaltungen des Fabrikanten Elias → Eller in Elberfeld, hatte angeblich g¨ottliche Offenbarungen und wurde bald in einer sektiererischen Gruppe verehrt. Eller heiratete B. 1733 und gr¨undete mit ihr als Zionsvater und Zionsmutter eine Gemeinde. Ihrem Sohn Benjamin wurde bei seiner Geburt 1734 als Messias gehuldigt, er starb jedoch im folgenden Jahr. Staatliche Untersuchungen und Repressionen ließen die Gemeinde nach Ronsdorf umziehen, wo B. unerwartet starb. C BBKL

Buchel, ¨ Dietrich von, † 30. 11. 1552 Br¨uhl. B. war Sekret¨ar und Berater des K¨olner Erzbischofs Hermann von → Wied, hatte in dieser Funktion Anteil an der „K¨olner Reformation“ (1542-47) und verfaßte die Reformationsordnungen der St¨adte Neuss, Kaiserswerth und Kempen. 1544 begleitete er den Erzbischof zum Reichstag nach Speyer und nahm in den folgenden Jahren als dessen Gesandter am Konvent der Schmalkaldener in Frankfurt (1545) und am kurk¨olnischen Grafentag in Oberwesel (1546) teil. Nach dem Tod des Erzbischofs geriet B. in Gefangenschaft und starb nach wenigen Wochen. Bei den gelehrten Zeitgenossen (Martin → Bucer, Philipp → Melanchthon u. a.) stand er in hohem Ansehen. C NDB

Buchel, ¨ (Carl) Eduard, Graphiker, * 22. 4. 1835 Eisenberg (Th¨uringen), † 25. 8. 1903 Dresden. In der Werkstatt seines Vaters zum Ziseleur ausgebildet, studierte B. seit 1851 an der Dresdner Akademie, seit 1855

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vor allem Kupferstich bei Moritz → Steinla, dessen Nachlaß er 1858 erbte. Er arbeitete zun¨achst haupts¨achlich als Kupferstecher nach alten Meistern, seit etwa 1880 schuf er vor allem radierte Wiedergaben zeitgen¨ossischer Arbeiten, oft als Jahresgabe des S¨achsischen Kunstvereins (Betendes M¨adchen nach → Kaulbach, 1880). Seit 1881 Ehrenmitglied der Dresdner Akademie, wurde er 1900 zum Prof. ernannt. C AKL

Buchel, ¨ Hilde, S¨angerin, * 10. 2. 1920 Z¨urich, † 5. 11. 1966 Heidelberg. Als Dolmetscherin und B¨urokraft verdiente B. den Lebensunterhalt w¨ahrend ihres Gesangsstudium, deb¨utierte 1947 am St¨adtetheater Biel-Solothurn, sang am Stadttheater Basel und war sp¨ater langj¨ahriges Mitglied des Landestheaters Kiel. Mehrmals gastierte sie an der Hamburger Staatsoper und geh¨orte schließlich den Ensembles der Opern in Z¨urich und Frankfurt / Main an; seit 1961 war sie am Stadttheater Heidelberg engagiert. In ihrem weitl¨aufigen Repertoire galt die Titelpartie von Bizets Carmen als eine ihrer besten Leistungen. C Kutsch Bucheler, ¨ Franz, Philologe, * 3. 6. 1837 Rheinberg, † 3. 5. 1908 Bonn. B. studierte 1852-56 in Bonn klassische Philologie, wurde 1856 mit der De Ti. Claudio Caesare grammatico promoviert, war Lehrer am Gymnasium und habilitierte sich 1857 an der Univ. Bonn. 1858 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. nach Freiburg, wurde dort 1862 Ordinarius und wechselte 1866 nach Greifswald, 1870 nach Bonn. B. lieferte als Textkritiker und Grammatiker vielbeachtete Arbeiten u. a. zum Altlateinischen und zu italischen Dialekten (Grundriß der lateinischen Deklination, 1866). Er gab u. a. die Schriften des Petronius heraus und leitete seit 1900 den Thesaurus linguae Latinae. B. war Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. 1915-30 erschienen von ihm Kleine Schriften in drei B¨anden (Nachdr. 1965). C Lex Gramm

Bucher, ¨ Hermann, Industrieller, Wirtschaftswissenschaftler, * 28. 8. 1882 Kirberg, † 14. 7. 1951 Frankfurt / Main. Der Sohn eines B¨urstenfabrikanten und Neffe Karl → B.s studierte seit 1902in Leipzig und Berlin Wirtschafts- und Naturwissenschaften, wurde 1906 promoviert (Anatomische Ver¨anderungen bei gewaltsamer Kr¨ummung und geotropischer Induktion) und trat im selben Jahr in den Kolonialdienst ein. Seit 1907 Leiter der Versuchsanstalt f¨ur Landeskultur in Victoria (Kamerun), 1911-13 Referent beim Gouvernement von Kamerun , war er 1914 im Kolonialamt in Berlin t¨atig und 1915-18 Berater des t¨urkischen Landwirtschaftsministeriums. Nach 1919 Vortragender Rat im Ausw¨artigen Amt, wechselte B. 1921 in die Privatwirtschaft und war bis 1925 gesch¨aftsf¨uhrendes Pr¨asidialmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, anschließend Berater der I. G. Farbenindustrie AG. Seit 1928 geh¨orte er der Direktion der AEG (Allgemeine Elektrizit¨ats-Gesellschaft) an und war 1931-47 deren Vorstandsvorsitzender. 1948 setzten ihn die Alliierten als Leiter des Ausschusses zur Entflechtung der I. G. Farbenindustrie ein. B. wurde 1950 Aufsichtsratsvorsitzender der AEG. Er war Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Gesellschaften und schrieb u. a. Finanzund Wirtschaftsentwicklung Deutschlands (1925). C BHdAD

Bucher, ¨ Karl (Wilhelm), Volkswirtschaftler, Soziologe, * 16. 2. 1847 Kirberg, † 12. 11. 1930 Leipzig. Aus einer Handwerkerfamilie stammend, studierte B. in Bonn und G¨ottingen Geschichte und Philologie, sp¨ater National¨okonomie und war 1870-78 Lehrer, anschließend bis 1880 Wirtschaftsredakteur der „Frankfurter Zeitung“. 1881 habilitierte er sich an der Univ. M¨unchen f¨ur National¨okonomie und Statistik, folgte 1882 einem Ruf als Ordinarius

¨ Buchli f¨ur Statistik nach Dorpat und lehrte 1883-90 an der Univ. Basel, dann an der TH Karlsruhe und 1892-1917 an der Univ. Leipzig, an der er das erste Zeitungswissenschaftliche Universit¨atsinstitut Deutschlands gr¨undete. Neben seinem wirtschaftswissenschaftlichen Hauptwerk Die Entstehung der Volkswirtschaft (2 Bde., 1893) schrieb B. u. a. Arbeit und Rhythmus (1896, 61924), ein Buch, das auch f¨ur die Musik- und Sportwissenschaft von Bedeutung wurde. Seine Lebenserinnerungen 1847-90 erschienen 1919. C Leb Nassau, Bd 2

Bucher, ¨ Theodor, Chemiker, * 10. 1. 1914 Oberhof (Th¨uringen), † 18. 3. 1997 M¨unchen. Der Sohn eines AEG-Generaldirektors studierte bis 1938 Chemie in M¨unchen und Berlin, nahm 1939 / 40 am Zweiten Weltkrieg teil und arbeitete unter Otto → Warburg am Kaiser-Wilhelm-Institut f¨ur Zellphysiologie in Berlin, wor er ¨ 1942 mit der Arbeit Uber die Energieausbeute bei der photochemischen Dissoziation des Kohlenoxyd-H¨amoglobins und deren Beeinflussung promoviert wurde. Nach 1945 arbeitete B. als Chemiker in der Industrie und ging 1949 an das Krankenhaus Eppendorf. Nach der Habilitation 1951 wurde er 1953 o. Prof. f¨ur Physiologische Chemie in Erlangen, 1963 in Marburg und zuletzt in M¨unchen. B. war Pr¨asident der Gesellschaft f¨ur Biologische Chemie, seit 1963 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und seit 1968 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bekannt wurde B. bereits 1941 durch seine Erstbeschreibung des nach ihm benannten B¨ucher-Enzyms. Er besch¨aftigte sich auch mit der Stoffwechselregulation und entwarf das Eppendorf-Photometer und die EppendorfPipette. B. gab u. a. Inhibitors. Tools in cell research (mit Helmut Siels, 1969), Genetics and biogenesis of chloroplasts and mitochondria (mit Walter Neupert u. a., 1976) und Biological chemistry of organelle formation (mit Walter Sebald und Hanns Weiss, 1980) heraus. 1974 erhielt er die OttoWarburg-Medaille. C Jb BAW 1997

Bucherl, ¨ Emil S(ebastian), Chirurg, * 6. 11. 1919 Furth im Wald, † 28. 6. 2001 Berlin. B., Sohn eines Beamten, studierte an den Universit¨aten M¨unchen, Rom und Heidelberg Medizin, wurde 1944 pro¨ moviert (Uber die arterioven¨osen Anastomosen und ihre Bedeutung) und arbeitete dann an der Chirurgischen Universit¨atsklinik Heidelberg, seit 1945 am St¨adtischen Krankenhaus in Amberg. 1948 zun¨achst in M¨unchen, dann in G¨ottingen t¨atig, ging er 1951 nach Stockholm und kehrte 1952 an die chirurgische Universit¨atsklinik nach G¨ottingen zur¨uck. ¨ 1955 habilitierte er sich in G¨ottingen (Uber ein k¨unstliches Herz-Lungensystem) und ging 1957 als Privatdozent an die Freie Univ. Berlin, wo er 1962 apl., 1968 o. Prof. und Klinik¨ direktor wurde. 1964-68 war B. außerdem Arztlicher Direktor des St¨adtischen Krankenhauses in Berlin-Neuk¨olln. B., der 1957 die erste Operation am offenen Herzen in Deutschland vornahm und als ein herausragender Experte der Herzund Kreislauf-Chirurgie galt, widmete sich seit 1962 vor allem der Entwicklung eines k¨unstlichen Herzens. Er ver¨offentlichte u. a. Lunge und kleiner Kreislauf (1957) und Der postoperative Verlauf (1968).

Buchi, ¨ Albert, schweizer. Historiker, * 1. 6. 1864 Frauenfeld, † 14. 5. 1930 Freiburg (Schweiz). B. studierte Geschichte und Germanistik in Basel, M¨unchen und Berlin, habilitierte sich 1889 an der Univ. Freiburg (Schweiz) und wurde dort 1891 o. Prof. f¨ur schweizer. Geschichte. 1893 gr¨undete er den Deutschen Geschichtsforschenden Verein des Kantons Freiburg, dessen Pr¨asident er wurde. Seit 1907 gab er gemeinsam mit Johann Peter → Kirsch die „Zeitschrift f¨ur schweizerische Kirchengeschichte“ heraus. B. trat vor allem als Editor und Historiograph des Kardinals Matth¨aus → Schiner hervor. Er gilt

als F¨orderer der schweizer. kath. Geschichtsforschung und C Weber schrieb u. a. Der selige Bruder Klaus (1917).

Buchi, ¨ Alfred, schweizer. Ingenieur, * 11. 7. 1879 Winterthur, † 27. 10. 1959 Winterthur. Nachdem B. 1905 sein erstes Patent u¨ ber die Nutzung der Abgasenergie von Dieselmotoren zum Antrieb eines Verdichters der Absaugluft anmeldet hatte, begannen schweizer. und ausl¨andische Firmen, Versuche mit Großdieselmotoren durchzuf¨uhren. 1926 ließ er sich das sogenannte „Stoßverfahren“ patentieren und gr¨undete gemeinsam mit Brown-Boveri (Baden) und der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (Winterthur) das B¨uchiSyndikat f¨ur die weltweite Vermarktung seiner Patente und Forschungsergebnisse. Seit 1934 wurden bei → Saurer in Arbon Versuche mit B¨uchi-Abgasturboladern an LastwagenDieselmotoren durchgef¨uhrt. B. gr¨undete 1935 ein eigenes Unternehmen f¨ur Forschung, Beratung und Lizenzen; das von ihm entwickelte Prinzip fand weltweit bei Hochleistungsdieselmotoren Anwendung. Buchi, ¨ Jakob, schweizer. Ingenieur, * 6. 3. 1879 Henau (Uzwil, Kt. St. Gallen), † 12. 5. 1960 Z¨urich. B., Sohn eines Fabrikanten, schloß 1902 sein Studium am Z¨uricher Polytechnikum als Bauingenieur ab und arbeitete anschließend am Rheinauer Kraftwerk. Im Auftrag der Aluminium-Industrie AG wirkte er seit 1906 am Bau eines Werks in Chippis mit, dessen Direktor er wurde. 1913 machte sich B. in Z¨urich mit einem Ingenieurb¨uro selbst¨andig, das er 1929 in die Hydraulik AG umwandelte. 1936-43 leitete er das schweizer. Komitee der Weltkraftkonferenz. Technische Innovationen B.s wurden besonders in Wasserkraftwerken angewandt, f¨ur die er neue Methoden der Entsandung entwickelte. C HLS Buchi, ¨ Jakob, schweizer. Pharmazeut, * 25. 7. 1903 Bischofszell (Kt. Thurgau), † 10. 9. 1986 Flims. B. studierte an der ETH Z¨urich (Promotion 1929), habilitierte sich dort 1931 und wurde 1936 zum a. o. Prof. der Pharmazie ernannt. 1943 u¨ bernahm er die Leitung der wissenschaftlichen Forschungsabteilung einer Berner Privatfirma und wurde im folgenden Jahr o. Prof. der pharmazeutischen Chemie und Direktor des Pharmazeutischen Instituts an der ETH Z¨urich. B.s wissenschaftliches Interesse galt u. a. Problemen der Arzneimittelpr¨ufung, der Chemie der Naturstoffe und lokalan¨asthetischen Wirkstoffen. 1955-73 war er Pr¨asident der Eidgen¨ossischen Pharmakop¨oe-Kommission zur Herausgabe der Pharmacopoea Helvetica VI (1972) sowie Mitglied der Europ¨aischen Pharmacop¨oe-Kommission; als eines seiner Hauptwerke gilt Grundlagen der Arzneimittelforschung und der synthetischen Arzneimittel (1963). Buchler, ¨ Adolf Abraham, j¨udischer Theologe, Historiker, * 18. 10. 1867 Priekopa (Ungarn), † 20. 2. 1939 London. B. studierte seit 1887 Theologie und Philosophie an den Univ. Budapest, Breslau und Leipzig (Promotion 1890), erwarb 1892 das Rabbinerdiplom und verbrachte ein Studienjahr in Oxford. 1893-1906 lehrte er j¨udische Geschichte, Bibel und Talmud am J¨udisch-Theologischen Seminar in Wien und folgte anschließend einem Ruf als Rektor und Prof. an das Jews College nach London. Seit der Gr¨undung der Jerusalemer Univ. 1925 geh¨orte B. dem Kuratorium des dortigen Judaistischen Instituts an; er arbeitete vor allem u¨ ber Religionsgeschichte und Talmud-Forschung und ver¨offentlichte u. a. Die Priester und der Cultus im letzten Jahrzehnt des Jerusalemer Tempels (1895). C Lex dt-j¨ud Autoren Buchli, ¨ Werner, schweizer. Maler, * 8. 4. 1871 Lenzburg, † 11. 12. 1942 Lenzburg. Nach Studien in Deutschland war B. zehn Jahre lang Zeichner anatomischer Pr¨aparate an der Univ. Basel und als solcher Mitarbeiter J. → Kollmanns an der Plastischen Anato-

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¨ Buchmann mie f¨ur K¨unstler (1901). Dar¨uber hinaus schuf er haupts¨achlich Wandbilder in Fresco- oder Sgrafitto-Technik, darunter die Darstellungen historischer Ereignisse am GemeindeC AKL schulhaus in Lenzburg (1904).

Buchmann, ¨ (August Methusalem) Georg, Philologe, * 4. 1. 1822 Berlin, † 24. 2. 1884 Berlin. B. studierte zun¨achst Theologie, sp¨ater Philologie und Arch¨aologie an der Univ. Berlin, wurde 1845 in Erlangen promoviert, hielt sich kurze Zeit in Frankreich auf und kam als Lehrer nach Brandenburg / Havel; 1854-77 war er Lehrer an der Friedrich-Werderschen Gewerbeschule in Berlin. Er besaß umfangreiche Sprach- und Literaturkenntnisse und befaßte sich, angeregt durch Arbeiten der englischen und franz¨osischen Literatur, mit deutschen Zitaten. Seine Gefl¨ugelten Worte erfuhren zahlreiche (zun¨achst j¨ahrliche) Neuauflagen (31. Auflage zum 100j¨ahrigen Jubil¨aum 1964). C NDB B. wurde 1872 zum Prof. ernannt.

Buchner, ¨ Andreas Elias, Mediziner, * 9. 4. 1701 Erfurt, † 29. 7. 1769 Halle. Nach dem Studium in Halle und Leipzig wurde B. 1721 promoviert (De atrocissimo sequioris sexus flagello sive passione hysterica); er habilitierte sich in Erfurt, wurde 1726 Physikus in Rudolstadt und kehrte 1729 als a. o. Prof. nach Erfurt zur¨uck. Seit 1737 Ordinarius, wechselte er 1744 in gleicher Position nach Halle und wurde sp¨ater zum Geheimen Medizinalrat ernannt. B. war langj¨ahriger Pr¨asident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (Mitglied wurde er 1726), deren Bibliothek und Sammlungen er von N¨urnberg nach Erfurt verlegte und in deren Abhandlungen er zahlreiche Studien publizierte. Er ver¨offentlichte u. a. Angenehme und n¨utzliche Nachrichten von Physicalund Medicinalischen, auch dahin geh¨origen Kunst- und Literatur-Geschichten (1727), Miscellanea physico-medicomathematica [. . .] (4 Bde., 1731-34) sowie eine Abhandlung von einer besonderen und leichten Art, Taube h¨orend zu ma¨ 1 C Arzte chen (1759). Buchner, ¨ (Johann) August Wilhelm, Chemiker, * 13. 6. 1790 Pegau (Sachsen), † 23. 9. 1849 Mainz. B. legte 1815 vor dem Darmst¨adter Medizinalkollegium die Apothekerpr¨ufung ab und u¨ bernahm die Leitung der K¨usterschen Apotheke in Groß-Umstadt. 1818 erwarb er die L¨owenapotheke in Mainz, die er bis an sein Lebensende leitete. B. ver¨offentlichte eine Reihe von Beobachtungen und Entdeckungen aus seiner chemischen Praxis, wurde 1825 vom Apothekerverein f¨ur das n¨ordliche Deutschland zum Ehrenmitglied ernannt und war selbst Mitbegr¨under berufsst¨andischer Vereinigungen in Hessen. Seit 1830 Wirklicher Medizinalassessor beim Medizinalkollegium in Mainz, wurde er bald darauf Lehrer an der dortigen Realschule und hielt 1831-39 j¨ahrlich o¨ ffentliche Vorlesungen. Er schrieb u. a. Neueste Entdeckungen u¨ ber die Gerbs¨aure [. . .] (1833). C Hess Bio, Bd 2 Buchner, ¨ (Adolf) Emil, Komponist, Dirigent, * 7. 12. 1826 Osterfeld bei Naumburg, † 8. 6. 1908 Erfurt. Am Leipziger Konservatorium ausgebildet, wurde B. 1865 / 66 Hofkapellmeister in Meiningen und war 1882-98 Leiter des Sollerschen Musikvereins in Erfurt. Er komponierte zahlreiche Opern, Symphonien, Kammermusik und Chorwerke, darunter Wittekind (1890). Buchner, ¨ Franz, Pathologe, * 20. 1. 1895 Boppard, † 9. 3. 1991 Freiburg / Breisgau. Der einer rheinischen Lehrerfamilie entstammende B. studierte in Straßburg, M¨unster, Heidelberg und Gießen, war seit 1922 Mitarbeiter von Ludwig → Aschoff in Freiburg und

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wurde 1925 promoviert (Die Bedingungen der Gallensekretion). 1927 habilitierte er sich mit der Arbeit Die Histologie der peptischen Ver¨anderungen und ihrer Beziehungen zum Magenkarzinom. 1933 wurde er Direktor des Pathologischen Instituts am Krankenhaus in Berlin-Friedrichshain („HorstWessel-Krankenhaus“) und 1936 Nachfolger Aschoffs in Freiburg (bis 1963). Er leistete auf vielen Gebieten der Biomedizin Pionierarbeit, geh¨orte zu den Wegbereitern der Kardiologie und legte richtungweisende Untersuchungen zur Embryologie der Wirbeltiere vor. In seiner Rektoratsrede vom 18. 11. 1941 prangerte er die nationalsozialistische Euthanasiepraxis an. B. war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften und Akademien, u. a. seit 1952 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, sowie Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft f¨ur Kreislaufforschung und der Deutschen Gesellschaft f¨ur Pathologie. Er gab das Lehrbuch Allgemeine Pathologie (1950, 61975) und das Handbuch der allgemeinen Pathologie (11 Bde., 1955-77) heraus. Ferner ver¨offentlichte er Die Koronarinsuffizienz (1939, span 1942), Der Eid des Hippokrates. Die Grundgesetze der a¨ rztlichen Ethik (1945), Spezielle Pathologie (1955, 71986) und Vom geistigen Standort der modernen Medizin (1957). Zu seinen autobiographischen Publikationen geh¨oren Pl¨ane und F¨ugungen (1965) und Der Mensch ¨ in der Sicht moderner Medizin (1985). 2, 3 C Arzte

Buchner, ¨ Fritz, Journalist, * 24. 8. 1895 Offenbach / Main, † 8. 8. 1940 Kremsier (M¨ahren). Nach dem Abitur Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, nahm B., Sohn eines Klassischen Philologen, zuletzt 1918 an den K¨ampfen im Baltikum teil und absolvierte nach Kriegsende ein journalistisches Volontariat bei der „Hessischen Landeszeitung“. 1925 / 26 Mitarbeiter der „M¨unchner Neuesten Nachrichten“, war er 1928-33 als Nachfolger Fritz → Gerlichs Chefredakteur der Tageszeitung. Im Kreis um Erwein von → Aretin u. a. bem¨uhte sich B. um die Wiederherstellung der bayerischen Monarchie, durch die er sich eine effektive Bek¨ampfung des als gef¨ahrlich erkannten Nationalsozialismus erhoffte. 1933 verhaftet, mußte er nach seiner Entlassung Bayern verlassen und wurde 1935 Lektor, 1937 Verlagsleiter der Frankhschen Verlagshandlung in Stuttgart. B. ver¨offentlichte u. a. Was ist das Reich? (1932) und 100 Jahre Geschichte der MAN (1940). C NDB Buchner, ¨ (Carl) Georg, Schriftsteller, * 17. 10. 1813 Goddelau (heute Riedstadt, bei Darmstadt), † 19. 2. 1837 Z¨urich. Aufgewachsen ist B. in der großherzoglichen Residenz Darmstadt, wohin sein Vater 1816 als Amts- und Stadtchirurg versetzt wurde; hier besuchte er von 1825 bis 1831 das humanistische Gymnasium. Anschließend studierte er vier Semester Medizin und Naturwissenschaften in Straßburg, wo Verwandte seiner Mutter lebten. Der Aufenthalt gab ihm Gelegenheit, gesellschaftliche Prozesse in einem gegen¨uber seiner hessischen Heimat fortgeschrittenen politischen System u¨ ber einen l¨angeren Zeitraum hinweg zu verfolgen. B. erlebte in der els¨assischen Metropole modellhaft die wachsende Macht eines neuen „Geldaristokratismus“ und war u¨ berzeugt, damit einen Blick in Deutschlands Zukunft getan zu haben, sofern es dort nicht gelang, die Interessen der „niederen Volksklassen“ gegen den Egoismus der liberalen Bourgeoisie durchzusetzen. Beziehungen zu franz¨osischen Republikanern oder deutschen politischen

¨ Buchner Fl¨uchtlingen lassen sich nur indirekt belegen; nachgewiesen sind Kontakte zu Medizin- und Theologiestudenten, bei deren Zusammenk¨unften in der Verbindung „Eugenia“ B. radikale republikanische Positionen vertrat. Von Straßburg aus erlebte er Anfang April 1833 den „Frankfurter Wachensturm“, einen republikanischen Putschversuch radikaler Intellektueller am Sitz der Deutschen Bundesversammlung, der zahlreiche Verhaftungen zur Folge hatte. B. kommentierte die Vorg¨ange auf zugleich distanzierende und solidarische Weise in einem Brief an die Familie. Er hatte in Frankreich, nicht zuletzt unter dem Eindruck des Aufstands der Seidenweber in Lyon, gelernt, „daß nur das Bed¨urfnis der großen Masse Um¨anderungen herbeif¨uhren“ konnte und „alles Bewegen und Schreien der Einzelnen“ dagegen „vergebliches Torenwerk“ war. Im August 1833 kehrte B. aus Straßburg zur¨uck, um sein Studium Ende Oktober an der Landesuniversit¨at Gießen fortzusetzen. Unter dem Eindruck anhaltender polizeilicher Verfolgungen und emp¨orender politisch-sozialer Verh¨altnisse gerade im agrarisch gepr¨agten Oberhessen („Das arme Volk schleppt geduldig den Karren, worauf die F¨ursten und Liberalen ihre Affenkom¨odie spielen“; Brief vom 9. 12. 1833) formierte B. aus dem Kreis der bis April 1834 wegen Beteiligung oder Mitwisserschaft am „Frankfurter Wachensturm“ inhaftierten Studenten und Handwerker und unter Mitwirkung radikaler Burschenschafter gemeinsam mit seinem Freund August Becker (1812-1871) eine revolution¨are Geheimorganisation, die zeitweise den Namen „Gesellschaft der Menschenrechte“ f¨uhrte. Ansatzpunkt f¨ur die revolution¨are „Bearbeitung des Volks“ waren nach B.s Ansicht Flugschriften, mit denen einerseits „die Stimmung des Volks und des deutschen Revolution¨ars“ erforscht, andererseits zum Aufstand ermutigt werden sollte. Zu Becker sagte er: „Soll jemals die Revolution auf eine durchgreifende Art ausgef¨uhrt werden, so kann und darf das bloß durch die große ¨ Masse des Volkes geschehen, durch deren Uberzahl und Gewicht die Soldaten gleichsam erdr¨uckt werden m¨ussen. Es handelt sich also darum, die große Masse zu gewinnen, was vorderhand nur durch Flugschriften geschehen kann.“ Nach Absprache mit Friedrich Ludwig → Weidig, dem f¨uhrenden Oppositionellen in Oberhessen, entstand B.s Entwurf des von Weidig sp¨ater so betitelten und stark bearbeiteten „Hessischen Landboten“. Am 3. 7. 1834 war B. unter den Delegierten der politischen Opposition aus dem Großherzogtum und dem Kurf¨urstentum Hessen, als diese auf der Ruine Badenburg bei Lollar an der Lahn einen konspirativen u¨ berregionalen „Preßverein“ gr¨undeten und den Druck und Vertrieb des „Hessischen Landboten“, freilich in Weidigs abgeschw¨achter Version, als einer Musterflugschrift f¨ur die „niederen Volks-Klassen“ beschlossen. Aufgrund der Denunziation eines Lockspitzels gelang den Beh¨orden die Verhaftung eines studentischen Emiss¨ars, der am 1. August versucht hatte, u¨ ber 100 Exemplare des frisch gedruckten „Landboten“ nach Gießen einzuschleusen; Haftbefehle und Haussuchungen folgten. Auf die vom Darmst¨adter Hofgericht bereits angeordnete Festnahme B.s verzichtete der Untersuchungsrichter lediglich aus taktischen Gr¨unden. W¨ahrend die Verbreitung des „Hessischen Landboten“ im Raum Marburg-Gießen-Butzbach allm¨ahlich in Gang kam – im November wurde sogar eine zweite, erweiterte und tendenziell erneut abgeschw¨achte Auflage in Marburg gedruckt und anschließend verbreitet –, reorganisierte der vom Vater nach Darmstadt zur¨uckbeorderte B. die dortige, von ihm im April 1834 gegr¨undete Sektion der „Gesellschaft der Menschenrechte“, die sich bis Anfang 1835 an den (nicht realisierten) Projekten des Badenburger „Preßvereins“ beteiligte: Anschaffung einer Druckpresse, Gefangenenbefreiung und Fluchthilfe.

B. war es nicht gelungen, sich im Kreis der hessischen Opposition mit seinem „der P¨obelherrschaft allzu g¨unstigen“ Konzept eines Massenaufstands, einer kompromißlosen Umw¨alzung der bestehenden Unrechtsordnung, durchzusetzen. Unter dem Eindruck dieser Erfahrungen und nach gr¨undlichen Quellenstudien schrieb er das Revolutionsdrama Danton’s Tod. Sein „dramatischer Versuch“ demonstrierte am Modell der Fraktionsk¨ampfe unter den Pariser Jakobinern Anfang 1794 Probleme, Illusionen und Grenzen der b¨urgerlichen (rein politischen) Revolution, welche die Gleichheit aller zwar postuliert, aber die b¨urgerlichen Eigentumsverh¨altnisse als Grundlage der Ungleichheit unangetastet l¨aßt: Das Volk hungert weiter. Nachdem B. im Februar 1835 die Vorladung eines Untersuchungsrichters erhalten hatte, tauchte er einige Tage unter und floh Anfang M¨arz nach Straßburg, wo er zun¨achst mit den Papieren eines els¨assischen Weinkellners lebte, ehe er im Herbst eine regul¨are Aufenthaltsgenehmigung erhielt. Im Straßburger Exil u¨ bersetzte B. f¨ur Johann David → Sauerl¨anders Verlag, der auch Danton’s Tod ver¨offentlicht hatte, zwei Dramen Victor Hugos; Brotarbeiten, die ihm – wie der Danton – bescheidene 100 Gulden Hono¨ rar einbrachten. B.s Ubersetzungen sind drastischer, lakonischer, aber auch subtiler als das Original; das Pathos der franz¨osischen Schauerromantik wurde hier auf ein Minimum reduziert. Im Sommer und Herbst 1835 entstand eine „Novelle“ u¨ ber den Aufenthalt des Sturm-und-Drang-Dichters Jakob Michael Reinhold → Lenz bei dem philanthropischen Pfarrer Johann Friedrich → Oberlin im els¨assischen Steintal, in der B. durch die mitempfindende Darstellung einer schizophrenen Psychose und die am Rande formulierten Grunds¨atze ¨ seiner anti-idealistischen Asthetik literarisches Neuland betrat. Doch die Novelle blieb unvollendet. Statt dessen setzte B. seine bereits in Gießen begonnenen philosophischen Studien fort. Als Thema einer Dissertation w¨ahlte er jedoch einen naturhistorischen Gegenstand: F¨ur seine Abhandlung u¨ ber die Nerven der Flußbarbe im Vergleich mit anderen Wirbeltierarten verlieh ihm die Philosophische Fakult¨at der Univ. Z¨urich im Herbst 1836 die Doktorw¨urde. Im Laufe des Jahres 1836 entstanden parallel zwei weitere Dramen. Zun¨achst als Beitrag zum Lustspielwettbewerb des renommierten Cotta-Verlags vorgesehen war die Kom¨odie Leonce und Lena, in der B. sein politisches Programm, verdeckter als im Danton und mit satirischem Gestus, konsequent weiterf¨uhrte. Unpathetisch und mit u¨ berlegenem Spott demonstrierte er die fragw¨urdige Legitimit¨at des Systems, das er schon im „Hessischen Landboten“ attackiert hatte. Ohne daß er seine Hoffnung auf eine Selbstbefreiung der Ausgebeuteten jemals aufgegeben h¨atte, war f¨ur B., als er das Lustspiel schrieb, die M¨oglichkeit einer Revolution von unten in weite Ferne ger¨uckt. So zeigte er in Leonce und Lena eine zwar skurrile und ersch¨opfte, zugleich aber stabile Welt des Sp¨atabsolutismus. Dramatisches Gegenst¨uck zu dem mit der schwarzen Tinte des Hasses geschriebenen „h¨ofischen“ Lustspiel ist die soziale Trag¨odie Woyzeck, von der nur titellose Fragmente u¨ berliefert sind. Es ist nicht die erste deutsche Sozialtrag¨odie, aber der Stadtsoldat Franz Woyzeck ist die erste subb¨urgerliche Hauptfigur in der Geschichte des europ¨aischen Dramas. War schon die Stoffwahl revolution¨ar, so gilt dies erst recht f¨ur den Verzicht auf die u¨ bliche hohe Trag¨odiensprache. Woyzeck ist mit einer Schlichtheit geschrieben, zu der nur ein Autor f¨ahig war, der seine Bravour bereits bewiesen hatte. Die Dichtungssprache folgt einem Ideal der Einfachheit; auch dramaturgisch, im Bau und Arrangement der Einzelszenen, verzichtete B. auf jedes Pathos. Die Nachricht von einem weiteren Drama, in dessen Mittel-

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¨ Buchner punkt der Renaissanceautor Pietro Aretino gestanden haben soll, ist unter Umst¨anden nur Legende. Mit dem unsicheren Status eines politischen Asylanten versehen, siedelte B. im Oktober 1836 nach Z¨urich u¨ ber. Von den dortigen Professoren um den bedeutenden Naturforscher Lorenz → Oken gef¨ordert und seit einer Probevorlesung als Privatdozent zugelassen, lehrte B. im Wintersemester 1836 / 37 Vergleichende Anatomie. Mitten in einer Phase produktivster Anstrengung fiel er einer Typhusinfektion zum Opfer. WEITERE WERKE: Gesammelte Werke. Erstdrucke und Erstausgaben in Faksimiles. Hrsg. v. Thomas M. Mayer. 10 Bde., Frankfurt / Main 1987. – Werke und Briefe. Hrsg. v. Karl P¨ornbacher / Gerhard Schaub / Hans-Joachim Simm / Edda Ziegler. M¨unchen 92002. – Briefe. Kritische Studienausgabe. Hrsg. v. Jan-Christoph Hauschild. Basel 1994. – S¨amtliche Werke, Briefe und Dokumente. Hrsg. v. Henri Poschmann. Bd. 1-2. Frankfurt / Main 1992-99. – S¨amtliche Werke und Schriften. Historisch-kritische Ausgabe. Hrsg. v. Burghard Dedner und Thomas M. Mayer. Darmstadt 2000 ff. LITERATUR: G. B. Jahrbuch. Frankfurt / Main (dann T¨ubingen) 1981 ff. – G. B. Revolution¨ar, Dichter, Wissenschaftler. Basel, Frankfurt / Main 1987 (Ausstellungskatalog). – Burghard Dedner / G¨unter Oesterle (Hrsg.): Zweites Internationales G. B. Symposium 1987. Referate. Frankfurt / Main 1990. – Interpretationen. G. B.: Dantons Tod, Lenz, Leonce und Lena, Woyzeck. Stuttgart 1990. – Jan-Christoph Hauschild: G. B. Biographie. Berlin 1993. – Terence M. Holmes: The rehearsal of revolution. G. B.’s politics and his drama Dantons Tod. Bern 1995. – G. B. und die Moderne. Texte, Analysen, Kommentar. Hrsg. v. Dietmar Goltschnigg. 3 Bde., Berlin u. a. 2001-04. – Jean-Louis Besson: Le Th´eaˆ tre de G. B. Un jeu de masques. Belfort 2002. – ¨ Jan-Christoph Hauschild: G. B. Uberarb. und erw. Neuausg. Reinbek 2004. Jan-Christoph Hauschild

Buchner, ¨ Georg, Unternehmer, * 8. 6. 1862 Darmstadt, † 11. / 12. 9. 1944 Darmstadt. Der Sohn Ludwig → B.s studierte Philologie in Straßburg, Berlin und Gießen, war zwei Jahre Lehrer in Darmstadt und trat 1891 als Gesch¨aftsf¨uhrer in den eisenverarbeitenden Betrieb seines Schwiegervaters ein. B. war langj¨ahriger Vorsitzender des Verbandes der Metallindustriellen und des Bundes der Arbeitgeber-Verb¨ande f¨ur Hessen und Hessen-Nassau sowie Vorstandsmitglied mehrerer nationaler Verb¨ande; 1919-28 war er als Abgeordneter der Demokratischen Partei Mitglied des Hessischen Landtags. B. kam bei einem schweren Bombenangriff, bei dem Darmstadt v¨ollig zerst¨ort wurde, ums Leben. Buchner, ¨ Gottfried, Pseud. Christian Bibelmann, Ferromontani, Gottfried Wackermann, evang. Theologe, * 1701 Riedersdorf, † 1780 Querfurt. Seit 1718 Theologiestudent in Jena, erlangte B. 1724 den Magistergrad, habilitierte sich dort 1725 und wurde sp¨ater Rektor der Stadtschule in Querfurt. Bekannt wurde er durch seine erstmals 1740 erschienene Biblische Real- und VerbalHand-Concordanz [. . .], die sp¨ater zahlreiche Auflagen erC RE fuhr. Buchner, ¨ Johann Gottfried Sigmund Albert, Jurist, * 13. 10. 1754 Frankfurt / Main, † 9. 11. 1821 Gießen. B. studierte in Jena und G¨ottingen Rechtswissenschaften und hielt dort nach der Promotion 1779 Vorlesungen. 1781 folge er einem Ruf als o. Prof. der Rechte und Beisitzer der Juristenfakult¨at nach Gießen, wurde 1788 kaiserlicher Pfalzgraf und 1806 großherzoglich-hessischer Geheimer Rat. B. vero¨ ffentlichte u. a. Beweis, daß das einem Schuldner erteilte Moratorium dem B¨urgen nichts n¨utze (1780).

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Buchner, ¨ (Johann) Karl (Eduard), Buchh¨andler, Publizist, * 13. 9. 1806 Berlin, † 14. 11. 1837 Berlin. B. war seit 1820 Lehrling einer Buchhandlung in Berlin, erwarb sich autodidaktisch umfangreiche Kenntnisse des Englischen und Franz¨osischen und publizierte sp¨ater ¨ mehrere Lehr- und Ubungsb¨ ucher zur franz¨osischen Sprache (u. a. Neues franz¨osisches Lesebuch, 1831). Seit 1834 gab er die Berliner „Literarische Zeitung“ heraus, redigierte das „Gelehrte Berlin“ und sammelte bibliographische Daten zur deutschen Literatur. B. begr¨undete den ersten Berliner Buchh¨andlergehilfenverein. C Neuer Nekr, Jg. 15 Buchner, ¨ Karl, Klassischer Philologe, * 6. 8. 1910 Gaschwitz (Sachsen), † 19. 11. 1981 Denzlingen bei Freiburg / Breisgau. B. studierte seit 1930 in Leipzig Klassische Philologie, u. a. bei Wolfgang → Schadewaldt und Karl → Reinhardt, und wurde 1935 mit Beobachtungen u¨ ber Vers und Gedankengang bei Lukrez promoviert. 1938 habilitierte er sich mit einer Arbeit u¨ ber die Andria des Terenz. Nach einer Lehrstuhlvertretung in G¨ottingen (1939) erhielt B. 1942 den Ruf auf ein Extraordinariat in Freiburg / Breisgau, das er erst 1943, schwer verwundet aus der Sowjetunion zur¨uckgekehrt, antreten konnte. 1949-76 lehrte er dort als o. Prof. f¨ur Lateinische Philologie und hatte 1948 / 49 sowie 1971 / 72 das Dekanat seiner Fakult¨at inne. B. ver¨offentlichte u. a. eine R¨omische Literaturgeschichte (1957, 51980). Als Herausgeber und Mitherausgeber war er verantwortlich f¨ur Zeitschriften und Reihen wie „Hermes“, „Hermes-Einzelschriften“ und „Zetemata“. Buchner, ¨ (Elisabeth) L(o)uise (Emma), Schriftstellerin, Frauenrechtlerin, * 12. 6. 1821 Darmstadt, † 28. 11. 1877 Darmstadt. Die Schwester Georg → B.s erwarb u¨ ber kurzen Schulbesuch hinaus autodidaktisch eine umfassende Bildung und beteiligte sich – selbst unverheiratet – an der Erziehung der Kinder ihres Bruders Ludwig → B., f¨ur die sie Weihnachtsm¨archen (1868) schrieb. In ihrem Erstlingswerk Die Frauen und ihr Beruf (1855) trat sie f¨ur bessere Bildungsund Ausbildungsm¨oglichkeiten f¨ur M¨adchen ein. Gemeinsam mit Prinzessin → Alice von Hessen-Darmstadt gr¨undete sie 1867 den gemeinn¨utzigen „Alice-Verein f¨ur Frauenbildung und -Erwerb zur F¨orderung der Frauenemanzipation“, sp¨ater einen „Alice-Bazar“. 1869 war B. Ehrenpr¨asidentin der Berliner Frauen-Konferenz und seit 1870 im „AliceLyceum“ t¨atig, wo sie Vorlesungen u¨ ber deutsche Geschichte hielt (Deutsche Geschichte von 1815-70, 1875). Als das preuß. Kultusministerium 1873 mehrere P¨adagogen um Mitarbeit bei der Neuordnung des Schulunterrichts ersuchte, erging auch an B. ein entsprechender Aufruf. Sie war Mitarbeiterin u. a. der „K¨olnischen Zeitung“, der „Augsburger Allgemeinen“ und der „Berliner Nationalzeitung“. Zu ihren Ver¨offentlichungen geh¨oren Die Frauen und ihr Beruf. Ein Buch der weiblichen Erziehung (anonym, 1856, 51884), Frauenherz (Gedichte, 1862, 31872) und Das Schloß zu Wimmis (Roman, 1864). C Killy Buchner, ¨ (Friedrich Karl Christian) Ludwig, Pseud. Karl Ludwig, Philosoph, * 28. 3. 1824 Darmstadt, † 1. 5. 1899 Darmstadt. Der Bruder von Georg (dessen Nachgelassene Schriften er 1850 herausgab) und Luise → B. studierte auf Wunsch des Vaters Medizin, ohne das fr¨uher begonnene Philosophiestudium aufzugeben, und wurde 1848 in Gießen zum Dr. med. promoviert. 1854 habilitierte er sich an der Univ. T¨ubingen und hielt Vorlesungen u¨ ber medizinische bzw. gerichtsmedizinische Themen. Nach der Ver¨offentlichung seines Erstlings- und Hauptwerks Kraft und Stoff. Empirischnaturphilosophische Studien (1855, 211904, Neuausg. 1997),

¨ Buchtger in dem er u. a. die Existenz Gottes und eines freien Willens ablehnte und das Bewußtsein auf den physischen Zustand des Gehirns zur¨uckf¨uhrte, verlor er seine Lehrerlaubnis und ließ sich als praktischer Arzt in Darmstadt nieder. Auch in Natur und Geist. Gespr¨ache zweier Freunde u¨ ber den Materialismus und u¨ ber die real-philosophischen Fragen der Gegenwart (1857, 31874, Neuausg. 1997) vertrat er atheistische und atomistische Positionen und verwarf die Trennung von Geist und Materie. Gemeinsam mit Carl → Vogt und Jacob → Moleschott (als sogenanntes materialistisches Triumvirat) trat er f¨ur die Darwinsche Theorie ein. B. geh¨orte der Ersten Internationale an und war Delegierter auf deren Kongreß in Lausanne 1867, sp¨ater Abgeordneter im Hessischen Landtag. In den siebziger Jahren unternahm er eine Vortragsreise durch die USA und gr¨undete 1881 den Deutschen Freidenkerbund. Zu B.s Ver¨offentlichungen z¨ahlen Sechs Vorlesungen u¨ ber die Darwin’sche Theorie von der Verwandlung der Arten und die erste Entstehung der Organismenwelt (1868, 51890), Der Mensch und seine Stellung in der Natur in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (1869, 31889), Der Gottesbegriff und dessen Bedeutung in der Gegenwart (1874; umgearbeitete 3. Aufl. unter dem Titel Gott und die Wissenschaft, 1897), Aus dem Geistesleben der Tiere oder Staaten und Taten der Kleinen (1876, 31880), Das k¨unftige Leben und die moderne Wissenschaft (1-21889) und Darwinismus und Sozialismus oder der Kampf ums Dasein und die moderne Gesellschaft (1894, 31910). C Killy

Buchner, ¨ Oskar (Gustav Adolf), National¨okonom, Statistiker, * 12. 3. 1879 Dresden, † 9. 6. 1943 Berlin. B. studierte National¨okonomie an den Universit¨aten M¨unchen, Straßburg und Berlin (Promotion 1903); 1906 wurde er Assistent am Statistischen Amt der Stadt Berlin, 1909 Direktor des Statistischen Amtes der Stadt Neuk¨olln und 1921 Obermagistratsrat in der Zentralverwaltung Berlin. Seit 1923 stand er dem Statistischen Amt der Stadt Berlin als Direktor vor. B. ver¨offentlichte Studien u. a. zu Wirtschaftsgeschichte sowie zu Kommunalpolitik und -statistik (Baut¨atigkeit und Wohnungsmarkt [. . .], 1918) und gab die Monatsberichte, die Mitteilungen und das Statistische Jahrbuch der Stadt Berlin heraus. Buchner, ¨ Richard, schweizer. National¨okonom, * 20. 1. 1899 Dresden, † 1. 7. 1984 Rapperswil. Nach dem Abschluß des Studiums der National¨okonomie an den Universit¨aten Leipzig, Dresden und Hamburg wurde B. 1922 Assistent am Institut f¨ur Finanzwissenschaft der Univ. Breslau, habilitierte sich dort 1925 und war seit 1929 Ordinarius f¨ur National¨okonomie an der Univ. Z¨urich. Daneben wirkte er als Vorstandsmitglied des Schweizer Sozialarchivs Z¨urich, der Sektion Z¨urich der Schweizer Vereinigung f¨ur Sozialpolitik und des Schweizer Instituts f¨ur Auslandsforschung in Z¨urich. B. war Mitherausgeber der „Mitteilungen aus dem Handelswissenschaftlichen Seminar der Univ. Z¨urich“ und der „Schweizerischen Beitr¨age zur Wirtschafts- und Sozialwissenschaft“, Mitarbeiter u. a. am Handw¨orterbuch der Staatswissenschaften, am Handbuch der Finanzwissenschaft sowie am Handbuch der Schweizerischen Volkswirtschaft und schrieb u. a. Grundfragen der Wirtschaftspolitik (1951). Buchsel, ¨ (Hermann Martin) Friedrich, evang. Theologe, * 2. 7. 1883 St¨ucken bei Potsdam, † 5. 5. 1945 Rostock. Der Enkel Karl → B.s studierte Theologie an den Universit¨aten T¨ubingen und Halle, wurde 1907 zum Lizentiaten promoviert (Die Christologie der Offenbarung) und Inspektor am Predigerseminar in Soest sowie am Tholuckkonvikt in Halle, wo er sich 1911 habilitierte (Der Begriff der Wahrheit in dem Evangelium und den Briefen des Johannes). 1916 folgte er einem Ruf als Extraordinarius nach Greifs-

wald, 1918 als Ordinarius nach Rostock. Seine Forschungen besch¨aftigten sich mit dem Neuen Testament, vor allem mit den Schriften des Johannes (u. a. Johannes und der hellenistische Synkretismus, 1928).

Buchsel, ¨ Carl (Albert Ludwig), evang. Theologe, * 2. 5. 1803 Sch¨onfeld / Uckermark, † 14. 8. 1889 Berlin. Der Pfarrerssohn studierte in Berlin Mathematik und Theologie u. a. bei August → Neander und wurde 1827 Hilfsprediger in Sch¨onwerder. 1829 kam er als Pfarrer nach Sch¨onfeld, wurde 1841 Superintendent in Br¨ussow in der Uckermark und 1846 Pfarrer an der neugegr¨undeten Matth¨auskirche in Berlin. 1853-84 war er Generalsuperintendent f¨ur die Neumark und die Niederlausitz, seit 1858 Leiter des Elisabethkrankenhauses und der Goßnerschen Missionsgesellschaft. Bekannt wurde er durch seine auf Anregung Ernst Wilhelm → Hengstenbergs ver¨offentlichten Erinnerungen eines LandC Leb Berlin 5 geistlichen (5 Bde., 1865-97).

Buchsel, ¨ Wilhelm, Milit¨ar, * 12. 4. 1848 Stralsund, † 7. 4. 1920 Stralsund. B. trat 1865 in die Marine ein, wurde 1869 Offizier, 1882 Korvettenkapit¨an und war anschließend bis 1884 Ausr¨ustungsdirektor bei der Kieler Werft; seit 1885 geh¨orte er der Admiralit¨at an. Seit 1889 Kapit¨an zur See, wurde er 1890 Vorstand der milit¨arischen Abteilung des Reichsmarineamtes, 1895 Direktor von dessen technischen Departements, 1900 Direktor des allgemeinen Marinedepartements und stellvertretender Bevollm¨achtigter zum Bundesrat. Seit 1905 Admiral, war er 1902-08 Chef des Admiralstabs der Marine. Buchtemann, ¨ Paul, Kommunalbeamter, * 21. 9. 1851 Naumburg / Saale, † 5. 10. 1914 Halensee (seit 1920 zu Berlin.) Der Sohn eines Kammergerichtsvizepr¨asidenten und Abgeordneten studierte in G¨ottingen und Berlin die Rechte, wurde 1878 Gerichtsassessor und 1879 Amtsrichter in Zehden (Neumark). 1884 wurde der politisch liberal-freisinnig eingestellte B. Stadtrat in Danzig, 1890 2. B¨urgermeister von Charlottenburg und 1894 1. B¨urgermeister von G¨orlitz. Dort entstanden w¨ahrend seiner Amtszeit bis 1906 u. a. die Gedenkhalle an der Neiße, das Neue Rathaus und das st¨adtische Elektrizit¨atswerk. 1894-1906 vertrat B. G¨orlitz im Preußischen Herrenhaus (Neue Fraktion). 1908-14 saß er im preuß. Abgeordnetenhaus, 1910-12 im Deutschen Reichstag. In diesen Parlamenten hielt er sich zur Fraktion der Fortschrittlichen Volkspartei, deren preuß. Landesvorstand C Haunfelder, Lib Abg er angeh¨orte.

Buchtger, ¨ Fritz, Komponist, * 14. 2. 1903 M¨unchen, † 26. 12. 1978 Starnberg. Nach dem Studium an der M¨unchner Akademie der Tonkunst (1923-27) bei Anton → Beer-Walbrunn, Hermann Wolfgang von → Waltershausen und Eberhard Schwickerath gr¨undete und leitete B., Sohn eines Kunstmalers und einer Generalstochter, 1927 die Vereinigung f¨ur zeitgen¨ossische Musik, Laiensing- und Spielkreise, ein Kammerorchester und mehrere Arbeiterch¨ore. 1935 hatte er mit der Chorkantate Flamme nach Stefan → George seinen ersten Erfolg, wurde 1948 Leiter des M¨unchner „Studios f¨ur Neue Musik“ und 1954 der dortigen Jugendmusikschule. Seit 1963 betreute er die Jeunesses Musicales Deutschlands und wurde 1972 Pr¨asident des Verbandes deutscher Musikerzieher und konzertierender K¨unstler. B. setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg auch mit der Zw¨olftonmusik auseinander; er trat vor allem mit Vokalwerken (u. a. Oratorien wie Die Auf¨ erstehung nach Matth¨aus, 1955) an die Offentlichkeit. C MGG

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¨ Buchting Buchting, ¨ Johann Jakob, Forstwirt, * 9. 3. 1729 Wernigerode, † 15. 3. 1799 Harzgerode. Nach praktischer Ausbildung zum F¨orster studierte B. seit 1752 an der Univ. Halle Naturwissenschaften, Metallurgie und Mathematik, war seit 1755 Landmesser und Markscheider in Bernburg und 1764-93 Forstkommissar und Bergamtsassessor in Harzgerode. Er ver¨offentlichte u. a. Geometrisch-¨okonomischer Grundriß zu einer regelm¨aßigen wirtschaftlichen Verwaltung der Waldungen (1762). C ADB Bueck, Henry Axel, Landwirt, Verbandsfunktion¨ar, * 12. 10. 1830 Bischofsburg (Ostpreußen), † 4. 7. 1916 Berlin. Nach kurzer landwirtschaftlicher Ausbildung war B., Sohn eines Arztes, Inspektor und Gutsverwalter, erwarb 1860 ein Anwesen, das er als Musterwirtschaft f¨uhrte und erhielt 1866 die Stelle des Generalsekret¨ars des Landwirtschaftlichen Zentralvereins f¨ur den litauischen und masurischen Landesteil. Seit 1873 Gesch¨aftsf¨uhrer der Nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller in D¨usseldorf, trat er 1882 in die Redaktion von „Stahl und Eisen“ ein und wurde, nachdem er f¨uhrend am Kampf um Schutzz¨olle beteiligt gewesen war, 1887 Gesch¨aftsf¨uhrer des Centralverbandes Deutscher Industrieller in Berlin. 1894-99 war er nationalliberales Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses. C NDB

Bucken, ¨ Ernst, Musikwissenschaftler, * 2. 5. 1884 Aachen, † 28. 7. 1949 Overath bei K¨oln. B., Sohn eines Fabrikdirektors, begann ein Studium der Rechtswissenschaft in Bonn, das er jedoch aufgab, um in M¨unchen Musik zu studieren. Er erhielt Klavierunterricht bei Walter → Braunfels und Anna → Hirzel-Langenhan und wurde von Walter → Courvoisier in Komposition unterwiesen. An der Univ. studierte er Musikwissenschaft (bei Adolf → Sandberger und Theodor → Kroyer), Philosophie, Germanistik und Kunstwissenschaften und wurde 1912 mit der Dissertation Anton Reicha. Sein Leben und seine Kompositionen promoviert. 1920 habilitierte sich B. an der Univ. K¨oln (Der heroische Stil in der Oper, 1924), leitete seit 1922 deren neugegr¨undetes Musikwissenschaftliches Institut und wurde 1925 a. o., 1939 o. Professor. Daneben nahm er Lehrauftr¨age an der TH Aachen (1922-25) und der Schulmusikabteilung der Musikhochschule K¨oln (1937-44) wahr. B., seit 1932 Mitglied der Zentrumspartei, seit 1933 der NSDAP, war Mitglied u. a. der Deutschen Akademie (1933) und des Staatlichen Instituts f¨ur Musikforschung (1942). Er gab das Handbuch der Musikwissenschaft (10 Bde., 1927-34) sowie das Handbuch der Musikerziehung (1931) heraus und schrieb u. a. den → Beethoven-Roman Sinfonia eroica (1947, 21948). 1940 erschien sein W¨orterbuch der Musik (2., u¨ berarb. und erg. Aufl. von Fritz → Stege→ , 1955). C MGG Bucker, ¨ Carl Clemens, Ingenieur, Unternehmer, * 11. 2. 1895 Ehrenbreitstein (heute zu Koblenz), † 3. 3. 1976 Koblenz. B., Sohn eines Generalarztes, ging nach dem Studium zur Marine, nahm als Flieger am Ersten Weltkrieg teil und war nach dem Kriegsende technischer Berater Ernst → Heinkels in Schweden. 1922 begann er in Stockholm, seine ersten eigenen Flugzeuge zu bauen, die in der schwedischen Luftwaffe eingesetzt wurden. 1932 gr¨undete er in Johannistal die B¨ucker Flugzeugbau GmbH, die sp¨ater nach Rangsdorf bei Berlin verlegt wurde. In großen Serien produzierte B. hier Doppeldecker u. a. als Schul- (B¨u 131, „Jungmann“) und Kunstflugzeuge (B¨u 133, „Jungmeister“), die in zahlreiche Staaten exportiert wurden und bis weit in die Nachkriegszeit u. a. bei der Schweizer Luftwaffe im Einsatz waren. C BBL

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Bucker, ¨ Joseph, Beamter, * 9. 2. 1927 Coesfeld, † 14. 5. 2001 Bonn. Nach der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg als Elektropraktikant t¨atig, legte B. 1946 die Reifepr¨ufung ab und studierte bis 1950 kath. Theologie in M¨unster und Bonn, 1950-53 dort auch Rechts- und Staatswissenschaften, und wurde 1956 mit der Arbeit Die Zuverl¨assigkeit von Individualgesetzen nach dem Grundgesetz promoviert. Seit 1958 Assistent im Verwaltungsdienst beim Deutschen Bundestag, war B. 1959-82 Sekret¨ar des Ausschusses f¨ur Wahlpr¨ufung, Immunit¨at und Gesch¨aftsordnung. 1982 wurde er Fachbereichsleiter Parlamentsrecht, als Ministerialdirigent Leiter der Abteilung Parlamentsdienste. 1984-91 war B. Bundestagsdirektor. Er vero¨ ffentlichte das Handbuch f¨ur die Parlamentarische Praxis (1981 ff.).

Bucking, ¨ Georg (Dietrich Jakob), Industrieller, * 14. 4. 1859 Alsfeld, † 5. 7. 1942 Alsfeld. Nach einer kaufm¨annischen Lehre und zweij¨ahriger Weiterbildung in England trat B. 1884 in die v¨aterliche Textilgroßund Manufakturwarenhandlung ein, deren Leitung er 1894 gemeinsam mit seinem Bruder u¨ bernahm. Seit 1904 stellte er in einer mechanischen Kleiderfabrik Schutzkleidung f¨ur Arbeiter her, die das Unfallrisiko verringern sollte. B. verwendete erstmals Hydronf¨arbung sowie Zweinadelmaschinen und erweiterte nach dem Ersten Weltkrieg seine Angebot um zus¨atzliche Berufs- und Sportkleidung. C NDB

Bucking, ¨ (Carl Ferdinand Bertram) Hugo, Geologe, * 12. 9. 1851 Bieber, † 18. 11. 1932 Heidelberg. B. studierte an den Univ. G¨ottingen, Leipzig und Marburg Mathematik und Naturwissenschaften (Promotion 1874, Beitrag zur Theorie der geometrischen Verwandtschaft zweiten Grades), anschließend in Gießen und Straßburg Geologie und Mineralogie und wurde 1877 Assistent am Mineralogischen Institut Straßburg, 1879 an der Geologischen Landesanstalt Berlin. Im selben Jahr habilitierte er sich an der Univ. Berlin, wurde 1881 Prof. in Kiel, 1883 Ordinarius in Straßburg und war daneben seit 1907 Direktor der Geologischen Landesanstalt von Elsaß-Lothringen. Studienreisen f¨uhrten ihn nach Griechenland (1881, 1883), Rußland (1897) und Niederl¨andisch-Indien (1898). B. ver¨offentlichte u. a. Der Nordwestliche Spessart (1892), Geologie von Elsaß-Lothringen (1899), Die nutzbaren Mineralien und Gebirgsarten im Deutschen Reiche (1906) und Geologischer F¨uhrer durch die Rh¨on (1916). C Reichshandbuch

Buckling, ¨ Karl Friedrich, Ingenieur, * 23. 8. 1756 Neuruppin, † 22. 2. 1812 Berlin. Auf Anregung des Ministers Friedrich Anton von → Heynitz kam B., Sohn eines Kaufmanns, zum Berg- und H¨uttenwesen, besuchte die Bergakademie Freiberg und bereiste 1779 zur praktischen Ausbildung Frankreich, Skandinavien und England. Als Arbeiter in der Fabrik Boulton & Watt verschaffte er sich ausreichende Kenntnisse der Wattschen Dampfmaschine. 1785 errichtete er f¨ur den Mansfelder Bergbau in Hettstedt die erste Dampfmaschine Preußens. Nachdem Betriebsschwierigkeiten aufgetaucht waren, gelang es B. w¨ahrend eines zweiten Aufenthalts in England, einen englischen Maschinenmeister nach Preußen zu verpflichten. Neben Maschinen baute B. auch Bohr- und Drehwerke und verbesserte die technischen Einrichtungen der Salinen; 1790 erhielt er die Oberleitung u¨ ber das Maschinenwesen in Preußen. C NDB

Buckmann, ¨ Robert, Dirigent, Komponist, * 24. 9. 1891 M¨onchengladbach, † 23. 12. 1965 M¨onchengladbach. B. erhielt bis 1909 Klavierunterricht am Konservatorium Gladbach und studierte anschließend bis 1914 an der K¨olner Musikhochschule. 1919-23 lehrte er am Konservatorium

¨ Buhler Gladbach, war 1923-27 Direktor des St¨adtischen Oratorienchors in Odenkirchen und wurde 1934 Kondirektor am Gladbacher Konservatorium, 1939 dessen Direktor. B. komponierte Sinfonien, Kammermusik und Lieder, darunter Aus einer Sturmnacht, neun Ges¨ange mit Orchesterbegleitung nach → Rilke. C Fellerer, 1. Folge

Budel, ¨ Julius (Karl), Geograph, * 8. 8. 1903 Molsheim, † 28. 8. 1983 W¨urzburg. B. studierte an den Universit¨aten M¨unchen und Wien, wurde im Jahr der Promotion (1928, Morphologie des Piesting- und ¨ Sierninggebietes in Nieder-Osterreich) Assistent der Bayerischen Landeswetterkarte, 1929 am Geographischen Institut der Univ. Berlin und habilitierte sich dort 1937. Daneben seit 1940 Oberregierungsrat an der Deutschen Seewarte in Hamburg, wurde er 1944 Prof. in Berlin, nach dem Zweiten Weltkrieg Sachbearbeiter am Deutschen Hydrographischen Institut in Hamburg und 1947 Prof. in G¨ottingen; 1951 folgte er einem Ruf als o. Prof. und Institutsdirektor an die Univ. W¨urzburg. Zahlreiche Reisen f¨uhrten ihn u. a. nach Afrika (1950-53). B., seit 1961 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, faßte seine Erkenntnisse zur klimabedingten Oberfl¨achengestaltung zu einem globalen System zusammen (Klima-Geomorphologie, 1977). Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Eiszeitliche und rezente Verwitterung und Abtragung im ehemals nicht vereisten Teil Mitteleuropas (1937) und Das nat¨urliche System der Geomorphologie mit kritischen G¨angen zum Formenschatz der Tropen (1971). ¨ Akad, Jg. 135 C Almanach Ost Budingen, ¨ Theodor, Mediziner, Anthroposoph, * 28. 1. 1869 Mainz, † 29. 6. 1927 Interlaken. Der ausgebildete Internist (Promotion 1897 in Freiburg / ¨ Breisgau, Uber die Bedeutung des negativen Druckes im Thorax insbes. f¨ur Lungenemphysem und Lungentuberkulose) f¨uhrte die Traubenzuckerinfusion in die Behandlung der Herzkrankheiten ein; sie wurde vor allem im von ihm gegr¨undeten Sanatorium B¨udingen in Konstanz angewendet. Die Behandlung bew¨ahrte sich auch bei der Osmotherapie. 1917 erschienen seine Ern¨ahrungsst¨orungen des Herzmuskels. Ihre Beziehungen zum Blutzucker und ihre Behandlung mit Traubenzuckerinfusionen.

Budinger, ¨ Konrad, o¨ sterr. Chirurg, * 12. 2. 1867 Z¨urich, † 20. 3. 1944 Wien. Der Sohn Max → B.s wurde noch w¨ahrend des Studiums an der Univ. Wien Volont¨ararzt Hermann → Nothnagels an der Ersten Medizinischen Klinik. Nach der Promotion 1890 Sch¨uler, seit 1892 Assistent Theodor → Billroths an der Zweiten Chirurgischen Klinik, habilitierte sich B. 1896 f¨ur Chirurgie und wurde Primararzt am Rochus- und Rudolfspital. Seit 1903 Leiter der Ersten Chirurgischen Abteilung im Wiener Allgemeinen Krankenhaus, wurde er 1909 zum Prof., 1921 zum Hofrat ernannt. B. ver¨offentlichte u. a. Ueber tabische Gelenkserkrankungen (1896), Die Einwilligung zu a¨ rztlichen Eingriffen (1905), Traumatische Knorpelverletzungen (1908) und Die Gallenblase hinter dem Ver¨ schluß der Galleng¨ange (1938). C Arzte 2, 3

Budinger, ¨ Max, Historiker, * 1. 4. 1828 Kassel, † 23. 2. 1902 Wien. B., Sohn eines Religionslehrers, studierte Philologie und Geschichte in Marburg, Bonn und Berlin u. a. bei Leopold von → Ranke, habilitierte sich 1851 in Marburg und ging noch im gleichen Jahr nach Wien, wo er Erzieher in der Familie Rothschild wurde und sich bald ausschließlich seinen Forschungen zur o¨ sterr. Fr¨uhgeschichte widmete. 1861 wurde er als Prof. der Universalgeschichte nach Z¨urich berufen und lehrte 1872-99 an der Univ. Wien. B. war einer der letzten Universalhistoriker, Mitglied u. a. der Akademie der

Wissenschaften in Wien und ver¨offentlichte u. a. Die Universalhistorie im Mittelalter (1898). Er war der Vater von C Lex dt-j¨ud Autoren Konrad → B.

Buel, ¨ Johannes, schweizer. evang. Theologe, P¨adagoge, * 12. 8. 1762 Stein / Rhein, † 7. 10. 1830 Stein / Rhein. Ohne Universit¨atsstudium bestand B. 1779 das theologische Examen vor dem Schaffhauser Kirchenrat, wurde Hauslehrer in Schaffhausen und 1784 Lehrer sowie Diakon in Hemmishofen. Seit 1799 Schulinspektor f¨ur den Bezirk Stein, war er an der Schulreform des Kantons Luzern beteiligt und wurde Kantons- und Schulrat. Durch die Vermittlung Herzog → Ernst Ludwigs von Sachsen-Gotha wurde B. 1802 Bibliothekar in Altenburg und erhielt 1804 den Titel eines Legations- und Hofrats. 1803-17 lebte er als Hauslehrer in Wien und kehrte 1829 in die Schweiz zur¨uck. B. unterhielt Beziehungen zu zahlreichen Gelehrten, u. a. mit Johannes von → M¨uller und Johann Caspar → Lavater, schuf verschiedene wohlt¨atige Schulfonds und verfaßte p¨adagogische Schriften wie das Buchstabier- und Lesebuch zum Gebrauch deutscher Schulen (1794). Bueler, ¨ Franz Michael, schweizer. Jurist, Schriftsteller, * 19. 11. 1642 Schwyz, † 28. 1. 1725 Frauenfeld (Kt. Thurgau). B., Sohn eines Landesseckelmeisters, wurde 1670 Verwalter der Komturei Hitzkirch und um 1675 Unterschreiber zu Baden. 1696-1705 war er dort als Kanzleiverweser t¨atig. Seit 1710 ist er als stellvertretender Landschreiber im Thurgau nachgewiesen. B. profilierte sich bereits w¨ahrend seiner Badener Zeit als Autor politischer und v¨olkerrechtlicher Schriften, in denen er u. a. die eidgen¨ossische Neutralit¨at behandelte, darunter Texte wie Tractatus von der Freyheit, Souverainitet und Independenz der Loblichen Dreyzehen Orthen der Eydgnossschafft (1689), Politische Artzney f¨ur Erhaltung eines jeden Fryen Stands (1691) und ein Politisch-Theologischer Tractat (1692). B.s umfassendes Compendium juris publici Helvetici entstand bereits 1696, wurde aber erst 1869 publiziert. C HLS Buff, ¨ (Georg) Ludwig, Jurist, * 22. 5. 1811 Marburg, † 8. 5. 1869 Kassel. B. studierte 1828-33 in Marburg und Heidelberg und wurde Auskultator beim Landgericht in Kassel, wo er 1838 zum Stadtgerichtsassessor und im gleichen Jahr zum Obergerichtsassessor aufstieg. Seit 1841 Staatsanwalt in Kassel, war er 1847 / 48 zweiter Landtagskommissar und wurde 1851 Obergerichtsrat, 1859 Oberappellationsgerichtsrat. 1869 war er an den Beratungen der Kommission f¨ur den Entwurf einer gemeinsamen deutschen Zivilprozeßordnung beteiligt. B. ver¨offentlichte u. a. Kurhessisches Kirchenrecht (1861).

Buhel, ¨ Hans von → Hans von B¨uhel Buhler, ¨ Adolf (I), schweizer. Unternehmer, * 11. 8. 1822 Hombrechtikon (Kt. Z¨urich), † 20. 10. 1896 Uzwil (Kt. St. Gallen). B., Sohn eines Landwirts, durchlief in Rapperswil eine Gießereilehre. Nach Wanderjahren im In- und Ausland stieg er in Graz zum Meister auf. 1860 er¨offnete er eine Eisengießerei in Uzwil, der 1871 eine mechanische Werkstatt angegliedert wurde, die zun¨achst Stickmaschinen, dann Produkte f¨ur das M¨ullereigewerbe produzierte (u. a. Hartgußwalzen, Walzenst¨uhle). Seit 1890 konnte B. Getreidem¨uhlen komplett ausstatten. In den neunziger Jahren baute er eine eigene Verkaufsorganisation auf; 1891 gr¨undete er eine Filiale in Paris und 1896 Vertretungen in Mailand und Barcelona. B. richtete eine firmeneigene Krankenkasse sowie eine F¨ursorgefonds f¨ur seine Besch¨aftigten ein. Er war der Vater von Adolf (II) → B. C Schweizer Pioniere, Bd 12

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¨ Buhler Buhler, ¨ Adolf (II), schweizer. Ingenieur, Unternehmer, * 10. 10. 1869 Uzwil (Kt. St. Gallen), † 19. 4. 1939 Uzwil. Nach dem Ingenieurstudium in Z¨urich und Karlsruhe u¨ bernahm B., Sohn von Adolf → B¨uhler-Naef, 1896 das v¨aterliche Unternehmen f¨ur M¨ullereimaschinen. Er erweiterte das Produktangebot u. a. um Nahrungsmittelverarbeitungsmaschinen und baute das Unternehmen, das seit 1901 als Kollektivgesellschaft Gebr¨uder B¨uhler firmierte, zu einem international t¨atigen Konzern aus. Daneben war Mitglied verschiedener Industrieverb¨ande des Maschinen- und Metallbaus, geh¨orte zahlreichen Verwaltungsr¨aten an und war 1897-1912 liberaler Gemeinderat, 1898-1906 Kantonsrat. C HLS

Buhler, ¨ Alfred, schweizer. Ethnologe, * 14. 1. 1900 Zug, † 29. 7. 1981 Basel. B. studierte Geographie und Ethnographie an der Univ. Basel, wo er 1928 mit der Arbeit Das Mariental im Kanton Uri promoviert wurde. Seit 1938 war Konservator am Basler Museum f¨ur V¨olkerkunde und wurde 1950 dessen Direktor. Im selben Jahr zum a. o. Prof. ernannt, erhielt er 1959 ein pers¨onliches Ordinariat an der Univ. Basel und war dort seit 1964 Inhaber des neugegr¨undeten Lehrstuhls f¨ur Ethnographie. Seit 1930 unternahm er zahlreiche Forschungsreisen, u. a. in Gebiete, die heute zu Papua-Neuguinea und Indonesien geh¨oren, sowie zu Textilhandwerksorten in Gujerat, Nord-Thailand und Japan. Er ver¨offentlichte u. a. Neuirland und Nachbarinseln (1948), Kunst der S¨udsee (1970), Kultur, Weltbild und Kunst der Balier (1976) und Indian tie-dyed fabrics (1980). B. war Obmann der Schweizer Gesellschaft f¨ur Volkskunde (1943-46) und Mitbegr¨under der Aktion Bauernhausforschung.

Buhler, ¨ Anton, Forstwirt, * 2. 1. 1848 Hauerz bei Bad Wurzach, † 1. 1. 1920 T¨ubingen. Nach dem Studium in T¨ubingen und an der Forstakademie Hohenheim 1867-69 war B. 1872-78 Assistent Franz A. G. ¨ von → Baurs in Hohenheim (Promotion 1873, Uber den Einfluß des Mineralkohlenbergbaus auf die Forstwirtschaft) und u¨ bernahm anschließend die Verwaltung eines Reviers. 1882 wurde er Prof. der Forstwissenschaft am Z¨urcher Polytechnikum, 1888 auch Leiter der dortigen Forstlichen Versuchsanstalt und folgte 1896 einem Ruf an die Univ. T¨ubingen; 1902-19 leitete er auch die W¨urttembergische Forstliche Versuchsanstalt. B. war Mitbegr¨under des Internationalen Verbandes forstlicher Versuchsanstalten und besch¨aftigte sich vor allem mit statistisch-volkswirtschaftlichen, naturwissenschaftlichen und historischen Fragen der Forstwirtschaft. Neben seinem Hauptwerk Der Waldbau (2 Bde., 1918-22) vero¨ ffentlichte er u. a. Der Wald in der Kulturgeschichte (1885) und Durchforstungsversuche (ca. 1893).

Buhler, ¨ Charlotte, nach der Emigration Buehler oder Buhler, geb. Malachowski, Psychologin, Psychotherapeutin, * 20. 12. 1893 Charlottenburg (heute zu Berlin), † 3. 2. 1974 Stuttgart. B., Tochter eines Architekten, studierte Psychologie, Philosophie, Medizin in Freiburg / Breisgau, Berlin, M¨unchen und ¨ Kiel, wurde 1917 in M¨unchen promoviert (Uber Gedankenentstehung. Experimentelle Untersuchungen zur Denkpsychologie) und habilitierte sich 1920 an der TH Dresden f¨ur Psychologie. 1923 ging sie als Dozentin an die Univ. Wien und war seit 1925 Psychologin der St¨adtischen Kinder¨ubernahmestelle, seit 1929 a. o. Prof. an der Univ. Wien. Mit ihrem Sch¨ulerkreis baute sie die sogenannte „Wiener Schule“ der Psychologie auf, deren experimentelle Untersuchungen zur Kinder- und Jugendpsychologie durch zahlreiche Ver¨offentlichungen und Gastdozenturen B.s in Europa und Amerika bekannt wurden. Von den Nationalsozialisten als J¨udin ihrer Professur enthoben, emigrierte sie, gr¨undete

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und leitete das Parents Association Institute in London und ging schließlich in die USA. In Kalifornien gr¨undete sie mit ihrem Mann Karl → B. ein Erziehungsberatungsinstitut, lehrte an mehreren Universit¨aten und praktizierte u. a. am County General Hospital in Los Angeles. 1971 nach Deutschland zur¨uckgekehrt, betrieb sie eine Privatpraxis in Stuttgart. B. gilt als Gr¨underin der Jugendpsychologie und als Mitbegr¨underin der humanistischen Psychologie. Sie vero¨ ffentlichte u. a. Das Seelenleben des Jugendlichen (1922, 6., erw. Aufl. 1967), Kindheit und Jugend. Genese des Bewußtseins (1928, 41967) und Psychologie im Leben unserer Zeit (1962). C Lex dt-j¨ud Autoren

Buhler, ¨ Christian, schweizer. Maler, * 29. 12. 1825 Bern, † 3. 2. 1898 Bern. Aus einfachen Verh¨altnissen stammend, besuchte B. nach seiner Lehrzeit als Wappenmaler f¨ur ein Semester die Kunstakademie M¨unchen und bildete sich seit 1850 anhand der reichen Sammlung alter Graphiken und Wappenb¨ucher des Glasmalers Ludwig → Stantz in Bern weiter; 1854-80 war er Konservator der o¨ ffentlichen Gem¨aldesammlungen der Stadt Bern. 1860-65 f¨uhrte er in Oberhofen zw¨olf Tafeln nach Entw¨urfen von Stantz aus; seine eigenen Arbeiten orientierten sich zun¨achst an der Gotik, sp¨ater an der Kunst der Renaissance. Neben zum Teil auf Glas u¨ bertragenen Wappenbl¨attern (u. a. des Landammanns von Aepli, 1880) schuf B. Urkunden, Gedenkbl¨atter, Exlibris sowie Entw¨urfe f¨ur Fahnen, Siegel, M¨unzen, Banknoten und Poststempel. C AKL

Buhler, ¨ Christian Friedrich Christoph von, Jurist, Historiker, * 1733 Backnang, † 27. 2. 1810 Stuttgart. B. studierte in T¨ubingen und erlangte 1754 den theologischen Magistergrad. Seit 1757 widmete er sich in Erlangen dem Studium der Rechtswissenschaft und wurde 1758 Mitglied der Gesellschaft der sch¨onen Wissenschaften in Erlangen, im folgenden Jahr der Gelehrten Gesellschaft in Altdorf. 1764-93 war B. w¨urttembergischer Regierungsrat und Oberamtmann in Kirchheim / Teck; 1768 wurde er nobilitiert. Er ver¨offentlichte neben juristischen Abhandlungen mehrere historische Werke, darunter den Kurzen Entwurf der r¨omischen K¨onige von Karl dem Großen bis auf Joseph II. (1764).

Buhler, ¨ Franz, auch Bihler, Klostername: Gregor, Komponist, * 12. 4. 1760 Unterschneidheim bei N¨ordlingen, † 4. 2. 1823 Augsburg. Seit 1770 Chorknabe in der Abtei Neresheim, studierte B., Sohn eines Lehrers, seit 1775 (oder 1777) Philosophie, Theologie und Musik in Augsburg, trat 1778 in Donauw¨orth in den Benediktinerorden ein und wurde 1784 zum Priester geweiht. Er wurde 1794 Stiftsorganist in Bozen, 1801 Domkapellmeister in Augsburg. Neben einer großen Zahl geistlicher und weltlicher Kompositionen aller Gattungen ver¨offentlichte B. die musiktheoretische Abhandlung Etwas u¨ ber Musik (1811). Mit seinen f¨ur den kirchenmusikalischen Gebrauch auf dem Land geschriebenen deutschen Singmessen trug er zur Entwicklung des romantischen Stils in Deutschland bei. C MGG

Buhler, ¨ (Johann) Georg, Indologe, * 19. 7. 1837 Borstel (Niedersachsen), † 8. 4. 1898 bei Lindau. B., Sohn eines Pfarrers, studierte in G¨ottingen Klassische, Deutsche und Orientalische Philologie, wurde 1858 promoviert (Das griechische Sekund¨arsuffix -t¯es) und war seit 1861 als Assistent an der Privatbibliothek der K¨onigin von England sowie an der Universit¨atsbibliothek G¨ottingen t¨atig. 1863 ging er als Prof. der orientalischen Sprachen an das Elphinstone College in Bombay, an dem er sp¨ater auch Geschichte lehrte. B. wurde 1868 Schulinspektor der Provinz Gujarat, sammelte und erforschte im Auftrag der Regierung Handschriften, gr¨undete mit Franz → Kielhorn 1868

¨ Buhler die „Bombay Sanskrit Series“ und erwarb zahlreiche Handschriften f¨ur westliche Bibliotheken. 1880 nach Europa zur¨uckgekehrt, folgte er einem Ruf an die Univ. Wien und gr¨undete dort das Orientalische Institut sowie die Indogermanische Gesellschaft. B. war Mitbegr¨under der „Zeitschrift f¨ur die Kunde des Morgenlandes“ und des „Grundrisses der indo-arischen Philologie und Altertumskunde“. Er ver¨offentlichte u. a. Indische Pal¨aographie von circa 350 a. Chr. – circa 1350 p. Chr. (1896). C NDB

Buhler, ¨ Gerhard, schweizer. Maler, Graphiker, * 21. 1. 1868 Igis, † 11. 2. 1940 Solothurn. B. studierte an der Kunstgewerbeschule Z¨urich, den Akade´ mien Dresden, Karlsruhe, Berlin und M¨unchen, der Ecole des Beaux-Arts in Genf sowie an der TH Charlottenburg und bildete sich in Florenz und Br¨ussel weiter. 1896-1925 war er Kunsterzieher an der Kantonsschule Solothurn sowie Mitglied des Kunstvereins und der Kunstkommission Solothurn. B. malte Genreszenen und Landschaften in Pastell (Marktplatz, 1903) und schuf Radierungen. C AKL

Buhler, ¨ Hans Adolf, Maler, * 4. 7. 1877 Steinen / Wiesental, † 19. 10. 1951 Burg Sponeck (Baden). Nach einer Maler- und Anstreicherlehre besuchte B. die Kunstgewerbeschule Karlsruhe, studierte seit 1898 an der dortigen Kunstakademie u. a. bei Hans → Thoma, unternahm mehrere Studienreisen nach Italien und lebte 1908-10 in Rom. Seit 1912 hielt er sich w¨ahrend der Sommer regelm¨aßig am Kaiserstuhl auf; in dieser Zeit wandte er sich von der Bildnismalerei ab und der Landschaftsmalerei zu. 1914 folgte er einer Berufung als Prof. an die Kunstakademie Karlsruhe und f¨uhrte gemeinsam mit seinen Sch¨ulern u. a. die Ausmalung des B¨urgersaals im Karlsruher Rathaus durch. B. war 1932-34 Direktor der Hochschule der bildenden K¨unste und der Badischen Kunsthalle in Karlsruhe. B. war in mehreren nationalsozialistischen Berufs- und Kulturorganisationen t¨atig und organisierte die Ausstellung „Regierungskunst 1919-33“, eine Vorl¨auferin der Ausstellung „Entartete Kunst“. Er malte u. a. das Bildnis der Gattin des K¨unstlers (1909) und ver¨offentlichte Das Gesetz der Farbe. Eine k¨unstlerische Farbenlehre (1930). C AKL

Buhler, ¨ Hans-Eugen, Techniker, * 18. 8. 1936 Dortmund, † 17. 2. 2004 Frankfurt / Main. B. wurde 1963 an der TH Aachen mit der Dissertation Untersuchungen u¨ ber die Korrosion im aktiven Zustand der chemisch best¨andigen Chrom- und Chrom-Nickel-St¨ahle in Schwefels¨aure promoviert und habilitierte sich dort 1974 mit ¨ der Arbeit Uber die Bildung und die Eigenschaften von sulfidischen Einschl¨ussen in allgemeinen Baust¨ahlen. 1974-87 war er Dozent an der Technischen Akademie in Esslingen, seit 1979 apl. Prof. und 1988-93 Lehrbeauftragter an der Univ. Hannover, dann Professor an der TH Aachen und Honorarprofessor der North-East University of Technology in Shenyang (China). Neben seiner beruflichen Arbeit im Bergbau und der Metallverh¨uttung sowie technikhistorischen Studien war B. 1999-2002 Mitarbeiter der „Unabh¨angigen Historischen Kommission zur Erforschung der Vergangenheit des Hauses Bertelsmann im Dritten Reich“. Er ver¨offentlichte u. a. Metallographie – Schadensfallanalyse und Werkstoffentwicklung (Hrsg., 1976), Metallographie – Techniken der Gef¨ugebeschreibung bei metallischen und keramischen Werkstoffen (Hrsg., 1981), Die Kupferschmelzen in Allenbach und ihre Verbindungen zum Fischbacher Bergbau vom Mittelalter bis 1800 (1985), Die soziale Stellung der Bergarbeiter des Mosel-Saar-Nahe-Raums im 18. Jahrhundert (mit Gerlinde Koletzki-Rau, 1987), Der Frontbuchhandel 1939-1945 (mit Edelgard B¨uhler, 2002) und Die blendenden Gesch¨afte des Matthias Lackas. Korruptionsermittlungen in der Verlagswelt des Dritten Reichs (mit Olaf Simons, 2004).

Buhler, ¨ Johann Jakob, schweizer. Unternehmer, * 20. 11. 1776 Uster (Kt. Z¨urich), † 29. 6. 1834 Kollbrunn (Gem. Zell, Kt. Z¨urich). B. war von Beruf Wagner und Zimmermann, wandte sich dann der Produktion von Maschinenteilen zu und etablierte seine Freudwiler Werkstatt als Zulieferbetrieb f¨ur Spindeln und andere Teile von Spinnst¨uhlen, u. a. f¨ur Escher-Wyss & Cie. in Z¨urich. Seit 1826 mit seinem Unternehmen J. J. B¨uhler & S¨ohne in Illnau ans¨assig, investierte B. hier in Spinnereien und gr¨undete um 1829 selbst eine Spinnerei in Turbenthal, 1831 eine weitere Werkstatt. B. verlegte 1832 schließlich Firmensitz nach Kollbrunn, wo er auch eine Großspinnerei errichtete. C HLS

Buhler, ¨ Karl (Ludwig), Psychologe, * 27. 5. 1879 Meckesheim (Baden), † 24. 10. 1963 Los Angeles. B., dessen Vater Bahnbeamter und nebenberuflich Landwirt war, studierte in Freiburg, Berlin, Straßburg und Bonn Medizin und Philosophie, wurde 1904 zum Dr. med. (Beitr¨age zur Lehre von der Umstimmung des Sehorgans) und 1905 zum Dr. phil. (Studien u¨ ber Henry Home) promoviert und habilitierte sich 1907 als Sch¨uler → K¨ulpes in W¨urzburg mit der Arbeit Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorg¨ange f¨ur Psychologie. 1909 folgte er K¨ulpe nach Bonn und habilitierte sich dorthin um. 1913 wurde er a. o. Prof. in M¨unchen. B. nahm als Milit¨ararzt am Ersten Weltkrieg teil, wurde 1918 o. Prof. f¨ur Philosophie und P¨adagogik an der TH Dresden, 1922 f¨ur Psychologie an der Univ. Wien und gr¨undete im selben Jahr das Psychologische Institut der Stadt Wien, wo er gemeinsam mit seiner Frau Charlotte → B. eine intensive Lehr- und Forschungst¨atigkeit ¨ entfaltete. Nach dem „Anschluß“ Osterreichs 1938 verhaftet und in den Ruhestand versetzt, emigrierte er u¨ ber Norwegen und Großbritannien 1940 in die USA. 1940-45 lehrte er als Prof. am College von St. Scholastika in Duluth (Minnesota) und am St. Thomas College in St. Paul (Minnesota), war 1945-55 Prof. der Psychiatrie an der University of Southern California in Los Angeles, Psychologe am dortigen Cedars of Lebanon Hospital und f¨uhrte eine Gemeinschaftspraxis mit seiner Frau. Stark beeinflußt von → Husserl und der Gestalttheorie, verstand B. die Psychologie als eine biologische Wissenschaft und sah in der Sprache ein Instrument zur Verhaltenssteuerung. Als Mitglied des Kreises Prager Linguisten war er maßgeblich an der Entwicklung der Phonologie als wissenschaftlicher Disziplin beteiligt. Mit seiner Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache (1934, 2 1965; Nachdr. 1999, engl. 1990) gab B., u. a. durch die Unterscheidung von Ausdruck, Darstellung und Appell als drei sprachlichen Funktionen (Organon-Modell) und das Primat der Pragmatik, entscheidende Anregungen f¨ur die Entwicklung der Linguistik, Semiotik und Sprachphilosophie. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen Die geistige Entwicklung des Kindes (1918, 61930), Abriß der geistigen Entwicklung des Kindes (1919; 91967, mit Lotte Schenk-Danzinger, engl. 1930, Nachdr. 1999), Die Krise der Psychologie (1927, 4 1978,Neuausg. 2000), Ausdruckstheorie. Das System an der Geschichte aufgezeigt (1933, 21968) und Das Gestaltprinzip C IGL im Leben des Menschen und der Tiere (1960).

Buhler, ¨ Michael, schweizer. Politiker, Redakteur, * 5. 10. 1853 Tenna (Kt. Graub¨unden), † 6. 2. 1925 Bern. Der Sohn eines Bergbauern studierte 1875-79 in Leipzig, Berlin und Bern Rechtswissenschaften, war bis 1882 als Anwalt in Chur t¨atig und wurde im selben Jahr an der Univ. Bern zum Dr. jur. promoviert (Das b¨undnerische Erb- und eheliche G¨uterrecht nach seinen Quellen). Seit 1882 war B. Redakteur, sp¨ater Chefredakteur der Zeitung „Der Bund“ und Mitinhaber des Verlagsunternehmens. Er wurde Pr¨asident des Vereins der Schweizer Presse und habilitierte sich f¨ur Zeitungswesen an der Univ. Bern. Seit 1882 B¨undner

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¨ Buhler Großrat, war er 1909 / 10 Berner Stadtrat, 1910-14 Berner Großrat und geh¨orte 1911-17 dem Nationalrat an. F¨ur die Berner Freisinnigen verfaßte er 1909 ein Parteiprogramm und ver¨offentlichte u. a. Die Berufsbildung des Journalisten C HLS (1901).

mit Helium erreicht wurde. B. ver¨offentlichte u. a. Physiologie und Pathophysiologie der Atmung (mit Paul Henri Rossier und Klaus Wiesinger, 1958) und Der Weg in die Tiefe (1961).

Buhlmann, ¨ Fritz Ernst, schweizer. Jurist, Politiker, Buhler, ¨ Ottmar, Jurist, * 12. 8. 1884 Z¨urich, † 27. 5. 1965 M¨unchen. B. studierte an den Universit¨aten T¨ubingen, M¨unchen und Berlin und habilitierte sich 1913 in Breslau f¨ur o¨ ffentliches Recht. 1920 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. nach M¨unster, wechselte 1922 als Ordinarius nach Halle und kehrte 1923 in gleicher Position nach M¨unster zur¨uck. 1942-52 war B. o. Prof. in K¨oln und nahm nach seiner Emeritierung 1952 einen Lehrauftrag an der Univ. M¨unchen wahr. B., dessen Hauptarbeitsgebiet das deutsche und internationale Steuerund Wirtschaftsrecht war, geh¨orte zu den Gr¨undern der International Fiscal Association, war Mitherausgeber der Zeitschrift „Steuer und Wirtschaft“ und ver¨offentlichte u. a. ein Lehrbuch des Steuerrechts (2 Bde., 1927-38). C Juristen

Buhler, ¨ Ren´e, schweizer. Unternehmer, * 6. 7. 1905 Uzwil (Kt. St. Gallen), † 26. 3. 1987 St. Gallen. Der Sohn Adolf (II) → B.s studierte Maschinenbau an der ETH Z¨urich und wurde in Cambridge (England) zum Dr.-Ing. promoviert. Seit 1934 neben Rolf → B. Gesellschafter des v¨aterlichen Unternehmens, war er 1967-85 Pr¨asident des Verwaltungsrats und seit 1977 zugleich Vorsitzender der Konzernleitung der B¨uhler AG. B. betrieb erfolgreich die internationale Expansion der Firma und besaß auch als Mitglied anderer Verwaltungsr¨ate Einfluß, so bei Sulzer. Daneben engagierte er sich im Arbeitgeberverband schweizer. Maschinen- und Metallindustrieller, dessen Vizepr¨asident er 1947-54 war. Das Mitglied der Freisinnig-Demokratischen Partei geh¨orte 1951-59 dem Nationalrat an. B. war Mitbegr¨under des Abendtechnikums in St. Gallen sowie der dortigen M¨ullereifachschule und der Schule f¨ur Futtermitteltechnik in St. Margrethen. C HLS

* 22. 4. 1848 Grossh¨ochstetten (Kt. Bern), † 7. 1. 1936 Grossh¨ochstetten. Der Sohn eines Juristen studierte in Bern, Leipzig, Heidelberg und Paris Jura und wurde zum Dr. jur. promoviert. 1872 erwarb B. das Notariats- und F¨ursprecherpatent. 1873 u¨ bernahm er die v¨aterliche Anwaltspraxis in Grossh¨ochstetten. Dort war er 1873-96 auch Gemeindepr¨asident, gleichzeitig 1875-1905 Mitglied im Berner Großrat und 1876-1919 im Nationalrat, dem er 1900 pr¨asidierte. Daneben geh¨orte B. der schweizer. FDP-Zentralleitung an und leitete die Verwaltungsr¨ate der Badener Motor Columbus AG und der Kraftwerke Bern. Im Zusammenhang mit seiner Verwaltungsratst¨atigkeit im Energiesektor publizierte B. Schriften wie Die Energielieferungsvertr¨age in der schweizerischen Elektrizit¨atsindustrie (1920) und Die Ausn¨utzung der schweizerischen Wasserkr¨afte und der Export von elektrischer Energie (1923). Er setzte sich f¨ur die Vereinheitlichung des schweizer. Rechts ein und spielte eine wichtige Rolle bei der EntC HLS stehung des schweizer. Zivilgesetzbuchs.

Buhlmann, ¨ Johann Rudolf, schweizer. Maler, Kunstsammler, * 22. 3. 1812 Hemberg, † 22. 1. 1890 Z¨urich. Aus einfachen Verh¨altnissen stammend, widmete sich B. neben seiner Handwerkslehre als Maler autodidaktisch der k¨unstlerischen Ausbildung und hatte erste Erfolge mit seinen Schweizer Ansichten. 1836-71 lebte er in Rom, besuchte Capri, Neapel und Sizilien und kaufte Stiche und Radierungen an. Nach seiner R¨uckkehr ließ er sich als Restaurator und freier K¨unstler in Z¨urich nieder und erwarb fortan haupts¨achlich Arbeiten schweizer. K¨unstler. Seine schließlich u¨ ber 10 000 Bl¨atter umfassende Sammlung kaufte das eidgen¨ossische Polytechnikum in zwei Teilen 1870 bzw. 1890. C AKL

Buhler, ¨ Rolf, schweizer. Unternehmer, * 3. 12. 1903 Bournemouth (England), † 30. 11. 1992 St. Gallen (Schweiz). B. war ein Sohn des Industriellen Friedrich Theodor B., Enkel Adolf (I) → B.s, Neffe Adolf (II) → B.s und Cousin Ren´e → B.s. Nach dem Studium der National¨okonomie und der Promotion in Z¨urich absolvierte B. ein Praktikum in England und arbeitete seit 1933 in dem Uzwiler Unternehmen seiner Familie mit. Der Liberale und zeitweilige Pr¨asident der Union Schweizerischer Auslandshandelskammern bet¨atigte sich auch politisch: 1939-42 als Großrat von St. Gallen, 1940-43 und 1944-47 als Nationalrat. C HLS

Buhlmann, ¨ Josef, Architekt, Maler, * 28. 4. 1844

Buhlmann, ¨ Albert A., Physiologe, * 16. 5. 1923 Berlin,

Großwangen (Schweiz), † 29. 10. 1921 M¨unchen. B. studierte bei Ludwig → Lange an der Kunstakademie M¨unchen, unternahm anschließend eine Studienreise nach Italien und war 1873-78 Realschullehrer in Luzern. 1878 folgte er einem Ruf als Prof. der Bauformenlehre, Perspektive und Innendekoration an die TH M¨unchen und wurde zum Ehrenmitglied der Kunstakademie ernannt. B. plante u. a. einen Erweiterungsbau der TH M¨unchen, malte gemeinsam mit Alexander → Wagner das Panorama Das alte Rom zur Zeit des Kaisers Konstantin (1887) und schrieb u. a. Die Architektur des klassischen Altertums und der Renaissance (2 Bde., 1872-76). C AKL

† 16. 3. 1994 Erlenbach. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs hatte B. in Berlin das Medizinstudium aufgenommen und wurde 1947 als Auslandsschweizer in Z¨urich promoviert (Experimentelle Untersuchungen u¨ ber Stenoseatmung). Nach der Ausbildung in Innerer Medizin bei Jakob Laurenz Gsell in St. Gallen und Paul Rossier in Z¨urich habilitierte er sich dort 1959 (Direkte Blutdruckmessung beim Menschen) und erhielt die Venia legendi f¨ur Innere Medizin. 1965 wurde er Titularprofessor, 1970 Extraordinarius f¨ur physikalische Pathophysiologie und Leiter des Kardio-Pulmonalen Labors der Univ. Z¨urich. B. befaßte sich in erster Linie mit der Erforschung der Physiologie und Pathophysiologie der Lunge, seit 1959 mit den Problemen des Tieftauchens. 1961 demonstrierte er mit Hannes Keller in Frankreich und den USA Tauchg¨ange bis auf 300 m, wodurch ein Durchbruch f¨ur das Tieftauchen

Buhrer, ¨ (Hans) Jakob, schweizer. Schriftsteller, Journalist, * 8. 11. 1882 Z¨urich, † 22. 11. 1975 Locarno. Als kaufm¨annischer Lehrling ver¨offentlichte B., Sohn eines Buchdruckers, erste Theaterkritiken f¨ur die Schaffhauser Lokalpresse. 1901 / 02 besuchte er eine Berliner Journalistenschule, war anschließend Gasth¨orer an der Univ. Z¨urich und seit 1904 Redakteur b¨urgerlicher Zeitungen. 1912 war er Mitbegr¨under des schweizer. Schriftstellervereins und rief 1917 das gesellschaftskritische Laientheater „Freie B¨uhne Z¨urich“ ins Leben, mit dem er bis 1923 auf Tournee war. 1925 / 26 Werbechef des Kurvereins Davos, war er seit 1927 Leitartikler der „National-Zeitung“ Basel. Nach dem Eintritt in die sozialdemokratische Partei 1932 von b¨urgerlichen Verlagen boykottiert, war B. f¨ur die sozialdemokratische Presse und die B¨uchergilde Gutenberg t¨atig und bem¨uhte sich u. a.

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¨ Bulbring um die Reform des schweizer. Theaterwesens. Er schrieb Dramen (u. a. Galileo Galilei, uraufgef¨uhrt 1938) und Romane (u. a. die Trilogie Im roten Feld, 1938-51). C Schaffhauser Biogr, Bd 5

Kunstgesellschaft; er rief mehrere Kunst- und Kulturstiftungen (darunter die Stiftung Sammlung Emil B¨uhrle) ins Leben und stiftete einen Zusatzbau f¨ur das Kunsthaus in Z¨urich, der 1958 eingeweiht wurde.

Buhrer, ¨ Viktor Matth¨aus, evang. Theologe, Schriftsteller,

Buhrlen, ¨ Friedrich Ludwig, Pseud. Friedrich von B¨uren, Schriftsteller, * 10. 9. 1777 Ulm, † 9. 5. 1850 Stuttgart. Nach rechtswissenschaftlichen Studien in W¨urzburg 1804-07 trat der einer Wirtsfamilie entstammende B. 1809 in den bayerischen, 1811 als Registrator in den w¨urttembergischen Staatsdienst ein und wurde 1817 Kanzleirat der Stuttgarter Oberrechnungskammer. Er sammelte Gem¨alde und galt als Kunstkenner. B. ver¨offentlichte Reiseberichte und popul¨arwissenschaftliche Schriften (Zeitansichten eines S¨uddeutschen, 1833) sowie Erz¨ahlungen und Romane, die zum Teil autobiographische Z¨uge tragen (Die Prima Donna, 1844). C Killy

* 20. 9. 1760 M¨ottlingen, † 8. 9. 1828 Echterdingen. B. studierte 1779-84 Theologie in T¨ubingen und wurde 1784 Lehrer und Leiter eines Erziehungs-Instituts in Waiblingen, 1798 Pfarrer in Zell und Altbach, 1819 in Echterdingen. Neben kirchenmusikalischen Werken und Gedichten in schw¨abischer Mundart ver¨offentlichte er u. a. ein Hilfsw¨orterbuch f¨ur Ungelehrte oder Anweisung zu richtigem Aussprechen, Schreiben und Verstehen fremder W¨orter [. . .] (1812), das mehrere Auflagen erfuhr.

Buhrig, ¨ Marga, evang. Theologin, Frauenrechtlerin, * 17. 10. 1915 Berlin, † 13. 2. 2002 Binningen (Kt. BaselLandschaft). ¨ B., Tochter eines Okonomen, studierte seit 1934 Germanistik in Z¨urich, wo sie 1939 zum Thema Hebbels dramatischer Stil promoviert wurde. Anschließend studierte sie Theologie und arbeitete als Hilfslehrerin. 1945 begr¨undete sie das Reformierte Studentinnenhaus in Z¨urich und 1947 den Evangelischen Frauenverein mit. Sie redigierte die „Evangelische Schweizerfrau“, war 1958 Mitorganisatorin der Schweizerischen Ausstellung f¨ur Frauenarbeit (Saffa) und seit 1959 Angestellte des Tagungszentrums in Boldern, das sie 1971-81 leitete. 1959-64 geh¨orte sie dem Vorstand des Bundes Schweizerischer Frauenorganisationen und 1983-91 ¨ dem Pr¨asidium des Okumenischen Rats der Kirchen an. B. propagierte eine „feministische“ Theologie (Die unsichtbare Frau und der Gott der V¨ater, 1987, 41989). Ihre Autobiographie Sp¨at habe ich gelernt, gerne Frau zu sein erschien 1987 (zuletzt 1999). C HLS Buhring, ¨ Diederich Ernst, Kaufmann, * 27. 2. 1735 Bremen, † 23. 1. 1810 Berlin. In seiner Geburtsstadt zum Kaufmann ausgebildet, wurde B., Sohn eines bremischen Stadtmilit¨ars, 1758 Amsterdamer B¨urger und war in den Niederlanden zun¨achst in Finanzgesch¨aften, seit 1763 u¨ berwiegend im Holzhandel t¨atig. 1765 erwarb er eine Berliner Blei-, Schrot- und Bleiweißfabrik, die er rasch vergr¨oßerte; als vielseitiger Unternehmer war er auch im Holz- und Getreidehandel t¨atig. Nach B.s Pl¨anen zur Errichtung einer Hypothekenbank, die er 1767 → Friedrich II. unterbreitete, entstanden die Landwirtschaftlichen Kreditinstitute Preußens, als erstes 1769 das der Schlesischen Landschaft. 1809 erwarb B. das Berliner B¨urgerrecht. C NDB

Buhrle, ¨ Emil (Georg), schweizer. Industrieller, * 31. 8. 1890 Pforzheim (Baden-W¨urttemberg), † 28. 11. 1956 Z¨urich. Der Sohn eines Beamten studierte Kunstgeschichte und Germanistik in Freiburg / Breisgau und M¨unchen. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg arbeitete er als kaufm¨annischer Angestellter f¨ur die Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik seines Schwiegervaters und wurde 1920 Prokurist in deren Zweigwerk Ilsenburg. Als das Unternehmen 1924 die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon u¨ bernahm, wurde B. deren Gesch¨aftsf¨uhrer und 1929 Mehrheitsaktion¨ar des Unternehmens. Nach dem Erwerb der schweizer. Staatsb¨urgerschaft 1937 wurde B. Alleininhaber, u¨ berf¨uhrte die AG in die Oerlikon-B¨uhrle KG und richtete den Betrieb vor allem auf Waffenproduktion aus. Als einer der gr¨oßten privaten R¨ustungsunternehmer Europas lieferte er im Zweiten Weltkrieg exklusiv an die Achsenm¨achte; bereits 1941 war er reichster Schweizer. B. bet¨atigte sich auch als Kunstsammler und M¨azen und war seit 1953 Vizepr¨asident der Z¨urcher

Buel, Christoph, auch Buhel, Buhl, Bul, Bull, Buol, Puel, Puhel, Komponist, getauft 9. 1. 1574 N¨urnberg, begraben 17. 5. 1631 N¨urnberg. B., Sohn eines N¨urnberger Diakons, studierte seit 1588 zun¨achst Theologie, dann Jurisprudenz an der Univ. Altdorf. Von 1598 bis kurz vor seinem Tod war er Registrator in N¨urnberg; daneben arbeitete er als Musiksachverst¨andiger f¨ur den N¨urnberger Rat. B. baute den Chor der Frauenkirche auf und u¨ bernahm 1615 dessen st¨andige Leitung. 1600, 1608 und 1623 hielt er sich zur Reorganisation des Musikwesens vor¨ubergehend am Hof der Kurf¨ursten → Friedrich IV. und → Friedrich V. in Heidelberg auf. B. orientierte sich am Stil Hans Leo → Haßlers und komponierte u¨ berwiegend Vokalmusik. Seine musiktheoretische Schrift Doctrina duodecim modorum musicalium ist verschollen. C MGG Bulau, ¨ Friedrich von, Staatswissenschaftler, Journalist, * 8. 10. 1805 Freiberg, † 26. 10. 1859 Leipzig. B. habilitierte sich 1829 an der Univ. Leipzig, wurde dort 1833 Prof. der Philosophie, 1840 der Staatswissenschaften und 1837 zum Zensor der periodischen Presse in Leipzig ernannt. Als Redakteur der „Neuen Jahrb¨ucher der Geschichte und Politik“ (1838-49), der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ (1843-48) und der „Leipziger Zeitung“ (1851-54) wie auch als Zensor zeigte er sich als Freund und Bewunderer Englands. B. ver¨offentlichte zahlreiche staatswissenschaftliche und historische Arbeiten, darunter die Geschichte des europ¨aischen Staatensystems (3 Bde., 1837-39). C ADB

Bulau, ¨ Theodor, Architekt, * 1. 12. 1800 Hamburg, † 7. 6. 1861 Hamburg. ¨ Nach erstem Unterricht in Zeichnen und Olmalerei bei Gerdt ¨ studierte B. seit 1820 an der Kunstaka→ Hardorff d. A. demie M¨unchen haupts¨achlich Architektur. Er hielt sich l¨angere Zeit in Regensburg auf und gab dort gemeinsam mit Justus Popp Die Architektur des Mittelalters in Regensburg (10 Hefte, 1834-39) heraus. 1837-42 war er in Lothringen beim Bau einer Saline besch¨aftigt, kehrte nach dem großen Brand in Hamburg 1842 dorthin zur¨uck und baute mehrere Privath¨auser sowie das Haus der „Patriotischen Gesellschaft“ (1844-47). F¨ur seine neogotischen Baupl¨ane fand B. schließlich keine Auftraggeber mehr, so daß er sein weiteres Leben als Zeichenlehrer fristete. C AKL

Bulbring, ¨ Karl (Daniel), Anglist, * 24. 7. 1863 Voerde, † 22. 3. 1917 Bonn. B. studierte in Berlin und Bonn Germanistik, Romanistik und Anglistik, habilitierte sich 1890 in Heidelberg f¨ur englische Philologie und wurde 1893 Ordinarius in Groningen; 1900 folgte er einem Ruf als o. Prof. an die Univ. Bonn. Seine Studien galten der Linguistik und Literaturgeschichte. B. ver¨offentlichte u. a. Altenglisches Elementarbuch (1902).

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¨ Bulck Bulck, ¨ Walter, evang. Theologe, * 7. 3. 1891 Altona (heute zu Hamburg), † 20. 4. 1952 Altona (heute zu Hamburg). Nach Studien in G¨ottingen, Kiel und Berlin trat B. 1915 in den Kirchendienst ein und war 1917 / 18 Feldgeistlicher. Seit 1920 Lizentiat der Theologie, habilitierte er sich 1921 an der Univ. Kiel f¨ur praktische Theologie und wurde dort 1927 a. o., 1931 o. Professor. 1936 folgte er einem Ruf als Ordinarius nach Greifswald und nahm seit 1945 neben einer Pfarrstelle in Altona einen Lehrauftrag f¨ur Religionsp¨adagogik an der Univ. Hamburg wahr. B. war Pr¨asident des Deutschen Bundes f¨ur Freies Christentum, Leiter des Deutschen Protestantenvereins und seit 1949 Mitglied des Exekutivkomitees des Weltbundes f¨ur Freies Christentum und religi¨ose Freiheit. Er schrieb u. a. Christentum und Deutschtum [. . .] (1937). Bulovius, ¨ Bartholom¨aus, auch Bilov, * 14. 9. 1573 Stendal, † nach 1613. Nach Studien in Frankfurt / Oder wurde B., Sohn eines Diakons, 1596 von dem Kaiserlichen Pfalzgrafen Carlsberg in Prag zum Dichter gekr¨ont und kam u¨ ber Frankfurt / Oder und Halle nach Ostpreußen. 1605 ließ er sich als Comes Palatinus in K¨onigsberg immatrikulieren, wurde von der Regierung nach Insterburg geschickt, erhielt aber nur eine private Anstellung und mußte 1608 die Stadt wieder verlassen. Sp¨ater in Tapiau und Elbing t¨atig, war er 1612 / 13 Rektor in Schmalkalden. B. ver¨offentlichte lateinische Dichtungen, darunter Libri amorum (1605). C Altpreuß Biogr, Bd 1 Bulow, ¨ Adolf, Milit¨ar, * 11. 1. 1837 Berlin, † 12. 10. 1907 Potsdam. Nach dem Eintritt in die preuß. Armee 1854 besuchte B. zun¨achst die Kriegsakademie, wurde anschließend in den Generalstab versetzt und war im Feldzug 1866 im Hauptquartier des Prinzen → Friedrich Karl t¨atig. 1869 wurde er Milit¨arattach´e in Paris, nahm am Deutsch-Franz¨osischen Krieg teil und blieb nach Kriegsende bis 1882 in Paris. Danach kehrte B. in den aktiven Dienst zur¨uck und wurde 1890 Divisionskommandeur, 1895 Kommandierender General eines Armeekorps und im folgenden Jahr Generaladjutant → Wilhelms II.

Bulow, ¨ Alfred von, Diplomat, * 7. 8. 1851 Frankfurt / Main, † 26. 6. 1916 Baden-Baden. Der Sohn Bernhard Ernst von → B.s und Bruder des sp¨ateren Reichskanzlers Bernhard von → B. trat nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften 1871-75 in Lausanne, Straßburg und Leipzig in den Gerichts-, 1881 in den diplomatischen Dienst ein und wurde Botschaftsattach´e in Konstantinopel, 1882 Legationssekret¨ar bei der preuß. Gesandtschaft in Stuttgart. Nach T¨atigkeiten in Rom (1884), Bern (1885), Wien (1888), Den Haag (1890) und St. Petersburg (1891) war B. seit 1893 Kaiserlicher Ministerresident in Luxemburg, preuß. Gesandter an den H¨ofen in Oldenburg, Braunschweig und Lippe (seit 1895) und 1898-1912 Deutscher Gesandter in Bern. C BHdAD

Bulow, ¨ Arthur, Jurist, * 17. 11. 1901 Pinnow bei Angerm¨unde / Uckermark, † 4. 5. 1988 K¨oln. Nach rechtswissenschaftlichen Studien in Berlin und Jena sowie des Referendariats im preuß. Justizdienst war B. 1933-37 Landrat, anschließend bis 1941 Kammergerichtsrat in Berlin und dann Ministerialrat im Reichsjustizministerium. Nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten zur Mitwirkung an der Neuordnung der deutschen Justiz bestimmt, hatte er maßgeblichen Anteil an der Gr¨undung des Zentraljustizamtes sowie des Obersten Gerichtshofs f¨ur die britisch besetzte Zone, an dem er 1946-49 Vortragender Rat war. B. wurde 1949 Ministerialrat im Bundesjustizministerium, 1953 Ministerialdirektor in der Unterabtei-

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lung f¨ur Zivilprozeßrecht, 1962 als Ministerialdirektor Leiter der zivilrechtlichen Abteilung und war 1963-66 JustizStaatssekret¨ar. Seit 1950 lehrte er nationales und internationales Zivilprozeßrecht an der Univ. Bonn und ver¨offentlichte u. a. Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (1954). C Juristen

Bulow, ¨ Bernhard F¨urst von, Staatsmann, * 3. 5. 1849 Klein-Flottbeck, † 28. 10. 1929 Rom. Nach kurzem Milit¨ardienst, der Teilnahme am Krieg 1870 / 71 und dem Jurastudium in Lausanne, Berlin und Leipzig 1874 in den diplomatischen Dienst eingetreten, machte B., als Sohn des Staatssekret¨ars des Ausw¨artigen Amtes Bernhard Ernst von → B. mit Beziehungen ausgestattet, eine schnelle Karriere (1888 Gesandter in Bukarest, 1893 Botschafter in Rom). Von → Wilhelm II., der ihn sch¨atzte und den er zu beeinflussen wußte, 1897 zum Staatssekret¨ar des Ausw¨artigen Amtes ernannt, erhielt er, zun¨achst neben F¨urst Hohenlohe, seit 1900 als dessen Nachfolger Reichskanzler und preuß. Ministerpr¨asident, zw¨olf Jahre lang entscheidenden Einfluß auf die Politik des Reichs, dessen wachsende Industrie in einem noch durch die Agrargesellschaft mitbestimmten Staat auf den Zugang zum Welthandel angewiesen war. Die ausgreifende Weiterf¨uhrung der ausw¨artigen Politik, die → Bismarcks Zur¨uckhaltung in Europa aufgegeben hatte, entsprach mit der Forderung nach einem „Platz an der Sonne“, mit kleinen u¨ berseeischen Erfolgen (Kiautschou, Samoa, Karolinen) und der innenpolitischen Absicherung des verst¨arkten Ausbaus der Flotte den Erwartungen des Kaisers, der Industrie und des sich seiner wachsenden Kraft bewußt werdenden Volkes. B., stets beraten von Geheimrat von → Holstein, untersch¨atzte die Beunruhigung der M¨achte (u. a. Flottenbau, Bagdad-Bahn) und die mit der Lage inmitten Europas gegebene Gef¨ahrdung der Weltpolitik. W¨ahrend Deutschland eine „Politik der freien Hand“ f¨ur m¨oglich hielt und in Verhandlungen mit England (1898, 1900 / 01) Bindungen auswich, f¨uhrte die franz¨osisch-englische Entente, die Festigung der franz¨osisch-russischen Allianz, Englands Interessenausgleich mit Rußland, Italiens Abwendung vom Dreibund zu der auf der Konferenz von Algeciras (1906) un¨ubersehbaren Isolierung des Reichs. Seine erfolgreiche Hilfe ¨ f¨ur Osterreich-Ungarn in der Bosnienkrise 1908 st¨arkte den Zweibund, a¨ nderte aber nicht die Gesamtlage, die nur durch ein als Niederlage empfundenes deutliches Zur¨uckstecken der Ziele h¨atte verbessert werden k¨onnen. In der Innenpolitik konnte B. mit einer Reichstagsmehrheit von Konservativen und Zentrum durch neue Handelsvertr¨age die Spannung zwischen agrarischen und industriellen Interessen abbauen und die Sozialdemokratie parlamentarisch zur¨uckhalten. Neuwahlen anl¨aßlich eines Angriffs des Zentrums auf die Kolonialverwaltung f¨uhrten 1907 zum „B¨ulowBlock“, der Zusammenarbeit von Konservativen und Liberalen f¨ur einige notwendige Gesetze. Der Ansatz einer Reform des preuß. Wahlrechts wurde durch die „Daily-TelegraphAff¨are“ verschoben. Diese Krise des Regierungssystems, durch eine von B. durch Nachl¨assigkeit nicht verhinderte ¨ Ver¨offentlichung unbedachter Außerungen Wilhelms II. ausgel¨ost, kostete B. das Vertrauen des Kaisers und der Konservativen, die mit dem Zentrum durch eine besitzschonende Abwandlung der notwendigen Reichsfinanzreform die Entlassung B.s (14. 7. 1909) herbeif¨uhrten. Gravierende Folgen ¨ B¨ulow“ waren, daß die Verfassung dem sozialen der „Ara

¨ Bulow Wandel immer weniger entsprach und daß die vom Kaiser beanspruchte milit¨arische F¨uhrung weiterhin mit der Politik nicht koordiniert war. Eine Mission B.s im Winter 1914 / 15, in Rom den Kriegseintritt Italiens zu verhindern, war vergeblich; Versuche, ihn 1917 und 1918 erneut in eine f¨uhrende Position zu bringen, scheiterten. Seine Entt¨auschung u¨ ber seine Entlassung und eine oft u¨ berzogene Kritik an den Nachfolgern schlugen sich in den Denkw¨urdigkeiten (4 Bde., 1930 / 31) nieder; sie sind eine ergiebige Quelle f¨ur das „wilhelminische“ Deutschland, als dessen gl¨anzender Repr¨asentant B. gelten kann. LITERATUR: Katharine Anne Lerman: The Chancellor as courtier. B. v. B. and the governance of Germany 1900-1909. Cambridge u. a. 1990. – Gerd Fesser: Reichskanzler B. F¨urst v. B. Eine Biographie. Berlin 1991. – Peter Winzen: B. F¨urst v. B. Weltmachtstratege ohne Fortune. Wegbereiter der großen Katastrophe. G¨ottingen / Z¨urich 2003. Friedrich Frh. Hiller von Gaertringen

gehobenen Schichten weit verbreiteten Novellen (u. a. Papas Zahnschmerzen, 1885) einen Band Erinnerungen Aus C Lex dt-j¨ud Autoren der Kinderzeit (31909).

Bulow, ¨ Bernhard Ernst von, Diplomat, * 2. 8. 1815

Bulow, ¨ (Theodor) Carl (Heinrich Ernst), Chemiker, * 6. 12. 1857 Rostock, † 14. 4. 1933. B. wurde nach dem Studium der Zoologie, vergleichenden Anatomie und Mathematik an den Univ. Rostock und W¨urzburg (Promotion 1890, Beitr¨age zur Trennung des Quecksilbers von den Metallen der sog. Arsen- und Kupfer-Gruppe) Assistent und Konservator der Sammlungen bei Hermann Grenacher in Rostock und Emil → Selenka in Erlangen; seit 1883 widmete er sich vorwiegend der Chemie. 1887 trat er als Chemiker in die Badische Anilin- und Soda-Fabrik ein und fand in den folgenden Jahren das Violettschwarz sowie die Farbstoffe der Palatinschwarzreihe, die das bis dahin auf dem Markt vorherrschende Blauholz verdr¨angten. B. habilitierte sich 1897 an der Univ. T¨ubingen mit der Arbeit Chemische Technologie der Azofarbstoffe mit besonderer Ber¨ucksichtigung der deutschen Patentlitteratur, wurde 1899 zum Prof., 1902 zum Extraordinarius und 1916 zum Ordinarius ernannt. Er ver¨offentlichte u. a. Eine neue Theorie vom Bau chemischer Verbindungen (1919).

Cismar (Holstein), † 20. 10. 1879 Frankfurt / Main. Der Sohn eines k¨oniglich d¨anischen Kammerherrn und Neffe Heinrich von → B.s trat nach dem Studium der Rechtswissenschaften 1833-38 in Berlin, G¨ottingen und Kiel in den d¨anischen Staatsdienst ein, wurde 1847 Gesch¨aftstr¨ager bei den Hansest¨adten und 1850 Bundestagsgesandter f¨ur Holstein und Lauenburg. Seit seiner T¨atigkeit in Frankfurt stand B. in enger Verbindung mit → Bismarck. Er wurde 1862 Staatsminister von Mecklenburg-Strelitz, 1867 mecklenburgischer Bundesratsbevollm¨achtigter in Berlin. Als Staatssekret¨ar des Ausw¨artigen Amtes (seit 1873) und preuß. Staatsminister ohne Gesch¨aftsbereich (seit 1876) galt er in den Jahren der Konsolidierung der neuen deutschen Großmacht als einer der wichtigsten Mitarbeiter Bismarcks. Durch sein gutes Verh¨altnis zum Kaiserpaar konnte der Vater des sp¨ateren Reichskanzlers Bernhard von → B. auch innenC BHdAD politisch ausgleichend wirken.

Bulow, ¨ Burghart (Heinrich Friedrich Adolf Otto) von, Pseud. Alexander von Degen, Curt von Rabenstein, Gerhard von B¨ulow, Hans von B¨ulow, A. von Friedeburg, Schriftsteller, * 8. 5. 1855 Gut Kaarz (MecklenburgSchwerin), † 4. 6. 1892. Der Familientradition folgend, schlug B., Sohn eines Offiziers und Gutsbesitzers, die milit¨arische Laufbahn ein, wurde 1877 Avantageur im k¨oniglich-s¨achsischen Leibgrenadierregiment, besuchte die Kriegsschule in Anklam und wurde 1878 Offizier. 1886 kam er als Premierleutnant nach Leipzig und wurde 1892 Hauptmann. B. war seit 1883 schriftstellerisch t¨atig; seine zahlreichen humoristischen Erz¨ahlungen, Romane und Lustspiele (u. a. Die Majorsecke, 1891) siedelte C ADB er thematisch im milit¨arischen Leben an.

Bulow, ¨ Bernhard Wilhelm (Otto Viktor) von, Diplomat, * 19. 6. 1885 Potsdam, † 21. 6. 1936 Berlin. Der Sohn eines preuß. Offiziers und Fl¨ugeladjutanten Kaiser → Wilhelms II. und Enkel Bernhard von → B.s trat nach rechtswissenschaftlichen Studien (1904-09) in Lausanne, M¨unchen und Berlin, der Promotion zum Dr. jur. ¨ 1909 und einer Reise nach Ubersee 1911 in den diplomatischen Dienst ein, wurde Attach´e an der Deutschen Botschaft in Washington, D. C. Nach dem Kriegsdienst 1914 / 15 kehrte er ins Ausw¨artige Amt zur¨uck, war Legationssekret¨ar in Konstantinopel und Athen und nahm an den Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk und Versailles teil. 1919-23 als freier Publizist t¨atig, kehrte er anschließend als Leiter des V¨olkerbundreferats in den diplomatischen Dienst zur¨uck und wurde Vortragender Legationsrat und Dirigent der europ¨aischen Abteilung. Seit 1930 war er Staatssekret¨ar im Ausw¨artigen Amt. B. ver¨offentlichte u. a. Die Grundlinien der diplomatischen Verhandlungen bei Kriegsausbruch (1920, 31922 unter dem Titel Die Krisis) und Der Versailler C BHdAD V¨olkerbund (1923).

Bulow, ¨ Bertha von, urspr. Klara Berta Friederike Babett Eberty, Pseud. Hans Arnold, Schriftstellerin, * 30. 9. 1850 Warmbrunn (Schlesien), † 8. 3. 1927 Arendsee (Mecklenburg). Die Tochter des Juristen Felix → Eberty erhielt ihre Erziehung und Ausbildung in Breslau und lebte nach ihrer Heirat mit einem Offizier 1876 in verschiedenen Garnisonsst¨adten, darunter Berlin, Metz, Straßburg, seit 1891 Engers / Rhein, seit 1893 Hannover und schließlich Potsdam. B. ver¨offentlichte neben zahlreichen, um die Jahrhundertwende in den

Bulow, ¨ Christoph Karl von, Milit¨ar, * 26. 5. 1716 Glubenstein, † 28. 7. 1788 K¨onigsberg. Der Bruder Johann Albrecht von → B.s trat 1731 in die preuß. Armee ein und wurde 1741 Offizier und 1759 zum Oberst bef¨ordert. Wegen seiner Leistungen in der Schlacht von Torgau 1760 erhielt er das Generalmajorspatent und wurde 1763 in K¨onigsberg Nachfolger von Friedrich Wilhelm von → Seydlitz als Inspektor der Kavallerie, 1771 Generalleutnant, 1787 General der Kavallerie. C Priesdorff, Bd 1 Bulow, ¨ Dietrich von, Theologe, Bischof von Lebus, * 1460 Mecklenburg, † 1. 10. 1523 Burg Lebus bei Frankfurt / Oder. Der Sohn eines braunschweigischen und mecklenburgischen Rates, studierte seit 1472 an den Universit¨aten Rostock, Erfurt und Bologna, wo er 1486 promoviert wurde. Er war Kleriker in Verden und seit 1482 Kanoniker in Lebus. Nach 1488 Rat am brandenburgischen Hof, wurde er 1490 auf Betreiben des Kurf¨ursten zum Bischof der Di¨ozese Lebus gew¨ahlt und war daneben auch erster Jurist und Diplomat des Kurf¨urstentums. B. sammelte antike Handschriften und pflegte einen umfangreichen gelehrten Briefwechsel; gemeinsam mit Eitelwolf von Stein betrieb er die Gr¨undung der Univ. Frankfurt / Oder und war seit deren Er¨offnung 1506 als ihr Kanzler und Konservator u. a. f¨ur die Berufung der Professoren zust¨andig. Seinem am Frankfurter Bischofshof ins Leben gerufenen literarisch-musikalischen Kreis geh¨orte zeitweise Ulrich von → Hutten an. C Gatz 2

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¨ Bulow Bulow, ¨ (Adam Heinrich) Dietrich Frh. von, Publizist, * 22. 6. 1757 Falkenberg (Altmark), † 1808 Riga. Der Sohn eines preuß. Gesandten und Bruder von Friedrich Wilhelm → B¨ulow von Dennewitz schlug die Offizierslaufbahn ein, nahm jedoch 1790 seinen Abschied, um sich in Belgien in o¨ sterr. Dienste zu begeben. Nachdem dieses Vorhaben ebenso wie der Versuch, eine Schauspieltruppe zu gr¨unden, scheiterte, reiste er 1792 und 1795 nach Nordamerika und verlor dort sein Verm¨ogen im Glaswarenhandel. B. kehrte nach Berlin zur¨uck und wurde mit der Schrift Der Geist des neueren Kriegssystems zu einem anerkannten Mi¨ lit¨arschriftsteller. Wegen politischer Außerungen 1806 auf Betreiben russischer diplomatischer Kreise in Colberg ge¨ fangengesetzt, starb B. an den Folgen der Uberf¨ uhrung nach Riga in der Haft. C ADB

Bulow, ¨ (Karl) Eduard von, Schriftsteller, * 17. 11. 1803

¨ Schloß Berg bei Eilenburg, † 16. 9. 1853 Schloß Otlishausen (Kt. Thurgau). B., Sohn eines kgl. s¨achsischen Majors, studierte 1826-28 in Leipzig Klassische Literatur und Sprachen; seit 1828 lebte er in Dresden, wo er u. a. mit Ludwig → Tieck und Elisa von der → Recke befreundet war. 1832 wurde er anhalt-dessauischer Kammerherr, trat jedoch keine Stelle im Staatsdienst an. Seit 1842 hielt er sich oft auf Reisen auf und wohnte l¨angere Zeit bei Tieck in Berlin. B. heiratete 1849 in zweiter Ehe (der ersten Ehe entstammte Hans von → B.) Louise, die Tochter von Friedrich Wilhelm Graf → B¨ulow von Dennewitz, und zog im gleichen Jahr, entt¨auscht u¨ ber die politischen Ereignisse in Deutschland, in die Schweiz, wo er seinen Adelstitel niederlegte. Er wurde mit seinen Novellenbearbeitungen (u. a. Novellen¨ buch, 4 Bde., 1834-36) sowie als Ubersetzer vor allem der Schriften Alessandro Manzonis und als Mitherausgeber des dritten Teils der Schriften → Novalis’ bekannt. C Killy

Bulow, ¨ Emil Frh. von, Jesuit, Theologe, * 30. 5. 1817 Neubrandenburg, † 12. 4. 1903 Kalksburg bei Wien. Nach dreij¨ahrigem Studium der Rechtswissenschaften absolvierte B. eine landwirtschaftliche Ausbildung, begab sich auf Reisen und trat in Italien in Kontakt mit Karl von → Vogelsang. 1850 trat er in Innsbruck zum Katholizismus u¨ ber, wurde im folgenden Jahr Jesuit, setzte seine Studien in Linz und Rom fort und erhielt 1857 die Priesterweihe. 1866-71 war er Rektor und Novizenmeister im Jesuitenkol¨ leg Tyrnau in Ungarn, gr¨undete als Provinzial f¨ur OsterreichUngarn (1871-77) u. a. das Gymnasium in Kalksburg und war 1877-85 Rektor in St. Andr¨a, 1885-1901 in Lainz. B. schrieb u. a. Hundert Lebensbilder aus der o¨ sterreichischungarischen Provinz der Gesellschaft Jesu (1902).

Bulow, ¨ Frieda Freiin von, Schriftstellerin, * 12. 10. 1857 Berlin, † 12. 3. 1909 Jena. Die Tochter eines preuß. Konsuls und Schwester Margarethe von → B.s erhielt ihre Ausbildung zun¨achst bei den Kaiserswerther Diakonissinnen in Smyrna (Izmir), wo ihr Vater preuß. Konsul war, sp¨ater in Neudietendorf. Nach dem Tod ihrer Schwester 1884 gab sie deren literarischen Nachlaß heraus. B. folgte 1887 ihrem Bruder in dessen ostafrikanische Besitzungen und gr¨undete und unterhielt Krankenstationen auf Sansibar und in Daressalam. 1888 zur¨uckgekehrt, begann sie mit der Herausgabe ihrer Reiseskizzen und Tagebuchbl¨atter aus Deutsch-Ostafrika (1889). Nach dem Tod ihres Bruders 1892 u¨ bernahm B. 1893 die Verwaltung seiner Kokosplantagen in Tanga, scheiterte jedoch im folgenden Jahr finanziell und lebte anschließend als Schriftstellerin in Dornburg / Saale. C Brinker-Gabler 2

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Bulow, ¨ Friedrich (Wilhelm August Werner) von, Staatsmann, * 23. 2. 1762 L¨uneburg, † 4. 9. 1827 Potsdam. Der Sohn Friedrich Ernst von → B.s und Halbbruder Hans von → B.s trat nach dem Jurastudium in G¨ottingen in den hannoverschen Staatsdienst ein und wurde Hof- und Kanzleirat in Celle und Mitglied des Oberappellationsgerichts. 1805 wechselte er in preuß. Dienste, wurde Geheimer Regierungsrat in M¨unster, im folgenden Jahr Mitglied der Administrations- und Organisationskommission bei der Besitznahme Hannovers durch Preußen und war seit 1807 im Justizministerium in Berlin t¨atig. 1809 zum Direktor des Oberlandesgerichts in Insterburg berufen, ging er im folgenden Jahr als Regierungspr¨asident nach Soldin, kehrte 1812 als Geheimer Staatsrat nach Berlin zur¨uck und wurde 1813 Mitglied der Oberregierungskommission. B. war 1814 Generalsekret¨ar bei der Verwaltung des K¨onigreichs Sachsen, seit 1816 Oberpr¨asident der Provinz Sachsen und seit 1817 Mitglied des neugebildeten Staatsrats von Preußen. Er ver¨ o¨ ffentlichte u. a. Uber die [. . .] Verh¨altnisse des christlichevangelischen Kirchenwesens in Deutschland (1818). C MBL Bulow, ¨ Friedrich, Abteilungsdirektor, * 29. 11. 1889 K¨oln, † 17. 1. 1984 K¨oln. B. trat 1932 in die Friedrich Krupp AG ein, wurde Leiter des Berliner B¨uros und pers¨onlicher Assistent von Gustav → Krupp von Bohlen und Halbach. Nachdem er 1936-38 f¨ur Krupp als Sonderverk¨aufer in Brasilien t¨atig gewesen war, u¨ bernahm er die Leitung zahlreicher Abteilungen in Krupps Essener Gußstahlfabrik. B. fungierte vor allem als Kontaktmann Krupps zu Vertretern des NS-Regimes, insbesondere zu Gestapo und SS. Er war f¨ur die Straflager des Krupp-Konzerns zust¨andig, in denen Kriegsgefangene und KZ-H¨aftlinge arbeiten mußten. Nach 1945 wurde er zusammen mit Alfried → Krupp in N¨urnberg angeklagt und im Juli 1948 zu 12 Jahren Haft verurteilt. C Weiß Bulow, ¨ Friedrich (Max Martin), Soziologe, Volkswirt, * 23. 1. 1890 Hamburg, † 10. 8. 1962 Berlin. B. schloß 1920 seine Studien an der Univ. Leipzig ab, habilitierte sich dort 1935 f¨ur Volkswirtschaftslehre und Soziologie und wurde 1940 o. Prof. an der Univ. Berlin. Seit 1948 lehrte er an der Freien Univ. Berlin und an der TU BerlinCharlottenburg. B. ver¨offentlichte u. a. B¨ucher u¨ ber Adam → M¨uller (1931), Adam Smith (1933), → Hegel (1935), Spinoza (1955) und Friedrich → List (1959) und eine Volkswirtschaftslehre (1931). Er war Herausgeber des W¨orterbuchs der Wirtschaft sowie des W¨orterbuchs der Soziologie (viele ¨ Auflagen) und Ubersetzer von Adam Smith’s Natur und Ursachen des Volkswohlstandes (1933). Bulow, ¨ Friedrich Ernst von, Landwirt, * 5. 10. 1736 Gut Essenrode (L¨uneburg), † 4. 5. 1802 Celle. Als Page erzogen, trat B. zu Beginn des Siebenj¨ahrigen Kriegs in hannoversche Kriegsdienste ein und wurde mit 25 Jahren Major. Nach dem Tod seines Vaters 1769 u¨ bernahm er die Verwaltung des ererbten Guts Essenrode und f¨uhrte dort als einer der ersten die Abl¨osung der b¨auerlichen Grundlasten und eine Flurbereinigung durch. Seit 1770 Schatzrat der l¨uneburgischen Ritterschaft, wurde er 1778 zum Landrat gew¨ahlt und 1780 von K¨onig → Georg III. zum Landschaftsdirektor und Abt zu St. Michaelis ernannt. Die seit Ende des Siebenj¨ahrigen Kriegs bestehende Landwirtschaftsgesellschaft zu Celle w¨ahlte ihn 1792 zu ihrem Direktor. Er war der Vater von Hans und Friedrich von → B. Bulow, ¨ Gottfried Philipp von, Jurist, Staatsmann, * 29. 9. 1770 Braunschweig, † 26. 12. 1850 Braunschweig. B. studierte seit 1787 am Collegium Carolinum in Braunschweig, seit 1789 Rechtswissenschaften an der Univ. Helmstedt und trat 1793 als Assessor in den braunschweigischen

¨ Bulow Justizdienst. Seit 1799 Hof- und Kanzleirat, wurde er 1812 Pr¨asident des Ziviltribunals in Blankenburg, 1814 Vizepr¨asident des Landesgerichts, 1817 Mitglied des Oberappellationsgerichts sowie der Lehns- und Grenzbeh¨orde in Wolfenb¨uttel und 1819 Direktor des Kammerkollegiums und Mitglied der Landschaft. 1826 vom Herzog zum Leiter des Ministeriums berufen, sorgte er f¨ur die Durchf¨uhrung zahlreicher Willk¨urmaßnahmen des Herzogs und mußte bei den Unruhen nach der Vertreibung des Herzogs 1830 zur¨ucktreten. Neben juristischen und verwaltungstechnischen Schriften ver¨offentlichte B. u. a. Beitr¨age zur neueren braunschweigischen Geschichte und Erinnerungen aus meinem Leben (1833) sowie R¨uckblicke auf mein Leben (1844). C ADB

Bulow, ¨ (Ludwig Friedrich Viktor) Hans Graf, Staatsmann, * 14. 7. 1774 Gut Essenrode (L¨uneburg), † 11. 8. 1825 Bad Landeck. Der Sohn Friedrich Ernst von → B.s und Halbbruder Friedrich von → B.s trat nach dem Studium der Rechte in G¨ottingen in die preuß. Verwaltung ein und wurde 1796 Assessor am Kammerkollegium in Bayreuth und 1801 Kriegsund Dom¨anenrat beim Generaldirektorium in Berlin. 1805 war er Pr¨asident der Kriegs- und Dom¨anenkammer in Magdeburg, 1808-11 westf¨alischer Finanzminister unter K¨onig ¨ → J´erˆome, 1813-17 preuß. Finanzminister. Uber die geplante Steuerreform geriet B. in Konflikt mit → Hardenberg und → Humboldt, trat daraufhin zur¨uck und u¨ bernahm 1818 das Ministerium f¨ur Handel und Gewerbe. Er f¨orderte die industrielle Entwicklung Preußens; sein Zollgesetz von 1818 beg¨unstigte den Freihandel und wurde auf mehrere deutsche Kleinstaaten u¨ bertragen. Nach Aufl¨osung des Handelsministeriums 1825 war er Oberpr¨asident von Schlesien. 1817 wurde B. zum Mitglied des Staatsrats ernannt. C NDB

Bulow, ¨ Hans (Adolf Julius) von, Milit¨ar, * 27. 2. 1816 Osseken, † 9. 12. 1897 Berlin. B. kam 1833 als Offizier zur Garde-Artilleriebrigade und widmete sich in den folgenden Jahren neben dem milit¨arischen Dienst dem Studium der Kriegsgeschichte. Im Feldzug 1866 kommandierte er ein Artillerieregiment; als Generalmajor im Deutsch-Franz¨osischen Krieg 1870 / 71 zeichnete er sich durch einen neuartigen Einsatz der Artillerie aus. Nach dem Tod General von → Podbielskis 1879 wurde er Generalinspekteur der Artillerie. C Leb Pommern, Bd 2

Bulow, ¨ Hans (Guido) Frh. von, Pseud. Peltast, W. Solinger, Dirigent, Musiker, Komponist, * 8. 1. 1830 Dresden, † 12. 2. 1894 Kairo. Der Sohn des Schriftstellers Eduard von → B. war Klaviersch¨uler von Friedrich → Wieck und wurde von Max Karl Eberwein in Dresden in Musiktheorie, sp¨ater von Moritz → Hauptmann in Leipzig in Kontrapunkt unterrichtet. Er studierte Rechtswissenschaft in Leipzig und Berlin, wandte sich dann jedoch unter dem Eindruck der Werke Richard → Wagners (vor allem der Urauff¨uhrung von Lohengrin durch Franz → Liszt 1850) ganz der Musik zu und ging zu Wagner in die Schweiz, unter dem er als Kapellmeister in Z¨urich und St. Gallen t¨atig war. 1850 / 51 vervollkommnete er seine pianistische Ausbildung bei Liszt in Weimar, arbeitete seit 1852 an der „Neuen Zeitschrift f¨ur Musik“ mit, unternahm seit 1853 Konzertreisen durch Deutschland ¨ und Osterreich und wurde 1855 als Nachfolger von Theodor → Kullak Klavierlehrer am Sternschen Konservatorium in Berlin. 1857 heiratete B. Liszts Tochter Cosima (→ Wagner). 1864 wurde er von K¨onig → Ludwig II. nach M¨unchen berufen, zun¨achst als k¨oniglicher Vorspieler, u¨ bernahm dann die Direktion der K¨oniglichen Musikschule und wurde 1867 Hofkapellmeister. Er dirigierte dort die Urauff¨uhrung der Wagner-Opern Tristan und Isolde (1865) und Die Meistersinger von N¨urnberg (1868). Nachdem sich Cosima von ihm

getrennt hatte und in die Schweiz zu Wagner u¨ bergesiedelt war, den sie 1870 heiratete, ging B. 1868 nach Florenz. Seit 1872 begab er sich wieder auf Konzertreisen, die ihn nach London, Rußland und 1875 / 76 in die USA f¨uhrten. 1877-79 war er Hofkapellmeister in Hannover und u¨ bernahm anschließend das Meininger Hoforchester, mit dem er bis 1885 große Erfolge feierte. Danach lebte B., seit 1882 mit der Hofschauspielerin Marie Schanzer verheiratet, als Dirigent, Pianist und Lehrer an verschiedenen Orten, leitete u. a. die Hamburger Abonnementskonzerte und Veranstaltungen der Berliner Philharmonie. 1889 und 1890 konzertierte er wieder in Amerika. Als Dirigent hatte B. neben Wagner eine Vorliebe f¨ur → Beethoven und → Brahms und f¨orderte Komponisten wie Richard → Strauss. Er komponierte Vokalmusik, Orchesterwerke (u. a. das symphonische Stimmungbild Nirwana, 1854) sowie Klaviermusik und edierte die Klavierwerke von Beethoven, die Et¨uden von Johann Baptist → Cramer und Chopin sowie Klavierwerke von → Weber. Politisch wandelte sich B. vom Anh¨anger der Revolution von 1848 zu einem chauvinistischen Verehrer → Bismarcks; 1881 unterzeichnete er die von Bernhard → F¨orster und Max → Liebermann von Sonnenberg verfaßte „Antisemiten-Petition“ an den Reichstag. C MGG

Bulow, ¨ Heinrich (Ulrich Wilhelm) Frh. von, Staatsmann, * 4. 9. 1791 Schwerin, † 6. 2. 1846 Berlin. B., Sohn eines mecklenburgischen Geheimen Rats und Oberhofmarschalls, studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Jena, Heidelberg und Genf und nahm an den Befreiungskriegen teil. Wilhelm von → Humboldt zur Vorbereitung des Zweiten Pariser Friedens zugeteilt, folgte er diesem an den Bundestag, 1817 nach London und vertrat ihn auf dem Aachener Kongreß teilweise als Gesch¨aftstr¨ager. Seit 1820 Vortragender Rat im Außenministerium, seit 1827 preuß. Gesandter in London, trat B. f¨ur den Zollverein ein, regte die Neutralisierung Belgiens an und bewirkte den Abschluß des Vertrags zwischen Belgien und Holland 1831. 1841 kehrte er in den Bundestag zur¨uck und war 1842-45 preuß. Außenminister. C NDB Bulow, ¨ Johann Albrecht von, Milit¨ar, * 27. 12. 1708 Glubenstein, † 19. 9. 1776 Berlin. Der Bruder Christoph Karl von → B.s trat 1720 in das Regiment des Prinzen → Leopold Maximilian von Anhalt-Dessau ein und war im Ersten Schlesischen Krieg dessen Adjutant. Seit 1757 Generalmajor, zeichnete sich B. 1760 im Siebenj¨ahrigen Krieg bei Liegnitz aus. In der Schlacht von Torgau geriet er in Gefangenschaft, kam erst nach Kriegsende frei und wurde 1766 Gouverneur von Spandau, 1775 General der Infanterie. C Priesdorff, Bd 1

Bulow, ¨ Karl (Wilhelm Paul) von, Milit¨ar, * 24. 3. 1846 Berlin, † 31. 8. 1921 Berlin. B., Sohn eines preuß. Oberstleutnants, nahm an den Kriegen 1866 und 1870 / 71 teil und wurde 1877 Hauptmann im Generalstab, 1897 Direktor des Zentraldepartements im Kriegsministerium und 1903 Kommandierender General des III. Armeekorps in Berlin. Seit 1912 als Generaloberst Chef der III. Armee-Inspektion, war er zu Beginn des Ersten Weltkriegs Oberbefehlshaber der 2. Armee, die Namur er¨ oberte und nach der Uberschreitung der Marne die Krise der Marneschlacht 1914 ausl¨oste. In deren Folge zun¨achst beurlaubt, sp¨ater wieder verwendet, trat B. – zum Generalfeldmarschall bef¨ordert – 1915 in den Ruhestand. Er ver¨offentlichte Mein Bericht zur Marneschlacht (1919). C NDB Bulow, ¨ Kurd (Edgar Bodo) von, Geologe, * 20. 7. 1899 Allenstein, † 30. 5. 1971 Rostock. B. kam nach dem Studium (Promotion 1921 in Greifswald, Das Kieshofer Moor bei Greifswald) 1921 an die Preußische

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¨ Bulow Geologische Landesanstalt in Berlin, war 1936-46 a. o. Prof. der Geologie an der Univ. Rostock und wurde 1947 kommissarischer Leiter der Zweigstelle Mecklenburg der Geologischen Landesanstalt. 1952 u¨ bernahm er den geologischen Lehrstuhl der Univ. Rostock. B., seit 1961 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, befaßte sich vor allem mit der Quart¨argeologie des Norddeutschen Tieflandes, zuletzt auch mit der Geologie des Mondes. Er ver¨offentlichte u. a. Der Mensch leitet einen neuen Abschnitt ¨ der Erdgeschichte ein (1956), Uber den Ort des Menschen in der Geschichte der Erde (1961), Geologie f¨ur jedermann (1962), Die Entstehung der Kontinente und Meere (1963) und Die Mondlandschaften (1969).

Bulow, ¨ Margarethe von, Schriftstellerin, * 23. 2. 1860 Berlin, † 2. 1. 1884 Berlin. Gemeinsam mit ihrer Schwester Frieda von → B. verbrachte B. ihre Kindheit zun¨achst in Smyrna (Izmir), nach dem Tod des Vaters auf dem elterlichen Gut Ingersleben in Th¨uringen und ließ sich im Anschluß an ein Ausbildungsjahr in England in Berlin nieder. Sie starb bei dem Versuch, ein verungl¨ucktes Kind zu retten. Ihre postum erschienenen Novellen und Romane (Jonas Briccius, 1886) wurden als Vorform des Heimatromans wie als Beitrag zum Sp¨atrealismus rezipiert. C Killy

Bulow, ¨ (Robert Arthur) Oskar, Jurist, * 11. 9. 1837 Breslau, † 19. 11. 1907 Heidelberg. B., Sohn eines Apothekers und Stadtrats, studierte in Heidelberg, Berlin und Breslau (Promotion 1859, De praejudicialibus formulis), habilitierte sich 1863 in Heidelberg (De praejudicialibus exceptionibus) und wurde 1865 in Gießen a. o., 1867 o. Prof. f¨ur r¨omisches Recht und Zivilprozeß. Seit 1885 Ordinarius an der Univ. Leipzig, wurde er 1892 aus Gesundheitsgr¨unden emeritiert. B.s Bedeutung liegt in seinen theoretischen Abhandlungen; er f¨uhrte u. a. den Begriff der Prozeßvoraussetzungen ein (Die Lehre von den Prozeßeinreden und den Prozeßvoraussetzungen, 1868), besch¨aftigte sich mit dem Verh¨altnis von Gesetzesrecht und Rechtsprechung und regte die Entwicklung der Prozeßrechtswissenschaft an. C NDB

Bulow-Cummerow, ¨ Ernst (Gottfried Georg) von, Landwirt, Publizist, * 13. 4. 1775 Pr¨utzen (Mecklenburg), † 26. 4. 1851 Berlin. Zun¨achst Offizier und Kammerjunker, studierte B.-C., Sohn eines d¨anischen Kammerjunkers und Landwirts, seit 1794 in Jena und Rostock, erwarb 1804 das Rittergut Cummerow und hatte bald eine f¨uhrende wirtschaftspolitische Stellung in Pommern inne. 1810 gr¨undete er die Pommersche o¨ konomische Gesellschaft in K¨oslin und unterst¨utzte als f¨uhrendes Mitglied der St¨andeversammlung die Reformen → Hardenbergs. B.-C. gr¨undete 1823 die Ritterschaftliche Privatbank Stettin zur Hebung des adligen Kredits sowie 1831 den Landwirtschaftlichen Verein zu Regenwalde, der u. a. die Landwirtschaftsschule Eldena ins Leben rief. Nach dem Regierungsantritt → Friedrich Wilhelms IV. entwickelte er eine rege publizistische T¨atigkeit f¨ur den F¨uhrungsanspruch Preußens und gegen ein Aufgehen Preußens in Deutschland. B.-C. wurde 1848 als Pr¨asident des Vereins zur Wahrung der Interessen des Grundbesitzes geistiges Haupt des „Junkerparlaments“. Als sein Hauptwerk gilt Preußen, seine Verfassung, seine Verwaltung, sein Verh¨altnis zu Deutschland (2 Bde., 1841). C NDB Bulow ¨ von Dennewitz, Friedrich Wilhelm Graf, Milit¨ar, * 16. 2. 1755 Falkenberg, † 25. 2. 1816 K¨onigsberg. Der Bruder Dietrich von → B¨ulows trat 1768 in die preuß. Armee ein, wurde 1793 als Stabskapit¨an Gouverneur Prinz → Louis Ferdinands, nahm am Ersten Koalitionskrieg teil

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und war seit 1794 Major. B. v. D. kam 1808 als Generalmajor zu → Bl¨uchers Pommerschem Korps, wirkte 1812 / 13 als interimistischer Generalgouverneur von Ostpreußen an der Erhebung Preußens mit und deckte unter Bernadotte Berlin durch die siegreichen Gefechte bei Luckau, Großbeeren und Dennewitz. Er war an der Leipziger V¨olkerschlacht beteiligt und, 1814 in den Grafenstand erhoben und zum General der Infanterie bef¨ordert, entscheidend am Sieg bei Waterloo 1815 beteiligt. C NDB

Bultemeyer, ¨ Heinrich, Graphiker, * 10. 10. 1826 Hameln, † 18. 6. 1905 Wien. B. kam 1851 nach Wien, studierte bei Ludwig → F¨orster und Theophil → Hansen und spezialisierte sich auf Architekturstiche. Sp¨ater war er f¨ur F¨orsters „Allgemeine Bauzeitung“ t¨atig und arbeitete u. a. an dem Band Bauwerke der Renaissance in der Toskana von → Gnauth und F¨orster mit. Sein Stich der Rekonstruktion der Alten Hofburg in Wien erschien in Band 6 der „Berichte und Mitteilungen des Alterthumsvereins“. C AKL Bumler, ¨ Georg Heinrich, auch Bimbler, Bimler, Bimmler, B¨uhmler, B¨ummler, B¨ummeler, S¨anger, Komponist, Musiktheoretiker, * 10. 10. 1669 Berneck (Oberfranken), begraben 29. 8. 1745 Ansbach. B. erhielt den ersten Musikunterricht von seinem Vater, einem Kantor und sp¨ateren Bergwerkvorsteher, und nach dessen Tod an der Lateinschule in M¨unchberg (Oberfranken). Er war vermutlich seit 1683 Kammerdiskant in der brandenburgischen Hofkapelle in Bayreuth, wo er von Kapellmeister Ruggiero → Fedeli in Gesang und Klavierspiel unterwiesen wurde. Nach der Mutation war B. als Kammermusikus in Wolfenb¨uttel und vor¨ubergehend in Hamburg, Berlin und Bayreuth t¨atig. 1698 ging er als Altist und Kammermusikus an den brandenburgischen Hof in Ansbach, wurde 1717 Kapellmeister, hielt sich 1722 / 23 in Italien auf, vor allem in Venedig, war danach bis 1725 Kapellmeister der K¨onigin von Polen und Kurf¨urstin von Sachsen, Christiane Eberhardine, in Pretzsch / Elbe und kehrte 1726 als Hofkapellmeister nach Ansbach zur¨uck. Mit Giacomo de Lucchesini und Lorenz → Mizler gr¨undete er 1738 die Correspondierende Societ¨at der musicalischen Wissenschaften. B. war vor allem als S¨anger bekannt; seine Besch¨aftigung mit der musikalischen Temperatur verschafften ihm auch Anerkennung als Theoretiker. Die von ihm komponierten Kantaten lassen italienische Einfl¨usse erkennen. C MGG Bunau, ¨ Heinrich Graf von, Staatsmann, Historiker, * 2. 6. 1697 Weißenfels, † 7. 4. 1762 Oßmannstedt bei Weimar. B. trat nach rechtswissenschaftlichen Studien in Leipzig in den kurs¨achsischen Staatsdienst ein und wurde 1727 Pr¨asident des Dresdner Konsistoriums, 1732 Verwalter der Grafschaft Mansfeld und 1740 Gesandter in Mainz. Von → Karl VII. 1742 zum ersten protestantischen Reichshofrat berufen, f¨uhrte er Verhandlungen zur Frankfurter Union der Reichskreise und wurde in den Reichsgrafenstand erhoben. Nach dem Tod des Kaisers 1745 zun¨achst Statthalter in Dresden, zog sich B. sp¨ater auf sein Gut Nothnitz zur¨uck. Seine von Johann Joachim → Winckelmann betreute Bibliothek galt als ¨ die ber¨uhmteste f¨ur die Offentlichkeit zug¨angliche Privatbibliothek seiner Zeit. B.s historische Schriften (u. a. Probe einer genauen und umst¨andlichen Teutschen Kayser- und Rechtshistorie, 1722; Genaue und umst¨andliche Teutsche Kayser- und Reichsgeschichte, 4 Bde., 1728-43) zeichnen sich durch die kritische Verwendung zeitgen¨ossischer Quellen aus. C NDB

¨ Bunte Bunderlin, ¨ Johannes, auch Bynderlin, B¨underlius, Wynnderl, Wunderle, Pseud. Hans Fischer oder Vischer, T¨aufer, * um 1500 St. Peter bei Linz, † nach 1539. B., Sohn eines Fischers, studierte 1515-19 in Wien die Artes und war danach Pr¨adikant bei einem evangelisch gesinnten Adligen in Ober¨osterreich. Um 1527 schloß er sich der T¨aufergemeinde in Linz an, wurde vertrieben und ist in den folgenden Jahren in M¨ahren sowie in oberdeutschen St¨adten bezeugt. In Straßburg ver¨offentlichte er um 1530 mehrere Schriften, darunter Erklerung durch vergleichung der Biblischen geschrifft (1530), in denen er einen radikalen mysti¨ schen Spiritualismus im Gefolge und in Uberbietung Hans → Dencks vertrat. Er geriet hier in Auseinandersetzungen mit auf die a¨ ußeren Ordnungen bedachten T¨aufern, vor allem mit Pilgram → Marpeck. Die letzten Nachrichten u¨ ber B. stammen von 1539 aus Ulm, wo er sich in Gesinnungsgemeinschaft mit Kaspar von → Schwenckfeld befand. C Killy

Bunemann, ¨ August Rudolph Jesaias, Jurist, Schriftsteller, * 5. 5. 1716 Minden, † 5. 10. 1774 Hannover. Als Jugendlicher trat B., Sohn von Johann Ludolph → B., mit ersten, in den „Leipziger gelehrten Zeitungen“ erschie¨ nenen literarischen Erz¨ahlungen an die Offentlichkeit. Er studierte 1733-35 Rechtswissenschaften in Halle und wurde 1738 Fiskal an der Kriegs- und Dom¨anenkammer in Minden. Seit 1739 Kammer- und Kirchenanwalt in Hannover, wurde er 1753 promoviert und zum Kurpf¨alzischen Hofrat, ¨ 1767 zum Hofgerichtsrat ernannt. Uber seine juristischen, historischen und theologischen Schriften hinaus ver¨offentlichte der Anh¨anger → Gottscheds und Christian → Wolffs Satyren (1762), die als sein literarisches Hauptwerk gelten. C Westf Autoren, Bd 1

Bunemann, ¨ Johann Ludolph, Lehrer, Bibliothekar, * 24. 6. 1687 Calbe (Altmark), † 1. 7. 1759. B. studierte seit 1706 an der Univ. Halle und wurde 1708 Lehrer am dortigen P¨adagogium, 1712 Rektor sowie Bibliothekar der Regierungsbibliothek in Minden. 1739 kam er als Rektor der Stadtschule nach Hannover. B.s Schriften galten vorwiegend der Philologie und der Literaturgeschichte (u. a. Doctorum Westphalorum vitae, 4 Bde., 1713-16). Er war der Vater von August Rudolph → B.

Bungeler, ¨ Walter, Pathologe, * 30. 12. 1900 Niedermendig, † 1. 1. 1987 M¨unchen. Nach dem Studium an den Universit¨aten Rostock, Frankfurt / Main und Bonn (Promotion 1926, Ueber Stirnlagen) habilitierte sich B. 1929 an der Univ. Frankfurt / Main (Tierexperimentelle und zellphysiologische Untersuchungen zur Frage der allgemeinen Geschwulstdisposition) und wurde 1934 o. Prof. der Pathologie sowie Direktor des Pathologischen Instituts der Staatlichen Akademie f¨ur Praktische Medizin in Danzig. 1936-42 war er Prof. an der Escola Paulista de Medicina und Leiter der Pathologischen Abteilung der Lepra-Forschungsanstalt in S˜ao Paulo, Brasilien. B. wurde 1942 o. Prof. der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie sowie Direktor des Pathologischen Instituts in Kiel. Er ver¨offentlichte u. a. Patolog´ıa morfol´ogica de las enfermedades tropicales (1944). Bunger, ¨ Christian Heinrich, Anatom, * 11. 10. 1782 Braunschweig, † 8. 12. 1842 Marburg. B. studierte in Halle und Helmstedt, war Prosektor an der Univ. und ging nach deren Aufhebung 1810 an die Univ. Marburg, wo er 1812 a. o., 1815 o. Prof. und Direktor der Anatomie wurde. Er gr¨undete dort das neue Anatomische Institut, legte umfangreiche Pr¨aparate-Sammlungen an und zeichnete sich weniger als Publizist (Prima carotidi communi utrique corporis humani prospero cum eventu appli-

cata ligatura, 1828) denn als Lehrer und Operateur aus. 1827 wurde er zum Hofrat, 1836 zum Geheimen Medizinalrat ernannt.

Bunger, ¨ (Ernst) Heinrich, Landwirt, * 25. 1. 1880 Westhoyel (Niedersachsen), † 18. 11. 1946 Kiel. Der aus einer Bauernfamilie stammende B. wurde nach dem Studium (Dr. phil. 1907) Assistent an der Univ. G¨ottingen und war anschließend Lehrer an mehreren Landwirtschaftsschulen. Nach der R¨uckkehr aus dem Ersten Weltkrieg Direktor der Landwirtschaftsschule Samter in Posen, wurde er 1919 Studiendirektor der h¨oheren Landwirtschaftsschule und des P¨adagogischen Seminars f¨ur Landwirtschaftslehrer in Dahme in der Mark. 1923 folgte er einem Ruf als Institutsdirektor und Prof. an die Preußische Versuchs- und Forschungsanstalt f¨ur Milchwirtschaft in Kiel, habilitierte sich 1929 an der Univ. Kiel f¨ur Tierzucht- und Tierern¨ahrungslehre und wurde 1939 Professor. Er besch¨aftigte sich vor allem mit Milchwirtschaft und Tierern¨ahrungslehre (u. a. Lehrbuch der Z¨uchtung, Haltung und F¨utterung von Milchvieh und Schweinen, 1936, 21984; Leitfaden der Viehf¨utterung, C SHBL, Bd 1 1944). Buning, ¨ Wilhelm, Architekt, * 4. 4. 1881 Borken (Westfalen), † 2. 8. 1958 Berlin. B. studierte an den Technischen Hochschulen M¨unchen, Charlottenburg und Dresden und war sp¨ater Prof. an den Vereinigten Staatsschulen f¨ur freie und angewandte Kunst in Berlin sowie an der TH Charlottenburg. 1928 wurde er o. Prof. an der Berliner Hochschule f¨ur bildende K¨unste. B. war haupts¨achlich im Wohnungsbau (u. a. f¨ur die Heimst¨attengesellschaft Primus in Berlin-Reinickendorf) t¨atig und ver¨offentlichte u. a. Neue Bauanatomie (1947). C AKL

Bunning, ¨ Erwin, Botaniker, * 23. 1. 1906 Hamburg, † 4. 10. 1990 T¨ubingen. B., Sohn eines Lehrers, schloß das Studium 1929 in Berlin mit der Promotion ab (Untersuchungen u¨ ber die Seismoreaktionen von Staubgef¨aßen und Narben), habilitierte sich 1931 in Jena mit der Arbeit Untersuchungen u¨ ber die autonomen tagesperiodischen Bewegungen der Prim¨arbl¨atter von Phaseolus multiflorus f¨ur Botanik und wurde 1938 a. o. Prof. an der Univ. K¨onigsberg. 1938 / 39 bereiste er erstmals Java und Sumatra. 1942 wechselte er als Extraordinarius an die Univ. Straßburg und wurde 1945 Ordinarius in K¨oln. Seit 1946 o. Prof. an der Univ. T¨ubingen und Direktor des dortigen Botanischen Instituts und Botanischen Gartens, unternahm er Forschungsreisen nach Pakistan und Bengalen (1949 / 50) sowie erneut nach Java und Sumatra (1951). 1952 / 53 war B., Mitglied verschiedener Akademien (seit 1954 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina), Rektor der T¨ubinger Universit¨at (Rede, Ein Blick in die Lebensforschung). Er befaßte sich haupts¨achlich mit Pflanzenphysiologie, war Mitherausgeber mehrerer Zeitschriften, u. a. 1952-62 der „Zeitschrift f¨ur Botanik“ und ver¨offentlichte Entwicklungsund Bewegungsphysiologie der Pflanze (1948), Theoretische Grundfragen der Physiologie (1945, 21949), Der tropische Regenwald (1956), Die physiologische Uhr (1958, 31977, mehrfach u¨ bersetzt) und Wilhelm Pfeiffer. Apotheker, Chemiker, Botaniker, Physiologe, 1845-1920 (1975). C Jb BAW 1990 Bunte, ¨ Gottlob, Pseud. Jan von (vun) Moor, Schriftsteller, * 15. 11. 1840 Bremen, † 19. 11. 1907 Bremen. Der Nachkomme einer Handwerkerfamilie war als Arbeiter und Werkmeister in der Tabakverarbeitung in Frankfurt / Main, Biebrich und Mainz t¨atig. 1866 war sein erstes Volksst¨uck in Frankfurt / Main auf der B¨uhne zu sehen.

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¨ Bunting 1870 kehrte B. in seine Geburtsstadt zur¨uck und schrieb neben seiner T¨atigkeit als Wirt hoch- und plattdeutsche Theaterst¨ucke, die zun¨achst im Tivolitheater, sp¨ater im 1881 von B. gegr¨undeten „Bremer Volkstheater“ aufgef¨uhrt wurden. Neben zahlreichen, gr¨oßtenteils ungedruckten, dramatischen Werken schrieb er u. a. Jan Pinkernell upp’r Utstellung in Bremen 1890 (2 Bde., 1890).

Bunting, ¨ Heinrich, auch Bunting(us), Pendingius, evang. Theologe, Historiker, * 1545 Hannover, † 30. 12. 1606 Hannover. B., Sohn eines Goldschmieds und Silberh¨andlers, studierte 1568-71 an der Univ. Wittenberg Artes und Theologie, erwarb 1569 den Grad eines Magisters, wurde 1571 von seinem Lehrer Friedrich → Widebram zum Prediger ordiniert und trat die Stelle des Schloßpredigers der Herzogin Sidonia auf dem Alt-Calenberg an. Seit 1572 war er Pfarrer in Gronau bei Hildesheim, 1591-99 Superintendent in Goslar. Als B. dieses Amt wegen theologischer Lehrstreitigkeiten verlor, zog er wieder in seine Geburtsstadt. Er schrieb u. a. eine Braunschweigische und L¨uneburgische Chronica (4 Bde., 1584 / 85) und Harmonia Evangelica (1589). C NDB

Bunz, ¨ Karl, Diplomat, * 25. 7. 1843 Marne (Holstein), † 15. 3. 1918 Atlanta (USA). B., Sohn eines Lehrers und Schulrektors, trat nach dem Jurastudium (1863-67) und vor¨ubergehender T¨atigkeit am Deutschen Arch¨aologischen Institut Rom in den preuß. Justizdienst ein und wurde 1872 Amtsrichter in Eddelak (Dithmarschen). 1876 wurde er zum B¨urgermeister von Gl¨uckstadt gew¨ahlt. Seit 1887 im konsularischen Dienst, ubernahm ¨ er 1891 das Konsulat in Chicago und machte durch eine geschickte Amtsf¨uhrung, vor allem w¨ahrend des spanischamerikanischen Krieges 1898 auf sich aufmerksam, weshalb ihm der wichtige Posten in New York u¨ bertragen wurde (1900 Generalkonsul). Hier engagierte sich B. u. a. f¨ur die Schaffung des deutsch-amerikanischen Kabeldienstes und damit f¨ur die Unabh¨angigkeit der transatlantischen Nachrichtenverbindungen von britischen Relaisstationen. Mit der nur in Ausnahmef¨allen u¨ blichen Berufung eines Konsularbeamten zum Gesandten (Mexiko 1908) erreichte B. den H¨ohepunkt seiner Karriere; 1911 wurde er pensioniert. Nach vor¨ubergehender halbdiplomatischer T¨atigkeit bei der t¨urkischen Staatsschuldenverwaltung (Dette publique) nahm er 1912 die Stelle als Generalrepr¨asentant der HAPAG in New York an. Wegen der nach US-amerikanischem Kriegsrecht nicht zul¨assigen Verproviantierung deutscher Kriegsschiffe wurde B. 1917 zu einer eineinhalbj¨ahrigen Gef¨angnisstrafe verurteilt und starb w¨ahrend der Haft. C BHdAD

Burck, ¨ Paul (Wilhelm), auch B¨urk, Maler, Graphiker, * 3. 9. 1878 Straßburg, † 18. 4. 1947 M¨unchen. Nach einer Lehre als Dekorationsmaler studierte B. 1895-97 an der Kunstgewerbeschule M¨unchen, folgte 1899 einer Berufung an die K¨unstlerkolonie Darmstadt, wo er an der Ausstellung dekorativer Malereien 1901 mitwirkte, und war 1902-03 Lehrer an der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Magdeburg. 1905-08 lebte B. u¨ berwiegend in Rom und ließ sich dann in M¨unchen nieder. Er schuf neben Bildnissen, Landschaften und Wandgem¨alden (Die Freude an der Schule, Aula der St¨adtischen T¨ochterschule in Essen, 1906) radierte Genreszenen sowie zahlreiche Entw¨urfe f¨ur Buchschmuck, Tapeten und Textilkunst. C AKL

Burckel, ¨ Josef, Politiker, * 30. 3. 1895 Lingenfeld (Pfalz), † 28. 9. 1944 Neustadt / Weinstraße. Von Beruf Lehrer, trat B., Sohn eines Handwerkers, nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1921 in die NSDAP ein, nahm 1923 / 24 an Aktionen gegen die separatistische Bewegung in der Pfalz teil und wurde 1926 Gauleiter

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der Rheinpfalz. 1929 / 30 gab er die Gau-Zeitung „Eisenhammer“, 1930-44 die „NSZ-Rheinfront“ (seit 1940 „NSZWestmark“) heraus. Seit 1930 Reichstagsabgeordneter, seit 1934 „Bevollm¨achtigter der Reichsregierung f¨ur das Saargebiet“, wurde er 1936 Gauleiter der „Saarpfalz“ und „Reichskommissar f¨ur die R¨uckgliederung des Saarlandes in das Reich“; 1938 u¨ bertrug ihm → Hitler die entsprechende Auf¨ gabe in Osterreich. Seit 1936 war er SA-Obergruppenf¨uhrer, seit 1937 Mitglied der SS. 1939 wurde B. Reichsstatthalter ¨ von Osterreich und Gauleiter von Wien, nach Beginn des Zweiten Weltkriegs zus¨atzlich Reichsverteidigungskommissar im Wehrkreis XVII. 1940 wurde er Chef der Zivilverwaltung in Lothringen und Gauwohnungskommissar f¨ur die Westmark, 1941 Reichsstatthalter der Westmark. B. schaltete in seinen Einflußbereichen die evang. Kirche gr¨oßtenteils gleich und war f¨ur die Deportation tausender Juden sowie die Zerst¨orung historischer Bauten in Lothringen verantwortlich. 1942 wurde er SS-Obergruppenf¨uhrer. B. starb unter ungekl¨arten Umst¨anden. C Braune Elite 2

Burde, ¨ Samuel Gottlieb, Pseud. Londy, Schriftsteller, Beamter, * 7. 12. 1753 Breslau, † 28. 4. 1831 Breslau. B., Sohn eines Z¨ollners, studierte Rechtswissenschaften in Halle und war 1776-78 Lehrer und Aufseher in einer von Freimaurern gestifteten Lehr- und Erziehungsanstalt, anschließend Privatsekret¨ar des sp¨ateren Ministers Christian von → Haugwitz. 1781 wurde er Kammersekret¨ar in Breslau, 1795 Geheimer Sekret¨ar im schlesischen Finanzministerium, 1806 Kammer- und Kanzleidirektor und 1815 Hofrat. B. war Mitarbeiter u. a. von → Wielands „Teutschem Merkur“ und → Schillers „Horen“, schrieb Dramen, Gedichte (u. a. Geistliche Poesien, 1787, 21794), Lieder und Opernlibretti (u. a. nach Wielands Don Sylvio von Rosalva, 1795) ¨ sowie die von den Zeitgenossen ger¨uhmte Milton-Ubersetzung Das verlorne Paradies (2 Bde., 1793). C Killy Burde-Ney, ¨ Jenny, o¨ sterr. S¨angerin, * 21. 12. 1824 Graz, † 17. 5. 1886 Dresden. B.-N. trat seit ihrem 14. Lebensjahr als S¨angerin auf, deb¨utierte 1845 als dramatischer Sopran in Olm¨utz und kam anschließend nach Prag und Lemberg. Seit 1850 war sie an der Wiener Hofoper, seit 1852 in Dresden engagiert, lebte 1855 / 56 in London und absolvierte Gastauftritte in Berlin und Hannover. B.-N., deren technische Perfektion und dramatische Begabung ger¨uhmt wurde, sang u. a. die Donna Anna in → Mozarts Don Giovanni. Nach ihrem R¨uckzug von der B¨uhne 1867 lebte sie als Gesanglehrerin in Dresden.

Bueren, Bernard Gottfried, auch Bernhard Godfried, Dichter, Jurist, * 10. 8. 1771 Wolbeck, † 3. 8. 1845 Papenburg. B. wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaften in M¨unster Hofmeister des Grafen Ignatz von → LandsbergVelen, 1793 Lizentiat der Rechte und Richter in Papenburg. Sp¨ater war er dort Rentmeister und Friedensrichter. B., der auch als Mathematiker bekannt war, schrieb zahlreiche Gedichte und Hymnen, darunter das Deutsch und Lateinisch edierte Werk Albion, Europens Erl¨oserin (1815). C Westf Autoren, Bd 1 ¨ B¨urgermeister, † 1541 Bremen. Buren, ¨ Daniel von, d. A., B., dessen Vater Eltermann der Kaufleute war, studierte seit 1477 in Rostock wahrscheinlich Rechtswissenschaften, wurde 1486 in den Rat der Stadt Bremen gew¨ahlt und war 1500-38 B¨urgermeister. Seit einem Besuch des Kardinallegaten Raimund von Gurk 1503 ein scharfer Kritiker der kath. Finanzpolitik, war er maßgeblich an der Durchf¨uhrung der Reformation in Bremen beteiligt. B. vollzog den Anschluß der Stadt an den Schmalkaldischen Bund. Er verfaßte ein „Ratsdenkelbuch“. B. war der Vater von Daniel → B. d. J. C NDB

¨ Burger Buren, ¨ Daniel von, d. J., B¨urgermeister, * 23. 6. 1512, † 10. 7. 1593 Bremen. B. studierte 1528-35 in Wittenberg und Heidelberg, trat in Wittenberg in engen Kontakt mit → Luther und → Melanchthon und schloß sich der gem¨aßigten protestantischen Richtung Melanchthons an. 1538 wurde er Nachfolger sei¨ als Bremer Ratsherr, repr¨asennes Vaters Daniel → B. d. A. tierte Bremen beim Religionsgespr¨ach in Worms 1540 / 41 und wurde bald darauf B¨urgermeister. Dank seiner großen Anh¨angerschaft unter den B¨urgern konnte B. seine gem¨aßigten religi¨osen Vorstellungen in der Stadt gegen die luth. Orthodoxie verteidigen. Er f¨orderte die humanistischen Wissenschaften und berief hervorragende Hochschullehrer an die zum akademischen Gymnasium umgestaltete Lateinschule in Bremen. C NDB

Buren, ¨ G¨unther von, schweizer. Botaniker, * 14. 12. 1889 Bern, † 11. 2. 1953. B. studierte in Bern und Bonn (Promotion 1915 Die schweizerischen Protomycetaceen mit besonderer Ber¨ucksichtigung ihrer Entwicklungsgeschichte und Biologie) und lehrte seit 1921 an der Univ. seiner Geburtsstadt Botanik und Mikro¨ technik, seit 1945 zudem Okologie, Limnologie und Hydrobiologie. 1924-47 war er Archivar der Schweizer Naturforschenden Gesellschaft, 1932-46 Redakteur der „Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft Bern“, in denen die meisten seiner limnologischen Monographien u¨ ber die Kleinseen des Berner Mittellandes erschienen (erstmals 1936 Der Gerzensee). Weitere Untersuchungen u¨ ber die Entwicklungsgeschichte und Biologie der Protomycetaceen erschienen 1922. C Biogr Verstorb Schweiz, Bd 4

Buren, ¨ Johann von → Johann von B¨uren Buren, ¨ Moritz von, kath. Theologe, * 12. 2. 1604 B¨uren bei Paderborn, † 7. 11. 1651 Haus Geist bei Oelde. Der Sohn des vornehmsten Standesherrn im Hochstift Paderborn und k¨ampferischen Calvinisten besuchte nach dem Wunsch der konvertierten Mutter die Jesuitengymnasien in Paderborn und K¨oln, studierte seit 1621 in Douai Rechtswissenschaften, bereiste Westeuropa und ersuchte in Rom vergeblich um Aufnahme in den Jesuitenorden. 1628 wurde B. Pr¨asident und damit Stellvertreter des Kammerrichters am Reichskammergericht in Speyer, ein Amt, das er bis 1644 innehatte. In jenem Jahr trat er, nachdem er die Gesellschaft Jesu zu seinem Universalerben eingesetzt hatte, in den Orden ein und wurde noch im gleichen Jahr zum Priester geweiht. Nach dem Noviziat in Trier studierte er Theologie und Philosophie in K¨oln und u¨ bernahm nach Weisung die Verwaltung seiner G¨uter. B. bem¨uhte sich um die Rekatholisierung der Bev¨olkerung in seiner ausgedehnten Herrschaft. Auf den ererbten G¨utern errichtete der Orden im 18. Jh. ein Kolleggeb¨aude und eine Kirche und schuf damit einen Hauptst¨utzpunkt f¨ur seine T¨atigkeit in Ostwestfalen. C NDB

Buren, ¨ Nikolaus von → Nikolaus von B¨uren Burg, ¨ Johann Tobias, Mathematiker, Astronom, * 24. 12. 1766 Wien, † 25. 11. 1834 Wiesenau. Mit Hilfe eines Stipendiums studierte B. Mathematik und Astronomie in Wien, war 1791 f¨ur ein Jahr als Schullehrer in Klagenfurt t¨atig und trat dann eine Assistentenstelle am Universit¨atsobservatorium in Wien an. Nach Reisen wurde er 1806 zum Prof. f¨ur Mathematik und Astronomie an der Univ. Wien ernannt. Seit 1808 hatte er unter einer zunehmenden Ertaubung zu leiden und gab 1813 die Lehrt¨atigkeit auf. Mit astronomischen Beobachtungen hatte B. bereits als Student begonnen; stets galt sein Interesse praktischen Aufgaben. ¨ Uber viele Jahre arbeitete er an den Wiener Ephemeriden (Ephermides astronomicae, 1793-1805) und gewann mit seinen Berechnungen der Mondephemeriden, des Einflusses der

Sonne und der Abflachung der Erde Beachtung und Zustimmung. 1806 erschienen von B. Tables de la lune (in: Tables astronomiques publi´ees par le Bureau des Longitudes). C DSB

Burgel, ¨ Bruno H(ans), Schriftsteller, Volksbildner, Astronom, Journalist, * 14. 11. 1875 Berlin, † 8. 7. 1948 Potsdam. B., unehelicher Sohn einer Modistin und des nachmaligen Prof. der Arch¨aologie, Adolf → Trendelenburg, wuchs als Adoptivsohn des Schuhmachermeisters Gustav B. in a¨ rmlichen Verh¨altnissen auf. Neben einer T¨atigkeit als Arbeiter in der Schuhfabrikation und Druckerei besch¨aftigte er sich mit astronomischen Studien und erhielt durch die Vermittlung des Astronomen Max Wilhelm Meyer 1895 eine Stelle als Hilfskraft an der Urania-Sternwarte in Berlin. Seit 1898 erschienen seine popul¨arwissenschaftlichen Schriften zur Astronomie. Dem sozialdemokratischen Volksbildungsgedanken verbunden, unternahm B. zahlreiche Vortragsreisen, in denen er popul¨ares Wissen u¨ ber Astronomie, allgemeine Themen der Naturwissenschaft, kulturphilosophische und ethische Fragen behandelte. 1927-48 lebte er in Potsdam. Neben seiner Autobiographie Vom Arbeiter zum Astronomen (1919) ist die popul¨are Himmelskunde Aus fernen Welten (1910) als sein bekanntestes Werk. B. ver¨offentlichte auch Feuilletons, u. a. 1941 / 42 im NS-Auslandsblatt „Donauzeitung“ (Belgrad), seit 1945 vor allem in Berliner Tageszeitungen, gelegentlich auch in o¨ sterr. Bl¨attern (u. a. „Tiroler Tageszeitung“). Zu seinen Publikationen geh¨oren ferner Die Zeit ohne Seele (1923) und Mensch im All (1952). C NDB

Burgel, ¨ Hugo, Maler, * 14. 4. 1853 Landshut, † 3. 7. 1903 M¨unchen. B. beschloß 1887 seine milit¨arische Laufbahn als Oberleutnant und bildete sich bei August → Fink zum Maler aus. 1896 wurde er zum ersten Pr¨asidenten der M¨unchner K¨unstlergenossenschaft gew¨ahlt, legte das Amt aber bald nieder, um den Vorsitz der sogenannten „Luitpoldgruppe“ zu u¨ bernehmen. 1903 veranstaltete der M¨unchner Kunstverein eine Gesamtausstellung seiner Arbeiten. B. malte ausschließlich Landschaften, meist der oberbayerischen Moor- und Seengebiete, darunter Aus dem Isartal. C AKL

Burger, ¨ Elise, geb. Marie Christine Elisabeth Hahn, Pseud. Theodora, Schauspielerin, Schriftstellerin, * 17. 11. 1769 Stuttgart, † 24. 11. 1833 Frankfurt / Main. B., dessen Vater als Expeditionsrat, Generalmagazindirektor und als Theaterkassierer t¨atig war, wurde der literari¨ schen Offentlichkeit 1789 bekannt, als sie in der Wochenschrift „Beobachter“ ein Liebesgedicht ver¨offentlichte, in dem sie Gottfried August → B. einen f¨ormlichen Heiratsantrag machte; 1792 wurde die 1790 geschlossene Ehe – es war die dritte B.s – geschieden. B., der eine Wiederverheiratung verboten war, wurde zun¨achst Gesellschafterin in Leipzig, sp¨ater Schauspielerin am Altonaer Nationaltheater sowie in Hannover und war 1802-07 Mitglied des Dresdner Hoftheaters. 1807-20 bereiste sie als gesch¨atzte Deklamatorin u. a. von Werken → Goethes, → Schillers und B¨urgers ¨ Deutschland, Osterreich und Frankreich und ließ sich 1820 in Frankfurt / Main nieder. B., zuletzt erblindet, gab Schauspielunterricht und ver¨offentlichte Gelegenheitslyrik, Prosa und Schauspiele; ihr erfolgreichstes Werk war das Ritterschauspiel Adelheid, Gr¨afin von Teck (1799). C Killy

Burger, ¨ Gottfried August, Dichter, * 31. 12. 1747 Molmerswende / Harz, † 8. 6. 1794 G¨ottingen. B., Sohn eines Pfarrers, studierte, von seinem Großvater, einem Freibauern, unterst¨utzt, seit 1760 am P¨adagogium in Halle sowie seit 1764 Theologie an der dortigen Univ., seit 1768 Rechtswissenschaften in G¨ottingen und lernte dort die Mitglieder des 1772 gegr¨undeten Hainbundes kennen. 1772

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¨ Burger u¨ bernahm er eine Stelle als Amtmann zun¨achst in Gellihausen, sp¨ater in Niedeck, die finanziell weniger als erwartet einbrachte und ihn an der literarischen Arbeit hinderte. B. lebte in tragischen Liebesbeziehungen, zum Teil in einer Ehe zu dritt mit den Schwestern Dorette und Molly Leonhart. 1784 wurde er Privatdozent, 1789 a. o. Prof. an der Univ. G¨ottingen. Die Ehe mit Elise → B. (1790) wurde 1792 geschieden. B. ver¨offentlichte zahlreiche Gedichte im „G¨ottinger Musenalmanach“, den er 1778-94 redigierte. Zun¨achst der Anakreontik verpflichtet, erneuerten sie sp¨ater u. a. die Gattung Ballade (Leonore, 1773) und die Gedichtform Sonett. B.s lyrische Dichtung zeichnet sich durch Volkst¨umlichkeit aus: „Alle Poesie soll volkst¨umlich sein, denn das ist das Siegel ihrer Vollkommenheit“ (vgl. Aus Daniel Wunderlichs Buch, 1776; Von der Popularit¨at der Poesie, 1784). ¨ 1786 erschien anonym seine Ubersetzung und Erweiterung der M¨unchhausen-Geschichten von Rudolf Erich → Raspe unter dem Titel Wunderbare Reisen zu Wasser und Lande, Feldz¨uge und lustige Abentheuer des Freyherrn von M¨unchhausen. Nach der harschen Kritik → Schillers in der Rezen¨ sion Uber B¨urgers Gedichte 1791 in der „Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung“ wurde B. mehr und mehr vom literarischen Betrieb isoliert und f¨uhrte zahlreiche Projekte, ¨ darunter Ubersetzungen, nicht mehr aus. C Killy

Burger, ¨ Kurt, eigentl. Karl Ganz, Politiker, * 27. 8. 1894 Karlsruhe, † 28. 7. 1951. Der aus einer Arbeiterfamilie stammende B. trat nach dem Abschluß einer Schlosserlehre 1912 in die SPD ein. 1918 war er Mitglied des M¨unchner Arbeiterrats, 1919 Mitbegr¨under der bayerischen KPD. Nach der Niederschlagung der R¨aterepublik vier Jahre inhaftiert, u¨ bernahm er 1924-29 Parteifunktionen in Bayern, 1929-33 im Zentralkomitee der KPD in Berlin. 1933-45 lebte er als Redakteur und Lehrer in der Sowjetunion und k¨ampfte 1936 / 37 auf republikanischer Seite im Spanischen B¨urgerkrieg. B. kehrte 1945 als Mitglied der Initiativgruppe unter Gustav → Sobottka nach Deutschland zur¨uck, u¨ bernahm die KPDLandesleitung Mecklenburg-Vorpommern und f¨uhrte u. a. Bodenreformen durch. Er war Mitglied u. a. des Zentralkomitees der SED, 1949 / 50 Mitglied der Provisorischen Volkskammer der DDR und wurde am 20. 7. 1951 als Nachfolger Wilhelm → H¨ockers zum Ministerpr¨asidenten von Mecklenburg gew¨ahlt, strab jedoch acht Tage sp¨ater. C Dt Kommunisten

Burger, ¨ Kurt, Agrarwissenschaftler, * 12. 7. 1899 Charlottenburg (heute zu Berlin), † 23. 2. 1991 Bremen. B. studierte seit 1921 Landwirtschaft an der Univ. Halle / Saale und war daneben seit 1923 als Versuchsfeldassistent bei Theodor → Roemer am Institut f¨ur Pflanzenbau und Pflanzenz¨uchtung t¨atig. Nach der Promotion 1926 (Betriebswirtschaftliche Untersuchungen u¨ ber die Gr¨unlandwirtschaft der pommerschen Moore unter besonderer Ber¨ucksichtigung der privatwirtschaftlichen Durchf¨uhrbarkeit) wurde er 1929 Direktor der Nordwestdeutschen Futtersaatbau GmbH in Bremen, die 1965 unter seiner Mitwirkung und durch Zusammenschluß mit der Deutschen Saatveredelung Lippstadt in die Deutsche Saatveredelung Lippstadt-Bremen GmbH umgewandelt wurde. 1953-75 war B. auch Gesch¨aftsf¨uhrer der von ihm gegr¨undeten F¨ordergemeinschaft Futtersaaten GmbH. Er besch¨aftigte sich in erster Linie mit Futterpflanzenz¨uchtung, Saatgutvermehrung und Gr¨unlandberatung und verfaßte u. a. Unsere Gr¨aser im Futter- und Samenbau (1961). C B¨ohm

Burger, ¨ Max (Ferdinand), Geriater, Internist, * 16. 11. 1885 Hamburg, † 5. 2. 1966 Leipzig. B. studierte in W¨urzburg, Kiel, Berlin und M¨unchen (Pro¨ motion 1911, Uber Herzfleischver¨anderungen bei Diphtherie), war an verschiedenen Kliniken Assistenzarzt und ha-

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bilitierte sich 1918 in Kiel f¨ur Innere Medizin (Epidemi¨ sches Odem und Enterocolitis). Seit 1920 Oberarzt, seit 1922 a. o. Prof., war er 1929-31 Chefarzt der Inneren Klinik des Osnabr¨ucker St¨adtischen Krankenhauses und folgte anschließend einer Berufung als o. Prof. an die Univ. Bonn. 1937-57 war B. – mit Unterbrechung durch eine politisch bedingte Suspendierung 1946 / 47 – Ordinarius f¨ur Innere Medizin und Direktor der Medizinischen Universit¨atsklinik in Leipzig. Er besch¨aftigte sich mit pathologischer Physiologie, mit Stoffwechselkrankheiten sowie mit Alternsforschung und gilt als Mitbegr¨under der neuzeitlichen Geriatrie. 1938 gr¨undete er mit Emil → Abderhalden die „Zeitschrift f¨ur Altersforschung“, deren Herausgeber er bis 1965 war. B. wurde 1950 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. 1956-60 war er Pr¨asident der Deutschen Gerontologischen Gesellschaft. B. ver¨offentlichte u. a. Pathologisch-physiologische Prop¨adeutik (1924, 6 1958 unter dem Titel Pathologische Physiologie), Altern und Krankheit (1947, 41960), Einf¨uhrung in die innere Medizin (1952), Klinische Fehldiagnosen (1953), Die Hand des Kranken (1956, mit Hans Knobloch) und Geschlecht und ¨ Krankheit (1958). 2, 3 C Arzte

Burger, ¨ (Heinrich) Otto (Wilhelm), Zoologe, Wirtschaftsgeograph, * 4. 5. 1865 Hannover, † 18. 1. 1945 T¨orwang. B., Sohn eines Sattlers, studierte 1885-89 an den Universit¨aten G¨ottingen, Leipzig und Freiburg (Promotion 1889, Beitr¨age zur Kenntnis des Nervensystems der Nemertinen), habilitierte sich 1891 in G¨ottingen mit der Arbeit Beitr¨age zur Kenntnis des Nervensystems der Nemertinen f¨ur Zoologie und wurde 1896 Professor. 1896 / 97 bereiste er erstmals Kolumbien und Venezuela, lehrte 1900-08 als Prof. der Zoologie an der Medizinischen Fakult¨at der Univ. Santiago de Chile und war gleichzeitig Direktor des chilenischen Nationalmuseums. B. lebte seit 1917 in Lugano, seit 1925 in M¨unchen und wertete u. a. die Materialien der deutschen Tiefsee-Expeditionen „Belgica“ (1904) und „Valdivia“ (1912) aus; neben mehreren Wirtschafts-L¨andermonographien (Chile als Land der Verheißung und Erf¨ullung f¨ur deutsche Auswanderer, 1920; Venezuela. Ein F¨uhrer durch das Land und seine Wirtschaft, 1922) publizierte er auch Belletristisches (Quintrales. Geschichten aus einem heißen Lande, 1911). Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Reisen eines Naturforschers im tropischen S¨udamerika (1900, 31923) und Spaniens Riviera und die Balearen (1913). C NDB

Burger-Prinz, ¨ Hans, Psychiater, Neurologe, * 16. 11. 1897 Weinheim, † 29. 1. 1976 Hamburg. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg schloß B.-P. das Gymnasium ab, studierte Medizin in Bonn und K¨oln und war Assistenzarzt in K¨oln, Heidelberg und Paris. 1930 habilitierte er sich an der Univ. K¨oln (Die beginnende Paralyse), wurde Oberarzt, ging im folgenden Jahr als Dozent und Oberarzt nach Leipzig und folgte 1936 einem Ruf als a. o. Prof. nach Hamburg. 1937-65 war er o. Prof. der Psychiatrie und Neurologie an der Univ. Hamburg, daneben bis 1968 Direktor der Psychiatrischen und Nervenklinik der Univ. sowie der Poliklinik Hamburg-Eppendorf. 1939-45 war B.-P. zun¨achst Lazarettarzt, sp¨ater beratender Psychiater in Paris und Hamburg. Eines seiner Spezialgebiete, die forensische Psychiatrie, f¨uhrte zu seiner ausgedehnten Gutachtert¨atigkeit nach 1945. B.-P. gr¨undete 1950 die Gesellschaft f¨ur Sexualwissenschaft. Er ver¨offentlichte u. a. Trunksucht, Trinkerpers¨onlichkeit und Therapie (1938), Zur Ph¨anomenologie des Transvestitismus bei M¨annern (mit Heinrich Albrecht und Hans Giese, 1953), Die Alterskriminalit¨at (mit Herbert Lewrenz, 1961) und Befinden und Symptom (hrsg. mit F. J. Michael Winzenried, 1964). 1971 erschienen seine Lebenserinnerungen 1971 unter dem Titel Ein Psychiater berichtet. C Munzinger

¨ Burgisser Burgers, ¨ Joseph, Hygieniker, Bakteriologe, * 27. 8. 1881 Plittersdorf (Kr. Bonn), † 27. 8. 1954 Helmstedt. Nach dem Studium der Medizin in Straßburg, M¨unchen und Bonn, das er 1906 mit der Promotion abschloß (Ueber spontane Lactosurie in der Gravidit¨at und im Puerperium), war B. an den Hygienischen Instituten in Bonn, K¨onigsberg und Leipzig t¨atig. 1910 habilitierte er sich in K¨onigsberg f¨ur Hygiene und Bakteriologie, nahm 1912 an einer wissenschaftlichen Expedition nach Neuguinea teil und ging 1919 als a. o. Prof. nach Leipzig. 1920 wurde er Ordinarius in D¨usseldorf, 1926 in K¨onigsberg. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs war er dort Beratender Hygieniker beim Generalkommando. 1946 wurde B. Ordinarius und Direktor des Hygiene-Instituts in G¨ottingen sowie des Staatlichen Medizinaluntersuchungsamtes. 1947 / 48 war er Dekan der Medizinischen Fakult¨at und 1950 Mitglied des Landesgesundheitsrats Niedersachsen. B. geh¨orte dem Vorstand der Ge¨ sellschaft Deutscher Naturforscher und Arzte an und war seit 1947 Mitherausgeber des „Zentralblatts f¨ur Bakteriologie und Hygiene“. Auf seine Initiative geht die Neubelebung der Deutschen Gesellschaft f¨ur Hygiene und Mikrobiologie zur¨uck, deren erster Pr¨asident er nach dem Krieg wurde. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen Die Tuberkulose (1924), ¨ Studien zum Erk¨altungsproblem (1929) und Uber moderne ¨ Chemotherapie (1942). 2, 3 C Arzte

Burgers, ¨ Robert, Bankier, Politiker, * 18. 6. 1877 Plittersdorf bei Bonn, † 30. 10. 1944 K¨oln. Nach rechtswissenschaftlichen Studien im Staatsdienst, war B. 1908-10 beurlaubt und trat anschließend nach kurzer T¨atigkeit im A. Schaaffhausenschen Bankverein K¨oln in das preuß. Handelsministerium ein. Seit 1913 Landrat in Recklinghausen, seit 1919 Vortragender Rat im preuß. Finanzministerium, verließ B. im folgenden Jahr den Staatsdienst als Geheimer Finanzrat und wurde Vorstandsmitglied des A. Schaaffhausenschen Bankvereins in K¨oln, nach dessen Fusion mit der Deutschen Bank Direktionsmitglied der Filiale K¨oln. Er war 1930-32 Abgeordneter der Zentrumspartei im Reichstag. C Haunfelder, Zentrumspartei

Burgi, ¨ Emil, schweizer. Pharmakologe, Chemiker, Mediziner, * 19. 4. 1872 Bern, † 30. 1. 1947 Bern. Nach dem Abschluß des Medizinstudiums in Bern, Freiburg, Berlin und Paris 1898 (Promotion 1900, Der respiratorische Gaswechsel bei Ruhe und Arbeit auf Bergen) wurde B., Sohn eines Baumeisters und Nationalrats, Assistent an der Medizinischen Klinik sowie am Pharmakologischen und Medizinisch-Chemischen Institut Bern; daneben war er am Hygienischen Institut Berlin t¨atig. Sp¨ater Chefarzt der Berner Poliklinik, habilitierte er sich 1904 und wurde 1906 a. o., 1908 o. Prof. der Pharmakologie und der medizinischen Chemie an der Univ. Bern. 1913 / 14 war er Rektor der Universit¨at (Die Wirkung der Arzneigemische). Seine Arbeiten galten u. a. der Wirkung einer Kombination von Arzneimitteln („B¨urgi-Regel“) sowie dem Einsatz von Chlorophyll. B. ver¨offentlichte u. a. Das Chlorophyll als Pharmakon (1932), Der Alkohol als Genußmittel (1937), Die Arzneimittelkombinationen (1938) und Die Durchl¨assigkeit der Haut f¨ur Arzneien sowie Gift (1942). Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Abhandlungen u¨ ber hom¨oopathische Fragen (1932), Die Medizin in der Dichtkunst (1933) und Der Alkohol als Genussmittel (1937). B. schrieb auch Gedichte (u. a. ¨ Der Aufstieg, 1944). 2, 3 C Arzte

Burgi, ¨ Jost, auch Justus, Jobst Burgi, Borgen, Byrgius, schweizer. Uhrmacher, Mathematiker, * 28. 2. 1552 Lichtensteig (Toggenburg), † 31. 1. 1632 Kassel. Ausgebildet wohl in Straßburg und bei dem schweizer. Uhrmacher Konrad → Dasypodius, wurde B. 1579 Hofuhrmacher und Astronom des Landgrafen → Wilhelm IV. von

Hessen-Kassel. In Kassel trieb er die astronomischen Beobachtungen an der seit 1560 bestehenden ersten festeingerichteten Sternwarte im Europa der Neuzeit voran, stellte Uhren und Globen her und entwickelte neue Vermessungs- und astronomische Ger¨ate, darunter ein Triangularinstrument, f¨ur das er 1602 ein kaiserliches Privileg erhielt. Seit 1604 war er Kammeruhrmacher Kaiser → Rudolfs II. in Prag und trat dort in Kontakt mit Johannes → Kepler, der ihn zur Ausarbeitung seiner mathematischen Forschungen anregte. Seine letzten Lebensjahre verbrachte B., Erfinder des logarithmischen Rechnens, wieder in Kassel. Als eines seiner Hauptwerke gelten seine unabh¨angig von John Napier berechneten Logarithmustafeln (Arithmetische und Geometrische Progress-Tabulen [. . .], 1620). C NDB

Burgin, ¨ Emil, schweizer. Unternehmer, * 23. 8. 1848 Basel, † 15. 7. 1933 Basel. Der Sohn eines Gutsp¨achters studierte nach einer Ausbildung zum Mechaniker am Eidgen¨ossischen Polytechnikum in Z¨urich. 1871 / 72 in Paris t¨atig, arbeitete er 1872-75 als Ingenieur bei der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (Winterthur) und 1876-80 bei Raoul Pictet & Cie. (Genf). 1881 begr¨undete B. mit Ludwig Rudolf Alioth ein eigenes Unternehmen in Basel, in dem in technischer Pionierarbeit die ersten Bogenlampen und Dynamos der Schweiz hergestellt wurden. Die daraus hervorgegangene Elektrizit¨atsgenossenschaft Alioth AG fusionierte 1910 mit Brown Boveri & Cie. 1884 errichtete B. die erste schweizer. Eisfabrik. C HLS Burgin, ¨ Ernst, Elektrochemiker, Unternehmer, * 31. 7. 1885 Wyhlen, † 22. 6. 1966 Wyhlen. B. studierte in Berlin und Basel Chemie und Elektrochemie und wurde 1910 bei Walther → Nernst mit der Arbeit Beitr¨age zur Kenntnis der Entstehung von Perboraten durch Elektrolyse promoviert. Er besch¨aftigte sich mit elektrolytischer Wasserstoffsuperoxid- und -peroxidbildung und trat nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Chemiker in die Bariumoxydgesellschaft W. Feld in H¨onningen ein. 1920 wechselte er als Elektrochemiker in das Werk Rheinfelden der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron Aktiengesellschaft, wurde 1924 Prokurist und Leiter dieses Werks und u¨ bernahm 1931 auch das Werk Bitterfeld-S¨ud. 1933 wurde er Direktor und Leiter der Anorganischen Betriebe der Betriebsgemeinschaft Mitteldeutschland der I. G. Farbenindustrie AG. 1938-45 geh¨orte B. dem Vorstand der I. G. Farben an, wurde Leiter der gesamten Betriebsgemeinschaft Mitteldeutschland sowie des Werkes Bitterfeld und war Vorsitzender der Chlor- und Mitglied der Metall-, Sulfur- und anderer Unterkommissionen und des Technischen Ausschusses der I. G. Farben. Seit 1937 Mitglied der NSDAP, wurde er 1942 zum Wehrwirtschaftsf¨uhrer ernannt und war als Mitarbeiter von Carl → Krauch an der Vierjahresplan-Organisation unter Hermann → G¨oring beteiligt. 1947 verhaftet, wurde B. 1948 im I. G.-Farben-Prozeß in N¨urnberg wegen „Pl¨underung und Raub“ zu zwei Jahren Gef¨angnis verurteilt. Burgisser, ¨ Leodegar, eigentl. Andreas B., Benediktinerabt, * 1. 4. 1640 Luzern, † 28. 11. 1717 Neu-Ravensburg. B. war seit 1653 Sch¨uler im Benediktinerkloster St. Gallen, trat 1657 in den Orden ein und wurde 1683 Dekan, 1696 Abt des Klosters. Im folgenden Jahr in die Streitigkeiten des „St. Galler Kreuzkriegs“ verwickelt, schloß er 1702 ohne Wissen der Eidgenossenschaft ein B¨undnis mit dem Kaiser und ließ sich 1706 als Reichsf¨urst investieren. Er f¨uhrte damit einen die Bekenntnisse konfrontierenden Schweizerkrieg (Zweiter Villmergerkrieg) herbei, der schließlich dazu f¨uhrte, die jahrhundertelange Dominanz der kath. Orte in der Eidgenossenschaft zu beenden. 1712 drangen Z¨urcher und Berner Truppen ins Stiftsland vor und n¨otigten Abt und Konvent zur

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¨ Burgmann Flucht nach Neu-Ravensburg. B. verwarf den Frieden von Rorschach 1714 und schuf erst durch seinen Tod die Voraussetzungen f¨ur eine Wiederherstellung der alten Rechte der Abtei (1718).

Dresden, Wien und M¨unchen. Die „B¨urkel-Galerie“ Pirmasens besitzt die wohl gr¨oßte Sammlung an B.s Werken und C AKL biographischen Dokumenten.

Burgmann, ¨ Ferdinand, S¨anger, * 14. 3. 1904 Kuttenplan,

† 15. 6. 1957 T¨ubingen. B. studierte an den Universit¨aten T¨ubingen, Heidelberg und Berlin Naturwissenschaften und Medizin, wurde 1897 (Ueber die Erzeugung und physiologische Wirkung schnell und langsam verlaufender magnet-elektrischer Str¨ome) und 1900 (Ueber die Beziehung zwischen der Richtung reizender Oeffnungsinductionsstroeme und dem elektronischen Effect in der infrapolaren Nervenstrecke) an beiden Fakult¨aten promoviert und war Assistent am T¨ubinger Physiologischen Institut. 1901 habilitierte er sich dort f¨ur Physiologie (Experimentelle Untersuchung u¨ ber den Ort der Resorption in der Leber) und war seit 1904 a. o. Prof., 1917-38 Ordinarius, 1925 / 26 Rektor der Univ. Gießen. Bis 1941 blieb er stellvertretender Leiter des Physiologischen Instituts und u¨ bernahm anschließend einen Lehrauftrag f¨ur Geschichte der Medizin. B., der Mitglied u. a. der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (seit 1925) war, erhielt 1945 eine Lehrerm¨achtigung f¨ur die Univ. T¨ubingen. Er forschte auf dem Gebiet der H¨amatologie und der Thermodynamik der Muskeln und ver¨offentlichte u. a. Der Muskel und das Gesetz von der Erhaltung der Kraft (1902), Die Lebensvorg¨ange des menschlichen K¨orpers (2 Bde., 1926-29) und Neueres u¨ ber die Zentralisation der Funktionen im h¨oheren Organismus (1926). C Gießen

† 30. 5. 1987 Leipzig. B. begann ein Bergbaustudium in Freiberg in Sachsen, bildete sich sp¨ater jedoch bei Lothar → Wallerstein in Prag und bei Josef von → Manowarda in Wien zum Tenor aus. Zun¨achst Chors¨anger an den Stadttheatern von Ratibor und Greifswald (1933-35), kam er 1935 an die Staatsoper Berlin, die ihn 1937-39 als Solisten in das Ensemble aufnahm. Anschließend bis 1944 am Stadttheater Krefeld und 1944-48 am Stadttheater Rostock t¨atig, geh¨orte B. 1948-69 dem Opernhaus Leipzig an; daneben gastierte er in Bayreuth, an den Staatsopern Dresden und Berlin sowie in den f¨unfziger Jahren auch an westdeutschen B¨uhnen. Er interpretierte zun¨achst u¨ berwiegend lyrische Partien, wechselte sp¨ater zum italienisch-dramatischen Fach und sang im Sp¨atwerk u¨ berwiegend → Wagner-Heroen wie Tannh¨auser, Siegfried und Parsifal. C Kutsch

Burgy, ¨ Philipp Heinrich, Orgelbauer, Organist, * 30. 3. 1759 Nieder-Florstadt, † 1. 3. 1824 Dornholzhausen / Taunus. Der Sohn des Orgel- und Instrumentenbauers Johann Conrad B. wuchs in Homburg v. d. H. auf, wo sein Vater seit 1764 das B¨urgerrecht besaß. Den Orgelmacherbetrieb des Vaters u¨ bernahm B. nach dessen Tod 1792 zusammen mit seinen beiden Br¨udern Johann Ludwig Wilhelm und Johann Georg. Das Br¨udertrio baute eine Anzahl von Orgeln, deren Verbreitungsgebiet der Rhein-Main-Raum und der o¨ stliche Taunus waren. 1812 u¨ bersiedelte B. nach Dornholzhausen. C MGG

Burk, ¨ Johannes, Fabrikant, * 3. 7. 1819 Schwenningen / Neckar, † 29. 11. 1872 Schwenningen / Neckar. Aus armen Verh¨altnissen stammend, wurde B., Sohn eines Schusters, zum Schreiber ausgebildet, betrieb sp¨ater ein „Commissions-Bureau“, widmete sich dar¨uber hinaus eigenen Studien (Gemeinfassliche Witterungslehre f¨ur den B¨urger und Landmann, 1846), Erfindungen und Reisen und wurde schließlich Ratsschreiber in Schwenningen. 1849 sammelte er das dort traditionell ans¨assige Uhrengewerbe in einem „Uhren-Gewerbsverein des w¨urttembergischen Schwarzwalds“. B. erfand eine tragbare Kontrolluhr f¨ur Nachtw¨achter, stellte sie seit 1855 selbst her und gab 1860 seine Anstellung ganz auf. Mit Hilfe der Zentralstelle f¨ur Gewerbe und Handel gr¨undete er eine Kontroll- und Spezialuhrenfabrik, in der er rationelle Produktionsmethoden einf¨uhrte und bereits 1861 elektrische Uhren herstellte. B. war 1848 Delegierter bei der Frankfurter Nationalversammlung und 1868-70 Landtagsabgeordneter. C NDB

Burkel, ¨ (Johann) Heinrich, Maler, * 29. 5. 1802 Pirmasens, † 10. 6. 1869 M¨unchen. Von den Eltern zur kaufm¨annischen Ausbildung bestimmt, konnte B. 1822 mit Unterst¨utzung des Regierungspr¨asidenten der Rheinpfalz seine k¨unstlerischen Studien in M¨unchen aufnehmen, wandte sich jedoch bald von der Kunstakademie ab, um sich autodidaktisch an den holl¨andischen Kleinmeistern der Schleißheimer Galerie auszubilden. Die Motive f¨ur seine Genre-, Tier- und Landschaftsgem¨alde sammelte der Freund Adalbert → Stifters und Carl → Spitzwegs auf zahlreichen Wanderungen durch Bayern und Tirol sowie auf einer Italienreise 1830-32. B., dessen Gesamtwerk auf rund 1500 Gem¨alde (u. a. Steinbruch mit M¨uhlsteine bearbeitenden Steinmetzen, um 1848) und mehrere tausend Zeichnungen gesch¨atzt wird, staffierte auch Bilder befreundeter Landschaftsmaler aus. Er war Ehrenmitglied der Akademien in

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Burker, ¨ Karl, Physiologe, * 10. 8. 1872 Zweibr¨ucken,

Burki, ¨ Barnabas, eigentl. Steyger, auch Miles, Benediktiner, Theologe, * 1473 / 74 Altst¨atten, † 26. 12. 1546. B. wurde seit 1487 im Benediktinerkloster Engelberg ausgebildet, trat dort in den Orden ein und studierte in Paris. 1505 wurde er Magister artium, Doktor und Prof. der Theologie und Philosophie; noch in Paris erhielt er die Berufung zum Abt von Engelberg. Er pflegte die wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Aktivit¨aten seines Ordens und bem¨uhte sich um Unabh¨angigkeit des Klosters von den sogenannten Schirmorten. B. war einer der vier Pr¨asidenten bei der Badener Disputation von 1526 und wirkte im Berner Oberland f¨ur die Erneuerung des herk¨ommlichen Glaubens und den Widerstand gegen die Reformation. C LThK Burkle ¨ de la Camp, Heinz, eigentl. Heinrich (Peter) B., Chirurg, * 3. 6. 1895 Bonndorf / Schwarzwald, † 2. 5. 1974 Dottingen. B. de la C. studierte nach dem Ersten Weltkrieg in Freiburg, Leipzig und M¨unchen (Promotion 1922, Beobachtungen u¨ ber die Beeinflussung der Nierenfunktion durch hochgradige k¨orperliche Anstrengungen), wurde Assistent an der Chirurgischen Universit¨atsklinik Freiburg, habilitierte sich 1929 in M¨unchen (Zur Pathologie und Chirurgie der peptischen Sch¨adigungen des Magen-Darmkanals) und wurde dort 1933 a. o. Professor. 1935 wechselte er in gleicher Position an die Medizinische Akademie D¨usseldorf und war dort bis 1962 Prof. der Chirurgie sowie Direktor des Krankenhauses Bergmannsheil in Bochum. Er trat auf den Gebieten Unfallchirurgie, plastische und Wiederherstellungschirurgie hervor und gab u. a. mit Paul Rostock das Handbuch der gesamten Unfallheilkunde (2 Bde., 21955; 3 Bde., 31963-66) heraus. B. de la C. wurde 1954 Pr¨asident der Deutschen Gesellschaft f¨ur Chirurgie. C Munzinger

Burklein, ¨ (Georg Christian) Friedrich, Architekt, * 30. 3. 1813 Burk (Mittelfranken), † 4. 12. 1872 Werneck (Unterfranken). B. war der Sohn eines Oberlehrers. Seit 1828 Student der M¨unchner Kunstakademie, sp¨ater Sch¨uler Friedrich → G¨artners und Gehilfe bei dessen Bauten in Athen 1839 sowie

¨ Burklin in der M¨unchner Ludwigstraße, war B.s erster selbst¨andiger Bau das dem Palazzo Vecchio in Florenz nachgebildete Rathaus von F¨urth (1840-43). Der 1847-49 entstandene neoromanische M¨unchner Hauptbahnhof, der durch die Verwendung des neuen Baustoffs Eisen Aufmerksamkeit erregte, lenkte das Interesse des bayerischen K¨onigs → Maximilian II. auf ihn; beide reisten 1853 gemeinsam nach Italien. B.s Bauten der M¨unchner Maximilianstraße begr¨undeten den sogenannten „B¨urklein-Stil“ als eine Mischung gotischer und Renaissance-Stilelemente. Sp¨ater entstanden zahlreiche repr¨asentative Bauten in mehreren bayerischen St¨adten. B. war Prof. an der Polytechnischen Hochschule M¨unchen, Generaldirektions- und Baurat. C AKL

Burkler, ¨ Robert, schweizer. kath. Theologe, Bischof von St. Gallen, * 5. 3. 1863 Rorschach / Bodensee, † 28. 5. 1928 St. Gallen. Der Sohn einer Handwerkerfamilie studierte in Innsbruck und wurde nach der Priesterweihe 1888 Kaplan und Lehrer an der Sekundarschule in Uznach, 1891 Pfarrer in Gossau, 1903 in Lichtensteig. Seit 1906 Mitglied des kantonalen Erziehungsrats, war B. seit 1907 Kanonikus und Regens des Priesterseminars, von 1913 an Bischof von St. Gallen. Er war zeitweise Chefredakteur des „Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatts“. C Gatz 4

Burkli, ¨ Arnold, schweizer. Ingenieur, * 2. 2. 1833 Z¨urich, † 6. 5. 1894 Z¨urich. B., Sohn des Inhabers einer Seidenzwirnerei, erwarb praktische Erfahrungen beim Eisenbahnbau, studierte 1855-58 an der Berliner Bauakademie und fand als Ingenieur bei den Vereinigten Schweizerbahnen in Z¨urich eine erste Anstellung. 1860-82 war er als Stadtingenieur in Z¨urich t¨atig und in dieser Position verantwortlich f¨ur zahlreiche bedeutende st¨adtische Bauprojekte wie die Anlage und Organisation der Wasserversorgung und die Einf¨uhrung der Straßenbahn. 1882-87 wurde B. als leitendem Ingenieur die Aufsicht u¨ ber den Bau der Quaianlagen u¨ bertragen, eines der aufwendigsten st¨adtebaulichen Projekte in Z¨urich in der zweiten H¨alfte des 19. Jahrhunderts. Zugleich war er an Bauvorhaben anderer St¨adte im In- und Ausland (u. a. Schaffhausen, Basel, Winterthur, Triest, Mailand, Bukarest) entwerfend und ratgebend beteiligt. B. engagierte sich auch auf politischem Gebiet, war seit 1883 Kantonsrat, seit 1888 Nationalrat, sowie Mitglied mehrerer Fachgesellschaften. 1873 wurde ihm mit der goldenen Verdienstmedaille die h¨ochste Auszeichnung der Stadt Z¨urich verliehen. C Schweizer Pioniere, Bd 60

Burkli, ¨ David, schweizer. Verleger, Drucker, * 25. 9. 1735 Z¨urich, † 26. 6. 1791 Z¨urich. B., Sohn eines Buchdruckers, wurde 1771 Richter am Stadtgericht in Z¨urich. Seit 1777 geh¨orte er als Vertreter der K¨ambelzunft dem Großen Rat von Z¨urich an. B. war Herausgeber der Z¨urcher „Freitags-Zeitung“, die w¨ochentlich erschien, und 1765-67 des „Erinnerers“, des bedeutendsten moralisch-kritischen Periodikums des 18. Jh. in Z¨urich. Seine Verteidigung der Anonymit¨at der Autoren trug ihm Konflikte mit der Zensurbeh¨orde ein. H. war der Vater von Johann Heinrich → B.

Burkli, ¨ Johann Heinrich, schweizer. Journalist, * 22. 7. 1760 Z¨urich, † 14. 12. 1821 Z¨urich. Nach einem abgebrochenen Studium der Theologie an der Univ. Z¨urich und einer Buchdruckerlehre in Genf u¨ bernahm B., Sohn David → B.s, 1791 die v¨aterliche Buchdruckerei mit Verlag sowie die Leitung der „Freitags-Zeitung“, die im Volksmund „B¨urkli-Zeitung“ genannt wurde. 1791-98 war er Mitglied des Großen Rats von Z¨urich. B., der mit Johann Caspar → Lavater befreundet war, mußte 1799 wegen der franzosenfeindlichen Haltung seiner Zeitung (sie trug auch

den Beinamen „Aristokraten-Zeitung“) vor¨ubergehend aus Z¨urich fliehen. 1802 wurde das Blatt von der helvetischen Zentralregierung in Bern f¨ur einige Zeit verboten.

Burkli, ¨ Johannes, schweizer. Dichter, * 26. 10. 1745 Z¨urich, † 2. 9. 1804 Z¨urich. Der einem angesehenen Z¨urcher Patriziergeschlecht entstammende B. u¨ bernahm zahlreiche Ehren¨amter in seiner Heimatstadt; 1773-80 war er Stadtrichter, 1783-98 Zunftmeister. Er geh¨orte dem Kleinen Rat von Z¨urich an und wurde 1783 / 84 mit der Verwaltung der Obervogtei R¨umlang, 1784-94 mit derjenigen von Erlenbach betraut. Gleichzeitig engagierte er sich in gemeinn¨utzigen Gesellschaften wie der von Hans Caspar → Hirzel d. J. gegr¨undeten „Z¨urcher H¨ulfsgemeinschaft“. In den Kriegswirren, die in der Schweiz durch den Eingriff Frankreichs ausgel¨ost worden waren, floh er vor¨ubergehend nach Bern. Angeregt durch seinen Lehrer Johann Jakob → Bodmer, schrieb B. zun¨achst meist anonym ver¨offentlichte Gedichte, verfaßte die Schrift Tropheen des sch¨onen Geschlechts (1791) und gab eine Reihe von Anthologien heraus (u. a. Schweitzerische Blumenlese, 1793). C Killy Burkli, ¨ Karl, Pseud. Chiridonius Bitters¨uß, schweizer. Politiker, Publizist, * 29. 7. 1823 Z¨urich, † 20. 10. 1901 Mettmenstetten. Nach einer Gerberlehre kam B., Sohn eines Musikers und Milit¨ars, auf seiner Wanderschaft 1842-48 in Kontakt mit dem Sozialismus Fourierscher Pr¨agung, trat 1851 dem Gr¨utliverein bei und gr¨undete im selben Jahr den ersten schweizer. Konsumverein in Z¨urich. 1851-55 war er Großrat in Z¨urich. 1855 wanderte er mit einer Gruppe von Schweizern nach Texas aus, um nach dem Fourierschen System eine Kolonie zu gr¨unden, kehrte 1858 nach dem Scheitern des Projekts zur¨uck und war erneut im Konsumverein t¨atig. Auseinandersetzungen u¨ ber die Rolle des Konsumvereins f¨uhrten 1861 zu B.s Ausscheiden. Er war anschließend als Wirt und publizistisch f¨ur die Z¨urcher Verfassungsrevision sowie f¨ur milit¨arische und finanzpolitische Reformen t¨atig und nahm am Genfer Kongreß der Ersten Internationale 1866 teil, deren Z¨urcher Sektion er 1867 mit Hermann → Greulich gr¨undete und deren Pr¨asident er bis 1876 war. 1869-78 und 1882-99 Kantonsrat, trennte er sich 1878 mit der Arbeiterpartei von den Demokraten; 1866-70 und 1893-1901 war er Mitglied des Großen Stadtrats. B. schrieb u. a. Der Ursprung der Eidgenossenschaft aus der Markgenossenschaft [. . .] (1891). C NDB Burkli ¨ von Hohenburg, (Hans) Heinrich, schweizer. Milit¨ar, * 23. 2. 1647 Z¨urich, † 28. 10. 1730 Tr¨ullikon. B. v. H. wandte sich der milit¨arischen Laufbahn zu und trat 1662 in das Schweizergarderegiment in Frankreich ein. Er wechselte einige Male die Kriegsherren, stand seit 1671 in kurpf¨alzischen, seit 1689 in o¨ sterr. Diensten und zeichnete sich im Krieg gegen die T¨urken aus. B. v. H. wurde 1695 Generalfeldwachtmeister, 1699 in den Reichsritterstand erhoben und 1723 Generalfeldmarschall.

Burklin, ¨ Albert, Jurist, Theaterintendant, * 20. 6. 1844 Heidelberg, † 23. 7. 1923 Heidelberg. B., Sohn eines Eisenbahnoberingenieurs, studierte Rechtsund Staatswissenschaften an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau und Heidelberg, wurde 1873 Amtmann in Waldshut, war 1875-81 Oberschulrat in Karlsruhe und verließ 1882 den Staatsdienst. 1875-81 Mitglied der Zweiten Badischen Kammer, war er als Mitglied der nationalliberalen Partei 1877 / 78 und 1884-98 Reichstagsabgeordneter sowie 1893-95 Vizepr¨asident des Reichstags. B. war seit 1890 Intendant des Karlsruher Hoftheaters, 1893-1904 dessen Generalintendant. 1905 wurde er Mitglied und Vizepr¨asident der Ersten Badischen Kammer. C Bad Bio N.F., Bd 1

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¨ Burkner Burkner, ¨ Hans (Friedrich Hermann), Ingenieur, * 11. 1. 1864 Dresden, † 29. 10. 1943 Ringelheim / Harz. Als Sohn eines Fabrikbesitzers konnte B. schon in jungen Jahren gr¨oßere Seereisen unternehmen, studierte in Heidelberg, Leipzig und Dresden Mathematik und Naturwissenschaften sowie an der TH Charlottenburg Schiffbau. Anschließend Anw¨arter f¨ur das Schiffbau-Ingenieurwesen bei der Kaiserlichen Marine, wurde er 1894 Schiffbaumeister und war 1898-1902 im Reichsmarineamt t¨atig. Seit 1905 war B. als Marinebaurat in der Konstruktionsabteilung des Reichsmarineamtes mit der Konstruktion von großen Kriegsschiffen beauftragt. 1919 schied er als Geheimer Oberbaurat und stellvertretender Direktor der Konstruktionsabteilung aus dem Berufsleben. B.s Erinnerungen und Gedanken eines alten Kriegsschiffbauers erschienen 1940. C NDB Burkner, ¨ Hugo (Leopold Friedrich Heinrich), auch B¨urckner, Graphiker, * 24. 8. 1818 Dessau, † 17. 1. 1897 Dresden. B. erhielt fr¨uh Kunstunterricht durch Heinrich → Beck, studierte seit 1837 in D¨usseldorf bei Carl → Sohn und wurde Mitarbeiter an Raczynskis Geschichte der deutschen Kunst. 1840 folgte er seinen Freunden Eduard J. F. → Bendemann und J. → H¨ubner nach Dresden, wo er nach ihren Vorlagen Holzschnitte als Illustrationen zu einer Ausgabe des Nibelungenlieds ausf¨uhrte. B. wurde 1846 als Lehrer an das neugegr¨undete Akademische Atelier f¨ur Holzschneidekunst berufen und erhielt 1855 den Titel Professor; die Kunstakademie Wien ernannte ihn 1874 zu ihrem Ehrenmitglied. Er schuf haupts¨achlich Holzschnitte und Radierungen nach eigenen (u. a. Portr¨at des Malers Gustav Metz, 1853) und zeitgen¨ossischen fremden Entw¨urfen sowie nach Werken der Dresdner Galerie. B. war der Vater Kurd → B.s. C AKL Burkner, ¨ Kurd, Hals-Nasen-Ohren-Arzt, * 28. 1. 1853 Dresden, † 31. 8. 1913 Ehrwald (Tirol). Der Sohn Hugo → B.s studierte an den Universit¨aten Leipzig, W¨urzburg und Halle und widmete sich nach der Promotion 1875 (Der Abdominaltyphus der Kinder) der Ohrenheilkunde. 1877 habilitierte er sich an der Univ. G¨ottingen, begr¨undete und leitete hier eine private, auf Ohrenkrankheiten spezialisierte Poliklinik, die 1884 als Universit¨ats-HalsNasen-Ohrenklinik in ein Staatsinstitut umgewandelt wurde; seine Ernennung zum Extraordinarius erfolgte 1885. B. vero¨ ffentlichte u. a. einen Atlas von Beleuchtungsbildern des Trommelfells (1886, 31900), ein Lehrbuch der Ohrenheilkunde (1892) und Die Behandlung der Krankheiten der Eustachischen R¨ohre (1894). Er war der Vater von Robert → B. ¨ 2 C Arzte

Burkner, ¨ Robert (Emanuel Heinrich), Pseud. Fran¸cois Robert, R. B. Vespertinus, Journalist, Schriftsteller, * 16. 3. 1818 Breslau, † 21. 12. 1886 Steglitz (heute zu Berlin). Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Univ. Breslau 1830-33 trat er 1834 beim dortigen Gericht in die juristische Praxis ein, die er nach 1840 aufgab. B. wurde dann Dramaturg am K¨onigsberger Stadttheater und kehrte schließlich nach Breslau zur¨uck. Er wurde Chefredakteur der „Breslauer Zeitung“, sp¨ater der „Schlesischen ProvinzZeitung“ und ging 1867 nach Berlin. Neben Volks- und Heimaterz¨ahlungen schrieb B. historische Arbeiten, darunter Die Geschichte der Befreiungskriege 1813, 14 und 15 (mit Hermann → Grieben, 2 Bde., 1842 / 43). C Altpreuß Biogr, Bd 1 Burkner, ¨ Robert, Schauspieler, Schriftsteller, * 12. 7. 1887 G¨ottingen, † 19. 8. 1962. Der Sohn Kurd → B.s begann seine B¨uhnenlaufbahn 1906 am Bremer Stadttheater und war 1911-14 als Schauspieler in

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Stettin, 1914 in Basel, 1915 in Mannheim, 1917-25 in Karlsruhe, 1926 in K¨onigsberg engagiert. 1926-29 f¨uhrte er Regie und war Chefdramaturg des Stadttheaters Altona, 1929-34 Intendant des St¨adtischen Schauspielhauses Frankfurt / Oder, anschließend bis 1943 der St¨adtischen B¨uhnen L¨ubeck. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs an der Kom¨odie am Schiffbauerdamm, an der Berliner Trib¨une und beim Film t¨atig, unternahm B. anschließend Gastspielreisen. Seit 1948 war er Schauspieler an Heinz → Hilperts Deutschem Theater sowie an Bonner B¨uhnen, wo er auch Regie f¨uhrte. Neben einigen Romanen ver¨offentlichte B. vor allem Schauspiele, oft dramatisierte M¨archen (u. a. Die G¨ansehirtin am Brunnen, 1947).

Buerstenbinder, Richard, Agrarwissenschaftler, * 12. 4. 1840 Berlin, † 20. 11. 1894 Braunschweig. Nach dem Studium der Land- und Volkswirtschaft in Proskau und Berlin war B. als Verwalter im In- und Ausland t¨atig, bevor er 1869 land- und forstwirtschaftlicher Wanderlehrer des landwirtschaftlichen Vereins f¨ur Rheinpreußen wurde. 1873 organisierte er die landwirtschaftlichen Kreisund Kantonalvereine des Elsaß, 1874 wurde er Generalsekret¨ar des landwirtschaftlichen Centralvereins f¨ur das Herzogtum Braunschweig und 1882 Dozent f¨ur Landwirtschaft an der TH Braunschweig, wo er u. a. Vorlesungen im Rahmen eines Spezialstudiums f¨ur Zuckertechniker hielt. B. gab mit Karl → Stammer den „Jahres-Bericht u¨ ber die Erfahrungen und Fortschritte auf dem Gesammtgebiete der Landwirthschaft“ (1886-93) heraus und ver¨offentlichte u. a. Die Landwirthschaft des Herzogthums Braunschweig (1881). C B¨ohm Burvenich, ¨ Adam, kath. Theologe, Schriftsteller, * 1603 D¨uren, † 7. 5. 1676 Koblenz. B. trat 1620 in die K¨olner Provinz der Franziskanerrekollekten ein, studierte Philosophie und Theologie und war zwei Jahre Katechet, bevor er 1627 zum Priester geweiht wurde. Er war Lektor der Theologie in Heidelberg, Guardian der Konvente in Mainz, Br¨uhl, Koblenz, Beurig und Zons, gr¨undete das Franziskanerkloster in Tauberbischofsheim und visitierte 1653 die Straßburger, 1655 die Th¨uringer Ordensprovinz. B. verfaßte aszetische Schriften und hinterließ mehrere handschriftliche Chroniken, darunter die der K¨olner Provinz (1656). C NDB

Bury, ¨ Agnes, eigentl. B¨uhring, auch Hesse-B¨ury, S¨angerin, * 28. 4. 1831 Berlin, † 2. 10. 1902 Berlin. B. sang 1846 als Solistin bei einem Konzert der Berliner Singakademie und nahm 1847-50 Gesangsunterricht bei Manuel Garc´ıa d. J. in Paris. Ohne Wissen ihrer Eltern schloß sie anschließend unter Pseudonym einen Vertrag mit dem Deutschen Theater Prag und trat dort in einem Jahr in 16 großen Opernrollen auf. 1851 sang sie in Br¨unn und wurde als erste Koloratursopranistin an die Dresdner Hofoper verpflichtet. B. entfaltete eine umfangreiche Gastspielt¨atigkeit, sang an zahlreichen großen deutschen H¨ausern sowie u. a. an der Covent Garden Opera in London; zu ihren bekanntesten Partien geh¨orte die Amina in Bellinis La Sonnambula. Seit 1866 lebte sie als Gesangslehrerin in Berlin. C Kutsch Busch, ¨ Johann Georg, Volkswirt, * 3. 1. 1728 Altenmedingen, † 5. 8. 1800 Hamburg. B., Sohn eines Pastors, studierte Theologie, Geschichte und Mathematik an der Univ. G¨ottingen und wurde 1754 Prof. der Mathematik am Hamburger Akademischen Gymnasium. Seit 1767 lehrte er gleichzeitig an der Hamburger Handelsschule und wurde 1772 deren Direktor. B., der als Vorbereiter einer modernen Betriebswirtschaftslehre gilt, machte sich durch zahlreiche Publikationen um die Entwicklung des Bank- und Versicherungswesens, des Handels-, Wechsel-

¨ Busching und Seerechts verdient; er bewirkte die Reform des Hamburger Kranken- und Armenwesens in der Armenordnung von 1788. B. war Mitbegr¨under der patriotischen Gesellschaft und u. a. mit → Klopstock und J. A. → Reimarus befreundet. Außer handelswissenschaftlichen (u. a. Abhandlung vom Geldumlauf, 1780), historischen, mathematischen und technischen Schriften ver¨offentlichte er eine Autobio¨ graphie Uber den Gang meines Geistes und meiner T¨atigkeit (1794). 1813-18 erschienen seine Gesammelten Werke in 16 B¨anden. C Gel Hbg

Busch, ¨ Otto, Historiker, * 30. 4. 1928 Wien, † 23. 3. 1994 Berlin. B. begann 1947 seine Studien an der Humboldt-Universit¨at, wechselte sp¨ater an die Freie Univ. Berlin und wurde dort 1952 promoviert. 1970 wurde er Prof. f¨ur Mittlere und Neuere Geschichte an der P¨adagogischen Hochschule in Langwitz. Mit deren Integration in die Freie Univ. geh¨orte er dem Friedrich-Meinecke-Institut an. Als Gr¨undungsmitglied der Historischen Kommission Berlin war B. dort seit 1963 Sektionsleiter, 1978-81 Vorsitzender. Neben der Industrialisierungsforschung arbeitete B. u¨ ber die W¨ahlerbewegung in Preußen, Deutschland und Europa im 19. und 20. Jh. sowie die Geschichte der Berliner Demokratie seit 1919. ¨ Buschel, ¨ Johann Gabriel Bernhard, Schriftsteller, Ubersetzer, * 1758 Leipzig, † 7. 3. 1813 Leipzig. Seit 1799 war B. vermutlich f¨ur einige Jahre Regimentquartiermeister der kurs¨achsischen Armee, ehe er sich als Privatier nach Leipzig zur¨uckkehrte und sich dort als Privatgelehrter am literarischen Leben beteiligte. Zu seinem li¨ terarischem Schaffen z¨ahlen eine Ubersetzung der T¨urkengeschichte des italienischen Historikers Francesco Becattini (Gr¨undliche Geschichte der T¨urken . . ., 1792), eine in Briefform abgefaßte Reisebeschreibung (Neue Reisen eines Teutschen nach und in England im Jahre 1783, 1784), Trauerspiele (Schauspiele f¨ur die teutsche B¨uhne, 1780) und Erz¨ahlungen (u. a. Wild oder das Kind der Freude, 1781; Launige Gem¨ahlde, 1795). Seine 1788 anonym erschienenen Kanthariden zeigen, einhergehend mit unverh¨ullte Erotik und derbem Humor, eine ungez¨ugelte Kritik an deutscher C Killy Obrigkeit und Kirche, an Sitte und Moral.

Buschelberger, ¨ Hanns, Orthop¨ade, * 12. 6. 1909 Dresden, † 28. 9. 1984 Dresden. B. studierte 1930-35 Medizin an der Univ. Leipzig und erhielt 1936 die Approbation als Arzt. Im folgenden Jahr mit der Arbeit Ameisens¨aure bei Lichen ruber planus und Urticaria in Leipzig promoviert, wurde er 1939 Oberarzt an der Orthop¨adischen Klinik Kr¨uppelhilfe in Dresden. 1945 gr¨undete B. das dortige Stadtkrankenhaus f¨ur Unfallgesch¨adigte und K¨orperbehinderte. 1946 wurde er zum Landeskr¨uppelarzt, sp¨ater zum orthop¨adischen Fachberater bei der s¨achsischen Landesregierung ernannt, 1952 zus¨atzlich mit der Leitung des Instituts f¨ur Wirbeltuberkulose in Dresden-Klotzsche und dem Aufbau der neuen Orthop¨adischen Klinik am Stadtkrankenhaus Johannstadt beauftragt, an der er seit 1954 als Chefarzt wirkte. Mit Gr¨undung der Medizinischen Akademie Dresden 1955 erhielt B. dort zun¨achst einen Lehrauftrag f¨ur das Fachgebiet Orthop¨adie, habilitierte sich 1961 mit der Schrift Untersuchungen u¨ ber Eigenarten des H¨uftgelenks im S¨auglingsalter und ihre Bedeutung f¨ur die Pathologie, Prophylaxe und Therapie der Luxationsh¨ufte und wurde 1962 Dozent f¨ur Orthop¨adie. Seit 1964 war er Prof. mit Lehrauftrag, seit 1969 o. Prof. f¨ur Orthop¨adie an der Medizinischen Akademie Dresden. B.s Forschungsschwerpunkte lagen bei der Orthop¨adietechnik sowie der Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Luxationsh¨ufte. 1952 war Mitbegr¨under

der Gesellschaft f¨ur Orthop¨adie der DDR, der Vorsitz er sp¨ater u¨ bernahm. 1963 wurde er 1. Vorsitzender der BezirksRehabilitationskommission Dresden und 1964 Mitglied der St¨andigen Kommission Gesundheits- und Sozialwesen des Bezirkes Dresden. C Heidel / Lienert

Buschenthal, ¨ Lippman Moses (Mosche), urspr. Moyse ¨ Lippmann, genannt B¨uschenthal, Rabbiner, Ubersetzer, Dichter, * 20. 5. 1782 Bischheim am Saum, † 27. 12. 1818 Berlin. B. kam auf seiner langj¨ahrigen Wanderschaft u¨ ber Paris (um 1807), Elberfeld (wo er 1812 Redakteur einer Zeitung war), Wien (1814) und Br¨unn nach Breslau, wurde dort deutscher Prediger an der Synagoge und ging sp¨ater in gleicher Eigenschaft nach Berlin. Er war Mitarbeiter mehrerer Zeitschriften, darunter „Sulamith“, „Jedidja“ und „Rheinische Bl¨atter“, versuchte sich als Schriftsteller in verschiedenen Gattungen und ver¨offentlichte u. a. Gebilde der Wahrheit und Phantasie in Erz¨ahlungen (1819). C Lex dt-j¨ud Autoren Buscher, ¨ Josef, Schriftsteller, * 10. 3. 1918 Oberhausen, † 19. 9. 1983 Gelsenkirchen. B., Sohn eines Bergmanns, arbeitete 1945-73 als Bergmann und war seit 1945 schriftstellerisch t¨atig. Er geh¨orte zu den Gr¨undungsmitgliedern der Dortmunder Gruppe 61, befaßte sich in seinen lyrischen, erz¨ahlenden und dramatischen Arbeiten mit dem Arbeiteralltag im Ruhrgebiet und ver¨offentlichte u. a. Zwischen Tackenberg und Rothebusch (1978). C Westf Autoren, Bd 4 Busching, ¨ Anton Friedrich, evang. Theologe, Geograph, P¨adagoge, * 27. 9. 1724 Stadthagen, † 28. 5. 1793 Berlin. Nachdem er sich wegen seiner pietistischer Pr¨agung, die er durch den Stadthagener Superintendenten erhalten hatte, mit seinem Vater, einem Advokaten, u¨ berworfen hatte, kam B. 1743 in einem Waisenhaus in Halle / Saale unter. Seit 1743 studierte er dort evang. Theologie, u. a. bei Siegmund Jakob → Baumgarten. 1748 wurde B. Hofmeister bei dem Grafen → Lynar in K¨ostritz, mit dem er dann nach St. Petersburg ging. Seit 1752 hielt er sich in Kopenhagen auf und wurde 1754 Prof. der Philosophie in G¨ottingen. 1760 nahm er eine Predigerstelle in St. Petersburg an und kehrte 1766 als Oberkonsistorialrat und Direktor des Berliner Gymnasiums zum Grauen Kloster nach Deutschland zur¨uck. Seine Reformen in der Schulpolitik machten ihn zu einem der bedeutendsten Berliner Schulleiter des 18. Jahrhunderts. B. z¨ahlte zu den Vertretern der Berliner Aufkl¨arung. Er begr¨undete mit seiner Europa und Asien umfassenden Neuen Erdbeschreibung (11 Teile, 1754-92) die politische Geographie, basierend auf vergleichender Statistik, und war als Herausgeber der Zeitschriften „Magazin f¨ur die neue Historie und Geographie“ (1767-88) und „W¨ochentliche Nachrichten“ (1773-87) t¨atig. B., Verfasser auch wissenschaftshistorischer Studien, ver¨offentlichte seine Autobiographie im sechsten Band seiner Beitr¨age zu der Lebensgeschichte denkw¨urdiger Personen [. . .] (6 Bde., 1783-89). Er war mit Christiane → B. verheiratet und Vater von Johann Gustav → B. C Killy

Busching, ¨ (Polyxene) Christiane (Auguste), geb. Dilthey, Schriftstellerin, * 11. 12. 1728 C¨othen, † 22. 4. 1777 Berlin. Die Schwester des Predigers Leopold Friedrich August Diltheys ver¨offentlichte erstmals 1751 Proben poetischer ¨ Ubungen eines Frauenzimmers, wurde im gleichen Jahr von der Univ. Helmstedt zur Poeta laureata ernannt und war Ehrenmitglied der G¨ottinger Deutschen Gesellschaft. Seit 1755 war sie mit Anton Friedrich → B. verheiratet.

Busching, ¨ Johann Gustav (Gottlieb), Historiker, Publizist, * 19. 9. 1783 Berlin, † 4. 5. 1829 Breslau. Der Sohn Anton Friedrich → B.s studierte 1801-06 Rechtswissenschaften in Halle und Erlangen, war Gerichtsreferendar im preuß. Staatsdienst in Berlin und ging 1810 als „Kgl.

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¨ Busgen Commissarius“ nach Breslau, um die Bibliotheken, Archive und Kunstwerke der s¨akularisierten Kl¨oster neu zu organisieren; 1811-25 war er Archivar des von ihm dort begr¨undeten Schlesischen Provinzialarchivs. Nach der Habilitation 1815 war er Privatdozent f¨ur Historische Hilfswissenschaften und Deutsche Altertumskunde, seit 1817 a. o. Prof. und 1823-29 o. Prof. der Altertumswissenschaften an der Univ. Breslau. B. gr¨undete 1818 das Akademische Museum der schlesischen Altert¨umer und 1818 / 20 den Verein Kunst, Altert¨umer und Geschichte in Breslau (1825 aufgel¨ost), gab seit 1824 zusammen mit Karl Konrad Streit die „Schlesischen Provinzialbl¨atter“ heraus und ver¨offentlichte Arbeiten zur Altertumswissenschaft sowie zur Deutschen Literatur des Mittelalters, darunter Literarischer Grundriß zur Geschichte der Deutschen Poesie von der a¨ ltesten Zeit bis in das sechzehnte Jahrhundert (mit Friedrich Heinrich von der → Hagen). B. edierte zahlreiche erz¨ahlende und urkundliche Quellen zur schlesischen Kunst- und Fr¨uhgeschichte. C IGL

Busgen, ¨ Moritz (Heinrich Wilhelm Albert Emil), Botaniker, * 24. 7. 1858 Weilburg / Lahn, † 12. 6. 1921 Hannoversch M¨unden. B., Sohn eines Arztes, studierte in Bonn, Berlin und Straßburg (Promotion 1882, Die Entwicklung der Phycomycetensporangien) Naturwissenschaften und Philosophie; 1882 / 83 war er an der Zoologischen Station Neapel mit dem Studium von Meeresalgen befaßt. Er kehrte als Assistent an die Univ. Straßburg zur¨uck, habilitierte sich 1886 in Jena mit der Arbeit Beitrag zur Kenntniss der Cladochytrien f¨ur Botanik und wurde hier 1891 a. o. Professor. 1893 folgte er einem Ruf als Prof. an die Großherzogliche Forstlehranstalt in Eisenach und wechselte 1904 an die Kgl. Forstakademie in Hannoversch M¨unden. B. arbeitete auch zur außereurop¨aischen Botanik und bereiste 1902 / 03 Java, 1908 / 09 Kamerun und Togo. Neben seinem Hauptwerk Bau und Leben unserer Waldb¨aume (1897, 31927, mit Ernst → M¨unch) ver¨offentlichte er u. a. Forstwirtschaftliche und forstbotanische Expedition nach Kamerun und Togo (1909) und Der deutsche Wald (1915). C NDB

Businck, ¨ Ludwig, auch Bunsing, Busi, Businck; Ludolf, Ludolph, Holzschneider, Maler, * um 1600 Hannoversch M¨unden, † 15. 1. 1669 Hannoversch M¨unden. Zun¨achst wahrscheinlich Lehrling in Holland, hielt sich B. zwischen 1623 und 1630 in Paris auf und schuf dort Holzschnitte nach Vorlagen des Malers Georges Lallemand f¨ur den Verleger Michel Tavernier. Anschließend wieder in seiner Geburtsstadt ans¨assig, wurde er dort 1639 in die Kaufmannsgilde aufgenommen und war 1647 Zollverwalter. B. f¨uhrte sp¨ater mehrere Auftr¨age f¨ur Gem¨alde aus, darunter eine Tafel f¨ur die Sakristei von St. Paul in G¨ottingen (1636). Seine um 1630 entstandenen Holzschnitte sind meist einfarbige Genremotive, die als k¨unstlerisch herausragender deutscher Beitrag zur Holzschnittkunst des 17. Jh. gelten; als einer der ersten pflegte er den mehrfarbigen Holzschnitt. C AKL

Buess, Heinrich, Gyn¨akologe, Arbeitsmediziner, Medizinhistoriker, * 17. 5. 1911 St. Chrischona (Gem. Bettingen), † 31. 12. 1984 Basel. ¨ B., Sohn eines Theologen und Okonomen, studierte Medizin und war nach der Promotion 1937 (Die Wandlungen des Psychogenie-Begriffes, ersch. 1940) Spezialarzt FMH (= F´ed´eration des M´edecins Suisses) f¨ur Gyn¨akologie und Geburtshilfe und 1946-71 erster vollamtlicher Fabrikarzt der Schweiz im Dienst der Ciba. B. entdeckte zwei toxische Krankheiten bei Chemiearbeitern: Chrom-Enteropathie (1950) und Pyrazol-An¨amie (1964). Nach der Habilitation 1946 f¨ur Geschichte der Medizin (Die historischen Grundlagen der intraven¨osen Injektion) wurde er 1956 zum a. o. Prof.

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f¨ur Geschichte der Medizin an der Univ. Basel ernannt. In seinen historischen Forschungen besch¨aftigte sich B. mit der Geschichte des schweizer. Gesundheitswesens, der Physiologie, Pathologie, Pharmakologie, Frauenheilkunde, der Me¨ dizin des 16. / 17. Jh. sowie mit Arztebiographien. Zu seinen zahlreichen Publikationen geh¨oren u. a. Theodor Zwinger III. (1658-1724) (mit Marie-Louise Portmann und Peter A. Molling, 1962), Aktuelle Probleme aus der Geschichte der Medizin (hrsg. mit Robert Blaser, 1966) und Kurze Geschichte der ¨ großen Schweizer Arzte (mit Erwin H. Ackerknecht, 1975).

Bussing, ¨ (Johann) Heinrich (Friedrich Wilhelm), Ingenieur, Fabrikant, * 29. 6. 1843 Nordsteimke (heute zu Wolfsburg), † 27. 10. 1929 Braunschweig. Von Beruf Schmied, studierte B., Sohn eines Schmiedemeisters, Maschinenbau am Collegium Carolinum, der sp¨ateren TH, in Braunschweig und arbeitete an Erfindungen zur mechanischen Fortbewegung (er konstruierte 1869 eines der ersten Fahrr¨ader) sowie im Eisenbahnsignalbau. Gemeinsam mit Max → J¨udel gr¨undete er 1870 eine Werkstatt f¨ur Signalanlagen (1873 zur „Eisenbahn-Signalbau-Anstalt Max J¨udel und Co.“ erweitert) und erhielt als deren technischer Leiter (bis 1901) und Berater (bis 1906) 92 deutsche Patente. 1903 gr¨undete B. eine eigene „Spezialfabrik f¨ur Motorlastwagen und Motoromnibusse“ und f¨uhrte 1904 erste Versuchsfahrten mit Bussen durch. Er gr¨undete eine Transportgesellschaft in Berlin und lieferte Busse f¨ur den Großstadtverkehr in London. Seit 1908 wurde B.s Produktion von Lastkraftwagen durch die deutsche Heeresverwaltung subventioniert; er stellte Versuche mit Vierradantrieb und Luftbereifung an, gr¨undete die Firma „Pneumatikum“ und brachte nach umfangreicher Kriegsproduktion 1914-18 die ersten dreiachsigen Busse auf den Markt. 1920 wandelte B. seine Firma in eine Aktiengesellschaft um. C Leb Nieders, Bd 3

Bussing, ¨ Kaspar, auch Caspar Bußingius, evang. Theologe, Naturforscher, * 9. 3. 1658 Neukloster (Mecklenburg), † 20. 10. 1732 Oldenburg. Der Pfarrerssohn studierte 1677-84 an den Universit¨aten Leipzig, Jena, Rostock und Kiel Theologie, Mathematik, Heraldik und Geschichte und wurde 1684 Lehrer, 1691 Konrektor am neugegr¨undeten Athen¨aum in Kiel. Seit 1692 Gymnasiallehrer in Hamburg, wurde er 1694 Pfarrer an St. Michaelis und u¨ bernahm 1699 das Pastorat sowie die dazugeh¨orige Theologieprofessur am Dom. 1707 wurde er aus Anlaß seiner Weigerung, ein o¨ ffentliches Dankfest f¨ur die Siege des Schwedenk¨onigs Karl XII. im Dom zu begehen, entlassen und u¨ bernahm das Pastorat der Armenhausgemeinde und der Gemeinde St. Hiob. 1709 kam er als Konsistorialrat und Generalsuperintendent von Oldenburg und Delmenhorst (seit 1712 auch von Bremen und Verden) sowie als Hauptpastor an der Kirche St. Lamberti nach Oldenburg. Neben theologischen Schriften ver¨offentlichte B. Arbeiten aus den Gebieten Mathematik, Astronomie, Philosophie und Heraldik (u. a. Mathematica superiora [. . .], 1685). Er war an der Ausarbeitung der oldenburgischen Kirchenordnung von 1725 beteiligt. C Oldenburg

Butefisch, ¨ Heinrich, Chemiker, Industrieller, * 24. 2. 1894 Hannover, † 13. 8. 1969 Essen. B., Sohn eines Lehrers, studierte in Hannover physikalische Chemie und wurde nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg ¨ 1920 mit der Arbeit Uber die photochemische Kinetik der Phosgenbildung und u¨ ber eine neue durch Chlor sensibilisierte Gasreaktion promoviert. Er trat als Analysechemiker in die BASF ein, u¨ bernahm 1922 die Betriebsleitung des Leuna-Werks, wurde dort 1925 Abteilungsleiter, 1927 Prokurist, 1930 Direktor der chemischen Produktion und 1937 Werksleiter. B. besch¨aftigte sich vor allem mit der syntheti¨ schen Olherstellung. Seit 1934 war er stellvertretendes, seit

¨ Butner 1938 ordentliches Mitglied des Vorstands der I. G. Farbenindustrie AG und geh¨orte 1931-38 dem Arbeitsausschuß sowie 1938-45 dem technischen Ausschuß an. Als Produktionsbe¨ war er neben Carl → Krauch Mitglied von auftragter f¨ur Ol → G¨orings Vierjahresplan-Organisation. Das NSDAP- und SS-Mitglied wurde 1938 zum Wehrwirtschaftsf¨uhrer ernannt und war Mitglied weiterer Aufsichts- und Verwaltungsr¨ate ¨ S¨uddeutsche Kalkstickstoff, Stickstoff(Continentale Ol, Syndikat, Norddeutsche Hydrierwerke P¨olitz). 1938-45 leitete er die Sparte I (Chemikalien, Spreng- und Kunststoffe) der I. G. Farben. Zusammen mit Otto → Ambros war er f¨ur den Aufbau und Betrieb des I. G. Buna-Werkes in Auschwitz (Monowitz) verantwortlich, wo er 1941 Leiter der Treibstoffproduktion wurde. Mit der SS verhandelte B., seit 1943 selbst Obersturmbannf¨uhrer, die Bereitstellung von H¨aftlingen f¨ur die Arbeit. 1942 wurde er Vorsitzender des Aufsichtsrates der F¨urstengrube GmbH, auf der ebenfalls Zwangsarbeiter und KZ-H¨aftlinge eingesetzt wurden. Vom Kriegsverbrechertribunal 1948 wegen „Versklavung und Massenmord“ zu sechs Jahren Gef¨angnis verurteilt, wurde er 1951 vorzeitig entlassen und unmittelbar anschließend Aufsichtsratsmitglied der Ruhrchemie AG und anderer chemischer Betriebe. Das ihm 1964 verliehene Bundesverdienstkreuz mußte B. nach o¨ ffentlichem Protest schon wenige Tage danach wieder zur¨uckgeben.

Buthner, ¨ Friedrich, Mathematiker, Astronom, * 11. 7. 1622 Oputsch (B¨ohmen), † 13. 2. 1701 Danzig. B., Sohn eines Pfarrers, studierte 1641-43 in K¨onigsberg zun¨achst Theologie, sp¨ater Mathematik und Astronomie, wurde 1647 als Stipendiat nach Wittenberg geschickt und erlangte dort im folgenden Jahr den Magistergrad. Er besuchte anschließend die Universit¨aten Frankfurt / Oder und Rostock, kehrte 1651 nach Danzig zur¨uck und ging nach vergeblichen Bewerbungen nach K¨onigsberg. Seit 1653 Rektor der Danziger Johannisschule, war er von 1663 an zus¨atzlich Prof. der Mathematik und Astronomie am dortigen Akademischen Gymnasium. B. ver¨offentlichte zahlreiche astrologische und meteorologische Schriften, darunter Anmerkungen und nat¨urliche Gedanken, nebst astrologischen Muthmaassungen von der Natur der Cometen (1661) und Astronomische und Astrologische Beschreibung und Betrachtung, seltzamer Begebenheiten des Cometen (1681). C Altpreuß Biogr, Bd 1

Butikofer, ¨ Ernst, schweizer. Ingenieur, Journalist, * 2. 10. 1882 Bern, † n. e. Nach dem Studium am Technikum in Biel war B. sechs Jahre in Algerien und Spanien als Ingenieur und Werkdirektor t¨atig, 1909-15 Ingenieur bei Brown, Boveri & Cie. in Baden und f¨uhrte bis 1920 ein eigenes Unternehmen in Biel und Grenchen. Danach u¨ berwiegend journalistisch aktiv, war er Mitarbeiter der „Automobil-Revue“, der „Technischen Rundschau“ sowie der Zeitschrift „Baukunst“ und redigierte 1921 / 22 die Zeitschrift „Elektrizit¨at“. 1923-25 war er Sekret¨ar am Mexikanischen Konsulat in Z¨urich. B. wandte sich sp¨ater der Werbung zu und war 1924-27 Reklamechef verschiedener schweizer. Firmen. Seit 1927 lebte er als freier Journalist, technischer Redakteur von Fachperiodika und Mitarbeiter f¨uhrender Tageszeitungen in Z¨urich. Er vero¨ ffentlichte u. a. Der Fisel in der Fremde. Lehr- und Wanderjahre in Algerien, Spanien und der Schweiz (1919), Die Molluskenfauna des schweizerischen Nationalparks (1920) und Die Elektrizit¨at im Haushalt (1921).

Butler, ¨ Anton, schweizer. Maler, * 12. 8. 1819 Auw (Kt. Aargau), † 18. 11. 1874 Luzern. Der Sohn Niklaus → B.s kam nach erstem Unterricht beim Vater mit 16 Jahren an die Kunstakademie M¨unchen, u¨ bte sich im Kopieren und wurde Gehilfe von Peter von

→ Cornelius bei der Ausf¨uhrung der Fresken der M¨unchner Ludwigskirche. Seit 1840 in Luzern ans¨assig, u¨ bernahm er die Leitung der Dekoration des Großratssaals und schuf Altarbilder f¨ur verschiedene Pfarrkirchen in der Umgebung sowie f¨ur die Luzerner Hofkirche. 1848 ging er erneut an die Kunstakademie M¨unchen. W¨ahrend eines Aufenthalts in Rom 1855-57 entstanden – zum Teil gemeinsam mit Cornelius – Kartons und Skizzen zu Wandgem¨alden und Landschaften. 1865-73 lebte B. in D¨usseldorf. 1874 wirkte er an dem von seinem Vater begonnenen Freskenzyklus zur Tellslegende in der Tellskapelle in K¨ußnach am Rigi mit. C AKL

Butler, ¨ Heinrich, auch Beutler, schweizer. Geologe, * 19. 12. 1893 Embrach (Kt. Z¨urich), † 8. 1. 1983 Schaffhausen. Nach der Ausbildung zum Primarlehrer in Schaffhausen studierte B., Sohn eines Zieglers und Bauamtsarbeiters, Geologie und andere Naturwissenschaften an der Univ. Genf und nahm 1920 / 21 an der geologischen Expedition in das Hoggar-Gebirge (Algerien) teil. 1924 habilitierte er sich und war 1925-52 Lehrer f¨ur Geographie und Geologie an der Kantonsschule Schaffhausen (1939-44 Rektor). In den dreißiger Jahren u¨ bernahm er bei den OstGr¨onlandexpeditionen unter der Leitung Lauge Kochs geologische Forschungsprojekte und kl¨arte grundlegende Zusammenh¨ange der geologischen Verh¨altnisse zwischen Amerika, Gr¨onland und Europa. 1939 organisierte er eine internationale Gr¨onlandtagung in Schaffhausen. 1952-58 leitete B. die geologische Forschungsabteilung der d¨anischen Nordost¨ Gr¨onlandexpedition. Er ver¨offentlichte u. a. Uber ein Vorkommen von Quarsiten der untern Eleonore Bay Formation an der Westk¨uste der Wegener-Halbinsel in Ostgr¨onland (1949), Die stratigraphische Gliederung der mitteldevonischen Serien im Gebiete von Kap Franklin am Kejser Franz Joseph Fjord in Zentral-Ostgr¨onland (1954) und Das Old Red-Gebiet am Moskusoksefjord (1959).

Butler, ¨ Maria Bernarda, Taufname: Verena, schweizer. kath. Missionarin, * 28. 5. 1848 Auw (Kt. Aargau), † 19. 5. 1924 Cartagena (Kolumbien). Die Tochter eines Landwirts und K¨ufers trat 1867 in das Kapuzinerinnenkloster Maria Hilf in Altst¨atten ein und legte 1871 die Profeß ab; 1874 wurde sie Schaffnerin, 1879 Novizenmeisterin und 1880 Oberin. 1888 ging sie mit einigen Mitschwestern nach Chone (Ecuador), wo sie karitativ und als Erzieherin t¨atig war, und u¨ bersiedelte 1895 nach Cartagena (Kolumbien). Die Genossenschaft der Franziskaner Missionsschwestern von Maria Hilf / Cartagena, die sich vor allem der Bildung, Krankenpflege und Seelsorge widmete und der B. bis 1920 als Generaloberin vorstand, erhielt 1912 die bisch¨ofliche, 1938 die p¨apstliche Anerkennung. B. wurde 1995 seliggesprochen. C HLS

Butler, ¨ Niklaus, schweizer. Maler, * 28. 10. 1786 Auw (Kt. Aargau), † 14. 11. 1864 Luzern. B. erlernte die Malerei in Z¨urich, absolvierte eine Kunstreise durch Deutschland und ließ sich Anfang der zwanziger Jahre in K¨ußnacht nieder. Er begann eine umfangreiche und vielseitige Produktion von Portr¨ats, Theaterkulissen und Kirchengem¨alden, darunter Geßlers Tod (1834) f¨ur die Tellskapelle in K¨ußnacht am Rigi. B. bemalte auch Grabkreuze und Schr¨anke. Er war der Vater von Anton → B. C AKL

Butner, ¨ Crato, auch B¨uttner, Komponist, * 1616, † 1679 Danzig. Seit 1650 Organist an St. Salvator in Danzig, u¨ bernahm B. 1652 die Stelle des Musikdirektors und Kantors an St. Katharinen in Danzig. Er komponierte u. a. Geistliche Kon-

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¨ Butow zerte (1651) und wurde wegen seiner Mitarbeit an Georg → Neumarks Lustwald (1652-57) und Johann → Francks Geistlichem Sion (1674) u¨ ber die Grenzen Danzigs hinaus als Liederkomponist bekannt. C MGG

Butow, ¨ Hans, Pseud. Peter Sequenz, Osric, Journalist, Schriftsteller, * 27. 11. 1900 Osnabr¨uck, † 14. 10. 1991 Hamburg. B., Sohn eines Offiziers, durchlief 1919-21 eine Ausbildung als Landwirtschaftseleve und anschließend eine Buchh¨andlerlehre. Bis 1930 arbeitete er als Buchh¨andler und Antiquar in Leipzig, M¨unchen und Hannover. Er studierte in Frankfurt und Hamburg Anglistik, Kunstgeschichte und Arch¨aologie; 1935 wurde er in Frankfurt zum Dr. phil. promoviert (Studien zum altenglischen „Traumgesicht vom Kreuz“). 1935-43 war B. als Redakteur der „Frankfurter Zeitung“ f¨ur Außenpolitik zust¨andig, wechselte dann zum „Illustrierten Blatt“ und arbeitete 1945 / 46 als Dolmetscher f¨ur die amerikanische Milit¨arregierung. 1946 / 47 schrieb er f¨ur „Die Frau“, leitete 1947-49 das Feuilleton der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“ und war anschließend Feuilletonchef und stellvertretender Chefredakteur bei der „Frankfurter Neuen Presse“. 1954 wurde B. Direktor der Staatlichen Pressestelle von Hamburg, 1957 pers¨onlicher Referent des Ersten B¨urgermeisters der Hansestadt. Er war Gesch¨aftsf¨uhrer des ¨ Uberseeclubs und Mitarbeiter der „Forschungsstelle f¨ur die Geschichte des Nationalsozialismus“ in Hamburg. B. ver¨offentlichte in Schlafende Gorgo (1947) und Spur von Erdentagen (1958) eigene Erz¨ahlungen, gab englische Essays heraus (Der englische Geist, 1939) und u¨ bersetzte u. a. P. B. Shelley und E. Waugh. In Rede, mein Ged¨achtnis, rede (1977) legte er autobiographische Aufzeichnungen vor. C Killy Butow, ¨ Johann, auch Butovius, evang. Theologe, Dichter, * Treptow, † 1621. B. war seit 1589 f¨urstlich alten-stettinischer Hofprediger, sp¨ater bisch¨oflicher Hofprediger in K¨oslin und hielt 1621 eine auch im Druck erschienene Leichenpredigt auf Herzog → Franz I. Außer Predigten schrieb er das Drama Isaac (1600), in dem er neben der alttestamentlichen Haupthandlung eine b¨auerliche Ehestandsgeschichte in Platt erz¨ahlt. C ADB Butschli, ¨ (Johann Adam) Otto, Zoologe, * 3. 5. 1848 Frankfurt / Main, † 2. 2. 1920 Heidelberg. Nach dem Studium der Mineralogie, Chemie und Zoologie in Karlsruhe, Heidelberg und Leipzig und der Promotion (1867) wurde B., Sohn eines Konditors, Assistent am Institut von Rudolf → Leuckart in Leipzig und 1872 am Zoologischen Institut der Univ. Kiel, wechselte im folgenden Jahr an die Landwirtschaftliche Versuchsstation und habili¨ tierte sich 1876 an der TH Karlsruhe mit der Arbeit Uber die Entstehung des Schw¨armspr¨osslings der Podophrya Quadripartita CLP. und LCHM. 1878-1919 war er o. Prof. der Zoologie und Direktor des Zoologischen Instituts an der Univ. Heidelberg. B., der Mitglied mehrerer Akademien war, seit 1888 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, stellte umfangreiche Forschungen zu den Protozoen sowie ihrem Protoplasma („Schaumstruktur“) an und f¨orderte damit wesentlich die Parasitologie. Er ver¨offentlichte u. a. Studien u¨ ber die ersten Entwicklungsvorg¨ange der Eizelle, die Zelltheilung und die Conjugation der Infusorien (1876), Untersuchungen u¨ ber mikroskopische Sch¨aume und das Protoplasma (1892) und Mechanismus und Vitalismus (1901). ¨ Akad, Jg. 70 C Almanach Ost Buttikofer, ¨ Johann, Zoologe, * 9. 8. 1850 Rahnfl¨uh / Emmental, † 24. 6. 1927. Von Beruf Lehrer, war B. zun¨achst sechs Jahre in Grasswil t¨atig, studierte anschließend Naturwissenschaften und wurde nach zweij¨ahriger T¨atigkeit am Naturhistorischen Museum

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in Bern 1878 Assistent Hermann → Schlegels am Zoologischen Reichsmuseum in Leiden. 1879-82 und 1886 / 87 leitete er zwei zoologische Expeditionen nach Liberia und nahm 1893 / 94 an der niederl¨andischen Forschungsexpedition nach Borneo teil. B. war 1884-97 Konservator der Ornithologischen Abteilung des Zoologischen Reichsmuseums Leiden und wurde 1897 Direktor des Rotterdamer Zoologischen Gartens. Er ver¨offentlichte u. a. Mededeelingen over Liberia (1883), Reisebilder aus Liberia (2 Bde., 1890 / 91) und Feest-uitgave ter viering van het 50-jarig bestaan der Rotterdamsche diergaarde (1907).

Buttner, ¨ (Carl Ludwig) August (Friedrich), Ingenieur, Industrieller, * 13. 4. 1846 Rahden (Westfalen), † 10. 7. 1919 Uerdingen (heute zu Krefeld). B., Sohn eines Landgerichtsrats, wurde nach dem Maschinenbaustudium an der Gewerbeakademie in Berlin bei Franz → Reuleaux Assistent in Aachen und plante zun¨achst, die akademische Laufbahn einzuschlagen. 1874 gr¨undete er die Rheinische R¨ohren-Dampfkesselfabrik August B¨uttner G.m.b.H., in der er unabh¨angig von der Technologie anderer Hersteller Wasserrohrkessel entwickelte und baute. B. erkannte die Bedeutung der Forschungsergebnisse Karl Meyers f¨ur Industrie und Landwirtschaft und baute u. a. den ersten Zuckerr¨ubenschnitzeltrockner. C NDB

Buttner, ¨ Christian Wilhelm, Naturforscher, * 27. 2. 1716 Wolfenb¨uttel, † 8. 10. 1801 Jena. Wie sein Vater, ein Hofapotheker, von Beruf Apotheker, eignete sich B. autodidaktisch umfangreiche Kenntnisse in Naturgeschichte, Anthropologie, Ethnographie und Linguistik an, erlangte 1755 den Magistergrad an der Univ. G¨ottingen und hielt als kgl. Kommissar Vorlesungen. Seit 1758 a. o. Prof., wurde er 1762 Mitglied der Gesellschaft der Wissenschaften und 1763 o. Prof. in G¨ottingen. 1770-83 war er Mitglied, 1777-81 Direktor der K¨oniglichen Societ¨at der Wissenschaften zu G¨ottingen. 1783 ging er als sachsen-weimarischer Hofrat nach Jena und verkaufte Herzog → Karl August, nachdem er 1773 der G¨ottinger Univ. bereits seine Naturaliensammlung u¨ bergeben hatte, seine von den Zeitgenossen als u¨ beraus wertvoll eingesch¨atzte Bibliothek (10 000 Bde.) f¨ur die Jenaer Universit¨atsbibliothek. B. hielt als einer der ersten ein geschlossenes Kolleg u¨ ber Naturgeschichte und verbreitete seine damals revolution¨aren Vorstellungen von der Einheit des Menschengeschlechts und der Entwicklung verschiedener Rassen aus einer Grundform. Er ver¨offentlichte Vergleichungstafeln der Schriftarten verschiedener V¨olker, in den vergangenen und gegenw¨artigen Zeiten (2 Bde., 1771-81). C NDB

Buttner, ¨ Christoph Gottlieb, auch Christoph Theophil, Mediziner, * 10. 7. 1708 Brandenburg (Ostpreußen), † 1. 4. 1776 K¨onigsberg. B. studierte in K¨onigsberg und Halle Medizin; 1732 wurde er promoviert (De vera mali epileptici caussa), 1734 in K¨onigsberg a. o., 1737 o. Prof. der Anatomie und Physikus des Saml¨andischen Kreises. 1738 richtete er der Univ. K¨onigsberg auf eigene Kosten ein Anatomisches Institut mit Theatrum anatomicum und einer Sammlung von Pr¨aparaten ein. Unter seinen zahlreichen Dissertationen befinden sich mehrere Anleitungen zu gerichtsmedizinischen Obduktionen (u. a. Vollst¨andige Anweisung, wie durch angestellte Besichtigungen ein ver¨ubter Kindermord auszumitteln sei, 1771, 2 1804). B. wurde 1770 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. C Altpreuß Biogr, Bd 1

Buttner, ¨ David Sigismund August, Mediziner, Botaniker, * 28. 11. 1724 Chemnitz, † 20. 11. 1768 G¨ottingen. B. studierte an den Universit¨aten Berlin, Helmstedt, G¨ottingen und Leiden. 1756 wurde er Nachfolger seines Stiefvaters

¨ Buttner und Lehrers Michael Matthias Ludolf als Prof. der Medizin und der Botanik am Medizinisch-Chirurgischen Kollegium in Berlin. 1760 folgte er einer Berufung als Prof. der Medizin und Botanik an die Univ. G¨ottingen. B. ver¨offentlichte ausschließlich botanische Arbeiten, darunter Rudera diluvii testes (1710) und Enumeratio plantarum horti Cunoniani ¨ (1750). 1 C Arzte

Buttner, ¨ Erich (Johann), Maler, Graphiker, * 7. 10. 1889 Berlin, † 7. 9. 1936 Freiburg / Breisgau. Nach einer Ausbildung als Kunstglaser und Lithograph besuchte B. seit 1905 die Unterrichtsanstalt am Kunstgewerbemuseum in Berlin und war 1906-11 Sch¨uler Emil → Orliks. Seit 1908 stellte er u. a. in der Berliner Sezession aus, deren Mitglied er wurde. B. war 1915 Redakteur der Zeitschrift „Bimini“, schuf B. neben zahlreichen Portr¨ats ber¨uhmter Zeitgenossen (darunter Arno → Holz, → Klabund) u. a. das Gem¨alde Das Gartenhaus (1916), das die Berliner Nationalgalerie erwarb. Seine illustrierte Autobiographie erschien in „Velhagen und Klasings Monatsheften“ (Heft 1, 1925). C AKL Buttner, ¨ Friedrich August, P¨adagoge, * 19. 11. 1842 Rathewalde (Sachsen), † 14. 9. 1898 Dresden. B., Sohn eines M¨uhlen- und Gutsbesitzers, wurde 1879 Direktor der Kgl. Landesblindenanstalt in Dresden, 1890 Leiter mehrerer Landesanstalten f¨ur geistig Behinderte sowie von Ausbildungsst¨atten f¨ur Pflegepersonal. Er bem¨uhte sich um schulische und berufliche Ausbildung von Blinden, schuf gesonderte Einrichtungen f¨ur Erwerbsunf¨ahige (in K¨onigswartha), Sp¨aterblindete (u. a. in Moritzburg) und mehrfach Behinderte sowie Arbeits- und Betreuungsm¨oglichkeiten f¨ur Schulentlassene. B. initiierte die Gr¨undung des deutscho¨ sterreichischen Vereins zur F¨orderung der Blindenbildung (1876) sowie des Vereins zur Beschaffung von Hochdruckschriften und von Arbeitsgelegenheiten f¨ur Blinde in Leipzig (1894). Vor¨ubergehend war er Mitglied der Hauptschriftleitung der Zeitschrift „Der Blindenfreund“. Sein Versuch, die verschiedenen Anstalten in Sachsen zu koordinieren, gipfelte im Bau der Anstalt in Chemnitz-Altendorf. B. schrieb u. a. Das Formen und Zeichnen im Blinden-Unterricht (1890). C NDB Buttner, ¨ Georg Konrad, Dichter, * 26. 11. 1648 Dresden, † 20. 4. 1693 T¨oplitz. B. war seit 1672 Auditor und Sekret¨ar beim kurs¨achsischen Reiterregiment des Herzogs Moritz und wurde 1676 Geheimer Sekret¨ar. 1682 Hof- und Konsistorialrat in Zeitz, wechselte er noch im gleichen Jahr nach Jena und wurde 1683 Kammerrat. Seit 1684 lebte B. als Hof- und Konsistorialrat in Arnstadt (Th¨uringen). Er schrieb mehrere Kirchenlieder, zu denen Adam → Drese die Melodien komponierte (u. a. ¨ ¨ Agypten, Agypten, gute Nacht!). C LThK Buttner, ¨ Heinrich Christoph, Pseud. Teutomar, Historiker, * 27. 3. 1766 Ansbach, † 21. 8. 1816 Stuttgart. Seit 1788 Advokat, wurde B. 1789 Wirklicher Prozeßrat, 1790 Kammerprokurator in Ansbach, 1797 Justizamtmann und Justizrat in Ansbach. Sp¨ater ging er als w¨urttembergischer Oberregierungsrat nach Stuttgart. B. ver¨offentlichte neben einem Band Gedichte haupts¨achlich Schriften zur Geschichte und Topographie Frankens, darunter das Fr¨ankische Archiv (3 Bde., 1789-91) und Franconia. Beitr¨age zur Geschichte, Topographie und Litteratur von Franken (2 Bde., 1813). Buttner, ¨ Johann Arnold Joseph, Mediziner, * 24. 3. 1768 Halberstadt, † 8. 1. 1844 Berlin. Aus einfachen Verh¨altnissen stammend, war B. ein Universit¨atsstudium verwehrt. Nach der Lehre bei einem Regimentschirurgen wurde er 1785 Kompaniechirurg in Halberstadt und begleitete sein Regiment 1790 nach Schlesien,

1792-94 nach Frankreich. B. wurde 1801 zum Studium beurlaubt; er absolvierte 1803 die medizinischen Staatspr¨ufungen, unternahm anschließend mit kgl. Unterst¨utzung eine Fortbildungsreise nach Frankreich und wurde 1804 Regimentschirurg. In Duisburg 1806 zum Dr. med. promoviert, er¨offnete B. im gleichen Jahr eine zivile Praxis in Minden, folgte 1809 einer Berufung als Regimentsarzt nach K¨onigsberg und wurde dort 1810 zum Divisionsgeneralarzt der Provinz Preußen ernannt. Er begleitete das Korps 1812 nach Kurland, 1813-15 nach Frankreich und war danach stellvertretender Generalstabsarzt. B. wurde 1828 zum Geheimen Obermedizinalrat ernannt, setzte sich in Berlin f¨ur die Armenpflege ein und war B¨urgerdeputierter und Kuratoriumsmitglied am Hospital. C Neuer Nekr, Jg. 22

Buttner, ¨ Johannes Samuel, evang. Theologe, * 28. 4. 1831 Harsefeld bei Stade, † 23. 7. 1905 Hannover. Nach dem Studium 1850-53 in Erlangen und G¨ottingen und l¨angeren Hilfslehrert¨atigkeiten war B. seit 1866 Pfarrer in Horneburg bei Stade. 1869 kam er an das Diakonissenhaus „Henriettenstift“ in Hannover, wo er bis zu seinem Tod wirkte. Neben der T¨atigkeit f¨ur die weibliche Diakonie bem¨uhte er sich um Mission und Diaspora und war langj¨ahriger Vorsitzender des Hannoverschen Lutherischen Gotteskastens. B. ver¨offentlichte u. a. Gottes Befehl im Diakonissenberuf (1883, 31895). C RE

Buttner, ¨ Karl Gotthilf, evang. Missionar, Sprachwissenschaftler, * 24. 12. 1848 K¨onigsberg, † 14. 12. 1893 Steglitz (heute zu Berlin). B., dessen Vater Pedell an der Univ. K¨onigsberg war, schloß 1870 die theologischen Studien ab, kam anschließend ins Missionshaus Barmen zur sprachlichen und medizinischen Fortbildung und erteilte dort auch Unterricht. Von der Rheinischen Missionsgesellschaft 1872 nach S¨udwestafrika entsandt, u¨ bernahm er in Otjimbingue die Leitung des Augustineums, einer Gehilfenschule f¨ur Herero. 1880 kehrte er nach Deutschland zur¨uck und wurde Pfarrer in Wormditt bei K¨onigsberg. 1885 reiste er im Auftrag der deutschen Regierung nach S¨udwestafrika zum Abschluß von Schutzvertr¨agen mit den H¨auptlingen der Nama und Herero und war 1886-89 Inspektor der Deutsch-Ostafrikanischen Missionsgesellschaft, anschließend Lehrer am Orientalischen Seminar in Berlin. B. f¨uhrte das Studium des Suaheli in Deutschland ein, war Mit¨ubersetzer des Neuen Testaments ins Otjiherero und gab 1887-90 die „Zeitschrift f¨ur afrikanische Sprachen“ heraus. Er ver¨offentlichte u. a. ein W¨orterbuch der Suahelisprache (1890). C NDB

Buttner, ¨ Konrad (Johannes Karl), Meteorologe, * 6. 10. 1903 Westendorf bei Soltau, † 14. 11. 1970 New Haven (Connecticut, USA). B. studierte 1922-26 an der Univ. Erlangen und den Technischen Hochschulen Hannover und G¨ottingen, arbeitete nach der Promotion 1927 (Versuche u¨ ber die durchdringende Strahlung) u¨ ber ein bioklimatologisches Thema 1927-31 am Meteorologischen Observatorium Potsdam und wurde als physikalischer Leiter der Bioklimatischen Forschungsstelle an die Univ. Kiel berufen. 1934 habilitierte er sich in Kiel mit der Arbeit Die W¨arme¨ubertragung durch Leitung und Konvektion, Verdunstung und Strahlung in Bioklimatologie und Meteorologie, wurde 1947 a. o. Prof. der Meteorologie und ging kurz darauf in die USA, wo er an der School of Aviation Medicine in Randolph-Field (Texas) t¨atig war. B. erfand u. a. ein Kompensiertes Bimetallaktinometer f¨ur Flugzeugversuche und ver¨offentlichte Arbeiten u. a. zur Meteorologie, Strahlentherapie und Geophysik, darunter Die W¨arme¨ubertragung durch Leitung und Konvektion, Verdunstung und Strahlung in Bioklimatologie und Meteorologie (1934).

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¨ Buttner Buttner, ¨ Max, Komponist, Musiker, * 29. 1. 1891 Rodach bei Coburg, † 1959. B. war 1905-07 Mitglied der Stadtkapelle im th¨uringischen Sonneberg, 1907 / 08 in Uerdingen / Rhein. Seit 1909 studierte er bei Max Saal in Berlin Klavier und Harfe, seit 1917 bei Hermann Wolfgang von → Waltershausen in M¨unchen Kontrapunkt und seit 1926 bei Hugo → R¨ohr Dirigieren. Er geh¨orte 1910-12 als Harfenist dem Bl¨uthner-Orchester Berlin, 1912 / 13 dem Berliner Kgl. Opernorchester und 1913-16 dem Dessauer Hoftheaterorchester an und war 1916-47 Erster Harfenist des M¨unchner Staatsopernorchesters sowie seit 1919 Prof. an der Akademie der Tonkunst in M¨unchen. Er komponierte Symphonien, Opern, Ballette (u. a. Der tapfere Zinnsoldat), Chor- und Instrumentalwerke, Solost¨ucke f¨ur Holz- und Blechbl¨aser sowie Harfensoli und Lieder. Buttner, ¨ Paul, Komponist, * 10. 12. 1870 Dresden, † 15. 10. 1943 Dresden. Der aus a¨ rmlichen Verh¨altnissen kommende B. studierte am Konservatorium seiner Geburtsstadt Oboe und bei Felix → Draeseke Komposition, war seit 1888 Theater- und Tanzmusiker und kam 1892 als Oboist zur Dresdner Philharmonie. 1896-1907 lehrte er Chorgesang, sp¨ater Musiktheorie am Dresdner Konservatorium, war seit 1912 Musikkritiker der „Dresdner Volkszeitung“ und wurde 1925 k¨unstlerischer Direktor des Dresdner Konservatoriums. Neben symphonischen Dichtungen, Opern und Chors¨atzen komponierte B. u. a. eine Symphonie in Des-Dur, die Arthur → Nikisch 1915 mit dem Leipziger Gewandhausorchester erstmals auff¨uhrte. Nach dem Verbot der sozialdemokratischen „Dresdner Volks-Zeitung“ verlor B. seine Stelle als Kritiker und wurde kurz darauf Leiter des Konservatoriums entlassen; seine Kompositionen wurden mit Auff¨uhrungsverbot belegt. C MGG Buttner, ¨ Wolf(gang), evang. Theologe, Schriftsteller, * 1522 Oelsnitz / Voigtland, † 1596. B. studierte wohl in Wittenberg Theologie und war 29 Jahre Prediger der kurs¨achsischen Gemeinden Umpferstedt und Wolferstedt. Neben drei theologischen Schriften und einer Exempla- und Erz¨ahlsammlung ver¨offentlichte er gesammelte Schw¨anke u¨ ber einen s¨achsischen Hofnarren (627 Historien von Claus Narren, 1572), mit denen er außer der Unterhaltung auch b¨urgerlich-protestantische Belehrung vermittelte. C Killy Buttner, ¨ Wolfgang, Schauspieler, * 1. 6. 1912 Rostock, † 18. 11. 1990 Stockdorf bei M¨unchen. B. studierte 1930-32 Germanistik, Theaterwissenschaften, Romanistik und Anglistik an den Universit¨aten Rostock und G¨ottingen und besuchte 1932-34 die Schauspielschule des Deutschen Theaters (Max-Reinhardt-Schule) in Berlin. Nach zwei Jahren beim Berliner Ensemble Agnes → Straubs spielte er 1936 / 37 am Stadttheater Altona und war dann bis 1944 Mitglied des Ensembles der St¨adtischen B¨uhnen Frankfurt / Main. 1944 zum Kriegsdienst einberufen, lebte er 1945 / 46 in franz¨osischer Kriegsgefangenschaft, kam 1947 an das Junge Theater M¨unchen und spielte 1948-60 beim Bayerischen Staatsschauspiel. Seit dieser Zeit freier Schauspieler, nahm B. neben Film- auch H¨orfunk-, Rezitationsund Synchronisationsangebote wahr. C Munzinger Buttner-Wobst, ¨ (Johann Rudolf) Theodor, Klassischer Philologe, * 24. 1. 1854 Dresden, † 2. 9. 1905 B¨uhlau bei Dresden. Nach philologischen Studien an der Univ. Leipzig (1872-76) wurde B.-W., Sohn eines Beamten, 1877 provisorischer, 1878 ordentlicher Lehrer am Dresdner Kreuzgymnasium und unterrichtete bis zu seiner Pensionierung 1904 Geschichte und alte Sprachen. Daneben war er wissenschaftlich t¨atig;

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1893 wurde er von der S¨achsischen Akademie der Wissenschaften zur Pr¨ufung des Codex Peirescianus des Polybios nach Tours geschickt. Er war Vorsitzender der Dresdner „Historischen Gesellschaft“ und erhielt 1897 den Professorentitel. B.-W. gab Polybii historiae [. . .] (4 Tle., 1882-1904) heraus. C Bursian, Jg. 32

Buff, Adolf, Archivar, Erzieher, * 1. 9. 1838 Gießen, † 30. 8. 1901 Augsburg. Der Sohn Heinrich → B.s studierte Literatur- und Geschichtswissenschaften an den Universit¨aten Gießen und Bonn und wurde 1862 auf Empfehlung August Wilhelm von → Hofmanns Erzieher des englischen Prinzen Leopold. Nach literarischen, historischen und national¨okonomischen Studien in London ließ er sich, einer Einladung Justus → Liebigs folgend, in M¨unchen nieder. 1871 begleitete er als Lehrer der beiden S¨ohne das deutsche Kronprinzenpaar auf einer Englandreise. 1875 wurde er Vorstand des Stadtarchivs Augsburg. Seit 1876 war er Mitglied der Redaktion der „Zeitschrift des Historischen Vereins f¨ur Schwaben und Neuburg“. B. publizierte u. a. in der M¨unchner „Allgemeinen Zeitung“ sowie im „Bayerland“ historische und kunsthistorische Studien. Als eines seiner Hauptwerke gilt Augsburg in der Renaissancezeit (1893).

Buff, Charlotte (Sophie Henriette), auch Lotte B., verh. Kestner, * 11. 1. 1753 Wetzlar, † 16. 1. 1828 Hannover. B., Tochter eines Hauptmanns des Deutschen Ordens, stand nach dem fr¨uhen Tod ihrer Mutter dem v¨aterlichen Hausstand mit neun Geschwistern vor, bis sie sich 1768 mit dem Beamten Johann Christian Kestner verlobte. 1772 lernte → Goethe sie in Wetzlar kennen; sein Briefroman Leiden des jungen Werthers (1774) basiert weitgehend auf der problematischen Beziehung zwischen den beiden Verlobten und dem ungl¨ucklich liebenden Goethe, der schließlich im Herbst 1772 aus Wetzlar abreiste, aber brieflich mit der Familie in Kontakt blieb. Nach ihrer Heirat 1773 zog B. nach Hannover. 1816 fand ein Wiedersehen zwischen ihr und Goethe in Weimar statt, das Thomas → Mann in seinem Roman Lotte in Weimar (1939) thematisierte. B.s Neffe war Heinrich → B.

Buff, (Johann) Heinrich, Chemiker, Physiker, * 22. 5. 1805 R¨odelheim (heute zu Frankfurt / Main), † 24. 12. 1878 Gießen. Der Sohn eines niederl¨andischen Hauptmanns und Neffe Charlotte → B.s studierte bei Justus → Liebig in G¨ottingen Chemie, folgte diesem nach der Promotion 1827 (Ueber Indigs¨aure und Indigharz) nach Paris, habilitierte sich 1830 und wurde 1834 Lehrer der Physik, Maschinenlehre und mechanischen Technologie an der Gewerbeschule Kassel. Seit 1838 o. Prof. der Physik an der Univ. Gießen, arbeitete B. zur Physik und Chemie der Gase und f¨orderte dadurch die Erforschung der Aerodynamik; daneben besch¨aftigten ihn u. a. Siliziumwasserstoffe und Elektrolyte. Er ver¨offentlichte Versuch eines Lehrbuchs der St¨ochimetrie (1829, 2 1842), Grundz¨uge des chemischen Theils der Naturlehre ¨ (1833), Uber neue Verbindungen des Siliciums (mit Hermann → Kopp und Friedrich → Zamminer, 1857), Zerlegung gasf¨ormiger Verbindungen durch electrisches Gl¨uhen (1860), Kraft und Stoff vom physikalischen Standpunkt (1867) und Lehrbuch der physikalischen Mechanik (2 Bde., 1871-73). Als Mitherausgeber des Lehrbuchs der physikalischen und theoretischen Chemie (1857) behandelte er erstmals die Grenzgebiete der Physik und Chemie als gesondertes Fach. B. war der Vater von Adolf → B.

Buff, Heinrich Ludwig, Chemiker, * 23. 8. 1828 Siegen, † 2. 12. 1872 Prag. Nach der Ausbildung zum Apotheker studierte B., Sohn eines B¨urgermeisters, seit 1851 Chemie in Gießen und wurde anschließend Assistent in M¨unchen (bei Justus von

Bugge → Liebig) und London. Als einem Kollegen die Gewinnung des Aethylenalkohols vor ihm gelungen war, zog er sich aus der Wissenschaft zur¨uck und gr¨undete 1859 eine Stearinfabrik in Osnabr¨uck, die er jedoch zwei Jahre sp¨ater schließen mußte. Seit 1863 hielt B. Vortr¨age am Polytechnikum in Hannover, wurde mit der Arbeit Ueber die Fette und die Fabrikation der Fetts¨auren und des Glycerins promoviert und habilitierte sich im gleichen Jahr in G¨ottingen. 1867 wechselte er nach Berlin, hielt Vorlesungen am Gewerbemuseum, wurde Assistent August Wilhelm von → Hofmanns am Universit¨atslaboratorium und folgte 1869 einem Ruf als Prof. der Chemie an das Deutsche Polytechnische Landesinstitut in Prag. B. ver¨offentlichte u. a. Ein Blick auf die Geschichte der Chemie (1866), Grundlehren der theoretischen Chemie ¨ (1866) und Uber das Studium der Chemie (1868). C ADB

Bugenhagen, Johannes, Reformator, * 24. 6. 1485 Wollin (Pommern), † 20. 5. 1558 Wittenberg. Als Sohn des Wolliner Ratsherrn Gerhard B. geboren, wurde B., der sp¨ater den Beinamen „der Pommer“ (Pomeranus) erhielt, als Sechzehnj¨ahriger an der Univ. Greifswald immatrikuliert. Bereits zwei Jahre sp¨ater, 1504, wurde B. zum Rektor der Stadtschule in Treptow berufen. 1509 erhielt er die Priesterweihe und wirkte an der Marienkirche in Treptow. Unter seiner Leitung scheint die Schule hinsichtlich der Verbindung von Sprachstudium und Bibelexegese humanistisch gepr¨agt worden zu sein. B. betrieb in seinem Schulamt umfangreiche autodidaktische Studien vor allem zu den Kirchenv¨atern; der Kontakt mit dem Humanismus scheint ihn zu einem fr¨uhzeitigen Bruch mit der scholastischen Theologie gef¨uhrt zu haben. 1517 wurde ihm das biblische Lektorat im Kloster Belbuck u¨ bertragen. Zwischenzeitlich scheint B., der mit Gleichgesinnten geistigen Austausch u¨ ber die bewegenden Fragen der Zeit („Treptower Kreis“) pflegte, stark von → Erasmus beeinflußt worden zu sein. Dessen Bibelhumanismus bildete eine wichtige Br¨ucke zur Schriftinterpretation im Sinne der Reformation → Luthers. Einfl¨usse des Wittenberger Reformators sind wohl erstmals im Herbst 1520 nachweisbar und bestimmten – trotz eigener Akzente etwa in der Rechtfertigungslehre, in der ein st¨arker humanistisches Interesse an der „effektiven“ Wirkung des Gnadenzuspruchs wirksam wird – seine Theologie tiefgreifend. Die lebensgeschichtliche Wende, die die Reformation f¨ur B. bedeutete, wird daran deutlich, daß er sich trotz seines Alters und seiner gesicherten Position im Fr¨uhjahr 1521 zum Studium in Wittenberg entschloß. Schnell gewann B. das Vertrauen der f¨uhrenden Wittenberger Reformatoren Luther und → Melanchthon; seit Herbst 1521 hielt er exegetische Vorlesungen u¨ ber den Psalter, aus denen sp¨ater ein stattlicher Kommentar erwuchs. 1523 u¨ bernahm er die Wittenberger Stadtpfarrei. Als f¨uhrendem reformatorischen Geistlichen in der Universit¨atsmetropole kam B.s Amtsf¨uhrung eine weithin ausstrahlende Bedeutung f¨ur den Aufbau eines protestantischen Kirchenwesens zu. Neben seiner kirchlichen T¨atigkeit f¨uhrte er seine akademische Arbeit als Schriftausleger – seit 1533 war er ordentliches Mitglied der Fakult¨at und Doktor der Theologie – fort und geh¨orte zum Mitarbeiterkreis Luthers bei der Bibel¨ubersetzung. Durch eine Flugschrift zur Abendmahlsfrage er¨offnete B. im Sommer 1525 den langwierigen, zur Aufl¨osung der Einheit der reformatorischen Bewegung wesentlich beitragenden Abendmahlsstreit

mit → Zwingli. In einem 1526 erschienenen Sendbrief an die Stadt Hamburg entwickelte B. ein kirchenorganisatorisches Programm, das seine weitl¨aufige T¨atigkeit als wichtigster Reformator norddeutscher und skandinavischer st¨adtischer (Braunschweig 1528, Hamburg 1528 / 29, L¨ubeck 1530-32, Hildesheim 1544) und territorialer Kirchent¨umer (Ostfriesland, Pommern 1534 / 35; D¨anemark, Norwegen, Schleswig; Holstein; Braunschweig-Wolfenb¨uttel 1543) er¨offnete. Trotz h¨aufiger Abwesenheit und ehrenvoller Berufungen in hohe ¨ universit¨are und kirchliche Amter hielt B. seinem Wittenberger Doppelamt als Pastor und Professor – nicht zuletzt wegen der engen Freundschaft mit Luther, dessen Beichtvater er war – die Treue. B.s lebenslange theologische Bem¨uhung um die Auslegung der Bibel und die kirchenorganisatorisch-praktische Seite seiner T¨atigkeit als Reformator sind f¨ur sein Lebenswerk und seine dauerhafte Wirkung gleichermaßen entscheidend geworden. B. geh¨ort zu den wichtigsten Schriftauslegern der Reformatorengeneration; seine zahlreich nachgedruckten gelehrten Kommentare und exegetischen Hilfsmittel (Passionsharmonie) pr¨agten die luth. Geistlichkeit vor allem des 16. Jh. tiefgreifend. In seinen aus reformatorischem Anliegen heraus gestalteten Kirchenordnungen trug B. den konkreten sozialen und politischen Realit¨aten Rechnung. Durch die theologische Begr¨undung des Kirchenrechts und eine variable Verbindung gemeindlicher und obrigkeitlicher Elemente leistete er einen spezifischen Beitrag zur Konsolidierung zahlreicher reformatorischer Kirchent¨umer. LITERATUR: Karl August Traugott Vogt: J. B. Leben und ausgew¨ahlte Schriften. Elberfeld 1867. – Georg Geisenhof: Bibliotheca Bugenhagiana. Leipzig 1908. Neudr. Nieuwkoop 1963. – VD 16 B 9227-9524. – Otto Vogt (Hrsg.): Dr. J. B.s Briefwechsel. Gotha 1910. Neudr. Hildesheim 1966. – Hans Hermann Holfelder: Tentatio et consolatio. Studien zu B.s „Interpretatio in librum psalmorum“. Berlin / New York 1974. – Hans-G¨unter Leder: Zum Stand und zur Kritik der Bugenhagenforschung. In: Herbergen der Christenheit 1977 / 78, S. 65-100. – Hans Hermann Holfelder: B., J. In: TRE, Bd. 7, 1981, S. 354-363. – Hans-G¨unter Leder (Hrsg.): J. B. Gestalt und Wirkung. Beitr¨age zur Bugenhagenforschung aus Anlaß des 500. Geburtstages. Berlin 1984. – Anneliese Bieber: J. B. zwischen Reform und Reformation. G¨ottingen 1993. – Ralf K¨otter: J. B.s Rechtfertigungslehre und der r¨omische Katholizismus. G¨ottingen 1994. Thomas Kaufmann

Bugge, (Friedrich Detlef) G¨unther, Chemiker, * 23. 8. 1885 Bad Godesberg, † 15. 12. 1944 Konstanz. Nach dem Studium an der Univ. M¨unchen, das er 1908 mit der Promotion zum Dr. phil. (Verbindungen von Metallsalzen mit Nitrilen und Isonitrilen) abschloß, war B. Assistent in M¨unchen, Berlin und Danzig, ehe er 1912 Chemiker in der Fabrik von Heyden in Radebeul bei Dresden wurde. Ein Jahr sp¨ater nahm er an der Bergakademie Clausthal seine wissenschaftliche Laufbahn wieder auf, redigierte w¨ahrend des Ersten Weltkriegs die „Zeitschrift f¨ur angewandte Chemie“ und wurde 1918 Leiter der Bibliothek sowie der Patentabteilung der Holzverkohlungs-Industrie AG Konstanz (sp¨ater Hiag GmbH). Neben Ver¨offentlichungen, die aus seiner praktischen Arbeit entstanden (Die Holzverkohlung, 1925) entwickelte er sich zum Spezialisten auf den Gebieten Geschichte und Bio-Biobliographie der Chemie und Technik (Das Buch der grossen Chemiker, 2 Bde., 1929, 61984; Schieß- und Sprengstoffe und die M¨anner, die sie schufen, 1942). Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Industrie der Holzdestillationsprodukte (1927) und Der Alchimist. Die Geschichte Leonhard Thurneyssers, des Goldmachers von Berlin (1941).

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Buhl Buhl, Bernhard, Industrieller, * 29. 9. 1879 Stuttgart, † 19. 11. 1940 Frankfurt / Main. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in T¨ubingen und Leipzig begann B.s juristische Laufbahn bei der Staatsanwaltschaft seiner Heimatstadt und f¨uhrte ihn nach Stationen als Grundbuchrichter in Ludwigsburg und Amtsrichter in Balingen 1910 ins W¨urttembergische Justizministerium, ein Jahr sp¨ater ins Kultusministerium, wo er 1916 zum Ministerialrat bef¨ordert wurde. Diese Stellung hatte er mit einer Unterbrechung als Kriegsfreiwilliger bis 1922 inne, anschließend wechselte er als Chefjurist und Direktor der GriesheimElectron GmbH in die Industrie. 1925 wurde B. Vorstandsmitglied der IG-Farbenindustrie AG, Frankfurt / Main, sp¨ater Gesch¨aftsf¨uhrer der Buna-Werke GmbH in Merseburg und Syndikus der Kunstseide Verkaufsb¨uro GmbH in Krefeld. Buhl, Franz (Peter), Politiker, * 21. 9. 1809 Ettlingen, † 11. 8. 1862 Coburg. B., Sohn eines Papierfabrikanten und Kaufmanns, bewirtschaftete in Deidesheim die Weing¨uter seiner Familie, schloß sich dem Kreis der gem¨aßigten s¨udwestdeutschen Liberalen an und war seit 1844 Mitglied der Badischen Kammer, 1848 des Frankfurter Vorparlaments. Eine Mitwirkung in der Nationalversammlung blieb ihm versagt, da er 1848 in seinem Wahlkreis dem radikalen Kandidaten Friedrich → Hecker unterlegen war. 1856 wurde er in den Bayerischen Landtag gew¨ahlt und dort zum Wortf¨uhrer einer kleindeutschen Reformpolitik. Der von ihm mitbegr¨undete „Pf¨alzer Kurier“ diente als Sprachrohr f¨ur diese politische Richtung. B. war der Vater von Franz Armand und Heinrich → B. C Leb Saarpfalz, Bd 1 Buhl, Franz Armand, Politiker, * 2. 8. 1837 Ettlingen, † 5. 3. 1896 Deidesheim. Sowohl als Weingutbesitzer wie als Politiker setzte B., Bruder von Heinrich → B., das Werk seines Vaters Franz → B. fort. Als Pr¨asident des Deutschen Weinbauvereins verhalf er seinem Berufsstand zur ersten wirtschaftspolitischen Vertretung, 1871-93 geh¨orte er dem Reichstag an. Auf dem rechten Fl¨ugel der Nationalliberalen Partei stehend, nahm er in deren Krise Ende der siebziger Jahre eine vermittelnde Stellung zwischen Schutzz¨ollnern und Freih¨andlern ein. 1884 war B. eine treibende Kraft bei der Abfassung der Heidelberger Erkl¨arung, mit der die Erneuerung der Partei abgeschlossen wurde. In den Auseinandersetzungen um die Bismarckschen Sozialversicherungsgesetze profilierte er sich als Sozialpolitiker. C Haunfelder, Lib Abg Buhl, Heinrich, Jurist, * 2. 6. 1848 Deidesheim, ¨ † 4. 2. 1907 Luxor (Agypten). Der Bruder von Franz Armand → B. studierte an den Universit¨aten G¨ottingen, Heidelberg, W¨urzburg und Berlin Rechtswissenschaften. Einer kurzen T¨atigkeit in der Praxis folgte die akademische Laufbahn mit dem Schwerpunkt r¨omisches Recht. Seine Heidelberger Habilitationsschrift Beitr¨age zur Lehre vom Anerkennungsvertrag (1875) trat der Auffassung Otto → B¨ahrs kritisch entgegen. Seit 1878 a. o. Prof., u¨ bernahm B. 1886 den neueingerichteten Lehrstuhl f¨ur Zivilprozeß und franz¨osisches Recht an der Univ. Heidelberg. Mit einer Studie u¨ ber Das Recht der beweglichen Sachen (1901) beteiligte er sich an der wissenschaftlichen Einf¨uhrung des B¨urgerlichen Gesetzbuches. 1902 / 03 war er Prorektor und vertrat die Univ. w¨ahrend einer Legislaturperiode in der Ersten Kammer. C Bad Bio, Bd 6 Buhl, Hermann, o¨ sterr. Bergsteiger, * 21. 9. 1924 Innsbruck, † 27. 6. 1957 Himalaja. Bereits als Jugendlicher fiel B. als begabter Bergsteiger auf, da er im Alleingang die Sch¨usselkar-S¨udwand bezwang. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs war er zeitweise der Gebirgssanit¨atssschule in St. Johann zugeteilt. Sp¨ater machte er

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besonders bei Winterbesteigungen auf sich aufmerksam. So durchstieg er als erster die Maukwand im Wilden Kaiser, die Fleischbank-Ostwand, die Marmolata-S¨udwestwand und die Watzmann-Ostwand und schaffte die Gesamt¨uberschreitung der „Eisnadeln“ von Chamonix. 1953 geh¨orte B. zur NangaParbat-Expedition von Karl → Herrligkofer und erreichte im Alleingang erstmalig den Gipfel. 1954 schilderte er in Achttausend dr¨uber und drunter seine Erlebnisse. 1957 erreichte ¨ B. mit der Karakorum-Expedition des Osterreichischen Alpenvereins den Gipfel des 8047 m hohen Broad Peak und stand damit als erster Europ¨aer auf zwei Achttausendern. Beim Versuch, einen Nachbarberg zu erkunden, st¨urzte er t¨odlich ab. C Munzinger

Buhl, Ludwig von, Mediziner, * 4. 1. 1816 M¨unchen, † 30. 7. 1880 Ebenhausen bei M¨unchen. B. war der Sohn eines k¨oniglich bayerischen Konfektmeisters. Das Studium in seiner Heimatstadt schloß B. 1839 mit der Promotion ab (Die Keimhaut). In l¨angeren Aufenthalten in Wien und Paris vertiefte er seine Ausbildung und habilitierte sich 1847 in M¨unchen f¨ur physikalische Diagnostik, pathologische Anatomie und Mikroskopie. Als a. o. Prof. (seit 1850) wurde er 1854 Prosektor im Allgemeinen Krankenhaus. 1859 u¨ bernahm er den erstmals eingerichteten Lehrstuhl f¨ur pathologische Anatomie als o. Prof., dem er 1875 ein entsprechendes Institut anschloß. Seine wissenschaftliche T¨atigkeit umfaßte vor allem die Erforschung der Krankheitsursachen; eine Form der Lungenentz¨undung tr¨agt noch heute den Namen „Buhlsche Pneumonie“. B. war wegen seiner diagnostischen F¨ahigkeiten einer der gefragtesten Konsiliar¨arzte in M¨unchen. Er ver¨offentlichte u. a. Klinik der Geburtskunde (mit Carl von Hecker, 1861) und Ueber die Stellung und Bedeutung der pathologischen Anatomie (1863). Von großer Bedeutung ist die in Briefform erschienene Monographie Lungenentz¨undung, Tuberkulose und Schwindsucht (1872, 21874). C NDB Buhlan, Bully, S¨anger, Schauspieler, * 3. 2. 1924 Berlin, † 7. 11. 1982 Berlin. B. begann seine Musikerlaufbahn 1944 als singender Barpianist, war 1948 Solist des RIAS-Tanzorchesters und wurde durch popul¨are Schlagerinterpretationen wie Lieber Leierkastenmann und Das war sein Millj¨oh bekannt. Mit seinem ber¨uhmtesten Schlager Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin wurde er zur Symbolfigur der Berliner. B. hatte in seinen besten Jahren auch Erfolg als Texter und Komponist und wurde einem breiten Publikum durch mehrere Unterhaltungsfilme bekannt.

Buhle, Edward, Musikwissenschaftler, * 15. 8. 1875 Leipzig, † 25. 10. 1913 Berlin. Am Leipziger Konservatorium war B. Sch¨uler von Hermann → Kretzschmar und wurde dort 1901 mit einer Arbeit promoviert, die 1903 teilweise unter dem Titel Die musikalischen Instrumente in den Miniaturen des fr¨uhen Mittelalters erschien. Die Stelle als Theaterkapellmeister, die er 1901 in Sondershausen angetreten hatte, gab er ein Jahr sp¨ater aus gesundheitlichen Gr¨unden wieder auf und lebte danach als Privatmann in Berlin. Aus dieser Zeit sind einige von ihm komponierte Lieder u¨ berliefert. Buhle, Johann Gottlieb Gerhard, Philosoph, Philologe, * 29. 9. 1763 Braunschweig, † 11. 8. 1821 Braunschweig. Der Sohn des braunschweigischen Hofchirurgen Christian August B. studierte in G¨ottingen und Helmstedt Philologie und Philosophie; 1785 gewann er mit der Schrift Calendarium Palaestinae oeconomicum eine Preismedaille. Im folgenden Jahr erteilte er sowohl dem Prinzen von F¨urstenberg als auch den drei Prinzen von England in G¨ottingen Privatunterricht. 1794 wurde B. o. Prof. der Philosophie an der Univ. G¨ottingen, im Herbst 1804 kaiserlich russischer

Bukovics von Kiss Alacska Hofrat und o. Prof. der Philosophie an der Univ. Moskau; seit 1811 war er Vorleser und Bibliothekar der Großf¨urstin Katharina, einer Schwester des Zaren. 1814 kehrte er nach Deutschland zur¨uck und wurde im folgenden Jahr Prof. der Philosophie und der Rechtswissenschaften sowie Syndikus und Mitglied des Direktoriums am Collegium Carolinum in Braunschweig. B. besorgte die erste neuzeitliche Ausgabe der gesammelten griechischen Texte des Aristoteles (1791-93) und verfaßte mit seinem Lehrbuch der Geschichte der Philosophie und einer kritischen Literatur derselben (8 Bde., 1796-1804) eine der ersten Philosophiegeschichten in deutscher Sprache. 1798 erschien sein Entwurf einer Transzendentalphilosophie, 1800-05 seine Geschichte der neueren Philosophie seit Wiederherstellung der Wissenschaften in sechs B¨anden. Mit Friedrich → Bouterwek gab er das „G¨ottingische Philosophische Museum“ (2 Bde., 1798 / 99; Nachdr. 1979) heraus. C ADB

Buhle, Max, Ingenieur, * 18. 12. 1867 Hamburg, † 26. 1. 1935. Bis 1894 studierte B. an der TH Charlottenburg und war dann als Regierungsbauf¨uhrer bei der Kgl. Eisenbahndirektion in Berlin, der Allgemeinen Elektrizit¨atsgesellschaft und der kgl. Werkst¨atteninspektion in Potsdam t¨atig. Nach der zweiten Staatspr¨ufung ließ er sich beurlauben und unternahm Studienreisen durch Europa und Nordamerika. 1900 trat er als Konstrukteur in die Lokomotivfabrik Borsig ein, habilitierte sich 1901 in Charlottenburg f¨ur Eisenbahn- und Verkehrswesen und folgte einem Ruf an die TH Dresden, wo er 1902 a. o. Prof., 1904 Ordinarius wurde. B. schrieb u. a. Massentransport (1908). Buhle, Walter, Milit¨ar, * 1894, † 27. 12. 1959. Seit Dezember 1938 war B. Chef der 2. Abteilung beim Generalstab des Heeres, wurde 1940 zum Generalmajor bef¨ordert und im Januar 1942 Chef des Heeresstabes beim Oberkommando der Wehrmacht. Am 15. 1. 1944 u¨ bernahm er die Abteilung Wehrmachtr¨ustung und wurde im April General der Infanterie. Buhlert, Hans, Agrarwissenschaftler, * 8. 11. 1872 Dahlenburg (Prov. Hannover), † 7. 8. 1915 gefallen in den Vogesen. Nach einer landwirtschaftlichen Lehre studierte B., Sohn eines Gutsbesitzers, 1896-99 Landwirtschaft, Naturwissenschaften und National¨okonomie an der Univ. Halle; 1900 wurde er mit der Dissertation Untersuchungen u¨ ber den Werth von Wald- und Haidestreu im Landwirthschaftsbetriebe promoviert und Stipendiat der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft. 1902 habilitierte er sich mit der Arbeit Untersuchungen u¨ ber die Arteinheit der Kn¨ollchenbakterien der Leguminosen und u¨ ber die landwirtschaftliche Bedeutung dieser Frage und wurde 1904 a. o. Prof. f¨ur Landwirtschaft an der Univ. K¨onigsberg. 1906 trat er in den oldenburgischen Staatsdienst ein und wurde zum Vortragenden Rat im Ministerium des Innern ernannt. Als Vertreter des Staates in den Kuratorien aller Landwirtschaftlichen Lehranstalten oblag ihm der Ausbau des landwirtschaftlichen Unterrichtswesens, als Leiter des Landeskulturfonds war er f¨ur die staatliche Ansiedlungspolitik verantwortlich. B. ver¨offentlichte Untersuchungen u¨ ber das Auswintern von Getreide (1906) und H¨ulsenfr¨uchte (1908, 21921). C Oldenburg

Buininck, Goswin Joseph Arnold, Jurist, Bibliothekar, * 13. 10. 1728 D¨usseldorf, † 20. 11. 1805 D¨usseldorf. Der Sohn eines j¨ulich-bergischen Hofrats studierte in Duisburg, wurde zum Dr. jur. promoviert, 1761 Mitglied des Geheimen Rats in D¨usseldorf und 1769 Assessor des Oberappellationsgerichts f¨ur J¨ulich und Berg. Mit der Er¨offnung der neuen o¨ ffentlichen Bibliothek in D¨usseldorf wurde er dort 1770 erster Bibliothekar. Als die pfalzbairische Regierung

nach dem Verlust des Herzogtums J¨ulich die Landesverwaltung von Berg reorganisierte, trat B. 1802 in den Ruhestand. Seine Vorliebe f¨ur scholastische und jesuitische Theologie ist seinen zahlreichen Ver¨offentlichungen (u. a. Coelibatus clericorum firmatus, 1786) ebenso zu entnehmen wie der Anschaffungspolitik in der kurf¨urstlichen Bibliothek.

Bukofzer, Manfred F(ritz), Musikwissenschaftler, * 27. 3. 1910 Oldenburg, † 7. 12. 1955 Oakland (Kalifornien, USA). Ersten Unterricht erhielt B. im Orgel- und Klavierspiel; nach kurzen juristischen Studien an der Univ. Heidelberg setzte er seine praktische musikalische Ausbildung seit 1930 am Sternschen Konservatorium und der Hochschule f¨ur Musik bei Paul → Hindemith fort. Er absolvierte ein zus¨atzliches Privatstudium bei Michael → Taube und studierte seit 1928 Musikwissenschaft an den Universit¨aten Heidelberg, Berlin und Basel (seit 1933), wo er 1936 mit der Arbeit Geschichte des englischen Diskants und des Faux bourdons nach den theoretischen Quellen promoviert wurde. Im folgenden Jahr u¨ bernahm er eine Dozentenstelle an der dortigen Volkshochschule. Nach Gastvorlesungen in Oxford und Cambridge lehrte er seit 1940 an der Western Reserve University in Cleveland und wurde 1946 Ordinarius an der University of California in Berkeley. B. widmete sich in seinen Ver¨offentlichungen vorwiegend a¨ lterer Musik (u. a. Music in the Baroque Era, 1947; Studies in Medieval and Renaissance Music, 1950), wobei er mit seinem historisch-hermeneutischen Ansatz auch die sozialen Kontexte miteinbezog und so den Zugang zur emotionalen Haltung einer Zeit er¨offnen wollte. Als Mitglied des amerikanischen Komitees spielte er eine wichtige Rolle bei der Planung des bibliographischen Unternehmens „International Inventory of Musical Sources“. C MGG

Bukofzer, Werner (Shimon), Pseud. Werner Br¨ucken, Schauspieler, Schriftsteller, * 22. 4. 1903 Berlin, † 15. 10. 1985 Zichron-Yacob (Israel). Der gelernte Kaufmann, Sohn eines Fabrikanten, besuchte die Max Reinhardt-Schule, wurde Schauspieler und Rezitator am Deutschen Theater in Berlin und wirkte 1924 / 25 beim Rundfunk, nach 1933 beim J¨udischen Kulturbund und am Theater der j¨udischen Schulen. 1939 emigrierte B. nach Pal¨astina und war 1948-70 Regierungsbeamter. Von seinen literarischen Ver¨offentlichungen erschien Dank an Oskar Loerke 1934 noch in Deutschland, die sp¨ateren Gedichte und Prosatexte (Der Wanderer Namenlos, 1949) hatten zumeist Erfahrungen der Gewalt in der j¨udischen Geschichte und Gegenwart zum Thema. C Lex dt-j¨ud Autoren Bukovics von Kiss Alacska, Emmerich, o¨ sterr. Journalist, Theaterdirektor, * 28. 2. 1844 Wien, † 4. 7. 1905 Wien. 1866 trat B. v. K. A., der an der Wiener Genieakademie bis zum Leutnant ausgebildet wurde, aus dem Heeresverband aus und widmete sich der Theaterarbeit, zun¨achst als Sekret¨ar und Dramaturg am Theater in der Wiener Josefstadt, 1871-73 als Leiter von Provinzb¨uhnen. 1873 begann er seine journalistische Karriere als Mitarbeiter einiger Wiener Zeitungen und von 1879 an als Korrespondent f¨ur mehrere Pariser Bl¨atter. Als sein Bruder Karl → B. v. K. A. 1880 die Leitung des Wiener Stadttheaters u¨ bernahm, wandte er sich wieder mehr der B¨uhne zu, wurde literarischer Vertreter des Wiener Hoftheaters in Paris und u¨ bersetzte f¨ur das Burgtheater St¨ucke aus dem Franz¨osischen. Mit der Er¨offnung des Deutschen Volkstheaters in Wien wurde er 1889 dessen erster Direktor; unter seiner bis 1905 dauernden Leitung wurden Werke von Ferdinand → Raimund und Johann → Nestroy uraufgef¨uhrt. Von B. v. K. A. selbst stammen dramatische Versuche wie Mein zweites Ich (1876) oder In geheimer Mission (1881). C Czeike

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Bukovics von Kiss Alacska Bukovics von Kiss Alacska, Karl, o¨ sterr. S¨anger, Schauspieler, Theaterleiter, * 25. 8. 1835 Wien, † 22. 3. 1888 D¨obling (heute zu Wien). ¨ Ahnlich wie sein Bruder Emmerich → B. v. K. A. erfuhr B. v. K. A. zun¨achst eine milit¨arische Ausbildung, quittierte jedoch 1858 als Oberleutnant den Dienst und bildete bei Richard Levy seine Tenorstimme aus. Dem Deb¨ut in Graz folgten Auftritte an der Wiener Hofoper, in Bremen, D¨usseldorf, K¨onigsberg und Berlin. Als er seine Stimme verlor, wandte er sich dem Sprechtheater zu und hatte 1865 als Komiker seinen ersten Auftritt am Theater in der Josefstadt, das er 1868-70 zusammen mit Heinrich → B¨ornstein leitete. 1880 wurde er Direktor am Wiener Stadttheater und damit Nachfolger von Heinrich → Laube; nach dem Brand des Theaters geh¨orte er seit 1884 zum Ensemble des Burgtheaters. C Kutsch

Bukowski von Stolzenburg, Geiza, o¨ sterr. Geologe, Pal¨aontologe, * 28. 11. 1858 Bochnia (Galizien), † 1. 2. 1937 Bochnia (Galizien). B. v. S. studierte in Wien Geologie bei Eduard → Sueß und Pal¨aontologie bei Melchior → Neumayr, wurde 1888 promoviert und erhielt eine Assistentenstelle an der Pal¨aontologischen Lehrkanzel der Universit¨at. Im folgenden Jahr wurde er Praktikant an der k. k. Geologischen Reichsanstalt, sp¨ater deren Chefgeologe. Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie wechselte er 1918 als Leiter des Geologischen Instituts nach Warschau. Seine Arbeiten zeichnen sich durch genaueste Auswertung der Aufzeichnungen aus, die er auf zahlreichen Forschungsreisen durch Griechenland und Kleinasien zusammengetragen hatte. Bis dahin v¨ollig unbekannte Gebiete in Galizien und Dalmatien wurden durch B. v. S. geologisch aufgearbeitet. C NDB

Bulcke, Karl, Jurist, Schriftsteller, * 29. 4. 1875 K¨onigsberg, † 23. 2. 1936 Berlin. Der Sohn eines Kaufmanns und einer franz¨osischen Konsulstochter studierte an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, Berlin und Kiel die Rechte und schlug eine Regierungslaufbahn ein. Als Staatsanwalt war er in Naumburg, Halle, Nordhausen und Essen t¨atig. 1916 kam er ins Reichsministerium des Innern und u¨ bernahm 1920 die Leitung der Film-Oberpr¨ufstelle. Seit 1924 lebte er als freier Schriftsteller; es entstanden Romane wie Geliebte Betty (1928) und Der Panther im Ligusterstrauch (1931). C Altpreuß Biogr, Bd 1

Bulhart, Vinzenz, klassischer Philologe, * 28. 12. 1885 Eibenschitz (M¨ahren), † 18. 5. 1965 Wien. B. studierte an der Univ. Wien klassische Philologie und wurde 1908 promoviert (De Danaide, Achilleide, Prometheide, Aeschyli trilogiis). Seit 1910 unterrichtete er als Gymnasialprofessor in Leoben, ehe er 1922 in den Mitarbeiterstab des Thesaurus Linguae Latinae in M¨unchen berufen wurde, wo er, mit Unterbrechung durch eine erneute Lehrt¨atigkeit in Leoben 1924-26, bis zu seiner Pensionie¨ rung 1950 t¨atig war. Seit 1951 wieder in Osterreich, wurde ¨ er 1954 in die Kirchenv¨aterkommission der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften berufen. 1958 erhielt er an der Univ. Wien eine Honorarprofessur f¨ur die Geschichte der lateinischen Sprache mit besonderer Ber¨ucksichtigung des Sp¨atlateins. Neben 150, zum Teil umfangreichen Artikeln f¨ur den Thesaurus Linguae Latinae ver¨offentliche B. Arbeiten zu Tertullian (1957) und edierte die Schriften des Eusebius Vercellensis (1957) und des Gregorius Illiberita¨ nus (1965) f¨ur das „Corpus Christianorum“ der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, deren Mitglied er 1963 wurde.

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Bulla, Max, o¨ sterr. Radsportler, * 26. 9. 1905 Wien, † 1. 3. 1990 Pitten (Nieder¨osterreich). Der ausgebildete K¨urschner feierte 1925 bei „Rund um Wien“ seinen ersten Sieg im Radsport und wechselte im folgenden Jahr ins Profilager. 1929 wurde er Siebter der Straßen-Weltmeisterschaft und trug 1931 als bisher einzi¨ ger Osterreicher das Gelbe Trikot des Spitzenreiters, zudem gewann er die Touristenfahrerwertung. Mit dem Sieg bei der ersten Tour de Suisse 1933 avancierte B., der auch auf der Bahn in 17 Sechstagerennen erfolgreich war, zu einem der weltbesten Radprofis. Nach dem Zweiten Weltkrieg als Gesch¨aftsmann t¨atig, f¨orderte B. mit Ferry → Dusika den Radsport. Bulle, Heinrich, Jurist, oldenburgischer Kanzler, * um 1545 Minden, † nach 1595 Minden. Nach dem Jurastudium fand B. eine Anstellung als Syndikus in Minden, wurde 1574 in Rostock zum Doktor beider Rechte promoviert und 1590 Kanzler der Grafschaft Oldenburg. Er geh¨orte zu der Gruppe der Juristen, die mit dem Vordringen des r¨omischen Rechts die Spitzenpositionen in Verwaltung und Justiz besetzten und den Ausbau des F¨urstenstaates betrieben. Nach 1593 war B. Berater F¨urst Johann II. von Oldenburg in den Erbauseinandersetzungen mit dessen Bruder Anton II. von Delmenhorst und bei den Streitereien mit der Stadt Bremen. C Oldenburg

Bulle, Heinrich, Arch¨aologe, * 11. 12. 1867 Bremen, † 6. 4. 1945 Bad Kohlgrub. Der Sohn eines Dompredigers studierte an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau und M¨unchen klassische Arch¨aologie und neuere Kunstgeschichte und wurde 1892 promoviert (Die Silene in der archaischen Kunst der Griechen). 1898 habilitierte er sich mit der Arbeit Griechische Statuenbasen bei Adolf → Furtw¨angler, dessen Assistent er seit 1895 in M¨unchen war. 1902 erhielt B. einen Ruf als a. o. Prof. nach Erlangen, wo er 1906 o. o¨ . Prof. wurde, ehe er 1908-35 in W¨urzburg lehrte. Er schrieb Der sch¨one Mensch im Altertum (1898, 31922). Die Bayerische Akademie der Wissenschaften, die Zentraldirektion des Arch¨aologischen Instituts des ¨ Deutschen Reiches und das Osterreichische Arch¨aologische Institut sicherten sich seine Mitarbeit. C Lullies

Bulle, Helmut, Politiker, * 1. 1. 1925 Riegelsberg / Saar, † 13. 2. 1973 Saarlouis. Nach dem Examen als Bauingenieur war B. 1949-53 als Statistiker in der Industrie und anschließend bis 1965 als Amtsbaumeister in Bisten t¨atig. 1953 schloß er sich der CDU an und wurde 1960 zum erstenmal in den Saarl¨andischen Landtag gew¨ahlt. Seit 1965 geh¨orte B. der Landesregierung ¨ an, zun¨achst als Minister f¨ur Offentliche Arbeiten und Wohnungsbau, seit Juni 1967 als Minister f¨ur Finanzen und Forsten. C Munzinger

Bullerian, Hans, Musiker, Komponist, Dirigent, * 28. 1. 1885 Sondershausen, † 29. 1. 1948 Zeuthen (Kr. Teltow). B., Sohn Rudolf → B.s, erhielt Klavierunterricht in Moskau und Kiew und studierte 1903-05 Klavier bei Alexander Michalowski sowie Komposition bei Sigismund → Noskowski in Warschau. 1905 wurde er Sch¨uler von Anna Esipova am St. Petersburger Konservatorium und studierte Kontrapunkt bei Anatolij Ljadov sowie Komposition und Instrumentenkunde bei Nikolaj Rimskij-Korsakow. 1910 / 11 besuchte er die Klaviermeisterklasse von A. de Greff in Br¨ussel und 1913 / 14 die Meisterklasse f¨ur Komposition von Friedrich → Gernsheim an der Musikhochschule Berlin. 1915 erhielt B. f¨ur seine 2. Symphonie den MendelssohnPreis und war seit demselben Jahr auch als P¨adagoge t¨atig. 1927 gr¨undete er das Bullerian-Kammer-Orchester in Berlin, dessen Chefdirigent er war, und dirigierte 1931-45

Bullinger das Radio-Symphonie-Orchester Berlin. B.s Kompositionen, darunter Klavier-, Orchester- und Kammermusik, waren von Rimskij-Korsakow, Richard → Strauss und Max → Reger beeinflußt. C MGG

Bullerian, Rudolf, Musiker, Dirigent, * 13. 1. 1856 Berlin, † 25. 12. 1910 (7. 1. 1911) Moskau. B. erhielt Violinunterricht bei Heinrich de → Ahna und studierte Komposition und Dirigieren bei Friedrich Klingenberg; sp¨ater war er Meistersch¨uler von Joseph → Joachim in Berlin. Seit seinem 16. Lebensjahr spielte er in Berlin und Sondershausen im Orchester. 1882 trat er unter Hans von → B¨ulow als Solist in Meiningen auf. Seit 1886 war B. Musikdirektor in G¨ottingen, dirigierte 1890 in Osteuropa, ging 1891 nach Moskau und spielte in verschiedenen russischen St¨adten. 1892 und 1902 / 03 f¨uhrten ihn Konzertreisen nach Amerika. 1897 gr¨undete er die SommerSymphonie-Konzerte in Kiew. B. wurde bekannt als Interpret der Werke von Johannes → Brahms und Richard → Strauss sowie von tschechischer und russischer Musik. Er komponierte Orchester- und Kammermusik. B. war der C MGG Vater von Hans → B.

Bulling, Karl, Bibliothekar, * 24. 7. 1885 Ilmenau, † 30. 3. 1972 Jena. Der Fabrikantensohn studierte in M¨unchen und Leipzig, wurde dort 1910 mit einer Arbeit u¨ ber Johann Baptist von → Alxinger promoviert und anschließend wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an der Universit¨atsbibliothek Jena. Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte B. als stellvertretender Direktor an der Reorganisation der Bibliothek mit und sorgte f¨ur die R¨uckf¨uhrung und Neuaufstellung der Best¨ande; 1947-50 lehrte er an der Bibliotheksschule und hielt an der Univ. Vorlesungen u¨ ber Buchkunde. Seine wissenschaftlichen Forschungen galten vornehmlich der Bibliotheksgeschichte der Goethezeit.

Bullinger, Heinrich, schweizer. Reformator, * 4. 7. 1504 Bremgarten (heute Kt. Aargau), † 17. 9. 1575 Z¨urich. B. wurde als Sohn eines Priesters gleichen Namens, der sich sp¨ater der Reformation anschloß, geboren. Die Schulbildung, die der hochbegabte Knabe u. a. in Emmerich erhielt, war vom Geist der Devotio moderna beeinflußt. Ob dieser – wie in der Forschung geschehen – eine pr¨agende Bedeutung f¨ur B.s gesamte geistige Entwicklung zuerkannt werden kann, ist zur¨uckhaltend zu beurteilen. Seit 1519 studierte B. in K¨oln, wurde 1520 Baccalaureus artium und erwarb 1522 den Magistergrad. B. trieb intensive humanistische Studien und besch¨aftigte sich mit patristischer, aber auch scholastischer Theologie. Das Studium der Kirchenv¨ater sowie der Einfluß des → Erasmus und der Wittenberger Reformatoren → Luther und → Melanchthon f¨uhrten B. zu einer gr¨undlichen Bem¨uhung um das Verst¨andnis der Bibel. Schon 1522 scheint der junge Magister innerlich mit der r¨omischen Kirche gebrochen zu haben. Nach der R¨uckkehr in die Heimat wurde B. als Lehrer an die neugegr¨undete Schule des Zisterzienserklosters Kappel bei Z¨urich berufen. An dieser Schule verwirklichte B. ein humanistisches Bildungsprogramm und hielt o¨ ffentliche Vorlesungen vor allem u¨ ber die paulinischen Briefe. Unter dem Einfluß → Zwinglis, dessen Freund und enger Vertrauter er schon in den fr¨uhen zwanziger Jahren des 16. Jh. wurde, wuchs er allm¨ahlich in eine f¨uhrende Stellung in der reformatorischen Metropole

Z¨urich hinein. Nach Zwinglis Tod beim Zweiten Kappler Krieg wurde B. dessen Nachfolger als F¨uhrer der Z¨urcher Kirche, eine Stellung, die er bis zu seinem Tod u¨ ber vier Jahrzehnte innehatte. B.s Lebenswerk als Kirchenf¨uhrer besteht in der Konsolidierung der Z¨urcher Reformation, die er organisatorisch durch ein stabiles Ausgleichsverh¨altnis zwischen der st¨adtischen Obrigkeit und der Kirche und theologisch durch einen Ausbau der eigenen konfessionellen Position gegen¨uber dem Katholizismus, dem Luthertum und der t¨auferischen Bewegung dauerhaft sicherte. Neben Zwingli und Calvin ist B. als bedeutendster Repr¨asentant des Reformiertentums im 16. Jh. anzusprechen. Sein Einfluß erstreckte sich auf ganz Europa. Durch seine umfangreiche Korrespondenz nahm er auf die Gestaltung zahlloser reformierter Kirchent¨umer pr¨agenden Einfluß. B. war einer der sch¨arfsten theologischen Kritiker des Luthertums. Seine Absage an die innerreformatorische Abendmahlskonkordie (Wittenberger Konkordie 1536) verst¨arkte den Prozeß der Formierung verschiedener konfessionell-orthodoxer Lehrsysteme im Bereich des Protestantismus. Durch den f¨ur B.s Theologie entscheidenden Bundesbegriff wirkte er maßgeblich auf die Ausbildung der f¨ur die reformierte Orthodoxie bedeutsamen F¨oderaltheologie ein. Als Prediger – auf der Kanzel des Z¨urcher Großm¨unsters soll B. in u¨ ber 7500 Predigten die ganze Bibel ausgelegt haben – und als Verfasser gelehrter Kommentarwerke, die eine erhebliche Druckverbreitung erreichten, beeinflußte er die reformierte Geistlichkeit des ganzen 16. Jahrhunderts nachhaltig. Als Verfasser lebenspraktisch-seelsorgerlicher Schriften, insbesondere zu Fragen der christlichen Ehe, scheint der literarisch ungemein produktive B. reglementierend und disziplinierend auf die Ausbildung einer reformierten Mentalit¨at eingewirkt zu haben; in Fragen der Ehegerichtsbarkeit trat er f¨ur die Zust¨andigkeit der Obrigkeit ein. Indem er das Synodalwesen in Z¨urich etablierte, wirkte er an der Schaffung einer kirchenleitenden Institution mit, durch die die f¨uhrende Geistlichkeit und die christliche Obrigkeit unmittelbaren Einfluß auf die Pfarrerschaft und die Gemeinden aus¨uben konnten. F¨ur seine Theologie ist eine durchaus „rationale“ Pr¨agung und eine auf ethische Lebensbew¨altigung nach den Maßst¨aben des g¨ottlichen Gebotes ausgerichtete Tendenz kennzeichnend. B. leistete wesentliche Beitr¨age zur reformierten Bekenntnisbildung (Wahrhaftes Bekenntnis der Diener der Kirche von Z¨urich, 1545; Consensus Tigurinus, 1549). Durch die Confessio Helvetica posterior von 1566 schuf er nicht nur eine eindr¨ucklich geschlossene Zusammenfassung seiner eigenen Theologie, sondern zugleich einen der wichtigsten reformierten Bekenntnistexte, der zur Formierung und internationalen Festigung des Reformiertentums als eigener Konfession wesentlich beitrug. Mit seiner Reformationshistorie f¨ur die Jahre 1519-32 (1567) schuf er ein f¨ur die Kenntnis der schweizer. Geschichte bis heute unersetztes Werk. WERKE: Werke: Abt. 1. Bibliographie. Bearb. v. Joachim Staedtke u. a. 2 Bde., Z¨urich 1972-77. Abt. 2. Briefwechsel. Z¨urich 1974 ff. Abt. 3. Theologische Werke. Z¨urich 1983 ff. LITERATUR: VD 16, B 9540-B9777. – VD 17. – Joachim Staedtke: Die Theologie des jungen B. Z¨urich 1962. – Susi Hausammann: R¨omerbriefauslegung zwischen Humanismus und Reformation. Eine Studie zu H. B.s R¨omerbriefvorlesung von 1525. Z¨urich 1970. – Ulrich G¨abler / Erland Herkenrath (Hrsg.): H. B. 1504-1575. 2 Bde., Z¨urich 1975. – Fritz B¨usser: B., H. In: TRE, Bd. 7, 1981, S. 375-387 (Lit.). – Hans Ulrich B¨achtold: H. B. vor dem Rat. Zur Gestaltung und Verwaltung des Z¨urcher Staatswesens in den Jahren 1531 bis 1575. Bern 1982. – Fritz B¨usser / Olivier Fatio (Hrsg.): Microfiche Serie Reformed Protestantism: sources

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Bulß of the 16th and 17th centuries. Leiden IDC (enth¨alt wichtige Quellen B.s im Reprint und a¨ ltere Sekund¨arliteratur). – Emidio Campi u. a. (Hrsg.): Der Nachfolger – H. B. (1504-1575). Katalog zur Ausstellung Z¨urich 2004. Thomas Kaufmann

Bulß, Paul, S¨anger, * 19. 12. 1842 auf einem Rittergut bei Neuruppin, † 19. 3. 1902 Temesvar. Der Sch¨uler von Eduard → Mantius deb¨utierte 1866 am Stadttheater L¨ubeck als Zar in → Lortzings Zar und Zimmermann, war 1869-76 am Kasseler Hoftheater engagiert und wurde anschließend an die Hofoper Dresden berufen. Seit 1879 Kammers¨anger, folgte der Bariton 1889 einem Ruf an die Hofoper Berlin, wo er 1895 und 1898 in den Urauff¨uhrungen der Opern Der Evangelimann und Don Quixote von Wilhelm → Kienzl mitwirkte. Weitere Rollen seines weitgespannten Repertoires waren der Holl¨ander, Graf Luna in Verdis Troubadour und der Escamillo in Carmen. Auch Konzertreisen und Gastspiele auf zahlreichen europ¨aischen B¨uhnen brachten ihm große Erfolge. C Kutsch Bulst, Walther, Philologe, Medi¨avist, * 12. 4. 1899 Karlsruhe, † 12. 9. 1986 Heidelberg. B. studierte 1919-29 – mit Unterbrechung durch eine T¨atigkeit als Hauslehrer 1923-25 – in M¨unchen, Freiburg / Breisgau und Heidelberg Philosophie, mittelalterliche Geschichte und Altgermanistik und wurde in Heidelberg promoviert. Danach Assistent von Percy Ernst → Schramm, habilitierte er sich 1935 in G¨ottingen mit der Arbeit Lateinische Dichter Frankreichs 1070-1130 und war dann u. a. in der Preußischen Staatsbibliothek t¨atig. Seit 1949 lehrte er an der Univ. Heidelberg, wurde 1953 apl., 1958 a. o. Prof. und war seit 1962 o. Prof. der lateinischen Philologie des Mittelalters. Seit 1957 geh¨orte er der Heidelberger Akademie der Wissenschaften an. H. legte zahlreiche kritische Editionen mittellateinischer Werke vor (u. a. Die Kaiserchronik, 2 Bde., 1946; Das Annolied, 1946, 31974; Carmina Cantabrigensia, 1950; Hymni latini antiquissimi LXXV, 1956) und besch¨aftigte sich mit der Formensprache lateinischer Literatur, insbesondere der Lyrik des Mittelalters. Er ver¨offentlichte ein W¨orterbuch zu den Liedern Reinmars des Alten ¨ (1934), Uber die mittlere Latinit¨at des Abendlandes (1949) und gab den dritten Band von Wilhelm → Meyers Gesammelten Abhandlungen zur mittellateinischen Lyrik (1936) sowie → Klopstocks Oden und Elegien (1948) heraus.

Bulthaupt, Heinrich (Alfred), Pseud. Capobulto, Schriftsteller, * 26. 10. 1849 Bremen, † 20. 8. 1905 Bremen. Obgleich B., Sohn eines Schulvorstehers, bereits fr¨uh eine musikalische Begabung und eine Neigung zum Theater versp¨urte, gab er dem Wunsch des Vaters nach und studierte 1868-72 Rechtswissenschaft. Nach der Promotion 1872 nahm er eine Hauslehrerstelle in Kiew an und reiste im folgenden Jahr durch Griechenland, die T¨urkei, Italien, Tunesien und Malta. Nach dem Milit¨ardienst praktizierte B. seit 1875 als Rechtsanwalt in Bremen und wurde dann Bremer Stadtbibliothekar. Seine Dichtungen, vor allem die B¨uhnenbearbeitungen, sind weitgehend Epigonenkunst in der Tradition des klassischen deutschen Schauspiels, wenngleich sein St¨uck Die Arbeiter (1877) als eines der ersten deutschen Sozialdramen gilt. Seine vierb¨andige Dramaturgie des Schauspiels (1882-1901, Bd. 3 und 4 unter dem Titel Dramaturgie der Classiker) leistet viel zur Erschließung Shakespeares und der deutschen Dramatiker. C Killy

Bultmann, Hermann, Kaufmann, * 9. 10. 1874 Bremen, † 4. 1. 1959 Freudenstadt. B., Sohn eines Landmanns, begann seine Laufbahn bei der Preußischen Eisenbahn und war seit 1909 beim Norddeutschen Lloyd in Bremen t¨atig, von 1911 an als Leiter der

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Kontrollabteilung; ein Jahrzehnt sp¨ater stieg er zum stellvertretenden Direktor und Vorstandsmitglied auf. Als das Unternehmen 1928 mit der Roland-Linie AG fusionierte, f¨uhrten Zwistigkeiten innerhalb der F¨uhrungsspitze zu seinem Ausscheiden. Im Verlauf einer Neuorganisation des Lloyd war 1932 sein fachlicher Rat wieder gefragt; er schuf Pl¨ane f¨ur die Verselbst¨andigung der Dampfschiffahrtsgesellschaft „Neptun“ und die Neugr¨undung der „Argo Reederei AG“. 1935 geh¨orte B. zu den Begr¨undern der Atlas Levante-Linie AG. Hier f¨uhrte er noch bis 1956 den Vorsitz im Aufsichtsrat, wohingegen er sich schon 1936 wegen Meinungsverschiedenheiten aus den entsprechenden Gremien bei der „Neptun“ und „Argo“ zur¨uckgezogen hatte. C Brem Bio 2

Bultmann, Rudolf (Karl), evang. Theologe, * 20. 8. 1884 Wiefelstede / Oldenburg, † 30. 7. 1976 Marburg. Der Sohn eines lutherischliberalen Pastors und seiner pietistischen Ehefrau studierte 1903-06 evang. Theologie in T¨ubingen (u. a. bei Theodor → H¨aring, Karl → M¨uller und Adolf → Schlatter), Berlin (u. a. bei Hermann → Gunkel, Adolf → Harnack und Otto → Pfleiderer) und Marburg (u. a. bei Wilhelm→ Herrmann, Adolf → J¨ulicher und Johannes → Weiß). 1907-16 war B. Repetent an der Hessischen Stipendiatenanstalt in Marburg. Er erwarb 1910 mit der Studie Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe (1910, Nachdr. 1984) den Lic. theol. und habilitierte sich 1912 mit der Arbeit Die Exegese des Theodor von Mopsuestia (postum 1984) f¨ur das Fach Neues Testament. Dem Extraordinariat in Breslau 1916-20 folgten Rufe auf die Lehrst¨uhle in Gießen (1920 / 21) und Marburg (1921, emeritiert 1951). Die Geschichte der synoptischen Tradition (1921, 91979), eine u¨ berlieferungsgeschichtlich fragende gattungskritische Analyse des synoptischen Evangelienstoffs, zeigte u. a., daß die Quellen wohl die Grundz¨uge der Verk¨undigung (Jesus, 1926, Nachdr. 1988), nicht aber die (f¨ur das damalige „moderne Christentum“ maßgebliche) religi¨ose Pers¨onlichkeit Jesu zu erkennen erlaubten. Die Zustimmung des radikal kritischen Neutestamentlers und Religionsgeschichtlers zur sogenannten „Dialektischen Theologie“ (Karl → Barth, Friedrich → Gogarten u. a.) und die Distanzierung von der sogenannten „Liberalen Theologie“ seiner Lehrer in den zwanziger Jahren wirkten zwar u¨ berraschend, bedeuteten aber keine Wende in B.s Denkweg, sondern ergaben sich folgerichtig aus langj¨ahrigen Reflexionen u¨ ber einen sachgem¨aßen Religions- bzw. Glaubensbegriff. Bedeutet christlicher Glaube nach B., daß sich der Mensch ganz durch die ihn von jenseits all seiner Verf¨ugungsm¨oglichkeiten her in der Verk¨undigung des Christusevangeliums treffende Offenbarung Gottes, des „Ganz anderen“, bestimmen l¨aßt, so ist Theologie („Rede von Gott“) nur m¨oglich als Rede von der zur Offenbarung Gottes sich verhaltenden menschlichen Existenz (vgl. „Glauben und Verstehen“). Die Begriffe daf¨ur fand B. bei Martin → Heidegger, mit dem er in dessen Marburger Jahren 1924-28 in engem philosophisch-theologischen Gespr¨ach stand. B.s Programm „existentialer Interpretation“, exemplarisch durchgef¨uhrt in Das Evangelium des Johannes (1941, 121986) und Theologie des Neuen Testaments (1953, 91984), besagt, daß Texte auf das in ihnen enthaltene, den Leser bzw. H¨orer auf ihn selbst anredende Existenzverst¨andnis hin befragt und ausgelegt werden. Bei

Bumke „mythischen“, d. h. f¨ur B.: Jenseitiges diesseitig (z. B. Eschatologie endgeschichtlich) vorstellenden Texten erfolgt die existentiale Interpretation als „Entmythologisierung“ (Neues Testament und Mythologie, 1941, Nachdr. 1985). Dieses Programm, mit dem er ein dem christlichen Glauben zugemutetes „sacrificium intellectus“ abwies, wahrt nach B. das reformatorische „sola fide“ f¨ur das Gebiet des Erkennens. Das vielf¨altige Werk des in Wissenschaft und Kirche international und interkonfessionell ebenso hoch geachteten wie heftig umstrittenen Theologen wird u¨ ber das 20. Jh. hinaus, das er auf seinem Gebiet mitpr¨agte, weiterwirken. WEITERE WERKE: Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufs¨atze. 4 Bde., T¨ubingen 1933, 91980; 1952, 51968; 1960, 3 1965; 1965, 41984. – Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen. Z¨urich 1949, 51986. – Exegetica. T¨ubingen 1967. – Theologische Enzyklop¨adie. Hrsg. v. Eberhard J¨ungel und Klaus W. M¨uller. T¨ubingen 1984. – Theologie als Kritik. Ausgew¨ahlte Rezensionen und Forschungsberichte. Hrsg. v. Matthias Dreher und Klaus W. M¨uller. T¨ubingen 2002. LITERATUR: Walter Schmithals: Die Theologie R. B.s. T¨ubingen 21967. – Ders.: B., R. In: TRE, Bd. 7, 1981, S. 387-396. – Martin Evang: R. B. in seiner Fr¨uhzeit. T¨ubingen 1988. – Eberhard Hauschildt: R. B.s Predigten. Marburg 1989 (Bibliogr.). Martin Evang

Bulyovsky, Lilla, Schauspielerin, * 25. 5. 1834 Klausenburg, † 17. 12. 1909 Graz. Die Tochter eines Siebenb¨urger Schauspielers erhielt die erste Ausbildung bei ihrem Vater, war 1847-49 T¨anzerin und Soubrette in Klausenburg und spielte 1849-60 in tragischen Rollen in Pest, wandte sich dann jedoch verst¨arkt den deutschen B¨uhnen zu. Sie erlernte Rollen in deutscher Sprache und wurde nach einem von Herzog → Ernst II. von SachsenCoburg und Gotha bef¨urworteten Versuchsgastspiel in Gotha ans Hoftheater in Dresden engagiert. Auf Gastspielreisen brillierte sie am Wiener Burgtheater als Maria Stuart und am Berliner Hoftheater als Emilia Galotti. 1857-71 wurde sie ans Hoftheater in M¨unchen engagiert. B. schrieb Novellen ¨ in ungarischer Sprache sowie Ubersetzungen und Bearbeitungen f¨ur die deutsche B¨uhne. Bum, Anton, o¨ sterr. Chirurg, * 2. 7. 1856 Br¨unn, † 18. 8. 1925 Wien. Nach dem Studium und der Promotion in Wien wurde B. 1879 Sekund¨ararzt und Assistent am Krankenhaus Wieden. Nach Studienreisen durch die Niederlande und Schweden, wo er sich unter Thure-Brandt in schwedischer Gymnastik ausbilden ließ, kehrte er nach Wien zur¨uck, habilitierte sich 1904 f¨ur Chirurgie an der dortigen Univ. und gr¨undete ein Institut f¨ur Heilgymnastik. B. stellte die Heilgymnastik und Massage auf eine wissenschaftliche Grundlage (Physiologie und Technik der Massage, 1906; Handbuch der Massage und Heilgymnastik, 1896, 41907); er bevorzugte die Behandlung des Ischias mit Kochsalzinjektionen. Er gab das Handbuch der Krankenpflege (1917, 21922) heraus und war langj¨ahrig Schriftleiter der „Wiener medizinischen Presse“ sowie der „Wiener Klinik“. Bumiller, Lambert, kath. Theologe, Politiker, * 15. 10. 1852 Jungingen bei Sigmaringen, † 19. 8. 1908 Bezau (Vorarlberg). B. studierte Theologie an den Universit¨aten Innsbruck und L¨owen und wurde 1876 zum Priester geweiht. Wegen der Kulturkampfgesetze fand er in der Di¨ozese Rottenburg nur als Hilfsgeistlicher Verwendung. 1880 setzte er an der Akademie in M¨unster (Westfalen) sein Studium zur Erlangung einer Religionslehrerstelle fort. Nach einer T¨atigkeit als Katechet in Cotieschau (B¨ohmen) wurde B. 1882 Pr¨afekt am Fidelianum in Sigmaringen, zwei Jahre sp¨ater Religionslehrer an der h¨oheren B¨urgerschule in Hechingen. Seit 1891

hatte er eine Pfarrstelle in Ostrach (Hohenzollern); f¨ur das Kapitel Sigmaringen ernannte ihn der Erzbischof 1898 zum Dekan. Als Kandidat der Zentrumspartei wurde er 1893 in den Deutschen Reichstag und 1894 den Preußischen Landtag gew¨ahlt, beendete jedoch bereits 1905 aus gesundheitlichen Gr¨unden seine politische T¨atigkeit. C Haunfelder, Zentrumspartei

Bumke, Erwin (Konrad Eduard), Jurist, * 7. 7. 1874 Stolp (Pommern), † 20. 4. 1945 Leipzig. Der Sohn eines Arztes schloß das Studium der Rechte 1896 in Greifswald mit der Promotion ab (Hat die erf¨ullte Resolutivbedingung dingliche Kraft?), wurde 1905 Landrichter in Essen und 1907 kommissarischer Hilfsarbeiter im Reichsjustizamt. Dort wurde er 1909 Geheimer Regierungsrat und Vortragender Rat und 1912 Oberregierungsrat. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Hauptmann der Landwehr wurde er 1920 Ministerialdirektor im Reichsjustizministerium und leitete dort die Gesetzgebungsabteilung. Als Pr¨asident des Reichsgerichts (seit 1929) auch Vorsitzender des Staatsgerichtshofs f¨ur das Deutsche Reich f¨allte B., der der Deutschnationalen Volkspartei angeh¨orte, 1932 das Urteil nach dem Staatsstreich in Preußen. Nach 1933 wirkte er als Pr¨asident des Reichsgerichts, Vorsitzender des 3. Strafsenats und seit 1939 als Vorsitzender des „Besonderen Strafsenats“ maßgeblich an der Versch¨arfung der Strafrechtsprechung mit, die zum Macht- und Terrorinstrument der Nationalsozialisten wurde. Mit seiner Willf¨ahrigkeit gegen¨uber den Machthabern z. B. bei den N¨urnberger Gesetzen oder den Rasseschutzsachen wurde B. einer der Hauptverantwortlichen f¨ur den Sittenverfall der nationalsozialistischen Justiz. Der sicheren Anklage durch die Siegerm¨achte entzog sich B. kurz vor Kriegsende durch Selbstmord. B. war Bruder von Oswald → B. C BLW

Bumke, Julius von, Milit¨ar, * 21. 5. 1832 Zehdenick (Kr. Templin), † 31. 1. 1903 Berlin. B. trat 1849 bei den Pionieren ein und besuchte 1850-53 die Artillerie- und Ingenieurschule in Berlin. 1861-64 setzte er seine Ausbildung auf der Kriegsakademie fort und wurde anschließend zum Studium an die Pariser Sorbonne abkommandiert. Im Deutsch-Franz¨osischen Krieg 1870 / 71 Oberquartiermeister der 1. Armee, wurde er 1875 Chef des Stabes der General-Inspektion des Ingenieur-Korps und der Festungen. Seine milit¨arische Laufbahn beendete B. als Generalleutnant (1887); 1896 wurde er in den erblichen Adel erhoben. Er hielt Vortr¨age und unterrichtete in den verschiedenen Stenographie-Systemen; ihm war es zu verdanken, daß die Kurzschrift als Lehrgegenstand Eingang in die Unteroffiziers-Vorschulen und die Kadettenanstalten fand. Bumke, Oswald, Psychiater, * 25. 9. 1877 Stolp (Pommern), † 5. 1. 1950 M¨unchen. Nach Studien in Freiburg, Leipzig, M¨unchen und Halle wurde B., Sohn eines Arztes, 1901 in Kiel promoviert (Ein Fall von Isthmustenose mit Ruptur der aufsteigenden Aorta). 1901-03 Assistent an der Psychiatrischen und Nervenklinik Freiburg, habilitierte er sich 1904 mit der Arbeit Die Pupillenst¨orungen bei Geistes- und Nervenkrankheiten (21911). Seit 1906 war er Oberarzt an der Psychiatrischen und Nervenklinik Freiburg, seit 1910 a. o. Prof. in Freiburg. Seit 1914 Ordinarius f¨ur Psychiatrie in Rostock, folgte er 1916 einem Ruf nach Breslau, 1921 nach Leipzig und 1924 als Nachfolger Emil → Kraepelins auf den M¨unchner Lehrstuhl. 1928 / 29 war B. Rektor der Univ. (Ansprachen und Reden, 1930), bis zu seiner Entlassung 1945 (Emeritierung 1947) leitete er die M¨unchner Nervenklinik. 1929-33 war er Vorstandsmitglied des Hochschulverbandes, 1932 / 33 Dekan der Medizinischen Fakult¨at M¨unchen und f¨orderndes Mitglied

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Bumm der SS. Seit 1940 beriet er als Psychiater das Wehrkreiskommando M¨unchen. 1942 wurde er a. o. Mitglied des Wissenschaftlichen Senats des Heeressanit¨atswesens. In zahlreichen Ver¨offentlichungen (Die Psychoanalyse, eine Kritik, 1931, 2 1938) zeigte er sich als Kritiker der Freudschen Psychoanalyse. Neben seiner wissenschaftlichen T¨atigkeit erlangte B. Ber¨uhmtheit als Gutachter und Konsiliarius, so wurde er 1923 an das Krankenbett Lenins gerufen. Daß B., der nicht in die NSDAP eintrat und sich auch kritisch u¨ ber das „Gesetz zur Verh¨utung erbkranken Nachwuchses“ a¨ ußerte, auch → Hitler betreut haben soll, entspricht nicht den Tatsachen. B. wurde 1936 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Er ver¨offentlichte ein Lehrbuch der Geisteskrankheiten (1919, 71948), Das Unterbewusstsein. Eine Kritik (1922, 21926), Die gegenw¨artigen Str¨omungen der Psychiatrie (1928), Gedanken u¨ ber die Seele (1941, 4 1948) und Erinnerungen und Betrachtungen. Der Weg eines deutschen Psychiaters (1952, 51989). B. gab das Handbuch der Geisteskrankheiten (11 Bde., 1928-32) heraus. ¨ C Arzte 2, 3

Verwaltungsbeamter, die ihn 1890 in das bayerische Innenministerium nach M¨unchen f¨uhrte. Angesichts seines Interesses an Fragen der Medizinalverwaltung und Volksgesundheit wurde B. 1892 an das Reichsamt des Innern in Berlin berufen. Sein Anteil an der Bearbeitung der Seuchen-, Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetzgebung trugen ihm die Ernennung zum Pr¨asidenten des Reichsgesundheitsamtes 1905 ein, das er bis zur Pensionierung 1926 leitete. Diese Funktion war mit dem Vorsitz im Reichsgesundheitsrat verbunden, dem er auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst angeh¨orte (seit 1933 Ehrenmitglied). B. erwarb sich Verdienste um Entwicklung und Ausbau des Gesundheitswesens, der Volkswohlfahrt und der medizinischen Forschung. Er war maßgeblich am Aufbau der Schulzahnpflege und an der Bek¨ampfung sog. Volkskrankheiten wie der Tuberkulose beteiligt. Im medizinisch-ethischen Denken seiner Zeit verhaftet, begannen bereits unter B. im Reichsgesundheitsrat Weichenstellungen in Richtung auf Euthanasie, sog. Rassenhygiene sowie Akzeptanz von Humanexperimenten an Angeh¨origen fremder Rassen.

Bumm, Anton (Rupprecht), Psychiater, * 27. 3. 1849

Bundschuh, Karl, o¨ sterr. Lehrer, Politiker, * 23. 2. 1871 Salzburg, † 24. 9. 1935 Gmunden (Ober¨osterreich). Der Sohn eines Schuhmachersohnes wurde an der Lehrerbildungsanstalt Salzburg ausgebildet. Seit 1911 Direktor der B¨urgerschule Gmunden, leitete er nach der Aufhebung der Koedukation 1922 die Knabenb¨urgerschule. Sp¨ater wurde er Bezirksschulinspektor und Regierungsrat; 1933 trat er in den Ruhestand. B. war Begr¨under des Katholischen Landeslehrervereins f¨ur Ober¨osterreich und redigierte die Zeitschrift „Die katholischen Schulbl¨atter“. 1909 zog er als Abgeordneter in den ober¨osterreichischen Landtag ein und war 1918 / 19 f¨ur die Christlichsoziale Partei Mitglied der Provisorischen Landesversammlung.

W¨urzburg, † 13. 4. 1903 M¨unchen. Der Sohn eines Taubstummenlehrers und Bruder Ernst → B.s studierte in seiner Heimatstadt Medizin, verlegte sich nach der Promotion 1872 (Ueber Schusswunden) auf die Psychiatrie und arbeitete bis 1876 an der Kreisirrenanstalt Werneck. Nach Stationen in M¨unchen und Erlangen wurde er 1884 Direktor der niederbayerischen Kreisirrenanstalt in Deggendorf. 1888 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. und Anstaltsdirektor nach Erlangen, ehe er 1896 als Direktor der oberbayerischen Kreisirrenanstalt und Ordinarius f¨ur Psychiatrie nach M¨unchen u¨ bersiedelte. B. machte sich durch zahlreiche hirnanatomische Werke einen Namen; mit den Experimentellen Untersuchungen u¨ ber das Corpus trapezoides und den H¨ornerven der Katzen (1893) trug er zur Kl¨arung eines der umstrittensten Probleme der Hirnforschung bei. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Zur Geschichte der panoptischen Irrenanstalten (1896, Nachdr. 1903), Die Psychopathologie im Don Quichote des Cervantes (1901) und Spuren griechischer Psychiatrie im Talmud (1902). C Deutsche Irr

Bumm, Ernst, Gyn¨akologe, * 15. 4. 1858 W¨urzburg, † 2. 1. 1925 M¨unchen. Wie sein Bruder Anton → B. widmete sich B. dem Medizinstudium, wurde 1882 promoviert (Zur Frage der SchankerExcision) habilitierte sich 1885 in W¨urzburg f¨ur Geburtshilfe und Gyn¨akologie und errichtete mit Albert → Hoffa eine Privatklinik. 1894 wurde er Ordinarius in Basel (Rektoratsrede 1900: Das Problem des Lebens im Lichte der Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts), 1900 in Halle und 1904 in Berlin, wo er 1910 auch die Leitung der Universit¨ats-Frauenklinik der Charit´e u¨ bernahm und 1916 / 17 Rektor der Univ. war. B. machte als erster die Fortschritte der Bakteriologie f¨ur sein Fachgebiet nutzbar. Er lieferte wichtige Beitr¨age zur Bek¨ampfung des Wochenbettfiebers und entwickelte neue gyn¨akologische Operationstechniken. ¨ B. ver¨offentlichte u. a. Zur Atiologie der septischen Perito¨ nitis (1889), Uber die Entwicklung der Frauenspit¨aler und ¨ der modernen Frauenklinik (1897) und Uber das Frauenstudium (1917). Sein 1902 erschienener Grundriß zum Studium 15 der Geburtshilfe ( 1922) besticht durch die meisterhaften Illustrationen und wurde zum Vorbild f¨ur die Gestaltung medizinischer Lehrb¨ucher. C NDB

Bumm, Franz, Beamter, * 7. 3. 1861 W¨urzburg, † 13. 8. 1942 Berlin. Im Gegensatz zu seinen Br¨udern Anton und Ernst → B. studierte B. Jura und begann eine Laufbahn als bayerischer

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Bungartz, Everhard, Unternehmer, Politiker, * 5. 12. 1900 K¨oln, † 19. 1. 1984 M¨unchen. Der 1924 mit der Arbeit Beitrag zur Kenntnis des Sauerstoffund Schwefelspektrums promovierte Physiker u¨ bernahm 1925 eine leitende Stellung bei den I.G. Farben in Griesheim und gr¨undete 1934 mit der Bungartz & Co. in M¨unchen eine eigene Fabrik f¨ur landwirtschaftliche Maschinen. 1944 floh er vor nationalsozialistischer Verfolgung in die Schweiz und trat dort der Liberal-Demokratischen Gruppe der Arbeitsgemeinschaft „Demokratisches Deutschland“ bei. Ende 1945 nach Deutschland zur¨uckgekehrt, engagierte er sich als Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrats (1947-49) im Landesausschuß der Bayerischen Industrie und im Verein Deutscher Maschinenbauanstalten auf wirtschafts- und verbandspolitischer Ebene. Seine im Exil begonnene politische Arbeit setzte er als Abgeordneter der FDP im Bayerischen Landtag fort.

Bunge, Friedrich Georg von, Jurist, * 13. 3. 1802 Kiew, † 9. 4. 1897 Wiesbaden. Nach der Studienzeit seit 1819 in Dorpat war B., Sohn eines Kollegienassessors, 1822 dort Lektor der russischen Sprache, 1823 Privatdozent, 1832 Prof. f¨ur liv-, est- und kurl¨andisches Provinzialrecht, seit 1839 zugleich Direktor der Universit¨atsbibliothek. 1843-54 amtierte er als B¨urgermeister in Reval und beriet anschließend die kaiserliche Kanzlei in St. Petersburg. Im Rang eines Wirklichen Staatsrats siedelte er 1865 nach Gotha u¨ ber, 1878 nach Wiesbaden. B. gilt als Begr¨under der Geschichte und Kodifikation des baltischen Rechts. Bunge, Gustav von, Biochemiker, Physiologe, * 19. 1. 1844 Dorpat, † 5. 11. 1920 Basel. B. studierte in seiner Heimatstadt zun¨achst Medizin, dann Chemie und wurde 1874 zum Doktor der Chemie promoviert (Ueber die Bedeutung des Kochsalzes und das Verhal-

Bungert ten der Kalisalze im menschlichen Organismus). Schon vor der Verteidigung seiner Dissertation war er 1874 Dozent f¨ur Physiologie an der dortigen Universit¨at. Er erg¨anzte seine Studien in Straßburg und Leipzig, wo er 1882 den medizinischen Doktortitel erwarb. 1885 erhielt B. einen Ruf auf den Lehrstuhl f¨ur Physiologie an der Univ. Basel und wirkte dort bis zum Lebensende. Der f¨uhrende Repr¨asentant der neovitalistischen Richtung der Biologie war ein engagierter Vork¨ampfer der internationalen Antialkoholbewegung; seine Alkoholfrage (1887) erschien in zahlreichen Auflagen und wurde in 18 Sprachen u¨ bersetzt, sein Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie aus demselben Jahr erschien 1898 in der 4. Auflage. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Der Vegetarianismus (1885, 21901), Die zunehmende Unf¨ahigkeit der Frauen, ihre Kinder zu stillen (1900, 71914) und Lehrbuch der Physiologie des Menschen (2 Bde., 1901, 21905). B. wurde 1888 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen.

Bunge, Hans, Physiker, * 29. 7. 1929 Zerbst, † 28. 11. 2004 Clausthal. Nach einer Feinmechanikerlehre studierte B. in Halle Physik und wurde 1955 mit der Arbeit Magnetische Walzanisotropie kaltgewalzter Eisen-Nickel-Legierungen promoviert. Zun¨achst am Institut f¨ur Kristallstrukturforschung der Deutschen Akademie der Wissenschaften der DDR in Berlin t¨atig, habilitierte er sich dort 1964 (Zur Darstellung von Fasertexturen) und arbeitete seit 1968 am Zentralinstitut f¨ur Festk¨orperphysik und Werkstoffwissenschaften der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Dresden. 1974 wurden er und seine Familie nach mißlungener Flucht inhaftiert und 1975 von der Regierung der BRD freigekauft. Nach Forschungsaufenthalten in Berkeley 1975 / 76 mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde B. als Prof. und Direktor 1976 an das Institut f¨ur Metallkunde und Metallphysik der TU Clausthal berufen. Er forschte vor allem auf dem Gebiet der Kristalltextur vielkristalliner Werkstoffe und ver¨offentlichte u. a. Mathematische Methoden der Texturanalyse (1969, engl. 1982), Entwicklung der Textur und der plastischen Anisotropie in St¨ahlen durch Warmwalzen, Umwandlung und Kaltwalzen (mit Jan Welch, 1983) und Defect and microstructure analysis by diffraction (hrsg. mit Robert L. Snyder, 1999).

Bunge, Hans Joachim, Regisseur, Dramaturg, Journalist, * 3. 12. 1919 Arnsdorf bei Dresden, † 27. 5. 1990 Berlin. B., Sohn eines Zahnarztes, nahm am Zweiten Weltkrieg teil, lebte nach der R¨uckkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1949 zun¨achst in Westdeutschland, ging jedoch bald in die DDR. Seit 1953 Regie- und Dramaturgieassistent am Berliner Ensemble, beendete er das Studium der Germanistik und Theaterwissenschaften in Greifswald 1957 mit einer Dissertation u¨ ber Bertolt → Brecht und u¨ bernahm nach dessen Tod die Leitung des Brecht-Archivs. Nach dem Zerw¨urfnis mit Helene → Weigel gab er diese Stelle 1962 auf, widmete sich den Vorarbeiten zur einer historischkritischen Ausgabe der Schriften Brechts und kam anschließend zur Redaktion der Sonderhefte von „Sinn und Form“. 1965 wurde B. ohne Angabe von Gr¨unden aus der Akademie entlassen; 1968 erhielt er eine Anstellung als Dramaturg und Regisseur am Volkstheater Rostock, danach am Deutschen Theater in Berlin. Zentraler Bestandteil von B.s publizistischem Schaffen war die Besch¨aftigung mit Leben und Werk Brechts und Hanns → Eislers. Mit letzterem f¨uhrte er zwischen 1958 und 1962 14 Gespr¨ache, die 1964 in zwei Sonderheften von „Sinn und Form“ erschienen, 1965-67 als H¨orfolge im DDR-Rundfunk gesendet (1967 vom WDR u¨ bernommen) und zuletzt als Buch (Fragen Sie mehr u¨ ber

Brecht – Hanns Eisler im Gespr¨ach, 1970) ver¨offentlicht wurden. 1985 gab B. Brechts Lai-tu. Erinnerungen und NotC Killy ate von Ruth Berlau (auch 1987) heraus.

Bunge, Paul, Ophthalmologe, * 23. 5. 1853 Quellendorf, † 10. 3. 1926 Halle. Nach dem Medizinstudium in Jena, Halle, Kiel und Leipzig wurde B. 1877 approbiert. Nach der Promotion 1880 (Zur sympathischen Ophthalmie) war er Assistent bei seinem Lehrer Alfred → Graefe an der Augenklinik in Halle, ¨ habilitierte sich dort 1884 f¨ur Ophthalmologie (Uber Gesichtsfeld und Faserverlauf im optischen Leitungsapparat) und wurde 1890 a. o. Prof. der Augenheilkunde. In der Praxis arbeitete er lange Jahre als Augenarzt am Halleschen ¨ Krankenhaus Bergmannstrost. In seinem Werk Uber Exenteration des Auges (1887) berichtet B. u¨ ber den nach ihm benannten Bungeschen Exenterationsl¨offel. Bunge, Rudolf, Pseud. Bruno Rudolph, B. Rudolf, Schriftsteller, * 27. 3. 1836 K¨othen (Anhalt), † 5. 5. 1907 K¨othen. Vom Vater, einem Industriellen, f¨ur das Chemiestudium vorgesehen, widmete sich B., der schon zu Schulzeiten einen Gedichtband (Blumen, 1854) herausgegeben hatte, an der Sorbonne in Paris der Kunst und Literatur. Als er → Seumes „Spaziergang nach Syracus“ wiederholen wollte, erkrankte er in Reggio. In den Schweizer T¨alern genesen, schrieb er von dort vor allem f¨ur die „Gartenlaube“ Skizzen u¨ ber Land und Leute. Nach dem Tod seines Vaters mußte er 1862 die ererbte Fabrik u¨ bernehmen, bis ein j¨ungerer Bruder herangewachsen war und er sich ganz den literarischen Interessen hingeben konnte. B. fand Kontakt zu Komponisten wie Franz → Abt, Alban → F¨orster und besonders zu Victor → Neßler, zu dessen Oper Der Trompeter von S¨akkingen er 1884 das Libretto schrieb. Gr¨oßeren Anklang fand nur sein Trauerspiel Der Herzog von Kurland, da es bei seiner Urauff¨uhrung 1869 der antifranz¨osischen Stimmung entgegenkam. 1885 wurde B. Kommissionsrat, 1887 Hofrat und 1904 Geheimer Hofrat. Er lebte zuletzt abwechselnd in seiner Heimatstadt und im Karpatengebirge. C Killy Bungeroth, Karl, Ingenieur, Manager, * 21. 3. 1889 Remscheid, † 22. 6. 1968 D¨usseldorf. B. studierte an der TH Charlottenburg H¨utten-, H¨uttenmaschinen- und Walzwerkskunde und trat 1914 als Ingenieur bei den Mannesmann-R¨ohrenwerken, Werk Buss im Saarland, ein. Seit 1920 Walzwerksleiter, wurde er 1929 zur Tochterfirma British Mannesmann Tube Co. abgestellt, nach seiner R¨uckkehr 1937 technischer Leiter der R¨ohrenwerke des Gesamtunternehmens und Mitglied des Vorstandes. In der Nachkriegszeit erm¨oglichte B. durch geschickte Verhandlungen mit den Alliierten den Betrieben des Unternehmens die baldige Wiederaufnahme der Arbeit und verhinderte gr¨oßere Demontagen. Nach der Gr¨undung der Westdeutschen Mannesmann-R¨ohrenwerke AG trat er 1948 in den Vorstand der Gesellschaft ein. Bis zu seinem Ruhestand 1955 saß er im Aufsichtsrat zahlreicher Unternehmen und war Vorstandsmitglied des Deutschen Museums in M¨unchen, Vizepr¨asident der D¨usseldorfer Industrie- und Handelskammer und zeitweilig Mitglied des dortigen Stadtrats. C Leb Industrie 6 Bungert, (Friedrich) August, Komponist, * 14. 3. 1846 M¨ulheim / Ruhr, † 26. 10. 1915 Leutesdorf / Rhein. B., Sohn eines Kaufmanns, erhielt ersten Klavierunterricht bei Heinrich Kufferath in M¨ulheim, besuchte als Sch¨uler u. a. von Isidor → Seiß seit 1862 das K¨olner Konservatorium und erg¨anzte 1864-68 seine Ausbildung beim Chopin-Eleven Georges Mathias am Konservatorium in Paris. Nach einer

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Bunje dreij¨ahrigen T¨atigkeit als Musikdirektor in Kreuznach studierte er bei Friedrich → Kiel in Berlin bis 1881 Kontrapunkt. In dieser Zeit verzeichnete er mit der Preiskr¨onung des Florentiner Streichquartetts op. 18 seinen ersten großen Erfolg. Weithin bekannt wurde B. als Liederkomponist von Texten seiner G¨onnerin, der K¨onigin → Carmen Sylva von Rum¨anien. In seinem Hauptwerk, dem Musiktrag¨odienzyklus Homerische Welt, die ein hellenisches Gegenst¨uck zum → Wagnerschen Ring sein sollte, arbeitete B., u. a. von → Nietzsche best¨arkt, fast zwanzig Jahre. Nach anf¨anglich begeisterter Aufnahme der Tetralogie Die Odyssee in Dresden, Berlin und Hamburg setzte jedoch zunehmend Kritik ein, worauf B. sich nach Leutesdorf bei Neuwied zur¨uckzog. 1911 erhielt B. den kgl. preuß. Professorentitel. Das Projekt eines Bungert-Festspielhauses in Bad Godesberg scheiterte. C MGG

Bunje, Karl, Schriftsteller, * 8. 1. 1897 Neuenburg, † 6. 4. 1985 K¨oln. Das j¨ungste Kind eines Malermeisters trat 1914 als Verwaltungsbeamter in den oldenburgischen Staatsdienst ein; im Ersten Weltkrieg an der Westfront verwundet, wurde B. nach der Amtsaktuarpr¨ufung 1920 als Beamter der Reichsfinanzverwaltung nach Brake an der Weser versetzt. Hier kam er erstmals mit dem plattdeutschen B¨uhnenspiel in Ber¨uhrung und beteiligte sich 1932-35 als Gr¨undungsmitglied und B¨uhnenleiter am Aufbau der Niederdeutschen B¨uhne. Der u¨ berw¨altigende Erfolg seiner Kom¨odie De Etappenhas, in der er bei der Urauff¨uhrung 1935 selbst die Hauptrolle spielte und die in andere Dialekte u¨ bersetzt und auch verfilmt wurde, und das Spektakel in Kleih¨orn erm¨oglichten B., fortan als freier Schriftsteller zu leben, zumal er als Mitglied einer Freimaurerloge w¨ahrend des Nationalsozialismus nicht mehr bef¨ordert wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Autor meist heiterer niederdeutscher B¨uhnenst¨ucke und mundartlicher Beitr¨age f¨ur Funk und Fernsehen. C Oldenburg

Bunsen, Christian Karl Josias Frh. von, evang. Theologe, Diplomat, * 25. 8. 1791 Korbach (Waldeck), † 28. 11. 1860 Bonn. Der aus b¨urgerlichen Verh¨altnissen stammende B. studierte 1808 in Marburg, seit 1809 in G¨ottingen Theologie, klassische Philologie und Geschichte. Nach Studienreisen durch verschiedene europ¨aische L¨ander wurde er 1818 Legationssekret¨ar an der preuß. Gesandtschaft beim p¨apstlichen Hof, 1823 als Nachfolger Barthold Georg → Niebuhrs preuß. Gesch¨aftstr¨ager und 1827 Ministerresident in Rom. 1829 geh¨orte er zu den Mitbegr¨undern des Deutschen Arch¨aologischen Instituts in Rom. In der Auseinandersetzung um das Breve Pius’ VIII. u¨ ber die Mischehen (1830) und dem sich daraus entwickelnden K¨olner Kirchenstreit wurde B.s Stellung in Rom unhaltbar; er demissionierte 1838 und wurde im folgenden Jahr Gesandter in Bern. 1841 verhandelte er in England im Auftrag → Friedrich Wilhelms IV. u¨ ber die Gr¨undung eines anglikanisch-preußischen Bistums in Jerusalem; seit 1844 war er preuß. Gesandter in London, wo er f¨ur die historische Allianz der beiden protestantischen M¨achte Preußen und England eintrat. 1848 war er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung; 1857-60 geh¨orte er dem Herrenhaus des Preußischen Landtags an. W¨ahrend des Krimkriegs 1854 als Gesandter abberufen, zog er sich als Privatier nach Heidelberg und sp¨ater Bonn zur¨uck. Vor allem in seinem erst postum vollendeten Vollst¨andigen Bibelwerk [. . .] trat B. gegen den Ultramontanismus an. Er war der Vater von Georg von → B. C TRE Bunsen, Georg von, Politiker, * 7. 11. 1824 Rom, † 22. 12. 1896 London. Der Sohn von Christian Karl Josias von → B. widmete sich nach Reisen durch Frankreich, Italien und England der

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Landwirtschaft. Als Mitglied des Linken Centrums war er 1862-66, als Liberaler 1866-73 und 1877-79 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses und vertrat 1867-74 den Wahlkreis Solingen, 1876-85 den Wahlkreis Hirschberg-Sch¨onau im Reichstag. B., der 1867 zu den Begr¨undern der Nationalliberalen Partei geh¨orte, war der Vater von Marie von → B.

Bunsen, Marie von, Schriftstellerin, * 17. 1. 1860 London, † 28. 6. 1941 Berlin. Als Enkelin des Diplomaten Christian Karl Josias von → B. und Tochter des Reichstagsabgeordneten Georg von → B. hatte B. fr¨uhzeitig Einblicke in die h¨ochsten Gesellschaftskreise ihrer Zeit. Von ihrem Hauptwohnsitz Berlin aus unternahm sie ausgedehnte Reisen nach Italien, Frankreich, Spanien, Afrika, Asien und in die USA; die Erlebnisse verarbeitete sie in Werken wie Im fernen Osten (1934). 1905 gr¨undete B. mit Hedwig → Heyl und Else Schulhoff den Deutschen Lyceum-Club in Berlin. Sie z¨ahlte zu den Freundinnen der rum¨anischen K¨onigin → Carmen Sylva und geh¨orte einer Reihe von Gesellschaften an, die sich mit den Themen Erdkunde, Arch¨aologie und Anthropologie besch¨aftigten. B. ver¨offentlichte u. a. Gegen den Strom. Ein Stimmungsbild aus dem neuen Berlin (1893) und Die Frau und die Geselligkeit (1916). 1918 trat sie in die Deutsche Demokratische Partei ein. Ihre Autobiographie Die Welt, in der ich lebte. Erinnerungen aus den gl¨ucklichen Jahren 1860-1912 (1929, Neuaufl. 1959) ist von besonderem dokumentarischen Interesse. B. malte auch Aquarelle, die 1930 in einer Sonderausstellung in Berlin gezeigt wurden. Bunsen, Robert Wilhelm, Chemiker, * 30. 3. 1811 G¨ottingen, † 16. 8. 1899 Heidelberg. B., vierter und j¨ungster Sohn eines Professors und Kustos der G¨ottinger Universit¨atsbibliothek, wurde nach dem Studium der Naturwissenschaften, besonders der Chemie, 1831 in G¨ottingen mit einer Preisarbeit u¨ ber verschiedene Hygrometer (Enumeratio ac descriptio hygrometrorum, quae inde a Saussurii temporibus proposita sunt, 1830) promoviert. Ein Stipendium erm¨oglichte ihm 1832 / 33 eine Reise nach Berlin, Paris, in die Schweiz, nach Tirol und Wien, die er zu gr¨undlichen o¨ konomischen, chemisch-technischen und geologischen Studien n¨utzte, um in diesen Bereichen praktische Anschauungen zu gewinnen. 1834 habilitierte er sich in G¨ottingen mit einer komplexchemischen Arbeit f¨ur Chemie. Im gleichen Jahr entdeckte er die Aufl¨osung von arseniger S¨aure durch frisch gef¨alltes Eisenhydroxid und mit dem Arzt Arnold Adolph → Berthold die Brauchbarkeit als Gegengift bei Arsenvergiftungen (Das Eisenhydroxyd, ein Gegengift der arsenigen S¨aure, 1834). 1836-39 lehrte B. an der H¨oheren Gewerbeschule in Kassel, wo er die bis 1841 dauernden Untersuchungen u¨ ber Kakodylverbindungen begann, die eine wesentliche St¨utze der von J¨ons Jakob Berzelius aufgestellten Radikaltheorie und eine Meisterleistung pr¨aparativ-analytischer Arbeit darstellten. Es blieben die einzigen organisch-chemischen Untersuchungen B.s, der danach ausschließlich analytische und physikalischchemische Probleme bearbeitete. Im Auftrag der kurhessischen Regierung untersuchte B. 1838 / 39 die chemischen Prozesse in mit Holzkohle betriebenen Hoch¨ofen und erreichte erhebliche Einsparungen an Heizmaterial. Dabei stellte er zu einer Zeit, in der der Energieerhaltungssatz noch nicht formuliert war, mit großer Genauigkeit die Energiebilanz dieser Prozesse auf. Einige Jahre sp¨ater (1845) erzielte

Buntru er a¨ hnliche Ergebnisse auch in England. Im Zusammenhang mit diesen Problemen entwickelte er die Gasanalyse, die von ihm in den folgenden Jahren st¨andig verbessert wurde. Im Herbst 1839 wurde B. an die Univ. Marburg berufen. Er f¨uhrte fr¨uher begonnene Mineralwasser-, Gesteinsund Mineralanalysen fort, entwickelte aus dem GroveschenElement eine leistungsf¨ahige Zink-Kohle-Batterie (BunsenElement), mit der er die Alkali- und Erdalkalimetalle sowie Aluminium in guter Ausbeute elektrolytisch darstellte. Die von einer von der d¨anischen Regierung organisierten Forschungsreise nach Island (1846) mitgebrachten Mineralien und Gesteine wurden in den folgenden Jahren analysiert, wobei B. u. a. die Silikatanalysen erheblich verbessern konnte. Die Ergebnisse f¨uhrten zu einem geochemischen Modell der isl¨andischen Gesteinsbildung. Ihm gelang auch die Erkl¨arung der physikalisch-chemischen Vorg¨ange bei periodisch ausbrechenden Geysiren. 1851 nahm B., der in diesem Jahr auch in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen wurde, einen Ruf nach Breslau an, da ihm Marburg wegen unerfreulicher Auseinandersetzungen mit der kurhessischen Regierung verleidet war. In Breslau entwickelte er das maßanalytische Verfahren der Jodometrie. Von Oktober 1852 bis zur Emeritierung im Jahre 1889 lehrte und forschte B. in Heidelberg. Als das neue Institutsgeb¨aude mit einer Gasleitung versehen worden war, entwickelte er 1855 einen einfachen Gasbrenner mit nichtleuchtender Flamme (Bunsen-Brenner), der bald Eingang in alle Laboratorien fand. Kennzeichnend f¨ur B.s Arbeitsweise war, umfassendere Fragestellungen u¨ ber Jahre bis Jahrzehnte immer wieder aufzunehmen oder parallel zu anderen fortzuf¨uhren. So war mit dem Erscheinen der Gasanalytischen Methoden (1857), Ergebnis einer mehr als zehnj¨ahrigen Arbeit, auch dieser Bereich nicht abgeschlossen, und es folgte 1877 eine zweite, erheblich umgearbeitete Auflage. Gemeinsam mit seinem Sch¨uler Henry E. Roscoe f¨uhrte B. von 1855 bis 1860 photochemische Untersuchungen mit Chlorknallgas aus, die in Methodik und Genauigkeit den Beginn der quantitativen Photochemie und der Kinetik photochemischer Reaktionen markieren. Die Konstruktion einer „Normalflamme“ und des „Fettfleckphotometers“ best¨atigten dabei ein weiteres Mal B.s außergew¨ohnliches Geschick bei der Entwicklung einfacher, aber genauer Meßinstrumente. Die Untersuchungen der von verschiedenen Salzen hervorgerufenen Flammenf¨arbungen f¨uhrten ihn gemeinsam mit Gustav Robert → Kirchhoff zur Entwicklung der Spektralanalyse (1859), und er entdeckte damit die Alkalimetalle C¨asium und Rubidium (1860 / 61). Daran schlossen sich jahrelange, a¨ ußerst gr¨undliche Untersuchungen der Funkenspektren von Alkali-, Erdalkali- und Seltenerdmetallen an. 1867 gab er eine verbesserte Methode zur Bestimmung der Dichte von Gasen und D¨ampfen an. 1870 konstruierte B. ein universell verwendbares Eiskalorimeter, w¨ahrend sein 1878 entwickeltes Dampfkalorimeter sich nicht durchzusetzen vermochte. Die letzten experimentellen Arbeiten befaßten sich mit der Adsorption von Kohlendioxid an Glasoberfl¨achen. Die jahrelange Anwendung der Bunsenflamme zu analytischen Zwecken faßte B. in den 1880 erschienenen Flammenreactionen zusammen. B. war ein konsequenter Empiriker und lehnte theoretische Spekulationen grunds¨atzlich ab. Im Mittelpunkt seines unerm¨udlich und mit Freude wahrgenommenen Unterrichts stand die analytische und messende Arbeit. Seine eigenen Experimentaluntersuchungen wurden gr¨oßtenteils in den unterrichtsfreien Stunden und in den Ferien ausgef¨uhrt. Zahlreiche, sp¨ater ber¨uhmte Chemiker lernten bei ihm exaktes wissenschaftliches Arbeiten. Eine Schule hat B. dennoch nicht gebildet, zumal er insbesondere selbst¨andig arbeitende

wissenschaftliche Mitarbeiter oder gar Habilitierte nicht in seinem Institut arbeiten ließ. WEITERE WERKE: Gesammelte Abhandlungen. Hrsg. v. Wilhelm Ostwald / Max Bodenstein. 3 Bde., Leipzig 1904. LITERATUR: Wilhelm Ostwald: Gedenkrede auf R. B. In: Zeitschrift f¨ur Elektrochemie 7 (1901) S. 608-618. – Georg Lockemann: R. W. B. Stuttgart 1949. – Heinrich Rheinboldt: B.s Vorlesung u¨ ber allgemeine Experimentalchemie. In: Chymia 3 (1950) S. 223-241. – Karl Freudenberg: R. W. B. In: Zeitschrift f¨ur Elektrochemie 64 (1960) S. 777-784. – Karl Freudenberg: Die Studienreise R. B.s nach Berlin – Paris – Wien 1832 / 1833. In: Heidelberger Jahrb¨ucher 6 (1962) S. 111-184. – Klaus Danzer: R. W. B. und Gustav R. Kirchhoff. Die Begr¨under der Spektralanalyse. Leipzig 1972. – Ursula Boberlin: Photochemische Untersuchungen von R. B. und H. Roscoe im Vergleich mit den Arbeiten J. W. Drapers und W. C. Wittwers. Berlin 1993. Michael Engel

Bunte, Hans (Hugo Christian), Chemiker, * 25. 12. 1848 Wunsiedel, † 17. 8. 1925 Karlsruhe. Nach Studien am Polytechnikum Stuttgart, in Heidelberg und Erlangen habilitierte sich B., Sohn eines Rechtsanwalts, 1872 an der TH M¨unchen f¨ur Gasanalyse sowie f¨ur Chemie der Gase und Brennstoffe. Er entwickelte Einrichtungen, mit denen die Gasfeuerung und die Leuchtgasindustrie wesentlich gef¨ordert wurden, so 1877 die Bunte-B¨urette und 1880 den M¨unchner Generatorofen. Seit 1884 Generalsekret¨ar des Deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachm¨annern, wurde B. 1887 o. Prof. der chemischen Technologie an der TH Karlsruhe und 1903 als deren Vertreter in die Erste Kammer des Badischen Landtags berufen. Bis zu seiner Emeritierung 1919 leitete B., der 1893 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt wurde, das von ihm gegr¨undete Gasinstitut der Hochschule. Er ver¨offentlichte u. a. Zur Beurtheilung der Brennstoffe und der Leistung von Dampfkesseln vom chemischen Standpunkt aus (1902) und Die Explosionsgefahr beim Faßpichen und die Mittel zu deren Verh¨utung (1904). Seit 1894 redigierte er das w¨ochentlich erscheinende „Journal f¨ur Gasbeleuchtung und Wasserversorgung“; 1897 u¨ bernahm er die Herausgabe von Sheridan Muspratt’s Enzyklop¨adischem Handbuch der technischen Chemie. C NDB

Buntru, Alfred, Wasserwirtschaftler, * 15. 1. 1887 Schlageten (Baden), † 23. 1. 1974 Aachen. Der Sohn eines Oberlehrers studierte seit 1905 Bauingenieurwesen in Karlsruhe, war 1910-13 Regierungsbauf¨uhrer im badischen Staatsdienst und wurde nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg in Karlsruhe mit der Arbeit Ein Beitrag zur Frage der Entstehung des Grundwassers und ihre Beeinflussung durch Wasserdampfspannungen in der Atmosph¨are und im Boden zum Dr.-Ing. promoviert. 1919-22 Assistent in Karlsruhe, habilitierte er sich 1922 mit der Arbeit Die Bedeutung der Sonnen und Himmelsstrahlung im St¨adtebau f¨ur Wohnungs- und Siedlungshygiene; daneben wirkte er als Baurat bei der badischen Wasser- und Straßenbauverwaltung. 1927 erhielt B. einen Ruf an die Tungchi-Hochschule in Shanghai und wurde im folgenden Jahr Ordinarius f¨ur Wasserbau an der Deutschen TH in Prag, deren Rektor er 1935 / 36 war. 1936 wechselte er an die TH Aachen, deren Rektorat er 1937-39 u¨ bernahm. 1937 trat er in die NSDAP, 1938 in die SS ein. 1939 kehrte er als o. Prof. an die TH Prag zur¨uck, war 1940-45 erneut deren Rektor und 1942 / 43 zudem kommissarischer Rektor der Univ. Prag. 1940 stieg er zum SS-Standartenf¨uhrer auf, war 1944 / 45 stellvertretender Reichsdozentenf¨uhrer sowie Leiter des Reichsfachkreises Technik des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes und bis 1945 auch Gaudozentenbundf¨uhrer Sudetenland. Seit 1949 wieder Lehrbeauftragter an der TH Aachen, erfolgte 1951 eine erneute

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Buntzel Berufung zum o. Professor. 1955 leitete B. eine Wasserbauversuchsanstalt; 1959 wurde er zum Ehrensenator der TH Aachen ernannt. Er ver¨offentlichte u. a. Druck- und Zugfestigkeit gef¨ullter Straßenteere in Abh¨angigkeit von Alterung und F¨ullstoff (19389 und Mitteilungen aus dem Institut f¨ur gewerblichen Wasserbau der Technischen Hochschule Aachen (1956). Zu seinen Arbeiten geh¨oren auch Entw¨urfe f¨ur Talsperren in der Eifel und Entw¨asserungsanlagen in B¨ohmen. C Heiber, Univ II

eine Anwaltspraxis in Wien. Als Ausschußmitglied des Vereins f¨ur Sozialpolitik und der Deutschen Gesellschaft f¨ur Soziologie ver¨offentlichte er zu Zeitfragen der Sozialpolitik und -geschichte (Die Anf¨ange der modernen Arbeiterbewegung in der Steiermark, 1913; Ungarn und wir, 1918; Der Zusammenbruch des Parlamentarismus und der Gedanke des st¨andischen Aufbaus, 1923). B. war mit der S¨angerin Lotte → Bunzel-Westen verheiratet.

Buntzel, Alfred, Berg- und H¨uttenmann, * 20. 8. 1861

* 26. 10. 1876 Prag, † n. e. B.-W. erhielt Violin- und Gesangsunterricht beim Konzertdirektor am Nationaltheater in Prag, Markus, und ihrem Vater, dem Gesangsp¨adagogen Moritz Wallerstein. Sie f¨uhrte den B¨uhnennamen Westen. Zur Vervollkommnung ihres Koloraturgesangs hielt sie sich in Paris bei Madame DureimsDefries auf. Ihr erstes Engagement f¨uhrte sie nach Breslau; sp¨ater stand sie in Stettin, Graz und K¨oln auf der Opernb¨uhne. Nach ihrer Heirat mit Julius → Bunzel (1905) zog sie sich vom Theater zur¨uck und wirkte als Konzerts¨angerin und P¨adagogin.

Ruda (Oberschlesien), † 13. 2. 1949 Salzgitter. Nach dem Besuch der Bergakademie und der Univ. in Berlin bestand B., Sohn eines Berginspektors, 1891 das Bergassessor-Examen. Als Dezernent f¨ur Wasserversorgungsanlagen und Materialienwirtschaft der staatlichen Gruben in Hindenburg erfolgte 1895 seine Bef¨orderung zum Berginspektor, 1899 zum Bergwerksdirektor des Steinkohlenbergwerks „K¨onig“ in K¨onigsh¨utte, 1907 zum Oberbergrat und Mitglied der Oberberg¨amter Dortmund und Breslau. Seit 1917 Geheimer Bergrat, leitete er die Abteilung f¨ur den Wiederaufbau der zerst¨orten Gebiete Nordfrankreichs im Berliner Ministerium und f¨uhrte zahlreiche Verhandlungen mit Vertretern der Reparationskommission in Versailles und Paris. 1920-22 vertrat er die Deutsche Bergbauverwaltung bei der Interalliierten Regierungs- und Plebiszit-Kommission in Oppeln. Als Pr¨asident der staatlichen Bergwerksdirektion ¨ in Hindenburg wirkte er maßgeblich bei der Uberf¨ uhrung der Oberschlesischen Gruben in die Verwaltung der Preußischen Bergwerks- und H¨utten-AG mit. C NDB

Bunzel, Joseph H(ans), Soziologe, Jurist, * 20. 9. 1907 Graz, † 14. 1. 1975 Buffalo (New York, USA). Der Sohn von Julius → B. und Laura → Bunzel-Westen studierte 1926-28 in Dijon und 1931 / 32 in Paris Rechtswissenschaften, wurde 1932 in Wien zum Dr. jur. promoviert und arbeitete dort anschließend f¨ur eine Versicherungsgesellschaft. 1938 emigrierte er nach Frankreich und 1939 in die USA, wo er 1940 / 41 die Johns Hopkins University in Baltimore (Maryland) besuchte. 1942 / 43 Gesundheitsinspektor in Baltimore, war er 1943-46 und 1951-53 f¨ur die Pittsburgh Housing Association t¨atig und studierte daneben an der dortigen Universit¨at. Seit 1945 amerikanischer Staatsb¨urger, lehrte er 1946 / 47 Soziologie an der Fisk University in Nashville (Tennessee) und 1947 / 48 Geschichte und Politologie am Washington and Jefferson College in Washington (Pennsylvania). 1948-50 war B. in leitender Funktion bei der National Association of Housing Officials in Chicago und bei der Chicago Real Estate Corporation besch¨aftigt. 1951-53 leitete er eine Kommission des New Yorker B¨urgermeisters, die sich mit Fragen des Alterns besch¨aftigte. In New York lehrte B. 1953-56 an der Columbia University, wurde 1956 Associate Prof. f¨ur Soziologie an der School of Social Work in Richmond, anschließend Prof. am College of William and Mary in Williamsburg (Virginia). 1961-64 war er Prof. f¨ur Soziologie an der Virginia Union University in Richmond, 1964 / 65 Associate Prof. an der University of North Dakota in Grand Forks und 1965-67 Associate Prof. an der St. John’s University in Collegeville (Minnesota). Zuletzt war er als Prof. f¨ur Soziologie an der State University of New York in Buffalo t¨atig. B. besch¨aftigte sich besonders mit dem Thema Wohnen, aber auch mit Gerontologie und Geriatrie. 1934 ver¨offentlichte er die Lyriksammlung Der Liebe Zauberbogen (1934). C BHdE, Bd 2

Bunzel, Julius, o¨ sterr. Jurist, Politiker, * 25. 9. 1873 Prag, † 19. 7. 1942 Wien. B. wurde nach dem Studium in Prag an der dortigen Deutschen Univ. zum Dr. jur. promoviert, stand als Hofrat im Dienst der Finanzbeh¨orden in Graz und Wien und er¨offnete

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Bunzel-Westen, Lotte, geb. Wallerstein, o¨ sterr. S¨angerin,

Bunzl, Arthur, o¨ sterr. Journalist, * 25. 12. 1850 Prag, † 26. 3. 1899 Wien. Nach der Promotion zum Dr. jur. an der Univ. Wien durchlief B. eine Advokatenlaufbahn, ehe er sich dem Journalismus zuwandte. 1887 wurde er Chefredakteur der „Wiener Allgemeinen Zeitung“ und betreute gleichzeitig bis 1891 die Herausgabe der „Extrapost“. Im gleichen Jahr trat er in die Redaktion der „Oesterreichischen Volks-Zeitung“ ein, deren Leitung er 1893 u¨ bernahm. In seinen politischen Beitr¨agen erwies sich B. als nachhaltiger Verfechter des Deutschtums ¨ in Osterreich. Im Feuilleton berichtete er als Theaterkritiker vornehmlich von Auff¨uhrungen des Burgtheaters. Unter Pseudonym lieferte er Artikel f¨ur ausl¨andische Zeitungen („Pester Lloyd“, „Hamburger Fremdenblatt“). Bunzl, Hugo, o¨ sterr. Industrieller, * 2. 10. 1883 Preßburg, † 2. 1. 1961 London. In einer j¨udischen Familie in B¨ohmen aufgewachsen, studierte B. in Manchester Betriebswirtschaft und Chemie, wurde Fabrikdirektor in England und trat 1905 in den Familienbetrieb Bunzl & Biach Wien, Textil-, Pulp- und Papierfabrik ein. Seine nach dem Ersten Weltkrieg eingef¨uhrten Sozialleistungen f¨ur die 6000 Angestellten brachten ihm den respektvollen Beinamen „Roter Industriebaron“ ein. Nach dem Verm¨ogenseinzug durch die Nationalsozialisten emigrierte B. 1938 und baute in England eine Unternehmensgruppe auf, die zun¨achst unter dem urspr¨unglichen Namen firmierte und sich nach 1948 als Bunzl Pulp & Paper Ltd. zu einem internationalen Konzern mit Tochtergesellschaften in 17 L¨andern ausweitete. B. u¨ bernahm darin die Funktion eines Generaldirektors.

Buol, Heinrich (Emanuel) von, Ingenieur, Industrieller, * 9. 2. 1880 Wien, † 1. 5. 1945 Moskau. B., dessen Vater Inspektor der o¨ sterr. Nordbahn war, verließ die TH Wien mit dem Staatsexamen in Maschinenbau und Elektrotechnik, arbeitete als Ingenieur bei der Union Elektrizit¨atsgesellschaft in Wien, seit 1904 als Assistent am Physikalischen Institut der Univ. Halle an der Entwicklung der drahtlosen Telegraphie und wurde 1906 Laboratoriumsingenieur bei der Siemens & Halske AG in Berlin. 1912 trat er in den Vorstand des Unternehmens ein und u¨ bernahm 1932 dessen Vorsitz. B. war Vorsitzender des Meßinstrumenteverbandes Berlin sowie der Normenstelle der Deutschen R¨ontgengesellschaft und geh¨orte dem Zentralverband der Deutschen Elektrotechnischen Industrie an. Er vero¨ ffentlichte u. a. Die Stellung der Technischen Hochschule im Fortschritt der Elektrotechnik (1940). 1945 verhaftet und nach Moskau verbracht, beging B. Selbstmord. C NDB

Buramer Buol von Berenberg, Josef Andreas Frh., o¨ sterr. Diplomat, * 1776, † 20. 8. 1812 Kopenhagen. Der Sohn eines Oberamtsrats aus altem Graub¨undner Geschlecht war seit 1799 Kommiss¨ar beim Provinzialkommissariat in Regensburg; 1803 wurde er o¨ sterr. Gesch¨aftstr¨ager in Dresden, 1809 Armee-Hofkommiss¨ar f¨ur die von ¨ Osterreich besetzten Gebiete Sachsens. 1811 / 12 war er als Diplomat in Kassel und Kopenhagen t¨atig. Er unterhielt freundschaftliche Beziehungen u. a. zu Johann Philipp von → Stadion, Friedrich → Gentz und Adam → M¨uller. Heinrich von → Kleist erfuhr seine besondere F¨orderung; die Dresdner Auff¨uhrung des Zerbrochenen Krugs fand in B. v. B.s Haus statt; am Wiener Burgtheater setzte er sich f¨ur die Unterst¨utzung des Dichters ein und veranlaßte Kleist 1809 zur Reise nach Prag, wo dieser sich an der antinapoleonischen nationalen Propaganda beteiligte. C NDB

Buol von Berenberg, Maria Anna Freiin, o¨ sterr. Schriftstellerin, * 21. 8. 1861 Innsbruck, † 21. 5. 1943 Kaltern (S¨udtirol). B. v. B., Tochter des Generalreferenten der Tiroler Landst¨ande, verlebte die Kinder- und Jugendzeit auf dem h¨auslichen Anwesen in Kaltern und wirkte fr¨uhzeitig als Vork¨ampferin f¨ur heimatliches Brauchtum. Nach einer Pal¨astinareise (1899) legte sie einen Band mit religi¨oser Lyrik vor (Lieder vom Hl. Land, 1902), ansonsten umfaßt ihr Werk volkst¨umliche Erz¨ahlungen (Die Gamswirtin, 1909) sowie St¨ucke f¨ur l¨andliches und Bauern-Theater (Das K¨onigskind auf der Wartburg, 1925). C NDB

Buol von Berenberg, Rudolf Frh., Jurist, Politiker, * 24. 5. 1842 Zizenhausen (Baden), † 4. 7. 1902 BadenBaden. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg / Breisgau, M¨unchen und Heidelberg war B. v. B. zwischen 1870 und 1876 in Mannheim als Amtsrichter, dann als Kreis- und Landgerichtsrat t¨atig. 1881 wurde er in die Zweite Kammer des Badischen Landtags gew¨ahlt, der er bis 1897 angeh¨orte (1891 / 92 und 1893 / 94 Erster Vizepr¨asident). 1884-98 war er f¨ur die Zentrumspartei Mitglied des Reichstags, dessen Pr¨asident er 1895 wurde. C Haunfelder, Zentrumspartei

Buol-Schauenstein, Johann Rudolf Frh. von, o¨ sterr. Diplomat, * 21. 11. 1763 Wien, † 12. 3. 1834 Wien. Seine diplomatische Laufbahn begann B.-S., Sohn eines Domherrn in Chur und Gesandten bei den Drei B¨unden und Bruder von Karl Rudolf Graf von B.-S., als o¨ sterr. Gesandtschaftssekret¨ar in Mainz und Den Haag; 1794 nahm er er als kaiserlicher Direktorialgesandter am Reichstag in Regensburg teil und wurde ein Jahr sp¨ater Gesandter beim Nieders¨achsischen Kreis. 1801 ging er als Gesandter nach M¨unchen und hielt sich 1807-14 in gleicher Funktion im Großherzogtum W¨urzburg auf. Nach Stationen in Kassel und Hannover wurde er 1816 Pr¨asidialgesandter am Deutschen Bundestag in Frankfurt / Main. In seinem Bestreben, die Souver¨anit¨atsrechte des Bundestags zu st¨arken, geriet er in Gegensatz zu oppositionellen Kr¨aften und schließlich auch zu → Metternich und wurde 1823 seines Amtes enthoben. Die Pr¨asidentschaft der Hofkommission in Stuttgart wurde 1833 seine letzte Amtsstelle. B.-S. war der Vater von Karl Ferdinand von → B.-S. C NDB

Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand Graf von, o¨ sterr. Diplomat, Politiker, * 17. 5. 1797 Regensburg, † 28. 10. 1865 Wien. Der Sohn Johann Rudolf von → B.-S.s trat 1816 in den diplomatischen Dienst ein war zwischen 1828 und 1851 Gesandter in Karlsruhe, Stuttgart, Turin, St. Petersburg und London. Als ein Vertreter der Politik → Schwarzenbergs

wurde er 1852 Außenminister. Sein Ziel der o¨ sterr. Vorherrschaft in Deutschland und auf dem Balkan richtete sich gegen Preußen und Rußland und f¨uhrte zur zunehmenden ¨ Isolierung Osterreichs. Sein Verhalten im Krimkrieg und die Niederlage im Krieg gegen Sardinien und Frankreich f¨uhrten 1859 zu seiner Entlassung. C NDB

Buol-Schauenstein, Karl Rudolf Graf von, F¨urstbischof von Chur, * 30. 6. 1760 Innsbruck, † 23. 10. 1833 St. Gallen. B.-S., Bruder von Johann Rudolf Frh. von B.-S., studierte in Feldkirch, Dillingen und am Collegium Germanicum in Rom und wurde 1779 Domherr, 1781 Domkantor und 1794 Bischof von Chur. 1798 erfolgte die Ernennung zum Landespr¨alaten von B¨ohmen, das Amt des Erzbischofs von Lemberg schlug er aus. 1799 fl¨uchtete er vor den Franzosen nach Meran, das mit einem Teil Tirols zur Churer Di¨ozese geh¨orte. Nach der Abtretung Tirols an Bayern geriet er wegen deren josephinischer Kirchenpolitik in Konflikt mit der bayerischen Regierung unter K¨onig → Maximilian I. Joseph. 1807 wurde B.-S. gewaltsam nach Chur zur¨uckgebracht. Der 1816 definitiv vollzogenen Einverleibung der tirolischen Bistumsteile in die Di¨ozese Brixen unterwarf sich B.-S. Schwere Auseinandersetzungen mit der Graub¨undner Regierung f¨uhrten zur Schaffung des Doppelbistums ChurSt. Gallen, das nach B.-S.s Tod wieder geteilt wurde. C Gatz 4

Buomberger, Emil, schweizer. Journalist, Politiker, * 10. 6. 1877 Oberuzwil (Kt. St. Gallen), † 2. 3. 1939 Z¨urich. B. studierte Jura, arbeitete als Gerichtssubstitut in Gossau (Kt. St. Gallen), wandte sich dann dem Journalismus zu und redigierte 1900-04 den „F¨urstenl¨ander“ (Gossau), 1904-20 die „Ostschweiz“ (St. Gallen) und 1924-33 die „Neuen Z¨urcher Nachrichten“. In St. Gallen war B. als kath. Konservativer 1910-21 Mitglied des Gemeinderats, 1919 / 20 dessen Pr¨asident, 1911-21 Mitglied des Großen Rats und 1921-24 des Erziehungsrats. In Z¨urich schloß er sich den Christlichsozialen an und saß 1925-33 im Großen Stadtrat und 1933-38 im Stadtrat, zust¨andig f¨ur das Polizeiamt. 1936-39 geh¨orte B. dem Nationalrat an. 1927-34 war er Zentralpr¨asident des Schweizerischen Katholischen Volksvereins. C HLS

Buomberger, Ferdinand, schweizer. Publizist, * 12. 12. 1874 B¨utschwil (Kt. St. Gallen), † 3. 8. 1946 Weggis (Kt. Luzern). B. wurde an der Univ. Freiburg (Schweiz) zum Dr. phil. promoviert und war 1897-1904 Direktor des Statistischen Amtes des Kantons Freiburg, Prof. an der Handelsschule und Privatdozent an der Univ. Freiburg. Seit 1904 war er Redakteur der „Ostschweiz“, 1907-13 der „Schaffhauser Zeitung“, bis 1919 der „Winterthurer Volkszeitung“ und seit 1920 des „Morgen“. Daneben wirkte er als Sekret¨ar des Christlichsozialen Arbeiterverbandes (1905-15) und u¨ bte seit 1916 seinen Hauptberuf als Schriftexperte und Graphopsychologe aus. 1913-18 war er Mitglied des Großen Stadtrats von Z¨urich. Neben einer Reihe statistischer, wirtschaftlicher und politischer Publikationen (u. a. Die schweizerische Ehegesetzgebung im Lichte der Statistik, 1902) ver¨offentlichte B. einen Gedichtband (Am Webstuhl, 1914) und VolksliederKompositionen wie Munotgl¨ocklein.

Buramer, Berthold, Danziger Ratsherr, † 16. 7. 1446 Danzig. B. war einer der bedeutendsten Danziger Reeder und Großkaufleute in den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts. 1438 pachtete er zusammen mit Olaf Nielson Island vom K¨onig von D¨anemark. 1429 ist B. als Sch¨offe, 1431 als Ratsherr belegt. Er vertrat Danzig auf etlichen St¨adtetagen des Preußenlandes. Seine f¨ur die Wirtschaft des Landes wertvol-

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Burauen len Dienste honorierte der Deutsche Ritterorden 1439 mit der Verleihung des Dorfes Sulmin. Nach der Heirat mit der Witwe des Ratsherrn Peter Crowel wurde er der Stiefvater von Johann Crowel, des sp¨ateren Bischofs von Oesel. C NDB

Burauen, Theo, Politiker, * 19. 10. 1906 K¨oln, † 28. 10. 1987 K¨oln. B. trat 1923 der Gewerkschaft, 1926 der SPD bei. Bis 1940 arbeitete er als Gesch¨aftsf¨uhrer in einem Fabrikationsbetrieb, war nach dem Zweiten Weltkrieg Gesch¨aftsf¨uhrer in der freien Wohlfahrtspflege und begann 1946 eine kommunalpolitische Laufbahn als Stadtverordneter von K¨oln. 1948-56 f¨uhrte B. die SPD-Rathaus-Fraktion und u¨ bernahm anschließend das Amt des Oberb¨urgermeisters (bis 1973). Er war Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland und Mitglied des Pr¨asidiums des Deutschen St¨adtetags. C Munzinger

Burchard, Bischof von Basel, * um 1040, † 12. 4. 1107 Basel. B. stammte aus einem angesehenen burgundischen Grafengeschlecht. Er war zun¨achst Domherr in Eichst¨att, dann K¨ammerer des Erzbischofs von Mainz. 1072 wurde er Bischof von Basel. Im Investiturstreit stand er auf der Seite → Heinrichs IV. und wirkte 1076 bei der Absetzung Papst Gregors VII. mit. B. begleitete den K¨onig nach Canossa und 1084 zur Kaiserkr¨onung und Weihe des Gegenpapstes nach Rom. F¨ur seine treuen Dienste erhielt er 1080 die Grafschaft H¨arkingen im Buchsgau, 1084 das Schloß Rappoltstein und 1095 die Abtei Pf¨afers im Kanton St. Gallen. In Basel gr¨undete er das Kloster St. Alban, am Bielersee die Stadt Erlach. B. galt als gewissenhafter Verwalter seiner Di¨ozese und F¨orderer der cluniazensischen Reformbestrebungen. C LThK Burchard von Schwanden, Hochmeister des Deutschen Ordens, * um 1245, † um 1310. B.s Herkunft aus Bern ist wahrscheinlich, so daß er wohl mit einem 1268 erw¨ahnten „Burgensis in Berno“ identisch ist. In dieser Zeit d¨urfte er in den Deutschen Orden eingetreten sein. 1275 war er Komtur von K¨oniz bei Bern, 1277-80 Landkomtur von Th¨uringen und Sachsen, 1281 / 82 Komtur von Marburg. Vermutlich 1283 wurde er in Akkon als erster Schweizer in das h¨ochste Amt des Ordens gew¨ahlt. Nachdem er 1290 das letzte Aufgebot des Deutschen Ordens ins Heilige Land gef¨uhrt hatte, dankte er ab. C NDB Burchard von Nabburg, Bischof von Halberstadt, * um 1000 Nabburg (Oberpfalz), † 18. 10. 1059. Der Sohn Graf → Heinrichs von Schweinfurt studierte zu St. Emmeram in Regensburg und wurde 1032 Kanzler Kaiser → Konrads II., der ihn 1036 zum Bischof von Halberstadt ernannte. B. ließ seit 1052 die bisch¨ofliche Residenz in Halberstadt neu errichten und beteiligte sich an der Gr¨undung des Klosters Goseck. Durch Schenkungen Kaiser → Heinrichs IV. konnte B. das Gebiet seines Bistums betr¨achtlich erweitern und seine Stellung als Territorialherr st¨arken. Zahlreiche Quellen aus der Zeit zwischen 1212 und 1430 belegen, daß B. im Mittelalter als Heiliger verehrt wurde. C Leb Regensburg Burchard II., Bischof von Halberstadt, auch Bucco, * um 1028, † 7. 4. 1088 Ilsenburg / Harz. Dem Einfluß seines Onkels, des Erzbischofs → Anno II. von K¨oln, und der Gunst der Kaiserin → Agnes verdankte B., der seit 1057 Propst des Stifts St. Simon und Juda in Goslar war, die Erhebung zum Bischof von Halberstadt (1059). Als Bevollm¨achtigter der Augsburger Synode erkl¨arte er im Schisma die Wahl Papst Alexanders II. f¨ur Rechtens und

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erhielt daf¨ur das Pallium. 1070 gr¨undete B. das Doppelkloster Huysburg, 1071 das Kanonikerstift in Halberstadt und weihte im selben Jahr den wiederhergestellten Dom in Halberstadt. Beim Aufstand der Sachsen gegen → Heinrich IV. 1073 geh¨orte er zu den Hauptgegnern des K¨onigs. Nach dem Sieg Heinrichs u¨ ber Sachsen bei Spier 1075 wurde er dem Bischof von Bamberg zur Haft u¨ bergeben. Auf dem Weg in die ungarische Verbannung konnte B. fliehen und nach Halberstadt zur¨uckkehren, wo er zu einer Hauptst¨utze der Gegenk¨onige wurde. Die Absetzung durch die Mainzer Synode 1085 w¨ahrte nur zwei Monate. B. erlag seinen schweren Verletzungen, die er sich im Streit mit → Ekbert II. von Meißen zugezogen hatte. C LexMA

Burchard von Serkem, Bischof von L¨ubeck, * um 1236, † 13. 3. 1317 L¨ubeck. Der aus einem l¨uneburgischen Rittergeschlecht stammende B. war 1256 Domherr, 1269 Kantor und 1274 Pfarrer an St. Marien in L¨ubeck und u¨ bernahm 1276 das Bischofsamt. Seine Amtszeit war u¨ berschattet von mehreren juristischen Auseinandersetzungen. So bek¨ampfte er 1277-82 das Begr¨abnisrecht der Franziskaner und prozessierte gegen sie vor der Stadt und dem Papst. 1296 stritt er mit der Stadt um die Besitzgrenzen an der Trave; beiderseitige Ausschreitungen, Pl¨underungen, Besetzungen und Vertreibungen sind in einem 1300-17 zun¨achst in Ratzeburg und dann im Vatikan protokollierten Prozeß festgehalten. Als die Grenzfragen 1319 zumeist zu seinen Ungunsten geregelt waren, wich B. mehrfach nach Eutin aus und f¨orderte dort durch Bauten am Schloß und die Gr¨undung eines Kollegiatstifts die Entwicklung zum Bischofssitz. C Gatz 1

Burchard III., genannt Lappe, Erzbischof von Magdeburg, † September 1325 Magdeburg. Seit 1294 Domherr in Magdeburg, sp¨ater auch in Hildesheim und Halberstadt, wurde B. 1307 Erzbischof von Magdeburg. Nach dem Aussterben der brandenburgischen Askanier versuchte er, die Macht der magdeburgischen Kirche zu vergr¨oßern. Er geriet dadurch in Gegensatz zur Hausmachtpolitik Kaiser → Ludwigs des Bayern, aber auch in Streit mit den aufstrebenden St¨adten des Territoriums, die er wegen finanziell notwendiger neuer Abgaben („Biersteuer“) ver¨argerte. Im 1309 ausgebrochenen Konflikt mit der Stadt Magdeburg kam B. 1313 vor¨ubergehend in Gefangenschaft, aus der ihn die Intervention des Markgrafen → Woldemar von Brandenburg befreite. Als sich 1324 die St¨adte und der Adel gegen ihn verb¨undeten, wurde B. erneut inhaftiert und im Rathaus von Magdeburg erschlagen. C Gatz 1 Burchard (der Rote), Bischof von M¨unster, † 19. 3. 1118 bei Konstantinopel. B. wurde 1098 von → Heinrich IV. als Bischof von M¨unster eingesetzt und geh¨orte bis zu dessen erzwungener Abdankung zu den engsten Ratgebern des Kaisers. 1105 wurde B. suspendiert und wechselte zu → Heinrich V. u¨ ber, der ihn nach Vertreibung und Gefangennahme durch die Kaiserlichen 1106 wieder in sein Amt einsetzte. B. blieb als einflußreicher Ratgeber und Anh¨anger der Krone im Investiturstreit st¨andig an der Seite Heinrichs V., begleitete diesen 1108 im Ungarnfeldzug, 1110 nach Rom und vertrat als italienischer Kanzler die Kirchenpolitik des Kaisers. 1111 wirkte er bei der Verhaftung von Papst Paschalis II. mit. In sein Bistum zur¨uckgekehrt, geriet er mit den Sachsen und dem K¨olner Erzbischof in Streit; in den Auseinandersetzungen zwischen den norddeutschen F¨ursten und Heinrich V. nahm das M¨unsterland schweren Schaden. 1114 wurde B. zusammen mit dem Kaiser gebannt, folgte ihm 1116 auf dem zweiten Romzug und starb auf der R¨uckreise von einer Gesandtschaft nach Konstantinopel. C LexMA

Burchard Burchard von Weisspriach, Erzbischof von Salzburg, † 16. 2. 1466. Der einem salzburgischem Rittergeschlecht entstammde B., dessen Vater Erbk¨ammerer von K¨arnten war, war seit 1452 Dompropst und wurde von → Friedrich III. mehrfach mit diplomatischen Missionen betraut. Er genoß die Gunst Papst Pius’ II., der ihn 1461 zum Kardinal ernannte, obwohl er das Amt des Erzbischofs noch nicht angetreten hatte. Nach der feierlichen Einsetzung kam es 1462 wegen einer hohen Weihesteuer zu einem Bauernaufstand im Pongau, Pinzgau und Brixental, der unter Vermittlung Herzog → Ludwigs des Reichen von Bayern-Landshut beigelegt werden konnte. Den Aufstand der Holzknechte auf den oberk¨arntischen Besitzungen des Hochstifts schlug B. ein Jahr sp¨ater mit Waffengewalt nieder. Andererseits bef¨ahigte ihn sein diplomatisches Geschick, in der Fehde zwischen K¨onig Friedrich III. und dessen Bruder Erzherzog → Albrecht VI. zu vermitteln. F¨ur die inneren Zust¨ande des Erzbistums erlangte das Landfriedensb¨undnis mit Herzog → Sigmund von Tirol und Ludwig dem Reichen sowie eine Bergwerksordnung f¨ur die MonC NDB tanwerke in den Salzburger T¨alern Bedeutung.

Treueerkl¨arung. Mit Abt → Fulrad reiste er 749 erneut nach Rom, um im Auftrag → Pippins des Kurzen mit Papst Zacharias die fr¨ankische K¨onigsfrage zu er¨ortern. B. gr¨undete das Kloster St. Andreas in W¨urzburg und erbaute den Salvatordom, in den er 752 die Gebeine des M¨artyrers → Kilian und seiner Gef¨ahrten u¨ bertragen ließ. Die kath. Kirche verehrt B. als Heiligen. C Fr¨ank Leb, Bd 1

Burchard I., Herzog von Schwaben, † 28. oder 29. 4. 926 bei Novara. Nach der Hinrichtung seines Vaters Burchard von R¨atien konnte B. erst 914 aus der Verbannung, in der er sich seit 1911 befand, zur¨uckkehren, um das Herzogtum Schwaben zu erringen. Er setzte sich gegen K¨onig → Konrad I. und Bischof → Salomo III. von Konstanz durch, festigte 919 durch den Erfolg in der Schlacht von Winterthur gegen K¨onig → Rudolf II. von Hochburgund seine Herzogsgewalt und bewog K¨onig → Heinrich I., ihm weitgehende Rechte, auch u¨ ber die Kirche, zu u¨ berlassen. So setzte er u. a. die Wahl Bischof → Ulrichs von Augsburg durch. Auf der Grundlage der gefestigten Herzogsgewalt machte B. mit dem Burgunderk¨onig Rudolf II. gemeinsame Italienpolitik, in deren Verlauf er von lombardischen Großen u¨ berfallen und ermorC LexMA det wurde.

Burchard, (Franz) Emil (Emanuel) von, Beamter,

Burchard I., Bischof von Worms, * um 965, † 20. 8. 1025 Worms. Der aus Hessen stammende B. erhielt seine Erziehung in St. Florin bei Koblenz. Zuerst Diakon eines Wormser Stadtbezirks, wurde er K¨ammerer des Erzbischofs → Willigis von Mainz und dort Propst von St. Victor, ehe ihm → Otto III. im Jahre 1000 das Bistum Worms u¨ bertrug. B. blieb zeitlebens ein treuer Helfer Ottos und seiner Nachfolger. Er nahm am Italienzug Ottos III, 1001 / 02 und am zweiten Italienzug → Heinrichs II. teil. B. bem¨uhte sich um den Wiederaufbau der von den Ungarn zerst¨orten Di¨ozese und weihte 1018 den Neubau des M¨unsters. Nachdem ihm Heinrich II. 1014 die Gerichtsgewalt u¨ ber das Bistum erteilt hatte, besorgte B. das sogenannte Wormser Hofrecht, eine erste schriftlich fixierte Regelung hofrechtlicher Verh¨altnisse. Als Rechtshandbuch f¨ur den Klerus verfaßte er mit Abt Olbert von Gembloux ein weitverbreitetes kirchenrechtliches Sammelwerk Decre¨ tum, das in der Uberlieferungskette zwischen → Regino von Pr¨um und Ivo von Chartres ein wichtiges Glied bildete. C LexMA

Burchard, Bischof von W¨urzburg, Benediktiner, † 2. 2. 753. B. war von Geburt Angelsachse und trat in den Benediktinerorden ein. Er kam als Mitarbeiter von → Bonifatius aufs Festland und wurde 742 zum Bischof des neugegr¨undeten Bistums W¨urzburg geweiht. 743 nahm er am Concilium Germanicum, der ersten deutschen Synode, 747 an der Reichssynode teil und u¨ berbrachte im Auftrag des Bonifatius dem Papst die von den fr¨ankischen Bisch¨ofen unterzeichnete

Burchard von Ursberg, Geschichtsschreiber, * vor 1177 Biberach, † an einem 11. 1., fr¨uhestens 1231 Ursberg. Noch im weltlichen Stand, hielt sich B. 1197-99 in Rom am p¨apstlichen Hof auf. Vermutlich lernte er in dieser Zeit die ber¨uhmte Rechtsschule in Bologna kennen. 1202 wurde er zum Priester geweiht und trat 1205 in das Pr¨amonstratenserstift Schussenried ein, wo er 1209 Propst war; 1215 wurde er Propst des Stifts Ursberg in Bayern. Dort verfaßte er 1229 / 30 eine Weltchronik, die an → Frutolf von Michelsberg und → Ekkehard von Aura anschließt; sie unterrichtet unter Benutzung verlorengegangener italienischer Quellen u¨ ber die Reichs- und Geistesgeschichte der Stauferzeit. C LexMA * 8. 8. 1836 K¨onigsberg, † 25. 4. 1901 Charlottenburg (heute zu Berlin). Der Sohn eines Obersalineninspektors studierte 1855-58 in Berlin und Heidelberg, trat in den preuß. Justizdienst ein und kam 1876 in das Reichskanzleramt. Als Vortragender Rat (seit 1878) vertrat er – er war als Vorsitzender der Zolltarifkommission des Bundesrats – im Reichstag die Bismarcksche Schutzzollpolitik. Als Direktor des Reichsschatzamtes war B. maßgeblich an der neuen Zollgesetzgebung beteiligt. 1882-86 sorgte er als Staatssekret¨ar im Reichsschatzamt f¨ur den Aufbau des Handelsvertragssystems mit dem Ausland. Nach seinem Abschied u¨ bernahm er bis 1899 die C NDB Leitung der Preußischen Seehandlung.

Burchard, (Gerson) Gustav, Schauspieler, Regisseur, Intendant, * 13. 12. 1859 Neubukow, † 15. 12. 1937 Berlin. B., Sohn eines Kaufmanns, trat zun¨achst in die Fabrik seines Onkels ein, nahm dann aber Schauspielunterricht in Hamburg, wo er 1881 sein Deb¨ut in der Titelrolle von Shakespeares Richard III. gab. Er war an mehreren Orten in Deutschland, der Schweiz sowie in Prag als Charakterdarsteller und Regisseur t¨atig und u¨ bernahm 1903 in Bremen die Oberregie an der Oper, 1907-09 die stellvertretende Leitung des Stadttheaters. Als die Stadt Bremerhaven ein neues Theater einrichtete, wurde B. 1911 zum P¨achter gew¨ahlt. Neben Feuilletons und Novellen bearbeitete er Werke von Hans → Sachs und schrieb dramatische Arbeiten wie L¨utzows wilde Jagd (1891, 21912). C Lex dt-j¨ud Autoren

Burchard, (Johann) Heinrich, Politiker, * 26. 7. 1852 Bremen, † 6. 9. 1912 Hamburg. Der Sohn eines Bankiers unternahm nach dem Abschluß des Jurastudiums mit der Promotion 1875 eine Studienreise nach England, trat 1877 in die Anwaltspraxis von Ernst Friedrich Sieveking ein und war 1879-85 Vorstandsmitglied der Hanseatischen Anwaltskammer. 1885 wurde er in den Senat, 1887 in die Senatskommission f¨ur Reichs- und ausw¨artige Angelegenheiten gew¨ahlt. Seit 1902 war B. B¨urgermeister von Hamburg. Als Berater Kaiser → Wilhelms II. u¨ bte er Einfluß auf die Entwicklung des deutsch-englischen Verh¨altnisses aus, das Amt des Reichskanzlers nach → B¨ulows R¨ucktritt lehnte er ebenso ab wie die Stelle des Direktors der Kolonialabteilung im Ausw¨artigen Amt. B. war Pr¨asident des Kirchenrats und der Synode der evang. Landeskirche. C NDB

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Burchard Burchard, Johann, Dominikaner, * Gebweiler (Elsaß), † nach 1536. Als Mitglied des Klosters von Gebweiler studierte B. in Heidelberg (1503) und Freiburg / Breisgau (1505) und wurde 1513 zum Dr. theol. promoviert. Nach T¨atigkeiten in Straßburg und Mainz wurde er 1521 Gehilfe des Nuntius Aleander auf dem Reichstag zu Worms und predigte gegen → Luther. 1524 wirkte er als Domprediger in Basel, 1525-28 als Prediger in Bremgarten bei Z¨urich. 1525 verfaßte B. unter dem Decknamen Theobald Perdutianus eine Schrift zur Verteidigung der Messe und disputierte 1526 bei der Badener Disputation auf der kath. Seite. Als Generalvikar der oberdeutschen Dominikanerkongregation geh¨orte er auf dem Reichstag in Augsburg 1530 zu jenen Theologen, die mit der Widerlegung der Augsburger Konfession beauftragt waren. 1531 wurde B. vom Speyrer Domkapitel zum Pfarrer in Esslingen ernannt, vom Stadtrat aber nicht zugelassen. Zuletzt wird er in einem Brief Aleanders 1536 als Propst des Kollegiatstifts Thann (Elsaß) erw¨ahnt. C NDB Burchardi, Ulrich, auch Burkard, Ulricus, Musikschriftsteller, * um 1480 / 85 Waischenfeld (Oberfranken), † nach 1531 vielleicht in Leipzig. B. ist zwischen 1500 und 1507 als Student in Leipzig nachgewiesen; 1507 wurde er Bakkalaureus, 1511 Magister. Er selbst lehrte dort 1513-17. 1516 zum Priester geweiht, trat er 1517 / 18 als Hofkaplan in den Dienst des Bamberger Bischofs Georg → Schenk von Limpurg. Nach Ver¨offentlichung seiner Schrift zur Glaubenslehre (Dialogismus de fide christiana [. . .], 1523) 1527 entlassen und 1528-30 inhaftiert, wurde er nach seinem Widerruf 1531 Lizentiat der Theologie in Leipzig. 1531 erwarb er das Bakkalaureat der Theologischen Fakult¨at. B. verfaßte 1514 einen bei Michael Lotter gedruckten Traktat Hortulus musices practicae [. . .], mit dem er versuchte, dem Mangel an geeignetem Unterrichtsmaterial in der Disziplin der Musik an der Univ. Leipzig abzuhelfen. C MGG

Burchardi, Wolrad, Jurist, * 22. 8. 1734 Niederaula, † 26. 7. 1793 Herborn. Der Sohn eines Amtmannes studierte seit 1750 in Marburg die Rechte, praktizierte dort als Anwalt und hielt Privatvorlesungen an der Universit¨at. 1757 wurde er zweiter Prof. der Rechtswissenschaft in Herborn und erhielt 1766 die erste Professur, mit der das akademische Syndikat und Archivariat verbunden war. Seit 1785 war er Oberhofrat. Seine Schriften befassen sich vornehmlich mit r¨omischem und nassauischem Recht sowie mit nassauischer Gelehrtengeschichte. C ADB

Burchardt, Frank A(dolf), auch Fritz B., National¨okonom, * 5. 1. 1902 Barneberg bei Magdeburg, † 21. 12. 1958 Oxford. B. studierte Philosophie und Soziologie in Magdeburg und National¨okonomie an den Universit¨aten Marburg, Heidelberg und Kiel, wo er 1925 mit der Arbeit Beitr¨age zum Problem der Statik bei Schumpeter promoviert wurde. Er u¨ bernahm eine Assistentenstelle bei Adolph → L¨owe am Kieler Institut f¨ur Weltwirtschaft und analysierte gemeinsam mit ihm zyklisch verlaufende Wachstumsprozesse moderner Industriewirtschaften. Sp¨ater folgte B. seinem Lehrer an die Univ. Frankfurt und reichte dort 1933 seine nur in Teilen ´ erhaltene Habilitationsschrift Das Tableau Economique als Grundlage der Konjunkturtheorie ein, durfte aber das Verfahren aus politischen Gr¨unden nicht abschließen. Er verließ die Univ. und arbeitete zwei Jahre f¨ur die „Frankfurter Zeitung“. 1935 emigrierte B. nach Oxford, wo er bis zu seinem Tod am Institute of Statistics t¨atig war, zun¨achst als Librarian, seit 1945 als Vizedirektor und seit 1948 als Direktor des Instituts. Er ver¨offentlichte u. a. Public Investment and

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the Trade Cycle (1942, mit Russell F. Bretherton und Robert S. G. Rutherford) und gab das „Bulletin of the Oxford University Institute of Statistics“ heraus. C Hagemann

Burchardt, Hermann, Forschungsreisender, * 18. 11. 1857 Berlin, † 19. 12. 1909 bei Tais (Jemen). Der gelernte Kaufmann begab sich nach dem Tod seines Vaters auf ausgedehnte Reisen durch alle Erdteile. Er erwarb am Seminar f¨ur orientalische Sprachen in Berlin das Diplom im Arabischen und unternahm von Damaskus aus wissenschaftliche Expeditionen durch die arabischen Staaten und Afrika. Dabei besuchte er h¨aufig Gegenden, die kein Europ¨aer vor ihm betreten hatte. Auf seinen Reisen schrieb B. kurze Tageb¨ucher; seine Photographien von Landschaften, Menschen, Bauwerken und Inschriften sind f¨ur die Ethnographie und Kulturgeschichte des Orients von großem Wert. Von seiner dritten und letzten Reise durch den Jemen, auf der B. ermordet wurde, liegt ein Bericht seines arabischen Reisebegleiters vor (Aus dem Jemen. Hermann Burchardts letzte Reise durch S¨udarabien). C Biogr Jahrb, Bd 14 Burchart, Franz, Staatsmann, * 6. (3.) 7. 1504 / 05 Weimar, † 15. 1. 1560 Weimar. B., Sohn eines Gutsbesitzers, erhielt nach dem Studium in Wittenberg (Magister 1524) dort 1526 einen Lehrstuhl f¨ur griechische Sprache, befand sich seit 1535 in kurs¨achsischen Staatsdiensten und verwaltete 1536-42 nur interimistisch das Kanzleramt, da er Nichtjurist und dem Kurf¨ursten → Johann Friedrich I. als Sch¨uler → Melanchthons nicht orthodox genug war. 1542 wurde B. Kanzler des besetzten braunschweigischen Landes, seit 1544 zugleich kurs¨achsischer und schmalkaldischer Rat in Weimar. Er geh¨orte zu den bedeutenderen kurs¨achsischen Reformpolitikern; → Luther hielt ihn und seinen Lehrmeister Gregor → Br¨uck f¨ur einflußreicher als ihre adligen Ministerkollegen. C NDB Burchartz, Max, Maler, Graphiker, * 28. 7. 1887 Elberfeld (heute zu Wuppertal), † 31. 1. 1961 Essen. B. bildete sich an der Kunstgewerbeschule Elberfeld und an der Textil-Fachschule Barmen aus und studierte 1906-08 an der D¨usseldorfer Akademie bei Walter Corde. Nach kurzen Aufenthalten in M¨unchen und Berlin schlossen sich Studien in Paris (bei C´ezanne und Picasso), Antwerpen und Algier an. Seit 1919 lebte er in Hannover, Weimar und Bochum. 1926-33 und 1949-61 war B. Prof. an der Folkwangschule in Essen. In seiner anf¨anglichen impressionistischen Phase schuf B. 1919 Mappenwerke zu Szenen aus Raskolnikoff von Dostojewski, wandte sich nach 1945 dem Expressionismus zu und ging sp¨ater zu einer auf geometrischen Fl¨achen basierenden Formgebung u¨ ber. Als einer der Ersten verwendete er Fotomontagen f¨ur die Gestaltung von Werbeprospekten und Sachb¨uchern und entwickelte eine neue, sachliche Schrifttype. Er ver¨offentlichte u. a. Gleichnis der Harmonie (1949) und Gestaltungslehre. C AKL

Burck, Erich Wilhelm, Klassischer Philologe, * 30. 11. 1901 Grimma (Sachsen), † 10. 1. 1994 Kiel. B., Sohn eines Postsekret¨ars, studierte seit 1921 an der Univ. Leipzig Geschichte, Griechisch und Latein sowie Leibes¨ubungen, wurde 1925 promoviert (De Vergilii Georgicon partibus iussivis) und unterrichtete zun¨achst in Gymnasien in Dresden und Meißen. 1927 erhielt er eine Assistenstelle am Institut f¨ur Altertumskunde der Univ. M¨unster und habilitierte sich dort 1931 (Die Erz¨ahlkunst des T. Livius, 1934, 21964). Nach einer Lehrstuhlvertretung in Berlin wurde er 1935 a. o., 1938 o. Prof. an der Univ. Kiel, deren Rektor er 1961 / 62 war. B. arbeitete u¨ ber r¨omische Geschichtsschreibung (vor allem Livius) und Dichtung. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren eine Einf¨uhrung in die dritte Dekade des Livius (1950, 21964), Vom Menschenbild

Burckhard in der r¨omischen Literatur (2 Bde., 1966-81), Die Frau in der griechisch-r¨omischen Antike (1969), Vom r¨omischen Manierismus (1971), Das r¨omische Epos (1979) und Historische und epische Tradition bei Silius Italicus (1984). Seit 1940 geh¨orte er zu den Herausgebern der Zeitschrift „Gnomon“, 1952 gr¨undete er zusammen mit Hans → Diller die Zeitschrift „Zetemeta“. B. war 1966-70 Zweiter Vorsitzender der Mommsen-Gesellschaft, 1952-56 Vorsitzender des Deutschen Altphilologenverbandes und seit 1974 dessen Ehrenvorsitzender. Die Univ. Kiel ernannte ihn 1981 zum Ehrensenator, andere Universit¨aten ehrten ihn durch die Verleihung von Ehrendoktoraten. Zu seinem siebzigsten und achtzigsten Geburtstag erschienen jeweils Festschriften.

Burck, Joachim von, eigentl. Moller, Kantor, Komponist, * zwischen dem 3. 7. 1545 und dem 2. 7. 1546 Burg bei Magdeburg, † 24. 5. 1610 M¨uhlhausen. B., wahrscheinlich Sohn eines Predigers, erhielt vermutlich in Magdeburg zur Zeit der Schulmusiker Martin → Agricola und Gallus → Dreßler eine gr¨undliche Ausbildung und machte erste Bekanntschaft mit den Werken Orlando di → Lassos. 1563 wurde er in M¨uhlhausen Kantor an der Lateinschule und 1566 Organist an St. Blasius. Im gleichen Jahr stellte er sein kompositorisches K¨onnen mit dem Motettenwerk Harmoniae sacrae unter Beweis; ihm folgten bis 1574 zahlreiche weitere Motetten, dann vermehrt Kirchenlieder und Oden. Von großer Bedeutung f¨ur B.s Schaffen war die Freundschaft mit dem 1571 nach M¨uhlhausen u¨ bergesiedelten Ludwig → Helmbold. Zur Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verh¨altnisse u¨ bernahm B. 1568 das Amt eines Gerichtsschreibers und 1580 die Stelle des Konsistoriumsschreibers. 1583 wurde er in den Ratsstand erhoben. C MGG

Burckard, Jo(h)annes, auch Burchardi, p¨apstlicher Zeremonienmeister, * um 1450 Haslach (Elsaß), † 16. 5. 1506 Rom. B. kam 1467 nach Rom, bekleidete verschiedene kuriale ¨ Amter und wurde unter Sixtus IV. 1483 Zeremonienmeister. Nach dem Erwerb zahlreicher Pfr¨unden (in Metz, Straßburg und Basel) wurde er 1503 zum Bischof von Orte und Civita Castellana ernannt und zum Priester geweiht, blieb jedoch in Rom. B., der von 1483 bis zu seinem Tod seine T¨atigkeit am p¨apstlichen Hof und f¨ur die Liturgie schriftlich festhielt, hinterließ mit seinem zum Eigengebrauch bestimmten Diarium (Liber notarum) eine kultur- und kirchengeschichtlich h¨ochst interessante Quelle. Mit Agostino Patrizi gab er einen neuen Liber pontificalis (1485) heraus. B.s Ordo missae (1498; v¨ollig u¨ berarbeitete Ausgabe 1502) bestimmte u¨ ber das Missale Romanum Pius’ V. (1570) entscheidend die r¨omische Meßfeier. C LThK Burckhard, Georg, Gyn¨akologe, * 15. 5. 1872 Jena, † 2. 3. 1955 Lohr / Main. Nach dem Studium in W¨urzburg und Heidelberg wurde B. 1894 in W¨urzburg promoviert (Beitrag zur pathologischen Anatomie des cavern¨osen Angioms der Leber) und war Assistent am Pathologischen Institut in Z¨urich, 1896-1901 an den Frauenkliniken in Greifswald und W¨urzburg, ehe er sich 1901 in W¨urzburg f¨ur Geburtshilfe und Gyn¨akologie habilitierte (Die Implantation des Eies der Maus in die Uterusschleimhaut und die Umbildung derselben zur Decidua). 1908 wurde er a. o. Prof. und Leiter der dortigen Hebammenschule, 1923 o. o¨ . Professor. Er ver¨offentlichte u. a. Die deutschen Hebammenordnungen von ihren ersten Anf¨angen bis auf die Neuzeit (hrsg. 1912), Joseph Servatius von d’Outrepont (1913) und Geburtshilfliche und gyn¨akolo¨ gische Therapie (1928, 21938). 2, 3 C Arzte

Burckhard, Hugo Ritter von, Jurist, * 30. 10. 1838 Weida, † 29. 1. 1918 W¨urzburg. B. studierte in Jena und Heidelberg, habilitierte sich 1863 in Jena f¨ur r¨omisches Recht und wurde dort 1866 zum a. o. Prof. ernannt. 1872 folgte er einem Ruf als o. Prof. nach Kiel, 1877 nach Greifswald, 1881 nach W¨urzburg, wo er vor allem r¨omisches Zivilrecht und deutsches b¨urgerliches Recht lehrte. B. verfaßte u. a. Die Stellung der Schenkung im Rechtssystem (1891) und Zum Begriff der Schenkung (1899).

Burckhard, Jakob, Klassischer Philologe, Bibliothekar, * 29. 4. 1681 Sulzbach (heute zu Sulzbach-Rosenberg), † 24. 8. 1752 Wolfenb¨uttel. Der Sohn eines Stadtpredigers studierte seit 1701 in Jena, Helmstedt und Halle vorzugsweise klassische Philologie, unternahm 1707 eine Studienreise durch Holland und wurde 1714 Prof. der Beredsamkeit und der sch¨onen Wissenschaften am Gymnasium in Hildburghausen. Nach der Aufl¨osung der Schule wurde er 1727 auf F¨ursprache seines einflußreichen Bruders als besoldeter Rat nach Wolfenb¨uttel berufen. Nach dem Tod Hertels wurde B. 1738 Bibliothekar der Bibliotheca Augusta. Er machte sich um die Ordnung der noch ungesichteten Bibliotheksregistratur verdient und unternahm mit Historia bibliothecae Augustae, quae Wolfenbutteli est, duobus libris comprehensa 1744 den ersten Versuch einer Geschichte der Anstalt.

Burckhard, Johannes, Abt von M¨unsterschwarzach, * 1538, † 1598. B., Sohn eines markgr¨aflich-ansbachischen Vogts, kam 1548 ins Kloster M¨unsterschwarzach und erhielt 1555 die Priesterweihe. Nachdem ihm als Prior bereits 1556 vom leitenden Abt alle administrativen Aufgaben u¨ bertragen worden waren, wurde er nach dessen Tod 1563 zum Nachfolger gew¨ahlt. Unter der F¨uhrung von B. erstarkte das geistliche Leben, und das Kloster gelangte zu neuer wirtschaftlicher Bl¨ute, die es zu einem wichtigen Kreditgeber des Hochstiftes W¨urzburg machte. 1574 war B. auf Wunsch seines Bischofs und Landesherrn Julius → Echter von Mespelbrunn zus¨atzlich mit der Wiederherstellung des monastischen Lebens in Theres betraut und seit 1575 außerdem verantwortlich f¨ur die Banzer Abtei. Da die Vorschriften des Konzils von Trient eine Anh¨aufung von Pfr¨unden untersagten, trug er nun den Titel „Abt von Banz und Administrator von M¨unsterschwarzach“. Vom Bischof wurde B. sp¨ater auch noch mit der wirtschaftlichen Sanierung des W¨urzburger Stadtklosters St. Stephan beauftragt und erhielt hierf¨ur 1590 als Administrator s¨amtliche Vollmachten. C Fr¨ank Leb, Bd 18

Burckhard, Max (Eugen), o¨ sterr. Theaterdirektor, Schriftsteller, * 14. 7. 1854 Korneuburg (Nieder¨osterreich), † 16. 3. 1912 Wien. B., Sohn eines Gerichtsbeamten, trat nach dem Studium an der Univ. Wien und der Promotion zum Dr. jur. in das Wiener Landesgericht f¨ur Strafsachen ein und wurde 1886 aufgrund seines Systems des o¨ sterreichischen Privatrechts (1883-89) Privatdozent f¨ur o¨ sterr. Privatrecht, 1887 Ministerial-Vizesekret¨ar im Ministerium f¨ur Kultus und Unterricht. Seit 1890 Direktor des Hofburgtheaters, nahm er zeitgen¨ossische Dramatiker wie → Anzengruber, → Hauptmann, → Schnitzler und → Sudermann in den Spielplan auf, engagierte Adele → Sandrock, Hedwig → Bleibtreu und Friedrich → Mitterwurzer und leitete eine Reform der B¨uhnenkontrakte zugunsten der Schauspieler ein (Das Recht der Schauspieler, 1896). Mit der Einf¨uhrung billiger Nachmittagsvorstellungen o¨ ffnete B. das Theater breiten Publikumsschichten. 1898 wurde er entlassen und zum Hofrat am Verwaltungsgerichtshof ernannt. In der Folge wirkte er als Theaterkritiker und schrieb Romane, Novellen und Volksst¨ucke (Im Paradies, 1907). C Killy

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Burckhard Burckhard, Peter, auch Burchard, Mediziner, * um 1465 Ingolstadt, † 30. 3. 1526 Ingolstadt. B. studierte seit 1479 an der Univ. Ingolstadt, erwarb den Grad eines Magister artium und wurde 1484 in das Gremium der lesenden Magister der Artistenfakult¨at aufgenommen. 1497 zum Dr. med. promoviert, erhielt er eine Professur f¨ur Medizin an der Univ. Ingolstadt. 1504-06 diente B. dem Bischof von Eichst¨att als Leibarzt; anschließend wirkte er als Physikus u. a. in N¨urnberg, Ulm und Regensburg und nahm 1518 eine Medizinprofessur an der Univ. Wittenberg an. Dort ver¨offentlichte er 1519 die Arbeit Parva Hippocratis tabula, zu der Philipp → Melanchthon ein Vorwort schrieb. 1520 wurde B. Rektor der Univ. Wittenberg. Wegen seiner engen Beziehungen zum Luthergegner Johannes → Eck hatte er einen schweren Stand. 1521 kehrte er nach Ingolstadt zur¨uck, wo er mehrfach Dekan der medizinischen Fakult¨at wurde. B. setzte sich in Ingolstadt daf¨ur ein, daß die vormals gelehrte arabische Medizin durch die griechische ersetzt wurde. Johann → Agricola und Leonhart → Fuchs waren seine Sch¨uler. C LMU

Burckhardt, Albrecht (Eduard), schweizer. Hygieniker, * 13. 7. 1853 Basel, † 2. 12. 1921 Basel. Nach dem Studium in Basel, T¨ubingen und G¨ottingen wurde B. 1878 promoviert (Beitr¨age zur Kenntniss der Basler Typhusepidemie von 1877). 1888 habilitierte er sich und wurde 1892 auf den neugeschaffenen Lehrstuhl f¨ur Hygiene an der Univ. Basel berufen. Seit 1894 bekleidete er das Vorsteheramt am Hygiene-Institut, mit dem die Aufgaben eines Schularztes und eine Gutachtert¨atigkeit in der Sanit¨atskommission verbunden waren. B. erkannte fr¨uh die Bedeutung der Bakteriologie; er befaßte sich mit Gewerbehygiene, medizinischer Statistik und Demographie und ver¨offentlichte u. a. eine Geschichte der Medizinischen Fakult¨at zu Basel (1460-1900) (1917). C HLS Burckhardt, Carl (Emanuel), schweizer. Geologe, Pal¨aontologe, * 28. 3. 1869 Basel, † 26. 8. 1935 Mexiko. B., Sohn eines Kaufmanns, studierte seit 1888 in Basel, Z¨urich und Genf Botanik und Geologie; nach der Promotion 1893 in Z¨urich (Die Kontaktzone von Kreide und Terti¨ar am Nordrande der Schweizeralpen vom Bodensee bis zum Thunersee) wurde er Mitarbeiter der Schweizerischen Geologischen Gesellschaft und 1896 an das Museo de la Plata berufen. Seit 1901 hielt er sich zur Auswertung der s¨udamerikanischen Ammonitenfunde in M¨unchen auf, wurde dort Assistent an der Geognostischen Abteilung des bayerischen Oberbergamts und ging 1904 als Chefgeologe des Instituto ¨ Geol´ogico de M´exico wieder nach Ubersee. 1915 verlor er nach einer Revolution seine Stelle und schuf als Privatgeologe die Grundlagen f¨ur die Kenntnis der Pal¨aogeographie, der Klimaverh¨altnisse und der Ammonitenfauna Mittelamerikas. Besonders die Erd¨olgesellschaften bedienten sich der Ergebnisse seiner Arbeiten. C NDB Burckhardt, Carl (Nathanael), Bildhauer, Maler, * 13. 1. 1878 Lindau (Kt. Z¨urich), † 24. 12. 1923 Ligornetto (Kt. Tessin). B., Bruder von Paul → B., erhielt eine Ausbildung in Basel und war in M¨unchen Sch¨uler von Heinrich → Knirr. Zun¨achst in Basel als Maler und Zeichner t¨atig, unterhielt er 1899-1904 ein Atelier in Rom und wandte sich als Autodidakt der Plastik zu. Nach der unvollendeten Arbeit an einer lebensgroßen Doppelgruppe Zeus und Amor entstand mit dem Sandsteinrelief im Eingangsgiebel der Basler Pauluskirche seine erste Bauskulptur. 1905-10 formte B. im Atelier in Arlesheim, in Florenz und Forte dei Marmi die u¨ berlebensgroße Venus. 1914-21 entstanden im kleinen Format Plastiken wie Die Badende und Ruhende Hirtin; die Brunnenfiguren vor dem Badischen Bahnhof in Basel z¨ahlen zu

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B.s Hauptwerk. B., der f¨ur die Schweizer Plastik in der ersten H¨alfte des 20. Jh. richtungweisend wurde, siedelte 1921 nach Ligornetto (Kt. Tessin) u¨ ber. Als Kunstschriftsteller arbeitete er u¨ ber → Holbein und → B¨ocklin. 1956 erschien Zeus und Eros. Aufzeichnungen des Bildhauers V. B. (hrsg. C AKL von Titus Burckhardt).

Burckhardt, Carl Jacob, schweizer. Diplomat, Historiker, * 10. 9. 1891 Basel, † 3. 3. 1974 Vinzel (Kt. Waadt). Der Sohn eines Juristen und Großneffe Jacob → B.s war nach dem Studium der Geschichts- und Staatswissenschaften in Basel, M¨unchen, G¨ottingen und Z¨urich 1918-21 Attach´e bei der Gesandtschaft der Schweiz in Wien, wo er mit Hugo von → Hofmannsthal Freundschaft schloß. 1923 betreute er im Auftrag des Internationalen Roten Kreuzes Fl¨uchtlinge und Gefangene aus dem Griechisch-T¨urkischen Krieg, habilitierte sich 1927 in Z¨urich, wurde dort 1929 Prof. der Geschichte, lehrte seit 1932 auch am Genfer Institut de Hautes ´ Etudes Internationales und war 1937-39 Hoher Kommissar des V¨olkerbundes in Danzig, wo er sich vergeblich bem¨uhte, den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu verhindern. Als Pr¨asident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (1945-48) und Gesandter der Schweiz in Paris (1945-49) wirkte B. weiterhin im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit. Der 1954 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Historiker wandte sich in seinem literarischen Schaffen den großen Gestalten der europ¨aischen Geschichte zu. B.s Hauptwerk ist die historische Monographie Richelieu (4 Bde., 1935-67); der Briefwechsel mit Hugo von Hofmannsthal (1956, 21991) und Meine Danziger Mission 1937-39 (1960) geben Auskunft u¨ ber sein Wirken in Wien und w¨ahrend der Vorkriegszeit. C HLS Burckhardt, Ernst Friedrich, schweizer. Architekt, * 7. 7. 1900 Z¨urich, † 10. 10. 1958 Uckfield (Großbritannien). Einem Volontariat im Z¨urcher Architektenb¨uro der Gebr¨uder Pfister ließ B., Neffe von Carl und Paul → B., 1920-24 ein Studium in London folgen, anschließend begann er eine selbst¨andige T¨atigkeit als Architekt in Z¨urich, seit 1949 in B¨urogemeinschaft mit seiner Ehefrau und seit 1954 mit A. M¨uggler. Daneben arbeitete er seit 1932 beim Congr`es International d’Architecture Moderne (CIAM), gr¨undete 1935 die Zeitschrift „weiterbauen“ und wirkte als Maler, B¨uhnenbildner und Intendant. Er war Dozent f¨ur Theaterbau an der ETH Z¨urich und Korrespondent f¨ur RIBA und Town Planning Institute in London. Zu seinen Hauptwerken z¨ahlt der Umbau des Corso-Theaters in Z¨urich; ferner f¨uhrte er eine Reihe von Ausstellungs- und Wohnbauten sowie das Freibad Oberer Letten aus. B. kam bei einem Unfall ums Leben. C AKL Burckhardt, Felix Heinrich, schweizer. Bibliothekar, * 13. 10. 1883 Basel, † 14. 6. 1962 Z¨urich. B. studierte in Basel, Grenoble und M¨unchen Geschichte und Philosophie; 1908 wurde er als Dr. phil. Volont¨ar und ein Jahr sp¨ater Bibliothekar an der Stadtbibliothek Z¨urich. Nach der Gr¨undung der Zentralbibliothek Z¨urich war er seit 1917 deren Vizedirektor, 1932-49 Direktor. 1937-41 war B. Pr¨asident der Vereinigung Schweizer Bibliothekare, 1938-53 Mitglied und Pr¨asident der Schweizer Bibliothekskommission sowie Aktuar der Schweizer Volksbibliothek. 1934 rief er vergeblich zur Rationalisierung der Sammelt¨atigkeit in den Bibliotheken des Landes auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg unterst¨utzte er die Buchhilfe f¨ur Kriegsgesch¨adigte im Ausland. Neben kleineren bibliothekarischen, historischen und numismatischen Arbeiten verfaßte B. f¨ur die MinervaHandb¨ucher, 1. Abt. Bibliotheken den Bd. 3 Schweiz (1934). C HLS

Burckhardt Burckhardt, Franz, schweizer. Maschinenbauer, * 1809, † 1882. B., Sohn eines B¨ackers und verwandt mit dem Forschungsreisenden Johann Ludwig → B. und dem Historiker Jacob → B., durchlief eine Mechanikerlehre und ging als Geselle f¨ur nahezu f¨unfzehn Jahre auf Wanderschaft, die ihn u. a. nach Darmstadt, Hamburg und Paris f¨uhrte. Anfang der vierziger Jahre nach Basel zur¨uckgekehrt, richtete er 1844 zusammen mit einem Freund eine Werkstatt ein, in der er Maschinen f¨ur die Textilindustrie herstellte, darunter gravierte Walzen, mit denen Seidenb¨ander verziert wurden, Webst¨uhle und Maschinen f¨ur die Seidenf¨arberei sowie seit 1856 Dampfmaschinen. B. verkaufte seine Pro¨ dukte auch ins Ausland, u. a. nach Rußland, Osterreich und England. Sein Unternehmen umfaßte bald eine Reihe von Werkst¨atten wie Schlosserei, Dreherei, Schmiede, Schreinerei, Messinggießerei und Feinmechanik sowie seit 1868 eine eigene Betriebskrankenkasse. 1876 u¨ bernahm B.s Sohn August → Burckhardt-Schaub die Gesch¨aftsleitung. C Schweizer Pioniere, Bd 59 Burckhardt, Fritz, schweizer. Mathematiker, Physiker, * 28. 12. 1830 Sissach, † 3. 2. 1913 Basel. B. wurde nach dem Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften in Basel, Genf, Karlsruhe und Berlin 1852 Mathematiklehrer am Gymnasium in Basel; 1867 begann er als Extraordinarius an der Univ. mit Vorlesungen u¨ ber ebene und sph¨arische Trigonometrie und physiologische Optik. 1869 wurde er Rektor der Gewerbeschule, von 1875 bis zum Ruhestand 1902 leitete er das humanistische Gymnasium. Besonders in den Auseinandersetzungen um das Speisersche Schulgesetz von 1880 erwarb er sich Verdienste um die Wahrung der humanistischen Bildungsm¨oglich¨ keiten. Neben naturwissenschaftlichen Publikationen (Uber die physikalischen Arbeiten der Societas physica helvetica, 1867; Die wichtigsten Thermometer des XVIII. Jahrhunderts, 1871; Zur Geschichte des Thermometers, 1902) schrieb er Historisches u¨ ber Basel (Geschichte der botanischen Anstalt in Basel, 1905) und seine bedeutenden M¨anner (Christoph Bernoulli, 1898). Burckhardt, Gottlieb, schweizer. Mediziner, * 24. 12. 1836 Basel, † 6. 2. 1907 Basel. B., Sohn eines Arztes, studierte in Basel, G¨ottingen und Berlin Medizin, wurde 1860 in Basel zum Dr. med. promoviert und habilitierte sich dort 1862 f¨ur Innere Medizin und Nervenkrankheiten. Er praktizierte anschließend als Arzt mit Schwerpunkt auf Neurologie. 1873 wurde er Sekund¨ararzt an der psychiatrischen Klinik in Waldau und 1876 Privatdozent f¨ur Psychiatrie und Nervenkrankheiten an der Univ. Bern. Seit 1882 leitete B. die Heilanstalt Pr´efargier (Marin-Epagnier) und entwickelte dort die psycho-chirurgische Topektomie. 1891 wurde B. Direktor der Sonnhalde-Klinik in Basel, ohne jedoch seine Forschung fortzusetzen. B. ver¨offentlichte u. a. Die physiologische Dia¨ gnostik der Nervenkrankheiten (1875), Uber Sehnenreflexe ¨ (1877) und Uber Rindenexcisionen als Beitrag zur operativen Therapie der Psychosen (1891). C HLS Burckhardt, Heinrich (Christian), Forstdirektor, * 26. 2. 1811 Adelebsen bei G¨ottingen, † 14. 12. 1879 Hannover. B., Sohn einer K¨ochin und eines F¨orsters, durchlief eine Forstlehre bei dem Reitenden F¨orster Braun, wurde 1828 Feldj¨ager und studierte 1833 / 34 in G¨ottingen Mathematik und Naturwissenschaften. Anschließend wirkte er im praktischen Dienst des Waldschutzes und bei B¨uroaufgaben; 1836 wurde er Unterf¨orster in B¨uhren, 1840 F¨orster in Landwehrhagen, 1843 in Relliehausen und 1844 als Lehrer der Forstwissenschaft und Revierverwalter an die neueingerichtete

Forstlehranstalt in M¨unden berufen. Nach der Aufhebung der Anstalt wurde B. mit dem Titel eines Forstrats Mitglied der Dom¨anenkammer zu Hannover, sp¨ater Forstdirektor und 1858 Chef der hannoverschen Forstverwaltung. Als einer der bedeutenden Forstm¨anner seiner Zeit erwarb sich B. Verdienste um die Forstorganisation und -gesetzgebung (Der Waldwert, 1860). C Allg Hann Biogr, Bd 1

Burckhardt, Helmuth, Industrieller, * 5. 11. 1903 Berlin, † 14. 4. 1984 W¨urselen. Nach dem Examen zum Diplom-Bergingenieur arbeitete B. seit 1925 als Bergreferendar beim Preuß. Oberbergamt Breslau und fand 1928 eine Anstellung beim Bergwerksdirektor des F¨ursten Pleß in Waldenburg / Schlesien. Seit 1930 Vorstandsmitglied der Mansfeld AG Eisleben, trat er 1933 als Betriebsdirektor in den Eschweiler Bergwerks-Verein ein, wurde 1935 Direktor und geh¨orte seit 1938 zum Vorstand. 1951 wurde B. Generaldirektor des Unternehmens. Im selben Jahr u¨ bernahm er als Gr¨undungsmitglied den Vorsitz im Unternehmensverband des Aachener Steinkohlenbergbaus. 1956-67 war B. Vorstandsvorsitzender des Unternehmensverbandes Ruhrbergbau. C Munzinger Burckhardt, Jacob (Christoph), Historiker, * 25. 5. 1818 Basel, † 8. 8. 1897 Basel. Aus einer Basler Gelehrtenund Pfarrerfamilie stammend, besuchte B. das Ratsgymnasium in Basel, studierte von 1837 bis 1839 dort zun¨achst Theologie, dann klassische Philologie, Geschichte und Kunstgeschichte. In Berlin h¨orte er Vorlesungen L. → Rankes, J. G. → Droysens, J. → Grimms, A. → Boeckhs und F. → Kuglers, in Bonn F. → Welckers. 1843 wurde er aufgrund seiner Arbeiten u¨ ber → Karl Martell und → Konrad von Hochstaden in absentia in Basel promoviert, wo er sich bald auch habilitierte. 1844 / 45 redigierte er die konservative „Basler Zeitung“, in der er den radikalen Liberalismus wie den politischen Katholizismus bek¨ampfte. Von 1848 an lehrte er Geschichte am Basler P¨adagogium, von 1855 bis 1858 Kunstgeschichte an der ETH in Z¨urich, bis er den Ruf als Ordinarius der Geschichte und Kunstgeschichte an der Basler Univ. erhielt. Rufe an deutsche Universit¨aten, u. a. auf den Lehrstuhl Rankes in Berlin, lehnte er ab; seit 1886 las er, bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1893, nur noch u¨ ber Kunstgeschichte. Nachdem B. sich zun¨achst haupts¨achlich mit der Geschichte des Mittelalters befaßt und – vor allem durch die Bearbeitung der Handb¨ucher von F. Kugler w¨ahrend eines Aufenthaltes in Berlin 1846 / 47 – die Kunstgeschichte zu seinem zweiten, gleichberechtigten Arbeitsgebiet gemacht hatte, wurden seine wiederholten Aufenthalte in Italien f¨ur ihn entscheidend wichtig; jetzt entstanden in großartiger Synthese von Geschichte und Kunstgeschichte die Werke, die seinen Ruhm als Meister und Vorbild moderner Kulturgeschichtsschreibung begr¨undeten. Seine Sicht der Geschichte l¨oste sich nun aus nationaler Begrenzung und von romantischen Einfl¨ussen, sie wurde abendl¨andisch-europ¨aisch und r¨uckte ab vom dominierenden Paradigma politischer Geschichte. Das erste dieser Werke Die Zeit Konstantin des Großen (1856) stellte diese Epoche nicht als Niedergang der antiken Welt dar, son¨ dern als Ubergang zum Christentum, in dem sich die Grundlagen der Kultur des Mittelalters formierten, deren Bl¨ute im 12. und 13. Jh. B. schon 1849 / 50 in einer Vortragsreihe vorgestellt hatte. 1855 folgte Der Cicerone. Eine Anleitung

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Burckhardt zum Genuß der Kunstwerke Italiens. (Das Franz Kugler gewidmete Werk ist von der 2. bis zur 9. Auflage von anderen Herausgebern u¨ berarbeitet worden.) Weit mehr als „ein nicht unerw¨unschter Reisebegleiter“, ist der Cicerone ein Dokument intimer Kennerschaft und ebenso pr¨aziser wie anregender Beschreibung und Deutung der italienischen Kunst seit der Antike. Bedeutender und von weit gr¨oßerer historiographischer Wirkung war Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch (1860): nicht nur die erste große, f¨ur sp¨atere Forschung grundlegend gebliebene Darstellung einer außerordentlich reichhaltigen politischen, sozialen und kulturellen Konfiguration, die einem Zeitalter den Namen gab, sondern methodisch und darstellerisch „das“ beispielgebende Werk der Kulturgeschichtsschreibung. Von der als Erg¨anzung geplanten Bestandsaufnahme der Kunst der Renaissance (1867) ist ein Torso geblieben, ein – allerdings großartiges – Inventar der Bauwerke und der Dekoration. Nach diesen Werken, die – abgesehen von dem letztgenannten – in knapp einem Jahrzehnt erschienen, hat B., der weitere drei Jahrzehnte sein Basler Lehramt wie eine ausgedehnte Vortragst¨atigkeit f¨ur das gebildete Publikum gewissenhaft wahrnahm, zu seinen Lebzeiten nichts mehr ver¨offentlicht. Sein großes Alterswerk, die Griechische Kulturgeschichte (4 Bde.), ist zuerst von Jacob Oeri aus dem Nachlaß zum Teil aufgrund des Kollegmanuskripts und einer Kollegnachschrift herausgegeben worden. Das gilt auch f¨ur die Weltgeschichtlichen Betrachtungen, eine Folge von Vorlesungen und Vortr¨agen, denen Oeri den ber¨uhmt gewordenen Titel gegeben hat. (Die komplizierte Geschichte des Textes ist untersucht von Peter Ganz, dessen Edition [1982] jetzt als verbindlich zu gelten hat.) Die Griechische Kulturgeschichte reicht von der mythischen Vorzeit bis zum sp¨aten Hellenismus, von den Urspr¨ungen bis zur Selbstaufl¨osung der griechischen Kultur, wobei dem Hellenismus die Bedeutung zukommt, die Kontinuit¨at der Kultur Alteuropas geleistet zu haben. B.s nachhaltigste Wirkung geht von den Weltgeschichtlichen Betrachtungen aus – von ihm selbst als Betrachtungen u¨ ber das Studium der Geschichte verstanden. Sie entstanden in den Jahren 1868 bis 1873, also in einer historisch bewegten und von B. kritisch und pessimistisch betrachteten Zeit. Sie beinhalten wie auch manche gleichzeitige und sp¨atere Briefe – B. war ein gl¨anzender Briefschreiber – nicht nur eine im 20. Jh. intensiv diskutierte und rezipierte Theorie der Geschichte und der Geschichtsschreibung; sie sind auch durch eine sehr pers¨onliche Sicht der Geschichte gekennzeichnet, die dem, zumal in Deutschland nach der Reichsgr¨undung, vorherrschendem Zeitgeist entgegenstand, nach dem Ersten Weltkrieg jedoch als ahnungsvolle pessimistische Analyse der Tendenzen der allgemeinen Politisierung, des Machtstaatsdenkens und des Militarismus, der Vermassung und der kulturellen Nivellierung starke Resonanz fand. Sein lebenslanges Interesse galt der „Bildung Alt-Europas“, dessen Kultur er im Zeitalter der Revolutionen und des sozialen und kulturellen Wandels seiner Zeit zerfallen sah. Er f¨urchtete die „Verflechtung der gegenw¨artigen Krisis mit gewaltigen V¨olkerkriegen“, weil die dagegenstehenden „Rechts¨uberzeugungen“ schwach geworden seien. Nicht zuletzt diese Einsicht hat ihn, den „weisesten Geist des neunzehnten Jahrhunderts“ (J. Huizinga), der aller Geschichtsphilosophie ablehnend gegen¨uberstand, zu einem der großen Geschichtsdenker gemacht. Sein Versuch (in den Weltgeschichtlichen Betrachtungen), ohne teleologische Spekulation den großen Gang der Geschichte von der Interaktion der drei „Potenzen“ Staat, Religion und Kultur her zu verstehen, ist die Konzeptualisierung seiner historiographischen Arbeit, der es um die Gesamtdar-

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stellung historischer Sachverhalte, den Nachweis von Kontinuit¨aten in der Geschichte, den typisierenden Vergleich und stets auch um die Demonstration der bildenden Funktionen und der moralischen Verantwortung des historischen Denkens ging. WEITERE WERKE: J. B.: Gesamtausgabe. 14 Bde., Stuttgart / Berlin / Leipzig 1929-34. – Gesammelte Werke. 10 Bde., Ba¨ sel 1955-59. – Uber das Studium der Geschichte. Der Text der „Weltgeschichtlichen Betrachtungen“ aufgrund der Vorarbeiten von E. Ziegler nach den Handschriften hrsg. v. Peter Ganz. M¨unchen 1982. – Historische Fragmente. Aus dem Nachlaß gesammelt von Emil D¨urr. Mit einem Vorwort von Werner Kaegi. Stuttgart 1957. – Briefe. Vollst¨andige Ausgabe. Hrsg. v. Max Burckhardt. 10 Bde., Basel 1949-86. – Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hrsg. von der JacobBurckhardt-Stiftung, Basel. M¨unchen 2000 ff. LITERATUR: Werner Kaegi: J. B. Eine Biographie. 7 Bde., Basel 1947-82. – Karl L¨owith: J. B. Der Mensch inmitten der Geschichte. Stuttgart 21966. – Werner Kaegi: J. B. und sein Jahrhundert. Basel 1968. – J¨orn R¨usen: J. B. In: Deutsche Historiker III. Hrsg. v. Hans-Ulrich Wehler. G¨ottingen 1972, S. 7-28. – Wolfgang Hardtwig: Geschichtsschreibung zwischen Alteuropa und moderner Welt. J. B. in seiner Zeit. G¨ottingen 1974. – J¨urgen Große: Typus und Geschichte. Eine J. B.-Interpretation. K¨oln u. a. 1997. – Peter Betthausen (Hrsg.): J. B. und die Antike. Mainz 1998. – Volker Reinhardt: J. B. und die Erfindung der Renaissance. Bern 2002. – Andrea Sch¨utte: Stilr¨aume. J. B. und die a¨ sthetische Anordnung im 19. Jahrhundert. Bielefeld 2004. – Andreas Cesana (Hrsg.): Begegnungen mit J. B. Vortr¨age in Basel und Princeton zum hundertsten Todestag. Basel 2004. Rudolf Vierhaus

Burckhardt, Johann Karl, Mathematiker, Astronom, * 30. 4. 1773 Leipzig, † 22. 6. 1852 Paris. Trotz bescheidener Mittel schickte der Vater ihn auf die Lateinschule in Leipzig, wo sich B. – gef¨ordert durch einen Mathematiker – schon als Gymnasiast umfangreiche Kenntnisse in Mathematik und Astronomie aneignete. 1792 bezog er die Univ. und wechselte 1796 auf Empfehlung seines Lehrers Carl Friedrich → Hindenburg mit einem Stipendium nach Gotha, wo er unter Franz Xaver von → Zach arbeitete. Auf dessen Empfehlung war B. f¨ur die Leitung der Sternwarte in Harefield vorgesehen, doch auf der Reise nach London verblieb er in Paris, um Assistent des Astronomen Lalande zu werden. 1807 wurde B. als dessen Nachfolger Direktor ´ der Sternwarte an der Ecole militaire. Seine erste mathematische Schrift Theorie der Kettenbr¨uche erschien noch 1794 in Leipzig, eine seiner astronomischen Untersuchungen u¨ ber die Bahn des Kometen von 1770 wurde 1801 in Paris preisgekr¨ont. Burckhardt, Johann Ludwig, auch John Lewis B., schweizer. Forschungsreisender, * 25. (24.) 11. 1784 Lausanne, † 15. 10. 1817 Kairo. Nach Studien in Leipzig und G¨ottingen bereitete sich B. seit 1806 in London und Cambridge sprachlich und medizinisch ¨ auf eine Forschungsreise ins Innere Afrikas vor. Uber Malta und die Levante gelangte er 1809 nach Aleppo, von wo er verschiedene Exkursionen in den Libanon, ins Euphratgebiet ¨ und den Hauran unternahm. Auf dem Weg nach Agypten entdeckte B. die alte Nabat¨aerstadt Petra, auf dem R¨uckweg von seiner ersten Nubienreise die Tempel von Abu Simbel. Seine außerordentlichen Kenntnisse der arabischen Sprache und des Islam erm¨oglichten ihm als erstem Europ¨aer, offiziell an der Wallfahrt nach Mekka teilzunehmen; der Bericht dar¨uber und weitere Reisebeschreibungen gelten als wertvolle Beitr¨age zur Reiseliteratur des 19. Jh., sie erschienen postum und zun¨achst in englischer Sprache (Travels in Nu-

Burda bia, 1819), sp¨ater teilweise auch in deutschen und italieni¨ schen Ubersetzungen. 1822 erschien von B. Reisen in Syrien und dem Gelobten Lande. C NDB

Burckhardt, Johannes (Friedrich Paul), evang. Theologe, * 20. 10. 1853 Altena (Westfalen), † 27. 1. 1914 Berlin. W¨ahrend des Theologiestudiums wurde B., Sohn eines Pfarrers, in Bonn von Theodor → Christlieb und in T¨ubingen von Johann Tobias → Beck beeinflußt. 1880 wurde er Vereinsgeistlicher f¨ur Innere Mission in Bielefeld, arbeitete seit 1890 – mittlerweile Gemeindepfarrer in Berlin – zusammen mit Friedrich von → Bodelschwingh in der weiblichen Jugendf¨ursorge, initiierte den Bau von vier M¨adchenwohnheimen, gab das Jugendblatt „Deutsche M¨adchen-Zeitung“ heraus und gr¨undete 1893 den „Vorst¨andeverband der evangelischen Jungfrauenvereine Deutschlands“ (sp¨ater „Evangelischer Verband f¨ur die weibliche Jugend Deutschlands“). In der Folge gab er sein Berliner Pfarramt auf, um sich ganz der weiblichen Jugendarbeit widmen zu k¨onnen. Auf seine Anregung erfolgte 1894 die Gr¨undung der deutschen Bahnhofsmission. 1913 / 14 schuf er mit dem nach ihm benannten „Burckhardt-Haus“ in Berlin-Dahlem einen Mittelpunkt f¨ur die gesamte evang. Jugendarbeit. C NDB Burckhardt, Karl Rudolf, schweizer. Zoologe, * 30. 3. 1866 Basel, † 14. 1. 1908 Rovigno bei Triest. Nach dem Studium in Basel und Berlin wurde B. 1889 in Basel mit der Arbeit Histologische Untersuchungen am R¨uckenmark der Tritonen promoviert. Er arbeitete als Assistent von Oskar → Hertwig u¨ ber das Gehirn der Wirbeltiere, habilitierte sich 1893 an der Univ. Basel und wurde 1894 a. o. Prof. am dortigen Zoologischen Institut mit Schwerpunkt Pal¨aontologie der Wirbeltiere und Geschichte der Biologie. 1899 wurde B. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. 1907 u¨ bernahm er die Leitung der Zoologischen Station des Berliner Aquariums in Rovigno. ¨ B. ver¨offentlichte u. a. Uber Aepyornis (1893), Die Biologie der Griechen (1904), Biologie und Humanismus (1907) und Geschichte der Zoologie und ihrer wissenschaftlichen Probleme (1907, 21921). Burckhardt, Ludwig August, schweizer. Jurist, Historiker, * 29. 4. 1808 Basel, † 27. 11. 1863 Basel. Nach juristischen Studien in Basel und Heidelberg u¨ bernahm B. das Amt eines Appellationsgerichtsschreibers und war 1844-53 Pr¨asident des Kriminalgerichts sowie Mitglied des Großen Rats in Basel. Er geh¨orte zu den Mitbegr¨undern der Historischen und der Antiquarischen Gesellschaft in Basel sowie der Schweizerischen Geschichtsforschenden Gesellschaft. Durch seine Stellung im Konsistorium der franz¨osischen Kirche in Basel wurde er zu der Arbeit Die franz¨osischen Religionsfl¨uchtlinge in Basel angeregt. Burckhardt, Paul, schweizer. Architekt, Maler, * 12. 5. 1880 R¨uti bei Z¨urich, † 14. 1. 1961 Basel. B., Bruder des Malers Carl → B., durchlief eine Lehre in einem Baub¨uro und studierte anschließend Architektur an der TH M¨unchen bei Martin → D¨ulfer und Karl → Hocheder, sp¨ater bei Joseph Maria → Olbrich in Darmstadt, ehe er 1904 zur Malerei u¨ berging. Nach einem Italienaufenthalt (1905 / 06) entstand ein Triptychon Fischer im Mittelmeer; von einer Indienreise 1913 / 14 brachte er eine F¨ulle von Studien zur¨uck, aus der er eine Reihe großer Bilder schuf, die 1914 erstmals ausgestellt wurden. Danach war er in Basel ans¨assig, wo er schon fr¨uher Auftragsarbeiten f¨ur den Sitzungssaal der Ersparniskasse, das St¨adtische Gymnasium und das Bahnhofsrestaurant ausgef¨uhrt hatte. Sein bildnerisches Werk besteht haupts¨achlich aus Landschaften und Marinedarstellungen, vereinzelt aus Phantasieentw¨urfen (Turmbau zu Babel). C AKL

Burckhardt, Walther, schweizer. Jurist, * 19. 5. 1871 Riehen, † 16. 10. 1939 Bern. B. studierte Rechtswissenschaften in Leipzig, Neuenburg, Berlin und Bern, war 1896-99 Adjunkt im Eidgen¨ossischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) und 1899-1902 a. o. Prof. f¨ur Staatsrecht an der Univ. Lausanne. 1905 wurde er Abteilungsleiter im EJPD und Honorarprofessor in Bern, wo er 1909 einen Lehrstuhl f¨ur Staats- und V¨olkerrecht erhielt. 1913-19 pr¨asidierte er den Schweizerischen Juristenverein; internationale Aufgaben u¨ bernahm er als Delegierter beim V¨olkerbund (1923-28) und Mitglied des Haager Gerichtshofs. Sein Kommentar der Schweizerischen Bundesverfassung vom 29. 5. 1874 wurde mehrfach aufgelegt, zuletzt 1931; auf dem Gebiet der allgemeinen Rechtstheorie wurde Die Organisation der Rechtsgemeinschaft (1927) wegweisend. 1920 erschienen seine Aufs¨atze und Vortr¨age 1910-1938. C Schultheß Burckhardt-Merian, Albert, schweizer. Ohrenarzt, * 25. 1. 1843 Basel, † 22. 11. 1886 Basel. B.-M. studierte in Basel, Heidelberg, Berlin, Wien, Prag, Paris und London, wurde 1866 promoviert und war seit 1869 als Dozent t¨atig. Seit 1872 war er Redakteur des „Correspondenz-Blatts f¨ur Schweizer Aerzte“. 1879 wurde er zum a. o. Prof. der Ohrenheilkunde in Basel ernannt. B.-M. besch¨aftigte sich mit pathologisch-anatomischen Fragen, Scharlach sowie H¨orpr¨ufungen. Er ver¨offentlichte u. a. Vier Monate in einem preussischen Feldlazareth w¨ahrend des Krieges 1870 (1872), Ueber den Scharlach in seinen Beziehungen zum Geh¨ororgan (1880) und Wegweiser f¨ur hilfesuchende Kranke und Gebrechliche in der Schweiz (1883). Burckhardt-Schaub, August, schweizer. Maschinenbauer, * 1851, † 1919. B.-S., Sohn von Franz → Burckhardt, studierte Maschinenbau an den Technischen Hochschulen Z¨urich und Karlsruhe und leitete seit 1875 die mechanischen Werkst¨atten, seit 1876 den gesamten v¨aterlichen Betrieb. 1878 erweiterte er die Produktpalette um die Herstellung von Kolbenkompressoren und Vakuumpumpen, die auf eine von Franz Joseph Weiss patentierte Erfindung zur¨uckgingen. Zur gleichen Zeit begann auch die von Heinrich → Sulzer-Steiner gef¨uhrte Maschinenfabrik in Winterthur mit der Herstellung von Kompressoren. Kolbenkompressoren und Vakuumpumpen entwickelten sich bis in das 20. Jh. hinein zu den wichtigsten Erzeugnissen der Maschinenfabrik B.-S.s. 1890 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und eine neue, gr¨oßere Produktionsst¨atte am Rande von Basel errichtet. B.-S. war bis zu seinem Tod f¨uhrend im Unternehmen t¨atig; die Gesch¨aftsleitung lag seit 1906 bei einem mehrk¨opfigen Gremium. C Schweizer Pioniere, Bd 59 Burda, Aenne, eigentl. Anna Magdalene B., geb. Lemminger, Verlegerin, * 28. 7. 1909 Offenburg, † 3. 11. 2005 Offenburg. Die Tochter eines Lokomotivf¨uhrers durchlief nach dem Besuch der H¨oheren Handelsschule eine kaufm¨annische Lehre in Offenburg und heiratete 1931 Franz → B. 1949 u¨ bernahm sie einen kleinen Modeverlag in Lahr, den sie als Verlegerin, Chefredakteurin und Kolumnistin zu einem der gr¨oßten deutschen Fachverlage f¨ur Modepublikationen ausbaute. Das Monatsmagazin „Burda Moden“ erschien erstmals 1950; zwei Jahre sp¨ater wurde mit der Produktion der Einzelschnittmuster begonnen. Es folgten Spezialhefte f¨ur Handarbeiten, der Saisonmodef¨uhrer „Burda-International“ und das „Burda-Kochstudio“; in den siebziger und achtziger Jahren kamen die Modehefte „Carina“, „Anna“ und „Verena“ hinzu. 1987 konnte B. „Burda Moden“ als erste westliche Zeitschrift in russischer Sprache in der Sowjetunion etablieren. 1994 u¨ bergab sie den Modeverlag Aenne Burda

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Burda an ihre drei S¨ohne. Nach Erhalt aller Anteile integrierte Hubert B. das Unternehmen in den Medienkonzern. B. gr¨undete zwei Stiftungen zur F¨orderung des Hochschulnachwuchses und der Seniorenarbeit.

Burda, Franz, Verleger, * 24. 2. 1903 Philippsburg (Baden), † 30. 9. 1986 Offenburg. Der 1928 in Erlangen promovierte (Die Entwicklung der badischen Produkten-B¨orsen) Diplomvolkswirt u¨ bernahm den Druckereibetrieb seines Vaters und die Redaktionsleitung der Rundfunkzeitschrift „S¨urag“, die bald eine Auflage von 85 000 Exemplaren erreichte. Der eigentliche Aufstieg des Unternehmens begann 1934 mit dem Bau einer neuen Druckerei und der Umstellung auf den Tiefdruck. Im Zweiten Weltkrieg stellte B., seit 1936 Mitglied der NSDAP, milit¨arische Karten her; 1948 gelang der Wiedereinstieg in das Zeitschriftengesch¨aft mit „Das Ufer“, aus dem 1954 die „Bunte Illustrierte“ hervorging, die sich zu einem der großen deutschen Unterhaltungsbl¨atter entwickelte. Sp¨ater folgten Produkte wie „Freizeit Revue“, „Freundin“ und „Bild + Funk“. Die Burda-Gruppe entwickelte sich zu einem Medienriesen mit Beteiligungsgesellschaften und ausl¨andischen Tochterfirmen. B. war mit Aenne → B. verheiratet.

Burdach, Ernst, Physiologe, * 25. 2. 1801 Leipzig, † 10. 10. 1876 K¨onigsberg. Der Sohn Karl Friedrich → B.s schloß das Studium der Medizin in K¨onigsberg 1825 mit der Promotion ab (Observationes nonnullae microscopicae inflammationes spectantes), habilitierte sich 1829 (Observationes de morbosa cordis structura) und wurde Prosektor, 1839 a. o. Prof. und 1844 Ordinarius f¨ur Anatomie. Er war Mitarbeiter am Handbuch Physiologie als Erfahrungswissenschaft (Bd. 6), verfaßte u. a. einen Beitrag zur mikroskopischen Anatomie der Nerven (1837) und gab das Werk seines Vaters Der Mensch als popul¨are Fassung unter dem Titel Anthropologie f¨ur das gebildete Publikum (1849) heraus. B. war Stadtverordneter von K¨onigsberg. C Altpreuß Biogr, Bd 1 Burdach, Karl Friedrich, Anatom, Physiologe, * 12. 6. 1776 Leipzig, † 16. 7. 1847 K¨onigsberg. Als Sohn eines Arztes studierte B. Medizin und Philosophie in Leipzig (Promotion 1798, Comentarii n Hippocratis librum primum de morbis epidemicis) und ging im Anschluß an das Examen nach Wien, wo er sich vor allem bei Johann Peter → Frank vertiefte Kenntnisse in der Klinischen Medizin erwarb. 1799 ließ er sich als praktischer Arzt in Leipzig nieder, war jedoch, da er haupts¨achlich a¨ rmere Patienten behandelte, darauf angewiesen, zus¨atzlich Geld durch schriftstellerische und u¨ bersetzerische T¨atigkeit zu verdienen. In diesen weniger auf eigenen Erfahrungen als auf einem gr¨undlichen Literaturstudium basierenden Werken, u. a. zur Arzneimittellehre, Pathologie und Physiologie, entfaltete B. seine an → Schellings Idee des Absoluten sowie dem Urph¨anomen → Goethes angelehnte Idee von Naturwissenschaft. Im Gegensatz zu rein empirischer Naturbeschreibung, die B. als notwendige Voraussetzung ansah, bedeutete Naturwissenschaft die Erkenntnis der Naturerscheinungen als Ausdruck eines absoluten Prinzips, das die Einheit der Natur garantieren sollte. Trotz intensiver Bem¨uhungen, einen Ruf an eine Univ. zu erhalten, wurde B. erst 1811 als Prof. der Anatomie, Physiologie und Gerichtsmedizin nach Dorpat berufen. 1814 wechselte er an die K¨onigsberger Univ., wo er sein naturphilosophisch orientiertes Programm als Lehrer und Forscher umzusetzen begann, wobei er endlich auch praktische anatomische und physiologische Arbeiten durchf¨uhren konnte. In einer Grundsatzrede zur Er¨offnung des neuen Anatomi-

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¨ schen Instituts Uber die Aufgaben der Morphologie (1817) machte er klar, daß die Anatomie einerseits den a¨ rztlichen Bed¨urfnissen dienlich sein, andererseits aber als zweckfreie Wissenschaft den Sinn und die Bedeutung der organischen Gestalten und die Bildungsgesetze erforschen sollte. Konsequenterweise f¨orderte B. den jungen Embryologen Karl Ernst von → Baer und u¨ berließ ihm 1826 die Leitung des Anatomischen Instituts, um sich selbst auf die Physiologie zu konzentrieren. Sie sah B. als den H¨ohepunkt aller Wissenschaft an, da sie sich auf die Erforschung der Lebensprinzipien vor allem beim Menschen richtete. Dieses Anliegen kam in dem Handbuch Die Physiologie als Erfahrungswissenschaft (6 Bde., 1828-40) zum Ausdruck, an dem außer B. bedeutende Physiologen wie von Baer, Johannes → M¨uller und Rudolf → Wagner beteiligt waren. Daneben galt B.s besonderes Augenmerk der Anatomie des Gehirns, wor¨uber er seine wichtigsten wissenschaftlichen Beitr¨age lieferte. Im Gehirn und seiner Funktion sah er den Schl¨ussel f¨ur das Verst¨andnis der Gesetze des menschlichen Geistes. Dementsprechend forderte er bereits 1828 bei der ¨ Berliner Versammlung Deutscher Naturforscher und Arzte eine eigenst¨andige Sektion f¨ur die Psychologie. Mit der Anthropologie f¨ur das gebildete Publicum (1837) schrieb B. ein repr¨asentatives Werk des preußisch-biedermeierlichen Bildungsb¨urgertums. Nach dem Tod der Ehefrau 1838 zog er sich weitgehend aus dem wissenschaftlichen Leben zur¨uck. Die nicht mehr ganz fertiggestellte Autobiographie R¨uckblick auf mein Leben erschien postum 1848. LITERATUR: Adolph Carl Peter Callisen: Medicinisches Schriftsteller-Lexicon der jetzt lebenden Aerzte, Wund¨arzte, Geburtshelfer, Apotheker und Naturforscher aller gebildeten V¨olker. Bd. 3, S. 328-336; Bd. 26, S. 494-498 (mit Bibliographie). – Theodore H. Bast: K. F. B. In: Annals of Medical History 10 (1928) S. 34-46. – Alan S. Kay: B. In: DSB, Bd. 2, S. 594-597. – Alfred Meyer: K. F. B. and his place in the history of neuroanatomy. In: Journal of Neurology, Neurosurgery and Psychiatry 33 (1970) S. 553-561. Michael Hagner

Burdach, Karl Wilhelm, P¨adagoge, * 20. 5. 1781 Triebel (Niederlausitz), † 1. 11. 1842 Zittau. B. studierte an der Univ. Leipzig, erhielt dort eine Stelle als Lehrer an der Freischule und erteilte Privatunterricht. 1809 wurde er Oberlehrer an der B¨urger- und Waisenhausschule, 1819 Direktor der Volksschulanstalt in Zittau, an der damals 1500 Sch¨uler unterrichtet wurden. Er leitete die B¨urger- und Freischule, das Lehrerseminar, eine Fortbildungsanstalt f¨ur konfirmierte T¨ochter und zeitweise auch die 1836 er¨offnete Gewerbeschule. Die Oberlausitzische Gesellschaft der Wissenschaften zu G¨orlitz machte ihn zu ihrem Mitglied. Burdach, Konrad (Carl Ernst), Germanist, * 29. 5. 1859 K¨onigsberg, † 18. 9. 1936 Berlin. B., Sohn eines Landgerichtsrats, studierte Deutsche und Klassische Philologie in K¨onigsberg, Leipzig, Bonn und Berlin. Bereits seine Dissertation Beitr¨age zur Kritik und Erkl¨arung der Gedichte Reinmars des Alten (1880, 21928) gab der germanistischen Forschung neue Anregungen, da er die biographisch-chronologische Methode durch eine stil- und geisteswissenschaftliche Fragestellung erg¨anzte. W¨ahrend eines Studienaufenthalts in Berlin arbeitete er sich mit der L¨osung einer von Wilhelm → Scherer gestellten Preisaufgabe in die Goethephilologie ein, zu der er im Verlauf seines Lebens wichtige Beitr¨age leistete. 1884 habilitierte sich B. in Halle (Die Einigung der neuhochdeutschen Schriftsprache). 1884-87 war er Privatdozent f¨ur Deutsche Sprache und Literatur, seit 1887 a. o. Prof. und seit 1889 o. Prof. an der Univ. Halle. 1902 wurde er auf eine der drei kaiserlichen Stiftungsprofessuren der Preußischen Aka-

Burg demie der Wissenschaften berufen, die er bis zu seinem Tod innehatte. 1897-99 besuchte er Archive und Bibliothe¨ ken in B¨ohmen und M¨ahren, Schlesien, Osterreich, Italien und Frankreich. Der Ertrag dieser Reise bestimmte Planung und Durchf¨uhrung des von B. angeregten Sammelwerkes Vom Mittelalter zur Reformation (22 Bde., 1892-1939); der von B. wiederentdeckte Prosadialog Der Ackermann aus B¨ohmen wurde hier erstver¨offentlicht. Zu seinen Publikationen geh¨oren u. a. Reinmar der Alte und Walther von der Vogelweide. Ein Beitrag zur Geschichte des Minnesangs (1880, 2., berichtigte Aufl. 1928), Deutsche Renaissance. Betrachtungen u¨ ber unsere k¨unftige Bildung (1916, 2., verm. Aufl. 1918), Vorspiel. Gesammelte Schriften zur Geschichte des deutschen Geistes (3 Bde., Registerband, 1925-27), Der Dichter des Ackermann aus B¨ohmen und seine Zeit (2 Tle., 1926-32) und Wissenschaftsgeschichtliche Eindr¨ucke eines alten Germanisten (1930). C IGL

Buresch, Ernst (Friedrich), Eisenbahndirektor, * 29. 8. 1817 Derneburg, † 6. 4. 1892 Hannover. Nach dem Studium trat B. 1842 in die Dienste der Hannoverschen Staatsbahn und hatte wesentlichen Anteil am Bau der Strecken von Hannover nach Braunschweig, Minden und Bremen. 1864 wechselte er als leitender Bautechniker in oldenburgische Dienste, wo unter seiner Leitung 1867-76 ein breitgef¨achertes Streckennetz entstand. Nach dem Abschied aus dem Staatsdienst folgte B. 1882 einem Ruf als Direktor der Eckernf¨order-Flensburger Eisenbahngesellschaft nach Kiel. Er ver¨offentlichte Die Entstehung und Entwicklung der Eisenbahnen im Herzogtum Oldenburg bis zum Jahre 1878 (1878). C Oldenburg

Buresch, Karl, o¨ sterr. Politiker, * 12. 10. 1878 GroßEnzersdorf (Nieder¨osterreich), † 16. 9. 1936 Wien. Das Studium der Rechte an der Univ. Wien schloß der Sohn eines m¨ahrischen Kaufmanns 1901 mit der Promotion ab, ließ sich in seinem Heimatort als Rechtsanwalt nieder und wurde 1912 christlich-sozialer Gemeinderat, 1916-19 B¨urgermeister. Als Gr¨undungsmitglied des Nieder¨osterreichischen Bauernbundes wurde er 1919 Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung. 1920-34 war er Mitglied des Nationalrats, 1922-31 und 1932 / 33 Landeshauptmann von Nieder¨osterreich. Nach dem R¨ucktritt der Regierung → Ender bildete B. mit Unterst¨utzung des Landbundes und der Großdeutschen Fraktion 1931 eine Regie¨ rung, die als schwaches Ubergangskabinett galt. Die Verluste der Christlich-Sozialen bei den Landtags- und Nationalratswahlen 1932 zugunsten der Nationalsozialisten veranlaßten B. zum R¨ucktritt. 1933-35 war er unter → Dollfuß und → Schuschnigg Finanzminister, 1935 / 36 Minister ohne Portefeuille. 1936 wurde er Gouverneur der Postsparkasse; im selben Jahr w¨ahlte er den Freitod. C NDB Burg, Adam Frh. von, o¨ sterr. Mathematiker, Techniker, * 28. 1. 1797 Wien, † 1. 2. 1882 Wien. Nach einer Tischlerlehre besuchte B. die Akademie der bildenden K¨unste in Wien, h¨orte Vorlesungen am 1815 er¨offneten Polytechnikum, erhielt dort 1821 als Assistent f¨ur h¨ohere Mathematik eine feste Anstellung und wurde 1826 Supplent f¨ur Elementarmathematik. Nach kurzer T¨atigkeit in Salzburg kehrte er als Prof. der h¨oheren Mathematik nach Wien zur¨uck und erweiterte 1836 seine Lehrt¨atigkeit, die bis 1865 andauerte, auf die F¨acher Mechanik und Maschinenlehre. 1840-48 berief ihn → Ferdinand I. zu wissenschaftlichen Vortr¨agen an den Hof; zur gleichen Zeit unternahm B. zahlreiche Studienreisen durch Europa, die ihn u. a. zu den Industrieausstellungen in Paris und Br¨ussel f¨uhrten. Seit 1848 Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften, 1879-81 deren Vizepr¨asident, gr¨undete er 1856 den Nieder¨osterreichischen Gewerbeverein, dessen Pr¨asident er bis 1870 war, und

wurde 1869 Mitglied des Herrenhauses. Bleibende Verdienste erwarb sich B. um die Einf¨uhrung des metrischen Maßund Gewichtssystems sowie um die Verbreitung und die Sicherheitsvorkehrungen der Dampfmaschine; die Stadt Wien verdankte ihm die Verbesserung des Feuerl¨oschwesens, der Wasserversorgung und der Gasbeleuchtung. Er ver¨offentlichte ein Handbuch der geradlinigen und sph¨arischen Trigonometrie (1826), Aufl¨osung algebraischer Gleichungen des ersten und zweiten Grades (1827), ein Compendium der popul¨aren Mechanik und Maschinenlehre (1844, 21863) und ein Lehrbuch der Mechanik (1847).

Burg, Ernst von der, Milit¨ar, * 24. 4. 1831 Luckenwalde, † 3. 11. 1910 Charlottenburg (heute zu Berlin). Nach Kadettenjahren in Potsdam und Berlin trat B. in die Gardeartillerie ein, u¨ bernahm 1862-64 ein Kommando in Paris und k¨ampfte auf franz¨osischer Seite gegen Mexiko. Im Krieg gegen D¨anemark (1864) und im Feldzug 1866 nahm er als Generalstabsoffizier teil, im Krieg 1870 / 71 f¨uhrte er das 1. Armeekorps und befehligte anschließend die Okkupationsarmee in Frankreich. 1884 wurde er 1884 Gouverneur von Straßburg und 1891 als General der Infanterie zur Disposition gestellt. C Priesdorff, Bd 9 Burg, Ferdinand (Karl Ludwig), fr¨uher Erzherzog Ferdi-

¨ nand Karl von Osterreich, Milit¨ar, * 27. 12. 1868 Wien, † 11. 3. 1915 M¨unchen. ¨ Der j¨ungste Sohn Erzherzog → Karl Ludwigs von Osterreich durchlief eine milit¨arische Laufbahn, die er 1904 im Rang eines Generalmajors aus gesundheitlichen Gr¨unden aufgeben mußte. 1911 verzichtete er nach der Heirat mit der b¨urgerlichen Tochter eines Hochschulprofessors auf alle Rechte eines Erzherzogs und lebte als Privatier meist in M¨unchen und S¨udtirol.

Burg, Johann Friedrich, luth. Theologe, * 13. 5. 1689 Breslau, † 4. 6. 1766 Breslau. Der Arztsohn studierte in Leipzig und wurde nach einer Bildungsreise 1735 Pastor primarius und Kircheninspektor an St. Elisabeth in Breslau, 1742 auch Oberkonsistorialrat des Breslauer Bezirks im neueingerichteten schlesischen Oberkonsistorium. B. z¨ahlte zu den gem¨aßigten Aufkl¨arungstheologen. Mit patriotischen Huldigungspredigten nahm er am Verlauf der Schlesischen Kriege regen Anteil. Sein gutes pers¨onliches Verh¨altnis zu → Friedrich II. dem Großen erleichterte B. den Aufbau zahlreicher Gemeinden und die Errichtung von mehr als 200 neuen Kirchen im Bezirk Breslau. 1745 gab er die dritte Auflage des im Verlag J. J. Korn erschienenen Allgemeinen und vollst¨andigen Gesangbuches f¨ur die Kgl. Preußisch-Schlesischen Lande heraus, das 1929 Lieder enth¨alt. Eine Sammlung geistlicher Reden in sechs B¨anden (1750 / 56) u¨ berliefert B.s Geltung als die eines der angesehensten Kanzelredner seiner Zeit. C Leb Schlesien, Bd 2

Burg, Joseph, kath. Theologe, Publizist, Politiker, * 13. 3. 1857 Reutenburg (Elsaß), † 9. 10. 1923 Straßburg. Nach dem Studium in Straßburg und Rom 1880 zum Priester geweiht, u¨ bernahm der Bauernsohn B. Aufgaben in der praktischen Seelsorge und lernte das journalistische Handwerk beim „Els¨asser“ in Straßburg. 1894-1905 hatte er die Schriftleitung der „Essener Volkszeitung“ inne und gr¨undete das in der Region weitverbreitete Sonntagsblatt „Die christliche Familie“. Als Gegenpol zum Zeitschriftenwesen der Sozialdemokratie gab B. 1900-05 die von ihm ins Leben gerufene „Soziale Revue“ heraus. 1906 zog er sich von den publizistischen Auseinandersetzungen im Ruhrgebiet zur¨uck und wurde Pfarrer von St. Urban in Freiburg / Breisgau. Er ver¨offentlichte u. a. Protestantische Geschichtsl¨ugen (2 Bde., 1895, 101909), Symbolik (1899, 21906) und ein KontroversLexikon (1905). C NDB

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Burg Burg, Joseph Vitus, eigentl. Joseph Anton B., Bischof von Mainz, * 27. 8. 1768 Offenburg, † 22. 5. 1833 Mainz. 1787 in den Franziskanerorden eingetreten, studierte B., Sohn eines Kaufmanns, Philosophie und Theologie in Regensburg und W¨urzburg; 1791 wurde er dort zum Prie¨ ster geweiht und Lehrer am Ordensgymnasium in Uberlingen. Nach verschiedenen Aufgaben als Seelsorger und in der Konstanzer Di¨ozesanverwaltung wurde er 1809 Pfarrer in Kappel und bisch¨oflicher Kommissar f¨ur die Pfarreien des rechtsrheinischen Teils des Bistums Straßburg. 1812 in Freiburg / Breisgau zum Dr. theol. promoviert, begleitete B. 1817 den Konstanzer Bistumsverweser Ignaz Heinrich von → Wessenberg nach Rom und wurde als Sachverst¨andiger der badischen Regierung f¨ur Kirchenfragen einflußreiches Mitglied der Frankfurter Konferenzen (1818-22) zur Wiederherstellung der kirchlichen Organisation am Oberrhein. Trotz Bedenken des Vatikans wurde B. 1828 Weihbischof in Freiburg und 1830 der erste Bischof der neuen Di¨ozese Mainz; er organisierte die Verwaltung des Bistums nach staatskirchlichen Gesichtspunkten. Er schrieb: De matrimonio civili in statibus christianis non concedendo (1812). C Gatz 4

Burg, Meno, Milit¨ar, * 9. 10. 1787 Berlin, † 26. 3. 1853 Berlin. B. bereitete sich bei seinem Vetter Salomon → Sachs auf das Studium an der Bauakademie vor, das er 1807 als Feldmesser abschloß. 1813 meldete er sich in Breslau als Freiwilliger zum Milit¨ardienst, wurde wegen seines j¨udischen Glaubens abgewiesen, in Neisse jedoch aufgenommen. 1816 wurde B. als Lehrer der beschreibenden und darstellenden Geometrie an die neugegr¨undete Artillerie- und Ingenieurschule in Berlin berufen und verfaßte das Lehrbuch Die geometrische Zeichenkunst (1822, 21845), das sp¨ater in allen Artillerieschulen der preuß. Monarchie eingef¨uhrt wurde. 1820 u¨ bernahm er den mathematischen Unterricht in der Gardedivisionsschule und wurde 1847 zum Major bef¨ordert. Seit 1840 war er Mitglied des Vorstandes der Berliner j¨udischen Gemeinde. 1854 erschien seine Autobiographie Geschichte meines Dienstlebens (1909 unter dem Titel Major Burg. Lebesbild eines j¨udischen Offiziers, bearb. und hrsg. von Eugen Wolbe). Burg, Robert, S¨anger, * 29. 3. 1890 Prag, † 9. 2. 1946 Dresden. Nach anf¨anglichem Mathematikstudium erhielt B. eine Gesangsausbildung bei Hans Pokorny in Prag, wo er 1915 deb¨utierte. Nach einem kurzen Engagement am Stadttheater Augsburg geh¨orte er 1916-44 dem Ensemble der Hofoper Dresden an. Zusammen mit Tino Pattiera und Meta → Seinemeyer war er in den zwanziger Jahren an der Neubelebung der Verdi-Opern in Deutschland beteiligt; in den Titelrollen der Urauff¨uhrungen von → Busonis Doktor Faustus (1925) und → Hindemiths Cardillac (1926) bewies er sein K¨onnen in Werken der zeitgen¨ossischen Moderne. Neben Gastspielen u. a. in M¨unchen, Berlin, Wien und Z¨urich sang er 1933-42 bei den Bayreuther Festspielen den Alberich im Ring und den Klingsor im Parsifal. B. starb w¨ahrend eines Konzerts an einem Herzschlag. C Kutsch

Burgbacher, Fritz, Politiker, * 19. 9. 1900 Mainz, † 29. 7. 1978 K¨oln. Nach der Promotion zum Dr. rer. pol. wurde B., Sohn eines Kaufmanns, Syndikus der Dresdner Bank und selbst¨andiger Steuerberater, ehe er 1929 in die Rhenag Energie AG. eintrat, der er bis 1971, zuletzt als Mitglied des Vorstandes, angeh¨orte. 1928-31 war er f¨ur die Zentrumspartei Mitglied des Hessischen Landtags und 1933 / 34 Stadtverordneter in K¨oln. Seit 1943 las er als Lehrbeauftragter, seit 1955 als Honorarprofessor f¨ur Energiewirtschaft und europ¨aische Politik an der Univ. K¨oln. 1948 schloß sich B. der CDU an und wurde als Bundestagsabgeordneter (1957-76)

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f¨uhrender Wirtschaftspolitiker der Fraktion. 1958-77 war er Mitglied des Europ¨aischen Parlaments (1973-76 Vizepr¨asident), 1967-69 der Nordatlantischen Versammlung. 1960-67 geh¨orte er als Schatzmeister dem Bundesvorstand der Partei an. Der Eigentumsexperte setzte sich nachdr¨ucklich f¨ur die Verm¨ogensbildung in Arbeitnehmerhand („312-DMGesetz“) ein; sein weiterf¨uhrender „Burgbacher-Plan“ fand sp¨ater keine Zustimmung. Er ver¨offentlichte u. a. Produktivkapital f¨ur Jeden (1971). C MdB

Burgd¨orfer, Friedrich, Statistiker, * 24. 4. 1890 Neuhemsbach / Pfalz, † 18. 11. 1967 Schramberg. Das Studium der Staats- und Wirtschaftswissenschaften schloß B. 1916 mit der Promotion zum Dr. oec. publ. ab (Das Bev¨olkerungsproblem); nach T¨atigkeiten am Bayerischen Statistischen Landesamt und im Lebensmittelamt M¨unchen wechselte er 1921 ins Statistische Reichsamt nach Berlin und stieg dort 1929 zum Direktor und Leiter der Abteilung f¨ur Bev¨olkerungs-, Betriebs-, Landwirtschafts- und Kulturstatistik auf. Seit 1933 lehrte er als nebenamtlicher Dozent an der Deutschen Hochschule f¨ur Politik und der Staatsmedizinischen Akademie, erhielt 1934 einen Lehrauftrag an der Wirtschaftshochschule und wurde 1937 Honorarprofessor an der Univ. Berlin. 1939 kehrte B., Mitglied der NSDAP und Mitherausgeber der „Zeitschrift f¨ur Rassenkunde“, als Pr¨asident des Bayerischen Statistischen Landesamtes und Honorarprofessor der Univ. nach M¨unchen zur¨uck. Er ver¨offentlich¨ te u. a. Volk ohne Jugend. Geburtenschwund und Uberalterung des deutschen Volksk¨orpers (1932, 31935), Sterben die weissen V¨olker? Die Zukunft der weissen und farbigen V¨olker im Lichte der biologischen Statistik (1934), Volksund Wehrkraft, Krieg und Rasse (1936) V¨olker am Abgrund (1937) und Bev¨olkerungsdynamik und Bev¨olkerungsbilanz. Entwicklung der Erdbev¨olkerung in Vergangenheit und Zukunft (1951). Burgeff, Carl, Unternehmer, * 18. 4. 1813 Geisenheim / Rhein, † 1. 4. 1871 Hochheim / Main. Der K¨ufer Jakob Ignaz → Schweickardt hatte in der Champagnerkellerei Veuve Clicquot in Reims die Herstellung sch¨aumender Weine erlernt. Mit ihm gr¨undete B., Sohn eines K¨ufers und Gutsbesitzers, 1836 in Hochheim / Main die Sektkellerei Burgeff & Schweickhardt, die als a¨ lteste rheinische Schaumweinkellerei anzusehen ist. Unter Verwendung Hochheimer Grundweine fanden der „Moussierende Hochheimer“ oder „Sparkling Hock“ besonders bei englischen und amerikanischen Kurg¨asten Anklang. B. ging aus politischen Gr¨unden 1848 vor¨ubergehend nach England, wo er bereits 1841 eine Vertriebsfirma gegr¨undet hatte. 1857 wurde das Unternehmen nach dem Ausscheiden Schweickardts mit Unterst¨utzung der Meininger Bank in die „Hochheimer Actiengesellschaft zur Bereitung moussirender Weine“ umgewandelt. C NDB

Burgeff, Hans (Edmund Nicola), Botaniker, * 19. 4. 1883 Geisenheim / Rhein, † 27. 9. 1976 W¨urzburg. Der Sohn eines Weingutbesitzers wurde nach Studien in Freiburg / Breisgau und Berlin 1909 in Jena mit der Dissertation Zur Biologie der Orchideenmycorrhiza promoviert, habilitierte sich 1915 in M¨unchen mit der Arbeit Untersuchungen u¨ ber Variabilit¨at, Sexualit¨at und Erblichkeit bei Phycomyces nitens Kuntze und wurde 1920 a. o. Prof. in Halle, im folgenden Jahr in M¨unchen, ehe er 1923 einem Ruf auf den Lehrstuhl f¨ur Botanik und Pharmakognosie an die Univ. G¨ottingen folgte. Seit 1925 lehrte er in W¨urzburg, wo er 1952 emeritiert wurde. B., seit 1936 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, erwarb sich einen Namen als Orchideenforscher. Er ver¨offentlichte u. a. Die Wurzelpilze der Orchideen, ihre Kultur und ihr Leben in der Pflanze (1909), Die Anzucht tropischer Orchideen aus Samen (1911), Samenkeimung der Orchideen und

Burger Entwicklung ihrer Keimpflanzen (1936), Samenkeimung und Kultur europ¨aischer Erdorchideen (1954) und Mikrobiologie des Hochmoores (1961).

Burger, Anton, Maler, * 14. 11. 1824 Frankfurt / Main, † 6. 7. 1905 Kronberg / Taunus. B., Sohn eines Weißbindermeisters, war 1842-46 am St¨adelschen Kunstinstitut in Frankfurt / Main Sch¨uler von Jakob → Becker und Philipp → Veit, auf dessen Anregung hin er bis 1848 in M¨unchen t¨atig war. Anschließend kehrte er in seine Heimatstadt zur¨uck, ehe er sich 1858 im benachbarten Kronberg niederließ. Mit J. F. → Dielmann gr¨undete er 1861 die dortige Malerkolonie, deren Haupt er bis zu seinem Tod blieb. B. erhielt zahlreiche Preise und wurde 1894 mit dem Professorentitel geehrt. Die Motive seiner Bilder stammen vornehmlich aus Frankfurt, dem Taunus und der Rhein-Main-Landschaft, die er in fr¨uhimpressionistischem Stil darstellte. C AKL

Burger, Anton, Kommandant von Theresienstadt, * 19. 11. 1911 Neunkirchen, † 25. 12. 1991 Essen. B., Sohn eines Papierwarenh¨andlers, erhielt eine kaufm¨annische Ausbildung und trat nach dem Ersten Weltkrieg in das o¨ sterr. Bundesheer ein, wurde jedoch 1933 aufgrund seiner Mitgliedschaft in der NSDAP unehrenhaft entlassen. B. schloß sich der SA an, wurde 1935 deutscher Staatsb¨urger ¨ und war nach dem „Anschluß“ Osterreichs und dem Wechsel zur SS Mitarbeiter Adolf → Eichmanns in der „Zentralstelle f¨ur j¨udische Auswanderung“ in Wien. In gleicher Funktion 1939 in Prag und 1941 in Br¨unn t¨atig, wurde er im Februar 1943 nach Saloniki entsandt, um die Deportation der Juden Mazedoniens nach Auschwitz zu organisieren. Im selben Jahr wurde er Lagerkommandant in Theresienstadt, wo er bald wegen seiner Brutalit¨at gef¨urchtet war. Im M¨arz 1944 wurde er Leiter des „Judenreferats“ beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes in Athen mit dem Auftrag, die Deportation der griechischen Juden durchzuf¨uhren. Bei Kriegsende von den Amerikanern interniert, entzog er sich seiner Verurteilung durch Flucht. B. hielt sich ¨ unter falschen Namen illegal in Osterreich und Deutschland auf, fand 1962 unter dem Namen Wilhelm Bauer eine Anstellung in Essen und lebte von 1974 bis zu seinem Tod als Rentner unbehelligt in Deutschland. C Weiß

Burger, (Karl Heinrich) August von, luth. Theologe, * 1. 5. 1805 Bayreuth, † 14. 7. 1884 Sch¨onau bei Berchtesgaden. Der Sohn eines Juweliers und Redakteurs begann 1823 in Erlangen mit dem Philologiestudium, wandte sich jedoch unter dem Einfluß seines sp¨ateren Schwiegervaters Christian → Krafft der Theologie zu. Nach einer zehnj¨ahrigen T¨atigkeit am Gymnasium in Erlangen wurde B. 1838 Pfarrer in F¨urth, 1846 in M¨unchen. Dort wirkte er 1855-83 als Oberkonsistorialrat. B. bem¨uhte sich um die Belebung der Liturgie, geh¨orte zu den Mitarbeitern des 1854 eingef¨uhrten neuen Gesangbuchs und zu den Wegbereitern des GustavAdolf-Vereins in Bayern. Die Ausbildung des theologischen Nachwuchses war eines seiner Hauptanliegen. Seine umfassenden Bibelkenntnisse belegte er durch Kommentare zu den vier Evangelien und durch Die Offenbarung des Johannes, deutsch erkl¨art (1868). B. war der Vater von Carl → B. C NDB

Burger, Franz, o¨ sterr. Maler, * 30. 5. 1857 Matrei (Tirol), † 27. 7. 1940 Innsbruck. B. studierte nach dem Besuch der Staatsgewerbeschule in Innsbruck 1880-92 in M¨unchen Malerei, u. a. bei Franz von → Defregger. 1888 erhielt er den Auftrag f¨ur ein Altarbild in der Kapelle G¨ortschach bei D¨olsach; 1897 wurde er als Prof. an seine ehemalige Schule in Innsbruck berufen, wo er

bis 1925 lehrte. Neben Exlibris und kunstgewerblichen Arbeiten malte B. Genrebilder, Portr¨ats, Panoramen (Schlacht bei Orl´eans) und Landschaften. 1905-09 schuf er im Auftrag des Thronfolgers Erzherzog → Franz Ferdinand f¨ur die Neue Hofburg in Wien das Schlachtenbild Speckbacher erobert am 13. August 1809 die Sillbr¨ucke. C AKL

Burger, Friedrich Moritz Frh. von, o¨ sterr. Politiker, * 4. 7. 1804 Wolfsberg (K¨arnten), † 2. 10. 1873 Wien. Der Sohn des Agrarwissenschaftlers Johann → B. wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaft Fiskaladjunkt und seit 1836 Advokat in Triest. 1848 war er Abgeordneter im Frankfurter Parlament, 1850-54 Statthalter der Steiermark, 1854-59 der Lombardei und 1859-62 von Triest. Als Mitglied des istrischen Landtags, des o¨ sterr. Reichsrats und als Marineminister (1862-65) bem¨uhte er sich um einen Ausgleich zwischen den Interessen der o¨ sterr. Handelsmarine und der Bev¨olkerung der adriatischen K¨uste. 1867 wurde B. Direktor der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn und Berater der S¨udbahngesellschaft in Wien. C Frankf Nationalvers Burger, Fritz, eigentl. Johann Friedrich B., dt.-schweizer. Maler, Graphiker, * 16. 7. 1867 M¨unchen, † 11. 4. 1927 Lindau. Der Sohn Johannes → B.s studierte zwischen 1883 und 1897 an den Akademien in M¨unchen und Paris; Karl → Raupp, Nikolaus → Gysis und in Paris Boldini, Blanche und Zorn beeinflußten ihn nachhaltig. 1899-1905 hielt sich B. in Basel, anschließend in Berlin auf. Neben Damen- und Kinderbildnissen stammen von ihm eine Reihe Professorenbildnisse (Heinrich → W¨olfflin, Jakob → Wackernagel, Franz → Overbeck); in seiner Pariser Zeit hatte er sein Schaffen auf Landschafts- und Genredarstellungen sowie Stilleben ausgeweitet. Im graphischen Bereich sind besonders seine Farblithographien hervorzuheben. B. war mit Sophie → BurgerC AKL Hartmann verheiratet.

Burger, Georg Matthias, Pietist, * 19. 1. 1750 Dittenheim bei Gunzenhausen, † 2. 4. 1825 N¨urnberg. Auf seiner Wanderschaft als B¨ackerlehrling erfuhr B., Sohn eines S¨oldners, in N¨urnberg die F¨orderung durch den Kaufmann Johann Tobias → Kießling. Durch ihn machte er die Bekanntschaft des w¨urttembergischen Pietisten und Theosophen Philipp Matth¨aus → Hahn, der ihn in das Denken Friedrich Christoph → Oetingers und Johann Albrecht → Bengels einwies. Nach N¨urnberg zur¨uckgekehrt, f¨uhrte er eine eigene B¨ackerei und besch¨aftigte sich daneben mit kunstvollen mechanischen Arbeiten. An den Sonntagnachmittagen sammelte er einen großen Freundeskreis um sich, zu dem einfache Leute, aber auch Patrizier, Gelehrte und Geistliche geh¨orten. Der Naturphilosoph Gotthilf Heinrich von → Schubert wurde hier entscheidend beeinflußt, Johann Caspar → Lavater, Franz von → Baader, Clemens → Brentano, vielleicht auch → Goethe f¨uhrten mit B. einen geistigen und C NDB religi¨osen Gedankenaustausch.

Burger, Hans, schweizer. Forstwissenschaftler, * 11. 2. 1889 Bremgarten (Kt. Aargau), † 31. 10. 1973 K¨oniz (Kt. Bern). B., Sohn eines Landwirts, studierte seit 1908 Forstwirtschaft am Polytechnikum Z¨urich, erwarb 1911 das Diplom und wurde 1921 mit der Arbeit Untersuchungen u¨ ber das Schwindmaß des Stammholzes bei Winter- und Sommerf¨allung promoviert. 1934-55 war er Direktor der Eidgen¨ossischen Anstalt f¨ur das forstliche Versuchswesen, lehrte 1935-54 an der ETH Z¨urich u. a. Holzkunde und Forstversuchswesen, seit 1943 als Prof., und leitete 1948-52 die International Union of Forestry Research Organizations. C HLS

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Burger Burger, Heinz Otto, Germanist, * 25. 8. 1903 Stuttgart, † 29. 12. 1994 Heidenheim. B., Sohn eines Oberbaurats, studierte Deutsch, Geschichte und Englisch in T¨ubingen, Berlin und M¨unchen. 1928 mit der Dissertation Schw¨abische Romantik. Studie zur Charakteristik des Uhlandkreises promoviert, habilitierte er sich nach einer T¨atigkeit als Studienassessor an verschiedenen Orten in W¨urttemberg (1927-34) sowie als Lektor f¨ur Deutsche Sprache an der Univ. Bologna (1929 / 30 und 1930 / 31) 1935 in T¨ubingen mit der Arbeit Schwabentum in der Geistesgeschichte. Versuch u¨ ber eine weltanschauliche Einheit in der Stammesliteratur (ver¨offentlicht 1933, Neuausg. unter dem Titel Die Gedankenwelt der großen Schwaben. Von der Klosterkultur am Bodensee bis Hegel, 1978). 1935-37 war er Privatdozent f¨ur Deutsche Philologie an der Univ. T¨ubingen, vertrat 1937-39 den Lehrstuhl f¨ur Deutsche Sprache und Literatur an der Univ. Danzig, wo er 1939-44 eine a. o. Professur innehatte. B., der 1936-42 der SA angeh¨orte, nahm seit 1942 am Zweiten Weltkrieg teil und befand sich 1945 / 46 in amerikanischer und franz¨osischer Kriegsgefangenschaft. 1947 von der Spruchkammer in Stuttgart als „nicht belastet“ eingestuft, wurde er 1948 o. Prof. f¨ur Neuere deutsche Literaturgeschichte an der Univ. Erlangen (Rektor 1959 / 60). 1961-69 war er o. Prof. und Direktor des Deutschen Seminars der Univ. Frankfurt / Main. 1963 erneut zum Rektor gew¨ahlt, verzichtete B. nach studentischen Protesten wegen seiner Publikationen w¨ahrend des NS-Regimes auf das Amt. 1963-75 war er stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsausschusses des Freien Deutschen Hochstifts. B. regte die Annalen der deutschen Literatur. Geschichte der deutschen Literatur von den Anf¨angen bis zur Gegenwart (1952; 2., u¨ berarb. Ausg. 1971) an, verfaßte u. a. „Dasein heißt eine Rolle spielen“. Studien zur deutschen Literaturgeschichte (1963) und Renaissance, Humanismus, Reformation. Deutsche Literatur im europ¨aischen Kontext (1969) und gab mehrere B¨ande der Kritischen Ausgabe der Werke Hugo von → Hofmannsthals heraus. C IGL

Burger, Hermann, schweizer. Schriftsteller, * 10. 7. 1942 Menziken (Kt. Aargau), † 1. 3. 1989 Brunegg (Kt. Aargau). B., Sohn eines Versicherungsinspektors, studierte an der ETH Z¨urich Architektur und absolvierte an der Univ. das Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und P¨adagogik. Er wurde bei Emil → Staiger mit einer Arbeit u¨ ber Paul → Celan promoviert (Paul Celan. Auf der Suche nach der verlorenen Sprache, gedruckt 1974) und lehrte nach der Habilitation als Privatdozent f¨ur Neuere deutsche Literatur an der ETH Z¨urich und der H¨oheren P¨adagogischen Lehranstalt des Kantons Aargau. Bis 1987 geh¨orte er zur Feuilletonredaktion des „Aargauer Tagblatts“. Als Schriftsteller deb¨utierte B. 1965 mit dem Gedichtband Rauchsignale; 1976 erschien der Roman Schilten. Schulbericht zuhanden der Inspektorenkonferenz (1978 verfilmt, Regie: Beat Kuert), 1979 der Erz¨ahlungsband Diabelli (im selben Jahr f¨ur das Fernsehen verfilmt, Variationen nach Diabelli, Regie: Fred van der Koij), 1982 der Roman Die k¨unstliche Mutter. Sein von den Themen Gef¨ahrdung personaler Identit¨at, Krankheit, Tod und Untergang bestimmtes Werk wurde vielfach ausgezeichnet: 1980 Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis, 1983 H¨olderlinPreis, 1985 Ingeborg-Bachmann-Preis. B., dessen Tractatus logico-suicidalis 1988 erschien, starb durch Selbstmord. Im Todesjahr erschien der erste, 1992 der zweite Band des als Tetralogie geplanten Romanzyklus Brenner. C KLG

Burger, Johann, o¨ sterr. Agrarwissenschaftler, Mediziner, * 5. 8. 1773 Wolfsberg (K¨arnten), † 24. 1. 1842 Wien. Als in Freiburg / Breisgau und Wien ausgebildeter Mediziner (Promotion 1798 in Wien) u¨ bte B., Sohn eines Wundarztes, in seinem Heimatort eine a¨ rztliche Praxis aus, ehe er

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sich 1804 mit dem Erwerb seines Pachtgutes Spitalhof der h¨oheren Kultivierung der Landwirtschaft und hier besonders dem Maisanbau zuwandte (Vollst¨andige Abhandlung u¨ ber die Naturgeschichte, Kultur und Benutzung des Mais, 1809, 2 1811). 1808 kam er auf den neueingerichteten Lehrstuhl f¨ur Landwirtschaft in Klagenfurt. W¨ahrend des Feldzuges 1814 setzte er als Direktor eines Milit¨arhospitals kurzfristig wieder seine medizinischen Kenntnisse ein, in den Folgejahren verlegte er sich ganz auf die Agrarwissenschaften, schlug erst¨ mals f¨ur Osterreich eine wechselseitige Hagel- und Brandschadenversicherung vor, bem¨uhte sich um die Verbesserung der Ackerbauger¨ate und um eine Grundsteuerreform und verfaßte 1819 / 20 sein Lehrbuch der Landwirtschaft, das ¨ mehrere Auflagen und Ubersetzungen erreichte. 1820-30 arbeitete er als Gubernialrat in Triest, Graz und Mailand an der steuerlichen Grundabsch¨atzung des K¨ustenlandes, anschließend an Katastralaufgaben in Wien. B. war aktives Mitglied, seit 1838 auch Sekret¨ar der Landwirtschafts-Gesellschaft in Wien und machte sich vor allem um die Verbreitung der Lehre Albrecht Daniel → Thaers verdient. C B¨ohm

Burger, Johannes, schweizer. Kupferstecher, * 31. 5. 1829 Burg (Kt. Aargau), † 2. 5. 1912 M¨unchen. B. stammte aus einer Familie von Gold- und Silberarbeitern, erhielt hier und bei dem Kupferstecher Wilhelm Suter in Zofingen ersten Unterricht und bezog 1850 die Kunstakademie in M¨unchen, wo er bis 1856 als Sch¨uler von Julius C¨asar → Thaeter erst nach Bildern zu stechen begann, dann aber auch nach der Natur eigene Portr¨ats und Akte schuf. Die Steinigung des Stephanus nach Johann → Schraudolph brachte ihm die erste Medaille der Akademie ein. Nach Wanderjahren, die ihn durch die Galerien von Dresden, Florenz und Rom f¨uhrten, nahm B. 1859 seinen st¨andigen Wohnsitz in M¨unchen. Hier entstanden Bilder zeitgen¨ossischer K¨unstler wie Wilhelm → Kaulbach und Heinrich Maria von → Hess; in seinen Stichen nach Genellis Raub der Europa vollbrachte er mit dem ersten Farbenstich eine technische Neuerung. B. war der Vater von Fritz → B. C AKL

Burger, Karl, Gyn¨akologe, * 25. 9. 1893 Budapest, † 22. 5. 1962 Konstanz. Der Sohn deutscher Eltern verbrachte seine Jugend in Ungarn, wurde nach dem Medizinstudium 1919 an der Univ. Budapest promoviert und habilitierte sich nach der Facharztausbildung 1927 f¨ur Frauenheilkunde. 1932 wurde er a. o. Prof. in Budapest, 1933 Leiter der Hebammenlehranstalt, 1936 o. Professor. 1946 fand er in W¨urzburg ein neues Bet¨atigungsfeld, sorgte f¨ur den Wiederaufbau der Frauenund Poliklinik und u¨ bernahm den Lehrstuhl f¨ur Geburtshilfe und Gyn¨akologie. B. ver¨offentlichte u. a. eine Geburtshilfliche Operationslehre (1952).

Burger, Konrad, Bibliothekar, Bibliograph, * 2. 3. 1856 Berlin, † 12. 4. 1912. Nach der Ausbildung wurde B. Bibliothekar der Kgl. Bibliothek und des Kunstgewerbemuseums in Berlin, sp¨ater Kustos des Deutschen Buchgewerbemuseums in Leipzig und 1893 Bibliothekar des B¨orsenvereins des Deutschen Buchhandels. Als Inkunabel- und Buchschmuckkenner erwarb sich B., der 1904 Mitglied der Kommission f¨ur den Gesamtkatalog der Wiegendrucke wurde, besondere Verdienste durch die Druckerregister zu Ludwig → Hains Repertorium bibliographicum und Copingers Supplementum zu Hain sowie durch sein 1908 fertiggestelltes eigenes Supplementum zu Hain und Panzer (Beitr¨age zur Incunabel-Bibliographie, Nummernkonkordanz). Seit 1893 war B. Ehrenmitglied der Londoner Bibliographical Society und des Institute of Printers of the British Empire.

Burgers Burger, Leopold, o¨ sterr. Maler, * 11. 10. 1861 Wien, † 11. 11. 1903 Brixen. B. studierte an der Wiener Akademie der bildenden K¨unste bei Josef → Fux, an dessen Hauptvorhang f¨ur das Burgtheater er mitarbeitete; daneben entstanden Aquarelle wie Die Arretierung und An der Bassena. F¨ur die k¨unstlerische Ausgestaltung des Volkstheaters erhielt B. 1888 einen zweiten Preis, im Wiener Caf´e Habsburg malte er einen Wandfries und verschiedene Deckengem¨alde. Seit 1889 wandte er sich der naturalistischen Menschendarstellung zu. In rascher Folge entstanden Bildzyklen aus dem Wiener Straßenleben ¨ wie Der Milchtratsch, das Olbild seiner Mutter und Die Jahreszeiten. Nach einer Armamputation mußte B. seine Kunst aufgeben. C AKL

Burger, Nathanael, eigentl. Johann Heinrich B., Franziskaner, Missionar, * 1. 3. 1733 Kulmain (Oberpfalz), † 28. 8. 1780 Taiy¨uan (China). B. brach 1763 von Genua auf, um in China als Missionar f¨ur das apostolische Vikariat von Shensi und Chansi zu wirken. Er erreichte im August 1764 Macao und kam unter Schwierigkeiten ein Jahr sp¨ater nach Pingyao in der Provinz Shansi, da nach dem „Heiligen Edikt“ Kaiser Kangshis das Christentum als verbotene Sekte galt. Dennoch gelang ihm eine Missionst¨atigkeit, zun¨achst in den Distrikten Taiy¨uanfu und Pingyao, seit 1767 in Luanfu und seit 1776 jenseits der chinesischen Mauer in der n¨ordlichen Tartarei. 1773 war B. der einzige europ¨aische Missionar im Land, 1777 erfolgte seine Ernennung zum Vikar. Die von ihm gegr¨undeten Gemeinden sind heute noch Basis der Kirchen in jenen Provinzen. C NDB

Burger, Norbert, o¨ sterr. Politiker, * 13. 4. 1929 Kirchberg (Nieder¨osterreich), † 27. 9. 1992 Kirchberg. B. studierte an der Wiener Hochschule f¨ur Welthandel und der Univ. Innsbruck und wurde zum Dr. phil. promoviert. 1961 organisierte er mit Burschenschaftern und Mitgliedern des „Befreiungsausschusses S¨udtirol“ Attentate in S¨udtirol. Nach mehrfacher Haft und Flucht stand B. 1965 und 1967 in Graz und Linz vor Gericht, wurde jedoch freigesprochen. ¨ aus und war 1967 Gr¨undungsmit1963 trat er aus der FPO ¨ glied der Nationaldemokratischen Partei Osterreichs (NDP). Nach dem Verbot der NDP 1988 war er Mitbegr¨under und Obmann der „B¨urger-Rechts-Bewegung“. C Munzinger Burger, Reinhold, Erfinder, * 13. 1. 1866 Baruth (Niederlausitz), † 21. 12. 1954 Berlin. In einem Glash¨uttenbetrieb ausgebildet, machte sich B. um die Jahrhundertwende selbst¨andig und stellte f¨ur Carl von → Linde K¨uhlbeh¨alter f¨ur fl¨ussige Luft her. Die dabei gemachten Beobachtungen zur isolierenden Wirkung doppelwandiger Gl¨aser u¨ bertrug er auf heiße Fl¨ussigkeiten und gelangte nach einschl¨agigen Versuchen von der Gef¨aß- zur geschlossenen Flaschenform, die er 1903 als Patent anmeldete. 1909 verkaufte er sein Patent an der Thermosflasche an die Charlottenburger Thermos-AG. Zuletzt lebte B. in bescheidenen Verh¨altnissen und stellte mit einem seiner S¨ohne Bestrahlungsger¨ate f¨ur medizinische Zwecke her.

Burger, Wilhelm, kath. Theologe, * 6. 4. 1880 St¨uhlingen, † 15. 3. 1952 Freiburg / Breisgau. Der Sohn eines Zollbeamten wurde nach theologischen Studien in Freiburg / Breisgau 1903 zum Priester geweiht. Nach der Vikarszeit in Schwetzingen und Karlsruhe verbrachte er 1906-08 einen Studienurlaub in Rom und wurde dann Pfarrverweser in Brombach und Elgersweier, 1910 Klosterpfarrer in Offenburg, ehe er 1917 an der Univ. Freiburg mit einer Arbeit u¨ ber Rhabanus Maurus promoviert wurde. Inzwischen Stadtpfarrer an St. Urban in Freiburg, wurde er 1924 Domkapitular und als Bischof von Theben zum Weihbischof geweiht. Seit 1926 war B. Domdekan, seit 1933 Dompropst;

im Ordinariat war er f¨ur die Referate Schule und Ordenswesen verantwortlich. Zum Bistumsjubil¨aum 1927 gab er die Festschrift Das Erzbistum Freiburg in Vergangenheit und Gegenwart heraus. 1948 wurde B. Generalvikar f¨ur das badische Kapitel der Erzdi¨ozese. C Bad Bio N.F., Bd 1

Burger, Willy Friedrich, eigentl. Wilhelm F. B., schweizer. Maler, Graphiker, * 1. 9. 1882 Z¨urich, † 16. 3. 1964 R¨uschlikon. Nach der praktisch-technischen Ausbildung zum Lithographen und dem Besuch der Kunstgewerbeschule Z¨urich studierte B. 1901-03 bei Ludwig → Schmid-Reutte an der Kunstakademie in Karlsruhe. Anschließend war er bis 1905 freiberuflich in London t¨atig und hatte sich daneben als H¨orer an der Royal Academy eingeschrieben. 1906-08 arbeitete er als Illustrator und Graphiker in den USA, hielt sich 1909 in Rom auf und ließ sich nach Studienreisen durch ¨ Agypten, Marokko und Pal¨astina dauerhaft in R¨uschlikon nieder. B. gilt als einer der bedeutendsten Plakatgestalter der Schweiz, zu seinen Illustrationen z¨ahlen Landschaften und historische Darstellungen wie die Beitr¨age zu Johann Howalds Unser Volk in Waffen (1914 / 15). C AKL

Burger-Hartmann, Sophie, deutsch-schweizer. Bildhauerin, * 23. 5. 1868 M¨unchen, † 23. 5. 1940 M¨unchen. Die Tochter eines Ingenieurs bildete sich in M¨unchen und Paris als Malerin aus, wandte sich Ende der neunziger Jahre des 19. Jh. autodidaktisch der Plastik zu und schuf kleine fig¨urliche Bronze- und Silberstatuen, die meist in Verbindung mit Nutzgegenst¨anden wie Spiegel, Leuchter, Federnschalen oder Salzf¨assern ausgef¨uhrt waren. Die M¨unchner Vereinigten Werkst¨atten vervielf¨altigten eine Reihe ihrer Modelle. Daneben entstanden gr¨oßere selbst¨andige Statuen wie die Lauscherin. Bei der Pariser Weltausstellung 1900 erhielt B.-H. eine silberne, im selben Jahr bei der Londoner Women’s Exhibition die goldene Medaille. Sie war mit dem Maler Fritz → Burger verheiratet. C AKL Burger-Weber, Amalie, S¨angerin, * 29. 3. 1837 Halle, † 15. 2. 1915 Halle. B.-W. deb¨utierte 1858 am Stadttheater in Magdeburg. W¨ahrend der folgenden 25 Jahre hatte sie große Erfolge als Opern- und Konzerts¨angerin an den Stadttheatern in Dortmund und Krefeld, am Hoftheater in Sondershausen und zuletzt in Barmen und Elberfeld. Die Sopranistin wirkte in vielen dramatischen Opern-Hauptpartien, u. a. in → Wagner-Rollen. 1882 zog sie sich von der B¨uhne zur¨uck und u¨ bernahm in ihrer Heimatstadt eine p¨adagogische Aufgabe. C Kutsch

Burgers, Franz, H¨uttendirektor, * 14. 10. 1845 Kleve, † 29. 3. 1911 Wiesbaden. Der gelernte Schlosser, Sohn eines Zollbeamten, sammelte als Konstrukteur der Friedrich-Wilhelms-H¨utte in Troisdorf erste praktische Erfahrungen, trat 1873 in die Dienste des Bochumer Vereins und baute das Bochumer Hochofenwerk, dessen Kapazit¨at doppelt so groß wie die sonst u¨ bliche Leistung im Ruhrgebiet war. August → Thyssen veranlaßte 1878 seinen Wechsel zum Schalker Grubenund H¨uttenverein, wo B. in mehr als dreißigj¨ahriger T¨atigkeit die Anlage wesentlich erweiterte und eine der gr¨oßten Gießereien des europ¨aischen Festlandes errichtete. B. f¨uhrte neue Verfahrens- und Bauweisen ein und f¨orderte mit der Gr¨undung des Roheisenverbandes die Entwicklung der Branche im Revier. Er war Vorstandsmitglied der Gelsenkirchener Bergwerks-AG und vertrat 1905-10 die Nationalliberale Partei im Westf¨alischen Provinziallandtag. B. war der Vater von Franz → B. C NDB

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Burgers Burgers, Franz (Karl), H¨uttendirektor, * 30. 11. 1877 Bochum, † 20. 4. 1930 Genf. Der Bergassessor wurde 1906 Betriebsleiter der Plutosch¨achte in Wanne, nach der Verschmelzung dieser zum Schalker Gruben- und H¨uttenverein geh¨orenden Zeche mit der Gelsenkirchener Bergwergs-AG Direktor. In der Nachfolge seines Vaters Franz → B. war er seit 1911 Leiter der Hoch¨ofen, Gießereien und Erzgruben der Abteilung Schalke. Durch die Verwendung der Meggener Kiesabbr¨ande gelang ihm die gleichzeitige Gewinnung von Eisen und Zink, die Weiterentwicklung des geophysikalischen Sch¨uttverfahrens half bei der Entdeckung neuer Rohstofflager. Das von ihm eingef¨uhrte Rohrschleuderverfahren wurde jahrzehntelang in in- und ausl¨andischen Betrieben angewandt. Bis zu seinem Ausscheiden aus der Werksleitung (1927) gab er mit Einrichtungen f¨ur Lehrlingspflege und Invalidenbesch¨aftigung sowie der Gr¨undung einer Forschungsstelle f¨ur industrielle Schwerarbeit wegweisende Impulse zur sozialen Besserstellung der Werksangeh¨origen. C NDB

Burgerstein, Alfred, o¨ sterr. Botaniker, * 18. 7. 1850 Wien, † 11. 11. 1929 Wien. Nach der Promotion wurde B. Mittelschullehrer, schrieb zahlreiche Unterrichtswerke (Leitfaden der Botanik, 1899) und entfaltete daneben eine rege wissenschaftlich-publizistische T¨atigkeit, mit der er sich auf den Gebieten Holzanatomie (Mikroskopische Untersuchung pr¨ahistorischer H¨olzer des k. k. naturhistorischen Hofmuseums in Wien, 1901) und Pflanzenphysiologie (Die Transpiration der Pflanzen, 1904-25) einen Namen machte. 1909 wurde B. a. o. Prof. der Anatomie und Physiologie der Pflanzen an der Univ. Wien. Als Generalsekret¨ar der Wiener Gartenbaugesellschaft und ¨ Chefredakteur der „Osterreichischen Gartenzeitung“ hatte B. ¨ Anteil an der Entwicklung des Gartenbaus in Osterreich. Zu ¨ seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Uber den Einfluss a¨ usserer Bedingungen auf die Transpiration der Pflanzen (1876), Xylotomisch-systematische Studien u¨ ber die Gattun¨ gen der Pomaceen (1898) und Uber die Bewegungserscheinungen der Perigonbl¨atter von Tulipa und Crocus (1902). Burgerstein, Lothar, o¨ sterr. Unternehmer, * 26. 7. 1895 Wien, † 13. 9. 1987 Jona (Kt. St. Gallen). Der Sohn eines Professors studierte in Wien Jura und wurde 1922 zum Dr. jur. promoviert. Seit 1926 f¨uhrte er das Maschinenbauunternehmen seines Schwiegervaters, die Leder & Co. AG. 1954 gr¨undete B. die Antriebe AG in R¨uti. Nach einem Unfall zog er sich aus der Leitung seiner Unternehmen zur¨uck, besch¨aftigte sich zunehmend mit Ern¨ahrungswissenschaft und Medizin und gr¨undete 1972 die Antistress AG f¨ur Gesundheitsschutz in Jona, die N¨ahrstoffpr¨aparate herstellte. B. ver¨offentlichte Heilwirkung von N¨ahrstoffen. Richtlinien f¨ur Gesundheit und Leistungsf¨ahigkeit bis ins hohe Alter – Orthomolekulare Medizin (1988). B.s Verm¨ogen floß nach seinem Tod in die Stiftung zur Internationalen F¨orderung der orthomolekularen Medizin. C HLS Burggraf, (Carl) Julius, evang. Theologe, * 31. 8. 1853 Berlin, † 15. 10. 1912 Bremen. Nach dem Theologiestudium in Berlin trat B., Sohn eines Portr¨at- und Genremalers, 1877-79 in den badischen Kirchendienst ein und wurde ordiniert. W¨ahrend der folgenden vierj¨ahrigen Amtszeit in Langenhain bei Gotha beeinflußten Alt-Weimar und vor allem → Schillerscher Geist seine Gesinnung so nachhaltig, daß auch sein anschließendes mehr als dreißigj¨ahriges Wirken als Pastor an St. Ansgari in Bremen davon bestimmt war. Er ver¨offentlichte Schillers Frauengestalten (1897), Goethe und Schiller. Im Werden der Kraft (1902) und anl¨aßlich der Schillergedenkfeiern den Predigtzyklus Schillers Dichtungen vor der christlichen

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Gemeinde. Um hierf¨ur und f¨ur die sp¨ateren Goethepredigten ein geeignetes Sprachrohr zu haben, gab B. 1906 die „Bremer Beitr¨age zum Ausbau und Umbau der Kirche“ (seit 1911 „Jahrbuch des deutschen Christentums“) heraus. Er war der Vater von Friedrich → Forster. C Brem Bio 2

Burggraf, (August Theodor) Waldfried → Forster, Friedrich

Burggrave, Johannn Philipp d. J., Mediziner, * um 1. 10. 1700, † um 7. 6. 1775 Frankfurt / Main. B. studierte 1718-21 in Jena Medizin, war im Sommer 1721 in Karlsbad t¨atig und wurde 1722 in Leiden promoviert (De methodo medendi pro climatum diversitate varie instituenda, 1724). Nach einer Reise durch die Niederlande und Deutschland ließ er sich als praktischer Arzt in Frankfurt / Main nieder. Seit 1741 war B. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, seit 1745 kurmainzischer Leibarzt. B. ver¨offentlichte u. a. das großangelegte Lexicon medicum universale (1733), das mit den Buchstaben A-B unvollendet blieb, und eine medizinisch-statistische Topographie von Frankfurt / Main, De aere, aquis et locis urbis Francofurtanae ad Moenum commentatio (1751). Burghaber, Adam, Jesuit, Theologe, * 11. 10. 1608 Velden bei Vilsbiburg, † 14. 6. 1687 Konstanz. B. wurde 1626 Jesuit. Er unterrichtete an mehreren Jesuitenkollegien und nahm 1642-45 eine Professur f¨ur Logik an der Univ. Ingolstadt wahr. Anschließend wirkte er als Prof. f¨ur Theologie. 1654 wurde er Rektor des Ordenskollegs in M¨unchen, 1665 Prof. an der Univ. Freiburg / Breisgau. 1676 folgte B. einem Ruf als Spiritual an das Collegium Germanicum nach Rom, kehrte als Rektor des Collegiums nach Freiburg zur¨uck und ließ sich schließlich in Konstanz nieder. B. ver¨offentlichte u. a. Centuriae selectorum casuum conscientiae tres (1665) und Disputationes fusiores de variis materiis theologicis (1650-64). C LMU

Burghardt, Hans-Georg, Musikp¨adagoge, Komponist, * 7. 2. 1909 Breslau, † 14. 12. 1993 Halle. B. studierte an der Univ. seiner Heimatstadt Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Philosophie, am Tonk¨unstlerSeminar Kontrapunkt, Komposition und Musiktheorie. Nach der Staatlichen Privat-Musiklehrerpr¨ufung 1932 / 33 wirkte er freischaffend als Komponist, Pianist und P¨adagoge und erhielt 1941 einen Ruf an das Institut f¨ur Musikerziehung an der Univ. Breslau. Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte er zwei Jahre am Konservatorium Cottbus und kam 1952 an das Institut f¨ur Musikerziehung in Jena. 1964 siedelte B. nach Halle u¨ ber, wo er zehn Jahre lang Lektor am Institut f¨ur Musikwissenschaft war. Sein kompositorisches Schaffen umfaßt vor allem Kammermusik, Klavierwerke und Lieder. Burghardt, Max, Schauspieler, * 27. 11. 1893 Wickendorf bei Schwerin, † 22. 1. 1977 Berlin. 1913 / 14 wurde B. an der Maria-Moissi-Schauspielschule in Berlin ausgebildet, erhielt nach dem Kriegsdienst sein erstes Engagement in Bremen und stand in zahlreichen deutschen St¨adten auf der B¨uhne. Er war Theaterobmann der Revolution¨aren Gewerkschaftsopposition und Funktion¨ar der Deutschen B¨uhnengenossenschaft. Seit 1930 Mitglied der KPD, war er w¨ahrend der nationalsozialistischen Herrschaft die meiste Zeit inhaftiert und geh¨orte 1945 zu den Mitbegr¨undern des Kampfbundes gegen den Faschismus in Bremen und des Kulturbundes in K¨oln, wo er 1946 zum Intendanten des Nordwestdeutschen Rundfunks bestellt wurde. 1947 ging B. als Leiter des Referats Musik, Theater und Volkskunst in die Zentralverwaltung f¨ur Volksbildung in die Sowjetische Besatzungszone; 1950-54 war er Generalintendant der St¨adtischen B¨uhnen Leipzig, dann bis 1963 Intendant der Staatsoper Unter den Linden in Berlin (Ost).

Burgkmair 1958-77 stand er als Nachfolger von Johannes R. → Becher an der Spitze des Kulturbundes der DDR und war 1959-77 Mitglied des Zentralkomitees der SED. Seine Memoiren Ich war nicht nur ein Schauspieler erschienen 1973 (21976). C Munzinger

Burghart, Anton, Wirtschaftswissenschaftler, * 9. 5. 1910 Wien, † 28. 9. 1980 Wien. B. schloß das Studium an der Hochschule f¨ur Welthandel in Wien 1935 als Diplomkaufmann ab, trat bei der Obersten Bergbeh¨orde in die Dienste des Handelsministeriums und wurde 1937 promoviert. Als Vorsitzender der ¨ katholisch-deutschen Hochsch¨ulerschaft Osterreichs wurde er nach dem „Anschluß“ verhaftet, leistete 1940-45 Wehrdienst und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Lehrer an der H¨oheren Bundeslehr- und Versuchsanstalt f¨ur Textilindustrie in Wien. 1948-53 war B. gleichzeitig Redakteur bei der Zeitschrift „Wissenschaft und Weltbild“. 1959 habilitierte er sich in Graz f¨ur Sozialpolitik, wurde 1966 dort o. Prof. f¨ur Allgemeine Wirtschaftssoziologie und folgte 1969 einem Ruf an die Hochschule f¨ur Welthandel in Wien. Er war Herausgeber der „Furche“, Mitherausgeber des „Neuen Forums“ und ver¨offentlichte u. a. Eigentumsethik und Eigentumsrevisionismus (1955).

Burghart, Christopher Timotheus, Mediziner, Lyriker, * 2. 8. 1683 Prauß (Kr. Nimptsch) † 14. 2. 1745 Reichenbach (Schlesien). Der aus einem Pfarrhaus stammende B. studierte 1701-04 in Wittenberg Medizin, wurde promoviert und war als praktischer Arzt t¨atig. W¨ahrend der Studienzeit schrieb er Eklogen sowie Sinn- und Gelegenheitsgedichte, die sein Freund Christian → H¨olmann in die „Neukirchsche Sammlung“ (1704 / 05) aufnahm. Sp¨ater schrieb er zahlreiche medizinische Schriften in lateinischer Sprache. Als angesehener B¨urger der Stadt u¨ bernahm B. zeitweise das B¨urgermeisteramt von Reichenbach. Er war der Vater von Gottfried Hein¨ C Arzte rich → B. Schlesien Burghart, Georg, evang. Theologe, * 21. 10. 1865 Berlin, † 3. 3. 1954 Berlin. Nach dem Theologiestudium in Berlin wurde B. 1891 dort als Domhilfsprediger ordiniert und wirkte 1893-97 in D¨usseldorf, dann in Barmen als Pfarrer, ehe er 1917 als Geheimer Konsistorialrat in den Oberkirchenrat nach Berlin berufen wurde. Seit 1921 war er Generalsuperintendent, 1927-33 Geistlicher Vizepr¨asident im Evangelischen Oberkirchenrat der Altpreußischen Union. Sein Pfarramt an der Dreifaltigkeitskirche hatte er 1925 niedergelegt. 1928-33 war B. Oberdomprediger am Berliner Dom und hatte 1928-49 die Leitung der Preußischen Hauptbibelgesellschaft inne. An der o¨ kumenischen Bewegung hatte er als Pr¨asident des deutschen Zweiges des Weltbundes f¨ur Freundschaftsarbeit der C Gailus Kirchen großen Anteil.

Burghart, Gottfried Heinrich, Naturforscher, Mediziner, * 5. 7. 1705 Reichenbach (Schlesien), † 1776 Brieg. Der Sohn von Christopher Timotheus → B. war zun¨achst Apotheker, erhielt erste medizinische Kenntnisse bei einem Dorfchirurgen und wurde 1730 in Frankfurt / Oder mit der Arbeit De termino pubertatis zum Dr. med. promoviert. 1743 u¨ bertrug ihm → Friedrich II. eine Lehrstelle f¨ur Physik und Mathematik am Collegium in Brieg und sp¨ater die Pr¨ufung der Minen in Reichenstein und Silberberg. 1756 wurde B. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt. Er ver¨offentlichte u. a. Zum allgemeinen Gebrauch wohleingerichteter Destillierkunst (3 Bde., 1736), Medicorum silesiacorum satyrae (5 Tle., 1736 / 37), Historisch-physicalisch- und medicinische Abhandlung, von

den warmen B¨adern bey Land-Ecke (1744) und Gr¨undliche Nachricht von einem neuerlich gesehenen Hermaphroditen ¨ Schlesien C Arzte (1765).

Burghart, Hermann, auch Burghardt, o¨ sterr. Maler, * 9. 4. 1834 T¨urmitz bei Aussig, † 23. 1. 1901 Wien. B. studierte an der TH Wien, seit 1856 an der dortigen Akademie der bildenden K¨unste und spezialisierte sich auf die Dekorations- und Theatermalerei. Er arbeitete am Burgtheater und am Carl-Theater, wurde 1866 an die Hofoper berufen und schuf dort Dekorationen f¨ur die Auff¨uhrungen von Merlin, Rienzi, Romeo und Julia, Genofeva, Fata Morgana und zu den Balletten Flick-Flock und Sakuntala. Mit Carlo Brioschi gr¨undete B. ein großes Privatatelier; Theater in London, St. Petersburg, Warschau, Berlin, Dresden und Hamburg geh¨orten ebenso zu seinen Auftraggebern wie die Oberammergauer Passionsspiele und K¨onig → Ludwig II. von Bayern. In Wien entstanden ferner die Wandbilder im Wartesaal des Nordwestbahnhofs und im Musikvereinsgeb¨aude. C AKL

Burghauser, Hugo, Musiker, Dirigent, * 27. 2. 1896 Wien, † 9. 12. 1982 New York. B. studierte an der Wiener Musikakademie (Fagott, Klavier). 1919-38 war er – engagiert von Franz → Schalk – Mitglied des Orchesters der Wiener Staatsoper und der Wiener Philharmoniker (seit 1932 als Erster Fagottist Orchestervorstand). F¨ur die Salzburger Festspiele konnte er Arturo Toscanini gewinnen. 1937 wurde B. Prof. an der Wiener Musikakademie. 1938 ging er in die Emigration und kam u¨ ber Kanada 1941 in die USA, wo er Mitglied des von Toscanini geleiteten NBC-Orchesters in New York und bis 1965 auch des Orchesters der Metropolitan Opera war. B. arbeitete eng mit Richard → Strauss, Clemens → Krauss, Wilhelm → Furtw¨angler und Bruno → Walter zusammen. 1979 erschienen seine Erinnerungen Philharmonische Begegnun¨ gen. C OML Burghauser, Wolfgang, o¨ sterr. Beamter, Schriftsteller, * 30. 9. 1883 Prag, † 25. 11. 1938 Graz. An der Univ. Wien zum Dr. jur. promoviert, trat B. 1906 in den Staatsdienst ein, wurde Bezirkshauptmann in Leibnitz und sp¨ater in Graz, leitete seit 1924 das Winterhilfswerk in der Steiermark und war zuletzt Hofrat bei der steirischen Landesregierung. Seinen ersten Roman Frau Marias Sohn ver¨offentlichte er 1904 und schrieb sp¨ater neben Gedichten und Novellen vornehmlich Legendenspiele (Die Flucht nach ¨ Agypten, 1930); sein dramatischer Versuch Marino Falieri erschien kurz vor seinem Tod. ¨ Maler, Zeichner, Holzschneider, Burgkmair, Hans d. A., * zwischen 1. 1. und 10. 5. 1473 Augsburg, † zwischen Mai und August 1531 Augsburg. B. erhielt erste Anweisungen von seinem Vater Thoman → B., ging zu Martin → Schongauer nach Colmar in die Lehre und kehrte 1490 nach Augsburg zur¨uck. Nach einer Wanderschaft durch Oberitalien, wobei ihn die venezianische Kunst entscheidend beeinflußte, wurde er 1498 als Meister in die Malerzunft aufgenommen. B. war einer der bedeutendsten Augsburger Maler der D¨urerzeit; er schuf Gem¨alde wie die große Madonna von N¨urnberg (1509), widmete sich zwischen 1508 und 1516 mit Holzschnittfolgen (Theuerdank, Triumphzug) der Verherrlichung Kaiser → Maximilians I. und wandte sich anschließend verst¨arkt der Arbeit an großen Altarbildern zu. Zu seinen Hauptwerken z¨ahlen der Johannesaltar in M¨unchen (1518) und der Passionsaltar in Stuttgart. B. machte als erster deutscher Maler den Stil der italienischen Renaissance in Deutschland heimisch und verwendete die neue Technik des Farbholzschnitts. Er war der Vater von Hans → B. d. J. C AKL

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Burgkmair Burgkmair, Hans d. J., Maler, Radierer, * um 1500 Augsburg, † vor 1562 Augsburg. ¨ in die Lehre B. ging bei seinem Vater Hans → B. d. A. und malte 1519 f¨ur die Totenfeier Kaiser → Maximilians 12 Wappen. Nach dem Tod des Vaters 1531 erhielt er die Meistergerechtigkeit. K¨unstlerisch profitierte er nahezu sein Leben lang von den Arbeiten und Vorlagen seines Vaters. Nach dessen Entw¨urfen fertigte er bereits 1529 farbige Zeichnungen f¨ur ein Turnierbuch Herzog → Wilhelms IV. von Bayern an. Auch f¨ur das Sigmaringer Turnierbuch (1553) griff er zum Teil auf diese Vorlagen zur¨uck. F¨ur das Augsburger Geschlechterbuch (1545) verwendete B. ebenfalls Vorbilder des Vaters, die dieser f¨ur die KaiserGenealogie und die Pappenheimer-Chronik (1530) geschaffen hatte. An der Pappenheimer-Chronik war B. aber auch selbst mit Ahnenbildern in Holzschnitt beteiligt. Kaiser → Ferdinand I. setzte sich f¨ur ihn ein und bat den Augsburger Rat um finanzielle Unterst¨utzung f¨ur B., dessen S¨ohne ebenfalls Maler wurden. C AKL

Burgkmair, Thoman, Maler, Drucker, * 1444 Augsburg, † 1523 Augsburg. B. war Sch¨uler des Briefmalers Johannes → B¨amler. Er ist seit 1479 in Augsburg als Hausbesitzer und Steuerzahler nachgewiesen. B. machte sich vor allem als Bildnismaler einen Namen. Auftr¨age erhielt er aus dem B¨urgertum, von Vertretern des Domkapitels und auch von Herzog → Christoph von Bayern. B., der nur einen kleinen Betrieb f¨uhrte, versuchte in seinen Portr¨ats weniger individuelle Gesichtsz¨uge, sondern vor allem das Typische und Standesgem¨aße der Dargestellten zu zeigen. Einziges gesichertes Werk ist ein Portr¨at des Predigers Johannes Capistranus. F¨ur die Augsburger Malerzunft richtete B. 1471 das erste „Malerbuch“ ein, das die in der Stadt lebenden Maler verzeichnete. Seine Zunftge¨ rechtigkeit gab er 1498 an seinen Sohn Hans → B. d. A. weiter. C AKL

Burglechner, Matthias von, Jurist, Vizekanzler von Tirol, * 1573 Innsbruck, † 7. 9. 1642 Innsbruck. Nach Studien an der Artistenfakult¨at in Innsbruck erhielt B. 1594 ein Stipendium f¨ur das Jurastudium in Padua. Nach der Promotion trat er 1597 bei der Reichsprokuratur in Speyer in den Staatsdienst ein und wurde ein Jahr sp¨ater Kammerrat in Innsbruck, 1613 Kammer-Vizepr¨asident und 1620 Vizekanzler von Tirol. In den n¨achsten vier Jahren hielt er sich fast st¨andig in Graub¨unden auf, wo er als ziviler Vertreter der Tiroler Regierung in den B¨undnerwirren eine wichtige Vermittlerrolle u¨ bernahm. Im Rahmen seiner Aufgaben, die sich mit den Grenzstreitigkeiten zwischen Tirol und Salzburg, Freising oder Venetien befaßten, hatte B. Zugang zu sonst verschlossenen Archiven und widmete sich neben seiner Beamtent¨atigkeit der Geschichtsschreibung. 1608 erschien der erste Teil des auf 12 B¨ande angelegten Tirolischen Adlers, einer geographisch-statistischen Beschreibung von Land und Geschichte Tirols, deren handschriftliche Fassung im Staatsarchiv Wien aufbewahrt wird; f¨ur den Druck konnte B. das Werk nur bis zum 4. Band (1636) herrichten. Mit kartographischen Arbeiten wie der Tirolkarte in Adlerform (Aquila Tirolensis) lieferte er weitere wichtige Beitr¨age zur Tiroler Kulturgeschichte. Burgmeier, (Joseph) Max, schweizer. Maler, Holzschneider, * 31. 1. 1881 Aarau (Kt. Aargau), † 15. 1. 1947 Aarau. B. ließ sich in M¨unchen an der Kunstgewerbeschule, sp¨ater bei Bruno → Paul und Schmutz-Brandis ausbilden und lernte in Paris die Impressionisten sowie die Werke der Schule von Barbizon kennen. Eindrucksvolle Winterlandschaften und Mittelmeerimpressionen stehen in seinem Werk neben ¨ und TemperamaPortr¨ats und Stilleben. Die Technik der Ollerei war ihm ebenso vertraut wie das große Wandbild und

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das Aquarell. Er war Mitbegr¨under und langj¨ahriger Pr¨asident der Sektion Aargau der Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten. C AKL

Burgmuller, ¨ Friedrich (Johann Franz), Komponist, Musiker, * 4. 12. 1806 Regensburg, † 13. 2. 1874 Beaulieu bei Paris. Der Sohn des Musikdirektors Johann August Franz → B. und Bruder Norbert → B.s lebte seit 1832 in Paris; 1842 wurde er franz¨osischer Staatsb¨urger. Neben seiner T¨atigkeit als Klavierlehrer und Arrangeur wurde er bald zu einem beliebten Komponisten leichter Musik; er schuf eine Vielzahl von Kompositionen, bei denen es sich in der Regel um melodi¨ose Salon- und Hausmusik f¨ur Anf¨anger (Kinder-Et¨uden) handelt. Einige seiner St¨ucke sind noch im heutigen Klavierunterricht im Gebrauch. C MGG

Burgmuller, ¨ Herbert, Schriftsteller, * 4. 9. 1913 M¨ulheim / Ruhr, † 28. 4. 1970 N¨urnberg. Nach einer Bibliothekarsausbildung studierte B. in Wien Literaturgeschichte. Die nationalsozialistische Macht¨uber¨ ¨ nahme veranlaßte ihn zur Ubersiedlung nach Osterreich, wo er 1936 die Zeitschrift „Das Silberboot“ herausgab. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er am D¨usseldorfer Stadttheater t¨atig und geh¨orte zu den Mitherausgebern der Zeitschrift „Die F¨ahre“. 1948 ver¨offentlichte er mit Anfang und Tradition kulturpolitische Essays. Seit 1953 war B. Generalsekret¨ar des PEN und Autor von Rundfunkbeitr¨agen sowie von Filmdrehb¨uchern (Das große Rennen, 1956).

Burgmuller, ¨ Johann August Franz, auch August Friedrich B., Komponist, Kapellmeister, * 3. 5. 1766 Magdeburg, † 21. 8. 1824 D¨usseldorf. Der Sohn eines Predigers studierte vor¨ubergehend in Leipzig und Erfurt, wurde dann aber 1786 Theaterkapellmeister in Weimar. Als Musikant kam B. u. a. nach K¨oln, Mainz, Bonn und Frankfurt / Main und wurde 1803 Kapellmeister der Frambachschen Theatergesellschaft in D¨usseldorf, wo er sich nach einem kurzen Zwischenspiel in Regensburg 1807 endg¨ultig niederließ. 1812 erhielt er ein o¨ ffentlich gef¨ordertes Musikinstitut, gr¨undete 1818 mit dem Elberfelder Musikdirektor und Organisten Johannes Schornstein die Niederrheinischen Musikfeste, wurde erster Leiter des D¨usseldorfer Musikvereins und war seit 1812 st¨adtischer Musikdirektor. Sein kompositorisches Werk, zu dem eine Operette, ein gr¨oßeres Chorwerk und Violoncello-Konzerte geh¨oren sollen, gilt als verschollen, lediglich Vier Ges¨ange von Theodor Haupt f¨ur Singstimme und Klavier sind erhalten. B. war der Vater von Friedrich und Norbert → B. C MGG

Burgmuller, ¨ Norbert (Joseph August), Komponist, * 8. 2. 1810 D¨usseldorf, † 7. 5. 1836 Aachen. Obgleich jung verstorben, gilt B. als der bedeutendste der Musikerfamilie. Nach dem Tod seines Vaters Johann August Franz → B., bei dem er ersten Unterricht erhalten hatte, erm¨oglichte ihm die F¨orderung durch den Grafen Franz von Nesselrode-Ehreshoven 1826-31 ein Kompositionsstudium bei Louis → Spohr und Moritz → Hauptmann in Kassel. In dieser Zeit trat er mehrfach o¨ ffentlich auf und spielte bei der Auff¨uhrung seiner ersten gr¨oßeren Komposition, dem Klavierkonzert fis-Moll op. 1, den Solopart. Wieder in D¨usseldorf, bem¨uhte sich B. vergeblich um eine dauerhafte Anstellung, fand aber im Kreis seiner Freunde, zu denen Felix → Mendelssohn Bartholdy, Christian Dietrich → Grabbe und sein sp¨aterer Biograph Wolfgang → M¨uller geh¨orten, Impulse f¨ur sein vom sp¨atromantischen Geist getragenes musikalisches Schaffen. Auf dem Weg nach Paris zu seinem Bruder Friedrich → B. kam B. kam unter nicht gekl¨arten Umst¨anden bei einem Badeaufenthalt ums Leben. C MGG

Burgstaller Burgschmiet, Jakob Daniel, Drechsler, Mechaniker, Bildhauer, Erzgießer, Maler, * 11. 10. 1796 N¨urnberg, † 7. 3. 1858 N¨urnberg. Nach einer Drechslerlehre, bei der er sich vornehmlich mit der heimischen Spielzeugtradition vertraut machte, besuchte B. die N¨urnberger Kunstschule. Seine ersten bedeutenden Arbeiten waren fast lebensgroße Figuren f¨ur das N¨urnberger Waisenhaus, in dem er selbst als Kind gelebt hatte. 1822-24 war er an der Restaurierung des Sch¨onen Brunnens in N¨urnberg beteiligt. 1826 folgte eine in Sandstein gearbeitete Statue → Melanchthons; im selben Jahr wurde B. Lehrer f¨ur Bildhauerei an der Polytechnischen Schule in N¨urnberg. 1828 vervollkommnete er seine Technik der Gießerei bei Crossati`ere in Paris. 1837 gr¨undete er eine eigene Erzgießerei und wurde vom N¨urnberger Magistrat mit der Ausf¨uhrung des → D¨urer-Erzdenkmals von Christian Daniel → Rauch beauftragt. Im folgenden entwickelte sich seine Gießerei zu einer der leitsungsf¨ahigsten ihrer Zeit. C AKL Burgsdorff, Alhard (Karl Gustav Ehrenreich) von, Industrieller, Landwirt, * 18. 8. 1890 Berlin, † 30. 7. 1960. W¨ahrend seiner aktiven Milit¨arzeit wurde B. nach dem Studium in Heidelberg und Bonn 1914 in W¨urzburg mit der rechts- und staatswissenschaftlichen Dissertation Die Kriegserkl¨arung und ihre Wirkungen unter besonderer Ber¨ucksichtigung der o¨ ffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Vertr¨age promoviert. Seinen Abschied nach dem Ersten Weltkrieg nahm er als Rittmeister a. D. Nach Reisen durch die Niederlande und die T¨urkei gr¨undete er 1920 in Frankfurt / Main die Kontakt AG, die bald auf dem Gebiet des elektrotechnischen Installationsmaterials eine f¨uhrende Stellung einnahm. Nach der Vereinigung mit der R¨ommler AG (Berlin) u¨ bernahm er dort und in einer Reihe anderer Unternehmen den Vorsitz im Aufsichtsrat. Als Landwirt bet¨atigte sich B. vornehmlich in der Gefl¨ugelzucht, seine Garather Gefl¨ugelfarm war mit 5000 Zuchthennen die gr¨oßte ihrer Art auf dem Festland. Auf Verbandsebene stand er an der Spitze des Gefl¨ugelzuchtausschusses der Landwirtschaftskammer f¨ur die Rheinprovinz, des Clubs Deutscher Gefl¨ugelz¨uchter und des Rheinischen Gefl¨ugelherdbuchverbandes. Burgsdorff, Curt (Ludwig Ehrenreich) von, Politiker, * 16. 12. 1886 Chemnitz, † 26. 2. 1962 Tutzing. B. studierte an den Universit¨aten Grenoble und Freiburg / Breisgau Rechtswissenschaften und wurde 1911 in Leipzig promoviert (Die Entwicklung der kolonialen Rechtspflege). Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg Regierungsrat in Großenhain und Leipzig, wurde ihm 1921 die Direktion des Staatsbetriebs Bad Elster u¨ bertragen, dessen Sanierung er betrieb, ehe er 1927 als Oberregierungsrat in das s¨achsische Innenministerium, 1928 als Amtshauptmann nach L¨obau versetzt wurde. B., der seit 1918 Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei gewesen war, trat 1933 in die NSDAP ein und wurde Ministerialdirektor im Innenministerium. 1937 bat er aufgrund politischer Meinungsverschiedenheiten und seiner N¨ahe zur Bekennenden Kirche um die R¨uckversetzung als Kreishauptmann nach Leipzig, 1938 um die Verwendung außerhalb Sachsens. Im selben Jahr als Amtschef des Reichsstatthalters Arthur → Seyß-Inquart in Wien mit der Angleichung der o¨ sterr. Verwaltung an die reichsdeutsche betraut, wechselte er 1939 in a¨ hnlicher Funktion in das Reichsprotektorat B¨ohmen und M¨ahren, wo er die Leitung der Reichsverwaltung u¨ bernahm. Nach Differenzen u¨ ber den tschechenund judenfeindlichen Kurs in den verwalteten Gebieten bat B. 1942 um die Freistellung zur Wehrmacht, der er bis zu seiner Ernennung zum Gouverneur des Distrikts Krakau 1943 angeh¨orte. Nach dem Krieg formal wegen seiner Amtsstellung in Polen verurteilt und von den alliierten Beh¨orden

als nicht belastet eingestuft, kehrte B. 1949 nach Deutschland zur¨uck und war bis 1956 Verwalter der Evangelischen Akademie in Tutzing. C Verwaltung

Burgsdorff, Konrad (Alexander Magnus), Staatsmann, * 11. 12. 1595 Hohenziethen bei Soldin (Neumark) † 11. 2. 1652 Berlin. Der aus einem m¨arkischen Adelsgeschlecht stammende B., dessen Vater Amtshauptmann in Zehden war, kam im Alter von vierzehn Jahren als Spielgef¨ahrte des sp¨ateren Kurf¨ursten → Georg Wilhelm an den brandenburgischen Hof. 1623 wurde er Oberst eines Reiterregiments und f¨uhrte im Dreißigj¨ahrigen Krieg Verhandlungen mit → Tilly, → Wallenstein und Gustav Adolf. Kurf¨urst → Friedrich Wilhelm u¨ bertrug ihm 1642 das Oberkommando u¨ ber die m¨arkischen Festungen. Mit der Ernennung zum Oberkammerrat wurde er ein wichtiger Berater des Großen Kurf¨ursten. 1647 verhandelte B. um die j¨ulische Erbschaft und trat f¨ur eine Union der norddeutschen F¨ursten ein. 1652 wurde er auf Be¨ treiben der Kurf¨urstin → Luise Henriette aus allen Amtern entlassen. C NDB

Burgsdorff, Wilhelm (Friedrich Theodor) von, * 23. 9. 1772 Ziebingen, † 6. 10. 1822 Dresden. W¨ahrend des 1791 begonnenen Studiums war B. in Halle und G¨ottingen Kommilitone von Ludwig → Tieck, als Kammerreferendar in Berlin (1795-96) freundete er sich mit Karoline von → Humboldt und Rahel → Varnhagen an. Auf seinen Reisen fand er in Dresden Kontakt zu Theodor → K¨orner und traf in Weimar mit → Goethe und → Schiller zusammen. Außer dem Tagebuch einer seiner Englandreisen und seinen Briefen hat B. keine literarischen Zeugnisse hinterlassen. C NDB

Burgstaller, Aloys, S¨anger, * 27. 9. 1871 Holzkirchen, † 19. 4. 1945 Gmund / Tegernsee. Nach einer Uhrmacherlehre wurde B.s Stimme von Hermann → Levi und Cosima → Wagner entdeckt. Ausgebildet bei Eduard Bellwidt in Frankfurt / Main und bei Julius → Kniese in Bayreuth, deb¨utierte er 1894 bei den dortigen Festspielen in kleineren Rollen und sang im gleichen Jahr den Siegfried am N¨urnberger Stadttheater. Mit der gleichen Partie hatte er 1897 in Bayreuth großen Erfolg. Bis 1902 sah man ihn dort in allen wichtigen Tenorrollen. Ohne festes Engagement gab B., der als herausragender Vertreter des „Bayreuther Stils“ gilt, Gastspiele in vielen europ¨aischen Hauptst¨adten. 1903-09 Mitglied der Metropolitan Opera New York, wo er Weltruhm erlangte, f¨uhrte B.s Mitwirkung in der Parsifal-Inszenierung 1903 gegen das Verbot aus Bayreuth zu Differenzen mit Cosima Wagner, die erst 1908 beigelegt wurden. B. war sp¨ater als Gesangsp¨adagoge in M¨unchen t¨atig. C MGG

Burgstaller, Ernst, o¨ sterr. Schriftsteller, Volkskundler, * 29. 5. 1906 Ried im Innviertel (Ober¨osterreich), † 22. 1. 2000 Leonding (Ober¨osterreich). B. studierte seit 1925 Germanistik, Geschichte, Geographie, Volks- und V¨olkerkunde, Vorgeschichte und Museumswissenschaften an der Univ. Wien, an der er 1930 promoviert wurde. 1930-53 unterrichtete er an Mittel- und Oberschulen in Ried und in Linz (seit 1940 als Studienrat), habilitierte sich 1944 f¨ur Volkskunde an der Univ. Heidelberg und wechselte 1953 als stellvertretender Leiter an das Institut f¨ur Landeskunde von Ober¨osterreich (seit 1956 Oberrat des wissenschaftlichen Dienstes). 1964 erwarb er an der Univ. Graz auch die o¨ sterr. Venia legendi, habilitierte sich 1968 an die Univ. Linz um, wurde 1970 zum a. o. Prof. ernannt und war bis 1972 Direktor des Instituts f¨ur Landeskunde von Ober¨osterreich. B. war Sekret¨ar der Landesstelle Ober¨osterreich des „Atlas der deutschen Volkskunde“ (1936-38), Mit¨ begr¨under des „Osterreichischen Volksatlasses“ (1954), Lei-

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Burgtorf ¨ ter der Zentralstelle f¨ur den „Osterreichischen Volkskundeatlas“ (1956-61) und wurde 1958 mit den Vorbereitungen des Volkskundeatlasses von Mitteleuropa beauftragt. Neben der Kulturgeographie und Kartographie widmete er sich der Erforschung des Volksbrauchtums und volkssoziologischer Gebiete. B. ver¨offentlichte u. a. Lebendiges Jahresbrauch¨ tum in Ober¨osterreich (1948), Osterreichisches Festtagsgeb¨ack (1958) und Felsbilder und -inschriften im Toten Gebirge in Ober¨osterreich, 1961), ferner Lyrik (Schon sehe die Ferne ich nahe. Gedichte aus vier Jahrzehnten, 1978) und Erz¨ahlungen. C DLL, 20. Jh.

Burgtorf, Ferdinand, Landwirtschaftslehrer, * 1. 11. 1834 Hildesheim, † 26. 10. 1908 Herford. Nach dem Besuch des Lehrerseminars in Alfeld / Leine erwarb B. im Selbststudium umfassende landwirtschaftliche Kenntnisse und wurde 1858 Lehrer an der Landwirtschaftsschule in Hildesheim. 1865 gr¨undete er eine private Ackerbauschule in Osnabr¨uck, die er drei Jahre sp¨ater nach Herford verlegte und zu einer o¨ ffentlich gef¨orderten Landwirtschaftsschule ausbaute; seit 1896 stand B. der Einrichtung als Direktor vor. 1873 erschien sein Werk Wiesen- und Weidenbau. Praktische Anleitung zur Auswahl und Kultur der Wiesen- und Weidenpflanzen nebst Berechnung der erforderlichen Samenmengen, das bis 1912 mehrmals neu aufgelegt wurde. C B¨ohm

Burgundius, Nicolaus von, auch Borgundius, Bourgoigne, Bourgogne, Jurist, Historiograph, * 29. 9. 1586 Enghien (Hennegau), † 4. 1. 1649 Br¨ussel. B. wurde nach manchen Berichten als Kind eines unehelichen Sohns von Johann von Burgund geboren. Sein Vater war Rentmeister und Rat K¨onig Heinrichs IV. von Frankreich. Nach dem Jurastudium in L¨owen arbeitete B. als Advokat in Gent. 1627 wurde er als Prof. f¨ur Rechtswissenschaften nach Ingolstadt berufen und zum Dr. jur. promoviert. Wenig sp¨ater wurde er zum kurbayerischen Rat, „comes palatinus“ und Hofhistoriographen ernannt. 1639 kehrte B. in die Niederlande zur¨uck, wo er dem Großen Rat von Brabant angeh¨orte. Neben seiner T¨atigkeit als Jurist trat B. auch als Historiker und Dichter hervor. Er verfaßte u. a. eine Geschichte Kaiser → Ludwigs des Bayern und eine Historia Belgica. In einem Zwischenbereich zwischen Recht und Politik bewegten sich seine Schriften im Auftrag von Kurf¨urst → Maximilian I., in denen er bayerische gegen pf¨alzische Kuranspr¨uche verteidigte. C LMU Buri, Christian (Karl Friedrich) von, Jurist, Politiker, * 26. 10. 1796 Gießen, † 17. 2. 1850 Lauterbach (Hessen). Der fr¨uh verwaiste Gymnasiast, Sohn eines Offiziers und Neffe von Wilhelm → B., wurde von F. G. → Welcker f¨ur die deutschnationale Sache gewonnen und folgte 1813 dem Aufruf zur Bildung eines hessischen freiwilligen J¨agerkorps. W¨ahrend des Jurastudiums in Gießen geh¨orte er zu den Mitbegr¨undern der Deutschen Lesegesellschaft, aus der sich der Bund der „Gießener Schwarzen“ entwickelte. 1817 erntete er als Redner auf dem Wartburgfest großen Beifall. 1823 wurde B. Anwalt in B¨udingen, 1825 Hofgerichtsadvokat in Gießen. Nach dem Scheitern der Julirevolution 1830 verfaßte er 1833 einen Aufruf zur geschlossenen Auswanderung nach Nordamerika. 1835-37 verteidigte er F. L. → Weidig in dessen Hochverratsprozeß und u¨ bernahm 1847 die Leitung der Riedeselschen Kammerverwaltung in Lauterbach. B. war der Vater des Juristen Maximilian von → B. C NDB Buri, Fritz, schweizer. reformierter Theologe, * 4. 11. 1907 Kernenried (Kt. Bern), † 30. 1. 1995 Basel. B., Sohn eines Landwirts, studierte an den Universit¨aten Basel, Bern, Marburg und Berlin und wurde 1934 in Z¨urich zum Dr. theol. promoviert (Die Bedeutung der neutestament-

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lichen Eschatologie f¨ur die neuere Protestantische Theologie). Er war Pfarrer in zwei bernischen Landgemeinden, seit 1948 in Basel (St. Alban, seit 1957 M¨unster). B. wurde Privatdozent f¨ur systematische Theologie und war als solcher auch in Basel t¨atig; 1952 wurde er a. o., 1968 o. Prof. an der dortigen Universit¨at. Ausgehend von der liberalen Theologie Albert → Schweitzers und Martin → Werners entwarf B. unter dem Einfluß der Existenzphilosophie und fern¨ostlichen Denkens eine „Theologie der Verantwortung“ (1971). Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Dogmatik als Selbstverst¨andnis des christlichen Glaubens (3 Bde., 1956-78), Gott in Amerika (2 Tle., 1970-72), Die Verantwortung des Glaubens (1972), Der Buddha-Christus als der Herr des wahren Selbst. Die Religionsphilosophie der Kyoto-Schule und das Christentum (1982) und Verantwortung u¨ bernehmen (1987). 1955 wurde die „Internationale Fritz BuriGesellschaft f¨ur Denken und Glauben im Welthorizont“ gegr¨undet. C BBKL

Buri, Max (Alfred), schweizer. Maler, * 24. 7. 1868 Burgdorf (Kt. Bern), † 21. 5. 1915 Interlaken (Kt. Bern). Der Wohlstand seiner Familie erlaubte B. ausgedehnte Studien in M¨unchen an der Kunstakademie bei Karl → Raupp (1886) und 1887-89 an der Privatschule des Ungarn Simon Holl´osy. Nach Reisen durch D¨anemark und Norwegen besuchte er bis 1893 die Acad´emie Julian in Paris, unternahm von Paris aus zahlreiche Reisen nach Spanien, Nordafrika, London, Holand und Belgien und arbeitete ab 95 im M¨unchner Atelier von Albert von Keller. 1898 kehrte B. in die Schweiz zur¨uck und heiratete dort. Seit 1903 lebte er in Brienz. In den dort entstandenen Gem¨alden vermochte er mit breitem Fl¨achenaufbau und kr¨aftigen Farbkonstrasten die Stilelemente seines Freundes Ferdinand → Hodler auf seine bodenst¨andigen Motive anzuwenden. C AKL Buri, Maximilian (Georg Wilhelm) von, Jurist, * 7. 3. 1825 B¨udingen (Hessen), † 20. 4. 1902 Wiesbaden. Der Sohn Christian von → B.s schlug wie sein Vater die juristische Laufbahn ein, studierte in Gießen und Heidelberg und ließ sich als Rechtsanwalt, sp¨ater Oberstaatsanwalt in Gießen und Darmstadt nieder. Nach einem kurzen politischen Zwischenspiel, in dem er 1875-79 den Wahlkreis Gießen-Land als nationalliberaler Abgeordneter in der Hessischen Kammer vertrat, war B. 1879-96 Reichsgerichtsrat in Leipzig. In zahlreichen Schriften zum Strafrecht u¨ bte er Einfluß auf die Rechtsprechung aus; seit 1860 arbeitete er an der Definition des Ursachenbegriffs (Zur Lehre an der Teilnahme an dem Verbrechen und der Beg¨unstigung) und begr¨undete so die noch heute g¨ultige strafrechtliche Ursachenlehre. Seine Beitr¨age zur Theorie des Strafrechts und zum Strafgesetzbuch erschienen 1894. C NDB Buri, Rudolf, schweizer. Holzschneider, * 5. 4. 1835 Bern, † 29. 10. 1878 Bern. Der Sohn eines Granitsteinhauers folgte seinem Talent zum Zeichnen und wandte sich der Holzschneidekunst zu. In Paris und besonders in Leipzig, wo er im Arlaud’schen Institut f¨ur die „Gartenlaube“ arbeitete, erhielt er seine Ausbildung. 1858 gr¨undete B. in Bern mit seinem Schwager das xylographische Atelier Buri & Jecker, aus dem Holzschnitte f¨ur die Zeitschrift „Die (illustrirte) Schweiz“, f¨ur Die Schweizergeschichte in Bildern (1871), zu Oswald → Heers Urwelt der Schweiz, Jeremias → Gotthelfs Erz¨ahlungen Aus dem Bernerland und dem Festalbum zur Feier der Schlacht von Murten hervorgingen. C Bern Bio, Bd 3 Buri, (Christian Karl Ernst) Wilhelm, Jurist, Schriftsteller, * 25. 2. 1758 Birstein, † 28. 7. 1818 Homburg v. d. H. B. studierte in Marburg und Gießen und ließ sich 1780 als Anwalt in Offenbach nieder. 1807 wurde er Hofrat in Hanau, 1811 von Landgraf → Friedrich V. in hessisch-

Burk homburgische Dienst berufen und f¨uhrte seit 1816 den Titel eines Regierungsrats. B.s Lyrik (Skizzen und kleine Gem¨alde, 1791) zeigt sich besonders von → Klopstock, die Prosa von → Gellert und von Sophie von → La Roche beeinflußt. Mit dem Heldenepos Der Sieg u¨ ber den Welttyrannen . . . (1815) fand er die Anerkennung des preuß. K¨onigs. Durch die Mitarbeit an → Wielands „Teutschem Merkur“ und zahlreichen Almanachen, Kalendern und Taschenb¨uchern fanden seine Werke eine große Verbreitung. B. war der Onkel von Christian von → B. C Hess Bio, Bd 1

Burian, Karl, o¨ sterr. Umweltforscher, * 18. 9. 1939 Steyr (Ober¨osterreich), † 18. 8. 1998 Wien. B., Sohn eines Lehrerehepaars, studierte seit 1957 Naturgeschichte und Philosophie an der Univ. Wien. Nach Teilnahme an den hydrologisch-¨okologischen Forschungen des Spel¨aologischen Instituts am Dachsteinplateau (1959-61) und einem Studienaufenthalt an der Stazione Zoologica in Neapel (1962) wurde er mit einer Arbeit u¨ ber die Physiologie der inneren Plasmahautschichten am Institut f¨ur Pflanzenphysiologie der Univ. Wien promoviert und u¨ bernahm dort 1963 eine Assistentenstelle. B.s wissenschaftliches Interesse galt von nun an insbesondere o¨ kophysiologischen und produktionsbiologischen Fragestellungen: Er untersuchte die Prim¨arproduktion des Schilfg¨urtels am Neusiedler See und habilitierte sich 1969 mit einer Arbeit u¨ ber Die pflanzliche Produktion in ihrer Abh¨angigkeit von Intensit¨at und Qualit¨at des Lichtes und von der Temperatur. 1970 zum Universit¨atsdozenten ernannt, f¨uhrte ihn 1974 ein Forschungsstipendium an die Univ. of Arizona in Tucson. Im gleichen Jahr u¨ bernahm er als a. o. Prof. die Leitung der o¨ kologischen Abteilung des Instituts f¨ur Pflanzenphysiologie und war maßgeblich beteiligt am Aufbau der Arbeitsgruppe „Stadt¨okologie“ innerhalb des Programms „Man and Biosphere“. Seit 1976 wirkte B. als o. Prof. f¨ur Anatomie und Physiologie der Pflanzen am Institut f¨ur Pflanzenphysiologie, war 1977-82 Institutsvorstand und 1981 / 82 sowie 1982 / 83 Dekan der Formal- und Naturwissenschaftlichen ¨ Fakult¨at. Der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften geh¨orte er seit 1980 als korrespondierendes, seit 1983 als wirkliches Mitglied an. B.s besonderes Engagement galt dem Natur- und Umweltschutz, f¨ur den er sich auf lokaler wie internationaler Ebene als Initiator und durch Teilnahme in zahlreichen Gremien und Programmen einsetzte. Er vero¨ ffentlichte u. a. Abw¨armeproblematik (1977), Anthropogene ¨ Beeinflussung der Vegetation in Osterreich (1977) und Wirtschaft und Umwelt. Versuch einer Vers¨ohnung (1983). ¨ Akad, Jg. 150 C Almanach Ost Burian, Kurt, o¨ sterr. Hals-Nasen-Ohren-Arzt, * 9. 12. 1921 Wien, † 19. 12. 1996 auf Teneriffa. B. studierte seit 1939 Medizin an der Univ. Wien und wurde 1946 promoviert. Zun¨achst an der I. Medizinischen Universit¨atsklinik, sp¨ater an der II. Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Univ. Wien t¨atig, habilitierte er sich 1957 und war 1959-63 supplierender Leiter der I. Hals-Nasen-Ohren-Klinik in Wien, die er nach der Zusammenlegung mit der II. HalsNasen-Ohren-Klinik leitete. Nach deren Verselbst¨andigung als neuer II. Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Univ. Wien war B. 1970-90 als o. Prof. ihr Direktor. 1984 wurde er in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, 1986 in ¨ die Osterreichische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren u. a. HNOErkrankungen (1981) und Leitfaden der Hals-Nasen-OhrenHeilkunde (1989). B. kam bei einem Verkehrsunfall ums Le¨ Akad, Jg. 147 ben. C Almanach Ost Burian, (Anton) Richard, o¨ sterr. Physiologe, * 8. 1. 1871 Wien, † 6. 4. 1954 Iowa-City. Nach der Promotion in Wien 1894 wurde B. praktischer Arzt und Assistent bei Edmund von → Neusser an der II.

Medizinischen Universit¨atsklinik. 1897 wechselte er in gleicher Funktion an das Physiologische Institut der Univ. Leipzig, habilitierte sich dort 1900 und lehrte als Privatdozent. Seit 1905 Direktor der Physiologischen Abteilung der Zoologischen Station in Neapel, war er seit 1911 Titularprofessor und 1914-16 Vertreter des Ordinarius f¨ur Physiologie in Leipzig, ehe er 1920 als o. Prof. f¨ur Physiologie den Lehrstuhl an der neugegr¨undeten Medizinischen Fakult¨at in Belgrad u¨ bernahm, wo er 1939 Mitbegr¨under der Pharmazeutischen Fakult¨at war; 1941 wurde er emeritiert. 1946 ging er nach Boston, 1951 nach Iowa City. B. befaßte sich mit Fragen der allgemeinen Nerven- und Muskelphysiologie sowie mit dem Studium der Purine und der Physiologie der Exkretion (Die Stellung der Purink¨orper im menschlichen Stoffwechsel, in: Pfl¨ugers Archiv, Bd. 80-94, 1900-02). ¨ 2, 3 C Arzte

Burian von Rajecz, Stephan Graf, o¨ sterr. Diplomat, Staatsmann, * 16. 1. 1851 Stampfen bei Preßburg, † 20. 10. 1922 Wien. B. v. R. entstammte altem ungarischen Adel, wurde an der Konsularakademie in Wien ausgebildet und war in diplomatischen Diensten in Alexandria, Bukarest, Belgrad und Sofia t¨atig, ehe er 1882-86 die Leitung des o¨ sterreichischungarischen Generalkonsulats in Moskau u¨ bernahm. 1887 wurde er Gesandter in Sofia, 1896 in Stuttgart und 1897 in Athen. 1903-12 war B. v. R. als Repr¨asentant der ungarischen Reichsh¨alfte gemeinsamer Finanzminister; in sein Ressort fiel die Finanzverwaltung der 1908 annektierten L¨ander Bosnien und Herzegowina. 1913-15 Minister am Hof in Wien, u¨ bernahm er 1915 das Außenministerium; seine Bem¨uhungen um eine Neutralit¨at Italiens im Ersten Weltkrieg blieben vergeblich. 1916-18 wieder Finanzminister, wurde B. v. R. nach dem R¨ucktritt Ottokar → Czernins erneut Außenminister. Seine Erinnerungen (1919) und Drei Jahre aus der Zeit meiner Amtsf¨uhrung im Kriege (1923) ¨ vermitteln ein aufschlußreiches Bild der dualistischen Ara ¨ in Osterreichs Geschichte. C NDB

Burjan, Hildegard, geb. Freund, o¨ sterr. Sozialpolitikerin, * 30. 1. 1883 G¨orlitz, † 11. 6. 1933 Wien. Die Tochter eines j¨udischen Kaufmanns heiratete 1907 den Industriellen Alexander B., wurde 1908 in Z¨urich zum Dr. phil. promoviert, konvertierte 1909 zum kath. Glauben und siedelte nach Wien u¨ ber, wo sie 1911 mit der Organisation der Heimarbeiterinnen ihre Sozialarbeit aufnahm. Im Ersten Weltkrieg gr¨undete sie die „Soziale Hilfe“, engagierte sich f¨ur die Gef¨ahrdeten-F¨ursorge, die M¨adchenschutzarbeit und den Wiederaufbau der Bahnhofsmission. 1919 / 20 saß B. als erste und einzige Frau f¨ur die Christlich-Soziale Partei im o¨ sterr. Nationalrat und widmete sich der von ihr 1918 gegr¨undeten Schwesternschaft „Caritas Socialis“. Der 1925 begonnene Einsatz von Pfarrschwestern in der Familienpflege und ihre F¨ursorge f¨ur ledige M¨utter f¨uhrten zum vor¨ubergehenden Konflikt mit konservativen Kirchenkreisen. Nach M¨unchen und Berlin berufen, schuf sie dort die Grundlagen f¨ur a¨ hnliche soziale Maßnahmen. C NDB

Burk, Karl, luth. Theologe, * 19. 5. 1827 Frauenzimmern (W¨urttemberg), † 1. 10. 1904 Stuttgart. Der Pfarrerssohn wurde 1852 an seinem Studienort T¨ubingen Repetent des Theologischen Stifts, wirkte 1855-62 als Diakon und Lehrer an der Lateinschule in Weikersheim und wurde 1862 Pfarrer und Bezirksschulinspektor in Schw¨abisch Hall. 1867-70 war der u¨ berzeugte Lutheraner Dekan in Crailsheim, nach kurzer Rektoratszeit in Esslingen in Stuttgart 1873-1900 als Oberkonsistorialrat mit dem Referat Lehrerseminare und -bildung betraut und seit 1879 Stiftsprediger. 1872 rief B. die Lutherische Konferenz f¨ur W¨urttemberg ins Leben. 1898 w¨ahlte ihn die Eisenacher

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Burk Kirchenkonferenz zu ihrem Pr¨asidenten. Neben seinen Aufgaben in der Landeskirche und seinen T¨atigkeiten f¨ur das w¨urttembergische Volksschulwesen ver¨offentlichte B. eine → Spener- und eine → Luther-Biographie sowie eine Geschichte der christlichen Kirche bis zu ihrer Pflanzung auf deutschem Boden (1885). C RE

Burk, Philipp David, evang. Theologe, * 26. 7. 1714 Neuffen, † 22. 3. 1770 Kirchheim / Teck. In der Klosterschule in Denkendorf wurde B., Sohn eines Lehrers, Sch¨uler von Johann Albrecht → Bengel. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Klosterschule Maulbronn studierte er seit 1729 in T¨ubingen, u¨ bernahm in Neuffen und Wiernsheim den Vikariatsdienst und kehrte 1738 als Hauslehrer und Vikar zu Bengel nach Denkendorf zur¨uck. 1742 folgte er ihm nach Herbrechtingen und ehelichte 1744 dessen Tochter Maria Barbara. Nach Stationen in Hedelfingen und Markgr¨oningen wurde B. 1766 Superintendent in Kirchheim / Teck. Durch Erbauungsstunden und die Einrichtung von Pastoralkonferenzen sowie in seelsorgerisch bedeutsamen Werken wie Rechtfertigung und deren Versicherung im Herzen (1771) und in Predigt-Dispositionen (Evangelische Fingerzeige, 8 Bde., 1760-67) erwies sich B. als einer der V¨ater des w¨urttembergischen Pietismus. Verdienstvoll waren seine Neueditionen von Bengels Gnomon und des Neuen Testaments. C RGG

Burkamp, Wilhelm, Philosoph, * 20. 1. 1879 St¨ockte (heute zu Winsen / Luhe), † 26. 8. 1939 Rostock. Nach dem Besuch der Landwirtschaftlichen Schule in Hildesheim studierte B. seit 1904 zun¨achst Biologie, seit 1909 Philosophie in Berlin und Kiel und wurde 1913 aufgrund der Dissertation Die Entwicklung des Substanzbegriffs bei Ostwald promoviert. Danach an der Univ. G¨ottingen t¨atig, habilitierte er sich 1923 und war seit 1929 a. o. Prof. an der Univ. Rostock. B. besch¨aftigte sich mit Logik, Philosophie der Naturwissenschaften und Philosophiegeschichte. Er vero¨ ffentlichte u. a. Die Kausalit¨at der psychischen Prozesse und die unbewußten Aktionsregulationen (1922), Begriff und Beziehung. Studien zur Grundlegung der Logik (1927), Die Struktur der Ganzheiten (1929), Naturphilosophie der Gegenwart (1930), Logik (1932) und Wirklichkeit und Sinn (2 Bde., 1938). Burkard, Heinrich, Musikdirektor, Programmleiter, * 8. 9. 1888 Achern (Baden), † 1. 5. 1950 Heidelberg. B. studierte 1905-09 am Konservatorium in Leipzig, volontierte 1909 unter → Pfitzner am Stadttheater in Straßburg und wurde im gleichen Jahr als F¨urstlich F¨urstenbergischer Musikdirektor nach Donaueschingen berufen. 1921-26 leitete er dort die Kammermusikauff¨uhrungen zur F¨orderung zeitgen¨ossischer Tonkunst. 1930 wurde B. musikalischer Programmleiter des Reichssenders Berlin; nach dem Zweiten Weltkrieg u¨ bernahmen ihn der Berliner Rundfunk (1945-48) und der S¨uddeutsche Rundfunk Stuttgart (1948-50) in gleicher Funktion.

Burkart, Friedrich Karl, Bankier, * 7. 1. 1805 Scheßlitz, † 12. 7. 1862 N¨urnberg. Der Sohn eines Rentamtmanns studierte 1821-25 Rechtswissenschaft und Philosophie in W¨urzburg und war als Advokat in N¨urnberg, Bamberg Kronach und Lichtenfels t¨atig. Seit 1844 als Advokat in Bamberg ans¨assig, vertrat er 1848 / 49 den Wahlkreis Forchheim in der Frankfurter Nationalversammlung und war 1849 / 50 Mitglied der Abgeordnetenkammer des Bayerischen Landtags. 1850 wurde er als Regierungs- und Fiskalrat erster hauptamtlicher Konsulent, 1861 Direktor der Kgl. Bank in N¨urnberg. In dieser Zeit gelang es ihm, neben der F¨orderung der bayerischen Textilindustrie f¨ur verschiedene Eisenbahnprojekte die finanziellen

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Voraussetzungen zu schaffen so beteiligte sich die Bank an der Bayerischen Ostbahn AG. C Frankf Nationalvers

Burkart, Odilo, Industrieller, * 29. 8. 1889 Riedlingen, † n. e. B. studierte 1917-22 in M¨unchen, Berlin und W¨urzburg Jura und Politische Wissenschaften und wurde in W¨urzburg 1921 zum Dr. rer. pol. mit der Arbeit Die w¨urttembergische Automobil- und Zubeh¨orindustrie und 1922 zum Dr. jur. mit der Arbeit Die Zusammensetzung des w¨urttembergischen Landtags in der geschichtlichen Entwicklung promoviert. Danach war er f¨ur verschiedene Eisen- und Stahlproduktionsfirmen t¨atig, u. a. seit 1936 bei der Mitteldeutschen Stahlwerke AG, seit 1940 als Vorstandsmitglied, sowie in diversen Aufsichtsr¨aten, z. B. beim Flick-Konzern. Seit 1933 war B. beim Stahlhelm und 1934-36 Mitglied der SA. 1940 wurde er zum Wehrwirtschaftsf¨uhrer ernannt. Vom N¨urnberger Kriegsverbrechertribunal im Flick-Prozeß wegen Sklavenhaltung und Pl¨underung wurde B. 1947 freigesprochen. Burkh¨auser, Nikolaus, auch Burckh¨auser, Jesuit, Philosoph, * 15. 8. 1733 Fulda, † 22. 12. 1809 W¨urzburg. B. trat 1750 in die Gesellschaft Jesu ein und empfing 1762 die Priesterweihe. 1768 wurde er Prof. der Philosophie in Bamberg und hatte dann bis zur S¨akularisation den W¨urzburger Lehrstuhl inne. Seine lateinischen Vorlesungen u¨ ber Vernunftlehre und Metaphysik (1771-74) waren f¨ur die Entwicklung der Philosophie im kath. Deutschland von Bedeutung. B. ver¨offentlichte u. a. Theoria corporis naturalis principiis Boscovichii conformata (1770), Institutiones logicae (1772), Institutiones metaphysicae (3 Tle., 1772-74) und De incolis et systemate mundi universi (1774). C ADB Burkhard von Hohenfels, Minnes¨anger, 1. H¨alfte 13. Jh. B. geh¨orte einem Konstanzer Ministerialengeschlecht mit Sitz in Sipllingen nahe dem Bodensee an. Zwischen 1212 und 1242 wird er im Zusammenhang mit K¨onig → Friedrich II. und K¨onig → Heinrich VII. sowie dem Erzbischof von Konstanz urkundlich erw¨ahnt. Seine 18 im Manesseschen Codex u¨ berlieferten Lieder entstanden um 1225. Sie sind im Stil der h¨ofischen Lyrik verfaßt und zeigen Einfl¨usse von → Neidhart von Reuental, → Heinrich von Morungen und → Walther von der Vogelweide. C VL

Burkhard, Franz, auch de Burchardis, Jurist, * 1482 Ingolstadt, † 9. 12. 1539 Rain / Donau. Nach Studien an der Univ. seiner Vaterstadt erwarb B. 1509 das Lizentiat und wurde 1513 zum Dr. jur. promoviert. 1519 u¨ bernahm er den Lehrstuhl f¨ur Zivilrecht, sp¨ater f¨ur kanonisches Recht und wurde als Mitstreiter Johannes → Ecks einer der entschiedenen Gegner des Luthertums. So gab er 1522 den Anstoß zum ersten bayerischen Religionsedikt und war einflußreiches Mitglied des Universit¨atsausschusses, der u¨ ber Arsacius → Seehofer zu Gericht saß. 1524 wurde B. Vollzugskommiss¨ar des zweiten Religionsedikts und 1530 Superattendens der Artistischen Fakult¨at, mit der er wegen der Pest 1539 nach Rain u¨ bersiedelte. C NDB

Burkhard, Franz, k¨olnischer Kanzler, * um 1520, † 6. 8. 1584 Bonn. Der Rechtsgelehrte, der vermutlich in K¨oln studiert hatte und zum Dr. jur. utr. promoviert worden war, stand in Diensten des bayerischen Kanzlers August L¨osch von Petersdorf und war 1582 Abgesandter von K¨oln auf dem Reichstag zu Augsburg. Er wurde Geheimer Rat und Kanzler des Erzbischofs und Kurf¨ursten von K¨oln → Ernst von Bayern. Unter seinem Namen erschien 1586 eine von ihm nur durchgesehene, vom kaiserlichen Sekret¨ar A. Erstenberger verfaßte Schrift De autonomia, d. i. von Freystellung mehrerley Religion, die eine entschiedene Verurteilung der Religionsfreiheit darstellt und großes Aufsehen erregte. C NDB

Burkhardt Burkhard, Hans, schweizer. Ingenieur, * 20. 2. 1888

Burkhardt, Gerd, Physiker, * 13. 11. 1911 N¨urnberg,

Winterthur, † 7. 2. 1977 Richterswil (Kt. Z¨urich). B. baute 1912 in Berlin den Rumpler-Eindecker und 1914 die Halberstadt-Taube. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs war er als Oberingenieur in der Gothaer Waggonfabrik maßgeblich an Konstruktion und Bau des „Gotha-Bombers“ beteiligt, der zusammen mit Zeppelin-Luftschiffen bei Bombenangriffen auf London eingesetzt wurde. Sp¨ater kehrte B. in die Schweiz zur¨uck und baute im Auftrag des Bundesrats den Milit¨arflugplatz D¨ubendorf aus, dessen technischer Leiter er bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs blieb.

† 23. 6. 1969 Hannover. Nach Studien in W¨urzburg und M¨unchen (Promotion 1936, ¨ Uber die Form der Comptonlinie) wurde B. 1937 Assistent am Institut f¨ur theoretische Physik an der Univ. Kiel, habi¨ litierte sich 1940 mit der Arbeit Uber die Stoßverbreiterung und statistische Verbreiterung von Spektrallinien und war w¨ahrend des Zweiten Weltkriegs wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Akademie der Luftwaffe, dem Institut f¨ur Ballistik in Berlin-Gatow. 1947 lehrte er als außerplanm¨aßiger Prof. in Kiel, 1950 erfolgte an der Univ. Freiburg / Breisgau die Umhabilitation f¨ur theoretische Physik. Nach kurzer T¨atigkeit am Laboratoire de Recherches Ballistiques in St. Louis (Frankreich) u¨ bernahm B. 1951 den Lehrstuhl f¨ur theoretische Physik an der TH Hannover.

Burkhard, Paul, schweizer. Bildhauer, * 14. 10. 1888 Richterswil (Kt. Z¨urich), † 2. 8. 1964 Agra (Kt. Tessin). An der Kunstgewerbeschule Z¨urich war B. 1905 Sch¨uler von Joseph → Regl, 1906-13 sah man ihn beim Aushauen von Figuren f¨ur Richard → Kißling und andere K¨unstler, ehe er sich bis 1913 an der M¨unchner Akademie der K¨unste weiterbildete. Mit einem eidgen¨ossischen K¨unstlerstipendium hielt er sich in Berlin, Dresden, Leipzig und Oberitalien auf und ließ sich 1923 in Lugano nieder. Dort bet¨atigte er sich als Plastiker, Illustrator und M¨unzstempelschneider (F¨unf-Frankenst¨uck) und beschickte Ausstellungen in Berlin, M¨unchen und Venedig mit Arbeiten in Stein und Metall. C AKL

Burkhard, Paul, schweizer. Komponist, * 21. 12. 1911 Z¨urich, † 11. 9. 1977 Zell (Kt. Z¨urich). Der Sch¨uler des Z¨urcher Konservatoriums war 1932-35 Korrepetitor und Kapellmeister am Berner Stadttheater. Anschließend widmete er sich der Komposition, seine erste Operette Hopsa wurde bei der Urauff¨uhrung 1935 am Stadttheater Z¨urich ein großer Erfolg. 1937 zog B. als Revuekomponist nach Berlin, die politische Entwicklung veranlaßte ihn 1938 zur R¨uckkehr in die Schweiz. 1939 wurde er Hauskomponist und Dirigent am Z¨urcher Schauspielhaus, wo bis 1944 zahlreiche B¨uhnenmusiken entstanden; sein Lokalst¨uck Der schwarze Hecht (1939) wurde in der Bearbeitung von Eric → Charell unter dem Titel Das Feuerwerk (1950) ein Welterfolg. 1945 zum Kapellmeister des Studioorchesters des Landessenders Berom¨unster berufen, reiste B., dessen Chanson O mein Papa mittlerweile weltber¨uhmt geworden war, nach 1950 als Dirigent meist eigener Werke (meist musikalische Kom¨odien und M¨archenspiele) durch Europa und die USA. Seit 1957 wieder in der Schweiz, komponierte er zunehmend liturgische Schulst¨ucke wie Zeller Josef (1964) und die Kinderoper Ein Stern geht auf aus Jaakob (1970). C MGG

Burkhard, Willy, schweizer. Komponist, * 17. 4. 1900 Leubringen bei Biel, † 18. 6. 1955 Z¨urich. Nach dem Besuch des Lehrerseminars Muristalden, Studien in Bern, bei Sigfrid Theodor → Karg-Elert in Leipzig, Walter → Courvoisier in M¨unchen und Max d’Ollone in Paris ließ sich B. 1924 als Privatmusiklehrer in Bern nieder. 1928 erhielt er einen Ruf als Theorielehrer an das dortige Konservatorium. Daneben leitete er kleinere Ch¨ore und Orchester und organisierte 1931 / 32 mit seinem Freund Fritz Inderm¨uhle Singtreffen f¨ur zeitgen¨ossische Musik in Thun und Bern, mit denen junge Lehrkr¨afte an die zeitgen¨ossische Musik herangef¨uhrt werden sollten. Eine Tuberkuloseerkrankung machte nach 1933 einen langj¨ahrigen Aufenthalt in den Schweizer Bergen erforderlich; in dieser Zeit entstanden das Oratorium Das Gesicht Jesajas (1935) und Das Jahr (1942). Seit 1942 wirkte B. am Z¨urcher Konservatorium. 1950 wurde er mit dem Kompositionspreis des Schweizer Tonk¨unstlervereins ausgezeichnet, dessen Vorstand er seit 1940 angeh¨orte. C MGG

Burkhardt, Hedwig, auch Edvige, Edwige H., schweizer. Malerin, * 13. 11. 1863 Horgen, † 30. 8. 1945 Z¨urich. Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule M¨unchen trat B. eine Stelle als Zeichen- und Mallehrerin an der Kunstgewerbe- und Frauenarbeitsschule in Wiesbaden an. 1889 wechselte sie nach Paris, um sich an der Acad´emie Julian u. a. bei Benjamin Constant weiterzubilden; 1895 wurde sie Zeichenlehrerin an der h¨oheren T¨ochterschule in Z¨urich, wo sie bis 1930 t¨atig war. Zu ihren eigenen Werken geh¨oren bis 1893 vornehmlich Blumenst¨ucke und Stilleben. B. beschickte Ausstellungen im Inland und den Pariser Sa¨ und Palon. Sp¨ater wurde sie f¨ur ihre Kinderportr¨ats in Ol stell bekannt. C AKL Burkhardt, Heinrich Friedrich (Karl Ludwig), Mathematiker, * 15. 10. 1861 Schweinfurt, † 2. 11. 1914 Neuwittelsbach bei M¨unchen. Als Stipendiat des Maximilianeums in M¨unchen studierte B., Sohn eines Bezirksgerichtsassessors, dort seit 1880 an der Univ. und der TH, sp¨ater in Berlin und G¨ottingen u. a. bei Alexander von → Brill und Karl → Weierstraß. 1884 wurde er Assistent am Mathematischen Institut der TH M¨unchen, 1887 mit der Arbeit Beziehungen zwischen der Invariantentheorie und der Theorie algebraischer Integrale und ihrer Umkehrungen promoviert und 1889 Privatdozent in G¨ottingen. Einem Studienaufenthalt in Paris folgte 1897 der Ruf als o. Prof. an die Univ. Z¨urich. 1908 erhielt er einen Lehrstuhl an der TH M¨unchen und wurde 1912 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. In seinen Forschungen legte B. den Schwerpunkt auf elliptische Funktionen, Reihenentwicklungen der Physik und Astronomie sowie auf die Gruppentheorie. Er ver¨offentlichte u. a. Funktionentheoretische Vorlesungen (2 Bde., 1897-1906), Algebraische Analysis (1903), Zur Theorie der trigonometrischen Reihen und der Entwicklungen nach Kugelfunktionen (1909) und Zur Theorie der Gammafunktion, besonders u¨ ber ihre analytische Darstellung f¨ur grosse positive Werte des Arguments (1913). C NDB Burkhardt, (Carl August) Hugo, Archivar, * 6. 6. 1830 Jena, † 9. 5. 1910 Jena. B. studierte in Berlin und in seiner Heimatstadt Geschichte und Philosophie und wurde Zweiter Konservator am Germanischen Nationalmuseum in N¨urnberg, 1859 Archivar am Geheimen Hof- und Staatsarchiv in Weimar. 1889 u¨ bernahm er als Großherzoglicher Archivdirektor die Leitung des sachsen-ernestinischen Gesamtarchivs und des Großherzoglichen Staatsarchivs; 1907 ging er als Geheimer Hofrat in den Ruhestand. Neben einem Hand- und Adreßbuch der deutschen Archive (1887) ver¨offentlichte B. u. a. Goethe und der Komponist Ph. Chr. Kayser (1879) und Goethes Unterhaltungen mit Friedrich Soret (1905).

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Burkhardt Burkhardt, Max, Dirigent, Komponist, * 28. 9. 1871 Leipzig, † 12. 11. 1934 Berlin. B., Sohn eines Musikdirektors, studierte an den Universit¨aten Greifswald und Leipzig, wo er 1897 mit der Arbeit Beitr¨age zum Studium des deutschen Liedes und seiner Anf¨ange im 16. und 17. Jahrhundert zum Dr. phil. promoviert wurde. Daneben erhielt er am dortigen Konservatorium eine musikalische Ausbildung, u. a. bei Hans → Sitt. 1892-94 wirkte er als Dirigent des akademischen Gesangvereins Greifswald, in Leipzig folgten einige Jahre als Kapellmeister am Stadttheater und als Musikkritiker des „Leipziger Tageblatts“, ehe er 1899 in K¨oln Dirigent des Liederkranzes wurde und eine Singakademie gr¨undete. 1906 wechselte er als Dozent f¨ur Musik an die Lessing-Hochschule in Berlin und berichtete von dort f¨ur eine Reihe von Musikzeitschriften. B. schrieb einen F¨uhrer durch die Konzertmusik (1911) und durch die Werke → Wagners und → Brahms’. Er komponierte die Opern K¨onig Drosselbart (1904) und Das Moselgretchen (1912), eine Symphonie sowie einige Chorwerke und setzte sich mit Lautenliedern f¨ur eine Wiederbelebung dieses Instrumentes ein. Burkhardt, Otto, Bankdirektor, * 3. 8. 1894 Johnsdorf, † September 1964 Kiel. B. studierte Jura und Staatswissenschaften, machte eine Bankausbildung und wurde Bankbeamter. 1925-38 war er Vorstandsmitglied des Textilunternehmens Christian Dierig AG und 1938-48 Bankier im Bankhaus Burkhardt & Co. in Essen, das 1972 mit dem Bankhaus C. G. Trinkaus fusionierte. B. war Pr¨asident der Landeszentralbank von Schleswig-Holstein (1948-60) und Mitglied des Zentralbankrats der Bank deutscher L¨ander. Burkhart, Franz, o¨ sterr. Komponist, Chorleiter, Musikp¨adagoge, * 19. 9. 1902 Wien, † 20. 10. 1978 Wien. Nach anf¨anglichen Studien an der Wiener Hochschule f¨ur Bodenkultur wandte sich B. der Musik zu, h¨orte an der Univ. bei Rudolf von → Ficker, Robert → Lach und Robert → Haas Musikwissenschaft und wurde von Ferdinand → Großmann im Chordirigieren ausgebildet. 1925-28 war er Lehrer am neugegr¨undeten Wiener Volkskonservatorium, anschließend Leiter des Wiener Chorvereins und seit 1940 Theorielehrer an der Musikschule (nach 1945: Konservatorium) der Stadt Wien, seit 1943 auch Leiter des Seminars f¨ur Singschullehrer. 1948 wurde B. zum stellvertretenden Direktor der Musiklehranstalt der Stadt Wien ernannt. 1952 u¨ bernahm er den Vorsitz im Musikausschuß des ¨ Osterreichischen S¨angerbundes und pr¨asidierte seit 1975 das ¨ Osterreichische Orgelforum. Sein kompositorisches Schaffen umfaßt eine Vielzahl von Chorwerken, Liedern und Volksliedbearbeitungen. Burlage, (Heinrich) Eduard, Jurist, Politiker, * 25. 11. 1857 Huckelrieden (Oldenburg), † 19. 8. 1921 Berlin. Der Sohn eines M¨uhlenbesitzers studierte 1877-80 Jura an den Universit¨aten T¨ubingen, Leipzig und G¨ottingen, trat 1884 in den oldenburgischen Justizdienst ein und wurde 1887 Amtsrichter in Friesoythe. Zwischenzeitlich nach Oberstein und Jever versetzt, wurde er 1903 Oberlandesgerichtsrat in Oldenburg. Als Zentrumsabgeordneter geh¨orte er 1896-1907 dem Oldenburger Landtag an, wurde 1903 in den Reichstag gew¨ahlt, legte nach seiner Ernen¨ nung zum Reichsgerichtsrat 1907 seine politischen Amter nieder und gr¨undete den „Friedensverein“. 1918 / 19 war B. Mitglied der Verfassunggebenden Nationalversammlung und wurde 1919 stellvertretender Vorsitzender der Zentrumsfraktion im Reichstag. C Oldenburg

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Burmann, Fritz, Maler, * 11. 8. 1892 Wiedenbr¨uck (Westfalen), † 20. 9. 1945 Berlin. Seine Ausbildung erhielt B. 1910-1925 an der D¨usseldorfer Kunstakademie bei Deusser, unterbrochen von einem Studienjahr bei Heinrich → Knirr in M¨unchen (1912) und einem Fronteinsatz in Frankreich und Rußland w¨ahrend des Ersten Weltkriegs. Nach Studienreisen durch die Niederlande, Bel¨ gien, Italien, Osterreich und D¨anemark u¨ bernahm er 1926 eine Professur an der Staatlichen Kunstakademie in K¨onigsberg. 1936 erfolgte seine Berufung als beamteter Prof. an die Vereinigten Staatsschulen f¨ur freie und angewandte Kunst in Berlin; 1937 wurde er in die Preußische Akademie der K¨unste aufgenommen. B. bevorzugte die Wand- und Glasmalerei, Mosaiken sowie das fig¨urliche Staffeleibild. C AKL

Burmann, Gottlob Wilhelm, eigentl. Bormann, Schriftsteller, Musiker, * 18. 5. 1737 Lauban, † 5. 1. 1805 Berlin. Der Sohn eines Schreib- und Rechenlehrers begann 1758 das Jurastudium an der Univ. Frankfurt / Oder. 1763 in Hirschberg ans¨assig, ließ er sich sp¨ater in Berlin nieder und redigierte bis 1785 die „Haude- und Spenersche Zeitung“. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Schriftsteller und Musiker. Zu seiner Zeit war B. ein beliebter Autor, der seine zahlreichen Gedichte meist selbst vertonte (Lieder in drei B¨uchern, 1774; Poetischer Misswuchs f¨ur 1774-1775, 2 Bde., 1774 / 75; Gedichte ohne den Buchstaben R, 1788, 2 1796). Er galt als beachtlicher Orgel- und Klavierspieler. C MGG Burmann, Maximilian Heinrich von, kath. Theologe, * 22. 5. 1648 Bonn, † 20. 10. 1685 Bonn. B. schloß das Studium mit der Promotion zum Dr. jur. utr. ab. 1674 wurde er in St. Georg in K¨oln, wo er bereits als Knabe zum Stiftskapitel geh¨ort hatte, zum Dechanten gew¨ahlt und erhielt damit das Amt eines Archidiaconus minor von Wattenscheid und L¨udenscheid. Bis 1680 Scholaster an St. Aposteln in K¨oln, wurde er 1681 Kanoniker in Trier, bald darauf Dechant an St. Simeon, 1682 Titularbischof von Diocletian und Weihbischof von Trier. Gleichzeitig fungierte er als Generalvikar und Offizial des dortigen Obererzstiftes. In Vertretung des Erzbischofs, der vor den franz¨osischen Truppen nach Ehrenbreitstein ausgewichen war, mußte B. ¨ 1684 den kurtrierischen Stadtkommandanten zur Ubergabe der Stadt an Marschall Cr´equy bewegen. C Gatz 3 Burmeister, Annelies, S¨angerin, * 1930 Ludwigslust (Mecklenburg), † 16. 6. 1988 Berlin. B. begann an der Niederdeutschen B¨uhne in Schwerin als Schauspielerin, ließ sich dann bei Helene → Jung in Weimar als S¨angerin ausbilden und gab ihr Deb¨ut 1956 am Stadttheater Erfurt als Niklaus in → Offenbachs Hoffmanns Erz¨ahlungen. Nach Engagements am Nationaltheater in Weimar und an der Dresdner Staatsoper war die Altistin seit 1962 ein gefeiertes Mitglied der Ostberliner Staatsoper. Daneben wurde sie von den wichtigsten B¨uhnen Westeuropas eingeladen, erwies sich bei den Bayreuther Festspielen 1966 / 67 in den Partien der Fricka, Siegrune und Brang¨ane als → Wagner-S¨angerin von Rang und zeichnete sich als Konzert- und Oratoriens¨angerin aus, wobei besonders ihre Interpretationen der Kantaten und Passionen Johann Sebastian → Bachs zu nennen sind.

Burmeister, Franz Joachim, evang. Kirchenlieddichter, * 29. 10. 1633 L¨uneburg, † 21. 4. 1672 L¨uneburg. B., Sohn eines Kantors und Neffe von Joachim → B., wurde von Johann → Rist 1660 als Slyvander in den Elbschwanorden aufgenommen. 1670 war er vor¨ubergehend Prediger an St. Michaelis in L¨uneburg. 22 Lieder sind von B. bekannt, darunter Festlieder, Sonntagslieder sowie das Lied

Burmester zum Heimgang Es ist genug, dessen vierte Strophe Johann Sebastian → Bach zum 24. Sonntag nach Trinitatis aufnahm. Die meisten der Lieder widmete B. Johann Rudolf → Ahle. C NDB

Burmeister, Friedrich, Politiker, * 24. 3. 1888 Wittenberge, † 25. 7. 1968 Berlin. Der Sohn eines Lokomotivf¨uhrers trat 1906 in den Reichspostdienst ein. Bis 1923 nahm er verschiedene Funktionen im Deutschen Postverband wahr. 1920-33 war B. Vorsitzender des Landeskartells Mecklenburg-Schwerin im Deutschen Beamtenbund. Politisch schloß er sich 1922 der Republikanischen Partei, danach bis 1930 der Deutschen Demokratischen Partei an. Nach 1945 wurde B. stellvertretender Leiter der Oberpostdirektion Schwerin, trat der CDU bei und geh¨orte 1946-49 der mecklenburgischen Landesregierung als Minister f¨ur Arbeit und Sozialwesen an. Bei der Bildung der Provisorischen Regierung → Grotewohl u¨ bernahm er 1949 das Amt des Postministers, das er in der sp¨ateren DDR – inzwischen Mitglied des Hauptvorstandes der CDU-Ost – bis 1963 innehatte.

Burmeister, (Carl) Hermann (Conrad), Zoologe, * 15. 1. 1807 Stralsund, † 2. 5. 1892 Buenos Aires. B. erwarb 1829 innerhalb eines Jahres den medizinischen und philosophischen (De insectorum systemate naturali) Doktortitel, unterrichtete seit 1831 in Berlin, habilitierte sich 1837 mit der Arbeit Ueber die Gattung Calandra f¨ur Zoologie und wechselte im selben Jahr nach Halle, wo er sich als Extraordinarius mit Ordnung und Neuaufbau der zoologischen Sammlungen besch¨aftigte; 1842 wurde er o. Professor. 1833 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. Die politischen Ver¨anderungen des Jahres 1848 fanden seine Zustimmung, er wurde als Kandidat der a¨ ußersten Linken in die Erste Preußische Kammer gew¨ahlt. Entt¨auscht wegen seines geringen Einflusses, gab er 1850 sein Mandat zur¨uck und ließ sich f¨ur eine Brasilien-Expedition beurlauben. 1852 kehrte er mit rund 10 000 bis dahin meist unbekannten Exponaten zur¨uck. Nach einer zweiten S¨udamerikareise kam B. um seine Entlassung nach und ließ sich in Argentinien nieder. Er baute in Buenos Aires ein naturkundliches Museum auf und wurde Kommissar der Naturwissenschaftlichen Fakult¨at C´ordoba. B. ver¨offentlichte u. a. Beitr¨age zur n¨aheren Kenntniss der Gattung Tarsius (1846) und eine Geschichte der Sch¨opfung (61856). Sein Handbuch der Entomologie in 5 B¨anden erC Schmitz schien 1832-55.

Burmeister, Joachim, Musiktheoretiker, Komponist, * 1564 L¨uneburg, † 5. 5. 1629 Rostock. B., Sohn eines Perlstickers, erfuhr seine erste musikalische Pr¨agung am L¨uneburger Johanneum durch Lukas → Lossius und studierte seit 1586 an der Univ. Rostock, wo er Magister und Collega classicus wurde. Schon w¨ahrend der Studienzeit war er Kantor an der Nikolaikirche und an der Ratsund Universit¨atskirche St. Marien. 1593 wurde er Praeceptor classicus der Lateinschule. B., der auch einige geistliche Lieder schrieb, verfaßte musiktheoretische Schriften, die die traditionellen Zweige der Musica practica und theoretica auf um Wissenschaftlichkeit bem¨uhte und am System der Rhetorik orientierte Weise behandeln. In Musica poetica (1606) legte er eine vollst¨andige Ausarbeitung seiner Kompositionslehre vor, die zum ersten Mal Elemente der Rhetorik einbezieht und f¨ur die Figurenlehre des 17. Jh. wichtig wurde. C MGG

Burmeister, Richard, Musiker, Musikp¨adagoge, * 7. 12. 1860 Hamburg, † 19. 2. 1944 Berlin. B. studierte 1881-84 Klavierspiel bei Franz → Liszt in Weimar sowie in Rom und Budapest. Nach Konzertreisen

durch Europa und einer kurzen Lehrt¨atigkeit am Konservatorium in Hamburg unterrichtete er 1885 am Peabody Institute in Baltimore und u¨ bernahm 1897 die Direktion des Scharwenka-Konservatoriums in New York. 1903 kehrte B. nach Deutschland zur¨uck und wurde Hauptlehrer der Klavierabteilung am Konservatorium in Dresden, 1906-25 am Lindworth-Scharwenka-Konservatorium in Berlin. Neben seiner p¨adagogischen T¨atigkeit stellte er auf zahlreichen Tourneen sein pianistisches K¨onnen unter Beweis. B. komponierte u. a. ein Klavierkonzert in d-Moll; dem Andenken seines Lehrers Liszt widmete er die symphonische Dichtung Die Jagd nach dem Gl¨uck.

Burmeister, Wilhelm, Jurist, * 31. 7. 1905 Berlin, † 9. 9. 1983 Bad T¨olz. B., Sohn eines Reichsbankinspektors, studierte 1924-29 Rechtswissenschaft, Volkswirtschaftslehre, Geschichte und Philosophie in Berlin und Kiel. 1926 trat er in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund und 1931 in die NSDAP ein. 1933 wurde er Referent in der Auslandsabteilung des Reichsministeriums f¨ur Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung. 1934 der SA beigetreten, zum Regierungsrat und wenig sp¨ater zum Oberregierungsrat ernannt, leitete B. 1934-43 den Deutschen Akademischen Austausch¨ dienst, war nach dem „Anschluß“ Osterreichs vor¨uberge¨ hend als Reichsbeauftragter f¨ur Osterreich zust¨andig und 1939-41 als pers¨onlicher Referent und Leiter des Ministerb¨uros dem Reichsminister Bernhard → Rust zugeordnet. 1941-45 mit der Leitung der Hauptabteilungen Politik und Verwaltung beim Reichskommissar Ostland in Riga betraut, war er 1942 Landesverwaltungspr¨asident beim Reichskommissar Ostland und 1945 vor¨ubergehend Leiter des Ministerb¨uros im Reichsministerium. 1945 / 46 in britischer Kriegsgefangenschaft, war B. 1946-48 stellvertretender Gesch¨aftsf¨uhrer einer Konserven- und Marmeladenfabrik in Hamburg und Winsen / Luhe, 1948-50 Gesch¨aftsf¨uhrer und Verm¨ogensverwalter der Chiron-Werke in Tuttlingen (Baden). 1950 gr¨undete er dort zwei Außenhandelsfirmen und war 1957 als Unternehmens- und Außenhandelsberater in Berlin (West) t¨atig. Seit 1963 wirkte er als Rechtsanwalt in Berlin und war Mitglied der Gesellschaft f¨ur Christlich-j¨udische Zusammenarbeit. 1966 ging er nach Lenggries. C Gr¨uttner

Burmester, Christoph Anton, Deichgraf, * 15. 6. 1761 L¨utjenburg (Holstein), † 19. 1. 1838 Osternburg. Die finanzielle Hilfe wohlhabender Verwandter erlaubte dem Sohn eines Webermeisters den Besuch des Gymnasiums in Altona und ein Theologiestudium an der Univ. Kiel. W¨ahrend eines Mathematikstudiums an der Univ. Kopenhagen besch¨aftigte er sich mit der Wasserbaukunst und dem Deichbau und sammelte auf Inspektionsreisen erste Erfahrungen. 1793 wurde B. im oldenburgischen Staatsdienst zum Deichgrafen im Rang eines Kammerassessors ernannt, verblieb auch w¨ahrend der franz¨osischen Besatzung im Amt und erhielt 1834 den Titel Geheimer Hofrat. In seiner langj¨ahrigen Dienstzeit vermochte B. das oldenburgische Deichwesen in technischer und administrativer Hinsicht umzugestalten und auf eine moderne Basis zu stellen. B. geh¨orte 1818 zu den Begr¨undern der Oldenburgischen Landwirtschaftsgesellschaft, deren Vorsitz er bis 1832 innehatte. C Oldenburg Burmester, (Franz Joachim) Heinrich, Schriftsteller, * 10. 11. 1839 Niendorf-Stecknitz, † M¨arz 1889 bei Boizenburg / Elbe. Nach dem Seminarbesuch in Ratzeburg war der aus a¨ rmlichen Verh¨altnissen stammende B. Lehrer am Akademischen Gymnasium in Hamburg und schrieb sich 1863 / 64 zum Philologiestudium in Kopenhagen, Jena und Kiel ein; im Wintersemester 1866 / 67 h¨orte dort er an der Juristischen Fakult¨at. Anschließend schlug er sich auf mecklenburgischen

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Burmester und lauenburgischen G¨utern als Hauslehrer durch und wurde Korrektor beim „Altonaer Mercur“, der seine ersten plattdeutschen Versuche abdruckte. Nach dem Konkurs der Zeitung siedelte er nach Berlin u¨ ber und erhielt eine Stellung in einem Auskunftsb¨uro. Auch dort arbeitslos geworden, kehrte er ins Lauenburgische zur¨uck und ertr¨ankte sich in der Elbe. Als Erz¨ahler geh¨ort B. seit seinem Erstling Arm un Riek (1872) zu den Epigonen Fritz → Reuters; h¨aufig waren seine Erlebnisse als Schulmeister Gegenstand seiner Werke. 1884 erschien der Roman Harten Leine. En Speigel v¨or Land un L¨ud in zwei B¨anden (Neuausg. 1891). C SHBL, Bd 10

Burmester, Ludwig (Ernst Hans), Mathematiker, * 5. 5. 1840 Othmarschen (Holstein), † 20. 4. 1927 M¨unchen. Nach dem Studium in Dresden, G¨ottingen und Heidelberg wurde B., Sohn eines Kunstg¨artners, 1865 in G¨ottingen mit der Arbeit Elemente einer Theorie der Isophoten. Linien gleicher Lichtintensit¨at promoviert und Lehrer am deutschen Realgymnasium in Lodz. 1871 habilitierte er sich an der TH Dresden und erhielt im folgenden Jahr einen Lehrstuhl f¨ur darstellende und synthetische Geometrie. 1887 folgte er einem Ruf als Prof. der darstellenden Geometrie und Kinematik an die TH M¨unchen. 1884 wurde B. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und 1905 der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Mit seiner Theorie und Darstellung der Beleuchtung gesetzm¨aßig gestalteter Fl¨achen (1871, 21878) etablierte B. die Beleuchtungsgeometrie als abgeschlossenen Zweig der darstellenden Geometrie. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner ein Lehrbuch der Kinematik (1888), Kinetographische Verwandtschaft ebener Systeme, und r¨aumliche Systeme (1908) und Dioptrische Erscheinungen bei ein¨augigem Sehen und beschr¨anktem Sehfeld (1909). Der heute u¨ bliche Dreiersatz von Kurvenlinealen geht auf B.s Vorschlag zur¨uck und tr¨agt seinen Namen. C NDB Burmester, Willy (Carl Adolph Wilhelm), Musiker, * 16. 3. 1869 Hamburg, † 16. 1. 1933 Hamburg. Ersten Violinunterricht erhielt B. von seinem Vater, einem Musiklehrer, und trat bereits als Siebenj¨ahriger o¨ ffentlich auf. 1882-85 war er an der Kgl. Musikhochschule Berlin Sch¨uler von Joseph → Joachim. 1886 erhielt er von Hans von → B¨ulow in Hamburg Anregungen zur Weiterentwicklung seines kammermusikalischen Spiels. In der Folge unternahm B. Konzertreisen, war 1890 kurz Konzertmeister in Sondershausen und vervollkommnete seine Fertigkeiten w¨ahrend eines Aufenthaltes in Finnland. 1894 trat er mit einem außergew¨ohnlichen Paganini-Programm in Berlin auf, wurde als „Paganini redivivus“ gefeiert und stand an der Spitze der zeitgen¨ossischen Violinvirtuosen. Außer Eigenkompositionen effektvoller Virtuosenst¨ucke schuf B. Bearbeitungen meist alter Meister. 1926 legte er mit 50 Jahre K¨unstlerleben seine Erinnerungen vor. C NDB

Burnacini, Giovanni, auch Johann von Bornatschin, o¨ sterr. B¨uhnenbildner, Theateringenieur- und architekt, * 1610 Cesena, † 21. 7. 1655 Wien. B., u¨ ber dessen Ausbildung nichts bekannt ist, wurde 1650 von → Ferdinand III. als Theaterarchitekt nach Wien verpflichtet und gestaltete dort 1652 das anl¨aßlich der Geburt der Infantin → Margarita Teresa von Spanien er¨offnete h¨olzerne Theater, das a¨ lteste selbst¨andige Theatergeb¨aude der Stadt. Er f¨uhrte das Kulissensystem ein. Anl¨aßlich des deutschen F¨urstentags in Regensburg errichtete B. mit seinem Sohn Lodovico Octavio von → B. ein Holztheater, das nach Abschluß des Reichstags abgebrochen, nach Wien verschifft und am Roßtummelplatz wieder aufgebaut wurde. 1653 wurde B. in den Freiherrenstand erhoben. C AKL

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Burnacini, Lodovico Octavio Frh. von, auch Bernecini, Bornacini, Bornatini, Bornazini, Bournacini; Ludovico, Ludwig, o¨ sterr. Architekt, B¨uhnenbildner, * 1636 wahrscheinlich Mantua, † 12. 12. 1707 Wien. Von seinem Vater Giovanni → B. in die K¨unste der Architektur und des Theaterwesens eingef¨uhrt, trat B. mit ihm 1651 in kaiserliche Dienste und wurde nach dessen Tod Hofarchitekt → Ferdinands III. 1659 wurde er leitender Architekt → Leopolds I., f¨ur den B. bis zu seinem Tod regelm¨aßig Theaterauff¨uhrungen und Feste veranstaltete. 1660-65 baute er einen Trakt der Hofburg, 1665 das ber¨uhmte Opern- und Kom¨odienhaus auf dem Areal der heutigen Nationalbibliothek, das 1683 wegen Feuergef¨ahrlichkeit abgerissen wurde. 1676 / 77 nahm B. Umbauten in Schloß Laxenburg vor, leitete nach der T¨urkenbelagerung 1683 den Wiederaufbau von Schloß Ebersdorf und plante 1687 den Bau der Pests¨aule am Graben. 1698 begann er mit Johann Bernhard → Fischer von Erlach den Bau der Mehlgrube am Neuen Markt. C MGG

Burnitz, (Rudolf) Heinrich, Architekt, * 18. 2. 1827 Frankfurt / Main, † 13. 11. 1880 Frankfurt / Main. Zuerst in Karlsruhe bei Heinrich → H¨ubsch ausgebildet, ging B. 1849 an die Bauakademie nach Berlin, bet¨atigte sich 1852 / 53 als Gehilfe H¨ubschs beim Wiederaufbau des Karlsruher Hoftheaters und entfaltete nach mehrj¨ahrigem Italienaufenthalt seit 1855 eine umfangreiche T¨atigkeit in Frankfurt. Der Umbau des Schauspielhauses, der sogenannte „Malakoff“ an der Liebfrauenkirche, wo er erstmals statt der u¨ blichen Stuckfassade eine Ausf¨uhrung in rotem Mainsandstein w¨ahlte, die Hochbauten der Gasgesellschaft und der gemeinsam mit Oskar → Sommer ausgef¨uhrte Bau der neuen B¨orse z¨ahlen zu seinen bekanntesten Werken. Als Stadtrat in den Jahren 1868-72 widmete sich B. verst¨arkt dem Wohnhausbau. C AKL

Burnitz, (Karl) Peter, Maler, * 14. 1. 1824 Frankfurt / Main, † 18. 8. 1886 Frankfurt / Main. Der Kaufmannssohn studierte 1844-47 in Berlin, G¨ottingen und Heidelberg Rechtswissenschaften und ließ sich 1849 als Anwalt in Frankfurt nieder. Nach mehreren Reisen durch S¨udeuropa und Nordafrika wandte er sich der Malerei zu und fand in Paris Zugang zur Barbizon-Schule. Seit 1857 wieder in der Heimat, wurde er Mitglied der Kronberger Malerkolonie. B. widmete sich ganz der Landschaftsmalerei, der Taunus und die Maingegend waren seine bevorzugten Motive. Unter dem Einfluß seiner Lehrer in Paris verband er eine schlichte Naturauffassung mit starken Stimmungsreizen, der zarte Silberton seiner Ansichten verr¨at den Einfluß von Corot und Daubigny. B. war 1878 / 79 Vorsitzender der Frankfurter K¨unstlergesellschaft. C AKL

Burow, Julie, Schriftstellerin, * 24. 2. 1806 Kydullen (Ostpreußen), † 20. 2. 1868 Bromberg (Prov. Posen). Die Tochter eines Zollbeamten und Salzinspektors lebte seit 1816 mit ihrer Mutter, die sich von ihrem Mann getrennt hatte, in Tilsit, seit 1819 in Langgarben. B. war kurze Zeit als Erzieherin t¨atig; danach zog die Familie in Danzig wieder zusammen. 1831 heiratete sie den Baubeamten Pfannenschmidt. In ihren zahlreichen Romanen und Novellen schildert sie das Leben in Kleinst¨adten mit besonderem Augenmerk auf die Stellung der Frau in der kleinb¨urgerlichen Familie. Ihre Herzensworte. Eine Mitgabe auf dem Lebenswege. Deutschlands T¨ochtern gewidmet erfuhren 1895 ihre 25. Auflage. C Altpreuß Biogr, Bd 1 Burr, Viktor, Bibliothekar, Althistoriker, * 8. 2. 1906 Ellwangen, † 15. 6. 1975 Ellwangen. B. studierte in W¨urzburg Theologie, Philosophie und klassische Philologie, wurde 1932 promoviert und habilitierte sich

Burte 1939 in T¨ubingen mit der Arbeit Νεων Καταλογοζ. Untersuchungen zum homerischen Schiffs-Katalog (1944, Neuausg. 1961). 1946 folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl f¨ur Alte Geschichte an die Univ. Jena und wurde nach Lehrauftr¨agen in T¨ubingen und Bonn 1968 o. Prof. der Alten Geschichte und Altertumskunde an der Univ. Graz. In seiner bibliothekarischen Laufbahn u¨ bernahm B. 1945 die Leitung der zerst¨orten Universit¨atsbibliothek Jena und war bis 1947 maßgeblich an deren Wiederaufbau beteiligt. Nach vier Jahren als Stellvertreter von Georg → Leyh in T¨ubingen wurde er 1951 Direktor der Universit¨atsbibliothek Bonn, wo er die Planung des Bibliotheksneubaus u¨ bernahm. Mit Bonner Buchh¨andlern gr¨undete er die Forschungsstelle f¨ur Buchwissenschaft. C Weber

Burri, Conrad, schweizer. Mineraloge, * 22. 5. 1900 Z¨urich, † 16. 6. 1987 Bern. Der Sch¨uler von Paul → Niggli wurde 1926 an der Univ. Z¨urich mit der Arbeit Chemismus und provinziale Verh¨altnisse der jungeruptiven Gesteine des pazifischen Ozeans und seiner Umgebung promoviert, Assistent am Mineralogischen Institut der Univ. Freiburg / Breisgau und 1932 a. o. Prof. der speziellen Mineralogie und Petrologie an der ETH Z¨urich. 1954-70 war er o. Prof. an der ETH, sp¨ater an der Univ. Z¨urich. Durch mineralogische Untersuchungen zahlreicher Vulkangebiete, besonders im Mittelmeerraum, entwickelte B. die Lehre von den magmatischen Gesteinsprovinzen weiter; er befaßte sich mit der Kristalloptik und f¨uhrte f¨ur die optische Bestimmung des Plagioklases den Euler-Winkel ein. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren Kritische Zusammenfassung unserer Kenntnisse u¨ ber die Differentiationstypen postmesozoitischer Vulkangebiete (1927), Die jungen Eruptivgesteine des mediterranen Orogens (mit Paul → Niggli, 2 Bde., 1945-49) und Das Polarisationsmikroskop (1950).

Burrian, Carl, S¨anger, * 12. 1. 1870 Rousinow (B¨ohmen), † 25. 8. 1924 Senomaty bei Prag. Seine urspr¨ungliche Absicht, Jurist zu werden, gab B. zugunsten eines Gesangstudiums in Prag bei Moritz Wallerstein und Frantiˇsek Pivoda auf. 1891 deb¨utierte er als Manrico in Verdis Troubadour am Stadttheater Br¨unn. Es folgten Engagements in Reval, Aachen, K¨oln, Hannover und Hamburg, ehe er 1902 an die Dresdner Hofoper berufen wurde und dort bis 1911 große Erfolge besonders als → Wagner-Interpret feierte. 1902 u¨ bernahm er in der deutschen Erstauff¨uhrung von Puccinis Tosca die Rolle des Cavaradossi, 1905 sang er in der Urauff¨uhrung von Richard → Strauss’ Salome den Herodes. Zahlreiche Gastspiele im In- und Ausland f¨uhrten ihn u. a. nach Bayreuth, an die New Yorker Metropolitan Opera, an Covent Garden in London und an die Wiener Hofoper. C Kutsch

Burschell, Friedrich, Schriftsteller, * 9. 8. 1889 Ludwigshafen, † 19. 4. 1970 M¨unchen. Nach dem Studium von Philosophie, Literatur und Kunstgeschichte in M¨unchen, Berlin und Heidelberg vertiefte B. sein kunsthistorisches Wissen in Italien. Seit 1912 arbeitete er als freier Autor f¨ur Bl¨atter wie die „Frankfurter Zeitung“, die „Vossische Zeitung“, „Die Weltb¨uhne“, „Neue Rundschau“ und „Die literarische Welt“. 1919 begann er sein haupts¨achlich essayistisches Schaffen mit Die Einfalt des Herzens, 1926 folgte eine Biographie → Jean Pauls. B. lebte abwechselnd in seinen ehemaligen Universit¨atsst¨adten und wurde Mitglied des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller und des PEN-Club. 1934 fielen seine Werke der B¨ucherverbrennung zum Opfer. Er selbst war 1933 u¨ ber Frankreich und Spanien in die Tschechoslowakei emigriert, wo er 1936 eine Thomas-Mann-Gesellschaft gr¨undete. 1954 kehrte er aus dem britischen Exil nach Deutschland zur¨uck. 1958 erschien seine → Schiller-Biographie (291995). C BHdE, Bd 2

Bursian, Konrad, Klassischer Philologe, * 14. 11. 1830 Mutzschen bei Leipzig, † 21. 9. 1883 M¨unchen. 1847 bezog B. die Univ. Leipzig, wo Moritz → Haupt und Otto → Jahn seine Lehrer waren. Nach der Promotion und einer mehrj¨ahrigen Reiset¨atigkeit, vor allem in Griechenland, habilitierte er sich 1856 (Quaestionum Euboicarum capita selecta), wurde zwei Jahre sp¨ater a. o. Prof. und Mitglied der S¨achsischen Akademie der Wissenschaften und ging 1861 als Extraordinarius an die Univ. T¨ubingen. Da seine Mitgliedschaft im Nationalverein einer weiteren Bef¨orderung im Wege stand, ging er 1864 nach Z¨urich, 1869 nach Jena und 1874 nach M¨unchen. B. schrieb zahlreiche Artikel f¨ur die Encyklop¨adie von Ersch und Gruber, f¨ur Pauly’s Realencyclop¨adie und die Allgemeine Deutsche Biographie. Zur Jenaer Zeit begann er mit den Jahresberichten u¨ ber die Fortschritte der klassischen Althertumswissenschaften, von denen bis zu seinem Tod mehr als 30 B¨ande erschienen. Die Geschichte der klassischen Philologie in Deutschland, mehr als ein Jahrzehnt Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit, konnte er nicht mehr vollenden. C ADB Bursig, Hans, Journalist, * 7. 2. 1928 Gleiwitz, † 2. 2. 1990 Bonn. B. wurde 1964 Stellvertreter des Bonner Korrespondenten des Saarl¨andischen Rundfunks, war 1977-80 f¨ur „ARD Aktuell“ in Hamburg als erster Redakteur f¨ur das Ressort Innenpolitik zust¨andig und kehrte anschließend als leitender Redakteur und stellvertretender Hauptabteilungsleiter in die Abteilung Politik und Zeitgeschehen der Chefredaktion nach Saarbr¨ucken zur¨uck. 1984 wurde ihm zus¨atzlich die Leitung der ARD Dokumentation Politik und 1986 die Leitung des Bonner B¨uros u¨ bertragen. Einem breiten Fernsehpublikum wurde B. durch seine Kommentare in der „Tagesschau“ und den „Tagesthemen“ bekannt. Burstyn, Gunther, o¨ sterr. Milit¨ar, Techniker, * 6. 7. 1879 Bad Aussee (Steiermark), † 15. 4. 1945 Korneuburg (Nieder¨osterreich). B., Sohn eines Eisenbahningenieurs und Erfinder eines Oberbausystems, war 1895-99 Z¨ogling der Pionierkadettenschule in Hainburg, danach geh¨orte er der Eisenbahntruppe an. 1926-33 war er pioniertechnischer Sachbearbeiter im o¨ sterr. Bundesministerium f¨ur Heerwesen. 1911 erfand B. den ersten gel¨andeg¨angigen Kampfwagen mit drehbarem Gesch¨utzturm und trat seit 1912 auch publizistisch f¨ur die Panzerwaffe ein. C NDB

Burte, Hermann, eigentl. H. Str¨ube, Schriftsteller, Maler, * 15. 2. 1879 Maulburg (Baden), † 21. 3. 1960 L¨orrach. Der Sohn des alemannischen Mundartdichters Friedrich Str¨ube und Bruder des Malers Adolf → Str¨ube ließ sich an der Kunstgewerbeschule und der Kunstakademie in Karlsruhe zum Maler ausbilden, bereiste mit einem Staatsstipendium 1904 England und studierte bis 1908 in Paris vornehmlich den franz¨osischen Impressionismus. Mit einem Volksroman war er bei einem Preisausschreiben erfolgreich, den Namen des Helden w¨ahlte er zum Pseudonym. In seine badische Heimat zur¨uckgekehrt, wirkte er als Maler und seit 1907 als Schriftsteller. Ersten Gedichtb¨anden (Patricia, 1910) folgte 1912 unter dem Eindruck der Vorkriegsstimmung der v¨olkisch-nationalistische Heimatroman Wiltfeber, der ewige Deutsche, in dem durch die Verehrung eines aristokratischen F¨uhrers und das Streben nach Erneuerung des Volkstums wesentliche Elemente der nationalsozialistischen Ideologie vorweggenommen wurden. Erfolgreich war B. auch mit dem historischen Schauspiel Katte (1914) und mit Gedichten in alemannischer Mundart (Madlee, 1923). B., der seit 1919 Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei war, trat 1933 in die NSDAP ein. Willig u¨ bernahm er die Rolle eines Propagandadichters und rechtfertigte

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Bury die Judenverfolgung. Nach dem Krieg wurde sein nationalsozialistisches Engagement weitgehend ausgeklammert, und er blieb in seiner s¨uddeutschen Heimat gesch¨atzt. Fr¨uheren Auszeichnungen (Kleist-Preis 1912, Goethe-Medaille 1939) schloß sich 1957 die Jean-Paul-Medaille an. C Bad Bio N.F., Bd 2

Bury, Johann Friedrich, auch B¨uri, Burri, Maler, * 13. 3. 1763 Hanau, † 18. 5. 1823 Aachen. Sein Vater, ein Ziseleur und Graveur, unterrichtete ihn im Zeichnen, Anton → Tischbein in der Malerei. 1780 bezog B. die D¨usseldorfer Akademie, trat w¨ahrend eines Italienaufenthalts 1782-99 in Rom in enge Verbindung mit dem deutschen K¨unstlerkreis und war mit → Goethe befreundet, den er sp¨ater h¨aufig portr¨atierte. Neben eigenen Arbeiten schuf B. Aquarellkopien nach Werken italienischer K¨unstler. Nach 1800 hielt er sich in Dresden und Berlin als in h¨ochsten Kreisen beliebter Geschichts- und Bildnismaler auf, wo er Auftragsarbeiten f¨ur die H¨ofe fertigte und verschiedene Prinzessinnen im Malen unterrichtete. Seit 1815 lebte B. wechselnd in Hanau und Kassel, teilweise auch in Br¨ussel und Den Haag, wo er als Hofmaler der K¨onigin Wilhelmine t¨atig war. C AKL

der Ulrich ein Brauereibedarfsgesch¨aft in St. Louis gr¨undete. 1866 wurde B. Gesch¨aftsf¨uhrer der Brauerei seines Schwiegervaters Eberhard Anh¨anger, nach der Umbenennung in Anheuser-Busch Brewing Association 1879 deren Pr¨asident. Das Unternehmen z¨ahlte bald zu den f¨uhrenden Brauereien der Welt und produzierte seit 1876 die Biersorte Budweiser. B. konnte seinen Absatzmarkt f¨ur das Flaschenbier auf einen Großteil der S¨udstaaten ausdehnen, indem er zahlreiche Eiskeller baute. Er gr¨undete eine Bierflaschenfabrik, Kohlengruben in Illinois mit dazugeh¨origer Eisenbahnlinie und beteiligte sich an Banken. 1897 kaufte B. die amerikanischen Alleinrechte f¨ur den Bau des Dieselmotors und gr¨undete 1912 eine eigene Fabrik f¨ur Dieselmotoren. C NDB

Busaeus, Johannes, Jesuit, Schriftsteller, * 14. 4. 1547 Nimwegen, † 30. 5. 1611 Mainz. Der Sohn des Erziehers von Herzog → Johann Wilhelm von J¨ulich-Kleve-Berg trat 1563 in den Jesuitenorden ein, studierte u. a. am Ordenskolleg in Rom und hatte sp¨ater einen theologischen Lehrstuhl an der Univ. Mainz inne. In einer Reihe maßvoll gehaltener polemischer Schriften widmete sich B. insbesondere der Verteidigung der kath. Glaubenslehren, gab eine Reihe von Schriften u¨ ber die Missionst¨atigkeit seiner Ordensbr¨uder heraus und ver¨offentlichte u. a. die asketischen Werke des Abtes Johannes → Trithemius sowie ¨ zahlreiche Ubersetzungen asketischer Werke italienischer Jesuiten. 1606 erschien sein bedeutendstes Werk Enchiridion piarum meditationum. C NDB

Busch, Clemens August, Diplomat, * 20. 5. 1834 K¨oln, † 25. 11. 1895 Bern. Der Sohn eines Kaufmanns studierte 1854-59 in Bonn und Berlin Rechts- und Staatswissenschaften sowie orientalische Sprachen, wurde 1859 zum Dr. phil. promoviert (Specimen doctrinae de copticae linguae praepositionibus ac particularis) und war dann Privatdozent f¨ur orientalische Sprachen an der Univ. Bonn. 1861 in den diplomatischen Dienst eingetreten, war zun¨achst in Konstantinopel t¨atig, wurde 1872 Legationsrat und Konsul in St. Petersburg, kam im folgenden Jahr als Vortragender Rat in die politische Abteilung des Ausw¨artigen Amtes und kehrte 1877 an die deutsche Gesandtschaft in Konstantinopel zur¨uck. 1878 war er als Spezialist in Orientfragen Mitarbeiter → Bismarcks auf dem Berliner Kongreß, u¨ bernahm im folgenden Jahr f¨ur kurze Zeit die Leitung des Generalkonsulats in Budapest, 1880 die Orientabteilung des Ausw¨artigen Amtes in Berlin und wurde 1881 Unterstaatssekret¨ar im gleichen Ministerium. 1884 / 85 pr¨asidierte B. in Vertretung des Reichskanzlers der Kongokonferenz und unterzeichnete deren Schlußakte. Seit 1884 war er Mitglied des Staatsrats und wurde 1885 Gesandter in Bukarest, 1888 in Stockholm, 1892 in Bern. B. war der Vater des Diplomaten Ernst → B. C BHdAD

Busch, Adolf (Georg Wilhelm), Musiker, Komponist,

Busch, Curt, S¨anger, Regisseur, * 5. 2. 1879 Riga (Lett-

* 8. 8. 1891 Siegen, † 9. 6. 1952 Guilford (Vermont, USA). Als Kind erhielt B., Bruder von Fritz und Hermann → B., ersten Geigenunterricht bei seinem Vater, einem Geigenbauer und Instrumentenh¨andler, wurde mit elf Jahren am K¨olner Konservatorium Sch¨uler von Willy → Heß und Bram → Eldering und stand seit 1907 in enger Verbindung mit Max → Reger. 1912 wurde er Konzertmeister des Konzertvereins in Wien und 1918 Prof. an der Musikhochschule in Berlin. Im darauffolgenden Jahr gr¨undete er mit Karl Reitz, Emil → Bohnke und Paul → Gr¨ummer das nach ihm benannte Busch-Streichquartett. 1927 nahm er st¨andigen Wohnsitz in Basel, wo Yehudi Menuhin zu seinen Sch¨ulern z¨ahlte. Als die Nationalsozialisten seinem Klavierpartner und sp¨ateren Schwiegersohn Rudolf → Serkin Auftrittsverbot erteilten, mied er Deutschland endg¨ultig, gr¨undete in England ein Kammerorchester und emigrierte 1939 in die USA. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er zu Konzertreisen nach Europa zur¨uck. Mit der stilsicheren Interpretation der Werke → Bachs, → Beethovens, → Schuberts und → Brahms’ erwarb sich B. als Solist und Kammermusiker weltweite Anerkennung, als Komponist zahlreicher Chor-, Orchester- und Kammermusikwerke stand er unter dem Einfluß von Reger. C MGG

Busch, Adolphus, Bierbrauer, Industrieller, * 10. 7. 1839 Kastel bei Mainz, † 10. 10. 1913 Villa Lilly (bei Bad Schwalbach, Hessen). Der Sohn eines Gastwirts und Gutsbesitzers bildete sich in Mainz und K¨oln kaufm¨annisch aus; 1857 ging er zu Verwandten in die USA, wo er zun¨achst auf einem Mississippidampfer arbeitete und 1859 zusammen mit seinem Bru-

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land), † 7. 10. 1954 St. Gallen (Schweiz). B. erhielt seine Musik- und Gesangsausbildung in Breslau. Erste Engagements f¨uhrten ihn an das Stadttheater (Opernhaus) in Breslau (1901 / 02), das Oberschlesische Volkstheater in K¨onigsh¨utte (1902 / 03), an das Stadttheater in Bromberg (1903-05), an das Opernhaus in Riga (1905-11), an das Central-Theater in Dresden und das Hoftheater in Stuttgart (1912 / 13). In Stuttgart sang er 1912 den Tanzmeister in der Urauff¨uhrung (Erstfassung) von Richard → Strauss’ Oper Ariadne auf Naxos. Nach weiteren Stationen, vor allem in Berlin und Hamburg, war B. 1923-25 Direktor des Deutschen Theaters in Riga, gr¨undete 1925 dort die Deutsche Operette und wechselte 1927 an das Stadttheater von Basel. Seit 1930 wirkte er als S¨anger, sp¨ater auch als Schauspieler und Regisseur f¨ur das Operettenfach am Stadttheater in St. Gallen. Sein Gesangsrepertoire umfaßte neben Opernpartien zahlreiche Buffo- und Charakterrollen in Operetten. An mehreren schweizer. Urauff¨uhrungen von Operetten war B. als S¨anger und meist auch als Regisseur beteiligt (u. a. 1928 in Basel an Die Herzogin von Chicago von Emmerich → K´alm´ans). C Kutsch

Busch, Dietrich Wilhelm Heinrich, Gyn¨akologe, * 16. 3. 1788 Marburg, † 15. 3. 1858 Berlin. Nach dem Studium der Medizin an der Univ. Marburg wurde B. 1808 promoviert (De gangraena nosocomiorum) und nahm 1806-14 im Dienst deutscher Hilfstruppen an zahlreichen napoleonischen Feldz¨ugen teil, zuletzt als hessischer Generalarzt. 1814 wurde er zum a. o. Prof. ernannt und hielt Vorlesungen an der Univ. Berlin, mußte jedoch nochmals als Feldarzt der hessischen Truppen in den Krieg ziehen, bis

Busch er sich nach seiner R¨uckkehr schließlich ganz seiner akademischen Laufbahn widmen konnte. 1817 wurde B. zum o. Prof. ernannt, wandte sich der Geburtshilfe zu und erhielt 1820 die Professur und Klinik der Geburtshilfe in Berlin. 1829 wurde er Prof. der Geburtshilfe und Leiter der dortigen Geburtshilflichen Klinik. 1835 / 36 und 1849 / 50 war B. Rektor der Univ. Berlin. Er ver¨offentlichte u. a. Lehrbuch der Geburtskunde (1829, 51842), Das Geschlechtsleben des Weibes in physiologischer, pathologischer und therapeutischer Beziehung (5 Bde., 1839-44) und Handbuch der Geburtskunde in alphabetischer Ordnung (mit Adolph Moser, 4 Bde., 1840-43). B. widmete sich insbesondere dem Gebiet der operativen Geburtshilfe und verbesserte die Zange als geburtshilfliches Instrument durch die Anbringung der nach ¨ ihm benannten Haken. 1 C Arzte

Busch, (Friedrich) Emil, Unternehmer, * 6. 8. 1820 Berlin, † 1. 4. 1888 Rathenow (Brandenburg). Nach einer kaufm¨annischen und naturwissenschaftlichen Ausbildung trat B., Sohn eines Kaufmanns, in das von seinem Großvater Johann Heinrich August → Duncker gegr¨undete a¨ lteste Unternehmen der optischen Industrie ein, dessen Leitung er 1845 u¨ bernahm. 1846 f¨uhrte B. die Dampfkraft ein, verbesserte die Herstellung der Theatergl¨aser, entwickelte Doppelfernrohre, begann 1852 mit der Herstellung von photographischen Kameras und verbesserte die Photographie durch die Vereinigung des optischen und chemischen Brennpunkts. Seit 1855 stellte B. optisch verbesserte Brillengl¨aser her und konstruierte zehn Jahre sp¨ater den ersten Prismenfeldstecher sowie das Weitwinkelobjektiv Pantoscop. 1872 wandelte B. sein zu einem industriellen Betrieb entwickelte Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um, in der er sich als Delegierter des Aufsichtsrats entscheidenden Einfluß vorbehielt. C Unternehmer

Busch, Ernst, Milit¨ar, * 6. 7. 1885 Essen-Steele, † 17. 7. 1945 Nottingham (Großbritannien). Als Sohn des Direktors des Essener Waisenhauses schlug B. die Offizierslaufbahn ein, nahm am Ersten Weltkrieg als Bataillonsf¨uhrer teil, wechselte in die Reichswehr, wurde 1930 Oberstleutnant und 1932 als Oberst Regimentskommandeur in Potsdam. Seit 1935 Generalmajor und Divisionskommandeur, seit 1938 Kommandierender General in Breslau, nahm er am Polenfeldzug teil. Im Oktober 1939 zum Oberbefehlshaber der 16. Armee ernannt, nahm er am Frankreichfeldzug teil und f¨uhrte diese Armee als Generaloberst in den K¨ampfen in der Sowjetunion. 1943 bekam er als Generalfeldmarschall die F¨uhrung der Heeresgruppe Mitte u¨ bertragen. Nach schweren Niederlagen wurde er am 28. 6. 1944 seines Postens enthoben, erhielt jedoch im April 1945 den Oberbefehl u¨ ber den Nordabschnitt der Westfront und geriet im Mai 1945 in britische Gefangenschaft. C NDB

Busch, Ernst, Diplomat, * 8. 12. 1887 Bukarest, † 31. 5. 1973 Bad Godesberg. Der Sohn des Diplomaten Clemens August → B. trat nach dem Studium der Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Montpellier, Berlin und Kiel (1910-14) und der Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1919 in den Ausw¨artigen Dienst ein. 1921-25 war er Legationssekret¨ar in Bukarest, erhielt dann im Ausw¨artigen Amt in Berlin das Referat Italien und Balkan, kehrte als Gesandtschaftsrat 1928 in den Außendienst zur¨uck und war bis 1930 an der deutschen Gesandtschaft in Lissabon. Danach in der Stellung eines Legationsrats als Referent in der Personal- und Rechtsabteilung des Ausw¨artigen Amtes t¨atig, wurde B. 1938 den Ruhestand versetzt. Seit 1950 im diplomatischen Dienst der Bundesrepublik Deutschland, war er bis August 1951 Leiter des Generalkonsulats in Marseille und bis zur Versetzung in den Ruhestand 1952 auch Konsul in Monaco. B. ver¨offentlichte Die Idee des Tragischen in der deutschen Klassik (1942). C BHdAD

Busch, Ernst (Friedrich Wilhelm), Schauspieler, Chansons¨anger, * 21. 1. 1900 Kiel, † 8. 6. 1980 Berlin. B. durchlief 1915-19 eine Lehre als Maschinenschlosser, schloß sich 1917 der Kieler Arbeiterjugend an und war 1918 / 19 Mitglied der SPD, nach der Teilnahme am Matrosenaufstand 1919 der USPD. Zun¨achst Werftarbeiter, nahm er seit 1920 Schauspiel- und Gesangsunterricht, war 1921-24 am Kieler Stadttheater engagiert und ging 1924 nach Frankfurt / Oder, 1927 an die Pommersche Landesb¨uhne. Seit 1927 wirkte B. in Berlin an der Piscator-B¨uhne, der Volksb¨uhne sowie am Theater der Arbeiter, war ferner Mitglied politischer Kabaretts und spielte in St¨ucken von Friedrich → Wolf, Bertolt → Brecht und Ernst → Toller. Daneben arbeitete er f¨ur den Rundfunk, seit 1929 auch f¨ur den Film und erhielt die Hauptrolle in Sl´atan → Dudows Kuhle Wampe sowie eine Rolle in Georg Wilhelm → Pabsts Dreigroschenoper. Seit dieser Zeit war B. mit Hanns → Eisler befreundet, der zahlreiche Lieder f¨ur ihn komponierte. 1933 emigrierte B. und ging zun¨achst in die Niederlande, nach Belgien, Frankreich, Großbritannien und in die Schweiz, 1936 in die Sowjetunion. 1937 / 38 nahm er am Spanischen B¨urgerkrieg teil, ging anschließend nach Belgien und Frankreich, wurde in Antwerpen 1940 verhaftet und interniert, 1943 an die Gestapo ausgeliefert und war bis 1945 inhaftiert. Seit 1945 trat B. wieder in Berlin auf, gr¨undete 1946 den Verlag „Lied der Zeit“, war seit diesem Jahr am Deutschen Theater und am Berliner Ensemble engagiert, spielte dort insbesondere in Brecht-St¨ucken und trat seit 1961 fast nur noch als S¨anger auf. B. wurde 1945 Mitglied der KPD, 1946 der SED. Seit 1972 geh¨orte er der Akademie der K¨unste in Ostberlin an. Er war 1932-34 mit Eva → B. verheiratet. C Exiltheater

Busch, Eva (Senta Elisabeth), geb. Zimmermann, Schauspielerin, Kabarettistin, Chansonniere, * 22. 5. 1909 Berlin, † 20. 7. 2001 M¨unchen. Die Tochter der Operns¨angerin Emmy → Zimmermann und des Wagner-Dirigenten Franz Beidler studierte am Konservatorium in Berlin Klavier und Violine, erhielt Gesangsunterricht bei ihrer Mutter und belegte Kurse an der Reinhardt-Schule. Sie erhielt ihr erstes Engagement als S¨angerin und Schauspielerin an der Volksb¨uhne Berlin, trat vor allem mit Ernst → B. auf, mit dem sie 1932-34 verheiratet war, und wurde als Interpretin politischer Chansons bekannt. 1933 u¨ ber die Niederlande und Belgien nach Frankreich emigriert, ging B., die mit Songs von → Brecht, → Tucholsky und → K¨astner bekannt wurde, nach einem Engagement in Z¨urich in die USA. 1938 kehrte sie nach Europa zur¨uck und wurde Mitglied des von Rudolf → Nelson gegr¨undeten Kabarettheaters „Le Gaˆıt´e“ in Paris. Von Mai bis Juli 1940 war B. im Lager Gurs interniert. 1941 in Paris verhaftet, wurde sie 1942 in das Konzentrationslager Ravensbr¨uck deportiert. Nach der Befreiung 1945 produzierte B., die auch in einigen Filmen mitwirkte, Sendungen f¨ur europ¨aische und amerikanische Rundfunkanstalten, u. a. f¨ur den Bayerischen Rundfunk in Zusammenarbeit mit George Sinclair, mit der sie seit 1946 in Chelles-Coudreaux bei Paris lebte. 1984 zog sie nach M¨unchen. B.s Autobiographie erschien 1991 unter dem Titel Und trotzdem. C Exiltheater

Busch, Felix, (Emil Johannes) Verwaltungsbeamter, * 18. 8. 1871 Konstantinopel, † 16. 8. 1938. Aus der Ehe des deutschen Konsuls J. Friedl¨ander mit Margarethe Bendemann stammend, wurde B. 1881 vom zweiten Ehemann seiner Mutter, dem Unterstaatssekret¨ar im Ausw¨artigen Amt Clemens August → B., adoptiert. Er studierte in M¨unchen, Berlin und Heidelberg die Rechte, wurde promoviert und avancierte 1897 zum Regierungsreferendar in Kassel, 1900 zum Assessor. Er durchlief eine Banklehre

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Busch bei der Disconto-Gesellschaft, war am Oberpr¨asidium Posen und als Staatskommissar an der Berliner B¨orse t¨atig. 1905 wurde er Landrat im Kreis H¨orde und 1907 als Nachfolger von Alfred → Hugenberg Referent f¨ur nationalpolitische Fragen im preuß. Finanzministerium. Unzufrieden mit der Ansiedlungspolitik, u¨ bernahm er 1911 das Amt des Landrats f¨ur den Kreis Niederbarnim. 1917 wurde B. unter Oskar → Hergt Unterstaatssekret¨ar im Finanzministerium, aber 1920 von der sozialdemokratischen Regierung zur Disposition gestellt. Finanziell durch Heirat mit einer geborenen von Mendelssohn-Bartholdy gut gestellt, betrieb B. danach das Rittergut B¨ussow in der Neumark. Er war Vorsitzender des Verbandes o¨ ffentlich-rechtlicher Kreditanstalten sowie Ausschußmitglied der Preußischen ZentralgenossenschaftsKasse und geh¨orte dem vorl¨aufigen Reichswirtschaftsrat an. In der Zeit des Nationalsozialismus mußte B. als Jude Gut B¨ussow verkaufen; er beendete sein Leben durch Suizid bei einer Eisenbahnfahrt Berlin-Tutzing. Seine bis 1918 reichenden Memoiren Aus dem Leben eines k¨oniglich-preußischen Landrats wurden erst postum 1991 (22000) publiziert. C BBL

Busch, G¨unther, Verlagslektor, * 13. 9. 1929 Wermutshausen, † 25. 6. 1995 Frankfurt / Main. B., der die Studien der Theologie, Philosophie und der Sprachen an der Univ. Mainz nicht abschloß, wurde zun¨achst Regieassistent in Sommerhausen und profilierte sich in den folgenden Jahren als Literaturkritiker bei den „Frankfurter Heften“, der „S¨uddeutschen Zeitung“ und war f¨ur den Hessischen Rundfunk sowie den S¨udwestfunk t¨atig. 1962 wurde er in das Lektorat des Hanser-Verlags berufen und u¨ bernahm 1963 die soeben begr¨undete „edition suhrkamp“, die er bis zum Erscheinen des 1000. Bandes (1979) impulsegebend f¨uhrte. Nach dem Ausscheiden aus dem Suhrkamp Verlag und kurzer Beratert¨atigkeit f¨ur den S. Fischer Verlag leitete er seit 1985 dessen Wissenschaftslektorat. Bis 1994 war er Mitherausgeber der „Neuen Rundschau“.

Busch, Friedrich, Meteorologe, P¨adagoge, * 4. 7. 1851

Busch, Hans Peter, Musikwissenschaftler, * 4. 4. 1914

Recklinghausen, † 30. 8. 1931 Arnsberg (Westfalen). Nach dem Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften an der Univ. M¨unster wurde B., Sohn eines Malers und Zeichenlehrers, 1876 Hilfslehrer am dortigen Gymnasium Paulinum und wirkte seit 1880 am Gymnasium Laurentianum in Arnsberg. Er widmete sich daneben der meteorologischen Optik. Seit 1883 betrieb B. Studien des Bishopschen Ringes und wandte sich einige Jahre sp¨ater der Beobachtung der Babinet-, Arago- und Brewster-Punkte zu, deren Gleichlauf mit atmosph¨arischen Erscheinungen er erkannte. Er ver¨ o¨ ffentlichte u. a. Uber die D¨ammerung, insbesondere u¨ ber die gl¨anzenden Erscheinungen des Winters 1883 / 84 (1887) und Vorbereitender Lehrgang in der K¨orperlehre (1899). B. war der Vater von Fritz Franz Emanuel → B. C NDB

Busch, Fritz, Dirigent, * 13. 3. 1890 Siegen, † 14. 9. 1951 London. Der Bruder von Adolf und Hermann → B. studierte 1906-09 u. a. bei Fritz → Steinbach am K¨olner Konservatorium und wurde 1909 Kapellmeister in Riga, 1910 Leiter der Kurkonzerte in Bad Pyrmont, 1911 Chorleiter in Gotha und 1912 Musikdirektor in Aachen. 1918-20 setzte er sich als Generalmusikdirektor an der Stuttgarter Hofoper nachhaltig f¨ur das zeitgen¨ossische Musikschaffen ein, der junge Paul → Hindemith, → Busoni und → Schreker z¨ahlten zu seinen bevorzugten Komponisten. 1922 trat B. die Nachfolge von Fritz → Reiner in Dresden an, wo er mit bedeutenden Regisseuren und B¨uhnenbildnern der Zeit wie Alfred → Reucker und Oskar → Kokoschka richtungweisende Inszenierungen von Werken Verdis, Mussorgskys und Richard → Strauss’ entwickelte. 1933 zur Emigration gezwungen, war er in Großbritannien maßgeblich an der Gr¨undung und dem Ausbau der Opernfestspiele von Glynedebourne beteiligt, ehe er seinen Wohnsitz in Argentinien nahm. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde B. k¨unstlerischer Leiter des May Festival in Cincinnati und dirigierte regelm¨aßig an der New Yorker Metropolitan Opera und auch wieder in Europa. 1949 erschienen seine Memoiren Aus dem Leben eines Musikers. C MGG

Busch, Fritz Franz Emanuel, Beamter, * 2. 4. 1884 Arnsberg (Westfalen), † 22. 12. 1958 Arnsberg. Der Sohn des Meteorologen Friedrich → B. studierte Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Bonn, M¨unchen, Leipzig und M¨unster (Promotion in Leipzig). Danach war B. bis 1932 als Rechtsanwalt in Essen und Berlin, sp¨ater als Richter und Dezernent der Reichsbahndirektion sowie als Ministerialdirigent im Reichsverkehrsministerium t¨atig. Nach dem

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Ende des Zweiten Weltkriegs war B. zun¨achst stellvertretender, seit 1946 Generaldirektor der Deutschen Reichsbahn in der amerikanischen und britischen Besatzungszone und setzte sich f¨ur den Wiederaufbau der Bahn ein, bis er 1949 aus dem Amt schied.

Aachen, † 17. 9. 1996 Bloomington (Indiana, USA). Der Sohn von Fritz → B. studierte an der Univ. Genf und am Max-Reinhardt-Seminar in Wien und war seit 1933 als Regieassistent u. a. in Buenos Aires, Rio de Janeiro, Verona und Basel t¨atig. 1938 / 39 Regisseur am Stadttheater in Berlin, 1939 / 40 Regieassistent an den Opern in Br¨ussel und Stockholm, ging er 1941 in die USA, wo er in New York die New Opera Co. gr¨undete und 1942 Leiter der Opernschule an der University of New Hampshire wurde. Seit 1949 Prof. an der University of Indiana in Bloomington, inszenierte er daneben u. a. 1956-60 an der Metropolitan Opera in New York, 1959 an der Covent Garden Opera in London und 1969 an der Opera San Carlo in Neapel. 1947 leitete er die Urauff¨uhrung von Kurt → Weills Down in the Valley in Indiana. B. ver¨offentlichte Verdis Aida. The History of an Opera in Letters and Documents (1978). C Exiltheater

Busch, Hermann, Musiker, * 24. 6. 1897 Siegen, † 3. 6. 1975 Haverford (Pennsylvania, USA). Wie seine Br¨uder Adolf und Fritz → B. erhielt B. zun¨achst eine Ausbildung am K¨olner Konservatorium, bildete sich in Wien bei Paul → Gr¨ummer weiter und wurde 1919 Solocellist in Bochum. 1923-27 spielte er bei den Wiener Symphonikern, seit 1926 auch im Busch-Serkin-Trio und im BuschQuartett. 1927-29 lehrte er an der Folkwangschule in Essen. ¨ Uber die Schweiz emigrierte B. 1935 in die USA und war bis 1964 Prof. f¨ur Cello und Kammermusik an der University of Miami, seit 1950 an der von ihm mitbegr¨undeten Marlboro School in Vermont. Seine letzten Jahre verbrachte er als Privatlehrer in Haverford. C Fellerer, 8. Folge

Busch, Isidor, auch Israel B., Buchh¨andler, Schriftsteller, * 15. 1. 1822 Prag, † 5. 8. 1898 St. Louis (Missouri, USA). Der Sohn eines Buchdruckers arbeitete ebenfalls in diesem Beruf und war in Wien lange als Buchh¨andler t¨atig. 1842-47 gab B. im „Kalender und Jahrbuch f¨ur Israeliten“ Beitr¨age j¨udischer Gelehrter und Schriftsteller zur j¨udischen Kulturgeschichte heraus. 1848 begann er mit der Ver¨offentlichung ¨ revolution¨arer Flugbl¨atter und gr¨undete das „Osterreichische Centralorgan f¨ur Glaubensfreiheit, Cultur, Geschichte und Literatur der Juden“, in dem er die Auswanderung in die USA propagierte. B. selbst wanderte Ende 1848 dorthin aus und gr¨undete in New York die Zeitschrift „Israels Herold“ als erste j¨udische Wochenschrift der USA. Bald darauf folgte ¨ seine Ubersiedlung nach St. Louis, wo B. 1860 Generalagent und sp¨ater Direktor der Einwanderungsgesellschaft „Iron Mountain Railroad“ wurde. Nach dem Ausbruch des

Busch B¨urgerkriegs war er Kapit¨an der Nordarmee, erwarb sp¨ater Weinberge und gr¨undete eine Weinbauschule in Missouri. B. trat f¨ur die politische Emanzipation der Schwarzen ein. C Lex dt-j¨ud Autoren

Busch, Johann, schweizer. Unternehmer, * 14. 3. 1890 Chur, † 15. 12. 1969 Chur. B., Sohn eines Maschinenstickers, erhielt eine Schlosserausbildung in Chur, arbeitete seit 1910 in der Schweiz und in Deutschland und kehrte nach dem Ersten Weltkrieg nach Chur zur¨uck, wo er 1919 eine Schlosserwerkstatt u¨ bernahm. 1926 gr¨undete er die Schnellwaagenfabrik Busch, die er erfolgreich f¨uhrte. Der Erwerb zweier Patente f¨ur vollautomatische Waagen sicherte B. einen Vorsprung vor der Konkurrenz. 1959 wurde eine Lehrwerkst¨atte angegliedert. 1965 schied B. aus der Leitung des 1952 in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Unternehmens aus, das von seinen S¨ohnen u¨ bernommen wurde. 1935-40 war er freisinnigdemokratisches Mitglied des Churer Stadtparlaments. C Schweizer Pioniere, Bd 25

Busch, Johannes, evang. Theologe, * 11. 3. 1905 Elberfeld (heute zu Wuppertal), † 14. 4. 1956 Bochum. B., Sohn eines Pfarrers, besuchte 1924 die Theologische Schule in Bethel bei Bielefeld und studierte dann in T¨ubingen, Basel und M¨unster. 1928 wurde er Vikar in Bielefeld, besuchte das Predigerseminar in Wittenberg und war seit 1930 Pfarrer in Witten. 1934 war B. f¨ur einige Monate mit Amtsverbot belegt. Als Abgeordneter von Westfalen nahm er an der 1. Bekenntnissynode der Deutschen evangelischen Kirche 1934 in Barmen teil. B., ein hochangesehener Prediger, war Bundeswart im Westdeutschen Jungm¨annerbund, nach 1945 auch Jugendpfarrer von Westfalen, Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Mitglied des Vorstandes der Rheinischen Missionsgesellschaft, der deutschen Evangelischen Allianz und des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes. Er ver¨offentlichte u. a. Ich aber rede von deinen Befehlen (1947, 21958) und Stille Gespr¨ache. Eine Handreichung f¨ur evangelische Jugendarbeit (1956). B. starb an den Folgen eines Verkehrsunfalls. C BBKL

Busch, Max Gustav Reinhold, Chemiker, * 16. 8. 1865 Hochneukirch bei D¨usseldorf, † 26. 8. 1941 Erlangen. Der Sohn eines Kommerzienrats studierte zun¨achst Maschinenbau, wandte sich dann an der Univ. Berlin und an der TH Berlin-Charlottenburg dem Studium der Chemie zu und wurde 1889 in Erlangen mit der Dissertation Synthese von Chinazolinderivaten promoviert. Seit 1890 Assistent, habilitierte er sich 1893 an der Univ. Erlangen mit der Arbeit Synthetische Versuche u¨ ber Stickstoffkohlenstoffringe aus oAmidobenzylamin und seinen Derivaten und wurde dort 1897 a. o. Prof., 1912 Ordinarius f¨ur Pharmazie, angewandte Chemie und chemische Technologie. 1914-20 wurde das Erlanger Institut f¨ur angewandte Chemie nach seinen Angaben erbaut. B. besch¨aftigte sich vorwiegend mit StickstoffKohlenstoff-Verbindungen, arbeitete eine neue Art der katalytischen Hydrierung und Enthalogenierung sowie analytische Methoden aus und ver¨offentlichte u. a. Die Katalyse in ihrer gegenw¨artigen Bedeutung (1918). C Poggendorff 4-6

Busch, (Julius Hermann) Moritz, Publizist, * 13. 2. 1821 Dresden, † 16. 11. 1899 Leipzig. Nach dem Studium der Theologie in Leipzig (seit 1841) nahm B., Sohn eines Unteroffiziers, 1849 am dortigen Maiaufstand teil und emigrierte 1851 in die USA (Wanderungen zwischen Hudson und Mississippi 1851 und 1852, 1854). 1852 kehrte er zur¨uck, bereiste 1856-59 im Auftrag ¨ ¨ des Osterreichischen Lloyd Pal¨astina, Agypten und Griechenland (Aegypten. Reisehandbuch f¨ur Aegypten und due angr¨anzenden dem Pascha unterworfenen L¨ander, 1858)

und redigierte 1857-66 zusammen mit Gustav → Freytag die „Grenzboten“. Seit 1864 als Presseoffiziosus im Dienst des Herzogs von Augustenburg, wurde B. 1866 Presseattach´e des Zivilkommissars von Hannover, 1870 Pressebearbeiter im Ausw¨artigen Amt und arbeitete w¨ahrend des DeutschFranz¨osischen Kriegs eng mit → Bismarck zusammen. Seit 1873 pensioniert, war er bis 1875 Chefredakteur des „Hannoverschen Kuriers“, dann freier Schriftsteller und Publizist in Leipzig und Berlin. Seine Begegnungen mit Bismarck legte B. insbesondere in Graf Bismarck und seine Leute w¨ahrend des Kriegs mit Frankreich (2 Bde., 1878) und in seinen Tagebuchbl¨attern (3 Bde., 1899) dar. C NDB

Busch, Paul Vincenz, Zirkusdirektor, * 21. 1. 1850 Berlin, † 28. 11. 1927 Berlin. Der Sohn eines Kaufmanns absolvierte eine landwirtschaftliche Ausbildung, arbeitete nach dem Deutsch-Franz¨osischen Krieg in Reval als Dresseur und Direktor des dortigen Tattersalls und trat mit seinen nach der Hohen Schule dressierten Pferden im Zirkus Salamansky in St. Petersburg auf. 1884 gr¨undete B. in Schweden einen eigenen Wanderzirkus, mit dem er eine mehrj¨ahrige Tournee durch Skandinavien unternahm, bevor er 1892 in Hamburg-Altona sein erstes festes Zirkusgeb¨aude er¨offnete. Es folgten weitere Zirkusbauten im Wiener Prater, 1895 in Berlin sowie in Breslau, die mit modernster Technik und mit Wasserspielen ausgestattet waren und einen saisonunabh¨angigen Spielbetrieb erlaubten. B. erweiterte sein Programm um die Darstellung historischer Themen mit Massenszenen und aufwendigen Kost¨umen. B. war der Vater von Paula → B.

Busch, Paula, Zirkusdirektorin, Schriftstellerin, * 6. 12. 1892 / 94 Odense, † 25. 6. 1973 Berlin. Die Tochter des Zirkusdirektors Paul Vincenz → B. studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Literatur an den Universit¨aten Berlin und Heidelberg. 1915 trat sie in das v¨aterliche Zirkusunternehmen ein, lernte Ballett, Choreographie und Schulreiterei, trat zun¨achst als Pantomimenmeisterin auf und f¨uhrte als erste das gesprochene Wort in die Zirkuspantomime ein. Seit 1920 Mitinhaberin, nahm B. Schauspielunterricht, erhielt ein Engagement am Berliner Schauspielhaus und leitete nach dem Tod ihres Vaters seit 1927 den Zirkus. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs wurden die festen Spielh¨auser in Berlin, Hamburg und Breslau zerst¨ort, so daß der Circus Busch erst in den Nachkriegsjahren in Berlin wiederaufgebaut werden konnte. W¨ahrend der Berlin-Blockade stillgelegt, wurde er 1952 unter der Leitung von B. und ihrer Tochter Michaela wiederer¨offnet. B. schrieb zahlreiche Romane, die im Zirkusmilieu spielen, und ver¨offentlichte 1957 ihre Lebenserinnerungen unter dem Titel Das Spiel meinens Lebens. Ein halbes Jahrhundert Zirkus. C Hassenkamp

Busch, Wilhelm, Chirurg, * 5. 1. 1826 Marburg, † 24. 11. 1881 Bonn. Der Sohn von Dietrich Wilhelm Heinrich → B. studierte seit 1844 in Berlin und wurde 1848 mit der Arbeit De Selachiorum et Ganoideorum encephalo promoviert. Anschließend war er in Lazaretten in Schleswig-Holstein t¨atig und unternahm 1849 eine l¨angere Forschungsreise nach Großbritannien, Spanien, Algerien, Paris, Wien und Triest, deren Ergebnisse er in mehreren wissenschaftlichen Schriften darlegte. Seit 1851 chirurgischer Assistent an → Langenbecks Klinik, wandte sich B. der Chirurgie zu, f¨ur die er sich 1852 habilitierte. 1855 wurde er als a. o. Prof. Leiter der Chirurgischen Klinik in Bonn und erhielt 1860 zus¨atzlich die chirurgische Hospitalarztstelle am Bonner Johannishospital. 1866 und 1870 / 71 war er als Feldarzt w¨ahrend der Kriege in B¨ohmen und Frankreich t¨atig. 1866 wurde er zum Geheimen Medizinalrat ernannt. B. besch¨aftigte sich insbesondere mit Beobachtungen zu Schußverletzungen sowie mit

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Busch Heilm¨oglichkeiten von Krebserkrankungen und forschte auf den Gebieten der vergleichenden Anatomie, der Physiologie, pathologischen Anatomie, Ophthalmologie und Chirurgie. Er ver¨offentlichte u. a. Chirurgische Bobachtungen (1854) und Lehrbuch der Chirurgie (2 Bde., 1857-69).

Busch, (Heinrich Christian) Wilhelm, Zeichner, Maler, Dichter, * 15. 4. 1832 Wiedensahl bei Hannover, † 9. 1. 1908 Mechtshausen bei Seesen. Der a¨ lteste Sohn – von sieben Kindern – eines Kr¨amers kam 1841 zur Erziehung zum Bruder der Mutter, dem Dorfpastor und Bienenz¨uchter Georg Kleine nach Eberg¨otzen bei G¨ottingen. Auf Wunsch des Vaters wurde B. 1847 an der Polytechnischen Schule Hannover immatrikuliert, verließ sie aber 1851 und ging nach D¨usseldorf an die Kunstakademie, 1852 nach Antwerpen an die Kgl. Akademie f¨ur Sch¨one K¨unste. Die Begegnung mit den niederl¨andischen Malern des 17. Jahrhunderts geriet zum Schl¨usselerlebnis: Sie wurden zu seinen unerreichbaren Vorbildern. Ende 1853 erkrankte er an Typhus, kehrte heim und sammelte M¨archen, Sagen, Volkslieder und Spr¨uche (1910 als Ut oˆ ler Welt). 1854 wurde B. in die technische Malklasse der Kgl. Akademie der K¨unste in M¨unchen aufgenommen. Er malte und zeichnete – neben seinen Bildergeschichten – meist f¨ur sich bis etwa 1895; heute gilt er mit fast tausend erhaltenen, ¨ meist kleinformatigen Olgem¨ alden als ein Vorl¨aufer der Moderne. Bis 1868 blieb er – mit großen Unterbrechungen – in M¨unchen. 1869 verlegte er seinen Wohnsitz nach Frankfurt / Main, wo sich eine mehr als m¨azenatische Freundschaft mit der Bankiersgattin Johanna Keßler ausbildete; 1872 erfolgte der R¨uckzug nach Wiedensahl, zun¨achst ins Elternhaus, dann zu seinem Schwager Pastor Hermann N¨oldeke. Seit 1879 lebte er mit seiner Schwester Fanny im Pfarrwitwenhaus. Reisen f¨uhrten ihn nach Frankfurt, M¨unchen, Wien, Berlin, Dresden, Belgien, Holland, Florenz und Rom. Die Briefe an die holl¨andische Schriftstellerin Maria Anderson geh¨oren mit ihrer Diskussion von u. a. schopenhauerschen Gedanken zu den wichtigsten B.s. 1877 richtete er sich ein eigenes Atelier in M¨unchen ein, reiste aber nach einem Eklat im Fr¨uhjahr 1880 nie wieder dorthin. 1898 u¨ bersiedelte er mit seiner Schwester ins Pfarrhaus seines Neffen Otto N¨oldeke nach Mechtshausen im Harz. F¨ur den K¨unstlerverein „Jung-M¨unchen“ zeichnete B. Karikaturen, der Verleger Kaspar → Braun entdeckte ihn 1858 f¨ur die humoristische Zeitschrift „Fliegende Bl¨atter“. 1859 erschienen hier und in den „M¨unchener Bilderbogen“ seine ersten illustrierten Witze und Bildergeschichten (bis 1871). Obgleich er bei diesen an Vorbilder (popul¨are Bilderbogen und Moritatentradition) ankn¨upfen konnte, entwickelte er einen eigenen Stil der Bildergeschichte, nicht ohne Einfluß durch die Tradition des komischen Epos. Mit Max und Moritz (1865) k¨undigt sich die Zeit der großen Bildergeschichten (1868-84) an. Hier pr¨aludiert er sein zentrales Thema, die Unterdr¨uckung und Vernichtung „nat¨urlicher“ Bosheit, besonders bei Kindern, Bauern und Tieren, im Namen von Vernunft und gesellschaftlicher N¨utzlichkeit. In Die Fromme Helene (1872) demonstriert er erstmals an einem ganzen Lebenslauf die Konstanz des „b¨osen“ Charakters in Form eines satirischen Sittenbildes des heuchlerischen B¨urgertums der Gr¨underzeit. Zusammen mit Werken wie der Satire gegen kath. Heiligenverehrung Der heilige Antonius von Padua (1870) und der den deutschen Michel verkl¨arenden politischen Satire Pater Filuzius (1872) begr¨undeten sie B.s Ruhm im neuen preuß. gef¨uhrten Deutschland w¨ahrend

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des Kulturkampfes. Die vielen Lebensl¨aufe in absteigender Linie zeigen B.s generelle Skepsis: Die Abenteuer eines Junggesellen, Herr und Frau Knopp, Julchen (1875-77), Balduin B¨ahlamm, der verhinderte Dichter (1883), der wie ehedem in sein B¨uro geht, Maler Klecksel (1884), der Schimmelwirt wird. Die Wirkung der Bildergeschichten geht von dem meist komischen Kontrast zwischen Text und Zeichnung aus. Auch B.s Lyrik (Kritik des Herzens, 1874; Zu guter Letzt, 1904; Schein und Sein, 1909) zeigt sprachliche Virtuosit¨at. 1886-95 schrieb er autobiographische und weniger bekannte poetische Prosa: extrem kurze Selbstbiographien (Was mich betrifft, 1886; Von mir u¨ ber mich, 1893; 1894); Eduards Traum (1891), eine Satire auf alle Sinngebungsm¨oglichkeiten; Der Schmetterling (1895), eine allegorische Erz¨ahlung. Oft drastisches Mittel der Darstellung sind B.s „komische Grausamkeiten“; seine mitleidlose Welt ist ein Grenzfall der Komik, die allerdings wohl keinem latenten Sadismus entspringt, sondern die menschliche Bosheit komisch entlarvt. Die zeichnerische Virtuosit¨at verh¨ullt allerdings mit oft liebevollen Genre- und Detailstudien die pessimistische Grundtendenz. Als heiterer Haushumorist der Deutschen, mit deren Mehrheit er die Bismarckverehrung und den politischen Konservativismus, nicht aber den Antisemitismus teilte, wurden auch die kritischen Teile seines Werkes verharmlost und Opfer seiner beispiellosen Popularit¨at und der Tendenz, komische Literatur nicht so ernst zu nehmen, wie sie es verdient. WEITERE WERKE: S¨amtliche Werke. Hrsg. v. Otto N¨oldeke. 8 Bde., M¨unchen 1943. – Historisch-kritische Gesamtausgabe. Hrsg. v. Friedrich Bohne. Hamburg u. a. 1959. – S¨amtliche Briefe. Hrsg. v. Friedrich Bohne. 2 Bde., Hannover 1968 / 69. – Hans Georg Gmelin: W. B. als Maler. Berlin 21981. – Ruth Brunngarber-Malottke: Handzeichnungen nach der Natur. Werkverzeichnis. Stuttgart 1992. – Gesammelte Werke. Berlin 2002 (1 CD-ROM). – Die Bildergeschichten. Historisch-kritische Ausgabe. Bearb. v. Hans Ries. Unter Mitwirkung von Ingrid Haberland. 3 Bde., Hannover 2002. LITERATUR: Walter Pape: W. B. Stuttgart 1977. – Gert Ueding: W. B. Frankfurt / Main 1977. – Dieter Lotze: W. B. Boston 1979. – Walter Pape: Der mißverstandene Satiriker. In: Walter Pape: Das literarische Kinderbuch. Berlin / New York 1981, S. 303-368. – W. B. 1832-1908. Nieders¨achsische Landesausstellung zur 150. Wiederkehr des Geburtstages. 3 Bde. Hannover 1982. – Ulrich Mihr: W. B.: Der Protestant. T¨ubingen 1983. – Michael Vogt (Hrsg.): Die boshafte Heiterkeit des W. B. Bielefeld 1988. – Michael ¨ Hetzner: Gest¨ortes Gl¨uck im Innenraum. Uber Familie und Ehe bei W. B. Bielefeld 1991. – Karsten Imm: Absurd und Grotesk. Zum Erz¨ahlwerk von W. B. und Kurt Schwitters. Bielefeld 1994. – Gottfried Willems: Abschied vom Wahren – Sch¨onen – Guten. W. B. und die Anf¨ange der a¨ sthetischen Moderne. Heidelberg 1998. – Frank Pietzcker: Symbol und Wirklichkeit im Werk W. B.s. Frankfurt / Main 2002. – Astrid Lange-Kirchheim: Zur Pr¨asenz von W. B.s Bildergeschichten in Franz Kafkas Texten. In: Claudia Liebrand / Franziska Sch¨oßler (Hrsg.): Textverkehr. Kafka und die Tradition. W¨urzburg 2004, S. 161-204. Walter Pape

Busch, Wilhelm, Agrarwissenschaftler, * 8. 12. 1901 Recklinghausen, † 25. 12. 1998 Rostock. B., Sohn eines Justizrats, studierte seit 1923 an den Landwirtschaftlichen Hochschulen Hohenheim und Poppelsdorf sowie in G¨ottingen und wurde 1930 in Bonn-Poppelsdorf promoviert. 1935 habilitierte er sich dort, erhielt 1936 einen Lehrauftrag an der Univ. Bonn, u¨ bernahm 1938 in Vertretung den Lehrstuhl f¨ur Agrarwesen und Agrarpolitik und wurde 1939 zum Dozenten neuer Ordnung f¨ur Landwirtschaftliche Betriebslehre ernannt. B., 1939-41 Leiter der

Buschbeck Dozentenschaft und Dozentenbundf¨uhrer der Univ. Bonn, wurde 1942 o. Prof. f¨ur Agrarwesen und Agrarpolitik in Bonn. Im selben Jahr als Direktor des Instituts f¨ur landwirtschaftliche Betriebslehre an die Baltische Forschungsanstalt nach Riga abgeordnet, wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg entlassen. Nach T¨atigkeiten als Landwirt (1945-47) und Schriftleiter im Verlag Paul Parey in Hamburg erhielt er 1951 eine o. Professur f¨ur G¨artnerische Betriebslehre und Marktforschung an der Hochschule f¨ur Gartenbau und Landeskunde in Hannover, die sp¨ater in die TH Hannover eingliedert wurde. C Gr¨uttner

Busch, Wilhelm M(artin), Illustrator, Zeichner, * 1. 9. 1908 Breslau, † 7. 7. 1987 Hamburg. Nach der Ausbildung zum Dekorationsmaler und dem Besuch der Breslauer Kunstgewerbeschule (seit 1926) studierte B. von 1929 an u. a. als Sch¨uler Hans → Meids und Oskar → Bangemanns an den Vereinigten Staatsschulen f¨ur Freie und Angewandte Kunst in Berlin. Seit 1932 war er hauptberuflich als Pressezeichner t¨atig und erhielt daneben seit 1934 erste Aufr¨age von Buchverlagen. 1938-40 war er nebenberuflich Lehrer an der Textil- und Modeschule in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete B. als Buchillustrator u. a. f¨ur Rowohlt, Enßlin & Laiblin und Bertelsmann und u¨ bernahm 1954-86 eine Lehrt¨atigkeit an der Fachhochschule Hamburg im Bereich Gestaltung. C AKL

Busch, William (Martin Friedrich), Fabrikant, * 12. 11. 1867 Hamburg, † 11. 6. 1931 Berlin. B., Sohn des Besitzers einer Pferdebahnwagenfabrik in Hamburg und Gr¨unders der Wagenbauanstalt und Fabrik f¨ur elektrische Bahnen A. G. in Bautzen, trat in das v¨aterliche Unternehmen ein, u¨ bernahm dessen Direktion, fusionierte 1921 die Busch AG mit der Waggonfabrik Weimar, 1927 mit den Linke-Hofmann-Werken in Breslau und beteiligte sich an der Gr¨undung wiederaufgebauter Waggonfabriken in Riga und Reval. Seit 1926 bem¨uhte er sich mit anderen Waggonfabriken um eine Rationalisierung der Betriebe und erhielt die Zusicherung des Reichsbahnpr¨asidenten, einem Zusammenschluß der deutschen Waggonfabriken den Großteil der Reichsbahnauftr¨age zu erteilen. Damit war die Basis f¨ur die Errichtung der Deutschen Wagenbauvereinigung mit Sitz in Berlin geschaffen, die aus einundzwanzig Werken bestand. B. u¨ bernahm deren Vorsitz und schloß in dieser Funktion den Reichsbahnvertrag ab, der bis 1945 stets verl¨angert wurde. C NDB

Buschan, Georg (Hermann Theodor), Mediziner, V¨olkerkundler, * 14. 4. 1863 Frankfurt / Oder, † 6. 11. 1942 Stettin. ¨ Nach dem Medizinstudium (Promotion 1887, Uber hernia funiculi umbilicalis) war B. Marinearzt und erreichte den Rang eines Generaloberarztes. Zwischen 1911 und 1926 bereiste er den Balkan, Afrika – insbesondere die damalige deutsche Kolonie Kamerun – und Ostasien. Seine zahlrei¨ chen Werke weckten in einer breiten Offentlichkeit das Interesse an v¨olkerkundlichen Fragen; sein Hauptwerk Illustrierte V¨olkerkunde (3 Bde., 1909, 31922-26) galt zu seiner Zeit als die bedeutendste wissenschaftliche Gesamtdarstellung der beschreibenden V¨olkerkunde. B. gab das „Zentralblatt f¨ur Anthropologie“ heraus und hatte zeitweise den Vorsitz in der Gesellschaft f¨ur V¨olker- und Erdkunde inne. Zu weiteren Ver¨offentlichungen geh¨oren Geschlecht und Verbrechen (1908), Im Anfang war das Weib (3 Bde., 1927), Kul¨ turgeschichte Japans (1938) und Uber Medizinzauber und Heilkunst im Leben der V¨olker (1943). C Killy Buschbeck, Erhard, Dramaturg, Schriftsteller, * 6. 1. 1889 Salzburg, † 2. 9. 1960 Wien. Der Sohn eines Rechtsanwalts studierte an der Univ. Wien zun¨achst Rechtswissenschaften, sp¨ater Kunstgeschichte und

Arch¨aologie und wurde zum Dr. phil. promoviert. W¨ahrend des Studiums war B. Obmann des Akademischen Verbandes f¨ur Literatur und Musik, der u. a. Gem¨alde der damals noch wenig bekannten Maler Oskar → Kokoschka, Anton → Faistauer und Erwin → Lang ausstellte und Werke von → Sch¨onberg, → Weber und → Berg auff¨uhrte. B. lebte als freier Schriftsteller in Florenz, Dresden, Berlin und M¨unchen und ver¨offentlichte 1917 als Jugendfreund Georg → Trakls sein erstes Werk Georg Trakl. Ein Requiem. 1918 wurde B. von Hermann → Bahr an das Wiener Burgtheater geholt, wo er in den folgenden Jahrzehnten als artistischer Sekret¨ar, Dramaturg, Chefdramaturg und 1945 zusammen mit Raoul → Aslan als interimistischer Direktor wirkte. 1929-31 lehrte er als Prof. am Reinhardt-Seminar und redigierte die „Bl¨atter des Burgtheaters“, in denen er auch eigene Beitr¨age ver¨offentlichte. Neben Lyrik, Erz¨ahlungen und Feuilletons erschienen u. a. sein Roman Wolf Dietrich (1919) sowie die Monographien Der Thespiskarren (1943), Raoul Aslan und das Burgtheater (1946) und 175 Jahre Burgtheater (1953).

Buschbeck, Ernst Heinrich, o¨ sterr. Kunsthistoriker, * 9. 1. 1889 Wien, † 13. 5. 1963 Boca da Inferno bei Cascais (Portugal). Nach dem Studium der Philosophie und der Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Lausanne und Wien (1908-10) wandte sich B., Sohn eines Privatiers, an den Universit¨aten Berlin, Halle und Wien dem Studium der Kunstgeschichte zu und wurde 1913 zum Dr. phil. promoviert (Der Portico de la Gloria von Santiago de Compostela. Beitr¨age zur Geschichte der franz¨osischen und der spanischen Skulptur im XII. Jahrhundert, ver¨offentlicht 1919). 1914-18 nahm er am Ersten Weltkrieg teil, war dann wissenschaftlicher Assistent der Gem¨aldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien und wurde 1920 an die Musealabteilung des o¨ sterr. Bundesministeriums f¨ur Unterricht berufen. 1921-24 war er mit der Reorganisation der o¨ sterr. Museen betraut und gr¨undete 1922 zusammen mit Hans → Tietze die Gesellschaft zur F¨orderung moderner Kunst. Als Kustos am Kunsthistorischen Museum in Wien kam B. 1937 als Generalsekret¨ar f¨ur die Großausstellung o¨ sterr. Kunst nach Paris und emigrierte 1939 nach England, wo er bis August 1945 f¨ur die BBC t¨atig war. 1946 kehrte er in seine Heimatstadt zur¨uck und war 1949-55 Direktor der Gem¨aldegalerie des Kunsthistorischen Museums. 1955 als Berater bei der Aufstellung der Czerninschen Gem¨aldegalerie in der Salzburger Residenz t¨atig, wurde er 1959 mit der Neuordnung der Harrachschen Gem¨aldegalerie in Wien betraut. Er ver¨offentlichte u. a. Fr¨uhmittelalterliche Kunst in Spanien (1923), Georg Merkel (1927), Les primitifs autrichiens (1937) und Wissen¨ schaft der letzten 150 Jahre in Osterreich (1947). B. starb bei einem Unfall in Portugal. C Wendland Buschbeck, Hermann, Maler, Schauspieler, * 17. 10. 1855 Prag, † 11. 4. 1911 M¨unchen. B. besuchte 1873 die Prager Kunstakademie und setzte seine Studien zun¨achst in Dresden, sp¨ater in M¨unchen fort. Er wandte sich jedoch bald der Schauspielerei zu, nahm Unterricht bei Ernst → Possart und deb¨utierte als jugendlicher Held in Hamburg. Seine gr¨oßten Erfolge erzielte B. in Rollen wie Mortimer, Don Carlos und Romeo; Gastspiele f¨uhrten ihn nach Berlin und an die Mannheimer Hofb¨uhne, wo er seine sp¨atere Frau, die S¨angerin Rosa Swoboda, kennenlernte. Nach seiner Heirat gab B. seine B¨uhnenkarriere auf und ging 1886 nach Paris, um sich in den folgenden zwei Jahren dem Studium der Malerei zu widmen. Anschließend ging er wieder nach M¨unchen, war dort als Portr¨at- und ¨ Landschaftsmaler t¨atig und schuf u. a. das Olgem¨ alde Eva

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Buschbecker an der Leiche Abels (1888). Possart, inzwischen Intendant der M¨unchner Hofb¨uhnen, u¨ bergab B. 1903 die Leitung des Kost¨um- und Requisitenwesens der Hoftheater. 1907 wurde B. in M¨unchen zum kgl. Prof. ernannt. C AKL

Buschbecker, Karl Matthias, eigentl. Karl Busch, auch Role, Schriftsteller, * 15. 7. 1899 Trier, † 28. 5. 1942 Berlin. B., Sohn eines Lehrers, studierte in Bonn und Wien Rechtswissenschaften. 1925 wurde er Leiter der Uniformabteilung in der NSDAP, 1929 Schriftleiter des „V¨olkischen Beobachters“, sp¨ater Hauptschriftleiter anderer Zeitungen. 1933 wurde er Mitglied des Preußischen Landtags. B. u¨ bernahm die Leitung des Reichsamts f¨ur Presse und Propaganda bei der Nationalsozialistischen Gemeinschaft Kraft durch Freude; er geh¨orte zum Kreis um Robert → Ley, u¨ ber den er 1934 unter dem Pseudonym Role die Biographie Hitlers Stabsleiter der P. O. Dr. Ley ver¨offentlichte. B. schrieb die Romane Wie unser Gesetz es befahl (1936) und Und doch schl¨agt das Herz an den Grenzen (1939) sowie den Text f¨ur den Bildband Unter dem Sonnenrad. Ein Buch von Kraft durch Freude (1938). C Hillesheim

Busche, Hermann von dem, auch Hermannus Buschius, meist mit dem Beinamen Pasiphilus, Humanist, * um 1468 Sassenberg bei Warendorf (Westfalen), † April 1534 D¨ulmen (Westfalen). Der einem schaumburgischen Adelsgeschlecht entstammende B. widmete sich fr¨uh humanistischen Studien und war Sch¨uler von Rudolf von → Langen in M¨unster, Alexander → Hegius in Deventer und Rudolf von → Agricola in Heidelberg. Er unternahm eine mehrj¨ahrige Bildungsreise nach Italien, studierte 1495-1500 Rechtswissenschaften in K¨oln, hielt Vorlesungen u¨ ber Poetik und zog als humanistischer Wanderlehrer durch Deutschland. 1502 hielt B. die Festrede bei der Neuer¨offnung der Univ. Wittenberg und wurde 1503 Prof. der Poetik und Eloquenz in Leipzig. Seit 1507 lehrte er in K¨oln, wurde in den Streit → Reuchlins mit den Dominikanern verwickelt und arbeitete h¨ochstwahrscheinlich an den Epistolae obscurorum virorum mit. In seinem Traktat Vallum humanitatis (1518) stellte B. sein Bildungsprogramm vor, wandte sich gegen veraltete Lehrpraktiken, verteidigte die Besch¨aftigung mit paganer Literatur, Poetik und Rhetorik und bem¨uhte sich, den aktuellen Leitbegriff der humanistischen Bildung zu bestimmen. In den reformatorischen K¨ampfen schloß sich B. → Luther an, folgte 1523 einem Ruf nach Heidelberg, wurde 1527 Prof. in Marburg und disputierte 1533 o¨ ffentlich mit dem T¨auferf¨uhrer Bernhard → Rothmann in M¨unster. C Leb Westfalen, Bd 1

Buscher, Clemens, Bildhauer, * 19. 6. 1855 Gamburg / Tauber, † 8. 12. 1916 D¨usseldorf. B. erlernte den Beruf eines Steinbildhauers, der in seiner Familie Tradition hatte, und war 1873-76 in mehreren s¨uddeutschen St¨adten sowie in Meran als Gehilfe t¨atig. Danach absolvierte er eine Lehre als Steinmetz und Portraitist bei Michael Arnold, bevor er 1876 als Sch¨uler Josef → Knabls und Syrius → Eberles in die M¨unchner Akademie der Sch¨onen K¨unste eintrat, wo er bis 1881 studierte. Im Anschluß daran unternahm er eine Studienreise nach Italien und war 1883-1902 Lehrer an der neugegr¨undeten Kunstgewerbeschule in D¨usseldorf. Er errichtete u. a. 1891-96 das Reiterstandbild Kaiser → Wilhelms I. in Frankfurt / Main, war Mitbegr¨under der „Freien Vereinigung D¨usseldorfer K¨unstler“ sowie des „Vereins deutscher Bildhauer“ und wurde 1898 zum Kgl. Prof. ernannt. B., der die a¨ ltere Richtung der D¨usseldorfer Plastik vertrat, schuf neben zahlreichen Denkm¨alern (u. a. von Karl Leberecht → Immermann, 1903) C AKL auch Portr¨atb¨usten und Statuetten.

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Buschfort, Hermann, Politiker, * 25. 6. 1928 Bocholt, † 13. 9. 2003 Bocholt. B. durchlief eine Feinmechanikerlehre und arbeitete in seinem Beruf. 1951-59 war er bei der Siemens AG in Bocholt Mitglied, dann Vorsitzender des Betriebsrats und 1959-74 erster Bevollm¨achtigter der IG Metall. Seit 1948 war B. Mitglied der SPD, 1973-82 des SPD-Parteivorstandes, 1956-74 Stadtverordneter in Bocholt und 1965-90 Mitglied des Deutschen Bundestags; 1968-74 und 1982-84 geh¨orte er dem Vorstand der SPD-Fraktion an. 1974 wurde er Parlamentarischer Staatssekret¨ar beim Bundesminister f¨ur Arbeit und Sozialordnung und war dort u. a. f¨ur die Bereiche Arbeitsrecht, Arbeitsschutz, Sozialversicherung, Kriegsopferversorung, Rehabilitation und Internationale Sozialpolitik zust¨andig. 1981 wurde er Beauftragter der Bundesregierung f¨ur die Belange der Behinderten. Nach der Regierungsumbildung 1982 ¨ schied B. aus beiden Amtern aus. 1983 wurde er Bundesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt, 1986 Pr¨asident des internationalen Arbeiterhilfswerks und 1987 Pr¨asident der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege und Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Behindertenhilfe „Aktion Sorgenkind“. 1989 schied B. auch aus den F¨uhrungsgremien der Wohlfahrtsorganisationen aus. Er ver¨offentlichte u. a. Zwischen Soutane und roten Fahnen. Die Geschichte der Bocholter SPD (1986). C MdB Buschke, Abraham, Dermatologe, * 27. 9. 1868 Nakel / Netze (Posen), † 25. 2. 1943 Konzentrationslager Theresienstadt. B., Sohn eines Kaufmanns, studierte Medizin an den Universit¨aten Breslau, Berlin und Greifswald, wurde 1891 promoviert (Zur Casuistik der Herderkrankungen des Hirnschenkels) und arbeitete anschließend als Assistent bei Rudolf → Virchow und Robert → Koch in Berlin. Er war dann bis 1894 an der Chirurgischen Klinik in Greifswald bei Heinrich → Helferich t¨atig, 1895-97 in Breslau und bis 1904 in Berlin. 1904-06 hatte B. die Leitung der Dermatologischen Abteilung des Krankenhauses Am Urban in Berlin inne, 1906-08 die des Rudolf-Virchow-Krankenhauses. Seit 1908 Titularprofessor, wurde er 1920 a. o. Professor. B. besch¨aftigte sich insbesondere mit der Klinik und Therapie der Syphilis (u. a. Reinfektion und Superinfektion bei Syphilis, 1929) sowie mit Pilzkrankheiten der Haut; zahlreiche Krankheitsbezeichnungen tragen seinen Namen. 1932 ver¨offentlichte er mit Friedrich Jacobsohn Geschlechtsleben und sexuelle Hygiene. 1933 entlassen, verlor er 1934 aufgrund der nationalsozialistischen Rassengesetze seine Lehrbefugnis. Danach stand er im Dienst des J¨udischen Krankenhauses. 1942 wurde B. in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. C Leb Berlin 2

Buschk¨otter, Wilhelm Ludwig Heinrich, Dirigent, * 27. 9. 1887 H¨oxter (Westfalen), † 12. 5. 1967 Berlin. B. studierte zun¨achst Medizin an den Universit¨aten Greifswald, Halle und Berlin, dann Musikwissenschaft an der Univ. Berlin sowie am Sternschen Konservatorium. Nach der Promotion 1912 (Jean Fran¸cois Le Sueur. Eine Biographie) war er Kapellmeister in Davos, danach bis 1915 Opernkapellmeister am Stadttheater Hamburg und wirkte nach dem Ersten Weltkrieg bis 1923 in Hamburg und Altona als Kapellmeister f¨ur Konzert und Oper. Im folgenden Jahr ging er als musikalischer Oberleiter f¨ur Konzert und Oper nach Turku in Finnland und arbeitete 1924-26 bei der Funkstunde Berlin, wo er 1925 das Berliner Rundfunksymphonieorchester gr¨undete. Seit 1926 erster Kapellmeister, musikalischer Oberleiter sowie Abteilungsleiter beim neugegr¨undeten Westdeutschen Rundfunk in K¨oln, dirigierte B. 1937 / 38 auch am Reichssender Stuttgart, bis er 1938 einem Ruf als Operndirektor an das Stadttheater Dortmund folgte. Nach der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg arbeitete er bis

¨ Buskuhl 1949 als Musiklehrer in Berlin, wurde 1949 Chefdirigent am staatlichen Lohorchester Sondershausen und war 1950-53 Generalmusikdirektor beim Nordwestdeutschen Rundfunk. C Fellerer, 6. Folge

Buschmann, Caspar (II), Uhrmacher, Mechaniker, * um 1536 Augsburg, † 7. 3. 1613 Augsburg. B. ging bei seinem Vater, einem Uhrmacher und Mechaniker, in die Lehre, erhielt 1560 die Schmiedegerechtigkeit und f¨uhrte seit 1564 eine eigene Werkstatt. Wiederholt u¨ bernahm er das Amt des Geschworenen Geschaumeisters. Er signierte seine Arbeiten mit „CA:BV“, doch sind diese h¨aufig schwer von jenen seines gleichnamigen Vaters und Sohnes zu unterscheiden. Als ein Werk B.s gilt die astronomische Tischuhr von 1586 in Greenwich (heute im National Maritime Museum). Er war der Vater von Caspar (III) → B. C AKL Buschmann, Caspar (III), Uhrmacher, Mechaniker, * um 1563 Augsburg, † nach 28. 8. 1629 Augsburg. B. wurde von seinem Vater Caspar (II) → B. ausgebildet, erhielt 1591 die Schmiedegerechtigkeit und war 1613 / 14 Vorgeher der Metallhandwerke. Wie sein Vater signierte er seine Werke mit „CA:BV“. Ihm wird eine Stockuhr in Dresden (Mathematisch-Physikalischer Salon, um 1620 / 25) zugeschrieben, die erstmals eine Schaufassade mit architektonischen Elementen in Miniatur besitzt. Neben Uhren spezialisierte sich B. auf die Herstellung wissenschaftlicher Instrumente. F¨ur Philipp → Hainhofers stellte er einen geometrischen Quadranten mit Sonnen- und Sternenuhr (1611) und zahlreiche mathematische Instrumente her. B. war der Vater von Johannes → B. C AKL Buschmann, David, Uhrmacher, * 11. 7. 1626 Augsburg, † 6. 4. 1701 Augsburg. Der Sohn Johannes → B.s wurde 1652 Meister und fertigte zusammen mit seinem Vater verschiedene astronomische Instrumente sowie die sog. Prager Uhr (1652) an. 1657 erhielt er die Schmiedegerechtigkeit und spezialisierte sich in Zusammenarbeit mit Goldschmieden auf barocke Prunkuhren (sog. T¨urkenuhr, 1675-77), die von europ¨aischen H¨ofen in Auftrag gegeben wurden. B. schuf auch eine Figurenuhr mit kniendem Atlas (Bayerisches Nationalmuseum). C AKL Buschmann, Johannes, auch Hans, Hannß, Johann B., Uhrmacher, * nach 1591 Augsburg, † 15. 12. 1662 Augsburg. B. wurde bei seinem Vater Caspar (III) → B. ausgebildet und erhielt nach seiner Gesellenzeit in Prag (eventuell bei Jost → B¨urgi) 1620 die Schmiedegerechtigkeit. 1638 / 39 war er Geschworener Geschaumeister. B., der wohl bedeutendste Vertreter der Augsburger Uhrmacherfamilie, erhielt zahlreiche Auftr¨age von Herzog → August d. J. von Braunschweig, f¨ur den er 1651 / 52 eine Jahresuhr schuf. Wiederholungen dieser Uhr ging u. a. an Kaiser → Ferdinand III. und an Großherzog Ferdinand II. von Toskana. Von B. sind viele technisch hochwertige Prunkuhren erhalten. Er war der Vater von David → B. C AKL

Buschmann, Peter, Beamter, * um 1604 Driburg, † 25. 7. 1673 Bonn. B., sohn eines paderbornischen Hofrats, war zun¨achst als Rat im kurk¨olnischen Herzogtum Westfalen, seit 1632 als Kanzler in Paderborn t¨atig, wurde gegen Ende des Dreißigj¨ahrigen Kriegs von → Ferdinand von Bayern bei zahlreichen diplomatischen Missionen eingesetzt und 1644 als Vertreter der kath. Reichsst¨ande zum Friedenskongreß von M¨unster und Osnabr¨uck entsandt. Seit 1648 Kanzler des kurk¨olnischen Geheimen Rats in Bonn, hatte er großen Einfluß auf die k¨olnische Innen- und Außenpolitik und war an den Verhandlungen zum Abschluß des Rheinbundes sowie 1671 an der L¨osung eines Konflikts zwischen dem Kurf¨ursten und der Stadt K¨oln beteiligt. C NDB

Buschor, Ernst, Arch¨aologe, * 2. 5. 1886 H¨urben (Bayrisch-Schwaben), † 11. 12. 1961 M¨unchen. Nach dem Studium der Geschichte und Kunstgeschichte, das er mit der Promotion abschloß, wandte sich B. der arch¨aologischen Forschung, insbesondere der griechischen Fr¨uhzeit, zu und wurde 1919 a. o. Prof. in Erlangen. Im folgenden Jahr erhielt er einen Lehrstuhl an der Univ. Freiburg / Breisgau und wurde 1921 als Nachfolger seines Lehrers Adolf → Furtw¨angler Direktor des Deutschen Arch¨aologischen Instituts in Athen. 1929 kehrte er nach Deutschland zur¨uck und u¨ bernahm in M¨unchen den Lehrstuhl f¨ur Arch¨aologie sowie die Leitung des Arch¨aologischen Seminars der Universit¨at. Seit 1925 leitete B. die deutschen Ausgrabungen auf der Insel Samos, wo er die Freilegung des Hera-Heiligtums abschließen konnte. B. u¨ bte starken Einfluß auf die Klassische Arch¨aologie in Deutschland aus. Er ver¨offentlichte u. a. Altsamische Standbilder (1934), Die Plastik der Griechen (1936) und Das hellenistische Bildnis (1949). Ferner u¨ bersetzte er die Trag¨odien von Aischylos, Sophokles und Euripides. C Lullies Busenbaum, Hermann, auch Bosenboem, Jesuit, Theologe, * 19. 9. 1600 Nottuln (Westfalen), † 31. 1. 1668 M¨unster (Westfalen). B. trat 1619 in Trier in die Gesellschaft Jesu ein, lehrte seit 1634 Philosophie, Dogmatik und Moral in M¨unster und K¨oln und wurde 1644 Rektor des Jesuitenkollegs in Hildesheim, wo er bis 1647 wirkte. 1653-57 war er in gleicher Stellung in M¨unster t¨atig und wurde 1660 Beichtvater des F¨urstbischofs von M¨unster, Christoph Bernhard von → Galen, bei dem er zwei Jahre lang blieb. 1663-67 war er wieder Rektor des Jesuitenkollegs in M¨unster. Bekannt wurde B. vor allem durch seine Medulla theologiae moralis (1650), einen Abriß der Moraltheologie, dessen Ordnung und System wegweisend f¨ur alle nachfolgenden moraltheologischen Darstellungen waren. 1757 ließ das Pariser Parlament dieses Werk wegen einer mißverst¨andlichen Stelle u¨ ber den Tyrannenmord o¨ ffentlich verbrennen. C RGG Bushe, Karl-August, Neurochirurg, * 16. 12. 1921 G¨ottingen, † 13. 4. 1999 W¨urzburg. Der Sohn eines Rechtsanwalts studierte Medizin in Berlin, Freiburg / Breisgau und G¨ottingen, wurde 1945 in G¨ottingen promoviert (Geschichte der pernizi¨osen An¨amie) und habilitierte sich nach einer chirurgischen, neurochirurgischen und nerven¨arztlichen Ausbildung 1956 mit der Arbeit Die krampferregenden Eigenschaften des Penicillins bei unmittelbarer Einwirkung auf die nerv¨ose Substanz. Seit 1961 apl. Prof. an der Univ. G¨ottingen, wurde er 1962 a. o., 1966 o. Prof., 1969 Direktor der dortigen Neurochirurgischen Universit¨atsklinik und ging 1974 in gleicher Stellung nach W¨urzburg. B. war seit 1984 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, 1991-94 Erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft f¨ur Geschichte der Nervenheilkunde und 1992 / 93 Gr¨undungsdekan der Medizinischen Fakult¨at der TU Dresden . Er verfaßte u. a. Kontrastuntersuchungen des Spinalkanals. Komplikationen und Sch¨aden (1969) sowie Anatomie und Chirurgie des Nervensystems. Ihre Entwicklung in historischen Dokumenten (1984) und gab gemeinsam mit Hans Kuhlendahl das Lehrbuch Basiswissen Neurochirurgie (1979) heraus. C Heidel / Lienert

Buskuhl, ¨ Ernst, Bergwerksdirektor, * 12. 10. 1880 Halle (Westfalen), † 9. 9. 1945 Gelsenkirchen. Nach dem Studium des Bergfachs an der Univ. M¨unchen und der TH Aachen wurde der Sohn eines Fabrikanten 1904 Bergreferendar, 1908 Bergassessor. Nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst war B. f¨ur kurze Zeit beim Essener Verein f¨ur bergbauliche Interessen t¨atig und wurde 1912 Bergwerksdirektor, sp¨ater Vorstandsmitglied der Bergwerks-

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Busley AG Consolidation in Gelsenkirchen. 1922 in den Vorstand der Mannesmannr¨ohren-Werke AG in D¨usseldorf berufen, war er 1935-45 Vorstandsvorsitzender der Harpener Bergbau AG Dortmund. B. setzte sich nachhaltig f¨ur die Leistungssteigerung des Ruhrbergbaus ein, besch¨aftigte sich mit den Problemen der Wasserwirtschaft und bem¨uhte sich um die F¨orderung der Bergschulausbildung. C Nekrologe Industrie

Busley, Carl (Georg), Ingenieur, Flottenpolitiker, * 7. 10. 1850 Neustrelitz, † 13. 2. 1928 im Roten Meer. B., Sohn eines Hofb¨uchsenmeisters, studierte 1871-74 Schiff- und Maschinenbau an der TH Charlottenburg und erhielt 1875 eine Stellung als Maschineningenieur an der Kaiserlichen Werft in Kiel. 1879 wurde er Lehrer f¨ur Maschinenkunde an der Marineakademie. Seit 1885 war B. Bevollm¨achtigter der F. Schichau-Werke in Danzig-Elbing und regte die Gr¨undung der „Schiffsbautechnischen Gesellschaft“ 1899 an, deren erster Vorsitzender er wurde. Er geh¨orte 1898 zu den Bef¨urwortern eines deutschen Flottenvereins nach englischem Vorbild und war Mitinitiator der Kieler Woche. B.ver¨offentlichte u. a. Die Schiffsmaschine (2 Bde. und 1 Atlas, 1883, 31891) und Die Entwicklung des Segelschiffs (1920). C Altpreuß Biogr, Bd 4 Buslidius, Johannes, Jesuit, Theologe, * 1554 Busleyden (Boulaide, Luxemburg), † 15. 12. 1623 Regensburg. B. trat 1587 in die Gesellschaft Jesu ein. Er u¨ bernahm Lehraufgaben und ging als Prof. der Philosophie und franz¨osischer Hofprediger nach M¨unchen. Seit 1595 war er Hofbeichtvater Herzog → Maximilians I. von Bayern und von dessen Frau Elisabeth. Er beriet den Herzog in kirchenpolitischen Fragen und begleitete ihn u. a. auf dem Kriegszug nach Ober¨osterreich und B¨ohmen 1620; die Ereignisse hielt er in seinem Tagebuch fest (vgl. die von Sigmund von → Riezler 1903 herausgegebenen Kriegstageb¨ucher aus dem ligistischen Hauptquartier 1620). B.’ Nachfolger als Beichtvater Maximilians wurde Adam → Contzen.

Busolt, Georg, Historiker, * 13. 11. 1850 Keppurren bei Insterburg, † 2. 9. 1920 G¨ottingen. Der Sohn eines Gutsbesitzers studierte an der Univ. K¨onigsberg Geschichte und Philosophie, wurde 1874 f¨ur seine Schrift Grundz¨uge der Erkenntnistheorie und Metaphysik Spinozas mit dem Kant-Preis ausgezeichnet und im folgenden Jahr promoviert. Im Anschluß an eine Studienreise durch Italien und Griechenland habilitierte sich B. 1878 in K¨onigsberg und wurde 1879 a. o. Prof., 1881 o. Prof. der Geschichte an der Univ. Kiel. 1897 erhielt er einen Ruf als Ordinarius nach G¨ottingen. B. ver¨offentlichte u. a. ein dreib¨andiges Handbuch der griechischen Geschichte (1895-1904). C Weber

Busoni, Ferruccio (Dante Michelangiolo Benvenuto), deutsch-italienischer Komponist, Musiker, * 1. 4. 1866 Empoli bei Florenz, † 27. 7. 1924 Berlin. Herkunft und Kindheit B.s waren pr¨agend f¨ur den Kosmopoliten und allseitig begabten Musiker: Sein Vater Ferdinando war Klarinettist, seine Mutter Anna Weiß-Busoni Pianistin und Tochter des deutschen Malers Joseph Ferdinand Weiß. Der hochtalentierte Knabe, der zun¨achst von seinen Eltern unterrichtet wurde, wuchs in Triest auf und gab im Alter von nur sieben Jahren sein erstes o¨ ffentliches Konzert. 1876 trat er in Wien auf, u¨ bersiedelte im folgenden Jahr nach Graz und studierte

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bei Wilhelm → Mayer Komposition. Neben Klaviermusik schrieb er in dieser Zeit eine Reihe geistlicher Werke. Nach Aufenthalten in Bologna, wo er zum Mitglied der Reale Accademia Filarmonica ernannt wurde, und in Wien kam er 1886 nach Leipzig zu Carl → Reinecke. Hier ver¨offentlichte er 1888 seine erste Bach-Bearbeitung, eine KlavierTranskription der Orgelfuge in D-Dur, die den Beginn seiner T¨atigkeit als Herausgeber und (umstrittener) Bearbeiter der Werke Johann Sebastian → Bachs markiert. Auf Empfehlung Hugo → Riemanns wurde er wenig sp¨ater Klavierlehrer am Konservatorium von Helsingborg. In diese Zeit f¨allt sein intensiviertes Studium der Werke Franz → Liszts, die – neben Bach – fortan den anderen Pol seines Wirkens als Klavierinterpret bildeten. 1890 nahm B. eine Klavierprofessur am ber¨uhmten Moskauer Konservatorium an, ging 1891 aber nach Amerika und erkor 1894 schließlich Berlin zu seiner Wahlheimat, die er außer zu Konzert- und Unterrichtsreisen nur mehr w¨ahrend der Zeit des Ersten Weltkriegs verließ. (In tiefer Entt¨auschung u¨ ber die Zerst¨orung humanistischer Ideale zog er sich damals in die Schweiz zur¨uck.) In Berlin entfaltete B., der als Pianist bereits legend¨aren Ruhm genoß, ein umfangreiches Wirken als Komponist, Dirigent, P¨adagoge und auch als Musikschriftsteller und wurde bald einer der f¨uhrenden Kr¨afte der modernen Musik. Seit 1902 veranstaltete er eine Reihe von Orchesterkonzerten, in denen er zahlreiche Werke moderner Komponisten, wie z. B. B´ela Bart´oks und Arnold → Sch¨onbergs, erstmals auff¨uhrte. In Weimar, Wien und Basel gab er Klavierkurse, in denen er Sch¨uler teilweise unentgeltlich unterrichtete. B. folgte hierin seinem Vorbild Franz Liszt, als dessen geistiger Erbe er vielfach angesehen wird. 1907 ver¨offentlichte B. seine ¨ wohl bekannteste Schrift, den Entwurf einer neuen Asthetik der Tonkunst, deren zweite Auflage 1916 erschien und Hans → Pfitzner zu seiner polemischen Erwiderung Futuristengefahr herausforderte. In zum Teil bewußt aphoristi¨ schen Außerungen entwarf B. hier neue Wege der nachromantischen Musik, er skizzierte ein Tonsystem mit Drittelt¨onen, M¨oglichkeiten elektronischer Tonerzeugung und forderte eine von a¨ sthetischen Dogmen befreite Musik. In B.s eigenen Kompositionen zeigen sich in dieser Zeit, beginnend mit den Elegien f¨ur Klavier von 1907, ebenfalls neue Ans¨atze in Form, Harmonik und Rhythmik. Die Sonatinen stoßen mit bitonalen Wendungen und Ketten dissonierender Kl¨ange zu einer neuen Tonalit¨at jenseits des DurMoll-Systems vor. Geschlossene musikalische Formen, ein lebendiger und zugleich distanzierter Bezug zur Tradition kennzeichnen B.s B¨uhnenwerke, deren Libretti er ausnahmslos selbst verfaßte. Ihre begrenzte Nachwirkung zeigt die zunehmende Isolation, in die B. nach 1918 geriet. 1920 leitete er nochmals eine Meisterklasse f¨ur Klavier in Berlin und trat 1922 zum letzten Mal o¨ ffentlich auf. Sein Nachlaß und eine BusoniSammlung befinden sich in der Staatsbibliothek Berlin. Erst gegen Ende des 20. Jh. hat das Interesse an B.s Werken wieder zugenommen. So wurde z. B. B.s letzte Oper Doktor Faust, deren unvollendete Partitur von seinem Sch¨uler Philipp → Jarnach fertiggestellt wurde (Urauff¨uhrung 1925), u. a. 1999 bei den Salzburger Festspielen wieder aufgef¨uhrt. Die Forschung hat sich mit Gesamtdarstellungen und ausgew¨ahlten Editionen seiner Briefe ebenfalls wieder an den großen Europ¨aer B. erinnert. WEITERE WERKE: Konzertst¨uck f¨ur Klavier op. 31a (1890). – Klavierkonzert mit Schlußchor op. 39 (1906). – Arlecchino oder Die Fenster, theatralisches Capriccio (1917). – Fantasia contrappuntistica f¨ur Klavier (1910-21). – Bach-Busoni. Gesammelte Ausgabe. 7 Bde., Leipzig 1920. – Schriften: Von der Einheit der Musik [. . .]: verstreute Aufzeichnungen. Berlin 1922. – Wesen und Einheit der Musik. Neuausg. der Schriften und Aufzeichnungen B.s rev. und

Bussche-Haddenhausen erg. v. Joachim Herrmann. Berlin 1956. – Von der Macht der T¨one. Ausgew¨ahlte Schriften. Hrsg. v. Siegfried Bimberg. Leipzig 1983. LITERATUR: J¨urgen Kindermann: Thematisch-chronologisches Verzeichnis der musikalischen Werke von F. B. B. Regensburg 1980. – Marc-Andr´e Roberge: F. B. A BioBibliography. New York u. a. 1991. – Edward J. Dent: F. B. London 1933. Repr. 1966, 1974, New York 1982. – Antony Beaumont: B. the composer. Bloomington / London 1985. – Reinhard Ermen: F. B. Reinbek 1996. – Claudia Feldhege: F. B. als Librettist. Anif / Salzburg 1996. – Martina Weindel: ¨ F. B.s Asthetik in seinen Briefen und Schriften. Wilhelmshaven 1996. – Gianmario Borio: F. B. e la sua scuola. Lucca 1999. – Robert Abels: F. B.s Suche nach einem eigenen Stil. Mainz 2000. – Martina Weindel / Albrecht Riethm¨uller / Hyesu Shin: B., F. In: MGG2P, Bd. 3, 2000, Sp. 1371-1401. – B. in Berlin. Facetten eines kosmopolitischen Komponisten. Hrsg. v. Albrecht Riethm¨uller. Stuttgart 2004. – Della Couling: F. B., „a musical Ishmael“. Lanham 2005. Marion Br¨uck

Buss, Ernst, reformierter Theologe, * 15. 2. 1843 Tenniken (Kt. Basel-Land), † 13. 5. 1928 Glarus. Nach dem Studium der Theologie an den Universit¨aten Bern, Berlin und T¨ubingen unternahm B., Sohn eines Pfarrers, Reisen u. a. durch Deutschland, Ungarn, Italien und Frankreich; sp¨ater war er als Pfarrverweser in Utzenstorf und Mett t¨atig. 1870 wurde er Pfarrer in Lenk, 1875 in Zofingen, 1879 in Basel und hatte 1880-1912 eine Pfarrstelle in Glarus. 1876 erschien seine Schrift Die christliche Mission, ihre prinzipielle Berechtigung und praktische Durchf¨uhrung, die im Gegensatz zum orthodox-pietistischen Missionsbetrieb eine neue Missionsmethode propagierte, die den Austausch der religi¨osen Ideen zwischen der christlichen und der nichtchristlichen Welt anregen sollte. 1884 erfolgte auf B.s Anregung hin die Gr¨undung des „Allgemeinen evangelisch-protestantischen Missionsvereins“, dessen Vorsitz er bis 1892 innehatte. Er war Pr¨asident der Schweizer Predigergesellschaft, 1884 / 85 der schweizer. reformierten Kirchenkonferenz und 1886 Mitherausgeber der Glarner Familienbibel. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨ort ferner Die Kunst im Glarnerland, von den a¨ ltesten Zeiten bis zur Gegenwart (1920, 21922). C RGG

Buß, Franz Joseph Ritter von, Jurist, Politiker, Publizist * 23. 3. 1803 Zell am Harmersbach, † 31. 1. 1878 Freiburg / Breisgau. Das Studium der Philosophie, Medizin und der Rechtswissenschaften in Freiburg, Heidelberg und G¨ottingen schloß der Sohn eines Schneiders und zeitweiligen Oberb¨urgermeisters, an allen drei Fakult¨aten mit der Promotion ab (1822 Dr. phil, 1828 Dr. jur., 1831 Dr. med.). 1828 habilitierte er sich f¨ur Staatsrecht und wurde 1829 Privatdozent und zugleich Anwalt, 1833 a. o. und 1836 o. Prof. f¨ur Staatswissenschaften und V¨olkerrecht, seit 1844 auch des Kirchenrechts in Freiburg / Breisgau. 1837-40, 1846-48 und 1873-76 geh¨orte B. der Zweiten Kammer des Badischen Landtags an und z¨ahlte zu den F¨uhrern der „Katholischen Bewegung“ in Baden. 1845 gr¨undete er die katholischkonservative „S¨uddeutsche Zeitung f¨ur Kirche und Staat“, war 1848 Mitgr¨under des Katholischen Vereins Deutschlands, wurde im selben Jahr Pr¨asident des ersten deutschen Katholikentags in Mainz und trat als Mitglied der Nationalversammlung (1848 / 49), des Erfurter Parlaments (1850) und des Reichstags (1873-77) f¨ur soziale Reformen als Aufgabe der kath. Kirche ein. Als Vork¨ampfer der großdeutschen Idee pl¨adierte B. f¨ur ein mitteleurop¨aisches Reich unter ei¨ nem habsburgischen Kaiser. Er ver¨offentlichte u. a. Uber den Einfluß des Christentums auf Recht und Staat (1841), System der gesamten Armenpflege (nach G´erando) (3 Bde.,

1843-46), Der Unterschied der katholischen und protestantischen Universit¨aten Teutschlands (1846) und Die Gesellschaft Jesu (1853). C Unionsparl

Bussche, Axel Frh. von dem, Diplomat, * 20. 4. 1919 Braunschweig, † 26. 1. 1993 Bad Godesberg. Der einem nieders¨achsischen Adelsgeschlecht entstammende B. nahm am Zweiten Weltkrieg teil, war im Herbst 1942 in der Ukraine Zeuge von Massenerschießungen von Juden und entschloß sich, Kontakt mit dem Widerstand aufzunehmen. Obgleich von Claus Graf → Schenk von Stauffenberg in die Pl¨ane des Attentats vom 20. 7. 1944 eingeweiht, entging B. der Verfolgung, da er sich zu diesem Zeitpunkt im SS-Lazarett Hohenlychen befand. Nach dem Kriegsende studierte er Jura in G¨ottingen, war anschließend Programmassistent in der Deutschen Abteilung der BBC London, danach 1948 / 49 Lektor im Suhrkamp Verlag und arbeitete sp¨ater u. a. im Commonwealth- und USA-Referat des Presseund Informationsamtes der Bundesregierung. 1954-58 war B. als Legationsrat an der Deutschen Botschaft in Washington, anschließend bis 1961 Leiter des Internats Schloß Salem und nach der Gr¨undung des Deutschen Entwicklungsdienstes bis Ende 1963 einer der beiden Gesch¨aftsf¨uhrer. Seit 1964 geh¨orte er dem Pr¨asidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags, seit 1966 als Sekret¨ar der Abteilung Kir¨ che und Gesellschaft dem Okumenischen Rat der Kirchen in Genf an.

Bussche, Georg Wilhelm Friedrich von dem, Milit¨ar, * 19. 7. 1726 Minden, bestattet 14. 12. 1794 Arnheim. Der einem westf¨alischen Adelsgeschlecht entstammende B. kam als Page K¨onig → Georgs II. nach Hannover und trat 1743 in den dortigen Milit¨ardienst ein. 1776 wurde er Oberst, 1778 Generalmajor, 1783 Inspekteur der Infanterie, 1788 Generalleutnant, 1793 General der Infanterie. B. nahm am Spanischen Erbfolgekrieg und am Siebenj¨ahrigen Krieg teil. Im Krieg Frankreichs gegen Holland und England 1793, in dem sich die hannoversche Armee mit der englischen vereinigte, u¨ bernahm er den Befehl u¨ ber die Erste Division.

Bussche-Haddenhausen, Ernst Gustav Frh. von dem, Beamter, * 17. 9. 1863 Hildesheim, † 15. 6. 1944 Celle. Nach einer forstlichen Lehre studierte B.-H., Sohn eines fr¨uh verstorbenen Amtsgerichtsassessors aus altosnabr¨uckischem Adel, an der Forstakademie Hannoversch M¨unden, wurde zum Dr. jur. promoviert und war seit 1889 an der Forstlichen Versuchsanstalt in Eberswalde t¨atig. 1892 wurde er in Gießen mit der Arbeit Der Wald und das o¨ ffentliche Wohl zum Dr. phil promoviert. 1899 u¨ bernahm B. das Forstamt Rothenfier im Regierungsbezirk Stettin und kurze Zeit sp¨ater das Forstamt Celle. Seit 1905 Oberforstmeister im preuß. Ministerium f¨ur Landwirtschaft, Dom¨anen und Forsten, wurde er 1907 an die Regierung nach Potsdam berufen und sp¨ater zum Landforstmeister bef¨ordert. 1919-28 war B.-H. als Generalforstmeister Leiter der Preußischen Staatsforstverwaltung und veranlaßte 1922 die Umwandlung der Forstakademien Eberswalde und Hannoversch M¨unden in Forstliche Hochschulen. C NDB Bussche-Haddenhausen, Hilmar Frh. von dem, Diplomat, * 31. 1. 1867 Hannover, † 19. 11. 1939 Ramos Mejia (Argentinien). B.-H., Sohn eines Offiziers, studierte seit 1886 an den Universit¨aten Genf, Leipzig und Berlin Rechtswissenschaften, wurde 1889 promoviert und war seit 1894 Gerichtsassessor. 1895 wurde er in das Ausw¨artige Amt berufen und ging 1896 als Legationssekret¨ar nach Tanger. 1897-99 war B.-H. in gleicher Funktion in Buenos Aires t¨atig, 1900-02 am Generalkonsulat in Kairo und bis 1903 als Botschaftssekret¨ar in London. Seit 1904 Botschaftsrat in Washington, wurde er 1906 Vortragender Rat im Ausw¨artigen Amt, 1910

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Bussche-Ippenburg außerordentlicher Gesandter und bevollm¨achtigter Minister in Buenos Aires. Seit 1915 Gesandter in Bukarest, wurde er 1916 Unterstaatssekret¨ar im Ausw¨artigen Amt und 1918 zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt. Nach der Revolution schied er aus seinem Amt aus; 1932 wurde er in den Ruhestand versetzt. C BHdAD

Bussche-Ippenburg, Clamor von dem, Diplomat, * 27. 6. 1640, † 9. 3. 1723 Bielefeld. B.-I. war der Sohn eines osnabr¨uckischen Landrats. Seit 1672 Drost zu Limbergen, 1676 Drost zum Sparenberge und Geheimer Amtskammerrat, amtierte B.-I. 1685 zudem als Ravensbergischer Kriegskommissar. Von Kurf¨urst → Friedrich Wilhelm erhielt er das Gografenamt in Bielefeld. Zwischen 1679 und 1694 war B.-I. mehrmals als Gesandter am Hof des Bischofs von M¨unster t¨atig und wurde 1682 nach Kassel, im folgenden Jahr nach Bonn zum Kurf¨ursten von K¨oln und 1686 zum Kurkonvent nach Bonn entsandt. C NDB Bussche-Ippenburg, Friedrich August Philipp Frh. von dem, Milit¨ar, * 4. 10. 1771 Horneburg / Altes Land, † 2. 8. 1844 Stade. B.-I., Sohn eines Offiziers der Kavallerie, wurde 1794 Rittmeister und trat einige Jahre sp¨ater in die kgl. (englischhannoversche) German Legion ein und nahm an milit¨arischen Eins¨atzen gegen Schweden, D¨anemark und in Portugal teil, bevor er nach England zur¨uckkehrte und Major wurde. Seit 1813 wieder in Deutschland, war er maßgeblich am Aufbau der Bremen-Verdenschen Legion beteiligt, aus der das unter seinem Befehl stehende gleichnamige Husarenund sp¨atere Ulanenregiment hervorging. 1814 wurde B.-I. Oberst, 1821 Generalmajor, 1830 Kommandant von Stade und erhielt 1836 den Rang eines Generalleutnants. C NDB Busse, Carl, Pseud. Fritz D¨oring, Schriftsteller, * 12. 11. 1872 Lindenstadt, † 3. 12. 1918 Berlin. Der Sohn eines Gerichtssekret¨ars und Bruder von Georg → Busse-Palma war nach dem Besuch des Milit¨arp¨adagogiums in Berlin 1891 / 92 als Journalist in Augsburg t¨atig und kehrte dann nach Berlin zur¨uck, wo er, unterst¨utzt von Arno → Holz, 1892 Gedichte und In junger Sonne ver¨offentlichte. Seit 1894 studierte B. Philologie, Geschichte und Philosophie an den Universit¨aten Berlin und Rostock und wurde 1898 mit einer Arbeit u¨ ber die Lyrik → Novalis’ promoviert. Noch im selben Jahr wurde er Mitherausgeber des „Deutschen Wochenblatts“ in Berlin. Anschließend war B. als freier Schriftsteller und Literaturkritiker t¨atig, u. a. f¨ur Velhagen & Klasings „Monatshefte“. Neben zahlreichen von → Geibel, → Storm und → Liliencron beeinflußten Gedichtb¨anden und Romanen (u. a. Die Sch¨uler von Polajewo, 1901) entstanden literarhistorische Werke (u. a. Geschichte der deutschen Literatur im neunzehnten Jahrhundert, 1900). C NDB

Busse, Ernst, Politiker, * 24. 11. 1897 Solingen, † 31. 8. 1952 Lager Workuta (Sowjetunion) Wie sein Vater erlernte B. den Beruf eines Schleifers. 1925 wurde er hauptamtlich im Deutschen Metallarbeiterverband (DMV) t¨atig, dem er seit 1913 angeh¨orte. Seit 1921 KPDMitglied, wurde er 1930 wegen politischer Differenzen aus dem DMV ausgeschlossen, vertrat seine Partei 1932 / 33 im Reichstag und war 1933-45 im Zuchthaus und in den Konzentrationslagern Lichtenburg und Buchenwald inhaftiert. Nach Kriegsende u¨ bernahm er Funktionen in der KPD und in der Landesverwaltung Th¨uringens, wurde 1946 Innenminister und war 1947-49 Vizepr¨asident der Deutschen Verwaltung f¨ur Land und Forst in der Sowjetischen Besatzungszone. Aufgrund falscher Anschuldigungen wurde B. 1950 von sowjetischen Sicherheitsorganen verhaftet und zu

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lebenslanger Haft verurteilt, nach seinem Tod im sibirischen Zwangsarbeiterlager Workuta jedoch 1956 durch die Zentrale Parteikontrollkommission der SED rehabilitiert. C Th¨uringen

Busse, (Johann) Friedrich (Christoph), bis 1872 Oppermann-B., eigentl. Wolter, Reeder, * 24. 5. 1835 Sibbesse bei Alfeld, † 31. 12. 1898 Berlin. B., Sohn eines F¨arbers, arbeitete als Schiffszimmermann und lernte auf seinen Reisen die großen Fischm¨arkte von New York und Baltimore kennen. Seit 1886 widmete er sich dem Seefischhandel, zun¨achst mit einem holl¨andischen Schokker, und ließ 1884 / 85 nach englischem Vorbild den ersten deutschen Fischdampfer „Sagitta“ bauen. Seinem Beispiel folgte eine Reihe anderer Unternehmer, so daß B. den Anstoß f¨ur Fischauktionen in Geestem¨unde gab. 1891 sandte er einen Fischdampfer nach Island, versuchte 1899 die Adriafischerei, schuf die erste Fischr¨aucherei und Tranfabrik und richtete eine Eisversorgung f¨ur die Geestem¨under Fischereiflotte ein. B. gilt als Begr¨under der deutschen Hochseefischerei. C Leb Nieders, Bd 1

Busse, Friedrich Gottlieb von, Mathematiker, * 3. 4. 1756 Gardelegen (Altmark), † 28. 1. / 4. 2. 1835 Freiberg (Sachsen). Nach dem 1778 abgeschlossenem Studium der Theologie wandte sich der Sohn eines Superintendenten dem Beruf des Mathematik- und Physiklehrers zu und wurde 1779 Prof. und Mitglied des Direktoriums am Philanthropin in Dessau. Seit 1785 war B. auch Erzieher des Erbprinzen Friedrich von Anhalt-Dessau und trat 1793 ganz in den Hofdienst u¨ ber, wo er u. a. in den Bereichen Wasserbau und Feuerl¨oschwesen t¨atig war. 1801 folgte er einem Ruf an die kurf¨urstlich s¨achsische Bergakademie in Freiberg und lehrte dort bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand 1827. 1811 wurde B. in den Adelsstand erhoben und war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften. Er ver¨offentlichte u. a. Erster Unterricht in der algebraischen Aufl¨osung arithmetischer und geometrischer Aufgaben (1781), Beruhigung u¨ ber die neuen Wetterleiter (1791) und B¨undige und reine Darstellung des wahrhaftigen Infinitesimal-Calc¨uls (1825).

Busse, Hermann Eris, Schriftsteller, Volkskundler, * 9. 3. 1891 Freiburg / Breisgau, † 15. 8. 1947 Freiburg / Breisgau. Der Sohn eines Schreinermeisters war bis 1922 Volksschullehrer u. a. in Rastatt und Freiburg. Er wurde Gesch¨aftsf¨uhrer des Landesvereins „Badische Heimat“ und erhielt 1930 einen Lehrauftrag f¨ur Heimatkunde an der Freiburger Lehrerbildungsanstalt. Neben zahlreichen Arbeiten zur alemannischen Volks- und Heimatkunde ver¨offentlichte er eine Reihe im Hochschwarzwald und oberrheinischen Gebiet spielender Erz¨ahlungen und Romane (u. a. Bauernadel. Romantrilogie aus dem Schwarzwald, 1933), die mit ihren antizivilisatorischen, das Bauerntum idealisierenden Tendenzen der Blutund-Boden-Dichtung nahestanden. C NDB

Busse, Johann Gottfried David, Justizbeamter, * 1776, † 1860. B. wurde 1797 Auskultator und 1799 Referendar bei der Regierung zu Magdeburg. Seit 1802 Beisitzer der Regierung Paderborn, wurde er 1803 Assessor und 1804 Stadtund Justizdirektor. Seit 1808 war B. Richter am Appellationshof Kassel, dann Pr¨asident des Kriminalhofs des Weserdepartements. 1810 wurde er interimistischer Pr¨asident des Tribunals Uelzen, 1814 interimistischer Prokurator Stendals und Mitglied des dortigen Oberlandesgerichts, 1816 Geheimer Obertribunalrat und Mitglied der Immediat-JustizExaminations-Kommission. 1827 u¨ bernahm er den Vorsitz

Busson dieser Kommission, der er bis 1847 angeh¨orte. 1827-47 war B. Vizepr¨asident des Geheimen Obertribunals. 1847 wurde er zum Wirklich Geheimen Oberjustizrat ernannt. C Obertribunal

Busse, (Carl Heinrich August) Ludwig, auch Louis B., Philosoph, * 27. 9. 1862 Braunschweig, † 13. 9. 1907 Halle / Saale. Das Studium der Philosophie in Leipzig, Innsbruck und Berlin schloß B., Sohn eines Kaufmanns, 1885 mit der Promotion ab (Beitr¨age zur Entwicklungsgeschichte Spinoza’s) und ging 1887 f¨ur f¨unf Jahre als Prof. der Philosophie an die Univ. Tokio. Wieder in Deutschland, habilitierte er sich 1894 in Marburg, ver¨offentlichte seine Tokioter Vorlesungen unter dem Titel Philosophie und Erkenntnistheorie und folgte zwei Jahre sp¨ater dem Ruf als Ordinarius nach Rostock. 1898 lehrte B. in K¨onigsberg, 1904 in M¨unster und wurde 1907 an die Univ. Halle berufen. Seit 1902 leitete er die „Zeitschrift f¨ur Philosophie und philosophische Kritik“. 1903 erschien sein Hauptwerk Geist und K¨orper, Seele und Leib (21913), in dem er nach einer Widerlegung des Materialismus f¨ur eine Wechselbeziehung zwischen K¨orper und C NDB Geist argumentiert.

Busse, Otto (Emil Franz Ulrich), Pathologe, * 6. 12. 1867 G¨uhlitz bei Perleberg, † 3. 2. 1922 Z¨urich. B., Sohn eines Baurats, studierte Medizin an der Univ. ¨ Greifswald, wurde 1892 promoviert (Uber Heilungsvorg¨ange an Schnittwunden der Haut) und war anschließend zehn Jahre lang Assistent am Pathologischen Institut. Seit 1902 Prof., wurde er zwei Jahre sp¨ater Leiter der Pathologisch-Anatomischen Abteilung des Hygienischen Instituts in Posen, 1911 o. Prof. der pathologischen Anatomie an der Univ. Z¨urich und Direktor der Pathologischen Anstalt. In seinen wissenschaftlichen Untersuchungen besch¨aftigte sich B. insbesondere mit der Histologie der Entz¨undung, erforschte die Saccharomykose und entdeckte 1894 die ersten pathogenen Hefen (Die Hefen als Krankheitserreger, 1897). 1903 erschien von ihm Das Obduktionsprotokoll (61920). C NDB

Busse-Palma, Georg, Schriftsteller, * 20. 6. 1876 Lindenstadt, † 14. 2. 1915 Teupitz. ¨ Nach Wanderungen durch Belgien, Osterreich, Frankreich und Italien ließ sich B.-P. als freier Schriftsteller in Berlin nieder. Anders als die harmonischen, stimmungsvollen Texte seines Bruders Carl → Busse thematisiert B.-P. in seinen teilweise an Detlev von → Liliencron erinnernden Liedern und Gedichten (Lieder eines Zigeuners, 1899, 21908; Die singende S¨unde, 1903) Leidenschaft und existentielle Probleme.

Bussereau, Jakob Friedrich, kath. Theologe, * 2. 2. 1863 Hambach (Pfalz), † 2. 7. 1919 Liebfrauenberg bei Bergzabern. Nach der Priesterweihe 1886 war B. einige Jahre als Kaplan in Herxheim und Germersheim t¨atig; bereits 1888 plante er, eine kloster¨ahnliche Krankenanstalt, insbesondere f¨ur Nervenkranke und Epileptiker, zu errichten. Nach einer Pfarrt¨atigkeit in der Di¨ozese Augsburg gr¨undete er 1896 in Herxheim das St. Paulusstift und die Kongregation der Schwestern und Br¨uder des Hl. Paulus. 1901 arbeitete B. die Konstitution f¨ur die beiden Kongregationen seiner Helfer, Br¨uder und Schwestern des dritten Ordens des Hl. Franziskus, aus, die 1913 ihre offizielle kanonische Errichtung und bisch¨ofliche Approbation erfuhren. 1922 erhielten die Konstitutionen die bisch¨ofliche Druckerlaubnis und wurden damit in Kraft gesetzt. C LThK

Bußler, Ludwig, Musikp¨adagoge, * 26. 11. 1838 Berlin, † 18. 1. 1901 Berlin. Der Enkel des S¨angers Karl Adam → Bader war zun¨achst Sch¨uler des Kgl. Domchors unter R. von Hertzenberg, sp¨ater bei August Eduard → Grell, Siegfried → Dehn und Wilhelm Friedrich → Wieprecht. Seit 1865 Theorielehrer an der Ganzschen Musikschule (sp¨ater Schwantzersches Konservatorium) in Berlin, war B. anschließend einige Zeit als Dirigent t¨atig, u. a. 1869 als Theaterkapellmeister in Memel, und unterrichtete 1874 am Mohrschen Konservatorium, seit 1877 wieder am Schwantzerschen. Seit 1897 erteilte B. theoretischen Unterricht am Sternschen Konservatorium, wurde 1898 zum Kgl. Prof. ernannt und war seit 1883 auch Mitreferent f¨ur Musik an der „National-Zeitung“. Von seinen Arbeiten wurden die u¨ ber Elementarmusiklehre und Harmonielehre am bekanntesten (u. a. Praktische Harmonielehre in Aufgaben, 1875). C NGroveD

Bussmann, Walter, Historiker, * 14. 1. 1914 Hildesheim, † 20. 4. 1993. Der einer Beamtenfamilie entstammende B. studierte in Heidelberg und G¨ottingen Geschichte, Germanistik, Philosophie und Anglistik und wurde 1939 bei Siegfried A. → Kaehler mit einer Arbeit u¨ ber die weltanschaulichen Maßst¨abe des Liberalismus promoviert. 1941 / 42 f¨uhrte er f¨ur das Oberkommando des Heeres, 1943 als Ordonnanzoffizier eines Panzerkorps das Kriegstagebuch. 1949 habilitierte sich B. ¨ mit der Arbeit Uber die historische und politische Urteilsbildung bei Heinrich von Treitschke (ver¨offentlicht unter dem Titel Heinrich von Treitschke. Sein Welt- und Geschichtsbild, 1952, 21981). 1955 wurde er Prof. an der Deutschen Hochschule f¨ur Politik, 1959 an der Freien Univ. Berlin, 1966 in M¨unchen, 1969 in Karlsruhe. Schwerpunkt seiner Forschung war → Bismarck (Das Zeitalter Bismarcks, 1956). B. gab die Akten zur deutschen ausw¨artigen Politik heraus und ver¨offentlichte 1990 eine Biographie → Friedrich Wilhelms IV. C Historikerlex Bußmeyer, Hans, Musikp¨adagoge, Komponist, * 29. 3. 1853 Braunschweig, † 21. 9. 1930 P¨ocking (Starnberger See). Der Sohn des Herzoglichen Hofoperns¨angers Moritz B. u¨ bersiedelte mit seinen Eltern 1861 nach M¨unchen, besuchte dort zun¨achst die Kgl. Musikschule, wurde sp¨ater von → Liszt unterrichtet und begab sich 1872 als Pianist auf eine zweij¨ahrige Konzertreise nach S¨udamerika, wo er l¨angere Zeit als Dirigent in Buenos Aires lebte. Nach seiner R¨uckkehr erhielt B. 1874 eine Anstellung als Lehrer an der Kgl. Musikschule in M¨unchen, die 1892 in Staatliche Akademie der Tonkunst unbenannt wurde; 1911-19 hatte er deren Leitung inne. Seit 1877 war er mit der Kammers¨angerin Mathilde → Weckerlin verheiratet. 1879-84 dirigierte B. den M¨unchner Chorverein und wurde 1881 zum Kgl. Prof. ernannt. Neben einigen Klavierzyklen komponierte er ein Konzert f¨ur Klavier und Orchester d-moll op. 10 sowie den M¨annerchor Germanenzug. Busson, Arnold, Historiker, * 28. 5. 1844 M¨unster, † 7. 7. 1892 Graz. Der einer urspr¨unglich franz¨osischen Familie entstammende B. studierte in Innsbruck, G¨ottingen und Berlin Geschichte, wurde 1866 zum Dr. phil promoviert und habilitierte sich im folgenden Jahr in Innsbruck. Seit 1871 a. o. Prof., wurde er dort 1872 o. Prof. der mittelalterlichen Geschichte und war 1886 Rektor der Universit¨at; 1891 folgte er einem Ruf als Prof. nach Graz. B. besch¨aftigte sich vorwiegend mit der deutschen und italienischen Geschichte des 13. und 14. Jh.; er ver¨offentlichte u. a. Die Doppelwahl des Jahres 1257 und das r¨omische K¨onigtum Alphons X. von Kastilien (1866). Er war der Vater von Paul → B.

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Busson Busson, Paul, o¨ sterr. Schriftsteller, * 9. 7. 1873 Innsbruck, † 5. 7. 1924 Wien. Nach dem Studium der Medizin an der Univ. Graz nahm der Sohn des Historikers Arnold → B. zun¨achst die Offizierslaufbahn auf, wandte sich nach Reisen durch Frankreich und Italien jedoch um 1900 in Wien einer journalistischen und schriftstellerischen T¨atigkeit zu. B. wurde Feuilletonredakteur des „Neuen Wiener Tagblatts“, ver¨offentlichte Beitr¨age in der Zeitschrift „Simplicissimus“ und schrieb zahlreiche Gedichte, Novellen, Dramen und Romane, die in der Tradition des o¨ sterr. Geschichtsromans (Peter → Rosegger) und der phantastisch-mystischen Literatur (Gustav → Meyrink, Alfred → Kubin, Leo → Perutz) stehen. Sein Hauptwerk Die Wiedergeburt des Melchior Dronte (1921) besch¨aftigt sich mit der Vorstellung von der Wiedergeburt als Weg zur Vollendung. 1903 erschien der Einakterzyklus Ruhmlose Helden. C NDB

Busta, Christine, eigentl. C. Dimt, o¨ sterr. Schriftstellerin, * 24. 4. 1915 Wien, † 3. 12. 1987 Wien. Die aus a¨ rmlichen Verh¨altnissen stammende B. begann 1933 das Studium der Germanistik und Anglistik, das sie jedoch aus finanziellen und gesundheitlichen Gr¨unden wieder abbrechen mußte, und war dann als Hauslehrerin und Hilfsarbeiterin t¨atig. Nach 1945 arbeitete sie als Dolmetscherin und Angestellte der britischen Besatzungsarmee und war 1950-75 Bibliothekarin an den Wiener St¨adtischen B¨uchereien. Seit 1946 ver¨offentlichte B. Gedichte in Zeitungen, Zeitschriften und Anthologien, 1947 erstmals in der kath. Wochenschrift „Die Furche“ sowie in der von Otto → Basil herausgegebenen Zeitschrift „Plan“. 1954 erhielt sie den Georg¨ Trakl-Preis und wurde u. a. 1969 mit dem Großen Osterreichischen Staatspreis f¨ur Literatur ausgezeichnet. Zu ihren wichtigsten Werken z¨ahlen die Lyrikb¨ande Der Regenbaum (1951) und Die Scheune der V¨ogel (1958) sowie der Band Die Sternenm¨uhle (1959), der Verse f¨ur Kinder enth¨alt. B. bezeichnete als Grundthema ihrer Lyrik die Verwandlung von Furcht, Schrecken und Schuld in Freude, Liebe und Erl¨osung und griff h¨aufig auf christliche und mythologische Motive zur¨uck. C Killy

Bustelli, Franz Anton, auch Bastelli, Bustelly, Pastalli, Pastelli, Pustelli, Francesco Antonio, Bildhauer, Porzellanmodelleur, * 11. 4. 1723 Locarno, † 18. 4. 1763 Nymphenburg. B. stammte vermutlich aus dem Tessin und kam wahrscheinlich u¨ ber Wien nach M¨unchen, wo er seit 1754 als Figurist in der Porzellanmanufatur Nymphenburg t¨atig war und bis zu seinem Tod als Meister der figuralen Porzellanplastik des Rokoko zahlreiche Figuren und Gruppen schuf. Zu seinem Werk z¨ahlen u. a. sechzehn Figuren der Italienischen Kom¨odie, zw¨olf Gesellschaftsfiguren, eine Reihe von B¨usten und Jagdst¨ucken sowie mehrere gr¨oßere Gruppen, darunter Liebespaar in der Ruine und Der gest¨orte Schl¨afer. C AKL Busz, Karl Heinrich, Mineraloge, * 2. 2. 1863 Kleve, † 8. / 20. 12. 1930. Das Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften an der Univ. Bonn schloß B. 1887 mit der Promotion ab (Beitr¨age zur Kenntnis des Titanits). Seit 1888 Assistent am Mineralogischen Museum der Univ. Bonn, habilitierte er sich 1892 mit der Arbeit Die Leucit-Phonolithe und deren T¨uffe in dem Gebiete des Laacher Sees und ging zwei Jahre sp¨ater an die Univ. Marburg, wo er ebenfalls Assistent des Mineralogischen Museums war. 1895 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. an die Univ. M¨unster und wurde 1901 zum o. Prof. ernannt. B., der Mitglied der Deutschen Geologischen Gesellschaft und der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft war, besch¨aftigte sich in seinen wissenschaftlichen Untersuchungen insbesondere mit kristallographischen,

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mineralogischen und petrographischen Themen. Er geh¨orte dem preuß. Herrenhaus an. B. ver¨offentlichte u. a. Mikroskopische Untersuchungen an Laven der Vorder-Eifel (1885), Petrographisches Praktikum (1902) und Die moderne Erdbebenforschung (1909).

Butenandt, Adolf (Friedrich Johann), Biochemiker, * 24. 3. 1903 Lehe (heute zu Bremerhaven), † 18. 1. 1995 M¨unchen. B., Sohn eines Kaufmanns, verlebte Kindheit und Jugend in seinem Geburtsort. 1921 begann er in Marburg mit dem Chemie- und Biologiestudium und wechselte 1924 nach G¨ottingen an das Institut des Naturstoffchemikers Adolf → Windaus, bei dem er 1927 mit einer Dissertation u¨ ber das Rotenon promoviert wurde. Auf Anregung Windaus’ wandte sich B. auch der Hormonforschung zu. In enger Verbindung mit der Schering-Kahlbaum AG in Berlin, deren Laboratoriumsleiter Walter → Schoeller stark an der Aufkl¨arung der Sexualhormone interessiert war, gelang innerhalb weniger Jahre die Isolierung und Strukturbestimmung der wichtigsten Sexualhormone, womit sich B. 1930 habilitierte. Im gleichen Jahr heiratete er Erika von Ziegner, die am gleichen Institut wie er arbeitete. 1933 nahm B. den Ruf auf das nach der Emeritierung von Alfred → Wohl an der TH Danzig freigewordene Ordinariat f¨ur organische Chemie an. Die vom V¨olkerbund garantierte Danziger Verfassung bot trotz nationalsozialistischer Regierung vorerst noch viele Freiheiten; dennoch war f¨ur den als politisch „unzuverl¨assig“ eingestuften B. geboten, keine offene Gegnerschaft zum Nationalsozialismus erkennen zu lassen. Die Danziger Arbeiten – meist u¨ ber Steroidhormone – erreichten in der Isolierung des Corpus-luteum-Hormons ei¨ nen H¨ohepunkt. Theoretische Uberlegungen zur Biosynthese der Steroidhormone aus dem chemisch verwandten Cholesterin wurden erstmals formuliert. Den 1935 w¨ahrend eines USA-Aufenthaltes ergangenen Ruf an die Harvard-University lehnte er nach der R¨uckkehr ab – bei den amerikanischen Kollegen damit durchaus Befremden ausl¨osend –, die mit dem emigrierten Rudolf → Schoenheimer vereinbarte Zusammenarbeit wurde ihm von den heimischen Beh¨orden untersagt. 1936 erhielt B. den Ruf auf das Direktorat des Kaiser Wilhelm-Instituts f¨ur Biochemie in Berlin-Dahlem als Nachfolger Carl → Neubergs, der als Jude entlassen worden war. Zu den Arbeiten u¨ ber Steroidhormone kamen Forschungen u¨ ber m¨ogliche Wirkungen von Steroiden auf die Krebsentstehung, u¨ ber Insektizide und biologische Sch¨adlingsbek¨ampfung, Sexuallockstoffe von Insekten und genabh¨angige Auripigmentbildung bei Insekten, die u. a. Einblick in den Tryptophanstoffwechsel erm¨oglichten und – vor George Beadle – sinngem¨aß zur Formulierung der molekulargenetisch wichtigen These „Ein Gen – ein Enzym“ f¨uhrten. B. sowie Alfred → K¨uhn und Fritz von → Wettstein aus dem Kaiser Wilhelm-Institut f¨ur Biologie gr¨undeten eine Arbeitsgruppe f¨ur Virusforschung – Keimzelle des sp¨ateren Max-Planck-Instituts f¨ur Virusforschung –, in der sehr schnell grundlegende virus- und molekularbiologische Erfolge erzielt werden konnten, die in Deutschland einzigartig waren. 1939 wurde B. der Nobelpreis f¨ur Chemie verliehen, dessen Annahme ihm jedoch verboten wurde. Kriegsbedingt wurde B.s Institut an die Univ. T¨ubingen verlagert.

Buths Von 1945 bis 1956 war B. dort Ordinarius f¨ur Physiologische Chemie und Direktor des Kaiser Wilhelm-Instituts (seit 1949 Max-Planck-Instituts) f¨ur Biochemie. Zentrale Themen waren die Augenpigmente, das Metamorphosehormon Ecdyson, der Sexuallockstoff von Insekten sowie weitere Probleme der Biochemie der Insekten und der Krebskrankheiten. 1952 nahm B. den Ruf an die Univ. M¨unchen an, folgte ihm jedoch erst 1956 nach Beendigung der Neubauten des Physiologisch-Chemischen Instituts und des MaxPlanck-Instituts f¨ur Biochemie. In M¨unchen gelang nach zwanzigj¨ahriger Arbeit die erstmalige Darstellung eines Sexualpheromons. An den vielf¨altigen Untersuchungen seiner Arbeitsgruppen war B. infolge zahlreicher organisatorischer Verpflichtungen immer weniger beteiligt. Als Pr¨asident der Max-Planck-Gesellschaft setzte sich B. von 1960 bis 1972 ¨ mit Weitblick, Geschick und Uberzeugungskraft f¨ur Institutsgr¨undungen und die Errichtung von modernen Neubauten sowie f¨ur notwendige Umstrukturierungen ein. Seine Verdienste w¨urdigten zahlreiche Ehrungen, darunter die Ernennung zum Ehrenmitglied (1960) der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (seit 1934 Mitglied) und zum Ehrenpr¨asidenten der Max-Planck-Gesellschaft. WERKE: Das Werk eines Lebens. Hrsg. v. Max-PlanckGesellschaft, M¨unchen. 2 Bde., G¨ottingen 1981. LITERATUR: Peter Karlson: A. B.; Biochemiker, Hormonforscher, Wissenschaftspolitiker. Stuttgart 1990. Michael Engel

Butendach, Johann, Diplomat, † vor 1697. B. war 1657 halberst¨adtischer Regierungs- und Kammerrat; ihm wurde 1658 die Schlichtung des Streits zwischen Braunschweig-L¨uneburg und dem Administrator von Magdeburg u¨ bertragen. Mit den Verh¨altnissen des Nieders¨achsischen Kreises vertraut, vertrat er zwischen 1657 und 1682 die brandenburgischen Interessen auf fast allen Nieder- und Obers¨achsischen Kreistagen. 1666-68 war er maßgeblich an Allianzverhandlungen zwischen den braunschweigischen Herz¨ogen, Hessen-Kassel, Brandenburg, Kurk¨oln und Schweden beteiligt. 1671 nahm er als Vizekanzler des F¨urstentums Halberstadt an den Verhandlungen um den Beitritt des Kurf¨ursten von Trier zum Braunschweiger B¨undnis teil. Seit 1682 war B. Geheimer Rat. C NDB Butenop, Karl Heinrich, Schauspieler, S¨anger, * 9. 10. 1752 Hamburg, † 10. 2. 1842 Wien. B. arbeitete anf¨anglich als Handlungsgehilfe in Leipzig, widmete sich aber bald einer schauspielerischen Laufbahn, deb¨utierte 1776 in Gotha und trat noch im selben Jahr als Mitglied der Doebbelinschen Gesellschaft in Berlin auf, wo er als Fabrice in dem Singspiel Lottchen am Hofe einen großen Erfolg feiern konnte. Bis 1779 in Berlin t¨atig, war er anschließend bei der W¨aserschen Gesellschaft in Breslau und 1780 / 81 am Hoftheater von Neustrelitz engagiert. 1781 stand B. in M¨unster und Hamburg auf der B¨uhne, gastierte im folgenden Jahr mit der Großmannschen Gesellschaft in Bern und trat 1782-85 am Markgr¨aflichen Hoftheater in Schwedt / Oder auf. 1785 kam er mit der Tillyschen Gesellschaft nach Stralsund, 1785 / 86 erneut zu → Doebbelin nach Berlin, 1786 nach Riga und 1790 nach Wismar, wo er Mitbegr¨under eines Theaters war, das jedoch bereits 1792 finanziell ruiniert war. Anschließend trat B. u. a. in Schwerin und Neustrelitz auf, gr¨undete 1810, wiederum erfolglos, eine eigene Theatergruppe und verbrachte seinen Lebensabend bei seiner mit dem Schauspieler Heinrich → Ansch¨utz verheirateten Tochter in Wien. C Kutsch

Butensch¨on, Johann Friedrich, P¨adagoge, Publizist, * 14. 6. 1764 Barmstedt (Holstein), † 16. 5. 1842 Speyer. Der Sohn eines kgl. Kirchspielvogts und Zollverwalters studierte in Jena, Kiel und Heidelberg und war 1787 Lehrer

f¨ur alte Sprachen am Institut Gottlieb Konrad → Pfeffels in Colmar. Von der Franz¨osischen Revolution begeistert, ging er nach Straßburg, wohin er nach dem Abschluß seiner Studien in Jena 1793 zur¨uckkehrte. Hier wirkte B., inzwischen dem Jakobinerklub beigetreten, als politischer Publizist, befreundete sich mit dem Revolution¨ar Eulogius → Schneider, schrieb f¨ur dessen radikale Zeitschrift „Argos oder der Mann mit hundert Augen“ und war als Stadtsekret¨ar t¨atig. Wegen seiner Kritik an politischen Ausschreitungen wurde er 1794 verhaftet, entging nur knapp dem Todesurteil und siedelte nach Z¨urich u¨ ber. 1796-1803 lehrte B. Geschichte und Geographie in Colmar und folgte dann einem Ruf an das franz¨osische Lyzeum in Mainz, wo er 1812 Rektor der Akademie und Leiter des Schulwesens in drei Departements wurde. Seit 1815 Regierungs- und Schulrat des bayerischen Rheinkreises in Speyer, war er seit 1818 weltlicher Konsistorialrat und leitete 1816-21 die liberale „Speyerer Zeitung“. C SHBL, Bd 8

Buteranus, Homerus, auch Omeric Buter, Humanist, * Hasel¨unne, † 1563 Hasel¨unne. B., der den a¨ lteren norddeutschen Humanismus vertrat, wurde zun¨achst in Deventer von → Hegius unterrichtet, besuchte sp¨ater die humanistische Domschule in M¨unster und bildete sich seit 1513 an der Artistenfakult¨at der Univ. K¨oln aus. Er wurde Konrektor in M¨unster, mußte jedoch seine Stellung wegen seines Bekenntnisses zur luth. Lehre aufgeben, lehrte seit 1529 am Martineum in Braunschweig, wurde dort erster Rektor nach der Einf¨uhrung der Reformation und war in gleicher Funktion 1537-48 in Herford t¨atig. C ADB Buthe, Michael, Graphiker, Zeichner, Objektk¨unstler, Maler, * 1. 8. 1944 Sonthofen, † 14. 11. 1994 Bonn-Bad Godesberg. W¨ahrend des Studiums an der Werkkunstschule und der Hochschule f¨ur Bildende K¨unste in Kassel (1964-67) hatte B. auch ein Stipendium an der Villa Romana in Florenz. Seit 1970 unternahm er Reisen nach Spanien, Nordafrika und in orientalische L¨ander, arbeitete einige Monate in einer marokkanischen Stoff¨arberei und hatte einen Wohnsitz in Marrakesch. Zu seiner Vorliebe f¨ur die Verbindung verschiedener Materialien in Collagen und Objekten kam die Farbenwirkung und mythische Dimension der Kunst in Nordafrika, die er in seinen Werken zu veranschaulichen suchte. B. verwendete Alltagsgegenst¨ande, Textilien, Photographien, Naturstoffe und geometrische Zeichen. Seine Raum-Installationen wie Die Sache mit dem K¨orbchen (1989) sollen den Besucher zum Assoziieren von Geschichten und Mythen bringen. B. nahm mehrmals an der „documenta“ teil und war 1983-94 Prof. an der Akademie der K¨unste in D¨usseldorf. Zu seinen Buchver¨offentlichungen geh¨ort Die wunderbare Reise des Saladin Ben Ismael (1977). C AKL

Buths, Julius (Emil Martin), Musiker, Musikdirektor, * 7. 5. 1851 Wiesbaden, † 12. 3. 1920 D¨usseldorf. B., dessen Vater Oboist und Kammermusiker am Hof in Wiesbaden war, studierte 1869-71 am K¨olner Konservatorium bei Ferdinand → Hiller und Friedrich → Gernsheim, vervollkommnete seine Satztechnik bei Friedrich → Kiel in Berlin und unternahm Studienreisen durch Italien und Frankreich. Seit 1875 war er Pianist und Gesangvereinsdirigent in Breslau, wo Johannes → Brahms auf ihn aufmerksam wurde und ihn nach Elberfeld empfahl. Dort wurde B. 1879 st¨adtischer Musikdirektor und ging 1890 in gleicher Funktion nach D¨usseldorf. Sein besonderes Augenmerk galt zeitgen¨ossischen Komponisten wie Berlioz, Gustav → Mahler, Max → Reger, Richard → Strauss, Ermanno → Wolf-Ferrari und der Musik von Frederick Delius und Edward Elgar. Bis 1908

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Butler richtete er mehrmals das Niederrheinische Musikfest aus. Danach widmete er sich, seit 1895 Prof., der musikp¨adagogischen Arbeit am 1902 mit Otto → Neitzel gegr¨undeten Konservatorium. C MGG

1860 Pr¨asident des Obergerichts, 1865 Pr¨asident des Ober¨ appellationsgerichts (bis 1878). Er ver¨offentlichte u. a. Uber die Geltung des R¨omischen Rechts und das Verlangen nach freierer Gerichtsverfassung (1846). C Oldenburg

Butler, Walter Graf von, Milit¨ar, † 25. 12. 1634 Schorn-

Buttel-Reepen, Hugo Berthold von, Zoologe,

dorf (W¨urttemberg). Aus alter irischer Familie stammend, trat der Sohn des Peter von Roscrea in kaiserliche Dienste und wurde 1631 als Oberstleutnant bei Frankfurt / Oder von den Schweden gefangengenommen. B. konnte sich ausl¨osen, erhielt im folgenden Jahr im neuen Heer → Wallensteins das Kommando u¨ ber sein altes Regiment, folgte Wallenstein, entgegen dem kaiserlichen Befehl, nach Eger, informierte aber → Piccolomini von seiner Kaisertreue. Der kaiserlichen Direktive folgend, beschloß B. die Ermordung Wallensteins und seiner n¨achsten Anh¨anger, da die bloße Gefangennahme wegen der N¨ahe der Schweden unm¨oglich schien. Das kaiserliche Absetzungsdekret f¨ur Wallenstein vorweisend, besetzte B. Schloß Eger und ließ → Kinsky, → Trczka, Ilow und Wallenstein am 25. 2. 1634 durch Offiziere seines Regiments t¨oten. Er wurde in den Grafenstand erhoben und erhielt die Herrschaft Friedberg. B. nahm an der Schlacht bei N¨ordlingen teil und starb unmittelbar nach der Eroberung von Urach und Schorndorf. C NDB

* 12. 2. 1860 Bremen, † 7. 11. 1933 Oldenburg. Der Sohn eines Bremer Kaufmanns brach eine landwirtschaftliche Ausbildung ab und ging 1885 nach Ostindien mit dem Plan, sich dort als Kaufmann und Pflanzer niederzulassen. Eine Malariaerkrankung zwang B.-R. 1887 zur R¨uckkehr nach Oldenburg, wo er sich mit naturwissenschaftlichen und v¨olkerkundlichen Studien besch¨aftigte; 1897 reiste er nach S¨udamerika. Das 1898 / 99 begonnene Studium der Zoologie und Pal¨aontologie in Jena und Freiburg schloß er 1902 mit der Promotion ab (Zur Kenntnis der Gruppe des Distomum clavatum) und widmete sich danach insbesondere der Bienenkunde (Leben und Wesen der Bienen, 1915). 1911 / 12 unternahm B.-R. im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften eine Forschungsreise nach Java und Sumatra. 1921 gr¨undete er die Oldenburger Imkerschule, deren Leitung er innehatte, arbeitete nach dem Verlust seines Verm¨ogens 1922-24 bei der Landesbrandkasse und wurde schließlich Direktor des Staatlichen Museums f¨ur Naturkunde und Vorgeschichte. C Oldenburg

Butschek von Heraltitz, Joseph Ignaz, o¨ sterr. Jurist,

Buttenstedt, Carl, Techniker, * 29. 7. 1845 Volkstedt bei Eisleben, † 20. 9. 1910 Berlin-Friedrichshagen. B. leistete zun¨achst seinen Milit¨ardienst, war dann u. a. als Lehrer an der milit¨arischen Ausbildungsanstalt in Weißenfels / Saale t¨atig, arbeitete in der Bergwerksverwaltung, seit 1891 als Berginspektor in Rudersdorf und widmete sich seit 1904 soziologischen und flugtechnischen Studien. B. besch¨aftigte sich insbesondere mit dem Vogelflug und stellte – ein Pionier des Segelfluges – die These auf, daß der Vogel das Schlagen seiner Fl¨ugel nur zur Vergr¨oßerung seiner Vorw¨artsbewegung ben¨otige, sich aber im u¨ brigen durch Segeln in der Luft halte. B. war korrespondierendes Mitglied der Accademia La Stella d’Italia und ver¨offentlichte u. a. Das Flugprinzip (1899, 31910) und Naturstudien zu einer neuen Segeltheorie (1894). C NDB

* 6. 5. 1741 Freiberg, † 26. 3. 1821. B. v. H. studierte in Olm¨utz Philosophie, anschließend an der Univ. Wien Rechtswissenschaft, wurde zum Dr. jur. promoviert und erhielt 1766 die Professur der politischen Wissenschaften in Prag. Seit 1772 k. u. k. Rat, u¨ bernahm er 1775 die Professur f¨ur Landwirtschaft sowie f¨ur die Zensur aller in- und ausl¨andischen Schriften. B. v. H. wurde 1810 in den Adelsstand erhoben. 1768 erschien sein Versuch u¨ ber die Absichten der Landesregierung bey Leitung der Landwirtschaft.

Butschky und Rutinfeld, Samuel von, Notar, Schriftsteller, * 1612 Namslau, † 13. 3. 1678 Breslau. Der Sohn eines polnisch-protestantischen Predigers studierte 1632-37 Rechtswissenschaften an der Univ. Wittenberg und war sp¨ater als Notar und Buchh¨andler in Breslau t¨atig. 1654 konvertierte B. u. R. zum Katholizismus und erhielt im gleichen Jahr von → Ferdinand III. den Adelsbrief. 1673 erfolgte seine Ernennung zum Kgl. Manngerichts- und Landes¨altesten des F¨urstentums Breslau. B. u. R. verfaßte zahlreiche Briefsteller als Muster des h¨ofischen und galanten Stils und gab seit 1666 Florilegien heraus (u. a. Pathmos, 1677). C Killy

Buttel, Christian Diedrich von, Beamter, Politiker, * 5. 12. 1801 Jever, † 1. 2. 1878 Oldenburg. Der Kaufmannssohn studierte 1819-23 in Heidelberg, G¨ottingen und Berlin Jura, und Philosophie trat in den Oldenburgischen Justizdienst ein, wurde 1835 in die Justizkanzlei in Oldenburg versetzt und 1841 zum Hofrat ernannt. B. war 1843 Mitherausgeber der liberalen Zeitung „Neue Bl¨atter f¨ur Stadt und Land“, wurde 1848 in die Frankfurter Nationalversammlung gew¨ahlt, schloß sich dem rechten Zentrum an und legte nach dem Abstimmungssieg der Linken 1849 sein Mandat nieder. Nach Oldenburg zur¨uckgekehrt, nahm er 1849 am Treffen der „Erbkaiserlichen“ in Gotha teil, die sich f¨ur eine preuß. Unionspolitik aussprachen, und bef¨urwortete den Beitritt Oldenburgs zum Dreik¨onigsb¨undnis. Noch im gleichen Jahr wurde B. Ministerpr¨asident und u¨ bernahm zus¨atzlich die Departements der Kirchen und Schulen sowie der Justiz. Nach verschiedenen Regierungskrisen trat er 1851 zur¨uck und wurde Landvogt und Vorsteher des Milit¨arkollegiums in Oldenburg,

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Buttersack, Bernhard, Maler, * 16. 3. 1858 Liebenzell (W¨urttemberg), † 6. 5. 1925 Icking (Bayern). Der Pfarrerssohn besuchte 1877-81 die Kunstakademie in Stuttgart. 1882-84 arbeitete B. als Meistersch¨uler von Hermann → Baisch in dessen Atelier in Karlsruhe und siedelte anschließend als selbst¨andiger Maler nach M¨unchen u¨ ber, wo er, von einem zweij¨ahrigen Aufenthalt in Schleißheim abgesehen, bis 1899 t¨atig war. Seit 1899 lebte er in Haimhausen bei Dachau, gr¨undete dort eine Malschule. 1905 verlieh ihm der Prinzregent Luitpold von Bayern den Professorentitel. Wegen einer Nervenkrankheit zog B. 1914 nach Icking und nahm sich elf Jahre sp¨ater das Leben. B., der der M¨unchner Sezession seit ihrer Gr¨undung angeh¨orte, stellte 1920 im M¨unchner Glaspalast aus. Er widmete sich der Landschaftsmalerei, wobei ihn vor allem die oberbayerische Landschaft inspirierte (u. a. Ein heiterer Tag, 1891; Hochsommer, 1904). C AKL

Buttersack, Felix, Journalist, Verleger, * 10. 5. 1900 Ellwangen / Jagst, † 9. 3. 1986 Starnberg. Nach dem Studium der Germanistik und Philosophie, u. a. bei Karl → Jaspers und Max → Weber an den Universit¨aten Heidelberg und M¨unchen, wurde B. zum Dr. phil. promoviert und wandte sich dem Journalismus zu. Nach der Ver¨offentlichung erster Artikel im Berliner „Querschnitt“ arbeitete er seit 1926 beim Berliner Scherl-Verlag, erst als Korrespondent in Paris, sp¨ater als Leiter der Kriminalbeilage, und war zudem 1931-33 in der Programmkommission der Funkstunde Berlin t¨atig. 1946 / 47 war B. Chefredakteur von

Buttlar Radio M¨unchen, dem sp¨ateren Bayerischen Rundfunk, und wurde 1947 Lizenztr¨ager der Tageszeitung „M¨unchner Merkur“. 1953 fusionierte er mit dem Zeitungsverlag der Familie Huck, gr¨undete 1968 das Boulevardblatt „tz“ und verkaufte 1976 ein Viertel der Verlagsanteile an Axel → Springer, der sich jedoch 1982 wegen Einspruchs des Bundeskartellamts wieder aus dem Verlag zur¨uckziehen mußte. B. war Mitbegr¨under und Vorsitzender des M¨unchner B¨urgerbundes.

Buttersack, Felix Eberhard, Milit¨ararzt, Schriftsteller, * 14. 10. 1865 Ludwigsburg, † 9. 3. 1950 G¨ottingen. Nach dem Studium der Medizin in Berlin und der Promotion 1887 (Ueber Osteoklasie) arbeitete B. 1890-92 im Reichsgesundheitsamt und 1896-1901 unter Ernst von → Leyden an der I. Medizinischen Klinik in Berlin. Anschließend war er als Generalarzt in G¨ottingen t¨atig und u¨ bernahm 1920 als Oberregierungsmedizinalrat die Leitung des Hauptversorgungsamtes in M¨unster. Nach seinem Wechsel in den Ruhestand 1924 lebte B. als Schriftsteller und Privatgelehrter in G¨ottingen und publizierte mehr als 300 Aufs¨atze zu Grenzfragen der Medizin mit biologistisch-v¨olkischen Ideen sowie monographische Arbeiten, zu denen u. a. Wider die Minderwertigkeit! Die Vorbedingung f¨ur Deutschlands Gesundung (1926), Auf- und Niedergang im V¨olkerleben. Biologische Gesetze (1931), Außersinnliche Welten (1939) und Zu den Pforten des Magischen (1941) geh¨orten. 1935 war er vor¨ubergehend verantwortlich f¨ur die Herausgabe der Zeitschrift „Hippokrates“ und machte sie zu einem Organ natio¨ nalsozialistischer Gesundheitspolitik. 2, 3 C Arzte Butting, Max, Komponist, * 6. 10. 1888 Berlin, † 13. 7. 1976 Berlin. Der Sch¨uler von Paul → Prill, Friedrich → Klose und Walter → Courvoisier an der Akademie der Tonkunst in M¨unchen, trat 1919 in Berlin zun¨achst in das v¨aterliche Gesch¨aft ein und leitete 1920-27 verschiedene musikalische Veranstaltungen der „Novembergruppe“ und nahm an den Kammermusikfestspielen in Donaueschingen teil. Seit 1925 war er freier Mitarbeiter der „Sozialistischen Monatshefte“. 1928-30 dozierte er am Kindworth-ScharwenkaKonservatorium, 1928-33 an der Hochschule f¨ur Musik in Berlin. Seit 1929 war B. stellvertretender Vorsitzender der Gesellschaft Deutscher Tonsetzer, 1932 Mitglied der Preußischen Akademie der K¨unste. Nach 1933 verlor er ¨ seine Amter und arbeitete in der Urheberrechtsgesellschaft „Stagma“. 1948 wurde B. Cheflektor der Musikabteilung beim Rundfunk der DDR, als Gr¨undungsmitglied (1950) der Akademie der K¨unste der DDR war er 1956-59 deren Vizepr¨asident. Zu seinen Kompositionen z¨ahlen Orchester- und Kammermusik, darunter zehn Symphonien, sowie die Oper Plautus im Nonnenkloster (1959). Mit Musikgeschichte, die ich miterlebte erschienen 1955 seine Memoiren. C MGG Buttinger, Joseph, Pseud. u. a. Gustav Richter, o¨ sterr. Politiker, Schriftsteller, * 30. 4. 1906 Reichersbeuern (Oberbayern), † 4. 3. 1992 New York. B., Sohn eines Arbeiters, war Landarbeiter, dann Glasschleifer und 1926-30 Hortleiter bei den „Kinderfreunden“ in St. Veit an der Glan. 1921 in die Sozialdemokratische Ar¨ beiterpartei Osterreichs eingetreten, wurde er 1934 Parteisekret¨ar in St. Veit und war im selben Jahr wegen illegaler T¨atigkeit mehrere Monate in Haft. 1935-38 war er Obmann des Zentralkomitees der Revolution¨aren Sozialisten und Redaktionsleiter des theoretischen Organs „Die Revolu¨ tion“. Nach dem „Anschluß“ Osterreichs 1938 floh B. nach Belgien, dann nach Paris, wo er zum Obmann der „Auslandsvertretung der o¨ sterreichischen Sozialisten“ gew¨ahlt wurde. Er war ein f¨uhrender Vertreter der Politik des Zusammenschlusses aller deutschen und o¨ sterr. sozialistischen Gruppen im franz¨osischen Exil. Nach Ablehnung dieses Plans durch

die Exil-SPD geh¨orte B. zu den Gr¨undern der „Arbeitsgemeinschaft f¨ur sozialistische Inlandsarbeit“ und war auch an der Gr¨undung des „Arbeitsausschusses deutscher Sozialisten ¨ und der Revolution¨aren Sozialisten Osterreichs“ unter Julius → Deutsch beteiligt. 1939 emigrierte B. in die USA, wurde 1940 Leitungsmitglied der International Relief Association (sp¨ater International Rescue Committee, IRC) und baute die Library of Political Studies in New York auf. 1943 nahm B. die US-amerikanische Staatb¨urgerschaft an. 1945-47 war er Europa-Direktor des IRC in Paris und Genf. Nach einem Besuch in S¨udvietnam 1954 besch¨aftigte sich B., 1945-64 Vorsitzender der American Friends of Vietnam, verst¨arkt mit den Problemen Vietnams und war Berater der USVietnampolitik. Seit Anfang der sechziger Jahre bek¨ampfte er das milit¨arische Eingreifen der USA in Vietnam. B. war Mitarbeiter zahlreicher amerikanischer und o¨ sterr. Zeitungen und Zeitschriften, geh¨orte den Vorst¨anden des PhelpsStokes-Funds und von Amnesty International an und stiftete den Joseph und Muriel Buttinger-Fonds zur F¨orderung von ¨ Studien auf dem Gebiet der Sozialwissenschaften in Osterreich. Er ver¨offentlichte u. a. Probleme und Aufgaben der o¨ sterreichischen sozialistischen Emigration (1939), In the ¨ Twilight of Socialism (1952; dt. Am Beispiel Osterreichs. Ein geschichtlicher Beitrag zur Krise der sozialistischen Bewegung, 1953; 1972 unter dem Titel Das Ende der Mas¨ senpartei. Am Beispiel Osterreichs), The Smaller Dragon. A Political History of Vietnam (1958), R¨uckblick auf Vietnam. Chronologie einer gescheiterten Politik (1976), Damit wir nicht vergessen. Unsere Jahre 1934-47 in Wien, Paris und New York (1978, mit Muriel Gardiner) und Ortswechsel. Die Geschichte meiner Jugend (1979). C BHdE, Bd 1

Buttlar, Auguste Freiin von, auch Butlar, geb. Ernst, Malerin, * 17. 7. 1796 Pillnitz (heute zu Dresden), † 5. 7. 1857 Florenz. Die Tochter eines kurf¨urstlich s¨achsischen Hofwirtschaftsdirektors und Nichte von August Wilhelm und Friedrich → Schlegel war seit 1816 mit einem russischen Oberst verheiratet und widmete sich der Malerei. 1823 Sch¨ulerin von G´erard in Paris, ging sie im folgenden Jahr nach London, um dort ihre k¨unstlerische Ausbildung fortzusetzen, und ¨ lebte sp¨ater abwechselnd in Osterreich, Deutschland und Italien, seit 1848 st¨andig in Brixen. Zu ihrer Zeit war B. eine gesch¨atzte Miniaturportr¨atistin und stellte 1880 auf der historischen Portr¨atausstellung in Wien eine Aquarellminiatur Franz → Grillparzers aus. C AKL

Buttlar, Eva Margaretha von, Pietistin, * 22. 6. 1665 Barchfeld / Werra, † 27. 4. 1721 Altona (heute zu Hamburg). Zun¨achst Hoffr¨aulein in Eisenach, wurde B. gegen ihren Willen mit einem Hof- und Tanzmeister verheiratet und schloß sich nach zehnj¨ahriger ungl¨ucklicher Ehe pietistischschw¨armerischen Kreisen an. Sie verließ ihren Ehemann, folgte dem Theologiestudenten Justus Gottfried Winter aus Eschwege, gr¨undete mit ihm und dem Medizinstudenten Johann Georg Appenfeller aus Jena 1702 in Allendorf / Werra die „Christliche und Philadelphische Soziet¨at“ und verk¨undete in scharfer Ablehnung der luth. Kirche den baldigen, ja in ihrer Gemeinschaft bereits eingetretenen Anbruch des Tausendj¨ahrigen Reichs. B. und ihre Anh¨anger wurden insbesondere wegen ihres sexuellen Libertinismus als „Buttlarsche Rotte“ verfolgt und flohen nach ihrer Ausweisung aus Allendorf in die Grafschaft Wittgenstein und schließlich, nach vorgespielter Konversion zum Katholizismus, in das paderbornische L¨ugde. Hier entzog sich B. einer gerichtlichen Verurteilung durch Flucht nach Altona, wo sie sich von der Sektiererei lossagte und sp¨ater als Ehefrau Appenfellers lebte. C TRE

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Buttlar Buttlar, Rudolf (Georg Walrab Carl) Frh. von, Forstwirt, * 23. 3. 1802 Kassel, † 3. 1. 1875 Elberberg bei Fritzlar. B., Sohn eines kgl. westf¨alischen Generalpostmeisters, studierte an der Bergakademie in Freiberg und an der Univ. G¨ottingen und u¨ bernahm im Anschluß daran die Verwaltung des vorwiegend aus Wald bestehenden Familienbesitzes. Er entwickelte ein neues Pflanzverfahren, das sich bald weit verbreitete und in die forstwirtschaftlichen Lehrb¨ucher aufgenommen wurde. In seiner Schrift Forstkultur-Verfahren in seiner Anwendung und seinen Folgen (1853) pl¨adierte er f¨ur eine k¨unstliche Waldverj¨ungung sowie f¨ur den HochMischwald. B. war Mitglied der St¨andeversammlungen und vertrat Kurhessen 1851 bei der Ministerkonferenz in Dresden. C SHBL, Bd 1

Buttmann, Philipp Karl, eigentl. Boudemont, P¨adagoge, Bibliothekar, * 5. 12. 1764 Frankfurt / Main, † 21. 6. 1829 Berlin. Der einer hugenottischen Familie entstammende B. studierte Theologie und klassische Philologie an der Univ. G¨ottingen, war dann als Prinzenerzieher in Dessau t¨atig und wurde 1789 an der Kgl. Bibliothek in Berlin angestellt. Danach unterrichtete er 1799-1808 als Lehrer der griechischen Sprache am Joachimsthalschen Gymnasium und war Lateinlehrer des sp¨ateren K¨onigs → Friedrich Wilhelm IV. 1808 wurde er ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin. B. ver¨offentlichte mehrere Lehrb¨ucher zur griechischen Sprache. Er gr¨undete den Stammtisch „Gesetzlose Gesellschaft“, zu dessen G¨asten u. a. E. T. A. → Hoffmann, Achim von → Arnim und August Wilhelm → Iffland geh¨orten.

Buttmann, Rudolf (Hermann), Bibliothekar, Politiker, * 4. 7. 1885 Marktbreit / Main, † 25. 1. 1947 Stockdorf bei M¨unchen. B., Sohn eines Oberstudienrats, studierte in M¨unchen, Freiburg und Berlin Rechts- und Staatswissenschaften, legte 1907 die juristische Staatspr¨ufung ab und trat als Praktikant in die Kgl. Bayerische Staatsbibliothek M¨unchen ein. 1910 wurde er mit einer Arbeit u¨ ber Richard Jennings promoviert und erhielt nach der bibliothekarischen Staatspr¨ufung eine Anstellung an der Bibliothek des Bayerischen Landtags. Politisch wurde B. zun¨achst in der Nationalliberalen Partei aktiv, war nach der Kriegsteilnahme 1918 Mitbegr¨under der M¨unchner B¨urgerwehr, 1919 der Deutschnationalen Volkspartei in S¨udbayern und wurde 1922 Zweiter Vorsitzender (sp¨ater Erster Vorsitzender) des V¨olkischen Rechtsblocks in Bayern. 1924-33 Mitglied des Bayerischen Landtags, trat B. 1925 in die NSDAP ein und leitete deren Fraktion im Bayerischen Landtag, bis er 1933 f¨ur die NSDAP in den Reichstag einzog. 1927-33 gab er das „Mitteilungsblatt der Nationalsozialisten in den Parlamenten und gemeindlichen Vertretungsk¨orpern“ heraus und war 1928-33 Mitglied des Bayerischen Staatsgerichtshofes, 1930-32 gemeinsam mit Karl → Fiehler Leiter der Kommunalpolitischen Abteilung der Reichsleitung der NSDAP. Seit 1932 Leiter der Hauptabteilung Volksbildung in der Reichsleitung der NSDAP, wurde er 1933 als Ministerialdirektor im Reichsministerium des Innern Leiter der Kulturpolitischen Abteilung und war am Abschluß des Konkordats des Deutschen Reiches mit der R¨omisch-katholischen Kirche 1933 beteiligt. Im selben Jahr wurde er von Adolf → Hitler mit der Verhandlungsf¨uhrung bei der Regierungsbildung in Bayern beauftragt. 1935 nahm er die Stelle des Generaldirektors der Bayerischen Staatsbibliothek an, die er bis 1945 innehatte. B. war Vorsitzender des Deutschen Sprachvereins (1933-45), der Goethegesellschaft und des Bayerischen Landesvereins f¨ur Familienkunde sowie Mitherausgeber der Zeitschrift „V¨olkische Kultur“ und des „Zentralblatts f¨ur Bibliothekswesen“. Er ver¨offentlichte Aufs¨atze zu bibliothekarischen Fragen und politi-

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sche Schriften wie Totgeschwiegene Wahrheiten (1929 / 30) und Nationalsozialistische Staatsauffassung (1933). 1945 interniert, wurde er 1948 postum von der Spruchkammer Starnberg als Hauptt¨ater oder „schwer belastet“, vor der Berufungskammer Oberbayern 1949 als „minderbelastet“ eingestuft. C Lilla, Statisten

Buttstedt, Johann Heinrich, Musiker, Komponist, * 25. 4. 1666 Bindersleben bei Erfurt, † 1. 12. 1727 Erfurt. Nach dem Besuch des evang. Ratsgymnasiums in Erfurt war der Pfarrerssohn Sch¨uler von Johann → Pachelbel. 1684 wurde B. Organist an der Reglerkirche, 1687 an der Kaufmannskirche, wo er an der zugeh¨origen Schule unterrichtete. 1691 u¨ bernahm er das Amt des Organisten an der evang. Predigerkirche mit dem Titel eines Ratsorganisten und war in dieser Funktion zudem an einer der acht kath. Kirchen Erfurts t¨atig. B. komponierte Kirchenmusiken, sowohl f¨ur die evang. Liturgie wie f¨ur den kath. Gottesdienst, ferner Orgelund Klavierwerke und wurde vor allem durch seine theoretischen Arbeiten bekannt, u. a. durch Ut Mi Sol Re Fa La – Tota musica et harmonia aeterna oder Neu er¨offnetes altes, wahres, einziges und ewiges Fundamentum musices (1716), mit der er sich auch gegen Johann → Matthesons Kritik an der a¨ lteren Tradition wandte). C MGG

Buttstett, Franz Vollrath, Komponist, Musiker, * 2. 4. 1735 Erfurt, † 7. 5. 1814 Rothenburg / Tauber. B., Enkel Johann Heinrich → B.s, wuchs nach dem fr¨uhen Tod seiner Eltern bei einem Onkel auf. Bereits mit 14 Jahren spielte er Klavier, Violine und komponierte Kirchenst¨ucke. 1755 soll er w¨ahrend einer Deutschlandreise vor¨ubergehend Sch¨uler des Thomaskantors Johann Friedrich → Doles in Leipzig gewesen sein. 1756 wurde er Stadt- und Hoforganist in Weikersheim. 1766 bewarb sich B. um die Nachfolge des Organistenamtes an St. Jacob in Rothenburg, ließ sich 1767 beurlauben und nutzte die Zeit bis zum Antritt der Organistenstelle zum Komponieren; er bearbeitete u. a. das Rothenburger Gesangbuch neu. 1772 wurde er Adjunkt des Rothenburger Organisten und u¨ bernahm nach dessen Tod das Amt. B. komponierte Vokal- und Instrumentalmusik, die dem fr¨uhklassischen Stil zuzuordnen ist. Er gilt als einer der letzten Vertreter eines kirchlich gepr¨agten, altb¨urgerlichen Musiklebens. C MGG Butz, Andreas, Orgelbauer, * Roßwangen (W¨urttemberg), † 25. 2. 1657 Passau. B. hielt sich Ende 1612 und Anfang 1613 in Salzburg und seit Februar 1613 in Passau auf. Er arbeitete zumindest zeitweilig mit dem Orgelbauer Matthias Aigner aus Schwaz (Tirol) zusammen. Vermutlich seit 1627 unterhielt B. seine Hauptwerkstatt in Passau, wo er sp¨atestens seit 1636 Ratsmitglied und 1645-57 Pfleger des Heilig-Geist-Spitals am Neumarkt war. B. baute eine Vielzahl von Orgeln in Tirol, Bayern und Ober¨osterreich. Sein Sohn Jakob B. und dessen Sohn Martin B. f¨uhrten die Werkstatt weiter. C MGG Butz, Friedrich Karl, Kaufmann, Schriftsteller, * 13. 12. 1877 Frankfurt / Main, † 20. 6. 1941 Frankfurt / Main. Nach Privatunterricht und autodidaktischen Studien besuchte B., Sohn eines Kaufmanns, eine Kunstschule, studierte anschließend Rechtswissenschaften und absolvierte eine kaufm¨annische und buchh¨andlerische Ausbildung. Er arbeitete als Redakteur in Frankfurt / Main, sp¨ater in Dresden, Heidelberg und Greifswald. 1917-21 war er Direktor des Eisen- und Stahlwerks Asslar, sp¨ater Direktor der Schultz Gr¨unlack AG Sektkellerei in R¨udesheim. Neben seiner kaufm¨annischen T¨atigkeit trat B. auch als B¨uhnendichter und Erz¨ahler hervor; er ver¨offentlichte u. a. das Schauspiel Die Hartenburger (1909), die Erz¨ahlung Italienfahrt (1924) und das Volksst¨uck Die Katherin von R¨udesheim (1934).

Buxtehude Butzbach, Johannes, auch Piemontanus, Benediktiner,

Buxbaum, Friedrich, o¨ sterr. Musiker, * 23. 9. 1869 Wien,

Humanist, * 1478 Miltenberg, † 29. 12. 1516 Maria Laach. ¨ Uber sein Leben bis zum Eintritt in das Kloster Maria Laach (1500) berichtete B. selbst in seinem Wanderb¨uchlein Hodoeporicon (1506, Neuausg. 1993). Danach erlernte er nach sechs Wanderjahren in S¨uddeutschland und B¨ohmen (1488-94) in Aschaffenburg das Schneiderhandwerk und trat 1496 als Laienbruder in das Benediktinerkloster Johannisberg im Rheingau ein, wo er ein Jahr lang blieb und seinen Beruf aus¨ubte. Anschließend betrieb er humanistische Studien bei Alexander → Hegius in Deventer. In Maria Laach wurde B. 1503 Novizenmeister, 1507 Prior und widmete sich als Sch¨uler von Johannes → Trithemius, zu dessen Gelehrtenlexikon er einen Nachtrag verfaßte, einer umfangreichen literarischen T¨atigkeit. B. z¨ahlt zu den bedeutendsten rheinischen Humanisten; er ver¨offentlichte neben Poesie eine Reihe meist ungedruckt gebliebener literaturgeschichtlicher und monastischer Schriften sowie eine erst 1925 herausgegebene kunstgeschichtliche Abhandlung Von den ber¨uhmten Malern (Libellus de praeclaris picturae professoribus, 1505, hrsg. und u¨ bersetzt von Otto Pelka). C Fr¨ank Leb, Bd 16

† 2. 10. 1948 Großbritannien. Nach dem Studium am Wiener Konservatorium wurde B. erster Solocellist des Symphonieorchesters Glasgow, konzertierte zwei Jahre in London und kehrte nach Wien zur¨uck, wo er 1893-1900 als Cellist im Fitzner-Quartett spielte. Anschließend trat er als erster Solocellist ins Orchester der Wiener Hofoper und der Wiener Philharmoniker ein, wurde gleichzeitig Lehrer an der Staatsakademie und Mitglied des Ros´e-Quartetts. Nach dem Austritt aus diesem Ensemble gr¨undete er ein eigenes Quartett. Bei der Umwandlung der Staatsakademie zur Hochschule wurde B. zum a. o. Prof. er¨ nannt. Nach dem „Anschluß“ Osterreichs emigrierte er nach Großbritannien.

Butze-Beermann, Nuscha, geb. Butze, Schauspielerin, Theaterdirektorin, * 22. 2. 1860 Berlin, † 10. 12. 1913 Berlin-Lichterfelde. B.-B. widmete sich fr¨uh einer schauspielerischen Laufbahn, wurde von ihrer Mutter unterrichtet und deb¨utierte vierzehnj¨ahrig in Augsburg. Es folgten B¨uhnenauftritte am Stadttheater in Bozen, in Innsbruck sowie am Theater an der Wien, seit 1880 am Leipziger Stadttheater. 1882 wurde sie an das Hoftheater in Wiesbaden engagiert, spielte seit 1888 unter Ludwig → Barnay am Berliner Theater, seit 1897 am Theater des Westens in Berlin und verk¨orperte sowohl in klassischen als auch in modernen St¨ucken insbesondere die Salondame und die tragische Liebhaberin. 1898-1902 war B. Direktorin des Neuen Theaters in Berlin, im Anschluß daran Ensemblemitglied des Kgl. Schauspielhauses. Buurman, Ulrich (Albrecht), P¨adagoge, * 29. 3. 1864 Jarßum (Gem. Widdelswehr, Kr. Leer), † 28. 4. 1944 Osterholz-Scharmbeck. Nach dem Studium der Philologie, Philosophie, Geschichte und Religionswissenschaft in Berlin und Leipzig er¨offnete B., Sohn eines Pastors, 1896 in Bremen eine h¨ohere Privatschule. Nach dem Ersten Weltkrieg baute er die Anstalt zu einer vollg¨ultigen h¨oheren Privatschule aus; nach der Angliederung einer Lehranstalt f¨ur M¨adchen, einer Abendschule, eines Sch¨ulerheims und eines Schullandheims hatte der Gesamtkomplex 1935 die gr¨oßte organisatorische Ausbreitung erreicht. Im Rahmen der Schulreform von 1938 verlor das Unternehmen seine Bedeutung. B. ver¨offentlichte u. a. Erl¨auterungen und Aufs¨atze zur Einf¨uhrung in Goethes Faust (1934). C Brem Bio 2

Buxbaum, Edith, Psychoanalytikerin, * 20. 4. 1902 Wien, † 14. 7. 1982 Seattle (USA). Die Tochter j¨udischer Kaufleute studierte 1920-25 in Wien Geschichte und wurde 1925 promoviert. W¨ahrend der Studienzeit war B. in der o¨ sterr. Jugendbewegung t¨atig, wo sie vermutlich die Theorien der Psychoanalyse kennenlernte. 1928 wurde sie in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen und absolvierte ihre Lehranalyse bei Hermann Nunberg. B. war 1926-35 Gymnasiallehrerin und in der Sozialistischen Gesellschaft f¨ur Sexualberatung und -forschung sowie in den Proletarischen Sexualberatungsstellen t¨atig. Sie spezialisierte sich auf die Kinderanalyse und ver¨offentlichte eine Reihe von Arbeiten in der „Zeitschrift f¨ur psychoanalytische P¨adagogik“. Als Sozialistin 1935 kurz inhaftiert, emigrierte sie 1937 in die USA. Dort lehrte B. an der New School for Social Research in New York, 1953-68 an der School of Medicine in Washington.

Buxbaum, Johannes Christian, Botaniker, * 5. 10. 1693 Merseburg, † 17. 7. 1730 Merseburg. Der Sohn eines Mediziners studierte in Leipzig, Jena und Halle, ver¨offentlichte 1721 eine nach dem Rivinschen System angeordnete Flora von Halle, begleitete im Anschluß Graf Aleksandr Ivanoviˇc Romanzow zu dessen Gesandtschaftsstelle nach Konstantinopel und beschrieb als erster die auf der Reise durch die K¨ustenl¨ander des Schwarzen Meeres, Kleinasiens und Armeniens entdeckten Pflanzen. Nach B. wurde die Moosgattung Buxbaumia benannt. C NDB

Buxtehude, Dietrich, Kirchenmusiker, Komponist, * 1637 (?) Helsingborg (?, D¨anemark, heute Schweden), † 9. 5. 1707 L¨ubeck. Geburtsort und -jahr von B. sind bis heute nicht zweifelsfrei gekl¨art. W¨ahrend lange Zeit Oldesloe (heute Bad Oldesloe) als Geburtsort angesehen wurde, hat die j¨ungere Forschung diese Meinung revidiert. Einzige Quelle f¨ur das Geburtsjahr B.s ist ein in lateinischer Sprache verfaßter Nachruf vom Juli 1707, demzufolge der Komponist sein Leben „ungef¨ahr 70 Jahre alt“ vollendet habe („septuaginta circiter vivendo ¨ annos implevit“). Uber die Ausbildung B.s fehlt ebenfalls jedes Zeugnis. Vermutlich hat er die Lateinschule in Helsingør (D¨anemark) besucht, wo sein Vater Johannes B. seit etwa 1641 das Organistenamt bekleidete. Von ihm erhielt er wohl seinen ersten musikalischen Unterricht. 1657 oder 1658 trat B. seine erste Anstellung an der Marienkirche in Helsingborg an, seit 1660 war er Organist an St. Marien in Helsingør. Am 11. 4. 1668 wurde er schließlich Organist an der Marienkirche in L¨ubeck als Nachfolger des 1667 gestorbenen Franz → Tunder, dessen Tochter Anna Margarethe er nach damaliger Gepflogenheit im selben Jahr heiratete. Zu B.s Aufgaben in L¨ubeck geh¨orte das pr¨aludierende Spiel vor den Gemeindeliedern und vor den von Chor und Orchester musizierten St¨ucken an Festtagen. (Die Begleitung des Gemeindegesangs auf der Orgel war damals in L¨ubeck noch nicht u¨ blich.) Hinzu traten Auftragskompositionen wie die Begr¨abnismusik Mit Fried und Freud und Hochzeitskantaten. Ferner bekleidete B. das Amt des „Werkmeisters“, d. h. des leitenden kirchlichen Rechnungs- und Verwaltungsbeamten. Weithin ber¨uhmt waren die sogenannten „Abendmusiken“, die, von Tunder schon 1646 eingef¨uhrt, von B. seit 1673 in neuer Form wiederbelebt und nach ihm bis 1810 gepflegt wurden. Statt an Werktagen hielt B. diese konzertartigen Veranstaltungen nun an den letzten zwei Trinitatissonntagen und dem 2., 3. und 4. Advent ab. Leider hat sich keine Komposition B.s zu diesen Abendmusiken erhalten. Gedruckte Textb¨ucher und Anzeigen in Musikalienkatalogen zeigen aber, daß es sich hierbei einerseits um oratorienartige Werke handelte (Die Hochzeit des Lamms, Das Allerschr¨ocklichste und Allererfreulichste nehmlich Ende der Zeit und Anfang der Ewigkeit), die u¨ ber mehrere Abende verteilt wurden, und andererseits um kantatenartige Kompositionen.

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Buxtehude Hierzu z¨ahlen die beiden außerordentlichen Abendmusiken aus dem Jahre 1705 Castrum honoris (zum Andenken an Kaiser → Leopold I.) und Templum honoris (zu Ehren Kaiser → Josephs I.), deren Musik ebenfalls nicht erhalten ist. Auch im Bereich der u¨ brigen Vokalmusik B.s muß ein großer Teil der Werke als verloren gelten. Erhalten sind eine Motette Benedicam Dominum, eine Missa brevis und u¨ ber 100 Kantaten. Letztere sind zum Großteil in einer Abschrift des schwedischen Hofkapellmeisters Gustav D¨uben u¨ berliefert, der B. 1663 in L¨ubeck aufsuchte. An Instrumentalwerken schrieb B. u. a. mehrere Suiten f¨ur Cembalo, Triosonaten f¨ur zwei Violinen, Viola da Gamba und Basso continuo sowie zahlreiche Werke f¨ur die Orgel (vor allem Praeludien und Choralbearbeitungen). B. gilt als einer der bedeutendsten deutschen Komponisten zwischen Heinrich → Sch¨utz und Johann Sebastian → Bach. Insbesondere mit seinen Choralvorspielen u¨ bte er maßgeblichen Einfluß auf Bach aus, der B. 1705 in L¨ubeck aufsuchte und seinen ihm vom Arnst¨adter Rat gew¨ahrten Urlaub betr¨achtlich u¨ berzog, um B.s Werke zu studieren. In ihnen findet sich die Neigung, den Inhalt des Chorals musikalisch affekthaft nachzuzeichnen, vorgepr¨agt, die auch Bach sp¨ater kennzeichnet. LITERATUR: Georg Karst¨adt: (Hrsg.): Thematisch-systematisches Verzeichnis der musikalischen Werke von D. B. B.-Werke-Verzeichnis (BuxWV). Wiesbaden, 2., erw. und verb. Aufl. 1985. – Kerala J. Snyder: D. B. Organist in L¨ubeck. New York / London 1987. – Hermann Wettstein: D. B. (1637-1707). Bibliographie zu seinem Leben und Werk. 2., neubearb. und erw. Ausgabe. M¨unchen u. a. 1989. – D. B. und die europ¨aische Musik seiner Zeit. Bericht u¨ ber das L¨ubecker Symposion 1987. Hrsg. v. Arnfried Edler / Friedhelm Krummacher. Kassel u. a. 1990. – Kerala J. Snyder: B., D. In: MGG2P, Bd. 3, 2000, Sp. 1448-1474. Marion Br¨uck

Buxtehude, Meinhard, Staatsmann, * 1367 / 70 Hamburg, † 1417 Ritzeb¨uttel. Der Kaufmannssohn besuchte die Prager Rechtshochschule, die er 1385 mit dem Grad eines baccalaureus iuris abschloß. 1395 wurde er als erster Jurist Mitglied des Hamburger Rats, 1399 B¨urgermeister. In den folgenden Jahren machte er sich als Diplomat und Heerf¨uhrer um die Befriedung der Nordsee und die Sicherung des Handelsverkehrs verdient. Nach den Unruhen in L¨ubeck und Hamburg 1408 und 1410 versuchte B. die Autorit¨at der Hanse zu behaupten, wurde jedoch 1412 aus seiner politischen Stellung verdr¨angt und war bis zu seinem Tod Hauptmann in Ritzeb¨uttel und Ottendorf. C NDB Buxtorf, Joachim Gerlach, Ratssyndikus, * Korbach (?) (Waldeck), † 8. 1. 1628 Prag. Das Studium der Rechtswissenschaften schloß B., Sohn eines Juristen und waldeckschen Kanzlers, 1612 in Basel mit der Promotion zum Dr. jur. utr. ab. Seit 1614 Syndikus in den Diensten des Bremer Rats, f¨uhrte er in den ersten Jahren des Dreißigj¨ahrigen Kriegs Verhandlungen mit dem Ziel, die Kriegsereignisse von der Stadt Bremen fernzuhalten. Wegen des zwischen Oldenburg und Bremen strittig gewordenen Elsflether Zolls verhandelte er mehrmals am kaiserlichen Hof. B. vermachte seine wertvolle B¨uchersammlung dem Bremer Rat; sie bildet den Grundstock der heutigen Bremer Stadtbibliothek. ¨ reformierter Theologe, Hebraist, Buxtorf, Johannes d. A., * 25. 12. 1564 Kamen (Westfalen), † 13. 9. 1629 Basel. B., Sohn eines Pfarrers, studierte zun¨achst an der Univ. Marburg, dann in Herborn als Sch¨uler Johannes → Piscators und setzte seine Studien nach einem kurzen Aufenthalt an der Heidelberger Univ. 1588 in Basel als Sch¨uler des Johann Jakob → Gryn¨aus fort, der ihm dort eine Stelle als Hauslehrer

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vermittelte. Anschließend ging er zur Vervollkommnung seiner Kenntnisse nach Z¨urich und Genf und folgte 1591 dem Ruf als Prof. des Hebr¨aischen nach Basel. B., der mit zahlreichen j¨udischen Gelehrten seiner Zeit in reger Korrespondenz stand, um seine Kenntnisse u¨ ber rabbinische Literatur sowie u¨ ber j¨udische Sitten und Br¨auche zu vertiefen, galt zu seiner Zeit unter den Protestanten als bester Kenner der rabbinischen Wissenschaften. Sein wichtigstes Anliegen war der Erweis der Unversehrtheit und unbedingten Zuverl¨assigkeit des hebr¨aischen Bibeltextes einschließlich der Vokalisation. Er ver¨offentlichte u. a. einen Thesaurus grammaticus linguae sanctae hebraeae [. . .] (1609, 61663). B., Vater von Johannes → B. d. J., starb an der Pest. C RGG

Buxtorf, Johannes d. J., schweizer. reformierter Theologe, * 13. 8. 1599 Basel, † 16. 8. 1664 Basel. ¨ studierte in seiner HeiDer Sohn von Johannes → B. d. A. matstadt Theologie und wurde sechzehnj¨ahrig zum Magister promoviert. Er ging dann nach Heidelberg, besuchte 1619 die niederl¨andische Generalsynode zu Dordrecht und begab sich anschließend auf Studienreisen nach England, Frankreich und Genf. Seit 1624 gemeiner Helfer in Basel, wurde B. 1627 Diakon zu St. Peter und 1630 als Nachfolger seines Vaters in Basel auf den Lehrstuhl der Hebraistik berufen. 1647 erhielt er den f¨ur ihn geschaffenen Lehrstuhl f¨ur Dogmatik, den er 1654 gegen die Professur f¨ur Altes Testament eintauschte. B. pl¨adierte f¨ur die These der Unversehrtheit der hebr¨aischen Bibeltexte, vertrat diese nachhaltig in einer umfangreichen Korrespondenz und trug so zur Ausbildung der orthodoxen, auf die Masora bezogenen Inspirationslehre bei, die in der Formula Consensus Helvetica von 1675 dargelegt wurde. C RGG

Buz, Carl Christoph, Ingenieur, Fabrikant, * 6. 4. 1803 Wiesenbronn bei Kitzingen, † 18. 10. 1870 Augsburg. B., Sohn eines Milit¨ars im kgl. bayerischen Kriegsministerium, schlug zun¨achst ebenfalls eine milit¨arische Laufbahn ein. 1835 schied er als Milit¨aringenieur-Oberleutnant aus, um eine Stelle beim „Aktienverein M¨unchen-AugsburgerEisenbahn“ anzunehmen, und leitete seit 1838 den Bau der Teilstrecke Nannhofen-Augsburg. 1844 pachtete B. zusammen mit seinem Schwager Carl August → Reichenbach die Maschinenfabrik Ludwig → Sanders und wandelte diese nach dem Kauf (1855) in eine AG um (1857). Nach dem Ausscheiden Reichenbachs 1861 hatte B. die alleinige Gesch¨aftsf¨uhrung inne und konzentrierte sich auf die Bereiche Eisenbahnbr¨uckenbau und Milit¨arlieferungen. 1864 gab er die Leitung des Unternehmens an seinen Sohn Heinrich von → B. weiter. Neben seinem Engagement f¨ur die Maschinenfabrik Augsburg AG war B. Mitbegr¨under der Baumwollfeinspinnerei in Augsburg und bet¨atigte sich in der Gasund Z¨undholzindustrie. Seit 1854 geh¨orte er dem Magistratsrat der Stadt Augsburg an.

Buz, Heinrich Ritter von, Ingenieur, Industrieller, * 17. 9. 1833 Eichst¨att, † 8. 1. 1918 Augsburg. Nach dem Studium an der Polytechnischen Schule in Augsburg und am Polytechnikum in Karlsruhe war B., Sohn von Carl Christoph → B., als Ingenieur im Elsaß, in Paris und London t¨atig. 1857 trat er in die Maschinenfabrik Augsburg AG ein, deren alleinverantwortlicher Direktor er seit 1864 war. 1873 wurde hier die erste Rotationsmaschine f¨ur den Zeitungsdruck entwickelt, 1879 baute man als erste deutsche Fabrik eine liegende zweikurbelige Verbunddampfmaschine, 1888 gefolgt von einer Dampfmaschine mit dreistufiger Dampfexpansion, die das Unternehmen weltber¨uhmt machte. 1893 schloß B. den Vertrag mit Rudolf → Diesel, ¨ der vier Jahre sp¨ater zur Entwicklung des ersten Olverbrennungsmotors f¨uhrte, dem bald der Bau des Schiffsdieselmotors folgte. 1898 vereinigte B. die Augsburger Firma mit der

Bys Maschinenfabrik-AG N¨urnberg zur Vereinigten Maschinenfabrik Augsburg und Maschinenbaugesellschaft N¨urnberg AG (seit 1909 MAN), deren Generaldirektor (mit Anton von → Rieppel) er bis 1913 war. C Leb Bayer Schwaben, Bd 10

und gen von von

bem¨uhte sich um die Schaffung sozialer Einrichtunf¨ur Offiziere und Soldaten sowie um die Versorgung deren Hinterbliebenen. B.-R. war der Vater von Artur → B.-R. C NDB

Buzengeiger, Karl Heribert Ignatius, Mathematiker, Mineraloge, * 16. 3. 1771 T¨ubingen, † 7. 9. 1835 Freiburg / Breisgau. Aus a¨ rmlichen Verh¨altnissen stammend, mußte B. sein Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften an der Univ. T¨ubingen durch eine T¨atigkeit als Hauslehrer finanzieren. Er ging danach nach Stuttgart und Berlin und wurde Mathematiklehrer in N¨urnberg, sp¨ater in Ansbach. 1819 folgte B. einem Ruf als o. Prof. der Mathematik und Mineralogie an die Univ. Freiburg / Breisgau, wo er bis zu seinem Tod, zuletzt mit dem Titel großherzoglicher badischer Hofrat, wirkte. Neben mathematischen Vorlesungen hielt B. seit 1825 auch Vorlesungen u¨ ber Mineralogie; er schrieb u. a. die Abhandlung Leichte und kurze Darstellung der Differentialgleichung (1809). C ADB

Bylandt-Rheidt, Artur Graf von, o¨ sterr. Politiker, * 3. 2. 1854 Prag, † 6. 7. 1915 Baden (Nieder¨osterreich). Nach dem Abschluß des rechtswissenschaftlichen Studiums trat der Sohn von Arthur von → B.-R. in den Verwaltungsdienst der Statthalterei in Br¨unn ein und war 1878 im Unterrichts-, seit 1879 im Innenministerium t¨atig. 1892 zum Hofrat im Unterrichtsministerium in Wien ernannt, leitete er das Departement f¨ur Volks-, sp¨ater f¨ur Fachschulen. 1897 wurde er Ackerbauminister, ein Jahr sp¨ater Unterrichtsminister und amtierte 1900 als Senatspr¨asident beim Verwaltungsgerichtshof. 1902-04 u¨ bernahm B.-R. das Amt des Statthalters von Ober¨osterreich und bem¨uhte sich als Innenminister (1905 / 06) um die Reaktivierung des b¨ohmischen Landtags sowie um die Einf¨uhrung des allgemeinen Wahlrechts.

Buzorini, Ludwig, Mediziner, * 1801 Buchau, † 4. 3. 1854 Ehingen / Donau. B. ließ sich seit 1817 zun¨achst zum Apotheker ausbilden und studierte seit 1820 in T¨ubingen Medizin. 1822 gewann er eine Preisfrage u¨ ber die Leib-Seele-Beziehung (Untersuchungen u¨ ber die k¨orperlichen Bedingungen der verschiedenen Formen von Geisteskrankheiten, 1824 ver¨offentlicht). 1824 ließ sich B. in Ehingen als Arzt nieder. Er ver¨offentlichte u. a. Grundz¨uge einer Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten (1832), Der Typhus und dessen Erscheinungen oder die Typhoseptosen, pathogenetisch und therapeutisch erl¨autert (1836) und Luftelektricit¨at, Erdmagnetismus und Krankheitsconstitution (1840). 1854 publizierte er Das Blei, ein rationelles Heilmittel gegen Typhus, kurz bevor er selbst dem Typhus erlag.

Byloff, Fritz, o¨ sterr. Jurist, * 8. 8. 1875 Marburg, † 12. 5. 1940 Graz. Der Sohn eines k. u. k. Oberbaurats studierte an der Univ. Graz Rechtswissenschaften, wurde 1897 zum Dr. jur. promoviert, war dann als Rechtsanwalt t¨atig und habilitierte sich 1902 an der Univ. Graz f¨ur Strafrecht. Hier wurde B. 1910 zum a. o., 1940 zum o. Prof. ernannt und war Mitglied der historischen Landeskommission f¨ur die Steiermark sowie Pr¨ases der judiziellen Strafpr¨ufungskommission. B. besch¨aftigte sich neben der Rechtsdogmatik und Rechtspolitik mit rechtsphilosophischen und volkskundlichen Studien. Er ver¨offentlichte u. a. Das Verbrechen der Zauberei (crimen magiae). Ein Beitrag zur Geschichte der Strafrechtspflege in Steiermark (1902), Volkskundliches aus Strafprozessen der Alpenl¨ander (1929) und Hexenglaube und Hexenverfolgung in den o¨ sterreichischen Alpenl¨andern (1934).

Byk, Alfred, Physiker, * 4. 3. 1878 Berlin, † n. e. B. absolvierte 1896-1902 an den Universit¨aten Berlin und Freiburg / Breisgau sein Studium, das er in Berlin 1902 mit der Promotion (Zur Kenntnis einiger Pyrimidinderivate) abschloß. 1905 habilitierte er sich an der TH BerlinCharlottenburg f¨ur physikalische Chemie, im folgenden Jahr f¨ur Physik an der Univ. Berlin und war seit 1908 als Assistent am dortigen Institut f¨ur theoretische Physik t¨atig. 1910 erfolgte seine Ernennung zum Prof., seit 1921 war B. dort und seit 1922 an der TH a. o. Prof. und wirkte dort bis zu seiner Emeritierung 1933. B. ver¨offentlichte u. a. Einf¨uhrung in die kinetische Theorie der Gase (1910) und Die idealen Gase (1910).

Bylandt-Rheidt, Arthur (Maximilian Adrian) Graf von, o¨ sterr. Milit¨ar, Waffentechniker, * 5. 5. 1821 Wien, † 21. 2. 1891 Wien. B.-R., Sohn eines Offiziers, trat 1833 in das o¨ sterr. Heer ein, kam sp¨ater in den Generalstab, nahm an den Kriegen 1848 / 49 und 1859 teil und wandte sich dem Waffenwesen zu. Er galt als ausgezeichneter Ballistiker (u. a. Ballistische Formeln und deren Anwendung, 1868), wurde 1869 Pr¨asident des Technischen Milit¨arkomitees und 1876-88 Reichskriegsminister. B.-R. setzte sich f¨ur die Modernisierung der technischen Ausr¨ustung sowie f¨ur die Vereinfachung der Verwaltung ein; er wurde 1882 Feldzeugmeister

Bys, Johann Rudolf, auch Byss, schweizer. Maler, getauft 11. 5. 1662 Chur, † 11. 12. 1738 W¨urzburg. Der aus einem verarmtem Solothurner Patriziergeschlecht stammende B. wurde zun¨achst von seinem Vater unterrichtet, bildete sich aber in erster Linie autodidaktisch aus und begab sich auf Studienreisen durch Deutschland, Holland, England und Italien, bevor er sich um 1689 in Prag niederließ, wo er im selben Jahr heiratete und 1692 das B¨urgerrecht erwarb. Seit 1694 in die dortige Malerzunft aufgenommen, war er zunehmend als Dekorationsmaler f¨ur den b¨ohmischen Adel t¨atig, f¨uhrte u. a. Malereien im Prager Stracka-Palais aus und hatte die Aufsicht u¨ ber die Gem¨aldegalerie des Grafen Czernin. Er begab sich 1707 auf eine Reise nach Italien und war seit 1713, im Dienst der F¨ursten → Sch¨onborn stehend, in Franken, W¨urttemberg, Breslau und seit 1729 in Wien t¨atig, wo er mit der Deckenausmalung im Hauptsaal der Reichskanzlei betraut wurde. 1730-31 war B. im Stift G¨ottweig t¨atig, danach malte er zusammen mit seinen Sch¨ulern verschiedene Kirchen in W¨urzburg aus. 1736 wurde B. zum Leiter der Innenausstattung der W¨urzburger Residenz ernannt, wobei er mit dem Architekten Balthasar → Neumann zusammenarbeitete. Neben Monumentalmalerei hinterließ B. C AKL Stilleben und Tafelgem¨alde.

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C Cabisius, Julius, Musiker, * 15. 10. 1841 Halle / Saale, † 4. 4. 1898 Stuttgart. C. erhielt den ersten musikalischen Unterricht von seinem Vater und wurde mit 14 Jahren Sch¨uler des Cellisten Julius → Goltermann am Prager Konservatorium. Sp¨ater wurde er in die Hofkapelle von Friedrich Wilhelm Konstantin von Hohenzollern-Hechingen im schlesischen L¨owenberg aufgenommen. 1864 wechselte er nach Meiningen und im folgenden Jahr zur Hofkapelle nach Stuttgart, wo er u¨ ber 25 Jahre lang als Cellist auch solistisch t¨atig war. 1876 erfolgte seine Ernennung zum Kammermusiker und 1889 zum Prof. am Stuttgarter Konservatorium. Nachdem er 1891 in den Ruhestand getreten war, lebte C. vor¨ubergehend in Bremen und T¨ubingen, seit 1895 wieder in Stuttgart. C ADB Caemmerer, Ernst von, Jurist, * 17. 1. 1908 Berlin, † 23. 6. 1985 Berlin. C. studierte Rechtswissenschaften in M¨unchen und Berlin, wo er 1931 promoviert wurde (Gesetzliche Erfolge). Nach einer mehrj¨ahrigen T¨atigkeit als Assistent und Referendar am Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut f¨ur Internationales Privatrecht in Berlin (1930-37) arbeitete er als Justitiar in der Bankwirtschaft, bis er 1939 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm er seine Arbeit als Justitiar wieder auf und folgte 1947 einem Ruf als Prof. des B¨urgerlichen Rechts sowie des Handels-, Arbeitsund Wirtschaftsrechts an die Univ. Freiburg / Breisgau. Neben seiner Lehr- und Publikationst¨atigkeit (Wandlungen des Deliktrechts, 1960, 21964) trat C. als Mitglied des St¨andigen Schiedsgerichtshofs in Den Haag sowie der Deutschen Atomkommission hervor.

Caesar, Joachim, Pseud. Aeschacius Major Dobreboranus, C. von Jo(a)chimsthal, C. de Salis valle Joachimici, Pahsch ¨ Bastel von der Sohle, Ubersetzer, Dichter, * um 1580 / 85 Halle. C., Sohn eines Rektors in Halle, wurde bereits 1588 an der Univ. Leipzig (vermutlich pro forma), 1595 an der Univ. Jena (honoris causa) immatrikuliert, konnte an den genannten Universit¨aten aber erst 1604 bzw. 1605 den akademischen Eid leisten. Nach Reisen durch Frankreich, Italien und Spanien (um 1617) und dem Studium der spanischen Sprache bei Joaqu´ın Vicente Soler war er seit 1622 wie¨ der in Halle. Der Uberlieferung nach soll er sp¨ater Hofund Justizrat in Magdeburg gewesen sein, eventuell 1628 in den Diensten der Grafen von Oldenburg gestanden und auch Kontakte nach K¨othen besessen haben. C. schrieb zun¨achst lateinische Hochzeitslieder, wurde dann aber vor allem durch ¨ seine Ubertragungen aus dem Franz¨osischen, Italienischen ¨ und Spanischen bekannt. Zu seinen wichtigsten Ubersetzungen z¨ahlen die von Juan Huartes Examen de Ingenios ins Lateinische (Scrutinium Ingeniorum, 1622, 31663) sowie die erste, 1669 zun¨achst unter Pseudonym erschiene Teil¨ubertragung von Cervantes Don Quijote (Kap. 1-23) ins Deutsche (Don Kichote de la Mantzscha, Das ist Juncker Harnisch auß Fleckenland, Neuausg. 1928). Im Vorwort zum Cervantes-Band gab C. eine ausf¨uhrliche Einf¨uhrung in ¨ seine Ubersetzungsarbeit und lieferte damit einen bedeuten¨ den Beitrag zur Ubersetzungstheorie des 17. Jahrhunderts. C Killy

Caesar, Johann Martin, auch Caesare, Cesare, Giovanni, Komponist, * vor 1590 wahrscheinlich in Italien, † 6. 2. 1667 M¨unchen. C. ist seit 1603 als Posaunist in Udine nachweisbar. 1605 verließ er Udine und war seit etwa 1610 Kammerdiener des Markgrafen → Karl von Burgau in G¨unzburg / Donau und als oberster Musiker Mitglied der Hofkapelle. Seit 1615 im Dienst des bayerischen Herzogs, wurde er 1622 Kammerdiener des Kurf¨ursten → Maximilian I. C. bildete viele Musiker aus. Seine Kompositionen, darunter ein Magnificat und mehrere geistliche Konzerte, erschienen zum Teil in Sammelwerken. C MGG Caesar, Johann Melchior, eigentl. Kayser, Komponist, * um 1648 Zabern (Elsaß), † 18. 10. 1692 Augsburg. C., Sohn eines Schulmeisters und Sakristans, erhielt ersten musikalischen Unterricht beim Schulmeister an der Zaberner Lateinschule, Urban Ludwig Murschhauser, und sang als Chorknabe an der Stiftskirche. Seit 1663 studierte er an der Univ. W¨urzburg, wo er vor allem vom Hofkapellmeister Philipp Friedrich → Buchner gepr¨agt wurde. C. war seit 1677 Domkapellmeister in Breslau und seit 1679 „Capellenmeister“ in W¨urzburg. 1685 wechselte er als Kapellmeister an die Augbsurger Domkirche. Neben kirchenmusikalischen Werke (Offertorien, Messen) komponierte C. Instrumentalwerke (u. a. Lustiger Balletten erster Teil, bestehend aus LX Intraden [. . .] von 4 Instrumenten, 1684) und weltliche Vokalmusik (Musikalischer Wend-Unmuth, bestehend in unterschiedlich lustigen Quodlibeten und kurzweiligen Teutschen Concerten, 1688). C MGG Caesar, Karl Adolf, Philosoph, * 12. 4. 1744 Dresden, † 12. 1. 1811 Leipzig. C. studierte Philosophie und Rechtswissenschaften in Leipzig, erwarb 1769 den Magistergrad und habilitierte sich im folgenden Jahr. Danach als Privatlehrer t¨atig, wurde er 1778 a. o. Prof. und 1789 o. Prof. der Philosophie an der Univ. Leipzig, deren Rektor er vier Mal war. C. ver¨offentlichte u. a. Betrachtungen u¨ ber die wichtigsten Gegenst¨ande der Philosophie (1783), Denkw¨urdigkeiten aus der philosophischen Welt (6 Bde., 1784-88) und Pragmatische Darstellung des Geistes der neuesten Philosophie des In- und Auslan¨ des (3 Bde., 1800-03) sowie Ubersetzungen philosophischer Werke aus dem Italienischen und Franz¨osischen. 1787-93 gab er die „Philosophischen Annalen“ heraus. Caesar, Peter, Jurist, Politiker, * 30. 11. 1939 Oldenburg, † 30. 12. 1999 Idar-Oberstein. C. studierte Rechtswissenschaften in Berlin und Bonn, legte 1969 das zweite juristische Staatsexamen ab und machte sich als Rechtsanwalt in Idar-Oberstein selbst¨andig. 1970 schloß er sich der FDP an, deren rheinland-pf¨alzischem Landesvorstand er seit 1983 angeh¨orte. Seit 1974 war er Mitglied des Kreistags Birkenfeld. 1987 wurde C. rheinland-pf¨alzischer Justizminister, geh¨orte dem Landtag an und war seit 1998 stellvertretender Ministerpr¨asident von Rheinland-Pfalz. Er privatisierte einzelne Teilaufgaben der Justiz, u. a. Versorgungsausgleichsverfahren, und setzte 1999 das sog. Optionsmodell im Staatsb¨urgerschaftsrecht durch.

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Caesarius Caesarius von Heisterbach, Zisterzienser, theologischer Schriftsteller, * um 1180, † nach 1240. Nachdem er die Domschule in K¨oln absolviert hatte, trat C. 1199 in das Zisterzienserkloster Heisterbach bei K¨onigswinter ein. Er wurde dort Novizenmeister, 1227 Prior. F¨ur den liturgischen Gebrauch sowie zur Belehrung und Erbauung der Novizen verfaßte C. Predigten und vor allem Exempelerz¨ahlungen. Insbesondere der Dialogus miraculorum (entstanden 1219-23; Ausgaben 1481, 1851, hrsg. von J. Strange, 2 Bde., Nachdr. 1966) – noch heute eine aufschlußreiche Quelle f¨ur die Kulturgeschichte des 13. Jh. – machte ihn zu einem der meistgelesenen Autoren seiner Zeit. Außerdem wurde er als Biograph des Erzbischofs → Engelbert von K¨oln bekannt. C. vefaßte Schriften u¨ ber die heilige → Elisabeth von Th¨uringen und einen Katalog der K¨olner Erzbisch¨ofe. C VL

Caesarius von Speyer, Franziskaner, * Ende 12. Jh. Speyer, † um 1239 Italien. Als Sch¨uler → Konrads von Speyer studierte C. seit 1212 in Paris. Er wirkte als Bußprediger in Speyer, zog mit den Kreuzfahrern nach Syrien und hielt sich seit 1217 als Subdiakon in Jerusalem auf, wo ihn Elias von Cortona f¨ur den Franziskanerorden gewann. Gemeinsam mit Franz von Assisi kehrte C. 1220 nach Italien zur¨uck und wurde im folgenden Jahr mit der F¨uhrung der nach Deutschland ziehenden Minoriten betraut. Er organisierte die Verteilung der ersten Niederlassungen des Ordens in den Donau- und Rheinlanden und hielt 1222 in Worms das erste Provinzialkapitel ab. Seit 1223 war er wieder in Assisi. Nach der Erz¨ahlung des Angelus Clarenus soll er sich dort bei Streitigkeiten um das Armutsideal an die Spitze der Gegner des Elias von Cortona gestellt haben und von diesem eingekerkert worden sein. Ein W¨achter habe ihn bei einem vermeintlichen Fluchtversuch erschlagen. C LexMA

C¨asarius, Johannes, Humanist, * um 1468 J¨ulich, † Dezember 1550 K¨oln. C. studierte seit etwa 1491 in K¨oln und Paris und wurde in K¨oln zum Magister promoviert. Danach war er als Privatlehrer u. a. des Grafen Hermann von → Neuenahr t¨atig und unternahm Reisen nach Rom und Bologna, wo er seine Studien des Griechischen fortsetzte. Er wirkte seit 1510 in K¨oln, seit 1513 in M¨unster als Griechischlehrer, wurde dann in Siena zum Dr. med. promoviert und praktizierte vor¨ubergehend in K¨oln als Arzt. Sp¨ater setzte er seine Lehrt¨atigkeit als Latinist und Gr¨azist in Mainz (1524, 1529), Leipzig (1527) und Moers (1546) fort und wurde durch seine Lehrb¨ucher zur Grammatik und Rhetorik (Compendiaria artis grammaticae institutio, 1525) und seine Ausgaben von Werken von Horaz, Plinius und Boethius bekannt. Zu den Sch¨ulern von C., der u. a. mit → Melanchthon einen ausgedehnten Briefwechsel pflegte, geh¨orten Petrus → Mosellanus und → Agrippa von Nettesheim. C NDB Cah´en, Fritz Max, Journalist, Politiker, * 8. 12. 1891 Saarlouis, † 29. 8. 1966 Bonn. Nach dem Studium in Marburg und Paris lebte C., Sohn eines Kaufmanns, kurze Zeit als freier Journalist in Paris und Berlin, ehe er sich 1914 als Freiwilliger zum Kriegsdienst meldete. 1915-18 hielt er sich als Korrespondent der „Frankfurter Zeitung“ in Kopenhagen auf; 1919 war er als Pressereferent des Reichsaußenministers Ulrich Graf von → Brockdorff-Rantzau im Ausw¨artigen Amt t¨atig. Er geh¨orte der Regierungsdelegation bei der Weimarer Nationalversammlung sowie der deutschen Delegation bei den Friedensverhandlungen in Versailles an. W¨ahrend der zwanziger Jahre lebte C. als freier Journalist zumeist in Berlin und Paris. Er war Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei, 1930 Wahlkampfleiter der Deutschen Staatspartei. Nach

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Aufenthalten in Monte Carlo und der Tschechoslowakischen Republik (1931) siedelte er 1932 nach Dresden u¨ ber, wo er noch im gleichen Jahr die antifaschistische Widerstandsorganisation „Deutscher Vortrupp“ ins Leben rief. 1933 nach Prag emigriert, arbeitete er bei dem Exilfilm Kuß im Schnee mit und unternahm Reisen im Auftrag tschechischer Zeitungen. C. geh¨orte zu den Gr¨undern der „Volkssozialistischen Bewegung“ (1935) sowie der „Deutschen Front gegen das Hitlerregime“ (1937). 1937 ging er in die USA, wo er f¨ur verschiedene Bl¨atter arbeitete, u. a. f¨ur die „Washington Post“. 1954 kehrte er nach Deutschland zur¨uck. C. ver¨offentlichte u. a. Der Weg nach Versailles. Erinnerungen 1912-1919. Schicksalsepoche einer Generation (1963). C Lex dt-j¨ud Autoren

Cahensly, (Simon) Peter Paul, Kaufmann, Politiker, * 28. 10. 1838 Limburg / Lahn, † 25. 12. 1923 Koblenz. C., Sohn eines Kaufmanns, erhielt 1856-59 eine kaufm¨annische Ausbildung in K¨oln und war 1861-68 in Le Havre t¨atig. 1868 u¨ bernahm er die elterliche Kolonialwarenhandlung in Limburg / Lahn, die er zu einem Großhandelsgesch¨aft ausbaute. 1871 rief er den „St.-Raphaels-Verein“ zum Schutz der kath. deutschen Auswanderer ins Leben, den er 1899-1919 als Generalsekret¨ar leitete und dessen Aktivit¨aten er durch Publikationen unterst¨utzte (Der Auswandererapostel P. Lambert Rethmann, 1909). 1898-1903 geh¨orte C. dem Reichstag, 1886-1916 dem preuß. Abgeordnetenhaus an und machte sich in den neunziger Jahren an die Sanierung des Zentrumsorgans „Germania“ verdient. C NDB

Cahn, Herbert A., Numismatiker, M¨unzh¨andler, *28. 1. 1915 Frankfurt-Main † 5. 4. 2002 Basel. C., Sohn eines Numismatikers, studierte in seiner Heimatstadt Arch¨aologie, alte Geschichte und Philologie, mußte das Studium 1933 abbrechen und emigrierte in die Schweiz. Gemeinsam mit seinem Bruder Erich C. gr¨undete er in Basel einen M¨unzhandel (seit 1942 M¨unzen und Medaillen AG) und schloß sein Studium dort 1940 mit der Promotion ab (Die M¨unzen der sizilischen Stadt Naxos). 1965 erhielt er eine Stelle als Dozent an der Uni. Heidelberg, wo er 1971 zum Honorarprofessor ernannt wurde, C. arbeitete an Karl → Schefolds 1960 erschienenem Buch Meisterwerke grieschischer Kunst mit und ver¨offentlichte u. a. Griechische M¨unzen der archaischen Zeit (1947). 1949-64 war er Redakteur der „Schweizer M¨unzbl¨attter“, 1981-87 der Schweizerischen Numismatischen Rundschau. C. war Mitgr¨under der Zeitschrift „Antike Kunst.“ Cahn-Garnier, Fritz, Jurist, Politiker, * 20. 6. 1889 Mannheim, † 8. 6. 1949 Mannheim. Das Studium der Rechte in Heidelberg, M¨unchen, Berlin und Freiburg / Breisgau schloß C.-G., Sohn eines Arztes, 1913 mit der Promotion ab. Er trat in den Staatsdienst ein und wurde 1922 Stadtsyndikus von Mannheim und 1925 Beigeordneter der Stadt. 1933 wurde er wegen seiner politischen Einstellung und seiner j¨udischen Herkunft entlassen und war zeitweise inhaftiert. Mit Heinrich → Hoeniger gab er mehrere juristische Schriften heraus. 1938 wurde C.-G. in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte er seine Arbeit als Mannheimer Stadtsyndikus wieder aufnehmen, wurde Landesdirektor der Finanzen in Karlsruhe und 1946 Finanzminister von W¨urttemberg-Baden. 1947 wurde er Leiter der neuerrichteten W¨urttembergisch-Badischen Landeszentralbank und Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrats, 1948 Oberb¨urgermeister von Mannheim. C Bad Bio N.F., Bd 3

Cahn-Speyer, Rudolf S., Musikwissenschaftler, Dirigent, * 1. 9. 1881 Wien, † 25. 12. 1940 Florenz. In Wien, Leipzig und M¨unchen studierte C.-S., Sohn eines Bankiers, seit 1899 zun¨achst Naturwissenschaften, konzen-

Calberla trierte sich aber zunehmend auf die Musikwissenschaft als Sch¨uler u. a. von Hugo → Riemann und Arthur → Nikisch. Nach der Promotion 1908 (Franz Seydelmann als dramatischer Komponist) war er als Dirigent in Kiel und Hamburg t¨atig, bis er sich 1911 in Berlin niederließ. Dort unterrichtete er am Klindworth-Scharwenka-Konservatorium, ver¨offentlichte musiktheoretische Schriften (Das Wesen der Oper, 1913) und u¨ bernahm 1913 den Vorsitz des Verbandes konzertierender K¨unstler Deutschlands, den er bis 1931 innehatte. Nach einer vor¨ubergehenden T¨atigkeit an der Volksoper in Budapest und der Teilnahme am Ersten Weltkrieg kehrte er nach Berlin zur¨uck und wurde als Musikexperte Mitglied des Reichswirtschaftsrats. Seit 1926 war er Leiter des Verbandes Deutscher Orchester- und Chorleiter sowie Beisitzer im B¨uhnen-Sch¨offengericht. 1933 emigrierte C.-S. nach Florenz, 1938 in die Schweiz. Er ver¨offentlichte u. a. ein Handbuch des Dirigierens (1919). C Lex dt-j¨ud Autoren

Cahnmann, Werner Jacob, auch Cahnman, Nationalo¨ konom, Soziologe, * 30. 9. 1902 M¨unchen, † 29. 9. 1980 New York. Neben dem Studium der Wirtschafts-, Rechts- und Politikwissenschaften an den Universit¨aten M¨unchen und Berlin (1921-27) betrieb C., Sohn eines Chemiefabrikanten, Studien am M¨unchner J¨udischen Lehrhaus. 1927 in M¨unchen promoviert (Der o¨ konomische Pessimismus und das Ricardosche System), wurde er 1928 Mitarbeiter an der Industrieund Handelskammer, 1929 Assistent am Weltwirtschaftlichen Institut in Kiel und 1930 Syndikus im Landesverband Bayern des Centralvereins deutscher Staatsb¨urger j¨udischen Glaubens. 1933 zun¨achst interniert, arbeitete C. 1934-38 als Statistiker bei der Israelitischen Kultusgemeinde, wurde erneut verhaftet und emigrierte 1939 nach England, 1940 in die USA. Dort war er zun¨achst im Buch- und Versandhandel t¨atig, lehrte 1943-45 als Dozent f¨ur Soziologie an der Fisk University und der Vanderbilt University in Nashville (Tennessee) sowie an der Univ. in Atlanta (Georgia) und war seit 1945 Redakteur des „Chicago Jewish Forum“. 1950-53 war er bei der International Broadcasting Division t¨atig. 1956 wurde er Dozent am Hunter College, sp¨ater an der Yeshiva University in New York, 1961 Prof. f¨ur Soziologie an der Rutgers University in New Brunswick (New Jersey) und 1963 Mitglied der Fakult¨at f¨ur Soziologie an der New School for Social Research in New York. C. gr¨undete die Commission on Sociological History sowie die Rashi Association in New York. Er ver¨offentlichte u. a. V¨olkische Rassenlehre. Darstellung – Kritik – Folgerungen (1932) und German Jewry. Its history and sociology (1989). C Lex dt-j¨ud Autoren Cain, Hans, Pathologe, * 12. 5. 1919 Stendal, † 11. 6. 1983 Stuttgart. Nach dem Studium und der Promotion (1944) in W¨urzburg wurde C. zum Milit¨ardienst eingezogen. Aus der Kriegsgefangenschaft zur¨uckgekehrt, arbeitete er am Pathologischen Institut in N¨urnberg, wechselte 1954 nach W¨urzburg und habilitierte sich dort mit der Studie Geschwulstzellenausbreitung in die Lunge, innerhalb der Lunge und u¨ ber die Lunge hinaus. 1964 ging er nach Stuttgart, wo unter seiner Leitung 1968 eine Abteilung f¨ur Elektronenmikroskopie, ein Zytologisches Labor und eine Abteilung f¨ur Immunpathologie eingerichtet wurden. Seit 1978 war C. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft f¨ur Pathologie. Calagius, Andreas, Dichter, * 30. 11. 1549 Breslau, † 21. 11. 1609 Breslau. C. arbeitete zun¨achst als Schulrektor im polnischen Wierusz´ow, kehrte 1576 in seine Heimatstadt Breslau zur¨uck und wurde dort Lehrer am Maria-Magdalena-Gymnasium

und 1579 Pr¨azeptor am Elisabethanum. Er verlor jedoch 1591 seine Anstellung und lebte von gelegentlichen Zuwendungen des Breslauer Stadtrats. Kaiser → Rudolf II. kr¨onte ihn zum poeta laureatus (sp¨atestens 1597). Der vielseitige Gelehrte ver¨offentlichte lyrische Werke zu biblischen und historischen Stoffen, eine Sammlung von Epigrammen Epigrammatum centuriae septem, 1602) sowie Lehrb¨ucher und ¨ historisch-biographische Studien. Mit einer Ubersetzung und Auff¨uhrung von Nicodemus → Frischlins Rebecca und Susanna setzte er sich f¨ur das sp¨athumanistische Drama ein. C Killy

Calaminus, Georg(ius), eigentl. R¨ohrich(t), Lehrer, Dramatiker, * 23. 4. 1549 Silberberg (Schlesien), † 29. 11. 1595 Wien. C., der zun¨achst das v¨aterliche Handwerk des Seifensieders erlernt hatte, besuchte seit 1566 die Schule in Glatz und sp¨ater das Breslauer Gymnasium. Seit 1572 war er als Privatlehrer in Straßburg t¨atig, wo er 1575 den Magistergrad erlangte. F¨ur das Straßburger Schultheater u¨ bersetzte C. ein Drama des Euripides und schrieb selbst biblische Theaterst¨ucke und Versepen. 1578 folgte er einem Ruf als Konrektor an die Landschaftsschule in Linz (Ober¨osterreich). Dort setzte er seine schriftstellerische T¨atigkeit fort und vero¨ ffentlichte u. a. 1594 das Geschichtsdrama Rudolphottokarus. Austriaca tragoedia. Im folgenden Jahr kr¨onte ihn → Rudolf II. zum poeta laureatus. C Killy

Calandrelli, Alexander (Emil Lodovico), Bildhauer, * 9. 5. 1834 Berlin, † 26. 5. 1903 Berlin. Der Sohn des 1832 von Rom nach Berlin berufenen Gemmenschneiders Giovanni C. besuchte 1847-50 die Berliner Kunstakademie und arbeitete dann in den Ateliers von Friedrich → Drake (seit 1852) und August → Fischer (seit 1855). 1864 er¨offnete er ein eigenes Atelier in Berlin, wurde zun¨achst durch dekorative kunsthandwerkliche Arbeiten bekannt und erhielt 1871 seinen ersten großen staatlichen Auftrag zur Anfertigung eines Bronzereliefs an der Siegess¨aule mit Szenen aus dem Deutsch-Franz¨osischen Krieg. Die meisten seiner weiteren monumentalen Werke schuf C. f¨ur Berlin, darunter das Reiterstandbild → Friedrich Wilhelms IV. vor der Nationalgalerie (1886). Seit 1883 Mitglied der Berliner Akademie, wurde er 1884 zum Prof. und 1887 zum Senatsmitglied der Akademie ernannt. C AKL Calberla, Heinrich (Conrad) Wilhelm, Kaufmann, * 29. 6. 1774 Walle bei Braunschweig, † 22. 8. 1836 Dresden. Zun¨achst zum Drechsler ausgebildet, wurde C., Sohn eines Stiftsvogts, 1800 B¨urger von Dresden und gr¨undete dort 1817 eine Zuckersiederei. Er beteiligte sich insbesondere am Seehandel und rief 1822 mit anderen die „ElbWestindische-See-Handlungs-Compagnie“ ins Leben. Zum schnelleren Transport des Rohrzuckers von Hamburg nach Dresden begr¨undete C. die Frachtschiffahrt auf der Elbe. Sein Schiff zog 1834 / 35 als erster Frachtdampfer von Hamburg aus elbaufw¨arts bis nach Dresden. C NDB Calberla, Johann Friedrich Wilhelm, Publizist, * 28. 2. 1805 Nordgermersleben, † 4. 4. 1880 Oldenburg. Seit 1823 / 24 in Oldenburg als Barbiergeselle und Musiklehrer t¨atig, mußte C., Sohn eines Chirurgen, diese Berufe nach einigen Jahren wegen einer Arml¨ahmung aufgeben. Er u¨ bernahm die Herausgeberschaft der Zeitschrift „Der Beobachter“, in der er Theater- und Musikkritiken ver¨offentlichte. Wegen der Sch¨arfe dieser Artikel wurde er mehrfach verklagt; als er sich 1849 in politischen Artikeln als Wortf¨uhrer der Demokraten engagierte, stellte man ihn auch wegen Majest¨atsbeleidigung vor Gericht. 1855 wurde C. Direktor des Oldenburger Tivolitheaters; seit 1861 bet¨atigte er sich als Gesindemakler. C Oldenburg

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Calcheim Calcheim, Wilhelm von, auch Calchum, genannt Lohausen, Milit¨ar, Diplomat, * 1584 Lohausen (Berg), † 6. 1. 1640. Nachdem er sich als pf¨alzischer Gesandter an verschiedenen deutschen H¨ofen aufgehalten hatte, trat C. 1610 in die Armee des Kurf¨ursten → Johann Sigismund von Brandenburg ein und beteiligte sich u. a. an der Belagerung von J¨ulich. Als General der Artillerie nahm er 1625 seinen Abschied, wurde Kriegskommissar am kgl. Hof von D¨anemark und ging 1628 als Truppenkommandant nach Bremen. Zwei Jahre sp¨ater stand er in mecklenburgischen und in schwedischen Diensten und wurde zum Gouverneur von Magdeburg und Wismar ernannt. C., der sich als Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft dem Studium der Sprachen und der Mathematik gewidmet hatte, u¨ bertrug Werke des Sallust und ver¨offentlichte Resolutiones geometricas.

Calcum, Gerhard Romilian von, auch Calckum, genannt Leuchtmar, Staatsmann, * 15. 12. 1589 Spich (Rheinland), † 28. 10. 1644 Berlin. C. studierte in K¨oln und trat 1619 in das Heer der schlesischen St¨ande unter Markgraf Johann Georg von Brandenburg-J¨agerndorf ein, das am b¨ohmischen Aufstand teilnahm. Nach der Niederlage am Weißen Berg begleitete er den Markgrafen noch kurze Zeit als Rat und Kammerherr, ehe er in kurbrandenburgische Dienste wechselte. Als Hofund Kammergerichtsrat u¨ bernahm C. zunehmend diplomatische Missionen in Schweden, Dresden und Frankfurt / Main und wurde 1633 zum Geheimen Rat ernannt. Als Gegner des Beitritts Brandenburgs zum Prager Frieden nahm er 1636 seinen Abschied, wurde aber von Kurf¨urst → Friedrich Wilhelm 1640 zur¨uckberufen und schloß im folgenden Jahr den brandenburgisch-schwedischen Waffenstillstand ab. C NDB Cal´e, Walter, Schriftsteller, * 8. 12. 1881 Berlin, † 3. 11. 1904 Berlin. Der Sohn eines Kaufmanns studierte zun¨achst Rechtswissenschaft in Berlin und Freiburg / Breisgau, brach aber das Studium ab und widmete sich der Philosophie. Er verfaßte einen mehrb¨andigen Roman sowie philosophische und philologische Schriften, die er jedoch vernichtete, bevor er sich das Leben nahm. Erhalten blieben Gedichte, Dramen, Tagebuchnotizen sowie Romanfragmente, die den Einfluß der Prosa Gottfried → Kellers und E. T. A. → Hoffmanns zeigen und lebhaftes Aufsehen erregten, als sie 1907 mit einem Vorwort von Fritz → Mauthner unter dem Titel Nachgelassene Schriften erschienen. C Lex dt-j¨ud Autoren Calenberg, Philippine von, Pseud. Clythia, Ly¨ane, Cyane, Schriftstellerin, * 14. 12.(?) 1765 Kassel, † 20. 9. 1848 Obernkirchen. Nach dem Tod ihres Vaters, des Obristen Wilhelm Moritz von C., lebte C. als Stiftsdame in Obernkirchen bei B¨uckeburg. Aus dieser Zeit stammen ihre ersten lyrischen Ver¨offentlichungen in der Zeitschrift „Luna“ (1789). 1806 kehrte sie nach Kassel zur¨uck und lernte dort den Schriftsteller Ernst von der → Malsburg kennen, mit dem sie Dramen des Pedro Calder´on de la Barca u¨ bersetzte. In Anerkennung ihrer dichterischen Leistung in dem 1807 erschienenen Band Reseda ließ ihr der Herzog von Sachsen-Gotha eine Pension zukommen. 1817 folgte sie Malsburg nach Dresden; nach dessen Tod zog sie abermals nach Obernkirchen, schrieb Gedichte und hielt literarische Zirkel ab. C Westf Autoren, Bd 1 Calenus, Christian, eigentl. Kahle, Mediziner, Mathematiker, * 11. 10. 1529 Fehmarn, † 24. 3. 1617 Greifswald. Nach dem Studium in L¨ubeck (seit 1540), Rostock und Greifswald wurde C. Lehrer an der Greifswalder Kirchenschule. Seit 1552 lehrte er an der Univ. als lector gramma-

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tices und Prof. der Mathematik. Er reiste 1554 nach Wittenberg, sp¨ater nach Italien, um Medizin zu studieren, und wurde 1560 in Pisa zum Dr. med. promoviert. Als Prof. der Medizin kehrte er 1561 an die Greifswalder Univ. zur¨uck, wo er insbesondere durch die Einf¨uhrung neuer Statuten an der Medizinischen Fakult¨at hervortrat. C. ver¨offentlichte neben medizinischen auch mathematische und historische Abhandlungen (Heroes Romani ex 2 Livii desumti et carmine redditi). C ADB

Calice, Heinrich Graf von, o¨ sterr. Diplomat, * 31. 3. 1831 G¨orz, † 28. 8. 1912 St. Peter bei G¨orz. C., Sohn eines Gutsbesitzers, absolvierte staats- und rechtswissenschaftliche Studien in Wien und Heidelberg und war zun¨achst in Wien und Triest t¨atig. Seit 1859 im diplomatischen Dienst, nahm er 1869-71 an der ostasiatischen Expedition des Admirals Anton Frh. von Petz teil. C. f¨uhrte als Ministerresident in Shanghai den o¨ sterr. Konsulatsdienst in Ostasien ein. Weitere diplomatische Missionen f¨uhrten ihn 1874 nach Bukarest und 1876 zur Konferenz von Konstantinopel. 1880 erfolgte seine Berufung zum Botschafter in Konstantinopel. Bei seiner Pensionierung 1906 wurde er in den Grafenstand erhoben. C NDB Caliga-Ihle, Auguste, S¨angerin, * 13. 4. 1862 Arolsen (Waldeck), † 7. 6. 1931 M¨unchen. Als Sch¨ulerin von Mathilde → Marchesi de Castrone wurde C.-I. in Wien ausgebildet und erhielt dann ein Engagement am Frankfurter Opernhaus. Gemeinsam mit ihrem sp¨ateren Mann, dem Tenoristen Friedrich → Caliga-Reh, nahm sie in der Rolle der Br¨unnhilde im Ring des Nibelungen an der Tournee des Richard-Wagner-Ensembles unter Angelo → Neumann teil. Nach ihrer Heirat 1883 sang sie in Augsburg, Basel, Mainz, Halle / Saale und schließlich in Dessau. Sie war dort sowie sp¨ater in Weimar und M¨unchen auch als Gesangsp¨adagogin t¨atig. C Kutsch Caliga-Reh, Friedrich, S¨anger, * 26. 12. 1858 Darmstadt, † 28. 9. 1904 Dessau. C.-R. studierte in Mailand als Sch¨uler Francesco Lampertis und deb¨utierte am Stadttheater in Kiel in der Rolle des Manrico in Verdis Troubadour. Sp¨ater sang er als Heldentenor am Leipziger Opernhaus und nahm 1881 an der großen Tournee mit Angelo → Neumanns wandernder Wagner-B¨uhne teil. Seit 1883 mit der Kammers¨angerin Auguste → Caliga-Ihle verheiratet, nahm er wechselnde Engagements in Aachen, Augsburg, Stettin und Halle / Saale an, bis er 1894 zum Ensemble des Hoftheaters in Dessau kam. Zu seinen wichtigsten Rollen z¨ahlten der Loge in → Wagners Ring-Zyklus sowie der Max in Carl Maria von → Webers Freisch¨utz. C Kutsch

Calinich, Hermann Julius Robert, luth. Theologe, Lehrer, * 28. 1. 1834 Niederfriedersdorf bei Neusalza, † 13. 1. 1883 Wiesbaden. C. absolvierte theologische und philologische Studien in Leipzig und trat nach seinem ersten theologischen Examen 1858 eine Stelle als Hauslehrer an. Seit 1863 Diakon und seit 1869 Pfarrer in Chemnitz, folgte er 1872 einem Ruf als Hauptpastor nach Hamburg. 1880 wurde er Mitglied einer Kommission, die den Kleinen Katechismus → Luthers neu edieren sollte. In dieser Eigenschaft publizierte er 1882 D. Martin Luthers kleiner Katechismus. Beitrag zur Textrevision desselben. C ADB

Calisius, Johann Heinrich, eigentl. J. H. Keulisch, Pseud. Kloridan von Wohlau, evang. Theologe, Dichter, * 1633 Wohlau (Schlesien), † 30. 3. 1697 Gaildorf bei Limburg. Der Sohn eines herzoglichen Leibarztes besuchte die Universit¨aten Leipzig und Straßburg und fand fr¨uh Kontakt zum N¨urnberger Dichterkreis der „Pegnitzsch¨afer“, in deren Stil

Callenberg er 1655 einen Gedichtband herausgab. Er wurde zun¨achst Privatlehrer in Stuttgart, dann Pfarrer in M¨unster / Neckar und Archidiakon in G¨oppingen. Von dort aus folgte er einem Ruf des Grafen von Limpurg-Gaildorf als Hofprediger nach Sulzbach und sp¨ater als Superintendent nach Gaildorf. Seine geistlichen Lieder erschienen 1654 unter dem Titel And¨achtige Hauskirche. C Killy

Calixt, Friedrich Ulrich, auch Calixtus, luth. Theologe, * 8. 3. 1622 Helmstedt, † 13. 1. 1701 Helmstedt. Der Sohn von Georg → C. studierte in Helmstedt und Leipzig Philosophie und Medizin, ehe er sich dem Studium der Theologie zuwandte. 1650 wurde er zum Prof. der Theologie an der Univ. Helmstedt berufen. In seinen theologischen Anschauungen eng an die seines Vaters angelehnt, geh¨orte C. zu den eifrigsten Verfechtern der calixtinischen Theologie in der zweiten H¨alfte des 17. Jh. und wandte sich in den fortgesetzten „synkretistischen“ Streitigkeiten gegen den Ausschließlichkeitsanspruch der luth. Orthodoxie (Via ad pacem inter protestantes restaurandam, 1700). C NDB Calixt, Georg, auch Calixtus, luth. Theologe, * 14. 12. 1586 Medelby (Schleswig), † 19. 3. 1656 Helmstedt. C., dessen Vater Johann Calissen, ein Pastor, noch Sch¨uler → Melanchthons gewesen war, studierte in Helmstedt seit 1603 die Artes und seit 1607 Theologie. Nach Studienreisen durch Deutschland, Belgien, England und Frankreich erhielt er 1614 noch vor der Promotion (1616) eine theologische Professur an der Univ. Helmstedt, die er bis zu seinem Lebensende bekleidete. C. erstrebte eine Einigung der christlichen Kirchen auf der Grundlage des Apostolischen Glaubensbekenntnisses und des christlichen Altertums (De praecipuis Christianae religionis capitibus, 1613); er postulierte einen Lehrkonsens der ersten Jahrhunderte. Die Differenz zwischen dem universalen calixtinischen und dem orthodoxlutherischen Kirchenbegriff f¨uhrte zu dem sogenannten „synkretistischen Streit“ um das luth. Selbstverst¨andnis. Der Versuch Abraham → Calovs und anderer, mittels einer neuen Bekenntnisschrift (1655) C. und seine Schule aus dem Luthertum auszuschließen, schlug fehl. C., dessen o¨ kumenisches Bewußtsein traditionsbildend wirkte, gilt als der bedeutendste luth. Ireniker des 17. Jahrhunderts. Er war der Vater von Friedrich Ulrich → C. C TRE

1898 zum Bezirksamtsassessor in Mallersdorf ernannt. 1900 promoviert (Die Anf¨ange des badischen Budgetrechts), habilitierte er sich im selben Jahr in Freiburg / Breisgau f¨ur Staats- und Verwaltungsrecht und erhielt 1903 einen Ruf als Ordinarius nach Gießen. 1913 wechselte er nach Kiel, kehrte aber 1919 nach Freiburg zur¨uck, wo er bis zu seiner Emeritierung 1935 als Prof. wirkte. Seine Forschungsbeitr¨age sind großenteils verfassungs- und v¨olkerrechtlichen Fragen gewidmet (Die v¨olkerrechtliche Sicherung der wirtschaftlichen Freiheit zu Friedenszeiten, 1918). C Munzinger

Call zu Rosenburg und Kulmbach, Friedrich Frh. von, o¨ sterr. Jurist, * 16. 10. 1854 St. Pauls bei Bozen, † 27. 5. 1917 Wien. Nach dem Studium und erster juristischer Praxis wurde C., Sohn eines Juristen und Bruder von Guido → C., 1882 in das Justizministerium berufen. Er stieg dort bis zum Ministerialrat auf und ging 1892 als Oberlandesgerichtspr¨asident nach Innsbruck. Er wurde Mitglied des Reichsgerichts und des Staatsgerichtshofs, 1904 Geheimer Rat und 1912 auf Lebenszeit Mitglied des o¨ sterr. Herrenhauses. In seiner Eigenschaft als Berichterstatter der Juridischen Kommission wirkte C. bei zahlreichen wirtschaftsrechtlichen Gesetzesreformen mit. Auch an der Einrichtung der Urheberrechtskonvention mit dem Deutschen Reich war er beteiligt. In einer Ver¨offentlichung wandte er sich gegen die Einf¨uhrung der Zivilehe (Gegen die Siebenb¨urger Ehen, 1893). C NDB

Call zu Rosenburg und Kulmbach, Guido Frh. von, o¨ sterr. Diplomat, Politiker, * 6. 9. 1849 Triest, † 12. 5. 1927 Graz. Nach dem Besuch der Orientalischen Akademie in Wien seit 1872 im o¨ sterr. diplomatischen Dienst, wurde C. f¨ur kurze Zeit nach Teheran und 1875-92 nach Konstantinopel entsandt. Dann war er in Berlin und seit 1895 in Sofia t¨atig, bis er 1900 als Handelsminister im Kabinett K¨orber nach ¨ Osterreich zur¨uckkehrte. Bekannt wurde er durch den auf sein Betreiben hin durchgef¨uhrten großz¨ugigen Ausbau des Hafens von Triest. Die Zusammenfassung aller k¨unstlichen ¨ Wasserstraßen Osterreich-Ungarns zu einem System konnte er nicht durchsetzen. Nach seinem R¨ucktritt 1905 wurde C. ¨ Erster Sektionschef im Ministerium des Außeren (1907-09). Als Botschafter in Tokio nahm er 1909-11 seine diplomatische T¨atigkeit noch einmal auf. C NDB

† 15. 5. 1957 Moosach bei Grafing. C., Bruder von Wilhelm van → C., studierte an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, M¨unchen und Berlin. Seiner Promotion in M¨unchen 1888 (Das Recht des Milit¨ars zum administrativen Waffengebrauch) folgte 1891 die Habilitation in Halle. Seit 1895 Extraordinarius, wurde er 1896 als Prof. des Straf-, Strafprozeß- und Zivilprozeßrechts nach Straßburg berufen. C. wirkte seit 1902 als Kommissionsmitglied bei der Revision des Strafprozeßordnung und des Strafrechts mit. 1912-18 geh¨orte er f¨ur die Nationalliberale Partei dem Reichstag an. 1921 folgte er einem Ruf als Prof. des Strafrechts und der Gesetzgebungspolitik an die M¨unchner Univ., wo er bis zu seiner Emeritierung 1934 lehrte. C. publizierte juristische und politologische Forschungsbeitr¨age und Abhandlungen (u. a. Wesen und Sinn der politischen Parteien, 1928, 21930). C Haunfelder, Lib Abg

Callenbach, Franz, auch Kallenbach, Pseud. Vermelius, Wurmsam, Jesuit, Dramatiker, * 10. 1. 1663 Dittwar bei Tauberbischofsheim, † 3. 2. 1743 Darmstadt. Der Sohn eines Amtsschreibers besuchte das Jesuitengymnasium in W¨urzburg, trat 1683 in Mainz in den Jesuitenorden ein und war 1685-90 als P¨adagoge in Bamberg t¨atig. Die Jahre 1694-97 und 1703-21 verbrachte er als Prediger und Lehrer an der Wetzlarer Jesuiten-Residenz, dazwischen wirkte er als Prinzenerzieher in Wanfried (1697), als Lehrer am Bamberger Jesuitenkolleg (1698) und als Missionar im els¨assischen Hagenau (1702). Seit 1721 leitete er die Jesuitenschule in W¨urzburg, bis er 1725 als Sekret¨ar des Provinzials der oberdeutschen Ordensprovinz wiederum nach Bamberg zog. In der Wetzlarer Zeit schrieb C. acht satirische Kom¨odien mit gesellschaftskritischen Anspielungen u. a. auf Mißst¨ande im Reichskammergericht (Wurmatia Wurmland, 1714), die beim zeitgen¨ossischen Publikum sehr beliebt waren. C Killy

Calker, Wilhelm van, Jurist, * 1. 5. 1869 Reutin bei

Callenberg, Johann Heinrich, evang. Missionar,

Lindau, † 15. 4. 1937. Der Bruder von Fritz van → C. erg¨anzte seine juristischen Studien, die er in M¨unchen und Berlin absolviert und 1895 abgeschlossen hatte, durch ein landwirtschaftliches Studium an den Landwirtschaftlichen Akademien in Weihenstephan und Hohenheim sowie an der TH M¨unchen. Er trat in den bayerischen Justiz- und Verwaltungsdienst ein und wurde

* 12. 1. 1694 Molschleben bei Gotha, † 16. 7. 1760 Halle / Saale. Nach dem Studium der Theologie und Philologie in Halle wurde der aus a¨ rmlichen Verh¨altnissen stammende C., Sohn eines Bauern, dort 1727 a. o., 1735 o. Prof. der orientalischen Sprachen; 1739 erhielt er zus¨atzlich eine theologische Professur. Er gr¨undete in Halle 1728 das „Institutum Judaicum“

Calker, Fritz van, Jurist, * 24. 10. 1864 Wesel,

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Calles zum Zweck der Mission unter Juden und Muslimen. Zu dem Institut, das Missionare in europ¨aische und asiatische L¨ander entsandte, geh¨orte eine Spezialdruckerei, in der Missionsschriften in hebr¨aischer, arabischer, persischer und t¨urkischer Sprache hergestellt wurden; fast 500 fremdsprachige Titel sind nachgewiesen. C. selbst ver¨offentlichte u. a. die Nachricht von einem Versuch, die verlassenen Mohammedaner zur heilsamen Erkenntnis Christi zu bringen (1739). C RGG

Pastor in Sch¨onberg. 1764 erhielt er eine Stelle als Pfarrer in Pl¨on, 1769 in Zarpen und 1782 in Oldesloe. Anfang der neunziger Jahre des 18. Jh. ver¨offentlichte er mehrere Erbauungsschriften (u. a. Die letzten Tage unseres Herrn Jesu Christi nach Marcus), die ihn bekannt machten und zu seiner Berufung zum Generalsuperintendenten von Holstein f¨uhr¨ ten. Zus¨atzlich bekleidete er bis zu seinem Tod die Amter eines Oberkonsistorialrates und Kirchenpropstes in Rendsburg. C SHBL, Bd 3

Calles, Sigismund, Jesuit, Klassischer Philologe, Historiker, * 12. 3. 1695 Aggsbach (Nieder¨osterreich), † 3. 1. 1767 Wien. Mit 15 Jahren trat C. in den Jesuitenorden ein und widmete sich dem Studium der Philosophie und der klassischen Sprachen. Er war Lehrer an den Gymnasien in Klagenfurt und Leoben (Steiermark), bis er 1737 eine Professur f¨ur Geschichte an der Univ. Wien u¨ bernahm. 1746 zog er sich aus der universit¨aren Lehre zur¨uck und unterrichtete erneut an Schulen. C. ver¨offentlichte kirchen- und profanhistorische ¨ Werke u¨ ber Osterreich und Deutschland (Annales ecclesiastici Germaniae, 6 Bde., 1756-69).

Callot, Magdalena Freiin von, geb. von Wagmuth,

Callisen, Adolph Karl Peter, Chirurg, * 8. 4. 1786 Gl¨uckstadt, † 7. 3. 1866 Wandsbek (heute zu Hamburg). Nach dem Studium der Medizin in Kiel und Kopenhagen sowie der Promotion 1809 mit der Arbeit De jecinore unternahm C., Sohn eines Obergerichtsrats und sp¨ateren d¨anischen Justizrats und Bruder von Christian Friedrich → C., eine wissenschaftliche Reise durch Deutschland, die Schweiz, Italien und Holland und wurde 1813 Regimentschirurg beim ersten Leibregiment in Kopenhagen. 1816 zum a. o. Prof. an der Chirurgischen Akademie in Kopenhagen ernannt, wurde er 1829 o. Professor. Seit 1821 war er Mitglied des Collegium Academicum Chirurgicum und seit 1824 des K¨oniglichen Gesundheitskollegiums. Nach seiner Pensionierung ließ sich C., Mitglied auch der K¨oniglichen Medizinischen Gesellschaft in Kopenhagen, in Altona nieder. Zu sei¨ nen Ver¨offentlichungen geh¨oren die Ubersetzung und Herausgabe des Systems der neueren Chirurgie (1822) seines Onkels Heinrich Callisen, die Studie Hofrath und Professor Dr. Johann Bartholom. Trommsdorff zu Erfurt. Eine biographisch-literarische Skizze (1834, 21837) sowie vor allem das Medicinische Schriftsteller-Lexikon der jetzt lebenden Aerzte, Wund¨arzte, Geburtshelfer, Apotheker, und Naturforscher aller gebildeten V¨olker (33 Bde., 1830-45, Nachdruck 1964). C SHBL, Bd 3

Callisen, Christian Friedrich, evang. Theologe, Philosoph, * 20. 2. 1777 Gl¨uckstadt, † 3. 10. 1861 Schleswig. C., Bruder von Adolph Karl Peter → C., studierte Theologie und Philosophie in Kiel, Leipzig und Jena, wo er 1799 zum Dr. phil. promoviert wurde. Er habilitierte sich an der Philosophischen Fakult¨at in Kiel und lehrte als Privatdozent Erfahrungsseelenlehre, Logik, Moral und Naturlehre. Nach drei Jahren gab er jedoch seine akademische Laufbahn auf und ging als Pfarrer nach Hollingstedt. 1804 wurde er Kirchenpropst in H¨utten und Prediger in Schleswig, 1817 Mitglied des Gottorfer Oberkonsistoriums, 1835 Generalsuperintendent des Herzogtums Schleswig und 1845 Schloßprediger in Schleswig. C. ver¨offentlichte u. a. Kurzer Abriß einer philosophischen Encyklop¨adie (1802), Kurzer Abriß der christlichen Lehre in Spr¨uchen (1803, 71853), Kurzer Abriß einer popul¨aren und practischen Glaubenslehre (1852) und Entwurf einer durchaus auf practischem Grunde ruhenden Religionsphilosophie (1856). C SHBL, Bd 3

Callisen, Johann Leonhard, luth. Theologe, * 23. 8. 1738 Preetz, † 12. 11. 1806 Rendsburg. Im Anschluß an theologische Studien in G¨ottingen (1757-59) arbeitete C., Sohn eines Predigers, als Hauslehrer bei einem

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Schriftstellerin, * 1774 Eger, † 12. 10. 1831 Wien. C., die ausschließlich im elterlichen Haus erzogen wurde, besch¨aftigte sich fr¨uh mit literarischen Studien und wurde selbst schriftstellerisch t¨atig. Sie heiratete sp¨ater den k. k. Artillerieobersten Johann Frh. von C. und lebte gr¨oßtenteils in M¨ahren. Zu ihrem Werk z¨ahlen in erster Linie k¨urzere Romane sowie Erz¨ahlungen, die in Sammelb¨anden zwischen 1822 und 1828 erschienen (Licht- und Schattengem¨alde in gem¨uthlichen Erz¨ahlungen, 1822). C DLL

Callwey, Georg (Dietrich Wilhelm), Verleger, * 22. 10. 1854 Hamm, † 25. 2. 1931 M¨unchen. C., Sohn eines Lohgerbers und Ackerb¨urgers, erhielt eine buchh¨andlerische Ausbildung in Hamm, Berlin, Leipzig, D¨usseldorf und Augsburg, bevor er sich in M¨unchen niederließ. Dort gr¨undete er 1884 einen eigenen Verlag, dem er 1903 in Zusammenarbeit mit Gustav Kastner eine Druckerei hinzuf¨ugte. Die ersten belletristischen Verlagserscheinungen wurden bald durch die Malerzeitung „Die Mappe“ und weitere Titel aus dem Bereich der bildenden Kunst und Architektur abgel¨ost. Wichtigstes Projekt wurde die seit 1894 von Ferdinand → Avenarius herausgegebene Zeitschrift „Der Kunstwart“. C. war 1902-27 Gesch¨aftsf¨uhrer des von Avenarius gegr¨undeten D¨urer-Bundes, dessen Schriften ebenfalls in seiner Verlagsbuchhandlung erschienen. C NDB

Calm, Marie (Maria Caroline Wilhelmine), Pseud. Marie Ruhland, Lehrerin, Schriftstellerin, * 3. 4. 1832 Arolsen (Waldeck), † 22. 2. 1887 Kassel. Gegen den Willen ihrer Eltern ließ sich C., deren Vater Kaufmann und B¨urgermeister von Arolsen war, in einem Genfer Pensionat als Lehrerin ausbilden. 1853 wurde sie Erzieherin in England, 1858 in Rußland; 1862-65 leitete sie eine h¨ohere T¨ochterschule in Lennep. In Kassel beteiligte sie sich an der Gr¨undung und Leitung einer Bildungseinrichtung f¨ur konfirmierte M¨adchen. Seit 1865 widmete sie sich vermehrt der Schriftstellerei und ver¨offentlichte Gedichte (Bilder und Kl¨ange, 1871), Romane und Erz¨ahlungen. Als Vorstandsmitglied des Allgemeinen Deutschen Frauenvereins und Gr¨underin des Vereins f¨ur deutsche Lehrerinnen entfaltete C. ein reges publizistisches Engagement f¨ur Frauenfragen. Ein Teil ihrer Aufs¨atze erschien 1874 in dem Sammelband Weibliches Wirken in K¨uche, Wohnzimmer und Salon. C Lex dt-j¨ud Autoren Calmeyer, Hans, Jurist, * 23. 6. 1903 Osnabr¨uck, † 3. 9. 1972 Osnabr¨uck. C., Sohn eines Richters, studierte Jura in Freiburg / Breisgau, Marburg und M¨unchen, wo er vor¨ubergehend der „Schwarzen Wehrmacht“ angeh¨orte. 1932 ließ er sich als Rechtsanwalt in Osnabr¨uck nieder. Im folgenden Jahr wurde er wegen angeblicher kommunistischer Bet¨atigung mit Berufsverbot belegt, das jedoch im Mai 1934 aufgehoben wurde. Seit 1939 Soldat, wurde er 1941 – aus der Wehrmacht entlassen – Anwalt beim Reichskommissariat f¨ur die besetzten Niederlande. In seiner Funktion als Leiter der „Entscheidungsstelle f¨ur Zweifelsf¨alle der Abstammung“ rettete C. tausenden Juden, f¨ur die seit Januar 1941 Meldepflicht bestand, das Leben, indem er gef¨alschte oder zweifelhafte

Calv¨or Papiere, die dem Inhaber eine nicht j¨udische Herkunft bescheinigten, akzeptierte, den Betroffenen daf¨ur auch Ratschl¨age gab, Verfahren verz¨ogerte und sie vor der Deportation warnte. Nach Kriegsende in Internierungshaft, kehrte er 1948 nach Osnabr¨uck zur¨uck, wo er wieder als Anwalt und Notar t¨atig war. 1992 erkannte Yad Vashem C. als „Gerechten unter den V¨olkern“ an. C Gerechte

Calonder, Felix, schweizer. Politiker, * 7. 12. 1863 Scuol, † 14. 6. 1952 Z¨urich. C., Sohn eines Zimmermanns und Baumeisters, durchlief eine Handelslehre in St. Gallen und war in Catania kaufm¨annisch t¨atig, studierte jedoch sp¨ater in Z¨urich, M¨unchen, Paris und Bern Jura. Nach seiner Promotion 1890 (Ein Beitrag zur Frage der schweizerischen Neutralit¨at) ließ er sich als Rechtsanwalt in Chur nieder. 1891 wurde er als Abgeordneter der Freisinnig-Demokratischen Partei in den B¨undner Großen Rat gew¨ahlt. Seit 1899 im St¨anderat, wurde er 1913 als erster R¨atoromane Mitglied des Bundesrats. Dort wurde ihm zun¨achst die Leitung des Departements des Innern u¨ bertragen, bis er 1917 das Politische Departement und zugleich das Amt des Bundespr¨asidenten u¨ bernahm. C., der sich 1919 f¨ur den Beitritt der Schweiz zum V¨olkerbund einsetzte, trat 1920 zur¨uck und u¨ berwachte 1921-37 in Katowice im Auftrag des V¨olkerbundes die Einhaltung des deutsch-polnischen Vertrags u¨ ber Oberschlesien. C Schweiz Bundesr¨ate Calov, Abraham, eigentl. Kalau, luth. Theologe, * 16. 4. 1612 Mohrungen, † 25. 2. 1686 Wittenberg. C., Sohn eines kurf¨urstlichen Rentmeisters, studierte seit 1626 in K¨onigsberg, wo er 1632 den Magistergrad erwarb, setzte sein Studium 1634 in Rostock fort und wurde 1637 zum Dr. theol. promoviert. Er kehrte nach K¨onigsberg zur¨uck, wurde Adjunkt der Theologischen Fakult¨at und hatte seit 1640 eine a. o. Professur der Theologie inne. W¨ahrend seiner Studien- und Lehrjahre in Rostock und K¨onigsberg entstanden seine wichtigsten philosophischen Arbeiten, u. a. ein Tractatus novus de methodo (1632), mit dem er das Verfahren aller Wissenschaft zu regulieren suchte, eine Gnostologia (1632 / 33), die wie die Metaphysica divina und weitere Schriften in den 1651 herausgegebenen Scripta philosophica erschienen. 1643 ging C. als Schulrektor und Pastor nach Danzig. Auf dem Thorner Religionsgespr¨ach 1645 erwies er sich als polemischer Wortf¨uhrer des orthodoxen Luthertums gegen den Helmstedter Synkretismus um Georg → Calixt, dessen Ausschluß aus der luth. Fraktion er durchsetzte und den er auch weiterhin, ebenso wie die ihn beg¨unstigende brandenburgische Kirchenpolitik, erbittert bek¨ampfte. Seit 1650 Prof. in Wittenberg, versuchte er, alle von der Orthodoxie abweichenden Gruppierungen mittels einer neuen Bekenntnisschrift (Consensus repetitus fidei vere lutheranae, 1655) aus der luth. Kirche auszuschließen; der Vorstoß scheiterte jedoch am Widerstand der Jenaer Theologischen Fakult¨at. C. stritt in seinen dogmatischen Schriften auch gegen die Sozinianer (Scripta anti-sociniana, 3 Bde., 1684), Labadisten und Jesuiten sowie Jacob → B¨ohme. Eines der Hauptwerke luth. Orthodoxie ist C.s Systema locorum theologicorum (12 Bde., 1655-77). Gegen Hugo Grotius und die Anf¨ange der historisch-kritischen Bibelauslegung k¨ampfte er mit seiner Biblia illustrata (1672-76, 21719). Der streitbare Theologe, in dem die luth. Orthodoxie kulminierte, war sechsmal verheiratet und verlor bei seinen Lebzeiten f¨unf seiner Ehefrauen und seine 13 Kinder durch den Tod. C TRE Calow, Theodor (Walter), Unternehmer, * 16. 7. 1828 Blachta bei Kulm, † 2. 3. 1906 Bielefeld. Der Sohn eines Gutsbesitzers machte in Berlin eine Lehre als Schmied und war danach Werkmeister und Monteur bei

der Maschinenfabrik L. Schwartzkopff. 1859 ging er als Maschinenmeister zu den Ravensberger Spinnereien nach Bielefeld und gr¨undete 1863 die Eisengießerei und Maschinenfabrik Theodor Calow & Cie., deren Alleininhaber er 1873 wurde. Durch Auftr¨age vor allem aus der florierenden Bielefelder Textilindustrie erlebte das Unternehmen einen raschen Aufschwung und erlangte bis zu C.s Tod eine international f¨uhrende Stellung im Textilmaschinenbau. C. war 1889 Mitgr¨under der Mechanischen Weberei Ravensberg in Schildesche und 1891-1906 deren Aufsichtsratsvorsitzender. 1877-88 war er Stadtverordneter von Bielefeld. C Rhein Westf Wirt, Bd 14

Calvinus, Justus, auch Baronius, evang., sp¨ater kath. Theologe, * Mai 1572 Wetter (Hessen), † nach 1616 Mainz (?). Bereits als Student der evang. Theologie in Heidelberg (seit 1587) besch¨aftigte sich C. mit dem Katholizismus. Seine spektakul¨are Konversion zur kath. Kirche (1601) hatte eine p¨apstliche Einladung nach Rom sowie Promotionen in Perugia zum Dr. theol. und in Siena zum Dr. jur. zur Folge. Seither nannte sich C. nach seinem G¨onner, dem Kardinal, Baronius. Er ver¨offentlichte mehrere polemische und apologetische Schriften (Praestantissimorum adversus haereticos perpetuorum ex SS. orthodoxis potissimum Patribus tractatus VI, 1608). In Mainz bekleidete er die Stelle eines Assessors und seit 1605 des Direktors des geistlichen Konsistoriums. C NDB Calvisius, Sethus, eigentl. Setz Kalwitz, Kirchenmusiker, Musiktheoretiker, * 21. 2. 1556 Gorsleben (Th¨uringen), † 24. 11. 1615 Leipzig. Der Sohn eines Tagel¨ohners finanzierte das Studium an den Universit¨aten Helmstedt (seit 1579) und Leipzig (seit 1580) mit Kurrendesingen. 1581 wurde er Kantor der Paulinerkirche, im folgenden Jahr Kantor und Lehrer der hebr¨aischen Sprache an der F¨urstenschule Pforta. Von 1594 bis zu seinem Lebensende wirkte C. als Kantor an der Thomasschule und als Musikdirektor der Hauptkirchen in Leipzig. Der vielseitige Gelehrte ver¨offentlichte Schriften auf den Gebieten der Chronologie (Opus chronologicorum, 1605, 81685) und Astrologie sowie musikp¨adagogische und -theoretische Werke wie die an Gioseffo Zarlino anschließende Tonsatzlehre Melopoiia sive Melodiae condendae ratio (1592, 2 1630, Nachdr. 1973). Zu seinen Kompositionen z¨ahlen u. a. Hymnen, Motetten sowie eine Choralsammlung. C MGG Calv¨or, Caspar, luth. Theologe, Musiktheoretiker, * 8. 11. 1650 Hildesheim, † 11. 5. 1725 Clausthal. C., Sohn eines Pfarrers, studierte in Jena und Helmstedt, erwarb 1674 den Grad eines Magisters und erhielt 1677 eine Stelle als Diakon in Zellerfeld. 1683 wurde er Superintendent, 1708 Konsistorialrat und 1710 Generalsuperintendent in Clausthal. In den synkretistischen und pietistischen Streitigkeiten seiner Zeit nahm C. eine vermittelnde Haltung ein. Er ver¨offentlichte historische und arch¨aologische sowie einige liturgische Arbeiten, in denen die Musik eine besondere Stellung einnimmt (De musica ac sigillatim de ecclesiastica eoque spectantibus organis, 1702; erw. Nachdr. in Rituale ecclesiasticum, Bd. 2, 1705). C. regte Georg Philipp → Telemann w¨ahrend dessen Schulbesuch in Zellerfeld (um 1694-97) zum praktischen Musizieren an. C MGG

Calv¨or, Henning, evang. Theologe, Lehrer, Montanist, getauft 25. 10. 1686 Silstedt bei Wernigerode, † 10. 7. 1766 Altenau. Mit Hilfe eines Stipendiums der Grafen Stolberg studierte C., Sohn eines Dorfschneiders, Theologie und besch¨aftigte sich daneben mit Mathematik, Mechanik und dem Bergbauwesen. Er wurde 1713 Konrektor der Schule in Clausthal,

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Calwer wo er in erster Linie Mathematik und Mechanik unterrichtete und 1729 zum Rektor avancierte. Im gleichen Jahr u¨ bernahm er jedoch die Pfarrei von Altenau. C. ver¨offentlichte historische und theologische Schriften, zumeist in lateinischer Sprache. Zentrale Thematik seiner Publikationen auf dem Gebiet des Bergbaus sind die Maschinen (Historischchronologische Nachricht und praktische Beschreibung des Maschinenwesens im Oberharz, 2 Bde., 1763). 1765 erschien seine Historische Nachricht von der Unter- und gesamten Ober-Harzischen Bergwerke u¨ berhaupt (1765). C. setzte sich f¨ur die Gr¨undung einer Spezialschule f¨ur den Bergbau ein, die 1775 mit der Bergakademie Clausthal geschaffen wurde. C Matschoß: Tech

Calwer, Richard, Politiker, * 21. 1. 1868 Esslingen / Neckar, † 11. 6. 1927 Berlin. Nach dem Studium der evang. Theologie und der National¨okonomie in T¨ubingen, M¨unchen und Berlin schloß sich C., Sohn eines Lokomotivf¨uhrers, 1890 der SPD an und arbeitete 1891-95 als Redakteur des „Braunschweiger Volksfreunds“, dann als freier Journalist in Berlin. Seit 1898 geh¨orte er f¨ur eine Wahlperiode dem Reichstag an. Als Fachmann f¨ur Wirtschaftspolitik gab er 1900-13 das Handbuch Das Wirtschaftsjahr heraus und unterhielt seit 1906 ein wirtschaftsstatistisches B¨uro in Berlin. 1909 trat er nach Differenzen mit der Parteileitung aus der SPD aus, blieb aber in Kontakt mit der Gewerkschaftsbewegung. 1909-14 und 1923 gab C., der durch den von ihm entwickelten Preis- und Lebenshaltungsindex (Calwer-Index) bekannt wurde, die Zeitschrift „Konjunktur“ heraus. Er ver¨offentlichte u. a. Das Kommunistische Manifest und die heutige Sozialdemokratie (1894), Einf¨uhrung in den Socialismus (1896) und Wirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik (1913). Nach dem Ersten Weltkrieg setzte er sich f¨ur die europ¨aische Einigung ein, hatte jedoch seinen publizistischen Einfluß verloren. C. beging Selbstmord. C NDB

Camaro, Alexander, Maler, Schriftsteller, * 27. 9. 1901 Breslau, † 20. 10. 1992 Berlin. C. studierte 1920-25 Malerei an der Staatlichen Akademie f¨ur Kunst und Kunstgewerbe in Breslau bei Otto → Mueller, daneben Violine am Konservatorium und leitete dort 1926 / 27 eine eigene Malschule. 1928 Sch¨uler von Mary → Wigman in M¨unchen, war er danach vor allem als T¨anzer t¨atig, zuletzt an der Freien Volksb¨uhne, am Theater des Westens und an der Deutschen Oper in Berlin. 1933 entlassen und mit Ausstellungsverbot belegt, war er u. a. 1934-38 Ballettmeister in Gotha und unternahm bis 1944 zahlreiche Tourneen. Im Krieg gingen fast 200 Gem¨alde C.s verloren. Nach 1945 widmete er sich vor allem der Malerei und wirkte 1952-69 als Prof. an der Hochschule der bildenden K¨unste in Berlin (West). C. wurde zun¨achst durch Bilder mit Motiven aus der Welt des Theaters (u. a. Das H¨olzerne Theater, 1946) bekannt, schuf sp¨ater aber in der Gegenst¨andlichkeit zunehmend reduzierte, auch von o¨ stlicher Mystik beeinflußte Gem¨alde sowie u. a. Zeichnungen, Glasfenster, Wand- und B¨uhnenbilder. C. ver¨offentlichte auch Gedichte, Aphorismen und Essays. C AKL

Camel, Georg Joseph, auch Camell, Camellus, Jesuit, Naturforscher, Apotheker, * 21. 4. 1661 Br¨unn, † 2. 5. 1706 Manila. C., der das Br¨unner Klostergymnasium besucht und pharmakologische Studien betrieben hatte, trat 1682 in den Jesuitenorden ein. Er wurde 1685 als Apothekergeselle nach Neuhaus und 1686 in die Ordensapotheke in Krummau geschickt. Im folgenden Jahr reiste er mit einer Gruppe von Missionaren auf die Philippinen, wo er in Manila bis zu seinem Tod als Apotheker und Arzt t¨atig war. C. trat insbesondere als Naturforscher hervor: Er legte Sammlungen

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der philippinischen Flora, aber auch von Insekten und Mineralien an. Er stand u. a. mit dem englischen Naturforscher John Ray in Briefwechsel und lieferte diesem reichhaltiges Material. Ray nahm die Berichte C.s u¨ ber die philippinische Flora in den dritten Band seiner Historia plantarum (1704) auf. Linn´e hat zu Ehren C.s die Thea japonica in Camelia umbenannt. C. verfaßte u. a. Herbarum aliarumque stirpium insulˆa luzone philippinarum primarium nascentium (1707). C NDB

Camenisch, Anna Katherina, genannt Nina, schweizer. Schriftstellerin, * 23. 2. 1826 Sarn, † 13. 10. 1912 Sarn. C., Tochter eines Bauern, Landammanns und Richters, wuchs in Sarn und Versam auf; sie besuchte die Dorfschule und ein Institut in der franz¨osischen Schweiz. Sp¨ater arbeitete sie auf dem v¨aterlichen Hof und schrieb idyllisierende und patriotische Gedichte (Gedichte eines b¨undnerischen Landm¨adchens, 1856) sowie Novellen, die vom zeitgen¨ossischen Lesepublikum mit Begeisterung aufgenommen wurden. 1857 sammelte sie auf Fußreisen am Heinzenberg, im Domleschg, in Safien und im Pr¨attigau Volkssagen, die C HLS P. Plattner 1860 ver¨offentlichte.

Camenisch, Emil, schweizer. reformierter Theologe, * 17. 4. 1874 Sarn, † 17. 7. 1958 Tschappina. C. studierte Theologie in Basel und Berlin. 1899-1912 war er Pfarrer in Flerden-Urmein-Tschappina, 1912-43 in ValendasSagogn. C., eine f¨uhrende Pers¨onlichkeit im Kolloquium Ob dem Wald, war an der Gr¨undung der Vereinigung der Gruob und des Evangelischen Talasyls in Ilanz beteiligt. Er vero¨ ffentlichte u. a. eine B¨undnerische Reformationsgeschichte C BBKL (1920).

Camenisch, Paul, schweizer. Architekt, Maler, * 7. 11. 1893 Z¨urich, † 13. 2. 1970 Basel. C. studierte 1912-16 Architektur an der ETH Z¨urich und arbeitete die folgenden drei Jahre als Bauf¨uhrer in Ostpreußen, Berlin und Danzig. 1919-23 war er in verschiedenen Architekturb¨uros, insbesondere bei Hans → Bernoulli, t¨atig. Um 1924 / 25 wandte sich C. ganz der Malerei zu und gr¨undete zusammen mit seinem Lehrer Hermann → Scherer und mit Albert → M¨uller die K¨unstlergruppe Rot-Blau. Nach einem Aufenthalt bei Ernst Ludwig → Kirchner in Frauenkirch ließ er sich 1925 in Castel S. Pietro, 1930 in Basel nieder und war 1933 eines der Gr¨undungsmitglieder der Gruppe 33. 1944 beteiligte sich C. an der Gr¨undung der Partei der Arbeit und geh¨orte als deren Delegierter bis 1956 dem Basler ¨ Großen Rat an. Seine Zeichnungen und Olbilder zeigen Tessiner Landschaften sowie Interieurs; er schuf auch Portr¨ats und Selbstbildnisse. Als sein Hauptwerk gilt Das geliebte Leben (1961-63). C AKL

Camenzind, Josef Maria, Pseud. Rigisepp, schweizer. kath. Theologe, Schriftsteller, * 27. 2. 1904 Gersau (Kt. Schwyz), † 19. 9. 1984 Immensee (Kt. Schwyz). Zun¨achst Arbeiter in einer Seidenfabrik, studierte C., der durch den fr¨uhen Tod seines Vaters (1908) und die Krankheit seiner Mutter in a¨ rmlichen Verh¨altnissen aufgewachsen war, am Priesterseminar der Missionsgesellschaft Bethlehem in Wolhusen. Nach der Priesterweihe 1931 arbeitete er bis 1943 als Redakteur der Zeitschrift „Bethlehem“. 1943-47 war er Regens des Priesterseminars Sch¨oneck (Kt. Nidwalden), 1947-57 Generalratsmitglied der Missionsgesellschaft Bethlehem und seit 1957 Religionslehrer am Gymnasium, Seelsorger und Schriftsteller in Immensee. 1934 ver¨offentlichte C. erste sozial empfindsame, christlich orientierte Jugend- und Heimatgeschichten unter dem Titel Mein Dorf am See (61946). Ein Stubenhocker f¨ahrt nach Asien. Erlebtes und Erlauschtes auf einer Reise in den Fernen Osten

Camerarius (1939) und Da-Kai (1959) verarbeiten Erfahrungen von einer 1936 unternommenen Reise nach Ostasien (Mandschurei). 1943-48 war C. Vorstandsmitglied des Innerschweizer Schriftstellervereins. 1935 erhielt er den Preis der Schweizer Schillerstiftung, 1971 den Literaturpreis der Innerschweiz. C DLL, 20. Jh.

Camerarius, Elias, Mediziner, * 17. 2. 1673 T¨ubingen, † 8. 2. 1734 T¨ubingen. Der Sohn des Arztes Elias Rudolph → C. studierte in T¨ubingen Medizin und unternahm Studienreisen durch Deutschland, Holland und England, bevor er sich 1692 als Stadtphysikus in seiner Heimatstadt niederließ. Seit 1693 lehrte er als a. o. Prof. der Medizin an der T¨ubinger Univ. und ver¨offentlichte medizinische und philosophische Schriften (De medicinae depraedatione per philosophiam). Nachdem er 1708 den w¨urttembergischen Prinzen → Friedrich Ludwig auf einer Reise nach Turin begleitet hatte, wurde C., seit 1692 auch Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, 1710 zum Rat und Leibarzt des w¨urttembergischen Herzogs ernannt. C ADB

Camerarius, Elias Rudolph, Mediziner, * 7. 5. 1641 T¨ubingen, † 7. 6. 1695 T¨ubingen. Der Sohn des Arztes Johannes Rudolph C. begann im Alter von 12 Jahren in T¨ubingen mit Studien der Medizin und wurde dort 1663 promoviert (De acidulis). Nach mehrj¨ahriger Lehrt¨atigkeit und Praxis wurde er 1672 zum Leibarzt des Herzogs von W¨urttemberg ernannt und erhielt 1677 eine o. Professur der Medizin in T¨ubingen. C. verfaßte mehrere Abhandlungen auf anatomischem und pathologischem Gebiet (De subsidiis pro arte medica ab antilia pneumatica petendis) und wurde 1668 zum Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt. Er war der Vater von Elias und Rudolph Jakob → C. C ADB Camerarius, Heinrich, eigentl. K¨ammerer, Jurist, Diplomat, * 1547 Braunschweig, † 11. 2. 1601. C. studierte seit 1566 in Wittenberg und Rostock Rechtswissenschaften und wurde 1570 Magister, 1574 Lizentiat der Rechte. Er war Syndikus der Stadt Rostock und lehrte seit 1578 als o. Prof. an der dortigen Universit¨at. C. schrieb u. a. Disp. de deposito (1596). Im Auftrag der Stadt reiste er mehrmals nach Schweden sowie zu den Hansetagen in L¨ubeck. Außerdem stand er in den Diensten der Herz¨oge Ulrich von Mecklenburg, → Bogislaw und → Philipp von Pommern sowie der L¨uneburger F¨ursten und des Herzogs von Lauenburg, die ihn mit diplomatischen Missionen betrauten. C ADB ¨ eigentl. J. Kammermeister, Camerarius, Joachim d. A., Humanist, Philologe, * 12. 4. 1500 Bamberg, † 17. 4. 1574 Leipzig. Als Student in Leipzig (seit 1512) konzentrierte sich C., Sohn eines Ratsherrn in Bamberg, besonders auf die griechische Sprache. Er wechselte 1518 an die Erfurter Univ. und wurde Mitglied des dortigen Humanistenkreises. Seit 1521 in Wittenberg, wurde er 1522 Prof. f¨ur Rhetorik, freundete sich mit → Melanchthon an und u¨ bernahm durch dessen Vermittlung 1526 die Direktion des neuerrichteten Gymnasiums in N¨urnberg. C., der 1535 einem Ruf als Prof. nach T¨ubingen folgte und 1541 in gleicher Funktion nach Leipzig zur¨uckkehrte, leitete die reformatorische Umgestaltung der beiden Universit¨aten. Der um konfessionellen Ausgleich bem¨uhte C. nahm an den Ausgburger Reichstagen von 1530 und 1555 teil und beriet 1568 Kaiser → Maximilian II. bei seinem Versuch einer Religionsvereinigung. Wegen seiner ¨ Ubersetzungen (ins Lateinische) und Editionen klassischer ¨ Texte (u. a. Homer, Aristoteles, Asop, Sophokles) gilt er als einer der bedeutendsten Philologen seiner Zeit und eigentlicher Begr¨under des Studiums griechischer Literatur in

Deutschland. Er selbst verfaßte neben p¨adagogischen Arbeiten (Praecepta morum ac vitae, 1544) theologische und historisch-biographische Schriften (u. a. von Melanchthon und Eobanus → Hessus) und u¨ bersetzte → D¨urers Arbeit Von menschlicher Proportion 1532 ins Lateinische. Mit Melanchthon wechselte er viele Hunderte von Briefen. C. war der Vater von Joachim → C. d. J. und von Philipp → C. C Killy

Camerarius, Joachim d. J., Mediziner, * 6. 11. 1534 N¨urnberg, † 11. 10. 1598 N¨urnberg. ¨ und Bruder von Philipp Der Sohn von Joachim → C. d. A. → C. studierte in Wittenberg, u. a. bei → Melanchthon, und in Leipzig Medizin, hielt sich dann zwei Jahre in Breslau auf und setzte seine Studien in Padua und Bologna fort (Promotion 1562). 1564 erfolgte seine Ernennung zum Stadtarzt von N¨urnberg und bald darauf zum Leibarzt des Bamberger F¨urstbischofs Veit von → W¨urtzburg. C., der sich in N¨urnberg, wo er auch einen Botanischen Garten einrichtete, erfolgreich f¨ur eine Neuordnung des Gesundheitswesens einsetzte, wurde 1592 zum Vorsteher des neugegr¨undeten Collegium Medicum gew¨ahlt. Von seinen Ver¨offentlichungen waren insbesondere die botanischen Studien von Bedeutung (Hortus medicus et philosophicus, 1588, Neuausgabe der Commentarien des Pietro Andrea Mattioli zu Dioscorides, 1586). Er war der Vater von Ludwig → C. C Killy Camerarius, Ludwig, Staatsmann, * 22. 1. 1573 N¨urnberg, † 4. 10. 1651 Heidelberg (?). Der Sohn von Joachim → C. d. J. widmete sich in Leipzig, Helmstedt, Altdorf und Basel dem Studium der Rechte und praktizierte nach der Promotion (1597) am Reichskammergericht in Speyer. Seit 1598 stand er im Dienst des Kurf¨ursten von der Pfalz. Nachdem er 1603 und 1608 der pf¨alzischen Reichstagsgesandtschaft angeh¨ort hatte, r¨uckte er 1611 als Geheimer Rat zum eigentlichen Leiter der kurpf¨alzischen Reichspolitik auf. C. ging 1619 mit → Friedrich V. nach Prag und wurde im folgenden Jahr b¨ohmischer Geheimer Rat und Vizekanzler in Schlesien. Nach der Schlacht am Weißen Berg versuchte er, im sogenannten Kanzleienstreit die pf¨alzische Schuld am Kriegsausbruch publizistisch zu widerlegen, bis er 1623 im Haag Leiter der pf¨alzischen Exilpolitik wurde. Dabei propagierte er die Idee vom gesamteurop¨aischen Glaubenskampf und setzte sich entschieden f¨ur den Kriegseintritt Schwedensein. 1626-41 war C. schwedischer Gesandter in den Niederlanden, ließ sich 1645 in Groningen nieder und kehrte kurz vor seinem Tod nach Heidelberg zur¨uck. C NDB

Camerarius, Philipp, Jurist, Polyhistor, * 16. 5. 1537 T¨ubingen, † 23. 6. 1624 N¨urnberg. ¨ studierte in Leipzig, Der Sohn von Joachim → C. d. A. T¨ubingen und Straßburg und unternahm 1563-65 eine Studienreise nach Italien. Bei einem Aufenthalt in Rom geriet er in die H¨ande der Inquisition und wurde eingekerkert, aber infolge o¨ ffentlicher Proteste von deutscher Seite wieder freigelassen. Nach der Promotion 1569 in Basel zum Dr. jur. ließ er sich in N¨urnberg als Ratskonsulent nieder und erhielt 1581 die Stelle des ersten Prokanzlers der neugegr¨undeten Univ. Altdorf. C. nahm autobiographische Erinnerungen und Hochschulreden in sein Werk auf, das der mit der Sp¨atrenaissance aufkommenden Konversationsliteratur zuzurechnen ist (Opera horarum subcisivarum sive Meditationes historicae, 1591). C Killy Camerarius, Rudolph Jakob, Botaniker, Mediziner, * 12. 2. 1665 T¨ubingen, † 11. 9. 1721 T¨ubingen. Nach medizinischen und botanischen Studien, die er zum Teil bei seinem Vater Elias Rudolph → C. absolvierte, unternahm C. wie sein Bruder Elias → C. Reisen durch Eu-

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Camerer ropa. 1687 promoviert, wurde er bald zum a. o. Prof. der Medizin und Botanik an der Univ. T¨ubingen ernannt und u¨ bernahm die Direktion des dortigen Botanischen Gartens. Nach dem Tod seines Vaters 1695 ernannte man ihn als dessen Nachfolger zum o. Prof. der Medizin. Mit seinen experimentellen Forschungen zur Sexualit¨at der Pflanzen lieferte er die Grundlagen f¨ur die entsprechende Theorie Linn´es. Seine Opuscula botanici argumenti collecta wurden 1797 herausgegeben. C. war seit 1688 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. C NDB

Camerer, (Johann Friedrich) Wilhelm, Mediziner, * 17. 10. 1842 Stuttgart, † 25. 3. 1910 Urach. Am Polytechnikum in Stuttgart studierte C., Sohn eines Arztes, zun¨achst Mathematik, Physik und Chemie, bevor er 1861 zum Studium der Medizin nach T¨ubingen wechselte, wo er 1866 promoviert wurde (Versuche u¨ ber den zeitlichen Verlauf der Willensbewegung). Er ließ sich 1867 als Arzt in Crailsheim und sp¨ater in Gerstetten nieder. Nach seiner Teilnahme am Krieg von 1870 / 71 als Oberarzt praktizierte er in Langenau bei Ulm, in Riedlingen und seit 1883 in Urach. C., der auch als Spezialist f¨ur Stoffwechselkrankheiten galt, betrieb experimentelle Forschungen auf dem Gebiet der Sinnesphysiologie und ver¨offentlichte ein p¨adiatrisches Standardwerk (Der Stoffwechsel des Kindes von der Geburt bis zur Beendigung des Wachstums, 1894, 21896). C NDB

Camerlander, Jakob, Pseud. Jacob Vielfeld, Multicampianus, Drucker, * 1510 Mainz, † um 1549 Straßburg. C. studierte an der Univ. Mainz und wurde dort zum Magister promoviert. Wegen seiner luth. Gesinnung wurde er 1524 gezwungen, seine Heimatstadt zu verlassen. 1528 arbeitete er als Geselle bei dem Drucker Wilhelm Seltz in Hagenau. Mit von diesem u¨ bernommenem Ger¨at er¨offnete C. 1531 in Straßburg eine eigene Druckerei. Sein Verlagsprogramm enthielt vor allem volkst¨umliche Werke mit aufwendigem Buchschmuck; einige Holzschnitte lieferte Hans ¨ → Weiditz d. J. Die Bearbeitung und Ubersetzung von Vorlagen nahm C. zum Teil selbst unter dem Pseudonym Jacob Vielfeld vor. C LGB

Camerloher, Joseph Anton, Musiker, Komponist, * 4. 7. 1710 Murnau, † 17. 6. 1743 M¨unchen. C., Sohn eines Gerichtsschreibers beim Ettalschen Pflegegericht, studierte bis 1731 in Ettal. Zwischen 1734 und 1741 schrieb er neun inzwischen verloren gegangene Fastenmeditationen f¨ur die Congregatio Latina Beatae Virginis in M¨unchen. 1739 wurde er Kammerkomponist am dortigen Hof und begleitete 1742 Kurf¨urst Karl Albrecht zu seiner Kr¨onung zum Kaiser des Heiligen R¨omischen Reiches (als → Karl VII.) nach Frankfurt. Viele Kompositionen C.s wurden nach seinem Tod seinem Bruder Placidus → C. zuge¨ schrieben. Uberliefert sind mindestens 43 Sinfonien, 20 Triosonaten, acht geistliche Werke und eine Oper. C MGG

Camerloher, Placidus (Cajetanus Lauentius) von, kath. Theologe, Komponist, * 9. 8. 1718 Murnau, † 21. 7. 1782 Freising. Als Sch¨uler der Ritterakademie Ettal erhielt C., Bruder von Joseph Anton → C. und Sohn eines Gerichtsschreibers beim Ettalschen Pflegegericht, auch eine musikalische Ausbildung. 1739-41 studierte er Theologie in M¨unchen und empfing 1744 in Freising die Priesterweihe. Er wurde in Freising zum f¨urstbisch¨oflichen Hofkapellmeister ernannt und war seit 1748 Kanonikus am Stift in St. Veit bei Freising, bis er 1753 zum St.-Andreas-Stift in Freising wechselte. Er begleitete F¨urstbischof → Johann Theodor von Freising auf seinen zahlreichen Reisen und war im Bistum L¨uttich, das jenem unterstellt war, als Kammermusiker t¨atig. C. komponierte vor allem Sinfonien (mindestens 29) und kirchenmusikalische Werke. C MGG

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Caminada, Christian, Bischof von Chur, * 6. 1. 1876 Surin, † 18. 1. 1962 Chur. Nach dem Studium der Theologie in Alassio und Chur wurde C. 1900 zum Priester geweiht. Danach war er Pfarrer in Dardin, Obersaxen, Trun und an der Kathedrale in Chur. W¨ahrend seiner T¨atigkeit in Trun vollendete der an Kunstgeschichte und besonders an r¨atoromanischer Volkskunde interessierte C. die von Caspar → Decurtins betreute R¨atoromanische Chrestomathie. 1919 wurde er ins Domkapitel berufen, 1932 zum Domdekan und zwei Jahre darauf zum Bischof von Chur gew¨ahlt. Seine Ver¨offentlichungst¨atigkeit fand in seinem Werk u¨ ber den Wasser-, Feuer-, Stein- und Baumkult der r¨atoromanischen Urgeschichte, Die verzauberten T¨aler, ihren Abschluß. C Gatz 5 Camp, Oskar de la, Mediziner, * 10. 6. 1871 Hamburg, † 17. 8. 1925 Freiburg / Breisgau. Im Anschluß an das Medizinstudium an den Universit¨aten Straßburg, G¨ottingen, W¨urzburg und Leipzig war C. Volont¨ar unter Heinrich → Curschmann in Leipzig, wurde 1895 promoviert (Das prim¨are Carcinom der Galleng¨ange) und arbeitete dann bis 1897 als Assistent am Eppendorfer Krankenhaus in Hamburg. 1900 wurde er Assistent an der Zweiten Medizinischen Universit¨atsklinik in Berlin und habilitierte sich dort 1902 f¨ur Innere Medizin. C. ging 1906 als a. o. Prof. und Direktor der Poliklinik, der Kinderklinik und des Pharmakologischen Instituts an die Univ. Erlangen, folgte noch im selben Jahr C. Hirsch als Direktor der Freiburger Poliklinik und u¨ bernahm sp¨ater die Leitung der dortigen Universit¨atsklinik. Er befaßte sich mit Kardiologie, Radiologie, Sportmedizin und Tuberkuloseforschung und vero¨ ffentlichte u. a. Die a¨ rztliche und soziale Bek¨ampfung der S¨auglingssterblichkeit (1908).

Campanus, Johannes, T¨aufer, * um 1500 Maeseyk bei Limburg, † nach 1574. In D¨usseldorf und K¨oln humanistisch gebildet, wurde C. 1520 in K¨oln relegiert. Er ging nach J¨ulich, 1527 als Hofmeister nach Wittenberg und studierte dort seit 1528. Beim Marburger Religionsgespr¨ach suchte er eine eigene Abendmahlslehre zu vertreten, wurde jedoch abgewiesen. 1530 kehrte er nach J¨ulich zur¨uck, wo er zahlreiche Anh¨anger fand. 1532 ver¨offentlichte er seinen Traktat G¨ottlicher und heiliger Schrift Restitution, in dem er sich gegen die Lehre von der Dreieinigkeit aussprach und seinen Ditheismus entfaltete. → Luther und → Melanchthon distanzierten sich von dem t¨auferischen Theologen, der wahrscheinlich im Jahr 1553 auf Befehl des Herzogs von Kleve verhaftet wurde und nach u¨ ber 20 Jahren Haft in geistiger Verwirrung starb. C TRE

Campe, Asche Burchhard Karl Ferdinand von, Staatsmann, * 9. 10. 1803 Wickensin (Braunschweig), † 14. 10. 1874 Braunschweig. Nach dem Jurastudium in G¨ottingen und einer Studienreise durch Deutschland trat C. 1827 in den braunschweigischen Staatsdienst ein. Seit 1837 Assessor beim Landgericht in Wolfenb¨uttel, wurde er 1840 Hofrat und sp¨ater Oberlandesgerichtsrat. 1851 u¨ bernahm er die Leitung des Kreisgerichts in Holzminden und wurde im gleichen Jahr Mitglied der St¨andeversammlung. C., der seit 1856 dem Staatsministerium angeh¨orte, wurde 1862 Staatsminister und 1867 braunschweigischer Bevollm¨achtigter beim Bundesrat. Kurz vor seinem Tod erarbeitete er einen Entwurf eines liberalen Wahlgesetzes, der jedoch von der St¨andeversammlung abgelehnt wurde. C ADB

Campe, (Franz) August (Gottlieb), Buchh¨andler, * 1. 3.(?) 1773 Deensen bei Holzminden, † 22. 10. 1836 Hamburg. Nachdem er eine Lehre in der Buchhandlung seines Onkels Joachim Heinrich → C. in Braunschweig absolviert

Campe hatte, er¨offnete C. 1800 eine eigene Buchhandlung in Hamburg. Im folgenden Jahr rief er gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich → C. ein Literarisches Museum ins Leben. Nach der Heirat 1806 mit der Schriftstellerin Elisabeth Hoffmann, einer Tochter des Buchh¨andlers Benjamin Gottlob → Hoffmann, wurden 1812 die Sortimente Hoffmann und Campe zusammengeschlossen. C. u¨ bernahm die Gesch¨aftsf¨uhrung des Unternehmens, dem er 1814 noch die Buchhandlung Carl Ernst Bohns hinzuf¨ugte. 1823 u¨ berließ er den Verlag Hoffmann & Campe seinem Halbbruder Julius → C. und vertrieb nur noch die a¨ lteren Verlagsartikel unter seinem eigenen Namen.

Campe, Carl (Rudolf) von, Diplomat, Politiker, * 16. 4. 1894 Hildesheim, † 8. 9. 1977 M¨unchen. C., Sohn von Rudolf → C., studierte Rechts- und Staatswissenschaften in T¨ubingen, M¨unchen und G¨ottingen sowie Volkswirtschaftslehre in Oxford. Seit 1921 Attach´e im Ausw¨artigen Amt, wurde er 1923 nach Prag und 1924 nach Rom, danach nach Br¨ussel (1928-32) und Paris (1932-39) gesandt, wo er die wirtschaftspolitische Abteilung der Botschaft leitete. Nachdem er ein weiteres Jahr in Br¨ussel verbracht hatte, verließ er 1940 den diplomatischen Dienst aus politischen Gr¨unden und war in der Industrie t¨atig. 1946 erhielt er eine Stelle in der nieders¨achsischen Staatskanzlei und trat der Deutschen Partei bei, f¨ur die er 1950-52 dem Deutschen Bundestag angeh¨orte. Als Delegierter beim Europarat setzte er sich f¨ur die deutsch-franz¨osische Verst¨andigung ein. Seit 1952 wieder im diplomatischen Dienst, war er bis 1959 deutscher Botschafter in Chile. C MdB

Campe, (August) Friedrich (Andreas), Verleger, * 13. 9. 1777 Deensen bei Holzminden, † 9. 8. 1846 N¨urnberg. C. wurde bei seinem Onkel Joachim Heinrich → C. zum Buchh¨andler ausgebildet und arbeitete 1797-99 als Gehilfe in der Buchhandlung Nicolovius in K¨onigsberg. Gemeinsam mit seinem Bruder August → C. gr¨undete er 1801 ein Literarisches Museum in Hamburg, zog jedoch 1803 nach F¨urth und er¨offnete einen eigenen Verlag mit Buchhandlung und Leihb¨ucherei. 1805 ließ er sich endg¨ultig in N¨urnberg nieder, wo er sein Unternehmen durch Ankauf der Buch- und Musikalienhandlung Seligmann erweiterte. 1825 erwarb er eine Druckerei und vertrieb u. a. Bilder und Landkarten. Seit 1823 an der Spitze der Reformbestrebungen im deutschen Buchhandel, setzte C. gemeinsam mit Bernhard Friedrich Voigt 1825 in Leipzig eine neue B¨orsenordnung durch und wurde Mitbegr¨under und bis 1828 erster Vorsitzender des B¨orsenvereins deutscher Buchh¨andler. Er war der Onkel von Anton Philipp → Reclam. C Imhoff

Campe, Joachim Heinrich, P¨adagoge, Verleger, Schriftsteller, Sprachwissenschaftler, * 29. 6. 1746 Deensen bei Holzminden, † 22. 10. 1818 Braunschweig. C. war Sohn eines Kaufmanns (der im Zeitalter der Aufkl¨arung auf seinen angestammten Adelstitel verzichtet hatte) und einer Pfarrerstochter. Er studierte in Helmstedt (1765-68) und Halle (1768 / 69) evang. Theologie und Philosophie. Danach war er in Schloß Tegel / Berlin als Hauslehrer von Wilhelm und Alexander von → Humboldt t¨atig (1769-73 und 1775). Ein Jahr sp¨ater wurde er „Educationsrath“ am von → Basedow in Dessau neuerrichteten „Philanthropinum“, damals die ber¨uhmteste Erziehungseinrichtung

Deutschlands. 1777 ging er nach Hamburg, gr¨undete im Vorort Billwerder nach dem Vorbild Rousseaus (Emile) eine eigene Erziehungsanstalt f¨ur wohlhabende Kaufmannss¨ohne und gab Schriften zur Erziehung Jugendlicher heraus. Mit seinem Robinson der J¨ungere (1779), einer sehr freien Bearbeitung von Daniel Defoes Robinson Crusoe, wurde er weltber¨uhmt. Das Buch, das im Kontext der damals sehr aktuellen p¨adagogischen Kinderliteratur der Aufkl¨arung zu sehen ist und u. a. von Christian Felix → Weißes Wochenblatt „Der Kinderfreund“ angeregt wurde, ist in alle Weltsprachen u¨ bersetzt worden und wird noch heute immer wieder neu aufgelegt. C.s zeitgem¨aßes Erziehungsziel war der aufgekl¨arte, religi¨os und sittlich gefestigte, verantwortungsbewußt und vern¨unftig handelnde Mensch. 1786 ging C. als „Hochf¨urstlicher Schulrath“ nach Braunschweig und u¨ bernahm die Leitung der Braunschweigischen Schulbuchhandlung. Er gab viele p¨adagogische Schriften heraus und erarbeitete ein großes W¨orterbuch der deutschen Sprache (5 Bde., 1807-12), das das von → Adelung ersetzen sollte. Im Revolutionsjahr 1789 besuchte er als Reisebegleiter Wilhelm von Humboldts Paris und zeigte sich gegen¨uber den Ideen der Franz¨osischen Revolution so aufgeschlossen, daß ihm die Nationalversammlung am 10. 10. 1792 (zusammen mit → Schiller, → Klopstock, George Washington, vielen Engl¨andern und „einem gewissen → Pestalozzi“) das B¨urgerrecht verlieh, was ihm zu der Zeit schon eher peinlich war. Er erarbeitete ein W¨orterbuch, das das Deutsche puristisch von franz¨osischem und allem ausl¨andischen Spracheinfluß reinigen sollte (W¨orterbuch zur Erkl¨arung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdr¨ucke, 2 Bde., 1801) und riet in seinen Schriften vom franz¨osischen Sprachunterricht f¨ur Deutsche ab. Seine unerm¨udlichen Versuche zur Eindeutschung von Fremdw¨ortern trugen ihm schon damals auch Spott ein (etwa Schillers und → Goethes in den Xenien). Die von C. herausgegebene Allgemeine Revision des gesamten Schul- und Erziehungswesens (16 Bde., 1785-91) darf zugleich als Summe und Programmwerk der deutschen Aufkl¨arungsp¨adagogik gelten. Im Jahr 1809 ernannte ihn die Univ. Helmstedt zum Ehrendoktor der Theologie. LITERATUR: Jakob Anton Leyser: J. H. C. Ein Lebensbild aus dem Zeitalter der Aufkl¨arung. 2 Bde., Braunschweig 1877. – Reinhard Stach: „Robinson der J¨ungere“ als p¨adagogisch-didaktisches Modell des philanthropistischen Erziehungsdenkens. Ratingen 1970. – Wolfgang Promies: Kinderliteratur im sp¨aten 18. Jahrhundert. In: Hansers Sozialgeschichte der Literatur. Bd. 3, T¨ubingen 1980, S. 765-831. – Edeltraud Dobnig-J¨ulch: Von einem der auszog die Sprache zu a¨ ndern. Ein erster Blick auf J. H. C.s Sprachver¨anderungsakte. In: Brigitte Asbach-Schnitker / Johannes Roggenhofer: Neuere Forschungen zur Wortbildung und Historiographie der Linguistik. T¨ubingen 1987, S. 353-365. Bernd Naumann

Campe, (Johann) Julius (Wilhelm), Buchh¨andler, Verleger, * 18. 2. 1792 Deensen bei Holzminden, † 14. 11. 1867 Hamburg. Der in a¨ rmlichen Verh¨altnissen aufgewachsene C., Neffe von Joachim Heinrich → C., ging in der Verlagsbuchhandlung seines Halbbruders August → C. (seit 1812: Hoffmann & Campe) und bei weiteren Verlagen in die Lehre. 1813 nahm er als L¨utzower J¨ager an den Befreiungskriegen teil. Bis 1816 in preuß. und braunschweigischen Milit¨ardienst, kehrte er nach einer zweij¨ahrigen Italienreise zu Hoffmann & Campe nach Hamburg zur¨uck. 1823 u¨ bernahm er die Leitung des Verlags, den er – besonders seit seiner Bekanntschaft mit → Heine 1826 – zu einem Zentrum der op¨ → Metternich ausbaute. Trotz positionellen Literatur der Ara der rigiden Zensurmaßnahmen, die 1841 im Verbot der gesamten Produktion seines Verlags in Preußen gipfelten, ge-

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Campe lang es ihm, die Werke der Autoren des Jungen Deutschland mit Erfolg zu verlegen. In seinem Verlag erschien 1841 das Deutschlandlied von August Heinrich → Hoffmann von Fallersleben. C. verlegte auch den „Telegraphen f¨ur Deutschland“. C Killy

Campe, Rudolf (Ernst Emil Otto) von, Jurist, Politiker, * 10. 2. 1860 B¨uckeburg, † 26. 6. 1939 Hildesheim. Nach juristischen Studien in Freiburg / Breisgau, Leipzig, K¨onigsberg und G¨ottingen trat C. in den preuß. Justizdienst ein und wurde 1894 Amtsrichter in Northeim, 1898 Landrichter und 1906 Landgerichtsdirektor in Hildesheim. 1916 erfolgte seine Ernennung zum Landgerichtspr¨asidenten in Stade, 1917 zum Regierungspr¨asidenten in Minden (Westfalen). C. war 1903-17 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses, wurde 1921 als Abgeordneter der Deutschen Volkspartei in den Preuß. Landtag gew¨ahlt und hatte bis 1928 den Vorsitz seiner Fraktion inne. C. geh¨orte dem Westf¨alischen Provinzialverein f¨ur Wissenschaft und Kunst an und schrieb zahlreiche Aufs¨atze zu politischen, religi¨osen und juristischen Fragen. Er war der Vater von Carl → R.

Campendonk, Heinrich (Matthias Ernst), Maler, Graphiker, * 3. 11. 1889 Krefeld, † 9. 5. 1957 Amsterdam. C. besuchte als Sch¨uler von Jan Thorn Prikker die Krefelder Kunstgewerbeschule. Auf Einladung Franz → Marcs schloß er sich 1912 dem „Blauen Reiter“ an, zog nach Sindelsdorf (Oberbayern) und beteiligte sich an den ersten Ausstellungen der K¨unstlergruppe. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1914-16 lebte er als freier K¨unstler in Seeshaupt, bis er 1922 nach Krefeld zur¨uckkehrte. Von 1923 an war er Mitglied weiterer K¨unstlergruppen (u. a. Neue Sezession M¨unchen, Freie Sezession Berlin). Seit 1926 Prof. an der D¨usseldorfer Kunstakademie, wurde C. 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt und emigrierte nach Holland, wo er als Prof. an der Amsterdamer Reichsakademie lehrte. Nach 1945 beteiligte er sich wieder an Ausstellungen in der Bundesrepublik Deutschland und entwarf u. a. Kirchenfenster f¨ur M¨unster und D¨usseldorf. C AKL Campenhausen, Hans(-Erich) Frh. von, evang. Theologe, Kirchenhistoriker, * 3. (16.) 12. 1903 Rosenbeck (Livland), † 6. 1. 1989 Heidelberg. Der dem grundbesitzenden Adel des Baltikums entstammende C. hat als Heranwachsender die Russische Revolution als Schreckensregime erlebt und ist durch diese Erfahrungen – Ermordung des Vaters, mehrmonatige Gef¨angnishaft im Alter von kaum 16 Jahren, g¨anzliche Zerst¨orung des herk¨ommlichen Sozialgef¨uges – tief und lebenslang gepr¨agt worden. Er studierte Theologie und Geschichte in Heidelberg und Marburg, wo er in Rudolf → Bultmann und Hans von → Soden seine wichtigsten Lehrer fand, und wurde bereits 1926 mit einer patristischen Arbeit (Ambrosius von Mailand als Kirchenpolitiker, erschienen 1929) zum Dr. theol. promoviert. Die Venia legendi f¨ur das Fach Kirchengeschichte erwarb er 1928 in Marburg als Christlicher Arch¨aologe (Die Passionssarkophage, 1930). Seine akademische Karriere wurde durch das „Dritte Reich“ abgebrochen. C., der an seiner Abneigung gegen den Nationalsozialismus nie einen Zweifel ließ und sich der Bekennenden Kirche anschloß, wurde mit Lehrauftr¨agen und

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Lehrstuhlvertretungen im ganzen Reich (G¨ottingen, Gießen, Kiel, Greifswald, Wien) besch¨aftigt; die Berufung auf eine ordentliche Professur in Heidelberg aber scheiterte 1935 / 36 am Einspruch der Parteizentrale der NSDAP, da er als „Mittr¨ager der nationalsozialistischen Erneuerung der Universit¨atserziehung“ untauglich sei. So begann C.s weite Wirksamkeit und Ausstrahlung erst nach 1945. Nunmehr auf dem Heidelberger Lehrstuhl f¨ur Kirchengeschichte und bereits 1946 zum Rektor der Univ. gew¨ahlt, wurde er zum f¨uhrenden deutschen Patristiker des 20. Jh. nach und neben Adolf von → Harnack und hat das wissenschaftliche Bild von der Alten Kirche betr¨achtlich modifiziert. In zwei großen Monographien (Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten, 1953, 21963; Die Entstehung der christlichen Bibel, 1968, 22003), denen eine dritte noch h¨atte folgen sollen (vgl. Das Bekenntnis im Urchristentum, in: Zeitschrift f¨ur neutestamentliche Wissenschaft 63, 1972, S. 210-253), legte C. dar, das fr¨uhe Christentum habe seine Normen und Institutionen in einem engen Zusammenspiel von „Recht“ und „Geist“, einem an der Sache orientierten Ordnungswillen, gestaltet und sei daher in seinen maßgebenden Motiven und Lebensformen durch fundamentale Einheit gekennzeichnet gewesen. Der hiervon abweichenden, vor allem durch Harnack bestimmten Forschungstradition warf er „irref¨uhrende Abstraktion“ vor. Diese Vorstellung vom inneren Zusammenhang und der elementaren W¨urde der fr¨uhen Kirchengeschichte, die bereits das 1936 erschienene, aktuelle Betroffenheit des Verfassers spiegelnde Buch Die Idee des Martyriums in der alten Kirche (21964) vermittelt hatte, hat C. in zahlreichen weiteren Studien untermauert und u¨ ber die Fr¨uhzeit hinaus ausgedehnt. Besonders erfolgreich wurden seine f¨ur eine gr¨oßere Leserschaft bestimmten biographischen Portr¨ats: Griechische Kirchenv¨ater (1955, 81997) und Lateinische Kirchenv¨ater (1960, 71995). C.s wissenschaftliches Werk erfuhr breite Anerkennung. Er war Mitglied der Heidelberger und mehrerer anderer Akademien, f¨unffacher Ehrendoktor, von 1960 bis 1980 Pr¨asident der Patristischen Kommission der westdeutschen Akademien und langj¨ahriges Mitglied des o¨ kumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen. WEITERE WERKE: Tradition und Leben. Kr¨afte der Kirchengeschichte. T¨ubingen 1960. – Aus der Fr¨uhzeit des Christentums. Studien zur Kirchengeschichte des 1. und 2. Jahrhunderts. T¨ubingen 1963. – Urchristliches und Altkirchliches. T¨ubingen 1979. LITERATUR: Bernd Moeller: Nekrolog H. Frh. v. C. In: Historische Zeitschrift 249 (1989) S. 740-743. – Adolf Martin Ritter: H. v. C. und Adolf von Harnack. In: Zeitschrift f¨ur Theologie und Kirche 87 (1990) S. 323-339. – Ders.: Heidelberger Kirchenhistoriker in der Zeit des „Dritten Reiches“. In: Luise Siegele-Wenschkewitz u. a. (Hrsg.): Theologische Fakult¨aten im Nationalsozialismus. G¨ottingen 1993, S. 169-180. – Thomas Kaufmann u. a. (Hrsg.): Evangelische Kirchenhistoriker im „Dritten Reich“. G¨utersloh 2002, bes. S. 244 ff. Bernd Moeller

Campester, Lambert, Dominikaner, * Ende 15. Jh. Sachsen, † nach 1538 Frankreich. C. war vor allem in Lyon t¨atig. Mit zwei Abhandlungen trat er 1523 als erster offener Gegner → Luthers in Frankreich hervor (Heptacolon in summam scripturam sacrilegae Martini Lutheri . . . und Apologia in Martinum Lutherum . . .). 1524 ver¨offentlichte er die Colloquia des → Erasmus in einer mit negativen Kommentaren versehenen Form, was seine Stellung im Orden schw¨achte. 1525 von den Dominikanern ausgestoßen, wurde C. Kleriker in St. Amable (Riom). C NDB

Canaris Camphausen, (Gottfried) Ludolf, Unternehmer, Staatsmann, * 10. 1. 1803 H¨unshoven (heute zu Geilenkirchen), † 3. 12. 1890 K¨oln. Nach dem Abschluß einer kaufm¨annischen Lehre trat C., ¨ Bruder von Otto → C., 1821 in das Tabak- und Olhandelsgesch¨aft seines Vaters ein und gr¨undete 1830 gemeinsam mit seinem Bruder August C. das Handelshaus A. und L. Camphausen in K¨oln, an das ein Getreidehandel und 1840 ein Bankhaus angeschlossen wurden. Seit 1831 Mitglied des K¨olner Stadtrats, 1839-48 Pr¨asident der Handelskammer, setzte er sich f¨ur den Ausbau der Dampfschiffahrt sowie des Eisenbahnnetzes am Rhein ein. Als Wortf¨uhrer der gem¨aßigten Liberalen geh¨orte er seit 1843 dem rheinischen Provinziallandtag an, in dem er sich f¨ur Pressefreiheit und Reichsst¨ande einsetzte; 1847 war er im vereinigten Landtag einer der liberalen Wortf¨uhrer. Nach der M¨arzrevolution 1848 war er w¨ahrend weniger Monate preuß. Ministerpr¨asident. Er trat zur¨uck, als die demokratische Mehrheit der Nationalversammlung eine Verfassungsvereinbarung mit dem K¨onig ablehnte. Anschließend preuß. Bevollm¨achtigter bei der Provisorischen Reichsregierung in Frankfurt / Main, bef¨urwortete er eine F¨uhrungsrolle Preußens im Deutschen Bund. Nach der Ablehnung der Kaiserkrone durch → Friedrich Wilhelm IV. trat C. zur¨uck. Als Mitglied des Erfurter Parlaments 1850 forderte er vergeblich die Annahme der Unionsverfassung. Sp¨ater widmete er sich vorwiegend astronomischen Studien. 1964 erschien Der Nachlaß Ludolf Camphausens im K¨olner Stadtarchiv (bearbeitet von HildeC Unionsparl gard Thierfelder). Camphausen, Otto von, Staatsmann, * 21. 10. 1812 H¨unshoven (heute zu Geilenkirchen), † 18. 5. 1896 Berlin. Der Bruder Ludolf → C.s widmete sich in Bonn, Heidelberg, M¨unchen und Berlin juristischen und volkswirtschaftlichen Studien, ehe er 1834 seine berufliche Laufbahn im preuß. Finanzministerium begann. Er wurde 1845 Geheimer Finanzrat, 1854 Pr¨asident der Preußischen Seehandlung, mußte jedoch wegen seiner liberalen politischen Einstellung 1850 von dieser Stelle zur¨ucktreten. C. geh¨orte 1849-52 dem preuß. Abgeordnetenhaus und 1850 dem Erfurter Parlament an; 1860 wurde er Mitglied des Herrenhauses. 1869-78 war er als preuß. Finanzminister Vertreter einer liberalen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die Entlassung C.s, der seit 1873 auch Vizepr¨asident des preuß. Staatsministeriums war, stand in Zusammenhang mit → Bismarcks Abkehr vom wirtschaftlichen Liberalismus. 1880 zog sich C. g¨anzlich ins PriC Verwaltung vatleben zur¨uck. Camphausen, Wilhelm (Heinrich Friedrich Carl), Maler, Illustrator, Karikaturist, * 8. 2. 1818 D¨usseldorf, † 18. 6. 1885 D¨usseldorf. Nach erstem Zeichenunterricht in D¨usseldorf studierte C. dort 1834-39 an der Kunstakademie und war nach Milit¨ardienst und Studienreisen (u. a. in die Niederlande, nach Belgien und Italien) 1843-50 Meistersch¨uler von Wilhelm von → Schadow. Bereits 1837 wandte er sich milit¨arischen Sujets zu, thematisierte seit 1858 u¨ berwiegend die preuß. Milit¨argeschichte und stellte auch von ihm als Augenzeuge er¨ lebte Kriegsereignisse dar (u. a. Ubergang nach Alsen 1864, 1866; Die Erst¨urmung der D¨uppeler Schanze Nr. 2, 1867). 1859 wurde er zum Prof. ernannt. C., der als bedeutendster Schlachtenmaler des 19. Jh. gilt und mit Bilddenkm¨alern zu nationaler Thematik erfolgreich war (u. a. Kaiser Napoleon III. wird am Morgen nach der Schlacht von Sedan durch den Grafen Bismarck zu K¨onig Wilhelm geleitet, 1877), illustrierte zahlreiche B¨ucher und gestaltete das Ber-

liner Schloß mit großformatigen Reiterportr¨ats preuß. HerrC AKL scher und Feldherrn aus.

Campi, Antonia, geb. Miklasiewicz, S¨angerin, * 10. 12. 1773 Lublin (Polen), † 1. 10. 1822 M¨unchen. Die Tochter eines polnischen Musikers deb¨utierte 1785 bei der Italienischen Operngesellschaft in Warschau, mit der sie in der folgenden Zeit erfolgreich in Prag und Leipzig auftrat. Seit 1801 sang die Sopranistin im Theater an der Wien, bis sie 1818 an die Wiener Hofoper engagiert und zur ersten Kaiserlichen S¨angerin ernannt wurde. Sowohl dort wie bei Gastspielen in Dresden, Frankfurt, M¨unchen, Stuttgart und Berlin feierte sie u. a. als K¨onigin der Nacht in → Mozarts Zauberfl¨ote große Erfolge und war seit 1820 k. k. o¨ sterr. Kammers¨angerin. Bei der Aufl¨osung des HofopernEnsembles wurde sie 1822 entlassen und zog f¨ur ein Gastspiel nach M¨unchen, wo sie kurz darauf starb. Die mit dem Buffo Gaetano C. verheiratete C. hatte 17 Kinder, darunter viermal Zwillinge und einmal Drillinge. C Kutsch

Canal, Gilbert von, o¨ sterr. Maler, * 26. 12. 1849 Laibach, † 8. 12. 1927 Dresden. C. erhielt eine k¨unstlerische Ausbildung an der Univ. Wien und an der dortigen Akademie der bildenden K¨unste als Sch¨uler von Eduard → Peithner von Lichtenfels. Er studierte zudem Musik bei Anton → Bruckner. Seit 1878 war er in D¨usseldorf und von 1894 an in M¨unchen t¨atig. C., der den Titel eines Prof. f¨uhrte, war bei Kunstausstellungen in M¨unchen, Berlin und D¨usseldorf vertreten. Seine an den holl¨andischen Meistern orientierten Bilder zeigen neben Architektur zumeist landschaftliche Motive (Stimmung bei Dordrecht). C AKL Canaris, Carl, Unternehmer, * 1852, † 1904 Bad Nauheim. C., Sohn eines aus Oberitalien stammenden Bergwerks- und H¨uttendirektors, legte nach praktischer Ausbildung in verschiedenen H¨uttenwerken des Siegerlandes und des Ruhrtals 1873 an der Kgl. Berg- und Gewerbe-Akademie in Berlin das Eisenh¨utteningenieurexamen ab. Nach T¨atigkeiten in unterschiedlichen Positionen der Eisen- und Stahlindustrie war er 1886-91 technischer Leiter der Aplerbecker H¨utte bei Dortmund, an deren zeitgem¨aßer Umstellung er maßgeblichen Anteil hatte. 1893 u¨ bernahm C. als technischer Direktor die Leitung der gesamten Niederrheinischen H¨utte in Duisburg-Hochfeld. Hier gelang es ihm, mit umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen die Roheisenerzeugung von 73 000 Tonnen im Jahr 1895 auf 108 000 Tonnen im Jahr 1899 zu steigern und die Belegschaft auf 800 Personen (1904) beinahe zu verdoppeln. Besondere Bem¨uhungen verwandte er darauf, durch verschiedene Neuanlagen die auf den Bezug u¨ berseeischer Erze angewiesene H¨utte auch in den Wintermonaten, w¨ahrend die Schiffahrt ruhte, vor Rohstoffmangel zu bewahren. C., Vater von Carl und Wilhelm → C., starb w¨ahrend eines Kuraufenthalts in Bad Nauheim an einem Herzleiden. Canaris, Carl (August), Ingenieur, Industrieller, * 7. 12. 1881 R¨umelingen (Luxemburg), † 27. 2. 1934 Muralto bei Locarno. Nach dem Studium an der TH und der Bergakademie in Berlin arbeitete C., Sohn von Carl → C. und Bruder von Wilhelm → C., seit 1905 auf der Niederrheinischen H¨utte in Duisburg und wechselte 1907 nach Pra bei Genua. 1910 wurde er Stahlwerkschef im rheinischen Huckingen und ¨ folgte, 1911 promoviert (Uber den Einfluß des Gießens auf die Qualit¨at von Flußeisen-Brammen), einem Ruf als Direktor der Firma Henschel & Sohn nach Hattingen / Ruhr. Seit 1920 Generaldirektor der August-Thyssen-H¨utte in Hamborn, u¨ bernahm er 1925 f¨ur kurze Zeit die Gesch¨aftsf¨uhrung

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Canaris des Reichskuratoriums f¨ur Wirtschaftlichkeit. 1926 trat er an die Spitze der Firma Maffei in M¨unchen, die zwei Jahre darauf mit der Lokomotiv- und Maschinenfabrik Henschel in Kassel zusammengeschlossen wurde. C., der danach Generaldirektor des Gesamtwerks war, ver¨offentlichte Beitr¨age in technischen Fachzeitschriften. C NDB

Canaris, (Carl August Franz) Wilhelm, Milit¨ar, * 1. 1. 1887 Aplerbeck bei Dortmund, † 9. 4. 1945 Konzentrationslager Flossenb¨urg. Seit 1905 bei der Reichsmarine, nahm C., Bruder von Carl → C., am Ersten Weltkrieg teil, zuletzt als U-BootKommandant im Mittelmeer. 1920 beteiligte er sich am Kapp-Putsch. Danach Admiralsstabsoffizier, war er 1924-28 in der Marineleitung u. a. f¨ur Angelegenheiten der ausl¨andischen Attach´es zust¨andig, wurde 1930 Chef des Stabes der Nordseestation, 1932 als Kapit¨an zur See Kommandant eines Linienschiffs und 1934 Kommandant der Festung Swindem¨unde. Seit 1935 Chef der Abwehrabteilung im Reichswehrministerium, wurde er 1938 Leiter des Amtes Ausland der Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht. Einerseits erf¨ullte C. seine Aufgaben als Chef der milit¨arischen Spionage und arbeitete mit SS und Gestapo zusammen, andererseits stand er in Opposition zu manchen Maßnahmen → Hitlers, geh¨orte seit 1938 zusammen mit seinem Stellvertreter Hans → Oster zum Zentrum des Widerstands unter den Milit¨ars und verhalf politisch Verfolgten zur Flucht ins Ausland. Im Februar 1944 wurde C., der 1940 zum Admiral bef¨ordert worden war, seines Amtes enthoben, drei Tage nach dem Attentat auf Hitler im Juli 1944, an dem er selbst nicht direkt beteiligt war, verhaftet, in das Konzentrationslager Flossenb¨urg gebracht und dort kurz vor Eintreffen der US-Truppen hingerichtet. C Holocaust Canaval, Gustav Adolf, o¨ sterr. Journalist, * 5. 8. 1898 Linz, † 26. 11. 1959 Salzburg. Der Sohn eines Eisenbahnbeamten arbeitete zun¨achst in einer Fabrik und studierte vier Semester Elektrotechnik an der TH Wien. Danach holte er das Abitur nach und studierte Medizin, Theologie und Philosophie in Wien sowie Rechts- und Staatswissenschaften in Graz. W¨ahrend seiner Studienzeit sammelte er erste journalistische Erfahrungen, u. a. als Mitarbeiter der Wiener „Reichspost“. Nach der Promotion zum Dr. rer. pol. an der Univ. Graz 1926 (Die Sou¨ ver¨anit¨at Osterreichs unter Einwirkung des Vertrages von Genf am 4. Oktober 1922) arbeitete er im F¨ursorgewesen der Stadt Wien. Dann bis Oktober 1933 Landessekret¨ar der „Nieder¨osterreichischen Sturmscharen“, wurde er Ende des Jahres Redakteur und schlißlich Eigent¨umer der kurzlebigen Tagespresse. 1934-36 war C. verantwortlicher Schriftleiter der Verbandszeitung der „Ostm¨arkischen Sturmscharen“, des ¨ „Sturm u¨ ber Osterreich“. Seit 1934 Berater und Umbruchredakteur des „Telegraf“, wurde er dort 1935 Gesch¨aftsf¨uhrer; 1936-38 war er Chefredakteur und Mitgesellschafter. ¨ Nach dem „Anschluß“ Osterreichs an das nationalsozialistische Deutschland wurde er verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Durch die Amerikaner befreit, gr¨undete C. 1945 nach vor¨ubergehender T¨atigkeit als Betriebsberater im Auftrag der Ober¨osterreichischen Landesregierung zusammen mit anderen die „Salzburger Nachrichten“, deren Chefredakteur er bis 1949 war. 1956 erschien sein Buch Monarchie – nicht gestern, sondern morgen. C Hausjell Cancrin, Franz Ludwig von, Mathematiker, Mineraloge, * 21. 2. 1738 Breidenbach (Hessen), † 29. 3. 1816 Staraja Russa. Der Sohn eines Bergmeisters widmete sich unter Anleitung seines Vaters dem Studium der Naturwissenschaften und der Mathematik sowie ersten praktischen T¨atigkeiten

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im Bergbau. 1759-62 studierte er Mathematik und Rechtswissenschaften an der Univ. Jena und unternahm eine Studienreise zu verschiedenen Bergwerken Deutschlands. Seit 1764 in Hanau t¨atig, errichtete er mehrere Salinengeb¨aude und lehrte als Prof. der Mathematik an der dortigen Milit¨arakademie. Er stand seit 1781 als Kanzleidirektor im Dienst des Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, bis er 1783 von der Zarin → Katharina II. als Salinendirektor nach Staraja Russa berufen wurde. Von da an war C., abgesehen von einem Forschungsaufenthalt in Gießen (1786-93), in Rußland ans¨assig und arbeitete u. a. in St. Petersburg. Ein im Ural gefundenes nephelinartiges Mineral wurde nach ihm Cancrinit benannt. C. ver¨offentlichte Beschreibung der vorz¨uglichsten Bergwerke in Hessen, in dem Waldekkischen, an dem Haarz, in dem Mansfeldischen, in Chursachsen, und in dem Saalfeldischen (1767, Nachdr. 1981), Erste Gr¨unde der Berg- und Salzwerkskunde (13 Bde., 1773-91) und Kleine technologische Werke (5 Bde., 1788-95). C DSB

Candid, Peter, auch Candido, de Witte, Pieter, Maler, * um 1548 Br¨ugge, † M¨arz 1628 M¨unchen. C., wahrscheinlich ein Sch¨uler Vasaris, stand etwa seit 1559 mit seinem Vater, einem Bildhauer, in den Diensten Großherzog Ferdinands I. von Medici in Florenz. Er entwarf Teppiche, war an der Ausschm¨uckung von Kapellen in Rom und Florenz beteiligt und geh¨orte der Compagnia di Santa Barbara an, einer Florentiner Vereinigung fl¨amischer und deutscher Maler. 1586 wurde C. an den M¨unchner Hof berufen, f¨ur den er – mit einer Unterbrechung (1595-1602) nach dem Regierungsantritt → Maximilians I. – von da an t¨atig war. Als Hofmaler schuf er Altarbilder und Fresken f¨ur die Residenzen der Wittelsbacher; seit der Gr¨undung der M¨unchner Gobelinmanufaktur erarbeitete er auch f¨ur diese Entw¨urfe. Von ihm stammt u. a. das Portr¨at Herzogin Magdalena von Bayern. C AKL Candidus, Pantaleon, urspr. Weiß, reformierter Theologe, * 7. 10. 1540 Ybbs (Nieder¨osterreich), † 3. 2. 1608 Zweibr¨ucken. C., Sohn eines Gutsbesitzers, war um 1550 Sch¨uler eines Weißenkirchener Pfarrers, der als Protestant Verfolgungen erlitt. Er floh mit ihm nach Ungarn und kam sp¨ater nach Amberg, 1556 nach Meisenheim zu Herzog → Wolfgang von Pfalz-Neuburg. 1558 immatrikulierte er sich in Wittenberg, wo er bis 1564 als Sch¨uler → Melanchthons u. a. Theologie studierte. Im folgenden Jahr erhielt er eine Stelle als Lehrer an der Lateinschule in Zweibr¨ucken und wurde sp¨ater Pfarrer in Hinzweiler, Diakon in Meisenheim und schließlich wieder in Zweibr¨ucken. Seit 1571 war er dort Superintendent und wirkte als Erzieher der Kinder Herzog Johanns I. Zu C.’ Werken z¨ahlen neben religi¨osen Schriften zwei historische Versepen zur Geschichte B¨ohmens sowie zu den Westgoten in der spanischen Geschichte (Bohemais, hoc est de ducibus Bohemicis libri duo, de regibus Bohemicis libri quinque ad D. Rudolphum II., 1587). C Killy Canestrini, Antonio, Mediziner, * 18. 5. 1743 Cles (heute Prov. Trient), † 18. 3. 1807 Gm¨und. C. wurde in Innsbruck 1768 zum Dr. med. promoviert, praktizierte in Wien und unternahm 1769 eine Studienreise nach Italien, wo er Krankenh¨auser in Bologna, Florenz, Rom und Neapel besichtigte. 1771 wurde er nach Ungarn geschickt, um die an der polnischen Grenze ausgebrochene Pest zu bek¨ampfen. 1773 wirkte er in gleicher Eigenschaft an der t¨urkischen Grenze. Danach als Arzt in Ungarn t¨atig, wechselte er 1785 nach Schwaz in Tirol; dort f¨uhrte er die Kuhpockenimpfung ein (Belehrung u¨ ber das Einimpfen der Kuhpocken, 1806). C Wurzbach

Canisius Canetti, Elias (Jacques), Romancier, Dramatiker, Aphoristiker, * 25. 7. 1905 Rustschuk (Bulgarien), † 14. 8. 1994 Z¨urich. C.s Vorfahren sind im fr¨uhen Mittelalter aus Spanien ausgewanderte Juden. Spaniolisch und Bulgarisch waren die ersten Sprachen, die C. als Kind ¨ erlernte. Mit der Ubersiedlung der Familie nach Manchester 1911 erwarb er englische und franz¨osische Sprachkenntnisse. Der pl¨otzliche Tod des einunddreißigj¨ahrigen Vaters ersch¨utterte den jungen C. nachhaltig. Die lebenslange intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Tod, eines der Hauptmotive im Schaffen C.s, mag hier ihren Ausgangspunkt haben. 1913 siedelte die Familie C. nach Wien um. C.s Mutter unterrichtete ihn im Deutschen. Mit Besorgnis und Interesse beobachtete er die Begeisterung der Massen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Nach einem f¨unfj¨ahrigen Aufenthalt in Z¨urich erfolgte 1921 der Umzug nach Frankfurt / Main. Nach dem Abitur kehrte C. nach Wien zur¨uck und begann 1924 das Studium der Chemie. In einer Vorlesung von Karl → Kraus begegnete er Veza Tauber-Calderon (→ Canetti), ¨ die er 1934 heiratete. In C. reiften die ersten Uberlegungen zum Ph¨anomen der Masse. W¨ahrend seiner Sommeraufenthalte in Berlin machte Wieland → Herzfelde ihn mit George → Grosz, Isaak Babel und Bertolt → Brecht bekannt. 1929 schloß C. das l¨astiggewordene Chemiestudium mit der Promotion zum Dr. phil. ab. Den Plan einer „Com´edie Humaine an Irren“ entwarf C. um 1930. Aus diesem Projekt eines achtb¨andigen RomanZyklus ging einzig der Roman Die Blendung (1931 fertiggestellt, 1935 erschienen) hervor. In den folgenden Jahren besch¨aftigte er sich mit verschiedenen B¨uhnenwerken: Die Hochzeit (als Manuskript 1932 gedruckt) und Kom¨odie der Eitelkeit (1950 gedruckt, jedoch nicht ausgeliefert). C. lernte Hermann → Broch, Abraham Sonne, Alban → Berg, Robert → Musil und Fritz → Wotruba kennen. ¨ Nach der Annexion Osterreichs durch → Hitler emigrierte C. u¨ ber Paris nach London. Seit Januar 1939 widmete er sich u¨ ber zwei Jahrzehnte hinweg den intensiven Studien der Erfahrungsrealit¨aten Masse und Macht. An die Entstehung des Dramas Die Befristeten (1952 / 53, Urauff¨uhrung 1956) schloß sich ein Aufenthalt in Marokko (1954) als Begleiter eines Filmteams an. Die hierbei entstandenen Aufzeichnungen wurden sp¨ater als Die Stimmen von Marrakesch (1968, vordatiert 1967) ver¨offentlicht. 1960 erschien C.s philosophisches Hauptwerk Masse und Macht. In der materialreichen Analyse beider Ph¨anomene verschr¨anken sich kulturanthropologische, psychologische und sozialhistorische Untersuchungen. Parallel dazu arbeitete er an einer AphorismenSammlung (1965 unter dem Titel Aufzeichnungen 1942-1948 erschienen). Im Mai 1963 starb Veza C. Mit zunehmender Bekanntheit des Werkes C.s wuchsen die o¨ ffentlichen Ehrungen: Literaturpreis der Stadt Wien und ¨ Deutscher Kritikerpreis (beide 1966), Großer Osterreichischer Staatspreis (1968) etc. 1971 heiratete C. Hera Buschor, 1972 wurde die Tochter Johanna geboren. Im selben Jahr erhielt C. den Georg-B¨uchner-Preis. 1977 erschien der erste Teil der drei B¨ande umfassenden Autobiographie Die gerettete Zunge, ihm folgten 1980 Die Fackel im Ohr, 1985 Das Augenspiel. Den Nobelpreis f¨ur Literatur erhielt C. 1981. Die Bedeutung des Gesamtwerkes C.s liegt im poetisch wie erkenntnistheoretisch gleichermaßen ernsthaften

Versuch, „den Weg durch das Labyrinth der eigenen Zeit [zu] finden, ohne ihr zu erliegen, aber auch ohne herauszuspringen“. WEITERE WERKE: Die Provinz des Menschen. M¨unchen 1973. – Der Ohrenzeuge. F¨unfzig Charaktere. M¨unchen 1974. – Das Gewissen der Worte. M¨unchen 1975. – Das Geheimherz der Uhr. M¨unchen 1987. LITERATUR: Walter Bensel (Hrsg.): E. C. Eine Personalbibliographie. Bremerhaven 1989. – Edgar Piel: E. C. M¨unchen 1984. – H¨uter der Verwandlung. Beitr¨age zum Werk von E. C. M¨unchen 1985. – Michael Kr¨uger (Hrsg.): Einladung zur Verwandlung. Essays zu C.s „Masse und Macht“. M¨unchen 1995. – Hildegard Hogen: Die Modernisierung des Ich. Individualit¨atskonzepte bei Siegfried Kracauer, Robert Musil und E. C. W¨urzburg 2000. – E. C. Hrsg. v. Heinz Ludwig Arnold. M¨unchen 42005 (Text + Kritik. Heft 28). – E. C. Hrsg. v. Kurt Bartsch und Gerhard Melzer. Graz / Wien 2005. – Penka Angelova: E. C. Spuren zum mythischen Denken. Wien 2005. – Sven Hanuschek: E. C. M¨unchen 2005. Andreas Hochholzer

Canetti, Veza, eigentl. Venetiana C., geb. TaubnerCalderon, Pseud. Veza Magd, Veronika Knecht, Martha ¨ Murner, o¨ sterr. Schriftstellerin, Ubersetzerin, * 21. 11. 1897 Wien, † 1. 5. 1963 London. C., Tochter eines Kaufmanns, lernte autodidaktisch Franz¨osisch, Spanisch, Italienisch und Englisch, gab Privatunterricht in Englisch und unterrichtete an einer Privatschule. 1924 fand die erste Begegnung mit Elias → C. statt, den sie bei dessen Arbeit am Roman Die Blendung unterst¨utzte und 1934 heiratete. C. ver¨offentlichte Erz¨ahlungen in der ¨ „Arbeiter-Zeitung“. Nach dem „Anschluß“ Osterreichs an das Deutsche Reich 1938 floh sie mit Elias C. nach Paris und lebte seit Januar 1939 in London, wo sie als freie Lektorin, ¨ Gutachterin und Ubersetzerin (u. a. von Graham Greene) arbeitete. Seit dem Ende der vierziger Jahre widmete sie sich zunehmend dem Werk ihres Mannes. Viele der literarischen Manuskripte C.s sind verschollen; ein Teil wurde postum ver¨offentlicht, darunter die Romane Die Gelbe Straße (1990) und Die Schildkr¨oten (1999). 1992 erschienen Erz¨ahlungen unter dem Titel Geduld bringt Rosen, 2001 Erz¨ahlungen und St¨ucke unter dem Titel Der Fund. C Lex o¨ sterr Exillit Canisius, Heinrich, Jesuit, Kanonist, Historiker, * Nimwegen, † 2. 9. 1610 Ingolstadt. Der Neffe des Petrus → C. wurde nach dem Studium in L¨owen 1590 als Prof. des Kirchenrechts nach Ingolstadt berufen. Dort ver¨offentlichte er Schriften zum kanonischen Recht, besch¨aftigte sich aber auch mit historischer Dokumentation: Er sammelte unver¨offentlichte Quellen, insbesondere zur Kirchengeschichte des Mittelalters, und edierte sie unter dem Titel Antiquae lectionis tomus VII (1601-08). C LMU Canisius, Petrus, Jesuit, Theologe, * 8. 5. 1521 Nimwegen, † 21. 12. 1597 Freiburg (Schweiz). Nach dem Studium der Philosophie in K¨oln (1536-40) trat C. 1543 als erster Deutscher in die Gesellschaft Jesu des Ignatius von Loyola ein und empfing 1546 die Priesterweihe. Nach seiner Teilnahme am Konzil von Trient (1547) und theologischer Promotion in Bologna (1549) wirkte er im Dienst der Gegenreformation als Prof. und Prediger an der Univ. Ingolstadt (1549-52), in Wien und Prag (1552-56, in Prag 1556 Gr¨undung des Jesuitenkollegs), in Augsburg

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Canitz (1559-66) und Innsbruck (1571-77). Wiederholt nahm C. weitere wichtige kirchenpolitische Aufgaben wahr (Teilnahme an mehreren Reichstagen, in Trient 1562, Beratung Kaiser → Ferdinands I.). Als erster Provinzial der s¨uddeutschen Jesuiten errichtete er zahlreiche Niederlassungen, darunter Ingolstadt, Dillingen und M¨unchen. In Freiburg (Schweiz), seiner letzten Wirkungsst¨atte, bem¨uhte er sich seit 1580 um den Aufbau des dortigen Jesuitenkollegs. Auch mit seinem literarischen Werk hatte C. maßgeblichen Anteil am kirchlichen Wiederaufbau in Deutschland. Seine Katechismen erschienen noch zu seinen Lebzeiten in mehr ¨ als 200 Ausgaben und Ubersetzungen (Großer Katechismus, 1555; Kleiner Katechismus, 1556; Mittlerer Katechismus, 1558). Ber¨uhmtheit erlangten auch seine Gebetb¨ucher (Lectiones et precationes ecclesiasticae, 1556; Manuale Catholicorum, 1587). C. wurde 1864 selig-, 1925 heiliggesprochen und zum Kirchenlehrer erhoben. LITERATUR: Rom in Bayern. Kunst und Spiritualit¨at der ersten Jesuiten. Hrsg. v. Reinhold Baumstark. M¨unchen 1997. – Engelbert Maria Buxbaum: P. C. In: Biographisches Lexikon der Ludwig-Maximilians-Universit¨at M¨unchen. Hrsg. v. Laetitia Boehm u. a. Berlin 1998, S. 60-62 (mit Bibliographie). – P. C. Humanist und Europ¨aer. Hrsg. v. Rainer Berndt. Berlin 2000. – Marianne Sammer: P. C. In: Theologen, Ketzer, Heilige. Kleines Personenlexikon zur Kirchengeschichte. Hrsg. v. Manfred Heim. M¨unchen 2001, S. 86. – Jesuitica. Forschungen zur fr¨uhen Geschichte des Jesuitenordens in Bayern bis zur Aufhebung 1773. Hrsg. v. Julius Oswald und Rita Haub. M¨unchen 2001. Manfred Heim

Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig Frh. von, Lyriker, Diplomat, * 27. 11. 1654 Berlin, † 11. 8. 1699 Berlin. C., Sohn eines brandenburgischen Hof- und Kammergerichtsrats, der noch vor der Geburt seines Sohnes starb, studierte bis 1674 in Leiden und Leipzig Rechtsund Staatswissenschaft. Er wurde Kammerjunker des Kurf¨ursten → Friedrich Wilhelm von Brandenburg, 1680 Hof- und Legationsrat, 1688 Geheimer Rat und 1697 Geheimer Staatsrat. Auf dem H¨ohepunkt seiner Karriere wurde er 1698 in den Freiherrenstand erhoben. C. f¨uhrte zahlreiche diplomatische Missionen in Wien, Hamburg und Mecklenburg durch und entfaltete eine rege dichterische T¨atigkeit. Die erste Ausgabe seiner Lyrik erschien postum und anonym unter dem Titel Neben-Stunden Unterschiedener Gedichte (1700). Vom franz¨osischen Klassizismus, besonders Boileaus, beeinflußt, schrieb er in klarem Stil Oden, Satiren, Elegien, Idyllen und religi¨ose Hymnen, die insbesondere in der ersten H¨alfte des 18. Jh. vielfach rezipiert wurden. C Killy Canitz und Dallwitz, Karl Wilhelm Ernst Frh. von, Milit¨ar, Staatsmann, * 17. 11. 1787 Kassel, † 25. 4. 1850 Frankfurt / Oder. C. u. D., Sohn eines preuß. Obersten und Hofmarschalls von Hessen-Kassel, war seit dem Studium in Marburg und G¨ottingen mit Friedrich Carl von → Savigny befreundet. 1806 in die preuß. Armee eingetreten, wurde er 1812 Generalstabsoffizier → Yorks, 1822 Adjutant des Prinzen → Wilhelm von Preußen. Nachdem er als Sonderbeauftragter bei der preuß. Gesandtschaft in Konstantinopel (1828 / 29) und als Beobachter im russischen Hauptquartier w¨ahrend des polnischen Aufstandes (1831) diplomatische Aufgaben wahrgenommen hatte, wurde er 1832 preuß. Gesandter in Kassel und Hannover, 1841 in Wien. C. u. D. nahm maßgeblichen Einfluß auf die Innenpolitik K¨onig → Friedrich Wilhelms IV., dem er von der Annahme einer Verfassung abriet. 1845 zum Außenminister ¨ berufen, bem¨uhte er sich um Ubereinstimmung mit Rußland ¨ und Osterreich. Nach seinem R¨ucktritt im Revolutionsjahr

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1848 wurde ihm das Kommando einer Division u¨ bertragen; außerdem erhielt er einen Sitz in der Ersten Kammer. 1888 erschien Des Freiherrn C. E. W. von Canitz und Dallwitz Denkschriften in zwei B¨anden.

Cannabich, Carl August (Konrad), Musikdirektor, Komponist, getauft 11. 10. 1771 Mannheim, † 1. 5. 1806 M¨unchen. Der Sohn Christian → C.s erhielt seit seinem neunten Lebensjahr Geigen- und Kompositionsunterricht und unternahm mit 12 Jahren gemeinsam mit dem Oboisten Ludwig August → Lebrun seine erste Konzertreise. Obgleich seit 1784 Hofmusiker in M¨unchen, unternahm er 1785 / 86 eine zweij¨ahrige Studienreise nach Italien und vervollkommnete nach der R¨uckkehr seine Kompositionsausbildung bei Peter → Winter. C. folgte 1796 einem Ruf als Musikdirektor nach Frankfurt / Main, kehrte aber nach 1798 nach M¨unchen zur¨uck, wo er 1801 zum Hofmusikdirektor ernannt wurde. Zu seinen Werken z¨ahlen zwei Opern (Palmer und Amalie, 1803 in M¨unchen uraufgef¨uhrt), eine Symphonie, Lieder sowie kammermusikalische St¨ucke. C MGG

Cannabich, (Johann) Christian (Innozenz Bonaventura), Musikdirektor, Komponist, getauft 28. 12. 1731 Mannheim, † 20. 1. 1798 Frankfurt / Main. Der Sohn des Hofmusikers Matthias Franciscus C. war im Alter von 13 Jahren Scholar der Mannheimer Hofkapelle und erhielt von Johann → Stamitz Geigen- und Kompositionsunterricht. Seit 1746 Hofmusiker, bildete er sich 1753 als Sch¨uler Niccol`o Jommellis in Rom und Stuttgart weiter und reiste im folgenden Jahr nach Mailand. Nach Stamitz’ Tod 1758 wurde Konzertmeister in Mannheim und war vor allem f¨ur die Ballettmusiken verantwortlich. 1764, 1766 und 1772 reiste er nach Paris, wo Anfang der sechziger Jahre erste Sinfonien C.s im Druck erschienen waren. 1773 wurde C. in Mannheim zum Instrumentalmusikdirektor ernannt. 1778 folgte er, seine Positionen beibehaltend, dem Kurf¨ursten → Karl Theodor nach M¨unchen. 1783 gr¨undete er die sogenannten Liebhaberkonzerte. Neben mehr als 70 Sinfonien sowie Konzerten und Kammermusik schrieb C. B¨uhnenwerke (ein Melodram, Ballette). Er war der Vater von Carl August → C. C MGG

Cannabich, Johann G¨unther Friedrich, evang. Theologe, Geograph, * 21. 4. 1777 Sondershausen, † 3. 5. 1859 Sondershausen. C. studierte seit 1794 in Jena Theologie, Philologie, Philosophie und Mathematik und besch¨aftigte sich autodidaktisch mit Geographie. Zun¨achst Hauslehrer in Hannover und Darmstadt, wurde er 1807 als Rektor an die Lateinschule in Sondershausen berufen. 1819 erhielt er eine Pfarrstelle in Niederb¨osa und 1836 eine weitere in Bendeleben, die er bis 1848 bekleidete. C. ver¨offentlichte u. a. Lehrbuch der Geographie (1816, 171855), Kleine Schulgeographie (1818, 15 1842), Statistische Beschreibung des K¨onigreichs W¨urtemberg (2 Bde., 1828) und Statistisch geographische Beschreibung des K¨onigreichs Preußen (6 Bde., 1835). Zusammen mit Adam Christian → Gaspari u. a. gab er ein Vollst¨andiges Handbuch der neuesten Erdbeschreibung (23 Bde., 1819-27) heraus. Canngiesser, Leonard Heinrich Ludwig Georg von, auch Canne(n)giesser, Jurist, Staatsmann, * 22. 5. 1716 Wetzlar, † 29. 5. 1772 Kassel. Nach dem Jurastudium in Marburg und Halle wurde C. 1738 zum Regierungsassessor und bald darauf zum Regierungsrat in Gießen ernannt. Der hessische Landgraf → Wilhelm VIII. berief ihn 1750 nach Kassel. Nach dem Tod des Landgrafen wurde er von dessen Nachfolger → Friedrich II. zum Geheimrat bef¨ordert und 1762 als Pr¨asident des Obersten

Cantor Gerichtshofs eingesetzt. Seit 1764 stand er als Minister an der Spitze der hessischen Justiz. 1768 ver¨offentlichte C. die Collectio notabiliorum decisionum supremi tribunalis appellationum Hasso-Casselani.

Canon, Hans, eigentl. Johann Baptist Franz de Paula Wenzeslaus Straˇsiˇripka, o¨ sterr. Maler, * 15. 3. 1829 Wien, † 12. 9. 1885 Wien. C. studierte seit 1845 an der Wiener Kunstakademie als Sch¨uler Ferdinand Georg → Waldm¨ullers und Carl → Rahl→ s. Nachdem er 1848-55 seinen Dienst als Offizier in der o¨ sterr. Armee absolviert hatte, vollendete er seine k¨unstlerischen Studien in Wien und unternahm ausgedehnte Studienreisen in den Orient, nach Italien, England und Frankreich. W¨ahrend eines Aufenthaltes in Karlsruhe (1860-69) gelang ihm mit dem Bild Fischerm¨adchen (1858) der k¨unstlerische Durchbruch. 1869-74 lebte C. in Stuttgart, kehrte dann nach Wien zur¨uck und bet¨atigte sich in der Portr¨at- und Monumentalmalerei. Zahlreiche Gem¨alde und Fresken des stark an Rubens orientierten Malers befinden sich in o¨ ffentlichen Geb¨auden in Wien. C AKL Canstatt, Karl Friedrich, Mediziner, * 11. 6. 1807 Regensburg, † 10. 3. 1850 Erlangen. C. schloß die medizinischen Studien, die er in Wien, W¨urzburg und Heidelberg absolviert hatte, 1831 mit der Promotion ab (Ueber Markschwamm des Auges und amanrotisches Katzenauge) und ging im folgenden Jahr nach Paris, wo er die Cholera erforschte. 1838 ließ er sich als praktizierender Arzt in Regensburg nieder und ver¨offentlichte 1841 ein Handbuch der medizinischen Klinik, das mehrmals aufgelegt wurde. Im selben Jahr begann er mit der Herausgabe des „Jahresberichtes u¨ ber die Fortschritte der gesammten Medicin in allen L¨andern“, die nach seinem Tod sein Sch¨uler Rudolf → Virchow u¨ bernahm. 1844 wurde C. als Prof. an die Innere Klinik in Erlangen berufen. Zu seinen Publikationen geh¨oren auch Die Krankheiten des Alters und ihre Heilung (2 Bde., 1839) und R¨uckblicke und Abhandlungen ¨ (2 Hefte, 1848-51). C Arzte 1 Canstein, Carl Hildebrand Frh. von, luth. Theologe, * 14. 8. 1667 Lindenberg (Mark), † 19. 8. 1719 Berlin. C., Sohn von Raban von → C., studierte 1683-86 in Frankfurt / Oder Rechtswissenschaften und bereiste w¨ahrend der folgenden zwei Jahre Europa, bis er 1689 Kammerjunker am Berliner Hof wurde. Als Kriegsfreiwilliger zog er 1692 mit den brandenburgischen Truppen nach Flandern. In Br¨ussel schwer erkrankt, gelobte er, im Falle einer Genesung sein Leben in den Dienst Gottes zu stellen. Nach Berlin zur¨uckgekehrt, wurde der Gutsbesitzer zu einem bedeutenden F¨orderer des Pietismus. Er pflegte Kontakte zu Philipp Jakob → Spener und zu August Hermann → Francke (Der Briefwechsel Carl Hildebrand von Cansteins mit August Hermann Francke, 1972, hrsg. von Peter Schicketanz), dessen Stiftungen er finanziell unterst¨utzte. Bekannt wurde C. durch die Gr¨undung der ersten deutschen Bibelgesellschaft (seit 1775 unter dem Namen Cansteinsche Bibelanstalt), die eine ¨ Neubearbeitung der Bibel in der Ubersetzung → Luthers in Hunderttausenden von Exemplaren herstellte und verbreitete. Er verfaßte selbst Bibelexegesen wie die Harmonie und Auslegung der Heiligen vier Evangelisten (1718). C TRE

Canstein, Philipp Frh. von, Milit¨ar, * 4. 2. 1804 Eschwege, † 5. 11. 1877 Kassel. Seit 1804 in preuß. Milit¨ardiensten, geh¨orte C. 1826-48 dem Kadettenkorps an und ver¨offentlichte in dieser Zeit einige geographische und botanische Abhandlungen (u. a. Blicke in die o¨ stlichen Alpen und in das Land um die Nordk¨uste des Adriatischen Meeres, 1837). 1849 wurde er nach Oberschlesien, 1857 als Regimentskommandeur nach Breslau versetzt.

Er nahm 1864 am Deutsch-D¨anischen Krieg teil und schrieb einen Bericht u¨ ber die Betheiligung der 11. Infanteriebrigade an der Erst¨urmung der D¨uppeler Schanzen (1864). Nach dem Krieg 1866 wurde C. Gouverneur von Magdeburg. W¨ahrend des Kriegs von 1870 / 71 vertrat er den Gouverneur von Berlin, bevor er 1872 in den Ruhestand ging. C ADB

Canstein, Raban Frh. von, Staatsmann, * 19. 8. 1617 Canstein (Westfalen), † 22. 3. 1680 Berlin. Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Wittenberg trat C. als Obermarschall in den Dienst der Herzogin-Witwe Anna Sophie von BraunschweigWolfenb¨uttel. Seit 1650 Rat → Georg Wilhelms von Brandenburg, wurde er 1651 mit der Verwaltungsreform in Kleve betraut und u¨ bernahm bald darauf auch die Organisation des neu erworbenen F¨urstentums Halberstadt. 1654 setzte sich C. in Dresden f¨ur den Zusammenschluß der evang. St¨ande ein. Infolge der von ihm ausgearbeiteten Finanzreformpl¨ane ¨ wurde er 1659 zum Leiter des gesamten Okonomiewesens im Kurstaat Brandenburg ernannt. Schwerpunkte seiner T¨atigkeit waren die Verbesserung der Land- und Wasserstraßen sowie des Zollwesens; auch an den außenpolitischen Verhandlungen um die Waldecksche Union beteiligte er sich. Der Veruntreuung beschuldigt, zog sich C. 1674 aus seinen ¨ politischen Amtern zur¨uck. Er war der Vater von Carl Hildebrand → C. C NDB

Cantiuncula, Claudius, eigentl. Chansonette, Jurist, * um 1490 Metz, † Anfang Oktober 1549 Eusisheim. C. widmete sich juristischen Studien in L¨owen und Basel, wo er 1519 promoviert und zum Rektor der Univ. ernannt wurde. Dem Kreis der Humanisten um → Erasmus von Rotterdam zugeh¨orig, setzte er sich f¨ur eine Reform des Jurastudiums ein (Oratio apologetica in patrocinium iuris civilis, 1522). Als Gegner der sich ausbreitenden Reformation verließ er 1524 Basel, wurde Ratssyndikus in Metz und war 1531-41 Titularprofessor in Wien. C. unternahm zahlreiche Gesandtschaftsreisen in kaiserlichem Auftrag, bis er sich 1542 als Kanzler der vorder¨osterreichischen Regierung in Ensisheim niederließ. Von seinen sp¨ateren Schriften sind insbesondere seine Abhandlungen zur Verbesserung des N¨urnberger Stadtrechts bekannt. C Prof Basel Canton, Gustav Jakob, Maler, * 4. 7. 1813 Mainz, † 20. 3. 1885 M¨unchen. Der Sohn eines Mainzer Kaufmanns widmete sich 1832-36 in M¨unchen dem Studium der Malerei und setzte seine Ausbildung seit 1837 in D¨usseldorf fort. Dort lieferte er 1844 Radierungen f¨ur Deutsche Dichtungen mit Randzeichnungen deutscher K¨unstler. Nach einem Aufenthalt in Mainz 1847 bereiste er die bayerischen und o¨ sterr. Gebirgslandschaften; seit 1851 trat er in England und Schottland wie¨ derum mit Buchillustrationen an die Offentlichkeit. Weitere Reisen f¨uhrten ihn 1853 nach S¨udfrankreich und bald darauf nach Italien, wo er 1855-57 dem Deutschen K¨unstlerverein in Rom angeh¨orte. 1857 ließ er sich in M¨unchen nieder und malte Tier- und Landschaftsbilder (Tierst¨uck am Starnbergersee). C AKL Cantor, Georg (Ferdinand Ludwig Philipp), Mathematiker, * 3. 3. 1845 St. Petersburg, † 6. 1. 1918 Halle / Saale. Als Sohn eines erfolgreichen Kaufmanns studierte C. von 1862 bis 1867 Mathematik in Z¨urich, G¨ottingen und Berlin, wurde 1867 in Berlin mit der Arbeit De aequationibus secundi gradus indeterminatis promoviert und habilitierte sich 1869 in Halle / Saale mit einer Arbeit u¨ ber tern¨are quadratische Formen. Zun¨achst als Privatdozent in Halle t¨atig, wurde er an der dortigen Univ. 1872 a. o. Prof. und 1879 o. Prof. der

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Cantor Mathematik. C. trat, neben seinen grundlegenden mathematischen Forschungen, auch auf organisatorischem Gebiet hervor. Er war wesentlich mitbeteiligt an der Gr¨undung (1890) der Deutschen Mathematikervereinigung – C. wurde zum ersten Vorsitzenden gew¨ahlt – und am Zustandekommen internationaler Mathematikerkongresse. Er mußte seine T¨atigkeit wegen schwerer Depressionen mehrfach durch l¨angere freiwillige Klinikaufenthalte unterbrechen. 1889 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. C. war mit einer Arbeit u¨ ber unbestimmte Gleichungen zweiten Grades promoviert worden, wandte sich aber dann unter dem Einfluß von Karl → Weierstraß in Berlin der Analysis zu. Im Jahre 1870 bewies C., daß die Fourierentwicklung einer Funktion eindeutig ist, einen Satz, der, wie er 1872 zeigen konnte, auch richtig bleibt, wenn man f¨ur die Konvergenz der Reihe endliche oder sogar unendliche Aus¨ nahmemengen zul¨aßt. In derselben Arbeit Uber die Ausdehnung eines Satzes aus der Theorie der trigonometrischen Reihen f¨uhrte C. die sogenannten Fundamentalfolgen zur Begr¨undung der Theorie der reellen Zahlen ein, definierte die erste Ableitung einer linearen Punktmenge als Menge ihrer H¨aufungspunkte und wurde zur Idee der transfiniten Ordnungszahl gef¨uhrt. Als Jahr der Begr¨undung der Mengenlehre wird meist das ¨ Jahr 1874 angegeben, in dem C. die Arbeit Uber eine Eigenschaft des Inbegriffs aller reellen algebraischen Zahlen publizierte und dort sowohl die Abz¨ahlbarkeit der Menge der algebraischen Zahlen als auch die Nichtabz¨ahlbarkeit des Kontinuums bewies. In den Jahren von 1879 bis 1883 erschienen sechs inhaltlich aufeinanderfolgende Arbeiten unter ¨ dem Titel Uber unendliche lineare Punktmannigfaltigkeiten, mit denen wichtige S¨atze und Begriffe der allgemeinen Mengenlehre eingef¨uhrt wurden. In den Jahren 1895 bis 1897 publizierte er die Beitr¨age zur Begr¨undung der transfiniten Mengenlehre. Trotz aller Bem¨uhungen aber konnte C. die sogenannte Kontinuumshypothese nicht beweisen; eine L¨osung des Problems erfolgte erst 1938 durch Kurt → G¨odel und 1963 durch Paul Joseph Cohen. C.s Mengenlehre war anfangs umstritten. Zwar fand er u. a. in Richard → Dedekind einen Mitstreiter, in Leopold → Kronecker dagegen einen scharfen Gegner. Insbesondere stieß die Vorstellung des Aktual-Unendlichen auf Ablehnung. Die Entdeckung von Antinomien der Mengenlehre – C. selbst hatte Widerspr¨uche bemerkt – f¨uhrte Anfang des 20. Jh. zu heftigen Diskussionen, aber auch zu produktiven Ergebnissen u¨ ber die Grundlagen der Mathematik und zur Etablierung von verschiedenartigen philosophischmathematischen Schulen. WEITERE WERKE: Gesammelte Abhandlungen mathematischen und philosophischen Inhalts. Hrsg. v. Ernst Zermelo. Berlin 1932. Nachdr. Berlin 1980. – Briefe. Hrsg. v. Herbert Meschkowski / Winfried Nilson. Berlin u. a. 1991. LITERATUR: Joseph Dauben: G. C. His Mathematics and Philosophy of the Infinite. Cambridge (Mass.) / London 1979. – Andor Kert´esz: G. C. 1845-1918. Sch¨opfer der Mengenlehre. Leipzig 1983. – Herbert Meschkowski: G. C. Leben, Werk und Wirkung. Mannheim u. a. 1983, 1. Aufl. unter dem Titel: Probleme des Unendlichen. Braunschweig 1967. – Walter Purkert / Hans-Joachim Ilgauds: G. C. 1845-1918. Basel u. a. 1987. Hans Wußing

Cantor, Johann Chrysostomus, Benediktiner, Theologe, Schriftsteller, * 31. 3. 1775 Lichtenfels (Oberfranken), † 29. 8. 1815 Oberailsfeld. C. absolvierte theologische Studien an der Bamberger Univ. und trat 1793 in Banz in den Benediktinerorden ein. Nach der Aufhebung des Klosters 1803 erhielt er das Pfarramt in Banz, das er 1814 mit dem in Oberailsfeld vertauschte. Er verfaßte nicht nur theologische Schriften, sondern auch

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Gedichte (1798) sowie eine Geschichte der merkw¨urdigsten Naturbegebenheiten auf unserer Erde, von Christi Geburt bis auf unsere Zeiten (1803).

Cantor, Matthias, o¨ sterr. Physiker, * 21. 3. 1861 Wien, † 23. 5. 1916 Weitlanbrunn. Nach naturwissenschaftlichen Studien an den Universit¨aten Wien und T¨ubingen (Promotion 1892, Ueber Capillarit¨atsconstanten) habilitierte sich C. f¨ur Mathematik und Physik. Zun¨achst Prof. der Physik und physikalischen Chemie in Straßburg, folgte er sp¨ater einem Ruf als Prof. der theoretischen Physik an die Univ. W¨urzburg. Seine Forschungsarbeiten, die großenteils in den „Annalen der Physik“ erschienen, konzentrierten sich auf die Gebiete der W¨armelehre und Hydromechanik. C. erlag in den Dolomiten einer Kriegsver¨ wundung. C OBL

Cantor, Moritz Benedikt, Mathematikhistoriker, * 23. 8. 1829 Mannheim, † 10. 4. 1920 Heidelberg. C., Sohn eines Kaufmanns, setzte die 1848 an der Heidelberger Univ. begonnenen mathematischen Studien 1851 in ¨ G¨ottingen und 1852 in Berlin fort (Promotion 1851, Uber ein weniger gebr¨auchliches Coordinaten-System). 1853 habilitierte er sich in Heidelberg und hielt dort seit 1860 Vorlesungen u¨ ber die Geschichte der Mathematik. 1863 wurde er a. o. Prof., 1877 Honorarprofessor und war 1908-13 o. Prof. dieses Faches. C. geh¨orte mehreren wissenschaftlichen Gesellschaften an. Seit 1859 war er f¨uhrender Mitarbeiter der „Zeitschrift f¨ur Mathematik und Physik“, 1877-99 Herausgeber, danach Mitherausgeber der „Abhandlungen zur Geschichte der mathematischen Wissenschaften“. In seinen Vorlesungen u¨ ber Geschichte der Mathematik (4 Bde., 1880-1908, Nachdr. 1965) lieferte C., Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina seit 1877, eine Gesamtdarstellung von den Anf¨angen bis 1800. Er vero¨ ffentlichte ferner Mathematische Beitr¨age zum Kulturleben der V¨olker (1863) und Das Gesetz im Zufall (1877). C EPW

Canz, Israel Gottlieb, auch Cantz, luth. Theologe, Philosoph, * 26. 2. 1690 Gr¨untal, † 2. 2. 1753 T¨ubingen. C., Sohn eines Pfarrers, besuchte die Lateinschule in Cannstatt, wurde 1704 unter die f¨urstlichen Alumnen in Bebenhausen aufgenommen und wechselte 1706 in das T¨ubinger theologische Stipendium. Seit 1707 Baccalaureus, wurde ihm 1709 die Magisterw¨urde verliehen. Nach dem Studium der Theologie 1714 zum Repetenten im Stift bestellt, unterrichtete er sechs Jahre haupts¨achlich Philosophie, tat 1719 als Vikar Dienst im Predigtamt in Stuttgart, wurde 1720 Diakon in N¨urtingen und war 1721-33 Lehrer in Bebenhausen. Als Spezialsuperintendent und Pfarrer kehrte er 1733 nach N¨urtingen zur¨uck, u¨ bernahm 1734 eine ordentliche Professur f¨ur Beredsamkeit und Dichtkunst in T¨ubingen, wurde Ephorus am Stipendium und wechselte 1739 auf die Professur f¨ur Logik und Metaphysik. 1742 mit der Fortsetzung der von dem Wolffianer Johann Gustav → Reinbeck begonnenen, bis dahin in vier Teilen erschienenen Betrachtungen u¨ ber die in der Augspurger Confeßion enthaltene und damit verkn¨upfte G¨ottliche Wahrheiten betraut, legte er 1743-47 deren 5. bis 9. Teil vor. 1747-53 war C. Prof. der Theologie. 1751 wurde ihm die theologische Doktorw¨urde verliehen. C., einer der wenigen s¨uddeutschen Wolffianer, schrieb mehrere Werke zur Leibniz-Wolffschen Philosophie. Mit Philosophiae Leibnitianae et Wolfianae usus in theologia, per praecipua fidei capita (3 Bde., 1728-37) trat er im Streit um → Wolff f¨ur diesen ein und versuchte die Vereinbarkeit von Philosophie und Christentum nachzuweisen. Zu seinen wichtigen Arbeiten z¨ahlen ferner Iurisprudentia theologiae, seu de civitate Dei (1731, 21737), Grammaticae universalis tenuia rudimenta (1737, Neudr. 1982), Disciplinae morales

Capilleri omnes (2 Bde., 1739, 31762; Nachdr., 2 Bde., 1994) Philosophia fundamentalis (1744, Nachdr. 1997) und Meditationes philosophicae (1750; Nachdr., 2 Bde., 1996). C BBHS

Canz, Wilhelmine (Friederike Gottliebe), Schriftstellerin, * 27. 2. 1815 Hornberg / Schwarzwald, † 15. 1. 1901 Großheppach / Remstal. Die Tochter eines Amtsarztes verbrachte nach dem Tod ihres Vaters ihre Jugend im pietistischen Milieu T¨ubingens und kam in Kontakt mit junghegelianischen Kreisen. Einem religi¨osen Impuls folgend, schrieb sie den dreib¨andigen Roman Eritis sicut Deus, der 1853 anonym erschien (21855). Darin warnte sie vor der Selbst¨uberhebung des Menschen und griff die Bibelkritik von David Friedrich → Strauß an. 1855 zog sie nach Großheppach und u¨ bernahm die Leitung des Mutterhauses f¨ur Kinderschullehrerinnen. C. ver¨offentlichte auch autobiographische Aufzeichnungen. C Killy

Canzler, Carl, Industrieller, Erfinder, * 28. 8. 1858 Lippstadt, † 19. 1. 1919 D¨uren. Nach einer Kupferschmiedelehre und mehrj¨ahriger Wanderzeit studierte C., dessen Vater Husaren-Stabstrompeter, dann K¨uster an der evang. Marienkirche in Lippstadt war, 1885-88 am Technikum in Buxtehude. 1890 gr¨undete er eine eigene Kupferschmiede in Elsdorf, die 1894 in das nahegelegene D¨uren verlegt wurde. C. besch¨aftigte sich in Zusammenarbeit mit Ingenieuren und Chemikern mit Fragen der Verfahrenstechnik und verbesserte die Technik der Gasschmelzschweißung. 1912 wurde sein Verfahren der Kupferschweißung unter Verwendung eines phosphor- und silberhaltigen Kupferdrahts („Canzlerdraht“) patentiert. C. vero¨ ffentlichte Abhandlungen u¨ ber Schweißtechniken in der „Zeitschrift Autogene Metallbearbeitung“. C NDB

Canzler, Karl Christian, Bibliothekar, Literarhistoriker, * 30. 9. 1735 Burkhardsdorf bei Chemnitz, † 16. 10. 1786 Dresden. Nach dem Studium der Theologie, der Rechtswissenschaften, der Geschichte und der Literatur an den Universit¨aten Wittenberg, Leipzig, G¨ottingen und Straßburg begann C. 1760 eine bibliothekarische T¨atigkeit. Zun¨achst in der Zaluskischen Bibliothek in Warschau t¨atig, kam er 1763 nach Dresden, wo er anf¨anglich die Bibliothek des Ministers Graf Heinrich von → Br¨uhl betreute. Von 1768 bis zu seinem Tod war er an der Dresdener kurf¨urstlichen Bibliothek angestellt. In seiner wissenschaftlichen T¨atigkeit konzentrierte sich C. auf die mittelalterliche Literatur und schrieb Ueber die deutsche Tonmessung (1766). C ADB

Capelle, Eduard (Carl Ernst), Milit¨ar, Politiker, * 10. 10. 1855 Celle, † 23. 2. 1931 Wiesbaden. C., Sohn enes Fabrikbesitzers, trat 1872 als Seekadett in die Marine ein und erhielt nach verschiedenen Bordkommandos eine Stelle als Sachbearbeiter im Reichsmarineamt. Seit 1897 geh¨orte er zu den engsten Mitarbeitern des Admirals Alfred von → Tirpitz bei der Vorbereitung der Flottengesetze und beim Aufbau der Hochseeflotte. 1913 zum Admiral bef¨ordert, wurde er 1914 / 15 Unterstaatssekret¨ar im Reichsmarineamt, 1916 Nachfolger von Tirpitz als Staatssekret¨ar des Reichsmarineamtes und setzte sich f¨ur den uneingeschr¨ankten U-Boot-Krieg ein.

Capelle, Wilhelm (August Cornelius Friedrich), Historiker, * 21. 8. 1871 Hannover, † 8. 12. 1961 Hamburg. C. wurde 1896 in G¨ottingen zum Dr. phil. promoviert (De Cynicorum epistulis), war seit 1901 Prof. an der Gelehrtenschule des Johanneums in Hamburg und habilitierte sich 1920 an der dortigen Univ., an der er seit 1926 Honorarprofessor f¨ur klassische Philologie war. C. besch¨aftigte sich mit der Geschichte der griechischen Philosophie und der griechischen Fachwissenschaft, u. a. mit der Meteorologie, mit Ger-

manenforschung sowie mit neuerer deutscher Geschichte. Er ver¨offentlichte u. a. Die Befreiungskriege 1813-1815 (2 Bde., 1902, 41915), Geschichte der Philosophie (Bd. 1-4, 1922-35, 2 1953 / 54) und Das alte Germanien. Die Nachrichten der griechischen und r¨omischen Schriftsteller (1929, 21937). Die von C. besorgte Ausgabe Die Vorsokratiker. Die Fragmente und Quellenberichte (1935, 81973) ist neben der von Hermann → Diels herausgegebenen Edition zu einer vielbenutzten popul¨aren Ausgabe geworden. Er u¨ bersetzte auch Werke von Marc Aurel, Epiktet, Heraklit und Hippokrates. C Poggendorff 7a

Capellen, Georg, Musiktheoretiker, Komponist, * 1. 4. 1869 Bad Salzuflen, † 19. 1. 1934 Hannover. Zun¨achst studierte C. in T¨ubingen, G¨ottingen und Berlin Philosophie und Jura und arbeitete 1898-1900 als lippescher Beamter; w¨ahrenddessen erwarb er autodidaktisch musiktheoretische Kenntnisse. Seit 1900 war er als Musikkritiker und Komponist in Osnabr¨uck t¨atig und zog 1906 nach K¨oln, im folgenden Jahr nach M¨unchen und 1914 nach Hannover. Dort lieferte er seit 1922 als Musikreferent Beitr¨age f¨ur die „Niederdeutsche Zeitung“. Wissenschaftlich besch¨aftigte er sich u. a. mit Richard → Wagner, mit fern¨ostlicher Musik und mit Fragen der Stimmf¨uhrung (Die Freiheit oder Unfreiheit der T¨one und Intervalle als Kriterium der Stimmf¨uhrung, 1904; Ein neuer exotischer Musikstil, 1905). C. komponierte Lieder und bearbeitete traditionelle Musik japanischer Herkunft. C NDB

Capellmann, Georgette, Verlegerin, * 7. 1. 1893 Aachen, † 26. 12. 1991 Aachen. Der Ehemann von C. hatte 1940 den 1924 in Frankfurt gegr¨undeten Kunstbuchverlag erworben und in M¨unchen angesiedelt. Nach seinem Tod f¨uhrte sie zusammen mit Gustav Stresow das Unternehmen weiter und baute es zu dem weltweit angesehenen und buchk¨unstlerisch engagierten Prestel-Verlag aus. Bedeutende kunstgeschichtliche Produktionen von Autoren wie Nikolaus → Pevsner oder Werner → Haftmann sowie Buchreihen wie Bilder aus der deutschen Vergangenheit setzten fr¨uhe Akzente. Mit ihrem Bem¨uhen um eine behutsame Pflege des Erbes verband C. eine konsequente F¨orderung der Moderne. Seit den f¨unfziger Jahren erschienen im Prestel-Verlag erste Kataloge; Ende der siebziger Jahre wurde er auf diesem Sektor Marktf¨uhrer.

Capieux, Johann Stephan, auch Jean Etienne C., Maler, Radierer, * 8. 1. 1748 Schwedt, † 8. 7. 1813 Leipzig. C. erhielt seine k¨unstlerische Ausbildung an der Leipziger Kunstakademie als Sch¨uler Adam Friedrich → Oesers und arbeitete seit 1769 im Atelier des Landschafts- und Historienmalers Johann Adam Fassauer. Seit 1771 widmete er sich zus¨atzlich medizinischen und naturwissenschaftlichen Studien und gab 1773 an der Kunstakademie Zeichenunterricht. Bald darauf verließ er Leipzig und ging nach einer T¨atigkeit bei dem Malermeister J. G. Wagner in Hamburg 1775 als anatomischer und naturwissenschaftlicher Zeichner nach Halle. 1782 ließ er sich dauernd in Leipzig nieder, lehrte Zeichnen an der Univ. und war ein bedeutender Illustrator anatomischer, botanischer und mineralogischer Werke. C AKL

Capilleri, Wilhelm, o¨ sterr. Schauspieler, Dramaturg, Schriftsteller, * 21. 11. 1834 Salzburg, † 3. 7. 1905 Stillfried (Nieder¨osterreich). Der Sohn eines Geometers studierte am Wiener Konservatorium und trat seit 1856 unter dem K¨unstlernamen Roman in Preßburg, Czernowitz und andernorts als Schauspieler auf. Er u¨ bernahm 1864 die Leitung des Deutschen Theaters in Brody und ging dann nach Hamburg, wo er zwei Jahre lang als Dramaturg arbeitete. 1868 ließ er sich in Wien nieder und war als Redakteur der „Adelszeitung“ sowie als

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Capito freier Schriftsteller t¨atig. Zu seinen Werken z¨ahlen Gedichte, M¨archen und vor allem Theaterst¨ucke wie das Lustspiel Der Fuchs in der Schlinge (1870).

Capito, Wolfgang, eigentl. K¨opfel, auch Fabricius, luth. Theologe, * 1481 Hagenau (Elsaß), † 4. 11. 1541 Basel. Der Sohn eines Hagenauer Schmiedemeisters und Ratsherrn studierte in Ingolstadt und Freiburg Jura und Theologie, wurd 1511 Lic. theol. und erhielt 1512 eine Stelle als Stiftsprediger in Bruchsal. 1515 wechselte er nach der Promotion zum Dr. theol. nach Basel, wo er seit 1516 an der Univ. Theologie lehrte und als Hebraist t¨atig war (Hebr¨aische Grammatik, 1518). Hier wurde er ein enger Vertrauter des → Erasmus. Auf dessen Empfehlung wurde er 1520 Domprediger und im folgenden Jahr Rat und Kanzler des Erzbischofs → Albrecht von Brandenburg in Mainz. 1523 verlieh ihm der Papst die Propstei St. Thomas in Straßburg. C., der seit 1518 mit → Luther im Briefwechsel stand, bekannte sich nun offen zur Reformation und wurde zu einem ihrer wichtigsten F¨orderer in Straßburg neben Martin → Bucer und Jakob → Sturm und zu einem der maßgeblichen reformatorischen Theologen in Oberdeutschland. Zusammen mit Bucer verfaßte er 1530 auf dem Augsburger Reichstag die Confessio Tetrapolitana. Zun¨achst in der Abendmahlslehre an → Zwingli orientiert, n¨aherte er sich sp¨ater Luther an und nahm 1536 an den Verhandlungen um die Wittenberger Konkordie teil. Kurz vor seinem Tod beteiligte er sich an den Religionsgespr¨achen von 1540 / 41. C TRE Capliers, Kaspar Zdenko Graf von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 1611, † 6. 10. 1686 Wien. C. trat in das o¨ sterr. Heer ein und nahm am Dreißigj¨ahrigen Krieg teil. Nach weiteren milit¨arischen Diensten wurde er 1654 von Kaiser → Ferdinand III. in den Freiherrnstand erhoben und 1661 zum Feldmarschalleutnant bef¨ordert. 1663 wurde er nach Wien in den Hofkriegsrat berufen. Zwischenzeitlich in den Grafenstand erhoben, wurde C. als Vizepr¨asident des Hofkriegsrats zu politischen Verhandlungen hinzugezogen. W¨ahrend der Belagerung Wiens 1683 stand er an der Spitze der Stadtverwaltung und u¨ bernahm zeitweise auch milit¨arische Kommandos. Kaiser → Leopold I. ernannte ihn noch im selben Jahr zum Generalfeldmarschall. C ADB

Cappel, Johann Friedrich Ludwig, Mediziner, * 18. 7. 1759 Helmstedt, † 16. 5. 1799 Rußland. Der Sohn eines herzoglich braunschweigischen Hofrats studierte seit 1776 in Helmstedt Medizin. Nachdem er 1779 ein Studienjahr in Straßburg verbracht hatte, wurde er 1781 in seiner Heimatstadt promoviert (De epilepsia ex tumore nervo vago inhaerente orta) und ging im folgenden Jahr als praktizierender Arzt nach Hildesheim und bald darauf nach Braunschweig. 1786 wurde er in St. Petersburg zum russischkaiserlichen Kollegienassessor und Gouvernementsarzt ernannt und ließ sich in Wladimir nieder, wo er bis zu seinem Lebensende praktizierte. C. ver¨offentlichte botanische Verzeichnisse und medizinische Monographien, u. a. u¨ ber Epilepsie, Pocken und Rachitis (Versuch einer vollst¨andigen Abhandlung u¨ ber die sogenannte Englische Krankheit, Bd. 1, 1787). C Baur

Cappel, Ludwig Christoph Wilhelm, Mediziner, * 1772 Helmstedt, † 9. 7. 1804 M¨unden. C. studierte in Helmstedt, ließ sich nach der Promotion 1796 (De sanguinis congestionibus) als Arzt nieder, habilitierte sich 1798 in G¨ottingen (De pneumonia typhode sive nervosa) und wurde 1802 zum a. o. Prof. ernannt. Einem Ruf an die Moskauer Univ. konnte er nicht mehr folgen. Seine Schrift Beitrag zur Beurtheilung des Brownischen Systems (1797) trug mit ihrer zun¨achst negativen, in der zweiten Auflage von 1800 jedoch durchaus positiven Kritik wirkungsvoll zur

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Diskussion u¨ ber das medizinische System des schottischen Mediziners John Brown bei. Zu C.s weiteren Publikationen geh¨oren Ein Paar Worte u¨ ber den Werth der Theorie und der eignen Erfahrung in Beziehung auf die Aus¨ubung der Heilkunde (1798), Diquisitio de viribus corporis humani (1800), Medicinische Untersuchungen. Eine Auswahl aus den Novis Actis der Kaiserlichen Akademie der Naturforscher (1801). ¨ 1 C Arzte

Cappeler, Carl (Johann Wilhelm), auch Cappeller, Indologe, * 22. 2. 1842 Alexkehmen (Ostpreußen), † 17. 7. 1925 Jena. In Berlin studierte C., Sohn eines Gutsbesitzers, seit 1860 Klassische Philologie, Litauisch und vor allem Sanskrit bei Franz → Bopp und Albrecht → Weber. 1868 in Leipzig promoviert, ging er nach Jena und habilitierte sich 1872 f¨ur Sanskrit; von 1875 bis zu seinem Tod wirkte er dort als a. o. Professor. Bekannt wurde C. insbesondere durch ein Sanskrit-W¨orterbuch, das er 1887 ver¨offentlichte; zahlreiche Editionen von Sanskrittexten gehen auf ihn zur¨uck. C NDB

Cappeln, Johann Friedrich von, Mediziner, * 28. 10. 1646 Bremen, † 13. 12. 1714 Bremen (?). C. studierte seit 1671 in Leiden und wurde dort 1673 mit der Arbeit De scorbutica saguinis intemperie promoviert. 1675 in seine Heimatstadt Bremen zur¨uckgekehrt, erhielt er eine Stelle als Prof. der Medizin am Gymnasium illustre und nahm 1679 eine T¨atigkeit als praktizierender Arzt auf. Durch die Errichtung einer sogenannten Anatomiekammer versuchte er, die medizinischen Ausbildungsm¨oglichkeiten zu verbessern. Um 1690 gewann er den Bremer Stadtrat f¨ur die Gr¨undung eines Krankenhauses, die er selbst ¨ durchf¨uhrte. 1 C Arzte

Capricornus, Samuel (Friedrich), eigentl. Bockshorn, Komponist, * 21. 12. 1628 Schertitz (B¨ohmen), † 10. 11. 1665 Stuttgart. Seit 1643 widmete sich C., Sohn eines evang. Pfarrers und Exulanten, in Schlesien theologischen Studien. Nach verschiedenen Reisen, u. a. nach Straßburg und Reutlingen, ging er aus musikalischem Interesse 1649 nach Wien, wo er Kontakt zur kaiserlichen Hofkapelle sowie zu Antonio → Bertali und Pietro Francesco Valentini aufnahm. Im gleichen Jahr begab er sich nach Preßburg und arbeitete dort als Hauslehrer, seit 1651 als Musikdirektor an der Dreifaltigkeitskirche. 1655 ver¨offentlichte C. seine ersten Kompositionen und wurde 1657 als Hofkapellmeister nach Stuttgart berufen. Er trug zur Entwicklung des geistlichen Konzerts und der Kantate bei (Geistliche Harmonien, 3 Teile, 1659-64). C MGG

Caprivi, (Georg) Leo Graf (1891) von C. de Caprera de Montecuccoli, Milit¨ar, Staatsmann, * 24. 2. 1831 Charlottenburg (heute zu Berlin), † 6. 2. 1899 Skyren bei Crossen / Oder. Auch die Geschichtswissenschaft hat sich lange nicht von dem popul¨aren Bild l¨osen k¨onnen, das ihn nur als kleinen Nachfolger eines großen Vorg¨angers zeigt. Diese Bismarck-Zentriertheit des Blicks auf die viereinhalb Jahre der Kanzlerschaft C.s wirkt bis heute nach. Doch eine weniger verengte, eher liberale Betrachtung hat C. einen ebenso „klaren“ wie „eigensinnigen“ Kopf attestiert und eine „sch¨one Unvoreingenommenheit und Unbestechlichkeit“ dazu; in der Reihe der Kanzler nach → Bis-

Carbach marck und bis 1918 sei er „der beste“ gewesen (Golo → Mann). C., bis an sein Lebensende unverheiratet, entstammte einer urspr¨unglich in Krain ans¨assigen, im 17. Jh. in den o¨ sterr. Adel aufgenommenen Familie. Doch schon sein Großvater war preuß. Oberst, sein Vater Jurist im preuß. Staatsdienst. Seine Mutter war Tochter Gustav K¨opkes, des Direktors am Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin. Nach seiner Schulzeit trat er 1849 in ein Garderegiment ein, 1850 wurde er Leutnant. Von 1854 bis 1857 besuchte er die Kriegsschule, im Mai 1860 wurde er dem Großen Generalstab zugeteilt. C. bekleidete Stabsstellen in K¨onigsberg und Frankfurt / Oder und nahm an den Kriegen von 1864 und 1866 teil. Bei Ausbruch des Kriegs gegen Frankreich war er Oberstleutnant. Mit dem Eisernen Kreuz beider Klassen und dem Orden Pour le m´erite kehrte C. zur¨uck und wurde Abteilungsleiter im Kriegsministerium. Verschiedene Kommandos f¨uhrten ihn nach Stettin und wieder zur¨uck nach Berlin, 1882 wurde er Divisionskommandeur in Metz und zum Generalleutnant bef¨ordert. Im M¨arz 1883 wurde C. als Nachfolger des Generals von → Stosch zum Chef der Admiralit¨at ernannt. Pflichtbewußt und effektiv versah er auch dieses Kommando auf ihm fremdem Terrain. C. intensivierte den Bau schneller Kreuzer und f¨orderte den Ausbau der Torpedowaffe; den Bau großer Schlachtschiffe lehnte er ab. Jetzt mußte der altgediente Soldat, um die Interessen seines Amtes erfolgreich zu wahren, auch im Reichstag auftreten. C. stand der Flotte sechs Jahre vor und setzte sich auch mit großem organisatorischen Geschick f¨ur eine verbesserte Ausbildung von Mannschaften und Offizieren ein. Elf Tage nach dem Regierungsantritt → Wilhelms II. bat C. um seine Entlassung; die unterschiedlichen Auffassungen u¨ ber den Kriegsschiffbau m¨ogen der Grund gewesen sein. C. wurde Kommandierender General des 10. Armeekorps in Hannover. Am 20. 3. 1890 berief ihn der Kaiser in das Amt des Reichskanzlers und preuß. Ministerpr¨asidenten. Bismarck selbst hatte C. schon fr¨uher als geeignet f¨ur Preußen genannt. Sechs Tage sp¨ater u¨ bernahm C. anstelle Herbert von → Bismarcks auch das Ausw¨artige Amt. Die Frage zu kl¨aren, wieweit die Berufung in das h¨ochste Staatsamt gegen den Willen C.s er¨ folgt ist, wie in der historischen Uberlieferung immer wieder unterstellt wird, w¨are eine Aufgabe einer noch zu schreibenden Monographie u¨ ber diesen durchaus Charakterst¨arke zeigenden und Pragmatismus beweisenden Kanzler. Wohl zu Recht ist von C. gesagt worden, er sei „fast in allem das Gegenteil Bernhard von B¨ulows“ gewesen (Heinrich Otto Meisner). In die Zeit C.s fallen sowohl die Erneuerung des Dreibundes wie auch der Helgoland-Sansibar-Vertrag mit England, aber auch die Nichtverl¨angerung des R¨uckversicherungsvertrags mit Rußland. Handelsvertr¨age, die C. in freih¨andle¨ rischem Geist mit Osterreich, Belgien, Italien und anderen L¨andern abschließen ließ, brachten die Konservativen gegen ihn auf. Innenpolitisch versuchte C., der sich im Parlament seine Mehrheiten jeweils suchen mußte, bis hin zum Freisinn und auch zur Arbeiterschaft ausgleichend zu wirken. 1891 wurde ein Arbeiterschutzgesetz verabschiedet, das weitreichende Folgen hatte. 1892 gab C. die preuß. Ministerpr¨asidentschaft auf. 1893 l¨oste er den Reichstag auf, um eine Heeresreform durchzubringen, in der eine zweij¨ahrige Dienstzeit vorgesehen war. Am 26. 10. 1894 trat C. von seinem Amt zur¨uck; von einem Scheitern seiner Politik kann indessen nicht die Rede sein. Er zog sich auf das Gut eines Verwandten zur¨uck und hat sich zur Politik seines Nachfolgers – ganz anders als sein Vorg¨anger es getan hat – nicht ge¨außert. WERKE: Graf von C.: Reden im deutschen Reichstag, preußischen Landtag und bei besonderen Anl¨assen.

1883-1893. Mit der Biographie hrsg. v. R. Arndt. Berlin 1894. LITERATUR: Heinrich Otto Meisner: L. C. In: NDB, Bd. 3, 1957, S. 134f. – Peter Leibenguth: Modernisierungskrisis des Kaiserreichs an der Schwelle zum wilhelmini¨ schen Imperialismus. Politische Probleme der Ara C. (1890-1894). Diss. phil. K¨oln 1975. – Rainer Lahme: Deutsche Außenpolitik 1890-1894. Von der Gleichgewichtspolitik Bismarcks zur Allianzstrategie C.s G¨ottingen 1990. Peter Schumann

Carabelli, Georg Edler von Lunkaszprie, o¨ sterr. Zahnmediziner, * 11. 12. 1787 Pest (heute zu Budapest), † 24. 10. 1842 Wien. Nachdem er als Feldarzt in der o¨ sterr. Armee an den Feldz¨ugen von 1809 und 1813 teilgenommen hatte, schloß C., Sohn eines Kaufmanns, seine Studien 1815 an der Medizinisch-Chirurgischen Josephsakademie in Wien mit der Promotion ab. Er spezialisierte sich auf die Zahnheilkunde und lehrte seit 1821 als a. o. Prof. an der Wiener Universit¨at. 1833 berief ihn → Franz I. zu seinem Leibarzt. C. ver¨offentlichte 1831-42 ein zweib¨andiges Systematisches Handbuch der Zahnheilkunde, in dem er unter Verwendung einer verbesserten Nomenklatur u. a. neue Verfahren zur Anlegung k¨unstlicher Z¨ahne und Gebisse beschrieb. C NDB

Caracciola, Rudolf, Autorennfahrer, * 30. 1. 1901 Remagen, † 28. 9. 1959 Kassel. Nach einer praktischen Ausbildung in verschiedenen Maschinen- und Automobilfabriken arbeitete C. als Automobilverk¨aufer in Dresden und 1923-29 als Vertreter f¨ur Mercedes in Berlin. Danach bet¨atigte er sich vorwiegend als Rennfahrer. C. gewann in den zwanziger und dreißiger Jahren 27 bedeutende Rennen, darunter den „Großen Preis von Deutschland“ auf dem N¨urburg-Ring 1928 und im folgenden Jahr den „Ulster Grand Prix“. Der mehrmalige Europameister stellte 17 Weltrekorde auf und erreichte dabei 1938 auf der Autobahn die Geschwindigkeit von 432,7 Kilometern pro Stunde. C. ver¨offentlichte 1938 seine Autobiographie unter dem Titel Mein Leben als Rennfahrer. Carath´eodory, Constantin, Mathematiker, * 13. 9. 1873 Berlin, † 2. 2. 1950 M¨unchen. Im Anschluß an eine Ingenieursausbildung war C. 1898-1900 ¨ in englischen Diensten in Agypten bei den Nilstaud¨ammen t¨atig. Seit 1900 studierte er Mathematik in Berlin und G¨ottingen und erhielt nach der Promotion 1904 (Ueber die diskontinuirlichen L¨osungen in der Variationsrechnung) und Habilitation 1909 eine Professur f¨ur Mathematik an der TH Hannover. Im folgenden Jahr wechselte er an die neugegr¨undete TH Breslau, 1913 nach G¨ottingen und 1918 nach Berlin. Seit 1920 wirkte C. an der Univ. Smyrna und seit 1922 in Athen, bis er 1924 einem Ruf an die Univ. M¨unchen folgte. Von dort aus wurde er 1930 nach Athen beurlaubt, wo er als Direktor die Reorganisation der Univ. und den Neubau von Institutsgeb¨auden leitete. Seine wissenschaftlichen Arbeitsgebiete waren Variationsrechnung, geometrische Optik, Mechanik und Thermodymanik. C. ver¨offentlichte u. a. Conformale representation (1932), Variationsrechnung und partielle Differentialgleichungen erster Ordnung (1935), Geometrische Optik (1937) und Funktionentheorie (2 Bde., 1950). C NDB

Carbach, Nikolaus Fabri von, Historiker, * um 1485 Karbach (Unterfranken), † um 1534 Mainz. Um 1503 besuchte C. die Leipziger Universit¨at; sp¨ater kam ¨ er nach Mainz, wo er den Livius-Ubersetzer Ivo Wittich kennenlernte. 1512 u¨ bernahm er den Lehrstuhl f¨ur Geschichte an der Univ. Mainz und las als Latinist und Gr¨azist u¨ ber

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Cardauns Poetik und alte Geschichte. Um 1515 geh¨orte er dem Mainzer Humanistenzirkel an, stand in Kontakt mit Ulrich von → Hutten und war Mitarbeiter von Johannes → Cochl¨aus. 1518 ver¨offentlichte C. eine mit Hilfe eines Handschriftenfundes verbesserte Ausgabe des Livius, den sogenannten ¨ Mainzer Livius, und lieferte eine deutsche Ubersetzung. C NDB

Cardauns, (Bernhard) Hermann, Historiker, Journalist, Schriftsteller, * 8. 8. 1847 K¨oln, † 14. 6. 1925 Bonn. Nach dem Studium der Geschichte in Bonn, das er 1868 mit der Promotion abschloß (De Reformatione Bernensi), wurde C., Sohn eines Notars, 1869 Mitarbeiter der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und 1872 Privatdozent der Geschichte in Bonn. Dann in erster Linie journalistisch t¨atig, u¨ bernahm er 1876 die Chefredaktion der „K¨olnischen Volkszeitung“, die er bis 1907 innehatte. C. gab die Briefe von Annette von → DrosteH¨ulshoff heraus (1909) und verfaßte biographische Arbeiten Studien u¨ ber K¨oln und das Rheinland (u. a. Alte Geschichten vom Rhein, 1901). Seine Werke F¨unfzig Jahre K¨olnische Volkszeitung (1910) und Aus dem Leben eines Redakteurs (1912) zeichnen ein Bild der Publizistik im Kaiserreich. C. war Generalsekret¨ar der G¨orres-Gesellschaft und pr¨asidierte 1902 dem Deutschen Katholikentag in Mannheim. C Leb Rhein, Bd 8

Cardilucius, Johann Hiskia, eigentl. J. H. Herzschein, Schriftsteller, * 1. H¨alfte 17. Jh. bei Gotha (?), begraben 4. 10. 1697 N¨urnberg. C., der bei einem Aufenthalt in London (1660-62) Samuel Hartlib und Kenelm Digby kennenlernte und sich zum Studium in den Niederlanden (1663 / 64), in Darmstadt (1666 / 67), in Mainz (1671-73) und in Frankfurt aufhielt, wirkte seit etwa 1670 als Arzt und Pharmazeut in N¨urnberg und stand sp¨atestens seit 1680 als Rat und Leibarzt in f¨urstlich-w¨urttembergischen Diensten. Protegiert wurde er vor allem von Johann Christian Freiherr von → Boyneburg, auf dessen Anregung hin er vermutlich die W¨urden eines „Doctor bullatus“ und „Comes palatinus“ erhielt. Bekannt war er außerdem mit Gottfried Wilhelm → Leibniz und ¨ bedeutenden Arzten seiner Zeit. Mit seiner Entscheidung, Fachliteratur auf Deutsch zu publizieren, bezog C. Position im deutsch-lateinischen Sprachenstreit und setzte sich zum Teil der heftigen Kritik von Fachkollegen aus. Neben der ¨ sprachlichen Uberarbeitung a¨ lterer Fachschriften des 16. und 17. Jh. ver¨offentlichte er wichtige Kommentare zu Schriften des Hippokrates und Werken Bartholom¨aus → Carrichters (u. a. zu Von den vier Materien, 1670, und zum Kr¨auterbuch, 1679), schrieb aber auch ein umfangreiches, an den Laien gerichtetes Kompendium zur medizinischen Selbsthilfe (Neue Stadt- und Landapotheck, 4 Tle., 1670-80 u. o¨ .). Zu seinen Publikationen z¨ahlt auch ein Tractat Von der leidigen Seuche der Pestilentz (1679). C Killy

Cardinal von Widdern, Georg, Milit¨arhistoriker, Schriftsteller, * 12. 4. 1841 Wollstein (Posen), † 21. 7. 1920 Berlin. Im Kadettenkorps in Kulm und Berlin ausgebildet, geh¨orte C. 1859-90 der preuß. Armee an. 1881-87 war er Kommandeur der Kriegsschule in Neiße. C. publizierte zahlreiche Schriften kriegshistorischen und strategischen Inhalts (u. a. Verwendung und F¨uhrung der Kavallerie 1870 / 71 bis zur Kapitulation von Sedan, 6 Tle., 1903-06). Cardinaux, Emil, schweizer. Maler, Graphiker, * 11. 11. 1877 Bern, † 2. 10. 1936 Bern. Bereits w¨ahrend seines Jurastudiums nahm C. Unterricht an der Berner Kunstschule. 1898 ging er nach M¨unchen, brach sein Studium ab, wurde Privatsch¨uler von Ludwig → Schmid-Reutte und studierte dann an der Akademie bei

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Franz → Stuck. 1903 / 04 hielt er sich in Paris auf und reiste 1902 nach Holland und 1905 nach Italien. Seit 1911 lebte C. als freier K¨unstler in Muri bei Bern und hatte vor allem als Landschaftsmaler (Fr¨uher Morgen im Gebirge), Plakatgestalter und Buchillustrator Erfolg. C AKL

Carell, Erich, Wirtschaftswissenschaftler, * 12. 6. 1905 Posen, † 22. 3. 1982 W¨urzburg. Neben dem Studium der Wirtschaftswissenschaften, das er in N¨urnberg, Erlangen und M¨unchen absolvierte, war C. 1924 / 25 als Volont¨ar bei der Reichslandbund-AG in N¨urnberg t¨atig. 1928 in M¨unchen promoviert, wurde er Assistent am dortigen Staatswissenschaftlichen Seminar und habilitierte sich 1931 f¨ur Wirtschaftswissenschaften. Seit 1938 lehrte er als a. o. Prof. an der M¨unchner Univ., bis er 1943 als Ordinarius nach W¨urzburg berufen wurde. C., der seine Professur nach dem Zweiten Weltkrieg beibehielt, ver¨offentlichte u. a. Unternehmergewinn und Arbeitslohn (1950).

Caridis, Miltiades, Dirigent, * 9. 5. 1923 Danzig, † 1. 3. 1998 Athen. C. studierte 1939-42 am Konservatorium in Athen, dann an der Akademie f¨ur Musik und darstellende Kunst in Wien (u. a. bei Hans → Swarowsky) und war danach u. a. als Opernkapellmeister in Bregenz (1947), Graz (seit 1948) und K¨oln (1959-62) t¨atig. 1960-67 war er Chefdirigent der Philharmonia Hungarica in Marl (Westfalen), 1962-69 auch Dirigent an der Wiener Staatsoper und arbeitete seit 1969 mit dem Filharmonisk Selskap Orkester in Oslo. 1975-81 war C. Generalmusikdirektor in Duisburg und seit 1978 Chefdirigent des Nieder¨osterreichsichen Tonk¨unstlerorchesters in Wien. Carigiet, Alois, schweizer. Maler, Graphiker, * 30. 8. 1902 Trun (Kt. Graub¨unden), † 1. 8. 1985 Trun. Aus einer Bergbauernfamilie stammend, kam C. 1911 nach Chur, wo er 1919-23 eine Lehre als Dekorationsmaler absolvierte. Nach einer vierj¨ahrigen Mitarbeit in einem Z¨urcher graphischen Atelier machte er sich als Gebrauchsgraphiker selbst¨andig und entwarf Schaufenster- und Festdekorationen, seit 1933 u¨ berwiegend B¨uhnenbilder und Kost¨ume. Ende 1933 geh¨orte er zu den Gr¨undern des „Cabaret Cornichon“, in dem er seit 1934 mit seinem Bruder Zarli C. zusammenarbeitete. Als freier Maler ging er 1939 nach Platenga und kehrte nach mehreren Reisen 1950 nach Z¨urich, 1960 schließlich nach Trun zur¨uck. C., der seit 1942 auch Kin¨ derb¨ucher illustrierte, stellte in seinen Lithographien, Olbildern, Zeichnungen und Wandmalereien vor allem die B¨undner Alpenlandschaft und Dorfszenen dar. C AKL Carinus, Ludwig, eigentl. L. Kiel, schweizer. Humanist, * vermutlich 1496 Luzern, † 17. 1. 1569 Basel. C., Sohn eines Luzerner Unterschreibers und Großrats, war 1511 / 12 an der Univ. Basel immatrikuliert. 1514 erwarb er den Grad eines Bakkalaureus. Seit 1513 Inhaber einer Chorherrenpfr¨unde am Stift Berom¨unster, wurde er wegen ¨ seines Ubertritts zur Reformation 1531 ausgeschlossen. Danach war er als Lehrer t¨atig; seit 1535 auf Reisen, war er u. a. Pr¨azeptor von Fuggers¨ohnen. 1546-55 hatte er die Sinekurpfr¨unde des Thomasstifts in Straßburg inne und lebte seit 1555 in Basel. C. regte 1531 die von Oswald → Myconius verfaßte Biographie → Zwinglis an. C HLS

Cario, G¨unther, Physiker, * 3. 8. 1897 G¨ottingen, † 18. 9. 1984 Braunschweig. C. unterbrach sein 1916 in G¨ottingen begonnenes Physikstudium, um 1917-19 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der dortigen Modellversuchsanstalt f¨ur Aerodynamik mitzuarbeiten. Nach Vollendung seiner Studien an der Univ. G¨ottingen (Promotion 1922, Ueber Entstehung wahrer Lichtabsorption und scheinbare Koppelung von Quantenspr¨ungen) wurde er Assistent am Physikalischen Institut,

Carl 1927 Dozent und bald darauf a. o. Prof. der Physik; 1929 u¨ bernahm er zus¨atzlich einen Lehrauftrag f¨ur Meteorologie und Klimakunde an der Fachhochschule in Hannoversch M¨unden. C. wurde 1936 als Prof. und Institutsdirektor an die TH Braunschweig berufen.

Carion, Johann, auch Gew¨urzn¨agelein, N¨agelin, Caryophylus, Astrologe, Chronist, * 22. 3. 1499 Bietigheim (W¨urttemberg), † 2. 2. 1537 Magdeburg. C. studierte seit 1514 in T¨ubingen, wahrscheinlich als Sch¨uler des Mathematikers und Astronomen Johannes → St¨offler. 1522 wurde er Hofmechaniker, Astrologe und Arzt des Kurf¨ursten → Joachim I. von Brandenburg. Er erarbeitete astrologische Kalender, formulierte Prophezeiungen (des Weltuntergangs) und wirkte als Berater des Kurf¨ursten sowie seit 1527 auch des Herzogs → Albrecht von Preußen. C. ver¨offentlichte u. a. Prognosticatio und Erklerung der grossen Wesserung [. . .] so sich begeben [. . .] 1524 (1522), Practica new auffs 1532 jar (1531) und Bedeutnus von offenbarung warer himlischer Influxion [. . .] von jaren zu jaren, biß man schreibt 1540 jar alle Landschafft vnd stende [. . .] klerlich betreffend (1531). Seine Chronika (1534), ein Abriß der Weltgeschichte aus protestantischer Sicht, wurde von → Melanchthon u¨ berarbeitet und ins Lateinische u¨ bersetzt. C BBL

Carith, Martin, auch Karith, Bischof von Kammin, * um 1448, † 2. 12. 1521 Stettin. Der aus einem Patrizier- und Salzjunkergeschlecht stammende M. studierte seit 1464 an der Univ. Rostock, wurde 1472 Sekret¨ar an der Univ. Greifswald und erhielt 1483 die Lehrerlaubnis f¨ur altes r¨omisches Recht. Nach der Promotion zum Doktor des kanonischen Rechts war er Dekan des Greifswalder Kollegiatstifts St. Nicolai sowie des Stifts St. Marien in Kolberg, ferner Kanoniker des Domstifts Cammin und des Marienstifts Stettin. M. begleitete Herzog → Bogislaw X. von Pommern auf dessen Pilgerreise nach Pal¨astina (1496) und wurde nach der R¨uckkehr 1498 zun¨achst Koadjutor, dann Bischof von Cammin. W¨ahrend seiner Amtszeit f¨orderte er das kirchliche und geistige Leben, erließ 1500 Synodalstatuten und gab liturgische Werke heraus. M. unterst¨utzte den Herzog in dessen Bem¨uhungen um eine Verwaltungs- und Gerichtsreform des Landes. C Gatz 2 Carius, Georg Ludwig, Chemiker, * 24. 8. 1829 Barbis bei Hannover, † 24. 4. 1875 Marburg. Der Sohn eines Predigers absolvierte in Goslar eine Apothekerlehre, ehe er trotz finanzieller Schwierigkeiten in G¨ottingen Chemie studierte. 1852 erhielt er eine Assistentenstelle am Heidelberger Universit¨atslaboratorium. Nach der Promotion (1853) und mehrj¨ahriger Lehrt¨atigkeit als Privatdozent seit 1857 wurde er in Heidelberg 1861 zum a. o. Prof. und 1865 zum o. Prof. der Chemie ernannt. C. entwickelte u. a. ein Verfahren zur Bestimmung von Schwefel, Phosphor und Halogenen. Die Ergebnisse seiner zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen ver¨offentlichte er in den „Annalen der Chemie“. C. ver¨offentlichte u. a. einen Beitrag zur Theorie der mehrbasischen S¨auren, besonders auch deren SulfoDerivate (1861) und Neue Synthese aromatischer S¨auren (1868). C ADB

Carl, Ernst Ludwig, National¨okonom, Staatsmann, ¨ * 6. 2. 1682 Ohringen (Hohenlohe), † 11. 7. 1742 Wien. C., Sohn eines Apothekers, studierte an der Univ. Halle zun¨achst bei → Francke Theologie und dann bei → Thomasius Rechtswissenschaften (1700-06), ehe er 1708 als Sekret¨ar in den Dienst der fr¨ankischen Hohenzollern trat. 1712 wurde er in Ansbach Gemeinschaftlicher Rat und zus¨atzlich Assessor beim kaiserlichen Landgericht in N¨urnberg. 1720 in Ansbach beurlaubt, reiste C. nach Paris und

wirkte als Agent u. a. f¨ur das o¨ ttingische F¨urstenhaus oder f¨ur Bankiers. Er widmete sich wirtschaftswissenschaftlichen Studien und verfaßte 1720-23 das Werk Trait´e de la richesse des princes et de leurs e´ tats, et des moyens simples et naturels pour y parvenir, das ihn als Vordenker der modernen Wirtschaftstheorie ausweist. 1724 zum a. o. Minister ernannt, kehrte C. 1731 nach Ansbach zur¨uck. Als er dort keine Anstellung fand, trat er in den Dienst des Prinzen → Eugen in Wien und prozessierte bis zu seinem Lebensende gegen seine fr¨uheren Auftraggeber wegen der in Paris f¨ur sie ausgelegten Gelder. C NDB

Carl, Hans (Johann), Baumeister, Zeugmeister, Zeichner, * 13. 1. 1587 N¨urnberg, † 14. 6. 1665 N¨urnberg. Der Sohn Peter → C.s erhielt eine Ausbildung als Kannen¨ architekgießer, ehe er sich als Sch¨uler Jakob → Wolffs d. A. tonischen Studien widmete und bei Johannes → Faulhaber Mathematik, Perspektive und Vermessungstechniken erlernte. Sp¨ater kam er zum kurbrandenburgischen Milit¨ar und besch¨aftigte sich mit Festungsbau, Artilleriewesen und Feuerwerkskunst. Seit 1614 im Dienst der Stadt N¨urnberg, beteiligte sich C. am Rathausbau und verbesserte die Festungsbauten. 1627-31 leitete er den Bau der evang. Dreieinigkeitskirche in Regensburg. Von 1631 an Zeugmeister in N¨urnberg, setzte er seine T¨atigkeit als Baumeister fort und f¨uhrte u. a. Restaurierungsarbeiten aus. C AKL Carl, Henriette Bertha, auch Miccarelli-Carl, S¨angerin, * 12. 6. 1805 Berlin, † 18. 3. 1890 Wien. C. erhielt eine Gesangsausbildung bei Auguste Amalie → Schmalz und deb¨utierte 1826 an der Berliner Hofoper als Pamina in der Zauberfl¨ote. Sie setzte ihre Studien in Italien fort und trat 1830 in Turin und an den Opern in Rom, Bologna und Mailand auf, bis sie ein Engagement am Teatro Real in Madrid erhielt. Seit 1832 wieder auf Tournee, gab die Sopranistin Gastspiele in England, Holland, Belgien und Rußland. 1836 wurde sie Mitglied des Stuttgarter Hoftheaters, ging sp¨ater wieder auf Reisen und sang u. a. 1843 in Konstantinopel. Nach und nach verlegte sie sich auf den Konzertgesang, zog sich dann ganz von der B¨uhne zur¨uck und ließ sich in Wien nieder. C Kutsch Carl, Johann Samuel, Mediziner, Pietist, * 1676 (?), ¨ getauft 6. 8. 1677 Ohringen (Grafschaft Hohenlohe), † 13. 6. 1757 Meldorf (Holstein). Der Arztsohn wurde bereits im Elternhaus pietistisch gepr¨agt. Er studierte Medizin in Leipzig und Halle, wo er 1699 als Sch¨uler Georg Ernst → Stahls promoviert wurde (Analysin chymico-medicam reguli antimonii medicinalis ex¨ ponit). Danach Stadtarzt in Ohringen, wurde C. wegen radikalpietistischer T¨atigkeiten seines Amtes enthoben und des Landes verwiesen. Er fand Anstellungen als Leibarzt an den H¨ofen des pietistischen hohen Adels in B¨udingen (1708-28), Berleburg (1728-36) und Kopenhagen (1736-57), wo er auch das d¨anische Medizinalwesen neu organisierte. 1714 schloß sich C. den Inspirierten an und war jahrelang als Gemeinde¨altester t¨atig; 1728 wandte er sich von ihnen ab. C. gr¨undete die Zeitschrift „Geistliche Fama“ (1730-44), die als Kommunikationsorgan der Philadelphier dienen sollte und gab den 6. Teil von Johann Heinrich → Reitz’ Historie der Wiedergebohrnen heraus. Erbauliche Auslegungen neutestamentlicher B¨ucher machen seine Mitarbeit an der Berleburger Bibel wahrscheinlich. In seinen medizinischen Schriften orientierte sich C., der seit 1704 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina war, an den Theorien seines Lehrers Stahl. Den Mangel an Krankenh¨ausern und praktischen Ausbildungsm¨oglichkeiten f¨ur ¨ Arzte kritisierte er in der Vorstellung von dreifacher Einleitung in die Medizin (1719). Zu C.s Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Medicina pauperum oder Armen-Apothek:

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Carl k¨urtzlich und einf¨altig mitgetheilt [. . .] (1719, 7., verm. Aufl. 1764) und Medicinische und moralische Einleitung in die Natur-Ordnung. In Exempeln aus einigen allgemeinen und besondern Therapiæ classibus belehrt [. . .] (4 Bde., 1747). Seine Tochter Maria Dorothea war die Mutter des Mediziners und Politikers Johann Friedrich → Struensee. C SHBL, Bd 5

Carl, Joseph Anton, Naturforscher, Mediziner, * 3. 8. 1725 Gut Edenhof bei Benediktbeuern, † 22. 3. 1799 Ingolstadt. Nachdem er philosophische Grundkenntnisse in Freising erworben hatte, studierte C., Sohn eines Provinzialarztes, Medizin in Ingolstadt, wo er 1749 mit der Arbeit Optimus medicus sanioris libero-murariae societatis socius esse potest promoviert wurde. Von Studienreisen nach Straßburg und Paris kehrte er 1753 nach Bayern zur¨uck und wurde im folgenden Jahr an die Univ. Ingolstadt berufen. Dort lehrte er Chemie, Arzneimittellehre und Botanik, sp¨ater auch Physik und Geburtshilfe. C., der Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (seit 1763) sowie der kurbayerischen Akademie der Wissenschaften war, ver¨offentlichte neben medizinischen Werken in lateinischer Sprache den Botanisch-medicinischen Garten, worin die Kr¨auter in nahrhafte, heilsame und giftige eingetheilt sind (1770). C LMU Carl, Karl, eigentl. Karl (Andreas) Bernbrunn, o¨ sterr. Schauspieler, Regisseur, Theaterdirektor, * 7. 11. 1787 Krakau, † 14. 8. 1854 Bad Ischl (Ober¨osterreich). Nach einer Ingenieursausbildung trat C. 1805 dem o¨ sterr. Milit¨ar bei, quittierte jedoch 1810 den Dienst und deb¨utierte im Theater in der Josefstadt als Schauspieler. Sein erstes Engagement erhielt er am Isartortheater in M¨unchen, dessen Direktion er sp¨ater u¨ bernahm. 1826 nach Wien zur¨uckgekehrt, pachtete er das Theater an der Wien, f¨ur das er u. a. den Komiker Wenzel → Scholz und als Autor Johann → Nestroy gewann. Nachdem er 1845 die Leitung des Theaters an der Wien abgegeben hatte, zog er in die Leopoldstadt. Das dortige Theater, das er bereits 1838 erworben hatte, ließ er 1847 neu errichten und f¨uhrte es unter dem Namen Carl-Theater weiter. Als Schauspieler pr¨agte er die Wiener HanswurstFigur des „Staberl“. C Czeike Carl, Kaspar (von Hohenbalken), kath. Theologe, * 1736 Tarasp, † 22. 7. 1797 Wien. Nach dem Studium der Theologie in Innsbruck und Wien war C. als Seelsorger und B¨ucherzensor in Wien t¨atig. 1778 wurde er Direktor der reorganisierten Theologischen Fakult¨at in Olm¨utz-Br¨unn undOberaufseher des dortigen Priesterhauses. 1785 als 1. Kustos der Universit¨atsbibliothek nach Wien versetzt, bet¨atigte er sich vor allem als Vermitt¨ ler und Ubersetzer franz¨osischer jansenistischer Literatur. C., ¨ einer der u¨ berzeugtesten Vertreter des Jansenismus in Osterreich, stellte sich im Alter gegen die von ihm einst mitgetragene josephinische Kirchenreform. C HLS Carl, Kaspar de (von Hohenbalken), kath. Theologe, Bischof von Chur, * 27. 3. 1781 Tarasp, † 19. 4. 1859 Chur. C. studierte Philosophie in Innsbruck und Theologie in Brixen. Nach der Priesterweihe 1804 war er als Repetent am Seminar und Pfarrvikar in Meran t¨atig. 1807 mit dem Churer Bischof Karl Rudolf → Buol von Schauenstein von der bayerischen Regierung aus Tirol verwiesen, lehrte C. seit 1808 als Prof. f¨ur Moral und Kirchenrecht am Priesterseminar in Chur. 1826 wurde er residierender Domherr, 1830 Regens, 1841 Dompropst und 1843 Koadjutor des Bischofs Johann Georg Bossi und Titularbischof von Hippo. 1844-59 war C. Bischof von Chur. Auseinandersetzungen mit der B¨undner Regierung um den konfessionellen Charakter der Kantonsschule hatten die Verlegung des Knabenseminars an

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das Kollegium Maria Hilf in Schwyz zur Folge. 1852 vereinbarte er mit der Stadt Chur die Eingliederung des Hofes Chur in die Stadt, 1857 mit Glarus dessen provisorische Eingliederung in das Bistum Chur. C Gatz 4

Carl, Matth¨aus, auch Mathes, Mathias C., Goldschmied, Medailleur, * um 1560 Augsburg, † vor 22. 5. 1609 Amberg (?). Nach einer Lehre in Augsburg, wohl bei Balduin Drentwett, kam C. um 1584 nach N¨urnberg, wo er 1585 den Meistertitel und das B¨urgerrecht erwarb. Zwei Jahre sp¨ater berief ihn Kurf¨urst → Christian I. von Sachsen an seinen Hof und besch¨aftigte ihn mit Goldschmiedearbeiten. C. schuf zahlreiche realistische Portr¨atmedaillons aus Silber, Gold und Wachs. Mit der Erlaubnis des N¨urnberger Rats, an den er gebunden blieb, pr¨agte C. 1597 300 Goldgulden des W¨urzburger Bischofs Julius → Echter von Mespelbrunn. Weitere Auftr¨age f¨uhrte er f¨ur den Pfalzgraf-Kurf¨ursten → Friedrich IV. und dessen Statthalter in der Oberpfalz, den F¨ursten → Christian I. von Anhalt, aus. Zus¨atzlich seit etwa 1600 als Teilhaber des Fichtelberger Bergwerks im oberpf¨alzischen Bergbau t¨atig, ließ er sich 1603 in Amberg nieder. C AKL Carl, Peter, Baumeister, Zimmermann, * 1541 Hellingen (Unterfranken), † 12. 2. 1617 Sandhofen bei Worms. Seit 1580 stand C. als Baumeister in den Diensten des N¨urnberger Rats, mit dessen Erlaubnis er bisweilen auch f¨ur andere Auftraggeber arbeitete. So konstruierte er 1585 in B¨ohmen das Pochwerk zur Eule und war 1593 f¨ur den Markgrafen → Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach t¨atig. Sein ber¨uhmtestes Werk, die Fleischbr¨ucke u¨ ber die Pegnitz in N¨urnberg, erbaute er 1596-98. In den Jahren 1601 und 1612 erhielt er Auftr¨age in Amberg; 1616 betraute ihn der Kurf¨urst → Friedrich V. von der Pfalz mit Restaurierungsarbeiten im Heidelberger Schloß, die er erfolgreich durchf¨uhrte. C. war der Vater von Hans → C. C AKL Carl, Philipp Franz Heinrich, Astronom, Physiker, * 19. 6. 1837 Neustadt / Aisch, † 24. 1. 1891 M¨unchen. Nach naturwissenschaftlichen Studien bei Johann von → Lamont und Philipp von → Jolly in M¨unchen, die er 1860 mit der Promotion abschloß (Untersuchungen u¨ ber die thermo¨electrischen Str¨ome), arbeitete C. an der Bogenhausener Sternwarte. 1861 habilitierte er sich an der M¨unchner Univ. und ver¨offentlichte in den folgenden Jahren mehrere astronomische Untersuchungen. Seit 1869 Prof. der Physik an den bayerischen Milit¨arausbildungsanstalten, konzentrierte er sich auch in seiner Forschungs- und Publikationst¨atigkeit auf physikalische Fragestellungen. Er ver¨offentlichte u. a. Die Sonne (1868) und Die elektrischen Naturkr¨afte, der Magnetismus, die Elektricit¨at und der galvanische Strom mit ihren haupts¨achlichen Anwendungen (1871, 2 1878). 1865-82 edierte C., seit 1882 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, das Repertorium der Experimentalphysik, der physikalischen Technik und der astronomischen Instrumentenkunde. C ADB Carl, Rudolf, o¨ sterr. Schauspieler, * 19. 6. 1899 Lundenburg (M¨ahren), † 15. 1. 1987 Graz. Zun¨achst in der Eisenbranche t¨atig, bildete sich C. in Laientheatergruppen zum Schauspieler aus und erhielt nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1918 sein erstes Engagement am Deutschen Theater in Br¨unn. Der Theaterdirektor Rudolf Beer holte ihn von dort nach Wien, wo er 1932 im Theater an der Wien deb¨utierte und u. a. an der Volksoper komische Rollen verk¨orperte. 1934 begann C.s rege T¨atigkeit als Filmschauspieler; er wirkte in etwa 350 Produktionen mit, u. a. zusammen mit Hans → Moser und Paul → H¨orbiger. Erst in den f¨unfziger Jahren spielte C. auch Hauptrollen. Der Komiker, der sich durch die wirklichkeitsnahe Darstellung

Carlin des Typus des Mannes aus dem Volk auszeichnete, wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. 1979 erschienen seine Erinnerungen unter dem Titel Mein Leben war lebenswert (nacherz¨ahlt von Gerda Klimek). C Cinegraph

Carl, Walther, Chirurg, * 15. 7. 1881 Charlottenburg (heute zu Berlin), † 10. 1. 1931 K¨onigsberg. In Berlin 1908 zum Dr. med. promoviert (Experimente u¨ ber Biersche Stauung bei Streptokokkeninfektion am Kaninchenohr), war C. zun¨achst Assistent an der dortigen Medizinischen Klinik und wechselte dann zur Chirurgischen Klinik in K¨onigsberg. Nachdem er 1919 zum Titularprofessor und 1921 zum a. o. Prof. ernannt worden war, u¨ bernahm er die Leitung der Chirurgischen Abteilung des St. Katharinenkrankenhauses in K¨onigsberg. C. ver¨offentlichte u. a. Blutmorphologie der Laboratoriumstiere (1912, 21927, mit Karl Klieneberger). C Altpreuß Biogr, Bd 1 Carlebach, Emil, Journalist, Schriftsteller, * 10. 7. 1914 Frankfurt / Main, † 9. 4. 2001 Frankfurt / Main. C. stammte aus einer j¨udischen Familie, zu der bekannte Rabbiner z¨ahlten (u. a. Josef → Carlebach); sein Vater war Kaufmann. In seiner Jugend Mitglied des Sozialistischen Sch¨ulerbunds und des Kommunistischen Jugendverbands, trat C. 1932 in die KPD ein, begann eine Ausbildung bei einer Ledergroßhandlung und wurde Mitglied der Freien Gewerkschaft. 1933 beim Verteilen von Gewerkschaftsflugbl¨attern und 1934 bei der Herstellung von Gewerkschaftszeitungen verhaftet, verb¨ußte er zuerst eine sechsw¨ochige, sp¨ater eine dreij¨ahrige Haftstrafe. 1937 in das Konzentrationslager Dachau, 1938 nach Buchenwald deportiert, wurde C. von den Lagerinsassen zum Block¨altesten und Vertrauensmann gew¨ahlt und war Mitglied einer von Kommunisten organisierten Widerstandsgruppe. 1945 geh¨orte C. zu den Begr¨undern der wieder zugelassenen KPD; er war Mitglied des Frankfurter B¨urgerrats (1945), 1946-50 Mitglied des Landtags in Hessen und 1948-50 Fraktionsvorsitzender der KPD in der Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt / Main. Parallel zu seinem politischen Engagement trat C. journalistisch hervor: 1945-47 war er Lizenztr¨ager, Mitherausgeber und Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau“ und seit 1949 Chefredakteur der „Sozialistischen Volkszeitung“ in Frankfurt / Main. 1950 wurde er stellvertretender Chefredakteur beim KPD-Zentralorgan „Freies Volk“. Diese Besch¨aftigung endete 1956 mit dem Verbot der KPD und C.s Wechsel in die DDR, wo er f¨ur Rundfunksender t¨atig war, die insbesondere ein westdeutsches Publikum zur Zielgruppe hatten. Nachdem ein von der Bundesrepublik Deutschland gegen ihn erlassener Haftbefehl 1969 aufgehoben worden war, kehrte C. nach Frankfurt / Main zur¨uck und war bis 1980 hauptberuflich Redakteur bei der antifaschistischen Wochenzeitung „die tat“, die von der – von ihm 1947 gegr¨undeten – „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VNN) herausgegeben wurde. Seit 1980 trat C. zunehmend als Publizist mit zumeist zeithistorischen und ¨ autobiographischen Werken an die Offentlickeit (Hitler war kein Betriebsunfall, 1985; Am Anfang stand ein Doppelmord, 1988; Tote auf Urlaub, 1995). 1990 wurde er zum Ersten Vizepr¨asidenten des Internationalen Komitees BuchenwaldDora gew¨ahlt. C Hachmeister Carlebach, Ephraim, Rabbiner, * 12. 3. 1879, † 1936 Pal¨astina. C. entstammte einer der namhaftesten Rabbinerfamilien Deutschlands und wurde nach religi¨osen, historischen und politischen Studien in Z¨urich, W¨urzburg und Berlin 1900 zum Leiter der Religionsschule des Talmud-Thora-Vereins in Leipzig berufen. Im selben Jahr mit der Arbeit Die rechtlichen und sozialen Verh¨altnisse der j¨udischen Gemeinden Speyer, Worms und Mainz von ihren Anf¨angen bis zur Mitte

des 14. Jahrhunderts promoviert, legte er 1901 sein Rabbinatsexamen ab. Nach langer Vorarbeit und großem Engagement C.s konnte 1912 in Leipzig die H¨ohere Israelitische Schule gegr¨undet werden, deren Direktor er wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Amt des orthodoxen Gemeinderabbiners betraut, z¨ahlte C. bald zu den einflußreichsten Pers¨onlichkeiten der j¨udischen Bev¨olkerung Leipzigs. Nach schwerer Erkrankung ging C. im Fr¨uhjahr 1936 nach Pal¨astina, verstarb dort jedoch noch im selben Jahr. Die H¨ohere Israelitische Schule zu Leipzig („Carlebach-Schule“) wurde 1939 von den Nationalsozialisten geschlossen.

Carlebach, Joseph Hirsch, Rabbiner, Lehrer, Naturwissenschaftler, * 30. 1. 1883 L¨ubeck, † 26. 3. 1942 Konzentrationslager Jungfernhof bei Riga. C., Sohn eines Rabbiners, studierte seit 1901 in Berlin und Leipzig Physik, Chemie, Mathematik, Philosophie und Kunstgeschichte und arbeitete 1905-07 als Lehrer an der Lemel-Schule, einem deutschsprachigen Lehrerseminar, in Jerusalem. Nach Berlin zur¨uckgekehrt, erhielt er 1908 eine Stelle als Oberlehrer am Margarethenlyzeum. 1910 wurde C. in Heidelberg mit der Arbeit Lewi ben Gerson als Mathematiker. Ein Beitrag zur Geschichte der Mathematik bei den Juden promoviert; 1914 legte er das Examen am Rabbinerseminar ab. Im Ersten Weltkrieg war er aktiver Offizier; seit 1915 organisierte er das j¨udische Erziehungswesen in Litauen neu. 1920 u¨ bernahm er das L¨ubecker Rabbinat seines Vaters. Als Direktor der Hamburger Talmud-ToraRealschule (1921-26) entwickelte er die Grundlagen einer modernen j¨udischen P¨adagogik, die traditionelle religi¨ose Elemente mit s¨akularem Wissen und modernen Lehrmethoden verband (Moderne p¨adagogische Bestrebungen und ihre Beziehungen zum Judentum, 1924). 1926 wurde C. Oberrabbiner von Altona und Schleswig-Holstein, 1936 des DeutschIsraelitischen Synagogenverbandes in Hamburg. Von einer Pal¨astina-Reise, die er 1935 unternahm, kehrte er zu seiner Gemeinde zur¨uck. Drei Monate nach der Deportation durch die Nationalsozialisten im Dezember 1941 wurden C., seine Frau Charlotte und drei ihrer Kinder in der N¨ahe des Konzentrationslagers Jungfernhof bei Riga ermordet. C SHBL, Bd 7 Carlen, Albert, schweizer. kath. Theologe, Kunsthistoriker, * 28. 3. 1910 Reckingen, † 20. 12. 1985 Sitten. C. wurde 1937 zum Priester geweiht und war 1940-74 Lehrer am Kollegium in Brig, das er 1961-71 als Rektor leitete. Außerdem lehrte er als Prof. der Kunstgeschichte am Priesterseminar in Sitten; 1974 wurde er Domherr an der dortigen Kathedrale. C., der auch als Vortragsredner und Zeichner ¨ an die Offentlichkeit trat, beteiligte sich aktiv an der Kulturpolitik des Kantons Wallis und der Schweiz. Seine zahlreichen Publikationen sind der Theologie, Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte, Volkskunde und insbesondere der Theatergeschichte gewidmet (Barocke Theater und Feste, 1974).

Carlier, Leonhard, Jurist, * 1686 Aachen, † 16. 10. 1755 W¨urzburg. C. schloß das Studium der Rechtswissenschaften mit der Promotion ab und erhielt 1716 eine Stelle als Repetitor an der W¨urzburger Universit¨at. Sp¨ater wurde er zum F¨urstbisch¨oflichen Hofrat und Prof. der Pandekten ernannt. C. publizierte zahlreiche juristische Abhandlungen (De modo referendi in judiciis civilibus tam primae quam secundae instantiae, 1748).

Carlin, Gaston, schweizer. Jurist, Diplomat, * 19. 8. 1859 Delsberg (Kt. Bern), † 13. 1. 1922 Berlin. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Bern, Leipzig und Paris trat C. 1883 als Attach´e der schweizer. Gesandtschaft in Rom in den diplomatischen Dienst. 1887 er-

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Carlone hielt er die Stelle eines Gesandtschaftsrats in Wien. 1895 wurde er Gesandter in Rom, 1902 in London. Nach seiner Teilnahme an der Konferenz u¨ ber die Errichtung eines st¨andigen internationalen Gerichtshofs in Den Haag wurde C. dort 1920 Gesandter. Zwei Jahre sp¨ater ging er nach Berlin. Er ver¨offentlichte u. a. eine Biographie seines Vaters unter dem Titel Edouard Carlin. Esquisse biographique (1890).

Carlone, Carlo (Innocenzo), auch Carloni, Maler, Zeichner, * November 1686 Scaria (heute zu Lanzo d’Intelvi bei Como), † 17. 5. 1775 Scaria. C., Bruder von Diego Francesco → C., erhielt den ersten k¨unstlerischen Unterricht von seinem Vater Giovanni Battista → C., ehe er im Alter von zw¨olf Jahren in Venedig Sch¨uler von Giulio II. Quaglio wurde. Nach weiteren Studien bei Trevisani in Rom malte er 1707 gemeinsam mit Quaglio den Dom in Laibach aus. In Wien, wo er 1715-23 t¨atig war, arbeitete er in mehreren Kirchen und schuf u. a. ein Deckengem¨alde im Palais Kinsky. Sp¨ater kam C. nach S¨uddeutschland und gestaltete Fresken in den Schl¨ossern von Ludwigsburg, Heimsheim und Ansbach. Auch die Gem¨alde des Benedikt- und des Meinradaltars im schweizer. Einsiedeln stammen von C. 1737 kehrte er nach Oberitalien zur¨uck. C AKL

Carlone, Carlo Antonio, Baumeister, * um 1635 Scaria (heute zu Lanzo d’Intelvi bei Como), begraben 1. 5. 1708 St. Nikola bei Passau. Der Sohn Pietro Francesco → C.s und Bruder Giovanni Battista → C.s arbeitete seit 1651 als dessen Gehilfe. 1661 trat er im Rahmen des v¨aterlichen Baubetriebs als Polier in Seckau in Erscheinung; zwei Jahre darauf beteiligte er sich am Schloßbau in Eisenstadt. Ungekl¨art ist, ob er bereits um 1665 mit seinem Vater zum Neubau der Jesuitenkirche St. Michael nach Passau u¨ bersiedelte, da Dokumente ihn dort erst ab 1670 als Maurermeister und Polier nachweisen. 1671 bewarb er sich f¨ur den Dombau von Passau, wurde aber mangels ausreichender Erfahrung abgelehnt. W¨ahrend der folgenden zehn Jahr nahm C. kleinere Bauauftr¨age in der Region um Passau an und ließ sich um 1680 in der N¨ahe des Augustiner-Chorherren-Stiftes St. Nikola nieder. Mit dem Neubau der Marienkapelle f¨ur das Benediktinerkloster Kremsm¨unster meisterte er die erste große k¨unstlerische Herausforderung, wobei die B¨ohmischen Kappe nach dem Vorbild Carlo Łuragos von da an zum Leitmotiv seines Schaffens avancierte. Nach dem Tod des Vaters trat C. 1680 dessen Nachfolge als bestellter Baumeister in den Kl¨ostern Garsten und Seckau an und betreute im folgenden Jahrzehnt die Bauvorhaben in mehr als sechs bayerischen und o¨ sterr. Kl¨ostern. W¨ahrend seiner T¨atigkeit als Stiftsbaumeister von St. Florian (1686-1708) entwickelte sich C. zu einem der ¨ bedeutendsten Barockarchitekten in Osterreich und Bayern, der sowohl den r¨omischen Hochbarock wie auch Palladio und die oberitalienischen Bauschule rezipierte. C AKL

Carlone, Diego Francesco, Stukkator, Bildhauer, * 1674 Scaria (heute zu Lanzo d’Intelvi bei Como), † 25. 6. 1750 Scaria. In jungen Jahren kam C. mit seinem Vater Giovanni Battista → C. nach Deutschland und erhielt dort in der Passauer Dombauh¨utte ersten Unterricht als Bildhauer. Nach weiteren Studien in italienischen St¨adten u¨ bernahm er 1701 die v¨aterliche Werkstatt und arbeitete bis 1720 mit Paolo de Allio, dem stellvertretenden Werkstattleiter, zusammen. Seit 1714 ¨ war er in Osterreich t¨atig. Sp¨ater in S¨uddeutschland, f¨uhrte er Stuck- und Bildhauereiarbeiten u. a. in der Benediktinerabtei Weingarten (1723-25) und der Residenz in Ludwigsburg (1715-35) aus. Auch als Lehrer Josef Adam → Feuchtmayers gewann er Einfluß auf die deutsche Bildhauerei. Zu seinen bekanntesten Werken z¨ahlen die Alt¨are und Statuen der Klosterkirche von Maria Einsiedeln in der Schweiz, an denen

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er 1730-45 arbeitete. In den letzten zwei Jahrzehnten seines Schaffens beschr¨ankte sich C. vornehmlich auf u¨ berlebensgroße, fast ausschließlich in weiß gehaltene Gewandfiguren. Sp¨ater kehrte er wie sein Bruder Carlo → C. nach Oberitalien zur¨uck. C AKL

Carlone, Giovanni Battista, Stukkator, Bildhauer, * Scaria (heute zu Lanzo d’Intelvi bei Como), † 1707 Passau. C., Sohn von Pietro Francesco → C. und Bruder von Carlo Antonio → C., arbeitete 1682-84 in Garsten als Stukkator der dortigen Stiftskirche und war Begr¨under sowie Haupt der Carlone-Allio-Werkstatt. In den Sommermonaten 1677-95 war er u. a. f¨ur Bischof Johann Philipp Graf → Lamberg in Passau t¨atig, wo er die Stuckdekoration des neuerrichteten Doms gestaltete. Weitere Kirchen und Kl¨oster schm¨uckte er 1689-94 in Reichersberg, 1695-98 in Waldsassen und schließlich 1701 / 02 in Straubing aus. 1701 u¨ bertrug er die Leitung seiner Werkstatt an seinen Sohn Diego Francesco → C. Der j¨ungere Sohn Carlo → C. war zu diesem Zeitpunkt noch in der Ausbildung. Der von C. gepr¨agte Stil hochbarocker Stuckdekoration wird nach ihm als „carlonesk“ bezeichnet. C AKL

Carlone, Pietro Francesco, Baumeister, * 1607 vermutlich Scaria / Val d’Intelvi, † 1680. C., Sohn eines Architekten, u¨ bernahm nach dessen Tod 1628 das v¨aterliche Gewerbe und war seit etwa 1630 in R¨othelstein (Steiermark) t¨atig. Zu jener Zeit erhielt er seine Auftr¨age zumeist in K¨arnten und der Steiermark. Am Domstift Seckau nahm C. zwischen 1658 und 1679 barockisierende Umbauten vor. 1665 zog er mit dem beginnenden Neubau der dortigen Jesuitenkirche nach Passau, wo er sich bis 1677 aufhielt. Gleichzeitig betreute er weiterhin Bau¨ ten in Osterreich; er errichtete u. a. um 1671-80 die Kirche des Klosters Schlierbach, um 1672 ein Klostergeb¨aude im Domstift Gurk und 1677-80 eine Kirche im Benediktinerstift Garsten. C. entwickelte symmetrische Raumschemata mit quadratischen und rechteckigen Grundformen. Er schuf zumeist Wandpfeilerkirchen mit Emporen, Tonnenw¨olbungen und zwei Fassadent¨urmen ohne Querschiff, ein Typus, der in der 2. H¨alfte des 17. Jh. charakteristisch f¨ur die Klo¨ sterkirchen Osterreichs wurde. C. war der Vater von Carlo Antonio und Giovanni Battista → C. C AKL

Carlowitz, Albert von, Politiker, * 1. 4. 1802 Freiberg (Sachsen), † 9. 8. 1874 Radebeul bei Dresden. Nach Abschluß des Jurastudiums trat C., Sohn von Hans Georg von → C., in den s¨achsischen Verwaltungsdienst ein. Im Rahmen der Ritterschaftskurie der Landst¨ande politisch aktiv, trat er f¨ur eine konstitutionelle Monarchie ein (Adresse des s¨achsischen Volkes, 1829). Nach der Einf¨uhrung der Verfassung von 1831 wurde er Mitglied der Ersten Kammer; 1846-48 leitete er das s¨achsische Justizdepartement. Infolge seiner Gegnerschaft gegen den s¨achsischen Außen- und Kultusminister Friedrich Ferdinand Graf von → Beust ging er nach Preußen, wo er von → Friedrich Wilhelm IV. zum Regierungskommissar beim Erfurter Unionsparlament ernannt wurde. Im preuß. Abgeordnetenhaus war er ein Wortf¨uhrer der kleindeutschen Politik. C NDB Carlowitz, (Christoph) Anton (Ferdinand) von, Staatsmann, * 6. 6. 1785 Großhartmannsdorf bei Freiberg (Sachsen), † 21. 1. 1840 Gotha. Der Sohn eines kurs¨achsischen Oberstleutnants und Kreiskommiss¨ars stand seit 1806 im s¨achsischen Justiz- und Verwaltungsdienst. Herzog → Ernst I. von Sachsen-CoburgSaalfeld ernannte ihn 1824 zum Kammerpr¨asidenten und Geheimen Rat und betraute ihn mit der Leitung der Gesch¨afte des coburgischen Herzogtums. Im Erbstreit nach

Carlson dem Aussterben des sachsen-gotha-altenburgischen Herzoghauses vertrat er die coburgischen Interessen und beteiligte sich an den Verhandlungen um den Hildburgh¨auser Vertrag von 1826, der eine Neuordnung der s¨achsischen Herzogt¨umer vorsah. Als Staatsminister leitete C., der auch die habsburgische Heiratspolitik maßgeblich mitgestaltete (u. a. Heirat → Alberts mit Queen Victoria 1840), die Organisation des neuen Staates Sachsen-Coburg-Gotha. C. war der Bruder von Carl Adolf und Hans Georg von → C. C NDB

Carlowitz, Carl Adolf von, Milit¨ar, * 21. 7. 1771 Großhartmannsdorf bei Freiberg (Sachsen), † 20. 1. 1837 Breslau. Nach dem Tod seines Vaters u¨ bernahm C., Bruder von Hans Georg und Anton von → C., die Bewirtschaftung der Familieng¨uter. Er setzte sich publizistisch f¨ur eine Reform des Schulwesens ein und pflegte Kontakte zu Gelehrten und K¨unstlern wie → Novalis und Heinrich von → Kleist. Seit 1809 im s¨achsischen Heer, erhielt C. 1810 das Kommando u¨ ber ein J¨agerkorps. Nachdem es ihm nicht gelungen war, den s¨achsischen K¨onig zum Anschluß an die Alliierten zu bewegen, verließ er die Armee und wurde Chef des Kriegsdepartements im alliierten Generalgouvernement f¨ur das besetzte Sachsen und F¨uhrer des „Banners der freiwilligen Sachsen“. 1815 wurde er preuß. Bevollm¨achtigter bei der o¨ sterreichisch-italienischen Armee, 1816 Inspekteur der Landwehr in Halle und Merseburg, 1822 Kommandant von Magdeburg, 1824 Vizegouverneur von Mainz und schließlich 1829 Gouverneur von Schlesien. C NDB Carlowitz, Christoph von, Staatsmann, * 13. 12. 1507 Hermsdorf, † 8. 1. 1578 Rothenhaus. Nach humanistischen Studien bei → Mosellanus in Leipzig und → Erasmus in Basel bildete sich C., Neffe von Georg von → C., in Frankreich juristisch aus und wurde von Herzog → Georg von Sachsen zum Rat ernannt. In seinem Auftrag f¨uhrte er mehrere diplomatische Missionen durch, wurde aber nach dessen Tod in Ungnaden entlassen. 1541 von Herzog → Moritz wieder eingestellt, leitete er seit 1543 die S¨akularisation der Kl¨oster und die Reorganisation der Univ. Leipzig. Als Leiter der s¨achsischen Außenpolitik bahnte er den Weg f¨ur den Anschluß des Herzogs an den Kaiser. Nach dem Schmalkaldischen Krieg, in den er Moritz begleitet hatte, nahm er an den Verhandlungen u¨ ber das Interim teil und war Unterh¨andler beim Passauer Vertrag von 1552. Seit 1557 war C. zus¨atzlich in kaiserlichen Diensten t¨atig. C NDB

1679 stellvertretender Berghauptmann, 1709 Kammer- und Bergrat, 1711 Oberberghauptmann in Freiberg. Publizistische Aktivit¨aten entfaltete C. insbesondere auf forstwissenschaftlichem Gebiet (Sylvicultura oeconomica, 1713; Von Allerhand Arten und Geschlechtern der innl¨andischen wilden B¨aume [. . .], 1732). Er war der Vater von Albert von → C. C NDB

Carlowitz, Hans Georg von, Staatsmann, * 11. 12. 1772 Großhartmannsdorf bei Freiberg (Sachsen), † 18. 3. 1840 Dresden. Zur Zeit des Jurastudiums in Leipzig war C. wie sein Bruder Carl Adolf von → C. mit → Novalis befreundet. 1794 wurde er Assessor beim Oberhofgericht in Leipzig. 1805 zum Geheimen Finanzrat in Dresden ernannt, legte er 1812 den Entwurf eines die lehnsherrschaftlichen Prinzipien u¨ berwindenden Steuersystems vor, das aber nicht eingef¨uhrt wurde. C. wurde 1817 / 18 zum Landtag und 1821 zum Bundestag in Frankfurt / Main entsandt. An der Konzeption der s¨achsischen Verfassung von 1831 war er maßgeblich beteiligt. Als Geheimer Rat kehrte er 1827 nach Dresden zur¨uck und f¨orderte die Gr¨undung eines „Mitteldeutschen Handelsvereins“ (1828). Nach seiner Ernennung zum Minister 1831 u¨ bernahm C. 1834 das innenpolitische Ressort und im Alter von 63 Jahren das Ministerium f¨ur Kultus und o¨ ffentlichen Unterricht. C NDB Carls, Carl Dietrich, Dramaturg, Kritiker, Schriftsteller, * 25. 8. 1905 Sande bei Oldenburg, † 2. 5. 1991 Berlin. Nach dem Studium der Theaterwissenschaften, das er 1924-28 in Berlin, Leipzig und K¨oln absolvierte, arbeitete C. 1929 / 30 als Dramaturg am Stadttheater Osnabr¨uck. Danach war er als Theaterkritiker f¨ur den „Dortmunder Generalanzeiger“ und den „Berliner B¨orsen-Courier“ t¨atig, bis er 1934 eine Stelle als Dramaturg und Spielleiter an den St¨adtischen B¨uhnen Magdeburg erhielt. Im folgenden Jahr stellte ihn die Berliner Zeitung „Am Mittag“ als Kunstberichterstatter ein; 1939 wechselte er als Dramaturg zur Terra-Filmkunst GmbH, wo er w¨ahrend des Zweiten Weltkriegs Filme wie Wenn die Sonne wieder scheint (1943) drehte. Nach vor¨ubergehenden Engagements als Dramaturg am Berliner Schloßparktheater (1946 / 47) sowie bei der DEFA (1947 / 48) war C. als freier B¨uhnen-, Drehbuch- und H¨orspielautor t¨atig; 1954 u¨ bernahm er die dramaturgische Leitung der H¨orspielabteilung des Senders RIAS Berlin. C DLL, 20. Jh. Carlsen, Traute, urspr. Gertrud Rosalie Kempner, Schau-

Kriebstein. C. begann seine Verwaltungslaufbahn 1510 als Amtmann in Dresden; 1517 kam er als Landvogt nach Pirna, 1520 als Amtmann nach Sagan und zwei Jahre darauf nach Radeberg. Seit 1522 am s¨achsischen Hof, wurde er als Nachfolger seines Schwiegervaters C¨asar Pflugh erster Rat Herzog → Georgs. C. setzte sich u. a. f¨ur die F¨orderung des Bergbaus und die St¨arkung des Finanzwesens ein. Auf seinen Vorschlag hin wurden Schulen (sp¨ater F¨urstenschulen genannt) aus enteigneten Klosterg¨utern errichtet, in denen die Kinder aller St¨ande unentgeltlich sechs Jahre lang unterrichtet werden konnten. 1543 erhielt C. von Herzog → Moritz die Herrschaft Kriebstein. C NDB

spielerin, * 16. 2. 1887 Dresden, † 27. 11. 1968 K¨usnacht. Im Anschluß an ein Musikstudium bildete sich C. seit 1905 an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin als Schauspielerin aus. Sie erhielt mehrere Engagements, u. a. in Mannheim, 1911-17 am Lessing-Theater in Berlin, in Frankfurt / Main sowie am Wiener Burgtheater. 1933 emigrierte sie nach ¨ Osterreich, 1935 in die Schweiz, wo sie zun¨achst im Kabarett „Cornichon“ und dann bis 1968 als Charakterdarstellerin im Z¨uricher Schauspielhaus auftrat. Auch in Kinofilmen (u. a. Marschall Vorw¨arts, 1932; De Wiberfind, 1942; Heidi, 1952), Fernseh- und H¨orfunkproduktionen wirkte sie mit. 1959 wurde sie von der Schweizer Gesellschaft f¨ur Theaterkultur mit dem Hans-Reinhart-Ring ausgezeichnet. C. war nach der Scheidung von Karl Heinz → Martin mit Karl → Obertimpfler verheiratet. C Exiltheater

Carlowitz, Hans Carl von, Beamter, Montanist, * 14. 12. 1645 Rabenstein, † 3. 3. 1714 Freiberg (Sachsen). W¨ahrend des rechtswissenschaftlichen Studiums in Jena besch¨aftigte sich C., Bruder von Anton von → C., auch mit Sprachen und Naturwissenschaften. 1670 / 71 f¨uhrte ihn eine diplomatische Mission an den kaiserlichen Hof in Wien. Seit 1672 Amtshauptmann in Wolkenstein / Erzgebirge, wurde er

¨ Carlson, Carl (Fridolf), Ingenieur, * 22. 1. 1870 Osterberga (Schweden), † 23. 10. 1924 Elbing. Nach dem Schiffbau-Studium am Technologischen Institut in G¨oteborg siedelte C., Sohn eines Landwirts, 1894 nach Deutschland u¨ ber und arbeitete bei verschiedenen Werften in Danzig, Kiel und Elbing. Siet 1902 deutscher Staatsb¨urger, u¨ bernahm er im selben Jahr zun¨achst die Direktion der

Carlowitz, Georg von, Beamter, * um 1480, † 2. 5. 1550

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Carlsson Schichauwerft in Danzig und bald darauf die s¨amtlicher Schichau-Unternehmen in Elbing, Danzig, Pillau und Riga. Unter seiner Leitung entstanden mehrere Großlinien- und Kriegsschiffe der Kaiserlichen Marine sowie Dampfturbinenanlagen und Torpedoboote. Nach dem Ersten Weltkrieg f¨uhrte er den Dieselmotor f¨ur die Handelsschiffsbauten ein und konstruierte weitere gr¨oßere Wasserturbinen. C NDB

beauftragte ihn mit der Fortf¨uhrung der von Samuel Frh. von → Cocceji begonnenen Rechtsreform. Gemeinsam mit Carl Gottlieb → Svarez arbeitete C. daraufhin das Corpus Juris Fridericianum (1781) aus, das aufkl¨arerische Grunds¨atze ber¨ucksichtigte und die Grundlage des Allgemeinen Landrechts von 1794 bildete. Aus gesundheitlichen Gr¨unden legte er 1795 sein Ministeramt nieder, behielt aber die Leitung der Gesetzeskommission. C NDB

Carlsson, Anni (Ruth), geb. Rebenwurzel, Schriftstellerin, ¨ Ubersetzerin, Germanistin, * 1. 11. 1911 Charlottenburg (heute zu Berlin), † 20. 2. 2001 Berlin. C., Tochter eines Bankiers, studierte seit 1931 Philosophie, Deutsche Philologie und Geschichte in Berlin, K¨oln und Basel, wo sie 1939 mit der Arbeit Die Philosophie des Novalis bei Nicolai → Hartmann und Herman → Schmalenbach promoviert wurde. Wahrscheinlich seit 1938 mit einem Schweden verheiratet, lebte sie zun¨achst in G¨oteborg, seit 1939 in Stockholm und u¨ bersiedelte 1950 nach G¨ottingen. 1996 kehrte sie nach Berlin zur¨uck. C. ver¨offentlichte Arbeiten zur deutschen und skandinavischen Literatur (u. a. Gesang ist Dasein. Rilkes geistiger Weg von Prag nach Muzot, 1949; Die deutsche Buchkritik von der Reformation bis zur Gegenwart, 1969; Ibsen, Strindberg, Hamsun. Essays zur skandinavischen Literatur, 1978), schrieb f¨ur die „Neue Schweizer Rundschau“, die „Schweizer Monatshefte“ und die „Schweizer Rundschau“ und u¨ bersetzte zahlreiche Werke d¨anischer, norwegischer und schwedischer Autoren ins Deutsche. C IGL

Carmon, Jakob, Jurist, Schriftsteller, * 2. 3. 1677

Carmen Sylva, K¨onigin von Rum¨anien, eigentl. Elisabeth (Pauline Ottilie Luise), Pseud. Dito und Idem, Schriftstellerin, * 29. 12. 1843 Neuwied, † 2. 3. 1916 Arges bei Bukarest. Die vielseitig gebildete Tochter des F¨ursten Hermann zu Wied-Neuwied heiratete 1869 den Prinzen → Karl, seit 1881 K¨onig Carol I. von Rum¨anien. Ihre schriftstellerische T¨atig¨ keit begann sie mit Ubersetzungen rum¨anischer Dichtung, u. a. von Vasile Alecsandri, sowie mit eigenen lyrischen Texten, die auch von August → Bungert vertont wurden. Auch das Kriegslied Die Wacht an der Donau, mit dem 1877 die Rum¨anen in den Unabh¨angigkeitskrieg gegen die T¨urken zogen, stammt aus ihrer Feder. Nach dem Verlust der rum¨anischen K¨onigskrone infolge des Russisch-T¨urkischen Kriegs lebte sie meist zur¨uckgezogen in Castell Pelesch in den Karpaten und widmete sich k¨unstlerischen Interessen. Gemeinsam mit der Frau ihres Leibarztes, Mite → Kremnitz, schrieb C. S. mehrere Romane, ferner Novellen und historische Dramen. Ihre zahlreichen rum¨anischen Erz¨ahlungen ¨ und M¨archen erschienen zum Teil in deutscher Ubersetzung in literarischen Zeitschriften wie der „Gegenwart“ und dem „Magazin f¨ur Literatur des Auslandes“. 1908 erschienen ihre Erinnerungen Mein Penatenwinkel, 1913 Carmen. Briefe einer einsamen K¨onigin. C Killy Carmer, Johann Heinrich Kasimir Graf von, Jurist, Staatsmann, * 29. 12. 1720 Kreuznach, † 23. 5. 1801 R¨utzen. C. war der Sohn eines von niederl¨andischen Glaubensfl¨uchtlingen abstammenden kurpf¨alzischen Kammerrats und sp¨ateren preuß. Hofrats. Nach juristischen Studien in Jena und Halle (1739-43) trat C. 1749 in den preuß. Staatsdienst ein und wurde 1750 Regierungsrat in Oppeln, im folgenden Jahr Oberamtsdirektor und 1763 Pr¨asident der Regierung in Breslau. 1768 zum Chefpr¨asidenten s¨amtlicher Oberamtsregierungen in Schlesien ernannt, errichtete er 1770 eine Kreditanstalt, die sogenannte „Schlesische Landschaft“, um die durch den Siebenj¨ahrigen Krieg gesunkene Prosperit¨at in Schlesien wieder zu heben. → Friedrich II. berief ihn 1779 zum preuß. Großkanzler und Ersten Minister der Justiz und

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Rostock, † 25. 7. 1743 Rostock. C. widmete sich theologischen Studien in seiner Heimatstadt, ehe er sich in Wittenberg und Jena juristisch ausbildete. 1704 nach Rostock zur¨uckgekehrt, wurde er zum Archivar und Sekret¨ar der dortigen Univ. berufen und 1707 zum Doktor beider Rechte promoviert. Seit 1712 lehrte er als a. o. Prof. der Rhetorik, bis er 1718 zum o. Prof. der Pandekten und gleichzeitig zum Konsistorialrat ernannt wurde. Anfang 1734 trat er schließlich als Direktor an die Spitze des mecklenburgischen Konsistoriums. Zu den Ver¨offentlichungen C.s z¨ahlen neben juristischen Abhandlungen auch Gedichte und kirchenpolitische Reden (Rede von den Vorrechten der Lutherischen Reichsst¨ande, 1717). C ADB

Carnall, Rudolf von, Bergbeamter, Geologe, * 9. 2. 1804 Glatz, † 17. 11. 1874 Breslau. C., Sohn eines preuß. Generalmajors, erhielt eine technische Ausbildung im Waldenburger und oberschlesischen Bergbau. Als Mitglied des Oberbergamts in Bonn (1844-47) und als Geheimer Oberbergrat im Berliner Ministerium (1847-55) setzte er sich f¨ur Reformen im Bergwesen ein, u. a. f¨ur die Erweiterung der Selbstverwaltung und die Senkung der Bergwerksabgaben. C. war 1848 Mitgr¨under der Deutschen Geologischen Gesellschaft und rief 1853 die „Zeitschrift f¨ur das Berg-, H¨utten- und Salinenwesen im preußischen Staate“ ins Leben, die er f¨unf Jahre lang selbst redigierte. Als Dozent f¨ur Bergbaukunde an der Berliner Univ. war er 1849-55 auch p¨adagogisch t¨atig. 1855 folgte er einem Ruf als Berghauptmann nach Breslau, wo er die Gr¨undung des Schlesischen Vereins f¨ur Berg- und H¨uttenwesen initiierte. Nachdem er ¨ 1861 seine staatlichen Amter niedergelegt hatte, war er Direktor der Oberschlesischen Eisenbahn. 1835 erfand C. die Schmidt-Carnallschen Regeln zur Ausrichtung der Spr¨unge im Steinkohlenbergbau. Er ver¨offentlichte u. a. Die Spr¨unge im Steinkohlengebirge (1835) und Die Bergwerke in Preußen und deren Besteuerung (1850). C Matschoß: Tech

Carnap, Rudolf (Leo), Philosoph, * 18. 5. 1891 Ronsdorf bei Barmen, † 14. 9. 1970 Santa Monica (Kalifornien, USA). C. wurde als Sohn des Webers Johannes S. C. und der Lehrerin Anna, geb. D¨orpfeld, geboren. Die Eltern waren tief religi¨os, gleichzeitig aber sehr tolerant; bewußt praktizierten sie das Christentum als Mittel zur F¨uhrung eines guten Lebens. Diese Grundhaltung der Toleranz pr¨agte C. f¨ur sein Leben, und dies insbesondere dann, als er sich, beeinflußt durch die Schriften → Goethes zum Christentum wie auch der Schriften von Ernst → Haeckel und Wilhelm → Ostwald, vom Christentum abwandte und sich eine teils atheistische und teils agnostische Lebenseinstellung erarbeitete. In der Zeit seines Studiums in Jena und Freiburg / Breisgau 1910-14 schloß er sich der Jugendbewegung an, ohne allerdings deren Tendenz zum Nationalismus mit zu vollziehen.

Carneri Vielmehr entwickelte er gegen Ende des Ersten Weltkriegs – den er teils an der Westfront und teils im Milit¨arinstitut in Berlin verbrachte – ein Konzept eines undogmatischen und insbesondere nichtmarxistischen Sozialismus, genauer: eines auf den Grunds¨atzen eines politischen Liberalismus beruhenden Konzepts des o¨ konomischen Sozialismus. Dieses behielt er zeitlebens bei, da er einerseits der Ansicht war, daß das System des Kapitalismus die Menschheit in den wirtschaftlichen und damit auch sozialen Abgrund steuert, und da er sich andererseits ein unbeirrtes Vertrauen in die F¨ahigkeiten der menschlichen Vernunft bewahrte: Die von einem H¨ochstmaß an Vernunft geleiteten Entscheidungen auch in den Bereichen des Alltags m¨ussen nach seiner Sicht schließlich im individuellen wie auch im sozialen Bereich die Oberhand u¨ ber die durch Emotionen und Triebe gesteuerten Entscheidungen haben, eben weil sie – anders als diese – die Auswirkungen n¨uchterner Absch¨atzung sind ¨ und damit letztlich die gr¨oßere Uberzeugungskraft haben. Daher beteiligte er sich, im Gegensatz zu seinem Freund Otto → Neurath, nicht an politischen Agitationen und Aktionen, da solche die Emotionen ansprechen und sie somit letztlich verst¨arken und auf diese Weise zum unkontrollierbaren Entscheidungsfaktor werden lassen. Nur geduldiges, pr¨azises Arbeiten in kleinen Schritten, Baustein f¨ur Baustein sozusagen, ausgef¨uhrt durch immer mehr Menschen, die vom Erfolg eines solchen Arbeitens angesprochen werden, f¨uhrt die Menschheit demnach weiter. Dies gilt dann auch und in besonderem Maß f¨ur die Philosophie, die nicht durch neuerliche, Luftschl¨ossern gleichende grandiose Entw¨urfe, sondern durch minuti¨ose Kleinarbeit in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten vorangebracht und zu einer Wissenschaft entwickelt werden kann; als Instrument dieses Arbeitens ben¨utzte C. die symbolische Logik, die er in Jena bei Gottlob → Frege sowie aus den Schriften von Bertrand Russell kennengelernt hatte. In seinem Buch u¨ ber die Grundlagen der menschlichen Erfahrungserkenntnis zeigte er beispielhaft, wie ein solcher Weg zu begehen sei. Mit dieser Schrift habilitierte er sich 1926 bei Moritz → Schlick in Wien, und er publizierte sie 1928 unter dem Titel Der logische Aufbau der Welt (41974, Neuausg. 1998); sie machte ihn mit einem Schlag international bekannt und ber¨uhmt. In Wien begr¨undete er mit Schlick und Neurath eine Diskussionsrunde, die unter dem Namen „Wiener Kreis“ bekannt wurde und die seit 1930, zusammen mit dem „Berliner Kreis“ unter Hans → Reichenbach, die Zeitschrift „Erkenntnis“ als Organ dieser neuen, eine Einheitswissenschaft anstrebenden philosophischen Richtung herausgab. 1931 wurde C. auf den Lehrstuhl f¨ur Naturphilosophie an der Deutschen Univ. in Prag berufen; in den Jahren danach besuchten ihn namhafte junge Wissenschaftler aus der angels¨achsischen Geisteswelt, unter ihnen insbesondere Willard Van Quine von Harvard und Charles W. Morris aus Chicago. Da sich in den Jahren danach an dieser Deutschen Univ. der Nationalsozialismus zunehmend ausbreitete und die liberalen Str¨omungen unterdr¨uckte, nahm C. 1936 einen Ruf an die University of Chicago an und erhielt 1941 die Staatsb¨urgerschaft der USA. In Chicago gab er, nach dem durch den Krieg bedingten Ende der Zeitschrift „Erkenntnis“, zusammen mit Morris und Neurath die Serie International Encyclopedia of Unified Science heraus, als erneuter Versuch, den exakten Philosophien eine publizistische Plattform zu verschaffen. Ganz im Sinn seiner philosophischen Offenheit verfaßte er 1934 das zweite Hauptwerk Logische Syntax der Sprache (21968), in dem er sein ber¨uhmtes Toleranzprinzip propagierte. Dieselbe Offenheit f¨uhrte ihn insbesondere in den Jahren 1932-36 dazu, das Erstlingswerk von Karl R. → Popper gegen die vehemente Kritik seiner Freunde zu verteidigen und zu f¨ordern, obgleich dessen Vorstellungen

eines wissenschaftlichen Skeptizismus nicht zu seinem letzt¨ lich optimistischen Weltbild paßten. Seine Ubernahme eines gel¨auterten Wahrheitsbegriffs von Alfred Tarski f¨uhrte seit 1940 zum Zerw¨urfnis mit Neurath, der in C.s pr¨azisem Verfahren nicht ein zus¨atzliches intellektuelles Instrument sehen konnte, sondern einen R¨uckfall in finstere Metaphysik vermutete. Er konzipierte und entwickelte damals auch die induktive Logik als das System induktiver Methoden und vervollst¨andigte diese Arbeiten seit 1954 in Los Angeles, wo er die Nachfolge des dort verstorbenen Reichenbach antrat. Keine deutschsprachige Univ. hat nach dem Zweiten Weltkrieg versucht, C. wieder nach Mitteleuropa zur¨uckzuholen. Allerdings hat er seit 1966 mehrfach privat M¨unchen besucht und dort im Institut von Wolfgang → Stegm¨uller Vortr¨age gehalten. Dessen Sch¨uler durften damals erleben, was es genau heißt, daß – wie es Stegm¨uller formulierte – der sch¨arfste Kritiker von C. stets „Carnap“ geheißen hat. WEITERE WERKE: Scheinprobleme der Philosophie. Berlin 1928. – Abriß der Logistik, mit besonderer Ber¨ucksichtigung der Relationstheorie und ihrer Anwendungen. Wien 1929. – Introduction to Semantics. Cambridge (Mass.) 1942. – Logical Foundations of Probability. Chicago / London 1950. – The Continuum of Inductive Methods. Chicago u. a. 1952. LITERATUR: Paul A. Schilpp (Hrsg.): The Philosophy of R. C. La Salles (Illinois) 1963. – Lothar Krauth. Die Philosophie R. C.s. Wien / New York 1970, 21997. – Jaakko Hintikka (Hrsg.): R. C. – Logical Empirist. Dordrecht 1975. – Willi Hochkeppel: Andere Seiten des Denkens – Gespr¨ache mit R. C. In: Der Monat XIX / 224 (1967) S. 50-56. – Wolfgang Spohn (Hrsg.): Erkenntnis orientated. A centennial volume for R. C. and Hans Reichenbach. Dordrecht u. a. 1991. – Alan W. Richardson: C.’s Construction of the World. The Aufbau and the Emergence of Logical Empirism. Cambridge 1997. Wilhelm K. Essler

Carner, Mosco, bis 1929 Cohen, o¨ sterr. Musikwissenschaftler, Dirigent, Musikkritiker, * 15. 11. 1904 Wien, † 3. 8. 1985 Stratton bei Bude (Großbritannien). C., Sohn eines Kaufmanns, studierte seit 1923 am Neuen Konservatorium und an der Univ. in Wien, u. a. bei Guido → Adler und Robert → Lach, wurde 1928 mit der Arbeit Studien zur Sonatenform bei Robert Schumann promoviert und lehrte 1928 / 29 am Neuen Wiener Konservatorium. 1929 / 30 war er Opernkapellmeister am Stadttheater in Opava und 1930-33 am Staatstheater Danzig. Im Juli 1933 nach London emigriert, arbeitete er bis 1938 als Korrespondent f¨ur die Wiener „Neue Freie Presse“ und bis 1940 f¨ur die „Schweizerische Musikzeitung“. 1949-61 war C. Musikkritiker bei „Time and Tide“, 1957-61 bei „Evening News“ und 1962-68 bei „The Times“. 1942-54 dirigierte er Konzerte mit dem BBC Symphony Orchestra, dem London Symphony Orchestra, dem Philharmonic Orchestra und dem London Philharmonic Orchestra. Bis 1971 hielt er regelm¨aßig Vortr¨age im britischen Rundfunk. C. ver¨offentlichte u. a. A study of twentieth-century harmony (2 Bde., 1940, 21942), Puccini. A critical biography (1958, 21974; dt. 1996) und Alban Berg. The man and the work (1975, 21983). C NGroveD

Carneri, Bartholom¨aus von, o¨ sterr. Politiker, Philosoph, Schriftsteller, * 3. 11. 1821 Trient, † 18. 5. 1909 Marburg / Drau. C., dessen Vater Großgrundbesitzer und Polizeidirektor in Graz und Venedig war, wurde in Wien erzogen und studierte an der dortigen Univ. Philosophie. Seit 1857 bewirtschaftete er das Gut Wildhaus in der Steiermark, widmete sich seinen philosophischen Studien und engagierte sich 1861-83 im Steirischen Landtag. Der liberale Politiker geh¨orte 1870-85 als Abgeordneter des steirischen Großgrundbesitzes dem

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Carnot Reichstag an. In seinen philosophischen Werken von einem Darwinismus → Haeckelscher Pr¨agung ausgehend, entwickelte C. eine humanit¨ar ausgerichtete Sozialethik. Er vero¨ ffentlichte u. a. Sittlichkeit und Darwinismus. Drei B¨ucher Ethik (1871, 21903), Der Mensch als Selbstzweck. Eine positive Kritik des Unbewußten (1877), Grundlegung der Ethik (1881), Der moderne Mensch. Versuche u¨ ber Lebensf¨uhrung (1891, 71902) und Empfindung und Bewußtsein. Monistische Bedenken (1893, 21906). C. schrieb außerdem Sonette (Pflug und Schwert, 1862) und u¨ bersetzte aus dem Ungarischen und Italienischen (Ungarische Volkslieder und Balladen, 1892; Sechs Ges¨ange aus Dantes g¨ottlicher Kom¨odie, 1896). C NDB

Carnot, Maurus, Taufname: Johann Rudolf, Benediktiner, Schriftsteller, * 26. 1. 1865 Samnaun (Kt. Graub¨unden), † 2. 1. 1935 Ilanz (Kt. Graub¨unden). C. studierte seit 1882 Theologie und Philosophie in Innsbruck, trat 1885 in das Kloster Disentis ein und empfing 1888 die Priesterweihe. Er war als Volksprediger t¨atig und unterrichtete Griechisch, Latein, Deutsch und Geschichte an der Klosterschule. C. wurde Prof. am Stiftsgymnasium und Dekan des Stifts. 1900 u¨ bernahm er die Redaktion der von ihm mitbegr¨undeten Familienzeitschrift „Il Pelegrin“. 1909 wurde er Vorstandsmitglied der Schweizerischen Schillerstiftung. Er verfaßte Theaterst¨ucke und Festspiele f¨ur Schulund Volksb¨uhnen, Erz¨ahlungen, historische Romane (u. a. in r¨atoromanischer Sprache die Historia dil Gieri Genatsch, 1929) und Gedichte. Der deutschsprachig aufgewachsene C. k¨ampfte f¨ur den Erhalt des R¨atoromanischen. C DLL, 20. Jh.

Caro, Georg von, Unternehmer, * 6. 6. 1849 Breslau, † 22. 9. 1913 Schloß Wilkendorf bei Strausberg. C. studierte Jura an den Universit¨aten Heidelberg, Breslau, Berlin und Greifswald, wo er zum Dr. jur. promoviert wurde. Daraufhin trat er in das Breslauer Familienunternehmen, eine Großeisenhandelsfirma, ein, f¨ur die er seit dem Tod seines Vaters Robert → C. 1875 allein verantwortlich war. 1883 erwarb C. zusammen mit seinem Bruder Oscar → C. die Julienh¨utte in Bobrek, die seitdem als Georg und Oscar Caro, Hochofenwerk Bobrek, firmierte. Erworben wurde außerdem die Moritzh¨utte. 1887 kam es unter der Firma Oberschlesische Eisen-Industrie Actien-Gesellschaft f¨ur Bergbau und H¨uttenbetrieb zum Zusammenschluß der Julienh¨utte, der Herminenh¨utte und der Baildonh¨utte. Maßgebend beteiligt war C. ebenfalls an der Gr¨undung der Oberschlesischen Eisenindustrie A. G. f¨ur Bergbau und H¨uttenbetrieb 1889 sowie der Eisenh¨utte Silesia A. G. 1910 gr¨undete er die Deutsche Eisenhandels-A.G. Caro, Heinrich, Chemiker, * 13. (?) 2. 1834 Posen, † 11. 9. 1910 Dresden. Nach dem Chemiestudium am Kgl. Gewerbeinstitut und an der Univ. Berlin 1852-55 erwarb C., Sohn eines Großkaufmanns, erste praktische Erfahrungen im Bereich der Baumwollf¨arberei und -druckerei. 1859 ging er nach England, arbeitete als Chemiker in der Firma Roberts, Dale & Co. und machte sich durch Erfindungen chemischer Farbstoffe einen Namen. 1866 nach Deutschland zur¨uckgekehrt, wurde er 1868 technischer Direktor und 1889 Aufsichtsratsmitglied der Badischen Anilin- und Sodafabrik. Seine Forschungst¨atigkeit trug zur Entwicklung der deutschen Teerfarben-Industrie bei; auch im Bereich des Patentrechts setzte er Neuerungen durch. 1856 war er Mitbegr¨under, 1892 / 93 Vorsitzender des Vereins deutscher Ingenieure und 1898 Vorsitzender des Vereins deutscher Chemiker. Die von C. entdeckte Peroxy-mono-Schwefels¨aure wurde nach ihm ¨ benannt (Carosche S¨aure). Er ver¨offentlichte u. a. Uber die

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Entwickelung der Theerfarben-Industrie (1893). Seine Gesammelten Reden und Vortr¨age wurden 1913 von Amalie C NDB Caro herausgegeben.

Caro, Jakob, Historiker, * 2. 2. 1835 Gnesen, † 10. 12. 1904 Breslau. In Berlin und Leipzig studierte C., Sohn eines Rabbiners, Geschichte und Philosophie und wurde 1861 in Jena pro¨ moviert (Uber die Wahl K¨onig Sigismunds III. von Polen). 1862 unternahm er eine Forschungsreise nach Galizien und S¨udrußland und wurde trotz seines abgelehnten Habilitationsgesuchs Privatdozent f¨ur Geschichte an der Univ. Jena. Dort begann ermit seinem Hauptwerk, der Fortf¨uhrung der Geschichte Polens (Bd. 2-4, 1863-88), die Richard → Roepell f¨ur die Sammlung Geschichte der europ¨aischen Staaten begonnen hatte. Auch die weiteren Schriften C.s sind der slawischen Kultur, Geschichte und Literatur gewidmet. Nachdem er mehrere Jahre als Begleiter der Großf¨urstin Jelena Pawlowna in St. Petersburg verbracht hatte, kehrte er 1865 nach Jena zur¨uck und folgte 1869 einem Ruf als Honorarprofessor an die Univ. Breslau, wo er 1876 a. o. Prof. und 1882 o. Prof. f¨ur Geschichte wurde. Neben seiner Lehrt¨atigkeit arbeitete C. 1869-75 im Ausw¨artigen Amt Berlin und war zeitweise Rektor der Univ. Breslau. C Lex dt-j¨ud Autoren Caro, Joseph, Schauspieler, * 21. 5. 1754 D¨usseldorf, † 27. 6. 1839 M¨unchen. C. deb¨utierte 1772 am herzoglichen Theater in Zweibr¨ucken und schloß sich im folgenden Jahr der von Theobald Marchand geleiteten Gesellschaft in Frankfurt / Main an, wo er seine schauspielerische Ausbildung abschloß. Mit Marchands Truppe wurde er 1776 an den kurpf¨alzischen Hof in Mannheim engagiert und kam 1778 nach M¨unchen. Am dortigen Hoftheater interpretierte er als Charakterdarsteller meistens Intriganten-Rollen und wirkte auch in einigen Opern mit. 1817 zog er sich aus gesundheitlichen Gr¨unden von der B¨uhne zur¨uck. C Neuer Nekr, Jg. 17 Caro, Klara, geb. Beermann, Sozialarbeiterin, Frauenrechtlerin, * 6. 10. 1886 Berlin, † 28. 9. 1979 New York. C., Tochter j¨udischer Eltern, wuchs in Berlin auf, besuchte eine Religionsschule und gr¨undete 1903 einen ersten zionistischen Frauenverein. 1909 heiratete sie den Rabbiner Isidor C. und folgte ihm nach K¨oln. 1913 wurde sie Mitglied im Israelitischen Frauenverein und arbeitete 1913-38 als Sozialarbeiterin f¨ur weibliche j¨udische Gefangene im K¨olner Gef¨angnis. 1923 gr¨undete C. die K¨olner Ortsgruppe des von Bertha von → Pappenheim initiierten J¨udischen Frauenbundes (JFB), trat vor allem gegen M¨adchenhandel und Prostitution auf und k¨ampfte f¨ur die Einf¨uhrung des Frauenwahlrechts in der j¨udischen Gemeinde. Nach der Macht¨ubernahme durch die Nationalsozialisten konnte C. ihre T¨atigkeit f¨ur den JFB zun¨achst fortsetzen. 1942 nach Theresienstadt deportiert, gr¨undete sie dort im Verborgenen die Women’s International Zionist Organization und wurde deren Vorsitzende. 1945 emigrierte sie in die Schweiz und ging ¨ 1947 nach New York. Uber ihre Erlebnisse in Deutschland verfaßte C. eine Reihe von Berichten, von denen jedoch nur wenige publiziert sind. C Demokr Wege Caro, Kurt (Michael), urspr. Caro-Mejavsek, Pseud. Manuel Humbert, Journalist, * 25. 7. 1905 Berlin, † 24. 6. 1979 Zollikon bei Z¨urich. C. studierte Rechtswissenschaft. Seit 1930 Chefredakteur der „Berliner Volkszeitung“, wurde er 1933 wegen angeblicher staatsfeindlicher T¨atigkeit entlassen. C. emigrierte nach Paris, wo er Schatzmeister der Association des Journalistes Allemands Emigr´es wurde. 1933 / 34 arbeitete er an der „Aktion“ (Paris) mit und war bis 1938 Redakteur des „Pariser

Carolus Tageblatts“ und der „Pariser Tageszeitung“. 1939 als Soldat der franz¨osischen Armee in Algerien eingesetzt, wurde er 1940 in der Sahara interniert. Seit 1943 stand C. im ¨ Dienst der britischen Armee, mit der er 1945 nach Osterreich ging. 1945 wurde er Chefredakteur der vom britischen Informationsdienst herausgegebenen „K¨arntner Nachrichten“ (Klagenfurt), dann der „Neuen Steirischen Zeitung“ (Graz) und 1946 der Wiener „Weltpresse“. Seit 1950 Beamter des Foreign Office, war er im britischen Kontrollrat und sp¨ater bei der britischen Botschaft in Bonn t¨atig. 1958 u¨ bersiedelte C. in die Schweiz. 1958-64 und 1970-72 war er Chefredakteur der „Weltwoche“, 1964-70 der „Schweizer Illustrierten Zeitung“. Er ver¨offentlichte u. a. Kommt „Das Dritte Reich“? (mit Walter Oehme, 1930, Neuausg. 1984), Adolf Hitlers „Mein Kampf“. Dichtung und Wahrheit (1936) und Der Volkskanzler Ludwig Erhard (1965). C Lex dt-j¨ud Autoren

Caro, Nikodem, Chemiker, Industrieller, * 23. 5. 1871 Lodz, † 27. 6. 1935 Rom. C. studierte an der TH Charlottenburg Natur- und Ingenieurwissenschaften und wurde 1892 in Rostock promoviert. Nach zweij¨ahriger Assistenzzeit an der Universit¨at und dreij¨ahriger Berufspraxis in der Chemischen Industrie er¨offnete er ein eigenes wissenschaftlich-technisches Labor. Mit dem Chemiker Adolph → Frank erforschte er neben Versuchen zur Gasverfl¨ussigung und der Vergasung von Torf vor allem die Herstellung von Cyaniden. Das von beiden entwickelte Frank-Caro-Verfahren zur Herstellung von Cyanverbindungen aus Carbiden wurde 1895 patentiert. (Calcium-)Cyanamid, seit 1901 als Kalkstickstoff bezeichnet, war das Endprodukt dieser Kalkstickstoffsynthese. Zur o¨ konomischen Verwertung und weiteren Erforschung des Cyanamids gr¨undete C. zusammen mit Adolph Frank und weiteren Partnern, darunter der Deutschen Bank, Siemens & Halske und der Deutschen Gold- und Silber-Scheideanstalt vormals Roessler (Degussa), 1899 die Cyanidgesellschaft mbH mit Sitz in Berlin. Diese Cyanidgesellschaft gr¨undete 1908 in M¨unchen die Bayerische Stickstoff-Werke AG, deren erster Generaldirektor C. wurde. Aus den Bayerischen Stickstoff-Werken, die in Trostberg / Alz Kalkstickstoff als D¨ungemittel produzierten, ging 1939 die S¨uddeutsche Kalkstickstoffwerke AG, die sp¨atere SKW Trostberg AG, hervor. C. war auch der Namenspatron f¨ur das sog. Caro-Werk, das Wasserkraftwerk III der Bayerischen Stickstoff-Werke, das 1919 bei Hirten / Alz in Betrieb ging. Er war Ehrenb¨urger von 18 bayerischen Kommunen, bulgarischer Generalkonsul, Ehrensenator der TH Braunschweig und der Univ. Rostock, zweifacher Ehrendoktor sowie Prof. und Geheimer Regierungsrat. 1930 wurde er Vorsitzender des Internationalen Kalkstickstoff-Syndikats. C. verließ Deutschland 1933 und emigrierte u¨ ber die Schweiz nach Italien. Er ver¨offentlichte u. a. Anleitung zur sicherheitstechnischen Pr¨ufung und Begutachtung von Acetylenanlagen (1902), Die Bedeutung des Torfs f¨ur die Provinz Ostpreußen (1907) und Die Stickstofffrage in Deutschland (1908). C Wußing Caro, Oscar, Industrieller, * 15. 6. 1852 Breslau, † 12. 9. 1931 Schloß Paulinum bei Hirschberg. Der Besitzer der 1848 von seinem Vater Robert → C. gegr¨undeten Herminenh¨utte in Laband erwarb 1883 zusammen mit seinem Bruder Georg → C. die Julienh¨utte in Bobrek. 1878 wurden diese Firmen mit der Baildonh¨utte bei Kattowitz und einem weiteren Werk unter dem Namen Oberschlesische Eisen-Industrie AG f¨ur Bergbau und H¨uttenbetrieb vereinigt. C. sorgte als Generaldirektor der Aktiengesellschaft f¨ur deren weitere Expansion; 1889 wurde das Unternehmen Hegenscheidt angeschlossen. 1887 geh¨orte er zu den Gr¨undern des Verbandes Oberschlesischer Walzwerke. C NDB

Caro, Paul, Komponist, * 25. 10. 1859 Breslau, † 23. 6. 1914 Breslau. C. begann seine musikalischen Studien an der Univ. Breslau bei Julius → Sch¨affer und Bernhard → Scholz, ging 1880 nach Wien und nahm bei dem Pianisten Anton → Door und bei Anton → Bruckner weiteren Unterricht. Seine ersten Symphonien wurden in Wien und Berlin aufgef¨uhrt. Seit 1893 lebte er privatisierend in Breslau, wo er einige seiner Kompositionen vor geladenem Publikum pr¨asentierte. Zu seinen Werken, die nur zum Teil im Druck erschienen, geh¨oren außer symphonischen Dichtungen f¨ur Streichorchester auch Kantaten sowie zwei Opern (Hero und Leander, 1912). C MGG Caro, Robert, Unternehmer, * 31. 10. 1805 Breslau, † 1875 Breslau. Der Mitinhaber der 1807 durch seinen Vater gegr¨undeten Handelsgesellschaft M. J. Caro & S¨ohne, einer Großeisenhandelsfirma, errichtete 1848 zusammen mit seinem Vater bei Laband (Kr. Tost-Gleiwitz) das Eisenwalzwerk Herminenh¨utte, auf dem Mitte der sechziger Jahre 300 Mitarbeiter besch¨aftigt wurden, die Waren in einer Gr¨oßenordnung von 100 000 Zentnern produzierten. 1866 beteiligte sich C. an dem von Heinrich Kern in Gleiwitz gegr¨undeten Drahtwerk Heinrich Kern & Co. Die Herminenh¨utte und die Heinrich Kern & Co. wurden 1887 mit der Julienh¨utte zu Bobrek sowie der Baildonh¨utte bei Kattowitz zur Oberschlesischen Eisen-Industrie A. G. f¨ur Bergbau und H¨uttenbetrieb vereinigt. F¨ur sein unternehmerisches Wirken wurde C. der Titel eines Kommerzienrats verliehen. Er war der Vater von Georg und Oscar → C. C Reichshandbuch Caroc, Alexander, Jurist, * 25. 7. 1643 Lassan, † 1711 Greifswald. Der Pfarrerssohn C. begann in Leipzig mit theologischen Studien und wechselte dann zum Studium der Rechtswissenschaften, das er in T¨ubingen, Rostock, Greifswald und Regensburg absolvierte. Als Hofmeister ging er auf Reisen nach Frankreich, Italien und in die Schweiz. 1673 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. f¨ur Jura an die Univ. Greifswald, wo er 1678 o. Prof. wurde und seit 1680 auch rhetorische Vorlesungen hielt. 1684 u¨ bernahm er zus¨atzlich die Aufgaben eines Hofgerichtsassessors; zwei Jahre darauf wurde er Landsyndikus und Rat des Herzogs von Mecklenburg-G¨ustrow. C. schrieb u. a. De coherentibus et eorum jure (1673).

Carolus, Andreas, luth. Theologe, * August 1632 Leibenstadt (Baden), † 1. 9. 1704 St. Georgen / Schwarzwald. C. studierte nach dem Besuch der Klosterschule Bebenhausen in T¨ubingen Theologie. Dort war er Diakon, bis er Superintendent in Urach und schließlich 1686 Abt von St. Georgen sowie herzoglich w¨urttembergischer Konsistorialrat wurde. Er ver¨offentlichte exegetische und kirchenhistorische Werke, insbesondere eine Kirchengeschichte des 17. Jh. unter dem Titel Memorabilia ecclesiastica saeculi decimi septimi (2 Bde., 1697-1702). Das im Sinne der luth. Orthodoxie geschriebene Werk war zu seiner Zeit umstritten. C. war der Vater von Andreas David → C. C ADB Carolus, Andreas David, luth. Theologe, * 29. 6. 1658 Calw, † 8. 9. 1707 Kirchheim / Teck. Wie sein Vater Andreas → C. studierte C. in T¨ubingen Theologie. Von Studienreisen zur¨uckkehrend, lehrte er als Adjunkt der Philosophischen Fakult¨at in Wittenberg und erhielt dann eine Stelle als Diakon in Tuttlingen. 1689 wechselte er in seine Geburtsstadt Calw, 1693 nach N¨urtingen, 1697 nach Freudenstadt und schließlich 1707 nach Kirchheim, wo er zum Stadtpfarrer und Superintendenten ernannt wurde. Er ver¨offentlichte dogmatische Abhandlungen

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Caron sowie die kirchenhistorische Schrift W¨urtembergische Unschuld oder christliche Pr¨ufung dessen, was G. Arnold von w¨urtembergischen Regenten und Lehrern, besonders Jacob Andre¨a aufgezeichnet hat (1708). C ADB

Caron, Albert von, Landwirt, Bakteriologe, * 9. 1. 1853 Rauenthal (Westfalen), † 18. 9. 1933 Bonn. C., Sohn eines Fabrikbesitzers, studierte Naturwissenschaften und National¨okonomie und wurde 1880 K¨oniglich Preußischer Bergassessor. Nachdem er seinen Beruf aus gesundheitlichen Gr¨unden aufgeben mußte, kaufte er 1885 das Rittergut Ellenbach bei Kassel und arbeitete als Landwirt. Er besch¨aftigte sich vor allem mit bodenbakteriologischen Fragestellungen und unternahm 1892 erste Feldversuche auf seinem Gut. Das von ihm isolierte Bodenbakterium „Bacillus Ellenbachensis Alpha“ wurde seit 1897 unter dem Namen „Alinit“ als patentierter Bakteriend¨unger f¨ur den Getreidebau zur Verbesserung der Stickstoffversorgung vertrieben. Auf sein Betreiben hin kam es 1901 zur Gr¨undung des Lehrstuhls f¨ur Agrikultur-Bakteriologie und des Landwirtschaftlich-Bakteriologischen Instituts an der Univ. G¨ottingen, dessen erster Direktor Alfred → Koch wurde. C. engagierte sich in mehreren landwirtschaftlichen Vereinigungen, war zeitweise Abgeordneter im Preußischen Kommunal-Landtag Hessen-Kassel und wurde 1906 in den Adelsstand erhoben. C B¨ohm Carossa, Hans, Mediziner, Schriftsteller, * 15. 12. 1878 T¨olz (heute Bad T¨olz), † 12. 9. 1956 Rittsteig (heute zu Passau). Der Sohn eines Arztes wuchs in Niederbayern auf und ging 1897 zum Studium der Medizin nach M¨unchen, wo er Kontakte zu Schriftstellern wie Richard → Dehmel und Frank → Wedekind kn¨upfte und seine ersten Gedichte ver¨offentlichte. Er setzte das Studium in W¨urzburg und Leipzig fort, u¨ bernahm nach der Promotion (1903, Ueber die Dauererfolge der Zweifel’schen Methode bei veralteten Dammrissen dritten Grades) die Praxis seines Vaters in Passau und ließ sich 1914 als Arzt in M¨unchen nieder. Nebenbei weiterhin schriftstellerisch t¨atig, ver¨offentlichte C. 1910 seinen ersten Gedichtband. Seine sp¨ateren Prosaschriften sind stark autobiographisch gepr¨agt: Er verarbeitete darin seine Kindheit und Jugend (Eine Kindheit, 1922; Verwandlungen einer Jugend, 1928; gemeinsam 1933), Erlebnisse als Bataillonsarzt w¨ahrend des Ersten Weltkriegs (Rum¨anisches Tagebuch, 1924, unter dem Titel Tagebuch im Kriege, 1934) und berufliche Erfahrungen (Die Schicksale Doktor B¨urgers. Letzte Bl¨atter eines Tagebuch, 1930; Der Arzt Gion, 1931). Ende der zwanziger Jahre zog sich C. aus dem M¨unchner literarischen Leben nach Seestetten und 1941 nach Rittsteig bei Passau zur¨uck. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung blieb er in Deutschland, hielt aber Kontakt zu Exilschriftstellern wie Thomas → Mann und lehnte 1933 die Berufung in die Preußische Akademie der Dichtkunst ab; allerdings u¨ bernahm er 1942 das Amt des Pr¨asidenten der „Europ¨aischen Schriftstellervereinigung“. In seinem Roman Ungleiche Welten (1951) setzte sich C., der 1938 mit dem Gothepreis der Stadt Frankfurt geehrt worden war, mit seinem Verhalten w¨ahrend des Nationalsozialismus auseinander. Seine S¨amtlichen Werke (2 Bde.) erschienen 1962, Briefe (3 Bde., hrsg. von Eva Kampmann-Carossa) 1978-81 und seine Tageb¨ucher 1910-18 (hrsg. von Eva KampmannCarossa) 1986. C Killy Carov´e, Friedrich Wilhelm, Jurist, Philosoph, * 20. 6. 1789 Koblenz, † 18. 3. 1852 Heidelberg. Der aus einer urspr¨unglich italienischen Kaufmannsfamilie stammende C., dessen Vater Hofgerichtsassessor, sp¨ater Regierungskommissar des kurtrierischen Bergwesens und Saynscher H¨uttenkommissar war, studierte in Heidelberg

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Rechtswissenschaften und beteiligte sich dort 1817 an der Gr¨undung der ersten Burschenschaft. In den folgenden Jahren widmete er sich als Sch¨uler → Hegels in Berlin philosophischen Studien und wurde 1819 Privatdozent in Breslau. 1823 siedelte er wieder nach Heidelberg u¨ ber und verfaßte zahlreiche religionsphilosophische und historische Abhandlungen. 1848 beteiligte er sich an den Verhandlungen des Frankfurter Vorparlaments und war 1849 Vizepr¨asident des Friedenskongresses in Paris. C. strebte nach einer allgemeinen Menschheitsreligion, die f¨ur alle V¨olker und Zeiten befriedigend sein k¨onnte, und bem¨uhte sich um die Auss¨ohnung der Philosophie mit der Kirche sowie des Katholizismus mit dem Protestantismus. Seine ideenpolitische Kritik an Staat und Kirche ist vom Glauben an die Perfektibilit¨at des Menschen bestimmt. C. ver¨offentlichte u. a. ¨ Uber die allein seligmachende Kirche (2 Bde., 1826 / 27, 2 1835), Kosmorama. Eine Reihe von Studien zur Orientierung in Natur, Geschichte, Staat, Philosophie und Reli¨ gion (1831), Uber kirchliches Christentum (1835), Neorama (3 Tle., 1838) und Vorhalle des Christentums oder die letzten Dinge der alten Welt. Ein weltgeschichtlicher R¨uckblick auf die vorchristlichen Religionen (1851).

Carow, Heiner, Regisseur, * 19. 9. 1929 Rostock, † 31. 1. 1997 Berlin. C., Sohn eines Kaufmanns, besuchte 1950-52 die Regieklasse des Berliner Nachwuchsstudios der DEFA, war 1952-56 Regieassistent bei Gerhard → Klein und Regisseur popul¨arwissenschaftlicher Filme, deb¨utierte mit dem Spielfilm Sheriff Teddy (1956) und drehte danach vor allem Jugend- und Spielfilme. International bekannt wurde er durch Die Legende von Paul und Paula (1972). C. war seit 1978 Mitglied der Akademie der K¨unste der DDR, seit 1984 der Akademie der K¨unste in Berlin (West). Er drehte u. a. die Filme Sie nannten ihn Amigo (1958), Die Russen kommen (1968 verboten, kam 1987 in die Kinos), Bis daß der Tod euch scheidet (1977 / 78), Coming out (1988 / 89) und Verfehlung (1990 / 91). Nach 1991 arbeitete C. vor allem f¨ur das Fernsehen. Nach dem Tod Erwin → Leisers 1996 u¨ bernahm er die Leitung der Abteilung Film- und Medienkunst C Cinegraph der Akademie der K¨unste zu Berlin. Carp, Eduard, Unternehmer, * 30. 8. 1847 Wesel, † 3. 8. 1924 Haus Steinbach / Eifel. Der Sohn des Industriellen Georg C. war nach Abschluß seines Jurastudiums in Ruhrort (heute zu Duisburg) als Amtsrichter t¨atig. Nach seiner Heirat mit Alma Julie Adeline Haniel stellte er sich als Anwalt und gesch¨aftsf¨uhrender Teilhaber in die Dienste der Firma Franz Haniel & Cie. in Ruhrort. Dar¨uber hinaus u¨ bte C. in zahlreichen kommunalen und ge¨ werblichen Amtern Einfluß auf das o¨ ffentliche und Wirtschaftsleben des niederrheinischen Raums aus: Er war Stadtverordneter, Kreistagsabgeordneter und 1903-09 Kreisdeputierter. 1901-05 hatte er den Vorsitz der Schifferb¨orse inne. W¨ahrend seiner Amtst¨atigkeit als Pr¨asident der Handelskammer fand der Ausbau des Ruhrorter Hafens f¨ur Seeschiffe statt. C.s vielf¨altiges Engagement auch im sozialen Bereich – die Evangelische Schule Alt-Ruhrort etwa verdankt ihre Entstehung seiner F¨orderung – fand in der Verleihung des Titels eines Geheimen Justizrats seine Anerkennung.

Carp, Werner (Friedhelm Otto Franz), Industrieller, * 25. 2. 1886 Duisburg, † 18. 1. 1950 Hamburg. Nach juristischen Studien in Bonn erhielt C., Sohn von Eduard → C., eine praktische Ausbildung bei der Bank f¨ur Handel und Industrie in Frankfurt / Main. F¨ur dasselbe Unternehmen arbeitete er in Berlin und seit 1909 in D¨usseldorf als Direktor. Vom Bankfach wechselte er zur Industrie u¨ ber, als er 1919 in den Vorstand der Gewerkschaften Rhein-

Carpzov preußen und Neum¨uhl eintrat. 1930 u¨ bernahm er den Vorsitz des Verwaltungsrats der Kohlen-, Handel- und Schiffahrtsgesellschaft Franz Haniel in Duisburg-Ruhrort. Neben dieser und weiteren Aktivit¨aten in den Aufsichtsr¨aten verschiedener Firmen in Rheinland-Westfalen, Hamburg, Berlin und Stuttgart baute er in D¨usseldorf das Stahlwerk Carp & Hones auf. 1945-47 war C. interniert. C Nekrologe Industrie

Carpov, Jakob, evang. Theologe, * 29. 9. 1699 Goslar, † 9. 6. 1768 Weimar. C., dessen Vater Konrektor, dann Rektor der Rats- und Stadtschule in Goslar war, studierte in Halle und Jena Theologie, Philosophie und Rechtswissenschaften. 1725 zum Magister promoviert, hielt er in Jena akademische Vorlesungen, in denen er die Philosophie Christian → Wolffs erl¨auterte. Auch als Gymnasiallehrer in Weimar (seit 1737) setzte er seine Vorlesungst¨atigkeit zun¨achst fort, unterrichtete aber seit 1742 nur noch Mathematik. 1745 erfolgte seine Bef¨orderung zum Direktor des Gymnasiums. C. u¨ bertrug als erster die mathematische Methode der Wolffschen Philosophie auf theologische Fragestellungen (Oeconomia salutis Novi Testamenti seu Theologia relevata dogmatica methodo scientifica adornata, 4 Bde., 1737-65). C RGG Carpzov, August, Jurist, Beamter, * 4. 6. 1612 Colditz, † 19. 11. 1683 Coburg. Der Sohn Benedikt I. → C.s und Bruder von Benedikt II. → C. widmete sich in Wittenberg, Leipzig und Jena rechtswissenschaftlichen Studien, erhielt 1637 eine Stelle als Advokat beim Wittenberger Hofgericht und wurde im folgenden Jahr promoviert. 1644 ernannte ihn Graf Johann Martin von Stolberg zum Rat; 1654 erfolgte seine Ernennung zum Hofrat durch Herzog Friedrich Wilhelm II. von SachsenAltenburg, in dessen Diensten er diplomatische Auftr¨age ausf¨uhrte, ehe er 1659 Kanzler in Coburg wurde. Als 1672 Herzog → Ernst die Herrschaft in Coburg u¨ bernahm, wurde C Jugler C. zur Regierung nach Gotha berufen. Carpzov, August Benedikt, Jurist, * 2. 11. 1644 Leipzig, † 4. 3. 1708 Merseburg. C. schloß das juristische Studium, das er in seiner Heimatstadt und in Jena absolviert hatte, 1667 mit der Promotion ab und begann, akademische Vorlesungen zu halten. Seit 1668 lehrte er als Prof. an der Leipziger Univ., wurde 1685 Mitglied des Leipziger Konsistoriums und im folgenden Jahr des Oberhofgerichts, 1795 folgte er schließlich einem Ruf als Prof. und Domherr nach Merseburg. C. ver¨offentlichte mehrere juristische Abhandlungen (u. a. Dissertatio de jure dividui et individui circa personas, res et actiones, 1670; Dissertatio de transportatione mortuorum per territorium alienum, 1690, 21724). C Jugler Carpzov, Benedikt I., Jurist, * 22. 10. 1565 Brandenburg, † 26. 11. 1624 Wittenberg. C., Sohn eines B¨urgermeisters, begann 1583 mit dem Jurastudium an der Univ. Frankfurt / Oder, ging dann nach Wittenberg, besuchte auf einer Studienreise weitere deutsche Universit¨aten und wurde 1590 in Wittenberg zum Doktor beider Rechte promoviert. 1592 erfolgte seine Aufnahme in die Wittenberger Juristische Fakult¨at und 1599 die Ernennung zum Professor. Als Kanzler des Grafen Martin in Reinstein und Blankenburg u¨ bernahm er 1594 zus¨atzlich Verwaltungst¨atigkeiten. Die s¨achsische Kurf¨urstin Sophia berief C. 1602 als Kanzler an ihren Hof in Colditz und ernannte ihn gleichzeitig zum Rat am Dresdner Appellationsgericht. Diese Stelle behielt er auch bei, als er nach dem Tod der Kurf¨urstin Sophia nach Wittenberg zur¨uckkehrte. C. war der Vater von August und Benedikt II. → C. C Jugler

Carpzov, Benedikt II., Jurist, * 27. 5. 1595 Wittenberg, † 31. (30. ?) 8. 1666 Leipzig. Aus einer Juristen- und Theologenfamilie stammend, studierte C. an den Universit¨aten Wittenberg, Leipzig und Jena und wurde 1619 in Wittenberg zum Doktor beider Rechte promoviert. 1620 berief ihn Kurf¨urst → Georg I. zum Adjunkten im Kurf¨urstlich S¨achsischen Sch¨oppenstuhl zu Leipzig. 1623 wurde er ordentlicher Beisitzer (sp¨ater auch Senior) des Stuhls und damit einer der sieben Leipziger Sch¨oppen, ein Amt, das er mit Unterbrechungen bis 1653 und erneut von 1661 bis zu seinem Tod innehatte. Um die Bedeutung dieser T¨atigkeit zu verstehen, ist anzumerken, daß gem¨aß Art. 219 der reichsgesetzlichen „Constitutio Criminalis Carolina“ (1532) die damals noch vorwiegend mit Laien(sch¨offen) besetzten Gerichte die wichtigsten Rechtsfragen (vor allem bez¨uglich Prozeßeinleitung, Folter, Verurteilung) nicht selbst beurteilen durften, sondern sich an mit gelehrten Juristen besetzte Stellen, vor allem Juristenfakult¨aten oder Sch¨oppenst¨uhle, im Wege der „Aktenversendung“ zu wenden hatten, die verbindliche Rechtsgutachten erstatteten. In Kursachsen war seit 1574 der Leipziger Sch¨oppenstuhl die landesherrlich eingesetzte Spruchbeh¨orde vor allem in Strafprozessen. Neben ¨ dieser T¨atigkeit als Sch¨oppe wurde C. zu weiteren Amtern herangezogen. Von 1644 bis 1653 war er Professor iuris und Ordinarius der Leipziger Juristenfakult¨at und Vorsitzender ihres Spruchkollegiums, von 1653 bis 1661 Geheimer Rat des Kurf¨ursten in Dresden sowie zeitweise Mitglied des Oberhofgerichts in Leipzig und des Appellationsgerichts in Dresden; die Stelle eines Wirklichen Hofrats in Dresden (1644) trat er nicht an. Aus dieser u¨ berwiegend auf die Sprucht¨atigkeit bezogenen Arbeit erwuchsen seine großen Werke. Bereits w¨ahrend seiner T¨atigkeit als wissenschaftlicher Gehilfe im Sch¨oppenstuhl begann C. mit der Abschrift von Zehntausenden von Entscheidungen des Leipziger Sch¨oppenstuhls, die er den gesammelten Spruchakten entnahm. Seine wissenschaftliche Leistung bestand dann in der Systematisierung dieses umfangreichen Archivs. Ausgehend von der Strafprozeßordnung der „Carolina“ und den kurs¨achsischen Konstitutionen von 1572 faßte er sein Material 1635 in dem Werk Practica nova imperialis Saxonica rerum criminalium – zu u¨ bersetzen etwa mit: „Das neue s¨achsische, auf Kaiserrecht beruhende Brauchtum und Verfahren in Strafsachen“ – zusammen. Auf die Spruchpraxis des Leipziger Sch¨oppenstuhls berief sich auch die 1662 ver¨offentlichte Schrift Peinlicher Inquisitions- und Achts-Prozeß, ein f¨ur die Gerichtsverwalter im Lande bestimmtes deutschsprachiges Lehrbuch des Strafprozesses. Beide Werke wurden schnell ber¨uhmt und vielfach aufgelegt; sie haben fast ein Jahrhundert lang die gesamte deutsche Strafrechtspflege maßgeblich beeinflußt und ihren Verfasser zum Begr¨under der deutschen Strafrechtswissenschaft werden lassen. In der s¨achsischen Strafrechtspflege wurden sie fast wie wirkliche Gesetze behandelt. Daneben verfaßte C. auch auf dem Gebiet des Zivilrechts und des Zivilprozesses wichtige Werke. Durch die Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica (1638) – einen Kommentar zu den kurs¨achsischen Konstitutionen – und den Processus iuris in foro Saxonico (1657) dr¨angte C. den seit der Rezeption starken Einfluß der italienischen Rechtswissenschaft zur¨uck und begr¨undete so eine „saxonisierende“ Richtung in der gemeinrechtlichen Prozeßtheorie. Andere Werke, die den gesamten Bereich des Zivil- und des Straf-

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Carpzov rechts umfaßten, schlossen sich an: Responsa iuris electoralia (1642) und – sie fortsetzend – Opus decisionum illustrium Saxonicarum (1646-54), beides B¨ande mit Rechtsspr¨uchen des Dresdner Appellationsgerichts und des Leipziger Sch¨oppenstuhls. Als erster schließlich stellte C. in der Jurisprudentia ecclesiastica seu consistorialis (1649) das protestantische Kirchenrecht seiner Zeit systematisch und ausf¨uhrlich dar, wobei er sich einerseits an das kanonische Recht anlehnte, andererseits aber auch die heimische Praxis der kurs¨achsischen Konstitutionen einbezog. Der wissenschaftliche Ruhm von C. wirkte nach seinem Tod fort und verbreitete sich u¨ ber seine engere Heimat hinaus nach Ost- und Norddeutschland, selbst in nordische L¨ander. Mit der Reformierung der Gesetze verloren seine Werke aber allm¨ahlich an Aktualit¨at. Sein pers¨onlicher Ruhm wurde 1675 durch eine Bemerkung des Philipp Andreas Oldenburger stark geschm¨alert, der von u¨ ber 20 000 von C. verh¨angten Todesurteilen sprach. Die beginnende Aufkl¨arung u¨ bernahm dieses Bild eines blutr¨unstigen und grausamen Strafjuristen und bezog es haupts¨achlich auf die Hexenprozesse. Heute ist klargestellt, daß C. in seiner langen praktisch-gutachterlichen T¨atigkeit durchaus zur¨uckhaltend entschieden hat (etwa 300 Todesurteile, wobei sowohl die damalige Rechtslage – die zahlreiche todesw¨urdige Delikte vorsah – als auch die Wirren des Kriegs mitzubedenken sind), dabei sehr auf Beachtung der Rechtsstellung des Inquisiten bedacht war. In Hexensachen hat C. offensichtlich nur in vier F¨allen mitgewirkt, die nicht mit einem Todesurteil endeten. Allerdings hat er sich in seinen wissenschaftlichen Theorien der Auffassung von der Hexerei als Teufelspakt angeschlossen, wie sie die Kurs¨achsischen Konstitutionen – entgegen der „Carolina“, die in Art. 109 nur Schadenszauber mit der Todesstrafe bedroht hatte – als todesw¨urdiges „crimen laesae maiestatis divinae“ vorsah. Darin teilte C. also den Aberglauben seiner Zeit, wobei sicherlich sein konservativer Protestantismus (gipfelnd in einer theokratisch-absolutistischen Staats- und Rechtsauffassung) mitbestimmend war. LITERATUR: Johan Erich Hahnen: Leichenrede f¨ur C. Leipzig 1667. Neu abgedruckt in: Wolfgang Schild (Hrsg.): B. C. 1595-1666. Bd. 1. Goldbach 1995, S. 1-124. – Hellmuth von Weber: B. C. Ein Bild der deutschen Rechtspflege im Barockzeitalter. Festschrift Rosenfeld. 1950, S. 29-50. – Erich D¨ohring: C. In: NDB, Bd. 3, 1957, S. 156-157. – Thomas W¨urtenberger: B. C. (1595-1666). Zu seinem 300. Todestag. In: Juristische Schulung, 1966, S. 345-347. – Hellmuth von Weber: B. C. In: Juristen-Jahrbuch 7 (1966 / 67) S. 1-14. – Gertrude Schubart-Fikentscher: C. In: HRG, Bd. 1, Berlin 1971, S. 595-597. – Winfried Trusen: B. C. und die Hexenverfolgungen. In: Recht und Kriminalit¨at. Festschrift F.-W. Krause. K¨oln 1990, S. 19-35. – Wolfgang Sellert: B. C. – Ein fanatischer Strafjurist und Hexenverfolger? In: Hartmut Lehmann / Otto Ulbricht (Hrsg.): Vom Unfug des HexenProcesses. Wiesbaden 1992, S. 325-340. – Peter Jessen: B. C. – ein s¨achsischer Jurist und Leipziger Sch¨offe. In: S¨achsisches Staatsministerium der Justiz (Hrsg.): Leipzig: Stadt der Rechtsprechung. Dresden 1994, S. 30-52. – Martin Lipp: Recht und Rechtswissenschaft im fr¨uhneuzeitlichen Kursachsen – Zur 400j¨ahrigen Wiederkehr des Geburtstages von B. C. (1595-1666). In: Juristische Schulung 35 (1995) S. 387-393. – Gerd Kleinheyer: B. C. (1595-1666). In: Ders. / Jan Schr¨oder (Hrsg.): Deutsche und Europ¨aische Juristen aus neun Jahrhunderten. 4., neubearb. und erw. Aufl. Heidelberg 1996, S. 87-92. – Rudolf Hoke: Die Souver¨anit¨atslehre des B. C. In: Staat und Recht (1997) S. 319-336. – Hinrich R¨uping: C. und Thomasius. In: Zeitschrift f¨ur die gesamte Strafrechtswissenschaft 109 (1997) S. 381-389. – Heiner L¨uck: B. C. (1595-1666) und der Leipziger Sch¨oppenstuhl. In: Uwe Schirmer (Hrsg.): Sachsen im 17. Jahrhun-

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dert. Beucha 1997, S. 101-114. – Tim Schaetze: B. C. als Dogmatiker des Privatrechts. Aachen 1999. – Dietrich Oehler: B. C.s Practica Nova (1635) in heutiger Betrachtung. In: Festschrift f¨ur Hans Joachim Hirsch zum 70. Geburtstag. Hrsg. v. Thomas Weigend und Georg K¨upper. Berlin u. a. 1999, S. 105-113. – G¨unter Jerouschek / Wolfgang Schild / Walter Gropp (Hrsg.): B. C. T¨ubingen 2000. – Johannes Berlinger: War B. C. der Kronjurist der Hexenverfolgung. In: Christoph Becker u. a. (Hrsg.): Hexentribunal. Augsburg 2001, S. 283-296. – Ulrich Falk: Zur Folter im deutschen Strafprozeß. Das Regelungsmodell von B. C. (1595-1666). In: Forum historiae iuris 2001. – Thomas Robisheaux: Zur Rezeption B. C.s im 17. Jahrhundert. In: Herbert Eiden / Rita Voltmer (Hrsg.): Hexenprozesse und Gerichtspraxis. Trier 2002, S. 527-543. Wolfgang Schild

Carpzov, Christian, Jurist, * 20. 4. 1605 Colditz, † 20. 12. 1642 Frankfurt / Oder. Wie sein Vater Benedikt I. → C. widmete sich C. dem Studium der Rechte, zun¨achst in Wittenberg, sp¨ater in Leipzig, Jena, Heidelberg und schließlich in Straßburg, wo er promoviert wurde. Nach mehreren Jahren Lehr- und Anwaltst¨atigkeit in Wittenberg folgte er einem Ruf als Prof. an die Univ. Frankfurt / Oder. In dieser Eigenschaft ver¨offentlichte er u. a. einen Tractatus methodicus de iure personarum (1636). C ADB Carpzov, Friedrich Benedikt, Jurist, * 21. 10. 1702 Zittau, † Oktober 1744 Wittenberg. Der Sohn des Juristen Johann Benedikt IV. → C. studierte in Wittenberg und Leipzig die Rechte, ehe er 1726 in Zittau die Stelle eines Notars erhielt. Seit 1727 war er Amtsadvokat in der Lausitz und 1731 im ganzen Kurf¨urstentum Sachsen. Nach seiner Promotion 1735 lehnte er einen Ruf als Juraprofessor an die Univ. G¨ottingen ab und zog eine Professur f¨ur Natur- und V¨olkerrecht in Wittenberg vor, die er 1742 antrat. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlt eine Dissertatio de poena excisionis iure positivo universali in incestas nuptias statuta cum fatis matrimoniorum illustrium eiusdem generis (1738). C Jugler Carpzov, Johann Benedikt I., luth. Theologe, * 22. 6. 1607 Rochlitz, † 22. 10. 1657 Leipzig. Der Bruder des Juristen Benedikt II. → C. wurde nach theologischen Studien in Wittenberg und Leipzig 1632 Pfarrer in Meuselwitz, 1637 Diakon und 1647 Archidiakon an der Leipziger Thomaskirche. Zus¨atzlich lehrte er seit 1641 als Prof. der Theologie an der Univ. Leipzig. In seinem postum ver¨offentlichten Hauptwerk Isagoge in libros ecclesiarum lutheranarum symbolicos (1665, 21675) erl¨autert C. die symbolischen B¨ucher der luth. Kirche in historischer und dogmatischer Hinsicht. C RGG Carpzov, Johann Benedikt II., luth. Theologe, * 24. 4. 1639 Leipzig, † 23. 3. 1699 Leipzig. Der Sohn Johann Benedikt I. → C.s studierte in Leipzig, Jena und Straßburg, unternahm eine Studienreise durch S¨uddeutschland und wurde 1659 in Leipzig zum Magister promoviert. Seit 1662 war er Prediger an der dortigen Nikolaikirche. 1668 wechselte er als Diakon an die Thomaskirche und wurde 1674 als Archidiakon, 1679 als Pastor eingesetzt. Seine akademische Laufbahn begann 1665 mit der Berufung zum Prof. der Moraltheologie an der Univ. Leipzig; 1668 u¨ bernahm er eine Professur der orientalischen Sprachen und lehrte seit 1684 auch Theologie. Als Kenner der hebr¨aischen Sprache und Literatur edierte er mehrere rabbinische Schriften und verfaßte u. a. ein Collegium rabbinicobiblicum in libellum Ruth. C. erwies sich in Auseinandersetzungen mit Philipp Jakob → Spener und August Hermann → Francke als erbitterter Gegner des Pietismus. C RGG

Carriere Carpzov, Johann Benedikt III., luth. Theologe, * 21. 11. 1670 Leipzig, † 18. 8. 1733 Leipzig. Wie sein Vater Johann Benedikt II. → C. widmete sich C. dem Studium der Theologie und der orientalischen Sprachen an der Univ. Leipzig. Dort wurde er zun¨achst Prediger an der Nikolaikirche und 1703 a. o. Prof. der orientalischen Sprachen. Er befaßte sich insbesondere mit rabbinischer Literatur und schrieb Abhandlungen wie Christianae de Urim et Thummim conjecturae (1732). C RGG

wurde dort u. a. Sch¨uler des lutherisch-orthodoxen Theologieprofessors Abraham → Calov. Als Hofprediger ging er 1674 nach Dresden, wo er 1680 Pastor an der Kreuzkirche und Superintendent wurde. Als Nachfolger Philipp Jakob → Speners wurde er 1692 zum Oberhofprediger ernannt. Unter dem Einfluß seines a¨ lteren Bruders Johann Benedikt II. → C. entwickelte sich C. zum Gegner Speners und des Pietismus. Er war der Vater von Johann Gottlob → C. C RGG

Carpzov, Johann Benedikt IV., Jurist, Beamter, * 25. 10. 1675 Dresden, † 8. 9. 1739 Wittenberg. Als Sohn Samuel Benedikt → C.s in Dresden aufgewachsen, studierte C. seit 1693 in Wittenberg, Frankfurt / Oder und Leipzig Rechtswissenschaften und wurde 1675 an der Frankfurter Univ. promoviert. Er ließ sich zun¨achst als Advokat in Dresden nieder und wurde 1702 Ratssyndikus in Zittau, 1713 dort Kommissionsrat. Die B¨urger von Zittau w¨ahlten ihn bald darauf zu ihrem B¨urgermeister; 1731 ernannte man ihn zum Kreisamtmann in Wittenberg. C. verfaßte neben juristischen Abhandlungen einen Ehrentempel merckw¨urdiger Antiquit¨aten des Marckgrafthums Oberlausitz (1719). C ADB

Carrach, Johann Philipp von, Jurist, Publizist,

Carpzov, Johann Benedikt V., luth. Theologe, Philosoph, * 20. 5. 1720 Leipzig, † 28. 4. 1803 K¨onigslutter. C., Sohn des Theologen Johann Benedikt III. → C., studierte in Leipzig und wurde dort 1747 a. o. Prof. der Philosophie. Im folgenden Jahr ging er als Prof. der griechischen Sprache nach Helmstedt, wo er seit 1749 auch Theologie lehrte. 1759 wurde er Abt in K¨onigslutter und Mitglied der Landst¨ande des Herzogtums Braunschweig-Wolfenb¨uttel. C., der als einer der letzten Verfechter der luth. Orthodoxie gilt, verfaßte u. a. einen Liber doctrinalis theologiae purioris (1768). C RGG Carpzov, Johann Gottlob, luth. Theologe, * 26. 6. 1679 Dresden, † 7. 4. 1767 L¨ubeck. Nach dem Studium der Theologie in Leipzig und Altdorf bei N¨urnberg wurde der Sohn Samuel Benedikt → C.s 1704 in Dresden und 1708 in Leipzig Diakon. Als Reiseprediger begleitete er den polnisch-s¨achsischen Gesandten nach England und Holland. 1719 erhielt C. eine a. o. Professur der orientalischen Sprachen in Leipzig; von dort aus ging er 1730 als Superintendent nach L¨ubeck. In seinen Schriften verteidigte er die orthodoxe Lehre von der Verbalinspiration des Alten Testaments gegen die Bibelkritik Richard Simons, Spinozas und anderer. Zu seinen Hauptwerken geh¨oren die Introductio in libros canonicos bibliorum Veteris Testamenti (3 Bde., 1714-21, 31741) und Critica sacra (1728, 21748). C D¨oring: Theol Carpzov, Konrad, Jurist, Beamter, * 11. 7. 1593 Wittenberg, † 12. 2. 1658 Halle. Der a¨ lteste Sohn von Benedikt I. → C. widmete sich in Wittenberg, Leipzig und Jena rechtswissenschaftlichen Studien und wurde gemeinsam mit seinem Bruder Benedikt II. → C. 1619 in Wittenberg promoviert. Zun¨achst war C. als Hofrat in Pommern t¨atig; 1621 folgte er einem Ruf als Juraprofessor nach Wittenberg. Er wurde Assessor im Hofgericht sowie Mitglied des Konsistoriums und des Dresdner Appellationsgerichts. Als kurs¨achsischer Gesandter reiste er 1636 zum Kurf¨urstentag nach Regensburg. 1638 verließ er die Wittenberger Univ. und trat in Halle als Kanzler und Geheimer Rat in den Dienst des Herzogs → August von Sachsen. C Jugler Carpzov, Samuel Benedikt, luth. Theologe, * 17. 1. 1647 Leipzig, † 31. 8. 1707 Dresden. Seit 1663 studierte der Sohn von Johann Benedikt I. → C. in Leipzig. 1668 wechselte er an die Wittenberger Univ. und

* 30. 8. 1730 Halle / Saale, † Wien. Der a¨ lteste Sohn des Juristen Johann Tobias → C. studierte seit 1745 Rechtswissenschaften in Magdeburg, wo er 1750 promoviert und 1752 zum a. o. Prof. ernannt wurde. Einer Berufung als o. Prof. der Rechte nach Duisburg konnte er wegen des Siebenj¨ahrigen Kriegs zun¨achst nicht Folge leisten und ging statt dessen nach Breslau, wo er zum kgl. preuß. Geheimen Rat ernannt und von → Friedrich II. in den Adelsstand erhoben wurde. Seit 1764 lehrte er in Duisburg, bis er 1768 als Juraprofessor und Prokanzler der Univ. nach Kiel berufen wurde. Bereits 1769 wieder entlassen, siedelte er nach Wien u¨ ber, konvertierte zum Katholizismus und sprach sich in Publikationen f¨ur die Interessen des Wiener Hofs aus. In seinen fr¨uheren Ver¨offentlichungen – ¨ teils eigene Schriften, teils Ubersetzungen – befaßte sich C. haupts¨achlich mit staatsrechtlichen Fragestellungen (Abriß der Staatsverfassung, 2 Bde., 1761). C ADB

Carrach, Johann Tobias, Jurist, * 1. 1. 1702 Magdeburg, † 21. 10. 1775 Halle / Saale. C. schloß das rechtswissenschaftliche Studium, das er 1721 in Halle / Saale begonnen hatte, 1729 mit der Promotion ab. Seit 1732 a. o. Prof. der Rechtswissenschaften an der Univ. Halle, wurde er 1738 Ordinarius und Beisitzer der Juristischen Fakult¨at. Seit 1753 f¨uhrte er den Titel eines kgl. Geheimen Rats. W¨ahrend des Siebenj¨ahrigen Kriegs wurde C. 1759 als Geisel entf¨uhrt und nach N¨urnberg, Prag und schließlich nach Hemmau verschleppt, wo er 1762 von den preuß. Truppen befreit wurde. Im folgenden Jahr u¨ bernahm er mit einer neuerlichen Professur auch die Direktion der Univ. Halle. C. ver¨offentlichte u. a. Programmata iuridica (1767). Er war der Vater von Johann Philipp von → C. C ADB

Carrichter, Bartholom¨aus, Mediziner, Naturforscher, * um 1510 Reckingen, † 2. 11. 1567 Wien. Zun¨achst als Arzt am Oberrhein t¨atig, wurde C. 1556 von Kaiser → Ferdinand I. als Hofarzt nach Wien berufen; → Maximilian II. ernannte ihn 1564 zum „Hofgesindedoktor“. Mehrfach wurde er von Kurf¨urst → August von Sachsen zu Rate gezogen; er hielt sich auch bei dem Markgrafen → Johann von der Neumark in K¨ustrin auf. C. wurde vor allem durch seine astromedizinischen Werke, die noch im 18. Jh. neu aufgelegt wurden, bekannt. In seinem Kr¨auterbuch (1575) sind die Heilpflanzen nach Tierkreiszeichen geordnet, w¨ahrend die Arzneimittelzubereitung im Zusammenhang mit Planetenkonstellationen beschrieben wird. Zum Teil bezog er sich auch auf die Lehren des → Paracelsus. C. ver¨offentlichte u. a. Practica Auß den f¨urnemesten Secretis von allerhand Leibes Krankheiten [. . .] (1579) und Horn deß Heyls menschlicher Bl¨odigkeit (1595). Seine Teutsche Speißkammer wurde wiederholt aufgelegt. C Killy Carriere, (Philipp) Moriz, auch Moritz, Mauritius, Carri`ere, Philosoph, * 5. 3. 1817 Griedel bei Butzbach, † 18. 1. 1895 M¨unchen. C., Sohn eines f¨urstlichen Rentamtmanns und Gutsbesitzers, studierte Philosophie in Gießen und G¨ottingen und wurde 1838 in Berlin mit der Arbeit Teleologiae Aristotelicae lineamenta promoviert, die den Einfluß → Hegels verr¨at. 1842

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Carro habilitierte er sich in Gießen, wo er popul¨are Vorlesungen zu philosophischen und literarischen Themen hielt. Nachdem er sein vielbeachtetes Werk Die philosophische Weltanschauung der Reformationszeit in ihren Beziehungen zur Gegenwart (1847; 2., verm. Aufl., 2 Bde., 1887) ver¨offentlicht hatte, erhielt er den Titel eines a. o. Professors. 1853 folgte er seinem Schwiegervater Justus von → Liebig nach M¨unchen, wo er zun¨achst Honorarprofessor an der Universit¨at, dann Prof. f¨ur Kunstgeschichte an der Kunstakade¨ mie und 1887 Universit¨atsprofessor der Asthetik wurde. Seit 1889 geh¨orte er der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an. F¨ur C., einen Vertreter des spekulativen Theismus, hatte Kunst ihre Herkunft im Sittlichen (Aesthetik. Die Idee des Sch¨onen und ihre Verwirklichung durch Natur, Geist und Kunst, 2 Tle., 1859, 31885; Die Kunst im Zusammenhang mit der Culturentwickelung und die Ideale der Menschheit, 5 Bde., 1863-73, 31877-86). Seine Gesammelten Werke erschienen 1886-94 in 14 B¨anden. C IGL

Carro, Johann Ritter von, auch Jean de C., Badearzt,

Trocken- oder Naßf¨orderung einzurichten? (1927). Er vero¨ ffentlichte u. a. Von der Bewegung des Wassers (mit Alexander → Koch, 1926). C NDB

Carstanjen, Wilhelm, Fabrikant, * 4. 5. 1801 Duisburg, † 25. 11. 1878 Duisburg. Zusammen mit seinem Bruder Carl u¨ bernahm C. 1832 die Duisburger Tabakfabrik seines Vaters, die sie unter dem Namen C. & W. Carstanjen neu gr¨undeten und nach einem Brand 1856 stark erweitert neu aufbauten. Fr¨uh bem¨uhten sich die Br¨uder, das Gesch¨aft durch andere Unternehmungen zu erweitern: 1835 gr¨undete C., in dessen Haus Clara → Schumann und Johannes → Brahms verkehrten, gemeinsam mit seinem Bruder Carl in K¨oln eine Rohrzuckerfabrik; 1854 waren die Br¨uder Mitgr¨under der Duisburger „GasErleuchtungs-Gesellschaft“. C.s Sohn Otto und seine Nachkommen f¨uhrten die Duisburger Tabakfabrik weiter, deren Sortiment sie um Zigarren erweiterten. 1973 wurde der Betrieb liquidiert.

Schriftsteller, * 21. 3. 1846 Wien, † 22. 3. 1896 Wien. Der Enkel des Mediziners Johann von → C. verließ mit 17 Jahren die Handelsschule, um sich der Schauspielerei zu widmen. Nachdem er elf Jahre lang an verschie¨ denen B¨uhnen Deutschlands und Osterreichs t¨atig gewesen war, engagierte ihn Franz von → Dingelstedt 1874 an das Wiener Burgtheater. Bereits im folgenden Jahr verließ C. das Ensemble und begann eine erfolgreiche T¨atigkeit als freier Rezitator von Volksst¨ucken, besonders von Ludwig → Anzengruber und Ludwig → Ganghofer. 1886-89 leitete er w¨ahrend der Sommermonate das Kurhaustheater in G¨oggingen bei Augsburg, wirkte dann kurze Zeit als Vortragsmeister in Graz und kehrte 1891 nach Wien zur¨uck. Dort arbeitete C. als Rezitator, Schauspiellehrer; er verfaßte Volksst¨ucke (u. a. Der Garg’scheite, 1898) und oberbayerische Mundartlyrik. C Biogr Jahrb, Bd 1

Carste, Hans (Friedrich August), eigentl. Hans H¨aring, Pseud. Bob Winther, Salvadore Tareno, Josef Fanta, Komponist, Dirigent, * 5. 9. 1909 Frankenthal, † 11. 5. 1971 Bad Wiessee. C. brach das 1927 begonnene Studium an der Hochschule f¨ur Welthandel in Wien ab und studierte an der dortigen Musikakademie Harmonielehre und Kontrapunkt bei Emil Prohaska sowie Klavier, Dirigieren und Komposition bei Ferdinand → Großmann. Er arbeitete als Korrepetitor an der Wiener Volksoper und 1929 auch an der Oper in Breslau. Nach Kompositionsunterricht bei Alfred Bortz in Berlin (1930 / 31) schrieb er Filmmusiken und Kabarettkompositionen, bis er 1942 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Noch im selben Jahr geriet C. in sowjetische Gefangenschaft, aus der er 1948 nach Berlin zur¨uckkehrte. Seit 1949 war er als Dirigent und Abteilungsleiter f¨ur Unterhaltungs- und Tanzmusik beim RIAS Berlin t¨atig. C., der 1937 zum ersten Mal in die Wertungskommission der Staatlich genehmigten Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte (STAGMA) berufen worden war, wurde 1957 vom Bureau International des Soci´et´es G´erant les Droits d’Enregistrement et de Reproduction M´ecanique in Paris als erster Deutscher zum Pr¨asidenten ernannt. Seit 1949 war er Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaft f¨ur musikalische Auff¨uhrungsrechte und mechanische Vervielf¨altigungsrechte (GEMA), 1958-67 dessen Pr¨asident. C. wurde 1961 mit dem Paul-Lincke-Ring ausgezeichnet und 1966 zum Prof. ernannt. C.s umfangreiches Werk reicht vom Schlager bis zu symphonischen Kompositionen. Zu den popul¨arsten seiner Filmschlager geh¨ort Wenn man verliebt ist, h¨angt der Himmel voller Geigen aus Der Fl¨uchtling von Chicago (1934). Seit 1952 wird f¨ur den Vorund Nachspann der „Tagesschau“ im deutschen Fernsehen (ARD) das Thema aus C.s Fantasie f¨ur Hammond-Orgel und Orchester verwendet. C MGG

Carstanjen, Arnold Julius Maximilian, auch Max C.,

Carsten, Francis L(udwig), Historiker, * 25. 6. 1911

Ingenieur, * 9. 10. 1856 Duisburg, † 2. 4. 1934 Biebrich / Rhein. Nach dem Studium des Bauingenieurwesens am Polytechnikum in Z¨urich trat C., Sohn eines Fabrikanten, 1881 in den preuß. Staatseisenbahndienst. 1895 wechselte er zum N¨urnberger Werk der MAN, das 1901 unter seiner Direktion nach Gustavsburg verlegt wurde. Als Spezialist f¨ur Stahlbau und Eisenwasserbau erarbeitete er zahlreiche Entw¨urfe f¨ur Br¨ucken und Großwehrbauten; auch die Konstruktion der Frankfurter Festhalle geht auf ihn zur¨uck. 1923 trat C. in den Ruhestand und lebte danach in Biebrich / Rhein. Er vero¨ ffentlichte u. a. Von der Bewegung des Wassers (1926) und Sind die zuk¨unftigen Schiffshebewerke, sei es mit lotrechter Hebung, sei es mit F¨orderung auf geneigter Bahn, f¨ur

Berlin, † 23. 6. 1998 London. C., Sohn eines Ophthalmologen, studierte 1930 / 31 an der Univ. Heidelberg, 1931-33 in Berlin und beteiligte sich an antifaschistischen Untergrundaktivit¨aten. 1935 emigriert, studierte er 1936-39 an der Univ. Amsterdam und seit 1939 an der Univ. Oxford, wo er 1942 zum Ph. D. promoviert wurde. 1942-46 stand er in Diensten der politischen Abteilung des Foreign Office. 1947-60 war C. Lecturer, 1960 / 61 Reader f¨ur moderne Geschichte am Westfield College in London, 1961-78 Masaryk Professor f¨ur zentraleurop¨aische Geschichte an der Univ. London und geh¨orte seit 1970 dem dortigen Institute of Historic Research an. C. war 1966-84 Mitherausgeber der Slavonic and East European Revue. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren u. a. The Origins of

* 8. 8. 1770 Genf, † 12. 3. 1857 Karlsbad. C. besuchte die Genfer Akademie und ging dann zum Medizinstudium nach Edinburgh. 1793 dort promoviert (De hydrocephalo acuto), ließ er sich in Wien nieder und wurde Mitglied der dortigen Medizinischen Fakult¨at. Als erster Arzt auf dem Kontinent wandte er 1799 die Schutzimpfung gegen Pocken an, nachdem er sie an seinen eigenen S¨ohnen getestet hatte. Durch C. wurde die Impfung auch in der T¨urkei, in Polen, Rußland, Griechenland, Ostindien und Persien verbreitet (Histoire de la vaccination en Turque, en Grecque et aux Indes orientales, 1804, dt. 1804). 1813 schlug ihn Kaiser → Franz I. zum Ritter. 1816 richtete C. in Wien ein Schwefeldampfbad ein; zehn Jahre sp¨ater ging er als Badearzt nach Karlsbad, wo er den „Almanach de Carlsbad“, eine medizinische, wissenschaftliche und lite¨ rarische Sammlung, herausgab (1831-47). C OBL

Carro, Karl Ritter von, Pseud. Karl Carode, Schauspieler,

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Cartellieri Prussia (1954, 21968; dt. Die Entstehung Preußens, 1968), Reichswehr und Reichspolitik 1918-1933 (1964), The Rise of the Fascism (1967; dt. Der Aufstieg des Faschismus in Europa,1968), Fascist Movements in Austria: from Sch¨onerer ¨ to Hitler (1977; dt. Faschismus in Osterreich. Von Sch¨onerer zu Hitler, 1977), August Bebel und die Organisation der Massen (1991) und Eduard Bernstein 1850-1932. Eine poC Historikerlex litische Biographie (1993).

Carsten, Rudolf, Landwirt, Pflanzenz¨uchter, * 29. 4. 1880 Hof Vorwerk bei L¨ubeck, † 7. 9. 1954 Bad Schwartau (Holstein). Nach dem Besuch der Landwirtschaftsschule 1895-97 war C. auf dem elterlichen Hof t¨atig, wo er die auf den Feldern angebauten Getreidesorten studierte und eigene Z¨uchtungsversuche unternahm. 1904 verkaufte die Familie den Hof und siedelte nach Bad Schwartau u¨ ber. C. setzte seine Feldversuche fort, wobei sein Hauptaugenmerk auf die Ertragssteigerung und das Erreichen gr¨oßerer Winterfestigkeit bei Weizen, Rogge und Gerste gerichtet war. Der von ihm 1921 herausgebrachte Dickkopfweizen „Carsten V“ z¨ahlte zu den erfolgreichsten Weizensorten Europas. 1924 gr¨undete C. eine Saatbau-Genossenschaft; 1950 wurde er mit dem Ehrendoktortitel der Univ. Kiel ausgezeichnet. C B¨ohm

Carstens, Asmus Jakob, Maler, * 10. 5. 1754 St. J¨urgen (heute zu Schleswig), † 25. 5. 1798 Rom. W¨ahrend seiner K¨uferlehre (1771-76) besch¨aftigte sich C., Sohn eines Graupenm¨ullers, bereits mit Malerei. 1776 ging er nach Kopenhagen und studierte an der dortigen Kunstakademie als Sch¨uler von Caspar Frederik Harsdorff und Johannes Wiedewelts. Seit 1781 bildete er sich autodidaktisch weiter und arbeitete als Portr¨atzeichner. Nach einer abgebrochenen Studienreise durch Italien ging er 1783 nach L¨ubeck und 1787 nach Berlin. 1789 erhielt er den Auftrag, Deckenfriese im Berliner Schloß zu malen. C., der seit 1790 als Prof. an der Berliner Kunstakademie lehrte, reiste 1792 nach Rom, wo er sich schließlich auf Dauer niederließ. Seine großangelegten Kartonzeichnungen entstanden nach biblischen, nordischen und antiken Stoffen, u. a. Die Nacht mit ihren Kindern (1795). C SHBL, Bd 1

ten Staatssekret¨ar auf; seit 1961 war er Stellvertreter des Bundesaußenministers. Nach der Bildung der Großen Koalition 1966 wechselte er als Staatssekret¨ar ins Verteidigungsministerium und 1968 ins Bundeskanzleramt. Als die SPDFDP-Koalition die Regierung ubernahm, ¨ schied C. aus dem Staatsdienst aus und wurde 1970 Leiter des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft f¨ur Ausw¨artige Politik. 1972 wurde er als schleswig-holsteinischer Abgeordneter in den Bundestag gew¨ahlt, wo er im folgenden Jahr als Nachfolger Rainer Barzels den Vorsitz der CDU-Fraktion u¨ bernahm. Seit 1976 war er Bundestagspr¨asident, 1979-84 Bundespr¨asident. C. ver¨offentlichte u. a. Die Zukunft der deutschen DeC MdB mokratie (1989).

Carstens, Lina, Schauspielerin, * 6. 12. 1892 Wiesbaden, † 22. 9. 1978 M¨unchen. C. erhielt ihre Ausbildung als Schauspielerin am Wiesbadener Theater und spielte seit 1911 am Karlsruher Hoftheater. 1915-19 war sie am Leipziger Schauspielhaus engagiert; 1919 / 20 trat sie am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg auf. Danach kehrte C. nach Leipzig zur¨uck und war dort mit Ausnahme des Jahres 1927, das sie an den M¨unchner Kammerspielen verbrachte, bis 1942 t¨atig. Zus¨atzlich spielte sie 1937-44 an den Berliner Volksb¨uhnen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs interpretierte C. 1945 in Konstanz die Rolle der Mutter Courage; 1948-58 geh¨orte sie dem Ensemble der Bayerischen Staatsschauspiele an. Seit den sp¨aten f¨unfziger Jahren war sie als freie Schauspielerin vor allem im Fernsehen zu sehen und wurde durch Charakterdarstellungen bekannt. F¨ur ihre Rolle im Kino- und Fernsehfilm Lina Braake (1975) wurde sie 1976 mit dem Bundesfilmpreis in Gold ausgezeichnet.

Carstens, Peter, Tierz¨uchter, * 13. 9. 1903 Brunsb¨uttel-

Carstens, Karl, Jurist, Politiker, * 14. 12. 1914 Bremen,

koog (Holstein), † M¨arz 1945 bei D¨olitz (Pommern). C., Sohn eines Lehrers, studierte 1924-27 an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim, war 1928-34 Assistent am dortigen Tierzuchtinstitut und wurde 1930 mit der Dissertation Erforschung des Aufbaues f¨uhrender Herden des H¨ohenviehs in W¨urttemberg promoviert. Seit 1930 Mitglied der NSDAP, war er 1932 / 33 Kreisleiter der Partei in Stuttgart-Amt, habilitierte sich 1933 an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim mit der Schrift Rassenvergleichende Untersuchungen am Hundeskelett und hatte dort 1934-41 eine o. Professur f¨ur Tierzuchtlehre inne; 1935-38 war er Rektor der Hochschule. 1937 u¨ bernahm er das Bauernreferat des SS-Oberabschnitts S¨ud-West und war 1940 / 41 Leiter des Ansiedlungsstabes des H¨oheren SS- und Polizeif¨uhrers beim Reichsstatthalter in Posen. Seit 1941 o. Prof. an der Reichsuniversit¨at Posen und 1941-43 deren Rektor, war C. 1944 / 45 Gaudozentenbundf¨uhrer Wartheland und Mitglied des F¨uhrungskreises der Reichsdozentenf¨uhrung. Seit 1941 geh¨orte er der Preußischen Akademie der Wissenschaften an. C. ist 1945 im Krieg gefallen. C Gr¨uttner

† 30. 5. 1992 Meckenheim. C., Sohn eines Lehrerehepaars, studierte seit 1933 in Frankfurt / Main, Dijon, M¨unchen, K¨onigsberg und Hamburg Jura und wurde 1937 promoviert. Aus beruflichen Gr¨unden trat er 1934 der SA und 1939 der NSDAP bei. Nach Kriegsdienst arbeitete er seit 1944 u. a. als Verteidiger im Reichskriegsgericht. C., der seit 1945 eine Anwaltspraxis in Bremen f¨uhrte, wurde 1949 Rechtsberater des Bremer Senats. Als Bevollm¨achtigter Bremens beim Bund arbeitete er 1949-54 in Bonn und habilitierte sich 1952 an der Univ. K¨oln. 1954 / 55 vertrat er die Bundesrepublik Deutschland beim Europarat in Straßburg und wurde 1955 als Experte f¨ur Europafragen ins Ausw¨artige Amt berufen. Dort stieg C., der seit 1955 Mitglied der CDU war, bis 1960 zum Zwei-

Cartellieri, Alexander (Georg Maximilian), Historiker, * 19. 6. 1867 Odessa, † 16. 1. 1955 Jena. Der Sohn eines Kaufmanns studierte in T¨ubingen, Leipzig und Berlin Geschichte. 1899 habilitierte sich C., Bruder von Otto → C., an der Univ. Heidelberg und folgte 1902 einem Ruf als a. o. Prof. an die Univ. Jena. Von 1904 bis zu seiner Emeritierung 1935 war er dort o. Prof. der allgemeinen Geschichte. Den Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit bildete die franz¨osische Geschichte im Zeitalter Philipps II. (Philipp II. August K¨onig von Frankreich, 4 Bde., 1899-1922); er ver¨offentlichte auch Werke zur deutschen Geschichte, zur Geschichte des Papsttums sowie zur Weltgeschichte.

Carstens, Julius Viktor, Maler, * 29. 11. 1849 Nusse bei L¨ubeck, † 15. 11. 1908 Pasing bei M¨unchen. Der Sohn eines Arztes erhielt eine k¨unstlerische Ausbildung 1869-72 als Sch¨uler Paul → Thumanns in Weimar und sp¨ater bei Ferdinand → Pauwels, mit dem er nach Holland und Belgien reiste und Kontakte zu den dortigen Galerien kn¨upfte. 1875 ließ er sich als freier K¨unstler in M¨unchen nieder. C. hatte zwar Verbindungen zur M¨unchner Sezession, distanzierte sich aber in seinem Stil von dieser K¨unstlergruppe. Zu seinen Werken z¨ahlt Auf wissenschaftlichem Wege (1887). C AKL

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Cartellieri Cartellieri, (Casimir) Anton, auch Antonio C., Komponist, * 27. 9. 1772 Danzig, † 2. 9. 1807 Liebshausen (B¨ohmen). Als Sohn des S¨angerehepaares Elisabeth (→ B¨ohm) und Antonio C. erhielt C. schon fr¨uh eine musikalische Ausbildung. Nach der Scheidung der Eltern ging er 1786 mit seiner Mutter nach Berlin, wo seine ersten Kompositionen aufgef¨uhrt wurden. Weiteren Studien widmete er sich etwa seit 1793 in Wien als Sch¨uler Johann Georg → Albrechtsbergers und Antonio → Salieris, ehe er 1796 die Stelle des Zweiten Kapellmeisters bei der Kapelle des F¨ursten Joseph Maria Karl von → Lobkowitz annahm. Er war ferner in Wien, Raudnitz und Eisenberg t¨atig. Zu seinen Kompositionen, die deutliche Parallelen zum fr¨uhen Werk → Beethovens aufweisen, z¨ahlen mehrere geistliche St¨ucke (u. a. das Oratorium Gioas, R`e di Giuda, 1795) sowie B¨uhnenwerke, Symphonien und Kammermusik. C MGG Cartellieri, Otto (Ernst Wilhelm), Historiker, * 23. 1. 1872 Odessa, † 13. 4. 1930 Basel. Nach dem Studium der Geschichte, Philologie und National¨okonomie, das C., Bruder von Alexander → C., in Freiburg / Breisgau, Heidelberg und Berlin absolvierte, wurde er 1897 in Berlin promoviert (Abt Suger von St. Denis). Seit 1898 war er Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica, ehe er sich 1904 in Heidelberg habilitierte. 1910 wurde er an der dortigen Univ. zum Prof. ernannt. Nach dem Ersten Weltkrieg ging er als Archivrat nach Karlsruhe, wo er schließlich zum Generallandesarchivar bef¨ordert wurde. C., der sich vor allem mit mittelalterlicher und burgundischer Geschichte besch¨aftigte, ver¨offentlichte u. a. eine Geschichte der Herz¨oge von Burgund (Bd. 1, 1910) und Hof der Herz¨oge von Burgund (1926). C NDB Cartellieri, Wolfgang, Jurist, Beamter, * 5. 10. 1901 Heidelberg, † 6. 7. 1969 Bad Godesberg. Der Sohn des Historikers Alexander → C. studierte 1920-23 Rechtswissenschaften in Jena und M¨unchen. Bis 1945 war er im staatlichen Justizdienst t¨atig, zuletzt als Landgerichtsdirektor in Erfurt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er Chefredakteur der Zeitschrift „Betriebsberater“ in Heidelberg und war seit 1949 als Rechtsanwalt in Heidelberg und Mannheim t¨atig. Als Abteilungsleiter der Dienststelle Blank – sp¨ater des Bundesverteidigungsministeriums – trat C. 1951 in den Staatsdienst. 1956 wurde er als Ministerialdirektor ins Bundesatomministerium berufen und 1959 zum Staatssekret¨ar im Bundesministerium f¨ur Atomkernenergie und Wasserwirtschaft ernannt. Cartheuser, Friedrich August, Naturforscher, Mediziner, * 6. 8. 1734 Halle / Saale, † 12. 12. 1796 Schierstein (Nassau). C., Sohn des Arztes Johann Friedrich → C., studierte in Frankfurt / Oder und wurde 1753 zum Dr. med. promoviert (De cortice caryophylloide Amboinensi vulgo „culilawan“ dicto). Im folgenden Jahr begann er, als Privatdozent an der Frankfurter Univ. Mineralogie, Botanik und Chemie zu lehren. 1771 folgte er einem Ruf als Prof. der Naturwissenschaften nach Gießen, wo er zus¨atzlich eine Stelle als Bergrat u¨ bernahm und den Botanischen Garten leitete. 1780 wechselte er als nassauisch-usingischer Geheimer Kammer¨ rat nach Idstein. Nachdem er 1779 alle seine Amter niedergelegt hatte, blieb er noch bis 1790 privatisierend in Idstein und siedelte dann nach Birkenbach, 1793 nach Schierstein u¨ ber. Neben chemischen und mineralogischen Ver¨offentlichungen (Elementa mineralogiae, 1755; Sammlung vermischter Schriften, 1763; Mineralogische Abhandlungen, 2 Bde., 1771-73) schrieb C. Sinngedichte (1764). C Strieder

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Cartheuser, Johann Friedrich, Mediziner, Chemiker, * 29. 9. 1704 Hayn, † 22. 6. 1777 Frankfurt / Oder. Nach dem Studium der Medizin in Jena praktizierte C. zun¨achst in Th¨uringen als Arzt, ehe er seine Studien seit 1729 in Halle fortsetzte und 1731 mit der Promotion abschloß (Casus asthmatis sanguineo-sposmodici). 1739 wurde er als Prof. der Chemie, Pharmazie und Medizin an die Univ. Frankfurt / Oder berufen; sp¨ater lehrte er dort auch die F¨acher Anatomie und Botanik. Seine wichtigsten Forschungen betrieb C. auf den Gebieten der Heilpflanzenkunde und der pharmazeutischen Chemie. Er ver¨offentlichte u. a. Pharmacologia (1745, 21770), De antrophia infantili (1771) und De hodierna adfectuum rheumatico-arthriticorum frequentia (1777).

Carus, Carl Gustav, Mediziner, Naturphilosoph, Maler, * 3. 1. 1789 Leipzig, † 28. 7. 1869 Dresden. Die Verbindung von spekulativer Neigung, wissenschaftlicher T¨atigkeit, praktischem Engagement und k¨unstlerischer Begabung verk¨orperte eindrucksvoll C., der als Sohn des F¨arbereibesitzers August Gottlob Ehrenfried C. und seiner Ehefrau Christiane Elisabeth, geb. J¨ager, aus deren Fami¨ lie zahlreiche Arzte und Naturforscher stammen, geboren wurde. Nach dem Besuch der Thomasschule in Leipzig studierte er seit 1804 an der Leipziger Univ. zuerst Naturwissenschaften und dann Medizin; zu seinen Lehrern geh¨orten Karl Friedrich → Burdach, Johann Christian Gottfried → Joerg und Johann Christian August → Heinroth. 1811 wurde C. promoviert (De utheri rheumatismo); er habilitierte sich im selben Jahr mit einer Schrift u¨ ber die Lebenslehre f¨ur das Fach Vergleichende Anatomie. 1811 heiratete er Caroline C. (1784-1859), eine Stiefschwester seines Vaters; sechs S¨ohne und f¨unf T¨ochter wurden in der Ehe geboren, nur zwei Kinder u¨ berlebten die Eltern. 1814 erfolgte – nach einigen Jahren a¨ rztlicher Praxis – die Berufung als Prof. der Frauenheilkunde an die ChirurgischMedizinische Akademie und als Direktor der Entbindungsanstalt in Dresden. 1827 wurde C. zum kgl. Leibarzt sowie Hof- und Medizinalrat ernannt; verschiedene weitere Rufe wurden von ihm abgelehnt. Neben der medizinischwissenschaftlichen T¨atigkeit malte C. und stellte auch auf Ausstellungen aus; mit Caspar David → Friedrich und anderen K¨unstlern und Schriftstellern – vor allem mit Ludwig → Tieck – war er pers¨onlich bekannt. Entscheidend war die Beziehung zu → Goethe, den er am 21. 7. 1821 in Weimar besuchte. Goethe, → Schelling und Lorenz → Oken pr¨agten vor allem sein Naturbild; Goethe wurde ihm zugleich zum eindrucksvollen Beispiel „gesunder Krankheiten“. Einflußreich war auch der Kontakt mit Alexander von → Humboldt und mit dem Philosophen Christian Friedrich → Krause. C.’ Schriften behandeln naturwissenschaftlich-naturphilosophische, medizinische und psychologisch-anthropologische Themen. In seinem naturphilosophischen Hauptwerk Natur und Idee oder das Werdende und sein Gesetz (1861) u¨ bertr¨agt C. die Idee des Organismus auf die Erde. Fundamental folgt aus naturphilosophischer Sicht die Verantwortung des Menschen f¨ur die Natur: „Nicht nur der Mensch bedarf der Erde zu seinem Leben und T¨atigsein, sondern auch die Erde des Menschen.“ Sein Lehrbuch der Zootomie (2 Bde., 1818), seine Grundz¨uge der vergleichenden Anatomie und Physiologie (1825) und sein Lehrbuch der Gyn¨akologie (1820) wurden mit Zustimmung von der Medizin der Zeit aufgenommen und erfuhren mehrere Aufla-

Casel ¨ gen und Ubersetzungen wie ebenfalls seine Werke Psyche (1846), Symbolik der menschlichen Gestalt (1853) und die verschiedenen Studien zu Goethe (G¨othe. Zu dessen n¨aherem Verst¨andnis, 1843, Nachdr. 1948; Goethe, dessen Bedeutung f¨ur unsere und die kommende Zeit, 1843, Nachdr. 1948). Die Rezeptionsgeschichte seiner Vorstellungen u¨ ber das Unbewußte (Psychoanalyse, → Freud, → Jung) reicht bis in die Gegenwart. Neben der eigenen Malerei, die f¨ur ihn selbst zur Lebenshilfe wurde, besch¨aftigte sich C. auch mit Kunsttheorie (Neun Briefe u¨ ber Landschaftsmalerei, 1831). Verschiedene Reisen, u¨ ber die von ihm ebenfalls Berichte vorliegen, f¨uhrten ihn nach England, Frankreich und Italien. 1848 setzte er sich f¨ur Reformen des Medizinalwesens ein. 1859 erschienen die Erfahrungsresultate aus a¨ rztlichen Studien und a¨ rztlichem Wirken w¨ahrend eines halben Jahrhunderts. Anerkennung wurde C. in zahlreichen Ehrungen zuteil, 1862 wurde er zum Pr¨asidenten der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt. In seinen Lebenserinnerungen und Denkw¨urdigkeiten (2 Bde., 1865 / 66), zu denen 1931 ein Erg¨anzungsband erschien, entwarf C. ein Bild seines Lebens und der Epoche der Klassik und Romantik, das von Zustimmung und Dankbarkeit erf¨ullt ist, wie er es noch einmal in seinem Testament ausspricht: „Ein langes und reiches Leben war mir geg¨onnt, und ich scheide davon als von keinem verfehlten Kunstwerk, vielmehr mit innigem Dank gegen Gott und mit aufrichtiger Liebe zu den Menschen.“ WEITERE WERKE: Von den Naturreichen, ihrem Leben und ihrer Verwandtschaft. Dresden 1818. – Zw¨olf Briefe u¨ ber das Erdleben. Stuttgart 1841. – Mnemosyne. Pforzheim 1848. – Organon der Erkenntniß der Natur und des Geistes. Leipzig 1856. – Vergleichende Psychologie oder Geschichte der Seele in der Reihenfolge der Tierwelt. Wien 1866. LITERATUR: Rudolph Zaunick: C. G. C. Eine historischkritische Literaturschau mit zwei Bibliographien. Dresden 1930. – Marianne Prause: C. G. C. Leben und Werk. Berlin 1968. – Wolfgang Kloppe: Erinnerung an C. G. C., 1789-1869. Berlin 1969. – Heinz-Egon Kleine-Natrop: Der XIII. Pr¨asident (1862-1869): C. G. C. (1789-1869). In: Nova Acta Leopoldina, N. F. 36, Nr. 198 (1970) S. 199-247. – Dorothea Kuhn: Nachwort zu: C. G. C. Briefe u¨ ber Landschaftsmalerei. Heidelberg 1972, S. [2]-[55]. – Wolfgang Genschorek: C. G. C. Arzt, K¨unstler, Naturforscher. Leipzig 1978, 41986. – Stefan Grosche: Lebenskunst und Heilkunde bei C. G. C. (1789-1869). Med. Diss. G¨ottingen 1993. – Jutta ¨ M¨uller-Tamm: Kunst als Gipfel der Wissenschaft. Asthetische und wissenschaftliche Weltaneignung bei C. G. C. Berlin 1995. – Ekkehard Meffert: C. G. C. Arzt – K¨unstler – Goetheanist. Eine biographische Skizze. Basel 1999. Dietrich von Engelhardt

Carus, Ernst August, Chirurg, * 28. 6. 1797 Leipzig, † 26. 5. 1854 Berlin. Der Sohn von Friedrich August → C. studierte 1815-21 in Leipzig zun¨achst Philosophie, dann Medizin und wurde 1822 zum Dr. med. promoviert (De vi naturae medicatrice in formandis cicatricibus). Nach weiteren Studien im Bereich der Chirurgie und einer T¨atigkeit als Privatdozent f¨ur Chirurgie an der Leipziger Univ. (1823 / 24) ließ er sich 1828 als praktischer Arzt in Colbitz (Sachsen) nieder. Im folgenden Jahr erhielt er eine medizinische Professur an der Univ. Leipzig, wo er das erste Orthop¨adische Institut der Stadt gr¨undete und einige Jahre leitete. 1844 wurde er als Prof. der Chirurgie nach Dorpat berufen und lehrte dort bis zu seinem Tod. C. war der Vater von Julius Viktor → C. C ADB Carus, Friedrich August, Theologe, Philosoph, Psychologe, * 27. 4. 1770 Bautzen, † 6. 2. 1807 Leipzig. Seit 1795 Baccalaureus der Theologie und Fr¨uhprediger in Leipzig, wurde C. 1805 o. Prof. der Philosophie an der dorti-

gen Universit¨at. In seinen philosophischen Werken st¨utzte er sich auf Immanuel → Kant und Friedrich Heinrich → Jacobi. Bemerkenswert sind seine Abhandlungen u¨ ber die Psychologie. Durch eine Geschichte der Psychologie (1808, Nachdruck 1990), die als 3. Band seiner Nachgelassenen Werke (hrsg. von Ferdinand Hand, 7 Bde., 1808-10) postum erschien, wurde C. zu einem der ersten Psychologiehistoriker. Er war der Vater von Ernst August → C. C D¨oring: Theol

Carus, Julius Viktor, Zoologe, * 23. 8. 1823 Leipzig, † 10. 3. 1903 Leipzig. In Leipzig und Dorpat widmete sich C., Sohn von Ernst August → C., 1841-46 naturwissenschaftlichen und medizinischen Studien und erhielt 1846 eine Stelle als Assistenzarzt in Leipzig. 1849 zum Dr. med. promoviert (Conspectus rerum in nosocomio Sti. Georgii Lipsiensi triennio 1846, 1847 et 1848 gestarum), ging er als Konservator an das Vergleichend-Anatomische Institut in Oxford. In Leipzig habilitierte er sich 1851 f¨ur vergleichende Anatomie, wurde 1853 a. o. Prof. dieses Fachs und u¨ bernahm gleichzeitig die Leitung der Zootomischen Sammlungen. 1856 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. 1878 begr¨undete er den „Zoologischen Anzeiger“ und gab ihn heraus; ferner geh¨orte er zu den Gr¨undern der Deutschen Zoologischen Gesellschaft (1890). C. ver¨offentlichte u. a. Zur n¨ahern Kenntniss des Generationswechsels (1849), System der thierischen Morphologie (1853), Handbuch der Zoologie (2 Bde., 1863-68), Geschichte der Zoologie (1872, frz. 1880) und Bibliotheca Zoologica 1846-1860 (mit Wilhelm → Engelmann, 1861). Werke Charles Darwins, Herbert Spencers und George Henry Lewes’ u¨ bersetzte er ins Deutsche. C NDB

Casdorff, Claus Hinrich, Journalist, * 6. 3. 1925 Hamburg, † 6. 2. 2004 K¨oln. ¨ C., der 1942 wegen „staatsfeindlicher Außerungen“ verhaftet worden war, kehrte 1947 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zur¨uck und begann ein Volontariat beim Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR). Dort war er sp¨ater als Redakteur in der Nachrichtenabteilung t¨atig und nach Aufl¨osung des NWDR 1956 Chef vom Dienst in der Nachrichtenabteilung H¨orfunk des Westdeutschen Rundfunk (WDR). Seit 1961 u¨ bernahm er auch Fernsehmoderationen (f¨ur das regionale Informationsmagazin „Hier und Heute“) und 1963-65 die Redaktion des politischen Magazins „Report“. Neue Maßst¨abe im kritisch-investigativen Fernsehjournalismus setzte C. mit dem 1965 eingef¨uhrten politischen Magazin „Monitor“, das er bis 1981 leitete und moderierte (mit Unterbrechung 1973-75). 1965-77 war er zugleich Moderator des WDR-Auslandsmagazins „Weltspiegel“ sowie seit 1972 Leiter der Programmgruppe Magazin beim WDR. Sp¨ater moderierte er auch die Sendungen „Ich stelle mich“ (1980-93) und „Schlag auf Schlag“ (1981-90). Nach weiteren beruflichen Stationen als Leiter der Programmgruppe Innenpolitik und stellvertretender Chefredakteur f¨ur die Landesprogramme des WDR (1977-82) sowie als Regionalisierungsbeauftragter des WDR und Chefredakteur der WDRLandesprogramme (1982-90) arbeitete C. als Unternehmensberater und u¨ bernahm 1994 den Vorsitz des K¨olner Presseclubs. Er schrieb Kolumnen f¨ur mehrere Tageszeitungen und ver¨offentlichte die B¨ucher Weihnachten 1945 (1981) und Demokraten. Profile unserer Republik (1983). C Munzinger

Casel, Odo, Taufname: Johannes, Benediktiner, Theologe, Liturgiewissenschaftler, * 27. 9. 1886 Koblenz, † 28. 3. 1948 Herstelle / Weser. Nach dem Studium der klassischen Philologie in Bonn trat C., Sohn eines Lokomotivf¨uhrers, 1905 in die Benediktinerabtei Maria Laach bei Andernach ein. 1908-12 widmete er

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Caselius sich theologischen Studien im internationalen Benediktinerkolleg S. Anselmo in Rom, die er mit der Promotion abschloß. Nachdem er 1913-18 seine philologischen Studien in Bonn fortgef¨uhrt hatte, wurde er 1918 zum Dr. phil. promoviert. Seit 1922 wirkte er als Spiritual der Benediktinerinnen am Aufbau der Frauenabtei in Herstelle bei H¨oxter mit. Als Autor von Werken wie Die Liturgie als Mysterienfeier (1922) und als Herausgeber des „Jahrbuchs f¨ur Liturgiewissenschaft“ seit 1921 begr¨undete C. die Mysterientheologie und stellte sich an die Spitze der kath. Liturgischen Bewegung. C TRE

Caselius, Johannes, eigentl. Bracht von Kessel, Humanist, * 18. 5. 1533 G¨ottingen, † 9. 4. 1613 Helmstedt. C., dessen Vater als Rektor in G¨ottingen, dann als Superintendent in Gandersheim t¨atig war, studierte seit 1551 in Wittenberg, u. a. bei → Melanchthon, erlangte 1553 den Magistergrad und setzte seine Studien in Leipzig als Sch¨uler des Joachim → Camerarius und 1557 in Leipzig fort. Nach einem mehrj¨ahrigen Aufenthalt in Bologna und Florenz lehrte er 1563-89 als Prof. der Beredsamkeit in Rostock. 1590 wechselte er als Prof. der Philosophie an die Univ. Helmstedt, wo Georg → Calixt zu seinen Sch¨ulern geh¨orte. Wegen seiner toleranten Anschauungen wurde C. von strengen Lutheranern wie Daniel → Hoffmann heftig angegriffen. Als einer der letzten bedeutenden Humanisten verfaßte C. neben Schriften zur Ethik und Rhetorik auch lateinische und griechische Gedichte zu antiken und biblischen Stoffen (Carminum Graecorum et Latinorum centuria prima, 1608). C RGG

Caskel, Werner, Orientalist, * 5. 3. 1896 Danzig, † 28. 1. 1970 K¨oln. Nach dem Besuch der Universit¨aten T¨ubingen, Berlin und Leipzig wurde C., der 1926 Das Schicksal in der altarabischen Poesie ver¨offentlicht hatte, Privatdozent der Orientalistik an der Berliner Universit¨at. 1930 wechselte er in gleicher Funktion an die Univ. Greifswald. W¨ahrend der nationalsozialistischen Herrschaft wurde er 1938 entlassen und konnte seine Lehrt¨atigkeit erst 1946 als Prof. der islamischen Philologie an der Univ. Berlin wieder aufnehmen. 1948 folgte er einem Ruf als Ordinarius nach K¨oln. C. war Leiter des Orient-Forschungsinstituts „Max-Freiherrvon-Oppenheim-Stiftung“ und seit 1956 korrespondierendes Mitglied des Deutschen Arch¨aologischen Instituts.

Caspar, Erich, Historiker, * 14. 11. 1879 Potsdam, † 22. 1. 1935 Berlin. C., Sohn eines Unterstaatssekret¨ars und Wirklichen Geheimen Rats, studierte 1898-1902 Geschichtswissenschaften in Heidelberg, Bonn sowie in Berlin, wo er 1902 promoviert wurde und seit 1906 als Privatdozent lehrte. Seit 1908 war er Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica. 1920 folgte C. einem Ruf als o. Prof. der mittelalterlichen Geschichte an die Univ. K¨onigsberg und begann dort mit seinem Hauptwerk, einer Geschichte des Papsttums, die 1930-33 in zwei B¨anden ver¨offentlicht wurde. Ein weiterer Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Forschungen war die Geschichte des Deutschen Ordens (Hermann von Salza und die Gr¨undung des Deutschordensstaates in Preußen, 1924). Seine Lehrt¨atigkeit setzte C. 1929 in Freiburg / Breisgau und 1930 in Berlin fort. C Altpreuß Biogr, Bd 1

Caspar, Helene, Musikerin, Musikp¨adagogin, * 3. 9. 1857 Zittau, † Juli 1918 Leipzig. C. besuchte 1874-77 und 1880-81 das Leipziger Konservatorium und wurde als Sch¨ulerin von Carl → Reinecke, Johannes Weidenbach, Salomon → Jadassohn und Karl → Piutti zur Pianistin ausgebildet. Als Musiklehrerin und musikp¨adagogische Schriftstellerin ließ sie sich zun¨achst in Zittau nieder. 1885 siedelte sie nach Leipzig u¨ ber, wo sie ihre

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pianistischen Studien bei Alexander → Winterberger fortsetzte. C. wurde insbesondere durch ihre Ver¨offentlichungen zur P¨adagogik und Technik des Klavierspiels bekannt (Moderne Bewegungs- und Anschlagslehre im Tonleiter- und Akkordstudium, 1910).

Caspar, Horst, Schauspieler, * 20. 1. 1913 Radegast, † 27. 12. 1952 Berlin. C. wurde u. a. bei Lucie → H¨oflich zum Schauspieler ausgebildet und deb¨utierte 1933 am Bochumer Schauspielhaus. 1938-40 an den M¨unchner Kammerspielen t¨atig, spielte er seit 1940 unter Heinrich → George am Schiller-Theater in Berlin. 1945-48 war er am Deutschen Theater in Berlin, 1949 und 1952 am D¨usseldorfer Schauspielhaus engagiert, gastierte daneben u. a. in M¨unchen und trat bei den Salzburger Festspielen auf. C. war als Jugendlicher Held vor allem in Rollen von → Schiller und → Kleist (u. a. in der Titelrolle in Prinz Friedrich von Homburg) sowie in den Titelrollen von Urfaust und Hamlet erfolgreich. C Exiltheater

Caspar, Karl, Maler, * 13. 3. 1879 Friedrichshafen, † 22. 9. 1956 Brannenburg / Inn. C. widmete sich dem Studium der Malerei in Stuttgart bei Robert Haug sowie in M¨unchen bei Ludwig → Herterich. Bereits seine fr¨uhen Bilder, die nach 1900 in den Ausstellungen der M¨unchner und Berliner Sezession zu sehen waren, stellten biblische und religi¨ose Motive dar; C. war ferner als Kirchenmaler t¨atig. 1922 erhielt er eine Professur an der M¨unchner Kunstakademie, hatte aber nach der nationalsozialistischen Machtergreifung zunehmend mit beruflichen Schwierigkeiten zu k¨ampfen. Als schließlich 1937 seine Bilder als „entartete Kunst“ diskreditiert wurden, gab er seine Lehrt¨atigkeit auf und zog sich nach Brannenburg / Inn zur¨uck. 1946-51 leitete er wieder eine Malklasse an der M¨unchner Akademie. Zu den Hauptwerken C.s, der mit der Malerin Maria von → Caspar-Filser verheiratet war, geh¨ort Noli me tangere (1910). C AKL

Caspar-Filser, Maria, Malerin, * 7. 8. 1878 Riedlingen / Donau, † 12. 2. 1968 Brannenburg / Inn. C.-F. studierte 1896-1902 als Sch¨ulerin Friedrich von → Kellers und Ludwig → Herterichs an der Stuttgarter Kunstakademie und erhielt ihre weitere Ausbildung in M¨unchen und Paris, wo sie mit C´ezanne und van Gogh in Ber¨uhrung kam. Sp¨ater arbeitete sie als freie K¨unstlerin und wurde 1925 von der M¨unchner Kunstakademie mit dem Professorentitel ausgezeichnet. Ebenso wie ihr Mann Karl → Caspar wurde C.-F. zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft aus dem k¨unstlerischen Leben ausgegrenzt, ihre sp¨atimpressionistischen Bilder galten als „entartet“. Die ¨ Olbilder der in Brannenburg / Inn ans¨assigen K¨unstlerin, die zahlreiche Kunstpreise erhielt, stellen großenteils Landschaften und Stilleben dar (Fr¨uhlingsstrauß vor der Landschaft, 1957). C AKL

Caspari, Carl Paul, Orientalist, luth. Theologe, * 8. 2. 1814 Dessau, † 11. 4. 1892 Kristiania (heute Oslo). Der Sohn eines j¨udischen Kaufmanns studierte seit 1834 Orientalistik in Leipzig. 1838 ließ er sich taufen. Nach einem Studium der evang. Theologie in Berlin 1839 / 40 und der Promotion zum Dr. phil. 1842 lebte er wieder in Leipzig. 1847 wurde er Lektor f¨ur biblische Exegese in Kristiania, 1857 o. Prof. und 1865 Vorsitzender des norwegischen Zentralvereins f¨ur Judenmission. 1858-91 arbeitete C. an der Revision der norwegischen Bibel mit. Er ver¨offentlichte u. a. Grammatica arabica (1844-48), Alte und neue Quellen zur Geschichte des Taufsymbols und der Glaubensregel (1879) und Der Glaube an die Trinit¨at Gottes in der Kirche des ersten christlichen Jahrhunderts (1894). 1857 war C. Mitbegr¨under der „Theologisk Tidskrift for den evangelisklutherske kirke in Norge“. C Lex dt-j¨ud Autoren

Caspari Caspari, Gertrud, Illustratorin, * 22. 3. 1873 Chemnitz, † 7. 6. 1948 Dresden. Aufgewachsen in einem k¨unstlerisch interessierten Elternhaus, begann C. 1894 mit kunstgewerblichen Arbeiten, w¨ahrend sie als Erzieherin arbeitete, und ließ sich 1895-98 an der Zeichenschule Dresden zur Zeichenlehrerin ausbilden. K¨unstlerisch wesentlich beeinflußt von ihrem Bruder Walther → C., entstand 1903 ihr erstes Bilderbuch Das lebende Spielzeug, dem zahlreiche Titel folgten. Daneben war sie f¨ur Zeitschriften t¨atig, illustrierte Fibeln und entwarf Spiele, Wandfriese und Adventskalender. Mit der Umsetzung und Popularisierung kunstp¨adagogischer Forderungen, wie sie um die Jahrhundertwende von Alfred → Lichtwark und Konrad → Lange aufgestellt worden waren, sowie der dort vorgezeichneten Verwendung einer vereinfachenden Konturierung der Bildelemente und einer Fl¨achigkeit der Farben wurde C. zur Sch¨opferin des modernen Kleinkinderbilderbuchs. C AKL

Caspari, John, eigentl. Johann C., Jurist, Politiker, * 10. 2. 1888 Berlin, † 1978. C., Sohn eines kaufm¨annischen Angestellten, studierte 1906-11 Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Berlin, war anschließend juristischer Repetitor und wurde 1916 an der Univ. Greifswald mit der Arbeit Der Erf¨ullungstatbestand promoviert. Seit 1915 war er am Vormundschaftsgericht Berlin t¨atig, zuletzt als stellvertretender Beh¨ordenleiter, 1919 wurde er Leiter des Jugendamtes Neuk¨olln. Seit 1916 Mitglied der SPD, wurde C. 1919 zum Vorsitzenden des Arbeiterrats der Berliner Stadtbediensteten gew¨ahlt und gr¨undete zusammen mit Marie → Juchacz die Arbeiterwohlfahrt. 1920 war er besoldeter Stadtrat, 1921 / 22 B¨urgermeister der Stadt Brandenburg / Havel, daneben kommissarischer Hilfsarbeiter im Innenministerium zur Vorbereitung des Jugendwohlfahrtgesetzes, seit 1922 Landeshauptmann der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen und 1925-33 Mitglied des preuß. Staatsrats. 1933 aus politischen Gr¨unden seines Amtes enthoben, floh C. vor seiner Verhaftung in das Saargebiet, emigrierte u¨ ber Frankreich zun¨achst nach Prag, wo er enge Kontakte zu Otto → Wels und Otto → Strasser kn¨upfte und u. a. f¨ur die Zeitschrift „Die Deutsche Revolution“ arbeitete. 1938 floh C. nach Paris, wurde Mitarbeiter bei Radio Straßburg und 1940 mit Erich → Ollenhauer Vertreter der Sopade im Landesausschuß Frankreich der Auslandsvertretung der Deutschen Gewerkschaften. 1941 weiter in die USA emigriert, war er 1943-45 im Office of Intelligence Collection and Dissemination und 1946 in der Division of Biographical Information des Office of Strategic Services t¨atig. 1947 erhielt er eine Stelle an der Howard University in Washington, wo er bis 1953 als Assistant Prof. Deutsch lehrte. C. wurde 1969 mit der Marie-Juchacz-Plakette ausgezeichnet.

sp¨ater Prediger und Religionslehrer in Bad Kissingen. Seit 1845 war er Pfarrer in Sommerhausen, seit 1848 in Eschau und seit 1852 in Kulmbach. 1855 wurde er zweiter Pfarrer in M¨unchen. C. ver¨offentlichte seine Predigten und Katechismen mit großem Erfolg; sein Katechismusbuch Geistliches und Weltliches erlebte mehr als zwanzig Auflagen. Als Volksschriftsteller wurde er mit Erz¨ahlungen wie Der Schulmeister und sein Sohn (1851) bekannt. C. gab Spessart-Sagen heraus (u. a. Sagen des Spessart, 1851; Alte Geschichten aus dem Spessart, 1854). Er war der Vater von Walter → C. C Leb Franken, Bd 1

Caspari, Otto, Philosoph, * 24. 5. 1841 Berlin, † 28. 8. 1917 Heidelberg. C. studierte in Berlin, Greifswald, M¨unchen und G¨ottingen. 1869 habilitierte er sich in Heidelberg, wurde 1877 a. o. Prof. der Philosophie und nahm 1895 seinen Abschied. Von → Leibniz, → Herbart und → Lotze beeinflußt, bem¨uhte er sich um eine Verst¨andigung der Philosophie, insbesondere der Erkenntnislehre, mit der modernen Naturwissenschaft. C. vertrat einen kritischen Empirismus. Er war ein Anh¨anger des Freimaurertums und f¨orderte sozialreformerische Bestrebungen. 1877-86 gab er den „Kosmos. Zeitschrift f¨ur einheitliche Weltanschauung“ heraus. C. ver¨offentlichte u. a. Die Urgeschichte der Menschheit mit R¨ucksicht auf die nat¨urliche Entwickelung des fr¨uhesten Geisteslebens (2 Bde., 1873, 21877), Die Grundprobleme der Erkenntnisth¨atigkeit beleuchtet vom psychologischen und kritischen Gesichtspunkte (2 Bde., 1876-79), Der Zusammenhang der Dinge. Gesammelte philosophische Aufs¨atze (1881) und Hermann Lotze in seiner Stellung zu der durch Kant begr¨undeten neuesten Geschichte der Philosophie (1883, 21895). C Lex dt-j¨ud Autoren Caspari, Walter, evang. Theologe, * 19. 6. 1847 Sommerhausen b. W¨urzburg, † 2. 2. 1923 Erlangen. Der Sohn Karl Heinrich → C.s studierte 1864-68 in M¨unchen, Erlangen und Leipzig. Nach dem Besuch des Predigerseminars in M¨unchen wurde er 1869 ordiniert. 1870 ging er als Vikar nach W¨urzburg, 1873 als Pfarrer nach Memmingen und 1882 nach Ansbach. 1885 wurde er a. o. Prof. f¨ur Praktische Theologie in Erlangen, wo er auch als Universit¨atsprediger t¨atig war; 1887 erhielt er dort eine ordentliche Professur f¨ur Praktische Theologie, P¨adagogik und Didaktik, die er bis 1918 innehatte. Der nationalkonservativ gesinnte C. lehrte die Praktische Theologie vor allem als Pastoraltheologie. Als Liturgiehistoriker besch¨aftigte er sich u. a. mit der Geschichte der Konfirmation (Die evangelische Konfirmation, 1890). Auch untersuchte er die historischen Urspr¨unge christlichen Handelns in Die geschichtliche Grundlage des gegenw¨artigen evangelischen Gemeindelebens (1894). C TRE

Caspari, Karl Gottlob, Hom¨oopath, * 9. 2. 1798 Zschortau bei Delitzsch, † 15. 2. 1828 Leipzig. C. begann seine medizinischen Studien 1816 an der Univ. Leipzig, besuchte ein Jahr lang die MedizinischChirurgische Anstalt in Dresden und kehrte dann nach Leipzig zur¨uck, wo er promoviert wurde (De ieiunii morbis sanadis usu). In Leipzig praktizierte er zun¨achst nach allopathischen Grunds¨atzen, wandte sich aber dann der Hom¨oopathie zu. Durch seine Ver¨offentlichungen auf diesem Gebiet (Hom¨oopathisches Dispensatorium f¨ur Aerzte und Apotheker, 1825, 81864, Hom¨oopathischer Haus- und Reisearzt, 1826, 131888) wurde er u¨ berregional bekannt.

Caspari, Walther, Maler, Illustrator, * 31. 7. 1869 Chemnitz, † 19. 7. 1913 M¨unchen. Mit 22 Jahren wandte sich C., Bruder von Gertrud → C., der Malerei zu, besuchte die Kunstschulen in Leipzig und Weimar und schloß die Ausbildung an der Kunstakademie in M¨unchen ab, wo er dann als freier Maler und Illustrator t¨atig war. Seine zumeist satirischen Tuschezeichnungen und Lithographien wurden u. a. im „Simplicissimus“, in den „Lustigen Bl¨attern“ sowie in der „Jugend“ abgedruckt. Außerdem gestaltete C. Plakate und Exlibris; er illustrierte Kinderb¨ucher sowie literarische Werke, beispielsweise Ernst von → Wolzogens Das dritte Geschlecht. C AKL

Caspari, Karl Heinrich, evang. Theologe, * 16. 2. 1815

Caspari, Wilhelm, Physiologe, * 4. 2. 1872 Frankfurt / Main, † 1944 Ghetto von Lodz. C. studierte in Freiburg / Breisgau und Berlin, wurde 1895 in Leipzig zum Dr. med. promoviert (Ueber chronische Oxals¨aure-Vergiftung) und arbeitete dann als Assistent am

Eschau (Unterfranken), † 10. 5. 1861 M¨unchen. Der Sohn eines Pfarrers studierte Theologie und Philologie in Erlangen. Seine weitere Ausbildung erhielt er am Predigerseminar in M¨unchen. C. wurde Stadtvikar in W¨urzburg,

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Casparini Tierphysiologischen Institut der Berliner Landwirtschaftlichen Hochschule, wo er sich 1902 f¨ur Ern¨ahrungsphysiologie habilitierte. Seit 1908 Titularprofessor, wurde C. 1920 als Leiter der Abteilung f¨ur Krebsforschung an das Staatliche Institut f¨ur experimentelle Therapie in Frankfurt / Main berufen. Er ver¨offentlichte zahlreiche Beitr¨age zur biologischen Klimatologie sowie zur Krebsforschung (Biologische Grundlagen der Strahlentherapie bei b¨osartigen Geschw¨ulsten, 1922). Ende 1935 wurde C. zwangspensioniert und 1941 zusammen mit seiner Frau in das Ghetto von Ł´od´z ¨ deportiert, wo er 1944 an Entkr¨aftung starb. C Arzte 2, 3

Botanik und Direktor des Botanischen Gartens nach K¨onigsberg berufen. Mit dem Ziel der systematischen Erforschung der Flora in Preußen gr¨undete C., seit 1858 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, 1862 den Preußischen Botanischen Verein. Er ver¨offentlichte u. a. Die Flora des Bernsteins und anderer fossiler Harze des ¨ ostpreußischen Terti¨ars (1907), Uber das Vorkommen der Hydrilla verticillata Casp. in Preußen, die Bl¨uthe derselben in Preußen und Pommern und das Wachsthum ihres Stammes (1860). C NDB

Casparini, Eugenio, auch Eugenius, Eugen C., Taufname: Johann, Orgelbauer, * 14. 2. 1623 Sorau (Niederlausitz), begraben 17. 9. 1706 Nieder Wiesa bei Greiffenberg (Schlesien). C. erlernte den Orgelbau bei seinem Vater Adam Caspari C. und arbeitete seit etwa 1639 in Regensburg. Um 1644 ging er nach Italien, wo er in den Diensten des Herzogs von Friaul sowie der Republik Venedig t¨atig war. Weitere Wirkungsst¨atten C.s, der inzwischen zum Katholizismus konvertiert war, waren G¨orz, S¨udtirol und insbesondere Padua, wo er 28 Jahre lang wohnte. 1694 folgte er einem Ruf als kaiserlicher Hoforgelbauer nach Wien. 1697 kehrte er schließlich nach Schlesien zur¨uck und erbaute bis 1703 unter Mitarbeit seines Sohnes Adam Orazio C. die große „Sonnenorgel“ in der Kirche St. Peter und Paul in G¨orlitz. Die Werke C.s zeichnen sich durch technische Neuerungen und Erweiterung der Klangfarben (Onda maris, Viola di Gamba) aus. C MGG

Casper, Johann Ludwig, auch Caspar, Pseud. Till

Casparson, Johann, Schriftsteller, * 7. 9. 1692 Stockholm, † 1742. Die Familie C.s verließ w¨ahrend der Regentschaft Karls XI. Schweden. C. selbst stand in verschiedenen Milit¨ardiensten, ehe er eine Anstellung im hessischen Postwesen in Gießen fand. Sp¨ater gab er diese T¨atigkeit auf, um sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Seine bekanntesten Werke sind die zwischen 1730 und 1742 verfaßten Gespr¨ache im Reich der Todten, in denen die Geschichte verschiedener Herrscherdynastien in Dialogform geschildert wird (Gespr¨ach im Reich der Todten zwischen Kaiser und Carl VI., 1741). C Strieder Caspary, Adolf, Philosoph, Journalist, * 13. 9. 1898 Berlin, † November 1953 New York. C., Sohn eines Bildhauers j¨udischer Abstammung, studierte Rechts- und Staatswissenschaften in seiner Heimatstadt und wurde 1921 mit der Arbeit Zur Lehre vom angemessenen Preise. Versuch einer theoretischen Grundlegung und Kritik der deutschen Kriegsnotgesetzgebung an der Univ. Kiel promoviert. Als Sch¨uler Oskar → Goldbergs war er zusammen mit diesem und Erich → Unger Mitglied der Philosophischen Gruppe in Berlin. Er arbeitete zun¨achst als milit¨arischer Experte f¨ur das „Preussische Milit¨ar-Wochenblatt“ und war seit 1940 Mitarbeiter der Zeitschrift „Aufbau“ in New York, in der er w¨ahrend des Zweiten Weltkrieges zahlreiche Beitr¨age zu kriegsrelevanten Themen ver¨offentlichte. Daneben ver¨offentlichte er u. a. Geschichte der Staatstheorien im Grundriß (1924), Die Maschinenutopie (1927) und Wirtschafts-Strategie und Kriegsf¨uhrung (1932). C Lex dt-j¨ud Autoren

Caspary, Johann Xaver Robert, Botaniker, * 29. 1. 1818 K¨onigsberg, † 18. 9. 1887 Illowo bei Flatow. Nach dem Studium der Theologie in K¨onigsberg arbeitete C., Sohn eines Kaufmanns, dort seit 1837 als Lehrer. 1843 ging er nach Bonn, um Naturwissenschaften und neuere Sprachen zu studieren, wurde 1848 mit der Arbeit De nectariis promoviert und war einige Jahre als Hauslehrer t¨atig, ehe er sich an der Univ. Berlin habilitierte. 1859 wurde er als o. Prof. der

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Ballistarius, Gerichtsmediziner, * 11. 3. 1796 Berlin, † 24. 2. 1864 Berlin. Zun¨achst als Apotheker ausgebildet, begann C. 1817 ein Studium der Medizin in seiner Heimatstadt, wechselte dann an die Univ. G¨ottingen und wurde 1819 in Halle promoviert (Epitome dissertationis de phlegmatia alba dolente propediem edendae). Nach Studienreisen durch England und Frankreich habilitierte er sich 1824 in Berlin und erhielt dort im folgenden Jahr eine a. o. medizinische Professur. 1839 erfolgte seine Ernennung zum Ordinarius an der Univ. und 1841 zum Gerichtsmediziner der Stadt Berlin. Um eine Reform der Gerichtsmedizin bem¨uht, ver¨offentlichte er u. a. ein Praktisches Handbuch der gerichtlichen Medizin (2 Bde., 1856-58, 81889), gab Zeitschriften wie die „Vierteljahrsschrift f¨ur gerichtliche und o¨ ffentliche Medizin“ (seit 1852) heraus und u¨ bernahm 1850 die Leitung der praktischen Unterrichtsanstalt f¨ur Staatsarzneikunde in Berlin. Von C. erschienen auch Klinische Novellen zur gerichtlichen Medicin (1863).

Casper, Leopold, Urologe, * 31. 5. 1859 Berlin, † 16. 3. 1959 New York. C. begann die medizinischen Studien als Sch¨uler Rudolf → Virchows und Paul → Ehrlichs an der Univ. Berlin und setzte sie in England, Wien und Paris fort. 1883 promoviert ¨ (Uber die Inversion der Geb¨armutter), habilitierte er sich 1892 an der Berliner Univ., wo er 1922 eine a. o. Professur erhielt. Seit 1922 war er Herausgeber der „Zeitschrift f¨ur Urologie“. C., der u. a. die Methode des Ureteren Kathete¨ rismus zur Uberpr¨ ufung der Nierenfunktion einf¨uhrte (Die diagnostische Bedeutung des Katheterismus der Ureteren, 1896), gilt als einer der Begr¨under der modernen Urologie. Nach dem Entzug der Lehrbefugnis 1933 emigrierte er nach Frankreich, 1941 in die USA, wo er Mitglied mehrerer medizinisch-wissenschaftlicher Gesellschaften wurde, ¨ u. a. der New Yorker Virchow Society. 2, 3 C Arzte

Caspers, (Ludwig) Jakob, Landwirt, * 31. 12. 1851 Bubenheim bei Koblenz, † 12. 11. 1933 Bubenheim bei Koblenz. Nach dem Besuch der Ackerbauschule in L¨uttich ging C. als Volont¨ar nach Frankreich und England; 1877 kehrte er auf das Gut seines Vaters Ludwig Philipp C., der fr¨uher Teilhaber einer belgischen Tuchfabrik war, in Bubenheim zur¨uck. Als b¨auerlicher Abgeordneter wurde er bald darauf in den D¨usseldorfer Provinziallandtag sowie in den Provinzialausschuß der Rheinprovinz gew¨ahlt. Sp¨ater konzentrierte sich C. auf die Entwicklung des Genossenschaftswesens und gr¨undete 1889 den Spar- und Darlehenskassenverein Metternich-Bubenheim. Seit 1901 Direktor des Verbandes l¨andlicher Genossenschaften Raiffeisen’scher Organisation der Rheinlande in K¨oln, wurde er 1904 Generaldirektor des Generalverbandes der Deutschen RaiffeisenGenossenschaften in Neuwied. 1905 bereitete er durch die Gr¨undung einer Arbeitsgemeinschaft der RaiffeisenGenossenschaften einerseits und des Reichsverbandes der

Cassel landwirtschaftlichen Genossenschaften andererseits dem Zusammenschluß beider Verb¨ande den Weg, der 1930 vollzogen wurde. Als der Sitz des Generalverbandes 1910 nach ¨ Berlin verlegt wurde, legte C. seine Amter nieder. C NDB

genschaft an die Univ. Berlin berufen wurde. In seinen wissenschaftlichen Abhandlungen explizierte C. verschiedene Methoden des Sezierens sowie speziell die Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Ohres. Sein Tractatus de aure C ADB humana erschien 1730-34 in vier Teilen.

Caspers, Johannes, Politiker, * 8. 6. 1910 Steinborn,

Cassel, Carl (Philipp), Kaufmann, Reeder, * 1. 4. 1744

† 20. 9. 1986. C. absolvierte eine Schreinerlehre und besuchte dann mit Hilfe eines Stipendiums 1932 / 33 die Schule f¨ur Wirtschaft und Verwaltung in D¨usseldorf. Seit 1933 arbeitete er in einem Lebensmittelgroßhandel, ehe er 1940 zum Kriegsdienst einberufen wurde. Nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1946 wurde er Stadtverordneter in D¨usseldorf und 1947 Arbeitersekret¨ar beim Verband der katholischen Arbeiter- und Knappenvereine Westdeutschlands. Zur F¨orderung des sozialen Wohnungsbaus rief er in den Nachkriegsjahren die Wohnungsgenossenschaft „Familienhilfe“ ins Leben und leitete sie. 1953 wurde er als Abgeordneter der CDU in D¨usseldorf-Ost in den Bundestag gew¨ahlt.

Magdeburg, † 25. 2. 1807 Bremen. Im Alter von elf Jahren heuerte C., dessen Vater Rektor der reformierten Friedrichsschule in Magdeburg war, als Schiffsjunge auf einem Schiff der Niederl¨andisch-Ostindischen Kompagnie an und fuhr 18 Jahre lang als Matrose, Steuermann und schließlich Kapit¨an zur See. Nach Bremen zur¨uckgekehrt, gr¨undete er 1777 zusammen mit Johann Adam Traub die Handelsfirma Cassel & Traub. 1782 und 1783 setzte er drei bremische Schiffe nach Ostasien in Fahrt; sp¨ater beteiligte er sich am Handel mit Nordamerika. 1789 geh¨orte C. zu den Gr¨undern der bremischen Navigationsschule. Im selben Jahr wurde er zum k. k. Konsul und 1806 ¨ C NDB zum Vertreter Osterreichs in Bremen ernannt.

Cassander, Georg(ius), eigentl. Georg Casant, kath.

Cassel, David, Historiker, Hebraist, * 7. 3. 1818 Groß-

Theologe, Ireniker, * 25. 8. 1513 Pitthem bei Br¨ugge, † 3. 2. 1566 K¨oln. C. studierte an der Univ. L¨owen und wurde 1532 zum Magister promoviert. Als Lehrer in Br¨ugge schloß er sich dem Stiftsherrn Cornelius Wouters an und reiste mit ihm 1543 durch Europa. Seit 1544 lebte er in K¨oln, zeitweise auch in Heidelberg und Duisburg. C., der sich f¨ur einen Reformkatholizismus erasmischer Pr¨agung einsetzte, beriet Herzog Wilhelm V. von J¨ulich-Kleve-Berg in religionspolitischen Fragen und wurde von Kaiser → Ferdinand I. und → Maximilian II. zur Vermittlung zwischen den Konfessionen herangezogen. U. a. trat er daf¨ur ein, den Laienkelch zu gew¨ahren, und riet von der Hinrichtung von T¨aufern ab. Seine irenischen Ideen faßte er u. a. in der anonym ver¨offentlichten Schrift De officio pii ac publicae tranquillitatis vere amantis viri in hoc religionis dissidio (1561) zusammen, in der er die M¨oglichkeit einer Vereinigung beider Kirchen auf der Grundlage eines „Consensus universalis antiquitatis“ postulierte. Seine Vermittlungsvorschl¨age, obwohl innerhalb der protestantischen Irenik traditionsbildend (Georg → Calixt), wurden von beiden Konfessionen abgelehnt. C Killy

Glogau, † 23. 1. 1893 Berlin. C., Sohn eines Bildhauers und Bruder von Paulus Stephanus → C., widmete sich an den Universit¨aten Breslau und Berlin, wo Leopold → Zunz zu seinen Lehrern geh¨orte, Studien der talmudischen und rabbinischen Literatur sowie der Philosophie und Philologie. 1842 promoviert (Die Psalmen¨uberschriften in kritischer, historischer und arch¨aologischer Hinsicht) und bald darauf zum Rabbiner ordiniert, lebte er zun¨achst als Privatgelehrter in Berlin und hatte 1846-79 die Leitung des Dina-Nauenschen Stifts, einer Berliner j¨udischen Erziehungsanstalt f¨ur Waisen und unbemittelte Kinder, inne. Seit 1872 war er Dozent f¨ur Bibelexegese sowie j¨udische Geschichte und Literatur an der Hochschule f¨ur die Wissenschaft des Judentums. Gleichzeitig unterrichtete er Religion an der M¨adchen- und Knabenschule und der Lehrerbildungsanstalt der J¨udischen Gemeinde Berlin. C. wurde durch seine historischen und textkritischen Arbeiten zum Alten Testament und zur j¨udischen Literatur bekannt (Lehrbuch der j¨udischen Geschichte und Literatur, 1879, 21896). Sein Hebr¨aisch-Deutsches W¨orterbuch C Lex dt-j¨ud Autoren erschien 1916 in der 9. Auflage.

Cassel, Oskar, Politiker, Jurist, * 4. 6. 1849 Schwetz, Cassebohm, Friedrich (Georg Carl), Politiker, * 13. 2. 1872 Ovelg¨onne, † 15. 11. 1951 Oldenburg. Nach dem Jurastudium in Berlin, Freiburg / Breisgau und G¨ottingen arbeitete C., Sohn eines Veterin¨armediziners, zun¨achst als Hilfsbeamter und bis 1908 als Regierungsassessor bei der oldenburgischen Staatsanwaltschaft und im Staatsministerium, danach als Amtshauptmann in Cloppenburg. 1916 aus dem Kriegsdienst entlassen, wurde er Abteilungsleiter und 1919 Vortragender Rat im Oldenburger Innenministerium, 1920 Vorsitzender des Siedlungsamtes und 1927 Regierungspr¨asident in Eutin. Ende 1930 w¨ahlte der Oldenburgische Landtag den parteilosen Kandidaten C. zum Ministerpr¨asidenten. Im April 1932 wurde der Landtag durch Volksentscheid aufgel¨ost, bei den Neuwahlen im folgenden Monat erhielt die NSDAP die Mehrheit der Landtagssitze; C. wurde auf eigenen Wunsch pensioniert. C Oldenburg

Cassebohm, Johann Friedrich, Mediziner, * 1660 Halle, † 7. 2. 1743 Berlin. C. absolvierte medizinische Studien in Halle (bei Friedrich → Hoffmann und Georg Ernst → Stahl) und Frankfurt / Oder (Promotion 1730, De aure interna); sp¨ater wurde er Sch¨uler von Jakob Benignus Winslow in Paris. Seit 1738 lehrte er als Prof. der Anatomie in Halle, bis er 1741 in gleicher Ei-

† 14. 8. 1923 Berlin. Nach rechts- und staatswissenschaftlichen Studien in Berlin war C., Sohn eines Rabbiners, dort seit 1879 als Rechtsanwalt, seit 1892 auch als Notar t¨atig. Er wurde 1888 in die Berliner Stadtverordnetenversammlung und 1903 in den Preußischen Landtag gew¨ahlt. C., ein f¨uhrendes Mitglied der Fraktion der Deutschen Demokratischen Partei, setzte sich u. a. f¨ur die Bef¨orderung j¨udischer Richter und die Einstellung j¨udischer Lehrer ein. Er war einer der Gr¨under des Hilfsvereins deutscher Juden und zeitweise Vorsitzender des Verbandes deutscher Juden. Nach dem Ersten Weltkrieg geh¨orte C. als Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei der Verfassunggebenden Landesversammlung C Altpreuß Biogr, Bd 4 von Preußen an.

Cassel, Paulus Stephanus, bis 1855: Selig C., Theologe, Schriftsteller, * 27. 2. 1821 Groß-Glogau, † 23. 12. 1892 Berlin. C., Bruder von David → C., widmete sich in Berlin philosophischen und rabbinischen sowie – als Sch¨uler Leopold von → Rankes – historischen Studien. Danach besch¨aftigte er sich mit Forschungen zur j¨udischen Geschichte und war 1849 / 50 Redakteur der Berliner „Konstitutionellen Zeitung sowie der “Erfurter Zeitung„. 1855, inzwischen zum evang.

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Cassella Glauben u¨ bergetreten und zum Prof. ernannt, wurde er Bibliothekar der kgl. Bibliothek in Erfurt und Sekret¨ar der Akademie gemeinn¨utziger Wissenschaften in Erfurt. 1859 kehrte er nach Berlin zur¨uck, hielt seit 1860 o¨ ffentliche wissenschaftliche Vortr¨age und war 1866 / 67 Abgeordneter der Konservativen Partei im Preuß. Landtag. 1867-90 wirkte C. als Prediger an der Christuskirche in Berlin und als Missionar in Zusammenarbeit mit der Londoner Judenmissionsgesellschaft. In seinen Ver¨offentlichungen wandte er sich gegen den Antisemitismus (Wider Heinrich von Treitschke. F¨ur die Juden, 1880; Die Antisemiten und die evangelische Kirche, 1881). C Lex dt-j¨ud Autoren

Cassella, Leopold, bis 1819 David L¨ob Cassel, Kaufmann, * 8. 12. 1766 Friedberg (Hessen), † 25. 3. 1847 Frankfurt / Main. Der Sohn eines Friedberger Handelsmanns begann 1789 gemeinsam mit seinem Schwager I. E. Reiß in Frankfurt / Main einen Großhandel mit Gew¨urzen; zudem importierte er Farbstoffe und Farbh¨olzer aus Indien, China und S¨udamerika. Seit 1820 alleiniger Inhaber der Firma, nahm er 1828 seinen Prokuristen L. A. Gans als Teilhaber auf. Dieser konzentrierte nach C.s Tod seine wirtschaftlichen Aktivit¨aten unter Beibehaltung des Firmennamens auf die beginnende chemische Industrie und wurde damit zum eigentlichen Begr¨under der sp¨ateren Cassella-Werke. C NDB Casselmann, Wilhelm (Theodor Oscar), Naturwissenschaftler, * 1. 8. 1820 Rinteln, † 15. 2. 1872 Wiesbaden. Nach dem Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften, das er 1839-43 an den Universit¨aten Berlin, G¨ottin¨ gen und Marburg absolvierte (Promotion 1843, Uber die galvanische Kohlenzinkkette und einige mit derselben angestellte Beobachtungen), wurde C. Lehrer an der st¨adtischen Realschule in Marburg und zus¨atzlich Privatdozent der Physik, Meteorologie und Technologie an der dortigen Universit¨at. Seit 1846 lehrte er am neugegr¨undeten Wiesbadener Realgymnasium. C., der von 1866 an Mitarbeiter der von (Carl) Remigius → Fresenius herausgegebenen „Zeitschrift f¨ur analytische Chemie“ war, ver¨offentlichte u. a. einen Leitfaden f¨ur den wissenschaftlichen Unterricht in der Chemie (2 Bde., 1847-50, 61899).

Cassirer, Bruno, Verleger, Kunsth¨andler, * 12. 12. 1872 Breslau, † 29. 10. 1941 Oxford. Nach kunstgeschichtlichen Studien in Berlin und M¨unchen er¨offnete C., Sohn eines Holzgroßh¨andlers und Bruder von Fritz → C., 1898 gemeinsam mit seinem Vetter Paul → C. den Großen Kunstsalon und die Verlagsbuchhandlung Bruno und Paul Cassirer in Berlin. Drei Jahre sp¨ater trennte er sich jedoch von ihm und gr¨undete 1901 den Verlag Bruno Cassirer in Berlin mit den Schwerpunkten Kunst, Literatur und Philosophie. Dort wurden u. a. Monographien zu Malern des Impressionismus, Werke von C.s Vetter Ernst → C., Robert → Walser, Christian → Morgenstern und Hermann → Cohen sowie 1902-33 die Zeitschrift „Kunst und K¨unstler“ herausgegeben. C. gilt als Wegbereiter und wichtigster M¨azen der deutschen und franz¨osischen Impressionisten in Deutschland, er erfand das von K¨unstlern illustrierte Buch – wobei er Maler wie Max → Liebermann und Max → Slevogt als Hauptillustratoren gewinnen konnte – und war Sekret¨ar der Berliner Secession. Neben seiner verlegerischen T¨atigkeit organisierte C. zahlreiche Kunstausstellungen auch außerhalb Berlins (z. B. Liebermann-Ausstellung der M¨unchner Secession 1930) und f¨orderte u. a. als Pr¨asident des Deutschen Traberz¨uchtervereins den Trabrennsport. 1938 emigrierte er nach Großbritannien und gr¨undete im folgenden Jahr das Verlagshaus Bruno Cassirer Ltd. in Oxford, das die Tradition des Berliner Verlags fortf¨uhren sollte. C Lex dt-j¨ud Autoren

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Cassirer, Ernst (Alfred), Philosoph, * 18. 7. 1874 Breslau, † 12. 4. 1945 New York. Einer reichen j¨udischen Kaufmannsfamilie entstammend, studierte C. seit 1892 Rechtswissenschaft, dann Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft sowie Philosophie und wurde 1899 bei Hermann → Cohen, f¨uhrend im Marburger Neukantianismus, mit einer Dissertation u¨ ber Descartes promoviert. Sie wurde Teil des Buches Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundlagen (1902). Mit einem vierb¨andigen Werk Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit (1906, 1907, 1920 und 1950 bzw. 1957) verschaffte sich der junge C. nationale und internationale Reputation als Autor einer Problemgeschichte der Erkenntnis. Aufgrund von antisemitischen Ressentiments erreichte C. erst 1906 in Berlin durch Wilhelm → Diltheys Intervention seine Habilitation im Fach Philosophie. Mit Substanzbegriff und Funktionsbegriff (1910) legte C. ein eigenst¨andiges erkenntniskritisches Werk vor, das den Relationsbegriff f¨ur die Deutung der zeitgen¨ossischen Wissenschaften einf¨uhrte. Mit Freiheit und Form (1916) bezeugte er auf dem H¨ohepunkt nationalistischer Euphorie einen kosmopolitischen Kulturbegriff, der die Idee eines deutschen „Sonderwegs“ in die Moderne zur¨uckwies. 1919 erhielt C. einen Ruf an die neugegr¨undete Univ. Hamburg. In dem Buch Zur Einsteinschen Relativit¨atstheorie (1921), in dem er eine erste philosophische Deutung der modernen Physik gab und das ihm die Bekanntschaft mit Albert → Einstein und sp¨ater mit Erwin → Schr¨odinger einbrachte, forderte C. eine Philosophie der symbolischen Formen. Diese Transformation der (Kantischen) Erkenntnistheorie zur Kulturphilosophie wurde in dem dreib¨andigen Werk Philosophie der symbolischen Formen (1923-29) eingel¨ost, das eine Analyse der Sprache, des Mythos und der Religion sowie der Wissenschaften als symbolische Formkreise durchf¨uhrte. Bei der Ausarbeitung seiner Philosophie der symbolischen Formen st¨utzte sich C. auf das Material der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg (damals Hamburg), an deren Vorlesungs- und Publikationswesen er selbst neben Aby → Warburg, Fritz → Saxl, Erwin → Panofsky, Edgar → Wind und Gertrud Bing erheblichen Anteil hatte, etwa mit den B¨uchern Individuum und Kosmos (1927) sowie Die Renaissance des Platonismus in England und die Schule von Cambridge (1932). Beide B¨ucher pl¨adieren f¨ur die Annahme, daß die Moderne in der Renaissance, nicht erst mit Descartes einsetzt. 1929 fand die Davoser Disputation zwischen Martin → Heidegger und C. statt. Obgleich C. 1928 die Ehre zuteil wurde, anl¨aßlich der Verfassungsfeier in Hamburg zu sprechen, und obwohl C. 1929 / 30 als einer der ersten Juden Rektor der Univ. Hamburg wurde, mußte er Deutschland 1933 verlassen. Nach einem Aufenthalt in Oxford (1933-35), wo er Albert → Schweitzer kennenlernte, emigrierte C. nach Schweden, wo er von 1935 bis 1941 in G¨oteborg Philosophie lehrte. Er gab seiner Kulturphilosophie eine ethische Fundierung in den B¨uchern Determinismus und Indeterminismus in der modernen Physik (1936) und Axel H¨agerstr¨om. Eine Studie zur schwedischen Gegenwartsphilosophie (1939), angeregt auch durch Schweitzers Appell an ein ethisches W¨achteramt der Philosophie gegen¨uber der Kultur. Im schwedischen Exil schrieb C. das geistesgeschichtliche Buch Descartes (1939), das Descartes’ Einfluß auf K¨onigin Christina von Schweden

Cassius untersuchte, sowie die methodologische Studie Zur Logik der Kulturwissenschaften (1942 publiziert). Als schwedischer Staatsb¨urger floh C. 1941 mit seiner Frau ¨ Toni in die USA. Auf der Uberfahrt lernte er Roman Jakobson kennen. In den USA lehrte C. als Gastprofessor an der Yale University New Haven (1941-44) und ab 1944 an der Columbia University New York. Mit dem Essay on Man (1944) gab C. seiner Kulturphilosophie ein anthropologisches Fundament und mit dem postum ver¨offentlichten Buch The Myth of the State, das den totalit¨aren Staat deutete, eine sozialphilosophische Vertiefung. WEITERE WERKE: Idee und Gestalt. Berlin 1921. – Goethe und die geschichtliche Welt. Berlin 1932. – Philosophie der Aufkl¨arung. T¨ubingen 1932. – Thorilds Stellung in der Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts. G¨oteborg 1941. – Rousseau, Kant, Goethe. Princeton 1945. – Nachgelassene Manuskripte und Texte. Hrsg. v. Klaus Christian K¨ohnke, John Michael Krois und Oswald Schwemmer. Hamburg 1995 ff. – Gesammelte Werke. Hamburger Ausgabe. Hrsg. v. Birgit Recki. Darmstadt / Hamburg 1998 ff. LITERATUR: Walter Eggers / Sigrid Mayer: E. C. An Annotated Bibliography. New Haven / London 1988. – John Michael Krois: C. Symbolic Forms and History. New Haven / London 1987. – Andreas Graeser: E. C. M¨unchen 1994. – Heinz Paetzold: E. C. Von Marburg nach New York. Eine philosophische Biographie. Darmstadt 1995. – Dorothea Frede / Reinhold Schm¨ucker (Hrsg.): E. C.s Werk und Wirkung. Kultur und Philosophie. Darmstadt 1997. – Oswald Schwemmer: E. C. Ein Philosoph der europ¨aischen Moderne. Berlin 1997. – Ronnie M. Peplow: E. C.s Kulturphilosophie als Frage nach dem Menschen. W¨urzburg 1998. – Rainer A. Bast: Problem, Geschichte, Form. Das Verh¨altnis von Philosophie und Geschichte bei E. C. im historischen Kontext. Berlin 2000. – Christa Hackenesch: Selbst und Welt. Zur Metaphysik des Selbst bei Heidegger und C. Hamburg 2001. – Enno Rudolph: E. C. im Kontext. Kulturphilosophie zwischen Metaphysik und Historismus. T¨ubingen 2003. – Birgit Recki: Kultur als Praxis. Eine Einf¨uhrung in E. C.s Philosophie der symbolischen Formen. Berlin 2004. Heinz Paetzold

Cassirer, Fritz, Dirigent, Philosoph, * 29. 3. 1871 Breslau, † 26. 11. 1926 Berlin. Nach dem Studium der Philosophie in Berlin und Freiburg / Breisgau wechselte C., Bruder von Bruno → C., zur Musik und studierte seit 1894 Harmonielehre und Kontrapunkt bei Melchior Ernst Sachs in M¨unchen und 1897 / 98 Komposition und Orchesterdirektion am Sternschen Konservatorium in Berlin. Er gr¨undete zun¨achst einen Orchesterverein in Berlin, siedelte aber 1898 als Operndirigent nach L¨ubeck u¨ ber und ging von dort aus in gleicher Funktion 1900 nach Posen, im folgenden Jahr nach Saarbr¨ucken und 1903 nach Elberfeld. 1905 erhielt er eine Stelle an der Berliner Komischen Oper unter Hans → Gregor, mit dem er 1905 nach London ging. Um 1907 zog er sich aus seiner o¨ ffentlichen T¨atigkeit zur¨uck und widmete sich (musik-)philosophischen Studien (Beethoven und die Gestalt, 1925). Seine letzten Lebensjahre verbrachte C. in M¨unchen. C NGroveD Cassirer, Max, Industrieller, Politiker, * 18. 10.(?) 1857 Schwientochlowitz, (Oberschlesien) † 1943 London. C. studierte an den Universit¨aten Breslau und Berlin zun¨achst Medizin; 1882 er¨offnete er jedoch ein Holzexportgesch¨aft in Danzig. 1887 ließ er sich in Berlin nieder und gr¨undete ein weiteres Holzhandelsgesch¨aft, das er 1899 um ein Zellstoffwerk mit Sitz in Wloclawec / Weichsel erweiterte. C. war als Stadtverordneter (seit 1893) und Magistratsmitglied (1896-1913) kommunalpolitisch t¨atig. 1933 u¨ bernahm die Holding-Gesellschaft der Siemens-Unternehmen,

die Elektrische Licht- und Kraftanlagen A.G. und das gesamte Aktienkapital der Firma Dr. Cassirer & Co.; C. emigrierte 1936 nach Großbritannien.

Cassirer, Paul, Pseud. P. Cahrs, Verleger, Kunsth¨andler, Schriftsteller, * 21. 2. 1871 G¨orlitz, † 7. 1. 1926 Berlin. Nach dem Studium der Kunstgeschichte in M¨unchen wurde C., Sohn eines Industriellen und Bruder von Richard → C., dort Mitarbeiter des „Simplicissimus“. Nach Berlin u¨ bergesiedelt, gr¨undete er gemeinsam mit seinem Vetter Bruno → C. eine Kunst- und Verlagshandlung, deren Kunsthandlungszweig er seit 1901 allein weiterf¨uhrte. Er f¨orderte insbesondere K¨unstler der Berliner Sezession wie Lovis → Corinth und Max → Liebermann. Auch mit dem Programm seines Literaturverlags (seit 1908) setzte sich C. von der herrschenden wilhelminischen Kunstauffassung ab und verhalf expressionistischen Autoren wie Ernst → Barlach und Else → Lasker-Sch¨uler zum Erfolg. Seit 1909 auch im Besitz einer Druckanstalt, der Pan-Presse, verbreitete C. Buchillustrationen impressionistischer und expressionistischer K¨unstler; 1910 rief er die kunstkritische Zeitschrift „Pan“ ins Leben, die sp¨ater von Alfred → Kerr herausgegeben wurde. Noch im gleichen Jahr schuf C. mit der Gesellschaft Pan eine M¨oglichkeit zur Auff¨uhrung verbotener B¨uhnenwerke, insbesondere der von Frank → Wedekind. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst, kehrte aber bald als u¨ berzeugter Kriegsgegner zur¨uck. Wegen dieser Gesinnung zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt, ging er 1917 nach Bern, wo er gemeinsam mit Max → Rascher franz¨osische und deutsche pazifistische Autoren verlegte. Nach 1918 wieder in Berlin, schloß sich C. der USPD an, regte mit Harry Graf → Kessler die Gr¨undung des Revolution¨aren Clubs an und nahm sozialistische Werke von Karl → Kautsky und Eduard → Bernstein sowie die Zeitschrift „Die Weißen Bl¨atter“ in sein Verlagsprogramm auf. Im Jahr 1926 nahm sich C. das Leben; sein Verlag wurde nach der nationalsozialistischen Macht¨ubernahme 1933 aufgel¨ost. 2002 ver¨offentlichten Rahel E. Feilchenfeldt und Markus Brandis Paul Cassirer Verlag. Berlin 1898-1933. Eine kommentierte Bibliographie (2., durchges. und verb. Aufl. 2005). C Lex dt-j¨ud Autoren Cassirer, Richard, Neurologe, * 23. 4. 1868 Breslau, † 20. 8. 1925 Berlin. Nach dem Studium der Medizin in Freiburg / Breisgau und Berlin, das er 1891 mit der Promotion abschloß, wurde C., Bruder von Paul → C., Assistenzarzt an der Breslauer Psychiatrischen Klinik und unternahm dann eine Studienreise nach Wien. 1895 erhielt er eine Stelle als Assistenzarzt von Hermann → Oppenheim an der Berliner Poliklinik f¨ur Nervenkranke. C., der bereits 1901 ein grundlegendes Werk u¨ ber Die vasomotorisch-trophischen Neurosen (21908) ver¨offentlicht hatte, habilitierte sich 1903 (Tabes und Psychose) und f¨uhrte seit 1912 den Professorentitel. Nach Oppenheims Tod u¨ bernahm er gemeinsam mit Robert → Hirschfeld 1919 die Leitung der Poliklinik und setzte seine Forschungen besonders auf dem Gebiet der R¨uckenmarkserkrankungen fort (Krankheiten des R¨uckenmarks und der peripherischen Nerven, 1921, 21926). C NDB Cassius, Andreas, Mediziner, Alchemist, * um 1605 Schleswig, † 27. 5. 1673. C., Sohn eines Juristen und Kanzleisekret¨ars, studierte Medizin in Leiden und wurde dort 1632 promoviert (Disputatio inauguralis de miscellaneis medicis), ehe er sich in Hamburg als Arzt niederließ. Sp¨ater wurde er Leibarzt Herzog Johanns von Holstein sowie des Bischofs von L¨ubeck. Er ver¨offentlichte mehrere medizinische Abhandlungen. Bekannt wurde

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Castell C. jedoch vor allem durch seine alchemistische T¨atigkeit: Er gilt als der Erfinder des sogenannten „Goldpurpurs“ (1687), der bei der Herstellung von Rubinglas sowie in der Glas-, Email- und Porzellanmalerei Verwendung fand. C SHBL, Bd 6

Castell, Heinrich Graf zu, Diplomat, * 13. 2. 1525 Schloß Stolberg (Unterfranken), † 20. 9. 1595 Remlingen. C. verbrachte seine Studienzeit 1533-48 in Ingolstadt, Dˆole, Bologna und Padua. Seit 1548 Kapitular in W¨urzburg, nahm er im Auftrag des Bischofs an den Passauer Verhandlungen von 1552 teil. 1553 hielt er sich in Dresden auf, wo er den Kurf¨ursten → Moritz von Sachsen zum Eingreifen gegen Markgraf → Albrecht Alcibiades und f¨ur die fr¨ankischen Hochstifte bewog. Nachdem C. 1555 zum Luthertum u¨ bergetreten war, nahm ihn Herzog → Christoph von W¨urttemberg in seine Dienste und betraute ihn ebenfalls mit diplomatischen Auftr¨agen. Nach dem Tod des Herzogs wurde er Statthalter in W¨urttemberg. Sp¨ater wechselte er in das Markgrafentum Ansbach, wo er 1579-81 als Statthalter t¨atig war. Im Auftrag Kaiser → Rudolfs II. beteiligte sich C. 1583 an den Schlichtungsverhandlungen zwischen dem Landgrafen von Hessen und dem Deutschen Orden. C NDB

Castell, Ludwig Friedrich Graf zu, Pietist, * 23. 2. 1707 Castell, † 22. 6. 1772 Castell. Als der Sohn des Grafen Wolfgang Dietrich zu → CastellRemlingen 1724 sein Studium in Frankfurt / Oder begann, war er bereits unter dem Einfluß seines Vetters, des Grafen Nikolaus Ludwig von → Zinzendorf, dem Pietismus zugetan. Gegen den Willen seiner Eltern blieb er der Castellschen Grafschaft lange fern, hielt sich 1730 / 31 in Herrnhut, 1731 als Kammerherr am d¨anischen Hof auf und unternahm Reisen nach Holland und Paris. 1734 erwarb er das Gut Rehweiler im Steigerwald, das er, nachdem es 1736 zum Bruch mit Zinzendorf gekommen war, nunmehr allein zu einem Zentrum des Pietismus ausbaute. 1737 geriet C., der sich verfolgter Pietisten angenommen und ein Waisenhaus gegr¨undet hatte, f¨ur kurze Zeit in Haft. Um 1738 wurde das kleine Territorium Castell-Rehweiler von der u¨ brigen Grafschaft abgetrennt. C. verließ 1770 die pietistische Kolonie, die sich seit den vierziger Jahren des 18. Jh. im Niedergang befand, und kehrte nach Castell zur¨uck. C BBKL

Castell-Remlingen, Friedrich Magnus Graf zu, Milit¨ar, * 6. 10. 1646 Remlingen, † 17. 4. 1717 Augsburg. Gemeinsam mit seinem Bruder Wolfgang Dietrich zu → C.-R. studierte der Sohn des w¨urttembergischen Landhofmeisters und Pr¨asidenten des Geheimen Regimentsrats Wolfgang Georg C.-R. in T¨ubingen. Seit 1671 stand er in franz¨osischen und bayreuthischen Kriegsdiensten. Nachdem er 1674 zum Katholizismus konvertiert war, nahm er um 1680 Beziehungen zum Wiener Hof auf und wurde vom Kaiser zum Kammerherrn und Kommandanten eines Dragonerregiments ernannt. Als Generalfeldwachtmeister, seit 1694 als General der Kavallerie beteiligte sich C.-R. an den Kriegen des Markgrafen → Ludwig Wilhelm von Baden gegen die T¨urken und Franzosen. 1705 trat er als Generalfeldmarschall in den Ruhestand. C NDB Castell-Remlingen, Wolfgang Dietrich Graf zu, Staatsmann, * 6. 1. 1641 Remlingen, † 8. 4. 1709 Castell. C.-R. studierte gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich Magnus von → C.-R. in T¨ubingen und wurde 1671 markgr¨aflich bayreuthischer Geheimratsoberpr¨asident und Landeshauptmann des Unterlandes. Der Kurf¨urst von der Pfalz erhob ihn 1678 zum Großhofmeister. Zu Zeiten der Regierung des Kurf¨ursten → Karl aus dem Haus Pfalz-Simmern setzte er sich f¨ur die Erbfolge des Hauses Pfalz-Neuburg ein und wurde daf¨ur vom Kaiser mit einer Pension bedacht. Um 1687 zog er sich nach Castell in Unterfranken zur¨uck und widmete

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sich dem Bau eines neuen Schlosses, das 1691 fertiggestellt wurde. C.-R. war der Vater von Ludwig Friedrich Graf zu → Castell. C NDB

Castelle, Friedrich, Pseud. Hans Dietmar, Hans Uhlenbrock, Fritz von Schonebeck, Journalist, Schriftsteller, * 30. 4. 1879 Appelh¨ulsen (heute zu Nottuln, Westfalen), † 15. 1. 1954 Rheine bei Steinfurt. Seit 1900 Mitarbeiter verschiedener Zeitungen und Zeitschriften, wurde C., Sohn eines Kaufmanns, 1906 an der Univ. M¨unster mit einer Arbeit u¨ ber → Eichendorff zum Dr. phil. promoviert. 1912-15 gab er die Zeitschrift „Deutschland“ heraus. Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er als Milit¨arbeamter teilgenommen hatte, u¨ bernahm er das neugegr¨undete Lektorat f¨ur Pressewesen und o¨ ffentliche Ausdruckskunst an der Univ. M¨unster. 1921 wurde er Dozent bei den D¨usseldorfer akademischen Kursen und Leiter der dortigen Rundfunkstelle. Auch seine schriftstellerische T¨atigkeit, die er bereits w¨ahrend des Studiums begonnen hatte, setzte er fort, ver¨offentlichte Gedichtb¨ande sowie Romane (Das Haus in der Dreizehnm¨annergasse, 1919) und edierte in den zwanziger Jahren die Werke von Hermann → L¨ons. 1930 u¨ bernahm er die Herausgeberschaft der Zeitschrift „Der T¨urmer“. Zur Zeit des Nationalsozialismus lebte C., der sich als Propagandist des neuen Regimes hevortat, als Sendeleiter des Westdeutschen Rundfunks in D¨usseldorf und K¨oln. Zudem war er Obmann der NS-Kulturgemeinde f¨ur den Kreis Burgsteinfurt und f¨uhrender Mitarbeiter der Reichsschrifttumskammer. Nach Kriegsende interniert, arbeitete C. sp¨ater wieder f¨ur den Rundfunk und trat als Rezitations- und Vortragsk¨unstler auf. C Westf Autoren, Bd 3

Castelli, Carlo Antonio, auch Castello, Karl Anton C., Stukkateur, 17. / 18. Jh. Lugano (?). Der aus einer Familie von Stukkateuren stammende C. war um 1709-34 in Th¨uringen t¨atig; 1723-26 ist er auch in W¨urzburg nachgewiesen. Anfangs kultivierte er einen konventionellen Stil mit Blattwedeln und organischen Ornamenten; sp¨ater entwickelte er seinen Stil in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Giovanni Pietro → C. weiter und benutzte moderneres Bandel- und Gitterwerk im Regency-Stil. Stukkaturen von C. befinden sich u. a. im Schloß Friedenstein in Gotha (1710), im Schloß Osterheim in Gera (1720-22), in der W¨urzburger Residenz (1724-27) und im Schloß Altenburg (1727-34). C AKL Castelli, Giovanni Pietro, auch Castello, Johann Peter C., Stukkateur, 17. / 18. Jh. Der Bruder von Carlo Antonio → C. wurde wohl bei Carlo Morsegno ausgebildet, dessen Mitarbeiter er zeitweise war. C. arbeitete zun¨achst in Kurk¨oln, Anfang des 18. Jh. in Th¨uringen und seit 1720 wieder in Kurk¨oln, wo er Stukkaturen in den Schl¨ossern von Bonn und Poppelsdorf schuf. Bis 1737 war er dann wieder in Th¨uringen t¨atig. C. f¨uhrte mit seinem Bruder moderne Prinzipien und Dekors im RegencyStil in die Stukkatur ein (u. a. Bandelwerk). Zusammen gestalteten sie R¨aume in der W¨urzburger Residenz (1724 / 25). Außerdem befinden sich Stukkaturen C.s in Schloß Altenburg (1725 / 26), Schloß Br¨uhl (1728-32) und im Palais Thurn und Taxis in Frankfurt / Main (1733-37), wo er mit Morsegno kooperierte. C AKL Castelli, Ignaz Franz, auch Bruder Fatalis, Kosmas, Rosenfeld, C. A. Stille, o¨ sterr. Schriftsteller, * 6. 3. 1781 Wien, † 5. 2. 1862 Wien. Nach dem Jurastudium, das er an der Univ. Jena mit Promotion abschloß, wurde C., Sohn eines Rechnunsrats, Beamter der nieder¨osterreichischen St¨ande. Neben diesem Beruf, den er bis zu seiner Pensionierung 1845 aus¨ubte, entfaltete C. eine ausgedehnte literarische T¨atigkeit. Nachdem er

Castle sich als Lieder- und B¨uhnendichter einen Namen gemacht hatte, war er 1811-14 Hoftheaterdichter am K¨arntnertortheater in Wien. Er verfaßte rund 200 Theaterst¨ucke (u. a. Der Schicksalsstrumpf, 1818) und Opernlibretti, zum Teil nach franz¨osischen Vorlagen; außerdem pflegte er die im Biedermeier popul¨aren Kleinformen der Unterhaltungsliteratur wie Balladen, M¨archen, Legenden, Anekdoten oder Trinkspr¨uche. Besonders seine Mundartlyrik (Gedichte in nieder¨osterreichischer Mundart, 1828) fand zahlreiche Nachahmer. Als Herausgeber von Zeitschriften (u. a. „Wiener Modenzeitung“, 1816-48) und Almanachen nahm C. auf das Wiener gesellschaftliche und kulturelle Leben Einfluß. Er geh¨orte mehreren K¨unstlerzirkeln an, u. a. der „Gr¨unen Insel“ und der „Baumannsh¨ohle“. Obgleich er sich 1940 eine Villa in Lilienfeld (Nieder¨osterreich) gekauft hatte, verbrachte C. seine letzten Lebensjahre in Wien, wo er 1861 seine Memoiren in vier B¨anden ver¨offentlichte. Seine Sammlung von 12 000 Theaterst¨ucken sowie Schauspielerportr¨ats und Theaterzetteln wurde von der Wiener Hofbibliothek gekauft. C.s S¨ammtliche Werke erschienen 1844-46 in 15 B¨anden (31958 / 59 in 22 B¨anden). C Killy

Begr¨under des Harzburger Berg- und H¨uttenbetriebs werden ließ. Auch der Sprudel von Gerolstein (Eifel) verdankt seine Entdeckung einer Bohrung von C. C Serlo

Castellio, Sebastian, auch Castalio, Chˆateillon, reformierter Theologe, * 1515 St. Martin-du-Fresne (Savoyen), † 29. 12. 1563 Basel. C., Sohn eines Bauern, las als Student in Lyon Calvins Institutio religionis christianae und u¨ bernahm dessen reformatorische Anschauungen. Seit 1540 in Straßburg lebend, freundete er sich mit Calvin an, der ihm 1541 eine Stelle als Gymnasialrektor in Genf verschaffte. C.s zunehmende Ablehnung der Pr¨adestinationslehre und seine humanistische Deutung der Bibel schw¨achten jedoch die Freundschaft mit seinem Mentor und f¨uhrten zu einer Auseinandersetzung mit dem Genfer Rat. 1544 trat C. von seinem Rektorat zur¨uck, u. a. weil man ihn wegen seiner abweichenden Ansichten nicht als Prediger zulassen wollte. C. ging nach Basel und war f¨ur mehrere Jahre als Korrektor in der Druckerei von → Oporinus t¨atig, bis er 1553 eine Professur f¨ur Gr¨azistik erhielt. Als Gelehrter etablierte sich C. durch das lange Zeit weitverbreitete Schullehrbuch Dialogi Sacri (1543 / 45), das sich mit biblischer Geschichte befaßte. Danach arbeitete er an zwei Bibel¨ubersetzungen, deren lateinische Version er 1551 publizierte, die franz¨osische 1555. Eine durchweg programmatische Schrift war De haereticis, an sint persequendi (1554). Darin forderte C. Toleranz gegen¨uber abweichenden Meinungen und wandte sich nach der Hinrichtung Servets gegen die T¨otung von Ketzern. Auch im Zusammenhang mit den franz¨osischen Religionskriegen rief er zur religi¨osen Duldsamkeit auf (Conseil a` la France d´esol´ee, 1562). In der von Calvin dominierten Schweiz blieb der gem¨aßigte C. zeitlebens ohne gr¨oßere Anh¨angerschaft. Sein Ruhm und seine Wirkung als Protagonist der neuzeitlichen religi¨osen Toleranz ging vor allem von den Niederlanden aus. C RGG

Castillon, Friedrich (Adolf Maximilian Gustav), Philo-

Castendorfer, Stefan, Orgelbauer, erw¨ahnt 2. H¨alfte 15. Jh. Der aus Breslau stammende C. erbaute 1466-86 eine Orgel in der Georgskirche in N¨ordlingen. Gemeinsam mit seinen S¨ohnen Caspar Melchior und Michael C. errichtete er die große Orgel im Erfurter Dom unter Verwendung der j¨ungeren Erfindung des Pedals. Auch die zweite Orgel in der Augsburger Ulrichskirche, die um 1490 fertiggestellt wurde, ist ein Werk C.s. C L¨utgendorff Castendyck, Wilhelm Peter Louis, Berg- und H¨uttenmann, Unternehmer, Geologe, * 11. 8. 1824 Oberwetz (heute zu Sch¨offengrund), † 24. 1. 1894 Harzburg. Der Sohn des solms-braunsfelsischen Steuerverwalters Louis C. stieß bei geologischen Untersuchungen im Harz auf die Eisenerzvorkommen von Neustadt-Harzburg, was ihn zum

Castiglioni, Camillo, Unternehmer, * 22. 10. 1885 Triest, † 18. 12. 1957 Rom. Der Sohn eines Rabbiners kam als Autoreifenh¨andler nach Wien und wurde w¨ahrend des Ersten Weltkriegs Mitbesitzer und Großaktion¨ar zahlreicher Firmen in der Automobilund Flugzeugindustrie. 1915 / 16 Repr¨asentant der M¨unchner Rapp Motorenwerke GmbH (seit 1917 BMW GmbH), war C. 1918 u. a. mit Hjalmar → Schacht und Fritz → Neumeyer an der Umwandlung von BMW in eine Aktiengesellschaft beteiligt, wurde Alleineigent¨umer und berief 1922 Franz → Popp als Vorstandsvorsitzenden. Seit 1919 italienischer Staatsb¨urger, mußte C., dem als einem der reichsten Finanziers in Mitteleuropa zeitweise f¨unf Wiener Zeitungen geh¨orten und der u. a. Max → Reinhardt finanziell unterst¨utzte, nach Fehlspekulationen 1924 vor¨ubergehend aus Wien fliehen und verkaufte nach erneuten Fehlspekulationen 1929 seinen BMW-Aktienbesitz. soph, Mathematiker, * 22. 9. 1747 Lausanne, † 27. 1. 1814 Berlin. C., Sohn eines Mathematikers und Philosophen, wurde 1780 in Berlin mit der Dissertation sur la question extraordinaire: Est-il utile au peuple d’ˆetre tromp´e promoviert und war seit 1787 Prof. der Philosophie an der Adligen Milit¨arund Artillerie-Akademie sowie Direktor der philosophischen Klasse an der K¨oniglichen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Er war Landes-Großmeister der großen Landesloge der Freimaurer in Deutschland. C., Sch¨uler von Johann Heinrich → Lambert, formalisierte den Syllogismus. Er vero¨ ffentlichte u. a. El´emens de g´eometrie, ou les six premiers livres d’Euclide, avec le onzi`eme et le douzi`eme (1767), Sur un globe mouvant qui repr´esente les mouvements de la terre (1779), Sur la division des instruments de g´eom´etrie et d’astronomie (1780), Th´eorie de l’art des jardins (mit Christian Cay Lorenz → Hirschfeld, 5 Bde., 1779-85), Sur la gnomonique (1784) und Examen philosophique de quelques ¨ principes d’alg`ebre (1790 / 91) und Uber die Begriffe einer Academie und einer Universit¨at, und u¨ ber den wechselseitigen Einfluss, welchen beide Anstalten auf einander haben k¨onnen (1809). C Enz Phil Wiss

Castle, Eduard (Friedrich Ferdinand), o¨ sterr. Literaturund Theaterwissenschaftler, * 7. 11. 1875 Wien, † 8. 6. 1959 Wien. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Geographie an der Univ. Wien (Promotion 1897, Nicolaus Lenaus „Savonarola“) arbeitete C., Sohn eines Magistratsbeamten, als Lehrer in Wien und vor¨ubergehend in G¨orz. 1907 habilitierte er sich an der Univ. Wien f¨ur Neuere deutsche Sprache und Literatur (Lenau und die Familie L¨owenthal. Briefe und Gespr¨ache, Gedichte und Entw¨urfe) und erhielt dort 1915 eine a. o. Professur. Außerdem lehrte er an der TH Wien (Habilitation 1913, Anastasius Gr¨uns Werke in sechs Teilen, ver¨offentlicht 1909), zun¨achst als Privatdozent, 1919-38 als Honorardozent, sowie an der dortigen Konsu¨ larakademie (seit 1929). Nach dem „Anschluß“ Osterreichs an das das Deustche Reich wurde C. 1938 aus politischen ¨ Gr¨unden aus seinen Amtern entlassen und unter Gestapo¨ Uberwachung gestellt; seine B¨ucher wurden verboten. 1945 wurde er erneut an die Univ. Wien berufen als Mitdirektor des Germanistischen Instituts und Direktor des Instituts f¨ur Theaterwissenschaft, das er bis zu seiner Emeritierung 1949 leitete. C., dessen Forschungsschwerpunkte die Deutsche Klassik, → Goethe, → Schiller und die o¨ sterr. Literatur waren, ver¨offentlichte u. a. In Goethes Geist. Vortr¨age

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Castner ¨ und Aufs¨atze (1926), Dichter und Dichtung aus Osterreich. Ausgew¨ahlte Aufs¨atze (1951) und Der große Unbekannte. Das Leben von Charles Sealsfield (Karl Postl) (2 Bde., 1952-55; Bd. 1, Nachdr. 1993). Nach dem Tod von Johann Willibald → Nagl und Jakob Zeidler f¨uhrte er ab Band 2 (1914) die Herausgabe der Deutsch-¨osterreichischen Literaturgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen ¨ Dichtungen in Osterreich-Ungarn (4 Bde., 1914-37) fort. C. besorgte auch zahlreiche Editionen, darunter Nikolaus → Lenaus S¨amtliche Werke und Briefe (6 Bde., 1910-23), Ludwig Anzengrubers Werke. Auswahl in zehn Teilen (1921) und Franz Grillparzers Werke in 6 B¨anden (1924). 1924-36 gab er mit Fritz → Brukner Ferdinand → Raimunds S¨amtliche Werke, eine historisch-kritische S¨akularausgabe in C IGL 6 B¨anden, heraus.

Castner, Gabriel, Dichter, Lehrer, 2. H¨alfte 16. Jh. C. ist als Dichter und Magister der Stadtschule zu M¨unchen u¨ berliefert, wo er bis 1571 Lehrer an der Poetenschule war. Von Interesse ist er als bildungshistorische Quelle im Kontext der Ordensschulen. C. sah sich durch die Konkurrenz der von Jesuiten gef¨uhrten Schulen zunehmend bedr¨angt und bat zuletzt die Stadt um Unterst¨utzung, da er Sch¨uler an die Jesuitenschulen verlor. Er schrieb eine Ordnung der Poeten Schuel (1560). Castorp, Hinrich, B¨urgermeister, * vor 1420 Dortmund, † 14. 4. 1488 L¨ubeck. C. arbeitete zun¨achst als Kaufmannsdiener, u. a. in Livland, hielt sich seit 1441 vorwiegend in Flandern auf und stieg ¨ dann zum Altermann des Hanseatischen Kontors in Br¨ugge (1447-50) auf. Seit 1451 in L¨ubeck ans¨assig, brachte er es zum wohlhabenden Großkaufmann und f¨uhrenden Mitglied des st¨adtischen Patriziates. 1452 erhielt er einen Sitz im L¨ubecker Stadtrat, wurde 1462 zum B¨urgermeister gew¨ahlt und u¨ bte dieses Amt 26 Jahre lang aus. C. bem¨uhte sich 1464 vergeblich, im Krieg zwischen dem Deutschen Orden und Polen zu vermitteln. Sein gr¨oßter außenpolitischer Erfolg war 1474 der Abschluß des Utrechter Friedens, der die privilegierte Stellung der Hanse in England sicherte. Innenpolitisch gelang es ihm, die Position des patrizischen Stadtrats zu festigen; sein Versuch, der Hanse eine feste Organisation zu geben (1476), f¨uhrte hingegen nicht zum Ziel. C LexMA

Castro, Benedikt de, Mediziner, * 1597 Hamburg, † 7. 1. 1684 Hamburg. Der Sohn des Mediziners Rodrigo de → C. ließ sich nach der Promotion in Leiden 1622 (De apoplexia) als Arzt in Hamburg nieder, wo er bald ebenso bekannt wie sein Vater wurde. 1655 berief ihn die K¨onigin Christine von Schweden zu ihrem Leibarzt. C., der zeitweise Vorsitzender der portugiesisch-j¨udischen Gemeinde in Hamburg und Anh¨anger der sabbatinischen Bewegung war, ver¨offentlichte Streitschriften wie Flagellum calumnianium, in quo anonymi eiusdam libelli adversus medicos hebraeo-lusitanos calumniae refutantur (1631). C Schr¨oder Castro, Rodrigo de, auch Rodriguez de C., Roderich de C., Mediziner, * um 1546 Lissabon, † 20. 1. 1627 / 30 Hamburg. Nachdem er in Portugal und Spanien studiert und einige Zeit als Arzt in Portugal praktiziert hatte, kam C. 1594 nach Hamburg, wo er sich bei der Bek¨ampfung der Pest 1596 hervortat. Er wurde von mehreren deutschen F¨ursten sowie vom d¨anischen K¨onig zu Rate gezogen. Auf gyn¨akologischem Gebiet wurde er durch sein Werk De universa mulierum medicina bekannt, das 1603 erstmals erschien. C. war der Vater von Benedikt de → C.

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Catel, Franz Ludwig, auch F. Louis C., Maler, * 22. 2. 1778 Berlin, † 19. 12. 1856 Rom. C. wurde zun¨achst durch Buchillustrationen – u. a. zu → Goethes Hermann und Dorothea (1799) – sowie durch eine Ausstellung von Landschaftsaquarellen in Weimar (1802) bekannt. Nach seiner Aufnahme in die Berliner Kunstakademie ging er 1807 zusammen mit seinem Bruder, dem Architekten Louis → C., zum Studium nach Paris. 1811 siedelte C. nach Rom u¨ ber und hielt sich dann fast ausschließlich in Italien auf. Er malte in erster Linie Bilder nach Motiven der italienischen Landschaft (Mondscheinlandschaft, 1830) und Volksszenen, zumeist Auftragsarbeiten f¨ur europ¨aische F¨urstenh¨auser. C., dem 1841 der preuß. Professorentitel verliehen wurde, widmete sich der F¨orderung in Rom lebender deutscher K¨unstler. Nach seinem Tod wurde mit seinem Verm¨ogen das Istituto Catel als Stiftung f¨ur junge K¨unstler eingerichtet. C AKL Catel, (Friedrich) Louis, Architekt, * 1776 Berlin, † 15. 11. 1819 Berlin. C. erbaute Privath¨auser, war an den Schloßbauten von Braunschweig und Weimar beteiligt und schuf insbesondere Innendekorationen wie Stuckmosaike. 1802 reiste er zusammen mit seinem Bruder, dem Maler Franz Ludwig → C., nach Weimar und 1807 nach Paris. 1811 / 12 unternahm er ¨ eine Reise nach Italien. C. schrieb u. a. Uber die Verbesserung der Schauspielh¨auser. C AKL Catel, Werner, P¨adiater, * 27. 6. 1894 Mannheim, † 30. 4. 1981 Kiel. Nach medizinischen Studien in Halle und Freiburg / Breisgau (Promotion 1925, Ein Fall von einseitiger Stauungspapille infolge von Orbitaltumor) habilitierte sich C. 1926 in ¨ Leipzig (Uber den Einfluss verschiedener Ern¨ahrungsweise auf Motilit¨at und Reizbarkeit des D¨unndarms von Ratten) und war dort 1933-46 o. Prof. und Direktor der Universit¨atsKinderklinik. 1947 wechselte er als Chefarzt an die Landeskinderheilst¨atte Mammolsh¨ohe in Hessen. Seit 1954 lehrte er als Ordinarius und Direktor der Universit¨ats-Kinderklinik in Kiel und ver¨offentlichte Fachb¨ucher wie Differentialdiagnose von Krankheitssymptomen bei Kindern und Jugendlichen (31960). Seine Emeritierung 1960 stand im Zusammenhang mit gerichtlichen Untersuchungen bez¨uglich seiner T¨atigkeit als Gutachter im nationalsozialistischen „Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung schwerer erbund anlagebedingter Leiden“ 1940-44. Aufgrund einiger seiner Gutachten wurden damals schwerbehinderte S¨auglinge und Kleinkinder in Kliniken get¨otet. Seine Pflege des gesunden und kranken Kindes erschien seit 1939 bis in die Gegenwart in zahlreichen Auflagen. Cathrein, Victor, Pseud. N. Siegfried, Jesuit, Theologe, Philosoph, * 8. 5. 1845 Brig (Kt. Wallis), † 10. 9. 1931 Aachen. C., dessen Vater Kaufmann und ehrenamtlicher Regierungsstatthalter des Bezirks Brig war, trat 1863 der Gesellschaft Jesu bei und arbeitete dann als Erzieher in belgischen Kollegien. 1869 begann er in Maria Laach mit dem Studium der Theologie und Philosophie, das er 1870 / 71 unterbrach, um im Deutsch-Franz¨osischen Krieg als Krankenpfleger t¨atig zu sein. Infolge des Jesuitengesetzes verließ er 1872 Deutschland und vollendete seine Studien in Holland und England. 1877 zum Priester geweiht, ließ er sich in Holland nieder und lehrte seit 1882 als Prof. der Moralphilosophie am Kollegium in Valkenburg. Seit 1879 war er st¨andiger Mitarbeiter der Zeitschrift „Stimmen aus Maria-Laach“ (sp¨ater „Stimmen der Zeit“). Stark beeinflußt von Theodor → Meyer, behandelte C. auf der Grundlage des Neuthomismus ethische, juristische und weltanschauliche Themen seiner Zeit. Sein Anti-Kantianismus zeigte sich in der Bestimmung der

Cauer norma honestatis; er vertrat das Moralprinzip der vern¨unftigen Menschennatur. Zu seinen Hauptwerken z¨ahlen Moralphilosophie (2 Bde., 1890 / 91, 61924), Philosophia moralis in usum scholarum, 1893, 211959), Der Sozialismus. Eine Untersuchung seiner Grundlagen und seiner Durchf¨uhrbarkeit (1890, 161923), Recht, Naturrecht und positives Recht. Eine kritische Untersuchung der Grundbegriffe der Rechtsordnung (1901, 1909, Nachdruck 1964) und Die Einheit des sittlichen Bewußtseins der Menschheit (3 Bde., 1914). W¨ahrend des Kulturkampfes schrieb C. unter dem Pseudonym N. Siegfried (Actenst¨ucke betreffend den preußischen Culturkampf, 1882). C LThK

Catt, Henri Alexandre de, Chronist, * 14. 6. 1725 Morges (Kt. Waadt), † 23. 11. 1795 Potsdam. Der Sohn eines Zuckerwarenh¨andlers lernte w¨ahrend der Studienzeit in Utrecht 1755 K¨onig → Friedrich II. von Preußen kennen, als dieser inkognito die holl¨andische Rheinm¨undung bereiste. Von diesem aufgefordert, in seine Dienste zu treten, kam C. 1758 nach l¨angerer Krankheit im Siebenj¨ahrigen Krieg in das Breslauer Hauptquartier des K¨onigs und diente ihm als Vorleser, Gespr¨achspartner und zeitweise auch als Privatsekret¨ar. 1762 wurde er in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Wegen vermeintlicher Indiskretion 1780 in Ungnaden entlassen, blieb C. in Potsdam ans¨assig und wurde von → Friedrich Wilhelm II. mit einer Magdeburger Stiftsherrnpfr¨unde versorgt. Die Tageb¨ucher, die er 1758-60 verfaßte, sowie seine vermutlich um 1786 entstandenen Memoiren wurden 1884 von Reinhold → Koser ediert und im folgenden Jahr von Fritz Bischoff ins Deutsche u¨ bersetzt (Unterhaltungen mit Friedrich dem C NDB Großen). Caucig, Franz (Xaver Anton Nikolaus), auch Causich, Causig, Cauzio, Kaucig, Kauzich, Kauzio, Kavˇciˇc; Franc, Francesco, Francesco Saverio, o¨ sterr. Maler, * 4. 12. 1755 G¨orz, † 17. 11. 1828 Wien. C. studierte, von Philipp Graf → Cobenzl gef¨ordert, 1775-79 an der Akademie der bildenden K¨unste in Wien und wurde von Kaiser → Joseph II. 1779-81 an die Academia delle Belle Arti nach Bologna geschickt. 1781-91 hielt sich C. in Rom auf. 1791 schuf er in Mantua f¨ur die Wiener Akademie Gipsabg¨usse antiker Plastiken und bildete sich danach in Venedig fort. Seit 1799 Prof. an der Akademie der bildenden K¨unste in Wien, u¨ bernahm C. 1808 zus¨atzlich die Leitung der k. k. Porzellanmanufaktur und trat 1820 als Direktor an die Spitze der „Maler-, Bildhauer-, Kupferstecher- und Mosaikschule“. Seine Gem¨alde sind zumeist Motiven aus der antiken Mythologie und Geschichte gewidmet (Orpheus am Grabe der Eurydice); er malte aber auch Altarbilder sowie einige Portr¨ats. C AKL ¨ Bildhauer, * 19. 11. 1800 Dresden, Cauer, Emil d. A., † 4. 8. 1867 Kreuznach. C., Begr¨under der Kreuznacher Bildhauerfamilie, wurde in den Werkst¨atten von Christian Daniel → Rauch und Johann → Haller in M¨unchen als Bildhauer ausgebildet. Danach wirkte er zun¨achst als Zeichenlehrer an der Bonner Univ. und lebte dann in Dresden, wo er mehrere Standfiguren f¨ur das Schweriner Kollegiengeb¨aude anfertigte. 1829-32 war er in Dresden Konservator der Antikensammlung. Seit 1832 war C. in Kreuznach ans¨assig und als Zeichenlehrer am Kgl. Gymnasium t¨atig. Nachdem er sich vornehmlich mit der Portr¨atmalerei besch¨aftigt hatte, wandte er sich in den vierziger Jahren des 19. Jh. wiederum der Bildhauerei zu und gestaltete insbesondere Kleinplastiken: Allegorien, Genrefiguren, historische Gestalten und Figuren aus den Dramen Shakespeares. C. war der Großvater von Emil d. J. und Robert d. J. → C. C AKL

Cauer, Emil d. J., Bildhauer, * 6. 8. 1867 Bad Kreuznach, † 13. 2. 1946 Gersfeld / Rh¨on. ¨ erhielt eine erste Der Enkel des Bildhauers Emil → C. d. A. k¨unstlerische Ausbildung bei seinem Vater, dem Bildhauer Carl C., und unternahm 1886 / 87 eine Studienreise nach Rom. 1888 ließ er sich in Berlin nieder und wurde Mitarbeiter Otto → Lessings am Reichstagsgeb¨aude. Bei der Konkurrenz um das Berliner → Bismarck-Denkmal gewann er gemeinsam mit seinem Bruder Ludwig → C. den ersten Preis. Seit 1916 lehrte C. als Prof. an der Kunstakademie. Neben monumentalen Denkm¨alern gestaltete er Brunnen, B¨usten und Grabm¨aler; zu seinen bekanntesten Werken geh¨ort die Statue eines Wassertragenden M¨adchens. C AKL Cauer, Hanna, Bildhauerin, * 8. 3. 1902 Bad Kreuznach, † 16. 5. 1989 Bad Kreuznach. Nach erster bilderhauerischer Ausbildung bei ihrem Vater Ludwig → C. studierte C. 1919 Malerei und Bildhauerei an der Akademie in Berlin und erhielt 1920 / 21 Unterricht im Aktzeichnen in M¨unchen. 1922 arbeitete sie mit ihrem Onkel, dem Landschaftsmaler Leopold Graf von → Kalckreuth, zusammen, bildete sich bei Leo von → K¨onig, Emil → Orlik und Max → Slevogt weiter und erhielt seit 1927 eine dreij¨ahrige Bilderhauerausbildung bei Hugo → Lederer. 1930 als erste Frau mit dem Rompreis f¨ur ein einj¨ahriges Studium an der Villa Massimo ausgezeichnet, lebte sie nach Aufenthalten in Ascona und Paris seit 1932 wieder in Berlin. Einem unter dem Einfluß des franz¨osischen Archaismus 1935 entstandenen dreiteiligen Zyklus Griechische Gottheiten folgten als o¨ ffentliche Auftr¨age großplastische, h¨aufig an der Antike orientierte Arbeiten, darunter Schwebende G¨ottin (1935) und der OlympiaBrunnen vor dem Berliner Rathaus (1936, zerst¨ort). Nach der R¨uckkehr nach Bad Kreuznach 1945 wurde der weibliche Akt C.s Hauptthema. Seit den sechziger Jahren nahm die Abstraktion zu, am st¨arksten in den Flachreliefarbeiten (Liegendes Paar, 1975). C AKL Cauer, (Paul) Ludwig, Bildhauer, * 28. 5. 1866 Kreuznach, † 27. 12. 1947 Kreuznach. C., Bruder von Robert und Emil → C. d. J., begann seine Ausbildung im Alter von 14 Jahren in der Bildhauerwerkst¨atte seines Vaters Carl C. und ging mit diesem 1882 nach Rom. Nach dessen Tod 1886 wurde er Sch¨uler des Berliner Bildhauers Albert → Wolff und arbeitete dann ein Jahr lang im Meisteratelier von Reinhold → Begas. 1882-84 war er in London t¨atig und unternahm Reisen nach Rom und Florenz, ehe er sich in Berlin niederließ. Dort schuf er Denkm¨aler (u. a. ein Standbild → Karls IV. f¨ur die Siegesallee), Brunnen und B¨usten. C. war der Vater von Hanna → C. C AKL Cauer, Minna (Wilhelmine Theodore Marie), geb. Schelle, verw. Latzel Frauenrechtlerin, Publizistin, * 1. 11. 1841 Freyenstein (Ostprignitz), † 3. 8. 1922 Berlin. Die Pfarrerstochter schloß nach dem Tod ihres ersten Mannes 1867 die Ausbildung als Lehrerin ab, arbeitete ein Jahr lang in Paris und ließ sich dann in Berlin nieder. Seit den achtziger Jahren des 19. Jh. mit frauengeschichtlichen und -politischen Studien besch¨aftigt, gr¨undete C. 1888 den Verein „Frauenwohl“, den sie bis 1919 leitete. 1889 wurde sie Vorstandsmitglied des neugegr¨undeten „Kaufm¨annischen Hilfsvereins f¨ur weibliche Angestellte“; seit 1895 gab sie die Zeitschrift „Die Frauenbewegung“ heraus und ver¨offentlichte u. a. Die Frau im 19. Jahrhundert (1898). C., die sich als F¨uhrerin des linken Fl¨ugels der b¨urgerlichen Frauenbewegung insbesondere f¨ur das Frauenwahlrecht einsetzte, protestierte gegen die Boykottierung des Internationalen Frauenkongresses in Den Haag durch den Bund Deutscher Frauen. Nachdem sie 1919 gegen die Friedensbedin-

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Cauer gungen des Versailler Vertrages Stellung genommen hatte, engagierte sie sich 1919 / 20 im Rahmen des Abstimmungskampfes in Oberschlesien. C Leb Berlin 9

Cauer, Robert d. J., Bildhauer, * 3. 1. 1863 Bad Kreuznach, † 28. 2. 1947 Darmstadt. C., Bruder von Emil d. J. und Ludwig → C., wurde bei seinem Vater ausgebildet. 1880-82 und 1887-89 war er in Rom ans¨assig, arbeitete nach einer Reise in die USA (1889-92), wo er vor allem in St. Louis t¨atig war, in Berlin und Bad Kreuznach und ließ sich 1906 in Darmstadt nieder. C. schuf vor allem lebensnahe B¨usten, Statuetten, Grab-, Ehren- und Kriegermale sowie zahlreiche Reliefarbeiten, h¨aufig mit religi¨osen Motiven. Zu seinen wichtigsten Werken z¨ahlen das Relief u¨ ber dem Hauptportal der Darmst¨adter Pauluskirche (Christus und die Menschheit, 1907). 1916 wurde C. zum Prof. ernannt. C AKL

Abschluß seiner Studien angewandte Graphik und Typographie unterrichtete. 1926 bezog er aus einer Begegnung mit Wassily → Kandinsky im Dessauer Bauhaus wesentliche k¨unstlerische Anregungen. Er unternahm Studienreisen nach Norditalien und Dalmatien und ließ sich 1932 in Berlin nieder. Seine abstrakte Malerei wurde noch in Braunschweig ausgestellt, ehe sie von den Nationalsozialisten als „entartete Kunst“ eingestuft wurde und C. Berufsverbot erhielt. 1936 / 37 war er im Konzentrationslager Dachau interniert; sp¨ater hielt er sich in Garmisch-Partenkirchen auf und lebte von Gelegenheitsarbeiten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde C., der sich der K¨unstlergruppe „ZEN 49“ anschloß, ¨ einer breiteren Offentlichkeit bekannt. 1949 wurde er Gastprofessor an der Hochschule f¨ur Bildende K¨unste in Hamburg, 1955 an der dortigen Landeskunstschule. Seit 1954 war C. in M¨unchen ans¨assig. C AKL

Cavalieri, Katharina, eigentl. Franziska Helena AppoloCauer, Stanislaus, Bildhauer, * 18. 10. 1867 Kreuznach, † 3. 3. 1943 K¨onigsberg. ¨ kam 1882 Der a¨ lteste Sohn des Bildhauers Robert C. d. A. nach Rom und bildete sich im dortigen Atelier seines Vaters aus. Nach einem zweij¨ahrigen Aufenthalt in Berlin (seit 1905) folgte er einem Ruf als Lehrer an die Kgl. Akademie in K¨onigsberg. C. schuf Denkm¨aler – insbesondere Kriegerdenkm¨aler – und Brunnen (Schillerbrunnen in K¨onigsberg) sowie Portr¨atb¨usten und Akte. 1942 nahm er die GoetheMedaille f¨ur Kunst und Wissenschaft entgegen. C Altpreuß Biogr, Bd 3

Cauer, Wilhelm (Eduard Ludwig), Ingenieur, Eisenbahnfachmann, * 13. 2. 1858 Breslau, † 13. 8. 1940 Gersfeld / Rh¨on. C., Sohn eines Philologen und Berliner Stadtschulrats, trat nach der Ausbildung zum Bauingenieur an der TH Berlin (1876-80) in die Dienste der preuß. Eisenbahnverwaltung und wirkte 1888-98 beim Umbau der Altonaer Bahnanlagen mit. 1879 zum Eisenbahnbau- und Betriebsinspektor ernannt, war er 1899-1903 hauptamtlich und bis 1908 nebenamtlich im preuß. Ministerium der o¨ ffentlichen Arbeiten t¨atig. Inzwischen promoviert und habilitiert (1898), wurde C. 1903 auf den neuerrichteten Lehrstuhl f¨ur Eisenbahnwesen an der TH Berlin berufen. Seine technischen Ver¨offentlichungen waren wegweisend in bezug auf Bahnhofsgestaltung, Sicherungswesen und Rangiertechnik (Betrieb und Verkehr der Preußischen Staatsbahnen, 2 Bde., 1897-1903; Masseng¨uterbahnen, mit Walther → Rathenau, 1909; Personenbahnh¨ofe, 1913, 21926; Sicherungsanlagen im Eisenbahnbetrieb, 1922). Als Gutachter war C. an den Planungen verschiedener Eisenbahn- und Hafenanlagen in ganz Europa sowie der Berliner U-Bahnh¨ofe beteiligt. 1926 wurde er emeritiert. C NDB

Causse, Johann Isaak Ludwig, evang. Theologe, * 1728 Frankfurt / Oder, † 29. 4. 1802 Frankfurt / Oder. C., Sohn eines Predigers franz¨osischer Herkunft, studierte in seiner Heimatstadt als Sch¨uler → Jablonskis Theologie. Er wurde zun¨achst zum Dr. phil. und sp¨ater zum Dr. theol. promoviert, ehe er 1752 eine Professur der Theologie in Frankfurt / Oder erhielt. C. ver¨offentlichte Schriften zur Dogmatik und Exegese sowie zur j¨udischen Kultur (Dissertatio de gente Hebraea foecundissima, 1763). Seit 1791 war er Senior der Frankfurter Universit¨at. Cavael, Rolf, Maler, * 27. 2. 1898 K¨onigsberg, † 6. 11. 1979 M¨unchen. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg arbeitete C., dessen Vater als Architekt, Lehrer und Musikkritiker t¨atig war, als Aufnahmeleiter beim Film, bis er 1923 Sch¨uler des St¨adelschen Kunstinstituts in Frankfurt / Main wurde, wo er nach

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nia Cavalier, S¨angerin, * 19. 2. 1760 W¨ahring (heute zu Wien), † 30. 6. 1801 Wien. Von dem Komponisten Antonio → Salieri ausgebildet, deb¨utierte C. bereits im Alter von 15 Jahren an der Wiener Italienischen Oper und trat seit 1778 mit dem Ensemble der Wiener Deutschen Oper im Burgtheater auf. Salieri protegierte sie weiterhin und komponierte Arien eigens f¨ur ihre Stimme. Als 1782 → Mozarts Entf¨uhrung aus dem Serail uraufgef¨uhrt wurde, wirkte C. in der Rolle der Konstanze mit. Danach u¨ bernahm sie weitere Partien in den Opern Mozarts, der ebenfalls Arien auf ihren Koloratursopran abstimmte, zum Beispiel die Arie Mi tradi quell’alma ingrata der Donna Elvira im Don Giovanni. C. sang auch regelm¨aßig in den Oratorienauff¨uhrungen der Wiener Tonk¨unstler-Societ¨at; sie trat allerdings niemals außerhalb von Wien auf. 1793 gab sie ihre Karriere auf. C Kutsch

Cavelti, Elsa, schweizer. S¨angerin, * 4. 5. 1907 Rohrschach / Bodensee, † 10. 8. 2001 Basel. C. studierte Klavier und Gesang in Z¨urich, Frankfurt / Main und Wien; zu ihren Lehrern geh¨orten Res → Fischer und Otto → Iro. Nach ihrem Deb¨ut 1936 am Stadttheater in Kattowitz erhielt sie Engagements am Opernhaus von Frankfurt / Main (1938 / 39), am Landestheater in Beuthen (1939-42) und am Opernhaus in D¨usseldorf (1942-44). 1944 wurde C. als dramatische Altistin am Stadttheater Z¨urich angestellt und sang dort in den folgenden Jahren vor allem Partien aus Opern von Richard → Wagner und Richard → Strauss, aber auch die Leonore in → Beethovens Fidelio. 1949 nahm sie an der Urauff¨uhrung von Willy → Burkhards Oper Die schwarze Spinne teil. Gastauftritte und Konzerte f¨uhrten sie an international bedeutende B¨uhnen (u. a. nach Paris, Wien, Rom Venedig, London, New York und Buenos Aires). Nach erneutem Studium 1959-61 sang C. auch hochdramatische Sopranpartien wie die Br¨unnhilde in Wagners Ring und die Isolde in Tristan. Daneben als Konzert- und Oratoriens¨angerin t¨atig, interpretierte Werke Johann Sebastian → Bachs, Gustav → Mahlers und Othmar → Schoecks, von dessen Liedern sie mehrere urauff¨uhrte. Seit 1964 nahm sie eine Gesangsprofessur an der Staatlichen Musikhochschule in Frankfurt / Main wahr und unterrichtete auch in Basel. C Kutsch Cebotari, Maria, eigentl. Cebutaru, S¨angerin, * 10. 2. 1910 Kischinew (Moldawien, Rußland), † 9. 6. 1949 Wien. C., Tochter eines Lehrers, besuchte das Konservatorium in Kischinew, schloß sich einer Truppe des Moskauer K¨unstlertheaters an und begann 1928 in Paris ein Gesangstudium. An der Musikhochschule in Berlin weiter ausgebildet, deb¨utierte sie 1931 an der Dresdner Staatsoper als Mimi in Puccinis La Boh`eme, erhielt ein festes Engagement und

Celan wurde von Bruno → Walter f¨ur die Salzburger Festspiele verpflichtet. In Dresden sang sie bei der Urauff¨uhrung der Oper Die schweigsame Frau von Richard → Strauss (1935) die Titelrolle und wurde zur Kammers¨angerin ernannt. 1935-45 geh¨orte C. dem Ensemble der Berliner Staatsoper an und wurde 1947 Mitglied der Staatsoper Wien. Daneben gab sie vor allem als → Mozart- und Strauss-Interpretin Gastspiele in aller Welt. Seit ihrem ersten 1936 in Berlin gedrehten Film M¨adchen in Weiß wirkte sie auch in etlichen Filmen mit und sang die Hauptpartien in deutschen und italienischen Opernverfilmungen. C Kutsch

Ceelen, Wilhelm, Pathologe, * 21. 8. 1883 Frankfurt / Main, † 7. 1. 1964 Bonn. C. studierte 1902-07 in Freiburg / Breisgau, M¨unchen und Berlin Medizin, war seit 1908 Assistent von Johannes → Orth am Berliner Pathologischen Institut und wurde ¨ 1910 promoviert (Uber eklamptische Leberver¨anderungen). 1911-23 Abteilungsvorsteher am Pathologischen Institut, habilitierte er sich 1913, wirkte seit 1917 als Titular-, seit 1919 als a. o. Prof., erhielt 1925 eine o. Professur f¨ur Pathologische Anatomie an der Univ. Greifswald und wechselte 1926 als Ordinarius f¨ur Pathologie an die Univ. Bonn. Nach dem Zweiten Weltkrieg war C. maßgeblich beteiligt am Wiederaufbau des dortigen Pathologischen Instituts und verantwortlich f¨ur Leitung und Neuorganisation des St¨adtischen Gesundheitsamtes. 1953 wurde er emeritiert. C.s Forschungen betrafen vor allem die Pneumokoniosen, insbesondere die Silikose, sowie andere Berufskrankheiten. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen Arbeiten u¨ ber die Pathologie des Fleckenfiebers und Kreislaufst¨orungen der Lungen. ¨ 2, 3 C Arzte

Celan, Paul, eigentl. P. Antschel, auch Anczel, Dich¨ ter, Ubersetzer, * 23. 11. 1920 Czernowitz, † um den 20. 11. 1970 Paris. Einziger Sohn einer mittelst¨andischen Familie deutschsprachiger Juden, wuchs C. im kaiserlich-¨osterreichisch bestimmten, nach 1918 rum¨anischen und nach 1944 ukrainischen Czernowitz (heute Tschenowtzy) auf. Nach dem rum¨anischen Gymnasium wurde das 1938 begonnene Studium der Medizin in Tours (Frankreich) durch den Krieg abgebrochen; 1939-41 studierte er Romanistik an der zun¨achst rum¨anischen und nach der sowjetischen Annexion der Nordbukowina ukrainischen Univ. von Czernowitz. Im Sommer 1941 eroberten deutsche und rum¨anische Truppen das Gebiet; 1942 wurden die Eltern mit einem Großteil der Czernowitzer Juden in einem deutschen Konzentrationslager in der Ukraine umgebracht; 1942-44 u¨ berlebte C. in einem rum¨anischen Arbeitslager. Nach dem Krieg hatte er Umgang mit den ebenfalls deutschsprachigen Dichtern Alfred → Kittner, Immanuel → Weissglas und Rose → Ausl¨ander. ¨ 1945-47 war C. Verlagslektor und Ubersetzer in Bukarest, geh¨orte zum Kreis der Surrealisten um Gerasim Luca und ver¨offentlichte 1947 seine ersten Gedichte in deutscher Sprache, wie auch die sp¨ater ber¨uhmte Todesfuge in rum¨anischer ¨ Ubersetzung. Unter dem Druck des Stalinismus floh C. im Dezember 1947 u¨ ber Ungarn nach Wien, wo er freundschaftlichen Kontakt mit Ingeborg → Bachmann und Milo Dor hatte und wo 1948 sein erster Gedichtband Der Sand aus den Urnen erschien, den er wegen der vielen sinnentstellenden Druckfehler kurz danach makulieren ließ. Im selben Jahr ließ sich C. endg¨ultig in Paris nieder, studierte 1949 / 50

Germanistik und Sprachwissenschaft und unterrichtete bis zu seinem Freitod 1970 Deutsche Sprache und Literatur an der ´ Ecole Normale Sup´erieure. 1952 heiratete er die Graphikerin Gis`ele de Lestrange. Mit dem Gedichtband Mohn und Ged¨achtnis (1952), der mit der Todesfuge 29 Gedichte aus dem zur¨uckgezogenen Sand aus den Urnen enth¨alt, wurde C. erstmals einem breiten Publikum bekannt. Der elegische Versbau und die dunkle Flut magischer Bilder dieser fr¨uhen Gedichte verf¨uhrten manchen Rezensenten, C. als einen sp¨aten Neoromantiker und Surrealisten mißzuverstehen. Erst sp¨ater setzte sich die Einsicht durch, daß hier im erlesenen Wohlklang und in den u¨ ppigen poetischen Artikulationsmustern der Neuromantik und der klassischen Moderne radikal und von innen heraus das Versagen und die Mitschuld deutscher Sprache und Kultur an Auschwitz angeprangert werden. Die Erfahrung des Nationalsozialismus und des Holocaust blieb bis zuletzt der nahezu einzige Brennpunkt von C.s Lyrik. Mit Von Schwelle zu Schwelle (1955) a¨ nderte sich allerdings der Ton, zunehmende Sprachskepsis f¨uhrte zu einer fortschreitenden Reduzierung der getragenen langatmigen Verse, in programmatischer Mehrdeutigkeit ringt die Sprache um Pr¨azision und sucht sie oft in dem zwischen den Worten angesiedelten Schweigen, das vom Gesagten her seine unaussprechliche Bedeutsamkeit erlangt. Radikaler werden Sprachreflexion und Sprachskepsis im Gedichtband Sprachgitter (1959) fortgesetzt, es werden in auffallender Analogie zu der Graphik von Gis`ele Lestrange-Celan wortkarge „Textlandschaften“ (P. → Szondi) entworfen, ohne im Sinn abstrakter Kunst gegenstandslos zu sein. Der Band Die Niemandsrose (1963), ¨ von der Kritik zu Unrecht als Uberwindung dieser „absoluten Grenze“ begr¨ußt, ist ein intensives, durch Widmungen, Zitate und Anspielungen gef¨uhrtes poetologisches Gespr¨ach mit → Rilke, Ossip Mandelstam (dem Die Niemandsrose gewidmet ist), Marina Zwetajeva, Nelly → Sachs und anderen Dichtern, oft in Zusammenhang mit der eigenen vorausge¨ gangenen Dichtung und Ubersetzungst¨ atigkeit, wobei Judentum und j¨udisches Schicksal den Bezugsrahmen vieler Gedichte bilden. Mit Atemwende (1967) setzte die zweite und vielen CelanForscher zufolge bedeutendere H¨alfte von C.s Werk ein. Mit unverkennbar eigenem und zu einer unerbittlichen Pr¨azision ausgereiftem poetischem Idiom ringen die sp¨ateren Gedichte um die „aus der Wortwand / freigeh¨ammerte(n) Wahrheit“. Von entscheidender Bedeutung f¨ur eine Einsicht in C.s Poetik sind außer der B¨uchner-Preis-Rede Der Meridian (1960) der Essay Edgar Jene oder der Traum vom Traume (1948), die Ansprache anl¨aßlich der Entgegennahme des Literaturpreises der Freien Hansestadt Bremen (1958) und der Prosatext Gespr¨ach im Gebirg (1959). Bodenlose Trauer, a¨ tzende Ironie, beißender Sarkasmus und der Hohn auf jeden Fortschrittsoptimismus geben den Grundton von Fadensonnen (1968) an. Mit den postum erschienenen Gedichtb¨anden Lichtzwang (1970) und Schneepart (1971), die als autorisiert gelten, tragen diese Gedichte auch den Stempel der leidvollen psychischen Erkrankung des Dichters seit 1967. Maßgeblich hat dazu die schon 1960 von Claire → Goll angezettelte Verleumdungskampagne gegen C. wegen angeblichen Plagiats von Gedichten von Yvan → Goll beigetragen. Trotz ihrer Haltlosigkeit galt diese Unterstellung C. f¨ur den Rest seines Lebens als Beweis des unausrottbaren Antisemitismus. WEITERE WERKE: Zeitgeh¨oft. Sp¨ate Gedichte aus dem Nachlaß. Frankfurt / Main 1976. – Gesammelte Werke in f¨unf B¨anden. Hrsg. v. Beda Allemann / Stefan Reichert unter Mitwirkung von Rolf B¨ucher. Frankfurt / Main 1983. – Das Fr¨uhwerk. Hrsg. v. Barbara Wiedemann. Frankfurt / Main 1989. – Werke. Historisch-kritische Ausgabe (Bonner Ausgabe). Frankfurt / Main 1990 ff. – Eingedunkelt. Hrsg.

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Celibidache v. Bertrand Badiou / Jean-Claude Rambach. Frankfurt / Main 1991. – Werke. T¨ubinger Ausgabe. Hrsg. v. J¨urgen Wertheimer. Frankfurt / Main 1996 ff. Briefe: P. C. / Nelly Sachs: Briefwechsel. Hrsg. v. Barbara Wiedemann. Frankfurt / Main 1993. – P. C. / Franz Wurm: Briefwechsel. Hrsg. v. Barbara Wiedemann in Verbindung mit Hans Wurm. Frankfurt / Main 1995. – Ingeborg Bachmann / P. C. Poetische Korrespondenzen. Hrsg. v. Bernhard B¨oschenstein und Sigrid Weigel. Frankfurt / Main 1997. – C. P. / Gis`ele Celan-Lestrange: Briefwechsel. Mit einer Auswahl von Briefen P. C.s an seinen Sohn Eric. Hrsg. und kommentiert v. Bertrand Badiou in Verbindung mit Eric Celan. 2 Bde., Frankfurt / Main 2001. – P. C. / Hanne und Hermann Lenz: Briefwechsel. Mit drei Briefen von Gis`ele Celan-Lestrange. Hrsg. v. Barbara Wiedemann in Verbindung mit Hanne Lenz. Frankfurt / Main 2001. – P. C. / Rudolf Hirsch: Briefwechsel. Hrsg. v. Joachim Seng. Frankfurt / Main 2004. – P. C. / Peter Szondi: Briefwechsel. Hrsg. v. Christoph K¨onig. Frankfurt / Main 2005. LITERATUR: C.-Jahrbuch 1 ff. (1987 ff.) – Christiane Bohrer: P. C.-Bibliographie. Bern 1989. – Peter Szondi: CelanStudien. Frankfurt / Main 1972. – Marlies Janz: Vom Engage¨ ment absoluter Poesie. Zur Lyrik und Asthetik P. C.s. Frankfurt / Main 1976. – Georg-Michael Schulz: Negativit¨at in der Dichtung P. C.s. T¨ubingen 1977. – Israel Chalfen: P. C. Eine Biographie seiner Jugend. Frankfurt / Main 1979. – Gerhart Baumann: Erinnerungen an P. C. Frankfurt / Main 1985. – Edith Silbermann: Begegnung mit P. C. Aachen 1993. – Jean Bollack: Herzstein. M¨unchen 1993. – John Felstiner: P. C.: Poet, Survivor, Jew. New Haven / London 1995. Dt. M¨unchen 1997. – Wolfgang Emmerich: P. C. Reinbek bei Hamburg 1999. – P. C. – Die Goll-Aff¨are. Zusammengestellt, hrsg. und kommentiert von Barbara Wiedemann. Frankfurt / Main 2000. – P. C. Hrsg. v. Heinz Ludwig Arnold. M¨unchen 32002 (Text + Kritik. Heft 53 / 54). – Otto P¨oggeler: Der Stein hinterm Aug. Studien zu C.s Gedichˇ ten. M¨unchen 2005. Germinal Civikov

Celibidache, Sergiu, eigentl. Celebidachi, Dirigent, Komponist, * 11. 7. (28. 6.) 1912 Roman (Rum¨anien), † 14. 8. 1997 Paris. C. studierte Mathematik und Physik an den Universit¨aten Ia¸si und Bukarest, wo er als Pianist in einer Tanzschule t¨atig war, sowie an der Sorbonne in Paris. 1936 nach Berlin u¨ bergesiedelt, studierte er seit 1939 Komposition, Dirigieren und Musikwissenschaft, u. a. bei Wilhelm → Furtw¨angler, sowie Philosophie bei Nicolai → Hartmann und Eduard → Spranger und wurde mit der Dissertation Formbildende Elemente in der Kompositionstechnik des Josquins de Pr´es zum Dr. phil. promoviert. 1946-51 Dirigent und k¨unstlerischer Leiter des Philharmonischen Orchesters Berlin, war er anschließend bei verschiedenen internationalen Orchestern t¨atig. 1961 u¨ bernahm er die Leitung des Schwedischen Radio-Symphonieorchesters, war 1972-79 Leiter des Stuttgarter Radio Symphonieorchesters und wurde 1979 als Generalmusikdirektor nach M¨unchen berufen. Unter C. erlebten die M¨unchner Philharmoniker einen vielbeachteten Aufstieg. Seit 1979 war er Mitglied der Bayerischen Akademie der Sch¨onen K¨unste. C. komponierte vier Symphonien, eine Suite f¨ur Orchester und ein Klavierkonzert. Auch als Musikp¨adagoge t¨atig, unterrichtete er u. a. an der Accademia musicale Chigiana in Siena und war Honorarprofessor an der Univ. Mainz (1978-91) und an der Musikhochschule M¨unchen (1991). C MGG Cell, Erhard, eigentl. E. Hoorn, auch Celler, Historiker, Philologe, * 10. 1. 1546 Zell / Mosel, † 9. 6. 1606 T¨ubingen. C. legte w¨ahrend des Besuchs der Schule in Mainz seinen eigentlichen Namen Hoorn ab und nannte sich fortan nach seinem pf¨alzischen Geburtsort. Nach dem Studium war er zun¨achst Rektor des Contuberniums in T¨ubingen und wurde

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1568 o. Prof. der Poesie und der Geschichte an der dortigen Universit¨at. Von seinen Werken erschienen neben Vorlesungen und Reden auch Herzog Friedrichs zu W¨urttemberg Reisen nach Engelland und Italien und Imagines professorum Tubingensium ab anno 1577 ad 1596 im Druck.

Cella, Johann Jakob, Jurist, Publizist, * 27. 2. 1756 Bayreuth, † 30. 11. 1820 Ansbach. Der Sohn eines aus Korsika eingewanderten Musikers studierte 1771-75 in Erlangen Jurisprudenz und war anschließend am Reichskammergericht in Wetzlar und als Advokat in seiner Heimatstadt Bayreuth t¨atig. Seit 1778 in markgr¨aflich Ansbach-Bayreuther Diensten, begleitete er den Minister Carl von → Gemmingen-Guttenberg nach Paris und wurde 1781 zum Justizrat und Amtmann von Herrieden und Burgthann ernannt. 1788-96 amtierte C. als f¨urstlich nassauischer Regierungs- und Kanzleidirektor in Weilburg und seit 1797 als Kreisdirektor in Schwabach. 1808 wurde er Kreisrat in Ansbach, 1810 Lokalkommissariats- und Oberadministrationsrat in N¨urnberg und kehrte 1817 als bayerischer Regierungsrat nach Ansbach zur¨uck. Einen Namen als Publizist machte sich C. u. a durch seine Freym¨uthigen Aufs¨atze (3 Bde., 1784-86) und durch juristisch-politische Schriften (Von Zerschlagung der Bauern-G¨uter und Bauernlehen, und deren Einschr¨ankung, 1783). C ADB

Cella, Ludwig Sebastian, Musiker, Komponist, Jurist, Schauspieler, * um 1750 Bayreuth, † 1802 (?) Wien. Nach dem in Erlangen und G¨ottingen absolvierten Studium der Jurisprudenz trat C. 1775 in Klattau (B¨ohmen) in o¨ sterr. Kriegsdienste. 1777 konvertierte er zum kath. Glauben, nahm seinen Abschied und u¨ bersiedelte nach Bamberg. Finanziell unterst¨utzt von F¨urstbischof Adam Friedrich von → Seinsheim, bet¨atigte er sich dort als Komponist und Musiker und wurde von F¨urstbischof Franz Ludwig von → Erthal zum Hofkammerfourier ernannt. Seit 1790 Haushofmeister bei der verwitweten Markgr¨afin → Sophie Caroline Marie von Kulmbach, kam C. 1798 wegen seiner Heirat mit einer Schauspielerin um seine Entlassung an, gr¨undete in Bayreuth eine eigene Schauspielergesellschaft und trat in B¨ohmen und zuletzt in Wien als Schauspieler auf. Er ver¨offentlichte u. a. Meine Gedanken von Strafen unehelicher Schw¨angerungen (1783); zu seinen Kompositionen z¨ahlen Musikalische Bl¨atter f¨ur Freunde der Musik (1794) sowie XVII Ver¨anderungen f¨urs Fortepiano, oder Clavichord (1798) zu → Mozarts Don Giovanni.

Cellarius, Balthasar, evang. Theologe, * 10. 10. 1614 Rottleben bei Frankenhausen (Th¨uringen), † 15. 9. 1689 Helmstedt. Der Sohn eines Pastors begann 1632 in Jena das Studium der Theologie, erlangte 1636 den Magistergrad und war 1637-41 als Dozent t¨atig. Nach einem Aufenthalt in Wittenberg begab er sich als Mentor eines Adligen 1642 nach Helmstedt, hielt dort Vorlesungen und wurde 1644 Prediger von St. Ulrich in Braunschweig. 1648 erfolgte seine Berufung zum Generalsuperintendenten und Prof. des Neuen Testaments in Helmstedt. Seit 1650 Dr. theol. und Abt des Klosters Mariental, amtierte C. 1662 auch als Vizerektor der Universit¨at. Als sein Hauptwerk gilt das Examen potiorum controversarium, quae ecclesiis A. Confessioni addictis cum pontificiis intercedunt (1657). C ADB Cellarius, Christoph, Philologe, Historiker, Geograph, * 22. 11. 1638 Schmalkalden, † 4. 6. 1707 Halle. Nach dem 1656-63 in Jena und Gießen absolvierten Studium der alten und der orientalischen Sprachen, der Geschichte, Theologie und Mathematik wurde C., Sohn des Hallenser Superintendenten Christoph C., 1667 Lehrer in Weißenfels, 1673 Rektor in Weimar, 1676 in Zeitz. Seit 1688 Rektor der

Cementarius Merseburger Domschule, wurde er 1693 Prof. der Beredsamkeit und der Geschichte an der Univ. Halle. Dort schuf er die Statuten der Philosophischen Fakult¨at, leitete seit 1696 die Bibliothek, ferner das Franckesche Seminarium Praeceptorum, seit 1697 auch das erste deutsche Philologische Seminar und war 1697 / 98 Prorektor. C. ver¨offentlichte neben Lehrb¨uchern der klassischen und orientalischen Sprachen r¨omische Geschichtsb¨ucher, eine Geographia antica (1686) und eine Geographia nova (1687). Er f¨uhrte die Geographie als Lehrfach ein und setzte gegen den Widerstand der Theologen in seinem postum 1709 als Historia universalis zusammengefaßt erschienenen Werk die Periodisierung der Geschichte in Altertum, Mittelalter und Neuzeit durch. C NDB

Cellarius, Ludwig Friedrich, eigentl. Keller, evang. Theologe, * 23. 11. 1745 Quittelsdorf bei Rudolstadt, † 22. 5. 1818 Rudolstadt. C., Magister der Philosophie und Baccalaureus der Theologie, war zun¨achst Dozent an der Univ. Jena. 1777 wurde er in Rudolstadt zum Diakon und 1786 zum Konsistorialassessor ernannt. 1793 erfolgte seine Berufung zum Konsistorialrat, 1788 die zum Oberpfarrer. Neben etlichen theologischen und philosophischen Abhandlungen in lateinischer Sprache schrieb C. u. a. eine Anleitung zum rechten Gebrauch der Vernunft in Erkenntniß der Wahrheit und Vermeidung des Irrthums, oder erleichterte Vernunftlehre (1778) und eine Schrift u¨ ber Das christliche Verhalten in Absicht auf grosse, oft furchtbare Begebenheiten der Natur (1790), deren Erl¨os ¨ den Opfern einer Uberschwemmung zugute kam. C ADB Cellarius, Simon, eigentl. Hauskeller, Komponist, * 1488 Altenburg, † 1544 Kohren (Sachsen). C. ließ sich 1509 an der Univ. Wittenberg immatrikulieren. 1521 / 22 war er nachweislich Kantor in Zwickau, danach bis 1544 luth. Pfarrer in G¨oßnitz und bis zu seinem Tod Pfarrer in Kohren. Vermutlich schon fr¨uh ein Anh¨anger → Luthers, geh¨orte er zu den fr¨uhen Komponisten protestantischer Kirchenmusik als liturgischen Bestandteils der neuen Lehre. Zu seinen Werken f¨ur den Gottesdienst z¨ahlen Psalmen im Fauxbourdonstil, etliche Motetten und 134 Hymnen. Einige davon erschienen 1538 in der von Georg → Rhaw in Wittenberg herausgegebenen Sammlung fr¨uher protestantischer Kirchenmusik Selectae harmoniae, zu der → Melanchthon die Vorrede schrieb. C MGG Celtis, Konrad, auch Celtes, eigentl. Bickel oder Pickel, Beiname Protucius, Humanist, Dichter, Kosmograph, * 1. 2. 1459 Wipfeld bei Schweinfurt, † 4. 2. 1508 Wien. C., Sohn eines Weinbauern, begann seine Studien an der Univ. K¨oln, wurde 1479 Baccalaureus artium und beendete 1485 als Sch¨uler Rudolf → Agricolas mit dem Magistertitel seine artistischen Studien in Heidelberg. 1486 hielt C. in Leipzig Vorlesungen u¨ ber Poetik und die Trag¨odien Senecas, wurde 1487 als erster Deutscher von Kaiser → Friedrich III. zum Dichter gekr¨ont, hielt sich 1487-89 zu humanistischen Studien in Italien auf, studierte naturwissenschaftliche F¨acher in Krakau und war 1491 / 92 a. o. Prof. der Poetik und Rhetorik in Ingolstadt. 1492 / 93 u¨ bernahm er das Rektorat der Domschule in Regensburg, kehrte 1494 als Prof. nach Ingolstadt zur¨uck, gr¨undete eine Sodalitas litteraria in Heidelberg und wurde 1497 von → Maximilian I. als o. Prof. der Rhetorik und Dichtkunst an die Univ. Wien berufen, wo er den Ausbau der Sodalit¨aten vorantrieb und 1501 Vorstand des neugegr¨undeten „Collegium poetarum et mathematicorum“, einer Gelehrtenakademie nach italienischem Vorbild, wurde.

1486 verfaßte C. in Leipzig mit der Ars versificandi et carminum die erste Poetik des deutschen Humanismus. Lyrisches Hauptwerk C.’ sind die 1502 erschienenen, Maximilian I. gewidmeten Quatuor libri Amorum (neu hrsg. von Felicitas Pindter, 1934), vier in sich geschlossene, zyklisch verbundene Liebesdichtungen mit Holzschnitten u. a. von → D¨urer; unvollendet blieben die Libri Odarum quatuor (1531; neu hrsg. von Felicitas Pindter, 1937). Durch Erstausgaben machte C. Senecas Trag¨odien, Tacitus’ Germania, die Dramen der → Hrotsvit von Gandersheim und das Barbarossa-Epos Ligurinus des → Gunther von Pairis bekannt. Seine Beschreibung der Stadt N¨urnberg von 1502 war Anregung zu eingehenderer Erforschung des Altertums. Durch die Auff¨uhrung von antiken Kom¨odien durch Sch¨uler des Poetenkollegiums an der Univ. Wien und durch die von C. selbst verfaßten Festspiele Ludus Dianae (1502) und Rhapsodia, laudes et victoria de Boemanis (1505) erhielt das Theater n¨ordlich der Alpen zukunftsweisende Anst¨oße. Im Testament C.’ erscheint die von ihm entdeckte Tabula Peutingeriana. Aus dem Nachlaß wurden f¨unf B¨ucher Epigramme (Nachdr. durch Karl Hartfelder, 1963) und der Briefwechsel (hrsg. von Hans → Rupprich, 1934) ver¨offentlicht. C. gilt als der deutsche „Erzhumanist“; sein Bildungsprogramm, zuerst in einer 1492 in Ingolstadt gedruckten Antrittsrede faßbar, wird als entscheidend f¨ur die Entstehung des deutschen Nationalbewußtseins angesehen. Quelle, Inbegriff und Ziel allen Wissens war f¨ur C. die Philosophie als Universalwissenschaft. Sein Werk wurde von seinen Sch¨ulern, darunter Johannes → Cuspinian, Jacob → Locher und → Aventinus weitergef¨uhrt. WEITERE WERKE UND AUSGABEN: Proseuticum ad Friedericum III. 1487. – Epitoma in utramque Ciceronis rhetoricam cum arte memorativa nova et modo epistolandi utilissimo. Ingolstadt 1492. – Septenaria sodalitas litteraria Germaniae. 1500. – Gernot Michael M¨uller: Die „Germania generalis“ ¨ des C. C. Studien mit Edition, Ubersetzung und Kommentar. T¨ubingen 2001. – C. C. Protucii Panegyris ad duces Bava¨ riae. Mit Einleitung, Ubersetzung und Kommentar. Hrsg. v. Joachim Gruber. Wiesbaden 2003. LITERATUR: Lewis W. Spitz: C. C., the German ArchHumanist. Cambridge (Mass.) 1957. – Eckart Sch¨afer: Deutscher Horaz. Wiesbaden 1976. – Volker Sinemus: Poetik und Rhetorik im fr¨uhmodernen deutschen Staat. G¨ottingen 1978. – Dieter Wuttke: Humanismus als integrative Kraft. Die Philosophia des deutschen „Erzhumanisten“ C. C. N¨urnberg 1985. – Tibor Klaniczay: C. und die Sodalitas litteraria per Germaniam. In: Festschrift Paul Raabe. Amsterdam 1987, S. 79-105. – Ulrike Auhagen u. a. (Hrsg.): Horaz und C. T¨ubingen 2000. – Peter Luh: Kaiser Maximilian gewidmet. Die unvollendete Werkausgabe des C. C. und ihre Holzschnitte. Frankfurt / Main 2001. – J¨org Robert: C. C. und das Projekt der deutschen Dichtung. T¨ubingen 2003. – K. C. und N¨urnberg. Akten des interdisziplin¨aren Symposions vom 8. und 9. November im Caritas-Pirckheimer-Haus in N¨urnberg. Hrsg. v. Franz Fuchs. Wiesbaden 2004. – Christopher B. Krebs: Negotiatio Germaniae. G¨ottingen 2005. Reinhard M¨uller

Cementarius, Johannes, auch Caementarius, Coementarius, evang. Theologe, * um 1558 / 59 Ohmden (heute Kr. Esslingen), † 1620 Blaubeuren. Der Sohn eines Pfarrers erlangte 1579 die Magisterw¨urde und studierte Theologie in T¨ubingen. 1580-82 war C. Diakon in Klagenfurt, 1583 in Tuttlingen, wurde 1583 Pfarrer in Tuningen und ging noch im selben Jahr als Oberhofprediger am Landhaus nach Linz. Von dort floh er 1600 und 1601 und wurde schließlich 1603 Pfarrer in Fellbach bei Stuttgart. Seit 1605 war C. Superintendent in Blaubeuren, 1609-20 in Regensburg. Zu seinen nachgelassenen Schriften z¨ahlt Das

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Ceram Leben und Sterben des elenden Menschen . . .; eine Untersuchung / was eigentlich die Ursach sey / daß viele Menschen sich selbst entleiben? (1607).

Ceram, C. W. → Marek, Kurt W. Ceratinus, Jakob, eigentl. Teyng, auch Erasmus Jacobus Hornensis, Humanist, * Hoorn, † 30. 4. 1530 L¨owen. Im zweiten Jahrzehnt des 16. Jh. bewarb sich C. in L¨owen vergeblich um eine Professur des Lateinischen und Griechischen, unterrichtete dann in Tournai und floh 1520 vor Pest und Krieg nach Deutschland. Nach einem Aufenthalt in Erfurt immatrikulierte er sich auf Empfehlung des → Erasmus von Rotterdam an der Univ. Leipzig als Griechischlehrer. 1529 kehrte er nach L¨owen zur¨uck. Auf Anregung des Erasmus, der seine Gelehrsamkeit sch¨atzte, gab C. 1524 einen Dictionarius Graecus heraus. Ihm widmete C. auch sein Buch De sono litterarum praesertim Graecarum (1529), in dem er f¨ur die von Erasmus propagierte Aussprache des Griechischen eintrat. C ADB Cerf, Raphael Friedrich, eigentl. Rudolf Cerfberr, Theaterdirektor, * 1782 Unterreißheim / Main, † 6. 11. 1845 Berlin. Der einer j¨udischen Kaufmannsfamilie entstammende C. lebte 1802-11 als H¨andler in Dessau und trat 1815 als Oberkriegskommiss¨ar vor¨ubergehend in russische Dienste. 1822 begann er auf einem eigenen Grundst¨uck am Berliner Alexanderplatz mit dem Bau des 1824 er¨offneten K¨onigst¨adtischen Theaters. Als der daf¨ur gegr¨undete Aktienverein 1829 in Zahlungsschwierigkeiten geriet, deckte er mit seinem eigenen Verm¨ogen das Defizit und u¨ bernahm bis zu seinem Tod die Leitung des Theaters. C., der die besondere Gunst → Friedrich Wilhelms III. genoß, machte sich um die Entwicklung des Systems der staatlich subventionierten Privattheater und um die 1869 endg¨ultig erfolgte Abschaffung der Theatergewerbeordnung verdient. Zun¨achst nur mit einer Lizenz f¨ur volkst¨umliches Theater versehen, f¨uhrte C. erst Vaudevilles und Berliner Lokalpossen auf und nahm sp¨ater auch italienische Opern in sein Repertoire auf. C NDB Cerri, (Gaetano) Cajetan, Pseud. Bayard, Veritas, o¨ sterr. Schriftsteller, Journalist, Beamter, * 26. 3. 1826 Bagnolo bei Brescia, † 27. 5. 1899 Karlsbad. Der Sohn eines o¨ sterr. Distriktkommiss¨ars in Cremona kam 1839 zur Erziehung an ein Wiener Konvikt. Seit 1845 war er Mitarbeiter von Adolf → B¨auerles „Wiener Theaterzeitung“, in der seine ersten Gedichte erschienen. 1848 trat er in den o¨ sterr. Staatsdienst ein, lehrte daneben italienische Sprache und Literatur am Wiener Konservatorium und war zu¨ letzt Sektionsrat im Ministerium des Außeren. Frucht seiner schriftstellerischen T¨atigkeit waren u. a. die Gedichtb¨ande Gl¨uhende Liebe. Deutsche Lieder eines Italieners (1850) und Inneres Leben (1860) sowie die dramatische Dichtung Sturm und Rosenblatt (1872). In den f¨unfziger Jahren redigierte C. die Grazer Damenzeitung „Iris“ und schrieb 1852-56 unter den Pseudonymen „Veritas“ und „Bayard“ Wiener Briefe u¨ ber das Burgtheater f¨ur die „Leipziger Theaterchronik“. C DSL Cerri-Bukovics, C¨acilie, T¨anzerin, * 6. 2. 1872 Turin, † 17. 1. 1931 Wien. Ausgebildet an der Mail¨ander Scala und bei franz¨osischen und russischen Ballettmeistern, kam C.-B. nach Engagements in London und am Petersburger Hoftheater 1905 an die Wiener Staatsoper. Dort tanzte sie als Primaballerina assoluta alle großen klassischen Rollen und feierte besondere Erfolge in den Balletten Silvia, Coppelia, Excelsior und Die roten Schuhe. 1918 beendete sie ihre aktive B¨uhnenlaufbahn und u¨ bernahm die Leitung der Ballettschule der Wiener Oper. 1921 zog sie sich vom Theater zur¨uck und er¨offnete eine eigene Ballettschule, aus der das seinerzeit bekannte C¨acilie-Cerri-Ballett hervorging.

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Cerrini di Monte Varchi, Heinrich Frh. von, Milit¨ar, Staatsmann, * 7. 1. 1740, † 13. 2. 1823. Der Sohn eines kurf¨urstlich s¨achsischen K¨ammerers trat 1755 als Kadett in die s¨achsische Armee ein, nahm an mehreren Feldz¨ugen und – seit 1805 Generalmajor und Generalinspekteur der Infanterie – 1806 an der Schlacht bei Jena teil. Nach dem Frieden von Posen in Dresden mit geheimen Kabinettgesch¨aften betraut, wurde er 1807 von K¨onig → Friedrich August I. zum Kabinettsminister und Staatssekret¨ar f¨ur die Angelegenheiten des Milit¨arkommandos ernannt. 1809 war er Gouverneur von Dresden und Oberkommandierender der Truppen. 1813 begleitete er den K¨onig auf der Flucht nach Regensburg und Prag und bekleidete nach der R¨uckkehr interimistisch das Amt des Außenministers. Durch die auf dem Wiener Kongreß beschlossene Abtretung ¨ der H¨alfte Sachsens an Preußen vorerst seiner Amter enthoben, wurde C. di M. V. 1815 bei der R¨uckkehr des K¨onigs erneut zum Gouverneur von Dresden und zum Kabinettsminister ernannt. C Neuer Nekr, Jg. 1

Cerrini di Monte Varchi, Klemens Franziskus Xaver Frh. von, Milit¨ar, * 16. 12. 1785 Luckau (Lausitz), † 5. 6. 1852 Pillnitz bei Dresden. Von seinem Onkel Heinrich von → C. di M. V. 1799 in das s¨achsische Kadettenkorps gebracht, nahm C. di M. V. 1806 an der Schlacht von Jena teil, geriet vor¨ubergehend in franz¨osische Gefangenschaft und diente als s¨achsischer Offizier in den franz¨osischen Garnisonen in Warschau und Danzig. 1812 nahm er als Hauptmann am Rußlandfeldzug teil und machte 1813 als Chef des Generalstabs der s¨achsischen Division Napoleons R¨uckzugsgefechte in Schlesien mit. Nach der Besetzung Sachsens wurde er mit seinen Truppen in das 3. deutsche Armeekorps eingegliedert. Seit 1816 war er milit¨arischer Erzieher s¨achsischer Prinzen, 1831-49 als Generalleutnant mit dem Oberkomando des s¨achsischen Heeres betraut. Er schrieb Die Feldz¨uge der Sachsen in den Jahren 1812 und 1813 (1821). C Neuer Nekr, Jg. 30

Cerutti, Friedrich Peter Ludwig, Mediziner, * 24. 8. 1789 Zeitz, † 26. 7. 1858 Leipzig. Das Studium der Medizin an der Univ. Leipzig beendete C. 1814 mit der Promotion (De telluris in organismum animalem actione) und trat noch im selben Jahr als Hilfsarzt in das dortige Klinische Institut ein. 1817 gr¨undete er eine Kinderpoliklinik, die sp¨ater mit dem Klinischen Institut zu einer Allgemeinen Poliklinik zusammengelegt und von ihm geleitet wurde. Mehrere Schlaganf¨alle zwangen C., seit 1827 auch a. o. und von 1839 an o. Prof. an der Univ. Leipzig, 1852 ¨ alle seine Amter aufzugeben. Neben einigen Einzeluntersuchungen gab er 1821-25 das aus f¨unf B¨anden bestehende Pathologisch-anatomische Museum heraus, eine Sammlung pathologisch-anatomischer Beobachtungen. C ADB

Cervaes, Matthias, T¨aufer, * 1536 Ottenheim (auch Kottenem, Cottenheim), † 30. 6. 1565 K¨oln. Von Zelis, dem T¨auferf¨uhrer und Wanderprediger aus der Eifel, zum T¨aufertum bekehrt, trat C., im eigentlichen Beruf Leinenweber, zusammen mit Heinrich Kruf am Niederrhein als Prediger auf und nahm in großem Umfang Taufen vor. 1565 wurde er in K¨oln w¨ahrend eines n¨achtlichen Gottesdienstes zusammen mit etlichen seiner Anh¨anger verhaftet, gab aber auch unter der Folter keine Namen anderer Prediger preis. Im Gef¨angnis verfaßte er eine Anzahl handschriftlich verbreiteter oder wie die 11 Auserlesenen Sendbriefe (1565) im Druck erschienener Lieder und Trostbriefe im Stil der Psalmen. Den anhaltenden Bekehrungsversuchen durch kath. Geistliche und den Gelehrten Georg → Cassander, der zwei seiner Gespr¨ache mit ihm sp¨ater ver¨offentlichte, verweigerte sich C., wurde als Ketzer zum Tod durch das Schwert verurteilt und hingerichtet. C NDB

Chajes ˇ Cerveny, V´aclav Frantiˇsek, Instrumentenbauer, * 27. 9. 1819 Dubeˇc (B¨ohmen), † 19. 1. 1896 K¨oniggr¨atz. ˇ gr¨undete 1842 in K¨oniggr¨atz eine BlechinstrumentenC. fabrik mit angeschlossener Glockengießerei, die seit 1876 ˇ als „V. F. Cerveny u. S¨ohne“ firmierte. Er baute etliche verschieden geformte Kontrabaßinstrumente f¨ur die Harmoniemusik, verbesserte die Ventilsysteme der Blasinstrumente und erfand 1846 die Tonwechselmaschine und 1873 die Walzenmaschine, ferner die Blasinstrumente Phonikon, Baroxyton, Kornon, Kontrabaß, Kontrafagott, Subkontrabaß und Subkontrafagott sowie Milit¨artrommeln aus Aluminium. ˇ verfaßte auch Berichte u¨ ber seine auf Ausstellungen in C. Paris (1867) und Moskau (1872) gezeigten Blechblasinstrumente. Cervicornus, Eucharius, eigentl. Hirtzhorn, Drucker, † nach 1547. Von C. ist bekannt, daß er sich 1513 an der Univ. K¨oln immatrikulierte und dort ein Haus besaß, in dem Martin von Werden eine Druckerei unterhielt, die C. einschließlich der gotischen Typen und Druckst¨ocke 1516 u¨ bernahm. Haupts¨achlich mit humanistischen Schriften besch¨aftigt, druckte er 1517 die Defensio Reuchlini. Seit 1520 arbeitete er einige Zeit mit Hero Fuchs (auch Alopecius) zusammen, verlegte selber einige B¨ucher und war von 1521 an vor allem f¨ur den Verleger Gottfried → Hittorp t¨atig. 1535 gr¨undete C. eine Filiale in Marburg, wo er auch in die Matrikel der Univ. aufgenommen wurde. Dort druckte er vorwiegend Schriften medizinischen und astronomischen Inhalts und 1535 vermutlich in Zusammenarbeit mit dem K¨olner Drucker Johann → Heyl die englische Bibel¨ubersetzung von Miles Coverdale. C NDB Ceslaus, Dominikaner, * Ende 12. Jh. wahrscheinlich in Schlesien, † 15. 7. 1242 Breslau. ¨ Uber die fr¨uhe Geschichte des Dominikanerm¨onchs gibt es ¨ nur legendarische Uberlieferungen. Er kam noch vor 1226 nach Breslau, wo er das Kloster zum Heiligen Adalbert gr¨undete. Als dessen erster Prior und als Provinzial der polnischen Ordensprovinz machte sich C. um die Christianisierung Schlesiens verdient. Die Legende, daß seinen Gebeten 1241 die Befreiung Breslaus von den mongolischen Belagerern zu verdanken sei, f¨uhrte zur kultischen Verehrung seiner Gebeine, die durch die Seligsprechung 1713 von Papst Clemens XI. approbiert wurde. Sein Fest wird in Breslau am 20. Juli begangen. C LThK

Cetto, Anton Frh. von, Diplomat, * 7. 3. 1756 Zweibr¨ucken, † 23. 3. 1847 M¨unchen. C., Sohn eines Kaufmanns und Bankiers, amtierte seit 1796 als Gesch¨aftstr¨ager Pfalz-Zweibr¨uckens und nach der 1799 ¨ erfolgten Ubernahme des Kurf¨urstentums Bayern durch → Maximilian IV. (seit 1806 K¨onig Maximilian I. Joseph) als Gesandter Bayerns in Paris. C. unterzeichnete 1806 eigenm¨achtig und als erster Diplomat die Rheinbundakte. 1813 nach M¨unchen berufen und bis dahin Doyen der Diplomaten des Rheinbundes, geh¨orte C. 1815 auf dem Wiener Kongreß dem Außenpolitischen Ausschuß an. Als Gegner des Deutschen Bundes und Verfechter einer bayerisch-franz¨osischen Freundschaft zog er sich die Ungnade der preuß. Regierung zu. Trotz der Unterst¨utzung durch Maximilian Joseph von → Montgelas verweigerte ihm K¨onig Maximilian I. Joseph daher die neuerliche Entsendung nach Paris, ernannte ihn aber 1817 zum Staatsrat. C Leb Pfalz, Bd 3 Ceulen, Ludolph van, auch van Col(l)en, van Coeulen, Colon(i)us, Ackermann, Mathematiker, * 28. 1. 1540 Hildesheim, † 31. 12. 1610 Leiden. Der wahrscheinlich einer K¨olner Familie entstammende C. lebte nach dem fr¨uhen Tod seines Vaters zun¨achst in Livland und sp¨ater bei seinem Bruder in Antwerpen. Anschließend

war er als Lehrer der Mathematik in Breda, Amsterdam, Delft (1584-86), Arnheim und seit 1594 in Leiden t¨atig. In Delft und Leiden versah er dar¨uber hinaus das Amt eines Fechtmeisters. 1595 wurde ihm in Leiden ein eigenes Schulhaus zur Verf¨ugung gestellt und 1600 auf Veranlassung des Statthalters Moritz von Oranien die Professur f¨ur „Duytsche Math´ematique“ u¨ bertragen, die neben der Mathematik auch Vorlesungen u¨ ber die Kriegsbaukunst in niederdeutscher Sprache enthielt. Ber¨uhmt wurde C. durch die von ihm mittels Ausdehnung des Verfahrens des Archimedes berechnete Zahl π („Ludolphsche Zahl“) auf zun¨achst 20 Dezimalstellen (Van de Circkel [. . .]). In sp¨ateren Abhandlungen ver¨offentlichte er die Berechnung dieser Zahl auf 32 bzw. 35 Dezimalstellen. Zu C.s Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Fundamenta arithmetica et geometrica (1615), De circulo & adscriptis liber. In quo plurimorum polygonorum latera per irrationalium numerorum griphos, quorum libet autem per numeros absolutos secundum algebricarum æquationum leges explicantur (1619). C NDB

Ceumern, Kaspar von, Jurist, Historiker, * 1613 Salze bei Magdeburg, † 22. 11. 1692 Riga. Nach dem Studium in Rostock praktizierte C. in Livland als Advokat; 1657 wurde er Ritterschaftssekret¨ar und Beisitzer des Hofgerichts und 1652 Beisitzer des Landgerichts in Pernau. 1662 in den schwedischen Adel erhoben, war er seit 1675 Landrichter von Pernau. 1677 gab er seine Sekret¨arsstelle bei der Livl¨andischen Ritterschaft auf und wurde Vizepr¨asident des Hofgerichts in Dorpat, 1686 Landrat. 1690 erschien in Riga sein Theatridium Livonicum oder kleine Lieffl¨andische Schaub¨uhne. Darin f¨uhrte er die Namen aller Ordensmeister und Erzbisch¨ofe, die Namen der livl¨andischen St¨adte, Schl¨osser und Kl¨oster im Jahre 1555 und die aller Kirchen im Jahr 1690 auf, lieferte ein Verzeichnis aller ausgestorbenen und noch bl¨uhenden Adelsgeschlechter Livlands und druckte die livl¨andischen Privilegien wie das Privilegium Sigismundi Augusti ab.

Chaimowicz, Georg Wolfgang, o¨ sterr. Maler, Graphiker, Zeichner, Plastiker, * 3. 6. 1929 Wien, † 5. 6. 2003 Wien. C., Sohn eines j¨udischen Textilfabrikanten, emigrierte 1939 zusammen mit seinen Eltern u¨ ber Prag und Amsterdam nach Kolumbien. 1940 / 41 und 1948 nahm er Unterricht an der Schule der Sch¨onen K¨unste in Bogot`a bei Ignacio G´omez Jaramillo, kehrte anschließend nach Wien zur¨uck und studierte 1949-55 bei Sergius → Pauser, Herbert → Boeckl und Martin Polasek an der Akademie der Bildenden K¨unste. Danach arbeitete C. als freischaffender K¨unstler in Vence (Frankreich) und Wien. Sein k¨unstlerisches Werk umfaßt Gem¨alde ¨ Collagen und Kleinplastiken aus Draht und anderen in Ol, Materialien; den Schwerpunkt bilden jedoch Zeichnungen. Inhaltlich thematisierte C. u. a. antisemitische und faschistische Tendenzen innerhalb der Gesellschaft (zum Beispiel in der 2000 Bl¨atter umfassenden Serie Zeichnungen gegen Neonazis und Gesichtslose). W¨ahrend er sich zu Beginn seines Schaffens am o¨ sterr. Fr¨uhexpressionismus orientierte, erhielt in seinen sp¨ateren Arbeiten die Farbe weiß als „Farbe aller Farben“ eine besondere Symbolkraft und wurde zum dominierenden Element in seinen Werken (u. a. Surface, 1974). C AKL Chajes, Benno, Sozialmediziner, Politiker, * 14. 11. 1880 Danzig, † 3. 10. 1938 Ascona (Schweiz). Der Kaufmannssohn studierte seit 1898 in Berlin und Freiburg / Breisgau Medizin, wurde 1903 promoviert (Die nerv¨osen St¨orungen des Herzens), verbrachte seine Assistentenzeit an der Berliner Charit´e und in Paris und er¨offnete anschließend eine dermatologische Praxis in Berlin. 1919 wurde er Dozent und 1930 Honorarprofessor der Sozialund Gewerbehygiene an der TH Berlin und 1932 als Nachfolger Alfred → Grotjahns a. o. Prof. an der Universit¨at.

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Chajes Neben zahlreichen Einzeluntersuchungen verfaßte er u. a. ein Kompendium der sozialen Hygiene (1921, 31931) und gab 1919-32 die „Zeitschrift f¨ur soziale Hygiene, F¨ursorgeund Krankenhauswesen“ und das „Zentralblatt f¨ur Gewerbehygiene und Unfallverh¨utung“ heraus. C., Mitglied der SPD, war 1915-20 Stadtverordneter in Berlin-Sch¨oneberg und 1928-33 Mitglied des Preuß. Landtags. 1933 emigrierte er nach Pal¨astina, wo er als sozialhygienischer Berater im Krankenkassenwesen t¨atig war und ein privates Krankenhaus mitgr¨undete. C. starb auf einer Reise. C Altpreuß Biogr, Bd 4

Chajes, Hirsch Perez, Rabbiner, Philologe, * 13. 10. 1876 Brody, † 13. 12. 1927 Wien. Der einer alten j¨udischen Gelehrtenfamilie entstammende C. studierte an der Univ. Wien Philosophie und an der J¨udischTheologischen Lehranstalt Theologie, wurde 1894 promoviert (Studium zum Ev. Marci bez¨uglich der semitischen Vorlage desselben) und erhielt 1899 das Rabbinerdiplom. 1902 wurde er Prof. f¨ur Geschichte und Bibelwissenschaft am Collegio Rabbinico Italiano, 1904 Prof. f¨ur Bibelexegese und orientalische Sprachen an der dortigen Universit¨at. Seit 1912 Oberrabbiner in Triest, kam C. 1918 als stellvertretender Oberrabbiner nach Wien und wurde nach dem Tod seines Vorg¨angers noch im selben Jahr Oberrabbiner. Er verfaßte u. a. Markus-Studien (1899) und Beitr¨age zur nordsemitischen Onomatologie (1900) und ver¨offentlichte zahlreiche Beitr¨age in der von ihm mitredigierten „Rivista Israelitica“. C. war 1921-25 Pr¨asident des Zionistischen Aktionskomitees sowie Gr¨under und Vorsitzender der J¨udischen V¨olkerbundliga. Neben anderen kulturellen Einrichtungen rief er das J¨udische Realgymnasium in Wien ins Leben.

Chajes, Saul, o¨ sterr. Archivar, * 15. 5. 1884 Brody, † 15. 3. 1935 Wien. C., Neffe des Wiener Oberrabbiners Hirsch Perez → C., wandte sich nach dem Abschluß seiner Rabbinatsstudien dem Bibliotheksfach zu und wurde 1917 Bibliothekar der Israelitischen Kultusgemeinde Wien; seit 1925 leitete er deren Archiv. Er verfaßte einige Bibliographien hebr¨aischer Literatur und gab 1933 das Pseudonymen-Lexikon der hebr¨aischen und jiddischen Literatur heraus. C Wininger

Chalybaeus, Heinrich Franz, Jurist, * 5. 5. 1840 Kiel, † 26. 12. 1911 Kiel. C., Sohn von Heinrich Moritz → C., war nach der Promotion zum Dr. jur. 1864 (De renuntiatione societatis ab uno sociorum facta ejusque effectu ex jure Romanorum) in verschiedenen kirchlichen und staatlichen Beh¨orden als Jurist t¨atig. Seit 1889 Hilfsarbeiter im Kultusministerium in Berlin, wurde er dort 1890 zum Regierungs- und Vortragenden Rat ernannt. Daneben geh¨orte C. seit 1868 dem holsteinischen Landeskonsistorium und seit 1882 dem Landes- und dem Provinzialkonsistorium Hannover an. 1891 wurde er Konsistorialpr¨asident und Universit¨atskurator in Kiel, 1903 Pr¨asident des Landeskonsistoriums in Kiel und Kurator des Klosters Loccum. C. war Mitglied der Eisenacher Konferenz und des Deutschen Evang. Kirchenausschusses. 1878 gab er einen Kommentar zur Kirchengemeinde- und Synodalordnung f¨ur Schleswig-Holstein, 1886 Kirchengesetze der evangelisch-lutherischen Kirche der Provinz Hannover und eine Sammlung kirchenrechtlicher Vorschriften heraus.

Chalyb¨aus, Heinrich Moritz, Philosoph, * 3. 7. 1796 Pfaffroda / Erzgebirge, † 22. 9. 1862 Kiel. Das 1816 begonnene Studium der Philologie, Philosophie und Theologie beendete C., Sohn eines Pastors, 1820 mit der Promotion zum Dr. phil. Anschließend war er in Wien und seit 1822 in Dresden als Lehrer t¨atig und unterrichtete seit 1825 an der F¨urstenschule in Meißen, seit 1828

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an der Dresdner Milit¨arakademie. Hier entstand nach einer Geschichte der R¨omer von der Gr¨undung der Stadt bis zum Untergange des abendl¨andischen Kaisertums (4 Bde., 1829-32) seine erste philosophische Schrift (Historische Entwickelung der speculativen Philosophie von Kant bis Hegel, 1837, 51860). Seit 1839 o. Prof. der Philosophie an der Univ. Kiel, machte sich C. in der Folgezeit als Verfasser weiterer philosophischer Werke (u. a. System der speculativen Ethik oder Philosophie der Familie, des Staates und der religi¨osen Sitte, 2 Bde., 1850) sowie als Rezensent der „Jenaer Literaturzeitung“ und des „Literarischen Centralblatts“ einen Namen. In seinen philosophisch-theologischen Schriften (u. a. Philosophie und Christentum. Ein Beitrag zur Begr¨undung der Religionsphilosophie, 1853) legte er auf → Kant und die Ethikotheologie begr¨undete, gegen den Hegelianismus gerichtete Auffassungen dar. C. war der Vater von Heinrich Franz → C. C ADB

Chamberlain, Houston Stewart, Schriftsteller, Kulturphilosoph, * 9. 9. 1855 Southsea bei Portsmouth (Großbritannien), † 9. 1. 1927 Bayreuth. Der Sohn eines britischen Admirals begann 1879 in Genf ein naturwissenschaftliches Studium und trieb 1884-89, beeindruckt von der Philosophie → Kants, dem Deutschen Idealismus und der deutschen Klassik, philosophisch-literarische Studien in Dresden. 1889 u¨ bersiedelte er nach Wien, wo er sich als freier Schriftsteller bet¨atigte. Seit seiner Heirat (1909) mit Eva von B¨ulow, einer Tochter Richard → Wagners und Cosima von B¨ulows (→ Wagner), lebte er in Bayreuth und nahm 1916 die deutsche Staatsb¨urgerschaft an. Schlagartig bekannt wurde er durch seine kulturhistorische Programmschrift Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts (2 Bde., 1899, 281942). Die kulturpessimistische Geschichtsdeutung Joseph Arthur de Gobineaus, die „Rasse“ als vorgegebenes „Urph¨anomen“ betrachtete, lehnte er ab. C., der den H¨ohepunkt deutscher Kultur in seinem Schwiegervater Wagner (Richard Wagner, 1896, 111942, engl. 1897) verk¨orpert glaubte, trat dagegen f¨ur eine durch „Zuchtwahl“ begr¨undete germanische „Rassegemeinschaft“ ein, die allein Genies wie Kant (Immanuel Kant. Die Pers¨onlichkeit als Einf¨uhrung in das Werk, 1905, 51938) und → Goethe (Goethe, 1912, 51931) hervorbringen k¨onne. Sein v¨olkisch-germanisches, antisemitisches Denken (Arische Weltanschauung, 1905, Neuausg. 1997) beeinflußte u. a. → Wilhelm II. und → Hitler. C.s Autobiographie erschien unter dem Titel Lebenswege meines Denkens (1919, 31942). C Enz Phil Wiss

Chambon, Eduard Egmont Joseph, Jurist, * 23. 7. 1822 Leipzig, † 3. 3. 1857 Prag. Das 1840 in Leipzig begonnene und sp¨ater in Berlin fortgesetzte Studium der Jurisprudenz beendete C. 1844 an der Univ. G¨ottingen mit der Promotion zum Dr. jur. 1848 habilitierte er sich an der Univ. Jena (Acto quae dicitur quod iussu adumbrata) und wurde 1850 zum a. o. Prof. und zum Beisitzer am Sch¨oppenstuhl ernannt. 1853 erhielt er eine o. Professur des r¨omischen Rechts in Prag. C. verfaßte die Monographie Die negotiorum gestio (1848) sowie Beitr¨age ¨ zum Obligationsrecht (1851) und war Mitarbeiter der „Osterreichischen Bl¨atter f¨ur Literatur und Kunst“. C ADB Chamen, Daniel von, Fabrikant, 15. Jh. Der aus Frankreich stammende Messingfabrikant C. ließ sich 1450 in Aachen nieder, wo schon seit dem 14. Jh. eine Messingindustrie bestand. Der Rat der Stadt u¨ berließ ihm den Spieher, ein großes Haus auf der Burtscheider Straße, f¨ur die Messingfabrikation, die eine f¨ur die Stadt eintr¨agliche und stetig wachsende Bedeutung erlangte. Erst als Kaiser → Matthias 1614 u¨ ber Aachen die Acht verh¨angte und der

Charbonnier vertriebene alte Rat der Stadt zur¨uckkehrte und die Rekatholisierung vorantrieb, verließen die u¨ berwiegend protestantischen Messingfabrikanten Aachen und verlegten ihre Produktion in das benachbarte Stolberg. C ADB

Chamisso, Adelbert von, eigentl. Louis Charles Ad´ela¨ıde de C. de Boncourt, Dichter, Naturforscher, * 30. 1. 1781 Schloß Boncourt (Champagne), † 21. 8. 1838 Berlin. Der dem lothringischen Adel entstammende C., dessen Familie Frankreich infolge der Revolution verlassen mußte und schließlich nach Berlin floh, wurde 1796 Page der K¨onigin Friederike Luise von Preußen, mit deren Unterst¨utzung er das franz¨osische Gymnasium sowie die Milit¨arakademie besuchen konnte; 1798 trat er in das preuß. Heer ein und wurde 1801 Leutnant. Da er sich nicht zum Offizierskorps zugeh¨orig f¨uhlte, widmete er sich neben der Besch¨aftigung mit der Philosophie Rousseaus, Epiktets und → Kants dem Studium der deutschen Dichtung, geh¨orte dem „Nordsternbund“ an und folgte 1802 seinen Eltern, die nach Frankreich zur¨uckgekehrt waren. 1804-06 gab er zusammen mit → Varnhagen von Ense den „Gr¨unen Almanach“ heraus; 1806 entstand Adelberts Fabel. Wegen der politischen Ereignisse lebte C. seit 1806 abwechselnd in Frankreich und Berlin; 1810 machte er durch August Wilhelm → Schlegel die Bekanntschaft Mme. de Sta¨els, der er 1811 ins Exil nach Schloß Coppet am Genfer See folgte, wo er sich mit Botanik besch¨aftigte. 1812 begann er in Berlin ein naturwissenschaftliches Studium, verließ die Stadt beim Ausbruch der Befreiungskriege zeitweise und begab sich auf das Gut Kunersdorf; dort entstand seine bekannte M¨archennovelle Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1814). 1815-18 nahm C. als Naturforscher an einer Weltumseglung unter dem Kapit¨an Otto von → Kotzebue teil, deren wissenschaftliche Erkenntnisse er u. a. in der Reise um die Welt mit der Romanzoffischen Entdeckungsexpedition (1836, engl. 1986) ver¨offentlichte. Seit 1819 Kustos am Herbarium und Botanischen Garten in Sch¨oneberg, trat er in den folgenden Jahren als Dichter sozialer Lyrik hervor (u. a. Die alte Waschfrau; Frauen-Liebe und Leben, von Robert → Schumann vertont). Er stand den Dichtern des Vorm¨arz nahe, die er 1833-39 als Herausgeber des „Deutschen Musenalmanachs“ zu f¨ordern suchte. Mit seinen Beschreibungen und Systematisierungen erwarb sich C. einen Ruf als Florist bestimmter Regionen Amerikas, der Arktis und der S¨udsee. Von grunds¨atzlicher Bedeutung ist die von ihm mit Johann Friedrich von → Eschscholtz gemachte Beobachtung des Generationswechsels der Tiere am Beispiel der Salpen. Wertvoll waren auch seine Forschungen zur Entstehung der Korallenriffe. Chantraine, Heinrich, Historiker, * 10. 2. 1929 Betzdorf / Sieg, † 9. 12. 2002 Mossautal bei Erbach (Odenwald). C. studierte 1948-55 Geschichte und Klassische Philologie an der Univ. Mainz und wurde mit Untersuchungen zur r¨omischen Geschichte am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. promoviert. 1965 habilitierte er sich dort mit der Arbeit Freigelassene und Sklaven im Dienst der r¨omischen Kaiser und hatte 1967-95 den neu geschaffenen Lehrstuhl f¨ur Alte Geschichte an der Univ. Mannheim inne. 1970-73 war er Prorektor, 1985-88 Rektor der Univ. Mannheim. C. besch¨aftigte sich besonders mit der r¨omischen Republik, der Sozialgeschichte der r¨omischen Kaiserzeit und der christlichen Sp¨atantike. Grundlegend wurden seine Forschungen auf dem Gebiet der antiken Maße und Gewichte sowie seine Beitr¨age zur Sozialgeschichte des Mittelalters. 1967 wurde C. korrespondierendes Mitglied des Deutschen Arch¨aologischen Instituts, 1988 der Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz. Er ver¨offentlichte u. a. Die antiken Fundm¨unzen von Neuss (1982) und Die Nachfolgeordnung Constantin des Großen (1992).

Chapiro, Joseph, seit 1934 Jos´e C., Schriftsteller, Kriti-

¨ ker, Ubersetzer, * 19. 11. 1893 Kiew, † 13. 1. 1962 New York. Nach dem Besuch der hebr¨aischen Schule in Jaffa studierte C. in Genf, Paris und Berlin, wo er sich 1926 dauerhaft niederließ. 1917 trat er mit seiner in mehrere Sprachen u¨ bersetzten Schrift La paix g´en´erale est possible erstmals publizistisch hervor. Seine Arbeiten zur Kriegsschuldfrage faßte er 1927 in Les origines de la grande guerre zusammen. C., Mitarbeiter mehrerer deutscher, franz¨osischer, o¨ sterr. und amerikanischer Zeitungen, war zusammen mit dem franz¨osischen Regisseur Firmin G´emier f¨ur die Begr¨undung eines „Welttheaters“ t¨atig und trat aktiv f¨ur die Wiederbelebung des durch den Ersten Weltkrieg unterbrochenen deutsch¨ franz¨osischen Kulturaustausches ein. C. arbeitete als Ubersetzer (u. a. der Werke Maxim Gorkis), gab den Essayband F¨ur Alfred Kerr. Ein Buch der Freundschaft (1928) heraus und verfaßte, Ein Gespr¨ach mit Gerhart Hauptmann (1932), Romane und die Kom¨odie Jules, Juliette und Julien (1930). Nach seiner Emigration in die USA war er auch dort als Journalist und Schriftsteller t¨atig und wurde Mitglied der American Aacademy of Politics and Social Science. C Lex dt-j¨ud Autoren

Chappius, Hermann von, Kultusbeamter, * 11. 5. 1855 Landeshut (Schlesien), † 18. 12. 1925 Berlin. Aus einer Schweizer, 1797 in Preußen nobilitierten Familie stammend, studierte C. Jura in Leipzig, Bonn und Breslau (Corps Borussia), wurde 1876 Referendar und 1882 Gerichtsassessor. Seit 1883 Landrat in Schubin, bearbeitete er seit Ende 1888 am Regierungspr¨asidium Posen die konfessionell wie national heiklen Volksschulangelegenheiten. Von Minister Gustav von → Goßler 1890 in das Kultusministerium geholt, ernannte ihn 1891 dessen Nachfolger Robert von → Zedlitz und Tr¨utzschler zum Referenten f¨ur Volksschulfragen. C. r¨uckte 1903 als Direktor an die Spitze der Geistlichen Abteilung des Kultusministeriums, zumal er als tief gl¨aubiger Protestant mit der kath. Zentrumspartei zu kooperieren verstand. 1911 machte ihn Minister August von → Trott zu Solz zu seinem Unterstaatssekret¨ar. Schon am Revolutionstag, dem 9. 11. 1918, erbat C. als u¨ berzeugter Monarchist seine Pensionierung. Dem um die Kirche der altpreußischen Union verdienten C. verlieh die Univ. Breslau 1911 den Dr. theol. h. c. C L¨udicke Chapuset, Johann Karl, Philologe, * 25. 9. 1694 Altdorf, † 29. 12. 1770 N¨urnberg. Der Sohn eines nach der Aufhebung des Edikts von Nantes nach Franken geflohenen Franzosen besuchte die Lorenzer Schule in N¨urnberg und bezog 1714 die Univ. Altdorf. 1715 begann er in Halle ein Studium der Mathematik und Philosophie, das er 1718 aus Geldmangel jedoch abbrechen mußte. Seit 1719 Franz¨osischlehrer am Gymnasium ¨ von Ohringen, wurde C. 1726 zum Informator im Hause der ¨ Grafen Hohenlohe-Ohringen bestellt und kehrte 1750 nach N¨urnberg zur¨uck, wo er Franz¨osisch und Mathematik unterrichtete. Neben einigen franz¨osischen Grammatiken verfaßte er Unentbehrliche Anfangsgr¨unde der franz¨osischen Sprache (1750) und eine Sammlung teutscher Fabeln aus der Natur¨ und Weltgeschichte (1767) zur Ubersetzung in das Franz¨osische; daneben besch¨aftigte er sich mit der Verbesserung der Kanonen¨ofen und lieferte eine Beschreibung verschiedener ¨ bequemer Ofen, zur Bef¨orderung der Holzmenage (1757). Charbonnier, Hans (Arno), Kommunalbeamter, * 31. 3. 1878 Skandau (Kr. Gerdauen, Ostpreußen), † 15. 1. 1944 Br¨odelwitz (Kr. Steinau / Oder). Aus einer ostpreußischen Gutsbesitzerfamilie stammend, studierte C. seit 1895 in K¨onigsberg Jura, wurde 1898 Gerichtsreferendar und 1903 Gerichtsassessor. Er schied bald

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Chargaff aus der Justizlaufbahn aus, arbeitete bei der Stadt Charlottenburg und wurde 1905 als 2. B¨urgermeister nach Liegnitz gerufen. 1912 w¨ahlten ihn die Stadtverordneten zum Nachfolger des legend¨aren Oberb¨urgermeisters Ottomar Oertel, dessen moderne Verwaltungslinie C. weiterverfolgte. Er f¨orderte die Liegnitzer Gartenbaugesellschaft, so daß in der Stadt 1927 die von zwei Millionen Menschen besuchte Deutsche Gartenbau- und Schlesische Gewerbeausstellung stattfinden konnte. C. war Mitglied des schlesischen Provinzialausschusses, 1912-18 des Preußischen Herrenhauses (Neue Fraktion) und seit 1926 stellvertretendes Mitglied des Preußischen Staatsrats. Im Zuge der nationalsozialistischen „Gleichschaltung“ mußte der der Deutschen Volkspartei nahestehende C. im Juli 1934 als einer der letzten demokratisch gew¨ahlten Oberb¨urgermeister Schlesiens sein Amt aufgeben. C Liegnitz

Chargaff, Erwin, Biochemiker, * 11. 8. 1905 Czernowitz, † 20. 6. 2002 New York. C., Sohn eines Bankiers, zog bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit seiner Familie nach Wien, wo er seit 1923 zun¨achst Germanistik und Gr¨azistik, dann Chemie an der dortigen Technischen Hochschule studierte und 1928 mit der Arbeit Beitr¨age zur Kenntnis der Reaktionsf¨ahigkeit des elementaren Jods promoviert wurde. 1928-30 war er Stipendiat der Yale University und danach Assistent f¨ur Chemie an der Univ. Berlin. 1933 emigrierte C. nach Frankreich, wo er am Institut Pasteur t¨atig war, ging 1935 nach New York und arbeitete an der Columbia University. Seit 1938 Assistant Professor, baute er ein Laboratorium f¨ur Zellchemie auf, wurde 1946 zum Associate Professor, 1952 zum Prof. f¨ur Biochemie ernannt und war 1970-74 Direktor der Abteilung f¨ur Biochemie an der Columbia University. C. analysierte die Anteile der verschiedenen Stickstoffbasen bestimmter Nukleins¨auremolek¨ule und entdeckte Anfang der f¨unfziger Jahre die stereochemische Basenkomplementarit¨at in der Desoxyribonukleins¨aure (DNS) sowie deren Funktionsweise als Informationstr¨ager der Vererbung. Seine Arbeiten auf diesem Gebiet haben entscheidend zur Entdeckung der Doppelhelixstruktur der DNS durch James Dewey Watson und Francis Harry Compton Crick beigetragen. Nach wissenschaftlichen Studien (u. a. Essays on nucleic acids, 1963) und der Autobiographie Heraclitean fire. Sketches from a life before nature (1978, dt. Das Feuer des Heraklit. Skizzen aus einem Leben vor der Natur, 1979) ver¨offentlichte C., der auch Aphorismen, Gedichte und Dialoge schrieb, kulturund wissenschaftskritische Essays, darunter Unbegreifliches Geheimnis. Wissenschaft als Kampf f¨ur und gegen die Natur (1980, 31986), Warnungstafeln. Die Vergangenheit spricht zur Gegenwart (1983), Kritik der Zukunft (1983, 41990), Zeugenschaft. Essays u¨ ber Sprache und Wissenschaft (1985), Vem¨achtnis. Essays (1992), Ein zweites Leben. Autobiographische und andere Texte (1995, 22000), Die Aussicht vom 13. Stock. Neue Essays (1998), Ernste Fragen (2000) und Stimmen im Labyrinth. Drei Dialoge u¨ ber die Natur und ihre Erforschung (2003). Scharf kritisierte er den modernen Wissenschaftsbetrieb sowie die Methoden der Gentechnologie („Die Manipulation der Gene ist moralische Umweltverschmutzung.“) C. war seit 1971 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. C Killy Chargesheimer, Karl-Heinz, eigentl. Hargesheimer, Photograph, Maler, * 19. 5. 1924 K¨oln, † 31. 12. 1971 / 1. 1. 1972 K¨oln. C. studierte Graphik und Photographie an der Werkkunstschule K¨oln und besch¨aftigte sich 1948-53 vorwiegend mit experimenteller Photographie und Lichtgraphiken. 1950 gab er die Photozeitschrift „Photo und Film Reporter“ heraus und wandte sich 1953 ganz dem Photojournalismus zu. 1951-56 lehrte C. an der Schule f¨ur Photographie und

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Film „Bild und Klang“ (Bikla) in D¨usseldorf. 1961-67 war er als B¨uhnenbildner, Regisseur und Theaterphotograph t¨atig und schuf 1968 als Plastiker kinetische Skulpturen. Besonders bekannt wurde C. durch seine rheinischen Großstadtaufnahmen. Zusammen mit Heinrich → B¨oll vero¨ ffentlichte er die Bildb¨ande Im Ruhrgebiet (1958) und Menschen am Rhein (1960). Bevorzugtes Motiv und Thema weiterer B¨ucher C.s waren die Straßen seiner Heimatstadt K¨oln. C. nahm sich in der Silvesternacht 1971 / 72 das Leben. Nach seinem Tod erschienen 1983 seine von Reinhold Mißelbeck herausgegebenen gesammelten Photographien 1949-70.

Charisius, Christian Ehrenfried, B¨urgermeister, * 1684 Stralsund, † 1760 Stralsund. Der Sohn des Stralsunder Ratsherrn (1673-81) und B¨urgermeisters (1681-97) Christian Ehrenfried C. studierte in Halle und Jena. Seit 1716 Ratsherr von Stralsund, wurde er 1733 in das Amt des B¨urgermeisters gew¨ahlt, das er bis zu seinem Tod bekleidete. C. befaßte sich besonders mit der Geschichte Stralsunds, erweiterte die Stadtbibliothek, legte eine f¨ur Pommern bedeutende Sammlung von Urkunden und Genealogien an, verfaßte historische Abhandlungen und schrieb Gedichte. C ADB

Charisius, Christian Ludewig, Mediziner, * 21. 2. 1692 K¨onigsberg, † 24. 1. 1741. Der Sohn des Juristen Karl Heinrich → C. studierte Medizin und Jurisprudenz und wurde 1715 in K¨onigsberg zum Dr. med. promoviert (De vertigine). Seit 1717 war er a. o., von 1720 an o. Prof. der Medizin an der dortigen Universit¨at. 1738 wurde C., Mitglied der Berliner Societ¨at der Wissenschaften, zum kgl. Hofrat und Leibmedikus ernannt. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen u. a. Schriften u¨ ber den Drehschwindel und u¨ ber die Wirkung des Genusses verdorbenen Wassers sowie eine Abhandlung De usu aquarum in medicina (o. J.). C Altpreuß Biogr, Bd 1 Charisius, Karl Emanuel, Mediziner, * August 1714 Stralsund, † 24. 4. 1779. C., Neffe des Stralsunder B¨urgermeisters Christian Ehrenfried → C., begann 1743 an der Univ. Greifswald ein Studium der Medizin, wechselte 1746 an die Univ. Leiden, kehrte 1747 nach Greifswald zur¨uck und wurde zum Dr. med. promoviert (De olfactu deficiente). Anschließend als praktischer Arzt in Stralsund t¨atig, wurde er dort 1749 zum Adjunkten des Garnisonsarztes Johann Gottlieb Tuercke und nach dessen Tod 1764 selber zum Garnisonsmedikus ernannt. C. gab einige medizinische Abhandlungen in lateinischer Sprache heraus und publizierte u. a. Carmen saeculare (1756). Charisius, Karl Heinrich, Jurist, * 2. 6. 1650 Frankfurt / Oder, † 29. 12. 1709 K¨onigsberg (Ostpreußen). Der Sohn eines Syndikus und Professors der Jurisprudenz studierte in Frankfurt / Oder und Franeker Rechtswissenschaften und wurde dort 1678 zum Dr. jur. promoviert. 1679 ließ er sich in K¨onigsberg nieder, wurde von der Univ. als Privatdozent zugelassen, disputierte dort u¨ ber allgemeine juristische Themen und amtierte als Hofgerichtsadvokat. Seit 1681 a. o. Prof. der Rechtswissenschaften, wurde C. 1684 Assessor und sp¨ater Rat am K¨onigsberger Konsistorium. Sein Sohn war der Mediziner Christian Ludewig → C. C Altpreuß Biogr, Bd 1 Charlemont, Hugo, o¨ sterr. Maler, * 18. 3. 1850 Jamnitz (M¨ahren), † 18. 3. 1939 Wien. Wie sein Vater, ein akademischer Maler, und andere Mitglieder seiner Familie schlug C. eine k¨unstlerische Laufbahn ein. 1873 trat er als Sch¨uler des Landschaftsmalers Eduard → Peithner von Lichtenfels in die Wiener Akademie ein und setzte sein Studium in Holland, bei seinem Bruder Eduard

Charpentier C. und bei Hans → Makart in Wien fort. Zu C.s Gouachen, ¨ Aquarellen und Olbildern z¨ahlen Stilleben, Landschaften, Genrebilder und Portr¨ats wie das Kaiser → Franz Josephs als K¨onig von B¨ohmen. Ferner schuf er Darstellungen von Interieurs, Tierbilder und siebzig 1908 in einer Sonderausstellung gezeigte Landschaften von der Insel Brioni. C. war auf etlichen großen Ausstellungen in Wien, Berlin und M¨unchen vertreten, malte das Deckengem¨alde im B¨ufettsaal des Wiener Burgtheaters aus und war der Hauptillustrator der von Kronprinz → Rudolf begr¨undeten Reihe Die o¨ sterreichischungarische Monarchie in Wort und Bild. C AKL

unberechenbaren und trunks¨uchtigen Gatten, den sein eigener Vater sp¨ater zu Tode foltern ließ, bald mißhandelt. Sie starb 1715 bei der Geburt des sp¨ateren Zaren Peter II. Als erstes Mitglied des Kaiserhauses wurde sie in der damals noch unvollendeten Peter-und-Paulskirche in St. Petersburg beigesetzt. 50 Jahre nach ihrem Tod tauchten Ger¨uchte auf, C. sei damals nicht gestorben, habe sp¨ater als Frau eines franz¨osischen Offiziers in Amerika gelebt und ihren Lebensabend, finanziell unterst¨utzt von ihrer Nichte Kaiserin → Maria Theresia, in Europa verbracht. C ADB

Charlier, (Franz) Albert (Viktor), Industrieller,

* 29. 9. 1766 London, † 6. 10. 1828 Ludwigsburg. C., a¨ lteste Tochter K¨onig → Georgs III. von England, heiratete 1797 Herzog Friedrich II. von W¨urttemberg (seit 1806 → Friedrich I. K¨onig von W¨urttemberg). Sie galt als begabte Malerin und Kupferstecherin. Die seit 1816 verwitwete K¨onigin C. war f¨ur ihre pers¨onliche Bescheidenheit und ihr soziales Engagement bekannt. Sie zahlte etlichen Armen den Mietzins, verschaffte Arbeitslosen bezahlte Besch¨aftigung und entrichtete f¨ur deren Kinder das Lehrgeld. C Neuer Nekr, Jg. 6

* 1. 4. 1814 R¨ottgen bei Monschau, † 22. 4. 1894 Wiesbaden. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Aachen trat C. in die v¨aterliche Spedition „Charlier & Scheibler“ ein und u¨ bernahm 1843 die Leitung der K¨olner Firmenfiliale. 1845 gr¨undete er zusammen mit dem L¨utticher Fabrikanten Ferdinand van der Zypen in Deutz die „Eisenbahnwagen- und Maschinenfabrik van der Zypen & Charlier“. Anfangs noch unter starkem Konkurrenzdruck der britischen Waggonbauer, entwickelte sich C.s Unternehmen durch die Nachfrage der im Rheinland gebauten neuen Eisenbahnlinien zu einem f¨uhrenden Betrieb in Deutschland und Europa. 1869 errichtete er ein Zweigwerk in Riga, anschließend ein weiteres in Batum (heute Batumi) am Schwarzen Meer, in dem Tankwaggons f¨ur den Transport von Erd¨ol produziert wurden. Aufgrund der russischen Zollpolitik wurde die „Russischbaltische Waggonfabrik van der Zypen & Charlier“ 1890 an eine russische Aktiengesellschaft verkauft. Das Deutzer Unternehmen ging 1928 in der „Vereinigten Westdeutschen Waggonfabriken AG“ auf. C NDB

Charlotte, Großherzogin von Luxemburg, * 23. 1. 1896 Schloß Berg (Luxemburg), † 9. 7. 1985 Schloß Fischbach (Luxemburg). Die dem Nassauer Herzogshaus entstammende C. heiratete 1919 den Prinzen Felix von Bourbon-Parma und bestieg im selben Jahr nach der Abdankung ihrer Schwester → Marie Adelheid den luxemburgischen Thron. Im Zweiten Weltkrieg wandte sie sich vergeblich gegen die Besetzung ihres Landes durch die deutsche Wehrmacht. 1940 emigrierte C. mit ihrer Regierung zun¨achst nach Großbritannien, hielt sich anschließend in den USA auf und kehrte 1945 zur¨uck.

Charlotte, Kaiserin von Mexiko, * 7. 6. 1840 Schloß Laeken (heute zu Br¨ussel), † 19. 1. 1927 Bouchoute bei Br¨ussel. C., Tochter K¨onig Leopolds von Belgien aus dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha, heiratete 1857 den o¨ sterr. Erzherzog → Maximilian, mit dem sie meistens in Schloß Miramare bei Triest residierte. 1863 von Napoleon III. zur Annahme der mexikanischen Kaiserkrone gedr¨angt, schiffte sich Maximilian 1864 nach Mexiko ein. Nach dem R¨uckzug der franz¨osischen Truppen aus Mexiko und dem Sieg der Republikaner im B¨urgerkrieg fiel Maximilian 1867 in die H¨ande seiner Gegner, wurde zum Tod verurteilt und erschossen. C., die vergeblich versucht hatte, beim Papst und 1866 in Paris Hilfe zu erlangen und ihren Gemahl zu retten, verfiel bei der Nachricht seines Todes in geistige Umnachtung. Sie lebte bis an ihr Lebensende in verschiedenen Schl¨ossern in Belgien.

Charlotte Christine Sophie, Kronprinzessin von Rußland, geb. Prinzessin von Braunschweig-Wolfenb¨uttel, * 28. 8. 1694 Wolfenb¨uttel, † 1. 11. 1715 St. Petersburg. Die Enkelin Herzog → Anton Ulrichs von BraunschweigWolfenb¨uttel wurde 1711 in Torgau mit dem russischen Thronfolger Alexej verheiratet, dem Sohn Zar Peters I. C. genoß zwar die Zuneigung Peters I., wurde jedoch von ihrem

Charlotte Augusta, K¨onigin von W¨urttemberg,

Charoux, Siegfried (Joseph), auch Charous, eigentl. Buchta, Pseud. Chat Roux, Bildhauer, Karikaturist, * 15. 10. 1896 Wien, † 26. 4. 1967 London. Nach dem Studium an der Kunstgewerbeschule Hanak und der Akademie der bildenden K¨unste in Wien war C., Sohn eines Zivilingenieurs, 1924-27 als politischer Karikaturist bei der „Arbeiter-Zeitung“ t¨atig. Bis 1935 schuf er Reliefs und Skulpturen f¨ur o¨ ffentliche Geb¨aude und einige Denkm¨aler in Wien (u. a. Lessing-Denkmal 1933). 1935 nach London ausgewandert, experimentierte C. mit neuen Techniken und zeigte u. a. seine lebensgroßen Terrakottafiguren auf zahlreichen Ausstellungen. 1939 bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kurzzeitig interniert, bet¨atigte er sich in o¨ sterr. Emigrantenorganisationen und gestaltete die o¨ sterr. Sendungen der BBC mit. Nach Kriegsende vor allem in Großbritannien t¨atig, erhielt er 1946 die britische Staatsb¨urgerschaft, wurde 1948 Dozent an der Royal Academic Sculpture School und 1956 Mitglied der Royal Society. Seit 1950 experimentierte er mit Fiberglas und Polyester, von 1956 an mit neuen Maltechniken. In Wien gestaltete er 1945 u. a. Denkm¨aler f¨ur Bertha von → Suttner und Richard → Strauss. C AKL Charpentier, Johann von, auch Han(n)s v. C., Glazialforscher, * 8. 12. 1786 Freiberg (Sachsen), † 12. 9. 1855 Bex (Kt. Waadt). Der Sohn von Johann Friedrich Wilhelm Toussaint von → C. arbeitete nach dem Besuch der Bergakademie Freiberg zun¨achst bei seinem Bruder Toussaint von → C. in Oberschlesien. 1808-12 war er mit der Erschließung von Eisenerzgruben in den Pyren¨aen befaßt, wo er sein als grundlegend geltendes, mit einem Profil und einer geologischen Karte versehenes Werk Essai sur la constitution g´eologique des Pyr´en´ees verfaßte. Darin beschrieb er u. a. die horizontale Verschiebung der Ostpyren¨aen. Seit 1813 leitete C. die Salzwerke von Bex. Daneben entwickelte er sich durch seine Forschungen im Wallis zum bedeutendsten Glazialforscher seiner Zeit. Dabei f¨uhrte er die glazialen Erscheinungen des Wallis noch 1834 auf eine fr¨uhere, aus der gr¨oßeren H¨ohe der Alpen resultierende Vergletscherung zur¨uck. In dem Essai sur les glaciers et sur le terrain erratique du bassin du Rhˆone (1841) bewies er, daß die Gletscher allein Mor¨anen verschoben, erst nach der Bildung der Alpen entstanden und aus einzelnen, in den Alpent¨alern verlaufenden Str¨omen gebildet wurden. 1815 geh¨orte C. zu den Gr¨undern der Schweizer Naturforschenden Gesellschaft; 1829 wurde er zum Ehrenprofessor der Akademie in Lausanne ernannt. C NDB

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Charpentier Charpentier, Johann Friedrich Wilhelm Toussaint von, Geologe, H¨uttendirektor, * 24. 6. 1738 Dresden, † 27. 7. 1805 Freiberg (Sachsen). C., Sohn eines Hauptmanns, studierte Rechts- und Naturwissenschaften in Leipzig und wurde 1766 zum Prof. der Mathematik, Zeichenkunst, Mechanik und Physik an der neugegr¨undeten Bergakademie Freiberg berufen. 1773 wurde er zum Bergkommissionsrat und Mitglied des s¨achsischen Oberbergamts ernannt. Daneben leitete er einige Zeit das Alaunwerk in Schwemsal, reiste 1785 nach Ungarn, pr¨ufte die dort eingef¨uhrte Amalgamation auf ihre Tauglichkeit f¨ur Sachsen und gr¨undete 1787 ein Amalgamierwerk in Halsbr¨ucke. 1800 wurde er Vizeberghauptmann, 1802 Berghauptmann und leitete das s¨achsische Bergwesen. Er schrieb u. a. 1778 die Mineralogische Geographie der Churs¨achsischen Lande, ein Werk, das die erste detaillierte geologische Karte Sachsens enth¨alt und der Gliederung in Tonschiefer, Grund-, Steinkohle- und Fl¨ozgebirge folgt. 1799 ver¨offentlichte C. Beobachtungen u¨ ber die Lagerst¨atte der Erze, haupts¨achlich aus den S¨achsischen Gebirgen, 1804 einen Beytrag zur geognostischen Kenntniss des Riesengebirges schlesischen Antheils. Seine S¨ohne Toussaint und Johann von → C. wurden ebenfalls Geologen, seine Tochter Julie war 1798 mit → Novalis verlobt. C NDB Charpentier, Toussaint von, Berghauptmann, Geologe, * 22. 11. 1779 Freiberg (Sachsen), † 4. 3. 1847 Brieg (Schlesien). Wie sein Vater Johann Friedrich Wilhelm Toussaint und sein Bruder Johann von → C. wandte sich C. dem Bergfach zu. Das f¨ur den Eintritt in das staatliche Bergwesen ben¨otigte rechtswissenschaftliche Studium absolvierte er seit 1797 an der Univ. Leipzig. Nach einer einj¨ahrigen T¨atigkeit am Oberhofgericht in Leipzig trat er als Bergsekret¨ar in Schlesien in preuß. Staatsdienste und avancierte zum Bergamtsdirektor und Oberbergamtsassessor in Waldenburg. Seit 1806 Bergrat, seit 1810 Oberbergrat in Brieg und Mitglied des Breslauer Oberbergamtskollegiums, wurde er 1828 zum Vizeberghauptmann von Schlesien ernannt. Seit 1826 war C. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. 1830 wurde er als Berghauptmann und Direktor des westf¨alischen Oberbergamtes nach Dortmund versetzt und kehrte 1835 als Berhauptmann nach Schlesien zur¨uck. Neben etlichen geologischen Werken, einer Kurzen Beschreibung s¨ammtlicher bey dem Churf¨urstl. S¨achsischen Amalgamirwerke auf der Halsbr¨ucke bey Freyberg vorkommenden Arbeiten (1802), einer Darstellung der H¨ohen verschiedener Berge, Fl¨usse und Orte Schlesiens (1812) und mehreren Verzeichnissen von Schmetterlingsarten verfaßte er 1820 die Beschreibung einer Italienreise (Bemerkungen auf einer Reise von Breslau u¨ ber Salzburg durch Tyrol, die s¨udlich Schweitz, nach Rom, Neapel und Paestum im Jahre 1818, 2 Tle., 1820). C Neuer Nekr, Jg. 25 Chasˆot, Ludwig Egmont Adolph Graf von, Milit¨ar, * 10. 10. 1763 L¨ubeck (?), † 13. 1. 1813 Pskow (Rußland). C., dessen Vater Stadtkommandant von L¨ubeck und Offizier → Friedrichs des Großen war, diente zun¨achst im franz¨osischen Regiment Royal Allemand und trat 1780 in ein preuß. K¨urassierregiment ein. 1790 nahm er seinen Abschied, wurde jedoch 1804 reaktiviert und Fl¨ugeladjutant K¨onig → Friedrich Wilhelms III. 1809 wurde er nach Friedensschluß Stadtkommandant von Berlin. Dort leitete er einen Ausschuß zur Koordinierung der verschiedenen antinapoleonischen Gruppen in Deutschland. 1812 trat er in russische Dienste und wurde mit der Bildung der russischdeutschen Legion betraut. C NDB

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Chastel, Franz Thomas, Schriftsteller, Philologe, * 30. 1. 1750 Pierefitte (Lothringen), † 2. 11. 1815 Rodheim bei Gießen. W¨ahrend des 1768 in Straßburg begonnenen Studiums der Philosophie und Geschichte eignete sich C., Sohn eines Kaufmanns und Gerichtsschreibers, auch die Kenntnis des Deutschen und Italienischen an. 1771 wechselte er zum Studium der Rechtswissenschaften an die Univ. Mainz; 1775 wurde er dort zum kurmainzischen Stadtsprachmeister ernannt. 1775 zum Universit¨atssprachmeister und Gymnasiallehrer in Gießen berufen, avancierte C. 1779 zum Universit¨atslektor und 1797 zum a. o. Prof. der franz¨osischen Sprache. 1799 gr¨undete er in Gießen eine „¨offentliche franz¨osische B¨urgerkinderschule“. Neben einer Lebensbeschreibung und einer W¨urdigung des 1793 hingerichteten K¨onigs Ludwig XVI. schrieb C. eine Anleitung zum Lesen franz¨osischer Poesien (3 Bde., 1788), Dialoge u¨ ber einige Ge¨ genst¨ande der politischen Okonomie und Philosophie (1789) und ein Tagebuch u¨ ber die kriegerischen Ereignisse in und um Gießen (1796). C Hess Bio, Bd 2 Chasteler, Johann Gabriel Marquis von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 22. 1. 1763 Mons (Belgien), † 10. 3. 1825 Venedig. Der einer Nebenlinie des lothringischen Herzogshauses entstammende C. trat 1776 als Kadett in den o¨ sterr. Milit¨ardienst ein und wurde 1794 Geniedirektor der Festung Mainz. Seit 1795 Oberst, wurde C. mit Grenzregulierungen im geteilten Polen betraut. 1799 diente er in Italien als Generalquartiermeister Suworows, organisierte seit 1800 den Tiroler Landsturm, wurde 1801 zum Feldmarschalleutnant bef¨ordert und nahm 1809 an der R¨uckeroberung Tirols teil. 1812 kommandierte C. in Schlesien und k¨ampfte in der V¨olkerschlacht bei Leipzig. Auf dem Wiener Kongreß mit der Ausarbeitung milit¨arischer Berichte beauftragt, wurde er 1815 zum Stadt- und Festungskommandanten von Venedig ernannt. C Neuer Nekr, Jg. 3

Chateauneuf, Alexis de, Architekt, * 18. 2. 1799 Hamburg, † 31. 12. 1853 Hamburg. Der Sohn eines vor der Revolution aus Frankreich geflohenen und in Hamburg als Buchh¨andler t¨atigen franz¨osischen Adligen erhielt seine Ausbildung zum Architekten in Hamburg, Paris und Karlsruhe und unternahm Studienreisen durch verschiedene europ¨aische L¨ander. 1823 schuf er mit der Villa Sieveking in Hamm sein erstes repr¨asentatives Geb¨aude, dem 1832 das Abendrothsche Haus am Hamburger Jungfernstieg folgte. Nach dem großen Brand von 1842 war C. an der Neuplanung Hamburgs beteiligt und entwarf u. a. das Becken der kleinen Alster mit seinen dar¨uberliegenden Arkaden und die Anlage des Rathausplatzes. 1842-50 gestaltete er den Bau der Petrikirche, ferner das Geb¨aude der Post und verschiedene Privath¨auser mit Fassaden aus unverputzten Back- oder Werksteinen. Die an diesem Baustil in Hamburg ge¨ubte teilweise scharfe Kritik veranlaßte C. zur ¨ zeitweiligen Ubersiedlung nach Oslo, wo er zahlreiche große Neubauten schuf. Er verfaßte etliche theoretische Schriften, darunter die Architectura domestica (1839). C AKL Chaudet, Paul, schweizer. Politiker, * 17. 11. 1904 Rivaz (Kt. Waadt), † 7. 8. 1977 Lausanne. Nach dem Besuch einer Landwirtschaftsschule war C. in der Kommunalpolitik t¨atig. Als Abgeordneter der FreisinnigDemokratischen Partei geh¨orte er 1943-54 dem Nationalrat und 1955-66 dem Bundesrat an. Zun¨achst f¨ur das Justizund Polizeidepartement zust¨andig, erhielt er 1949 das Portefeuille Landwirtschaft, Industrie und Handel. Als Leiter des Milit¨ardepartements f¨uhrte C. eine Reorganisation der ¨ Streitkr¨afte durch und leitete eine Anderung der Verteidigungskonzeption ein. 1959 und 1962 war er Bundespr¨asident der Schweiz. C Schweiz Bundesr¨ate

Chelius Chauvin, Etienne, auch Stephan C., reformierter Theologe, Philosoph, * 18. 4. 1640 Nˆımes, † 6. 4. 1725 Berlin. Nach der Aufhebung des Edikts von Nantes zum Verlassen Frankreichs gezwungen, war C. zun¨achst reformierter Prediger und Pensionatsvorsteher in Rotterdam. 1692 erschien dort sein Hauptwerk, das philosophische W¨orterbuch Lexicon rationale sive thesaurus philosophicus ordine alphabetico digestus (21713). Dessen Erfolg verhalf ihm 1695 zur Berufung nach Berlin. Er wurde Hauptprediger an der reformierten Kirche sowie Inspektor und Prof. der Philosophie am Coll`ege Fran¸cais. C. setzte die in Rotterdam begonnene Herausgabe des „Nouveau journal des savants“ fort und verfaßte ein Lehrbuch der Physik. C ADB Chauvin, Franz von, Milit¨ar, * 16. 5. 1812 L¨uttich, † 17. 5. 1898 Settignano bei Florenz. C. trat 1830 in Koblenz in den preuß. Milit¨ardienst ein und wurde 1846 Lehrer an der Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule in Berlin. Als Leiter des 1854 ins Leben gerufenen Milit¨artelegraphenwesens hatte C. auch den gesamten Fernschreibeverkehr in Preußen unter sich. 1866 wurde er Generaltelegraphendirektor des Norddeutschen Bundes, 1871 des Deutschen Reiches. F¨ur seine Verdienste geadelt, schied C. 1872 als General aus dem Dienst. 1884 ver¨offentlichte er Die Organisation der elektrischen Telegraphie in Deutschland f¨ur die Zwecke des Krieges. C ADB Chavanne, Irene von, S¨angerin, * 18. 4. 1863 Graz, † 26. 12. 1938 Dresden. ¨ Finanziert von Kaiserin → Elisabeth von Osterreich, studierte C., die Tochter eines o¨ sterr. Offiziers, am Wiener Konservatorium, in Paris und Dresden Gesang. Ihr Deb¨ut als ausgebildete Altistin feierte sie 1885 auf der B¨uhne der Dresdner Hofoper, deren Ensemble sie bis 1915 angeh¨orte. 1901 wirkte sie dort bei der Urauff¨uhrung der Oper Feuersnot von Richard → Strauss mit und sang bei der Urauff¨uhrung von dessen Salome (1905) die Partie der Herodias. Weitere große Rollen der 1894 zur s¨achsischen Kammers¨angerin ernannten C. waren die der Azucena im Troubadour, die der Carmen und die der Klyt¨amnestra in Elektra. C Kutsch

Chavanne, Josef, o¨ sterr. Geograph, * 7. 8. 1846 Graz, † 7. 12. 1902 Buenos Aires. Nach dem in Prag und Graz absolvierten Studium bereiste C. 1867-69 die USA, Mexiko, Westindien und Nordafrika. Nach der R¨uckkehr Hilfsarbeiter in der Meteorologischen Reichsanstalt in Wien, wurde er 1875 Sekret¨ar der Wiener k. k. Geographischen Gesellschaft und u¨ bernahm die Herausgabe von deren Mitteilungen. 1884 vom Kongostaat mit topographischen Aufnahmen des Landes betraut, ver¨offentlichte C. 1887 Reisen und Forschungen im alten und neuen Kongostaat in den Jahren 1884 / 85, ein Werk, das sich allerdings sp¨ater zum Teil als Plagiat erwies. 1888 wanderte er nach Buenos Aires aus, wurde 1895 Beamter im dortigen Hydrographischen Institut sowie Mitarbeiter des „Argentinischen Tageblatts“ und schrieb u. a. Die Temperatur- und Regenverh¨altnisse Argentiniens (1902). Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen ferner Die Klimaverh¨alt¨ nisse von Osterreich-Ungarn (1871), Sahara (1879) und ¨ Afrika’s Str¨ome und Fl¨usse (1883). C OBL

Chelard, Hippolyte Andr´e, Dirigent, Komponist, * 1. 2. 1789 Paris, † 12. 2. 1861 Weimar. Wie schon sein Vater, ein Klarinettist, trat C. nach der musikalischen Ausbildung am Konservatorium in Paris und einem dreij¨ahrigen Aufenthalt in Rom 1816 als Violinist in das Orchester der Pariser Oper ein. Der mangelnde Erfolg seiner dort 1827 aufgef¨uhrten Oper Macbeth veranlaßten ihn zur ¨ Ubersiedlung nach M¨unchen, wo sein Werk großen Beifall fand und C. die Stelle eines Hofkapellmeisters erhielt. 1829 in Paris und 1832-33 als Dirigent der Deutschen Oper auch

in London erfolglos, kehrte C. immer wieder nach M¨unchen zur¨uck, um seine Opern Mitternacht, Der Student und 1835 sein mit großem Wohlwollen aufgenommenes Hauptwerk Die Hermannsschlacht herauszubringen. Seit 1836 Kapellmeister in Augsburg, wurde er 1842 Hofkapellmeister in Weimar, f¨uhrte dort seine komischen Opern Der Scheibentoni (1842) und Der Seekadett (1844) auf und kehrte 1852-54 vor¨ubergehend nach Paris zur¨uck. C MGG

Chelidonius, Benedictus, auch Hirundo, Musophilus, eigentl. Benedikt Schwalbe, Benediktiner, Dichter, * um 1460 N¨urnberg, † 8. 9. 1521 Wien. Seit etwa 1485 Benediktinerm¨onch im St. Egidienkloster in N¨urnberg, u¨ bersiedelte C. 1514 in das Schottenkloster in Wien und wurde 1518 dessen Abt. Zahlreiche neulateinische Gedichte und Widmungen weisen ihn als Freund von Willibald und Caritas → Pirckheimer und Johannes → Cochl¨aus sowie als Bewunderer von Konrad → Celtis und → Maximilian I. aus. 1510 stellte er f¨ur → D¨urers Große Passion lateinische Gedichte zusammen, verfaßte 1511 f¨ur die Kleine Passion 37 eigene Gedichte nach dem Vorbild Vergils und des Horaz und mischte in seinen in lateinischen Distichen abgefaßten Bildgedichten zum Marienleben mittelalterliche Marienverehrung mit Elementen antiker Dichtung. Ein typisches Produkt des Humanismus ist sein den Streit zwischen Tugend und Laster behandelndes Fastnachtspiel Voluptatis cum virtute disceptatio (1515). C Killy Chelius, Ferdinand, H¨uttendirektor, * 11. 2. 1835 Dickenschied / Hunsr¨uck, † 6. 6. 1901 Saalfeld. Der ausgebildete Maschinenbauingenieur C., Sohn eines Pfarrers, trat 1856 auf der Hochofenanlage des H¨order Vereins seine erste Stelle an. Seit 1861 im Dienst der Eisenwerksgesellschaft der Maximiliansh¨utte in SulzbachRosenberg und Haidhof in der Oberpfalz, hatte C. maßgeblichen Anteil an deren Aufbau. 1872 u¨ bernahm er die technische Leitung der neuerbauten Hochofenanlage in Unterwellenborn, die er durch die Angliederung eines Bessemerstahl- und eines Blockwalzwerkes weiter ausbaute. Als richtungweisend galt die von C. in den neunziger Jahren durchgef¨uhrte Umstellung der gesamten Hochofenanlage auf die Produktion von Thomasroheisen. C NDB Chelius, Georg Kaspar, Mathematiker, * 22. 3. 1761 Oberstedten bei Bad Homburg, † 8. 3. 1828 Frankfurt / Main. C., Sohn eines Strumpfwirkers, erteilte bereits in jungen Jahren Privatunterricht in seinem Spezialfach, der Mathematik. 1787 u¨ bernahm er in Frankfurt / Main die Vertretung f¨ur einen erkrankten Lehrer und wurde 1788 in die Zahl der „deutschen Schullehrer“ der Reichsstadt aufgenommen. Seit 1797 zweiter Recheneischreiber der Stadt, unterwies er die jungen Kaufleute Frankfurts im kaufm¨annischen Rechnen und der h¨oheren Mathematik. Daneben verfaßte er etliche Abhandlungen u¨ ber das seinerzeit durch die wechselnden politischen Verh¨altnisse im Umbruch befindliche Frankfurter Maß- und Gewichtswesen. Daher ernannte ihn der von Napoleon eingesetzte Großherzog Carl Theodor von → Dalberg 1812 zum Inspektor des Maßes und Gewichtes f¨ur das Departement Frankfurt. 1818-25 bekleidete C. das Amt des ersten Recheneischreibers von Frankfurt und damit des Finanzkontrolleurs der Stadt. Er erarbeitete ein umfassendes Verzeichnis der verschiedenen seinerzeit g¨ultigen M¨unzen, Maße, Wechsel und Gewichte. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren u. a. Aphorismen aus dem Fache der M¨unzgesetzgebung und des ¨ M¨unzwesens (1817), Uber die wahre k¨olnische Mark (1820) und Maß- und Gewichtsbuch (1830).

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Chelius Chelius, Karl Adolf Wilhelm, Maler, * 30. 5. 1856 Frankfurt / Main, † 28. 1. 1923 M¨unchen. Seine k¨unstlerische Ausbildung absolvierte C. 1876-78 an den Kunstakademien von Berlin und Wien, am St¨adelschen Kunstinstitut in Frankfurt und 1879-82 bei Anton → Burger in Kronberg. Danach war er in M¨unchen ans¨assig und verbrachte die Jahre 1885-92 auf Studienreisen, die ihn bis ans Nordkap, nach Palermo, Madrid und St. Petersburg f¨uhrten. Seine ersten Landschafts- und Tierbilder stellte er schon Anfang der achtziger Jahre in Frankfurt aus. Es folgten Ausstellungen u. a. 1892 an der Royal Academy in London, in Berlin (1886-90, 1904) und in M¨unchen (1888, 1901, 1904, 1908). Zu seinen Arbeiten z¨ahlen eine Ansicht von Sch¨onberg im Taunus und vor allem bayerische Landschaften, M¨unchner Vorstadtszenen und ein Blick auf den Maibr¨augarten und die Theresienh¨ohe in M¨unchen. C AKL Chelius, Maximilian Joseph von, Chirurg, Augenarzt, * 16. 1. 1794 Mannheim, † 17. 8. 1876 Heidelberg. C., Sohn eines Chirurgen, bezog 1808 die Univ. Heidelberg, wurde 1812 zum Dr. med. promoviert und trat anschließend in das Zivil- und Milit¨arhospital in M¨unchen ein. Nach einer weiteren Ausbildung bei dem Chirurgen Philipp von Walter in Landshut diente er 1813 als Spitalarzt in Ingolstadt, 1814 als Regimentsarzt in Hochberg und zog mit badischen Truppen nach Frankreich. Bei Vincenz von → Kern und Johann Nepomuk Rust in Wien weitergebildet, nahm C. 1815 als Milit¨ararzt an den letzten Schlachten gegen Napoleon teil. Nach dem Friedensschluß reiste er mit einem Freund, dem Freiburger Chirurgen Karl Joseph Beck, zu Studienzwecken nach Halle, Leipzig, W¨urzburg, Jena und Paris. 1817 wurde er a. o. Prof. der Chirurgie, 1818 o. Prof. der Chirurgie und Augenheilkunde an der Univ. Heidelberg. 1858 wurde C. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Zu den Werken C.s, der als einer der bedeutendsten Chirurgen seiner Zeit gilt, z¨ahlen ein in elf Sprachen u¨ bersetztes Handbuch der Chirurgie (2 Bde., 1822, 81857) und ein Handbuch der Augenheilkunde (2 Bde., 1839-43). 1866 wurde er geadelt. C NDB Chelius, (Philipp) Oskar von, Milit¨ar, Komponist, * 28. 7. 1859 Mannheim, † 12. 6. 1923 M¨unchen. Der Sohn eines Kammerherrn udn Enkel von Maximilian Joseph von → C. studierte 1879-81 in Leipzig und Lausanne Musik und entschied sich dann f¨ur eine milit¨arische Laufbahn. Hauptberuflich aktiver Offizier, kommandierte er 1906-11 die Leibhusaren in Potsdam, avancierte 1911 zum Generalmajor und Fl¨ugeladjutanten Kaiser → Wilhelms II. und wurde 1914 als Milit¨arattach´e nach St. Petersburg entsandt. Daneben komponierte C. Lieder, Klavierst¨ucke, Violinsonaten und die symphonische Dichtung Und Pippa tanzt. Ferner schrieb er mehrere Opern, ein Requiem nach einem Text von Friedrich → Hebbel und Chorwerke. C Bad Bio N.F., Bd 4 Chelleri, Fortunato, eigentl. Keller, auch Kelleri, Kapellmeister, Komponist, * Mai / Juni (?) 1690 Parma, † 11. 12. 1757 Kassel. Der Sohn eines nach Italien ausgewanderten deutschen Musikers wuchs nach dem Tod seiner Eltern bei seinem Onkel, einem Geistlichen, der auch als Kapellmeister t¨atig war, auf und erhielt bereits in seiner Jugend Opernauftr¨age von B¨uhnen in Norditalien; ersten Ruhm erwarb er sich mit seiner Oper Zenobia in Palmira (1709 / 10). 1709 / 10 lebte C. in Barcelona, 1716-19 als Hofkapellmeister in Florenz und anschließend in Venedig. 1722 berief ihn F¨urstbischof Johann Philipp Franz von → Sch¨onborn als Hofkapellmeister und -komponisten nach W¨urzburg und entsandte ihn 1723 an das Mannheimer Hoftheater. 1725 trat C. als Hofkapellmeister

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in die Dienste des Landgrafen → Karl von Hessen-Kassel, arbeitete 1726 bei → H¨andel in London und folgte 1732 einem Ruf des Landgrafen → Friedrich I. (seit 1720 K¨onig von Schweden) nach Stockholm. 1734 kehrte er aus gesundheitlichen Gr¨unden nach Kassel zur¨uck, leitete ein kleines Orchester un komponierte vor allen Instrumental- und Kirchenmusik. Die 19 von C. komponierten Opern wurden an verschiedenen Hoftheatern in Deutschland aufgef¨uhrt. Dort entstanden ferner Oratorien, Kantaten, Arien, Fugen, Sonaten wie die Annuntiatio Mariae f¨ur Klavier und Orgel, Orchesterwerke, Messen und Psalmen. In den Hoforchestern von W¨urzburg und Mannheim f¨uhrte C. die Querfl¨ote ein und verbannte alle Akkordinstrumente außer dem Cembalo. C MGG

Chemin-Petit, Hans (Helmuth), Chorleiter, Komponist, * 24. 7. 1902 Potsdam, † 12. 4. 1981 Berlin. C.-P., dessen Eltern aus¨ubende Musiker waren, studierte 1920-27 an der Hochschule f¨ur Musik in Berlin. Dort von Hugo → Becker in Violoncello und von Paul → Juon in Komposition ausgebildet, begann er eine Laufbahn als Violoncellist und Dirigent. Daneben trat er als Komponist u. a. der 1927 in Berlin uraufgef¨uhrten Kammeroper Der gefangene Vogel, eines „lyrischen Spiels f¨ur Menschen oder Marionetten“, hervor. 1929-69 lehrte C.-P. an der Akademie f¨ur Kirchen- und Schulmusik Berlin (seit 1945 Hochschule f¨ur Musik) Chorleitung, Theorie und Komposition, seit 1936 als Professor. 1939-59 leitete er verschiedene Ch¨ore in Magdeburg und Potsdam, trug 1939-44 zur Neugestaltung des Musiklebens in Memel bei und hatte 1943-81 die Leitung des Philharmonischen Chors Berlin inne. C.-P. geh¨orte seit 1963 der dortigen Akademie der K¨unste an, deren Musiksektion er 1968-81 leitete. Zu seinen Kompositionen z¨ahlen Vokalmusik, B¨uhnenwerke (u. a. die Oper K¨onig Nicolo nach Frank → Wedekind, 1962) und Instrumentalmusik. C MGG

Chemlin, Kaspar, auch Chemlinus, Drucker, * 15. 11. 1577 Windsheim (Franken), † 5. 7. 1643 Marburg / Lahn. Der fr¨ankische Pastorensohn C. durchlief 1594-98 in Frankfurt / Main eine Buchdruckerlehre, ging anschließend auf Wanderschaft und wurde 1604 vom Rat der Stadt Schweinfurt zum Buchdrucker berufen. 1608 verließ er die Stadt wegen des ausbleibenden gesch¨aftlichen Erfolgs wieder, wurde Drucker der 1607 gegr¨undeten Univ. Gießen und ließ sich 1625 in Marburg nieder, wo er neben anderen Ehren¨amtern auch das des Kirchen¨altesten bekleidete. C. schuf ein umfangreiches Druckwerk und zeigte auf der Frankfurter Messe etwa 40 in Schweinfurt entstandene B¨ucher und 280 in Gießen und 190 in Marburg geschaffene Werke aus seiner Produktion. Dazu z¨ahlten neben Schriften theologischen und erbaulichen Inhalts auch Kom¨odien von Hans → Sachs und Nicodemus → Frischlin sowie Drucke f¨ur die Regierung von Hessen-Darmstadt. C NDB Chemnitz, Bogislaus Philipp von, auch Bogislaw Philipp von Chemnitius, Hippolitus a Lapide, Jurist, Historiker, * 9. 5. 1605 Stettin, † 17. 5. 1678 Gut Hallstaed (Westmanland, Schweden). C., Enkel des Theologen Martin → C. und Sohn des Juristen Martin → C., studierte in Jena und Rostock Geschichte und Jurisprudenz und trat 1627 in niederl¨andische Milit¨ardienste. Seit 1630 Offizier im schwedischen Heer, wurde er 1644 von K¨onigin Christine zum Hofhistoriographen berufen und 1648 in den Adelsstand sowie 1675 zum Hofrat erhoben. W¨ahrend des Dreißigj¨ahrigen Kriegs trat C. als Theoretiker des „ius publicum“ des R¨omisch-Deutschen Reiches hervor. In seiner Dissertatio de ratione status in Imperio nostro Romano-Germanico (1640) stellte er nicht den Kaiser, sondern die Reichsst¨ande als Tr¨ager der Souver¨anit¨at dar.

Cherbuliez Aus seiner Verfassungstheorie entwickelte er die Lehre von der „ratio status“ des Reiches, die staatliches Handeln von der Verfassung des jeweiligen Landes abh¨angig macht und Rechtsbruch aus Gr¨unden des Staatswohls zur „Staatsr¨ason“ erkl¨art. Da f¨ur ihn die Dominanz des Hauses Habsburg der Reichsidee zuwiderlief, rief er zu dessen Vertreibung auf und lieferte damit die wichtigste nichtreligi¨ose Begr¨undung f¨ur die schwedische Großmachtpolitik und antikaiserliche Haltung im Dreißigj¨ahrigen Krieg. C.s bekanntestes historisches Werk ist K¨oniglich schwedischer in Teutschland gef¨uhrter Krieg (2 Bde., 1648-53). C NDB

Chemnitz, Johann Friedrich von, Historiker, Jurist, * 17. 6. 1611 Stettin, † 11. 12. 1686 Parchim. C., Sohn des Juristen Martin → C. und Bruder von Bogislaus Philipp von → C., studierte in Rostock und Frankfurt / Oder Jurisprudenz, bereiste England und Holland und begleitete einen jungen Adligen auf einer Kavalierstour nach Frankreich. Seit 1648 lebte er als Sekret¨ar der Herzogin Magdalena Sibylla von Holstein-Gottorp in Niek¨oping. Nach deren Heirat mit Herzog Gustav Adolf von MecklenburgSchwerin 1654 war C. Justizkanzleisekret¨ar und Archivar in G¨ustrow. 1667 wurde er Protonotar und Sekret¨ar beim Hof- und Landgericht in Parchim. Er war Verfasser eines ungedruckten mecklenburgischen Chronicon, aus dem einige Ausz¨uge wie die Genealogia ducum Megapolitanorum sp¨ater im Druck erschienen. Bedeutend f¨ur die mecklenburgische Landesgeschichte sind die von C. zusammengestellten Urkundensammlungen. C ADB Chemnitz, Johann Hieronymus, evang. Theologe, Naturforscher, * 10. 10. 1730 Magdeburg, † 12. 10. 1800. C. trat 1759 das Amt des Predigers der d¨anischen Gesandtschaft in Wien an, wurde 1768 Garnisonsprediger in Helsingør und war zuletzt deutscher Garnisonsprediger in Kopenhagen. Er ver¨offentlichte etliche Schriften theologischen Inhalts, wurde jedoch vor allem durch seine Studien u¨ ber Muscheln und Schnecken bekannt. Er setzte das von Friedrich Heinrich Wilhelm → Martini begonnene Neue systematische Conchylienkabinet (4 Bde., 1769-77) fort und f¨ugte ihm bis zu seinem Tod acht weitere B¨ande hinzu. Seine zahlreichen Einzeluntersuchungen ver¨offentlichte C. in Fachjournalen und den Publikationen der Berliner Gesellschaft Naturforschender Freunde (u. a. Nachricht von der Fortpflanzung der linksgewundenen Weinbergschnecken, 1782; Von einem Geschlechte vielschaalichter Conchylien mit sichtbaren Gelenken, welche Linn´e Chitons nennet, 1784). 1763 wurde C. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt. C Baur Chemnitz, Martin, auch Chemnitius, Kemnitz, luth. Theologe, * 9. 11. 1522 Treuenbrietzen (Brandenburg), † 8. 4. 1586 Braunschweig. Nach dem Studium der Artes in Frankfurt / Oder und Wittenberg u¨ bernahm C., Sohn eines Kaufmanns und Tuchmachers, 1547 die Leitung der Schule im Kneiphof in K¨onigsberg, wurde 1550 Bibliothekar der Schloßbibliothek und nahm erste theologische Studien auf. Seit 1553 Sch¨uler → Melanchthons in Wittenberg, hielt er Vorlesungen zu dessen Loci communes. 1554 wurde er in Braunschweig Koadjutor ¨ des Superintendenten, Prediger an St. Agidien und 1567 Superintendent. 1568 f¨uhrte er im Herzogtum BraunschweigWolfenb¨uttel zusammen mit Jacob → Andreae die Reformation durch und war 1576 an der Gr¨undung der Univ. Helmstedt beteiligt. C., einer der bedeutendsten luth. Theologen seiner Zeit, nahm regen Anteil an den theologischen Auseinandersetzungen der luth. Fr¨uhorthodoxie und war mit Andreae einer der Hauptverfasser der Konkordienformel (1577). Sein kontroverstheologisches Hauptwerk, das Examen Con-

cilii Tridentini (4 Tle., 1565-73, Nachdr. 1972), bietet eine umfassende Darstellung und Kritik der Trienter Dekrete. Sein Sohn war der Jurist Martin → C. C TRE

Chemnitz, Martin, Jurist, * 15. 10. 1561 Braunschweig, † 26. 8. 1626 Schleswig. C., Sohn des Reformators Martin → C., erwarb 1580 an der Univ. Leipzig den philosophischen Magistergrad, wurde 1588 in Frankfurt / Oder zum Doktor beider Rechte promoviert und war anschließend in Rostock als Advokat t¨atig. 1593 wurde er von Herzog → Bogislaw XIII. von Pommern zum Rat in der vormundschaftlichen Regierung des Herzogs Philipp Julius aus der Linie Wolgast berufen. 1601 erhielt C. eine o. Professur des Codex. 1603 von Herzog Bogislaw zum Kanzler und Geheimen Rat ernannt, u¨ bersiedelte er 1604 nach Stettin, wurde von Bogislaws Nachfolger Her¨ zog → Philipp II. in seinen Amtern best¨atigt und 1613 auf den Reichstag nach Regensburg entsandt. Nach dessen Tod 1619 trat C. als Kanzler in die Dienste Herzog Friedrichs von Holstein-Gottorp in Schleswig. Neben einigen Schriften in lateinischer Sprache schrieb er 1629 einen Bericht von der Gelegenheit und Unterschied der beiden Herzogt¨umer Schleswig und Holstein [. . .]. C.s S¨ohne waren Martin, Johann Friedrich und Bogislaus Philipp → C. C SHBL, Bd 5 Chemnitz, Martin, Jurist, * 13. 5. 1596 Rostock, † 24. 10. 1645 J¨agerndorf (Schlesien). Das an der Univ. Rostock absolvierte Studium der Jurisprudenz beendete C., Sohn des Juristen und Kanzlers Martin → C., 1623 mit der Promotion. 1627 wurde er zum Beisitzer des holsteinisch-gottorpschen Hofgerichts berufen. Anschließend trat C. in die Dienste K¨onig Gustav Adolfs von Schweden, der ihn auf den Konvent der Protestanten nach Regensburg entsandte und 1630 zum Geheimen Rat und Generalkriegskommissar im schw¨abisch-fr¨ankischen Kreis ernannte. Dieses Amt behielt er auch nach dem Tod des K¨onigs 1632 bei. Im selben Jahr geriet er in Westfalen in die Hand der Kaiserlichen, wurde gefangen nach Wien gef¨uhrt und bis 1639 in Haft gehalten. Mit großen Schwierigkeiten freigekommen, u¨ bersiedelte C. nach J¨agerndorf in Schlesien, wo er an der Pest starb. C ADB Chenich von Hohemos, Siboto, Teppichwirker, um 1200. Der aus H¨ohenmoos in der N¨ahe des Chiemsees stammende C. war um 1200 als Teppichwirker im Kloster Wessobrunn s¨udwestlich des Ammersees t¨atig. Ein Beweis f¨ur die damals in Bayern bl¨uhende Teppichwebkunst ist die Nennung eines schon um 1150 im Kloster Herrenchiemsee wirkenden Fridericus tapaciator. Von C.s Hand existierten im Kloster Wessobrunn bis 1490 zwei große, seinerzeit viel bewunderte und von einem M¨onch namens Ludwig mit lateinischen Versen versehene Wandteppiche, von denen einer etliche Darstellungen aus der Apokalypse aufwies. C ADB

Cherbuliez, Antoine-Elis´ee, Musikwissenschaftler, Musiker, * 22. 8. 1888 M¨ulhausen (Elsaß), † 15. 10. 1964 Z¨urich. C. studierte w¨ahrend seines ingenieurwissenschaftlichen Studiums 1902-05 am Straßburger Konservatorium Violoncello und bei Albert → Schweitzer Orgel. 1911 erwarb er an der ETH Z¨urich ein Diplom in Ingenieurwissenschaften, u¨ bernahm die Leitung des Akademischen Orchesters, wurde 1913 in Darmstadt mit der Arbeit Die Gestaltung ¨ der Ubergangsund Verbindungsbogen in Eisenbahngleisen promoviert, setzte seine Violoncellostudien in Dresden fort und ließ sich 1915-17 in Berlin zum Chorleiter ausbilden. 1917-21 war er Musikdirektor und Organist in Wattwil und bis 1942 Musikdirektor in Chur und Arosa sowie Cello-, Klavier- und Theorielehrer an der von ihm mitbegr¨undeten Musikschule Chur. 1925 habilitierte er sich mit der Arbeit

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Cherbuliez Gedankliche Grundlagen der Musikbetrachtung an der Univ. Z¨urich. Seit 1932 Leiter des Musikwissenschaftlichen Seminars, war C. bis 1958 ferner Dozent, a. o. und zuletzt o. Prof. an der ETH Z¨urich. 1938-48 hatte C. das Amt des Pr¨asidenten des Schweizer Musikp¨adagogischen Verbandes inne und leitete u. a. seit 1928 die Braunwalder Musikwochen. Er ver¨offentlichte u. a. Das Volkslied in Graub¨unden (1937), Johann Sebastian Bach. Sein Leben und sein Werk (1947) und Edvard Grieg. Leben und Werk (1947). C NGroveD ´ Chemiker, * 22. 1. 1891 M¨ulhausen Cherbuliez, Emile, (Elsaß), † 28. 10. 1985 Genf. C. studierte an der Univ. Genf, an der ETH Z¨urich und der Univ. M¨unchen, wurde 1918 in Z¨urich mit der Arbeit Die Oxydation von ß-Naphtolen mit dehydrierenden Mitteln promoviert und verbrachte seine Assistentenzeit an der ETH. Seit 1939 o. Prof. in Genf, trat er vor allem durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der Silikate, Polypeptide und Phosphorester hervor. C. war 1948-71 Herausgeber und Chefredakteur der „Helvetica Chimica Acta“, in der er 1978 zum f¨unfundsiebzigj¨ahrigen Jubil¨aum der von ihm lange Jahre geleiteten Schweizer Chemischen Gesellschaft eine Geschichte der Schweizer Chemie im 20. Jh. ver¨offentlichte. Als Vorsitzender des Schweizer Komitees f¨ur Chemie kn¨upfte er enge Verbindungen zu internationalen Fachorganisationen wie der IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) und der FECS (Federation of Chemical Society). Zu seinen Publikationen geh¨oren u. a. Zur Frage der physikalischchemischen Grundlagen der Schlammtherapie (1934) und Konstitution und Vorkommen der organischen Pflanzenstoffe (1977). C HLS

Chevalley, Heinrich, Musikschriftsteller, * 19. 5. 1870 D¨usseldorf, † 9. 11. 1933. Nach ersten w¨ahrend seiner Schulzeit in Konstanz unternommenen musikalischen Studien bezog C. 1889 das Leipziger Konservatorium. Seit 1893 Mitarbeiter des „Musikalischen Wochenblatts“, begr¨undete er 1895 mit anderen die Zeitschrift „Die redenden K¨unste“, deren erster Musikredakteur er wurde. 1896 u¨ bersiedelte er nach Hamburg, war seit 1897 als Musikredakteur beim „Hamburger Fremdenblatt“ t¨atig und gab seit 1920 die Zeitschrift „Musikwelt“ heraus. C. verfaßte neben einigen Opernf¨uhrern und einem Gedenkbuch f¨ur Arthur → Nikisch (1922) u. a. Hundert Jahre Hamburger Stadttheater (1927); er komponierte Lieder und Klavierst¨ucke. Ch´ezy, Helmina von, eigentl. Wilhelmine Christiane von C., geb. Klencke, Pseud. Hermine Hastfer, Sylvandra, Schriftstellerin, * 26. 1. 1783 Berlin, † 28. 1. 1856 Genf. Die Enkelin von Anna Luise → Karsch und Tochter der Schriftstellerin Karoline von Klencke ver¨offentlichte als Vierzehnj¨ahrige ihren ersten Roman. Seit 1801 hielt sie sich in Paris auf und heiratete dort 1805 den Orientalisten Antoine-L´eonard de Ch´ezy, von dem sie seit 1810 getrennt in Deutschland lebte. Sie schrieb zahlreiche sp¨atromantische Gedichte, Romane und Essays f¨ur deutsche Zeitschriften. Politisch und journalistisch engagiert, erlebte sie die Konfiszierung ihres Buchs Leben und Kunst in Paris seit Napoleon (2 Bde., 1805-07) durch dessen Beh¨orden. Seit 1810 lebte sie in Heidelberg, anschließend in Berlin, wo sie der mit ihr befreundete E. T. A. → Hoffmann in einem Verleumdungsprozeß verteidigte. 1817 zog sie nach Dresden, 1823 nach Wien und 1830 nach M¨unchen; ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in Genf. Zu ihren Werken z¨ahlen die Geschichte der sch¨onen und tugendsamen Euryanthe (1804, Libretto zu Carl Maria von → Webers Oper Euryanthe), Erz¨ahlungen und Novellen (2 Bde., 1822) und ihre Erinnerungen Unvergessenes (2 Bde., 1858); viele ihrer Gedichte wurden vertont. Ihr Schauspiel Emma und Eginhard wurde 1812 mit Musik

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von Emmerich Joseph Otto von Hettersdorf ihr Schauspiel Rosamunde, F¨urstinn von Cypern 1823 mit Musik von Franz → Schubert aufgef¨uhrt. C. war die Mutter von Max und Wilhelm Theodor von → C. C Killy

Ch´ezy, Max von, Maler, * 25. 1. 1808 Paris, † 14. 12. 1846 Heidelberg. Der Sohn Helmina von → C.s erhielt seinen ersten Kunstunterricht in Dresden und studierte anschließend an den Kunstakademien von Wien und M¨unchen, seit 1829 in Paris. Nach der Julirevolution kehrte er nach Deutschland zur¨uck und lebte in den K¨unstlerkreisen von M¨unchen und D¨ussel¨ dorf sowie in Baden-Baden. Er malte Olgem¨ alde (u. a. Hirtenm¨adchen, Egmont und Kl¨archen), Aquarelle und Miniaturen. C AKL Ch´ezy, Wilhelm Theodor von, Schriftsteller, Journalist, * 21. 3. 1806 Paris, † 14. 3. 1865 Wien. C., Sohn Helmina von → C.s, lebte nach der Trennung der Eltern 810 mit der Mutter in Heidelberg, Berlin und Dresden, 1823-29 in Wien. 1829 begann er in M¨unchen ein Jurastudium, wandte sich aber bald ganz der Schriftstellerei zu und ver¨offentlichte 1831 in Karl → Spindlers „Zeitspiegel“ seine erste Erz¨ahlung Wanda Wielopolska, oder: das Recht der Gewaltigen. 1831-47 lebte er als Mitarbeiter Spindlers in Baden-Baden und u¨ bernahm 1847 die Leitung der „Katholischen S¨uddeutschen Zeitung“ in Freiburg / Breisgau. Seit 1848 Leiter der „Rheinischen Volkshalle“ in K¨oln, u¨ bersie¨ delte er nach Wien, wo er die „Osterreichische Reichszei¨ tung“, den „Osterreichischen Volksfreund“ und die „Presse“ redigierte. C., der als ein bedeutender Journalist seiner Zeit galt, verfaßte u. a. Beitr¨age f¨ur die in M¨unchen erscheinenden „Fliegenden Bl¨atter“. Daneben schrieb er zahlreiche Romane und Novellen sowie Erinnerungen aus meinem Leben (4 Bde., 1863 / 64). C DSL Chiari, Hans, o¨ sterr. Pathologe, * 4. 9. 1851 Wien, † 6. 5. 1916 Straßburg. Nach dem an der Univ. Wien absolvierten Studium der Medizin trat C., Sohn von Johann → C. und Bruder von Ottokar von → C., 1874 eine Assistentenstelle am dortigen Pathologisch-Anatomischen Institut an. 1878 habilitierte er sich an der Wiener Univ. f¨ur pathologische Anatomie und wurde Prorektor der k. k. Krankenanstalt Rudolfstiftung. 1882 erhielt er einen Ruf an die Deutsche Univ. Prag und wurde 1883 o. Professor. 1900 zum Rektor gew¨ahlt, verließ C. 1906 wegen der politischen Spannungen Prag und wechselte an die Univ. Straßburg, die ihn 1914 zu ihrem Rektor w¨ahlte. Seine Forschungen erstreckten sich auf fast alle Gebiete der pathologischen Anatomie, vor allem aber auf ¨ das Pankreas (Uber die Selbstverdauung des menschlichen Pankreas, 1896); er besch¨aftigte sich auch mit Mißbildungen des Herzens und der Gef¨aße. C. war der Vater von ¨ Akad, Jg. 66 Hermann → C. C Almanach Ost Chiari, Hermann, o¨ sterr. Pathologe, * 6. 12. 1897 Wien, † 24. 10. 1969 Wien. Der Sohn von Hans → C. studierte Medizin an der Univ. Wien, wo er 1922 promoviert wurde, und war dann u. a. am Institut f¨ur Experimentelle Pathologie in Wien, am Institut f¨ur Schiffs- und Tropenhygiene in Hamburg und am Pathologischen Institut der Charit´e in Berlin t¨atig. Danach Assistent von Jakob → Erdheim, ging er 1926 als Assistent von Rudolf → Maresch an die Univ. Wien, wo er sich 1931 habilitierte und 1933-69 als o. Prof. der Pathologie wirkte. C. besch¨aftigte sich mit Bakteriologie, Parasitologie und experimenteller Pathologie, vor allem aber mit Rheumatismus und anderen Gelenkserkrankungen sowie mit der Pathologie des Herzens und der Leber. Er ver¨offentlichte u. a. eine Anleitung zur Vornahme von Leichen¨offnungen (1933, mit Rudolf → Maresch) und Die pathologische Anatomie des aku-

Chladek ¨ ten Rheumatismus (1938). Seit 1945 Mitglied in der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, wurde C. 1960 auch in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopol¨ Akad, Jg. 120 dina gew¨ahlt. C Almanach Ost

Chiari, Johann (Baptist), o¨ sterr. Gyn¨akologe, * 15. 6. 1817 Salzburg, † 11. 12. 1854 Wien. Der Sohn eines Postbeamten wurde 1841 in Wien zum Dr. med. promoviert (De legibus mechanicis motus muscularis) und erhielt 1842 eine Assistentenstelle an der Ersten Geb¨arklinik in Wien. 1849 habilitierte er sich f¨ur Geburtshilfe und wurde 1853 o. Prof. der Geburtshilfe an der Univ. Prag. Noch im selben Jahr kehrte er als Prof. der Medizinisch-Chirurgischen Josephsakademie nach Wien zur¨uck, wo er im folgenden Jahr einer Choleraepidemie erlag. C., der als einziger seiner Kollegen Ignaz Philipp → Semmelweis unterst¨utzte und dessen Ansichten u¨ ber die Ursachen des Kindbettfiebers teilte, befaßte sich in seinen Ver¨offentlichungen vor allem mit Uteruserkrankungen und gab zusammen mit den Gyn¨akologen Carl → Braun und Josef → Spaeth die 1855 erst nach seinem Tod erschienene Klinik der Geburtshilfe und Gyn¨akologie heraus. C. war der ¨ Vater von Hans und Ottokar von → C. C Arzte 1 Chiari, Ottokar Frh. von, o¨ sterr. Laryngologe, * 1. 2. 1853 Prag, † 12. 5. 1918 Puchberg am Schneeberg (Nieder¨osterreich). C., Bruder Hans → C., studierte Medizin und wurde nach der Promotion 1877 in Wien und einer zus¨atzlichen chirurgischen Ausbildung 1879 Assistent an der Laryngologischen Klinik unter Leopold von → Schroetter. 1882 habilitierte er sich f¨ur Laryngo-Rhinologie, wurde Dozent und u¨ bernahm die Leitung der Ambulatorien f¨ur Hals- und Nasenkrankheiten an einer Privatklinik und am Allgemeinen Krankenhaus in Wien. Seit 1891 a. o. Prof. und seit 1899 Direktor der von ihm ins Leben gerufenen Laryngologischen Klinik, wurde C. ¨ 1912 zum ersten o. Prof. seines Fachs in Osterreich ernannt. Er verfaßte etliche grundlegende laringo-rhinologische Untersuchungen (u. a. u¨ ber die Die Krankheiten der oberen Luftwege, 3 Bde., 1902-05) und f¨uhrte die bis dahin von Chirurgen vorgenommenen gr¨oßeren laryngologischen Operationsmethoden in sein neues Fachgebiet ein. 1916 wurde C., der auch die Bronchitis Kaiser → Franz Josephs behan¨ delt hatte, geadelt. 2 C Arzte Chiavacci, Vincenz, o¨ sterr. Schriftsteller, * 15. 6. 1847 Wien, † 2. 2. 1916 Wien. C. war der Sohn eines Pfeifenschneiders und einer Spitzenn¨aherin. Seit 1868 Beamter der kgl. ungarischen Staatsbahn, ließ er sich 1886 pensionieren, um sich ganz dem schon seit 1876 nebenbei ausge¨ubten Schriftstellerberuf widmen zu k¨onnen. Zun¨achst Mitarbeiter der „Wiener Allgemeinen Zeitung“ und des „Wiener Tageblatts“, gr¨undete er 1896 das Familienjournal „Wiener Bilder“ und war seit 1900 auch als Redakteur f¨ur die „Oesterreichische VolksZeitung“, f¨ur den „Figaro“ und die „Deutsche Zeitung“ t¨atig. Er schrieb eine Vielzahl mundartlich gef¨arbter humoristischer Erz¨ahlungen, Possen und Skizzen aus dem Wiener Volksleben (u. a. Kleinb¨urger von Groß-Wien, 1893). Dabei schuf er die Figuren zweier ber¨uhmter Wiener Volkstypen, die die Tagesereignisse kommentierende „Frau Sopherl vom Naschmarkt“ (1890) und den von seiner Wichtigkeit u¨ berzeugten Fleischhauer „Herrn Adabei“. C. machte sich um die Verbreitung der Werke Ludwig → Anzengrubers und Johann → Nestroys verdient. C Killy

Chiaveri, Gaetano, Architekt, * 1689 Rom, † 5. 3. 1770 Folignano. Der r¨omische Architekt C. war seit 1717 in St. Petersburg t¨atig, wo er u. a. das Geb¨aude der Akademie der Wis-

senschaften erbaute. 1727 errichtete er f¨ur den s¨achsischen Generalfeldmarschall Graf → Flemming ein Palais in Warschau. 1734 begleitete er Kurf¨urst → Friedrich August II. von Sachsen zu dessen Kr¨onung zum K¨onig von Polen nach Krakau. W¨ahrend C.s Dresdner Schaffensperiode 1736-49 entstand die kath. Hofkirche in dem von ihm bevorzugten r¨omisch-barocken Stil. Die das Geb¨aude schm¨uckenden Statuen schuf sein Landsmann Lorenzo → Mattielli. C. erarbeitete statische Gutachten f¨ur die Dresdner Frauenkirche und den Petersdom in Rom. Seine Pl¨ane f¨ur Schloßbauten in Dresden und Warschau kamen nicht zur Ausf¨uhrung. Noch vor der endg¨ultigen Fertigstellung der Dresdner Hofkirche kehrte C., zerm¨urbt von Intrigen, 1749 nach Rom zur¨uck und verbrachte seine vier letzten Lebensjahre in Folignano. C AKL

Chieze, Philippe de, auch Chaise, Chiese, Filippo della Chiesa, Architekt, Ingenieur, * 25. 12. 1629 Amersfoort, † April 1673 Berlin. Der aus dem Piemont stammende C. war zun¨achst in Schweden t¨atig und folgte 1661 einem Ruf des Großen Kurf¨ursten nach Berlin. Dort erbaute er u. a. das Schloß von KleinGlienicke an der Havel, den Haupttrakt des Potsdamer Stadtschlosses, den a¨ lteren, sp¨ater abgerissenen Teil des M¨unzgeb¨audes in Berlin und den Friedrich-Wilhelm-Kanal bei M¨ullrose. Er wurde Oberst, Generalquartiermeister und Generaldirektor der Fortifikation. Als solcher f¨uhrte er Festungsbauten in K¨ustrin, Stargard, Kolberg und wahrscheinlich auch in Berlin aus. C. konstruierte den unter dem Namen „Berline“ bekannt gewordenen zweisitzigen Wagen, der einen bedeutenden Fortschritt in der Kunst des Wagenbaus darstellte und sich vor allem in Frankreich durchsetzte. C AKL

Chiodera, Alfred, schweizer. Architekt, * 25. 4. 1850 Mailand, † 18. 11. 1916 Z¨urich. C. lebte seit seinem neunten Lebensjahr in der Schweiz, besuchte 1868-72 das Polytechnikum in Stuttgart und erhielt dort eine Anstellung bei dem auf Villenbauten spezialisierten Adolf → Gnauth. Seinen ersten Schweizer Architekturpreis erhielt er f¨ur einen Hotelbau in Baden, unternahm 1873-75 eine Studienreise nach Italien und ließ sich 1875 in Z¨urich nieder, wo er die Firma Chiodera & Tschudy gr¨undete. In der Folgezeit erbaute C. etliche Villen in Z¨urich und anderen Schweizer St¨adten, das Palace Hotel, das Hotel Suisse und den Turm der evang. Kirche in St. Moritz sowie Synagogen in Z¨urich und St. Gallen. C AKL

Chladek, Rosalia, o¨ sterr. T¨anzerin, Choreographin, Tanzp¨adagogin, * 21. 5. 1905 Br¨unn, † 3. 7. 1995 Wien. C., Tochter eines Lederkaufmanns, wurde 1921-24 in der ´ Schule von Emile → Jaques-Dalcroze in Hellerau bei Dres¨ den ausgebildet und war dann dort t¨atig; bei der Ubersiedlung der Tanzschule nach Laxenburg bei Wien ging sie mit. Sie wurde eine Pionierin des „freien Tanzes“ und entwickelte einen modernen Stil der Tanzerziehung. 1928-30 lehrte sie am Konservatorium in Basel, leitete 1930-38 die Tanzabteilung der Schule in Laxenburg und lebte danach in Berlin. 1942-52 war sie Leiterin der Tanzausbildung am Konservatorium, 1952-70 der Tanzklasse an der Akademie f¨ur Musik und darstellende Kunst in Wien. 1963-70 leitete sie den Hochschullehrgang „Moderne t¨anzerische Erziehung und Tanzp¨adagogik – System Chladek“ in Wien. Als Choreographin gab C. mit einer eigenen Tanzgruppe Gastspiele in ganz Europa. Zu ihrem u¨ ber 70 T¨anze umfassenden Œuvre geh¨oren Rhythmen (1930), Kontraste (1932) und Jeanne d’Arc (1940). 1972 wurde die Internationale Gesellschaft Rosalia Chladek gegr¨undet. C Int Enc Dance

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Chladni Chladni, Ernst Florens Friedrich, Physiker, * 30. 11. 1756 Wittenberg, † 3. 4. 1827 Breslau. Auf Dr¨angen seines Vaters Ernst Martin → C. studierte C. in Leipzig Rechtswissenschaften und wurde zum Dr. phil. (1781, De pacto caudino Romanorum) und zum Dr. jur. promoviert (1782 De charactere ecclesiastico principum). Nach dessen Tod wandte er sich als ein mit den großen Staatsm¨annern und Wissenschaftlern seiner Zeit in engem Kontakt stehender Privatgelehrter den Naturwissenschaften zu. Mit seinen in vielen europ¨aischen St¨adten vorgef¨uhrten Experimenten wurde C. zum Begr¨under der wissenschaftlichen Akustik. Zur Untersuchung mechanisch schwingender K¨orper machte er deren Knotenlinien bei schwingenden Platten als „Chladni-Figuren“ sichtbar. 1787 bewies er, daß vor allem bei Saiten L¨angs- und Drehschwingungen ebenso auftreten wie transversale Schwingungen. 1787 erschien die Entdeckung u¨ ber die Theorie des Klanges. Zu Demonstrationszwecken entwickelte er daf¨ur ein neues Instrument, das Euphon (1780) und stellte 1800 seinen Klavicylinder vor. 1796 gelang ihm die Bestimmung der Schallgeschwindigkeit in festen K¨orpern und Fl¨ussigkeiten. 1802 erschien C.s grundlegendes Werk Die Akustik (frz. 1809). Angeregt von Georg Christoph → Lichtenberg, entdeckte er 1794 den kosmischen Ursprung der Meteoriten. Zu C.s Ver¨offentlichun¨ gen geh¨oren ferner Uber die Longitudinalschwingungen der Saiten und St¨abe (1796), Neue Beytr¨age zur Akustik (1817) ¨ und Uber Feuer-Meteore (1819). C MGG

Chladni, Ernst Martin, auch Chladny, Chladenius, Jurist, * 6. 8. 1715 Wittenberg, † 12. 3.(?) 1782 Wittenberg. C., Bruder von Johann Martin → C., begann 1733 ein Studium der Jurisprudenz und der Philosophie in Wittenberg und diente 1738-40 einem Lausitzer Adligen als Hofmeister. Seit 1743 Doktor beider Rechte, wurde er 1746 Prof. des Lehnsrechts und a. o. Beisitzer der Juristenfakult¨at, 1752 o. Prof. der Institutionen sowie Beisitzer am Hofgericht und Sch¨oppenstuhl, 1754 Assessor am Landgericht der Niederlausitz. Seit 1759 hatte er den Lehrstuhl der Pandekten inne und war Beisitzer im geistlichen Konsistorium. Von 1763 an kurs¨achsischer Hof- und Justizrat, wurde C. Direktor des Konsistoriums, erster Beisitzer am Hofgericht und Sch¨oppenstuhl, Ordinarius der Juristischen Fakult¨at und Prof. der Dekretalen. Er schrieb u. a. De gentilitate veterum Romanorum liber singularis (1738). C. war der Vater von Ernst Florens Friedrich → C. C ADB

Chladni, Johann Martin, auch Chladenius, evang. Theologe, Historiker, Philologe, * 17. 4. 1710 Wittenberg, † 10. 9. 1759 Erlangen. Der Sohn eines Professors der Theologie und Bruder von Ernst Martin → C. studierte am Gymnasium illustre in Coburg und an der Univ. Wittenberg Theologie, Philosophie und Philologie und lehrte anschließend dort und an der Univ. Leipzig, wo er 1742 a. o. Prof. der Kirchenaltert¨umer wurde. Seit 1744 Direktor des Gymnasiums von Coburg, berief ihn die Univ. Erlangen 1747 zum o. Prof. der Theologie, Eloquenz und Dichtkunst. Bekannt wurde C. durch seine Geschichtstheorie, die Elemente der luth. Orthodoxie mit dem Rationalismus → Wolffscher Pr¨agung und dem Empirismus verband. Neu war auch die von ihm propagierte hermeneutische Methode des Umgangs mit Geschichtsquellen. Als Gegner des historischen Pyrrhonismus schuf er den Begriff der „Sehepunkte“, die eine nur relative Erkenntnis der historischen Wahrheit erlauben. C. ver¨offentlichte u. a. Einleitung zur richtigen Auslegung vern¨unfftiger Reden und Schrifften [. . .] (1742, Nachdr. 1969), Nova philosophia definitiva (1750) und Allgemeine Geschichtswissenschaft, worinnen der Grund zu einer neuen Einsicht in alle Arten der Gelahrtheit geleget wird (1752, Nachdr. 1985). C Enz Phil Wiss

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Chlingensperg, Hermann Anton Maria von, auch Chlingensberg, Chlingensperger, Klingensperger, Jurist, * 7. 4. 1685 Ingolstadt, † 27. 2. 1755 Ingolstadt. Wie sein Vater Christoph von → C. wurde C. in Ingolstadt (1707) promoviert, zum a. o., 1708 zum o. Prof. der Rechte berufen und bekleidete siebenmal das Amt des Rektors. Er wurde kurbayerischer und pf¨alzischer Rat sowie Truchseß und Pfleger von Stammham und Oetting. 1746 u¨ bertrug ihm Kurf¨urst → Maximilian III. Joseph den neugeschaffenen Lehrstuhl f¨ur Bayerisches Recht in Ingolstadt. In seinen Schriften behandelte er u. a. die Unterschiede zwischen Bayerischem Landrecht und Zivilrecht und definierte den „Summarischen Prozeß“ als ein im Gegensatz zu dem zeitraubenden Zivilprozeß stehendes Schnellverfahren. In seiner Abhandlung Von der Hoffmarchs-Herrn in Bayrn, NiderGerichtsbarkeit (1731) befaßte er sich mit dem Hofmarksrecht, dem Adel und der Ritterschaft in Bayern und den aus der „Edelmannsfreiheit“ von 1557 resultierenden Rechtsfolgen. C.s ausf¨uhrliche und mit Urkunden dokumentierte Untersuchungen gelten als bahnbrechend f¨ur die Rechtsgeschichte Bayerns. C LMU Chlingensperg, Johann Christoph von, auch Chlingensberg, Chlingensperger, Klingensperger, Jurist, * 7. 6. 1651 Frontenhausen (Niederbayern), † 28. 8. 1720 Ingolstadt. C., dessen Vater B¨acker und B¨urgermeister in Frontenhausen war, begann 1670 in Ingolstadt ein Studium der Philosophie und Jurisprudenz. 1672 erlangte er den Magistergrad, 1677 den Doktortitel, wurde im selben Jahr a. o., 1679 o. Prof. der Rechte und bekleidete achtmal das Amt des Rektors. C. wurde zum Direktor des kurf¨urstlichen Ratskollegiums in Ingolstadt und des freien Landgerichts in Hirschberg berufen und, mit dem Titel eines Hofrats versehen, zum Pfleger von Stammham und Oetting bestellt. 1693 erhob ihn Kaiser → Leopold I. in den Reichsadelsstand. Neben anderen juristischen Schriften verfaßte er Lehrb¨ucher zum Lehnsrecht, zum o¨ ffentlichen Recht und zu den Institutionen, die Collegia jurisprudentiae feudalis, publicae, civilis. C. war der Vater von Hermann Anton Maria von → C. C LMU Chlumberg, Hans von, urspr. Hans Bardach, Edler von Chlumberg, seit 1919 wieder Bardach, Schriftsteller, * 30. 6. 1897 Wien, † 25. 10. 1930 Leipzig. C., Sohn eines Offiziers, besuchte Milit¨arschulen in Wien und Traiskirchen und nahm als Leutnant am Ersten Weltkrieg teil. Nach dem Kriegsende war er zun¨achst als Bankbeamter und in der Industrie t¨atig, bis er sich ganz der Schriftstellerei widmete. Vor allem als Dramatiker hervorgetreten, erhielt C. 1926 f¨ur sein St¨uck Eines Tages den Volkstheaterpreis sowie den Grillparzer-Preis. 1931 wurde sein bedeutendstes Werk, das pazifistische Kriegsdrama Wunder um Verdun, ver¨offentlicht. Hauptmotiv ist die Vision einer Auferstehung der in der Schlacht um Verdun gefallenen Soldaten, die die Lebenden zu Frieden und Vers¨ohnung mahnen. Bei einer B¨uhnenprobe zu diesem Drama, das auch internationale Beachtung fand, kam C. durch einen Sturz ums Leben. C Lex dt-j¨ud Autoren Chlumecky, Johann Frh. von, o¨ sterr. Politiker, * 23. 3. 1834 Zara (Kroatien), † 11. 12. 1924 St. Leonhard bei Bad Aussee (Steiermark). Nach dem an der Univ. Wien absolvierten Studium der Rechtswissenschaften war C., Sohn eines Beamten, 1855-65 im o¨ sterr. Staatsdienst t¨atig. 1865 wurde er Mitglied des M¨ahrischen Landtags, 1868 Mitglied des o¨ sterr. Reichsrats. Seit 1869 Stellvertreter des Statthalters in Br¨unn, hatte er 1871-75 das Amt des Ackerbauministers inne. In dieser Funktion reorganisierte er die Verwaltung der Staatsdom¨anen und f¨orderte die Gr¨undung der Hochschule f¨ur Bodenkultur in Wien. Als Handelsminister (1875-79) bem¨uhte sich C.

Chodowiecki insbesondere um die Verstaatlichung der Eisenbahn, die er durch das „Eisenbahnexpropriationsgesetz“ in die Wege leitete. 1893-97 war er Pr¨asident des Abgeordnetenhauses und geh¨orte seit 1897 dem Herrenhaus an. Eine seiner bedeutenden Leistungen war 1905 der nationale Ausgleich zwischen Deutschen und Tschechen. C. hatte maßgeblich Anteil am Zustandekommen des allgemeinen Wahlrechts. Er war der Vater des Politikers Leopold von → C. und Bruder des Historikers Peter von → C. C NDB

Er geh¨orte zu den ersten Mitgliedern der 1847 gegr¨undeten kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, an der er die Leitung der historischen Kommission und bis 1851 die Redaktion der von ihr herausgegebenen Schriften innehatte. Er begr¨undete die Fontes rerum Austriacarum sowie das Archiv f¨ur die Kunde o¨ sterreichischer Geschichtsquellen. 1854-58 ver¨offentlichte C. die Monumenta Habsburgica (3 Bde.). C NDB

Chlumecky, Leopold Frh. von, Politiker, Journalist, * 3. 2. 1873 Wien, † 14. 1. 1940 Buenos Aires. Der Sohn Johann von → C.s studierte Jura in Wien und war 1898-1906 im Staatsdienst t¨atig. Nach dreij¨ahriger Dienstzeit in Ragusa wurde er 1902 ins Handelsministerium berufen, wandte sich dann dem Journalismus zu und war zun¨achst Re¨ dakteur, sp¨ater Mitherausgeber der „Osterreichischen Rundschau“. C.s politische Beitr¨age befaßten sich insbesondere mit dem o¨ sterreichisch-italienischen Verh¨altnis sowie mit der s¨udslawischen Frage, in der er als Anh¨anger einer imperialistischen Politik f¨ur die Ideen Erzherzog → Franz Ferdi¨ nands eintrat. 1907 erschien C.s erstes Werk Osterreich¨ Ungarn und Italien, das die Beziehungen Osterreichs zu den s¨udlichen Bundesgenossen vom Standpunkt der o¨ sterr. Großmachtpolitik aus durchleuchtete. 1918 nahm er formell die ungarische Staatsb¨urgerschaft an und lebte danach in Wien, Ungarn, der Schweiz und S¨udfrankreich, seit 1938 im freiwilligen Exil in S¨udamerika. 1929 erschien das auch autobiographisch gepr¨agte Buch Erzherzog Franz Ferdinands Wirken und Wollen. C NDB

* 16. 10. 1726 Danzig, † 7. 2. 1801 Berlin. Aus einer Danziger Familie von Kaufleuten, Geistlichen und Gelehrten stammend, war C. zun¨achst zum Beruf des Kaufmanns bestimmt. 1743 ging er nach Berlin, um im Quincailleriegesch¨aft eines Onkels zu arbeiten, dem er auch Miniaturen als Schmuck f¨ur allerlei Gegenst¨ande lieferte. C. erlernte die Emaillemalerei; erst sehr sp¨at, 1754, machte er sich selbst¨andig, um eine K¨unstlerlaufbahn einzuschlagen. Dieser Entschluß im reiferen Alter bewirkte eine Unabh¨angigkeit des k¨unstlerischen Denkens, das ihn den Berliner Aufkl¨arern nahebringen sollte. Von Kontakten mit Antoine → Pesne, Joachim Martin Falbe, Blaise-Nicolas Lesueur und Bernhard → Rode abgesehen, bildete er sich autodidaktisch. Durch seine Heirat mit Jeanne Barez (1755) fand er Aufnahme in die Franz¨osische Reformierte Gemeinde, die seine Geisteshaltung ebenfalls bestimmte und ein soziales Engagement bef¨orderte. B¨urgern¨ahe und Ferne vom Hof wurden typisch f¨ur ihn. Zun¨achst malte er noch haupts¨achlich Bildnisminiaturen. 1757 entstanden die ersten Radierversuche und m¨oglicher¨ weise auch die ersten Olgem¨ alde, f¨ur die er ein kleines Format bevorzugte, Figurenszenen mit h¨auslichen Motiven, die er durch gezeichnete Studien vorbereitete. Aufsehen erregte 1767 sein Tendenzbild Abschied des Jean Calas von seiner Familie (Berlin, Gem¨aldegalerie). Diese Richtung setzte er jedoch in Gem¨alden nicht fort. Mit Illustrationen zu → Lessings Minna von Barnhelm (1769) schlug er den Weg ein, der ihn vor allem ber¨uhmt machte und ihm die Bekanntschaft mit vielen zeitgen¨ossischen Autoren bescherte. Von seinen 2075 Radierungen auf 978 Platten sind die weitaus meisten Illustrationen f¨ur Romane, Schauspiele und Kalender, oft mit moralisierendem und p¨adagogischem Inhalt. So bebilderte er Johann Bernhard → Basedows Elementarwerk (1769-74) und lieferte Zeichnungen f¨ur Johann Caspar → Lavaters physiognomische Studien. Er schuf auch Vorlagen f¨ur andere Radierer. Darstellungen von Ereignissen der Vergangenheit und Gegenwart, z. B. von Taten → Friedrichs des Großen, befruchteten die Historienmalerei bis in das 19. Jh. hinein. Seine vielf¨altigen Darstellungen vor allem des b¨urgerlichen Lebens, so die 108 Zeichnungen von seiner Reise nach Danzig von 1773, machen sein Œuvre zu einer kulturgeschichtlichen Quelle ersten Ranges. C.s von dilettantischen Z¨ugen nicht ganz freie Kunst ist inspiriert durch eine an Familie und Gesellschaft orientierte Menschlichkeit. Dieses Verantwortungsgef¨uhl bewog ihn in den achtziger Jahren, eine Reform der Kunstakademie zu betreiben. Als deren Sekret¨ar konnte er 1786 die erste Kunstausstellung der Akademie er¨offnen. 1790 wurde er ihr Vizedirektor, 1797 ihr Direktor, ohne als Lehrer unmittelbar eine gr¨oßere Wirkung auszu¨uben. Gleichwohl schuf C. durch seine b¨urgerliche Gesinnung eine wesentliche Grundlage f¨ur die Bl¨ute der Berliner Kunst des 19. Jahrhunderts. Seine als kunstgeschichtliche Quelle ergiebigen Briefe ge-

Chlumecky, Peter Ritter von, o¨ sterr. Historiker, * 30. 3. 1825 Triest, † 29. 3. 1863 Br¨unn. Der Bruder des Politikers Johann von → C. studierte in Olm¨utz und Wien die Rechtswissenschaften, trat 1846 in den Staatsdienst ein und wurde 1854 Statthaltereisekret¨ar in Br¨unn. Seit 1848 vertrat er als Mitglied des Landesausschusses die liberalen deutschen Großgrundbesitzer und geh¨orte seit 1861 dem Landtag der Februarverfassung an. Er widmete sich intensiv der Erforschung der Landesgeschichte M¨ahrens, beteiligte sich 1849 an der Gr¨undung der „Statistischen Sektion der k. k. m¨ahrisch-schlesischen Gesellschaft zur Bef¨orderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde“ und wurde 1854 Direktor des Landesarchivs in Br¨unn. Er machte sich besonders um die Fortsetzung des Codex Moraviae diplomaticus (1852) und die Ausgabe der Landtafel des Markgrafenthums M¨ahren (1854-61) verdient. In seiner Biographie Carl von Zierotin und seine Zeit (2 Bde., 1862-79) thematisierte er die st¨andische Selbstherrlichkeit gegen¨uber der Macht der Staatsgewalt. C NDB Chmel, Adam Matthias, Mathematiker, * 27. 8. 1770 Teschen, † 12. 3. 1832 Linz. C. widmete sich seit 1786 dem Studium der Philosophie, Jurisprudenz, der Staatswissenschaften und der Mathematik an der Univ. Wien. 1794-1803 war er Chemielehrer an der m¨ahrisch-st¨andischen Akademie zu Olm¨utz und wurde anschließend Prof. der Mathematik, sp¨ater der Physik am Lyzeum in Linz. Neben verschiedenen Abhandlungen, die C. im „Allgemeinen europ¨aischen Journal“ in Br¨unn vero¨ ffentlichte, erschien 1807 sein zweib¨andiges Lehrbuch Institutiones mathematicae. Er war der Vater des Historikers ¨ Joseph → C. C OBL Chmel, Joseph, Augustinerchorherr, o¨ sterr. Historiker, * 18. 3. 1798 Olm¨utz, † 28. 11. 1858 Wien. Der Sohn des Mathematikers Adam Matthias → C. trat 1816 in das Stift St. Florian ein, wo er 1826 Stiftsbibliothekar wurde. Nach Studien im Staatsarchiv Wien und in der Hofbibliothek 1830-33 trat er 1834 als Archivar ins Staatsarchiv ein und wurde 1846 Vizedirektor und Regierungsrat.

Chodowiecki, Daniel, Maler, Zeichner, Radierer,

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Cholander statten einen Einblick in seinen offenen, durch Fleiß und unternehmerisches Geschick gekennzeichneten Charakter. LITERATUR: Wilhelm Engelmann: D. C.s s¨ammtliche Kupferstiche [. . .]. Leipzig 1857. – Wolfgang von Oettingen: D. C. Ein Berliner K¨unstlerleben im achtzehnten Jahrhundert. Berlin 1895. – Charlotte Steinbrucker (Hrsg.): D. C. Briefe zwischen ihm und seinen Zeitgenossen I. 1736-1786. Berlin 1919. – Charlotte Steinbrucker (Hrsg.): Briefe D. C.s an Anton Graff. Berlin / Leipzig 1921. – Charlotte Steinbrucker (Hrsg.): Briefe D. C.s an die Gr¨afin Christiane von Solms-Laubach. Straßburg 1928. – Jens-Heiner Bauer: D. N. C. Das druckgraphische Werk. Hannover 1982. – Hans Rothe und A. Ryszkiewicz (Hrsg.): C. und die Kunst der Aufkl¨arung in Polen und Preußen. K¨oln / Wien 1986. – Willi Geismeier: D. C. Leipzig 1993. – Ernst Hinrichs und Klaus Zernack (Hrsg.): D. C. (1726-1801). Kupferstecher, Illustrator, Kaufmann. T¨ubingen 1997. Helmut B¨orsch-Supan

Cholander, Franciscus Dermasius → Feller, Joachim Cholevius, (Carl) Leo, Philologe, * 11. 3. 1814 Barten (Kr. Rastenburg, Ostpreußen), † 13. 12. 1878 K¨onigsberg. Der Kaufmannssohn studierte 1833-37 Philologie und Geschichte an der Univ. K¨onigsberg und wurde 1839 Lehrer am Kneiph¨ofischen Gymnasium in K¨onigsberg. C., dem 1857 der Titel Professor verliehen wurde, verfaßte neben Lehrb¨uchern vor allem literaturhistorische Schriften, darunter eine Geschichte der deutschen Posie nach ihren antiken Elementen (2 Bde., 1854-66, 21968) deutsche Literaturgeschichte und Die bedeutendsten deutschen Romane des siebC IGL zehnten Jahrhunderts (1866, Nachdr. 1965).

Cholinus, Maternus, auch Colinus, Kolynus, Verleger, Drucker, * um 1525 Arlon (Belgien), † 17. 10. 1588 K¨oln. C. begann um 1547 seine T¨atigkeit als Buchh¨andler und Verleger in K¨oln und betrieb seit 1557 zudem eine eigene Druckerei. 1562-86 Ratsherr, war er seit 1574 Ratsdrucker und wurde 1585 Mitglied der Achatius-Bruderschaft. C., der intensive Beziehungen zur K¨olner Jesuitenniederlassung hatte, unterst¨utzte durch seine verlegerische T¨atigkeit den kath. Standpunkt im Glaubensstreit. Durch den Jesuiten Petrus → Canisius erhielt er 1560 von → Ferdinand I. ein kaiserliches Privileg auf zehn Jahre, um seine Verlagserzeugnisse gegen Nachdruck zu sch¨utzen; daneben besaß er ein Spezialprivileg f¨ur den Katechismus des Canisius, dessen Erstausgabe er ver¨offentlichte. Mit mehr als 250 B¨uchern galt C. als einer der bedeutendsten K¨olner Verleger des 16. Jahrhunderts. Neben Predigtschriften, liturgischen B¨uchern und Streitschriften gegen die reformatorische Bewegung gab er 1584 die Werke von Kardinal Stanislaus → Hosius in einer letzten vollst¨andigen Gesamtausgabe herC NDB aus.

Choltitz, Dietrich von, Milit¨ar, * 9. 11. 1894 Schloß Wiese-Gr¨aflich (Neustadt, Oberschlesien), † 5. 11. 1966 Baden-Baden. Der einer schlesischen Offiziersfamilie entstammende C. nahm nach der Erziehung im Kadettenkorps 1914 am Ersten Weltkrieg teil. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Oberstleutnant, stieg er zum General auf und war vom 7. bis zum 24. 8. 1944 Wehrmachtsbefehlshaber von Groß-Paris. Er verhinderte die Ausf¨uhrung von → Hitlers Befehl, Paris zu zerst¨oren, nahm Kontakte zur R´esistance auf, u¨ bergab die Stadt kampflos den einr¨uckenden Alliierten und kam in franz¨osische Kriegsgefangenschaft. Im November 1944 vero¨ ffentlichte C. im „Figaro“ seine Erinnerungen unter dem Titel Warum ich Paris nicht zerst¨orte. Nach Brennt Paris? Adolf Hitler . . . (1950) erschienen 1951 seine Memoiren Soldat unter Soldaten.

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Chop, Max (Friedrich Johann Theodor), Pseud. Monsieur Charles, Musikschriftsteller, * 17. 5. 1862 Greußen (Th¨uringen), † 20. 12. 1929 Berlin. Der Sohn eines Amtsgerichtsrates studierte 1882-85 Jura und Finanzwissenschaften in Jena und Leipzig, legte seine erste juristische Pr¨ufung ab, wechselte dann aber auf Anraten von Franz → Liszt zur Musik u¨ ber und lebte 1886-88 in Berlin. 1888-1902 leitete er die „M¨arkische Zeitung“ und ließ sich anschließend als Musikschriftsteller in Berlin nieder. 1911-15 redigierte er die Monatsschrift des Bungert-Bundes, „Der Bund“. 1912 erhielt C., der bei Liszt und Max von → Erdmannsd¨orfer Musik studiert hatte und als Klavier- und Geigenvirtuose bekannt war, den Professorentitel. Seit 1920 war er Eigent¨umer und Chefredakteur der „Signale f¨ur die musikalische Welt“. C. ver¨offentlichte u. a. Zeitgen¨ossische Tondichter (2 Bde., 1888-90), F¨uhrer durch die Opernmusik (1912), F¨uhrer durch die Musikgeschichte (1912) sowie Erl¨auterungen zu Meisterwerken der Tonkunst (36 Bde.). C MGG Chorin, Aaron Ben Kalman, Reformrabbiner, * 3. 8. 1766 Weißkirchen, † 24. 8. 1844 Arad. Der aus M¨ahren stammende C. studierte zun¨achst in der Jeschiwa des Rabbi Jeremia in Mattersdorf, seit 1782 bei Rabbi Ezechiel → Landau in Prag, wo er sich auch dem Studium der deutschen Philosophie widmete. Anschließend war er kurze Zeit als Kaufmann t¨atig, wandte sich dann jedoch ausschließlich der Theologie zu und folgte 1789 einem Ruf als Rabbiner nach Arad, wo er u¨ ber f¨unfzig Jahre t¨atig war. Den Ideen der Aufkl¨arung folgend, bem¨uhte er sich um Reformen in seinem Wirkungsgebiet und sagte in seinem Werk Emek ha-Schawe (1803) allen Synagogenbr¨auchen, die sich nicht durch die Religion selbst begr¨undeten, den Kampf an, was ihm heftigen Widerstand von seiten orthodoxer Rabbiner einbrachte und eine Spaltung der Arader Gemeinde zur Folge hatte. Innerhalb der Reformbewegung seiner Zeit vertrat C., der in seinen Schriften wiederholt darlegte, daß die Liebe zu Gott und zu den Menschen Vorrang vor den Religionsvorschriften habe, die j¨udische Gelehrsamkeit, und er stimmte 1818 im Hamburger Tempelreformstreit den dort eingef¨uhrten Gebetsreformen zu. C Wurzbach

Chorus, Gerhard, B¨urgermeister, * um 1285, † 20. 4. 1367. C., dessen Vater 1321 Sch¨offe des K¨oniglichen Stuhls in Aachen wurde, versah zwischen 1324 und 1346 f¨unfmal das Amt des B¨urgermeisters von Aachen, war dort 1332-37 Meier und Vogt und seit 1357 Mitglied des Sch¨offenkollegs. Seit 1332 wird er in den Chroniken als Ritter bezeichnet. Im Auftrag seiner Vaterstadt mit zahlreichen diplomatischen Missionen betraut, wurde er u. a. 1338 im Streit zwischen Kaiser und Papst als Gesandter Aachens zu Kaiser → Ludwig IV. nach Frankfurt, Mainz und Koblenz geschickt; 1346 nahm er an der Wahl → Karls IV. teil. C., den die Chroniken als bedeutende Pers¨onlichkeit des 14. Jh. bezeichnen, gilt als Erbauer des auf den Mauern der karolingischen Pfalz errichteten Aachener Rathauses. C NDB Chory, Werner, Politiker, * 5. 11. 1932 Gogolin, † 24. 8. 1991 Bonn. Der einer oberschlesischen Apothekerfamilie entstammende C. widmete sich in M¨unster dem Jurastudium. 1965-70 war er im Bundesministerium f¨ur Arbeit und Sozialordnung t¨atig und anschließend bis 1976 in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund in Bonn vor allem f¨ur Sozialpolitik und Umweltschutz verantwortlich. 1976-78 leitete er die Zentralabteilung des rheinland-pf¨alzischen Ministeriums f¨ur Soziales, Gesundheit und Sport; im Juni 1978 wurde er Staatssekret¨ar im nieders¨achsischen Sozialministerium in Hannover, sp¨ater beamteter Staatssekret¨ar im Bundesministerium f¨ur Jugend, Familie und Gesundheit in Bonn. Er war

Chrismann an der Einf¨uhrung des Erziehungsgeldes und -urlaubs, des Familienlastenausgleichs sowie der Gr¨undung der Stiftung Mutter und Kind beteiligt. Nach der Aufteilung des Ministeriums 1991 arbeitete er im Ministerium f¨ur Frauen und Jugend. C Munzinger

Chotek von Chotkowa und Wognin, Carl Graf, o¨ sterr. Beamter, * 23. 7. 1783 Wien, † 28. 12. 1868 Wien. Der Sohn des sp¨ateren Ministers Johann Rudolf von Chotek trat nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Wien und Prag 1803 in den o¨ sterr. Staatsdienst ein. 1811-13 in der m¨ahrischen Landesverwaltung t¨atig, wurde er anschließend mit der Organisation des zur¨uckgewonnenen Gebiets von Triest betraut; 1815-18 leitete er das Triestiner Gubernium. Im selben Jahr wurde er als Gubernialpr¨asident nach Tirol versetzt, bis er 1825 als Hofkanzler nach Wien berufen wurde. 1826 Oberburggraf in Prag, f¨orderte er insbesondere die Industrie und den Eisenbahnbau. Ein Streit mit → Metternich und Franz Anton von → KolowratLiebsteinsky f¨uhrte zu C.s R¨ucktritt. C NDB

Chotek von Chotkowa und Wognin, Sophie Gr¨afin, Herzogin von Hohenberg, * 1. 3. 1868 Stuttgart, † 28. 6. 1914 Sarajevo. Die Tochter des ehemaligen o¨ sterr. Gesandten in W¨urttemberg Bohuslaw Graf Chotek war Hofdame der Erzherzogin Isabella, bevor sie 1900 in morganatischer Ehe den o¨ sterr. Thronfolger → Franz Ferdinand heiratete. C., die erheblichen Einfluß auf die politischen Pl¨ane des Erzherzogs hatte, erhielt 1909 von Kaiser → Franz Joseph den erblichen Titel einer Herzogin von Hohenberg. 1914 fiel sie zusammen mit Erzherzog Franz Ferdinand dem Attentat von Sarajevo zum Opfer. Chotzen, Fritz, Psychiater, * 7. 6. 1871 Breslau (?), † n. e. C., Sohn eines Arztes, schloß das Studium der Medizin 1896 ¨ mit der Promotion ab (Uber die Prognose der Extrauteringravidit¨at und die Bedeutung des Secretionsmaterials f¨ur dieselbe). Er war Assistenz- und Oberarzt an der Heilanstalt f¨ur Nerven- und Gem¨utskranke in Breslau, zu deren Direktor er 1928 ernannt wurde, und geh¨orte zu den Begr¨undern der F¨ursorgeanstalt f¨ur jugendliche Psychopathen. Wegen der nationalsozialistischen Rassengesetze mußte er sein Amt aufgeben. C., auf den die Entdeckung des Saethre-ChotzenSyndroms (genetisch bedingte Fehlbildung von Sch¨adel, Gesicht und Fingern) zur¨uckgeht, besch¨aftigte sich mit Alkoholismus, geistiger Behinderung, Intelligenzmessung und Eifersucht. Er ver¨offentlichte u. a. Die Intelligenzpr¨ufungen von Binet-Simon bei schwachsinnigen Kindern (1911) und Einf¨uhrung in die Kenntnis der geistigen Schw¨achezust¨ande ¨ der Hilfssch¨uler (1921, 21931). Schlesien C Arzte

Choulant, Ludwig, Mediziner, Medizinhistoriker, * 12. 11. 1791 Dresden, † 18. 7. 1861 Dresden. Nach einer Apothekerlehre in Dresden studierte C. Medizin an der Univ. Leipzig, wurde 1818 mit der Arbeit Decas pelvium spinarumque deformatarum promoviert und war anschließend literarisch-¨arztlicher Mitarbeiter der Hofbuchdruckerei in Altenburg, bis er 1821 nach Dresden u¨ bersiedelte. Hier war er zun¨achst als Arzt am K¨oniglich Katholischen Krankenstift in der Friedrichstadt t¨atig, hielt seit 1822 Vorlesungen an der Chirurgisch-Medizinischen Akademie und wurde 1823 Prof. f¨ur Theoretische Heilkunde sowie Direktor der Poliklinik. 1828 r¨uckte er in die h¨ochste Professur f¨ur Praktische Heilkunde auf und wurde 1843 schließlich zum Direktor der Akademie ernannt. Seit 1844 war C., der sich haupts¨achlich mit der Geschichte und Literatur der Medizin besch¨aftigte, Medizinalreferent im Ministerium des Innern, wo er großen Einfluß auf das Gesundheitswesen des K¨onigreichs Sachsen aus¨ubte. 1831 ver¨offentlichte C. ein Lehrbuch der speciellen Pathologie und Therapie

des Menschen (51852 / 53), 1835 wurde er Vorsitzender der Gesellschaft f¨ur Natur- und Heilkunde. Zu seinen medizinhistorischen Publikationen geh¨oren Tafeln zur Geschichte der Medizin (1822), Handbuch der B¨ucherkunde f¨ur die aeltere Medicin (1828, 21841) und Geschichte und Literatur der a¨ lteren Medicin (1841). C Heidel / Lienert

Chowanetz, Josef Johann (Julian Feodor) von, auch Chwonitz, Chovanec, o¨ sterr. Schriftsteller, * 15. 3. 1814 Neuh¨ausel (Ungarn), † 11. 11. 1888 D¨obling (heute zu Wien). C., Sohn eines Majors, schlug zun¨achst ebenfalls die milit¨arische Laufbahn ein und war zuletzt Offizier der o¨ sterr. Armee. 1835 unterrichtete er als Prof. f¨ur Geschichte und Geographie an der Kadettenschule in Graz. Seit 1836 freier Schriftsteller, lebte er erst in Wien, seit 1841 in Ulm. Er schloß sich vor¨ubergehend der deutsch-katholischen Bewegung an, nahm 1848 an der Revolution in Ungarn teil und floh 1849 nach Deutschland, wo er zun¨achst seinen Wohnsitz in Karlsruhe, seit 1853 in Frankfurt / Main hatte. C. schrieb Beitr¨age f¨ur Zeitungen (u. a. f¨ur das „Neue Wiener Tagblatt“), ver¨offentlichte Erz¨ahlungen und Romane (Moderne Liebe, 1840) und verfaßte Werke zur Geschichte Ungarns (Die Geschichte Ungarns, 1847; Geschichte der ungarischen Revolution, 1849; Handbuch zur Kenntnis Ungarns, 1854). C Jacob

Chrambach, Carl, Bankier, * 24. 1. 1853 Lissa, † 16. 3. 1929 Breslau. C. hatte urspr¨unglich in den neunziger Jahren des 19. Jh. ein Bankgesch¨aft in Breslau. Sp¨ater siedelte er nach Berlin u¨ ber und engagierte sich beim Ausbau der schlesischen Industrie. Er wurde Aufsichtsratsvorsitzender der Linke(Hofmann-)Waggonwerke A.G. Daneben blieb er Mitglied in j¨udischen Wohlt¨atigkeitsvereinen; er wurde u. a. 1891 Mitglied des Gr¨undungsvorstands (Schatzmeister) des Israelitischen M¨adchenheims und 1906 Mitglied der Israelitischen Krankenversorgungs-Anstalt Breslau. Chrestensen, Niels Lund, Florist, Kaufmann, * 8. 6. 1840 Randlew (D¨anemark), † 21. 1. 1914 Erfurt. Der Sohn eines Landwirts erhielt in Aarhus eine dreij¨ahrige Ausbildung zum G¨artner. Auf der Wanderschaft kam er 1865 nach Erfurt, wo er seinen Beruf zuerst als Gehilfe, sp¨ater als Oberg¨artner aus¨ubte. Nach der Heirat mit einer Blumenbinderin gr¨undete er 1867 in Erfurt ein Gesch¨aft, dem er 1874 eine Kunst- und Handelsg¨artnerei, eine Korbflechterei und einen Handel mit S¨amereien anschloß. C., der ein spezielles Trockenverfahren entwickelte, das den Blumen eine l¨angere Haltbarkeit erm¨oglichte, war der Begr¨under des Erfurter Trockenblumenhandels, der große Mengen bis nach England und Amerika exportierte. C NDB

Chrismann, Franz Xaver, auch Kriˇzman, Krismann, Crisman, Chrismanni, Chrishmann(i), Christmann, Grismann, Orgelbauer, * 22. 10. 1726 Reifenberg (Grafschaft G¨orz), † 20. 5. 1795 Rottenmann (Steiermark). Der vermutlich aus einer Bauernfamilie stammende C. studierte Theologie und wurde 1750 zum Priester geweiht. 1752-54 ist er als Kurat in der Pfarre St. Veit bei Vivapi nachweisbar. Er wandte sich dann der Orgelbaukunst zu. Durch den Umbau der Laibacher Domorgel 1762 bekannt geworden, erhielt er 1770 den Auftrag f¨ur sein gr¨oßtes Werk, den Bau der Orgel im Stift St. Florian, den er 1773 vollendete. In zwei lateinischen Schriften, die zum Umbau der Laibacher Orgel entstanden, verweist C. auf seine beiden Lehrer, den Mathematiker Claude Fran¸cois Milliet de Challes und den venezianischen Orgelbauer Pietro Nacchini, nach deren Prinzipien C. seine Werke gestaltete. C MGG

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Christ Christ, Adolf, schweizer. Fabrikant, Politiker, * 31. 1. 1807 Basel, † 18. 10. 1877 Basel. Der einer Basler Bandherrenfamilie entstammende C. absolvierte 1824-27 eine kaufm¨annische Lehre, begab sich 1827-29 zu einem Ausbildungsaufenthalt nach Lyon und reiste nach Paris, London, Manchester und Belgien, ehe er in die Familienfirma eintrat. Seit den Basler Trennungswirren 1830-33 war er politisch t¨atig und wurde 1837 in den Großen Rat und 1847 in den Kleinen Rat gew¨ahlt, dem er bis zur Verfassungsrevision von 1875 angeh¨orte. C. trat als F¨uhrer der konservativen Opposition gegen die politische und kirchliche Reformbewegung auf, f¨orderte eine christlich-soziale Kulturpolitik und bem¨uhte sich um verbesserten Kinderschutz sowie um die Einf¨uhrung einer staatlich u¨ berwachten generellen Krankenversicherung. Seit 1840 Mitglied des Basler Missionskomitees, 1854-77 deren Pr¨asident, gr¨undete er 1860 den Verein christlicher Gemeinschaft. C HLS

Christ, Fritz, Bildhauer, * 7. 1. 1866 Bamberg, † 5. 7. 1906 M¨unchen. C., Sohn eines Steinmetzen, kam Ende 1880 nach M¨unchen, um die bei seinem Vater erlernten Kenntnisse zu vervollkommnen. Ein Stipendium K¨onig → Ludwigs II. erm¨oglichte ihm die Fortsetzung seiner Studien an der Akademie der Sch¨onen K¨unste, wo er als Sch¨uler Max von → Widnmanns f¨ur seine Figur Sterbender Krieger die große silberne Medaille erhielt. Unter Syrius → Eberle und Wilhelm von → R¨umann folgten zahlreiche Auftr¨age f¨ur Grabmonumente. Nachdem die M¨unchner Glyptothek eine Frauenstatue in Marmor erworben hatte, begann C. ein von seiner Vaterstadt Bamberg in Auftrag gegebenes Denkmal f¨ur Ludwig II., das 1910 von Philipp Rittler nach seinen Entw¨urfen vollendet wurde. C AKL

Christ, Hermann, schweizer. Jurist, Botaniker, * 12. 12. 1833 Basel, † 22. 11. 1933 Basel. C. schloß das Studium in Basel und Berlin 1856 mit der Promotion zum Dr. jur. ab und war seit 1859 als Gerichtsschreiber t¨atig, seit 1868 als Rechtsanwalt und Notar. Er u¨ bernahm die juristische Vertretung der Badischen Bahn, sp¨ater auch der Elsaß-Lothringerbahn und f¨orderte in dieser Funktion das internationale Eisenbahntransportrecht, wobei als Ergebnis dieser Bem¨uhungen am 14. 10. 1890 das internationale Abkommen u¨ ber den Eisenbahn-Frachtverkehr zwischen neun europ¨aischen Staaten zustande kam. 1895-1907 geh¨orte C. dem Appellationsgericht an. Als Mitglied des Basler Missionskomitees setzte er sich in zahlreichen Schriften f¨ur die Rechte der unterdr¨uckten Indianer und Afrikaner in den Kolonien ein. Neben seiner juristischen T¨atigkeit besch¨aftigte er sich seit seiner Jugend mit Botanik und verfaßte bedeutende Fachb¨ucher auf dem Gebiet der botanischen Systematik (u. a. Die Rosen der Schweiz, 1873; Pflanzenleben in der Schweiz, 1879; Die Farnkr¨auter der Erde, 1897). Seit 1906 geh¨orte er der Schweizer Naturschutzkommission an, bis 1916 als deren Rechtsberater; seine Anregungen fanden im schweizer. Naturschutzrecht vielfachen Niederschlag.

Christ, Johann Friedrich, Klassischer Philologe, Arch¨aologe, Kunsthistoriker, * 26. 4. 1700 Coburg, † 3. 9. 1756 Leipzig. Der Sohn eines Konsistorialrats und Schuldirektors begann 1720 in Jena ein Studium der Philosophie, Geschichte und der Rechtswissenschaften, das er in Halle fortf¨uhrte, wo er schon vor der Promotion zum Magister (1728) Vorlesungen hielt. Nach der Habilitation 1731 erhielt er in Leipzig eine a. o. Professur f¨ur Geschichte, 1735 eine ordentliche Professur f¨ur Dichtkunst. C. gilt als Gr¨under des kunsthistorischen und klassisch-arch¨aologischen Studiums an den deutschen Universit¨aten; er forschte auf dem Gebiet der Gemmen-

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und M¨unzkunde, der Reliefe und der Malerei und gab eine Sammlung mit K¨unstlermonogrammen heraus. 1776 erschienen die von Johann Karl Zeune herausgegebenen Abhandlungen u¨ ber die Litteratur und Kunstwerke vornehmlich des Alterthums. Zu den bedeutendsten Sch¨ulern C.s z¨ahlten ChriC Killy stian Gottlob → Heyne und → Lessing.

Christ, Johann Ludwig, evang. Theologe, Obstkundler,

¨ * 28. 10. 1739 Ohringen (W¨urttemberg), † 19. 11. 1813 Kronberg / Taunus. C., Sohn eines gr¨aflich Hohenloheschen Kastenverwalters in Wimpfen, studierte seit 1758 Theologie und Naturwissenschaften in T¨ubingen, Erlangen und Altdorf. 1764 wurde er Pfarrer in Bergen, 1767 in R¨udigheim und 1776 in Rodheim v. d. H. Von 1786 bis zu seinem Tod war C. Oberpfarrer in Kronberg. Daneben widmete er sich dem Obstbau, der Landwirtschaft und der Bienenzucht. Als Besitzer zweier Baumschulen konzentrierte sich C., der f¨ur die Verbreitung von Edelkastanien und Mirabellen sorgte, in erster Linie auf die Zucht von Obstgeh¨olzen, wobei er die Grundlagen f¨ur eine planm¨aßige Obstzucht schuf. Seine systematische Einteilung der Obstsorten war wegbereitend f¨ur die wissenschaftliche Obstbaumkunde. C. ver¨offentlichte u. a. Anweisung zur n¨utzlichsten und angenehmsten Bienenzucht (1783), Handbuch u¨ ber die Obstbaumzucht und Obstlehre (1794, 41817) und Vollst¨andige Pomologie (2 Bde., 1809). Die 16. Auflage seines Gartenbuches (1814) erschien 1906. C NDB

Christ, Joseph Anton, Schauspieler, * 5. 6. 1744 Wien, † 25. 3. 1823 Dresden. C., als Kanzlistensohn der Erziehung in einem Jesuitenkonvikt entflohen, nahm als o¨ sterr. Husar am Siebenj¨ahrigen Krieg teil, bis er 1765 seine Schauspielerkarriere als jugendlicher Held bei der Ilgenerschen Truppe in Salzburg unter dem Namen Suitangi begann. 1772 in der Rolle als Liebhaber und T¨anzer nach Prag gekommen, f¨uhrte ihn seine Laufbahn zun¨achst nach Braunschweig, Magdeburg, Leipzig und Berlin, bevor er 1778 von Friedrich Ludwig → Schr¨oder nach Hamburg berufen wurde. 1779 Mitglied der Bordinischen Truppe in Leipzig, stand C. 1783 in St. Petersburg auf der B¨uhne und lebte 1784-88 in Riga, wo er zunehmend in das Fach der komischen und edlen V¨aterrollen wechselte und große Charaktere wie den Grafen Moor und Philipp II. verk¨orperte. Seit 1790 geh¨orte er dem Nationaltheater in Mainz an; 1793 nahm er ein Engagement bei der Franz von Seconda’schen Gesellschaft in Prag an, der er sp¨ater nach Dresden und Leipzig folgte. 1912 erschienen erstmals C.s Memoiren, die von Rudolf Schirmer unter dem Titel Schauspielerleben im 18. Jahrhundert. Erinnerungen herausgegeben wurden. C NDB

Christ, Karl, Bibliothekar, * 6. 3. 1878 Geisenheim (Rheingau), † 16. 12. 1943 Berlin. Nach einem neusprachlichen Studium in Straßburg, Bonn und London wurde C., Sohn eines Gutsbesitzers, 1905 promoviert (Quellenstudien zu den Dramen Thomas Middletons) und begann eine bibliothekarische Ausbildung, die ihn als Volont¨ar nach Kassel, Marburg und G¨ottingen f¨uhrte. 1910-14 am Preußischen Historischen Institut in Rom t¨atig, kam er anschließend an die Preußische Staatsbibliothek (bis 1921) in Berlin, wo er 1919 zum Titularprofessor ernannt wurde. 1921-27 war er Direktor der Universit¨atsbibliothek Halle, 1927-32 Leiter der Staats- und Universit¨atsbibliothek Breslau und dann bis zu seinem Tod Direktor der Handschriftenabteilung der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin. Seit 1935 Honorarprofessor f¨ur die Geschichte des Buchwesens an der Univ. Berlin, besch¨aftigte sich C. haupts¨achlich mit der Erforschung mittelalterlicher Handschriften sowie der Buch- und Bibliotheksgeschichte dieser Epoche

Christaller (Handbuch der Bibliothekswissenschaft); er war Mitarbeiter an der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegebenen → Eckhart-Ausgabe der deutschen und lateinischen Werke. C NDB

¨ an den großen B¨uhnen in Deutschland, Osterreich, Belgien, Italien und der Schweiz und trat seit 1955 mehrmals bei den Salzburger Festspielen auf, u. a. als Jaquino im Fidelio (1958). C Kutsch

Christ, Lena, eigentl. Magdalena Pichler, Schriftstellerin,

Christ, Sophie, Schauspielerin, Erz¨ahlerin, * 9. 9. 1836

* 30. 10. 1881 Glonn bei M¨unchen, † 30. 6. 1920 M¨unchen. Als uneheliches Kind verbrachte C. die ersten Lebensjahre bei den Großeltern in ihrem oberbayerischen Geburtsort, bis sie achtj¨ahrig zur nunmehr verheirateten Mutter nach M¨unchen kam, um in deren Gastwirtschaft mitzuhelfen. Der liebevollen Erziehung durch den Großvater, dem C. sp¨ater in ihrem 1914 erschienenen Roman Mathias Bichler ein literarisches Denkmal setzte, folgte eine harte, von Depressionen und Krankheiten bestimmte Jugend, der sie immer wieder zu entfliehen suchte. Nach dem Scheitern ihrer ersten Ehe mit dem Buchhalter Anton Leix, aus der sechs Kinder hervorgingen (nur drei u¨ berlebten), heiratete C. 1901 den Schriftsteller Peter → Benedix. Dieser wurde auf ihre erz¨ahlerische Begabung aufmerksam und regte sie zur Arbeit an ihrem au¨ tobiographischen Roman Erinnerungen einer Uberfl¨ ussigen (1912; 1969 f¨ur das Fernsehen verfilmt, Regie: Hans Werner Geissend¨orfer, Der Fall Lena Christ) an. Von der Kritik positiv bewertet, folgten u. a. Lausdirndlgeschichten (1913) sowie die Erz¨ahlung Rumplhanni (1916; 1981 f¨ur das Fernsehen verfilmt, Regie: Rainer Wolffhardt) und der Roman Madame B¨aurin (1919), in denen stets die b¨auerlich-b¨urgerliche Welt in authentischer Weise und ausdrucksstarker Sprache thematisiert ist. Als nach Kriegsende die literarischen Erfolge der unheilbar an Tuberkulose erkrankten C. zunehmend ausblieben, wurde ihre wirtschaftliche Situation nach der Trennung von Benedix aussichtslos, und sie verstrickte sich in eine Bildf¨alscheraff¨are, in der sie f¨ur schuldig befunden wurde. Um der drohenden Gef¨angnisstrafe zu entgehen, beging sie 1920 Selbstmord. C Killy

Mainz, † 23. 4. 1931 Mainz. C., Tochter eines Gesch¨aftsf¨uhrers der f¨urstbisch¨oflichen Druckerei, erhielt ihre Erziehung bei den Englischen Fr¨aulein in Mainz und begann ihre Karriere als Schauspielerin 1855 in Regensburg. Es folgten Engagements in Heidelberg, Aachen, Hamburg, Weimar, Breslau und Wiesbaden, wo sie als Maria Stuart und Gretchen große tragische Hauptrollen spielte. Nach ihrem Abschied von der B¨uhne 1871 war sie vorwiegend als Erz¨ahlerin und Reiseschriftstellerin t¨atig und dokumentierte die Erfahrungen ihrer Orientreise 1892 in den Orientalischen Tagebuchbl¨attern. Nach der Natur und Wirklichkeit skizziert (1883).

Christ, Liesel, Schauspielerin, * 16. 4. 1919 Frankfurt / Main, † 15. 8. 1996 Frankfurt / Main. C., die bereits als Kind auf der B¨uhne stand, studierte 1933-36 an der Hochschule f¨ur Musik und Theater in Frankfurt / Main, war anschließend am Stadttheater in Koblenz und 1938-44 amStadttheater in Heilbronn / Neckar engagiert. Danach u. a. in G¨orlitz und Breslau t¨atig, war sie 1953 Mitbegr¨underin des Landestheaters Rhein-Main in Frankfurt / Main, wo sie bis 1958 wirkte, und gastierte dann als freie Schauspielerin u. a. an den St¨adtischen B¨uhnen in Mainz und Bielefeld. Bekannt wurde C. vor allem als Mama Hesselbach in der Fernsehserie „Familie Hesselbach“ (1959-66). C Huber

Christ, Paul, reformierter Theologe, * 25. 10. 1836 Z¨urich, † 14. 1. 1908 Z¨urich. Der Sohn eines Anwalts und Redakteurs studierte in T¨ubingen und Basel Theologie. Er hatte Pfarrstellen in mehreren Gemeinden Graub¨undens inne und war seit 1884 Staatsarchivar, Gef¨angnispfarrer und Lehrer in Chur, bevor er Ende 1888 einen Ruf als o. Prof. f¨ur systematische und praktische Theologie an die Univ. Z¨urich erhielt. C. ver¨offentlichte Die sittliche Weltordnung (1894). C BBKL

Christ, Rudolf, S¨anger, * 20. 3. 1916 Wien, † 20. 4. 1982 Wien. C. begann seine Karriere 1939 als Chorist an der Wiener Volksoper, studierte dann drei Jahre bei Adolf → Vogel in Wien, deb¨utierte 1941 als Solist am Landestheater Innsbruck und wirkte 1946-49 am Stadttheater Z¨urich als lyrischer Tenor und Operettens¨anger. 1949 kehrte er an die Wiener Volksoper zur¨uck, wo er bis zu seiner Pensionierung 1976 Ensemblemitglied blieb. Daneben war C. seit 1956 an der Deutschen Oper am Rhein D¨usseldorf-Duisburg engagiert, gab zahlreiche Gastspiele an der Wiener Staatsoper sowie

Christ, Wilhelm von, Klassischer Philologe, * 2. 8. 1831 Geisenheim (Rheingau), † 8. 2. 1906 M¨unchen. C., Sohn eines B¨ackers, begann 1850 das Studium der Philologie bei Ludwig → Spengel an der Univ. M¨unchen, wurde 1853 in Berlin promoviert (Studia in Aristotelis libros metaphysica collata) und trat noch im selben Jahr eine Stelle als Studienlehrer am Maximiliansgymnasium in M¨unchen an. Seit 1858 außerordentliches, seit 1864 ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, wurde er 1860 a. o. Prof. der Klassischen Philologie an der Univ. M¨unchen und Konservator des kgl. Antiquariums, 1863 o. Prof. und u¨ bernahm 1891 das Amt des Rektors. 1867 wurde C. geadelt. 1872-92 war er Mitglied des Obersten Schulrates in M¨unchen, 1891-1900 Vertreter Bayerns in der Reichsschulkommission. 1864 wurde er Mitglied des Deutschen Arch¨aologischen Instituts in Rom. C. besch¨aftigte sich vorwiegend mit Pindar, antiker Metrik, Homer und griechischer Literaturgeschichte. Er ver¨offentlichte u. a. Metrik der Griechen und R¨omer (1874, 21879) und Geschichte der griechischen Literatur bis auf die Zeit Justinians (1887, 41905). C MGG

Christaller, Helene, geb. Heyer, Schriftstellerin, * 31. 1. 1872 Darmstadt, † 25. 5. 1953 Jugenheim / Bergstraße. C., Tochter eines Rechtsanwalts, heiratete achtzehnj¨ahrig und lebte als Pfarrersfrau in verschiedenen Schwarzwaldd¨orfern, wo sie als Leiterin der Schulgottesdienste zu schriftstellerischer T¨atigkeit angeregt wurde und erste Erz¨ahlungen und Kurzgeschichten f¨ur Kinder verfaßte, die stark von pers¨onlichen Erfahrungen gepr¨agt waren. Nach der Suspendierung ihres Mannes vom Pfarrdienst wegen seines 1901 erschienenen satirischen Romans Prostitution des Geistes erfolgte der Umzug nach Jugenheim, und C. mußte mit ihrer Arbeit als Schriftstellerin f¨ur den Lebensunterhalt der Familie sorgen. Zwischen 1902 und 1943 erschienen zahlreiche Skizzen, Novellen, Reisebeschreibungen und Romane, die fast ausschließlich autobiographische Z¨uge enthalten und von einer religi¨osen Weltsicht zeugen. Ihrem ersten großen Erfolg Gottfried Erdmann und seine Frau (1908) folgte eine Reihe biographischer Erz¨ahlungen, u. a. u¨ ber das Lebenswerk des Franz von Assisi (Heilige Liebe, 1911). C Killy

Christaller, Johann Gottlieb, Missionar, Sprachforscher, * 19. 11. 1827 Winnenden bei Waiblingen, † 10. 12. 1895 Stuttgart. C., Sohn eines Schneidermeisters, ergriff 1841 in seiner Vaterstadt den Beruf des Rathausschreibers, hielt sich 1848-52 als Angeh¨origer der Basler Missionsgesellschaft im dortigen Missionshaus auf und ging 1853 als Missionar an die Goldk¨uste (Ghana), wo er mit Unterbrechungen elf Jahre

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Christaller t¨atig war, bis er krankheitsbedingt 1868 nach W¨urttemberg zur¨uckkehrte. C., der sich mit den afrikanischen Sprachen Twi und Ga besch¨aftigte, ist der Begr¨under der wissenschaftlichen Sprachforschung in Westafrika. Er erkannte als erster die zentrale Bedeutung des musikalischen Tons f¨ur die afrikanischen Sprachen und u¨ bersetzte die Bibel in das Twi, die Hauptsprache der Goldk¨uste. C. ver¨offentlichte u. a. Grammar of Asante and Fante Language called Tshi (Twi) (1875). C. war der Vater von Theodor → C. C NDB

Christaller, Theodor, P¨adagoge, Philologe, * 2. 1. 1863 Schorndorf (W¨urttemberg), † 19. 8. 1896 Bonamondone (Kamerun). Der Sohn des Missionars Johann Gottlieb → C. erhielt 1882 eine Anstellung als Volksschullehrer am Missionsknabenhaus in Basel. 1887 u¨ bernahm er die Leitung der ersten deutschen Reichsschule in Bonamondone (Kamerun). Bald mit der Landessprache vertraut, ver¨offentlichte er 1893 ein Handbuch der Duallasprache, war als Dolmetscher bei Gerichtsverhandlungen und als Beisitzer des kaiserlichen Gerichts t¨atig und u¨ bersetzte Gesetze und Verordnungen. C Leb Schwaben Bd 3 Christalnik, Michael Gotthard, Geschichtsschreiber, * K¨arnten, † 1595 K¨arnten. C. war zun¨achst als Prediger t¨atig, bevor er von den K¨arntner St¨anden den Auftrag erhielt, eine Geschichte des Landes zu verfassen. Als Sch¨uler der Historiker um → Maximilian I., vor allem des Wolfgang → Lazius, arbeitete er bis 1588 an dieser Chronik, die anschließend von dem Klagenfurter Rektor Hieronymus → Megiser bearbeitet und 1612 als Annales Carinthiae, Chronika des loeblichen Ertzhertzogthumbs Kharndten (2 Bde.) herausgegeben wurde. C NDB Christeller, Erwin, Mediziner, * 26. 4. 1889 Berlin, † 1928. C., Sohn eines Arztes, studierte Medizin, absolvierte 1912 die medizinische Staatspr¨ufung, arbeitete anschließend am st¨adtischen Krankenhaus Neuk¨olln und am K¨oniglichen Institut f¨ur Infektionskrankheiten „Robert Koch“. 1913 wechselte er als Assistent an das Pathologische Institut des St¨adtischen Krankenhauses am Friedrichshain und wurde 1914 promoviert (Die Rachendachhypophyse des Menschen unter normalen und pathologischen Verh¨altnissen). Carl → Kaiserling, der bereits w¨ahrend der Studienzeit sein Interesse f¨ur wissenschaftliche Photographie und Mikroskopie geweckt hatte, holte C. 1917 als Oberarzt an das Pathologische Institut der Univ. K¨onigsberg, an der er sich noch im selben Jahr habilitierte. 1921 wurde er Nachfolger von David → Hansemann am Pathologischen Institut des Rudolf-Virchow-Krankenhauses in Berlin, noch kurz vor seinem Tod erhielt er die Ernennung zum apl. Professor. C. tat sich in der pathologisch-anatomischen Forschung durch eine Reihe wichtiger, in Fachzeitschriften und Handb¨uchern publizierter Arbeiten hervor. Insbesondere z¨ahlen dazu Beitr¨age zu Formen der Ostitis fibrosa und der verwandten Knochenerkrankungen der S¨augetiere (1922), zum Typhus abdominalis (1928) sowie zusammen mit Edmund Mayer eine Ver¨offentlichung u¨ ber die Appendicitis. Zur Herstellung von Organgroßschnitten wandte er erstmals das Gefrierverfahren an (s. auch seine Ver¨offentlichung Atlas der Histotopographie gesunder und erkrankter Organe, 1927), bei den Metallnachweisen im Gewebe erzielte er gute Fortschritte und wurde mit diesen Untersuchungen zu einem Pionier auf dem Gebiet der histochemischen Reaktionen. Der mikroskopischen Forschung hat er mit seinen Arbeiten zahlreiche Impulse gegeben. C Mikroskopie

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Christen, Ada, eigentl. Christiane von Breden, geb. Friederik, verw. Neupauer, Schriftstellerin, * 6. 3. 1839 Wien, † 23. 5. 1901 Wien. Die Tochter eines Großkaufmanns, der als Barrikadenk¨ampfer des Revolutionsjahres 1848 an den Folgen einer Gef¨angnishaft gestorben war, mußte sich schon als F¨unfzehnj¨ahrige ihren Lebensunterhalt als Schauspielerin in Wien, St. P¨olten und Steyr verdienen. 1864 ging sie ihre erste Ehe mit dem Stuhlrichter Sigmund von Neupaur ein, den sie bei einem Gastspiel in Ungarn kennengelernt hatte. Nach der 1860 entstandenen Posse Das Loch in der Wand widmete sich C. zunehmend der Schriftstellerei, schrieb unter verschiedenen Decknamen Gedichte und Skizzen f¨ur Tageszeitungen und konnte 1868 mit Hilfe Ferdinand von → Saars, der zusammen mit Theodor → Storm die nach dem Tod ihres Mannes verarmte Schriftstellerin f¨orderte, ihren ersten sozialkritischen Gedichtband Lieder einer Verlorenen ver¨offentlichen. Seit 1873 in zweiter Ehe mit dem Milit¨arschriftsteller Adalmar von Breden verheiratet, f¨uhrte sie in ihrem Wiener Haus einen literarischen Salon, in dem u. a. Ludwig → Anzengruber, Ludwig → Ganghofer und Friedrich → Hebbel verkehrten. C. schrieb u. a. den Roman Jungfer Mutter (1892). C NDB Christen, Bernhard, Taufname: Eduard, Kapuzinergeneral, * 24. 7. 1837 Andermatt, † 11. 3. 1909 Ingenbohl. C., Sohn eines Kleinbauern und Schusters, trat 1855 in den Kapuzinerorden ein, empfing 1860 die Priesterweihe, wurde Novizenmeister und war 1879-82 Provinzial. 1884 wurde er als erster Schweizer Generalminister seines Ordens in Rom, wo er vierundzwanzig statt der in den Ordensstatuten vorgesehenen sechs Jahre im Amt blieb. Bereits zu Beginn seines Generalats setzte sich C. beim Papst f¨ur eine grundlegende Neuordnung der Missionen ein. Er gab ihnen mit dem Statutum pro missionibus ein eigenes Grundgesetz. Neben dem Orientalischen Institut f¨orderte C. den 1899 in der Schweiz gegr¨undeten Seraphischen Meßbund, der in erster Linie f¨ur den Unterhalt der Missionare sorgte. Seit 1908 war er Titular-Erzbischof von Stauropolis. C. ver¨offentlichte Leben des heiligen Franciscus von Assisi (1899). C NDB Christen, Johann Jakob, schweizer. Buchdrucker, Verleger, * 1. 8. 1773 Schnerzenbach (Gem. Ochlenberg, Kt. Bern), † 12. 3. 1852 Aarau. Zun¨achst als Gesch¨aftsf¨uhrer in Bern t¨atig, er¨offnete C. 1803 in Aarau eine Buchdruckerei mit Verlag und Buchhandlung. Seit 1828 druckte er die liberal-konservative, seit 1847 freisinnige „Aargauer Zeitung“ (1831-47 „Neue Aargauer Zeitung“). Neben volkst¨umlichen Periodika wie die „Alpenrosen“ und dem „Eidgen¨ossischen National-Kalender f¨ur das Schweizervolk“ gab C. Schulb¨ucher, p¨adagogische Schriften und landwirtschaftliche Fachliteratur heraus. Christen, Josef (Anton) Maria, schweizer. Bildhauer, * 22. 2. 1767 Buochs (Kt. Nidwalden), † 30. 3. 1838 Schloß Torberg (Kt. Bern). Der einer Holzschnitzerfamilie entstammende C. wurde 1785-88 in der staatlichen Luzerner Kunstschule zun¨achst bei Johann Melchior → Wyrsch als Portr¨atmaler ausgebildet und widmete sich bald ausschließlich der Plastik. Seit 1788 war er bei Alexander → Trippel in Rom t¨atig, wo er sich ein eigenes Verst¨andnis f¨ur die Antike aneignete. Er wandte sich dem Klassiszismus zu, dessen theoretische Lehren ihm durch den Kunstgelehrten Heinrich → Meyer vermittelt wurden. 1791 kehrte C. in die Schweiz zur¨uck, lebte zuerst in Z¨urich, wo er vergeblich versuchte, eine Akademie zu gr¨unden, und arbeitete anschließend in Stans, Luzern und Basel. 1805 entstand anl¨aßlich der Kr¨onung Napoleons I. in Mailand eine Kolossalb¨uste des Kaisers. 1815 portr¨atierte C. alle bedeutenden Diplomaten des Wiener Kongresses, war,

Christian seit 1817 dauerhaft in Bern ans¨assig, 1818 f¨ur den badischen Hof in Karlsruhe t¨atig und arbeitete sp¨ater an Bildnisb¨usten f¨ur die Regensburger Walhalla. Seit 1831 an einem Nervenleiden erkrankt, verbrachte er seine letzten Lebensjahre in der Anstalt K¨onigsfelden. C AKL

Christen, Klara → Ziegler, Klara Christen, Raphael, schweizer. Bildhauer, * 16. 7. 1811 Bern, † 14. 1. 1880 Bern. Der Sohn des Bildhauers Josef Maria → C. begann seine Ausbildung im Berner Kunstsaal bei → Sonnenschein und → Volmar. Er setzte seine Studien in Genf und 1833 / 34 in Rom fort, wo er auf Vermittlung und mit finanzieller Hilfe des Kunstfreunds Karl Viktor von → Bonstetten in der Werkstadt Bertel Thorvaldsens arbeitete. In die Schweiz zur¨uckgekehrt, war C. einige Zeit als Lehrer an der Schnitzlerschule in Brienz t¨atig, bevor er sich endg¨ultig in seiner Vaterstadt niederließ, f¨ur die er mehrere Denkm¨aler und Portr¨atb¨usten schuf, u. a. das Bronzestandbild der Berna auf dem Brunnen vor dem Bundesrathaus in Bern sowie zwei Rundmedaillons (Zeus und Minerva) am Kunstmuseum. C AKL

Christensen, Jeremias, Bildhauer, * 26. 3. 1859 Tingleff (Nordschleswig), † 14. 5. 1908 Charlottenburg (heute zu Berlin). C. war zun¨achst als Bildschnitzer t¨atig, bis er sich schließlich an der Akademie in Kopenhagen dem Kunststudium widmen konnte, das er 1885 mit der Abschlußpr¨ufung zum Bildhauer beendete. Nach einem l¨angeren Aufenthalt in Italien, erm¨oglicht durch ein Reisestipendium des d¨anischen K¨onigs, ließ er sich schließlich dauerhaft in Berlin nieder, wo er u. a. die Marmorgruppe Spree schuf, die im Berliner Rathaus aufgestellt wurde. 1898 erhielt C. den Auftrag f¨ur ein Denkmal des Herzogs → Friedrich VIII. von Schleswig-Holstein, das 1901 in Kiel enth¨ullt wurde. C AKL Christern, J¨urgen, Klassischer Arch¨aologe, * 29. 10. 1928 Berlin, † 29. 9. 1983 Nijmegen (Niederlande). C. studierte in Bonn und Paris, wurde bei Friedrich Wilhelm → Deichmann mit einer Dissertation u¨ ber die Grundrißtypen der fr¨uhchristlichen Basiliken in Algerien und Tunesien promoviert und bereiste 1961 / 62 die Mittelmeerl¨ander. 1963-66 Mitarbeiter am Deutschen Arch¨aologischen Institut in Rom, wechselte er f¨ur ein Jahr an die Abteilung Istanbul und war 1970-72 wissenschaftlicher Referent am Institut in Athen. 1971 habilitierte sich C. mit einer bauhistorischen und arch¨aologischen Untersuchung zum Fr¨uhchristlichen Pilgerheiligtum von Tebessa an der Univ. Heidelberg f¨ur Orientalistik und Altertumskunde. Seit 1973 wirkte er in Heidelberg als Privatdozent; 1976 folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl f¨ur fr¨uhchristliche Arch¨aologie und mittelalterliche Kunstgeschichte an der Univ. Nijmegen. C. nahm an mehreren Ausgrabungen teil (u. a. in T´ebessa, Algerien, und in Abu ¨ Mina, Agypten) und f¨uhrte Untersuchungen an der Vierkonchenkirche im Hof der Hadriansbibliothek von Athen durch. Insbesondere zu Datierungsfragen fr¨uhchristlicher und byzantinischer Monumente auf Kreta, in Thessaloniki und in Cumae gelangen ihm wichtige neue Beobachtungen.

Christern, (Johann) Wilhelm, Pseud. Prof. Nante, Wilhelm von Reinbek, Felix Rose, Wilhelm Rose, Baron von Rosenberg, O. Vokativus, Schriftsteller, Musiklehrer, Arzt, * 17. 5. 1809 Carolinenhof bei Reinbek (Holstein), † 26. 1. 1876 Hamburg. C., Sohn eines Zimmermanns, studierte seit 1829 bei Karl → Krebs in Hamburg Komposition und erteilte 1832-41 als Privatlehrer Unterricht in Gesang und Klavierspiel. Sp¨ater schrieb er f¨ur verschiedene Zeitungen (u. a. „Hamburger Neue Zeitung“, „Dresdner Abendzeitung“, „Neue Zeitschrift f¨ur Musik“), besaß 1848 eine Leihbibliothek auf St. Pauli

und lebte seit 1850 als Musiklehrer in Reinbek. Zuletzt war er als Arzt und Geburtshelfer in Hamburg t¨atig. C.s vero¨ ffentlichte Dramen und Lustspiele (u. a. Der Jesuit, 1845; Sesenheim oder Die beiden G¨orgen, 1846) sowie kleinere lokalgeschichtliche und zeithistorische Schriften. C DSL

Christgau, Martin George, P¨adagoge, * 18. 2. 1697 Markt Erlbach, † 28. 8. 1776 Frankfurt / Oder. C. kam als Privat-Informator nach Berlin; dort war er seit 1727 Lehrer, sp¨ater Rektor am Gymnasium zum Grauen Kloster, 1739-75 Rektor des st¨adtischen Lyzeums in Frankfurt / Oder. Neben Gelegenheitsgedichten in lateinischer Sprache und einer Gedichtsammlung (1766) verfaßte er 1760 Fatum scholasticum, in dem er Freuden und Leiden des Schulmanns schilderte.

Christian I., F¨urst von Anhalt-Bernburg, Staatsmann, * 11. 5. 1568 Bernburg, † 17. 4. 1630 Bernburg. C., Sohn → Joachim Ernsts von Anhalt, war 1583 Mitglied einer kaiserlichen Gesandtschaft nach Konstantinopel und hielt sich seit 1586 l¨angere Zeit am Hof des s¨achsischen Kurf¨ursten auf, wo er, durch Kanzler Nikolaus → Crell be¨ einflußt, zur Uberzeugung gelangte, daß der Augsburger Religionsfrieden von 1555 aufgehoben werden m¨usse. Zum Calvinismus u¨ bergetreten, kommandierte er 1592 die protestantischen Truppen im Straßburger Kapitelstreit, wurde 1595 im Auftrag des Kurf¨ursten → Friedrich IV. Statthalter der Oberpfalz in Amberg und u¨ bernahm 1603 nach Erbteilung mit seinen Br¨udern das F¨urstentum Anhalt-Bernburg, wo er 1605 den Calvinismus einf¨uhrte. Seit 1606 um die Bildung der 1608 zustandegekommenen protestantischen Union bem¨uht, suchte C. die Verbindungen zu den protestantischen M¨achten England und den Niederlanden, war 1618 maßgeblich am b¨ohmischen Aufstand beteiligt und f¨uhrte nach der Wahl des pf¨alzischen Kurf¨ursten → Friedrich V. zum b¨ohmischen K¨onig den Oberbefehl u¨ ber die b¨ohmischen Truppen. Nach der Niederlage in der Schlacht am Weißen Berg 1620 verfiel C. 1621 der Reichsacht, floh nach Schweden und D¨anemark und widmete sich nach der Auss¨ohnung mit dem Kaiser 1624 der Verwaltung von Anhalt-Bernburg. C NDB Christian II., F¨urst von Anhalt-Bernburg, * 11. 8. 1599 Amberg, † 22. 9. 1656. Der Sohn und Nachfolger → Christians I. von AnhaltBernburg erhielt seine Erziehung in Amberg, Dessau und Genf, bereiste Italien und England, bevor er 1616 in den Dienst Herzog Karl Emmanuels von Savoyen trat und an dessen Feldzug gegen Spanien teilnahm. 1618 nach Deutschland zur¨uckgekehrt, nahm er unter dem Oberbefehl seines Vaters 1620 an der Schlacht am Weißen Berg teil, wurde verwundet und war bis 1622 Gefangener Kaiser → Ferdinands II. Seit 1625 mit Eleonore Sophie von Holstein verheiratet, trat C. nach dem Tod des Vaters 1630 die Regierung an und schloß sich 1631 zun¨achst K¨onig Gustav Adolf von Schweden an. Nachdem die F¨ursten von Anhalt das B¨undnis mit Schweden gel¨ost hatten, war Bernburg lange Schauplatz erbitterter K¨ampfe zwischen schwedischen und kaiserlichen Truppen. Als sich 1645 die politische Lage in seinem Land zunehmend beruhigte, bem¨uhte er sich um die Anspr¨uche Anhalts bei den Friedensverhandlungen und f¨orderte auf dem Landtag von 1652 die Reorganisation des anhaltischen Steuer-, Schulden- und Rechtswesens. C ADB Christian August, F¨urst von Anhalt-Zerbst, * 29. 11. 1690 Dornburg, † 17. 3. 1747. Der auf der F¨ursten- und Ritterakademie in Berlin erzogene C. A. wurde von K¨onig → Friedrich I. von Preußen 1708 zum Gardekapit¨an ernannt und wurde Anfang 1711 als

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Christian Generaladjutant zur Armee nach Italien versetzt. 1715 von K¨onig → Friedrich Wilhelm I. zum Obersten und Chef des Regiments Anhalt-Zerbst ernannt, nahm er am PreußischSchwedischen Krieg teil und wurde Gouverneur von Stettin und 1734 Feldmarschall. Als sein kinderloser Bruder Johann Ludwig durch das Aussterben der Zerbster Hauptlinie die Regierung u¨ bernahm, wurde C. Mitregent des F¨urstentums.

Christian, Markgraf von Brandenburg-Bayreuth, * 30. 1. 1581 C¨olln / Spree, † 30. 5. 1655 Bayreuth. Der Sohn des Kurf¨ursten → Johann Georg von Brandenburg aus dessen dritter Ehe mit Elisabeth von Anhalt-Zerbst studierte in Frankfurt / Oder und unternahm Reisen durch Preußen, das Baltikum und Italien. Nach dem Tod Markgraf → Georg Friedrichs trat C. 1603 die Regierung in Brandenburg-Kulmbach-Bayreuth aufgrund des Geraer Vertrags von 1599 an. Seit 1604 betrieb er die Verlegung der Residenz und der Zentralbeh¨orden von Kulmbach nach Bayreuth, die 1642 abgeschlossen war. 1608 geh¨orte C. zu den Begr¨undern der Protestantischen Union, verhielt sich bei Ausbruch des Dreißigj¨ahrigen Kriegs zun¨achst neutral, schloß sich jedoch 1631 den Protestanten an. Im September 1632 mußte er ebenso vor den kaiserlichen Truppen fliehen wie 1634 nach der Schlacht von N¨ordlingen, die zu seiner Absetzung durch Kaiser → Ferdinand II. f¨uhrte. Erst nach dem Prager Frieden von 1635 konnte C. nach Bayreuth zur¨uckkehren. C. verbesserte die Stellung der Leibeigenen, indem er ihnen erlaubte, ohne herrschaftliche Bewilligung zu heiraten und ein Handwerk zu erlernen. Ein Plan zur Universit¨atsgr¨undung in Bayreuth, im Zusammenwirken mit Christoph → Althofer 1645-48 erarbeitet, blieb erfolglos. Nach 1648 widersetzte sich C. der profranz¨osischen Politik des Mainzer Kurf¨ursten Johann Philipp von → Sch¨onborn.

Christian Ernst, Markgraf von Brandenburg-Bayreuth, * 27. 7. 1644 Bayreuth, † 10. 12. 1712 Erlangen. C. wurde 1655 unter der Vormundschaft des brandenburgischen Kurf¨ursten → Friedrich Wilhelm Nachfolger seines Großvaters, des Markgrafen → Christian, studierte in Halberstadt, Berlin und Straßburg und trat 1661 die Regierung an. Er f¨orderte Verwaltung und Wirtschaft, erweiterte die Bayreuther Residenz, baute das Milit¨arwesen aus, k¨ampfte seit 1672 gegen Frankreich und wurde 1676 kaiserlicher Feldmarschall-Leutnant. Durch die Ansiedlung der Hugenotten in Erlangen und die Gr¨undung einer Ritterakademie 1704 schuf C. die Grundlagen f¨ur die Verlegung der Landesuniversit¨at nach Erlangen 1743. Als kaiserlicher General 1683 am Entsatz von Wien beteiligt, k¨ampfte er lange als Reichsgeneralfeldmarschall neben → Ludwig Wilhelm von Baden und u¨ bernahm im Januar 1707 im Spanischen Erbfolgekrieg den Oberbefehl u¨ ber die Rheinfront. Nach dem Verlust der Stollhofer Linien im Mai 1707 wurde C. von seinem Kommando enthoben. C NDB

Christian Ludwig, Herzog von Braunschweig-L¨uneburg, * 25. 2. 1622, † 15. 3. 1665 bei Celle. C. L. u¨ bernahm nach dem Tod seines Vaters → Georg, Herzog von Braunschweig, 1641 die Regierung. 1642 schloß er den Goslarer Akkord mit Kaiser → Ferdinand III., teilte sich mit seinem Bruder → Georg Wilhelm die erebten F¨urstent¨umer und verlegte seine Residenz von Hannover nach Celle. 1651 beendete C. L. den Streit mit der Wolfenb¨utteler Linie um die Erbschaft des Herzogs Wilhelm von Harburg. C ADB

Christian d. J., Herzog von Braunschweig-L¨uneburgWolfenb¨uttel, Administrator von Halberstadt, S¨oldnerf¨uhrer, * 20. 9. 1599 Gr¨oningen, † 16. 6. 1626 Wolfenb¨uttel. 1616 zum luth. Administrator des Bistums Halberstadt gew¨ahlt, wandte sich C. bald der milit¨arischen Laufbahn zu, diente 1620 als Rittmeister unter → Moritz von Oranien und

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unterst¨utzte 1621 → Friedrich V. von der Pfalz mit einem eigenen Heer, mit dem er 1622 von → Tilly bei H¨ochst geschlagen wurde. Anschließend k¨ampfte er als S¨oldnerf¨uhrer f¨ur die Niederlande, besiegte die Spanier in der Schlacht bei Fleurus und schloß 1623 einem Vertrag mit seinem Bruder → Friedrich Ulrich, durch den er sich von Friedrich V. lossagte. C. verzichtete wegen der Kriegslage auf das Stift Halberstadt und zog mit seinem Heer nach Holland. Nachdem ihn Tilly 1623 vernichtend bei Stadtlohn geschlagen hatte, trat C. die Regierung von Braunschweig-Wolfenb¨uttel an. Er r¨ustete sein Heer, um f¨ur K¨onig → Christian IV. von D¨anemark zu k¨ampfen, konnte aber wegen einer pl¨otzlichen Erkrankung am Nieders¨achsischen Krieg nicht mehr teilnehmen. C LexMA

Christian Wilhelm, Markgraf von Brandenburg, Administrator von Magdeburg, * 7. 9. 1587 Wolmirstedt, † 11. 1. 1665 Zinna. C. wurde als Nachfolger seines Vaters → Joachim Friedrich seit 1598 luth. Administrator des Erzbistums Magdeburg, 1614 auch Koadjutor und 1624 Administrator von Halberstadt, ohne jedoch die kaiserliche Best¨atigung zu erlangen. C., der deshalb von der Stadt Magdeburg nicht anerkannt wurde und wegen ihrer Selbst¨andigkeitsbestrebungen mit dem Domkapitel in Streitigkeiten geriet, schloß sich 1624 als Generalleutnant K¨onig → Christian IV. von D¨anemark an und nahm an der Schlacht an der Dessauer Br¨ucke teil. Nach der Niederlage wurde er 1628 wegen Verletzung der Wahlkapitulation vom Domkapitel abgesetzt, schloß sich K¨onig Gustav Adolf von Schweden an und drang mit List in Magdeburg ein, wo inzwischen die schwedisch gesinnte Partei die Oberhand gewonnen hatte, mit der er ein B¨undnis zustandebrachte. Nach der Eroberung Magdeburgs wurde C. 1631 durch → Tilly gefangengenommen. Im folgenden Jahr trat er zum Katholizismus u¨ ber und erhielt im Frieden von Prag 1635 eine Rente aus den Eink¨unften des an den o¨ sterr. Erzherzog → Leopold Wilhelm u¨ bertragenen Erzstiftes Magdeburg sowie im Westf¨alischen Frieden die magdeburgischen ¨ Amter Loburg und Zinna. Doch spielte er politisch keine Rolle mehr. C NDB

Christian I., Erzbischof von Mainz, * um 1130, † 25. 8. 1183 Tusculum (Italien). C. entstammte dem th¨uringischen Grafengeschlecht Buch und Beichlingen. Zun¨achst Propst von Merseburg und des Mainzer Stifts Mariengreden, wurde er 1162 Mainzer Dompropst und im selben Jahr vom Kaiser als Nachfolger → Rainalds von Dassel zum Reichskanzler ernannt. 1163 zog er mit → Friedrich I. Barbarossa nach Italien, wurde 1165 Mainzer Erzbischof, auf dem vierten Italienzug mit dem Erzbistum investiert und von Bischof → Daniel von Prag 1167 in Imola ordiniert. 1167 besiegte C. zusammen mit Rainald von Dassel, den er 1164 auch als Reichslegat f¨ur Italien abgel¨ost hatte, die R¨omer bei Tusculum. 1168-71 war er in seinem Erzbistum und in kaiserlichen Gesandtschaften an die westlichen K¨onigsh¨ofe und nach Byzanz t¨atig und trat Ende 1171 seine zweite Reichslegation in Italien an, wo er bis zu seinem Lebensende blieb. C. festigte die Stellung des Reiches in Mittelitalien, beteiligte sich am f¨unften Italienzug Barbarossas, half den Frieden von Venedig vorzubereiten und wurde erst dann von Papst Alexander III. als Mainzer Erzbischof best¨atigt. Als Generallegat und Treuh¨ander des Papstes bei der Restitution des Patrimonium Petri nach 1177 stand C. auf dem H¨ohepunkt seiner Laufbahn. Nachdem er im M¨arz 1179 am dritten Laterankonzil teilgenommen hatte, wurde er im September 1179 von Konrad von Montferrat verhaftet und erst Ende 1180 wieder entlassen. C. starb auf dem Weg, Papst Lucius III. nach Rom zur¨uckzuf¨uhren. C Gatz 1

Christian Christian II. von Weisenau, Erzbischof von Mainz, * um 1185, † 21. 11. 1253 Paris. Der einem Mainzer Ministerialengeschlecht entstammende C. war zun¨achst Propst von St. Viktor, ehe er Kantor, Dekan und schließlich Propst des Mainzer Domkapitels wurde. Seit 1249 Mainzer Erzbischof, schlug er sich im Kampf → Friedrichs II. mit dem Papst auf die Seite von Innozenz IV. und wurde wegen seines Eintretens f¨ur Vermittlung und Frieden im Juli 1251, auf Veranlassung K¨onig → Wilhelms, durch einen p¨apstlichen Legaten seines Amtes wieder enthoben. C. suchte daraufhin bei den Johannitern in C Gatz 1 Paris Zuflucht. Christian Ludwig I., Herzog von MecklenburgSchwerin, auch Christian Louis, * 1. 12. 1623, † 21. 6. 1692 Den Haag. Der mit seiner Familie zerstrittene C. L., Sohn Alfred Friedrichs II. von Mecklenburg, schloß sich K¨onig Ludwig XIV. von Frankreich an, um die Durchsetzung der Primogenitur und die Niederwerfung der st¨andischen Opposition sowie die Scheidung von seiner ersten Gemahlin zu erreichen. Seit 1659 lebte er fast ausschließlich in Frankreich, trat 1663 zur kath. Kirche u¨ ber, erlangte vom Papst die Scheidung und ging ein B¨undnis mit Ludwig XIV. ein. Nach Ausbruch des Kriegs zwischen einer europ¨aischen Koalition und Ludwig XIV. mußte C. L. 1688 Frankreich verlassen. C NDB Christian Ludwig II., Herzog von MecklenburgSchwerin, * 18. 5. 1683 Grabow, † 30. 5. 1756 Schwerin. Der Sohn Herzog → Friedrich Wilhelms wurde 1728 an Stelle seines a¨ lteren Bruders → Karl Leopold zum Administrator des Landes ernannt. Seit 1732 kaiserlicher Kommissar, setzte er sich mit Unterst¨utzung hannoverscher und braunschweigischer Reichstruppen 1733 gegen die Truppen seines Bruders durch und u¨ bernahm nach dessen Tod im November 1747 endg¨ultig die Regierung. Nach langwierigen Verhandlungen stellte C. L. die staatliche Rechtsgrundlage wieder her, indem er 1748 die Konvention mit der Stadt Rostock und 1755 den „Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich“ mit den St¨anden abschloß , der die Vormacht der St¨ande festlegte und bis 1918 Grundlage der mecklenburgischen Verfassung blieb. C. L., der Kunst, Musik und Theater f¨orderte, verpflichtete 1750 die Sch¨onemannsche Schauspieltruppe und 1755 / 56 N. Paretti mit seiner italienischen Operngesellschaft. Auf der Schloßinsel in Schwerin ließ er ein Geb¨aude f¨ur seine Kunstsammlungen errichten. C NDB

Christian, Bischof von Passau, 10. / 11. Jh. C. stammte m¨oglicherweise aus Sachsen und geh¨orte dem Domkapitel von Hildesheim an. Als Nachfolger → Pilgrims wurde er 991 Bischof von Passau und konnte sich schnell der Unterst¨utzung → Ottos III. versichern. Dieser nahm 993 durch eine Besitzbest¨atigung die Passauer Kirche unter seinen Schutz. Der Bischof wurde reichsunmittelbar und mit f¨urstlichen Hoheitsrechten ausgestattet. 996 schloß sich C. wahrscheinlich dem Romzug Ottos an und nahm an der dortigen Kaiserkr¨onung und Synode teil. 999 erhielt er von Otto ein Privileg, mit dem er in Passau zum Stadtherrn mit bisher dem K¨onig vorbehaltener Gewalt wurde. Es enthielt Gerichtsbarkeit, Markt-, Zoll- und M¨unzrecht, Bann und o¨ ffentliche Gewalt. W¨ahrend C.s Verh¨altnis zu Otto harmonisch gewesen zu sein scheint, kam es mit → Heinrich dem Z¨anker wegen verschiedener Rechtsanspr¨uche immer wieder zu Disputen. 1002 w¨ahlte C. Herzog Heinrich zum deutschen K¨onig. 1007 nahm er an der Synode in Frankfurt teil. Er unterzeichnete das Gr¨undungsprotokoll des Bistums Bamberg und war 1012 m¨oglicherweise bei der Konsekrie-

rung des dortigen Doms anwesend. C. vollendete insgesamt die auf Erwerb und Reorganisation gerichtete Politik seines Vorg¨angers.

Christian IV., Herzog von Pfalz-Zweibr¨ucken, * 6. 9. 1722 Bischweiler (Elsaß), † 5. 11. 1775 Jagdschloß Pettersheim bei Kusel (Pfalz). Der Sohn des Pfalzgrafen Christian von Zweibr¨uckenBirkenfeld kam nach dem Studium in Leiden auf einer Bildungsreise an den Versailler Hof, wo er sich Ludwig XV. anschloß. Als pr¨asumtiver Erbe der Pfalz und Bayerns erregte er das Interesse Frankreichs, das ihn 1743 vergeblich als Kandidaten f¨ur den schwedischen Thron vorschlug und 1751 durch einen B¨undnisvertrag und die Gew¨ahrung von Subsidien an sich band. 1755 konvertierte C., um seine Erbfolge in den beiden wittelsbachischen Kurf¨urstent¨umern zu sichern. Er hielt sich viel in den Pariser K¨unstlerateliers und literarischen Salons auf, verkehrte in den Kreisen Diderots, Vanloos und Fran¸cois Bouchers. Er stand in enger Verbindung mit der Mannheimer Schule der Musik und f¨orderte → Gluck, den er von Paris nach Zweibr¨ucken brachte. Da C. noch vor Kurf¨urst → Karl Theodor von der Pfalz starb, konnten sich die Erwartungen auf das pf¨alzisch-bayerische Erbe nicht erf¨ullen. C NDB

Christian, Bischof von Preußen, † 1245. C., wahrscheinlich deutscher oder polnischer Herkunft, war Zisterzienserm¨onch des polnischen Klosters Lekno und missionierte seit 1209 / 10 im preuß. Gebiet. Etwa 1215 von Papst Innozenz III. zum ersten Bischof von Preußen geweiht, zog er sich 1222 als Territorialherr ins Kulmer Land zur¨uck, als die anf¨anglich fortschreitende Missionierung der heidnischen Bev¨olkerung trotz Unterst¨utzung der Kreuzfahrer stagnierte. 1230 trat C. die dortigen Besitzungen an den Deutschen Orden ab, war 1233-38 in preuß. Gefangenschaft und wandte sich nach seiner R¨uckkehr gegen den Ritterorden, da er seine Rechte als Bischof verletzt sah und der Orden seine Freilassung nicht gef¨ordert hatte. Entgegen C.s Willen wurde Preußen 1243 in vier Bist¨umer geteilt, von denen ihm eines zur Wahl u¨ berlassen wurde. C., der entscheidenden Anteil an der Christianisierung und Germanisierung Altpreußens hatte, f¨uhlte sich von der Kurie und dem Orden u¨ bervorteilt. Er starb noch vor Abschluß der Neuorganisation, ohne eines der Bist¨umer u¨ bernommen zu haben. C Gatz 1 Christian I., Kurf¨urst von Sachsen, * 29. 10. 1560 Dresden, † 25. 9. 1591 Dresden. Dem Sohn des Kurf¨ursten → August wurden zu Lebzeiten seines Vaters Regierungsgesch¨afte verschiedener Verwaltungszweige u¨ bertragen, wobei er von Nikolaus → Crell als Zivilgouverneur unterst¨utzt wurde. 1586 u¨ bernahm C. endg¨ultig die Regierung, die in erster Linie von seinem Kanzler Crell geleitet wurde. Er stand im Gegensatz zum orthodoxen Luthertum seines Vaters, ließ sich f¨ur die Interessen seines Schwagers → Johann Casimir von der Pfalz ¨ gewinnen und versuchte in Ubereinstimmung mit diesem, eine Ann¨aherung der protestantischen Richtungen und eine politische Einigung der protestantischen deutschen F¨ursten zu erreichen; die franz¨osischen und niederl¨andischen Protestanten sollten vor Verfolgung gesch¨utzt werden. Auf einem Treffen beider F¨ursten Anfang M¨arz 1590 in Plauen, auf dem u¨ ber die Grundz¨uge eines deutsch-protestantischen Schutzb¨undnisses beraten wurde, lehnte C. jedoch den ihm zugedachten Oberbefehl u¨ ber ein f¨ur Frankreich aufgestelltes Hilfskorps ab; an seiner Stelle kommandierte → Christian I. von Anhalt-Bernburg die Truppen. C NDB

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Christian Christian II., Kurf¨urst von Sachsen, * 23. 9. 1583 Dresden, † 23. 7. 1611 Dresden. Der Sohn → Christians I. von Sachsen, von seiner Mutter → Sophie von Brandenburg nach den Grunds¨atzen des orthodoxen Luthertums erzogen, stand bis 1601 unter der vormundschaftlichen Regierung Herzog Friedrich Wilhelms von Sachsen-Altenburg. Unter dessen Administratur setzte eine politische Reaktion in Kursachsen ein, die die Hinrichtung des Kanzlers Nikolaus → Crell und die Verfolgung der Kryp¨ tocalvinisten nach sich zog. Nach der Ubernahme der Regierung folgte C. den Tendenzen der R¨uckkehr zum strengen Luthertum, entfremdete dadurch Sachsen der von der calvinistischen Pfalz gef¨uhrten protestantischen Partei und blieb der Union 1608 fern. Seine Ann¨aherung an das kath. Kaiserhaus brachte ihm im J¨ulisch-Klevischen Erbfolgestreit die erw¨unschte Unterst¨utzung der kurs¨achsichen Anspr¨uche. C. hinterließ seinem Bruder → Johann Georg I. ein stark verschuldetes Kurf¨urstentum. C ADB Christian August, Herzog von Sachsen-Zeitz, Erzbischof von Gran, Kardinal, * 9. 10. 1666, † 23. 8. 1725 Regensburg. C. A., der 1691 o¨ ffentlich ein kath. Glaubensbekenntnis beim K¨olner Erzbischof abgelegt hatte, residierte 1692-94 in Plauen, trat dann in den geistlichen Stand, wurde 1695 Domherr zu K¨oln, M¨unster und L¨uttich und erhielt 1696 vom Kaiser das Bistum Raab. Wenig sp¨ater wurde er von Kurf¨urst → Friedrich August I. von Sachsen (August dem Starken) zum Großkanzler und 1699 zum Wirklichen Geheimrat ernannt. 1701 wurde C. A. Koadjutor des Erzbischofs von Gran, nach der Vertreibung des mit Frankreich verb¨undeten Erzbischofs von K¨oln 1702 kaiserlicher Administrator des Erzstifts, 1706 Kardinal und 1707 Erzbischof von Gran. In dieser Stellung kr¨onte er Kaiser → Karl IV. zum K¨onig von Ungarn. C. A. bem¨uhte sich unabl¨assig um die R¨uckf¨uhrung der Mitglieder des wettinischen Hauses zum Katholizismus. 1714 zum Reichsf¨ursten erhoben, starb er als kaiserlicher Prinzipalkommissarius auf dem Reichstag zu Regensburg. C LThK

Christian I., Herzog von Schleswig und Holstein, K¨onig von D¨anemark, Norwegen und Schweden, * 1426, † 21. 5. 1481 Kopenhagen. Der Sohn Graf Dietrichs von Oldenburg wurde am Hof seines Onkels → Adolf VIII. von Schauenburg erzogen und auf dessen Wunsch 1448 vom d¨anischen Reichsrat zum K¨onig gew¨ahlt, wodurch er das oldenburgische K¨onigshaus in D¨anemark begr¨undete. Durch den Unionsvertrag von Bergen 1450 wurde C. vom norwegischen Reichsrat zum K¨onig gew¨ahlt, u¨ bernahm 1457 auch die schwedische Krone und wurde nach dem Tod des kinderlosen Adolf VIII. 1460 in Ripen Landesherr Schleswig-Holsteins, nachdem er den St¨anden im sp¨ater erweiterten Ripener Freiheitsbrief weitgehende Rechte gew¨ahrt hatte. Damit begr¨undete C. die Personalunion zwischen D¨anemark und Schleswig-Holstein, konnte jedoch seine Machtstellung nicht behaupten, als er 1471 Schweden am Brunkeberg bei Stockholm gegen Sten und Nils Sture verlor. Statt dessen konnte C. seine Stellung im deutschen Reich 1474 durch die Erhebung Holsteins zum Herzogtum festigen. 1479 gr¨undete er die Univ. Kopenhagen. C Oldenburg

Christian III., Herzog von Schleswig und Holstein, K¨onig von D¨anemark und Norwegen, * 12. 8. 1503 Gottorf, † 1. 1. 1559 Koldinghus bei Kolding (J¨utland). Der Sohn K¨onig → Friedrichs I. von D¨anemark konnte in jungen Jahren auf dem Reichstag zu Worms 1521 f¨ur die Reformation gewonnen werden. Seit 1525 Statthalter in den ¨ Amtern Hadersleben und T¨onning, f¨uhrte C. dort 1528 mit den sogenannten Haderslebener Artikeln als erster evang.

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Kirchenordnung im niederdeutschen und nordischen Raum die Reformation ein. Nachdem sich C. mit Hilfe von Johann von → Rantzau seine Anerkennung als K¨onig von D¨anemark gegen den Widerstand der kath. Bisch¨ofe in der Grafenfehde 1534-36 erk¨ampft hatte, fand am 12. 8. 1537 in der Kopenhagener Marienkirche die erste K¨onigskr¨onung in evang. Form durch Johannes → Bugenhagen statt. Die Reformation wurde durch die Ordinatio Ecclesiastica einheitlich in D¨anemark, Norwegen und Schleswig-Holstein eingef¨uhrt und zum Reichsgesetz erhoben. 1544 teilte C. entgegen dem Widerspruch der Schleswig-Holsteinischen St¨ande die Herzogt¨umer mit seinen Br¨udern, erhielt Besitzungen in beiden Gebieten und konnte so die Verbindung mit D¨anemark st¨arken. C NDB

Christian IV., Herzog von Schleswig und Holstein, K¨onig von D¨anemark und Norwegen, * 12. 4. 1577 Frederiksborg, † 28. 2. 1648 Kopenhagen. Nach dem Tod seines Vaters K¨onig → Friedrich II. wurde C. 1588 K¨onig von D¨anemark, 1591 von Norwegen und trat 1596 die bis dahin vormundschaftliche Regierung an. Nach dem Kalmarkrieg gegen Schweden 1611-13 sah er seine Vormachtstellung im Ostseeraum bedroht, versuchte als Ausgleich die Kontrolle u¨ ber die Elbe- und Weserm¨undung zu erhalten und seinen S¨ohnen verschiedene s¨akularisierte norddeutsche Bist¨umer, darunter Bremen und Verden, zu verschaffen. Seit 1625 als Herzog von Holstein Oberst des Nieders¨achsischen Reichskreises, verb¨undete sich C. mit England, den Generalstaaten und einigen Reichsf¨ursten zur Wahrung der Rechte der Reichsst¨ande sowie zum Schutz gegen Verletzung des Religionsfriedens gegen Liga und Kaiser, erlitt jedoch 1626 bei Lutter am Barenberge eine entscheidende Niederlage durch → Tilly. Er mußte den R¨uckzug antreten, w¨ahrend die Truppen → Wallensteins 1627 bis nach J¨utland vordrangen, und verlor im Frieden von L¨ubeck (1629) die nieders¨achsischen Stifter. Nach dem verlorenen Krieg gegen Schweden mußte die d¨anische Großmachtstellung im Ostseeraum und in Norddeutschland im Frieden von Br¨omsebro (1645) aufgegeben werden. C NDB

Christian VIII., Herzog von Schleswig, Holstein und Lauenburg, K¨onig von D¨anemark, * 18. 9. 1786 Kopenhagen, † 20. 1. 1848 Kopenhagen. C. war der Sohn des Erbprinzen Friedrich von D¨anemark und Enkel K¨onig Friedrichs V. von D¨anemark. Im Mai 1813 als Statthalter nach Norwegen entsandt, stellte sich C. an die Spitze des nach Unabh¨angigkeit strebenden Landes und wurde am 17. 5. 1814 von der Verfassunggebenden Versammlung zum K¨onig gew¨ahlt, nachdem der d¨anische K¨onig Norwegen im Frieden von Kiel (1814) an Schweden abgetreten hatte. Von Schweden zum R¨ucktritt gezwungen, mußte C. diese Krone am 10. 10. 1814 jedoch niederlegen und wurde 1815 Gouverneur von F¨unen. 1831 in den Staatsrat berufen, konnte er kaum politischen Einfluß aus¨uben, bis er durch den Tod seines Vetters Friedrich VI. am 3. 12. 1839 K¨onig von D¨anemark wurde. In dieser Funktion mit den liberalen Zeitstr¨omungen und den zunehmenden nationalen Spannungen konfrontiert, verfolgte C. eine Politik der Festigung des Gesamtstaates und stellte durch den „Offenen Brief“ vom 8. 7. 1846 die Erbfolgeordnung des d¨anischen K¨onigsgesetzes auch f¨ur als Schleswig und Holstein g¨ultig hin, was am Widerstand der St¨ande sowie der deutschen ¨ und der europ¨aischen Offentlichkeit scheiterte. Wegen seines pl¨otzlichen Todes konnte C.s geplante Gesamtstaatsverfassung nicht mehr fertiggestellt werden. C NDB Christian Albrecht, Herzog von Schleswig-HolsteinGottorf, Bischof von L¨ubeck, * 3. 2. 1641 Schloß Gottorf bei Schleswig, † 27. 12. 1694 Schloß Gottorf. C. A. u¨ bernahm nach dem Tod seines Vaters → Friedrich III. 1659 die Regierung des Herzogtums, dessen Landgewinne,

Christian die gr¨oßtenteils noch von d¨anischen Truppen besetzt waren, ihm 1660 im Frieden von Kopenhagen durch schwedische Unterst¨utzung erneut zugesichert wurden. Von seinem Kanzler Kielmansegg gelenkt, versuchte er, gegen¨uber D¨anemark gr¨oßere Selbst¨andigkeit zu erlangen, und verb¨undete sich 1667 mit Schweden, dessen K¨onig Karl XI. sein Neffe war. Nach der schwedischen Niederlage gegen das mit D¨anemark verb¨undete Brandenburg bei Fehrbellin wurde C. A. im Rendsburger Rezeß von 1675 durch K¨onig Christian V. von D¨anemark zur Aufgabe seiner selbst¨andigen Position gezwungen, mußte das in den nordischen Friedensschl¨ussen gewonnene Land wieder abtreten und floh nach Hamburg. Im Frieden von Nimwegen restituiert, wurde ihm 1684 der herzogliche Anteil an Schleswig-Holstein erneut vom d¨anischen K¨onig entzogen. Erst nach dem Altonaer Vergleich von 1689 erhielt er seine vollen Rechte zur¨uck. C. A., der 1655-66 auch Bischof von L¨ubeck war, gr¨undete 1665 mit Unterst¨utzung Kielmanseggs die Univ. Kiel. C NDB

Christian August, Herzog von Schleswig-HolsteinSonderburg-Augustenburg, * 19. 7. 1798 Kopenhagen, † 11. 3. 1869 Primkenau (Schlesien). Der Sohn Herzog → Friedrich Christians, der im Testament seines Vaters aufgefordert worden war, die Erbfolgerechte in Schleswig-Holstein im Fall des Aussterbens der kgl. Linie in D¨anemark zu vertreten, war seit 1831 als erbliches Mitglied aktiv in der schleswigschen St¨andeversammlung t¨atig und ver¨offentlichte 1837 anonym eine auf Vorarbeiten seines Vaters basierende Schrift u¨ ber Die Erbfolge in Schleswig-Holstein. Als sich die nationalen Spannungen nach der Regierungs¨ubernahme durch seinen Schwager → Christian VIII. in D¨anemark versch¨arften, schloß sich C. A. im Kampf um seine Erbanspr¨uche der deutschgesinnten schleswig-holsteinischen Landespartei an, mit der er die staatliche Selbst¨andigkeit der Herzogt¨umer verteidigte. Gegen den „Offenen Brief“ des d¨anischen K¨onigs von 1846, in dem seine Erbanspr¨uche negiert wurden, protestierte er in Zeitungen und Flugschriften und legte mit allen deutschgesinnten Abgeordneten sein Mandat in der St¨andeversammlung nieder. Zu Beginn der Revolution in D¨anemark 1848 ließ sich C. A. seine Rechte durch den preuß. K¨onig garantieren und trat als gew¨ahlter Abgeordneter in das neue Parlament ein. Als Preußen infolge der Olm¨utzer Punktation die Herzogt¨umer preisgab, wurde er 1851 verbannt und mußte seinen Besitz an D¨anemark abtreten. Am 30. 12. 1852 verzichtete er auf die Durchsetzung seiner Erbanspr¨uche, zog sich auf seine Herrschaft Primkenau zur¨uck und trat 1863 sein Erbrecht an den a¨ ltesten Sohn ab. C SHBL, Bd 8

Christian Wilhelm I., F¨urst von SchwarzburgSondershausen, * 6. 1. 1647, † 10. 5. 1721. C. W. wurde 1691 von Kaiser → Leopold I. mit kaiserlichen Rechten und Privilegien beliehen und 1697 mit seinem j¨ungeren Bruder Anton G¨unther in den Reichsf¨urstenstand erhoben. Um das Land vor einer Teilung zu sch¨utzen, schloß er mit seinem kinderlosen Bruder den von Kaiser → Karl VI. 1719 best¨atigten Sukzessionsvertrag, wonach nur der Erstgeborene in gerader Linie das Erbe antreten konnte. C. W., der sich unter großen finanziellen Opfern die Unabh¨angigkeit seines Hauses von Sachsen erkaufte, w¨ahlte Sondershausen als seine Residenzstadt. Christian von Hiddestorf, Franziskaner, * Hiddestorf (Hannover), † 13. 4. 1420 Erfurt. C. ist um 1390 als Lektor des Franziskanerstudiums in Magdeburg nachweisbar. Er erwarb 1396 den Grad eines Baccalaureus in Erfurt, lehrte anschließend an der dortigen Univ. und wurde 1398 zum Dr. theol. promoviert. Seit 1400 wirkte er als Magister regens in Erfurt. Er verfaßte einen fragmentarisch u¨ berlieferten Kommentar zum Matth¨ausevangelium und eine Auslegung der Passion Christi. C VL

Christian, Andreas, auch Christianus, Ratsherr, B¨urgermeister, * 1545, † 26. 9. 1609 Marburg. Der Sohn eines B¨urgermeisters studierte in Frankfurt / Oder und Wittenberg Rechtswissenschaften; in Dillenburg wurde er Sekret¨ar und sp¨ater Rat Graf → Johanns von Nassau, der ihn in diplomatischer Mission in die Niederlande sandte. C. begab sich schließlich nach Italien, wurde in Padua zum Doktor der Rechte promoviert, erhielt nach seiner R¨uckkehr in die Niederlande den Ratstitel und wurde 1580 von Johann von Nassau zum Vorsteher der Grafschaft Hanau berufen. Daneben war er Syndikus der Wetterauischen Grafen. Seit 1604 stand C. in den Diensten des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel in Marburg. Christian, Johann Joseph, Bildhauer, * 12. 2. 1706 Riedlingen / Donau, † 22. 6. 1777 Riedlingen / Donau. Beeinflußt von den italienischen Stukkateurbildhauern Oberschwabens und dem Augsburger K¨unstler Johann Michael → Feichtmayr, mit dem er in Zwiefalten und Ottobeuren zusammenarbeitete, war C., Sohn eines Hilfslehrers, 1744-56 an der Innenausstattung der Benediktinerabtei Zwiefalten t¨atig, deren Chorgest¨uhl er mit perspektivischen Architekturen und Landschaften gestaltete. 1755-66 wirkte er an der Ausgestaltung des Ottobeurener Chorgest¨uhlreliefs. Lange war man der Meinung, daß C. in diesen beiden Kirchen nur unter Anleitung t¨atig war, doch neuere stilistische Untersuchungen ergaben, daß die gesamte figurale Plastik seiner Hand entstammt. C AKL Christian, Paul, Internist, Neurologe, * 26. 11. 1910 Heidelberg, † 8. 1. 1996 Heidelberg. C. schloß das Studium der Medizin 1939 in Heidelberg mit der Dissertation Experimentelle Untersuchung u¨ ber die Abh¨angigkeit der Pupillenreaktion in Intensit¨at, Ausdehnung und Dauer des Lichtreizes in normalen und pathologischen Zust¨anden ab, wurde Assistent bei Viktor von → Weizs¨acker und habilitierte sich 1940 (Wirklichkeit und Erscheinung in der Wahrnehmung von Bewegung, dargestellt an experimentellen Beispielen). Seit 1949 apl. Prof., wurde er 1958 a. o. und 1966 o. Prof. der Inneren Medizin. Das Forschungsinteresse von C. galt der sensorischen Physiologie, der Willk¨urmotorik, der Kreislaufregulation sowie theoretischen Fragen der Person und Bipersonalit¨at. „Es gibt Wirklichkeiten, die nur im Verh¨altnis zweier Personen konkreten Inhalt haben; demnach nur in einem solchen Verh¨altnis zureichend interpretiert werden k¨onnen.“ C. ver¨offentlichte u. a. Wesen und Formen der Bipersonalit¨at (1949), Das Personenverst¨andnis im modernen medizinischen Denken (1952), Psychosomatische Medizin. Ein kurzgefaßtes Lehrbuch f¨ur ¨ Studenten und Arzte (mit Walter Br¨autigam, 1973, 21975) und Anthropologische Medizin (1989). Christian, Viktor, Sprachwissenschaftler, Arch¨aologe, * 30. 3. 1885 Wien, † 28. 5. 1963 Walchsee. C., Sohn eines Oberrechnungsrats, studierte an der Wiener Univ. und wurde 1910 zum Dr. phil. promoviert. Er setzte seine wissenschaftlichen Studien in Berlin bei Friedrich → Delitzsch, Hugo → Winckler und Felix von → Luschan fort und trat dort 1911 als wissenschaftlicher Beamter in die Ethnographische Abteilung des Naturhistorischen Museums ein, in der er als sp¨aterer Leiter bis 1924 t¨atig war. 1923 habilitierte sich C. an der Univ. Wien f¨ur semitische Sprachwissenschaft mit dem Schwerpunkt Keilschriftforschung und wurde 1924 a. o. Prof., 1930 o. Prof. der altsemitischen Philologie und Arch¨aologie des Orients. 1938-43 war er Dekan der Philosophischen Fakult¨at, 1943-45 Prorektor der Univ. Wien. C. ver¨offentlichte zahlreiche arch¨aologische, ethnologische und semitistische Arbeiten, darunter Die sprachliche Stellung des Sumerischen (1932).

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Christiane Christiane Charlotte, Markgr¨afin von BrandenburgAnsbach, * 20. 8. 1694 Kirchheim / Teck, † 25. 12. 1729 Ansbach. Die Tochter Herzog Friedrich Karls von W¨urttemberg wuchs auf Schloß Winnenthal bei Winnenden auf, heiratete ihren Vetter Wilhelm Friedrich und leitete nach dessen Tod 1723-29 die Staatsgesch¨afte als „Obervormunderin und Landesregentin“ f¨ur ihren unm¨undigen Sohn → Karl Wilhelm Friedrich. Sie machte sich vor allem um die Kunstund Kulturpflege ihres Landes verdient. Von Obristbaudirektor Karl Friedrich von → Zocha beraten, ließ sie die Schloßbauten in Ansbach, Unterschwaningen und Br¨uchberg errichten und veranlaßte die Gr¨undung der Ansbacher Porzellanmanufaktur (1709) sowie die Stiftung der o¨ ffentlichen Schloßbibliothek in Ansbach (1720 / 21). Die Errichtung der Landesuniversit¨at, f¨ur die C. C. das kaiserliche Privileg schon 1726 erhalten hatte, konnte sie nicht mehr durchf¨uhren. C NDB

Christiane, F¨urstin zu Waldeck und Pyrmont, * 16. 11. 1725, † 11. 2. 1816. C., Tochter des Herzogs Christian III. von Pfalz-Zweibr¨ucken-Birkenfeld, heiratete im Alter von sechzehn Jahren den zwanzig Jahre a¨ lteren F¨ursten Carl August Friedrich zu Waldeck und Pyrmont, mit dem sie sechs Kinder hatte. Nach dessen Tod 1763 u¨ bernahm sie bis 1766 die vormundschaftliche Regentschaft f¨ur ihren Sohn Friedrich. C. besaß ein ausgepr¨agtes Interesse f¨ur Naturgeschichte und stand in Kontakt mit bedeutenden Gelehrten der Zeit, u. a. mit Wilhelm von → Humboldt und Friedrich → Blumenbach. Neben einer etwa 10 000 B¨ande umfassenden Bibliothek sowie einer Gem¨aldesammlung baute C. ein von Zeitgenossen vielbeachtetes Naturalienkabinett auf, das außer pr¨aparierten Tieren und Petrefakten vor allem Mineralien aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt enthielt und zum Teil bereits nach der von Carl von Linn´e entwickelten Systematik geordnet war. Außerdem legte sie einen Garten mit einer Sammlung fremder und seltener Nadelh¨olzer an, der ebenso wie die Naturalienkammer von dem Reformp¨adagogen Christian Karl → Andr´e, der 1783-85 in Arolsen t¨atig war, in seinem Unterricht erzieherisch genutzt wurde. Als M¨azenin unterst¨utzte C. den Aufbau der naturhistorischen Sammlungen des Kgl. Akademischen Museums der Univ. G¨ottingen. Nach ihrem Tod mußten C.s Sammlungen zur Erf¨ullung finanzieller Verpflichtungen verkauft werden. C Merkel / Wunder

Christiani, Christoph Johann Rudolph, luth. Theologe, P¨adagoge, * 15. 4. 1761 Norby (Schleswig-Holstein), † 6. 1. 1841 L¨uneburg. Nach dem Besuch der Flensburger Lateinschule studierte C., Sohn eines Pastors, in Kiel, erhielt 1788 das Pastorat in Kahleby-Moldenit und wurde 1793 als letzter deutscher Hofprediger nach Kopenhagen berufen. Daneben gr¨undete er 1795 ein Erziehungsinstitut in Vesterbro, das im Sinne von Joachim Heinrich → Campe und Christian Gotthilf → Salzmann zugleich Gelehrtenschule und Handelsinstitut war. Die p¨adagogischen Ziele seiner Schule legte C. in den Beytr¨agen zur Veredelung der Menschheit (2 Bde. und ein Anhang, 1796-99) dar. 1810 wurde er Propst in Oldenburg, 1813 Konsistorialrat in Eutin und 1814 Stadtsuperintendent in L¨uneburg, wo er die Volks- und B¨urgerschule (1816) und eine Bibelgesellschaft ins Leben rief. 1815-25 war C. Herausgeber des „L¨uneburger Wochen- und Intelligenzblatts“. C SHBL, Bd 3

Christiani, David, luth. Theologe, Mathematiker, * 25. 12. 1610 Greifenberg (Pommern), † 12. 2. 1688 Gießen. C. studierte in Greifswald, Frankfurt / Oder und Rostock und wurde in Greifswald zum Dr. phil. promoviert. Anschließend dozierte er in Rostock, Marburg und Straßburg, setzte

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seine Studien 1638 in Basel fort, lernte in Marburg die syrische und chald¨aische Sprache und nahm dort nach einer zweij¨ahrigen Reise durch Deutschland, Holland und England 1642 eine Professur f¨ur Mathematik an. Daneben lehrte er auch das Hebr¨aische sowie Beredsamkeit und Poesie. Nach der Wiedererrichtung der Univ. Gießen wurde er dort a. o. Prof. der Mathematik. 1659 war C. Superintendent in St. Goar und kehrte 1681 als o. Prof. der Theologie nach Gießen zur¨uck. Neben geographischen und astronomischen Werken verfaßte er eine Reihe theologischer Schriften, in denen er die Vers¨ohnung der beiden protestantischen Konfessionen anstrebte. Er ver¨offentlichte u. a. Systema geographiae universalis (1645) und Tractatus physico-astronomicohistoricus (1653). C ADB

Christiani, Edmund, Psychiater, Neurologe, * 5. 1. 1908 Breckerfeld (Sauerland), † 28. 1. 1977 Berlin. Der Arztsohn C. studierte in M¨unster, Innsbruck und Wien Medizin (Promotion 1933, Die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutk¨orperchen unmittelbar vor und nach R¨ontgenbestrahlungen) und wurde Assistent an den Universit¨atsNervenkliniken in M¨unster und Bonn, sp¨ater Assistenzarzt in Kiel. Im Zweiten Weltkrieg war er als Marinestabsarzt der Reserve t¨atig. 1946 aus der Kriegsgefangenschaft zur¨uckgekehrt, wirkte C. als Spezialist f¨ur Psychiatrie und Neurologie sowie als Psychotherapeut in Kiel. Er war Pr¨asi¨ dent der schleswig-holsteinischen Arztekammer, Vorstandsmitglied der Bundes¨arztekammer und Pr¨asident der Deutschen Gesellschaft f¨ur Psychiatrie und Nervenheilkunde. C. ¨ ver¨offentlichte u. a. Uber Ursachen und Folgen des Drogenmißbrauchs (1972) und Drogenmißbrauch und Drogenabh¨angigkeit (1972, 41984).

Christiani, Friedrich Albrecht, eigentl. Baruch ben Mose, theologischer Schriftsteller, * um 1647 Proßnitz (M¨ahren), † Anfang 18. Jh. vermutlich Proßnitz. Der Sohn eines Rabbiners wurde um 1665 Vorbeter an der Synagoge in Bruchsal, wo er unter dem Einfluß der sabbatianischen Bewegung großes Interesse f¨ur den christlichen Glauben entwickelte. Er ließ sich schließlich 1674 in Straßburg taufen, wo er bis 1681 lebte. C. war sp¨ater als Lektor des Hebr¨aischen und des Talmud an der Univ. Leipzig t¨atig, verließ jedoch 1695 zusammen mit seiner Tochter die Stadt und ging nach Wien. Er wirkte dort als Prof. der rabbinischen Sprache und kehrte 1698 wieder zum Judentum zur¨uck. C. verfaßte hebr¨aische Schriften u¨ ber j¨udische ¨ Br¨auche, ver¨offentlichte 1676 eine hebr¨aische Ubersetzung des Hebr¨aerbriefs und 1713 den Traktat Der Juden Glaube und Unglaube in deutscher Sprache. C ADB

Christiani, (Carl) Rudolf (Ferdinand), Politiker, * 27. 1. 1797 Kopenhagen, † 21. 1. 1858 Celle. Der Sohn des Theologen und P¨adagogen Christoph Johann Rudolf → C. schloß an der Univ. G¨ottingen das Studium der Rechtswissenschaften 1818 mit der Promotion ab. Er ließ sich anschließend als Rechtsanwalt in L¨uneburg nieder, war 1824-46 Staatssekret¨ar und beteiligte sich als Abgeordneter der Zweiten Kammer der hannoverschen St¨andeversammlung an der Ausarbeitung der St¨uveschen Verfassungs- und Sozialreform sowie an der Durchf¨uhrung der hannoverschen Bauernbefreiung und des Staatsgrundgesetzes (1831-33). Seit 1825 mit Heinrich → Heine befreundet, stand C. den Ideen des Jungen Deutschland und dem literarischen Liberalismus seiner Zeit nahe und geh¨orte der b¨urgerlichen Freiheitsbewegung an. Als ein Vermittler deutsch-d¨anischer Kulturbeziehungen fungierte er als Intervenient in der deutschd¨anischen Politik, die schleswig-holsteinische Frage betreffend. Dies brachte ihn in Opposition zur o¨ ffentlichen Meinung im Deutschland der Revolutionsjahre 1848-50, so daß er sich aus dem politischen Leben zur¨uckzog.

Christiansen Christiani, Wilhelm Ernst, Historiker, Bibliothekar, * 23. 4. 1731 Kiel, † 1. 9. 1793 Kiel. C., Sohn eines Apothekers, studierte seit 1748 in Kiel und Jena Theologie und wurde 1757 in Rostock zum Dr. phil. promoviert. 1761 u¨ bernahm er eine a. o., 1764 eine o. Professur des Naturrechts und der Politik in Kiel und wurde 1766 zudem Prof. der Beredsamkeit und Dichtkunst, 1770 auch Prof. der Geschichte. 1777 wurde er k¨oniglich d¨anischer Justizrat und 1790 Mitglied der kgl. Gesellschaft der Wissenschaften in Kopenhagen. 1775-79 erschien C.s Geschichte der Herzogth¨umer Schleswig und Holstein (4 Tle.), die 1781-84 mit der Geschichte der Herzogth¨umer Schleswig und Holstein unter dem Oldenburgischen Hause (Teil 1-2) fortgesetzt wurde. C SHBL, Bd 6

Christians, Clemens, Lehrer, Bildungspolitiker, * 11. 10. 1923 Paderborn, † 5. 8. 1998 Hamm (Westfalen). Nach der R¨uckkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1948 studierte C. in Marburg, Freiburg, Paris und M¨unster, wurde 1950 Gymnasiallehrer f¨ur die F¨acher Franz¨osisch und Latein in Paderborn, sp¨ater in Hamm, wo er bis zu seiner Pensionierung 1987 wirkte, zuletzt als Leiter der Schule. 1966-70 war er Vorsitzender des PhilologenVerbandes Nordrhein-Westfalen und geh¨orte 1969 zu den Begr¨undern des Deutschen Lehrerverbandes, den er als Pr¨asident bis 1984 leitete. 1976-94 war er außerdem einer der Vorsitzenden des Bundes Freiheit der Wissenschaft. Christians, F(riedrich) Wilhelm, Bankier, * 1. 5. 1922 Paderborn, † 24. 5. 2004 D¨usseldorf. C. wurde nach dem Studium der Rechtswissenschaften, das er mit der Promotion abschloß, 1949 Mitarbeiter f¨ur Verfassungsrecht beim Parlamentarischen Rat in Bonn und trat 1951 in die Deutsche Bank ein. 1965 wurde er stellvertretendes, 1967 ordentliches Vorstandsmitglied der Deutsche Bank AG. 1976 u¨ bernahm er dort zusammen mit Wilfried Guth das Amt des Vorstandssprechers. 1968-76 war C. Verwaltungsratsmitglied der Rheinisch-Westf¨alischen Elektrizit¨atswerk AG (RWE), seit 1977 deren Aufsichtsratsvorsitzender, 1975-79 Pr¨asident des Bundesverbandes deutscher Banken und 1990-97 Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank. Daneben war er Verwaltungsrats- und Aufsichtsratsmitglied in zahlreichen Unternehmen der Versicherungs-, Bau- und Energiewirtschaft sowie des Pressewesens und der Pharmaindustrie. Christians, Kurt, Verleger, * 3. 10. 1909 Hamburg, † 25. 1. 1998 Hamburg. C., gelernter Drucker und Schriftsetzer, f¨uhrte seit 1934 den 1740 von Conrad W¨ormer gegr¨undeten und seit 1875 in Familienhand befindlichen Verlag. Zuletzt war er Seniorchef des a¨ ltesten Hamburger Verlags- und Druckereihauses. Schwerpunkte des Verlags sind Hamburgensien, bibliophile K¨unstlermonographien und wissenschaftliche Reihen. C. erhielt mehrere Auszeichnungen, u. a. die „Goldene Letter“ f¨ur das sch¨onste Buch der Welt, eine Gedichtesammlung von Wang Taizhi (1996). 1992 u¨ bergab er Leitung des Unternehmens an seine Tochter Susanne Liebelt. C. geh¨orte dem Vorstand der Stiftung Buchkunst seit deren Gr¨undung 1965 an und war seit 1994 Ehrenmitglied des Vorstandes. Christians, Mady (Margarete), Schauspielerin, * 19. 1. 1900 Wien, † 28. 10. 1951 South Norwalk (Connecticut, USA). Die Tochter des Schauspielers Rudolf → C. und der Operns¨angerin Bertha Klein lebte w¨ahrend eines Tourneeaufenthaltes ihrer Eltern 1912-17 in New York und stand schon als Kind auf der B¨uhne, bevor sie 1917 nach Deutschland zur¨uckkehrte und ihr Schauspielstudium an der MaxReinhardt-Schule in Berlin begann. C. deb¨utierte noch im selben Jahr in Moli`eres Der Geizige und spielte an den

Reinhardt-B¨uhnen, am Deutschen Theater in Berlin und am Wiener Theater in der Josefstadt. Daneben wirkte sie bis 1933 in 60 Filmen mit, so in Ernst → Lubitschs Das Weib des Pharao (1922), konnte nach ihrer Emigration in die USA ihre Karriere fortsetzen und spielte in zahlreichen BroadwayProduktionen, u. a. als K¨onigin in Maurice Evans Hamlet (1928). Seit 1945 erteilte C. Schauspielunterricht an der Columbia University. C Exiltheater

Christians, Rudolf, Schauspieler, Theaterdirektor, * 15. 1. 1869 Middoge (Oldenburg), † 2. 2. 1921 New York. C. begann eine kaufm¨annische Ausbildung in Oldenburg, wandte sich jedoch bereits nach zwei Jahren der Schauspielerei zu und schloß sich, ohne jemals Unterricht erhalten zu haben, 1887 einer reisenden Schauspielergesellschaft an. Nach mehreren Reisen mit verschiedenen Wandertruppen kam er 1891 nach Krefeld und erhielt 1892 als jugendlicher Held und Liebhaber ein Engagement am Stadttheater Basel. 1893 stand C. in D¨usseldorf auf der B¨uhne und wirkte 1895-98 am Deutschen Volkstheater in Wien, bis er 1898 an das Kgl. Schauspielhaus in Berlin engagiert wurde. Seit 1906 am Neuen Theater Berlin t¨atig, spielte C. den Hamlet, den Egmont und Richard III. und gab zahlreiche Gastspiele, die ihn an die meisten deutschen B¨uhnen, wiederholt nach St. Petersburg und schließlich 1913 in die USA f¨uhrten, wo C. das deutschsprachige Irving Place Theatre in New York leitete. Er war der Vater von Mady → C. Christiansen, Friedrich, Milit¨ar, * 12. 12. 1879 Wyk (Insel F¨ohr), † 3. 12. 1972 Aukrug-Innien (SchleswigHolstein). Der einer Seefahrerfamilie entstammende C. gab 1913 seinen Beruf als Handelsschiffskapit¨an auf, absolvierte eine Fliegerausbildung und nahm als Seeflieger am Ersten Weltkrieg teil. Seit 1922 wieder in der Handelsschiffahrt t¨atig, nahm er 1929 ein Angebot der Dornier-Werke an und f¨uhrte 1931 das zehnmotorige Großflugzeug Do X als Kommandeur auf einem Flug nach S¨ud- und Nordamerika. Unter den Nationalsozialisten wurde C. Reichskommissar f¨ur Luftfahrt, sp¨ater Kommandeur und Inspekteur der Fliegerschulen, 1937 F¨uhrer des nationalsozialistischen Fliegerkorps und 1938 General der Flieger. Im Zweiten Weltkrieg war C. Wehrmachtsbefehlshaber in den Niederlanden. Bei Kriegsende verhaftet, wurde er wegen einer „Vergeltungsaktion“ vor ein niederl¨andisches Sondergericht gestellt und Mitte August 1948 zu zw¨olf Jahren Haft verurteilt; Ende 1951 wurde er begnadigt.

Christiansen, G¨unther, Buchh¨andler, * 27. 11. 1926 Hamburg, † 29. 10. 2003 Hamburg. Nach der R¨uckkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft im Herbst 1945 holte C. das Abitur nach, ging bei der Herold’schen Buchhandlung in Hamburg in die Lehre und trat 1949 in das v¨aterliche Gesch¨aft ein. 1957, nach dem Tod des Vaters, u¨ bernahm er die Buchhandlung, die sich seit 1966 in seinem Alleinbesitz befand. 1965-67 war er Vorsitzender des Norddeutschen Verleger- und Buchh¨andlerVerbandes, 1970-73 Vorsitzender des Sortimenterausschusses des B¨orsenvereins des Deutschen Buchhandels und geh¨orte insgesamt zw¨olf Jahre der Abgeordnetenversammlung an. 1974-80 war C. stellvertretender Vorsteher, 1980-89 Vorsteher des B¨orsenvereins. Er setzte u. a. das sog. Spartenpapier durch, in dem sich herstellender und verbreitender Buchhandel zu kooperativem Verhalten verpflichteten. 1980-94 geh¨orte er dem Aufsichtsrat der Ausstellungs- und Messe GmbH des B¨orsenvereins an. F¨ur sein ehrenamtliches Engagement zeichnete ihn der B¨orsenverein 1990 mit der Friedrich-Perthes-Medaille und 1992 mit der Ehrenmitgliedschaft aus. Geehrt wurde C. auch durch die Ernennung zum Officier des Arts et des Lettres (1992).

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Christiansen Christiansen, Hans, Kunstgewerbler, Maler, * 6. 3. 1866 Flensburg, † 5. 1. 1945 Wiesbaden. C. absolvierte eine Malerlehre, reiste als Geselle durch Deutschland und erhielt 1887 / 88 eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in M¨unchen. Nach einer Italienreise 1889 arbeitete er als selbst¨andiger Dekorationsmaler in Hamburg, gab 1895 diesen Beruf jedoch auf und ging nach Antwerpen, sp¨ater nach Paris, um sich an der Acad´emie Julian weiterzubilden. In Hamburg stand er in engem Kontakt zum Verein Volkskunst, der sich f¨ur die Wiederbelebung heimischer Kunstweise einsetzte, widmete sich dem Naturstudium und gab sein Vorlagenwerk Neue Flachsornamente (1892) heraus. Seit 1898 Prof., wurde er 1899 von Großherzog → Ernst Ludwig von Hessen in das K¨unstlerheim auf der Mathildenh¨ohe in Darmstadt berufen, wo er Mitbegr¨under der dortigen K¨unstlerkolonie war. Hier arbeitete C. in erster Linie auf dem Gebiet des Kunsthandwerks und lieferte als K¨unstler des Jugendstils Entw¨urfe f¨ur M¨obel, Keramik, Glasmalereien und Schmuck, aber auch Graphiken f¨ur die Zeitschrift „Jugend“. 1902 zog er wieder nach Paris, wo er sich der Malerei zuwandte. Seit 1911 in Wiesbaden ans¨assig, wurde er Mitglied des Verwaltungsrats der Kunstgewerbeschule sowie Dozent an der Volkshochschule. 1933 wurde C. mit Malverbot belegt. C AKL Christiansen, Johann Jacob Christian Friedrich, Jurist, * 31. 3. 1809 Schleswig, † 19. 3. 1854 auf einer Reise von Kiel nach L¨ubeck. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Kiel und Berlin wurde C., Sohn eines Hardesvogts, 1832 in Kiel promoviert und habilitierte sich dort 1834 f¨ur R¨omisches Recht. Als Hegelianer, der durch die starke Betonung der historischen Komponente des Hegelschen Wissenschaftsbildes zu einem positivistischen Programm f¨ur die Wissenschaft vom R¨omischen Recht angeregt wurde, trat er in scharfen Gegensatz zur historischen Schule, die seiner Meinung nach den Kampf gegen das u¨ berpositivistische Naturrecht nicht nachdr¨ucklich genug gef¨uhrt hatte. C. war seit 1843 Prof. an der Univ. Kiel. Zu seinem Hauptwerk z¨ahlen Wissenschaft der r¨omischen Rechtsgeschichte im Grundriß (1838) und Institutionen des r¨omischen Rechts (1843). C NDB

Christiansen-Weniger, Friedrich, Botaniker, * 17. 4. 1897 Hamburg, † 22. 3. 1989 Eckernf¨orde. C.-W. studierte 1919-21 Landwirtschaft in G¨ottingen und Breslau, wurde 1922 bei Paul → Ehrenberg mit der Arbeit Der Energiebedarf der Stickstoffbindung durch die Kn¨ollchenbakterien im Vergleich zu anderen Stickstoffbindungsm¨oglichkeiten und erste Versuche zur Ermittelung desselben promoviert und war anschließend Assistent an dem von Friedrich → Berkner geleiteten Institut f¨ur Pflanzenbau und Pflanzenz¨uchtung der Univ. Breslau. 1924 erhielt er die Lehrbefugnis f¨ur die F¨acher Pflanzenbau und Pflanzenz¨uchtung; 1928 wurde er nichtbeamteter a. o. Prof. f¨ur Pflanzenbau und Angewandte Vererbungslehre. 1931-40 arbeitete C.-W. in der T¨urkei, zun¨achst als o. Prof. am Institut f¨ur Pflanzenbau und Pflanzenz¨uchtung der neugegr¨undeten Landwirtschaftlichen Hochschule in Ankara, dann als Sachverst¨andiger f¨ur das t¨urkische Landwirtschaftsministerium. Als Leiter der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt des Generalgouvernements in Pulawy war er bis 1944 auch Direktor des dortigen Instituts f¨ur Acker- und Pflanzenbau und gab gemeinsam mit Valentin → Horn die „Berichte der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt des Generalgouvernements“ heraus. C.-W. z¨ahlte zu den Mitgliedern der Widerstandsgruppe des Kreisauer Kreises; nach 1945 leitete er die Stiftung Deutscher Landerziehungsheime. 1954-62 war er Landwirtschaftsreferent an deutschen Botschaften und Gesandtschaften in der T¨urkei, in Irak, Iran, Syrien und Jordanien. Er verfaßte u. a. Die Grundlagen des t¨urkischen Acker-

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baus (1934, 21970 unter dem Titel Ackerbauformen im Mittelmeerraum und Nahen Osten dargestellt am Beispiel der T¨urkei); seine Lebenserinnerungen Jahrgang 1897. B¨urger in vier deutschen Staaten erschienen 1981. C B¨ohm

Christianus, Johannes, genannt Otzenrath, reformierter Theologe, † 4. 6. 1597 Aachen. C. ist m¨oglicherweise mit dem Rektor Johannes Borschemich identisch, der seit 1557 in Otzenrath predigte, das auch als erste Wirkungsst¨atte von C. angegeben wird. Um 1570 war er Prediger an der heimlichen evang. Gemeinde in Aachen und setzte sich gleichzeitig f¨ur den synodalen Zusammenschluß der J¨ulicher Gemeinden ein, auf deren Synoden er h¨aufig als Pr¨ases und Assessor auftrat. 1573 / 74 kam C. dem Wunsch des Grafen Hermann von Neuenar nach, dessen Grafschaft Bedburg zu reformieren, und war zehn ¨ Jahre lang dort t¨atig. Der großen Offentlichkeit wurde C. durch seine Predigten bekannt, die er im Auftrag des Grafen Adolf von Neuenar hielt, der 1582 versuchte, durch die Veranstaltung evang. Predigten am Hof zu Mechtern das nahe gelegene kath. K¨oln f¨ur das evang. Bekenntnis zu gewinnen. 1584 kehrte C. nach Aachen zur¨uck. C NDB

Christina von Stommeln, Mystikerin, * 1242 Stommeln bei K¨oln, † 6. 11. 1312 Stommeln. C., die als Elfj¨ahrige erste Visionen hatte, in denen sie sich als Auserlesene Christi zu besonderen Aufgaben bestimmt sah, lebte nach einem Aufenthalt in der Gemeinschaft der K¨olner Beginen (1255-59) seit 1267 im Haus des Stommelner Pfarrers Johannes, der sp¨ater ihre Vita niederschrieb. Im selben Jahr machte sie die Bekanntschaft des Dominikaners Petrus von Dacien, mit dem sie bald in Briefwechsel trat und der ihre in der Karwoche 1286 empfangenen Wundmale Christi bezeugte. Petrus von Dacien verfaßte ebenfalls eine Vita C.s, die zusammen mit ihren Briefen und den Aufzeichnungen des Pfarrers als Quelle f¨ur ihre Erscheinungen gilt. Die kurz nach ihrem Tod einsetzende Verehrung C.s wurde am 12. 8. 1908 von der Kirche approbiert. C LThK

Christine Ebner, Dominikanerin, Mystikerin, * 26. 3. 1277 N¨urnberg, † 27. 12. 1356 Engelthal. C. stammte aus einem N¨urnberger Patriziergeschlecht, trat 1289 in das Dominikanerinnenkloster Engelthal bei N¨urnberg ein und f¨uhrte dort ein strenges und asketisches Leben. 1291 hatte sie erste Visionen als Zwiegespr¨ache Christi mit ihrer Seele. Zuerst von Mißtrauen begleitet, wurde ihre Begnadung seit 1297 zunehmend anerkannt; selbst Kaiser → Karl IV. erbat ihren Segen. Angeregt durch ihren Beichtvater → Konrad von F¨ussen, begann C. 1317 mit der Aufzeichnung ihrer mystischen Erlebnisse; ihr so entstande¨ nes B¨uchlein von der Gnaden Uberlast (um 1346) ist eine Sammlung von Tugend- und Gnadenerlebnissen verstorbener Schwestern des Klosters und stellt eine wertvolle Quelle mittelalterlicher Mystik dar. C VL Christl, Anton Joseph, Schauspieler, Regisseur, * 2. 4. 1802 Regensburg, † 2. 2. 1865 Lindau. Der Sohn des Schauspielers Karl C. deb¨utierte 1811 in Basel mit einer Kinderrolle, reiste mit seinem Vater durch Rußland und Deutschland und trat 1818 sein erstes Engagement als jugendlicher Liebhaber am Deutschen Theater in Agram an. 1819-25 als Schauspieler und Regisseur bei der von seinem Vater gegr¨undeten Truppe, u¨ bernahm C. nach dessen Tod 1825 die Direktion, die er jedoch bald wieder aufgab, um u. a. in Regensburg, Hanau, Innsbruck, Salzburg und Graz als Darsteller und Regisseur t¨atig zu sein. In den folgenden Jahren schlossen sich Gastspielreisen durch Deutschland und Rußland an; 1842 stand C. in London auf der B¨uhne, f¨uhrte 1843 Regie in W¨urzburg, spielte am Dresdener Sommertheater und war im Winter Oberregisseur des Altenburger Hoftheaters. Er unternahm zahlreiche Gastspielreisen,

Christoffel u. a. nach Kopenhagen und Krakau. 1863 ging C. nach Amsterdam, dann an das deutsche Theater in Paris und erhielt sein letztes Engagement in Lindau. C. galt als meisterhafter → Nestroy-Interpret, z. B. als Zwirn in Lumpazivagabundus.

Christlieb, Theodor, evang. Theologe, * 7. 3. 1833 Birkenfeld (W¨urttemberg), † 15. 8. 1889 Bonn. Der Pfarrerssohn studierte 1851-55 Theologie in T¨ubingen, ging 1855 als Hauslehrer nach Montpellier und wurde 1856 Vikar seines Vaters in Ludwigsburg, bald darauf Pfarrverweser in Ruit bei Stuttgart. Seit 1858 Pfarrer der neugegr¨undeten deutschen Gemeinde Islington in London, wurde C. 1865 Pfarrer und Hofprediger in Friedrichshafen. Von 1868 an o. Prof. der praktischen Theologie und Universit¨atsprediger in Bonn, gr¨undete er 1874 zusammen mit Gustav → Warneck und Reinhold → Grundemann die „Allgemeine Missionszeitschrift“, pflegte die Beziehungen zwischen dem deutschen und dem angels¨achsischen Christentum und rief mit Friedrich → Fabri und Friedrich Heinrich Neviandt den „Westdeutschen Zweig der Evangelischen Allianz“ ins Leben. C., der als Vork¨ampfer der Evangelisation in Deutschland gilt, war 1883 Mitbegr¨under des Deutschen Evangelisationsvereins und er¨offnete 1886 in Bonn die Evangelistenschule Johanneum, die 1893 nach Barmen verlegt wurde. C ADB

Christmann, Jakob, Orientalist, Astronom, * November 1554 Johannisberg, † 16. 6. 1613 Heidelberg. Der aus dem Rheingau stammende C. absolvierte vorwiegend orientalische Studien am Heidelberger Collegium Sapientiae und war dort 1580 Lehrer am sogenannten Dionysianum, bis er sich dem Mediziner Thomas → Erastus anschloß, dem er zuerst nach Basel, sp¨ater nach Heidelberg folgte. Als beide wegen ihres reformierten Glaubens die luth. Univ. Heidelberg verlassen mußten, trat er eine mehrj¨ahrige Studienreise an, die ihn bis nach Breslau, Wien und Prag f¨uhrte. Nach dem Tod → Ludwigs VI. 1583 wurden unter → Johann Casimir wieder reformierte Professoren in Heidelberg aufgenommen, und C. erscheint dort seit 1584 als Prof. der hebr¨aischen Sprache, seit 1591 als Prof. der Logik. Seit 1602 Rektor der Heidelberger Univ., wurde er 1608 von → Friedrich IV. als erster dieses Fachs in Europa zum Prof. der arabischen Sprache ernannt und erhielt damit eine Lehrstelle, zu deren Gr¨undung er in der Vorrede seiner Chronologie und Astronomie des Alfraganus (1590) aufgerufen hatte. Er ver¨offentlichte ein Alphabetum Arabicum cum isagoge Arabice legendi ac scribendi (1582), eine Tractatio geometrica de quadratura circuli (1595) und Observationum solarium libri tres (1601).

Christmann, Johann Friedrich, evang. Theologe, Komponist, * 9. 9. 1752 Ludwigsburg, † 21. 5. 1817 Heutingsheim. C. erhielt fr¨uh Unterricht im Klavier- und Fl¨otenspiel. Er besuchte die Klosterschule Denkendorf und studierte seit 1770 im T¨ubinger Stift; 1772 erlangte er den Magistergrad. Nach einem zweij¨ahrigen Vikariat in Lustnau ging er 1778 als Hauslehrer nach Winterthur (Schweiz) und 1780 nach Karlsruhe. Er schrieb f¨ur Musikzeitschriften (u. a. die Leipziger „Allgemeine musikalische Zeitung“, 1798-1803) und war 1788-90 Mitherausgeber der „Musikalischen Realzeitung“. Seit 1784 lebte er als Pfarrer in Heutingsheim und Geisingen. C. komponierte neben Chor¨alen auch Lieder und Balladen. Er war an der Erarbeitung des w¨urttembergischen Choral- und Gesangbuchs beteiligt, schrieb mehrere biographische Aufs¨atze u¨ ber w¨urttembergische Musiker seiner Zeit und pflegte u. a. Kontakte zu → Schiller, Georg Joseph → Vogler und Johann Rudolf → Zumsteeg. C. gab ein Elementarbuch der Tonkunst (2 Tle., 1782-89) heraus. C MGG

Christoff, Daniel, Schriftsteller, Regisseur, * 31. 10. 1926 Bonn, † 24. 5. 1997 Ingelheim. C. studierte Graphik und angewandte Psychologie in Berlin, arbeitete als Graphiker und war nach Erfolgen als Dramatiker (u. a. mit Noah ist tot, 1961; R¨uckkehr von Elba, 1963) seit 1970 als freier Schriftsteller, seit 1976 auch als Filmregisseur t¨atig. In zahlreichen Drehb¨uchern zu Fernsehfilmen thematisierte er zumeist aktuelle gesellschaftliche Probleme (u. a. Der Mustersch¨uler, 1970; Der Tod vor dem Sterben, 1975; Datenpanne – das kann uns nie passieren, 1983) und die Benachteiligung von Minderheiten. Er schrieb auch Romane, u. a. Schaukelst¨uhle (1964). C Munzinger Christoffel, Elwin Bruno, Mathematiker, * 10. 11. 1829 Monschau (Rheinpreußen), † 15. 3. 1900 Straßburg. C., Sohn eines Kammstrickers, studierte an der Berliner Univ. u. a. bei Karl Wilhelm → Borchardt und Jakob → Steiner, wurde 1856 bei Georg Simon → Ohm mit der Arbeit De motu permanenti electricitatis in corporibus homogeneis promoviert und habilitierte sich 1859. 1862 wurde er als Prof. der h¨oheren Mathematik an das Polytechnikum in Z¨urich berufen, war 1869-72 an der GewerbeAkademie, der sp¨ateren TH, in Berlin t¨atig und wirkte seit 1872 an der neugegr¨undeten Univ. Straßburg. Bereits in Z¨urich entstanden zahlreiche Arbeiten C.s, in denen er die Ideen Bernhard → Riemanns aufgriff; der von ihm eingef¨uhrte Riemann-Christoffelsche Kr¨ummungstensor und die Dreizeiger-Symbole spielen eine grundlegende Rolle in der Allgemeinen Relativit¨atstheorie Albert → Einsteins. 1868 ver¨offentlichte C. eine Allgemeine Theorie der geod¨atischen Dreiecke, in der er die Trigonometrie von durch geod¨atische Linien begrenzten Dreiecken auf beliebigen Fl¨achen entwickelte. Er arbeitete ferner u¨ ber analytische Funktionen und Invariantentheorie. C.s Gesammelte mathematische Abhandlungen erschienen 1910 in zwei B¨anden. C NDB Christoffel, Ernst Jakob, evang. Theologe, * 4. 9. 1876 Rheydt (heute zu M¨onchengladbach), † 23. 4. 1955 Isfahan (Iran). C., Sohn eines Handwerkers, erhielt eine Ausbildung am Predigerseminar in Basel, schloß diese 1904 ab und reiste im selben Jahr in das nordostt¨urkische Sivas, um die Leitung von zwei Waisenh¨ausern zu u¨ bernehmen. W¨ahrend des Aufenthalts reifte sein Entschluß, eine Blindenmission im Osten einzurichten, f¨ur die er private Unterst¨utzung in Deutschland, in der Schweiz und in Holland fand. Mit den bereitgestellten Mitteln gr¨undete C. 1908 in der t¨urkischen Stadt Malatia eine Schule f¨ur blinde, geh¨orlose und andere behinderte Menschen. Nachdem er wie alle Deutschen 1919 gezwungen war, die T¨urkei zu verlassen, arbeitete er als Geistlicher in einer Arbeiterkolonie in Bernau bei Berlin. 1925 durfte er zwar wieder in die T¨urkei, nicht aber nach Malatia reisen und konzentrierte daher seine Aktivit¨aten auf Persien, wo er in T¨abris und Isfahan zwei weitere Blindenschulen einrichtete. Im Zweiten Weltkrieg verhaftet und interniert, kehrte C. 1946 nach Deutschland zur¨uck und gr¨undete 1949 ein Heim f¨ur Kriegsblinde in N¨umbrecht bei K¨oln. Seit 1951 lebte er wieder in Isfahan. Die „Christoffel-Blindenmission e. V.“ (CMB; seit 1956) setzt sein Lebenswerk als ein heute in mehr als hundert L¨andern vertretenes Hilfswerk fort. C BBKL Christoffel, Raget, schweizer. evang. Theologe, Kirchenhistoriker, * 26. 6. 1810 Scheid (Kt. Graub¨unden), † 29. 1. 1875 Wintersingen (Kt. Basel-Landschaft). C., Sohn eines Landwirts und Landammanns, wurde 1836 Mitglied der evangelisch-rh¨atischen Synode im Kanton Graub¨unden sowie Pfarrer in Almens-Rothenbrunnen (Domleschg). 1840 wandte er sich der P¨adagogik zu und ging

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Christoph als Leiter der Erziehungsanstalt Fellenberg nach Hofwil. 1843 wurde er Lehrer in Kleindietwil, dann Direktor der Bezirksschule Sch¨oftland (Kt. Aargau) und 1847 Pfarrer in Wintersingen (Kt. Basel-Landschaft). C. wirkte im Geist → Pestalozzis, mit dem er sich auch publizistisch besch¨aftigte (Pestalozzi, 1846). Weiterhin ver¨offentlichte er eine Auswahl aus Zwinglis Schriften (1843) sowie die biographischen Charakterbilder aus der Reformationsgeschichte Italiens (1865). C BBKL

Christoph I., Markgraf von Baden, * 13. 11. 1453, † 19. 4. 1527 Burg Hohenbaden. C. war 1463 Domscholar zu Speyer, studierte 1466 in Freiburg / Breisgau und trat 1475 als Sohn des Markgrafen → Karl I. zusammen mit seinem Bruder Albrecht die Regierung in Baden und Hochberg an. 1488 u¨ bernahm er die alleinige Regierung und unterst¨utzte K¨onig → Maximilian I. bei dessen Bem¨uhungen zur Sicherung des burgundischen Erbes. 1488 vorl¨aufiger Regent in den Niederlanden, dann zum „Statthalter, Generalobersten Hauptmann und Regierer der Lande Luxemburg und Chiny“ ernannt, wurde C. 1500 in das Reichsregiment berufen. Durch den Erwerb zahlreicher Herrschaften konnte er seine Stellung festigen. Seit 1491 geh¨orte C. dem Orden des Goldenen Vlieses an, war seit 1496 Gouverneur von Verdun und legte im Hausgesetz von 1515 die Unver¨außerlichkeit seiner Markgrafschaft fest. 1517 wegen Krankheit entm¨udigt, zog er sich nach der Teilung des Landes und der Regierungs¨ubergabe an seine drei S¨ohne nach Luxemburg zur¨uck.

Christoph, Herzog von Bayern, * 6. 1. 1449 M¨unchen, † 15. 8. 1493 Rhodos. Der Sohn Herzog → Albrechts III. erhob 1467 Anspruch auf die Teilhabe an der Regierung in Bayern, woraus ein langandauernder Streit mit seinem Bruder → Albrecht IV. erwuchs, der C. 1471 in M¨unchen gefangennahm und erst nach neunzehnmonatiger Haft wieder freiließ. Sp¨ater trat C. in die Dienste des ungarischen K¨onigs → Matthias, kehrte 1478 nach Bayern zur¨uck, wo es erneut zum Krieg zwischen den Br¨udern kam, und zog nach einem Friedensvertrag mit Albrecht, in dem er verzichtete, 1488 mit seinem Heer zur Befreiung K¨onig → Maximilians nach Br¨ugge. 1490 k¨ampfte C. in Ungarn gegen Wladislaw II. und unternahm 1493 mit Kurf¨urst → Friedrich III. von Sachsen eine Wallfahrt ins Heilige Land, die er in einem in Bruchst¨ucken erhaltenen tagebuchartigen Pilgramsbuch beschrieb. C VL

Christoph, Herzog von Braunschweig-Wolfenb¨uttel, Erzbischof von Bremen, Bischof von Verden, * 1487, † 22. 1. 1558 Tangerm¨unde. ¨ von BraunschweigC., Sohn Herzog → Heinrichs d. A. L¨uneburg-Wolfenb¨uttel, war im Alter von dreizehn Jahren Koadjutor des Bremer Erzbischofs Johann → Rode, 1502 Bischof von Verden und u¨ bernahm 1511 die Regierung des Erzstiftes. Sein ausschweifender Lebenswandel, Gewalttaten und Pl¨underungen seiner Soldaten ruinierten das Erzstift Bremen und insbesondere das Stift Verden wirtschaftlich. Als Verfolger der reformatorischen Lehre entfremdete er sich v¨ollig von der protestantisch gewordenen Stadt Bremen, die ihre Belagerung im Schmalkaldischen Krieg zweimal abwehren konnte. Auf C.s Initiative wurde 1524 der Bremer Reformator → Heinrich von Z¨utphen verbrannt, 1526 der Bremer Prediger Johann Bornemacher. 1537 hielt C. J¨urgen → Wullenweber in Haft vor dessen Hinrichtung in Wolfenb¨uttel. C Gatz 2

Christoph III. von Bayern, Pfalzgraf bei Rhein, K¨onig von D¨anemark, Schweden und Norwegen, * 26. 2. 1416, † 5. oder 6. 1. 1448 Helsingborg. C., Sohn des wittelsbachischen Pfalzgrafen → Johann von Neumarkt, wurde am Hof Kaiser → Sigismunds erzogen,

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nach der Absetzung seines Onkels, des d¨anischen K¨onigs Erich VII. von Pommern, 1439 vom d¨anischen Reichsrat zur Regierungs¨ubernahme berufen und 1440 in D¨anemark, 1441 in Schweden, 1442 in Norwegen zum K¨onig gew¨ahlt. 1440 warf er einen Bauernaufstand auf Seeland nieder und belehnte Graf → Adolf VIII. von Holstein mit dem Herzogtum Schleswig. Er machte Kopenhagen zu seiner st¨andigen Residenz und bewirkte den Frieden zwischen D¨anemark und Holland und den Hansest¨adten, die 1441 eine Best¨ati¨ gung ihrer Privilegien und eine Befreiung vom Oresundzoll erhielten. In den ihm nach dem Tod seines Vaters 1443 zugefallenen oberpf¨alzischen Erblanden ließ er sich durch den einheimischen Adel vertreten. C., der ohne Erben starb, verfaßte u. a. 1443 das Stadtrecht von Kopenhagen und das schwedische Reichsgrundgesetz. C LexMA

Christoph, Graf von Oldenburg, Domherr, Landsknechtsf¨uhrer, * Juni (?) 1504, † 4. 8. 1566 Rastede. Als dritter Sohn Graf → Johanns XIV. von Oldenburg zum Geistlichen bestimmt, war C. seit 1515 Domherr in Bremen, 1524-46 in K¨oln und seit 1530 Propst von St. Willehadi und Stephani in Bremen. 1529 setzte er die Nachfolge seines j¨ungsten Bruders → Anton I. in Oldenburg durch und wurde Soldat. Er trat in den Dienst des Landgrafen → Philipp von Hessen, k¨ampfte 1525 bei Frankenhausen, sp¨ater gegen die T¨urken und besetzte, seit 1533 niederl¨andischer S¨oldnerf¨uhrer, in der Grafenfehde 1534-36 D¨anemark, mußte jedoch vor K¨onig → Christian III. in Kopenhagen kapitulieren. 1546 trat C. mit einem f¨ur die Kurpfalz geworbenen Heer dem Schmalkaldischen Bund bei und besiegte 1547 mit Albrecht von → Mansfeld bei Drakenburg Herzog → Erich II. von Calenberg, wodurch Norddeutschland lutherisch blieb. Im F¨urstenkrieg 1552 k¨ampfte er f¨ur den Markgrafen → Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach, dem er bis zu dessen Tod 1557 diente. Seine letzten Lebensjahre verbrachte C. in dem von ihm 1529 s¨akularisierten Kloster Rastede, stand mit vielen Pers¨onlichkeiten seiner Zeit in Verbindung und ergriff im Bremer Abendmahlsstreit f¨ur seinen Freund Albert → Hardenberg Partei. C Oldenburg

Christoph, Herzog von Mecklenburg, Administrator von Ratzeburg, Koadjutor von Riga, * 30. 6. 1537 Augsburg, † 4. 3. 1592 Tempzin (Mecklenburg). C., Sohn Herzog Albrechts VII. von Mecklenburg, wurde von dessen Bruder, Erzbischof Wilhelm von Riga, eigenm¨achtig zum Koadjutor berufen und geriet nach einem Unternehmen des Erzbischofs gegen die Ordensherrschaft mit diesem in die Gefangenschaft des Ordensmeisters. Bei der Wiedereinsetzung des Erzbischofs 1557 wurde C. als Koadjutor anerkannt. 1559 befreite er das Stift von den eingedrungenen Russen, konnte jedoch den Verlust Kurlands und Livlands nicht verhindern. Nachdem K¨onig Sigismund II. von Polen nach dem Tod Erzbischof Wilhelms die rigaischen Stiftsg¨uter durch → Gotthard von Kurland in Besitz nehmen ließ, wurde C. festgenommen und an den polnischen K¨onig ausgeliefert. Erst als er 1569 den Anspruch auf das Erzstift Riga aufgegeben hatte, konnte C. in seine Heimat zur¨uckkehren, wo er sich der Alchemie widmete und auf seinem Schloß Gadebusch ein zu seiner Zeit bekanntes Laboratorium einrichtete. C Mecklenburg, Bd 1

Christoph, Herzog von W¨urttemberg, * 12. 5. 1515 Urach, † 28. 12. 1568 Stuttgart. Der Sohn Herzog → Ulrichs von W¨urttemberg wuchs nach dessen Vertreibung 1519 am Hof → Karls V. in Innsbruck auf. 1532 floh er zu seinem Onkel Herzog → Wilhelm von Bayern, der ihn bei seinen Anspr¨uchen auf W¨urttemberg unterst¨utzte. 1534 von seinem Vater nach der Wiedererlangung seines Landes zur politischen und milit¨arischen Ausbildung

Chrysander an den franz¨osischen Hof geschickt, wurde C. 1542 im Vertrag von Reichenweiher die Nachfolge in W¨urttemberg sowie die Statthalterschaft von M¨ompelgard zugesichert. Nach seinem Regierungsantritt 1550 erreichte er, in enger Anlehnung an Karl V., im Vertrag von Passau 1553 den o¨ sterr. Verzicht auf W¨urttemberg als verwirktes Afterlehen. C. f¨uhrte nach Abschaffung des Interims 1552 mit Hilfe von Johannes → Brenz, Kaspar → Gr¨ater und Jacob → Andreae endg¨ultig die Reformation durch, f¨uhrte 1559 die Große Kirchenordnung ein und erhob 1565 die evang. Lehre Augsburger Konfession zur ausschließlichen Landesreligion. Er stimmte der Erweiterung des 1514 im T¨ubinger Vertrag festgelegten Mitspracherechts der w¨urttembergischen Landst¨ande 1554 durch die Einrichtung st¨andiger Landtagsaussch¨usse zu. C TRE

Chrobak, Rudolf, Gyn¨akologe, * 8. 7. 1843 Troppau

¨ (Osterr.-Schlesien), † 1. 10. 1910 Wien. Der Sohn eines Arztes studierte seit 1861 Medizin unter Ernst Wilhelm von → Br¨ucke und Johann von → Oppolzer in Wien, wurde 1866 promoviert und bildete sich in der von Oppolzer geleiteten Internen Abteilung der Universit¨atsklinik selbst¨andig zum Spezialisten f¨ur Frauenheilkunde aus. 1871 habilitiert, wurde C. Dozent f¨ur Gyn¨akologie und Geburtshilfe, erhielt 1880 eine a. o. Professur und trat 1889 als Ordinarius die Nachfolge August → Breiskys als Vorstand der II. Geburtshilflichen Klinik in Wien an, wo er bis 1908 t¨atig war und den von ihm mitentworfenen Neubau der Universit¨ats-Frauenklinik leitete. In dieser Funktion widmete sich C. insbesondere der operativen Chirurgie und verbesserte die Technik der Myom-Operationen entscheidend. Er ver¨offentlichte u. a. Allgemeine Gyn¨akologie (1882). Das Koxarthrolisthesebecken wurde nach C. benannt. ¨ Schlesien C Arzte

Chrodegang, Bischof von Metz, * um 712 / 15, † 6. 3. 766 Metz. Der aus rheinischem Adel stammende C. erhielt seine Ausbildung vermutlich im Benediktinerkloster St. Trond, wurde von → Karl Martell zum Referendar berufen und – obwohl Laie – von Karlmann 742 zum Bischof von Metz ernannt. 753 hielt er sich in Rom bei Papst Stephan II. auf und geleitete diesen im folgenden Jahr ins Frankenreich. F¨ur seine Verdienste wurde er zum Erzbischof ernannt und erhielt das Pallium. Unter dem Eindruck seiner r¨omischen Zeit gr¨undete C. die Metzer S¨angerschule des Gregorianischen Chorals und f¨uhrte die r¨omische Liturgie ein. Kirchenreformerisch wirkte er durch den kloster¨ahnlichen Zusammenschluß der Kanoniker seiner Kathedrale zum gemeinsamen Leben; in Anlehnung an die Benediktinerregel verfaßte er daf¨ur die Regula Chrodegangi, die auch von anderen Bischofskirchen des Frankenreiches aufgegriffen wurde. C. machte Metz zum Zentrum der liturgischen Reform in Frankreich und war an der Gr¨undung der Kl¨oster Gorze (748) und Lorsch (764 / 65) maßgeblich beteiligt. C TRE Chroen, Thomas, auch Hren, Bischof von Laibach, * 13. 11. 1560 Laibach, † 10. 2. 1630 Oberburg. C., Sohn eines Stadtrichters und B¨urgermeisters in Laibach, studierte in Graz und Wien, war seit 1597 Bischof von Laibach, wurde zusammen mit den F¨urstbisch¨ofen Martin → Brenner von Seckau und Georg Stobaeus von Lavant dritter Restaurator des inner¨osterreichischen Katholizismus und spielte damit eine bedeutende Rolle in der Gegenreformation. Seit 1600 an der Spitze der Krainer Reformationskommission stehend, f¨uhrte er diese zwar unblutig, aber doch in heftigem Konflikt mit der Landschaft durch. C., der 1614-21 Statthalter der inner¨osterreichischen Regierung in Graz war, setzte sich f¨ur die F¨orderung der Jesuiten und Kapuziner ein

und u¨ bersetzte 1612 die Bibel in die slowenische Sprache. Seine Gelegenheitsgedichte faßte er unter dem Titel Libellus poematum zusammen. C Gatz 2

Chronegk, Ludwig, Schauspieler, Regisseur, Intendant, * 3. 11. 1837 Brandenburg, † 8. 7. 1891 Meiningen. C. wuchs in Berlin und Potsdam auf, widmete sich sp¨ater der B¨uhnenlaufbahn, nahm w¨ahrend eines einj¨ahrigen Aufenthalts in Frankreich Einblick in die dortige Theaterwelt und trat 1855 sein erstes Engagement als jugendlicher Komiker und Naturbursche am Krollschen Theater in Berlin unter der Leitung → G¨orners an, der auch sein Lehrer wurde. 1861-66 folgten Engagements in Pest, Z¨urich, Leipzig, K¨onigsberg und schließlich am Hoftheater in Meiningen, wohin C. von Herzog → Georg berufen wurde und wo er insbesondere mit der Verk¨orperung von Gestalten Shakespeares Erfolg hatte. Seit 1871 f¨uhrte er auch Regie und wurde 1873 Oberregisseur sowie Leiter der Hofb¨uhne, 1877 Direktor der Meininger Hoftheatergesellschaft und 1884 auch Intendant. Chroust, Anton (Julius), Historiker, * 10. 3. 1864 Graz, † 22. 5. 1945 Theilheim bei W¨urzburg. C., Sohn eines Buchbinders, studierte Geschichte und Germanistik in Graz und Berlin, wurde 1886 in Berlin promoviert, war 1885-87 Mitglied des Instituts f¨ur o¨ sterreichische Geschichtsforschung in Wien und habilitierte sich 1887 in Graz. Seit 1891 bei der Historischen Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften t¨atig, habilitierte er sich hier 1893 erneut und war seit 1898 a. o., 1902-34 o. Prof. der neueren Geschichte und der geschichtlichen Hilfswissenschaften an der Univ. W¨urzburg. 1904 / 05 gr¨undete C. die „Gesellschaft f¨ur fr¨ankische Geschichte“ und war 1927 Gr¨undungsmitglied der Kommission f¨ur bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Herausgeber der Monumenta Palaeographica (1902-40). Daneben trat C. u. a. als Editor der Lebensl¨aufe aus Franken (1919 ff.), zahlreicher Geschichtsquellen des Mittelalters und der Neuzeit sowie als Essayist hervor. Er ver¨offentlichte u. a. Abraham von Dohna. Sein Leben und sein Gedicht auf den Reichstag von 1613 (1896), Die o¨ sterreichische Frage (1920) und Geschichte des Grossherzogtums W¨urzburg 1806-1814. Die a¨ ussere Politik des Grossherzogtums (1932). C Leb Franken, Bd 6

Chrudimsky, Ferdinand, S¨anger, * 19. 1. 1812 Semlin bei Ratibor (Schlesien), † 15. 10. 1891 Frankfurt / Main. C. begann seine Karriere als Tenor am Wiener Theater in der Josefstadt und war dann am Opernhaus in Frankfurt / Main, 1851-54 am Hoftheater in Karlsruhe engagiert. Anschließend wirkte C., der vor allem Partien aus dem heldischen Tenorfach sang, darunter den Max im Freisch¨utz, 1854-57 am Deutschen Opernhaus Amsterdam, 1859-60 in D¨usseldorf und war 1860-62 am Theater von Freiburg / Breisgau engagiert, wo er zugleich Direktor war. 1863 stand er am Stadttheater von Koblenz auf der B¨uhne, beendete seine aktive Laufbahn am Stadttheater von L¨ubeck und war zuletzt als Gesangslehrer in Frankfurt / Main t¨atig. C Kutsch

Chrysander, (Karl Franz) Friedrich, Musikwissenschaftler, * 8. 7. 1826 L¨ubtheen (Mecklenburg), † 3. 9. 1901 Bergedorf (heute zu Hamburg). C., Sohn eines M¨uhlenbesitzers, war 1843 Hauslehrer in Glashagen, trat 1847 in das Lehrerseminar in Ludwigslust ein, war 1849 als B¨urgerschullehrer in Doberan und seit 1851 als Lehrer der H¨oheren M¨adchenschule Schwerin t¨atig und wandte sich schließlich, zun¨achst als Komponist und Kritiker, der Musik zu. Nach der Promotion zum Dr. phil. 1855 an der Univ. Rostock ließ er sich in Vellahn, Lauenburg und 1866 in Bergedorf nieder und bildete sich autodidaktisch zum Musikforscher aus. C.s Hauptinteresse galt

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Chryseus der → H¨andel-Forschung, die mit einer dreib¨andigen Biographie Georg Friedrich H¨andel (1858-67, 21919, Nachdr. 1966 / 67) und der Gesamtausgabe seiner Werke 1858-94 (93 Bde.; 6 Suppl.-Bde., 1888-1902; Nachdr. 1965-68), zu deren Durchf¨uhrung C. zusammen mit Georg Gottfried → Gervinus 1856 die Deutsche H¨andel-Gesellschaft gr¨undete, von großer Bedeutung f¨ur die Musikwissenschaft war. Er arbeitete auch u¨ ber Richard → Wagner, befaßte sich mit allgemein-musikwissenschaftlichen Fragen, war seit 1868 Redakteur der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“, seit 1869 Gr¨under und Herausgeber der „Denkm¨aler der Tonkunst“ und gr¨undete 1885 mit Guido → Adler und Philipp → Spitta die „Vierteljahresschrift f¨ur Musikwissenschaft“. C MGG

Chryseus, Johannes, evang. Pfarrer, theologischer Schriftsteller, 16. Jh. C. ist nur als Verfasser des Hofteufel u¨ berliefert, des fr¨uhesten Teufelspiels der Reformationszeit. Als mit satirischen Elementen angereicherte Zeitkritik im religi¨osen Gewand ist das St¨uck besonders gegen die „Papisten“ gerichtet, denen die Schuld an zahlreichen Mißst¨anden gegeben wird. Ihnen wird als positive Figur ein reformerisch gesinnter Pfarrer entgegengesetzt. C NDB Chudoba, Karl F., Mineraloge, Petrologe, * 10. 9. 1898 Wratzow (M¨ahren), † 14. 3. 1976 G¨ottingen. C., Sohn eines Wachtmeisters, leistete 1916-18 Kriegsdienst, ¨ war 1919-23 als Volksschullehrer in Osterreich t¨atig und studierte zugleich 1920-24 in Wien. 1924 promoviert (Die Dispersion der Plagioklase), wurde er 1926 Assistent an der Univ. Freiburg / Breisgau und wechselte 1928 an das Mineralogisch-Petrographische Institut der Univ. Bonn, wo er sich 1929 habilitierte. Seit 1935 war er nichtbeamteter a. o. Prof., 1937-39 Leiter der Dozentenschaft und Dozentenbundf¨uhrer, 1938-45 o. Prof. f¨ur Mineralogie und Petrographie an der Univ. Bonn; 1939-45 nahm er das Amt des Rektors wahr. 1938-45 war er Gaudozentenbundf¨uhrer K¨oln-Aachen. Nach dem Zweiten Weltkrieg entlassen und 1948 zun¨achst in den Ruhestand versetzt, wurde C. 1953 wieder in den Lehrk¨orper aufgenommen und 1966 emeritiert. Er ver¨offentlichte u. a. Die Feldsp¨ate und ihre praktische Bestimmung (1932, engl. 1933), Die mikroskopische Charakteristik der gesteinsbildenden Mineralien (1932) und Mineralogie (1943). C H¨opfner

Chun, Karl, Zoologe, Tiefseeforscher, * 1. 10. 1852 H¨ochst bei Frankfurt / Main, † 11. 4. 1914 Leipzig. Der Sohn eines Schulrektors studierte seit 1872 Naturwissenschaften und Zoologie in G¨ottingen und Leipzig, wo er ¨ 1874 promoviert wurde (Uber den Bau, die Entwickelung und physiologische Bedeutung der Rectaldr¨usen bei den Insekten), seit 1878 als Privatdozent (Habilitationsschrift: Das Nervensystem und die Muskulatur der Rippenquallen) und Assistent Rudolf → Leuckarts t¨atig war und sich insbesondere der Erforschung der Tiefsee-Tierwelt widmete. 1883 wurde er o. Prof. der Zoologie in K¨onigsberg, 1891 in Breslau und 1898 Nachfolger Leukarts in Leipzig. Im selben Jahr leitete er die deutsche Tiefsee-Expedition Valdivia im Atlantischen und Indischen Ozean, deren Erlebnisse er in seinem 1900 ver¨offentlichten Bericht Aus den Tiefen des Weltmeeres (21903) schilderte. C., der 1905 den Titel eines Geheimen Rats erhielt und 1907 / 08 Rektor der Univ. Leipzig war, arbeitete wiederholt an der Zoologischen Station Neapel. 1915 erschien seine Allgemeine Biologie. C NDB

Chvostek, Franz (I), o¨ sterr. Internist, * 21. 3. 1835 Mistek (M¨ahren), † 16. 11. 1884 Wien. Nach dem medizinischen Studium am Wiener Josephinum, das er 1861 mit der Promotion abschloß, war C., Sohn eines Gerbermeisters, 1863-67 Assistent am dortigen Lehr-

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stuhl f¨ur Interne Medizin unter Adalbert Duchek, habilitierte sich 1867 f¨ur Elektrotherapie und hielt bis 1871 Vortr¨age u¨ ber dieses Fachgebiet an der Akademie. Seit 1870 Regimentsarzt, u¨ bernahm er von 1871 bis zu ihrer Schließung 1874 die Leitung der Internen Lehrkanzel am Josephinum; 1873 wurde er a. o. Prof. und anschließend Leiter einer Internen Abteilung des Garnisonsspitals Nr. 1. C., der zudem im neugeschaffenen „Milit¨ar¨arztlichen Kurs“ Elektrotherapie und physikalische Diagnostik lehrte, ver¨offentlichte zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zur Inneren Medizin ¨ und Neuropathologie, u. a. Uber das Wesen der paroxismalen H¨amoglobinurie (1894). Das nach ihm benannte Chvosteksche Zeichen deutet auf erh¨ohte Erregbarkeit des Nervensystems hin. C. war der Vater von Franz (II) → C. ¨ Schlesien C Arzte

Chvostek, Franz (II), o¨ sterr. Internist, * 3. 10. 1864 Wien, † 17. 4. 1944 Burg Groppenstein (M¨olltal, K¨arnten). Der Sohn von Franz (I) → C. beendete 1888 das Studium der Medizin in Wien mit der Promotion und arbeitete dann als Assistent unter Heinrich von → Bamberger, Otto → Kahler und Edmund von → Neusser an der dortigen II. Medizinischen Universit¨atsklinik sowie unter Theodor → Meynert an der Psychiatrischen Universit¨atsklinik. Seit 1895 Dozent f¨ur Innere Medizin, wurde er 1897 a. o. Prof. und Leiter der Internen Abteilung des Wiener Sophienspitals, 1909 o. Prof. und u¨ bernahm 1911 als Ordinarius die f¨ur ihn gegr¨undete IV. Medizinische Universit¨atsklinik. Nach Neussers Tod (1913) leitete C., dessen wissenschaftliche Arbeiten sich vor allem mit innerer Medizin, Neurologie und Psychiatrie besch¨aftigen, bis 1933 die III. Medizinische Universit¨atsklinik. Nach C., der als einer der Begr¨under der modernen Erbund Konstitutionspathologie gilt, wurde die mit der Funktion der Bauchspeicheldr¨use zusammenh¨angende „Chvosteksche ¨ An¨amie“ benannt. C. ver¨offentlichte u. a. Uber das Wesen der paroxysmalen H¨amoglobinurie (1894) und Morbus Basedow und die Hyperthyreusen (in: Enzyklop¨adie der inneren Medizin, 1917). Bereits in den zwanziger Jahren wurde der nationalkonservative C. zu einem Anh¨anger des Nationalso¨ zialismus. Schlesien C Arzte

Chwaldkowski, Samuel von, Beamter, † 30. 10. 1705. Der aus Fraustadt bei Posen stammende polnische Adlige trat 1675 in brandenburg-preußische Dienste und wurde 1680 vom Kurf¨ursten zum Hof- und Kammergerichtsrat ernannt. Seine Hauptaufgabe lag auf dem Gebiet der preuß. Dom¨anenverwaltung, wo er sich schon seit 1682 als Hauptmann der Starostei Draheim bew¨ahrt hatte und deshalb in die Geheime Hofkammer berufen wurde. Zu Beginn der Regierungszeit → Friedrichs III. galt C. als wichtigster Fachbeamter in der Dom¨anenverwaltung, der entscheidend an der Entstehung des Generaldom¨anendirektoriums als Fachbeh¨orde mitwirkte. C NDB

Chytraeus, David, eigentl. Kochhaf(e), luth. Theologe, * 26. 2. 1531 Ingelfingen / Kocher (Grafschaft Hohenlohe), † 25. 6. 1600 Rostock. Der Sohn des Johannes → Brenz nahestehenden Pfarrers Matth¨aus Kochhaf(e) und Bruder von Nathan → C. bezog 1539 das P¨adagogium der Univ. T¨ubingen, studierte dort u. a. bei Erhard → Schnepf und Joachim → Camerarius und ging 1544 als Magister artium nach Wittenberg, wo er → Luther und → Melanchthon h¨orte. 1547 vom Schmalkaldischen Krieg nach T¨ubingen vertrieben, kehrte C. 1548 nach Wittenberg zur¨uck und hielt dort zun¨achst Vorlesungen u¨ ber Melanchthons „Loci communes“, sp¨ater auch u¨ ber Rhetorik, Geschichte und Astronomie. Nach einer Italienreise wurde er 1551 an das P¨adagogium der Univ. Rostock berufen, bem¨uhte sich um deren Reorganisation nach dem Vorbild der Wittenberger Reform von 1545 sowie um die

Ciriacy-Wantrup Einrichtung eines Konsistoriums, erwarb 1561 die theologische Doktorw¨urde und wurde schließlich 1563 Rektor der Universit¨at. C. war jahrzehntelang der f¨uhrende Rostocker Theologieprofessor und wirkte als solcher am Aufbau der luth. Landeskirche Mecklenburgs, an der Organisation luth. Bildungsst¨atten, bei der Agende der nieder¨osterreichischen Protestanten 1569 sowie 1576 bei der Gr¨undung der Univ. Helmstedt und an der Erarbeitung der Konkordienformel mit. Als Verfasser zahlreicher Lehrb¨ucher, Bibelkommentare und wissenschaftsprop¨adeutischer Schriften und durch seinen europaweiten gelehrten Briefwechsel galt er als eine wichtige Autorit¨at des deutschen Luthertums und erlangte auch mit seinen historischen Arbeiten wissenschaftliche Bedeutung, so mit seiner Fortsetzung der Geschichte Norddeutschlands von Albert → Krantz (Vandaliae et Saxoniae Alberti Crantzii continuatio, 1586). C Mecklenburg, Bd 3

Chytraeus, Nathan, eigentl. Kochhaf(e), Humanist, Dichter, * 15. 3. 1543 Menzingen (Pfalz), † 25. 2. 1598 Bremen. Nach dem Besuch der → Sturmschen Schule in Straßburg studierte C. 1555 bei seinem Bruder David → C. in Rostock, wechselte 1560 nach T¨ubingen und wurde 1564 Prof. der lateinischen Sprache in Rostock. Nach Reisen durch die Niederlande, Frankreich, England, Italien und die Schweiz (1565-67) wurde C. 1567 Prof. der Poesie und 1580 Rektor der neuen Gelehrtenschule in Rostock. Nach dem Ausschluß vom Abendmahl wegen des Verdachts kryptocalvinistischer Neigungen, gegen den er sich 1592 in seinem Christlichen richtigen Glaubensbekendn¨us ohne Erfolg wehrte, wurde er 1593 Rektor des Bremer Gymnasiums. C. verfaßte neben zahlreichen Gelegenheits- und Reisegedichten Kirchenlieder, u¨ bersetzte die poetischen Psalmenparaphrasen G. Buchanans in deutsche Verse, gab 1582 ein niederdeutsches W¨orterbuch heraus und machte sich als Fabeldichter und Dramatiker (u. a. Tragoedia Abrahami Opffer in teutschen Reimen, 1595) einen Namen. C Mecklenburg, Bd 2 Cibulka, Hanns, Schriftsteller, * 20. 9. 1921 J¨agerndorf

ˇ (Krnov, CSR), † 20. 6. 2004 Gotha. C., Sohn eines Appreturmeisters, erhielt eine kaufm¨annische Ausbildung, arbeitete danach als Handelskaufmann und nahm 1939-45 am Zweiten Weltkrieg teil. Aus der Gefangenschaft auf Sizilien entlassen, wurde er 1948 B¨uchereigehilfe an der Landesstelle f¨ur Buch- und Bibliothekswesen in Jena und leitete nach dem Studium an der Bibliotheksschule in Berlin 1953-85 die Stadt- und Kreisbibliothek in Gotha. Daneben schriftstellerisch t¨atig, ver¨offentlichte C. vor allem Lyrik (u. a. M¨arzlicht, 1954; Arioso, 1962; Windrose, 1968; Lichtschwalben, 1974; Der Rebstock, 1980), die sich anfangs an klassischen Vorbildern orientiert, sp¨ater u¨ berwiegend in freien Versen verfaßt ist und meist auf subjektives Erleben verweist, aber zunehmend auch o¨ kologische Themen aufgreift. Daneben entstanden zahlreiche Tage- und Erinnerungsb¨ucher (Sizilianisches Tagebuch, 1960; Sanddornzeit, 1971; Dornburger Bl¨atter, 1972; Nachtwache. Tagebuch aus dem Kriege, Sizilien 1943, 1989; Am Br¨uckenwehr. Zwischen Kindheit und Wende, 1994; Sp¨ate Jahre, 2004). Auch in fiktionalen Werken wie Das Buch Ruth. Aus den Aufzeichnungen des Arch¨aologen Michael S. (1978) oder Swantow. Die Aufzeichnungen des Andreas Flemming (1982) bedient sich C. h¨aufig der Tagebuchform zur Darstellung zivilisationskritischer Reflexionen. 1957 gab er Briefe und Bl¨atter von Adalbert → Stifter heraus. C KLG

Cilenˇsek, Johann, Komponist, * 4. 12. 1913 Großdubrau bei Bautzen, † 14. 12. 1998 Erfurt. C. studierte 1935-39 Orgel bei Friedrich H¨ogner und Komposition bei Johann Nepomuk → David am Konservatorium in Leipzig. 1945-47 lehrte er Tonsatz am Konservatorium in Erfurt und war 1947-78 Prof. f¨ur Komposition an der Hochschule „Franz Liszt“ in Weimar, die er 1966-72 lei-

tete; 1978-80 unterrichtete er als Lehrbeauftragter. 1955, 1970 und 1978 wurde C. mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Er war seit 1961 ordentliches Mitglied und bis 1990 auch Vizepr¨asident der Akademie der K¨unste der DDR in Berlin, geh¨orte dem Zentralvorstand des Verbandes der Komponisten der DDR an und hatte 1951-56 sowie 1964-66 den Vorsitz von dessen Bezirksverband Th¨uringen inne. C. komponierte vorwiegend Orchestermusik, darunter sechs Symphonien, Kammermusik und Werke f¨ur Klavier. C MGG

Cillien, Adolf, evang. Theologe, Politiker, * 23. 4. 1893 Volksberg (Elsaß), † 29. 4. 1960 Hannover. C., Sohn eines reichsdeutschen Beamten, begann in Straßburg das Studium der Theologie, das er nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg in G¨ottingen fortsetzte und 1920 in Hannover abschloß. C. war als Vikar in Dudenhausen und als Pastor in Papenburg und Lerbach im Oberharz t¨atig. 1926 wurde er Pastor der Lutherkirche in Hannover, 1933 Superintendent in Burgdorf und 1937 Leiter des Volksmissionarischen Amtes der Landeskirche in Hannover, eine Funktion, die er auch nach seiner Ernennung zum Oberkirchenrat 1943 beibehielt. Er gab die Zeitung „Kirche und Welt“ heraus. C. geh¨orte zu den Begr¨undern der CDU in Niedersachsen, wurde 1949 ihr erster Landesvorsitzender und Mitglied des Bundesvorstands. 1946-51 war er Landtagsmitglied sowie CDU-Fraktionsvorsitzender. 1953 erhielt er ein Mandat als Bundestagsabgeordneter und war zuletzt stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU / CSU. C. war seit der Gr¨undung 1946 Herausgeber des Kirchenblatts der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, „Die Botschaft“, sowie Mitherausgeber der „Evangelischen Verantwortung“. C MdB Cimbal, Otto, Landwirt, * 10. 4. 1840 Fr¨omsdorf (Schlesien), † 22. 10. 1912 Fr¨omsdorf. Der Sohn eines Landwirts absolvierte eine landwirtschaftliche Lehre, begann ein Studium an der Tierarzneischule in Berlin, das er wegen fehlender finanzieller Mittel jedoch nicht beenden konnte, kehrte 1868 zur¨uck und u¨ bernahm den v¨aterlichen Besitz. In den folgenden Jahren wurde C., der sich schon in seiner Jugend mit der Veredelung von Rosen und Obst besch¨aftigt hatte, zu einem der ersten deutschen Pflanzenz¨uchter, dem es durch Massen- und Individualauslese innerhalb von Landessorten und ausl¨andischen Sorten gelang, verbessertes Saatgut und damit hochertragreiche Sorten zu erzeugen. 1897 wurde er in Anerkennung ¨ seiner Verdienste um die Landwirtschaft zum Kgl. Okonomierat, 1903 zum Landes¨okonomierat ernannt. Seine gr¨oßten Zuchterfolge erreichte er mit Kartoffeln. C B¨ohm Ciriacy-Wantrup, Siegfried von, Agrar¨okonom, * 15. 1. 1906 Langenberg (Westfalen), † 1980 Kalifornien (USA). C.-W. studierte zuerst Landwirtschaftswissenschaften in Berlin, Wien und Bonn, erhielt 1929 den Master’s Degree in Agricultural Economics an der Univ. Illinois und wurde 1931 in Bonn mit der Arbeit Die zweckm¨aßigen Betriebsgr¨oßen in der Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten von Amerika promoviert. 1936 erschien seine Habilitationsschrift Agrarkrisen und Stockungsspannungen, die u. a. von Arthur → Spiethoff betreut worden war. Nach mehreren Auslandsaufenthalten wirkte C.-W. vor¨ubergehend als Direktor der Agrarabteilung bei der Deutschen Treuhand A. G. und u¨ bernahm 1935 einen Lehr- und Forschungsauftrag an der Univ. Bonn. 1936 emigrierte er in die USA, arbeitete zun¨achst f¨ur die Rockefeller Foundation und war 1938-73 Prof. f¨ur Agrar¨okonomie an der University of California in Berkeley. Daneben beriet er Kommissionen f¨ur die Wasser- und Fischwirtschaft, wurde 1938 in die Econometric Society gew¨ahlt und war Fellow der American Asso-

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Cisek ciation for the Advancement of Science und der American Association of Agricultural Economists. C.-W. besch¨aftigte sich mit den konjunkturbedingten Wechselwirkungen zwischen Agrar- und Volkswirtschaft, mit Problemen der Wasserknappheit und Bodendegradierung sowie mit Fragen der Ressourcen¨okonomie. Eine Sammlung seiner Aufs¨atze erschien 1985 unter dem Titel Natural Resource Economics (hrsg. von Richard C. Bishop und Stephen O. Andersen). C Hagemann

Cisek, Oscar Walter, Schriftsteller, * 6. 12. 1897 Bukarest, † 30. 5. 1966 Bukarest. Der einer Kaufmannsfamilie entstammende C. studierte nach dem Besuch der deutschen Evangelischen Schule in Bukarest an der Univ. M¨unchen 1921-23 Germanistik und Kunstgeschichte; seit 1923 war er als Journalist und Kunstkritiker f¨ur rum¨anische Zeitschriften in Bukarest t¨atig. 1930 trat er in den diplomatischen Dienst ein, war bis 1940 Presse- und Kulturrat der rum¨anischen Gesandtschaften in Wien, Prag und Berlin, 1946 / 47 Generalkonsul in Bern. Nach dem Sturz der Monarchie wurde C. 1948 interniert, sp¨ater rehabilitiert und lebte als freischaffender deutschsprachiger Schriftsteller in Bukarest. Sein Erstling Die Tartarin (1929), der den Kampf einer Frau um die Selbstbehauptung gegen¨uber ihrer b¨auerlich-patriarchalischen Umwelt darstellt, gilt als sein bedeutendstes Werk neben den beiden Romanen Der Strom ohne Ende (1937) und Vor den Toren (1950), die durch mythischen Realismus und durch urw¨uchsige Verschmelzung von Mensch und Landschaft gekennzeichnet sind. C., der 1932 den Kleist-Preis erhielt, war korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie der K¨unste Berlin und wurde 1966 mit dem Ion-Creanga-Preis der Rum¨anischen Akademie ausgezeichnet. C Killy

Cisner, Nikolaus → Kistner, Nikolaus Cissarz, Johann (Joseph) Vinzenz, Maler, Graphiker, Kunstgewerbler, * 22. 1. 1873 Danzig, † 23. 12. 1942 Frankfurt / Main. C., Sohn eines Steuerinspektors, studierte bis 1896 als Sch¨uler des Historienmalers Ferdinand → Pauwels an der Akademie der bildenden K¨unste in Dresden, wo er sich dann als freier Graphiker vor allem der Buchgestaltung und dem Plakatentwurf widmete. 1903 wurde er an die K¨unstlerkolonie Darmstadt berufen und entwarf Textilien, M¨obel und Innenausstattungen. Seit 1906 hatte er in Stuttgart einen Lehrauftrag an der damaligen Lehr- und Versuchswerkst¨atte der Kgl. Kunstgewerbeschule und wurde dort 1909 Prof. f¨ur Buchausstattungen. 1911 u¨ bernahm C. die Organisation der Graphischen Abteilung der neuerbauten Kunstgewerbeschule, deren Leiter er bis 1916 war. Er wurde dann an die Kunstgewerbeschule in Frankfurt / Main berufen und leitete bis 1940 die Meisterklasse f¨ur Malerei. C. entwarf neue Richtlinien f¨ur die Textil- und Keramikindustrie sowie f¨ur die Schriftgestaltung. Bekannt sind vor allem seine Malereien im Stuttgarter Rathaus und im dortigen Hoftheater sowie seine Glasgem¨alde in der Jakobskirche in Stralsund und seine Illustrationen der 1910 erschienenen Ausgabe von Homers Odyssee. C AKL ˇ zek, Franz, o¨ sterr. Maler, Kunstp¨adagoge, * 12. 6. 1865 Ciˇ Leitmeritz (B¨ohmen), † 17. 12. 1946 Wien. ˇ Sohn eines Zeichenlehrers und Technikers, trat 1885 in C., die Akademie der bildenden K¨unste in Wien ein, wo er bis 1889 in der Allgemeinen Malschule unter Franz → Rumpler, sp¨ater bis 1895 in der Spezialschule f¨ur Historienmalerei unter Josef Matthias von → Trenkwald und Siegmund → l’Allemand studierte. Seit 1894 als freischaffender Maler t¨atig, wurde er 1897 Leiter einer privaten Malschule, die 1906 als „Versuchsschule“ in die Malschule der Kunstgewerbeschule Wien eingegliedert wurde. Gleichzeitig wurde

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ˇ zum Prof. und Leiter des Kurses f¨ur Ornamentale KomC. position ernannt. 1910 richtete er einen Sonderkurs f¨ur Jugendkunst ein, der in der Folgezeit unter der Bezeichnung „Jugendkunstklasse“ als Modell innovativer Kunstp¨adagogik ˇ die Leitung des weltweit Aufsehen erregte. 1911-24 hatte C. Kurses f¨ur Ornamentale Formenlehre an der Kunstgewerbeschule Wien inne. Nach seiner Pensionierung 1934 lehrte er dort noch bis 1939 und f¨uhrte die Jugendkunstschule ˇ gilt als Begr¨under der Juanschließend privat weiter. C. gendkunstbewegung; Ziel seines Unterrichts war das Schaffen eines Kunstverst¨andnisses durch die eigene k¨unstlerische Bet¨atigung, womit er sich entschieden gegen die traditionellen akademischen Kunsterziehungsmethoden wandte. Er vero¨ ffentlichte u. a. Das freie Zeichnen. Ein Weg f¨ur den Unterricht im Zeichnen nach Natur- und Gebrauchsgegenst¨anden (mit Hermann Kastner, 1925). C AKL

Claar, Emil, eigentl. Rappaport, Pseud. E. Ralk, Schauspieler, Regisseur, Schriftsteller, * 7. 10. 1842 Lemberg, † 25. 7. 1930 Frankfurt / Main. C., Sohn eines Gerichtsadvokaten, widersetzte sich dem elterlichen Wunsch nach einer medizinischen Laufbahn, wurde nach einer kaufm¨annischen Ausbildung Schauspieler und erhielt 1860 durch Heinrich → Laube ein erstes Engagement am Wiener Burgtheater. Er spielte anschließend in komischen Rollen und als Bonvivant an den Theatern in Graz, Linz, Berlin und Leipzig, wo er auch dramaturgischer Mitarbeiter Laubes war. 1870 wurde er Spielleiter in Weimar, 1872 Oberspielleiter in Prag und u¨ bernahm 1876 die Direktion des Residenztheaters in Berlin. 1879-1912 war er als Nachfolger Otto → Devrients Intendant der St¨adtischen B¨uhnen Frankfurt / Main, 1880-1905 gleichzeitig Leiter der Oper. 1912 wurde C. Ehrenintendant der St¨adtischen B¨uhnen; er war zudem Pr¨asident des Deutschen Journalistenverbandes und Ehrenmitglied der Deutschen B¨uhnengenossenschaft. Hermine → Claar-Delia war seit 1871 seine Ehefrau, Maximilian → C. deren Sohn. C. publizierte mehrere Gedichtb¨ande (Gedichte, 1885; Neue Gedichte, 1894; Weltliche Legenden, 1899; Vom Raum der Erkenntnis, 1909) und dramatische Dichtungen (u. a. Die Schwestern, 1892). 1926 erschien F¨unfzig Jahre Theater. Bilder aus meinem Leben. C Lex dt-j¨ud Autoren

Claar, Marie, geb. Gr¨oßer, Schauspielerin, * 3. 3. 1837 Braunschweig, † 22. 1. 1910 Zoppot. Die Tochter des Braunschweiger Schauspielerpaares Adam und Johanna Gr¨oßer deb¨utierte 1853 als Preciosa in Kassel und wurde von Heinrich → Laube nach Leipzig engagiert. Sp¨ater kam sie an das Thalia-Theater in Hamburg und spielte zwanzig Jahre lang vor allem tragische und komische Rollen.

Claar, Maximilian, Pseud. Severus, Historiker, * 1. 10. 1873 Prag, † 14. 11. 1938 Neapel. Der Sohn von Emil → C. und Hermine → Claar-Delia studierte Germanistik und Geschichte an den Universit¨aten Leipzig und M¨unchen und bereiste nach der Promotion zum Dr. phil. 1894 (Die Entwicklung der venetianischen Verfassung von der Einsetzung bis zur Schließung des großen Rates 1172-1297) Europa. Seit 1897 war C. Mitglied des Preußischen Historischen Instituts in Rom, seit 1898 politischer Publizist; als Italienkorrespondent war er Mitarbeiter zahlreicher deutscher und o¨ sterr. Zeitungen, darunter der „M¨unchner Neuesten Nachrichten“; beim italienischen „Popolo romano“ betreute er die Auslandsredaktion. Unter Beibehaltung seiner publizistischen T¨atigkeit versah er 1903-07 eine Professur f¨ur deutsche Literatur an der Univ. Rom und leitete 1907-18 das Literarische B¨uro der o¨ sterreichischungarischen Botschaft in Italien. C. ver¨offentlichte u. a. Ita¨ lien (1932) sowie Ubersetzungen aus dem Italienischen. C Lex dt-j¨ud Autoren

Clairon Claar-Delia, Hermine, geb. Delia, Schauspielerin,

Claassen, Hilde, geb. Hildegard Br¨uggemann, Verlegerin,

* 8. 4. 1848 Wien, † 21. 11. 1908 Frankfurt / Main. C.-D. erhielt ihren ersten Schauspielunterricht bei Josef → Lewinsky, deb¨utierte 1860 in Pest, kam anschließend an das Hamburger Thalia-Theater und spielte 1863 am Kgl. Schauspielhaus in Berlin sowie kurz darauf an der Schweriner Hofb¨uhne. Nach einem Gastspiel als Minona in Heinrich → Laubes B¨ose Zungen 1868 am Theater an der Wien wurde sie an das Leipziger Stadttheater engagiert, dem sie bis 1871 als herausragende Trag¨odin angeh¨orte. Mit der Rolle der Theodora wurde sie an den bayerischen K¨onigshof zu einer Separatvorstellung berufen. C.-D. folgte ihrem Mann Emil → Claar 1872 nach Prag, 1876 an das Residenztheater Berlin und 1879 nach Frankfurt / Main. Gastspiele f¨uhrten sie an verschiedene deutsche Theater, durch Rußland und Amerika. Seit 1891 spielte sie nur noch vereinzelt in Wohlt¨atigkeitsvorstellungen.

* 21. 4. 1897 Linnich, † 16. 2. 1988 Hamburg. C., Tochter eines Pfarrers, studierte seit 1916 Germanistik, Romanistik und Kunstgeschichte an der Univ. M¨unchen und wurde 1920 mit der Arbeit Die Anschauungen Herders u¨ ber das Verh¨altnis a¨ lterer deutscher Dichter zur Sprache promoviert. 1921-25 leitete sie eine Kunstgalerie zun¨achst in M¨unchen, sp¨ater in Berlin. 1925 ging sie nach Frankfurt / Main und heiratete Eugen → C., den Leiter des dortigen Societ¨ats-Verlags. 1935 nach Hamburg u¨ bergesiedelt, wurde C. dort Mitarbeiterin im Lektorat des 1934 von Henry → Goverts und ihrem Mann gegr¨undeten H. Goverts Verlags, der 1946 in Claassen & Goverts Verlag und nach dem Ausscheiden Goverts 1950 in Claassen Verlag umbenannt wurde. Mit dem Tod ihres Mannes 1955 ging die Leitung an C. u¨ ber, die bem¨uht war, den Verlag vor allem auf dem Gebiet der Belletristik, der Lyrik und der Geisteswissenschaften in dessen Sinn weiterzuf¨uhren. Zu den bisher verlegten Autoren und Autorinnen wie Andr´e Maurois, Pablo Neruda oder Marie Luise → Kaschnitz kamen unter C. u. a. Erich → Fried, Georg → Luk´acs und Elias → Canetti hinzu. 1959 erschien eine Werkausgabe von Elisabeth → Langg¨asser, im selben Jahr konnte mit der Arbeit an der Gesamtausgabe der Werke Heinrich → Manns begonnen werden. 1967 verkaufte C. das Unternehmen an den Econ Verlag in D¨usseldorf.

Claassen, Eugen, eigentl. Jewgenij Schmujlow, Verleger, * 14. 2. 1895 Z¨urich, † 26. 4. 1955 Hamburg. C., Sohn eines Russen und einer Deutschen, kam 1898 mit seinen Eltern nach M¨unchen. Als er 1917 in Deutschland eingeb¨urgert wurde, mußte er den russischen Vaternamen ablegen und den Namen seiner Mutter annehmen. 1919-22 studierte er in M¨unchen Philosophie und Soziologie und wurde mit der Dissertation Realit¨at und Idealit¨at promoviert. Danach als Hauslehrer t¨atig, u¨ bernahm er 1925 das Lektorat, bald darauf die Leitung des der „Frankfurter Zeitung“ angegliederten Societ¨ats-Verlags, die er bis 1935 innehatte. 1934 gr¨undeten C. und Henry → Goverts die H. Goverts Verlag GmbH in Hamburg, der 1946 in Claassen & Goverts umbenannt wurde. 1950 u¨ berließ Goverts C. seine Anteile und schied aus dem Verlag aus, den C. unter dem Namen Claassen Verlag weiterf¨uhrte. Schwerpunkte des Verlagsprogramms waren neben Epik und Lyrik (u. a. Marie Luise → Kaschnitz, Elisabeth → Langg¨asser) geistes- und naturwissenschaftliche B¨ucher (u. a. Louis de Broglie, Licht und Materie, 1937; Bruno → Snell, Die Entdeckung des Geistes, 1946). Dem deutschen Sprachraum wurden u. a. Herman Melville und Cesare Pavese zug¨anglich gemacht. 1937 erschien die erste Auflage von Margaret Mitchells Bestseller Vom Winde verweht, der dem Verlag f¨ur Jahrzehnte eine solide finanzielle Basis einbrachte. Nach C.s Tod f¨uhrte seine Frau Hilde → den Verlag weiter; 1970 ver¨offentlichte sie einen Band mit Briefen und Aufs¨atzen ihres Mannes unter dem Titel In B¨uchern denken (21984). C LGB

Claaßen, Hermann (Peter), Chemiker, Techniker, * 23. 11. 1856 Tiegenhof (Westpreußen), † 5. 9. 1944 Stuttgart. Nach dem Studium der Chemie und der Naturwissenschaften an den Universit¨aten Bonn, Leipzig und Berlin, das er 1878 mit der Promotion abschloß, erhielt C., Sohn eines Seifenund Kerzenfabrikanten, seit 1880 eine praktische Ausbildung in R¨ubenzuckerfabriken und in der Landwirtschaft und war Volont¨ar der Zuckerfabrik Bennigsen sowie einige Zeit Chemiker und Betriebsassistent in R¨ubenzuckerfabriken. 1884 wurde er technischer Direktor der Zuckerfabrik Br¨uhl und wechselte 1888 nach Dormagen, wo er bis 1931 Fabriksdirektor und Vorstand des Rheinischen Aktien-Vereins f¨ur Zuckerfabrikation (Weißzucker- und Hefefabrik sowie Spiritusbrennerei) war. C. geh¨orte mehreren Fachvereinigungen an, darunter der „Sugar Technologist’s Association of India“ ¨ in Gorakpur. Er ver¨offentlichte u. a. Kurzer Uberblick u¨ ber die Zuckerindustrie Deutschlands (1888), Die Zuckerfabrikation mit besonderer Ber¨ucksichtigung des Betriebes (1901, 7 1943) und Die praktische Kristallisation des Zuckers und C NDB die Melassebildung (1940).

Claessen, Matthias, Beamter, Landrat, * 19. 4. 1821 Isenkroidt (Kr. J¨ulich), † 13. 11. 1892 Aachen. C. studierte seit 1839 Rechtswissenschaften in Bonn und Berlin, trat als Auskultator am Landgericht Aachen in den Justizdienst ein, wechselte 1845 an das Friedensgericht Malmedy und kehrte drei Jahre sp¨ater als Gerichtsassessor nach ¨ Aachen zur¨uck. Nach seinem Ubertritt in den Verwaltungsdienst war er von 1848 / 49 bis 1850 kommissarischer Landrat im Kreis J¨ulich. 1851 wurde C. als Regierungsassessor an die Regierung Aachen und 1854 als Landrat des Kreises Heinsberg berufen. 1855 / 56 war er zudem Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. Zum Regierungsrat ernannt, mußte er „im Interesse des Dienstes“ 1859 erneut an die Regierung Aachen wechseln, wo er 1866 zum Oberregierungsrat bef¨ordert wurde. Seit 1868 wirkte C. als Dirigent der Abteilung des Innern an der Regierung in D¨usseldorf. 1870 an die Aachener Regierung zur¨uckgekehrt, wurde er 1874 auf eigenen Antrag pensioniert. 1888 erhielt er den Kronen-Orden II. Klasse. C. war Mitglied der Aachener Armenverwaltungskommission und Pr¨asident des Carlsvereins. C Romeyk Clairmont, Paul (Johannes), Chirurg, * 10. 6. 1875 Wien, † 1. 1. 1942 St.-Prex / Genfer See. C. studierte in Wien und wurde nach der Promotion 1898 Assistent Anton von → Eiselsbergs in K¨onigsberg und Wien. 1907 habilitierte er sich an der Univ. Wien f¨ur Chirurgie und wurde 1912 Ordinarius und Chefarzt an der Rudolfstiftung. C. folgte 1918 der Berufung als Nachfolger Ferdinand → Sauerbruchs zum o. Prof. der Chirurgie und Direktor der Chirurgischen Universit¨atsklinik nach Z¨urich, wo er bis 1941 wirkte. Er galt als herausragender Lehrer und vero¨ ffentlichte 155 wissenschaftliche Abhandlungen, darunter Die pathologisch-anatomischen Ver¨anderungen des Duodemus bei Ulkus und deren Darstellung im R¨ontgenbild (1923), Verletzungen und chirurgische Krankheiten der Mund- und Rachenh¨ohle (1926) und das zu seiner Zeit maßgebende Lehrbuch Chirurgie der Tuberkulose (1931). C NDB Clairon, Hippolyte, eigentl. Claire, Joseph Hippolyte Legris de la Tude, Schauspielerin, * 25. 1. 1723 Cond´e sur l’Escaut, † 31. 1. 1803 Paris. C. war die uneheliche Tochter eines Sergeanten und einer N¨aherin. Sie erhielt fr¨uh Schauspielunterricht und ist seit

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Claisen 1736 als aktive Schauspielerin nachweisbar, u. a. in Rouen, Le Havre, Lille und Gent. Seit 1743 spielte sie mit Erfolg an der Pariser Com´edie Fran¸caise, u. a. die Rolle der Ph¨adra. Sie wurde besonders als Voltaire-Darstellerin gefeiert; Voltaire widmete ihr die Zerline. Seit 1765 trat C. nur noch auf Privatb¨uhnen auf, gab Schauspielunterricht und betrieb einen Salon. 1770 wurde sie die M¨atresse des Markgrafen → Alexander von Ansbach. In Ansbach allgemein beliebt, lebte sie dort bis 1787, als Elisabeth → Craven sie in der Gunst des Grafen abl¨oste. Verbittert kehrte C. nach Paris zur¨uck und schrieb ihre Memoiren (1792, 1798 / 99).

Claisen, (Rainer) Ludwig, Chemiker, * 14. 1. 1851 K¨oln, † 5. 1. 1930 Bad Godesberg. C., Sohn eines Notars und Justizrats, studierte seit 1869 Naturwissenschaften an den Universit¨aten Bonn und G¨ottingen und wurde 1875 in Bonn mit der Dissertation Beitr¨age zur Kenntnis des Mesityloxyds und des Phorons promoviert. Danach Assistent am dortigen Chemischen Labor, habili¨ tierte er sich 1878 in Bonn (Uber die Oxymethylen- und Methylderivate des Acetessig¨athers, des Acetylacetons und des Malons¨aure¨athers), wurde Privatdozent, war 1882-85 am Owens College in Manchester t¨atig und lehrte seit 1887 an der Univ. M¨unchen; 1890 folgte er einem Ruf als Ordinarius f¨ur Chemie nach Aachen und 1897 nach Kiel. 1904-07 lehrte er in Berlin und lebte danach als freier Wissenschaftler in Godesberg. C. befaßte sich vor allem mit synthetischer organischer Chemie, arbeitete u¨ ber das Verhalten von Estern organischer S¨auren in Gegenwart von Alkalien, entdeckte u. a. die nach ihm benannte Esterkondensation (Claisen-Kondensation) und entwickelte einen Destillierkolben (Claisen-Kolben) f¨ur die Vakuumdestillation. Er ver¨offentlichte u. a. Untersuchungen u¨ ber die Oxymethylenderivate der Ketone (1894). C NDB

Claiß, Johann Sebastian, Techniker, * 28. 2. 1742 Hausen (Baden), † 24. 9. 1809 Winterthur. Als Uhrmacher ging C., dessen Vater B¨acker und Gastwirt in Hausen, sp¨ater Schulmeister in Badenweiler war, u¨ ber Z¨urich und Genf nach England, wurde Mitarbeiter Benjamin Huntsmans und James Watts und erfand 1771 eine IndexWaage, deren Erfolg ihm mehrere Auszeichnungen, darunter das B¨urgerrecht der Stadt London, eintrug. Er wurde 1772 badischer Hofmechanikus, 1773 Rechnungsrat beim f¨urstlichen Bauamt und gr¨undete 1778 eine chemische Fabrik in Winterthur. Im Dienst der Berner Regierung u¨ bernahm er als Bergwerksdirektor die Leitung der Eisenerz-Bergwerke im unteren Aargau und der Salinen in Bex. C. galt bald als einer der f¨uhrenden Fachleute auf dem Gebiet des Salinenwesens, wurde 1782 als Salinenoberkommissar nach Bayern berufen und reorganisierte die Salinen Reichenhall und Traunstein. 1806 von Kontrahenten aus Bayern verdr¨angt, wurde er General-Ingenieur der franz¨osischen Salinen und f¨uhrte Umbauten durch; die Saline Dieuze galt zu ihrer Zeit als die modernste der Erde. C. ver¨offentlichte u. a. Beitr¨age zur Salzkunde (1784). C NDB Clajus, Johann, auch Clai, Clay, Klaj, Dichter, Grammatiker, * 24. 6. 1535 Herzberg (Sachsen), † 11. 4. 1592 Bendeleben (Th¨uringen). Aus einfachen Verh¨altnissen stammend, studierte C. nach dem Besuch der F¨urstenschule in Grimma 1555-57 an der Univ. Leipzig u. a. bei Joachim → Camerarius und wurde auf Empfehlung → Melanchthons Lehrer in Herzberg, Goldberg (seit 1559) und Frankenstein (1568 / 69). Anschließend nahm er an der Univ. Wittenberg das Studium der Theologie auf, wurde 1570 Magister und kehrte als Rektor der Schule in Nordhausen in den Schuldienst zur¨uck. 1573 erhielt er die angestrebte Pfarrstelle in Bendeleben bei Frankenhausen und war daneben wissenschaftlich t¨atig. 1578 ver-

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o¨ ffentlichte er die Grammatica Germanicae linguae als ei¨ genst¨andige, die Grammatiken der Vorg¨anger Albert Olinger und Laurentius → Albertus ber¨ucksichtigende Leistung. C. bezeichnete erstmals die deutsche Bibel¨ubersetzung und die deutschen Schriften → Luthers als unbedingtes und entscheidendes sprachliches Vorbild seiner Grammatik, die vermutlich bis weit ins 17. Jh. dem unmittelbaren Unterricht diente und von Bedeutung f¨ur die Fr¨uhgeschichte des Deutschunterrichts war. C Killy

Clam-Gallas, Eduard Graf von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 14. 3. 1805 Prag, † 17. 3. 1891 Wien. Der Familientradition entsprechend, trat C.-G., dessen Vater Obersterblandmarschall in B¨ohmen war, 1826 in die o¨ sterr. Armee ein. Seit 1839 Oberst und Regimentskommandant, wurde er 1846 Generalmajor und Brigadier in Prag, 1848 in Mailand und im folgenden Jahr Feldmarschalleutnant. 1848 / 49 k¨ampfte er in Italien und Ungarn, 1859 als Korpskommandant bei Magenta und Solferino; 1861 wurde er General der Kavallerie und Herrenhausmitglied. Als Kommandeur des I. Armeekorps nahm er am Krieg von 1866 teil. C.-G. wurde in einer den Niederlagen von 1866 folgenden kriegsgerichtlichen Untersuchungen zwar freigesprochen und rehabilitiert, quittierte aber 1868 den Dienst. ¨ C OBL

Clam-Martinic, Heinrich (Karl Maria) Graf von, o¨ sterr. Staatsmann, * 1. 1. 1863 Wien, † 7. 3. 1932 Clam (Ober¨osterreich). Der Neffe von Heinrich Jaroslav von → C.-M. war seit 1894 Mitglied des b¨ohmischen Landtags und wurde F¨uhrer der dynastietreuen Tschechen; 1902 folgte die Berufung in das o¨ sterr. Herrenhaus. Er war Berater und enger Freund des Thronfolgers → Franz Ferdinand und nahm an den Ausgleichsverhandlungen mit Ungarn 1906 teil. Im Ersten Weltkrieg zun¨achst Offizier an der Front, wurde er 1916 Ackerbauminister in der Regierung → Koerber und nach deren R¨ucktritt Ende des Jahres Ministerpr¨asident. C.-M. versuchte erfolglos, Vertreter der Nationalit¨aten in sein Kabinett zu berufen und sie zur Mitarbeit im Parlament zu bewegen. Sein ¨ Appell „Seien wir vor allem Osterreicher!“ wurde zeitweise zum gefl¨ugelten Wort. Er trat Mitte 1917 zur¨uck und war bis 1919 Milit¨argouverneur von Montenegro. C NDB

Clam-Martinic, Heinrich Jaroslav Graf von, o¨ sterr. Staatsmann, * 15. 6. 1826 St. Georgen (Ungarn), † 5. 6. 1887 Prag. Der Sohn von Karl Joseph von → C.-M. trat nach dem Studium der Rechtswissenschaften 1848 in den o¨ sterr. Staatsdienst ein und war 1853-59 Landespr¨asident von Westgalizien. Seit 1860 Mitglied des Reichstags, wurde er dort F¨uhrer der f¨oderalistisch, slawenfreundlich und klerikal gesinnten adligen Großgrundbesitzer, war maßgeblich am Zustandekommen des „Oktoberdiploms“ beteiligt, stand aber nach dem Erlaß des „Februarpatents“ in Opposition zur Regierung. Seit 1862 nur noch Mitglied im b¨ohmischen Landtag, war er einer der Urheber der Abstinenzpolitik der Tschechen; die „Fundamentalartikel“ von 1871 stammen aus seiner Feder. C.-M. kehrte 1879 unter der Regierung des Grafen Eduard → Taaffe gemeinsam mit den Tschechen in den Reichsrat zur¨uck und u¨ bernahm wie vordem das Generalreferat des Budgets.

Clam-Martinic, Karl (Joseph Nepomuk) Graf von, o¨ sterr. Beamter, * 1759 Linz, † 26. 9. 1826. Durch seine Heirat mit der letzten Gr¨afin Martinic 1792 erwarb C. den Namen dieses alttschechischen Adelsgeschlechts und gr¨undete gemeinsam mit seiner Frau Marianne die Linie der Grafen von C.-M. Er war b¨ohmischer Gubernialrat, seit 1805 Geheimrat und stand zahlreichen, teilweise

Clarenbach von ihm gegr¨undeten sozialen Einrichtungen f¨ur Bed¨urftige vor. 1820-24 war er Oberstlandk¨ammerer in B¨ohmen und wurde zweimal zum Ausschußbeisitzer des b¨ohmischen Herrenstandes gew¨ahlt.

Clam-Martinic, Karl Joseph (Nepomuk) Graf von, o¨ sterr. Milit¨ar, Staatsmann, * 23. 5. 1792 Prag, † 29. 1. 1840 Wien. Der Sohn von Karl von → C.-M. trat 1809 in die o¨ sterr. Armee ein, wurde 1813 Adjutant des F¨ursten Schwarzenberg und 1814 Major; als Adjutant des Freiherrn von Koller begleitete er Napoleon nach Elba. 1830 wurde er Generalmajor und im folgenden Jahr nach Berlin zur Organisation der deutschen Bundesarmee entsandt. Seit 1835 Generaladjutant des Kaisers → Ferdinand, seit 1836 zus¨atzlich „Chef der staatsr¨atlichen Milit¨arsektion“, hatte C.-M. eine der m¨achtigsten Positionen im Staat inne, die er als Parteig¨anger → Metternichs gegen Innenminister Franz Anton von → Kolowrat-Liebsteinsky ausbaute. Der Vater von Heinrich Jaroslav von → C.-M. f¨uhrte weitreichende Reformen im o¨ sterr. Milit¨arwesen durch und ver¨offentlichte u. a. Vorlesungen aus dem Gebiet der Kriegskunst (1823). C ADB

Clan, Joachim, auch Claen, Jurist, Diplomat, * Oktober 1566 Hamburg, † 16. 2. 1632 Hamburg. C. studierte 1586-97 Rechtswissenschaften in Wittenberg, Helmstedt, K¨oln, Leipzig, Speyer und Basel und kehrte als Lizentiat der Rechte nach Hamburg zur¨uck. Nach einj¨ahriger T¨atigkeit am Reichskammergericht in Speyer wurde er 1600 Sekret¨ar des Hamburger Domkapitels und im folgenden Jahr Sekret¨ar des Rats der Stadt Hamburg. Seit 1616 Hamburger Ratsherr, wurde er mit diplomatischen Auftr¨agen betraut. 1622 erfolgte seine Wahl zum B¨urgermeister. C. war an der Ausarbeitung des Hamburger Stadtrechts von 1605 beteiligt. C ADB Clapmarius, Arnold, eigentl. Klapmeier, Jurist, Publizist, * 1574 Bremen, † 1. 6. 1604 N¨urnberg. Der Sohn eines Advokaten studierte Rechtswissenschaften, Geschichte und Sprachen an den Universit¨aten Helmstedt, Heidelberg und Marburg und bereiste anschließend England und Holland. Nach kurzer Milit¨arzeit wurde er Erzieher in der Familie des braunschweigischen Kanzlers Eberhard von → Weyhe und stand anschließend wohl in den Diensten des hessischen Landgrafen → Moritz des Gelehrten. Dieser empfahl ihn der Reichsstadt N¨urnberg f¨ur die Univ. Altdorf. C. wurde 1600 Nachfolger Christoph → Colers als Prof. der Geschichte und Politik. Sein Hauptwerk De arcanis rerum publicarum libri sex (1605, 131673) wurde aus dem Nachlaß ver¨offentlicht; es ist ein Handbuch der praktischen Politik und erhielt durch die Einf¨uhrung des Begriffs „jura imperii“ (f¨urstliche Land-Obrigkeit) f¨ur die Ausbildung deutscher Territorialstaaten Bedeutung. C NDB

Claproth, Justus, Jurist, Erfinder, * 28. 12. 1728 Kassel, † 20. 2. 1805 G¨ottingen. Der Neffe Johann Christian → C.s studierte seit 1748 in G¨ottingen Rechtswissenschaften und wurde dort 1752 Stadtsekret¨ar und 1753 Garnisons-Auditeur. Nach der Promotion 1754 (De non usu Decreti D. Marci, et poena privationis in viam facti statutae) zum Manufakturrichter ernannt, erhielt C. wohl in dieser Funktion die Anregung zur Besch¨aftigung mit der Herstellung von Papier ohne Verwendung der in zu geringen Mengen vorhandenen Hadern (Erfindung aus gedrucktem Papier wiederum neues zu machen und die Druckerfarbe v¨ollig herauszuwaschen, 1774). 1757 wurde er Beisitzer der Juristenfakult¨at der Univ. G¨ottingen, 1761 o. Prof. der Rechte, 1774 Beisitzer des Spruchkollegiums der Fakult¨at und schließlich dessen Leiter mit dem Titel Ordinarius. C.s juristische Arbeiten, darunter Kurze Vorstellung vom Lauf des Prozesses [. . .] (1757), beeinflußten die Entwicklung des Strafrechts um die Jahrhundertwende. C NDB

Clar, Eberhard, o¨ sterr. Geologe, * 23. 7. 1904 Graz, † 7. 12. 1995 Wien. C. studierte seit 1922 Geologie und Mineralogie an der Univ. Graz, wurde 1926 mit der Arbeit Ein Beitrag zur Geologie der Schobergruppe bei Lienz in Tirol promoviert und habilitierte sich 1929 f¨ur Geologie und Petrographie an der TH Graz, an der er seit 1930 lehrte. 1936 habilitierte er sich f¨ur Geologie und Pal¨aontologie an der Univ. Graz und wurde zum a. o. Prof. ernannt. 1944 / 45 o. Prof. an der TH Wien, wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg interniert, war 1948 / 49 Bergarbeiter am Eisenerzer Erzberg und wurde 1949 freiberuflicher Berater f¨ur Bergbauund Baugeologie. 1951-54 war er Leiter der Lagerst¨atten¨ Forschungsstelle der Osterreichischen Alpine Montangesellschaft in H¨uttenberg (K¨arnten), 1954-72 Prof. an der Univ. Graz. C. ver¨offentlichte u. a. eine Geologische Karte des Großglocknergebietes 1 : 25 000 mit Erl¨auterungen (1935, ¨ mit Hans Peter → Cornelius) und Uber Schichtfolge und Bau der s¨udlichen Radst¨adter Tauern, Hochfeindgebiet (1937). ¨ Er war seit 1955 korrespondierendes Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften und wurde 1968 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina auf¨ Akad, Jg. 146 genommen. C Almanach Ost Clar, Konrad, o¨ sterr. Balneologe, * 22. 2. 1844 Wien, † 13. 1. 1904 Wien. C. schloß an der Univ. Leipzig naturwissenschaftliche, in Graz medizinische Studien ab und wurde dort im Jahr nach seiner Promotion (1869) Privatdozent f¨ur Balneologie. 1888 habilitierte er sich in Wien, wurde 1899 a. o. Prof. und lehrte Balneologie und Klimatologie; daneben war er als Kurarzt in Gleichenberg t¨atig. C. ver¨offentlichte u. a. Aerztliche Nachrichten aus Gleichenberg (1873), Die Winterstationen im alpinen Mittelmeergebiete (1880) und Vorlesungen u¨ ber Bal¨ neologie (1907). 2 C Arzte Clare, Johannes → Johannes Clare, Bischof von Sam-

Claproth, Johann Christian, Jurist, * 19. 5. 1715

land

Osterode / Harz, † 16. 10. 1748 G¨ottingen. C. studierte seit 1732 an der Univ. Jena zun¨achst Philosophie und Mathematik, sp¨ater Rechtswissenschaften, wechselte 1734 an die neugegr¨undete Univ. G¨ottingen und wurde dort 1739 promoviert. Seit 1741 a. o., von 1744 an o. Prof. der Rechtswissenschaften, wurde er 1746 k¨oniglichgroßbritannischer und kurbraunschweigisch-l¨uneburgischer Rat. Außer akademischen Dissertationen und einigen Berichten u¨ ber die Verh¨altnisse an der Univ. G¨ottingen ver¨offentlichte C. u. a. eine Sammlung juristisch-philosophischer und critischer Abhandlungen (4 St¨ucke, 1742-47), deren letzten Teil sein Neffe Justus → C. 1757 herausgab.

Clarenbach, Adolf, T¨aufer, * Ende 15. Jh. Buscherhof bei Lennep, † 28. 9. 1529 Melaten bei K¨oln. C. studierte in M¨unster und K¨oln und wurde 1517 zum Magister promoviert, 1520 Lehrer an einer Lateinschule in M¨unster, 1524 Konrektor der Stadtschule in Wesel. Wegen seines o¨ ffentlichen Eintretens f¨ur die Reformation mußte er Wesel verlassen und wurde 1526 Privatlehrer in Osnabr¨uck, von wo er ebenfalls fliehen mußte. 1527 ließ er sich in Lennep nieder, kam nach erneuter Vertreibung zu seinem Freund Johann → Klopriß nach B¨uderich bei Wesel und folgte ihm nach dessen Verhaftung wegen reformatorischer Aktivit¨aten zur Gerichtsverhandlung nach K¨oln. C.,

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Clarenbach von dem 1527 eine Bekenntnisschrift erschien, verteidigte Klopriß vor dem geistlichen Gericht und wurde daraufhin selbst 1528 verhaftet, der Ketzerei angeklagt und 1529 zum Tod verurteilt. Gemeinsam mit Peter → Fliesteden wurde er als einer der ersten M¨artyrer der Reformation verbrannt. C RGG

Clarenbach, Max, Maler, Radierer, * 19. 5. 1880 Neuss, † 5. 6. 1952 Wittlaer (heute zu D¨usseldorf). Nach dem Studium u. a. bei Gustav Wendlings und bei Eugen → D¨ucker an der Kunstakademie D¨usseldorf (1894-1901) ließ sich C., Sohn eines Kaufmanns, in Wittlaer bei D¨usseldorf nieder. Mit 22 Jahren erfolgreich auf internationalen Ausstellungen vertreten (Stiller Tag, 1903), verließ er um 1905 die Tradition der D¨usseldorfer Schule und n¨aherte sich dem franz¨osischen Impressionismus an; zahlreiche Studienreisen f¨uhrten ihn durch Europa. C. wurde sp¨ater o. Prof. an der Kunstakademie D¨usseldorf; er war Mitbegr¨under der K¨unstlervereinigung „Sonderbund“ und Mitglied des Deutschen K¨unstlerbundes. C AKL Clarer, Theodor, kath. Theologe, Komponist, * 15. 7. 1766 Dorndorf bei Ulm, † 18. 7. 1820 Ottobeuren. C. studierte in Ottobeuren und Augsburg und trat 1786 in den Benediktinerorden ein. 1791 zum Priester geweiht, wurde er bald darauf Prof. der Philosophie und Chorregent. Er war 1801 / 02 der letzte Novizenmeister des Klosters Ottobeuren, lehrte anschließend am Stiftsgymnasium Poesie und Rhetorik und war 1805-20 Pfarrer in Ottobeuren. C. pflegte besonders die Kirchenmusik und gr¨undete Chor und Orchester sowie eine Gruppe Chorals¨anger in Ottobeuren. Er komponierte u. a. das Singspiel Genius Ottoburanus.

Clarin, Hans, Schauspieler, * 14. 9. 1929 Wilhelmshaven, † 28. 8. 2005 Aschau / Chiemgau. Der Beamtensohn besuchte 1946-48 die Schauspielschule in M¨unchen und deb¨utierte 1950 dort am Bayerischen Staatstheater, dessen Ensemble er bis 1967 angeh¨orte. Nach seinem Filmdeb¨ut 1952 in Zwerg Nase wirkte er zunehmend bei Film- und Fernsehproduktionen mit, h¨aufig in verschmitztkomischen Rollen. Einem breiten Publikum bekannt wurde C. zun¨achst als Synchronsprecher in der US-amerikanischen Serie „77 Sunset Strip“, dann vor allem als die Stimme des „Pumuckl“ in der gleichnamigen H¨orspiel- und sp¨ateren Fernsehserie sowie als „Hui Buh, das Schloßgespenst“. Zu C.s bekanntesten Filmauftritten z¨ahlen das Das Wirtshaus im Spessart (1957 / 58) und Pippi Langstrumpf (1969); in Fernsehserien spielte er u. a. in den „Weißblauen Geschichten“. Clarus, Hermann Julius, Mediziner, Pharmakologe, * 9. 3. 1819 Leipzig, † 6. 5. 1863 Leipzig. Der Sohn von Johann Christian August → C. studierte Medizin in Leipzig und Heidelberg und wurde nach der Promotion 1841 (De pulsatione abdominali) Repetent seines Vaters an der Klinik in Leipzig. 1844 habilitierte er sich an der Univ. Leipzig f¨ur allgemeine Pathologie, Therapie und Arzneimittellehre und wurde dort 1848 a. o. Prof. der Medizin. Seine Schriften galten neben Untersuchungen zum Herzen und zum Idiotismus vor allem der Arzneimittellehre. Eigene Experimente zu Pharmaka wie Dulcamara, Solanin und Kokain fanden ihren Niederschlag u. a. in seinem Handbuch der speciellen Arzneimittellehre (1850). Zu C.’ Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Ueber die physikalische Untersuchung des Herzens im gesunden und kranken Zustande (1845), Therapiae idiotismi primae lineae (1848) und Die k¨orperliche Pflege und Erziehung des weiblichen Geschlechts vom physiologischen und pathologischen Standpunkte (1850, 31860). C NDB

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Clarus, Johann Christian August, Mediziner, * 5. 11. 1774 Buch am Forst (heute zu Lichtenfels), † 13. 7. 1854 Leipzig. Im Jahr nach der Promotion zum Dr. med. in Leipzig (1798, Scholae methodicae et Brunonianae consensus) habilitierte sich C. an der dortigen Univ. und wurde 1803 a. o. Prof. der Anatomie und Chirurgie. 1820-48 war er o. Prof. der Medizinischen Klinik und Oberarzt am Jacobs-Hospital und zugleich Physikus der Stadt Leipzig. Der Vater des Pharmakologen Hermann Julius → C. war vor allem als Praktiker sowie als außergew¨ohnlich rationaler sowie exakt arbeitender akademischer Lehrer bekannt. Er ver¨offentlichte u. a. Dissertatio de zoochemiae notione et usu (1801), Der Krampf in pathologischer und therapeutischer Hinsicht systematisch erl¨autert (1822) und Beitr¨age zur Erkenntniss und Beurthei¨ lung zweifelhafter Seelenzust¨ande (1828). C Arzte 1

Clarus, Max, Dirigent, Komponist, * 31. 3. 1852 M¨uhlberg / Elbe, † 6. 12. 1916 Braunschweig. C. studierte an der Akademie f¨ur Kirchenmusik in Berlin, war anschließend Kapellmeister am Viktoria- und KrollTheater in Berlin und unternahm als Dirigent Tourneen ¨ durch Deutschland, Osterreich und Amerika. 1882 folgte er einer Berufung nach Braunschweig, wo er 1900 Hofmusikdirektor wurde und daneben Dirigent mehrerer Vereine war. C. wurde mehrfach von → Wilhelm II. ausgezeichnet und war Mitglied der musikalischen beratenden Kommission des Kaisers. Er komponierte Ch¨ore, M¨archenspiele, Balladen und Opern, darunter Prinzessin Ilse (1895). Clary und Aldringen, Hieronymus Graf von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 10. 4. 1610 Riva, † 19. 11. 1671. C. trat 1626 in die kaiserliche Armee ein und wurde 1629 F¨ahnrich unter → Wallenstein, 1637 Oberst. Er heiratete Anna, die Schwester Johann Graf von → Aldringens, deren Familienname und Grafenstand nach einem kaiserlichen Diplom von 1635 auf die Seitenverwandten u¨ bergehen konnte. Nach dem Tod des letzten Nachkommen Annas aus erster Ehe wurde C. 1666 von Kaiser → Leopold I. zum Grafen und von C. und Aldringen ernannt; er wurde so Stammvater des Geschlechts. Seit 1668 war er Generalfeldwachtmeister und Hofkriegsrat. C ADB Clary und Aldringen, Karl Joseph F¨urst von, o¨ sterr. Maler, Graphiker, * 2. 12. 1777 Wien, † 31. 5. 1831 Wien. C. u. A. studierte in Wien, bereiste Frankreich, die Schweiz und Italien und leistete 1809 Kriegsdienst. Er wurde sp¨ater k. k. K¨ammerer und lebte abwechselnd in Italien, Wien und auf dem auf Hieronymus von → C. zur¨uckgehenden Familiensitz Teplitz in B¨ohmen. C. u. A. war Landschafts- und Miniaturmaler und zeichnete u. a. die Vorlagen zu den von Ludwig → Schnorr von Carolsfeld gestochenen Illustrationen in Friedrich de la Motte → Fouqu´es Undine (1816). C AKL Clary und Aldringen, Leopold Graf von, o¨ sterr. Beamter, * 2. 1. 1736 Prag, † 23. 11. 1800 Wien. Das Studium am Theresianum in Wien schloß C. u. A. mit der Promotion zum Dr. jur. ab. Anschließend Rat beim Appellationsgericht in Prag, wurde er 1767 Burggraf und 1769 Thesaurarius in Siebenb¨urgen, 1773 Oberster Landk¨ammerer von M¨ahren und 1775 Hofvizekanzler in Wien. Er ver¨offentlichte u. a. Plutarchus redivivus (1755), den er 1765 auch in ¨ deutscher Ubersetzung herausgab. C Wurzbach Clary und Aldringen, Manfred (Alexander Robert Johann Adalbert) Graf von, o¨ sterr. Staatsmann, * 30. 5. 1852 Wien, † 12. 2. 1928 Schloß Herrnau bei Salzburg. Der Enkel von Karl Joseph von → C. u. A. trat nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Wien 1877 in den

Classen staatlichen Verwaltungsdienst ein und wurde 1888 Bezirkshauptmann von Wiener Neustadt; als Landespr¨asident von ¨ Osterreich-Schlesien (seit 1897) f¨orderte er das Schulwesen. 1898 zum Statthalter der Steiermark ernannt, errichtete er hier das erste sozialpolitische Referat bei einer o¨ sterr. Regierungsbeh¨orde, war 1899 nach dem Sturz Kasimir Felix Graf von → Badenis kurze Zeit Ministerpr¨asident und Ackerbauminister und hob die Badenischen Sprachverordnungen auf. 1900-18 erneut Statthalter der Steiermark, machte er sich um den „Steierm¨arkischen Notstandsfonds“, den Steirischen Heimatverein, die b¨auerliche Fortbildung und die Bek¨ampfung der Tuberkulose verdient. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs war er Pr¨asident des Roten Kreuzes in der Steiermark. C NDB

Clasen, Joachim Friedrich, evang. Theologe, * 17. 4. 1772 Ulsnis (Angeln), † 23. 11. 1851. Nach dem Abschluß theologischer Studien an der Univ. Kiel 1796 wurde C. 1797 zum Konrektor in Meldorf ernannt und bald darauf zum Dr. phil. promoviert. 1802 kam er als Rektor nach Wilster und war 1809-38 Hauptpastor in T¨onning. Außer regionalhistorischen Schriften publizierte C. solche zu Fragen des Schulwesens und der Religionsaus¨ubung, darunter Die christlichen Grund- und Glaubenslehren der Orthodoxen und Rationalisten oder der Blind- und Denkgl¨aubigen in der evangelisch-lutherischen Kirche (1841), ein Werk, das eine o¨ ffentliche Kontroverse ausl¨oste.

Clasen, Lorenz, Maler, Radierer, * 14. 12. 1812 D¨usseldorf, † 30. 5. 1899 Leipzig. C. kam als Siebzehnj¨ahriger an die Kunstakademie D¨usseldorf, studierte u¨ berwiegend bei → Schadow und spezialisierte sich bald auf historische, religi¨ose und allegorische Darstellungen. Wegen seines Engagements in der Revolution 1848 wurde ihm sein Atelier an der Akademie entzogen. Neben seiner T¨atigkeit als Maler und Radierer war er Redakteur und Kunstreferent u. a. des demokratischen Satireblatts „D¨usseldorfer Monatshefte“ und des „Familienjournals“. Seit 1848 in Berlin ans¨assig, zog er sp¨ater nach Leipzig, wo er u. a. an der k¨unstlerischen Ausstattung des K¨otteritzschen Schlosses bei Grimma beteiligt war und 1873 Mathilde → Clasen-Schmid heiratete. C. schuf neben Radierungen (u. a. eine Folge zu → Beethovens Eroica) Wandbilder, Glasfenster (f¨ur den Aachener Dom) und Gem¨alde. Seine Germania auf der Wacht am Rhein im Krefelder Rathaus war in zahlreichen Nachbildungen weit verbreitet. C AKL

Clasen-Schmid, Mathilde, Pseud. C. von Wildenfels, Schriftstellerin, * 4. 8. 1834 Wildenfels (Sachsen), † 6. 12. 1911 Leipzig. Zur Lehrerin ausgebildet, ging C.-S. 1857 als Erzieherin nach Warschau, unterrichtete sp¨ater an einer M¨adchenschule in Lublin und kehrte 1862 nach Leipzig zur¨uck. Nach einem mehrj¨ahrigen Aufenthalt in Paris seit 1865 wieder in Sachsen, heiratete sie 1873 Lorenz → Clasen. Sie schrieb Sachb¨ucher (Handbuch f¨ur Frauenarbeiten, 1881) sowie Romane (Aus russischen Kreisen, 1887) und redigierte 1877-99 mehrere deutsch-franz¨osische Zeitschriften. C.-S. engagierte sich in berufsst¨andischen Organisationen; sie war Mitbegr¨underin (1890) und langj¨ahrige Vorsitzende des Leipziger Schriftstellerinnen-Vereins.

Claß, Gustav, Philosoph, * 15. 10. 1836 Niesky, † 21. 10. 1908 M¨unchen. C. war Prof. in Erlangen, wo u. a. Ernst → Troeltsch zu seinen Sch¨ulern geh¨orte, und in T¨ubingen. Er war ein Vertreter des ethischen Idealismus und Spiritualismus, ein Anh¨anger der Philosophie → Kants und → Lotzes. In Religion, Recht und Moral, Kultur sah er die drei Ideen, die die freie Entwicklung des Menschlichen leiten. Er ver¨offentlichte u. a.

Ideale und G¨uter. Eine Untersuchung zur Ethik (1886), Untersuchungen zur Ph¨anomenologie und Ontologie des menschlichen Geistes (1896) und Die Realit¨at der Gottesidee (1904).

Claß, Heinrich, Pseud. Einhart, Daniel Frymann, Politiker, Publizist, * 29. 2. 1868 Alzey, † 16. 4. 1953 Jena. C., Sohn eines Notars, studierte Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, Berlin und Gießen und ließ sich 1895 als Rechtsanwalt in Mainz nieder. Nach einigen Jahren im v¨olkisch-antisemitischen „Deutschbund“ Friedrich → Langes war er seit 1897 im Alldeutschen Verband t¨atig und wurde 1908 Nachfolger Ernst → Hasses als Vorsitzender. C. trat im Ersten Weltkrieg als Wortf¨uhrer einer expansionistischen Politik hervor, war 1917 Mitbegr¨under der „Vaterlandspartei“ und wirkte seit 1918 als Redakteur der „Deutschen Zeitung“ in antidemokratischem und antirepublikanischem Sinn. In den zwanziger Jahren f¨ur die nationalsozialistische Bewegung publizistisch von Bedeutung, blieb er nach 1933, obwohl Hospitant der NSDAP im Reichstag, ohne Einfluß. C. ver¨offentlichte u. a. eine Deutsche Geschichte (1908, 191941), Wenn ich der Kaiser w¨ar’ (1912) und seine Lebenserinnerungen Wider den Strom. Vom Werden und Wachsen der nationalen Opposition im alten Reich (1932). C Lilla, Statisten Claß, Helmut, evang. Theologe, Landesbischof von W¨urttemberg, * 1. 7. 1913 Geislingen / Steige, † 4. 11. 1998 Nagold. Der Lehrersohn wurde vom schw¨abischen Pietismus und als Theologe von Friedrich von → Bodelschwingh, Karl → Barth und Rudolf → Bultmann gepr¨agt. Nach der Heimkehr aus Krieg und russischer Gefangenschaft war C. seit 1948 Landesjugendpfarrer in Stuttgart, danach Leiter der Diakonie-Schwesternschaft Herrenberg und seit 1968 Pr¨alat von Stuttgart. Schon im folgenden Jahr zum w¨urttembergischen Landesbischof gew¨ahlt, hat er sich in diesem Amt sowie seit 1973 in dem des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (bis 1979) um ausgleichende Politik bem¨uht. C Munzinger Classen, Alexander, Chemiker, * 13. 4. 1843 Aachen, † 28. 1. 1934 Aachen. C., Sohn eines Lebensmittelh¨andlers, studierte seit 1861 an den Universit¨aten Gießen und Berlin Chemie, war zeitweise Assistent Sonnenscheins in Berlin und betrieb seit 1867 ein privates Laboratorium in Aachen. Bei der Gr¨undung des Polytechnikums seiner Heimatstadt 1870 zum Assistenten und Dozenten berufen, wurde er dort 1880 Prof. der analytischen Chemie und 1882 Nachfolger Hans → Landolts als Ordinarius der anorganischen Chemie, seit 1894 zus¨atzlich der Elektrochemie am Polytechnikum in Aachen. C. bereicherte die analytische Chemie vor allem durch Methoden der Metallbestimmung auf elektrolytischem Weg. Er ver¨offentlichte u. a. Grundriß der analytischen Chemie (1879), Handbuch der analytischen Chemie (2 Bde., 31885, 91922-24) und Quantitative chemische Analyse durch Elektrolyse (1892, 5 1908). C NDB

Classen, Herta, geb. Baer, Journalistin, Intendantin, * 5. 3. 1913 Chemnitz, † 17. 4. 1986. Die Tochter eines Angestellten arbeitete nach dem Besuch von Volks- und Handelsschule als Anwaltsgehilfin und 1933-46 als Verk¨auferin in Pulsnitz. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie Redakteurin der „S¨achsischen Zeitung“ und studierte 1948-53 an der Parteihochschule „Karl Marx“ beim SED-Zentralkomitee. 1949-51 war C. Pressereferentin des SED-Zentralkomitees, 1951-56 Redakteurin und 1956-59 Chefredakteurin des Deutschland-Senders. 1959-69 f¨uhrte sie als Intendantin den Berliner Rundfunk, f¨ur den

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Classen sie danach noch bis 1982 Kommentare sprach. 1961 wurde C. stellvertretende Vorsitzende des Staatlichen Rundfunkkomitees; 1961-67 geh¨orte sie dem Pr¨asidium des Zentralvorstands im Verband Deutscher Journalisten an. C DDR

und Statistik der Stadt K¨oln gesammelt, das er jedoch nicht mehr ver¨offentlichen konnte. Er schrieb u. a. ein Praktisches Handbuch f¨ur Pfarrer und Kirchenverweser (1811). C ADB

Classen, Johannes, Klassischer Philologe, P¨adagoge,

Classen, Walther (Friedrich), evang. Theologe, P¨adagoge,

* 21. 11. 1805 Hamburg, † 31. 8. 1891 Hamburg. Nach dem Besuch des Johanneums in Hamburg und philologischen Studien bei Gottfried → Hermann in Leipzig kam C., Sohn eines Kaffemaklers, nach Bonn, wo er gemeinsam mit Barthold Georg → Niebuhr an der Edition des Bonner „Corpus scriptorum historiae Byzantinae“ arbeitete. 1829 habilitierte er sich an der Univ. Bonn, 1831 in Kiel, kam 1832 nach Berlin und folgte 1833 einer Berufung als Gymnasialprofessor an das Catharineum in L¨ubeck. C. schloß hier Kontakte zu F. → Jacob, Wilhelm → Wattenbach, Ernst und Georg → Curtius sowie zu Emanuel → Geibel und begann seine Forschungen zur griechischen Sprache. Als Direktor des Frankfurter Gymnasiums ging er 1853 nach Hessen und reformierte dort das gymnasiale Pr¨ufungswesen. 1864-74 leitete er das Hamburger Johanneum. Sein wissenschaftliches Hauptwerk ist ein Kommentar zu Thukydides (1862-78). C. war der Großvater Walther Friedrich → C.s. C Bursian, Jg. 28

Classen, Matthias, Jurist, Historiker, * 1726 J¨ulich, † 17. 2. 1816 K¨oln. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und der Geschichte an der Univ. K¨oln wurde C. Verwalter der st¨adtischen Hypotheken und widmete sich daneben privaten Studien zur mittelalterlichen Rechtsgeschichte der Stadt K¨oln. Neben Beitr¨agen f¨ur das „Enzyklop¨adische Journal“ und die „Materialien zur weltlichen Statistik des niederrheinischen und westph¨alischen Kreises“ ver¨offentlichte C. u. a. Der K¨olnische Senat in mittleren Zeiten (1786). Er war der Vater Reiner Joseph → C.s. C ADB

Classen, Peter, Historiker, * 18. 9. 1924 Hamburg, † 23. 12. 1980 Heidelberg. C., Sohn eines Richters, studierte Geschichte an den Universit¨aten Hamburg und G¨ottingen, wo er 1950 promoviert wurde (Studien zur Entstehung der germanischen K¨onigsurkunden auf r¨omischer Grundlage, u¨ berarb. unter dem Titel Kaiserreskript und K¨onigsurkunde, 1977) und dann als Assistent t¨atig war. 1958 habilitierte er sich in Mainz (Gerhoch von Reichersberg, 1960), wurde 1962 o. Prof. an der Univ. Gießen und war seit 1966 o. Prof. der mittelalterlichen und neueren Geschichte an der Univ. Heidelberg. 1970 wurde C. in die Heidelberger Akademie der Wissenschaften gew¨ahlt. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren Rom und Byzanz. Von Diokletian bis zu Karl dem Großen (1954, 31977), Karl der Große, das Papsttum und Byzanz (1968; 1985 hrsg. von Horst Fuhrmann, 21988), Burgundio von Pisa (1974), Kleine Geschichte der Universit¨at Heidelberg (1983, mit Eike Wolgast), Ausgew¨ahlte Aufs¨atze (postum 1983, hrsg. von Josef Fleckenstein) und Studium und Gesellschaft im Mittelalter (postum 1983, hrsg. von Johannes Fried).

Classen, Reiner Joseph, Jurist, Historiker, * 5. 8. 1761, † 30. 1. 1844. Der Sohn Matthias → C.s war bereits in jungen Jahren im Dienst der Stadt K¨oln t¨atig, wurde nach dem Anschluß der ¨ Stadt an Frankreich seiner Amter entsetzt und widmete sich lokalhistorischen Studien. Nach dem Ende der franz¨osischen Herrschaft zum Dom¨aneninspektor ernannt, wurde er 1824 in den K¨olner Stadtrat berufen. C. hatte reiches Material zur Profan- und Kirchengeschichte sowie zur Topographie

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* 24. 4. 1874 Hamburg, † 8. 9. 1954 Hamburg. Der Enkel Johannes → C.s und Sohn eines Augenarztes war nach dem Abschluß theologischer Studien an den Universit¨aten Jena, Berlin, Marburg und Straßburg Hilfsprediger in Hamburg und wurde dort u. a. von Clemens → Schultz beeinflußt, dessen Schriften er 1918 herausgab. 1899 / 1900 lernte er auf einer Studienreise nach England die Sozialarbeit junger britischer Akademiker in den Londoner Elendsvierteln kennen. 1901 gr¨undete er in Hamburg-Hammerbrock das erste deutsche „Settlement“, betrieb dort nach englischem Vorbild Sozialarbeit, stand u. a. in Verbindung zu Martin → Rade und seiner Zeitschrift „Die Christliche Welt“ und geh¨orte zu den f¨uhrenden Mitgliedern des EvangelischSozialen Kongresses. 1916 unterrichtete er an der Oberrealschule St. Georg, seit 1931 als Professor. 1925-29 leitete er daneben die Abteilung f¨ur Jugendpflege am Erziehungswissenschaftlichen Seminar der Univ. Hamburg. C. ver¨offentlichte u. a. Soziales Rittertum in England (1900), Eintritt des Christentums in die Welt (1930) und 16 Jahre im Arbeiterquartier (1940). C NDB

Clauberg, Carl, Gyn¨akologe, * 28. 9. 1898 Wupperhof bei Solingen, † 9. 8. 1957 Kiel. Nach dem Ersten Weltkrieg studierte C., Sohn eines Messerschmieds und Kaufmanns, seit 1919 in Kiel, Hamburg und Graz Medizin (Promotion 1925, Zur Frage der Todesursache bei Luftembolie) und wurde Arzt an der Universit¨atsFrauenklinik Kiel. 1933 trat der u¨ berzeugte Nationalsozialist in die NSDAP ein, habilitierte sich und wurde 1937 zum Prof. der Gyn¨akologie und Geburtshilfe an der Univ. K¨onigsberg ernannt. C. ver¨offentlichte u. a. Die weiblichen Sexualhormone (1933). Seit 1940 Direktor der Frauenklinik in K¨onigsh¨utte (Oberschlesien), war er an der Ausarbeitung der Sterilisationsprogramme beteiligt und 1942 von → Himmler mit der experimentellen Durchf¨uhrung in Auschwitz betraut (bis 1944). 1945 war er im Frauenkonzentrationslager Ravensbr¨uck t¨atig. 1948 in der Sowjetunion wegen seiner Rolle bei der Massenermordung sowjetischer B¨urger vor Gericht gestellt, wurde C. zu 25 Jahren Haft verurteilt, jedoch 1955 amnestiert. 1955 in Deutschland unter Anklage gestellt und verhaftet, starb er kurz vor Prozeßbeginn. C SHBL, Bd 11

Clauberg, Claus, Komponist, Musiker, Chansonautor, * 12. 4. 1890 Schwerin, † 15. 3. 1963 Schwerin. C. studierte in Leipzig und war seit 1912 als Korrepetitor, Klavierbegleiter und Musikp¨adagoge in Berlin t¨atig. 1921 verpflichtete ihn Rosa → Valetti als Hauskomponist und musikalischen Begleiter an ihr „Cabaret Gr¨oßenwahn“. Er wirkte auch am Kabarett „Schall und Rauch“, wo sein Chanson Berlin, ich liebe Dich gesungen wurde, vertonte im Kabarett „Die Wespen“ Texte von Erich → Weinert (Die braune Kuh) und Kurt → Tucholsky (Mutterns H¨ande), arbeitete f¨ur die von Theo Maret geleiteten „Wanderratten“ und ging Ende 1930 zum Kabarett „Die Pille“. Er schrieb zahlreiche Chansons, darunter allein 60 Lieder f¨ur Claire → Waldoff. 1936 von den Nationalsozialisten mit Auff¨uhrungsverbot belegt, kehrte C. nach Kriegsende nach Schwerin zur¨uck, wo er sich am Aufbau von Volksmusikschulen beteiligte, und wurde Landesleiter der Gewerkschaft f¨ur Kunst und Schrifttum. C. komponierte Kammermusik, Orchester- und Instrumentalwerke, zwei Opern, zwei Symphonien und Ballettsuiten und schrieb Lieder zu plattdeutschen Texten.

Claudius Clauberg, Johann, Philosoph, * 24. 2. 1622 Solingen, † 31. 1. 1665 Duisburg. C., Sohn eines B¨urgermeisters, erhielt seine erste Ausbildung in K¨oln, Moers und Bremen im Geist des Aristotelismus, studierte orientalische Philosophie und Theologie in Groningen und Leiden und unternahm eine Studienreise durch Frankreich und England, auf der er erstmals mit der Philosophie Descartes’ in Ber¨uhrung kam. Seit 1649 Prof. der Philosophie und Theologie in Herborn, ging er, nachdem → Ludwig Heinrich von Nassau die cartesianische Lehre verboten hatte, 1651 als Prof. und Rektor des Gymnasiums nach Duisburg, das damals niederl¨andisch war. Nach dessen Erhebung zur Univ. wurde C. 1655 ihr erster Rektor. C. war der bedeutendste cartesianische Scholastiker im deutschen Sprachraum. Er gilt als einer der ersten Verfechter eines theoretischen Rationalismus. C. gebrauchte in seinen philosophischen Schriften erstmals den Begriff Ontologie (Elementa philosophiae sive Ontosophia, 1647, 21660). F¨ur den Cartesianismus k¨ampfend, schrieb er eine Defensio Cartesiana (1652), eine Paraphrasis in Meditationes Cartesii (1658) und verteidigte den Cartesianischen Zweifel (Initiatio philosophi sive Dubitatio Cartesiana, 1655). In seiner Logica vetus et nova (1654, 21658) verband er cartesianische und aristotelische Elemente. Seine Philosophie wirkte auf Geulincx sowie auf Christian → Wolff und trug zur Begr¨undung der deutschen Sprachphilosophie bei. C.s Opera omnia philosophica erschienen 1671 in zwei B¨anden (Nachdr. 1968). C Leinsle 2

C. wurde Pressechef im bayerischen Ministerium f¨ur Ent¨ nazifizierung und nach seiner Ubersiedelung nach Potsdam (1948) zun¨achst Lehrer im Verlag Volk und Welt, sp¨ater Generalkonsul der DDR in Syrien (1956-59) und Botschafter in Vietnam (1959-61). Er war 1955 / 56 Sekret¨ar des Schriftstellerverbandes und 1967-69 Vizepr¨asident der Akademie der K¨unste der DDR. Als sein Hauptwerk gilt der Roman Gr¨une Oliven und nackte Berge (1945), eine Darstellung des Spanischen B¨urgerkriegs. 1951 erschien der Roman Menschen an unserer Seite, 1968 seine Autobiographie Ruhelose Jahre. C Westf Autoren, Bd 4

Clauder, Gabriel, Mediziner, * 18. 10. 1633 Altenburg, † 10. 10. 1691 Altenburg. C. studierte bei Werner Rolfinck in Jena, sp¨ater in Leipzig, bereiste Deutschland, Holland, England und Italien und wurde nach der Promotion 1655 (De usu hepatis et bilis) u. a. Leibarzt des s¨achsischen Kurf¨ursten. Er war unter dem Namen „Theseus“ seit 1677 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, bet¨atigte sich alchemistisch und f¨uhrte einen gelehrten Streit mit Athanasius → Kircher. Als eine als sehr vollst¨andig geltende Kompilation historischer und zeitgen¨ossischer Methoden war seine Schrift Methodus balsamandi corpora humana (1679) von Bedeutung. C ADB

Claudius, Hermann, Schriftsteller, * 24. 10. 1878

¨ Claudia, Erzherzogin von Osterreich, Landesf¨urstin von Tirol, * 4. 6. 1604, † 25. 12. 1648 Innsbruck. C., Tochter Großherzog Ferdinands I. von Toskana, heiratete 1626 in zweiter Ehe den urspr¨unglich f¨ur den geistlichen Stand bestimmten o¨ sterr. Erzherzog → Leopold V., nach dessen Tod sie 1633 f¨ur ihren erst vierj¨ahrigen Sohn → Ferdinand Carl die vormundschaftliche Regierung in Tirol u¨ bernahm. Unterst¨utzt von einem f¨unfk¨opfigen Rat unter Staatskanzler Wilhelm → Biener, organisierte sie die Landesverteidigung und verhandelte seit 1643 mit den schweizer. Nachbarn um den Ankauf der o¨ sterr. Rechte im Zehngerichtebund und im Unterengadin. Intriganten am Hof hintertrieben ihre weitreichenden Reformpl¨ane. Als M¨azenatin und durch zahlreiche Privilegien f¨orderte C. Kunst, Handwerk und Handel. C NDB

Claudius, Eduard, eigentl. E. Schmidt, Pseud. Edy Brendt, Schriftsteller, Diplomat, * 29. 7. 1911 Buer bei Gelsenkirchen, † 13. 12. 1976 Potsdam. Von Beruf Maurer, war C., Sohn eines Bauarbeiters, 1926 / 27 Korrespondent kommunistischer Zeitungen, 1928-32 auf Wanderschaft durch S¨udeuropa und trat 1932 in die KPD ein. Nach seiner Verhaftung 1933 floh er 1934 in die Schweiz und sp¨ater nach Spanien, wo er als Kultur- und Kriegskommissar der Internationalen Brigaden schwer verwundet wurde. Nach der illegalen R¨uckkehr in die Schweiz wurde er 1939 erneut verhaftet und war bis 1945 interniert (Hermann → Hesse verhinderte seine Auslieferung).

Claudius, Georg Karl, Pseud. Franz Ehrenberg, Schriftsteller, Librettist, Komponist, * 21. 4. 1757 Zschopau, † 20. 11. 1815 Leipzig. C. studierte Rechtswissenschaften in Leipzig und Zwickau und ließ sich anschließend als Privatgelehrter und Schriftsteller in Leipzig nieder. Der außergew¨ohnlich produktive Autor schrieb Schauspiele, Romane (Justus, Graf von Ortenburg, ein Gem¨alde menschlicher Gl¨uckseligkeit, 4 Tle., 1786-93), gab Zeitschriften heraus („Leipziger Taschenbuch f¨ur Frauenzimmer“, 1784-1816), verfaßte Lehr- und Leseb¨ucher f¨ur Kinder und Jugendliche (Kleine Kinderwelt oder Neues Lesebuch zur ersten Bildung des Menschenverstandes f¨ur das Alter von f¨unf bis acht Jahren, 2 Bde., 1800 / 01) und ver¨offentlichte sp¨ater Gebrauchstexte wie Ratgeber und Hausb¨ucher. Sein Allgemeiner Briefsteller [. . .] (1808) erschien 1818 in 13. Auflage. C Killy Langenfelde bei Altona, † 8. 9. 1980 Gr¨onwohld bei Trittau (Holstein). Der Urenkel von Matthias → C. und Sohn eines Bahnmeisters lebte seit 1885 in Hamburg, stand anfangs der Sozialdemokratie nahe und wandte sich sp¨ater einem unverbindlichen Humanismus zu. 1933 unterzeichnete er zusammen mit 87 anderen Schriftstellern ein Treuegel¨obnis f¨ur → Hitler. Noch im selben Jahr wurde er Mitglied der Preußischen Akademie der Dichtung, 1936 der Erfurter Akademie der gemeinn¨utzigen Wissenschaften. Bis zu seiner Pensionierung 1934 nach einem Verkehrsunfall arbeitete C. als Volksschullehrer. Der wegen des heimatverbundenen und nationalen Tons seiner Dichtungen von den Nationalsozialisten gesch¨atzte C. wurde vor und nach 1945 mehrfach ausgezeichnet. Von seinem Werk fanden vor allem die Mundartdichtungen, darunter Hamborger Kinnerbok (1920), auch im Nachkriegsdeutschland Beachtung; die Autobiographie Karge reiche Kinderzeit erschien 1960. C Killy

Claudius, Matthias, auch Asmus, Der Wandsbecker Bote,

¨ Journalist, Dichter, Ubersetzer, * 15. 8. 1740 Reinfeld (Holstein), † 21. 1. 1815 Hamburg. Als Sohn eines Pastors aus alter Pfarrersfamilie im Holsteinischen geboren, verbrachte C. im Elternhaus mit zehn Geschwistern eine geborgene Kindheit. Bis zur Konfirmation anf¨anglich vom Vater erzogen, kam C. mit seinem Bruder Josias 1755 auf die Lateinschule in Pl¨on; mit ihm bezog er 1759 die Univ. Jena, um Theologie zu studieren. W¨ahrend Josias dort 1760 starb, wechselte C. zwischen Theologie, Jura, Philosophie und Kameralwissenschaft (Volkswirtschaft). Er war Mitglied in der Teutschen Gesellschaft in Jena. 1762 kehrte er ohne einen akademischen Titel ins Elternhaus zur¨uck und ver¨offentlichte 1763 sein erstes Buch T¨andeleyen und Erz¨ahlungen, dessen Stoffe und Formen an die Vorbilder

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Claudius von Christian F¨urchtegott → Gellert und vor allem Heinrich Wilhelm von → Gerstenberg angelehnt waren und wegen dieser Epigonalit¨at von der literarischen Kritik abgelehnt wurden. Eine erste Anstellung als Sekret¨ar des Grafen Holstein in Kopenhagen 1764 / 65 f¨uhrte C. in den dortigen deutschen Dichterkreis und legte den Grund f¨ur seine lebenslange Freundschaft mit → Klopstock. Nach erneutem Aufenthalt im Elternhaus wurde C. 1768 Mitarbeiter einer Zeitung in Hamburg und lernte hier → Lessing, Carl Philipp Emanuel → Bach und → Herder kennen. Einer Unterordnung unter Weisungen des Verlegers zog C. 1770 die Arbeitslosigkeit vor. 1771 u¨ bertrug ihm Johann Joachim Christoph → Bode die Redaktion des von Heinrich Karl Graf → Schimmelmann neugegr¨undeten „Wandsbecker Bothen“ (neu hrsg. von Karl Heinrich Rengstorf und Hans-Albrecht Koch, 5 Bde., 1978). C., der nach Wandsbeck u¨ bergesiedelt war, gestaltete diese viermal w¨ochentlich erscheinende Dorfzeitung zu einem originellen Sprachrohr individueller Form und Gesinnung f¨ur eine luth. Haltung, Aufkl¨arung, Menschenliebe und Toleranz. Herder wie → Goethe, auch Lessing, Klopstock, Gerstenberg, → Gleim, → Boie, → Voß, → H¨olty und → Miller wirkten daran mit. 1772 heiratete C. die vierzehn Jahre j¨ungere Anna Rebecca, geb. Behn. Zw¨olf Kinder brachten den Eltern Freude im famili¨aren Leben, aber auch Leid durch mehrfachen fr¨uhen Tod. Seit 1774 war er eifriger christlicher Freimaurer. Als C. nicht nur wegen sinkender Absatzziffern aus der Redaktion des „Wandsbecker Bothen“ 1775 entlassen wurde, reiste er in Freimaurerangelegenheiten nach Berlin, wo er F. → Nicolai und Christian Heinrich Graf → Haugwitz kennenlernte, und legte dann in Buchform eine anscheinend naive, aber bewußt quodlibetartig angeordnete Auswahl seiner lyrischen und prosaischen Zeitungsbeitr¨age und weiterer Arbeiten als ASMUS omnia sua SECUM portans vor. Diese Sammlung, die seinen Ruhm und Nachruhm vor allem begr¨undete, setzte C. bis 1812 zu einer achtb¨andigen Folge fort. 1776 / 77 war er durch Herders Vermittlung als Oberlandkommissar in der hessen-darmst¨adtischen Regierung unter Friedrich Carl von → Moser in Darmstadt t¨atig, wo er Johann Heinrich → Merck und Friedrich (Maler) → M¨uller kennenlernte und Lessing auf der Durchreise wiederbegegnete. Hier gr¨undete C. die einzige deutsche „Landzeitung“, die sich sozial-engagiert betont an die Landbev¨olkerung wandte. Nach seiner R¨uckkehr nach Wandsbeck lebte C. als „homme de lettres“, setzte seine literarischen Arbeiten fort, u¨ bersetzte mystische und erzieherische Schriften, unterst¨utzte die ¨ christlich-freimaurerischen Uberzeugungen gegen den Illuminatenorden und andere Formen der S¨akularisation und erzog seine wie auch – gegen Entgelt – anderer Leute Kinder. Sein bescheidenes Leben fand mancherlei Unterst¨utzung, erst durch regelm¨aßige Zuwendungen schlesischer Adliger, seit 1785 durch eine vom d¨anischen Kronprinzen Friedrich gew¨ahrte Sinecure oder durch den Emkendorfer Kreis. Obgleich bodenst¨andig, war C. bald ein Ziel f¨ur viele Reisende in Norddeutschland. Er stand mit etlichen ber¨uhmten Zeitgenossen im Briefwechsel, so mit Johann Georg → Hamann, Johann Caspar → Lavater, Johann Heinrich Voß, Heinrich Christian Boie, Friedrich Leopold Graf → Stolberg, F¨urstin Amalie von → Gallitzin und vor allem Friedrich Heinrich → Jacobi. 1784 f¨uhrte eine Reise C. nach Schlesien zu seinem freimaurerischen Freund Graf Haugwitz. Auf der R¨uckreise machte er erst in Weimar Station, wo er Herder wiedersah, Goethe und Jacobi pers¨onlich kennenlernte, dann in Halberstadt auch Vater Gleim, einen weiteren seiner G¨onner. Als d¨anischer Holsteiner unterst¨utzte C. die hergebrachte Monarchie und wandte sich vehement gegen die Franz¨osische Revolution, deren Auswirkungen ihn 1794 / 95 in eine

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l¨angere Lebensgemeinschaft mit F. H. Jacobi brachten. Von der christlichen Romantik als Vorl¨aufer und Gleichstrebender anerkannt, erlebte C. in den napoleonischen Kriegswirren das Schicksal, 1813 / 14 Wandsbeck verlassen und mit seiner Rebecca auf eine Irrfahrt gehen zu m¨ussen. Bald nach der R¨uckkehr starb er im Haus seines ersten Schwiegersohns, Friedrich Christoph → Perthes, in Hamburg, beklagt von allen Schichten des geistigen Deutschland. Neben den wenigen Texten, die C. schon bei seinen Zeitgenossen ber¨uhmt gemacht und sich bis heute lebendig erhalten haben, wie den Liedern Der Mond ist aufgegangen oder Wir pfl¨ugen und wir streuen den Samen auf das Land, wartet die Mehrzahl seiner Schriften immer noch auf eine eingehende geistesgeschichtliche Einordnung und Kommentierung. Bekannte Komponisten – u. a. Johann Abraham Peter → Schulz, Johann Adam → Hiller, Johann Friedrich → Reichardt und Carl → Loewe – haben immer wieder Texte von C. vertont. WEITERE WERKE: S¨amtliche Werke. Mit Nachwort und Bibliographie von Rolf Siebke. M¨unchen 61987. D¨usseldorf 8 1996. – Briefe an Freunde. Hrsg. v. Hans Jessen. Berlin 1938 (2., ver¨anderte Auflage: Boteng¨ange. Witten / Berlin 1965). – Asmus und die Seinen. Hrsg. v. Hans Jessen / Ernst Schr¨oder. Berlin 1940. LITERATUR: Wilhelm Herbst: M. C. Der Wandsbecker Bote. Gotha 1857. 41878. – Wolfgang Stammler: M. C. Der Wandsbecker Bote. Ein Beitrag zur deutschen Literatur- und Geistesgeschichte. Halle / Saale 1915. – Urban Roedl [d. i. Bruno Adler]: M. C. Sein Weg und seine Welt. Hamburg 3 1969. – Peter Berglar: M. C. in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 1972 (und o¨ fter). – Friedhelm Debus (Hrsg.): M. C. 250 Jahre Werk und Wirkung. G¨ottingen 1991. – Jahresschriften der Claudius-Gesellschaft 1 ff. Hamburg 1992 ff. – J¨org-Ulrich Fechner (Hrsg.): M. C. 1740-1815. Leben – Zeit – Werk. T¨ubingen 1996. J¨org-Ulrich Fechner

Claudius, Wilhelm (Ludwig Heinrich), Maler, * 13. 4. 1854 Altona (heute zu Hamburg), † 25. 9. 1942 Dresden. Nach ersten Studien an der Kunstakademie Dresden ging C., Sohn eines Holzschneiders und Graveurs, mit Paul → Thumann nach Berlin, um seine Ausbildung bei Karl → Gussow fortzusetzen. Zun¨achst u¨ berwiegend Illustrator von Kinderb¨uchern und Novellen (u. a. zu Heinrich → Seidels Winterm¨archen, 1885), wandte er sich nach seiner R¨uckkehr nach Dresden 1879 vermehrt der Portr¨at-, Figurenund Landschaftsmalerei zu. C. wurde 1903 zum Prof. ernannt und u¨ bernahm 1911 einen o¨ ffentlichen Auftrag, Landschaften als Wandbilder f¨ur das Rathaus in Thalheim im Erzgebirge zu malen. C SHBL, Bd 3

Clauer, Karl, Jurist, Schriftsteller, Revolution¨ar, * um 1763 / 64, † 12. 2. 1794 Landau / Pfalz. C. soll aus einer Handwerkerfamilie aus dem s¨achsischen Schleiz stammen und nach dem Studium der Rechtswissenschaften einige Jahre in Dresden als Advokat praktiziert haben. Um 1790 lebte er in Berlin. Damals schrieb er f¨ur → Archenholtz’ „Neue Literatur- und V¨olkerkunde“ seine radikale Kritik an J. → M¨osers Interpretation der franz¨osischen Menschenrechtserkl¨arung. Im Fr¨uhjahr 1791 ging er unter dem Eindruck der Franz¨osischen Revolution nach Straßburg. Im August 1791 reiste C. nach Paris. In Straßburg arbeitete er an der von J. F. → Simon und A. Meyer herausgegebenen Zeitung „Geschichte der gegenw¨artigen Zeit“ mit. C.s als Beilage dieses Blatts erschienener Kreuzzug gegen die Franken. Eine patriotische Rede, welche in der deutschen Reichsversammlung gehalten werden k¨onne. Germanien 1791. Im zweiten Jahr der Freiheit ragte als eine der schlagkr¨aftigsten und verbreitetsten Brosch¨uren gegen die

Claus antirevolution¨are Koalition der europ¨aischen F¨urstenh¨auser heraus. Die Brosch¨ure erlebte 1791 / 92 mehrere, teils u¨ berarbeitete und erg¨anzte Neuauflagen. Der konsequente Revolution¨ar C. schrieb einen der ersten Revolutionsaufrufe in deutscher Sprache, den er im R¨uckgriff auf Rousseau rechtfertigte. Nach seinem politischen Engagement, zusammen mit anderen Mitgliedern des Straßburger Jakobinerklubs, im November 1792 in Mainz wurde er im Juli 1793 Sekret¨ar des Straßburger Jakobinerklubs und organisierte in verschiedenen Funktionen einen energischen und kompromißlosen Kampf gegen die Gegner der Revolution. Am 25. 12. 1793 wurde er, wie alle anderen deutschen Jakobiner auch, als ¨ Fremder aus allen seinen politischen Amtern entfernt. Am 10. 1. 1794 sollte er von Landau ins Gef¨angnis nach Dijon u¨ berf¨uhrt werden; C. blieb todkrank in Landau und starb dort. WEITERES WERK: (A. Ulrich, Hrsg.:) Sammlung von authentischen Belegschriften zur Revolutionsgeschichte von Straßburg. 2 Bde., Straßburg 1795. LITERATUR: Hans Werner Engels: K. C. Bemerkungen zum Leben und zu den Schriften eines deutschen Jakobiners. In: Jahrbuch des Instituts f¨ur Deutsche Geschichte, Tel Aviv 2 (1973) S. 101-144. – Susanne Lachenicht: Information und Propaganda. Die Presse deutscher Jakobiner im Elsaß (1791-1800). M¨unchen 2004. Hans Erich B¨odeker

Clauren, Heinrich, eigentl. Carl (Gottlieb Samuel) Heun, Schriftsteller, * 20. 3. 1771 Dobrilugk (Niederlausitz), † 2. 8. 1854 Berlin. Nach rechtswissenschaftlichen Studien in Leipzig und G¨ottingen, die er 1791 mit der Promotion abschloß, wurde C., Sohn eines kurs¨achsischen Amtmanns, Privatsekret¨ar des preuß. Staatsministers → Heynitz und Assessor bei der westf¨alischen Bergwerks- und H¨uttenadministration. 1801-10 war er Mitherausgeber der „Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung“, bet¨atigte sich als Buchh¨andler und verwaltete zugleich das Gut eines preuß. Adligen. 1811-15 im Dienst Hardenbergs, wurde er 1813 Hofrat und leitete 1813 / 14 die Feldzeitung im preuß. Hauptquartier. C. nahm am Wiener Kongreß teil, war 1815-19 preuß. Gesch¨aftstr¨ager in Sachsen und redigierte 1820-24 die „Allgemeine Preußische Staatszeitung“. Nach seinem Erstlingserfolg mit der Erz¨ahlung Mimili (zuerst in der Zeitschrift „Der Freim¨uthige“ in Fortsetzungen erschienen, vollst¨andiger Text: 31819, Neuausg. 1976) ver¨offentlichte er zahlreiche Arbeiten in der von ihm herausgegebenen Sammlung Scherz und Ernst (40 Bde., 1818-28) und seinem j¨ahrlich erscheinenden Taschenbuch Vergißmeinnicht (26 Bde., 1818-34). C. war einer der meistgelesenen Unterhaltungsschriftsteller des beginnenden Biedermeier. Wilhelm → Hauff ver¨offentlichte 1826 unter dem Namen C. als eigenem Pseudonym den C.s Stil parodierenden Roman Der Mann im Mond. C Killy

Claus, Adolf (Karl Ludwig), Chemiker, * 6. 6. 1838 Kassel, † 4. 5. 1900 Horheim bei Waldshut (Baden). C., Sohn eines M¨unzwardeins und Bruder von Carl Friedrich → C., studierte zun¨achst Medizin an der Univ. Marburg, sp¨ater Chemie bei Friedrich → W¨ohler an der Univ. ¨ G¨ottingen (Promotion 1862, Uber Acrolein und Acryls¨aure) und wurde nach der Assistenzzeit a. o. Prof. der Chemie und der chemischen Technologie in Freiburg / Breisgau. Er arbeitete u¨ berwiegend zur organischen Chemie, vor allem zu Chinolinderivaten, Naphthalin, Anthrazen und Phenantren. 1867 publizierte C. die Strukturformel des Benzols als Diagonalformel mit dem Begriff der zentralen Bindung der aromatischen Kohlenwasserstoffatome. Er ver¨offentlichte u. a. Theoretische Betrachtungen und deren Anwendung zur Systematik der organischen Chemie (1866) und Grundz¨uge der modernen Theorie in der organischen Chemie (1871). C DSB

Claus, Carl Friedrich (Wilhelm), Zoologe, * 2. 1. 1835 Kassel, † 18. 1. 1899 Wien. Der Bruder von Adolf → C. studierte Medizin, Mathematik und Zoologie an den Univ. Marburg und Gießen (Promotion 1857, Das Genus Cyclops und seine einheimischen Arten) und habilitierte sich 1859 in Gießen f¨ur Zoologie ¨ (Uber den Bau und die Entwicklung parasitischer Crustaceen). 1860 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. der Zoologie nach W¨urzburg, kehrte 1863 als Prof. nach Marburg zur¨uck und ging 1870 nach G¨ottingen, 1873 nach Wien. Als Ordinarius der Zoologie und der vergleichenden Anatomie an der Univ. wurde er Chef des Zoologisch-Anatomischen Instituts und leitete die von ihm gegr¨undete Zoologische Station in Triest. C. war Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien und der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften in G¨ottingen. Er arbeitete haupts¨achlich u¨ ber niedere Tierarten (u. a. Krebse, Quallen) und vertrat Darwins Theorien. C. ver¨offentlichte u. a. Die frei lebenden Copepoden (1863), Grundz¨uge der Zoologie (2 Abt., 1866 / 67, 41880-82), Lehrbuch der Zoologie (1880, 61897) und eine Autobiographie ¨ Natur a) (1899). C Ost

Claus, Carlfriedrich, Zeichner, Graphiker, Schriftsteller, * 4. 6. 1930 Annaberg, † 22. 5. 1998 Chemnitz. C., der sich gr¨oßtenteils autodidaktisch bildete, schuf seit 1951 experimentelle poetische Texte und Klanggebilde, in denen er durch die Zerlegung von Sprache in graphische ¨ und lautliche Komponenten und deren teilweise Uberlagerung den visuellen und akustischen Aspekt von Sprache thematisiert. In den sogenannten Sprachbl¨attern (u. a. Letternfelder, 1958 / 59) versuchte er, durch das vorder- und r¨uckseitige Beschreiben von Transparentpapier auch eine r¨aumliche Sprachdimension zu er¨offnen (u. a. Geschichtsphilosophisches Kombinat, 1963). Zu seinem Werk geh¨oren ferner die durckgraphischen Arbeiten Aurora (1977), Aggregat K (1986-88) und Dialoge (1988 / 89). 1990 erschien Erwachen am Augenblick. Sprachbl¨atter. Mit den theoretischen Texten von Carlfriedrich Claus. 1977-82 war C. Mitglied der K¨unstlergruppe „Carla Mosch“ in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). 1991 wurde er in die Akademie der K¨unste in Berlin aufgenommen. C Munzinger

Claus, Hans (Max Wilhelm), Hals-Nasen-Ohren-Arzt, * 7. 11. 1873 Berlin, † n. e. Nach dem Abschluß der Studien an den Universit¨aten Berlin und Heidelberg (Promotion 1898, Ichthyosis congenita) kam C. als Assistenzarzt an das St¨adtische Krankenhaus Moabit, 1899 an die Universit¨ats-Hals-Nasenund-Ohrenpoliklinik Berlin und wurde 1911 dirigierender Arzt der Hals-Nasen-und-Ohrenabteilung des St¨adtischen Virchow-Krankenhauses in Berlin. Er wurde 1913 zum Prof. ernannt und f¨uhrte 1926 als erster in Deutschland eine Station f¨ur septische Halserkrankungen ein. Er befaßte sich haupts¨achlich mit oraler und pharyngaler Sepsis und vero¨ ffentlichte u. a. Sepsis nach Angina (mit Walter Uffenorde, 1932, 41951) und Anleitung zu den Operationen am Geh¨ororgan, an den Tonsillen und in der Nase (mit Adolf ¨ 2, 3 → Passow, 1920, seit 31929 allein). C Arzte

Claus, Hubert, H¨utteningenieur, * 2. 2. 1854 Ruhrort (heute zu Duisburg), † 21. 8. 1907 San Martino di Castrozza. C. studierte an der TH Aachen und wurde 1875 Betriebsingenieur im Eisenh¨uttenwerk Thale im Harz. Nach f¨unf Jahren in die Direktion des Unternehmens berufen, wurde er 1885 alleiniger Vorstand des Werks. Unter seiner Leitung stieg die Zahl der Besch¨aftigten des haupts¨achlich emaillierte Gußwaren und emaillierte, gestanzte Blechwaren herstellenden Betriebs von 300 auf 5000. Die Produkte wurden veredelt und der Bezug der Rohstoffe durch die Gr¨undung

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Claus von Zulieferbetrieben sichergestellt. C. gr¨undete 1899 ein Siemens-Martin-Stahlwerk und 1903 ein Schweißwerk. Das Eisenh¨uttenwerk Thale galt als eines der gr¨oßten und leistungsf¨ahigsten seiner Zeit. C NDB

Claus, Karl (Ernst), auch Karl Karlovich Klaus, Chemiker, * 22. 1. 1796 Dorpat, † 24. 3. 1864 Dorpat. Aufgewachsen in a¨ rmlichen Verh¨altnissen, widmete sich C. seit seinem 14. Lebensjahr als Apothekerlehrling in St. Petersburg autodidaktisch chemischen Studien, war 1816-26 Provisor in Saratow und leitete 1826-31 eine Apotheke in Kasan. Danach Assistent am Chemischen Institut der Univ. Dorpat, unternahm er 1834 gemeinsam mit Karl Christian Traugott Friedemann → G¨obel eine Expedition in die Wolga-Steppen (Reise in die Steppen des s¨udlichen Russland, 2 Bde., 1837 / 38). 1837 mit der Arbeit Grundz¨uge der analytischen Phytochemie promoviert, wurde er im selben Jahr Prof., 1843 Ordinarius der Chemie an der Univ. Kasan und wechselte 1852 als Prof. der Pharmazie und Direktor des Pharmazeutischen Instituts an die Univ. Dorpat. C. widmete sich neben botanischen Studien vor allem der Erforschung der Platinmetalle (Beitr¨age zur Chemie der Platinmetalle, 1854, russ. 1954); ihm gelang erstmals die Isolierung des ¨ Elements Ruthenium (Uber Platinr¨uckst¨ande und das Ruthenium, 1844). Seit 1863 war er Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. C NDB

Claus, Willi, Architekt, * 27. 7. 1909 Mannheim, † 17. 3. 1993 Berlin. C. war nach seinem Studium an der Univ. Heidelberg und der TH Karlsruhe seit 1936 bei der Reichsfunk-Gesellschaft als Architekt besch¨aftigt. 1937 wegen linksgerichteter politischer Aktivit¨aten in mehrmonatige „Schutzhaft“ genommen, arbeitete er nach seiner Entlassung in einem Berliner Architekturb¨uro. 1945 gr¨undete C. zusammen mit Max → Taut die Abteilung Architektur an der Hochschule der K¨unste Berlin und unterrichtete als Prof. bis zu seiner Emeritierung 1974 viele Studentenjahrg¨ange in seinem Entwurfsseminar und in Vorlesungen u¨ ber Bauformen des Mittelalters und u¨ ber Bauwirtschaft . Er leitete den Wiederaufbau des zerst¨orten Geb¨audes der Hochschule der K¨unste am Steinplatz und errichtete zahlreiche Wohn-, Gesch¨afts- und Klinikbauten in Berlin. Daneben setzte er sich in seiner Wahlheimat F¨ohr f¨ur die Denkmalpflege und die Stadt- und Dorfgestaltung ein. C AKL

Claus-Dostal, Lillie, auch Lilly C.-D., geb. Claus, o¨ sterr. S¨angerin, * 13. 6. 1905 Wien, † 24. 8. 2000 Salzburg. C.-D., Tochter eines Oberinspektors und einer Konzert- und Oratoriens¨angerin, wurde erst durch ihre Mutter, dann bei Gustav Geiringer an der Wiener Musikakademie ausgebildet. Ihre B¨uhnenkarriere begann 1926 mit einem Engagement am Staatstheater Saarbr¨ucken, dem sie bis 1927 angeh¨orte. Danach wurde sie an die Staatsoper in Wien verpflichtet und trat bis 1931 als Koloratrice hervor. 1932 / 33 geh¨orte sie dem Ensemble der Wiener Volksoper an und gastierte danach u. a. in Mainz, K¨oln, Dresden, Leipzig und bei den Salzburger Festspielen. Ihre großen Partien auf der B¨uhne waren die Konstanze in der Entf¨uhrung aus dem Serail, die Pamina in der Zauberfl¨ote und die Titelheldin in Madame Butterfly. Ihre gr¨oßten Erfolge feierte C.-D. als Operettens¨angerin; sie interpretierte auch zeitgen¨ossische Vokalmusik. Nach der Heirat 1942 mit dem Komponisten Nico → Dostal zog sie sich von der B¨uhne zur¨uck. Sie war Pr¨asidentin des Vereins „K¨unstler helfen K¨unstlern“. C Kutsch Clausberg, Christlieb von, Mathematiker, * 27. 12. 1689 Danzig, † 6. 6. 1751 Kopenhagen. Nach dem 1719 abgebrochenen Studium in Altdorf war C. Lehrer der hebr¨aischen Sprache und der Rechenkunst in Danzig, ging 1729 als Rechenmeister nach Leipzig,

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im folgenden Jahr nach Hamburg und L¨ubeck und kehrte schließlich nach Leipzig zur¨uck. 1733 als Lehrer des Kronprinzen an den d¨anischen Hof nach Kopenhagen berufen, wurde er sp¨ater Revisor der kgl. Privatkasse Christians VI., 1740 Staatsrat und nach dem Regierungswechsel 1746 entlassen. C. wandte sich entschieden gegen den u¨ blichen Rechenunterricht, dem er seine Demonstrative Rechenkunst (1732, 51795), in der er u. a. auch M¨unzwesen und Wechselrechnung behandelte, entgegenstellte. 1781 erschienen seine Universal-Regeln der Leipziger Wechsel-Negotien, sowohl bey steigenden als fallenden Courfen. C NDB

Clausen, Rosemarie, geb. K¨ogel, Photographin, * 5. 3. 1907 Groß-Ziethen bei Berlin, † 9. 1. 1990 Hamburg. C., Tochter eines Pfarrers, begann ein Kunststudium in Wien und entschied sich 1925 f¨ur eine Photographen-Lehre bei Marie B¨ohmer im Berliner Portr¨at-Atelier Becker & Maas. 1928 legte sie die Gehilfinnenpr¨ufung im Lette-Haus in Berlin ab. Bis Herbst 1933 bei der Berliner Theaterfotographin Elli Marcus t¨atig, gr¨undete sie anschließend ein eigenes Atelier. C. wurde vor allem in Berliner Theaterkreisen bekannt und arbeitete u. a. mit Gustaf → Gr¨undgens, Maria → Wimmer, und Will → Quadflieg zusammen. Ber¨uhmt wurde sie mit ihren Theaterportr¨ats von Gustaf Gr¨undgens als Mephisto (1959), bei denen sie mit starken Hell-DunkelKontrasten arbeitete und das Gesicht des Schauspielers auf die weiße Maske vor dunklem Hintergrund reduzierte. Eine Steigerung stellt diesbez¨uglich ihre Sammlung von Totenmaskenaufnahmen dar. F¨ur die gestellten Portr¨ats oder Charakterposen verwendete C. meist die Plattenkamera, f¨ur Probenaufnahmen bevorzugte sie die Kleinbildkamera. 1938 wurden erstmals ihre Aufnahmen in dem Bildband Mensch ohne Maske ver¨offentlicht. Bei einem Luftangriff 1944 starb ihr Mann J¨urgen C., ihr Atelier wurde zerst¨ort und dabei alle Negative der Vorkriegszeit vernichtet. 1945 ging C. nach Hamburg, wo sie f¨ur verschiedene Theater t¨atig war, darunter 1955-63 unter dem Intendanten Gr¨undgens am Deutschen Schauspielhaus. 1955 erhielt C. den Großen Preis der Internationalen Ausstellung f¨ur B¨uhnen-Fotographie, Salzburg. Nach einem Unfall 1975 / 76 beendete C. ihre T¨atigkeit als Theaterphotographin. 1976 wurde sie mit dem Kulturpreis der Deutschen Gesellschaft f¨ur Photographie ausgezeichnet. Der Nachlaß mit u¨ ber 300 000 Negativen befindet sich in der Hamburger Theater-Sammlung und Zentrum f¨ur Theaterforschung. C AKL

Clausen, Thomas, Astronom, Mathematiker, * 16. 1. 1801 N¨ubel (Schleswig), † 24. 5. 1885 Dorpat. Der Bauernsohn war 1824-27 Gehilfe an der Sternwarte in Altona, wechselte 1827 als Mechaniker in das Optische Institut Joseph von → Utzschneiders nach M¨unchen und kam nach dessen Tod 1842 als Observator an die Sternwarte in Dorpat. 1865-72 war er dort Prof. der Astronomie und Direktor der Sternwarte. C. publizierte zahlreiche Schriften zu optischen Instrumenten und mathematischen Methoden in der Astronomie sowie u¨ ber eigene astronomische Beobachtungen und zur Zahlentheorie, darunter Bestimmung der Bahn des Cometen von 1770 (in: Astronomische Nachrichten 19, 1842). C SHBL, Bd 4

Clausen, Wilhelm, Ophthalmologe, * 23. 12. 1878 Wahnebergen (Reg.-Bez. Hannover), † 28. 4. 1961 Halle / Saale. C., Sohn eines Landwirts, studierte Medizin in Greifswald, Berlin und Jena, wurde 1903 in Jena promoviert (Ein Beitrag zur Kenntnis der Explosionsverletzungen des Auges durch Dynamit und Pulver), nahm 1914-18 Ersten Weltkrieg teil und erhielt 1925, nach kommissarischer Lehrstuhlvertretung in W¨urzburg (1924 / 25), als Nachfolger von Franz → Schieck den Lehrstuhl f¨ur Augenheilkunde in Halle /

Clausius Saale. Gleichzeitig u¨ bernahm er die Leitung der Universit¨ats-Augenklinik, die seit Bezug eines Neubaus (1934) zu den modernsten ihrer Art in Deutschland geh¨orte. 1927 / 28 auch Dekan der Medizinischen Fakult¨at und 1933 / 34 Prorektor der Univ. Halle, wurde C., seit 1933 Mitglied der NSDAP, 1945 von den amtlichen Verpflichtungen entbunden, jedoch 1946 als o. Prof. erneut berufen. 1953 emeritiert, blieb er noch bis zur Amts¨ubergabe 1955 kommissarischer Direktor der Augenklinik. Zu seinen Forschungsschwerpunkten z¨ahlten die Pathologie von Bindehaut und Hornhaut, Augenverletzungen, plastische Chirurgie und die Vererbungslehre. C. ver¨offentlichte u. a. Ein Beitrag zur Kenntnis der Explosionsverletzungen des Auges durch Dynamit und Pulver (1903). Er war Mitherausgeber des „Archivs f¨ur Augenheilkunde. 1926 wurde C. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. C Eberle

Clauser, Jacob, auch Klauser, schweizer. Maler, Graphiker, * 1520 / 25 Z¨urich, † vor April 1579 Basel. Nach einer Ausbildung bei Hans → Asper oder zumindest einem Selbststudium von dessen Werken ging C. in den vierziger Jahren nach Basel, wo Sebastian → M¨unsters Cosmographie in deutscher Ausgabe gedruckt wurde (1550); er lieferte daf¨ur die Vorzeichnungen f¨ur mindestens zehn Holzschnitte, darunter die Ansichten von Lindau und Feldkirch. Seit 1547 war er Mitglied der Basler Himmelzunft. Sp¨ater hatte C. maßgeblichen Anteil am Riesenholzschnitt des Pf¨alzer Stammbaums, der Tabula Palatinorium Heroldi (1556), und war als Bildnismaler (Bonifacius Amerbach, 1557) t¨atig. Er pflegte den Kontakt zu Z¨urich und erhielt auch von dort Auftr¨age, darunter f¨ur die Opera botanica des Konrad → Gesner. C AKL Clausewitz, Carl (Philipp Gottlieb) von, Milit¨ar, * 1. 6. 1780 Burg bei Magdeburg, † 16. 11. 1831 Breslau. Das Adelspr¨adikat hatte sich der Vater, aus b¨urgerlicher Pfarrersfamilie stammend, nur zugelegt, um leichter als Offizier in das preuß. Heer aufgenommen zu werden. Nach dem Siebenj¨ahrigen Krieg amtierte er, zivil versorgt, als Akziseeinnehmer. Der junge C., eines von sechs Kindern, trat 1792 in das preuß. Infanterieregiment Prinz Ferdinand ein, machte den Frankreichfeldzug und die Belagerung von Mainz mit und erhielt 1795 das Leutnantspatent. Zwischen 1801 und 1803 besuchte C. die Berliner Kriegsschule. Deren Leiter Gerhard Johann David von → Scharnhorst wurde zum bestimmenden Mentor des hochbegabten, aber als Autodidakt zutiefst unsicheren jungen Offiziers. Durch Empfehlung Scharnhorsts wurde C. Adjutant des Prinzen → August von Preußen. Mit ihm, durch den er Zutritt in die Gesellschaft von Hof und Politik bekommen hatte, teilte er nach dem verlorenen Feldzug von 1806 eine mehrmonatige Internierung ¨ in Frankreich. Uber die Schweiz, wo er Madame de Sta¨el und August Wilhelm von → Schlegel begegnet war, kehrte er zur¨uck und schloß sich im April 1808 in K¨onigsberg dem Reformerkreis um → Stein, → Gneisenau, Scharnhorst, → Boyen und → Grolman an. Zwischen 1809 und 1810 arbeitete er, als „Wirklicher Kapit¨an“ wieder in die Armee aufgenommen, im Kriegsministerium. Am 19. 7. 1810 wurde C. in den Generalstab versetzt. Im selben Jahr heiratete er Maria Sophia von Br¨uhl (→ Clausewitz), eine Tochter des Grafen Karl Adolf von Br¨uhl, der Erzieher → Friedrich Wilhelms III. gewesen war. C. unterrichtete an der Kriegsschule und unterwies zugleich den preuß. Kronprinzen.

Nach dem Abschluß des B¨undnisses zwischen Preußen und Frankreich nahm C. im April 1812 seinen Abschied; seine Motive hatte er vorher in einer Denkschrift niedergelegt, die auch die Intentionen des Reformerkreises wiedergab. Als Oberstleutnant k¨ampfte er in russischen Diensten und leitete die Verhandlungen mit → York, die zur Konvention von Tauroggen f¨uhrten. Erst am 30. 3. 1815 wurde C. als Oberst im Generalstab wieder in das preuß. Heer aufgenommen. Zwischen 1815 und 1818 hatte er Kommandos in Frankreich und am Niederrhein; 1818 u¨ bertrug man ihm, inzwischen Generalmajor, die Stelle eines Direktors der Kriegsschule in Berlin. Diese wohl eher „bedeutungslose“ und ihm „wenig zusagende Stelle“ (Werner Hahlweg), die er bis zum 19. 8. 1830 innehatte, ließ ihm gleichwohl Freiraum f¨ur seine schriftstellerischen kriegsgeschichtlichen und -theoretischen Arbeiten. 1830 nach Breslau kommandiert, wurde C. am 6. 3. 1831 Stabschef der wegen der polnischen Erhebungen gebildeten preuß. Armee unter Gneisenau in Posen. Im Herbst, nach dem Abflauen der Unruhen und der Aufl¨osung des Oberkommandos, kehrte er nach Breslau zur¨uck. Wenig sp¨ater erlag C. dort der Cholera. C. ist als wohl bedeutendster Milit¨artheoretiker erst nach seinem Tod erkannt worden. Seine Witwe l¨oste mit der Ver¨offentlichung seines Hauptwerkes Vom Kriege eine Welle der Besch¨aftigung mit seinen Erkenntnissen aus, die bis heute anh¨alt. Dabei war seine Wirkung im Ausland st¨arker als in Deutschland; die popul¨aren preußisch-deutschen Gener¨ale des 19. Jh. standen viel weniger unter dem Einfluß von C.’ Gedanken, als unterstellt worden ist. Erst die kriegstheoretischen Schriften des Generalobersten → Beck zeigen ¨ Ubereinstimmung mit ihm. In der fr¨uhen Sowjetunion fanden, vor allem bei Lenin selbst, die Lehren vom Primat der Politik u¨ ber das Milit¨ar Eingang. WEITERE WERKE: C. v. C.: Vom Kriege. Hinterlassenes Werk. Bd. 1-3. 1832-34. 191980, mit historisch-kritischer W¨urdigung von Werner Hahlweg. – Kriegstheorie und Kriegsgeschichte: C. v. C., Helmut von Moltke. Hrsg. v. Reinhard Stumpf. Frankfurt / Main 1993. LITERATUR: Werner Hahlweg: C. v. C. Soldat, Politiker, Denker. G¨ottingen 21969. – Peter Paret: C. and the state. The man, his theories, and his times. Princeton 1985. Peter Schumann

Clausewitz, Maria Sophia von, geb. von Br¨uhl, * 3. 6. 1779 Warschau, † 28. 1. 1836 Berlin. Als Tochter eines Generals bereits in jungen Jahren mit Staatsgesch¨aften vertraut, wurde C. nach ihrer Eheschließung mit Carl von → C. dessen engste Mitarbeiterin bei der Abfassung seiner Schriften. Seinem Wunsch gem¨aß sorgte sie f¨ur die Ver¨offentlichung seines Nachlasses (Hinterlassene Werke u¨ ber Krieg und Kriegf¨uhrung, 10 Bde., 1832-37). Als Witwe war C. Oberhofmeisterin der Prinzessin Wilhelm von Preußen. Clausius, Rudolph (Julius Emanuel), Physiker, * 2. 1. 1822 K¨oslin (Koszalin), † 24. 8. 1888 Bonn. C., Sohn eines Oberlehrers, studierte von 1840 bis 1844 an der Univ. Berlin Physik, Mathematik und Geschichte u. a. bei Leopold von → Ranke, Gustav → Magnus und Gustav Peter → Dirichlet. Bei Dirichlet erwarb er auch die Grundlagen f¨ur die sp¨atere Anwendung statistischer Methoden in der Physik. C. z¨ahlte zu den zehn ersten Mitgliedern der von Magnus seit 1843 privat durchgef¨uhrten physikalischen Kolloquia, aus denen 1845 die physikalische Gesellschaft hervorging. Seit Herbst 1844 als Leh-

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Clausner rer am Friedrich-Werderschen Gymnasium t¨atig, besch¨aftigte er sich mit Fragen der Lichtstreuung in der Atmosph¨are, wor¨uber er 1848 in Halle promoviert wurde (Ueber die Natur derjenigen Bestandtheile der Erdatmosph¨are, durch welche die Lichtreflexion in derselben bewirkt wird, HalleWittenberg). 1850 wechselte er als Dozent an die Artillerieund Ingenieurschule und habilitierte sich an der Univ. Berlin. Gr¨oßere Aufmerksamkeit beanspruchte eine 1850 in → Poggendorffs „Annalen“ erschienene Arbeit Ueber die bewegende Kraft der W¨arme und die Gesetze, welche sich daraus f¨ur die W¨armelehre selbst ableiten lassen. Er beantwortete damit vom Theoretischen her die technisch und wirtschaftlich interessante Frage nach dem Wirkungsgrad von Dampfmaschinen im Anschluß an Sadi Carnot. Carnot hatte 1824 eine L¨osung f¨ur dieses Problem angeboten, in der er analog zu der von Wasserkraftmaschinen geleisteten Arbeit, die von der Masse und Fallh¨ohe des Wassers abh¨angig ist, die von einer Dampfmaschine abgegebene Arbeit als proportional zur W¨armemenge und dem von dieser W¨armemenge „durchfallenen“ Temperaturintervall zwischen den Temperaturen des Dampfkessels und des Kondensators ansetzte. Carnots Analogie lag die Vorstellung zugrunde, daß W¨arme ein unzerst¨orbarer, wenn auch gewichtloser Stoff ist. Carnots Modell zeigte, daß die aus W¨arme erl¨osbare mechanische Arbeit beschr¨ankt ist. Das in den vierziger Jahren des ¨ 19. Jh. durchgesetzte Aquivalenzgesetz, wonach W¨arme und mechanische Arbeit als verschiedene Energieformen nach genau bestimmbaren Verh¨altnissen ineinander umgewandelt werden k¨onnen, entzog der W¨armestoffhypothese und damit dem Carnotschen Modell die Grundlage. C. ersetzte das Carnotsche Modell durch ein neues mit demselben Erkl¨arungsverm¨ogen, indem er die vom Dampf, dem Arbeitsgas, von einem w¨armeren zu einem k¨uhleren Reservoir transportierte W¨armemenge in zwei Anteile schied, von denen der eine bei der Dampfexpansion in mechanische Energie verwandelt und der andere an den Kondensator abgegeben wird. Entsprechend gilt als Erfahrungssatz, gleichzeitig als erster Hauptsatz der sp¨ater sogenannten Thermodynamik, daß die einem K¨orper zugef¨uhrte W¨arme sich zusammensetzt aus einem Anteil zur Erh¨ohung der Energie des K¨orpers etwa in Form einer Temperaturerh¨ohung und einem Anteil in Form mechanischer Energie. Als zweiten Hauptsatz benutzte C. die Erfahrung, daß W¨arme niemals von einem k¨alteren auf einen w¨armeren K¨orper u¨ bergeht. C.’ Arbeit von 1850 fand auch international Beachtung. 1855 erhielt er den Ruf an das neugegr¨undete Eidgen¨ossische Polytechnikum in Z¨urich, wo er bis zu seinem Wechsel an die Univ. W¨urzburg 1867 als Prof. der Physik t¨atig war. 1880 wurde C. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt. Von 1869 bis zu seinem Tod lehrte er an der Univ. Bonn. In der Z¨uricher Zeit, seiner fruchtbarsten Schaffensperiode, entwickelte C. die Thermodynamik weiter und leistete wesentliche Beitr¨age zur kinetischen Gastheorie. Schon vor 1850 hatte er die W¨arme eines K¨orpers mechanisch als die Bewegungsenergie der den K¨orper konstituierenden kleinsten Teilchen aufgefaßt. Die bereits im 18. Jh. vorgestellte kinetische W¨armetheorie, mit der sich der Druck eines Gases durch die St¨oße der Gaspartikel gegen die Gef¨aßwand und eine Erh¨ohung der Temperatur durch eine Erh¨ohung der mittleren kinetischen Energie der Teilchen erkl¨aren lassen, wurde erst ernsthaft, wenn auch noch kontrovers, nach der Durchsetzung des allgemeinen Energieerhaltungssatzes diskutiert. C. vertrat sie in einer Arbeit Ueber die Art der Bewegung, welche wir W¨arme nennen (1857). Eines der schwerwiegendsten Argumente gegen das Modell war, daß die Translationsgeschwindigkeiten der Gasmolek¨ule um einige Zehnerpotenzen gr¨oßer waren als die beobachteten verh¨altnism¨aßig kleinen Diffusionsgeschwindigkeiten von Gasen. C. begegnete diesem Einwand mit sehr kleinen Werten des von

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ihm eingef¨uhrten Konzepts der mittleren freien Wegl¨ange. Sp¨ater haben Maxwell und → Boltzmann die gaskinetischen Ans¨atze von C. fortgef¨uhrt. Unter dem Eindruck der thermodynamischen Arbeiten von Thomson gab C. 1865 dem zweiten Hauptsatz eine neue Fassung. Er f¨uhrte dazu den Begriff der Entropie, die Summe der Verwandlungswerte bei einem Kreisprozeß, ein. Der Verwandlungswert ist der Quotient aus der in Arbeit umgewandelten W¨armemenge und der dabei herrschenden absoluten Temperatur. C. konnte zeigen, daß die Entropie eines realen Kreisprozesses, bei dem W¨armeleitungsverluste unvermeidlich sind, immer positiv ist. Die beiden Haupts¨atze, bezogen auf den als ein geschlossenes System aufgefaßten Kosmos, lauten dann: Die Energie der Welt ist konstant, und die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu. Unter den von C. in die Mechanik eingef¨uhrten Begriffen hat sich der des Virials besonders bew¨ahrt. In den siebziger Jahren besch¨aftigte er sich vor allem mit der Elektrodynamik und dabei auch mit dem sich sp¨ater gegen¨uber der Dampfmaschine durchsetzenden Elektromotor. Vor dem Hintergrund des nach der Reichsgr¨undung rasch ansteigenden Energiebedarfs empfahl der als Mitbegr¨under der Thermodynamik u. a. mit der Copley-Medaille der Royal Society Ausgezeichnete in einem Vortrag als Rektor der Univ. Bonn von 1885 den sparsameren Verbrauch von Kohle als einem nur beschr¨ankt verf¨ugbaren fossilen Brennstoff und die st¨arkere Nutzung der von der Sonne immer wieder regenerierten Wasserkraft. WEITERE WERKE: Abhandlungen u¨ ber die mechanische W¨armeenergie. 2 Bde., Braunschweig 1864-67. 2. Auflage unter dem Titel „Die mechanische W¨armetheorie“ in 3 Bdn., Braunschweig 1876-91. – Vollst¨andiges Werkverzeichnis im Nachruf von Eduard Riecke. LITERATUR: Eduard Riecke: R. C. In: Abhandlungen der K¨oniglichen Gesellschaft der Wissenschaften zu G¨ottingen 35 (1888) S. 1-39. – Max Reinganum: R. C. In: ADB, Bd. 55, S. 720-729. – Grete Ronge: Die Z¨uricher Jahre des Physikers R. C. In: Gesnerus 12 (1955) S. 73-108. – Max von Laue: R. C. In: NDB, Bd. 3, 1957, S. 276-278. – Ivo Schneider: C.’ erste Anwendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung im Rahmen der atmosph¨arischen Lichtstreuung. In: Archive for History of Exact Sciences 14 (1975) S. 143-158. – Ders.: R. C.’ Beitrag zur Einf¨uhrung wahrscheinlichkeitstheoretischer Methoden in die Physik der Gase nach 1856. In: Ebd., S. 237-261. – Edward E. Daub: R. C. In: DSB, Bd. 3, S. 303-311. – Werner Ebeling / Johannes Orphal: R. C. in Berlin (1840-1855). In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universit¨at zu Berlin, Reihe Mathematik / Naturwissenschaften 39 (1990) S. 210-223. – Joke Meheus: Adaptive Logic in Scientific Discovery. The Case of C. In: Logique et analyse 36 (1993) S. 359-391. – Ders.: C.’ Discovery of the First Two Laws of Thermodynamics. A Paradigm of Reasoning from Inconsistencies. In: Philosophica 63 (1999) S. 89-117. Ivo Schneider

Clausner, Jakob Joseph, auch Klausener, schweizer. Kupferstecher, Geod¨at, * 14. 11. 1744 Zug, † 5. 7. 1797 Zug. C. war in der Klosterkanzlei in Rheinau t¨atig und kam sp¨ater zu dem Kupferstecher Johann Jost Hiltensberger in die Lehre. 1766 reiste er mit einem Stipendium des Stadtund Amtsrats der Stadt Zug nach Paris, um im Bau- und Ingenieurswesen ausgebildet zu werden. Drei Jahre sp¨ater ließ sich C. als Kartograph und Vermesser in seiner Heimatstadt nieder und erhielt in der Folge Auftr¨age u¨ berwiegend aus dem benachbarten Luzern. Er stach und zeichnete Pl¨ane, Grundrisse, Ansichten und Heiligenbilder, darunter ¨ die Geographische Tabelle der beiden Amter Sch¨upfheim und Eschlismatt im Kanton Luzern (1780). 1785 erschien

Clauß von C. eine Weltcharte, auf welcher nur die Namen der vier Welttheile und der vier großen Meere ausgesezt sind, 1787 eine Physikalische Karte von Italien. C Brun

Clausnitzer, Tobias, evang. Theologe, Dichter, * 5. 2. 1619 Thum bei Annaberg, † 7. 5. 1684 Weiden (Oberpfalz). Aus a¨ rmlichen Verh¨altnissen stammend, erhielt C., dessen Vater, ein K¨arrner, vor der Geburt des Sohn starb, durch Stipendien die M¨oglichkeit zur h¨oheren Ausbildung, studierte seit 1637 an der Univ. Altdorf und war nach Erlangung des Magistergrads 1644 Feldprediger im Heer des schwedischen Generalmajors Douglas. 1648 von General Graf → K¨onigsmarck als Garnisonsprediger nach Weiden verpflichtet, hielt er an Neujahr 1649 die Feldpredigt zur Feier des Westf¨alischen Friedens und wurde im selben Jahr luth. Stadtpfarrer in Weiden. Seit 1650 war er Kirchenrat und Inspektor f¨ur das Gemeinschaftsamt Parkstein-Weiden. C. unterhielt Beziehungen zum Pegnesischen Blumenorden; er verfaßte zahlreiche Erbauungsschriften, Predigten und lateinische Gedichte (Friedenstraum des Meißnischen Zions nach dem 126. Psalm, 1645). Von seinen Kirchenliedern ist vor allem Liebster Jesu, wir sind hier popul¨ar geworden. C Killy Clauß, Ernst Iselin, Industrieller, * 9. 1. 1793 Leipzig, † 26. 12. 1864 Chemnitz. Seit 1815 war C. gemeinsam mit seinem Bruder Peter Otto → C. Mitbesitzer der Kattundruckerei und Bauwollspinnerei Pflugbeil & Co. 1809 war der Sohn eines K¨oniglich Preußischen Kommerzienrats mit dem Bruder in die Firma eingetreten, die dem Schwager geh¨orte. 1814 folgte C. dem Aufruf zum Kampf gegen Napoleon und trat in das „Banner der freiwilligen Sachsen“ ein, in dem er als Oberj¨ager zu Pferde diente. Nach der Trennung vom Bruder f¨uhrte er seit 1828 die Spinnerei in Plaue (heute Stadtteil von Fl¨oha) unter seinem Namen weiter. Mit Unterst¨utzung des s¨achsischen Staats modernisierte er seinen Betrieb. Die daf¨ur ben¨otigten Maschinen kaufte er im Elsaß. 1850 liefen in seinem Unternehmen 12 000 Spindeln, und 350 Personen fanden bei ihm Arbeit. 1842 erwarb er noch die Weberei Auerhammer, die er 1852 wieder verkaufte. C. geh¨orte der Chemnitzer Freimaurerloge „Zur Harmonie“ an. 1832 gr¨undete er eine Krankenunterst¨utzungskasse, durch die im Bedarfsfalle die Arztkosten u¨ bernommen und Krankengeld gezahlt wurde. Als 1847 infolge von Mißernten Lebensmittel knapp waren und die Preise f¨ur diese stiegen, kaufte er gr¨oßere Mengen von Kartoffeln auf und u¨ berließ diese zu m¨aßigen Preisen den Arbeitern. Weiterhin richtete er ein Brotmagazin f¨ur die Arbeiter ein. Politisch engagierte er sich auf Stadtebene; 1841-47 war er Stadtverordneten-Ersatzmann. 1850 geh¨orte C. zu den Begr¨undern des Konstitutionellen Wahlvereins.

Clauß, Gustav (Ernst Friedrich), Geod¨at, * 19. 3. 1871 Landau / Pfalz, † 6. 10. 1938 M¨unchen. Nach dem Studium des Vermessungswesens an der TH M¨unchen war C., Sohn eines B¨ackers, seit 1895 am Bayerischen Landesvermessungsamt Leiter des Landestriangulations- und H¨ohenmessungswesen in Bayern. 1916 mit der Arbeit Das Verh¨altnis der Gauß’schen und der Soldner’schen Bildkugel zum Bessel’schen Erdellipsoid promoviert, wurde er 1919 Mitglied der Bayerischen Kommission f¨ur Internationale Erdmessung bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, erhielt 1926 einen Lehrauftrag f¨ur Katastertechnik an der TH M¨unchen und war dort seit 1930 als Prof. t¨atig. C. stellte zusammen mit Sebastian → Finsterwalder Rechenformeln f¨ur ¨ die Uberf¨ uhrung der bayerischen Landeskoordinaten in Gauß-Kr¨uger-Koordinaten der 9°- und 12°-Meridianstreifen auf; seine in Deutschland erstmalige Anwendung des Basismeßverfahrens mittels Drahtmessung hat heute Geltung.

Mit der Bearbeitung des DIN-Normenblatts u¨ ber Begriffe, Benennungen und Formelgr¨oßen in der Geod¨asie legte C. den Grundstein f¨ur eine international einheitliche Terminologie. Er ver¨offentlichte u. a. Die geod¨atischen Arbeiten Cassini de Thurys in den Jahren 1761 und 1762 und ihre Bedeutung f¨ur Bayern (1910) und Die L¨angenbestimmung einer neuen Grundlinie f¨ur das Bayerische LandesdreiecksC NDB netz im Jahre 1920 / 21 (1930). ¨ Clauß, Isaak, Pseud. Clajus von der Ill, Ubersetzer, * getauft 21. 11. 1613 Straßburg, † 1662 / 63 Heidelberg. C. war Kaufmann im Straßburger Unternehmen seines Vaters und f¨uhrendes Mitglied der kleinen protestantischen Gemeinde seiner Heimatstadt. Nach seinem Umzug nach Heidelberg 1655 verwaltete er das dortige Kurspital. C. f¨uhrte einen Briefwechsel mit dem reformierten Theologen Johann Heinrich → Hottinger und war mit dem satirischen Schriftsteller Johann Michael → Moscherosch befreundet. Er ver¨ o¨ ffentlichte Ubersetzungen aus dem Franz¨osischen, darunter politische Schriften, die er mit Kommentaren versah, Satiren sowie die bis in die Mitte des 18. Jh. auf deutschen Wanderb¨uhnen gespielte Prosa¨ubertragung von Corneilles Cid (in: Teutscher Schaub¨uhnen Erster Teyl, 1655). C Killy

Clauß, Joseph, kath. Theologe, Archivar, * 20. 5. 1868 Straßburg, † 26. 9. 1949 Freiburg / Breisgau. C., Sohn eines Hausmeisters, studierte seit 1888 Theologie am Priesterseminar sowie Geschichte und Kunstgeschichte an der Univ. Straßburg. Nach der Priesterweihe 1893 an mehreren Orten als Vikar t¨atig, kam er 1905 als Stadtarchivar und Bibliothekar nach Schlettstadt; 1910-13 war er Mitherausgeber der „Els¨assischen Monatsschrift f¨ur Geschichte“. Im Ersten Weltkrieg Milit¨arpfarrer, wurde C. nach der Ausweisung 1919 aus dem franz¨osischen Elsaß Kurat in Denzlingen und 1925 Direktor des Stadtarchivs sowie der Wessenberg-Bibliothek in Konstanz. 1921-33 war er Chefredakteur des „Freiburger Di¨ozesan-Archivs“, wurde von den ¨ Nationalsozialisten aus allen Amtern entlassen und war im Archiv der Erzdi¨ozese Freiburg t¨atig. C. ver¨offentlichte zahlreiche St¨adtemonographien, historische und kunsthistorische Arbeiten sowie das unvollendet gebliebene Historischtopographische W¨orterbuch des Elsaß (1895-1914). C Bad Bio N.F., Bd 1

Clauß, Peter Otto, Industrieller, Politiker, * 21. 10. 1787 Leipzig, † 29. 1. 1872 Chemnitz. Der Sohn eines K¨oniglich Preußischen Kommerzienrats trat nach einer kaufm¨annischen Ausbildung in England 1809 mit seinem sechs Jahre j¨ungeren Bruder Ernst Iselin → C. in die Firma seines Schwagers, die Kattundruckerei Pflugbeil & Co., in Chemnitz ein. Im selben Jahr wurde der Betrieb durch eine Baumwollspinnerei in Plaue (heute Stadtteil von Fl¨oha) erweitert. Seit 1815 f¨uhrten die Br¨uder den Betrieb gemeinsam; 1828 trennten sie sich und Peter Otto C. u¨ bernahm die Kattundruckerei, die er 1851 aus Altersgr¨unden aufgab. Als Unternehmer hat sich C. kaum hervorgetan; daf¨ur engagierte er sich im politischen Leben der Stadt und des Landes. Er war Mitglied zahlreicher Organisationen, wie des Industrievereins f¨ur das K¨onigreich Sachsen, des Vereins S¨achsischer Baumwollspinnerei-Besitzer, Ehrenmitglied der Loge „Zur Harmonie“ und Mitglied des Ausschusses der Erzgebirgischen Eisenbahngesellschaft. Die Chemnitzer w¨ahlten ihn f¨ur drei Jahre (1832-35) in den Stadtrat, und 1836-47 vertrat er die Chemnitzer Unternehmer als einer der f¨unf Abgeordneten des Fabrik-Handelsstandes in der II. Kammer des s¨achsischen Landtags. In all diesen Organisationen und Gremien vertrat er die Interessen der Unternehmer. W¨ahrend der Revolution von 1848 und danach trat er nicht mehr in Erscheinung.

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Claussen Claussen, Georg (Wilhelm), Ingenieur, * 23. 1. 1845 Bremerhaven, † 19. 6. 1919 Bremerhaven. Nach einer Lehre als Schiffszimmerer in der Werft von J. C. Tecklenborg in Geestem¨unde war C., Sohn eines Spediteurs, 1865-69 Zeichner und Konstrukteur bei Caird & Co. in Greenock, bildete sich im Schiffbau weiter und erwarb Kenntnisse im Dampfschiffbau. Er kehrte zur TecklenborgWerft nach Geestem¨unde zur¨uck, wurde 1872 Prokurist, 1876 Teilhaber des Unternehmens und stellte den Betrieb auf den Bau von Eisenschiffen um. C., der bald als einer der f¨uhrenden Schiffbauer Deutschlands galt, konstruierte die gr¨oßten und schnellsten Segler der Zeit, Polarschiffe und zahlreiche Dampfer, darunter den 20 000 tDreischraubenschnelldampfer „Johann Heinrich Burchard“. C Brem Bio 2

Claussen, Heinrich Friedrich Christian, Jurist, Publizist, * 26. 10. 1770 Kiel. Nach dem Studium in seiner Heimatstadt sowie seit 1794 an der Univ. Kopenhagen wurde C. Kollegienrat und Bibliothekar der Zalutschischen Bibliothek in St. Petersburg. Mit dem Titel eines russisch-kaiserlichen Hofrats verließ er 1802 diese Stelle und ging als Rechtsgelehrter nach Kopenhagen. C. schrieb u¨ ber zeitgen¨ossische Staats- und Wirtschaftstheoretiker, darunter Rousseau und Adam Smith; 1804 erschien sein Werk Große und gute Handlungen russischer Regenten, Feldherrn, Staatsbeamten und Anderer.

Claussen, Peter (Heinrich), Botaniker, Pharmakologe, * 24. 10. 1877 Sahrensdorf (Fehmarn), † 31. 12. 1959 Marburg. C. studierte an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau und Berlin Medizin, Mathematik und Naturwissenschaften, wurde 1901 in Berlin mit der Dissertation Ueber die Durchl¨assigkeit der Trache¨ıdenw¨ande f¨ur atmosph¨arische Luft promoviert und war anschließend Assistent am Pharmakognostischen Institut der Univ. Freiburg, wo er sich 1905 mit der Arbeit Zur Entwickelungsgeschichte der Ascomyceten ‚Boudiera‘ habilitierte. 1907-11 Assistent am Botanischen Institut Berlin, war er anschließend bis 1921 an der Biologischen Reichsanstalt in Berlin-Dahlem t¨atig; daneben leitete er 1918 das Botanische Institut und den Botanischen Garten in Dorpat und lehrte 1920 / 21 als Prof. an der Forstakademie Hannoversch M¨unden. 1921 / 22 war C. Prof. und Direktor des Botanischen Instituts sowie des Botanischen Gartens an der Univ. Erlangen und wirkte 1922-43 in gleicher Position an der Univ. Marburg, wo er zus¨atzlich das Pharmakognostische Institut leitete. Er ver¨offentlichte u. a. Die nat¨urlichen Pflanzenfamilien, nebst ihren Gattungen und wichtigsten Arten, insbesondere den Nutzpflanzen (1897, Nachdr. 1959) und Pflanzenphysiologische Versuche und Demonstrationen f¨ur die Schule (1904).

Claußnitzer, (Hermann) Paul, Musiklehrer, Komponist, * 9. 12. 1867 Niedersch¨ona bei Freiberg, † 6. 4. 1924 Borna bei Leipzig. C. erhielt seine Ausbildung am Seminar in Nossen sowie an der Dresdner Musikhochschule, wo er u. a. bei Wilhelm Albert Rischbieter, Heinrich → Schulz-Beuthen und Felix → Draeseke studierte. 1889 folgte er einem Ruf als Seminarmusiklehrer nach Grimma, wechselte 1894 von dort nach Nossen und lehrte seit 1910 als K¨oniglich-s¨achsischer Musikdirektor und Prof. am Seminar in Borna. C. komponierte zahlreiche Klavier- und Orgelst¨ucke, Lieder und Chors¨atze, bearbeitete und edierte u. a. Moritz → Brosigs Orgelwerke und Gustav → Merkels Orgelschule und ver¨offentlichte u. a. 100 Choralvorspiele (5 Bde.).

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Clauswitz, Benedikt Gottlieb, evang. Theologe, * 12. 7. 1692 Großwiederitzsch bei Leipzig, † 7. 5. 1749. Nach theologischen Studien an der Univ. Leipzig wurde C. 1713 Katechet an der Leipziger Peterskirche, 1722 Pastor in Großwiederitzsch und 1732 Archidiakon in Merseburg. 1738 folgte er einem Ruf als o. Prof. an die Univ. Halle, wo er im folgenden Jahr zum Dr. theol. promoviert wurde. C., der sich mit dogmatischen, kirchengeschichtlichen und exegetischen Themen besch¨aftigte, ver¨offentlichte u. a. Vernunft und Schrift in ihrer Ordnung in den wichtigsten Lehren unseres Glaubens (1732). C ADB Clauswitz, Paul, Archivar, * 22. 2. 1839 Wolmirstedt bei Magdeburg, † 11. 4. 1927 Berlin. C., Sohn eines Land- und Stadtrichters in Wolmirstedt und sp¨ateren Vizepr¨asidenten des preuß. Obertribunals, studierte seit 1858 an der Berliner Bauakademie, legte 1860 das Examen als Feldmesser ab und leistete 1861 / 62 Milit¨ardienst. Als Gasth¨orer besuchte er Lehrveranstaltungen ¨ in Geschichte, Philosophie, Asthetik und Kunstgeschichte an der Univ. Berlin und wurde 1867 – nach Teilnahme am ¨ Preußisch-Osterreichischen Krieg 1866 –, ohne ein regul¨ares Universit¨atsstudium absolviert zu haben, an der Univ. T¨ubingen mit einer kunsthistorischen Dissertation (Die Kupferstiche des Lukas von Leyden) zum Dr. phil. promoviert. ¨ Nach Arbeiten an einer Habilitationsschrift u¨ ber Asthetik des Landschaftsgartens trat C. 1873 in den preuß. Archivdienst ein, war zun¨achst Volont¨ar am Stadtarchiv Magdeburg und wechselte noch im selben Jahr an das Stadtarchiv Posen, dessen Leitung er 1877 u¨ bernahm. 1879-1912 war er Leiter des Berliner Stadtarchivs und gleichzeitig der erste fest angestellte Stadtarchivar Berlins. 1883 gab er mit dem Berlinischen Stadtbuch ein wichtige Urkundenedition heraus, der 1889 eine Stadtgeschichte Berlins und 1908 sein Hauptwerk, Die St¨adteordnung von 1808 und die Stadt Berlin bis zum Jahre 1860, folgten. C Demokr Wege Claviez, Emil, Industrieller, * 14. 2. 1866 Reichenbach (Vogtland), † 17. 11. 1931 Adorf (Vogtland). Nach einer Weberlehre besuchte C., Sohn eines aus Cambrai stammenden F¨arbers, die Webschule Chemnitz und wurde anschließend technischer Leiter einer Chemnitzer Weberei. Seit 1895 produzierte er Papiergarn aus Streifen fertiger, trockener Papierbahnen und schuf damit die Grundlagen des Tellerspinnverfahrens. 1896 gr¨undete er die „S¨achsische Kunstweberei Claviez AG“ in Plagwitz bei Leipzig und verlegte sie 1898 als „Teppich- und Textilwerke Claviez AG“ ins s¨achsische Adorf. C. erfand u. a. einen neuartigen Webstuhl, der die gleichzeitige Fabrikation zweier Teppiche erm¨oglichte. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs gewann die Produktion von Garnen aus Ersatzstoffen und damit die Papiergarnspinnerei an Bedeutung. C. erzeugte u. a. eine neue, gebrauchsf¨ahige Spinnfaser aus Rohrkolbenschilf und begr¨undete 1917 das Deutsche Forschungsinstitut f¨ur Textilindustrie in Dresden. C NDB Clavius, Christoph, Mathematiker, Astronom, * 1537 / 38 Bamberg, † 6. 2. 1612 Rom. C. trat 1555 in die Gesellschaft Jesu ein, studierte in Rom und Coimbra und lehrte von 1564 bis zu seinem Tod am Collegium Romanum in Rom. Er war einer der wichtigsten Mitarbeiter an der Kalenderreform Papst Gregors XIII. von 1582 und Verteidiger des neuen Kalenders (Nova Calendarii romani apologia [. . .], 1595). Seiner Mitwirkung bei der Neuformulierung der jesuitischen Studienordnung 1599 ist es zu verdanken, daß Mathematik und aristotelische Naturphilosophie zu gleichberechtigten F¨achern neben dem humanistischen Kanon wurden. C. benutzte als einer der ersten das neuerfundene Fernrohr zu Himmelsbeobachtungen und verwendete Nonien an Meßskalen. Er verteidigte Galileis

Clemen Erkenntnisse in mehreren Schriften, hatte aber theologische Bedenken gegen die Hypothesen des → Copernicus. Die von C. veranstaltete lateinische Ausgabe von Euklids Elementen (1574) stellte bis ins 18. Jh. das Standardlehrbuch f¨ur Mathematiker dar. Eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien 1611 / 12 (Opera mathematica V tomis distributa). C Fr¨ank Leb, Bd 8

Clebsch, (Rudolf Friedrich) Alfred, Mathematiker, * 19. 1. 1833 K¨onigsberg, † 7. 11. 1872 G¨ottingen. Nach dem Abschluß seines Studiums an der Univ. K¨onigsberg (1850-54) mit der Promotion (De motu ellipsoidis in fluido incompressibili viribus quibus libet impulsi) kam C., Sohn eines Regimentsarztes, 1855 als Realschullehrer nach Berlin, habilitierte sich 1858 an der dortigen Univ. und wurde noch im gleichen Jahr Prof. der theoretischen Mechanik am Polytechnikum Karlsruhe. 1863 folgte er einem Ruf als Prof. der Mathematik an die Univ. Gießen, wo er das Mathematische Seminar gr¨undete. 1868 wechselte er an die Univ. G¨ottingen und wurde dort Mitglied der Gesellschaft der Wissenschaften. Im gleichen Jahr rief er gemeinsam mit Carl Gottfried → Neumann die „Mathematischen Annalen“ ins Leben, die bald zu einer der wichtigsten mathematischen Fachzeitschriften wurden. C. ver¨offentlichte u. a. Theorie der Elasticit¨at fester K¨orper (1862), Theorie der Abelschen Funktionen (1866, Nachdr. 1967) und Theorie der bin¨aren algebraischen Formeln (1871). Zu seinen Sch¨ulern z¨ahlte Felix → Klein. C Hess Bio, Bd 1

Cleff, Maria, Malerin, Radiererin, * 30. 3. 1869 Remscheid, † 1935 D¨usseldorf. C. war Sch¨ulerin Olaf → Jernbergs und Heinrich Ottos in D¨usseldorf und Mitglied des „Vereins D¨usseldorfer K¨unstler“. Sie radierte und malte Landschaften der Eifel und Belgiens, die sie u. a. 1911 im Krefelder Kaiser-WilhelmMuseum in einer Sonderausstellung pr¨asentierte. C AKL Cleinow, Georg, Pseud. Anna Georgi, Publizist, * 27. 4. 1873 Dolhobycz´ow bei Lublin, † 20. 10. 1936 Berlin. 1883-93 in Kulm, Potsdam und Groß-Lichterfelde milit¨arisch ausgebildet, kam C., Sohn eines Gutsbesitzers, nach seiner Rußlandreise 1896 nach K¨onigsberg und nahm nach einem Unfall 1897 seinen Abschied vom Milit¨ar. Er studierte National¨okonomie und slawische Geschichte in K¨onigsberg (1897), Berlin (1898 / 99) und Paris (1900), bereiste 1901 / 02 erneut Rußland und wurde Mitarbeiter mehrerer renommierter deutscher Tageszeitungen. C. gab 1909-20 den „Grenzboten“ heraus, war 1914-16 in der deutschen Presseverwaltung in Lodz und Warschau t¨atig und anschließend bis 1918 im aktiven Kriegsdienst. 1918 begr¨undete er deutsche Vereinigungen in Posen und Westpreußen sowie deutsche Volksr¨ate in Polen. Als einer der Wegbereiter faschistischer Volkstumsideologie ver¨offentlichte der Dozent an der Berliner Hochschule f¨ur Politik und Leiter des Eurasischen Seminars zahlreiche Abhandlungen, darunter Die Polenfrage vor der Entscheidung (1918) und Der Verlust der Ostmark (1934). C NDB Clemas, Matth¨aus, auch Clemasius, Mediziner, * 26. 10. 1640 Ebersbach bei Zittau, † 25. 12. 1702. Nach dem Abschluß des Medizinstudiums als Magister an der Univ. Leipzig war C. f¨unf Jahre Leibarzt und Reisebegleiter des s¨achsischen Kanzlers Baron von Taube. Die gemeinsamen Reisen u. a. nach Prag und Wien nutzte er jeweils zu eigener Fortbildung. 1674 in Greifswald zum Dr. med. promoviert (De vulneribus fracturis et luxationibus), wurde C. im selben Jahr Stadtphysikus sowie Prof. der Medizin an der dortigen Univ. und hielt in den folgenden Jahren Vorlesungen u¨ ber Physik, Anatomie, Physiologie, Botanik und

Chemiatrie. Neben zahlreichen Dissertationen und Programmen ver¨offentlichte er u. a. Physica schematica (1690) und De praesagiis quae vulgo cordis vocantur (1699). ¨ 1 C Arzte

Clemen, Carl (Christian), evang. Theologe, Religionshistoriker, * 30. 3. 1865 Sommerfeld bei Leipzig, † 8. 7. 1940 Bonn. Der Sohn eines Oberkirchenrats und Bruder von Otto und Paul → C. studierte 1884-88 an den Universit¨aten Leipzig, T¨ubingen, Halle und Berlin, war nach der Promotion zum Dr. phil. 1889 / 90 Dozent in London und habilitierte sich 1892 an der Univ. Halle f¨ur Theologie. 1897 in Halle zum Prof. ernannt, folgte er 1903 einem Ruf an die Univ. Bonn und wurde dort 1910 Extraordinarius und 1920 Ordinarius f¨ur Neues Testament und Religionsgeschichte. C. f¨orderte besonders die religionsgeschichtliche Erforschung des Neuen Testaments (Die Entstehung des Neuen Testaments, 1906, 21926) und gab umfangreiche Quellensammlungen (Fontes historiae religionum [. . .], 7 Tle., 1920-39) sowie zahlreiche Einzelstudien (Paulus, 2 Bde., 1904; Die Religion der Etrusker, 1936) heraus. C LThK

Clemen, Otto (Konstantin), evang. Theologe, Historiker, * 30. 12. 1871 Grimma, † 9. 5. 1946 Zwickau. C., Bruder Carl und Paul → C.s, studierte Theologie in T¨ubingen, Berlin und Leipzig (Dr. theol., Dr. phil.) und wurde Hauslehrer bei dem Leipziger Buchh¨andler Karl Franz → Koehler. C. nahm anschließend historische Studien auf und trat schließlich in den Schuldienst ein; 1896-1928 war er Oberlehrer am Gymnasium in Zwickau und Leiter der Zwickauer Ratsschulbibliothek. Seit 1928 lehrte er als Prof. der Kirchengeschichte an der Univ. Leipzig. C. war Mitherausgeber der „Supplementa Melanchthoniana“ und seit 1907 Mitarbeiter der Weimarer Luther-Ausgabe. Er veranstaltete Quelleneditionen, darunter die der Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation (4 Bde., 1906-10) und die Bonner Luther-Ausgabe; in der Weimarer Luther-Ausgabe gab er den Briefwechsel heraus. C., Mitglied der s¨achsischen Akademie der Wissenschaften, ver¨offentlichte auch Studien zur Kirchen- und Geistesgeschichte der Reformation, darunter Studien zu Melanchthons Reden und Gedichten (1913) und Volksfr¨ommigkeit des ausgehenden Mittelalters (1938). C RGG

Clemen, Paul, Kunsthistoriker, * 31. 10. 1866 Sommerfeld bei Leipzig, † 8. 7. 1947 Endorf (Oberbayern). Der Bruder Carl und Otto → C.s unternahm nach den Universit¨atsstudien in Leipzig, Bonn und Straßburg ausgedehnte ¨ Reisen durch Osterreich, Frankreich und Italien und wurde 1893 erster Provinzialkonservator der Rheinprovinz. Im gleichen Jahr habilitierte sich C. an der Univ. Bonn, wurde dort 1898 a. o. Prof. der Kunstgeschichte und folgte 1899 einem Ruf als Prof. der Kunstgeschichte und der Literatur an die Kunstakademie D¨usseldorf; 1902-36 war er Ordinarius an der Univ. Bonn. 1901-04 begleitete er den preuß. Kronprinzen und seinen Bruder auf Studienreisen durch Eu¨ ropa und nach Agypten, 1907-09 lehrte er an der amerikanischen Harvard University. Sein wissenschaftliches Interesse galt haupts¨achlich der Erforschung der rheinischen Kunst; neben Einzeldarstellungen ver¨offentlichte er u. a. das enzyklop¨adische Werk Kunstdenkm¨aler der Rheinprovinz (8 Bde., 1891 ff.). C. war der Vater Wolfgang → C.s. C Leb Rhein, Bd 7

Clemen, Wolfgang, Anglist, * 29. 3. 1909 Bonn, † 16. 3. 1990 Endorf (Oberbayern). C., Sohn Paul → C.s, studierte Englische, Franz¨osische und Deutsche Philologie sowie Geschichte (Promotion 1934, Shakespeares Bilder, 21936). 1938 habilitierte er sich an der Univ. Kiel mit der Arbeit Der junge Chaucer und

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Clemens wurde mit der Vertretung des dortigen anglistischen Lehrstuhls betraut. Er leistete Kriegsdienst im Zweiten Weltkrieg und folgte nach der Entlassung aus der Gefangenschaft 1946 einer Berufung als o. Prof. der Anglistik an die Univ. M¨unchen; 1953 nahm er eine Gastprofessur an der New Yorker Columbia University wahr. C. war Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Vizepr¨asident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft; 1964 begr¨undete er die Shakespeare-Bibliothek am Anglistischen Institut der Univ. M¨unchen. Er ver¨offentlichte Studien zur englischen Literaturgeschichte und zu einzelnen Autoren (darunter Chaucer), befaßte sich in seinen Arbeiten jedoch vor allem mit Shakespeares Dramen (Shakespeares Monologe, 1985). C Jb BAW 1990

Clemens II., eigentl. Suidger, Papst, † 9. 10. 1047 bei Pesaro. Aus s¨achsischem Adel stammend, wurde Suidger Kanoniker in Halberstadt, kam 1032 als Kaplan im Gefolge des Erzbischofs Hermann nach Hamburg und trat nach dessen Tod 1035 in die kaiserliche Hofkapelle ein. K¨onig → Heinrich III. bestimmte ihn 1040 zum Bischof von Bamberg; die Weihe durch Erzbischof → Bardo von Mainz erfolgte noch im gleichen Jahr. Nach der Synode von Sutri auf Betreiben Heinrichs als Nachfolger der P¨apste Silvester III. und Gregor VI. 1046 zum Papst geweiht, kr¨onte der sich als Papst C. nennende Suidger → Heinrich III. und → Agnes von Poitou noch am selben Tag zu Kaiser und Kaiserin. Die wenigen Informationen zu seinem kurzen Pontifikat lassen ihn als kaisertreuen, reformwilligen Papst erkennen. C. starb an Malaria und wurde, da er sein Bistum behalten hatte, in Bamberg beigesetzt. C LexMA

Clemens August Maria Hyazinth von Wittelsbach, Herzog von Bayern, Kurf¨urst und Erzbischof von K¨oln, * 17. 8. 1700 Br¨ussel, † 6. 2. 1761 Ehrenbreitstein (heute zu Koblenz). Der vierte Sohn des bayerischen Kurf¨ursten → Maximilian II. Emanuel wurde vom Vater f¨ur den geistlichen Stand bestimmt und war seit 1715 Propst in Alt¨otting, 1716-23 Koadjutor des F¨urstpropstes von Berchtesgaden. 1717-19 F¨urstbischof von Regensburg, 1717-19 hielt er sich zu einer Studienreise in Italien auf. 1719 wurde er auf Betreiben seines Vaters zum F¨urstbischof von M¨unster und Paderborn gew¨ahlt, 1722 zum Koadjutor seines Onkels → Joseph Clemens, dem er 1723 als Kurf¨urst-Erzbischof von K¨oln im Amt folgte. Bei der Ernennung zum F¨urstbischof von Hildesheim 1724 verpflichtete der Papst C. A. zur Priesterweihe, der er sich 1725 unterzog. Seit 1728 war er zus¨atzlich F¨urstbischof von Osnabr¨uck, seit 1732 Hoch- und Deutschmeister. Nach der Entlassung des die kurk¨olnische Politik bestimmenden Ministers Ferdinand von → Plettenberg 1733 betrieb C. A. eine unstete Außenpolitik zwischen o¨ sterr. und franz¨osischer Orientierung. C. A. war ein bedeutender F¨orderer der K¨unste und Bauherr. C Gatz 3 Clemens Wenzeslaus Hubertus Franziskus, Herzog zu Sachsen, Kurf¨urst und Erzbischof von Trier, * 28. 9. 1739 Schloß Hubertusburg (Sachsen), † 27. 7. 1812 Marktoberdorf (Schwaben). Der j¨ungere Sohn des s¨achsischen Kurf¨ursten → Friedrich August II. und Enkel Kaiser → Josephs I. nahm als Offizier am Siebenj¨ahrigen Krieg teil und schlug ohne entsprechende Ausbildung 1761 die geistliche Laufbahn ein. 1763 wurde er Bischof von Freising und Regensburg, empfing 1764 die Priesterweihe und wurde Koadjutor in Augsburg. 1768 zum Kurf¨urst-Erzbischof von Trier gew¨ahlt, fiel ihm noch im gleichen Jahr durch den Tod des Augsburger Bischofs das dortige Hochstift zu. C. W. mußte die Bischofsst¨uhle Freising und Regensburg aufgeben, sanierte

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in Trier die Finanzen des Kurerzstifts, f¨orderte Bildungswesen und Wirtschaft und strebte einen patriarchalischabsolutistischen Wohlfahrtsstaat an. In der Kirchen- und Innenpolitik immer mehr reaktion¨aren Positionen zugeneigt, wurde er 1794 von den franz¨osischen Revolutionstruppen aus Trier vertrieben; C. W. ließ sich in Augsburg nieder, dessen Bischofsstuhl er u¨ ber die S¨akularisation und den Verlust s¨amtlicher Territorien hinaus behalten konnte. C Gatz 4

Clemens, Theologe, 8. Jh. C. lebte als Wander- und Missionsbischof in Austrien und predigte gegen den Z¨olibat sowie gegen die Autorit¨at der Kirchenv¨ater Augustinus, Hieronymus und Gregor. Wegen seiner These, Christus habe durch die H¨ollenfahrt nicht nur die Gerechten des Alten Bundes, sondern alle Menschen erl¨ost, wurde er 743 gemeinsam mit Bischof Aldebert von → Bonifatius zu Klosterhaft verurteilt. Beide unterwarfen sich auch nach der Erneuerung des Spruchs durch die fr¨ankische Synode 745 nicht, so daß Bonifatius mit Unterst¨utzung durch Papst Zacharias C. und seine Anh¨anger mit Bann belegte. 747 wurde ein neues Verfahren gegen den immer noch renitenten C. angestrengt; danach verlieren sich seine Spuren. M¨oglicherweise ist C. mit jenem Bischof Clemens identisch, der 772 Herzog → Tassilo von Bayern und alle Bisch¨ofe zum Krieg gegen die nichtchristlichen V¨olker aufrief. C NDB Clemens, Franz (Friedrich) Jakob, Philosoph, Politiker, * 4. 10. 1815 Koblenz, † 24. 2. 1862 Rom. C., Sohn eines Kaufmanns und Bankiers, studierte Philosophie und Philologie in Berlin und Bonn, wurde 1839 promoviert (De philosophia Anaxagorae Clazomenii), bildete sich in M¨unchen und Rom weiter und habilitierte sich 1843 f¨ur Philosophie an der Univ. Bonn. Seit er 1845 in einer Streitschrift gegen Johannes Gustav → Gildemeister und Heinrich von → Sybel die Echtheit des sogenannten Heiligen Rocks zu Trier verteidigte, galt er als dezidiert katholisch. Als Mitglied des Parlaments in der Frankfurter Pauls¨ kirche trat er u. a. f¨ur die Vormachtstellung Osterreichs im Deutschen Bund ein. Seine Replik gegen → G¨unther (Die speculative Theologie Anton G¨unther’s und die katholische Kirchenlehre, 1853) fand die Zustimmung der Amtskirche. C. war langj¨ahriger Mitarbeiter der Zeitschrift „Katholik“. Nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen, eine Professur in Bonn zu erhalten, folgte er 1856 einem Ruf als o. Prof. an die Univ. M¨unster; zu seinen Sch¨ulern z¨ahlte u. a. Georg von → Hertling. C Christl Phil, Bd 2 Clemens, Gottfried, evang. Theologe, Dichter, * 1. 9. 1706 Berlin, † 31. 3. 1776 Herrnhut. C. war seit dem Theologiestudium 1726-30 in Jena mit August Gottlieb → Spangenberg befreundet. 1734-46 u¨ bernahm er verschiedene Hofpredigerstellen an den kleinen, pietistisch bestimmten H¨ofen in Lobenstein, Sorau und Ebersdorf und trat 1746 gemeinsam mit der Hofgemeinde von Ebersdorf zur Herrnhuter Br¨udergemeine u¨ ber. Sp¨ater Prediger in Barby, Gnadenfrei und Herrnhut, gr¨undete er 1754 das neue Br¨uderseminar in Barby. C. gab → Zinzendorfs Reden u¨ ber biblische Texte heraus; von ihm stammen zahlreiche geistliche Lieder. C BBKL Clemens, (Hermann Herbert) Roman, B¨uhnenbildner, * 11. 2. 1910 Dessau, † 3. 2. 1992 Z¨urich. C. studierte 1927-31 am Bauhaus Malerei bei Paul → Klee, Wassily → Kandinsky und Oskar → Schlemmer sowie Architektur bei Walter → Gropius und Ludwig → Mies van der Rohe, war 1929-31 B¨uhnenbildassistent am FriedrichTheater in Dessau und 1932-43 Chefb¨uhnenbildner und B¨uhnendirektor am Opernhaus Z¨urich. 1945 mehrere Monate interniert, war er sp¨ater als Zeitschriftenillustrator

Clemm und freier K¨unstler t¨atig. C. f¨uhrte zahlreiche TheaterArchitekturprojekte durch, gestaltete Ausstellungsarchitektur in Europa, Japan, Indien und den USA und war seit 1962 Mitglied der Deutschen Film- und B¨uhnenakademie in Frankfurt / Main. Er ver¨offentlichte den Bildband B¨uhnenbilder (1941). C Exiltheater

Cl´ement, Bertha, Schriftstellerin, * 25. 8. 1852 Ludwigslust, † 22. 8. 1930 Ludwigslust. Seit 1893 ver¨offentlichte C., angeregt durch Erz¨ahlungen und Reisebeschreibungen ihres Vaters, eines Malers, in rascher Folge zahlreiche Prosab¨ande, die als sogenannte „Backfischb¨ucher“ jugendliches Publikum ansprachen und zum Teil hohe Auflagen erzielten. Literarisch wenig anspruchsvoll, z¨ahlen C.s meist in der Reihe „Kr¨anzchen-Bibliothek“ im Leipziger Union Verlag erschienenen Werke neben den Schriften Clementine Helms, Emmy von → Rhodens und Else → Urys zu den bekanntesten ihres Genres (u. a. Amtsrichters T¨ochter, 1903); nach dem Ersten Weltkrieg verloren ihre B¨ucher an Leserschaft. C Killy

Clement, David, evang. Theologe, Publizist, * 16. 6. 1701 Hofgeismar (Hessen), † 10. 1. 1760 Hannover. Der Sohn eines franz¨osischen Einwanderers studierte Theologie an den Universit¨aten Rinteln, Marburg und Bremen und wurde 1725 Nachfolger seines Vaters als Pastor in Hofgeismar. 1737 folgte er einer Berufung als franz¨osischer Prediger nach Braunschweig und wechselte 1743 nach Hannover. C. verfaßte u. a. ein umfangreiches, unvollendet gebliebenes bibliographisches Werk, Biblioth`eque curieuse historique et critique [. . .] (9 Teile, 1750-60, A bis Hes), das ihn als Bibliographen in der Nachfolge Maittaires ausweist. C ADB

Clement, Franz Joseph, o¨ sterr. Musiker, Dirigent, Komponist, * 17. 11. 1780 Wien, † 3. 11. 1842 Wien. C.s Vater war Truchseß beim Grafen von Harsch und Geiger in dessen Privatkapelle. C. erlernte das Geigenspiel bei seinem Vater, wurde sp¨ater Sch¨uler Giovanni Maria Giornovichis und deb¨utierte 1788 als Geiger. Anschließend unternahmen Vater und Sohn erfolgreiche Konzertreisen u. a. nach London und Amsterdam. C. war 1802-11 Kapellmeister am Theater an der Wien und spielte 1806 die Urauff¨uhrung des Violinkonzerts in D-Dur op. 61 von → Beethoven, das der Komponist im Manuskript C. widmete. Eine Rußlandtournee 1811 mußte er, der Spionage verd¨achtigt, vorzeitig abbrechen. 1813 wurde C. Konzertmeister unter Carl Maria von → Weber in Prag und kehrte 1817 in seine Kapellmeisterstelle am Theater an der Wien zur¨uck. Gemeinsam mit der S¨angerin Angelica Catalani unternahm er in den folgenden Jahren Konzertreisen durch Europa. C. komponierte Violin- und Klavierkonzerte, Ouvert¨uren, Kammermusik, eine Messe und B¨uhnenst¨ucke (u. a. Der betrogene Betr¨uger), die haupts¨achlich zu seinen Lebzeiten Beachtung fanden. Er starb in a¨ rmlichen Verh¨altnissen. C MGG

Clementia von Z¨ahringen, Herzogin von Sachsen und Bayern, † vor 1167. Die Tochter Herzog → Konrads II. von Z¨ahringen wurde um 1148 / 49 entsprechend der welfisch-z¨ahringischen Koalition gegen die Staufer mit Herzog → Heinrich dem L¨owen verm¨ahlt. Sie brachte die Burg Baden (Badenweiler im Breisgau) in die Ehe ein, die Heinrich der L¨owe jedoch 1158 gegen Besitzungen im Harz tauschte. In Vertretung Heinrichs verhandelte C. 1151 mit dem Obotritenf¨ursten Niklot, veranlaßte einen Feldzug gegen die Wenden und bestimmte 1154 → Gerold zum Bischof von Oldenburg. W¨ahrend der Abwesenheit Heinrichs 1154 / 55 auf der Kr¨onungsfahrt → Friedrichs I. verwaltete sie mit → Adolf II. von Schauenburg das Herzogtum Sachsen. Die Ehe C.s mit Hein-

rich wurde 1162 unter ver¨anderten politischen Verh¨altnissen gel¨ost. Sie heiratete in zweiter Ehe den savoyischen Grafen Humbert III. von Maurienne. C LexMA

Clemenz, Bruno, P¨adagoge, Publizist, * 14. 11. 1873 Liegnitz, † n. e. Nach seiner Ausbildung zum Lehrer war C. in verschiedenen schlesischen D¨orfern t¨atig, kam 1898 nach Liegnitz und war dort seit 1910 Rektor. 1920 berief ihn das Reichsministerium als Einzelberichterstatter in den Ausschuß „Heimat und Schule“ der Reichsschulkonferenz. C. stellte Richtlinien zur Einf¨uhrung einer sogenannten „Heimatschule“ auf, die in der Reichsschulkonferenz angenommen wurden, und erhielt den Beinamen „Vater der Heimatschule“. Er gab die von ihm gegr¨undete illustrierte Zeitschrift „Schlesien“ und seit 1911 die „Schlesische Jugend- und Volksb¨ucherei“ heraus. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen neben Lehrb¨uchern historische Studien, Biographien und Mundartliteratur; u. a. Mein R¨ubezahlbuch (1923) erfuhr mehrere Auflagen.

Clemm, Adolf (Carl), Industrieller, * 18. 9. 1886 Mannheim, † 1. 7. 1955 Freiburg. Der Neffe August und Carl → C.s erhielt seine Berufsausbildung seit 1905 beim Verein Chemischer Fabriken in Mannheim, seit 1907 bei der Rheinischen Creditbank in Freiburg / Breisgau und kam 1908 zur Compagnie Commerciale Belge. 1912 kehrte er als Prokurist des Vereins Chemische Fabriken nach Mannheim zur¨uck und wurde dort 1914 ordentliches Vorstandsmitglied. Im Ersten Weltkrieg zun¨achst an der Front, wurde er 1917 zur Kriegsrohstoff-Versorgung abkommandiert. C. war seit 1921 Vorstandsmitglied der Rhenania, von 1926 an des Rhenania-Kunheim Vereins Chemischer Fabriken in Berlin, nach dessen Fusion mit den Kaliwerken Neu-Staßfurt Friedrichshall Vorstandsmitglied der nunmehrigen Kali-Chemie AG Berlin und seit 1934 Leiter der Wirtschafts-Gruppe „Chemische Industrie“.

Clemm, August (Ernst Konrad) Ritter von, Industrieller, * 8. 12. 1837 Gießen, † 28. 10. 1910 Schloß Haardt bei Neustadt / Weinstraße. Der Sohn eines Universit¨atskanzleirats und Bruder Carl → C.s durchlief eine kurze kaufm¨annische Lehre, studierte Chemie, trat nach der Promotion 1862 in die Anilinfabrik Dyckerhoff, Clemm & Co. in Mannheim ein und wurde im folgenden Jahr Teilhaber der in Sonntag, Engelhorn & Clemm umbenannten Firma. Nach der Gr¨undung der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik (BASF) 1866 von seinem Onkel Carl → Clemm-Lennig mit der Leitung des Ludwigshafener Unternehmens betraut, war C. in der Anilinfarbenherstellung sowie in der Verwaltung unter Friedrich → Engelhorn t¨atig und wurde 1869 dessen Vertreter, 1897 Aufsichtsratsvorsitzender der BASF. 1872-98 war er Pr¨asident der Pf¨alzer Handels- und Gewerbebank in Ludwigshafen und wurde 1886 Vorsitzender der dort ans¨assigen Pf¨alzer Hypothekenbank. C. geh¨orte 1883-99 f¨ur den Wahlkreis Speyer der nationalliberalen Fraktion des Bayerischen Landtags an, 1893-97 als dessen Vizepr¨asident, 1897-99 als dessen Pr¨asident und war danach Reichsrat der Krone Bayern. C NDB

Clemm, Carl (Friedrich), Industrieller, * 16. 8. 1836 Gießen, † 20. 2. 1899 Ludwigshafen. Der Bruder August → C.s wurde nach dem Chemiestudium am Polytechnikum Karlsruhe und der Univ. Gießen Chemiker im Betrieb seines Onkels Carl → Clemm-Lennig in Mannheim und war 1861 Mitbegr¨under der Fabrik f¨ur Anilin- und Teerfarben Dyckerhoff, Clemm & Co., die 1865 als Firma Sonntag, Engelhorn & Clemm der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik AG (BASF) zugef¨uhrt wurde. C. u¨ bernahm die Leitung der Betriebe, die sich mit anorganischer Chemie befaßten, der Chromgr¨unherstellung und der

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Clemm Werkst¨atten. 1883 schied er aus der nunmehr gr¨oßten deutschen chemischen Fabrik aus und gr¨undete im folgenden Jahr die Zellstoffabrik in Waldhof bei Mannheim, die er als technischer Direktor in den n¨achsten 15 Jahren ebenfalls zu Weltruhm brachte. Der Vater Hans → C.s war langj¨ahriger Pr¨asident des Aufsichtsrats der Pf¨alzer Bank und u. a. an Versicherungsgesellschaften und an der DeutschOstafrikanischen Gesellschaft beteiligt; 1887-93 geh¨orte er als nationalliberaler Abgeordneter dem Reichstag an. C Haunfelder, Lib Abg

Clemm, Hans, Industrieller, * 18. 12. 1872 Ludwigshafen, † 29. 10. 1927 Darmstadt. Der Sohn Carl → C.s studierte Chemie und trat nach der Pro¨ motion an der Univ. Kiel (Uber die Hydrazide und Azide der Glutar- und Korks¨aure und u¨ ber das 1,6-Diaminohexan) in die v¨aterliche Zellstoffabrik Waldhof bei Mannheim ein. Anschließend in deren estnischem Zweigwerk in Pernau t¨atig, kehrte C. 1902 als technischer Direktor in den Vorstand des Stammwerks zur¨uck. Unter seiner Leitung wurde das Werk entscheidend vergr¨oßert und f¨uhrte mehrere chemische Verfahren erstmals durch; so befaßte man sich in Waldhof als erste Fabrik in Deutschland mit der Kunstseidenherstellung aus Zellstoff. Mit einer Tagesproduktion von 300 Tonnen war das Werk zeitweise das gr¨oßte Zellstoffunternehmen Mitteleuropas. C. schloß dem Unternehmen mehrere Fabriken an und war schließlich Aufsichtsratsvorsitzender von sieben Zellulose- und Papierfabriken, seit 1925 des RhenaniaKunheim Vereins Chemischer Fabriken in Berlin und der Oberrheinischen Versicherungsgesellschaft. C NDB

Clemm, Heinrich Wilhelm, evang. Theologe, Mathematiker, * 13. 12. 1725 Hohen-Asperg (W¨urttemberg), † 27. 7. 1775 T¨ubingen. C. studierte Philosophie, Mathematik und Theologie, lehrte 1750-52 Philosophie und Theologie am T¨ubinger Stift und unternahm eine gelehrte Reise durch Deutschland. 1753 wurde er Vikar der Stuttgarter Hofkapelle und war 1754-61 Prof. und Prediger im Kloster Bebenhausen bei T¨ubingen. C. wechselte als Prof. der Mathematik an das Gymnasium in Stuttgart, wo er seit 1763 zus¨atzlich Bibliothekar der Regierungsbibliothek war. Nach der Promotion zum Dr. theol. 1767 mit der Arbeit De concordia theologorum nostra inprimis aetate quammaxime necessaria wurde er Prof. der Theologie an der Univ. T¨ubingen und war dort auch Stadtpfarrer sowie Superintendent. Er ver¨offentlichte u. a. Vollst¨andige Einleitung in die Religion und gesammte Theologie (7 Bde., 1762-73), Schriftm¨assige Betrachtung ueber den Tod der Menschen und ihren Zustand nach dem Tod (31761) und Mathematisches Lehrbuch [. . .] nebst einem Anhang von der Naturgeschichte und Experimentalphysik (2 Bde., 1764). C ADB

Clemm-Lennig, Carl (Wilhelm Heinrich), Industrieller, * 18. 8. 1818 Lich bei Gießen, † 26. 3. 1887 Heidelberg. C.-L., dessen Vater f¨urstlich solmsischer Kammerassessor, dann großherzoglich hessischer Landgerichtsaktuar war, erhielt eine Ausbildung zum Apotheker und studierte seit 1838 Chemie an der Univ. Gießen. Nach der Promotion bei Justus von → Liebig 1845 empfahl ihn dieser als technischen Helfer an die chemische Fabrik Charles Lennigs nach Bridgesburg (USA). Mit seiner Frau, Lennigs Schwester, kehrte C.-L. 1848 nach Deutschland zur¨uck und erwarb zusammen mit drei Kompagnons die Schwefels¨aure- und Sodafabrik Giulini auf dem Gutshof Wohlgelegen bei Mannheim. Nach dem Zusammenschluß mit der Heilbronner Fabrik seines Bruders 1852 trat er 1853 als leitender chemischer Direktor aus dem Unternehmen aus und errichtete 1854, von seinem Lehrer Liebig beraten, die erste gr¨oßere chemische D¨ungerfabrik S¨uddeutschlands in Mannheim. C.-L. gilt als der eigentliche Begr¨under der Mannheim-Ludwigshafener Chemischen

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Industrie, obwohl sein Plan, nach englischem Vorbild Anilinfarben zu produzieren, erst von seinen Neffen, den Br¨udern August und Carl → Clemm, realisiert wurde. C NDB

Clenck, Rudolf, auch Clenke, Clenken, Klenk, kath. Theologe, * 17. 4. (?) 1528 Bremen, † 6. 8. 1578 Calenberg. Nach dem Studium an den Universit¨aten Wittenberg, Jena, Rostock und Krakau begleitete C. adlige Jugendliche auf Studienreisen u. a. nach Rußland, Schweden, D¨anemark, England, Frankreich und Italien und ging anschließend an die Univ. L¨owen, wo er den Grad eines juristischen Lizentiaten erwarb. Durch Vermittlung des Konvertiten Friedrich → Staphylus erhielt er von Herzog → Albrecht V. von Bayern ein Stipendium. C. trat zum Katholizismus u¨ ber und begann ein Studium der kath. Theologie, das er 1562 / 63 in Ingolstadt abschloß. 1564 wurde er Seminarleiter und Domprediger in Eichst¨att, lehrte seit 1570 als Prof. der Theologie an der Univ. Ingolstadt Exegese, Dogmatik und Moral und war dar¨uber hinaus Vorstand des dortigen Priesterseminars Georgianum. 1577 berief ihn Herzog → Erich II. von Braunschweig zur Bek¨ampfung des Protestantismus nach Calenberg. Er verfaßte kontroverstheologische Schriften, darunter De merito bonorum operum (1573). C LMU Clenovius, Michael, eigentl. Kleinow, evang. Theologe, Dichter, * um 1565 Hamburg, † 1631 Schenefeld bei Rendsburg. C. besuchte das Johanneum in seiner Geburtsstadt, studierte Theologie und wurde 1588 Hofprediger und Bibliothekar des Statthalters der Herzogt¨umer Schleswig-Holstein, Heinrich von Rantzow, auf Schloß Breitenburg. 1604 folgte er einer Berufung als Pastor nach Schenefeld in der Propstei Rendsburg, wo er bis zu seinem Tod wirkte. C. war unter den Zeitgenossen wegen seiner lateinischen und niederdeutschen Dichtungen, die zum Teil wiederholt aufgelegt wurden (u. a. Myrmeciae tirociniorum poeticorum, 1614), bekannt. C ADB Clerfait, Karl Josef von Croix Graf von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 14. 10. 1733 Schloß Bruille (Hennegau), † 21. 7. 1798 Wien. Seit 1753 in der o¨ sterr. Armee, zeichnete sich C. im Siebenj¨ahrigem Krieg aus und wurde 1763 Oberst. Seit 1783 Korpsf¨uhrer im T¨urkenkrieg, z¨ahlte er neben → Laudon und → Josias von Sachsen-Coburg zu den erfolgreichsten Offizieren, vertrieb die T¨urken aus dem Banat und eroberte 1789 gemeinsam mit Laudon Belgrad. Im Ersten Koalitionskrieg gegen Frankreich befehligte er die Fl¨ugelarmee des Hauptheeres und kommandierte sp¨ater auf den niederl¨andischen Kriegsschaupl¨atzen. 1795 erhielt er als Reichsfeldzeugmeister den Oberbefehl u¨ ber eine Armee am Niederrhein. Nach Differenzen mit Minister → Thugut blieb er Hofkriegsrat ohne weiteren Einfluß.

Clericus, Ludwig (August), Heraldiker, Publizist, Illustrator, * 28. 3. 1827 Danzig, † 1. 3. 1892 Magdeburg. C., Sohn eines Hauptkassenkontrolleurs, studierte an der Univ. K¨onigsberg 1847-50 Rechtswissenschaften und besuchte anschließend bis 1854 die dortige Kunstakademie. 1855-80 lebte er als freier Schriftsteller und Illustrator in Berlin, wo er Mitarbeiter zun¨achst des „Kladderadatsch“, sp¨ater der „Illustrirten Zeitung“ (Leipzig) wurde. C. bet¨atigte sich als Sammler und Forscher auf dem Gebiet der Wappen-, Siegel- und M¨unzkunde, der Genealogie und des Kunsthandwerks, gab 1874-80 den „Deutschen Herold“ heraus und siedelte nach Magdeburg u¨ ber, wo er Sekret¨ar des Kunstgewerbevereins, Herausgeber der Zeitschrift „Pallas“ und Vorstand des Kunstgewerbemuseums wurde. Er baute die Magdeburger Sammlungen aus und veranstaltete periodische Wanderausstellungen in deutschen Großst¨adten sowie 1891 in Lon-

Cleve don. Neben seiner fachgebundenen Publikationen (u. a. Das Wappen des deutschen Kaisers [. . .], 1871) ver¨offentlichte C. Belletristisches, zuletzt die autobiographische Novelle Amtlich totgeschwiegen (1888). C NDB

Clermont, (Johann) Arnold, auch Klermondt, Kaufmann, * 24. 5. 1728 Aachen, † 5. 12. 1795 Vaalsbroich. Der Sohn einer traditionsreichen, seit 1709 in Aachen ans¨assigen Handelsfamilie, deren Gesch¨aftskontakte im 18. Jh. haupts¨achlich mit Rußland, dem Baltikum, Finnland, ¨ Schweden, Osterreich, B¨ohmen und S¨uddeutschland bestanden, entwickelte das Unternehmen unter seiner Leitung zu einer Firma von europ¨aischem Ruf. Er erwarb 1761 den Edelsitz Vaalsbroich und siedelte im Dorf Vaals bei Aachen ein neues Werk f¨ur Tuchherstellung und F¨arberei an. C. bem¨uhte sich in Aachen um Wirtschafts- und Sozialreformen und war 1794 / 95 Mitglied der provisorischen Zentralverwaltung f¨ur die franz¨osisch besetzten Gebiete zwischen Maas und Rhein. Als eine der herausragenden Pers¨onlichkeiten der Aufkl¨arung in Aachen unterhielt er Kontakte u. a. zu Wilhelm von → Humboldt sowie zu Karoline und Johann Gottfried → Herder, der die Bezeichnung „Vaalser Paradies“ f¨ur C.s Wohnsitz pr¨agte. C NDB

Cles, Bernhard von, Bischof von Trient und Brixen, Kardinal, * 11. 3. 1485 Schloß Cles bei Nonsberg (Trentino), † 30. 7. 1539 Brixen. Seit 1514 Bischof von Trient, hatte C., dessen Vater Hauptmann von Trient war, zun¨achst als Geheimer Rat → Maximilians I., sp¨ater als oberster Kanzler, Pr¨asident des Geheimen Rats und Vertrauter K¨onig → Ferdinands I. großen Einfluß auf die Politik. Von 1530 an Kardinal, war C. 1534 Ferdinands Kandidat f¨ur die Papstwahl und wurde 1539 Bischof von Brixen. C. legte großen Wert auf Disziplin in seiner Di¨ozese (Visitationsdekrete 1524, 1531, 1536) und verstand es, die Rechte seines F¨urstentums zu wahren. Er stand in Briefwechsel mit Humanisten wie → Erasmus, errichtete die Trientiner M¨unze neu und veranlaßte u. a. die Vervollst¨andigung des Trientiner Domes durch die Kuppel und den Campanile. C NDB Cles, Ferdinand Frh. von, Journalist, Schriftsteller, * 24. 6. 1907 Absam / Hall (Tirol), † 3. 5. 1982 Berlin. C., dessen Vater, aus altem o¨ sterr. Adel, Offizier gewesen war, studierte Rechtswissenschaft und Philosophie in Innsbruck, Wien, Berlin und Paris. 1933-38 war er Korrespondent der „Neuen Freien Presse“ in Rom, 1938-40 der „Berliner B¨orsen-Zeitung“ und 1939-43 des „Neuen Wiener Tagblatts“. 1941 / 42 zun¨achst Soldat, arbeitete C. bis 1945 als presse- und kirchenpolitischer Referent in der deutschen Botschaft in Rom, dann in Mussolinis Hauptquartier. 1945-48 war er als freier Schriftsteller t¨atig und arbeitete seit 1949 f¨ur die Wiener „Presse“, bis 1951 als Verfasser von Leitartikeln zur Außenpolitik, dann als Korrespondent. 1958-72 war C. Hauptreferent und Leiter der Abteilung „Ausw¨artige Beziehungen“ der OECD in Paris. Er ver¨offentlichte u. a. Wege durch den Schatten (1948) und Licht aus dem Westen. Der Geist der neuen Welt (1957). C Munzinger Cless, David Friedrich von, evang. Theologe, Geschichtsschreiber, * 13. 2. 1768 Calw, † 10. 8. 1810. Nach dem Theologiestudium in T¨ubingen erhielt C. 1792 eine Repetentenstelle am dortigen Theologischen Stift und wurde 1796 Diakon in Heidenheim, 1799 in G¨oppingen und 1807 in Schorndorf. Seit 1809 in den Adelsstand erhoben, u¨ bernahm er 1810 das Dekanat und die Stadtpfarrei in Reutlingen. Er legte umfangreiche Sammlungen bislang unver¨offentlichten historischen Quellenmaterials an und publizierte einen Versuch einer kirchlich-politischen Landes- und Culturgeschichte von W¨urttemberg bis zur Reformation (unvollendet, 2 Teile davon 1806 / 07).

Cless, Georg von, Mediziner, * 20. 4. 1815 Stuttgart, † 20. 3. 1884 Bad Cannstatt (heute zu Stuttgart). C., Sohn von Georg Philipp C., Vorstand des KatharinenHospitals in Stuttgart, studierte seit 1832 in T¨ubingen Medizin und wurde 1837 mit der Arbeit Geschichte der Schleimfieberepidemieen Stuttgarts von 1783-1836 promoviert. 1838 ließ er sich als Arzt in Stuttgart nieder, begr¨undete 1842 mit dem Arzt Otto Elben ein Kinderhospital, die sp¨atere Olgaheilanstalt, und 1850 die a¨ rztliche Unterst¨utzungskasse, deren Gesch¨aftsf¨uhrer er war. Als a¨ rztliches Mitglied des Strafanstalts-Collegiums 1855-77 verringerte er die Krankheitsf¨alle und Sterblichkeit der Gefangenen durch eine Verbesserung ihrer Betreuung. C. wertete Material seines Vaters in zahlreichen Sektionsberichten aus und gab 1871 in seinem ¨ Werk Impfung und Pocken in W¨urttemberg einen Uberblick u¨ ber die Impfgeschichte des Landes. Weitere Ver¨offentlichungen waren u. a. Ueber Luft im Blut in pathologischer Beziehung (1854) und Die Heilquellen und Curorte W¨urttembergs (1859). C Kreuter

Clessin, Stephan, Zoologe, Pal¨aontologe, * 13. 11. 1833 W¨urzburg, † 21. 12. 1911 Regensburg. C., Sohn eines Obersten, schlug zun¨achst die Offizierslaufbahn ein, wechselte 1862 zum bayerischen Bahndienst und widmete sich daneben sowie seit 1904 als Pensionist in Regensburg umfangreichen naturwissenschaftlichen Forschungen. Vor allem durch seine umfassenden Sammelaktivit¨aten wurde er zu einem wichtigen Forscher der Malakozoologie; 13 neue Molluskenarten wurden von ihm beschrieben und tragen seinen Namen. C. war Mitglied u. a. des Naturwissenschaftlichen Vereins Regensburg, Herausgeber der „Malakozoologischen Bl¨atter“ und Mitarbeiter an dem Standardwerk Systematisches Conchylien-Cabinett (1881-1904) von Friedrich Heinrich Wilhelm → Martini und Johann Hieronymus → Chemnitz. Die umfangreiche „Sammlung Clessin“ befindet sich in der W¨urttembergischen Naturaliensammlung in Stuttgart. C. ver¨offentlichte neben malakozoologischen Studien (Deutsche Exkursions-Mollusken-Fauna, 1877, 21884) Arbeiten zur Pal¨aontologie, Geologie sowie zur Vorgeschichte des Menschen und der Erde. C NDB

Cleve, Hartwig, Genetiker, * 9. 6. 1928, † 17. 1. 1994 Dießen / Ammersee. C. wurde 1953 in G¨ottingen zum Dr. med. promoviert (Serumeiweiß- und -lipoidver¨anderungen bei langdauernder Plasmapherese am Hund); 1963 habilitierte er sich in Marburg f¨ur Innere Medizin (Die gruppenspezifischen Komponenten des menschlichen Serums), 1966 f¨ur Humangenetik. Der Direktor des Instituts f¨ur Humangenetik und Anthropologie an der Univ. M¨unchen war seit den sechziger Jahren maßgeblich am Wiederaufbau des Faches Humangenetik in Deutschland beteiligt. Als Gr¨undungspr¨asident der Gesellschaft f¨ur Humangenetik hatte er sich f¨ur deren Neuorganisation eingesetzt. 1967 wurde er Associated Prof. an der Cornell-University in New York und folgte 1973 einem Ruf als o. Prof. an die Univ. M¨unchen.

Cleve, Johann Friedrich, Milit¨ar, * 1739 Braunschweig, † 6. 1. 1826. C. trat als Zwanzigj¨ahriger in ein braunschweigisches Regiment ein und nahm am Siebenj¨ahrigen Krieg teil. Danach in holl¨andischen Diensten, wurde er Adjutant Herzog Ludwig Ernsts von Braunschweig, kehrte 1776 nach Braunschweig zur¨uck, ging als Adjutant des Generals von → Riedesel unter englischem Sold nach Amerika, geriet in Gefangenschaft, aus der er 1783 zur¨uckkehrte. Als Kapit¨an beurlaubt, lebte er bei Herzog Ludwig Ernst in Eisenach. Nach dem Tod des Herzogs wurde C. als Major erneut Adjutant Riedesels, hielt mit ihm u. a. die Festung Maastricht besetzt und wurde 1816 Generalmajor. C ADB

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Cleve Cleve, Johannes de, auch Cl`eve, Cleue, Clefe, Cleff, Johann de, Jean de, Komponist, Kapellmeister, S¨anger, * 1528 / 29 wahrscheinliche in Kleve, † 14. 7. 1582 Augsburg. C. war seit 1553 Tenorist der Wiener Hofkapelle unter → Ferdinand I. und wurde um 1560 beauftragt, in den Niederlanden S¨anger anzuwerben. Nach dem Tod Ferdinands wurde er unter dessen Sohn Erzherzog → Karl II. Hofkapellmeister in Graz und schied 1570, mit einer lebensl¨anglichen Pension versehen, aus dieser Stelle aus. C. erscheint 1576 in Wien und lebte von 1579 bis zu seinem Tod in Augsburg. C.s weitverbreitete Werke geh¨oren fast ausschließlich dem Bereich der geistlichen Musik an; er komponierte haupts¨achlich Motetten und schrieb u. a. zwanzig vierstimmige Cantus-firmus-S¨atze f¨ur den ersten steirischen Notendruck, die Gesang-Postill (2 Tle., 1569-74) des Grazer Stadtpfarrers Andreas Gigler. C MGG

Cleven, Wilhelm, kath. Theologe, * 15. 7. 1893 Saeffeln, † 14. 8. 1983 K¨oln. Nach der Priesterweihe 1921 war C. f¨unf Jahre Kaplan, anschließend 22 Jahre Religionslehrer in D¨usseldorf. Kardinal Joseph → Frings berief ihn ins K¨olner Domkapitel und Generalvikariat. Durch Papst Pius XII. wurde er 1950 zum Titularbischof von Sasima und Weihbischof in K¨oln ernannt. 1958-70 leitete C. die Schulabteilung des Generalvikariats, bis 1978 oblag ihm mehr als 20 Jahre lang als Domdechant ¨ die Sorge um den Gottesdienst im K¨olner Dom. Uber die Erzdi¨ozese hinaus wirkte er viele Jahre als Großprior des Ritterordens vom Heiligen Grab und als Vorsitzender des deutschen Lourdes-Vereins. C Gatz 5

Clewing, Carl, auch Karl C., Schauspieler, S¨anger, Musikwissenschaftler, * 22. 4. 1884 Schwerin, † 16. 5. 1954 Badenweiler. C. war Schauspieler an den Stadttheatern Bromberg und Straßburg, am Berliner Theater und 1911-20 am Kgl. Schauspielhaus Berlin und studierte seit 1917 daneben Gesang bei Francisco d’Andrade, Wilhelm → Gr¨uning und Ernst → Grenzebach. Nachdem er als sich selbst mit der Laute begleitender S¨anger auf Berliner Konzertabenden bekannt geworden war und 1920 als Operns¨anger gastiert hatte, erhielt er 1922 ein Engagement als Heldentenor an der Berliner Staatsoper. 1924 / 25 sang er bei den Bayreuther WagnerFestspielen, 1925 den Paganini in der Urauff¨uhrung der gleichnamigen Operette von Franz → Leh´ar in Wien. C. beendete 1926 seine B¨uhnenkarriere, lehrte zun¨achst in Berlin, seit 1929 als Prof. am Wiener, seit 1932 schließlich am Berliner Konservatorium und war daneben 1932-44 k¨unstlerischer Produktionsleiter der Schallplattenfirma Telefunken. Als Forscher und Publizist besch¨aftigte er sich mit dem Volkslied (u. a. Denkm¨aler deutscher Jagdkultur, 3 Bde., 1937 / 38). C MGG Cleyer, Andreas, Botaniker, Japanforscher, Mediziner, * um 27. 6. 1634 Kassel, † zwischen 20. 12. 1697 und 26. 3. 1698 Batavia (heute Jakarta, Java). C. kam vermutlich als Soldat nach Niederl¨andisch-Indien, war beim Eintritt in die Ostindische Kompanie 1666 Lizentiat der Medizin und wurde Rektor der Lateinschule in Batavia. Seit 1667 war er Vorstand der Apotheke, seit 1676 der Lazarettapotheke und von 1680 an Rat der Justiz in der obersten Landesbeh¨orde. C. erhielt erstmals 1682 / 83 die Stelle des j¨ahrlich wechselnden Vorstands der holl¨andischen Faktorei in Japan; seine zweite Amtszeit 1685 / 86 endete mit seiner Verbannung aus Japan wegen Schmuggelgesch¨aften. C. f¨uhrte umfangreiche botanische Bestandsaufnahmen in Ost- und S¨udostasien durch und sammelte zoologische und medizinische Kenntnisse. Seine meist an Christian Mentzel in Berlin geschickten Materialien ver¨offentlichte dieser teils

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in den „Miscellanea“ der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, deren Mitglied C. seit 1678 war, teils blieben sie unver¨offentlicht, wie die dreib¨andige Flora Japonica, die erste derartige europ¨aische Studie u¨ ber Japan. 1682 erschien sein Werk Specimen medicinae sinicae. C NDB

Cleymann, Friedrich Joseph, Kaufmann, B¨urgermeister, * 13. 3. 1764 Frankfurt / Main, † 16. 10. 1827. Von Beruf Kaufmann und Bankier, war C. 1807-13 Handelsassessor beim Stadtgericht Frankfurt / Main und wurde 1808 zum Kommerzienrat, 1809 zum Senator ernannt. Seit 1811 mit dem Amt eines Maire der Stadt Frankfurt betraut, wurde er 1816 zum j¨ungeren B¨urgermeister gew¨ahlt und 1818 zum Sch¨offen bestimmt. C. ver¨offentlichte zahlreiche kaufm¨annische Schriften sowie Materialien zu einem Handelsgesetzbuch f¨ur die Stadt Frankfurt (1811). Cleyn, Francis, auch Clein, Kleyn, Fran(t)z, Maler, Graphiker, * 1582 Rostock, begraben 23. 3. 1658 London. Nach Lehrjahren in Italien, vor allem in Venedig und Rom, trat C. in die Dienste K¨onig → Christians IV. von D¨anemark, legte ihm Dekorationsentw¨urfe f¨ur verschiedene Schl¨osser vor und war an der Ausgestaltung von Schloß Rosenborg beteiligt; 1611 entstand ein Portr¨at des K¨onigs. Vom Prince of Wales 1624 an die Teppichmanufaktur von Mortlake berufen, baute C. diese durch seine k¨unstlerischen Vorlagen in wenigen Jahren zu einer anerkannten kunsthandwerklichen Produktionsst¨atte aus. Er entwarf mehrere TapisserieFolgen, darunter Hero und Leander, sowie Decken- und Wandgem¨alde in einigen englischen Landh¨ausern, radierte u. a. eine Folge von Grotesken und zeichnete Illustrationen zu Ausgaben antiker Literatur (u. a. Ovids Metamorphosen, 1632). C AKL Clias, Phokion Heinrich, schweizer. Turnlehrer, * 1782 Boston, † 4. 11. 1854 Coppet. C., dessen Familie nach Amerika ausgewandert war, erhielt seine Ausbildung in Holland und geriet als Matrose 1803 in englische Kriegsgefangenschaft. Er bildete sich autodidaktisch zum Gymnastiklehrer aus und unterrichtete zun¨achst in den Niederlanden und in Norddeutschland, seit 1810 in der Erziehungsanstalt des Pfarrers Gottlieb → Zehnder in Gottstatt bei Biel. Seit 1813 B¨urger von Aarberg, wirkte er in verschiedenen Schulen in der Schweiz. C. ging 1821 als Leiter der Gymnastik an die Seemannsschulen in Sandhurst, Woolwich, Chelsea und Greenwich, kehrte 1824 nach Bern zur¨uck und war 1832 / 33 Kommandant des Berner J¨agerkorps sowie Mitglied des Großen Rats. Er schrieb u. a. Kal¨ listhenie oder Ubungen zur Sch¨onheit und Kraft f¨ur M¨adchen (1829). C Bern Bio, Bd 4

Cling, Bartholom¨aus, auch Klinge, Jurist, * 1535 Koblenz, † 5. 12. 1610. C. studierte seit 1554 an der Univ. Rostock, wurde 1557 Magister, 1559 Prof. der Logik und der Rhetorik und soll im folgenden Jahr zum Prof. der Dialektik bestellt worden sein. 1561 zum Lizentiaten der Rechtswissenschaften ernannt, nahm er in der Folge an st¨adtischen Angelegenheiten Anteil und suchte f¨ur einen Ausgleich zwischen Rat und Gemeinde zu wirken. Er erscheint 1574 als herzoglicher Kirchenrat, wurde 1579 zum Dr. jur. promoviert und war Mitarbeiter am mecklenburgischen Landrecht von 1590. C. wurde 1595 Prof. der Institutionen, war mehrmals Dekan der Artistischen und 1607 der Juristischen Fakult¨at, zwischen 1572 und 1607 wiederholt Rektor der Univ. Rostock und wurde vom Landesherrn zu verschiedenen diplomatischen Missionen eingesetzt. M¨oglicherweise war er der Verfasser einer Rostocker Chronik 1555-89. C ADB

Clodius Clinge, Konrad, auch Kling, Klinge, kath. Theologe, * 1483 / 84 Nordhausen, † 10. 3. 1556 Erfurt. C. studierte 1518-20 Theologie an der Univ. Erfurt und lehrte dort seit 1525. Er wurde Guardian des Erfurter Franziskanerklosters sowie Kustos von Th¨uringen und erhielt 1530 die Predigerstelle am Erfurter Dom. C. war zu seiner Zeit einer der herausragenden Verteidiger des alten Glaubens; Justus → Menius richtete zusammen mit → Luther eine Streitschrift gegen ihn. In seinen Schriften, die nach seinem Tod von Georg → Witzel d. J. ver¨offentlicht wurden (u. a. Loci communes, 5 Bde., 1559-74), vertrat er zum Teil die auf dem Regensburger Religionsgespr¨ach von 1541 ausgearbeitete sogenannte Doppelte Rechtfertigungslehre. Einige Werke wurden deshalb sp¨ater indiziert. C LThK Clocken, Peter van der, auch Glocken, zer Klocken, de Campana, Kaufmann, Staatsmann, † 1481 / 82. Vom Wollenamt 1451 in den Rat der Stadt K¨oln gew¨ahlt, geh¨orte C. seit 1467 abwechselnd als B¨urgermeister, Rentmeister und Stimmeister der Gruppe des Rats an, die w¨ahrend des Neußer Kriegs die Geschicke der Stadt bestimmte. 1474 / 75 hielt er sich als Abgesandter der Stadt K¨oln am kaiserlichen Hof auf. C. sorgte f¨ur den f¨ur K¨oln wichtigen Anmarsch des Reichsheeres nach Neuss und vermittelte nach seiner R¨uckkehr nach K¨oln zwischen Kaiser und Stadt. Nach Kriegsende maßgeblich an der st¨adtischen Finanzpolitik zur Behebung der Kriegsschulden beteiligt, erlebte C. noch den Aufstand der K¨olner Z¨unfte im Herbst 1481, nicht jedoch die Rehabilitierung des Rats im folgenden Jahr. C NDB Clodius, Carl August, Diplomat, Wirtschaftsfachmann, * 9. 2. 1897 Bremen, † 15. 1. 1952 in der Sowjetunion. Noch w¨ahrend seines Studiums (Promotion zum Dr. rer. pol. 1923) trat C., Sohn eines Handlungsgehilfen, 1921 in den diplomatischen Dienst ein, wurde nach der diplomatischkonsularischen Pr¨ufung 1927 als Gesandtschaftsrat an die Botschaft in Paris entsandt (seit 1928 Gesandtschaftsrat), 1931 nach Wien und war 1932-34 in Sofia t¨atig. 1933 trat er in die NSDAP ein. Seit 1938 Ministerialdirigent, seit 1943 Ministerialdirektor, war er in der Handelspolitischen Abteilung des Ausw¨artigen Amtes Sonderbeauftragter f¨ur die F¨uhrung handelspolitischer Verhandlungen und am Abschluß zahlreicher Wirtschaftsvertr¨age mit L¨andern S¨udosteuropas beteiligt. 1944 zu Verhandlungen in Bukarest, geriet C. nach dem Frontwechsel Rum¨aniens in sowjetische Gefangenschaft. C BHdAD

Clodius, Christian, eigentl. Kl¨ode, Liedersammler, * 18. 10. 1647 Neustadt (Sachsen), † 1717 Neustadt (Sachsen). C., Sohn eines Diakons, studierte 1665-69 in Leipzig und stand dort einer studentischen Tischgenossenschaft vor. Seine handschriftliche Liedersammlung (1669), die u¨ berwiegend volkst¨umliche S¨atze enth¨alt, umfaßt vermutlich das Repertoire dieser Studentengruppe. Seit 1669 war er Lehrer in seinem Heimatort, von 1675 an Rektor der Stadtschule. C.s Liedersammlung unterscheidet sich von a¨ hnlichen zeitgen¨ossischen Sammlungen durch die Aufnahme von Melodien und die betont retrospektive Sammlungsweise. Die Handschrift wurde auszugsweise u. a. unter dem Titel Aus dem Liederbuch des Studenten Clodius (von E. Bl¨umml, 1908) ver¨offentlicht. C MGG Clodius, Christian (August), Dichter, Literaturtheoretiker, * 5. 1. 1737 Annaberg / Erzgebirge, † 30. 11. 1784 Leipzig. Der Enkel des Liedersammlers Christian → C. und Sohn eines Lateinschulrektors studierte seit 1756 an der Univ. Leipzig haupts¨achlich Literatur und klassische Altertumskunde und stieg, gef¨ordert durch → Gellert, rasch in der Univer-

sit¨atslaufbahn auf. Nach der Ernennung 1760 zum a. o., 1764 zum o. Prof. der Philosophie wurde er 1778 Prof. der Logik, 1782 der Dichtkunst sowie Rektor der Universit¨at. C. war seit der Studienzeit Ewald von → Kleist freundschaftlich verbunden. Seine eigenen Schriften (u. a. Versuche aus der Literatur und Moral, 1767) gelten als wenig originell, wohingegen er als akademischer Lehrer und Vermittler poetologischen Grundlagenwissens Bedeutung erlangte. 1766 besuchte → Goethe eines seiner Praktika und schrieb u¨ ber die ihm dort zuteil gewordene Kritik das parodistische Gedicht An den Kuchenb¨acker H¨andel; seine Darstellung C.s in Dichtung und Wahrheit (2. Teil, 7. Buch) wurde u. a. von dessen Sohn Christian August Heinrich → C. kritisiert. C. war mit Julie Friederike Henriette → C. verheiratet. C Killy

Clodius, Christian August Heinrich, Philosoph, Publizist, * 21. 9. 1772 Altenburg, † 30. 3. 1836 Leipzig. Der Sohn von Christian → C. studierte seit 1787 Philologie und Rechtswissenschaft an der Univ. Leipzig. Er habilitierte sich 1795 mit einer Abhandlung De po¨eseos generibus und wurde dort 1800 a. o., 1811 o. Prof. der praktischen Philosophie. Neben seinen Dichtungen befaßte sich C. mit einer philosophischen Poetik auf der Grundlage der → Kantischen Transzendentalphilosophie (Entwurf einer systematischen Poetik, nebst Collectaneen zu ihrer Ausf¨uhrung, 2 Bde., 1804), wandte sich sp¨ater verst¨arkt der Religionsphilosophie zu (Grundriß der allgemeinen Religionslehre, 1808) und trat in seinem Hauptwerk Von Gott in der Natur, in der Menschengeschichte und im Bewußtsein (2 Bde., 1811 / 12) entschieden gegen Kants Philosophie auf. Er gab Johann Gottfried → Seumes Autobiographie Mein Leben (1813), dessen Gedichte (1815) und eine neue Auflage von dessen Spaziergang nach Syracus im Jahr 1802 (1817-19) sowie eine Auswahl aus nachgelassenen Briefen und Schriften → Klopstocks heraus. C Killy

Clodius, David, evang. Theologe, Orientalist, * 14. 5. 1644 Hamburg, † 10. 9. 1684 Gießen. Vom Vater, einem Kaufmann, zum Theologen bestimmt, widmete sich C. unter dem Einfluß des Hamburger Orientalisten Esdras → Edzard auch philologischen Studien. Er besuchte 1665-67 die Univ. Kiel, anschließend die Univ. Gießen, unternahm eine gelehrte Reise durch Holland, Belgien und England und kehrte 1669 u¨ ber Wittenberg zur¨uck. Im gleichen Jahr in die Reihe der Kandidaten des Ministeriums in Hamburg aufgenommen, folgte C. 1671 einem Ruf als o. Prof. der orientalischen Sprachen an die Univ. Gießen und wurde 1676 zus¨atzlich a. o. Prof. der Theologie, 1678 Dr. theol. sowie 1684 Prediger an der Stadtkirche in Gießen. Er schrieb u. a. De synagogis Judaeorum (1682), gab eine hebr¨aische Grammatik selbst¨andig heraus und war an der Edition anderer Grammatiken beteiligt. C ADB

Clodius, Gustav, evang. Theologe, Ornithologe, * 26. 8. 1866 Camin (Hagenow), † 5. 11. 1944 Schwerin. C. studierte seit 1886 Theologie in Rostock, Erlangen und Greifswald, war dann Hauslehrer in Lenschow, 1894 / 95 Pr¨adikant in Retschow, 1895 Konrektor in Grabow, 1896 Pastor in Camin und 1925-34 Propst in der Propstei Wittenburg. Nach der Pensionierung besch¨aftige er sich mit der Ornithologie – das Pr¨aparieren hatte er schon w¨ahrend des Studiums in Rostock gelernt –, wurde Ehrenmitglied des Vereins der Freunde der Naturgeschichte, in deren Archiv er laufend u¨ ber die Vogelfauna Mecklenburgs berichtete, und legte eine Sammlung von Eiern s¨amtlicher in Deutschland vorkommender V¨ogel, eine Gesteinssammlung, eine Foraminiferensammlung, eine Sammlung von M¨ausesch¨adeln sowie ein Herbarium f¨ur Moose und Farne an, die 1945 alle ver-

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Clodius nichtet wurden. Zusammen mit Carl W¨ustnei ver¨offentlichte C. 1900 Die V¨ogel der Grossherzogth¨umer Mecklenburg (Neuaufl. 2004) und f¨uhrte 1901 eine statistische Erfassung aller Storchennester Mecklenburgs durch.

risch orientierte Studien zu Wien und zur Wachau erschienen in mehreren Sammelb¨anden (u. a. Geist und Geister aus dem alten Wien 1922). 1958 stiftete sie das Mariahilfer Heimatmuseum. C Czeike

Clodius, Johann Christian, Orientalist, * 1676 Großen-

Cloeter, Samuel Gottfried Christoph, Theologe, Chiliast, * 11. 10. 1823 Bayreuth, † 20. 3. 1894 Weiltingen (Mittelfranken). Der Sohn eines reformierten Theologen und Gymnasialprofessors studierte bis 1845 in Erlangen und Leipzig. Zun¨achst Vikar in Happurg bei Hersbruck, war C. 1849-56 Pfarrverweser in der reformierten Gemeinde Marienheim (Donaumoos), 1856 / 57 in Woringen, dann in Reutin. 1861 wurde er Pfarrer in Illenschwang bei Dinkelsb¨uhl. Durch Predigten und kleinere Publikationen in Konflikt mit seinen Vorgesetzten geraten, wurde er 1855 aus Marienheim abberufen und ¨ 1880 aller Amter enthoben. Er gr¨undete 1866 die Zeitschrift „Br¨uderbote“ und 1873 die „Evangelische Gesellschaft f¨ur Bayern“. C. versammelte darin zahlreiche Anh¨anger, die wie er an das baldige Kommen des Antichristen glaubten und sich nach Rußland zur¨uckziehen wollten. 1881 rief er im Nordkaukasus die Siedlung Gnadenburg ins Leben, f¨ur die er vom Zaren zahlreiche Privilegien erhielt. Die Gemeinde lebte nach von C. erlassenen, asketischen Geboten. C. selbst siedelte nie dorthin u¨ ber. C Fr¨ank Leb, Bd 14

hain, † 23. 1. 1745 Leipzig. Der Sohn von Johann → C. studierte an den Universit¨aten Jena und Leipzig orientalische und neuere europ¨aische Sprachen; daneben gab er T¨urkisch- und Arabischunterricht. C. unternahm zahlreiche Studienreisen und wurde 1724 an der Univ. Leipzig Prof. der arabischen Sprache. Er ver¨offentlichte u. a. die Schrift Theoria et praxis linguae Arabicae (1729), die vor allem durch ihre Ber¨ucksichtigung des Vulg¨ararabischen von Bedeutung war. C ADB

Clodius, Julie Friederike Henriette, geb. St¨oltzel, Schriftstellerin, * 1755 Altenburg, † 3. 3. 1805 Dresden. Die Witwe des 1784 gestorbenen Christian → C. und Mutter ¨ von Christian August Heinrich → C. ver¨offentlichte Ubersetzungen von englischen Gedichten sowie Beitr¨age in verschiedenen Zeitschriften. 1784 gab sie die letzten beiden Teile der Neuen vermischten Schriften ihres Mannes mit einer Biographie versehen heraus. C. schrieb den Roman Eduard Montrefeuil, der postum 1806 erschien.

Clodt-Jurgensburg, ¨ Elisabeth von, Dichterin, * 30. 1. 1840 Warschau, † 7. 12. 1917 Clarens / Genfer See. Die Tochter estnischer Gutsbesitzer erhielt eine gute Ausbildung, war zeitweise als Hauslehrerin t¨atig, bereiste England, Italien und die Alpenl¨ander und lebte l¨angere Zeit in L¨ubeck, Ludwigslust und Ludwigsburg. Seit 1906 in Clarens ans¨assig, widmete sie sich der Malerei, Musik und Schriftstellerei. C.-J. beherrschte sieben Sprachen und dichtete mehrsprachig. Zun¨achst protestantischen Glaubens, schloß sie sich sp¨ater einer Schweizer Freikirche an. Von ihren geistlichen Liedern wurde u. a. Nichts, nichts kannst du tun zur Erl¨osung in der Sammlung Evangeliumslieder von Ernst → Gebhardt 1880 ver¨offentlicht. C BBKL

Clodt von Jurgensburg, ¨ Jost, Jurist, Staatsmann, * 1517 Reval (?), † nach Juni 1572 Riga. C. v. J.s, dessen Familie aus Niedersachsen ins Baltikum eingewandert war, studierte an der Univ. Wittenberg, wo er 1537 den Magistergrad erwarb. C. v. J. war 1550-60 Ratssyndikus in Reval und wurde 1562 mit der Herrschaft Walk¨ull belehnt. Nachdem er sich 1560 der Partei der Ordensmeister und der polnischen Partei in Livland angeschlossen hatte, wurde er 1561 erster Rat des Herzogs von Kurland, → Gotthard Kettler, war 1562-66 erster Kanzler des Herzogtums und erhielt nach der Belehnung mit dem Ordensschloß J¨urgensburg den polnischen Adel. Seit 1566 k¨oniglich-polnischer Staatssekret¨ar, war C. v. J.s 1568 / 69 Gesandter in Stockholm. C NDB

Cloeter, Hermine, o¨ sterr. Publizistin, * 31. 1. 1879 M¨unchen, † 22. 2. 1970 Weißenkirchen / Wachau (Nieder¨osterreich). Seit ihrer Kindheit in Wien lebend, studierte C. Fremdsprachen, Kunstgeschichte, Musik und Gesang an Privatlehranstalten und war seit 1902 schriftstellerisch t¨atig. 1907-39 erschienen regelm¨aßig ihre Feuilletons in der Wiener „Neuen Freien Presse“. Daneben war sie Mitarbeiterin weiterer Periodika wie der „Chronik des Wiener Goethe-Vereins“, dessen Vorstand sie seit 1927 angeh¨orte, und dem „Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft“, in deren Vorstand sie 1949 gew¨ahlt wurde. Sie befaßte sich mit Forschungen u. a. zu → Goethe und → Mozart; die Lokalisierung des Mozartgrabs auf dem St. Marxer Friedhof in Wien ist ihrem Fund entsprechender Protokolle zu verdanken. C.s popul¨are kunsthisto-

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Cloetta, Max (Arnold), schweizer. Pharmakologe, Mediziner, * 21. 7. 1868 Z¨urich, † 23. 6. 1940 Z¨urich. C., Sohn eines Arztes und Professors f¨ur Arzneimittellehre, studierte Medizin an den Universit¨aten Genf und Z¨urich und war nach der Promotion 1893 (Beitr¨age zur mikroskopischen Anatomie des Vogeldarmes) Assistent in Glarus, Straßburg und Paris. 1898 habilitierte er sich an der Univ. Z¨urich (Ueber die Uroprots¨aure, einen neuen Bestandteil des Harnes) und wurde dort 1901 Extraordinarius, 1907 Ordinarius der Pharmakologie. Er errichtete 1912 ein neues Institut an der Univ., deren Rektor er 1914-16 war. C. befaßte sich mit der Gew¨ohnung an Gifte, der H¨amodynamik des Lungenkreislaufs, mit Fiebermitteln und Narkotika. Seine Studien u¨ ber die Wirkstoffe der Digitalis f¨uhrten zur erstmaligen Herstellung eines Reinpr¨aparats mit gleichbleibender, chemisch kontrollierbarer Zusammensetzung. C.s Abhandlungen erschienen u¨ berwiegend im „Archiv f¨ur experimentelle Pathologie und Pharmakologie“. C Biogr Verstorb Schweiz, Bd 1

Cloos, Hans, Geologe, * 8. 11. 1885 Magdeburg, † 26. 9. 1951 Bonn. C., Sohn eines Regierungsbaumeisters, studierte Naturwissenschaften an den Universit¨aten Bonn, Jena und Freiburg / Breisgau (Promotion 1910, Tafel- und Kettenland im Basler Jura und ihre tektonischen Beziehungen nebst Beitr¨agen zur Kenntnis des Terti¨ars), hielt sich 1910 zu Erforschung der Intrusionsgesteine in S¨udafrika, anschließend zwei Jahre als Erd¨olgeologe in Niederl¨andisch-Indien auf und habilitierte sich 1916 mit der Arbeit Doggerammoniten aus den Molukken an der Univ. Marburg. 1919 als o. Prof. der Geologie nach Breslau berufen, wechselte er 1926 an die Univ. Bonn und wurde dort Ordinarius sowie Direktor des Geologisch-Pal¨aontologischen Instituts. C. bereiste 1925 / 26 Schweden und Norwegen, 1927, 1933 und 1948 Nordamerika sowie 1929 und 1936 erneut S¨udafrika. Seit 1923 war er Chefredakteur der „Geologischen Rundschau“, seit 1931 Vorsitzender der Geologischen Vereinigung sowie Mitglied zahlreicher gelehrter Gesellschaften und Akademien. Neben wissenschaftlichen Arbeiten, u. a. zu Geotektonik, Plutonismus und Vulkanismus (Geologie der Schollen in schlesischen Tiefengesteinen, 1920; Das Batholithenproblem, 1923; Einf¨uhrung in die Geologie, 1936, 21942), ver¨offentlichte er die Autobiographie Gespr¨ach mit der Erde (1947). C MBL

Closs Cloots, Jean-Baptiste Baron von, genannt Anacharsis, Schriftsteller, Publizist, Politiker, * 24. 6. 1755 bei Kleve, † 24. 3. 1794 Paris. C. stammte aus einer reichen kath. holl¨andischen Kaufmannsfamilie. Sein Vater, seit 1748 k¨oniglich preuß. Geheimrat in Kleve, wurde 1756 geadelt; seine Mutter war eine Nichte des f¨ur C.s Ausbildung bedeutenden aufkl¨arerischen Schriftstellers Kornelius de → Pauw. Nach dem Besuch geistlicher Schulen war er von 1770 bis 1773 Z¨ogling der Berliner Milit¨arakademie. C. entschied sich gegen eine milit¨arische Laufbahn und f¨uhrte seit 1775 in Paris das Leben eines intellektuell aufgeschlossenen Rentiers mit Verbindungen zu Kreisen der Enzyklop¨adisten. Seine fr¨uhen Schriften artikulierten eine radikale Religionskritik. Nach einer Reise nach England (Bekanntschaft mit E. Burke) und der R¨uckkehr nach Paris u¨ ber die Niederlande pl¨adierte C. 1785 in dem Voeux d’un Gallophile f¨ur die nat¨urlichen Grenzen Frankreichs. Ende 1785 unternahm er eine große Reise ¨ (Osterreich, Ungarn, Italien, Griechenland, Nordafrika, Spanien), von der er erst Ende Juli 1789 nach Paris zur¨uckkehrte. Danach setzte eine vielseitige, sich radikalisierende T¨atigkeit als revolution¨arer Publizist und Politiker ein: Der Anh¨anger des aufgekl¨arten Absolutismus wurde zum radikalen Republikaner, der Deist zum Atheisten. C. trat dem Pariser Jakobinerklub bei. Am 19. 6. 1790 bat er an der Spitze einer „Delegation des Menschengeschlechts“ die franz¨osische Nationalversammlung f¨ur die Ausl¨ander um Erlaubnis, am F¨oderationsfest teilzunehmen. Er selbst ernannte sich zum „Redner des Menschengeschlechts“. C. vertrat in verschiedenen Schriften die Idee einer republikanischen Weltrepublik mit Paris als Hauptstadt der als d´epartements interpretierten Staaten. Davon erhoffte er sich einen „ewigen Frieden“. Seit Ende 1791 agierte er als eifriger Bef¨urworter der girondistischen Kriegspropaganda. Am 26. 8. 1792 erhielt er das franz¨osische B¨urgerrecht; er stimmte der Expansion ebenso zu wie dem Todesurteil gegen den K¨onig. Als Anh¨anger der Robespierristen in den Konvent gew¨ahlt, war C. im November 1793 Pr¨asident des Pariser Jakobinerklubs. Sein Eintreten f¨ur die Sansculotten und f¨ur die Vernunftreligion machten ihn Robespierre politisch verd¨achtigt, der ihn aus dem Jakobinerklub ausschließen ließ. C. wurde als Ausl¨ander aus dem Konvent ausgeschlossen, als Agent des Auslandes verhaftet und mit den H´ebertisten am 24. 3. 1794 guillotiniert. WEITERE WERKE: Ecrits r´evolutionnaires 1790-1794. Pr´esent´es par Mich`ele Duval. Paris 1974. – Œuvres. Avec pr´eface d’Albert Soboul. Kraus Reprints 1980. LITERATUR: Selma Stern: Anacharsis C., der Redner des Menschengeschlechts. Berlin 1914. – Albert Soboul: Anacharsis C., l’orateur du genre humain. In: Annales historiques de la R´evolution fran¸caise 239 (1980) S. 29-58. – Roland Mortier: Anacharsis C. ou l’utopie foudroy´ee. Paris 1995. Hans Erich B¨odeker

Closen, Karl Frh. von, Beamter, * 1786 Zweibr¨ucken, † 19. 9. 1856 Gern bei M¨unchen. C. studierte an den Universit¨aten Wien und Landshut, trat 1805 in den bayerischen Staatsdienst ein und wurde 1817 Regierungsrat. Als Abgeordneter im bayerischen Landtag (1818, 1825 und 1828) verfocht er st¨andische Rechte und schied nach Konflikten zwischen der Regierung und der fr¨ankisch-pf¨alzischen Opposition 1831 aus dem Staatsdienst aus. C. wurde durch Mehrheitsbeschluß in die bayerische Kammer berufen, aufgrund einer Anklage wegen Majest¨atsbeleidigung jedoch jahrelang unter Hausarrest gehalten. 1848 in das Frankfurter Parlament und den F¨unfzigerausschuß gew¨ahlt, ernannte ihn K¨onig → Maximilian II. von Bayern bald darauf zum bayerischen Bundestagsgesandten, sp¨ater zum Bevollm¨achtigten bei der Zentralgewalt sowie

nach dem R¨ucktritt des M¨arzministeriums zum a. o. Staatsrat. C. schrieb u. a. eine Kritische Zusammenstellung der baierischen Culturgesetze (1818). C ADB

Closener, Fritsche, Chronist, † vor 1396. Wahrscheinlich Sproß der gleichnamigen Straßburger Patrizierfamilie, wurde C. 1349 zum Kustos ernannt und erhielt eine Pfr¨unde am Marienaltar des Straßburger M¨unsters, 1358 eine Pfr¨unde am Altar der Katharinenkapelle. C. verfaßte ein lateinisches Rituale, ein lateinisch-deutsches Vokabular und vollendete 1362 seine Kronika aller der bebeste und aller der romeschen Keiseren, die sit Cristus geburte sint gewesen, womit er die deutschsprachige Chronistik in ¨ Straßburg begr¨undete. C.s darin enthaltene Ubersetzung des Bellum Waltherianum gr¨undet teilweise auf der Chronik → Ellenhards, weist jedoch Differenzen in der Bewertung der politischen Verh¨altnisse auf. C Killy

Cloß, Adolf, Graphiker, * 14. 11. 1840 Stuttgart, † 2. 2. 1894 Stuttgart. Bei der Stuttgarter Firma Allgeier & Siegle zum Xylographen ausgebildet, erweiterte der Zwillingsbruder von Gustav → C. seine Kenntnisse 1859 / 60 in einem D¨usseldorfer Betrieb und gr¨undete mit 22 Jahren eine eigene xylographische Anstalt in Stuttgart. Nach dem ersten großen Erfolg mit einer Ausgabe von → Wielands Oberon 1868 ging der Betrieb 1869 in seinen alleinigen Besitz u¨ ber. Der Vater von Gustav Adolf Karl → Closs wurde vor allem mit k¨unstlerisch illustrierten Prachtausgaben bekannt, stellte jedoch auch kunsthandwerkliche und technische Illustrationen her. C AKL Closs, Gustav Adolf (Karl), Maler, * 6. 5. 1864 Stuttgart, † 3. 9. 1938 Berlin. Der Sohn von Adolf → C. studierte zun¨achst Rechtswissenschaft an den Universit¨aten T¨ubingen und Freiburg / Breisgau und war sp¨ater Sch¨uler Ernst → Schurths an der Kunstschule Karlsruhe sowie Wilhelm von → Diez’ an der Kunstakademie M¨unchen. C. lebte seit 1891 in Stuttgart und ließ sich ¨ 1907 in Berlin nieder. Er war Illustrator u. a. von „Uber Land und Meer“, der „Gartenlaube“ und der „Fliegenden Bl¨atter“ und schuf sp¨ater Wandgem¨alde (u. a. im Schloß Sch¨ockingen, 1892) sowie Portr¨ats und historische Gem¨alde, darunter Der Sturz des Roland von Berlin (1907). C AKL Cloß, Gustav Paul, auch Closs, Maler, Graphiker, * 14. 11. 1840 Stuttgart, † 14. 8. 1870 Prien / Chiemsee. C. wurde von dem Landschaftsmaler Heinrich → Funk an der Stuttgarter Kunstschule ausgebildet und widmete sich, angeregt durch seinen Zwillingsbruder Adolf → C., dem Zeichnen von Vorlagen f¨ur Holzschnitte. 1860 kam er erstmals in den Chiemgau, dessen Motive ihn stark beeinflußten. Mit einem staatlichen Stipendium bereiste er seit 1863 Italien, ließ sich nach seiner R¨uckkehr in M¨unchen nieder und kann mit seinem Schaffen der neueren M¨unchner Schule zu¨ gerechnet werden. Neben Olbildern mit italienischen (Aus der Villa Hadrians bei Tivoli, 1870) und voralpenl¨andischen Motiven wurden vor allem seine Landschaften in Holzschnitt (u. a. in „Natur und Dichtung“) bekannt. C AKL Closs, Johann Friedrich, Mediziner, Bibliothekar, * 11. 1. 1735 Marbach, † 18. 6. 1787 Wasserloos / Hanau. C. f¨uhrte an verschiedenen Orten seine medizinische Praxis (Promotion 1764, De gonorrhoea virulente sine contagio nata), darunter in Br¨ussel und Hanau, und war Bibliothekar des Prinzen von Oranien in Den Haag. Der Vater von Karl ¨ Friedrich → C. hinterließ außer Ubersetzungen und einer Edition der Aphorismen des Hippokrates mehrere Studien, darunter Nova variolis medendi methodus (1766, dt. Neue Heilart der Kinderpocken, 1769), Specimen observationum criticarum in A. Cornelium Celsum (1768) und Carmen de medico ignorata morbi causa male curante (1784).

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Closs Closs, Karl Friedrich, Chirurg, * 25. 3. 1768 Honsholvedyk bei Den Haag, † 10. 5. 1797 T¨ubingen. Der Sohn von Johann Friedrich → C. studierte 1782-90 Medizin an den Universit¨aten T¨ubingen, W¨urzburg und Marburg, war kurzzeitig Oberstabschirurg bei der preuß. Armee und wurde nach der Promotion in Marburg 1792 (Analecta quaedam ad methodum lithotomiae Celsianam) a. o., 1795 o. Prof. an der Univ. T¨ubingen. C. publizierte Studien zur Lithotomie und zu Infektionskrankheiten, hielt Vorlesungen u¨ ber die Krankheiten der Knochen sowie u¨ ber Geburtshilfe ¨ und schrieb u. a. Uber die Enthauptung (1796). Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Hippocratis jusjurandum, carmine elegiaco expressum (1789), Anmerkungen u¨ ber die Lehre von der Empfindlichkeit und Reizbarkeit der Theile (1794) und Ueber die Lustseuche (1796, 21799). Der Vater von Walter Friedrich von → C. starb in der Folge einer Sektionsverletzung. C ADB Clossius, Walter Friedrich von, Jurist, * 17. 9. 1795 T¨ubingen, † 10. 2. 1838 Gießen. Der Sohn von Karl Friedrich → C. studierte seit 1812 Rechtswissenschaften an der Univ. T¨ubingen, wurde im Jahr der Promotion (1817, Diss. sistens specimen descriptionis codicum mnscrptum digesti veteris Stuttgartiensium et T¨ubigensis, cum Florentina, Vulgata, aliisque codicibus collatorum) Bibliothekar der dortigen Universit¨atsbibliothek, habilitierte sich im folgenden Jahr und wurde Mitglied des Spruchkollegiums sowie 1819 der juristischen Pr¨ufungsbeh¨orde. Im Anschluß an eine gelehrte Reise durch Deutschland, die Niederlande, Frankreich und Italien 1819 / 20 wurde er 1821 zum a. o., 1823 zum o. Prof. ernannt. C. folgte 1824 einem Ruf an die Univ. Dorpat, wurde dort Hofrat, Ordinarius und 1827 Ehrenmitglied der Univ. Wilna sowie 1830 Mitglied der Kurl¨andischen Gesellschaft f¨ur Literatur und Kunst; 1831 folgte die Ernennung zum Kollegienrat, 1836 zum kaiserlich-russischen Staatsrat. 1837 wechselte er als Geheimer Justizrat und Mitglied der Juristenfakult¨at an die Univ. Gießen. C. arbeitete haupts¨achlich u¨ ber Quellenkritik zum R¨omischen Recht und ver¨offentlichte u. a. Hermeneutik des R¨omischen Rechts (1831). Clotz, Stephan, evang. Theologe, * 13. 9. 1606 Lippstadt, † 13. 5. 1668 Flensburg. Dem Wunsch des Vaters, eines Pastors, folgend, studierte C. seit 1625 Theologie an den Universit¨aten Marburg und Rostock, hielt dort nach Erlangung der Magisterw¨urde 1627 philosophische Vorlesungen und leitete theologische Disputationen. 1630 wurde er Archidiakon an der St. Jacobikirche in Rostock, 1632 Prof. und 1635 Doktor der Theologie. Auf Empfehlung Detlev Reventlows 1636 von K¨onig → Christian IV. von D¨anemark zum Superintendenten von Schleswig-Holstein mit Sitz in Flensburg ernannt, wurde C. dort 1639 auch Propst und erster Pastor an der St. Nicolaikirche. Von K¨onig → Friedrich III. sp¨ater zum Kirchenrat und Kanonikus ernannt, starb C., bevor er dessen Ruf nach Kopenhagen Folge leisten konnte. Er ver¨offentlichte mehrere Streitschriften, Reden und Predigten; sein wissenschaftliches Hauptwerk Pneumatica seu theologia naturalis [. . .] erschien 1640. C SHBL, Bd 1 Clouth, Franz (Julius Hubert), Industrieller, * 18. 2. 1838 K¨oln, † 7. 9. 1910 K¨oln. Nach einer kaufm¨annischen Ausbildung war C., Sohn eines Buchdruckereibesitzers und Verlagsbuchh¨andlers, mehrere Jahre in Antwerpen und London t¨atig und ließ sich 1860 in K¨oln als Großh¨andler von Getreide, Spiritus und anderen Waren nieder. Die Vertretung eines englischen Unternehmens f¨ur technische Gummiwaren gab den Anstoß, 1864 mit einer eigenen Produktion zu beginnen, mit der C. diesen Wirtschaftszweig in Westdeutschland begr¨undete. Er

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verarbeitete zun¨achst englischen Weichgummi, produzierte sp¨ater Hartgummi und verarbeitete Guttapercha. Der Ausbau der Produktpalette und der Absatzm¨arkte trug seinen Waren zeitweise eine monopolartige Stellung auf dem Weltmarkt ein. C. gr¨undete die Land- und Seekabelwerke AG und betrieb das erste deutsche Kabelverlegeschiff; er war einer der f¨uhrenden Industriellen der deutschen transatlantischen Seekabelgesellschaften. Er ver¨offentlichte u. a. Gummi, Guttapercha und Balata. Ihr Ursprung und Vorkommen, ihre Gewinnung, Verarbeitung und Verwendung (1899, engl. 1903). C. war der Vater von Max → C. C Rhein Westf Wirt, Bd 13

Clouth, Max (Josef Wilhelm), Industrieller, * 7. 9. 1873 K¨oln, † 29. 1. 1951 K¨oln. Der Sohn Franz → C.s erhielt eine kaufm¨annische Ausbildung in der Firma des Vaters und praktizierte anschließend in Manchester, London und Paris. Studienreisen f¨uhrten ihn durch die USA, Italien, Frankreich und England. C. u¨ bernahm sp¨ater die Leitung der Firma „Franz Clouth Rheinische Gummiwarenfabrik AG“ sowie weiterer Werke seines Vaters, darunter der „Radium-Gummi-Werke“ in K¨olnDelbr¨uck. Er wurde Mitglied der Industrie- und Handelskammer in K¨oln, Vorstandsmitglied zahlreicher Aufsichtsund Verwaltungsr¨ate und war Vorsitzender der Deutschen Kautschuk-Gesellschaft.

Cludius, Andreas, Jurist, * 7. 11. 1555 Osterode / Harz, † 9. 9. 1624 Osterode / Harz. C. studierte seit 1574 Rechtswissenschaft an den Universit¨aten Helmstedt und Wittenberg und habilitierte sich im Jahr nach seiner Promotion in Basel 1582 an der Univ. Helmstedt. 1585 zum Prof. der Institutionen, 1589 des juristischen Codex berufen, wurde er zugleich herzoglicher Rat und Beisitzer des Hofgerichts in Wolfenb¨uttel. C. war ein vielbesch¨aftigter Rechtsbeistand, u. a. vertrat er 1609 die Anliegen des Klosters Walkenried in Speyer. In seinen Schriften befaßte sich der Vater von Johannes Thomas → C. u¨ berwiegend mit der Lehre von den Conditionen und ver¨offentlichte ferner u. a. einen Tractatus de iure sequestrationis (1596).

Cludius, Hermann Heimart, Pseud. Seraphius, evang. Theologe, Dichter, * 28. 3. 1754 Hildesheim, † 23. 6. 1835 Hildesheim. C. studierte 1774-77 Philologie, Philosophie und Theologie an der Univ. G¨ottingen; 1777 wurde er Prediger und Pastor der Georgengemeinde in Hildesheim. 1787 zum Dr. theol. promoviert, wurde er im folgenden Jahr Superintendent seiner Heimatstadt. C. war Mitglied der Deutschen Gesellschaft Leipzig und ver¨offentlichte mehrere B¨ande Gedichte, darunter Perimede oder Hippias und Agathons Klugheitslehre (1803).

Cludius, Johannes Thomas, Jurist, * 22. 11. 1584 Helmstedt, † 14. 12. 1642 Helmstedt. Der Sohn von Andreas → C. absolvierte rechtswissenschaftliche Studien in Helmstedt und Jena und schloß auf seiner gelehrten Reise Freundschaft mit Dominicus Baudius und Daniel Heinsius. Nach der Promotion an der Univ. Basel 1614 erhielt er eine Berufung als o. Prof. der Pandekten an die Univ. seiner Heimatstadt, wo er sp¨ater herzoglicher Hofrat wurde. W¨ahrend der Bedrohung Helmstedts durch → Wallensteins Truppen floh C. 1625-28 nach Braunschweig und kehrte anschließend an seinen Lehrstuhl zur¨uck. Er schrieb akademische Disputationen und unterhielt u. a. einen Briefwechsel mit Georg → Calixt.

Cluver, ¨ Detlev, Naturforscher, * um 1646 Schleswig, † 21. 2. 1708 Hamburg. C., Sohn des Reitvogts des Schleswiger Domkapitels, studierte 1663-66 an der Univ. Jena Mathematik, Theologie

Cobabus und Philosophie, besuchte sp¨ater verschiedene andere Univ. und erlangte 1673 an der Univ. Kiel die Magisterw¨urde. Mehrj¨ahrige Reisen f¨uhrten C. anschließend nach Frankreich und Italien sowie nach London, wo er durch seine Kenntnisse Aufsehen erregte, Heimatrecht erhielt und 1678 Mitglied der Royal English Society wurde. Mit Erlaubnis K¨onig Jakobs II. errichtete er eine Privatdruckerei zur Vervielf¨altigung seiner Schriften. C. reiste 1688 nach SchleswigHolstein, um Erbstreitigkeiten zu regeln, verlor in dem zehn Jahre dauernden Prozeß sein Verm¨ogen und lebte danach in a¨ rmlichen Verh¨altnissen in Hamburg. Er ver¨offentlichte u. a. Disquisitiones philosophicae (1706) und Observationes philosophicae oder historische Anmerkungen u¨ ber die n¨uzlichsten Dinge der Welt (1718). Seine Geologia [. . .] oder nat¨urliche Wissenschaft von der Erschaffung und Verbreitung der Erdkugel [. . .] (1700) wurde u. a. von → Leibniz kritisiert. C SHBL, Bd 5

Cluver, ¨ Philipp, auch Cluverius, Kl¨uwer, Historiker, Geograph, * 1580 Danzig, † 31. 12. 1622 Leiden. Vom Vater, einem M¨unzmeister, zum Juristen und Diplomaten bestimmt, studierte C. seit 1600 an der Univ. Leiden, wandte sich unter dem Einfluß Joseph Justus Scaligers den Altertumswissenschaften zu und wurde Soldat in B¨ohmen und Ungarn. F¨ur den von Kaiser → Rudolf II. inhaftierten b¨ohmischen Obersthofmeister Georg Popel von → Lobkowitz schrieb C. gemeinsam mit dessen Tochter eine Streitschrift, wegen der er nach seiner R¨uckkehr nach Leiden 1606 festgenommen wurde. Wieder frei, bereiste er 1607-13 Europa und lebte zuletzt in England. C. ließ sich 1615 endg¨ultig in Leiden nieder und erhielt aufgrund seiner Germania antiqua (3 Bde. 1616, 21631) ein Gehalt als Geographus Academicus. Mit seinen antike geographische Quellen und empirische L¨anderkenntnis verbindenden Arbeiten gilt er als Begr¨under der historischen L¨anderkunde. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Sicilia antiqua (1619), Italia antiqua (1640) und Introductio in universam geographicam tam veterem, quam novam (1672). C Altpreuß Biogr, Bd 1

Clusius, Carolus, eigentl. Charles de l’Escluse, Botaniker, Mediziner, * 19. 2. 1526 Arras, † 4. 4. 1609 Leiden. C., Sohn eines Gutsbesitzers, studierte 1646-49 die Rechte in L¨owen und Marburg, ging 1549 nach Wittenberg und war ¨ 1551-54 Medizinstudent in Montpellier. Uber die Niederlande kam er 1560 nach Paris, floh w¨ahrend der Hugenottenkriege nach L¨owen, bereiste 1564 / 65 die Iberische Halbinsel, lebte anschließend in Br¨ugge (1565-67) und Mecheln und wurde 1573 von → Maximilian II. nach Wien berufen, wo er einen Medizinalkr¨autergarten anlegte. 1577 auf Betreiben kath. Kreise wegen des protestantischen Glaubens entlassen, blieb C. dennoch in Wien und setzte seine Studien fort. 1588 ließ er sich, unterst¨utzt von → Wilhelm IV. von Hessen, in Frankfurt / Main nieder und folgte 1583 einem Ruf an die 1575 gegr¨undete Univ. Leiden. C.s botanische Schriften orientierten sich nicht mehr an der N¨utzlichkeit der Pflanzen (u. a. Rariorum plantarum historia, 1601); er schrieb die erste Monographie u¨ ber Pilze, f¨uhrte in Wien 1576 die Roßkastanie, 1588 die Kartoffel ein und sandte Wildformen zahlreicher heutiger Gartenblumen (u. a. der Primel) zur Zucht nach Holland. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Antidotarium (1561) und Exoticorum libri decem (1605). C NDB Clusius, Klaus, Physiker, Chemiker, * 19. 3. 1903 Breslau, † 28. 5. 1963 Z¨urich. 1929 in Breslau mit der Arbeit Die spezifische W¨arme einiger kondensierter Gase zwischen 10 Grad absolut und ihrem Tripelpunkt promoviert, habilitierte sich C., Sohn eines Arz-

tes, 1931 an der Univ. G¨ottingen, folgte C. 1934 einem Ruf als a. o. Prof. an die Univ. W¨urzburg, wurde 1936 Ordinarius in M¨unchen und war von 1947 bis zu seinem Tod o. Prof. der physikalischen Chemie an der Univ. Z¨urich. Er befaßte sich mit physikalisch-chemischen Eigenschaften von Gasen, erfand ein Trennrohr zur Separation von stabilen Isotopen mit Hilfe der Thermodiffusion und erforschte die Markierung organischer Molek¨ule mit stabilen Isotopen. C., seit 1942 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, war Mitherausgeber und Kuratoriumsmitglied mehrerer Fachzeitschriften, darunter bis 1945 der „Zeitschrift f¨ur physikalische Chemie“, und besch¨aftigte sich auch mit theoretischen und historischen Fragen der Naturwissenschaften. Er ver¨offentlichte u. a. Kettenreaktionen (1932), Physikalische Chemie (1948) und Hundert Jahre Atomgewichtsforschung (1949).

Cnobloch, Karl, Buchh¨andler, * 10. 8. 1778 Freyburg / Unstrut, † 30. 4. 1834 Leipzig. Nach einer Buchh¨andlerlehre bei B¨ohme in Leipzig bildete sich C. in Halle und Paris weiter, war einige Jahre in einer Leipziger Buchhandlung t¨atig und gr¨undete 1810 eine Kommissions- und Verlagsbuchhandlung in Leipzig. Durch Ank¨aufe mehrerer Firmen in Leipzig, Jena, Greifswald und Basel erweiterte er seinen Betrieb zu einem der gr¨oßten der Messestadt, erlangte aber vor allem mit der erfolgreichen Ausbildung von Buchh¨andlern Ansehen und Bedeutung.

Cnopf, Matth¨aus Ferdinand, Geograph, * 11. 9. 1715 Hersbruck, † 11. 11. 1770 N¨urnberg. Als nachgeborenem Sohn blieb C. ein h¨oheres Studium verwehrt; er wurde zum Schreiber ausgebildet, reiste auf seiner Wanderschaft nach Regensburg und Wien, wo er einige Jahre Sekret¨ar des braunschweigischen Gesandten war, und kam sp¨ater zur Verwaltung der Tucherschen Stiftung nach N¨urnberg. 1747 erhielt er eine Stelle beim Stadt- und Ehegericht und wurde schließlich Aktuarius und Beisitzer am Forst- und Zivilgericht. C., der privat naturwissenschaftliche, geographische und historische Studien trieb, pflegte Briefkontakt mit Anton Friedrich → B¨usching, verfaßte Beitr¨age zu dessen Neuer Erdbeschreibung (11 Teile, 1754-92) und redigierte das Werk teilweise. C. ver¨offentlichte zahlreiche Landkarten sowie geographische Studien, darunter Principatus Brandenburgico-Culmbacensis vel Baruthini tabula geographica (1763) und eine Mappa geographica territorii Noribergensis (1764). Er war der Vater von Ernst Friedrich Andreas → C. Cobabus, Michael, auch Cobab, evang. Theologe, Mathematiker, * um 1610 Sternberg (Mecklenburg), † 6. 2. 1686 Rostock (?). Der Sohn eines Schmieds erlernte das Handwerk seines Vaters, bevor er sich 1626 an der Univ. Rostock einschrieb. Er studierte Philosophie, Theologie und vor allem Mathematik; 1637 wurde er Magister artium sowie Mitglied der Philosophischen Fakult¨at, 1647 Rektor der Stadtschule in Rostock, bevor ihn der Rat der Stadt 1652 zum o. Prof. der niederen Mathematik ernannte. Daneben wurde C. an der Univ. Greifswald Lizentiat und 1653 zum Dr. theol. promoviert (De duabus naturis in Christo). 1654 gab er das Schulrektorat auf und wurde 1658 erstmals Rektor der Univ. Rostock, an der er seit 1670 als o. Prof. der Theologie lehrte. Er bekleidete noch zweimal das Amt des Rektors und starb als langj¨ahriger Senior der Universit¨at. C. verfaßte neben naturwissenschaftlichen Werken (Brevis ac methodica astronomiae delineatio, 1643; Brevis ac methodica Sphaerographiae delineatio, 1644) zahlreiche Disputationen u¨ ber theologische Fragen im Stil der Zeit. C ADB

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Cobenzl Cobenzl, Johann Karl Philipp Graf von, o¨ sterr. Staatsmann, * 21. 7. 1712 Laibach, † 20. 1. 1770 Br¨ussel. C. trat fr¨uh in den diplomatischen Dienst des Kaisers. Er bewies Verhandlungsgeschick als Wahlkommissar in Mainz 1743, sp¨ater als kaiserlicher Gesandter im Rheinland, in Schwaben, Franken und Westfalen. 1753 wurde er bevollm¨achtigter Minister und Leiter der Verwaltung in den ¨ Osterr. Niederlanden. In Br¨ussel gr¨undete C. 1769 die „Literarische Gesellschaft“, aus der 1772 die Belgische Akademie der Wissenschaften hervorging. C. war der Vater von Ludwig von → C. Cobenzl, (Johann) Ludwig (Joseph) Graf von, o¨ sterr. Staatsmann, * 21. 11. 1753 Br¨ussel, † 22. 2. 1809 Wien. Der Sohn von Johann Karl Philipp von → C. begann seine Karriere 1772 in der Verwaltung des neuerworbenen Galizien und war 1774-79 Gesandter in Berlin, anschließend in St. Petersburg. Hier erreichte er 1795 bei der dritten pol¨ nischen Teilung einen f¨ur Osterreich g¨unstigen Vertrag und wurde mit den Friedensverhandlungen von Campo Formio 1797 beauftragt. Als Gesandter auf dem Rastatter Kongreß erkannte er die Abtretung linksrheinischer Gebiete an. 1800 zum Hof- und Staatsvizekanzler sowie Außenminister ernannt, unterzeichnete C. den Frieden von Lun´eville, erkannte 1804 als Verfechter absolutistischer Staatsideen die Legitimit¨at Kaiser Napoleons an und erstrebte zugleich ein o¨ sterr. Kaisertum. Nach Vertragsbr¨uchen Napoleons in Italien initiierte er dennoch ein weiteres Kriegsb¨undnis gegen Frankreich, dessen Niederlage im dritten Koalitionskrieg 1805 seine Entlassung zur Folge hatte. C. war der Vetter von Philipp von → C. C NDB

Cobenzl, (Johann) Philipp (Joseph) Graf von, o¨ sterr. Staatsmann, * 28. 5. 1741 Laibach, † 30. 8. 1810 Wien. Seine Kenntnisse der Finanz- und Staatsverwaltung erwarb C., Vetter von Ludwig → C., zun¨achst bei der Chambre des Comptes und beim Conseil des Finances in den Niederlanden, dann beim o¨ sterr. Staatsrat in Wien. Seit der Frankreichreise Kaiser → Josephs II. dessen Berater, war er wesentlich an den Teschener Friedensverhandlungen von 1779 beteiligt und wurde danach mit dem Amt des Staatsvizekanzlers betraut. W¨ahrend der Herrschaft → Leopolds II. verlor C. an Einfluß, doch Kaiser → Franz II. berief ihn 1792 zum Hof- und Staatskanzler und Außenminister. Als ¨ Osterreich sich unter seiner Leitung 1793 in den Verhandlungen um die zweite polnische Teilung von Preußen diplomatisch u¨ berspielen ließ, hatte dies seine Entlassung zur Folge. 1801 wurde C. Gesandter in Paris, nach dem Scheitern seiner Mission 1805 jedoch endg¨ultig entlassen. Er war der Letzte seines Geschlechts. C NDB

Cober, Gottlieb, Schriftsteller, getauft 21. 6. 1682 Altenburg, † 12. 4. 1717 Dresden. C., Sohn eines Steinsetzers, studierte seit 1702 Theologie in Jena und war danach einige Jahre Hauslehrer in Schlesien. In seine Heimatstadt zur¨uckgekehrt, bewarb er sich mehrmals vergeblich um Aufnahme in den Kirchendienst. Infolge der Ver¨offentlichung von Der aufrichtige Cabinet-Prediger (1711 u. o¨ ., Neuausg. 1854) in Altenburg verhaftet und zur Landesverweisung und Urfehde verurteilt, konnte er 1712 aus dem Gef¨angnis nach Leipzig und dann nach Dresden fliehen. C.s vielfach aufgelegte Predigten kritisieren mit satirischer Sch¨arfe soziale Ungerechtigekeit und moralischen Sittenverfall seiner Zeit. Wilhelm → Raabes Erz¨ahlung Hastenbeck (1898) baut auf dem Cabinets-Prediger auf. C Killy

Coberg, Johann Anton, Musiker, Komponist, * 1650 Rotenburg / Fulda, † 1708 Berlin. C. besuchte die Lateinschule in Hannover, erhielt seinen ersten Musikunterricht beim Stadtkantor Johann Georg

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Gumbrecht und wurde sp¨ater von Mitgliedern der herzoglichen Hofkapelle (u. a. Nicolaus Adam → Strungk) in Gesang, im Gamben-, Lauten-, Cembalo- und Orgelspiel sowie in der Komposition unterwiesen. Seit 1668 geh¨orte er der Hofkapelle an, zun¨achst als Diskantist, dann als Gambist und Cembalist. Bei der Neuformierung der Hofkapelle nach dem Regierungsantritt Herzog → Ernst Augusts 1679 wurde C. Organist an der Neust¨adter Hof- und Stadtkirche St. Johannis und 1681 Hoforganist an der luth. Schloßkirche. Um 1680 erfolgte seine Berufung zum musikalischen „Informator“ der herzoglichen Familie. C., der am Hof mit → Leibniz, Prinzessin → Sophie Charlotte und Agostino → Steffani verkehrte, komponierte Vokal- und Instrumentalmusik, die jedoch gr¨oßtenteils als verschollen gilt. Er starb w¨ahrend eines Unterrichtsaufenthalts in Berlin. C MGG

Cobet, Heinrich, Buchh¨andler, * 27. 9. 1904 Hamm, † 5. 2. 1994 Frankfurt / Main. Der Apothekersohn studierte Germanistik und Soziologie und arbeitete an der Buchh¨andlerlehranstalt in Leipzig. 1926 trat er als Lehrling in die Frankfurter „Jugendb¨ucherstube Schatzki“ ein. C. folgte 1935 seinem Lehrer Karl → Mannheim ins Londoner Exil. Nach dem Zweiten Weltkrieg weiterhin Buchh¨andler und Verleger, war er maßgeblich an der Etablierung des B¨orsenvereins des Deutschen Buchhandels in Frankfurt / Main beteiligt. Als der Hessische Verleger- und Buchh¨andlerverband erstmals eine Buchmesse in Frankfurt plante, geh¨orte C. dem Messeausschuß an. Er engagierte sich zudem f¨ur den Aufbau einer Buchh¨andlerschule, der heutigen Schulen des Deutschen Buchhandels in Frankfurt-Seckbach, und unterst¨utze gemeinsam mit Kurt Goerg → Schauer Hanns W. → Eppelsheimer bei der Gr¨undung der Deutschen Bibliothek. Cobet, Rudolf Wilhelm, Mediziner, * 2. 3. 1888 Laasphe, † 27. 7. 1964 Halle / Saale. Das Studium der Medizin f¨uhrte den Apothekersohn von Jena u¨ ber T¨ubingen, M¨unchen, Marburg und Gießen wie¨ der nach Jena, wo er 1912 promoviert wurde (Uber die Resorption von Magnesiumsulfatl¨osungen im D¨unndarm und die Wirkungsweise der salinischen Abf¨uhrmittel). Nach dem Feldlazarettdienst im Ersten Weltkrieg ging C. als Assistenzarzt nach Greifswald, habilitierte sich dort 1920, wechselte 1921 als Oberarzt und Privatdozent nach Jena, habilitierte sich hier ein zweites Mal und las seit 1923 als a. o. Prof. f¨ur Innere Medizin. Seit 1926 in Breslau ans¨assig, reichte er 1927 eine dritte Habilitationsschrift ein und ging 1932 an das Rudolf-Virchow-Krankenhaus in Berlin, bevor er, seit 1933 Mitglied NSDAP, 1936 einem Ruf als o. Prof. und Direktor der Medizinischen Universit¨atsklinik Halle folgte. C. wurde 1939 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. 1945 als Prof. entlassen, wurde er 1946 erneut berufen und 1956 emeritiert. Er erforschte vor allem die Pathologie der Atmung und des Kreislaufs (Tuberkulose und Kreislauf, 1941) sowie die Hauttemperatur. C Eberle

Coblenz, Werner, Arch¨aologe, Museumsdirektor, * 24. 5. 1917 Pirna, † 7. 6. 1995 Kempten. C. studierte Arch¨aologie in Berlin, Marburg, Kiel, Wien und Leipzig. Nach der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg und vor¨ubergehender Kriegsgefangenschaft wurde er 1947 in Marburg zum Dr. phil. promoviert (Grabfunde der Mittelbronzezeit Sachsens). Seit 1946 war er Mitarbeiter und seit 1949 Direktor des S¨achsischen Landesmuseums f¨ur Vorgeschichte in Dresden. 1966-80 leitete er den wissenschaftlichen Beirat f¨ur Bodendenkmalpflege beim Ministerium f¨ur Hoch- und Fachschulwesen der DDR. Seit 1966 geh¨orte er dem Beirat der Union Internationale des Science

Coccyus Pr´ehistoriques et Protohistoriques bei der UNESCO an. 1970 habilitierte er sich an der Univ. Leipizg, an der er sp¨ater zum Honorarprofessor ernannt wurde. C. war seit 1953 Mitglied des Deutschen Arch¨aologischen Instituts, seit 1972 der S¨achsischen Akademie der Wissenschaften. Als korrespondierendes Mitglied geh¨orte er seit 1986 der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und seit 1989 der British Academy ¨ und der Osterrischischen Gesellschaft f¨ur Vor- und Fr¨uhgeschichte an. C. ver¨offentlichte u. a. Kunst und Kunstgewerbe aus der Ur- und Fr¨uhgeschichte Sachsens (1975), Mitteleurop¨aische Bronzezeit (1978, 21981), Arch¨aologische Denkmale und Funde (1979) und Das pr¨ahistorische Gr¨aberfeld von Niederkaina bei Bautzen (1997). C Jb BAW 1995

Coburg, Carl Eduard (Leopold Georg Albert) Herzog von, * 19. 7. 1884 Claremont-Esther (Großbritannien), † 6. 3. 1954 Coburg. Der Sohn der Prinzessin Helena zu Waldeck und Pyrmont und des Prinzen Leopold, Herzogs von Albany, wuchs in Großbritannien auf. Durch coburg-gothaisches Gesetz 1899 zum Thronfolger f¨ur die vereinigten Herzogt¨umer geworden, trat C. nach dem Milit¨ardienst und dem Studium in Bonn 1905 die Regentschaft als Herzog von Sachsen-Gotha an. Seit 1912 besaß er den Rang eines preuß. Generalleutnants, sp¨ater eines Generals der Infanterie. Nach dem Ersten Weltkrieg legte er die Regierung nieder und lebte danach auf Schloß Callenberg bei Coburg. In den zwanziger Jahren als Bezirksf¨uhrer der Brigade Ehrhardt und des Bundes Wiking aktiv sowie im „Stahlhelm“ t¨atig, sympathisierte er fr¨uh mit den Nationalsozialisten und nahm 1922 am sogenannten „Marsch auf Coburg“ teil. 1929 Gr¨under und Pr¨asident des Nationalen Deutschen Automobilklubs, trat er 1932 in das Nationalsozialistische Kraftfahrerkorps ein. 1933 wurde er Mitglied der NSDAP und der SA und Pr¨asident des gleichgeschalteten Deutschen Automobil-Clubs sowie des Deutschen Roten Kreuzes. Im Zweiten Weltkrieg hatte C. das Recht, die Generalsuniform der Wehrmacht zu tragen. Nach Kriegsende mußte er sich in mehreren Spruchkammerverfahren verantworten und wurde als Minderbelasteter eingestuft. C Lilla, Statisten

Cocceji, Heinrich Frh. von, Jurist, * 25. 3. 1644 Bremen, † 18. 8. 1719 Frankfurt / Oder. Der Sohn des reformierten Theologen Hinrich Coch studierte 1767-69 Rechtswissenschaft in Leiden. Nach Studienreisen durch England und Frankreich wurde er als Nachfolger Samuel von → Pufendorfs nach Heidelberg berufen und 1682 zum Geheimen Rat und Mitglied des kurf¨urstlichen Revisionsgerichts ernannt. 1688 floh er aus der von Franzosen besetzten Stadt, nahm eine Professur in Utrecht an und lehrte seit 1690 als Professor primarius in Frankfurt / Oder. Er war einer der bedeutendsten V¨olkerrechtler seiner Zeit, erstellte Gutachten f¨ur europ¨aische H¨ofe und vermittelte erfolgreich in mehreren staatsrechtlichen Streitf¨allen. 1702 wurde er geadelt und zum brandenburgischen Geheimen Rat ernannt, 1713 zum Freiherrn erhoben. In Werken wie Juris publici prudentia (1695, 41723) f¨orderte und vermittelte er die Methode des rationalen Naturrechts, das er dennoch u. a. gegen Pufendorf allein aus dem g¨ottlichen Willen ableitete. Seine Exercitationum curiosiarum (2 Bde., 1722) enthalten auch Autobiographisches. C. war der Vater von Samuel von → C. C NDB

Cocceji, Samuel Frh. von, Jurist, Staatsmann, * 20. 10. 1679 Heidelberg, † 4. 10. 1755 Berlin. C. studierte Jura bei seinem Vater Heinrich von → C., wurde 1699 promoviert (De principio juris naturalis unico vero et adaequato) und nach dreij¨ahriger Bildungsreise durch Italien, Frankreich, England und Holland 1702 zum o. Prof. der Rechte in Frankfurt / Oder berufen. 1704 brach er die

akademische Laufbahn ab und trat in den preuß. Justizund Verwaltungsdienst ein. 1711-13 als Subdelegierter am Reichskammergericht in Wetzlar t¨atig, wurde er 1723 Pr¨asident des Kammergerichts in Berlin. In dieser Position und sp¨ater als preuß. Etats- und Kriegsminister (1727), Justizminister (1738) und schließlich Großkanzler (1747) war C. mit weitgehenden Reformen der Rechtspraxis und des materiellen Rechts befaßt. Grundlage der Vereinheitlichung und qualitativen Verbesserung der preuß. Rechtsprechung waren sein Project des Codicis Fridericiani Marchici (1748), sein Project einer Tribunals-Ordnung (1748) und das Project des Corporis Juris Fridericiani (2 Tle., 1749-51). Es gelang C., der darin niedergelegten Gerichtsordnung durch kluge ministerielle Politik Geltung zu verschaffen. Eine Reform des Landrechts blieb jedoch vor allem auch deshalb Fragment, weil C. in seinen als Novum systema jurisprudentiae naturalis et Romanae (1740) ver¨offentlichten Vor¨uberlegungen, hierin seinem Vater folgend, nicht zu einer klaren theoretischen Scheidung von r¨omischem Recht und Naturrecht gelangte. C Kleinheyer

Coccejus, Johannes, auch J. Koch, reformierter Theologe, * 9. 8. 1603 Bremen, † 5. 11. 1669 Leiden. Aus einer einflußreichen Bremer Familie stammend, studierte C., Sohn eines st¨adtischen Sekret¨ars, in seiner Heimatstadt und in den Niederlanden Theologie und erhielt 1630 einen Ruf als Prof. der biblischen Philologie an das Gymnasium illustre in Bremen. 1636 u¨ bernahm er den Lehrstuhl f¨ur hebr¨aische Sprache in Franeker, wo er seit 1643 als Prof. der Theologie las. 1650 folgte die Berufung an die Univ. Leiden. C. war ein genauer Kenner der orientalischen Literaturen, vor allem der rabbinischen (Lexicon et commentarius sermonis hebraici et chaldaici). Ber¨uhmt wurde er als Exeget und f¨uhrender Verfechter der F¨oderaltheologie, die die biblische Heilsgeschichte als Folge von zielgerichteten Bundesschl¨ussen Gottes mit den Menschen begriff. C. ver¨offentlichte u. a. eine Summa doctrinae de foedere et testamento Dei (1648, 21654). Seine Opera omnia erschienen 1669-75 C TRE in acht B¨anden (31701). C. starb an der Pest.

Coccinius, Michael → K¨ochlin, Michael Coccius, Ernst Adolf, Ophthalmologe, * 19. 9. 1825 Knauthain bei Leipzig, † 24. 11. 1890 Leipzig. Nach dem Studium der Medizin in Leipzig, Prag und Paris wurde C. 1848 mit einer Dissertation De morbis typhum sequentibus promoviert, wandte sich dann jedoch speziell der Augenheilkunde zu. 1847-56 arbeitete er als Assistenzarzt und Privatdozent in Leipzig, erhielt dort 1857 eine a. o. Professur und wurde 1867 zum o. Prof. der Ophthalmologie berufen sowie in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. C. ver¨offentlichte u. a. Ueber die Anwendung des Augenspiegels nebst Angabe eines neuen Instrumentes (1853), Die Heilanstalt f¨ur arme Augenkranke zu Leipzig zur Zeit ihres f¨unzigj¨ahrigen Bestehens (mit Theodor Wilhelmi, 1869) und Diagnose des Sehpurpurs im Leben (1877).

Coccyus, Sebastian, auch Gauch, P¨adagoge, * 1504 / 05 Cannstatt (heute zu Stuttgart), † 28. 9. 1562 Bebenhausen bei T¨ubingen. C. unterrichtete seit etwa 1527 als Collaborator an der Lateinschule in Schw¨abisch Hall, wurde 1531 Pr¨azeptor in Schwabach und 1532 in Dinkelsb¨uhl, kehrte 1533 nach Schw¨abisch Hall zur¨uck und leitete die Schule bis zur Einf¨uhrung des Interims 1547. Im selben Jahr schrieb er sich an der Univ. Heidelberg ein, erschien aber schon 1548 als ¨ Superattendent und Lesemeister am Stift in Ohringen. 1551 wurde C. Lehrer und Erzieher des Prinzen Eberhard in Stuttgart. Als reformatorischer P¨adagoge und Humanist bem¨uhte er sich vor allem um die Vermittlung der lateinischen Spra-

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Coch che sowie um den Religionsunterricht. Seine p¨adagogischen Vorstellungen, in der ungedruckten Schulordnung von 1543 niedergelegt, sind deutlich von Johannes → Brenz bestimmt und beeinflußten ihrerseits sp¨atere Schulordnungen. C NDB

Coch, Georg (Theodor), Volkswirtschaftler, * 11. 2. 1842 Hesserode bei Kassel, † 8. 1. 1890 Pera bei Konstantinopel. C., Sohn eines Pfarrers, studierte Volkswirtschaft, sammelte praktische Erfahrungen im Großhandelshaus seines Onkels in Konstantinopel und arbeitete danach als leitender Angestellter f¨ur Großhandelsunternehmen und Landwirtschaftsbe¨ triebe in England und Osterreich. Auf Vermittlung des Handelsministers Felix Freiherr von → Pino-Friedenthal wurde er 1882 von Kaiser → Franz Joseph I. mit der Einrichtung einer o¨ sterr. Postsparkasse nach europ¨aischen Vorbildern beauftragt; nach erfolgreicher Etablierung war C. 1883-86 deren Leiter. Wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Finanzministerium zur¨uckgetreten, siedelte er 1888 in die T¨urkei u¨ ber und arbeitete dort im Eisenbahnbau. C. war mit ¨ der Einf¨uhrung des Verrechnungswesens bei der Osterreichischen Postsparkasse Vorreiter und Begr¨under des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in Europa. C NDB

Cochl¨aus, Johannes, eigentl. Dobeneck, kath. Theologe, * 1479 Raubersried, Pfarrei Wendelstein, bei Schwabach (Franken), † 10. / 11. 1. 1552 Breslau. C. entstammte einer b¨auerlichen Familie und erhielt seine artistische und theologische Ausbildung seit 1504 in K¨oln, wo er nach Humanistenart seinen Geburtsnamen in Cochl¨aus (von lat. cochlea = Wendeltreppe) latinisierte. Als Leiter der Schule bei St. Lorenz in N¨urnberg (seit 1510) kn¨upfte er Beziehungen zu Willibald → Pirckheimer und anderen Humanisten und gab mehrere Schulb¨ucher heraus, darunter eine Germania, die f¨ur die Landeskunde Deutschlands von hohem Interesse ist und eine eingehende Darstellung der Stadt N¨urnberg als der Mitte des Reiches bietet. Nach einer Italienreise, die ihn nach Bologna und Ferrara (1517 Dr. theol.) f¨uhrte, war C. von 1520 bis 1525 als Dekan in Frankfurt / Main t¨atig. Als Hieronymus → Emser starb, wurde er 1528 Hofkaplan Herzog → Georgs von Sachsen in Dresden. Kanonikate erhielt er 1535 an der Domkirche in Meißen, 1539 am Dom zu Breslau, 1542 an St. Willibald in Eichst¨att. Am Ende seines Lebens kehrte er nach Breslau zur¨uck. Seit dem Wormser Reichstag von 1521 war C. bei vielen wichtigen Ereignissen der Reformationsgeschichte (u. a. Augsburger Reichstag 1530, Religionsgespr¨ache 1540 / 41) zugegen und beteiligt und hat als vielseitiger und eifriger Schriftsteller gewirkt. Sein mehr als 200 Schriften umfassendes literarisches Werk enth¨alt Schulb¨ucher (Musik, Landeskunde), historische Schriften, Editionen patristischer und mittelalterlicher Texte, kontroverstheologische Traktate und ¨ Flugschriften, darunter Ubersetzungen zeitgen¨ossischer Autoren. Nach den heftigen polemischen Auseinandersetzungen der zwanziger Jahre wandte er sich in den Dreißigern im Zuge der Konzilsvorbereitung zeitweise st¨arker historischen Arbeiten zu. Neben den Schriften gibt es einen umfangreichen, zusammenfassend noch nicht ver¨offentlichten Briefwechsel. Die theologischen Schriften behandeln u. a. Messe, Sakramente, Willensfreiheit, Gel¨ubde, Z¨olibat, Heiligenverehrung, Konzil und den Primat des Papstes. In allen Fragen erweist sich C. als ein treuer Vertreter der alten Kirche. F¨ur die

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kontroverstheologischen Schriften gilt, daß sie, wie auch die anderer altgl¨aubiger Autoren, auf die reformatorische Herausforderung re-agierten, weniger eigene Anst¨oße gaben. Das zeigt sich vielfach schon an den Titeln, etwa Von der heyligen Ehe Sechs Fragstuck, disputirt durch Doctor Johan Cocleum wider Mar. Luther und Jo. Brentzen (1534). Die fr¨uhen Traktate sind seit 1520 meist gegen → Luther gerichtet, sp¨ater schrieb C. auch gegen → Bullinger und Calvin sowie gegen kleinere Reformatoren. Unter den historischen Schriften sind beachtenswert eine Geschichte der Hussiten und die malizi¨osen Lutherkommentare (Commentaria de vita et actis Martini Lutheri, begonnen 1533 / 34, erschienen Mainz 1549), die – weder eine Biographie Luthers noch gar eine Geschichte der Reformation, sondern ein Annalenwerk – das kath. Lutherbild u¨ ber Jahrhunderte nachdr¨ucklich bestimmten. In seinem unerm¨udlichen Kampf gegen Luther und die Reformation konnte C., Humanist und Philologe eher denn Theologe, die Bedeutung eines Mannes wie Johannes → Eck nicht erreichen. Aber er kann vielleicht als typisch gelten f¨ur einen gr¨oßeren Teil der altgl¨aubigen Gegner Luthers, denen die Herausforderung durch die Reformation die Lebensrichtung bestimmte und zum Schicksal wurde. LITERATUR: Martin Spahn: J. C. Ein Lebensbild aus der Zeit der Kirchenspaltung. Berlin 1898 (Neudr. Nieuwkoop 1964; mit Verzeichnis der Schriften). – VD 16, C 4238-4428. – Adolf Herte: Das katholische Lutherbild im Bann der LutherKommentare des C. 3 Bde., M¨unster 1943. – Remigius B¨aumer: J. C. Leben und Werk. M¨unster 1980. – Ders.: C., J. In: TRE, Bd. 8, 1981, S. 140-146. – Monique SamuelScheyder: J. C. Humaniste et adversaire de Luther. Nancy 1993. Johannes Schilling

Coclico, Adrianus Petit, auch Coclicus, Komponist, Musiktheoretiker, * 1499 / 1500 Flandern (?), † nach 1562 Kopenhagen (?). Bis zur aktenkundigen Immatrikulation an der Univ. Wittenberg 1545 wissen die Quellen nichts u¨ ber C. zu berichten. Auch seine Behauptung, er sei in Flandern geboren, ist fragw¨urdig. In Wittenberg bem¨uhte er sich wohl vergeblich um eine Musikprofessur. Nach kurzen Aufenthalten in Frankfurt / Oder und Stettin war er 1547-50 Musiker in der Hofkapelle Herzog → Albrechts in K¨onigsberg, gr¨undete nach 1550 in N¨urnberg eine private Musikschule und ging u¨ ber Wismar (1555) als Musiker und S¨anger, sp¨ater Sangmeister, an die Kopenhagener Hofkapelle. In den dortigen S¨angerlisten wird sein Name zuletzt 1562 erw¨ahnt. C. schrieb 1552 das Compendium musices [. . .] (Neuausg. 1954), eines der wichtigsten Musiklehrb¨ucher seiner Zeit, und setzte u. a. 41 vierstimmige Motetten, die im gleichen Jahr mit dem programmatischen Titel Musica reservata [. . .] ver¨offentlicht wurden. C MGG Coehn, Alfred, Physiker, Chemiker, * 2. 8. 1863 Berlin, † 3. 3. 1938 G¨ottingen. Der Sohn eines Fabrikbesitzers studierte an den Universit¨aten Berlin, Z¨urich und M¨unchen physikalische Chemie, wurde 1888 in Erlangen mit der Arbeit Elektrolytische Untersuchungen promoviert, habilitierte sich 1899 in G¨ottingen und war bis 1902 Privatdozent, bis 1919 a. o. Prof. und danach bis zu seiner Emeritierung 1928 o. Professor. 1909 gr¨undete er die Photochemische Abteilung des Physikalisch-Chemischen Instituts der Univ. G¨ottingen. C. war u. a. Mitglied der Deutschen Chemischen Gesellschaft, der Deutschen Physikalischen Gesellschaft sowie der Goethe-Gesellschaft; er ver¨offentlichte zahlreiche Aufs¨atze vor allem auf dem Gebiet der Elektrochemie, das er auch in Johann → M¨ullers und Claude-Servais-Mathias Pouillets Lehrbuch der Physik (hrsg. von Leopold → Pfaundler, 1909) abhandelte.

Coenen Coelde, Dietrich → Kolde, Dietrich Coelestin Sfondrati, F¨urstabt von St. Gallen, eigentl. Aluigi C., Pseud. Eugenius Lombardus, Kardinal, * 4. 1. 1644 Mailand, † 4. 9. 1696 Rom. C., aus einem alten mail¨andischen Adelsgeschlecht stammend, kam als Zw¨olfj¨ahriger an die Klosterschule St. Gallen, legte dort 1660 das M¨onchsgel¨ubde ab und empfing 1668 die Priesterweihe. Er lehrte erst in Kempten Theologie, dann in St. Gallen Philosophie, Theologie und Kirchenrecht und las 1679-82 an der Univ. Salzburg. 1687 wurde er zum F¨urstabt von St. Gallen gew¨ahlt und 1695 von Papst Innozenz XII. zum Kardinal ernannt. C. galt als vorbildhafter M¨onch und Gelehrter. Seine Landesherrschaft und seine theologischen Grunds¨atze waren von seinem diplomatischen und ausgleichenden Charakter bestimmt. C.s Schriften u¨ ber die Religionsstreitigkeiten der Zeit (u. a. Regale sacerdotium, 1684) fanden weite Verbreitung. C NDB

Coelestin, Georg, auch Himmlisch, Himmel, luth. Theologe, * 23. 4. 1525 Plauen, † 13. 12. 1579 Berlin. Der Sohn eines Kaufmanns schloß das Studium der Theologie in Leipzig 1546 als Magister ab, erhielt 1549 eine Pfarrstelle in Schneeberg und wurde 1551 Diakonus an der Leipziger Thomaskirche, 1564 Hofprediger bei Kurf¨urst → Joachim II. von Brandenburg und 1571 Dompropst von Berlin. In dieser Funktion war er an der Einf¨uhrung der Konkordienformel in Brandenburg sowie an der Visitation in Magdeburg beteiligt. C. ver¨offentlichte mehrere teils plagiierte Schriften (u. a. die Historia comitiorum Augustae celebratorum, 1577), mit denen er mit David → Chytraeus in einen Urheberrechtsstreit geriet, und gab eine Sammlung von Lutherbriefen heraus. C. war der Bruder von Johann Friedrich → C. C NDB

Coelestin, Johann Friedrich, auch Himmlisch, Himmel, luth. Theologe, * Plauen, † nach 1577. ¨ Uber den Bruder von Georg → C., Sohn eines Kaufmanns, wissen die Quellen bis zu seiner Berufung als Prof. der griechischen Sprache nach Jena 1560 nichts zu berichten. Er war ein strikter Anh¨anger des Theologen Matthias → Flacius und k¨ampfte wie dieser gegen das sog. Leipziger Interim. 1562 als Flacianer in Jena entlassen, war er Pfarrer und Leiter des Kirchenwesens beim Grafen Ladislaus von → Fraunberg, dann reformatorischer Berater beim Grafen Joachim von → Ortenburg, bevor er 1564 eine Stelle als Prof. der Theologie am Gymnasium in Lauingen annahm. 1568 folgte er einer erneuten Berufung nach Jena als Prof. der Theologie, ¨ mußte aber die Univ. 1572 wegen seiner Uberzeugungen ¨ zum zweiten Mal verlassen. Er ging nach Osterreich, wo er als Pfarrer in Eferding und Stein wirkte, sp¨ater in Wien Pfarrer ordinierte und versuchte, eine Flacianische Glaubensgemeinde aufzubauen. Nach 1577 verliert sich seine Spur. C NDB

C¨ollin, Konrad, auch Colln, K¨ollin, Dominikaner, * um 1476 Ulm, † 26. 8. 1536 K¨oln. Der Sohn eines Handwerkers schloß sich 1492 den Ulmer Dominikanern an, studierte zun¨achst bei Felix → Fabri in Ulm und seit 1500 in Heidelberg. 1500 erwarb er den Grad eines Baccalaureus. Seit 1507 Magister, wurde er im selben Jahr Prof., Prior und Regens des Dominikanerstudiums in Heidelberg. 1511 wechselte C. in gleicher Position nach K¨oln, wo er 1517 Dekan der Theologischen Fakult¨at wurde. 1523, 1526-28 und 1533 war er Prior des Dominikanerkonvents. Um 1527 wurde er als Nachfolger Jakob van → Hoogstraetens Inquisitor f¨ur die Kirchenprovinzen K¨oln, Trier und Mainz. C. machte ausgiebig vom Mittel der B¨ucherzensur Gebrauch und ermittelte gegen Adolf → Clarenbach, Peter → Fliesteden und → Agrippa von Nettesheim. C. ver¨offentlichte gegen → Luther gerichtete

Schriften, die besonders die reformatorischen Auffassungen zu Ehe und Jungfr¨aulichkeit angriffen. 1530 wirkte er an der Confutatio der Confessio Augustana auf dem Augsburger Reichstag mit. C., ein Thomas-Experte, ver¨offentlichte u. a. einen von Jean Capr´eole beeinflußten Kommentar zur Summa: Expositio commentaria in Primam Secundae (1512). Zur Moraltheologie a¨ ußerte er sich 1523 in dem fiktiven Dialog Quodlibeta. C LThK

C¨olln, (Georg) Friedrich (Willibald Ferdinand) von, Beamter, Publizist, * 1766 Oerlinghausen, † 31. 5. 1820 Berlin. C. war Kammerreferendar in Minden, 1800 Kriegs- und Steuerrat des zweiten Glogauischen Departements und 1805-07 Assessor der Oberrechnungskammer in Berlin. Seit 1806 leitete er als Herausgeber und Hauptbeitr¨ager den „Preußischen Staatsanzeiger“. 1807 / 08 ver¨offentlichte er die Vertrauten Briefe u¨ ber die inneren Verh¨altnisse am preußischen Hof seit dem Tode Friedrichs II.; er wurde des Landesverrats angeklagt und nach Glatz gebracht. Nachdem er 1810 von dort fliehen konnte, erhielt C. 1815 eine Anstellung im B¨uro des Staatskanzlers Karl August von → Hardenberg in Berlin und war weiterhin publizistisch t¨atig (Neue Feuerbr¨ande. Marginalien zur Schrift: Vertraute Briefe [. . .] und „Freim¨utige Bl¨atter f¨ur Deutschland“, 1815-20). C ADB Coen, Rafael, auch Raffaele del fu Vitale Co¨en, Mediziner, * 19. 1. 1839 Spalato (heute Split, Kroatien), † n. e. C. schloß das Studium der Medizin 1872 in Wien mit der Promotion ab, ließ sich als praktischer Arzt nieder und leitete zugleich die erste vom Staat anerkannte Privatheilanstalt ¨ f¨ur Sprachkranke in Osterreich. Seine Forschungen galten vor allem den Sprachst¨orungen. C. ver¨offentlichte u. a. Das Stottern, Stammeln, Lispeln (1877, 21883), Pathologie und Therapie der Sprachanomalien (1886), Die H¨orstummheit (1887) und Specielle Therapie des Stammelns und der verwandten Sprachst¨orung (1889).

Coenders, Albert (Aloysius Egon), Jurist, * 8. 11. 1883 L¨udinghausen (Westfalen), † 24. 7. 1963 Honnef. C. studierte Rechts- und Staatswissenschaften sowie Philosophie in Marburg, Berlin, M¨unchen und Bonn, wo er seit 1905 als Gerichtsreferendar, seit 1910 als Gerichtsassessor, ¨ sp¨ater als Richter t¨atig war, 1913 promoviert wurde (Uber die Entstehung des deutschen Bundesstaates) und sich 1914 habilitierte. Im folgenden Jahr wurde er als a. o. Prof. an die Univ. Greifswald berufen und dort 1919 zum o. Prof. ernannt. 1923 folgte er schließlich einem Ruf als Ordinarius f¨ur Straf- und Prozeßrecht und Direktor des Kriminalwissenschaftlichen Instituts an die Univ. K¨oln, wo er 1949 emeritiert wurde. C. geh¨orte der Vereinigung Recht und Wirtschaft, der Internationalen Vereinigung f¨ur Rechtsund Wirtschaftsphilosophie und der Internationalen kriminalistischen Vereinigung an. Thema seiner Ver¨offentlichungen war vor allem das Strafrecht, sp¨ater vermehrt die Rechtsphilosophie (u. a. Begriff und Wirklichkeit in der Rechtswissenschaft, 1937). Coenen, Hermann Wilhelm M., Mediziner, * 21. 11. 1875 Tecklenburg (Westfalen), † 7. 12. 1956 M¨unster. Seine Studienjahre verbrachte C., Sohn eines Kreisrichters, in Freiburg / Breisgau, Leipzig, M¨unchen, Berlin, wo er 1897 ¨ promoviert wurde (Uber die Salze des menschlichen Blutserums), und in Kiel. Hier legte er 1898 das medizinische Staatsexamen ab, bevor er als Assistent am Pathologischen Institut nach Berlin zur¨uckkehrte. 1902-07 assistierte er an der Chirurgischen Klinik Berlin, wechselte dann an die Chirurgische Klinik in Breslau, wo er 1910-23 als Oberarzt praktizierte. 1908 habilitierte er sich in Breslau (Die praktische

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Coermann Bedeutung der Serumsdiagnostik bei chirurgischen Erkrankungen, insbesondere bei Knochenkrankheiten), und lehrte dort seit 1911 als a. o. Professor. 1923 erhielt er einen Lehrstuhl als Ordinarius f¨ur Chirurgie in M¨unster und stand der Chirugischen Universit¨atsklinik als Direktor vor. C. unterbrach seine Laufbahn als Kliniker 1912 f¨ur sechs Jahre, um erst in den Balkankriegen, dann 1914-17 im Ersten Weltkrieg medizinische Hilfe zu leisten. Ein Ergebnis dieser Jahre war die Publikation Der Gasbrand (1919); dazu kamen andere kriegsmedizinische Aufs¨atze und u¨ ber 150 weitere Einzel¨ 2, 3 C Arzte ver¨offentlichungen.

Coermann, Wilhelm, Jurist, * 7. 7. 1864 M¨unster (Westfalen), † n. e. Der Sohn eines Architekten studierte in Freiburg, Berlin, T¨ubingen und Straßburg, trat 1886 in den elsaßlothringischen Justizdienst ein und brachte es dort bis zum Amtsgerichtsrat. Nach dem Ersten Weltkrieg und der Angliederung Elsaß-Lothringens an Frankreich war er von 1919 an vier Jahre bei der w¨urttembergischen Justiz t¨atig. C. schrieb u¨ ber das Nachbarrecht an Eisenbahnen (1893) ebenso wie u¨ ber die Nahrungsmittelgesetze (1917), verfaßte mehrere Rechtstaschenb¨ucher, Handreichungen zu den B¨urgerrechten sowie zur Reichsverfassung und war einschl¨agiger Mitarbeiter verschiedener Lexika und Zeitschriften.

Coerper, Heinrich, evang. Theologe, Missionar, * 3. 3. 1863 Meisenheim / Glan, † 8. 7. 1936 Dinglingen (Baden). Nach dem Studium der Theologie in T¨ubingen, Utrecht, Berlin und Bonn wurde C. Lehrer an einer Evangelistenschule in Barmen. 1890 ging er als Seelsorger nach Heidelberg, 1894 nach Essen und leitete seit 1897 in Straßburg ein Diakonissenhaus. Seit 1899 f¨ur den deutschen Zweig der ChinaInland-Mission unter Johannes R¨oschmann t¨atig, begr¨undete er 1902 in Liebenzell im Schwarzwald ein Missionswerk, dessen Arbeit bald weit u¨ ber das urspr¨ungliche T¨atigkeitsgebiet China hinausreichte. Die Liebenzeller Mission war zuletzt auch in der S¨udsee und in Japan aktiv. Gleichzeitig trat sie in W¨urttemberg und Bayern in Erscheinung. C. vero¨ ffentlichte u. a. Ratschl¨age f¨ur dein Glaubensleben (1957); 1966 erschien die von Wilhelm Steinhilber herausgegebene Briefsammlung Briefliche Seelsorge (1966).

Coester, Oskar, Maler, Graphiker, * 7. 11. 1886 Frankfurt / Main, † 24. 8. 1955 Dachau. Die Ausbildung seines Talents begann C. an der St¨adelKunstschule in Frankfurt, setzte sie an der Akademie in Karlsruhe fort und ging 1908 an die Kunstakademie in M¨unchen. Sp¨ater bildete er sich autodidaktisch weiter und unternahm Studienreisen nach Italien und Frankreich. Ein kurzer Aufenthalt in Mexiko blieb ohne Einfluß auf seine Malerei. Temperament und reiche Farbigkeit kennzeichnen seine an Vorbildern wie Paul C´ezanne und Oskar → Kokoschka orientierten Landschaften, Bildnisse und Stilleben, die u. a. von Museen in Basel, Stettin und M¨unchen angekauft wurden. C. war ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Sch¨onen K¨unste sowie Ehrenmitglied der Akademie der bildenden K¨unste in M¨unchen. 1949 erhielt er den Kunstpreis f¨ur Malerei der Stadt M¨unchen. C AKL Cogels, Joseph Carl, Maler, Graphiker, * 5. 11. 1785 Br¨ussel, † 31. 5. 1831 Leitheim bei Donauw¨orth. C. studierte in Aachen, seit 1805 an der Akademie in D¨usseldorf und sp¨ater in Paris. Er unterrichtete die Prinzessin Elisabeth am Hof Herzog → Wilhelms von Bayern-Birkenfeld im Zeichnen. 1811 ging er nach M¨unchen und erhielt Auftr¨age von K¨onig → Maximilian I. und dem Herzog Eugen von

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→ Leuchtenberg. Nach Aufenthalten in Gent und Antwerpen, wo er 1817 in die K¨onigliche Akademie aufgenommen wurde, kehrte C. 1819 nach M¨unchen zur¨uck. 1824 wurde er Ehrenmitglied der M¨unchner Akademie. Zu C.’ Werk geh¨oren Architektur- und Stadtansichten sowie Darstellungen von Landschaften und Marinebilder. Mit Georg von → Dillis und Max Josef → Wagenbauer z¨ahlt er zu den Begr¨undern der sog. M¨unchner Schule. Von einigen seiner Bilder fertigte C. druckgraphische Reproduktionen an. C AKL

Cohausen, Carl August von, Milit¨ar, Altertumsforscher, * 17. 4. 1812 Rom, † 2. 12. 1894 Wiesbaden. C., Sohn eines Directeur des estaffetes in Rom, der nach 1815 preuß. Landrat war, trat 1831 in die preuß. Armee ein, unterbrach seine Laufbahn 1841 f¨ur die Stelle des zweiten Direktors der Steingutfabrik Villeroy & Boch, kehrte 1848 zur¨uck und fand Verwendung u. a. bei der Milit¨arkommission des Deutschen Bundes und sp¨ater als Vertreter des Milit¨arbevollm¨achtigten in Paris, 1872 als Oberst. Als Altertumsforscher befaßte er sich mit der Saalburg sowie mit dem Hildesheimer Silberschatz und war Mitarbeiter an einem von Napoleon III. herausgegebenen Werk u¨ ber Julius C¨asar. Nach dem Ausscheiden aus dem Milit¨ardienst Konservator der Altert¨umer im Regierungsbezirk Wiesbaden, widmete er sich der Vor- und Fr¨uhgeschichte vor allem dieses Landesteils und ver¨offentlichte u. a. Der r¨omische Grenzwall in Deutschland (1884-86). C NDB Cohausen, Johann Heinrich, Mediziner, * 1665 Hildesheim, † 13. 7. 1750 M¨unster. C. studierte in Frankfurt / Oder Medizin und Arzneiwissenschaft und wurde dort 1699 promoviert. Seit 1717 war er Leibarzt des Bischofs von M¨unster und bisch¨oflicher ¨ Amtsarzt der Amter Horstmar und Ahaus in Verden. C. schrieb teils satirische, teils skurrile medizinische Abhandlungen u¨ ber Schaden und Nutzen z. B. von Schnupftabak oder Kr¨autertees (u. a. Der wieder lebende Hermippus, oder Curioese physikalisch-medicinische Abhandlung von der seltenen Art sein Leben durch das Anhauchen junger M¨adchen zu verl¨angern, aus einem R¨omischen Denckmahl genommen, nun aber mit medicinischen Gr¨unden befestiget, und durch Beweise und Exempel wie auch mit einer wunderbaren Erfindung aus der philosophischen Scheidekunst erl¨autert und best¨atiget (1753). Cohausz, Otto, auch Cohauß, Pseud. Otto Nordw¨alder, Jesuit, Missionar, theologischer Schriftsteller, * 8. 9. 1872 Nordwalde (Westfalen), † 3. 6. 1938 Danzig. Der Sohn eines Leinenfabrikanten war zun¨achst einige Jahre als Kaufmann t¨atig, bevor er 1894 Jesuit wurde und dann als Volksmissionar, Konferenzredner und Publizist wirkte. Daneben war er Domprediger in Breslau, sp¨ater Prediger an der St.-Hedwigs-Basilika in Berlin. C. schrieb f¨ur religi¨ose Periodika und verfaßte in großer Zahl apologetischer Schriften wie Kriegspredigten (1915), Iphigenie, die Zeitaufgabe der deutschen Frau (1916), Macht euch den Rosenkranz lieb und fruchtbar (1932) und die Predigt Mein Volk, wach auf! Predigten u¨ ber Deutschlands Niedergang und Wiedererhebung (1933). C DLL, 20. Jh. Cohen, Arthur, eigentl. Artur Aron, National¨okonom, * 22. 1. 1864 M¨unchen, † 10. 6. 1940 M¨unchen. C. studierte an der Univ. M¨unchen u. a. bei Lujo → Brentano Volkswirtschaft und wurde 1891 zum Dr. oec. publ. Promoviert (Der Ratenkauf mit Eigentumsvorbehalt in volkswirtschaftlicher Beziehung). Nach seiner Habilitation an der TH M¨unchen las er dort seit 1906 als Privatdozent und war daneben wissenschaftlicher Assistent an der Industrie- und Handelskammer, bis er 1911 einen Lehrauftrag als a. o. Prof.

Cohen f¨ur Geld-, Bank- und B¨orsenwesen sowie Finanzwissenschaft und Handelspolitik erhielt. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 war seine Lehrt¨atigkeit beendet. Aus seinen zahlreichen Ver¨offentlichungen ist vor allem seine Habilitationsschrift Die Verschuldung des b¨auerlichen Grundbesitzes in Bayern von der Entstehung der Hypothek bis zum Beginn der Aufkl¨arungsperiode [. . .] hervorzuheben. C. war Mitbegr¨under und lange Jahre Leiter des Vereins f¨ur Statistik der Juden in M¨unchen. C Lex dt-j¨ud Autoren

kurze Zeit nach Deutschland zur¨uck, um an der Univ. Frankfurt / Main Rechtswissenschaften zu studieren und schloß seine Ausbildung mit der Promotion ab. 1949-60 war in er in Israel als Generalstaatsanwalt t¨atig, zwischenzeitlich (1952) auch als Justizminister, und bis zu seiner Pensionierung 1981 als Richter am obersten Gericht. C. lehrte an der Hebr¨aischen Univ. in Jerusalem und an der Univ. Tel Aviv. C. geh¨orte nach dem Zweiten Weltkrieg zu den wichtigen Vermittlern im deutsch-j¨udischen Austausch.

Cohen, Cosman David, Unternehmer, * Juli 1753, † 25. 1. 1823. C. betrieb seit Beginn des 19. Jh. in Bocholt einen Großhandel f¨ur Baumwolle und trat auch als Verleger von Baumwolle auf. Hierzu kaufte er Baumwolle und Leinen, ließ diese von Handspinnern und -webern zu Garnen und Stoffen verarbeiten, f¨arbte die Stoffe in einer eigenen F¨arberei und verkaufte sie anschließend. Mit den Jahren gewann die Fabrikation immer gr¨oßeren Anteil am Unternehmen, und C. z¨ahlte zu den bedeutendsten Unternehmern in Bocholt. Die Gesch¨afte wurden nach seinem Tod von Familienmitgliedern fortgef¨uhrt. Die Familie Cohen war u¨ ber mehrere Jahrzehnte erfolgreich in der Textilindustrie t¨atig. C Rhein-Westf Wirt, Bd 16

Cohen, Hermann, Karmelit, Musiker, Komponist, * 10. 11. 1820 Hamburg, † 20. 1. 1871 Spandau (heute zu Berlin). Der Sohn j¨udischer Eltern galt als musikalisches Wunderkind. Er wuchs seit 1834 in Paris auf, war dort Sch¨uler → Liszts und bald ein gefeierter Pianist. 1847 zum Katholizismus konvertiert, trat C. 1849 bei den unbeschuhten Karmeliten in Broussey ein und wurde schließlich 1851 zum Priester geweiht. Als Volksprediger missionierte er mit großem Erfolg in S¨udfrankreich, gr¨undete in London eine Niederlassung seines Ordens und f¨uhrte in vielen franz¨osischen St¨adten die n¨achtliche Anbetung ein. C. schrieb profane Kompositionen sowie nach seiner Taufe eine Messe und zahlreiche religi¨ose Lieder. Er starb als Seelsorger franz¨osischer Kriegsgefangener in Spandau an den Pocken. C LThK

Cohen, Eduard, Maler, * 22. 6. 1838 Hannover, † 12. 12. 1910 Frankfurt / Main. C. begann seine k¨unstlerische Ausbildung bei Edmund Koken in Hannover und ging dann an die Dresdner Kunstakademie, sp¨ater nach Wien und an die Zeichenakademie in Weimar. 1867-70 bereiste er Italien und ließ sich anschließend in Frankfurt / Main nieder. 1899-93 war er Mitarbeiter am St¨adelschen Kunstinstitut. C.s meist in Privatbesitz befindliche Landschaftsmalereien sind in ihren st¨arksten Szenen vor allem von seiner Italienreise bestimmt. C AKL Cohen, Emil Wilhelm, Mineraloge, * 12. 10. 1842 Akj¨ar bei Horsens (D¨anemark), † 13. 4. 1905 Greifswald. C., Sohn eines Gutsbesitzers, studierte seit 1863 in Berlin und Heidelberg Chemie und Physik, spezialisierte sich bald auf die Gesteinskunde und habilitierte sich 1871 mit der ¨ petrographischen Untersuchung Uber die zur Dyas geh¨origen Gesteine des s¨udlichen Odenwaldes. 1873 / 74 unternahm er eine Studienreise zu den Gold- und Diamantenfeldern S¨udafrikas. 1878 als a. o. Prof. der Petrographie, gesch¨aftsf¨uhrendes Mitglied der Geologischen Kommission und Direktor der geologischen Landesaufnahme von ElsaßLothringen nach Straßburg berufen, las er dort seit 1884 als Ordinarius. In dieser Zeit erwarb sich C., seit 1883 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, durch seine Anwendung mikroskopischer und mikrophotographischer Verfahren in der Gesteinsbeschreibung den Ruf als Begr¨under der modernen Petrographie. 1885 wechselte er als o. Prof. der Mineralogie und Geologie nach Greifswald und widmete sich dort vor allem der kosmischen Petrographie. Er erforschte die Meteoreisen, wies 1891 Diamanten in Meteoriten nach und band das nach ihm benannte Eisencarbid Cohenit. C.s in drei Heften ver¨offentlichte Meteoritenkunde (1894-1905) sowie zahlreiche weitere Ver¨offentlichungen (u. a. Sammlung von Mikrophotographien zur Veranschaulichung der mikroskopischen Structur von Mineralien und Gesteinen, 1880-84, 31900; Zusammenfassung der bei der Untersuchung der k¨ornigen bis dichten Meteoreisen erhaltenen Resultate, 1900) zum Thema machten ihn zum f¨uhrenden Kopf auch dieses Zweiges der Geologie. C NDB Cohen, Haim, Jurist, * 1911 L¨ubeck, † 10. 4. 2002 Jerusalem. Der aus einer j¨udisch-orthodoxen Familie stammende C. wanderte 1930 nach Pal¨astina aus, kehrte wenig sp¨ater f¨ur

Cohen, Hermann, Philosoph, * 4. 7. 1842 Coswig (Anhalt), † 4. 4. 1918 Berlin. Einziger Sohn von Friederike, geb. Salomon, und Gerson C., wurde C. seit seinem vierten Lebensjahr durch seinen Vater, der Kantor der j¨udischen Gemeinde und Lehrer in Coswig war, in hebr¨aischer Sprache und Literatur unterrichtet. 1853 bezog er das Gymnasium in Dessau, im Oktober 1857 wechselte er an das J¨udischTheologische Seminar Breslau. Nach drei Jahren brach er die Ausbildung ab, immatrikulierte sich 1861 an der Philosophischen Fakult¨at der Universit¨at und holte das Abitur extern nach. Im Herbst 1864 setzte er seine Studien in Berlin fort, auch u¨ ber die im Oktober 1865 in Halle erfolgte Promotion hinaus. Er wurde Mitarbeiter der von Heymann → Steinthal und Moritz → Lazarus herausgegebenen „Zeitschrift f¨ur V¨olkerpsychologie und Sprachwissenschaft“. Die Kontroverse zwischen Adolf → Trendelenburg und Kuno → Fischer u¨ ber das richtige Verst¨andnis der Raum-Zeit-Lehre → Kants veranlaßte C. zu intensiver Besch¨aftigung mit den Schriften dieses Philosophen. 1871 erschien Kants Theorie der Erfahrung, ein f¨ur den Neukantianismus in philologischer wie philosophisch-systematischer Hinsicht grundlegendes Werk. 1873 habilitierte er sich in Marburg; 1876 wurde er hier o. Prof. der Philosophie als Nachfolger seines verstorbenen F¨orderers Friedrich Albert → Lange. 1878 heiratete er Martha Lewandowsky. Sein Schwiegervater Louis → Lewandowsky war Komponist und Chordirigent in verschiedenen Synagogen Berlins. Auch das Ehepaar C. verband die Liebe zur Musik; Hermann C. war langj¨ahriger Vorstand des Marburger Musikvereins. Unter der Zielsetzung, den kantischen Idealismus zeitgem¨aß zu erneuern, ließ C. seiner Aufarbeitung der theoretischen Philosophie Kants die B¨ucher Kants Begr¨undung der Ethik ¨ (1877, 21910) und Kants Begr¨undung der Asthetik (1889) folgen. Zusammen mit der stark umgearbeiteten und erweiterten Zweitauflage von Kants Theorie der Erfahrung (1885) und der Studie zum Prinzip der Infinitesimal-Methode (1883)

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Cohen bildeten sie die Grundlage f¨ur die Doktrin der „Marburger Schule“, die C. zusammen mit seinem Kollegen Paul → Natorp begr¨undete; ihre wichtigsten Repr¨asentanten in der j¨ungeren Generation waren Ernst → Cassirer, Albert ¨ → G¨orland und Nicolai → Hartmann. Die Tendenz zur Uberwindung des „Methoden“-Dualismus von Anschauung und Denken f¨uhrte C. im ersten Teil seines Systems der Philosophie, der Logik der reinen Erkenntnis (1902, 21914), zur These von der reinen Logizit¨at der Erkenntnis. Die axiomatischen Voraussetzungen, auf denen Mathematik und Naturwissenschaften fußen, sollen aus ihrem Ursprung im reinen Denken auf- und ausgewiesen werden. Mit seinem zweiten systematischen Hauptwerk, Ethik des reinen Willens (1904, 21907), legte C. eine Rechts- und Tugendlehre des „ethischen Menschen“ vor, in der er seine Theorie des ¨ ethischen Sozialismus begr¨undete; die Asthetik des reinen Gef¨uhls (1912) setzt die Geltung k¨unstlerischen Schaffens und Urteils ins „Gef¨uhl“, verstanden als eine dritte, die theoretische und praktische Objekterzeugung u¨ berformende Bewußtseinsrichtung. 1912 emeritiert, siedelte C. nach Berlin u¨ ber. Er dozierte hier an der Lehranstalt f¨ur die Wissenschaft des Judentums. Schon w¨ahrend der Marburger Jahre hatte er u¨ ber religionsphilosophische Fragen publiziert und wiederholt zur religi¨osen, kulturellen und politischen Situation des Judentums Stellung genommen. Seit seinem Bekenntnis in der Judenfrage (1880), das er zu dem von Heinrich → Treitschke ausgel¨osten „Berliner Antisemitismusstreit“ beitrug, und seinem Gutachten Die N¨achstenliebe im Talmud im Marburger Prozeß 1888 bek¨ampfte er als Anh¨anger eines liberalen, aber dezidiert auf dem Recht und der Pflicht zur eigenen Religion bestehenden Judentums den grassierenden Antisemitismus. Im Mai 1914 besuchte C. verschiedene j¨udische Gemeinden in Rußland. Sein zu Beginn des Ersten Weltkriegs weitgehend ungetr¨ubter Patriotismus machte unter dem Eindruck der neu aufflammenden Judenfeindschaft bald Bitterkeit und Skepsis Platz. Unter den zahlreichen Arbeiten der letzten Lebensjahre, die sich u. a. mit dem Verh¨altnis von Deutschtum und Judentum besch¨aftigen, ragen seine Studie zum Begriff der Religion im System der Philosophie (1915) und die postum erschienene Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums (1919, 21929) hervor. Das erste Buch f¨uhrt mit der W¨urdigung der „Eigenart“ des religi¨osen Bewußtseins zu einem neuen Begriff des Individuums, das Nachlaßwerk verkn¨upft j¨udische Religiosit¨at und philosophische Vernunft. WEITERE WERKE: Werke. Vollst¨andige Ausgabe. Bd. 1-10, hrsg. v. Helmut Holzhey. Hildesheim 1977 ff.; Bd. 11-17, hrsg. v. Helmut Holzhey, Julius H. Schoeps und Christoph Schulte. Hildesheim 1997 ff.; Supplementa Bd. 1 ff., hrsg. v. Helmut Holzhey und Hartwig Wiedebach. Hildesheim 2000 ff. LITERATUR: Eggert Winter: Ethik und Rechtswissenschaft. Berlin 1980. – Helmut Holzhey: C. und Natorp. 2 Bde., Basel / Stuttgart 1986. – Geert Edel: Von der Vernunftkritik zur Erkenntnislogik. Freiburg / M¨unchen 1988. – Reinhardt Brandt / Franz Orlik (Hrsg.): Philosophisches Denken – Politisches Wirken. H.-C.-Kolloquium Marburg 1992. Hildesheim 1993. – Helmut Holzhey (Hrsg.): H. C. Frankfurt / Main 1994. – Ders. / Gabriel Motzkin / Hartwig Wiedebach: „Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“. Tradition und Ursprungsdenken in H. C.s Sp¨atwerk. Internationale Konferenz in Z¨urich 1998. Hildesheim 2000. – Michael Zank: The idea of atonement in the philosophy of H. C. Providence, Rhode Island 2000. – Wolfgang Marx / Ernst Wolfgang Orth (Hrsg.): H. C. und die Erkenntnistheorie. W¨urzburg 2001. – Gianna Gigliotti / Irene Kajon / Andrea Poma (Hrsg.): Man and God in H. C.’s philosophy. Padua 2003. Helmut Holzhey

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Cohen, Karl (Hubert), Komponist, Kirchenmusiker, * 18. 10. 1851 Laurensberg bei Aachen, † 11. 11. 1938 K¨oln. C., Sohn eines Volksschullehrers, wurde 1875 in Bonn zum Priester geweiht, unterrichtete an der Kirchenmusikschule in Regensburg und war 1881-1909 Domkapellmeister in K¨oln. In dieser Funktion setzte er sich, erst im Kreis des Domkapitels, seit 1888 als Di¨ozesanpr¨ases des C¨acilienvereins, in der ganzen Di¨ozese f¨ur die Kirchenmusikreform ein. Als Lehrer, Organisator und Chorleiter des Domchores erfolgreich, wurde er 1904 zum Monsignore, 1909 zum Domkapitular und 1921 zum p¨apstlichen Hauspr¨alaten ernannt. Als Komponist zeigte er sich zwar neuen Entwicklungen gegen¨uber aufgeschlossen, orientierte sich aber vorwiegend an den c¨acilianischen Str¨omungen. Als Chorleiter machte sich C. vor allem um die Pflege des deutschen Kirchenlieds und des Gregorianischen Chorals verdient (Kurgefaßte Regeln f¨ur den Vortrag des Gregorianischen Chorals, 1911). C NDB Cohen, Walter, Kunsthistoriker, * 18. 2. 1880 Bonn, † 8. 10. 1942 Konzentrationslager Dachau. Das Studium der Kunstgeschichte (1898-1903) f¨uhrte C., Sohn eines Verlagsbuchh¨andlers, von Bonn nach M¨unchen, Berlin und Straßburg. Nach der Promotion 1903 (Studien zu Quinten Metsys) arbeitete er einige Zeit in Leipzig in der Redaktion des von Ulrich → Thieme und Felix → Becker begr¨undeten Allgemeinen Lexikons der bildenden K¨unstler, volontierte dann am Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin und ging 1906 als Direktorialassistent ans Rheinische Provinzialmuseum in Bonn, 1914 als Kustos der Gem¨aldegalerie an das St¨adtische Kunstmuseum in D¨usseldorf. Er z¨ahlte 1915 zum Gr¨underkreis der Gesellschaft zur F¨orderung der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts und hatte 1925 großen Anteil an der Organisation der Jahrtausendausstellung in D¨usseldorf. C. war Spezialist f¨ur altniederl¨andische und altdeutsche Malerei. Er schrieb f¨ur mehrere Zeitschriften und Jahrb¨ucher, war Herausgeber des „Wallraff-Richartz-Jahrbuches“ und ver¨offentlichte Kunstf¨uhrer sowie mehrere bedeutende Kataloge (u. a. Hundert Jahre rheinischer Malerei, 1924). Nachdem er bereits 1933 wegen seiner j¨udischen Herkunft entlassen worden war, wurde C. am 31. 7. 1942 in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert. C Wendland Cohen-Blind, Ferdinand, * 24. 3. 1844 Mannheim, † 8. 5. 1866 Berlin. C.-B. war Sohn der Friederike Cohen (Tochter des Oberrabbiners Jakob → Ettlinger) und des Studenten Karl → Blind, dessen radikaldemokratischen „Umtriebe“ sie unterst¨utzte. Beide wurden 1847 verhaftet, heirateten 1848 und gingen mit dem Kind C.-B. u¨ ber Paris und Br¨ussel nach London ins Exil. 1862 kehrte C.-B., gepr¨agt durch das Exil und Bekanntschaft mit Ferdinand → Freiligrath und Giuseppe Mazzini, nach Deutschland zur¨uck, studierte in T¨ubingen und 1864-66 an der Landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim. Um die drohende Gefahr eines „Bruderkriegs“ zwischen Preußen ¨ und Osterreich abzuwehren, unternahm er am 7. 5. 1866 Unter den Linden in Berlin ein Attentat auf → Bismarck, ohne ihn ernsthaft zu verletzen. C.-B. beging im Gef¨angnis Selbstmord. Bismarck gab den Mordversuch als Werk einer internationalen Verschw¨orung aus. In S¨uddeutschland wurde C.-B. als M¨artyrer gefeiert.

Cohen-Reuss, (Emanuel) Max, auch M. E. Cohen, Journalist, Politiker, * 30. 1. 1876 Oberbonsfeld / Rheinland (heute zu Velbert), † 12. 3. 1963 Paris. C.-R., Sohn eines Kaufmanns, machte eine kaufm¨annische Lehre in der Textilbranche und war bis 1912 in seinem Beruf t¨atig. Seit 1903 Mitglied der SPD, war er 1908-14 Stadtverordneter in Frankfurt / Main und geh¨orte 1912-18 dem Reichstag an. 1915-18 war er Landsturmmann, seit 1918

Cohn Mitglied und danach stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Berliner Arbeiter- und Soldatenr¨ate und 1918 / 19 Vertrauensmann der Soldatenr¨ate. Von der Weimarer Nationalversammlung wurde er als Wirtschaftssachverst¨andiger konsultiert. 1920-33 geh¨orte C. als Delegierter der Reichsregierung dem Reichswirtschaftsrat an. Daneben schrieb er journalistische Beitr¨age f¨ur die „Sozialistischen Monatshefte“ und die „Vossische Zeitung“, in denen er sich als fr¨uher Bef¨urworter einer gesamteurop¨aischen Wirtschaftspolitik profilierte. 1934 emigrierte C.-R. nach Frankreich und arbeitete dort seit 1945 als Journalist f¨ur verschiedene Pariser Zeitungen und als Korrespondent f¨ur den „Telegraf“ (Berlin) sowie die „Rheinische Zeitung“ (K¨oln). 1945 war er Mitglied der Kontaktkommission deutscher Kommunisten und Sozialdemokraten, 1946-51 Vertreter des SPDParteivorstands in Frankreich und seit 1947 Vorsitzender der Landesgruppe deutscher Sozialdemokraten in Frankreich. C.-R. ver¨offentlichte u. a. Die politische Bedeutung des Zionismus (1918) und Deutsche Arbeit – deutsches Schicksal (1922). C Lex dt-j¨ud Autoren

Cohn, Arthur, Rabbiner, * Februar 1862 Flatow (Preußen), † 19. 3. 1926 Basel. C., Sohn eines Rabbiners, erwarb 1885 das Diplom des Rabbinerseminars in Berlin und wurde bei Theodor → Mommsen an der Univ. Berlin promoviert. 1885-1926 war er erster vollamtlicher Rabbiner der Israelitischen Gemeinde Basel. Zun¨achst Anh¨anger der zionistischen Bewegung, wandte er sich am 10. Zionistenkongreß von ihr ab. 1907 gr¨undete C. den Zentralverein zur F¨orderung des gesetzestreuen Judentums in der Schweiz, 1909 ein Schweizerisches Komitee f¨ur Erez Jisroel. Auf seinen Aufruf von 1911 hin wurde 1912 in Kattowitz die orthodoxe Organisation Agudat Israel gegr¨undet. C. gab das „J¨udische Jahrbuch f¨ur die Schweiz“ (1916 / 17) heraus. Eine von ihm selber vorgenommene Auswahl aus seinen Predigten, Reden und Aufs¨atzen erschien 1928 unter dem Titel Von Israels Lehre und Leben. C HLS Cohn, Emil Moses, Pseud. Emil Bernhard, Emil Bernhard-Cohn, Journalist, Rabbiner, * 18. 2. 1881 Steglitz (heute zu Berlin), † 28. 2. 1948 Los Angeles (Kalifornien, USA). C., Sohn eines Arztes, studierte orientalische und rabbinische Wissenschaften an der Univ. Berlin und der Hochschule f¨ur die Wissenschaft des Judentums, gr¨undete als Mitglied des Vereins f¨ur j¨udische Studenten mit anderen 1901 den National-j¨udischen Verein der H¨orer an der Lehranstalt f¨ur die Wissenschaft des Judentums und wurde 1902 in Heidelberg promoviert (Der Wucher [ribˆa] in Qor’ˆan, Chadˆıth und Fiqh). Drei Jahre sp¨ater legte er das Rabbinerexamen ab und wurde 1906 Prediger an der j¨udischen Gemeinde Berlin. ¨ Aufgrund seiner zionistischen Uberzeugung 1907 entlassen, ging C. zum Studium der Rechte nach Kiel. 1908 wurde er dort Rabbiner, 1912 in Essen, 1914 in Bonn und kehrte 1926 nach Berlin an die j¨udische Gemeinde in Grunewald zur¨uck. Nach 1920 wurde er vor allem durch seine Theaterst¨ucke (u. a. Die Jagd Gottes, 1924) bekannt, die u. a. von Max → Reinhardt und am Habimah-Theater inszeniert wurden. Nach der Macht¨ubernahme durch die Nationalsozialisten mehrfach verhaftet, emigrierte C. zun¨achst in die Niederlande und 1939 in die USA. Dort wurde er stellvertretender Rabbiner an der Free Synagogue New York, 1941 Rabbiner an der orthodoxen Gemeinde Beth Jacob in Menlo (Kalifornien) und Dozent f¨ur hebr¨aische Literatur an der Stanford University, 1945 Rabbiner der Temple Sinai-Gemeinde sowie Dozent f¨ur j¨udische Geschichte an der School of Jewish Studies in Glendale (Kalifornien). Sp¨ater arbeitete er als Bibliothekar am Jewish Community Council in Los Angeles

und war Rabbiner der Peninsula Synagogue in San Francisco. C. ver¨offentlichte u. a. Judentum. Ein Aufruf an die Zeit (1923) und Die J¨udische Geschichte. Ein Gang durch die Jahrtausende (1936). 1945 erhielt er den Dramenpreis der International Jewish Playwriting Competition London. C Lex dt-j¨ud Autoren

Cohn, Ferdinand (Julius), Botaniker, Bakteriologe, Mikrobiologe, * 24. 1. 1828 Breslau, † 25. 6. 1898 Breslau. C., Sohn eines Kaufmanns, studierte seit 1844 in Breslau Naturwissenschaften, wurde 1847 promoviert (Symbola ad seminis physiologiam) und habilitierte sich 1850 in Breslau (De cuticula). 1857 zum apl. Prof., 1859 zum a. o. Prof. der Botanik ernannt, begr¨undete er 1866 das Pflanzenphysiologische Institut der Univ. Breslau; 1870 wurde er zu dessen Direktor und 1872 als erster o. Prof. j¨udischen Glaubens in Deutschland zum o. Prof. der Botanik berufen. Seit 1849 war C. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Sein Forschungsinteresse galt dem Wachstum und den Eigenarten von Pflanzen, seit 1860 vor allem der Morphologie von Algen und Pilzen und den bakteriellen Ursachen infekti¨oser Pflanzen- und Tierkrankheiten. Mit Ver¨offentlichungen wie Ueber Bacterien, die kleinsten lebenden Wesen (3 Bde., 1872) und Beitr¨age zur Biologie der Pflanzen (1875) wurde C. zum Begr¨under der biologischen und systematischen Bakteriologie. Zu seinen popul¨arwissenschaftlichen Werken geh¨oren Die Pflanze (1882, 21896), Die G¨arten in alter und neuer Zeit (1888) und Die Pflanze in der ¨ C Arzte Schlesien bildenden Kunst (1889). Cohn, Fritz, Astronom, * 12. 5. 1866 K¨onigsberg (Preußen), † 14. 12. 1921 Berlin. Der Sohn eines Kaufmanns studierte in K¨onigsberg und Ber¨ lin, wurde 1888 promoviert (Uber Lame’sche Funktionen mit komplexen Parametern) und war 1891-1909 an der Sternwarte in K¨onigsberg t¨atig, seit 1900 als Observator. Seit 1909 Prof. der Astronomie und Direktor des Recheninstituts in Berlin, stellte er neue Prinzipien f¨ur die Bearbeitung der Bahnen der Planetoiden auf. Seit 1910 bearbeitete er den astronomischen Jahresbericht. C., durch die große Genauigkeit der von ihm in K¨onigsberg ausgef¨uhrten Meridianbeobachtungen bekannt geworden, verwendete als erster das durch ein Uhrwerk getriebene, unpers¨onliche Mikrometer. 1913 wurde er Associate der Royal Astronomical Society in London. C. ver¨offentlichte u. a. eine Ableitung der Declinationen und Eigenbewegungen der Sterne f¨ur den internationalen Breitendienst (1900). C NDB Cohn, Gustav, National¨okonom, * 12. 12. 1840 Marienwerder (Westpreußen), † 17. 9. 1919 G¨ottingen. C. studierte in Berlin National¨okonomie, wurde 1866 in Leipzig promoviert, besuchte das Statistische Seminar in Berlin, habilitierte sich 1869 in Heidelberg und ging als Dozent an das Baltische Polytechnikum in Riga, wo er 1871 Prof. wurde. 1872 war er einer der Gr¨under des „Vereins f¨ur Socialpolitik“, 1872 / 73 sozialpolitischer Redakteur der „Frankfurter Zeitung“. Seit 1875 lehrte er am Eidgen¨ossischen Polytechnikum in Z¨urich, 1884-1918 als o. Prof. in G¨ottingen. C., seit 1893 Mitglied der G¨ottinger Akademie der Wissenschaften, lehnte den Eigennutz als Grundantrieb und Konstante allen wirtschaftlichen Handelns ab; vielmehr faßte er die National¨okonomie als eine ethische Wissenschaft auf und trat f¨ur eine historische Betrachtungsweise in Jurisprudenz und National¨okonomie ein. Er ver¨offentlichte u. a. Untersuchungen u¨ ber die englische Eisenbahnpolitik (2 Bde., 1874 / 75), System der National¨okonomie (3 Bde., 1885-98), National¨okonomische Studien (1886), Finanzwissenschaft (3 Bde., 1889) und Universit¨atsfragen und Erinnerungen (1918). C NDB

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Cohn Cohn, Hermann (Ludwig) Ophthalmologe, Hygieniker, * 4. 6. 1838 Breslau, † 11. 9. 1906 Breslau. C. studierte seit 1857 Naturwissenschaften, vor allem Physik und Chemie, in Breslau und Heidelberg, wurde 1860 in Breslau mit der Dissertation De acido hypochlorico zum Dr. phil. promoviert, wandte sich dann dem Studium der Medizin in Breslau und Berlin zu und erwarb 1863 mit der Arbeit Quomodo omnium temporum medici obstetricii infantis situs ad partum exhibuerint, modo historico-critico exponitur den medizinischen Doktortitel. Er war dann als Augenarzt in Breslau t¨atig und habilitierte sich 1868 mit der Studie Ueber xerosis conjunctivae. Eine augen¨arztliche Abhandlung. 1874 wurde er zum a. o. Prof. ernannt. Der Schwerpunkt seiner Forschungen war die ophthalmologische Schulhygiene. C. ver¨offentlichte u. a. Untersuchungen der Augen von 10 060 Schulkindern, nebst Vorschl¨agen zur Verbesserung der den Augen nachtheiligen Schuleinrichtungen (1867), Schussverletzungen des Auges (1872), Studien u¨ ber angeborene Farbenblindheit (1879), Die Hygiene des Auges in den Schulen (1883), Ueber die Nothwendigkeit der Einf¨uhrung von Schul¨arzten (1886), Lehrbuch der Hygiene des Auges (1892) und Dreissig Jahre augen¨arztlicher und akademischer Lehrth¨atigkeit. R¨uckblicke (1897). ¨ Schlesien C Arzte Cohn, Jonas (Ludwig), Philosoph, P¨adagoge, * 2. 12. 1869 G¨orlitz (Niederschlesien), † 12. 1. 1947 Birmingham (Großbritannien). C., Sohn eines Großkaufmanns, studierte seit 1888 Naturwissenschaften an den Universit¨aten Leipzig, Berlin und Heidelberg, nebenbei Philosophie bei → Wundt und experimentelle Psychologie bei → Ebbinghaus, wurde 1892 mit einer botanischen Arbeit promoviert und arbeitete 1892-94 in Wundts Psychologischem Laboratorium in Leipzig. 1897 habilitierte er sich bei Wilhelm → Windelband (Beitr¨age zur Lehre von den Wertungen), war Privatdozent, seit 1901 a. o. Prof. mit Lehrauftrag f¨ur P¨adagogik in Freiburg / Breisgau und wurde 1919 a. o. Prof. der Philosophie und P¨adagogik. 1933 pensioniert, emigrierte er 1939 nach Großbritannien und war Prof. in Birmingham. Unter dem Einfluß von Windelband, Heinrich → Rickert und Hermann → Cohen entfaltete C. Philosophie als „kritische Wertwissenschaft“ (Wertwissen¨ schaft, 3 Tle., 1932). In Allgemeine Asthetik (1901) versuchte ¨ er, die Asthetik als philosophisch-kritische Wertwissenschaft ¨ von der psychologischen Asthetik abzugrenzen. Um die Badische Schule des Neukantianismus machte sich C. auch durch die Entwicklung einer kritischen Theorie der Dialektik (Theorie der Dialektik. Formenlehre der Philosophie, 1923, Nachdr. 1965, frz. 1993) verdient. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Geschichte des Unendlichkeitsproblems im abendl¨andischen Denken bis Kant (1896, Nachdr. 1983, frz. 1994), F¨uhrende Denker. Geschichtliche Einleitung in die Philosophie (1907, 51928), Voraussetzungen und Ziele des Erkennens. Untersuchungen u¨ ber die Grundfragen der Logik (1908), Geist der Erziehung. P¨adagogik auf philosophischer Grundlage (1919) und Wirklichkeit als Aufgabe (1955, aus dem Nachlaß hrsg. von J¨urgen von → Kempski). Zusammen mit Richard → H¨onigswald begr¨undete C. 1947 das „Archiv f¨ur Philosophie“. C Bad Bio N.F., Bd 4 Cohn, Lassar, auch Lassar-Cohn, Chemiker, * 6. 9. 1858 Hamburg, † 9. 10. 1922 K¨onigsberg. C., Sohn eines Lotteriekollekteurs, studierte Naturwissenschaften und vor allem Chemie in K¨onigsberg, Heidelberg und Bonn als Sch¨uler von Robert Wilhelm → Bunsen und wurde 1880 in K¨onigsberg mit der Schrift Ueber einige phtalylhaltige Derivate des Hydroxylamins und die Ueberf¨uhrung der Phtals¨aure in Salicyls¨aure promoviert. Er war seit 1888 als Privatdozent f¨ur Chemie in K¨onigsberg t¨atig und wurde dort 1894 zum a. o. Prof. ernannt. 1897 / 98

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lehrte er in M¨unchen und kehrte 1902 nach K¨onigsberg zur¨uck. W¨ahrend seiner beruflichen T¨atigkeit arbeitete C. eng mit der Industrie zusammen. Seine Forschungen lagen auf dem Gebiet der organischen und physiologischen Chemie sowie der chemischen Technologie. Er untersuchte die Elektrolyse von Kaliumsalzen, entwickelte verbesserte Meßinstrumente (1922 ein Saccharimeter) und besch¨aftigte sich mit der Verwendung und Lagerung von industriellen Abfallprodukten. Einen entscheidenden Beitrag leistete er mit seinen Versuchen 1892-98 zur Isolation von Gallens¨aure bei Mensch und Rind. Bekannt wurde C. mit den popul¨aren Werken Die Chemie im t¨aglichen Leben (1896, 121930), das in viele Sprachen u¨ bersetzt wurde, und Einf¨uhrung in die Chemie in leichtfaßlicher Form (1899, 71927, engl. 1901). Mit den Arbeitsmethoden f¨ur organisch-chemische Laboratorien (1891, 51923, engl. 1895 und 1928) verfaßte er eine n¨utzliche ¨ und weit verbreitete Ubersicht der zu seiner Zeit gebr¨auchlichen Arbeitsmethoden f¨ur das chemische Labor. C Altpreuß Biogr, Bd 4

Cohn, Oscar Justinus, Pseud. Oskar Justinus, Schriftsteller, * 21. 2. 1839 Breslau, † 6. 8. 1893 Bad Nauheim. Nach der Schulzeit war C., Sohn eines Kaufmanns und sp¨ateren o¨ sterr. Konsuls, war zun¨achst Volont¨ar in einem Bankhaus in Wiesbaden und anschließend im Gesch¨aftshaus seines Vaters in Breslau t¨atig. Nach dem Verlust seines Verm¨ogens und der Liquidation seiner Gesch¨afte ließ er sich 1880 als freier Schriftsteller in Berlin nieder. C. schrieb zahlreiche Lustspiele und Schw¨anke (Die Getreidespekulanten oder:Haussier und Baissier, 1876) sowie Romane (u. a. In der Zehnmillionen-Stadt, 1890). Seine humoristischen Feuilletons und Kolumnen wurden in vielen deutschen Zeitungen C DSL und Zeitschriften gedruckt. Cohn, Oskar, Politiker, * 15. 10. 1869 Guttentag bei Lublinitz (Schlesien), † 2. 11. 1934 Genf. Der Sohn eines Kaufmanns studierte 1887-90 in Greifswald, M¨unchen und Berlin zun¨achst Medizin, dann Rechtswissenschaft und ließ sich nach der Promotion 1897 als Rechtsanwalt in Berlin nieder. 1909 wurde er f¨ur die SPD Stadtverordneter, drei Jahre sp¨ater erhielt er ein Reichstagsmandat, das er nach seinem Parteiwechsel 1916-18 f¨ur die USPD wahrnahm. Er geh¨orte der Nationalversammlung, 1921-24 dem Reichstag sowie der Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung und dem Preußischen Landtag an. Nach der Revolution 1918 war C. kurzzeitig Unterstaatssekret¨ar im Justizministerium. Sp¨ater vertrat er die 1897 gegr¨undete internationale j¨udische Arbeiterpartei (Poale Zion) und Vorl¨auferin der israelischen Mapai bei den deutschen j¨udischen Verb¨anden. C. emigrierte 1933 in die Schweiz, wo er starb; beigesetzt ist er im Kibbuz Degania (Pal¨astina). C Schr¨oder Cohn, Rudolf, Physiologe, * 23. 4. 1862 Schneidem¨uhl (Posen), † 22. 11. 1934 Genf. Nach dem Studium der Medizin in K¨onigsberg wurde C. im Jahr seiner Promotion 1886 (Ueber die Bedeutung des negativen Thoraxdruckes) Assistent am Laboratorium f¨ur medizinische Chemie und Pharmakologie, habilitierte sich 1892 (Auftreten acetylirter Verbindungen nach Darreichung von Aldehyden) und lehrte seit 1898 als Prof. der medizinischen Chemie und Pharmakologie in K¨onigsberg. Seit 1913 geh¨orte er dem Vorstand der j¨udischen Gemeinde an. Daneben war er Abgeordneter im Preußischen Landesverband der j¨udischen Gemeinden und Vorsitzender des Vereins f¨ur j¨udische Geschichte und Literatur. Er ver¨offentlichte physiologisch-chemische Abhandlungen in Fachzeitschriften und war Herausgeber der chemischen Sektion der „Jahresberichte f¨ur Physiologie“.

Cohnfeld Cohn, Theodor, Urologe, * 9. 4. 1867 Krisanowitz (Schlesien), † 13. 1. 1935 K¨onigsberg (Ostpreußen). Der Sohn eines Kaufmanns studierte in Breslau und K¨onigsberg Medizin, assistierte nach der Promotion 1891 (31 F¨alle von Myomektonie aus der gyn¨akologischen Klinik zu K¨onigsberg aus der Zeit von 1887 bis April 1891) an der dortigen Universit¨atsklinik, habilitierte sich 1905 u¨ ber Nieren- und Blasenleiden (Antrittsvorlesung Begriff und Wesen der Uraemie) und wurde 1912 zum a. o. Prof. f¨ur Urologie ernannt. Er ver¨offentlichte zahlreiche urologische Arbeiten, darunter den Beitrag Klinik der St¨orungen der Harnentleerung f¨ur das Handbuch der Urologie (1927). C. engagierte sich im o¨ ffentlichen Leben der Stadt sowie der j¨udischen Gemeinde und war u. a. Vorsitzender der Vereine heimattreuer Oberschlesier und heimattreuer Ost- und Westpreußen. Nach der nationalsozialistischen Macht¨ubernahme wurde er 1933 aus dem Universit¨atsdienst entlassen, wirkte aber weiter als Chefarzt einer urologischen Privatklinik. C Altpreuß Biogr, Bd 4 Cohn, Tobias, Rabbiner, Schriftsteller, * 2. 2. 1826 Hammerstein (Westpreußen), † 3. 11. 1904 Berlin. C. wurde 1845 / 46 Elementarschullehrer in seiner Heimatstadt, bevor er sich j¨udisch-theologischen Studien zuwandte und in Berlin ein Studium der Philologie und Philosophie begann, das er 1857 mit der Promotion abschloß. 1857-94 war er als Prediger und sp¨ater als Rabbiner in Potsdam t¨atig. Neben einer Reihe von Vortr¨agen ver¨offentlichte C. philosophiegeschichtliche Monographien (u. a. Die Aufkl¨arungsperiode, 1873), Aufs¨atze in wissenschaftlichen j¨udischen Zeitungen und Israels Gemeinschaftsleben mit den vorchristlichen V¨olkern (1893). Cohn, Toby (Tobias), Neurologe, * 26. 12. 1866 Breslau, † 22. 8. 1929 Berlin. Nach dem Studium der Medizin in Breslau und Freiburg / Breisgau wurde C., Sohn eines Kaufmanns, 1892 promoviert (Histologisches und Physiologisches u¨ ber die grossen Gallenwege und die Leber), assistierte in verschiedenen Kliniken und ließ sich 1895 in Berlin als Nervenarzt nieder. Er beteiligte sich aktiv am Leben der j¨udischen Gemeinde in Berlin und geh¨orte sp¨ater ihrem Vorstand an. C. favorisierte als Behandlungsmethode f¨ur zahlreiche Nervenkrankheiten die Elektrotherapie und ver¨offentlichte hier¨uber außer dem mehrmals aufgelegten Leitfaden der Elektrodiagnostik und Elektrotherapie f¨ur Praktiker und Studierende (1899, 71924) u. a. Die mechanische Behandlung der Nervenkrankheiten ¨ (1913). Schlesien C Arzte Cohn, William, Kunsthistoriker, Publizist, * 22. 6. 1880 Berlin, † 26. 2. 1961 Oxford. C., Sohn eines Kaufmanns, studierte in Berlin, Erlangen und Paris Kunstgeschichte, Arch¨aologie und Ethnologie und unternahm im Anschluß an die Promotion (Der Versuch einer Aufhebung des „Ich“ bei einigen neueren Philosophen, 1904) Reisen durch Europa, nach Amerika, Indien, Siam, Birma, Java, China und Japan. 1912-35 war er gemeinsam mit Otto → K¨ummel Herausgeber der „Ostasiatischen Zeitschrift“, 1919-29 wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an den Staatlichen Museen Berlin, seit 1921 auch Herausgeber der Buchserie Die Kunst des Ostens (11 Bde.) und Dozent an der Lessing-Hochschule. 1929 wurde C. Kurator der Abteilung ostasiatischer Kunst am V¨olkerkundemuseum der Staatlichen Museen in Berlin. Mit Beginn der nationalsozialistischen Diktatur 1933 entlassen, arbeitete er noch f¨unf Jahre als Sekret¨ar der Gesellschaft f¨ur Ostasiatische Kunst, bevor er 1938 nach Großbritannien emigrierte. Er lehrte an der Univ. Oxford und war 1945 Temporary Assistant Keeper am British Museum, seit 1946 Lecturer f¨ur ostasiatische und indische Kunst an der Oxford University und 1949-56 Direktor des dortigen Museums f¨ur Asiatische Kunst sowie seit 1948 Mitherausgeber der Zeitschrift „Oriental Art“. C. ver-

o¨ ffentlichte u. a. Indische Plastik (1921, 31923), Asiatische Plastik: China, Japan, Vorder-, Hinterindien, Java (1932) und Chinese Painting (1948, 21951). C Wendland

Cohn-Hohenau, Paul, eigentl. Cohn, Pseud. Paul von Hohenau, Chemiker, Schriftsteller, Publizist, * 25. 9. 1872 Wien, † September 1944 San Francisco (Kalifornien, USA). C.-H., Sohn eines Bankiers, studierte Chemie in Heidelberg ¨ und Wien, wo er 1894 promoviert wurde (Uber einige Derivate des Phenylindoxazens). Danach war er erst im Chemischen Universit¨atslaboratorium t¨atig, beteiligte sich sp¨ater an einer Oxals¨aurefabrik und wurde 1898 wissenschaftlicher Mitarbeiter, 1902 Dozent f¨ur pharmakologische Chemie am Technologischen Gewerbemuseum in Wien. Ausge¨ dehnte Reisen f¨uhrten ihn u. a. nach Agypten, Norwegen und in die USA, wo er 1904 als Delegierter des o¨ sterreichischungarischen Handelsministeriums an der Weltausstellung in St. Louis teilnahm. 1914-34 war er Herausgeber der Zeitschrift „Das neue Europa“. Neben Monographien (Verwendung von Chemikalien als Heilmittel, 1905) und Beitr¨agen f¨ur einschl¨agige Fachzeitschriften ver¨offentlichte er Reiseberichte, Novellen (u. a. Lachendes Leben, 1913) sowie popul¨arwissenschaftliche Schriften u¨ ber das Bildungswesen in ¨ den USA. Nach dem „Anschluß“ Osterreichs an das nationalsozialistische Deutschland emigrierte C.-H. 1939 nach San Francisco. C Lex dt-j¨ud Autoren

Cohn-Wiener, Ernst, bis 1905 E. Cohn, Kunsthistoriker, * 25. 12. 1882 Tilsit, † 13. 4. 1941 New York. C.-W. studierte 1902-06 u. a. bei Adolph→ Goldschmidt und Heinrich → W¨olfflin Kunstgeschichte, Arch¨aologie und Philosophie in Berlin und Heidelberg, wo er 1907 mit der ¨ Arbeit Uber den Codex Bruchsal I der Karlsruher Hof- und Landesbibliothek und eine ihm verwandte Handschrift promoviert wurde. 1906-08 wissenschaftlicher Assistent an der TH Karlsruhe, war er seit 1908 Dozent f¨ur Kunstgeschichte an der Humboldt-Hochschule in Berlin, wo er 1919 Vorsteher der Kunstabteilung und 1926 Vorsitzender der Dozentenschaft wurde. Daneben organisierte C.-W. als Dozent an der J¨udischen Volkshochschule zahlreiche Museumsf¨uhrungen sowie Rundfunksendungen u¨ ber Kunst und unternahm Studienreisen in den Orient, nach Asien und China. 1924 / 25 erarbeitete er auf Einladung der sowjetischen Regierung eine Inventarliste der Moskauer Kunstsch¨atze. 1933 entlassen, emigrierte er 1933 nach Großbritannien und 1934 nach Indien, wo er die Leitung der Museen und der Art School des Maharadschas von Baroda (Prov. Bombay) u¨ bernahm. 1939 aus Gesundheitsgr¨unden in die USA u¨ bergesiedelt, erhielt er eine Stelle am neugegr¨undeten American Institute for Iranian Art and Archaeology. C. ver¨offentlichte u. a. Die Entwicklungsgeschichte der Stile in der bildenden Kunst (2 Bde., 1910, 31921), Asia. Einf¨uhrung in die Kunstwelt des Ostens (1929), Die j¨udische Kunst. Ihre Geschichte von den Anf¨angen bis zur Gegenwart (1929, Neuausg. 1995) und Turan. Islamische Bauten in Mittelasien (1930). C Wendland Cohnfeld, Adalbert (Dorotheus Salomo), Pseud. Aujust Buddelmeyer, Aujust Strampelmeier, Jakob Leibche Tulpenthal, Mediziner, Schriftsteller, * 3. 8. 1809 Pyritz (Pommern), † 20. 1. 1868 Berlin. Der aus einer j¨udischen Familie stammende C. wuchs nach dem fr¨uhen Tod seines Vaters bei seinem Stiefvater, einem Kaufmann, auf, studierte Medizin in Berlin, wurde 1832 promoviert (De delitio tremente) und wirkte seit 1834 als praktischer, sp¨ater als hom¨oopathischer Arzt in Berlin. 1837 trat C. zum Christentum u¨ ber und gab seit 1843 in Breslau die „Norddeutsche Zeitschrift f¨ur das Theater“, seit 1844 die „Erinnerungsbl¨atter“ heraus. Er schrieb Novellen (Phantasmorgien, 1837; Die Hospitalit¨aten, 1838),

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Cohnheim

Cohrs, Paul (Wilhelm Christof), Veterin¨armediziner, * 22. 3. 1897 Oederan (Sachsen), † 20. 4. 1977 Ucova (Jugoslawien). Nach dem Studium der Tiermedizin 1923 in Leipzig promoviert (Beitr¨age zur vergleichenden Anatomie und Histologie der Cochlea der Hauss¨augetiere), habilitierte sich C. 1927. 1929 wurde er Abteilungsleiter des Veterin¨ar-anatomischen Instituts in Leipzig und 1937 Direktor des Pathologischen Instituts an der Tier¨arztlichen Hochschule Hannover. Seit 1962 war C. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Er verfaßte u. a. das in mehrere Sprachen u¨ bersetzte Lehrbuch der Speziellen Pathologischen Anatomie der Haustiere (mit Karl → Nieberle, 2 Bde., 1931, 51970) und 50 Jahre veterin¨armedizinische Habilitationen (1954) und gab Pathologie der Laboratoriumstiere (mit Rudolf Jaff´e u. a., 1958) sowie 1971 in 8. Auflage das von Theodor → Kitt 1905 / 06 begr¨undete Lehrbuch der allgemeinen Pathologie f¨ur Tier¨arzte und Studierende der Tiermedizin heraus.

außerdem Vorsitzender der Verwaltungsr¨ate und Beir¨ate der Fritz-Thyssen-Stiftung, der Werner-Reimers-Stiftung und der Gerda-Henkel-Stiftung, 1964-80 Gr¨under und erster Direktor des Max-Planck-Instituts f¨ur europ¨aische Rechtsgeschichte, Vorsitzender der Geisteswissenschaftlichen Sektion und Vizepr¨asident der Max-Planck-Gesellschaft. C. war Mitglied der Akademien von Bologna, G¨ottingen, London, Mailand, M¨unchen, Paris und Rom sowie Mitglied und Kanzler des Ordens Pour le M´erite f¨ur Wissenschaften und K¨unste. Die Universit¨aten Lyon, Montpellier, Wien, Br¨ussel und Aberdeen machten ihn zu ihrem Ehrendoktor. Zentrales Thema von C. war „die europ¨aische Privatrechtsgeschichte der neueren Zeit als einheitliches Forschungsgebiet“ (Ius commune 1, 1967, 1). Diese Geschichte dient der Bereitstellung der historischen Komponente der Rechtsvergleichung sowie der Darstellung der gemeinsamen, vorwiegend auf dem r¨omischen Recht beruhenden europ¨aischen Rechtstradition, die noch heute die Grundlage f¨ur eine „einheitliche europ¨aische Rechtswissenschaft“ bilden kann. Zu Beginn steht C.s Monographie R¨omisches Recht in Deutschland (1963). Gesetzgebung, Rechtsprechung und Rechtswissenschaft sind unter C.s Leitung in dem Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europ¨aischen Privatrechtsgeschichte (7 Bde., 1973-78) bearbeitet worden. Die Geschichte der Institutionen des Privatrechts folgte unter dem Titel Europ¨aisches Privatrecht (2 Bde., 1985-89). Geistige Grundlage aller Arbeiten von C. war die Rechtsphilosophie, zu der er mit der „Neugr¨undung des Naturrechts“ im Jahre 1947 (Die obersten Grunds¨atze des Rechts. Ein Versuch zur Neugr¨undung des Naturrechts, 1947) und den 1993 in f¨unfter Auflage erschienenen Grundz¨ugen der Rechtsphilosophie (1. Aufl. 1950) bedeutende Beitr¨age geleistet hat. Weite Verbreitung haben C.s Ideen in einer als Epochen der Rechtsgeschichte in Deutschland publizierten Serie von Rundfunkvortr¨agen erfahren (1967). Dem geltenden Recht sind das von Theodor Kipp begr¨undete Lehrbuch des Erbrechts (91953 bis 141990) sowie die Beitr¨age zur 12. und 13. Aufl. von J. von Staudingers Kommentar zum B¨urgerlichen Gesetzbuch (1954 / 57 und 1978 / 80) gewidmet. ¨ LITERATUR: Knut Wolfgang N¨orr: Uber das Geistige im Recht. Ein Nachruf auf H. C. In: Juristenzeitung (2001) S. 449-453. – Klaus Luig: In memoriam H. C. (28. 2. 1912 - 15. 8. 2000). In: Zeitschrift der SavignyStiftung f¨ur Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung 119 (2002) S. 662-678. – Dieter Simon: Walter Wilhelm (1928-2002) – Eine Erinnerung. In: Rechtsgeschichte 2 (2003) S. 142-150. Klaus Luig

Coing, Helmut, Jurist, * 28. 2. 1912 Celle, † 15. 8. 2000

Coing, Johann Franz, evang. Theologe, Philosoph, Biblio-

Lustspiele (Die R¨uckkehr des Landwehrmanns oder Der Kurm¨arker und die Pikarde, 1861), eine Ausf¨uhrliche Geschichte des preußischen Staates (2 Bde., 1840) und eine Ausf¨uhrliche Lebens- und Regierungsgeschichte Friedrich Wilhelms III. (3 Bde., 1840 / 41). Seit 1844 geh¨orte C. zu den Teilhabern einer Theateragentur und war Leiter der Theaterschule „Didaskalia“. C DSL

Cohnheim, Julius, Pathologe, * 20. 7. 1839 Demmin (Pommern), † 15. 8. 1884 Leipzig. Nach dem Abschluß der Studien in W¨urzburg, Marburg, Greifswald und Berlin (Promotion 1861, De pyogenesi in tunicis serosis) wurde C., Sohn eines Kaufmanns, 1864 Assistenzarzt bei Rudolf → Virchow an der Charit´e, wurde 1867 als a. o. Prof. f¨ur pathologische Anatomie nach Kiel berufen und lehrte seit 1872 in Breslau, von 1878 bis zu seinem Tod in Leipzig. Er erforschte den Aufbau des Muskels ¨ (Uber den feineren Bau der quergestreiften Muskelfasern, 1865) und f¨uhrte dabei die Methode des Gefrierschnitts ein. Von Bedeutung waren auch seine Untersuchungen u¨ ber die Identit¨at des Eiters und der weißen Blutk¨orperchen sowie seine These vom infekti¨osen Charakter der Tuberkulose. C.s Vorlesungen u¨ ber allgemeine Pathologie (2 Bde.) erschienen 1878 (21882), seine Gesammelten Abhandlungen postum 1885. Als hervorragender und u¨ ber die Grenzen Deutschlands hinaus bekannter Lehrer zog er Sch¨uler aus zahlreichen L¨andern an sein Institut, darunter Paul → Ehrlich. C SHBL, Bd 1

Kronberg. C., der aus einer hugenottischen Familie stammte, wurde nach dem Studium in Kiel, M¨unchen, G¨ottingen und Lille 1935 als Sch¨uler von Wolfgang → Kunkel mit einer Arbeit u¨ ber Die Frankfurter Reformation von 1578 und das Gemeine Recht ihrer Zeit. Eine Studie zum Privatrecht der Rezeptionszeit in G¨ottingen promoviert. Die Habilitation erfolgte 1938 bei Erich → Genzmer in Frankfurt / Main u¨ ber das Thema Die Rezeption des r¨omischen Rechts in Frankfurt am Main (ver¨offentlicht 1939, 21962). 1940 wurde C. a. o. Prof., nach Kriegsdienst und Gefangenschaft 1948 o. Prof. f¨ur B¨urgerliches Recht und R¨omisches Recht, sp¨ater auch Rechtsphilosophie in Frankfurt / Main. 1955-57 war er Rektor der Univ. und Pr¨asident der Rektorenkonferenz, 1958-61 Vorsitzender des Wissenschaftsrates,

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thekar, * 21. 3. 1725 Siegen, † 19. 7. 1792 Marburg. Der Sohn eines Konditors studierte in Herborn, Halle und Jena Theologie und Philosophie und lehrte 1749-53, seit 1752 als o. Prof., in Herborn Philosophie, bevor er einem Ruf als o. Prof. der Logik und Metaphysik nach Marburg folgte. 1758-78 war er zugleich Bibliothekar der Universit¨atsbibliothek. 1778 wechselte er auf einen Lehrstuhl f¨ur Theologie, war Superintendent und Leiter der kirchlichen Ausbildungsst¨atten des Synodalbezirks. Neben seinem Hauptwerk Die Lehre von der Gottheit Christi (1778) ver¨offentlichte C., der der Philosophie → Wolffs anhing, u. a. Institutiones philosophicae de Deo, anima humana, mundo et primis humanae cognitionis principiis (1765) und Institutiones logicae (1767). C ADB

Coiter, Volcker, auch Coyter, Koijter, Mediziner, * 1534 Groningen (Niederlande), † 2. 6. 1576 Brienne (Frankreich). Der aus einer Groninger Patrizierfamilie stammende C. erwarb seine medizinischen Kenntnisse bei Studien in Montpellier, Padua, Bologna und Rom, lehrte dann in Bologna

Colchon und wohl auch in Perugia Chirurgie und Anatomie, bevor er durch die Inquisition aus Italien vertrieben und 1566 zum Leib- und Regierungsarzt am oberpf¨alzischen Hof in Amberg ernannt wurde, wo er daneben am P¨adagogium lehrte. 1569-75 arbeitete er als Stadtarzt in N¨urnberg, wo auch seine wichtigsten Werke erschienen (u. a. Externarum et internarum principalium humani corporis tabulae, 1572; Anatomicae exercitationes observationesque variae, 1573; Diversorum animalium sceletorum explicationes, 1575), trat dann wieder in pf¨alzische Dienste und starb als Lagerarzt bei → Johann Casimir von der Pfalz w¨ahrend eines Feldzugs. C. gilt als einer der bedeutendsten Anatomen des 16. Jahrhunderts. Er betrieb als erster systematische embryologische Forschungen an Tieren, unternahm vergleichende anatomische Betrachtungen und Skelettbeschreibungen und legte eine Darstellung des Zentralnervensystems sowie Monographien u¨ ber die H¨or- und Sehorgane vor. C NDB

Colb, Lukas, evang. Theologe, * 1680 Kronstadt (Siebenb¨urgen), † 1. 11. 1753 Rosenau (Siebenb¨urgen). C. studierte in Jena, wurde 1716 Lehrer am Gymnasium seiner Heimatstadt, 1719 zum Pfarrer von Rußbach ordiniert und betreute seit 1734 die Pfarrgemeinde Rosenau. Er war gleichzeitig Syndikus und seit 1747 Dekan des Burzenl¨andischen Kapitels. In seine Amtszeit fiel ein steuerrechtlicher Streit mit der weltlichen Obrigkeit, die das alte Zehntrecht der evang. Landeskirche in Siebenb¨urgen anfocht. In Verteidigung dieses Rechts ließ C. die Urkunden des Burzenl¨andischen Kapitulararchivs abschriftlich zu Quellenb¨anden zusammenstellen, die sp¨ater der Geschichtsforschung wertvolle Einblicke in die Geschichte Siebenb¨urgens erm¨oglichten. C ADB Colbe, Georg, Kirchenhistoriker, * 27. 1. 1594 Neuhausen bei K¨onigsberg, † 25. 10. 1670 K¨onigsberg. Der Sohn eines Amtsschreibers war nach dem Studium Schulrektor, seit 1625 Diaconus an der Domkirche in K¨onigsberg, bis er 1661 als Senior ministerii emeritiert wurde. C. ver¨offentlichte als erster eine Presbyteriologie; diese Lebensbeschreibung aller luth. Geistlichen in K¨onigsberg (Episcopo-Presbyterologia PrussicoRegiomontana [. . .], 1657) wurde sp¨ater fortgesetzt und ins Deutsche u¨ bersetzt. In seinen u¨ brigen Schriften wandte er sich vor allem gegen den sittlichen und moralischen Verfall seiner Zeit. C Altpreuß Biogr, Bd 1 Colberg, Christoph Heinrich Julius von, Geod¨at, * 7. 7. 1776 Woldegk (Mecklenburg), † 5. 9. 1831 Warschau. Nach einer Ausbildung als Forstvermesser brachte es C., Sohn eines Stadtrichters, bis zum Inspektor der Plankammer in der Verwaltung S¨udpreußens. In dieser Funktion stand er als Beamter nach dem Tilsiter Frieden erst in Diensten des Großherzogtums Warschau und dann Rußlands. C. erarbeitete die erste Post- und Reisekarte Polens in polnischer Sprache (1817) und erhielt wegen dieser Leistung eine Professur f¨ur angewandte Mathematik an der Univ. Warschau, die er, sp¨ater zum Dr. phil. promoviert, bis zur Revolution 1830 innehatte. Er erfand Maßgef¨aße sowie Planimeter zur Berechnung von Fl¨acheninhalten und ver¨offentlichte u. a. eine Vergleichung der neuen polnischen Maße und Gewichte mit allen anderen europ¨aischen (1818) und eine Anweisung, den Inhalt ebener Fl¨achen genau zu finden (1825). C NDB

Colberg, Ehregott Daniel, luth. Theologe, Philosoph, Historiker, * 26. 1. 1659 Kolberg, † 1698 Wismar. Der Sohn Johannes → C.s studierte in Greifswald Theologie und Philosophie, begleitete seinen Vater nach dessen Entlassung 1679 nach Rostock, dann weiter nach Schweden und erhielt nach dessen Wiedereinsetzung 1686 neben ihm eine a. o. Professur f¨ur Ethik und Geschichte. Seit

1691 las er als o. Prof., ging jedoch 1694 als Pfarrer nach Wismar. C. bek¨ampfte in seinen vorwiegend lateinischen Schriften vor allem Mystizismus und Pietismus und versuchte in seiner bedeutendsten Ver¨offentlichung (Platonischhermetisches Christentum, 2 Tle., 1690 / 91), das schw¨armerische Sektierertum aus der antiken Philosophie abzuleiten. C ADB

Colberg, Johannes, luth. Theologe, * 31. 3. 1623 Kolberg, † 1687 Greifswald. C. studierte seit 1638 in K¨onigsberg und Greifswald die Artes, wurde 1644 Magister, studierte Theologie in Frankfurt / Oder, wurde dort Adjunkt der Theologischen Fakult¨at und 1652 in Leipzig zum Lizentiaten promoviert. Seit 1653 war er Pfarrer in Eisleben und wirkte seit 1654 als Pfarrer an der Marienkirche in Kolberg. Mit großem Eifer und heftiger Polemik trat er u. a. gegen Reformierte und Schw¨armer auf, bis er auf Veranlassung des Großen Kurf¨ursten 1675 sein Amt niederlegen mußte. Nachdem er schon 1666 in Leipzig zum Doktor promoviert worden war, wurde er 1677 Prof. der Theologie, Mitglied des Konsistoriums und Pastor an der Marienkirche in Greifswald, das er jedoch schon ein Jahr sp¨ater, erneut auf Befehl des Kurf¨ursten, wieder verlassen mußte. 1686 wurde C. in gleicher Position restituiert. Er war der Vater von Ehregott Daniel → C. C ADB

Colbert, Carl, bis 1881 Karl Cohn, Pseud. Alpheus, Augias, Catilina, o¨ sterr. Journalist, Schriftsteller, * 8. 2. 1855 Wien, † 29. 5. 1929 Wien. C., dessen Mutter Inhaberin einer Wechselstube und eines Losgesch¨aftes war, besuchte die Wiener Handelsakademie, u¨ bernahm die vom Vater hinterlassene Wechselstube, verkaufte sie 1884 und lebte danach mehrere Jahre in Rom. Zur¨uckgekehrt, gr¨undete er 1887 mit Ernst Ziegler die Zeitschrift „Wiener Mode“ mit literarischen Beilagen sowie eine Buch- und Kunstdruckerei und wandelte den Betrieb sp¨ater in eine Aktiengesellschaft um, deren Verwaltungsratsvorsitzender er bis 1913 war. Seit 1910 Miteigent¨umer und Autor des „Morgen“, gab er seit 1915 den w¨ahrend des Ersten Weltkriegs in Wien stark verbreiteten „Abend“ heraus. C. publizierte vor allem sozial- und wirtschaftspolitische Artikel sowie sp¨ater Romane (u. a. Bankleute und B¨orsenspieler vor zweitausend Jahren, 1924; Das goldene Kalb, 1926). C Lex dt-j¨ud Autoren

Colbov, Peter, auch Colbovius, eigentl. P. Kolbow (?), Alchemist, Dichter, P¨adagoge, * um 1620 Gadebusch (Mecklenburg), † nach 1667 Dresden (?). C. studierte seit 1642 ohne Abschluß an der Univ. Leipzig bei Andreas → Rivinus und Martin → Geier. Zun¨achst als Lehrer in Leipzig t¨atig, lebte er seit 1652 in Dresden. C. ist vor allem durch seine Verbindung zu Johann Amos → Comenius bekannt, mit dem er im Briefwechsel stand und zu dessen Werk er ein nicht gedrucktes Send-Schreiben an [. . .] Comenium, betreffend etliche dessen neuester Lehr / K¨unstlicher Schul-B¨ucher verfaßte. Aus diesem Schreiben geht hervor, daß C. eine lateinische Grammatik ins Deutsche u¨ bersetzt und zwei sprachp¨adagogische Schriften erarbeitet hat. Andere Werke zeigen ihn als einen Anh¨anger der paracelistischen Alchemiker, insbesondere von Johann Rudolf → Glauber (u. a. Wolmeynendliches Chymisch Carmen. Von [. . .] Universal-Alkahest-Menstruis, 1667). C Killy

Colchon, Leonard, Benediktiner, Abt von Seligenstadt, * 5. 3. 1593 L¨uttich, † 29. 11. 1653 Aschaffenburg. C., Sohn eines Notars, wurde 1610 Novize der Benediktinerabtei S. Trond, studierte dort Philosophie und Theologie, wurde 1616 zum Priester geweiht, im folgenden Jahr an der K¨olner Univ. immatrikuliert und beendete das Studium als Lizentiat der Theologie. In K¨oln wurde C. Subregens des Seminars der Bursfelder Kongregation. 1622 ging er als Lektor

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Coler f¨ur Philosophie und Theologie nach Seligenstadt, u¨ bernahm sp¨ater das Amt des Priors und wurde 1625 zum Abt von Seligenstadt gew¨ahlt. Aufgrund des Restitutionsedikts von 1629 wurde C. zum Restitutionskommissar ernannt und betrieb den R¨uckerwerb protestantisch gewordener Kl¨oster. Er setzte sich unter den schwierigen Bedingungen des Dreißigj¨ahrigen Kriegs f¨ur den Erhalt und den Ausbau der Bursfelder Kongregation ein. Auf deren Generalkapitel in Koblenz 1642 wurde er zum Pr¨asidenten der Union gew¨ahlt. Aus der Zeit seiner Pr¨asidentschaft ist die u¨ ber 4200 Briefe umfassende Korrespondenz erhalten. C NDB

Coler, Alwin Gustav Edmund von, Milit¨ararzt, * 15. 3. 1831 Gr¨oningen bei Halberstadt, † 26. 8. 1901 Berlin. C., Sohn eines Steuerkontrolleurs und Postmeisters, studierte 1852-56 am Friedrich-Wilhelms-Institut in Berlin Milit¨armedizin (Promotion 1856, De plumbi noxia efficacitate in corpus humanum), wurde 1863 Stabsarzt und nach der Teilnahme an den Kriegen 1864 und 1866 zum Medizinalstab des preuß. Heeres, 1868 in die Medizinalabteilung des Kriegsministeriums abkommandiert. Im Krieg 1870 / 71 war er Divisionsarzt und wurde 1874 Generalarzt, 1889 Chef des Sanit¨atskorps und Direktor der milit¨ar¨arztlichen Bildungsanstalten. Seit 1891 lehrte er zugleich als Honorarprofessor an der Univ. Berlin. Durch verwaltungstechnische Maßnahmen von der Errichtung des Sanit¨atsoffizierskorps bis zur Regelung der Rang- und Einkommensverh¨altnisse der Milit¨ar¨arzte und der Verbesserung der Aus- und Fortbildung begr¨undete C. das moderne Milit¨armedizinalwesen in Deutschland. Seine organisatorischen F¨ahigkeiten finden auch in der Schrift u¨ ber Die transportable Lazarettbaracke (1886, 21890, mit Bernhard Rudolph Konrad von → Langenbeck und A. Werner) ihren Ausdruck. C. wurde 1884 in den Adelsstand erhoben und 1889 in die Deutsche Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. C MBL

Coler, Christoph, auch Colerus, Philologe, Jurist,

¨ * im Fr¨ankischen, † 1651 Osterreich. C. studierte Rechtswissenschaft und Philologie, lehrte 1597 und 1598 an der Univ. Altdorf und hielt sich danach in Prag, Heidelberg und Krakau auf. Zuletzt fand er, nachdem er vermutlich zum Katholizismus konvertiert war, eine Anstellung ¨ in Osterreich. C. gab Sallust, Valerius Maximus sowie Tacitus’ Germania mit Kommentar heraus und schrieb eine Epistola ad Stanislaum Zellenium Vitellium de Zelancka de studio politico recte instituendo (1601), eine Aufz¨ahlung von Schriften aus Theologie, Literatur, Rechtswissenschaft und Geschichte, deren Kenntnis f¨ur angehende Staatsm¨anner als unumg¨anglich bezeichnet wurde. C ADB

Coler, Heinrich, Jurist, Politiker, * 6. 4. 1576 L¨ubeck, † 27. 3. 1641 L¨ubeck. Aus einer Patrizierfamilie geb¨urtig, studierte C. seit 1594 Philosophie, Geschichte und Jura in Rostock, K¨oln und Straßburg, hospitierte beim Reichskammergericht in Speyer und unternahm 1599-1602 Studienreisen nach Italien, England, Frankreich und in die Spanischen Niederlande. 1617 wurde er zum Ratsherrn, 1624 zum B¨urgermeister der Hansestadt gew¨ahlt. In seine Amtszeit fielen zahlreiche administrative Neuordnungen im Feuer-, Wach- und Justizwesen, die zur Konsolidierung der Stadt als Kommunalwesen nach dem Verlust ihrer wirtschaftlichen Schl¨usselstellung im 16. Jh. und den Wirren des Dreißigj¨ahrigen Kriegs beitrugen. C ADB

Coler, Jakob, evang. Theologe, * 1537 Greiz, † 7. 3. 1612 Rostock. C. studierte seit 1554 in Frankfurt / Oder Theologie, wurde 1564 Pfarrer in Lauban und u¨ bernahm 1567 die Pfarrge-

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meinde Wohlau. Wegen seines polemischen Eintretens f¨ur das „reine Luthertum“ kurzzeitig inhaftiert, wurde er nach seiner Entlassung 1573 Pfarrer von Neukirch. 1574 disputierte er zweimal spektakul¨ar mit Matthias → Flacius. Vermutlich infolge dieser Disputationen wurde der temperamentvolle Theologe 1575 als Prof. f¨ur Hebr¨aisch nach Frankfurt / Oder berufen, ging aber schon kurz darauf als Propst von St. Nikolai und Assessor des Konsistoriums nach Berlin. 1600 wurde C. zum Superintendenten in G¨ustrow und Assessor des Konsistoriums in Rostock ernannt. Er war Mitarbeiter an der hebr¨aischen Ausgabe des Alten Testaments von Elias → Hutter, dem er einen Band Gedichte (Ad Eliem Hutterum, 1587) widmete. Seine Aufzeichnung des Disputs mit Matthias Flacius, Historia disputationis [. . .], ist 1726 in Stralsund neu aufgelegt worden. C. war der Vater von Johann → C. C ADB

Coler, Johann, evang. Theologe, Schriftsteller, * 19. 9. 1566 Adelsdorf bei Goldberg (Schlesien), † 23. 10. 1639 Parchim. C., Sohn von Jakob4# C., studierte in Rostock Theologie, wurde Magister und wirkte als Prediger in Doberan und Parchim. Mit seinem Calendarium perpetuum oeconomicum, oder: Stets w¨ahrender Kalender f¨ur die Hauswirthe, Ackersleute [. . .] (1592) und nachfolgenden Werken war er der Begr¨under der landwirtschaftlichen Literatur in Deutschland. C., dessen Ausf¨uhrungen fast zwei Jahrhunderte lang maßgeblich blieben, legte durch die Verschriftlichung m¨und¨ licher Uberlieferung den Grundstein f¨ur die sp¨atere Agraro¨ konomie. C Killy

Coler, Johann Christoph, evang. Theologe, * 7. 9. 1691 Altengottern bei Langensalza, † 7. 3. 1736 Weimar. Der Sohn eines Hausverwalters besuchte das Gothaer Gymnasium und immatrikulierte sich 1710 an der Univ. Wittenberg, wo ihm, seit 1713 Magister, 1716 die Adjunktur der Philosophischen Fakult¨at u¨ bertragen wurde. Er las u¨ ber Theologie und Literaturgeschichte, ging dann aber 1720 als Pfarrer nach Br¨uck und 1724 als Gymnasiallehrer nach Weimar. Hier wurde er schon ein Jahr sp¨ater Prediger an der Kirche St. Jakob und 1731 Hofprediger. C. gab zahlreiche Quellensammlungen und Anthologien zur Kirchen- und Literaturgeschichte heraus, ferner die in 83 Teilen erschienene Monatsschrift Auserlesene Theologische Bibliothek. C ADB

Coler, Matthias, auch Colerus, Jurist, * um 1530 Altenburg, † 22. 4. 1587 Jena. Der Sohn eines Ratsherrn begann in Wittenberg als Student der Medizin; auf → Melanchthons Rat wechselte er zur Rechtswissenschaft, deren Studium er in Leipzig fortsetzte und 1558 in Wittenberg als Doktor beider Rechte abschloß. Kurz danach wurde er als Prof. nach Jena berufen, mußte sein Lehramt aber 1569 wegen religi¨oser Differenzen aufgeben und war einige Jahre Mitglied des s¨achsischen Appellationsgerichts in Leipzig, dann Kanzler in Anhalt. 1573 wurde er wiederum nach Jena berufen, wo er sp¨ater neben seiner Lehrt¨atigkeit auch Ordinarius des Spruchgerichts und Beisitzer des Obergerichts war. Seine Schriften wie Commentarius de exceptionibus (1602) und Decisiones Germaniae [. . .] (1603) waren f¨ur die Rechtspraxis von großem Nutzen.

Colerus, Egmont, auch E. Colerus von Geldern, o¨ sterr. Schriftsteller, * 12. 5. 1888 Linz, † 8. 4. 1939 Wien. Der Offizierssohn studierte Rechtswissenschaft in Wien, h¨orte daneben auch Philosophie und Naturwissenschaften, wurde 1911 zum Dr. jur. promoviert und absolvierte zus¨atzlich die Wiener Handelsakademie. 1913-23 lehrte er an einer privaten Rechtsschule Staatswissenschaften und National¨okonomie, versuchte sich in verschiedenen anderen T¨atig-

Collenbusch keiten und fand schließlich eine Stelle beim o¨ sterr. Bundesamt f¨ur Statistik. Seine schriftstellerische Karriere begann 1920 mit der Ver¨offentlichung der beiden Romane Antarktis und Sodom. Handelten seine Prosawerke anfangs gegenwartsbezogene Themen in expressionistischer Manier ab, so wandte sich C. bald vor allem historisch-biographischen Stoffen zu – etwa in Zwei Welten. Ein Marco-Polo-Roman (1926) –, aus denen er zivilisationskritisch-reflexiv und manchmal allzu thesenhaft eine antagonistische Konfrontation von geistiger und materieller Welt entwickelte. Daneben gab er sp¨ater allgemeinverst¨andliche Darstellungen mathematischer Probleme heraus (u. a. Vom Einmaleins zum Integral, 1935). C Killy

Colin, Alexander, auch Colijs, Collin, Colyn, Colyns, Bildhauer, * wahrscheinlich 1527 (1529 ?), † 17. 8. 1612 Innsbruck. C. wurde 1558 von Pfalzgraf → Otto Heinrich f¨ur die Steinarbeiten am Heidelberger Schloß verpflichtet. Nach dessen Tod kehrte er 1559 nach Mecheln zur¨uck, erwarb wohl 1560 die Meisterw¨urde, trat 1562 in den Dienst der Br¨uder Abel in Innsbruck, u¨ bernahm nach deren Tod den Auftrag f¨ur die Reliefs des Maximiliangrabmals und verschaffte sich durch seine außerordentliche technische Fertigkeit bald einen guten Ruf; er erhielt viele Auftr¨age und vergr¨oßerte in der Folge seine Werkstatt betr¨achtlich. C. arbeitete u. a. am Grabmal → Ferdinands I. und → Maximilians II. im Veitsdom in Prag und schuf die Ruhest¨atte f¨ur → Ferdinand II. von Tirol in Innsbruck. Seine Grabplastiken zeichnen sich vor allem durch die technische Ausf¨uhrung, das verwendete Material (meist selbstgefundener Brennermarmor) und durch die ruhige Vornehmheit der Darstellung aus. C AKL Collalto, Rambaldo Graf von, auch Reimbolt, Milit¨ar, * 1579 Mantua, † 18. 11. 1630 Chur. C., Sohn eines venezianischen Generals, trat 1599 im Feldzug gegen die T¨urken in das kaiserliche Heer ein, diente seit 1608 als Feldkriegsrat und Oberst, wurde seit 1613 zu diplomatischen Missionen in kaiserlichem Auftrag verwendet und erhielt 1618 ein Regiment in B¨ohmen. 1621 wurde er Kommandeur eines Truppenteils im Feldzug gegen Ungarn, 1624 Hofkriegsrats-Pr¨asident, sp¨ater kaiserlicher Geheimer Rat, Generalleutnant → Wallensteins und 1629 schließlich Oberbefehlshaber des Heeres im Mantuanischen Erbfolgekrieg. Seine milit¨arische Karriere verdankte C. vor allem seinen ausgepr¨agten politischen F¨ahigkeiten, mit denen er die Machtbalance zwischen dem Feldherrn Wallenstein und dem Wiener Hof f¨ur sich zu nutzen verstand. C NDB

Collande, Gisela Huberta Valentine Maria von, eigentl. Mitschke-Collande, Schauspielerin, * 5. 2. 1915 Laubegast (heute zu Dresden), † 22. 10. 1960 bei Pforzheim. Die Schwester Volker von → C.s und Nachfahrin von Paul → Gerhard erhielt ihre schauspielerische Ausbildung bei Max → Reinhardt in Berlin. 1932 wurde sie zum ersten Mal engagiert und spielte dann bis 1945 am dortigen Deutschen Theater. Nach Kriegsende am Hamburger Schauspielhaus t¨aig, ging 1947 an das Thalia-Theater und wechselte 1955 an die St¨adtischen B¨uhnen in Wuppertal. Gastspiele f¨uhrten sie u. a. nach Stuttgart, Paris und Berlin. C. gab die Frauenrollen der Klassiker, wurde aber vor allem wegen ihrer Darstellung der dramatischen Gestalten Henrik Ibsens und Gerhart → Hauptmanns bekannt. C. starb an den Folgen eines Verkehrsunfalls.

Collande, Volker von, eigentl. Mitschke-Collande, Schauspieler, Regisseur, Intendant, * 21. 11. 1913 Dresden, † 29. 10. 1990 Hannover. C., Bruder Gisela Huberta Valentine Marie von → C.s, wurde Maurer, studierte an der Staatsbauschule in Dresden Architektur, nahm nebenbei Schauspiel- und Gesangsunterricht

und ging nach dem Staatsexamen f¨ur Architektur 1932 als Sprecher und Regieassistent zum Stuttgarter Rundfunk. 1933 erhielt er seine erste Filmrolle in Rivalen der Luft, der sich eine schnelle Karriere als Schauspieler und Regisseur an den Berliner B¨uhnen anschloß. Er arbeitete allein sieben Jahre unter der Intendanz Gustaf → Gr¨undgens’, war daneben bei der Ufa vor allem als Schauspieler t¨atig und f¨uhrte 1942 bei dem Film Zwei in einer großen Stadt zum erstenmal Regie. Im selben Jahr zur Wehrmacht einberufen, konnte er trotzdem bis zum Kriegsende weiter f¨ur den Film arbeiten. In der fr¨uhen Bundesrepublik Deutschland war C. wieder als Schauspieler, Regisseur, B¨uhnenbildner, Produzent und Intendant t¨atig; bekannt wurde vor allem der von ihm gedrehte Film Hochzeit auf Immenhof (1956). Zuletzt leitete er das Theater der Stadt Wolfsburg und beriet die Volkswagen AG in Kulturfragen.

Colle, Hippolyt von, auch Collibus, Colli, Pseud. Sinibaldus Ubaldus, Pompejus Lampuganus, Jurist, * 20. 2. 1561 Z¨urich, † 2. 2. 1612 Heidelberg. C. stammte aus einer italienischen Familie, sein Vater war aus religi¨osen Gr¨unden nach Z¨urich gefl¨uchtet. Er selbst studierte Rechtswissenschaft, wurde 1583 in Basel zum Doktor der Rechte promoviert und erhielt dort 1584 eine Professur, wechselte aber schon 1586 nach Heidelberg. 1589 kehrte er als Syndikus nach Basel zur¨uck und war seit 1591 f¨ur → Christian I. von Anhalt-Bernburg t¨atig, erst als Kanzler, dann als Gesandter an verschiedenen europ¨aischen H¨ofen. 1593 trat er erneut in kurpf¨alzische Dienste und wurde Pr¨asident des Hofgerichts und kurf¨urstlicher Rat, 1597 Wirklicher Geheimer Rat und 1603 Oberamtmann. Auch f¨ur die Kurpfalz war er in zahlreichen diplomatischen Missionen in ganz Europa unterwegs. C. ver¨offentlichte u. a., zum Teil unter Pseudonymen wie Sinibaldus Ubaldus oder Pompejus Lampuganus, Nobilis (1588), Princeps (1593) und Consiliarius (1596).

Collenbach, Heinrich Gabriel Frh. von, o¨ sterr. Staatsmann, * 1706, † 5. 11. 1790 Wien. C. wurde im Dienst Kaiser → Karls VI. 1733 und 1736 nach Berlin entsandt und war 1740-53 als f¨urstlich nassauischer Rat f¨ur die o¨ sterr. Interessen t¨atig. Seit 1753 in der Wiener Staatskanzlei t¨atig, handelte er 1762 / 63 als o¨ sterr. Bevollm¨achtigter den Hubertusburger Frieden mit Preußen aus und wurde 1763 von Kaiserin → Maria Theresia in den o¨ sterr. Freiherrenstand erhoben. Collenbusch, Samuel, Pietist, * 1. 9. 1724 BarmenWichlinghausen, † 1. 9. 1803 Barmen (heute zu Wuppertal). C., Sohn eines Kaufmanns, studierte in Duisburg und Straßburg Medizin (Promotion 1799, Observationes medicae de utilitate et noxis aquae martialis Schwelmensis) und war sp¨ater auch als praktischer Arzt in Duisburg und Barmen t¨atig. Schon in seiner Jugend von mystischem und pietistischem Gedankengut fasziniert, widmete er sich zeit seines Lebens als Laientheologe der Bibelauslegung. Aus der Grundhaltung eines unbedingten Biblizismus heraus entwickelte er gegen die protestantische Orthodoxie eine neue medizinisch-ethische Heilslehre. Sie erkannte in der Sendung Christi die Absicht Gottes zur Vervollkommnung des Menschen, die nach C. in sieben Stufen als Heiligung erreichbar ist. Seine Lehre fand zahlreiche Anh¨anger und wirkte u. a. auf Gottfried → Thomasius und Johann von → Hofmann. Nach seinem Tod wurden C.s Erkl¨arungen biblischer Wahrheiten (3 Bde., 1807-20) als wirkungsm¨achtige Hinterlassenschaft des nach Johann Georg → Hamann bedeutendsten Laien- und Bibel-Theologen des 18. Jh. herausgegeben. C TRE

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Collet Collet, Hugo, Gewerkschafter, Politiker, * 15. 9. 1921 V¨olklingen, † 19. 12. 1993 Pirmasens. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft war C. seit 1946 in der Gewerkschaftsbewegung aktiv, zuletzt als stellvertretender Bezirksvorsitzender der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. Seit 1960 Mitglied des Stadtrats von Pirmasens und Vorsitzender des SPD-Ortsvereins, geh¨orte er 1965-87 als SPD-Abgeordneter dem Deutschen Bundestag, ¨ bis 1983 dem Altestenrat an. Als Gr¨under der Arbeitsgemeinschaft Parlamentsreform im Deutschen Bundestag trat er kurz vor seinem Ausscheiden in einen „Abstimmungsstreik“, um gegen die Papierflut der Sitzungsvorlagen zu protestieren. C MdB

Collimitius, Georgius, auch Lycoripensis, eigentl. Tannstetter, Humanist, Mathematiker, * 1482 Rain / Lech, † 26. 3. 1535 Wien. Seit 1496 in Ingolstadt immatrikuliert, erwarb C. 1503 dort den Grad eines Magisters, wechselte im selben Jahr nach Wien und hielt Vorlesungen u¨ ber Mathematik. Nach dem Tod seines Lehrers Konrad → Celtis gr¨undete C. die Sodalitas Collimitiana, eine Vereinigung f¨ur mathematische und astronomische Studien. Zu seinen Sch¨ulern z¨ahlte u. a. Rudolf Agricola d. J. C. war mehrmals Dekan sowohl der Artistischen als auch der Medizinischen Fakult¨at und 1512 Rektor der Universit¨at. Seit 1510 kaiserlicher Hofarzt, wurde er sp¨ater auch mit diplomatischen Missionen betraut. C. galt im 16. Jh. als f¨uhrender Mathematiker und Astronom. Als Universalforscher betrieb er Studien zur physikalischen Geographie, zur Kartographie und zur Medizin (u. a. Regiment f¨ur den Lauff der Pestilenz, 1521); er gab zahlreiche mit astrologischen Prophezeiungen ausgestattete Kalender und Almanache heraus. C. war Mitglied der Donaugesellschaft und sp¨ater des freien Wiener Reuchlinistenkreises. C Leb Bayer Schwaben, Bd 13

Collin, Erich, fr¨uher Max Adolf Erich Abraham-Collin, S¨anger, * 26. 8. 1899 Berlin, † 29. 4. 1961 Los Angeles (USA). Der Sohn eines Kinderarztes begann nach dem Kriegseinsatz im Ersten Weltkrieg zun¨achst eine Banklehre, dann das Medizinstudium an der Univ. Berlin, erhielt danach eine Gesangsausbildung f¨ur die Oper an der Staatlichen Hochschule f¨ur Musik und geh¨orte seit 1927 als Zweiter Tenor zu den „Comedian Harmonists“. Nach dem Verbot des Sextetts durch die Nationalsozialisten emigrierte C. 1935 nach ¨ Osterreich. Die Gruppe l¨oste sich 1940 in den USA auf, wo sich C. zun¨achst als Vertreter f¨ur medizinische Lehrb¨ucher und Bekleidung durchschlug. Nach einer Weiterbildung in einem Flugzeugwerk angestellt, arbeitete er seit 1950 f¨ur ein Kunststoffunternehmen in Los Angeles. Ende der vierziger Jahre versuchte C. mit einer amerikanische Ausgabe der „Comedian Harmonists“ vergeblich in Europa an die fr¨uheren Erfolge anzukn¨upfen. C BHdE, Bd 2

Collin, Heinrich Joseph von, o¨ sterr. Schriftsteller, * 26. 12. 1771 Wien, † 28. 7. 1811 Wien. Der Sohn eines Arztes studierte 1790-94 in Wien Rechtswissenschaft, trat 1795 in den o¨ sterr. Staatsdienst ein und war seit 1797 Hofkonzipist der obersten Finanzhofstelle. 1803 wurde er, vermutlich in W¨urdigung seiner dramatischen Leistungen, geadelt. Neben Balladendichtung und patriotischer Lyrik wie Lieder Oesterreichischer Wehrm¨anner (1809) schuf C. vor allem rhetorisch-klassizistische B¨uhnenwerke wie Regulus (Urauff¨uhrung 1801) und M¨aon (Urauff¨uhrung 1807), die in ihrer Trag¨odienkonzeption die innere Willensfreiheit des Menschen betonen und sich stilistisch an → Klopstock und der franz¨osischen Klassik orientieren. Zu seinem Trauerspiel Coriolan (Urauff¨uhrung 1802)

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komponierte Ludwig van → Beethoven 1807 die gleichnamige Ouvert¨ure. C. war der Bruder Matth¨aus und Rosalie von → C.s. C Killy

Collin, Matth¨aus (Kasimir) von, o¨ sterr. Schriftsteller, Literaturkritiker, * 3. 3. 1779 Wien, † 23. 11. 1824 Wien. Der Bruder Heinrich Joseph und Rosalie von → C.s studierte in Wien Rechtswissenschaft, wurde 1804 promo¨ viert, nahm einen Ruf als Prof. der Asthetik und Philosophiegeschichte nach Krakau an, lehrte seit 1812 in Wien und amtierte dort sp¨ater auch als Zensor sowie als Lehrer und Erzieher am kaiserlichen Hof. C. schrieb Lyrisches und mehrere patriotisch-geschichtliche Versdramen wie die zum „Babenberger“-Dramenzyklus geh¨origen St¨ucke Bela’s Krieg mit dem Vater (1808) und Der Tod Friedrichs des Streitbaren. Keines seiner theatergeschichtlich interessanten Werke wurde jemals aufgef¨uhrt. Er war Herausgeber der „Wiener Allgemeinen Litteratur-Zeitung“ (1816) und der „Jahrb¨ucher der Litteratur“ (1818-21). C Killy

Collin, Paul Heinrich, Keramiker, Bildhauer, * 5. 5. (3. ?) 1748 K¨onigsberg, † 17. 9. 1789 K¨onigsberg. C. sollte seinem Vater als Kaufmann folgen. Nach der Lehrzeit war er 1769-75 als Kommission¨ar in England und erwarb sich dort genaue Kenntnisse der Tonwarenindustrie, die er nach seiner R¨uckkehr 1776 f¨ur die Er¨offnung einer eigenen Fayence- und Steingutfabrik nutzte. Neun Jahre sp¨ater aus Konkurrenzgr¨unden zur Schließung der Fabrik gezwungen, arbeitete er bis zu seinem Tod als Wechselmakler. C. modellierte in hochovaler Medaillonform u. a. Bildnisse einheimischer Pers¨onlichkeiten wie Immanuel → Kant, Christian F¨urchtegott → Gellert oder Georg → Hamann; sie wurden zu seiner Zeit wegen ihrer Genauigkeit sehr gesch¨atzt. C AKL

Collin, Rosalie von, o¨ sterr. Schauspielerin, Schriftstellerin, * 21. 6. 1776 Wien, † 26. 2. 1832 Wien. Wie zu ihrer Zeit u¨ blich, erhielt die Schwester Heinrich Joseph und Matth¨aus von → C.s lediglich Privatunterricht. Sie wurde Schauspielerin, ver¨offentlichte Gedichte und Aufs¨atze in verschiedenen Almanachen und Taschenb¨uchern sowie 1823 das Lustspiel Don Carrizales nach einer Novelle von Cervantes. Sp¨ater zog sie sich als Stiftsdame nach Hall in Tirol zur¨uck. 1803 wurde C. zusammen mit ihren Geschwistern in den Adelsstand erhoben.

Collini, Cosimo Alessandro, auch Colini, Historiker, Naturforscher, * 14. 10. 1727 Florenz, † 21. 3. 1806 Mannheim. Der aus einer Florentiner Gelehrtenfamilie stammende C. studierte Rechtswissenschaft in Pisa, hielt sich kurze Zeit in Chur auf und ging dann nach Berlin, wo er 1751 Voltaires Sekret¨ar wurde. Nach seiner Trennung von Voltaire 1756 war er Hofmeister in Straßburg und erhielt 1760 eine Anstellung als Geheimer Sekret¨ar des Kurf¨ursten → Karl Theodor von der Pfalz in Mannheim. C. war Hofhistoriograph, Mitglied der Akademie und Direktor des kurf¨urstlichen Naturalienkabinetts. Nach dem Zerfall der Kurpfalz wurde er zum k¨oniglich bayerischen Hofrat ernannt. C. ver¨offentlichte zahlreiche historische, mineralogische und geologische Arbeiten haupts¨achlich in franz¨osischer Sprache. Zu seinen Publikationen z¨ahlen ferner ein Journal d’un voyage (1776), ein Tagebuch einer Reise, welches verschiedene mineralogische Beobachtungen besonders u¨ ber die Agate und den Basalt enth¨alt (1777) und Lettres sur les Allemands (1790). ¨ Uber seine Zeit bei Voltaire erschien 1807 postum Mon s´ejour aupr`es de Voltaire et lettres in´edites, que m’´ecrivit cet homme c´el`ebre. C NDB

Colloredo-Waldsee Collinus, Rudolfus, auch Clivanus (am B¨ul, zum B¨ul), Humanist, * 1499 Gundelingen bei Sempach (Kt. Luzern), † 9. 3. 1578 Z¨urich. C., von Bauern abstammend, studierte in Basel, Wien und Mailand wurde 1522 Lehrer im Kloster St. Urban seines Heimatkantons, zog nach Beginn der Reformation 1524 nach Z¨urich, erlernte dort das Seilerhandwerk, beteiligte sich an Feldz¨ugen und erwarb 1526 das Z¨urcher B¨urgerrecht. Im selben Jahr wurde er von → Zwingli zum Prof. des Griechischen an der Schule des Großm¨unsters bestellt, mußte aber daneben zur Existenzsicherung sein Handwerk weiter aus¨uben. Sp¨ater begleitete er Zwingli bei diplomatischen Missionen in Bern, Marburg und Venedig. C. schrieb ¨ u. a. eine Vita ab ipso descripta (1722, dt. Ubersetzung von S. V¨ogelin 1859). C NDB Collmann, Alfred, Ingenieur, Erfinder, * 17. 4. 1851 Wien, † 7. 4. 1937 Wien. C., dessen aus Hackney (Middlesex, England) stammender Vater seit ca. 1845 P¨achter einer Eisengießerei in Wien war, studierte am Wiener Polytechnischen Institut Maschinenbau, arbeitete danach zehn Jahre lang als Konstrukteur und Betriebsingenieur in Deutschland, England und der Schweiz, kehrte 1884 nach Wien zur¨uck und machte sich hier als Ingenieur und Berater mehrerer Maschinenbaufabriken selbst¨andig. Er meldete zahlreiche Patente an und erwarb sich vor allem durch die Erfindung von Ventilsteuersystemen f¨ur Dampfmaschinen große Verdienste. Insbesondere die „neue Collmann-Steuerung“ von 1891 erm¨oglichte den Einsatz auch bei Maschinen mit einer Drehzahl von u¨ ber 100 U / min. und damit eine wesentliche Komplexit¨atsreduktion bei gleichzeitiger Erh¨ohung des Wirkungsgrads solcher Kolbendampfmaschinen. C. wurde f¨ur seine Verdienste u. a. mit dem franz¨osischen Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet. C NDB Colloredo-Mannsfeld, Ferdinand Graf von, o¨ sterr. Diplomat, * 30. 7. 1777 Wien, † 10. 12. 1848 Schloß Stiebar bei Gresten (Nieder¨osterreich). Der Sohn von Franz de Paula Gundaker von → C.-M. und Bruder von Hieronymus von → C.-M. studierte in G¨ottingen und W¨urzburg Rechtswissenschaften und trat in den diplomatischen Dienst ein. Er vertrat B¨ohmen 1801 auf dem Reichstag in Regensburg und 1803 bei den Verhandlungen u¨ ber den Reichsdeputationshauptschluß, war 1806 o¨ sterr. Gesandter in Neapel, zog sich aber 1808 aus dem diplomatischen Dienst zur¨uck. Als Verordneter des nieder¨osterreichischen Herrenstandes wirkte er nach 1822 an der Grundsteuerregulierung mit, wurde 1838 zum Generalhofbaudirektor ernannt und gr¨undete 1840 den nieder¨osterreichischen Gewerbeverein. C.-M. erwarb sich den Ruf eines Mittlers zwischen B¨urgertum und Adel, konnte aber w¨ahrend der Revolution von 1848 kaum m¨aßigend wirken. C NDB

Colloredo-Mannsfeld, Franz de Paula Gundaker F¨urst von, Reichsvizekanzler, * 28. 5. 1731 Wien, † 27. 10. 1807 Wien. C.-M. wurde 1753 zum Reichshofrat ernannt und bei mehreren ausl¨andischen Missionen verwandt. Seit 1766 Geheimer ¨ Rat, vertrat er 1767-70 die Interessen Osterreichs in Spanien, unterst¨utzte als Leiter der Visitation des Reichskammergerichts die Pl¨ane Kaiser → Josephs II. zur Reform der Reichsgerichte und folgte 1788 seinem Vater Rudolph Joseph von → Colloredo-Waldsee-Mels im Amt des Reichsvizekanzlers. Sein politisches Ziel der Erhaltung der Reichsverfassung und der kaiserlichen Rechte erwies sich jedoch bald als u¨ berholt. Mit der Niederlegung der Kaiserw¨urde durch Kaiser → Franz II. 1806 erlosch auch C.-M.s Amt. C NDB

Colloredo-Mannsfeld, Hieronymus Graf von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 30. 3. 1775 Wetzlar, † 23. 7. 1822 Wien. Der Sohn von Franz de Paula Gundaker von → C.-M. und Bruder von Ferdinand von → C.-M. trat 1792 als Offizier in die o¨ sterr. Armee ein. Er nahm an den Koalitionskriegen gegen das revolution¨are Frankreich und sp¨ater an den Feldz¨ugen gegen Napoleon und seine Verb¨undeten teil und wurde schließlich in den Rang eines Feldmarschalleutnants erhoben. C.-M. starb an den Folgen seiner Kriegsverletzungen.

Colloredo-Waldsee, Franz de Paula Reichsgraf von, o¨ sterr. Diplomat, * 29. 10. 1799 Wien, † 26. 10. 1859 Z¨urich. Der Sohn von Franz Karl von → C.-W. und Patensohn von Kaiser → Franz II. schlug erst die milit¨arische Laufbahn ein, wurde aber 1820 Gesandtschaftsattach´e in London und 1824 Gesandter am d¨anischen Hof. Nach Stationen in Dresden und ¨ M¨unchen vertrat er Osterreich seit 1843 in St. Petersburg. Im Revolutionsjahr 1848 schickte ihn → Metternich nach Frankfurt, um das Pr¨asidium des sich konstituierenden Deutschen Bundestags zu u¨ bernehmen und die Nationalversammlung in seinem Sinne zu lenken. 1852-59 war er Gesandter in London und am Heiligen Stuhl. Nach dem Krieg Frankreichs ¨ und Sardiniens gegen Osterreich 1859 zu den Friedensverhandlungen nach Z¨urich delegiert, starb er dort. C NDB Colloredo-Waldsee, Franz Karl Reichsgraf von, kaiserlicher Minister, * 23. 5. 1736 Wien, † 10. 3. 1806 Wien. Als nieder¨osterreichischer Regierungsrat wurde C.-W., Sohn des Oberhofmeisters der Erzherzogin → Maria Anna, von Erzherzog Peter Leopold, dem sp¨ateren Kaiser → Leopold II., 1772 zum Obersthofmeister am florentinischen Hof und Erzieher seines Sohnes → Franz ernannt. Als dieser 1792 Kaiser wurde, hielt er C.-W. als Vertrauten im Rang eines Kabinetts- und Konferenzministers an seiner Seite, u¨ bertrug ihm die Innenpolitik und seit 1801 zusammen mit Ludwig Graf von → Cobenzl auch die Außenpolitik. Traditionellen reichsrechtlichen Vorstellungen und absolutistischer Staatsauffassung verhaftet, scheiterte seine schwankende Politik ¨ endg¨ultig mit der Niederlage Osterreichs im Dritten Koalitionskrieg gegen Frankreich. C.-W. wurde 1805 aus seinen ¨ Amtern entlassen. Er war der Vater von Franz de Paula von → C.-W. C NDB Colloredo-Waldsee, Hieronymus (Josef Franz de Paula) Graf von, F¨ursterzbischof von Salzburg, * 31. 5. 1732 Wien, † 20. 5. 1812 Wien. Der Sohn von Rudolph Joseph F¨urst von → ColloredoWaldsee-Mels und j¨ungere Bruder des sp¨ateren Reichsvizekanzlers Franz de Paula Gundaker von → ColloredoMannsfeld war f¨ur die geistliche Laufbahn bestimmt. Mit 15 Jahren Domherr in Salzburg, wurde er 1751 Domkapitular in Passau, studierte am Collegium Germanicum in Rom, erhielt eine Pfarrstelle in Staatz (Nieder¨osterreich), dann die Propstei zu St. Anna in Augsburg; 1761 wurde er Propst von Kremsier, 1762 Bischof von Gurk und endlich 1772 als Kandidat des Wiener Hofs F¨ursterzbischof von Salzburg. Ende 1800 fl¨uchtete er vor den anr¨uckenden Franzosen u¨ ber Br¨unn nach Wien. Mit der S¨akularisation endete 1803 seine weltliche Herrschaft. In seiner Regierungszeit bem¨uhte er sich um eine gr¨oßere Selbst¨andigkeit der kath. Kirche in Deutschland. Im Innern f¨orderte er im Geist eines aufgekl¨arten Absolutismus religi¨ose Toleranz, effiziente Verwaltung und Verbesserungen des Bildungswesens. C.-W. war der Brotherr von Leopold und Wolfgang Amadeus → Mozart. C Gatz 4

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Colloredo-Waldsee Colloredo-Waldsee, Rudolf Graf von, Milit¨ar, * 2. 11. 1585 Budweis, † 27. (20., 24.) 1. 1657 Prag. C.-W. war Edelknabe bei seinem Taufpaten Kaiser → Rudolf II., dessen K¨ammerer C.-W.s Vater war, ging zum Milit¨ar und k¨ampfte gegen die Venezianer. 1618 erscheint er als Hauptmann in Friaul. Die Erlaubnis, in Nieder¨osterreich ein Regiment zu werben, markierte 1619 den Beginn seiner erfolgreichen milit¨arischen Karriere. In der Auseinandersetzung mit → Wallenstein stand er auf der Seite des Kaisers und wurde daf¨ur zum Feldmarschall bef¨ordert. Seit 1639 war C.-W. Kommandierender General in B¨ohmen. 1648 verteidigte er Prag gegen die Schweden und wurde nach dem Westf¨alischen Frieden Gouverneur der Stadt. C NDB Colloredo-Waldsee-Mels, Joseph Maria Graf von, Milit¨ar, * 11. 9. 1735 Regensburg, † 26. 11. 1818 Wien. Der j¨ungste Sohn von Rudolph Joseph von → C.-W.-M. trat 1752 in die kaiserliche Armee ein. Er brachte es zum Feldmarschalleutnant und 1773 zum Hofkriegsrat. Mit organisatorischen und kriegstechnischen Fragen befaßt, wurde er 1778 General-Artillerie-Direktor. Es gelang ihm, durch verbesserte Ausbildung und Organisation die Effizienz dieser zunehmend bedeutenderen Waffengattung wesentlich zu erh¨ohen. Zum Staats- und Konferenzminister ernannt, leitete er 1805 und 1809-14 das Kriegsministerium. C.-W.-M. war C NDB Großprior des Johanniterordens.

Colloredo-Waldsee-Mels, Rudolph Joseph F¨urst von, Reichsvizekanzler, * 6. 7. 1706 Prag, † 1. 11. 1788 Wien. Bereits mit 22 Jahren Wirklicher Hofrat, wurde C. 1731 b¨ohmischer Komitialgesandter, 1735 Geheimer Rat und 1737 Substitut des Reichsvizekanzlers, dessen Amt er 1740 u¨ bernahm und, mit Ausnahme der Regierungszeit Kaiser → Karls VII., bis zu seinem Tod innehatte. Als Konferenzminister (seit 1743) Mitglied der Geheimen Konferenz, konnte er vor allem unter → Franz I. und → Joseph II. bedeutenden Einfluß auf die o¨ sterr. Politik nehmen. Er war der Vater von Joseph Maria von → C.-W.-M., Franz de Paula Gundaker von → Colloredo-Mannsfeld und Hieronymus von → Colloredo-Waldsee. C NDB

Collum, Herbert, Musiker, Dirigent, Komponist, * 18. 7. 1914 Leipzig, † 29. 4. 1982 Dresden. C. studierte 1930-34 Orgel bei Karl → Straube und G¨unther → Ramin, Klavier bei Carl Adolf → Martienssen und Komposition bei Johann Nepomuk → David am Konservatorium in Leipzig. 1932-35 vertrat er Ramin an der Thomaskirchenorgel in Leipzig und war seit 1935 Organist an der Kreuzkirche in Dresden, wo er die „Collum-Konzerte“ und 1946 den „Collum-Kammerchor“ gr¨undete; seit 1945 u¨ bte er das Organistenamt auch an der Reformierten- und Annenkirche aus. 1949-61 unterrichtete C., der 1960 zum Prof. ernannt wurde, virtuoses und liturgisches Orgelspiel an der Kirchenmusikhochschule in Berlin-Spandau und seit 1964 Cembalo an der Hochschule f¨ur Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden. Konzertreisen f¨uhrten ihn in viele europ¨aische L¨ander. C. komponierte vor allem geistliche Chor- und Orgelwerke. 1973 erhielt er den Kunstpreis der DDR, 1979 den NatioC MGG nalpreis der DDR. Colm, Gerhard, Wirtschafts- und Staatswissenschaftler, * 30. 6. 1897 Hannover, † 26. 12. 1968 Washington. C. nahm am Ersten Weltkrieg teil, studierte Soziologie und Wirtschaftswissenschaften in M¨unchen, Berlin und Freiburg und arbeitete nach der Promotion 1921 (Beitrag zur Geschichte und Soziologie des Ruhraufstandes vom M¨arz – April 1920) als Referent im Statistischen Reichsamt in Berlin. 1926 habilitierte er sich in Kiel (Volkswirtschaftliche Theorie der Staatsausgaben), wo er 1927 stellvertretender

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Abteilungsvorstand, 1930 Leiter der Abteilung f¨ur Statistische Weltwirtschaftskunde und internationale Konjunkturforschung am Institut f¨ur Weltwirtschaft wurde. 1930 erhielt er eine nichtbeamtete Professur f¨ur Wirtschaftliche Staatswissenschaften an der dortigen Universit¨at. C. war wissenschaftlicher Berater der deutschen Regierung u. a. 1927 beim Haushaltsausschuß der Abr¨ustungskonferenz in Paris und 1931 beim Komitee f¨ur die Revision des Young-Plans in Basel. Als Gegner des Nationalsozialismus 1933 entlassen und in die USA emigriert, lehrte er als Gastprofessor an der New School for Social Research in New York, nahm 1939 die amerikanische Staatsb¨urgerschaft an und kam als Beamter in das Handelsministerium nach Washington. Sp¨ater fungierte er u. a. als Wirtschaftsberater des Pr¨asidenten sowie als Finanz- und W¨ahrungsberater von General Lucius D. Clay und war an der Planung der W¨ahrungsreform in Westdeutschland beteiligt. 1940-62 lehrte er an der George Washington University. C. ver¨offentlichte u. a. Der Mensch im wirtschaftlichen Kreislauf (1930), Targets for U. S. Economic Growth in the Early Sixties (1961) und Integration of National Planning and Budgeting (1968). C Hagemann

Colmar, Johann Albert, Jurist, * 10. 2. 1759 N¨urnberg, † 20. 8. 1834 N¨urnberg. C. studierte 1777-81 in Altdorf, Jena und Leipzig Rechtswissenschaften, kehrte 1782 als Advokat nach N¨urnberg zur¨uck und wurde 1783 promoviert. Der Rat der reichsfreien Stadt ernannte ihn 1786 zum Syndikus und 1789 zum Konsulenten. 1799 wurde er Assessor am Untergericht, zwei Jahre sp¨ater Mitglied des Stadtgerichts. Nach der Eingliederung der Stadt in das bayerische K¨onigreich erhielt er 1808 ein Amt als k¨oniglich bayerischer Stadtgerichtsassessor und stieg 1818 zum Kreis- und Stadtgerichtsrat auf. C. war Mitglied und zeitweise Vorsitzender des Pegnesischen Blumenordens sowie der Gesellschaft zur Bef¨orderung der vaterl¨andischen Industrie.

Colmar, Joseph Ludwig, Bischof von Mainz, * 22. 6. 1760 Straßburg, † 15. 12. 1818 Mainz. Der Sohn eines Sprachlehrers studierte am Priesterseminar in Straßburg und wurde dort 1779 zum Lizentiaten der Philosophie, 1783 auch der Theologie promoviert. Im selben Jahr empfing er die Priesterweihe, unterrichtete danach am Gymnasium der Stadt und war Kaplan an der Kirche St. Stephan. W¨ahrend der Franz¨osischen Revolution verweigerte er den Eid auf die Zivilkonstitution und arbeitete 1791-97 als Seelsorger im Untergrund. Durch den Kardinalerzbischof von Toulouse auf die Charakterst¨arke und religi¨ose Willenskraft C.s aufmerksam gemacht, ernannte ihn Napoleon 1802 zum Bischof des neuerrichteten und vergr¨oßerten Bistums Mainz. C. richtete 1804 das Mainzer Priesterseminar ein und setzte sich f¨ur den Erhalt der historischen Domkirchen von Mainz und Speyer ein. C Gatz 3

Colmar-Meyenburg, Axel (Karl Hermann) von, Verwaltungsbeamter, * 29. 12. 1840 Schwedt / Oder, † 23. 12. 1911 Z¨utzen bei Schwedt / Oder. Als Sohn eines m¨arkischen Rittergutsbesitzers studierte C.M. seit 1859 in Heidelberg (Corps Saxoborussia), Leipzig und Berlin Jura und Cameralia. Er trat als Regierungsreferendar zur Verwaltung u¨ ber und wurde 1868 mit dem Landratsamt Chodziesen (Prov. Posen) betraut. Der polnische Ortsname erregte bei den mehrheitlich deutschen Bewohnern Anstoß; sie nahmen C.-M.s T¨atigkeit zum Anlaß, um den Ort 1877 in Kolmar umzubenennen. Der hochkonservative C.-M., der seit 1877 Bromberger Wahlkreise im Abgeordnetenhaus wie im Reichstag vertrat, machte weitere Karriere, nicht zuletzt aufgrund seiner Heirat mit einer Tochter von Kaiser → Wilhelms I. Leibarzt Gustav Adolf von → Lauer. Er wurde 1882 Polizeipr¨asident von Posen,

Colpet 1887 Regierungspr¨asident in Aurich, 1890 in L¨uneburg. Als Funktion¨ar des Bundes der Landwirte war C.-M. Gegner des Mittellandkanalprojekts und mußte deshalb 1899 sein Amt aufgeben, wurde aber 1906 mit einer Rehabilitierungsgeste zum Mitglied des Preußischen Herrenhauses berufen. C Bromberg

Colom du Clos, Isaac von, P¨adagoge, Philosoph, * 20. 1. 1708 M¨uncheberg (Mittelmark), † 25. (26.) 1. 1795 G¨ottingen. Der Sohn franz¨osischer Religionsfl¨uchtlinge wurde zuerst in Berlin als Kandidat f¨ur das Predigeramt angenommen, studierte dann in Jena, Leiden und Bremen, wo er 1730 vom F¨ursten Georg Albrecht von Ostfriesland zum Lehrer des Erbprinzen → Karl Edzard bestellt wurde. Dieser behielt nach seinem Regierungsantritt 1734 C. du C. als Geheimen Kabinettssekret¨ar und Bibliothekar an seiner Seite. Nach dessen fr¨uhem Tod ging C. du C. als Franz¨osischlehrer nach Ilfeld, 1747 nach G¨ottingen. Hier wurde er 1751 zum a. o. Prof., 1764 zum o. Prof. der Philosophie berufen. C. du C. ver¨offentlichte u. a. Lehrb¨ucher der franz¨osischen ¨ Sprache wie die Ubungen zur Anwendung der Grunds¨atze, der Wortf¨ugung und der Schreibart der Franz¨osischen Sprache [. . .] (1761).

Colomb, Enno von, Milit¨ar, * 31. 8. 1812 Berlin, † 10. 2. 1886 Kassel. C. folgte seinem Vater Friedrich August von → C. und trat 1831 in die preuß. Armee ein. Er absolvierte die Allgemeine Kriegsschule, sammelte u. a. im Kriegsministerium Stabserfahrungen und wurde 1858 Major. Nach dem Krieg 1866 kommandierte er, seit 1869 als Generalmajor, verschiedene Kavalleriebrigaden und erhielt nach der Teilnahme am Deutsch-Franz¨osischen Krieg 1874 als Generalleutnant die Kommandatur von Kassel (bis 1885). C. gab Briefe Gebhard Leberecht → Bl¨uchers heraus, ver¨offentlichte milit¨arische Schriften sowie ein Tagebuch (1876) seiner Kriegserlebnisse 1870 / 71. Colomb, Friedrich August von, Milit¨ar, * 1775 Aurich (?), † 12. 11. 1854 K¨onigsberg. Der Sohn des Kammergerichtspr¨asidenten in Aurich trat mit siebzehn Jahren in die preuß. Armee ein und nahm an den Befreiuungskriegen teil. 1843 wurde er Kommandierender General des 5. Armeekorps in Polen. 1849 schied er als General der Kavallerie aus der Armee aus. C.s Erlebnisse in den Kriegsjahren 1813 und 1814 wurden unter dem Titel Aus dem Tagebuch des Rittmeisters von Colomb postum ver¨offentlicht. Colombi, Plinio, schweizer. Maler, * 14. 2. 1873 Ravecchia (Kt. Tessin), † 22. 9. 1951 L¨angmaad bei Spiez (Kt. Bern). C. besuchte die Kunstgewerbeschulen in Winterthur und Z¨urich, entschied sich aber schon bald f¨ur die freie k¨unstlerische Arbeit. Nach einem Studienaufenthalt in Paris zog er zu seinem Vater nach Bern und widmete sich vor allem der Landschaftsmalerei. Seit 1899 hatte er vornehmlich mit seinen farbkr¨aftigen Hochgebirgs- und Schneelandschaften zunehmend Erfolg. Sp¨ater kamen Holzschnitte, Lithographien, Radierungen, Graphiken und Plakate a¨ hnlicher Themenwahl hinzu. Zahlreiche Schweizer Museen (u. a. Bern, Basel und Chur) kauften Werke von C. an. C AKL Colombo, Giovanni Battista Innocenzo, auch Colomba, Columba, Johann Baptist Innozenz C., Maler, Architekt, * 1717 Arogno bei Lugano, † 1793 Arogno bei Lugano. C. stammte aus einer Malerfamilie und erhielt Unterricht von seinem Onkel Luca Antonio → C. 1742 kam er nach Frankfurt / Main, arbeitete an der Kaiserstiege im R¨omer sowie bei den Kr¨onungsfeierlichkeiten f¨ur Kaiser → Karl VII. und

traf den Theaterimpresario Nicolini, dem er als Theatermaler durch ganz Deutschland folgte. 1751 trat er als Hofdekorator und Theaterarchitekt in die Dienste des w¨urttembergischen Hofs, lehrte in Stuttgart seit 1761 als Prof. an der Akademie der K¨unste, arbeitete 1769-71 als B¨uhnenbildner in Turin, 1774-80 in London und kehrte sp¨atestens 1792 in seine Heimat zur¨uck. Als eine seiner besten Arbeiten gilt das Deckengem¨alde im Ludwigsburger Opernhaus. C. war am Bau und an der Ausschm¨uckung von Kirchen beteiligt und schuf als Staffelmaler vorzugsweise romantische Landschaften. C AKL

Colombo, Luca Antonio, auch Colomba, Columba, Luca Aurelio C., Maler, * 14. 11. 1674 Arogno bei Lugano, † 22. 12. 1737 Arogno bei Lugano. C. lernte die Malerei bei seinem Vater und arbeitete dann in Diensten des Prinzen → Eugen von Savoyen in Wien, Pest und Prag, bevor er 24 Jahre lang am w¨urttembergischen Hof f¨ur Herzog → Eberhard t¨atig war. Dort schuf er u. a. die Deckenmalereien an der Deutschhauskirche in Heilbronn und an der Nonnenkirche in Frauenalb sowie die Fresken der Schloßkapelle zu Ludwigsburg. Sp¨ater war es ihm erlaubt, unter Beibehaltung seines Gehalts auch f¨ur andere t¨atig zu werden; so malte er zum Beispiel die mythisch-allegorischen Darstellungen im Wahlzimmer des Frankfurter R¨omer. C AKL Colonge, Benignus Espiard Frh. von, Milit¨ar, * 22. 11. 1754 Obersch¨onheim (Elsaß), † 1837 M¨unchen. C. diente, zuletzt im Rang eines Majors, in der franz¨osischen Armee, schloß sich nach Ausbruch der Franz¨osischen Revolution einem Emigrantenkorps an, das bis 1801 an allen Kriegen gegen die Republik teilnahm. Danach trat er als Leiter der neugegr¨undeten Artillerieschule in die bayerische Armee ein und wurde 1809 Fachreferent im Kriegsministerium, 1813 Kommandeur der Artillerie. 1817 wurde er zum Generaldirektor im Kriegsministerium und 1822 zum k¨oniglich bayerischen Staatsrat ernannt. Colonna, Philipp Graf von, Industrieller, * 4. 4. 1755 Burg Trost, † 8. 4. 1807 Sztara (Ungarn). C., der aus einem alten Tiroler Adelsgeschlecht stammte, das im Dreißigj¨ahrigen Krieg nach B¨ohmen und Schlesien gekommen war, studierte Rechtswissenschaften in Halle und G¨ottingen und unternahm ausgedehnte Studienreisen, bevor er auf seinen nordoberschlesischen Besitz zur¨uckkehrte und dort die Gesch¨afte u¨ bernahm. Nachdem K¨onig → Friedrich der Große den Import schwedischen Eisens verboten hatte, wandte er sich dort neben der Holzwirtschaft vor allem dem Eisenh¨uttenwesen zu. Mit großer Energie erreichte er zwischen 1782 und 1806 den Bau von sechs Hoch¨ofen und f¨unfzehn Frischfeuern sowie die in dem teilweise v¨ollig unzug¨anglichen Gebiet komplett neu zu erstellende Infrastruktur f¨ur den Abbau und Transport des Rohstoffs. Durch das Importverbot konnte C. als der schließlich gr¨oßte private Eisenh¨uttenbesitzer in Oberschlesien seine Produktion bis Ende des 18. Jh. auf 20 000 Zentner Roheisen und 16 000 Zentner Stabeisen ausbauen. C NDB

Colpet, Max, eigentl. Max Kolpenitzy, auch Max Kolpe, Schriftsteller, Kabarettist, Drehbuchautor, Liedtexter, * 19. 7. 1905 K¨onigsberg, † 2. 1. 1998 M¨unchen. C., Sohn eines Kaufmanns, studierte 1926 an der TH Berlin Bauingenieurwesen, war als Privatlehrer t¨atig, schrieb f¨ur verschiedene Berliner Zeitungen und Satirebl¨atter, trat in verschiedenen Kabaretts auf und gr¨undete 1928 mit Erik → Ode das politisch-satirische Kabarett „Anti“. 1933 emi¨ grierte er nach Frankreich, ging 1935 nach Osterreich und kehrte nach dem „Anschluß“ 1938 nach Paris zur¨uck, wo er zusammen mit Billy → Wilder mehrere Filmdrehb¨ucher

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Colsman verfaßte, u. a. f¨ur dessen Regiedeb¨ut Mauvaise Graine (1934). Nach Internierung durch die deutschen Besatzer und einiger Zeit im Untergrund floh C. 1943 in die Schweiz. Seit 1945 lebte er wieder in Paris, ging 1948 nach Hollywood und wurde 1953 amerikanischer Staatsb¨urger. 1954 kehrte er nach Deutschland zur¨uck und arbeitete vorwiegend f¨ur M¨unchner Kabaretts. C. schrieb zahlreiche Drehb¨ucher (u. a. f¨ur Roberto Rossellinis Berlin-Drama Deutschland im Jahre Null, 1947) und u¨ bersetzte und bearbeitete Musicals. Sein eigenes Musical Millionen f¨ur Penny wurde 1967 in M¨unchen uraufgef¨uhrt. Weltbekannt wurden seine Chansons, die er f¨ur Marlene → Dietrich schrieb (u. a. Allein in einer großen Stadt, The Beast in Me) und u¨ bersetzte (u. a. Sag’ mir wo die Blumen sind, nach Pete Seeger). C. schrieb ferner Chansons f¨ur Hildegard → Knef, Lale → Andersen u. a. C Exiltheater

Colsman, Alfred, Industrieller, * 7. 5. 1873 Werdohl (Westfalen), † 9. 1. 1955 Werdohl. C. entstammte einer westf¨alischen Fabrikantenfamilie, studierte in Berlin und Genf und unternahm anschließend Gesch¨aftsreisen nach Rußland und in die T¨urkei. Anl¨aßlich seiner Heirat 1899 mit der Tochter Carl → Bergs, des Erbauers des ersten Luftschiffs, lernte er Graf → Zeppelin kennen und blieb mit ihm in gesch¨aftlicher Verbindung, bis dieser ihn 1908 als kaufm¨annischen Direktor und sp¨ateren Generaldirektor seiner Luftschiffbau-Zeppelin-GmbH nach Friedrichshafen holte. Aus ihr entstand unter C.s Leitung durch Gr¨undung der Maybach-Motorenbau, der MaybachZahnradfabrik-AG, der Ballonh¨ullen-Gesellschaft sowie der Dornier-Flugzeugwerke rund um den Luftschiffbau ein Konzern, der sich u. a. durch vorbildliche Sozialpolitik gegen¨uber seinen Belegschaftsmitgliedern auszeichnete. C. ver¨offentlichte u. a. Probleme der Wirtschaftlichkeit des Luftverkehrs (1929) und Luftschiff voraus! Arbeit und Erleben am Werke Zeppelins (1933). C NDB

Colyn, Bonifacius, Sch¨offe, B¨urgermeister, † 1608. C. stammte aus einer alten Aachener Patrizierfamilie. Wie sein Vater wurde er Sch¨offe und B¨urgermeister der Stadt. C., kath. Glaubens, erlangte herausragende Bedeutung durch seinen Einsatz f¨ur die reformatorischen Bestrebungen in der Stadt w¨ahrend der Auseinandersetzungen in der Nachreformationszeit. Zwischen 1582 und 1598 stand er an der Spitze des protestantischen Stadtregiments. Seine Versuche, durch Verhandlungen am Kaiserhof in Wien wie auch mit den aus der Stadt emigrierten Amtstr¨agern einen Ausgleich zu erreichen, schlugen letzlich fehl; 1598 wurde er zusammen mit den nichtkatholischen Ratsherrn ge¨achtet. C. mußte aus Aachen fliehen, sein Besitz wurde eingezogen. 1602 wurde er vom Erzbischof von K¨oln begnadigt und sein Verm¨ogen restituiert. C NDB Comander, Johannes, auch Komander, eigentl. Dorfmann, Reformator, * um 1482 Maienfeld (Schweiz), † zwischen 15. und 21. 2. 1557 Chur. C. studierte nach dem Besuch der Klosterschule St. Gallen seit 1502 zusammen mit → Zwingli in Basel und wurde 1505 zum Baccalaureus promoviert. 1512 wurde er Pfarrverweser und u¨ bernahm 1521 die Pfarrgemeinde Escholzmatt. 1523 vom Rat der Stadt Chur in reformatorischer Absicht zum Pfarrer der Martinskirche bestellt, verteidigte er im Religionsgespr¨ach von Ilanz 1526 seine 18 Thesen zur Reformation, die Berchtold → Haller und Franz → Kolb sp¨ater als Vorlage f¨ur die Schlußreden bei der Berner Disputation von 1528 dienten. 1537 wurde C. Vorsitzender der auf seine Anregung hin gegr¨undeten und vom Bundestag genehmigten Geistlichkeitssynode Graub¨undens. Er erarbeitete einen reformatorischen Katechismus sowie ein neues Glaubens-

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bekenntnis f¨ur die Synode, gr¨undete eine Lateinschule und schuf 1545 die Churer „Mahnordnung“, d. h. ein Regularium C TRE f¨ur das Ehe- und Sittengericht.

Combach, Johannes, Philosoph, Bibliothekar, * 5. 12. 1585 Wetter (Hessen), † 10. 6. 1651 Kassel. Der Sohn eines Stadtbaumeisters studierte Philosophie und Theologie in Marburg, u. a. bei → Goclenius, wurde 1605 promoviert und hielt sich 1609 / 10 zum Studium in Oxford auf. 1612-19 war er Prof. der Physik in Marburg, seit 1618 auch Lizentiat der Theologie und 1619-24 Prof. der Logik und Metaphysik. Nach Inbesitznahme Marburgs durch den Landgrafen von Hessen-Darmstadt 1624 mit den anderen Dozenten reformierten Bekenntnisses entlassen, wurde C. Prediger in Felsberg und folgte 1629 einem Ruf als Prof. der Philosophie und Theologie an das von den Marburger Calvinisten in Kassel begr¨undete Gymnasium illustre. 1639-43 lehrte er am Gymnasium in Bremen, danach bis zu seinem Tod wieder in Kassel. C., der 1621-25 die Marburger Universit¨atsbibliothek betreute, ver¨offentlichte u¨ ber 170 Abhandlungen, u. a. Metaphysicorum liber singularis (1613). C Leinsle 1

Comberg, Wilhelm, Ophthalmologe, * 19. 5. 1885 Neviges, † 23. 5. 1958 Rostock. C. studierte Medizin in Marburg, Greifswald, M¨unster, M¨unchen, W¨urzburg und Heidelberg, wurde 1911 in Heidel¨ berg promoviert (Uber nat¨urliche Gallenweg-Darmfisteln) und war anschließend Assistent, sp¨ater Oberarzt an der Universit¨ats-Augenklinik in Berlin. 1921 in Berlin f¨ur Augenheilkunde habilitiert, wirkte er zun¨achst als Privatdozent, seit 1926 als a. o. Prof. an der Univ. Berlin, ehe er 1933 als o. Prof. und Nachfolger von Albert → Peters die Leitung der Universit¨ats-Augenklinik in Rostock u¨ bernahm. 1935-37 und 1956 / 57 Dekan der Medizinischen Fakult¨at, wurde er 1958 emeritiert. C. ver¨offentlichte etwa hundert Fachbeitr¨age zur Augenheilkunde; Schwerpunkte waren Fremdk¨orperverletzungen des Auges und die apparative Verbesserung klini¨ scher Untersuchungsmethoden. 2, 3 C Arzte ´ Comenius, Johann Amos, eigentl. Jan Amos Komensk´y, tschechischer Theologe, P¨adagoge, * 28. 3. 1592 Nivnice, † 15. 11. 1670 Amsterdam. C.’ Eltern, Martin Komensk´y, Besitzer einer M¨uhle in Uhersky Brod, und seine Frau Anna, starben fr¨uh: Mit elf Jahren war er Vollwaise. Als hochbegabter Sch¨uler 1608-11 in der Lateinschule der b¨ohmischen Br¨uderunit¨at in Prerov wurde er zum Theologiestudium ausersehen. Er studierte 1611-13 in Herborn und 1613 / 14 in Heidelberg. Dort beeindruckten ihn die Bem¨uhungen des David → Pareus um religi¨osen und politischen Frieden. 1614 wurde er Rektor in der Schule, wo er vier Jahre vorher noch Sch¨uler gewesen war. 1618 heiratete er Magdalena Vizovsk´a und u¨ bernahm Schul- und Predigeramt in Fulnek. Der Dreißigj¨ahrige Krieg erreichte 1621 mit Verfolgung und Zerst¨orung auch Fulnek. C.’ Frau und zwei Kinder starben 1622 an der Pest. Trauer und Trost bestimmten seine ersten Schriften, darunter eines der gr¨oßten Werke der tschechischen Literatur: Labyrint svˇeta a r´aj srdce (1623, Das Labyrinth der Welt und das Paradies des Herzens). Er schilderte den Wirrwarr und die T¨auschungen der Welt sowie die Befreiung durch den Weg aus dem Labyrinth in die Sozialordnung der wahren Kirche Christi. Eine solche educatio besch¨aftigte ihn nun fortw¨ahrend philosophisch, p¨adagogisch und politisch,

Commer begr¨undet in der Allweisheit der Friedensbotschaft der Bibel. Sein Leben wurde durch Verfolgung und Flucht unstet. Seit 1628 in Leszno (Lissa) in Polen, wurde er dort 1632 Senior der Br¨uderunit¨at. Als Verfasser von Sprachlehrb¨uchern und pansophischen Reformschriften wurde er in Europa bekannt. 1641 verhandelte er in London mit leitenden Politikern, aber der B¨urgerkrieg unterbrach seine Pl¨ane. Er besuchte Descartes und wirkte 1642-48 als Reformator des schwedischen Schulwesens in Elbing, klagte aber schon damals dar¨uber, daß man ihn nur als Didaktiker sch¨atzte, nicht aber als Vordenker einer pansophischen Weltreform. Er begann sein Hauptwerk, die Universale Beratung u¨ ber die Zurechtbringung aller menschlichen Dinge (De rerum Humanarum Emendatione Consultatio Catholica). 1650-54 wirkte er in S´arospatak als Schulreformer und verfaßte sein ber¨uhmtes Schulbuch, den Orbis pictus, der Anschauung, Alltagsleben und Spracherwerb elementar verband. Nach dem Brand von Leszno 1656 fand er sein letztes Exil in Amsterdam. Dort erschien die erste Gesamtausgabe seiner didaktischen Schriften mit der Großen Didaktik als Hauptwerk. Seine Lebensbilanz faßte C. in der Schrift Unum necessarium (1668) zusammen. Seine fast vollendete Consultatio wurde erst 1935 in Abschrift in Halle wiedergefunden. Dieses siebenteilige Werk, mit der Lehre von der Allerziehung (Pampaedia) als Mittelpunkt, stellte die ComeniusForschung auf eine neue Basis. C. hat eine enzyklop¨adische Theologie der Weltverantwortung entworfen, die auch die Gefahren der Wissenschaft bei aller Bejahung technischen Fortschritts erkannte. Er wurde in Naarden bei Amsterdam begraben, bis heute lebendige Gedenkst¨atte an ihn und seinen Wahlspruch: „Alles fließe frei. Gewalt sei ferne den Dingen.“ WEITERE WERKE: Informatorium der Mutterschule (1628). Heidelberg 1962. – Angelus Pacis (1667). W¨urzburg 1993. LITERATUR: C.-Bibliographie. Deutschsprachige Titel 1870 bis 1999. Hrsg. v. Gerhard Michel. Sankt Augustin 2000. – Jan Kvaczala: J. A. C. Berlin 1892. Neudr. Osnabr¨uck 1989. – Milada Blekastad: C. Oslo / Prag 1969. – Jan Patocka: Die Philosophie der Erziehung des J. A. C. Paderborn 1971. – Klaus Schaller: C. Darmstadt 1973. – Hans Scheuerl / Henning Schr¨oer: C., J. A. In: TRE, Bd. 8, 1981, S. 162-169. – Veit-Jakobus Dietrich: J. A. C. Reinbek 1991. – Gerhard Michel / J¨urgen Beer (Hrsg.): J. A. C. – Klaus Goßmann / Christoph Scheilke (Hrsg.): J. A. C. 1592-1992. G¨utersloh 1992. – J. A. C. Leben, Werk und Wirken. Autobiographische Texte und Notizen. Hrsg. v. Gerhard Michel und J¨urgen Beer. Sankt Augustin 1992. – Uwe Voigt: Das Geschichtsverst¨andnis des J. A. C. in „Via Lucis“ als kreative Syntheseleistung. Bern u. a. 1996. – Reinhard Golz / Werner Korthaase / Erich Sch¨afer (Hrsg.): C. und unsere Zeit. Geschichtliches, Bedenkenswertes und Bibliographisches. Baltmannsweiler 1996. – Olivier Cauly: C. L’utopie du paradis. Paris 2000. – Veit-Jakobus Dieterich: J. A. C. Ein Mann der Sehnsucht 1592-1670. Theologische, p¨adagogische und politische Aspekte seines Lebens und Werkes. Stuttgart 2003. – Klaus Schaller: J. A. C. Ein p¨adagogisches Portr¨at. Weinheim u. a. 2004. – J. A. C. – Vordenker eines kreativen Friedens. Hrsg. v. Erwin Schadel. Frankfurt / Main u. a. 2005. Henning Schr¨oer

Commelinus, Hieronymus, Drucker, Verleger, * um 1550 Douai (Flandern), † Ende 1597 Heidelberg. C. studierte seit 1569 in Heidelberg, ging dann aber nach Genf, wo er seit 1574 mit dem Verlagsdrucker Pierre de St. Andr´e die Officina Sanctandreana leitete. 1585 kehrte er nach Heidelberg zur¨uck, immatrikulierte sich ein zweites Mal, arbeitete aber bald wieder als Drucker und Verleger und erhielt 1587 als typographus principis das Monopol f¨ur amtliche Auftr¨age des Kurf¨ursten. Unter R¨uckgriff auf die Handschriften der Bibliotheca Palatina verlegte er vor allem

Werke der klassischen antiken Literatur, der Theologie und der Philologie, die er teilweise selbst edierte. Sein verlegerisches Gesamtwerk umfaßt u¨ ber 175 Drucke sowie Vorarbeiten zu weiteren, die nach seinem Tod von Verwandten seiner Frau ausgef¨uhrt wurden. C. starb an der Pest. C NDB

Commenda, Hans, Lehrer, Schriftsteller, * 5. 2. 1889 Linz / Donau, † 25. 1. 1971 Linz / Donau. Der Sohn des Realschuldirektors Johannes → C. studierte in Wien und Dijon, wurde 1911 promoviert und unterrichtete seit 1912 in Linz und Steyr. 1936-38 leitete er das Realgymnasium Linz. Nach dem Kriege wurde C. Bundesstaatlicher Volksbildungsreferent und war 1945-49 Direktor des Realgymnasiums Sch¨arding. C. widmete sich zeit seines Lebens der Erforschung und Pflege des ober¨osterreichischen Brauchtums; er ver¨offentlichte u. a. Volkskunde der Stadt Linz (2 Bde., 1958 / 59). C Biogr Lex Ober¨ost Commenda, Johannes, o¨ sterr. Lehrer, Publizist, * 23. 12. 1853 Linz, † 20. 4. 1939 Linz. C. studierte in Wien, kehrte 1881 als Gymnasialprofessor in seine Heimatstadt Linz zur¨uck, u¨ bernahm 1901 die Leitung der dortigen Staats-Oberrealschule, wurde 1909 zum Regierungsrat ernannt und trat 1919 mit dem Titel eines Hofrats in den Ruhestand. C. ver¨offentlichte als Folklorist und Regionalgeologe Aufs¨atze und Bibliographien zur ober¨osterreichischen Landes-, Volks- und Heimatkunde und war Mitherausgeber der vielb¨andigen Sammlung ober¨osterreichischer Dialektdichtung Aus da Hoamat (1885 ff.). C. war der Vater von Hans → C. Commer, Ernst (Ludwig Theodor), kath. Theologe, Philosoph, * 18. 2. 1847 Berlin, † 24. 4. 1928 Graz. Der Sohn Franz → C.s studierte Rechtswissenschaft in Bonn, Berlin und G¨ottingen, wurde 1869 promoviert (Exponitur natura ac vis dominii ex jure metallico adqusiti [. . .]), verließ nach kurzer Zeit als Referendar den Staatsdienst und begann das Studium der Philosophie und Theologie, das ihn nach T¨ubingen, W¨urzburg, Breslau und Rom f¨uhrte, wo er 1880 zum Dr. theol. promoviert wurde. Bereits seit 1877 lehrte er als Dozent der Philosophie in Liverpool, wechselte 1884 als Prof. der Allgemeinen Moral und Apologetik nach M¨unster, folgte 1888 einem Ruf nach Breslau und lehrte seit 1900 als Ordinarius f¨ur Dogmatik in Wien. C. gilt als Mitbegr¨under der deutschen Neuscholastik, deren Sprachrohr das von ihm 1886 gegr¨undete „Jahrbuch f¨ur Philosophie und speculative Theologie“ (seit 1914 „Divus Thomas“) war. Er ver¨offentlichte u. a. Die philosophische Wissenschaft. Ein apologetischer Versuch (1882), System der Philosophie (4 Bde., 1883-86), Die immerw¨ahrende Philosophie. Eine Skizze (1899) und Hermann Schell und der fortschrittliche Katholizismus (1907, 21908). C BBKL

Commer, Franz (Aloys Theodor), Herausgeber, Musiker, Komponist, * 23. 1. 1813 K¨oln, † 17. 8. 1887 Berlin. C., Sohn eines Kunsttischlers, besuchte das Jesuitengymnasium in K¨oln und wurde mit f¨unfzehn Jahren Organist der Karmeliterkirche und Domkapells¨anger. Seit 1832 studierte er am Institut f¨ur Kirchenmusik in Berlin, wurde dort bald Chorleiter an der St. Hedwigskirche, Repetitor an der kgl. Oper sowie Gesanglehrer an verschiedenen Schulen. Sein Verdienst liegt in der Edition und Herausgabe zahlreicher Werke des 16. bis 18. Jahrhunderts. 1844 gr¨undete er den Berliner Tonk¨unstlerverein, 1868 mit Robert → Eitner die Gesellschaft f¨ur Musikforschung. Als Komponist von Messen, Kantaten, Chorwerken sowie B¨uhenmusiken blieb er den musikalischen Konventionen seiner Zeit und Umgebung verhaftet. F¨ur seine Verdienste um die Musikforschung wurde C. neben anderen Auszeichnungen 1845 zum ordent-

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Commer lichen Mitglied der Akademie der K¨unste, sp¨ater zum Senatsmitglied der Akademie sowie zum Prof. ernannt. Er war der Vater von Ernst und Klara → C. C MGG

netten (entstanden 1855-55, vertont von Hermann → Zopff, aufgef¨uhrt unter dem Titel Astr¨aa oder das Evangelium der That, 1855). C DSL

Commer, Klara, Schriftstellerin, * 30. 12. 1856 Berlin,

Concius, Andreas, Mathematiker, Bibliothekar,

† 23. 8. 1937 Graz. Der Schwester des Theologen Ernst → C. blieb in den gesellschaftlichen Verh¨altnissen der Zeit ein Studium versagt. Immerhin konnte sie als Lehrerin berufst¨atig sein. Sie lebte sie zun¨achst bei ihren Eltern und begleitete dann ihren Bruder auf den verschiedenen Stationen seines Lebensweges. ¨ Neben Ubersetzungen aus dem Englischen, Franz¨osischen, Italienischen und Spanischen schrieb C. vor allem Gedichte und Lieder (u. a. Bilder in Versen, 1894) sowie Dramen und geistliche Spiele f¨ur das Schul- und Vereinstheater (Unverwelklich ist der Kranz, 1910); die Biographie Maria Mazarello erschien 1921. C DLL

Compenius, Esaias, Orgelbauer, * um 1560 Eisleben (?), † 1617 Frederiksborg. Esaias ist der Bekannteste aus der Orgelbauerfamilie der C. Er erlernte das Handwerk bei seinem Vater, ließ sich 1589 als selbst¨andiger Orgelbauer in Magdeburg nieder, arbeitete seit 1605 als f¨urstlich braunschweigischer Orgelund Instrumentenmacher am Hof in Wolfenb¨uttel, kehrte aber 1612 wieder nach Magdeburg zur¨uck und baute 1615 als sein gr¨oßtes Werk die Orgel in der Stiftskirche von B¨uckeburg. Unter der Leitung des Hofkapellmeisters Michael → Praetorius schuf er 1610 f¨ur das Schloß Hessen bei Wolfenb¨uttel eine Orgel, deren Pfeifenwerk ausschließlich aus Holz gearbeitet war und die, als Geschenk an K¨onig → Christian IV. von D¨anemark nach Schloß Frederiksborg bei Kopenhagen verbracht, dort im Originalzustand erhalten ist. C. verfaßte auf Anregung von Praetorius den Traktat Orgeln Verdingnis (um 1615, 1936 neu hrsg. von Friedrich → Blume). C MGG

Comte, Alfred, schweizer. Pilot, Unternehmer, * 4. 6. 1895 Delsberg, † 1. 11. 1965 Z¨urich. C., Sohn eines Bahnbeamten, wurde 1913 in der Fliegerschule von Morane in Villacoublay (Frankreich) zum Piloten ausgebildet, arbeitete im folgenden Jahr als Einflieger f¨ur die Motorenfabrik Gnˆome in Paris und war w¨ahrend des Ersten Weltkriegs Fluglehrer beim schweizer. Milit¨ar. 1919 geh¨orte er zu den Begr¨undern der ersten schweizer. Luftverkehrsgesellschaft. C. machte sich 1920 mit einer eigenen Luftverkehr- und Sportfliegerschule mit Firmensitz und Montagehalle in Horgen selbst¨andig und begann 1923 in seinem Unternehmen mit der Herstellung zun¨achst von Flugzeugteilen, sp¨ater auch von Flugzeugen unterschiedlichen Typs. Aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten mußte er den Betrieb einstellen und war w¨ahrend des Zweiten Weltkriegs wieder als Pilot beim Milit¨ar t¨atig. 1946 gr¨undete C. erneut eine Flugschule. Seit 1953 arbeitete er in einem Elektrizit¨atswerk der Stadt Z¨urich. C Schweizer Pioniere, Bd 46 Conard, Julius, Pseud. Theodor Burkart, Julius Conrad, Dr. L. Conrad, Friedrich Helm, Schriftsteller, * 9. 9. 1821 K¨onigsberg (Preußen), † 4. 7. 1901 Berlin. Der Sohn eines Kantors und vereidigten hebr¨aischen Dolmetschers studierte in K¨onigsberg und Berlin zun¨achst Medizin, sp¨ater Geschichte und Philologie. Zum Teil mußte er seinen Lebensunterhalt als Chors¨anger und Schauspieler verdienen (1843-46 war er Chormitglied, sp¨ater Solos¨anger am K¨onigst¨adtischen Theater in Berlin), arbeitete 1849-53 als Hauslehrer, war seit 1855 als Redakteur f¨ur verschiedene Berliner Zeitungen t¨atig und schrieb, teilweise unter Pseudonym, eine große Zahl an Romanen (u. a. Der Fluch des Geblendeten oder Die Braut am schwarzen See, 1862, Neuausg. 1863; S¨undengold oder im Testament verlobt, 1881). 1860 erschien Das Evangelium der That. Eine Festgabe in Son-

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* 25. 11. 1628 Narzim bei Soldau (Preußen), † 16. 5. 1682 K¨onigsberg. C., Sohn eines fr¨uh verstorbenen Pfarrers, konnte als Halbwaise nur durch die Unterst¨utzung befreundeter Lehrer und G¨onner in K¨onigsberg und Wittenberg Mathematik studieren, war seit 1649 Magister, ging f¨ur eine Weile nach Holland und kehrte als Erzieher am Hof Kurf¨urst → Friedrich Wilhelms in Berlin nach Preußen zur¨uck. Seit 1654 lehrte er als Prof. der Mathematik in K¨onigsberg, betreute 1661-64 die dortige Schloßbibliothek, wechselte aber im selben Jahr aus wirtschaftlichen Gr¨unden als Rektor an das Altst¨adtische Gymnasium, das er bis zu seinem Tod leitete. C. ver¨offentlichte u. a. Mathematico-historica geographia seu totius orbis habitabilis descriptio (1656) und Physikalischer Discours vom Stein der Weisen etc. nebst anderen hieraus entspringenden Materien (1656). C Altpreuß Biogr, Bd 1

Coners, Gerhard Julius, evang. Theologe, * 17. 10. 1730 Repsholt (Ostfriesland), † 21. 1. 1797 Aurich (?). Der Sohn eines Predigers studierte in Halle Theologie, unternahm eine Studienreise nach London und trat 1763 eine Stelle als zweiter Prediger im ostfriesischen Esens an. 1770 wurde er Pastor und zugleich Kircheninspektor u¨ ber das Esenser Amt mit dem Titel eines k¨oniglichpreußischen Konsistorialrats, 1792 erster geistlicher Konsistorialrat und Generalsuperintendent des F¨urstentums Ostfriesland in Aurich. Als Verfechter eines aufgekl¨arten Christentums verfaßte C. u. a. eine Lehre von der moralischen Regierung Gottes [. . .] (1780) sowie einen Versuch einer christlichen Anthropologie (1781).

Conitzer, Alfred, Unternehmer, * 16. 1. 1881 Schwetz / Weichsel, † n. e. Nach kaufm¨annischer Ausbildung in Marienwerder und Halle / Saale und der Ableistung der einj¨ahrigen Milit¨ardienstpflicht u¨ bernahm C. das v¨aterliche Gesch¨aft Rudolf Connitzer und trat 1909 als Juniorteilhaber auch in die Firma M. Conitzer & S¨ohne in Brandenburg ein, die er in den ersten Jahren nach dem Ersten Weltkrieg um Unternehmen in Hildesheim, Uelzen und Nordhausen erweiterte und durch die Gr¨undung einer zentralen Einkaufsgesellschaft absicherte. Bis Ende der zwanziger Jahre besaß seine Handelskette 24 Filialen, deren Zentraleinkauf seit 1926 mit dem Hertie-Konzern kooperierte. C. war Aufsichtsratsmitglied der Webwaren AG. Als Jude unter der nationalsozialistischen Diktatur zunehmend Repressionen ausgesetzt, wanderte er 1941 nach Bolivien aus. C Reichshandbuch Conlin, Joseph Albert, Pseud. J. A. Loncin von Gominn, kath. Theologe, Schriftsteller, * um 1665 Meersburg, † 20. 1. 1753 Kutzenhausen bei Augsburg. C. studierte bei den Jesuiten in Dillingen, lebte vor¨ubergehend in N¨ordlingen und war seit 1693 Pfarrer in Munningen / Ries, seit 1722 in Kutzenhausen. Nach dem Vorbild von → Abraham a Sancta Clara verfaßte er ein umfangreiches Schrifttum, das auf die Narrenthematik zur¨uckgeht (u. a. Der Christliche Welt-Weise Beweinet die Thorheit Der neuentdeckten Narrn-Welt, 5 Bde., 1706-09; Gl¨uckliche NarrenChur, 1725). Teilweise u¨ bernahm er hierf¨ur ganze Textpassagen aus dem Werk seines Vorbilds und mußte sich deswegen vor dem Augsburger Generalvikariat verantworten. Die Schriften sollten nach dem Wunsch C.s Pfarrkollegen als Hilfsmittel zur Vorbereitung ihrer Predigten dienen, aber auch im Hausgebrauch Verwendung finden. C Enz M¨archen

Conrad Conn, Leopold, Stenograph, * 28. 10. 1820 Eidlitz bei Komotau (B¨ohmen), † 31. 8. 1876 Baden (Nieder¨osterreich). C. war seit 1839 als kaufm¨annischer Angestellter t¨atig, kam w¨ahrend der Revolution 1848 nach Wien und gr¨undete 1849 das Erste Wiener Stenographenb¨uro. C. besorgte die Einf¨uhrung der Stenographie in den Anwaltskanzleien und Zeitungsredaktionen Wiens sowie bei mehreren Landtagen und leitete das von ihm eingerichtete B¨uro f¨ur den o¨ sterr. Reichsrat. Er erreichte durch die Installierung einer staatlichen Pr¨ufungskommission eine verbesserte Ausbildung der Stenographie-Lehrer. C. verfaßte mit anderen das Lehrbuch des Ersten o¨ sterreichischen Stenographenb¨uros (1849), das als Grundlage der „Wiener Schule“ der Stenographie anzusehen ist. C Wininger Conrad Heinzelmann, auch Heinrichsmann, Hainzelmann, Heintzelmann, Baumeister, B¨uchsenmeister, * Ende 14. Jh. Dettwang bei Rothenburg / Tauber, † 25. 3. / 23. 4. 1454 N¨urnberg. Vermutlich in Rothenburg / Tauber, N¨ordlingen und Schw¨abisch Gm¨und ausgebildet und vor 1429 bei Hans → Felder ¨ am Ulmer M¨unsterbau t¨atig, wurde C. 1429 an den d. A. Neubau von St. Georg in N¨ordlingen berufen. 1438 / 39 arbeitete er als Parlier und Werkmeister am Langhaus, der Sp¨orleinkapelle und dem Helm des Nordwest-Turmes von St. Jakob in Rothenburg / Tauber. Von 1439 an leitete C. als verantwortlicher Baumeister den Neubau des Ostchores von St. Lorenz in N¨urnberg, der nach seinem Tod von dem Dombaumeister Konrad → Roritzer fortgef¨uhrt und 1477 von anderen Baumeistern vollendet wurde. 1445 wurde C., der in Ulm auch die Gesch¨utzgießerei erlernt hatte, in N¨urnberg zum B¨uchsenmeister ernannt. C NDB

Conrad von Zabern, Musiktheoretiker, * Ende 14. Jh. / Anfang 15. Jh., † zwischen 1476 und 1481. C. v. Z. studierte in Heidelberg, wo er Universit¨atsprediger wurde. Neben Heidelberg lehrte er an den Universit¨aten Freiburg (1460 / 70), Basel und Ingolstadt (1472). Die Grundlagen des Gregorianischen Gesangs erl¨auterte er anhand seines Novellus musicae artis tractatus (um 1460 / 70). C. v. Z. machte sich vor allem auf dem Gebiet der Musiklehre und der Reform der Gregorianischen Gesangspraxis verdient. Er besuchte zahlreiche Kl¨oster und Stifte im s¨uddeutschen Raum und in der Rheingegend und war bem¨uht, den Choralgesang von Klerus und M¨onchen zu bessern. C MGG

Conrad, Carl Emanuel, auch Karl E. C., Maler, * 20. 3. 1810 Berlin, † 12. 7. 1873 K¨oln. C. studierte 1823-34 an der Kunstakademie in Berlin und 1835-38 an der Kunstakademie in D¨usseldorf, unterrichtete dann als Zeichenlehrer an der dortigen Realschule und gab Privatstunden. Seine Hauptsujets waren mittelalterliche Bauwerke, oft auch in ihrem landschaftlichen Zusammenhang. ¨ und Aquarell, seine Bilder waren von Er arbeitete in Ol genauer Detailarbeit und sorgf¨altiger Zeichnung bestimmt. Sein wichtigstes und o¨ fter nachgebildetes Werk Ansicht des K¨olner Doms in seiner Vollendung ist im Besitz des VatiC AKL kans.

Conrad, Johannes, Publizist, Schauspieler, * 24. 12. 1929 Radeberg (Sachsen), † 24. 3. 2005 Berlin. Nach dem Abbruch eines Architekturstudiums nahm C. ein Schauspielstudium auf und war seit 1956 als Kleindarsteller am Berliner Ensemble t¨atig. Bekannt wurde er durch seine Kolumnen f¨ur das Berliner Satiremagazin „Eulenspiegel“, f¨ur das er lange Zeit als Hauptautor t¨atig war. Dar¨uber hinaus ver¨offentlichte C. zahlreiche satirische Geschichten und Gedichte, u. a. Der Hase schweigt sein Abendlied (1976), Seh ich Butterblumen bl¨uhen (1981, 21987) und Die ZirbelC DLL, 20. Jh. kieferdr¨use (1988).

Conrad, Johannes Ernst, National¨okonom, * 28. 2. 1839 Borkau (Westpreußen), † 25. 4. 1915 Halle / Saale. C., Sohn eines Gutsbesitzers, studierte nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung seit 1861 in Berlin und Jena Naturwissenschaften und National¨okonomie, wurde 1864 mit einer Dissertation u¨ ber Liebigs Ansicht von der Bodenersch¨opfung [. . .] promoviert und habilitierte sich 1868 mit der Arbeit (Die landwirtschaftliche Produktionsstatistik). Seit 1870 lehrte er als a. o. Prof. in Jena und wurde 1872 als Nachfolger Gustav von → Schmollers Prof. der Volkswirtschaftslehre in Halle / Saale. C. war u. a. Mitherausgeber des „Jahrbuchs f¨ur National¨okonomie und Statistik“ sowie des Handw¨orterbuchs der Staatswissenschaften. Er geh¨orte zu den Begr¨undern des Vereins f¨ur Socialpolitik und war Kommissionsmitglied bei den Beratungen f¨ur das deutsche B¨urgerliche Gesetzbuch sowie Regierungsberater in verschiedenen volkswirtschaftlichen Fragen. C. vero¨ ffentlichte u. a. einen Grundriß zum Studium der politischen ¨ Okonomie (4 Bde., 1896-1910). Seine Lebenserinnerungen wurden 1917 postum von seinen Kindern herausgegeben. C Leb Mitteldt, Bd 3

Conrad, Alfred (Anton Robert) (1904 von), Verwaltungsbeamter, * 13. 5. 1852 Fronza (Kr. Marienwerder), † 22. 1. 1914 Ospedaletti (Italien). C. studierte in G¨ottingen, Greifswald und Berlin die Rechte. Den aus einer angesehenen Dom¨anenp¨achter- und Gutsbesitzerfamilie stammenden Gerichtsreferendar u¨ bernahm 1880 der Danziger Regierungspr¨asident in die Staatsverwaltung. Das Assessorexamen bestand C. 1882 mit der seltenen Note „gut“. 1884 u¨ bertrug man ihm das Landratsamt Flatow im heimischen Westpreußen. 1895 berief ihn Landwirtschaftsminister Ernst von → Hammerstein-Loxten in sein Ministerium. Durch Mitarbeit am neuen (Hoch-)Zolltarif von 1902 erwarb sich C. ministerielles Vertrauen, so daß er 1899 als Nachfolger von Christoph von → Tiedemann zum Regierungspr¨asidenten des zwischen Deutschen und Polen politisch umk¨ampften Bezirks Bromberg ernannt wurde. Schon 1901 machte ihn Kanzler Bernhard von → B¨ulow zum Chef der Reichskanzlei. Unter Landwirtschaftsminister Victor von → Podbielski wurde er 1904 dessen Unterstaatssekret¨ar. 1910 wurde er Oberpr¨asident der Provinz Brandenburg, erkrankte aber und starb w¨ahrend eines Kuraufenthalts. C. geh¨orte 1888-99 als Konservativer dem Preußischen Abgeordnetenhaus an. C Bromberg

Conrad, Karl Eduard, Jurist, Komponist, * 14. 10. 1811 Leipzig, † 25. 8. 1858 Leipzig. Der Sohn eines Musiklehrers studierte in seiner Geburtsstadt Rechtswissenschaften, wurde in den Justizdienst u¨ bernommen und brachte es bis zum Gerichtsschreiber am Landgericht in Leipzig. Er komponierte einige zu ihrer Zeit beliebte ¨ Ouvert¨uren (u. a. Paul Gerhard, Uber akademische Lieder) und sp¨ater vor allem Opern wie Die S¨angerfahrt oder Die Weiber von Weinsberg.

Conrad, Klaus, Psychiater, * 19. 6. 1905 Reichenberg (B¨ohmen), † 5. 5. 1961 G¨ottingen. Nach dem Medizinstudium in Wien und London verbrachte C. seine Assistenzzeit in Wien, Magdeburg, Paris und M¨unchen und habilitierte sich 1938 an der Univ. M¨unchen (Der Erbkreis der Epilepsie). Anschließend wurde er Oberarzt bei Ernst → Kretschmer in T¨ubingen. 1947 zum a. o. Prof. ernannt, folgte er 1948 einem Ruf auf den Lehrstuhl f¨ur Psychiatrie an der Univ. des Saarlandes in Homburg / Saar und wechselte 1958 an die Univ. G¨ottingen. C.s Forschungsschwerpunkte lagen bei der Humangenetik, der Konstitutionsbiologie und der Hirnpathologie.

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Conrad Er entwickelte die Lehre der Konstitutionstypen von Kretschmer weiter (Der Konstitutionstypus als genetisches Problem. Versuch einer genetischen Konstitutionslehre, 1941) und setzte sich f¨ur eine personale Psychopathologie ein (Die beginnende Schizophrenie. Versuch einer Gestaltanalyse des Wahns (1958, Neuausg. 2002).

Conrad, Kurt, Politiker, * 19. 10. 1911 Homburg, † 16. 7. 1982 Homburg. C. absolvierte eine Mechanikerlehre und arbeitete bis 1940 als Werkmeister. Schon fr¨uh trat er in die Gewerkschaft ein, war 1929-35 Mitglied der SPD Saar und Vorsitzender der Parteijugend. Nach der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg 1946 nach Homburg zur¨uckgekehrt, wurde er Verwaltungsangestellter, 1956 Beigeordneter f¨ur Sozial- und Wohnungswesen und zuletzt gesch¨aftsf¨uhrender B¨urgermeister. 1947 wurde er f¨ur die Sozialdemokratische Partei Saarland in den Landtag gew¨ahlt. 1952 verließ er Partei und Parlament wegen deren autonomistischer Tendenzen und gr¨undete die zur Bundesrepublik Deutschland tendierende, illegale SPD im Saargebiet. Nach Neugr¨undung des Landesverbandes Saar der SPD zog er 1955 wieder in den Landtag ein. Danach war er Minister in verschiedenen Koalitionsregierungen, Mitglied des Bundestags 1957-59 und Fraktionsvorsitzender seiner Partei im Landtag seit 1960. Von 1955 an Vorsitzender ¨ der Landespartei, trat er von seinen Amtern nach der verlorenen Landtagswahl 1970 zur¨uck. C. erwarb sich historische Verdienste um die Wiedereingliederung des Saarlands in die Bundesrepublik Deutschland. C MdB

Conrad, Michael Georg, Pseud. Arthur Feldmann, Hans Frank, Fritz Hammer. Ignotus, Erich Stahl, Erwin Stumm, Vult, Schriftsteller, * 5. 4. 1846 Gnodstadt bei Marktbreit (Unterfranken), † 20. 12. 1927 M¨unchen. C., Sohn eines Landwirts, besuchte 1864 das Lehrerseminar in Altdorf, unterrichtete vier Jahre im bayerischen Schuldienst und war 1868-70 Lehrer und Organist an einer deutsch-lutherischen Schule in Genf. Er studierte dort und seit 1871 in Rom und Neapel Philologie und Philosophie, wurde zum Dr. phil. promoviert und kam u¨ ber Lissabon 1878 nach Paris, wo er sich als Korrespondent mehrerer deutscher Zeitungen einen guten Ruf erwarb. C. schloß sich ´ dort dem Kreis um Emile Zola an, der seine Kunstauffassung wesentlich beeinflußte. 1882 kehrte er nach M¨unchen zur¨uck und gr¨undete 1885 die Zeitschrift „Die Gesellschaft“, die zum vielleicht wichtigsten Organ des fr¨uhen Naturalismus in Deutschland wurde. 1887 heiratete C. Marie Ramlo (→ Conrad-Ramlo). 1896-98 vertrat er die Demokratische Volkspartei im Reichstag; sp¨ater widmete er sich wieder der kritischen F¨orderung der Gegenwartsliteratur. C.s Zeitschrift engagierte sich u. a. f¨ur Autoren wie Gerhart → Hauptmann und Bertha von → Suttner und wandte sich im Zeichen einer realistisch-naturwissenschaftlichen Denk- und Schreibweise mit dem Vorwurf des idealistischen Epigonentums etwa gegen Paul → Heyse. C. schrieb neben konventioneller Lyrik und einigen Dramen Erz¨ahlungen und Romane wie Was die Isar rauscht (1887) und Die Beichte des Narren (1890). C Killy

Conrad, Paul, evang. Theologe, * 1. 4. 1865 Berlin, † 9. 9. 1927 Berlin. C. studierte in Berlin Theologie, wurde 1891 Inspektor des Berliner Domkandidatenstifts und war dann Pfarrer der Jacobikirche, sp¨ater der Zionskirche und schließlich seit 1910 der Kaiser-Wilhelm-Ged¨achtniskirche in der deutschen Hauptstadt. 1910 u¨ bernahm er dazu das Amt eines Konsistorialrats, wurde 1912 nebenamtliches Mitglied des Evangelischen Oberkirchenrats, 1925 dessen geistlicher Vizepr¨asident und wurde zugleich Oberdomprediger und Ephorus des Domkandidatenstifts. C. ver¨offentlichte zahlreiche Andachtsb¨ucher, Erbauungsschriften und Predigtsammlungen

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(u. a. Fest und treu. Wehr und Waffe f¨ur die konfirmierte Jugend, 1905). C RGG

Conrad, Peter, kath. Theologe, Historiker, * 21. 9. 1745 Bernkastel, † 17. 8. 1816 Trier. Zun¨achst 1773-84 in Trier und Koblenz p¨adagogisch t¨atig, war C. 1784-98 Seminarregens und Prof. f¨ur Pastoraltheologie in Trier, seit 1803 Pfarrer. Als Theologe war er f¨ur die Ideen der Aufkl¨arung aufgeschlossen. C. ver¨offentlichte einen Leitfaden der deutschen Vorlesungen u¨ ber die PastoralTheologie zu Trier (1789). Seine Trierische Geschichte bis zum Jahr 1784 wurde aus dem Nachlaß herausgegeben. C LThK

Conrad, Viktor, Geophysiker, Klimatologe, * 25. 8. 1876 Wien, † 1962 Boston (?). C. studierte 1896-1900 in Wien Physik, wurde Assistent und habilitierte sich 1906 mit einer meteorologischen Arbeit. Bis 1910 Privatdozent, erhielt er eine a. o. Professur f¨ur kosmische Physik an der k. k. o¨ sterr. Univ. Czernowitz, mußte nach dem Verlust der Bukowina im Ersten Weltkrieg 1918 nach Wien zur¨uckkehren und lehrte dort seit 1920 als a. o. Prof. der Meteorologie und Klimatologie. 1926-38 gab er die Fachzeitschrift „Gerlands Beitr¨age zur Geophysik“ heraus. ¨ Nach dem „Anschluß“ Osterreichs an das nationalsozialistische Deutschland war C. wegen seiner j¨udischen Herkunft zur Emigration in die USA gezwungen. Seit 1939 arbeitete er an Universit¨aten in Pennsylvania, New York, Chicago und Boston. C. ver¨offentlichte u. a. ein Handbuch der Geophysik (1932), Klima und Tuberkulose (1932), ein Handbuch der Klimatologie (1936), Fundamentals of physical climatology (1942) und Methods in climatology (1944, 21950).

Conrad, Walter Johannes Friedrich, Jurist, Politiker, * 30. 1. 1892 Barby / Elbe, † 9. 7. 1970 Berlin. C. studierte 1910-14 Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin, wurde 1919 promoviert, arbeitete 1922 im preuß. Justizministerium und wechselte im selben Jahr ins Reichsinnenministerium. 1932 wurde er Reichsrundfunkkommissar, 1933 Ministerialrat. Von den Nationalsozialisten seiner Zust¨andigkeit enthoben, war er zwei Jahre Referent f¨ur Kirchenpolitik und bis 1943 stellvertretender Vorsitzender bzw. Vorsitzender der deutschen Zentralgrenzkommissionen. 1943 aus dem Reichsdienst ausgeschieden, wurde er 1947 Senatspr¨asident am Oberlandesgericht Potsdam, 1949 Mitglied des Berliner Magistrats und Vorsitzender der Berliner FDP, Stadtrat, Senator f¨ur das Gesundheitswesen und B¨urgermeister der Stadt Berlin. 1954 mußte er von allen ¨ seinen Amtern zur¨ucktreten. C. ver¨offentlichte 1947 Kampf um die Kanzeln. Erinnerungen und Dokumente aus der Hitlerzeit.

Conrad, Wilhelm, Politiker, * 21. 6. 1911 Gießen, † 31. 7. 1971 Bad Homburg v. d. H. C. studierte Rechts- und Staatswissenschaften, Volkswirtschaft und Versicherungsmathematik, wurde 1934 promoviert und ging 1936 als kaufm¨annischer Angestellter in die Versicherungswirtschaft. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war er Gesch¨aftsf¨uhrer einer Wohnungsbaugesellschaft, Finanzk¨ammerer und Stadtverordneter von Gießen, seit 1949 Vizepr¨asident des Bundesausgleichsamts und wurde 1956 – er war Mitglied der SPD – hessischer Finanzminister. 1964 ging er als Vorstandsvorsitzender zur Hessischen Landesbank.

Conrad von Eybesfeld, Siegmund Frh. von, o¨ sterr. Jurist, * 11. 8. 1821 Kainberg (Steiermark), † 9. 7. 1898 Graz. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Graz und Wien trat C. v. E. 1841 in den o¨ sterr. Staatsdienst ein und wurde 1852 Leiter der Bezirkshauptmannschaft in Leibnitz,

Conradi 1853 Statthalter in Temesv´ar, 1854 in Mailand, 1857 Hofrat und Stellvertreter des Grenzstatthalters in Kroatien, 1861 stellvertretender Statthalter in Triest und 1865 in Venedig. Seit 1867 Landespr¨asident in Krain, wurde er 1871 Statthalter von Ober¨osterreich, 1872 Statthalter von Nieder¨osterreich und war 1880-85 Minister f¨ur Kultus und Unterricht.

Conrad von Eybesfeld, Walter, o¨ sterr. Diplomat, * 19. 2. 1888 Groß-Enzersdorf (Nieder¨osterreich), † n. e. Der Enkel des k. u. k. Unterrichtsministers Siegmund → C. v. E. studierte in Wien Rechtswissenschaft; 1912 wurde er promoviert und in den Justizdienst u¨ bernommen. 1918-29 arbeitete er im Außenministerium, danach als stellvertretender Leiter und Leiter des Wanderungsamtes. Nach dem „An¨ schluß“ Osterreichs an das Deutsche Reich wurde er 1940, wohl wegen seiner j¨udischen Vorfahren, in den Wartestand versetzt. 1945 reaktiviert, vertrat er 1947-49 die o¨ sterr. Interessen in Jugoslawien und seit 1950 als außerordentlicher Gesandter und bevollm¨achtigter Minister in Polen. Conrad von H¨otzendorf, Franz (Xaver Josef) Graf, o¨ sterr. Milit¨ar, * 11. 11. 1852 Penzing (heute zu Wien), † 25. 8. 1925 Bad Mergentheim (W¨urttemberg). C. v. H., Sohn eines k. k. Obersten, wurde nach der Absolvierung der Wiener Milit¨arakademie 1871 Leutnant und nahm als Generalstabsoffizier am Feldzug in Bosnien 1878 und an der Niederschlagung von Aufst¨anden in S¨uddalmatien teil und kehrte 1886 als Lehrer der Taktik an die Kriegsschule zur¨uck. Seine Ver¨offentlichung Zum Studium der Taktik (2 Bde., 1891) wurde zum Standardwerk in der o¨ sterr. Armee. Seit 1899 Divisionskommandeur, wurde C. v. H. nur ein Jahr sp¨ater als Feldmarschalleutnant Chef des Generalstabs. Unter seiner Leitung wurde die o¨ sterr. Armee in Ausbildung und Ausr¨ustung den Maßst¨aben des fr¨uhen 20. Jh. angepaßt. In den zunehmenden politischen Spannungen auf dem Balkan, insbesondere in der s¨udslawischen Frage, forderte er mehrmals milit¨arische Pr¨aventivmaßnahmen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen und wurde 1911 zum Armeeinspekteur ernannt, jedoch schon ein Jahr sp¨ater w¨ahrend des Balkankriegs in sein altes Amt zur¨uckberufen. Den sofortigen Krieg gegen Serbien nach dem Attentat in Sarajevo konnte er nicht durchsetzen. Bis zu seiner Abl¨osung 1917 war C. v. H., als Generalstabschef der eigentliche F¨uhrer der o¨ sterreichisch-ungarischen Armee im Ersten Weltkrieg. Er suchte engste Zusammenarbeit mit dem deutschen Oberkommando, ohne sich ihm zu unterstellen. Von Kaiser → Karl als Heeresgruppenbefehlshaber nach Tirol versetzt, wurde er im Juli 1918 als Generalfeldmarschall verabschiedet. Er schrieb ¨ Aus meiner Dienstzeit (5 Bde., 1921-25). C NOB

Conrad-Martius, Hedwig, geb. Martius, Philosophin, * 27. 2. 1888 Berlin, † 15. 2. 1966 Starnberg. Aus einer Medizinerfamilie stammend, nahm C.-M. als eine der ersten Frauen in Deutschland ein regul¨ares Universit¨atsstudium auf, geh¨orte in M¨unchen zum Kreis um Theodor → Lipps, wechselte 1911 nach G¨ottingen, um bei Edmund → Husserl zu studieren, und wurde 1912 bei Alexander ¨ → Pf¨ander mit der Arbeit Uber die erkenntnistheoretischen Grundlagen des Positivismus promoviert. Im selben Jahr heiratete sie den Philosophen Theodor Conrad, mit dem sie sich als Betreiberin einer Obstplantage selbst¨andig machte. Ihr Versuch, sich zu habilitieren, scheiterte 1933 wegen eines j¨udischen Großelternteils. 1949 wurde C.-M. Dozentin f¨ur Naturphilosophie an der Univ. M¨unchen, wo sie 1955 eine Honorarprofessur erhielt. C.-M., die mit Edith → Stein befreundet war, entwickelte die „Wesensph¨anomenologie“ Adolf → Reinachs weiter und begr¨undete die Realontologie neu. Sie gilt als eine der bedeutendsten Sch¨ulerinnen Husserls. C.-M. ver¨offentlichte u. a. Realontologie (1924), Ursprung und Aufbau des lebendigen Kosmos (1938, 21949

unter dem Titel Abstammungslehre), Der Selbstaufbau der Natur (1944, 21961), Die Zeit (1954), Utopien der Menschenz¨uchtung. Der Sozialdarwinismus und seine Folgen (1955), Das Sein (1957), Der Raum (1958), Die Geistseele des Menschen (1960) und Schriften zur Philosophie (3 Bde., 1963-65). Fragment blieb ihre Arbeit Metaphysik des Irdischen.

Conrad-Ramlo, Marie, Schauspielerin, Schriftstellerin, * 8. 9. 1850 M¨unchen, † 1. 10. 1921 M¨unchen. Die Tochter eines bayerischen Staatsbeamten und sp¨atere Frau des Schriftstellers und Publizisten Michael Georg → Conrad besuchte das Konservatorium und die Musikschule in M¨unchen, deb¨utierte 1867 als Schauspielerin in Kaiserslautern und spielte seit 1868 am Hoftheater in M¨unchen. C.-R. ver¨offentlichte in den neunziger Jahren des 19. Jh., beeinflußt von ihrem Mann, in rascher Folge Novellen und Romane, u. a. Landluft (1892), Feuer! Eine Klostergeschichte (1894) und Im Gnadenwald (1895). C DLL

Conradi, August (Eduard Moritz), Komponist, * 27. 6. 1821 Berlin, † 26. 5. 1873 Berlin. Der Sohn eines Polizeisergeanten studierte seit 1840 an der Kgl. Akademie der K¨unste in Berlin bei August Wilhelm → Bach (Komposition, Orgel, Klavier) und Karl Friedrich → Rungenhagen. 1843 wurde C., der in den folgenden Jahren sporadisch mit Franz → Liszt zusammenarbeitete, Organist an der Berliner Invalidenhauskirche, seit 1849 Theaterkapellmeister in Berlin, Stettin, D¨usseldorf und K¨oln. 1858 kehrte er nach Berlin zur¨uck und arbeitete danach als Dirigent und Komponist f¨ur das Krollsche, das Neue K¨onigst¨adtische und das Wallner-Theater sowie f¨ur das Victoriatheater. C. setzte mehrere romantische Opern wie Das Blumenm¨adchen im Elsaß (1847), f¨unf Symphonien sowie zahlreiche musikalische Possen (vielfach in Zusammenarbeit mit David → Kalisch). Letztere verhalfen ihm beim zeitgen¨ossischen Publikum zu großer Popularit¨at. C. gelang es, Inhalte des B¨ankelgesangs f¨ur die seri¨ose musikalische B¨uhne aufzubereiten und umzuarbeiten. C MGG

Conradi, Franz Karl, Jurist, * 2. 2. 1701 Reichenbach / Vogtland, † 17. 7. 1748 Helmstedt. C. studierte Philosophie und Rechtswissenschaft in Leipzig und Erfurt, lehrte seit 1722 als Privatdozent, wurde 1725 zum Dr. jur. promoviert, 1728 a. o. Prof. in Wittenberg und erhielt zwei Jahre sp¨ater einen Ruf als o. Prof. der Rechte nach Helmstedt. 1743 wurde er dort zum braunschweigischl¨uneburgischen Hofrat und 1745 als erster Prof. der Juristischen Fakult¨at der Univ. zum o. Prof. ernannt. C. ver¨offentlichte zahlreiche akademische Abhandlungen u¨ ber r¨omisches und deutsches Recht sowie die anonym erschienenen und sp¨ater mehrmals neu herausgegebenen Grunds¨atze der Teutschen Rechte in Spr¨uchw¨ortern (1745).

Conradi, Georg Christoph, Mediziner, * 8. 6. 1767 R¨ossing (heute zu Nordstemmen), † 16. 12. 1798 Northeim (?). C. wurde 1789 zum Dr. med. promoviert (De hydrope), ließ sich als praktischer Arzt in Hameln nieder und war seit 1792 Stadtphysikus in Nordheim. Er fand eine Operationsmethode gegen den Grauen Star und rezeptierte gegen chronische Augenentz¨undungen das bis weit ins 19. Jh. hinein verwendete Conradi’sche Augenwasser. Neben Beitr¨agen f¨ur Fachzeitschriften ver¨offentlichte er ein Handbuch der pathologischen ¨ Anatomie (1796), ein Taschenbuch f¨ur Arzte (1793) sowie die f¨ur die Medizingeschichte aufschlußreiche Auswahl aus dem Tagebuch eines praktischen Arztes (1794).

Conradi, Heinrich (Wilhelm), urspr. Cohn, Bakteriologe, * 27. 9. 1876 Frankfurt / Main, † 26. 4. 1943 Dresden. Nach dem Medizinstudium in Freiburg / Breisgau, M¨unchen, Berlin und Straßburg wurde C. 1899 mit der Arbeit Zur

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Conradi Frage der Toxinbildung bei den Milzbrandbakterien promoviert und arbeitete bis 1901 als Assistenzarzt zun¨achst am Hygiene-Institut der Univ. Straßburg, anschließend unter Robert → Koch am Institut f¨ur Infektionskrankheiten in Berlin. 1902 trat er in die Regierungskommission zur Bek¨ampfung des Typhus im Regierungsbezirk Trier ein, wurde Leiter der bakteriologischen Anstalt f¨ur Lothringen in Metz und 1904 Direktor der bakteriologischen Anstalt Neunkirchen. Nach seiner Ernennung zum Prof. 1910 arbeitete C. bis 1912 als Assistenzarzt am Hygiene-Institut der Univ. Halle, wechselte dann als 1. Bakteriologe an die Zentralstelle f¨ur o¨ ffentliche Gesundheitspflege in Dresden und wurde nach seiner Habilitation 1913 (Vorarbeiten zur Bek¨ampfung der Diphterie) Privatdozent an der TH Dresden. C.s Arbeiten auf dem Gebiet der Hygiene und der Bakteriologie wurden in der Folgezeit vor allem f¨ur den Nachweis und die Bek¨ampfung von Typhus, Diphterie und Gasbrand wichtig. 1914-18 leistete er als Leiter des Seuchenlaboratoriums in Deynze (Belgien) Kriegsdienst. Trotz seiner Zwangsversetzung an das Pathologisch-bakteriologische Institut des Krankenhauses Zwickau 1922 konnte C. seine Lehrt¨atigkeit in Dresden fortsetzen, bis ihm 1934 aufgrund seiner j¨udischen Herkunft die Lehrbef¨ahigung entzogen wurde; 1938 verlor er auch die a¨ rztliche Approbation. 1942 zur Zwangsarbeit in einer Dresdner R¨ustungsfabrik verpflichtet und im folgenden Jahr festgenommen, beging C. in der Haft Selbstmord. C Heidel / Lienert

Conradi, (Heinrich Gottlieb) Hermann, Pseud. H. Costo, Schriftsteller, * 12. 7. 1862 Jeßnitz (Anhalt), † 8. 3. 1890 W¨urzburg. Unter problematischen famili¨aren Umst¨anden aufgewachsen, studierte C., Sohn eines Zigarrenfabrikanten, 1884-87 Philosophie und Literatur in Berlin und Leipzig, lebte dann zwei Jahre in M¨unchen und nahm 1889 in W¨urzburg das Studium wieder auf. Bereits 1881 durch seine im proletarischen Milieu angesiedelten Skizzen (ver¨offentlicht im „Magdeburger Tageblatt“) als Vertreter eines radikalen Naturalismus hervorgetreten, verband C. in seinem Schreiben expressive Psychogramme mit eigenen Erfahrungen, die sowohl literarische als auch b¨urgerliche Konventionen u¨ bertraten. Mit seiner Lyrik (u. a. Lieder eines S¨unders, 1887), mit der er expressionistische Formelemente vorwegnahm, wie mit seinen Novellen (u. a. Brutalit¨aten, 1886) zielte er auf die Schockwirkung beim zeitgen¨ossischen Publikum. Nach der Ver¨offentlichung seines Romans Adam Mensch (1889) wurde der u. a. von Georg → Conrad gef¨orderte C. neben Konrad → Alberti wegen Verbreitung unsittlicher Schriften angeklagt. C. starb an einer Lungenkrankheit. C Killy

Conradi, Johann Ludwig, Jurist, Philosoph, Historiker, * 27. 9. 1730 Marburg, † 19. 2. 1785 Marburg. Der Sohn eines Arztes studierte seit 1745 Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte in Marburg und Leipzig, wurde dort 1754 Magister der Philosophie, 1756 Doktor beider Rechte und las seit 1763 als Professor. 1765 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. nach Marburg, wo er 1774 eine ordentliche Professur erhielt. Neben akademischen Schriften u¨ bersetzte C. Satyrische und lehrreiche Erzehlungen des Michel de Cervantes Saavedra, Verfasser der Geschichte des Don Quischotts. Nebst dem Leben des ber¨uhmten Schriftstellers [. . .] (2 Tle., 1753). C. war der Vater von Johann Wilhelm Heinrich → C.

Conradi, Johann Wilhelm Heinrich, Mediziner, * 22. 9. 1780 Marburg / Lahn, † 17. 6. 1861 G¨ottingen. Der Sohn Johann Ludwig → C.s nahm 1797 in Marburg das Medizinstudium auf, wurde dort 1802 promoviert (De morbo maculoso haemorrhagico Werlhofi), 1803 zum a. o. Prof., 1805 zum o. Prof. ernannt und u¨ bernahm 1809 die Leitung der Poliklinik, 1812 auch die der station¨aren Klinik.

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1814 folgte er einem Ruf nach Heidelberg und widmete sich dort besonders dem Aufbau der Universit¨atsklinik. Berufungen nach Bonn und Berlin lehnte C. ab und wechselte 1823 nach G¨ottingen, wo er erst die Poliklinik und seit 1837 die station¨are Klinik leitete. 1853 gab er die klinische Forschung auf, ohne allerdings seine Lehrt¨atigkeit zu beenden. C. war Ehrendoktor der Univ. G¨ottingen und Mitglied der G¨ottinger Gesellschaft der Wissenschaften. Aus seinem umfangreichen akademischen Schrifttum sind vor allem die immer wieder aufgelegten Handb¨ucher Grundriss der medicinischen Encyclop¨adie und Methodologie (1806, 31828), Allgemeine Pathologie (1811, 61841) und Specielle Pathologie (1811, 41831) zu nennen. Aus einer pragmatischen Grundhaltung heraus stand er an der Schwelle zur modernen Medizin den u¨ berkommenen diagnostischen Verfahren und Heilmethoden (Aderlaß, Blutegel) skeptisch-ablehnend gegen¨uber (u. a. Kritik der medizinischen Lehre des Dr. Broussais, 1821). C NDB

Conradi, Kasimir, evang. Theologe, * 19. 9. 1784 Wonsheim (Rheinhessen), † 21. 8. 1849 Dexheim (Rheinhessen). Nach dem Besuch der Gelehrtenschule in Kreuznach studierte C. in Heidelberg und W¨urzburg Theologie, kehrte als Pfarrer in seine engere Heimat zur¨uck und betreute dort die Pfarrgemeinden Waldb¨ockelheim und Freilaubersheim. Zeitweilig war er Dekan von Oppenheim und bem¨uhte sich besonders um die hessische Kirchenunion. Beeinflußt von der idealistischen Philosophie, verfaßte C. in seiner Landeskirche wirkungsreiche Schriften wie Selbstbewußtsein und Offenbarung (1831) und Kritik der christlichen Dogmen (1841).

Conradi, Ludwig Richard, Adventist, * 20. 3. 1856 Karlsruhe, † 16. 9. 1939 Hamburg. Der katholisch getaufte C. emigrierte nach einer Bierbrauerlehre in die USA, wo er mit Adventisten in Kontakt kam. Er nahm 1878 deren Glauben an und besuchte eine von Adventisten des Siebten Tages geleitete Hochschule in Battle Creek (Michigan). Als Missionar 1886 nach Europa zur¨uckgekehrt, leitete er nach T¨atigkeiten in der Schweiz und den skandinavischen L¨andern seit 1899 die europ¨aische Division der Adventisten und wurde Schriftleiter der Zeitschrift „Herold der Wahrheit“. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs lebte C. in London, wo er sich mit der Geschichte der Adventisten besch¨aftigte. Er entdeckte dabei Unstimmigkeiten in den Texten der Gr¨under der Gemeinschaft, was ihn deren Autorit¨at anzweifeln ließ. Aufgrund seiner offenen Kritik 1931 zwangspensioniert, brach C. mit den Adventisten und wechselte zu den Siebenten-Tags-Baptisten. Er ver¨offentlichte u. a. Das Geheimnis enth¨ullt oder Die sieben Siegel gebrochen (1912), Weissagung und Weltgeschichte oder Staatsmann und Prophet (1919) und Das goldene Zeitalter (1923). Seit 1933 gab er die Monatsschrift „Wahrheit, Licht, Leben“ (Hamburg) heraus.

Conradi, Michael, evang. Theologe, * 15. 12. 1730 Lauban, † 12. 1. 1801 Kamenz (?). Der Sohn eines Tuchmachers und Begr¨abnisgl¨ockners studierte in Leipzig, schloß als Magister ab und wurde Hilfsprediger, 1766 Wendischer Pfarrer in Kamenz. Neben Gelegenheitsgedichten und regionalgeschichtlichen Aufs¨atzen vero¨ ffentlichte C. mehrere kenntnisreiche numismatische Abhandlungen wie etwa Lebens- und Regierungs-Geschichte Friedrich Augusts des Ersten [. . .] nach Medaillen und M¨unzen den Jahren nach beschrieben [. . .] (1797).

Conradin, Henning, Schulmeister, Schriftsteller, * 1538 Hamburg, † 8. 10. 1590 Hamburg. C. studierte in Wittenberg, brachte es zum Magister, wurde 1566 Schulrektor in Stade und nahm 1570 eine Stelle als

Conring Hofmeister in Schwalbstedt an. 1575 kehrte er als Konrektor der Johannisschule und Domvikar in seine Heimatstadt Hamburg zur¨uck und trat 1584 aus Krankheitsgr¨unden von ¨ seinen Amtern zur¨uck. C., von Kaiser → Rudolf zum poeta laureatus gekr¨ont, schrieb in lateinischer Sprache zahlreiche Epigramme, Elegien, Hochzeits- und andere Gedichte (u. a. Epicedion, 1574; In natalem pueri Jesu Christi salvatoris nostri, 1583).

Conradty, Conrad, Industrieller, * 15. 7. 1827 M¨unchaurach bei Erlangen, † 17. 6. 1901 N¨urnberg. Nach einer Ausbildung zum Kaufmann gr¨undete der Sohn eines Webermeisters 1855 in N¨urnberg eine Bleistiftfabrik, die er mit den damals modernsten Maschinen ausstattete und vor allem durch die Erweiterung des Angebots um Bronzefarben und das sogenannte Conradty-Blau zum Erfolg f¨uhrte. 1880 errichtete C. einen gr¨oßeren Betriebsneubau und nahm darin, angeregt durch Forschungen seines Sohnes Friedrich u¨ ber Elektro-Kohle, die Produktion von Kohlestiften f¨ur elektrische Bogenlampen auf, die bald weltweit vertrieben wurden. C. hinterließ bei seinem Tod ein Unternehmen mit 3000 Belegschaftsmitgliedern, das bis Mitte der f¨unfziger Jahre des 20. Jh. zum gr¨oßten europ¨aischen Erzeuger von Kunstkohle und Elektrographit wurde. C NDB

Conrady, August, Sinologe, * 28. 4. 1864 Wiesbaden, † 4. 6. 1925 Leipzig. C., Sohn eines Pfarrers, studierte klassische und indische Philologie in W¨urzburg, wurde dort promoviert und habilitierte sich 1891 in Leipzig, wo er 1896 zum a o. Prof., 1920 zum o. Prof. berufen wurde. Eigentlich Sprachwissenschaftler (u. a. Indonesische Causativ-Denominativbildung und der Zusammenhang von stimmlosem und stimmhaftem Anlaut mit der Tonh¨ohe, 1896), wandte er sich nach einem Aufenthalt in Peking intensiver der volkskundlichen ChinaForschung zu und rekonstruierte u. a. das Leben in einer Garnisonsstadt des 3. / 4. Jh. n. Chr. an der chinesischen Westgrenze und den Bau des fr¨uhchinesischen Wohnhauses. C. war Mitglied der S¨achsischen Akademie der Wissenschaften. C NDB

Conrady, Emil von, Milit¨ar, * 21. 3. 1827 Glogau, † 17. 11. 1905 G¨ottingen. C., Sohn eines Offiziers, begann seine Offizierslaufbahn als Leutnant in der preuß. Armee, wurde 1857 als Hauptmann mit Generalstabsaufgaben betraut und nahm am Preußisch¨ Osterreichischen Krieg 1866 und am Deutsch-Franz¨osischen Krieg 1870 / 71 teil. 1871-74 Chef des Generalstabs des 11. Armeekorps, wurde er 1878 Divisionskommandeur und 1884 Gouverneur von Metz. Ein Jahr sp¨ater nahm er als General seinen Abschied und widmete sich der Milit¨arschriftstellerei. C Priesdorff, Bd 8

Conr¨ader, Georg, Maler, * 18. 5. 1838 M¨unchen, † 2. 1. 1911 Abazia. C. studierte seit 1853 an der M¨unchner Kunstakademie u. a. bei Karl von → Piloty, wurde durch das von der Hamburger Kunsthalle angekaufte Gem¨alde Tilly am Vorabend der Schlacht von Breitenfeld (6. 9. 1631) im Hause des Totengr¨abers einquartiert rasch bekannt und gemeinsam mit Franz → Lenbach an die neueingerichtete Kunstschule in Weimar berufen. Zwei Jahre sp¨ater kehrte er als Prof. an die Kunstakademie nach M¨unchen zur¨uck, f¨uhrte dort Auftragsarbeiten, Genrest¨ucke und einige historische Anekdoten aus dem Leben der Maria Stuart aus und begann dann ohne Auftrag sehr aufwendige historische Bilder aus der o¨ sterr. Geschichte zu erarbeiten, die jedoch nicht den erhofften Erfolg brachten. 1892 wurde die Kr¨onung Kaiser Franz Josephs zum K¨onig von Ungarn vom Nationalmuseum in Budapest angekauft. C AKL

Conrat, Ilse (Beatrice), verh. von Twardowska, o¨ sterr. Bildhauerin, * 20. 1. 1880 Wien, † 9. 8. 1942 M¨unchen. Nach dem Besuch der Wiener Kunstgewerbeschule studierte C. in Br¨ussel bei C. Vanderstappen, kehrte sp¨ater nach Wien zur¨uck, wo sie vor allem Einfl¨uße des Jugendstils aufnahm, und lebte seit 1924 zeitweilig, seit 1928 st¨andig in M¨unchen. Ihre Werke waren in zahlreichen Ausstellungen der Sezession zu sehen. Als wichtigste Arbeiten sind das Grabmal f¨ur Johannes → Brahms auf dem Wiener Zentralfriedhof und die Bronze Der G¨artner im Breslauer S¨udpark zu nennen. C AKL

Conrat, Max, eigentl. Moise Cohn, Jurist, Historiker, * 16. 9. 1848 Breslau, † 13. 12. 1911 Heidelberg. Nach dem Jurastudium in Breslau, Heidelberg und Berlin wurde C., Sohn eines Kaufmanns und preuß. Geheimen Kommissionsrats, 1870 promoviert. 1873 habilitierte er sich an der Univ. Heidelberg f¨ur R¨omisches Recht, wurde 1875 a. o. Prof. und erhielt im folgenden Jahr eine Professur an der Univ. Z¨urich. 1878 folgte er einem Ruf an die Univ. Amsterdam, deren Rektor er 1895 / 96 war. 1882 trat er zum Christentum u¨ ber und a¨ nderte seinen Namen. C. ver¨offentlichte u. a. Geschichte der Quellen und Literatur des R¨omischen Rechts im fr¨uhen Mittelalter (1891) und Die Christenverfolgungen im r¨omischen Reich vom Standpunkt des Juristen (1897). C NDB

Conried, Heinrich, eigentl. Cohn, Schauspieler, Theaterdirektor, * 3. 9. 1855 Bielitz, † 27. 4. 1909 Meran. Der Sohn eines Webers erlernte den v¨aterlichen Beruf, studierte Schauspielkunst in Wien, deb¨utierte 1873 am Burgtheater und spielte bis 1876 am Nationaltheater. Im selben Jahr kam C. ans Leipziger und im folgenden ans Bremer Stadttheater. 1878 ging er nach New York und wurde Mitglied des Germaniatheaters. Nach einigen Jahren als erster Charakterdarsteller widmete er sich der Regie, brachte reich ausgestattete Wiener Operetten auf die B¨uhne und veranstaltete Operettentourneen durch die USA. Seit 1892 engagierte C. als Direktor des Irving Place Theater ber¨uhmte Schauspieler des deutschen Sprachraums. 1903 trat er die Nachfolge Moritz Graus als Direktor der Metropolitan Opera an. C. f¨uhrte gegen → Wagners Willen Parsifal auf und veranstaltete die New Yorker Premiere der Salome von Richard → Strauss. Conring, Hermann, polyhistorischer Gelehrter, * 9. 11. 1606 Norden, † 12. 12. 1681 Helmstedt. C., in Ostfriesland in einer heute noch existierenden Theologen- und Juristenfamilie geboren, studierte in Helmstedt und Leiden Medizin und Politik. Er wurde in Helmstedt zun¨achst 1632 Prof. der Physik und Rhetorik, lehrte Naturphilosophie nach Aristoteles und ließ u¨ ber medizinische Themen disputieren. 1636 erwarb er die Doktortitel der Philosophie und der Medizin. 1637 wurde er in die Medizinische Fakult¨at aufgenommen. Von da an lehrte er Medizin und Politik; Jurist im formellen Sinn ist er nie gewesen, obwohl sein Nachruhm im wesentlichen auf seinen Leistungen im Reichsverfassungsrecht und in der Rechtsgeschichte beruht. Das Jahrzehnt zwischen 1640 und 1650 stellt die Hauptphase seines medizinischen Wirkens dar, a¨ ußerlich anerkannt durch die Ernennung zum Leibarzt der F¨urstin Juliane von Ostfriesland, der schwedischen K¨onigin Christine und ihres Nachfolgers Karl X. Gustav. Danach lehrte er bis zu seinem Tod

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Conring medizinische, politische, historische und juristische F¨acher, f¨uhrte eine europaweite Gelehrtenkorrespondenz, vor allem mit dem bedeutenden Reichspolitiker Johann Christian von → Boyneburg, und war gesch¨atzter Rechtsgutachter und Berater, u. a. seines bibliophilen Landesherrn Herzog → August von Braunschweig-Wolfenb¨uttel. Als Mediziner und Politologe vertrat C. einen f¨ur experimentell gewonnene neue Erkenntnisse offenen Aristotelismus. Von der Richtigkeit der Theorie William Harveys u¨ ber den Blutkreislauf u¨ berzeugte er sich durch Vivisektionen und propagierte die Theorie als erster auf dem Kontinent. Er arbeitete u¨ ber Scorbut, Ern¨ahrungsphysiologie und Hygiene, ließ u¨ ber nahezu alle damals bekannten Krankheiten disputieren, trieb medizinhistorische Studien und setzte sich in scharfer Form mit den Anh¨angern von → Paracelsus auseinander. Eine Pflanze, der Ackerkohl, ist C. zu Ehren Conringia orientalis benannt worden. Auf dem Feld der Rechts- und Reichsgeschichte begann er mit Studien zur Germania des Tacitus und analysierte die komplizierte Reichsverfassung in allen denkbaren Richtungen. In bezug auf die Reform der Gesetzgebung propagierte er einen territorialstaatlichen (nicht kaiserlichen) Absolutismus. F¨ur die deutsche Rechtsgeschichte ist er ber¨uhmt geworden als Verfasser von De ori¨ gine iuris germanici (1643, deutsche Ubersetzung 1994). In diesem Werk, dem Gr¨undungsbuch der deutschen Rechtsgeschichte, widerlegte er die sogenannte lotharische Legende, derzufolge Kaiser → Lothar III. von S¨upplingenburg die Geltung des (antiken) r¨omischen Rechts im Reich angeordnet habe. C. weist erstmals quellennah und historisch zutreffend nach, daß die Aufnahme des r¨omischen Rechts (Rezeption) sich „nach und nach“ (sensim) durch die Praxis vollzogen habe. Außerdem verfaßte er zahlreiche Gutachten in aktuellen reichsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten, bei denen er, fast nebenbei, ebenso Grundlegendes f¨ur die Methodik der Urkundenkritik (Diplomatik) leistete. In der politischen Theorie blieb er moderater und zukunftsoffener Aristoteliker. Zahlreiche Einzelstudien auf diesem Feld m¨undeten in das zusammenfassende Werk De civili prudentia (1662). In der Auseinandersetzung mit Machiavelli war er Gegner einer moralischen Staatsr¨asondoktrin und entfaltete eine in Sitte und Religion eingebundene Gl¨uckseligkeitslehre. Seine Vorlesungen zur Staatenkunde machten ihn zu einem der Begr¨under der Statistik. Theologisch geh¨orte er zu der auf konfessionellen Ausgleich zielenden irenischen Richtung des Helmstedter Luthertums (→ Calixt, → Hornejus). C. war – neben dem u¨ berragenden Philosophen → Leibniz – einer der Polyhistoren des 17. Jh., ein Vielwisser, kritischer Kopf und methodisch arbeitender Gelehrter, der außerordentlich anregend gewirkt und insbesondere die Rechtsgeschichte in den Rang einer historisch-kritischen Disziplin erhoben hat. WEITERE WERKE: Opera. Hrsg. v. Johann Wilhelm Goebel. 7 Bde., Braunschweig 1730 (Nachdr. Aalen 1970-73). Die Werkausgabe ist unvollst¨andig. LITERATUR: H. C. 1606-1681. Ein Gelehrter der Universit¨at Helmstedt. Wolfenb¨uttel 1981 (Ausstellungskatalog, Herzog August Bibliothek). – Michael Stolleis (Hrsg.): H. C. Beitr¨age zu Leben und Werk. Berlin 1983 (mit Werkverzeichnis). – Ders. (Hrsg.): H. C. Der Ursprung des deutschen Rechts. Frankfurt / Main 1994. – Dietmar Willoweit: H. C. In: Michael Stolleis (Hrsg.): Staatsdenker der fr¨uhen Neuzeit. Frankfurt / Main 31995. – Bernhard Pahlmann: C., H. In: Gerd Kleinheyer / Jan Schr¨oder (Hrsg.): Deutsche und Europ¨aische Juristen aus neun Jahrhunderten. Heidelberg 4 1996, S. 99-102. – Constantin Fasolt: The Limits of History. Chicago 2004. Michael Stolleis

Conring, Hermann (Johannes), Jurist, Politiker, * 4. 11. 1894 Aurich, † 9. 2. 1989 Weener. C. studierte seit 1912 Rechts- und Staatswissenschaften sowie Volkswirtschaft in G¨ottingen und wurde 1917 promo-

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viert. 1921-27 war er Regierungsrat im Preußischen Finanzund im Preußischen Staatsministerium, 1927-45 hauptberuflicher Landrat der Landkreise Northeim und Leer (Ostfriesland). 1938 wurde er in die NSDAP aufgenommen. 1940-45 war C. als Deutscher Beauftragter f¨ur die Provinz Groningen an die Zivilverwaltung der Niederlande abgeordnet. Nach eineinhalbj¨ahriger Internierung 1945-47 schied er aus dem Staatsdienst aus. 1948 wurde C. Generalsekret¨ar des Landwirtschaftlichen Hauptvereins f¨ur Ostfriesland (Ostfriesisches Landvolk), 1952 ehrenamtlicher Landrat des Kreises Leer (Ostfriesland) und Vorsitzender der W¨ahlergemeinschaft (Kreis Leer). In der 2. Wahlperiode war er vom 22. 4. 1953 bis 5. 5. 1955 als Gast der DP / CDUFraktion Mitglied des Nieders¨achsischen Landtages. Nach seinem Eintritt in die CDU geh¨orte C. 1953-69 dem Deutschen Bundestag an. C Ostfriesland, Bd 1

Consbruch, Florens Arnold, Lyriker, * 8. 7. 1729 Minden (?), † Dezember 1784 Herford. C. entstammte einer bekannten minden-ravensbergischen Beamtenfamilie. Nach dem Jurastudium in Berlin und Halle / Saale war er als Referendar in Minden t¨atig. Sp¨ater wurde er Richter und Gaugraf in Minden und als Landsyndikus Sekret¨ar der ravensbergischen Ritterschaft. C. ver¨offent¨ lichte sowohl Nachdichtungen und Ubersetzungen franz¨osischer Autoren (z. B. Racines Gedicht Die Gnade, 1747) als auch eine Vielzahl selbstverfaßter, von → Gleim und → Hagedorn beeinflußter anakreontischer Gedichte (u. a. Versuch in Westph¨alischen Gedichten, 1756; Scherze und Lieder, 1752). Er war der Vater von von Georg Wilhelm Christoph → C. C Killy

Consbruch, Georg Wilhelm Christoph, Mediziner, * 4. 12. 1764 Herford, † September 1837 Bielefeld. Nach dem Medizinstudium 1787 in Halle promoviert (De vi corporis animalis medicatrice), praktizierte C., Sohn von Florens Arnold → C., seit 1789 in Bielefeld und wurde 1800 zum Medizinalrat ernannt. Er schrieb eine Reihe kleinerer Artikel in medizinischen Journalen, u¨ bersetzte englische medizinische Werke und ver¨offentlichte zusammen mit Johann Kaspar Ebermaier und Johann Friedrich Niemann ¨ u. a. eine Allgemeine Encyklop¨adie f¨ur praktische Arzte und Wund¨arzte (1802 ff.) in achtzehn B¨anden, die mehrere Auflagen erfuhr.

Consbruch, Johann Friedrich, Mediziner, * 26. 9. 1736 Stuttgart, † 13. 9. 1810 Stuttgart. C., Sohn eines Hofkammerrats, studierte seit 1753 Medizin in T¨ubingen, wo er 1759 zum Lizentiaten promoviert wurde (De febribus malignis). Noch im selben Jahr mit dem Physikat in Vaihingen / Enz betraut, wurde er 1771 Prof. der Medizin an der Hohen Karlsschule in Stuttgart, praktizierte 1772 in T¨ubingen und war seit 1780 Leibarzt Herzog → Karl Eugens. C. verfaßte eine Reihe kleinerer wissenschaftlicher Schriften, darunter eine Beschreibung des in der W¨urtembergischen Amtsstadt Vayhingen und dasiger Gegend grassirenden faulen Fleckfiebers (1770 / 71) und Theses ex historia medicinae (1776). Er war seit 1771 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. C NDB

Consbruch, Johannes, Jurist, * 13. 9. 1899 Hohensalza, † 3. 8. 1986 Stuttgart. Aus einfachen Verh¨altnissen stammend, machte C. eine kaufm¨annische Lehre, studierte Rechtswissenschaften und er¨offnete eine Anwaltspraxis in Berlin. Seit 1946 beim Registergericht in Stuttgart t¨atig, war er 1953-64 Abteilungsleiter im baden-w¨urttembergischen Wirtschaftsministerium. C. besch¨aftigte sich vor allem mit dem Kreditwesen, mit Gewerberecht und Preis- und Wettbewerbsfragen. Zusammen mit Annemarie M¨oller ver¨offentlichte er Gesetz u¨ ber das Kreditwesen (Textsammlung, 1954; fortgef¨uhrt von Inge

Contessa L. B¨ahre und Manfred Schneider, 121997), begr¨undete den KWG-Kommentar. Kreditwesengesetz [. . .] (1965; 31986, bearb. von Inge L. B¨ahre und Manfred Schneider) und gab Bankrecht (1967, 71976) heraus. C Juristen

Consemuller, ¨ Erich, Architekt, Photograph, * 10. 10. 1902 Bielefeld, † 11. 4. 1957 Halle / Saale. Nach einer Tischlerlehre 1920-22 in Bielefeld arbeitete C. in der M¨obelfabrik Echtermeyer und besuchte Kurse an der Bielefelder Kunstgewerbeschule. 1922 / 23 schloß er ein Studium am Bauhaus in Weimar an und legte 1924 die Gesellenpr¨ufung ab. 1925-27 war er u. a. am Ausbau des nach Dessau umgesiedelten Bauhauses und des Meister-Hauses von Walter → Gropius beteiligt. 1927 erhielt er vom Bauhaus den Auftrag f¨ur eine Fotodokumentation u¨ ber das Bauhaus, f¨ur die er ca. 400 Aufnahmen anfertigte. C. wurde einer der ersten Mitarbeiter der neueingerichteten Bauabteilung und u¨ bernahm 1928 als stellvertretender Leiter diese Abteilung. 1929-33 war er als Lehrer der Architektur-Abteilung an der Kunstgerwerbeschule Halle, Burg Giebichenstein t¨atig. Nach vor¨ubergehender Arbeitslosigkeit war C. als Zeichner f¨ur verschiedene Architekturb¨uros in Halle, Erfurt und Leipzig t¨atig. 1945 / 46 wurde er als Stadtplaner und Entwerfer nach Halle berufen. C AKL

ihm nicht an Auftr¨agen. Nach seiner R¨uckkehr nach Paris wurde C. zum kgl. Porzellanmaler ernannt; 1828 u¨ bernahm er die Leitung einer Schule f¨ur Porzellanmalerei. Um 1835 geh¨orten C.s Kopien alter Bilder auf Porzellan zu den begehrtesten Kunstgegenst¨anden in Frankreich und England. Seine Werke werden vor allem in S`evres und Genf aufbewahrt. C. ver¨offentlichte in Florenz Id´ees italiennes sur quelques tableaux c´el`ebres (1840) und eine Autobiographie. C AKL

Conta, Karl Friedrich Anton von, Diplomat, Bibliothekar, * 13. 12. 1778 Erfurt, † 27. 12. 1850 Weimar. C. studierte die Rechte und wurde 1805 Diplomat. 1806 / 07 war er Bibliothekar der Milit¨arbibliothek in Weimar. Seit 1806 reiste er im Weimarischen Dienst als Legationssekret¨ar nach Warschau, sp¨ater nach Wien und Paris. An den Zollverhandlungen war er maßgeblich beteiligt. 1815 wurde er Legationsrat, 1841 Vizepr¨asident und 1845 Pr¨asident der Landesdirektion. C. stand mit Johann Wolfgang → Goethe in lockerem Briefwechsel.

Contag, Karl (Ernst), Kommunalbeamter, * 7. 8. 1863

* 25. 12. 1813 Konitz, † 13. 6. 1887 Karlsruhe. C., Sohn eines Zoll- und Steuerrats, kam 1834 als F¨ahnrich an die Artillerie- und Ingenieurschule in Berlin, beschloß dann jedoch, Schauspieler zu werden. In der Folge wechselte er seine Aufenthalte h¨aufig und wurde in Dresden mit Ludwig → Tieck und in Stuttgart mit David Friedrich → Strauß bekannt, unter dessen Einfluß er 1839 sein erstes Drama Jesus, eine Trag¨odie schrieb. Das Werk wurde beschlagnahmt, o¨ ffentlich verbrannt und brachte C. drei Monate Festungshaft wegen Gottesl¨asterung ein. 1843 erhielt er eine Anstellung als Chorist am Hoftheater in Karlsruhe und stieg sp¨ater zum Charakterdarsteller in kleineren Rollen auf. Seine gesammelten dramatischen Werke gab er 1881-85 als Dichtungen in f¨unf B¨anden heraus. Im Alter widmete sich C. mathematischen Studien und verfaßte einige Werke zur Geometrie. C Altpreuß Biogr, Bd 1

Lyck (Ostpreußen), † 17. 2. 1934 Nordhausen (Th¨uringen). C. studierte seit 1881 in K¨onigsberg (Corps Masovia) und anschließend in Berlin die Rechte (1885 Promotion zum Dr. jur.) und wurde 1889 Gerichtsassessor. Den linksliberalfreisinnig gesonnenen C. nahm die Stadt K¨onigsberg im selben Jahr als Magistratsassessor an. 1890 wurde er Stadtrat in Insterburg, 1891 2. B¨urgermeister in Elbing. 1899 erw¨ahlten ihn die Stadtverordneten Nordhausens mit knapper Mehrheit als 1. B¨urgermeister, nachdem die konservative preuß. Regierung versucht hatte, die Wahl des bekennenden Freisinnigen C. in dieser lange linksliberal dominierten Kommune zu verhindern. In seiner Zeit als Oberb¨urgermeister Nordhausens wurden u. a. Stadtbad (1907), Stadthaus (1909) und Stadttheater (1913-17) errichtet und die Kanalisation 1911 begonnen. Zu Ende seiner Amtszeit 1924 verlieh ihm Nordhausen die Ehrenb¨urgerw¨urde. 1900-1918 geh¨orte C. dem Preußischen Herrenhaus (Neue Fraktion) an, wo er 1913 die Behauptung eines konservativen Generals, die Linksliberalen bes¨aßen weniger Nationalgef¨uhl als Konservative in aufsehenerregender Weise zur¨uckwies. C Spenkuch

Constam, Emil Joseph, Chemiker, * 19. 2. 1858 New

Contessa, Carl Wilhelm, auch Salice-Contessa, Schrift-

York, † 11. 2. 1917 Z¨urich. ¨ C. wurde 1882 an der Univ. Z¨urich mit der Arbeit Uber die Azaurols¨auren, eine Reihe stickstoffhaltiger Fettk¨orper promoviert, lehrte seit 1885 als Privatdozent, seit 1899 als Prof. der physikalischen Chemie an der Eidgen¨ossischen Polytechnischen Schule in Z¨urich und gr¨undete die Eidgen¨ossische Pr¨ufungsanstalt f¨ur Brennstoffe, der er seit 1907 vorstand. Anfangs forschte C. auf dem Gebiet der organischen, anorganischen und physikalischen Chemie, wandte sich jedoch sp¨ater der Thermochemie zu und ver¨offentlichte insbesondere zur Brennstoffkunde mehrere grundlegende Werke (u. a. Einfluß der Festigkeit von Steinkohlenbriketts auf ihre Verdampfungsf¨ahigkeit, 1904; Studien u¨ ber die Entgasung der ¨ haupts¨achlichsten Steinkohlentypen, 3 Bde., 1906-09; Uber Treib¨ole, 1913). 1896 entdeckte er die K¨orperklasse der Perkarbonate. C NDB

steller, * 19. 8. 1777 Hirschberg, † 2. 6. 1825 Berlin. C., Sohn eines Leinwandh¨andlers italienischer Herkunft und Bruder von Christian Jakob → C., besuchte 1795-98 das Franckesche P¨adagogium in Halle, wo er Ernst von → Houwald kennenlernte, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Seit 1802 lebte C., von seinem Bruder Christian Jakob → C. finanziell unterst¨utzt, in Weimar, hielt sich aber vom dortigen geistigen und gesellschaftlichen Leben fern; er schrieb Erz¨ahlungen sowie Lustspiele und u¨ bersetzte St¨ucke aus dem Franz¨osischen. Kurz vor der erfolgreichen Premiere seines Einakters Das R¨athsel 1808 siedelte er nach Berlin u¨ ber. Hier kam C. 1814 in Kontakt mit dem Freundeskreis E. T. A. → Hoffmanns, der ihn in den Serapions-Br¨udern (1819-21) als Sylvester verewigte. In der Folge kam es zu einigen gemeinschaftlichen Dichtungen, u. a. mit Friedrich de la Motte → Fouqu´e. Seine letzten Lebensjahre verbrachte C. auf den G¨utern Sellenberg und Neuhaus der Familie Houwald. 1814 erschien seine Erz¨ahlung Magister R¨oßlein. C. gilt als der Begr¨under der romantisierenden Riesengebirgsdichtung. C Killy

Consentius, Rudolf Otto, Schauspieler, Dramatiker,

Constantin, Abraham, schweizer. Emaille- und Porzellanmaler, * 1. 12. 1785 Genf, † 10. 3. 1855 Genf. C. studierte in Genf Zeichnen, arbeitete als Emaillemaler und kam mit 21 Jahren nach Paris, um sich dort zum Miniaturmaler ausbilden zu lassen. Bald erwarb er sich einigen Ruhm und erhielt Auftr¨age und Auszeichnungen von h¨ochster Stelle. 1813-48 arbeitete er mit Unterbrechungen f¨ur die Porzellanmanufaktur von S`evres. Auch in Florenz, wo er sich zwischen 1820 und 1826 aufhielt, um die Bilder der alten italienischen Meister zu kopieren, mangelte es

Contessa, Christian Jakob, auch Salice-Contessa, Pseud. Ryno, Schriftsteller, * 21. 2. 1767 Hirschberg, † 11. 9. 1825 Klostergut Liebenthal bei Greiffenberg. C., Bruder von Carl Wilhelm → C., kam 1794 zur kaufm¨annischen Ausbildung nach Hamburg, wo er unter dem Einfluß Friedrich Gottlieb → Klopstocks und der

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Conti Dichter des G¨ottinger Hain seine ersten Gedichte schrieb. 1788 unternahm er eine l¨angere Auslandsreise, die zur Entwicklung radikaler politischer Ideen beitrug. C. kehrte nach Hirschberg zur¨uck und u¨ bernahm 1793 das v¨aterliche Gesch¨aft. Wegen seines Engagements f¨ur freiheitlichrepublikanische Ziele wurde er 1797 als politisch verd¨achtig interniert, jedoch ein Jahr sp¨ater begnadigt. Er erwarb sich große Verdienste als Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung und bei der Errichtung der Landwehr, so daß er 1814 zum kgl. Kommerzienrat ernannt wurde. Seit 1792 schrieb C. mehrere dramatische und erz¨ahlende Werke, die er zum Teil gemeinsam mit seinem Bruder Carl Wilhelm → C. herausgab. Sein letztes Werk Der Freiherr und sein Neffe (1824) gilt als fr¨uhester Zeitroman des 19. Jahrhunderts. C Killy

Conti, Francesco Bartholomeo, genannt Contini, Komponist, Musiker, * 20. 1. 1681 oder 1682 Florenz, † 20. 7. 1732 Wien. Im Alter von 19 Jahren wurde C., Sohn eines Musikers, als Theorbist in die kaiserliche Hofkapelle in Wien berufen. Mit kurzer Unterbrechung 1706 / 07 blieb C. sein ganzes Leben lang in kaiserlichen Diensten. Schon 1706 wurden eine Oper und ein Oratorium C.s in Wien uraufgef¨uhrt, 1713 erhielt er wegen seines reichen kompositorischen Schaffens den Titel eines kaiserlichen Hofkompositors. Insgesamt komponierte C. 16 Opern, 13 Serenaden, neun Oratorien sowie eine Vielzahl von Kantaten. Sein bekanntestes Werk war Don Chisciotte in Sierra Morena (1719). C. ist einer der ersten Komponisten einer Credomesse, gilt als Wegbereiter des neueren Symphoniesatzes und instrumentierte als einer der ersten die Klarinette. C MGG

Conti, Leonardo, Politiker, Mediziner, * 24. 8. 1900 Lugano, † 6. 10. 1945 N¨urnberg. C., der 1918 als Freiwilliger noch am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte, war 1918 Mitbegr¨under des antisemitischen Kampfbundes f¨ur Deutsche Kultur und beteiligte sich 1919 an der Niederschlagung des Spartakus-Aufstandes in Berlin sowie 1920 am Kapp-Putsch. Von 1919 an studierte er als aktiver F¨uhrer der v¨olkischen Studentenbewegung Medizin in Berlin und Erlangen, schloß sich 1923 der SA an, pro¨ movierte in Berlin (Uber Weichteilplastik im Gesicht, 1925), und ließ sich anschließend in M¨unchen nieder. 1927 ging er nach Berlin, trat der NSDAP bei, baute das Sanit¨atswesen der SA auf und organisierte den Gau Berlin des national¨ sozialistischen Deutschen Arztebundes. C, seit 1930 Mitglied der SS und 1933 vom preuß. Innenministerium mit der „S¨auberung des Gesundheitswesens“ beauftragt, wurde 1934 preuß. Staatsrat und stieg 1939 zum Staatssekret¨ar f¨ur Gesundheitswesen und Volkspflege im Reichsministerium des Innern sowie im preuß. Innenministerium auf. Seit 1939 firmierte C. als Reichsgesundheitsf¨uhrer und Leiter des Hauptamtes f¨ur Volksgesundheit der NSDAP. Als Reichsgesundheitsf¨uhrer war C., 1944 zum Obergruppenf¨uhrer der SS bef¨ordert, verantwortlich f¨ur alle Maßnahmen im Bereich des Gesundheitswesen, darunter Zwangssterilisationen und Menschenversuche. Er erh¨angte sich im Oktober 1945 in seiner Zelle in N¨urnberg. C Lilla, Statisten

Contius, Christian Gotthold, evang. Theologe, Schriftsteller, * 19. 11. 1750 Hauswalde bei Dresden, † 8. 11. 1816 Dommitzsch bei Torgau / Elbe. Der Sohn einer Pastorenfamilie studierte 1764-72 in Halle und Leipzig Theologie. Anschließend wurde er Prediger in Doll¨anchen (Niederlausitz), 1798 Diakon und 1799 Archidiakon in Hoyerswerda, 1806 Hauptpastor in Dommitzsch. Von seinen Amtskollegen zum Teil heftig angefeindet, machte sich C. einen Namen als Unterhaltungsschriftsteller und freier Mitarbeiter verschiedener, meist kurzlebiger

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Zeitschriften. Zu seinen Werken z¨ahlen eine Gedichtsammlung, einige patriotische Kriegslieder, Erz¨ahlungen, Romane und Satiren; die Farce Wieland und seine Abonnenten. Ein musikalisches Drama erschien 1775. C Killy

Contzen, Adam, Jesuit, Theologe, National¨okonom, * 17. 4. 1571 Monschau / Eifel, † 19. 6. 1635 M¨unchen. Das Studium der Theologie absolvierte der einer angesehenen Monschauer Familie entstammende C. in K¨oln, seit 1591 in Trier, wo er 1595 in die Gesellschaft Jesu eintrat. 1606 wurde er Prof. der Philosophie in W¨urzburg, 1609 Prof. der Exegese in Mainz. In seiner Eigenschaft als Kanzler war er 1622 / 23 an der Gr¨undung der Akademie in Molsheim beteiligt und wurde anschließend als Beichtvater von Kurf¨urst → Maximilian von Bayern nach M¨unchen gebeten, dessen militante Politik im Dreißigj¨ahrigen Krieg er unterst¨utzte. C. ver¨offentlichte vorwiegend Kontroversschriften, die den Religionsfrieden in Deutschland betrafen (u. a. De pace Germaniae, 1616, 31685) und vor der Vereinigung der Lutheraner und Calvinisten als großer Gefahr f¨ur den Katholizismus warnten. In seinem Werk Politicorum libri decem, in quibus de perfectae reipublicae forma, virtutibus [. . .] tractatur (1620, 21629) behandelte er mit absolutistischer Tendenz alle damals wichtigen politischen Fragen der allgemeinen Staatslehre. C. verfaßte ferner politische Romane und exegetische Schriften. C Killy

Contzen, Heinz, Chirurg, * 7. 6. 1925 Dortmund, † 28. 9. 1999 Frankfurt / Main. C. studierte in T¨ubingen und M¨unster Medizin, wurde 1948 promoviert (Die Behandlung der entz¨undlichen Adnextumoren mittels Douglaspunktion und Kolpotomie), habilitierte sich 1963 in Frankfurt / Main mit der Arbeit Grundlagen der Alloplastik f¨ur Chirurgie und wurde Oberarzt der dortigen Chirurgischen Universit¨atsklinik, 1968 apl. Professor. ¨ 1971-90 war er Arztlicher Direktor der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt / Main. C. besch¨aftigte sich mit Problemen im Zusammenhang mit der Einbringung metallischer und polymerer Fremdk¨orper in das Gewebe, Unfallheilkunde (insbesondere Fragen des Schocks, der Ersten Hilfe und der speziellen Traumatologie), Osteosynthese, Versicherungs- und Begutachtermedizin und war maßgeblich an der Entwicklung des organisierten Rettungswesens beteiligt. Er ver¨offentlichte u. a. Chirurgische Leiden (1964, 2 1969, mit Arno Gerhart), Grundlagen der Alloplastik mit Metallen und Kunststoffen (1967, mit Fritz Straumann und Eberhard Paschke) und Lebensrettende Sofortmaßnahmen am Unfallort (1967, mit Theo Kunz). C. war Mitherausgeber der Zeitschriften „Archiv f¨ur Klinische Chirurgie“ (1968-90) und „Unfallchirurgie“ (1975-96), 1970-75 Erster Schriftleiter der Deutschen Gesellschaft f¨ur Unfallheilchirurgie und 1976 ihr Pr¨asident.

Contzen, Johann, Politiker, * 25. 10. 1809 Aachen, † 18. 1. 1875 Aachen. Der Sohn eines Gemeindeempf¨angers studierte in Bonn und Berlin und wurde 1848 kommissarischer Polizeipr¨asident in Aachen, 1850 Provinzialintendant in Koblenz, anschließend Abgeordneter im Provinziallandtag in D¨usseldorf und in der rheinischen Landesvertretung in Berlin. 1851-75 war er B¨urgermeister Aachens. Es gelang ihm in K¨urze, die seit den Revolutionsjahren desolate finanzielle Lage der Stadt auszugleichen; er entwickelte das Schul- und Sozialwesen weiter und brachte durch verschiedene Prachtbauten den alten Badeort zu neuem Glanz.

Contzen, Martin Theodor, Historiker, * 29. 11. 1807 M¨unster, † 8. 1. 1881 W¨urzburg. Der Sohn eines Hauptmanns studierte in M¨unster Geschichte und Philologie. Anschließend arbeitete er als Erzieher bei der Familie von Rotenhan. 1836 in M¨unchen promoviert,

Conze habilitierte er sich 1837 in W¨urzburg (Die Geschichtschreiber der S¨achsischen Kaiserzeit nach ihrem Leben und ihren Schriften), wo er seit 1839 als a. o. und 1842-69 als o. Prof. f¨ur bayerische Geschichte wirkte. 1840 war er Redakteur des „Fr¨ankischen Courier“. 1856-71 amtierte er nominell als Vorstand des Archivkonservatoriums W¨urzburg, wurde jedoch bereits 1869 wegen Unregelm¨aßigkeiten bei der Rechnungsf¨uhrung und F¨alschung von Quittungen suspendiert. C., der zeitweilig Direktor des Historischen Vereins f¨ur Unterfranken und Aschaffenburg war, gab die Geschichtsquellen des Bistums W¨urzburg heraus. Von einem auf mehrere B¨ande angelegten Lehrbuch zur bayerischen Geschichte stellte er nur einen Band fertig (1853).

Conwentz, Hugo (Wilhelm), Botaniker, * 20. 1. 1855 St. Albrecht bei Danzig, † 12. 5. 1922 Berlin. Der Kaufmannssohn studierte in Breslau und G¨ottingen, arbeitete seit 1876 als Assistent Heinrich → G¨opperts im Botanischen Garten in Breslau und wurde im selben Jahr mit der ¨ Arbeit Uber die versteinten H¨olzer aus dem norddeutschen Diluvium promoviert, 1879 als Leiter des neugegr¨undeten Westpreußischen Provinzialmuseums nach Danzig berufen, dem er 30 Jahre lang vorstand. 1881 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. C. gilt als der Begr¨under der Naturschutzbewegung in Deutschland und in Europa. 1904 ver¨offentlichte er seine Denkschrift Die Gef¨ahrdung der Naturdenkm¨aler und Vorschl¨age zu ihrer Erhaltung und wurde 1906 hauptamtlicher Leiter der ersten Staatlichen Stelle f¨ur Naturdenkmalpflege in Danzig, 1910 in Berlin. In dieser Funktion ließ er zahlreiche Naturdenkm¨aler in den preuß. Provinzen inventarisieren. C.s Ver¨offentlichungen beziehen sich auf pal¨aobotanische, pflanzengeographische und vorgeschichtliche Studien; insbesondere aber betonte er die Notwendigkeit des Naturschutzes und seine Auswertung im Schulunterricht. Zu ihnen z¨ahlen u. a. Untersuchungen u¨ ber fossile H¨olzer Schwedens (1892), Beobachtungen u¨ ber seltene Waldb¨aume in Westpreussen (1895) und Merkbuch f¨ur Naturdenkmalpflege und verwandte Bestrebungen (1918). C NDB ¨ Conz, Karl Philipp, Klassischer Philologe, Ubersetzer, Lyriker, * 28. 10. 1762 Lorch / Rems, † 20. 6. 1827 T¨ubingen. C. entstammte einer altw¨urttembergischen Theologenfamilie; sein Vater war Klosteramtsschreiber. Er studierte 1781-86 am T¨ubinger Stift Theologie und wurde nach seiner Vikarszeit an verschiedenen Orten Repetent, dann Prediger und Diakon, bis er 1804 den Lehrstuhl f¨ur klassische Philologie an der Univ. T¨ubingen und 1812 auch die Professur f¨ur Eloquenz erhielt. Als Lehrer beeinflußte er → H¨olderlin und Justinus → Kerner; → Schiller z¨ahlte zu seinem Freundeskreis. C. ver¨offentlichte eine Vielzahl von Schriften zu philologischen, a¨ sthetischen, philosophischen und historischen Themen; er schrieb Lyrik und ver¨offentlich¨ te zahlreiche Ubersetzungen klassischer Literatur. Literarhistorisch von Bedeutung wurden seine Arbeiten Nicodem Frischlin der ungl¨uckliche Wirtembergische Gelehrte und Dichter (1791) und Nachrichten von dem Leben und den Schriften R. Weckherlins (1803). C Killy

Conz, Walter, Maler, Radierer, Lithograph, * 27. 7. 1872

¨ Stuttgart, † 13. 5. 1947 Uberlingen. C., Sohn eines Malers und Zeichners, studierte an der Stuttgarter Kunstakademie vor allem bei Grunewald und anschließend in Karlsruhe u. a. bei Sch¨onleber und Kalckreuth. Seit 1902 war er Prof. an der Radierklasse der Karlsruher Kunstakademie. C. hinterließ ein umfassendes Radierwerk in ¨ und den verschiedensten Techniken, ferner Gem¨alde in Ol Tempera sowie Lithographien. Als am ausgereiftesten gelten seine figuralen und landschaftlichen Darstellungen in der Schwarz-Weißkunst. C AKL

Conze, Alexander (Christian Leopold), Arch¨aologe, * 10. 12. 1831 Hannover, † 19. 7. 1914 Berlin. C., Sohn eines Rittmeisters, studierte in G¨ottingen zun¨achst Jura, dann dort und seit 1853 in Berlin Arch¨aologie und wurde 1855 promoviert (De Psyches imaginibus quibusdam). 1857-60 f¨uhrten ihn Studienreisen nach Paris, London, Griechenland, Italien, und er ver¨offentlichte Schriften u¨ ber Denkm¨alergruppen (Reise auf den Inseln des Thrakischen Meeres, 1860). Nach seiner Habilitation in Berlin wurde C. 1863 nach Halle / Saale berufen und lehrte 1869-77 in Wien. In den folgenden zehn Jahren leitete er die Berliner Antikensammlung. Seit 1881 war C. Vorsitzender der Zentraldirektion und u¨ bernahm bis 1905 als Generalsekret¨ar die Leitung und Neuorganisation des Deutschen Arch¨aologischen Instituts. Seine Grabungen in Pergamon 1878-86 und 1900-12 f¨uhrten zur Erwerbung des Pergamonaltars und f¨orderten nachhaltig die Erforschung hellenistischer Kunst in Kleinasien. Neben einer Reihe eigener wissenschaftlicher Ver¨offentlichungen ist die Herausgabe des Werkes Die attischen Grabreliefs (1893-1911) hervorzuheben. C NDB Conze, Friedrich, Beamter, * 24. 12. 1864 Halle / Saale, † 1939. Nach dem Philosophie- und Jurastudium in Bonn, Leipzig und Berlin, das er 1889 mit der Promotion abschloß (Kauf nach hanseatischen Quellen), schlug C. die Verwaltungslaufbahn ein und wurde nach T¨atigkeiten in Insterburg, Posen und Danzig 1900-08 Landrat in Mogilno. Anschließend wirkte er bis 1918 als Geheimer Regierungs- und dann Oberregierungsrat im preuß. Ministerium des Innern, 1918-30 als Ministerialdirektor im preuß. Wohlfahrtsministerium, wo er die Abteilung f¨ur Wohnungs- und st¨adtisches Siedlungswesen leitete. Nach seiner Pensionierung wurde C. zum Pr¨asidenten des Evangelischen Bundes gew¨ahlt und 1931 mit dem theologischen Ehrendoktor der Univ. Halle ausgezeichnet. 1933 setzte sich der Evangelische Bund unter C. f¨ur die offizielle Reichskirchenpolitik der Nationalsozialisten ein, doch trat er bereits 1934 von seinem Amt zur¨uck. Conze, Johannes, Komponist, * 29. 5. 1875 Lippstadt, † 9. 1. 1946 Berlin. C. besuchte die Kirchenmusikschule in Aachen, 1893-96 das Lehrerseminar in R¨uthen und nach kurzer Lehrt¨atigkeit 1903-05 die Musikhochschule in Berlin. Anschließend absolvierte er die Meisterschule f¨ur Komposition unter Friedrich → Gernsheim. Seit 1911 lehrte er als Musikp¨adagoge am Grunewald-Konservatorium und machte sich als Mitarbeiter der „Allgemeinen Musikzeitung“ mit Aufs¨atzen musiktheoretischen, -historischen und a¨ sthetischen Inhalts einen Namen. C. komponierte Kirchen- und Kammermusik sowie Orgel-, Gesangs- und Orchesterst¨ucke, darunter die symphonische Phantasie Sappho (1914). Conze, Werner, Historiker, * 31. 12. 1910 Neuhaus / Elbe, † 28. 4. 1986 Heidelberg. Der Sohn eines Amtsrichters und Enkel des Arch¨aologen Alexander → C. studierte u. a. Geschichte in Marburg, Leipzig und K¨onigsberg und wurde 1934 bei Hans → Rothfels promoviert (Die deutsche Kolonie Hirschenhof, das Werden einer deutschen Sprachinsel in Livland, 21963). 1935-39 war er wissenschaftlicher Assistent an der Univ. K¨onigsberg, wo er sich 1940 habilitierte (Agrarverfassung und Bev¨olkerung in Litauen und Weißrußland). Beeinflußt von Gunther → Ipsen und Hans → Freyer, m¨undete C.s methodischer Ansatz 1939 in ein rassistisches Bev¨olkerungsprogramm; C. begr¨ußte die „Entjudung“ der St¨adte im Osten. 1944 wurde er a. o. Prof. in Posen. 1946 erhielt er einen Lehrauftrag f¨ur Sozial-, Agrar- und Verfassungsgeschichte an der Univ. G¨ottingen. Seit 1951 war C. a. o., seit 1956 o. Prof. der Zeitgeschichte sowie der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an

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Conzelmann der Univ. M¨unster. 1957 nahm er einen Ruf auf den Lehrstuhl f¨ur neuere Geschichte an die Univ. Heidelberg an, wo er Direktor des Instituts f¨ur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und 1969 / 70 Rektor war. C. war Vorsitzender der Kommission f¨ur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien und des Arbeitskreises f¨ur moderne Sozialgeschichte, 1972-76 Pr¨asident des Verbandes der Historiker Deutschlands. Er gilt als Bahnbrecher und f¨uhrender Repr¨asentant der modernen deutschen Sozialgeschichtsschreibung; er ver¨offentlichte eine Vielzahl von Untersuchungen, darunter Gesellschaft – Staat – Natur. Gesammelte Aufs¨atze (1992), und war Herausgeber der Reihe Industrielle Welt sowie Mitherausgeber von Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland (1953 ff.). C Altpreuß Biogr, Bd 4

Conzelmann, Hans, evang. Theologe, * 27. 10. 1915 Tailfingen (heute zu Albstadt), † 20. 6. 1989 G¨ottingen. C. studierte evang. Theologie in T¨ubingen und Marburg, u. a. bei Hans von → Soden und Rudolf → Bultmann, unter deren Einfluß er sich der Bekennenden Kirche zuwandte. Nach schwerer Verwundung im Krieg zun¨achst Gymnasiallehrer f¨ur evang. Religionslehre, wurde C. 1952 an der Univ. T¨ubingen zum Dr. theol. promoviert (Die geographischen Vorstellungen im Lukasevangelium) und habilitierte sich kurze Zeit sp¨ater an der Univ. Heidelberg f¨ur Neues Testament (Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas, 1954, 71993). 1954 an der Univ. Z¨urich zum a. o., 1956 zum o. Prof. ernannt, folgte er 1960 einem Ruf auf den neutestamentlichen Lehrstuhl in G¨ottingen. C. erbrachte den Beweis der eigenst¨andigen Theologie der einzelnen Evangelisten und trat mit Werken zur Bedeutung der Theologie des Paulus und seiner Sch¨uler f¨ur das Verst¨andnis des fr¨uhen Christentums hervor. Er schrieb u. a. Die Apostelgeschichte (1963, 21972), Grundriß der Theologie des Neuen Testaments (1967; 61997, bearb. von Andreas Lindemann), Geschichte des Urchristentums (1969, 61989), Der 1. Brief an die Korinther (1969, 21981), Theologie als Schriftauslegung. Gesammelte Aufs¨atze (1974), Arbeitsbuch zum Neuen Testament (1975, 111995, mit A. Lindemann) und Heiden – Juden – Christen. Auseinandersetzungen in der Literatur der hellenistisch-r¨omischen Zeit (1981). Seit 1966 war er ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu G¨ottingen. C Jb AWG 1990

Conzett, Verena, geb. Knecht, Unternehmerin, * 28. 11. 1861 Kilchberg bei Z¨urich, † 14. 11. 1947 Kilchberg bei Z¨urich. Bereits mit 12 Jahren trug C. durch Fabrikarbeit und sp¨ater als Verk¨auferin zum Unterhalt ihrer Familie bei. Der Buchdrucker und Sozialistenf¨uhrer Konrad C., den sie 1883 heiratete, brachte sie der Sozialistischen Partei nahe. Mehrmals Delegierte auf internationalen sozialistischen Kongressen, trat C. aktiv f¨ur den Arbeiterinnenschutz ein und wurde 1890 Pr¨asidentin des Schweizerischen Arbeiterinnenverbandes sowie 1896 Mitglied des Bundesvorstandes des Schweizerischen Arbeiterbundes. Nach dem Tod ihres Mannes 1898 u¨ bernahm sie die Druckerei, die sich unter ihrer Leitung zu einem Großbetrieb entwickelte. C. gr¨undete mehrere Zeitschriften, f¨ur die sie zum Teil auch als Redakteurin t¨atig war, u. a. die Familienzeitschrift „In freien Stunden“. Coper, Hans, Keramiker, * 8. 4. 1920 Chemnitz, † 16. 6. 1981 Frome (Cty. Somerset, Großbritannien). C. studierte 1937 Textiltechnik in Dresden und Mittweida und ging 1939 nach Großbritannien, wo er 1946 die Keramikerin Lucie → Rie kennenlernte und mit ihr eine Arbeitsgemeinschaft gr¨undete. Einer ersten gemeinsamen Ausstellung ihrer Werke in London 1950 folgten weitere, u. a. in G¨oteborg (1955), Minneapolis (1957) und Rotterdam (1967). C.

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arbeitete seit 1958 in Herefordshire, ging 1964 nach London und 1969 nach Frome. 1959-65 war er Mitglied einer Architektur-Industrie-Gruppe zur Entwicklung von keramischem Baumaterial, unterrichtete 1963-73 an der Camberwell School of Art in London und war 1966-75 Gastdozent an der School of Ceramics am Royal College of Art in London. C.s fr¨uhe T¨opferarbeiten standen zun¨achst unter dem Einfluß orientalischer Produktionstechniken und Formen; sp¨ater orientierte er sich an der primitiven Kunst und der Kunst der Kykladen. C AKL

Copernicus, Nicolaus, eigentl. N. (Niklas) Koppernick (Koppernig), Domherr zu Frauenburg (Ermland), humanistischer Arzt, Astronom, Begr¨under des heliozentrischen Weltbildes, * 19. 2. 1473 Thorn (heute Tor´un), † 24. 5. 1543 Frauenburg (heute Frombork). M¨utterlicher- und v¨aterlicherseits aus deutschst¨ammigen Familien stammend, die sp¨atestens seit der Mitte des 14. bzw. 15. Jh. in Thorn ans¨assig waren, das mit dem Zweiten Thorner Frieden (1466) ebenso wie das Ermland unter polnische Oberhoheit kam, war C., der deutsch sprach und des Polnischen nicht m¨achtig war, Zeit seines Lebens Untertan des polnischen K¨onigs. Nach dem fr¨uhen Tod des Vaters (1483), der in die sehr angesehene Patrizierfamilie Watzenrode eingeheiratet hatte, nahm sich der hochgebildete Bruder der Mutter, Lukas Watzenrode, seit 1475 Canonicus in Kulm, dann Domherr in Frauenburg und seit 1489 Bischof von Ermland, der Erziehung C.’ und seines Bruders Andreas an. Sie besuchten wohl die Lateinschule in Kulm (C. war sp¨ater „clericus“ der Di¨ozese Kulm) und wurden beide im Herbst 1491 an der Artistenfakult¨at der Univ. Krakau immatrikuliert, wo C. sich haupts¨achlich den mathematischen F¨achern widmete, f¨ur die Krakau damals Hochburg war. Wie lange er dort studierte, ist unbekannt; sein Magisterexamen legte er jedenfalls erst in Bologna ab, wo er Ende 1496 in der Juristischen Fakult¨at immatrikuliert wurde, finanziell abgesichert durch das Kanonikat in Frauenburg, das ihm allerdings statt 1495 nach dem Ausscheiden seines Vorg¨angers auf p¨apstlichen Einspruch erst im Sommer 1497 zugewiesen wurde. In Bologna widmete er sich gemeinsam mit dem angesehenen Regiomontanus-Sch¨uler Domenico di Novara auch astronomischen Studien und beobachtete am 9. 3. 1497 eine Bedeckung des Aldebaran durch den Mond, woraus sich dessen Durchmesser bestimmen l¨aßt, der nach der Theorie des Ptolemaios in den Vierteln viermal so groß h¨atte sein m¨ussen wie bei Voll- und Neumond – C. scheint also schon damals dieser Theorie kritisch gegen¨ubergestanden zu haben. 1500 weilte er in Rom, wo er Beobachtungen anstellte und Vorlesungen gehalten haben soll. Eine weitere Studienverl¨angerung wurde ihm dann im Juli 1501 vom Domkapitel unter der Bedingung gew¨ahrt, daß er Medizin studiere, um sp¨ater Domkapitel und Bischof als medizinischer Berater zur Verf¨ugung zu stehen. Er war auch Leibarzt der Bisch¨ofe und ein vielgefragter praktischer Arzt, der sogar an den Hof von Krakau gerufen wurde und als solcher den Zeitgenossen bekannt war, w¨ahrend seine astronomischen Interessen ihn der europ¨aischen Gelehrtenwelt bekannt machten. Sein Studium an der venezianischen Univ. und Medizinhochburg Padua blieb jedoch ohne Abschluß; promoviert wurde er am 31. 5. 1503 in Ferrara zum Doktor des Kirchenrechts. Ende 1503 wurde C. pers¨onlicher Sekret¨ar und Leibarzt seines Onkels auf der Bischofsburg in Heilsberg und hat als solcher an den Preußischen Landtagen teilgenommen; erst

Copernicus im Jahre 1511 verlegte er seinen Wohnsitz nach Frauenburg (wo er aber am 2. 6. 1509 schon eine Mondfinsternis beobachtete) und trat die Domherrenstelle tats¨achlich an. Er wurde im November sogleich zum Kanzler des Kapitels ernannt und bekleidete 1516-21 u¨ ber vier Amtsperioden mit einj¨ahriger Unterbrechung das Amt des Administrators, wozu er auf der Feste Allenstein residierte, zuletzt als Festungskommandant gegen die das flache Land verw¨ustenden Ordensheere (sogenannter Reiter- oder Pfaffenkrieg); anschließend war er Kommissar f¨ur das Ermland bei den Friedensverhandlungen und hatte sich als Administrator u¨ ber die gew¨ohnlichen Amtsaufgaben hinaus um die Wiederbesiedlung der zerst¨orten und verlassenen D¨orfer und H¨ofe zu ¨ k¨ummern (hierzu hat er insgesamt 71 Uberlandreisen durchgef¨uhrt, mit einem polnischen Bediensteten als Dolmetscher, da die Neusiedler meist Polen waren). W¨ahrend der Vakanz des Bischofstuhls fast u¨ ber das gesamte Jahr 1523 war er Generaladministrator des Bistums und somit interimistischer Bischofsvertreter; 1537 stand C. selbst als einer von vier Kandidaten auf der Liste f¨ur die Bischofswahl. Als Administrator des Domkapitels war C. gleichzeitig Beauftragter des Bistums f¨ur die anstehende preuß. M¨unzreform, wozu er zwischen 1517 und 1526 drei Denkschriften verfaßte, in denen er die Ideen von Sir Thomas Gresham vorwegnahm; sie lagen zwar 1522 und 1526 der Diskussion auf den Landtagen zugrunde, wurden aber von den Feudalvertretern aus kurzsichtigen Gewinn¨uberlegungen heraus nicht angenommen. Seit 1533 war aber auch C.’ Ruf als Astronom bis in die h¨ochsten kirchlichen Kreise in Rom gedrungen, so daß Papst Klemens VII. sich das neue Weltbild von seinem Sekret¨ar vortragen ließ. C. widmete sp¨ater sein Werk Papst Paul III., und er war auch Mitte 1515 durch die Aufforderung des auf dem 5. Lateran-Konzil mit der Leitung der Kommission f¨ur die Kalenderreform beauftragten Bischof von Fossombrone, Paul von Middelburg, sich hierzu zu a¨ ußern – der C. befreundete Frauenburger Domherr und Schreiber des Konzils Bernhard Sculteti hatte ihn in den Expertenkreis einbezogen –, zu der exakten Bestimmung des Herbst¨aquinoktiums 1515 angeregt worden. Er nahm damit a¨ ltere Studien zur L¨ange des tropischen Jahres und Monats wieder auf und baute sie zu einer recht komplizierten Trepidationstheorie aus, die noch in die erste Fassung seines großen astronomischen Werks De revolutionibus (Die Umw¨alzungen, n¨amlich der a¨ therischen Himmelssph¨aren, nicht der „Weltk¨orper“, d. h. Gestirne) einging, die in der Vorrede zu De revolutionibus von 1542 auf 1515 datiert wird. 1524 / 25 hat er die Trepidationstheorie in De revolutionibus Buch III nochmals u¨ berarbeitet, angeregt durch den befreundeten Krakauer Studienfreund und kgl. Sekret¨ar Bernhard Wapowski (mit den astronomisch interessierten Gelehrten in Krakau blieb C. auch von Frauenburg aus in Kontakt), der eine Stellungnahme zu der 1522 erschienenen Trepidationstheorie Johannes → Werners erbeten hatte (erfolgt im sogenannten [Wapowski-]Brief gegen Werner vom 3. 6. 1524). Die Theorie war jedoch wegen der zugrundegelegten variablen Jahresl¨ange und der Kompliziertheit des mathematisch-physikalischen Apparates mit mehreren der Fixsternsph¨are zugeordneten zus¨atzlichen Sph¨aren auch f¨ur die sp¨ateren Bem¨uhungen um die (Gregorianische) Kalenderreform ungeeignet und ohne Einfluß. Seit C. nach Frauenburg gekommen war, hatte er an seinem opus maius immer wieder gearbeitet; zum Druck entschließen konnte er sich erst, nachdem der junge Mathematiker Georg Joachim → Rheticus aus Wittenberg nach Frauenburg geschickt worden war, um die neue astronomische Theorie kennenzulernen. Beide unterzogen das Werk gemeinsam einer Schlußredaktion, und Rheticus besorgte dann auch den Druck 1543 in N¨urnberg (das Erscheinen selbst erlebte C. nicht mehr), hatte jedoch zuvor in einer 1540 in Danzig als

offener Brief erschienenen Abhandlung zusammenfassend u¨ ber die heliostatische Theorie und ihren Autor berichtet. Diese Narratio prima wurde bereits im folgenden Jahr neu aufgelegt und ist insgesamt schon im 16. Jh. sehr viel h¨aufiger gedruckt – und gelesen – worden als das mathematisch exakte, aber auch schwerf¨alligere Werk des C. selbst, weshalb sie aber auch mehr zur Kenntnis der darin enthaltenen heliostatischen Theorie beitrug. C. hatte diese Theorie in etwas anderer Form bereits vor sei¨ ner Ubersiedlung nach Frauenburg im Commentariolus (um 1510) ohne den mathematischen Apparat skizziert und handschriftlich kursieren lassen. Er hatte darin die mathematischphysikalischen Elemente der antik-mittelalterlichen Astro¨ nomie weitgehend beibehalten (Athersph¨ aren als Tr¨ager [Deferenten] von Epizykeln) und nur die exzentrische und ungleichf¨ormige Ausgleichsbewegung der Planeten bei Ptolemaios aufgegeben, die zwar allein die Ph¨anomene ausreichend beschreiben konnte, aber den auf Aristoteles zur¨uckgehenden physikalischen Prinzipien der Kreisund Gleichf¨ormigkeit s¨amtlicher jeweils von einer Sph¨are ausgef¨uhrten Bewegungskomponenten am Himmel widersprach, weshalb dessen Theorie als bloße Hypothese ohne Realit¨atsanspruch galt. C. gelang es, diese Ausgleichsbewegung durch je eine konzentrische und gleichf¨ormig rotierende Sph¨are und einen Doppelepizykel a¨ quivalent wiederzugeben – woraufhin die Theorie wieder den damaligen physikalischen Anspr¨uchen gen¨ugte und als real gelten konnte. Da der Epizykel aber seit Ptolemaios schon zur Wiedergabe des sogenannten synodischen Bewegungsanteils relativ zur Sonne gedient hatte, mußte C. diesen jetzt anders darstellen. Er vertauschte dazu die auf einem exzentrischen Kreis um die ruhende Erde bewegte Sonne der ptolem¨aischen geozentrischen Theorie mit der Erde und ließ den synodischen Anteil als bloß optischen Effekt durch die Bewegungen der Erde – und des Beobachters – entstehen, insgesamt die (gleichsam systemimmanent erzwungene) Heliozentrik ¨ als geringeres Ubel denn die Mißachtung der physikalischen Prinzipien ansehend. Die physikalische Geschlossenheit der deshalb heliostatischen Theorie (die ruhende Sonne befindet sich nicht in, sondern nur nahe dem Weltzentrum) geht bei der detaillierten mathematischen Bearbeitung in De revolutionibus dann allerdings dadurch verloren, daß hier der innere, gr¨oßere Epizykel wieder jeweils mit dem konzentrischen Deferenten zu einem kinematisch gleichwertigen exzentrischen Deferenten zusammengefaßt wird. Dieser allerdings rotiert im Gegensatz zur ptolem¨aischen Theorie gleichf¨ormig, entspricht also den Prinzipien – weshalb C. sein System auch als die reale „machina mundi“ ansah und nicht als mathematische Hypothese, wie die ohne sein Wissen dem Hauptwerk anonym von dem evang. Theologen Andreas → Osiander hinzugesetzte Vorrede behauptet. Die Fixsternsph¨are ruht nach dieser Theorie (abgesehen von der Trepidation, w¨ahrend die Pr¨azessionsbewegung ebenfalls der Erde zugewiesen wurde), ist allerdings wegen einer fehlenden Parallaxe unermeßlich weit entfernt. Nach der Wiederherstellung der „himmlischen Physik“ gewann C. die fehlende Physik f¨ur die t¨aglich rotierende und j¨ahrlich die Sonne umlaufende, also vielfach bewegte Erde mit einer an Platon statt an Aristoteles orientierten Schweretheorie, wonach alles dem ihm a¨ hnlichen K¨orper zustrebt (Erde, Wasser, Luft und Feuer der Erde zur Erde, des Mondes zum Mond usw.) und nicht Schweres dem Weltzentrum und Leichtes der Mondsph¨are als a¨ ußerer Begrenzung der Elementarsph¨aren der Erde. C. sah das neue, reale Weltbild zwar als harmonischer denn jedes geozentrische an (die Umlaufzeiten der Planeten wachsen mit gr¨oßerem Abstand), und auch die gr¨oßere ¨ mathematisch-kinematische Okonomie, die mehrere Bewegungen, f¨ur die fr¨uher zus¨atzliche Sph¨aren erforderlich wa-

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Copes ren, bei allen Planeten (und der Fixsternsph¨are) als Effekt aus den Bewegungen der einen Erde entstehen ließ, begeisterte die Gelehrten (als Kompromiß wurde daraufhin von Tycho Brahe ein System erstellt, in dem ebenfalls alle Planeten die Sonne umkreisen, letztere aber wie der Mond wieder die ruhende Erde umkreist); aber es wurden rasch Argumente gegen die Heliozentrik vorgebracht (Sonderstellung des Mondes, unendliche Entfernung der Fixsterne, Nichtwahrnehmung der Erdbewegungen, Widerspr¨uche zu Aussagen in der Bibel), die erst in den folgenden anderthalb Jahrhunderten durch eine neue Astronomie (Johannes → Kepler: statt aus mehreren Kreisbewegungen resultierend erfolgt die Bewegung eines Planeten l¨angs einer Bahn, die elliptische Form erh¨alt) und Physik (Isaac Newton: irdische und himmlische Bewegungen erfolgen durch das wechselseitige Wirken von Fernkr¨aften auf tr¨age Massen) sowie Entdeckungen am Himmel (Galileo Galilei u. a.: Phasen der inneren Planeten, Jupitermonde, Sonnenflecken) entkr¨aftet werden konnten. Allerdings hat der Widerstand der kath. Kirche seit Beginn des 17. Jh. (Galilei-Prozeß) die Anerkennung dieses Weltbildes in kath. L¨andern lange verhindert und verz¨ogert; erst 1835 wurde das Werk des C. offiziell vom Index genommen. C. verstand sich als u¨ berzeugter Renaissance-Humanist zwar als Restaurator der alten, n¨amlich vorptolem¨aischen Astro¨ nomie, wodurch alle Fehler der Uberlieferung ausgemerzt w¨urden – er transformierte praktisch die ptolem¨aische Form unter Beibehaltung ihrer physikkonformen mathematischen Elemente in eine den a¨ lteren physikalischen Prinzipien wieder gen¨ugende, somit als real geltende Form und vollendete so im eigenen Selbstverst¨andnis die antike Astronomie; er wurde damit aber gleichzeitig zum Erneuerer des Weltbildes, f¨ur das dann in der Folgezeit erst die wissenschaftlichen Grundlagen geschaffen werden mußten. WEITERE WERKE: De revolutionibus orbium coelestium, Libri VI. N¨urnberg 1543 (Faks.-Nachdr. Paris 1927, Leipzig / New York 1965, Br¨ussel 1966, Budapest 1973, digital: Palo Alto 1999); Basel 1566 (Prag 1971), Amsterdam 1617 (Turin 1943); Thorn / Berlin 1873. – Die Geldlehre des N. C. Hrsg. v. Erich Sommerfeld. Berlin / Vaduz 1978; 2., u¨ berarb. Aufl., Berlin 2003. – N. Copernici locationes mansorum desertorum. Hrsg. v. Marian Biskup. Olsztyn 1970. – N. K. Gesamtausgabe. Bd 1-2, M¨unchen 1944-49 [mehr nicht erschienen]. – N. Copernici opera omnia / Complete Works. [Jeweils] Bd. 1 ff., Warschau / Krakau (Polnische Akademie der Wissenschaften) 1973 ff. / Warschau / London 1972 ff. (I. Faksimile des Autographs. 1972 / 73; II. De revolutionibus. Hrsg. v. R. Gansiniec. 1975 / 78; III. Minor Works. Hrsg. v. Edward Rosen [bisher nur engl.]. 1985). – N. C. Gesamtausgabe. Bd. 1 ff., [Hildesheim] Berlin 1974 ff. (I. Faksimile des Manuskripts. 1974; II. De revolutionibus. Hrsg. v. Heribert M. Nobis / Bernhard Sticker †. 1984; III / 1. Kommentar zu „De revolutionibus“ v. Felix Schmeidler; V. Opera minora. Die humanistischen, o¨ konomischen und medizinischen Schriften. Bearb. v. Stefan Kirschner / Andreas K¨uhne. 1999; VI / 1-2. Documenta. Bearb. v. Andreas K¨uhne. 1994-96; VIII / 1. Recepta Copernicana. Besorgt von Heribert M. Nobis u. a. 2002; IX. Biographia Copernicana. Die C.Biographien des 16. bis 18. Jahrhunderts. Bearb. v. Andreas ¨ ¨ K¨uhne / Stefan Kirschner. 2004). – Ubersetzungen: Uber die ¨ Kreisbewegungen [sic] der Weltk¨orper. Ubers. v. Carl Ludolf Menzzer. Thorn 1879 (Leipzig 1939); De revolutionibus. Buch I. Lateinisch-Deutsch. Hrsg. v. Georg Klaus, Anmerkungen Aleksander Birkenmajer. Berlin 1959. – Three Copernican Treatises. Transl. Edward Rosen. New York 1939, 2 1959, 31981 (mit C.-Biographie und Bibliographie). – N. K. Erster Entwurf seines Weltsystems. Lateinisch-Deutsch. Hrsg. v. Fritz Rossmann. M¨unchen 1948 (Nachdr. Darmstadt 1966). – Noel M. Swerdlow: The Derivation and First

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Draft of C.’s Planetary Theory: A Translation of the „Commentariolus“ with commentary. In: Proceedings of the American Philosophical Society 117 (1973), S. 423-512. – N. C. Das neue Weltbild. Drei Texte: Commentariolus, Brief gegen Werner, De revolutionibus I. Lateinisch-Deutsch. Hrsg. v. Hans G¨unter Zekl. Hamburg 1990. LITERATUR: Bibliographien / Regesten: Henryk Baranowski: Bibliografia Kopernikowska 1509-1955 [II, 1956-1971]. Warschau 1958-73. – Marian Biskup: Regesta Copernicana (Calendar of C.’ Papers). Wrocław u. a. 1973. – Owen Gingerich: An annotated census of C.’ De revolutonibus. Leiden 2002. – Weitere Titel: Leopold Prowe: N. Coppernicus. 2 Bde. in 3, Berlin 1883 / 84 (Nachdr. Osnabr¨uck 1967). – Ernst Zinner: Entstehung und Ausbreitung der coppernicanischen Lehre. Erlangen 1943. M¨unchen 21988 (Bibliographie). – Studia Copernicana. Bd. 1 ff., Wrocław 1970 ff. – Felix Schmeidler: N. K. Stuttgart 1970 (Große Naturforscher 34). – Avant, avec, apr`es Copernic. La repr´esentation de l’Univers et ses cons´equences e´ pist´emologiques. Paris 1975. – Hans Blumenberg: Die Genesis der kopernikanischen Welt. Frankfurt / Main 1975. – N. C. Quincentenary Celebrations: Final report. Wrocław u. a. 1977. – Noel M. Swerdlow / Otto E. Neugebauer: Mathematical Astronomy in C.’ „De revolutionibus“. 2 Teile, Berlin u. a. 1984 (Komm. De revolutionibus). – Fritz Krafft: N. C. Astronomie und Weltbild an der Wende zur Neuzeit. In: Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften G¨ottingen, Philosophischhistorische Klasse, 3. Folge 179 (1989) S. 282-335. – Gudrun Wolfschmidt (Hrsg.): N. C., Revolution¨ar wider Willen. Stuttgart 1994. – Fritz Krafft: Unverstandene Horaz-Zitate bei N. C. als Datierungsmittel. In: Sudhoffs Archiv 81 (1997) S. 139-157. Fritz Krafft

Copes, Johann, Diplomat, * 1601 Rhenen, † M¨arz 1669 Den Haag. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft wurde C., Sohn eines Offiziers des Grafen von Limburg-Stirum, Auditeur in Wesel und war bald darauf in diplomatischen Diensten t¨atig. 1649 ernannte ihn Kurf¨urst → Friedrich Wilhelm zum Residenten in Den Haag. Er nahm an einem Großteil der Verhandlungen teil, die mit den Generalstaaten gef¨uhrt wurden, und hatte am Zustandekommen der Allianz von 1654 wesentlichen Anteil. 1659 wurde C. in den Reichsadelsstand erhoben. C NDB

Coppenstein, Johannes Andreas, Dominikaner, Theologe, † 1638. Urspr¨unglich Jesuit, trat C. zu den Dominikanern u¨ ber und erscheint 1612 als praedicator generalis in Koblenz mit dem Ruf eines bedeutenden Theologen und Predigers. Er stand mit den Erzbisch¨ofen von Trier, Lothar Friedrich von → Metternich, und Mainz, Johann → Schweikard von Kronberg, in Beziehung und erhielt nach der Einnahme der Rheinpfalz durch Maximilian von Bayern die Pfarrei St. Peter in Heidelberg, wo er den kath. Glauben erneuern sollte, was er energisch und erfolgreich unternahm. 1629 erschien Christus defensus contra theomachiae antichristianismos LutheroCalvinianos. Copper, Reiner, reformierter Pfarrer, getauft 15. 9. 1643 Moers, † 18. 12. 1693 Emden. C., Sohn eines Soldaten, war Anh¨anger der kirchlichen Erneuerungsbewegung Jean de Labadies. Er studierte in Duisburg, bekam 1670 die Pfarrei in Isselburg, wurde aber 1673 ¨ wegen seiner kritischen Außerungen gegen¨uber den bestehenden kirchlichen Verh¨altnissen entlassen. 1674 von der ¨ Abtissin des Stifts Herford zum Hofprediger und Betreuer der verbliebenen Anh¨anger der Gemeinde Labadies berufen, war er seit 1677 Pfarrer in M¨ulheim / Ruhr, seit 1680 in Duisburg, wurde aber auch dort wegen seiner Aus¨ubung strenger

Corda Kirchenzucht und daraus folgender heftiger Auseinandersetzungen entlassen. Ebenso erging es ihm in Krefeld, weshalb er schließlich mit 20 bis 30 Anh¨angern nach Wieuwert zog und dort eine Gemeinde gr¨undete, die sich 1692 aufl¨oste. C NDB

Copus, Wilhelm, Mediziner, * Basel, † 1532. Der geb¨urtige Basler studierte in Paris Mathematik, griechische und r¨omische Literatur sowie Medizin. Nach seiner Promotion war er Feldarzt bei der franz¨osischen Armee, erhielt daraufhin eine Professur an der Pariser Univ. und wurde Leibarzt von Ludwig XII. und Franz I. C. u¨ bersetzte medizinische Werke aus dem Griechischen (u. a. 1530 von Hippokrates und Galen). Er war Arzt des → Erasmus, als dieser 1526 in Basel schwer erkrankte.

Coradi-Stahl, Emma, Philanthropin, * 9. 11. 1846 Dozwil, † 8. 4. 1912 Z¨urich. Seit 1896 war C.-S. Eidgen¨ossische Inspektorin der gewerblichen und hauswirtschaftlichen Schulen, gr¨undete 1893 die Wochenzeitschrift „Schweizer Frauenheim“ und verfaßte die stark verbreiteten erz¨ahlerischen hauswirtschaftlichen B¨ucher Wie Gritli haushalten lernt (1902) und Gritli in der K¨uche (1904). Daneben war sie in der schweizer. Frauenbewegung aktiv, Mitglied des Aufsichtsrats der Z¨urcher Fachschule f¨ur Damenschneiderei und Arbeitslehrerinnenkurse sowie Mitbegr¨underin der Schweizerischen Pflegerinnenschule Z¨urich und der Gartenbauschule Niederlenz.

Coray, Han, eigentl. Karl Heinrich Ulrich Anton C., schweizer. Kunstsammler, Kunsth¨andler, * 26. 4. 1880 Thal (Kt. St. Gallen), † 23. 10. 1974 Agnuzzo (Gem. Muzzano, Kt. Tessin). Der Sohn eines Arztes und einer Krankenpflegerin besuchte 1896-1900 das Evangelische Lehrerseminar Unterstraß in Z¨urich, studierte in Neuenburg und arbeitete als Hauslehrer in Argentinien. 1904-12 war er Primarlehrer in RiedGibswil (Gem. Wald) und Kilchberg (Z¨urich), 1912-17 Direktor der Beust’schen Privatschule und der PestalozziSchule in Z¨urich. C. besaß Galerien in Z¨urich und Basel, wo er 1916 / 17 Werke der Avantgarde ausstellte. 1917-19 arbeitete er als Buch- und Kunsth¨andler in Z¨urich und f¨orderte u. a. Max → Gubler und Ignaz → Epper. 1919-28 engagierte er sich als Sammler europ¨aischer Kunst des 15.-18. Jh. sowie von afrikanischer Kunst und leitete ein Privatmuseum in einer Villa in Erlenbach (Z¨urich). Nach dem Tod seiner Frau Dorrie Stoop verkaufte C. den gr¨oßten Teil seiner Sammlung. Teile der Afrikasammlung befinden sich heute im V¨olkerkundemuseum und im Museum Rietberg in Z¨urich. Seit 1930 lebte C. in Agnuzzo, wo er das Hotel Casa Coray erichtete und es mit Kunstobjekten ausstattete. Unter dem Namen Heinrich Corray ver¨offentlichte er reformp¨adagogische Schriften, u. a. Neulandfahrten (1912). C. war der Vater von Hans → C. C HLS

Coray, Hans, schweizer. Designer, K¨unstler, * 9. 6. 1906 Wald (Kt. Z¨urich), † 22. 11. 1991 Z¨urich. Der Sohn von Han → C. studierte an der Univ. Z¨urich Romanistik, wurde 1929 promoviert und war 1931 als Oberschullehrer in Aarau und Zuoz t¨atig. 1938 entwarf er den sog. „Landi-Stuhl“ f¨ur die Schweizerische Landesausstellung, einen stapelbaren Stuhl aus Aluminium. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs war C. f¨ur die Gestaltung von Ausstellungen f¨ur Schweizer Chemiekonzerne zust¨andig. Seit 1945 arbeitete er als freier Designer, K¨unstler und Kunsth¨andler. Er schuf zahlreiche M¨obel aus Aluminium, Stahlrohr und Holz. C. geh¨orte zu den ersten schweizer. Designern, die vor allem Sitzm¨obel f¨ur die industrielle Herstellung entwarfen. Charakteristisch f¨ur seine Arbeiten sind Klarheit und Funktio-

nalit¨at. Seit Mitte der f¨unfziger Jahre wandte er sich der bildenden Kunst zu und schuf u¨ berwiegend Skulpturen aus C AKL Metall.

Coray, Richard, schweizer. Ger¨ust- und Seilbahnbauer, * 30. 7. 1869 Trins (Kt. Graub¨unden), † 3. 10. 1946 Wiesen (Kt. Graub¨unden). Der Bauernsohn wurde zum Zimmermann ausgebildet, besuchte das Technikum in Winterthur und gr¨undete mit seinem Bruder Vinzenz C. und Hans Telli eine Seilbahn- und Ger¨ustbaufirma. Nach deren Aufl¨osung 1896 war er vor¨ubergehend in Bosnien als Holztransporteur t¨atig. Anschließend erbaute C. f¨ur die meisten großen schweizer. Br¨uckenbauten die h¨olzernen Ger¨uste. Zu seinen wichtigsten Arbeiten z¨ahlen die Lehr- und Montageger¨uste f¨ur das Wiesener Viadukt, die Langwieser Br¨ucke, die von Robert → Maillart konstruierte Salginatobelbr¨ucke bei Schiers (Kt. Graub¨unden) und die 1940 fertiggestellte Br¨ucke u¨ ber die Tara in Montenegro mit einem Bogen von 120 m Spannweite und einer Gesamth¨ohe von 190 m. C Schweizer Pioniere, Bd 41 Corbach, Karl (August), Dirigent, * 16. 3. 1867 L¨utgendortmund, † 11. 6. 1947 Sondershausen. C., der bereits als Zw¨olfj¨ahriger in o¨ ffentlichen Konzerten aufgetreten war, besuchte das K¨olner Konservatorium, wurde erster Geiger des K¨olner Stadttheater-Orchesters und 1890 / 91 Solist des Laube-Orchesters Hamburg. Ein Jahr sp¨ater erfolgte der Ruf als Konzertmeister an die f¨urstliche Hofkapelle Sondershausen, wo er Lehrer des Konservatoriums, 1910 Prof. und 1911 Hofkapellmeister sowie Direktor des Konservatoriums wurde. C. war ber¨uhmt als Solist sowie als Quartett- und Kammermusiker. Corbat, Marius, schweizer. Milit¨ar, * 4. 12. 1893 Vendlincourt, † 18. 12. 1965 Bern. Zun¨achst Lehrer, wurde C. Instruktionsoffizier der Schweizer Infanterie und sp¨ater Abteilungskommandeur bei den Fahrenden Mitrailleuren, wurde in den Generalstab versetzt und dort 1941 als Oberstdivision¨ar Unterstabschef der Armee. 1950 erhielt C. als Oberstkorpskommandant den Befehl u¨ ber das I. Armeekorps und wurde 1954 Ausbildungschef der Schweizer Armee. Im Widerspruch zur geplanten Aufgabe des bislang rein defensiven Verteidigungskonzepts der Schweiz nahm C. im Oktober 1957 vorzeitig seinen Abschied. Corda, August Karl Josef, Botaniker, * 22. 11. 1809 Reichenberg, † 28. 9. 1849 in der Karibik. C. war Kaufmannslehrling und bildete sich autodidaktisch aus. 1829 ver¨offentlichte er eine Monographia rhizospermarum et hepaticorum, ging dann, von Alexander von → Humboldt aufgefordert, nach Berlin, wo er botanische mikroskopische Untersuchungen betrieb, und wurde 1834 Kustos am Nationalmuseum in Prag. 1847 begab er sich auf eine Forschungsreise nach Texas; er starb auf der R¨uckreise beim Untergang seines Schiffes. C. f¨uhrte als erster die mikroskopische Abbildung und Diagnose aller Pilzformen durch; sein Werk Icones fungorum hucusque cognitorum (6 Bde., 1837-54) galt lange Zeit als unentbehrliches Handbuch. Daneben gelangen C. einige Entdeckungen auf dem Gebiet der Moose und Pilze. Er geh¨ort zu den drei großen F¨orderern der Phytopal¨aontologie seiner Zeit. C. war Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina (seit 1835). Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen ferner Algen (1839), Pracht-Flora europ¨aischer Schimmelbildungen (1839) und Beitr¨age zur Flora der Vorwelt (1845). C NDB

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Cordan Cordan, Wolfgang, eigentl. Heinrich W. Horn, Pseud. Hendrik van Hoorn, Schriftsteller, Arch¨aologe, * 3. 6. 1909 Berlin, † 29. 1. 1966 Guatemala. In m¨utterlicher Linie stammte C. aus der Familie Friedrich → Nietzsches. Er studierte Klassische Philologie, Philosophie und Musikwissenschaft, emigrierte 1933 u¨ ber Paris nach Amsterdam, wo er 1934-37 die Literaturzeitschrift „Het Fundament“ redigierte, und schloß sich der holl¨andischen R´esistance-Bewegung an. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging C. in die Schweiz und lebte seit 1947 als freier Schriftsteller in Mexiko. Er unternahm arch¨aologische Forschungsreisen im Mittelmeerraum und in Mittelamerika; seit 1954 lehrte er an der M´erida-Universit¨at in Yucatan Arch¨aologie. C. geh¨orte dem George-Kreis an, schrieb Lyrik, Romane, dramatische Werke (u. a. Die Vollendung des Achill), Erz¨ahlungen, arch¨aologische Berichte und war als Herausgeber und ¨ Ubersetzer t¨atig. C Killy

Cordatus, Konrad, eigentl. K. Hertz, luth. Theologe, * 1480 oder 1483 Leombach bei Wels, † 25. 3. 1546 bei Spandau. C., Sohn eines Großbauern, erscheint 1502 als in Wien immatrikuliert. 1504 reiste er nach Rom und wurde 1508 in Ferrara zum Lic. theol. promoviert. Zwei Jahre sp¨ater war er ¨ Prediger in Ofen, wo er wegen reformatorischer Außerungen inhaftiert wurde. Im Juni 1524 kam er erstmals nach Wittenberg. Nach Ungarn zur¨uckgekehrt, predigte er in Kremnitz und war in Gran monatelang in Haft. 1527 wirkte er vor¨ubergehend an der Liegnitzer Akademie. 1529 wurde C. Prediger in Zwickau, 1532 Pfarrer in Niemegk und schließlich 1540 Superintendent von Stendal. L¨angere Zeit war er Mitglied der Tischrunde → Luthers, wobei er mit → Melanchthon in Auseinandersetzungen geriet. Er unternahm es als erster, Tischreden Luthers nachzuschreiben und zu sammeln. C. starb auf einer Reise nach Frankfurt / Oder. C Killy Cordemann, Friedrich, Milit¨ar, * 14. 6. 1812 Lauenau bei Hannover, † 18. 4. 1891 Coburg. C. trat 1828 als Kadett in das hannoversche Milit¨ar ein und wurde 1836 und 1840 in den Generalstab kommandiert. 1848 / 49 nahm er am Krieg gegen D¨anemark teil und wurde als Oberst 1866 Chef des Armeegeneralstabs. Im Dezember desselben Jahres wurde er auf eigenen Wunsch ins preuß. Heer u¨ bernommen, schied jedoch bereits 1869 wieder aus. W¨ahrend der Mobilmachung gegen Frankreich agierte er als Etappeninspekteur, erhielt den Rang eines Generalmajors und wurde nach dem Krieg Kommandant von Nancy. Cordes, Alexandra, eigentl. Ursula Schaake, weitere Pseud.: Christa Bach, Jennifer Morgau, Schriftstellerin, * 16. 11. 1935 Bonn, † 28. 10. 1986 Chateauneuf-du-Pape. Bereits w¨ahrend ihrer Ausbildung zur Journalistin und Dolmetscherin schrieb C. f¨ur namhafte Zeitungen und Zeitschriften. 1958 ver¨offentlichte sie mit Die entzauberten Kinder ihren ersten von insgesamt 56 Unterhaltungsromanen, von denen einige auch international erfolgreich waren, u. a. Sag mit auf Wiedersehen (1975) und Geh vor dem letzten Tanz (1976). Ihr Gesamtwerk erreichte eine Auflage von etwa 12 Millionen Exemplaren. C. wurde von ihrem Ehemann Michael → Horbach ermordet. C Killy

Cordes, Carl Wilhelm Hermann, Industrieller, * 1. 3. 1877 Elze bei Hannover, † n. e. Nach einer Berufsausbildung in Chemikalien-, Drogen- und ¨ Olgroßhandlungen in Hannover und Braunschweig gr¨undete C. 1900 die Firma Carl Cordes. C. war in f¨uhrenden Positionen in der Verbandspolitik t¨atig, u. a. als Vorstandsmitglied ¨ des Reichsverbandes des deutschen Groß- und Uberseehandels e. V. und zweiter Vorsitzender des Reichsverbandes des

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deutschen Drogen- und Chemikaliengroßhandels in Berlin. F¨ur seine vielfachen Verdienste erhielt C. verschiedene OrC MBL den und Ehrenzeichen.

Cordes, Johann Heinrich Karl, Missionar, * 21. 3. 1813 Betzendorf bei L¨uneburg, † 9. 3. 1892 L¨oßnitz bei Dresden. Der gelernte Buchh¨andler fand nach einer T¨atigkeit in Freiberg Anstellung bei einem christlichen Buchh¨andler in Straßburg und trat 1837 in das Missionsseminar in Basel ein. Auf seine Ordination in Greiz folgte am 2. 3. 1840 seine Versetzung in die d¨anische Kolonie Trankebaar in S¨udostindien. Hier wirkte C. als luth. Missionar und wurde 1843 provisorischer Nachfolger des Verwalters Hans Knudsen. Nach dem Verkauf der Kolonie an England wurde die Mission offiziell dem Dresdner Missionsverein u¨ bergeben und C. zum Senior der Leipziger Missionare ernannt. 1857 reiste er in die Heimat, um das Problem des Kastenstreits zu kl¨aren. 1868 begleitete C. den Missionsdirektor auf einer Visitationsreise, kehrte 1870 endg¨ultig aus Indien zur¨uck und war 1872-87 Vizedirektor der Leipziger Mission.

Cordes, Johann Wilhelm, Maler, * 16. 3. 1824 L¨ubeck, † 16. 8. 1869 L¨ubeck. Nach einer Kaufmannslehre in Wandsbeck schlug der Kaufmannssohn die k¨unstlerische Laufbahn ein und begab sich nach Prag. 1842 schloß er sich in D¨usseldorf → Lessing und Hans → Gude an, malte in Frankfurt unter Beckers Leitung und war 1856-59 Prof. an der Kunstschule in Weimar. C. malte haupts¨achlich nordische Motive, Marine- und Strandszenen. Am bekanntesten ist seine Arbeit Wilde Jagd, die 1868 in Berlin ausgestellt und sp¨ater in die Sammlung Gsell in Wien u¨ bernommen wurde. C SHBL, Bd 7

Cordes, Marcel, eigentl. Kurt Schumacher, S¨anger, * 11. 3. 1920 Stelzenberg (Rheinpfalz), † 26. 11. 1992 Angerberg (Tirol). C. studierte 1936-38 an Konservatorium in Kaiserslautern, 1938-40 an der Musikhochschule in Mannheim sowie bei Fritz Krauss in M¨unchen. Nach dem Deb¨ut als Tenor am Stadttheater in Eger (B¨ohmen) 1941 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. 1948-50 war er am Pfalztheater Kaiserslautern, 1950 / 51 am Nationaltheater Mannheim, 1951-54 am Staatstheater von Karlsruhe und 1954-67 an der Bayerischen Staatsoper in M¨unchen engagiert, wo er 1957 an der Urauff¨uhrung von Paul → Hindemiths Harmonie der Welt mitwirkte. C., der 1951 ins Baritonfach gewechselt war, trat auch an der St¨adtischen Oper Berlin (1962), am Stadttheater Z¨urich (1966), an der Wiener Volksoper (1967-71) sowie an der Mail¨ander Scala, bei den Bayreuther Festspielen und an den Staatsopern in Hamburg, Wien und Stuttgart auf. Sein Schwerpunkt lag auf dem italienischen Repertoire. Auf einem Ohr ertaubt, zog sich C. Anfang der siebziger Jahre von der B¨uhne zur¨uck und lebte seitdem in Tirol. C Kutsch

Cordes, Wilhelm, Unternehmer, * 3. 11. 1875 Lette, † 23. 11. 1932 Lette. Nach dem Tod seines Vaters, der als Stellmacher und Wagenbauer in Lette ein eigenes Unternehmen gef¨uhrt hatte, u¨ bernahm C. 1908 zusammen mit seinem Bruder die Leitung des Gesch¨afts. Er erweiterte die Produktion um Waschmaschinen, mit denen er zun¨achst nur das Ruhrgebiet belieferte. Sp¨ater exportierte er auch in die Niederlande, nach Belgien, Frankreich, Luxemburg, in die Schweiz und nach Skandinavien. Technisch hielt C. stets Anschluß an moderne Entwicklungen und stellte bereits vor dem Ersten Weltkrieg Waschmaschinen mit Elektromotoren her.

Cordier, Honorius, Taufname: Johann Ignatius C., Franziskaner, Theologe, * 21. 4. 1707 Koblenz, † 29. 11. 1778 Br¨uhl. Der Metzgerssohn trat 1725 als Novize in das FranziskanerRekollektenkloster in Br¨uhl ein, empfing 1730 die Priester-

Cordus weihe und wurde Lektor der Philosophie in Heidelberg, sp¨ater der Theologie in anderen Konventen. Nachdem er mehrere Kl¨oster als Guardian geleitet hatte, wurde er 1754 Provinzial der k¨olnischen Franziskaner-Provinz und leitete 1761-67 die deutsch-belgische Nation seines Ordens. C. vero¨ ffentlichte zahlreiche Werke u¨ ber Johannes Duns Scotus und Raimundus Lullus; 1754 erschien die Schrift Libertas Dei ad extra operantis theologice discussa. C NDB

Cordier, (Heinrich) Leopold, reformierter Theologe, * 14. 7. 1887 Landau / Pfalz, † 1. 3. 1939 Gießen. Der aus einer Hugenottenfamilie stammende C., Sohn eines Kaufmanns, studierte in Halle, Berlin und Heidelberg, wo er promoviert wurde, und war seit 1911 Milit¨arhilfsprediger in Karlsruhe. 1914 wurde er Pfarrer in Eschelbronn (Baden) und ging 1917 als Pfarrer nach Frankfurt / Main, 1922 nach Elberfeld. Seit 1925 Privatdozent an der Bonner Univ., wurde er 1926 o. Prof. der praktischen Theologie in Gießen. Dort gr¨undete er das „Institut f¨ur evangelische Jugendkunde und evangelische Erziehungswissenschaft“, das jedoch sp¨ater dem nationalsozialistischen Regime zum Opfer fiel. C. war Mitgr¨under (1921) und Leiter der „Christdeutschen Jugend“, Vorsitzender des Deutschen Hugenottenvereins sowie Herausgeber der „Christdeutschen Stimmen“. Literarisch besch¨aftigte er sich vor allem mit evang. Jugendarbeit, Jugendf¨ursorge und P¨adagogik (Evangelische P¨adagogik, 2 Bde., 1932-38). C RGG

Cords, Werner (Heinrich Wilhelm Ernst), auch CordsParchim, Architekt, * 19. 12. 1886 Parchim, † 29. 12. 1954 Dresden. Nach dem Architekturstudium an der TH Hannover (1907-13) trat C., Sohn eines Volksschullehrers, 1920 das Amt des Regierungsbaumeisters in Parchim an, wo er sp¨ater auch als Privatarchitekt t¨atig war. Seit 1947 leitete er als Ministerialdirigent die Landesbauverwaltung von Mecklenburg. Noch im gleichen Jahr folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl f¨ur Landwirtschaftliches Bauen und Technische Bauhygiene an der TH Dresden. Dort war C. mit der Leitung des Entwurfsinstituts f¨ur L¨andliches Bauen beauftragt. Er besch¨aftigte sich besonders mit den durch die zunehmende Technisierung der Landwirtschaft entstandenen Problemen landwirtschaftlichen Bauens, f¨ur die er beispielhafte L¨osungen schuf. C. verfaßte zahlreiche wissenschaftliche Schriften (Zahlen und Maße f¨ur den Landbaumeister, 2 Bde., 1951-54; Technische Bauhygiene, 1953) und entwarf u. a. die Gutsanlagen von Rodenwalde (Mecklenburg) sowie die Landwirtschaftliche Versuchsstation der TH Dresden. C AKL Cordus, Euricius, Dichter, Arzt, Botaniker, * 1486 Simtshausen bei Marburg, † (24. 12. ?) 1535 Bremen. Der als 13. und letztes Kind eines M¨ullers geborene C. erhielt den elementaren Schulunterricht in Frankenberg und wohl auch in Marburg. Obgleich sich ein anschließender Universit¨atsbesuch nicht nachweisen l¨aßt, erlangte er offenbar 1507 in Erfurt den Grad eines Baccalaureus artium. Aus der vermutlich im folgenden Jahr geschlossenen Ehe gingen acht Kinder hervor, darunter Valerius → C. Von etwa 1509 bis 1511 als Rektor der Altstadtschule in Kassel, dann bis 1512 als landgr¨aflicher Rentschreiber in Felsberg t¨atig, wandte er sich 1513 erneut nach Erfurt, wo er 1516 die Magisterw¨urde erwarb, an der Univ. Vorlesungen hielt und wie der ihm freundschaftlich verbundene Eobanus → Hessus dem Humanistenkreis um Conradus → Mutianus angeh¨orte. Seit 1517 (oder 1518) Rektor an der Erfurter Marienstiftsschule, reichten seine Eink¨unfte freilich auch dann nicht aus, weshalb sich C. f¨ur die Medizin entschied; zum Abschluß seiner Studien begab er sich 1521 nach Ferrara und wurde dort noch im selben Jahr promoviert. Wieder in Erfurt, fand er 1523 eine Anstellung

als Stadtarzt in Braunschweig, wo der u¨ berzeugte Anh¨anger → Luthers indes bald auf Widerstand stieß. 1527 folgte C. daher dem Ruf Landgraf → Philipps von Hessen auf den Lehrstuhl f¨ur Medizin an die Univ. Marburg. Jedoch war auch in dieser Stadt der Frieden nicht von Dauer; vielmehr f¨uhrten C.’ fortschrittlich-wissenschaftliche Ansichten wie seine leicht reizbare, unduldsame Wesensart immer wieder zu Zwistigkeiten, die ihn schließlich 1534 veranlaßten, als Stadtarzt und Gymnasiallehrer nach Bremen zu gehen. Sein schriftstellerisches Werk er¨offnete C. mit Hirtengedichten, dem u¨ berraschend realistisch-sozialkritischen Bucolicon (1514, erw. und umgearb. 1518), w¨ahrend die im Rahmen einer literarischen Fehde verfaßte Defensio (1515) und die ersten zwei bzw. drei B¨ucher Epigrammata (1517 bzw. 1520) in der Folge seinen Ruf als bissiger Satiriker begr¨undeten. In diese fr¨uhe Schaffensphase f¨allt ferner eine an → Johann Friedrich von Sachsen gerichtete Gratulatio (1522), die C. drei Jahre sp¨ater stark erweitert als Antilutheromastix (1525) nochmals herausgab. Zur selben Zeit ver¨offentlichte er außerdem einen mehr als 1500 Hexameter umfassenden Appell an Kaiser → Karl V. und die deutschen F¨ursten, die wahre Religion nun endlich anzuerkennen und sich f¨ur die Sache Luthers zu erkl¨aren; auch diese Exhortatio (1525) ließ er, um einen Anhang vermehrt, als Paraeneticon (1527) ein zweites Mal drucken. Hatte sich C. bis dahin als satirischer Dichter und politisch-religi¨os engagierter Autor einen Namen gemacht, so wandte er sich w¨ahrend der Marburger Jahre und damit in einer zweiten Schaffensperiode – von den noch folgenden B¨uchern seiner Epigramme abgesehen – ausschließlich der medizinischen, fast durchweg in deutscher Sprache gehaltenen Fachprosa zu. Aus aktuellem Anlaß schrieb er zun¨achst Ein Regimennt Wie man sich vor der Newen Plage / Der Englische Schweis genant / bewaren [. . .] sall (1529), das angesichts der damals grassierenden Krankheit auch andernorts mehrfach nachgedruckt wurde. Der sachlichen Aufkl¨arung sollte hingegen das B¨uchlein Von der vielfaltigen tugent unnd waren bereitung / Deß rechten edlen Theriacs [. . .] (1532) dienen, in dem C. besonders die zahlreichen Verf¨alschungen dieses seinerzeit h¨aufig gebrauchten Arzneimittels anprangert. Zwei Jahre sp¨ater ver¨offentlichte er sein medizinisches Hauptwerk: das in Form eines lateinischen Dialogs abgefaßte Botanologicon (1534, auch 1551), das vor allem durch seinen methodisch neuen Ansatz der Pflanzenkunde den Weg zu einer eigenst¨andigen Wissenschaft vorgezeichnet hat. Aus dem Nachlaß herausgegeben wurde schließlich seine Schrift Von der kunst, auch missbrauch und trug des harnsehens (1536, auch 1543), die speziell das Kurpfuschertum in der Uroskopie entlarvt. Postum erschienen sind ferner die letzten vier der insgesamt 13 B¨ucher seiner (rund 1300) lateinischen Epigramme, deren vollst¨andige Ausgabe erst im Rahmen der Opera poetica (vermutlich 1550, auch 1564, 1614 und 1616) erfolgte und denen unter all seinen Werken zweifellos die gr¨oßte Bedeutung zukommt. Der dauerhafte Ruhm des Humanisten C. gr¨undet sich denn auch auf diese meist kritischen, ebenso scharfz¨ungigen wie oft humorvollen Epigramme, die dem Leser ein ungew¨ohnlich breitgef¨achertes, farbig-lebendiges Bild der Reformationszeit vermitteln und ihren Verfasser in der Tat als einen der hervorragendsten Vertreter dieser literarischen Gattung im 16. Jh. ausweisen. LITERATUR: VD 16, C 5064-5108. – E. C. Epigrammata (1520). Hrsg. v. Karl Krause. Berlin 1892. – E. C. Der Englische Schweiß 1529 [Faksimile]. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Gunter Mann. Marburg 1967. – Peter Dilg: Das Botanologicon des E. C. Ein Beitrag zur botanischen Literatur des Humanismus. Diss. Marburg 1969 ¨ (S. 122-333: deutsche Ubersetzung). – Armgard M¨uller: Das Bucolicon des E. C. und die Tradition der Gattung.

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Cordus ¨ Text, Ubersetzung, Interpretationen. Trier 1997. – Ioanna Paschou: E. C., Bucolicon. Kritische und kommentierte Ausgabe. Hamburg 1997. – Peter Dilg: C., E. In: Deutscher Humanismus 1480-1520. Verfasserlexikon. Hrsg. v. Franz Josef Worstbrock. Berlin / New York, in Vorb. (mit einer Bibliographie der Prim¨ar- und der Sekund¨arliteratur). Peter Dilg

Cordus, Valerius, Naturforscher, * 18. 2. 1515 Erfurt, † 25. 9. 1544 Rom. Nach dem Erwerb des Bakkalaureats 1531 in Marburg setzte der Sohn des Euricius → C. sein Studium 1533 in Leipzig fort, wo er sich in der Apotheke seines Onkels zugleich pharmazeutisch weiterbildete. Sp¨atestens seit 1539 in Wittenberg, hielt C. an der Univ. wiederholt Vorlesungen u¨ ber die ‚Materia medica‘ des Dioskurides und unternahm nach v¨aterlichem Vorbild mehrfach botanische Exkursionen in die n¨ahere Umgebung, aber auch gr¨oßere Forschungsreisen; deren letzte f¨uhrte ihn bis nach Rom, wo er wahrscheinlich an den Folgen eines Unfalls oder an der Malaria gestorben ist. Der schon von seinen Zeitgenossen hochgesch¨atzte junge Naturforscher hinterließ ein vielseitiges, erst postum ver¨offentlichtes Werk, um das sich besonders Konrad → Gesner verdient gemacht hat: So enth¨alt ein von ihm 1561 in Straßburg herausgegebener Sammelband zun¨achst die Annotationes in Pedacii Dioscoridis Anazarbei de medica materia libros V, die bereits 1549 in Frankfurt / Main als Anhang zu der lateinischen Dioskurides-Edition des Walther Hermann → Ryff und 1551 in Paris gemeinsam mit dem „Botanologicon“ des Euricius C. erschienen waren; des weiteren eine Sylva [. . .] betitelte Sammlung von kurzen, noch unverarbeiteten Notizen, in denen C. die auf seinen naturkundlichen Wanderungen angestellten Beobachtungen u¨ ber Minerale, Pflanzen und Tiere samt genauer Angabe ¨ der jeweiligen Ortlichkeiten festgehalten hat; ferner den kleinen De artificiosis extractionibus liber, in dem man ¨ f¨alschlicherweise die erste Anleitung zur Athergewinnung aufzufinden glaubte, sowie Compositiones medicinales aliquot, non vulgares, d. h. einige wenige, offenbar von C. selbst entwickelte Arzneirezepturen; schließlich und vor allem aber die Historiae stirpium libri IV, denen Gesner 1563 noch einen ebenfalls in Straßburg ver¨offentlichten Stirpium descriptionis liber quintus mit den von C. in Livorno verfaßten Pflanzenbeschreibungen folgen ließ. Auch die als letzte im Druck erschienene Schrift des jungen Gelehrten De halosantho seu spermate ceti vulgo dicto liber, eine Monographie u¨ ber die Droge Walrat, ist nur durch Gesners Publikation (1566) der Nachwelt erhalten geblieben. C.’ wissenschaftliche Verdienste liegen demnach haupts¨achlich auf dem Gebiet der Botanik und der Pharmakognosie, die er mit seinen ebenso pr¨azisen wie anschaulichen, stets auf Autopsie gegr¨undeten Beschreibungen (insgesamt mehr als 500) wesentlich bereicherte, zumal dabei nicht allein wild wachsende oder kultivierte, zum Teil sogar neu entdeckte Pflanzen Deutschlands und Italiens, sondern auch viele exotische, darunter erst seinerzeit importierte Drogen Ber¨ucksichtigung fanden. Nebenher hat sich C. außerdem als Zoologe bet¨atigt und als Mineraloge den ihm freundschaftlich verbundenen Georgius → Agricola wiederholt mit Ausk¨unften und Materialien versorgt. Sein speziell unter Pharmazeuten bis heute nachwirkender Ruhm beruht dagegen auf der 1546 in N¨urnberg gedruckten, letzthin in ¨ mehr als 50 Ausgaben, Ubersetzungen und Bearbeitungen

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verbreiteten Vorschriftensammlung Pharmacorum [. . .] conficiendorum ratio. Vulgo vocant Dispensatorium [. . .], die dort 1547 – als erstes amtliches Arzneibuch im deutschen Sprachraum – und dann auch in zahlreichen anderen St¨adten verbindlich eingef¨uhrt worden ist. LITERATUR: VD 16, C 5109-5120. – Das Dispensatorium des V. C. Faksimile des im Jahre 1546 erschienenen ersten Druckes durch Joh. Petreium in N¨urnberg. Mit einem Geleitworte von Ludwig Winkler. Mittenwald 1934. – T. A. und M. S. Sprague: The Herbal of V. C. In: The Linnean Society’s Journal – Botany 52 (1939) S. 1-113. – Georg Edmund Dann: Leben und Leistung des V. C. aus neuerer Sicht. In: Pharmazeutische Zeitung 113 (1968) S. 1062-1072. – Rudolf Schmitz: C., V. In: DSB, Bd. 3, 1971, S. 413-415 (mit einer Bibliographie der Prim¨ar- und der Sekund¨arliteratur). – Ulrich Horst: Ein neuentdecktes Mineralienverzeichnis des V. C. (1515-1544), mit seinen Angaben u¨ ber Heilmittel. In: Beitr¨age zur Geschichte der Pharmazie [Beilage der Deutschen Apotheker-Zeitung] 30 (1978) S. 9-13. – Claus Priesner: Spiritus aethereus – Formation of Ether and Theories on Etherification from V. C. to Alexander Williamson. In: Ambix 33 (1986) S. 129-152. – Peter Dilg: Zur Edition der botanisch-pharmazeutischen Schriften des V. C. (1515-1544). In: Hans-Gert Roloff (Hrsg.): Editionsdesiderate zur Fr¨uhen Neuzeit. Beitr¨age zur Tagung der Kommission f¨ur die Edition von Texten der Fr¨uhen Neuzeit. Zweiter Teil. Amsterdam 1998, S. 975-982 (mit weiterer Sekund¨arliteratur). Peter Dilg

Coreth zu Coredo und Starkenberg, Emerich Nikolaus Ferdinand Otto Maria Graf zu, auch E. Coreth, o¨ sterr. Jurist, * 3. 11. 1881 Wien, † 24. 6. 1947 Seefeld (Tirol). C., Sohn eines Generalmajors und Kapit¨anleutnants, studierte am Theresianum und an der Univ. Wien, wurde zum Dr. jur. promoviert und war 1906-10 als Verwaltungsbeamter in verschiedenen Bezirken Tirols t¨atig. 1910-14 arbeitete er im Pr¨asidialb¨uro der Statthalterei in Innsbruck; w¨ahrend des Ersten Weltkriegs befand er sich teils an der russischen Front, teils als Zivilkommissar in Bozen. Seit 1918 war er im Ministerium des Innern, seit 1921 im Bundeskanzleramt in Wien t¨atig und wurde 1925 zum Ministerialrat bef¨ordert. C. war Mitarbeiter an der Seipelschen Verwaltungsreform und u¨ bernahm 1930 die Leitung der Verwaltungsreformabteilung, 1931 das Amt eines Rats am Verwaltungsgerichtshof, 1934 am Bundesgerichtshof; 1935 wurde er Senatspr¨asident. 1938 vom nationalsozialistischen Regime des Amtes enthoben, wurde er 1945 Pr¨asident des Verwaltungsgerichtshofs. C. galt als hervorragender Verwaltungsjurist, dessen Werk Die Gesetze zur Vereinfachung der Verwaltung (mit E. Mannlicher, 1926) mehrmals neu aufgelegt und u¨ berarbeitet ¨ wurden. C. gab das „Osterreichische Verwaltungsblatt“ heraus. C NDB

Corfey, Lambert Friedrich von, Ingenieur, Architekt, * 11. 10. 1668 Warendorf, † 18. 2. 1733 M¨unster. Als kurk¨olnischer und m¨unsterscher Generalmajor und Chef der Artillerie war C. maßgeblich an der Eroberung Belgrads 1688 beteiligt. Sp¨ater als Baudirektor in M¨unster t¨atig, erbaute er dort u. a. 1690-1710 das Dominikanerkloster und die Dominikanerkirche (Josephskirche). Historisch interessiert, verfaßte er das Chronicon Monasteriense (o. J.), das sich mit der Geschichte M¨unsters in den Jahren 1650-1720 besch¨aftigt. C AKL

Cori, Carl Isidor, Zoologe, Mediziner, * 24. 2. 1865 Br¨ux (B¨ohmen), † 31. 8. 1954 Wien. C., Sohn eines Kanzleidirektors und Bienenz¨uchters, studierte 1885-90 an der Deutschen Univ. Prag Medizin und Naturwissenschaften und war seit 1887 Assistent des Zoologen Berthold → Hatschek. Er wurde 1889 in Leipzig zum

Corleis Dr. phil., 1891 in Prag zum Dr. med. (Beitrag zur Anatomie der Phoronis) promoviert und habilitierte sich 1892 f¨ur Zoologie und vergleichende Anatomie. Seit 1898 a. o. Prof., u¨ bernahm er gleichzeitig die Leitung der Zoologischen Station in Triest, ein Amt, das er die n¨achsten 20 Jahre innehatte. F¨ur diese Zeit war er von der Prager Deutschen Univ. beurlaubt, wurde 1908 zum o. Prof. ernannt und lehrte von 1919-35 wieder an der Universit¨at (Rektoratsrede 1931: Die Biologie in ihrer Beziehung zur Medizin). Durch seine wissenschaftliche T¨atigkeit konnte C., seit 1932 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, vor allem der Adriaforschung ein gr¨oßeres Gewicht verleihen (Der Naturfreund am Strande der Adria und des Mittelmeergebietes, 1910, 21928 unter dem Titel Der Naturfreund am Meeresstrande). 1938 erschien sein Buch Narkose und An¨asthesie wirbelloser Thiere des S¨uss- und Meerwassers. ¨ Natur b) C Ost

Corinth, Lovis (Franz Heinrich Louis), Maler, Graphiker, Zeichner, * 21. 7. 1858 Tapiau (Ostpreußen), † 17. 7. 1925 Zandvoort. Als Sohn des wohlhabenden Landwirts Franz Heinrich C. besuchte C.1866-72 das Kneiph¨of’sche Gymnasium in K¨onigsberg und studierte 1876-80 an der Kunstakademie K¨onigsberg bei Otto E. G¨unther, 1880-84 an der M¨unchner Kunstakademie bei Ludwig von → L¨offtz, dann einige Monate in Antwerpen beim Maler Paul Eug`ene Gorge und 1884-87 in Paris an der Acad´emie Julian bei Adolphe William Bouguereau und Tony Robert-Fleury. Danach war er in K¨onigsberg und zeitweise in Berlin t¨atig, wo er sich mit Karl → Stauffer-Bern befreundete. Entsprechend den verschiedenen Lehrern ist das Fr¨uhwerk noch sehr unentschieden zwischen einem idealisierenden Akademismus und einem an → Leibl orientierten eindringlichen Realismus, besonders bei Portr¨ats. 1891 ging C. nach M¨unchen, trat der M¨unchner Sezession bei, wurde aber bald als Mitbegr¨under der opponierenden Freien K¨unstlervereinigung ausgeschlossen. Dennoch wurden die M¨unchner Jahre f¨ur ihn durch Freundschaften und Kontakte zu herausragenden K¨opfen wie Max → Halbe, Thomas Theodor → Heine, Otto → Eckmann (der ihn 1891 zur Graphik anregte), Wilhelm → Tr¨ubner, Fritz von → Uhde zu einer produktiven Phase der Selbstfindung. Neben ausdrucksvollen Portr¨ats (Eduard Graf Keyserling, 1900, M¨unchen, Neue Pinakothek), Aktmotiven, Stillleben und Pleinair-Landschaften (malte in Dachau, Bernried, Appenzell) wirkte er als Frondeur besonders durch die malerisch-realistische Trivialisierung antiker und religi¨oser Stoffe, die vom Diogenes (1891, Regensburg, Ostdeutsche Galerie) bis zu Susanna und die beiden Alten (1923, Hannover, Nieders¨achsisches Landesmuseum) zeitlebens g¨ultig blieb. Mit dem Aufstieg Berlins zur modernen Kunstmetropole u¨ bersiedelte C. nach vorangegangenen Kontakten zu den Sezessionisten (Freundschaft mit Walter → Leistikow) wie Max → Slevogt 1901 endg¨ultig nach Berlin. Noch im selben Jahr er¨offnete er eine Malschule und heiratete 1903 seine erste Sch¨ulerin, Charlotte → Berend (die fortan sein einziges Aktmodell war). 1904 wurde der Sohn Thomas, 1909 die Tochter Wilhelmine geboren. C., seit 1902 im Vorstand der Berliner Sezession und 1911 deren Vorsitzender, entwickelte sich neben Max → Liebermann und Slevogt zum profiliertesten K¨unstler des deutschen Impressionismus. Dies trifft allerdings nur bedingt zu, da der vitalistisch-expressive Mal- und Zeichenstil C.s, im Duktus fast gewalthaft, das

Augenblickserleben in die Sph¨are existentieller Wesenhaf¨ tigkeit hebt. Neben Olbildern und Zeichnungen in vielen Medien war er außerordentlich produktiv als Radierer und Lithograph, der illustrierte und Mappenwerke schuf (z. B. Buch Judith, 22 Farblithos, 1910; Das Hohe Lied, 26 Farblithos, 1911; beide Pan-Presse). Am 11. 12. 1911 beendete ein schwerer Schlaganfall (linksseitige L¨ahmung, auch die rechte Hand betroffen) die lebensfrohe mittlere Schaffensphase. Mit gr¨oßter Willensanstrengung sein Ungl¨uck u¨ berwindend, erreichte C. in der letzten Periode nicht nur quantitativ (etwa 500 Gem¨alde und 1000 Graphiken, d. h. 50 Prozent des Gesamtwerks), sondern auch im Ausdruck seinen zum Expressionismus u¨ bergehenden H¨ohepunkt. Diese stilistische Wandlung zu einem noch mehr formaufl¨osenden und farbautarken Ausdruck, mit Elementen des Depressiven und Vision¨aren, ist nicht nur krankheitsbedingt, sondern Spiegel eines geistig vertieften Ausdrucksverlangens. Davon zeugen vor allem zahlreiche schonungslose Selbstbildnisse und leidensvoll-anklagende mythologische Motive (u. a. Der rote Christus, 1924, M¨unchen, Neue Pinakothek; Ecce homo, 1925, Basel, Kunsthalle). 1915 zum Pr¨asidenten der Berliner Sezession gew¨ahlt, wurde er 1918 zum Prof. ernannt, 1919 Mitglied der Akademie der K¨unste Berlin und 1921 Ehrendoktor der Univ. K¨onigsberg. Im 1919 in Urfeld erbauten Landhaus schuf er als letzten Gipfelpunkt ¨ die rund 60 Olbilder vom Walchensee (dazu drei Radierfolgen), deren Ausdrucksfreiheit bereits die Abstraktion streift. C. starb auf einer Hollandreise zu seinen Vorbildern Rembrandt und Frans Hals. Wesentliche Werkteile befinden sich in der Nationalgalerie Berlin, der Gem¨aldegalerie Neue Meister Dresden, der Hamburger Kunsthalle, dem Sprengelmuseum Hannover, dem Lenbachhaus und der Staatsgalerie moderne Kunst M¨unchen, der Ostdeutschen Galerie Regensburg und der Staatsgalerie Stuttgart. WEITERE WERKE: Das Erlernen der Malerei. Berlin 1908. – Legenden aus dem K¨unstlerleben. Berlin 1909. – Gesammelte Schriften. Berlin 1920. – Von C. u¨ ber C. (zusammen mit Wilhelm Hausenstein). Leipzig 1921. – Selbstbiographie. Leipzig 1926. LITERATUR: Rudolf Klein: L. C. Berlin 1908. – Karl Schwarz: Das graphische Werk von L. C. Berlin 1922. – Georg Biermann: Der Zeichner L. C. Dresden 1924. – Alfred Kuhn: L. C. Berlin 1925. – Charlotte Berend-Corinth: Mein Leben mit L. C. M¨unchen 1948. – Gert von der Osten: L. C. M¨unchen 1955. – Charlotte Berend-Corinth / Hans Konrad R¨othel: Die Gem¨alde von L. C. (Werkkatalog). M¨unchen 1958. Neubearbeitete Auflage von B. Hernad. M¨unchen 1992. – Remigius Netzer: L. C. Graphik. M¨unchen 1958. – Peter Halm: Das literarische Figurenbild bei L. C. Diss. T¨ubingen 1970. – Thomas Deecke: Die Zeichnungen von L. C. Eine Studie zur Stilentwicklung. Diss. Berlin 1973. – Wilhelmine Corinth: Ich habe einen Lovis, keinen Vater . . . Frankfurt / Main, Berlin 1992. – Charlotte BerendCorinth / Kerstin Englert (Hrsg.): Mein Leben mit L. C. Berlin 1995. – Peter-Klaus Schuster / Andrea B¨arnreuther / Lothar Brauer: L. C. Retrospektive. M¨unchen 1996. – Walter Stephan Laux: Der Fall C. und die Zeitzeugen Wellner. M¨unchen 1998. – Ulrich Luckhardt (Hrsg.): Ich, L. C. Ostfildern-Ruit 2004. G¨unter Meißner

Corleis, Ehrenfried Johann, Chemiker, * 24. 12. 1855 Horneburg bei Stade, † 19. 2. 1919 Essen. Nach der Ausbildung zum Apotheker studierte C., Sohn eines Postspediteurs, in M¨unchen analytische Chemie und war seit 1883 Assistent von Julius Ludwig Clemens Zimmermann, sp¨ater am Staatslaboratorium unter Adolf von ¨ → Baeyer (Promotion 1885, Uber die Schwefelverbindungen des Wolframs). 1886 wurde er Mitarbeiter der Firma Fried. Krupp in Essen, bei der ihm sp¨ater die Gesamtleitung der chemischen Laboratorien u¨ bertragen wurde. Seit 1907 war

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Cornarius er maßgeblich an der Errichtung einer Versuchsanstalt der Firma beteiligt. 1911 wurde er Vorsitzender der Chemikerkommission des Vereins Deutscher Eisenh¨uttenleute. Große Verdienste erwarb sich C. vor allem durch die Entwicklung von Stahlanalyseverfahren, die die Herstellung neuer StahlC NDB legierungen erm¨oglichten.

Cornarius, Friedrich, auch Janus Cornarus, eigentl. Johann Haynpol, Hagenbut, Hanbut, Mediziner, * 1500 Zwickau, † 16. 3. 1558 Jena. C. studierte Medizin in Wittenberg und unternahm Studienreisen in die Niederlande, nach England, Frankreich, Italien und in die Schweiz. Er hielt sich l¨angere Zeit in Basel auf und befreundete sich dort u. a. mit → Erasmus. Sp¨ater lebte er in Frankfurt / Main und Zwickau; 1542 folgte er einem Ruf als o. Prof. der Medizin nach Marburg. Seit 1557 hatte er eine Professur in Jena inne. C., der sich speziell dem Stu¨ dium der griechischen Medizin widmete, fand als Ubersetzer ¨ und Herausgeber der Schriften mehrerer griechischer Arzte besondere Beachtung. Er ver¨offentlichte u. a. Universae rei medicae (1534) und De peste libri duo (1551). Cornelius, (Johann Christian) Aloys, Maler, * 11. 5. 1748 D¨usseldorf, † 21. 6. 1800 D¨usseldorf. C., Sohn eines Wein- und Samenh¨andlers sowie Weinwirts und Bruder des Schauspielers Ignaz → C., sollte urspr¨unglich Geistlicher werden, studierte jedoch bei Krahe Malerei und war dann Inspektor und Lehrer an der D¨usseldorfer Akademie. Als Maler war er der klassizistischen Richtung → Mengs verpflichtet. Zu den bekanntesten Werken von C. ist die Stigmatisation des hl. Franz in der Aachener Franziskanerkirche zu z¨ahlen. C. war der Vater des Malers Peter C AKL von → C. Cornelius, (Charlotte) Auguste (Sophie Agnes), Pseud. Paul Dido, Schriftstellerin, * 17. 7. 1826 Darmstadt, † 30. 11. 1891 Charlottenburg (heute zu Berlin). C. war die Tochter des Schauspielerehepaars Carl und Friederike → C. und Schwester des Komponisten und Dichters Peter → C. und des Historikers Karl Adolf → C. Sie verbrachte ihre Kindheit in Darmstadt, sp¨ater in Wiesbaden und Mainz. C. wollte urspr¨unglich S¨angerin werden und wurde besonders von Giacomo → Meyerbeer gef¨ordert. Ihre beruflichen Pl¨ane zerschlugen sich jedoch, als sie nach schwerer Krankheit ihre Stimme verlor. Daraufhin wandte sie sich der Schriftstellerei zu und ver¨offentlichte u. a. Lustspiele wie Eine blinde Frau (1863). Sie schrieb auch M¨archen (Der Kobold, 1887) und u¨ bersetzte Werke Moli`eres. C. lebte seit 1878 in Berlin. C DSL Cornelius, Carl (Joseph Gerhard), Schauspieler, * 15. 6. 1793 D¨usseldorf, † 11. 10. 1843 Wiesbaden. Der Sohn von Ignaz → C. wandte sich fr¨uh der Schauspielerei zu und spielte zun¨achst bei der Schirmerschen Gesellschaft am Niederrhein, sp¨ater in Amsterdam. 1819 nahm er ein Engagement in Mainz an und ging 1826 nach Darmstadt. Sp¨ater wieder in Mainz t¨atig, verbrachte C. seine letzten Lebensjahre in Wiesbaden. Er war zu seiner Zeit ein a¨ ußerst beliebter Heldendarsteller und bestritt zahlreiche Gastspiele, u. a. in Frankfurt / Main, Mannheim und Wien. C. war befreundet mit den Schauspielern Theodor → D¨oring und → Seydelmann. Zu seinen Glanzrollen geh¨orten etwa Nathan und Lear. C. war der Vater von Auguste, Karl Adolf und Peter → C. Cornelius, Ernst-August, Maschinenbauer, * 14. 11. 1898 Lunden (Holstein), † 21. 6. 1983 Dithmarschen. 1934 wurde der promovierte Ingenieur an die TH Charlottenburg auf den Lehrstuhl f¨ur Allgemeine Maschinen-

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gestaltung berufen. 1954 setzte er seine T¨atigkeit an der TU Berlin am Lehrstuhl f¨ur Maschinenelemente fort. Unter der Leitung von C. wurde das Forschungsinstitut mit Pr¨ufstelle f¨ur k¨unstliche Glieder aufgebaut. Schwerpunkt seiner Arbeiten bis zu seiner Emeritierung 1968 war die Dauerfestigkeit von dynamisch hochbeanspruchten Maschinenteilen. C. vero¨ ffentlichte u. a. Der Maschineningenieur (1938, 51941).

Cornelius, Hans, eigentl. Johannes Wilhelm C., Philosoph, * 27. 9. 1863 M¨unchen, † 23. 8. 1947 M¨unchen. C., Sohn von Karl Adolf → C., studierte anfangs in Berlin, sp¨ater in Leipzig und M¨unchen Mathematik, Physik und Chemie und wurde 1886 aufgrund einer chemischen Arbeit promoviert. Er war dann zwei Jahre als erster Unterrichtsassistent bei Adolf von → Baeyer t¨atig, bevor er seinem Interesse f¨ur Philosophie nachgab und sich 1894 in diesem Fach habilitierte (Versuch einer Theorie der Existentialurteile). Seit 1903 lehrte er erst als Privatdozent, sp¨ater als a. o. Prof. der Philosophie an der Univ. M¨unchen. 1910 folgte C. einem Ruf als o. Prof. der Philosophie an die Akademie f¨ur Sozialwissenschaften in Frankfurt / Main und war dort 1914-19 gleichzeitig Leiter der „M¨unchner Lehrwerkst¨atten“. C.s Erkenntnislehre gr¨undete auf einer metaphysikfreien Psychologie, nur ausgehend von den unmittelbar gegebenen Tatsachen des Bewußtseins. Analog zu → Kant bestand f¨ur ihn jedoch auch eine unabh¨angig vom Bewußtsein existierende Welt der Dinge. C. ver¨offentlichte u. a. Psychologie als Erfahrungswissenschaft (1897), Einleitung in die Philosophie (1901, 31921), Elementargesetze ¨ der bildenden Kunst. Grundlagen einer praktischen Asthetik (1908, 31920) und Transcendentale Systematik. Untersuchungen zur Begr¨undung der Erkenntnistheorie (1916, 2 1926). Eine Gesamtdarstellung seiner Philosophie ver¨offentlichte er 1934 unter dem Titel Das philosophische System von Hans Cornelius. C Enz Phil Wiss Cornelius, Hans Peter, o¨ sterr. Geologe, * 29. 9. 1888 M¨unchen, † 2. 4. 1950 Naßwald an der Rax. C., Sohn von Hans → C., studierte Geologie und Mineralogie an den Universit¨aten M¨unchen, Freiburg / Breisgau und Z¨urich und wurde 1912 mit der Arbeit Petrographische Untersuchungen in den Bergen zwischen Septimer und Julierpaß promoviert. Seit 1915 leistete er Kriegsdienst und war seit 1917 als Kriegsgeologe in Lothringen stationiert. 1921 erhielt er die o¨ sterr. Staatsb¨urgerschaft, trat 1928 als Angestellter in die Geologische Bundesanstalt in Wien ein und war seit 1937 verbeamtet. 1945 wurde C. aus politischen Gr¨unden aus dem Staatsdienst entlassen. Durch seine umfangreiche Aufnahmet¨atigkeit in den Alpen z¨ahlte er zu den namhaften Alpenspezialisten. Seine Arbeit an einer großangelegten Alpengeologie konnte er jedoch nicht mehr vollenden. C. war seit 1942 korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien. Unter seiner Mitarbeit entstanden zahlreiche geologische Karten. Er ver¨offentlichte u. a. Geologie des Großglocknergebietes (1939). ¨ C OBL Cornelius, Heinrich, Lehrer, * 13. 12. 1843 Soest, † 21. 4. 1934 L¨udenscheid. C., Sohn eines Schreiners, durchlief 1861-64 eine Lehrerausbildung, bestand 1866 die zweite Lehrerpr¨ufung und fand eine Anstellung an einer Volksschule in L¨udenscheid, die er bis zu seiner Pensionierung 1904 innehatte. 1878 zum Sekret¨ar der dortigen Handelskammer gew¨ahlt, u¨ bte er dieses Amt nach seinem Ausscheiden aus dem Schuldienst bis 1917 hauptamtlich aus. 1904-18 war C. Mitglied der Stadtverordnetenversammlung in L¨udenscheid. C Rhein-Westf Wirt, Bd 15

Cornelsen Cornelius, (Arnold Leonhard) Ignaz, Kupferstecher, Schauspieler, Schriftsteller, * 8. 2. 1764 D¨usseldorf, † um 1806. Der Bruder von Aloys → C. studierte an der D¨usseldorfer Kunstakademie, war als Kupferstecher t¨atig und wandte sich sp¨ater auch der Schauspielerei zu. Es wird vermutet, daß er identisch ist mit Johann C., dem im Goedeke verzeichneten Verfasser der Trauerspiele Robert und Florinda oder das Opfer des Ehrgeizes (1786) und Minna (1790). C. war der Vater des Schauspielers Carl → C. C AKL Cornelius, Karl Adolf (Stanislaus), Historiker, * 12. 3. 1819 W¨urzburg, † 10. 2. 1903 M¨unchen. C., Sohn von Carl → C., studierte Geschichte und Klassische Philologie in Bonn und Berlin, unterrichtete am Lyzeum Hosianum in Braunsberg und wurde 1848 / 49 in die Nationalversammlung in Frankfurt / Main gew¨ahlt. Seit 1849 widmete er sich ausschließlich der Forschung, habilitierte sich 1851 in M¨unster und wurde dort 1854 a. o. Prof. f¨ur Geschichte. 1855 ging er als Ordinarius nach Bonn, im folgenden Jahr nach M¨unchen, um dort die sogenannte kath. Professur zu u¨ bernehmen. Nach der Gr¨undung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1858 u¨ bernahm er die Herausgabe der Wittelsbacher-Korrespondenzen. Seit 1859 geh¨orte er auch dem Gelehrtenausschuß des Germanischen Nationalmuseums in N¨urnberg an. C.s Spezialgebiet war die Geschichte der Reformation (u. a. Geschichte des M¨unsterschen Aufruhrs der Wiedert¨aufer, 2 Bde., 1855-60.). Er war mit Johann Nepomuk → Huber und August von → Druffel f¨uhrend C NDB in der altkatholischen Bewegung t¨atig. Cornelius, Peter (Joseph) von, Maler, * 23. 9. 1783 D¨usseldorf, † 6. 3. 1867 Berlin. Der Sohn von Aloys → C. wuchs in D¨usseldorf auf und wurde an der dortigen Akademie seit 1795 haupts¨achlich von Peter → Langer unterrichtet. 1809 siedelte er nach Frankfurt / Main u¨ ber und ging 1811 nach Rom, wo er sich dem sogenannten Lukasbund der Nazarener um Johann Friedrich → Overbeck anschloß. Als Mitglied dieses Kreises wirkte er zum Beispiel an der Ausschm¨uckung eines Saales des Palazzo Zuccari mit. 1818 folgte C. der Aufforderung Kronprinz → Ludwigs von Bayern, die neuerbaute Glyptothek in M¨unchen mit Fresken auszumalen. In den folgenden Jahren war er Direktor der D¨usseldorfer Akademie und daneben mit der Ausgestaltung der Glyptothek besch¨aftigt, bis er 1825 das Direktorium der Akademie in M¨unchen u¨ bernahm und sich endg¨ultig dort niederließ. 1825 geadelt, beendete C. seine Arbeit an der Glyptothek 1830, um sich im Anschluß daran Arbeiten an der Ludwigskirche und der Alten Pinakothek zuzuwenden. Nach Abk¨uhlung des Verh¨altnisses zwischen C. und dem K¨onig arbeitete er seit 1841, unterbrochen von einigen Romaufenthalten, in Berlin. C. gilt als einer der wichtigsten Maler des romantischen Klassizismus. C AKL Cornelius, (Carl August) Peter, Komponist, Dichter, Musikschriftsteller, * 24. 12. 1824 Mainz, † 26. 10. 1874 Mainz. C. erhielt zun¨achst eine musikalische Ausbildung bei Joseph → Panny und Heinrich → Esser, dann Schauspielunterricht bei seinem Vater Carl → C. und war 1841-43 als Schauspieler t¨atig. Nach dem Tod seines Vaters wurde C. von seinem Onkel, dem Maler Peter von → C., in Berlin aufgenommen, wo er 1845-48 Musik bei Siegfried → Dehn studierte. Er war dann als Musiklehrer und Musikrezensent u. a. f¨ur die Berliner Zeitschriften „Echo“ und „Modespiegel“ t¨atig und 1853-58 Mitglied des Liszt-Kreises in Weimar. Dort wurde 1858 unter Franz → Liszts Leitung die Oper Der Barbier von

Bagdad von C. uraufgef¨uhrt. 1859 ging er nach Wien, wo er vor allem unter dem Einfluß Richard → Wagners stand, dem er 1865 nach M¨unchen folgte. Im selben Jahr wurde C.’ zweite Oper Der Cid in Weimar uraufgef¨uhrt. Seit 1867 unterrichtete er an der Musikhochschule in M¨unchen Rhetorik und Harmonielehre. C. geh¨orte zu den produktivsten Liederkomponisten seiner Zeit (Weihnachtslieder-Zyklus, 1856). Er schrieb alle Texte zu seinen Kompositionen selbst, ver¨offentlichte 1859 einen Sonettenkranz und u¨ bersetzte Textb¨ucher zu Opern → Glucks, zu Berlioz’ Benvenuto Cellini sowie Gedichte Petrarcas. C MGG

Cornelius, Peter, Photograph, * 6. 6. 1913 Kiel, † 5. 9. 1970 Kiel. Nach Abbruch des Studiums an der TH Darmstadt ging C. bei dem Kieler Photographen Ferdinand Urbahns in die Lehre. Nachdem er als Bildjournalist f¨ur die „Kieler Neuesten Nachrichten“ und 1936 kurze Zeit f¨ur den Photographen Paul → Wolff in Frankfurt / Main t¨atig gewesen war, machte er sich 1937 selbst¨andig. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs war er Soldat, geriet in Gefangenschaft und arbeitete seit 1949 wieder als Bildjournalist in Kiel. Es entstanden u¨ berwiegend Straßenszenen- und Seglerphotos sowie im Auftrag der Stadt Kiel eine Dokumentation zum Wiederaufbau der Stadt. Seit 1959 war C. an zahlreichen Ausstellungen beteiligt. 1963-67 war er als Gastdozent f¨ur Photographie an der Ulmer Hochschule f¨ur Gestaltung t¨atig. C. arbeitete seit 1956 ausschließlich mit der Kleinbildkamera und geh¨orte zu den ersten deutschen Photographen, die seit Mitte der f¨unfziger Jahre mit den a¨ sthetischen M¨oglichkeiten der Farbphotographie experimentierten. Er entwickelte mit seinen bewegten Stadt- und Segelbildern sowie kontrastreichen Nachtaufnahmen eine eigene Bildsprache, die sich von den damaligen Standards der Bildreportage in Farbe stark unterschied und f¨ur die erste Farb-Photographie-Generation nach dem Krieg stilbildend wirkte. Zu seinen bekanntesten St¨adteFarbbildb¨anden geh¨ort der in f¨unf Jahren durch allj¨ahrliche Reisen erarbeitete Band Farbiges Paris (1961). In den sechziger Jahren erschienen weitere Farbbildb¨ande von Kiel und der Kieler Woche sowie als gemeinsames Projekt mit Horst H. Baumann und Karl-Heinz → Chargesheimer die Bildpublikation K¨oln farbig photographiert (1965). C. kam bei einem Autounfall ums Leben. C AKL Cornelsen, Franz, Verleger, * 22. 7. 1908 Minden (Westfalen), † 31. 10. 1989 Berlin. Das Studium der Sprachen, Wirtschaftswissenschaften und der Elektrotechnik in M¨unchen, Hannover und Berlin schloß C. 1933 als Diplomingenieur ab und war bis 1945 in der Auslandsabteilung der Siemens AG in Berlin t¨atig. 1946 gr¨undete er den Cornelsen-Verlag. Zwei Jahre sp¨ater erschien mit dem von C.s sp¨aterer Frau, Hildegard Friedrich, verfaßten Peter Pim and Billy Ball das erste Englischbuch des Verlags f¨ur Volksschulen. 1954 gliederte C. den Verlag Velhagen & Klasing an, den er aus einem Vergleichsverfahren u¨ bernommen hatte. 1955-60 war C. Gr¨undungsvorsitzender des Verbandes der Schulbuchverlage, an dessen Spitze er 1974-76 noch einmal trat; als Mitbegr¨under u¨ bernahm er 1956-63 den Vorsitz im Verband der Kartographischen Verlage und Institute. Zu Beginn der achtziger Jahre wurde ¨ Cornelsen durch die Ubernahme der Verlage Hirschgraben, Girardet-Fachbuchverlag, Scriptor und Schwann-Bagel entscheidend vergr¨oßert. 1988 folgten die Mehrheitsbeteiligung am Patmos Verlag und die Gr¨undung des CoMet Verlags f¨ur ¨ Unterrichtssoftware, 1991 die Ubernahme des Verlags Volk und Wissen. Weitere Zuk¨aufe und Beteiligungen, auch in ¨ Osterreich und der Schweiz, machten die Verlagsgruppe Cornelsen zu einem der wichtigsten Bildungsverlage im deutsch-

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Cornely sprachigen Raum. Im Berliner Verleger- und Buchh¨andlerverband war C. ehrenamtlich t¨atig. Er errichtete drei gemeinn¨utzige Stiftungen in den Bereichen Kultur, Bildung und Umwelt.

Cornely, Karl (Joseph Rudolf), Jesuit, Theologe, * 19. 4. 1830 Breyell bei D¨usseldorf, † 3. 3. 1908 Trier. C., Sohn eines Goldarbeiters, studierte Philosophie und Theologie in M¨unster und trat 1852 in den Jesuitenorden ein. Im Anschluß an das Noviziat studierte er Philosophie und Rhetorik und war seit 1857 Lehrer am Kolleg Stella Matutina in Feldkirch (Vorarlberg). 1859-62 studierte er Theologie in Paderborn und empfing 1860 die Priesterweihe. Nach Beendigung des Studiums hielt er sich drei Jahre in Sy¨ rien, Pal¨astina und Agypten auf, wo er vor allem orientalische Sprachen studierte. Nach seiner R¨uckkehr 1867 bis zum Verbot des Ordens 1872 war C. Prof. der Exegese und der orientalischen Sprachen in Maria Laach. Danach u¨ bernahm er die Schriftleitung der „Stimmen aus Maria-Laach“, gr¨undete 1873 die Zeitschrift „Katholische Missionen“ und gab seit 1876 auch die „Erg¨anzungshefte“ zu den „Stimmen aus Maria-Laach“ heraus. 1879-89 war C. Prof. der Exegese an der Gregoriana in Rom, ließ sich dann in Blijenbeek (Niederlande) nieder und lebte seit 1902 in Trier. C. hatte besonders durch sein Werk Cursus scripturae sacrae (3 Bde., 1885-87) großen Einfluß auf die kath. Bibelwissenschaft. C NDB

Corner, Christoph, auch C. Cornerus, evang. Theologe, * 1518 Buchen im Odenwald, † 14. 4. 1594 Frankfurt / Oder. C. studierte in Frankfurt / Oder, wurde dort 1537 Magister und erhielt wenig sp¨ater eine Professur an der Philosophischen Fakult¨at. 1560 wurde er Prof. der Beredsamkeit, 1573 Prof. der Theologie. Zusammen mit Andreas → Musculus nahm C. im Auftrag des Kurf¨ursten → Johann Georg an den Verhandlungen u¨ ber die Abfassung der Konkordienformel 1576 in Torgau und 1577 im Kloster Bergen teil. 1581 wurde C. das Amt des Generalsuperintendenten der Mark u¨ bertragen.

Corner, David Gregor, Benediktiner, Theologe, Hymnologe, * 1585 oder 1587 Hirschberg (Schlesien), † 9. 1. 1648 Wien. C. studierte am Prager Jesuitenkonvikt, wurde dort zum Dr. phil. promoviert und ging anschließend nach Graz, um Theologie zu studieren. Nach der Priesterweihe war er zun¨achst Pfarrer in Retz (Nieder¨osterreich), wo er sich mit kath. Kirchenliedern besch¨aftigte und als Ergebnis das Groß catholisch Gesangbuch, darinnen in die vierhundert and¨achtig alte und new Ges¨ang und ruff (1625) herausgab, und betreute anschließend die Pfarrgemeinde Mautern. Dort hatte er Gelegenheit, den Abt des Benediktinerklosters G¨ottweig Georg Falbius kennenzulernen. 1625 in Wien zum Dr. theol. promoviert, trat er im selben Jahr als Novize in das Kloster G¨ottweig ein. 1631 Prior, 1636 als Nachfolger von Falbius Abt von G¨ottweig, wurde C. 1638 zum Rektor der Univ. Wien ernannt. Sein Gesangbuch, das 1631 eine zweite, stark vermehrte Auflage erfuhr, gilt als eines der umfangreichsten und bedeutendsten Sammelwerke des 16. und 17. Jahrhunderts. C MGG

Cornet, Franziska, geb. Kiel, auch Cornet-Kiel, S¨angerin, * 23. 1. 1808 Kassel, † 7. 8. 1870 Braunschweig. C. stammte aus einer K¨unstlerfamilie und trat schon als Kind zusammen mit ihren Eltern am Hoftheater von Braunschweig auf. 1825 heiratete sie den Tenor Julius → C. und war bis 1832 als S¨angerin am Stadttheater Hamburg engagiert. Zusammen mit ihrem Ehemann gab sie zahlreiche Gastspiele, z. B. in Paris, wo sie großen Erfolg hatten. 1832-41 am Braunschweiger Hoftheater, spielte sie an-

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schließend wieder am Hamburger Stadttheater, an dem ihr Mann als Direktor t¨atig war. Beide setzten sich sehr f¨ur die Gr¨undung des Hamburger Konservatoriums ein, die 1848 erfolgte. Nach dem Tod ihres Mannes zog sich C. 1863 nach Braunschweig zur¨uck. Als S¨angerin verf¨ugte sie u¨ ber ein a¨ ußerst vielseitiges Repertoire und sang die meisten großen Sopranrollen wie Leonore in Fidelio oder die Gr¨afin in Die C Kutsch Hochzeit des Figaro.

Cornet, Georg, Hygieniker, Kurarzt, * 27. 7. 1858 Eichst¨att, † 26. 3. 1915 Berlin. Nach dem Abschluß des Medizinstudiums in M¨unchen (Promotion 1884, Einige spirometrische Beobachtungen nebst einem R¨uckblick auf die bis jetzt aufgestellten Methoden zur Bestimmung der physikalischen Vitalcapacit¨at) erkrankte C. an einem Lungenleiden, das ihn zun¨achst als Patient in die Lungenheilst¨atte Gr¨obersdorf zu Hermann → Brehmer f¨uhrte, dessen Assistent er nach seiner Genesung wurde. Zwei Jahre sp¨ater trat er als Mitarbeiter von Robert → Koch in das Hygienische Institut in Berlin ein. Die intensive klinische und wissenschaftliche Besch¨aftigung mit der Tuberkulose erm¨oglichte es ihm schließlich, das Vorkommen von Tuberkulosebazillen außerhalb des K¨orpers nachzuweisen. Darauf aufbauend, entwickelte C. ein Prophylaxeprogramm, das einen signifikanten R¨uckgang der Tuberkulosesterblichkeit zur Folge hatte. Sp¨ater Honorarprofessor der Univ. Berlin, widmete er sich im Winter in Berlin der Forschung, w¨ahrend er im Sommer als Kurarzt in Bad Reichenhall t¨atig war. C. ver¨offentlichte u. a. Die Tuberculose (1899, 21907) und Die Scrophulose (1900). C NDB Cornet, Julius, S¨anger, Theaterdirektor, * 15. 6. 1793 Innichen / San Candido (heute Prov. Bozen), † 2. 10. 1860 Berlin. C. studierte Rechtswissenschaften, wandte sich jedoch bald der Musik zu und wurde von Antonio → Salieri in Wien ausgebildet. 1817 deb¨utierte er an der Hofoper in Wien, trat 1818 ein Engagement in Graz an und war seit 1820 Ensemblemitglied des Hoftheaters in Braunschweig, wo er seine sp¨atere Frau Franziska → C. kennenlernte. Er bestritt zahlreiche Gastspiele, u. a. in Paris, wo er besonders von dem Komponisten Auber gef¨ordert wurde. 1841-47 war C. als S¨anger und Direktor am Stadttheater Hamburg t¨atig und trat dort zusammen mit seiner Frau f¨ur die 1848 erfolgte Gr¨undung des Hamburger Konservatoriums ein. 1853-58 Direktor der Wiener Hofoper, leitete er dann noch zwei Jahre das Viktoriatheater in Berlin. C. u¨ bersetzte zahlreiche Opernlibretti vom Franz¨osischen ins Deutsche, u. a. Aubers Die Stumme ¨ von Portici. C OBL Cornicelius, Georg (Karl Franz), Maler, * 28. 8. 1825 Hanau, † 9. 12. 1898 Hanau. C. besuchte zun¨achst die von Theodor Pelissier gegr¨undete Zeichenakademie in Hanau und ging 1848 zusammen mit Karl → Hausmann zu weiteren Studien nach Antwerpen. Ein Jahr sp¨ater wieder in Hanau, reiste C. 1851 nach Dresden, wo er sich besonders f¨ur die venezianische Malerei begei¨ sterte. 1852 entstand sein erstes gr¨oßeres Olbild Luther, die Thesen anschlagend. 1852 / 53 zu Studien in Paris, lernte er dort u. a. Anselm → Feuerbach kennen. Wieder in Hanau ans¨assig, widmete sich C. vor allem der Portr¨atmalerei und Genrestudien und leitete eine eigene Malschule f¨ur Damen. 1855 wurde er vom Leipziger Kunstverein f¨ur sein Bild Ruhende Zigeunerkinder mit dem ersten Preis ausgezeichnet; sein Werk Die musizierenden Kunstreiterbuben erregte 1858 auf der M¨unchner Ausstellung großes Aufsehen. Seit 1869 reiste C. wiederholt nach Oberitalien, u. a. nach Florenz. 1872 wurde er zum Ehrenmitglied der Zeichenakademie, 1888 zum k¨oniglich preuß. Prof. ernannt. C AKL

Correggio Cornides, Daniel, Philosoph, Historiker, Bibliothekar, * 1732 St. Nikolaus (Ungarn), † 4. 10. 1787 Pest. C. ging 1754 an die Univ. Erlangen, wo er Philosophie und Theologie studierte und 1757 promoviert wurde. Anschließend kehrte er nach Ungarn zur¨uck und war zun¨achst Hofmeister und Lehrer der deutschen Sprache am reformierten Kollegium in Klausenburg. W¨ahrend dieser Zeit begann er, sich intensiv mit der ungarischen und siebenb¨urgischen Geschichte zu besch¨aftigen. Als Sekret¨ar des Grafen Josef Teleky viel auf Reisen, hatte er Gelegenheit, seine Forschungen vor allem durch den Besuch der Bibliotheken in Wien, G¨ottingen und Gotha zu vertiefen. 1784 wurde C. Bibliotheks-Kustos und Prof. der Diplomatik und Heraldik in Pest. Er hinterließ ein umfangreiches Werk zur ungarischen und siebenb¨urgischen Geschichte, darunter Regum Hungariae [. . .] genealogia (1778). Cornides, Karl, Verleger, Journalist, * 17. 2. 1911 M¨unchen, † 16. 3. 1989 Rekawinkel (Nieder¨osterreich). Der m¨utterlicherseits aus der Verlegerfamilie Oldenbourg stammende C., Sohn von Wilhelm → C., studierte an der Univ. M¨unchen, an der er 1935 mit der staatswirtschaftlichen Dissertation Der deutsche B¨ucherpreis promoviert wurde. 1939-41 war er Leiter der Berliner Filiale des Verlags „R. Oldenbourg“. 1941 mußte er gemeinsam mit seinem Vater wegen politischer Unzuverl¨assigkeit aus dem Verlag ausscheiden. Danach wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Im Mai 1945 kam C. nach Innsbruck, wo er im Sommer Pressechef der Widerstandsbewegung (Gruppe um Major Molling) wurde. Nach vor¨ubergehender freier Mitarbeit an der „Tiroler Tageszeitung“ war er 1945-47 Chefredakteur der „Tiroler Nachrichten“. 1946 wurde C. Gesch¨aftsf¨uhrer der ¨ von ihm mitbegr¨undeten „Osterreichischen Verlagsanstalt“ in Innsbruck. 1947 war er in Wien Mitbegr¨under des „Verlags f¨ur Geschichte und Politik“ und 1957 des „R. Oldenbourg Verlags“. C. verlegte wichtige Werke zur o¨ sterr. und europ¨aischen Geschichte. C Hausjell Cornides, Wilhelm, o¨ sterr. Verleger, * 10. 1. 1886 St. Veit bei Triesting (Nieder¨osterreich), † 23. 11. 1964 Ehenbichl (Tirol). C. studierte 1903-08 an den Technischen Hochschulen in Wien und M¨unchen und durchlief in M¨unchen und Leipzig eine Ausbildung zum Buchh¨andler. Seit 1909 im Verlag R. Oldenbourg in M¨unchen t¨atig, wurde er dort 1912 pers¨onlich haftender Teilhaber sowie Gesch¨aftsf¨uhrer und geh¨orte 1949-56 dem Verwaltungsrat des Unternehmens an. Daneben war er 1947 Mitgr¨under des Verlags f¨ur Geschichte und Politik in Wien und Vorstandsmitglied im Reichsverband deutscher Fachzeitschriften-Verleger. C. war der Vater von Karl → C. Cornill, Karl Heinrich, reformierter Theologe, * 26. 4. 1854 Heidelberg, † 10. 6. 1920 Halle / Saale. C., Sohn eines Dozenten der Philosophie in Marburg und Neffe des Malers Otto → C., studierte seit 1872 Orientalistik und Theologie in Leipzig, Bonn und Marburg und wurde 1875 in Leipzig zum Dr. phil. (Mashafa Falˆasfˆa Tabˆıhˆan), 1878 in Marburg zum Lic. theol. (De psalmi sexagesimi octavi indole atque origine) promoviert. Dort las er zun¨achst als Privatdozent, seit 1886 a. o. Prof. des Alten Testaments. Noch im selben Jahr ging er nach K¨onigsberg, wo er 1888 zum o. Prof. ernannt wurde. 1898 folgte er einem Ruf nach Breslau und lehrte seit 1910 in Halle. Mit seinen textkritischen Arbeiten ebenso wie als Exeget ist C. zu den bedeutenden Sch¨ulern Julius → Wellhausens zu z¨ahlen. Weite Verbreitung fanden seine Einleitung in das Alte Testament (1891, 71913) und Der israelitische Prophetismus (1894, 13 1920). Als eines seiner Hauptwerke gilt sein Kommentar Das Buch Jeremia (1905). C NDB

Cornill, (Philipp) Otto, Maler, Museumsdirektor, Schriftsteller, * 1. 2. 1824 Frankfurt / Main, † 12. 3. 1907 Frankfurt / Main. C. genoß fr¨uh Zeichenunterricht, war seit 1839 Sch¨uler am St¨adelschen Kunstinstitut in Wendelstadt und entschloß sich dann, Architekt zu werden. Seit 1841 studierte er an der polytechnischen Schule in Karlsruhe und ging vier Jahre sp¨ater an die Akademie in Berlin. Seit 1847 war er im badischen Raum als Architekt t¨atig. Wegen seiner geschw¨achten Gesundheit entschied er sich 1849, nach Italien zu gehen, und blieb dort bis 1859. C. begann dort, sich intensiv mit Malerei zu besch¨aftigen. Er malte u. a. Illustrationen zu → Goethes Hermann und Dorothea und zu → Schillers Wilhelm Tell. 1877 wurde er Konservator, sp¨ater auch Direktor, des von ihm gegr¨undeten St¨adtischen Historischen Museums in Frankfurt / Main. Als Kunstschriftsteller verfaßte er u. a. Jacob Heller und Albrecht D¨urer (o. J.). C AKL

Cornova, Ignaz, Jesuit, Schriftsteller, Historiograph, * 25. 7. 1740 Prag, † 25. 7. 1822 Prag. C. besuchte zun¨achst das Collegium Clementinum in Prag, trat 1759 in den Jesuitenorden ein und wurde 1770 zum Priester geweiht. Anschließend Pr¨ases des Jesuitenseminars in Komotau, unterrichtete er an verschiedenen Gymnasien in B¨ohmen. 1784-95 lehrte er als Prof. der Geschichte an der Univ. Prag. C. verfaßte zahlreiche historiographische Schriften. Sein umfangreiches lyrisches Werk ist bestimmt von o¨ sterr. Patriotismus ebenso wie von josephinischem Aufkl¨arungswillen (Gedichte, 1775). C. schrieb einige Lustspiele, darunter Henriette von Blumenau (1777). C Leb Sudeten, Bd 3 Coronini von Cronberg, Franz Carl Alexius Graf, o¨ sterr. Politiker, * 18. 11. 1833 G¨orz, † 25. 8. 1901 St. Peter (bei G¨orz). C. v. C. studierte Jura und Philosophie, trat 1850 in die o¨ sterr. Armee ein und nahm 1866 im Rang eines Oberstleutnants an der Schlacht von K¨oniggr¨atz teil. 1867 aus der Armee entlassen, war er 1870-77 Landeshauptmann von G¨orz und wurde 1871 als Landtagsmitglied in den Reichsrat gew¨ahlt. Er schloß sich der Fortschrittspartei an und trat f¨ur die Annexion Bosniens ein. 1879-81 war C. v. C. Pr¨asident des Abgeordnetenhauses, 1882 gr¨undete er den regierungsfreundlichen, liberalen „Coronini-Club“. Nachdem er 1895 sein Mandat niedergelegt hatte, war er bis 1899 wieder G¨orzer Landeshauptmann und seit 1897 Mitglied des Herrenhauses. Coronini von Cronberg, Rudolf Graf, Politiker, Historiker, * 10. 1. 1731 G¨orz, † 4. 5. 1791 G¨orz. C. v. C., seit 1755 kaiserlicher K¨ammerer, wurde im folgenden Jahr Rat der G¨orzer Landeshauptmannschaft und 1767 bevollm¨achtigter Kommissar der G¨orzer Landst¨ande in Wien. Seit 1771 war er kaiserlich-k¨oniglicher Wirklicher Geheimer Rat und seit 1774 Vizepr¨asident der Landeshauptmannschaft von G¨orz und Gradisca. C. v. C. vero¨ ffentlichte zahlreiche Abhandlungen, die meist die G¨orzer Landesgeschichte zum Gegenstand haben. Das Werk Tentamen genealogico-chronologicum comitum et rerum Goritiae (1752) stammt jedoch nicht von C. v. C., sondern von dem Jesuiten und Historiker G. → Fr¨ohlich, dessen Mitarbeiter er zeitweilig war. Correggio, Max, Maler, * 26. 7. 1854 M¨unchen, † 12. 5. 1908 M¨unchen. C., Sohn eines Malers, wurde an der M¨unchner Kunstakademie ausgebildet, wo er vor allem die Zeichenschule des Kupferstechers Johann Leonhard → Raab und die Malklasse

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Correns von Wilhelm von → Diez besuchte. Sp¨ater malte er Sportbilder und Jagdportr¨ats (zum Beispiel Prinzregent → Luitpold mit seinen S¨ohnen auf der Fasanenjagd) sowie Genrebilder (Die u¨ berraschten Wilderer). C AKL

Correns, Carl Erich, Genetiker, Botaniker, * 19. 9. 1864 M¨unchen, † 14. 2. 1933 Berlin. Nach dem Tod der Eltern wurde der siebzehnj¨ahrige Vollwaise und einzige Sohn des rheinischen Historienmalers Erich → C. bei Schweizer Verwandten der Mutter Emilie, geb. K¨ochlin, erzogen. C. besuchte, unterbrochen durch Krankheit (Tbc), das humanistische Gymnasium in St. Gallen, wo Lehrer und Alpenflora fr¨uh sein Interesse f¨ur Botanik weckten und er nach bestandener Maturit¨at (1885) der o¨ rtlichen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft eine moosfloristische Sammlung u¨ berließ. Ein wendungsreiches Botanikstudium f¨uhrte den u¨ berwiegenden Autodidakten C. zweimal nach Graz, zu Gottlieb → Haberlandt, wo er seine Erstlingsarbeit u¨ ber Nektarien von Dioscorea (1888) verfaßte, zwei Semester nach Berlin zu Simon → Schwendener und zu reizphysiologischen Studien bei Wilhelm → Pfeffer nach Leipzig. In M¨unchen wurde er als letzter Sch¨uler des Botanikers Carl von → Naegeli mit ¨ einer Arbeit Uber Dickenwachstum durch Intussusception bei einigen Algenmembranen (1889) promoviert. Wegen mikroskopierbedingter Augenleiden arbeitete C. in seiner Ha¨ bilitationsschrift Uber die Abh¨angigkeit der Reizerscheinungen h¨oherer Pflanzen von der Gegenwart freien Sauerstoffs (1892) zu T¨ubingen, wo er 1894 im Botanischen Garten mit Bastardisierungsversuchen begann. 1892 heiratete er die Botanikerin Elisabeth Widmer, eine Nichte von Naegelis, die als Mutter von drei Kindern und als Assistentin zeitlebens seine Arbeiten unterst¨utzte. Mit den Untersuchungen u¨ ber die Xenien bei Zea Mays (1899) machte C. den ersten Schritt hin zur „Tatsache“ der Mendelspaltung, deren „Erkl¨arung“ sich ihm in einer schlaflosen Novembernacht ergab. Gleichzeitig und unabh¨angig von den Mitwiederentdeckern, den Botanikern Hugo de Vries und Erich von → Tschermak, best¨atigte C. G. Mendels Regel u¨ ber das Verhalten der Nachkommenschaft der Rassenbastarde (1900) und w¨urdigte die Erstentdeckung (1865) auch durch die Herausgabe von Gregor Mendels Briefe an Carl N¨ageli (1905). Der Privatdozent C. wurde 1902 als Extraordinarius nach Leipzig berufen, 1909 als Ordinarius f¨ur Botanik nach M¨unster und schließlich 1913 zum Ersten Direktor des Instituts f¨ur Biologie der Kaiser-WilhelmGesellschaft in Berlin-Dahlem (bis 1933). Seit 1919 war er Honorarprofessor f¨ur Botanik an der Berliner Universit¨at. 1925 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. Sein Lebenswerk beschleunigte den großen Aufschwung der experimentellen Vererbungswissenschaft, die in dieser Zeit im Zeichen des Mendelismus betrieben wurde, dessen Grundlagen und Geltungsbereich auszuloten waren. Außer zur intermedi¨aren Vererbung waren seine Arbeiten zur Bestimmung und Vererbung des Geschlechts (1907) bedeutsam, gem¨aß denen auch das „mechanische Geschlechtsverh¨altnis“ (1 : 1) sich „den von Mendel entdeckten Vererbungsgesetzen f¨ugt“, wovon auch noch sein Beitrag im Handbuch der Vererbungswissenschaft (Bd. II C, Berlin, 1928) handelt. Weiterhin erkannte C. fr¨uh (1902) die kernunabh¨angige Nicht mendelnde Vererbung und bewies sie gleichzeitig mit Er-

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win → Baur erstmals bei Pflanzen (1909). Die Rolle der Plastiden bei der Vererbung besch¨aftigte ihn noch in einem Beitrag zum 5. Berliner Genetiker-Kongreß (1927), der auch erweitert im Handbuch der Vererbungswissenschaft (Bd. II H, 1937) erschien. C. sah abschließend „die Bedeutung des Mendelismus nicht geschm¨alert. Er ist eben, trotz seines Namens, u¨ berhaupt keine Theorie, sondern eine Gruppe von Tatsachen, die vor jeder Deutung steht“ (1937, 132). Den vielseitigen und leidenschaftlichen Experimenta¨ tor besch¨aftigten zudem theoretische Uberlegungen zu gekoppelten Merkmalen, zur quantitativen Genwirkung oder zur artbildenden Mutation; C. korrellierte zuerst die mendelsche Anlagenverteilung mit der cytologischen Chromosomenverteilung und Reduktionsteilung. Aber er verfaßte kein umfassendes Lehrbuch, wohl eine kurze Schrift u¨ ber Die neuen Vererbungsgesetze (1912). Als Mitbegr¨under der „Zeitschrift f¨ur induktive Abstammungs- und Vererbungslehre“ (1908) und durch seine 117 Spezialarbeiten an mehr als einhundert Pflanzenarten legte er seinerzeit Fundamente f¨ur die Genetik, als deren f¨uhrender Repr¨asentant er in Deutschland galt. Zum 60. Geburtstag von Geheimrat Prof. Dr. phil. et med. C. gab Fritz von → Wettstein im Auftrag der Deutschen Gesellschaft f¨ur Vererbungswissenschaft C. C. Gesammelte Abhandlungen zur Vererbungswissenschaft aus periodischen Schriften (1899-1924) heraus (1924). Unver¨offentlichte Manuskripte wurden 1945 in Berlin zerst¨ort. LITERATUR: Fritz von Wettstein: C. E. C. In: Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft, Bd. LVI (1938) S. 140-160 (Werkverzeichnis). – Emmy Stein: Dem Ged¨achtnis von C. E. C. nach einem halben Jahrhundert der Vererbungswissenschaft. In: Die Naturwissenschaften, Jg. 37, Heft 20 (1950) S. 457-463. – Otto Renner: C. E. C. In: NDB, Bd. 3, 1957, S. 368. – Werner Plesse / Dieter Rux: Biographien bedeutender Biologen. Berlin 1977, S. 299-302. – Robert Olby: C. E. C. In: DSB, Bd. 3, 1981, S. 421-423. – Hans-J¨org Rheinberger: C. C.’ Experimente mit Pisum, 1846-1899. In: History and Philosophy of the Life Sciences 22 (2000) No. 2, S. 187-218. Hans Werner Ingensiep

Correns, Carl Wilhelm Erich, Mineraloge, * 19. 5. 1893 T¨ubingen, † 29. 8. 1980 G¨ottingen. Der Sohn von Carl Erich → C. und Bruder des Chemikers Erich → C. studierte in T¨ubingen, M¨unster und Berlin Mineralogie, Geologie, Chemie und Physik und wurde 1920 in Berlin mit der Arbeit Der Odersh¨auser Kalk im oberen Mitteldevon promoviert. Nachdem er sich dort 1925 f¨ur Minera¨ logie und Petrographie habilitiert hatte (Uber die Erkl¨arung der sogenannten Kristallisationskraft), folgte er zwei Jahre sp¨ater einem Ruf als a. o. Prof. an die Univ. Rostock, erhielt 1930 dort eine ordentliche Professur und lehrte seit 1938 an der Univ. G¨ottingen. C. nahm 1925-27 an der Atlantikexpedition auf dem deutschen Forschungs- und Vermessungsschiff „Meteor“ teil und gilt als Begr¨under der Sedimentpetrographie in Deutschland. Er ver¨offentlichte u. a. Tiefseebuch (1934), Die Sedimente des a¨ quatorialen atlantischen Ozeans (1937) und Einf¨uhrung in die Mineralogie (1949, 2 1968, Nachdr. 1981, engl. 1969). 1940 wurde C. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina und der G¨ottinger Akademie der Wissenschaften, deren Pr¨asident er 1942-49 war.

Correns, Erich, Zeichner, Maler, * 3. 3. 1821 K¨oln, † 14. 6. 1877 M¨unchen. C. studierte Rechtswissenschaften in Bonn und M¨unchen und nahm nebenbei Unterricht bei dem Maler Everhard Bourel. Sp¨ater entschied er sich f¨ur die Malerei und suchte als Portr¨atmaler seine Sujets vornehmlich in der h¨oheren Gesellschaft M¨unchens. C. geh¨orte zur M¨unchner Gesellschaft „Alt-England“, deren Mitglieder er ebenfalls portr¨atierte. Er

Corti malte daneben einige Genrebilder sowie nach einer Italienreise verst¨arkt religi¨ose Bildnisse (Grablegung Christi). C. war der Vater von Carl Erich → C. C AKL

Correns, Erich, Chemiker, Politiker, * 12. 5. 1896 T¨ubingen, † 18. 5. 1981 Berlin. C., Sohn von Carl Erich → C. und Bruder von Carl Wilhelm Erich → C., immatrikulierte sich 1918 in Berlin f¨ur Chemie und wurde 1922 in Berlin mit der Arbeit Versuche u¨ ber den Verlauf der Beckmannschen Umlagerung promoviert. Nach einer Assistenz am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin arbeitete der Sohn des Biologen Carl Erich → C. seit 1925 f¨ur die IG-Farbenindustrie, bevor er 1937 die Leitung der Zellwolle- und Kunstring GmbH in Schwarza (Th¨uringen) u¨ bernahm. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war C. zun¨achst als Chemiker t¨atig und wurde 1947 Werksdirektor des volkseigenen Kunstfaserwerkes „Wilhelm Pieck“ in Schwarza. Seit 1951 Direktor des Instituts f¨ur FaserstoffForschung in Teltow-Seehof und ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften, war er seit 1953 auch Prof. der Chemischen Technologie der Zellstoffgewinnung an der TU Dresden. Schon 1950 wurde C. auf dem ersten Nationalkongreß zum Vorsitzenden des Pr¨asidiums des Nationalrats der Nationalen Front gew¨ahlt, 1954 erfolgte seine Berufung zum Mitglied der Volkskammer. Seit 1957 geh¨orte er dem Forschungsrat der DDR an, 1960 wurde er Mitglied des Staatsrats. C. ver¨offentlichte u. a. Faserforschung und Textiltechnik (1950) und Beitr¨age zur Kenntnis fadenbildender Polymere (1977). C DDR

Corrodi, (Wilhelm) August, schweizer. Schriftsteller, Zeichner, * 27. 2. 1826 Z¨urich, † 15. 8. 1885 Z¨urich. C., Sohn eines Pfarrers, studierte zun¨achst Theologie in Z¨urich und Basel und wechselte 1847 an die Kunstakademie in M¨unchen u¨ ber, wo er Kontakte zum M¨unchner Dichterkreis pflegte. 1852 kehrte er in die Schweiz zur¨uck und ließ sich in St. Gallen als Zeichner und Illustrator nieder. 1856-62 lebte er im Haus seiner Eltern in T¨oss und ging dann als Zeichenlehrer nach Winterthur. Nachdem er diese Stelle 1881 aus gesundheitlichen Gr¨unden aufgegeben hatte, war er bis zu seinem Tod in Z¨urich ans¨assig. C. schuf ein umfangreiches literarisches Werk, das Lieder, Romane (Waldleben, 1856; Bl¨uhendes Leben, 1870), Erz¨ahlungen, M¨archen, Kindergeschichten sowie Lustspiele im schweizer. Dialekt (De Ritchnecht, 1873) umfaßt. C. u¨ bersetzte auch Lieder von Robert Burns ins Schweizerdeutsche. C Killy Corrodi, (Hans) Heinrich, evang. Theologe, * 31. 7. 1752 Z¨urich, † 14. 9. 1793 Z¨urich. C., Sohn eines Pietisten und Mystikers, wurde 1773 in Z¨urich zum cand. theol. ordiniert und ging dann zu weiteren Studien nach Leipzig und Halle, wo er Sch¨uler von Johann Salomo → Semler war. 1786 nahm er einen Ruf als Prof. des Naturrechts und der Sittenlehre am Karolinum in Z¨urich an. Maßgeblich beeinflußt von → Leibniz und → Wolff, galt C. als einer der wichtigsten Verfechter der Halleschen Aufkl¨arungstheologie. Er wandte sich gegen religi¨ose Schw¨armerei und vor allem den Chiliasmus (Kritische Geschichte des Chiliasmus, 3 Bde., 1781-83, 21794 in 4 B¨anden), hielt gegen → Kant aber u. a. an Gottesbeweisen fest (u. a. Versuch u¨ ber Gott, die Welt und die menschliche Seele, 1788). 1780-93 gab er die „Beitr¨age zur Bef¨orderung des vern¨unftigen Denkens in der Religion“ heraus. C NDB Corrodi, Heinrich, schweizer. Maler, * 12. 4. 1762 Z¨urich, † 23. 2. 1833 Z¨urich. C. wurde zun¨achst von dem Landschaftsmaler Heinrich → W¨uest ausgebildet und ging dann nach Wien, um Portr¨atmalerei zu studieren. 1789 kehrte er nach Z¨urich zur¨uck und ließ sich als Maler nieder. C. schuf vor allem

Portr¨ats, Landschaften und Stilleben und war mit seinen Werken regelm¨aßig auf den lokalen Ausstellungen vertreten. 1811-27 unterrichtete er am Z¨urcher Waisenhaus. C AKL

Corsten, Hermann, Bibliothekar, * 18. 7. 1889 Geilenkirchen bei Aachen, † 23. 7. 1968 K¨oln. C. studierte in Aachen und wurde 1927 in K¨oln in Wirtschaftswissenschaften promoviert. Im gleichen Jahr volontierte er an der Universit¨atsbibliothek in Bonn, legte 1928 die Fachpr¨ufung als Bibliothekar in Berlin ab und trat eine Stellung als Bibliothekar an der TH Berlin an. Seit 1933 war er Direktor der Universit¨ats- und Stadtbibliothek K¨oln. Dort legte er vor allem einen einheitlichen alphabetischen Katalog an, der sp¨ater die Grundlage f¨ur den Zentralkatalog der wissenschaftlichen Bibliotheken Nordrhein-Westfalens bildete, dessen Einrichtung ebenfalls C. zu verdanken ist. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs gelang es C., die Auslagerung der Best¨ande zu erreichen und sie so vor der Vernichtung zu sch¨utzen. 1948 war er an der Gr¨undung des Verbandes der Bibliotheken Nordrhein-Westfalens beteiligt. 1949 wurde er zum Direktor des neugegr¨undeten Bibliothekar-Lehrinstituts Nordrhein-Westfalens ernannt. Von C. stammt u. a. die Rheinische Bibliographie (o. J.).

Corte, Gottlieb, auch Kortte, evang. Theologe, klassischer Philologe, Jurist, * 27. 2. 1698 Beeskow (Niederlausitz), † 7. 4. 1731 Leipzig. C. immatrikulierte sich 1715 in Leipzig f¨ur Theologie (1718 Baccalaureus, 1720 Magister) und widmete sich dann dem Studium der Rechtswissenschaft, das er 1724 mit der Promotion in Frankfurt / Oder abschloß. Seit 1726 lehrte er als a. o. Prof. in Leipzig. Neben juristischen Fachver¨offentlichungen verschaffte sich C. durch seine Beitr¨age De usu orthographiae Latinae und vor allem durch die Edition, Kommentierung und Herausgabe lateinischer Klassiker wie Sallust, Cicero und Seneca einen Ruf als Klassischer Philologe.

Corthum, Lukas, Jurist, B¨urgermeister, * 29. 4. 1688 S¨ulfeld (Holstein), † 9. 1. 1765 Hamburg. C., Sohn eines Pastors und sp¨ateren Diakons in Hamburg, schloß das Studium der Rechtswissenschaften in Leipzig, Leiden und Wittenberg 1716 als Lizentiat der Rechte ab. Er kehrte nach Hamburg zur¨uck, wurde 1721 Richter am Untergericht und zog 1729 in den Senat der Hansestadt ein. Er war 1744 als Bauhofherr an entscheidender Stelle mitverantwortlich f¨ur den Bau des st¨adtischen Gymnasiums mit dem Grundstock der sp¨ateren Stadtbibliothek und amtierte 1751-65 als B¨urgermeister. C SHBL, Bd 4 Corti, Axel, o¨ sterr. Regisseur, * 7. 5. 1933 Paris, † 29. 12. 1993 Oberndorf bei Salzburg. Als Sohn eines Kaufmanns o¨ sterreichisch-italienischer Abstammung und einer Berlinerin mit polnischen Wurzeln wurde C. in der Emigration in Paris geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem fr¨uhen Tod des Vaters suchte die Familie in mehreren europ¨aischen L¨andern Zuflucht, be¨ vor C. als Journalist in Osterreich t¨atig wurde. Seit 1960 Regieassistent, wurde er zwei Jahre sp¨ater Dramaturg und Regisseur am Wiener Burgtheater. 1964 wechselte er als Oberspielleiter nach Oberhausen, 1967 in gleicher Funktion nach Ulm. Zur Theaterarbeit kamen zunehmend Arbeiten f¨ur Film und Fernsehen. Seinen Ruf als sensibler Filmgestalter begr¨undete 1971 das Fernsehspiel Der Fall J¨agerst¨atter; 1986 gelang ihm mit Welcome to Vienna international der Durchbruch. C DLL, 20. Jh. Corti, Egon C¨asar Conte, Schriftsteller, * 2. 4. 1886 Agram (Zagreb), † 17. 9. 1953 Klagenfurt. Als Sohn eines k. u. k. Feldmarschalleutnants aus lombardischer Adelsfamilie absolvierte C. die Milit¨arakademie in der

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Cortolezis Wiener Neustadt mit dem Ziel einer milit¨arischen Laufbahn, ¨ mußte sich jedoch nach der Niederlage Osterreichs im Ersten Weltkrieg umorientieren und begann 1918, an der Wiener Univ. u. a. bei Heinrich von → Srbik Geschichtswissenschaft zu studieren; 1921 wurde er promoviert. Nachdem er 1920 mit Leben und Liebe Alexanders von Battenberg (21950) erfolgreich als Historienschreiber deb¨utiert hatte, war er weiterhin als freier Schriftsteller t¨atig. 1937 trat C. dem nationalsozialistischen „Bund der deutschen Schriftsteller in ¨ Osterreich“ bei. Er ver¨offentlichte zahlreiche popul¨arhistorische Werke, am bekanntesten Elisabeth, die seltsame Frau (1934, 381975, Nachdr. 2003) u¨ ber Kaiserin → Elisabeth von ¨ Osterreich. C Killy

Cortolezis, Fritz, Dirigent, Operndirektor, Komponist, * 21. 2. 1878 Passau, † 13. 3. 1934 Bad Aibling. Nachdem C. 1899-1902 an der M¨unchner Akademie der Tonkunst Klavier und Musiktheorie studiert hatte, arbeitete er 1903 als Solorepetitor am Hoftheater in Schwerin, dirigierte 1904 den Chor am Nationaltheater in Berlin, wurde 1905 Erster Kapellmeister in Regensburg, 1906 in N¨urnberg und kam 1907 als Hofkapellmeister nach M¨unchen. Nach einer Gastspieltournee durch England 1911 kehrte er 1912 als Erster Kapellmeister der Kurf¨urstenoper nach Berlin zur¨uck, bevor er 1913 Generalmusikdirektor am Hoftheater in Karlsruhe wurde.Von dort wechselte er 1925-28 als Operndirektor an das Stadttheater Breslau und zog sich dann als freischaffender Komponist nach Bad Aibling zur¨uck. C. gewann als Interpret Wolfgang Amadeus → Mozarts, Ludwig van → Beethovens und Richard → Wagners internationale Anerkennung und trug durch seine Auff¨uhrungen wesentlich zur Weltgeltung von Richard → Strauss bei. Er komponierte u. a. die komische Oper Das verfemte Lachen (1924) und die Spieloper Der verlorene Gulden (1928).

Cortrejus, Adam, Jurist, * 3. 10. 1637 Mariengarten bei G¨ottingen, † 19. 6. 1706 Magdeburg. Der Sohn eines Amtmanns immatrikulierte sich 1653 in Jena f¨ur Rechtswissenschaften, wurde dort 1660 Lizentiat, 1664 promoviert und las als Privatdozent, bis er 1668 eine Stelle als Stadtsyndikus und Inspektor des Gymnasiums von Halle annahm. Von 1680 bis zu seinem Tod arbeitete er f¨ur das Herzogtum Magdeburg als Landsyndikus. Seine Schriften behandeln haupts¨achlich das deutsche Staatsrecht. C.’ Hauptwerk, das Corpus juris publici Sacri Romani Imperii Germanici (4 Bde., 1707 ff.), wurde von seinem Sohn und Nachfolger im Amt Ernst Ludwig C. vollendet. Cortum, ¨ Karl Arnold, auch Carl A. Kortum, Mediziner, Schriftsteller, * 5. 7. 1745 M¨ulheim / Ruhr, † 26. 8. 1824 Bochum. C. studierte in Duisburg und Berlin Medizin und ließ sich 1770 als praktischer Arzt in Bochum nieder. Seine beruflichen Pflichten ließen ihm Raum genug f¨ur zahlreiche Liebhabereien wie Bienenzucht, Botanik, Malerei, antiquarische Studien und vor allem die Schriftstellerei. Er schrieb linguistische und historische Arbeiten, Grunds¨atze der Bienenzucht (1776), M¨archen sowie Satiren (u. a. Die M¨artyrer der Mode, 1778), Pl¨adoyers f¨ur die Alchemie, eine Skizze einer Zeit- und Liter¨argeschichte der Arzneikunst und gr¨undete die Zeitschrift „Die magische Laterne“ (1784-86). Popularit¨at bei seinen Zeitgenossen erlangte C. vor allem durch das komische Heldenepos Leben, Meynungen und Thaten von Hieronymus Jobs dem Kandidaten [. . .] (1784).

Corvin, Christoph, auch Raab, Raabe, Rab, Drucker, * 1552 Z¨urich, † 19. 1. 1620 Herborn. C., Sohn des Buchdruckers Georg Rab, studierte 1570-74 an den Philosophischen Fakult¨aten in Heidelberg, Wittenberg und Wien, bevor er 1575 in die Verlagsdruckerei seines

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Vaters in Frankfurt / Main eintrat, die er 1580 u¨ bernahm. Zunehmender Druck der Obrigkeit in Glaubensfragen und die ¨ Uberwachung des Buchdrucks durch die kaiserliche B¨ucherkommission veranlaßten ihn 1585, eine Berufung als akademischer Drucker nach Herborn anzunehmen. Obgleich auch die dortigen Druckerzeugnisse einer scharfen Vorzensur unterlagen, konnte er seinen Betrieb mit dem Wachstum der Hochschule ausdehnen und 1599 bereits zehn Gesellen und einen Korrektor besch¨aftigen. Von weit u¨ ber 1000 Drucken ist neben einer Lutherbibel von 1595, einem reformierten Gesangbuch und einem Katechismus, die regelm¨aßige Neuauflagen erlebten, besonders die sogenannte Piscatorbibel in drei Ausgaben (1603-17) zu erw¨ahnen. C. unterhielt neben der Druckerei einen umfangreichen Fachbuchhandel f¨ur die Herborner Professorenschaft und die gr¨afliche Bibliothek. C NDB

Corvin-Wiersbitzki, Otto (Julius Bernhard) von, Pseud. Dr. Ernest-Falk, Otto von der Weiden, Publizist, * 12. 10. 1812 Gumbinnen (Ostpreußen), † 1. 3. 1886 Wiesbaden. C.-W., Sohn eines Majors a. D. und Postdirektors, stammte aus polnisch-westpreußischem Adel, genoß eine Kadettenerziehung und war mit 18 Jahren Leutnant in einer Mainzer Garnison. Nach fr¨uhzeitigem Ausscheiden aus der Armee ließ er sich als Journalist und Gelegenheitsschriftsteller in Leipzig nieder, schloß sich dort liberaldemokratischen und antiklerikalen Kreisen an und f¨uhrte 1848 die Revolution im Elsaß sowie am Oberrhein an. 1849 wurde er verhaftet, zum Tod verurteilt und schließlich zu sechs Jahren Zuchthaus begnadigt. Nach seiner Entlassung 1855 berichtete er als freier Mitarbeiter f¨ur renommierte Bl¨atter wie „Times“, „New York Times“, „Augsburger Allgemeine Zeitung“ und Charles Dickens’ „Household Words“ aus Amerika, England und Deutschland. Seine Kampfschrift Historische Denkmale christlichen Fanatismus erschien 1845 in zwei B¨anden (sp¨ater unter dem Titel Pfaffenspiegel, 311992). C.-W. ver¨offentlichte 1861 seine Erinnerungen Aus dem Leben eines Volksk¨ampfers (31880 unter dem Titel Erinnerungen aus meinem Leben, 4 Bde., 41890-92). C NDB Corvinus, Andreas, Philologe, * 7. 10. 1589 Westenfeld, † 14. 1. 1648 Leipzig. Der Sohn eines Pfarrers immatrikulierte sich 1608 in Leipzig, unternahm Studienreisen ins Ausland, kehrte nach Leipzig zur¨uck und wurde dort 1616 Magister. Seit 1618 Assistent an der Philosophischen Fakult¨at, wurde er 1620 Prof. der Eloquenz, 1621 Mitglied des großen F¨urstenkollegiums und 1644 Prof. der lateinischen Sprache. C.’ Fons latinitatis galt zu seiner Zeit als das wichtigste Lehrbuch f¨ur die lateinische Sprache an Schulen und Akademien.

Corvinus, Antonius, auch Rabe, luth. Theologe, Reformator, * 27. 2. oder 11. 4. 1501 Warburg, † 5. 4. 1553 Hannover. C. trat 1519 in das Zisterzienserkloster Loccum ein, studierte wohl kurzzeitig in Leipzig und war dann M¨onch in Riddagshausen, wo er, inzwischen zum evang. Glauben u¨ bergetreten, vom Abt verjagt wurde. In der Folgezeit predigte er in Witzenhausen und Goslar, studierte dann in Marburg, wurde 1536 Magister und schrieb in dieser Zeit seine 1535 und 1537 mit einer Vorrede → Luthers ver¨offentlichte und noch zu Anfang des 20. Jh. gelegentlich zur Predigtvorbereitung benutzte Postille (Kurze und einf¨altige Auslegung). Seit 1537 als Reformator t¨atig, nahm er an Konventen teil, verhandelte f¨ur Landgraf → Philipp von Hessen mit den T¨aufern in M¨unster und verfaßte Kirchenordnungen u. a. f¨ur die Grafschaft Lippe und die welfischen Herzogt¨umer Calenberg und Wolfenb¨uttel, wo er sich als Landessuperintendent der Restituierung des alten Glaubens nach dem

Coscan Augsburger Interim widersetzte, 1549 gefangengesetzt und erst 1552 schwerkrank wieder freigelassen wurde. C. schrieb u. a. Von der Haushaltung einer christlichen Hausmutter und Die vornehmsten Artikel unserer christlichen Religion [. . .] in Ges¨ange gebracht (1546). C TRE

Verm¨ogen; er starb auf der Flucht in seine Heimatdi¨ozese Trier. Ihm kommt große Bedeutung als M¨azen und F¨orderer des deutschen Humanismus und der deutschen Lyrik zu. C NDB

Corvinus, Gottlieb Siegmund, Pseud. Anaranthes, Schriftsteller, * 15. 5. 1677 Leipzig, † 27. 1. 1746 Leipzig. C. studierte Rechtswissenschaften in Leipzig, wo er nach seiner Ausbildung als kaiserlicher Notar und Advokat t¨atig war. Angeregt durch die Werke von Johann Burkhard → Mencke und Christian → Weise schrieb er Gedichte (Proben der Poesie In Galanten- Verliebten- Vermischten- Schertz- und Satyrischen Gedichten, 2 Bde., 1710 / 11; Reiffere Fr¨uchte der Poesie In unterschiedenen Vermischten Gedichten, 1720). Eine Ernennung zum s¨achsischen Hofpoeten lehnte er ab. Von C., der zu den wichtigsten Gelegenheitsdichtern seiner Zeit z¨ahlt, stammt auch der Band Nutzbares, galantes und curi¨oses Frauenzimmer-Lexicon (1715). C Killy

Marienburg, † 31. 10. 1868 Halle. C. studierte 1834-37 in Berlin und Halle Theologie, wurde 1840 Gef¨angnispfarrer in Graudenz, 1841 Pfarrer in Schloppe und wirkte seit 1846 als Milit¨arpfarrer in K¨onigsberg, Rastatt, Trier und Stettin. 1852 kehrte er als Pfarrer der L¨obenichtschen Kirche nach K¨onigsberg zur¨uck und erhielt zugleich eine a. o. Professur f¨ur praktische Theologie. 1861 wurde er zum Dr. theol. promoviert und zugleich zum Ordinarius ernannt. C. widmete sich in seinen Forschungen vor allem der ostpreußischen Kirchengeschichte. Aus seinem Nachlaß erschien 1871 Zur Geschichte der evangelischen ascetischen Literatur in Deutschland. C. war der Vater von Konrad → C.

Corvinus, Laurentius, eigentl. Lorenz Rabe, Humanist,

Cosack, (Kaspar) Josef, Industrieller, * 19. 6. 1801

Dichter, * um 1462 Neumarkt (Niederschlesien), † 1527 Breslau. Der Sohn eines K¨urschners studierte seit 1484 in Krakau, erhielt 1489 den Titel eines Magisters, las u¨ ber Vergil und Boethius und traf dort auf Konrad → Celtis, dem er wichtige poetische Anregungen verdankte. 1494 wurde C. Rektor der Pfarrschule und 1495 Stadtschreiber in Schweidnitz, 1496 Lehrer an der Pfarrschule St. Elisabeth in Breslau. Zur Fastnacht 1500 und 1502 inszenierte er mit seinen Sch¨ulern die ersten in Deutschland nachweisbaren Auff¨uhrungen r¨omischer Klassiker. 1503 wird er als Notar und Stadtschreiber genannt. 1506-08 war C. im gleichen Amt f¨ur die Stadt Thorn t¨atig und traf hier Nicolaus → Copernicus, der eventuell schon in Krakau zu seinen Sch¨ulern z¨ahlte. Sp¨ater kehrte er nach Breslau zur¨uck und wirkte dort bis zu seinem Tod. Als fr¨uhhumanistischer Lyriker und Lehrer war C. in seinen vorwiegend didaktischen Werken bestrebt, die F¨ulle des Wissens u¨ ber die wiederentdeckte Antike auszubreiten und zu vermitteln. Das Lateinschulbuch Hortulus elegantiarum (1502) etwa stellt Sentenzen aus Ciceros Schriften als musterhafte Beispiele vor, in Carminum structura (1496) wird Metrik modellhaft an eigenen Gedichten erl¨autert. C Killy

Neheim / Ruhr, † 18. 9. 1878 Karlsbad. C.s Vorfahren waren Bauern; sein Vater, f¨urstenbergischer Rentmeister, betrieb eine Gastwirtschaft und starb verschuldet. Er selbst erbte im Alter von dreißig Jahren eine Ko¨ uhle und erwarb lonialwarengroßhandlung mit einer Olm¨ durch Heirat ein ebensolches Gesch¨aft in Arnsberg dazu. Das so gewonnene Kapital setzte er in der Eisenindustrie ein. C. gr¨undete 1839 ein erstes Eisenwerk, in dem Weichstahl im Puddelverfahren gewonnen wurde. Dem folgte 1845 die Gr¨undung des gewinnbringenden Frisch-, Walz- und Weißblechwerks „H¨ustener Gewerkschaft“ und 1853 die Errichtung eines Puddel-, Walz- und Drahtwerks in Hamm, das auf damals modernste und effizienteste Weise den gesamten Produktionsprozeß vom Rohstoff bis zum Endprodukt an einem Ort erm¨oglichte. Sp¨ater beteiligte sich C. an Silber- und Bleigruben, verkaufte schließlich seine Eisenwerke und erwarb Landg¨uter. Er war erster Pr¨asident der Industrie- und Handelskammer in Arnsberg sowie 1851-53 Abgeordneter im Preußischen Landtag. C NDB

Corvinus, Lorenz, o¨ sterr. S¨anger, * 20. 7. 1870 Frankfurt / Main, † 18. 1. 1952 Wien. Nach einer Lehre als Schreiner ging C. 1894 als Chors¨anger nach Weimar und sp¨ater an das Breslauer Opernhaus, bevor er sich 1896 dem damals sehr bekannten Quartett NeumannBliemchen als zweiter Bassist anschloß und Tourneen durch Deutschland und Europa unternahm. 1901 begann seine B¨uhnenkarriere im Theater des Westens in Berlin. Es folgten Stationen in Elberfeld, Straßburg und Wien, wo er 1908-16 große Erfolge feierte. 1916-25 sang er am Staatstheater Braunschweig, kehrte dann nach Wien zur¨uck und gastierte dort bis 1932 mehrmals an der Volksoper. C.’ Repertoire war sehr umfangreich. Sein dunkler, groß dimensionierter Baß pr¨adestinierte ihn vor allem f¨ur → Wagner-Rollen. Gastspiele in europ¨aischen Metropolen wie Amsterdam und London machten ihn international als Konzertbassisten bekannt. C Kutsch

Corycius, Johannes, auch J. G¨oritz, J. Goritz, Jurist, Humanist, * um 1455 Luxemburg, † 1527 Verona. C. wurde 1498 p¨apstlicher Notar, stieg einige Jahre sp¨ater zum Supplikenrezipienten auf und wurde 1503 zum apostolischen Sekret¨ar ernannt. 1524 erscheint der Kleriker und Jurist als Notar und Familiar des Papstes Clemens VII. W¨ahrend der Verw¨ustung und Pl¨underung Roms durch die S¨oldner Kaiser → Karls V. verlor C. 1527 Haus und

Cosack, Carl Johann, evang. Theologe, * 27. 11. 1813

Cosack, Konrad (Carl Albert), Pseud. Konrad Berthold, Jurist, * 12. 3. 1855 K¨onigsberg, † 27. 12. 1933 M¨unchen. Der Sohn des Theologieprofessors Carl Johann → C. studierte in Berlin, M¨unchen und Halle Jura (Promotion 1877, Der Besitz des Erben), habilitierte sich 1882 in Berlin und wurde dort nach dreij¨ahriger Richtert¨atigkeit 1885 zum a. o. Prof. berufen. 1889 ging er als o. Prof. nach M¨unchen, 1893 nach Freiburg / Breisgau, 1896 nach Bonn und wurde dort 1903 zum Geheimen Justizrat ernannt. C. setzte sich engagiert f¨ur eine Hochschulreform ein, bek¨ampfte die Begriffsdogmatik seiner Zunft und legte 1915 seine Professur nieder, um dadurch den Reformprozeß zu beschleunigen. Seit 1918 lehrte er wieder als Honorarprofessor in M¨unchen. Neben seinen akademischen Schriften u¨ ber Sachen-, Handels- und vor allem B¨urgerliches Recht (Lehrbuch des b¨urgerlichen Rechts, 2 Bde., 1898, 81927; Lehrbuch des Handelsrechts, 1888, 121930) ver¨offentlichte C. 1921 Universit¨atsreform, ein Programm. Unter Pseudonym schrieb er Novellen und Erz¨ahlungen wie die Die Rose von Jericho. Eine Idylle (1906). C Altpreuß Biogr, Bd 4

Coscan, Oswald, auch Coscanus, Jesuit, Philosoph, * 26. 3. 1581 Hall (Tirol), † 18. 1. 1637 Ingolstadt. Nachdem er 1599 die Profeß abgelegt hatte, studierte C. Philologie in Dillingen und seit 1607 Theologie in Ingolstadt. 1613 wurde er in Eichst¨att zum Priester geweiht. Er lehrte danach als Prof. in Dillingen und seit 1622 in Ingolstadt, wo er Georg → Stengels Lehrstuhl u¨ bernahm. C. unterrichtete haupts¨achlich Rhetorik, Philosophie und Moraltheologie. Er war sechsmal Dekan seiner Fakult¨at. 1636 wurde C.

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Coschwitz vom Senat mit der Aufgabe betraut, Material f¨ur die Annales Ferdinandei zu sammeln. Er ver¨offentlichte Schriften u¨ ber so unterschiedliche Themen wie die Seele und allgemeine Prinzipien der Architektur. Mit seiner Disputatio physica de corpore coelesti (1616) beteiligte sich C., der das kopernikanische Weltbild nicht g¨anzlich ablehnte, an den Debatten zum Heliozentrismus. C LMU

Coschwitz, Georg Daniel, Mediziner, Apotheker, * 18. 2. 1679 Konitz, † 1729 Halle / Saale. C., Sohn des Mediziners Georg Daniel C., immatrikulierte sich 1695 f¨ur Medizin in Halle, wurde 1699 promoviert (Diss. sistens aegrum haemoptysi periodica laborantem), ließ sich 1700 als praktischer Arzt und Geburtshelfer nieder und f¨uhrte eine Apotheke. 1716 erhielt er eine a. o. Professur und wurde 1718 zum o. Prof. der Anatomie berufen. C. las u¨ ber Botanik, Anatomie und Chirurgie. Er gilt als Begr¨under des Anatomischen Theaters der Univ. Halle. C. ver¨offentlichte u. a. Introductio in chirurgiam rationalem (1722, auch ¨ 1755) und Consideratio pathologica (1728). 1 C Arzte Cosel, Anna Constanze Gr¨afin von, auch Cossell, * 17. 10. 1680 Depenau (Holstein), † 31. 3. 1765 Stolpen. Die Tochter des d¨anischen Obersten J. von Brockdorff heiratete 1699 in Wolfenb¨uttel den s¨achsischen Kabinettsminister Adolf von → Hoym, ging mit ihm nach Dresden und wurde dort die Geliebte von August dem Starken (→ Friedrich August I.), der sie zur Scheidung bewog. Als kgl. M¨atresse war sie fast ein Jahrzehnt Mittelpunkt des Hofs, wurde 1707 zur Reichsgr¨afin erhoben und erreichte die geheimschriftliche Zusage des K¨onigs, ihre Kinder als erbberechtigt anzuerkennen. Nachdem sie sich in die Politik eingemischt hatte und die von August aus politischen Gr¨unden geforderte Herausgabe des Dokuments verweigerte, wurde sie 1716 gefangengesetzt und bis zu ihrem Tod auf Schloß Stolpen in Haft gehalten. Ihre Kinder wurden 1724 in den polnischen Grafenstand erhoben. Cosel, Charlotte von, Pseud. Adelheid von Auer, Schriftstellerin, * 6. 1. 1818 Berlin, † 22. 4. 1904 Berlin. C. lebte im Haushalt ihres Vaters, eines Ulanen-Kommandeurs, erst im Geschwisterkreis, sp¨ater allein an wechselnden Orten. 1848 nahm der Vater als Kavalleriegeneral seinen Abschied, setzte sich in Schwedt / Oder zur Ruhe und starb dort 1878. Zehn Jahre sp¨ater zog C., inzwischen freie Schriftstellerin, wieder nach Berlin. Ohne große F¨orderung begann sie, f¨ur ihre Familie Gelegenheitsgedichte zu verfassen. 1856 druckte die „K¨olnische Zeitung“ als erstes ihre Novelle Sonnenaufgang und Sonnenuntergang. Sp¨ater schrieb sie f¨ur mehrere Periodika, u. a. f¨ur die Familienbl¨atter „Die ¨ Gartenlaube“ und „Uber Land und Meer“. Seit 1868 war sie st¨andige Mitarbeiterin des Leipziger „Salons“. C. ver¨offentlichte zahlreiche Erz¨ahlungen und Romane wie Modern (2 Bde., 1868) und Luftschl¨osser (3 Bde., 1882). Ein biographisches Selbstzeugnis ist nachzulesen in Adolf Hinrichsens Das literarische Deutschland (21891). C DLL Coser, Lewis Alfred, urspr. Ludwig Cohen, Soziologe, * 27. 11. 1913 Berlin, † 8. 7. 2003 Cambridge (Massachusetts, USA). C., j¨udischer Herkunft und Sohn eines Bankiers, war in der sozialistischen Jugend t¨atig und wandte sich sp¨ater dem Marxismus zu. 1933 emigrierte er nach Frankreich und begann an der Pariser Sorbonne ein Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaften und der Soziologie. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs als deutscher Fl¨uchtling interniert, floh er 1941 u¨ ber Marseille und Portugal in die USA, wo er f¨ur das Kriegsministerium arbeitete. Seit 1948 setzte C. sein Studium an der Columbia University in New York fort, schrieb Artikel f¨ur politische Magazine (u. a. „Partisan Review“,

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„The Progressive“) und geh¨orte zu den Begr¨undern der Zeitschrift „Dissent“. 1954 wurde er mit der Arbeit The Functions of Social Conflict promoviert. C. lehrte 1948-50 Sozialwissenschaften an der Univ. Chicago, 1951-68 als Prof. an der Brandeis University in Waltham (Massachusetts) und 1968-87 an der University of New York in Stony Brook. Gastaufenthalte f¨uhrten ihn nach Stanford und Cambridge. Nach seiner Emeritierung unterrichtete er am Boston College und an der Boston University. C. besch¨aftigte sich vor allem mit politischer Soziologie und soziologischer Theorie. Als Mitautor verfaßte er The American Communist Party. A Critical History (1957, 21963).

Coseriu, Eugenio, Sprachwissenschaftler, Philosoph, * 27. 7. 1921 Mih˘aileni (Rum¨anien), † 7. 9. 2002 T¨ubingen. C., der w¨ahrend seiner Schulzeit zahlreiche nationale Literatur- und Kulturwettbewerbe gewann, verließ 1940 seine Heimat, um in Rom sein Studium fortzusetzen. 1944 wurde er dort mit einer Arbeit u¨ ber den Einfluß der altfranz¨osischen Chansons de geste auf die epische Volksdichtung der S¨udslawen promoviert; 1949 schloß er in Mailand eine zweite, philosophische Promotion mit einer Studie u¨ ber die Entwicklung a¨ sthetischer Theorien in Rum¨anien ab. Im selben Jahr ging C. nach Montevideo, wo er f¨ur den Aufbau eines Instituts f¨ur Linguistik verantwortlich war. Nach einer Gastprofessur an der Univ. Bonn Anfang der sechziger Jahre folgte C. 1963 einem Ruf an die Univ. T¨ubingen. Er ver¨offentlichte u. a. Sincron´ıa, diacron´ıa e historia (1957, dt. 1974), Probleme der romanischen Semantik (1966) und Geschichte der Sprachphilosophie (21975, Neuausg. 2002). C Jb BAW 2002

Cosmar, Alexander, Pseud. Max Larceso, Schriftsteller, Buchh¨andler, Redakteur, * 12. 5. 1805 Berlin, † 27. 1. 1842 Berlin. Der weitgereiste und humanistisch gebildete Sohn eines Justizkommissars und sp¨ateren Rittergutsbesitzers absolvierte in Magdeburg eine Buchhandelslehre, erwarb dort sp¨ater die Christianische Buchhandlung, verkaufte sie aber bald wieder und ging als freier Schriftsteller nach Berlin. 1830 gr¨undete er dort den Dichteralmanach „Odeum“, 1832 den „Berliner Modenspiegel“ und 1836 den „Berliner Theater-Almanach“. Daneben schrieb er Theaterkritiken f¨ur die „HaudeSpenersche Zeitung“ sowie Erz¨ahlungen, Satiren, Historiengeschichten und vor allem Lustspiele wie Leichtsinn und leichter Sinn (1827). Er war mit der Schriftstellerin Antonie Klein verheiratet. C MBL

Cosmar, Emanuel Wilhelm Karl, evang. Theologe, * 26. 3. 1763 Neuruppin, † 26. 3. 1844 Berlin. C. wuchs in einem Berliner Waisenhaus auf, studierte in Halle Theologie und war seit 1786 Prediger in Berlin. Seit 1804 arbeitete er als Assistent im Staatsarchiv und wurde 1812 als Konsistorialrat pensioniert. Er war als Redakteur f¨ur die „Vossische Zeitung“ und die „Haude-Spenersche Zeitung“ t¨atig. C. ver¨offentlichte historisch-archivarische Schriften, Traktate und gemeinn¨utzige Abhandlungen teilweise skurrilen Inhalts. C BBKL

Cossart, Leland, Komponist, * 31. 10. 1877 Funchal (Madeira), † n. e. Der Sohn einer deutschen Mutter und eines englischen Weingroßh¨andlers wuchs in Frankreich und in der Schweiz auf, studierte an den Konservatorien in Lausanne (bei Eugen Gayrhos) und Dresden (bei Felix → Draeseke), arbeitete vor¨ubergehend als Korrepetitor und Zweiter Kapellmeister am Stadttheater Magdeburg und ließ sich dann als Musiklehrer und freischaffender Komponist in Dresden nieder. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs wurde er als englischer Staatsb¨urger von 1914 bis 1918 interniert und siedelte nach

Costenoble dieser Erfahrung 1919 ins franz¨osisch-schweizerische Montreux u¨ ber. C. komponierte Lieder, Kammermusik, Klavierwerke, M¨annerch¨ore und eine Bl¨asersuite.

Cossel, Paschen von, auch Kossel, Jurist, * 21. 12. 1714 Neubrandenburg, † 17. 1. 1805 Jersbeck. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften und der Promotion ließ sich C., Sohn eines Weinh¨andlers, 1738 als Anwalt in Hamburg nieder und machte sich bald einen Namen als Prozeßanwalt. 1750-60 f¨uhrte er die Rechtsgesch¨afte des Hamburger Domkapitels und leitete dessen Kapitulargericht, seit 1755 war er als canonicus minor auch Mitglied des Kapitels. Im gleichen Jahr wurde er vom Kaiser mit dem Titel eines Hof- und Pfalzgrafen in den Adelsstand erhoben. Durch seine u¨ berragenden Rechtskenntnisse zu Reichtum gelangt, zog sich C. 1781 mit dem Titel eines k¨oniglich-d¨anischen Konferenzrats auf sein Rittergut Jersbeck bei Hamburg zur¨uck. C SHBL, Bd 11

Cossmann, Alfred, o¨ sterr. Radierer, Kupferstecher, * 2. 10. 1870 Graz, † 31. 3. 1951 Wien. C. besuchte seit 1886 die Wiener Kunstgewerbeschule, arbeitete dann in einem Atelier f¨ur Dekorationsmalerei, studierte 1895-99 an der Kunstakademie und wurde 1920 Prof. an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt. Seine phantasievollen Radierungen und Graphiken zeichnen sich durch strenge, subtile Technik und Konzentration auf das Detail aus. C. schuf daneben auch reine Linienstiche, Exlibris, Buchschmuck, Einb¨ande und Illustrationen. Neben anderen Auszeichnungen erhielt C. f¨ur sein Werk den Kaiserpreis und den Kriehuber-Preis f¨ur Graphik und angewandte Kunst. C AKL Cossmann, Bernhard, Musiker, * 17. 5. 1822 Dessau, † 7. 5. 1910 Frankfurt / Main. C. erlernte das Violoncello-Spiel als Sch¨uler des Dessauer Konzertmeisters Karl → Drechsler, sp¨ater bei Theodor Amadeus M¨uller in Braunschweig und bei Friedrich August → Kummer in Dresden. Seit 1840 spielte er in Paris im Orchester der italienischen Oper, bald auch im Konzert und verschaffte sich schnell internationales Ansehen. Als erster Solocellist und als Lehrer wirkte er seit 1847 in Leipzig, 1850-66 in Weimar, dann bis 1870 in Moskau und seit 1878 in Frankfurt / Main am Hochschen Konservatorium. Daneben gab er zahlreiche Konzerte im In- und Ausland. Sein umfassendes Repertoire, aus dem die Interpretationen von → Beethovens Kammermusik und Robert → Schumanns Violoncello-Konzert herausragten, bespielte er mit von den Zeitgenossen bewunderter Tonf¨ulle, Melodief¨uhrung und Feingeistigkeit. Von seinen Kompositionen sind die Konzert-Et¨uden (1876) hervorzuheben; die zahlreichen Transkriptionen sind dem Zeitgeschmack verhaftet. C. war der Vater von Paul Nikolaus → C. Coßmann, Hermann Josef, Beamter, * 7. 4. 1874 Opladen bei Solingen, † n. e. C. studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Heidelberg, Berlin und Straßburg, arbeitete als Gemeindebeamter erst in Straßburg, dann in Colmar und wurde 1913 zum B¨urgermeister im els¨assischen M¨ulhausen gew¨ahlt. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Frankreich interniert, kehrte er im Juli 1918 in sein Amt zur¨uck, wurde aber im November des gleichen Jahres wieder abgesetzt und trat 1919 in den preuß. Staatsdienst ein. Seit 1927 war er als Ministerialdirektor stellvertretender Bevollm¨achtigter Preußens im Reichsrat. C Reichshandbuch Cossmann, Paul (Julius) Nikolaus, Journalist, Publizist, * 6. 4. 1869 Baden-Baden, † 19. 10. 1942 Konzentrationslager Theresienstadt. Der Sohn des Cellisten Bernhard → C. war seit seiner Gymnasialzeit in Frankfurt / Main mit Hans → Pfitzner befreun-

det, studierte 1887-90 in Berlin und M¨unchen Philosophie und Naturwissenschaften und begr¨undete 1904 die „S¨uddeutschen Monatshefte“, die er bis 1933 leitete. 1905 trat er vom j¨udischen zum kath. Glauben u¨ ber. Nach dem Ersten Weltkrieg wandte er sich vornehmlich auf der Seite der nationalen Rechten gegen die Kriegsschuldthese und propagierte die Dolchstoßlegende. Trotzdem wurde er als Gegner → Hitlers gleich zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur verhaftet. Ein Jahr sp¨ater freigelassen, lebte er bis 1938 zur¨uckgezogen im Isartal, wurde 1941 in einem j¨ud. Sammellager interniert und dann in das Konzentrationslager Theresienstadt verbarcht. C. ver¨offentlichte mit Karl Alexander von → M¨uller Die deutschen Tr¨aumer (1925). C Lex dt-j¨ud Autoren

Cossy, Hans, eigentl. Cosiolkofsky, Schauspieler, * 4. 10. 1911 K¨oln, † 31. 7. 1972 Bayreuth. C. nahm seit seinem sechzehnten Lebensjahr Schauspielunterricht und erhielt mit neunzehn Jahren sein erstes Engagement an der Schauspielb¨uhne Bad Godesberg. W¨ahrend der Zeit des Nationalsozialismus war er Mitglied der Ensembles in Bonn, Wuppertal und K¨oln; seit 1946 geh¨orte er dem Bayerischen Staatsschauspiel in M¨unchen an. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er auch zunehmend f¨ur Rundfunk, Film und Fernsehen. Er wirkte u. a. an der Fernsehserie Raumpatrouille und an dem erfolgreichen Mehrteiler Die Gentlemen bitten zur Kasse mit. C. war in zweiter Ehe mit Vera Br¨uhne verheiratet. C Munzinger Costa, Karl, auch K. Kostia, o¨ sterr. Schriftsteller, * 2. 2. 1832 Wien, † 11. 10. 1907 Wien. Nach dem Studium arbeitete C. zwanzig Jahre als Beamter der staatlichen Lotto-Direktion, bevor er 1879-91 die Zeitschrift „Hans J¨orgel von Gumpoldskirchen“ redigierte. 1882-85 war er Direktor des Wiener Theaters in der Josefstadt. C. verfaßte zahlreiche Wiener Volksst¨ucke, Possen und Parodien wie Ein Blitzm¨adel, Die T¨urken vor Wien und Ein nasses Geheimnis.

Costenoble, August, Beamter, * 1803, † 26. 1. 1881 Berlin. Der studierte Jurist war zun¨achst seit 1838 als Regierungsund Oberpr¨asidialrat am Oberpr¨asidium der preuß. Provinz Sachsen in Magdeburg t¨atig. Bald darauf holte man ihn als Hilfsarbeiter in den Staatsrat nach Berlin, das fortan seine Wirkungsst¨atte bleiben sollte. Im Finanzministerium, wohin er als Geheimer Finanzrat 1842 berufen wurde, arbeitete er lediglich zwei Jahre, bevor er 1844 als Vortragender Rat in das Kabinettsministerium geholt wurde und seither in unmittelbarer N¨ahe von → Friedrich Wilhelm IV. wirkte. Im selben Jahr wurde C. Mitglied des Preußischen Staatsrats, 1845 zudem Mitglied des Oberzensurgerichts und 1846 als frisch ernannter Geheimer Oberfinanzrat auch Mitglied des Kuratoriums der Preußischen Bank. Als Vortragender Rat im Staatsministerium und im Zivilkabinett des K¨onigs (1846-68) war er an den Beratungen und Aktivit¨aten dieser beiden zentralen Gremien des preuß. Staates unmittelbar beteiligt. C. war 1850-52 Mitglied der Ersten Kammer. Im Sommer 1851 wurde er vor¨ubergehend als Nachfolger im Amt des Finanzministers erwogen. Nach ernstlicher Erkrankung 1868 mußte er seine T¨atigkeit beenden, die 1873 mit der Ernennung zum Wirklichen Geheimen Rat (Exzellenz) gew¨urdigt wurde. C Preuß Staatsmin, Bd 4

Costenoble, Carl, o¨ sterr. Bildhauer, * 26. 11. 1837 Wien, † 20. 6. 1907 Wien. Der Sohn des Burgschauspielers Carl Ludwig → C. studierte an den Kunstakademien in Wien (1853-59) und M¨unchen (1860-62) Bildhauerei, unternahm Studienreisen nach London und Italien, l¨oste 1864 sein Atelier in M¨unchen auf und kehrte nach Wien zur¨uck. Hier schuf er Genregruppen,

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Costenoble Grabdenkm¨aler, Statuen und Reliefs u. a. in der Ruhmeshalle des Arsenals, im Burgtheater, im Naturhistorischen Hofmuseum und im Kunsthistorischen Hofmuseum. C. leitete 1883 die Jubil¨aumsausstellung zur T¨urkenbelagerung und baute 1886 die st¨adtische Waffensammlung sowie die Grillparzerausstellung auf. Er war Mitglied der Wiener Akademie der C AKL bildenden K¨unste.

Costenoble, Carl Ludwig, Schauspieler, Schriftsteller, * 28. 12. 1769 Herford, † 28. 8. 1837 Prag. Der Predigersohn machte erst eine B¨ackerlehre, versuchte 1790-92 vergeblich, als Schauspieler zu deb¨utieren und schloß sich daraufhin Wandertruppen an. 1798 kam er nach Altona, erhielt 1801 ein Engagement in Hamburg und trat dort als Charakterschauspieler und Komiker auf. 1818 wechselte er an das Wiener Burgtheater, wo er als Schauspieler große Erfolge feierte und zuletzt auch als Regisseur arbeitete. C. schrieb, adaptierte und u¨ bersetzte zahlreiche Schauspiele und Possen. Von theatergeschichtlichem Interesse sind seine postum und auszugsweise ver¨offentlichten Tageb¨ucher ¨ von seiner Jugend bis zur Ubersiedlung nach Wien (2 Bde., 1912); Aus dem Burgtheater 1818-1837 erschien 1889. Er war der Vater von Carl → C. C Killy Coster, Johann, Mediziner, * 1613 Gadebusch bei L¨ubeck, † 22. 2. 1685 Reval. C. studierte seit 1636 Medizin in K¨onigsberg und Leiden, wo er 1645 promoviert wurde (De dysenteria). 1646 kehrte er nach K¨onigsberg zur¨uck, hielt dort als Mitglied der Medizinischen Fakult¨at Vorlesungen, ging 1649 als Stadtphysikus nach Wismar und zog im gleichen Jahr als Landphysikus der Ritterschaft weiter nach Reval. K¨onig Karl X. von Schweden machte ihn 1654 zu seinem Leibarzt und erhob ihn als von Rosenburg in den Adelsstand. 1657-67 betreute C. Herzog → Christian Ludwig von Mecklenburg und danach bis 1679 Zar Alexej Michajloviˇc in Moskau. C. ver¨offentlichte u. a. Relatio medica morbi et mortis Caroli Gustavi regis Sueviae (1643), Affectuum totius corporis humani praecipuorum theoria et praxis (1663) und Opera medica (1666). C Altpreuß Biogr, Bd 1 Cothenius, Christian Andreas von, Mediziner, Milit¨ararzt, * 24. 2. 1708 Anklam, † 5. 1. 1789 Berlin. Der Sohn eines schwedischen Chirurgen und RegimentsFeldschers immatrikulierte sich 1728 in Halle f¨ur Medizin, wurde dort 1732 promoviert (De purpura scorbutica praegresso haemorrhoidum fluxu nimio) und legte in Berlin seine Staatspr¨ufung ab. Bei C., seit 1735 Stadtphysikus in Havelberg, sp¨ater in Priegnitz, suchten im Lauf der Jahre immer mehr F¨urstenh¨auser medizinischen Rat. 1748 wurde C. Hofmedikus und Stadtphysikus in Potsdam, 1751 schließlich Leibarzt K¨onig → Friedrichs II. In der Folge fielen ihm nach und nach alle wichtigen Funktionen im preuß. Gesundheitswesen zu. W¨ahrend des Siebenj¨ahrigen Kriegs leitete er als Generalfeldstabsmedikus das gesamte Heeressanit¨atswesen. 1768 wurde er als Geheimer Rat Dekan der obersten Medizinalbeh¨orde, Direktor des Collegium medico-chirurgicum und Mitglied der Akademie der Wissenschaften, 1770 Direktor der Ephemeriden der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der er seit 1743 angeh¨orte, und 1784 Vorsitzender des Obercollegium medicum. Daneben f¨uhrte er auch nach seiner Erblindung (1783) mit Hilfe von Assistenz¨arzten eine Privatpraxis. Er ver¨offentlichte u. a. Ueber die Mittel, sich vor den Pocken zu sch¨utzen (1765) und Des medicinischen Obercollegiums Anweisung, wie sich der Landmann vor der rothen Ruhr pr¨aserviren und dieselbe mit wenigen Kosten curiren k¨onne (1769). Eine testamentarische Stiftung von C. begr¨undete die Verleihung der CotheniusMedaille durch die Leopoldina. C NDB

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Cothmann, Ernst, Jurist, * 6. 12. 1557 Lemgo (Westfalen), † 13. 4. 1624 G¨ustrow (?). C., Bruder von Johann → C., studierte seit 1581 Rechtswissenschaften in Helmstedt, Marburg, Wittenberg und Rostock, wo er 1584 promoviert wurde und sich zwei Jahre sp¨ater habilitierte. Seit 1587 war er Assessor beim Hofgericht, sp¨ater beim Konsistorium, sowie Land- und Hofrat des Herzogs Ulrich von Mecklenburg-G¨ustrow. 1595 wurde er in Rostock zum Prof. der Rechte berufen und amtierte von 1603 bis zu seinem Tod als Kanzler der Herz¨oge von MecklenburgG¨ustrow. Auf dem Gebiet des r¨omischen Rechts ver¨offentlichte C. u. a. Institutiones imperiales Justinianeae (1614). C Mecklenburg, Bd 1 Cothmann, Hermann, B¨urgermeister, * 1629 Lemgo (Westfalen), † 25. 1. 1683 Lemgo. Wie seine Vorfahren Ernst und Johann → C. studierte auch C. Rechtswissenschaften in Rostock und wurde 1666 in seiner Heimatstadt Lemgo Direktor des peinlichen Gerichts, ein Jahr sp¨ater auch B¨urgermeister. Allein 1666 / 67 fanden unter seiner Leitung 64 Hexenprozesse statt, deren Opfer u. a. der Gemeindepastor war. Sein Terrorregime konnte sich sechzehn Jahre lang halten, bis das Reichskammergericht ihm ein Ende bereitete. C.s Mutter war 1654 als Hexe hingerichtet worden. C NDB Cothmann, Johann, Kanzler, * 1588 Lemgo (Westfalen), † 1661 G¨ustrow. Der j¨ungere Bruder von Ernst → C. studierte in Gießen und Rostock Rechtswissenschaften und wurde 1620 Rat bei Herzog Johann Albrecht II. von Mecklenburg-G¨ustrow und nach dem Tod des Bruders sein Nachfolger im Amt des Kanzlers. W¨ahrend der Besetzung Mecklenburgs durch → Wallenstein im Dreißigj¨ahrigen Krieg vertrat er die Interessen des Landes am kaiserlichen Hof in Wien so erfolgreich, daß er als „Mecklenburgicae Provinciae Tutor et Conservator“ bezeichnet wurde. C Mecklenburg, Bd 1 Cotta, Bernhard Carl von, Geologe, * 24. 10. 1808 KleinZillbach bei Meiningen, † 14. 9. 1879 Freiberg. Der Sohn Heinrich → C.s studierte 1827-31 an der Bergwerksakademie im s¨achsischen Freiberg, dann in Heidelberg Naturwissenschaften, wurde dort 1832 promoviert (Die Dendrolithen in Beziehung auf ihren Bau) und setzte seine geologischen Studien an der Forstakademie in Tharandt bei Dresden fort. 1842 wurde er als Prof. der Geognosie und Lagerst¨attenkunde nach Freiberg berufen, wo er, 1862 zum Bergrat ernannt, bis 1874 lehrte. Zusammen mit Carl Friedrich → Naumann erarbeitete C. zwischen 1836 und 1846 eine aus zw¨olf Sektionen bestehende geognostische Karte des K¨onigreichs Sachsen mit Erl¨auterungen, die zu ihrer Zeit Maßst¨abe setzte. 1847 folgte die Ver¨offentlichung einer geologischen Karte Th¨uringens. Mehrmals aufgelegte und zum Teil in mehrere Sprachen u¨ bersetzte Schriften wie Katechismus der Geologie (1861) und Geologie der Gegenwart (1866) verhalfen der Erdlehre Popularit¨at u¨ ber die Grenzen des Fachs hinaus. C.s Lehrb¨ucher, etwa Anleitung zum Studium der Geognosie und Geologie (1839) oder Die Geologie der Gegenwart (1866, 51878), wurden bald zu Standardwerken. C NDB

Cotta, Christoph Friedrich, Politiker, Publizist, * 7.(?) 8. 1758 Stuttgart, † 21. 9. 1838 Trippstadt (Pfalz). C., Bruder des Verlegers Johann Friedrich → C., studierte in T¨ubingen und Marburg Rechtswissenschaften, wurde 1787 promoviert, dozierte 1788-91 an der Stuttgarter Karlsschule, arbeitete daneben als Redakteur im v¨aterlichen Verlag und gab 1790-92 die Monatsschrift „Teutsche StatsLiteratur“ heraus. Von der Sp¨ataufkl¨arung beeinflußt und f¨ur die Franz¨osische Revolution begeistert, begann er anonyme staatskritische Flugschriften zu publizieren, emigrierte

Cotta 1791 nach Straßburg, wurde Mitglied des dortigen Jakobinerklubs und gab 1792 das „Straßburgische Politische Journal“ heraus. 1792 / 93 propagierte C. die Ideen der Revolution im Auftrag der franz¨osischen Rheinarmee in Mainz mit volkst¨umlichen Flugschriften wie Von der Staatsverfassung in Frankreich [. . .] (1792) und Handwerker- und BauernKalender des alten Vaters Gerhard (1793). Auch in den folgenden Jahren unterst¨utzte C., u. a. als franz¨osischer Zivilkommissar in Schwaben 1796, republikanische Ideen, verteidigte aber auch zunehmend patriotisch-kulturelle deutsche Interessen gegen franz¨osische Hegemonie. Mit dem Beginn ¨ hatte C. keine Wirkungsm¨oglichkeit der napoleonischen Ara mehr. Er zog sich in die bayerische Pfalz zur¨uck und widmete sich der Regionalgeschichte. C Killy

Cotta, Emma, eigentl. Zitzmann, Bildhauerin, * 28. 9. 1880 Rudolstadt, † 18. 3. 1957 Berlin. Die Tochter eines Porzellanmalers arbeitete zwei Jahre in der Werkstatt ihres Vaters, bevor sie 1902 u¨ ber Paris und London in die USA ging und als Schneiderin, Schauspielerin und Gesellschafterin t¨atig war. 1908 nach Europa zur¨uckgekehrt, besuchte sie verschiedene Modezeichnerschulen in Paris und wurde 1910 Mitarbeiterin in einem Dresdner Modeverlag. Nach dem vergeblichen Versuch, sich in Berlin als Schauspielerin zu etablieren, schuf sie erste Theaterpuppen und besch¨aftigte sich seit 1921 mit Bildhauerei. C. stellte anf¨anglich Skulpturen aus Terrakotta her, ging dann zu den Materialien Gips und Bronze u¨ ber, aus denen sie in kompaktstrenger Formensprache Portr¨atb¨usten schuf, darunter Frank Wedekind (1922 / 23) und Johann Sebastian Bach (1925). C AKL

Cotta, (Johann) Heinrich, Forstwissenschaftler, * 30. 10. 1763 Klein-Zillbach bei Meiningen, † 25. 10. 1844 Tharandt. C. wurde von seinem Vater zum F¨orster ausgebildet, bevor er 1784 / 85 in Jena Mathematik, Natur- und Verwaltungswissenschaften studierte und anschließend f¨ur drei Jahre einen Auftrag zur Flurvermessung bei Kaltennordheim annahm. Schon 1786 hatte C. bei dieser Aufgabe junge J¨ager und Forstleute als erste Sch¨uler, deren forstliche Ausbildung noch der Vater u¨ bernahm. Ihre Zahl wuchs, und 1794 wurde deshalb mit obrigkeitlicher Unterst¨utzung in Zillbach eine Forstlehranstalt unter C.s Leitung gegr¨undet. Er selbst wurde 1789 zum Forstl¨aufer, 1795 zum F¨orster und 1800 zum Forstmeister des Eisenacher Forstdepartments ernannt. 1810 als Direktor an die Forstvermessungsanstalt in Tharandt berufen, siedelte er 1811 mit seinem inzwischen um mehrere Lehrer erweiterten Institut dorthin u¨ ber. 1816 wurde die Anstalt zur staatlichen Forstakademie erhoben, der C. als Direktor mit dem Titel eines Oberforstrats sowie als Leiter des s¨achsischen Forsteinrichtungswesens bis zu seinem Tod vorstand. In einer Zeit, in der Holz als Wirtschaftsgut und damit die Waldbewirtschaftung von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung war, wirkte C. als Mitbegr¨under nachhaltiger Forstwirtschaft und moderner Forstwissenschaft. Die Bekanntschaft etwa mit → Goethe und Alexander von → Humboldt unterstreicht seinen u¨ ber das engere Fachgebiet hinausreichenden Ruf. C. ver¨offentlichte u. a. eine Anweisung zum Waldbau (1816) und einen Grundriß der Forstwirtschaft (1831) sowie die kurze Selbstbiographie Aus meinem Leben (1819). Er war der Vater von Bernhard Carl von → C. C Leb Sachsen, Bd 3

Cotta, Johann Friedrich, evang. Theologe, Philologe, * 12. 5. 1701 T¨ubingen, † 31. 12. 1779 T¨ubingen. C. wurde 1718 in T¨ubingen Magister der Philosophie und war 1728 Magister legens sowie Adjunkt der Philosophischen Fakult¨at in Jena. 1733 kehrte er als Prof. der Philosophie nach T¨ubingen zur¨uck, nahm aber schon zwei Jahre

sp¨ater einen Ruf als Prof. der orientalischen Sprachen und als a. o. Prof. der Theologie nach G¨ottingen an, wo er 1737 zum Dr. theol. promoviert wurde. Seit 1739 lehrte er wieder in T¨ubingen; 1741 erhielt er dort eine ordentliche Professur f¨ur Theologie. C. ver¨offentlichte u. a. ein „Gelehrtes Journal oder Nachrichten von allerhand neuen B¨uchern und andern zur Literatur geh¨origen Materien“ (2 Tle., 1734 / 35) und einen Versuch einer ausf¨uhrlichen Kirchenhistorie des Neuen Testaments (3 Tle., 1768-73). C DLL

Cotta, Johann Friedrich Frh. von Cottendorf, Verleger, * 27. 4. 1764 Stuttgart, † 29. 12. 1832 Stuttgart. C., Sohn des w¨urttembergischen Hof- und Kanzleibuchdruckers Christoph Friedrich C. und Bruder von Christoph Friedrich → C., begann 1782 in T¨ubingen das Studium der Mathematik und Geschichte, wechselte jedoch bald zur Jurisprudenz u¨ ber und wurde 1786 zum Dr. jur. promoviert. Nach der R¨uckkehr von einem Studienaufenthalt in Paris, wo er sich auf eine Stelle als Prinzenerzieher in Warschau vorbereitete, ließ er sich in Stuttgart als Hofgerichtsadvokat eintragen. 1787 kaufte C. von seinem Vater die heruntergekommene J. G. Cottasche Buchhandlung, deren Entstehen in das Jahr 1659 zur¨uckreicht. Innerhalb kurzer Zeit erreichte er eine Konsolidierung des Gesch¨afts und machte den Verlag zu einem der ersten in Deutschland. Aus der seit 1794 bestehenden Verbindung mit → Schiller erwuchs das Unternehmen der „Horen“ (1795-97) sowie der Kontakt zu → Goethe, der 1798-1800 in C.s Verlag die Kunstzeitschrift „Propyl¨aen“ herausgab. Seit 1802 war C. Alleinverleger der Werke Schillers, seit 1806 der Goethes. Durch die „Horen“ kam er in verlegerische Beziehung zu nahezu allen literarischen Gr¨oßen der Zeit (u. a. → Herder, → Wieland, → Fichte, → Hegel, → H¨olderlin, Alexander und Wilhelm von → Humboldt, Friedrich → Schlegel, → Jean Paul). Er betreute das Gesamtwerk Herders, → Schellings und → Pestalozzis und brachte u. a. Werke von H¨olderlin, → Hebel, → Kleist, Oehlenschl¨ager, → Fouqu´e, → Immermann, → Platen, → R¨uckert, → Uhland und → Kerner sowie bedeutender Wissenschaftler und Technologen heraus. Zu seinen Autoren, deren Leistung er durch großz¨ugig bemessene Honorare anerkannte, pflegte er ein freundschaftliches Verh¨altnis und half mit Vorsch¨ussen, Reisestipendien und Beteiligungen an Preisausschreiben. 1810 siedelte der Verlag von T¨ubingen nach Stuttgart u¨ ber und wurde mit einer eigenen Druckerei verbunden; das T¨ubinger Sortiment verkaufte C. 1816 an Heinrich Laupp. Die „Allgemeine Zeitung“ (1798 in T¨ubingen als „Neueste Weltkunde“ begr¨undet) wurde in kurzer Zeit zum f¨uhrenden politischen Blatt Deutschlands. Zensurschwierigkeiten erzwangen 1803 die Verlegung des Standorts nach Ulm, 1810 nach Augsburg. Hinzu traten das „Morgenblatt f¨ur gebildete St¨ande“ (1807-65) als eine Tageszeitung f¨ur alle Gebiete des kulturellen Lebens sowie Periodika aus Politik, Naturwissenschaft, Technologie und Staatswissenschaft. Die 1822 in der Augsburger Druckerei aufgestellte Druckmaschine war die erste Dampfschnellpresse S¨uddeutschlands. Im selben Jahr wurde die „Geographische Anstalt der J. G. Cottaschen Buchhandlung“ errichtet, die in der 1827 in M¨unchen gegr¨undeten „Literarisch-artistischen Anstalt“ f¨ur lithographische Vervielf¨altigung und Kupferdruck aufging. Politische Auftr¨age f¨uhrten C. nach Paris, Wien und Berlin. Als Delegierter der deutschen Buchh¨andler bem¨uhte er sich 1814 beim Wiener Kongreß zusammen mit Karl → Bertuch um die Festschreibung eines allgemeinen Nachdruckverbots

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Cotta in der Bundesakte. Er spielte eine f¨uhrende Rolle in der St¨andeversammlung des Landes, hatte wesentlichen Anteil am Zustandekommen der w¨urttembergischen Verfassung von 1819 und war 1826-30 Vizepr¨asident der Zweiten Kammer des W¨urttembergischen Landtags. Im Auftrag Bayerns trat er in Berlin f¨ur einen Zusammenschluß des bayerisch-w¨urttembergischen mit dem preußisch-hessischen Zollverein ein. Neben seiner T¨atigkeit als Verleger und Politiker beteiligte sich C. an verschiedenen, oft verlustreichen Unternehmen, u. a. an der Dampfschiffahrt auf Bodensee und Rhein. Er war Teilhaber einer maschinellen Flachsspinnerei, einer Papierund Maschinenfabrik sowie eines Hotels in Baden-Baden und bewirtschaftete verschiedene G¨uter. Als Besitzer der Herrschaft Plettenberg hob er als erster in W¨urttemberg die Leibeigenschaft der Bauern auf. Auf C.s Vermittlung wurde von K¨onig → Ludwig I. von Bayern die Boisser´eesche Gem¨aldesammlung f¨ur M¨unchen angekauft. Seit 1815 Mitglied der Bayerischen Akademie der bildenden K¨unste, erhielt er 1817 den Titel eines Geheimen Hofrats; im selben Jahr wurde der alte Adel seiner Familie wieder anerkannt. 1822 erfolgte durch K¨onig → Maximilian I. Joseph von Bayern die Erhebung in den erblichen Freiherrnstand. Nach C.s Tod u¨ bernahm sein Sohn Johann Georg von → C. die Leitung des Unternehmens. WERKE: Briefwechsel zwischen Schiller und C. Hrsg. v. Wilhelm Vollmer. Stuttgart 1876. – Schelling und C. Briefwechsel 1803-1849. Hrsg. v. Horst Fuhrmann und Liselotte Lohrer. Stuttgart 1965. – Goethe und C. Briefwechsel 1797-1832. Textkritische und kommentierte Ausgabe. Hrsg. v. Dorothea Kuhn. 3 Bde., Stuttgart 1979-83. LITERATUR: Ulrich Riedel: Der Verleger J. F. C. Diss. Heidelberg 1953. – Liselotte Lohrer: Cotta. Geschichte eines Verlags. Stuttgart 1959. – Karin Hertel: Der Politiker J. F. C. Publizistische verlegerische Unternehmungen 1815-1819. In: Archiv f¨ur Geschichte des Buchwesens 19 (1978) S. 365-564. – Dorothea Kuhn: C. und das 19. Jahrhundert. Ausstellungskatalog. Marbach / Neckar 1980. – Monika Neugebauer-W¨olk: Revolution und Constitution – die Br¨uder Cotta. Eine biographische Studie zum Zeitalter der Franz¨osischen Revolution und des Vorm¨arz. Berlin 1989. – Daniel Moran: Toward the century of words. J. C. and the politics of the public realm in Germany, 1795-1832. Berkeley u. a. 1990. – Helmut Mojem: Der Verleger J. F. C. (1764-1832). Repertorium seiner Briefe. Marbach / Neckar 1997. – Der Verleger J. F. C. Chronologische Verlagsbibliographie 1787-1832. Hrsg. vom Deutschen Literaturarchiv. Aus den Quellen bearb. v. Bernhard Fischer. 3 Bde., M¨unchen 2003. Bruno Jahn

Cotta, Johann Georg Frh. von Cottendorf, Buchh¨andler, Politiker, * 19. 7. 1796 T¨ubingen, † 1. 2. 1863 Stuttgart. Der Sohn des Verlegers Johann Friedrich → C. studierte 1815-17 in G¨ottingen, Heidelberg und T¨ubingen Philoso¨ phie, Asthetik und Staatswissenschaft. Nach einem l¨angeren Aufenthalt in Rom war C. 1819-21 als Sekret¨ar, sp¨ater als Legationsrat f¨ur die w¨urttembergische Bundestagsgesandtschaft t¨atig und trat anschließend in den v¨aterlichen Verlag ein. 1832 u¨ bernahm er zusammen mit Hermann von Reischach die Gesch¨afte des stark verschuldeten Unternehmens, sanierte es durch Konzentration auf das Kerngesch¨aft, f¨uhrte es krisenlos durch die n¨achsten 30 Jahre und gliederte ihm den renommierten Verlag G¨oschen in Leipzig und die Vogelsche Bibelanstalt in Landshut an. Als Leiter der strikt u¨ berparteilichen „Allgemeinen Zeitung“ sowie Gr¨under und Redakteur der „Deutschen Vierteljahrsschrift“ (1838-70) gewann er großen publizistischen Einfluß auf das politische Leben seiner Zeit. Mit der Edition der Werke namhafter Forscher wie Alexander von → Humboldt und Leopold von → Ranke machte er sich um die Wissenschaft verdient. Auf

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literarischem Gebiet ver¨offentlichte er Werke u. a. von Nikolaus → Lenau, Eduard → M¨orike, Ferdinand → Freiligrath, Friedrich → Hebbel und Annette von → Droste-H¨ulshoff. Heinrich → Heine schrieb f¨ur ihn als Pariser Korrespondent der „Allgemeinen Zeitung“. C. war eine der bedeutendsten Verlegerpers¨onlichkeiten des 19. Jahrhunderts, dessen editorisches Programm in seiner sp¨aten Zeit allerdings recht konservativ war. C NDB

Cotta, Johannes, Pseud. Lucius Aurunculejus, Schriftsteller, Regisseur, * 13. 7. 1862 Berlin, † 28. 8. 1944 Weinb¨ohla bei Dresden. C. studierte 1881-83 an der Hochschule f¨ur Musik in Berlin, besuchte dann in Braunschweig eine Schauspielschule, spielte seit 1886 in Berlin und hielt sich l¨angere Zeit in den USA auf. Seit 1893 f¨uhrte er in Stettin, seit 1896 in Altenburg Regie, lebte von 1898 an als Schriftsteller, Vortragsmeister und Kabarettist in Berlin und ließ sich 1909 in Weinb¨ohla bei Dresden nieder. C. schrieb Romane, Gedichte, Novellen, Grotesken sowie Satiren (u. a. Ruhm. Eine ruhmlose Entherrlichung, 1914; Ersatz. Eine gedichtersetzende Ersatzdichtung, 1918). C DLL

Coubier, Heinz, eigentl. H. Kuhbier, Pseud. H. Legendre, Schriftsteller, Regisseur, * 25. 5. 1905 Duisburg, † 1. 8. 1993 Ebenhausen bei M¨unchen. Der Sohn eines Industriellen studierte in M¨unchen, Berlin, K¨oln und Freiburg / Breisgau und war 1931-35 Dramaturg und Regisseur, meist in Berlin. Seit 1935 war C. mit der Schriftstellerin Marianne → Langewiesche verheiratet. Von den Nationalsozialisten mit Berufsverbot belegt, war er 1935-45 als freier Schriftsteller t¨atig. 1945-48 inszenierte C. als Regisseur u. a. die deutschen Erstauff¨uhrungen von Anouilhs Antigone und Montherlants Toter K¨onigin. Seit 1957 lebte er als freier Schriftsteller in Ebenhausen bei M¨unchen. Zu seinen Werken z¨ahlen Romane (Der falsche Zar, 1959), Novellen, H¨or- und Fernsehspiele sowie zahlreiche Dramen (u. a. Aim´ee oder Der gesunde Menschenverstand, 1938). 1985 erschien Europa: Die Stadt und ihr Platz. Coudenhove, Karl Graf von, o¨ sterr. Jurist, * 8. 2. 1855 Wien, † 8. 2. 1913 Meran. C. studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Wien, trat 1876 in den politischen Verwaltungsdienst ein und wurde 1882 Vizesekret¨ar im Ackerbauministerium, 1886 Bezirkshauptmann von Karlsbad, 1892 Verwalter von Reichenberg, 1893 stellvertretender Statthalter von B¨ohmen. Seit 1893 bew¨ahrte er sich als Landespr¨asident von Schlesien, bevor er sich 1896-1911 als Statthalter von B¨ohmen um den Ausgleich der nationalen Spannungen im o¨ sterr. Kaiserreich am Vorabend des Ersten Weltkriegs, um die F¨orderung von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur des Landesteils und um den Ausbau der Prager Hochschulen verdient machte. Coudenhove-Kalergi, Richard Nikolaus Graf, Politiker, Publizist, * 16. 11. 1894 Tokio, † 27. 7. 1972 Schruns (Vorarlberg). Als Sohn des o¨ sterr. Gesandten und einer japanischen Adligen wurde C.-K. in Tokio geboren, wuchs in B¨ohmen auf, studierte in Wien Philosophie und Geschichte und wurde dort 1917 promoviert (Objektivit¨at als Grundprinzip der Moral). Er begr¨undete mit seiner Schrift Pan-Europa (1923) die paneurop¨aische Bewegung, deren Ziel ein europ¨aischer Bundesstaat unter Ausschluß Englands und Rußlands, aber unter Einschluß der afrikanischen Kolonien war. Seit 1924 war er Herausgeber und Redakteur der Zeitschrift „Pan¨ europa“. Nach dem „Anschluß“ Osterreichs an das Deutsche Reich 1938 emigrierte C.-K. nach Frankreich und sp¨ater in die USA, warb dort weiter f¨ur seine Ideen und gr¨undete, 1947 heimgekehrt, die europ¨aische Parlamentarier-Union als

Courten deren Plattform. Ihr Ziel war nunmehr die Bildung einer deutsch-franz¨osischen Republik als Kern einer europ¨aischen Eidgenossenschaft sowie ein aus allgemeinen Wahlen hervorgehendes europ¨aisches Parlament. C.-K. ver¨offentlichte u. a. Europa erwacht! (1934), Der Kampf um Europa (1949), Eine Idee erobert Europa. Meine Lebenserinnerungen (1958), Geschichte der Paneuropabewegung 1922-1962 (1962) und Ein Leben f¨ur Europa (1966). 1950 erhielt er den internationalen Karlspreis der Stadt Aachen. C Spalek 3,4

Coudray, Clemens Wenzeslaus, Architekt, * 23. 11. 1775 Ehrenbreitstein (heute zu Koblenz), † 4. 10. 1845 Weimar. C., Sohn des Hoftapezierers und Dekorateurs des Erzbischofs → Clemens Wenzeslaus von Trier, erlernte den Beruf des Vaters, begann nach einer mehrj¨ahrigen T¨atigkeit als Innenausstatter das Studium der Baukunst in Leipzig und Dresden und setzte es nach einem Studienaufenthalt in Ber´ lin 1800-04 an der Ecole Polytechnique in Paris fort. Nach einer Studienreise durch Italien arbeitete er f¨ur kurze Zeit als Hofarchitekt des F¨ursten von Oranien in Fulda, wurde dann von → Goethe nach Weimar berufen und 1816 zum Oberbaudirektor ernannt. Hier schuf er in den folgenden dreißig Jahren im klassizistischen Stil u. a. Kirchen, Schulen, die F¨urstengruft, das Weimarer Theater (1825), das Erfurter Tor und den Westfl¨ugel des Weimarer Schlosses. Daneben organisierte er mit der von ihm seit 1817 geleiteten selbst¨andigen Oberbaubeh¨orde den Neubau abgebrannter Ortschaften wie Berka und F¨urstenberg, die Denkmalpflege, den Wegebau sowie die o¨ ffentlichen Festtagsdekorationen. C AKL

Coumont, Eduard, o¨ sterr. Jurist, * 17. 3. 1861 Br¨unn, † 3. 7. 1930 Wien. C. studierte in Wien Rechtswissenschaften und ließ sich dort nach der Promotion als Hof- und Gerichtsadvokat nieder. Im Lauf seiner Karriere wurde er von der o¨ sterreichischen Nationalbank sowie zahlreichen Industrieunternehmen als Rechtsberater in Anspruch genommen. Daneben war er ¨ langj¨ahriger Schriftleiter der „Osterreichischen allgemeinen Gerichtszeitung“, die unter C.s Leitung eines der angesehensten juristischen Fachorgane seiner Zeit wurde. Councler, Konstantin, Chemiker, * 10. 6. 1851 Neudietendorf, † 1. 3. 1910 Hannoversch M¨unden. C. widmete sich zun¨achst am Seminar der Br¨udergemeine in Gnadenfeld der Theologie, bevor er das Studium der Mathematik und Naturwissenschaften in Leipzig begann, 1878 mit der Arbeit Beitr¨age zur Kenntnis der Borverbindungen promoviert wurde und nach kurzer Assistentent¨atigkeit in Tharandt und Leipzig 1880 einen Ruf als Leiter der Chemischen Abteilung an die Forstakademie in Eberswalde annahm. Seit 1886 lehrte er als Prof. der Chemie an der Forstakademie M¨unchen. C. forschte vor allem auf dem Gebiet der Gerbstoffe in Pflanzen und B¨aumen sowie der Zellulosebestimmung.

Coupette, (Karl Wilhelm) Gustav, H¨uttendirektor, * 15. 12. 1869 Laar (heute zu Duisburg), † 21. 5. 1937 Bad Godesberg (heute zu Bonn). Nach kaufm¨annischer Ausbildung arbeitete C., Sohn eines H¨uttendirektors, f¨ur Eisenfirmen in London und Belgien, wechselte dann zur Phoenix AG und wurde 1903 in den Vorstand des Unternehmens berufen. Als Vorstandsmitglied (seit 1926) der fusionierten Vereinigten Stahlwerke AG war er zust¨andig f¨ur die Leitung der H¨utte RuhrortMeiderich. Als Fachmann f¨ur Rillenschienen und Weichenprofile war er zeitweilig Vorsitzender des Internationalen Rillenschienen-Syndikats, einer Tochterorganisation der Internationalen Rohstahl-Exportgemeinschaft, sowie der von ihm gegr¨undeten deutschen Rillenschienen-Vereinigung. C NDB

Coupienne, Eugen (Friedrich Emil Hermann Louis), Industrieller, * 2. 3. 1843 M¨ulheim / Ruhr, † 15. 8. 1907 M¨ulheim / Ruhr. Der Sohn eines Lederfabrikanten und Zechendirektors erhielt seine fachliche Ausbildung im v¨aterlichen Betrieb, hospitierte dann in Belgien, Frankreich und England und trat 1869 als Teilhaber in die Firma Heinrich Coupienne ein. Durch konsequente Rationalisierung und Industrialisierung der Produktion hielt er den Betrieb unter den Bedingungen der Gr¨underzeit wettbewerbsf¨ahig und erweiterte ihn mit einer 1873 gegr¨undeten Lacklederfabrik. 1881 initiierte er den Verein Niederrheinischer Lederindustrieller, 1888 den B¨orsenverein der H¨aute-, Fell- und Lederbranche f¨ur Rheinland und Westfalen sowie 1891 den Centralverein der Deutschen Lederindustrie mit Sitz in Frankfurt / Main, dessen Vorsitz er bis zu seinem Tod innehatte. C. war Stadtverordneter und Beigeordneter in M¨ulheim / Ruhr. Courant, Richard, Mathematiker, * 8. 1. 1888 Lublinitz (Schlesien), † 27. 1. 1972 New Rochelle (New York, USA). C. studierte in Breslau, Z¨urich und G¨ottingen Mathema¨ tik, wurde 1910 mit der Arbeit Uber die Anwendung des Dirichletschen Prinzipes auf die Probleme der konformen Abbildung promoviert, habilitierte sich 1912 und las als Privatdozent in G¨ottingen, bis er 1920 als o. Prof. nach M¨unster berufen wurde. Noch im gleichen Jahr kehrte er als o. Prof. der Mathematik nach G¨ottingen zur¨uck und war von 1921 bis zu seiner Emigration 1933 Direktor des Instituts. Im selben Jahr noch lehrte er in Cambrigde (Großbritannien), nahm 1934 eine Gastprofessur in New York an und wurde dort 1936 Prof. und Leiter der Mathematischen Abteilung, 1947 Direktor des Instituts f¨ur Mathematik und Mechanik, das nach seiner Emeritierung 1958 in Richard-Courant-Institut umbenannt wurde. C. forschte schon in G¨ottingen u¨ ber die Anwendung der Quantenmechanik auf Probleme der Physik, war dort Mitverfasser der grundlegenden Methoden der mathematischen Physik (1924 ff.) und in den USA wesentlich beteiligt an der Grundlagenforschung und Entwicklung elektronischer Rechensysteme. Er schrieb u. a. What is Mathematics? An Elementary Approach to Ideas and Methods (1941) und Introduction to Calculus and Analysis (1965). C. war Mitglied der G¨ottinger Akademie der Wissenschaften sowie zahlreicher ausl¨andischer Akademien. C BHdE, Bd 2

Courbi`ere, Wilhelm Ren´e de L’Homme de, Milit¨ar, * 23. 2. 1733 Maastricht, † 25. 7. 1811 Graudenz. Der Sohn eines Offiziers der Generalstaaten zeichnete sich w¨ahrend des Siebenj¨ahrigen Kriegs in preuß. Diensten aus. 1763 erhielt er die Kommandatur in Emden und wurde 1771 Oberst, 1778 Generalleutnant und Arost von Leer, 1798 General der Infanterie. Seit 1803 war er Gouverneur von Graudenz, das er von M¨arz bis Dezember 1807 gegen napoleonische Truppen verteidigen konnte. Im selben Jahr wurde C. Generalfeldmarschall. C Ostfriesland, Bd 2

Courten, Angelo Graf von, auch Angelus de C., Maler, * 10. 1. 1848 Bologna, † 15. 12. 1925 M¨unchen. Der Sohn eines italienischen Generals schweizer. Herkunft studierte in Fano und Rom, trat dort 1867 als Freiwilliger in die p¨apstliche Armee ein, k¨ampfte 1870 auf der Seite des Kirchenstaates gegen die Armee des geeinten Italien und siedelte nach der Niederlage nach M¨unchen u¨ ber, wo er sich als Sch¨uler Karl von → Pilotys wieder der Malerei zuwandte. Er widmete sich haupts¨achlich der Portr¨at- und Genremalerei sowie der Darstellung religi¨oser Szenen. Seine Bilder, etwa die Allegorie auf den Tod K¨onig Ludwigs II. von Bayern und Leo XIII. in der Sixtinischen Kapelle am Jahrestag der Kr¨onung gewannen durch Photographie und Lichtdruck große Verbreitung und Popularit¨at. C AKL

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Courths-Mahler Courths-Mahler, Hedwig (Ernestine Friederike Elisabeth), auch Relham, H. Brand, Gonda Haack, Rose Bernd, Schriftstellerin, * 18. 2. 1867 Nebra / Unstrut, † 26. 11. 1950 Tegernsee (Bayern). C.-M. kam als uneheliches Kind und Halbwaise (ihr Vater starb vor ihrer Geburt als Korporal bei K¨oniggr¨atz) zur Welt und wurde zu einem Schusterehepaar nach Weißenfels in Pflege gegeben. Sp¨ater arbeitete sie als Dienstm¨adchen, dann in Leipzig als Gesellschafterin und Vorleserin und lernte dabei die Romanwelt der Eugenie → Marlitt kennen, nach deren Vorbild sie mit 17 Jahren ihre ersten Erz¨ahlungen schrieb. Erst 21 Jahre sp¨ater, nach Heirat, Geburt und Erziehung der zwei T¨ochter, erschien im „Chemnitzer Tageblatt“ 1905 als erstes ihr Roman Scheinehe in Fortsetzungen. 1933 beschloß C.-M., sich aus Berlin zur¨uckzuziehen, und lebte seit 1935 in ihrem Haus am Tegernsee („Mutterhof“). Sie war Mitglied der Reichskulturkammer und f¨orderndes Mitglied der SS. Dennoch weigerte sie sich, ihre Romane nationalsozialistischen Vorgaben anzupassen. Seit 1935 wurden C.-M.s Romane kaum neu aufgelegt; sp¨atestens seit 1940 bem¨uhte sie sich um ihren Ausschluß aus der Reichskulturkammer. Bis 1948 ver¨offentlichte C.-M. insgesamt 208 Romane, 1920 allein vierzehn. Ihr Werk brachte ihr zwar nicht literarische, jedoch gesellschaftliche Anerkennung und Wohlstand und machte sie zur auflagenst¨arksten, in zahlreiche Sprachen u¨ bersetzten deutschsprachigen Autorin, deren Gesamtauflage inzwischen wohl die 100 Millionen u¨ berschreitet. C.-M. kann als Klassikerin des Trivialromans gelten. Ihre stets nach einem fast identischen Bauplan konstruierten Fabeln f¨uhren dem in der Mehrzahl weiblichen Publikum immer wieder den Aufstieg einer „sch¨onen Seele“ aus unverschuldeter Not zu Gl¨uck, Liebe und Reichtum vor und best¨atigen darin die Lebensgeschichte der Autorin, deren autobiographischer Roman von 1914 den programmatischen Titel Es geht hinauf tr¨agt. C Killy Courvoisier, Karl, schweizer. Musiker, Komponist, * 12. 11. 1846 Basel, † 31. 1. 1908 Liverpool. C. studierte 1867-70 an den Konservatorien in Leipzig und Berlin Violine, spielte 1871 im Orchester des ThaliaTheaters in Frankfurt / Main, studierte dort nebenbei Gesang und gab Unterricht. 1875 wurde er Dirigent des st¨adtischen Orchesters in D¨usseldorf, arbeitete seit 1876 wieder als Lehrer und Chorleiter und siedelte 1885 nach Liverpool u¨ ber. C. komponierte Lieder, Kammermusik, eine Symphonie und zwei Konzertouvert¨uren. Er ver¨offentlichte eine Violinschule (3 Teile, um 1895) und das Lehrbuch Die Violintechnik (1878). C Refardt Courvoisier, Leo, schweizer. Astronom, * 24. 1. 1873 Riehen bei Basel, † 31. 12. 1955 Riehen. Der Sohn von Ludwig Georg → C. und Bruder von Walter → C. studierte in Basel Mathematik und Naturwissenschaften sowie in Straßburg Astronomie und wurde dort 1900 promoviert (Untersuchungen u¨ ber die absolute Polh¨ohe von Strassburg). Seit 1898 Assistent an der Sternwarte Heidelberg, war er seit 1905 Observator an der Sternwarte Berlin und 1914-38 Hauptobservator an der Universit¨atsSternwarte Berlin-Babelsberg sowie Prof. der Astronomie. C. konstruierte als neues Beobachtungsinstrument 1927 den Großbogenmesser und ver¨offentlichte u¨ ber 170 Publikationen, darunter acht große Sternkataloge. Er widmete sich vor allem dem Vertikalkreis zur Bestimmung absoluter Deklinationen von Fundamentalsternen und der Sonne sowie der Beobachtung der sogenannten „j¨ahrlichen Refraktion“. Courvoisier, Ludwig Georg, auch Louis C., schweizer. Chirurg, Entomologe, * 10. 11. 1843 Basel, † 8. 4. 1918 Basel. C., Sohn eines Kaufmanns, studierte Medizin in Basel, wurde 1868 promoviert, war w¨ahrend seiner Assistenzzeit

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1870 auch als Kriegschirurg f¨ur Deutschland t¨atig und u¨ bernahm im gleichen Jahr die Leitung des Diakonissenspitals in Riehen bei Basel. 1880 habilitiert (Habilitationsvorlesung: Felix Wirtz, ein Basler Chirurg des sechzehnten Jahrhunderts), wurde er 1888 zum a. o. Prof. und 1900 zum Ordinarius in Basel ernannt. C.s gr¨oßtes Verdienst liegt in der technischen Weiterentwicklung der Gallenblasen-Chirurgie. Seine Kasuistisch-statistischen Beitr¨age zur Pathologie und Therapie der Gallenwege (1890) erm¨oglichten eine klare Diagnostik und Therapie der Gallensteinkrankheit. Die bei Verschluß des Gallengangs durch die Bauchwand tastbare Gallenblase wird als „Courvoisier-Zeichen“ bezeichnet. Neben seiner medizinischen T¨atigkeit vereinheitlichte er als Entomologe die Systematik und Namensgebung der Lykaeniden. Seine umfangreiche Schmetterlingssammlung befindet sich im Besitz des Naturhistorischen Museums Basel. C. C NDB war der Vater von Leo und Walter → C.

Courvoisier, Walter, schweizer. Komponist, * 7. 2. 1875 Riehen bei Basel, † 27. 12. 1931 Locarno. C., Sohn des Chirurgen Ludwig Georg → C., wandte sich zun¨achst der Medizin zu, studierte in Basel und Straßburg, wurde 1900 mit der Arbeit Das Prostatacarcinom promoviert und assistierte an der Chirurgischen Klinik in Basel, ging 1902 nach M¨unchen, nahm dort Privatunterricht bei Ludwig → Thuille, dessen Tochter C. 1909 heiratete und studierte Musik sowie Musikwissenschaft bei Adolf → Sandberger. 1907 u¨ bernahm er mit Ernst Boehe die Leitung der Volkssymphoniekonzerte des M¨unchner KaimOrchesters. 1910 wurde er Dozent, 1921 a. o. Prof., 1923 o. Prof. der Theorie und Komposition an der Staatlichen Akademie der Tonkunst in M¨unchen. Als Lehrer und Komponist von lyrischer Grundhaltung stand C. paradigmatisch f¨ur die „M¨unchner Schule“. Sein kompositorisches Schaffen galt haupts¨achlich der weltlichen und geistigen Vokalmusik; daneben setzte er bedeutende Suiten f¨ur Solovioline. C MGG Coutelle, (Johann) Friedrich (Karl), Fabrikant, * 4. 11. 1870 Ruhrort (heute zu Duisburg), † 6. 1. 1937 Essen. C., dessen Vater als Kunstmaler, dann als Kaufmann t¨atig war, ließ sich zum Kaufmann ausbilden und arbeitete danach f¨ur deutsche H¨uttenwerke in Italien und S¨udfrankreich. Seit seiner R¨uckkehr bei Krupp in Essen t¨atig, war er seit 1923 als stellvertretender Direktor f¨ur das Stahlgesch¨aft zust¨andig. Er geh¨orte zu den Begr¨undern des Edelstahlverbandes, war Mitglied verschiedener Aussch¨usse des Stahlwerksverbandes sowie des Rechtsausschusses des Deutschen Industrieund Handelstags und nahm Aufsichtsratsmandate bei der Capito & Klein AG sowie der Westf¨alischen Drahtindustrie AG wahr. C NDB

Coutre, Walter le, Wirtschaftswissenschaftler, * 21. 11. 1885 Halle / Saale, † 24. 9. 1965 Meersburg. C. studierte Wirtschaftswissenschaften in Berlin und Greifswald, wurde dort 1918 promoviert, lehrte seit 1921 als o. Prof. in K¨onigsberg und folgte 1924 einem Ruf nach Mannheim. 1933 gab er das Lehramt auf und leitete bis 1944 ein Treuhandb¨uro. Seit 1943 Honorarprofessor an der Univ. Heidelberg, nahm er drei Jahre sp¨ater einen Ruf als o. Prof. und Leiter des Betriebswirtschaftlichen Instituts der Staatlichen Wirtschaftshochschule Mannheim an, wo er bis zur Emeritierung 1956 lehrte. C. befaßte sich vor allem mit Handels- und Industriebetriebslehre, Betriebsorganisation und Rechnungswesen; er ver¨offentlichte u. a. Die Grundlagen der deutschen Preispolitik im Weltkriege 1914-1918 (1919), Praxis der Bilanzkritik (2 Bde., 1926) und Grundz¨uge der Bilanzkunde (4 Bde., 1942 ff.).

Cr¨atz Couven, Johann Joseph, Architekt, * 10. 11. 1701 Aachen, † 12. 9. 1763 Aachen. C.s Familie stammte aus der Provinz L¨uttich; schon sein Vater war Architekt in Aachen. C. selbst erscheint erst 1724 als st¨adtischer Planzeichner. Seine architektonischen Leistungen in den folgenden Jahrzehnten bestimmten das Stadtbild bis zur teilweisen Zerst¨orung w¨ahrend des Zweiten Weltkriegs. Neben der Umgestaltung des Rathauses baute er in der Kaiserstadt und ihrer Umgebung Pal¨aste, B¨urgerh¨auser, Kirchen, Kl¨oster und Pavillons. Er entwickelte, vor allem im M¨obelbau, aus der franz¨osischen R´egence und dem Rokoko als zur¨uckgenommene, b¨urgerliche Variante den „CouvenStil“, auch „Aachener Rokoko“ genannt. Zimmer aus dem 1737 vollendeten Wespienhaus sind in Museen in N¨urnberg, London und San Francisco zu sehen. C. setzte seine vielseitige Begabung auch als Instrumente-, Apparate- und Maschinenbauer u. a. im Bergbau sowie als Kupferstecher und Straßenbaumeister ein. C AKL

Couvillon, Jean, auch Johann Covillon, Jesuit, Theologe, * um 1520 Lille (Flandern), † 17. 8. 1581 Rom. C. legte 1544 in L¨owen die Profeß ab, reiste in den folgenden Jahren als Gelehrter durch Europa und war Lehrer f¨ur Philosophie und Theologie in Coimbra, Rom und Lyon. C., der auch als Griechisch-Experte galt, lehrte seit 1556 in Ingolstadt Theologie; er war mehrmals Dekan seiner Fakult¨at. 1562 war er Gesandter → Albrechts V. am Konzil von Trient. Anschließend wurde er von Kardinal → Truchseß von Waldburg an die neue Univ. in Dillingen berufen. In seinen letzten Lebensjahren h¨orte er noch als P¨onitentiar an St. Peter in Rom die Beichte. C. profilierte sich besonders als Verfechter des Disputationswesens, das er an den Orten seines Wirkens zu etablieren suchte. C LMU Cozroh, auch Kozroh, Theologe, Notar, 9. Jh. Der M¨onch C. ist seit etwa 820 als Notar des Bischofs → Hitto von Freising nachgewiesen. In dieser Funktion legte er das a¨ lteste Schenkungsbuch der Freisinger Domkirche an. Darin faßte er a¨ ltere Urkunden zusammen und erschloß sie erstmals systematisch. Das Buch sollte die Erinnerung an ehemalige Wohlt¨ater bewahren; es diente zugleich juristischen Zwecken, da die Urkunden auch rechtliche Anspr¨uche konsolidieren konnten. C. war zun¨achst Diakon und wurde um 824 zum Priester geweiht. Zuletzt hielt er sich wohl in Salzburg auf.

Cracov, Georg, Humanist, Jurist, Staatsmann, * 7. 11. 1525 Stettin, † 16. / 17. 3. 1575 Leipzig. Nach dem Studium in Rostock und Wittenberg lehrte C. seit 1547 Mathematik und Griechisch in Greifswald, seit 1548 in Wittenberg, wo er im folgenden Jahr die Tochter Johannes → Bugenhagens heiratete und in enge Beziehungen zu den protestantisch-humanistischen Kreisen, insbesondere zu → Melanchthon, trat. 1554 wurde er zum Dr. jur. utr. promoviert. Seit 1557 kurs¨achsischer Rat, nahm C. an mehreren Reichstagen teil und stand seit 1565 als Kammerrat und Kanzler im Dienst des Kurf¨ursten → August von Sachsen, dessen außenpolitische Expansionspl¨ane er unterst¨utzte. Als Gegner der luth. Orthodoxie und Bef¨urworter des Melanchthonianismus wurde C. 1574 in den Prozeß gegen die Kryptocalvinisten verwickelt, verhaftet und starb vermutlich durch Selbstmord im Gef¨angnis. C NDB

Cr¨amer, Friedrich August, auch Kr¨amer, evang. Missionar, * 26. 5. 1812 Kleinlangheim, † 3. 5. 1891 Springfield (USA). Der Sohn eines Kaufmanns studierte seit 1830 Theologie und Philosophie in Erlangen, wo er Pr¨asident der Burschenschaft „Germania“ wurde. 1833 organisierte er mit anderen Burschenschaftlern einen Angriff auf die Konstablerwache in Frankfurt, wurde verhaftet und zu drei Jahren

Haft verurteilt, jedoch 1839 auf Betreiben von Friedrich → Thiersch vorzeitig entlassen. Anschließend studierte er 1840 / 41 bei Thiersch in M¨unchen Philologie. In dieser Zeit hatte er w¨ahrend einer schweren Krankheit ein religi¨oses Erweckungserlebnis. Nach dem Studium arbeitete C. als Erzieher in Sachsen, B¨ohmen und Italien sowie in England, wo er 1844 den Pastor Wilhelm → L¨ohe kennenlernte, der luth. Kolonien in den USA organisierte. L¨ohe sammelte eine Gruppe auswanderungswilliger Deutscher um sich, denen er C. 1845 als Pastor und Anf¨uhrer zuteilte. Im April 1845 ¨ erfolgte die Uberfahrt nach New York. Am Cass River erbauten C. und seine Gruppe die Kolonie „Frankenmuth“. Als orthodoxer Lutheraner wandte er sich gegen reformistische Tendenzen in der Michigan-Synode, der seine Kolonie angeh¨orte. 1846 erfolgte deren Abspaltung und 1847 die Gr¨undung einer neuen Synode in Fort Wayne (MissouriSynode). 1850 wurde C. Prof. am Priesterseminar von Fort Wayne, 1861 in Saint Louis, wohin man das expandierende Seminar verlegt hatte. C. lehrte dort vor allem Kirchengeschichte, Theologie und Katechismus. 1875 organisierte er eine neue Zweigstelle des Seminars in Springfield und leitete sie bis zu seinem Lebensende.

Craemer, Karl, Politiker, Fabrikant, * 18. 12. 1818 Kleinlangheim (Unterfranken), † 31. 12. 1902 N¨urnberg. Der Kaufmannssohn wurde Mitbesitzer einer Spiegelfabrik in Doos bei F¨urth und zog 1869 nach N¨urnberg, wo er Gemeindebevollm¨achtigter und bis 1899 Magistratsrat war. F¨ur den Wahlkreis F¨urth 1848-93 demokratischer Abgeordneter im Bayerischen Landtag, war C. 1859 zusammen mit der a¨ ußersten Linken am Sturz des reaktion¨aren Kabinetts → Reigersberg beteiligt und gr¨undete gemeinsam mit Karl → Brater die Bayerische Fortschrittspartei, die eine liberale kleindeutsche Richtung vertrat. C., der zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten F¨uhrer des Liberalismus in Bayern galt, war 1867-71 Mitglied des deutschen Zollparlaments, 1868-70 und 1871-74 des Reichstags und gr¨undete 1880 die liberale Deutsche Fortschrittspartei in Franken. C NDB

Craemer, Paul, Unternehmer, * 10. 12. 1874 S¨udlohn (Kr. Ahaus), † 11. 3. 1940. C., Sohn eines Steuerbeamten, studierte an der Maschinenbauschule in Einbeck, u¨ bernahm die Leitung des Gußstahlwerks beim Bochumer Verein und ließ sich eine Reihe von Erfindungen f¨ur Spezialst¨ahle und -legierungen patentieren. 1912 errichtete er auf einem stillgelegten Preß-, Stanz- und Hammerwerk in Herzebrock die Preß-, Stanzund Hammerwerke GmbH und stellte zun¨achst Einzelteile f¨ur Landmaschinen her. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg erweiterte C. die Produktionsanlage um einen Stanzund Scherenbetrieb sowie ein Walzwerk. F¨ur seine Mitarbeiter legte er zahlreiche soziale Einrichtungen an.

Cr¨atz, Johann Alois von, Buchh¨andler, Verleger, * um 1740 Ingolstadt, † 1792 Wien. C. war der Sohn eines Ingolst¨adter Universit¨atsbuchh¨andlers, der auch in M¨unchen eine Buchhandlung besaß. Er studierte wahrscheinlich in Bamberg Jura, war vor¨ubergehend Beamter und begann 1764 eine Buchhandelslehre in Bamberg. 1766 u¨ bernahm er die verschuldete Firma seines Vaters, die er 1778 bis auf das M¨unchner Gesch¨aft verkaufte. Hier handelte er u. a. mit Schulb¨uchern, verkaufte aber auch kritische und verbotene Schriften an Stammkunden, was ihn mehrfach mit der Zensur in Konflikt brachte. Die von C. 1772 er¨offnete erste M¨unchner Leihbibliothek bestand nur kurze Zeit. Seit 1782 verlegte er die beliebte Zeitschrift „Der Zuschauer“ in Bayern, deren Vertrieb er auch u¨ bernahm. Die Zeitschrift wurde bald verboten, C. vor¨ubergehend inhaftiert. 1784 von einem Konkurrenten denunziert, wurde C. erneut verhaftet.

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Crafft Er hatte nicht nur in seinen Schriften den Hof → Karl Theodors kritisiert, sondern galt auch als Illuminat und Informant f¨ur Verfasser aufkl¨arerischer Schriften außerhalb Bayerns. Obgleich man an C. ein Exempel statuieren wollte, mußte man ihn wegen seines beharrlichen Schweigens bereits 1785 wieder freilassen. C. verließ M¨unchen, lebte in Passau, Berlin und Mannheim und wurde 1787 Teilhaber einer Buchhandlung in Wien. Die Herkunft von C.s Adelstitel ist zweifelhaft.

Crafft, Johann Daniel, Chemiker, National¨okonom, getauft 28. 9. 1624 Wertheim, † 16. 4. 1697 Amsterdam. C., Sohn eines Arztes, war bis 1662 als Arzt im Harzbergwerk Zellerfeld t¨atig. Auf Reisen, die ihn bis nach Nordamerika f¨uhrten, erwarb er gr¨undliche Kenntnisse in den Naturwissenschaften, der Chemie und der National¨okonomie, um deren Anwendung an deutschen H¨ofen er sich nach seiner R¨uckkehr bem¨uhte. Als Handelsrat widmete sich der 1675 zum Kommerzienrat ernannte C. in Dresden der Verbesserung der Seiden- und Wollmanufakturen, blieb jedoch erfolglos und wurde deswegen 1684 vor¨ubergehend verhaftet. 1677 besuchte er → Leibniz in Hannover, f¨uhrte dem dortigen Hof den von Hennig → Brand entdeckten Phosphor vor und begab sich 1685-90 wiederum auf Reisen, auf denen er u. a. in Wien Verhandlungen wegen der Einrichtung einer Gasbeleuchtung f¨uhrte. Sp¨ater leitete C. im Spessart eine Glash¨utte, wo er nach Johann → Kunckels Angaben das Milchglas entdeckt haben soll. Sein mit Leibniz 1671-97 gef¨uhrter Briefwechsel, der 157 Briefe umfaßt, gibt ein umfassendes Bild seiner Pers¨onlichkeit und seiner Epoche. C NDB

Craigher de Jachelutta, Jacob Nikolaus, auch Nicolaus, Schriftsteller, Kaufmann, * 17. 12. 1797 Lipossollo (Friaul), † 17. 5. 1855 Cormons bei G¨orz (Istrien). Der im damals o¨ sterr. Kronland Venedig geborene C. de J. schlug eine kaufm¨annische Laufbahn ein, kam in Wien 1820 in Kontakt mit dem Kreis um Clemens Maria → Hofbauer und Friedrich → Schlegel sowie mit dem K¨unstlerzirkel um Franz → Schubert. Er ver¨offentlichte eigene Gedichte in Taschenb¨uchern und Wiener Zeitschriften und machte sich als ¨ Ubersetzer vor allem englischer Lyrik einen Namen. Sp¨ater ging C. de J. als Konsul der belgischen Krone nach Triest und begab sich 1843 im Auftrag der belgischen Regierung auf eine Reise durch den Orient, deren Erlebnisse er 1847 in seinen Erinnerungen aus dem Orient festhielt. C. de J.s lyrisches Werk, das sich eng an die Tradition des G¨ottinger Hainbundes anlehnt, wurde vor allem durch die Vertonung einiger seiner Gedichte (u. a. Die junge Nonne und Der blinde Knabe) durch Schubert bekannt. C Killy

Crailsheim, (Friedrich August Ernst Gustav Christoph) Krafft Graf von, Politiker, * 15. 3. 1841 Ansbach, † 13. 2. 1926 M¨unchen. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Erlangen, Leipzig und Z¨urich trat C., Sohn eines 1843 verstorbenen bayerischen Oberleutnants, 1865 in den bayerischen Staatsdienst ein, kam 1870 in das bayerische Handelsministerium und wurde 1872 in das Ministerium des Kgl. Hauses und ¨ des Außeren berufen, dessen Leitung er 1880 als Minister u¨ bernahm. Als Bewunderer → Bismarcks trug er zur engeren Anbindung Bayerns an das Deutsche Reich bei und konnte zu Beginn seiner Amtszeit auch K¨onig → Ludwig II. noch mehrmals zu Regierungshandlungen bewegen. Bei der mit Ministerpr¨asident Johann von → Lutz betriebenen Abeset¨ zung Ludwigs II. und der Ubergabe der Regentschaft an Prinzregent → Luitpold kam C. wegen seines Verhaltens bei der Inkenntnissetzung des K¨onigs von seiner Entm¨undigung f¨ur kurze Zeit in Haft. Sp¨ater wurde er enger Berater des Prinzregenten, u¨ bernahm 1890-1903 als Nachfolger von

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Lutz’ den Vorsitz des Ministerrats, mußte jedoch 1890 wegen Auseinandersetzungen mit den Ultramontanen zur¨ucktreten und zog sich, seit 1895 Reichsrat der Krone Bayerns, ins Privatleben zur¨uck. C NDB

Crailsheim-Rugland, ¨ Carola von, Schriftstellerin, * 21. 3. 1895 Bayreuth, † 30. 8. 1982 M¨unchen. Die aus fr¨ankischem Adel stammende Tochter eines Regierungsdirektors studierte nach dem Besuch des Max-JosephStifts in M¨unchen 1908-12 deutsche und franz¨osische Literatur an der Univ. Jena, begab sich dann auf Reisen und lebte auf den heimatlichen G¨utern, bis sie 1945 nach Schweden u¨ bersiedelte. Als akkreditierte Auslandskorrespondentin in Stockholm schrieb C.-R. f¨ur zahlreiche deutsche Zeitungen, u. a. f¨ur den „M¨unchner Merkur“, und kehrte 1955 nach M¨unchen zur¨uck, wo sie einen großen Kreis von K¨unstlern und Journalisten um sich versammelte. Neben zahlreichen Romanen und Erz¨ahlungen, u. a. Ein Franzose findet Deutschland (1939), ver¨offentlichte sie eine Reihe von ¨ Ubersetzungen aus dem Schwedischen (z. B. Werke Selma Lagerl¨ofs), war Mitarbeiterin an der M´erim´ee-Ausgabe von Arthur → Schurig und wurde 1966 mit dem Tukanpreis f¨ur Literatur der Stadt M¨unchen ausgezeichnet.

Craloh, Abt von St. Gallen, † 26. 2. 958 Herisau. C. ist 920 als M¨onch der Abtei St. Gallen und Schreiber einer Urkunde belegt. Nach dem R¨ucktritt seines Bruders Thieto 942 zum Abt von St. Gallen gew¨ahlt, bem¨uhte er sich um die Wiederherstellung des Klosters nach dem Brand von 937. 947 erhielt er von K¨onig → Otto I. das Markt- und M¨unzrecht f¨ur Rorschach. Als es im Zuge des Aufstands Herzog → Liudolfs von Schwaben gegen K¨onig Otto 953 zum offenen Bruch zwischen dem wegen seiner Strenge bei den M¨onchen unbeliebten Abt und dem Konvent kam, floh C. an den Hof Ottos. Nach dem Tod des Gegenabts Anno 954 kehrte er nach St. Gallen zur¨uck. C HLS Cram, Herbert, Verleger, * 25. 6. 1890 Eagle Pass (Texas, USA), † 31. 7. 1967 Berlin. Der Sohn von Deutsch-Mexikanern schloß das Studium in Deutschland als Dipl.-Ing. ab. Er heiratete Clara de Gruyter, die Tochter des Gr¨unders und Inhabers des gleichnamigen wissenschaftlichen Verlags, der nach dem Kriegstod seiner beiden S¨ohne den Schwiegersohn in die Leitung des Verlags aufnahm. Von 1923, dem Todesjahr Walter de → Gruyters, bis zu seinem eigenen Lebensende war C. Seniorchef des im Familienbesitz verbleibenden Unternehmens, des zu seiner Zeit gr¨oßten Universalwissenschaftsverlags Deutschlands. Die Diversifizierung der Verlagst¨atigkeit auf eine Mehrzahl wissenschaftlicher Fachgebiete, die sich aus der Gr¨undungsgeschichte des Unternehmens ergeben hatte, blieb unter C.s Leitung erhalten. 1927 f¨ugte C. den Verlag Marcus & We¨ ber hinzu. Besonders stark baute er, auch durch Ubernahme des Verlags Alfred T¨opelmann 1935, den Bereich Theologie aus. 1939 wurde eine Beteiligung am J. Schweitzer Verlag erworben. 1963 verlieg die Philosophische Fakult¨at der Freien Univ. Berlin C. die Ehrendoktorw¨urde. Cramer, (Johann Baptist Joseph) August, Psychiater, * 10. 11. 1860 St. Pirminsberg (Kt. St. Gallen), † 5. 9. 1912 G¨ottingen. Nach dem Studium der Medizin in M¨unchen und Marburg, das er 1887 mit der Promotion abschloß (Beitr¨age zur Kenntnis des Glykogens), erhielt C. in Marburg und Freiburg / Breisgau eine psychiatrische Ausbildung und wurde im selben Jahr Assistenzarzt an der Psychiatrischen Klinik in Eberswalde unter August → Zinn. Seit 1895 stellvertretender Direktor der G¨ottinger Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt, habilitierte er sich im Mai desselben Jahres, erhielt 1897 den Professorentitel und folgte 1900 L. Mayer als a. o. Prof.

Cramer und Anstaltsdirektor auf den G¨ottinger psychiatrischen Lehrstuhl. Auf seine Initiative hin entstand dort die sp¨atere Nervenklinik. Er errichtete das Provinzialsanatorium Rasem¨uhle f¨ur Nervenkranke, das Provinzial-Verwahrungshaus f¨ur geisteskranke Straft¨ater und eine Heilerziehungsanstalt f¨ur psychopathische F¨ursorgez¨oglinge. C. ver¨offentlichte u. a. Die Halluzinationen im Muskelsinn bei Geisteskranken (1889), Gerichtliche Psychiatrie (1897, 41908) und Zur Theorie der Affekte (1907). Mit Otto → Binswanger und Ernst → Siemerling gab er ein Lehrbuch der Psychiatrie (1904, 6 1923) heraus. Er war seit 1907 Geheimrat, seit 1912 Landesmedizinalreferent und gilt als Pionier des modernen psychiatrischen Anstaltswesens. C Deutsche Irr

Cramer, Carl Eduard, Botaniker, * 4. 3. 1831 Z¨urich, † 24. 11. 1901 Z¨urich. C., Sohn eines M¨ullers, begann 1850 sein Studium in Z¨urich als Sch¨uler des Botanikers Carl Wilhelm von → N¨ageli, dem er 1852 als sp¨aterer Mitarbeiter nach Freiburg / Breisgau folgte, wo er 1855 mit der Arbeit Botanische Beitr¨age promoviert wurde. Im gleichen Jahr habilitierte er sich an der Univ. Z¨urich, war dort seit 1857 Lehrbeauftragter und wirkte als Nachfolger N¨agelis 1861-1901 als o. Prof. der Botanik am Eidgen¨ossischen Polytechnikum in Z¨urich, dessen Pflanzenphysiologisches Institut er begr¨undete. 1882 / 93 hatte C. die Leitung des Botanischen Gartens der Z¨urcher Univ. inne. In seinen wissenschaftlichen Untersuchungen besch¨aftigte er sich insbesondere mit dem von ihm als Pflanzenarchitektonik bezeichneten Gebiet der genealogischen Weiterverfolgung der einzelnen Zelle bis zu den letzten Abk¨ommlingen ihrer Teilungen. Er ver¨offentlichte u. a. Bildungsabweichungen bei einigen wichtigeren Pflanzenfamilien und die mor¨ phologische Bedeutung des Pflanzeneies (1864), Uber die verticillierten Siphoneen, insbesondere Neomeris und Cymopolia (1887), ferner Untersuchungen zur Kryptogamenflora der Schweiz und zur Bakteriologie. C NDB Cramer, Daniel, Pseud. Daniel Candidus, luth. Theologe, * 20. 1. 1568 Reetz (Neumark), † 5. 10. 1637 Stettin. Der Sohn eines luth. Predigers studierte Theologie an der Univ. Rostock und wurde Prof. der Logik in Wittenberg. Aus dieser Univ., an der seinerzeit → Luther den Aristoteles bek¨ampft hatte, ging mit C.s Isagoge in Metaphysicam Aristotelis (1594, 21601) die erste neue Einf¨uhrung in die aristotelische Metaphysik hervor. 1597 erschien seine Synopsis trium librorum rhetoricum. 1595 wurde C. an das Gymnasium in Stettin berufen, wo er seit 1597 Hofprediger an der Marienkirche war. 1598 erhielt er die theologische Doktorw¨urde der Univ. Wittenberg, war 1613-18 Generalsuperintendent f¨ur das Land Stettin und beteiligte sich 1614 an einem liturgischen Streit mit dem brandenburgischen Generalsuperintendenten Christoph Pelargus (Bedenken auf C. Pelargi deutsche Confession, 1615). Neben zahlreichen bibelexegetischen Arbeiten (u. a. Biblische Außlegung, 1627) schrieb C. lateinische Schuldramen und gab eine kommentierte Lutherbibel heraus. Als erster Kirchenhistoriker Pommerns verfaßte er Das Grosse Pomrische Kirchen Chronicon (1602), das in zahlreichen Auflagen jeweils auf den neuesten Stand gebracht wurde. Mit seinen geistlichen Emblemb¨uchern (Societas Jesu et rosae crucis vera, 1617; Emblemata sacra, 1622; Octoginta emblemata moralia nova, 1630) nahm er Einfluß auf die protestantische Erbauungsliteratur. C Killy

Cramer, Eduard, Chemiker, Industrieller, * 8. 6. 1859 Bochum, † 12. 2. 1931 Berlin. Nach dem Studium der Chemie an der TH Hannover und Berlin wurde C., Sohn eines Weinh¨andlers, 1883 von Hermann → Seger als Assistent an die Chemisch-Technische Versuchsanstalt der Kgl. Porzellanmanufaktur Berlin berufen

und trat 1886 in das 1876 von Seger und Aron gegr¨undete Tonindustrie-Unternehmen ein. Seit 1891 Teilhaber dieser Firma, die nun als „Chemisches Laboratorium f¨ur die Tonindustrie Prof. Dr. Seer & E. Cramer“ firmierte, begann C., der 1892 die Fl¨uchtigkeit der Kiesels¨aure bei starker Erhitzung von Tonen beobachtet hatte, 1899 mit ersten systematischen Untersuchungen zur Erreichung einer m¨oglichst großen Dichte bei feuerfesten Erzeugnissen durch entsprechende Korngr¨oßenabstufungen. Nach jahrelanger empirischer Untersuchungsarbeit machte er 1914 auf einer Sitzung des Vereins deutscher Fabriken feuerfester Erzeugnisse den Vorschlag, die Ware als feuerfest zu bezeichnen, deren Schmelzpunkt bei mindestens 1580 °C liegt. Diese Definition wurde in die DIN-Normen u¨ bernommen, so daß C. Urheber des Begriffs „feuerfest“ ist. Mit Hermann → Hecht bearbeitete er die 3. Auflage (1907) von Bruno → Kerls Handbuch der gesammten Thonwaarenindustrie (= Handbuch der cheC NDB mischen Technologie, Bd. 3, Gruppe 2).

Cramer, Friedrich, Physiker, * 20. 9. 1923 Breslau, † 24. 6. 2003 Breslau. Das Studium der Naturwissenschaften schloß C. 1949 in Heidelberg mit der Promotion ab (Die Cyclodextrine aus St¨arke) und habilitierte sich dort 1953 (Einschlußverbindungen). Seit 1959 a. o. Prof. an der TH Darmstadt, wurde er 1962 Direktor des Max-Planck-Instituts f¨ur experimentelle Medizin in G¨ottingen. 1964 wurde ihm von der dortigen Univ. der Titel eines Honorarprofessors verliehen. Neben seinen mehr als 600 Aufs¨atzen ver¨offentlichte C., der sich mehrfach mit allgemeinen Fragen der Natur und Naturwissenschaft auseinandersetzte, Papierchromatographie (1952, 51962, in mehrere Sprachen u¨ bersetzt), Forscher zwischen Wissen und Gewissen (1974), Fortschritt durch Verzicht (1975), Chaos und Ordnung (1988), Erkennen als geistiger und molekularer Prozeß (1991), Amazonas (1991), Die Natur der Sch¨onheit. Zur Dynamik der sch¨onen Formen (1992), Der Zeitbaum. Grundlegung einer allgemeinen Zeittheorie (1993), Spiel der Synapsen. Gedichte und Prosa (1994), Gratwanderungen. Das Chaos, die K¨unste und die Ordnung der Zeit (1995) und Symphonie des Lebendigen. Versuch einer allgemeinen Resonanztheorie (1996, auch 1998). Seine Erinnerungen erschienen 1999 unter dem Titel Wie Hiob leben.

Cramer, Friedrich Gottfried Matthias, Schriftsteller, Historiker, * 5. 11. 1779 Quedlinburg, † 14. 8. 1836 Halberstadt. Aus einer alten Kaufmanns- und Ratsherrnfamilie stammend, studierte C., Sohn eines Pastors, 1797-1800 in Helmstedt und Halle Rechtswissenschaften und wurde nach der Promotion Auditeur in einem Infanterieregiment in Erfurt. Dort machte er die Bekanntschaft junger Adliger, die nach dem Vorbild des G¨ottinger Hainbundes gemeinsam ihre Gedichte ver¨offentlichten. 1805 ging er nach Wien, wo er Studien zur altdeutschen Kunst betrieb. Seit 1808 in Kassel in westf¨alischem Dienst, wurde C. Inspektor der indirekten Steuern f¨ur das Saaledepartement in Halberstadt, ein Amt, das er nach dem Ende des Napoleonischen K¨onigreichs Westfalen bis 1818 behielt. Mit Unterst¨utzung F¨urst → Hardenbergs erhielt er die Aufsicht u¨ ber mehrere Archive und damit die M¨oglichkeit intensiver Quellenstudien f¨ur seine historischen Schriften. C. ver¨offentlichte eine Reihe von auf Originaldokumenten basierenden Biographien (u. a. Das Leben August von Kotzebues nach seinen Schriften und authentischen Mitteilungen dargestellt, 1820) und trug, von → Goethe, → Herder und Friedrich Heinrich → Jacobi angeregt, die erste Sammlung von Fragmenten und Spr¨uchen der fast verschollenen Schriften → Hamanns zusammen. C NDB

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Cramer Cramer, Heinrich, Psychiater, * 17. 12. 1831 Montabaur, † 16. 8. 1893 Marburg. C., Sohn eines Kaufmanns, studierte in M¨unchen, W¨urzburg, Prag, Wien und Z¨urich Medizin, war 1856-59 als Assistenzarzt an der Irren-Heil- und Pflegeanstalt Eichberg t¨atig, anschließend als Assistenzarzt an der Heil- und Pflegeanstalt St. Pirminsberg in der Schweiz und wurde 1860 promoviert. 1861-73 war er Direktor der Anstalt Rosegg in Solothurn, von 1874 bis zu seinem Tod Direktor der neuen Irrenanstalt Marburg. Seit 1877 zugleich o. Prof. der Psychiatrie an der dortigen Univ. und seit 1890 Geheimer Medizinalrat, widmete sich C. insbesondere reformerischen Aufgaben in der psychiatrischen Behandlung; so beseitigte er zum Beispiel 1863 alle Zwangsmittel. Er ver¨offentlichte mehrere Aufs¨atze zu organisatorischen und klinischen Fragen. C Deutsch Irr

Cramer, Johann, Redakteur, Politiker, * 29. 7. 1905 Norden (Ostfriesland), † 14. 1. 1987 Wilhelmshaven. Der Sohn eines Kleinbauern und Arbeiters durchlief eine kaufm¨annische Lehre und wurde an der Handelsschule ausgebildet. Danach bei der Ems-Lots-Gesellschaft in Emden, seit 1923 beim Finanzamt in Norden t¨atig, wurde er 1924 Redakteur bei der von dem sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Hermann → Tempel geleiteten „Ostfriesischen Volkszeitung“ (seit 1926 „Volksbote“). Seit 1921 war C. Mitglied der SPD, seit 1922 der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). 1931-33 leitete er als Nachfolger von Will → Schaber die Redaktion des „Volksblatts“ in Saalfeld und wandte sich als Journalist, Parteiredner und Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold gegen NSDAP, KPD und SAP. 1933 verhaftet, bet¨atigte er sich nach der Entlassung u. a. als Akzidenzendrucker. 1941-45 nahm er als Rechnungsf¨uhrer in h¨oheren St¨aben am Zweiten Weltkrieg teil. 1946 aus britischer Gefangenschaft nach Ostfriesland zur¨uckgekehrt, war C. erst Leiter des Kreiswirtschaftsamtes Norden, seit 1947 Lizenztr¨ager und Redakteur der „Nordwestdeutschen Rundschau“ (sp¨ater „Wilhelmshavener Presse“), seit 1952 Gesch¨afts- und Verlagsleiter, nach dem Ausscheiden von Oskar → H¨unlich 1954 auch Chefredakteur und trat 1970 in den Ruhestand. Er war stellvertretender Vorsitzender des SPD-Bezirks Weser-Ems und 1948 / 49 Mitglied des Wirtschaftsrats f¨ur das Vereinigte Wirtschaftsgebiet. C. geh¨orte 1949-72 dem Deutschen Bundestag an; als Vorsitzender des Ausschusses f¨ur Post- und Fernmeldewesen (1949-53) war er maßgeblich an der Verabschiedung des Postverm¨ogensgesetzes beteiligt. Er ver¨offentlichte u. a. Der rote November 1918 – Revolution in Wilhelmshaven (1968). C MdB

Cramer, Johann Andreas, Metallurg, Chemiker, * 14. 12. 1710 Quedlinburg, † 6. 12. 1777 Berggießh¨ubel bei Dresden. C. widmete sich dem Studium der Medizin, bevor er sich der Chemie zuwandte und sich als Metallurg vor allem mit der Scheidung von Metallen besch¨aftigte. Auf seinen zahlreichen Reisen hielt er u. a. in Leiden und Leipzig gutbesuchte Vortr¨age zu dieser Thematik. 1743 wurde C. braunschweigischer Kammerrat in Blankenburg, wo er auch mit der Direktion des M¨unzkollegiums betraut war. Durch seine auf gr¨undlichen Untersuchungen basierenden Versuche, die der Metallurgie bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse brachten, gilt er als einer der besten Metallurgen seiner Zeit. C. ver¨offentlichte u. a. Elementa artis docimaticae (1739), Anfangsgr¨unde der Probierkunst (1766) und Anfangsgr¨unde der Metallurgie (3 Tle., 1774-77).

Cramer, Johann Andreas, evang. Theologe, Schriftsteller, Liederdichter, * 27. 1723 J¨ohstadt / Erzgebirge, † 12. 6. 1788 Kiel. Der Pfarrerssohn besuchte 1736-42 die F¨urstenschule in Grimma und begann im Anschluß daran das Studium der

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Theologie in Leipzig, das er 1745 mit der Promotion abschloß. Seit 1748 Pfarrer in Cr¨ollwitz (Sachsen), wurde er 1750 Oberhofprediger und Konsistorialrat in Quedlinburg. 1754 folgte C. dem Ruf als deutscher Hofprediger → Friedrichs V. nach Kopenhagen, wo er 1765 zum Prof. der Theologie ernannt und zwei Jahre sp¨ater zum Dr. theol. promoviert wurde. 1771 verließ er Kopenhagen und wurde Superintendent in L¨ubeck, 1774 Theologieprofessor und Prokanzler der Univ. Kiel, wo er 1781 das erste Lehrerseminar gr¨undete. Der mit Christian F¨urchtegott → Gellert und Friedrich Gottlieb → Klopstock befreundete C. war auch literarisch t¨atig; er gab u. a. mit den Br¨udern Johann Adolf und Johann Elias → Schlegel die Zeitschrift „Neue Beytr¨age zum Vergn¨ugen des Verstandes und Witzes“ (1744) heraus, die als „Bremer Beitr¨age“ in die Literaturgeschichte einging. 1746 / 47 publizierte er das Wochenblatt „Der Schutzgeist“, 1747 / 48 mit Johann Arnold → Ebert, Nikolaus Dietrich → Giseke und Gottlieb Wilhelm → Rabener die Wochenschrift „Der J¨ungling“, 1758-61 den „Nordischen Aufseher“, in dem er u. a. neben Klopstock als literarischer Kritiker hervortrat. Ferner schrieb C. geistliche Oden, u¨ bersetzte Psalmen, war Verfasser zahlreicher pastoraler Schriften, lieferte moralisch-didaktische Beitr¨age in Zeitschriften und vero¨ ffentlichte 1782 / 83 seine S¨amtlichen Gedichte (3 Bde.). Sein Allgemeines Gesangbuch von 1780, das in SchleswigHolstein u¨ ber hundert Jahre lang benutzt wurde, enthielt von ihm mehr als 200 Lieder. Er war der Vater von Karl Friedrich → C. C Killy

Cramer, Johann (John) Baptist, Musiker, Komponist, * 24. 2. 1771 Mannheim, † 16. 4. 1858 Kensington (heute zu London). Der Sohn des Violonisten Wilhelm → C. kam als Kind mit seinem Vater 1774 nach London und erhielt von ihm zun¨achst Klavierunterricht. Sp¨ater studierte er u. a. bei Johann Samuel → Schr¨oter und Carl Friedrich → Abel, wurde 1783 / 84 von Muzio Clementi unterrichtet und spielte nach seinem ersten o¨ ffentlichen Auftritt als Zehnj¨ahriger zumeist in den von seinem Vater geleiteten Professional Concerts. Seit 1788 wurde C. durch seine Konzertreisen, die ihn u. a. nach Paris, Berlin, in die Niederlande und nach M¨unchen f¨uhrten, international ber¨uhmt, konnte in Wien die Bekanntschaft mit → Haydn und → Beethoven vertiefen und machte sich seit dem Erscheinen seines Klavierkonzerts in Es-Dur op. 10 1796 auch als Komponist einen Namen. 1824 gr¨undete er mit Robert Addison und Thomas Frederic Beale in London einen Musikverlag, lebte dann mehrere Jahre in Paris und zog sich, 1848 nach London zur¨uckgekehrt, aus dem o¨ ffentlichen Leben zur¨uck, um sich seiner T¨atigkeit als Komponist zu widmen. C.s erfolgreichstes Werk war das Studio per il Pianoforte Consisting of 42 Exercises, das sp¨ater erg¨anzt und u. a. von Hans von → B¨ulow bearbeitet wurde. Neben Klavierkammermusik schrieb C., der fast ausschließlich f¨ur das eigene Instrument komponierte, Klaviermusik, darunter 127 Klaviersonaten. C MGG

Cramer, Johann Jakob, schweizer. Orientalist, * 24. 1. 1673 Elgg (Kt. Z¨urich), † 10. 2. 1702 Z¨urich. C., Sohn eines Pfarrers, begann an den Universit¨aten Z¨urich und Altdorf das Studium der orientalischen Sprachen und der rabbinischen Literatur, das er in Utrecht und Leiden fortsetzte. Anschließend begab er sich auf ausgedehnte wissenschaftliche Reisen durch Deutschland, die Niederlande, England und Frankreich, um seine Kenntnisse des Judentums zu vervollkommnen. 1696 erhielt C. einen Ruf als Prof. der orientalischen Sprachen nach Z¨urich und war sp¨ater in gleicher Funktion in Herborn t¨atig. Er ver¨offentlichte u. a. Theologia Israelis (2 Bde., 1705).

Cramer Cramer, Johann Ulrich Frh. von, auch Kramer, Jurist,

Cramer, Karl Gottlob, Schriftsteller, Forstbeamter,

* 8. 11. 1706 Ulm, † 18. 6. 1772 Wetzlar. Der Kaufmannssohn studierte seit 1726 in Marburg Rechtswissenschaften, Mathematik und Philosophie, wurde 1731 zum a. o. Prof. der Rechte ernannt und wirkte seit 1733 als o. Prof. in Marburg. Seit 1742 war er Reichshofrat in Frankfurt / Main, 1745 sechs Monate lang Beisitzer des Reichsvikariat-Hofgerichts in M¨unchen und sp¨ater wieder in Marburg t¨atig, bis er 1752 die Stellung eines Beisitzers am Reichskammergericht in Wetzlar erhielt. C., der unter dem Einfluß von Christian → Wolffs Lehrmethode im Sinne einer streng logischen Gedankenf¨uhrung stand, verband in seinen Schriften wissenschaftliche und praktische Tendenzen. Er ver¨offentlichte 1736 sein vielbeachtetes kirchenrechtliches Werk De jure circa sacra collegiali et majestatico sowie 1758-72 die Observationes juris universi (6 Bde.), die anschaulich die Praxis der Reichsgerichte vermitteln. 1755-73 erschienen seine Nebenstunden in 32 B¨anden. C NDB

* 3. 3. 1758 P¨odelitz bei Naumburg, † 7. 6. 1817 Dreißigacker bei Meiningen. Der einer th¨uringischen Pastorenfamilie entstammende C. begann 1777 in Wittenberg das Studium der Theologie, das er im folgenden Jahr in Leipzig fortsetzte, jedoch ohne Examen beendete. Er widmete sich schließlich der Schriftstellerei. Nach dem Erstling Karl Saalfeld oder Geschichte eines relegirten Studenten (1782) ver¨offentlichte C. in rascher Folge zahlreiche Werke aus dem Genre des in Mode gekommenen Trivialromans und erzielte seine gr¨oßten Erfolge mit den Ritterromanen, in denen er die Ausw¨uchse h¨ofischen Lebens mit den b¨urgerlichen Tugenden konfrontierte, das Ideal vom aufgekl¨arten humanen Herrscher propagierte und auch erotische Szenen sowie humoristische Abschnitte brachte. Bekannt wurde vor allem sein Roman Hasper a Spada (2 Bde., 1792 / 93, 41837), der → Goethes G¨otz von Berlichingen kolportierte. 1795 wurde C. von seinem G¨onner Herzog Georg von Sachsen-Meiningen zum Forstrat in Meiningen ernannt und war seit 1809 als Lehrer an der Forstakademie in Dreißigacker t¨atig. C Killy

Cramer, Josef Anton, Unternehmer, * 24. 4. 1863 Greven, † 18. 4. 1939. C., Sohn eines Textilwarenh¨andlers in Greven, ging nach einer kaufm¨annischen Lehre, die er im Unternehmen seines Vaters durchlief, zur weiteren Ausbildung nach M¨onchengladbach, leistete den einj¨ahrigen Milit¨ardienst ab und fand 1887 eine Anstellung als Buchhalter in der Grevener Firma „Biederlack & Temming“. Nach dem Tod des Vaters 1897 u¨ bernahm er dessen Gesch¨aft und gr¨undete zusammen mit Johannes → Temming und dessen Bruder Josef 1898 die „Weberei Anton Cramer & Co.“. 1908 wurde C. Anteilseigener an der „Bunt-Spinn-Weberei Gebr¨uder Schr¨under“, mußte sein eigenes Unternehmen in den Jahren w¨ahrend des Ersten Weltkriegs vor¨ubergehend schließen, konnte jedoch bereits 1918 mit der Firma „Schr¨under & Cramer“ ein weiteres Unternehmen einrichten und 1937 die „Weberei Aktiengesellschaft Hermann Fl¨orsheim“ in M¨onchengladbach (seit 1938 „Cramer, Temming & Co.“) mit u¨ bernehmen. Zusammen mit Johannes Temming u. a. geh¨orte C. 1906 zu den Begr¨undern des gemeinn¨utzigen „Grevener Bauvereins“, dessen Vorstand er bis 1923 angeh¨orte. C Rhein-Westf Wirt, Bd 16 ¨ Cramer, Karl Friedrich, Schriftsteller, Ubersetzer, * 7. 3. 1752 Quedlinburg, † 8. 12. 1807 Paris. Der a¨ lteste Sohn von Johann Andreas → C. studierte 1772-74 in G¨ottingen Theologie, wo er Mitglied des Hainbundes wurde, und setzte das Studium in Leipzig fort. Seit 1775 a. o., von 1780 an o. Prof. der griechischen und orientalischen Sprachen sowie der Homiletik in Kiel, wurde C. 1794 als Anh¨anger der Franz¨osischen Revolution durch eine kgl. Resolution wegen monarchiefeindlicher Einstellung seines Amtes enthoben und aus der Stadt verwiesen. Er emigrierte mit seiner Familie nach Paris, er¨offnete 1796 eine Buchhandlung und Druckerei und war daneben als Ver¨ leger und Schriftsteller t¨atig. Neben Ubersetzungen deutscher und franz¨osischer Werke, mit denen C. einen wichtigen Beitrag zur Kulturvermittlung zwischen beiden L¨andern leistete, verfaßte er als Mitarbeiter des „Wandsbecker Bothen“ lyrische und prosaische Beitr¨age. Er war Autor ver¨ schiedener musikgeschichtlicher Werke (u. a. Kurze Ubersicht der Geschichte der franz¨osischen Musik, 1786) und als Reiseschriftsteller t¨atig. Dar¨uber hinaus schuf C. mit den beiden Dokumenten seiner Klopstock-Verehrung Klopstock. In Fragmenten aus Briefen von Telow an Elisa (2 Tle., 1777 / 78) und Klopstock. Er; und u¨ ber ihn (5 Tle., 1780-93) die ersten gr¨oßeren Arbeiten u¨ ber seinen ber¨uhmten Zeitgenossen. C Killy

Cramer, Ludwig Dankegott, evang. Theologe, * 19. 4. 1791 Baumersroda bei Freyburg / Unstrut, † 8. 1. 1824 Leipzig. Der Sohn eines Predigers studierte seit 1808 an der Univ. Wittenberg, wo er sich neben der Theologie insbesondere der Philosophie widmete. Seit 1811 Magister, habilitierte er sich 1812 und hielt Vorlesungen u¨ ber Moralphilosophie und u¨ ber die hebr¨aische Sprache. Eine Zeitlang war C. als Kustos an der Universit¨atsbibliothek t¨atig. 1817 folgte er einem Ruf an die Univ. Rostock, wo er vierter o. Prof. der Theologie wurde und an der Universit¨atskirche predigte. Neben Werken theologischen Inhalts (u. a. Versuch einer systematischen Darstellung der Moral der Apocryphen des Alten Testaments) ver¨offentlichte C. philosophische und literarische Schriften.

Cramer, (Christoph) Ludwig Wilhelm, Berg- und H¨uttenmann, Mineraloge, * 9. 10. 1755 Schloß Friedewald bei Daaden (Westerwald), † 28. 5. 1832 Wetzlar. C., Sohn des Amtsaktuars Christoph Friedrich Wilhelm C., studierte 1772-75 in Halle und Freiberg (Sachsen) Jura und Naturwissenschaften. Zun¨achst als Advokat in Friedewald t¨atig, verwaltete er seit 1781 als saynischer Bergrat das Bergamt Altenkirchen. 1803-15 stand er als nassauischer Oberbergrat in Wiesbaden den nassau-usingischen H¨utten und H¨ammern vor. Von 1816 bis zu seiner Pensionierung 1821 wirkte er als Hofgerichtsrat in Dillenburg. C. besaß eine bedeutende Mineraliensammlung, die auch Johann Wolfgang von → Goethe bewunderte. C. ver¨offentlichte u. a. Vollst¨andige Beschreibung des Berg-, H¨utten- und Hammerwesens, nebst einigen statistischen und geographischen Nachrichten von der Grafschaft Altenkirchen (1805, Nachdr. 1993) und Geognostische Fragmente von Dillenburg und der umliegenden Gegend (1827). Cramer, Richard Edmund Otto, Ingenieur, * 13. 6. 1847 K¨othen, † 9. 9. 1906 Berlin. C., Sohn eines Schul- und Konsistorialrats, besuchte 1865-68 die Kgl. Gewerbeakademie in Berlin und wurde anschließend Konstrukteur bei einer Maschinenfabrik und bei der Eisenbahn, wo er an verschiedenen Neubauten arbeitete. Nach Reisen durch Deutschland, England, Frankreich und Belgien war er seit 1877 als freischaffender Ingenieur in Berlin und anderen St¨adten an der Gestaltung o¨ ffentlicher und privater Geb¨aude (u. a. Hoftheater in Hannover, Umbau des Kgl. Schauspielhauses in Berlin) beteiligt. Daneben widmete sich C. mit großem Interesse dem Bau von Wasserwerken, Fabriken, Br¨ucken und Wasserbauten und entwarf u. a. hydraulische Aufz¨uge f¨ur die Packhofsanlagen in Berlin. 1894 wurde

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Cramer er, ohne jemals ein Staatsexamen abgelegt zu haben, in Berlin zum außerordentlichen Mitglied der Kgl. Akademie des Bauwesens ernannt und erhielt 1899 den Titel eines Kgl. Baurats. C NDB

Cramer, (Wilhelm Bernardo) Walter, Kaufmann, * 1. 5. 1886 Leipzig, † 14. 11. 1944 Berlin. C. erhielt eine einj¨ahrige Ausbildung in der Textilindustrie in Bradford (England), trat nach dem Milit¨ardienst in die v¨aterliche Großhandelsfirma f¨ur Wollgarne, Polter & Co., ein und wurde Prokurist und Teilhaber. 1913 erhielt er das B¨urgerrecht der Stadt Leipzig. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg u¨ bernahm er 1919 die Leitung der Kammgarnspinnerei Gautzsch AG in Gautzsch (sp¨ater Markkleeberg), die 1928 der Leipziger Kammgarnspinnerei St¨ohr & Co. angegliedert wurde, deren Vorstand C. seit 1923 angeh¨orte. Er erreichte bereits in den ersten Jahren eine Konsolidierung des Unternehmens und konnte Erweiterungen und Modernisierungen (z. B. die Entwicklung der Perfektring-Spinnmaschine) in Angriff nehmen. Da w¨ahrend der nationalsozialistischen Herrschaft die Rohstoffbeschaffung aus dem Ausland zunehmend schwieriger wurde, konzentrierte sich C. vor allem auf die Verarbeitung von Kunstfasern und war seit M¨arz 1934 an der Gr¨undung der Wokafa, der Gesellschaft der Verarbeiter von Wolle mit Kunstspinnfaser, beteiligt, in der er bis Oktober 1934 den Vorsitz f¨uhrte. C. war Vorstandsmitglied der Kammgarnspinnerei St¨ohr & Co., Aufsichtsratsvorsitzender fast aller zum Konzern geh¨orender deutscher und Vizepr¨asident der ausl¨andischen Gesellschaften sowie Aufsichtsratsmitglied der Elberfelder Industrie-VerwertungsAG, Wuppertal-Elberfeld, der Leipziger Baumwollspinnerei, Leipzig, der Paul Schettlers Erben AG, K¨othen, der Th¨uringer Wollgarnspinnerei AG, Leipzig, der Walther & Lebrecht Stein AG (Osterrath) und des Vereins Deutscher Wollk¨ammer und Kammgarnspinner. Er hatte den Vorsitz des S¨achsischen Beirats der Deutschen Bank Berlin inne und geh¨orte der Mitteldeutschen B¨orse zu Leipzig an. C. war am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt und versuchte, j¨udische Mitarbeiter so lange wie m¨oglich im Betrieb zu halten. Als Kontaktmann der Widerstandsbewegung und befreundet mit Carl Friedrich → Goerdeler war C. in den Plan des Attentats auf → Hitler am 20. Juli 1944 eingeweiht und stellte sich als politischer Beauftragter im Wehrkreis IV (Dresden) f¨ur die Zeit des milit¨arischen Ausnahmezustandes zur Verf¨ugung. Am 22. Juli verhaftet, wurde er am 13. November 1944 vom Volksgerichtshof wegen Hoch- und Landesverrats zum Tod verurteilt und am darauffolgenden Tag in Berlin-Pl¨otzensee hingerichtet.

Cramer, (Johann) Wilhelm, auch William, Guillaume C., Kappelmeister, Musiker, Komponist, getauft 2. 6. 1746 Mannheim, † 5. 10. 1799 London. C., Sohn eines Musikers und Komponisten am Mannheimer Hof, erhielt von Johann → Stamitz und Christian → Cannabich Violinunterricht und war seit 1756 Mitglied der Mannheimer Kapelle. Von einer Reise nach London (1772), wo er zun¨achst bei Johann Christian → Bach wohnte, nicht mehr zur¨uckgekehrt, wurde C. 1776 aus kurpf¨alzischen Diensten entlassen. Er war in Großbritannien als Violinvirtuose, Dirigent und Kapellmeister t¨atig (u. a. als Mitglied der Queens Chamber Band und bei den Pantheon Concerts, den Professional Concerts und den Concerts for Ancient Music). Daneben komponierte C. u. a. sechs Violinsonaten, sechs Streichquartette und mehrere Violinkonzerte, von denen acht gedruckt wurden. C. war der Vater von Johann Baptist → C. C MGG

Cramer, (Franz) Wilhelm, kath. Theologe, Schriftsteller, * 3. 3. 1815 Oelde (Westfalen), † 15. 3. 1903 M¨unster. Nach dem Studium der Theologie in M¨unster wurde C. 1838 zum Priester geweiht; seit 1850 war er Pfarrer und De-

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chant in D¨ulmen, seit 1864 Regens des Priesterseminars und Domkapitular in M¨unster und seit 1866 zugleich Direktor der Weltpriesterkongregation in Kevelaer. Als w¨ahrend des Kulturkampfes das Priesterseminar 1876 geschlossen wurde, hielt er Volksmissionen ab; nach der R¨uckkehr seines Bischofs wurde er 1884 zum Domdechanten und zum Weihbischof ernannt. Er war p¨apstlicher Hauspr¨alat und Thronassistent. C. gab das 1852 von ihm begr¨undete D¨ulmener „Katholische Missionsblatt“ heraus, f¨ur das er mehrere Jahrzehnte fast allein die Beitr¨age schrieb, und ver¨offentlichte als Erbauungs- und Volksschriftsteller zahlreiche Gebetb¨ucher, Mahn- und Erbauungsschriften, darunter Feuer und Schwert oder: Die heiligen St¨atten und Stunden (1870) und Unser Adel oder die Kundschaft Gottes (1892). C Westf Autoren, Bd 2

Cramer, Wolfgang, Philosoph, * 18. 10. 1901 Hamburg, † 2. 4. 1974 Frankfurt / Main. C. wurde 1932 in Breslau promoviert (Die Reziprozit¨atsformel f¨ur Gaußsche Summen in reell quadratischen Zahlk¨orpern), habilitierte sich 1935 (Das Problem der reinen Anschauung. Eine erkenntnistheoretische Untersuchung u¨ ber die Prinzipien der Mathematik, 1937) und war dann dort und seit 1949 in Frankfurt / Main Privatdozent. 1953 wurde er apl. Prof., 1962 a. o. Prof. der Philosophie in Frankfurt / Main. Bestrebt, den transzendenten Gebrauch der Vernunft wieder einzuf¨uhren, entwickelte C. in Die Monade. Das philosophische Problem vom Ursprung (1954) und Grundlegung einer Theorie des Geistes (1957, 41999) eine Philosophie der Subjektivit¨at, die von → Leibniz’ Monadologie inspiriert ist. Zu den Ver¨offentlichungen C.s z¨ahlen ferner Das Absolute und das Kontingente. Untersuchungen zum Substanzbegriff (1959, 21976), Spinozas Philosophie des Absoluten (1966) und Gottesbeweise und ihre Kritik. Pr¨ufung ihrer Beweiskraft (1967).

Cramer von Clausbruch, Heinrich, Kaufmann, * 1515 Hattingen / Ruhr, † 3. 11. 1599 Leipzig. C. v. C., Sohn eines Kaufmanns, begann seine kaufm¨annische T¨atigkeit in Arras, mußte jedoch sein dort errichtetes Handelshaus wegen der f¨ur Protestanten bedrohlichen Lage in den Spanischen Niederlanden aufgeben und verlegte es 1556 schließlich nach Leipzig. Hier baute er mit Tuchen, Seiden- und Rauchwaren sowie mit Edelsteinen und Waffen einen weitverzweigten Großhandel auf, den er auch nach Osten ausdehnte und dessen Gewinne ihm den Bau von Faktoreien in Antwerpen und K¨oln erm¨oglichten. C. v. C. vermittelte zwischen dem hanseatischen und dem oberdeutschen Handel und beteiligte sich, seit 1560 verst¨arkt im Metallhandel t¨atig, als f¨uhrender Gesellschafter am Mansfelder Kupferbergbau. Daneben konnte er einige Zeit allein den Handel mit Goslarer Blei und Vitriol behaupten, setzte sich f¨ur technische Erneuerungen im Bergwesen ein und f¨orderte die Tuchweberei. C. v. C., der 1571 geadelt wurde, galt zu seiner Zeit mit 300 000 Gulden Verm¨ogen als reichster Handelsherr Kursachsens. C NDB

Cramer von Clausbruch, Henning, Kaufmann, B¨urgermeister, * 15. 4. 1584 Goslar, † 12. 1. 1646 Goslar. C. v. C., Sohn eines Bergwerksunternehmers und Ratsherrn in Goslar und Großneffe von Heinrich → C. v. C., stand einem reichen Handelshaus vor und besaß eine Vitriolfaktorei. 1620 wurde er in den Rat seiner Heimatstadt gew¨ahlt und war 1626-46 regierender B¨urgermeister. Seine wichtigste Aufgabe sah er in der R¨uckgewinnung der 1552 an Braunschweig verlorengegangenen Hoheit Goslars u¨ ber den an Silbervorkommen reichen Rammelsberg. Zu diesem Zweck unternahm C. v. C. zahlreiche Reisen nach Wien, wo er bald eine bedeutende Stellung einnehmen konnte; er wurde u. a. kaiserlicher Sondergesandter in Konstantinopel. Er bewirkte, daß das protestantische Goslar im Dreißigj¨ahrigen

Cranach Krieg kaisertreu blieb und vermochte die Stadt bis 1632 aus den Kriegshandlungen herauszuhalten. Durch die schwedische Besetzung Goslars sah sich C. v. C. zur Flucht nach Hildesheim, L¨ubeck und Wien gezwungen; nach seiner R¨uckkehr war er um den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt bem¨uht, konnte jedoch nach dem Goslarischen Akkord 1642 die Berghoheit nicht zur¨uckgewinnen. 1629 wurde er geadelt und erhielt auf Empfehlung → Tillys die Anwartschaft auf das Reichslehen Werla, das 1637 in seinen Besitz u¨ berging. C NDB

Cramer-Frey, Conrad, schweizer. Kaufmann, Politiker, * 11. 5. 1834 Volken (Kt. Z¨urich), † 6. 1. 1900 Z¨urich. Der Sohn eines Landwirts absolvierte eine kaufm¨annische Ausbildung in Z¨urich, u¨ bernahm 1854 die Stelle eines Buchhalters in Aarau, verheiratete sich 1860 mit der Tochter seines Arbeitgebers und u¨ bernahm 1862 die Leitung eines Exportgesch¨afts im brasilianischen Bahia, dem er zu großem wirtschaftlichem Aufschwung verhalf. Seit 1870 leitete C.-F. seine Gesch¨afte von Z¨urich, sp¨ater von Aarau aus, wurde 1882 Pr¨asident der Z¨urcher Handelskammer und zugleich Vorsitzender des Schweizer Handels- und Industrievereins. Seit 1883 Mitglied des Nationalrats, lag der Schwerpunkt seiner T¨atigkeit auf dem Sektor der Wirtschaftspolitik; so oblag ihm u. a. die Regelung des Außenhandels zur F¨orderung der Wohlfahrt sowie die Verstaatlichung der Eisenbahnen (1898). Als schweizer. Bevollm¨achtigter war C.-F. an den Handelsvertr¨agen mit Frankreich und Spanien (1882) sowie Italien (1882 und 1889) beteiligt; er bem¨uhte sich insbesondere um eine Zentralisation des Banknotenwesens, so daß die Gr¨undung der Schweizerischen Nationalbank 1905 weitgehend auf seiner Initiative beruht. C NDB

Cramer-Klett, Theodor Frh. von, Industrieller, * 27. 9. 1817 N¨urnberg, † 5. 4. 1884 M¨unchen. Der einer Kaufmannsfamilie entstammende C.-K. absolvierte eine kaufm¨annische Ausbildung in den v¨aterlichen Firmen und in Prag, besuchte 1838 / 39 Vorlesungen an der Univ. M¨unchen, u. a. bei → Schelling, und war seit 1841 ein Jahr lang f¨ur ein Genfer Bankhaus t¨atig. 1843 / 44 erwarb er in N¨urnberg eine Verlagsbuchhandlung sowie eine Zeitung, deren Redaktion er selbst f¨uhrte und in der er f¨ur die Gr¨undung eines deutschen Zollvereins eintrat. 1847 u¨ bernahm C.-K. die Maschinenfabrik und Eisengießerei J. F. Klett, die er 1873 in die Maschinenbau-Aktiengesellschaft N¨urnberg umwandelte. 1853 trat er in Verbindung zur Bank f¨ur Handel und Industrie in Darmstadt und lieferte damit einen entscheidenden Beitrag zur F¨orderung der k¨unftigen Zusammenarbeit von Banken und Industrie. Die Bem¨uhung um billige Arbeiterwohnungen veranlaßte C.-K. 1871 zur Gr¨undung der S¨uddeutschen Bodenkreditbank in M¨unchen. 1880 war er neben Carl → Thieme u. a. einer der Begr¨under der M¨unchner R¨uckversicherungsgesellschaft. Unter anderem mit Hilfe seiner finanziellen Unterst¨utzung konnte 1869 die Gewerbeanstalt mit Gewerbemuseum in N¨urnberg errichtet werden. Der von → Ludwig II. zum Reichsrat der Krone Bayerns ernannte C.-K. war der Erbauer des M¨unchner Glaspalastes (1854). Er war der Vater von Theodor von → C.-K. C NDB

Cramer-Klett, Theodor Frh. von, Industrieller, * 18. 8. 1874 N¨urnberg, † 30. 5. 1938 Schloß Hohenaschau (Oberbayern). C.-K. studierte in M¨unchen und Berlin Rechtswissenschaften und war 1896 / 97 als Attach´e der bayerischen Gesandtschaft in Rom t¨atig, schied jedoch bald aus dem Staatsdienst aus. 1898 fusionierte er die von seinem Vater Theodor von → C.-K. u¨ bernommenen Werke mit der Maschinengesellschaft in Augsburg. C.-K. widmete sich sp¨ater der Bewirtschaftung seiner G¨uter und wurde nach seiner Konversion

zum Katholizismus ein bedeutender F¨orderer des Benediktinerordens. Er unterst¨utzte den Ausbau der Abtei St. Ottilien, bem¨uhte sich um die Wiederbegr¨undung des Klosters Ettal (1900) sowie um die Verselbst¨andigung der Abtei Ottobeuren. C.-K. galt als Vertrauter der P¨apste Pius X., Benedikt XV. und Pius XI., wurde p¨apstlicher Geheimk¨ammerer und war 1925 Pr¨asident des Deutschen Katholikentags in Stuttgart. C Leb Franken, Bd 6

Cramm, (Christian Friedrich Adolf) Burghard Frh. von, Pseud. C. von Horst, Beamter, * 25. 1. 1837 Lesse bei Braunschweig, † 7. 2. 1913 Blankenburg. C. studierte seit 1855 in Heidelberg, G¨ottingen, Berlin und Halle Rechtswissenschaften, Philosophie und Geschichte. 1864 Assessor in Reinhausen bei G¨ottingen, im folgenden Jahr nach Hannover versetzt, trat C. 1866 aus dem hannoverschen Staatsdienst aus, wurde Regierungsassessor in Breslau und trat 1869 als Kammerherr in die Dienste des F¨ursten Reuß in Gera, wurde 1871 zum Hofmarschall ernannt und schied 1875 aus dem Staatsdienst aus. 1878 wurde er in den braunschweigischen Landtag gew¨ahlt, ging 1885 als braunschweigischer Gesch¨aftstr¨ager nach Berlin, wo er Ministerresident und Bevollm¨achtigter beim Bundesrat wurde und seit 1888 als außerordentlicher Gesandter und bevollm¨achtigter Minister amtierte. C. ver¨offentlichte neben seinen Memoiren Novellen und einige Lustspiele.

Cramm, Gottfried Frh. von, Tennisspieler, * 7. 7. 1909

¨ Nettlingen (heute zu S¨ohlde), † 9. 11. 1976 Agypten. Der aus nieders¨achsischem Landadel stammende C. widmete sich fr¨uh dem Tennisspiel und stand 1930 zum ersten Mal auf der deutschen Tennisrangliste. 1932 vertrat er Deutschland im Daviscup und stand bis 1939 neben dem Engl¨ander Fred Perry und dem Amerikaner Donald Budge an f¨uhrender Stelle im internationalen Tennis. W¨ahrend des Nationalsozialismus wurde C., der nicht bereit war, in die NSDAP einzutreten, die Mitgliedschaft im deutschen Daviscupteam verweigert. 1938 nach seiner R¨uckkehr aus Australien verhaftet, wurde er 1939 wieder freigelassen. Nach 1945 kehrte C. in die Tennis-Spitzenklasse zur¨uck, gewann 1948 den deutschen Titel im Herreneinzel und nahm 1951 ein letztes Mal am Spiel in Wimbledon teil. Nach seinem R¨uckzug vom aktiven Sport widmete sich C., der in zweiter Ehe mit der amerikanischen Kaufhauserbin Barbara Hutton verheiratet war, der kaufm¨annischen Laufbahn. Er fiel einem Verkehrsunfall auf der Straße zwischen Alexandria und Kairo zum Opfer.

Cramolini, Ludwig, S¨anger, * 1805 Wien, † 29. 10. 1884 Darmstadt. Der Sohn eines Wiener Kunstmalers absolvierte seine Gesangsausbildung in seiner Heimatstadt, deb¨utierte 1824 am Theater am K¨arntnertor in der Oper Joconde und hatte dort bis 1830 große B¨uhnenerfolge. 1830 ging C. an das Braunschweiger Hoftheater, gab daneben Gastspiele an der Berliner Hofoper sowie in Hamburg und war 1847-74 am Hoftheater von Darmstadt engagiert. Mit seiner in hohen Lagen gut ausgebildeten Tenorstimme war er insbesondere auf dem Gebiet der franz¨osischen Op´era comique erfolgreich und sang u. a. die Titelrolle in Fra Diavolo und den Horace in Le Domino noir von Auber sowie den Georges Brown in La Dame blanche von Boieldieu. Ferner war C., dessen Repertoire auch Partien in Opern → Lortzings enthielt, ein bekannter Konzerts¨anger. Cranach, Hans, Maler, Zeichner, * um 1513 Wittenberg, † 9. 10. 1537 Bologna. ¨ und Bruder von Lucas → C. Der Sohn von Lucas → C. d. A. d. J. war Sch¨uler seines Vaters in Wittenberg und spielte sp¨ater in dessen Werkstatt eine f¨uhrende Rolle. Inschriftlich beglaubigt als Arbeit C.s ist ein italienisches Skizzenbuch

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Cranach von 1536 im Kestnermuseum in Hannover. Das fr¨uheste Gem¨alde, das C. mit Sicherheit zugeschrieben werden kann, ist das 1534 mit H. C. signierte Bildnis eines b¨artigen Mannes. 1536 / 37 war er an den Arbeiten f¨ur das Torgauer Schloß beteiligt. Nach C.s. Tod hielt → Luther am 1. 12. 1537 in Wittenberg die Trostrede an dessen Vater; u¨ berliefert ist auch ein lateinisches Trauergedicht Johann → Stigels, das jedoch C AKL kaum als urkundliches Zeugnis dienen kann. ¨ Maler, Graphiker, Unternehmer, Cranach, Lucas d. A., * zwischen 1472 und 1480 Kronach (Oberfranken), † 16. 10. 1553 Weimar. C. war der produktivste deutsche Maler des 16. Jahrhunderts, aus dessen Werkstatt heute noch etwa 1000 Gem¨alde erhalten sind. In den historischen Quellen sind dar¨uber hinaus viele Arbeiten genannt, die nicht mehr erhalten sind, so auch die zahlreichen dekorativen Deckenmalereien und Bildfolgen auf Leinwand („T¨uchlein“). Hochrechnungen f¨ur die Gesamtleistung der Wittenberger Werkstatt gehen bis zum Zehnfachen des heute Erhaltenen. Als Sohn des Malers Hans Maler geboren, erhielt C. nach einem Bericht von 1556 bei diesem seine erste Ausbildung. Die Herkunft seiner Kunst und sein Werdegang liegen weitgehend im dunkeln. Ob in der v¨aterlichen Werkstatt nur Anstreicher- und Vergolderarbeiten betrieben oder auch bildliche Darstellungen geschaffen wurden, ist nicht erweisbar. In seinem Geburtsort Kronach gab es keinen ausreichenden Auftragshintergrund. Ebenso undeutlich sind die Verbindungen zwischen C. und dem von Kronach aus n¨achstgelegenen Kunstzentrum, der Bischofsstadt Bamberg. Doch von den fr¨uhesten erhaltenen Gem¨alden und Holzschnitten an lassen viele direkte Motivanleihen einen unmittelbaren Kontakt mit der D¨urer-Werkstatt in N¨urnberg vermuten. Die fr¨uhesten Holzschnitte, f¨ur die C. die zeichnerische Vorlage lieferte (Darstellungen mit den Szenen der Passion Christi), sind abh¨angig von → D¨urers Apokalypse (1498); das fr¨uheste Tafelbild (Schottenkreuzigung, um 1501, Wien) setzt die Kenntnis von D¨urers um 1496 gemaltem Passionsaltar f¨ur die Wittenberger Schloßkirche voraus (Dresden, Mitteltafel: M¨unchen). Von D¨urers Graphik angeregt erscheinen auch die bewegten Landschaftshintergr¨unde in C.s fr¨uhen Altartafeln und Portr¨ats, in seinen Zeichnungen und in der Druckgraphik. Die expressive Steigerung des Landschaftshintergrunds, die Albrecht → Altdorfer von C. u¨ bernahm und weiter ausgestaltete, wurde in der Kunstgeschichte lange im Rahmen einer angeblichen „Donauschule“ diskutiert. Doch die Annahme, daß C. in den Donaust¨adten solche Tendenzen vorgefunden habe, ließ sich nicht best¨atigen. Vielmehr erscheint er als Initiator, der Albrecht Altdorfer, Wolf → Huber und auch den Bildhauer Hans → Leinberger beeinflußt hat. Den H¨ohepunkt romantischer Landschaftseinbeziehung erreichte er mit dem 1504 datierten Gem¨alde der Ruhe auf der Flucht (Berlin). Zwischen 1501 und 1504 hielt sich C. in Wien auf, wobei die Humanisten der dortigen Univ. seine Auftraggeber waren. Hier entstanden die herausragenden Portr¨atpaare Dr. Johannes Cuspinian und Anna Putsch (1502 / 03, Winterthur, Sammlung Reinhart) und des sogenannten Ehepaares Reuss (1503, N¨urnberg und Berlin), Klappbilder mit der Darstellung von Halbfiguren vor offenem Landschaftshintergrund mit symbolischen Naturmotiven. Die Herkunft der Klage unter dem Kreuz (1503, heute M¨unchen) aus dem Kloster

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Attel am Inn, die Illustration eines Meßbuchs f¨ur das Bistum Passau 1503, die gleichzeitige Darstellung des in Passau besonders verehrten hl. Valentin und der Kontakt mit dem Regensburger Albrecht Altdorfer sprechen f¨ur Aufenthalte C.s in Bayern, das er auf dem Weg nach Wien oder von dort aus aufgesucht haben kann. 1505 trat C. sein Amt als Hofmaler in der kurs¨achsischen Residenzstadt Wittenberg an, das er erst unter Kurf¨urst → Friedrich dem Weisen, dann unter dessen Mitregenten und Nachfolger → Johann dem Best¨andigen, danach unter dessen Sohn → Johann Friedrich dem Großm¨utigen bis zu dessen Gefangennahme innehatte. Der Umfang des Engagements C.s f¨ur den Hof und die ungew¨ohnlich enge pers¨onliche Beziehung zu seinem F¨ursten ließen C. jedoch in dessen Auftrag in Wittenberg bis 1550 t¨atig sein. 1550 u¨ bergab er die Wittenberger Werkstatt seinem Sohn Lucas → C. d. J. und folgte Johann Friedrich nach Augsburg und Innsbruck, wo dieser von Kaiser → Karl V. gefangen gehalten wurde. 1552 zog er mit in die neue Residenz Weimar. Das HofmalerPatent wurde erneuert. Bis zu seinem Tod 1553 in Weimar blieb er in einer F¨ulle von Aufgaben f¨ur den Hof t¨atig, die weit u¨ ber das Amt des Hofmalers hinausgingen. Bis 1504 arbeitete C. ausschließlich als Maler und ist in einer deutlichen Entwicklung seiner Bildersprache faßbar. Mit dem Aufbau der Werkstatt am Wittenberger Hof wurde die eigenh¨andige Ausf¨uhrung von Malereien die Ausnahme. Gleichzeitig mit der um 1510 erfolgten Verehelichung mit Barbara Brengbier, Tochter eines Ratsherrn aus Gotha, erwarb C. das B¨urgerrecht und baute in seinem eigenen Anwesen im Zentrum der Stadt Wittenberg einen großen Werkstattbetrieb auf. C.s eigent¨umliche Leistung lag in der Vielseitigkeit seiner Aktivit¨aten ebenso wie in der Neuorganisation der k¨unstlerischen T¨atigkeiten. Die Cranachbilder der Wittenberger Zeit sind mit wenigen Ausnahmen manufaktur¨ahnlich hergestellte Kooperationsprodukte. C. nahm teil an der Neugestaltung und Ausstattung der kurf¨urstlichen Schl¨osser in Coburg, Wittenberg, Torgau, Lochau und Altenburg durch Wandund Deckenmalereien, Außenbemalungen von W¨anden sowie Vergoldungen von Turmkn¨aufen, Farbfassungen von M¨obeln, Verzierungen von Turnierdecken, Kutschen und anderem Ger¨at. F¨ur den steigenden Umfang dieser Arbeiten erweiterte er seine Werkstatt bis zur Zahl von zehn (1513) und elf (1535) ausgebildeten Mitarbeitern (nicht gerechnet die Lehrjungen und die Gehilfen f¨ur das Farbenreiben). Der erste Geselle ist bereits 1504 erw¨ahnt. Als zeitweilige Mitarbeiter C.s sind namentlich benannt: Valentin Elner (1504), Christoph, Maler von M¨unchen (1505, 1508?), → Polack (1512), Matth¨aus Cranach (1512, 1516), Jacob, Hans (Hans D¨oring 1513), ferner Hans von Schmalkalden, Wolfgang Krodel, Anton H¨ausler, Hans Kemmer, Franz Timmermann, Augustus Cordus, Peter Roddelstedt (→ Gottland), Heinrich K¨onigswieser, Hans Krell, Franz Zubereiter, Ambrosius Silberbart, Lucas Mercker, Jacob Abel, Hans Jobst und Paul Steter. Die Cranachs¨ohne Hans und Lucas → C. d. J. u¨ bernahmen innerhalb der Werkstatt Aufsichtsfunktionen. Damit entlasteten sie den Vater, der Besorgungsauftr¨age f¨ur den Wittenberger Hof (z. B. Messer, Spitzen von Armbrustbolzen, Papier, Laternen und vieles andere) u¨ bernahm und Weinhandel (seit 1513) betrieb, der f¨ur die ihm geh¨orende Apotheke (das schon fr¨uher verliehene Apotheken-Monopol wurde ihm 1520 best¨atigt) und damit auch im Farben-, Gew¨urz- und Zuckerwarenhandel t¨atig war. Von 1523 bis 1528 betrieb C. eine Druckerei, nachdem er bereits 1519 den Buchdrucker → Lotter in einem seiner H¨auser untergebracht hatte. Hier entstanden Lutherschriften in großen Auflagen (Neues und Altes Testament in deutscher Sprache, insgesamt 36 Titel bis 1528). C. lieferte Holzschnittillustrationen f¨ur die Druckwerke (so die zur Offenbarung des Johannes f¨ur → Luthers „Septembertestament“ von 1522). Bis

Crane 1533 war er auch als Buchh¨andler, vor allem mit Lieferungen f¨ur die Wittenberger und Lochauer Bibliotheken sowie f¨ur Herzog → Albrecht von Preußen (in K¨onigsberg), aktiv. Der 1504 / 05 mittellos nach Wittenberg Gekommene war nach der Steuererkl¨arung bereits 1528 dort der gr¨oßte private Grundbesitzer und der zweitreichste B¨urger. Von 1519 bis 1549 war er Mitglied des Stadtrats, 1519, 1531, 1534 einer der beiden K¨ammerer und 1537, 1540, 1543 B¨urgermeister. Der Maler hatte u¨ ber die Auftr¨age f¨ur seine Landesherren bereits fr¨uhe Kontakte zu anderen H¨ofen gewonnen: 1508 entstand das Triptychon f¨ur die Witwe des hessischen Landgrafen, unmittelbar davor portr¨atierte C. anl¨aßlich seiner Reise in die Niederlande den nachmaligen Kaiser Karl V. im Alter von acht Jahren; 1514 schuf er die ganzfigurigen Doppelbildnisse des albertinischen Herzogs → Heinrich des Frommen und seiner Frau; 1515 trug er acht Randzeichnungen zum Gebetbuch Kaiser → Maximilians bei; 1517 hielt er sich am Hof Herzog → Georgs von Sachsen in Dresden auf; 1523 vermietete er eines seiner H¨auser an den vertriebenen K¨onig Christian II. aus D¨anemark, den er in einem Holzschnittportr¨at und in Gem¨alden darstellte. Die umfangreichsten und k¨unstlerisch bedeutendsten Leistungen der CranachWerkstatt waren die Altarwerke, die im Auftrag der s¨achsischen F¨ursten, des Adels, der Stadt- und Stiftskirchen und Dome entstanden: der 1506 datierte Katharinenaltar (Dresden), der kurz danach geschaffene Hauptaltar mit dem Gnadenstuhl f¨ur die Wittenberger Schloßkirche (1760 verbrannt), die Katharinentafel (um 1508, Budapest, Raday-Bibliothek), der f¨ur Torgau 1509 geschaffene Altar der Hl. Sippe (Frankfurt) und der sogenannte F¨urstenaltar, um 1510 m¨oglicherweise f¨ur die Wittenberger Schloßkirche geschaffen (Dessau). Die Streuung der Auftr¨age wird belegt durch die Lieferung großformatiger Tafeln und Alt¨are nach Neustadt an der Orla (1510-12), Leipzig (um 1515), Olm¨utz / M¨ahren (um 1515), Danzig (um 1515), Zwickau (1518), Prag (um 1520), Naumburg (um 1520), Meißen (1524), Halle (156 Tafeln, um 1525), Berlin (117 Tafeln, um 1537 / 38). Eine enge sowohl pers¨onliche wie k¨unstlerische und gesch¨aftliche Beziehung verband C. mit Martin Luther. Davon zeugten u. a. seine Rolle als Brautwerber und Trauzeuge bei Luthers Verehelichung 1525 sowie die gegenseitigen Patenschaften 1520 und 1526. 1519 illustrierte C. das reformatorische Flugblatt Fuhrwagen mit Texten von Andreas → Karlstadt, 1521 die dreizehn Doppelbl¨atter des papstkritischen Passional Christi und Antichristi von → Melanchthon und Schwertfeger. 1520 und 1521 lieferte er die Vorlagen f¨ur die Kupferstich- und Holzschnittportr¨ats von Luther als M¨onch und als Junker J¨org. Deren weite Verbreitung wurde nur noch von den gemalten Portr¨atserien Luther als M¨onch, Junker J¨org, Luther und Katharina von Bora (zwei Pendantserien 1525 und 1526, zwei Pendantserien 1528 und 1529, dazu Formatvarianten), Luther und Melanchthon (1532 und danach) u¨ bertroffen. Ein Gedicht auf den 1537 gestorbenen Sohn Hans C. spricht von „fast tausend Lutherbildern“, die dieser gemalt (oder beaufsichtigt) habe. C. hat – wie in dem einzigen dokumentierbaren Fall des 1528 gemalten Vaters ¨ Hans Luther (Gesichtsaufnahme: Wien, Albertina; Ubertra¨ auf Holz: Eisenach, Wartburg) – wahrscheingung in Ol lich die jeweiligen Gesichtsvorlagen f¨ur die dann schema¨ tisch wiederholten Olbildnisse geschaffen. Teils kopistisch genau und teilweise mit geringf¨ugiger Variation von Motivdetails wurden auch die gemalten Lehrbilder Christus und die Ehebrecherin (seit etwa 1518), Lasset die Kindlein zu mir kommen (um 1529 und danach) und Gesetz und Gnade (1529 und sp¨ater) zahlreich wiederholt. C. hat eine formelhaft vereinfachte Bildsprache und die durch Delegation und Multiplikation gesteigerte Kapazit¨at seiner Werkstatt den Re-

formatoren dienstbar gemacht und wiederholt pers¨onlich f¨ur Luthers Sache Partei genommen. Andererseits umfaßt die Gesamtproduktion seiner Werkstatt ebensoviel traditionell kath. Bildgut (Heilige, Marienbilder wie das sp¨ate Mariahilf-Bild, das meistkopierte deutsche Wallfahrtsbild im 17. und 18. Jh. [Innsbruck]). Seine in den Motiven formelhaft wiederholten Kompositionen sind prim¨ar Auftragsbilder, denen kein pers¨onlicher Bekenntnischarakter zu unterstellen ist. F¨ur h¨ofische Auftr¨age schuf C. auch Einzelbilder und Großserien von lasziven Genrebildern (Das ungleiche Paar, um 1530, beste Fassung in Stockholm; Herkules bei Omphale, um 1537, Beispiele in Madrid, Thyssen-Sammlung und Braunschweig) und erotischen Aktbildern (Venus und Amor, seit 1509, fr¨uhestes datiertes Beispiel in St. Petersburg; Adam und Eva, seit etwa 1510, fr¨uhestes Beispiel in Warschau; Paris-Urteil, seit etwa 1512, K¨oln; Quellennymphe, seit etwa 1518, Berlin-Grunewald und Leipzig). Entgegen fr¨uherer Abwertung von C.s reifen und sp¨aten Werken bezeugen insbesondere die Portr¨ats (Washington, Darmstadt [Privatbesitz], Br¨ussel), Portr¨atstudien (Berlin, Basel, Wien, Reims, Malibu) und Tierstudien (Dresden) seine treffsichere Charakterisierungsgabe. Als sp¨ates eigenh¨andiges Werk ist das Selbstbildnis von 1550 u¨ berliefert (Florenz). Eine definitive Trennung der k¨unstlerischen Arbeiten in Werke des Vaters und der S¨ohne Hans und Lucas d. J. ist nicht m¨oglich, solange der entwerfende und ausf¨uhrende Anteil des Werkstattleiters nicht von den Leistungen der Mitarbeiter geschieden werden kann. In diesem Sinn sind erst die im Auftrag von Kurf¨urst → Moritz von Sachsen 1551 in Wittenberg gemalten Herkulestafeln (Weimar) Werke unter der Verantwortung Lucas C.s d. J. LITERATUR: Jacob Rosenberg: Die Zeichnungen L. C.s ¨ Berlin 1960. – Dieter Koepplin / Tilman Falk: L. C. d. A. Gem¨alde, Zeichnungen, Druckgraphik. 2 Bde., Basel / Stuttgart 1974-76. – Werner Schade: Die Malerfamilie C. Dresden 1974. Wien 1977. – Max J. Friedl¨ander / Jacob Rosenberg: Die Gem¨alde von L. C. Basel u. a. 1979, 21989. – Andreas Tacke: Der katholische C. Mainz 1992. – Berthold ¨ Hamburg 1993. – Claus Grimm / JohanHinz: L. C. d. A. nes Erichsen / Evamaria Brockhoff (Hrsg.): L. C., ein MalerUnternehmer aus Franken. Ausstellungskatalog Haus der Bayerischen Geschichte 1994 und Regensburg 1994. – Ed¨ und der deutsche Humanismus. gar Bierende: L. C. d. A. ¨ M¨unchen 2002. – Sabine Heiser: Das Fr¨uhwerk L. C.s d. A. Berlin 2002. Claus Grimm

Cranach, Lucas d. J., Maler, Graphiker, * 4. 10. 1515 Wittenberg, † 25. 1. 1586 Weimar. ¨ hatte nach dem Der Sohn und Sch¨uler von Lucas → C. d. A. Tod seines Bruders Hans → C. 1537 dessen Stellung innerhalb der Werkstatt inne und wurde 1549 zum Ratsherrn in Wittenberg gew¨ahlt. Nach der Abreise seines Vaters nach Augsburg 1550 u¨ bernahm er die alleinige Leitung der Werkstatt, die C. in dessen Tradition fortsetzte. 1555 wurde er zum K¨ammerer, 1565 zum B¨urgermeister von Wittenberg gew¨ahlt und ließ sich sp¨ater in Weimar nieder. 1551 schuf C. drei große Tafeln f¨ur den Riesensaal des Dresdner Schlosses (Herkules und die Pygm¨aen) und vollendete 1555 Arbeiten seines Vaters am Weimarer Altar. Zu seinen bedeutenden Werken z¨ahlen vor allem seine Bildnissen, u. a. von Kurf¨urst → Moritz von Sachsen und dessen Gemahlin (1559 datiert). C AKL Crane, Johann Baptist Edler Herr von, auch Krane, Reichshofrat, * um 1600, † 1672 (?) Wien (?). ¨ C., Sohn eines Landuntermarschalls in Osterreich unter der Enns, wurde 1633 in Wien als Reichshofrat auf der Gelehrtenbank introduziert und war bis 1672 kaiserlicher Abgesandter in Reichsangelegenheiten. Seit 1643 war er an

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Crantz den Friedensverhandlungen in Osnabr¨uck beteiligt und unterzeichnete zusammen mit Lamberg und Maximilian Graf von → Trauttmannsdorff als legatus plenipotentiarius die westf¨alischen Friedenstraktate von 1648. Seit Juli 1659 nahm er am Deputationstag zu Regensburg teil, wo er 1663 der Er¨offnung des ewigen Reichstags beiwohnte und dort bis Juli 1664 als kaiserlicher Konkommiss¨ar blieb. C NDB

Crantz, Heinrich Johann Nepomuk Edler von, auch Cranz, Gyn¨akologe, * 24. / 25. 11. 1722 Roodt (Luxemburg), † 18. 1. 1797 Judenburg (Steiermark). Nach dem Studium der Medizin wurde C., Sohn eines P¨achters, 1750 als Sch¨uler Gerard van → Swietens in Wien promoviert und reiste dann nach Paris und London, wo er in den folgenden vier Jahren unter Andr´e Levret und Nicolas Puzos seine Ausbildung in Geburtshilfe vervollkommnete. Nach seiner R¨uckkehr 1754 begann er mit dem geburtshilflichen Unterricht am St. Marxer Spital. C., der sich insbesondere um die Verbesserung der Hebammenausbildung sowie um die Anwendung der Levret’schen Zange als Hilfsinstrument bem¨uhte, erhielt nach dem Tod Melchior St¨orcks 1756 dessen Lehrstuhl f¨ur Physiologie und Materia medica (bis 1774). Daneben besch¨aftigte er sich mit den Wirkungen von Heilquellen sowie mit chemischen und botanischen Untersuchungen. C. ver¨offentlichte u. a. eine vielbeachtete Einleitung in eine wahre und gegr¨undete Hebammenkunst (1756, 21758), Materia medica et chirurgicca (2 Bde., 1762, 31779), Stirpium Austriacarum (2 Tle., 1769), Gesundbrunnen der Oesterreichischen Monarchie (1777) und Medicinisch-chirurgische Arzneimittellehre (1785). ¨ 1 C Arzte Cranz, August (Heinrich), Verleger, * 1789 Berlin, † 1870 Hamburg. C. begr¨undete 1813 in Hamburg einen Musikverlag, der sich zu einem der bedeutendsten Unternehmen seiner Art entwickelte. 1857 u¨ bernahm sein Sohn Alwin das Gesch¨aft und erweiterte es durch Filialen in Br¨ussel und London sowie ¨ durch die Ubernahme der Wiener Firma C. A. Spina (1876) und des Hamburger Musikverlags Johann August → B¨ohme (1886). 1897 wurde der Sitz nach Leipzig verlegt. C MGG

Cranz, August Friedrich, Pseud. Pater Gaßner d. J., Schriftsteller, * 26. 9. 1737 Marwitz bei Landsberg / Warthe, † 19. 10. 1801 Berlin. Der Sohn eines luth. Predigers studierte Theologie, sp¨ater Rechtswissenschaften in Halle; 1772 war er Hauslehrer beim Grafen Solms in Berlin, auf dessen Empfehlung hin er eine Stellung als Kriegs- und Steuerrat in Kleve erhielt, die er jedoch wegen Unregelm¨aßigkeiten bald wieder verlor. 1779-84 lebte er als freier Schriftsteller in Berlin und Potsdam, wo er durch die Unterst¨utzung → Friedrichs des Großen zeitweise v¨ollige Zensurfreiheit genoß und eine kgl. Pension bezog. Bis 1778 erschien seine f¨unfteilige Gallerie der Teufel [. . .], in der er Begebenheiten aus Politik und Hofleben satirisch als Auswirkungen h¨ollischer Machenschaften darstellte. 1784 siedelte C. nach Hamburg u¨ ber, lebte seit 1785 meist in Altona und kehrte 1787 nach Berlin zur¨uck, wo er noch im selben Jahr das „Journal von Berlin“ herausgab. Im Xenienstreit von 1797 trat C. → Goethe und → Schiller in seiner Schrift Ochsiade oder freundschaftliche Unterhaltungen der Herren Schiller und Goethe mit einigen ihrer Herren Collegen entgegen. C Killy

Cranz, Carl Julius, Physiker, * 2. 1. 1858 Hohebach (heute zu D¨orzbach), † 11. 12. 1945 Esslingen / Neckar. C., Sohn eines Dekans, begann als Stipendiat des Evangelisch-Theologischen Stiftes in T¨ubingen das Studium der Theologie und Philologie, studierte seit 1879 Mathematik und Naturwissenschaften in Berlin und T¨ubingen und

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wurde 1883 mit einer Dissertation u¨ ber Ballistik promoviert (Theoretische Untersuchungen u¨ ber die regelm¨aßigen Abweichungen der Geschosse). Seit 1884 Privatdozent f¨ur Mathematik und Mechanik an der TH Stuttgart, war er gleichzeitig als Lehrer an der dortigen Oberrealschule und als Versicherungsmathematiker t¨atig. 1903 wurde C. o. Prof. an der Milit¨artechnischen Akademie in Berlin-Charlottenburg, wo er bis 1920 die Leitung des Ballistischen Laboratoriums innehatte. 1920-35 war er o. Prof. der technischen Physik an der dortigen TH und ging anschließend als wissenschaftlicher Berater der chinesischen Regierung nach Nanking. C., der neue Verfahren zur Berechnung der ballistischen Flugbahn und zur Photographie fliegender Geschosse entwickelte, gilt als Sch¨opfer der modernen Ballistik. Sein Lehrbuch der Ballistik erschien 1896 (1926 in 3 B¨anden, Erg.-Bd. 1936). C NDB

Cranz-Borchers, Christl, geb. Cranz, Skifahrerin, Sportp¨adagogin, * 1. 7. 1914 Br¨ussel, † 28. 9. 2004 Oberstaufen. Als Kind deutscher Eltern zog C.-B. 1918 mit ihrer Familie von Br¨ussel nach Traifelberg bei Reutlingen. Sie studierte Sport und Philologie und wurde Studienr¨atin. C.-B., die zu den ersten alpinen Skistars geh¨orte, gewann trotz eines Sturzes bei den Olympischen Spielen in Garmisch-Partenkirchen 1936 die alpine Kombination. Zwischen 1934 und 1939 errang sie zw¨olf Weltmeistertitel und drei Silbermedaillen; 1934-41 war sie Deutsche Meisterin in der alpinen Kombination, 1937-39 im Abfahrtslauf und im Slalom. 1947 gr¨undete sie mit ihrem Mann Adolf Borchers eine Skischule in Steibis, die sie leitete. C.-B. ver¨offentlichte Skilauf f¨ur die Frau (1935, 21936) und Christl erz¨ahl’! (1949, 21950). Crappius, Andreas, eigentl. Krapp, Komponist, Musiktheoretiker, * um 1542 L¨uneburg, † 8. 1. 1623 Hannover. C. wuchs bei seinem Großvater, dem B¨urgermeister von Wittenberg auf; → Melanchthon war sein Onkel. C. studierte 1565-67 an der Artisten-Fakult¨at in Wittenberg, erlangte jedoch keinen akademischen Grad und wurde ein Jahr sp¨ater in das Kantorat der an die Marktkirche angeschlossenen Stadtschule von Hannover berufen, wo er bis 1616 wirkte. C., der noch in Wittenberg mit ersten Kompositionen hervortrat, orientierte sich am Werk fr¨uherer reformatorischer Komponisten und komponierte in erster Linie f¨ur den liturgischen Gebrauch und die h¨ausliche Andacht. Seine Newen geistlichen Lieder (1594) sollten ein geistliches Gegenst¨uck zu Jacob → Regnarts Villanellen bilden; C.s f¨ur den Schulunterricht geschriebene Musicae artis elementa (1599, 21608) geben ein Beispiel der zu dieser Zeit stark typisierenden musikalischen Elementarlehren. Daneben schuf C. drei Messen sowie zahlreiche lateinische und deutsche Motetten. C MGG

Crasselius, Bartholom¨aus, evang. Theologe, Pfarrer, Dichter, * 21. 2. 1667 Wernsdorf (Sachsen), † 10. 11. 1724 D¨usseldorf. Der Sohn eines B¨ottchers studierte seit 1688 in Leipzig, seit 1690 in Erfurt und zuletzt in Halle, wohin er seinem Mentor August Hermann → Francke gefolgt war. Nach einer T¨atigkeit als Kollektant f¨ur das Hallesche Waisenhaus wurde C. 1702 luth. Diakon in Nidda (Wetterau) und 1708 Pfarrer in D¨usseldorf. Sein o¨ ffentliches Auftreten als Bußprediger brachte ihn mehrmals in Konflikt mit der Obrigkeit. Von C. stammt der Text zu dem Lied Dir, dir, Jehova, will ich singen. C RGG Cratander, Andreas, eigentl. Hartmann, Buchdrucker, † vor August 1540. C. studierte seit 1502 an der Univ. Heidelberg, wo er im folgenden Jahr Baccalaureus wurde, und war seit 1513 in Straßburg als Setzer bei Matthias Sch¨urer t¨atig. 1516

Cred´e verfaßte er in Basel ein Vorwort f¨ur das Repertorium, das er zu den von Adam → Petri herausgebrachten Opera Ambrosii erarbeitet hatte. Hier war er seit 1518 als Drucker t¨atig, zuerst zusammen mit dem sp¨ateren K¨olner Drucker Servas → Kruffter, und druckte seit 1527 mit Johann → Bebel auch eigene Werke. C., dessen Produktion etwa 200 Titel umfaßt, verlegte neben reformatorischen Schriften (u. a. von → Luther und → Oekolampad) haupts¨achlich wissenschaftliche Werke mit Buchschmuck. 1536 erschien sein letzter Druck, da C. im selben Jahr seine Offizin an die Basler Druck- und Verlagsgemeinschaft Winter-Oporin-PlatterLasius verkaufte und in den folgenden Jahren mit seinem Sohn nur noch als Buchh¨andler t¨atig war. C NDB

unter → Tilly Befehlshaber des kaiserlichen Heeres in Niederdeutschland. Nach Wallensteins Wiedereinsetzung 1631 wurde er von diesem in seiner Funktion best¨atigt. C. trat kurze Zeit sp¨ater in den Dienst Bayerns, wurde 1632 zum Kommandanten der Oberpfalz ernannt und u¨ bernahm f¨ur kurze Zeit den Oberbefehl u¨ ber das ligistische Heer, der ihm jedoch auf Wallensteins Betreiben hin wieder entzogen wurde, und stellte sich 1633 auf die Seite → Bernhards von Weimar. Als schwedischer Feldmarschall geriet C. in der Schlacht bei N¨ordlingen in Gefangenschaft und konnte der Kerkerhaft zun¨achst entfliehen, wurde aber erneut gefangengenommen und hingerichtet.

Crato von Krafftheim, Johannes, eigentl. Krafft, Medi-

lahnstein / Rhein, † 27. 9. 1979 Dresden. Nach der Entlassung aus dem Wehrdienst studierte C. seit 1919 Medizin in W¨urzburg und Erlangen, wurde 1923 mit der Arbeit Ein Fall von Kleinhirntumor mit Cyste promoviert und arbeitete anschließend am Pathologischen Institut der Univ. Erlangen. 1924 wurde er Assistenzarzt, 1929 Oberarzt am der Medizinischen Klinik des Stadtkrankenhauses Dresden-Johannstadt. Seit 1928 nebenberuflicher Mitarbeiter der Zeiss-Ikon-Werke im Bereich Farbenkolorimetrie, ließ sich C. 1931 als Facharzt f¨ur innere Krankheiten in Dresden nieder und war gleichzeitig als Belegarzt am St.-Joseph-Stift t¨atig. W¨ahrend des Zweiten Weltkrieges diente er als Oberstabsarzt. 1945 wurde ihm die Leitung der Medizinischen Klinik des Heinrich-Braun-Krankenhauses in Zwickau sowie der Hilfskrankenh¨auser Naußlitz und Bodelschwinghstraße in Dresden u¨ bertragen, 1946 u¨ bernahm C. die Innere Ab¨ teilung und gleichzeitig das Arztliche Direktorat des Stadtkrankenhauses Johannstadt. Neben seiner klinischen T¨atigkeit versah er zudem seit 1949 einen Lehrauftrag f¨ur Innere Medizin am Institut f¨ur zahn¨arztlichen Nachwuchs. Nach der Habilitation 1952 (Ern¨ahrungsphysiologie und Di¨atetik) und der Ernennung zum Dozenten f¨ur Ern¨ahrungsphysiologie und Di¨atetik an der TH Dresden konzentrierte sich C. ganz auf seine Lehrt¨atigkeit, war 1954 stellvertretender Rektor und 1955 / 56 kommissarischer Rektor der Medizinischen Akademie Dresden, wo er noch 1955 zum Prof. mit vollem Lehrauftrag ernannt wurde. 1957 folgte seine Berufung zum Ordinarius und Leiter der Klinik f¨ur Innere Medizin, deren Gesch¨afte er nach seiner Emeritierung 1964 noch f¨ur ein Jahr kommissarisch f¨uhrte. Bis 1978 war C. als Berater und Spezialist f¨ur Stoffwechselerkrankungen in seiner privat¨arztlichen Praxis t¨atig. C Heidel / Lienert

ziner, * 20. 1519 Breslau, † 19. 10. 1585 Breslau. C. v. K., Sohn eines Handwerkers, studierte 1534-40 Theologie in Wittenberg, wo er Hausgenosse → Luthers war. Auf dessen Rat hin begann er nach der Erlangung des Magistergrads 1543 mit dem Studium der Medizin in Leipzig, das er als Sch¨uler von Johannes Baptista Montanus in Padua mit der Promotion abschloß. Nach kurzer praktischer T¨atigkeit in Verona kehrte er nach Deutschland zur¨uck und wurde 1550 Stadtarzt in seiner Heimatstadt, wo er 1561 wegen seines Eintretens f¨ur die Abendmahlslehre → Melanchthons entlassen wurde. Bereits 1560 erfolgte seine Berufung als Leibarzt Kaiser → Ferdinands I. nach Wien, wo C. v. K. nach dessen Tod → Maximilian II. diente, der ihn zum kaiserlichen Rat ernannte und in den erblichen Adelsstand erhob. Nach dessen Tod 1576 aus dem Hofdienst entlassen, war er erneut Arzt in Breslau und dort Mittelpunkt eines humanistischreformatorischen Zirkels. C. v. K. ver¨offentlichte u. a. Methodus therapeutica ex Galeni et J. B. Montani sententia (1555), Ordnung oder Pr¨aservation zur Zeit der Pest (1555), Isagoge medicinae (1560) und De morbo gallico commen¨ tarius (1594). Schlesien C Arzte

Craven, Elisabeth (Elisa), geb. Lady Berkeley, Markgr¨afin von Ansbach-Bayreuth, * 17. 12. 1750 Spring Gardens (Großbritannien), † 13. 1. 1828 Neapel. C. wurde als j¨ungste Tochter des 4. Earl of Berkeley geboren. Ihr Vater starb, als sie vier Jahre alt war. Ihre Mutter ließ sie in der Schweiz erziehen und verheiratete sie mit 16 Jahren an den Earl of Craven. C. schrieb Opern und Dramen, meist Kom¨odien und pflegte in London Umgang mit Literaten wie Samuel Johnson und Horace Walpole. 1783 ging sie nach Paris, wo sie Markgraf → Alexander von Ansbach begegnete. 1785 / 86 reiste sie durch Italien, Frankreich, Grie¨ chenland, Osterreich, Polen, Rußland und die T¨urkei. 1786 folgte sie Alexander an seinen Hof in Ansbach, wo sie Hippolyte → Clairon als M¨atresse verdr¨angte. C. gr¨undete dort eine literarische Akademie und zwei Theater, f¨ur die sie ei¨ gene St¨ucke und Ubersetzungen schuf. Nach dem Tod ihres Ehemanns 1791 heiratete sie Alexander und wurde die letzte Markgr¨afin von Ansbach-Bayreuth. C. unterst¨utzte die Abdankung des Grafen und ging mit ihm nach London, wo sie ihre schriftstellerische Arbeit wieder aufnahm. 1799 wurde ihre Oper The Princess of Georgia im Covent Garden aufgef¨uhrt. Craz, Graf zu Scharffenstein, Johann Philipp, Milit¨ar, † 26. 6. 1635 Wien. C., urspr¨unglich Domherr in Worms, nahm seit 1620 auf seiten der Liga am Dreißigj¨ahrigen Krieg teil, trug als Reitergeneral entscheidend zum Sieg in der Schlacht am Weißen Berge bei und war dann kaiserlicher Befehlshaber in den Niederlanden, wo er an der Belagerung von Breda teilnahm. Sp¨ater diente er als Oberst unter → Wallenstein, stellte sich nach einem Zerw¨urfnis mit diesem kurze Zeit Frankreich zur Verf¨ugung und war nach der Absetzung Wallensteins

Crecelius, Wilhelm, Mediziner, * 29. 10. 1898 Nieder-

Cred´e, Benno, Chirurg, * 1. 9. 1847 Berlin, † M¨arz 1929.

Der Sohn Carl → C.s studierte an den Universit¨aten Leipzig und Z¨urich Medizin und wurde 1870 promoviert. Nach seiner Teilnahme am Deutsch-Franz¨osischen Krieg und einer einj¨ahrigen Studienreise war er drei Jahre lang Assistent an der Chirurgischen Klinik der Univ. Leipzig sowie Milit¨ararzt in der s¨achsischen Armee. Seit 1877 als Leiter einer chirurgischen Privatklinik in Dresden t¨atig, schied C. 1881 aus dem Milit¨ardienst aus, wurde jedoch 1896 zum Oberstabsarzt, im folgenden Jahr zum Generaloberarzt und 1900 zum Generalarzt a` la suite des Sanit¨arkorps ernannt. Seit 1892 Oberarzt, wurde er 1897 Chefarzt am Dresdner Carolahaus und 1901 zum direkten Oberarzt der Chirurgischen Abteilung des neuerrichteten Stadtkrankenhauses DresdenJohannstadt ernannt. C. ver¨offentlichte u. a. Heilgymnastik in Krankenh¨ausern (1895) und Silber und Silbersalze als Antiseptica (mit Johannes Leberecht Beyer, 1896).

Cred´e, Carl (Siegmund Franz), Geburtshelfer, Gyn¨akologe, * 23. 12. 1819 Berlin, † 14. 3. 1892 Leipzig. C., Sohn eines Beamten im preuß. Kultusministerium, studierte seit 1838 in Berlin und Heidelberg Medizin, wurde 1842 in Berlin promoviert (De omphaloproptosi) und war

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Credner 1843-48 als Assistenzarzt an der Berliner Geburtshilflichen Klinik t¨atig. 1850 erfolgte seine Habilitation und zwei Jahre sp¨ater die Ernennung zum Direktor der Berliner Hebammenschule sowie zum dirigierenden Arzt der Geb¨ar- und Gyn¨akologischen Abteilung der Charit´e. Sein 1853 / 54 erschienenes Hauptwerk Klinische Vortr¨age zur Geburtsh¨ulfe wurde zu einem wichtigen Lehrbuch und brachte C. den Ruf als o. Prof. der Geburtshilfe und Direktor an die Frauenklinik und Hebammenschule in Leipzig ein, die er 1856-87 leitete. Seit 1860 Hofrat und seit 1870 Geheimer Medizinalrat, war er 1853-69 an der Herausgabe der „Monatsschrift f¨ur Geburtskunde und Frauenkrankheiten“, seit 1870 an der Redaktion des „Archivs f¨ur Gyn¨akologie“ beteiligt. Große Bedeutung erlangte C. mit dem 1861 eingef¨uhrten „Cred´eschen Handgriff“, der die L¨osung einer verz¨ogerten Nachgeburt bewirkt. Seit 1879 wandte er prophylaktisch die Methode der Eintr¨aufelung einer H¨ollensteinl¨osung in den Augenbindehautsack an, um den durch Infektion auf dem Geburtsweg hervorgerufenen Augentripper bei Neugeborenen zu vermeiden. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen auch Die preußischen Hebammen (1855), Lehrbuch der Hebammenkunst (mit Franz → Winckel, 1875, 31882) und Lehrbuch der Geburtsh¨ulfe f¨ur Hebammen (mit Gerhard Leopold, 5 1892). C NDB

Credner, (Karl Friedrich) Heinrich, Geologe, * 13. 3. 1809 Waltershausen bei Gotha, † 28. 9. 1876 Halle. C., Sohn eines Pfarrers und Bruder von Karl August → C., widmete sich 1828-31 in Freiberg dem Studium des Bergwesens, das er in G¨ottingen abschloß. Im Anschluß daran bereiste er im Auftrag der Regierung von Gotha Sachsen, B¨ohmen und Schlesien, war 1833 Bergassistent, 1850 Bergrat in Gotha und wurde sp¨ater zugleich Eisenbahn-, Lebensversicherungs- und Gasdirektor. 1858 folgte C. einem Ruf als Oberbergrat in das Ministerium nach Hannover und wurde 1866 nach Berlin, 1868 als Geheimer Oberbergrat nach Halle versetzt. Er schrieb zahlreiche Abhandlungen u¨ ber mineralogische und geologische Untersuchungen f¨ur naturwissenschaftliche Zeitschriften. Neben einer Reihe ¨ von geognostischen Karten ver¨offentlichte C. eine Ubersicht der geognostischen Verh¨altnisse Th¨uringens und des Harzes begleitet von einer geognostischen Karte (1843) und Versuch einer Bildungsgeschichte der geognostischen Verh¨altnisse des Th¨uringer Waldes (1855). Er war der Vater von Hermann und Rudolf → C. Credner, (Karl) Hermann (Georg), Geologe, Pal¨aontologe, * 1. 10. 1841 Gotha, † 22. 7. 1913 Leipzig. C., Sohn von Heinrich → C. und Bruder von Rudolf → C., studierte Geologie und Pal¨aontologie an der Bergakademie in Clausthal sowie an den Universit¨aten Breslau und G¨ottingen und wurde 1864 in G¨ottingen mit der Arbeit Die Pterocerasschichten der Umgebung von Hannover promoviert. W¨ahrend einer anschließenden vierj¨ahrigen Reise durch weite Teile Nordamerikas besuchte er u. a. die dortigen Kupfer- und Erzregionen. 1869 in Leipzig habilitiert, wurde er dort 1870 zum a. o. und 1895 zum o. Prof. der Geologie und Pal¨aontologie auf dem neuerrichteten Lehrstuhl ernannt. Seit 1872 war C. Direktor der K¨oniglich S¨achsischen Geologischen Lehranstalt. Neben seinen Werken, die auch im Ausland große Beachtung fanden, darunter seine Schrift Elemente der Geologie (1872, 111912), wurde C. vor allem durch seinen bedeutenden Einfluß auf die deutsche geologische Kartographie bekannt; er erarbeitete zahlreiche geolo¨ gische Spezialkarten und Ubersichtskarten von Sachsen. Daneben registrierte er die seit 1875 in Sachsen vorkommenden tektonischen Erdbeben und gr¨undete die Erdbeben-Warte in Leipzig. 1882 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina. C NDB

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Credner, Karl August, evang. Theologe, * 10. 1. 1797 Waltershausen bei Gotha, † 16. 7. 1857 Gießen. Der Sohn eines Pfarrers und Stiefbruder von Heinrich → C. studierte in Jena, Breslau und G¨ottingen Theologie, wurde 1828 in Jena promoviert, habilitierte sich dort 1830, war a. o. Prof. und folgte 1832 dem Ruf als o. Prof. des Neuen Testaments und der Kirchengeschichte nach Gießen. Hier bek¨ampfte C. den orthodoxen Lehrzwang und trat 1839-47 in eine literarische Fehde mit dem Geheimen Staatsrat und ultramontanen Kanzler der Gießener Univ., Justin von → Linde, in der er f¨ur die Freiheit der Forschung eintrat. Als Kirchenpolitiker Rationalist, ver¨offentlichte er seinen Standpunkt 1853 in der Streitschrift Die sittlichen Verirrungen und Gefahren [. . .]. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten besch¨aftigte sich C. insbesondere mit der Erforschung des neutestamentlichen Kanons und schrieb bis zuletzt an einer Geschichte des neutestamentlichen Kanons, die 1860 von Gustav → Volkmar herausgegeben wurde. C Hess Bio, Bd 1 Credner, Rudolf, Geograph, * 27. 11. 1850 Gotha, † 5. 6. 1908 Greifswald. Der Bruder von Hermann → C. studierte an den Universit¨aten Leipzig, G¨ottingen und Halle, wurde 1876 in Halle mit der Dissertation Das Gr¨unschiefersystem von Hainichen im K¨onigreich Sachsen ingeologischer und petrographischer Beziehung promoviert, war anschließend bis 1878 als Sektionsgeologe bei der K¨oniglich S¨achsischen Geologischen Landesanstalt t¨atig und habilitierte sich im selben Jahr mit der Arbeit Die Deltas, ihre Morphologie, geographische Verbreitung und Entstehungsbedingungen an der Univ. Halle f¨ur Geographie. 1881 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. nach Greifswald, wurde dort 1891 zum o. Prof. ernannt und hatte 1901 das Amt des Rektors der Univ. inne. C., seit 1882 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, unternahm zahlreiche Studienreisen, die ihn u. a. nach Schweden, D¨anemark, Rußland, Italien, Frankreich, England und nach Nordamerika f¨uhrten. Er war Begr¨under und Vorsitzender der Geographischen Gesellschaft zu Greifswald und gab deren „Jahresberichte“ heraus. C. ver¨offentlichte u. a. Das Gr¨unschiefersystem von Hainichen (1876), Zur Histologie der Faltenz¨ahne pal¨aozoischer Stegocephalen (1893) und Die Phosphoritknollen des Leipziger Mitteloligoc¨ans und die norddeutschen Phosphoritzonen (1895). Er war der Vater von Wilhelm → C. Credner, Wilhelm (Georg Rudolf), Geograph, * 23. 12. 1892 Greifswald, † 13. 10. 1948 M¨unchen. Der Sohn von Rudolf → C. studierte an den Universit¨aten Greifswald, Uppsala und Heidelberg Geographie und wurde 1922 bei Alfred → Hettner mit der Arbeit Die Oberfl¨achengestalt der kristallinen Gebiete von Spessart und Odenwald promoviert. Danach war C. als Assistent am Geographischen Institut der Univ. Kiel t¨atig und habilitierte sich dort 1925. Forschungsreisen f¨uhrten ihn 1927-29 durch Siam, Burma und Indochina, w¨ahrend einer Professur in Kanton 1929-31 durch S¨udchina sowie 1938 / 39 durch die USA und zu den Großen Antillen. Seit 1931 a. o. Prof. in Kiel, wurde er im folgenden Jahr Ordinarius f¨ur Geographie an der TH M¨unchen, 1946 auch an der Staatswirtschaftlichen Fakult¨at der Univ. M¨unchen und erhielt kurz vor seinem Tod 1948 einen Ruf auf den Lehrstuhl Alfred Hettners in Heidelberg. Der Wirtschaftsgeographie o¨ ffnete C., seit 1936 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, neue Wege, indem er anstelle der Welthandelslehre die Struktur und Entwicklung der Wirtschaftslandschaft und ihrer geographisch differenzierten Typen in den Vordergrund r¨uckte. Daneben untersuchte er landwirtschaftsgeographische Fragen und initiierte die Gr¨undung der Landwirtschaftsgeographischen Arbeitsgemeinschaft. C. ver¨offentlichte u. a. Land-

Crelinger schaft und Wirtschaft in Schweden (1926), Siam, das Land der Tai (1935) und Japan und die Vereinigten Staaten im Pazifischen Raum (1940). C NDB

Cregel, Ernst, Jurist, * 24. 1. 1628 Uelzen, † 16. 7. 1674 Altdorf. Der als Sohn eines Superintendenten im L¨uneburgischen geborene C. studierte zun¨achst Philosophie, Philologie und Theologie an der Univ. Rostock; dann widmete er sich dem Studium der Rechtswissenschaften, das er zun¨achst in Leipzig, seit 1651 in Altdorf fortsetzte, wo er 1654 zum Lizentiaten der Rechte promoviert wurde und im November desselben Jahres eine a. o. Professur erhielt. Bald darauf zum o. Prof. ernannt, wurde er noch 1654 Ratskonsul der Republik N¨urnberg und erhielt 1657 in Altdorf als erster die Professur des deutschen Staatsrechts.

Creiling, Johann Konrad, Mathematiker, * 9. 7. 1673 L¨ochgau, † 13. 9. 1752 T¨ubingen. Der w¨urttembergische Pfarrerssohn studierte in T¨ubingen Theologie, Geschichte, Rechtswissenschaften, Anatomie, Botanik und Mathematik. Nach der Erlangung des Magistergrads 1692 wandte sich C. ganz der Mathematik zu und ging, um seine Studien zu vervollkommnen, zun¨achst zu Jacob → Bernoulli nach Basel, sp¨ater nach Paris, wo er u. a. mit Jacques Ozanam, Pierre Varignon und Philippe de La Hire verkehrte und zum Mitglied der dortigen Akademie der Wissenschaften gew¨ahlt wurde. 1701-45 war er o. Prof. der Naturlehre und Meßkunst in T¨ubingen. Neben mathematischen Abhandlungen (u. a. Methodus de maximis et minimis, 1701) verfaßte C. eine Reihe von alchemistischen Schriften, darunter 1730 eine Ehrenrettung der Alchymie. 1787 erschien seine Abhandlung vom Goldenen Vließ, oder M¨oglichkeit der Verwandlung der Metalle.

Creizenach, Michael, j¨udischer Theologe, P¨adagoge, Mathematiker, * 16. 5. 1789 Mainz, † 5. 8. 1842 Frankfurt / Main. Nach dem Talmudstudium besuchte C., Sohn eines Kaufmanns, 1806-09 das franz¨osische Lyzeum in Mainz und widmete sich anschließend der Reform des j¨udischen Schulwesens. In seiner Heimatstadt gr¨undete er 1814 eine j¨udische Schule; in Mainz und Frankfurt / Main rief er eine Reihe von israelitischen Handwerkervereinen ins Leben. 1823 wurde er in Gießen mit der Arbeit Abhandlungen u¨ ber den elften Euklidischen Grundsatz in Betreff der Parallellinien, nebst einem neuen Beweise des 28ten Satzes im XI. Buche der Elemente promoviert und war seit 1825 als Lehrer am Philanthropin in Frankfurt / Main t¨atig. 1823 / 24 gab C., der sich f¨ur das Reformjudentum einsetzte, in Mainz die Zeitschrift „Geist der pharis¨aischen Lehre“ heraus; sp¨ater war er Mitarbeiter von Abraham → Geigers „Wissenschaftlicher Zeitschrift f¨ur j¨udische Theologie“ sowie von Isaak Markus → Josts „Israelitische Annalen“, mit dem er 1841 / 42 die hebr¨aische wissenschaftliche Zeitschrift „Zion“ herausbrachte. C. schrieb auch Lehrb¨ucher f¨ur Mathematik (Theoretisches Lehrbuch der Stereometrie, 1835; Lehrbuch der Algebra, 1835) und die hebr¨aische Sprache. Seine reformerischen Ideen ver¨offentlichte er in den 1831 anonym erschienenen Zweiunddreißig Thesen u¨ ber den Talmud sowie in seinem vierb¨andigen Werk Schulchan aruch (1833-40). C. war der Vater von Theodor → C. C Lex dt-j¨ud Autoren Creizenach, Theodor, seit 1855 T. Adolph C., Pseud. Siegmund Geißler, Schriftsteller, Literaturhistoriker, * 16. 4. 1818 Mainz, † 5. / 6. 12. 1877 Frankfurt / Main. Der Sohn von Michael → C. schloß das Studium der Philologie, Geschichte und Altertumskunde in Gießen, G¨ottingen und Heidelberg 1839 mit der Promotion zum Dr. phil. ab (De nominibus divinis apud Homerum), wurde im selben Jahr Lehrer am Philantropin in Frankfurt und erhielt 1841

die Stelle eines Hauslehrers bei der Familie Rothschild in Frankfurt / Main. 1842 war C. Mitbegr¨under des Frankfurter Vereins der Reformfreunde, lebte 1845-49 in Paris und London und war seit 1849 als Lehrer an der J¨udischen Realschule in Frankfurt / Main t¨atig. C. trat 1854 zur evang. Kirche u¨ ber, gab seine Lehrerstelle auf und leitete 1856-58 das von ihm und Otto → M¨uller begr¨undete „Frankfurter Museum“, wo er selbst eine Reihe von literaturhistorischen Abhandlungen ver¨offentlichte. 1858 u¨ bernahm er ein Lehramt an der Gewerbe- und h¨oheren B¨urgerschule und wurde 1863 Lehrer f¨ur Literatur und Geschichte am St¨adtischen Gymnasium in Frankfurt. Neben seinem p¨adagogischen Beruf widmete sich C. einer literarischen T¨atigkeit; 1848 vero¨ ffentlichte er eine Gedichtsammlung und leistete mit dem 1877 herausgegebenen Briefwechsel zwischen Goethe und Marianne von Willemer (2., verm. Aufl. 1878, 31878) einen wichtigen Beitrag zur Goethe-Forschung. C. war der Vater von Wilhelm → C. C IGL

Creizenach, Wilhelm (Michael Anton), Literaturhistoriker, * 4. 6. 1851 Frankfurt / Main, † 13. 9. 1919 Dresden. Der Sohn Theodor → C.s studierte Geschichte sowie Romanische und Germanische Sprachen an den Universit¨aten G¨ottingen und Leipzig, wurde 1875 in Leipzig promoviert (Judas Ischarioth in Legende und Sage des Mittelalters) und habilitierte sich dort 1879 (Zur Entstehungsgeschichte des neueren deutschen Lustspiels). 1883 siedelte C. nach Krakau u¨ ber, wo er zun¨achst als a. o.Prof., 1886-1912 als o. Prof. der deutschen Sprache und Literatur lehrte; er war Mitglied der dortigen Akademie der Wissenschaften. 1912 ging C. nach Dresden, um sich ganz seinem Hauptwerk, der Geschichte des neueren Dramas (5 Bde., 1893-1916) zu widmen, das die Zeit der mittelalterlichen Mysterienspiele bis hin zu den Dramen Shakespeares umfaßt und die gegenseitige Beeinflussung der europ¨aischen Dramen an zahlreichen Beispielen aufzeigt, jedoch unvollendet blieb. Daneben war er Mitarbeiter an The Cambridge History of English Literature und befaßte sich mit literarhistorischen Untersuchungen zum Faust-Stoff (u. a. Versuch einer Geschichte des Volksschauspiels vom Doctor Faust, 1878). C IGL Crelinger, (Sophie) Auguste (Friederike), geb. D¨uring, verwitwete Stich, Schauspielerin, * 17. 10. 1795 Berlin, † 11. 4. 1865 Berlin. C. begann ihre Karriere als Schauspielerin am Berliner Liebhabertheater Urania, von wo sie August Wilhelm → Iffland nach einem vorangegangenen Gastspiel 1812 an das Kgl. Nationaltheater ihrer Heimatstadt engagierte, an dem sie ununterbrochen bis 1862 t¨atig war. Seit dem Tod ihrer Kollegin Friederike → Unzelmann 1815 war C. erste Schauspielerin an dieser B¨uhne; zahlreiche Gastspielreisen f¨uhrten sie an alle großen deutschen B¨uhnen sowie nach Paris, Wien und St. Petersburg. Ber¨uhmt wurde C. durch ihr M¨unchner Gastspiel 1833, wo sie in → Schillers Maria Stuart und Ernst → Raupachs Nibelungenhort als ebenb¨urtige Partnerin der großen Trag¨odin Sophie → Schr¨oder auftrat. Ihr charakteristisches Rollenfach war das der Heroine; sie stand viele Male als Kriemhild, Antigone, Medea und Ph¨adra auf der B¨uhne. C NDB Crelinger, Ludwig, Pseud. L. Klingner, Schauspieler, Regisseur, Dramatiker, * 15. 10. 1836 Potsdam, † 16. 9. 1904 Berlin. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Berliner Univ. wandte sich der Sohn eines Oberforstmeisters einer B¨uhnenkarriere zu und begab sich als Schauspieler, Regisseur und Direktor auf Wanderschaft. 1860 kam er nach Dessau, sp¨ater u. a. nach W¨urzburg, K¨onigsberg, Br¨unn, Magdeburg, war 1869 in New York t¨atig und wirkte im Anschluß daran auch in Mainz und Straßburg. Nach dem Verlust eines

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Crell Auges zog sich C., der in den Rollen des Franz Moor, des Mephisto und des Nathan große Erfolge feierte, immer mehr von der B¨uhne zur¨uck und u¨ bernahm 1874 die Redaktion der „Deutschen B¨uhnengenossenschaft“. 1875 gr¨undete er eine Theateragentur in Berlin. C. schrieb ferner B¨uhnenst¨ucke, u. a. das Lustspiel Ein schweres Gest¨andnis (o. J.).

Crell, Christoph Ludwig, Jurist, * 25. 5. 1703 Leipzig, † 8. 10. 1758. C. studierte seit 1717 an der Univ. Leipzig, wurde dort 1721 zum Magister artium promoviert und habilitierte sich im selben Jahr an der Philosophischen Fakult¨at. 1722 wurde er Lizentiat der Rechte und bald darauf zum a. o. Prof. der Poesie an der Univ. Leipzig ernannt. Seit 1724 Dr. jur., folgte C. der Berufung als o. Prof. der Poesie an die Univ. Wittenberg, wo er 1730 zus¨atzlich die Professur des Natur- und V¨olkerrechts erhielt. Seit 1733 außerordentlicher Beisitzer der Juristenfakult¨at, wurde er 1735 o¨ ffentlicher o. Prof. der Institutionen sowie ordentlicher Beisitzer am Hofgericht, Sch¨oppenstuhl und an der Juristenfakult¨at. 1739 erfolgte seine Ernennung zum k¨oniglich polnischen und kurf¨urstlich s¨achsischen Hofrat; sp¨ater wurde er Senior und Interimsordinarius der Juristischen Fakult¨at. C. hinterließ eine Reihe von gedruckten Kathederabhandlungen und Programmen. Crell, Johann, auch Crellius, Theologe, * 26. 7. 1590 Hellmitzheim (Franken), † 11. 6. 1633 Rak´ow (Polen). C. studierte seit 1607 in Altdorf, wurde dort Alumneninspektor und kam in Kontakt mit dem kryptosozinianischen Kreis um den Mediziner Ernst → Soner. Im Dezember 1612 floh er nach Rak´ow, wo er Prof. f¨ur Griechisch wurde; 1616-21 war er Rektor. Mit seinen Schriftauslegungen, dogmatischen und polemischen Werken z¨ahlte C. zu den bedeutendsten Theologen des Sozinianismus. C RGG Crell, Johann Friedrich, Anatom, Physiologe, * 6. 1. 1707 Leipzig, † 19. 5. 1747 Helmstedt. C., Sohn von Ludwig Christian → C., studierte Medizin in Leipzig und wurde 1732 promoviert (De melancholia hysterica). Seit 1737 Prof. in Wittenberg (Observationes in partibus morbidis factas ad illustrandam corporis sani oeconomiam temere non esse applicandas ostendit, 1737, Einladungsschrift), folgte er 1741 einem Ruf als Prof. f¨ur Anatomie, Physiologie und Pharmazie nach Helmstedt. 1742 wurde C. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Er ver¨offentlichte u. a. De Motu synchrono auriculorum et ventriculoum cordis (1740), De functione partium solidarum et fluidarum (1740), De anatomes viventium necessitate (1742), De causis respirationem vitalem cientibus (1743), De ossibus sesamoideis (1746) und De arteria coronaria instar ossis indurata observatio (1757). Crell, Lorenz Florens Friedrich von, Chemiker, * 21. 1. 1745 Helmstedt, † 7. 6. 1816 G¨ottingen. C., Sohn von Johann Friedrich → C. und Enkel des Chirurgen und Botanikers Lorenz → Heister, der f¨ur seine Erziehung nach dem fr¨uhen Tod des Vaters sorgte, studierte seit 1765 an der Univ. Helmstedt, erlangte den Magistergrad der Philosophie und wurde 1768 zum Dr. med. promoviert (Contagium vivum). 1771-73 war er Prof. der Chemie und Mineralogie am Collegium Carolinum in Braunschweig und wurde 1774 zum o. Prof. der Medizin, 1783 auch der Philosophie in Helmstedt ernannt. Seit 1780 herzoglich braunschweigischer Bergrat, erhielt er 1810 nach

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der Aufl¨osung der Univ. Helmstedt eine Professur f¨ur Chemie in G¨ottingen. C., der 1778 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt und 1791 von Kaiser → Leopold II. in den Reichsadelsstand erhoben wurde und Gegner der neuen Sauerstoffchemie Lavoisiers war, zugleich Verallgemeinerungen und philosophische Deduktionen im Stil der Naturphilosophie der Zeit ablehnte, gab die ersten chemischen Fachzeitschriften heraus (u. a. „Chemisches Journal“, 1778-81, „Die neuesten Entdeckungen in der Chemie“, 1781-84, „Chemische Annalen“, 1784-1804), publizierte neben spezifischen Untersuchungsergebnissen u¨ ber chemische Verwandtschaftslehre, Terminologie der Chemie sowie Phlogiston auch theologische und ethische Abhandlungen und u¨ bersetzte Werke englischer Chemiker (Joseph Black, Adair Crawford, Richard Kirwan). WEITERE WERKE: Pyrrho und Philalethes. Oder: leitet die Scepsis zur Wahrheit und zur ruhigen Entscheidung? Hrsg. v. Volkmer Reinhard. Sulzbach 1812, 31813. LITERATUR: Karl Hufbauer: C., L. F. v. In: DSB, Bd. 3, 1971, S. 464-466. – Dietrich von Engelhardt: Die chemischen Zeitschriften des L. v. C. Stuttgart 1974. Dietrich von Engelhardt

Crell, Ludwig Christian, Philosoph, Philologe, * 28. 5. 1671 Neustadt bei Coburg, † 15. 11. 1733 Leipzig (?). Der Sohn eines Pastors studierte seit 1690 an der Univ. Leipzig, wo er 1693 Magister wurde und sich bald darauf habilitierte. Seit 1699 Konrektor, wurde C. 1699 Rektor der dortigen Nicolaischule und im selben Jahr Assessor der Philosophischen Fakult¨at in Leipzig. 1708 erfolgte seine Ernennung zum a. o., wenig sp¨ater zum o. Prof. der Philosophie. Er wurde wiederholt zum Dekan und zweimal zum Prokanzler gew¨ahlt. C. ver¨offentlichte zahlreiche Programme philosophischen Inhalts, darunter De vario logices pretio (1716). Er war ein bekannter Redner und Verfasser lateinischer Gedichte. C. war der Vater von Johann Friedrich → C. C ADB Crell, Nikolaus, auch Krell, Staatsmann, * 1552 Leipzig, † 9. 10. 1601 Dresden. Nach dem Besuch der F¨urstenschule in Grimma studierte C., Sohn eines Obersch¨oppenmeisters und Ratsherrn in Leipzig, 1568-71 Rechtswissenschaften an der Univ. Leipzig, wo er 1577 zum Dr. jur. promoviert wurde. Nach einer Bildungsreise wirkte C. in seiner Heimatstadt als Universit¨atsdozent und wurde 1580 von Kurf¨urst → August von Sachsen zum Hof- und Justizrat des Kurprinzen Christian berufen. Unter Kurf¨urst → Christian I. seit 1586 Geheimer Rat und 1589 Kanzler mit fast unumschr¨ankter Gewalt, erhielt er nach der Aufl¨osung des Geheimen Rats durch den Kurf¨ursten die Leitung der s¨achsischen Innen- und Außenpolitik. C. versuchte, seine calvinistischen Grunds¨atze durchzusetzen, konnte Christian I. zur Abkehr vom orthodoxen Luthertum bewegen und erreichte die Abschaffung der Konkordienformel sowie die des Exorzismus bei der Taufe. Daneben bem¨uhte er sich, den Kurf¨ursten zum Anschluß an die calvinistisch-pf¨alzische Gruppe der protestantischen Reichsf¨ursten und zur Unterst¨utzung der Hugenotten in Frankreich zu gewinnen. Nach dem Tod Christians I. 1591 von den St¨anden seines Amtes enthoben, wurde C. auf der Festung K¨onigstein in Haft gesetzt, von der b¨ohmischen Appellationskammer in Prag wegen Verf¨uhrung des Kurf¨ursten zum Calvinismus, der Entfremdung vom Kaiser und seiner Entzweiung mit der Landschaft verurteilt und schließlich auf dem Dresdner Neumarkt enthauptet. C RGG Crell, Paul, auch Krell, Crellius, luth. Theologe, * 5. 2. 1531 Eisleben, † 24. / 27. 5. 1579 Meißen. C. studierte in Wittenberg zun¨achst die Artes, sp¨ater Theologie; er wurde 1559 dort Schloßprediger, zum Dr. theol.

Cremer promoviert und Prof. an der Theologischen Fakult¨at. Seine Distanzierung von → Melanchthons Lehre f¨uhrte zu C.s ¨ Ubergang in das Meißener Konsistorium, wo sich Kurf¨urst → August von Sachsen seiner gegen den Kryptocalvinismus bediente. Sein Kurtz Bekenntnis und Artickel vom hl. Abendmal war die Basis f¨ur die Beschl¨usse des Torgauer Landtags von 1574. Zwei Jahre sp¨ater nahm C. an den Verhandlungen teil, die zum Torgischen Buch, der Vorform der Konkordienformel, f¨uhrten. Seit 1574 geh¨orte C. wieder der Wittenberger Fakult¨at an und kehrte 1577 nach Meißen zur¨uck. C NDB

Crell, Samuel, Pseud. Lucas Mellierus, Artemonius, sozinianischer Theologe, * 25. 3. 1660 Kreuzburg (Schlesien), † 15. 5. 1747 Amsterdam. Der Sohn eines sozinianischen Predigers und Enkel Johann → C.s studierte am Theologischen Seminar der Remonstranten in Amsterdam und war dann als Prediger in den kleinen sozinianischen Gemeinden der Mark Brandenburg, in Schlesien und in Frankfurt / Oder t¨atig. Nach mehreren Reisen, u. a. nach Holland und England, ließ er sich 1727 als theologischer Schriftsteller in Amsterdam nieder. C. vertrat eine adoptianische Christologie, lehrte aber das Vers¨ohnungsopfer Christi und bildete von da aus eine zwischen Sozinianismus und Orthodoxie vermittelnde Lehre. Mit einem R¨uckgriff auf die Bibel unter Zur¨uckstellung der sp¨ate¨ ren Dogmen erhoffte er sich die Uberwindung der christlichen Parteiungen. Von seinen zahlreichen Schriften fand vor allem ein 1717 erschienener Kurzer Unterricht in der christlichen Religion nach der Lehre der Unitariorum, der als deutscher sozinianischer Katechismus gilt, Beachtung. C RGG Crelle, August Leopold, Ingenieur, Mathematiker, Komponist, * 11. 3. 1780 Eichwerder bei Wriezen, † 6. 10. 1855 Berlin. Der Sohn eines Kgl. Landbaumeisters und Deichinspektors konnte wegen fehlender finanzieller Mittel nicht studieren, eignete sich daher autodidaktisch umfangreiche Kenntnisse auf dem Gebiet der Mathematik und des Straßenbaus an und legte 1802 in Berlin sein architektonisches Examen ab. Als h¨oherer Beamter im preuß. Innenministerium war er 1816-26 f¨ur zahlreiche Straßenbauten in Preußen verantwortlich; u. a. wurde nach seinen Entw¨urfen 1838 die erste preuß. Eisenbahnlinie Berlin-Potsdam gebaut. C., der zum Oberbaurat aufstieg, wurde als Mathematiker Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Er gab 1826-55 das „Journal f¨ur reine und angewandte Mathematik“ sowie eine Reihe von Lehrb¨uchern u¨ ber Arithmetik, Algebra und Geometrie heraus (Bemerkungen u¨ ber die Zerlegung gebrochener, polynomischer Functionen, 1831; Von einigen S¨atzen aus der Theorie der Zahlen, 1834; Enzyklop¨adische Darstellung der Theorie der Zahlen und einiger anderer damit in Verbindung stehender analytischer Gegenst¨ande, 1845). Seine Rechentafeln, die bis 1954 aufgelegt wurden, erschienen erstmals 1820. Neben seiner beruflichen T¨atigkeit widmete sich C. der Musik; er komponierte u. a. zwei Klaviersonaten und war Verfasser klavier¨asthetischer Schriften. C MGG

Cremer, Arnold, Unternehmer, Politiker, * 1. 9. 1875 Br¨ussel, † 19. 8. 1958 L¨udinghausen. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Bonn, W¨urzburg, Freiburg / Breisgau, Berlin und Rostock, wo er 1903 promoviert wurde (De juristische Natur der Sonderrechte im Deutschen Reichsstaatsrecht), durchlief C., Sohn von Josef → C., eine Banklehre in Rostock, besuchte die h¨ohere Handelsschule in Dortmund und begab sich 1904 auf eine Reise nach Amerika. Nach seiner R¨uckkehr war er in der v¨aterlichen Brauerei Thier & Co. in Dortmund t¨atig, erhielt 1905 Prokura und trat 1909 zusammen mit seinen Br¨udern in diese Firma ein. Daneben war

C. zunehmend politisch t¨atig, 1911-24 Stadtverordneter in Dortmund und geh¨orte seit 1924 als Mitglied der Zentrumsfraktion dem Preußischen Landtag an. Er war Vorstandsmitglied des Schutzverbandes f¨ur Brauereien sowie Mitglied des Reichsausschusses der Handels- und Industriebeir¨ate der Zentrumspartei. C Leb Industrie 3

Cremer, Erika, Chemikerin, * 20. 5. 1900 M¨unchen, † 21. 9. 1996 Innsbruck. Die Tochter von Max → C. studierte Chemie und Physik in ¨ Berlin und wurde 1927 promoviert (Uber die Reaktion zwischen Chlor, Wasserstoff und Sauerstoff im Licht). Danach u. a. am Kaiser-Wilhelm-Institut f¨ur Physikalische Chemie in Berlin und am Institut f¨ur Physikalische Chemie in Freiburg / Breisgau t¨atig, habilitierte sie sich 1938 in Berlin (Bestimmung der Selbstdiffusion in festem Wasserstoff aus dem Reaktionsverlauf der Ortho-Para-Umwandlung) und ging 1940 an die Univ. Innsbruck. Seit 1945 dort Direktorin des Instituts f¨ur Physikalische Chemie, wurde sie 1951 a. o. Prof. und war 1959-70 o. Professorin. C., die als erste eine mathematische Formel f¨ur die Bedingungen einer Explosion durch Kettenverzweigung ableitete und als Erfinderin der Gaschromatographie gilt, wurde 1964 als korrespondierendes Mitglied ¨ in die Osterreichische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Sie ver¨offentlichte u. a. Kinetik der Gasreaktionen ¨ Akad, Jg. 147 (1961, mit Max Pahl). C Almanach Ost

Cremer, Ernst Richard, Dirigent, Mediziner, * 14. 1. 1891 K¨oln-Deutz, † 7. 10. 1970 Bad Nauheim. C., Sohn eines Mediziners, studierte 1910-15 Musik an den Universit¨aten Bonn, Freiburg / Breisgau und M¨unchen und wurde dort 1919 promoviert. Hatte er schon seit 1916 am K¨olner Konservatorium Musik studiert, widmete er sich nun ganz seiner musikalischen Karriere und wirkte zun¨achst in Kassel, sp¨ater in Rostock als Kapellmeister. 1924 wurde C. in Plauen Operndirektor, war als Dirigent der Symphoniekonzerte sowie seit 1929 als st¨adtischer Generalmusikdirektor t¨atig und leitete dort 1925 und 1930 die Konzerte des Richard-Wagner-Vereins, dessen Ehrenmitglied er war. Seit 1930 Kapellmeister am Nationaltheater in Mannheim, war er als Dirigent u. a. in Leipzig, K¨oln und Wiesbaden t¨atig und trat zudem als Konzertpianist sowie als Begleiter bekannter S¨angerinnen und S¨anger auf. 1940-44 hatte C. die Stelle des Generalmusikdirektors in Wiesbaden inne und war seit 1942 Leiter der Marburger Philharmonie, sp¨ater auch der Wetzlarer Singakademie sowie des Dillenburger Liederkranzes.

Cremer, Fritz, Bildhauer, Graphiker, * 22. 10. 1906 Arnsberg (Westfalen), † 1. 9. 1993 Berlin. Der Sohn eines Handwerkers durchlief 1922-25 eine Steinmetzlehre, arbeitete anschließend zwei Jahre als Steinbildhauergeselle und besuchte daneben Abendkurse an der Folkwang-Schule in Essen. 1929 wurde C. an der Vereinigten Staatsschule f¨ur freie und angewandte Kunst in Berlin Sch¨uler der Meisterklasse von Wilhelm → Gerstel. Seit 1929 Mitglied der Kommunistischen Partei, beteiligte er sich dort an der Gr¨undung des Roten Studentenbundes. F¨ur die Bronzeskulptur Trauernde Frauen (1936; urspr¨unglicher Titel Gestapo) wurde er 1937 mit dem preuß. Staatspreis ausgezeichnet. 1937 / 38 studierte C. an der Deutschen Akademie in Rom, erhielt 1938 ein Meisteratelier an der Preußischen Akademie der K¨unste und wurde f¨ur einen Studienaufenthalt in Rom f¨ur l¨angere Zeit vom Kriegsdienst beurlaubt. 1946 aus jugoslawischer Kriegsgefangenschaft (seit 1944) entlassen, wurde er im selben Jahr Prof. und Leiter der Bildhauerklasse an der Akademie f¨ur angewandte Kunst in Wien. 1950 siedelte er in die DDR u¨ ber, wo er in Ostberlin als Mitglied der Akademie der K¨unste und Leiter eines Meisterateliers wirkte. C., der in seinen Werken unter dem Einfluß von Auguste Rodin, Ernst → Barlach und

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Cremer K¨athe → Kollwitz einen symbolisierenden Realismus entwickelte, war einer der bedeutendsten Bildhauer der DDR. Zu seinen Hauptwerken z¨ahlen die Mahnmale in Auschwitz (1947), Buchenwald (1952-58) und Ravensbr¨uck (1959). Daneben schuf C. ein k¨unstlerisch selbst¨andiges lithographisches Werk (u. a. Ungarn-Visionen, 1956). C AKL

Cremer, (August) Hermann, evang. Theologe, * 18. 10. 1834 Unna (Westfalen), † 4. 10. 1903 Greifswald. Der einem pietistischen Elternhaus entstammende C., Sohn eines Lehrers, studierte in Halle bei August → Tholuck und in T¨ubingen bei Johann Tobias → Beck Theologie (Promotion 1860, Die eschatologische Rede Jesu Christi Matth¨ai 24.25). 1859-70 war er Pfarrer in Ost¨onnen (Westfalen), wo er das Biblisch-theologische W¨orterbuch der neutestamentlichen Gr¨acit¨at (1867, 101915) abfaßte. 1870 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl f¨ur systematische Theologie der Univ. Greifswald. Dort war er gleichzeitig bis 1889 Hauptpastor an St. Marien und wirkte seit 1886 in der pommerschen Kirchenleitung mit, der er als Konsistorialrat und wiederholt als Synodaler angeh¨orte. Er vertrat die theologische Richtung des neueren Biblizismus, die sowohl die sprachliche Eigenart der Bibel als auch deren besonderen Offenbarungsgehalt betonte, und beeinflußte die preuß. Kirchen- und Universit¨atspolitik im orthodox-positiven Sinne, gegen¨uber der liberalen Theologie ebenso kritisch wie gegen¨uber der Staatsn¨ahe der Kirche. C. war das Haupt der sogenannten Greifswalder Schule, aus der u. a. Erich → Schaeder, Julius K¨ogel und Karl Bernhard → Bornh¨auser hervorgingen. Zusammen mit Adolf → Schlatter begr¨undete er 1897 die „Beitr¨age zur F¨orderung christlicher Theologie“. C TRE

Cremer, Josef (Wilhelm Julius), Unternehmer, * 3. 3. 1845 L¨udinghausen, † 1. 1. 1938 Dortmund. C., Sohn eines Gutsbesitzers, der dem westf¨alischen Provinzialausschuß angeh¨orte, widmete sich in Hamm einer kaufm¨annischen Ausbildung und der Eisenh¨uttenkunde, ging dann nach Sheffield, wo er sich mit der Stahlerzeugung besch¨aftigte, und wurde 1869 Mitbegr¨under des metallurgischen Exporthauses Willems & Cremer in Br¨ussel. 1888 erstand er von seinen Vettern die Dortmunder Bierbrauerei Thier & Co. und erneuerte den Betrieb auf großindustrieller Grundlage, so daß sich dieser noch zu Lebzeiten C.s zu einer der gr¨oßten Privatbrauereien Deutschlands entwickelte. 1893 wurde dort zum ersten Mal das heutige Pils auf den Markt gebracht. Daneben wurde C. insbesondere als Kunstsammler und M¨azen bekannt; er initiierte durch eine Geldspende den Wiederaufbau des Dortmunder Rathauses und f¨orderte die Errichtung des Dortmunder Theaters sowie des Kunst- und Gewerbemuseums. Mit 1200 Gem¨alden internationaler Maler besaß C. eine der bedeutendsten privaten Sammlungen seiner Zeit. Er war der Vater Arnold → C.s. C Rhein-Westf Wirt, Bd 9

Cremer, Lothar, Physiker, * 16. 8. 1905 M¨unchen, † 16. 10. 1990 Miesbach (Bayern). Nach einer praktischen Ausbildung studierte C. an der TH Charlottenburg und wurde 1933 promoviert (Experimentelle und theoretische Untersuchungen u¨ ber die Abh¨angigkeit der Schallabsorption vom Einfallswinkel bei por¨osen W¨anden). Danach war er am Heinrich-Hertz-Institut und an der TH Berlin t¨atig, wo er sich 1940 habilitierte. 1945 er¨offnete er ein akustisches Beratungsb¨uro in M¨unchen. Nach der Umhabilitierung 1949 an die Univ. M¨unchen seit 1951 apl. Prof. f¨ur Schwingungslehre und Akustik, kehrte er 1954 als o. Prof. an die TU Berlin zur¨uck, wo er zugleich Direktor des Instituts f¨ur Technische Akustik und Abteilungsleiter f¨ur Akustik im Heinrich-Hertz-Institut f¨ur Schwingungsforschung wurde. C., seit 1970 ausw¨artiges ordentliches Mitglied der G¨ottinger Akademie der Wissenschaften, entdeckte

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den „Koinzidenz-Effekt“, der die teilweise Transparenz von W¨anden f¨ur Schallwellen bei bestimmten Einfallswinkeln erkl¨art, sowie das f¨ur das binaurale Richtungsh¨oren entscheidende „Gesetz der ersten Wellenfront“. Er ver¨offentlichte u. a. Die wissenschaftlichen Grundlagen der Raumakustik (3 Bde., 1948-61; Neuaufl. in 2 B¨anden 1978 mit Helmut A. M¨uller), K¨orperschall (1967, mit Manfred Heckl), Die Geige aus der Sicht des Physikers (1971), Vorlesungen u¨ ber Technische Akustik (1971, 41985 mit Matthias Hubert) und C Jb AWG 1995 Die Physik der Geige (1981).

Cremer, Martin, Jurist, Bibliothekar, * 24. 3. 1913 Oberhonnefeld (Kr. Rengsdorf), † 16. 5. 1988 Frankfurt / Main. C. studierte Rechts- und Staatswissenschaften an den Universit¨aten Kiel, Heidelberg und M¨unchen, wurde 1937 zum Dr. jur. promoviert (Staatstheoretische Grundlagen der Verfassungsreformen im 14. und 15. Jahrhundert) und arbeitete zun¨achst als Assistent an der Univ. Kiel. Seit 1938 arbeitete er als juristischer Redakteur im Brockhaus Verlag Leipzig. Seit 1945 Referent f¨ur Archive und wissenschaftliche Bibliotheken im Hessischen Kultusministerium in Wiesbaden, wurde er 1948 zum Regierungsrat ernannt. Seit demselben Jahr im Bibliotheksdienst und mit der Leitung der Hessischen (dann Westdeutschen) Bibliothek in Marburg beauftragt, wurde er 1951 deren Direktor. Unter seiner Leitung wurde das Gesamtverzeichnis ausl¨andischer Zeitschriften wiederbelebt. 1961-77 war C. Direktor des Instituts f¨ur Dokumentationswesen in der Max-Planck-Gesellschaft in Frankfurt / Main. Die Gr¨undung der Fachinformationszentren 1974 ist wesentlich seiner Initiative zu verdanken. 1980 wurde C. Pr¨asident der Deutschen Schillergesellschaft; er war auch f¨ur das Deutsche Literaturarchiv Marburg verantwortlich. Er ver¨offentlichte Aufbau und Entwicklung. Westdeutsche Bibliothek 1946-1949 (1950) und Vom amerikanischen Bibliothekswesen. Ein Reisebericht (1952). C Habermann 2

Cremer, Max, Physiologe, Veterin¨armediziner, * 11. 3. 1865 Uerdingen, † 22. 5. 1935 Berlin. Nach dem Studium der Medizin an den Universit¨aten Bonn, W¨urzburg und M¨unchen wurde C. 1887 in W¨urzburg promoviert (Ueber das Sch¨atzen von Distanzen bei Bewegung von Arm und Hand) und widmete sich dann dem Gebiet der Physiologie, f¨ur das er sich 1893 an der Univ. M¨unchen habili¨ tierte (Uber das Verhalten einiger Zuckerarten im thierischen Organismus). Seit 1901 war er dort a. o. Prof., u¨ bernahm 1908 einen Lehrauftrag an der TH M¨unchen und wurde 1909 Direktor des Physiologischen Instituts der Stadt K¨oln sowie ordentliches Mitglied der K¨olner Akademie f¨ur praktische Medizin. Zwei Jahre sp¨ater folgte er dem Ruf als Ordinarius f¨ur Physiologie und Direktor des Physiologischen Instituts der Tier¨arztlichen Hochschule nach Berlin. Daneben war er Herausgeber der „Beitr¨age f¨ur Physiologie“ und ver¨offentlichte u. a. Ursache der elektrischen Erscheinungen (1928). C. wurde 1909 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Er war der Vater von Erika → C. ¨ 2, 3 C Arzte

Cremeri, (Benedikt Dominik) Anton, Pseud. Kaspar Reinberg, Schauspieler, Schriftsteller, * 13. 8. 1752 Wien, † 1795 Wien. C. begann 1769 seine B¨uhnenlaufbahn als Schauspieler, stand 1770 in Hermannstadt auf der B¨uhne und wurde 1772 Theaterdirektor in Temesvar, wo er das regelm¨aßige Schauspiel einf¨uhrte. 1774 / 75 wirkte er wiederum in Hermannstadt und wurde 1776 als Mitglied der Wahrschen Gesell¨ schaft engagiert. Nach seiner Ubersiedlung nach Linz beendete C. seine B¨uhnenkarriere, um sich seiner literarischen T¨atigkeit widmen zu k¨onnen; er bet¨atigte sich vorwiegend

Creutz als Dramatiker. 1779 wurde er Zensurbeamter, 1789 Regierungskonzipist in Linz. Er ver¨offentlichte zahlreiche Dramen (u. a. Der Bauernaufstand ob der Enns, 1792; Der gute Kaiser, 1794) und war Herausgeber der Wochenschrift „Der Ausschreiber“ (1777).

Cremerius, Johannes, Psychosomatiker, * 16. 5. 1918 Moers / Rhein, † 15. 3. 2002 Freiburg / Breisgau. C. studierte Medizin in M¨unchen und Freiburg / Breisgau ¨ und wurde 1944 mit der Dissertation Uber die Ver¨anderungen des Elektroencephalogramms (EEG) nach Elektroschockbehandlung promoviert. 1950-60 war er Leiter der psychosomatischen Beratungsstelle der Medizinischen Poliklinik in M¨unchen und habilitierte sich 1965 in Gießen mit der Arbeit Die Prognose funktioneller Syndrome. Ein Beitrag zu ihrer Naturgeschichte. Nach a¨ rztlicher T¨atigkeit an der dortigen Psychosomatischen Klinik wurde C. 1972 als Ordinarius und erster Direktor der neu gegr¨undeten Psychosomatischen Universit¨atsklinik nach Freiburg / Breisgau berufen. Seine Forschungen galten psychischen und psychosomatischen Krankheiten, der Behandlungstechnik, der psychoanalytischen Ausbildung und dem Verh¨altnis von Psychoanalyse, Literatur und Kunst. C. ver¨offentlichte u. a. Psychotherapie als Kurzbehandlung und in der Sprechstunde (1951), Was ist S¨uchtigkeit? (1961), Die Beurteilung des Behandlungserfolges in der Psychotherapie (1961), Zur Theorie und Praxis der psychosomatischen Medizin (1978), Psy¨ choanalyse, Uber-Ich und soziale Schicht (1979), Vom Handwerk des Psychoanalytikers (1984, italien. 1985) und Freud und die Dichter (postum 2003).

Cremers, (Paul) Joseph, Journalist, Schriftsteller, * 8. 2. 1897 Aachen, † 14. 7. 1941 Bonn. Der Sohn eines Buchhalters studierte in Bonn Germanistik, wurde dort bei Berthold → Litzmann zum Dr. phil. promoviert und war 1922-37 als Kunstredakteur der „RheinischWestf¨alischen Zeitung“ t¨atig. 1920 gab er die Monatszeitschrift „Sch¨opfung. Kunst, Religion, Gemeinschaft“ heraus und war 1923 / 24 an der Redaktion des zweib¨andigen Jahrbuchs f¨ur Drama und B¨uhne „Deutsches Theater“ beteiligt. Neben seiner publizistischen T¨atigkeit trat C. seit Anfang der zwanziger Jahre als Dramatiker hervor; er ver¨offentlichte 1933 das St¨uck Die Marneschlacht, 1935 das Schauspiel Richelieu und schrieb eine Reihe von Kom¨odien, darunter Das Gastmahl der G¨otter (1936). Seit 1938 lebte er in Bonn. C NDB Creplin, Friedrich Heinrich Christian, Naturforscher, * 29. 10. 1788 Wolgast, † 23. 3. 1863. C. studierte in Greifswald und Berlin Naturwissenschaften und Medizin, wurde 1811 mit der Dissertation Animadversiones in respirationem hominis et animalium promoviert und ließ sich in Wolgast als praktischer Arzt nieder. Seit 1830 als Assistent am Botanischen Garten und Zoologischen Museum in Greifswald t¨atig, wurde er 1853 Konservator des Zoologischen Museums. C., 1860 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen, besch¨aftigte sich vor allem mit der Erforschung der niederen Tierklassen, legte privat und f¨ur das Museum eine reiche Sammlung dieser Tierklassen an und erwarb sich einen ¨ Ruf als bedeutender Helminthologe. Neben Ubersetzungen naturwissenschaftlicher Werke aus dem Schwedischen und D¨anischen ver¨offentlichte er u. a. Observationes de entozois (2 Bde., 1825-29) und Beschreibung der Eingeweidew¨urmer des Dicholophus cristatus (1854).

Crespel, (Johann) Bernhard, Archivar, * 27. 3. 1747 Frankfurt / Main, † 24. 11. 1813 Laubach (Hessen). Der Jugendfreund → Goethes besuchte verschiedene Jesuitenschulen, studierte Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Paris, W¨urzburg, Wetzlar und G¨ottingen, kehrte auf

Wunsch seines Vaters, eines Juwelenh¨andlers, ohne Promotion 1770 in seine Heimatstadt Frankfurt zur¨uck, um in Thurn-und-Taxis’sche Dienste zu treten. Nach kurzem Aufenthalt am Regensburger Hof trat C. in Frankfurt / Main die Stelle eines Archivars an, wurde zum Hofrat ernannt und zog sich schließlich 1794 nach Laubach zur¨uck, um sich naturphilosophischen Studien zu widmen. C. nahm am geselligen Leben im Kreis um Goethe teil, war ein Freund Sophie → La Roches und deren Tochter Maximiliane und ging als literarische Gestalt des Bernardo in die erste Fassung von Goethes Singspiel Erwin und Elmire sowie in E. T. A. → Hoffmanns C Hess Bio, Bd 3 Novelle Rat Krespel ein.

Cretius, Konstantin Johann Franz, Maler, * 6. 1. 1814 Brieg, † 26. 7. 1901 Berlin. Der aus Schlesien stammende C. widmete sich fr¨uh der Malerei und erhielt Unterricht in verschiedenen Ateliers seiner Heimatstadt, bevor er 1835 nach Berlin kam, um an der dortigen Akademie sowie im Atelier Wach seine Studien zu vervollkommnen. 1838 erhielt er f¨ur sein Gem¨alde Jakobs Trauer um Joseph den großen akademischen Preis, der ihm 1839-42 Studien im Ausland erm¨oglichte, im Zuge derer er Br¨ussel, Paris sowie Palermo besuchte und ein Jahr in Rom verbrachte. Seit 1842 wieder in Berlin ans¨assig, ging C. 1846 im Auftrag des K¨onigs von Preußen nach Konstantinopel, um dort den Sultan Abdul Medschid zu portr¨atieren. 1860 wurde er ordentliches Mitglied der Berliner Akademie und 1868 f¨ur sein Gem¨alde Gefangene Kavaliere vor Cromwell mit der großen goldenen Medaille ausgezeichnet. Besonderen Erfolg hatte C. mit seinen Sittenbildern (Weinerntefest in Ischia, 1850), zu denen ihn sein Italienaufenthalt angeregt hatte. Sp¨ater verließ er das volkst¨umliche Genre, um sich der Historienmalerei zu widmen. C AKL

Cretzschmar, Philipp Jakob, Anatom, Zoologe, * 11. 6. 1786 Sulzbach / Taunus, † 4. 5. 1845 Frankfurt / Main. C., Sohn eines Pfarrers, studierte seit 1804 in W¨urzburg bei → Schelling Naturphilosophie, sp¨ater Medizin in Halle. 1807 durch Napoleon relegiert, schloß er in W¨urzburg das Studium 1808 mit der Promotion ab (De catarrho intestinali). ¨ Unter die praktizierenden Arzte von Frankfurt aufgenommen, war C. als Arzt bei der franz¨osischen Armee zun¨achst in verschiedenen Milit¨arspit¨alern Deutschlands t¨atig. Daneben arbeitete er als Chirurg in Wien und Paris sowie in der katalonischen Armee in Spanien. Nach dem sich anschließenden Studium der Geburtshilfe bei Adam Elias von → Siebold in W¨urzburg war er als praktischer Arzt in Frankfurt t¨atig, bis ihm die Administration des Senckenbergischen Medizinischen Instituts eine Lehrstelle f¨ur Anatomie, sp¨ater auch f¨ur Zoologie u¨ bertrug. 1817 gr¨undete C. die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft, deren Leitung er fast dreißig Jahre lang innehatte; mit selbsthergestellten Pr¨aparaten legte er den Grundstock der Naturwissenschaftlichen Sammlungen des Museums. 1828 wurde C. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Er ver¨offentlichte u. a. Beitr¨age zu der Lehre von dem Leben (2 Tle., 1840). C NDB Creutz, Ehrenreich Bogislav von, Beamter, * um 1670 Stargard, † 13. 2. 1733 Berlin. C. studierte an der Univ. Frankfurt / Oder Rechtswissenschaften und wurde mit Unterst¨utzung des Grafen von Wartenberg Oberauditeur im Regiment des Kronprinzen → Friedrich Wilhelm. 1705 wurde er zum pers¨onlichen Hof- und Kammerrat des Kronprinzen ernannt, hatte nach dessen Thron¨ besteigung die wichtigsten Amter im preuß. Staat inne und arbeitete eng mit diesem zusammen, so daß er als erster preuß. Geheimer Kabinettssekret¨ar gelten kann. Seit 1713 Generalkontrolleur aller Kassen, erhielt C. 1719 die Stellung

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Creutz des Oberdirektors des Generalfinanzdirektoriums und wurde schließlich 1723 vom K¨onig zum dirigierenden Minister des neugegr¨undeten Generaldirektoriums ernannt. Seit 1725 war er Oberdirektor des Medizinalwesens f¨ur ganz Preußen.

Creutz, Friedrich Carl Casimir Frh. von, auch Creuz, Diplomat, Schriftsteller, Philosoph, * 24. 11. 1724 Homburg v. d. H., † 6. 9. 1770 Homburg v. d. H. Der einem verarmten schlesisch-s¨achsischen Adelsgeschlecht entstammende C. wurde von seinem G¨onner Friedrich IV. von Hessen-Homburg 1746 zum Hof- und Staatsrat mit Sitz und Stimme in der Regierung ernannt und blieb sein Leben lang im Dienst des homburgischen Hauses. Seit 1751 hatte er das Amt des obersten Staatsrats inne und bem¨uhte sich um die Beilegung des Streits zwischen den H¨ausern Hessen-Darmstadt und Hessen-Homburg. Aufgrund geschickter diplomatischer Interventionen in Berlin und Wien konnte er der Sache Hessen-Homburgs schließlich zum Sieg verhelfen. Neben seiner T¨atigkeit im Staatsdienst war C. Verfasser staats- und rechtswissenschaftlicher Schriften (u. a. Der wahre Geist der Gesetze, 1766), die auf den Gedanken Montesquieus basieren und in erster Linie der Verteidigung seines Herrscherhauses dienten. Dar¨uber hinaus bet¨atigte er sich in einem Versuch u¨ ber die Seele (2 Tle., 1753 / 54) als philosophierender Gelegenheitsschriftsteller, verfaßte Oden traditionellen Stils und schrieb in der Nachfolge Albrecht von → Hallers und Edward Youngs elegische Lehrgedichte (u. a. Lucrezische Gedanken), in denen er moralisierend-didaktische Tendenzen der Fr¨uhaufkl¨arung mit metaphysischem Gedankengut und sp¨atbarocker VanitasMotivik verband. C Killy Creutzburg, Nikolaus, Geograph, * 10. 4. 1893 F¨unfh¨ofen / Strenlo (Prov. Posen), † 1. 10. 1978 Freiburg / Breisgau. Der Sohn eines Gutsbesitzers studierte seit 1912 an den Universit¨aten M¨unchen und Wien Geographie, Geologie und Pal¨aontologie und wurde nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1920 promoviert (Glazialmorphologische Studien in der Ankogel-Hochalmspitzgruppe). Seit 1922 Assistent am Geographischen Institut der Univ. M¨unster, habilitierte er sich 1924 und wurde 1928 a. o. Prof. an der TH Danzig, 1936 o. Prof. an der TH Dresden. Nach der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg seit 1947 Dozent in G¨ottingen, seit 1948 Lehrstuhlvertreter an der Univ. Freiburg / Breisgau, war er dort 1951-61 o. Prof. der Geographie. C. war seit 1936 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, seit 1967 auch der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Er ver¨offentlichte u. a. Kultur im Spiegel der Landschaft (1930), Atlas der Freien Stadt Danzig (1936), Freiburg und der Breisgau. Ein F¨uhrer durch Landschaft und Kultur (1954) und 1977 eine geologische Karte der Insel Kreta (1 : 200 000). 1938-44 gab C. „Petermanns Geographische Mitteilungen“ heraus. C Altpreuß Biogr, Bd 4 Creutzfeldt, Hans Gerhard, Psychiater, Neurologe, * 2. 6. 1885 Harburg / Elbe, † 30. 12. 1964 M¨unchen. Nach dem Studium an den Universit¨aten Jena, Rostock und Kiel (1909 Dr. med., Ein Beitrag zur normalen und pathologischen Anatomie der Hypophysis cerebri des Menschen) war C. am Hamburger St.-Georg-Krankenhaus, am Frankfurter Neurologischen Institut sowie an der Deutschen Forschungsanstalt f¨ur Psychiatrie in M¨unchen t¨atig. 1920 habilitierte er sich in Kiel und wurde 1926 zum Extraordinarius f¨ur Psychiatrie und Neurologie an der Univ. Berlin ernannt, wo er zugleich als Oberarzt der Charit´e t¨atig war. 1938 wurde C. o. Prof. und Direktor der Universit¨ats-Nervenklinik in Kiel, wo er bis zu seiner Emeritierung 1953 wirkte. Von der britischen Milit¨arregierung wurde er 1945 / 46 als Rektor eingesetzt. Neben zahlreichen Abhandlungen u¨ ber Klinik und

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Histopathologie der Psychosen und der organischen Nervenkrankheiten (u. a. Histologische Besonderheiten und funktionelle und pathologische Ver¨anderungen der nerv¨osen Zentralorgane, 1929) ver¨offentlichte er Untersuchungen u¨ ber Anatomie und Pathologie der Hypophyse. C. war der Va¨ ter von Otto → C. C Arzte 2, 3

Creutzfeldt, Otto, Neurologe, * 1. 4. 1927 Berlin, † 23. 1. 1992 G¨ottingen. Der Sohn von Hans Gerhard → C. studierte seit 1945 Theologie, Geschichte und Philosophie an den Universit¨aten Kiel und T¨ubingen, seit 1948 Medizin an den Universit¨aten Kiel, Heidelberg und Freiburg und wurde 1953 promoviert (Der elektrisch ausgel¨oste Ammonshornkrampf und seine Ausbreitung auf andere Hirnregionen). 1953-59 als Assistent in Freiburg und Bern t¨atig, ging er dann an die Medical School des University College of Los Angeles, arbeitete 1962-71 am Max-Planck-Institut f¨ur Psychiatrie in M¨unchen, war seit 1968 Vorstand des Instituts f¨ur Neurophysiologie und wechselte anschließend an das Max-Planck-Institut f¨ur Biophysische Chemie in G¨ottingen, wo er das Institut f¨ur Neurobiologie gr¨undete. C., einer der f¨uhrenden experimentellen Neurologen und Neurophysiologen, besch¨aftigte sich vor allem mit elektrophysiologischen Vorg¨angen im Gehirn und m¨oglichen Zusammenh¨angen mit der menschlichen Kognition. Er war 1968-92 Herausgeber der Zeitschrift „Experimental Brain Research“ und ver¨offentlichte u. a. Cortex Cerebri (1983) und The principles of design and operation of the brain (1990, mit Sir John Eccles). C. war Mitglied der G¨ottinger Akademie der Wissenschaften und seit 1990 der Pontifica Academia Scientiarum.

Creuzer, Georg Friedrich, auch Creutzer, Klassischer Philologe, * 10. 3. 1771 Marburg / Lahn, † 16. 2. 1858 Heidelberg. Der Sohn eines Buchbinders studierte seit 1789 zun¨achst Theologie und Philosophie in Marburg, wechselte 1790 / 91 in Jena auf Anregung Karl Leonhard → Reinholds und → Schiller s zu Philologie und Literaturgeschichte u¨ ber und kehrte 1791 nach Marburg zur¨uck, wo er sich auf Anraten Friedrich Carl von → Savignys f¨ur alte Geschichte und klassische Literatur habilitierte. C. erhielt dort 1800 eine a. o., 1802 eine o. Professur f¨ur griechische Sprache und Eloquenz und wurde 1804 als o. Prof. an den Lehrstuhl der Philologie und alten Geschichte nach Heidelberg berufen, wo er, von einer dreimonatigen Professur an der Univ. Leiden 1809 abgesehen, bis zu seiner Emeritierung 1845 t¨atig war. In Heidelberg geh¨orte er bald zum Kreis der Romantiker um → G¨orres, → Brentano und → Arnim, an deren literarischen Bestrebungen und Fehden er u. a. durch die zusammen mit dem Theologen Karl → Daub herausgegebenen Studien (6 Bde., 1805-11) regen Anteil nahm. In den von ihm redigierten „Heidelberger Jahrb¨uchern der Literatur“ (seit 1807) erschienen auch Dramen Caroline von → G¨underodes, die nach ihrer ungl¨ucklichen Liebesbeziehung zu C. Selbstmord begangen hatte. In seinem Hauptwerk Symbolik und Mythologie der alten V¨olker, besonders der Griechen (4 Bde., 1810-12) entwickelte er sich zum „Symboliker“ und begr¨undete die Mythologie als Wissenschaft. Obgleich seine Konzeption schon zu seinen Lebzeiten, u. a. von Johann Heinrich → Voß’ Antisymbolik, im wesentlichen widerlegt wurde, hatte die von C. ausgel¨oste Debatte u¨ ber den Rang des symbolischen Denkens insbesondere auf die Altertumskunde und Religionsphilosophie des 19. Jh. nachhaltige Wirkung. C Killy

Crev´e, Johann (Caspar Ignaz Anton), Mediziner, * 28. 10. 1769 Koblenz, † 7. 7. 1853 Eltville. Das Studium der Medizin an der Univ. Mainz schloß C., Sohn eines Beamten, 1792 mit der Promotion ab (De fracturis ossium pelvis), erhielt im folgenden Jahr eine a. o.

Croaria Professur und war als Hof- und Medizinalrat sowie als Beisitzer der Medizinischen Fakult¨at t¨atig. 1812 u¨ bersiedelte er nach Frankfurt / Main, wo er zum herzoglich Nassauischen Geheimrat ernannt wurde und sich eine eigene Praxis aufbaute; er war korrespondierendes Mitglied der Herzoglich-Nassauischen Sanit¨atskommission, der er seit 1808 angeh¨orte. C. ver¨offentlichte u. a. Beitr¨age zu Galvanis Versuchen u¨ ber die Kr¨afte der thierischen Elektricit¨at auf die Bewegung der Muskeln (1793), Medicinische Versuche einer modernen Kleidung, die Br¨uste betreffend (1794) und Vom Baue des weiblichen Beckens (1794).

Criegee, Rudolf, Chemiker, * 23. 5. 1902 D¨usseldorf, † 7. 11. 1975 Karlsruhe. Der aus einer Juristenfamilie stammende C. studierte Chemie in T¨ubingen, Greifswald und W¨urzburg, wo er 1925 promoviert wurde (Die Einwirkung von Acridiniumsalzen auf kupplungsf¨ahige Substanzen) und sich 1930 habilitierte (Die Oxydation unges¨attigter Kohlenwasserstoffe mit Blei(4)-Salzen). 1932 ging er als Oberassistent an die Univ. Marburg und war seit 1937 a. o. und 1947-69 o. Prof. der organischen Chemie an der TH Karlsruhe. C. galt als herausragender Experimentator, besch¨aftigte sich vor allem mit der Oxydation organischer Verbindungen und war maßgeblich an der Darstellung und Untersuchung verschiedener Cyclobutadienderivate beteiligt. Nach ihm ist die Criegeesche Glykol-(Diol-)Spaltung benannt. C. war seit 1955 Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und seit 1968 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. C Wußing

den Willen der Fakult¨at zum Nachfolger Karl → Bonhoeffers an die Berliner Charit´e berufen. Seit 1940 war er als Ministerialreferent beim Reichsminister f¨ur Erziehung, Wissenschaft und Volkbildung verantwortlich f¨ur Berufungs- und Ausstattungsangelegenheiten s¨amtlicher Medizinischer Fakult¨aten im Deutschen Reich; 1944 erfolgte seine Ernennung zum Beratenden Psychiater beim Heeressanit¨atsinspekteur. C. war seit 1939 maßgeblich an der Vorbereitung und Umsetzung von Euthanasiemaßnahmen im „Dritten Reich“ beteiligt. Er ver¨offentlichte u. a. Die Beteiligung der humoralen Lebensvorg¨ange des menschlichen Organismus am epileptischen Anfall (1920), Der menschliche Gesichtsausdruck und seine diagnostische Bedeutung (1942) und Der Affekt und seine k¨orperlichen Grundlagen (1944, Nachdr. 1973). Seit 1943 war er Mitglied der Deutschen Akademie der Natur¨ forscher Leopoldina. C. beging Selbstmord. C Arzte 2, 3

Crinis, Max(iminian) de, Psychiater, Neurologe,

Crispien, Arthur, Politiker, * 4. 11. 1875 K¨onigsberg, † 29. 11. 1946 Bern. C., Sohn eines Malers, arbeitete zun¨achst als Theatermaler, sp¨ater als Krankenkassenangestellter, bevor er 1904-12 in K¨onigsberg und Danzig als Redakteur der sozialdemokratischen „Freien Volkszeitung“ t¨atig war und 1906-12 als Parteisekret¨ar der SPD in Westpreußen fungierte. Seit 1912 Redakteur der „Schw¨abischen Tagwacht“ in Stuttgart, mußte er 1914 aus der Redaktion ausscheiden, weil er gegen die Bewilligung der Kriegskredite durch die SPD protestiert hatte. Anschließend Redakteur des Stuttgarter Blatts „Der Sozialdemokrat“ und F¨uhrer einer innerparteilichen Opposition in W¨urttemberg, wurde C. 1916 wegen politischer Vergehen f¨ur sechs Monate inhaftiert, dann zum Kriegsdienst einberufen. 1918 / 19 geh¨orte er f¨ur wenige Wochen als Innenminister und stellvertretender Ministerpr¨asident der w¨urttembergischen Revolutionsregierung an und wurde auf dem ersten Nachkriegsparteitag der USPD zusammen mit Hugo → Haase zum Parteivorsitzenden gew¨ahlt. 1920 war er Angeh¨origer einer Delegation nach Moskau, die u¨ ber den Anschluß der Partei an die Kommunistische Internationale verhandelte, kehrte jedoch als entschiedener Gegner des Bolschewismus zur¨uck und blieb nach der Spaltung der Partei 1920 einer der Vorsitzenden der Rest-USPD. Nach der von ihm gef¨orderten Vereinigung mit der SPD 1922 wurde C. einer der drei Vorsitzenden der SPD. Seit 1922 Reichstags¨ abgeordneter, emigrierte er im M¨arz 1933 u¨ ber Osterreich in die Schweiz, wo er sich f¨ur den Prager Exilvorstand seiner Partei engagierte und an Hilfsorganisationen f¨ur politisch und rassisch Verfolgte beteiligte. C. ver¨offentlichte u. a. Abrechnung mit den Mehrheitssozialisten (1919) und Sozialdemokratie und die Reparationen (1932). C Altpreuß Biogr, Bd 3

* 29. 5. 1889 Ehrenhausen (Steiermark), † 30. 4. 1945 Berlin. C., Sohn eines Arztes, studierte seit 1907 Medizin in Graz und Innsbruck, wurde 1912 in Innsbruck promoviert, war Assistent an den Instituten f¨ur Medizinische Chemie in Innsbruck und Graz und seit 1913 Assistent an der Nervenklinik in Graz. Dort habilitierte er sich 1920 f¨ur Neuropathologie und Psychiatrie und wurde 1924 zum a. o. Prof. ernannt. Infolge seines Engagements f¨ur den „Steirischen Heimatschutz“, der 1933 der NSDAP angeschlossen wurde, verlor C. 1934 seine Lehrbefugnis, wurde vor¨ubergehend inhaftiert, konnte aber nach Jugoslawien fliehen und wurde im selben Jahr als Nachfolger des aus dem Amt vertriebenen Gustav → Aschaffenburg Prof. f¨ur Psychiatrie und Neurologie an der Univ. K¨oln. Seit 1935 Vorstandsmitglied der Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater und seit 1936 SS-Mitglied (zuletzt SS-Standartenf¨uhrer), f¨uhrte C. erbbiologische Forschungen durch und wurde C. 1938 gegen

Croaria, Hieronymus von, Jurist, * um 1460 Konstanz, † 1527. Der aus Konstanz stammende C. begann 1476 in Basel das Studium der Rechtswissenschaften, das er 1486 in T¨ubingen fortsetzte; er wurde dort zum Dr. jur. utr. promoviert und hatte seit demselben Jahr eine Professur inne. 1497 wurde er als Primarius Ordinarius des kanonischen Rechts nach Ingolstadt berufen, wo er mit Unterbrechungen bis 1511 t¨atig war und 1500 die Akten und Beschl¨usse des Konstanzer Konzils herausgab. Als Mitglied des Hofgerichts befand sich C. unter den f¨urstlichen R¨aten Herzog → Georgs von Bayern-Landshut; seit 1504 war er Rat und Diener Herzog → Albrechts IV. von Bayern, seit 1509 des Herzogs von W¨urttemberg. 1507-09 amtierte er als Fiskalprokurator am Reichskammergericht. 1515-27 Konsulent und Rechtsberater der Stadt N¨urnberg, war C. 1516 / 17 kaiserlicher Bundesrichter des Schw¨abischen Bundes und gleichzeitig

Criginger, Johannes, auch Crigingerus, Kr¨uger, luth. Prediger, Schriftsteller, Kartograph, * August / September 1521 Joachimsthal, † 27. 12. 1571 Marienberg. Der aus dem Erzgebirge stammende C. besuchte die Lateinschule seiner Heimatstadt, begann das Studium 1538 in Wittenberg und wechselte 1540 nach Leipzig, 1541 nach T¨ubingen. Seit 1543 Lehrer in Crimmitschau, ver¨offentlichte er zwei Jahre sp¨ater sein Drama Tragoedia von Herode und Joanne dem Taufer. 1544 erlangte C. in Wittenberg den Magistergrad, war 1544-47 Lehrer in Marienberg und stellte vermutlich 1546 einen Teil der Tischreden → Luthers zusammen. 1547 in Wittenberg zum Prediger ordiniert, wurde er wenig sp¨ater Hofprediger des Grafen Lorenz von Schlick im b¨ohmischen Luditz, im folgenden Jahr Diaconus, 1551 Archidaconus und 1559 Pfarrer an St. Marien in Marienberg. C. war auch als Kartograph bekannt; seine Karten der wettinischen Lande und von B¨ohmen wurden bis ins 18. Jh. hinein nachgedruckt. C NDB

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Crocius pfalz-neuburgischer Rat. 1524 trat C. ein letztes Mal politisch in Aktion, als er sich um die Einigung aller Wittelsbacher zur Sicherung der Kurw¨urde und gegenseitigen Erbfolge bem¨uhte. C LMU

Crocius, Christian Friedrich, Mediziner, Orientalist, * 26. 9. 1623 Bremen, † 13. 8. 1673 Marburg. Der Sohn des Theologen Ludwig → C. begann 1643 das Studium der Medizin und der orientalischen Sprachen an der Univ. Leiden und setzte es 1647 zun¨achst in Helmstedt, sp¨ater in Basel fort, wo er 1650 zum Dr. med. promoviert wurde. In seine Heimatstadt zur¨uckgekehrt, wurde er 1651 Prof. der Medizin und der orientalischen Sprachen am dortigen Gymnasium und erhielt 1653 in gleicher Stellung einen Ruf an die neuerrichtete Univ. Marburg. Seit 1665 kurf¨urstlicher Hofmedikus, erhielt er 1669 die Leitung der Medizinischen Fakult¨at in Marburg. C. verfaßte eine Reihe von medizinischen Abhandlungen, darunter Positiones medicae de haemorrhoidum natura et curatione (1658).

Crocius, Johann, reformierter Theologe, * 28. 7. 1590 Laasphe, † 1659 Marburg / Lahn. C. war der Sohn von Paul → C. und der Bruder von Ludwig → C. Er studierte zun¨achst in Marburg bei Gregor → Sch¨onfeld und Raphael → Eglin und wurde 1608 zum Magister promoviert. Bei Christoph → Pezel und Matthias → Martinius in Bremen setzte er seine Studien fort und wurde schließlich in Marburg zum Dr. theol. promoviert und 1612 Hofprediger des Landgrafen in Kassel. Anschließend war er mehrere Jahre in Berlin, um die Durchsetzung der reformierten Bestrebungen des Kurf¨ursten → Johann Sigismund von Brandenburg zu unterst¨utzen. 1616 / 17 befand sich C. in K¨onigsberg, wo er wegen der ersten reformierten Abendmahlsfeier in eine literarische Fehde mit Johann → Behm trat. 1619 wurde er Professor primarius der Theologie an der Univ. Marburg, zudem Konsistorialrat und Vorsteher der reformierten hessischen Landeskirche. 1624 mußte C. Marburg wegen der Einf¨uhrung des Luthertums verlassen, lehrte dann an der reformierten Hohen Schule in Kassel, die 1633 unter ihm als erstem Rektor f¨ur zwanzig Jahre zur Univ. erhoben wurde, und kehrte schließlich 1653 als Rektor der erneuerten Univ. nach Marburg zur¨uck. Als theologischer Schriftsteller verfaßte C. zahlreiche Streitschriften, in denen er vor allem f¨ur die Gleichberechtigung der beiden evang. Konfessionen eintrat; er war maßgeblich an der hessischen Kirchenordnung von 1657 beteiligt. C NDB

Crocius, Ludwig, reformierter Theologe, * 29. 3. 1586 Laasphe, † 7. 12. 1655 Bremen. C. war der Sohn von Paul → C. und der Bruder von Johann → C. Er studierte an den Universit¨aten Marburg und Basel Theologie, war Pastor an verschiedenen Bremer Stadtkirchen und wurde 1624 Senior sowie Superintendent der Bremer Kirche. Er war als Prof. am Gymnasium illustre t¨atig, dessen Leitung er sp¨ater u¨ bernahm. 1618 / 19 vertrat C. die Bremische Kirche zusammen mit Matthias → Martinius und Heinrich Isselburg auf der Synode zu Dordrecht und galt als Repr¨asentant der sogenannten Bremer Theologenschule, die der strengen calvinistischen Pr¨adestinationslehre zur¨uckhaltend gegen¨uberstand. Neben einer Reihe von Streitschriften gegen kath., luth. und sozinianische Theologen gilt das 1635 erschienene Syntagma sacrae theologiae als C.’ theologisches Hauptwerk, dessen Erscheinen die streng pr¨adestinatianischen Bremer Kreise dazu bewog, ausw¨artige Universit¨aten um Hilfe zu ersuchen. Er war der Vater des Mediziners und Orientalisten Christian Friedrich → C. C RGG

Crocius, Paul, reformierter Theologe, * 27. 7. 1551 Zwickau, † 5. 9. 1607 Bad Schwalbach (Hessen). C., Sohn eines luth. Predigers, studierte seit 1570 Theologie in Leipzig, Wittenberg, Heidelberg, Genf und Basel und

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wandte sich in dieser Zeit dem reformierten Bekenntnis zu. ¨ von Er war Prinzenerzieher bei den Grafen → Johann d. A. Nassau-Dillenburg und Ludwig zu Sayn-Wittgenstein in Berleburg und wurde 1582 in Basel zum Dr. theol. promoviert. 1583 erhielt C. mit Unterst¨utzung von Kaspar → Olevianus eine Stelle als Pastor und Inspektor zu Laasphe, lehnte jedoch einen Ruf als dessen Nachfolger an das P¨adagogium in Herborn ab und folgte statt dessen 1607 einer Berufung durch den Landgrafen → Moritz von Hessen als Inspektor der Grafschaft Katzenelnbogen und Pastor von Langenschwalbach, um dort das reformierte Bekenntnis ein¨ zuf¨uhren. C. machte sich vor allem als Ubersetzer theologischer Schriften verdient; so ver¨offentlichte er die M¨artyrergeschichte Jean Crespins sowie 1587 / 88 eine vierb¨andige Ausgabe der Predigten Calvins in deutscher Sprache. C. war der Vater der Theologen Johann und Ludwig → C. C NDB

Crodel, Carl (Fritz David), auch Charles C., Maler, Graphiker, * 16. 9. 1894 Marseille, † 28. 2. 1973 M¨unchen. C., Neffe Paul Eduard → C.s, kam f¨unfzehnj¨ahrig nach Deutschland, durchlief hier eine Lithographenlehre und studierte seit 1918 Kunstgeschichte und Arch¨aologie an der Univ. Jena. Er bildete sich autodidaktisch zum Maler aus und widmete sich in seinen k¨unstlerischen Arbeiten haupts¨achlich der farbigen Lithographie, wobei er durch die Werke Edvard Munchs und Ernst Ludwig → Kirchners beeinflußt wurde. Nach Studienaufenthalten, die ihn u. a. nach Schweden, Frankreich, Griechenland und Spanien f¨uhrten, unterrichtete C. seit 1927 Malerei und Graphik an der Kunstschule Halle, an der er 1945-51, nach dem Berufsverbot w¨ahrend des Nationalsozialismus, erneut t¨atig war. 1948 / 49 wirkte er an der Hochschule f¨ur bildende K¨unste in Berlin und wurde 1951 Prof. an der Staatlichen Hochschule der bildenden K¨unste in M¨unchen. C., der 1930 den D¨urer-Preis der Stadt N¨urnberg erhielt, schuf neben zahlreichen Wandbildern farbige Holzschnitte, Radierungen, Mosaike und Glas¨ bilder sowie eine Reihe von Olgem¨ alden. 1949 erschien sein vom ihm illustriertes Buch Erschreckliche Geschichte vom H¨uhnchen und vom H¨ahnchen. C AKL Crodel, Paul Eduard, Maler, * 7. 9. 1862 Cottbus, † 28. 7. 1928 Dietramszell (Oberbayern). C. studierte 1882-85 Malerei bei Woldemar → Friedrich und Theodor → Hagen in Weimar, 1885-88 in Karlsruhe bei dem Landschaftsmaler Hermann → Baisch und unternahm im Anschluß daran Studienreisen nach Frankreich, Holland, Norddeutschland und in die Schweiz. Seit 1888 in M¨unchen ans¨assig, z¨ahlte er seit Gr¨undung der M¨unchner Sezession 1891 zu deren angesehensten Mitgliedern und stellte dort fast allj¨ahrlich aus. Als eigenst¨andiger, vom Einfluß der M¨unchner Malschule des 19. Jh. unabh¨angiger Landschaftsmaler beschickte C. wiederholt die Berliner Sezession, 1901 und 1909 den M¨unchner Glaspalast. C AKL Cr¨onlein, Maria, schweizer. kath. Frauenpolitikerin, * 24. 3. 1883 Altdorf (Kt. Uri), † 20. 11. 1943 Altdorf. C., Tochter eines Buchbinders, besuchte nach einer T¨atigkeit als Haush¨alterin in der N¨ahe von Ludwigshafen die soziale Frauenschule sowie Vorlesungen der Univ. Heidelberg. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs als Samariterin in Freiburg / Breisgau t¨atig, kehrte sie nach ernsthafter Erkrankung in den Kt. Uri zur¨uck. 1916-19 war C. Propagandasekret¨arin, 1919-25 Generalsekret¨arin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds. Sie baute die weibliche Berufsberatung auf, gr¨undete 1918 die Sozial-Caritative Frauenschule Luzern, deren erste Leiterin sie bis 1930 war, und redigierte 1918-23 „Die katholische Schweizerfrau“. Die Zusammenarbeit mit nichtkatholischen Frauenorganisationen lehnte C. ab. C HLS

Crola Croissant, August, Maler, Graphiker, * 6. 2. 1870 Edenkoben / Pfalz, † 14. 1. 1941 Landau / Pfalz. C. durchlief eine Lehre als T¨uncher im Gesch¨aft seines Vaters. 1885-87 besuchte er die Kreisbaugewerbeschule und seit 1888 die Kunstgewerbeschule N¨urnberg, wo er u. a. Kurse in Ornamentzeichnen und Dekorationsmalerei belegte und Friedrich → Wanderer und Carl Fleischmann zu seinen Lehrern geh¨orten. Erg¨anzende Studien f¨uhrten ihn 1902-05 an die Malschulen Debschitz und Leonhard in M¨unchen. Zusammen mit seinen Br¨udern Wilhelm und Philipp u¨ bernahm C. 1891 in Landau ein Dekorationsgesch¨aft. Er bereiste die ¨ Schweiz, Italien, Pal¨astina und Agypten (1894 / 95), Venedig (1927) sowie Florenz, Rom, Ischia und Capri (1933). Zu seinen Werken z¨ahlen vom M¨unchner Jugendstil beeinflußte Arbeiten – dekorative Graphiken wie Buchillustrationen, Weinetiketten, Wein- und Speisekarten, M¨obelentw¨urfe und ¨ Metallgef¨aße – sowie Portr¨ats und Landschaften in Olmalerei. 1904 erhielt C. f¨ur den Entwurf eines M¨adchenzimmers die Gold-Medaille der Gewerbe-Ausstellung Kaiserslautern; seit 1907 war er Mitglied des Deutschen Werkbundes. Er war der Vater von Eugen → C. C AKL Croissant, Eugen (Philipp), Maler, Zeichner, Karikaturist, * 18. 10. 1898 Landau / Pfalz, † 2. 2. 1976 Urfahrn / Chiemsee. C., Sohn von August → C., studierte 1918-20 zun¨achst Architektur an der TH M¨unchen, 1920-22 bei Willi → Geiger und Julius → Diez an der dortigen Kunstgewerbeschule und 1923 / 24 bei Karl → Caspar an der M¨unchner Kunstakade¨ mie. Nach fr¨uhen Aquarell- und Olarbeiten arbeitete er vor allem als Karikaturist zeitkritischer, politischer und gesellschaftlicher Themen. Seine Werke erschienen in mehreren satirischen Zeitschriften, u. a. in den „Fliegenden Bl¨attern“, im „Simplicissimus“ und im „Nebelspalter“. Studienreisen f¨uhrten ihn nach Frankreich, Italien, Griechenland und Korsika. C. war seit 1930 Mitglied der „Neuen Sezession“, ließ sich nach Zerst¨orung seines Ateliers im Krieg (1943) am Chiemsee nieder, lehnte 1946 den Ruf auf eine Professur an der Akademie in M¨unchen ab und geh¨orte 1947 zu den Begr¨undern der „Neuen Gruppe“. Seit 1948 war er Mitglied der M¨unchner K¨unstlergenossenschaft. Am Chiemsee widmete sich C. nahezu ausschließlich der Landschaftsmalerei in Aquarell. C AKL Croissant, Hermann, Maler, * 17. 7. 1897 Landau / Pfalz, † 24. 3. 1963 Landau. Nach erstem Privatunterricht besuchte C., Sohn eines Dekorationsmalers, seit 1914 die Malschule → Knirr in M¨unchen und studierte 1915 / 16 auch bei Carl Johann → BeckerGundahl an der dortigen Akademie. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg an Tuberkulose erkrankt, verbrachte er mehrere Jahre in Sanatorien in Davos, Lugano und Burgberg (Sonthofen). 1922-27 arbeitete C. im eigenen Atelier in Berlin-Dahlem, wo er vor allem Portr¨ats schuf, und ging dann nach Landau. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs unternahm er Studienreisen im Auftrag der Nationalsozialisten. Nach 1945 geh¨orte C. bis 1958 der Arbeitsgemeinschaft Pf¨alzer Kunst und sp¨ater der Pf¨alzer K¨unstlergenossenschaft an. Der u. a. mit Max → Slevogt und Eugen → Spiro befreundete C. malte seit den zwanziger Jahren besonders Landschaften und Stilleben, zun¨achst mit expressionistischen Tendenzen, sp¨ater in traditioneller Gegenst¨andlichkeit. Hinzu kamen Wandmalereien in o¨ ffentlichen Geb¨auden, u. a. im Bezirkstag Kusel (1928), in der Fasanerie in Zweibr¨ucken (1941 / 42) und im St¨adtischen Krankenhaus in Landau (1955). C AKL Croissant, Michael, Bildhauer, Zeichner, * 7. 5. 1928 Landau / Pfalz, † 21. 9. 2002 M¨unchen. C., Sohn von Hermann → C., durchlief 1946-48 eine Steinmetz- und Bildhauerlehre in einer privaten Bildhauer-

schule und studierte 1948-53 an der M¨unchner Kunstakademie als Sch¨uler von Toni → Stadler (d. J.). 1966-88 hatte er eine Professur an der St¨adelschule in Frankfurt / Main inne, an der er die Leitung der Bildhauerklasse u¨ bernahm. In seinen Stein- und Metallplastiken setzte C. vor allem fig¨urliche Vorbilder um, zum Teil reduziert auf ihre geometrischen Grundformen. F¨ur sein k¨unstlerisches Schaffen erhielt er zahlreiche Preise, u. a. 1960 den Pfalzpreis, 1963 den Darmst¨adter Kunstpreis, 1965 den F¨orderpreis der Stadt M¨unchen und 1978 den Kunstpreis des Landes RheinlandPfalz. Seit 1972 war C. Mitglied der Bayerischen Akademie der Sch¨onen K¨unste. C AKL

Croissant-Rust, Anna (Flora Barbara), Schriftstellerin, * 10. 12. 1860 Bad D¨urkheim, † 30. 7. 1943 M¨unchen. Die Tochter eines Salineninspektors kam 1884 nach M¨unchen, wo sie als selbst¨andige Sprach- und Musiklehrerin t¨atig war. C.-R. trat in Kontakt zum Kreis um Michael Georg → Conrad, in dessen „Gesellschaft f¨ur modernes Leben“ sie als einziges weibliches Mitglied aufgenommen wurde. 1887 schrieb sie ihre erste Novelle Das Kind, die in Conrads Monatsschrift „Die Gesellschaft“ ver¨offentlicht wurde. Mit Feierabend. M¨unchner Arbeiter-Novelle (1890), einer Milieuschilderung, wurde sie einer großen Leserschaft bekannt. Seit 1888 verheiratet, zog C.-R. mit ihrem Mann 1895 nach Ludwigshafen und kehrte erst 1904 wieder nach M¨unchen zur¨uck, wo ihr Haus zu einem bekannten literarischen Treffpunkt wurde. 1906 bzw. 1908 ver¨offentlichte sie ihre beiden Romane Die Nann und Winkelquartett. Ihr 1914 erschienener Zyklus Der Tod, ein von Willi → Geiger illustrierter literarischer Totentanz, zeigt C.-R.s Stilentwicklung vom Jugendstil bis zu vorexpressionistischen Ans¨atzen. C Killy Crola, Georg Heinrich, eigentl. Croll, Maler, * 5. 6. 1804 Dresden, † 6. 5. 1879 Ilsenburg / Harz. C., Sohn eines Kaufmanns, verlebte seine Jugend bei seinen Großeltern in Meißen, wo er seine ersten k¨unstlerischen Anregungen erhielt; 1820 erschien er das erste Mal als Meißener Zeichensch¨uler auf der Dresdner Kunstausstellung. Dort erhielt er seine Ausbildung bei Johann Christian → Klengel und Johann David Schubert, lebte 1825-28 in Dresden und wurde von Caspar David → Friedrich und Johan Christian Clausen → Dahl gef¨ordert. 1830-38 lebte er in M¨unchen, wo er zu einem der f¨uhrenden Landschaftsmaler wurde, dessen Hauptmotiv der Eichenwald war. Seit 1840 mit der Zeichnerin und Tonbildnerin Elise Fr¨ankel verheiratet, ließ sich C. schließlich in Ilsenburg nieder. Von dort aus unternahm er Reisen nach Schweden, Italien und in die Schweiz. C. war der Vater von Hugo → C. C AKL Crola, Hugo (Georg Josef), Maler, * 30. 11. 1841 Isenburg / Harz, † 13. 6. 1910 Blankenburg / Harz. Der Sohn des Landschaftsmalers Georg Heinrich → C. war zun¨achst als Architekt t¨atig und wirkte unter Friedrich → Hitzig am Bau der neuen Berliner B¨orse mit, bevor er sich der Malerei zuwandte. 1861 / 62 studierte C. an der Kunstakademie in Berlin, 1862-67 an der D¨usseldorfer Kunstakademie als Sch¨uler von Eduard → Bendemann und Wilhelm → Sohn. Seit 1877 als Lehrer an dieser Akademie t¨atig, geh¨orte C. mit Peter → Janssen, Eduard von → Gebhardt und den Br¨udern Andreas und Oswald → Achenbach zu den wichtigen K¨unstlern der D¨usseldorfer Malerschule Ende des 19. Jahrhunderts. Sein bedeutendstes Werk ist ein Altarbild (1871) f¨ur die Kirche im kurl¨andischen Wahnen. Sp¨ater wandte sich C. fast ausschließlich der Portr¨atmalerei zu, schuf Bildnisse zahlreicher aristokratischer Pers¨onlichkeiten und wurde vor allem durch seine K¨unstlerbildnisse bekannt, u. a. mit dem Portr¨at Bendemanns (1885). C AKL

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Croll Croll, Oswald, auch Crollius, Mediziner, Naturforscher, * um 1560 Wetter (Hessen), † vor 21. 12. 1608 Prag. C., Sohn eines B¨urgermeisters, studierte seit 1576 in Marburg, sp¨ater wahrscheinlich in Straßburg und Genf und wurde um 1582 in Heidelberg zum Dr. med. promoviert. Er wurde Pr¨azeptor einer franz¨osischen Adelsfamilie und war seit 1590 Erzieher des Grafen Maximilian von PappenheimSt¨uhlingen. Als Hofmeister unternahm C. zahlreiche Reisen, war etwa 1596-98 als Arzt in Osteuropa t¨atig und kam 1598 als Leibarzt in den Dienst → Christians I. von AnhaltBernburg. C. diente dem F¨uhrer der protestantischen Union in den folgenden Jahren als Leibarzt und Diplomat, vertrat dessen Interessen in Prag und f¨uhrte dort seine Verhandlungen vor allem mit dem b¨ohmischen Magnaten Peter Wok von Rosenberg. Daneben geh¨orte er zu den Anh¨angern der paracelsischen Alchemie und opponierte gegen die aristotelische Schulwissenschaft und die luth. Orthodoxie. Er trat sowohl in Beziehung zu Paulus → Melissus und Ulrich Bollinger als auch zu Angeh¨origen des Prager Dichterkreises und war mit dem Dichter Theobald → Hock bekannt. 1609 erschien C.s Hauptwerk Basilica chymica, eine paracelsische Naturkunde, die erheblichen Einfluß auf das damalige medizinische Fachschrifttum aus¨ubte. C Killy Crollalanza, Johann Anton, auch Crollolanza, Jurist, † 9. 4. 1683 Ingolstadt. C. entstammte einer aus der Lombardei nach Tirol ausgewanderten Familie. Er studierte wahrscheinlich in Italien, wo er 1641 als Doktor beider Rechte nachgewiesen ist. Seit 1642 a. o. Prof. in Ingolstadt, wurde er 1643 o. Professor; 1671-78 hatte er den Lehrstuhl f¨ur Pandekten inne. C. war mehrfach Rektor der Univ. (1648 / 49, 1659 / 60, 1667, 1671, 1674 / 75), 1669 deren Gesandter auf dem bayerischen Landtag. C LMU Crollius, Georg Christian, auch Croll, Kroll, Historiker, P¨adagoge, * 21. 7. 1728 Zweibr¨ucken, † 23. 3. 1790 Zweibr¨ucken. Der Sohn eines Gymnasialrektors und Historikers und Enkel von Johann → C. begann 1748 in Halle das Studium der Theologie, das er 1750 in G¨ottingen fortsetzte, und war seit 1752 Lehrer am Gymnasium seiner Heimatstadt. 1767 trat er die Nachfolge seines Vaters als Rektor und Assessor des reformierten Oberkonsistoriums an. Er geriet jedoch mit der Regierung Herzog → Karls II. in Konflikt und floh 1777 nach Wetzlar, um die Rechte seiner Kirche zu verteidigen. Eine Berufung nach Detmold lehnte C. ab, kehrte rehabilitiert nach Zweibr¨ucken zur¨uck und wurde 1788 zum Hofrat und Mitglied der Schulkommission ernannt. Der Herzog u¨ bertrug ihm die Aufsicht u¨ ber die Bibliothek. Zusammen mit Friedrich Christian → Exner besorgte C. die „Editiones Bipontinae“, die seit 1779 erscheinenden Zweibr¨ucker Ausgaben der antiken Klassiker. Zum Hofhistoriographen ernannt, erarbeitete er die zweib¨andigen Origines Bipontinae (1757-69). 1759 wurde er Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften sowie der gelehrten Gesellschaft in Duisburg. C Leb Pfalz, Bd 4 Crollius, Johann (Lorenz), reformierter Theologe, * 6. 3. 1641 Rotenburg / Fulda, † 27. 9. 1709 Marburg / Lahn. C., Sohn eines Hofpredigers, studierte seit 1660 allgemeine Wissenschaften und Theologie an der Univ. Marburg, an die er nach einem Studienaufenthalt in Bremen 1667 zur¨uckkehrte. In den folgenden Jahren war er Hofmeister sowie Prof. der Beredsamkeit in Herborn und wurde schließlich 1680 als Prof. der Philosophie und der griechischen Sprache nach Heidelberg berufen. 1686 erhielt C. die theologische Doktorw¨urde, wurde 1687 Prorektor, 1690 Dekan der Philo-

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sophischen Fakult¨at und war seit 1692 o. Prof. der Theologie, wobei er zugleich das Rektorat innehatte. 1693 vor den Franzosen nach Frankfurt geflohen, wurde er noch im selben Jahr vom Landgrafen → Karl von Hessen-Kassel zum Prof. der Theologie und P¨adagogik nach Marburg berufen, wo er sich u. a. historischen Studien widmete und neben Gelegenheits¨ schriften eine Geschichte der Hersfelder Abte in lateinischer Sprache ver¨offentlichte.

Crome, August Friedrich Wilhelm, Kameralist, Diplomat, * 6. 8. 1753 Sengwarden, † 11. 6. 1833 R¨odelheim. Der in einem protestantischen Pfarrhaus aufgewachsene C., Neffe von Anton Friedrich → B¨usching, studierte 1772-74 Theologie in Halle und war gleichzeitig Lehrer am dortigen Waisenhaus. Er wurde Hofmeister in Berlin, 1779 Geschichts- und Geographielehrer am Dessauer Philanthropin und schloß sich in den achtziger Jahren der von Carl Friedrich → Bahrdt gegr¨undeten radikal-demokratischen Korrespondenzgesellschaft „Deutsche Union“ an. 1785 in G¨ottingen zum Dr. phil. promoviert, wurde er 1787 Prof. der Kameralistik in Gießen. C. gab den Almanach f¨ur Kaufleute und das „Journal f¨ur Staatskunde und Politik“ (1790-96) heraus. Von Kaiser → Leopold II. erhielt er 1790 den Auftrag, dessen Schrift u¨ ber die toskanischen Staatsreformen zu u¨ bersetzen und zu kommentieren. Nach der franz¨osischen Invasion 1797 wurde C. als Rektor der Univ. Mitglied der Landeskriegskommission. 1799 f¨uhrte er f¨ur den Landgrafen von Hessen-Darmstadt erfolgreich Neutralit¨atsverhandlungen mit dem Kommandanten der franz¨osischen Observationsarmee Jean Baptiste Bernadotte. 1813 nahm er – in den Folgejahren stark kritisiert – f¨ur Napoleon und den Rheinbund Stellung. C. erarbeitete komparative Graphiken zur Demographie und Gr¨oße europ¨aischer Staaten, Produktenkarten, die Bodensch¨atze und agrarische Produktion verzeichnen, auch Reise- und Schiffahrtskarten. Er ver¨offentlichte ¨ u. a. Uber den nordamerikanischen Freistaat (1783). 1833 erschien seine Selbstbiographie. Ein Beitrag zu den gelehrten und politischen Memoiren des vorigen und gegenw¨artigen Jahrhunderts. Crome, Bruno, Historiker, * 4. 1. 1877 Einbeck, † 12. 2. 1933 G¨ottingen. Der Sohn eines Photographen begann 1897 in Leipzig das Studium der Germanistik, das er in G¨ottingen u. a. bei Moritz → Heyne fortsetzte, der ihn f¨ur die Mitarbeit am Grimmschen W¨orterbuch gewinnen konnte. Nach dem Tod Heynes 1906 u¨ bernahm C. die Leitung der G¨ottinger Altertumssammlung. C. ver¨offentlichte zahlreiche kulturgeschichtliche Schriften und Editionen, darunter die Kulturgeschichtlichen Miniaturen vom Ausgang des Mittelalters (1921), in der fr¨uhe G¨ottinger Chroniken enthalten sind. C Leb Nieders, Bd 1 Crome, (Friedrich Theodor) Karl, Jurist, * 12. 7. 1859 D¨usseldorf, † 9. 6. 1931 Bonn. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Bonn und Leipzig (bei Roderich von → Stintzig, Bernhard → Windscheid und Adolf → Wach) war C. als Richter t¨atig. Nach l¨angeren Reisen habilitierte er sich 1892 an der Univ. Marburg und wurde 1895 als a. o. Prof. nach Berlin, 1899 als o. Prof. nach Bonn berufen. In seinen wissenschaftlichen Untersuchungen arbeitete C. insbesondere auf dem Gebiet der Rechtsvergleichung und bem¨uhte sich in seinen Darstellungen des franz¨osischen Rechts (u. a. Handbuch des franz¨osischen Zivilrechts, 1894 / 95) um Anregungen f¨ur die deutsche Rechtswissenschaft. Sein Hauptwerk System des Deutschen b¨urgerlichen Rechts (5 Bde.) erschien 1900-12. C. war Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Bologna. C NDB

¨ Crone-Munzebrock Cron, Ferdinand, Kaufmann, * um 1559 Augsburg, † Juli / August 1637 Madrid. C. vertrat 1587 die Interessen der Fugger und Welser im indischen Gew¨urzhandel, verschickte von Goa aus Pfeffer an seine Auftraggeber und sorgte f¨ur den Nachrichtenaustausch u¨ ber Indien, Asien und Europa. Seit 1592 besaß er das B¨urgerrecht in Goa, beteiligte sich an der Stadtverwaltung und betrieb einen gut organisierten Nachrichtenhandel auf schnellen Landrouten. Seit 1602 vom K¨onig zum „Fidalgo da Sua Casa“ und zum Ritter des Christusordens erhoben, geriet er seit 1617 in zunehmenden Konflikt mit dem Vizek¨onig Graf von Redondo. Seit 1619 mehrmals verhaftet, wurde C. 1624 nach Europa gebracht, in den Arrest gesteckt und mehrmals vom K¨onig in diplomatischen Angelegenheiten konsultiert. 1629 wurden die Prozesse gegen ihn niedergeschlagen. Cron, Helmut, Journalist, * 1. 10. 1899 Mannheim, † 28. 9. 1981 Stuttgart. Der Kaufmannssohn studierte in Freiburg und Heidelberg Rechtswissenschaften, National¨okonomie und Soziologie und wurde 1921 zum Dr. phil. promoviert. Er trat in das Bankwesen ein, wandte sich jedoch schon nach wenigen Jahren dem Journalismus zu. 1924-34 war C. als Redakteur am „Mannheimer Tagblatt“ t¨atig, seit 1928 als Chefredakteur und mußte seine Stelle auf Druck der Nationalsozialisten aufgeben. Als freier Journalist in Berlin, redigierte C. u. a. eine Fachzeitschrift f¨ur Porzellan- und Glashandel, bevor er aus politischen Gr¨unden entlassen wurde; seit 1939 war er als Wirtschaftsredakteur am „Stuttgarter Neuen Blatt“ t¨atig. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war C. entscheidend am Aufbau der deutschen Presse beteiligt, wirkte 1945 / 46 in leitender Stellung bei der „Stuttgarter Zeitung“, danach als Chefredakteur und als einer der leitenden Redakteure der „Wirtschaftszeitung“, die sich sp¨ater „Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung“ nannte und mit „Christ und Welt“ fusionierte. 1964-66 war er Chefredakteur der „Stuttgarter Zeitung“. C. war Mitgr¨under des Deutschen Journalisten-Verbandes, zeitweilig Sprecher des Deutschen Presserats und geh¨orte lange Zeit dem Rundfunkrat des S¨uddeutschen Rundfunks an. Cron, Joachim Anton, kath. Theologe, P¨adagoge, * 29. 9. 1751 Podersam (Saazer Kreis), † 21. 1. 1826 Ossegg. Der aus B¨ohmen stammende C. trat 1776 zu Ossegg in den Zisterzienserorden ein, war als Gymnasialprofessor in Prag, Leitmeritz und Komotau t¨atig und wurde 1795 zum Dr. theol. promoviert. 1805 erhielt er den Lehrstuhl f¨ur Dogmatik an der Hochschule in Prag, den er bis 1822 innehatte. C. ver¨offentlichte eine Reihe von kirchengeschichtlichen Schriften (u. a. Beitr¨age zur Methodik der Kirchengeschichte, 1795), schrieb Gedichte sowie Lustspiele und bet¨atigte sich als Musiker. Cronau, Kurt, Verwaltungsbeamter, * 15. 10. 1870 Bromberg, † nach 1934. Der Sohn eines h¨oheren Eisenbahnbeamten studierte in Straßburg und Berlin Jura und arbeitete seit 1900 als Regierungsassessor bei mehreren Kreisdirektionen der Reichslande Elsaß-Lothringen. Seit 1905 war er als Regierungsrat am Bezirkspr¨asidium Colmar, seit 1909 beim Statthalter von Elsaß-Lothringen F¨urst Karl von → Wedel t¨atig. Seit Mitte 1913 stand er an der Spitze der Kreisdirektion von Colmar. Im letzten halben Jahr deutscher Verwaltung von Elsaß-Lothringen war C. Referent beim Statthalter. 1919 in die preuß. Verwaltung u¨ bernommen, arbeitete er erst im Innen-, seit 1921 im Staatsministerium, zuletzt als Ministerialdirektor. Da ihm Minister → Severing bescheinigte, beim Verfassungsumbau verdienstvoll mitgewirkt zu haben, wurde C.

1924 zwecks Republikanisierung der Beamtenspitzen zum Regierungspr¨asidenten in K¨oslin ernannt. Hier erwarb er sich Verdienste um die infrastrukturelle Entwicklung dieses wirtschaftsschwachen Raumes und gab den historisch noch heute relevanten Band Hinterpommern. Wirtschaft und Kulturaufgaben eines Grenzbezirks 1929 heraus. Im Zuge der nationalsozialistischen „Gleichschaltung“ verlor C. Mitte 1934 seine Stelle. C Preuß Staatsmin, Bd 11

Cronauer, Karl A., Bauingenieur, * 20. 7. 1929 M¨unchen, † 30. 7. 1999 M¨unchen. Nach dem Bauingenieurstudium in Deutschland und den USA und ersten Berufserfahrungen gr¨undete C. mit dem Ingenieur August Burkei 1954 in M¨unchen ein Ingenieurb¨uro f¨ur Baustatik und haustechnische Fachplanung, aus dem sich das Ingenieurunternehmen CBP Cronauer Beratung Planung GmbH entwickelte, zu dem Tochtergesellschaften in ganz Deutschland und dem osteurop¨aischen Raum geh¨oren. 1992 zog er sich aus der Gesch¨aftsf¨uhrung, 1994 aus der Unternehmensleitung zur¨uck und war bis zuletzt Vorsitzender des Beirats von CBP. 1984-92 war C. Generalbevollm¨achtigter f¨ur den Bau des neuen Flughafens M¨unchen und leitete 1994-97 als Gesch¨aftsf¨uhrer der Messe M¨unchen Baugesellschaft mbH den Bau der Neuen Messe M¨unchen. Viele Jahre war er leitendes Mitglied beim Verband Beratender Ingenieure und beim M¨unchener Architekten- und Ingenieurverein. Cronberg, Walther von, Hoch- und Deutschmeister, * vor 1480, † 4. 4. 1543 Mergentheim. C. trat fr¨uh in den Deutschen Orden ein und war seit 1505 Hauskomtur, seit 1509 Komtur, bis er 1526 nach der Resignation des Deutschmeisters Dietrich von Cleen zu dessen Nachfolger gew¨ahlt wurde. C. beseitigte die aus dem Bauernkrieg stammenden Sch¨aden in der Residenz Mergentheim und wurde 1527 von Kaiser → Karl V. zum Administrator des Hochmeistertums in Preußen ernannt, dem alle Ordensmitglieder unterstellt waren; 1530 wurde er mit den gesamten Ordensbesitzungen belehnt. Er war in erster Linie um die Reorganisation des Ordens bem¨uht und versuchte Absplitterungen zu verhindern; seine Bem¨uhungen um die R¨uckgewinnung Preußens waren jedoch erfolglos. 1537 hob C. die Leibeigenschaft in seinen Landen gegen einen j¨ahrlichen Zins auf. C NDB

Cronberger, Wilhelm, S¨anger, * 29. 1. 1858 Frankfurt / Main, † 6. 7. 1926 Hamburg. Der Sohn eines G¨artners war zun¨achst in einem Marburger Photoatelier t¨atig und begann anschließend eine Karriere als S¨anger am Leipziger Konservatorium unter Max → St¨agemann. Nach einem Jahr erlitt C. jedoch den v¨olligen Verlust seiner Stimme und mußte in Dresden unter August → Iffert erneut Gesangsunterricht nehmen, bis er 1886 als lyrischer Heldentenor in der Rolle des Don Gasparo in La Favorita am Stadttheater von K¨onigsberg deb¨utierte. Seit 1888 am Stadttheater von Bremen, stand er 1889-92 in Hamburg auf der B¨uhne und erhielt 1892 ein Engagement am Braunschweiger Hoftheater, wo er lange Jahre t¨atig war und zum Kammers¨anger ernannt wurde. Daneben gab er zahlreiche Gastspiele an vielen deutschen Musikb¨uhnen und nahm u. a. 1900 an den Maifestspielen von Wiesbaden teil. C., der sich auch als Konzert- und Oratoriensolist einen Namen machte, sang u. a. den Lyonel in → Flotows Martha, den Erik im Fliegenden Holl¨ander, den Titelhelden in Gounods Faust und den Arnoldo in Rossinis Wilhelm Tell.

Crone-Munzebrock, ¨ August, Politiker, Landwirt, * 17. 5. 1882 M¨unzebrock bei Essen, † 17. 4. 1947 Osnabr¨uck. Der aus Oldenburg stammende C.-M. studierte Landwirtschaft und National¨okonomie an den Universit¨aten Leipzig

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Cronegk und Jena, wurde dort zum Dr. phil. promoviert und war anschließend praktisch in der Landwirtschaft t¨atig. Seit 1906 in f¨uhrender Stellung in der Bauernvereinsbewegung t¨atig, war er Pr¨asidialmitglied der Vereinigung der deutschen Bauernvereine sowie Mitglied des Arbeitsausschusses des Aufsichtsrats der Deutschen Bauernbank und Verbandsdirektor des Zentralverbandes der Bauernvereinsorganisationen Deutschlands. 1921-24 geh¨orte C.-M. als Mitglied der Zentrumspartei dem Preußischen Landtag sowie dem vorl¨aufigen Reichswirtschaftsrat an und war von 1924 bis zum November 1933 Mitglied des Deutschen Reichstags. C Haunfelder, Zentrumspartei

Cronegk, Johann Friedrich Frh. von, Pseud. Johann Martin Moromastix, Dichter, * 2. 9. 1731 Ansbach, † 1. 1. 1758 N¨urnberg. Einem alten Adelsgeschlecht entstammend, erhielt C., Sohn eines Generalfeldmarschalleutnants des Fr¨ankischen Kreises, eine sorgf¨altige Privaterziehung, studierte 1749 Jura und die sch¨onen Wissenschaften in Halle und wechselte 1750-52 nach Leipzig, wo er Anschluß an Christian F¨urchtegott → Gellert, Johann Friedrich → Christ, Abraham Gotthelf → K¨astner und Christian Felix → Weiße fand, die entscheidend auf seine dichterische Entwicklung einwirkten. Nach seiner R¨uckkehr in die Heimatstadt zum Justiz- und Hofrat ernannt, unternahm er 1752 / 53 eine Reise durch ¨ Italien und Frankreich und trat dann seine Amter im Ansbacher Hofdienst an. Bekannt wurde C. zu seinen Lebzeiten als Begr¨under und Mitarbeiter der Moralischen Wochenschrift „Der Freund“ (1754-56); seine Auszeichnung als Dramatiker durch den Preis der „Bibliothek der sch¨onen Wissenschaften“ Friedrich → Nicolais f¨ur sein Trauerspiel Codrus (1758) erlebte er jedoch nicht mehr. Die von Johann Peter → Uz 1761-63 herausgegebene Gesamtausgabe seiner Schriften enth¨alt auch C.s zahlreiche Versdichtungen, die sowohl geistliche Ges¨ange (u. a. Einsamkeiten in sechs Ges¨angen, 1757) als auch anakreontische Scherze sowie Lieder auf Bacchus und Amor umfassen. C Killy

Croner, Else, geb. Wollstein, Schriftstellerin, * 4. 5. 1878 Beuthen, † 20. 12. 1940. Die Tochter eines Geheimen Justizrats legte 1896 ihr Lehrerinnenexamen ab, studierte 1897-1900 Philosophie, Literaturgeschichte und Germanistik in Breslau und war nach ihrer Heirat 1901 als Dozentin an der Humboldt-Hochschule in Berlin t¨atig. Sp¨ater siedelte C. nach Flammersfeld im Westerwald u¨ ber. Nach ihrer Dissertation wandte sie sich verst¨arkt einer publizistischen T¨atigkeit zu und ver¨offentlichte 1906 ihre erste Studie zu Fontanes Frauengestalten. Auch in ihrem Roman Prinzeß Irmgard (1916) stellt C. die weibliche Psyche in ihrem Konflikt zwischen Widerstand und Anpassung an die tradierte gesellschaftliche Rolle der Frau dar. 1928 erschien ihre Schrift Die Frauenseele in den ¨ Ubergangsjahren. C Killy

Croner, Fritz Simon, National¨okonom, * 27. 2. 1896 Berlin, † 7. 7. 1979 Stockholm. Der aus einer j¨udischen Kaufmannsfamilie stammende C. meldete sich im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger. Er kam mit den Kreisen um Karl → Liebknecht und an der Ostfront mit den Bolschewiki in Ber¨uhrung. Nach Kriegsende nahm er im Berliner Kulturrat an der Novemberrevolution von 1918 teil und studierte National¨okonomie an der Univ. Berlin. W¨ahrend dieser Zeit hatte er verschiedene Funktion¨arsposten in sozialistischen Studentenvereinigungen inne. 1921 wurde C. in Heidelberg bei Emil → Lederer mit einer Arbeit u¨ ber die Sozialisierung des Kohlenbergbaus promoviert, u¨ bernahm anschließend bis 1923 das Gesch¨aft seines Vaters und war seit 1924 sozialpolitischer Abteilungsleiter im Deutschen Werkmeister-Verband. 1927 wurde er Dozent f¨ur Soziologie und Sozialpolitik an der Deutschen

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Hochschule f¨ur Politik, mußte diese Stellung jedoch 1933 unter den Nationalsozialisten aufgeben. C. ging 1934 nach Stockholm, war an der Univ. t¨atig und begann 1935 eine umfassende soziologische Untersuchung der schwedischen Angestelltenschaft. Vier Jahre sp¨ater wurde er mit der Einrichtung einer statistischen Abteilung der Angestelltengewerkschaften beauftragt und arbeitete bis zu seiner Pensionierung 1964 f¨ur die Zentralorganisation schwedischer Angestelltenverb¨ande (TCO). Daneben leitete er bis 1944 das Soziologische Seminar an der Univ. Stockholm. C. ver¨offentlichte u. a. Die Angestellten in der modernen Gesellschaft (1954) und Soziologie der Angestellten (1962). 1968 erschien seine Autobiographie Ein Leben in unserer Zeit. C Hagemann

Croon, Quirin, Industrieller, * 3. 8. 1788 H¨uckelhoven (Kr. Heinsberg), † 23. 7. 1854. C., Sohn eines Gutsbesitzers, erhielt eine kaufm¨annische Ausbildung in der Seiden- und Baumwollindustrie, u. a. bei Johann Peter → B¨olling, und gr¨undete 1816 zusammen mit seinem Bruder eine Firma zur Baumwoll- und Seidenwarenherstellung in M¨onchengladbach. Schnell avancierte das Unternehmen zu einem der f¨uhrenden Textilunternehmen der Stadt und fusionierte in den dreißiger Jahren mit der Baumwollfabrik von B¨olling zur Firma B¨olling & Croon. Seit den vierziger Jahren f¨uhrten die beiden Br¨uder die Firma unter dem urspr¨unglichen Namen Gebr. Croon allein weiter. Ihr Rohmaterial bezogen sie gr¨oßtenteils aus dem Ausland – Baumwollgarne aus Manchester, Rohseide aus Italien – und stellten den Betrieb seit 1850 von der Handweberei auf mechanische Webst¨uhle um. Maßgeblich auf C.s Initiative und zum Teil auf seine finanzielle Hilfe ging die Einrichtung eines Veredelungswerkes in M¨onchengladbach sowie die Anlage der „Gladbacher Spinnerei und Weberei AG“ zur¨uck, die 1855 den Betrieb aufnahm und die westdeutsche Baumwollindustrie unabh¨angig machte von der ausl¨andischen Baumwollgarnherstellung. Auch f¨ur die Anbindung Gladbachs an das preuß. Eisenbahnnetz (1851) hat er sich eingesetzt. Innerhalb der 1837 eingerichteten Gladbacher Handelskammer u¨ bernahm C. zun¨achst die Funktion des stellvertretenden Vorsitzenden, seit 1851 die des Vorsitzenden; ebenfalls den Vorsitz f¨uhrte er beim Handelsgericht. Er z¨ahlte zu den Begr¨undern des Vereins f¨ur das Wohl der Hand- und Fabrikarbeiter 1844 in Berlin sowie des Rheinisch-Westf¨alischen Vereins zur Bef¨orderung der Arbeitsamkeit und Sparsamkeit 1852 in K¨oln. C Rhein-Westf Wirt, Bd 4 Croph, Philipp Jakob, Bibliothekar, P¨adagoge, * 3. 9. 1666 Augsburg, † 23. 9. 1742 Augsburg. C. studierte seit 1686 an der Univ. Jena Philologie und Theologie und erhielt 1688 die Magisterw¨urde. Anschließend ging er zur Vervollkommnung seiner Studien an die Univ. Leipzig, wo er sich besonders der Theologie zuwandte, nahm 1689 eine Stelle als Hofmeister an und lebte mehrere Jahre in Regensburg. 1695 erhielt C. eine Stelle als Lehrer am Gymnasium seiner Heimatstadt und war 1704-42 Rektor des Gymnasiums St. Anna und zugleich Stadtbibliothekar. W¨ahrend der franz¨osischen Belagerung machte er sich besonders um die Sicherung der wertvollen Bibliothek verdient und schilderte die Erlebnisse dieser Zeit in seiner 1708 erschienenen Ausf¨uhrlichen Beschreibung der Belagerung und Bombardierung der Stadt Augsburg. Daneben verfaßte C. Gelegenheitsschriften, historische Erz¨ahlungen sowie Schauspiele.

Cropp, Friedrich, Jurist, * 5. 7. 1790 Moorburg (heute zu Hamburg), † 8. 8. 1832 L¨ubeck. Der Pastorensohn C. begann 1810 an der Univ. G¨ottingen das Studium der Rechtswissenschaften, das er 1811 in Heidelberg fortsetzte. Mit der mit dem Heidelberger akademi-

Cruciger schen Preis ausgezeichneten Schrift De praeceptis juris Romani circa puniendum conatum delinquendi (1812) wurde er zuerst promoviert; mit deren zweitem Teil habilitierte er sich. 1813 / 14 begann C. seine Lehrt¨atigkeit an der Heidelberger Univ. mit einer exegetischen Vorlesung u¨ ber das Corpus juris, wurde zum a. o. Prof. ernannt und legte in seinen Vorlesungen und wissenschaftlichen Untersuchungen den Schwerpunkt zunehmend auf das deutsche Recht. Den Plan, ein umfangreiches Handbuch der deutschen Rechte zu ver¨offentlichen, konnte er jedoch nicht verwirklichen. 1817 wurde C. von der badischen Regierung zum o. Prof., 1820 zum Hofrat ernannt. 1820 folgte er einem Ruf an das Oberappellationsgericht in L¨ubeck.

Crosner, Alexius, auch Chrosner, Theologe, * um 1490, † 22. 5. 1535 Altenburg. C., Sohn eines wohlhabenden B¨urgers in Colditz, studierte seit 1504 in Leipzig, wo er 1505 Baccalaureus und 1510 Magister wurde. Zus¨atzlich studierte er seit 1512 in Wittenberg und war daneben Erzieher des Prinzen → Johann Friedrich von Sachsen. 1516 wurde C. Kanonikus in Altenburg, 1524 Hofprediger Herzog → Georgs in Dresden. Daneben u¨ bernahm er das Amt des Stiftsvikars in Meißen, seit 1525 auch in Oschatz. 1527 verlor C., der zeitlebens zwischen Katholizismus und Protestantismus lavierte, seine Stelle als Hofprediger. Er wollte zun¨achst Herzog Georg auf die Seite → Luthers ziehen, der C. eine seiner Schriften widmete und ein Vorwort f¨ur ihn verfaßte. 1525 jedoch stimmte C. gegen die Einf¨uhrung der Reformation im Georgenstift Altenburg und freundete sich mit dem kath. Prediger Hieronymus → Dungersheim an. 1531 publizierte er jedoch wieder PreC NDB digten im Geist der Reformation.

Crotus Rubeanus, auch Crotus Rubianus, eigentl. Johannes J¨ager, nannte sich bis 1509 Venator, danach gr¨azisiert nach dem Sternbild Sch¨utze C., Humanist, kath. Theologe, * um 1480 Dornheim bei Arnstadt, † um 1545 Halberstadt. Der Bauernsohn studierte seit 1498 die Artes an der Univ. Erfurt, wo er 1501 → Luther und etwa 1503 Ulrich von → Hutten kennenlernte, mit dem er das Wintersemester 1505 in K¨oln verbrachte. Seit 1506 Erzieher am Hof der Grafen von Henneberg, z¨ahlte C. R. zum Humanistenkreis des → Mutianus Rufus, befreundete sich hier insbesondere mit Helius Eobanus → Hessus und leitete 1510-16 die Klosterschule in der Reichsabtei Fulda, mit deren Koadjutor und sp¨aterem F¨urstabt Hartmann von Kirchberg er als Sekret¨ar am Reichstag zu K¨oln 1512 sowie 1515 am Kongreß zu Wien teilnahm. 1515 war C. R. an der Abfassung des ersten Teiles der anonym ver¨offentlichten Epistolae obscurorum virorum, einer Satire gegen die sp¨atscholastische Wissenschaft und Theologie, maßgeblich beteiligt. Ein Streit zwischen F¨urstabt und Kapitel veranlaßte ihn, Fulda 1516 zu verlassen. Anschließend in Mainz und Bamberg ans¨assig, ging er 1517 nach Bologna, wo er Theologie studierte und zum Dr. theol. promoviert wurde. 1520 kehrte C. R., prolutherisch gesinnt, nach Bamberg zur¨uck, empfing als Rektor der Univ. Erfurt (1520 / 21) Luther auf dessen Reise nach Worms, fand jedoch nur oberfl¨achliches Verst¨andnis f¨ur ihn. 1524 folgte C. R. einem Ruf → Albrechts von Preußen nach K¨onigsberg, f¨ur den er eine Verteidigungsschrift gegen den Deutschen Orden verfaßte. 1531 wandte er sich zur alten Kirche zur¨uck und wurde Rat Kardinal → Albrechts von Mainz sowie Kanonikus an der neuen Stiftskirche zu Halle. Im selben Jahr publizierte C. R. die Apologia qua respondetur temeritati calumniatorum [. . .] gegen Luther. Um 1537 siedelte er als Domherr nach Halberstadt u¨ ber. C. R. z¨ahlt zu den ersten deutschen Humanisten, die sich entschieden vom scholastischen Denken abwandten. C Killy

Croy, Ernst Bogislaw Herzog von, Bischof von Cammin, Politiker, * 26. 8. 1620 Vinstingen (Lothringen), † 7. 2. 1684 K¨onigsberg. Seine Jugend verbrachte C. am Hof seines Oheims Herzog → Bogislaw XIV. in Stettin; dieser sicherte ihm die Eventualnachfolge im Bistum Cammin zu, da ihm sein v¨aterliches Erbe vorenthalten wurde. 1633 erfolgte mit Zustimmung des Kurf¨ursten von Brandenburg sowie der Schweden die Wahl C.s zum designierten Bischof durch das Camminer Domkapitel. 1634 begann C. das Studium an der Univ. Greifswald, wurde noch im gleichen Jahr zu deren Rector magnificentissimus erhoben und 1637 zum Bischof gew¨ahlt, konnte dieses Amt jedoch wegen des Einspruchs der Schweden nicht antreten. Kurf¨urst → Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der das Stift Cammin im Westf¨alischen Frieden erhielt, erreichte schließlich im Vergleich zu Berlin 1650 den Verzicht C.s auf alle seine Rechte zugunsten Brandenburgs, wogegen dieser die Anwartschaft auf Naugard und Massow und weitere Eink¨unfte erlangte. Sp¨ater trat C. in die Dienste des Kurf¨ursten und wurde von diesem 1665 zum Statthalter von Hinterpommern und Cammin ernannt und erhielt 1670 die C Altpreuß Biogr, Bd 1 Statthalterschaft in Preußen. ¨ eigentl. Creutzi(n)ger, luth. TheoCruciger, Caspar d. A., loge, * 1. 1. 1504 Leipzig, † 16. 11. 1548 Wittenberg. Seit 1513 Student in Leipzig, wohnte C., Sohn eines Kr¨amers, 1519 der Leipziger Disputation zwischen → Luther und Johann → Eck bei, setzte seine Studien der Theologie, Mathematik und der Naturwissenschaften 1521 u. a. als Sch¨uler Luthers und → Melanchthons in Wittenberg fort und wurde 1525 Rektor der Johannisschule in Magdeburg. 1528 kehrte er als Prof. an der Univ. nach Wittenberg zur¨uck, half Luther bei der Bibel¨ubersetzung und nahm 1529 am Marburger Religionsgespr¨ach zwischen Luther und → Zwingli sowie an den Verhandlungen u¨ ber die Wittenberger Konkordie teil. Seit der Promotion zum Dr. theol. 1533 war C. an der Theologischen Fakult¨at t¨atig, wurde sp¨atestens 1536 Schloßprediger, war neben Friedrich → Myconius 1539 maßgeblich an der Durchf¨uhrung der Reformation in Leipzig beteiligt und wirkte als Sekret¨ar auf den Religionsgespr¨achen in Hagenau, Worms und Regensburg. Daneben gab er Luthers Predigten heraus und redigierte zusammen mit Georg → R¨orer die ersten B¨ande der Wittenberger Lutherausgabe (1539 ff.). C. war mit Elisabeth → C. verheiratet, C TRE Caspar → C. d. J. deren Sohn.

Cruciger, Caspar d. J., eigentl. Creutzi(n)ger, luth. Theologe, * 19. 3. 1525 Wittenberg, † 16. 4. 1597 Kassel. ¨ und Elisabeth → C. beDer Sohn von Caspar → C. d. A. gann nach dem Studium 1557 eine akademische Laufbahn an der artistischen Fakult¨at der Univ. seiner Heimatstadt und trat nach → Melanchthons Tod dessen Nachfolge als Prof. in Wittenberg an, wurde aber erst 1569 in die theologische Fakult¨at aufgenommen. Neben Georg → Major und Paul → Eber geh¨orte er zu den F¨uhrern der Philippisten und vertrat diese Richtung auf dem Altenburger Religionsgespr¨ach 1568 / 69 sowie auf dem Zerbster Konvent. C. war einer der Verfasser des gegen die Flacianer gerichteten Endlichen Berichts und verweigerte schließlich die von Kurf¨urst → August von den Kryptocalvinisten verlangte Annahme des Kurz Bekentnis und Artikel vom h. Abendmahl, was seine Verhaftung und 1576 die Ausweisung aus Sachsen zur Folge hatte. Er ging daraufhin zun¨achst nach Dillenburg, sp¨ater nach Kassel, wo er bis zu seinem Tod Pfarrer sowie Vorsitzender des geistlichen Konsistoriums war und f¨ur die VerC LThK breitung der Reformation eintrat.

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Cruciger Cruciger, Elisabeth, eigentl. Creutzi(n)ger, geb. Meseritz, Liederdichterin, * um 1500 Meseritz bei Schivelbein (Pommern), † Mai 1535 Wittenberg. Die einem pommerschen Adelsgeschlecht entstammende Nonne des Pr¨amonstratenserinnenklosters Treptow / Rega wurde durch Johannes → Bugenhagen mit der Reformation bekannt und floh 1522 zu ihm nach Wittenberg. 1524 ¨ und stand fortan verm¨ahlte sie sich mit Caspar → C. d. A. in enger freundschaftlicher Beziehung zu → Luthers Frau Katharina von → Bora. Als erste Frau verfaßte C. mit dem bereits vor ihrer Heirat entstandenen Eyn Lobsanck von Christo ein evang. Kirchenlied (Herr Christ, der einig Gotts Sohn), das noch heute gesungen wird. C. war die Mutter von Caspar → C. d. J. C Killy

Cruger, ¨ Johann, auch Cr¨ugerus, Kr¨uger, Johan(nes), Kantor, Komponist, Herausgeber, Musiktheoretiker, * 9. 4. 1598 Großbreesen bei Guben (Niederlausitz), † 2. 3. 1662 Berlin. Der Gastwirtssohn war nach einer ausgedehnten Bildungsreise, die ihn u. a. nach Olm¨utz, Regensburg (zu Paul → Homberger), Preßburg und Freiberg (zu Christoph → Demantius) f¨uhrte, 1615-20 als Hauslehrer in Berlin t¨atig, wo zwei Hochzeitsges¨ange im Druck erschienen. Nach einem zweij¨ahrigen Studium der Theologie an der Univ. Wittenberg wurde C., vermutlich wegen des ersten Teils seines Meditationum musicarum Paradisus (1622), als Kantor der luth. Nikolaikirche und Lehrer am Gymnasium zum Grauen Kloster nach Berlin berufen, wo er musiktheoretisches und kompositorisches Schaffen eng mit seiner Lehrt¨atigkeit verband. Er schrieb mehrere musikalische Elementarlehren f¨ur den Gesangsunterricht; seine Synopsis musica (1630) gilt als eine der wichtigsten Kompositionslehren des 17. Jahrhunderts. Am bedeutendsten war C.s Schaffen auf dem Gebiet des evang. Kirchenlieds. Sein Newes vollk¨omliches Gesangbuch (1640), das seit der zweiten Auflage unter dem Titel Praxis pietatis melica erschien, erlebte mehr als vierzig Auflagen. In seinen Choralmelodien, u. a. nach Texten von Johann → Heermann, Johann → Rist und insbesondere Paul → Gerhardt, verband er Volkst¨umlichkeit und Affektdarstellung und war damit Wegbereiter des evang. Erbauungslieds. Viele seiner Melodien sind zum festen Bestand des evang. Kirchengesangs geworden. C MGG

Norddeutschen Lloyd, deren Leitung C. bis zu seinem Tod innehatte. Das Unternehmen unterhielt bald wichtige transatlantische Dampferlinien. C Brem Bio 1

Cruser, ¨ Hermann, auch Cruyser, Diplomat, Humanist, * 1510 Kampen oder Hattem / Yssel (Geldern), † 23. 12. 1575 K¨onigsberg (Preußen). C. wurde nach einem Auslandsstudium Rat des Herzogs von Geldern, Karl von Egmond, und war 1536-43 als Gesandter Gelderns am Hof von K¨onig Franz I. von Frankreich t¨atig. Nach der 1538 erfolgten Regierungs¨ubernahme durch Herzog Wilhelm von J¨ulich-Kleve-Berg konnte er diese Stellung behaupten und vermittelte 1541 das klevisch-franz¨osische B¨undnis gegen die Habsburger sowie die Heirat des Herzogs mit der Tochter des K¨onigs von Navarra. Er war bis zum Ende des Geldrischen Erbfolgekriegs darum bem¨uht, die Hilfe Frankreichs und des Schmalkaldischen Bundes zu erhalten. Nach der Eroberung Gelderns durch → Karl V. blieb C. als Diplomat Herzog Wilhelms am D¨usseldorfer Hof, war in dieser Funktion 1549-55 mehrmals in England, bem¨uhte sich 1563 in Nancy um die Verhinderung einer franz¨osischen Okkupation Lothringens und versuchte 1567 erfolglos, in den Niederlanden die Beendigung der spanischen Truppendurchz¨uge durchzusetzen. Von 1573 bis zu seinem Tod war er als Berater und Arzt der Tochter des Herzogs, Maria Eleonore, in K¨onigsberg t¨atig. C Altpreuß Biogr, Bd 1 Cruwell, ¨ Arnold (Friedrich), Unternehmer, * 23. 11. 1847 Bielefeld, † 14. 6. 1935 Bielefeld. C. trat 1864 in das seit 1705 in Familienbesitz befindliche Tabak-Unternehmen Gebr. Cr¨uwell ein, wurde 1865-68 in einem Rohtabakimportgesch¨aft in Bremen ausgebildet und kehrte dann nach Bielefeld zur¨uck. 1869 erhielt er Prokura und wurde 1879 Teilhaber des in eine Offene Handelsgesellschaft umgewandelten Unternehmens. Unter C.s Leitung ¨ wurde der Ubergang von der Manufaktur- zur Fabrikproduktion vollzogen, und die Firma entwickelte sich zu einem der gr¨oßten Betriebe der Tabakindustrie im Deutschen Reich. C. war 1884 Mitbegr¨under des Ortsverbandes Bielefeld der Nationalliberalen Partei und geh¨orte 1887-91 der Bielefelder Stadtverordnetenversammlung an. C Rhein Westf Wirt, Bd 14

Cruger, ¨ Peter, Mathematiker, * 20. 10. 1580 K¨onigsberg,

Cruwell, ¨ Gottlieb August, Historiker, Bibliothekar,

† 6. 6. 1639 Danzig. C., Sohn eines Diakons, studierte an der Univ. Wittenberg, erlangte 1606 den Magistergrad und erhielt im folgenden Jahr einen Ruf als Prof. der Poesie und der Mathematik an das Gymnasium in Danzig, wo er bis zu seinem Tod t¨atig war. Zu seinen Sch¨ulern z¨ahlte dort der sp¨atere Astronom Johannes → Hevelius. Seine Forschungsergebnisse ver¨offentlichte C. in zahlreichen mathematischen, astronomischen und chronologischen Schriften, darunter seine 1634 erschienene Praxis trigonometriae logarithmicae. Seit 1598 gab C. Kalender mit astronomischen Prognostika heraus und war daneben als geschworener Landmesser der Stadt Danzig t¨atig. C Altpreuß Biogr, Bd 1

Schriftsteller, * 10. 9. 1866 Leangolla (Ceylon), † 19. 12. 1931 Santa Margherita bei Neapel. Der einer lippisch-westf¨alischen Familie entstammende C. wuchs als Sohn eines Kaffeepflanzers in Ceylon auf und kam jung nach Wien, wo er 1897 zum Dr. phil. promoviert wurde. Seit 1924 Direktor der Wiener Universit¨atsbibliothek, bem¨uhte er sich um deren Ausbau sowie um deren st¨andige Modernisierung. C. widmete sich schriftstellerischer T¨atigkeit und trat als Dramatiker hervor. 1911 ver¨offentlichte er sein Schauspiel Sch¨onwiesen, das im folgenden Jahr am Wie¨ ner Burgtheater aufgef¨uhrt wurde. 1901 erschien seine Ubersetzung von H. G. Wells’ Der Krieg der Welten.

Crusemann, ¨ (Conrad Carl) Eduard, Unternehmer,

† 5. 9. 1790 Carolath (Schlesien). Der einer Hugenottenfamilie entstammende Sohn eines Bildhauers begann in Bremen das Studium der Theologie und wurde 1746 vom dortigen Ministerium unter die Kandidaten der Theologie aufgenommen. Im selben Jahr vertrat C. in Herford kurze Zeit die Stelle des Oberhofpredigers, anschließend folgte er einem Ruf nach Carolath (Schlesien), wo er seit 1747 Hofprediger beim F¨ursten von Sch¨onaich-Carolath war. 1748 wurde C. nach Blomberg in der Grafschaft Lippe berufen, kehrte jedoch nach dem Tod seiner Frau 1752 nach Carolath zur¨uck, wo er bis 1790 wirkte und ein bekannter

* 16. 6. 1826 Berlin, † 1. 9. 1869 Bremen. Seine kaufm¨annische Ausbildung erhielt C., Sohn eines Seidenkaufmanns, in einem Bankhaus seiner Heimatstadt; an¨ schließend volontierte er in einer bremischen Uberseefirma, bis er Anfang der f¨unfziger Jahre in Bremen ein eigenes Einfuhr- und Reedereiunternehmen gr¨undete. Seit seiner Reise in die USA und nach Westindien 1853 verfolgte er den Plan einer Bremer Handelskompanie, der mit dem Hermann Heinrich Meyers f¨ur die Gr¨undung des Norddeutschen Lloyd korrespondierte. 1857 kam es zu Gr¨undung des

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Crugot, Martin, evang. Theologe, * 5. 1. 1725 Bremen,

Crusius Kanzelredner war. Neben zahlreichen Predigten ver¨offentlichte er Der Christ in der Einsamkeit, eine vielbeachtete Erbauungsschrift, die wiederholt aufgelegt und ins Franz¨osische u¨ bersetzt wurde.

und Johannes → Coccejus eine realistische, prophetischtypologische Schrifttheologie, die er in seinem dreib¨andigen Werk Hypomnemata ad theologiam propheticam (1764-78) C Enz Phil Wiss darlegte.

Crusius, Balthasar, eigentl. B. Krause, evang. Theologe,

Crusius, Gottlieb Leberecht, Kupferstecher, * 22. 9. 1730

Lyriker, Dramatiker, * um 1550 Werdau bei Zwickau, begraben 26. 3. 1630 Chemnitz. Nach dem Besuch der F¨urstenschule in Grimma 1568-75 studierte C. in Leipzig und T¨ubingen u. a. bei Martin → Crusius, war zugleich als Hofmeister t¨atig und widmete sich Poesieund Theologiestudien. Seit 1585 war er an verschiedenen Orten Schulrektor sowie Pfarrer in Syhra, Bockau und Auerbach; 1611 wurde er wegen seiner unorthodoxen re¨ ligi¨osen Ansichten gezwungen, seine Amter niederzulegen. Er war Verfasser zahlreicher Gelegenheitsgedichte, Herausgeber dreier Kirchenliedersammlungen in lateinischer Sprache und trat insbesondere als Dramatiker hervor. Neben einer dramentheoretischen Abhandlung 1609 schrieb C. vier geistliche Schuldramen, darunter Tobias (1585). Den Konflikt zwischen Kaiser- und Papsttum schildert sein in deutschen Knittelversen verfaßtes St¨uck Tragoedia nova, von eim gedenckwirdigen Vened. Vertrage zwischen Keyser Friedrich dem Ersten und Papst Alexander dem Dritten (1607). C Killy

Crusius, Christian, Historiker, * 1715 Wohlbach (Vogtland), † 7. 2. 1767 Wittenberg. C. studierte bis 1738 an der Univ. Leipzig und ging dann nach St. Petersburg, wo er 1746 als Nachfolger von Gottlieb Siegfried → Bayer zum Prof. der Eloquenz und Geschichte ernannt wurde. Er kehrte einige Jahre sp¨ater nach Deutschland zur¨uck, erhielt 1751 die Professur f¨ur Eloquenz an der Univ. Wittenberg und trat damit die Nachfolge des Numismatikers Johann Wilhelm Berger an. C. ver¨offentlichte u. a. Probabilia critica (1773); die Opuscula ad historiam et humanitatis litteras spectantia (1767) konnte er selbst nicht mehr vollenden.

Crusius, Christian August, evang. Theologe, Philosoph, * 10. 1. 1715 Leuna bei Merseburg, † 18. 10. 1775 Leipzig. Der Pfarrerssohn studierte Philosophie und Theologie an der Univ. Leipzig, wurde 1737 zum Magister der Philosophie promoviert, habilitierte sich 1740 und war seit 1742 auch Baccalaureus der Theologie. 1744 wurde er a. o. Prof. der Philosophie, 1750 o. Prof. der Theologie. Seit 1753 wirkte C. als Ephorus der kurf¨urstlichen Stipendiaten sowie als Kanonikus in Zeitz; 1755 wurde er Kanonikus in Meißen, Dezemvir der Univ. Leipzig, 1757 Professor primarius der Theologischen Fakult¨at. Daneben behielt er eine Lehrstelle als Philosoph. Zweimal war er Rektor, einmal Prorektor der Universit¨at. 1764 wurde er Kustos und Pr¨alat des Stifts Meißen, 1773 Senior der Univ. Leipzig. C. war neben Johann Franz → Buddeus der bedeutendste theologische Gegner der Philosophie Christian → Wolffs. Er bekannte sich zur Einheit der positiven Offenbarung und der Vernunft und lehnte den ontologischen Gottesbeweis ab. Zu seinen philosophischen Arbeiten z¨ahlen Anweisung, vern¨unftig zu leben (1744, 31767), Entwurf der nothwendigen Vernunft-Wahrheiten (1745, 31766), Weg zur Gewißheit und Zuverl¨assigkeit der menschlichen Erkenntniß, wiefern sie den zuf¨alligen entgegen gesetzt werden (1747, 21762) und Anleitung, u¨ ber nat¨urliche Begebenheiten ordentlich und vorsichtig nachzudenken (2 Bde., 1749, 21774 in 1 Bd.). Von C. beeinflußt, l¨oste sich Kant, der sich in seiner Habilitationsschrift Nova Dilucidatio mit dessen Lehre auseinandersetzte, mehr und mehr von der Leibniz-Wolffschen Schulphilosophie. Auch Johann Heinrich → Lambert und Moses → Mendelssohn standen unter dem Einfluß von C. Als Theologe vertrat er in Ankn¨upfung an Johann Albrecht → Bengel

Steinpleis bei Werdau, † 3. 3. 1804 Leipzig. Der Sohn eines Pfarrers kam 1749 nach Leipzig, urspr¨unglich um zu studieren, wandte sich aber der Kunst zu, wobei er sich zun¨achst im Zeichnen ausbildete und bald Zeichnungen f¨ur Kupfer lieferte, die der Leipziger K¨unstler Johann Christoph → Sysang stach. Unter der Leitung Leipziger Stecher schuf C. schon bald selbst Portr¨ats und Vignetten, darunter das Billett zum „Großen Konzert“ in Leipzig von 1755. Gemeinsam mit Kr¨uger, Sysang und B¨uhl arbeitete er an zahlreichen Illustrationen zu Samuel Lenz’ Becmanus enucleatus, unter denen sein F¨urstenbildnis Friedrichs V. von D¨anemark hervorzuheben ist. Sp¨ater kam es zu einer verst¨arkten Zusammenarbeit mit seinem j¨ungeren Bruder Carl Leberecht, mit dem C. f¨ur den 1766 gegr¨undeten Verlag seines anderen Bruders Siegfried Leberecht t¨atig war ¨ (Botanisch-Okonomische Beschreibung der Gr¨aser, 1766). Daneben entstanden, durch einen Pariser Aufenthalt 1766-69 angeregt, neben eigenen Entw¨urfen zahlreiche Nachstiche, u. a. nach Gravelot, Horny und → Chodowiecki. C AKL

Crusius, Jakob Andreas, Jurist, * 9. 11. 1636 Hannover, † 16. 8. 1680 Hannover. C. studierte an den Universit¨aten Wittenberg, Leipzig und Helmstedt Rechtswissenschaften und Theologie. Nach Reisen durch Deutschland, Holland und Frankreich wurde er 1662 in Helmstedt zum Dr. jur. promoviert und erhielt im folgenden Jahr eine Stelle als Syndikus in Minden. Seit 1676 als Advokat in seiner Heimatstadt t¨atig, wurde er schließlich 1678 zum Hof- und Regierungsrat ernannt. C. gab neben einigen juristischen Abhandlungen, darunter Opuscula varia politico-iuridico-historica (1668), eine Monographie seines Vaters unter dem Titel De tortura heraus, die 1682 postum erschien.

Crusius, Johann Paul(us), P¨adagoge, Dramatiker, * 19. 2. 1588 Straßburg, † 28. 10. 1629 Straßburg. Der Sohn eines Straßburger Diakons begann das Studium in seiner Heimatstadt, ging nach Jena, wo er den Magistergrad erlangte, und studierte Rechtswissenschaften in Straßburg; 1613-27 war er Prof. am dortigen protestantischen Gymnasium. 1627 wurde er Prof. f¨ur Poesie an der Univ. Straßburg. Daneben war C. Epigrammatiker und trat insbesondere mit neulateinischen Dramen hervor, darunter Croesus (1611). Mit seinem Spektakelst¨uck Heliodorus (1617), das in zahlreiche Haupt- und Nebenhandlungen gegliedert ist, trug er zum Repertoire des Straßburger Schultheaters bei. C Killy

Crusius, Magnus, auch Cruse, evang. Theologe, * 10. 1. 1697 Schleswig, † 6. 1. 1751 Harburg. Nach dem Studium an der Univ. Kiel war C. seit 1717 als Hauslehrer t¨atig und stand dann in Diensten des holsteinischen Staatsministers Magnus von Wedderkopp in Hamburg, u¨ ber dessen Bibliothek er die Aufsicht f¨uhrte. 1723 wurde er zum d¨anischen Legationsprediger nach Paris berufen, wo er bis 1727 blieb. Seither war er mehrere Jahre Pfarrer in Bramstedt und Rendsburg, bis er 1735 einen Ruf als o. Prof. der Theologie nach G¨ottingen erhielt. Seine akademische T¨atigkeit beendete C., als er 1747 zum Generalsuperintendenten, Hauptprediger und Konsistorialrat nach Harburg berufen wurde, wo er bis zu seinem Tod wirkte. Er verfaßte zahlreiche exegetische Schriften sowie einige Werke, die sich mit Kirchengeschichte befassen.

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Crusius Crusius, Martin, auch Kraus, Klassischer Philologe, * 19. 9. 1526 Grebern bei Bamberg, † 14. 2. 1607 T¨ubingen. C., Sohn eines evang. Pfarrers, studierte an der Univ. Straßburg, war seit 1551 als Hofmeister t¨atig und wurde 1554 zum Rektor der Lateinschule in Memmingen ernannt. Seit 1559 wirkte er als Prof. der griechischen und lateinischen Sprache an der Univ. T¨ubingen und stand mit zahlreichen Gelehrten vieler L¨ander in Verbindung. C., der als Vork¨ampfer des Philhellenismus in Europa gilt, setzte sich f¨ur eine Vereinigung der griechischen mit der evang. Kirche ein. Von großer Bedeutung war die Herausgabe des ersten deutschen Kommentars zum gesamten Werk Homers. Zu seinen bekanntesten Sch¨ulern z¨ahlte Nicodemus → Frischlin, mit dem sich C. sp¨ater in einer langj¨ahrigen literarischen Fehde befand. Sein Hauptwerk bilden die Annales Suevici (3 Bde., 1595), die von Johann Jacob → Moser fortgef¨uhrt wurden und eine wichtige kultur- und landesgeschichtliche Quelle darstellen. C NDB

Crusius, Otto, Klassischer Philologe, * 20. 12. 1857 Hannover, † 29. 12. 1918 M¨unchen. C., Sohn eines Steuerkommiss¨ars, studierte 1875-79 Klassische Philologie an der Univ. Leipzig, wo er u. a. von Otto → Ribbeck und Rudolf → Hildebrand unterrichtet wurde (Promotion 1879, De Babrii aetate). Er war dann Gymnasiallehrer in Dresden, bis 1886 an der Leipziger Thomasschule. 1883 an der Univ. Leipzig habilitiert, erhielt S. 1886 als Nachfolger Erwin → Rohdes eine Professur in T¨ubingen, 1898 in Heidelberg und wurde 1903 auf den Lehrstuhl Wilhelm von → Christs nach M¨unchen berufen. Er geh¨orte dort dem obersten Schulrat an und wurde 1915 zum Pr¨asidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften sowie zum Generalkonservator der Sammlungen des bayerischen Staates gew¨ahlt. C. besch¨aftigte sich mit griechischer Mythologie und Literatur, analysierte und edierte Papyrusfunde (u. a. Untersuchungen zu den Mimiamben des Herondas, 1892; Analecta ad paroemiographos Graecos, 1883) und kl¨arte ¨ als erster die Uberlieferung der griechischen Sprichw¨ortersammlungen. Daneben leistete er einen wichtigen Beitrag zur Erschließung antiker Musik. 1902 ver¨offentlichte er Erwin Rohde. Ein biographischer Versuch. C NDB

Crusius, (Heinrich) Wilhelm (Leberecht), Landwirt, * 18. 6. 1790 Leipzig, † 26. 8. 1858 R¨udigsdorf (Kr. Borna). Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Leipzig, das er mit der Promotion abschloß, u¨ bernahm der Sohn eines Rittergutsbesitzers 1813 das v¨aterliche Anwesen R¨udigsdorf und wurde nach dem Tod des Vaters zudem mit dem Rittergut Sahlis belehnt. Als Abgeordneter der Ritterschaft seines Heimatkreises war C. bis 1848 Mitglied der Ersten Kammer Sachsens, gr¨undete 1824 die Leipziger Hagelassekuranz und geh¨orte 1835 zu den Begr¨undern der Leipzig-Dresdner Eisenbahn. Er war im Aufbau des landwirtschaftlichen Vereinswesens t¨atig und errichtete 1846 in Sahlis eine private Versuchsstation, aus der 1850 die erste landwirtschaftliche Versuchsstation Deutschlands in M¨ockern entwickelt wurde. Er hatte entscheidenden Anteil an der Gr¨undung der Wanderversammlungen deutscher Land- und Forstwirte, die 1837 zum ersten Mal in Dresden stattfand. Neben der Fruchtwechselwirtschaft nach den Prinzipien Albrecht Daniel → Thaers f¨uhrte C. auf seinen G¨utern u. a. den Rapsanbau ein, besch¨aftigte fr¨uh einen Agrikulturchemiker und besaß eine der ersten Zuckersiedereien. C Leb Sachsen, Bd 1

Crusius von Krusenstjern, Philipp, Statthalter in Estland, * 1. 5. 1597 Eisleben, † 10. 4. 1676 Reval. C. v. K., Sohn eines Pfarrers, studierte an der Univ. Leipzig Rechtswissenschaften, wurde Rat des Grafen von Mansfeld

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und trat anschließend in die Dienste Herzog → Friedrichs III. von Holstein-Gottorf. 1635 unternahm er zusammen mit Adam → Olearius und Paul → Fleming eine Gesandtschaftsreise nach Moskau, Resident Holsteins in Reval, trat in schwedische Dienste und war als Assessor am Burggericht t¨atig; 1648 kodifizierte er im Auftrag der estl¨andischen Ritterschaft die „Ritter- und Landrechte“ dieser Provinz. Er nahm entscheidenden Anteil am Aufschwung des baltischen Wirtschaftslebens und regte in einer um 1650 erschienenen Denkschrift zum Bau eines Nordostseekanals sowie zur Umleitung des englisch-russischen Handels u¨ ber Reval an. 1652 wurde C. v. K. Kommerzdirektor von Livland und Estland, im folgenden Jahr Burggraf von Narwa und 1659 Statthalter von Reval. Kurz vor Ausbruch des Schwedisch-Russischen Kriegs befand er sich als Gesandter in Moskau, wurde dort einige Jahre gefangengehalten und lebte seit 1670 auf seinen estl¨andischen G¨utern. C NDB

Cruvelli, Sofia Vicomtesse Vigier, eigentl. Johanne Sophie Charlotte Cr¨uwell, S¨angerin, * 12. 3. 1826 Bielefeld, † 6. 11. 1907 Monte Carlo. C. ging nach dem fr¨uhen Tod ihres Vaters, eines evang. Pfarrers, mit ihrer Mutter und ihrer Schwester zur Ausbildung nach Paris. Sie war zun¨achst Sch¨ulerin von Francesco Piermarini und studierte dann bei Giulio Marco Bordogni in Paris und bei Francesco Lamperti in Mailand. Nach dem ersten o¨ ffentlichen Konzertauftritt 1846 in Paris gab C. ihr Operndeb¨ut am Teatro La Fenice in Venedig als Odabella in Verdis Attila. 1848 wurde sie an Her Majesty’s Theatre in London engagiert, gastierte im selben Jahr an der Berliner Hofoper, sang 1848 / 49 in Triest und war 1851-53 am Th´eaˆ tre-Italien in Paris erfolgreich. 1854 wechselte sie in London an die Covent Garden Opera, in Paris an die Grand Op´era, wo sie als Valentine in Les Huguenots von → Meyerbeer, als Rachel in La Juive von Hal´evy, als Giulia in La Vestale von → Spontini und 1855 in der Urauff¨uhrung von Verdis Oper Les Vˆepres Siciliennes, in der sie die Rolle der Elena u¨ bernahm, ihre gr¨oßten Erfolge feierte. Nachdem sie 1856 George Vicomte Vigier geheiratet hatte, zog sich C., deren Stimme einen Umfang von drei Oktaven hatte, von der Opernb¨uhne zur¨uck und ließ sich in Nizza nieder. C MGG Crux, Marianne, S¨angerin, * 1772 Mannheim, † n. e. Die Tochter des bayerischen Hof-Ballettmeisters Peter C. erhielt ihre Gesangsausbildung bei Dorothea → Wendling in Mannheim und nahm dort gleichzeitig Klavier- und Violinunterricht. 1787 kam sie nach Wien, trat am Hof Kaiser → Josephs II. als S¨angerin und Musikerin auf und reiste 1790 nach Berlin, wo sie zahlreiche Konzerte gab. Nach Auftritten in Mainz, Frankfurt / Main und Mannheim unternahm C. Konzertreisen nach London, Kopenhagen und Stockholm, wo sie einen schwedischen Ingenieur-Offizier heiratete.

Csaki, Richard, Kulturpolitiker, * 4. 4. 1886 Hermannstadt, † 31. 12. 1943 bei Perugia (Italien). C., dessen Vater Kustos am Brukenthalmuseum in Hermannstadt war, studierte Germanistik an den Universit¨aten Berlin, Bonn, K¨onigsberg und Klausenburg, war seit 1910 Deutschlehrer am evang. Gymnasium in Hermannstadt und wurde 1912 mit der Arbeit Die deutschen Schriften des Johannes Honterus promoviert. Nach dem Ersten Weltkrieg widmete er sich der kulturellen Organisation der Deutschen in Siebenb¨urgen und gr¨undete das „Deutsche Kulturamt in Großrum¨anien“, dessen Leitung er bis 1930 innehatte. C. war Herausgeber der seit 1919 erscheinenden Zeitschrift „Ostland“, begr¨undete die 1920-31 veranstalteten Ferienhochschulkurse und war 1933-41 Leiter des Deutschen AuslandsInstituts in Stuttgart, wo er einen Lehrauftrag f¨ur Deutschtumskunde an der TH annahm, und hielt seit 1940 Vorle-

Cube sungen an der Univ. T¨ubingen, die ihn 1943 zum Honorarprofessor ernannte. Er publizierte u¨ ber die Geschichte und Literatur Siebenb¨urgens, darunter die Sammlung Jenseits der W¨alder (1916) und Deutscher Wegweiser. Grenz- und auslandsdeutsches Reisehandbuch durch Europa (3 Bde., 1932). C., der mit Grete → Csaki-Copony verheiratet war, kam bei einem Flugzeugabsturz in Italien ums Leben. C NDB

Csaki-Copony, Grete, Malerin, Zeichnerin, * 12. 10. 1893 Zernescht bei Kronstadt, † 4. 12. 1990 Berlin. C.-C. studierte in Dresden, Berlin und M¨unchen, wo sie u. a. von Walther → Teutsch unterrichtet wurde; die Budapester Hochschule verließ sie jedoch wegen ihrer Heirat mit Richard → Csaki nach kurzem wieder. Seit 1911 hielt sie sich regelm¨aßig in Berlin auf, war 1927-32 Sch¨ulerin von Arthur → Segal und hatte 1918 ihre erste Einzelausstellung im Hermannst¨adter Brukenthalmuseum mit Bildern der klassischen Moderne. 1935 folgte eine Ausstellung in der Galerie Nierendorf in Berlin, mit der C.-C. sehr erfolgreich war. Von den Nationalsozialisten als „entartet“ bezeichnet, kam eine f¨ur 1936 geplante Ausstellung in Stuttgart nicht zustande, da sie alle Exponate zur¨uckzog. Seit 1962 in Berlin, schuf sie Ende der achtziger Jahre ein umfangreiches Alterswerk. C.-C.s Bilder lassen sich in ihrer fr¨uhen Phase dem Expressionismus zuordnen, wobei auch eine enge Beziehung zur neuen franz¨osichen Malerei bemerkbar ist. Nach 1954 arbei¨ tete sie viel auf der Insel Agina und rezipierte zunehmend mittelmeerisch-archaische Quellen. C AKL

Csillag, Rosa, eigentl. R. Goldstein, S¨angerin, * 23. 10. 1832 Irsa (Ungarn), † 20. 2. 1892 Wien. Die Tochter eines Synagogenkantors widmete sich fr¨uh ihrer Karriere als S¨angerin und erhielt zun¨achst eine Ausbildung an der Elevenschule der Budapester Oper, wo sie 1844 in der Urauff¨uhrung der Oper Hunyadi L´aszl´o deb¨utierte. Nach Studien bei Heinrich → Proch kam C. an das Berliner Hoftheater, wo sie als Fides in → Meyerbeers Propheten auf der B¨uhne stand, wurde schließlich 1850 an das Wiener Theater am K¨arntnertor engagiert und geh¨orte diesem Ensemble bis 1861 als Primadonna an. Ihr Repertoire umfaßte Alt-, Mezzosopran- sowie Sopranpartien; sie sang u. a. die Ortrud im Lohengrin, die Titelheldin in Lucrezia Borgia und die Azucena im Troubadur. Seit 1861 gab C. zahlreiche Gastspiele an allen bedeutenden europ¨aischen B¨uhnen und hatte erfolgreiche Auftritte in Moskau und St. Petersburg. C Wininger

Csokor, Franz Theodor, o¨ sterr. Schriftsteller, * 6. 9. 1885 Wien, † 5. 1. 1969 Wien. Nach dem Studium der Kunstgeschichte, Germanistik und Theaterwissenschaft in Wien war der Sohn eines Veterin¨armediziners 1913 / 14 als Dramaturg der Ida-OrloffTruppe in St. Petersburg t¨atig. 1916 arbeitete er im Presseb¨uro des k. u. k. Kriegsarchivs und wirkte 1920-28 als Regisseur und Dramaturg am Raimund-Theater sowie am Deutschen Volkstheater in Wien. Als C. 1933 o¨ ffentlich gegen die B¨ucherverbrennung protestierte, wurden seine Werke in Deutschland verboten. 1938 emigrierte er zun¨achst nach Polen, sp¨ater nach Rum¨anien und Jugoslawien und lebte seit 1944 in Rom, wo er f¨ur die BBC arbeitete. 1946 kehrte er in seine Heimatstadt zur¨uck und wurde 1947 Pr¨asident des ¨ Osterreichischen PEN-Clubs, 1967 Vizepr¨asident des Inter¨ nationalen PEN; 1955 erhielt er den Großen Osterreichischen Staatspreis f¨ur Literatur. In seiner expressiven Dichtung (u. a. Der Dolch und die Wunde, 1918) tritt er f¨ur Freiheit und Menschenw¨urde ein. Das 1922 entstandene Schauspiel Ballade von der Stadt. Ein dramatisches Fresko (erschienen 1928), das zu den letzten expressionistischen St¨ucken C.s z¨ahlt, geht auf ein Buch des Malers Carry → Hauser

zur¨uck. In seinem St¨uck Gesellschaft der Menschenrechte (1929) brachte C. seine pazifistische Gesinnung zum Ausdruck und stellt in seinem bekanntestes und erfolgreichsten Schauspiel Dritter November 1918. Ende der Armee ¨ Osterreich-Ungarns (Erstfassung 1923, endg¨ultige Fassung 1936) an einer Gruppe o¨ sterr. Offiziere symbolisch den Zerfall der o¨ sterreichisch-ungarischen Monarchie dar. In seinen sp¨aten St¨ucken, die dem antiken Drama nahestehen, werden eschatologische und ethische Probleme thematisiert. Die „Trilogie einer Weltenwende“ Olymp und Golgotha enth¨alt Kalypso (1946), Caesars Witwe (1954) und Pilatus (1954). C. ver¨offentlichte auch Prosa, Essays sowie H¨orspiele und ¨ war als Ubersetzer und Herausgeber t¨atig. C Killy

Csonka, Paul, Dirigent, * 24. 10. 1905 Wien, † 1995. ¨ C., Sohn des Olindustriellen Arpad C., studierte am Neuen Wiener Konservatorium bei Josef → Reitler, Eugen → Z´ador und Jacob → Gimpel. Seit 1934 war er Mitglied der Wiener Sektion der Internationalen Gesellschaft f¨ur Neue Musik. 1938 blieb er bei einem Gastspiel in den USA, ging im selben Jahr nach Kuba und wurde 1948 Prof. f¨ur Harmonielehre, Komposition und Musikgeschichte am Conservatorio Mozart in Havanna. 1955 u¨ bernahm er die Leitung der Opernklasse am Conservatorio Nacional de La Habana. C. dirigierte das Orchester der Santa Rio Oratorio Society und der Opera of Pro Arte Musical Society sowie den Philharmonischen Chor in Havanna und wurde Musikalischer Direktor des Kubanischen Balletts. 1961 ging C. in die USA, war Gastdirigent u. a. bei der Amerikatour der Wiener Philharmoniker und Dirigent der Chicago Opera und Musikdirektor der Palm Beach Civic Opera. Cuba, Johannes von, auch Cube, Johann Wonnecke aus Kaub, Mediziner, † zwischen 23. 9. und 5. 3. 1503 / 04 Frankfurt / Main. C. war Leibarzt Adolfs III. von Nassau, Adalberts von Sachsen, Graf Eberhards III. von Eppstein sowie weiterer Adliger, bis er 1484 die Stelle als Stadtarzt in Frankfurt / Main antrat. Sein Dienstvertrag wurde zweimal, 1489 und 1495, erneuert; 1503 erhielt er das B¨urgerrecht. C. galt fr¨uher als alleiniger Verfasser des ersten umfassenden Arzneibuchs in deutscher Sprache gart der gesuntheit, das neben einem auf lateinischen Vorlagen beruhenden Text auch einen Teil mit Pflanzenabbildungen enth¨alt. Neuere Erkenntnisse ergaben ¨ jedoch, daß C. vermutlich nur die Ubersetzung ins Deutsche, die Textzusammenstellung sowie die Auswahl der abgebil¨ deten Pflanzen zuzuschreiben sind. 1 C Arzte Cube, Hellmut von, Schriftsteller, * 31. 12. 1907 Stuttgart, † 29. 9. 1979 M¨unchen. Der Arztsohn begann an den Universit¨aten Berlin und M¨unchen das Studium der Germanistik, das er jedoch nach einigen Semestern abbrach, um sich einer T¨atigkeit als freier Schriftsteller widmen zu k¨onnen. Seit 1932 hielt sich C., Bruder von Walter von → C., in den Niederlanden, in Italien, Frankreich, der Schweiz sowie in Estland auf und ließ sich 1948 in M¨unchen nieder, wo er als Feuilletonist und Kritiker f¨ur verschiedene Zeitungen sowie als H¨orspielautor f¨ur den Rundfunk arbeitete. 1935 erschien seine erste Ver¨offentlichung Tierskizzenb¨uchlein, das eine in der Tradition → Jean Pauls und Eduard → M¨orikes gehaltene Sammlung von Idyllen aus der Tierwelt enth¨alt. Im gleichen Jahr folgten seine Kindheitserinnerungen Das Spiegelbild. Neben 40 H¨orspielen und Funkfeuilletons schrieb C. Gedichte (u. a. Bestiarium humanum, 1947), Essays und Erz¨ahlungen. 1976 wurde er mit dem Ernst-Hoferichter-Preis ausgezeichnet. C Killy

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Cube Cube, Walter von, Publizist, * 10. 7. 1906 Stuttgart, † 11. 6. 1984 Quinten am Walensee (St. Gallen). Der Bruder Hellmut von → C.s begann 1924 seine journalistische Laufbahn zun¨achst als Volont¨ar, sp¨ater als Redakteur beim „Berliner Tageblatt“, wo er bis 1931 t¨atig war. 1931 / 32 arbeitete er als freier Mitarbeiter u. a. bei der „Frankfurter Zeitung“ und lebte 1936-40 zur¨uckgezogen im oberbayerischen Leibersdorf. Er wurde dann zum Kriegsdienst einberufen und geriet 1944 in franz¨osische Gefangenschaft, aus der er erst drei Jahre sp¨ater zur¨uckkehrte. 1947 war C. Leiter des innenpolitischen Ressorts der „Neuen Zeitung“ in M¨unchen, gab im folgenden Jahr die Zeitschrift „Der Ruf“ heraus und kam 1948 als Chefkommentator und Chefredakteur des Hauptressorts Politik und Wirtschaft zum Bayerischen Rundfunk, dem er bis 1972 angeh¨orte. Seit 1954 Chefredakteur der Abteilung Erziehung und Kultur, wurde C. 1956 kommissarischer Intendant, 1957 Programmkoordinator, 1960 Programmdirektor und stellvertretender Intendant. Seit 1972 war er als freier Publizist t¨atig. C Munzinger Cucumus, Konrad von, Jurist, * 20. 1. 1792 Mainz, † 23. 2. 1861 M¨unchen. Der Sohn eines kurmainzischen Beamten studierte Rechtswissenschaften an der Univ. W¨urzburg, wurde 1818 zum Dr. jur. promoviert, habilitierte sich dort und war seit 1821 a. o. Prof. und seit 1825 o. Prof. des Staatsrechts und der Rechtsgeschichte. Seit 1830 Rektor der W¨urzburger Univ. und Landtagsabgeordneter, wurde C. nach den Karlsbader Beschl¨ussen 1832 wegen seiner freisinnigen Einstellung sei¨ ner Amter enthoben und als Appellationsgerichtsassessor nach Neuburg / Donau versetzt. Seit 1839 Appellationsgerichtsrat, wurde er 1842 zum Rat am obersten bayerischen Gerichtshof in M¨unchen ernannt, war 1848 Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung und seit 1852 zudem Mitglied des Senats f¨ur Kompetenzkonflikte. C. ver¨offent¨ lichte u. a. Uber die Eintheilung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen in den Strafgesetzb¨uchern, in Beziehung auf constitutionelle Grunds¨atze (1824) und Lehrbuch des Staatsrechts der constitutionellen Monarchie Baierns (1825). C Frankf Nationalvers

Curlis, ¨ Hans, Regisseur, * 16. 11. 1889 NiederdorfStraelen (Geldern), † 6. 8. 1982 Berlin. C. absolvierte an den Universit¨aten M¨unchen, Berlin und Kiel das Studium, das er 1914 mit der Promotion abschloß. Seit 1919 leitete er das Institut f¨ur Kulturforschung in Berlin sowie das daran angeschlossene Kulturfilminstitut. Dort richtete sich C. u. a. einen Tricktisch ein, experimentierte mit Scherenschnittfiguren und regte Lotte → Reininger zu ihren ersten Trickfilmen an. Daneben war C. Lehrbeauftragter f¨ur Kunstgeschichte an der Freien Univ. Berlin, Vorstandsmitglied der Gesellschaft f¨ur Filmwissenschaft und erhielt 1953 den Bundesfilmpreis. C. schuf etwa 350 Kulturfilme, darunter 1919 die ersten Filme u¨ ber Werke der bildenden Kunst und seit 1923 die ersten Filme u¨ ber Maler und Bildhauer bei der Arbeit, u. a. u¨ ber Max → Liebermann, Lovis → Corinth und K¨athe → Kollwitz.

Culemann, Simon August, Jurist, * 30. 3. 1734 G¨ottingen, † 27. 12. 1806 Bernburg (?). Das 1752 an der Univ. G¨ottingen begonnene Studium der Rechtswissenschaften setzte C. in Halle fort und war seit 1757 als Sachverwalter in Wetzlar t¨atig. 1763 wurde er in Gießen zum Dr. jur. promoviert und wirkte zun¨achst als Kammergerichtsadvokat in Wetzlar. Seit 1767 war C. Wirklicher, sp¨ater Geheimer Hof- und Regierungsrat in Bernburg, wo er bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand 1798 t¨atig war.

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Cullmann, Oskar, evang. Theologe, Neutestamentler, * 25. 2. 1902 Straßburg, † 16. 1. 1999 Chamonix. C. studierte in Straßburg, wo er 1930 o. Prof. f¨ur Neues Testament wurde. 1938-72 lehrte er als o. Prof. f¨ur Neues Testament und Geschichte der Alten Kirche in Basel, hatte aber auch Professuren in Straßburg (1945-48) und Paris (1951-68) ´ ´ inne, wo er Direktor an der Ecole des Hautes Etudes war. Seit 1957 korrespondierendes Mitglied der Mainzer Akademie f¨ur Wissenschaft und Literatur, wurde C. 1960 auch Mitglied der kgl.-niederl¨andischen Akademie der Wissenschaften und 1968 der British Academy. Seit 1965 geh¨orte er dem Exekutivausschuß des Ecumenical Institute for Advanced Theological Studies (Jerusalem) und seit 1972 der Acad´emie des Sciences Morales et Politiques an. Als Theologe war C. u¨ berzeugter Anh¨anger o¨ kumenischen Denkens. 1962-65 nahm er als Beobachter am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. C. ver¨offentlichte u. a. K¨onigsherrschaft Christi und Kirche im Neuen Testament (1941), Christus und die Zeit (1946), Die Christologie des Neuen Testaments (1957, 2 1958) und Einheit durch Vielfalt (1986). Er war Mitherausgeber der Zeitschriften „Theologische Zeitschrift“ (seit 1945) und „Journal of Ecclesiastical History“ (seit 1950). C RGG

Culmann, August Ferdinand, Politiker, Unternehmer, * 1. 8. 1804 Bergzabern, † 13. 9. 1891 Schloß Philippsburg bei Niederw¨urzbach. C., Sohn eines Pfarrers, studierte seit 1822 Rechts- und Staatswissenschaften in G¨ottingen und W¨urzburg und arbeitete nach dem Abschluß seines Studiums zwei Jahre lang als Anwalt am Bezirksgericht Kaiserslautern. 1833 verteidigte er einen Teilnehmer des Hambacher Festes, Pfarrer Hochd¨orfer, und mußte sich aufgrund seiner Sympathie f¨ur das Handeln des Angeklagten einer disziplinarischen Untersuchung unterziehen. Seit 1830 war er als Anwalt am Appellationsgericht in Zweibr¨ucken t¨atig und pflegte dort engen Kontakt zu dem Industriellen Christian → Dingler. 1848 vertrat C. den Wahlkreis Landau in der deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Als Vertreter der a¨ ußersten Linken geh¨orte er u. a. zusammen mit Arnold → Ruge, Julius → Fr¨obel und Moritz → Hartmann dem Klub Donnersberg an und war Mitglied eines 1849 in Kaiserslautern gew¨ahlten Landesverteidigungsausschusses, der daf¨ur sorgen sollte, daß die bayerische Regierung die Reichsverfassung anerkannte. C. betreute die Verbindungen der Nationalversammlung und der provisorischen Zentralgewalt zur Pfalz und hielt sich dort auch l¨angere Zeit auf. Als sich die Pfalz im Mai 1849 f¨ur unabh¨angig erkl¨arte, wurde C. in die provisorische Regierung gew¨ahlt und nach Einmarsch der preuß. Truppen im Juni desselben Jahres steckbrieflich gesucht. 1850 floh C. nach Ban St. Martin bei Metz. 1851 verurteilte man ihn wegen „bewaffneter Rebellion gegen die Organe der o¨ ffentlichen Gewalt“ in Abwesenheit zum Tod. 1857 ließ sich C. in Straßburg, sp¨ater in Forbach nieder, war in Besitz des Guts Heiligenbrunnen in der N¨ahe von Bitsch und geh¨orte 1862 zu den Gr¨undern der Frankenholzer Bergwerksgesellschaft. Politisch war er nicht mehr aktiv und bezog nur noch in Ausnahmef¨allen Stellung zu aktuellen Themen, so anl¨aßlich des Gedenkfestes zum 50. Jahrestag der V¨olkerschlacht bei Leipzig, wo er Partei f¨ur die rheinischen St¨adte nahm, die nicht an dieser Veranstaltung teilnehmen wollten (Die Nichtbeachtung der rheinischen St¨adte am Leipziger Feste vom 18. Oktober, 1863). Auch nachdem die Teilnehmer an der Revolution 1865 allgemein begnadigt worden waren, kehrte er nicht nach Bayern zur¨uck. C Frankf Nationalvers

Cuno Culmann, Carl, Ingenieur, Statiker, * 10. 7. 1821 Bergzabern (Rheinpfalz), † 9. 12. 1881 Z¨urich. C., Sohn eines evang. Theologen und Bruder Philipp Theodor → C.s, schloß das Ingenieurstudium 1841 an der Polytechnischen Schule in Karlsruhe ab und trat im gleichen Jahr in den bayerischen Staatsdienst ein, wo er am Bau der Eisenbahnstrecke durch das Fichtelgebirge beteiligt war. 1849 unternahm er eine zweij¨ahrige Studienreise nach England und Nordamerika, deren Ergebnisse er in einem von der Fachwelt vielbeachteten Reisebericht darlegte (Fortschritte im Br¨ucken-, Eisenbahn- und Flussdampfschiffbau, sowie in Errichtung der Telegraphen in Nordamerika und England, 1851). 1855 wurde C. als Prof. des Bauingenieurwesens an das Eidgen¨ossische Polytechnikum in Z¨urich berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1881 lehrte und zahlreiche neue Theorien u¨ ber Fachwerke, Bogen und Erddruck entwickelte. Mit seinem 1866 erschienenen Hauptwerk Graphische Statik erschloß er der Ingenieurwissenschaft die M¨oglichkeit zur geometrischen Erfassung der in den Bauten wirkenden Kr¨afte und damit zur zeichnerischen L¨osung der Be¨ rechnungen. Zu C.s Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Uber das Parallelogramm und die Zusammensetzung der Kr¨afte (1870) und Formeln und Tafeln zur Berechnung gewisser parabolischer Bogen (1873). C NDB

Culmann, Hellmut, Pseud. Hermann Walthari, Florian Geyer, evang. Theologe, Schriftsteller, * 17. 8. 1898 Albersweiler, † 9. 9. 1949 Bad Mergentheim. Der Arztsohn nahm am Ersten Weltkrieg teil und studierte 1919-22 Theologie, Philosophie, Literatur- und Kunstgeschichte an den Universit¨aten Erlangen und Heidelberg. 1922 trat C. eine Stelle als Pfarrverweser, sp¨ater als Pfarrer in Luthersbrunn an und ging 1926 ins brasilianische Rio Grande do Sul, wo er bis 1931 als Pfarrer und Lehrer wirkte. Nach seiner R¨uckkehr nach Deutschland amtierte er seit 1931 als Pfarrer in Billigheim. Daneben war C. fr¨uh literarisch t¨atig, arbeitete an Tageszeitungen, Zeitschriften, Almanachen sowie an Reise- und Schulb¨uchern mit und ver¨offentlichte zahlreiche Gedichte und Heimaterz¨ahlungen (Hinter den blauen Bergen. M¨archen, Legenden und Skizzen aus dem Wasgau, 1920) sowie einige Schauspiele, darunter das Drama Heliand (o. J.). C DLL, 20. Jh.

Culmann, Herbert, Jurist, Wirtschaftsmanager, * 15. 2. 1921 Neustadt / Weinstraße, † 5. 2. 1998 Bad Berleburg. C., Sohn eines Kaufmanns, ging nach dem Abitur 1939 zur Marine, kam als Offizier und Flugzeugf¨uhrer zur Luftwaffe. Nach dem Krieg studierte er an der Univ. Heidelberg Rechtswissenschaften, wurde 1951 promoviert (Die v¨olkerrechtliche Stellung der Handelsschiffe) und ließ sich 1952 als Rechtsantwalt in Neustadt nieder. 1953 wurde er Leiter der Rechtsabteilung der „Aktiengesellschaft f¨ur Luftverkehrsbedarf“ (Luftag), deren Leiter er nach Gr¨undung der Deutschen Lufthansa 1954 blieb, und leitete seitdem die „Direktion Zentralb¨uro“. 1964 in den Vorstand der Lufthansa berufen, war er 1972-82 dessen Vorsitzender. C. war außerdem Pr¨asident des Deutschen Aero-Clubs (seit 1983) und Vizepr¨asident der F´ed´eration Aeronautique Internationale. C Munzinger

Culmann, Leonhard, evang. Theologe, * 22. 2. 1497 / 98 Crailsheim, † 7. 11. 1561 / 62 Bernstadt bei Ulm. Nach dem Schulbesuch in Schw¨abisch Hall, Dinkelsb¨uhl, N¨urnberg und Saalfeld studierte C. 1514-17 Theologie an der Univ. Erfurt. Dort brachte er es bis zum Sententiar. Nach T¨atigkeiten in Bamberg und Ansbach wurde er 1519 Choralist bei Heilig Geist in N¨urnberg, sp¨ater Rektor dieser Schule und 1549 Prediger an St. Sebald in N¨urnberg. Seit 1554 / 55 war C. dort Hauptvertreter der Lehre → Osianders und wurde

¨ deswegen 1555 seiner Amter enthoben; er fand eine Anstellung bei den Grafen von Helfenstein in Wiesensteig und war seit 1558 in der Pfarrei Bernstadt t¨atig. C. verfaßte mehrere Schriften theologischen und erbaulichen Inhalts, so u. a. 1533 Frag und Antwort u¨ ber die Epistel Pauli zu Tito. C Imhoff

Culmann, Philipp Theodor, evang. Theologe, * 23. 11. 1824 Bergzabern (Rheinpfalz), † 22. 11. 1864 Bergzabern. Der Bruder Carl → C.s absolvierte 1844-47 an der Univ. Erlangen das Studium der Theologie, das er nach dem ersten theologischen Examen in Berlin fortsetzte, bis er 1849 / 50 seine erste Stelle als Vikar in Kaiserslautern antrat. 1851-59 war C. Pfarrer in Freckenfeld, dann bis 1863 in Speyer. Sein Hauptwerk Christliche Ethik (2 Tle., 1864, 61929) entwickelte, auf dem Begriff der trinitarisch begr¨undeten Gottesebenbildlichkeit basierend, Stufen der ethischen Gestaltung. In dieser Schrift, die insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg beachtet wurde, verband C. biblisch-evangelische mit theosophisch-katholischen und philosophischen Elementen. C NDB

Cunitz, Maria, Astronomin, * um 1610 Schweidnitz, † 24. 6. 1664 Pitschen bei Brieg. Die aus Schlesien stammende Tochter eines Arztes erhielt eine gr¨undliche Ausbildung in Latein, Franz¨osisch, Mathematik und Arzneikunde und besch¨aftigte sich fr¨uh mit Astronomie, deren Kenntnis sie unter Anleitung ihres sp¨ateren Ehemanns, des Arztes Elias von L¨owen, zu vervollst¨andigen suchte. Mit Hilfe der Rudolphinischen Tafeln arbeitete C. astronomische Tabellen aus, mit denen sich die Stellung der Planeten berechnen ließ. Ihr Lebenswerk Urania propitia (1650) machte sie u¨ ber die Grenzen Schlesiens hinaus in ganz Europa ber¨uhmt und gab Anlaß zu einem regen Briefwechsel mit den Gelehrten ihrer Zeit. C Leb Schlesien, Bd 3

Cunitz, Maud, S¨angerin, * 3. 4. 1911 London, † 22. 7. 1987 Baldham bei M¨unchen. C. studierte in N¨urnberg Gesang (bei Stoja von Millinkovi´c) und Tanz und geh¨orte seit 1930 dem N¨urnberger Opernchor an. Ihr Deb¨ut als Solistin hatte sie 1934 an den Vereinigten B¨uhnen Gotha-Sondershausen. 1935-38 wirkte sie am Landestheater Coburg, 1938 / 39 am Stadttheater L¨ubeck, 1939 / 40 am Stadttheater Magdeburg und 1940-44 an der Staatsoper Stuttgart. Seit 1945 geh¨orte sie dem Ensemble der M¨unchner Staatsoper an; regelm¨aßige Gastauftritte hatte sie 1945-60 an der Wiener Staatsoper. Nach zahlreichen weiteren Gastspielen u. a. in D¨usseldorf, Paris, Br¨ussel, Rom und London (dort 1953 in der Titelpartie in Arabella und als Gr¨afin in der englischen Erstauff¨uhrung der → Strauss-Oper Capriccio) zog sie sich 1965 vom B¨uhnenleben zur¨uck. Besondere Erfolge feierte C. u. a. mit der Desdemona in Verdis Othello, der Elsa in → Wagners Lohengrin und der Jenufa in der gleichnamigen Oper von Leoˇs Jan´acˇ ek. C Kutsch Cuno, Heinrich, Dramatiker, Schauspieler, Buchh¨andler, * Pommern, † 31. 3. 1829 Karlsbad. C. begann seine Laufbahn als Schauspieler einer Wandertruppe, war seit 1808 / 09 Mitglied der Doebbelinschen Gesellschaft und hatte 1815-19 ein festes Engagement in Coburg. Anschließend gr¨undete er eine Buchhandlung mit Leihbibliothek in Karlsbad, wo er auch die Bekanntschaft → Goethes machte. Daneben war C. ein zu seiner Zeit sehr bekannter Autor von Schauspielen im Stil des Ritter- und R¨auberdramas (u. a. Die Brautkrone und Der steinerne Burggraf in Elbogen), die an den meisten deutschen B¨uhnen aufgef¨uhrt wurden. Die Hauptfigur seines bekanntesten Dramas R¨auber auf Maria-Kulm (1816) geh¨orte zu den Glanzrollen des damals ber¨uhmten Heldendarstellers Wilhelm → Kunze.

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Cuno Cuno, Johann Christian, Kaufmann, Schriftsteller, * 3. 4. 1708 Berlin, † 1783 Weingarten bei Durlach. 1724 zum Milit¨ar einberufen, studierte C. seit 1727 Rechtswissenschaften an der Univ. Halle, wurde jedoch im folgenden Jahr zu seinem Regiment zur¨uckbeordert und 1731 zum Feldwebel bef¨ordert. Anschließend mußte er als Werbeoffizier in Deutschland, Ungarn, Kroatien und Italien zehn Jahre Dienst tun und ging nach seiner Entlassung nach Amsterdam, wo er sich als Buchh¨andler und Sprachlehrer den Lebensunterhalt verdiente. 1741 heiratete C. eine Kaufmannswitwe, deren Gesch¨aft er bis zu ihrem Tod leitete, und trat 1761 in den Dienst der holl¨andischen Seehandlungskompanie in Ostindien. Sp¨ater lebte er als Privatmann in Weingarten, widmete sich seiner schriftstellerischen T¨atigkeit und wurde Mitglied der „Deutschen Gesellschaft“ in G¨ottingen. Zu seinen Schriften z¨ahlen u. a. die 1749 erschienene Ode u¨ ber seinen Garten sowie die Messiade. In zw¨olf Ges¨angen (1762). Cuno, Johannes, auch Cono, Conon, Gr¨azist, * um 1462 / 63 N¨urnberg, † 21. 2. 1513 Basel. Der aus einfachen Verh¨altnissen stammende C. war Angeh¨origer des N¨urnberger Predigerklosters, wo er 1494 griechische Handschriften benutzte, und wurde in Heidelberg Sch¨uler → Reuchlins, dessen Griechischkenntnisse er bald weit u¨ bertraf. In den Jahren 1501 bis 1509 hielt sich C. mehrmals in Padua und Venedig auf, wo er sich u. a. bei Aldus Manutius und dessen Mitarbeitern Musurus, Carteromachus und Gregoropulus griechischen Studien widmete. 1510 konnte er auf Vermittlung Reuchlins in das Basler Predigerkloster mit seiner umfassenden griechischen Handschriftensammlung eintreten, unterrichtete dort die S¨ohne Johan¨ nes → Amerbachs und unterst¨utzte diesen mit Ubersetzungen bei der Vorbereitung der Hieronymus-Ausgabe Gregor → Reischs. Daneben arbeitete C., der zu seiner Zeit als ei¨ ner der besten deutschen Gr¨azisten galt, an Ubersetzungen der griechischen Kirchenv¨ater, darunter Gregor von Nyssa, Johannes Chrysostomus sowie Basilius Magnus. Er pflegte enge Beziehungen zu Willibald → Pirckheimer. C NDB Cuno, Johannes, auch Kh¨un, Khun, Kuhne, evang. Theologe, P¨adagoge, Dramatiker, * 1555 Erfurt, † 1598 Calbe / Saale. C., Sohn eines B¨ackermeisters, war seit 1571 als Student in Erfurt und ging 1574 an die Univ. Jena, um dort Theologie zu studieren. 1576 erhielt er die Stelle des Konrektors am Gymnasium in M¨uhlhausen und wurde in den folgenden Jahren Pfarrer in Horsmar, Hemleben und Bindersleben. 1587 nach Denunziation seines Amtes enthoben und vertrieben, hielt sich C. zun¨achst in Erfurt auf und wurde 1590 Lektor f¨ur Hebr¨aisch am Gymnasium in Eisleben, wo er eine Schulgrammatik Grammatica Hebraea ad usum scholarum (1590) herausgab. Zwei Jahre sp¨ater erhielt er die Stelle des Rektors in Calbe. C., der als Theologe den Kryptocalvinisten nahestand, machte sich auch als Dramatiker einen Namen; er schrieb 1595 das Weihnachtsspiel Ein sch¨on christlich Action von der Geburt und Offenbarung des Herrn (21598). C NDB Cuno, Wilhelm (Carl Josef), Politiker, Verwaltungsund Wirtschaftsfachmann, * 2. 7. 1876 Suhl (Th¨uringen), † 3. 1. 1933 Aum¨uhle bei Hamburg. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Berlin und ¨ Heidelberg, das er 1901 mit der Promotion abschloß (Ubergang der Gefahr bei Gattungsschulden nach dem B¨urgerlichen Gesetzbuche), begann C., Sohn eines Geheimen Rechnungsrats, seine Laufbahn als Regierungsassessor im Reichsschatzamt und wurde 1910 Regierungsrat, 1912 Geheimer Regierungsrat. Im Ersten Weltkrieg u¨ bernahm er die

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Leitung der Reichsgetreidestelle und wurde Generalreferent f¨ur Kriegswirtschaftsfragen. 1917 trat C. in das Direktorium der Hapag ein und wurde 1918 als Nachfolger Albert → Ballins Generaldirektor der Reederei. Als Wirtschaftsexperte der deutschen Regierung nahm er an den Waffenstillstands-, Friedens- und Reparationskonferenzen teil und wurde schließlich 1922 Reichskanzler. Als parteiloser Leiter einer Regierung der Wirtschaft bem¨uhte sich C. insbesondere um die Revision des Versailler Vertrags und um die Regelung der Reparationsfrage, konnte jedoch kein Abkommen mit den Alliierten schließen. Nach der Besetzung des Ruhrgebiets durch franz¨osische und belgische Truppen 1923 rief er dort zum passiven Widerstand auf, wodurch die Industrie im Ruhrgebiet lahmgelegt wurde und sich die Inflation versch¨arfte. Infolge eines Mißtrauensvotums der SPD trat C. am 12. 8. 1923 mit seinem Kabinett zur¨uck, wurde erneut Vorstandsmitglied der Hapag, deren Vorsitz er seit 1926 innehatte, und erreichte 1930 ihre Union mit dem Norddeutschen Lloyd. C NDB

Cuno, Wilhelm, Kommunalbeamter, * 22. 9. 1860 Berlin, † 26. 5. 1951 Hagen (Westfalen). Der Sohn eines st¨adtischen Gasanstaltsdirektors studierte in Berlin 1877-81 Jura und absolvierte dann sein einj¨ahrigfreiwilliges Milit¨arjahr. 1887 zum Gerichtsassessor ernannt, u¨ bernahm ihn die Kommunalverwaltung Berlins als Magistratsassessor. Nach einem Jahrzehnt wurde der politisch linksliberal-freisinnige C. in K¨onigsberg zum Stadtrat und im April 1901 in Hagen zum 1. B¨urgermeister gew¨ahlt. In der Stadt entfaltete C. bis 1927 vor allem eine umfangreiche wirtschaftsf¨ordernde, aber auch sozialpolitische T¨atigkeit. C. war Mitglied der Gesellschaft f¨ur Socialreform und ver¨offentlichte Arbeiten u. a. zur Armenunterst¨utzung. Der regionale Energieversorger Elektromark war maßgeblich sein Werk. 1907-12 hatte er das bis 1906 von Eugen → Richter gehaltene Hagener Reichstagsmandat f¨ur die Fortschrittliche Volkspartei inne. Nach 1918 hielt sich C. zur Deutschen Demokratischen Partei, deren Parteiausschuß er angeh¨orte, und f¨ur die er als Ruhest¨andler in Berlin publizistisch t¨atig war. Kriegsbedingt kehrte er nach Hagen zur¨uck, wo seine Erinnerungen an den Kapp-Putsch 1920 und die Ruhrbesetzung 1923 / 24 im Stadtarchiv lagern. C Haunfelder, Lib Abg Cunow, Heinrich, Soziologe, Ethnologe, * 11. 4. 1862 Schwerin, † 20. 8. 1936 Berlin. C., Sohn eines B¨uhnenarbeiters, durchlief 1877-80 eine kaufm¨annische Lehre in Hannover und war dann als Buchhalter in Hamburg t¨atig, wo er sich fr¨uh der Sozialdemokratie anschloß und Mitarbeiter beim „Hamburger Echo“ sowie beim Berliner „Vorw¨arts“ wurde. 1898 ging C. als wirtschaftspolitischer Mitarbeiter der von Karl → Kautsky geleiteten theoretischen Wochenschrift „Neue Zeit“ nach Berlin und wurde 1902 nach dem Tod Karl → Liebknechts Redakteur des „Vorw¨arts“, wo er als linksorthodoxer Marxist die Opposition gegen die revisionistische Gruppe um Kurt → Eisner f¨uhrte. Seit 1907 war er Lehrer an der Parteischule in Berlin, wandte sich w¨ahrend des Ersten Weltkriegs zunehmend vom Kommunismus ab und war 1917-23 Herausgeber der „Neuen Zeit“. Seit 1919 a. o. Prof. der Sozialwissenschaften und Wirtschaftsgeschichte in Berlin, wurde ihm im gleichen Jahr die Leitung des V¨olkerkundemuseums u¨ bertragen, die er bis 1924 innehatte. C., der zeitweilig Mitglied des Preußischen Landtags war, mußte 1930 seine Vorlesungen aus gesundheitlichen Gr¨unden einstellen. Er ver¨offentlichte u. a. Die soziale Verfassung des Inkareichs. Eine Untersuchung des altperuanischen Agrarkommunismus (1896), Die Marxsche Geschichts-, Gesellschafts- und Staatstheorie (2 Bde., 1920 / 21) und Allgemeine Wirtschaftsgeschichte (4 Bde., 1926). C NDB

Curio Cunrad, Caspar, auch Cunradi, Conradus, Mediziner, Dichter, * 9. 10. 1571 Breslau, † 15. 11. 1633 Breslau. C. studierte seit 1591 an der Univ. Frankfurt / Oder, seit 1594 in Wittenberg und erlangte im folgenden Jahr in Leipzig den Magistergrad; anschließend war er als Hauslehrer in Breslau t¨atig. 1601 zum poeta laureatus gekr¨ont, ging er nach Basel, wo er 1604 zum Dr. med. promoviert wurde. C. praktizierte dann in Breslau und trat 1621 die Nachfolge von Daniel Bucretius als Stadtphysikus an. Als Dichter z¨ahlt C. zu den Repr¨asentanten des schlesischen Sp¨athumanismus; er f¨orderte die jungen Dichter der Opitz-Zeit und verfaßte neben poetischen Zuschriften zu den Werken befreundeter Dichter zahlreiche meist lateinische Gelegenheitsgedichte. Bekannt wurde er vor allem durch die Ver¨offentlichung seines Literaturkalenders Prosographia melica (3 Tle., 1615-31), der dreitausend Disticha auf Gelehrte enth¨alt und damit einen wichtigen Beitrag zur Gelehrtengeschichte Schlesiens liefert. C. war der Vater von Johann Heinrich → C. C Killy

Cunrad, Johann Heinrich, auch Cunradus, Jurist, Historiograph, * 4. 8. 1612 Breslau, † 24. 5. 1685 Liegnitz. Der Sohn von Caspar → C. studierte an der Univ. Frankfurt / Oder Rechtswissenschaften, Moralphilosophie und das Griechische, war seit 1644 Advokat in Militsch und Breslau und stand u. a. in den Diensten des F¨ursten zu Lichenstein, des Breslauer F¨urstbischofs und des Herzogs von Oels. Sp¨ater zog er sich zu Studien in das Kloster Trebnitz zur¨uck, wo er sich dem Nachlaß seines Vaters widmete. Seine Schriften Silesipoliographia und Silesia togata sind, bis auf einen Auszug, der 1706 von Caspar Theophil Schindler publiziert wurde, ungedruckt geblieben. C Killy

Cuntz, (Albert Hermann) Otto, Althistoriker, * 10. 9. 1865 Stettin, † 1. 12. 1932 Graz. Nach dem Studium an den Universit¨aten Z¨urich, Straßburg und Bonn wurde C., Sohn eines Großkaufmanns, 1888 in Bonn zum Dr. phil. promoviert (De Augusto plinii Geographicorum auctore [. . .]) und ging im folgenden Jahr ein Semester nach Berlin. Er habilitierte sich 1894 in Straßburg f¨ur alte Geschichte und wurde 1898 a. o., 1904 o. Prof. der r¨omischen Altertumskunde an der Univ. Graz. C. besch¨aftigte sich insbesondere mit antiker Geographie und Topographie (u. a. Polybius und sein Werk, 1902). Bei seinen historischantiquarischen Arbeiten lag der Schwerpunkt auf der Epigraphik (Legionare des Antonius und Augustus aus dem Orient, ¨ Akad, Jg. 83 1929). C Almanach Ost Cuny, Ludwig von, Jurist, Politiker, * 14. 6. 1833 D¨usseldorf, † 10. 7. 1898 Berlin. C. studierte 1850-53 Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Bonn und Berlin und trat anschließend in den Staatsdienst ein. Seit 1858 Assessor, war er zun¨achst an den Landgerichten Kleve, K¨oln und Bonn t¨atig, wurde 1870 als Untersuchungsrichter ins Elsaß berufen und amtierte bis 1871 als Vorsitzender des in Straßburg errichteten Kriegsgerichts. 1871-73 Appellationsgerichtsrat in Colmar, wurde er 1875 zum a. o. Prof. der Rechte und 1889 zum o. Honorarprofessor an der Univ. Berlin ernannt. C. war Mitglied der Preußischen Hauptverwaltung der Staatsschulden, 1873-98 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses, 1874-81 und 1884-98 des Reichstags und geh¨orte 1881-98 dem Vorstand bzw. Zentralvorstand der Nationalliberalen an. C Hauenfelder, Lib Abg Cunz, (Maria) Martha, schweizer. Malerin, Graphikerin, * 24. 2. 1876 St. Gallen, † 15. 5. 1961 St. Gallen. Die einer Kaufmannsfamilie entstammende C. erhielt ihre k¨unstlerische Ausbildung seit 1896 bei Adolf → H¨olzel in Dachau, dann in M¨unchen bei Ludwig → Schmid-Reutte und Christian → Landenberger; 1899 ging sie nach Paris,

wo sie ihre Studien bei Lucien Simon und Luc-Olivier Merson fortsetzte. Seit 1910 unterhielt sie ein eigenes Atelier in M¨unchen, lebte abwechselnd hier und in der Schweiz und unternahm 1904 und 1911 Studienreisen nach Holland. Seit 1904 stellte C. ihre Werke im M¨unchner Glaspalast sowie auf den großen Kunstausstellungen 1904 und 1911 in Dresden und Berlin aus und beteiligte sich ferner an Ausstellungen in ihrer Heimat sowie in Leipzig und Weimar. ¨ Sie schuf neben Olbildern mit meist d¨usteren Gebirgslandschaften (u. a. Sturm und Wildkirchli) etwa siebzig farbige Holzschnitte, insbesondere mit Landschafts- und Tiermotiven, darunter Auf der Messe, Via Appia und Vorfr¨uhling. C AKL

Cuppener, Christoph, auch Kuppener, Kupener, Jurist, * um 1466 L¨obau (Westpreußen), † 1511 Leipzig. C., der aus einer alteingesessenen B¨urgerfamilie seiner Heimatstadt stammte, studierte seit 1482 an der Univ. Leipzig, wurde dort 1483 Baccalaureus und schloß 1485 mit dem Magister artium ab. Seit 1490 widmete sich C. dem Studium der Rechtswissenschaften in Bologna, wurde dort zwei Jahre sp¨ater zum Dr. jur. utr. promoviert und gleichzeitig Prokurator der Deutschen Nation. Seit 1494 als Syndikus im Dienst der Stadt Braunschweig stehend (nachweisbar bis 1500), nahm er 1495 am Reichstag in Worms teil. Seit 1501 als Kanzler von Friesland f¨ur die s¨achsischen Herz¨oge t¨atig, wurde er 1503 Dozent an der Leipziger Univ. und u¨ bernahm 1509 den Lehrstuhl Johann Lindemanns. Ferner Mitglied des Kleinen Kollegs, war C. 1510 / 11 Kanzler der Univ. und verfaßte eine Reihe von bedeutenden Werken der damaligen Rechtswissenschaft, darunter Consilia elegantissima in materia usurarum (1508). C NDB

Cureus, Joachim, auch Cur¨aus, eigentl. Scheer, reformierter Theologe, Mediziner, * 23. 10. 1532 Freystadt, † 21. 1. 1573 Glogau. Der Sohn eines Tuchmachers und Stadtrichters studierte 1548-50 als Sch¨uler → Melanchthons Theologie und Philosophie an der Univ. Wittenberg, wo er 1554 Magister wurde. Seit diesem Jahr Stadtschullehrer in Freystadt, setzte C. sein dort privat begonnenes Studium der Medizin 1557 an den Universit¨aten Padua und Bologna fort, wo er im folgenden Jahr zum Dr. med. promoviert wurde. 1559 praktizierte er als Stadtarzt in Glogau, wo er 1564 an der Einf¨uhrung der Reformation im Sinne Melanchthons beteiligt war. Einen Ruf als Prof. der Medizin nach Wittenberg lehnte er ab und ¨ starb kurz vor seiner Ubersiedlung als Arzt und herzoglicher Rat nach Brieg. Anonym erschien postum seine um 1562 verfaßte Schrift Exegesis perspicua et ferme integra controversiae de Sacra coena, die den Anlaß f¨ur die Verfolgung der Kryptocalvinisten durch → August von Sachsen gab. C RGG Curio, (Johann) Carl Daniel, Pseud. Jocosus d. J., Theophilantropus, Hans Sachs der F¨unfte, P¨adagoge, Publizist, * 3. 11. 1754 Helmstedt, † 30. 1. 1815 Hamburg. Der uneheliche Sohn eines Helmstedter Diakons wuchs im Waisenhaus auf und besuchte seit 1772 das Johanneum in Hamburg. 1775-79 studierte C. in Helmstedt Theologie und Philologie, arbeitete als Haus- und Privatlehrer und wurde 1780 als Feldprediger f¨ur die braunschweigischen Truppen in Kanada eingesetzt. 1780-93 hatte er eine Stelle am Martini-Gymnasium in Braunschweig inne. Hier verfaßte er eine Reihe von Gelegenheitsschriften und gab u. a. die „Braunschweigische Zeitung f¨ur alle St¨ande“ (1787-89) heraus. 1793 wurde C. seines Amtes enthoben, m¨oglicherweise im Zusammenhang mit der mißgl¨uckten Reorganisation des Braunschweiger Schulwesens durch Johann Heinrich → Campe. Seit 1795 war C. Schulgehilfe der Fahrenkr¨ogerschen Pensionsanstalt, einer Privatschule in Ham-

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Curione burg. 1804 gr¨undete er dort ein eigenes Lehr- und Erziehungsinstitut f¨ur Knaben; 1805 war er Mitgr¨under der Gesellschaft der Freunde des vaterl¨andischen Schul- und Erziehungswesens. C. ver¨offentlichte zahlreiche Beitr¨age im „Wandsbecker Bothen“ sowie im „Leipziger Musenalmanach“ und gab 1801-07 die Zeitschrift „Hamburg und Altona“ heraus. C Killy

Curione, Celio Secundo, auch Curioni, de Curionis, Humanist, * 1. 5. 1503 San Ciri`e (Piemont), † 23. 11. 1569 Basel. Nach humanistischen und juristischen Studien in Turin und Mailand widmete sich der einer piemontesischen Adelsfamilie entstammende C. einer humanistischen Lehrt¨atigkeit und war reformatorisch t¨atig. In seiner Heimat mehrmals wegen H¨aresieverdachts verhaftet, floh er schließlich mit seiner Familie nach Lausanne. Dort unterrichtete C. mehrere Jahre an einer reformierten Schule, bis er eine Professur f¨ur Rhetorik an der Univ. Basel u¨ bernahm. Hier beteiligte er sich an den kirchlichen Auseinandersetzungen der Schweiz, korrespondierte mit Heinrich → Bullinger und ver¨offentlichte 1554 seine dem polnischen K¨onig Sigismund II. August gewidmete Schrift De amplitudine beati regni Dei, die ihn in den Verdacht unitarischer H¨aresie brachte, von dem sich C. aber reinigen konnte. Daneben verfaßte C. zahlreiche theologische, rhetorische sowie p¨adagogische Schriften und u¨ bersetzte Werke antiker und moderner Historiker (u. a. Francesco Guicciardini). C RGG Curjel, Hans Richard, Dirigent, Regisseur, Dramaturg, * 1. 5. 1896 Karlsruhe, † 3. 1. 1974 Z¨urich. Nach dem Musik- und Kunstgeschichtsstudium (1914-19) an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, M¨unchen, Wien und Berlin, das er 1925 mit der Promotion zum Dr. phil. abschloß (Die Jugendentwicklung des Hans Baldung Grien), widmete sich C., Sohn eines Architekten, 1923 / 24 am Karlsruher Konservatorium bei Leopold → Reichwein einem Violinstudium und der Ausbildung zum Dirigenten. Seit 1924 war er Kapellmeister am Schauspielhaus D¨usseldorf, 1926 zeitweilig stellvertretender Leiter der badischen Kunsthalle in Karlsruhe und 1927-31 als Dramaturg und Regisseur an der Kroll-Oper in Berlin, wo er u. a. Puccinis Madame Butterfly und viele Werke neuer Musik inszenierte. C. unterrichtete an der Lessing-Hochschule, war journalistisch t¨atig und wirkte seit 1931 bis zu seiner Emigration in die Schweiz 1933 als Direktor des Deutschen Opernhauses in Berlin. 1933-42 Oberregisseur am Z¨urcher Corso-Theater, war er 1946-48 Direktor am Stadttheater in Chur, wo er → Brechts Antigone urauff¨uhrte, und im Anschluß daran Gastregisseur in Berlin, Paris, Rom und Z¨urich. Sp¨ater arbeitete er als freier Kunstschriftsteller und -kritiker, war Mitarbeiter schweizer. und deutscher Rundfunksender, organisierte 1952 ¨ die erste Uberblickausstellung u¨ ber die Kunst des Jugendstils im Kunstgewerbemuseum Z¨urich (Um 1900. Art Nouveau und Jugendstil) und gab daneben Gastvorlesungen an der Univ. und ETH Z¨urich sowie der Ulmer Hochschule f¨ur Gestaltung. C. war Herausgeber der Schriften und Memoiren Henry van de Veldes und verfaßte musikwissenschaftliche (Synthesen. Vermischte Schriften zum Verst¨andnis neuer Musik, 1966) und kunsthistorische Schriften, darunter 1923 eine Monographie u¨ ber Hans Baldung Grien, und gab Schriften Henry van de → Veldes heraus. C Wendland Cursch-Buhren, ¨ Franz Theodor, Komponist, Dirigent, Redakteur, * 10. 1. 1859 Troppau, † 11. 3. 1908 Leipzig. C.-B. widmete sich zun¨achst dem Studium der Philosophie und der Rechtswissenschaften, wandte sich jedoch seit 1885 der Musik zu, wurde in Berlin Sch¨uler von Reinhold Succo und nahm in Leipzig Unterricht bei Oskar → Paul. Anschließend war er zwei Jahre lang Theaterkapellmeister, u. a. in

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Worms, Trier und Eupen, und siedelte schließlich nach Leipzig u¨ ber, wo er seit 1898 als Musikredakteur der Zeitung „Chorgesang“ und bis 1899 als Musikreferent am „Leipziger Tageblatt“ wirkte. Daneben verfaßte C.-B. eine Klene Compositionslehre (1896) und wurde insbesondere durch seine Klavierst¨ucke, M¨annerch¨ore sowie durch Singspiele, darunter Das Rosel vom Schwarzwald und E-Moll-As, einer Satire auf Richard → Strauss’ Salome, bekannt.

Curschmann, Fritz, Historiker, * 17. 3. 1874 Berlin, † 5. 2. 1946 Greifswald. Das Studium der Geschichte an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, Leipzig und Berlin schloß C., Sohn von Heinrich → C. und Bruder von Hans → C., 1899 in Leipzig mit der Promotion zum Dr. phil. ab (Hungersn¨ote im Mittelalter. Ein Beitrag zur deutschen Wirtschaftsgeschichte des 8. bis 13. Jahrhunderts, 1900). 1905 habilitierte er sich an der Univ. Greifswald und erhielt 1909 den Professorentitel. 1918 wurde er Prof. an der neuer¨offneten Deutschen Univ. Dorpat, ging im folgenden Jahr als a. o. Prof. an die Univ. Greifswald, wo 1928 seine Ernennung zum o. Prof. erfolgte. Seit 1929 war C. Vorsitzender der Kommission f¨ur historische Geographie des internationalen Ausschusses der historischen Wissenschaften. Neben zahlreichen Aufs¨atzen historisch-geographischen Inhalts in wissenschaftlichen Zeitschriften ver¨offentlichte er eine Reihe von historischen Schriften, darunter Die Di¨ozese Brandenburg (1906) und Die deutschen Ortsnamen im nordostdeutschen Kolonialgebiet (1910). C BBL

Curschmann, Hans (Heinrich), Mediziner, * 14. 8. 1875 Berlin, † 10. 3. 1950 Rostock. Der Bruder Fritz → C.s studierte an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, M¨unchen und Leipzig Medizin, wurde 1900 promoviert (Ueber Cystitis typhosa) und war Assistent Ernst → Rombergs an der Univ. T¨ubingen, wo er sich 1906 habilitierte (Beitr¨age zur Physiologie und Pathologie der kontralateralen Mitbewegungen). Seit 1907 leitender Arzt der Medizinischen Abteilung des St¨adtischen Krankenhauses Mainz, wurde C. 1916 Extraordinarius und Direktor der Medizinischen Poliklinik der Univ. Rostock, 1921 Direktor der Medizinischen Universit¨atsklinik. C. war Gr¨under und Vorsitzender der Nordwestdeutschen Gesellschaft f¨ur Medizin sowie Mitherausgeber einiger medizinischer und neurologischer Zeitschriften. Er besch¨aftigte sich vor allem mit organischer Neurologie, mit Psychoneurosen und mit Konstitutionspathologie. C., nach dem die sog. Curschmannschen Zeichen der neurologischen Diagnostik benannt sind, ver¨offentlichte u. a. Lehrbuch der Nervenkrankheiten (1909, 2 1925, mit Franz → Kramer), Endokrine Krankheiten (mit Franz Prange, 1928, 31943) und Lehrbuch der speziellen Prognostik innerer Krankheiten (1942, 31948). C Mecklenburg, Bd 2

Curschmann, Heinrich (Jakob Wilhelm), Internist, * 28. 6. 1846 Gießen, † 6. 5. 1910 Leipzig. C. absolvierte 1863-68 unter Rudolf → Leuckart, K. Eckhard und Eugen → Seitz an der Univ. Gießen das Studium der Medizin, wurde dort 1868 promoviert (Beitr¨age zur Physiologie der Kleinhirnschenkel) und war anschließend drei Jahre Assistenzarzt am Mainzer Rochusspital. Seit 1871 vervollkommnete er unter Ludwig → Traube seine medizinischen Kenntnisse in Berlin, wo er sich 1875 f¨ur Innere Medizin habilitierte und noch im selben Jahr zum dirigierenden Arzt des Moabiter Krankenhauses ernannt wurde. Als a¨ rztlicher Direktor der st¨adtischen Krankenh¨auser in Hamburg (seit 1879) ließ er das Eppendorfer Allgemeine Krankenhaus erbauen. Von 1888 bis zu seiner Emeritierung war er schließlich Ordinarius f¨ur Innere Medizin an der Univ. Leipzig, zu deren Rektor er 1906 gew¨ahlt wurde (Rektoratsrede Ueber die Ansteckung, 1906). C. z¨ahlt zu den f¨uhrenden Klinikern seiner

Curtius Generation. Er verfaßte u. a. wichtige Beitr¨age u¨ ber Infektionskrankheiten, beschrieb 1882 die „Curschmannschen Spiralen“ und konstruierte die „Curschmannsche Kan¨ule“ zur Punktion von Haut¨odemen. C. wurde 1892 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. Er ver¨offentlichte u. a. Der Unterleibstyphus (1898) und Das Fleckenfieber (1900). C. war der Vater von Fritz und Heinrich → C. C NDB

Curschmann, Karl Friedrich, Komponist, * 21. 6. 1805 Berlin, † 24. 8. 1841 Langfuhr bei Danzig. Der Sohn eines Weinh¨andlers und einer Fabrikantentochter studierte 1824 / 25 Rechtswissenschaften in Berlin und G¨ottingen, widmete sich jedoch als Sch¨uler Louis → Spohrs und Moritz → Hauptmanns bald der Musik. 1828 wurde im Kurf¨urstlichen Hoftheater von Kassel seine Operette Abdul und Erinnieh oder die Toten mit Erfolg aufgef¨uhrt. C. lebte danach, abgesehen von zwei Reisen nach Paris und einem l¨angeren Aufenthalt in Wien, in seiner Heimatstadt, nahm lebhaften Anteil am dortigen Musikleben und gab gelegentlich Gesangsunterricht. Er z¨ahlte zu den beliebtesten Liederkomponisten seiner Zeit (Curschmann-Album, 1871). C MGG

Curti, Anton, S¨anger, * 1819 (?), † 4. 1. 1887 Dresden. C. begann seine Gesangskarriere an der Dresdner Hofoper, wo er 1845 in der Urauff¨uhrung von Richard → Wagners Tannh¨auser die Partie Heinrichs des Schreibers u¨ bernahm. 1847 ging er an das Theater in K¨onigsberg (Ostpreußen), 1849 an das Stadttheater in Danzig und 1852 an das Hoftheater in Kassel. Dort wechselte er allm¨ahlich vom lyrischen Stimmfach zu Partien f¨ur Tenor-Buffo u¨ ber und trat u. a. als Peter Iwanow in Zar und Zimmermann von Albert → Lortzing und als Don Basilio in → Mozarts Hochzeit des Figaro auf. Seit 1861 wirkte C. am Theater in Stettin, am Theater in K¨onigsberg und am Stadttheater in L¨ubeck, hatte Engagements an den Stadttheatern in Augsburg (1864 / 65), W¨urzburg (1865 / 66) und erneut in Augsburg (1866 / 67), wo er auch Regie f¨uhrte. 1867 nahm er Abschied von der B¨uhne und war als Gesangsp¨adagoge in Dresden t¨atig. C. war der Vater von Franz → C. C Kutsch

Curti, Basil Ferdinand, schweizer. Staatsmann, * 20. 5. 1804 Rapperswil, † 9. 7. 1888 Konstanz. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an den Universit¨aten W¨urzburg und Heidelberg ließ sich der Sohn eines Kaufmanns in St. Gallen als Rechtsanwalt nieder. Seit 1835 Mitglied des dortigen Großen Rats, war C. 1839-59 Regierungsrat, wurde 1851 in den St¨anderat aufgenommen und wirkte 1859-66 als Nationalrat. Als liberaler Katholik opponierte er gegen den Ultramontanismus, war an der fortschrittlichen demokratischen Gestaltung der kantonalen Gesetzgebung und Verwaltung beteiligt und gilt als Vork¨ampfer des schweiz. Bundesstaats von 1848. C NDB Curti, Franz, Zahnarzt, Komponist, * 16. 11. 1854 Kassel, † 6. 2. 1898 Dresden. Der Sohn Anton → C.s wuchs im schweizer. Rapperswil auf, erhielt fr¨uh Klavier-, Violin- und Orgelunterricht und absolvierte an den Universit¨aten Berlin und Genf das Studium der Medizin. Um 1880 ließ sich C. als Zahnarzt in Dresden nieder, wo er sich auch der Musik widmete, u. a. als Sch¨uler Edmund → Kretschmers und Heinrich → Schulz-Beuthens. Er komponierte neben M¨annerch¨oren, Liedern und Orchesterwerken f¨unf Opern (u. a. Herta, 1887; Das R¨osli von S¨antis, 1898) sowie das Chorwerk Die Gletscherjungfrau. C Refardt

Curti, Theodor, Pseud. Karl Sch¨onburg, schweizer. Politiker, Publizist, * 24. 12. 1848 Rapperswil, † 13. 12. 1914 Thun. Nach dem Studium der Medizin, der Rechtswissenschaften und der Philosophie an den Universit¨aten Genf, Z¨urich und W¨urzburg war C., Sohn eines Rechtsanwalts und Stadtschreibers und Großneffe von Basil Ferdinand → C. 1870 als Kriegsberichterstatter im Elsaß t¨atig. Seit 1871 Redakteur der liberalen „St. Galler-Zeitung“, schrieb C. von 1873 an f¨ur die „Frankfurter Zeitung“, sah sich aber wegen der Maßnahmen → Bismarcks gegen das liberale Blatt 1879 zur R¨uckkehr in die Schweiz gezwungen, wo er zusammen mit Reinhold → R¨uegg die demokratische „Z¨uricher Post“ gr¨undete und bis 1884 leitete. 1881-1902 war er Eidgen¨ossischer Nationalrat, 1899 / 1900 Landammann von St. Gallen und trat f¨ur die Erweiterung der politischen Volksrechte sowie f¨ur die Entwicklung der Sozialpolitik ein. 1902-14 hatte C. die Leitung der „Frankfurter Zeitung“ inne und kehrte bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs erneut in die Schweiz zur¨uck. Neben zahlreichen politischen Publikationen (u. a. Die soziale Frage in der Schweiz, 1886; Geschichte der Schweiz im 19. Jahrhundert, 1902) ver¨offentlichte er lyrische und dramatische Dichtung. C NDB Curtius, Ernst, Klassischer Philologe, Arch¨aologe, * 2. 9. 1814 L¨ubeck, † 11. 7. 1896 Berlin. Der Sohn von Karl Georg → C. und Bruder von Theodor und Ernst → C. studierte Klassische Philologie in Bonn, G¨ottingen und Berlin. Seit 1837 Hauslehrer bei Christian August → Brandis in Athen, bem¨uhte er sich um die Nachdichtung griechischer Dichter. Nach seiner R¨uckkehr wurde er 1841 in Halle promoviert (Commentatio de portubus Athenarum) und habilitierte sich zwei Jahre sp¨ater in Berlin. 1844-49 war C. Erzieher des preuß. Kronprinzen → Friedrich Wilhelm und hatte gleichzeitig bis 1855 eine a. o. Professur an der Berliner Univ. inne. Zu dieser Zeit entstand sein zweib¨andiges Standardwerk Peloponnesos (2 Bde., 1851 / 52). 1855-67 lehrte C. als Ordinarius f¨ur Klassische Philologie an der Univ. G¨ottingen und publizierte eine Gesamtdarstellung der Griechischen Geschichte (3 Bde., 1857-67, 61887-89). 1856-68 war er Mitglied der G¨ottinger Akademie der Wissenschaften. 1868 wurde er Prof. der Klassischen Arch¨aologie sowie Direktor des Kgl. Museums in Berlin, wo er 1881 / 82 Rektor der Univ. war. 1871 wurde er von der Reichsregierung mit der Leitung der von ihm angeregten Ausgrabungen in Olympia betraut, bei der die Skulpturen des Zeustempels, des Hermes und des Praxiteles gefunden wurden. C. war der Vater von Friedrich → C. und der Großvater C SHBL, Bd 10 von Ernst Robert → C. Curtius, Ernst Robert (Gustav Tassilo), Romanist, Kulturwissenschaftler, * 14. 4. 1886 Thann (Elsaß), † 19. 4. 1956 Rom. Der Enkel des Arch¨aologen Ernst → C. und Sohn eines Geheimen Regierungsrats studierte 1903-12 zun¨achst Sanskrit und Vergleichende Sprachwissenschaften, sp¨ater Neuere Philologie in Straßburg, Berlin und Heidelberg. 1910 wurde C. in Straßburg mit einer Einleitung zu einer neuen Ausgabe der Quatre Livre des Reis bei Gustav → Gr¨ober promoviert, der in ihm das Interesse f¨ur das europ¨aische Mittelalter sowie f¨ur die zeitgen¨ossische franz¨osische Literatur weckte. 1913 habilitierte er sich in Bonn (Ferdinand Bruneti`ere. Beitrag zur Geschichte der franz¨osischen Kritik), war dort seit 1919 a. o. Prof. und 1920-24 Ordinarius f¨ur romanische Philologie in Marburg. Anschließend wirkte er bis 1929 in Heidelberg und kehrte dann an die Bonner Univ. zur¨uck, wo er bis zu seiner Emeritierung 1951 lehrte. C. trat in zahlreichen Publikationen f¨ur eine deutsch-franz¨osische Verst¨andigung auf der Basis gemeinsamer kultureller Tradition ein und propagierte

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Curtius ein verbindendes geistiges Klima (Die literarischen Wegbereiter des neuen Frankreich, 1919, 31923; Die franz¨osische Kultur, mit Arnold → Bergstraesser, 1930, 21975; frz. 1932; schwed. 1932; engl. 1932, Nachdr. 1962 und 1971; t¨urk. 1938, 21953). 1932 forderte er in seiner Schrift Deutscher Geist in Gefahr (5. / 6. Tsd. 1933) eine dem Kulturverfall entgegenwirkende Erneuerung aus dem Geist des europ¨aischen Mittelalters und zog sich mit der wissenschaftlichen Ausarbeitung seines Programms w¨ahrend des Nationalsozialismus ¨ aus der Offentlichkeit zur¨uck. In seinem Werk Europ¨aische Literatur und lateinisches Mittelalter (1948, 21954, 111993) wies C. eine Traditionslinie zwischen antiker, mittelalterlicher und neuzeitlicher Literatur nach. Er begr¨undete die moderne Toposforschung. Im Gedenken an C. wird seit 1984 j¨ahrlich der E. R. C-Preis in zwei Teilen vergeben: f¨ur ein deutschsprachiges essayistisches Lebenswerk und (als E. R. C.-F¨orderpreis) f¨ur einen Essay eines j¨ungeren Autors zu Zeitfragen. 1980 erschien La Correspondance de E. R. C. avec Andr´e Gide, Charles Du Bos et Val´ery Larbaud. C IGL

Curtius, Friedrich, Jurist, Politiker, * 7. 7. 1851 Berlin, † 5. 5. 1933 Heidelberg. Der Sohn von Ernst → C. studierte Theologie und Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Berlin, Heidelberg und G¨ottingen und wurde nach der Promotion zum Dr. jur. und Dr. theol. zun¨achst Verwaltungsbeamter im Elsaß, sp¨ater Kreisdirektor in Straßburg. 1902-14 war er Pr¨asident des Direktoriums und Oberkonsistoriums der Kirche Augsburgischer Konfession in Elsaß-Lothringen. Seine Aufzeichnungen und Schriften erregten vor allem wegen ihrer kritischen Haltung zur Militarisierung der deutschen Politik im Elsaß vor dem Ersten Weltkrieg Aufsehen, auch die Herausgabe der Denkw¨urdigkeiten des F¨ursten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsf¨urst (2 Bde., 1906) durch C. mißfiel Kaiser → Wilhelm II. C. lebte sp¨ater in Berlin, zuletzt in Heidelberg, gab 1903 die Erinnerungen seines Vaters unter dem Titel Ein Lebensbild in Briefen heraus und verfaßte u. a. Der Charakter des deutschen Staatswesens (1916) sowie Deutsche Briefe und els¨assische Erinnerungen (1920).

Curtius, Friedrich Wilhelm, Industrieller, * 21. 4. 1782 Goch / Niederrhein, † 12. 2. 1862 Duisburg. Nach einer Amerikareise widmete sich C., Sohn eines Stadtund Amtsphysikus, einer kaufm¨annischen Laufbahn, war zun¨achst als Buchhalter und Reisender t¨atig und rief 1815 eine Drogen- und Farbengroßhandlung ins Leben. Sp¨ater ging er zur anorganisch-chemischen Fabrikation u¨ ber, baute 1824 eine Schwefels¨aurefabrik und begr¨undete damit die industrielle Entwicklung Duisburgs und gleichzeitig die chemische Großindustrie am Niederrhein. 1838 folgte die Gr¨undung der ersten westdeutschen Sodafabrik, die er zehn Jahre sp¨ater durch den Bau einer Chlorkalifabrik erweiterte. 1840 wurde C. Besitzer einer Alaun- und Tonerdesulfatfabrik und gr¨undete 1849 eine Ultramarinfabrik. C.s Bem¨uhungen um einen Zusammenschluß innerhalb der chemischen Industrie mit dem Ziel der Wettbewerbsvermeidung fanden ihren Niederschlag in der „Schwefels¨aure-Konvention“ von 1854, der zwei Jahre sp¨ater die „Soda-Konvention“ folgte. C Rhein-Westf Wirt, Bd 9

Curtius, Georg, Philologe, Sprachforscher, * 16. 4. 1820 L¨ubeck, † 12. 8. 1885 Hermsdorf. Der Bruder des Historikers Ernst → C. studierte Klassische Philologie in Bonn und Berlin (vor allem bei Franz → Bopp), wurde nach der Promotion (1842, De nomine Graecorum formatione) Lehrer am Gymnasium Vitzthunianum in Dresden unter Rektor Karl Justus → Blochmann und 1846 Privatdozent (Habilitationsschrift Die Bildung der Tempora und Modi im Griechischen)in Berlin. 1849 erhielt er einen Ruf

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als Prof. der Klassischen Philologie nach Prag und wechselte in gleicher Eigenschaft 1854 nach Kiel, 1862 nach Leipzig. C. besch¨aftigte sich mit griechischer Morphologie (Grundz¨uge der griechischen Etymologie, 2 Bde., 1858-62, 5 1879), verfaßte eine Griechische Schulgrammatik (1852, 16 1884) und f¨uhrte die Methoden der Vergleichenden Sprachwissenschaft in die Klassische Philologie ein. In der Arbeit Zur Kritik der neuesten Sprachforschung (1885) verteidigte er seinen historisch-vergleichenden Ansatz gegen die Kritik der Junggrammatiker. Seit 1868 gab C. die „Studien zur griechischen und lateinischen Grammatik“ heraus. C SHBL, Bd 10

Curtius, Julius, Politiker, * 7. 2. 1877 Duisburg, † 10. 11. 1948 Heidelberg. C., Sohn eines Fabrikanten, studierte 1895-98 in Kiel, Straßburg und Bonn Jura, wurde 1900 in Berlin promoviert und ließ sich nach einer T¨atigkeit im preuß. Justizdienst 1905 als Rechtsanwalt in seiner Heimatstadt nieder. Seit 1911 widmete sich C. staatsrechtlichen Studien in Heidelberg, nahm am Ersten Weltkrieg teil und war 1919 Mitbegr¨under der Deutschen Liberalen Volkspartei in Heidelberg, wo er bis 1921 Stadtverordneter war. 1920-32 geh¨orte C. als Abgeordneter der Deutschen Volkspartei dem Reichstag an, war seit 1921 Anwalt beim Berliner Kammergericht und vertrat vornehmlich die Schwerindustrie. 1926-29 war C. in f¨unf Kabinetten Reichswirtschaftsminister; er bem¨uhte sich um ein Arbeitsbeschaffungsprogramm sowie um eine verst¨arkte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. Nach dem Tod Gustav → Stresemanns seit 1929 Außenminister, setzte er die Annahme des Young-Plans durch und erreichte den Abzug der alliierten Truppen aus dem Rheinland, scheiterte aber mit seinem Plan einer deutsch-¨osterreichischen Zollunion und trat 1931 zur¨uck. C. war danach als Verm¨ogensverwalter, Rechtsanwalt und Gutsbesitzer in Mecklenburg t¨atig; nach der Enteignung 1945 zog er nach Heidelberg. Er ver¨offentlichte u. a. Bismarcks Plan eines deutschen Volkswirtschaftsrats (1919), Was im Haag erreicht wurde (1929) und Sechs Jahre Minister der deutschen Republik (1948). Postum erschien Der Young-Plan. Entstehung und Wahrheit (1950). C BHdAD

Curtius, Karl Friedrich, Jurist, * 18. 1. 1764 Leipzig, † 6. 3. 1829 Dresden. Das 1783 begonnene Studium der Rechtswissenschaften an der Univ. seiner Heimatstadt schloß C. 1789 mit der Promotion ab. Er war seit 1790 als Advokat t¨atig und hielt zugleich bis 1797 Vorlesungen an der Univ., u. a. u¨ ber s¨achsisches Privatrecht sowie u¨ ber angewandtes r¨omisches Recht. 1799 wurde er zum Rat des Dresdner Appellationsgerichts ernannt. C. verfaßte 1798 ein zweib¨andiges Handbuch des in Kursachsen geltenden Zivilrechts.

Curtius, Karl Georg, Jurist, * 7. 3. 1771 L¨ubeck, † 4. 10. 1857 L¨ubeck. Der Arztsohn studierte an der Univ. Jena Rechtswissenschaften und Philosophie, kehrte 1898 nach L¨ubeck zur¨uck und war zun¨achst Aktuar am dortigen Niedergericht. 1801 wurde C. zweiter, im folgenden Jahr erster Syndikus und wirkte insbesondere am L¨ubecker Obergericht. C. war wiederholt Bundesgesandter und bem¨uhte sich um Reformen im Schulwesen. Daneben war er auch schriftstellerisch t¨atig, ver¨offentlichte Gedichte im Nordischen Musenalmanach und widmete → Schiller sein bereits zu Studentenzeiten begonnenes Drama Demetrius, das dieser wohlwollend beurteilte. C. war der Vater von Ernst und Georg → C. C SHBL, Bd 10 Curtius, Ludwig (Michael), Arch¨aologe, * 13. 12. 1874 Augsburg, † 10. 4. 1954 Rom. C., Sohn eines Mediziners, studierte zun¨achst in M¨unchen und Berlin Rechtswissenschaft und National¨okonomie,

Curtz wandte sich dann aber in M¨unchen dem Studium der Arch¨aologie zu und wurde 1903 promoviert (Die antike Herme). Er beteiligte sich unter Adolf → Furtw¨angler an ¨ Ausgrabungen auf Agina und in Bo˘gazkale, habilitierte sich ¨ 1907 in M¨unchen (Uber einen Apollonkopf in Florenz) und wurde dort Privatdozent f¨ur Klassische Arch¨aologie. Im folgenden Jahr ging er als a. o. Prof. nach Erlangen, wo er 1912 o. Prof. f¨ur Klassische Arch¨aologie wurde. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg lehrte C. seit 1918 in Freiburg / Breisgau, seit 1920 in Heidelberg und war 1928-37 erster Direktor des Deutschen Arch¨aologischen Instituts in Rom. In seinen wissenschaftlichen Untersuchungen widmete er sich bevorzugt der Deutung altorientalischer und klassisch griechischer Kunstwerke sowie der r¨omischen Ikonographie. C. ver¨offentlichte u. a. Die antike Kunst (2 Bde., 1924-38), Die Wandmalerei Pompejis (1929), Die klassische Kunst Griechenlands (1938) und Interpretationen von sechs griechischen Bildwerken (1947, 21965). Seine Lebenserinnerungen erschienen 1950 unter dem Titel Deutsche und antike Welt. C. war Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und seit 1952 des Ordens Pour le M´erite f¨ur Wissenschaft und K¨unste. C NDB

Curtius, Michael Conrad, Philologe, Historiker, * 18. 8. 1724 Techentin bei Goldberg (MecklenburgSchwerin), † 22. 2. 1802 Marburg / Lahn. Der einer luth. Pastorenfamilie entstammende C. studierte 1742-45 an der Univ. Rostock Theologie, Philosophie, Rhetorik und Geschichte. 1745 wurde er Hauslehrer in Stralsund, 1748 Hauslehrer und Privatsekret¨ar beim hannoverschen Staatsminister von Schwichelt. Seit 1759 Lehrer an der Ritterakademie in L¨uneburg, folgte er 1768 einem Ruf als Prof. der Geschichte, Dichtkunst und Rhetorik an die Univ. Marburg. Die bevorzugten Themen seiner zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen stammen aus dem welt-, kirchen- und regionalgeschichtlichen Bereich (u. a. Commentarii de senatu Romano post tempora eversae reipublicae, 1768, auch 1769). Ferner ver¨offentlichte C. neben agrarwissenschaftlichen und juristischen Schriften Gedichte sowie literaturwissenschaftliche Abhandlungen. C Mecklenburg, Bd 2

Curtius, Sebastian, luth. Theologe, * 22. 11. 1620 Kassel, † 30. 5. 1684 Kassel. Der Kaufmannssohn studierte seit 1640 u. a. in Marburg und unternahm anschließend eine gr¨oßere Studienreise durch Frankreich. 1647 wurde er in seiner Heimatstadt zum Generalstabsprediger ernannt, war zugleich Prof. der hebr¨aischen Sprache und Logik und wurde sp¨ater Rektor der dortigen Lateinschule. Nach der Wiedererrichtung der Univ. Marburg 1653 erhielt C. hier die zweite Professur der Theologie sowie das Ephorat der Stipendiatenanstalt. 1661 wurde er zum Primarius der Fakult¨at ernannt und nahm im gleichen Jahr am Kasseler Religionsgespr¨ach teil. C. ver¨offentlichte zahlreiche Predigten, Gelegenheitsschriften sowie erbauliche Werke; 1665 gab er Markus Friedrich → Wendelins ¨ Compendium theologiae christianae in eigener Uberarbeitung heraus.

Curtius, Theodor, Politiker, * 6. 3. 1811 L¨ubeck, † 25. 10. 1889 L¨ubeck. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften 1829-33 an den Universit¨aten G¨ottingen und Heidelberg ließ sich C., Sohn von Karl Georg → C. und Bruder von Ernst und Georg → C., 1834 als Advokat in seiner Heimatstadt nieder, trat f¨ur Reformen der L¨ubecker Verfassung ein und wurde 1846 in den Senat gew¨ahlt. 1848 war er Bundestagsgesandter in Frankfurt / Main und erreichte im folgenden Jahr den Beitritt L¨ubecks zum deutsch-¨osterreichischen Postverein sowie eine Reform der Milit¨arverh¨altnisse. 1866 f¨orderte er nachhaltig

den Anschluß L¨ubecks an die preuß. Politik und bem¨uhte sich um einen politischen Zusammenhalt mit Hamburg und Bremen. Seit 1869 amtierte C. als B¨urgermeister von L¨ubeck und war mehrmals Senatspr¨asident. C SHBL, Bd 10

Curtius, (Julius Wilhelm) Theodor, Chemiker, * 27. 5. 1857 Duisburg, † 8. 2. 1928 Heidelberg. Der aus einer Gelehrten- und Unternehmerfamilie stammende C., Enkel von Friedrich Wilhelm → C., studierte seit 1876 in Leipzig Musik und Naturwissenschaften, wandte sich jedoch unter dem Einfluß seiner Lehrer Robert → Bunsen und Hermann → Kolbe der Chemie zu. Nach ¨ der Promotion 1882 mit der Dissertation Uber einige neue der Hippurs¨aure analog constituirte, synthetisch dargestellte Amidos¨auren setzte er seine Studien in M¨unchen fort und habilitierte sich 1886 bei Otto → Fischer mit der Arbeit Diazoverbindungen der Fettreihe an der Univ. Erlangen. 1889 wurde C. zum o. Prof. und Direktor des Chemischen Instituts der Univ. Kiel ernannt und trat 1897 in Bonn die Nachfolge August von → Kekul´es an. Im folgenden Jahr wurde er auf den Lehrstuhl Bunsens an die Univ. Heidelberg berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung wirkte. Zu seinen bedeutendsten wissenschaftlichen Leistungen z¨ahlt die Entdeckung des Diazoessigesters (1883) und damit die Darstellung der ersten aliphatischen Diazoverbindung, die Darstellung des Hydrazins (1887) und der Azide (1890) sowie die Entdeckung des nach C. benannten Abbaus von Carbons¨auren zu Aminen. C. ver¨offentlichte u. a. Einwirkung von Stickstoffkohlenoxyd und von Stickwasserstoffs¨aure unter Druck auf aromatische Kohlenwasserstoffe (1924) und Arbeiten u¨ ber Hydrazide und Azide (1930). Der Politiker Julius → C. war sein Neffe. C Poggendorff 4-6

Curtius, Valentin, luth. Theologe, * 6. 1. 1493 Lebus, † 27. 11. 1567 L¨ubeck. Der Sohn eines Barbiers trat nach dem 1512 in Rostock begonnenen Studium der Theologie in den Franziskanerorden ein, wandte sich jedoch bald der Reformation zu und wurde 1528 Prediger an der Heilig-Geist-Kirche, 1531 Hauptprediger an St. Marien. 1534 folgte C. einem Ruf als Prediger an die St. Petrikirche in L¨ubeck, wurde dort 1545 Hauptpastor und u¨ bernahm 1553 als Superintendent die Leitung des geistlichen Ministeriums. Als entschiedener Verfechter der luth. Orthodoxie erarbeitete C. 1555 Gutachten gegen → Osiander und unterzeichnete 1556 die Confessio → Westphals. 1560 verfaßte er die als L¨ubecksche Formel bekannte Schrift Formula consensus de doctrina Evangelii, et administratione Sacramentorum, die sowohl gegen Katholiken wie Reformierte gerichtet war. C SHBL, Bd 6

Curtz, Albert Graf von, auch Curz, Kurz, Pseud. Lucius Barretus, Jesuit, Schriftsteller, Astronom, * 1600 M¨unchen, † 19. 12. 1671 M¨unchen. Der dem Geschlecht der Grafen Curtz von Senfftenau entstammende C., Sohn eines bayerischen Obersthofmeisters, trat 1616 in den Jesuitenorden ein, lehrte Mathematik und Moralphilosophie in Dillingen und wirkte als Domprediger an St. Stephan in Wien. 1646 und 1663 war C. Rektor der Kollegien in Neuburg / Donau, Eichst¨att und Luzern und kehrte anschließend wieder in seine Heimatstadt zur¨uck. Vom Pfalzgrafen → Wolfgang Wilhelm, dem er in religi¨osen und politischen Fragen beratend zur Seite stand, wurde er mit diplomatischen Aufgaben betraut. C. verfaßte neben religi¨osen und historischen Schriften kriegswissenschaftliche Abhandlungen, darunter seine gegen → Wallenstein gerichtete Coniuratio Albert Friedlandi ducis (1651). 1659 erschien sein deutscher, bewußt im Gegensatz zur → Opitzschen Sprachreform stehender Liedpsalter Harpffen Davids Mit Teutschen Saiten bespannet [. . .] (3 Tle., 21669), der starke Verbreitung fand.

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Curtze Bevorzugtes Gebiet seiner literarischen T¨atigkeit war die Besch¨aftigung mit der Astronomie (Historia coelestis, 1666; Novum coeli systema, 1627). C., der 1666 eine Edition der Werke Tycho Brahes besorgte, verfaßte auch selbst astronomische Arbeiten, darunter seine Beobachtungen der Cometen von 1645 (1681). C Killy

Curtze, (Ernst Ludwig Wilhelm) Maximilian, Lehrer, Mathematikhistoriker, * 4. 8. 1837 Ballenstedt, † 3. 1. 1903 Thorn. C., Sohn eines herzoglichen Leibarztes, studierte seit 1857 bei Johann August → Grunert in Greifswald Mathematik und Physik und unterrichte 1864-94 als Lehrer am Gymnasium in Thorn. 1880 wurde er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. C. ver¨offentlichte zahlreiche Arbeiten zur Geschichte der Mathematik im Mittelalter, u¨ bersetzte Werke italienischer Mathematiker ins Deutsche und reiste im Auftrag der Berliner Akademie durch deutsche und o¨ sterr. Bibliotheken, um mathematische Handschriften zu studieren. Zu einem seiner wissenschaftlichen Schwerpunkte wurde die Besch¨aftigung mit dem aus Thorn stammenden Nicolaus → Copernicus. C. verfaßte u. a. Der Algorismus propertionum des Nicolaus Oresme (1868, Nachdr. 1980), Eine Studienreise unternommen August bis Oktober 1896 (1898), Nicolaus Coppernicus. Eine biographische Skizze (1899) und gab Urkunden zur Geschichte der Mathematik in Mittelalter und der Renaissance (2 Tle., 1902, Nachdr. 1968) heraus. Neben Leopold → Prowe geh¨orte er zu den Hauptmitarbeitern einer 1873 erschienenen, kritischen Ausgabe von dessen wichtigstem Werk De revolutionibus orbium coelestium. Eine geplante Geschichte der Geometrie im Mittelalter konnte er nicht mehr abschließen. C Altpreuß Biogr, Bd 1

Cuspinianus, Johannes, eigentl. J. Spießheimer, Spießhaymer, Humanist, Arzt, Diplomat, * Dezember 1473 Schweinfurt, † 19. 4. 1529 Wien. C., dessen Vater B¨urgermeister von Schweinfurt war, begann seine humanistischen Studien 1490 in Leipzig und setzte sie im folgenden Jahr in W¨urzburg fort; seit 1492 studierte er Philosophie und Medizin in Wien, wo er Anschluß an den dortigen Humanistenkreis fand, 1493 zum poeta laureatus gekr¨ont und 1499 zum Dr. med. promoviert wurde. 1500 war er Rektor der Wiener Univ., u¨ bernahm 1508 als Nachfolger von Konrad → Celtis den Lehrstuhl f¨ur Rhetorik und Poetik und wurde Oberhaupt der Wiener Humanisten. Seit 1510 von Kaiser → Maximilian I. in diplomatischen Missionen nach Ungarn, B¨ohmen und Polen entsandt, wurde er 1512 zum kaiserlichen Rat und 1515 zum Stadtanwalt von Wien ernannt. C. vermittelte die Doppelhochzeit zwischen Maximilians Enkeln und den Kindern K¨onig Wladislaws von Ungarn sowie das Treffen der K¨onige in Wien. Er stand mit zahlreichen Humanisten seiner Zeit (u. a. mit → Reuchlin und Willibald → Pirckheimer) im Briefwechsel. Auf seinen Reisen sammelte C. wertvolle Handschriften, edierte die Werke klassischer und mittelalterlicher Autoren unter Anwendung quellenkritischer Methoden und machte sich auch als Autor historischer Abhandlungen einen Namen. Sein Hauptwerk De Caesaribus atque Imperatoribus Romanis opus insigne erschien 1553 postum. C NDB Custer, Jakob Laurenz, schweizer. Kaufmann, Politiker, * 16. 3. 1753 Altst¨atten (Kt. St. Gallen), † 24. 1. 1828. C. erfuhr eine kaufm¨annische Ausbildung in Genf und Lyon. Durch seine Heirat 1776 wurde er Inhaber eines großen Schweizer Handelshauses in Verona. 1798 erwirkte er die Freierkl¨arung der Landvogtei Rheintal durch die regierenden eidgen¨ossischen St¨ande und wurde im Anschluß daran Landesstatthalter von Rheintal. 1799 Syndikus der Stadt Rheinegg, war er seit 1802 helvetischer Finanzminister. C. vertrat

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den Kanton Appenzell im helvetischen Konsulat in Paris und war 1803-17 Mitglied des Großen Rats von St. Gallen, wo er sich vorwiegend dem Schul- und Sozialwesen widmete. C ADB

Custos, Dominicus, eigentl. Balten, auch Custodis, de Coster, Kupferstecher, Verleger, * um 1559 / 60 Antwerpen, † 1615 Augsburg. C., Sohn des Antwerpener Malers Pieter Balten, wurde wahrscheinlich in den Niederlanden ausgebildet und ließ sich sp¨ater in Augsburg nieder, wo er 1588 die Witwe des Kup¨ heiratete und den ferstechers Bartholom¨aus → Kilian d. A. Namen Custos annahm. Neben der Familie Fugger, f¨ur die er große Folgen von Familienbildnissen stach (u. a. Fuggerorum et Fuggerarurm [. . .] Imagines, 1592), z¨ahlte auch → Ferdinand II. von Tirol zu seinen Auftraggebern. F¨ur den Innsbrucker Hof schuf C. u. a. eine Folge von Tiroler Landesf¨ursten nach den Wandgem¨alden im Spanischen Saal von Schloß Ambras (Tirolensium Principum Comitum [. . .], 1599). 1607 war er sehr wahrscheinlich am Hof Kaiser → Rudolfs II. in Prag t¨atig. Besondere Bedeutung erlangte C. vor allem durch die Gr¨undung der ersten professionellen Kupferstichwerkstatt in Augsburg, die nach dem Vorbild Antwerpener Verlage aufgebaut wurde. C., der 1611 und 1615 dem Großen Rat von Augsburg angeh¨orte, gab neben historisch-genealogischen Reihen und Bildnisserien auch einzelne Bl¨atter, Emblemb¨ucher sowie literarische und theologische Werke heraus. Vorherrschend war eine manieristische Stichtechnik, die sich von den niederl¨andischen Vorbildern ableitete. Nach C.’ Tod f¨uhrten die S¨ohne Raphael, David und Jacob C. den Verlag weiter; die k¨unstlerische Nachfolge trat allerdings C.’ Stiefsohn Lucas → Kilian an, der die Entwicklung des deutschen Kupferstichs im 17. Jh. entscheidend beeinflußte. C AKL

Custos, Raphael, auch Custodis, Custods, de Coster, Kupferstecher, Radierer, Verleger, * um 1590 Augsburg, † 11. 5. 1651 Augsburg. C. war der a¨ lteste Sohn des Kupferstechers Dominicus → C., von dem er auch ausgebildet wurde. Nach dem Tod des Vaters f¨uhrte er gemeinsam mit seinen j¨ungeren Br¨udern dessen Verlag in Augsburg weiter. C. arbeitete als Ornamentstecher und Illustrator f¨ur B¨ucher, Traktate und Flugbl¨atter, wobei er zumeist Entw¨urfe seines Stiefbruders Lucas → Kilian und von Matthias → Kager umsetzte. Seine Portr¨ats, Allegorien und Emblemata sind stilistisch und technisch stark von der sp¨atmanieristischen Stichtechnik des Vaters gepr¨agt. Zu erw¨ahnen sind vor allem C.’ Augsburger Geschlechterbuch Patriciarum Stirpium [. . .] Der Herren Geschlechter Deß Hail. R¨om. Reichs Statt Augspurg (1613) und die Illustrationen f¨ur die Architekturtraktate sowie den Mechanischen ReißLaden (1644) von Joseph → Furttenbach. C AKL ¨ auch Cuvilli´es, (Jean) Fran¸cois (Vincent Joseph) de, d. A., Couvillier, Cuvilies, Cuviller, Baumeister, * 23. 10. 1695 Soignies (Hennegau), † 14. 4. 1768 M¨unchen. Der geb¨urtige Wallone trat im Alter von elf Jahren als Hofzwerg in die Dienste des bayerischen Kurf¨ursten → Maximilian II. Emanuel, der damals im Br¨ussler Exil residierte, kam dann an den M¨unchner Hof und erhielt 1716-20 seine Ausbildung bei dem dortigen Hofbaumeister Joseph → Effner. Im Anschluß daran studierte C. Architektur bei Fran¸cois Blondel in Paris, wo er bis 1724 blieb. Nach seiner R¨uckkehr 1725 wurde er in M¨unchen neben Effner Hofbaumeister, hielt sich 1754 / 55 nochmals in Paris auf, wurde 1758 Kammerrat und nach dem Tod Johann → Gunetzrhainers zum Oberhofbaumeister ernannt. C., der seit 1730 den Titel eines K¨olner Truchsessen f¨uhrte, war Repr¨asentant des bayerischen Rokoko und setzte f¨ur

Cysat seine Zeitgenossen Maßst¨abe auf dem Gebiet der Ornamentik sowie der Bau- und Raumkunst. Neben umfangreichen T¨atigkeiten f¨ur H¨ofe in Bayern, aber auch außerhalb des Kurf¨urstentums, schuf er mit der Innenausstattung der M¨unchner Residenz (1730-37), mit dem Bau der Amalienburg im Nymphenburger Schloßpark (1734-39) sowie mit dem Residenztheater in M¨unchen (1750-53) bedeutende Werke des europ¨aischen Rokoko. C. war der Vater von Fran¸cois de → C. d. J. C AKL

Cuvilli´es, Fran¸cois (Joseph Ludwig) de, d. J., Architekt, * 24. 10. 1731 M¨unchen, † 10. 1. 1777 M¨unchen. C. erhielt bei seinem Vater, dem M¨unchner Hofbaumeister ¨ seine erste Ausbildung, die er an Fran¸cois de → C. d. A., der Acad´emie Royal in Paris abschloß. 1757 wurde er am kurf¨urstlichen Hof in M¨unchen angestellt, erhielt um 1765 den Titel eines Hauptmanns und war als Mitarbeiter seines Vaters bei den Festdekorationen des Hofs t¨atig. Nach dessen Tod 1768 wurde C. neben Carl Albrecht von → Lespilliez zum zweiten Oberhofbaumeister ernannt und z¨ahlte zu den fr¨uhesten Repr¨asentanten klassizistischer Kunststr¨omungen in M¨unchen; Beispiele dieses Stils sind seine beiden profanen Bauten, die Alte Hauptwache am Marienplatz (1769) und der sogenannte Landschaftliche Neubau am Oberanger (1774), w¨ahrend sich C.s Kirchenbauten, u. a. in Ansbach, am traditionellen einheimischen Kirchenbaustil orientieren. Er arbeitete an der Neuherausgabe der Stiche seines Vaters; das Werk, das unter Mitwirkung einiger M¨unchner K¨unstler zu einem stilgeschichtlichen Musterbuch bayerischer Baukunst erweitert werden sollte, wurde jedoch nicht vollendet. C AKL Cycowski, Roman, fr¨uher Josef C., Pseud. Josef Roman, Kantor, Chorleiter, * 24. 1. 1901 Tressyn (Russ. Polen), † 9. 11. 1998 Palm Springs (Kalifornien, USA). Der in Polen aufgewachsene Sohn eines j¨udischen Kantors floh gegen Ende des Ersten Weltkriegs und arbeitete in einem Haushaltswarengesch¨aft in Beuthen (Oberschlesien), wo er auch ein Engagement am Oberschlesischen Landestheater erhielt. In den zwanziger Jahren trat er als Operns¨anger an verschiedenen Provinztheatern auf und wurde nach weiterer Gesangsausbildung in Berlin Chors¨anger am Großen Schauspielhaus. 1927-35 geh¨orte er als Bariton den „Comedian Harmonists“ an, deren j¨udische Mitglieder nach dem Verbot ¨ der Gruppe in Deutschland nach Osterreich emigrierten und mit neuer Besetzung weltweite Tourneen unternahmen. Nach der Ermordung seines Vaters verließ C. 1940 die Gruppe und war seit 1942 als Kantor in Los Angeles t¨atig. Seit 1947 lebte er als Chordirigent, Opern- und Jazzs¨anger in San Francisco und trat auch im Fernsehen auf. 1971 zog sich C. nach Palm Springs zur¨uck. C BHdE, Bd 2

Cyprian, Ernst Salomon, luth. Theologe, * 22. 9. 1673 Ostheim v. d. Rh¨on, † 19. 9. 1745 Gotha. Der Sohn eines Apothekers studierte seit 1692 Medizin an den Universit¨aten Leipzig und Jena, wandte sich sp¨ater der Theologie zu und widmete sich insbesondere kirchengeschichtlichen Studien. In Helmstedt wurde C. 1699 a. o. Prof. der Philosophie, im folgenden Jahr Direktor und Prof. der Theologie am Collegium Casimirianum in Coburg und f¨uhrte dort 1701 die Noctes Casimirianae ein, Abenddiskussionen mit den Akademikern der Stadt. 1706 erfolgte seine Promotion zum Dr. theol. in Wittenberg. Seit 1713 Mitglied des Oberkonsistoriums in Gotha, wurde er 1735 dessen Vizepr¨asident. C. gilt zusammen mit Valentin Ernst → L¨oscher und Erdmann → Neumeister als wichtigster Theologe der sp¨aten luth. Orthodoxie; er bek¨ampfte die Unionsbestrebungen Christoph Matth¨aus → Pfaffs. In seinen Schriften ¨ besch¨aftigte er sich bevorzugt mit Kirchengeschichte (Uberzeugende Belehrung vom Ursprung und Wachsthum des

Papstthums, 1736, 61769) und setzte sich u. a. in seinem von Georg Grosch vollendeten Werk Nothwendige Verthaidigung der evangelischen Kirche wider die Arnoldische Ketzertheorie (1745) mit Gottfried → Arnolds pietistischer Geschichtsauffassung auseinander. Daneben gab er Werke von → Spalatin und → Mykonius heraus. C TRE

Cyran, Wolfgang, Mediziner, Medizinjournalist, * 22. 9. 1911 Breslau, † 19. 5. 2000 Wiesbaden. C. schloß sein Medizinstudium 1936 in Berlin mit der Dis¨ sertation Uber die Wirkung von seltenen Erden auf den Ablauf des Vitamin-Mangels ab. Die besonderen Verdienste von C. lagen auf dem Gebiet des Medizinjournalismus, wobei er auf beispielhafte und verantwortungsvolle Weise die wissenschaftlichen und publizistischen Bed¨urfnisse zu verbinden wußte. Er ver¨offentlichte u. a. Sexuelle Probleme der ¨ Frau. Leitfaden f¨ur Arzte (1981, 21989), Keine Angst vor den Wechseljahren (1986, 21987), Vermeidbare Behandlungsfehler des Arztes (1992) und Erotik und Sexualit¨at im Alter (mit Max Joseph Halhuber, 1992).

Cysarz, Herbert (Franz von Sales), Literaturhistoriker, Schriftsteller, * 29. 1. 1896 Oderberg bei Ostrau (Schlesien), † 1. 1. 1985 M¨unchen. C., Sohn eines Exportkaufmanns und Spediteurs, schloß das Studium nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1919 mit der Promotion zum Dr. phil. ab (Erfahrung und Idee in der deutschen Literatur des klassisch-romantischen Zeitalters [Von Hamann bis Hegel]). 1922 habilitierte er sich bei Walther → Brecht an der Univ. Wien (Deutsche Barockdichtung. Renaissance, Barock, Rokoko, ver¨offentlicht 1924, Nachdr. 1979), wurde dort Privatdozent und 1926 zum a. o. Prof. ernannt. 1928 / 29 war er a. o. Prof., 1929-38 o. Prof. f¨ur Neuere deutsche Sprache (und Literatur) an der Karls-Universit¨at in Prag. C., der 1935-38 Mitglied der Sudetendeutschen Partei war, wurde 1937 Vorsitzender der Sudetendeutschen Kultus- und Schrifttumskammer. Die Aufnahme in die NSDAP (1940 beantragt) wurde auf das Jahr 1938 r¨uckdatiert. Im selben Jahr wurde C. Mitglied des NS-Dozentenbundes. 1938-45 war er o. Prof. f¨ur Neuere deutsche Literaturgeschichte M¨unchen (Nachfolge des zwangsemeritierten Walther Brecht). Nach der Dienstenthebung 1945 wurde C. 1946 aus politischen Gr¨unden entlassen und 1951 pensioniert. In seinen literaturwissenschaftlichen Werken besch¨aftigte sich C. insbesondere mit Barockliteratur, → Klopstock und → Schiller und edierte u. a. eine Ausgabe barocker Lyrik (3 Bde., 1937, Nachdr. 1964). Ferner verfaßte er eine Reihe von philosophischen Studien (u. a. Das Unsterbliche. Die Gesetzlichkeit und das Gesetz der Geschichte, 1940; Das seiende Sein. Geistes- und gesamtwissenschaftliche Letztfragen, 1948, Nachdr. unter dem Titel Sein und Werden. Entwurf eines universalhistorischen Spektrums, 1970; Weltr¨atsel im Wort. Studien zur europ¨aischen Dichtung und Philosophie, 1948, Neudr. 1970; Individualit¨at. Die kreative Einmaligkeit des Menschen, 1983) schrieb Romane und ver¨offentlichte 1976 die Autobiographie Vielfelderwirtschaft. Ein Werk- und Lebensbericht (2., erw. Aufl. 1980). C. war der Schwiegersohn des Musikwissenschaftlers und Komponisten Eusebius → Mandyczewski. C IGL Cysat, Johann Baptist, auch Cysatus, Cisatus, Cissatus, Jesuit, Astronom, * 12. 3. 1587 Luzern, † 3. 3. 1657 Luzern. Der Sohn des Polyhistors Renward → C. trat nach dem Besuch des Jesuitenkollegs in Luzern 1604 in den Jesuitenorden ein und studierte seit 1611 an der Univ. Ingolstadt Mathematik und Astronomie; als Sch¨uler Christoph → Scheiners begann er mit der Beobachtung der Sonnenflecken. Seit 1618 lehrte C. Mathematik in Ingolstadt, machte im selben Jahr die ersten Kometenbeobachtungen

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Cysat mit dem Fernrohr (Mathemata astronomica de loco, motu, magnitude et causis cometae, 1619) und sah noch vor 1619 als einer der ersten Astronomen den Orionnebel. Nach der R¨uckkehr in seine Heimatstadt 1624 u¨ bernahm C. die Leitung des dortigen Jesuitenkollegs, wurde 1627 von seinem Orden nach Spanien entsandt und war 1631 Zeuge des von Johannes → Kepler vorherberechneten Merkurdurchgangs. 1631-39 war er Rektor des Innsbrucker Kollegs, sp¨ater in gleicher Funktion in Eichst¨att, bevor er endg¨ultig nach Luzern zur¨uckkehrte. Mit seinen Untersuchungen leistete C. einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Himmelsk¨orper. 1619 ver¨offentlichte er Astronomica et opta. C LMU

Cysat, Renward, schweizer. Apotheker, Chronist, Polyhistor, * 11. 10. 1545 Luzern, † 25. 4. 1614 Luzern. C. absolvierte 1559-63 eine Lehre als Apotheker in Luzern und Mailand, der Heimat seines Vaters, f¨uhrte seit 1565 eine Apotheke in Luzern, wandte sich dann aber dem Staatsdienst zu; 1573 wurde er apostolischer Protonotar und Großrat, 1575 Luzerner Stadtschreiber und 1576 Comes Palatinus. C. war maßgeblich an der Einbindung der eidgen¨ossischen Orte in die B¨undnisse der kath. europ¨aischen M¨achte beteiligt. Er setzte sich f¨ur die F¨orderung einer Erneuerung im kath. Bildungswesen ein und bem¨uhte sich um die Gr¨undung des Luzerner Jesuitenkollegiums 1574. Als Polyhistor sammelte C. Material u¨ ber Geschichte, Genealogie, Heraldik, Volks-, Heil- und Sprachkunde, das er in einer sechzehnb¨andigen Sammlung Collectanea chronica und denkw¨urdige Sachen pro chronica Lucernensi et Helvetiae herausgab und damit zum Begr¨under der schweizer. Volkskunde, Pharmazie und Alchemie wurde. Daneben f¨orderte er die Ausgestaltung des kirchlich-b¨urgerlichen Staatsschauspiels. C VL

Czach´orski, Władysław von, Maler, * 22. 9. 1850 Lubin, † 13. 1. 1911 M¨unchen. Nach dem Besuch der Warschauer Zeichenschule kam C. 1868 / 69 zur weiteren k¨unstlerischen Ausbildung an die Akademie in Dresden und wurde dort von Alexander von → Wagner unterrichtet. Anschließend ging er als Sch¨uler von Hermann → Ansch¨utz und Karl von → Piloty nach M¨unchen. 1874-77 begab er sich auf Studienreisen nach Italien und Frankreich, hielt sich zwei Jahre in Warschau auf und lebte seit 1879 als Honorarprofessor der Akademie der Sch¨onen K¨unste in M¨unchen. C. malte vor allem Genrebilder und Portr¨ats. F¨ur sein Gem¨alde Hamlet und die Schauspieler wurde er auf der Internationalen Kunstausstellung in M¨unchen 1879 mit der goldenen Medaille ausgezeichnet. C AKL

Czaczkes, Ludwig, o¨ sterr. Musiker, Dirigent, Musikp¨adagoge, * 12. 9. 1898 Wien, † 4. 8. 1992 Wien. C. absolvierte 1912-16 die Akademie f¨ur Musik und darstellende Kunst in Wien, setzte 1918 das Klavierstudium bei Emil → Sauer, die Dirigentenausbildung bei Ferdinand → L¨owe und den Kompositionsunterricht bei Joseph → Marx fort und wirkte seit 1921 als Konzertpianist. 1923 war er Dirigent und Korrepetitor an der Wiener Singakademie, lehrte zudem bis 1931 an der Wiener Akademie und wurde 1927 zum Prof. ernannt. Daneben komponierte C. St¨ucke f¨ur Klavier und f¨ur Violine sowie zahlreiche Lieder. 1937 mußte er in die T¨urkei emigrieren, wo er bis 1949 am staatlichen Konservatorium in Ankara wirkte. Seit seiner R¨uckkehr nach Wien 1949 hatte C. wieder einen Lehrauftrag an der dortigen Musikakademie inne.

Czaja, Herbert (Helmut), Politiker, * 5. 11. 1914 Teschen (Oberschlesien), † 18. 4. 1997 Stuttgart. Der Sohn eines Notars studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Krakau und Wien und wurde 1939 zum Dr. phil. promoviert. Nach T¨atigkeiten als Universit¨atsassistent in Krakau und Lehrer ließ sich C. nach der Vertreibung

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1946 in Stuttgart nieder, wo er bis 1953 (zuletzt als Oberstudienrat) an einem Gymnasium unterrichtete. Seit 1946 Mitglied der CDU, geh¨orte er 1953-90 dem Deutschen Bundestag an, in dem er sich besonders der Jugend- und Vertriebenenfragen annahm. Innerhalb des Bundes der Vertriebenen, dessen Pr¨asident er 1970-94 war, trat er nachdr¨ucklich f¨ur die alten Eigentumsrechte der nach dem Krieg aus den Ostgebieten gefl¨uchteten Deutschen ein und geriet damit h¨aufig in Konflikt mit der Bundesregierung. C MdB

Czapek, Friedrich (Johann Franz), Botaniker, * 16. 5. 1868 Prag, † 31. 7. 1921 Leipzig. C., Sohn eines Milit¨ararztes, studierte zun¨achst Medizin in Prag, wurde 1892 zum Dr. med. promoviert und wandte sich dann in Leipzig, Prag und Wien dem Studium der Botanik zu. Seit 1894 Assistent am Pflanzenphysiologischen Institut Wien, wurde er dort im selben Jahr zum Dr. phil. promoviert (Zur Kenntnis des Milchsaftsystems der Convolvulaceen) und habilitierte sich 1895 f¨ur Pflanzenphysiologie (Untersuchungen u¨ ber Geotropismus). Seit 1896 a. o. Prof., wurde er 1902 zum o. Prof. der Botanik an der Deutschen TH Prag ernannt. 1906 folgte C. einem Ruf an die Univ. Czernowitz und begab sich 1907 / 08 auf eine Tropenreise, die ihn u. a. nach Ceylon, Java und Kalkutta f¨uhrte. 1909 u¨ bernahm er das Pflanzenphysiologische Institut der Deutschen Univ. Prag. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs als Heeresarzt t¨atig, wurde C. 1921 Nachfolger Wilhelm → Pfeffers an der Univ. Leipzig. In seinen zahlreichen wissenschaftlichen Abhandlungen besch¨aftigte sich C. vor allem mit Physiologie, Pflanzensystematik und Floristik. Er ver¨offentlichte u. a. Die Bakterien in ihrer Beziehung zur belebten Natur (1899), Biochemie der Pflanzen (2 Bde., 1905, 21913 in 3 B¨anden) und Ratgeber f¨ur die Studierenden der Botanik und Zoologie (1921). C NDB Czapka, Ignaz Frh. von, o¨ sterr. Beamter, * 24. 2. 1791 Liebau (M¨ahren), † 5. 6. 1881 Wien. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Wiener Univ. trat C. 1815 als Zivil- und Kriminalrichter in den Dienst des Magistrats der Stadt Wien und wurde 1835 Vizeb¨urgermeister. Seit 1838 B¨urgermeister und k. k. Regierungsrat, errichtete er 1839 das st¨adtische Marktamt, erwarb 1842 f¨ur den Magistrat die Herrschaften J¨agerzeile und Hundsturm und ließ Schlachth¨auser bauen, um die Marktversorgung zu verbessern. W¨ahrend der Revolution 1848 floh C. aus der Stadt; im folgenden Jahr kehrte er nach Wien zur¨uck und wurde 1850 wieder in den Gemeinderat gew¨ahlt. Seit 1856 Leiter der Polizeidirektion, schied C. 1863 aus dem politischen Leben aus.

Czaplewski, (Alexander Emil Hermann) Eugen, Hygieniker, Bakteriologe, * 17. 11. 1865 K¨onigsberg, † 15. 11. 1945 K¨oln. C., dessen Vater Sekret¨ar des Provinzialschulkollegiums und des Waisenhauses war, studierte in K¨onigsberg (1889 Dr. med., Untersuchungen u¨ ber die Immunit¨at der Tauben gegen Milzbrand) und war dann als Assistenzarzt am T¨ubinger Pathologischen Institut, am Hamburger staatlichen Hygieneinstitut und am Hygienischen Universit¨atsinstitut in K¨onigsberg t¨atig, wo er sich 1894 f¨ur Hygiene und Bakteriologie habilitierte (Ueber Mischinfektionen). Seit 1897 Direktor des neugegr¨undeten Bakteriologischen Laboratoriums der Stadt K¨oln, wurde C. 1904 außerordentliches Mitglied der dortigen Akademie f¨ur praktische Medizin. 1908 erhielt er den Professorentitel, wurde 1919 Privatdozent f¨ur Hygiene und Bakteriologie an der Univ. K¨oln und 1921 zum a. o. Prof. dieser F¨acher ernannt. Seit 1914 war C. Direktor des von ihm gegr¨undeten Museums f¨ur Volkshygiene und des o¨ ffentlichen Desinfektionswesens der Stadt K¨oln (bis 1931). Seine medizinischen Arbeiten behandeln praktische

Czepa Seuchenbek¨ampfung und hygienische Volksbildung; 1891 erschien Die Untersuchung des Auswurfs auf Tuberkelbazillen, 1904 sein Kurzes Lehrbuch der Desinfektion (41909). ¨ 2, 3 C Arzte

Czapski, Siegfried, Optiker, Unternehmer, * 28. 5. 1861 Ostrowo (Posen), † 19. 6. 1907 Weimar. C., dessen Vater Herr des Dominiums Obra bei Ostrowo war, studierte 1879-81 an den Universit¨aten G¨ottingen und Breslau, anschließend in Berlin und wurde 1884 mit der Arbeit Ueber die thermische Ver¨anderlichkeit der electromotorischen Kraft galvanischer Elemente und ihrer Beziehung zur freien Energie derselben promoviert. Im selben Jahr folgte er einem Ruf Ernst → Abbes als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Optischen Werkst¨atten Carl → Zeiss nach Jena. Seit 1891 geh¨orte er der Gesch¨aftsleitung des in das Eigentum der Carl-Zeiss-Stiftung u¨ bergegangenen Werks an und u¨ bernahm nach Abbes R¨ucktritt 1903 dessen Nachfolge, auch als Bevollm¨achtigter der Stiftung. Neben eigenen Forschungen sah C. seine Hauptaufgabe darin, die Ergebnisse der Abbeschen Forschungen zu ver¨offentlichen (u. a. Die Theorie der optischen Instrumente nach Abbe, 1893, 21904). C. entwickelte das Czapski-Goniometer. C Poggendorff 4-6

Czarnewski, Johann Georg Martin Friedrich, Pseud. Karl Friedrich B¨ohm, C. Georg, P¨adagoge, Publizist, * 5. 8. 1766 Libau (Kurland), † 23. 9. 1832 Kokenhusen (Kurland). Der Sohn eines Buchbinders studierte an der Univ. K¨onigsberg Theologie und hielt sich seit 1790 in St. Petersburg, England und Holland auf. 1796 wurde C. Sekret¨ar der Niederrechtspflege in Jakobstadt, 1805 Inspektor des mitauischen Schulkreises; aber wegen seiner Schulden in Mitau inhaftiert. Sp¨ater lebte er in Riga. C. gab 1798 / 99 die o¨ konomische Monatsschrift „Geoponika“, 1810 / 11 das „Kurl¨andische Provinzialblatt“ sowie 1811 das Blatt „Thuiskon“ heraus und ver¨offentlichte eine Reihe von Almanachen, Gedenkbl¨attern und Gedichten. Czech, Ludwig, Politiker, * 14. 2. 1870 Lemberg, † 20. 8. 1942 Konzentrationslager Theresienstadt. C. studierte in Wien Rechtswissenschaften und ließ sich nach der Promotion in Br¨unn als Rechtsanwalt nieder. Er schloß sich fr¨uh der Arbeiterbewegung an, wurde leitender Redakteur der Br¨unner sozialdemokratischen Tageszeitung „Volksfreund“ und war 1909-18 Stadtrat in Br¨unn. Seit 1920 Vorsitzender der „Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik“, setzte sich C. f¨ur eine Zusammenarbeit mit dem tschechoslowakischen Staat ein, wurde Abgeordneter im Prager Parlament und 1929 zum Minister f¨ur soziale F¨ursorge berufen. Bis 1938 geh¨orte er verschiedenen Regierungen an, u. a. 1935-38 als Gesundheitsminister. 1941 wurde er von der deutschen Besatzungsmacht im Konzentrationslager Theresienstadt interniert. C Wininger Czechtitzky, Karl, Schauspieler, * 1759 Trautenau, † 4. 7. 1813 Prag. C. begann seine B¨uhnenlaufbahn in Linz und trat dort in seinem selbstverfaßten Originaltauerspiel f¨ur Soldaten und Patrioten auf. 1779 ging er zur R¨oßlischen Gesellschaft nach Augsburg, 1782 schloß er sich der Gesellschaft → Doebbelins in Berlin an, wo er als Hamlet deb¨utierte und ein Jahr im Engagement blieb. Anschließend stand er in St. Petersburg, 1785 in K¨onigsberg auf der B¨uhne, gab 1787 ein Gastspiel in Hamburg und war 1787-95 in Berlin engagiert. C., der als bedeutender Charakterschauspieler seiner Zeit gilt, machte sich auch als Dramatiker einen Namen. Er war mit der Schauspielerin Therese Rosenberg verheiratet.

Czeija, Oskar, o¨ sterr. Radiofachmann, * 5. 9. 1887 Wien, † 7. 3. 1958 Wien. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Univ. Wien war C. zun¨achst als Jurist in der Industrie und als Beamter in der steirischen Landesregierung t¨atig, bis er sich nach dem Ersten Weltkrieg mit der drahtlosen Telegraphie besch¨aftigte. 1924 gr¨undete er nach langen Vorbereitungen ¨ in Wien die Osterreichische Radioverkehrs-AG (RAVAG) und widmete sich als Generaldirektor (bis 1938) ihrem zunehmenden Ausbau. C., der als Pionier des o¨ sterr. Rundfunks gilt, war ferner Mitbegr¨under der Radiostationen von Belgrad, Zagreb, Athen und Sofia. Er ver¨offentlichte eine Reihe von Schriften zum Rundfunkwesen.

Czellitzer, Arthur, Ophthalmologe, Genealoge, * 5. 5. 1871 Breslau, † 1945 Konzentrationslager Sobibor. Nach dem Medizinstudium an den Universit¨aten Breslau, Freiburg / Breisgau und M¨unchen arbeitete der Fabrikantensohn C. zun¨achst als Assistent an den Universit¨atsAugenkliniken Heidelberg, Straßburg und an der Sorbonne in Paris. 1900 ließ er sich als Augenarzt in Berlin nieder. Seit 1907 Leiter einer eigenen Privatklinik, stand C. w¨ahrend des Ersten Weltkriegs der Abteilung f¨ur Augenheilkunde des Milit¨arkrankenhauses in Warschau vor. 1924 gr¨undete er in Berlin die Gesellschaft f¨ur j¨udische Familienforschung, als deren Pr¨asident er das Archiv f¨ur j¨udische Familiendokumente leitete und die Zeitschrift der Gesellschaft redigierte. 1938 emigrierte er in die Niederlande; 1943 wurde er in Breda interniert und ins Konzentrationslager Sobibor deportiert. Neben genealogischen Forschungen ver¨offentlichte C. u. a. eine Reihe von Abhandlungen u¨ ber physiologische Optik und Augenleiden, darunter Vererbung des Astigmatismus (1929). 1927 erschien Soziale Physiologie und Pathologie (mit Rudolf → Allers und Adolf → Beythien).

Czepa, Alois, o¨ sterr. R¨ontgenologe, * 17. 6. 1886 M¨ahrisch-Tr¨ubau, † 10. 9. 1931 Wien. C. studierte 1905-09 Zoologie an der Wiener Univ., wurde 1910 promoviert und widmete sich anschließend dem Studium der Medizin, das er 1919 mit der Promotion abschloß. Er wandte sich bald der R¨ontgenologie zu, war bis 1929 als Assistent am R¨ontgeninstitut des KaiserinElisabeth-Hospitals t¨atig und habilitierte sich 1928 an der Univ. Wien f¨ur medizinische R¨ontgenologie. C. wurde dann an das Zentral-R¨ontgeninstitut unter Guido → Holzknecht berufen und u¨ bernahm 1930 die Leitung des R¨ontgeninstituts am Wiener Childspital. Bevorzugte Themen seiner wissenschaftlichen Untersuchungen waren die Entdeckung der chronischen Blinddarmentz¨undung im R¨ontgenbild und das Strahlenreizproblem. Er ver¨offentlichte u. a. Kunstst¨ucke aus dem Gebiete der Physik und Chemie (1921), Scherzfragen, Wortspiele und allerlei Kurzweil (1922) und Die R¨ontgentherapie in der inneren Medizin (1927). C. war mit der Schauspielerin Friedl → C. verheiratet. Czepa, Friedl, o¨ sterr. Schauspielerin, * 3. 9. 1908 Amstetten (Nieder¨osterreich), † 22. 6. 1973 Wien. Nach dem Besuch der Handelsschule war C. zun¨achst zwei Jahre in einer Bank t¨atig, arbeitete als Kinderg¨artnerin und R¨ontgenschwester, widmete sich dann jedoch einer k¨unstlerischen Karriere und studierte Tanz und Schauspielerei in Wien. Sie erhielt ein Engagement am Theater in der Josefstadt, wo sie in erster Linie Rollen aus dem Salon- und Charakterfach verk¨orperte. Neben ihrer B¨uhnent¨atigkeit, die sie auch nach M¨unchen und Frankfurt / Main f¨uhrte, widmete sich C. der Filmschauspielerei und wurde durch Filme wie Confetti oder Blumen aus Nizza einem großen Publikum bekannt. 1940-45 war sie Direktorin des Wiener Stadttheaters, stand nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich in M¨unchen,

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Czepko von Reigersfeld Hamburg und Berlin auf der B¨uhne und erlangte sp¨ater große Popularit¨at durch ihre Mitwirkung an Fernsehproduktionen wie der Familie Leitner. C. war mit dem R¨ontgenologen Alois → C. verheiratet.

Czepko von Reigersfeld, Daniel, Dichter, * 23. 9. 1605 Koischwitz bei Liegnitz, † 8. 9. 1660 Wohlau (Schlesien). Der Sohn eines luth. Pastors widmete sich 1623 / 24 in Leipzig dem Studium der Medizin, wechselte 1624 an die Juristische Fakult¨at in Straßburg und war bis 1626 am Reichskammergericht in Speyer t¨atig. Anschließend nahm C. v. R. verschiedene Hauslehrerstellen an und lebte u. a. 1633-35 bei Baron Czigan von Slupska, wo seine wichtigsten Jugendwerke entstanden. 1635 kehrte er nach Schweidnitz zur¨uck und wurde durch die Heirat mit einer Arzttochter ein verm¨ogender Gutsbesitzer. Nach dem Tod seiner Frau u¨ bernahm C. v. R. 1657 eine Ratsstelle am Hof zu Ohlau, ging im folgenden Jahr als Gesandter nach Wien und wurde dort zum kgl. Rat ernannt. In seinen weltlichen Liebes- und Lehrdichtungen war C. v. R. stark an Martin → Opitz orientiert und schrieb 1636 in der Nachfolge von dessen St¨uck Daphne und Judith sein einziges Drama Pierie. C. v. R.s bedeutendstes Werk Sexcenta Monodisticha Sapientum, entstanden 1640-47, enth¨alt geistliche Epigramme, die Vorbild der Sinngedichte des Cherubinischen Wandersmanns von → Angelus Silesius wurden. Wegen Schwierigkeiten mit der Zensur konnte C. v. R. seine Dichtungen meist nur handschriftlich verbreiten. Seine S¨amtlichen Werke (hrsg. von Hans-Gert Roloff und Marian Szyrocki) erschienen 1980-97 in sechs B¨anden. C Dt Dichter 17. Jh.

Czeratzki, Walter, Agrarwissenschaftler, * 9. 12. 1912 Skudayen (Ostpreußen), † 17. 6. 1978 Braunschweig. C. studierte 1934-37 Landwirtschaft in Danzig und Halle / Saale, war nach dem Diplomexamen Assistent am Institut f¨ur Pflanzenbau und Pflanzenz¨uchtung Halle / Saale und wurde 1940 mit Untersuchungen u¨ ber den Einfluß der Bodenquellung und der Kolloidschrumpfung auf die Bodenstruktur promoviert. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete er in einem privaten Saatzuchtbetrieb, 1947-49 beim Bundessortenamt in Rethmar, wo er sich vor allem der Geschichte der Sortenpr¨ufung widmete. 1950-70 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Forschungsanstalt f¨ur Landwirtschaft in Braunschweig, zun¨achst am Institut f¨ur Bodenbearbeitung, seit 1971 am Institut f¨ur Pflanzenbau und Saatgutforschung. C. besch¨aftigte sich mit Fragen der Bodenbearbeitung, der Bodenstruktur und der Wasserbewegung im Boden und vero¨ ffentlichte u. a. Minimalbodenbearbeitung (1971). C B¨ohm

Czermak, Emmerich, o¨ sterr. Bildungspolitiker, * 14. 3. 1885 Daschitz (M¨ahren), † 18. 4. 1965 Wien. Nach dem Studium der Geschichte und Geographie an der Univ. Wien wurde C. 1907 zum Dr. phil. promoviert, war bis 1921 als Lehrer in Stockerau t¨atig und wurde 1928 Direktor des Bundesgymnasiums Hollabrunn. 1921-38 war er Landtagsabgeordneter der Christlichsozialen f¨ur Nieder¨osterreich, wirkte bis 1932 als Pr¨asident der nieder¨osterreichischen Lehrerernennungskommission und amtierte 1929-32 als Bundesminister f¨ur Unterricht. Seit 1934 war C. Pr¨asident des nieder¨osterreichischen Landesschulrats und wurde 1938 politisch verfolgt und inhaftiert. Nach 1945 war er im Versicherungswesen t¨atig.

Czermak, Johann Nepomuk, o¨ sterr. Physiologe, * 17. 6. 1828 Prag, † 17. 9. 1873 Leipzig. C. begann 1845 das Medizinstudium in Wien, das er 1847 in Breslau, 1849 in W¨urzburg fortsetzte und 1850 abschloß (Beitr¨age zur mikroskopischen Anatomie der menschlichen Z¨ahne). Seit 1850 Assistent in Prag, habilitierte er sich dort 1851 f¨ur Physiologie und u¨ bernahm 1855 eine Professur

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f¨ur Zoologie an der Grazer Universit¨at. Im folgenden Jahr nahm C. den Ruf an die Krakauer Physiologische Lehrkanzel an und wurde 1858 nach Pest berufen. 1860 setzte er seine wissenschaftlichen Untersuchungen in einem Prager Privatlaboratorium fort, folgte 1865 einer Berufung an die Univ. Jena und lehrte seit 1870 in Leipzig. C. f¨uhrte neben dem Stirnreflektor die Laryngoskopie in die praktische Medizin ein. Er ver¨offentlichte u. a. Ideen zu einer Lehre vom Zeitsinn (1857), Der Kehlkopfspiegel und seine Verwertung f¨ur Physiologie und Medizin (1860, 21863), Die Physiologie als allgemeines Bildungselement (1870) und Ueber Schopenhauer’s Theorie der Farbe (1870). Seine Gesammelten ¨ Schriften (2 Bde.) erschienen postum 1879. C OBL

Czermak, Joseph Julius, o¨ sterr. Physiologe, Anatom, * 1. 6. 1799 Prag,, † 14. 3. 1851 Wien. C., Sohn eines Arztes, studierte seit 1815 in Prag und Wien Medizin, wo er 1823 mit der Arbeit Experimenta docimasiam pulmonum hydrostaticam illustrantium Cent. 1, Sect. 1 promoviert wurde. Anschließend als Prosector an der Univ. Wien t¨atig, u¨ bernahm er provisorisch den Lehrstuhl f¨ur Physiologie und Vergleichende Anatomie und wurde 1827 o. Prof. f¨ur Physiologie. C. unternahm Studienreisen an die italienischen K¨usten und arbeitete 1828 bei dem franz¨osischen Naturforscher Georges Cuvier in Paris. In Wien war C. ein Pionier in Vergleichender Anatomie und begr¨undete die anatomische Sammlung. Er ver¨offentlichte u. a. Beitr¨age zu der Lehre von den Spermatozoen (1833). C Neuer Nekr, Jg. 29

Czermak, Paul, o¨ sterr. Meteorologe, Physiker, * 28. 11. 1857 Br¨unn (M¨ahren), † 3. 11. 1912 Innsbruck. C. studierte Physik, wurde 1885 in Graz promoviert und habilitierte sich 1889 f¨ur Physik. 1897 wurde er Prof. f¨ur Kosmische Physik in Innsbruck und Direktor des dortigen Meteorologischen Observatoriums, 1902 Prof. f¨ur Experimentalphysik. Seit 1900 war er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. C. ver¨offentlichte u. a. Reductionstabellen zur Gauss-Poggendorf’schen Spiegelablesung (1890), Eine neue Beobachtungsmethode f¨ur Luftwirbelringe (1900), Experimente zum F¨ohn (1901) ¨ und Uber Elektricit¨atszerstreuung in der Atmosph¨are (1903). Czermak, Wilhelm, o¨ sterr. Ophthalmologe, * 12. 10. 1856 Br¨unn, † 8. 9. 1906 Lans (Tirol). Der Neffe des Physiologen Johann Nepomuk → C. absolvierte das Studium der Medizin an der Univ. Graz, wurde dort 1882 promoviert und wandte sich dann der Augenheilkunde zu, f¨ur die er sich 1886 in Graz habilitierte. 1887 war C. als Assistent an der Wiener Augenklinik t¨atig, wurde 1892 zum a. o. Prof., 1894 zum o. Prof. der Ophthalmologie in Innsbruck ernannt und folgte 1895 einem Ruf an die Univ. Prag. In zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten besch¨aftigte er sich mit der pathologischen Anatomie des Auges, insbesondere mit der Pathologie des Glaukoms. Er ver¨offentlichte u. a. Allgemeine Semiotik und Diagnostik der a¨ ußeren Augenkrankheiten (1889, 21890) und Die augen¨arztlichen Operationen (2 Bde., 1893-1904, 21907 / 08). C. war ¨ der Vater des Agyptologen Wilhelm → C. ¨ Czermak, Wilhelm, o¨ sterr. Agyptologe, Afrikanist, * 10. 9. 1889 Wien, † 13. 3. 1953 Wien. ¨ Nach dem Studium der Orientalistik und Agyptologie an der Wiener Univ. nahm der Sohn des Ophthalmologen Wilhelm ¨ → C. 1912-14 als Assistent an den Grabungen der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften an den Pyramiden teil. Im Ersten Weltkrieg wurde er als Offizier nach Syrien gesandt, wo er sich Sprachstudien widmete, und habilitierte sich 1919 an der Univ. Wien f¨ur hamitosemitische und afrikanische Sprachen. 1925 wurde er a. o. Prof. f¨ur Afrikanistik, ¨ 1931 o. Prof. auch f¨ur Agyptologie und unternahm neben

Czerny seiner Lehrt¨atigkeit zahlreiche Reisen durch Europa, Vorder¨ asien und Nordafrika. C., der Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften war, besch¨aftigte sich vor allem mit Fragen der Phonetik, Philosophie und Psychologie afrikanischer und a¨ gyptischer Sprachen. Er ver¨offentlichte eine Reihe von linguistischen Studien, darunter Die Laute der a¨ gyptischen Sprache (2 Bde., 1931-34). C DLL, 20. Jh.

der „Sixtus-Aff¨are“ mußte er jedoch im April 1918 zur¨ucktreten; 1920-23 geh¨orte er als einziger Abgeordneter der b¨urgerlichen Arbeitspartei dem o¨ sterr. Nationalrat an. S., Verteidiger des „monarchischen Prinzips“ und Gegner eines allgemeinen und gleichen Wahlrechts, ver¨offentlichte u. a. ¨ Osterreichs Wahlrecht und Parlament (1905) und Politische ¨ Betrachtungen (1908). C OBL

Czernetz, Karl, o¨ sterr. Politiker, * 12. 2. 1910 Wien,

Szczakowa, † 3. 10. 1941 Berlin. Der in Galizien geborene C., Sohn eines Eisenbahnoberingenieurs, studierte seit 1881 an der Deutschen Univ. Prag Medizin, spezialisierte sich auf Kinderheilkunde, war nach der Promotion (1888) Assistent an der Deutschen Landesfindelanstalt in Prag und habilitierte sich 1893 an der KarlsUniversit¨at. 1894 wurde er als a. o. Prof. nach Breslau berufen, baute dort eine Kinderklinik auf, setzte die Kinderheilkunde als medizinisches Pr¨ufungsfach durch und war seit 1906 Honorarprofessor. C. gilt als Begr¨under der modernen Kinderheilkunde im deutschen Sprachraum. 1910 folgte er einem Ruf nach Straßburg, u¨ bernahm 1913 den Lehrstuhl Otto → Heubners in Berlin und leitete zugleich bis 1931 die Universit¨atsklinik sowie die Poliklinik. 1935-37 hatte er die Leitung des Lehrstuhls f¨ur Kinderheilkunde an der Medizinischen Akademie in D¨usseldorf inne. In seinen Untersuchungen besch¨aftigte sich C. insbesondere mit der Ern¨ahrungsphysiologie und der Ern¨ahrung des S¨auglings (Des Kindes Ern¨ahrung. Ern¨ahrungsst¨orungen und Ern¨ahrungstherapie, 1906-18, 21925-28); von ihm stammt der Begriff der exsudativen Diathese. Seine Arbeit Der Arzt als Erzieher des Kindes (1908, 111946) wurde vielfach u¨ bersetzt und gilt als Standardwerk der Kinderheilkunde. 1939 erschien Die P¨adiatrie ¨ meiner Zeit (1939). C Arzte Schlesien

† 3. 8. 1978 Wien. C. erhielt 1924-27 eine Ausbildung als Chemigraph und Photograph. 1924 schloß er sich der Sozialistischen Gewerkschaftsjugend an und wurde Mitglied der Sozialdemokratischen Parteivertretung. Seit 1928 Mitarbeiter von Parteizeitungen und -zeitschriften, wurde er 1934 F¨uhrungsmitglied der von Leopold Kucsar gegr¨undeten illegalen „Gruppe Funke“ und trat 1935 f¨ur die Zusammenarbeit mit der ¨ ein. Bis November 1937 war C. mehrmals inhaftiert, KPO wurde Anfang 1938 durch die Schuschnigg-Amnestie befreit und emigrierte 1938 zun¨achst nach Paris, sp¨ater nach London, wo er zusammen mit Oscar → Pollak das dortige B¨uro der o¨ sterr. Sozialisten leitete. Nach seiner R¨uckkehr nach ¨ Osterreich war er seit 1946 Mitglied des Parteivorstandes ¨ und wurde 1948 zentraler Schulungsreferent und der SPO Leiter der Sozialistischen Bildungszentrale. 1949-78 geh¨orte C. dem Nationalrat an. 1952-55 war er o¨ sterr. Beobachter beim Europarat, 1956-78 Delegierter in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, 1975-78 deren Pr¨asident. 1963 wurde C. Chefredakteur der Zeitschrift „Die Zukunft“. 1973 erhielt er den Professorentitel. C. ver¨offentlichte u. a. u. a. Der Sozialismus und seine Gegner (1949) und Vor der Entscheidung. Welt in Wandlung, Sozialismus im Werden (1958). C BHdE, Bd 1

Czernin von und zu Chudenitz, Johann Rudolf Graf von, o¨ sterr. Beamter, * 9. 6. 1757 Wien, † 23. 4. 1845 Wien. C. studierte an der Univ. Salzburg Rechtswissenschaften, betrieb daneben auch kunsthistorische Studien und widmete sich der Musik sowie der Literatur. Er unternahm ausgedehnte Studienreisen durch Europa, verwaltete nach dem Tod seines Vaters die Familieng¨uter und wurde 1823 Ritter des Goldenen Vlieses. 1823-27 war er Pr¨asident der Akademie der bildenden K¨unste in Wien. Seit seiner Ernennung zum kaiserlichen Oberstk¨ammerer 1824 entwickelte sich C. zum Begr¨under und F¨orderer zahlreicher Kunstsammlungen und Bildungsanstalten; ihm unterstanden u. a. das Naturalien-Kabinett, die Gem¨aldegalerie sowie das Burgtheater. Daneben legte er selbst um 1800 eine Kupferstich- und Gem¨aldesammlung an, die sp¨ater als Leihgabe in die Residenz-Galerie kam.

Czernin von und zu Chudenitz, Ottokar (Theobald Otto Maria) Graf, o¨ sterr. Politiker, * 26. 9. 1872 Dimokur (B¨ohmen), † 4. 4. 1932 Wien. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Univ. Prag widmete sich der dem b¨ohmischen Hochadel entstammende C., Sohn eines k. K. Geheimes Rats, seit 1895 einer diplomatischen Laufbahn. Er war zun¨achst an der o¨ sterreichisch-ungarischen Botschaft in Prag und seit 1899 als Gesch¨aftstr¨ager in Den Haag t¨atig. Von 1903 an geh¨orte er f¨ur die Verfassungspartei dem B¨ohmischen Landtag an. Seit 1912 auch Mitglied des Herrenhauses und zugleich enger Berater des Thronfolgers → Franz Ferdinand, wurde er auf dessen Veranlassung 1913 zum Gesandten in Bukarest ernannt. Seit Ende 1916 Außenminister, bem¨uhte sich C. um eine schnelle Beendigung des Kriegs und konnte 1918 bei den Verhandlungen in Brest-Litowsk die Friedensschl¨usse mit der Ukraine, Rußland und Rum¨anien herbeif¨uhren. Nach

Czerny, Adalbert (Marianus), Kinderarzt, * 25. 3. 1863

Czerny, Albin, Augustinerchorherr, o¨ sterr. Historiker, * 19. 2. 1821 Wien, † 7. 7. 1900 St. Florian (Ober¨osterreich). C. trat 1841 in das Chorherrenstift St. Florian ein, wurde 1846 zum Priester geweiht und war 1849-76 als Prof. des neutestamentlichen Bibelstudiums im Stift t¨atig. 1859-1900 war er Stiftsbibliothekar, wurde mit der Neuordnung und Katalogisierung der etwa 80 000 B¨ande umfassenden Bibliothek betraut und u¨ bernahm 1878 zudem die Aufsicht u¨ ber Kunstsammlungen des Stiftes. C. erwarb sich große Verdienste um das Museum Francisco-Carolinum in Linz und verfaßte eine Reihe von Schriften zur Kunstgeschichte Ober¨osterreichs, darunter Bilder aus der Zeit der Bauernunruhen in Ober¨osterreich (1876). C BBKL

Czerny, Carl, auch Karl C., o¨ sterr. Komponist, Klavierp¨adagoge, Komponist, * 20. 2. 1791 Wien, † 15. 7. 1857 Wien. C. erhielt ersten Klavierunterricht bei seinem Vater, der zun¨achst als Oboist beim Milit¨ar und seit 1786 als Klavierlehrer t¨atig war, gab als Neunj¨ahriger sein erstes Konzert in Wien und wurde schließlich Sch¨uler → Beethovens (1800-03). Im Alter von f¨unfzehn Jahren war er selbst einer der gefragtesten Klavierlehrer Wiens. C. unterrichtete u. a. Beethovens Neffen Karl, Theodor D¨ohler, Theodor → Kullak, Sigismund → Thalberg, Theodor → Leschetizky und Franz → Liszt. Er machte sich auch als Arrangeur und Komponist einen Namen. 1836 gab er seinen Lehrberuf auf, um sich seinen Kompositionen widmen zu k¨onnen, die er seit 1837 in von ihm selbst herausgegebenen Magazinen wie der „Tonbl¨uten-Gallerie“ ver¨offentlichte. Reisen f¨uhrten ihn nach Leipzig, Paris und London. C. schrieb mehr als 1000 Kompositionen, von denen die klavierp¨adagogischen Werke Schule der Gel¨aufigkeit (1834) und Schule der linken Hand sowie seine zahlreichen Etuden noch heute einen hohen Stellenwert in der Unterrichtsliteratur einnehmen. Neben

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Czerny Konzerten f¨ur Klaver, Kammer- und Klaviermusik komponierte er Vokalmusik, darunter 24 Messen, und vier Symphonien. Er war Herausgeber der Werke Johann Sebastian → Bachs und Domenico Scarlattis. Die Erinnerungen aus meinem Leben (zwei Fassungen: 1830 und 1842; hrsg. von Walter → Kolneder, 1968) sind eine wichtige Quelle des damaligen Wiener Musiklebens. C MGG

Czerny, Franz, Ordensname: Leander, Benediktiner, Dipterologe, * 4. 10. 1859 M¨oderitz, † 22. 11. 1944 Kremsm¨unster. Der aus M¨ahren stammende Bauernsohn widmete sich 1880 / 81 dem Studium der Naturwissenschaften an der Univ. Wien und trat 1881 als Novize in das Benediktinerstift Kremsm¨unster ein. Nach dem Abschluß der theologischen Studien war C. in verschiedenen dem Stift zugeh¨origen Pfarreien t¨atig und unterrichtete seit 1890 als Prof. f¨ur moderne Sprachen am Stiftsgymnasium. Seit 1903 mit der Patronatsverwaltung betraut, wurde er 1905 zun¨achst zum Administrator, sp¨ater zum Abt seines Stiftes gew¨ahlt und war in dieser Funktion Mitglied des Herrenhauses des o¨ sterr. Reichsrats. Nach dem Verzicht auf sein Amt 1929 widmete sich C. insbesondere dem Studium der Insektenkunde, beschrieb in zahlreichen Abhandlungen neue Gattungen und Arten von Zweifl¨uglern und ver¨offentlichte u. a. 1924 Die Monogra¨ phie der Helomyziden. C OBL

Czerny, Vinzenz von, Chirurg, * 19. 11. 1842 Trautenau (B¨ohmen), † 3. 10. 1916 Heidelberg. C., Sohn eines Apothekers, besuchte seit 1860 die Universit¨aten Prag und Wien, um dort das Studium der Medizin zu absolvieren, das er 1866 mit der Promotion abschloß. Seit 1868 Assistent Theodor → Billroths, gelang ihm erstmals die Kehlkopfexstirpation am Hund. 1871 habilitierte er sich in Wien f¨ur Chirurgie und wurde im gleichen Jahr als Ordinarius nach Freiburg berufen, 1877 nach Heidelberg, wo er 1906 seine ordentliche Professur niederlegte, um sich ganz dem von ihm gegr¨undeten Krebsinstitut Samariterhaus widmen zu k¨onnen, dessen Leitung er bis zu seinem Tod innehatte. C. hatte maßgeblichen Anteil am Fortschritt der Chirurgie, begr¨undete moderne Methoden auf dem Gebiet der Bauchchirurgie, der plastischen Operationen, der chirurgischen Krebsbehandlung und f¨uhrte 1878 die erste vaginale Totalexstirpation des Uterus nach moderner Technik ¨ aus. Er ver¨offentlichte u. a. Uber die Beziehungen der Chirurgie zu den Naturwissenschaften (1872), Beitr¨age zur operativen Chirurgie (1874) und Das Heidelberger Institut f¨ur experimentelle Krebsforschung (1914). C NDB

Czerski, Johann, kath. (deutschkath.) Theologe, * 12. 5. 1813 Warlubien (Westpreußen), † 22. 12. 1893 Schneidem¨uhl. C. stammte aus einer polnischen Bauernfamilie, wurde 1842 zum Priester geweiht und war anschließend eineinhalb Jahre als Vikar an der Domkirche in Posen t¨atig. Wegen seiner liberalen Predigten strafversetzt, kam er 1844 als Vikar nach Schneidem¨uhl, wo er wegen intimer Beziehungen zu einer Polin im selben Jahr suspendiert wurde. C. trat daraufhin aus der Kirche aus und gr¨undete mit einem Großteil seiner Gemeinde die „Christlich-apostolisch-katholische Gemeinde“, die die kath. Lehre von der S¨undenvergebung, den Primat des Papstes, die Heiligenverehrung, das Gebot des Fastens sowie den Priesterz¨olibat verwarf, das Abendmahl in beiden Gestalten empfing und den Gottesdienst in der Muttersprache abhielt. 1845 gliederte er seine Gemeinde der deutschkatholischen Bewegung Johannes → Ronges an und wurde daraufhin degradiert und exkommuniziert. Seit 1860 wandte sich C. zunehmend vom christlichen Denken ab und wurde schließlich Wanderprediger des „Bundes freier religi¨oser Gemeinden“. Er ver¨offentlichte u. a. Rechtfertigung meines Ab-

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falls von der r¨omischen Hofkirche (1845), Der Nachlaß des sterbenden Papsttums (1860, 141874) und Mein Leben, mein K¨ampfen und Wirken (1887). C RGG

Czerwenka, Bernhard Franz, luth. Theologe, * 25. 3. 1825 Oberwidin (B¨ohmen), † 22. 5. 1886 Frankfurt / Main. Der Sohn eines kath. Lehrers studierte seit 1842 Philosophie in Prag und ging 1846 zum Medizinstudium nach Wien. Dort konvertierte er zum Luthertum und studierte bis 1852 in a¨ rmlichen Verh¨altnissen evang. Theologie. 1853 wurde er Pfarrer in Arriach (K¨arnten), 1858 in Ramsau (Steiermark), erhielt 1870 das Seniorat und wirkte seit 1873 an der Peterskirche in Segen (Frankfurt / Main). C. bet¨atigte sich auch als Kirchenhistoriker und verfaßte eine Geschichte der evangelischen Kirche in B¨ohmen (1869 / 70), f¨ur die er von der Univ. Wien promoviert wurde. Daneben arbeitete er in der Kommission f¨ur die Herausgabe eines Frankfurter Gesang¨ buchs mit. C OBL

Czerwenka, Oskar, o¨ sterr. S¨anger, * 5. 7. 1924 V¨ocklabruck (Ober¨osterreich), † 1. 6. 2000 V¨ocklabruck. Nach der Stimmausbildung bei Otto → Iro in Wien deb¨utierte C. 1947 als Eremit im Freisch¨utz von Carl Maria von → Weber am Opernhaus in Graz. 1951 folgte er einem Ruf an die Wiener Staatsoper, deren Mitglied er bis 1986 war. Sein dortiges Deb¨ut feierte er 1951 als Lodovico in Verdis Othello. C., der auch an der Wiener Volksoper auftrat, gewann internationales Ansehen durch seine Gestaltung von Buffo-Rollen. Seit 1952 wirkte er bei den Salzburger Festspielen mit und sang u. a. den Ochs im Rosenkavalier und den Bartolo in der Hochzeit des Figaro. C. gastierte u. a. an den Opernh¨ausern in K¨oln, Frankfurt / Main, Berlin, Hamburg, M¨unchen und Stuttgart sowie am Teatro San Carlos in Lissabon, an den Nationalopern in Prag und Budapest, am Opernhaus Z¨urich, am Theatre de la Monnaie in Br¨ussel und bei den Festspielen in Edinburgh. In den siebziger Jahren feierte er Erfolge als Tevje im Musical Anatevka sowie als Lieder-, Konzert- und Oratoriens¨anger. 1976 wurde C. zum Professor, 1983 zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper ernannt. Er bet¨atigte sich auch als Maler, Illustrator und Fernsehmoderator und ver¨offentlichte Lebenszeiten. Ungebetene Briefe (1987). C Kutsch

Czeschka, Carl Otto, o¨ sterr. Kunstgewerbler, Graphiker, * 22. 10. 1878 Wien, † 30. 7. 1960 Hamburg. C. studierte 1894-99 als Sch¨uler Christian → Griepenkerls an der Akademie der bildenden K¨unste in Wien und war 1902-07 Lehrer an der dortigen Kunstgewerbeschule, u. a. von Oskar → Kokoschka. 1907-43 lehrte er als Prof. an der Kunstgewerbeschule in Hamburg. C. war Mitglied der Klimtgruppe sowie seit 1907 st¨andiger Mitarbeiter der Wiener Werkst¨atten. Er entwarf Schmuck und Lackmalereien, schuf zahlreiche Holzschnitte, arbeitete als Dekorations- und Kost¨umzeichner f¨ur die B¨uhne und gilt als einer der f¨uhrenden Druckgraphiker des Wiener Jugenstils. Bekannt wurden u. a. seine Einbandausstattung und die Illustrationen zu Johann Peter → Hebels Schatzk¨astlein und Franz → Keims Nibelungen. C AKL Czettel, Adolf, o¨ sterr. Politiker, * 26. 10. 1924 Wien, † 27. 9. 1988 Wien. Nach der Ausbildung zum Maschinenschlosser nahm C. am Zweiten Weltkrieg teil, kehrte 1946 aus der Kriegsgefangenschaft zur¨uck. 1951-53 besuchte er die Wiener Gewerkschaftsschule, besuchte 1957 / 58 die Sozialakademie der Arbeiterkammer Wien und wurde 1959 in die Kammer f¨ur Arbeiter und Angestellte gew¨ahlt; im dortigen Betriebreferat war er bis 1975 t¨atig. 1965 wurde C. Obmann der Landesleitung Wien und stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie. 1969 erfolgte seine Wahl

Czoernig von Czernhausen zum Vizepr¨asidenten, 1976 zum Pr¨asidenten der Kammer ¨ f¨ur Arbeiter und Angestellte f¨ur Wien und des Osterreichischen Arbeiterkammertags. Seit 1984 war C. auch Pr¨asident ¨ des Hauptverbandes der Osterreichischen Sozialversiche¨ geh¨orte er 1969-76 dem rungstr¨ager. Als Mitglied der SPO Wiener Gemeinderat und Landtag, 1976-79 dem Bundesrat, 1979-84 und 1986 / 87 dem Nationalrat an. C. bem¨uhte sich insbesondere um die Aus- und Weiterbildung der Facharbeiter sowie um die Schaffung von Bildungseinrichtungen.

Czettel, Hans, o¨ sterr. Politiker, * 20. 4. 1923 Wien, † 27. 10. 1980 Ternitz (Nieder¨osterreich). Der gelernte Schlosser trat fr¨uh in die sozialistische Bewegung ein und wurde Bundesobmann der Arbeitsgmeinschaft „Junge Generation“. Er war Obmann des Zentrabetriebsrats der Schoeller-Bleckmann Stahlwerke AG und geh¨orte 1955-60 dem Gemeinderat von Ternitz an. 1953-69 war C. Abgeordneter zum Nationalrat, 1964-66 Bundesminister f¨ur Inneres und 1969-80 Landeshauptmann-Stellvertreter von Nieder¨osterreich. Czibulka, Alfons Frh. von, Pseud. A. v. Birnitz, Schriftsteller, * 28. 6. 1888 Schloß Radboˇr bei Kolin (B¨ohmen), † 22. 10. 1969 M¨unchen. Der einer Offiziersfamilie entstammende C. besuchte 1907 die Milit¨arakademie in Wiener Neustadt und trat 1910 in das Regiment der Windischgr¨atzer Dragoner ein. Er ließ sich jedoch bald beurlauben, studierte als Gasth¨orer deutsche und franz¨osische Literaturgeschichte an der Sorbonne in Paris und bildete sich 1912-14 an der Kunstakademie in Breslau (Meisterklasse f¨ur Malerei) aus. Nach dem Ersten Weltkrieg als freier Schriftsteller in M¨unchen ans¨assig, war er 1919-23 Hauptschriftleiter der von ihm gegr¨undeten phantastisch-literarischen Zeitschrift „Der Orchideengarten“. C. schrieb zahlreiche Romane und Erz¨ahlungen, vor¨ wiegend aus der Zeit des alten Osterreich; 1937 erschien der Rokokoroman Der Kerzlmacher von St. Stephan, 1944 der → Haydn-Roman Das Abschiedskonzert (1944). Er schuf ferner zahlreiche Rundfunkvortr¨age und kulturhistorische H¨orbilder. C DLL, 20. Jh. Cziffra, G´eza von, Pseud. Peter Trenck, Richard Anden, Anthony Albert, Regisseur, Drehbuchautor, * 19. 12. 1900 Arad (Ungarn, heute Rum¨anien), † 28. 4. 1989 Dießen / Ammersee (Oberbayern). Nach dem Besuch der Milit¨arschule widmete sich C. einer journalistischen Laufbahn und kam zuerst nach Wien, sp¨ater nach Berlin, wo er als Reporter u. a. am „Berliner Tageblatt“ arbeitete und sich dem Film zuwandte. 1927-33 war er als Dramaturg und Regisseur bei verschiedenen Filmgesellschaften t¨atig, schrieb daneben eine Reihe erfolgreicher B¨uhnenst¨ucke (u. a. Herz zwischen zwei Welten, 1938), machte sich als Drehbuchautor von Filmen wie Weißer Flieder einen Namen und f¨uhrte bei dem Eisrevuefilm Der weiße Traum erstmals Regie. 1945 wurde C. Produzent und gr¨undete die Cziffra-Film GmbH, bei der Filme wie Das unsterbliche Antlitz und H¨ollische Liebe entstanden. Er drehte vorwiegend Musik- und Revuefilme und erreichte 1962 mit der Fledermaus einen H¨ohepunkt seiner Regielaufbahn. C. ver¨offentlichte eine Reihe von Lebenserinnerungen, darunter 1985 Im Wartesaal des Ruhms. C Cinegraph Czikann, Johann Jakob Heinrich, o¨ sterr. Beamter, Publizist, * 10. 7. 1789 Br¨unn, † 10. 6. 1855 Br¨unn. C. studierte in Br¨unn und Olm¨utz und war 1808 am m¨ahrisch-schlesischen Landgericht in Br¨unn t¨atig. Im folgenden Jahr Freiwilliger in der Landwehr, war er danach wieder im Zivilstaatsdienst t¨atig. 1815 u¨ bernahm C. die Schriftleitung der „M¨ahrisch-St¨andischen Zeitung“, wurde 1821 Hofratsprotokollist in Wien und war seit 1834 Hofsekret¨ar bei der obersten Wiener Justizstelle. C. arbeitete an

¨ der von Franz → Gr¨affer 1835-37 herausgegebenen Osterreichischen National-Enzyklop¨adie mit und ver¨offentlichte u. a. 1819 Vaterl¨andische Beytr¨age historischen Inhalts. C Wurzbach

Czinner, Paul, Regisseur, * 30. 5. 1890 Budapest, † 22. 6. 1972 London. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft und der Promotion deb¨utierte C. 1918 als Schauspieler und trat 1919 als Autor des an den Wiener Kammerspielen uraufgef¨uhrten Theaterst¨ucks Satans Maske hervor. Seit dieser Zeit war er als Stummfilm-Regisseur t¨atig und drehte Filme wie Der Unmensch (1919) und Das Inferno (1920); seit 1924 arbeitete er als Drehbuchautor und Regisseur mit seiner sp¨ateren Frau Elisabeth → Bergner zusammen (u. a. Nju, 1924; Fr¨aulein Else, 1929). 1933 emigrierte C. nach Großbritannien und heiratete noch im gleichen Jahr in London, wo er mit seiner Frau u. a. 1936 in Escape me never zusammenarbeitete. 1940 siedelte das Ehepaar in die USA u¨ ber, wo C. als Theaterregisseur arbeitete, und kehrte 1951 nach Großbritannien zur¨uck. C. filmte u. a B¨uhnenproduktionen wie Wilhelm → Furtw¨anglers Don Giovanni (1954) in Salzburg und 1965 das Ballett Romeo and Juliet mit Margot Fonteyn und Rudolf Nurejev. 1967 erhielt C. das Filmband in Gold. C Cinegraph

Czitary, Eugen, Ingenieur, * 3. 6. 1897 Pola (Istrien, heute Pula, Kroatien), † 3. 3. 1980 Wien. Nach dem Studium des Bauingenieurwesens an der TH Wien wurde C. 1924 promoviert, wandte sich der praktischen Arbeit im Eisenbahnbau zu und wurde 1930 Honorardozent, 1934 Dozent an der TH Graz. Seit 1946 a. o. Prof. an der TH Wien, wurde er 1950 o. Prof. und Vorstand des Instituts f¨ur Eisenbahnwesen, wo er bis zu seiner Emeritierung t¨atig war und sich insbesondere mit dem Eisenbahnoberbau und dem Bau von Seilbahnen besch¨aftigte. C. ver¨offentlichte ein Lehrbuch u¨ ber Seilschwebebahnen (1940). Czjzek, Johann (Baptist) Edler von Smidaich, o¨ sterr. Industrieller, * 20. 3. 1841 Wien, † 6. 2. 1925 Wien. C., dessen Vater Johann C. Geologe und kaiserlicher Bergrat sowie Verfasser der ersten geologischen Karte B¨ohmens und Steinkohlenforscher war, begann seine berufliche T¨atigkeit als Chemiker in der Porzellanfabrik seines Onkels August Haas, die er 1867 zusammen mit seinem Vetter als Firma Haas & Czjzek u¨ bernahm und um die Porzellanfabrik Portheim und S¨ohne in Chodau erweiterte. Daneben wurden Verkaufsstellen in Wien, Prag und Budapest sowie Vertretungen in weiteren L¨andern errichtet. 1875 zog sich C. aus dieser Firma zur¨uck, erwarb die b¨ohmischen G¨uter Aich und Smidar und war seit 1900 Mitbesitzer der StaudingerWaggonfabrik in M¨ahren. Er beteiligte sich an verschiedenen Spinnereien und Webereien in Ungarn, Nordb¨ohmen und Br¨unn und hatte erhebliche Anteile am Wiener Bankverein. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918 mußte C. schwere wirtschaftliche Verluste hinnehmen. C NDB

Czoernig von Czernhausen, Karl Frh., o¨ sterr. Statistiker, * 5. 5. 1804 Tschernhausen (B¨ohmen), † 5. 10. 1889 G¨orz. C. v. C., Sohn eines Forstbeamten, studierte Rechtswissenschaften und Philosophie in Prag und Wien, trat 1828 in den o¨ sterr. Staatsdienst ein und wurde 1841 Direktor des Statistischen B¨uros in Wien. 1848 / 49 war er Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Seit 1850 Leiter der Zentralbeh¨orde in Triest und Sektionschef im o¨ sterr. Handelsministerium in Wien, bem¨uhte er sich um die Reorganisation der o¨ sterr. Handelsmarine und war maßgeblich am wirtschaftlichen Aufschwung der Donau-Dampfschiffahrt beteiligt. 1853-59 leitete er die Sektion f¨ur Eisenbahnbauten und Eisenbahnbetrieb und war bis 1865 Pr¨asident der statisti-

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Czolbe schen Verwaltungskommission. C. v. C. erkannte fr¨uh die Bedeutung der Statistik auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens und war f¨ur das 1854 erlassene Eisenbahnkonzessionsgesetz verantwortlich. Neben seiner T¨atigkeit als Statistiker u¨ bernahm er 1852-63 die Organisation und Leitung der Zentralkommission zur Erforschung und Erhal¨ tung der Kunst- und historischen Denkmale Osterreichs. C. v. C. war Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien und des Gelehrtenausschusses des Germanischen Nationalmuseums in N¨urnberg. Er ver¨offentlichte eine Reihe staatswissenschaftlich-ethnographischer Schriften, darunter 1855-57 seine dreib¨andige Ethnographie der o¨ sterreichischen Monarchie. C Frankf Nationalvers

Czolbe, Heinrich, Mediziner, Philosoph, * 30. 12. 1819 Katzke bei Danzig, † 19. 2. 1873 K¨onigsberg. Der Sohn eines Gutsbesitzers studierte seit 1840 an den Universit¨aten Breslau, Heidelberg und Berlin Medizin, wurde 1844 promoviert (De principiis physiologiae) und praktizierte anschließend einige Jahre in einer Privatpraxis. Seit 1848 Milit¨ararzt, war C. 1859 als Stabsarzt in Spremberg und 1860-67 als Garnisons- und Oberstabsarzt in K¨onigsberg t¨atig. Nach seiner Verabschiedung widmete er sich philosophischen Studien, vertrat in seiner Schrift Neue Darstellung des Sensualismus. Ein Entwurf (1855) einen dem Materialismus nahestehenden extremen Sensualismus, in dem er sich aber gegen die Definition von Materie als Substanz wandte und Erkenntnis auf Sinneswahrnehmung beschr¨ankte; auf Einw¨ande → Lotzes reagierte er mit Die Entstehung des Selbstbewußtseins (1856). Ausgehend vom Primat der Sinneswahrnehmung u¨ ber der Materie entwickelte er in Die Grenzen und der Ursprung der menschlichen Erkenntniss im Gegensatze zu Kant und Hegel. Naturalistisch-teleologische Durchf¨uhrung des mechanischen Princips (1865, Nachdr. 1977) seine Theorie von Staat und Kultur. In Auseinandersetzung mit → Kant, Spinoza, → Hegel und → Schleiermacher entsagte C. bald dem naiven Realismus und propagierte die Existenz einer die K¨orperwelt durchdringenden Weltseele. In seinen postum erschienenen Grundz¨ugen einer extensionalen Erkenntnistheorie. Ein r¨aumliches Abbild von der Entstehung der sinnlichen Wahrnehmung (1875) strebte C. eine empirische Umbildung des Spinozismus und eine R¨uckkehr zur Philosophie der Griechen an. C Altpreuß Biogr, Bd 1

Czollek, Walter, Verlagsleiter, * 8. 4. 1907 Charlottenburg (heute zu Berlin), † 23. 4. 1972. Bis 1933 in kaufm¨annischen Berufen t¨atig, absolvierte C. 1928-30 volkswirtschaftliche Studien an der Berliner Hochschule f¨ur Politik und war seit 1929 aktives Mitglied der KPD. Seit 1934 in Luckau und Berlin inhaftiert, kam er 1936 ins Konzentrationslager Lichtenburg, 1937 nach Dachau und ein Jahr sp¨ater nach Buchenwald. 1939 aus Deutschland ausgewiesen, emigrierte C. nach Shanghai, wo er bis 1947 ¨ u. a. Ubersetzer und Sprecher der deutschsprachigen TASSSendung Stimme der Sowjetunion in Shanghai war. Er leitete dort die von ihm mitbegr¨undete KPD-Gruppe in China. Nach seiner R¨uckkehr nach Deutschland 1947 war C. im sowjetischen Sektor Berlins zun¨achst als Mitarbeiter der Deut-

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schen Treuhandverwaltung f¨ur sequestriertes und beschlagnahmtes Eigentum, 1948 / 49 als Leiter des Personalb¨uros des Industrie- und Handelskontors t¨atig; 1950 wurde er Lektor f¨ur Zeitgeschichte im Verlag Volk und Welt, dessen Leitung er 1954 u¨ bernahm. C DDR

Czuber, Emanuel, o¨ sterr. Mathematiker, * 19. 1. 1851 Prag, † 22. 8. 1925 Gnigl bei Salzburg. Noch w¨ahrend des Studiums am Deutschen Polytechnikum in Prag wurde C. Assistent an der Lehrkanzel f¨ur praktische Geometrie, u¨ bte 1874-78 den Beruf des Lehrers an der Oberrealschule in Prag aus und habilitierte sich dort 1876. Seit 1886 o. Prof. der Mathematik an der Deutschen TH Br¨unn, lehrte er 1891-1919 an der TH Wien, wo er 1894 den Versicherungstechnischen Kurs einf¨uhrte. Bevorzugte Themen seiner Vorlesungen und zahlreichen Publikationen sind die wissenschaftliche Erforschung der Wahrscheinlichkeitsrechnung und ihre Anwendung auf Fehler- und Ausgleichsrechnung, auf Geod¨asie und Versicherungswesen sowie auf Probleme der Landwirtschaft und der Bev¨olkerungslehre (Mathematische Bev¨olkerungstheorie, 1923). C. ver¨offentlichte u. a. Theorie der Beobachtungsfehler (1891), Vorlesungen u¨ ber Differential- und Integralrechung (1898, 61924), Wahrscheinlichkeitsrechnung und ihre Anwendung auf Fehlerausgleichung, Statistik und Lebensversicherung (1902 / 03, 4 1924) und Einf¨uhrung in die h¨ohere Mathematik (1909). ¨ C OBL Czyhlarz, Ernst, o¨ sterr. Internist, * 1. 10. 1873 Prag, † 3. 1. 1950 Wien. C. studierte an den Universit¨aten Prag und Wien Medizin und wurde 1897 in Wien promoviert. Anschließend betrieb er zun¨achst bei Anton → Weichselbaum in Wien, sp¨ater bei Karl → Weigert in Frankfurt / Main Studien zur pathologischen Histologie und war 1898-1904 Assistent an der Ersten Medizinischen Universit¨atsklinik unter Hermann → Nothnagel, bei dem er sich 1903 mit der Abhandlung Experimentelle Untersuchungen zur Lehre von der Entgiftung f¨ur Innere Medizin habilitierte. 1908 wurde C. Primararzt am Kaiser-Franz-Joseph-Spital; 1917 erfolgte die Ernennung zum a. o. Prof. und 1927 zum Hofrat. 1933-37 leitete er die Erste Medizinische Abteilung des Allgemeinen Krankenhau¨ ses in Wien. 2, 3 C Arzte Czyhlarz, Karl Ritter von, o¨ sterr. Jurist, * 17. 8. 1833 Lobositz (B¨ohmen), † 21. 7. 1914 Wien. C. studierte Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Prag und Berlin, wurde 1856 zum Dr. jur. promoviert und war seit 1858 Privatdozent in Prag. 1863 erfolgte seine Ernennung zum a. o. Prof., 1869 zum o. Prof. des r¨omischen Rechts an der Prager Univ., wo er 1876 als Rektor amtierte; 1892-1905 lehrte er an der Univ. Wien. C. war 1866-86 Abgeordneter der Deutschen Fortschrittspartei des Landtags von B¨ohmen und wurde 1894 als Abgeordneter der Verfassungspartei Mitglied des o¨ sterr. Herrenhauses. Seit 1898 Referent des Reichsgerichts, war C. an der Kodifikation der Wahlreform von 1906 maßgeblich beteiligt. Er ver¨offentlichte ein Lehrbuch der Institutionen des R¨omischen Rechts (1890, 191933). ¨ C OBL

D Dabelow, Adolf, Anatom, * 28. 6. 1899 Magdeburg, † 27. 7. 1984 Freiburg / Breisgau. D. lehrte nach dem Studium der Medizin (Promotion 1927, Der Scleralring der Sauropsiden) und der Habilitation seit 1929 als Privatdozent an der Univ. Kiel. 1933 wurde er Mitglied der SA, 1937 der NSDAP. Seit 1935 a. o. Prof. in Marburg, erhielt er 1936 einen Lehrstuhl f¨ur Anatomie an der Univ. M¨unchen. 1942 folgte er einem Ruf nach Leipzig, seit 1946 war er o. Prof. und Direktor des Anatomischen Instituts der Univ. Mainz. Seine Arbeiten mit den Schwerpunkten Lymphatische Organe und Korrelationen der Entwicklung erschienen in Fachorganen wie der „Zeitschrift f¨ur Zellforschung und mikroskopische Anatomie“. Dabelow, Christoph Christian Frh. von, Jurist, * 19. 7. 1767 Neu-Buckow bei Wismar, † 28. 4. 1830 Dorpat. D. studierte in Rostock und Jena Rechtswissenschaft und ließ sich nach dem Examen 1787 als Anwalt nieder. 1789 wurde er an der Univ. B¨utzow – damals Teil der Univ. Rostock – promoviert, nach der Habilitation lehrte er seit 1792 als o. Prof. der Rechte an der Univ. Halle. W¨ahrend der vor¨ubergehenden Schließung der Hochschule durch Napoleon un¨ ternahm er Reisen durch Osterreich, Italien und Frankreich, nach Wiederaufnahme des Lehrbetriebs kehrte er kurz nach Halle zur¨uck, nahm 1809 seinen Abschied und wurde 1811 Staatsrat und Staatsminister beim Herzog von AnhaltK¨othen. Nach dessen Tod lebte D. ohne feste Anstellung in Heidelberg, G¨ottingen und wieder in Halle, ehe er 1819 als o. Prof. nach Dorpat berufen wurde. In seinen zahlreichen Schriften bearbeitete er fast alle Gebiete der Rechtswissenschaft, Schwerpunkte waren das r¨omische und franz¨osische Recht (Ausf¨uhrlicher theoretisch-praktischer Commentar u¨ ber den Code Napol´eon, 2 Tle., 1810). Dabercusius, Matthias Markus, P¨adagoge, * um 1508, † 17. 2. 1572 Schwerin. Der geb¨urtige Rheinl¨ander war Sch¨uler von Johannes → Rivius. Er wurde 1537 in Freiberg Konrektor, 1540 Rektor in Schneeberg und 1543 Konrektor in Meißen. 1553 wurde er von Herzog → Johann Albrecht I. von Mecklenburg zum Rektor der Burg- und F¨urstenschule in Schwerin berufen. S¨achsische Chroniken bezeichnen D. als „Wiederhersteller der Wissenschaften in den Meißnischen Landen“. Dach, Simon, auch Chasmindo, Sichamond, Ischmando, Lyriker, Singspieldichter, * 29. 7. 1605 Memel, † 15. 4. 1659 K¨onigsberg. Als Sohn eines Gerichtsdolmetschers wuchs D. in beschr¨ankten Verh¨altnissen in Memel auf. Verwandte erm¨og¨ lichten ihm fr¨uh die Ubersiedelung nach K¨onigsberg und damit den Besuch der dortigen Domschule. Es folgten drei Jahre als Famulus eines Verwandten in Wittenberg (1620-23) und drei Jahre auf dem Gymnasium in Magdeburg. Pest- und Kriegsgefahr bewegten ihn 1626 zur R¨uckkehr nach K¨onigsberg, wo er zun¨achst Theologie studierte,

sich aber bald den klassischen Sprachen, der Rhetorik und der Poesie zuwandte. Ohne einen akademischen Grad erlangt zu haben, wurde er Hauslehrer bei einem kneiph¨ofischen Ratsherrn, der ihm 1633 zu einer Anstellung an der Domschule verhalf. Doch empfand D. den Schuldienst als a¨ ußerst l¨astig, woran auch seine Bef¨orderung zum Konrektor (1636) nichts a¨ nderte. Der erhoffte Absprung an die Univ. gelang schließlich durch Beziehungen seines Freundes Robert → Roberthin und durch geschickt lancierte Gratulationsgedichte f¨ur den Kurf¨ursten und den Kronprinzen. Am 1. 8. 1639 wurde D. zum Prof. der Poesie ernannt und 1640 nachtr¨aglich zum Magister promoviert. In vielen seiner 259 lateinischen Gedichte besang er pflichtgem¨aß festliche Anl¨asse der Univ., u¨ bernahm f¨unfmal das Dekanat und 1656 das Amt des Rektors. Mit seinen deutschen Liedern und Gedichten entwickelte sich D. zwischen 1633 und 1640 zum beliebtesten und bedeutendsten Dichter der kulturell ungew¨ohnlich regen Stadt. Entscheidende k¨unstlerische Impulse verdankte er Robert Roberthin, der literarisch und musikalisch interessierte B¨urger zum Zweck k¨unstlerischer Anregung und gegenseitiger F¨orderung um sich versammelte, ohne jedoch diese Gruppe von Poeten und Musikern nach Art der Sprachgesellschaften des 17. Jh. formell zusammenzuschließen. Zu diesem Kreis geh¨orten u. a. Christoph → Kaldenbach, Georg → Mylius, Andreas → Adersbach und der Komponist Heinrich → Albert. Man traf sich zu Dichterlesungen und musikalischen Veranstaltungen im Hause von Mitgliedern und Kunstg¨onnern, oft aber auch in Alberts G¨artchen vor der Stadt. Poetisches Vorbild f¨ur die Mitglieder dieses „Dichterkreises“ war Martin → Opitz, den man 1638 nach K¨onigsberg einlud und geb¨uhrend feierte. Durch die Freundschaft mit Heinrich Albert gelangten viele Gedichte D.s zur Vertonung, fanden z. T. Aufnahme in Alberts Arien (1638 ff.) und wurden so einem weiten Publikumskreis zug¨anglich. Außer zahlreichen Casualcarmina verfaßte D. auch zwei Singspieltexte, zu denen Albert die (meist verschollenen) Partituren schrieb. Musikologen sehen in diesen Werken den Beginn der K¨onigsberger Oper. Das erste Spiel, Cleomedes, das 1635 anl¨aßlich des Aufenthalts des polnischen K¨onigs Wladislaw IV. aufgef¨uhrt wurde, verherrlicht in Form eines Hirtenspiels die politischen Erfolge Wladislaws. Das zweite, Sorbuisa, gelangte 1644 im Rahmen der Hundertjahrfeier der K¨onigsberger Univ. zur Auff¨uhrung und zeigt das Heimischwerden der Musen auf dem vormals kulturlosen K¨onigs-Berg. Bei aller Bescheidenheit im o¨ ffentlichen Auftreten untersch¨atzte D. keineswegs den k¨unstlerischen Wert seiner Dichtungen; dennoch unternahm er nichts, seine etwa 1250 deutschen Gedichte gesammelt herauszugeben. Sie erschienen meist als Einzeldrucke in kleinen Auflagen auf Kosten der Auftraggeber, w¨ahrend die an Freunde gerichteten Verse z. T. unver¨offentlicht blieben. Obgleich D.s Nebeneink¨unfte als Gelegenheitsdichter nicht unbetr¨achtlich waren und der Rat ihm 1644 eine mietsfreie Wohnung zugestand, f¨uhlte er sich wirtschaftlich nie gesichert. Die Sorgen um das Wohl seiner Frau und seiner f¨unf Kinder verließen ihn auch nicht, als Kurf¨urst → Friedrich Wilhelm ihn 1658 mit einem kleinen Landgut bedachte. In seinem Landesherrn hatte D. einen Verehrer seiner Kunst gefunden. Der F¨urst sch¨atzte ihn nicht nur als seinen inoffiziellen Hofdichter, sondern bezeigte ihm auch sein Wohl-

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Dachauer wollen, indem er ihn bei Besuchen in K¨onigsberg zu sich lud. Nach D.s Tod ließ seine Witwe die f¨ur das kurf¨urstliche Haus verfaßten Gedichte als Festgabe zum vierzigj¨ahrigen Regierungsjubil¨aum des Herrschers erscheinen (ChurBrandenburgische Rose, Adler, L¨ow und Scepter, 1680). In st¨arkerem Maße als bei anderen Dichtern des 17. Jh. spiegelt sich pers¨onliches Erleben in D.s Versen, nicht zuletzt in den erst 1924 aufgefundenen Gedichten an Roberthin und Albert. D.s bekanntestes Lied ist das in Alberts Arien 1649 erschienene Anke von Taraw, ein Hochzeitsgedicht in ostpreuß. Mundart. Durch → Herder wurde es (1778 / 79) in hochdeutscher Fassung als „Volkslied“ bekannt. D.s schlichte Diktion und die Echtheit seiner Liebes- und Freundschaftsgedichte sicherten ihm in der Forschung eine durchgehend wohlwollende Rezeption und bei Dichtern wie → Gryphius, → Gottsched, Herder, Johannes → Bobrowski und G¨unter Grass Anerkennung. Weitgehend unerforscht blieben bisher D.s lateinische Gedichte, die der sozialgeschichtlichen Forschung ein reiches Quellenmaterial bieten. WEITERE WERKE: Poetische Wercke [. . .] denen beygef¨uget zwey seiner verfertigten poetischen Schau-Spiele. K¨onigsberg 1696. Neudr. Hildesheim 1970. – Kritische Ausgabe: Gedichte. Hrsg. v. Walther Ziesemer. 4 Bde., Halle 1936-38. LITERATUR: Theophil Siegfried Bayer: Das Leben Simonis Dachii eines Preuß. Poeten. In: Erleutertes Preußen. Bd. 1. K¨onigsberg 1723, S. 159-195; 855-857. – Walther Ziesemer: Neues zu S. D. In: Euphorion 25 (1924) S. 591-608 (mit Erstdruck autobiographischer Gedichte an Roberthin und Albert). – Walter Schlusnus: S. D. 1605-59. In: Wilhelm Matull (Hrsg.): Große Deutsche aus Ostpreußen. M¨unchen 1970, S. 28-38. – Albrecht Sch¨one: K¨urbish¨utte und K¨onigsberg. M¨unchen 1982. – Wulf Segebrecht: S. D. und die K¨onigsberger. In: Harald Steinhagen / Benno von Wiese (Hrsg.). Deutsche Dichter des 17. Jh. Berlin 1984, S. 242-269. – Eberhard Mannack: Barocke Lyrik als Medium der „Redekunst“. S. D.: Perpetui coelum tempora veris habet. In: Der Deutschunterricht 37 (1985) S. 15-24. – Alfred Kelletat: S. D. und der K¨onigsberger Dichterkreis. Stuttgart 1986 (mit Rezeptionsgeschichte und Bibliogr.). – Wulf Segebrecht: Unvorgreifliche, kritische Gedanken u¨ ber den Umgang mit S. D.s Gedichten. In: Klaus Garber / Manfred Komorowski / Axel E. Walter (Hrsg.): Kulturgeschichte Ostpreußens in der fr¨uhen Neuzeit. T¨ubingen 2001, S. 943-962. Ulrich Mach´e

Dachauer, Wilhelm (Willi), o¨ sterr. Maler, * 5. 4. 1881 Ried im Innkreis (Ober¨osterreich), † 26. 2. 1951 Wien. 1895-98 absolvierte D. eine Lehre bei einem Wiener Zimmer- und Dekorationsmaler und studierte anschließend bis 1907 an der Akademie der bildenden K¨unste bei Julius → Berger, Christian → Griepenkerl und Alois → Delug. Bevor er sich freischaffend in Wien niederließ, hielt er sich 1908 / 09 zur Weiterbildung in Italien auf und unternahm mit dem Bildhauer F. → Opitz eine Reise zu den a¨ gyptischen Ausgrabungsst¨atten bei Assuan und Phil¨a. 1913 hatte er seine erste Ausstellung in der Sezession, zu deren Mitgliedern er z¨ahlte. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs war er als Maler im Kriegspressequartier t¨atig. 1918 ging er nach Ried (Ober¨osterreich); dort entstanden große allegorische Gem¨alde wie Gewittersturm und Fr¨uhling, Buchillustrationen u. a. zu Gullivers Reisen sowie der zehnteilige Zyklus Bauernleben. Er wurde auch durch seine Entw¨urfe f¨ur Banknoten und Briefmarken bekannt. 1927-45 wirkte D. als Prof. an der Wiener Akademie der bildenden K¨unste. C AKL Dachs, Josef, Musiker, Musikp¨adagoge, * 30. 9. 1825 Regensburg, † 6. 6. 1896 Wien. D. studierte bei Simon → Sechter, Anton → Halm und Carl → Czerny, trat 1850-59 als Solist bei Gesellschaftskonzerten unter Johann Franz von → Herbeck, Otto → Dessoff und Georg → Hellmesberger auf und lehrte seit 1850 am Wiener

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Konservatorium. Zu seinen Sch¨ulern z¨ahlten Hugo → Wolf, Friedrich → L¨owe und Arthur Rubinstein. D. gilt als Pionier der Werke Robert → Schumanns, der eng mit ihm zusammenarbeitete.

Dachsberg, Johann (Nepomuk Joseph) Frh. von, Statistiker, * 12. 6. 1733 Egglkofen, † 17. 12. 1798 Landshut. D., Sohn eines Regierungsrats zu Landshut, war 1772-79 und wieder 1784-98 Vizedom in Landshut, 1780-84 in gleicher Funktion in Burghausen, 1775 wurde er Wirklicher Geheimer Rat. Als Kurf¨urst → Maximilian III. Joseph 1771 eine erste statistische Erhebung großen Stils anordnete, wurde D. die Leitung des Unternehmens u¨ bertragen. In einer umfassenden und beispiellos genauen Individualz¨ahlung ließ er alle Untertanen nach pers¨onlichen, famili¨aren und verm¨ogensrechtlichen Beziehungen erfassen. Das Ergebnis der Umfrage wird als „Dachsbergsche Volksbeschreibung“ C NDB in den Kreisarchiven aufbewahrt. Dachser, Jakob, kath., dann evang. Theologe, * um 1487 Ingolstadt, † 1567 Augsburg. Der aus einer wohlsituierten B¨urgerfamilie stammende D. studierte um 1509 in Ingolstadt Theologie und erwarb den Grad eines Magisters. Nach der Priesterweihe seelsorgerisch in Wien t¨atig, wurde er unter unbekannten Umst¨anden Lutheraner und ging nach Eichst¨att. Verhaftet und schließlich ausgewiesen, kehrte er nach Ingolstadt zur¨uck, wo er ebenfalls mit Haft und Ausweisung bestraft wurde. 1527 wurde D. in Augsburg von Hans → Hut getauft und war neben diesem f¨ur kurze Zeit Vorsteher der T¨aufergemeinde dort, bevor er am 28. 8. 1527 verhaftet wurde. Seine lange Gefangenschaft endete 1531, als er, von dem Pr¨adikanten Wolf¨ gang → Musculus gewonnen, seine t¨auferischen Uberzeugungen vor dem Rat widerrief. D. trat nun in den Augsburger Kirchendienst ein und wurde Helfer am Predigthaus von St. Ulrich. Noch aus der Haft heraus hatte er 1529 Form vnd Ordnung. Gaystlicher Gesang vnd Psalmen publiziert, ein fr¨uhes evang. Gesangbuch, das mehrere Auflagen erlebte und in revidierter Version bis ins fr¨uhe 17. Jh. in Augsburg in Gebrauch war. 1552 mußte D. die Stadt auf kaiserlichen Befehl verlassen, da er sich weigerte, die Messe zu lesen. Er ging als Diakonus nach Pfalz-Neuburg und war von 1557 bis zu seinem Tod Pfarrer in Manching. Dachstein, Wolfgang, Musiker, Komponist, * um 1487 Offenburg / Kinzig, † 7. 3. 1553 Straßburg. D. war in Erfurt ein Studienkollege → Luthers und studierte seit 1503 die Artes und Theologie. Als Dominikanerm¨onch wurde er 1521 in Straßburg Organist an St. Thomas, verließ 1523 das Kloster und stellte seine literarischen und musikalischen F¨ahigkeiten in den Dienst der Reformation. Er half bei der Ausarbeitung der evang. Gottesdienstordnung und lieferte zum Teutschen Kirchenampt 1525 die deutschen Psalmen mit eigenen Melodien, von denen einige bis heute gesungen werden. Seit 1523 mit dem Straßburger B¨urgerrecht ausgestattet, wurde D. 1542 Musiklehrer am dortigen Gymnasium und 1543 Organist am M¨unster. C MGG Dacqu´e, Edgar, Pal¨aontologe, Philosoph, * 8. 7. 1878 Neustadt / Weinstraße, † 14. 9. 1945 M¨unchen. D., Sohn eines Bankiers, studierte an der Univ. M¨unchen Pal¨aontologie und wurde 1903 promoviert (Mittheilungen u¨ ber den Kreidecomplex von Abu Roash bei Kario). Seit 1904 Assistent Karl Alfred von → Zittels, habilitierte er sich 1912 f¨ur Pal¨aontologie und historische Geologie (Geologische Aufnahme des Gebietes um den Schliersee und Spitzingsee in den oberbayerischen Alpen) und wurde 1915 a. o. Prof. sowie Kustos an der Pal¨aontologischen Sammlung des Bayerischen Staates. 1915 erschienen seine Grundlagen

D¨achsel und Methoden der Pal¨aogeographie. Er erwarb sich Verdienste um die Erforschung der fossilen Wirbellosen, besonders des Jura. D. stand in der Tradition der romantischen Naturphilosophie (Urwelt, Sage und Menschheit. Eine naturhistorisch-metaphysische Studie, 1924, 81938) und vertrat in Abgrenzung von der darwinistischen Entwicklungslehre eine teleologische Evolutionstheorie (Leben als Symbol. Metaphysik einer Entwicklungslehre, 1928), nach der der Mensch die ideelle Urform in sich birgt und zugleich Ziel aller biologischen Entwicklung ist. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Natur und Seele. Ein Beitrag zur magischen Weltlehre (1926, 31928), Verm¨achtnis der Urzeit. Grundprobleme der Erdgeschichte (hrsg. von Joachim → Schr¨oder und Manfred → Schr¨oter, 1948) und Werk und Wirkung. Eine Rechenschaft (hrsg. von Manfred Schr¨oter, 1948). C NDB

1621-30 erwarb er sich mit silbergetriebenen Bildnisreliefs den Titel eines kurs¨achsischen Hofgoldschmieds. Weitere Hauptorte seines k¨unstlerischen Wirkens waren Danzig und seit 1648 Hamburg. Seine h¨ochste Kunstfertigkeit entfaltete D. auf dem Feld der Medaillenkunst; er schuf neben Bildnismedaillen (u. a. Kurf¨urstin Magdalene Sybille von Sachsen, → Bernhard von Sachsen-Weimar) einen neuen Typus der historisch-politischen Medaille, auf der Schlachtenszenen, Ereignisse des Dreißigj¨ahrigen Kriegs, Allegorien sowie Stadt- und Landschaftsveduten zu sehen waren. Sein ausgepr¨agtes technisches K¨onnen als Stempelschneider bildete die Grundlage f¨ur die besondere Qualit¨at seiner Arbeiten. F¨ur Hamburg lieferte er 1636 eine große Stadtmedaille mit dem Grundriß der Stadt und 1651-53 zwei Bankportugaleser. C AKL

Dade, Heinrich, National¨okonom, Agrarwissenschaftler,

D¨abritz, Walter, Wirtschaftswissenschaftler,

* 6. 1. 1866 Wustow (Mecklenburg), † 28. 12. 1923 Berlin. Nach dem Studium der Volkswirtschaft in Hannover und M¨unchen wurde D. 1891 in Rostock mit der Arbeit Die Entstehung der Mecklenburgischen Schlagwirthschaft promoviert. 1895-1923 war er Generalsekret¨ar des Deutschen Landwirtschaftsrates und redigierte dessen „Zeitschrift f¨ur Agrarpolitik“, die seit 1917 unter dem Titel „Zeitschrift des Deutschen Landwirtschaftsrats“ erschien. Nach der Habilitation 1901 lehrte er an der Univ. Berlin und erhielt 1905 den Professorentitel. D. war Autor und Herausgeber zahlreicher volkswirtschaftlicher und agrarpolitischer B¨ucher, u. a. von Die deutsche Landwirtschaft unter Kaiser Wilhelm II. (2 Bde., 1913) und Arbeitsziele der deutschen Landwirtschaft nach dem Kriege (1918, mit Friedrich von → Braun). C B¨ohm

* 21. 12. 1881 Grimma (Sachsen), † 26. 7. 1963 Essen. D. studierte in M¨unchen, Berlin und Leipzig Jura und Staatswissenschaften, wurde 1906 zum Dr. jur., 1908 zum Dr. phil. promoviert und begann nach einer mehrj¨ahrigen Praxis im Bankwesen 1912 eine Lehrt¨atigkeit als Dozent f¨ur Volkswirtschaftslehre an den Akademischen Kursen in Essen. 1922-37 war er Leiter dieser Einrichtungen, 1925-45 Direktor der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie in Essen. 1926 regte D. die Errichtung einer Außenstelle des Berliner Instituts f¨ur Konjunkturforschung in Essen an; als „Rheinisch-Westf¨alisches Institut f¨ur Wirtschaftsforschung“ erreichte es unter seiner Leitung u¨ berregionale Bedeutung; Entstehung und Gestaltung der dort herausgegebenen Rheinisch-Westf¨alischen Wirtschaftsbiographien gehen auf seine Anregung zur¨uck. Nach der Habilitation lehrte D. seit 1927 als Privatdozent, 1938-45 als Honorarprofessor mit Schwerpunkt Wirtschaftsgeschichte an der Univ. K¨oln. Zuletzt f¨uhrte er den Vorsitz im wissenschaftlichen Beirat der Volkswirtschaftlichen Vereinigung im rheinisch-westf¨alischen Industriegebiet. D. ver¨offentlichte u. a. Gr¨undung und Anf¨ange der Disconto-Gesellschaft Berlin (1931). C Leb Industrie 5

Dadieu, Armin, o¨ sterr. Chemiker, * 20. 8. 1901 Marburg / Drau, † 6. 4. 1978 Graz. D., Sohn eines Bahninspektors, studierte 1919-23 an der TH Graz Chemie, war 1923-32 Assistent am dortigen Physikalischen Institut und wurde 1926 mit der Dissertation ¨ Uber das elektromotorische Verhalten des Aluminiums promoviert. Nach der Habilitation (1929) hatte er seit 1932 eine a. o. Professur f¨ur Anorganische und Physikalische Chemie an der TH Graz inne. 1932-34 war D. Wirtschaftsreferent in der Gauleitung Steiermark der NSDAP, 1937 / 38 Volkspolitischer Referent der Vaterl¨andischen Front in der Steiermark, seit 1938 Landesstatthalter und 1940-45 Gauhauptmann der Steiermark. Seit 1937 betrieb er illegal Lagerst¨attenforschung f¨ur Hermann → G¨oring und war Vorsitzender des Aufsichtsrats der Steirischen Wasserkraft- und Elektrizit¨ats-AG in Graz. 1940 zum o. Prof. f¨ur Theoretische und Physikalische Chemie an der Univ. Graz ernannt, leistete D. 1940 / 41 Kriegsdienst bei der Luftwaffe; 1943 u¨ bernahm er die F¨uhrung des Gaudozentenbunds Steiermark. Nach Kriegsende als Kriegsverbrecher gesucht, hielt er sich in Graz versteckt. 1948 wurde D. in Tirol festgenommen, konnte jedoch nach Argentinien fliehen, wo er die Regierung in Fragen der Raketentreibstoffe beriet. 1956 wurde das ¨ Verfahren gegen ihn in Osterreich eingestellt. 1958 kehrte D. zur¨uck, erhielt eine Anstellung am Institut f¨ur Physik der Strahlantriebe in Stuttgart, war 1962-70 Leiter des Institutes f¨ur Raketentreibstoffe in Stuttgart und 1970-73 Direktor des Instituts f¨ur chemische Raketenantriebe in Lampoldshausen bei Heilbronn. Mit seinen Mitarbeitern Ralf Damm und Eckart W. Schmidt ver¨offentlichte er Raketentreibstoffe (1968). C Gr¨uttner

Dadler, Sebastian, auch Dattler, Medailleur, Gold- und Silberschmied, * 6. 3. 1586 Straßburg, † 6. 7. 1657 Hamburg. 1619 war D. in Augsburg t¨atig, wo er sich kaiserlicher Hofgoldschmied nannte. W¨ahrend eines Aufenthalts in Dresden

D¨achsel, (Karl) August, evang. Theologe, * 24. 11. 1818 Naumburg, † 22. 9. 1901 Steinkirche (Schlesien). Nach dem Theologiestudium in Leipzig und Halle trat D. 1847 sein erstes geistliches Amt in Hirschfeld an, siedelte sp¨ater nach Hohenbocka (Schlesien) u¨ ber und wurde 1858 Pfarrer in Neusalz / Oder, 1868 in Steinkirche. Er ver¨offentlichte biblische, liturgische und hymnologische Arbeiten, eine Agende sowie eine Bearbeitung des luth. Katechismus. Sein Bibelwerk in sieben B¨anden (1865-80) wurde in vielen Pfarrh¨ausern benutzt. D. verfaßte ferner eine Geschichte des Alten und Neuen Testaments (1886-88) und ein Liturgisches Handbuch f¨ur die Gemeinde (1890). Er war der Vater von Heinrich Theobald → D. C Biogr Jahrb, Bd 6

D¨achsel, Heinrich Theobald, evang. Theologe, * 9. 3. 1855 Hohenbocka (Schlesien), † 2. 8. 1939 Militsch (Schlesien). Der Sohn August → D.s u¨ bernahm nach dem Theologiestudium an den Universit¨aten Halle und Breslau in Arnsdorf bei Strehlen eine Pfarrstelle, wechselte sp¨ater nach Militsch und war dort 1893-1925 Superintendent. 1935 wurde er in Breslau zum Dr. theol. promoviert. Neben seinem Hauptwerk Paulus, der Apostel Jesu Christi (1913) ver¨offentlichte er ¨ eine Ubersetzung der Schriften des Neuen Testaments, nach ihrem urspr¨unglichen Wortsinne in die deutsche Sprache der Gegenwart wort- und sinngetreu u¨ bertragen (1928). C NDB

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D¨ahn D¨ahn, Fritz (Friedrich), Maler, * 26. 1. 1908 Heilbronn, † 15. 9. 1980 Heilbronn. Nach einer Lehre als Schildermaler besuchte D. seit 1927 die Kunstgewerbeschule in Stuttgart und 1930-34 als Sch¨uler von Arnold → Waldschmidt und Anton → Kolig die dortige Akademie. Nach kurzer T¨atigkeit als B¨uhnenmaler in Heilbronn war er 1936-48 – mit Unterbrechung durch den Kriegsdienst – als freischaffender K¨unstler in Stuttgart t¨atig. 1946 trat er in die KPD ein und lehrte an der Freien Kunsthochschule in Stuttgart, ehe er als o. Prof. an die Hochschule f¨ur Baukunst und Bildende Kunst in Weimar berufen wurde. 1953 u¨ bernahm er die Leitung der Hochschule f¨ur Bildende Kunst in Dresden. In der Nachfolge Otto → Nagels hatte D. 1952-55 den Vorsitz des Verbandes Bildender K¨unstler der DDR inne und wirkte 1954-56 als Hauptabteilungsleiter im Ministerium f¨ur Kultur, 1956-61 als Leiter der Zentralen Werkst¨atten der Bildenden Kunst in Ostberlin und anschließend bis 1968 als Rektor der Hochschule f¨ur Bildende und Angewandte Kunst in Berlin-Weißensee. D.s Graphiken und Zeichnungen sind von Ereignissen des Kriegs bestimmt (Kriegskr¨uppel, 1946; Nie wieder!, 1947); nach seiner Emeritierung trat er vornehmlich als Portr¨atmaler in Erscheinung. C AKL D¨ahnert, Johann Karl, Bibliothekar, Jurist, * 10. 11. 1719 Stralsund, † 5. 7. 1785 Greifswald. D. entstammte einer angesehenen Kaufmannsfamilie, h¨orte seit 1738 Theologie an der Univ. Greifswald und wurde 1743 Sekret¨ar der dortigen Deutschen Gesellschaft. Um der Hochschule das Monopol f¨ur die Nachrichten von gelehrten Sachen aus Pommern und Schweden zu sichern, redigierte er 1743-46 die „Pommerschen Nachrichten“; 1748 wurde er o. Prof. der Philosophie und zugleich Universit¨atsbibliothe¨ wuchs die Bibliothek kar. In seiner bis 1785 dauernden Ara um das F¨unffache; die Ver¨offentlichung des Catalogus Bibliothecae academiae Gryphiswaldensis (3 Bde., 1775 / 76) bildete die Kr¨onung seiner Arbeit. 1758 u¨ bernahm D. den neueingerichteten Lehrstuhl f¨ur schwedisches Staatsrecht. Er gab eine Sammlung pommerscher und r¨ugenscher Landesurkunden (5 Bde., 1765-70) heraus. C Leb Pommern, Bd 4

D¨ahnhardt, (Alfred) Oskar, Volkskundler, * 21. 11. 1870 Kiel, † 25. 4. 1915 bei Ypern (gefallen). D., Sohn eines Richters und sp¨ateren Senatspr¨asidenten am Reichsgericht in Leipzig, studierte dort und in Berlin Klassische Philologie und Germanistik, wurde 1894 promoviert und war bis 1910 Oberlehrer an der Thomasschule in Leipzig, seit 1910 Rektor der dortigen Nikolaischule. 1898 vero¨ ffentlichte er Volkst¨umliches aus dem K¨onigreich Sachsen. Mit Hilfe von Mitarbeitern in aller Welt entstand das Handbuch Natursagen (4 Bde., 1907-12, unvollendet), in dem D. die Einheit des mythischen Denkens aller V¨olker zu erkl¨aren suchte. C SHBL, Bd 8

Daelen, Eduard (Adolph), Pseud. als Schriftsteller: Angelo D¨amon, B¨ar Dalen, Edu A. Daelen, Edu Daelen, Edu Daelen-Bachem, Michel B¨ar, Ursus Teutonicus, Maler, Schriftsteller, * 18. 3. 1848 H¨orde (Westfalen), † 9. 5. 1923 D¨usseldorf. Vom Vater, einem Oberingenieur, zum Maschinenbauer bestimmt, besuchte D. 1863-65 die Gewerbeschule in Barmen, 1866-69 die TH und die Gewerbeakademie in Berlin, ehe er sich f¨ur die k¨unstlerische Laufbahn entschied und sich an den Kunstakademien in D¨usseldorf, Berlin und M¨unchen ausbilden ließ. Nach einer halbj¨ahrigen Italienreise hatte er seit 1875 seinen st¨andigen Wohnsitz in D¨usseldorf und bet¨atigte sich vor allem als Portr¨atmaler. Seine nationalistische Einstellung spiegelte sich in Propagandakarikaturen im Ersten Weltkrieg und in seinen Schriften wider. Er verfaßte humoristisch-satirische Schriften (Die elf Gebote der Ehe,

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1885), die er h¨aufig mit eigenen Illustrationen ausschm¨uckte. ¨ 1886 ver¨offentlichte er Uber Wilhelm Busch. Eine Streitschrift. Mit bisher ungedruckten Dichtungen, Illustrationen und Briefen von Wilhelm Busch. D. war in Berlin Mitglied des „Tunnels u¨ ber der Spree“. C AKL

Daelen, Reiner, Eisenh¨uttenmann, * 10. 10. 1813 Eupen, † 6. 12. 1887 D¨usseldorf. Bereits in jungen Jahren sammelte D., Sohn eines Mechanikers, in verschiedenen Maschinenfabriken als Werkf¨uhrer praktische Erfahrungen, ehe er 1840 bei der Firma Hoesch & S¨ohne in Lendersdorf bei D¨uren seine Eisenh¨utten-Laufbahn begann und dort den ersten Puddelofen im rheinischen Gebiet errichtete. In der Folge arbeitete er als Ingenieur in Aachen und H¨orde und u¨ bernahm 1854 die Gesamtleitung der zum H¨order Bergwerks- und H¨uttenverein geh¨orenden Hermannsh¨utte, die er zu einem vorbildlichen Betrieb der Branche ausbaute. Sp¨ater f¨uhrte er das von ihm gegr¨undete Neußer Eisenwerk. Der Verein Deutscher Eisenh¨uttenleute, zu dessen Begr¨undern D. geh¨ort, ernannte ihn 1880 zum Ehrenmitglied. Auf D. gehen zahlreiche Verbesserungen und Erfindungen im deutschen Eisenh¨uttenwesen zur¨uck, u. a. das Universalwalzwerk zum Walzen von Flacheisen und ein neues Verfahren zur Herstellung schmiedeeiserner Radscheiben f¨ur Eisenbahnr¨ader. D. war der Vater von Reiner Maria → D. C NDB

Daelen, Reiner Maria, Eisenh¨uttenmann, * 11. 8. 1843 Lendersdorf bei D¨uren, † 2. 8. 1905 Baden-Baden. Wie sein Vater Reiner → D. wandte sich D. nach dem Besuch der Gewerbeschule in Hagen dem Eisenh¨uttenfach zu, wurde nach praktischen Lehrjahren im H¨order Bergwerksund H¨uttenverein 1868 Ingenieur bei der Firma Schneider in Creusot und wechselte nach Ausbruch des Deutsch-Franz¨osischen Kriegs in die Eisengießerei und Maschinenbauanstalt Daelen & Burg in Heerdt bei D¨usseldorf. Seit 1877 war er als Zivilingenieur t¨atig. Sein Hauptarbeitsfeld war der Walzwerkbau; die dampfhydraulische Presse war seine Erfindung. Zuletzt befaßte sich D. mit Verfahrenstechniken zum Verdichten von Stahlg¨ussen und der Verwendung fl¨ussigen Roheisens im Herdofen. 1893 wurde er erster Vorsitzender der Eisenh¨utte D¨usseldorf, eines Zweigs des Vereins Deutscher Eisenh¨uttenleute. C NDB

Daelliker, Johann Rudolf, auch Daellicker, Delliger, Maler, * 1694 Berlin, † 23. 4. 1769 Schaffhausen. D. studierte bei Franz Anton → Pesne und war zun¨achst in Magdeburg, Braunschweig und Leipzig, seit 1722 in Z¨urich und Bern t¨atig. 1731 reiste er zum Studium nach Paris, kehrte 1746 nach Z¨urich zur¨uck und zog sp¨ater nach St. Gallen, schließlich nach Schaffhausen. D., der als einer der wichtigsten Schweizer Portr¨atmaler des 18. Jh. gilt, schuf u. a. Bildnisse der Z¨urcher B¨urgermeister Heinrich → Escher (um 1759) und Hans Konrad → Grebel. C AKL

D¨andliker, Karl, schweizer. Historiker, * 6. 5. 1849 Elsau (Kt. Z¨urich), † 14. 9. 1910 K¨usnacht (Kt. Z¨urich). Der Sohn eines Pfarrers studierte in Z¨urich und M¨unchen und wurde 1872 am Seminar in K¨usnacht Lehrer f¨ur allgemeine, 1878 auch f¨ur Schweizer Geschichte. Im Nebenamt lehrte er seit 1875 als Privatdozent, seit 1887 als a. o. Prof. an der Univ. Z¨urich. D. schrieb eine Geschichte der Schweiz (3 Bde., 1883-88) und eine Geschichte der Stadt und des Kantons Z¨urich (3 Bde., 1908-11). C Biogr Jahrb, Bd 15

D¨andliker, Sophie, geb. Wurstemberger, Gr¨underin des Berner Diakonissenhauses Salem, * 30. 9. 1809 Bern, † 17. 4. 1878 Bern. Die Tochter eines Obersten und einer Hofdame wurde fr¨uh vom Geist des Pietismus und von englischen Qu¨akerkreisen

D¨atwyler um Elizabeth Fry beeinflußt. 1836 gr¨undete sie mit gleichgesinnten Freundinnen den Krankenverein der Stadt Bern und er¨offnete 1844 in einer Hinterhauswohnung die erste Krankenstation f¨ur Bed¨urftige. Zusammen mit ihrem Ehemann erwarb sie das Gut Blumenberg, das noch heute Stammhaus ist. D. baute die Anstalt zur Ausbildung von Diakonissen mit zahlreichen Außenstationen weiter aus. C Bern Bio, Bd 4

D¨aniker, Gustav (I), schweizer. Milit¨ar, Publizist, * 10. 4. 1896 Steinmaur (Kt. Z¨urich), † 14. 9. 1947 Kilchberg (Kt. Z¨urich). Der Sohn eines Pfarrers trat 1914 als Rekrut in die Schweizer Armee ein. Er besuchte die Offiziersschule, studierte Jura und wurde 1922 zum Dr. jur. promoviert (Der Schutz des feindlichen Privateigentums im Landkrieg). 1925 wurde ´ er Instruktionsoffizier. 1929-31 studierte er an der Ecole Sup´erieure de Guerre in Paris. Seit 1936 lehrte D. Milit¨arwissenschaften an der ETH Z¨urich, ehe er 1938 Kommandant der Schießschule Walenstadt und Dozent an der Univ. Basel wurde. Da D., seit 1940 Offizier im Generalstab, mit den Nationalsozialisten sympathisierte und sich f¨ur den Anschluß der Schweiz an das Deutsche Reich aussprach, wurde er aus dem Milit¨ar- und Hochschuldienst entlassen. Als Experte f¨ur Ballistik und Waffentechnik war er danach als Abteilungsleiter bei Oerlikon-B¨uhrle t¨atig. D. ver¨offentlichte u. a. Die milit¨arische Gel¨andeskizze (1925), Einf¨uhrung in die Waffenlehre (1927), Vom Einfluss der Kriegsmittel auf die Kriegf¨uhrung (1942) und Entstehung und Gehalt der ersten eidgen¨ossischen Dienstreglemente (1955). Er war der Vater von von Gustav (II) → D. C DLL, 20. Jh. D¨aniker, Gustav (II), schweizer. Journalist, Publizist, Milit¨ar, * 26. 8. 1928 Walenstadt (Kt. St. Gallen), † 1. 9. 2000 Genolier (Kt. Waadt). D., Sohn von Gustav (I) → D., studierte seit 1948 Geschichte und Germanistik in Z¨urich, wo er zum Dr. phil. promoviert wurde. 1956 trat er in die PR-Agentur Rudolf Farner ein, der er sp¨ater bis 1980 als Direktor vorstand. 1980-88 war D. Division¨ar und Stabschef f¨ur Operative Schulung in der schweizer. Armee. Er trat als Experte f¨ur Sicherheitspolitik und Strategie hervor und forderte u. a. die Aufr¨ustung der Schweiz mit nuklearen Waffen. D. ver¨offentlichte u. a. Strategie des Kleinstaats. Politisch-milit¨arische M¨oglichkeiten schweizerischer Selbstbehauptung im Atomzeitalter (1966), Antiterror-Strategie. Fakten, Folgerungen, Forderungen (1978, 21980), Sicherheitspolitische Aspekte der Energieversorgung (1989) und The Guardian Soldier. On the Nature and Use of Future Armed Forces (1995). C DLL, 20. Jh. D¨aringer, Johann Georg, o¨ sterr. Maler, * 20. 4. 1759 Ried im Innkreis (Ober¨osterreich), † 13. 1. 1809 Wien. D. verlor fr¨uh seine Eltern, kam 1780 nach Wien und war dort seit 1786 an der Akademie der bildenden K¨unste Sch¨uler von Hubert Maurer. 1801 wurde er provisorischer, 1808 wirklicher Korrektor. Neben Historienbildern wie Herkules besiegt den Riesen Kakus schuf D. in der Nachfolge der barocken Kirchenmalerei Altargem¨alde f¨ur die ehemalige Jesuitenkirche und Altarbl¨atter f¨ur die Pfarrkirche St. Bartholom¨aus in Wien; weitere Werke entstanden f¨ur Kirchen in Ungarn und M¨ahren. C AKL Daetrius, Brandanus, luth. Theologe, * 4. 6. 1607 Hamburg, † 22. 11. 1688 Wolfenb¨uttel. W¨ahrend des Theologiestudiums in Helmstedt (1630-36) war D., Sohn eines Rechen- und Schreibmeisters, Sch¨uler von Georg → Calixt, dann zwei Jahre luth. Gesandtschaftsprediger bei Hugo Grotius w¨ahrend dessen Gesandtschaft in Paris sowie f¨ur kurze Zeit Pfarrer in Weende bei G¨ottingen. 1638 wurde er Hofprediger bei Herzog → Georg in Hildesheim

und Hannover, 1643 bei Graf Ulrich in Aurich. Im selben Jahr wurde er in Helmstedt promoviert und 1646 Stadtsuperintendent von Braunschweig. 1662 folgte er einem Ruf Herzog → Augusts von Braunschweig und ging als Oberhofprediger, Konsistorialdirektor und Abt des Klosters Riddagshausen nach Wolfenb¨uttel. D. erwarb sich einen bedeutenden Einfluß auf die geistlichen Angelegenheiten des Landes und wurde zum Obersuperintendenten und – als letzter aus geistlichem Stand – zum Konsistorialpr¨asidenten f¨ur das Herzogtum ernannt. Nach der Unterwerfung Braunschweigs unter die Gewalt Herzogs → Rudolf August hielt D. die Huldigungspredigt. C Ostfriesland, Bd 3

D¨atwyler, Adolf, schweizer. Unternehmer, * 9. 2. 1883 Wittwil-Staffelbach (Kt. Aargau), † 17. 10. 1958 Altdorf (Kt. Uri). D. stammte aus einer Bauernfamilie, durchlief eine kaufm¨annische Lehre, trat 1902 eine erste Stelle in einer Maschinenfabrik an und arbeitete seit 1904 in Mailand beim italienischen Sitz einer K¨olner Kabelfabrik. Seit 1908 wieder in der Schweiz f¨ur zwei Unternehmen t¨atig, u¨ bernahm er 1915 die Stelle des kaufm¨annischen Direktors bei den Schweizerischen Draht- und Gummiwerken in Altdorf (Uri) und konnte das bei seinem Eintritt finanziell angeschlagene Unternehmen innerhalb kurzer Zeit wirtschaftlich sanieren. 1917 kauften er und sein Konsortium die bis dahin der Kantonalbank geh¨orenden Aktien auf und sicherten auf diese Weise die Unabh¨angigkeit der Firma von Regierung und Landrat. Seit 1935 geh¨orte zum Angebot u. a. die Herstellung von Autoreifen. 1946 wurde das Unternehmen in D¨atwyler AG, Schweizerische Draht-, Kabel- und Gummiwerke, Altdorf-Uri umbenannt. D. war 1921 Gr¨under und Pr¨asident des Stahlpanzerrohr-Syndikats, 1939 Pr¨asident des Urner Landrates und 1944 Gr¨under und Pr¨asident des Verbandes Schweizerischer Gummi- und Thermoplast-Industrieller. C Schweizer Pioniere, Bd 17

Daetwyler, Jean, schweizer. Komponist, * 24. 1. 1907 Basel, † 4. 6. 1994 Siders. D. studierte in Paris an der Schola Cantorum und der Schule C´esar-Franck, kehrte 1938 in die Schweiz zur¨uck und wurde Dirigent der Stadtmusik von Siders. 1939 f¨uhrte er seine erste Komposition Marignano auf. Anl¨aßlich des Rhˆone-Festes 1948 gr¨undete D., der auch am Konservatorium lehrte, den gemischten Chor „Chanson du Rhˆone“. D.s Werk umfaßt mehr als 500 Kompositionen, darunter Symphonien, Konzerte und Lieder. D¨atwyler, Max, auch Daetwyler, schweizer. Pazifist, * 7. 9. 1886 Arbon (Kt. Thurgau), † 26. 1. 1976 Zumikon bei Z¨urich. Der Sohn eines Hoteliers arbeitete nach einer kaufm¨annischen Ausbildung in Wattwil als Kellner in Rom, Paris und London und war als Gerant in Bern t¨atig. Sich fr¨uh zu einem christlich motivierten Pazifismus bekennend, verweigerte er 1914 den Fahneneid. Er wurde psychiatrisch interniert und aus der Armee ausgeschlossen. D. gr¨undete in Bern eine Friedensarmee. Seit 1916 lebte er in Z¨urich, wo er 1917 mit Max Rotter eine vielbeachtete Friedenskundgebung einberief. Seit 1918 lebte D. als Kaufmann in Zumikon. Seit 1932 f¨uhrte er wieder pazifistische Aktionen durch, u. a. Friedensm¨arsche nach Paris und Genf. D. ver¨offentlichte u. a. D¨atwyler als Dienstverweigerer (1919), Erlebnisse in der Irrenanstalt (1919) und Also spricht Daetwyler (1930). C HLS

D¨atwyler, Peter, schweizer. Unternehmer, * 18. 2. 1926, † 9. 6. 1993 Attinghausen. D. u¨ bernahm 1958 die von seinem Vater Adolf → D. gegr¨undete Kabel- und Gummifabrik Altdorf und formte zusammen mit seinem Bruder Max im Verlauf von mehr als

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D¨atzel 30 Jahren die heute international t¨atige D¨atwyler-Gruppe. ¨ Uber seinen eigenen Wirkungsbereich hinaus stellte er seine Mitarbeit in Verwaltungsr¨aten großer Gesellschaften, als Vorstandsausschußmitglied und Qu¨astor des Arbeitgeberverbandes der Schweizer Maschinenindustrie (1966-88) und als Pr¨asident des Redressement national (seit 1988) zur Verf¨ugung. Politisch aktiv war D. als Mitglied des Urner Landrats, den er 1970 / 71 pr¨asidierte. Er beendete sein Leben durch Selbstmord.

D¨atzel, Georg Anton, auch D¨azel, D¨atzl, Forstwissenschaftler, Mathematiker, * 5. 2. 1752 Furth im Wald, † 3. oder 5. 4. 1847 Regensburg. Urspr¨unglich Jesuit, wurde D., dessen Vater als Stadtrichter in Cham t¨atig war, 1786 Prof. der Philosophie und Mathematik an der kurf¨urstlichen Pagerie in M¨unchen, 1790 Prof. der Mathematik und Forstwissenschaft an der dortigen Forstschule und 1803 Direktor der Forstschule in Weihenstephan mit einem Lehrauftrag f¨ur Forst- und Naturwissenschaften sowie Mathematik. 1807 folgte er einem Ruf als Prof. der Forstwissenschaft nach Landshut, sp¨ater nach M¨unchen, wo er Geistlicher Rat und Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wurde. D., der als Begr¨under der modernen Forstwissenschaft in Bayern gilt, f¨uhrte in der Waldvermessung die polygonometrische Methode des St. Petersburger Mathematikers Anders Johan Lexell in Deutschland ein. Er ver¨offentlichte u. a. ein Lehrbuch f¨ur die pfalzbaierischen F¨orster (3 Bde., 1788-90), Lehrbegriff der gesammten neuesten Naturlehre (1790) und ein Lehrbuch der praktischen Forstwissenschaft (2 Bde., 1802). C LMU D¨aubler, Theodor, Schriftsteller, * 17. 8. 1876 Triest, † 13. 6. 1934 Sankt Blasien / Schwarzwald. Zweisprachig aufgewachsen in Triest, lebte D., Sohn eines Großkaufmanns, bis 1900 in verschiedenen italienischen St¨adten und begann zu dieser Zeit mit seinem Lebenswerk, dem Versepos Das Nordlicht. 1901 ging er nach Paris und befaßte sich mit moderner Malerei, Bildhauerei und Architektur. Seit 1910 lebte er in der Toskana, war seit dieser Zeit mit Ernst → Barlach befreundet und schrieb sein erstes Prosawerk Wir wollen nicht verweilen (1914) mit autobiographischen Fragmenten; 1910 erschien die erste, die „Florentiner Fassung“ des Nordlichts (3 Bde.). D. war im Ersten Weltkrieg vom Kriegsdienst freigestellt und lebte zun¨achst in Dresden, sp¨ater als Kunstkritiker in Berlin. Nach Kriegsende begann er in der Schweiz mit der Umarbeitung seines von der Kritik eher ablehnend aufgenommenen Hauptwerks und versah das aus einer Reihung und Verdichtung von Mythen bestehende monumentale und pathetische Epos mit einer Einleitung („Genfer Fassung“, 1921). 1921-26 lebte er in Griechenland, dessen Kultur und Mythologie ihn neben der italienischen stark beeinflußte, und bereiste Kleinasien und den Nahen Osten. D. kehrte 1926, schwer erkrankt, nach Berlin zur¨uck und wurde Vizepr¨asident der Deutschen Sektion des PEN-Clubs sowie Mitglied der Sektion Dichtkunst der Akademie der K¨unste. Eine dritte, die „Athener Fassung“ des Nordlichts stellte er 1930 fertig, konnte sie jedoch nicht mehr erscheinen lassen. D. lebte in materieller Not und starb schließlich an Tuberkulose. Seine Dichtungen wie auch seine kunstkritischen Essays (Der neue Standpunkt, 1916) stehen dem Expressionismus nahe. C Killy D¨aumig, Ernst, Politiker, Journalist, * 25. 11. 1866 Merseburg, † 4. 7. 1922 Berlin. Nach einem abgebrochenen Studium der Theologie, mehreren Jahren in der franz¨osischen Fremdenlegion (1887-93) und Milit¨ardienst in Deutschland trat D. 1898 der SPD bei und schrieb seit 1901 f¨ur verschiedene sozialdemokratische Zeitungen, 1911-16 als Spezialist f¨ur milit¨artechnische und Arbeiterbildungsfragen f¨ur den „Vorw¨arts“. Als Angeh¨origer des linken Parteifl¨ugels und als Mitglied der USPD seit

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1916 wandte er sich gegen die Bewilligung der Kriegskredite und beteiligte sich 1917 / 18 an den Berliner Streikbewegungen. W¨ahrend der Novemberrevolution geh¨orte er den Revolution¨aren Obleuten und dem Vollzugsrat der GroßBerliner Arbeiterr¨ate an. Im Bestreben, das R¨atesystem dauerhaft einzuf¨uhren, unterlag er bei der 1. Reichskonferenz der Arbeiter- und Soldatenr¨ate. Seit 1920 im Reichstag, setzte er sich beim Parteitag der USPD f¨ur die Annahme der 21 Bedingungen f¨ur die Aufnahme in die III. Internationale ein, was zur Spaltung der Partei f¨uhrte. Als Vorsitzender der Vereinigten Kommunistischen Partei verlor D. neben Paul → Levi weitgehend an Einfluß, auch seine „Kommunistische Arbeitsgemeinschaft“ war nur von kurzer Dauer. Er ver¨offentlichte u. a. Moderne Landsknechte. Erz¨ahlungen aus dem Kolonial-Soldatenleben (4 Hefte, 1904 / 05), Freier Volkskatechismus (1918) und Das R¨atesystem (1919). C NDB

Dafert von Senseltimmer, Franz Wilhelm, o¨ sterr. Chemiker, * 20. 5. 1863 Meidling (heute zu Wien), † 17. 10. 1933 Wien. D. v. S., Sohn eines Kaufmanns, studierte Chemie an der TH Wien sowie an den Universit¨aten Wien und Gießen und wurde 1883 zum Dr. phil. promoviert. Als Assistent bei Ulrich → Kreusler→ an der Agrikulturchemischen Versuchsstation Poppelsdorf besch¨aftigte er sich mit bodenkundlichen Fragestellungen und ver¨offentlichte 1885 ein Kleines Lehrbuch der Bodenkunde (21892, unter dem Titel Kleines Handbuch der Bodenkunde). 1887 wurde er vom brasilianischen Regenten Dom Pedro zur Errichtung und Leitung einer Landwirtschaftlichen Versuchs- und Pr¨ufanstalt (Imperial Esta¸cao Agronomico de Campinas) nach Brasilien berufen, wo er sich um die Verbesserung des Kaffeeanbaus verdient machte. 1898-1925 war er Direktor der LandwirtschaftlichChemischen Versuchsanstalt in Wien und wurde 1919 Sek¨ tionschef, 1926 korrespondierendes Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften. Als sein Hauptwerk gilt ein Codex alimentarius Austriacus (3 Bde., 1911-17); 1885 erschien sein Kleines Handbuch der Bodenkunde. Die unver¨offentlichte Autobiographie Mein Lebenslauf enth¨alt auch ein umfangreiches Werkverzeichnis. ¨ Akad, Jg. 84 C Almanach Ost

Daffinger, Moritz Michael, o¨ sterr. Maler, * 25. 1. 1790 Wien, † 22. 8. 1849 Wien. Auf Veranlassung seines Stiefvaters Philipp Krug trat D. 1801 als Lehrling in die Wiener Porzellanfabrik ein, wo sich Johann → Weixlbaum seiner annahm. 1801-05 war er Sch¨uler von Hubert Maurer an der Akademie der bildenden K¨unste. Unter dem Einfluß von Heinrich → F¨uger und dem seit 1819 in Wien lebenden Thomas Lawrence entwickelte sich D. zum bedeutendsten Portr¨atminiaturisten Wiens in der ersten H¨alfte des 19. Jahrhunderts. W¨ahrend des Wiener Kongresses malte er die meisten der Anwesenden. Freundschaftlich verbunden mit Dichtern wie Franz → Grillparzer und Ferdinand → Raimund, stand D. in den dreißiger Jahren auf dem H¨ohepunkt seines Erfolgs. Im Auftrag → Metternichs malte er mehr als 200 Aquarellbildnisse. Auf Wanderungen durch die o¨ sterr. L¨ander widmete er sich dem Studium der heimischen Flora und malte botanisch genaue Blumenbilder. Sein Gesamtwerk umfaßt mehr als 1200 Werke. C AKL Daffner, Franz, Milit¨ararzt, * 17. 3. 1844 Hannesreuth (Oberpfalz), † 29. 3. 1933. D. studierte an den Universit¨aten M¨unchen, Wien und Berlin (Promotion 1868, Ueber die Ursachen der Cholera) und war seit seiner Teilnahme am Deutsch-Franz¨osischen Krieg 1870 / 71 vorwiegend als Milit¨ararzt t¨atig. Als Oberstabsarzt

Dahl trat er 1891 in den Ruhestand. Er ver¨offentlichte medizinische, naturwissenschaftliche und historische Studien, darunter Ueber die erste Hilfeleistung bei mechanischen Verletzungen (1886) und Das Wachstum des Menschen (1897, 2 1902), und legte u. a. eine umfangreiche Materialiensammlung zum Ersten Weltkrieg an. D. war der Vater von Hugo → D. C Kosch: Kath

Daffner, Hugo, Mediziner, Musikwissenschaftler, Komponist, * 2. 6. 1882 M¨unchen, † 9. 10. 1936 Konzentrationslager Dachau. Der Sohn Franz → D.s studierte an der Univ. M¨unchen philosophische und naturwissenschaftliche F¨acher (Dr. phil. 1904, Die Entwicklung des Klavierkonzerts bis Mozart, ver¨offentlicht 1906, Nachdr. 1973; Dr. med. 1922, Zur Psychopathologie der K¨onigsberger Mucker) sowie Musikwissenschaft bei Theodor → Kroyer und Adolf → Sandberger. Er war Sch¨uler von August → SchmidLindner und Ludwig → Thuille an der Akademie der Tonkunst, anschließend Privatsch¨uler von Bernhard → Stavenhagen und Max → Reger. 1904-06 Mitarbeiter des Hof- und Prinzregententheaters M¨unchen, war er 1907-09 Musikredakteur der „K¨onigsberger Allgemeinen Zeitung“, 1909-12 der „Dresdener Nachrichten“. D. unternahm 1912 eine Italienreise, hielt sich danach in Paris und Berlin auf und wurde 1915 zum Kriegsdienst eingezogen. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Musik- und Feuilletonredakteur der „K¨onigsberger Allgemeinen Zeitung“, lebte er seit 1922 in Berlin und war bis 1926 Herausgeber des Jahrbuchs der von ihm 1914 gegr¨undeten „Neuen Deutschen DanteGesellschaft“. D. schrieb musik- und theatergeschichtliche Abhandlungen (u. a. Vor gewaltsamem Ende, 1933) und komponierte St¨ucke f¨ur Klavier, Streicher und Orchester. C MGG Dagover, Lil, geb. Maria Antonia Seubert, Schauspielerin, * 30. 9. 1887 Madiun (Java), † 23. 1. 1980 M¨unchen. Die Tochter eines Oberforstmeisters in niederl¨andischen Diensten wurde nach dem fr¨uhen Tod ihrer Eltern erst bei Verwandten, sp¨ater in Pensionaten in England, Frankreich und der Schweiz erzogen. 1913 heiratete sie in Weimar den Wiener Schauspieler Fritz Daghofer, 1926 in zweiter Ehe den Produzenten Georg Witt. Zu dieser Zeit drehte sie bereits – ohne selbst Schauspielunterricht genommen zu haben – mit vielen Gr¨oßen des Stummfilms, so unter der Regie von Robert → Wiene in Das Kabinett des Dr. Caligari (1919) und unter Fritz → Lang in Der m¨ude Tod (1921). F¨ur die Ufa war sie 1922 die Luise Millerin und der Star in Friedrich Wilhelm → Murnaus Tart¨uff-Verfilmung von 1926. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt sie f¨ur ihre Rolle im Schloß Hubertus den Bundesfilmpreis. In den sechziger und siebziger Jahren arbeitete sie noch gelegentlich f¨ur das Kino, u. a. in Syberbergs Karl May (1974). Zum Theater war D. erst sp¨at gekommen, als ihr Max → Reinhardt 1931 die Rolle der Sch¨onheit in → Hofmannsthals Großem Welttheater bei den Salzburger Festspielen u¨ bertrug. Nach 1945 sah man sie u. a. in St¨ucken von Tschechow, → Kleist und T. Williams. Ihre Erinnerungen Ich war die Dame erschienen 1979. C Cinegraph

Dahinden, (Franz) Josef, schweizer. Skilehrer, Filmemacher, Schriftsteller, * 7. 6. 1898 Rigi Kaltbad, † 22. 12. 1993 Z¨urich. Nach Lehrerfolgen als G¨asteskilehrer gr¨undete D., Sohn eines Hoteliers, im heimatlichen Rigi eine Skischule, der er weitere in Flims und Arosa folgen ließ. Er interpretierte die Skitechnik als Dialog mit der Natur und wurde zum Wegbereiter einer modernen Bewegungslehre. Bis ins hohe Alter

war D. auch als Filmproduzent und Schriftsteller t¨atig (u. a. Das Hohelied einer Stadt, 1986; Der Sch¨opfung Melodie, 1988). C DLL, 20. Jh.

Dahl, Franz, Eisenh¨uttenmann, * 6. 3. 1859 Bad Soden, † 8. 4. 1950 Honnef / Rhein. Nach dem Abschluß der Gewerbeschule 1878 wurde D., Sohn eines Kaufmanns, Puddler, sp¨ater Walzer und Geschirrschmied auf der Burbacher H¨utte und vertauschte 1890 diese Stellung mit einer bei der Gutehoffnungsh¨utte in Oberhausen, um das von ihm als zukunftweisend erkannte Walzen des Flußstahls im Profilwalzwerk zu erlernen. 1891 in das Saargebiet zur¨uckgekehrt, leitete er den Ausbau des Walzwerks bei den R¨ochlingschen Eisen- und Stahlwerken und wurde 1894 von August → Thyssen zum Chef des zur Gewerkschaft Deutscher Kaiser geh¨origen Eisen-, Stahl- und Walzwerks Bruckhausen (sp¨ater August-ThyssenH¨utte) ernannt. Unter seiner Leitung (Generaldirektor seit 1904) wurden Hoch¨ofen, ein Thomas- und Blockwalzwerk, eine H¨uttenkokerei und eine elektrische Zentrale errichtet. Er schuf Pl¨ane f¨ur mehrere Stahlwerke, die vor allem in ihrer Raumverteilung als Muster von Organisation und Konstruktion galten. D. war 1907-45 Vorsitzender des Technischen Ausschusses beim Stahlwerksverband. C Nekrologe Industrie Dahl, Friedrich, Zoologe, * 24. 6. 1856 Rosenhofer Br¨ok (Holstein), † 1929 Berlin. D., Sohn eines Landwirts, war nach dem Besuch der Grundschule anderthalb Jahre landwirtschaftlich t¨atig und besuchte seit 1873 das Gymnasium in Eutin. Anschließend studierte er an den Universit¨aten Leipzig, Freiburg / Breisgau, Berlin und Kiel Naturwissenschaften, besonders Zoologie, und wurde 1884 in Kiel mit der Dissertation Beitr¨age zur Kenntniss des Baues und der Functionen der Insektenbeine promoviert. 1887 habilitierte er sich mit der Arbeit Die Cytheriden der westlichen Ostsee, erhielt 1894 den Professorentitel und folgte 1896 seinem Lehrer Karl August → M¨obius, dessen bedeutendster Sch¨uler er war, nach Berlin, um die Stelle eines Kustos der Spinnenabteilung im Zoologischen Museum der Universit¨at anzutreten. 1889 beteiligte er sich an der ersten deutschen Plankton-Expedition und unternahm 1896 / 97 eine Forschungsreise nach dem Bismarck-Archipel. D., seit 1903 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, u¨ bertrug den Begriff der Bioz¨onose in die Erforschung der Landfaunen und f¨uhrte den Begriff „Biotop“ in die wissenschaftliche Terminologie ein. Zu seinen zahlreichen Ver¨offentlichungen geh¨oren Die Nothwendigkeit der Religion, eine letzte Consequenz der Darwinschen Lehre (1886), der Aufsatz Grunds¨atze und Grundbegriffe der bioc¨onotischen Forschung (1908), Anleitung zu zoologischen Beobachtungen (1910) und Grundlagen einer o¨ kologischen Tiergeographie (1921). Seit 1925 gab er die Tierwelt Deutschlands und der angrenzenden Meeresteile nach ihren Merkmalen und nach ihrer Lebenweise heraus. Dahl, Hermann (Friedrich), Ingenieur, * 29. 5. 1874 Speyer, † 13. 1. 1941 Berlin. D., Sohn eines Bierbrauers, studierte Berg- und H¨uttenwesen u. a. an der TH M¨unchen, trat anschließend in den bayerischen Staatsdienst ein und ließ sich kurz darauf als Zivilingenieur in Berlin nieder. 1905 gr¨undete er dort die Gesellschaft f¨ur moderne Kraftanlagen mbH, die vor allem Anlagenbau im Gießereiwesen betrieb; er befaßte sich mit der Nutzung der Wasserkraft f¨ur die Elektro-Metallurgische Industrie in Bayern und rief 1923 die Iller-Werke AG ins Leben, deren Aufsichtsrat und Vorstand er bis 1931 angeh¨orte. D. war 1919-22 Vorsitzender des Reichsbundes deutscher Technik und Mitglied des Sachverst¨andigenbeirats im Reichsverkehrsministerium. 1920 gr¨undete er die Vorl¨auferorga-

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Dahl nisation der sp¨ateren Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft und wurde u. a. 1920 in den Reichswirtschaftsrat, 1924 in das Pr¨asidium des Hansa-Bundes f¨ur Gewerbe, Handel und Industrie berufen. C NDB

Dahl, Ingolf, Komponist, Dirigent, Musiker, * 9. 6. 1912 Hamburg, † 6. 8. 1970 Frutigen (Schweiz). Der Sohn schwedischer Eltern studierte 1930-32 Komposition bei Philipp → Jarnach und Hermann → Abendroth an der K¨olner Hochschule f¨ur Musik, 1932-36 bei Volkmar → Andreae und Walter Frey Dirigieren und Musikwissenschaft an der Univ. Z¨urich. Nach kurzer Zusammenarbeit mit Nadia Boulanger ging er in die USA, wo er als Pianist, Dirigent und Komponist t¨atig war und seit 1945 an der University of Southern California arbeitete; in den f¨unfziger Jahren lehrte er auch am Berkshire Music Center. 1965-68 war D. Mitglied des nationalen Komitees des Ford Foundation’s Contemporary Music Projects. D. schrieb Vokal- und Instrumentalmusik, Kammermusik sowie Klaviermusik und bearbeitete Kompositionen von Strawinsky. C MGG Dahl, Johan Christian Clausen, Maler, * 24. 2. 1788 Bergen (Norwegen), † 14. 10. 1857 Dresden. Von Beruf Dekorationsmaler, kam D. 1811 an die Kunstaka¨ demie Kopenhagen; seine Olstudien nach der Natur z¨ahlen zu den ersten Freilichtgem¨alden seiner Zeit. 1818 trat er mit Unterst¨utzung des norwegischen K¨onigshauses eine Studienreise ins Ausland an, beendete sie 1820 nach seiner Heirat in Dresden und war dort bald mit seinen naturalistischen Bildern bekannt. Zu seinen Sch¨ulern z¨ahlten T. Fearnley, K. → Blechen und C. F. → Gille; er war mit Caspar David → Friedrich befreundet. Nach einem Aufenthalt in Italien (1820 / 21) wurde D. 1824 a. o. Prof. an der Dresdner Kunstakademie. Er schuf nun u¨ berwiegend norwegische Phantasielandschaften und nach einem Besuch in Norwegen 1826, dem bis 1850 noch vier weitere folgten, fast ausschließlich Bilder nach der norwegischen Natur. D. war u. a. an der Gr¨undung der Nationalgalerie, der ersten Kunstvereine und der Altertumsgesellschaft in Norwegen beteiligt. Der Vater Siegwald Johannes → D.s beeinflußte die deutsche und die norwegische Landschaftsmalerei seiner Zeit. Er gab Denkmale einer sehr ausgebildeten Holzbaukunst aus den fr¨uheren Jahrhunderten in den inneren Landschaften Norwegens (1836 / 37) heraus. C AKL

Dahl, Johann Christian Wilhelm, evang. Theologe, Klas-

Berlin-Charlottenburg und 1953 / 54 deren Rektor. D. war u. a. seit 1954 Vizepr¨asident der F¨ordergemeinschaft des Heinrich-Hertz-Instituts f¨ur Schwingungsforschung in Berlin. Er ver¨offentlichte u. a. Die magnetischen Eigenschaften elektrolytisch erzeugter Eisenbleche (mit Franz Pawlek und Joachim Pfaffenberger, 1935); seit 1948 gab er die „Zeitschrift f¨ur Metallkunde“ heraus.

Dahl, Siegwald Johannes, Maler, * 16. 8. 1827 Dresden, † 15. 6. 1902 Dresden. Der Sohn Johan Christian Clausen → D.s wurde zun¨achst bei seinem Vater ausgebildet, sp¨ater bei Johannes Wegener, und studierte 1843-45 an der Dresdner Kunstakademie. 1851 unternahm er eine Studienreise nach London, sp¨ater nach Paris und Norwegen. D. stellt in seinen Landschaftsbildern u¨ berwiegend norwegische Motive dar; er malte haupts¨achlich Tiergenredarstellungen, darunter Wildenten und Fuchs (1874). C AKL Dahlem, Franz, Politiker, * 14. 1. 1892 Rohrbach-l`esBitche bei Saargem¨und, † 17. 12. 1981 Berlin. Der Sohn eines Eisenbahnweichenstellers trat nach einer kaufm¨annischen Lehre 1913 der SPD bei und wechselte 1917 zur USPD, als Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrats und Stadtverordneter in K¨oln 1920 zur KPD. 1921 wurde er Mitglied des Preußischen Landtags, Chefredakteur der „Sozialistischen Republik“ und Mitglied des Politb¨uros der KPD. 1928-33 geh¨orte D. dem Reichstag an, wurde 1931 Reichsleiter der Revolution¨aren Gewerkschaftsorganisation und als Anh¨anger der ultralinken Gruppe um Heinz → Neumann 1932 gemaßregelt. 1934 emigrierte er nach Prag, dann nach Paris, nahm 1937 am Spanischen B¨urgerkrieg teil und wurde nach der deutschen Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg interniert; 1941-45 befand er sich im Konzentrationslager Mauthausen. Nach dem Krieg war D. in der DDR politisch t¨atig. 1953 im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen R. Sl´ansk´y aus dem Zentralkomitee und dem Politb¨uro der SED ausgeschieden, wurde er 1956 rehabilitiert und 1957 wieder in das Zentralkomitee aufgenommen. 1950-53 und 1963-77 war er Mitglied der Volkskammer. 1977 / 78 erschienen seine Erinnerungen Am Vorabend des Zweiten Weltkrieges (31980). C Dt Kommunisten

Dahler, Johann Georg, evang. Theologe, Philologe,

sischer Philologe, * 1. 9. 1771 Rostock, † 15. 4. 1810 Rostock. Der aus einer Handwerkerfamilie stammende D. studierte 1788-92 an der Univ. Rostock Klassische Philologie, Geschichte, Mathematik, Orientalistik und Theologie, setzte seine Studien 1792 / 93 in Jena, 1793 / 94 in G¨ottingen fort und war nach Privatstudien zwei Jahre lang Hauslehrer in G¨ustrow. 1798 habilitierte er sich an der Univ. Rostock f¨ur Klassische Philologie und wurde 1802 Prof. der griechischen Sprache und Literatur. 1804 r¨uckte er zum Ordinarius an der Theologischen Fakult¨at auf, wurde 1807 zum Dr. theol. promoviert und im selben Jahr in das Konsistorium aufgenommen. D. vertrat in seinen Bibelstudien einen historischkritischen Standpunkt und ver¨offentlichte u. a. den Versuch einer kirchlichen Statistik (1809). C NDB

* 7. 12. 1760 Straßburg, † 28. 6. 1832. D. studierte in seiner Heimatstadt u. a. bei Johann Lorenz → Blessig und Johannes → Schweigh¨auser, erwarb 1779 den Magistergrad der Philosophischen Fakult¨at und wandte sich theologischen Studien zu. Er publizierte Ergebnisse seiner Forschungen u. a. in Animadversiones in versionem Graecam proverbiorum Salomonis ex Veneta S. Marci bibliotheca nuper editam (1786), setzte seine Studien an den Universit¨aten T¨ubingen und Jena fort und gab im Auftrag seines Jenaer Lehrers Eichhorn, dem er sp¨ater nach G¨ottingen folgte, 1788 ein Handbuch der Geschichte der Litteratur und Kunst heraus. D. trat 1791 eine Predigerstelle in Straßburg an und wurde 1793 Prof. der griechischen Sprache am Gymnasium sowie Direktor des Theologischen Konvikts St. Wilhelm. Seit 1797 las er an der Univ. Theologie, klassische und orientalische Philologie und wurde 1807 zum a. o. Prof. ernannt.

Dahl, Otto, Physiker, * 5. 8. 1899 Unternien (heute zu Wipperf¨urth), † 2. 11. 1962 Berlin. D. schloß das Studium der physikalischen Chemie an den Univ. Bonn und G¨ottingen 1925 mit der Promotion ab (Studien u¨ ber tern¨are Systeme), war 1925-28 Mitarbeiter des Siemens-Forschungslabors in Berlin und 1929-39 stellvertretender Abteilungsleiter des AEG-Forschungsinstituts. 1939-49 Direktor des AEG-Kabelwerks Oberspree, wurde er 1946 Prof., 1949 Ordinarius der Metallkunde an der TU

Dahlgrun, ¨ Rolf, Politiker, * 19. 5. 1908 Hannover, † 19. 12. 1969 Hamburg. D. studierte 1928-31 Rechts- und Staatswissenschaften in G¨ottingen und wurde 1935 Assessor beim Gauj¨agermeister in Hannover. 1937 mit der Arbeit Die Jagdwilderei nach Paragraph 292 RStGB. in der Fassung des Gesetzes vom 28. Juni 1935 zum Dr. jur. promoviert, ging er im folgenden Jahr als Justitiar zu den Phoenix-Gummi-Werken nach Hamburg. 1949 trat er in die FDP ein, war 1953-57 Mitglied der

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Dahlmann Hamburger B¨urgerschaft und geh¨orte seit 1957 dem Deutschen Bundestag an; 1961 / 62 hatte er den Vorsitz des Wirtschaftsausschusses inne. Nach der „Spiegel“-Aff¨are wurde D. 1962 Bundesfinanzminister. W¨ahrend seiner Amtszeit bestimmten vor allem die hohen Verteidigungskosten und Sozialausgaben die Bundeshaushalte. 1966 trat D. zusammen mir anderen FDP-Ministern zur¨uck. C Kempf / Merz

Dahlhaus, Carl, Musikwissenschaftler, * 10. 6. 1928 Hannover, † 13. 3. 1989 Berlin. D. studierte seit 1947 Musikwissenschaft an den Universit¨aten G¨ottingen und Freiburg und wurde 1953 in G¨ottingen mit der Dissertation Studien zu den Messen Josquins des Pr´es promoviert. 1950-58 war er unter Heinz → Hilpert Dramaturg am Deutschen Theater in G¨ottingen. 1960-62 schrieb er als Musikredakteur f¨ur die „Stuttgarter Zeitung“ und wurde 1962 wissenschaftlicher Sachbearbeiter an der Univ. Kiel. 1966 habilitierte er sich dort mit der Arbeit Untersuchungen u¨ ber die Entstehung der harmonischen Tonalit¨at, wurde Wissenschaftlicher Rat an der Univ. Saarbr¨ucken und erhielt 1967 einen Lehrstuhl f¨ur Musikgeschichte an der TU Berlin. 1977 w¨ahlte ihn die Gesellschaft f¨ur Musikforschung zum Pr¨asidenten. D.s Hauptarbeitsgebiete waren die Musikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie Musik¨asthetik und Musiktheorie. Er ver¨offentlichte u. a. Musik¨asthetik (1967), Wagner Konzeption des musikalischen Dramas (1971), Musik des 19. Jahrhunderts (1980) und Klassische und romantische Musik¨asthetik (1988). D. war Editionsleiter der Richard → Wagner-Gesamtausgabe und Mitherausgeber der Werke von Arnold → Sch¨onberg. Er gab die Erg¨anzungsb¨ande zu → Riemanns Musiklexikon, das Neue Handbuch der Musikwissenschaft (1980 ff.) und Pipers Enzyklop¨adie des Musiktheaters (1986 ff.) heraus. D. war Mitglied des Ordens pour le m´erite und der Deutschen Akademie f¨ur Sprache und Dichtung. C MGG Dahlke, Paul (Wilhelm Eduard), Hom¨oopath, * 25. 1. 1865 Osterode (Ostpreußen), † 29. 2. 1928 BerlinFrohnau. Nach dem Abschluß des Medizinstudiums mit der Promotion ¨ 1887 (Uber den Hitzschlag) ließ sich D., Sohn eines Gendarmen und sp¨ateren Rechnungsrats, als Arzt in Berlin nieder, unterhielt eine erfolgreiche hom¨oopathische Praxis, publizierte u. a. eine Arzneimittellehre (2 Bde., 1914-16, 21928) und wurde schließlich Medizinalrat. Er unternahm zahlreiche Reisen nach Asien und lernte dort – vor allem bei seinem zweiten Aufenthalt auf Ceylon 1900 – den Buddhismus ¨ kennen. D. publizierte Ubersetzungen von Pali-Texten und buddhistische Schriften (u. a. Buddhistische Erz¨ahlungen, 1904), gab seit 1918 die „Neubuddhistische Zeitschrift“, seit 1924 deren Nachfolgerin „Brockensammlung, Zeitschrift f¨ur angewandten Buddhismus“, heraus und begr¨undete 1924 in Berlin-Frohnau das „Buddhistische Haus“. Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Aufs¨atze zum Verst¨andnis des Buddhismus (1903), Das Buch vom Genie (1905), Buddhismus als Weltanschauung (1912) und Heilkunde und Weltanschauung (1928). C NDB Dahlke, Paul, Schauspieler, * 12. 4. 1904 Streitz (Pommern), † 23. 11. 1984 Salzburg. Nach dem Studium an der Bergakademie ClausthalZellerfeld arbeitete D. eine Zeitlang auf der Zeche Dorstfeld. Seit 1924 h¨orte er in Berlin Vorlesungen u¨ ber Theaterwissenschaft und trat 1927 in die Reinhardt-Schule ein. An Heinz Saltenburgs Lessing- und K¨unstlertheater bekam er 1929 erste jugendliche Charakterrollen; weitere Stationen waren das Rosetheater, die Volksb¨uhne und Max → Reinhardts Deutsches Theater, zu dessen Ensemble er 1933-44 geh¨orte. Gef¨ordert von Karl → Ritter, wurde er in Filmen wie Der zerbrochene Krug (1937) und Orientexpreß (1944) einem

breiten Publikum bekannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat er in Shows f¨ur amerikanische Soldaten auf; seit 1946 spielte er an den M¨unchner Kammerspielen. Als General Harras in → Zuckmayers Des Teufels General stand D. mehr als 150 Mal auf der B¨uhne. Daneben setzte er in rund 120 Filmen seine Filmkarriere fort (u. a. Das fliegende Klassenzimmer, 1954; Das Haus in Montevideo, 1963). D. wurde zum Staatsschauspieler ernannt; 1974 erhielt er das Goldenes Filmband. C Munzinger

Dahlmann, Friedrich (Christoph), Historiker, Politiker, * 13. 5. 1785 Wismar, † 5. 12. 1860 Bonn. Dieser eher wortkarge Mann niederdeutscher Pr¨agung hatte zwar nicht die Gabe, sich popul¨ar zu machen, verschaffte sich aber schon in j¨ungeren Jahren Respekt und Ansehen. D. entstammte einer im westlichen Ostseeraum verzweigten Familie von Beamten und Gelehrten; sein Vater war Syndikus und B¨urgermeister in Wismar, die Mutter die Tochter eines in d¨anischen Diensten stehenden Juristen, ein Onkel Prof. der Rechte in Kiel. D.s starkes Selbstbewußtsein kam zu guten Teilen aus dieser Herkunft. 1802 begann D. ein Studium der Philologie in Kopenhagen, 1804 setzte er es in Halle fort. Dort h¨orte er bei → Schleiermacher und studierte bei Friedrich August → Wolf die neue kritische Methode der klassischen Altertumswissenschaft. D. wurde 1810 in Wittenberg mit einer Arbeit u¨ ber Ottokar von B¨ohmen und → Rudolf von Habsburg promoviert; ein Jahr sp¨ater habilitierte er sich f¨ur klassische Philologie in Kopenhagen. Der Protektion seines Onkels verdankte D. 1812 die Berufung als a. o. Prof. der Geschichte nach Kiel; 1815 folgte er ebendiesem Onkel im Amt des Sekret¨ars der „Fortw¨ahrenden Deputation der schleswig-holsteinischen Pr¨alaten und Ritterschaft“; auch sein Großvater hatte schon an derselben Stelle gewirkt. D., der in Kiel dem 1813 dorthin berufenen Karl Theodor → Welcker freundschaftlich-kollegial verbunden war, verstand seinen Einsatz f¨ur die st¨andischen Privilegien zunehmend als Kampf f¨ur die Bewahrung schleswig-holsteinischer Sonderstaatlichkeit vor d¨anischem Zentralismus. Den Satz „Dat se bliven ewich tosamende ungedelt“ aus dem Ripener Freiheitsbrief von 1460 als „up ewich ungedelt“ zum Schlagwort der schleswig-holsteinischen Freiheits- und Verfassungsbewegung in das o¨ ffentliche Bewußtsein gehoben zu haben, bleibt D.s Verdienst. In Kiel wurde der Klassische Philologe zum Historiker und Politiker. 1829 erhielt er einen Lehrstuhl f¨ur Staatswissenschaften und deutsche Geschichte in G¨ottingen. Nach den revolution¨aren Ereignissen von 1830 wandte sich D. wieder stark der Politik zu. Er vertrat die Univ. in der Zweiten Kammer und beteiligte sich an der Ausarbeitung des Staatsgrundgesetzes f¨ur das K¨onigreich Hannover, außerdem war er Mitverfasser eines kgl. Hausgesetzes. 1837 war der entschiedene Verfassungsliberale D. F¨uhrer einer in ganz Deutschland vielbeachteten Protestaktion von sieben G¨ottinger Professoren gegen den Verfassungsbruch durch K¨onig → Ernst August. Er wurde, zusammen mit seinen Kollegen, des Amtes enthoben und dar¨uber hinaus mit → Gervinus und Jacob → Grimm des Landes verwiesen. Zwischen 1838 und 1842 lebte D. in Jena. Er verfaßte mit der dreib¨andigen, bis zur Reformation reichenden Geschichte von D¨annemark nach seiner Politik seine zweite große Monographie. 1842 erhielt er einen Ruf nach Bonn. Die Ereignisse von 1848 brachten D. wieder in die Politik zur¨uck, er wurde

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Dahlmann Mitglied im Vorparlament, arbeitete mit an Verfassungsentw¨urfen und ließ sich als Abgeordneter des holsteinischen Wahlkreises Segeberg in die Paulskirche w¨ahlen. Hier bildete er mit → Beseler, → Droysen und → Waitz den norddeutschen F¨uhrungsfl¨ugel der gem¨aßigt liberalen „Kasino“oder „Erbkaiserpartei“. D. geh¨orte der zweiunddreißigk¨opfigen Deputation an, die dem preuß. K¨onig die Kaiserkrone anbot. Knapp zwei Monate sp¨ater trat D. aus der Nationalversammlung aus. D. war ein politischer Historiker, das zeigt sich in Taten wie in Werken. Seine beiden Revolutionsgeschichten (Geschichte der englischen Revolution, 1844; Geschichte der franz¨osischen Revolution, 1845), in durchaus p¨adagogischer Absicht verfaßt, zeugen von seinem Verst¨andnis der Geschichte als Lehrerin und Meisterin der Politik. Und diese war f¨ur ihn, anders als f¨ur die nachfolgenden nationalliberalen Historiker von der Art → Sybels oder → Treitschkes, zun¨achst Verfassungs- und dann erst Nationalpolitik. WEITERE WERKE: Quellenkunde der deutschen Geschichte, nach der Folge der Begebenheiten f¨ur eigene Vortr¨age der deutschen Geschichte geordnet. G¨ottingen 1830. – Die Politik auf den Grund und das Maß der gegebenen Zust¨ande zur¨uckgef¨uhrt. G¨ottingen 1835. LITERATUR: Reimer Hansen: F. C. D. In: Deutsche Historiker. Bd. 5. Hrsg. v. Hans-Ulrich Wehler. G¨ottingen 1972, S. 27-53. Peter Schumann

Dahlmann, Hellfried, Klassischer Philologe, * 8. 7. 1905 Ruhland (Schlesien), † 7. 7. 1988 K¨oln. D., Sohn eines Pfarrers, studierte Klassische Philologie in Erlangen, Breslau und Leipzig (bei Richard → Heinze), wo er 1928 promoviert wurde (De philosophorum Graecorum sententiis ad loquellae originem pertinentibus capita duo), und habilitierte sich 1930 in Kiel (Varro und die hellenistische Sprachtheorie, 1932, 21964). 1932 ging er als Assistent an das Institut f¨ur Altertumskunde nach K¨oln, 1935 nach Berlin, 1936 als a. o. Prof. nach Marburg, wurde 1941 o. Prof. und lehrte 1953-71 an der Univ. K¨oln. Seit 1950 war D. Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Er ver¨offentlichte u. a. Varros Schrift „de poematis“ und die hellenistisch-r¨omische Poetik (1953), Der Bienenstaat in Vergils Georgica (1954) und Zur ars grammatica des Marius Victorinus (1970).

Dahlmann, Joseph, Jesuit, Theologe, Indologe, * 14. 10. 1861 Koblenz, † 23. 6. 1930 Tokio. D., Sohn eines Schneiders, trat in die Gesellschaft Jesu ein, studierte in Ditton Hall (Großbritannien) und hielt sich 1891 zu Forschungszwecken am Britischen Museum in London auf. 1891-93 studierte er Orientalistik bei Georg → B¨uhler in Wien, 1893-1900 in Berlin und begr¨undete mit zahlreichen Publikationen seinen Ruf als Indologe (u. a. Mah¯abharataStudien, 2 Bde., 1899-1902). 1900 bezog er das JesuitenSchriftstellerheim in Luxemburg, trat 1902 eine dreij¨ahrige Studienreise nach China, Japan und Indien an und ver¨offentlichte nach seiner R¨uckkehr Indische Fahrten (2 Bde., 1908, 21927). D. bem¨uhte sich um die Neugr¨undung der Jesuitenmission in Japan und machte sich um die Errichtung der kath. Univ. Tokio verdient. 1908 siedelte er nach Japan u¨ ber und lehrte Germanistik und indische Philosophie an der kath. Univ. sowie Germanistik und das Griechische an der Kaiserlichen Univ. Tokio. C NDB

Dahlstr¨om, (Heinrich) Hermann, Reeder, * 20. 4. 1840 Hamburg, † 5. 5. 1922 Hamburg. D. wurde in der v¨aterlichen Klavierfabrik ausgebildet, gr¨undete 1860 eine Tonwarenfabrik, die er 1864 wieder verkaufte, und befaßte sich daneben mit mechanischen und technischen Erfindungen. Er f¨uhrte Alfred Nobels Spreng¨ol in die deutschen Grubenbezirke ein. D. u¨ bernahm selbst

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einen Grubenbetrieb in der Rheinprovinz, wurde sp¨ater Teilhaber seines Bruders als Schiffsmakler in Hamburg und setzte sich f¨ur den Bau eines Nord-Ostsee-Kanals ein. Er publizierte von ihm ausgearbeitete konkrete Pl¨ane (Die Ertragsf¨ahigkeit eines Schleswig-Holsteinischen Schifffahrtskanals, 1878; Der Nord-Ostsee-Kanal als Durchstich, 1879), die 1885 / 86 vom Deutschen Reich u¨ bernommen und 1887-95 ausgef¨uhrt wurden. D. gr¨undete 1883 den „Deutschen Reederei-Verein“ in Hamburg, dem er vorstand, und 1886 als Hauptteilhaber den „Nordischen Bergungsverein“, der bis 1922 in der Nordsee, im Mittelmeer und im Schwarzen Meer t¨atig war. C SHBL, Bd 6

Dahm, Georg, Jurist, * 10. 1. 1904 Altona (heute zu Hamburg), † 30. 7. 1963 Kiel. D., Sohn eines Rechtsanwalts, studierte 1922-25 Rechtsund Staatswissenschaften in T¨ubingen, Hamburg und Kiel, war 1925-28 Rechtsreferendar in Altona und Kiel und wurde 1927 promoviert (T¨aterschaft und Teilnahme am Amtlichen Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs). 1929-33 als Gerichtsassessor t¨atig, habilitierte er sich 1930 mit der Arbeit Das Strafrecht Italiens im ausgehenden Mittelalter und wirkte seit 1933 als o. Prof. f¨ur Straf- bzw. Prozessrecht und f¨ur Kriminalistik an der Univ. Kiel (1935-37 Rektor), seit 1939 in Leipzig und 1941-44 an der Reichsuniversit¨at Straßburg; 1941 war er dort Prorektor und 1944 / 45 Mitglied des F¨uhrungskreises der Reichs¨ dozentenf¨uhrung. Nach 1945 hatte D. verschiedene Ubergangsstellungen inne, erhielt 1950 einen Lehrauftrag an der Univ. Kiel und war 1951-55 Prof. f¨ur Indisches Straf- und Prozessrecht an der Univ. Dacca (Ostpakistan). Seit 1955 wieder o. Prof. f¨ur Rechtsenzyklop¨adie, Rechtsvergleichung und Geschichte der Rechtswissenschaft in Kiel und dort 1958 auch Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakult¨at, unterrichtete er 1962 vertretungsweise erneut in Dacca. Anfang der dreißiger Jahre geh¨orte D. zu den Kieler Juristen, die sich f¨ur eine nationalsozialistisch gepr¨agte Neugestaltung des deutschen Rechts einsetzten, wandte sich bald jedoch anderen Themen zu und ver¨offentlichte rechtswissen¨ schaftliche Uberblickswerke (Deutsches Recht, 1944, 31963; V¨olkerrecht, 3 Bde., 1958 / 61). C SHBL, Bd 2

Dahm, Helene (Helen), schweizer. Malerin, Graphikerin, * 21. 5. 1878 Egelshofen (heute zu Kreuzlingen, Kt. Thurgau), † 24. 5. 1968 M¨annedorf (Kt. Z¨urich). D. besuchte 1898-1906 an der Kunstgewerbeschule in Z¨urich und der Stadlerschule Kurse f¨ur graphische Techniken, bildete sich bis 1913 in M¨unchen weiter und wurde dort mit der K¨unstlergruppe „Der blaue Reiter“ bekannt. Wieder in Z¨urich, schuf sie vor allem kunstgewerbliche Arbeiten. Stilleben, fig¨urliche Holzschnitte, Blumenbilder und Landschaftsdarstellungen geh¨orten zu ihren bevorzugten Motiven. 1938 reiste D. zum Mystiker Shri Meher Baba nach Indien, 1939 kehrte sie in die Schweiz zur¨uck; religi¨ose Themen in ikonenhafter Darstellung traten in den Vordergrund. C AKL

Dahm, Johann Jakob, auch Damm, Orgelbauer, * 1658 Kempenich, † 7. 7. 1727 Mainz. Seit 1688 B¨urger in W¨urzburg, wo D. vermutlich seine Ausbildung zum Orgelbauer abschloß, ging er sp¨ater nach Mainz und erhielt dort 1698 das B¨urgerrecht. Er war seit 1705 als „Domorgelmacher“ t¨atig und wurde einer der herausragenden Orgelbauer des mittelrheinischen Raumes. Aus seiner Werkstatt stammen u. a. die Orgel in Rauenthal (1702), die Orgel in Fl¨orsheim (1709 / 10), die Orgel in der Stadtund Schloßkirche Weilburg (1710) sowie die Orgel in der Stiftskirche zu Dietkirchen (1711). Zu den eindrucksvollsten Zeugnissen D.scher Orgelbaukunst z¨ahlt die große Orgel im Kloster Eberbach (Rheingau), entstanden zwischen 1704 und 1707. C MGG

Dahs Dahmen, Jost, Intendant, * 13. 2. 1896 Aachen, † n. e.

und war von 1878 bis zu seinem Tod Ehrenmitglied des Ensembles. Der Vater Felix → D.s war in zweiter Ehe mit Marie → Dahn-Hausmann verheiratet. Er wurde vor allem f¨ur seine Darstellung gereifter Helden ber¨uhmt.

D. studierte Rechtswissenschaften an den Univ. K¨oln, Bonn und Gießen, sp¨ater Kunstgeschichte an den Universit¨aten Frankfurt und M¨unchen und war bis 1932 gesch¨aftsf¨uhrender Vorstand der Aachener Textilindustrie. Anschließend Schauspieler am Nationaltheater Mannheim, erhielt er dort eine Regieausbildung, kam an die M¨unchner Kammerspiele und wurde Oberspielleiter in Kiel, Intendant in Schleswig, Schauspieldirektor in Lille und schließlich in Braunschweig. 1944 wegen „politischer Unzuverl¨assigkeit“ entlassen und vor dem Volksgerichtshof der Wehrkraftzersetzung beschuldigt, wurde er nach Kriegsende Intendant des Staatstheaters Braunschweig, wechselte 1947 in gleicher Position an das Staatstheater Oldenburg, 1949 nach Gelsenkirchen und wurde schließlich Direktor der Schauspielschule der St¨adtischen B¨uhnen Essen.

spielerin, * 17. 6. 1829 Wien, † 21. 3. 1909 M¨unchen. Die Tochter des Schauspielerpaars Ludwig und Juliane Hausmann deb¨utierte, ohne Schauspielunterricht erhalten zu haben, als Sechzehnj¨ahrige am Theater in Mannheim und erhielt bald ein Engagement am Stadttheater Frankfurt, 1849 am M¨unchener Hoftheater. Sie galt in jungen Jahren als Idealbesetzung sch¨uchterner edler Frauengestalten wie Emilia Galotti und Luise. D.-H., seit 1853 mit Friedrich → Dahn verheiratet, wurde 1895 Ehrenmitglied des M¨unchner Hoftheaters. C Biogr Jahrb, Bd 14

Dahmen, Karl Friedrich (Fred), Maler, Graphiker,

Dahnke, Walter, P¨adagoge, Botaniker, * 23. 3. 1890

* 4. 11. 1917 Stolberg / Rhein, † 12. 1. 1981 Preinersdorf / Chiemgau. D. durchlief eine Lehre als Gebrauchsgraphiker, begann nach seiner R¨uckkehr aus der Kriegsgefangenschaft abstrakt zu malen, trat bei einer Reise nach Paris 1952 mit den Malern ´ der Ecole de Paris in Kontakt und schloß sich 1956 / 57 der Tachisten-Gruppe in D¨usseldorf an. 1963 / 64 lehrte er an der Kunstschule Bremen, seit 1967 an der Kunstakademie M¨unchen. D. setzte sich in seinen Arbeiten mit dem Nachimpressionismus und dem Kubismus auseinander; seit den f¨unfziger Jahren schuf er Materialbilder, in denen er Grundstrukturen sichtbar werden ließ (sogenannte „Erdformationen“). Seit 1965 entstanden großformatige „Montage-Bilder“ und Objektk¨asten, ferner ein umfangreiches graphisches Werk. D. gilt als einer der wichtigsten deutschen K¨unstler des Informel. C AKL

Parchim, † 24. 1. 1972 Parchim. Nach dem Studium 1908-10 am Lehrerseminar Neukloster erhielt D. seine erste Schulstelle in Grabow; 1911 wurde er Lehrer in Parchim und war 1935-54 Kreisbeauftragter f¨ur Naturschutz. Er begann 1926 mit der pflanzengeographischen Kartierung, unternahm floristische, mykologische und geologische Studien, war als Pilzberater t¨atig und machte bedeutende Pilzentdeckungen. D. ver¨offentlichte u. a. Geologie des Kreises Parchim (1945), Das große Moor bei Darze (1955), Flora der Lewitz (1956), Geologie des Kreises L¨ubz (1956) und Pilzflora des Kreises Parchim (1968).

Dahn, (Ludwig Julius Sophus) Felix, Pseud. Ludwig Sophus, Rechtshistoriker, Schriftsteller, * 9. 2. 1834 Hamburg, † 3. 1. 1912 Breslau. Der Sohn Friedrich → D.s studierte seit 1849 an der Univ. M¨unchen Rechtswissenschaft und Philosophie, verteidigte seinen Lehrer Carl von → Prantl gegen klerikale Angriffe und mußte daraufhin an die Univ. Berlin wechseln, wo er 1855 zum Dr. jur. promoviert wurde. Hier verkehrte er mit den Mitgliedern des literarischen Vereins „Der Tunnel u¨ ber der Spree“. 1857 habilitierte sich D. an der Univ. M¨unchen (Studien zur Geschichte der germanischen Gottes-Urtheile) und erhielt dort eine Dozentur, u. a. f¨ur Deutsches Recht. D. wurde Mitglied der „Gesellschaft der Krokodile“, der u. a. auch → Geibel, → Heyse und → Lingg angeh¨orten. 1862 unternahm er eine Reise nach Italien. Seit 1863 a. o. Prof. an der Univ. W¨urzburg, wechselte er 1872 als o. Prof. an die Univ. K¨onigsberg, 1888 nach Breslau. D. war seit 1872 Mitglied des Gelehrtenausschusses des Germanischen Museums in N¨urnberg. Zun¨achst Autor wissenschaftlicher Literatur (u. a. Die K¨onige der Germanen, 12 Bde., 1861-1909), schrieb er sp¨ater u¨ berwiegend historische Romane, darunter der generationenlang gesch¨atzte Titel Ein Kampf um Rom (4 Bde., 1876-78, 631911), sowie Schauspiele und Lyrik; seine Erinnerungen (4 Bde.) erschienen 1890-95. C Puschner Dahn, Friedrich, Schauspieler, * 18. 4. 1810 Berlin, † 9. 12. 1889 M¨unchen. Von der Familie zum Kaufmann bestimmt, strebte D. fr¨uhzeitig eine Schauspielkarriere an, spielte an Liebhaberb¨uhnen und trat 1829 am K¨onigst¨adtischen Theater in Berlin auf. 1830 kam er an die Breslauer B¨uhne, lernte dort Theodor → D¨oring kennen und wechselte im folgenden Jahr an das Stadttheater Hamburg. Seit 1834 Mitglied des M¨unchner Hof- und Nationaltheaters, f¨uhrte er dort sp¨ater auch Regie

Dahn-Hausmann, Marie, geb. Hausmann, Schau-

Dahrendorf, Gustav, Kaufmann, Politiker, * 8. 2. 1901 Hamburg, † 30. 10. 1954 Braunlage / Harz. 1915-18 zum Handlungsgehilfen ausgebildet und dann bis 1920 in seinem Beruf t¨atig, war D., Sohn eines Arbeiters, danach bis 1924 beim Zentralverband der Angestellten und bei Hamburger Beh¨orden besch¨aftigt, 1924-33 Redakteur beim „Hamburger Echo“, seit 1927 Mitglied der Hamburger B¨urgerschaft und seit 1932 der j¨ungste SPDAbgeordnete im Deutschen Reichstag. 1933 von den Nationalsozialisten mehrmals verhaftet, unterhielt er seit 1934 in Berlin eine Brennstoffgroßhandlung, die als Tarnung f¨ur seine Verbindungen zu fr¨uheren Parteifreunden wie Julius → Leber, Theodor → Haubach, Carlo → Mierendorff und Wilhelm → Leuschner diente. D. stellte sich dem oppositionellen Kreis um Ludwig → Beck und Carl Friedrich → Goerdeler als politischer Beauftragter f¨ur den Hamburger Wehrkreis X zur Verf¨ugung, wurde nach dem 20. 7. 1944 verhaftet und zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt. Nach seiner Befreiung durch die Rote Armee kehrte er nach Berlin zur¨uck, beteiligte sich am Aufbau der SPD in der Sowjetischen Besatzungszone, ging jedoch – als er mit seinem Antrag auf Selbstaufl¨osung der SPD vor der Zwangsvereinigung mit der KPD nicht durchkam – 1946 nach Hamburg, wo er in die B¨urgerschaft gew¨ahlt wurde. 1947-49 war er Delegierter und Vizepr¨asident des Zweizonen-Wirtschaftsrats, sp¨ater auch Mitglied des deutschen Rats des Europa-Bewegung und Vorsitzender der „Sozialistischen Hochschulgemeinschaft“. Seit 1951 hatte er zugleich den Vorsitz des Zentralverbandes deutscher Konsumgenossenschaften und der Großeinkaufsgesellschaft (GEG), seit 1953 auch den der Bank f¨ur Gemeinwirtschaft inne. D.s Sohn Ralf D. gab 1955 Reden und Schriften D.s zur deutschen Politik 1945-54 unter dem Titel Der Mensch das Maß aller Dinge heraus. C NDB Dahs, Hans, Jurist, * 4. 2. 1904, † 1. 5. 1972 Bonn. Nach der Promotion 1925 in Bonn (Die Kommissivdelikte durch Unterlassung im Entwurf) ließ sich D. dort als Rechtsanwalt nieder; seine Soziet¨at wurde mit Prozessen um prominente Politiker und hohe Beamte bekannt. Seit

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Daimler 1953 war er Honorarprofessor f¨ur b¨urgerliches und Zivilprozeßrecht an der Univ. Bonn. Als Vorsitzender im Strafrechtsausschuß des Deutschen Anwaltsvereins und der Bundesrechtsanwaltskammer sowie als Mitglied des Deutschen Juristentags wurde D. 1954 als einziger Anwalt in die Große Strafrechtskommission des Bundesministers der Justiz berufen. Im selben Jahr trat er in das Herausgebergremium der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ ein. D. ver¨offentlichte grundlegende Beitr¨age zur Reform des Strafrechts und des Strafprozeßrechts sowie u. a. ein Handbuch des Strafverteidigers.

Daimler, Gottlieb (Wilhelm), Ingenieur, Erfinder, Unternehmer, * 17. 3. 1834 Schorndorf, † 6. 3. 1900 Cannstatt (heute zu Stuttgart). D. wurde als zweiter Sohn eines Gastwirts und B¨ackermeisters geboren. Seine ersten mechanischen Kenntnisse erwarb er w¨ahrend seiner Lehrzeit als B¨uchsenmacher und auf der Landesgewerbeschule in Stuttgart. Er fiel dort durch seine Begabung auf und wurde 1853, mit einem Stipendium ausger¨ustet, zur Maschinenfabrik Graffenstaden ins Elsaß geschickt, die ein musterhaftes Ausbildungswesen unterhielt. D. brachte es bis zum Vorarbeiter und verließ das Unternehmen 1857, um an der Polytechnischen Schule in Stuttgart das angestrebte Ingenieurstudium zu beginnen. Dort erwachte sein Interesse an Motoren, welches seinen weiteren Lebensweg bestimmen sollte. Als Ziel schwebte ihm vor, „in den Besitz einer Kraftmaschine zu gelangen, die, stets zur Arbeit bereit, keine Zeitverluste durch Vorbereitungen bewirkt und ohne allzu große Kosten zu betreiben ist“. Wasserr¨ader waren auf das Angebot an Wasser, Dampfmaschinen an eine z. T. mehrst¨undige Vorheizzeit gebunden, und den Elektromotor gab es noch nicht. Als fertiger Ingenieur arbeitete er jeweils kurzfristig bei verschiedenen Maschinenfabriken in Frankreich, England und in W¨urttemberg. Dort, in der Maschinenfabrik zum Bruderhaus in Reutlingen, lernte er Wilhelm → Maybach kennen, der ihn dann bei allen Arbeiten begleitete. D.s Interesse an Motoren war inzwischen soweit bekannt, daß Eugen → Langen und Nicolaus August → Otto ihn 1872 in ihrer Gasmotoren-Fabrik Deutz als technischen Direktor einstellten. Konstruktion und Produktion von Motoren waren damals kaum zu trennen, so daß D. an der Verbesserung ortsfester Motoren, die ihren Treibstoff jeweils aus dem st¨adtischen Gasnetz bezogen, teilhatte. 1876 erfand Otto seinen Viertakt-Gasmotor, der ebenfalls im Unternehmen gebaut wurde. Aber 1882 wurde D. entlassen, weil mit dem „¨uber alle Beschreibung dickk¨opfigen Daimler“ nicht auszukommen war. D. war inzwischen ein reicher Mann geworden. Zudem ließ er sich bei seiner Entlassung mit einem Deutz-Aktienpaket von nominell 112 000 Mark entsch¨adigen, das schon im folgenden Jahr 96 Prozent Dividende einbrachte. Er kaufte sich in Cannstatt eine Villa, nahm seinen Mitarbeiter Maybach zu einem Jahresgehalt von 3600 Mark mit und begann mit ihm, einen neuen Motor zu konstruieren. D. hatte seine Zielvorstellung zur „Entwicklung eines universell verwendbaren Motors“ erweitert; damit wollte er einen wichtigen Nachteil aller bestehenden Kraftmaschinen, die Standortbindung, aufheben. Zwei Probleme waren grunds¨atzlich zu l¨osen: 1. F¨ur eine bewegliche Maschine mußte ein neuer Treibstoff gefunden werden. 2. Das Gewicht des Motors mußte erheblich herab- und gleichzeitig die Leistung ebensosehr hin-

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aufgesetzt werden. Die L¨osung sollte ein schnellaufender Benzinmotor bringen. Schon in Deutz waren D. und Maybach mit dem Geschwindigkeitsproblem konfrontiert worden. Die Z¨undung ließ nicht mehr als 180 Umdrehungen pro Minute zu. Es galt also, ein neues Z¨undsystem zu erfinden. Sie bauten ein von außen beheiztes Gl¨uhrohr in den Zylinder ein. Daran entz¨undete sich das Gasgemisch, wenn es vom Kolben zusammengepreßt wurde. Mit dieser Z¨undung waren bis zu 900 Umdrehungen m¨oglich; D. erhielt darauf 1883 ein Patent. Ein Jahr sp¨ater hatten er und Maybach ihren ersten Fahrzeugmotor fertiggestellt. Im August 1885 erhielt D. f¨ur seinen „Reitwagen“ ein Patent. 1886 wurde der Motor in eine Kutsche und in den folgenden Jahren in verschiedene andere Fahrzeuge, vor allem in Boote, eingebaut. 1889 besch¨aftigte D. 34 Mitarbeiter. D.s Idee war, Motoren herzustellen, die in von anderen produzierte Fahrzeuge eingebaut werden. Erst nach Schwierigkeiten gelang es Maybach, von D. gr¨unes Licht f¨ur die Konstruktion eines speziellen Motorwagens zu bekommen. Der Wagen gelang Maybach so gut, daß er auf die Weltausstellung nach Paris geschickt wurde. Zwar fanden sich keine K¨aufer f¨ur den Wagen, dagegen aber f¨ur die Lizenzen auf Daimler-Motoren. Ohne nennenswerte Verk¨aufe ging D.s Geld zur Neige. Um neues Kapital zu beschaffen, mit dem dann bedeutende Erweiterungen durchgef¨uhrt wurden, gr¨undete er 1890 die Daimler-Motoren Gesellschaft AG. D. erhielt ein Drittel der Aktien. Die beiden anderen Drittel entfielen auf zwei weitere Aktion¨are, hinter denen die W¨urttembergische Vereinsbank stand, die danach trachtete, das Unternehmen in die Hand zu bekommen. In mehreren Etappen wurden erst D.s Mitarbeiter und 1894 auch er selbst aus dem Unternehmen hinausgedr¨angt. Der damals junge Motoren- und Automobilbau war von schnellstem Wechsel gekennzeichnet. Ohne D. und Maybach geriet das Unternehmen rasch technisch ins Hintertreffen und finanziell in die Verlustzone. Unter der Bedingung, daß D. wieder Entscheidungstr¨ager im Unternehmen w¨urde, bot der Engl¨ander Simms an, die britischen Rechte zu kaufen. Die Kapitaleigner gaben nach, so daß D. 1895 den Triumph des Wiedereinzugs in seine Firma erlebte, die auch wirtschaftlich erneut Fuß faßte. Als D. 1900 starb, z¨ahlte das Unternehmen mehr als 300 Besch¨aftigte. LITERATUR: Paul Siebertz: G. D. Stuttgart 1950. – Friedrich Schildberger: G. D. In: Vom Motor zum Auto. F¨unf M¨anner und ihr Werk. Stuttgart 1968, S. 95-146. – Friedrich Schildberger: G. D. und Karl Benz. G¨ottingen u. a. 1976. Neuausg. Braunschweig (o. J.). – Manfred Barthel / Gerold Lingnau: 100 Jahre Daimler-Benz. Die Technik. Mainz 1986, S. 1-90. – Max Kruk / Gerold Lingnau: 100 Jahre Daimler-Benz. Das Unternehmen. Mainz 1986, S. 1-87. – Wilfried Feldenkirchen: „Vom Guten das Beste“. Von Daimler und Benz zur DaimlerChrysler AG. Bd. 1: Die ersten 100 Jahre (1883-1983). M¨unchen 2003. Harm G. Schr¨oter

Daimler, Paul, Konstrukteur, * 13. 9. 1869 Karlsruhe, † 15. 12. 1945 Berlin. Nach dem Studium an der TH Stuttgart trat der Sohn Gottlieb → D.s 1897 in die Daimler-Motoren-Gesellschaft ein und arbeitete mit Wilhelm → Maybach an der Entwicklung des Mercedes-Wagens. 1902 u¨ bernahm er die Lei¨ tung der Osterreichischen Daimler-Motoren-Gesellschaft in Wiener Neustadt und schuf einen gel¨andeg¨angigen Panzerwagen mit Vierradantrieb sowie andere Milit¨arfahrzeuge. 1907 wurde D. Vorstand der Gesellschaft und u¨ bernahm als Nachfolger Maybachs die Konstruktionsleitung in Untert¨urkheim, wo er bedeutsame Leistungen f¨ur den Flugmotorenbau erbrachte. Nach dem Krieg konstruierte er den ersten Mercedes-Kompressor-Wagen. 1922 schied er aus

Dalberg der Gesellschaft aus, wurde 1923 technischer Direktor der Horchwerke in Zwickau und entwickelte dort den Achtzylinderwagen und gel¨andeg¨angige Sechsradfahrzeuge. Seit 1928 war D. als beratender Ingenieur in Berlin t¨atig.

Daisenberger, (Joseph) Alois, kath. Theologe, * 30. 5. 1799 Oberau (Oberbayern), † 20. 4. 1883 Oberammergau. D., Sohn eines Bauern, war nach dem Studium am Gregorianum in Landshut und der Priesterweihe 1821 Pfarrer in Uffing bei Murnau (1831-45) und in Oberammergau (1845-69). Selbst Sch¨uler des Paters Ottomar Weis, der das Oberammergauer Passionsspiel f¨ur die Auff¨uhrungen 1811 ¨ und 1815 bearbeitete, war er zeitlebens mit Uberarbeitungen der Vorlage im Sinne des Zeitgeschmacks befaßt und schrieb neue Prologe im sapphischen Versmaß. D., der 1850-80 die Spielleitung innehatte, machte sich um die internationale Verbreitung der Passionsspiele verdient. Er schrieb historische und dramatische Arbeiten, darunter eine Historischtopographische Beschreibung der Pfarrei Oberammergau (1880). C NDB

Dalberg, Adolf von, F¨urstabt von Fulda, * 29. 5. 1678 Speyer, † 3. 11. 1737 Hammelburg. D., dessen Vater Pr¨asident des Reichskammergerichts war, wurde 1724 F¨urstabt von Fulda. Er engagierte sich besonders im Hochschulbereich und errichtete durch Zusammenlegen mehrerer Anstalten, darunter der Jesuiten- und Benediktinerschulen, die Univ. Fulda, die einige Jahrzehnte bestand. 1729 veranstaltete er eine Synode. C LThK

Dalberg, Carl Theodor (Anton Maria) von, Kurf¨urst und Erzbischof von Mainz, Erzbischof von Regensburg, Großherzog von Frankfurt, * (getauft 8. 2.) 1744 Mannheim, † 10. 2. 1817 Regensburg. Als Sohn des in Kurf¨urstlichMainzischen Diensten stehenden Franz Heinrich von D. geboren, sollte D., einer Familientradition entsprechend, in der Reichskirche Karriere machen. 1753 empfing er die Tonsur und erhielt dann Domkanonikate in W¨urzburg (1753), Mainz (1754), Worms (1758) und Trier (1776). 1768 wurde er zum Subdiakon geweiht. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg 1759-61 trat D. in die Mainzische Verwaltung ein. 1771 wurde er zum Kurf¨urstlichen Statthalter in Erfurt ernannt. In dieser selbst¨andigen Stellung konnte D. seine reichen F¨ahigkeiten entfalten. Vor allem die dortige Univ. und die „Akademie gemeinn¨utziger Wissenschaften“ profitierten davon. In diesen Jahren versuchte er sich selbst auf vielen Gebieten mit literarischen Arbeiten. 1780 wurde D. u¨ berdies Domscholaster in W¨urzburg; so erhielt er die M¨oglichkeit, sich um das Bildungs- und Schulwesen im Hochstift zu k¨ummern. Auch der W¨urzburger Univ. ließ er seine F¨ursorge angedeihen. Er stand nationalkirchlichen Tendenzen und der kath. Aufkl¨arung nahe. In den Bann der großen Politik geriet D., als er 1787 zum Koadjutor mit Nachfolgerecht in Mainz und Worms (1788 auch in Konstanz) gew¨ahlt wurde. W¨ahrend ein Teil der W¨ahler dadurch die Fortdauer der f¨urstenbundfreundlichen Politik in Mainz absichern und Konstanz in sie einbeziehen wollten, hoffte D. selbst, daß die Spannungen zwischen ¨ Osterreich und Preußen ausgeglichen werden k¨onnten und das Reich zu neuer Gr¨oße gelangte. Seit 1802 Erzbischof und Kurf¨urst von Mainz, u¨ berstand er zun¨achst die S¨akularisation von 1803. Er behielt den Titel Erzkanzler des Rei-

ches, erhielt ein aus rechtsrheinischen Teilen des Kurstaates, dem Bistum Regensburg, den St¨adten Regensburg, Wetzlar und Aschaffenburg gebildetes Territorium und wurde durch Verlegung des Erzstuhls Erzbischof von Regensburg. Bei der Begr¨undung des Rheinbundes 1806 erhob Napoleon ihn zum F¨urstprimas und 1810, nach der Abtretung Regensburgs an Bayern, zum Großherzog des Satelliten- und Modellstaates Frankfurt (mit Fulda und Hanau). Seine Versuche einer vertraglichen Absicherung (Bundeskonkordat) der Kirche in Deutschland scheiterten wieder am Widerstand der Landesherrn, welche Partikularkonkordate anstrebten und dabei von der r¨omischen Kurie unterst¨utzt wurden. In den Sturz Napoleons 1813 wurde auch D. hineingezogen. Zun¨achst im Exil (Schweiz, Meersburg), erlaubten ihm die alliierten M¨achte, seinen Aufenthalt in Regensburg zu nehmen. Hier lebte D. ganz den Pflichten seines Amtes als Bischof der Stadt, wie auch der Reste der Di¨ozesen Mainz, Worms und Konstanz, sowie als Metropolit der deutschen Kirche (soweit sie ihm noch unterstand). D. fand sein Grab im Mittelschiff der Domkirche; das Herz wurde nach einer alten Tradition der Mainzer Erzbisch¨ofe in der Stiftskirche von Aschaffenburg beigesetzt. Das Bild D.s in der Publizistik war, solange Zeitzeugen lebten, recht freundlich. Es hat sich aber bald verd¨ustert. Die kleindeutsch-preußisch-protestantische Geschichtsdeutung sah in ihm einen typischen Repr¨asentanten der zu recht untergegangenen Reichskirche, auch einen Verr¨ater am Reich und Verehrer Napoleons; f¨ur die romantischultramontan gestimmte Publizistik war er „Aufkl¨arer“, Vertreter der Idee einer „deutschen Kirche“ und somit ein Feind Roms. F¨ur sie alle war D. als Mensch ein Schw¨achling und Schw¨armer. In den letzten Jahrzehnten hat sich das Bild wesentlich ge¨andert. Zun¨achst wurde D. als Politiker rehabilitiert. Mag seine Idee vom „Reich“ als dritter Kraft neben und zwischen Habsburg und Preußen wenig realistisch gewesen sein – sie konnte als einzige M¨oglichkeit angesehen werden, die Spannungen zu u¨ berwinden. Kirchenpolitisch erkannte D., daß nach der S¨akularisation und nach dem Zusammenbruch des Reiches die Existenz der Kirche in Deutschland nur durch ein allgemeines Konkordat, nicht aber durch Partikularvertr¨age gesichert werden konnte. Um ein solches Konkordat zu erreichen, war zun¨achst die Hilfe des Wiener Hofes, sp¨ater Napoleons notwendig. Als Landesherr war D. von der Idee getragen, der erste Diener des Staates zu sein. Mit Kantischem Pflichtgef¨uhl und hohem Sachverstand kam er seinen Aufgaben nach. Besonders am Herzen lag ihm das Bildungswesen seiner Staaten. Dabei bem¨uhte er sich nicht nur um die Hohen Schulen (Erfurt, W¨urzburg, „KarlsUniversit¨at“ in Aschaffenburg), sondern auch um die Verbesserung der Gymnasien, der Volks- und Industrieschulen. Seine besondere Liebe galt dem Theater als der (nach der Seelsorge) besten M¨oglichkeit, die Menschen zum Wahren, Guten und Sch¨onen emporzuf¨uhren. Bei alledem brachte er große pers¨onliche Opfer. So u¨ berließ er der Univ. W¨urzburg, deren Kanzler er als Dompropst (seit 1797) war, die H¨alfte der Eink¨unfte der reichdotierten Pfr¨unde. Als Schriftsteller war D. sicherlich kaum mehr als ein Dilettant, wenngleich mit einer beachtlichen Weite der Interessen. D. war Bruder des Intendanten des Mannheimer Nationaltheaters, Wolfgang Heribert von → D. und Oheim des sp¨ateren Staatsministers Emmerich Joseph von → D. Gegen Ende des Lebens bekannte er einmal: „Ich habe f¨ur Deutschland stets das Beste gewollt.“ LITERATUR: Rudolf Reinhardt: K. T. Anton Maria v. D. In: Helvetia Sacra. Abt. I, Bd. 2, Basel 1993, S. 464-478 (mit Literatur und Hinweisen auf die Nachlaßakten). – Ders.: Zur Schulpolitik K. T. v. D.s. In: Rottenburger Jahrbuch f¨ur Kir-

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Dalberg chengeschichte 12 (1993) S. 169-173. – C. v. D., Erzbischof und Staatsmann (1744-1817). Hrsg. v. Konrad M. F¨arber u. a. Regensburg 1994. – C. v. D., der letzte Reichsf¨urst. Hrsg. v. Karl Hausberger. Regensburg 1995. Rudolf Reinhardt

Dalberg, Emmerich Joseph Herzog von, Diplomat, * 30. 5. 1773 Mainz, † 27. 4. 1833 Herrnsheim (heute zu Worms). Der Sohn Wolfgang Heribert von → D.s galt als republikanischer Freigeist, wurde badischer Gesandter in Paris, erlangte dort bald die Gunst Talleyrands und erwirkte 1803 den territorialen Zuwachs Badens im Reichsdeputationshauptschluß. 1809 trat er in franz¨osische Dienste, wurde im folgenden Jahr als Duc de l’Empire geadelt und vermittelte die Heirat ¨ Napoleons I. mit der Erzherzogin → Marie Louise von Osterreich. Nach dem Sturz Talleyrands insgeheim Gegner Napoleons, berief ihn Talleyrand 1814 in die provisorische Regierung, die die Bourbonen zur¨uckholte. 1815 war er franz¨osischer Bevollm¨achtigter auf dem Wiener Kongreß und wurde nach der zweiten Restauration Staatsminister, Pair und Gesandter in Turin.

Dalberg, (Johann) Friedrich Hugo (Nepomuk Eckenbrecht) Frh. von und zu, Musikschriftsteller, Komponist, Musiker, getauft 17. 5. 1760 Mainz, † 26. 7. 1812 Aschaffenburg. Der Bruder Carl Theodor und Wolfgang Heribert von → D.s wurde nach einer Erziehung durch Hauslehrer Domizellar in Trier, Worms und Speyer. 1772-74 studierte er Rechtswissenschaft in Erfurt, 1777 / 78 in G¨ottingen; Studienreisen f¨uhrten ihn u. a. nach Italien (1775) und England (1798). 1784 wurde er zum Domkapitular und Geheimrat ernannt; 1785-89 war er Vorsitzender der kurtrierischen Schulkommission. Seine wissenschaftlichen Schriften befaßten sich zun¨achst mit Recht und Naturwissenschaft. Sp¨ater wandte er ¨ sich der Musik zu, schrieb u¨ ber Theorie und Asthetik, komponierte und war einer der bekanntesten Musikdilettanten ¨ seiner Zeit. D. rezipierte Rousseau, die englischen Asthetiker, → Herder und → Heinse; in seinen Reflexionen subjektiver Musikerlebnisse nahm er romantische Ideen vorweg (Untersuchungen u¨ ber den Ursprung der Harmonie, 1800). Nach der Besetzung der linksrheinischen Gebiete ließ sich C MGG D. 1802 in Aschaffenburg nieder.

zum Kurf¨urst-Erzbischof von Mainz gew¨ahlt. Es gelang ihm nicht, die Beschl¨usse des Konzils von Trient zu verk¨unden und Mißst¨ande in seiner Di¨ozese abzustellen. C Gatz 2

Dalberg, Wolfgang Heribert (Tobias Otto Maria Johann Nepomuk) Frh. von, Intendant, Beamter, getauft 18. 11. 1750 Mainz, † 27. 9. 1806 Mannheim. Der Bruder Carl Theodor und Friedrich Hugo von → D.s wurde nach dem Abschluß der rechtswissenschaftlichen Studien 1776 pf¨alzischer Geheimrat sowie Pr¨asident des Oberappellationsgerichts und gr¨undete 1778 im Auftrag des Kurf¨ursten → Karl Theodor von der Pfalz ein deutsches Nationaltheater in Mannheim. D. engagierte die Truppe des Prinzipals Abel → Seyler, die Freunde Heinrich → Beck, Johann David → Beil und August Wilhelm → Iffland aus Gotha, gewannn Friedrich Ludwig → Schr¨oder 1780 f¨ur ein Gastspiel und u¨ bernahm 1781 selbst die k¨unstlerische Leitung des organisatorisch am Wiener Vorbild orientierten Nationaltheaters. Auf der Grundlage der theater- und sprachreformerischen Bestrebungen → Lessings und der „Kurpf¨alzischen Teutschen Gesellschaft“, deren Vorsitzender er war, bem¨uhte sich D. um die Pflege der Klassiker, f¨uhrte mehrere Dramen → Schillers (u. a. Die R¨auber, 1782) erstmals auf und holte ihn 1783 / 84 als Theaterdichter nach Mannheim. In der Folge der Franz¨osischen Revolution erlitt das Unternehmen starke finanzielle Einbußen, die 1803 zum R¨ucktritt des Intendanten f¨uhrten. D. wurde kurbadischer Staatsminister und Obersthofmeister in Karlsruhe. Von seinen eigenen dramatischen Versuchen, darunter zahlreichen Shakespeare-Bearbeitungen, wurde u. a. Walwais und Adelaide (1778) bekannt. Er war der Vater von Emmerich JoC NDB seph von → D.

Dalfinger, Ambrosius, auch Alfinger, Konquistador, * um 1500 Ulm, † 1532 Coro (Venezuela). Nachdem Kaiser → Karl V. mit dem Hause Welser zur Sicherung seiner Verbindlichkeiten einen Vertrag u¨ ber die Nutzung des gerade entdeckter Gebiete in S¨udamerika geschlossen hatte, wurde D. als Statthalter bestimmt. Er verließ 1528 Sevilla mit drei Schiffen, gr¨undete Venezuela, vermutlich auch Maracaibo, und unterwarf auf Expeditionen ins Landesinnere mehrere Indianerst¨amme. Auf der Suche nach dem sagenhaften Land Dorado wurde er durch einen Pfeil eines Eingeborenen t¨odlich verwundet.

Dalberg, Johann von, Bischof von Worms, Humanist,

Dalitz, Friedrich Rudolf, Orgelbauer, * 28. 12. 1721

* 14. 8. 1455 Oppenheim, † 27. 7. 1503 Heidelberg. D., Sohn eines pf¨alzischen Hofmarschalls, studierte seit 1466 Philosophie an der Univ. Erfurt und seit 1473 Rechtswissenschaft in Pavia und Padua, wo er 1476 Freundschaft u. a. mit Rudolf → Agricola schloß. Nach seiner R¨uckkehr 1480 zum Wormser Dompropst und Kanzler der Kurpfalz ernannt, wurde er im folgenden Jahr auch Kanzler der von → Philipp von der Pfalz gef¨orderten Univ. Heidelberg und 1482 Bischof von Worms. D. wurde mehrfach vom Kurf¨ursten und vom Kaiser zu diplomatischen Missionen in Frankreich und Italien herangezogen. Er war an der Gr¨undung der Palatina beteiligt und geh¨orte als Mitglied der „Sodalitas litteraria Rhenana“ Konrad → Celtis’ an. D. sammelte alte Handschriften und r¨omische Altert¨umer und bem¨uhte sich um die Pflege und Verbreitung der griechischen Sprache. C Gatz 2

Danzig, † um 1800. D. erlernte in der Folge der Silbermannschen Orgelbauerschule bei Andreas Hildebrand sein Handwerk und wurde zu einem der bedeutendsten Orgelbauer in der zweiten H¨alfte des 18. Jahrhunderts. Seine Arbeiten entstanden vor allem f¨ur Danziger Kirchen, darunter f¨ur die Marienkirche sowie f¨ur die Kirchen zum Hl. Leichnam und zum Hl. Geist. C ADB

Dalberg, Wolfgang von, Kurf¨urst und Erzbischof von Mainz, * 1537, † 5. 4. 1601 Aschaffenburg. D., Sohn eines pf¨alzischen Amtmanns, Großneffe Johann von → D.s, war zun¨achst Domherr und Dompropst in Mainz und Speyer und wurde 1582 statt des von reformfreudigen Kreisen gew¨unschten Julius → Echter von Mespelbrunn

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Dalla Torre von Turnberg-Sternhof, Karl Wilhelm, o¨ sterr. Biologe, * 14. 7. 1850 Kitzb¨uhel (Tirol), † 6. 4. 1928 Innsbruck. D. T. v. T.-S. schloß die Studien an der Univ. Innsbruck 1874 als Lehrer f¨ur Naturgeschichte, Mathematik und Physik und wurde zum Dr. phil. promoviert. Er unterrichtete an Lehrerbildungsanstalten in Eger, Linz und Innsbruck und habilitierte sich 1881 an der dortigen Univ. f¨ur Entomologie. 1890 wurde er a. o., 1921 o. Prof. der Zoologie. D. T. v. T.-S. galt als einer der besten Kenner der Tiroler Fauna und Flora seiner Zeit. Er ver¨offentlichte u. a. eine Anleitung zur Beobachtung und zum Bestimmen der Alpenpflanzen (1882), einen Catalogus Hymenopterorum (10 Bde., 1892-1902) und C DBJ, Bd 10 Cynipidae (1910).

Dallinger von Dalling Dall’Abaco, Evaristo Felice, Komponist, Musiker, * 12. 7. 1675 Verona, † 12. 7. 1742 M¨unchen. D.’A., Sohn eines Rechtspflegers ohne Prozeßbefugnis, wurde in seiner Geburtsstadt zum Geiger und Cellisten ausgebildet, lebte seit etwa 1696 in Modena, wurde 1704 Kammermusiker am Hof in M¨unchen und folgte Kurf¨urst → Maximilian II. Emanuel nach der Niederlage im Spanischen Erbfolgekrieg ins Exil. Seit 1712 Konzertmeister, kehrte D.’A. 1715 mit Maximilian Emanuel nach M¨unchen zur¨uck, wurde 1717 zum kurf¨urstlichen Rat ernannt und blieb nach dem Regierungsantritt Karl Alberts bis zu seiner Pensionierung 1740 im Amt. D.’A.s Kompositionen (u. a. Violin- und Triosonaten, Kirchenkonzerte, Concerti grossi), die 1705-35 (6 Bde.) ver¨offentlicht wurden, gelten als charakteristische Auspr¨agung des italienischen Sp¨atbarock. C MGG

Dallago, Carl, Schriftsteller, * 13. 1. 1869 Bozen, † 18. 1. 1949 Innsbruck. Nach einer kaufm¨annischen Ausbildung an der Handelsakademie in Bozen u¨ bernahm D. das v¨aterliche Gesch¨aft. Seit 1900 als freier Schriftsteller t¨atig, schrieb er Gedichte (Ein Sommer, 1901; Spiegelungen, 1903), Dramen (Erich Tagusen, 1904; Die Musik der Berge, 1906) und naturverbundene Aphorismen (Neuer Fr¨uhling, 1906; Gel¨aufe der Landschaft, 1907). Wichtige Vorbilder waren f¨ur ihn Otto → Weininger und Karl → Kraus. Seit 1910 geh¨orte D. zu den Mitarbeitern der von Ludwig von → Ficker gegr¨undeten Zeitschrift „Der Brenner“. Seine Beitr¨age wandten sich vor allem gegen das institutionalisierte Christentum und vertraten statt dessen den Gedanken einer naturmystizistisch gepr¨agten Religiosit¨at. Seit 1912 lebte D. in Nago oberhalb Torbole, nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg seit 1922 in Varena bei Cavalese im Fleimstal (Trentino). 1921 ver¨offentlichte er Laotse. Der Anschluß an das Gesetz oder Der große Anschluß (31927), 1924 mit Der große Unwissende sein Hauptwerk. 1926 kam es aufgrund seiner vehementen Angriffe gegen den politischen Katholizismus, die auch den Inhalt seines Buches Das r¨omische Geschw¨ur bestimmten (1929), zum Bruch mit dem „Brenner“. Nach heftiger Kritik gegen ¨ Mussolini mußte D. noch im selben Jahr nach Osterreich fliehen, lebte zun¨achst in Barwies und seit 1932 in Arzl bei Innsbruck. 1929 erschien sein autobiographisches Buch Nach dreißig Jahren. C DLL, 20. Jh.

Dall’Armi, Andreas (Michael), Kaufmann, Bankier, * 11. 11. 1765 Trient, † 27. 4. 1842 M¨unchen. Durch Heirat erwarb D.’A., Sohn eines Kaufmanns und Bankiers, 1787 in M¨unchen die Handelsgerechtigkeit und das ¨ B¨urgerrecht und wurde im selben Jahr Mitglied des Außeren Rats und Assessor am Wechsel- und Merkantilgericht. Seit 1792 Obervorsteher des M¨unchner Handelsstands, leitete er das neben dem Unternehmen seines Schwiegervaters Franz Xaver Nocker bedeutendste Bankhaus M¨unchens seiner Zeit. D.’A. initiierte die M¨unchner Getreidemagazingesellschaft (1795-1800), die die Stadt 1796 vor einer Hungersnot bewahrte, wurde 1800 Administrator der Salzhandelsgesellschaft und gr¨undete in der Folge mehrere Handelsgesellschaften. Der Großvater Heinrich → D.’A.s unterhielt Beziehungen zu den wichtigsten europ¨aischen Hafenst¨adten und Handelsunternehmen, war 1811-21 Generalkontrolleur der kgl. Staatsschuldentilgungskommission und erhielt f¨ur die Gr¨undung des M¨unchner Oktoberfestes 1824 die erste goldene B¨urgermedaille der Stadt. C NDB Dall’Armi, Heinrich, Kaufmann, Industrieller, * 26. 8. 1846 Seeshaupt, † 7. 4. 1922 M¨unchen. Der Sohn eines Arztes und Enkel Andreas → D.’A.s war zun¨achst Kaufmann im Lebensmittelgroßhandel und kam durch seine Heirat mit der Witwe des Tabakh¨andlers Carl Philipp, des Inhabers der Vertriebslizenz o¨ sterr.

Regie-Tabak-Fabrikate in Bayern, zur Tabakbranche. D.’A.s kaufm¨annische Erfolge f¨uhrten zur Erweiterung des Unternehmens 1888 als „Hauptverlag f¨ur den Verschleiß o¨ sterr. Regie-Tabak-Fabrikate in Deutschland“. Unter anderem durch intensive Reklame steigerte er den Umsatz zwischen 1902 und 1916 um das Zwanzigfache und nahm damit den Spitzenplatz der deutschen Tabakimporte ein; 1916 gr¨undete er unter dem Firmennamen „Austria“ einen Betrieb zur Zigarettenherstellung in M¨unchen. D.’A. war mit seiner Frau Antonia vielfach karitativ t¨atig und gr¨undete u. a. ein „M¨unchener B¨urgerheim“ und ein „Dall’Armi-Heim f¨ur Dienstboten“. 1890-1908 war er liberaler Gemeindebevollm¨achtigter. C NDB

Daller, Balthasar von, kath. Theologe, Politiker, * 22. 1. 1835 Gasteig bei Niklasreuth (Oberbayern), † 3. 3. 1911 Freising. D. studierte Philosophie und Theologie an der Univ. M¨unchen, wurde 1860 zum Priester geweiht, im folgenden Jahr zum Dr. theol. promoviert (Der Irrthum als trennendes Ehehindernis nach katholischem Eherechte dargestellt) und kam 1862 als Religionslehrer an das Gymnasium in Freising. 1864 wurde er Prof. des Kirchenrechts und der Kirchengeschichte am dortigen Lyzeum, 1886 dessen Rektor. D. wurde 1871 Mitglied der bayerischen Abgeordnetenkammer, sp¨ater Referent und Vorsitzender des Finanzausschusses, 1891 Vorsitzender der bayerischen Zentrumsfraktion und war 1872-99 Mitglied des Gemeindekollegiums Freising. 1899 erfolgte die Ernennung zum P¨apstlichen Hauspr¨alaten. Dallinger, Alfred, o¨ sterr. Gewerkschafter, Politiker, * 7. 11. 1926 Wien, † 23. 2. 1989 Bodensee. Der gelernte Drogist war bereits in der Jugend Mitglied ¨ 1948 wurde er Jugendseder Gewerkschaft und der SPO. kret¨ar der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), 1954 Kammerrat in der Kammer f¨ur Arbeiter und Angestellte f¨ur Wien, 1955 Leitender Sekret¨ar der Sektion Versicherung der GPA 1966 Zentralsekret¨ar und stellvertretender Gesch¨aftsf¨uhrer der GPA, 1968 Obmann der Pensionsversicherungsanstallt der Angestellten, 1974 Vorsitzender der GPA und ¨ 1975 Vizepr¨asident des Osterreichischen Gewerkschaftsbundes. 1974-83 geh¨orte er dem Nationalrat und dem Bundes¨ an. 1980-87 war D. Bundesminister parteivorstand der SPO f¨ur soziale Verwaltung, 1987-89 f¨ur Arbeit und Soziales. Er war ein Verfechter der generellen Arbeitszeitverk¨urzung („35-Stunden-Woche“) sowie einer Wertsch¨opfungsabgabe und trat f¨ur eine Grundsicherung ein. D. kam bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. C Munzinger

Dallinger, Franz Theodor, o¨ sterr. Maler, * 3. 9. 1710 Linz, begraben 24. 11. 1771 Prag. D. lernte bei seinem Vater, bildete sich auf Reisen durch Italien, Frankreich und die Niederlande weiter und wurde in Prag f¨urstlich Liechtensteinischer Hofmaler. Zu seinen Werken z¨ahlen Altarbilder f¨ur Kirchen in M¨ahren, die Dekanalkirche in Brandeis / Elbe und 1762 die Deckenmalerei im Treppenhaus des Schlosses Janowitz. In seinen Stilleben stand D. in der Tradition der a¨ lteren dekorativen fl¨amischen Malerei. Er war der Vater von Johann → Dallinger von Dalling. C AKL ¨ Dallinger von Dalling, Johann (Baptist Michael) d. A., o¨ sterr. Maler, * 13. 8. 1741 Wien, † 8. (6. ?) 1. 1806 Wien. Der Sohn von Franz Theodor → Dallinger erhielt erste Kenntnisse bei seinem Vater, wurde in Bregenz Sch¨uler eines ungarischen Malers und studierte nach Reisen durch Deutschland und die Schweiz an der Wiener Akademie der bildenden K¨unste bei Martin van → Meytens und Vinzenz → Fischer. Zusammen mit Johann Franz → Greippel und Wenzel Pohl entstanden 1764 in Frankfurt / Main Szenen bei der Kr¨onung Josephs II. 1771 wurde D. v. D. Direktor der

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Dallinger von Dalling f¨urstlich Liechtensteinischen Galerie in Wien, deren handschriftlichen Katalog er 1805 verfaßte. Neben Altarbl¨attern und Jagdlandschaften malte er kleine historische Szenen. C AKL

Dallinger von Dalling, Johann d. J., o¨ sterr. Maler, * 7. 5. 1782 Wien, † 19. 12. 1868 Wien. D. v. D. wurde nach der Ausbildung bei seinem Vater Jo¨ 1803 dessen Adjunkt an der Liechhann → D. v. D. d. A. tensteingalerie, 1820 Galerieinspektor und 1831 Direktor ¨ der Gem¨aldesammlung der Osterreichischen Galerie in den Liechtensteinschen Sammlungen. Der Stil seiner Tier- und Landschaftsgem¨alde orientierte sich an der Malweise der alten Niederl¨ander; daneben versuchte er sich in Schabkunst und war ein geschickter Gem¨alderestaurator. C AKL Dallmann, Eduard, Forschungsreisender, * 11. 3. 1830 Blumenthal / Weser, † 23. 12. 1896 Blumenthal / Weser. D., Sohn eines Rittmeisters, fuhr erstmals 1845 als Schiffsjunge zur See, wurde 1855 Steuermann, 1860 Kapit¨an und war bis 1872 am arktischen Pelzrobben- und Walfang sowie an der S¨udseefischerei beteiligt. 1866 entdeckte er die Wrangel-Inseln, ein Jahr vor dem Amerikaner George Washington De Long, nach dem sie schließlich benannt wurden. Auf der ersten deutschen S¨udpolexpedition, die er im Auftrag der Hamburger „Polar-Schiffahrts-Gesellschaft“ leitete, wurden die Kaiser-Wilhelm-Inseln sowie eine nach D. benannte Wasserstraße entdeckt. 1875 unternahm er eine Informationsreise in die amerikanischen Nordpolarl¨ander, 1877-82 j¨ahrlich Fahrten durch das Karische Meer zur Erschließung einer Handelsverbindung zwischen Europa und Nordsibirien. D. leitete 1884 / 85 eine Expedition, die zum Erwerb des Kaiser-Wilhelm-Landes und des BismarckArchipels durch die „Neu-Guinea-Kompagnie“ f¨uhrte. Er ver¨offentlichte Aufs¨atze u. a. in „Petermanns Geographischen Mitteilungen“. C NDB Dallmann, Siegfried, Jurist, Politiker, * 9. 2. 1915 R¨orchen (Kr. Naugard, Pommern), † 29. 7. 1994 Waldsieversdorf (Brandenburg). D., Sohn eines Pfarrers, studierte 1933-38 Rechts- und Wirtschaftswissenschaften in Greifswald, K¨oln und Jena, war Assistent an der Univ. Jena, NS-Gaustudentenf¨uhrer in Th¨uringen und leistete 1940-43 Wehrdienst. 1943 in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten, geh¨orte er zu den Mitarbeitern des Nationalkomitees Freies Deutschland und wurde Assistent an der Zentralschule der Antifa in Krasnogorsk. 1948 kehrte D. nach Deutschland zur¨uck, wirkte im Wirtschaftsministerium von Sachsen-Anhalt mit und wurde 1948 Mitglied des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes sowie Mitbegr¨under der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NDPD), deren Parteivorstand bzw. Hauptausschuß er bis 1990 angeh¨orte. 1950-52 war er Mitglied des Landtags von Brandenburg und Finanzminister, 1952-63 Hauptabteilungsleiter „Politisches Studium und Kultur“ und seit 1963 Sekret¨ar des Hauptausschusses der NDPD. 1950-90 geh¨orte D. der Volkskammer an; 1967-86 war er Fraktionsvorsitzender, 1951-68 Mitglied des Pr¨asidialrats des Kulturbundes (seit 1987 Ehrenmitglied), seit 1966 Vizepr¨asident der DDR-Liga f¨ur die Vereinten Nationen, 1967-71 stellvertretender Vorsitzender der Interparlamentarischen Gruppe und 1967-86 stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses f¨ur Ausw¨artige Angelegenheiten. 1951-54 belegte er ein Fernstudium an der Deutschen Akademie f¨ur Staats- und Rechtswissenschaft Potsdam, das er 1972 mit Promotion zum Dr. rer. pol. abschloß. 1975 wurde D. Vizepr¨asident des Freundschaftskomitees DDR-Portugal, 1981 Vizepr¨asident des Kuratoriums DDR-Japan. 1990 trat er in die FDP ein. C DDR

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Dallwitz, (Nikolaus Michael Louis) Hans von, Politiker, * 29. 9. 1855 Breslau, † 2. 8. 1919 Bossee (heute zu Westensee). Nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Bonn, Straßburg und Leipzig war D., Sohn eines Gutsbesitzers, seit 1884 als Regierungsassessor in K¨onigsberg und Liegnitz t¨atig, 1887-99 Landrat des Kreises L¨uben, anschließend Regierungsrat in Posen, 1900 Geheimer Regierungsrat und nach seinem vor¨ubergehenden Abschied aus dem preuß. Staatsdienst seit 1902 anhaltinischer Staatsminister. 1909 / 10 war er Oberpr¨asident der Provinz Schlesien. Als preuß. Innenminister (1910-14) widersetzte sich D. einer Reform des preuß. Wahlrechts. 1914-18 war er Reichsstatthalter von Elsaß-Lothringen und bem¨uhte sich um dessen Eingliederung in Preußen. C NDB

Dalma, Alfons, eigentl. Stjepan Tomiˇci´c, Journalist, * 26. 5. 1919 Otoˇcac (Jugoslawien), † 28. 7. 1999 Wien. D., Sohn eines Universit¨atsprofessors und einer Lehrerin, studierte bis 1939 an der Hochschule f¨ur politische Wissenschaften in Paris und danach ohne Abschluß Rechtswissenschaft in Zagreb, wo er an der kath. Tageszeitung „Hrvatski Glas“ mitarbeitete. Als diese nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht und der Ausrufung des faschistischen Staates Kroatien 1941 verboten wurde, wechselte D. als Redaktions¨ubersetzer zur kroatischen Nachrichtenagentur „Croatia“. 1941-43 war er Umbruchredakteur des Hauptorgans der Ustascha-Partei, der Tageszeitung „Hrvatski Narod“, 1942 / 43 verantwortlicher Redakteur der halbmonatlichen „Alarm. Die S¨udostillustrierte“. Seit Mitte 1943 als Kriegsberichterstatter eingesetzt, nahm D. auch an einer „S¨auberungsaktion“ gegen Freisch¨arler teil. 1944 wurde er Redakteur der Zeitschriften „Spremnost“, „Neue Ordnung“ und „Elan“. Seit November 1945 war D. Redakteur, sp¨ater stellvertretender Chefredakteur der „Salzburger Nachrichten“ und 1954-67 gesch¨aftsf¨uhrender Chefredakteur des „M¨unchner Merkur“. 1961-66 nahm er Lehrauftr¨age f¨ur Politik und Strategie an der Hochschule f¨ur politische Wissenschaften in M¨unchen wahr. Bis 1967 war D. auch als Korrespondent und regelm¨aßiger Kommentator f¨ur „Die Presse“ (Wien) t¨atig und leitete ein B¨uro f¨ur Zeitungsberatung in M¨unchen. 1964-67 war er stellvertretender Herausgeber des „Bayernkurier“, 1967-74 Chefredakteur des ORF und danach bis 1986 ORF-Korrespondent in Rom. D. ver¨offentlichte u. a. Hintergr¨unde der Berlinkrise (1962), De Gaulle, die Deutschen, Europa (1963) und Eurokommunismus (1977). C Hausjell Dalman, (Hermann) Gustaf, eigentl. Marx, evang. Theologe, Pal¨astinaforscher, * 9. 6. 1855 Niesky (Oberlausitz), † 19. 8. 1941 Herrnhut. D., Sohn eines Gesch¨aftsmannes, studierte seit 1874 am Theologischen Seminar der Br¨udergemeine im oberschlesischen Gnadenfeld. Er trat mit Franz → Delitzsch in Verbindung, wurde Lehrer in Klein-Welka und Gnadenfrei und folgte 1881 einer Berufung nach Gnadenfeld. D., der 1886 den Familiennamen seiner schwedischen Mutter annahm, wurde im folgenden Jahr durch Vermittlung von Delitzsch Lehrer am Institutum Judaicum, 1895 a. o. Prof. in Leipzig und unternahm 1899 eine Pal¨astina-Reise. 1902 zum Direktor des deutschen Pal¨astina-Instituts (sp¨ater „GustafDalman-Institut f¨ur Pal¨astinaforschung“) berufen, wurde er 1917 Prof. an der Univ. Greifswald. D. publizierte neben aram¨aischen Forschungen (u. a. Grammatik des j¨udischpal¨astinensischen Aram¨aisch, 1894, 21905) vor allem Arbeiten zur materiellen Kultur Pal¨astinas, darunter Arbeit und Sitte in Pal¨astina (7 Bde., 1928-42). C TRE

Damaschke Dalmann, Johannes (Christian Wilhelm), Ingenieur,

Dalwigk zu Lichtenfels, (Carl Friedrich) Reinhard Frh.

* 4. 3. 1823 L¨ubeck, † 2. 8. 1875 Wunsiedel. Der Kapit¨anssohn strebte fr¨uh den Beruf des Wasserbautechnikers an, absolvierte praktische Ausbildungen als Feldmesser und Zimmerer und studierte Mathematik sowie Hydrotechnik bei Gotthilf → Hagen an der Berliner Bauakademie. 1845 trat er als Baukonduktor in die Dienste der Hamburger Wasserbaudirektion, u¨ bernahm bald die Leitung der Strombauten um Hamburg und legte 1856 eine bahnbrechende Studie u¨ ber Stromkorrekturen im Flutgebiet der Elbe und des Hamburger Hafens vor. Er war f¨ur das gesamte Hamburger Strom- und Hafenbauwesen verantwortlich, wurde 1864 auch zum administrativen Leiter ernannt und schuf in der Folgezeit u. a. die ersten offenen Tideh¨afen mit langen Becken, direktem Eisenbahnanschluß und unmittelbarer Umladung vom Seeschiff zum Binnenkahn. 1868 wurde die ¨ Ubernahme seiner Grunds¨atze außerhalb der Landesgrenzen im K¨ohlbrandvertrag mit Hannover-Preußen fixiert. D. ¨ schrieb u. a. Uber die Anstalten zum Reparieren der Schiffe (o. J.). C NDB

von, Staatsmann, * 19. 12. 1802 Darmstadt, † 28. 9. 1880 Darmstadt. Nach dem Jurastudium in G¨ottingen, Berlin und Gießen wurde D. zu L., Sohn eines hessischen Generalleutnants und Gouverneurs von Darmstadt und Neffe von Karl Friedrich August Philipp von → D., 1842 Kreisrat in Worms, 1845 in Mainz und zugleich Provinzialkommissar von Rheinhessen. 1850 u¨ bernahm er die Leitung der Großherzoglich¨ Hessischen Ministerien des Innern und Außern. Innenpolitisch zeichnete sich D. zu L. als Verwaltungsfachmann, als F¨orderer der Wirtschaft und durch die Sanierung der Staatsfinanzen aus; seine Konvention von 1854 mit Bischof Wilhelm Emmanuel von → Ketteler sicherte ihm die Unterst¨utzung der kath. Kirche. In der Außenpolitik vertrat er einen großdeutschen und antipreußischen Kurs, unterst¨utzte ¨ 1866 Osterreich und betrieb eine weitgehende Anlehnung an Frankreich. Nach der Reichsgr¨undung 1871 wurde er von → Bismarck zum R¨ucktritt gezwungen. Die Tageb¨ucher aus den Jahren 1860-71 erschienen postum 1920. C RGG

Dalton, Hermann (Friedrich), evang. Theologe,

Dam, Hendrik George van, Generalsekret¨ar, * 8. 11. 1906 Berlin, † 28. 3. 1973 D¨usseldorf. D. studierte Rechtswissenschaften und Geschichte in Heidelberg, M¨unchen, Berlin und Basel und wurde 1934 promoviert. Gerade in den Justizdienst u¨ bernommen, mußte er als Jude seine T¨atigkeit beenden. In den Folgejahren lebte er als Journalist in der Schweiz und den Niederlanden, floh 1940 nach Großbritannien und wurde dort w¨ahrend des Kriegs interniert. 1945 kehrte D. nach Deutschland zur¨uck und war 1946-50 Justitiar und Abteilungsdirektor f¨ur Hamburg und Bremen der Jewish Relief Unit. Anschließend trat er an die Spitze des Zentralrats der Juden in Deutschland. 1969 vero¨ ffentlichte er Die Unverj¨ahrbarkeit des V¨olkermordes.

* 20. 8. 1833 Offenbach / Main, † 7. 5. 1913 Berlin. D. studierte an den Universit¨aten Marburg, Berlin und Heidelberg und lebte 1858-89 als Pfarrer der deutschreformierten Gemeinde in St. Petersburg. Er erbaute die Kirche der Gemeinde im Zentrum der Stadt und gr¨undete eine Stadtmission, ein Ferienheim f¨ur mittellose Kinder und andere Einrichtungen der Inneren Mission. Nach ausgedehnten Reisen ver¨offentlichte er Reiseberichte; daneben entstanden wissenschaftliche Studien zur Geschichte der reformierten Kirche in Rußland (Beitr¨age zur Geschichte der evangelischen Kirche in Russland, 4 Bde., 1887-1905) und zu Problemen der Inneren Mission sowie apologetische Vortr¨age und Predigten (u. a. Nathanael, 1861). D., der mehrere Berufungen an deutsche Universit¨aten ablehnte, publizierte 1906-08 seine Lebenserinnerungen (3 Bde.). C NDB

Daluege, Kurt, Politiker, * 15. 9. 1897 Kreuzburg (Oberschlesien), † 23. 10. 1946 Prag. D. war Soldat im Ersten Weltkrieg, dann beim Selbstschutz Oberschlesien und Angeh¨origer des Freikorps Roßbach. Er trat 1922 in die NSDAP ein, schloß das Studium des Bauingenieurwesen an der TH Berlin-Charlottenburg als Diplomingenieur ab, gr¨undete 1926 die Berliner SA und f¨uhrte 1928-33 die SS-Gruppe Ost. D wurde 1933 Ministerialdirektor, Chef der preuß. Polizei und noch im gleichen Jahr preuß. Staatsrat und Mitglied des Reichstags. 1936 wurde er Chef der Ordnungspolizei im Hauptamt Sicherheitspolizei beim Reichsf¨uhrer SS und im April 1942 SS-Obergruppenf¨uhrer. Nach dem Attentat auf Reinhard → Heydrich war er stellvertretender Reichsprotektor von B¨ohmen und M¨ahren und f¨ur die Vernichtung von Lidice verantwortlich. 1946 wurde ˇ er an die CSR ausgeliefert, dort zum Tod verurteilt und hingerichtet. C Braune Elite 2

Dalwigk, Karl Friedrich August Philipp Frh. von, Jurist, * 31. 12. 1761 Rinteln, † 9. 2. 1825 Wiesbaden. Nach dem Abschluß der Studien an den Universit¨aten Marburg und G¨ottingen kam D., Sohn eines Oberhofmarschalls, 1783 als Auditor an das Oberappellationsgericht Kassel, wurde 1786 Hofgerichtsrat in Hanau und 1788 auf Empfehlung Johannes von → M¨ullers Hof- und Regierungsrat sowie Kammerherr des Kurf¨ursten von Mainz. Seit 1800 Beisitzer des Reichskammergerichts Wetzlar, wurde er nach dessen Aufl¨osung 1806 mit der Organisation eines Vereinigten Oberappellationsgerichts der Nassauischen Lande betraut und zu dessen Pr¨asidenten ernannt. D. gr¨undete die Zeitschrift „Eranien zum deutschen Privatrecht“, deren erste Lieferung er 1825 herausgab. Er schrieb u. a. ein Handbuch des franz¨osischen Civil-Processes (2 Bde., 1809-13).

Damasch, Andreas, auch T(h)amasch(g), o¨ sterr. Bildhauer, * 4. 11. 1639 See / Paznauntal (Tirol), † 9. 12. 1697 Stams (Tirol). D. erhielt seine Ausbildung vermutlich bei dem Stamser Stiftsbildhauer Adam Payr und lernte wahrscheinlich auf der Wanderschaft durch das Innviertel und das Salzkammergut die Arbeiten von Thomas → Schwanthaler und Meinrad → Guggenbichler kennen. Seit 1674 im Stift Stams t¨atig, schuf er 1676 eine Statue des Auferstandenen Christus f¨ur die Kirche in Ried und vor 1693 einen Choraltar f¨ur Birkenberg. Als seine fr¨uheste erhaltene Arbeit gelten die 1684 fertiggestellten Holzstatuen tirolischer Landesf¨ursten in der F¨urstengruft der Stiftskirche Stams. D. ersetzte als erster Bildhauer Tirols gotische Stilelemente durch barocke Formen. C NDB Damaschke, Adolf (Wilhelm Ferdinand), Politiker, National¨okonom, * 24. 11. 1865 Berlin, † 30. 7. 1935 Berlin. Der Sohn eines Tischlermeisters hatte als Volksschullehrer in Berliner Arbeitervierteln die sozialen Mißst¨ande und die Wohnungsnot kennengelernt. Als Redakteur des „Naturarztes“ und als Herausgeber des „Gesundheitskalenders“ widmete er sich Fragen der Sozialhygiene und als Redakteur der Wochenschrift „Frei Land“ der Sozialpolitik. 1896 schied D. aus dem Schuldienst aus und war als freier Publizist t¨atig. Im gleichen Jahr geh¨orte er zu den Gr¨undern des Nationalsozialen Vereins. 1898 rief D. den Bund Deutscher Bodenreformer ins Leben, dessen Vorsitzender er bis 1935 war, und vertrat – beeinflußt von Henry George und Michael → Fl¨urscheim – die Lehre, daß Grund und Boden dem freien Marktsystem entzogen und das private Bodeneigentum beschr¨ankt werden m¨usse. D. gab die „Bl¨atter f¨ur Bodenreform“ heraus und ver¨offentlichte u. a. Die Bodenreform (1902, 201922) und Zur Einf¨uhrung in die Heimst¨attenbewegung (1920). Er u¨ bte großen Einfluß auf die Steuer- und

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Damasus Bodenvorratspolitik der Gemeinden sowie auf die Entstehung der Bauspargenossenschaften aus. 1924 erschien Aus meinem Leben. Ein Berliner Junge (2 Bde., Neuausg. 1927, 1931 unter dem Titel Lebensweg eines Großstadtjungen), 1925 Zeitwende. Zweiter Teil der Lebenserinnerungen (1934 unter dem Titel Ein Leben f¨ur Nation und Sozialismus). C DLL, 20. Jh.

Damasus II., eigentl. Poppo, Papst, † 9. 8. 1048 Palestrina. Der aus bayerischem Adel stammende D. wurde von K¨onig → Heinrich III. gef¨ordert und 1039 / 40 zum Bischof von Brixen ernannt. 1046 war er Teilnehmer an den Synoden von Pavia, Sutri und Rom. Nach dem Tod Papst → Clemens’ II. wurde er um Weihnachten 1047 in P¨ohlde von Heinrich III., der sich auf sein Amt des Patricius berief, gegen¨uber einer r¨omischen Gesandtschaft zum Nachfolger bestimmt. Auf massives Dr¨angen Heinrichs wurde D. von Markgraf Bonifaz I. von Tuscien, der ein Parteig¨anger des abgesetzten Benedikt IX. war, nach Rom geleitet und dort 1048 konsekriert. Wenige Wochen sp¨ater starb D. an Malaria. C LexMA

Dambacher, Josef, Archivar, * 11. 1. 1794 Rastatt, † 18. 3. 1868 Karlsruhe. Zun¨achst Lehrer an den Gymnasien in Freiburg, Konstanz und Rastatt, wurde D. 1828 Assessor und 1834 Archivrat am großherzoglichen Generallandesarchiv in Karlsruhe. Er war an der Herausgabe der „Zeitschrift f¨ur die Geschichte des Oberrheins“ beteiligt. In der von ihm mitedierten Quellensammlung der badischen Landesgeschichte ver¨offentlichte D. u. a. Urkunden zur schw¨abischen Geschichte.

Damberger, Joseph Ferdinand, Jesuit, Theologe, Historiker, * 1. 3. 1795 Passau, † 1. 5. 1859 Sch¨aftlarn. Nach Studien an der Univ. Landshut und in Salzburg empfing D. 1818 die Priesterweihe, wurde Stiftspfarrer in Landshut, Dorfpfarrer im bayerischen Gebirge und schließlich Offiziant und Stiftsprediger an St. Cajetan in M¨unchen. 1837 trat er in die Gesellschaft Jesu ein, wurde in die Schweiz entsandt und war dort bis zur Vertreibung der Jesuiten nach der Niederlage des Sonderbunds 1847 Lehrer der Kirchengeschichte in Luzern. Anschließend in Innsbruck und Regensburg t¨atig, war er seit 1853 Beichtvater im Kloster Sch¨aftlarn bei M¨unchen. Seine Synchronistische Geschichte der Kirche und der Welt arbeitete er bis zur Zeit Kaiser → Karls IV. aus; der letzte, 15. Band erschien postum 1865. C TRE Dambmann, Georg Peter, Beamter, Publizist, * 17. 3. 1761 Darmstadt, † 7. 7. 1826 Darmstadt. Nach theologischen Studien an den Universit¨aten Gießen und Jena wurde D. Hauslehrer in Frankfurt / Main, studierte an der Juristischen Fakult¨at der Univ. Jena und wurde dort promoviert. Anschließend Gesch¨aftstr¨ager der Reichsgrafschaft Wetterau am Rastatter Kongreß und am Regensburger Reichstag, wurde er sp¨ater Sekret¨ar des Ministers Johann Philipp Graf von → Stadion in Wien und war zuletzt Direktor des Darmst¨adter Hoftheaters. D. gab u. a. W. K¨osters poetischen Nachlaß (1807) heraus, war als Kritiker t¨atig ¨ und verfaßte Gedichte, Ubersetzungen und Schriften zum Theater, darunter Freym¨uthige Briefe u¨ ber die neue Schauspielergesellschaft in Frankfurt am Main (1792). Dambroth, Manfred, Agrarwissenschaftler, * 20. 6. 1935 Wriezen (Brandenburg), † 13. 4. 1994 Braunschweig. D., Sohn eines Gutsinspektors, studierte nach Abschluß einer landwirtschaftlichen Ausbildung in G¨ottingen, arbeitete seit 1963 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut f¨ur Pflanzenbau und Saatgutforschung der Bundesforschungsanstalt f¨ur Landwirtschaft in Braunschweig-V¨olkenrode und wurde

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1967 in Gießen mit der Arbeit Der Einfluß von Umwelt und pflanzenbaulichen Maßnahmen auf die spezifische Widerstandsf¨ahigkeit von Kartoffelknollen gegen mechanische Belastungen promoviert. 1976 u¨ bernahm er als Professor die Leitung des Instituts f¨ur Pflanzenbau in BraunschweigV¨olkenrode, 1986 / 87 pr¨asidierte er der Bundesanstalt. Mit seinem Namen ist das Konzept einer integrierten Landbewirtschaftung unter Einbeziehung des Naturschutzes verbunden. Das von ihm geleitete Institut geh¨ort zum weltweiten Netzwerk von Sammlungen pflanzengenetischer Ressour¨ cen. Neben zahlreichen Uberblicksdarstellungen in Fachzeitschriften ver¨offentlichte D. Alternativen im Landbau (1978), Flachs. Z¨uchtung, Anbau und Verarbeitung (mit Reinhard Seehuber, 1988) und Pflanzenbauliche und landschafts¨okologische Auswirkungen stillgelegter Fl¨achen (1993). C B¨ohm

Damerow, Erich, Politiker, * 14. 7. 1886 Glienke (Kr. Bromberg), † 14. 2. 1972 Berlin. D. studierte 1907-10 Rechts- und Staatswissenschaften an den Universit¨aten Berlin, M¨unchen und Kiel und wurde 1911 in Erlangen promoviert. Nach dem Kriegsdienst war er Hilfsrichter und Magistratsassessor in Bromberg und Cottbus und schloß sich 1919 der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) an. Seit 1920 Stadtrat, seit 1922 B¨urgermeister von Zerbst, war er 1924-33 Oberb¨urgermeister von K¨othen und bet¨atigte sich nach der Absetzung durch die Nationalsozialisten als Angestellter und Syndikus. 1945 geh¨orte er zu den Begr¨undern der Demokratischen Volkspartei in Halle, die sich der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands (LDPD) anschloß, und wurde Pr¨asidialdirektor bei der Provinzverwaltung Sachsen, 1946-50 Vizepr¨asident der Provinz Sachsen, Minister f¨ur Land- und Forstwirtschaft sowie Justizminister des Landes Sachsen-Anhalt. 1947-49 war er Stellvertretender Vorstand seiner Partei. D. ging 1951 nach Berlin und war u. a. als Justitiar im Finanzministerium der DDR t¨atig. C DDR

Damerow, Heinrich Philipp (August), Psychiater, * 28. 12. 1798 Stettin, † 22. 9. 1866 Nietleben bei Halle. W¨ahrend des Medizinstudiums an der Univ. Berlin studierte D. auch bei → Schleiermacher und → Hegel, war Psychiatrie-Student Anton Ludwig Horns und praktizierte bei Karl Georg → Neumann an der Stettiner Psychiatrischen Anstalt. Nach der Promotion 1821 (Quomodo et quando medicinae theoria vera) unternahm er eine Studienreise u. a. nach Paris, f¨uhlte sich in seiner Skepsis gegen¨uber dem Experiment (Fran¸cois Magendie) best¨atigt, habilitierte sich 1827 in Berlin, erhielt 1830 eine außerordentliche Professur in Greifswald und besuchte als Berater des Kultusministeriums die Psychiatrischen Anstalten in Colditz, Leubus, Brieg, Wien, Sonnenstein und Plagwitz. Seit 1836 leitete er die Irrenanstalt Halle, beteiligte sich seit 1839 an der Reorganisation der Psychiatrischen Abteilung der Berliner Charit´e und er¨offnete 1844 die neue Anstalt Nietleben. 1844 wurde er Herausgeber der von ihm initiierten „Allgemeinen Zeitschrift f¨ur Psychiatrie“. 1858 wurde D. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina gew¨ahlt. Neben seinen ¨ Leistungen auf organisatorischem Gebiet (Uber die relative Verbindung von Irrenheil- und Pflegeanstalten, 1840) f¨uhrte er, als Sp¨atromantiker den reinen Somatismus seiner Zeitgenossen ablehnend, neue Denkans¨atze in die Psychiatrie ein und entwarf eine von Hegel beeinflußte Geschichte der Medizin (Die Elemente der n¨achsten Zukunft der Medicin, entwickelt aus der Vergangenheit und Gegenwart, 1829). WEITERE WERKE: Der Mensch und die menschliche Seele. Berlin 1830. – Sefeloge. Eine Wahnsinns-Studie. Halle 1853. Dietrich von Engelhardt

Dammert ¨ Damm, Christian Tobias, auch Theodor Klema, Ubersetzer, * 9. 1. 1699 Geithain bei Leipzig, † 27. 5. 1778. Nach dem Abschluß der Studien an der Univ. Halle (1717-19) und Hauslehrert¨atigkeit wurde D. 1724 Lehrer am Waisenhaus in Halle und folgte 1730 einer Berufung als Konrektor an das K¨ollnische Gymnasium in Berlin, dessen Rektor er 1742 wurde. Er schrieb wissenschaftliche und erbauliche Abhandlungen, gab ein griechisches etymologi¨ sches Lexikon heraus und trat mit einer Reihe von Ubersetzungen aus dem Lateinischen und dem Griechischen an ¨ die Offentlichkeit. Heftig diskutiert wurde Das Neue Testament, von neuem uebersetzt und mit Anmerkungen begleitet (1764 / 65), das ihn in Verbindung mit den Sozinianern brachte. C Killy

Dammann, Anna, Schauspielerin, * 19. 9. 1912 Hamburg, † 30. 9. 1993 M¨unchen. D. nahm 1930-32 bei Albrecht → Schoenhals Schauspielunterricht, deb¨utierte als Brunhild in → Hebbels Nibelungen und kam u¨ ber Frankfurt / Oder, Wuppertal, Stuttgart und D¨usseldorf 1937 an Heinz → Hilperts Deutsches Theater nach Berlin, wo sie bis 1944 in vielen klassischen Frauenrollen zu sehen war (Antigone, Maria Stuart, Thekla, Kassandra, Kleopatra, Jungfrau von Orl´eans). Nach dem Zweiten Weltkrieg geh¨orte sie bis 1953 zum Ensemble des M¨unchner Residenztheaters, anschließend trat sie u. a. bei Freilichtauff¨uhrungen in Bad Hersfeld, Bad Gandersheim und Schw¨abisch Hall auf. Ihre B¨uhnenlaufbahn beendete D. in G¨ottingen. Vornehmlich in den dreißiger Jahren spielte sie zahlreiche Filmrollen. C Munzinger

Dammann, Hans, Bildhauer, * 16. 6. 1867 Proskau (Schlesien), † 15. 5. 1942 Berlin. Der Sohn Karl → D.s studierte an der TH Hannover und an der Hochschule der bildenden K¨unste in Berlin. Seit 1895 hatte er in Berlin ein eigenes Atelier, wo er vor allem Grabm¨aler schuf, u. a. f¨ur den Campo Santo in Mailand sowie f¨ur Friedh¨ofe in Ungarn, Schweden und S¨udamerika. Daneben entstanden Bildnisb¨usten und Kriegerdenkm¨aler. C AKL

Dammann, Karl (Johann Christian), Veterin¨armediziner, * 22. 10. 1839 Greifswald, † 1. 6. 1914 Baden-Baden. D., Sohn eines Schmiedemeisters, studierte Human- und Veterin¨armedizin an den Universit¨aten Greifswald und Berlin (Promotion 1862, De tumorum ovarii diagnosi differentiali) und wurde anschließend Kreistierarzt in Cottbus. 1865 folgte er einer Berufung an die Landwirtschaftliche Akademie in Proskau und wurde 1869 Professor. 1873 wechselte er an die Landwirtschaftliche Akademie in Eldena, wirkte 1874-80 als Pr¨asident des Deutschen Veterin¨arrats und kam 1877 an die Tier¨arztliche Hochschule in Hannover, deren Direktor er 1881-1912 war. D. befaßte sich vor allem mit Veterin¨arhygiene, errichtete in Hannover das Hygienische Institut und ver¨offentlichte u. a. Die Nothwendigkeit und die Grundz¨uge eines einheitlichen Viehseuchen-Gesetzes f¨ur das deutsche Reich (1875), Die Gesundheitspflege der landwirtschaftlichen Hauss¨augethiere (1886, 31902) und Untersuchungen u¨ ber die Beziehungen zwischen der Tuberkulose der Menschen und der Tiere (1905). Der Vater Hans → D.s war 1876-80 nationalliberaler Abgeordneter im Preußischen Landtag. C Leb Nieders, Bd 5

Dammann, Oswald, Bibliothekar, * 17. 1. 1893 Quedlinburg, † 22. 3. 1978 Karlsruhe. D. studierte an den Universit¨aten Freiburg, M¨unchen und Marburg (Dr. phil.), begann 1919 seine Bibliothekslaufbahn an der Universit¨atsbibliothek Freiburg / Breisgau, wurde 1926 Bibliotheksrat in Heidelberg und u¨ bernahm dort 1953 die Leitung des Universit¨atsarchivs. Neben seiner Herausgebert¨atigkeit (u. a. Theodor → Fontanes Meine Kinderjahre,

1949) verfaßte er philologische, bio- und bibliographische Arbeiten, darunter Aus den Papieren der Basseschen Buchhandlung. Ein Beitrag zur Fr¨uhgeschichte der deutschen Philologie (1924).

Dammeier, (Georg) Rudolf, Maler, * 18. 1. 1851 Berlin, † 12. 6. 1936 Berlin. D. studierte 1871-75 an der Berliner Bauakademie, anschließend bis 1878 bei Karl → Gussow an der Berliner Kunstakademie und 1879 / 80 bei Ernst → Hildebrand an der Karlsruher Kunstschule; 1890-93 lebte er in M¨unchen. Er beschickte seit 1880 die Berliner Akademieausstellungen, seit 1896 auch die dortigen Großen Kunstausstellungen, sp¨ater die Berliner Sezession, die Ausstellungen im M¨unchner Glaspalast sowie die Deutschnationale Ausstellung in D¨usseldorf. Zuletzt war er Leiter der Zweiten Malklasse der Berliner Kunstakademie. D. malte Genreszenen, Bildnisse, Stilleben und Landschaften, darunter Beim Fr¨uhschoppen (1908). C AKL

Dammer, Karl, Dirigent, * 2. 1. 1894 Wuppertal, † 3. 2. 1977 M¨unsterlingen (Schweiz). Am St¨adtischen Musikkonservatorium in Straßburg war D. Sch¨uler von Hans → Pfitzner; unter Otto → Klemperer begann er als Chordirektor und Kapellmeister am K¨olner Opernhaus seine Berufslaufbahn. Ein kurzes Engagement in Riga wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen; seit 1919 war er als Kapellmeister und musikalischer Oberleiter in Trier, Aachen, Bremen und Berlin t¨atig, ehe ihn 1939-44 – mittlerweile Generalmusikdirektor – sein Weg an die K¨olner Oper zur¨uckf¨uhrte. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand D. bis 1949 als amerikanischer Oberleiter in Bonn unter Vertrag, danach wirkte er bis ins hohe Alter als Gastdirigent bei Rundfunk-Produktionen und Symphoniekonzerten des In- und Auslandes. 1973 erwarb er die Schweizer Staatsangeh¨origkeit. C Fellerer, 9. Folge

Dammer, Otto, Politiker, Chemiker, * 20. 4. 1839 Stettin, † 18. 10. 1916 Berlin-Friedenau. Von Beruf Chemiker, kam D. auf Einladung des Leipziger Arbeiterbildungsvereins nach Leipzig und entfaltete eine umfangreiche Vortragst¨atigkeit. Gemeinsam mit zwei Genossen spaltete er von dem nationalliberal-b¨urgerlich orientierten Arbeiterbildungsverein den „Verein Vorw¨arts“ ab, der zum Vorl¨aufer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins wurde. Dessen Pr¨asident Ferdinand → Lassalle berief D. 1863 zu seinem Stellvertreter. Nach Lassalles Tod 1864 legte D. seine politische Arbeit nieder und widmete sich wieder seinem Beruf als Chemiker. Er publizierte neben zahlreichen chemischen Arbeiten (u. a. Handbuch der anorganischen Chemie, 4 Bde., 1892-1902; Chemische Technologie der Neuzeit, 3 Bde., 1910 / 11) ein Handbuch der Arbeiterwohlfahrt (2 Bde., 1902 / 03). C NDB

Dammers, Friedrich, Milit¨ar, * 6. 9. 1818 Nienburg / Weser, † 15. 5. 1887 Dresden. D. trat 1835 in die hannoversche Armee ein und besuchte 1840-44 die Generalstabsakademie. 1858 wurde er Bataillonskommandeur, 1864 in Holstein Kommandant von Rendsburg. K¨onig → Georg V. von Hannover berief ihn 1866 in die Zweite Kammer der allgemeinen St¨andeversammlung, ernannte ihn nach Kriegsbeginn zu seinem Generaladjutanten und u¨ bertrug ihm nach der Kapitulation der Armee die Verantwortung f¨ur die Entpflichtung der hannoverschen Offiziere. D. lebte sp¨ater in Pirna und Dresden in enger Verbindung mit K¨onig Georg. Dammert, (Karl) Rudolf, Verleger, Journalist, * 5. 8. 1879 Bruchsal (Baden), † 9. 11. 1946 Hinterzarten bei Freiburg / Breisgau. Nach dem Abschluß der Universit¨atsstudien in Freiburg / Breisgau und Berlin war D. 1904-06 Redakteur der

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Damrosch „Wormser Volkszeitung“, anschließend des „Berliner LokalAnzeigers“ und der „M¨unchener Allgemeinen Zeitung“. 1908 / 09 gab er die w¨ochentlich erscheinende „Allgemeine Zeitung“ heraus und war 1909 / 10 Chefredakteur der „W¨urttemberger Zeitung“ in Stuttgart. D. siedelte 1910 nach Berlin u¨ ber, gr¨undete dort Redaktionsb¨uros f¨ur die deutsche Presse, einen Korrespondenz-Verlag und 1912 das Nachrichtenb¨uro „Deutscher Telegraf“, das im folgenden Jahr mit dem Hirschb¨uro zur Telegraphen-Union verschmolzen wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er zuletzt Pressechef in Rum¨anien war, gr¨undete er verschiedene Buch- und Zeitschriftenverlage, Werbeagenturen sowie den „Presseverlag Dr. Rudolf Dammert“, den gr¨oßten Pressedienst seiner Zeit. In den dreißiger Jahren dehnte er seine Aktivit¨aten auf den internationalen Markt aus und erweiterte sein Unternehmen u. a. um eine Reiseagentur. D. verfaßte Feuilletons, wirtschaftspolitische Studien sowie u. a. das Drama Das Geld der Anderen (1911). C DLL, 20. Jh.

Damrosch, Frank Heino, Dirigent, Musikp¨adagoge, * 22. 6. 1859 Breslau, † 22. 10. 1937 New York. Der Sohn von Leopold → D. und Bruder Walter → D.s studierte Komposition bei seinem Vater und bei Moritz Mozkowski sowie Klavier bei Rafael → Joseffy, Johann → Vogt, Dionys → Pruckner und Ferdinand von Inten. 1882-85 war er Dirigent des Chorus Clubs in Denver und 1884 / 85 der Musikinspektor der dortigen o¨ ffentlichen Schulen. D. dirigierte 1885-91 den Chor der Metropolitan Opera in New York, seit 1893 die von ihm dort gegr¨undete Musical Art Society und leitete daneben mehrere Ch¨ore sowie 1898-1912 die von seinem Vater gegr¨undete Oratorio Society New York. 1897-1905 Musikdirektor f¨ur o¨ ffentliche Schulen, u¨ bernahm er 1905 die Direktion des New Yorker „Institute of Musical Art“. Vor allem als Musikp¨adagoge t¨atig, schrieb D. u. a. Popular Method of Sight-Singing (1894) und Some Essentials in the Teaching of Music (1916). C MGG

Damrosch, Leopold, Dirigent, Musiker, Komponist, * 22. 10. 1832 Posen, † 15. 2. 1885 New York. Nach dem Studium der Medizin in Berlin (Promotion 1954) bildete sich D., Sohn eines Restaurators, zum Musiker aus und war zun¨achst als Geiger und Musikdirektor kleiner B¨uhnen auf Reisen. 1857 wurde er Violinist an der Hofkapelle Weimar, trat in Verbindung mit Franz → Liszt, Hans von → B¨ulow und Peter → Cornelius und war 1858-60 Dirigent der Philharmonischen Gesellschaft in Breslau, wo seine S¨ohne Frank Heino und Walter → D. geboren wurden. D. richtete in Breslau Quartettsoireen ein, gr¨undete 1862 einen Orchesterverein und setzte sich besonders f¨ur die Musik Hector Berlioz’, Richard → Wagners und Liszts ein, der ihm seinen Triomphe fun`ebre du Tasso widmete. 1871 folgte er einer Berufung als Dirigent des M¨annergesangvereins Arion nach New York und gr¨undete 1873 die Oratorio Society, 1878 die New York Symphony Society. 1884 setzte D. die Er¨offnung der Deutschen Oper an der Metropolitan Opera in New York durch, deren Dirigent er bis zu seinem Tod war. C MGG

Damrosch, Walter (Johannes), Dirigent, Komponist, * 30. 1. 1862 Breslau, † 22. 12. 1950 New York. Der Sohn Leopold → D.s und Bruder Frank Heino → D.s wurde vor allem bei seinem Vater musikalisch ausgebildet; 1897 erhielt er Privatunterricht im Dirigieren bei Hans von → B¨ulow in Frankfurt / Main. 1881 wurde er Dirigent der Harmonic Society in Newark, 1884 Assistent seines Vaters an der Metropolitan Opera und nach dessen Tod Dirigent der Oratorio Society (1885-94, 1917-21) sowie der New York Symphony Society (1885-94, 1902-28). D. gr¨undete und leitete 1894-99 die Damrosch Opera Company; 1900-02 dirigierte er → Wagner-Opern an der Metropolitan Opera, sp¨ater

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das New Yorker Philharmonische und das New Yorker Symphonische Orchester. 1927-42 wirkte D. als musikalischer Berater der NBC und widmete sich in der musikp¨adagogischen Sendung „Music Appreciation Hour“ der Musikpflege im Radio. Er komponierte Lieder, Violinsonaten und zwei Opern, darunter The Scarlet Letter (1896). 1923 ver¨offentlichte er My Musical Life (31935). C MGG

Damsch, Otto, Mediziner, * 23. 6. 1855 Berlin, † 10. 3. 1934. D. studierte 1873-79 an den Universit¨aten Berlin und G¨ottingen (Promotion 1880, Ueber die pathologisch-anatomischen Processe in den Lungen bei F¨utterungstuberculose), habilitierte sich 1882 in G¨ottingen f¨ur Innere Medizin und wurde 1884 Prof. an der dortigen Medizinischen Poliklinik. 1906 gr¨undete er in G¨ottingen die F¨ursorgestelle f¨ur Tuberkul¨ose, wurde zum Geheimen Medizinalrat ernannt und vom preuß. Kultusministerium zur Behandlung des Schahs von Persien nach Teheran entsandt. Nach seiner R¨uckkehr 1907 u¨ bernahm er neben seiner Professur die Leitung der von ihm ins Leben gerufenen F¨ursorgestelle, die er auch nach seiner Emeritierung 1923 beibehielt. D. arbeitete am Lehrbuch der ¨ Greisenkrankheiten (1909) mit und schrieb u. a. Uber die Bewegungsvorg¨ange am menschlichen Herzen (1897) und Die Krankheiten der Knochen, Muskeln und Gelenke (1901). ¨ 2, 3 C Arzte

Danckelmann, Alexander (Sylvester Flavius Ernst) Frh. von, Geograph, Meteorologe, * 24. 11. 1855 Gordemitz bei Eilenburg, † 30. 12. 1919 Schwerin. D., Sohn eines Hauptmanns, studierte an den Universit¨aten Jena und Leipzig, wo er 1880 zum Dr. phil. promoviert wurde. 1878 wurde er Vorstand der Prognoseabteilung des S¨achsischen Meteorologischen B¨uros in Leipzig und nahm im folgenden Jahr an der Expedition Alexander Sibiriakoffs an Bord der „Nordenski¨old“ teil, die jedoch bereits vor Hokkaido scheiterte. 1882-84 bereiste er den unteren Kongo, Angola sowie Mossamedes und begr¨undete die meteorologische Erfoschung des s¨udwestlichen Afrika. Seit 1885 Generalsekret¨ar der Gesellschaft f¨ur Erdkunde in Berlin, war D. 1889-1911 Mitglied des Reichskolonialamts und 1888-1911 Herausgeber der „Mitteilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen Schutzgebieten“. Er ver¨offentlichte u. a. Regen, Hagel und Gewitter im Indischen Ozean nach den meteorologischen Schiffsjournalen der Deutschen Seewarte (1880), Meteorologische Beobachtungen. Ihre Wichtigkeit und Durchf¨uhrung in wenig erforschten Gebieten (1883) und Das Congo-Gebiet (1884). C NDB

Danckelmann, Bernhard (Engelbert Joseph), Forstwirt, * 5. 4. 1831 Obereimer bei Arnsberg, † 19. 1. 1901 Eberswalde. Der Sohn eines Forstmeisters besuchte 1850-52 die Forstakademie Eberswalde und studierte Rechtswissenschaften an der Univ. Berlin. Anschließend mit Taxationsarbeiten und der Leitung der Oberf¨orsterei Hambach im Bezirk Aachen betraut, wurde er 1864 zur Regierung nach Potsdam und 1866 als Direktor der Forstakademie nach Eberswalde berufen. Neben der administrativen und wissenschaftlichen Leitung der Akademie f¨orderte er das preuß. Forst-Versuchsund Forst-Vereinswesen und wirkte entscheidend an der Neufassung des B¨urgerlichen Gesetzbuchs, der Forstgesetzgebung und der Hochzollpolitik mit. D. begr¨undete die „Zeitschrift f¨ur Forst- und Jagdwesen“ und schrieb u. a. Die Abl¨osung und Regelung der Waldgrundgerechtigkeiten (3 Tle., 1880-88), Gemeindewald und Genossenwald. Ein Beitrag zur Beurteilung des preußischen Gesetzes u¨ ber gemeinschaftliche Holzungen vom 14. M¨arz 1881 (1882) und Die deutschen Nutzholzz¨olle. Eine Waldschutzschrift (1883). C Biogr Jahrb, Bd 6

Danckwortt Danckelmann, Daniel Ludolf Frh. von, Beamter, * 8. 10. 1648 Lingen / Ems, † 14. 2. 1709 Berlin. Der Sohn eines Obersten Landrichters und oranischen Rats wurde nach rechtswissenschaftlichen Studien an der Univ. Heidelberg von Kurf¨urst → Friedrich Wilhelm von Brandenburg zum Erzieher seines Sohns, des Markgrafen Ludwig, nach Berlin berufen. Seit 1675 war er Mitglied der halberst¨adtischen Regierung und Kammerrat des Prinzen. Nach dessen Tod 1681 blieb D. in den Diensten der Witwe, wurde 1685 vom Großen Kurf¨ursten zum Hof- und Kammergerichtsrat, 1688 von Kurf¨urst → Friedrich III. zum Geheimen Kabinettsrat und Maˆıtre des Requˆetes ernannt und 1694 zum Kurator der neugegr¨undeten Univ. Halle bestellt. Nach dem ¨ Sturz seines Bruders Eberhard von → D. aus seinen Amtern entfernt, war D. 1698-1701 Oberdirektor des F¨urstentums Halberstadt. 1702 kehrte er als Pr¨asident des Konsistoriums nach Berlin zur¨uck. C NDB

Danckelmann, Eberhard (Christoph) Frh. von, Staatsmann, * 23. 11. 1643 Lingen / Ems, † 31. 3. 1722 Berlin. Nach dem Besuch des Steinfurter Gymnasiums wurde D., Bruder von Daniel Ludolf von → D., als Zw¨olfj¨ahriger in Utrecht Lizentiat der Rechte. Seit 1663 Erzieher, seit 1674 Ratgeber des sp¨ateren Kurf¨ursten → Friedrich III. von Brandenburg in Berlin, wurde er nach dessen Regierungsantritt 1688 zum Wirklichen Geheimen Staats- und Kriegsrat ernannt und nahm praktisch die Stelle eines leitenden Ministers ein. 1695 wurde er zum Premierminister und Oberpr¨asidenten aller Landeskollegien ernannt. D. setzte die vom Großen Kurf¨ursten begonnene Zentralisierung der Staatsverwaltung durch eine zentrale Finanzbeh¨orde und die Umgestaltung des Geheimen Rats zu einer f¨ur alle preuß. Provinzen zust¨andigen Oberbeh¨orde fort. An der Gr¨undung der Univ. Halle (1694) und der Akademie der K¨unste in Berlin (1696) hatte er maßgeblichen Anteil. Durch seinen strengen Calvinismus und seine Ablehnung der barocken Hofpracht zog sich D. den Unwillen der Kurf¨urstin → Sophie Charlotte zu, die 1697 ohne gerichtliches Verfahren seine Verhaftung und die Beschlagnahme seines Verm¨ogens veranlaßte. Erst 1707 wurde D. entlassen und 1713 von → Friedrich WilC Leb Westfalen, Bd 4 helm I. rehabilitiert.

Danckelmann, Karl Ludolph Frh. von, Staatsmann, * 12. 10. 1699 Halle, † 13. 12. 1764 Berlin. Der Sohn des Regierungspr¨asidenten von Magdeburg und Neffe von Eberhard von → D. war nach dem Jurastudium in Halle Kammerjunker des englischen K¨onigs, dann Oberhofgerichtsrat in Marburg, 1731-36 als Geheimer Justizrat preuß. Gesandter beim Reichstag in Regensburg. 1740-48 wirkte er f¨ur Hessen-Kassel als Geheimer Staatsminister und Pr¨asident der Kollegien der Grafschaft Hanau. 1748 an den preuß. Hof zur¨uckgekehrt, wurde D. Wirklicher Geheimer Staatsminister, Pr¨asident des Geheimen Justizrats und Lehendirektor. Sp¨ater u¨ bernahm er auch den Vorsitz des geistlichen Departements, das Pr¨asidium des EvangelischLutherischen Oberkonsistoriums sowie die Oberaufsicht u¨ ber die Schulen, Universit¨aten und die Kgl. Bibliothek. Seit 1754 war er Mitglied der Preuß. Akademie der Wissenschaften. Mit der Beseitigung von Rechtsmißbr¨auchen und der Einf¨uhrung einer neuen Prozeßordnung setzte D. eine Reform des Rechtswesens in Schlesien durch. Die lange Zeit erfolglos geforderte Religionsfreiheit vermochte er in die C NDB Praxis umzusetzen.

Danckelmann, Silvester Jacob Frh. von, Jurist, * 2. 11. 1640 Lingen (Westfalen), † 5. 8. 1695 Berlin. Seine in den Niederlanden begonnenen Studien der Rechtswissenschaften setzte D., Bruder von Daniel Ludolf und Eberhard von → D., in Heidelberg fort und wurde dort 1659

promoviert. Nach einem Praktikum am Reichskammergericht Speyer bildete er sich 1660 / 61 auf Reisen durch Europa, wurde 1662 Prof. an der Juristischen Fakult¨at der Hohen Schule Burgsteinfurt, 1666 in Heidelberg und 1671 an der Univ. Franeker, ehe er 1674 die Vertretung des Großen Kurf¨ursten → Friedrich Wilhelm von Brandenburg am Reichskammergericht Speyer u¨ bernahm. 1688 wurde D. Bevollm¨achtigter Kurbrandenburgs am Reichstag zu Regensburg, 1690 Pr¨asident des Kammergerichts und Konsistoriums in Berlin.

Danckert, Werner, Musikwissenschaftler, * 22. 6. 1900 Erfurt, † 5. 3. 1970 Krefeld. D. studierte Naturwissenschaften und Mathematik an der Univ. Jena sowie Musikwissenschaften bei Hugo → Riemann, Arnold → Schering und Hermann → Abert in Leipzig und war 1922-26 Assistent am Musikwissenschaftlichen Institut der Univ. Erlangen. 1926 habilitierte er sich an der Univ. Jena (Personale Typen des Melodiestils, ver¨offentlicht 1933), lehrte 1929-32 am Musikp¨adagogischen Seminar in Weimar und wurde 1937 zum Prof. ernannt. Im gleichen Jahr ging er als Dozent nach Berlin und wurde dort 1939 Lektor, 1943 Professor; 1943-45 lehrte er in Graz. Seit 1950 lebte D., der u. a. am Projekt der Hohen Schule der NSDAP beteiligt war, als Musikp¨adagoge in Krefeld und unterrichtete an der Landeskirchenmusikschule Kaiserswerth. D. vero¨ ffentlichte u. a. Grundriss der Volksliedkunde (1939), Geschichte der Gigue (1924) und Das Volkslied im Abendland (1966). C MGG

Danckwardi, Dethlev, auch Danckwart, kath. Theologe, † April 1556. D. war zun¨achst Thesaurar, sp¨ater Vizedekan des Rostocker Domstifts und wurde 1517 Offizial des Archidiakonats, 1526 Archidiakon in Rostock. Seit 1531 Lizentiat der Theologie, erwarb er sp¨ater als bisch¨oflich schwerinischer Offizial zahlreiche Pfarren und Pfr¨unden. D. beteiligte sich an der ersten landesherrlichen Visitation in Mecklenburg 1534 / 35, galt aber gleichwohl als einer der entschiedensten Gegner der Reformation. Obgleich seit 1550 ein peinlicher Prozeß gegen ihn gef¨uhrt wurde, fand sein – heftig umstrittenes – feierliches Begr¨abnis in der luth. Jacobi-Kirche in Rostock statt. Danckwerth, Caspar, Historiograph, Topograph, * um 1607 Oldenswort bei Husum, † 1672 Husum. D., Sohn eines Schreibers und sp¨ateren B¨urgermeisters in Husum, studierte seit 1620 an verschiedenen deutschen Universit¨aten und praktizierte nach der Promotion an der Univ. Basel 1633 als Arzt in Husum, wo er 1641 B¨urgermeister wurde. Gemeinsam mit dem Kartographen Johann Mejer ver¨offentlichte er die historisch-topographische Landeskunde New Landesbeschreibung der zwey Hertzogt¨umer Schleswich und Holstein zusam vielen dabey geh¨origen Newen Landkarten (1652). 1891 erschien neuediert sein Bericht C SHBL, Bd 4 Helgoland einst und jetzt. Danckwortt, Peter (Walter Friedrich), Veterin¨armediziner, * 30. 10. 1876 Magdeburg, † 30. 3. 1962 Hannover. Der Apothekersohn erhielt 1903 die Approbation als Apotheker, wurde 1906 an der Univ. Leipzig promoviert (Kryoskopische Wertbestimmung von Drogen) und war seit 1907 diplomierter Nahrungsmittelchemiker. 1907 / 08 Mitarbeiter des Berliner Gesundheitsamtes, wurde er 1908 Assistent am Institut f¨ur technische Chemie der Univ. Jena und wechselte 1909 an das Pharmazeutische Institut der Univ. Breslau. 1912 habilitierte er sich dort f¨ur pharmazeutische Chemie und Nahrungsmittelchemie (Zur Kenntnis des Protopins und Kryptopins), erhielt 1918 den Titel Prof. und wurde 1920

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Dander Extraordinarius, 1921 Ordinarius f¨ur Chemie an der Tier¨arztlichen Hochschule in Hannover. D. wurde 1924 in Hannover zum Dr. med. vet. promoviert und nahm 1925-47 einen Lehrauftrag f¨ur Nahrungsmittelchemie und Toxikologie an der TH Hannover wahr. Er war Mitglied der Internationalen Akademie f¨ur kriminalistische Wissenschaften und vero¨ ffentlichte u. a. Sibirien und seine wirtschaftliche Zukunft (1921) und Lumineszenzanalyse im filtrierten ultravioletten Licht (1928, 71964). C MBL

Dander, Franz, Jesuit, Theologe, * 19. 2. 1901 Mies (Westb¨ohmen), † 2. 7. 1991 Innsbruck. D. studierte 1921-24 in Innsbruck Theologie und wurde 1925 zum Dr. theol. promoviert (Die Opferlehre des hl. Thomas von Aquin und ihr Verh¨altnis zu der des Albertus Magnus). 1924 zum Priester geweiht, begann er im folgenden Jahr sein Noviziat in St. Andr¨a. Seit 1927 lehrte er Ethik und Theodizee an der Univ. Innsbruck und habilitierte sich 1929 (Gottes Bild und Gleichnis in der Sch¨opfung nach der Lehre des hl. Thomas von Aquin). 1932-38 war er Pr¨afekt am Canisianum in Innsbruck, nach dessen Aufhebung durch die Nationalsozialisten 1938-45 Prof. f¨ur Theologie in der Schweiz. 1945-68 wirkte D. wieder als Spiritual am Canisianum und lehrte anschließend bis 1971 als Prof. am Klagenfurter Priesterseminar. D., ein Vertreter der Verk¨undigungstheologie, ver¨offentlichte u. a. Summarium Theologiae dogmaticae (1949-1954, 21960-1964). C LThK Dandl, Otto von, Politiker, * 13. 5. 1868 Straubing, † 20. 5. 1942. Nach dem Staatsexamen in M¨unchen und kurzer Anwaltst¨atigkeit in Regensburg wurde D. 1895 in das bayerische Justizministerium berufen, wo er bis 1906 mit der ¨ Uberleitung der Gesetzgebung zum BGB und der Grundbuchanlegung besch¨aftigt war. Aus dieser Zeit stammt seine umfangreiche Dienstanweisung f¨ur die bayerischen Grundbuch¨amter. 1906 in die Geheimkanzlei des Prinzregenten → Luitpold berufen, wurde D. Ministerialdirektor und 1912 unter → Ludwig III. Staatsrat und Kabinettschef. 1917 u¨ bernahm D. das Amt des Vorsitzenden im bayerischen Minister¨ rat und des Staatsministers des kgl. Hauses und des Außeren. Seit 1919 war er Pr¨asident des Landesfinanzamtes in W¨urzburg, 1929-33 in M¨unchen. C Sch¨arl

Dandler, Anna, Schauspielerin, * M¨arz 1864 Stuttgart, † 17. 9. 1930 Wiesbaden. Beeinflußt von Klara → Ziegler, wandte sich D., Tochter eines Chorf¨uhrers am Stuttgarter Hoftheater, der Schauspielkunst zu und erhielt 1880 ein Engagement am M¨unchner Hoftheater, wo sie als Marketenderin in Wallensteins Lager deb¨utierte. In zahlreichen St¨ucken verk¨orperte sie die erste Liebhaberin (Gretchen, K¨athchen, Emilia Galotti), mit zunehmendem Alter sah man sie in ernsten und heiteren M¨utterrollen. Daneel, Heinrich, Chemiker, * 2. 3. 1867 Teterow, † 17. 5. 1942 G¨ottingen. D. studierte Physik und Chemie und wurde 1897 in G¨ottingen mit der Arbeit Studien zur elektrolytischen Abscheidung von Metallen nach dem Faradayschen Gesetz promoviert. 1900-03 war er Privatdozent f¨ur Elektrochemie in Aachen, ging dann in die Schweiz und leitete 1908-11 den Versuchsbetrieb der Elektrischen Werke Lonza in Genf, seit 1911 dessen Zentrallabor in Basel. 1923-26 war D. Privatdozent in Rostock, seit 1926 in M¨unster; 1930 wurde er zum a. o. Prof. f¨ur Technische Chemie ernannt. Er publizierte in vier B¨anden das mehrfach aufgelegte und in verschiedene Sprachen u¨ bersetzte Lehrbuch Elektrochemie (1905-28) und gab 1904-08 das „Jahrbuch der Elektrochemie und angewandten physikalischen Chemie“ heraus.

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Danegger, Mathilde, eigentl. Deutsch, Schauspielerin, * 2. 8. 1903 Wien, † 27. 7. 1988 Berlin. Die Tochter des Stadttheater-Regisseurs Josef D. und einer Schauspielerin wuchs in Z¨urich auf. Nach ihrem ersten Engagement 1919 am Wiener Burgtheater spielte sie vornehmlich dort und an B¨uhnen in Br¨unn, Z¨urich und Berlin. 1933 emigrierte sie nach Z¨urich und wirkte 1934 in mehreren Programmen des Kabaretts „Cornichon“ mit. Seit 1938 war D. Ensemblemitglied des Schauspielhauses und u¨ berzeugte u. a. in Tolstojs Macht der Finsternis und Gerhart → Hauptmanns Fuhrmann Henschel. 1951 spielte sie am Hessischen Regionaltheater in Wiesbaden, anschließend siedelte sie nach Ost-Berlin u¨ ber und trat am Berliner Ensemble und am Deutschen Theater auf. C Exiltheater

Danek, Vinzenz Edler von Esse, Unternehmer, * 5. 4. 1826 Choltitz, † 19. 3. 1893 Prag. Nach kurzer Dienstzeit beim o¨ sterr. Genie-Korps studierte D., Sohn eines Brauers, 1843 / 44 Maschinenbau am Wiener Polytechnischen Institut und ließ sich anschließend in Prag nieder. Hier praktizierte er beim Mechaniker des Polytechnikums, begann 1852 eine Ausbildung bei der Prager Maschinenfabrik Breitfeld & Evans und gr¨undete 1854 gemeinsam mit Josef G¨otzl in Karolinental bei Prag die Maschinenbauanstalt Danek & Co. D. erkannte die Eignung des Zuckerr¨ubenanbaus f¨ur das Sudetenland, entwickelte sich bald zu einem anerkannten Fachmann f¨ur diesen Industriezweig und spezialisierte sein Unternehmen auf die Ausstattung von Zuckerfabriken. Als Techniker, Unternehmer und Mitbegr¨under der Ersten B¨ohmischen Zuckerraffinerie AG. in Modran hatte er großen Anteil am Aufstieg B¨ohmens zum Zentrum der europ¨aischen Zuckerherstellung in der zweiten H¨alfte des 19. Jahrhunderts. 1872 gliederte er seinem Unternehmen die Firma Breitfeld & Evans, sp¨ater Betriebe in Aussig, Prag, Blansko, Bozen und Schlan an. C NDB Danelius, Gerhard, Politiker, * 2. 4. 1913 Berlin, † 18. 5. 1978 Berlin. D., Sohn eines Bauklempners, trat 1928 in die KPD ein und arbeitete als Journalist f¨ur die „Rote Fahne“. 1933 emigrierte er in die Niederlande, 1936 nach Frankreich, wo er 1939 vor¨ubergehend interniert war und 1941 in der R´esistance t¨atig wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg besuchte er die Parteihochschule der SED in Berlin. 1962 u¨ bernahm D. im Westteil der Stadt die Leitung der dortigen SED-Bezirksverb¨ande, die 1969 in Sozialistische Einheitspartei Westberlins (SEW) umbenannt wurden. Dang, Johann Sebastian, Verleger, Publizist, * 6. 9. 1891 Bretzenheim bei Mainz, † 18. 8. 1958 Darmstadt. Nach dem Studium am P¨adagogischen Institut Darmstadt sowie an den Universit¨aten Gießen und Frankfurt / Main wurde D., Sohn eines Geometers, Lehrer. 1933 wegen seiner Mitgliedschaft in der Deutschen Friedensgesellschaft aus dem Staatsdienst entlassen, publizierte er w¨ahrend der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft Erz¨ahlungen und eine Mundart-Fibel. Ende 1945 u¨ bernahm er den Aufbau des „Darmst¨adter Echos“, f¨ur das er eine Lizenz als Herausgeber und Chefredakteur erhielt. D. wurde Ehrenvorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft. Er ver¨offentlichte u. a. Julius Maggihaff. Memoiren und Reflexionen eines S¨auglings (1956). C DLL, 20. Jh. Dangel, Thomas Michael Frh. von, Unternehmer, * 1742 Pasewalk (Pommern), † 21. 2. 1808 Falenty bei Warschau. Seit 1768 Sattlergeselle in Warschau, erregte D. die Aufmerksamkeit des polnischen K¨onigs Stanislaus August Poniatowski, unterhielt sp¨ater eine kleine Werkstatt und erwarb schließlich den B¨urgerbrief der Altstadt. Seit 1776 baute er mit seinen aus dem Heimatdorf nachgekommenen Geschwistern ein Unternehmen f¨ur Wagenbau auf. D. produzierte

Daniels mit englischen Maschinen und besch¨aftigte bald 300 Handwerker. 1783 wurde er zum Hofsattelmeister ernannt, 1792 geadelt und 1798 in den Freiherrenstand erhoben. C NDB

D’Angeri, Anna, eigentl. Anna Angermayer de Redenburg, S¨angerin, * 14. 11. 1853 Wien, † 14. 12. 1907 Triest. D’A. studierte Gesang bei Mathilde → Marchesi de Castrone in Wien und gab 1872 ihr Deb¨ut am Teatro Sociale in Mantua. Zu Beginn ihrer Karriere sang sie vor allem an italienischen B¨uhnen (1875 in Venedig, 1878-81 an der Mail¨ander Scala sowie in Rom, Florenz und Triest), 1873-77 gastierte sie j¨ahrlich an der Londoner Covent Garden Opera (wo sie u. a. an den englischen Erstauff¨uhrungen der → Wagner-Opern Lohengrin und Tannh¨auser teilnahm) und 1878-79 an der Wiener Hofoper. Als Interpretin wurde sie besonders von Giuseppe Verdi gesch¨atzt, in dessen Opern sie große Erfolge feierte, vor allem als Elvira in Ernani, als Leonore im Troubadour und als Elisabetta im Don Carlos. 1881 zog sich D’A. nach der Heirat mit Vittorio Dalem, dem Direktor des Teatro Rossetti in Triest, von der B¨uhne zur¨uck und trat nur noch gelegentlich auf. C Kutsch

Danhauser, Josef (Franz), o¨ sterr. Maler, * 18. 8. 1805 Wien, † 4. 5. 1845 Wien. Der Sohn eines M¨obeltischlers wurde nach der ersten Ausbildung bei seinem Vater Sch¨uler Peter → Kraffts an der Akademie der Bildenden K¨unste in Wien, studierte 1826 in Venedig, seit 1828 in Eger (Ungarn) und u¨ bernahm nach dem Tod des Vaters 1829 dessen Fabrik. Er schuf eigene Entw¨urfe f¨ur M¨obel, die durch die Verwendung von Elementen des Rokoko die Entwicklung des Wiener M¨obelstils im Biedermeier beeinflußten. Seit 1836 befaßte er sich u¨ berwiegend mit Malerei, wurde 1838 Korrektor, war 1838-44 a. o. Prof. an der Wiener Akademie und bereiste anschließend mit Rudolf von → Arthaber die Niederlande. D. schuf haupts¨achlich im b¨urgerlichen Milieu angesiedelte Genrebilder sowie genrehaft arrangierte Bildnisse bekannter Pers¨onlichkeiten (u. a. Liszt am Klavier, 1840). Er gilt als herausragendster Maler des Wiener Biedermeier. C AKL

Danhelovsky, Konstantin, Sammler, Publizist, * 14. 2. 1857 Donji-Miholjac (Slawonien), † 30. 9. 1939 Wien. D. studierte Rechtswissenschaften an der Univ. Wien, trat 1883 in die Wiener Statthalterei ein und wurde sp¨ater Hofrat beim Obersten Rechnungshof. Er unternahm zahlreiche Reisen ins europ¨aische Ausland, wurde vor allem als Theaterforscher und Kunstsammler bekannt und legte u. a. eine Kollektion von u¨ ber 50 000 Portr¨atphotographien an, die sich in ¨ der Theatersammlung der Osterreichischen Nationalbibliothek befinden. D. publizierte in Zeitschriften und Zeitungen, beteiligte sich an Ausstellungen und schrieb u. a. Auf Kurzstrecken des Humors (1936). C Kosch: Theater

Daniel I., Bischof von Prag, † 9. 8. 1167 bei Rom. D., Sohn eines Kanonikers, war nach Studien in Paris seit 1143 Dompropst in Prag, reiste 1146 als b¨ohmischer Gesandter nach Rom und wurde 1148 zum Bischof von Prag gew¨ahlt, im folgenden Jahr in Mainz geweiht. Er pflegte enge Beziehungen zu → Arnold von Wied (seit 1151 Erzbischof von K¨oln), → Wibald von Stablo und Ulrich von Steinfeld, war seit 1151 mehrmals als Mitglied des Reichsepiskopats am Hof der Staufer und vermittelte u. a. die Heirat des b¨ohmischen Herzogs Wladislaw II. mit Judith von Th¨uringen. 1157 als Gesandter B¨ohmens und des Kaisers in Ungarn, hielt er sich seit 1158 als kaiserlicher Diplomat in Italien auf und nahm seit 1159 im Schisma entschieden f¨ur die kaiserliche Kirchenpolitik Partei. D. f¨uhrte eine Mission an die P¨apste und eine Legation nach Ungarn durch, wurde

w¨ahrend des Zugs gegen Rom 1167 zum Hofrichter f¨ur Italien ernannt und starb noch im selben Jahr an der Malaria. C NDB ¨ Mediziner, * 13. 9. 1714 Daniel, Christian Friedrich d. A., Sondershausen, † 1771. D. studierte Medizin in Jena und Halle, ließ sich nach der Promotion 1742 (De specialissima medendi methodo, omnis feliciscurationis fundamento) als Arzt in Halle nieder, hielt Vorlesungen an der Univ. und wurde Leibarzt des F¨ursten von Schwarzburg-Sondershausen. Er verfaßte u. a. Beitr¨age zur medicinischen Gelehrsamkeit (3 Tle., 1749-55) und eine Sammlung medicinischer Gutachten und Zeugnisse u¨ ber Besichtigungen und Er¨offnungen todter K¨orper, die sein Sohn Christian Friedrich → D. d. J. 1776 / 77 publizierte.

Daniel, Christian Friedrich d. J., Mediziner, * 30. 11. 1753 Halle, † 28. 9. 1798 Halle. ¨ studierte D. Wie sein Vater Christian Friedrich → D. d. A., Medizin an der Univ. Halle, wurde 1777 promoviert und praktizierte dort bis zu seinem Tod als Arzt. Er ver¨offentlichte u. a. Institutionum medicinae publicae edendarum adumbratio (1778), Pathologie, oder Lehre von Krankheiten (2 Tle., 1794, 21800, zuerst lat. 1782) und Entwurf einer Handbibliothek der Staats- und gerichtlichen Arzneikunde (1785); daneben edierte er Schriften anderer Forscher, darunter die Nosologie von Fran¸cois Boissier de Sauvage (5 Bde., 1790-97). Daniel, Georg, Architekt, * 15. 1. 1829 Rehna, † 8. 4. 1913 Schwerin. D. studierte seit 1846 an der Polytechnischen Schule in Hannover, seit 1849 im Atelier von Friedrich → B¨urklein und an der Akademie bei Ludwig → Lange in M¨unchen. 1856-62 ¨ unternahm er mehrere Studienreisen nach Italien und Osterreich. 1854-57 war er mit Bauten f¨ur das Schweriner Schloß befaßt, u¨ bernahm 1858 einen Auftrag in Wien und trat 1862 in den mecklenburgischen Staatsdienst ein. Er war 1870-74 Baumeister im Landbaudistrikt Hagenow, wurde 1874 Baurat in Strelitz und war seit 1880 Oberbaurat, sp¨ater Geheimer Oberbaurat in Schwerin. Neben Privath¨ausern schuf er zahlreiche profane und sakrale Repr¨asentationsbauten, darunter das Großherzogliche Hoftheater in Schwerin (1883-87). C AKL Daniel, Hermann Adalbert, evang. Theologe, Geograph, * 18. 11. 1812 K¨othen, † 13. 9. 1871 Leipzig. D. studierte 1830-34 Theologie und Philosophie an der Univ. Halle (Promotion 1835, Commentationis de Tatiano apologeta specimen), wurde anschließend Lehrer an den Franckeschen Stiftungen in Halle und war dort unter dem Direktor Hermann Agathon → Niemeyer seit 1854 Prof.; seit 1870 widmete er sich in Dresden privaten Studien. Er verfaßte weitverbreitete, in mehrere Sprachen u¨ bersetzte geographische Unterrichtswerke, darunter ein Lehrbuch der Geographie f¨ur h¨ohere Unterrichtsanstalten (1844, 84 1914) sowie theologische Studien (Thesaurus hymnologicus, 5 Bde., 1841-56). Zu seinen Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Handbuch der Geographie (3 Bde., 1859-62; 4 Bde., 5 1881 / 82) und Deutschland nach seinen physischen und poC ADB litischen Verh¨altnissen (1863; 2 Bde., 51878). Daniels, Heinrich Gottfried Wilhelm, Jurist, * 25. 12. 1754 K¨oln, † 28. 3. 1827 K¨oln. Bereits w¨ahrend seines Mathematikstudiums an der Univ. K¨oln (Dr. phil. 1770) befaßte sich D., Sohn eines Kleidermachers, mit Rechtswissenschaften, wurde 1776 als Advokat in Bonn zugelassen, 1780 zum Kommissar am weltlichen Kammergericht bestellt und war seit 1783 Prof. der Pandekten und der juristischen Praxis, sp¨ater auch des Wechsel- und

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Daniels Privatf¨urstenrechts an der Univ. Bonn. 1786 zum kurf¨urstlichen Hof- und Regierungsrat sowie zum Landtagssyndikus des Herzogs von Aremberg ernannt, wurde er unter franz¨osischer Besatzung Mitglied des Obertribunals Bonn und 1798 Lehrer f¨ur Gesetzgebung an der K¨olner Zentralschule. D. kam 1804 an den Pariser Kassationshof, wechselte 1813 als Generalprokurator an den Br¨usseler Appellhof und folgte 1817 einer Berufung → Hardenbergs als Geheimer Staatsrat nach Berlin, als welcher er sich erfolgreich f¨ur die weitere Geltung des franz¨osischen Rechts in den Rheinlanden einsetzte. Seit 1819 war er Erster Pr¨asident des Rheinischen Appellationshofs in K¨oln und Mitglied der rheinischen Justizorganisationskommission. C Kleinheyer

Daniels, Wilhelm, Politiker, * 4. 7. 1903 D¨usseldorf, † 4. 5. 1977 Bonn. Der promovierte Jurist war – unterbrochen durch den Zweiten Weltkrieg – 1937-49 Notar in M¨onchengladbach, seit 1949 in Bonn, vertrat die CDU von 1952 an im dortigen Stadtparlament und wurde 1953 Mitglied der Landschaftsversammlung Rheinland, 1956 Oberb¨urgermeister der Stadt Bonn. Daninger, Josef Georg, o¨ sterr. Musikwissenschaftler, * 23. 3. 1880 Wiener Neustadt, † 5. 7. 1945 Wien. D. studierte an den Universit¨aten Wien und Prag sowie an der Salzburger Musikhochschule, war zun¨achst Lehrer im h¨oheren Schuldienst und habilitierte sich 1916 an der Deut¨ schen Univ. Prag. Bis 1919 lehrte er Theorie und Asthetik der Tonkunst, kehrte anschließend nach Wien zur¨uck und war dort bis 1937 im Schuldienst t¨atig. Er ver¨offentlichte mathematische und musikhistorische Studien, darunter Sage und M¨archen im Musikdrama (1916).

Danioth, Heinrich, schweizer. Maler, Schriftsteller, * 1. 5. 1896 Altdorf, † 3. 11. 1953 Altdorf. D., Sohn eines Uhrmachers, bildete sich 1913 bei dem Maler Rudolf → L¨ow in Basel aus, besuchte Abendkurse an der Kunstgewerbeschule und stellte nach zwei Aufenthalten in Rom 1922 in Altdorf aus. 1925 war er Meistersch¨uler August → Babbergers an der Karlsruher Akademie. Seit 1927 zeichnete D. f¨ur den „Nebelspalter“. 1941 entstand sein Entwurf zum Wandbild Fundamentum f¨ur das Bundesbriefarchiv in Schwyz. D., der in seinen Werken vor allem Mensch und Landschaft seiner Heimat darstellte, schuf zahlreiche Tafelbilder, Aquarelle, Glasmalereien und B¨uhnenbilder u. a. f¨ur die Tell-Festspiele in Altdorf. Als Schriftsteller ver¨offentlichte D. u. a. ein Urner Krippenspiel (1944). C AKL

Dankberg, Friedrich Wilhelm, Stukkateur, Bildhauer, * 9. 10. 1819 Halle (Westfalen), † 13. 10. 1866 Berlin. Zwanzigj¨ahrig kam D. nach einer Tischlerlehre nach Berlin und begann seine Studien an der Akademie und bei dem Bildhauer → Holbein, spezialisierte sich bald auf dekorative Arbeiten und gr¨undete 1843 eine eigene Werkstatt, in der Stuckarbeiten f¨ur die Bauten renommierter Architekten entstanden, darunter f¨ur Privatbauten Hitzigs in Triest und Berlin, f¨ur die Berliner Schloßkapelle und die Orangerie in Sanssouci. Als Bildhauer schuf er vor allem Statuen und Reliefs f¨ur Denkm¨aler und Brunnen. C AKL

Dankl von Krasnik, Viktor Graf, o¨ sterr. Milit¨ar, * 18. 9. 1854 Udine, † 8. 1. 1941 Innsbruck. D. v. K., ein Nachkomme Andreas → Hofers und Sohn eines k. k. Majors, absolvierte 1877-79 die Theresianische Milit¨arakademie, geh¨orte seit 1880 dem Generalstabskorps an und wurde 1897 Oberst, 1912 General der Kavallerie und Kommandant des 14. Armeekorps in Innsbruck. Bei Kriegsbeginn 1914 u¨ bernahm er die 1. Armee an der russischen Front. Nach der italienischen Kriegserkl¨arung wurde D. v. K. im Mai 1915 Landesverteidigungskommandant von Tirol; im

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Fr¨uhjahr 1916 gelang ihm im Rahmen der Offensive an der S¨udtiroler Ostfront die Einnahme von Arsiero. Mittlerweile Generaloberst, wurde D. v. K. 1917 zum Kapit¨an der Ersten Arcieren-Leibgarde und zum Kommandeur des MariaTheresien-Ordens ernannt. Im selben Jahr schied er aus dem ¨ Milit¨ardienst aus. C OBL

Dank´o, Josef Karl, kath. Theologe, * 26. 1. 1829 Preßburg, † 14. 1. 1895 Preßburg. D. studierte in seiner Heimatstadt, in Tyrnau und Wien, wurde 1852 zum Priester geweiht und war nach der Promotion 1854 Studienpr¨afekt am Pazmaneum in Wien. Seit 1857 o. Prof. des Alten Testaments an der Univ. Wien, wurde er 1864 Unterrichtsrat und Ehrendomherr, 1866 p¨apstlicher K¨ammerer, 1868 Canonicus theologus sowie Rektor des Graner Klerikalseminars. Er war Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, wurde 1889 Propst von St. Martin in Preßburg und im folgenden Jahr Titularbischof von Priˇstina. D. hinterließ eine wertvolle Bibliothek und Kunstsammlung. Er schrieb u. a. eine Historia revelationis divinae veteris et novi testamenti (1862). C ADB Dankrotzheim, Konrad, auch Dangkrotzheim, Dichter, * um 1372 Hagenau, † 25. 2. 1444 Hagenau. Von Beruf Schulmeister, wurde D. 1402 zum Sch¨offen gew¨ahlt und stellte in dieser Funktion 1410-31 mehrere Urkunden aus. 1435 schrieb er das Heilige Namensbuch, eine gereimte Aufz¨ahlung der Heiligenfeste durch das Jahr, mit Bauernregeln, Wetterbeobachtungen und Gesundheitsregeln zu einem Schullesebuch in els¨assisch gef¨arbter Sprache erweitert. C NDB

Dankwort, (Karl) Werner, Diplomat, * 13. 8. 1895 Gumbinnen (Ostpreußen), † 15. 12. 1986 Hyannis (Massachusetts, USA). Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg studierte D., Sohn eines Postdirektors, in Berlin, Halle und W¨urzburg die Rechte und trat nach der Promotion 1921 (Die Stellung des Reichstagsabgeordneten nach der neuen Verfassung vom 11. August 1919) in den Dienst des Ausw¨artigen Amtes. Von 1922 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs u¨ bernahm er diplomatische und konsularische Aufgaben in der Schweiz, in Triest und in Stockholm (seit 1942 als Botschaftsrat), wo er nach Kriegsende die Liquidation der Gesandtschaft durchf¨uhrte. Nach der R¨uckkehr nach Deutschland bis 1947 interniert, wurde D. 1949 Leiter der bundesrepublikanischen Vertretung bei der OEEC in Paris, 1950 Generalkonsul, sp¨ater Botschafter in Ottawa; 1956 wechselte er in gleicher Funktion nach Brasilien und war 1958-60 Beobachter bei den Vereinten Nationen. C BHdAD

Dann, Christian Adam, evang. Theologe, * 24. 12. 1758 T¨ubingen, † 19. 3. 1837 Stuttgart. Seit 1777 Student am Theologischen Stift in T¨ubingen, stand D. vor allem unter dem Einfluß Gottlob Christian → Storrs und wurde nach zwei Jahren als Pr¨azeptoratsvikar in Bebenhausen Repetent am T¨ubinger Stift. Seit 1793 Diakon in G¨oppingen, von 1794 an in Stuttgart, kam er 1812 als ¨ Pfarrer nach Oschingen bei T¨ubingen, wechselte 1819 nach M¨ossingen und kehrte 1824 nach Stuttgart zur¨uck. D. wirkte vor allem als Prediger und Jugendseelsorger und wurde als Erbauungsschriftsteller und Hymnologe bekannt. Als Tiersch¨utzer publizierte er u. a. Bitte der armen Thiere, der unvern¨unftigen Gesch¨opfe, an ihre vern¨unftigen Mitgesch¨opfe und Herren, die Menschen (21838). C BBKL Danneberg, Robert, Pseud. Christoph Hinteregger, o¨ sterr. Politiker, * 23. 7. 1885 Wien, † 12. 12. 1942 Konzentrationslager Auschwitz. D., Sohn eines Kaufmanns, studierte seit 1903 Rechtswissenschaften in Wien und wurde zum Dr. jur. promoviert.

Danneil Er war Sekret¨ar der Sozialistischen Jugendinternationale (1907-15, als Nachfolger von Karl → Liebknecht), Sekret¨ar, dann Vorsitzender der Zentralstelle f¨ur das Bildungswesen ¨ der deutschen Sozialdemokratie in Osterreich (1908-18), Herausgeber der Zeitschrift „Bildungsarbeit“ sowie literarischer Leiter (seit 1912) und Mitinhaber (seit 1919) des Parteiverlags „Wiener Volksbuchhandlungen“. 1918 wurde er Mitglied des Wiener Gemeinderats, 1919 Sekret¨ar der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und 1923 Vositzender des Klubs der sozialdemokratischen Gemeinderatsmehrheit. 1919 / 20 geh¨orte D. der Konstituierenden Nationalversammlung, 1920-34 dem Nationalrat an, war seit 1923 stellvertretender Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion und hatte großen Anteil an der Verfassungsgesetznovelle von 1931. Seit Bestehen des Wiener Landtags 1920 war er dessen erster Pr¨asident. D., einer der maßgeblichen Gestalter des „Roten Wien“, arbeitete an der neuen Gemeindeverfassung, an der Trennung von Nieder¨osterreich und Wien sowie an der Wiener Landesverfassung mit, schuf die rechtlichen Grundlagen f¨ur die Wohnbaupolitik der Gemeinde Wien und war Experte f¨ur die sozialdemokratische Mietrechtspolitik. Als Finanzreferent der Stadt Wien (seit 1932, als Nachfolger von Hugo → Breitner) mußte er die von der Regierung erzwungene Einstellung des kommunalen Wohnbaus durchf¨uhren. Das gegen D., der am 12. 2. 1934 verhaftet worden war, angestrengte Verfahren wegen „Hochverrats“ wurde 1935 eingestellt. Er verfaßte u. a. Die Jugendbewegung der sozialistischen Internationale (1910), Das sozialdemokratische Programm (1910, 211922), Der Vertrauensmann (1921), Die sozialdemokratische Gemeindeverwaltung in Wien (1924, 31928; 5., umgearb. Aufl. unter dem Titel ¨ Das neue Wien, 1930). Nach dem „Anschluß“ Osterreichs 1938 von der Gestapo verhaftet, wurde D. in das Konzentrationslager Dachau deportiert; u¨ ber das Konzentrationslager Buchenwald kam er nach Auschwitz, wo er 1942 ermordet wurde. C Lex dt-j¨ud Autoren

Dannecker, Anton von, kath. Theologe, * 8. 6. 1816 Ratshausen (W¨urttemberg), † 21. 6. 1881 Rottenburg. D. studierte in T¨ubingen, wurde 1845 Kaplan, 1849 Stadtpfarrer in Stuttgart und war 1856 / 57 theologischer Berater des w¨urttembergischen Gesandten Frh. von Ow beim Abschluß des Konkordats in Rom. Seit 1860 Domkapitular in Rottenburg, vertrat er das Domkapitel 1868-70 als Mitglied der w¨urttembergischen Ersten Kammer. D.s Publikationen waren u¨ berwiegend der Homiletik gewidmet (Predigten auf alle Sonn- und Feiertage des Kirchenjahres, 2 Bde., 1856). C ADB Dannecker, Johann Heinrich von, Bildhauer, * 15. 10. 1758 Stuttgart, † 8. 12. 1841 Stuttgart. Der Sohn eines Stallknechts und Kutschers im Dienste des w¨urttembergischen Herzogs wurde 1771 in die „Milit¨arische Pflanzschule“ auf der Solitude bei Stuttgart aufgenommen. Zun¨achst als Ballett¨anzer, bald als Bildhauereleve besuchte D. das herzogliche Institut, das 1773 zur Milit¨arakademie und 1782, nach Stuttgart verlegt, als „Hohe Carlsschule“ zur Univ. erhoben wurde, bis 1780. F¨ur seine k¨unstlerische Ausbildung waren neben den Bildhauern Johann Valentin → Sonnenschein und Pierre Fran¸cois Lejeune die Maler Adolf Friedrich → Harper und Nicolas → Guibal, der Leiter der K¨unstlerfakult¨at, verantwortlich. Gemeinsam mit Philipp Jakob → Scheffauer, wurde D. nach dem Abschluß der Akademieausbildung zum Hofbildhauer bei lebenslanger Dienstverpflichtung ernannt und mit ersten Auftr¨agen betraut. Ein herzogliches Stipendium erlaubte den beiden Bildhauern 1783 einen zweij¨ahrigen Aufenthalt in Paris, wo sie durch Vermittlung von Nicolas Guibal im Atelier von Augustin Pajou arbeiten konnten. Es folgten vier Studienjahre in

Rom, die auf D. wie Scheffauer k¨unstlerisch pr¨agend wirkten. Freundschaftlichen Umgang pflegten sie mit Antonio Canova und dem Schweizer Bildhauer Alexander → Trippel. Neben kleineren Arbeiten entstand im Auftrag des w¨urttembergischen Herzogs eine großfigurige allegorische Skulpturengruppe (Jahreszeiten) aus Marmor f¨ur das Schloß Hohenheim. Erste Anerkennung spiegeln D.s Ehrenmitgliedschaften der Akademien von Bologna und Mantua. Anfang 1790 kehrten Scheffauer und D. nach Stuttgart zur¨uck. Hier wurden die beiden Bildhauer zu Professoren der Hohen Carlsschule ernannt. D. setzte seine Lehrt¨atigkeit nach der Aufhebung der Carlsschule 1794 in privatem Rahmen fort. 1829 wurde er Gr¨undungsdirektor einer neuen staatlichen Kunstschule in Stuttgart, der er nominell bis 1838 vorstand. Im Unterschied zu Scheffauer war es D. nach der R¨uckkehr aus Rom schnell gelungen, sich in Stuttgart zu etablieren, auch wenn dem K¨unstler in seinem Hofbildhaueramt nur selten attraktive Auftr¨age zuflossen. Durch Heirat mit der Kaufmannstochter Heinrike Rapp (1773-1823) materieller Sorgen enthoben, war D. fest in das b¨urgerliche Gesellschaftsleben Stuttgarts integriert. Nach eigenen Pl¨anen entstand 1808 ein Haus in prominenter Lage am Schloßplatz. Wohnung, Atelier, Kunstschule und Museum zugleich, wurde die sogenannte Danneckerei in K¨urze zu einem kulturellen Mittelpunkt der w¨urttembergischen Residenzstadt. Die k¨unstlerische Arbeit D.s konzentrierte sich w¨ahrenddessen auf das Portr¨at. Zu den Hauptwerken z¨ahlen hier die Schillerb¨usten aus den Jahren 1794 und 1805 und das Selbstbildnis von 1797. 1803 entstand ein erstes Tonmodell der Ariadne auf dem Panther, die 1814 in Marmor ausgef¨uhrt werden konnte. Die Ariadne erreichte sogleich außerordentliche Popularit¨at und wurde vielfach reproduziert; dennoch blieb sie eine der seltenen monumentalen Skulpturen des Bildhauers, der neben dem Maler Christian Gottlieb → Schick zu den bedeutendsten Vertretern des schw¨abischen Klassizismus z¨ahlt. WEITERE WERKE: M¨adchen mit dem toten Vogel (1790). – Die drei Grazien mit Amor (1795). – B¨uste Johann Caspar Lavater (1802-05). – Amor (1810-15). – Ruhende Sappho (1812). LITERATUR: Adolf Spemann: D. Berlin / Stuttgart 1909. – Ellen Kemp: Ariadne auf dem Panther. Ausstellungskatalog Liebieghaus. Museum alter Plastik. Frankfurt / Main 1979. – Ulrike Gauss: J. H. D. Der Zeichner. Stuttgart 1987. – Christian von Holst: J. H. D. Der Bildhauer. Stuttgart 1987 (mit Werkverzeichnis). – Schw¨abischer Klassizismus zwischen Ideal und Wirklichkeit 1760-1830. Hrsg. v. Christian von Holst. Ausstellungskatalog Staatsgalerie Stuttgart. Stuttgart 1993. Axel Burkarth

Dannecker, Theodor, SS-Hauptsturmf¨uhrer, * 27. 3. 1913 T¨ubingen, † 10. 12. 1945 Bad T¨olz. D., von Beruf Textilwarenh¨andler, trat 1932 in die NSDAP und die SS ein. Seit 1934 f¨ur → Himmlers Sicherheitsdienst t¨atig, wurde er 1937 Mitarbeiter der Dienststelle Adolf → Eichmanns und leitete 1940-42 das Judenreferat der Gestapo in Frankreich. Seit Januar 1943 organisierte D. die Deportation von Juden aus Sofia, im Sommer 1944 aus Ungarn. Seit Oktober 1944 war er Judenkomissar in Italien. Nach dem Krieg von der US-Army interniert, beging D. Selbstmord in der Haft. C Weiß

Danneil, (Johann) Friedrich (Christoph), Historiker, * 18. 3. 1783 Kalbe / Milde, † 20. 1. 1868 Salzwedel. D., Sohn eines Glasermeisters, studierte 1801-03 Theologie in Halle, war kurzzeitig Oberlehrer an den Franckeschen Stiftungen und wurde 1804 Lehrer, 1819 Rektor am Gymnasium in Salzwedel. Er befaßte sich mit der „vaterl¨andischen Vorzeit“ und konzentrierte sich dabei auf pr¨ahistorische Begrabungsst¨atten. 1836 gr¨undete er den „Altm¨arki-

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Dannemann schen Verein f¨ur vaterl¨andische Geschichte und Industrie“ in Salzwedel und widmete sich sp¨ater stadtgeschichtlichen, mundartlichen und genealogischen Forschungen (Das Geschlecht der von der Schulenburg, 2 Bde., 1847; W¨orterbuch der altm¨arkisch-plattdeutschen Mundart, 1859). C Leb Mitteldt, Bd 1

Dannemann, Adolf, Psychiater, * 17. 5. 1867 Bremen, † 3. 6. 1932 Heppenheim. D. wechselte vom Studium der Geschichte und Literaturwissenschaft 1886 zur Medizin in Erlangen und Kiel und wurde 1891 promoviert (Beitrag zur Kenntniss der Wirkung des Physostigmin). Zun¨achst als Schiffsarzt, dann als Assistent in Bremen und Gießen t¨atig, habilitierte er sich 1901 (Bau, Einrichtung und Organisation psychiatrischer Stadtasyle), wurde Oberarzt und 1907 a. o. Professor. 1913 u¨ bernahm er die Leitung der Landes-Heil- und Pflegeanstalt Philippshospital bei Goddelau, 1915 die der gleichnamigen Anstalt in Heppenheim. D. engagierte sich im Hilfsverein f¨ur Geisteskranke in Hessen und in der Vereinigung f¨ur gerichtliche Psychiatrie und Psychologie in Hessen. Er ver¨offentlichte u. a. Geisteskrankheit und Irrenseelsorge (1895) und Psychiatrie und Hygiene in den Erziehungsanstalten (1907); mit Hans Schober und Eduard Schulze gab er das Enzyklop¨adische Handbuch der Heilp¨adagogik (1909, 21930) heraus.

Dannenbaum, Hans, evang. Theologe, Volksmissionar, * 23. 4. 1895 Oldenburg, † 1. 5. 1956 Hannover. Der Sohn eines Wachtmeisters studierte nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg Theologie in G¨ottingen und Marburg. Er wurde Vikar in der Stadtmission Berlin und besuchte das Predigerseminar Erichsburg (Dassel). Danach Hilfsprediger an der Pauluskirche in Hannover, ging er 1923 als Pfarrer nach Othfresen und arbeitete seit 1926 wieder in der Stadtmission in Berlin, deren Direktor er 1945 wurde. 1947 f¨uhrte er die Volksmission in Hannover. D. wurde Pastor an der Albanikirche in G¨ottingen, Beauftragter f¨ur Volksmission der evang.-luth. Landeskirche Hannover und Vorsitzender der 1952 gegr¨undeten Kammer f¨ur Volksmission. Er ver¨offentlichte u. a. Sie werden leuchten wie die Sterne. M¨anner der Erweckungsbewegung in Niedersachsen (1938), Werden und Wachsen einer Missionsgemeinde. Erlebnis- und Tatsachenbericht aus der Arbeit im Dienste der Berliner Stadtmission (1950) und Alte Brunnen (Predigten, 1956). C BBKL Dannenberg, Ferdinand von, Milit¨ar, * 14. 12. 1818 Wessin (Mecklenburg-Schwerin), † 30. 8. 1893 Berlin. Bis 1836 im Kadettenkorps erzogen, kam D. als Leutnant in preuß. Diensten zu einem Garderegiment und wurde 1852 Hauptmann, 1859 Mitglied des Generalstabs. Seit 1870 Chef des Generalstabs des Gardekorps unter Prinz → August von W¨urttemberg, wurde er 1881 Kommandierender General des II. Armeekorps in Stettin, 1884 General der Infanterie und schied 1887 aus dem aktiven Dienst aus. Dannenberg, (Friedrich Emil) Hermann, Numismatiker, * 4. 7. 1824 Berlin, † 14. 6. 1905 Bad Salzbrunn. Der Kaufmannssohn studierte Rechtswissenschaften und wurde 1852 Gerichtsassessor, 1859 Richter beim Berliner Stadtgericht, 1863 Stadtgerichtsrat, 1879 Landgerichtsrat. Daneben befaßte er sich mit mittelalterlicher Numismatik und publizierte erstmals 1848 eine M¨unzfundbeschreibung. Er bereicherte die numismatische Methodologie entscheidend und legte den Grund f¨ur die zeitliche und regionale Einordnung ganzer M¨unzreihen. D. ver¨offentlichte u. a. Die deutschen M¨unzen der s¨achsischen und fr¨ankischen Kaiserzeit (4 Bde., 1876-1905) und Grundz¨uge der M¨unzkunde (1891, 31912). C NDB

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Dannenmann, Arnold, evang. Theologe, * 4. 1. 1907 Faurndau, † 1. 3. 1993 G¨oppingen. Nach dem Studium der Philologie und Theologie wurde D. 1931 ordiniert und war in der Jugendarbeit des Gesamtverbandes des Christlichen Vereins Junger M¨anner (CVJM) t¨atig. 1932 nach Berlin versetzt, leitete er dort das Evangelische Jungm¨annerwerk in der Altpreußischen Union und war f¨uhrend an den Verhandlungen beteiligt, die die Selbst¨andigkeit der evang. Jugendverb¨ande gegen¨uber der Hitler-Jugend sichern sollten, jedoch scheiterten. 1934 verlor er seine ¨ kirchlichen Amter und war kurzzeitig in Haft; in dieser Zeit fand er Kontakt zur Bekennenden Kirche, sp¨ater auch zu Widerstandskreisen. Nach 1945 nahm D. die F¨ursorge f¨ur deutsche Kriegsgefangene in Großbritannien, Frankreich und ¨ Agypten auf und initiierte im Lager Norton Camp die erste deutsche Kriegsgefangenenuniversit¨at. 1947 gr¨undete er auf Schloß Kaltenstein ein erstes Jugenddorf, das Jugendlichen aus den ehemaligen Ostgebieten und den zerst¨orten St¨adten Heimat und Ausbildungsst¨atte wurde. Aus diesem Modell entwickelte D. das Christliche Jugenddorfwerk Deutschland, dessen Pr¨asident er 1960-85 war. C Munzinger Dannenmayer, Matthias, kath. Theologe, Historiker,

¨ * 13. 2. 1744 Opfingen (Schwaben), † 8. 6. 1805 Wien. D. studierte in Augsburg und Freiburg / Breisgau, lehrte dort seit 1773 Kirchengeschichte, sp¨ater auch Polemik und folgte 1786 einer Berufung als Prof. der Kirchengeschichte an die Univ. Wien. 1797 zus¨atzlich zum B¨ucherzensor ernannt, wurde er 1803 Erster Kustos der Wiener Universit¨atsbibliothek. Er schrieb u. a. das kirchengeschichtliche Lehrbuch Introductio in historiam ecclesiasticam universalem (1778). C LThK

Danner, Christian (Franz), Musiker, Komponist, getauft 12. 7. 1757 Schwetzingen, † 29. 4. 1813 Rastatt. D. erhielt zun¨achst Unterricht bei seinem Vater, einem Hofmusiker, dann an der Mannheimer Hofkapelle; das Violinspiel erlernte er wahrscheinlich bei Christian → Cannabich. Seit 1769 war er Mitglied des Mannheimer Hoforchesters, zun¨achst als Accesist und sp¨atestens seit 1772 fest angestellt. Wolfgang Amadeus → Mozart besuchte w¨ahrend seines Aufenthalts in Mannheim 1777 / 78 die Familie mehrmals und erteilte D. Kompositionsunterricht. Nach dem Umzug des Mannheimer Hofs 1778 wurde D. in die vereinigte pfalzbayrische Hofkapelle in M¨unchen u¨ bernommen. 1785 f¨uhrte ihn eine Konzertreise nach Paris. 1785 trat D. formell in den Dienst des Herzogs von Zweibr¨ucken, aus dem er 1787 im Zuge des Abbaus der Hofkapelle entlassen wurde. Seit 1788 war er Konzertmeister am badischen Hof in Karlsruhe, seit 1809 auch Musikdirektor. D. wurde besonders als Violinvirtuose der Mannheimer Schule gesch¨atzt. Zwei Violinkonzerte lassen sich eindeutig als Kompositionen D.s nachweisen. C MGG Danner, Leonhard, auch T(h)anner, Lienhard, Mechaniker, * 1497 (oder 1507), † 1585 N¨urnberg. Seit 1540 N¨urnberger B¨urger, trat D. 1554 in die Dienste der Stadt. Als Schreiner und Mechaniker fertigte er vor allem große Hebewerkzeuge, Schrauben und Brechwerk¨ zeuge zur Uberwindung von Befestigungsanlagen an; daneben entstanden Teile f¨ur Buchdruckerpressen, wahrscheinlich auch Kupferstiche und Plaketten. 1554 beriefen ihn Kurf¨urst → August I. von Sachsen und → Otto Heinrich von der Pfalz zu Fortifikationsarbeiten. D. stellte Brettspielsteine im Pr¨ageverfahren her, schuf 1557-60 eine kunstvoll verzierte Drahtziehbank f¨ur den s¨achsischen Kurf¨ursten, 1562 eine Schnellwaage und erhielt 1582 ein kaiserliches Privileg f¨ur die von ihm entwickelte sogenannte Holzersparungskunst. C AKL

Danz Dannhauer, Johann Conrad, auch Johannes Conradus Dannhauerus, luth. Theologe, * 24. 3. 1603 K¨ondringen / Breisgau, † 7. 11. 1666 Straßburg. D., Sohn eines Pfarrers, besuchte das Predigerseminar Straßburg und studierte an der dortigen Akademie Logik, Poesie, Philosophie und Hebr¨aisch, sp¨ater Theologie bei Bal¨ in Marburg, bei Johann Major in Jena thasar → Mentzer d. A. sowie an der Univ. Altdorf. 1627 wurde er Prof. der Rhetorik in Straßburg, wechselte 1633 als Prof. an die Theologische Fakult¨at und wurde im folgenden Jahr zum Dr. theol. promoviert. Ferner war er Pfarrer am Straßburger M¨unster und seit 1658 Kirchenpr¨asident. Er vertrat eine auf die praktische Fr¨ommigkeit hin ausgerichtete orthodox luth. Lehre. Philipp Jakob → Spener, der zu seinen Sch¨ulern z¨ahlte, sch¨atzte besonders seine topologisch geordnete Dogmatik Hodosophia Christiana seu Theologia positiva (1649, 21666). D.s unter dem Titel Katechismusmilch (10 Bde., 1642-73) gesammelte Predigten weisen ihn als volkst¨umlichen Seelsorger aus. D. war der bedeutendste Theologe der Straßburger luth. Orthodoxie des 17. Jahrhunderts. C Killy

Danovius, Ernst Jakob, evang. Theologe, * 12. 3. 1741 Redlau bei Danzig, † 18. 3. 1782 Jena. Nach dem Studium in Helmstedt und G¨ottingen wurde D., Sohn eines Pfarrers, 1766 Rektor der Danziger Johannisschule und folgte 1768 einer Berufung als Prof. der Theologie an die Univ. Jena. Er hielt Vorlesungen u¨ ber Dogmatik, neutestamentliche Exegese, Symbolik und Moral. D. war theologischer Supranaturalist und wich in nicht wenigen Punkten von orthodoxen Positionen ab. Er ver¨offentlichte u. a. Theologiae dogmaticae institutio (2 Bde., 1772-76). D. beging Selbstmord. C Altpreuß Biogr, Bd 1

Danszky, Eduard Paul, o¨ sterr. Schriftsteller, * 14. 2. 1884 Wien, † 4. 11. 1971 Wien. Ohne Abschluß beendete D. seine rechtswissenschaftlichen, philosophischen und germanistischen Studien an der Univ. Wien, wurde freier Schriftsteller und ging seinem Broterwerb 1920-25 in der Porzellanindustrie nach. Sp¨ater Kulturredakteur des „Neuen Wiener Tagblatts“ und Mitarbeiter der „Volks-Zeitung“, ver¨offentlichte er erz¨ahlende Prosa vor allem aus der o¨ sterr. Geschichte sowie biographische Romane u. a. u¨ ber → Goethe und Ferdinand → Raimund („Da leg ich meinen Hobel hin . . .“, 1939). C Czeike Dantine, Wilhelm Felix Ferdinand, o¨ sterr. evang. Theologe, * 6. 11. 1911 Leoben (Steiermark), † 21. 5. 1981 Wien. D., Sohn eines Politikers und Rechtsanwalts, studierte seit 1930 Theologie in Wien, Bonn und Erlangen. 1934-37 war er Vikar in Wien, wo er 1936 ordiniert wurde, seit 1937 Pfarrer in Wallern. Seit 1942 Kriegsteilnehmer, geriet er in Gefangenschaft. Seit 1948 leitete D. das Wiener Theologenheim. 1950 zum Dr. theol. promoviert (Die Zulassung zum heiligen Abendmahl), habilitierte er sich 1955 (Versuch einer Theologie der Gnadenmittel). 1961 wurde er a. o., 1963 o. Prof. f¨ur Systematische Theologie an der Univ. Wien. Im selben Jahr war er vor¨ubergehend Stellvertreter des außerordentlichen geistlichen Oberkirchenrats in Wien. D. ver¨offentlichte u. a. ¨ Die Gerechtmachung des Gottlosen (1959), Uber den protestantischen Menschen (1959) und Jesus von Nazareth in der gegenw¨artigen Diskussion (1974). C BBKL

Dantiscus, Johann, auch Jan Dantyszek, Johann von H¨ofen, Bischof von Ermland, Humanist, * 31. 10. / 1. 11. 1485 Danzig, † 28. 10. 1548 Heilsberg (Ostpreußen). Als Vierzehnj¨ahriger nahm D., Sohn eines Flachsbinders und Kaufherrn, an einem Feldzug gegen die T¨urken teil, schloß nach ausgedehnten Reisen durch Italien, Griechenland und den Vorderen Orient in Krakau das Studium der Theologie

und Rechtswissenschaft ab und fand seit 1509 in polnischen diplomatischen Diensten vor allem in Preußen Verwendung. 1515 wurde er in Wien zum Dr. jur. promoviert, von Kaiser → Maximilian I. zum Ritter geschlagen und zum Dichter gekr¨ont und f¨ur seine Verdienste von K¨onig Sigismund I. mit mehreren Pfr¨unden belohnt, darunter der Pfarrei St. Marien in Danzig. 1529 wurde D. erml¨andischer Domherr, 1530 Bischof von Kulm und 1537 Bischof von Ermland. Er pflegte regen Kontakt mit Nicolaus → Copernicus, → Melanchthon und Helius Eobanus → Hessus. In seinen Jugendpoesien huldigte er der Lebensfreude und beschrieb kriegerische und politische Zeitereignisse. Als Bischof verfaßte er Hymnen und moralische Epen, die zugleich gegen die Reformation gerichtet waren. 1764 (Poemata et hymni) und 1841 (Analecta carmina) erschienen Teilausgaben seiner Werke. C Gatz 2

Danubianus, Theodor, eigentl. Dunhauwer, Duneuer, Dichter, * Unna, † 2. H¨afte 16. Jh. D. studierte Philosophie, Rechtswissenschaften und Theologie, fand jedoch als praktizierender Lutheraner keine o¨ ffentliche Anstellung. In Dortmund war er einige Jahre als Armenpfleger t¨atig. D. stand mit zahlreichen Gelehrten seiner Zeit, darunter Johann Perizonius und Johannes → Piscator, im Briefwechsel; er schrieb u¨ berwiegend lateinische Gedichte, u. a. Ad appellationes nobilis piique litterati viri [. . .] (1582).

Danz, August Friedrich Wilhelm, Jurist, * 3. 3. 1764 Gedern (Oberhessen), † 14. 12. 1803 Stuttgart. D., Sohn eines stolbergischen Regierungsdirektors und Bruder von Ferdinand Georg und Johann Ernst Friedrich → D., studierte an der Univ. Gießen zun¨achst Theologie, sp¨ater Rechtswissenschaft, bildete sich seit 1783 in Wetzlar im Reichsprozeßrecht weiter und wurde Hofmeister im Haus des Kammergerichtspr¨asidenten von Th¨ungen. 1786 kam er mit seinem Z¨ogling nach Stuttgart, wurde dort 1788 o. Prof. sowie zum Dr. jur. promoviert und bei Aufhebung der Hochschule 1794 pensioniert. Seit 1796 Hofgerichtsassessor, wurde er im folgenden Jahr herzoglich w¨urttembergischer Regierungsrat, 1803 Lehnsreferent. D. befaßte sich u¨ berwiegend mit deutschem Privat-, Lehns- und Prozeßrecht; er ver¨offentlichte u. a. ein Handbuch des heutigen deutschen Privatrechts (10 Bde., 1796-1823, seit Bd. 8 postum herausgegeben).

Danz, August Heinrich Emil, Jurist, * 11. 12. 1806 Jena, † 17. 5. 1881. Der Sohn von Johann Traugott Leberecht → D. studierte seit 1826 an der Univ. seiner Heimatstadt, seit 1829 bei → Savigny an der Univ. Berlin und habilitierte sich 1831 an der Univ. Jena. 1834 zum a. o., 1842 zum o. Prof. der Rechtswissenschaften ernannt, wurde er 1843 Oberappellationsgerichtsrat und 1861 Ordinarius der Juristenfakult¨at. Er publizierte u. a. ein Lehrbuch der Geschichte des R¨omischen Rechts (1840-46).

Danz, Ferdinand Georg, auch Georg Friedrich D., Mediziner, * 29. 4. 1770 Gedern (Oberhessen), † 1. 3. 1793 Gießen. D., Bruder von Johann Ernst Friedrich und August Friedrich Wilhelm → D., studierte an den Universit¨aten Gießen, Marburg und Jena und wurde nach der Promotion 1790 (Brevis forcipum obstetriciarum historia) in Gießen Prosektor des dortigen Anatomischen Theaters. 1791 zum a. o. Prof. ernannt, befaßte er sich mit Geburtshilfe, Anatomie und Physiologie und publizierte u. a. mit dem Versuch einer allgemeinen Geschichte des Keuchhustens (1791) die erste Monographie zu diesem Thema. D. war auch als Arzt des Gießener

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Danz Stockhauses t¨atig. Er ver¨offentlichte u. a. De arte obstetricia Aegyptiorum (1791), Grundriß der Zergliederungskunde des ungebohrnen Kindes in den verschiedenen Zeiten der Schwangerschaft (2 Bde., 1792 / 93) und Semiotik oder Handbuch der allgemeinen Zeichenlehre zum Gebrauch f¨ur angehende Wund¨arzte (1793). C NDB

Danz, Johann Andreas, evang. Theologe, Orientalist, * 1. 2. 1654 Sundhausen bei Gotha, † 22. 12. 1727 Jena. Nach dem Abschluß der theologischen Studien an der Univ. Wittenberg studierte D. seit 1676 als Sch¨uler Esdras → Edzards in Hamburg das Hebr¨aische und habilitierte sich 1680 in Jena; dort 1685 Prof. der orientalischen Sprachen, wurde er 1710 zum Dr. theol. promoviert und zum Prof. der Theologie ernannt. Er gilt als einer der bedeutendsten christlichen Hebraisten seiner Zeit, war jedoch als Exeget unbeirrt orthodox. D. bem¨uhte sich um eine schulgerechte Ordnung der hebr¨aischen Grammatik und ver¨offentlichte u. a. ein Compendium grammaticae Ebraicae-Chaldaicae (1699). C ADB

Danz, Johann Ernst Friedrich, Jurist, * 17. 1. 1758 / 59 Gedern (Oberhessen), † 2. 1. 1838 Frankfurt / Main. Der Bruder von Ferdinand Georg und August Wilhelm Friedrich → D. war 1785-92 f¨urstlich wiedischer Regierungsrat in Neuwied, trat 1793 als Kanzleirat und Syndikus in die Dienste der freien Reichsstadt Frankfurt / Main, wurde dort 1806 Appellationsgerichtsrat und unterzeichnete 1815 als Vertreter der Stadt die Bundesakte auf dem Wiener Kongreß. D. war 1816-32 Bundestagsgesandter und wurde 1834 zum Gerichtsschultheißen gew¨ahlt. Er publizierte u. a. Die Oberherrschaft u¨ ber den Rhein und die Freyheit der RheinSchifffahrt nach Grunds¨atzen des teutschen Staatsrechts betrachtet (1792).

Danz, Johann Traugott Leberecht, evang. Theologe, Historiker, * 31. 5. 1769 Weimar, † 15. 5. 1851 Jena. D. studierte seit 1787 in Jena, seit 1791 in G¨ottingen und kehrte als Lehrer am Gymnasium und am Lehrerseminar nach Weimar zur¨uck. 1798 trat er die von Johann Gottfried → Herder vermittelte Stelle des Rektors der Stadt- und Ratsschule in Jena an, habilitierte sich 1804 an der Philosophischen Fakult¨at der dortigen Univ. und wurde 1809 Diakon der Stadtkirche. Seit 1810 a. o. Prof., war er 1812-37 o. Prof. der Theologie. Er vertrat einen gem¨aßigten Rationalismus. D. u¨ bersetzte Plautus und Aischylos, schrieb Renzensionen f¨ur die „Jenaer Allgemeine Litteratur Zeitung“ und publizierte u. a. ein Lehrbuch der christlichen Kirchengeschichte (2 Tle., 1818-26). Er war der Vater von August Heinrich Emil → D. C BBKL

Danz, Tamara, Rocks¨angerin, Produzentin, * 14. 12. 1952 Breitungen (Werra), † 22. 7. 1996 Berlin. Die Tochter eines Maschinenbauingenieurs und einer Kinderg¨artnerin studierte nach l¨angeren Aufenthalten in Bulgarien und Rum¨anien Dolmetschen in Berlin und war als S¨angerin in verschiedenen Bands, 1971-73 im Oktoberklub in Berlin t¨atig. Nach dem Abbruch des Studiums erhielt sie eine musikalische Ausbildung in Tanzmusik und Gesang an der Musikschule Friedrichshain. 1978 erfolgte die Gr¨undung der Band „Familie Silly“ (sp¨ater „Silly“); nach ersten Rundfunkaufnahmen (1979) erschien 1980 in der Bundesrepublik Deutschland die LP „Silly“. 1986 war D. bei den „Gitarreros“ t¨atig, einer Allstar-Band, die durch die DDR tourte, und wirkte 1988 im Dokumentarfilm „fl¨ustern & SCHREIEN. ein rockreport“ mit. 1992 produzierte sie ihre erste CD „Hurens¨ohne“ und wurde stellvertretende Vorsitzende der Musikszene e. V.; 1996 erschien das letzte Album der Band mit D. („Paradies“). D. wurde 1981, 1983, 1985 und 1986 zur „Rocks¨angerin des Jahres“ (DDR) gew¨ahlt. In

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den von Werner Karma, sp¨ater von D. geschriebenen Songs fand der Protest der jungen Generation der DDR ihren Ausdruck. C DDR

Danzel, Theodor (Wilhelm), Pseud. Le Znad, Literaturwissenschaftler, * 4. 2. 1818 Hamburg, † 9. 5. 1850 Leipzig. D., Sohn eines Arztes, studierte seit 1837 Philosophie und Klassische Philologie in Leipzig, Halle, Berlin und Jena, wo er 1841 promoviert wurde, und habilitierte sich 1845 an der Univ. Leipzig f¨ur Philosophie (Plato philosophiae in disciplinae formam redactae parens et auctor). Von der phi¨ ¨ ¨ losophischen Asthetik (Uber die Asthetik der Hegelschen Philosophie, 1844) wandte er sich bald der Literaturgeschichte zu und stellte den wissenschaftlichen Forderungen der Zeit nach Subjektivit¨at und Aktualit¨at eine historische Methode der Literaturforschung entgegen, die ausgehend von der Biographie u¨ ber eine umfassende Materialverarbeitung zu den inneren Gesetzlichkeiten der Literatur vordringen sollte. D. publizierte u. a. Ausz¨uge aus → Gottscheds Briefwechsel. Als sein Hauptwerk gilt eine unvollendet gebliebene → Lessing-Biographie (Gotthold Ephraim Lessing. Sein Leben und seine Werke, Bd. 1, 1850, Bd. 2, bearb. von Gottschalk Eduard → Guhrauer, 1854; Neuausg. 1856, 2. Aufl. in 2 B¨anden hrsg. von Wendelin von Maltzahn und Robert Boxberger, 1880 / 81). C IGL

Danzer, Jakob, Taufname: Josef, kath. Theologe, * 4. 3. 1743 Lengenfeld bei Kaufbeuren, † 4. 9. 1796 Buchau (W¨urttemberg). Seit 1762 Benediktiner im Kloster Isny im Allg¨au, wurde D., Sohn eines Bauern, 1767 Priester und Stiftsbibliothekar sowie 1777 Lektor f¨ur Dogmatik. 1785 wurde er nach Salzburg berufen, lehrte dort zun¨achst Dogmatik, sp¨ater Moralund Pastoraltheologie und wandte sich mehr und mehr einem aufkl¨arerischen Rationalismus zu. Daraufhin dem Salzburger Erzbischof angezeigt, fand D. 1788 noch dessen Unterst¨utzung, wurde 1792 jedoch seines Amtes enthoben. Er kehrte nach Isny zur¨uck, wurde auf seinen Wunsch hin s¨akularisiert und trat 1795 ein Kanonikat in Buchau an. D. publizierte u. a. Anleitung zur christlichen Moral (3 Bde., 1787-91) und Beitr¨age zur Reform der christlichen Theologie (1793). C NDB

Danzer, Joseph Melchior, Mathematiker, * 2. 5. 1738 / 39 Oberaibach bei Landshut, † 10. 5. 1800 Alt¨otting. D. studierte in Straubing und Ingolstadt, empfing 1763 die Priesterweihe, wurde Prof. der Mathematik am Straubinger Lyzeum, sp¨ater am kurf¨urstlichen Schulhaus in M¨unchen und kam 1788 als Dekan am kurf¨urstlichen Kollegiatstift nach Alt¨otting. Er publizierte zahlreiche mathematische, physikalische und naturphilosophische Studien und Lehrb¨ucher, darunter Entwurf einer theologisch-praktischen Naturlehre (1777), Ebene Trigonometrie sammt S¨atzen aus der reinen Mathematik (1780), Mathematisches Lehrbuch zum Gebrauch der Churf¨urstlichen Lyzeen (1780) und S¨atze aus der Naturlehre, angewandt aufs b¨urgerliche Leben (1780). D. entwickelte einen Kohlenofen, der nach ihm benannt wurde. C ADB

Danzi, Franz (Ignaz), Kapellmeister, Komponist, Musiker, * 15. 5. 1763 Schwetzingen, † 13. 4. 1826 Karlsruhe. Aus einer Musikerfamilie stammend, erhielt D. ersten Klavier- und Cellounterricht bei seinem Vater Innocenz → D., studierte Komposition bei Georg Joseph → Vogler und war seit 1778 Musiker in der Mannheimer Hofkapelle; daneben schrieb er Beitr¨age f¨ur die Zeitschrift „Aurora“ und die „Allgemeine musikalische Zeitung“. 1784 wurde er Nachfolger seines Vaters als Cellist in der M¨unchner Hofkapelle, trat 1788 auch als Komponist vor das M¨unchner Publikum und unternahm mit seiner Frau Margarethe → Marchand

Darmstaedter Konzertreisen. Seit 1798 Vizekapellmeister, verließ er 1807 M¨unchen und wurde Dirigent in Stuttgart. D. war seit dieser Zeit mit Carl Maria von → Weber befreundet; 1813 u¨ bernahm er die Kapellmeisterstelle am Karlsruher Hoftheater. Als Komponist bearbeitete er s¨amtliche Genres, schrieb Opern (u. a. Die Mitternachtsstunde, 1798), Ballett- und Kammermusik, Messen, Konzerte, Symphonien, Lieder und Chors¨atze. D. gilt als Wegbereiter der musikalischen Romantik. C MGG

Danzi, Innocenz (Ludovico), auch Innocenzo, Innocente L. D., Musiker, Komponist, * um 1730 (Ober-?) Italien, † 17. 4. 1798 M¨unchen. Der m¨oglicherweise aus der Provinz Verona stammende D. wurde von Kurf¨urst → Karl Theodor aus Italien geholt und war seit 1754 als Violoncellist in der Mannheimer Hofkapelle t¨atig. Im folgenden Jahr heiratete er die T¨anzerin Barbara Margaretha Sidonia Toeschi, die Schwester des Komponisten und Konzertmeisters Karl Joseph → Toeschi. 1778 zog D. mit dem Hof nach M¨unchen, wo er bis 1783 in der Hofkapelle wirkte. Er komponierte u. a. ein Konzert f¨ur Violoncello und Orchester G-Dur. Vier seiner acht Kinder, von denen zwei bereits im Kindesalter starben, wurden Musiker, darunter Franziska → Lebrun und Franz → D. C MGG Dapp, Raymund, evang. Theologe, * 22. 9. 1744 Geislingen / Steige, † 1. 3. 1819 Klein Sch¨onebeck (heute zu Berlin). D. studierte seit 1769 Theologie in Erlangen und Halle. Anschließend ging er als Hauslehrer nach Berlin und wurde 1778 Pfarrer in Klein-Sch¨onebeck, wo er in den folgenden Jahren eine Industrieschule aufbaute und f¨uhrte. Er arbeitete an Friedrich → Nicolais „Allgemeiner deutscher Bibliothek“ mit, gab seit 1805 ein „Gemeinn¨utziges Magazin f¨ur Prediger“ heraus und ver¨offentlichte u. a. ein Predigtbuch f¨ur christliche Landleute (1788, 21797) und Zwey Predigten u¨ ber die Abschaffung der Betteley auf dem platten Lande und die deshalb errichteten neuen Armenanstalten (1792). C BBKL Darboven, Johann Joachim, Unternehmer, * 7. 4. 1841 Lauenbruch, † 18. 2. 1909 Hamburg. D. begann 1866 als erster mit dem Versand von abgepacktem R¨ostkaffee. Abnehmer waren Haushalte Hamburgs und Umgebung. Nachdem er sich anfangs noch mit Ware aus benachbarten R¨ostereien beliefern ließ, richtete er wenig sp¨ater eine eigene R¨osterei ein, um gleichbleibende Qualit¨at gew¨ahrleisten zu k¨onnen. 1869 hatte sein Unternehmen bereits 144 unterschiedliche Kaffeesorten im Angebot. Die Gesch¨afte wurden seit dem Tod D.s von Familienmitgliedern fortgef¨uhrt, 1915 wurde das Markenzeichen „Idee“ und 1927 erstmals Kaffee unter dem neuen Markennamen eingef¨uhrt. ¨ Staatsmann, † 1365. Dargetzow, Johann d. A., D. geh¨orte vermutlich einer beg¨uterten Familie an. 1332 war f¨urstlicher Vogt in Wismar, 1341 Ratsherr und seit 1350 B¨urgermeister. Er vertrat Wismar auf mehreren Hansetagen, u. a. 1351 in den Verhandlungen wegen des Vorgehens gegen Flandern und wegen des Kriegs gegen Waldemar von D¨anemark; 1361 war er am Abschluß des Vertrags mit Magnus von Schweden und Norwegen, 1362 am Waffenstillstand mit Waldemar beteiligt. Der Wismarer Staatsmann Johann → D. d. J. war wahrscheinlich sein Sohn.

Dargetzow, Johann d. J., Staatsmann, † nach 1395.

¨ und erstmals 1360 Vermutlich Sohn von Johann → D. d. A. erw¨ahnt, wurde D. 1369 Ratsherr in Wismar, im folgenden Jahr Provisor an St. Nikolai und vertrat seit 1371 Wismar auf den Hansetagen. 1374 wurde er B¨urgermeister von Wismar, war als Hansepolitiker t¨atig und nahm die Rechte seiner Heimat 1381 in Schonen bei Verhandlungen u¨ ber Seer¨auberei sowie 1386 in L¨ubeck wahr.

Daringer, Engelbert, o¨ sterr. Maler, Restaurator, * 16. 9. 1882 Wildenau bei Aspach (Ober¨osterreich), † 27. 4. 1966 Wildenau. Nach der Lehrzeit als Dekorationsmaler in Ried / Innkreis arbeitete D. in M¨unchen, besuchte daneben die Kunstgewerbeschule und war seit 1901 als Dekorationsmaler im Rheinland und in Westfalen t¨atig. 1906-12 studierte er bei Martin → Feuerstein, Karl → Raupp und Heinrich → Knirr an der M¨unchner Kunstakademie und ließ sich nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Kirchenmaler in seinem Heimatort nieder. D. war Mitarbeiter der M¨unchner Zeitschrift „Die Mappe“ und illustrierte Dichtungen von Georg Stibler. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er kurzzeitig B¨urgermeister von Aspach, sp¨ater Mitbegr¨under und seit 1952 Pr¨asident der Innviertler K¨unstlergilde; 1954 erfolgte seine Ernennung ¨ zum Professor. D. schuf sakrale Olgem¨ alde, Fresken und Altarbilder, darunter einen Kreuzweg f¨ur die Kapuzinerkirche in Braunau / Inn (1963); er war auch als Restaurator t¨atig. C AKL Darjes, Joachim Georg, Jurist, * 23. 6. 1714 G¨ustrow, † 17. 7. 1791 Frankfurt / Oder. D., Sohn eines Predigers, studierte Theologie und Philosophie an der Universit¨at Rostock und Jena, war seit 1735 Privatdozent in Jena und wurde 1738 Adjunkt der Philosophischen Fakult¨at. 1739 zum Dr. jur. promoviert, wurde er 1744 o. Prof. der Moral und der Politik sowie Sachsen-Weimarer Hofrat. 1763 folgte er einer Berufung → Friedrichs des Großen als o. Prof. der Rechtswissenschaft an die Univ. Frankfurt / Oder, f¨uhrte dort als einer der ersten die Kameralwissenschaften in das universit¨are Lehrprogramm ein und stiftete die Kgl. gelehrte Gesellschaft in Frankfurt / Oder, der er vorstand. D. war ein Gegner der → Wolffschen Philosophie, jedoch von ihr beeinflußt. Er vertrat die Theorie des Influxus physicus. D. ver¨offentlichte zahlreiche mathematische, philosophische, juristische und staatswissenschaftliche Schriften, u. a. Elementa metaphysices (2 Bde., 1743, 2 1753 in einem Band), Erste Gr¨unde der gesammten Mathematik (2 Tle., 1747, 41777), Philosophische Nebenstunden (4 Tle., 1749-52), Erste Gr¨unde der philosophischen Sittenlehre (1750, 41782), Via ad veritatem (1755, dt. 1756) und Erste Gr¨unde der Cameralwissenschaften (1756, 21768). C BBL Darmstaedter, Friedrich (Ludwig Wilhelm), Jurist, * 4. 7. 1883 Mannheim, † 23. 1. 1957 Heidelberg. D., ein Großneffe Ludwig → D.s, studierte an den Universit¨aten Straßburg, M¨unchen, Freiburg / Breisgau und Heidelberg (Promotion 1914, Nach welchen prozeßrechtlichen Vorschriften hat der im milit¨arischen Verfahren t¨atige b¨urgerliche Richter zu verfahren?) und wurde Amtsrichter, sp¨ater Landgerichtsdirektor. Seit 1928 Lehrbeauftragter, seit 1930 Privatdozent f¨ur Rechtsphilosophie an der Univ. Heidelberg, ¨ wurde er 1935 von den Nationalsozialisten seiner Amter enthoben, emigrierte 1937 zun¨achst nach Italien, hielt sich zu Forschungs- und Lehrt¨atigkeiten in Rom auf und wurde dort zum Dr. phil. promoviert. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs ging er nach Großbritannien und lehrte zun¨achst an der Cambridge University, 1942-53 an der London School of Economics and Political Science. D. kam 1948 an die Univ. Heidelberg zur¨uck und lehrte dort bis an sein Lebensende Rechtsphilosophie und englische Jurisprudenz. Er ver¨offentlichte u. a. Die politische Gleichheit im antiautorit¨aren Staat (1948). C BHdE, Bd 2

Darmstaedter, Ludwig, Naturwissenschaftler, Wissenschaftshistoriker, * 9. 8. 1846 Mannheim, † 18. 10. 1927 Berlin. D., Sohn eines Kaufmanns, studierte seit 1865 Chemie bei Robert Wilhelm → Bunsen und Emil → Erlenmeyer an der Univ. Heidelberg und setzte nach der Promotion 1868 seine

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Darnaut Studien bei Hermann → Kolbe an der Univ. Leipzig fort. Anschließend mit Arbeiten u¨ ber die Alkalischmelze der Sulfos¨auren im Labor von Hermann → Wichelhaus in Berlin befaßt, arbeitete er seit 1872 mit Benno Jaff´e an industriellen Problemen wie der Glyceringewinnung, seit 1890 u¨ berwiegend in der Lanolinfabrikation und gr¨undete 1900 die Vereinigten Chemischen Werke AG. D. befaßte sich mit der Geschichte der Naturwissenschaften und legte eine umfangreiche Sammlung von Autographen, Manuskripten, Nachl¨assen, Tageb¨uchern und Kollegheften an, die er 1907 der Preußischen Staatsbibliothek in Berlin vermachte. Bei seinem Tod umfaßte die „Dokumentensammlung Darmstaedter“ 45 000 Namen und 190 000 Schriftst¨ucke. Zu seinen Schriften geh¨oren 4000 Jahre Pionierarbeit in den exakten Wissenschaften (mit Ren´e Du Bois-Reymond, 1904), in 2. Auflage unter dem Titel Handbuch zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik (1908), Ernst Ludwig Heim (der „alte Heim“) (1926) und Naturforscher und Erfinder (1926). C NDB

Darnaut, Hugo, auch Darnaut-Fix, eigentl. Fix, o¨ sterr. Maler, * 28. 11. 1851 Dessau, † 9. 1. 1937 Wien. Der Sohn des Schauspielers Michael Fix studierte 1872 / 73 an der Wiener Kunstakademie bei Eduard → Peithner von 2Lichtenfels, sp¨ater an der Kunstakademie D¨usseldorf bei Andreas → Achenbach, Robert Meyerheim und J. Wortmann. 1877 ließ er sich in Wien nieder. Er beschickte die großen europ¨aischen Kunstausstellungen, schuf gemeinsam mit Erwin Pende f¨ur den o¨ sterr. Pavillon auf der Pariser Weltausstellung 1900 ein Panorama von Wien und trat als Organisator von Großausstellungen in Berlin, Paris und Venedig hervor. 1913-18 war er Pr¨asident der Wiener K¨unstlergenossenschaft. D. malte naturalistische, sp¨ater realistische Landschaften, darunter Partie von Waidhofen an der Ybbs. C AKL

Darnaut, Vinzenz, o¨ sterr. kath. Theologe, * 11. 7. 1770 Wiener Neustadt, † 28. 1. 1821 Wien. D. studierte Philosophie, Rechtswissenschaft und Theologie bei den Wiener Piaristen und an der Univ., wurde 1795 zum Priester geweiht und u¨ bernahm das Vikariat in Ebersdorf / Donau. Sp¨ater kam er an die Pfarrei Am Hof und wurde 1799 Hofkaplan der k. k. Hof- und Burgpfarre. D. lehrte seit 1803 Kirchengeschichte an der Univ. Wien, rief den ¨ Verein f¨ur die kirchliche Topographie Osterreichs ins Leben und war Mitbegr¨under der Zeitschrift „Kirchliche Topographie“. Er schrieb die ersten beiden B¨ande der HistorischTopographischen Darstellung der Pfarren, Kl¨oster, milden ¨ Stiftungen und Denkm¨aler im Erzherzogtum Osterreich und Umgegend diesseits der Donau (18 Bde., 1824-40).

Darnstedt, Johann Adolph, Kupferstecher, * 1769 Auma, † 8. 5. 1844 Dresden. Seit 1784 Student der Kunstakademie Dresden, wurde D. um 1790 Sch¨uler J. G. Schultzes und wandte sich danach in Buchillustrationen und Kupferstichen der Landschaftsdarstellung zu. Seit 1804 erhielt er eine j¨ahrliche Besoldung durch den s¨achsischen Kurf¨ursten, wurde 1811 Mitglied der Dresdner und der Berliner, sp¨ater weiterer Akademien und wurde 1815 Prof. an der Dresdner Akademie; 1829 mußte er erblindet in den Ruhestand treten. D. ver¨offentlichte neben Illustrationen (u. a. zu Wilhelm Gottlieb → Beckers „Taschenbuch zum geselligen Vergn¨ugen“, 1794-1814) eigene Mappenwerke, darunter Der Plauische Grund bei Dresden [. . .] (1799). C AKL

Darr´e, (Richard) Walther, auch Ricardo Walter D., Politiker, * 14. 7. 1895 Belgrano (heute zu Buenos Aires), † 5. 9. 1953 M¨unchen. Der Sohn eines Exportkaufmanns war Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg, schloß seine Studien an der Kolonialschule

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in Witzenhausen 1920 als Diplomkolonialwirt ab, studierte seit 1922 Landwirtschaft an den Universit¨aten Halle und Gießen und wurde 1925 Diplomlandwirt. D. besch¨aftigte sich vornehmlich mit Fragen der Tierzucht und Vererbung, war 1928 / 29 im Auftrag des Reichsern¨ahrungsministeriums als Sachverst¨andiger in Riga t¨atig und verfaßte Das Bauerntum als Lebensquell der nordischen Rasse (1928) und Neuadel aus Blut und Boden (1930). Seit 1930 Mitglied der NSDAP, entwarf er f¨ur sie im selben Jahr das erste Agrarprogramm und wurde 1932 Leiter der agrarpolitischen Abteilung der NSDAP. 1931 trat er der SS bei und war 1931-38 Leiter des Rasse- und Siedlungshauptamtes der SS. D., seit 1932 Mitglied des Reichstags, war von 1933-42 Reichsminister f¨ur Ern¨ahrung und Landwirtschaft und sorgte als Reichsbauernf¨uhrer mit der Bildung des Reichsn¨ahrstandes f¨ur die Gleichschaltung aller landwirtschaftlichen Organisationen. Nach Kriegsausbruch trat D. mehr und mehr in den Hintergrund und wurde im Mai 1942 durch eine Verf¨ugung Hitlers beurlaubt. 1949 im Wilhelmstraßenprozeß zu sieben Jahren Haft verurteilt, wurde er bereits 1950 entlassen. C Braune Elite 1

Dasbach, (Georg) Friedrich, kath. Theologe, Politiker, * 9. 12. 1846 Horhausen / Westerwald, † 11. 10. 1907 Bonn. Nach dem Abschluß der Studien in Rom und Trier war D., Sohn eines B¨ackers, Kaufmanns und Gastwirts, als Kaplan in Trier publizistisch f¨ur die Zentrumspartei t¨atig. Im Zuge des Kulturkampfs seit 1875 mit Lehr- und Berufsverbot belegt, wandte er sich hauptberuflich der Publizistik zu, gr¨undete die „St. Paulinus-Druckerei von Friedrich Dasbach“ und rief noch im gleichen Jahr das „Paulinusblatt“ und die „Katholische Volkszeitung“ (sp¨ater „Trierische Landeszeitung“) ins Leben. Sp¨ater entstanden neben der Monatsschrift „Pastor bonus“ (1889) sieben Tageszeitungen im Saar-, Mosel- und Mittelrheingebiet sowie die „M¨arkische Volks-Zeitung“ f¨ur Berlin und Brandenburg. D. war 1878 Mitbegr¨under und erster Vorsitzender des „Augustinus-Vereins“ zur Betreuung der kath. Presse und richtete 1879 in Berlin den ersten nationalen kath. Nachrichtendienst, die „Centrums-ParlamentsCorrespondenz“ (C. P. C.), ein. Angelehnt an Organisationsformen sozialistischer Massenbewegungen, wandte er sich mit verschiedenen kath. Vereinsgr¨undungen an Arbeiter und Bauern. Seit 1890 war er f¨ur die Zentrumspartei Abgeordneter im Preußischen Landtag, seit 1898 im Reichstag. D. schrieb u. a. Die Gemeindeordnung f¨ur die Rheinprovinz (1880). C Haunfelder, Zentrumspartei Dase, Johann Martin Zacharias, Mathematiker, * 23. 6. 1824 Hamburg, † 11. 9. 1861 Hamburg. Der Sohn eines Schankwirts galt fr¨uh als Wunderkind, besuchte angeblich bereits mit drei Jahren eine o¨ ffentliche Schule und trat als Jugendlicher in verschiedenen deutschen St¨adten als Rechenk¨unstler auf. Sp¨ater durch eine Pension K¨onig → Friedrich Wilhelms IV. von Preußen finanziell abgesichert, erarbeitete er u. a. eine Faktoren- und Primzahlentafel der siebten, achten und neunten Million, die H. Rosenberg nach D.s Tod vollendete und herausgab (3 Bde., 1862-65). 1850 erschien seine Tafel der nat¨urlichen Logarithmen der Zahlen. Daser, Ludwig, Kapellmeister, Komponist, * um 1526 M¨unchen, † 27. 3. 1589 Stuttgart. D., dessen Vater seit 1525 als Fischer in M¨unchen ans¨assig war, geh¨orte seit seiner Jugend der bayerischen Hofkapelle an. 1542 an der Univ. Ingolstadt immatrikuliert, erscheint er in den Akten 1551 als Tenorist der Hofkapelle wieder in M¨unchen und wurde 1552 Nachfolger Andree → Zauners als Kapellmeister des Orchesters. 1562 krankheitshalber bei voller Besoldung entlassen, blieb er als angesehener Komponist in M¨unchen. 1572 wurde D. auf Empfehlung Herzog

Dassov → Albrechts V. an den Stuttgarter Hof berufen und dort mit dem Orchester h¨aufig zu ausw¨artigen Repr¨asentationsaufgaben herangezogen. Bis zu seinem Tod erhielt er die M¨unchner Besoldung; im Gegenzug widmete D. dem bayerischen Herzog zahlreiche Kompositionen. Er schrieb Messen, Motetten, ein Magnificat, Psalmen und deutsche Kirchenliedbearbeitungen, u. a. Passionis Domini nostri Jesu Christi historia (1578). C MGG

Daser, Ludwig Herkules, evang. Theologe, * 4. 4. 1705 Affalterbach, † 13. 9. 1784. D. war seit 1721 Magister der Philosophie und Pfarrvikar im w¨urttembergischen Laufen, seit 1728 Diakon in Bietigheim und 1736-75 Pfarrer in Schwaikheim. Er befaßte sich in verschiedenen Studien mit hebr¨aischen Texten des Alten Testaments und ver¨offentlichte u. a. eine Vertheidigung der Integritates textus Hebraici V. T. (1763). Dasio, Max(imilian), Maler, Graphiker, * 28. 2. 1865 M¨unchen, † 17. 8. 1954 Oberammergau. D., Sohn eines kgl. Schloßverwalters, absolvierte eine Lehre als Dekorationsmaler und Ziseleur, studierte anschließend bei Wilhelm von → Diez an der M¨unchner Kunstakademie und bereiste Italien. Er schuf Radierungen und Lithographien vor allem zu klassischen Motiven, Buchillustrationen (u. a. zu Gustav → Falkes Aus Muckimacks Reich, 1903) und schnitt Medaillen, Gemmen und Kameen in Metall, Stein und Holz. Als Lehrer zun¨achst beim K¨unstlerinnenverein t¨atig, wurde er 1900 Prof. an der Staatlichen Kunstgewerbeschule M¨unchen, bildete dort Zeichenlehrerinnen und -lehrer f¨ur H¨ohere Schulen aus und reformierte gemeinsam mit Georg → Kerschensteiner den Kunstunterricht. Von 1911 an war er Referent f¨ur Kunstunterricht an den H¨oheren Lehranstalten und Fachschulen im bayerischen Kultusministerium. Seit den zwanziger Jahren gestaltete er mehrere Kursm¨unzen und Kleinplastiken, sp¨ater entstanden Holzschnittzyklen, darunter 1945. C AKL

Dassdorf, Karl Wilhelm, Bibliothekar, Publizist, * 2. 2. 1750 Stauchitz bei Oschatz (Sachsen), † 28. 2. 1812 Dresden. D., Sohn eines Postmeisters, schloß die Studien an der Univ. Leipzig als Magister der Philosophie ab, war 1775-1812 Bibliothekar der o¨ ffentlichen Bibliothek in Dresden und wurde 1807 kgl. s¨achsischer Hofrat. Er stand im Austausch mit → Gellert, → Lessing und → Weiße, war als Rezensent t¨atig und gab eine Sammlung von Briefen Johann → Winckelmanns heraus. D. selbst schrieb Gelegenheitsgedichte und ver¨offentlichte eine Beschreibung der vorz¨uglichsten Merkw¨urdigkeiten der Kurf¨urstlichen Residenzstadt Dresden und einiger umliegenden Gegenden (1782).

Dassel, Christian Konrad Jakob, evang. Theologe, P¨adagoge, * 16. 3. 1768 Hankensb¨uttel bei Gifhorn, † 8. 1. 1845 Stadthagen. D. erteilte an der lateinischen Schule in Halle, die er bis 1787 besuchte, Unterricht, studierte anschließend an der Univ. Halle Theologie und war seit 1791 Lehrer zun¨achst in Hamm, sp¨ater am Halleschen Waisenhaus. 1794 folgte er einer Berufung an die Hofschule Hannover, wechselte 1796 als Prediger auf Schloß Ricklingen, 1800 nach Hohenbostel am Deister und war seit 1806 Hauptpastor in Stadthagen. Er schrieb neben theologischen und p¨adagogischen Aufs¨atzen naturwissenschaftliche Lehr- und Leseb¨ucher, darunter Merkw¨urdige Reisen der Gutmannischen Familie. Ein Weyhnachtsgeschenk f¨ur die Jugend (4 Teile, 1795-98).

Dassel, Hartwig von, auch Theophilus Dossiliander, Jurist, * 1557 L¨uneburg, † Februar 1608 L¨uneburg. D. studierte u. a. in Jena und Ingolstadt, unternahm eine Studienreise durch Italien und trat 1588 als Rechtskonsulent in

die Dienste der Erzherz¨oge → Karl und → Maximilian von ¨ Osterreich. 1589 kehrte er als S¨ulzmeister in seine Geburtsstadt zur¨uck und wurde im folgenden Jahr zum kaiserlichen Rat ernannt. D. ver¨offentlichte u. a. Consuedutines rei publicae Luneburgensis commentariis et additionibus illustratae (1592).

Dassler, Adolf, Unternehmer, * 3. 11. 1900 Herzogenaurach, † 6. 9. 1978 Herzogenaurach. D., Sohn eines Schuhmachers, erlernte das Handwerk des Vaters und u¨ bernahm 1920 dessen Firma, an der seit 1924 sein Bruder Rudolf → D. beteiligt war (Firma Gebr¨uder Dassler). In der auf Filzpantoffeln spezialisierten Schuhmacherwerkstatt begann D., Turnschuhe zu fabrizieren, 1925 folgten erstmals Fußballschuhe mit Stollen und Rennschuhe mit Spikes. Seit den Olympischen Spielen in Amsterdam 1928 traten Athleten bei internationalen Wettk¨ampfen verst¨arkt in Dassler-Produkten an. 1947 trennten sich die Br¨uder im Streit; Rudolf D. gr¨undete ein eigenes Werk unter dem Namen „Puma“, Adolf D. setzte seinen Erfolgskurs seit 1958 unter der Firmenbezeichnung „adidas“ fort. Durch wesentliche Produkterweiterungen und eine Reihe patentierter Verbesserungen verschaffte er den Sportschuhen mit den drei Streifen weitreichende Geltung. In den siebziger Jahren stieg D. mit Textilmodellen und kompletten Tennis- und Skiausr¨ustungen in den wachsenden Freizeitmarkt ein und galt als der gr¨oßte Sportwarenartikelhersteller der Welt. Er war der Vater von Horst → D. C Munzinger Dassler, Horst, Unternehmer, * 12. 3. 1936 Erlangen, † 9. 4. 1987 Erlangen. Der Sohn Adolf → D.s absolvierte eine Ausbildung als Kaufmann und Schuhingenieur. 1959 baute er im els¨assischen Landersheim die „adidas France“ auf und legte mit internationalen Beteiligungen in mehr als 40 L¨andern den Grundstein f¨ur den weltweiten Erfolg des Unternehmens. Der konsequente Ausbau von Marketing und Werbung sowie die gezielte F¨orderung nicht nur einzelner Sportler, sondern ganzer Fachverb¨ande und Mannschaften geh¨orten zu D.s Erfolgskonzept. Nach dem Tod des Vaters kehrte D. ins Stammhaus nach Herzogenaurach zur¨uck und trat 1980 in die Gesch¨aftsf¨uhrung ein, nach dem Tod der Mutter u¨ bernahm er 1985 den Vorstandsvorsitz. Er war Mehrheitsbeteiligter an der 1982 gegr¨undeten International Sports-, Culture- und Leisure-Marketing AG, Luzern. C Munzinger Dassler, Rudolf, Unternehmer, * 26. 3. 1898 Herzogenaurach, † 27. 10. 1974 Herzogenaurach. Der Sohn eines Schuhmachers erlernte das v¨aterliche Handwerk und war seit 1924 an der Firma seines Bruders Adolf → D. beteiligt (Gebr¨uder Dassler Schuhfabrik), die 1925 erstmals Fußballschuhe mit Stollen und Rennschuhe mit Spikes herstellte; 1931 wurden Tennisschuhe ins Programm aufgenommen. Nach der Trennung der Br¨uder 1947 gr¨undete D. ein eigenes Werk unter dem Namen Rudolf Dassler Sportschuh Fabrik Herzogenaurach, mit einem Puma als Markenzeichen, und konzentrierte sich ebenfalls auf die Herstellung von Sportartikeln. Der Stammbetrieb wurde bis 1960 mehrfach erweitert, 1963-67 wurden Zweigbetriebe in ganz ¨ Deutschland sowie Vertriebsniederlassungen in Osterreich und anderen L¨andern er¨offnet. Puma-Artikel entwickelten sich rasch zu erfolgreichen Konkurrenzprodukten und gewannen sp¨atestens 1962 weltweite Anerkennung, als die brasilianische Mannschaft mit Pel´e in Puma-Schuhen die Fußball-Weltmeisterschaft gewann. Nach D.s Tod wurde die Firma von seinem Sohn Armin A. D. weitergef¨uhrt. Dassov, Theodor, evang. Theologe, * 1648 Hamburg, † Januar 1721. D., Sohn eines Archidiakons an der Hamburger Petrikirche, studierte seit 1669 an der Univ. Gießen, seit 1674 an der

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Dasypodius Univ. Wittenberg, bereiste 1676-78 England und Holland und wurde nach seiner R¨uckkehr Prof. der Poesie und der orientalischen Sprachen an der Univ. Kiel. 1689 zum o. Prof. ernannt und 1699 zum Dr. theol. promoviert, war er zuletzt Generalsuperintendent in Holstein sowie Propst in Rendsburg. Seine Studien widmete er u¨ berwiegend der Hebraistik (u. a. Antiquitates Hebraicae quam plurima utriusque foederis loca difficiliora illustrantes [. . .], 1742). C ADB

Dasypodius, Konrad, Mathematiker, Astronom, * 1531 Frauenfeld (Kt. Thurgau), † 26. 4. 1600 Straßburg. Der Sohn von Petrus → D. war in Straßburg Mathematiklehrer, gab eine Euklid-Edition heraus und ver¨offentlichte ein Handbuch der Mechanik und der allgemeinen Methoden der Mathematik. Als seine herausragendste Leistung gilt die Planung und Konstruktion der Uhr des Straßburger M¨unsters (Wahrhaftige Auslegung des astronomischen Uhrwerks zu Straßburg, 1578), die Josias und Isaak → Habrecht aus Schaffhausen 1572-74 nach seinen Angaben anfertigten. Zu D.’ Ver¨offentlichungen geh¨oren ferner Vom Cometen, und ihrer w¨urckung (1578) und Heron mechanicus (1580). Dasypodius, Petrus, eigentl. P. Hasenfratz, schweizer. Humanist, Lexikograph, * um 1490 in oder bei Frauenfeld (Kt. Thurgau), † 28. 2. 1559 Straßburg. D. war Kaplan in Frauenfeld, wurde 1527 von → Zwingli an die Fraum¨unsterschule in Z¨urich berufen und kehrte 1530 als Schulmeister und reformierter Prediger nach Frauenfeld zur¨uck. Seit 1533 Leiter der Lateinschule am Karmeliterkloster in Straßburg, lehrte er dort seit 1538 im Gymnasium und an der Akademie. Der Vater von Konrad → D. wurde 1540 Kanonikus des Thomasstifts, 1551 dessen Dekan als Nachfolger → Bucers. D. publizierte Schriften zum Schulwesen und gab 1535 ein sp¨ater weitverbreitetes lateinischdeutsches Schulw¨orterbuch Dictionarium Latinogermanicum heraus, dem er 1536 einen deutsch-lateinischen und 1539 einen griechisch-lateinischen Teil anschloß. C NDB Dathe, Johann August, Philologe, * 4. 7. 1731 Weißenfels, † 17. 3. 1791. D. studierte seit 1751 an den Universit¨aten Wittenberg, Leipzig und G¨ottingen Theologie und Orientalische Sprachen, erwarb den Magistergrad und unternahm eine Studienreise zu Universit¨aten und Bibliotheken in Norddeutschland. 1757 habilitierte er sich an der Univ. Leipzig und wurde 1762 a. o. Prof. der orientalischen Sprachen, kurz darauf o. Prof. der Hebraistik. D. ver¨offentlichte Studien zum Alten Testa¨ ment sowie eine vollst¨andige Ubersetzung desselben ins Lateinische in mehreren Abschnitten, darunter Psalmi ex recensione textus Hebraei et versionum antiquarum Latine versi notisque [. . .] illustrati (1787). C ADB

Dathe von Burgk, (Carl) Friedrich August Frh., bis 1822 Dathe genannt Krebs, Industrieller, * 29. 4. 1791 Dresden, † 26. 7. 1872 Dresden. D. v. B., Sohn eines kurhessischen Kriegsrats, studierte Rechtswissenschaften an der Univ. Leipzig, war 1813 in den Befreiungskriegen Offizier im „Banner der freiwilligen Sachsen“ und bewirtschaftete die 1819 geerbte Herrschaft Roßthal, Pesterwitz und Großburgk. 1827 erweiterte er seinen Besitz um den Eisenhammer auf der Gitterseer Wiese und um in der Gegend seines Steinkohlenwerks in Großburgk gelegene bedeutende Kohlefelder; 1842 nahm er in seinem Eisenhammer den ersten Koksofen Sachsens in Betrieb. D. v. B. war an der Entwicklung des Plauenschen Grunds zum Zentrum der eisenverarbeitenden Industrie um Dresden beteiligt und sorgte f¨ur den Anschluß des Gebiets an das s¨achsische Eisenbahnnetz. C NDB

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Dathenus, Petrus, evang. Theologe, * 1531 / 32 Kassel bei Hazebrouck (Flandern), † 17. 3. 1588 Elbing. D. war Karmeliterm¨onch in Ypern, als er sich der Reformation anschloß und in Westflandern begann, evangelisch zu predigen. 1550 zur Flucht nach England gezwungen, geriet er w¨ahrend der Reaktion unter Mary Tudor erneut in Bedr¨angnis und folgte 1555 der Berufung zum Pfarrer der niederl¨andischen Emigrantengemeinde nach Frankfurt / Main. Nachdem der Magistrat der Stadt 1561 die o¨ ffentliche Aus¨ubung ihrer Konfession verbot, begab sich D. mit einem Teil seiner Gemeinde unter den Schutz des Kurf¨ursten → Friedrich von der Pfalz; die Siedler bezogen das Kloster Frankenthal. D. kehrte 1566 in die Niederlande zur¨uck und f¨uhrte u. a. den Vorsitz der Synode von Antwerpen. Von der Inquisition 1567 erneut zur Flucht gezwungen, kehrte er in die Pfalz zur¨uck, wurde 1568 Pr¨ases des Weseler Konvents, 1570 Hofprediger und f¨uhrte ein wechselhaftes Leben zwischen den Niederlanden und der Pfalz, sp¨ater auch in Preußen, zuletzt als Arzt in Elbing. D. erwarb sich große Verdienste um die Einigung und Organisation der niederl¨andisch-reformierten Kirche. Er u¨ bertrug den Heidelberger Katechismus ins Niederl¨andische und verfaßte eine niederl¨andische Liturgie. C RGG Datt, Johann Philipp, Rechtshistoriker, * 29. 10. 1654 Esslingen, † 28. 2. 1722 Stuttgart. Der Sohn eines Esslinger Stadtammanns und Syndikus der schw¨abischen Reichsritterschaft studierte 1674-81 in Straßburg Philosophie und Jura. 1684 u¨ bernahm er in seiner Heimatstadt als Stadtschreiber die Leitung der Registratur sowie des Archivs und vertrat seit 1690 Esslingen auf Reichs- und Kreistagen als Konsulent. 1695 wurde D. w¨urttembergischer Regierungs- und Konsistorialrat sowie Kirchenkastenadvokat in Stuttgart. Sein auf Urkunden beruhendes Hauptwerk u¨ ber den ewigen Landfrieden von 1495, Volumen rerum Germanicarum sive de pace imperii publica libri V (1698), zeigte neue Aspekte des mittelalterlichen Stadtrechts auf. In De venditione liberorum diatriba (1700) besch¨aftigte sich D. mit grundlegenden Rechtsfragen der Sp¨atantike. C NDB

Daub, Karl, evang. Theologe, * 20. 3. 1765 Kassel, † 22. 11. 1836 Heidelberg. Der Sohn eines Reitknechts wurde nach dem Studium der Philologie, Philosophie, Geschichte und Theologie in Marburg 1790 Stipendiatenmajor und Privatdozent und kam 1794 als Prof. der Philosophie an die Hohe Landesschule in Hanau. 1795 folgte er einem Ruf an die Theologische Fakult¨at in Heidelberg und u¨ bernahm 1805 den Lehrstuhl von Daniel Ludwig → Wundt. Urspr¨unglich Kantianer, wurde D. sp¨ater Anh¨anger der → Schellingschen Identit¨atsphilosophie und trat schließlich unter dem Einfluß → Hegels zusammen mit Philipp Konrad → Marheineke, der 1838-44 (mit D.s Schwiegersohn Theophor Wilhelm → Dittenberger) D.s Philosophische und theologische Vorlesungen in 7 B¨anden herausgab, f¨ur eine spekulative Restauration des orthodoxen Dogmas ein. Kirchenpolitisch beteiligte er sich am Zustandekommen der Union in Baden. D. ver¨offentlichte u. a. Lehrbuch der Katechetik (1801), Theologumena (1806), Einleitung in das Studium der christlichen Dogmatik aus dem Standpunkte der Religion (1810), Judas Ischariot oder das B¨ose im Verh¨altnis zum Guten (2 Bde., 1816-18) und Die dogmatische Theologie jetziger Zeit oder die Selbstsucht in der Wissenschaft des Glaubens und seiner Artikel (1833). Seit 1805 gab er zusammen mit Georg Friedrich → Creuzer die Heidelberger „Studien“ (1805-10) heraus. C TRE Daub, Philipp, Politiker, * 21. 1. 1896 Burbach bei Saarbr¨ucken, † 14. 7. 1976 Berlin. Von Beruf Metallarbeiter, trat der aus einer Arbeiterfamilie stammende D. 1918 in die Gewerkschaft und die USPD,

Daublebsky von Sterneck 1921 in die KPD ein und wurde 1924 hauptamtlicher Funktion¨ar und Gesch¨aftsf¨uhrer des Verlags der Parteizeitung in Saarbr¨ucken. 1924-31 war er dort Stadtverordneter, 1928-31 Politischer Leiter des KPD-Bezirks Saar und seit 1932 Mitglied des Reichstags. D. war 1933 / 34 Mitglied der illegalen Landesleitung sowie Leiter des Oberbezirks Mitte der verbotenen KPD, wurde Beauftragter des Politb¨uros f¨ur den Abstimmungskampf im Saargebiet und floh Anfang 1935 u¨ ber Frankreich in die Niederlande. Bis 1936 in der Untergrundarbeit im Deutschen Reich, u¨ bernahm er anschließend in Frankreich die Auslandsleitung der Roten Hilfe, wurde Sekret¨ar des Deutschen Hilfsausschusses in Paris und war Mitbegr¨under des „Hilfskomitees f¨ur das Saarland“ sowie KPD-Vertreter im „Office Sarrois“. Seit Kriegsbeginn interniert, emigrierte er 1941 nach New York. D. kehrte 1946 in die Sowjetische Besatzungszone zur¨uck, wurde Vizepr¨asident der Deutschen Zentralverwaltung f¨ur Umsiedler, sp¨ater Leiter der Kaderabteilung des SED-Parteivorstandes und war 1950-61 Oberb¨urgermeister von Magdeburg sowie Mitglied des Landtags von Sachsen-Anhalt. Er war Mitbegr¨under und 1961-64 Pr¨asident der Liga f¨ur V¨olkerfreundschaft. C MBL

Daube, David, Jurist, Bibelwissenschaftler, * 8. 2. 1909 Freiburg / Breisgau, † 24. 2. 1999 Berkeley (Kalifornien, USA). Der einer j¨udisch-orthodoxen Familie entstammende D. studierte Rechtswissenschaften in Freiburg / Breisgau und G¨ottingen, wurde 1932 promoviert und war 1932 / 33 Referendar und Assistent an der Univ. G¨ottingen. 1933 emigrierte er nach Großbritannien. Nach der Promotion zum Ph. D. in Cambridge 1935 war er 1938-46 als Fellow am Gonville and Caius College in Cambridge t¨atig, erhielt 1951 eine Professur f¨ur Rechtswissenschaften in Aberdeen und wechselte 1955 als Prof. f¨ur Zivilrecht nach Oxford. Bereits in den sechziger Jahren lehrte D. als Gastprofessor an der University of California in Berkeley, der er seit 1970 als festes Mitglied der Juristischen Fakult¨at angeh¨orte und deren Robbins-Sammlung f¨ur j¨udisches und r¨omisches Recht er als Kurator betreute. Er ver¨offentlichte u. a. Studies in Biblical Law (1947), The New Testament and Rabbinic Judaism (1956) und Appeasement or Resistance and Other Essays on the New Testament and Judaism (1989). C Jb BAW 1999 Daube, Johann Friedrich, Musiker, Musikschriftsteller, * 1733, † 19. 9. 1797 Leopoldstadt (heute zu Wien). Mit elf Jahren war D. als Theorbist am Berliner Hof bekannt und kam im Gefolge des wenige Jahre a¨ lteren → Karl Eugen von W¨urttemberg, selbst Klaviersch¨uler Carl Philipp Emanuel → Bachs, nach Stuttgart, der ihn in die gutbezahlte Position eines „Cammer-Theorbisten“ einsetzte. D. war seit 1750 „Flaut-Traversist“, wurde 1755 entlassen und im folgenden Jahr nach mehreren Gesuchen an Karl Eugen als minderbezahlter Orchesterfl¨otist wieder eingestellt. Er blieb bis 1765 am w¨urttembergischen Hof, lebte seit 1770 in Wien und f¨uhrte den Titel eines Rats und ersten Sekret¨ars der Augsburger kaiserlich-franciscinischen Akademie der freien K¨unste und Wissenschaften. Als sein Hauptwerk gilt der General-Baß in drey Accorden [. . .] (1756, Nachdr. 1984); seine Anleitung zum Selbstunterricht in der musikalischen Composition [. . .] (2 Tle., 1798) gibt Aufschluß u¨ ber zeitgen¨ossische Kompositionsverfahren und das Musikleben im josephinischen Wien. C MGG Dauber, Johann Henrich von, Jurist, * 2. 12. 1610 Herborn, † 27. 7. 1672 Kassel. D., Sohn eines Gymnasialprofessors, studierte seit 1622 an der Herborner Lateinschule und an der Univ. Marburg und hielt dort 1629-31 rechtswissenschaftliche Vorlesungen. Danach lebte er in Frankreich, wo er u. a. Prof. der Rechte

in Sedan und Parlamentsadvokat in Paris war. Seit 1646 Rechtsprofessor an der Akademie in Breda, wurde er 1651 Geheimer Konsistorialrat sowie Oberappellationsrat in Kassel, machte sich um die R¨uckf¨uhrung der hessischen Univ. von Kassel nach Marburg verdient und wurde 1654 deren Vizekanzler. Neben juristischen Schriften verfaßte D. u. a. eine Oratio funebris in excessum Friderici Henrici supremi C NDB Arausiorum principis [. . .] (1647).

Daubert, Philipp Wilhelm, Industrieller, * 1. 6. 1799 Braunschweig, † 21. 11. 1875 Braunschweig. Von Beruf Klempnermeister, begann der Sohn eines Schneidermeisters, angeregt durch den Chemiker Franz → Varrentrapp, Braunschweiger Spargel in selbstgefertigten Dosen zu konservieren. Von einem Nebenerwerb wandelte er die Konservenherstellung in einen saisonbedingten Hauptberuf um, besch¨aftigte bereits 1852 fremde Arbeitskr¨afte und machte die Herstellung von Spargelkonserven 1859 zum selbst¨andigen Erwerbszweig. D. erweiterte sein Absatzgebiet bald bis England, Frankreich und Italien und konnte seit 1873 mit einem aus Paris bezogenen Autoklaven den Spargel in großen Mengen unter Dampfdruck garen. Mit seinem Unternehmen begann die umfangreiche Braunschweiger Konservenindustrie. C NDB

Daublebsky von Sterneck, Maximilian Frh., o¨ sterr. Milit¨ar, * 14. 2. 1829 Klagenfurt, † 5. 12. 1897 Wien. Nach der Ausbildung am Marinekollegium in Venedig beteiligte sich D. v. S., Sohn eines Appellationsgerichtspr¨asidenten und Landeshauptmanns von K¨arnten und Vetter von Robert → D. v. S., 1848 an der Expedition gegen Ancona und an der Blockade Venedigs. 1866 war er Linienschiffskapit¨an und erfocht mit Admiral Wilhelm von → Tegetthoff den Sieg in der Schlacht bei Lissa. 1872 nahm er an der Polarexpedition des Grafen Hans → Wilczek teil, wurde 1888 Admiral und Chef der Marinesektion des Reichskriegsministeriums. D. v. S. war neben Tegetthoff der bedeutendste ¨ Flottenf¨uhrer Osterreich-Ungarns. Als Seetaktiker und Organisator verfaßte er Lehrb¨ucher, f¨uhrte allj¨ahrliche Man¨over ein und gr¨undete die Donauflottille. 1869-73 Hafenkommandant von Pola, bem¨uhte er sich um bessere Arbeitsbedingungen f¨ur die Arsenalarbeiter. 1901 erschienen seine Erinne¨ rungen an die Jahre 1847-97. C OBL Daublebsky von Sterneck, Robert, o¨ sterr. Milit¨ar, Geod¨at, * 7. 2. 1839 Prag, † 2. 11. 1910 Wien. D. v. S., Sohn eines Juristen und Vetter von Maximilian → D. v. S., war nach Abschluß seiner Studien an der TH Prag (1859) seit 1862 am Milit¨argeographischen Institut in Wien t¨atig. 1871-74 an Ortsbestimmungen auf dem Balkan beteiligt, war er seit 1880 Leiter der Institutssternwarte. 1884 wurde er Leiter der astronomisch-geod¨atischen Gruppe, 1886 der Astronomischen Abteilung, seit 1894 im Rang eines Obersten. Seit 1882 geh¨orte er der o¨ sterr. Kommission f¨ur die internationale Erdmessung an und war Mitglied mehrerer Akademien, seit 1896 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. D. v. S. gilt als Begr¨under ¨ der angewandten Geophysik in Osterreich, entwickelte eine nach ihm benannte Methode zur Beobachtung sogenannter Meridianzenitdistanzen, erfand das ebenfalls nach ihm benannte Halbsekundenpendel, einen Ableseapparat f¨ur Instrumente zur L¨angenbestimmung, und konstruierte einen Flutmesser. Er ver¨offentlichte u. a. Die Schwerkraft in den Alpen und Bestimmung ihres Wertes f¨ur Wien (1892) und Relative Schwerebestimmungen (in: Mitteilungen des k. u. k. Milit¨argeographischen Instituts Wien, 1898). D. v. S. war der Vater des Mathematikers Robert → D. v. S. ¨ Natur b) C Ost

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Daublebsky von Sterneck Daublebsky von Sterneck, Robert, o¨ sterr. Mathematiker, * 5. 4. 1871 Wien, † 18. 3. 1928. Der Sohn des Geod¨aten Robert → D. v. S. studierte seit 1889 an der Univ. Wien, wurde 1893 promoviert und war danach Beamter an der Wiener Universit¨atsbibliothek. 1895 habilitierte er sich an der Univ. Wien f¨ur Mathematik, wurde 1898 Mitglied der Mathematischen Gesellschaft Moskau und im folgenden Jahr Privatdozent an der TH Wien. 1904 folgte er einer Berufung als a. o. Prof. an die Univ. Czernowitz, wo er 1906 Ordinarius wurde. D. befaßte sich u. a. mit Zahlentheorie und Der Sehraum auf Grund der Erfahrung. Psychologische Untersuchungen (1907) und Der mathematische Unterricht an den Universit¨aten (1911).

Daubmann, Hans, auch Johann D., Drucker, Verleger, * Torgau, † Ende 1573 K¨onigsberg. Seit 1545 B¨urger der Stadt N¨urnberg, wohnte D. in der Judengasse und f¨uhrte einen Buchladen am Rathaus. Zun¨achst mit Wolf Fugger, bald jedoch allein, druckte er erst mit einem, seit 1550 mit zwei Setzern und verlegte zahlreiche Flugschriften; seit 1551 arbeitete der Literat Michael → Lindener bei ihm als Korrektor. Wegen anst¨oßiger Schriften und Flugbl¨atter geriet er mehrmals in Konflikt mit der Stadtverwaltung, folgte 1554 einer Berufung Herzog → Albrechts nach K¨onigsberg und war dort seit 1558 Universit¨atsbuchdrucker sowie Drucker der Stadt und der Landschaft K¨onigsberg. Hier entstanden zahlreiche Drucke u. a. in polnischer und litauischer Sprache. Als sein Hauptwerk gilt der Nachdruck (1555, 1556, 1565) des Erfurter Arzneibuchs von 1549. C Th-B

Dauch, (Hugo) Walther, Kaufmann, * 7. 6. 1874 Dresden, † 13. 11. 1943 Ummendorf bei Magdeburg. Nach einer kaufm¨annischen Lehre und dem Milit¨ardienst erwarb sich D. in großen Handelsh¨ausern in Hamburg, Frankreich und England umfassende Wirtschaftskenntnisse, betrieb juristische Studien und bet¨atigte sich im v¨aterlichen Unternehmen, das in Triest Importgesch¨afte betrieb. 1902 ging er nach Mittelamerika und wurde in Guatemala Mitbegr¨under der Firma Schlubach, Dauch & Co., Bank, Import, Export, Plantagenbesitz. 1909-15 war D. Pr¨asident der Verapaz-Eisenbahn sowie Aufsichtsratsmitglied mehrerer Aktiengesellschaften in Nord-, Mittel- und S¨udamerika. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte er nach Hamburg zur¨uck und leitete dort das Stammhaus Schlubach, Thiemer & Co. Politisch bet¨atigte sich D. im Rahmen der Hamburger B¨urgerschaft und geh¨orte 1920-32 als Mitglied der Deutschen Volkspartei dem Reichstag an. Er war Verfasser mehrerer Denkschriften wirtschaftlichen und außenpolitischen Inhalts, u. a. der Hamburger Vorschl¨age zur Ausgestaltung des deutschen Auslandsdienstes. C Reichshandbuch Daude, Hadrian, auch Adrian D., Jesuit, Theologe, Historiker, * 9. 11. 1704 Fritzlar, † 12. 6. 1755 W¨urzburg. D. trat 1722 in die Gesellschaft Jesu ein, wurde Lehrer an den Jesuitenkollegien Heiligenstadt, Mannheim, Mainz und Wetzlar, sp¨ater Prof. der Philosophie in Bamberg und war von 1742 bis zu seinem Tod Prof. der Philosophie, Kirchengeschichte und Kontroverstheologie in W¨urzburg. Als sein Hauptwerk gilt Majestas hierarchiae ecclesiasticae (2 Bde., 1745 / 46), in dem er die „Erhabenheit“ der Hierarchie herausstellte. Die Historia universalis et pragmatica Romani imperii (3 Bde., 1748-54) blieb unvollendet. C LThK Daude, Paul, Jurist, * 11. 11. 1851 Bernburg, † 29. 9. 1912 Berlin. D. studierte an den Universit¨aten Berlin und Bonn (Promotion 1871, De capitis jure poenis Justinianeo), war seit 1876 Gerichtsassessor, wurde im selben Jahr Staatsanwalt

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beim Oberlandesgericht Marienwerder und kam 1880 in gleicher Funktion an das Landgericht I in Berlin. Seit 1885 Universit¨atsrichter, wurde er 1888 Geheimer Regierungsrat und Justitiar der Kgl. Bibliothek, 1900 Vorsitzender s¨amtlicher Kgl. preuß. Sachverst¨andigenkammern und Vereine und 1905 Syndikus der TH Berlin. D. ver¨offentlichte u. a. ein Lehrbuch des Urheberrechts (1888).

Daudistel, Albert, Schriftsteller, * 2. 12. 1890 Frankfurt / Main, † 30. 7. 1955 Reykjavik (Island). Der Sohn eines Metzgermeisters wurde nach unsteten Wanderjahren in Europa Marinesoldat. Er nahm 1918 an der Novemberrevolution teil und wirkte 1919 an der R¨aterepublik in M¨unchen mit. Zu f¨unf Jahren Festungshaft verurteilt, begann er mit dem Schreiben naturalistischer, oft autobiographisch gef¨arbter Texte. Am bekanntesten wurde sein Roman u¨ ber Kriegsgegner in der deutschen Marine, Das Opfer (1925, zuletzt 1981). Zu den Ver¨offentlichungen D.s, der nach 1925 vor allem Reiseliteratur publizierte, geh¨oren ferner der Erz¨ahlband Die lahmen G¨otter (1924), Wegen Trauer geschlossen (1926), Eine sch¨on mißgl¨uckte Weltreise (1926) und Der Bananenkreuzer (1935). Er war Mitglied des Bundes proletarisch-revolution¨arer Schriftsteller, aus dem er 1930 wegen politischer Differenzen ausgeschlossen wurde. 1935 emigrierte D. nach Island. C Killy Dauer, Franz Xaver, Gewerkschafter, Politiker, * 8. 8. 1873 Weinberg (Mittelfranken), † 13. 8. 1937 M¨unchen. Nach dem Besuch der Schule war D. in der Landwirtschaft und bei der Eisenbahn t¨atig, leistete 1893-95 Milit¨ardienst und arbeitete 1895-99 in der Eisenbahnhauptwerkst¨atte M¨unchen. Seit 1899 Beamter des Bayerischen Eisenbahnerverbandes, u¨ bernahm er 1902 die Schriftleitung der Zeitschrift „Der Eisenbahner“; 1916 wurde er zum Generalsekret¨ar des Verbandes ernannt. 1919 war er vor¨ubergehend politischer Staatsrat im bayerischen Staatsministerium f¨ur Verkehrsangelegenheiten, 1907-11 und 1919 / 20 Mitglied des Bayerischen Landtags. 1920-30 geh¨orte D. f¨ur die Bayerische Volkspartei dem Reichstag an. C Haunfelder, Zentrumspartei Dauer, Johann (Josef) Ernst, S¨anger, Schauspieler, * 1746 Hildburghausen, † 12. (oder 27.) 9. 1812 Wien. D. begann 1768 seine B¨uhnenkarriere am Hof des Prinzen von Sachsen-Hildburghausen, wurde 1771 von Friedrich Ludwig → Schr¨oder nach Hamburg verpflichtet und wechselte 1775 an das Hoftheater in Gotha. 1777-79 war er Mitglied der „Seylerschen Truppe“. 1779 wurde D. an das Wiener Hoftheater engagiert, wo er 1782 als Pedrillo in der Urauff¨uhrung der Entf¨uhrung aus dem Serail mitwirkte. C MGG Dauher, Adolf, auch Dauer, Daw(h)er, Dowher, Thauer, Tawher, Tuwer, Bildhauer, * um 1465 Augsburg (?), † 1523 (1524?) Augsburg. Gemeinsam mit seinem sp¨ateren Schwager Gregor → Erhart wurde D., Sohn eines Malers, bei dessen Vater Michael → Erhart zum Bildschnitzer und Schreiner ausgebildet. Seit 1490 Meister, wurde er 1492 Augsburger B¨urger und wohnte – seit 1494 mit Gregor Erhart – zun¨achst im Augsburger Pfleghof. Als anerkannter K¨unstler besch¨aftigte er bald Gesellen und wurde zun¨achst als Bildhauer, seit 1494 als Kistler und sp¨atestens seit 1514 als Bildschnitzer in den Steuerb¨uchern gef¨uhrt. Von Jakob → Fugger erhielt er 1509 den Auftrag f¨ur die Fuggerkapelle bei St. Anna. Gemeinsam mit seinem Sohn Hans → D. schuf er u. a. den Hochaltar der C AKL Kirche in Annaberg.

Daun Dauher, Hans, Bildhauer, * zwischen 1485 und 1488 Ulm (?), † nach 11. 11. 1538 Stuttgart (?). Der Sohn Adolf → D.s war Lehrling in der Augsburger Werkstatt seines Onkels Gregor → Erhart und unternahm Studienreisen nach Oberitalien und Venedig. 1514 wurde er Meister und B¨urger in Augsburg. Im Zusammenhang mit seinen Auftr¨agen f¨ur den o¨ sterr. Hof reiste er 1528 nach Wien; 1536 trat er in die Dienste des Herzogs von W¨urttemberg. D. schuf zun¨achst u¨ berwiegend Epitaphien, sp¨ater Kleinplastiken, Reliefs und Medaillons nach Vorlagen u. a. von Martin → Schongauer, Hans → Burgkmair, Albrecht → D¨urer und Lucas → Cranach. Seine meist in Solnhofner Stein ausgef¨uhrten Arbeiten werden zu den herausragenden Kleinplastiken der deutschen Fr¨uhrenaissance gez¨ahlt (u. a. Reiterrelief K¨onig Ferdinands, 1522). C AKL Daum, Christian, Philologe, * 29. 3. 1612 Zwickau, † 15. 12. 1687 Zwickau. D. studierte 1633 / 34 Philologie bei Caspar von → Barth in Leipzig, wurde Hauslehrer, kehrte 1642 als Lehrer am Gymnasium nach Zwickau zur¨uck und wurde 1662 Rektor der Schule. Er f¨uhrte eine umfangreiche Korrespondenz mit gelehrten Zeitgenossen in Leipzig, N¨urnberg, Wien, den Niederlanden und in Italien und trat erstmals 1646 mit Vertumnus poeticus, einer nach der Mode der Zeit verfaßten vielfachen Variation des Spruchs „fiat iustitia aut pereat mundus“, vor ein gr¨oßeres Publikum. Den Schwerpunkt seiner publizistischen Arbeit bilden lateinische und deutsche Gelegenheitsgedichte, sprachtheoretische Abhandlungen sowie philologische Editionen, u. a. der Disticha de moribus des Cato (1672). C Killy Daum, Robert, Politiker, * 8. 1. 1889 Elberfeld (heute zu Wuppertal), † 7. 5. 1962 Bad Gastein (Salzburg). Der Sohn eines Fuhrunternehmers war Hausdiener und Handelsarbeiter und brachte es bis 1914 zum Bezirksleiter des Transportarbeiterverbandes. Den Ersten Weltkrieg erlebte er als Soldat, anschließend war er als Gewerkschaftsangestellter und Versicherungsvertreter t¨atig, begann auf kommunaler Ebene als Stadtverordneter von Elberfeld (1924-29) und Wuppertal (1929-33) eine politische Laufbahn, war Vorsitzender des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold in Wuppertal und zog 1932 f¨ur die SPD in den Reichstag ein. Nach 1933 wurde D. mehrfach verhaftet; bis zur Dienstverpflichtung als Versicherungsvertreter und Metallarbeiter 1943 war er als Grundst¨ucksmakler t¨atig. 1945-49 beteiligte er sich am Wiederaufbau der Gewerkschaften, wurde erneut Stadtverordneter und war 1946-51 Oberb¨urgermeister von Wuppertal. D. war 1948 / 49 Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrats und geh¨orte w¨ahrend der zweiten Legislaturperiode dem Deutschen Bundestag an. 1956-58 war er erneut B¨urgermeister von Wuppertal. C MdB Daume, Willi, eigentl. Wilhelm Karl August Ferdinand D., Unternehmer, Sportfunktion¨ar, * 24. 5. 1913 H¨uckeswagen (Rheinland), † 20. 5. 1996 M¨unchen. D. studierte seit 1934 Betriebs- und Volkswirtschaft sowie Rechtswissenschaften in Leipzig, M¨unchen und K¨oln und u¨ bernahm nach dem Tod seines Vaters 1938 die Erzgießerei Wilhelm Daume GmbH & Co. KG in Dortmund. Als Sportler u. a. Mitglied der Basketball-Olympiamannschaft 1936, trat D. sp¨ater vor allem als Sportfunktion¨ar hervor. 1950-70 war er Pr¨asident des Deutschen Sportbundes, 1956-91 Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (danach Ehrenmitglied), 1972-76 dessen Vizepr¨asident, 1961-92 Pr¨asident des Nationalen Olympischen Komitees (danach Ehrenpr¨asident) und 1979-88 Pr¨asident der Deutschen Olympischen Gesellschaft. 1966-72 war D. Pr¨asident des Organisationskomitees f¨ur die Olympischen Spiele in M¨unchen. C Munzinger

Daumer, Georg Friedrich, Pseud. Dr. George Brown, Eusebius Emmeran, A. Jais, Dr. Amadeus Ottokar, Religionsphilosoph, Lyriker, * 5. 3. 1800 N¨urnberg, † 13. 12. 1875 W¨urzburg. D., Sohn eines K¨urschnermeisters, war als N¨urnberger Gymnasiast Sch¨uler → Hegels, studierte sp¨ater evang. Theologie bei Gotthilf Heinrich → Schubert in Erlangen sowie an der Univ. Leipzig und lehrte 1823-26 Klassische Philologie am ¨ Gymnasium in N¨urnberg; seine kritische Schrift Uber den Gang und die Fortschritte unserer geistigen Entwicklung seit der Reformation und u¨ ber ihren Standpunkt in der gegenw¨artigen Zeit (1826) f¨uhrte zur Suspendierung vom Unterricht. 1828 wurde ihm vom N¨urnberger Rat die Erziehung und Ausbildung des Findlings Kaspar → Hauser u¨ bertragen, die er 1829 nach einem Attentat auf Hauser niederlegte (Mittheilungen u¨ ber Kaspar Hauser, 2 Bde., 1832). D. behauptete die soziale Inkompetenz der Kirchen, kritisierte ihre Einsch¨atzung von Katastrophen als Strafgerichten Gottes und publizierte u. a. Sabbath, Moloch und Tabu (1839). Sp¨ater entwickelte er eine auf einen von Gott geschaffenen h¨oheren Menschen bauende „Eremitalphilosophie“ und konvertierte 1858 zum Katholizismus (Meine Conversion. Ein St¨uck Seelen- und Zeitgeschichte, 1859). Seit 1860 lebte D. in W¨urzburg. Einige seiner lyrischen Arbeiten, darunter die aus dem Persischen u¨ bertragenen Gedichte Hafis (1846), wurden von Johannes → Brahms vertont. In seinem Werk Die Geheimnisse des christlichen Alterthums (2 Bde., 1847) stellt D. das Christentum als eine auf Menschenopfer beruhende Religion kannibalistischen Ursprungs dar; der Marienkult dagegen sei heidnisch-germanischen Ursprungs. Zu D.s Ver¨offentlichungen z¨ahlen ferner Andeutung eines Systems speculativer Philosophie (1831), Philosophie, Religion und Alterthum (2 Bde., 1833), Z¨uge zu einer neuen Philosophie der Religion und Religionsgeschichte (1835), Der Anthropologismus und Kriticismus der Gegenwart in der Reife seiner Selbstoffenbarung (1844) und Das Christenthum und sein Urheber (1864). C Leb Franken, Bd 5 Daun, Leopold Josef Maria Graf von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 24. 9. 1705 Wien, † 5. 2. 1766 Wien. Urspr¨unglich f¨ur den geistlichen Stand bestimmt, k¨ampfte der Sohn von Wirich Philipp Lorenz von → D. seit 1734 in o¨ sterr. Heeresdiensten auf verschiedenen europ¨aischen ¨ Kriegsschaupl¨atzen, so im T¨urkenkrieg 1737 / 39, im Osterreichischen Erbfolgekrieg 1742 und im 2. Schlesischen Krieg. Seit seiner Heirat mit der verwitweten Gr¨afin Nostitz, einer Freundin → Maria Theresias, genoß er das Vertrauen der Kaiserin. Nach dem Aachener Frieden von 1748 u¨ bernahm er die Reorganisation des o¨ sterr. Heeres und stellte es durch seine Reglements f¨ur die Infanterie (1749) und die Kavallerie (1751) auf eine bis zum Ende der Monarchie g¨ultige Grundlage. 1751 wurde D. Stadtkommandant von Wien, 1752 der erste Generaldirektor der Milit¨arakademie. Seit 1754 Feldmarschall, errang er 1757 in der Schlacht von Kolin seinen ersten Sieg u¨ ber → Friedrich II. Im weiteren Verlauf des Siebenj¨ahrigen Kriegs k¨ampfte er mit wechselndem Erfolg. 1761 wurde D. Staatsminister, 1762 Hofkriegsratspr¨asident. C NDB

Daun, Wirich von, Graf von Falkenstein, Herr zu Oberstein und Broich, Staatsmann, * 1542, † 11. 10. 1598 Broich bei M¨ulheim / Ruhr. D., Sohn eines Domherrn zu K¨oln und Straßburg, wurde 1568 mit seinem großv¨aterlichen Erbteil, der Unterherrschaft Broich, belehnt und lebte nach Studienreisen durch Frankreich, Italien und England meist am herzoglichen Hof in D¨usseldorf. Als rangh¨ochstes Mitglied des Landadels vertrat er Herzog und St¨ande auf zahlreichen Deputationstagen und bei f¨urstlichen Familienfesten. Er war mit dem niederl¨andischen Statthalter von Geldern verwandt und galt als

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Daun f¨uhrende Kraft der Protestanten in den niederl¨andischen Herzogt¨umern. Mit zunehmender Hinwendung des D¨usseldorfer Rats zur spanisch-kath. Seite zog sich D. vom Hof zur¨uck; w¨ahrend der Besetzung Broichs durch Truppen Mendozas wurde er ermordet. C NDB

Daun, Wirich Philipp Lorenz von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 19. 10. 1669 Wien, † 30. 7. 1741 Wien. D., Sohn eines kaiserlichen Feldmarschalls und Stadtkommandanten von Prag, erwarb sich 1696 erste Verdienste im T¨urkenkrieg und wurde 1701 General im Armeekorps von Prinz → Eugen, 1706 Feldmarschall. Er verteidigte im gleichen Jahr drei Monate lang Turin gegen die franz¨osischen Belagerer und wurde als Feldzeugmeister mit dem Oberbefehl der o¨ sterr. Truppen gegen Neapel-Sizilien betraut, 1708 Kommandant von Mailand. 1709 zwang er Papst Clemens XI. zum Frieden mit → Joseph I. 1713 ernannte ihn → Karl VI. zum Vizek¨onig von Neapel, nachdem ihm 1710 das F¨urstentum Thiano geschenkt worden war. 1719 wurde D. Stadtkommandant von Wien, 1725 Statthalter in den Spanischen Niederlanden und 1728 Statthalter von Mailand, das er 1733 den Franzosen u¨ berlassen mußte. Er war der Vater von Leopold Josef Maria von → D. C NDB

Daun-Oberstein, Philipp Herr von, Kurf¨urst-Erzbischof von K¨oln, † 12. 2. 1515 Poppelsdorf. D.-O. erhielt 1463 ein Kanonikat am K¨olner Dom. 1488 wurde er dort Domscholaster, 1489 Domdekan und gleichzeitig Domherr in Trier, 1508 Erzbischof von K¨oln. 1509 von → Maximilian I. mit den Regalien ausgestattet und von Bischof Erard von L¨uttich geweiht, trug er wie sein Vorg¨anger mit der Stadt K¨oln einen Streit u¨ ber seine Hoheitsrechte aus. D.-O. hielt regelm¨aßig Provinzialsynoden ab. C Gatz 2

Daus, Abraham, Musiker, Dirigent, Komponist, Musikp¨adagoge, * 22. 6. 1902 Berlin, † 25. 6. 1974 Tel Aviv. D. studierte 1919-21 Komposition und Klavier an der Hochschule f¨ur Musik in Berlin, setzte seine Studien in M¨unchen bei Walter → Courvoisier in Komposition und bei Hugo → R¨ohr in Dirigieren fort und wurde 1923 promoviert. 1923-33 war er Dirigent an den Opernh¨ausern in Breslau, Krefeld, Dortmund und Wuppertal, verlor seine Stellung 1933 und emigrierte nach Paris, 1936 nach Pal¨astina. Bis 1940 dort als Komponist, Konzertpianist und Dirigent t¨atig, lebte er 1940-63 zur¨uckgezogen in Kibbuzim und wirkte vorwiegend als Musikp¨adagoge. 1963 ging er nach Tel Aviv. D. komponierte Kantaten, Lieder und Ch¨ore, seit 1952 zunehmend auch Zw¨olfton-Kompositionen, darunter ein Streichquartett (1954) und ein Violinkonzert (1957).

Daut, Johann Maximilian, Pietist, getauft 18. 5. 1656 Niederrad bei Frankfurt / Main, † nach 1736. Der vermutlich von Jacob → B¨ohme beeinflußte Schustergeselle verk¨undete 1710 in Frankfurt / Main mit seiner Hellen Donnerposaune im Stil alttestamentlicher Bibelspr¨uche das bevorstehende Strafgericht Gottes u¨ ber die Stadt, das Heilige R¨omische Reich und Schweden. Daraufhin ausgewiesen, schloß er sich kurzzeitig den sogenannten Engelbr¨udern in Leiden an, erschien, nachdem er sich mit diesen zerstritten hatte, in Wittgenstein und Ulm und fand, a¨ hnlich wie der Per¨uckenmacher Johann → Tennhardt, vor allem im l¨andlichen Gebiet zahlreiche Anh¨anger. Seine Lehren und Schriften, die sich bis nach England verbreiteten, wurden 1712 vom Rat der Stadt Ulm verboten. Aus sp¨aterer Zeit ist nur bekannt, daß D. seine Untergangsprophezeiung 1735 widerrufen hat. C RGG Dauth, Johann, Jurist, * 1544 Ochsenfurt, † 1621 Magdeburg. D. studierte an der Univ. Leipzig zun¨achst Theologie, sp¨ater Rechtswissenschaft, trat von der kath. zur evang. Kirche u¨ ber

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und wurde 1564 Magister der Philosophie. Seit 1574 Syndikus der Stadt Braunschweig, wurde er um 1577 in Leipzig zum Dr. jur. promoviert und privatisierte seit 1584 in Nordhausen. 1588 folgte er einem Ruf als Prof. der Rechte und Beisitzer am Oberhofgericht nach Leipzig, legte sein Amt 1591 nieder und war danach Syndikus in Magdeburg. Als sein Hauptwerk gilt die Monographie De testamentis doctrina methodica (1594).

Dauthage, Adolf, o¨ sterr. Lithograph, Maler, * 20. 2. 1825 Rustendorf (Nieder¨osterreich), † 3. 6. 1883 Wien. D. studierte an der Wiener Akademie der bildenden K¨unste bei Carl Gsellhofer und Anton → Petter, trat in das Atelier Josef → Kriehubers ein und war dort vier Jahre lang u¨ berwiegend als Portr¨atlithograph t¨atig. Sp¨ater machte er sich als Portr¨atist selbst¨andig und arbeitete f¨ur Adel, Klerus und zahlreiche K¨unstler. Ein Selbstportr¨at als akademischer Legion¨ar entstand 1848. C AKL

Dauthe, Johann Carl Friedrich, Architekt, * 26. 9. 1746 Großzschocher (heute zu Leipzig), † 13. 7. 1816 Flinsberg (Schlesien). D., Sohn eines Kaffeeschenkers, studierte an der Kunstakademie in Dresden, war danach selbst¨andiger Architekt in Leipzig und plante Privath¨auser und Gartenanlagen im englischen Stil. 1773-83 Amts-, M¨uhlen- und Wasserbaugeschworener sowie Land- und Feldmesser beim Kreisamt in Leipzig, wurde er 1776 Mitglied (sp¨ater Lehrer) der Leipziger Akademie und Gutachter der Stadt, 1779 Ehrenmitglied ¨ der Leipziger Okonomischen Gesellschaft und 1781 st¨adtischer Baudirektor. Auf Anregung des Leipziger B¨urgermeisters Carl Wilhelm → M¨uller errichtete D. 1780 den Leipziger Gewandhaussaal, der als separate Holzkonstruktion in das schon bestehende Geb¨aude eingef¨ugt wurde. Als sein Hautwerk gilt die Ausstattung der Leipziger Nikolaikirche (1785-97) im klassizistischen Stil. C AKL

Dauthendey, Elisabeth, Schriftstellerin, * 19. 1. 1854 St. Petersburg, † 18. 4. 1943 W¨urzburg. D., Tochter eines Hofphotographen des Zaren Nikolaus I. und Halbschwester Max → D.s, bereiste England, Frankreich und Italien und nahm ihren Wohnsitz in W¨urzburg. Sie schrieb Romane, Novellen, Gedichte und M¨archen und ¨ verfaßte Ubersetzungen. Beeinflußt von der Philosophie → Nietzsches, interessierten sie insbesondere ethische und psychologische Themen sowie Fragen nach der gesellschaftlichen Rolle der Frau und dem Wandel des Frauenbildes. Mit ihrem Roman Vom neuen Weibe und seiner Liebe (1900) einem gr¨oßeren Publikum bekannt geworden, publizierte D. in den folgenden Jahren rund zwanzig B¨ucher, die zum Teil hohe Auflagen erreichten. Als Enkelin eines Rabbiners erhielt sie 1934 Ver¨offentlichungsverbot. C DLL, 20. Jh.

Dauthendey, Max(imilian Albert), Schriftsteller, * 25. 7. 1867 W¨urzburg, † 29. 8. 1918 Malang (Java). D., Stiefbruder Elisabeth → D.s, gab sein Berufsziel Kunstmaler auf Wunsch des Vaters, eines Mechanikers und Optikers, auf und arbeitete 1886-89 in dessen Atelier f¨ur Photographie; 1891 floh er aus dem als „Zellengef¨angnis“ empfundenen Elternhaus nach Berlin und ließ sich dort als freischaffender Schriftsteller nieder. Er stand in Kontakt mit bekannten Dichtern seiner Zeit, darunter Richard → Dehmel und Stefan → George. 1893 / 94 bereiste er Schweden, hielt sich anschließend in London, 1896 in Paris auf und kam 1897 / 98 u¨ ber New York nach Mexiko; ein weiteres Ziel des Jahres 1898 war Griechenland. Nach einer Weltreise 1905 / 06 u¨ ber ¨ Agypten, Indien, Ostasien und Hawaii in die USA begann er 1914 eine zweite derartige Unternehmung, wurde nach den Stationen Arabien, Java und Neuguinea vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs u¨ berrascht und starb nach vierj¨ahriger

David Internierung auf Java. Ausgehend von an George und Dehmel orientierten lyrischen Arbeiten, deren Sprache ihn als fr¨uhen Expressionisten zeigen, entstanden sp¨ater auch epische Werke, B¨ankelsang, Moritaten, Romane, Erz¨ahlungen und Dramen. D. mied in seinen Dichtungen die soziale Problematik und thematisierte, angeregt durch exotische Stoffe, Liebe, Natur und Sch¨onheit; der Abenteuer- und Liebesroman Raubmenschen (1911) weist in großen Teilen Parallelen mit der Autobiographie des Autors w¨ahrend der Zeit sei¨ ner gescheiterten Ubersiedelung nach Mexiko 1897 / 98 auf. W¨ahrend seiner Reisen entstanden rund 300 Skizzen, Zeichnungen und Aquarelle. C Killy

Dautzenberg, (Peter Josef) Franz, Journalist, Verleger, * 20. 4. 1769 Aachen, † 17. 3. 1828 Aachen. D.s Vater war ein Goldschmied, der als Gesandter Aachen wiederholt beim Reichstag und am Kaiserhof vertrat. Nach dem Abschluß des Aachener Jesuitengymnasiums war D., ein Anh¨anger Rousseaus, Privatgelehrter in Aachen und wurde Mitglied einer Freimaurerloge. Bis 1798 war er Herausgeber und Redakteur des von ihm 1790 gegr¨undeten „Politischen Merkur f¨ur die Niedern Reichslande“, der wegen der politischen Zensur 1791 in „Aachener Zuschauer“ umbenannt wurde. D. f¨uhrte einen regen politischen Briefwechsel mit → G¨orres. W¨ahrend der Zeit der franz¨osischen Herrschaft u¨ ber die Rheinlande seit 1795 war er mit dem Wiederaufbau des franz¨osischen Postwesens befaßt, wurde Vorsitzender der Pr¨ufungskommission f¨ur Volksschullehrer und arbeitete 1802-04 als B¨urochef in der Aachener Pr¨afektur. D. war unter preuß. Herrschaft kurzzeitig Spezialkommissar der Einquartierungskommission und wurde 1822 Stadtrat. Seine umfangreiche Bibliothek bildete gemeinsam mit der Ratsbibliothek den Grundstock f¨ur die heutige Aachener Stadtbibliothek. D. schrieb u. a. Ein Wort an das Publikum (1789). C Leb Rhein, Bd 7

Dauven, Stephan Dominikus, B¨urgermeister von Aachen, † 15. 11. 1797. Der promovierte Jurist wurde 1774 vom Aachener Magistrat als dessen Vertreter zu den vom Kaiser in Wien einberaumten Verhandlungen mit J¨ulich entsandt. Er konnte den Streit zur gegenseitigen Zufriedenheit schlichten und wurde 1777 zum B¨urgermeister der Stadt Aachen ernannt. Unter Anschuldigungen wegen Veruntreuung, Vettern- und Mißwirtschaft 1786 von einer sogenannten „neuen Partei“ abgew¨ahlt, erscheint er im folgenden Jahr als Vorstand der Sakramentsbr¨uderschaft und 1793 als Meier der Reichsabtei Burtscheid. C ADB

Daverio, Ludwig Herkules, schweizer. Journalist, Romanist, * 10. 4. 1804 Mailand, † 7. 4. 1849 Z¨urich. D., Sohn eines Klerikers, Bibliothekars und Historikers, wuchs in Mailand und Z¨urich auf. Seit 1833 unterrichtete er Italienisch an der Industrieschule in Z¨urich, an der er sp¨ater Oberlehrer und Rektor wurde. Seit 1844 war D. Chefredakteur des „Schweizerischen Republikaner“ und seit 1845 der „Neuen Z¨urcher Zeitung“. Seit 1847 geh¨orte er dem Erziehungsrat des Kantons Z¨urich an. 1848 wechselte er als Prof. f¨ur Italienisch an die Univ. Z¨urich. D., der sich als Liberaler verstand, wandte sich publizistisch gegen den Sonderbund und die Jesuiten. Gleichzeitig st¨arkte er das Profil der „Neuen Z¨urcher Zeitung“ in den Bereichen Literatur und Kunst. D. ver¨offentlichte u. a. Scelta di prose italiane ad uso della studiosa giovent`u oltramontana (1830).

David von Augsburg, Franziskaner, Schriftsteller, * um 1200 / 10 Augsburg, † 15. oder 19. 11. 1272 Augsburg. D. geh¨orte mit → Berthold von Regensburg zur ersten Generation deutscher Franziskaner. Um 1240 war er Novizen-

meister in Regensburg, visitierte 1246 die Kanonissenstifte Ober- und Niederm¨unster und wurde von seinem Orden m¨oglicherweise bei Inquisitionsprozessen gegen die in Bayern auftretenden Waldenser eingesetzt. Er schrieb zahlreiche kleinere unterweisende Traktate sowie De exterioris et interioris hominis compositione secundum triplicem statum incipientium, proficientium et perfectorum libri tres, das bald Lehrbuchcharakter erlangte, in einer großen Anzahl von Abschriften vorlag und u. a. Bonaventura, Bernhard von Clairvaux und Thomas von Aquin zugeschrieben wurde. Nach D. ist das h¨ochste Ziel die Einheit mit Gott, die nur u¨ ber die Aus¨ubung der christlichen Tugenden, das Gebet und das Leben in Armut zu erreichen ist. Als Grundmuster des Aufstiegs zum geistlichen Leben diente ihm der dreifache Weg des Wilhelm von St. Thierry. D. hatte Einfluß auf die Devotio moderna. In deutscher Sprache sind von D. einzig Die sieben Vorregeln der Tugend bezeugt. Um seine Schriften bildete sich in Augsburg ein franziskanisch asketischmystisches Schrifttum in deutscher Sprache, das als einer der ersten H¨ohepunkte der volkssprachlichen Literatur gilt. C LexMA

David, Adam, schweizer. Zoologe, Kaufmann, * 2. 7. 1872 Basel, † 13. 8. 1959 Basel. Nach dem Studium der Agronomie und Zoologie in Z¨urich (Promotion 1897, Beitr¨age zur Kenntnis der Abstammung des Hausrindes, gegr¨undet auf die Untersuchungen der Knochenfragmente aus den Pfahlbauten des Bielersees) ging ¨ D. nach Agypten, wo er mit seinem Bruder bei der Firma J. Planta & Co. als Landwirt und Agrochemiker arbeitete. Nach einer Handelsexpedition in den Sudan (1900) wirkte er bis 1905 als Landwirtschaftsexperte an einem Kairoer Gerichtshof. 1908-14 organisierte D. Jagd- und Filmausfl¨uge im Gebiet des Oberen Nil, unterhielt eine Tierstation in Khartum und belieferte von dort zoologische G¨arten in ganz Europa. Nach dem Ersten Weltkrieg unternahm er Expeditionen nach Kenia, Mo¸cambique und in den Sudan und machte sich so einen Namen als Pionier des modernen Safari-Tourismus in Afrika. Seit 1940 wurde er in der Schweiz durch regelm¨aßige Radiosendungen einem breiten Publikum bekannt und bet¨atigte sich publizistisch. D. ver¨offentlichte u. a. Jagden und Abenteuer in den Gebieten des oberen Nil (1916), Doktor D. erz¨ahlt. Weitere Erlebnisse des alten „Afrikaners“ und J¨agers (1945) und Durch Dick und D¨unn mit Dr. A. D. (1947).

David, (Martin) Alois, Naturwissenschaftler, * 8. 12. 1757 Tschewehisch, † 22. 2. 1836 Tepl. D. studierte seit 1776 an der Univ. Prag Philosophie, Mathematik und Physik, sp¨ater auch Theologie und fand 1780 Aufnahme in Stift Tepl. 1783 wurde er mit der Arbeit Das Leben Newtons promoviert. Seit 1787 Priester, wurde er 1789 Adjunkt der Prager Sternwarte, im folgenden Jahr zum Dr. phil. promoviert, 1795 a. o., 1800 ordentliches Mitglied und 1806 st¨andiger Sekret¨ar der b¨ohmischen Gesellschaft der Wissenschaften. Seit 1799 Vorstand der Prager Sternwarte, unternahm er nach der Jahrhundertwende Studienreisen zu den Sternwarten in Gotha, Dresden und M¨unchen. D. lehrte an der Univ. Prag, war 1805 Dekan, 1816 Rektor, wurde 1830 kaiserlicher Rat und 1832 Direktor der b¨ohmischen Gesellschaft der Wissenschaften. Er publizierte zahlreiche astronomische und geod¨atische Beobachtungen, Ortsbestimmungen sowie einzelne Arbeiten u¨ ber die Forstwirtschaft und das Bergbauwesen, darunter Geographische Ortsbestimmungen von Rotenhaus und den umliegenden Ortschaften sammt einer einfachen und sichern Methode Azimuthe irdischer Gegenst¨ande zu bestimmen (1820) und L¨angenunterschied zwischen der Sternwarte zu Wien und der bei M¨unchen (1821).

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David David, Christian, Theologe der Br¨udergemeine, getauft 17. 2. 1692 Senftleben (M¨ahren), † 3. 2. 1751 Herrnhut. Wie sein Vater von Beruf Zimmermann und r¨omisch-kath. Konfession, befaßte sich D. seit seinem 20. Lebensjahr mit der Bibel und trat schließlich in Berlin zum evang. Glauben u¨ ber. 1717 kam er u¨ ber den G¨orlitzer Pfarrer Melchior Sch¨afer in Kontakt mit Pietisten und erhielt 1722 von Graf Nikolaus Ludwig von → Zinzendorf die Erlaubnis zur Errichtung einer Siedlung f¨ur evang. Exulanten aus M¨ahren in Herrnhut, die die Keimzelle der Br¨udergemeine wurde. D. ver¨offentlichte 1735 eine Beschreibung und zuverl¨assige Nachricht von Herrnhut, l¨oste auf seinen zahlreichen Reisen nach M¨ahren eine Erweckungsbewegung aus und war an der Gr¨undung von Niederlassungen der Br¨udergemeine u. a. in der Schweiz, in Gr¨onland, Holland, Livland und Pennsylvanien beteiligt. Als Zimmermann unterst¨utzte er handwerklich die Ansiedlung und den Aufbau der Gemeinschaft. Von Zinzendorf wurde er als „Apostel“ gew¨urdigt. D. schrieb Lieder, von denen Sonne der Gerechtigkeit, im Gesangbuch der Gemeine in Herrn-Huth (1735) publiziert, noch heute popul¨ar ist. C RGG

David, Eduard (Heinrich Rudolph), Politiker, * 11. 6. 1863 Ediger / Mosel, † 24. 12. 1930 Berlin. Der Sohn eines preuß. Rechnungsrats durchlief 1881-83 eine kaufm¨annische Lehre und wurde nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie seit 1886 in Gießen (Promotion zum Dr. phil. 1892, Die Wortbildung der Mundart vor Krofdorf) dort Gymnasiallehrer; wegen seiner Zugeh¨origkeit zur SPD verließ er 1894 den Staatsdienst und gr¨undete die „Mitteldeutsche Sonntagszeitung“. 1896 / 97 redigierte er die „Mainzer Volkszeitung“, wurde 1897 Parteisekret¨ar und war 1896-1908 Mitglied der Zweiten Hessischen Kammer f¨ur den Wahlbezirk Mainz-Oppenheim und seit 1903 Mitglied des Reichstags. 1918 wurde er Unterstaatssekret¨ar im Ausw¨artigen Amt, 1919 erster Pr¨asident der Weimarer Nationalversammlung und war im Kabinett → Scheidemann Minister ohne Portefeuille, sp¨ater Innenminister, 1921-27 Reichsvertreter in Hessen. 1923 habilitierte er sich in Darmstadt und lehrte Politik an der TH ¨ bis zu seiner Ubersiedelung nach Berlin 1927. Als Vorreiter einer bauernfreundlichen sozialdemokratischen Agrarpolitik vertrat er die Auffassung von der Lebensf¨ahigkeit kleinb¨auerlicher Betriebe (Sozialismus und Landwirtschaft, 1903, 21922). 1927 legte er Reden und Schriften aus der Zeit von 1914-19 vor (Aus Deutschlands schwerster Zeit). C Schr¨oder

David, (Ernst Victor Carl) Ferdinand, Musiker, Komponist, Musikp¨adagoge, * 19. 1. 1810 Hamburg, † 18. (19. ?) 7. 1873 Klosters (Kt. Graub¨unden). D., Sohn eines Kaufmanns, erhielt 1823 / 24 Geigenunterricht bei Louis → Spohr in Kassel, studierte daneben Musiktheorie bei Moritz → Hauptmann und unternahm seit 1825 mit seiner Schwester Luise, die sp¨ater englische Hofpianistin wurde, eine Konzertreise nach Leipzig und Berlin. 1826-29 war er Geiger am K¨onigst¨adtischen Theater in Berlin und lernte Felix → Mendelssohn Bartholdy kennen. Danach lebte er als Leiter des privaten Streichquartetts des Landrats Guido Reinhold von Liphardt auf einem Gut bei Dorpat und war auf Tourneen in St. Petersburg und in den baltischen Staaten. D. wurde 1835 Konzertmeister am Leipziger Gewandhaus, gleichzeitig war er am Leipziger Theater und an dortigen Kirchen t¨atig. Nach der Gr¨undung des Leipziger Konservatoriums 1843 u¨ bernahm er die Violinklasse. Er edierte Ausgaben barocker Musik, schrieb eine bis ins 20. Jh. verbreitete Violinschule (2 Tle., 1863) sowie mehrere Et¨udenwerke und komponierte Violinkonzerte. C MGG

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David, Gustav, Pseud. Davis, Harven, Tannhofer, o¨ sterr. Publizist, * 3. 3. 1856 Preßburg, † 21. 8. 1951 Hohenlehnen. D. beendete 1887 als Oberleutnant seine milit¨arische Laufbahn und wurde Redakteur und Feuilletonist der „Presse“ sowie der „Allgemeinen Zeitung“. 1889 begr¨undete er die Zeitschrift „Reichswehr“, die er mit der „Wehr-Zeitung“ und der „Vedette“ vereinigte. 1895 u¨ bernahm D. die Chefredaktion der „Presse“, wurde deren Herausgeber und rief sp¨ater eine eigene Verlagsanstalt ins Leben. 1900 begr¨undete er die „Kronen-Zeitung“, die er als eine der auflagenst¨ark¨ sten Tageszeitungen Osterreichs nach dem „Anschluß“ 1938 zwangsweise an die NSDAP verkaufte. D. schrieb Schauspiele und Operettenlibretti, darunter Waldmeister (1896; Musik von Johann → Strauß). David, Hans Theodor(e), Musikwissenschaftler, * 8. 7. 1902 Speyer, † 30. 10. 1967 Ann Arbor (Michigan). D. studierte Musiktheorie bei Bernhard → Sekles und Reinhold Oppel, Geige bei Walther → Davisson und Hans Lange sowie 1923-28 Musikwissenschaft bei Johannes → Wolf und Erich von → Hornbostel an der Univ. Berlin. 1928 wurde er mit der Arbeit Johann Schobert als Sonatenkomponist zum Dr. phil. promoviert. 1936 emigrierte er in die USA, war 1937-39 Music Editor der New York Public Library und setzte daneben seine Studien fort. 1939-45 Lecturer an der New York University Graduated School, folgte er 1945 einer Berufung als Prof. der Musikwissenschaft an die Southern Methodist University Dallas und wechselte 1950 an die Univ. of Michigan in Ann Arbor. D. besch¨aftigte sich mit Johann Sebastian → Bach und der fr¨uhen US-amerikanischen Musik. C BHdE, Bd 2

David, Jakob, Jesuit, Theologe, * 4. 11. 1904 Altst¨atten (Kt. St. Gallen), † 20. 12. 1980 Z¨urich. D., Sohn eines Kaufmanns, trat 1924 in die Gesellschaft Jesu ein, studierte Philosophie und Theologie in Deutschland, den Niederlanden und in Frankreich und empfing 1934 die Priesterweihe. Seit 1936 war er Redaktionsmitarbeiter der vom Apologetischen Institut des Schweizerischen Katholischen Volksvereins herausgegebenen „Apologetischen Bl¨atter“, 1937-46 Geistlicher Leiter des Schweizer Katholischen Gesellenvereins und 1946-50 Direktor des Apologetischen Instituts Z¨urich. 1946 begr¨undete er die Wochenbeilage „Sozialer Aufbau“ der „Neuen Z¨urcher Nachrichten“ und geh¨orte 1949 zu den Gr¨undern der Vereinigung Christlicher Unternehmer. Seit 1953 war D. haupts¨achlich f¨ur das Sozialinstitut der Di¨ozesen Paderborn und Essen t¨atig, zu dessen Direktor er 1955 ernannt wurde. 1969 kehrte er nach Z¨urich zur¨uck. D. ver¨offentlichte u. a. Neue Aspekte der kirchlichen Ehelehre (1966), Das Naturrecht in Krisis und L¨auterung (1967) und Ehe und Elternschaft nach dem Konzil, 1968). C HLS David, Jakob Julius, Pseud. Nemo, o¨ sterr. Schriftsteller, Journalist, * 6. 2. 1859 M¨ahrisch-Weißkirchen, † 20. 11. 1906 Wien. D., Sohn eines Tabakh¨andlers, studierte seit 1877 Literatur, P¨adagogik und Geschichte an der Univ. Wien (Promotion 1889). Durch eine Typhuserkrankung in der Jugend sehund h¨orbehindert und daher f¨ur den Schuldienst ungeeignet, wurde er freier Schriftsteller und war durch Vermittlung von Karl Emil → Franzos als Journalist t¨atig. 1891 wurde er Theaterreferent der „Montags-Revue“, 1894 Mitarbeiter des „Neuen Wiener Journals“ und 1906 Redakteur der „Wiener Zeitung“. Als Schriftsteller wurde D. vor allem mit erz¨ahlender Prosa bekannt, die haupts¨achlich seine m¨ahrische Heimat und Wien zum Thema hat (u. a. Die Hanna. Erz¨ahlungen aus M¨ahren, 1904); der Roman Am Wege sterben (1900, 21912) gilt als stark autobiographisch bestimmt. C Lex dt-j¨ud Autoren

Davideit David, Johann Nepomuk, bis 1929 Hans, o¨ sterr. Komponist, Dirigent, * 30. 11. 1895 Eferding (Ober¨osterreich), † 22. 12. 1977 Stuttgart. D., Sohn eines Gemeindesekret¨ars, war S¨angerknabe am Augustiner-Chorherrenstift St. Florian und erfuhr eine umfassende musikalische Ausbildung. 1915-24 Volksschullehrer, wurde er 1921 / 22 zum Studium der Komposition und Orgel an der Musikakademie Wien beurlaubt. 1922 / 23 besuchte er die Kurse Arnold → Sch¨onbergs in M¨odling und war zugleich mit der Durchf¨uhrung von Orchester- und Kammermusikkonzerten in Linz beauftragt. Bis 1934 war er Volkschullehrer und Organist in Wels und leitete den von ihm 1926 gegr¨undeten Bach-Chor. 1934 wurde D. Theorielehrer und Chorleiter am Konservatorium in Leipzig, dessen Direktor er 1942-45 war. In dieser Zeit komponierte er neben Orgel- und Chormusik die ersten drei Symphonien sowie den gr¨oßten Teil seiner Kammermusik und wurde zum Mittelpunkt einer Schulrichtung, zu der Karl → Straube und Hugo → Distler geh¨orten. 1945-47 lehrte D. als Prof. Komposition und Chorleitung am Mozarteum in Salzburg, 1948-63 als Prof. f¨ur Theorie und Kontrapunkt an der Musikhochschule Stuttgart. Dort entstanden die vierte bis achte Symphonie, zwei Violinkonzerte, das Oratorium Ezzolied und die letzten Hefte des bereits in Wels begonnenen Choralwerks f¨ur Orgel (1929-73), das auf luth. Chor¨alen aufbaut. Auch die Zw¨olf Orgelfugen (op. 66) z¨ahlen zu den bedeutenden Orgelkompositionen D.s, die eine zentrale Gattung seines Gesamtwerks ausmachen. Vom kath.-dogmatischen Einfluß der fr¨uhen Jahre befreit, stand D. sp¨ater im Spannungsfeld zwischen Atonalit¨at, Jugendmusikbewegung, Neuer Sachlichkeit und Orgelbewegung. Er war Mitglied der Freien Akademie der K¨unste in Hamburg, der Bayerischen Akademie der K¨unste und der Akademie der K¨unste Berlin. D. schrieb u. a. u¨ ber → Bach, → Mozart und → Bruckner, u. a. Die Jupiter-Symphonie (1953, 41960) und Die zweistimmigen Inventionen von Johann Sebastian Bach (1957, 31967). C MGG

David, Karl Heinrich, schweizer. Komponist, Musikkritiker, * 30. 12. 1884 St. Gallen, † 17. 5. 1951 Nervi (Italien). Aufgewachsen in Basel, studierte D., dessen Vater dort Strafgerichtspr¨asident war, zun¨achst am K¨olner Konservatorium, sp¨ater Komposition bei Ludwig → Thuille und lehrte 1910-14 Theorie und Solfeggio am Basler Konservatorium. Nach verschiedenen Auslandsaufenthalten ließ er sich in Z¨urich nieder, schloß sich dem Kreis um Othmar → Schoeck an und war 1928-41 Nachfolger Ernst → Islers als Schriftleiter der „Schweizerischen Musikzeitung“. In seinen letzten Lebensjahren war er Musikkritiker der Z¨urcher Tageszeitung „Die Tat“. D. komponierte Kammermusik, Singspiele und Opern, darunter Traumwandel. Lyrische Oper nach Turgeniew (1928). C MGG

David, Kurt, Schriftsteller, * 13. 7. 1924 Reichenau (Oberlausitz), † 2. 2. 1994 G¨orlitz. Nach dem Zweiten Weltkrieg war D. Angeh¨origer der Volkspolizei, danach zwei Jahre lang Kreissekret¨ar des Kulturbundes und seit 1954 als freier Schriftsteller t¨atig. Er wurde vor allem mit zahlreichen Kinder- und Jugendb¨uchern bekannt. In Romanen und Erz¨ahlungen setzte er sich mit dem Nationalsozialismus und dem Alltag in der DDR auseinander. 1970 erschien sein Roman u¨ ber → Beethoven: Begegnung C Killy mit der Unsterblichkeit.

David, Lucas, Historiker, * 1503 Allenstein, † April 1583 K¨onigsberg. Nach dem Abschluß der Studien an der Univ. Leipzig (1526-32) war D. bis 1539 Lektor und 1540-49 – obwohl selbst evang. Bekenntnisses – Kanzler des Bischofs von

Kulm. Seit 1549 Herzoglicher Rat am K¨onigsberger Hofgericht, wurde er mehrfach als Gesandter eingesetzt. Er befaßte sich intensiv mit der preuß. Geschichte, sammelte mehr als 2000 historische Urkunden und begann um 1575 mit der Niederschrift seiner Preußischen Chronik, die er von den Anf¨angen bis 1410 f¨uhrte. Als einer der ersten Historiker reflektierte er Aspekte quellenkritischer Methodik, wandte sie selbst jedoch nicht an. C NDB

David, (Anton Johann Ludwig) Pascal, Journalist, * 8. 12. 1850 D¨uren, † 27. 3. 1908 Straßburg. Zun¨achst im h¨oheren Postdienst, war D., Sohn eines Forstadministrators, 1876-79 im kaiserlichen Postamt in Konstantinopel t¨atig und trat 1880 in die Redaktion der „K¨olnischen Zeitung“ ein. 1882 kam er als Schriftleiter der von August → Neven Du Mont gegr¨undeten Tochter der „K¨olnischen Zeitung“, der „Straßburger Post“, nach Elsaß-Lothringen. Er unterst¨utzte ein tolerantes Miteinander der els¨assischen Volksgruppen, wandte sich gegen die autokratische Regierung des Statthalters Edwin von → Manteuffel und dessen „Landeszeitung“ und entwickelte die „Straßburger Post“ zu einer weitverbreiteten Tageszeitung. Seit seiner Zeit in Konstantinopel mehrerer orientalischer Sprachen m¨achtig, bereiste D. sp¨ater Europa, Asien und Amerika. Er schrieb T¨urkiC NDB sche Geschichten (1909).

David, Simson Alexander, Pseud. Alexander Daveson, Professor Karl Julius Lange, Publizist, * 16. 11. 1755 Braunschweig, † 1813 Minsk (?). D., Sohn eines j¨udischen Kammeragenten, f¨uhrte in Braunschweig eine Kunsthandlung und war auch als Lotterieagent t¨atig. Nachdem das Ministerium von Hessen-Kassel bereits 1778 seine Auslieferung wegen Betrugs gefordert hatte, sich die Braunschweiger Beh¨orden aber zun¨achst verweigerten, wurde er 1780 f¨ur einige Monate arretiert und lebte anschließend vor¨ubergehend bei Gotthold Ephraim → Lessing. Nach dessen Tod 1781 ging D. nach England, wo er als Publizist wirkte, hielt sich 1790 vor¨ubergehend in Hamburg auf, und reiste 1794 in die Schweiz. Sein Reisebericht ¨ Uber die Schweiz und die Schweizer (1795 / 96) enth¨alt eine scharfe Kritik an den dortigen gesellschaftlichen Zust¨anden. Anschließend nahm D. seinen Wohnsitz in Bayreuth und redigierte seit 1797 die „Deutsche Reichs- und Staatszeitung“, gab die Zeitschrift „Neueste Staatskunde. Ein Journal f¨ur Regenten und V¨olker“ heraus und schrieb politische, h¨aufig gegen England gerichtete Essays. 1799 abermals zur Flucht gezwungen, lebte er seit 1800 im d¨anischen Altona und arbeitete f¨ur verschiedene Zeitschriften. 1804 verlegte D. seinen Wohnsitz nach Berlin und gab dort 1805 die Zeitschrift „Der Nordische Merkur“ heraus, f¨ur die u. a. Jean → Paul, Saul → Ascher und Friedrich von → C¨olln Beitr¨age verfaßten. D. wurde dann Herausgeber der Zeitung „Neuer Telegraph“, die zu einem Sprachrohr franz¨osischer Interessen wurde. Weger heftiger Kritik an preuß. Pers¨onlichkeiten mußte D., 1807 zum Hofrat ernannt, 1808 und nach dem Abzug der Franzosen Berlin verlassen. C Demokr Wege

Davideit, Johann Heinrich, Schauspieler, * 22. 9. 1833 Memel, † 21. 6. 1894 M¨unchen. Von den Eltern f¨ur den Beruf eines Kaufmanns bestimmt, ging D., Sohn eines Kaufmanns und sp¨ateren Gutsbesitzers, 1852 zur B¨uhne und trat als Mitglied reisender Truppen in Helden- und Liebhaberpartien sowie in Singspielen als Bariton auf. Seit 1857 mit der Theaterdirektorin Bertha Lutze verheiratet, gingen beide 1860 / 61 an das Aktientheater St. Gallen, sp¨ater nach Glarus und schließlich an das Hoftheater M¨unchen, dessen Mitglied D. 1862 wurde. Er spielte u¨ berwiegend komische Rollen, darunter den Zettel in Shakespeares Sommernachtstraum. C Altpreuß Biogr, Bd 3

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Davidis Davidis, Franz, eigentl. Hertel, unitarischer Theologe, * um 1510 Klausenburg, † 15. 11. 1579 Festung D´eva. Nach dem Abschluß der Studien an der Univ. Wittenberg (1545-49) kehrte D. nach Ungarn zur¨uck, war 1551 / 52 Schulrektor in Bistritz, schloß sich den Lutheranern an und wurde 1554 der erste evang. Prediger in Petersdorf. Seit dem folgenden Jahr Schulrektor in seiner Geburtsstadt, wurde er 1556 Superintendent der evang. ungarischen Kirche in Siebenb¨urgen. Um 1559 wandte er sich dem Calvinismus zu und wurde Superintendent sowie Hofprediger des F¨ursten Johann Sigismund Z´apolya II. Seit 1566 propagierte er den Unitarismus und gr¨undete 1568 eine unitarische Kirche, die zun¨achst eine den anderen Konfessionen gleichberechtigte Stellung einnahm, sich jedoch um 1578 spaltete. D. wurde wegen seiner Lehre von der Unzul¨assigkeit der Anrufung Jesu im Gebet („Non-adoratio“) als Gottesl¨asterer zu lebenslanger Haft verurteilt. C RGG Davidis, Henriette, Schriftstellerin, * 1. 3. 1801 Wengern (Westfalen), † 3. 4. 1876 Dortmund. Als zehntes von dreizehn Kindern einer Pastorenfamilie wurde D. nach dem Tod des Vaters Erzieherin, war in Schwelm, Elberfeld, Bremen und in der Schweiz t¨atig und u¨ bernahm 1841 die Leitung der „M¨adchenarbeitsschule“ in Sprockh¨ovel bei Hattingen. Aus Aufzeichnungen ihrer Mutter und eigenen Arbeiten stellte sie ein didaktisch aufbereitetes Praktisches Kochbuch zusammen, das erstmals 1844 erschien, bis zur Jahrhundertwende 35 Auflagen erfuhr, in zahlreiche europ¨aische Sprachen u¨ bersetzt und zu einem der verbreitesten Kochb¨ucher des Jahrhunderts wurde. Es folgten Ratgeber zu Haushalt, Garten und Berufsleben unverheirateter Frauen (u. a. Der Beruf der Jungfrau. Eine Mitgabe f¨ur T¨ochter beim Eintritt ins Leben, 1864, 51874). 1848 erschienen Gedichte von ihr. C Westf Autoren, Bd 2 Davidoff, Zino, schweizer. Unternehmer, * 11. 3. 1906 Kiew, † 14. 1. 1994 Genf. Der Sohn eines j¨udischen Tabakh¨andlers in Kiew emigrierte im Alter von f¨unf Jahren mit seinen Eltern in die Schweiz, wo sein Vater ein Tabakgesch¨aft er¨offnete. 1970 tat er sich mit Ernst Schneider und der Basler Oettinger-Gruppe zusammen. Zuletzt war die Firmengruppe mit einem Umsatz von 400 Millionen Dollar das gr¨oßte Schweizer Unternehmen im Tabak-Im- und Export. C Munzinger Davidovich, Paul Frh. von, o¨ sterr. Milit¨ar, * 1737 Ofen, † 18. 2. 1814. Seit 1757 Soldat in der k. k. Armee, nahm D. am Siebenj¨ahrigen Krieg, am Bayerischen Erbfolgekrieg und an ¨ den T¨urkenkriegen teil. 1788 erwirkte er die Ubergabe der Festung Schabacz an die k. k. Truppen; es folgten Eins¨atze in den Niederlanden, in Italien und Tirol. In Oberitalien traf er sp¨ater auf die Truppen Napoleons, kommandierte 1805 den linken Fl¨ugel der k. k. Armee in Italien und wurde 1807 Feldzeugmeister sowie Gouverneur der Festung Komorn.

Davidow, Karl, Musiker, Komponist, * 17. 3. 1838 Goldingen (Kurland), † 25. 2. 1889 Moskau. D. studierte bei H. Schmidt in Moskau, Karl → Schuberth in St. Petersburg sowie bei Moritz → Hauptmann und Friedrich → Gr¨utzmacher am Leipziger Konservatorium. Seit 1859 Solocellist im Leipziger Gewandhausorchester, wurde er Nachfolger Gr¨utzmachers. Nach mehreren Konzertreisen nahm er eine Berufung als Solocellist an das kaiserliche Orchester in St. Petersburg an, wurde 1862 Lehrer am dortigen Konservatorium, sp¨ater Dirigent der Kaiserlich Russischen Musikgesellschaft und war 1876-87 Direktor des Konservatoriums St. Petersburg. D. schrieb Kompositionen f¨ur Cello, Kammer- und Symphonisches Orchester, darunter Die Gaben des Terek (op. 21).

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Davidsohn, Georg (Robert), Redakteur, Politiker, * 22. 8. 1872 Gnesen, † 15. 7. 1942 Berlin. D., Sohn eines Kaufmanns und Buchhalters, studierte 1892-96 in Berlin Philosophie und Romanistik, trat neben ¨ seiner T¨atigkeit als Ubersetzer als sozialistischer Redner und Agitator auf und wurde Redakteur verschiedener Arbeiterzeitungen, darunter 1905-10 des „Vorw¨arts“. 1903-21 war er Schriftleiter der Zeitschrift „Der abstinente Arbeiter“ (sp¨ater „Der Wille“), 1922 auch der Zeitschrift „Freiheit“ und 1923 Chefredakteur des „Weckruf“. D. wurde 1912 sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter, 1919 Mitglied der Verfassunggebenden Nationalversammlung und war Mitbegr¨under des Reichsbundes der Kriegsbesch¨adigten; 1921 trat er aus der SPD aus und arbeitete vor allem als Redakteur des „Weckrufs“. D. ver¨offentlichte u. a. Das Braukapital und seine Knappen (1910) und u¨ bersetzte Emile Vanderveldes Alkoholismus und soziale Frage (1907) aus dem Franz¨osischen. C Lex dt-j¨ud Autoren Davidsohn, George, Publizist, * 19. 12. 1835 Danzig, † 6. 2. 1897 Berlin. D., Sohn eines Kaufmanns und Bruder Robert → D.s, war von Beruf kaufm¨annischer Angestellter und einer der wichtigsten Mitarbeiter der „Berliner B¨orsen-Zeitung“. Er galt den Zeitgenossen als herausragender Journalist, unterhielt Kontakte zur Hochfinanz und zu K¨unstlern und setzte sich ¨ als Freund Richard → Wagners in der Berliner Offentlichkeit f¨ur dessen Werk ein. 1868 verließ er die Redaktion der „B¨orsen-Zeitung“, f¨uhrte deren Wochenbeilage, den „Berliner B¨orsen-Courier“, als eigenst¨andiges Unternehmen fort und publizierte B¨orsenberichte aus Breslau, Hamburg, Frankfurt / Main, Wien und Paris sowie aktuelle und historische Informationen aus den Bereichen Finanzwesen, Politik und Verkehr. C NDB Davidsohn, Hermann, Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Biologe, * 8. 5. 1842 Konitz, † 17. 4. 1911 Berlin. D. studierte an der Univ. Berlin, wurde 1868 promoviert (De intoxicatione phosphorica acuta) und war anschließend als Arzt f¨ur Allgemeinmedizin in Berlin t¨atig. 1886-90 bildete er sich zum Facharzt f¨ur Hals-Nasen-und-Ohrenheilkunde weiter. Er entwickelte eine „elektrische Durchleuchtungsmethode“ von Gesichtsknochen und befaßte sich mit Fragen der Vererbung (u. a. Die Formbildung des menschlichen K¨orpers und die Vererbung). 1895 erschien von ihm Die Agitation f¨ur freie Arztwahl in Berlin. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte (1895). C Wininger Davidsohn, Robert, Kaufmann, Journalist, Historiker, * 26. 4. 1853 Danzig, † 16. 9. 1937 Florenz. Der Bruder George → D.s war zun¨achst Redakteur von dessen „Berliner B¨orsen-Courier“, studierte seit 1884 Geschichtswissenschaft und wurde 1888 an der Univ. G¨ottingen ¨ promoviert. Uber Spanien und die Kanarischen Inseln kam er 1889 nach Florenz, ließ sich dort nieder und widmete sich seinem Lebenswerk, einer monumentalen Geschichte der Stadt Florenz von ihren Anf¨angen bis ins Zeitalter Dantes (Geschichte von Florenz, 4 Bde., 1896-1927), der er mehrere Einzelstudien und Forschungsberichte folgen ließ. C Lex dt-j¨ud Autoren Davidson, Paul, Filmproduzent, * 30. 3. 1871 L¨otzen (Ostpreußen), † 18. 7. 1927 Ebenhausen (Oberbayern). Von Beruf Kaufmann, gr¨undete D., dessen Vater auch als Kaufmann t¨atig war, 1904 die „Allgemeine Kinematographen Theatergesellschaft“ in Frankfurt / Main und errichtete 1906 in Mannheim das erste Filmtheater sowie 1907 das erste gr¨oßere selbst¨andige Filmtheater am Berliner Alexanderplatz. 1910 rief er die aus der Theatergesellschaft von 1904 entstandene Projektionsgesellschaft „Union“ ins Leben, die

Debary 1918 in die „Universum Film AG“ (Ufa) mit einem Kapital von bereits 25 Millionen Mark u¨ berging, schuf 1912 das Filmatelier im Tempelhof und war sp¨ater an der Entstehung der Ateliers in Neubabelsberg beteiligt. D. gilt als einer der Begr¨under der deutschen Filmindustrie und widmete sich neben der kaufm¨annischen Organisation u. a. der F¨orderung von Schauspielern und Filmschaffenden wie Pola → Negri, Ernst → Lubitsch, Emil → Jannings, Paul → Wegener und Henny → Porten. Er produzierte u. a. die Kinoerfolge GoC NDB lem und Kohlhiesels T¨ochter.

Davisson, (Adolf) Walther, Musiker, Dirigent, * 15. 12. 1885 Frankfurt / Main, † 18. 7. 1973 Bad Homburg v. d. H¨ohe. D. studierte am Hochschen Konservatorium in seiner Geburtsstadt, war Violinsch¨uler u. a. von Adolf → Rebner und 1906-13 Mitglied in dessen Quartett. 1908-18 Geigenlehrer am Hochschen Konservatorium, folgte er anschließend einer Berufung als Leiter einer Violinklasse an die Leipziger Musikhochschule und war seit 1922 deren Vizedirektor und 1932-45 als Nachfolger Max von → Pauers deren Direktor. D. war 1947 / 48 Prof. an der Musikhochschule Halle und wurde 1950 Direktor des Konservatoriums in Frankfurt / Main. Nach der Pensionierung 1955 leitete er die Orchesterund eine Violinklasse, 1957 zog er sich vollst¨andig aus dem Konzertleben zur¨uck. D. edierte Johann Sebastian → Bachs Violinsonaten und -partiten und schrieb eine Schule der TonC MGG leitertechnik f¨ur Violine (1930-33).

Davring, Henri, bis 1939 Heinrich Maria Davringhausen, Maler, * 21. 10. 1894 Aachen, † 13. 12. 1970 Nizza. D. war der Sohn eines Schirmfabrikanten. Seit einem Unfall 1900 einseitig blind, bildete sich seit 1911 u¨ berwiegend autodidaktisch zum Maler aus und ließ sich nach ersten Kunstausstellungen in der Kolonie Monte Verit`a in Ascona nieder, wo er Carlo → Mense, Georg → Schrimpf und Mary → Wigman kennenlernte. Seit 1915 in Berlin ans¨assig, schloß er sich dem K¨unstler- und Schriftstellerkreis im Caf´e des Westens an und war 1916 f¨ur Wieland → Herzfeldes Zeitschrift „Neue Jugend“ t¨atig. In seine M¨unchner Zeit (1918-21) fallen seine erste Einzelausstellung 1919 in der Galerie Hans Goltz’ und seine Hinwendung zur Neuen Sachlichkeit (Der Schieber, 1921). 1922 nach Berlin zur¨uckgekehrt, besuchte er in den folgenden Jahren Ungarn und Mallorca. 1932 Mitbegr¨under der „Gruppe 32“, emigrierte er 1933 nach Mallorca und nach Ausbruch des Spanischen B¨urgerkriegs nach Paris. Im nationalsozialistischen Deutschland wurden 1935 zahlreiche seiner Bilder konfisziert, 1937 waren seine Arbeiten als „entartete Kunst“ in M¨unchen ausgestellt. D. wurde im franz¨osischen Konzentrationslager Les Milles interniert, aus dem ihm vor 1943 die Flucht gelang. Seit 1945 lebte er in Cagnes-sur-Mer und schuf abstrakte Glasgem¨alde. C AKL Dawison, Bogumil, Schauspieler, * 15. 5. 1818 Warschau, † 1. 2. 1872 Dresden. D. trat 1836 in die Warschauer Theaterschule ein, war bis 1839 am dortigen Theater engagiert und ging anschließend nach Wilna, im folgenden Jahr nach Lemberg, um am Deutschen Theater zu spielen. 1841 deb¨utierte er in deutscher Sprache in Eduard von → Bauernfelds Das letzte Abenteuer, unternahm eine Studienreise nach Deutschland und Frankreich und wurde 1846 durch Vermittlung des Berliner Hofschauspielers Louis → Schneider an das Hamburger Thaliatheater engagiert. Seit 1849 feierte er als Helden- und Charakterdarsteller (u. a. K¨onig Lear) am Wiener Burgtheater Triumphe, wurde 1853 Mitglied des Dresdner Hoftheaters, das er 1863 nach Konflikten mit Emil → Devrient verließ, und bereiste die USA und Deutschland.

Dawison, Max, S¨anger, * 17. 2. 1860 Schwedt / Oder, † 22. 4. 1953 Hamburg. D. erhielt seine Gesangsausbildung bei Adolf Zebrian am Konservatorium von Theodor → Kullak in Berlin, bei Benno → Stolzenberg in K¨oln sowie bei Mariano Padilla und D´esir´ee Artˆot in Paris. Nach seinem Deb¨ut 1889 am Opernhaus in D¨usseldorf sang er 1890-1900 am Deutschen Theater in Prag und 1900-18 als regul¨ares Mitglied, 1918-26 als st¨andiger Gast am Stadttheater (Opernhaus) in Hamburg. Neben Gastspielen in Amsterdam und Kopenhagen trat D. auch bei den Bayreuther Festspielen auf, wo er 1906-09 als Alberich im Ring-Zyklus, 1908 als Telramund im Lohengrin und 1909 als Klingsor im Parsifal zu h¨oren war. W¨ahrend seiner Gesangslaufbahn wirkte D. in einer Reihe von Urauff¨uhrungen (u. a. in Der zerbrochene Krug von Josef → Jarno, Hamburg 1903, und in Sternengebot von Siegfried → Wagner, Hamburg 1908) sowie in deutschen Erstauff¨uhrungen mit (u. a. in Le Jongleur de Notre Dame von Jules Massenet, Hamburg 1906). Sein Repertoire umfaßte rund 140 Rollen. Besondere Erfolge feierte D. als Wagner-S¨anger, erwarb sich aber auch als Oratoriens¨anger einen hervorragenden Ruf. Seit 1926 als Gesangsp¨adagoge in Hamburg t¨atig, leitete er seit 1929 die Opernschule am Klindworth-ScharwenkaKonservatorium in Berlin. C Kutsch Dax, Paul, o¨ sterr. Maler, Geod¨at, Milit¨ar, * 1503 (?) Sterzing (?), † 1561 Innsbruck. D. wurde f¨ur seinen Einsatz als Hauptmann der Landsknechte gegen die Franzosen bei Rom und Neapel (1526-29) ausgezeichnet, nahm 1529 an der Schlacht gegen die T¨urken vor Wien teil und ließ sich nach der Heirat mit der Schwester des Hofglasers Urban Dechinger 1530 als Maler in Innsbruck nieder. In den dreißiger Jahren schuf er mehrere Gem¨alde als Auftragsarbeiten f¨ur den Hof in Innsbruck, wandte sich der Glasmalerei zu und stattete die Ratsstube (1537), den Saal und die Paradiesstube (1538-40) der Hofburg mit Glasmalereien aus. Seit 1539 Innsbrucker B¨urger, erarbeitete er Aufnahmen von Bergwerken und Landkarten und war 1546 als Hauptmann an der R¨uckeroberung der Feste Ehrenberg beteiligt, die er kartographisch erfaßte. C AKL Daxenberger, Sebastian Franz von, Pseud. Karl Fernau, Beamter, Schriftsteller, * 3. 10. 1809 M¨unchen, † 22. 1. 1878 M¨unchen. Nach dem Abschluß des Jurastudiums an den Universit¨aten M¨unchen, Berlin und G¨ottingen (Dr. jur. 1830) trat D., Sohn eines Kupferschmieds, in den bayerischen Staatsdienst ein und wurde 1839 Geheimer Sekret¨ar des bayerischen Kronprinzen → Maximilian. 1841-47 gab er unter Pseudonym das periodische Taschenbuch „Charitas“ heraus, war seit 1843 Regierungsrat, seit 1847 Oberkirchen- und Schulrat im bayerischen Innenministerium und wechselte im selben Jahr als Ministerialrat ins Außenministerium. D., der 1848 der Frankfurter Nationalversammlung angeh¨orte, wurde 1851 nobilitiert, 1864 zum Geheimrat und 1865 zum Staatsrat ernannt. Er schrieb u¨ berwiegend Lyrik (u. a. Die Sendlinger Schlacht am Christtage 1705, 1833) und Dramen. C Frankf Nationalvers

Debary, Johannes, schweizer. Staatsmann, * 27. 5. 1710, † 3. 4. 1800. Nach seiner Ausbildung zum Kaufmann in Basel und Frankfurt / Main unternahm D. 1732 eine Reise durch Deutschland, die Niederlande und Frankreich und wurde nach seiner R¨uckkehr Teilhaber des v¨aterlichen Seidenbandgesch¨afts in Basel. Seit 1741 Mitglied des Großen, seit 1757 des Kleinen Rats, wurde er 1760 Oberzunftmeister und 1767 B¨urgermeister seiner Heimatstadt. Er war Gesandter auf den eidgen¨os-

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Debes sischen Tagsatzungen und bei der Beschw¨orung des franz¨osischen B¨undnisses in Solothurn 1777 sowie mehrmals eidgen¨ossischer Schlichter zwischen Z¨urich und Schwyz im Streit um Schiffahrtsrechte.

Debes, Dietmar, Bibliothekar, * 24. 9. 1925 Bautzen, † 6. 1. 1999 Leipzig. Zun¨achst als Neulehrer t¨atig, erhielt D. 1947-49 eine bibliothekarische Ausbildung an der Deutschen B¨ucherei sowie an der Universit¨atsbibliothek Leipzig, an der er anschließend als Bibliothekar t¨atig war. Er studierte an den Universit¨aten Leipzig und Berlin Kunstgeschichte, Arch¨aologie und Vorgeschichte und wurde 1963 mit der Arbeit Das Figurenalphabet promoviert. 1959-92 leitete D. die Handschriften- und Inkunabelabteilung der Universit¨atsbibliothek Leipzig; 1965-82 war er deren stellvertretender Direktor und 1990-92 kommissarischer Direktor der Universit¨atsbibliothek. Als Kustos der Bibliothek galt D.’ Engagement der Erhaltung und Erschließung wertvoller Sondersammlungen sowie nach 1990 dem Wiederaufbau der noch immer stark kriegsbesch¨adigten Bibliotheca Albertina, des Hauptgeb¨audes der Universit¨atsbibliothek. D. war seit 1964 Mitglied der Historischen Kommission des B¨orsenvereins der deutschen Buchh¨andler zu Leipzig und seit 1967 Mitglied der Historischen Kommission der S¨achsischen Akademie der Wissenschaften. In den siebziger Jahren lehrte er an der Buchh¨andler-Lehranstalt und war 1973-88 Dozent f¨ur historische Buchkunde an der Fachschule f¨ur das wissenschaftliche Bibliothekswesen an der Deutschen B¨ucherei. 1972 wurde er Dozent an der Univ. Leipzig, die ihm 1992 die Ehrendoktorw¨urde verlieh. D. ver¨offentlichte u. a. Das Ornament. Wesen und Geschichte. Ein Schriftenverzeichnis (1956), Georg Joachim G¨oschen. Die typographische Leistung des Verlegers (1965) und gab Zimelien. B¨uchersch¨atze der Universit¨atsbibliothek Leipzig (1988) heraus. Mit Waltraud Guth bearbeitete er f¨ur das Handbuch der historischen Buchbest¨ande die beiden B¨ande zu den Bibliotheken in Sachsen (1997 / 98). C Habermann 2

Debes, Ernst, Verleger, * 22. 6. 1849 Neukirchen bei Eisenach, † 25. 11. 1923 Leipzig. Gemeinsam mit Hermann Wagner begr¨undete D. 1872 die Geographische Anstalt in Gotha und den Verlag H. Wagner & E. Debes in Leipzig, der sich auf Wandkarten und Atlanten f¨ur den Schulbedarf spezialisierte und u. a. einen Mondatlas herausgab. D.’ Hauptwerk ist der Neue Handatlas (1894), der seit 1935 als Columbus-Weltatlas weitergef¨uhrt wurde.

De Biel, Ludwig, auch Debiel, o¨ sterr. kath. Theologe, * 20. 9. 1697 Wien, † 9. 11. 1771 Graz. De B. trat um 1717 in die Gesellschaft Jesu ein und lehrte in Graz und Wien das Hebr¨aische, Mathematik, Philosophie und Theologie. Bei der Gr¨undung des adligen Instituts durch → Maria Theresia in Wien wurde er zu dessen erstem Direktor ernannt; seit 1760 war er Kanzler der Univ. Graz. De B., zu dessen Sch¨ulern der Mathematiker und Numismatiker Erasmus → Fr¨ohlich geh¨orte, verfaßte selbst u¨ berwiegend theologische Untersuchungen und ver¨offentlichte u. a. eine griechische Textausgabe des Neuen Testaments mit einer w¨ortlichen lateinischen Interlinear¨ubersetzung. C ADB Debo, (Heinrich) Ludwig, Ingenieur, * 16. 12. 1818 Hildesheim, † 7. 1. 1905 Hannover. Nach T¨atigkeiten in Celle 1840 und Hannover 1841 war D. 1843 Baukondukteur bei der Errichtung des Bahnhofs Hannover; 1851 wurde er Vorstand des technischen B¨uros der Generaldirektion der Eisenbahnen und Telegraphen in Hannover und zus¨atzlich im gleichen Jahr Dozent der Baukunst

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am Polytechnikum Hannover. Er lehrte seit 1863 u¨ berwiegend Baukonstruktionslehre und Baumaterialien sowie Entwurf, seit 1876 auch Innenarchitektur und landwirtschaftliche Baukunst; 1878 folgte die Ernennung zum Professor. D. ver¨offentlichte u. a. eine Darstellung der hannoverschen Eisenbahnen.

Debrit-Vogel, Agnes, schweizer. Frauenrechtlerin, * 3. 1. 1892 Bern, † 23. 5. 1974 Bern. D.-V. absolvierte das Lehrerinnenseminar, studierte Philologie an der Univ. Bern und bildete sich zur Journalistin weiter. Sie trat f¨ur die Frauenrechtsbewegung ein, war 1924-28 Redakteurin der Frauenzeitschrift „Berna“, u¨ bernahm 1946 vor¨ubergehend die Redaktion des „Mouvement F´eministe“ und redigierte seit 1948 die Bulletins des Berner Frauenbundes. D.-V. war 1928 am Aufbau der Schweizer Ausstellung f¨ur Frauenarbeit (SAFFA) beteiligt, geh¨orte im Zweiten Weltkrieg zu den Initiatorinnen des Zivilen Frauenhilfsdienstes und der Auslandsschweizerhilfe und pr¨asidierte an der SAFFA 1958 die Berner Kantonalkommission. Seit 1938 im Vorstand des Bundes Schweizer Frauenorganisationen (BSF), war sie Mitglied der Presse- und Erziehungskommission des BSF und 1959-66 Pr¨asidentin des Berner Frauenbundes. 1968 ver¨offentlichte sie Westindien – Tatsache und Hoffnung.

Debrunner, (Johann) Albert, schweizer. Sprachwissenschaftler, Indogermanist, * 2. 8. 1884 Basel, † 2. 2. 1958 Bern. Nach dem Studium an den Universit¨aten Basel und G¨ottingen (Promotion 1907) unterrichtete D. an der Evang. Lehranstalt Schiers, an der Evang. Predigerschule Basel und am kantonalen Gymnasium in Z¨urich; daneben bearbeitete er die Grammatik des neutestamentlichen Griechisch von Friedrich Wilhelm → Blass (4-91913-54). 1917 an der Univ. Z¨urich f¨ur vergleichende Sprachwissenschaft habilitiert, wurde er 1918 a. o. Prof. in Greifswald und kam 1920 als o. Prof. an die Univ. Bern. 1925-54 Ordinarius in Jena, befaßte sich D. gemeinsam mit Jacob → Wackernagel mit der Altindischen Grammatik (Bd. 3, 1930, Bd. 2, 1954), kehrte nach Konflikten mit nationalsozialistischen Vorgesetzten 1935 nach Bern zur¨uck und begann mit der Vervollst¨andigung und Herausgabe der Griechischen Grammatik von Eduard → Schwyzer (Bd. 2, 1950). Er war 1927-58 Mitherausgeber der „Indogermanischen Forschungen“ und geh¨ort mit u¨ ber 600 Publikationen zu den produktivsten Indogermanisten seiner Zeit.

Debs, Benedikt, Spielleiter, Schulmeister, † Januar 1515 Bozen. D. stammte aus Ingolstadt und war seit mindestens 1511 Schulmeister an der Lateinschule der Stadtpfarre Bozen. Er galt den Zeitgenossen als Liebhaber und Sammler geistlicher Spiele und wurde als Notensetzer und Bassist bekannt. Beim Bozener Passionsspiel 1514 war er f¨uhrend an den Vorbereitungen beteiligt. D. hinterließ dem Sterzinger Maler und Organisator von Laienspielen, Vigil → Raber, eine umfangreiche Sammlung von Spielhandschriften aus dem 15. Jahrhundert. C LexMA Debschitz, Wilhelm von, Maler, Innenarchitekt, Kunsthandwerker, Kunstp¨adagoge, * 21. 2. 1871 G¨orlitz, † 10. 3. 1948 L¨uneburg. D. wurde im preuß. Kadettenkorps erzogen, brach seine milit¨arische Laufbahn allerdings ab und begann Studien auf dem Gebiet der Malerei, die er haupts¨achlich autodidaktisch betrieb. Seit 1891 lebte er in M¨unchen, wo von aus er Reisen nach Tirol und Italien unternahm. Seine Malerei stand zuerst unter dem Einfluß der deutschen Sp¨atromantik (Moritz von → Schwind, Ludwig → Richter), bevor er sich, von der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung (u. a William Morris und Walter Crane) angeregt, illustrativen und kunstgewerblichen

Dechant Entw¨urfen zuwandte (u. a. M¨obel). Seine Arbeiten wurden 1901 bei der ersten Ausstellung f¨ur Kunst im Handwerk in M¨unchen gezeigt. Besondere Bedeutung f¨ur die kunstgewerbliche Bewegung erlangte D., seit 1898 mit der Photographin Wanda Kunowski verheiratet, durch die von ihm und Hermann → Obrist 1902 gegr¨undeten „Lehr- und VersuchAteliers f¨ur angewandte und freie Kunst in M¨unchen“. Nach dem Ausscheiden von Obrist u¨ bernahm D. 1904 die alleinige Leitung der Schule, in der er 1910 / 11 und 1913 aus gesundheitlichen Gr¨unden von Fritz → Schmoll vertreten wurde. Die von D. gestaltete Schulorganisation und Unterrichtskonzeption beruhte auf den p¨adagogischen und psychologischen Prinzipien der Kultur- und Lebensreform. Um 1910 war die private Einrichtung die gr¨oßte dieser Art in Deutschland und Station namhafter K¨unstler des Jugendstils und des Expressionismus. 1907 wurden die „Ateliers und Werkst¨atten f¨ur angewandte Kunst“, ein kommerziell und eigenst¨andig arbeitendes Unternehmen zum Verkauf der Sch¨ulerarbeiten, sowie die Keramikwerkst¨atten angegliedert. Zum Sch¨ulerkreis der Kunstgewerbeschule z¨ahlten u. a. Ernst Ludwig → Kirchner, Sophie → Taeuber-Arp, Walther → Teutsch, Herthe und Wolfgang von → Wersin und Ludwig → Hirschfeld-Mack. Seit 1912 geh¨orte D. dem Deutschen Werkbund an. 1914-21 war er Direktor der St¨adtischen Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Hannover. Nach 1945 arbeitete D. in der Weberei des Klosters L¨une bei L¨uneburg. C AKL

Debus, Kurt (Heinrich), Physiker, Ingenieur, * 29. 11. 1908 Frankfurt / Main, † 10. 10. 1983 Cocoa Beach (Florida, USA). D. studierte seit 1929 an der TH Darmstadt (Promotion 1939, ¨ Uber die Bestimmung der Kennwerte von Spannungsst¨oßen mit anzeigenden Meßger¨aten) und war als Hochschulassistent (1936-42) sowie als Testingenieur (1942-45) f¨uhrend an der Entwicklung der Fernrakete A4 (V2) t¨atig, f¨ur die er zuletzt Cheftester war. Nach Kriegsende ging er mit Wernher von → Braun in die USA, war dort zun¨achst an Projekten in der W¨uste von New Mexico beteiligt, 1952-60 Firechief der Army Ballistic Missile Agency in Huntsville (Alabama) und leitete in dieser Funktion die Raketenstarts der US-Army, darunter 1958 den Start des ersten, von Wernher von Braun entwickelten Satelliten „Explorer I“ auf Kap Canaveral. 1960-63 Chef der Raketenstarts der NASA, war D. 1963-74 Direktor des John F. Kennedy Space Centers auf Kap Canaveral und trat nach dem vorzeitigen Abschluß der Skylab-Programme 1974 in den Ruhestand. 1975-80 stand er dem Aufsichtsrat von Lutz Kaysers deutscher Raketenfirma OTRAG vor.

Debye, Peter (Joseph Wilhelm), Physiker, Chemiker, * 24. 3. 1884 Maastricht (Niederlande), † 2. 11. 1966 Ithaca (New York, USA). Nach der Ausbildung zum Elektroingenieur an der TH Aachen studierte D., Sohn eines Werkmeisters, bei Arnold → Sommerfeld an der Univ. M¨unchen, wurde 1908 mit der Dissertation Der Lichtdruck auf Kugeln von beliebigem Material promoviert und habilitierte sich dort 1910 mit der Arbeit Zur Theorie der Elektronen in Metallen. 1911 folgte er einem Ruf als Prof. der theoretischen Physik an die Univ. Z¨urich, 1912 an die Univ. Utrecht und wurde 1913 Prof. der theoretischen und experimentellen Physik sowie Institutsdirektor an der Univ. G¨ottingen. Seit 1915 gab er die „Physikalische Zeitschrift“ heraus. 1920-27 Prof. an der ETH Z¨urich, wechselte er anschließend an die Univ. Leipzig, war 1934-39 Prof. an der Univ. Berlin und seit 1935 Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts f¨ur Physik. D. entdeckte mit R¨ontgenstrahlen die Struktur pudrig-kristalliner Substanzen und formulierte eine Theorie des Verhaltens starker Elektrolyten; 1936 erhielt er den Nobelpreis f¨ur Chemie. 1940-52 lehrte

er als Prof. der Chemie an der Cornell University in Ithaca (USA). D. war Mitglied zahlreicher Akademien, seit 1932 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Er ver¨offentlichte u. a. Probleme der modernen Physik (1928), Magnetismus (1933), Kernphysik (1935) und The collected papers (1954). C Leb Berlin 1

Decarli, Eduard → Schmidt, Eduard Dechamps, Gustav (Leonard Joseph), Industrieller, Jurist, * 20. 1. 1878 Aachen, † 16. 7. 1942 D¨usseldorf. D., Sohn eines Tuchfabrikanten, studierte Rechtswissenschaften an den Universit¨aten T¨ubingen und Bonn, wurde 1901 promoviert (Die obligatorischen Wahlverh¨altnisse nach dem Recht des B.-G.-B.) und ließ sich 1905 als Rechtsanwalt in Aachen nieder. 1918 wurde er wirtschaftlicher und juristischer Berater der Spaeter-Konzerne sowie der Lothringer Rombacher H¨uttenwerke und baute seit 1927 aus dem Restbesitz der Concordia-Bergbau-AG in Oberhausen die Zeche nach neuzeitlichen, wirtschaftlichen Maßst¨aben wieder auf. D. widmete sich besonders der Weiterverarbeitung und Veredelung der Kohle sowie der Gas- und Elektrizit¨atsversorgung, f¨orderte das Gaszerlegungsverfahren nach dem Patent Bronn-Concordia-Linde und war an der Gr¨undung der „Ruhrchemie AG“, der „Ruhrbenzin AG“ und der „RuhrElektrizit¨at“ beteiligt. Er war u. a. Vorsitzender der Vereinigung zum Studium der Steinkohlenschwelung und Mitglied des Ausschusses f¨ur Kohlenforschung beim Kaiser-WilhelmInstitut f¨ur Kohlenforschung. C Nekrologe Industrie Dechant, August, Dirigent, Komponist, * 29. 11. 1873 W¨urzburg, † 4. 6. 1959 St. Gallen. Nach dem Abschluß der Studien an den Konservatorien in N¨urnberg und W¨urzburg war D. 1895-97 Theaterkapellmeister in Regensburg und N¨urnberg, 1897-1902 in Augsburg. Neben seiner T¨atigkeit in Wien und Teplitz 1903-05 unternahm er zahlreiche Tourneen, folgte 1905 einer Berufung an das Stadttheater St. Gallen und wurde dort 1909 Vizekapellmeister des Konzertvereinorchesters sowie der Volkskonzerte. D. leitete zahlreiche Ch¨ore seiner Umgebung und komponierte neben Chors¨atzen u. a. den SchlaraffenliederMarsch f¨ur Klavier.

Dechant, Rudolf, o¨ sterr. Verleger, Beamter, * 3. 2. 1892 Wien, † 12. 3. 1974 Wien. D. studierte nach dem Ersten Weltkrieg an der Univ. Wien (Dr. phil. 1926), wurde 1927 Mitarbeiter des Wiener Psychotechnischen Instituts und war 1928-38 f¨ur das Volksbildungsreferat im Burgenland t¨atig. Er publizierte Aufs¨atze zur Volksbildungsarbeit und initiierte die Edition einer „Landeskunde des Burgenlandes“. 1938 aus politischen Gr¨unden aus dem Staatsdienst entlassen, war er 1939-45 Prokurist der Ringbuchhandlung in Wien. Nach dem Krieg wurde er in das o¨ sterr. Unterrichtsministerium berufen und zum Direktor des ¨ Osterr. Bundesverlags bestellt. Dechant, Rudolf, o¨ sterr. Bankier, * 17. 6. 1897 Wien, † 28. 2. 1955 Wien. D. war 1920-26, zuletzt als Vorstand der Kreditabteilung, ¨ bei der Anglo-Osterreichischen Bank, 1926-34 bei der Arbeiterbank t¨atig. 1945 zun¨achst im Pr¨asidialb¨uro des Wiener Rathauses eingesetzt, u¨ bernahm er noch im gleichen Jahr als leitender Direktor die Wiener Zentralsparkasse, wo er u. a. f¨ur die Bereiche Kredit- und Wechselgesch¨afte, Bilanz- und Steuerangelegenheiten sowie Personalfragen zust¨andig war. Dar¨uber hinaus war er, seit 1951 Kommerzialrat, Direktor der Wiener Hypotheken-Anstalt, Vizepr¨asident des Hauptverbandes o¨ sterr. Sparkassen und Obmannstellvertreter der Sektion Geld-, Kredit- und Versicherungswesen der o¨ sterr. Bundeswirtschaftskammer.

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Dechen Dechen, Ernst Heinrich Carl von, Geologe, * 25. 3. 1800 Berlin, † 15. 2. 1889 Bonn. Nach dem Studium an der Univ. und der Bergakademie Berlin 1818-21, der weiterf¨uhrenden Ausbildung an den Berg¨amtern Bochum und Essen sowie in der Ministerialabteilung f¨ur Berg-, H¨utten- und Salinenwesen in Berlin bereiste D., Sohn eines Geheimen Hofrats, 1826 / 27 England und Schottland und wurde 1828 Oberbergamtsassessor in Bonn. Seit 1831 Vortragender Rat in der Ministerialabteilung in Berlin, war er daneben seit 1834 a. o. Prof. der Bergbaukunde an der Bergakademie Berlin. 1841-64 leitete er das Oberbergamt Bonn und machte sich vor allem um die Erarbeitung und Edition der ersten zusammenfassenden geologischen Karten Westdeutschlands verdient (Geologische Karte [1 : 80 000] der Rheinprovinz und Westfalens, Atlas mit 35 Bl¨attern, 2 Bde. Erl¨auterungen, 1855-84). Gemeinsam mit Karl Johann Bernhard Karsten gab er 1838-55 das „Archiv f¨ur Mineralogie, Geologie, Bergbau und H¨uttenkunde“ heraus. 1850 war er Mitglied des Volkshauses des Deutschen Parlaments und 1884-89 des preuß. Staatsrats. D., 1854 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen, machte sich um die Entwicklung des Kohlenbergbaus an der Saar und um die Anlage der ersten Eisenbahnen verdient. Nach ihm wurde das Mineral Dechenit, mehrere Fossilgattungen, die Dechenh¨ohle bei Iserlohn und die Zeitschrift „Dechenia“ benannt. D. ver¨offentlichte u. a. Geognostischer F¨uhrer in das Siebengebirge am Rhein (1861) und Die nutzbaren Mineralien und Gebirgsarten im Deutschen Reiche (1873). C NDB Dechend, Hermann (Friedrich Alexander) von, Reichsbankpr¨asident, * 2. 4. 1814 Marienwerder, † 30. 4. 1890 Berlin. D., Sohn eines Justizkommissars, studierte Rechtswissenschaften und Cameralia an den Universit¨aten Bonn und Berlin und trat 1844 in die preuß. Finanzverwaltung ein. 1848 von Finanzminister David → Hansemann mit der Schaffung und Leitung der neuerrichteten Darlehenskassen betraut, wurde er sp¨ater in das ebenfalls neugeschaffene Ministerium f¨ur Handel, Gewerbe und o¨ ffentliche Arbeiten u¨ bernommen. Seit 1851 Hauptbankdirektor und Direktoriumsmitglied, wurde D. 1864 Pr¨asident der Preußischen Bank, sp¨ater Reichsbank, deren Filialnetz er ausbaute und deren Unabh¨angigkeit er wiederholt auch gegen → Bismarck erfolgreich verteidigte. 1865 nobilitiert, war er 1867-70 Mitglied des preuß. Abgeordnetenhauses, seit 1872 des Herrenhauses und seit 1884 des Staatsrats. C NDB Dechent, Hermann (Georg Jakob Friedrich Paulus), evang. Theologe, * 15. 9. 1850 Westhofen bei Worms, † 19. 11. 1935 Frankfurt / Main. D., Sohn eines Pfarrers, studierte an den Universit¨aten Heidelberg und G¨ottingen, wurde 1872 ordiniert und war 1879-91 Stadtpfarrer an der Paulskirche in Frankfurt / Main. Anschließend bis 1924 Pfarrer an der Frankfurter Weißfrauenkirche, wurde er Ober- und 1918 Geheimer Konsistorialrat. Er hing einem freien Protestantismus an und galt als geschickter Vermittler zwischen verschiedenen theologischen Standpunkten. Er schrieb belletristische Werke und Sachb¨ucher, befaßte sich mit Religions- und Kirchenwesen, Kirchen- und Lokalgeschichte sowie mit Literaturwissenschaft und ver¨offentlichte u. a. Die Entwicklung des kirchlichen Lebens in Frankfurt am Main (1892) und Die Kirchengemeinde von Frankfurt am Main seit der Reformation (2 Bde., 1913-23). Seit 1888 gab er den Frankfurter Kirchenkalender heraus, 1899 Maria Dechent. Aus dem Leben einer Pfarrfrau. C NDB

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Dechert, Hugo, Musiker, * 16. 9. 1860 Dresden, † 8. 11. 1923 Berlin. Nach der Ausbildung bei dem kgl. Kammermusiker Heinrich Tietz in Dresden war D. mehrere Jahre Solocellist verschiedener Theater- und Konzertorchester und studierte 1878-80 an der Kgl. Musikhochschule in Berlin u. a. bei Robert Hausmann. Seit 1881 Mitglied, seit 1894 Solocellist des Berliner Kgl. Kammerorchesters und der Staatsoper, erhielt er 1898 den Titel eines Kgl. Kammervirtuosen. D. war Mitbegr¨under und Mitglied des Halir- und des Heß-Quartetts sowie des Trios Schumann-Halir-Dechert.

Decho, Ilse, Glask¨unstlerin, Designerin, * 9. 12. 1919 Leipzig, † 16. 1. 1978 Leipzig. D. besuchte als kaufm¨annische Angestellte die Abendschule der Staatlichen Akademie f¨ur graphische K¨unste und Buchgewerbe, studierte 1947-49 an der Kunstgewerbeschule Leipzig und lebte 1950-66 als freischaffende Kunsthandwerkerin und Formgestalterin in ihrer Geburtsstadt. 1964 schloß sie die Hochschule f¨ur industrielle Formgestaltung auf Burg Giebichenstein mit dem Diplom ab und war dort seit 1966 Dozentin, 1974-75 Prof. f¨ur Glasgestaltung. D.s Werk umfaßt sowohl Unikate als auch Vorlagen f¨ur serielle Fertigung, darunter Koch- und Bratger¨ate sowie ein Teeservice aus Jenaer Glas (1962 / 63). C AKL Decius, Jo(b)st Ludwig, auch Dietz, Ditz, Unternehmer, Historiker, * 1485 Weißenburg (Elsaß), † 26. 12. 1545 Krakau. Der aus einer angesehenen B¨urgerfamilie stammende D. verließ um 1500 seine Heimat und war 1506-20 Sekret¨ar Hans → Boners, im folgenden Jahr Hofpfalzgraf des polnischen K¨onigs. Sp¨ater als Bergbautreibender beurkundet, erwarb er 1538 die schlesischen G¨uter Kupferberg, Bolzenstein, Jannowitz und Waltersdorf und schuf f¨ur diese Gegend eine neue Bergordnung. D. war Schatzmeister und zwischenzeitlich Verwaltungsleiter der Salzh¨utte von Wieliczka. Politisch engagiert, forderte er eine Verst¨andigung zwischen Polen und Deutschen und schlug 1526 in einer Denkschrift die Vereinheitlichung des M¨unzwesens sowie die Errichtung von M¨unzst¨atten in Krakau und Thorn vor. D. war M¨unzverweser in Thorn, Vogt von Petrikau, Ratsherr in Krakau und wurde in den polnischen Adelsstand erhoben. Sein dreib¨andiges, 1521 erschienenes Hauptwerk tr¨agt die Titel De vetustatibus Polonorum, De Jagellonum familia und De Sigismundi regis temporibus. C NDB Decius, Nikolaus, eigentl. Deeg (kaum Tech), evang. Theologe, Kantor, Komponist, * um 1485 Hof / Saale, † nach 1546. D. stammte aus einer angesehenen Hofer Familie; sein Halbbruder Johannes D. war seit 1503 Guardian des dortigen Franziskanerklosters. Seit 1501 Student der Univ. Leipzig, wurde D. 1506 Baccalaureus der Artes, sp¨ater auch der Rechte, kam vermutlich um 1515 nach Braunschweig und wurde 1519 Propst des Benediktinerinnenklosters in Steterburg bei Braunschweig. Durch Gottschalk → Kruse mit der Reformation bekannt gemacht, schrieb D. eine Summula doctrinarum Jhesu Christi ex Codice Matthei (1521). 1522 wurde er Rektor am Lyzeum in Hannover und kehrte im selben Jahr als Lehrer nach Braunschweig zur¨uck. Hier entstanden, als Ersatz f¨ur Ordinariumsst¨ucke der R¨omischen Messe, drei geistliche Lieder, die als die a¨ ltesten evang. Lieder Deutschlands gelten und in hochdeutscher Version zum festen Bestandteil des evang. Gottesdienstes wurden: Aleyne God yn der H¨oge sy eere, Hyllich ys Godt de vader und O Lam Gades vnsch¨uldich. Anschließend hielt sich D. zu Studien in Wittenberg auf, war 1524 vermutlich mit Paul vom Rode reformatorisch in Stettin t¨atig und siedelte sp¨ater nach Ostpreußen u¨ ber. D. war 1530 Diakon in Liebstadt, anschließend Kantor in Bartenstein, wurde 1540 Unterkantor

Decker und Zweiter Hofprediger Herzog → Albrechts von Preußen in K¨onigsberg und kam 1543 nach M¨uhlhausen bei Elbing. C MGG

Deckel, Friedrich (Wilhelm), Unternehmer, * 11. 12. 1871 Jungingen, † 10. 7. 1948 M¨unchen. Als Feinmechanikergeselle arbeitete D., Sohn eines Kleinbauern und H¨andlers, u. a. in Holland und England sowie unter der pers¨onlichen Anleitung Ernst → Abbes bei Zeiss in Jena. 1897 wurde er Entwicklungsmechaniker f¨ur PhotoOptik bei Carl August → Steinheil in M¨unchen, machte sich im folgenden Jahr als Zulieferbetrieb mit einer kleinen Werkstatt selbst¨andig und befaßte sich daneben mit Kamera- und Kinematographentechnik. Gemeinsam mit Christian Bruns stellte er 1903-05 den von Bruns konzipierten, von D. konstruierten „Compound“-Verschluß, einen zentralen Verbundverschluß f¨ur Kameras, her, wurde Alleininhaber des Gesch¨afts und begann 1910 mit dem Bau von Pr¨azisionsWerkzeugmaschinen. Seit 1911 im eigenen Werkbau, entwickelte sich das Unternehmen mit dem erheblich verbesserten „Compur“-Verschluß, sp¨ater dem „Synchro-Compur“Verschluß, zu einem der bedeutendsten seiner Branche. D. f¨uhrte als erster Unternehmer M¨unchens 1912 den Achtstunden-Arbeitstag ein. C NDB

Decken, Auguste von der, geb. Meyer, Pseud. Auguste von der Elbe, Schriftstellerin, * 30. 11. 1828 Bleckede bei L¨uneburg, † 25. 4. 1908 Hannover. D., Tochter eines 1836 verstorbenen Justizamtmanns, hielt sich mit ihrer Mutter in Hannover und seit 1839 in L¨uneburg auf. Seit 1849 mit einem hannoverschen Offizier verheiratet, lebte sie an den jeweiligen Garnisonsorten ihres Mannes, war 1866 in einem Lazarett, sp¨ater in einem M¨adchenpensionat t¨atig und ging – 1875 verwitwet – 1883 als freie Schriftstellerin nach Hannover. Nach einigen feuilletonistischen Beitr¨agen in norddeutschen Zeitungen ver¨offentlichte sie zahlreiche Romane, Erz¨ahlungen und Novellen, darunter Chronica eines fahrenden Sch¨ulers von Clemens Brentano, fortgesetzt und vollendet (31880, 101905, 121906). C DSL Decken, Burchard Otto Hans von der, Beamter, * 24. 4. 1769, † 27. 11. 1838 Niederochtenhausen bei Bremerv¨orde. Der aus einer alten nieders¨achsischen Adelsfamilie stammende D., Sohn eines hannoverschen Hauptmanns, besuchte die Akademie in B¨utzow, studierte 1787-89 Rechtswissenschaften an der Univ. G¨ottingen und trat anschließend in den hannoverschen Staatsdienst ein. Zun¨achst Auditor am Hofgericht Stade, wurde er 1795 Hofgerichtsassessor, Justiz- und Konsistorialrat und wechselte nach der franz¨osischen Okkupation in den oldenburgischen Staatsdienst. 1807 wurde er zum Oberlanddrosten des Herzogtums Oldenburg ernannt, war 1810 / 11 zus¨atzlich Pr¨asident der Milit¨arkom¨ mission und f¨uhrte 1811 Verhandlungen zur Ubernahme Oldenburgs durch Frankreich. Im wiederhergestellten Hannover wurde er 1814 f¨ur die Bremer Ritterschaft Mitglied der provisorischen Allgemeinen St¨andeversammlung, 1816 hannoverscher Regierungsrat, 1818 Pr¨asident der Provinzialregierung in Aurich und war 1823-31 Landdrost in L¨uneburg. C Oldenburg

Decken, Carl Claus von der, Forschungsreisender, * 8. 8. 1833 Kotzen (Brandenburg), † 2. 10. 1865 Bardera / Juba (Afrika). Der Enkel Klaus von der → D.s stand 1850-60 in hannoverschen Milit¨ardiensten, betrieb naturwissenschaftliche und geographische Studien und bereiste Europa. Erstmals 1858 unternahm er eine Reise nach Algerien, wandte sich 1860 nach Sansibar, bestieg 1861 mit dem englischen Geologen Richard Thornton, sp¨ater mit Otto Kersten den Kilimandscharo, nahm den Dschipesee auf und kehrte nach Europa

¨ zur¨uck. 1864 kam er u¨ ber Agypten, Aden und die Seychellen nach Sansibar und erreichte mit Schiffen den Juba, wo er zusammen mit der Mehrheit der Expeditionsteilnehmer ermordet wurde. Kersten bearbeitete seine Aufzeichnungen und gab sie unter dem Titel Carl Claus von der Deckens Reisen in Ostafrika in den Jahren 1859-65 (4 Bde., 1869-79) heraus.

Decken, Felix, S¨anger, * 12. 2. 1864 Wesel, † 10. 2. 1928 Stuttgart. Nach Engagements an den Theatern in K¨oln, Nordhausen, Rostock und Elberfeld kam D. 1896 an die Stuttgarter Hofoper, wo er als Tenor und Darsteller vor allem im Buffound Charakterfach Erfolge feierte. Er trat auch als Konzerts¨anger auf und unternahm Tourneen u. a. als Pedrillo in Der Entf¨uhrung aus dem Serail. C Kutsch Decken, (Johann) Friedrich Graf von der, Milit¨ar, Historiker, * 25. 5. 1769 Langwedel, † 22. 5. 1840 Ringelheim. Seit 1784 in hannoverschen Milit¨ardiensten, wurde D., Sohn eines hannoverschen Oberstleutnants, 1795 / 96 von → Scharnhorst zur Herausgabe der Zeitschrift „Milit¨arische Denkw¨urdigkeiten unserer Zeiten“ herangezogen. 1796 Oberadjutant des Herzogs → Adolph Friedrich von Cambridge, wurde er im folgenden Jahr in den Generalstab versetzt und 1801 von Scharnhorst als Nachfolger im hannoverschen Generalquartiermeisterstab vorgeschlagen. D., der auch zu diplomatischen Missionen herangezogen wurde, u¨ bertrug 1803 seine Vollmacht zur Aufstellung eines Ausl¨anderkorps in britischen Diensten Herzog Adolph Friedrich, dessen Generaladjutant er wurde. Er reorganisierte die hannoversche Armee und wurde 1816 Generalquartiermeister. Seit 1819 war er Mitglied der hannoverschen St¨andeversammlung und bis 1825 Vizepr¨asident. 1839 wurde er in den Staatsrat berufen. D. war Mitbegr¨under und erster Pr¨asident des Historischen Vereins f¨ur Niedersachsen und ver¨offentlichte historische Studien, darunter Herzog Georg von Braunschweig-L¨uneburg (4 Teile, 1833 / 34). Decken, Klaus von der, B¨urgermeister von Stade, † 1541. D., der Stammvater der verschiedenen nieders¨achsischen Familien dieses Namens, war seit 1501 B¨urgermeister von Stade. Erzbischof → Christoph von Bremen, dessen Vertrauter und Finanzier er war, verlieh ihm 1516 ein immer wieder umk¨ampftes Privileg, das ihm und seinen Nachkommen große Unabh¨angigkeit sicherte. D. war einer der m¨achtigsten M¨anner seiner Zeit an der Niederelbe. Decken, Klaus von der, Staatsmann, * 5. 1. 1742 Rittershausen, † 10. 2. 1826 Hannover. Nach rechtswissenschaftlichen Studien an der Univ. G¨ottingen trat D., dessen Vater hannoverscher Droste und Landrat war, in den hannoverschen Staatsdienst ein, wurde 1764 Amtsauditor in der Bremen-Verdenschen Justizkanzlei, 1766 Justizrat am Stader Hofgericht, 1772 Kammerat in der kurf¨urstlichen Dom¨anenkammer und war 1779-96 Regierungsrat in der Bremen-Verdenschen Regierung, Justizund Hofkanzlei. Seit 1803 Staats- und Kabinettsminister f¨ur die Departements Bremen-Verden, Hadeln, Lauenburg und Bentheim sowie f¨ur Lehenssachen, blieb D. als einziger Minister w¨ahrend der Jahre der napoleonischen Fremdherrschaft in Hannover und leitete die illegale kurf¨urstliche Verwaltung. Nach 1815 geh¨orte er wieder der hannoverschen Regierung an, deren dienst¨altestes Mitglied er bei seinem Abschied 1823 war. Decker, Albert, o¨ sterr. Maler, Graphiker, * 18. 6. 1817 Colmar, † 7. 7. 1871 Wien. Der Sohn Stephan → D.s kam mit seinen Br¨udern Georg und Gabriel → D. 1821 von Pest nach Wien und beschickte seit 1839 Ausstellungen mit seinen Arbeiten. Nach dem Tod des Vaters 1844 wurde D. Schauspieler am Theater an der Wien

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Decker und bet¨atigte sich daneben als Maler (meist Portr¨atist), Dekorationsmaler und Kost¨umbildner am Hoftheater. Zu seinen Werken z¨ahlt die Lithographie Gruppenbild des Offizierskorps des Zweiten Wiener B¨urgerregiments (1846). C AKL

Decker, Gabriel, o¨ sterr. Maler, Graphiker, * 25. 8. 1821 Pest (heute zu Budapest), † 26. 8. 1855 Wien. Der Bruder von Albert und Georg → D. wurde von seinem Vater Stephan → D. in Aquarell- und Miniaturmalerei unterwiesen. Er galt als besonders produktiver Lithograph und gesch¨atzer Portr¨atist (u. a. Portr¨at des Herrn Peter Ritter von Murmann, 1851). D. starb an Typhus. C AKL Decker, Georg, schweizer. Drucker, * 23. 4. 1596 Eisfeld bei Hildburghausen, † 1661 Basel. D. war als Buchdruckergeselle an der Univ. T¨ubingen eingeschrieben und kam durch die Heirat mit der Witwe des Buchdruckers Johann Schr¨oter in Basel 1635 in den Besitz der Schr¨oterschen Buchdruckerei. Seit der Heirat B¨urger von Basel, wurde D. zum Stammvater der sp¨ater auch in Breisach, Colmar und Berlin t¨atigen Buchdrucker- und Verlegerfamilie. 1635 brachte er eine Neuausgabe von Pamphilius → Gengenbachs Zehn Altern, der insgesamt mehr als tausend Drucke folgten, u. a. in griechischer, r¨atoromanischer und hebr¨aischer Sprache. Der Vater Johann Jacob I. → D.s f¨uhrte seit 1636 den Titel „Academiae Basiliensis Typographus“.

Decker, Georg, o¨ sterr. Maler, Graphiker, * 7. 12. 1818 Pest (heute zu Budapest), † 13. 2. 1894 Wien. Der Sohn Stephan → D.s wurde zun¨achst vom Vater in Zeichnen, Aquarell- und Miniaturmalerei ausgebildet und malte anfangs u¨ berwiegend Aquarelle, die er 1837-41 in Wien ausstellte. Nach dem Tod seines Vaters 1844 wandte er ¨ sich der Olmalerei zu. 1850 unternahm D. eine Reise nach Dresden und studierte dort klassizistische Werke und Pastellmalerei an Arbeiten von Anton Raphael → Mengs und Jean E. Liotard. Wieder in Wien, war er vorwiegend f¨ur den Wiener Hof, die großherzogliche Familie von Toskana, das reiche Wiener B¨urgertum und o¨ ffentliche Stellen der Stadt Wien – wie seine Br¨uder Albert und Gabriel → D. haupts¨achlich als Portr¨atmaler – t¨atig (u. a. Wenzel Graf Radetzky, 1847). Selbstportr¨ats D.s entstanden in Kreide (1837) ¨ (1865). und Ol C AKL Decker, Georg Jakob I., Drucker, Verleger, * 12. 2. 1732 Basel, † 17. 11. 1799 Berlin. Der Sohn Johann Heinrich II. → D.s wurde in Bern zum Buchdrucker ausgebildet und kam anschließend in die Offizin seiner Großmutter Dorothea nach Colmar. Sp¨ater Student an der Straßburger Akademie, ging D. 1750 u¨ ber Mainz, Frankfurt, Leipzig und Zeitz nach Berlin, wo er 1756 durch die Heirat mit der Witwe des Buchdruckers Jean Grynaeus Teilhaber, 1763 alleiniger Besitzer der jetzt unter „Grynaeus und Decker“ firmierenden Buchdruckerei wurde. Er druckte bald f¨ur bekannte Verlage und die Akademie der Wissenschaften, gr¨undete 1762 die „Gazette fran¸caise de Berlin“ und war Direktor der typographischen Anstalt des Berliner Lotto-Unternehmens. 1763 mit dem Titel, 1765 den Rechten eines Hofbuchdruckers ausgezeichnet, erlangte er 1769 die Erblichkeit des Privilegs und gliederte seinem Unternehmen eine Schriftgießerei, einen Verlag und ein Sortiment an. 1787 wurde D. die erste Gesamtausgabe der Werke → Friedrichs II. u¨ bertragen (Œuvres posthumes de Fr´ed´eric II. Roi de Prusse, 25 Bde., 1788 / 89). 1792 u¨ berließ er seinem Sohn Georg Jakob II. → D. das Unternehmen. D.s 1799 begonnenen Erinnerungen blieben unvollendet und unver¨offentlicht. C NDB

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Decker, Georg Jakob II., Drucker, Verleger, * 9. 11. 1765 Berlin, † 26. 8. 1819 Berlin. Seit 1788 Teilhaber der Berliner Hofbuchdruckerei seines Vaters Georg Jakob I. → D., von 1792 an deren Inhaber, gr¨undete D. 1794 auf Aufforderung des K¨onigs in Posen die „S¨udpreußische Hofbuchdruckerei Decker & Co.“ und den „Verlag der s¨udpreußischen Zeitung“ f¨ur den 1793 besetzten Teil Polens und ließ sie durch Faktoren und Verwandte leiten. 1795 kaufte er seinen Basler Verwandten ihren Anteil an der gemeinsamen Firma „Johann Heinrich Decker in Basel“ ab, brachte neben Universit¨ats- und Beh¨ordendrucken auch zeitgen¨ossische englische und franz¨osische Literatur heraus und gr¨undete 1797 eine betriebsinterne Krankenkasse, mußte das Unternehmen jedoch 1802 ver¨außern. In Berlin modernisierte er nach dem Ende der franz¨osischen Besatzung seine Offizin und f¨uhrte 1809 die Lithographie, 1815-17 die Stereotypie, sp¨ater die Stanhopepresse und die ersten englischen Schnellpressen ein. D. war der Vater von Rudolf → D.

Decker, Hans, S¨anger, * 18. 7. 1903 K¨otzting (Bayern), † 21. 3. 1980 Wien. D. studierte zun¨achst Orgel, wechselte jedoch zum Gesang und erhielt darin eine Ausbildung in M¨unchen. Nach seinem Deb¨ut 1932 am Stadttheater in W¨urzburg und ersten Engagements am Landestheater in Coburg (1932 / 33), am Stadttheater in Mainz (1933 / 34), am Stadttheater in Dortmund (1934-36) und am Stadttheater in Essen (1936 / 37) gastierte er in Berlin und erhielt 1938 eine Anstellung an der Wiener Volksoper. Dort wurde er vor allem mit Rollen aus dem italienischen Repertoire bekannt, u. a. als Herzog in Verdis Rigoletto und als Rodolfo in Puccinis La Boh`eme. Nach dem Zweiten Weltkrieg war D. bis 1955 auch regelm¨aßig an der Wiener Staatsoper zu h¨oren. Zuletzt sang er zusammen mit seiner Frau, der Sopranistin Elisabeth Scheichl, am Staatstheater in G¨ottingen. C Kutsch

Decker, (August) Heinrich, Bergmann, * 4. 1. 1685 Clausthal / Harz, † 12. 2. 1752 Halle. D., Sohn eines braunschweigisch-l¨uneburgischen Oberbergmeisters, war seit 1711 Markscheider beim Bergamt Wettin und wurde 1735 Bergrat, 1743 Direktor des Amts. Er galt als außergew¨ohnlich kenntnisreicher Bergmann und wurde 1734 mit einer Reise durch die Grafschaft Mark beauftragt, um Vorschl¨age f¨ur eine Reform der Bergordnung sowie f¨ur Verbesserungen im Bergbau und Salinenwesen zu erarbeiten; 1735 / 36 besuchte er 105 Steinkohlengruben. Aufgrund seiner Vorschl¨age wurde 1737 die alte Bergordnung der Grafschaft Mark revidiert, ein Bergamt als zust¨andige Beh¨orde geschaffen und die m¨arkische Steinkohlengewinnung zum regelrechten Bergbau entwickelt. Die von seinem Vater angelegte Mineraliensammlung erweiterte D. auf rund 6000 St¨ucke und ließ einen Katalog drucken. C NDB

Decker, Jacques, S¨anger, * 6. 4. 1877 K¨oln, † 1964 K¨oln. Von Beruf Kaufmann, bildete sich D. am Konservatorium in K¨oln u. a. bei Paul Haase und Rudolf → Schulz-Dornburg zum Tenor aus und deb¨utierte 1906 am Stadttheater Elberfeld. 1908-14 war er am Stadttheater Hamburg, am Hoftheater Mannheim, am Opernhaus D¨usseldorf und am Hoftheater Braunschweig engagiert, nahm anschließend am Ersten Weltkrieg teil und setzte seine Karriere seit 1918 am Stadttheater Bielefeld fort. Von 1921 an geh¨orte er dem Ensemble des Mannheimer Theaters an. D. beherrschte ein umfangreiches Repertoire aus dem heldischen und dem → Wagner-Fach; er sang u. a. den Samson in Samson und Dalila von Camille Saint-Sa¨ens. C Kutsch

Decker Decker, Joachim, Musiker, Komponist, * um 1575 Hamburg, † 15. 3. 1611 Hamburg. D., Sohn eines Kantors, war von 1596 bis zu seinem Tod Organist an St. Nikolai in Hamburg. Zusammen mit Hieronymus → Praetorius von St. Jacobi, dessen Sohn Jacob → Praetorius von St. Petri und David Scheidemann von St. Katharinen war er Hauptmitarbeiter des bei Samuel R¨udinger 1604 gedruckten Melodeyen-Gesangbuchs (Nachdr. 1995) und stellte mit 29 vierstimmigen S¨atzen den zahlenm¨aßig gr¨oßten Teil der Liedersammlung. D. f¨uhrte erstmals f¨ur Hamburg die Liedmelodie ausschließlich im Sopran. C MGG

Decker, Johann Heinrich I., schweizer. Drucker, * 18. 3. 1679 Basel, † 1741 Colmar. Der Sohn Johann Jacob I. → D.s erlernte in der v¨aterlichen Werkstatt den Buchdruckerberuf, konnte aber als nachgeborener Sohn den Betrieb nicht u¨ bernehmen. Durch die Heirat mit der verm¨ogenden Baslerin Dorothea Wild 1699 erhielt er die Mittel zur Gr¨undung einer eigenen Werkstatt in Colmar, das 1698 Sitz des kgl. Rats Ludwigs XIV. geworden war; noch im Gr¨undungsjahr wurde er k¨oniglich-franz¨osischer Parlamentsbuchdrucker. Seine Witwe f¨uhrte das Unternehmen bis 1754 fort und druckte u. a. den ersten Band von → Sch¨opflins Alsatia illustrata. D. war der Vater von Johann Heinrich II. → D.

Decker, Johann Heinrich II., schweizer. Drucker, * 1705, † 1754. Der Sohn Johann Heinrich I. → D.s erlernte die Buchdruckerei bei seinem Onkel Johann Jacob II. → D. in Basel und u¨ bernahm, da dieser kinderlos geblieben war, bei seinem Tod 1726 das Unternehmen. 1728 wurde D. als Rats- und Universit¨atsbuchdrucker bei der Basler Buchdruckergesellschaft eingetragen; er produzierte etwa 350 Drucke. Er war der Vater Georg Jakob I. → D.s.

Decker, Johann Jacob I., schweizer. Drucker, * 1635 Basel, † 1697 Colmar. Der Sohn Georg → D.s leitete als Faktor die Druckerei Theodor → Falkeisens, u¨ bernahm nach dem Tod des Vaters 1661 dessen Unternehmen und wurde 1665 „Academiae Typographus“. Vom Basler Rat wegen frankreichfreundlicher Aktivit¨aten mehrmals (1664, 1666, 1676) zu Geldstrafen verurteilt, er¨offnete er 1681 eine Offizin im els¨assischen Neubreisach. Von seinen u¨ ber 460 Drucken aus der Basler Zeit waren nur die vor 1668 entstandenen mit „Academiae Typographus“ gekennzeichnet, sp¨ater hieß es nur noch „ex typographia Deckeriana“ oder a¨ hnlich. D. ver¨offentlichte 1683 den achten Jahrgang des Astro-Metrologicum. Das ist Astrologisches Jahrbuch [. . .] genannt der hinckende Bott, der sp¨ater h¨aufig imitiert wurde. Sp¨atestens seit diesem Jahr f¨uhrte der Vater von Johann Jacob II. und Johann Heinrich I. → D. den Titel eines „Imprimeur du Roi et du Conseil“.

Decker, Johann Jacob II., schweizer. Drucker, * 1668 Basel, † 1726 Basel. Der Sohn Johann Jacob I. → D.s f¨uhrte gemeinsam mit den Geschwistern die v¨aterliche Buchdruckerei und u¨ bernahm 1724 als selbst¨andiger Eigent¨umer die Druckerei Friedrich L¨udins. Da er selbst kinderlos blieb, gab er das Unternehmen an seinen Neffen Johann Heinrich II. → D. weiter, der seine Ausbildung in D.s Offizin erhalten hatte.

Decker, Johanna (Maria Katharina), kath. Missions¨arztin, * 19. 6. 1918 N¨urnberg, † 9. 8. 1977 St. Paul’s Mission (Simbabwe). Die Tochter eines Zollbeamten studierte Medizin in Mainz und M¨unchen, wo sie 1942 zum Dr. med. promoviert wurde (Zentrale Nervenerkrankungen nach peripheren Verletzungen). W¨ahrend ihres Studiums lernte sie die Arbeit des Missions¨arztlichen Instituts in W¨urzburg kennen. 1950 ging sie

nach Simbabwe zu den Mariannhiller Missionaren, errichtete ein Krankenhaus und f¨uhrte es bis zu ihrem Tod. Im B¨urgerkrieg wurde D. 1977 von Guerillas erschossen. C BBKL

Decker, (Friedrich) Karl von, Pseud. Adalbert vom Thale, Milit¨ar, * 21. 4. 1784 Berlin, † 25. / 29. 6. 1844 Mainz. Seit 1797 in der preuß. Armee, wurde D. 1800 Offizier, nahm am Feldzug 1806 / 07 teil und kam im Gefolge des Herzogs von Braunschweig-Oels 1809 nach England, wo er bis 1813 als Rittmeister blieb. Anschließend Stabskapit¨an im preuß. Generalstab, lehrte er seit 1817 als Major Artilleriekunde an der Kriegsschule sowie an der Artillerie- und Ingenieurschule. D. wurde 1820 nobilitiert, im folgenden Jahr Dirigent einer Sektion im Topographischen B¨uro und Mitglied der Ober-Milit¨ar-Examinations-Kommission. 1829 kehrte er in den Truppendienst zur¨uck und wurde 1841 als General zur Disposition gestellt. Er publizierte zahlreiche milit¨arische Schriften (u. a. Die Artillerie f¨ur alle Waffen, 3 Bde., 1817), war Mitbegr¨under bzw. Mitherausgeber mehrerer Zeitschriften (u. a. „Milit¨ar-Wochenblatt“, „Zeitschrift f¨ur Kunst, Wissenschaft und Geschichte des Krieges“, „Milit¨ar-LitteraturZeitung“) und schrieb unter Pseudonym Belletristisches (u. a. Das Vorlegeschloß). ¨ Architekt, Kupferstecher, Decker, Paul d. A., * 27. 12. 1677 N¨urnberg, † 18. 11. 1713 Bayreuth. D., Sohn eines Malers und Direktors der N¨urnberger Malerakademie und Bruder von Paul → D. d. J. wurde 1695-99 von Georg Christoph → Eimmart in Zeichnen, Kupferstechen und Mathematik unterrichtet, war anschließend Sch¨uler Andreas → Schl¨uters an der Akademie in Berlin und begann nach seiner R¨uckkehr nach N¨urnberg um 1706 mit der Herausgabe meist ornamentaler Stichfolgen. Seit 1708 trug er den Titel eines Hofbaumeisters des Pfalzgrafen Theodor von Sulzbach, ohne jedoch Arbeiten auszuf¨uhren, u¨ bernahm seit 1710 im Dienst des Markgrafen → Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth die Inspektion der neuentstehenden f¨urstlichen Geb¨aude in Erlangen und ging nach der Ernennung zum Baudirektor 1712 durch Markgraf Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth nach Bayreuth. D.s Hauptwerk, Der f¨urstliche Baumeister (3 Tle., 1711-16), eine umfangreiche, mit zahlreichen Kupferstichen ausgestattete Baulehre, markiert in der Geschichte der Architekturtheorie den Wendepunkt zu einer rein k¨unstlerischen Darstellung und trug zur Einf¨uhrung franz¨osischer Bauformen und Ornamente in Deutschland bei. D.s Entw¨urfe beeinflußten die Planung zahlreicher deutscher Schloßbauten im 18. Jahrhundert. C AKL

Decker, Paul d. J., Maler, Zeichner, * 26. 2. 1685 N¨urnberg, † 22. 2. 1742 N¨urnberg. D. wurde seit 1705 von Johann Daniel → Preißler an der N¨urnberger Malerakademie in der Malerei und von seinem ¨ im Zeichnen unterrichtet. a¨ lteren Bruder Paul → D. d. A. Letzterem folgte er nach Sulzbach und Bayreuth und half ihm bei Dekorationsarbeiten an Geb¨auden. Seit 1739 war D. Direktor der N¨urnberger Malerakademie. Sein Werk umfaßt vor allem Historienbilder und Portr¨ats, die auch als Vorlage f¨ur Kupferstiche dienten. F¨ur zahlreiche Buchdrucke entwarf D. Titelstiche und Illustrationen, u. a. f¨ur Michael Baurenfeinds Werk Der zierlichen Schreibkunst vollkommener Wiederherstellung anderer Teil (1722). C AKL Decker, Rudolf (Ludwig) von, Drucker, Verleger, * 8. 1. 1804 Berlin, † 12. 1. 1877 Berlin. Der Sohn Georg Jakob II. → D.s u¨ bernahm 1825 gemeinsam mit seinem Bruder das v¨aterliche Unternehmen und wurde nach dem Tod des Bruders 1829 alleiniger Besitzer der Deckerschen Druckerei. Er druckte weiterhin beh¨ordliche

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Decker Schriften neben wissenschaftlicher Literatur und Prachtausgaben zu Jubil¨aen und Weltausstellungen. Unter D.s F¨uhrung wurden neue Fraktur- und orientalische Schriften geschnitten sowie eine Papierfabrik angegliedert. Nach seinem Tod u¨ bernahm das Deutsche Reich das Unternehmen und verband es mit der preuß. Staatsdruckerei zur Deutschen Reichsdruckerei.

Decker, (Johann) Stephan, o¨ sterr. Maler, Graphiker, * 26. 12. 1783 Colmar, † 25. 6. 1844 Grinzing (heute zu Wien). D., Sohn eines Lehrers, studierte seit 1804 bei J. L. David und J. J. Karpf in Paris, kehrte 1811 / 12 nach Colmar zur¨uck, u¨ bernahm die Stelle eines Pr¨ufers im Eichamt und begann daneben, Portr¨ats zu malen. 1818 ging er nach Pest, 1821 nach Wien und war dort f¨ur → Metternich und – gegen festes Gehalt – f¨ur Graf → Sickingen t¨atig. D. stellte erstmals 1824 seine Arbeiten in Wien aus und war 1827-40 Zeichenlehrer der Erzherzogin Therese, der sp¨ateren K¨onigin von Neapel. Der Vater und Lehrer von Albert, Gabriel und Georg → D. schuf u¨ berwiegend Portr¨ats als Miniaturen, Zeichnungen und Lithographien, darunter das letzte repr¨asentative Portr¨at → Beethovens (1826). C AKL Decker, Wilhelm, Dirigent, Komponist, * 7. 12. 1860 Sasbachwalden / Achern (Schwarzwald), † n. e. D. war 1880-86 Volksschullehrer in Gaiberg bei Heidelberg und in Karlsruhe und studierte anschließend bis 1888 am Konservatorium Leipzig Musiktheorie, Komposition, Gesang, Orgel und Klavier u. a. bei Gustav Ernst → Schreck und Paul → Homeyer. 1888-92 lehrte er Musik am Gymnasium Karlsruhe, war daneben Organist an St. Stephan und kam 1892 als Musiklehrer an das staatliche Thurgauer Lehrerseminar Kreuzlingen. D. leitete mehrere Ch¨ore und Orchestervereinigungen. 1895 wurde er zum Kantonalen Musikdirektor ernannt. D. komponierte Violinduette, Chor- und Orgelst¨ucke sowie Festspiele, darunter das 1898 in Weinfelden uraufgef¨uhrte Festspiel zur Thurgauer Zentenarfeier.

Decker, Will, Generalarbeitsf¨uhrer, Publizist, * 13. 12. 1899 Rostock, † 1. 5. 1945 D¨oberitz. Nach dem Frontdienst 1917 / 18 studierte D. bis 1922 Geschichte und Germanistik und wurde 1922 an der Univ. Rostock. Seit 1919 war er auch journalistisch t¨atig, seit 1926 als freier Schriftsteller. 1929 trat D. der NSDAP bei und wurde Gauredner und 1930 Mitglied des Reichstags. Seit 1931 beim Reichsarbeitsdienst (RAD) t¨atig, wurde er 1932 Inspekteur f¨ur Erziehung und Ausbildung in der Reichsleitung des RAD, gab seit 1934 die Zeitschrift „Volk an der Arbeit“ heraus, wurde 1935 Generalarbeitsf¨uhrer und 1941 Obergeneralarbeitsf¨uhrer. Seit 1937 war D. Honorarprofessor an der Univ. Berlin. Er ver¨offentlichte u. a. Der deutsche Weg (1933), Die politische Aufgabe des Arbeitsdienstes (1935) und Mit dem Spaten durch Polen (1939). C Lilla, Statisten Deckert, (Friedrich Karl) Emil, Geograph, * 26. 2. 1848 Taucha bei Leipzig, † 1. 10. 1916 Dornholzhausen / Taunus. D., Sohn eines K¨urschners und B¨urgermeisters, war zun¨achst Volksschullehrer, studierte 1872-75 an der Univ. Leipzig Geographie, Naturwissenschaften und Geschichte u. a. bei ¨ Oscar → Peschel und wurde 1876 Hauptlehrer an der Offentlichen Handelslehranstalt der Dresdner Kaufmannschaft. 1882 gab er die Lehrt¨atigkeit auf, widmete sich eigenen Studien vor allem zur Geographie der Kolonien und Amerikas und publizierte zahlreiche Artikel, u. a. in der „Allgemeinen Zeitung“ und der „Deutschen Revue“. D., seit 1887 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, lebte mehrere Jahre in den USA, bereiste den gesamten amerikanischen Kontinent, verfaßte die ersten modernen

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L¨anderkunden zu diesem Erdteil und galt als der Amerikaexperte seiner Zeit (Die neue Welt. Reiseskizzen aus dem Norden und S¨uden der Vereinigten Staaten sowie aus Kanada und Mexiko, 1892; Die L¨ander Nordamerikas in ihrer wirtschaftsgeographischen Ausr¨ustung, 1916). 1906 erhielt er den Lehrstuhl f¨ur Geographie an der Akademie f¨ur Handels- und Sozialwissenschaften, sp¨ater Univ. Frankfurt / Main. Er war Herausgeber des „Globus“ und ver¨offentlichte u. a. Die civilisatorische Mission der Europ¨aer unter den wilden V¨olkern (1881), Grundz¨uge der Handels- und Verkehrsgeographie (1882, 41908) und Die Kolonialreiche und Kolonisationsobjekte der Gegenwart (1884). C NDB

Deckert, Hermann (Siegfried Joachim), Kunsthistoriker, * 31. 8. 1899 Samtens / R¨ugen, † 11. 11. 1955 Hannover. D. studierte an den Universit¨aten Marburg, Berlin und Leipzig Kunstgeschichte, Arch¨aologie und Philosophie, unternahm ausgedehnte Studienreisen und habilitierte sich 1928 an der Univ. Marburg f¨ur Kunstgeschichte. 1934 war er als wissenschaftlicher Sachbearbeiter an der Bestandsaufnahme der Kunstdenkm¨aler und in der Denkmalpflege der Provinz Hannover t¨atig und wurde 1937 kommissarischer, 1938 wirklicher Provinzialkonservator und Baurat beim Oberpr¨asidenten der Provinz Hannover. D. u¨ bernahm 1942 die Vertretung des Lehrstuhls f¨ur Kunstgeschichte an der Univ. G¨ottingen, wurde 1945 Landeskonservator und Kulturpflegereferent im nieders¨achsischen Kultusministerium und war seit 1949 o. Prof. der Bau- und Kunstgeschichte an der TH Hannover, 1951 / 52 deren Rektor. Er gab die Zeitschrift „Niedersachsen“ heraus, war Mitherausgeber der Zeitschrift „Kulturarbeit“ und ver¨offentlichte u. a. Deutsche Kunst von den Anf¨angen bis zum Ende des romanischen Stils (1931).

Deckert, Joseph, Pseud. Jaonkef Frischmaul, o¨ sterr. kath. Theologe, * 17. 11. 1843 Dr¨osing (Nieder¨osterreich), † 23. 3. 1901 Wien. D., Sohn eines Schuhmachers, wurde 1866 zum Priester geweiht und schloß sich als Kaplan der Wiener Pfarrei St. Leopold seit 1870 politischen Vereinigungen im Vorfeld der christlichsozialen Bewegung an. Er wurde 1870 zum Dr. theol. promoviert (De imputatione morali humanorum actuum), gr¨undete einen Gebetsverein zur Verehrung des hl. Joseph und kam 1874 als Pfarrer in die Wiener Vorstadtgemeinde W¨ahring, wo er rege politische, literarische und karitative Aktivit¨aten entfaltete. D. bekannte sich in einer Reihe von Streitschriften zum Antisemitismus, Antiprotestantismus und Antiliberalismus und wirkte politisch im Sinne der christlichsozialen Bewegung Karl → Luegers. Er ver¨offentlichte u. a. Die a¨ ltesten und gef¨ahrlichsten Feinde des Christenthums und christlichen Volkes (1895). C NDB

Decleva, Mario, o¨ sterr. Maler, Graphiker, * 14. 2. 1930 Lussingrande / Veli Loˇsinj (Istrien), † 9. 8. 1979 Wien. D. lebte seit 1945 in Graz, besuchte die dortige Kunstgewerbeschule und ging 1949 nach Wien, wo er an der Akademie der K¨unste und an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt studierte. Nach Graz zur¨uckgekehrt, war er 1952-58 Mitglied der dortigen Secession und seit 1960 der K¨unstlergruppe „Forum Stadtpark“. 1965-71 war er Assistent an der Akademie f¨ur angewandte Kunst in Wien, seit 1969 Mitglied der Wiener Secession und seit 1977 Prof. f¨ur Techniken der Malerei und der Architektur an der Wiener Hochschule f¨ur angewandte Kunst. Der mehrfach ausgezeichnete Maler, Graphiker und P¨adagoge war vor allem dem romanischen Kulturkreis verbunden. Er schuf auf organischen Formen basierende Gem¨alde und Graphiken. C AKL

Dedekind Decsey, Alexander, eigentl. S´andor D´ecsey, Architekt, * 16. 9. 1854 Ofen (heute zu Budapest), † 12. 4. 1911 Wien. D. studierte am Polytechnikum Budapest, der TH Wien und bei Theophil → Hansen an der Wiener Akademie, erhielt in den siebziger Jahren ein Romstipendium und war Zweiter Bauleiter beim Bau des Wiener Parlaments. Nach verschiedenen Studienreisen wurde er 1883 Chefarchitekt der Ersten Internationalen Elektrischen Ausstellung in Wien, sp¨ater ¨ Dozent am Osterr. Museum f¨ur Kunst und Industrie und 1885 Mitglied des Wiener K¨unstlerhauses. D. lieferte die Pl¨ane u. a. f¨ur Bauten der Budapester Millenniumsausstellung (1896), der Wiener Gewerbeausstellung von 1898 und der Pariser Weltausstellung (1900). C AKL

Decsey, Ernst (Heinrich Franz), Pseud. Franz Heinrich, Musikhistoriker, Journalist, Musikkritiker, * 13. 4. 1870 Hamburg, † 12. 3. 1941 Wien. D., Sohn eines Uhrmachers, studierte bis 1893 am Wiener Konservatorium, gleichzeitig Rechtwissenschaft an der Univ. und wurde 1895 zum Dr. jur. promoviert. 1899 u¨ bernahm er das Musikreferat der Grazer „Tagespost“, deren Chefredakteur er 1908 wurde. 1921 kam er als st¨andiger Musikreferent des „Neuen Wiener Tagblatts“ nach Wien und ¨ war als Prof. der Musikgeschichte und Asthetik am Neuen Wiener Konservatorium sowie als Schriftsteller t¨atig. D. schrieb eine Reihe von Musikerbiographien, darunter u¨ ber Hugo → Wolf (Hugo Wolf, 4 Bde., 1903-06, 121921), den er, wie seinen ehemaligen Lehrer am Konservatorium, Anton → Bruckner, f¨orderte. Daneben entstanden eine Reihe kulturhistorischer Wiener Romane (Du liebes Wien, 1911) und Dramen. Gemeinsam mit Viktor → L´eon schrieb er u. a. Der Musikant Gottes, das erfolgreiche Repertoirest¨uck der Exl-B¨uhne u¨ ber Bruckner. 1938 wurde D. von den Natio¨ nalsozialisten seiner Amter und Positionen entsetzt. C Lex dt-j¨ud Autoren

Decurtins, Caspar, schweizer. Politiker, Kulturhistoriker, * 23. 11. 1855 Truns (Kt. Graub¨unden), † 30. 5. 1916 Truns. Nach dem Abschluß historischer, literatur- und rechtswissenschaftlicher Studien an den Universit¨aten M¨unchen, Heidelberg und Straßburg (Promotion 1876) wurde D., Sohn eines Arztes, 1877 Landammann des Kreises Disentis. 1877-1904 B¨undner Gemeinderat und 1881-1905 Nationalrat, wirkte er f¨ur die kath. Soziallehre im Sinne der p¨apstlichen Enzyklika Rerum novarum (1891). Er initiierte u. a. die Gr¨undung eines schweizer. Bauernverbandes, regte eine internationale Arbeiterschutzkonferenz an und engagierte sich f¨ur eine Revision der schweizer. Sozialgesetzgebung. Gemeinsam mit Georg Python gr¨undete er 1889 die kath. Univ. Freiburg (Schweiz), an der er 1905-14 Prof. der Kulturgeschichte war. Als Sammler und Herausgeber der R¨atoromanischen Chrestomathie (13 Bde., 1896-1915) l¨oste er eine r¨atoromanische Renaissance aus. D., ein entschiedener Gegner des Modernismus (u. a. Gegen den literarischen Modernismus, 1909), ver¨offentlichte zahlreiche Studien zur B¨undner Geschichte sowie zur r¨atoromanischen Volkskunde, zudem eine Geschichte der r¨atoromanischen Literatur (1901). C LThK Dedeken, Georg, auch Dedecken, Dedekennus, evang. Theologe, * 1564 L¨ubeck, † 29. 5. 1628 Hamburg. D. studierte an den Universit¨aten Rostock, Frankfurt / Oder und Wittenberg Theologie, wurde 1590 Diakonus in Sch¨onberg bei Ratzeburg in Holstein und nach Erlangung des Magistergrads in Frankfurt 1595 Pastor im holsteinischen Neustadt; seit 1606 war er Pfarrer in Hamburg. Er ver¨offentlichte mehrere Erbauungsschriften (u. a. f¨ur Kaufleute und Seefahrer), gab die Schriften seines Kollegen

Philipp → Nicolai heraus (u. a. Doktor Philippi Nicolai, theologi Hamburgensis, opera latina [. . .], 2 Tle., 1617) und verfaßte einen Thesaurus consiliorum et decisionum (1623), der 38 Jahre sp¨ater eine Neuauflage erfuhr.

Dedekind, Alexander, Orientalist, * 5. 4. 1856 Wolfenb¨uttel, † 8. 11. 1940 Wien. Neben dem Studium der Rechts- und der politischen Wissenschaften an den Universit¨aten G¨ottingen und Wien 1875-79 h¨orte D. theologische, philosophische und medizinische Vorlesungen und wurde sp¨ater Gerichtsadvokat in Wien. Er ¨ brach die juristische Laufbahn ab, studierte Agyptologie und Assyriologie (Promotion 1887) und wurde 1887 Konservator der kunstgewerblichen Sammlung im o¨ sterr. Handelsministerium. 1892-1911 Kustos der Sammlung a¨ gyptischer und assyrischer Altert¨umer des o¨ sterr. Kaiserhauses, ver¨offentlichte er eine Reihe wissenschaftlicher Studien (u. a. Ein Beitrag zur Purpurkunde, 4 Bde., 1898-1911) sowie belletristische Werke, darunter Columbus. Geschichtliches Schauspiel [. . .] (1892). Dedekind, Constantin Christian, Pseud. ConCorD, Komponist, Schriftsteller, * 2. 4. 1628 Reinsdorf bei Heldrungen (Anhalt), begraben 2. 9. 1715 Dresden. Der Sohn eines Pfarrers und Enkel Henning → D.s kam vermutlich 1646 nach Dresden und erhielt Kompositionsunterricht bei Christoph → Bernhard. 1653 von Johann → Rist zum Dichter gekr¨ont, wurde er im folgenden Jahr Bassist in der von Heinrich → Sch¨utz geleiteten kurs¨achsischen Kapelle, Anfang der sechziger Jahre unter dem Namen ConCorD Mitglied des Elbschwanenordens und 1666 Konzertmeister der Dresdner Hofkapelle. D. erwarb als Steuereinnehmer seit 1672 ein betr¨achtliches Verm¨ogen, bet¨atigte sich erfolglos als musikalischer Verleger und floh 1680 vor der Pest nach Meißen. Er komponierte weltliche und geistliche Lieder (u. a. Aelbianische Musen-Lust, 1657), gab 1694 ein neubearbeitetes Dresdner Hofgesangbuch heraus, war bis ins Alter schriftstellerisch t¨atig, schuf Liedertexte, Psalmen¨ubersetzungen, Sinnspr¨uche, lyrische und satirische Gedichte sowie Libretti und u¨ bersetzte u. a. Joost van den Vondel aus dem Niederl¨andischen. C MGG Dedekind, Euricius, luth. Theologe, Kirchenmusiker, * Dezember 1554 Neustadt / R¨ubenberge, † 30. 11. 1619 L¨uneburg. Der Sohn Friedrich → D.s und Bruder Henning → D.s erhielt seinen Namen nach dem Großvater m¨utterlicherseits, Euricius → Cordus. Er immatrikulierte sich 1578 an der Univ. Wittenberg, wurde 1581 Assistent des Kantors an der L¨uneburger Johannisschule und 1582 dessen Nachfolger. 1594 wurde er zum dritten Prediger der L¨uneburger Gemeinde St. Lamberti gew¨ahlt und war 1617-19 dort Hauptpfarrer. D. ver¨offentlichte deutschsprachige Lieder sowie die Antidota adversus octo hominum passiones [. . .] (1589), Kompositionen in polyphonem, motettischem Satz, deren Texte von Johannes Damascenus stammen. C MGG Dedekind, Friedrich, evang. Theologe, Dichter, * um 1524 Neustadt / R¨ubenberge, † 21. 2. 1598 L¨uneburg. D., Sohn eines Fleischers und Ratsherrn, studierte an den Universit¨aten Marburg und Wittenberg, wurde 1550 Magister und im folgenden Jahr Pfarrer in seiner Heimatstadt, kam 1575 als Pastor an St. Michael in L¨uneburg und wurde Inspektor der luth. Kirchen im Bistum Verden und L¨ubeck. Bereits als Student verfaßte er die Satire in lateinischer Sprache Grobianus, de morum simplicitate libri duo (1549), die, eine Figur aus Sebastian → Brants Narrenschiff aufgreifend, zu einer der wirkungsvollsten Satiren des 16. Jh. wurde und

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Dedekind ¨ zahlreiche Neudrucke und Ubersetzungen erfuhr. 1551 erstmals von Caspar → Scheidt ins Deutsche u¨ bersetzt, erweiterte sie D. um eine Grobiana (1552). Er war der Vater von Euricius und Henning → D. C Killy

Dedekind, Henning, luth. Theologe, Komponist, Musiktheoretiker, * 30. 12. 1562 Neustadt / R¨ubenberge, † 28. 7. 1626 Gebesee bei Erfurt. Der Sohn Friedrich → D.s und Bruder Euricius → D.s studierte seit 1582 an der Univ. Erfurt und kam 1586 als Kantor nach Langensalza. Seit 1592 Diakon, sp¨ater Fr¨uhprediger an St. Bonifatius, blieb er bis 1615 in Langensalza und u¨ bernahm anschließend die Pfarrei Gebesee. D.s Schriften widmeten sich u. a. dem musikalischen Schulunterricht. Seine musiktheoretische Studie Praecursor metricus musicae artis erschien 1590. C MGG

Dedekind, Julius (Levin Ulrich), Jurist, Historiker, * 11. 7. 1795 Holzminden, † 2. 8. 1872 Braunschweig. D., ein Nachkomme Friedrich → D.s, studierte seit 1816 Rechtswissenschaften an der Univ. G¨ottingen, habilitierte sich dort 1820 und wurde 1822 Syndikus sowie a. o., im folgenden Jahr o. Prof. am Collegium Carolinum in Braunschweig. Er hielt Vorlesungen u¨ ber Rechtswissenschaft, Statistik, Handelsgeographie, National¨okonomie und Geschichte. 1825 wurde er zus¨atzlich Lehrer der Milit¨argeographie und Geschichte an der neuerrichteten Kadettenanstalt in Braunschweig, Direktor des herzoglichen Intelligenzcomptoirs und Redakteur des „Braunschweigischen Magazins“. Seit 1835 Vorstand der merkantilischen Abteilung des Collegium Carolinum, wurde er 1836 zum Hofrat und 1871 zum Geheimen Hofrat ernannt. D. ver¨offentlichte u. a. den Abriß einer Geschichte der Quellen des Wechselrechts und seiner Bearbeitung in s¨ammtlichen Staaten Europa’s (1846). Er war der Vater von Richard → D.

Dedekind, Richard (Julius Wilhelm), Mathematiker, * 6. 10. 1831 Braunschweig, † 12. 2. 1916 Braunschweig. D.s Vater Julius → D., ein Jurist, war Prof. am Collegium Carolinum (Vorl¨aufer des sp¨ateren Polytechnikums bzw. der TH) in Braunschweig. D. studierte dort von 1848 bis 1850, ehe er sich dem Studium der Mathematik in G¨ottingen zuwandte. Er wurde bei → Gauß promoviert und habilitierte sich 1854 ebenfalls in G¨ottingen. Wissenschaftlich von Gustav Peter → Dirichlet beraten, verbrachte D. die anschließenden Jahre als Privatdozent in G¨ottingen, ehe er 1858 als Prof. an das Polytechnikum in Z¨urich ging. Seit 1862 lehrte er am Polytechnikum bzw. an der TH Braunschweig, bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1894. Von 1872 bis 1875 wirkte er als Direktor des Braunschweiger Polytechnikums. 1885 wurde D. Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Große Verdienste erwarb sich D. auch bei der Herausgabe und Kommentierung der Werke von Carl Friedrich Gauß, Dirichlet und Bernhard Georg Friedrich → Riemann. D., zugleich ein hervorragender akademischer Lehrer, hat a¨ ußerst scharfsinnige Abhandlungen geschrieben, insbesondere zur arithmetischen Theorie der algebraischen Zahlk¨orper endlichen Grades. Er pr¨agte den Begriff „Zahlk¨orper“ und fand den grundlegenden Satz, daß jedes Ideal in ein Produkt von endlich vielen Primidealen zerlegt werden kann. D. hatte bereits 1857 / 58 in Vorlesungen den abstrakten Gruppenbegriff verwendet und die Galoissche Gruppe als Automorphismengruppe des entsprechenden

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Normalk¨orpers verstanden. Damit wurde D. zu einem der Wegbereiter der modernen Algebra, wie sie zu Beginn des 20. Jh. auf axiomatischer Grundlage herausgearbeitet wurde. In der grundlegenden, bis in die Gegenwart neu aufgelegten Schrift Was sind und was sollen die Zahlen? (1888, 3 1911, 111967) gelang D. ein mengentheoretisch begr¨undeter Aufbau der Theorie der nat¨urlichen Zahlen, also ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Grundlagen der Ma¨ thematik. Uberhaupt konnte D., im brieflichen Kontakt mit Georg → Cantor, die anfangs heftig umstrittene Mengenlehre durch seine Forschungsergebnisse wesentlich unterst¨utzen. Eine zweite, bereits 1872 publizierte Schrift Stetigkeit und irrationale Zahlen (81967) hatte die Theorie der irrationalen Zahlen auf sichere Grundlagen gestellt: Irrationale Zahlen werden als „Schnitte“ im Bereich der rationalen Zahlen defi¨ niert. Ubrigens hatten Karl Theodor Wilhelm → Weierstraß (1860), M´eray (1869) und Cantor (1872), wenn auch mit anderen Methoden und Begriffen, ebenfalls die Theorie der irrationalen Zahlen streng begr¨undet. Alle diese Verfahren sind insofern mathematisch a¨ quivalent, als sie eine genetische Erweiterung des Systems der rationalen Zahlen zum System der irrationalen Zahlen und damit zum System der reellen Zahlen gew¨ahrleisten. WERKE: Gesammelte mathematische Werke. Hrsg. v. Robert Fricke u. a. 3 Bde., Braunschweig 1930-32. Briefwechsel Cantor – D. Hrsg. v. Emmy Noether und Jean Cavaill`es. Paris 1937. LITERATUR: Eduard Landau: R. D. In: Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften zu G¨ottingen. Gesch¨aftliche Mitteilungen 1917, S. 50-70. – Olaf Neumann: Zur Genesis der algebraischen Zahlentheorie. In: Zeitschrift f¨ur Geschichte der Naturwissenschaften, Technik und Medizin, Leipzig 17 (1980), Heft 1, S. 32-48 und Heft 2, S. 38-58. – Walter Purkert: Ein Manuskript D.s u¨ ber Galois-Theorie. In: Zeitschrift f¨ur Geschichte der Naturwissenschaften, Technik und Medizin, Leipzig, 13 (1976), Heft 2, S. 1-16. – Winfried Scharlau (Hrsg.): R. D. 1831 bis 1981. Braunschweig / Wiesbaden 1981. – Jaakko Hintikka: From D. to G¨odel. Essays to the Development of the Foundations of Mathematics. Dordrecht 1995. Hans Wußing

Dedelley, Jacques, Jesuit, Theologe, Philosoph, * 24. 3. 1694 Delley / Freiburg(Schweiz), † 28. 6. 1757 Ingolstadt. D. trat 1714 in die Gesellschaft Jesu ein, lehrte 1724-30 Philosophie in Freiburg (Schweiz) und wurde 1730 an der Univ. Ingolstadt Prof. der Logik, 1733 Prof. der Metaphysik. Sp¨ater Rektor verschiedener Kollegien, leitete er u. a. 1748 / 49 das Jesuitenkollegium in Dillingen, 1749-52 dasjenige in Pruntrut. Sein Werk zur Logik, Summulae logicae (1730, 71751), fand weite Verbreitung. C LMU Dedelow, Nikolaus → Nikolaus Dedelow Dedenroth, Eugen Hermann von, Pseud. Eugen Hermann, Ernst Pitawall, Julius Roge, R. Wendelin, Schriftsteller, * 5. 3. 1829 Saarlouis, † 16. 10. 1887 K¨otzschenbroda bei Dresden. D., Sohn eines Generalleutnants, trat 1847 als Avantageur in das Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiment ein, wurde 1848 im Krieg gegen D¨anemark Offizier und war sp¨ater neben dem Milit¨ardienst in verschiedenen Garnisonsst¨adten schriftstellerisch und journalistisch t¨atig. Nachdem er mit der Satire Ein Sohn Alexander von Humboldts Anstoß erregt hatte, trat er 1858 aus dem stehenden Heer zur GardeLandwehr u¨ ber, wurde dort Adjutant und und befehligte 1866 eine Kompanie bei K¨oniggr¨atz. Im folgenden Jahr in den Ruhestand versetzt, lebte er bis 1873 in Charlottenburg und danach in K¨otzschenbroda. D. ver¨offentlichte seit

Deetjen 1862 eine große Zahl von Kolportage- und Schauerromanen; f¨ur die Zeitschrift „Trib¨une“ schrieb er Theaterkritiken. Neben belletristischen Arbeiten verfaßte er historische und milit¨arische Schriften, darunter die weitverbreitete Kurzgefaßte Uebersicht des glorreichen Feldzuges der Deutschen im Jahre 1870-1871 (1-31870 / 71). C DSL

turforscher Leopoldina. D. ver¨offentlichte u. a. Italien (1898, engl. 1904), Geologie von Baden (3 Bde., 1916-18) und Pal¨aobiologische Studien (1916). C Bad Bio N.F., Bd 1

Dederoth, Johannes → Johannes Dederoth

Baccum / Ems, † 26. 3. 1982 K¨oln. Nach dem Studium der Geschichte, Erdkunde, der neueren Sprachen und Staatswissenschaften in M¨unster, M¨unchen, Berlin und Kiel wurde D. 1912 promoviert L¨andliche Siedelungs-, Verfassungs-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des Venkigaus und der sp¨ateren Niedergrafschaft Lingen bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts), 1914 Austauschassistent in London, wo er Schriftleiter der „Hansa“, des Organs des Auslandsgaues des Verbandes kath. kaufm¨annischer Vereine Deutschlands, war. 1918 wurde er Hilfsreferent der Presseabteilung der Zivilverwaltung f¨ur Flandern in Br¨ussel und u¨ bernahm 1919 eine Oberlehrerstelle in D¨usseldorf, danach in K¨oln. Als Vorsitzender der Christlich-F¨oderalistischen Partei war er 1920-24 Mitglied des Reichstages. Wieder im Lehrerberuf, wurde D., der 1933 / 34 (Austritt) Mitglied der NSDAP war, 1934 entlassen und war seit 1937 in der Industrie t¨atig. In den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges amtierte D. als B¨urgermeister von Brauweiler, 1945-53 war er – zuletzt als Regierungsdirektor – Leiter der Kirchen- und Schulabteilung beim Regierungspr¨asidenten in K¨oln. C Haunfelder, Zentrumspartei

Dedler, Rochus, Musiker, Komponist, * 15. 1. 1779 Oberammergau, † 17. 10. 1822 Oberf¨ohring bei M¨unchen. Urspr¨unglich zum Theologen bestimmt, wurde D., Sohn eines Gastwirts, nach dem Besuch des Lyzeums der Benediktiner in M¨unchen 1802 Lehrer und Chorregent in seinem Heimatdorf. Obgleich ihm eine entsprechende Ausbildung fehlte, entwickelte er dort ein reges Musikleben und schrieb zahlreiche profane und sakrale Kompositionen, darunter die Musik zum 1811 uraufgef¨uhrten Oberammergauer Passionsspiel, deren Ouvert¨ure, Arien, Duette und Ch¨ore vor allem in der Orchestrierung Einfl¨usse → Haydns und → Mozarts zeigen (Text von Othmar Weiß). C MGG

Deecke, (Heinrich Ludwig) Ernst, Historiker, Bibliothekar, * 1. 10. 1805 L¨ubeck, † 24. 4. 1862 L¨ubeck. D., Sohn eines Konditors, studierte an den Universit¨aten Halle und G¨ottingen Theologie, Philosophie, alte und neue Sprachen und kehrte nach der Promotion 1828 als Kandidat der Theologie nach L¨ubeck zur¨uck. 1829 erhielt er eine Stelle als Lehrer an der L¨ubecker B¨urgerschule. D. wurde sp¨ater Prof. und Konrektor und war seit 1847 Bibliothekar der Stadtbibliothek, deren ersten Inkunabelkatalog er anlegte. Er war Mitherausgeber der Zeitschrift „Die Glocke“ (L¨ubeck) und der „Neuen l¨ubeckischen Bl¨atter“. D. befaßte sich in seinen Schriften u¨ berwiegend mit seiner Heimatstadt und ver¨offentlichte u. a. das mehrmals wiederaufgelegte Werk Die Freie und Hanse-Stadt L¨ubeck (1847). 1848 vertrat der Vater Wilhelm → D.s L¨ubeck in der Frankfurter Nationalversammlung; 1855-61 geh¨orte er der B¨urgerschaft seiner Heimatstadt an. C SHBL, Bd 10

Deecke, (Ernst Georg) Wilhelm, Etruskologe, * 1. 4. 1831 L¨ubeck, † 2. 1. 1897 Straßburg. Der Sohn Ernst → D.s studierte klassische Philologie und vergleichende Sprachwissenschaft an den Universit¨aten Leipzig und Berlin (u. a. bei Franz → Bopp und Richard → Lepsius). Daneben besuchte er Vorlesungen Leopold von → Rankes und Friedrich Adolf → Trendelenburgs (Promotion 1870). Er unternahm mehrere Studienreisen, wurde Lehrer in L¨ubeck – wo er auch an der Oberschulbeh¨orde t¨atig war –, sp¨ater in Elberfeld, und war Direktor in Straßburg, Buchsweiler und M¨ulhausen. D. trug zur Entzifferung der kyprischen Silbenschrift und zur sprachlichen Erforschung Altitaliens sowie Altkleinasiens bei. Er gilt als der Begr¨under der wissenschaftlichen Etruskologie und gab u. a. eine selbst¨andige Neubearbeitung des Monumentalwerks u¨ ber die Etrusker von Carl Otfried → M¨uller sowie eigene Etruskische Forschungen (6 Hefte 1875-84) heraus. Zu seinen Sch¨ulern z¨ahlte Albert → Schweitzer. D. war der Vater des Geologen Wilhelm → D. C NDB

Deecke, Wilhelm, Geologe, * 25. 2. 1862 L¨ubeck, † 23. 10. 1934 Freiburg / Breisgau. Der Sohn des Etruskologen Wilhelm → D. war nach dem Studium und der Promotion (1885, Beitr¨age zur Kenntniss der Raibler Schichten der Lombardischen Alpen) seit 1903 Prof. der Geologie und Direktor des Mineralogisch-Geologischen Instituts der Univ. Greifswald, wechselte 1906 an die Univ. Freiburg / Breisgau und wurde dort im folgenden Jahr Direktor der badischen Geologischen Landesanstalt. 1925 erfolgte die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Na-

Deer, Nikolaus van → Nikolaus van Deer Deermann, Bernhard, Lehrer, Politiker, * 20. 6. 1887

Deeters, Gerhard, Sprachwissenschaftler, * 8. 8. 1892 Lemburg (Livland), † 19. 2. 1961 Bonn. D. studierte an den Universit¨aten Leipzig, Jena und M¨unchen, war 1926-35 wissenschaftlicher Redakteur im Verlag F. A. Brockhaus in Leipzig und habilitierte sich 1930 an der dortigen Universit¨at. 1935 folgte er einem Ruf an die Univ. Bonn, wurde o. Prof. der vergleichenden Sprachwissenschaft und der kaukasischen Philologie sowie Direktor des Sprachwissenschaftlichen Seminars. D. war 1930-34 Herausgeber der Zeitschrift „Caucasia“, seit 1937 der „Indogermanischen Forschungen“. Er ver¨offentlichte Arbeiten zur Indogermanistik, vor allem zur Grammatik der kaukasischen Sprachen, darunter Das kharthwelische Verbum (1930). Deetjen, (Otto Paul) Werner, Germanist, Bibliothekar, * 3. 4. 1877 Gut Koselitz (Kr. Schwetz, Westpreußen), † 21. 5. 1939 Weimar. D., Sohn eines Rittergutsbesitzers, studierte Deutsche Philologie, Geschichte, Kunstgeschichte, Philosophie und P¨adagogik an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, M¨unchen, Berlin und Leipzig (Promotion 1901, Immermanns „Kaiser Friedrich der Zweite“), habilitierte sich 1905 f¨ur Deutsche Literaturgeschichte an der TH Hannover und wurde dort 1909 Professor. 1916 zum Direktor der Großherzoglichen Bibliothek (sp¨ater Th¨uringischen Landesbibliothek) in Weimar berufen, hielt er daneben an der Univ. Jena Vorlesungen. D. wirkte in zahlreichen literarischen Gesellschaften, darunter in der Deutschen Schillerstiftung (1917-20 Generalsekret¨ar, seit 1928 Zweiter Vorsitzender), in der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft (seit 1921 Pr¨asident) und in der Goethe-Gesellschaft Weimar (seit 1931 Vorstandsmitglied, 1937 / 38 Vorsitzender des gesch¨aftsf¨uhrenden Ausschusses). Seit 1920 war er ordentliches Mitglied der Akademie gemeinn¨utziger Wissenschaften in Erfurt. 1937 trat er in die NSDAP ein. D. gab die Zeitschrift „Hannoverland“ (1912-14) sowie Werke u. a. von Bettine von → Arnim, Theodor → K¨orner und Karl Leberecht → Immermann heraus und besorgte mehrere Briefeditionen, darunter Franz Dingelstedt und Julius Hartmann. Eine Jugendfreundschaft in Briefen (1923). C IGL

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Deetz Deetz, Arthur, Schauspieler, Regisseur, * 18. 6. 1826 Wesel, † 16. 7. 1897 Berlin. Der Sohn eines Milit¨ararztes trat in eine Artilleriebrigade ein, studierte 1844-46 an der Artillerieschule in Berlin und war 1846 am Großherzoglichen Theater in Neustrelitz t¨atig. Jugendlicher Held an Theatern in Posen, Wien, Leipzig, Weimar, Budapest und Breslau, wurde er 1856-60 in Mannheim als Heldenvater eingesetzt. D. spielte 1860 / 61 unter Eduard → Devrient in Karlsruhe, gr¨undete mit seiner Frau Marie → D. eine deutsche Oper in Amsterdam, u¨ bernahm jedoch bald wieder Engagements in Leipzig (1865-67), Darmstadt (1867-69) und Prag (1869 / 70). 1870 / 71 war er Oberregisseur in Dessau, 1871-73 in Weimar, trat 1873 in den Verband des kgl. Schauspiels in Berlin ein, wurde 1874 dort Regisseur und war 1879-87 Direktor des Hauses.

Deetz, Marie, geb. Brand, S¨angerin, * 11. 12. 1835 Damm bei Aschaffenburg, † 24. 6. 1893 Berlin. Nach der Ausbildung zur Sopranistin bei Salvi und Eckardt in Wien deb¨utierte D. 1856 in der Rolle der Agathe im Freisch¨utz am Hoftheater Hannover, war anschließend in Mannheim (1856-60), Karlsruhe, Wiesbaden, Leipzig, Darmstadt, Hannover und Berlin engagiert und sang an den Deutschen Opernh¨ausern von Rotterdam und Amsterdam u. a. die Elisabeth im Tannh¨auser. Gemeinsam mit ihrem Mann Arthur → D. ging sie 1865 an das Stadttheater Leipzig, gab Gastspiele an den f¨uhrenden deutschen Theatern und zog sich 1876 von der B¨uhne zur¨uck. C Kutsch

Defant, Albert (Joseph Maria), o¨ sterr. Meteorologe, Geophysiker, Ozeanograph, * 12. 7. 1884 Trient, † 24. 12. 1974 Innsbruck. D., Sohn eines Regierungsrats, schloß das Studium der Geophysik an der Univ. Innsbruck mit der Promotion ab, wurde 1903 Assistent am dortigen Institut f¨ur Kosmische Physik und war seit 1907 an der Zentralanstalt f¨ur Meteorologie und Geodynamik in Wien t¨atig, seit 1911 als Adjunkt und Abteilungsvorstand. 1909 habilitierte er sich in Wien, kehrte 1919 als a. o. Prof. an die Univ. Innsbruck zur¨uck und war dort 1924-27 o. o¨ . Prof. der kosmischen Physik. 1925 / 26 nahm er an der „Meteor“-Expedition teil. 1927-45 wirkte D. als o. Prof. der Ozeanographie und Geophysik an der Univ. Berlin. 1945-55 wieder in Innsbruck t¨atig, war er seit 1957 Prof. an der Freien Univ. Berlin. D., Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina seit 1919, besch¨aftigte sich vor allem mit der Physik der Atmosph¨are und mit Ozeanographie. Er ver¨offentlichte u. a. Wetter und Wettervorhersage (1918, 21926), Lufth¨ulle und Klima (1923, mit Erich → Obst), Gezeitenproblem in Landn¨ahe (1925), Dynamische Ozeanographie (1929), Wind, Wetter und Wellen auf dem Weltmeere (1940), Ebbe und Flut des Meeres, der Atmosph¨are und der Erdfeste (1953, 21973), Physikalische Dynamik der Atmosph¨are (1958, mit Friedrich D.) und Physical oceanography (2 Bde., 1961). 1962 wurde D. Mitglied der Friedensklasse des Ordens Pour le m´erite.

Deffke, Friedrich Wilhelm Heinrich, Graphiker, Architekt, * 23. 4. 1887 Elberfeld (heute zu Wuppertal), † 28. 8. 1950 Woltersdorf bei Berlin. D. erhielt 1901-07 eine Ausbildung zum Buchausstatter an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Elberfeld. Zun¨achst als Graphiker in Berlin, F¨urstenberg (Mecklenburg) und Hamburg t¨atig, arbeitete er 1909 / 10 im Atelier von Peter → Behrens in Neubabelsberg und 1910-12 als Lehrer in Berlin. 1912-14 geh¨orte er dem K¨unstlerischen Beirat der Otto Elsner Buchdruckerei AG an. Nach der Teilnahme aus dem Ersten Weltkrieg u¨ bernahm D. 1916 mit Carl Ernst Hinkefuß die k¨unstlerische Leitung des Berliner Wilhelmswerks. 1920 machte er sich als Graphiker und Architekt selbst¨andig. 1925-33 und von 1946 bis zu seinem Tod leitete

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er die Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Magdeburg. D., der als Vertreter der Neuen Typographie gilt, schuf zahlreiche Industriewarenzeichen und Ausstellungsplakate. C AKL

Deffner, Carl (Christian Ulrich), Fabrikant, * 4. 8. 1789 Ludwigsburg, † 26. 10. 1846 Esslingen / Neckar. D., dessen Vater F¨urstlich Hohenlohescher Hofminiaturmaler in Ingelfingen, seit 1784 Maler an der w¨urttembergischen Prozellanmanufaktur in Ludwigsburg war, wurde zum Kaufmann ausgebildet und trat nach Anstellungen in Siegen und Stuttgart 1815 als Teilhaber in eine Lackierwerkst¨atte in Esslingen ein. 1819 u¨ bernahm er den Betrieb als alleiniger Eigent¨umer, setzte auf Reisen nach London (1815, 1818) und Paris (1815, 1821) gemachte technische und kommerzielle Beobachtungen in seinem Unternehmen um und bezog 1825 ein neues, erweitertes Werksgeb¨aude. D. f¨uhrte neue Verfahren der Oberfl¨achenveredelung (u. a. die Silberplattierung) und der Verformung von Blechen durch Walzen, Dr¨ucken und Ziehen ein. In seinem Werk, dem gr¨oßten seiner Art in Deutschland, stellte er lackierte Blech- und Messingwaren her. Als einer der Pioniere der w¨urttembergischen Metallindustrie war er Ausschußmitglied der Gesellschaft f¨ur Bef¨orderung der Gewerbe in W¨urttemberg, Vorstand des Fabrikvereins, Stadtrat sowie langj¨ahriger Landtagsabgeordneter. Er war Mitglied der w¨urttembergischen Eisenbahnkommission, f¨ur die er die ersten Lokomotiven, Wagen und Schienen in England erwarb. Die erste deutsche Lokomotivfabrik in Esslingen entstand 1846 auf D.s Initiative hin. C Leb Schwaben, Bd 14

Deffner, (Josef) Michael, Gr¨azist, Bibliothekar, * 18. 9. 1848 Donauw¨orth, † 15. 10. 1934 Athen. D., Sohn eines Schneiders, studierte an den Universit¨aten M¨unchen und Leipzig klassische Philologie und Sprachwissenschaften u. a. bei Wilhelm von → Christ und Georg → Curtius, wurde 1871 Lateinlehrer am Lyzeum Antoniades in Athen und habilitierte sich im folgenden Jahr an der Nationalen Univ. Athen f¨ur vergleichende Sprachgeschichte. 1874 gr¨undete er die Wochenschrift „Neugriechenland“ und bereiste 1874 / 75 im Auftrag der Berliner Akademie die Peloponnes, besonders Tsakonien zum Studium der maniotischen und tsakonischen Dialekte; 1876 f¨uhrte ihn eine Studienreise durch das nord¨ostliche Anatolien. D. war seit 1877 neben seiner T¨atigkeit als Privatdozent (bis 1878) Oberbibliothekar der Griechischen Nationalbibliothek und wurde 1903 Bibliothekar Kronprinz Konstantins von Griechenland. Er gr¨undete 1880 das „Archiv f¨ur mittel- und neugriechische Philologie“ und gab 1881 den ersten Teil einer tsakonischen Grammatik (Lautlehre des Tsakonischen) heraus. C NDB

Defregger, Franz (Jakob) Ritter von, Maler, * 30. 4. 1835 Stronach bei D¨olsach / Pustertal, † 2. 1. 1921 M¨unchen. Der Sohn eines Bauern bewies fr¨uh sein k¨unstlerisches Talent in Zeichnungen und Schnitzereien, bildete sich nach dem Tod des Vaters autodidaktisch weiter und verließ 1860 den elterlichen Hof, um in Innsbruck bei Michael Stolz die Bildschnitzerei zu erlernen. Auf dessen Rat hin wandte sich D. der Malerei zu, ging 1862 an die Kunstakademie M¨unchen und studierte bei Hermann → Dyck und Hermann → Ansch¨utz. W¨ahrend eines Studienaufenthalts in Paris 1863-65 beeindruckte ihn vor allem die Schule von Barbizon. Er kehrte u¨ ber M¨unchen nach Tirol zur¨uck, wurde 1867 in M¨unchen Sch¨uler Karl von → Pilotys und erzielte bald erste Erfolge mit seinen Darstellungen aus der Tiroler Geschichte und dem Tiroler Volksleben. D. beschickte 1873 die Wiener Weltausstellung und galt in den siebziger Jahren als „Meister der Bauernmalerei“. Seit 1878 Prof. in der Kompositionsklasse der M¨unchner Akademie, wurde er 1882

Degen in den Adelsstand erhoben. Neben Landschaften (Almlandschaft, 1860) entstanden stimmungsvolle Innenr¨aume Tiroler Bauernh¨auser (Zitherspieler auf der Alm, 1876) und einige Portr¨ats (Selbstportr¨at, 1888). Sp¨ater malte D. u¨ berwiegend dekorative Genre- und Historienbilder (Der Schmied von Kochel, 1881). C AKL

Defregger, Matthias, Weihbischof in M¨unchen, * 18. 2. 1915 M¨unchen, † 23. 7. 1995 M¨unchen. D., Enkel des Malers Franz von → D., studierte Philosophie in Freising, nahm als Offizier am Zweiten Weltkrieg teil, f¨uhrte danach in Freising sein Studium fort und empfing 1949 die Priesterweihe. Seit 1953 erzbisch¨oflicher Sekret¨ar, wirkte er an der Vorbereitung des eucharistischen Weltkongresses von 1960 in M¨unchen mit. 1962 wurde D. zum Domkapitular ernannt. 1962-68 war er Generalvikar der Erzdi¨ozese M¨unchen und anschließend M¨unchner Weihbischof; als Bischofsvikar war er f¨ur die Seelsorgeregion S¨ud zust¨andig. 1970 wurde D.s Beteiligung an einer Geiselerschießung im Jahr 1944 bekannt, woraufhin er von seinen ¨ Amtern zur¨ucktrat und nur noch Bischofsvikar f¨ur die Orden blieb. 1986 wurde D. durch ein S¨aure-Attentat schwer verletzt. C Gatz 5 Degele, Eugen, S¨anger, * 4. 7. 1834 M¨unchen, † 26. 7. 1886 Dresden. Der Enkel des Tenors Johann Evangelist → Valesi sollte nach dem Willen der Eltern Medizin studieren, besuchte jedoch das M¨unchner Konservatorium und wurde Geiger an der M¨unchner Hoftheaterkapelle. Sp¨ater erhielt er eine Gesangsausbildung bei Alois → Bayer und Ernst Friedrich → Diez in M¨unchen, deb¨utierte dort 1853 als Baritonist und erhielt ein kgl. Stipendium f¨ur den Besuch der Stuttgarter Theaterschule. Anschließend an der Oper und am Schauspielhaus in M¨unchen t¨atig, kam er 1856 an das Hoftheater Hannover und wurde dort besonders von dem Opernkomponisten Heinrich August → Marschner als Interpret seiner Werke (u. a. Der Templer und die J¨udin) gesch¨atzt. D. wechselte 1861 an die Hofoper Dresden, wurde 1875 zum s¨achsischen Kammers¨anger ernannt und gab Konzerte u. a. im Leipziger Gewandhaus. Zu seinen wichtigsten Partien z¨ahlte die Titelfigur in → Mozarts Don Giovanni. C Kutsch Degen, Helmut, Komponist, * 14. 1. 1911 Aglasterhausen bei Heidelberg, † 2. 10. 1995 Trossingen. D. studierte 1930-33 Komposition bei Philipp → Jarnach, Wilhelm → Maler und Ernst Gernot → Klussmann sowie Dirigieren bei Carl → Ehrenberg an der Hochschule f¨ur Musik in K¨oln, 1933-36 Musikwissenschaft bei Ludwig → Schiedermair und Leo → Schrade an der Univ. Bonn. 1933 gr¨undete er in K¨oln ein „Kammerorchester f¨ur Neue Musik“. 1937-42 lehrte D. Tonsatz am Konservatorium in Duisburg und 1942-47 am Landerziehungsheim Buchenau bei Hersfeld. Seit 1947 war er Dozent, 1954-66 Prof. f¨ur Komposition am Hochschulinstitut in Trossingen. D., dessen Stil zwischen Sp¨atromantik und Neuklassizismus angesiedelt ist, komponierte B¨uhnen- und Orchesterwerke, darunter drei Symphonien, Chor- und Kammermusik. Sein Tanzspiel Der flandrische Narr wurde 1941 in Braunschweig, seine Konferenz der Tiere (nach Erich → K¨astner) 1951 in Freiburg / Breisgau uraufgef¨uhrt. D. ver¨offentlichte ein Handbuch der Formenlehre (1957). C MGG

Degen, Jakob, o¨ sterr. Erfinder schweizer. Herkunft, * 17. 2. 1760 Liedertswil (Kt. Basel-Landschaft), † 28. 8. 1848 Wien. Der Sohn eines Seidenbandwebers kam 1772 mit seinen El¨ tern nach Osterreich, wo er das v¨aterliche Handwerk und seit 1778 den Beruf des Uhrmachers erlernte. Von 1792 an war er Uhrmachermeister sowie B¨urger der Stadt Wien und f¨uhrte 1807 in Wien erste Versuche mit einem durch Muskelkraft

angetriebenen Schlagfl¨ugelflugzeug durch, das er 1808 mit einem kleinen Wasserstoffballon verband, der den fehlenden Auftrieb liefern sollte. 1810 demonstrierte er in Anwesenheit des Kaisers einen einst¨undigen Flug von Laxendorf nach V¨osendorf und wiederholte das Experiment sp¨ater, vom Prater startend, in verschiedene Richtungen. D. lebte 1812-15 in Paris und entwickelte 1816-18 ein Guillochierger¨at sowie den sogenannten Banknoten-Doppeldruck, der zur Vermei¨ dung von F¨alschungen eingesetzt und nach der Osterreichischen Nationalbank von den meisten europ¨aischen Notenbanken u¨ bernommen wurde. 1822-42 war D. Werkmeister ¨ der Osterreichischen Nationalbank; sp¨ater konstruierte er ein flugf¨ahiges Hubschraubermodell mit Uhrwerkantrieb. C Schweizer Pioniere, Bd 63

Degen, Johann, Komponist, Musiker, Dichter, * um 1585 Weismain bei Kulmbach, † 29. 8. 1637 Bamberg. D., Sohn eines Schneiders, studierte vermutlich am Ernestinum in Bamberg, wurde 1611 Kantor in Staffelstein und empfing 1612 in W¨urzburg die Niederen Weihen. 1613 k¨undigte er sein Kantorenamt, um in den geistlichen Stand einzutreten, und wurde 1613 Kaplan zu St. Martin in Bamberg. Als Manual-Benefizium erhielt er 1617 die Fr¨uhmesse in Lauf bei Zapfendorf, 1618 das Johannes-Benefizium „in odeo“ der Pfarrkirche St. Martin und 1628 die Fr¨uhmesse an der Hl. Grabkirche. Seit 1615 war er zudem Organist an der Pfarrkirche, der er ein neues Orgelwerk spendete. 1628 gab D. ein vierstimmiges Catholisches Gesangbuch (Faks.Nachdr. 1992) heraus, das mehr als 200 Jahre lang in immer erweiterten Auflagen dem Volksgesang der Erzdi¨ozese zugrundelag. C MGG Degen, Johann Friedrich, Klassischer Philologe, Publizist, * 16. 12. 1752 Affalterthal, † 16. 1. 1836 Bayreuth. Vom Vater in den Klassischen Sprachen unterrichtet, kam D. 1768 als Stipendiat an das Casimirianum im Herzogtum Sachsen-Coburg und wurde 1772 an der Univ. Erlangen immatrikuliert, wo er vor allem bei Gottlieb Christoph → Harleß, mit dem ihn sp¨ater eine enge Freundschaft verband, antike und deutsche Poesie studierte. Aus aufkl¨arerischem Interesse an deutscher Sprache und Literatur trat er 1774 in das Erlanger Institut der Moral und der Sch¨onen Wissenschaften ein, folgte im selben Jahr der Berufung an das Dessauer Philanthropin und wechselte 1776 an das Carolo-Alexandrinum nach Ansbach, wo er sich der Zechgesellschaft, einem Kreis Gelehrter um Johann Peter → Uz, anschloß. 1785-87 gab er den „Fr¨ankischen Musenalmanach“ heraus, kam 1791 als Direktor der F¨urstenschule nach Neustadt / Aisch, wurde 1803 an das Bayreuther Christian-Ernestinum versetzt und lernte dort als Mitglied der Harmonie-Gesellschaft → Jean Paul kennen. D. ver¨offentlichte Ausgaben antiker Lyrik (u. a. Anacreontis Car¨ mina, 1781) sowie Ubersetzungen, darunter den Versuch einer vollst¨andigen Litteratur der teutschen Uebersetzungen der R¨omer [. . .] (2 Tle., 1794-96, Nachtrag 1799). C Killy Degen, Johann Kaspar, Ordensname: Alberich, Zisterzienser, Theologe, * 25. 8. 1625 Zeil / Main, † 24. 11. 1686 Ebrach. Nach dem Theologiestudium an der Univ. W¨urzburg trat D. 1647 in das Zisterzienserstift Ebrach ein und wurde 1649 zum Priester geweiht. Seit 1652 Prior, wurde er 1654 Pr¨afekt in W¨urzburg, 1658 Abt von Ebrach und Generalvikar der fr¨ankischen Ordensprovinz, 1664 Generalvikar der gesamten oberdeutschen Kongregation. Er verteidigte die Klosterrechte gegen die Territorialisierungsbestrebungen der umliegenden Landesherren von W¨urzburg, Bamberg und Brandenburg-Ansbach, betrieb eine geschickte Erwerbspolitik f¨ur das Kloster und galt als bedeutender Bauherr und

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Degen F¨orderer der K¨unste. Er initiierte u. a. den barocken Klosterneubau durch Leonhard → Dientzenhofer und f¨uhrte die Silvanerrebe in den kl¨osterlichen Weing¨arten ein. D. schrieb u. a. eine Klostergeschichte (Chronicon Ebracense, 1653), die von Josef Agricola und Michael Apfelbach fortgef¨uhrt wurde.

Degen, Josef Vinzenz Edler von, Ritter von Elsenau, o¨ sterr. Drucker, Verlagsbuchh¨andler, * 11. 3. 1762 Graz, † 6. 6. 1827 Wien. D. wandte sich nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Univ. Wien dem Buchhandel und der Buchdruckerei zu und erwarb 1790 die Buchhandlung von J. P. Kraus in Wien, die bald f¨uhrend in franz¨osischer Literatur wurde; 1794 l¨oste er den Jakobiner-Prozeß aus. Er kaufte 1800 die Albertische Druckerei, errichtete eine eigene Schriftgießerei und druckte Prachtausgaben u. a. lateinischer Klassiker sowie zeitgen¨ossischer Schriftsteller wie Johann Peter → Uz und Christoph Martin → Wieland. Seit 1804 Leiter der neugegr¨undeten provisorischen Hof- und Staatsdruckerei im aufgehobenen Franziskanerkloster, war er mit dem Aufbau der Staatsdruckerei befaßt und 1814-27 deren erster Direktor. D. wurde 1810 nobilitiert und f¨uhrte seit 1824 den Namenszusatz Ritter von Elsenau. C NDB Degenberg, Hans (III.) von, Hofmeister, † um 1480. D. teilte sich 1443 mit seinem Bruder Jakob die Erbschaft des Vaters und kam dadurch in Besitz von Degenberg. 1449 erhielt er das Hofmeisteramt in Niederbayern, nachdem zuvor sein Versuch gescheitert war, das a¨ ußere Hofmeisteramt in Bayern f¨ur sich zu gewinnen. Spannungsvoll waren seine Beziehungen zum Kloster Niederaltaich, mit dem er 1448 / 58 wegen einiger G¨uter in Streit geriet, sowie zu Herzog → Albrecht III., mit dem er bis 1451 in finanziellen Angelegenheiten Auseinandersetzungen f¨uhrte. 1450 hielt er sich am Hof Kaiser → Friedrichs III. auf. 1454 u¨ berließ D., der selbst keine S¨ohne hatte, seinem Neffen Hans (IV.) die Herrschaft Degenberg und empfing im Gegenzug eine j¨ahrliche Rente. 1465 in den Freiherrnstand erhoben, war er 1473 zusammen mit anderen Adligen Schiedsrichter in einem Streit zwischen Herzog → Albrecht IV. von Bayern und Herzog → Ludwig IX. von Bayern-Landshut. Degener, Carl, Unternehmer, * 24. 8. 1900 Bremen, † 28. 12. 1960 M¨unchen. D., Sohn eines Angestellten des Norddeutschen Lloyd, studierte Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft, wurde nach der Promotion Syndikus in Bremen und war in leitenden Positionen in der Arbeitsvermittlung t¨atig. 1930 u¨ bernahm er in Berlin die Leitung der auf seine Anregung gegr¨undeten Reise-Spar-GmbH, die m¨oglichst breiten Bev¨olkerungskreisen Ferienreisen erm¨oglichen sollte, und gr¨undete 1932 ein eigenes Reiseb¨uro, in dem er Sonderzug-Billigreisen nach Golling bei Salzburg anbot. Durch die Devisensperre 1933 zur Aufgabe dieses Reiseziels gezwungen, fand er im oberbayerischen Ruhpolding einen geeigneten Ersatzort, den er in den folgenden Jahren – auch durch die „Kraft-durch-Freude“-Reisen der NSDAP – zu einem der meistbesuchten Urlaubsorte Deutschlands machte. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete D. an einem Konzept einer ganz Westdeutschland umfassenden Feriensonderzug-Organisation, schloß nach der W¨ahrungsreform einen Vertrag mit Hapag-Lloyd und wurde Gesch¨aftsf¨uhrer der Tourismusarbeitsgemeinschaft „DER“ sowie der von ihm mit der Bundesbahn und anderen Reiseunternehmern 1951 gegr¨undeten „Touropa“, die 1968 im TUI-Konzern aufging. D. gilt als ein Begr¨under der Sozialtouristik in Deutschland. C Brem Bio 2

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Degenfeld, Christoph Martin Frh. von, Heerf¨uhrer, * November 1599 Hohen-Aybach bei Geislingen, † 13. 10. 1653 D¨urnau bei G¨oppingen. Nach Universit¨atsstudien in verschiedenen St¨adten und der u¨ blichen Kavalierstour trat D. 1621 in kaiserliche Dienste. Im Gefolge → Wallensteins und → Tillys zeichnete er sich aus; der Kaiser erneuerte den Reichsfreiherrnstand der Familie. 1632 stellte D. zwei Reiterregimenter auf, die er als Oberst den Schweden zuf¨uhrte. Die von der Krone Schwedens erhaltenen L¨andereien wurden nach dem kaiserlichen Sieg 1634 bei N¨ordlingen gemeinsam mit dem Familienstammsitz konfisziert. D. floh nach Straßburg, wurde Oberster General der fremden Reiterei in franz¨osischen Diensten und trat nach einem Zerw¨urfnis mit Richelieu 1642 als Generalgouverneur von Dalmatien und Albanien in venezianische Dienste. Nach Ablauf seines siebenj¨ahrigen Dienstvertrags amnestierte ihn der Kaiser, so daß der Vater von Hannibal und Loysa von → D. die schw¨abischen L¨andereien wieder u¨ bernehmen konnte. Zuletzt war er als Werbeoffizier f¨ur Venedig t¨atig. C Leb Schwaben, Bd 2 Degenfeld, Hannibal Frh. von, Heerf¨uhrer, * 1648, † 12. 10. 1691 Nauplia. Der Sohn Christoph Martin von → D.s wurde am Hof des Kurf¨ursten → Johann Georg III. von Sachsen gebildet und befehligte 1674-77 als Oberst ein Regiment. 1677 wechselte er in die Dienste des Kurf¨ursten → Ferdinand Maria von Bayern, wurde 1682 Feldmarschall-Leutnant sowie Pr¨asident des Kriegsrats und im folgenden Jahr unter Kurf¨urst → Maximilian II. Emanuel Befehlshaber eines Korps gegen die T¨urken. D. zeichnete sich bei der Befreiung Wiens aus, folgte einer Aufforderung der Republik Venedig, in ihre Dienste zu treten, konnte auf Morea 1685 die Festung Koron erobern und bei Kalamata der t¨urkischen Armee eine empfindliche Niederlage beibringen. 1691 wurde er Generalkapit¨an der venezianischen Truppen gegen die T¨urken.

Degenfeld, Loysa (Maria Susanna) Freiin von, Raugr¨afin zu Pfalz, * 28. 11. 1634 Straßburg, † 18. 3. 1677 Mannheim-Friedrichsburg. Die Tochter Christoph Martin von → D.s wuchs in Paris und Padua auf und wurde siebzehnj¨ahrig Kammerfr¨aulein der jungverm¨ahlten Charlotte, Kurf¨urstin von der Pfalz. Deren Gatte, → Karl Ludwig von der Pfalz, verliebte sich in sie und verlobte sich schließlich 1657 mit ihr. Karl Ludwig erkl¨arte sich von Charlotte verlassen, verbrachte D. zun¨achst nach Schwetzingen und sp¨ater auf die Festung Frankenthal. Beide heirateten vor einem Heidelberger luth. Pfarrer ohne vorherige Scheidung. Gegen Verzicht auf alle Erbanspr¨uche an den pf¨alzischen Landen und Rechten erhielt D. mit ihren Nachkommen 1667 die raugr¨afliche W¨urde. Sie erzog ihre 13 Kinder und bem¨uhte sich um die Durchsetzung ihrer Anspr¨uche gegen die legitimen Kinder Karl Ludwigs. C NDB

Degenfeld-Schonburg, August (Franz Johann Christof) Graf von, o¨ sterr. Milit¨ar, Beamter, * 10. 12. 1798 GroßKanischa (Ungarn), † 5. 12. 1876 Altm¨unster bei Gmunden (Ober¨osterreich). D.-S., Sohn eines o¨ sterr. Generalmajors und Nachkomme Christoph Martin von → Degenfelds, nahm am Feldzug 1815 teil, kam 1827 zur Milit¨arkommission bei der deutschen Bundesversammlung, befehligte 1848 als Generalmajor eine Brigade und wurde f¨ur seine Teilnahme an der Schlacht bei Novara 1849 ausgezeichnet. Nach der Besetzung und Befriedung des Herzogtums Parma f¨uhrte er bis zur R¨uckkehr des Landesherrn die provisorische Regierung. 1849 Vizegouverneur der Festung Mainz, wurde er 1850 Sektionschef und Stellvertreter des Kriegsministers in Wien, kam sp¨ater zum Armeeoberkommando und in die Milit¨arkanzlei des Kaisers.

Deger D.-S. tat mehrere Jahre Dienst als General und war 1860-64 o¨ sterr. Kriegsminister. Er modernisierte die Artillerie, die Kavallerie und das Sanit¨atswesen und war am Zustandekommen des Waffenstillstandes von Nikolsburg 1866 beteiligt. C NDB

Degenfeld-Schonburg, Ferdinand Graf, o¨ sterr. Volkswirt, * 1. 3. 1882 Wien, † 11. 3. 1952 Wien. D.-S., Sohn eines Feldmarschall-Leutnants, studierte an den Universit¨aten Innsbruck, Freiburg / Breisgau, Berlin, Straßburg und Wien Rechtswissenschaften und National¨oko¨ nomie (Dr. jur. 1907, Uber das Verh¨altnis von Stammeinlage und Gesch¨aftsanteil bei der GmbH; Dr. phil. 1914, Die Lohntheorien von A. Smith, Ricardo, J. St. Mill und Marx), habilitierte sich 1920 an der Univ. Marburg f¨ur politische ¨ Okonomie (Die Motive des volkswirtschaftlichen Handelns und des Marxismus) und wurde 1923 a. o. Prof. an der Univ. W¨urzburg. 1927 folgte er einem Ruf als o. Prof. an die Univ. Wien und wurde wegen seiner katholisch-konservativen Gesinnung nach dem „Anschluß“ von den Nationalsozialisten 1938 seines Amtes enthoben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf seinem Lehrstuhl, wurde er 1946 korrespondierendes Mitglied der Wiener Akademie der Wissenschaften. D.-S. ver¨offentlichte u. a. Die Motive des volkswirtschaftlichen Handelns und des deutschen Marxismus (1920). Degenhardt, Johannes Joachim, Erzbischof von Paderborn, Kardinal, * 31. 1. 1926 Schwelm, † 25. 7. 2002 Paderborn. D., der in seiner Jugend dem von den Nationalsozialisten verbotenen katholischen Bund „Neudeutschland“ angeh¨orte und von der Gestapo 1941 f¨ur drei Wochen in Haft genommen wurde, mußte die Schule wegen „politischer Unzuverl¨assigkeit“ vorzeitig verlassen, begann eine kaufm¨annische Ausbildung und wurde zum Kriegsdienst eingezogen. Aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zur¨uckgekehrt, studierte er seit 1946 in Paderborn, M¨unchen und M¨unster Philosophie und Theologie und wurde 1951 in Paderborn zum Priester geweiht. Nach Stationen als Betreuer der Gemeinde Brackwede, als Pr¨afekt des Erzbisch¨oflichen Leo-Konvikts in Paderborn (seit 1959) und nach der Promotion zum Dr. theol. 1964 in W¨urzburg erhielt D. 1964 eine Anstellung als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl f¨ur Neues Testament der Univ. Bochum. Seit 1965 wirkte er als Studentenpfarrer an der P¨adagogischen Hochschule Westfalen-Lippe / Abteilung Paderborn und als Di¨ozesanbeauftragter f¨ur das Katholische Bibelwerk. Als Regionaldekan u¨ bernahm er die Verantwortung f¨ur die Seelsorgeregion Hochstift Paderborn, leitete seit 1968 das bisch¨ofliche Seelsorgeamt und wurde Titularbischof von Vico di Pacato und Weihbischof von Paderborn. Vom Kapitel 1973 zum Kapitularvikar des Erzbistums gew¨ahlt und vom Papst 1974 zum Erzbischof ernannt, verfolgte D. eine streng an p¨apstlichen Vorgaben orientierte Kirchenpolitik. Auf dem Gebiet der Seelsorge engagierte sich D. insbesondere in Fra¨ gen, die die Okumene und das Zusammenleben von Deutschen und Ausl¨andern betrafen; zahlreiche Kontakte pflegte er zu Ortskirchen im Ausland. Er war Vorsitzender der ¨ Okumene-Kommission, 1976-91 Vorsitzender der Kommission f¨ur Erziehung und Schule der Deutschen Bischofskonferenz und leitete seit 1991 den Verwaltungsrat und Verbandsausschuß des Verbandes der Di¨ozesen Deutschlands. 1999 wurde D. von Papst Johannes Paul II. zum Mitglied der Europ¨aischen Bischofssynode nominiert und 2001 in den Kardinalsstand erhoben. C Gatz 5 Degenhardt, Karl-Heinz, Humangenetiker, * 12. 9. 1920 M¨onchengladbach, † 29. 6. 1994 Bad Honnef. ¨ D. wurde 1947 in Bonn mit der Arbeit Uber die ontogenetischen Grundlagen der Extremit¨atenmissbildungen pro-

moviert und habilitierte sich dort 1957 u¨ ber Fehlbildungen. Anschließend wissenschaftlicher Assistent in M¨unster, war er außerdem DFG-Stipendiat am Max-Planck-Institut f¨ur vergleichende Erbbiologie und Erbpathologie in Berlin und 1960 assoziierter Staff Scientist am Jackson Laboratory in Bar Harbor (Maine). D. wurde 1961 o. Prof. in Frankfurt / Main, 1963 Vorsitzender der DFG-Kommission f¨ur teratologische Fragen und 1968 Vorsitzender der RhabanusMaurus-Akademie in Frankfurt. Daneben geh¨orte er der Umweltschutz-Kommission der Europ¨aischen Gemeinschaft an. D. ver¨offentlichte u. a. Die genetische und morphologische Analyse spezieller Entwicklungsst¨orungen in einem Stamm ingez¨uchteter Hermelin-Kaninchen (1961), Drillingsstudien (1961), Zur Entstehung von eineiigen Zwillingen (1968) und Humangenetik. Ein Leitfaden f¨ur Studium, Praxis und Klinik (1973).

Degenhart, Bernhard, Kunsthistoriker, * 4. 5. 1907 M¨unchen, † 3. 9. 1999 M¨unchen. D. studierte Kunstgeschichte in M¨unchen, Berlin und Wien und wurde 1931 mit der Arbeit Lorenzo di Credi, seine Umgebung und Schule promoviert. 1933-39 war er Assistent an der Bibliotheca Hertziana in Rom, 1939-46 Kustos der Albertina in Wien, seit 1949 Konservator und 1965-70 Direktor der Staatlichen Graphischen Sammlung in M¨unchen. Seit den f¨unfziger Jahren baute D. dort zusammen mit Annegrit Schmitt ein Forschungszentrum f¨ur fr¨uhe italienische Zeichnungen auf. D. ver¨offentlichte u. a. Die Graphologie der italienischen Handzeichnung (1937), Antonio Pisanello (1940, 2 1942), Europ¨aische Handzeichnungen aus 5 Jahrhunderten (1943), Italienische Zeichner der Gegenwart (1956) und Der Bildhauer Emilio Greco (1960). Mit Annegrit Schmitt gab er Corpus der italienischen Zeichnungen 1300-1450 (Teil I / 1-4, S¨ud- und Mittelitalien, 1968; Teil II / 1-3, Venedig, 1980; Teil II / 4, Mariano Taccola, 1982; Teil II / 5-8, Jacopo Bellini, 1990) heraus. D. erfuhr zahlreiche Ehrungen; 1984 erhielt er den Bayerischen Maximiliansorden f¨ur Wissenschaft und Kunst. Er war u. a. Mitglied der Accademia Senese degli Intronati Siena (1980) und der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (1986). C Jb BAW 1999

Degenhart, Max, Jurist, * 14. 4. 1910 M¨unchen, † 10. 5. 1974 M¨unchen. D., Sohn eines Oberstudiendirektors, studierte in M¨unchen und Erlangen Rechts- und Staatswissenschaft, wurde 1934 an der Univ. Erlangen promoviert (Schuld und Irrtum im englischen Strafrecht) und trat in den bayerischen Justizdienst ein. Nach der Teilnahme am Zweiten Weltkrieg seit 1951 wieder im Justizdienst, war er 1952-58 Gr¨under und Leiter der Bayerischen Rechtspflegerschule in Haimhausen, wurde Richter am Oberlandesgericht M¨unchen, war 1964-72 Richter am Bayerischen Obersten Landesgericht und wurde 1968 zum Senatspr¨asidenten ernannt. Seit 1962 lehrte er Zivilrecht und Zivilprozeßrecht an der Univ. M¨unchen und wurde 1967 zum Honorarprofessor ernannt. D. besch¨aftigte sich mit dem Prozeßrecht, vor allem aber mit dem Sachenrecht und bearbeitete seit 1967 den Abschnitt Sachenrecht des von Otto → Palandt begr¨undeten Kommentars zum B¨urgerlichen Gesetzbuch. C Juristen

Deger, Ernst, Maler, * 15. 4. 1809 Bockenem bei Hildesheim, † 27. 1. 1885 D¨usseldorf. D. studierte zun¨achst bei Walch an der Kunstakademie in Berlin, seit 1829 bei Wilhelm → Schadow an der D¨usseldorfer Akademie. Seit 1837 lebte er f¨ur vier Jahre in Italien, studierte die Werke Raffaels, setzte sich kritisch mit den Arbeiten seines Zeitgenossen Wilhelm → Kaulbach auseinander und bereitete sich u. a. in Rom und Neapel auf die Ausmalung der Apollinariskirche in Remagen vor, an der er nach seiner R¨uckkehr nach Deutschland (1841) 1843-51 beteiligt

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Degering war. Im Anschluß daran schuf D. im Auftrag → Friedrich Wilhelms IV. zw¨olf Fresken f¨ur die Kapelle des Schlosses Stolzenfels (Der S¨undenfall und das Erl¨osungswerk, 1851 ff.). Seit 1849 Mitglied der Berliner Kunstakademie, wurde er 1869 Prof. der religi¨osen Historienmalerei an der Akademie in D¨usseldorf. C AKL

Degering, (Julius August) Hermann, Bibliothekar, * 20. 12. 1866 Peine, † 12. 1. 1942 M¨unster. Nach dem Abschluß des Studiums der Klassischen und Germanischen Philologie an den Universit¨aten Berlin, G¨ottingen und Erlangen (Promotion 1893) war D., Sohn eines Kaufmanns, als Privatgelehrter auf dem Gebiet der klassischen Altertumswissenschaften t¨atig. 1900 trat er in Bonn in den Bibliotheksdienst ein, war 1902-08 an den Universit¨atsbibliotheken M¨unster und Bonn, seit 1909 an der Kgl. Bibliothek, der sp¨ateren Preußischen Staatsbibliothek in Berlin t¨atig und kam dort 1911 in die Handschriftenabteilung, deren Direktor er 1923-32 war; 1916 wurde er zum Prof. ernannt. In Zusammenarbeit mit Kollegen publizierte er ein Kurzes Verzeichnis der germanischen Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek (3 Bde., 1925-32); sein Schriftatlas Die Schrift (1929) wurde mehrfach wiederaufgelegt und u¨ bersetzt. C NDB Deggeller, Johann Caspar, auch Deggeler, schweizer. Kantor, * 7. 2. 1695 Schaffhausen, † 19. 1. 1776 Schaffhausen. D. wurde 1718 in seiner Geburtsstadt Kantor und Pr¨azeptor der untersten Klasse der Lateinschule und behielt diese ¨ Amter bis 1773. Er spielte Waldhorn, Trompete, Blockfl¨ote, Violine und Bassett. 1728 ver¨offentlichte er erstmals ein zweiteiliges Gesangbuch (Teil 1: Die Psalmen Davids [. . .], Teil 2: Hymni: Oder Lob-Ges¨ange [. . .]), das offiziell eingef¨uhrt, 1729 privilegiert und erst 1841 durch ein neues abgel¨ost wurde. C MGG

Degischer, Vilma, o¨ sterr. Schauspielerin, * 17. 11. 1911 Wien, † 3. 5. 1992 Baden bei Wien. D. erhielt seit 1920 neben dem Gymnasiallunterricht eine Ausbildung zur T¨anzerin, wurde 1927 von Felix → Salten an die Schauspielschule Max → Reinhardts empfohlen und absolvierte dort bis 1931 ihre Schauspielausbildung. Von Reinhardt an seinen Theatern in Berlin und Wien eingesetzt, lernte sie bei ihrem Deb¨ut als Hermia in Shakespeares Sommernachtstraum in Berlin ihren sp¨ateren Mann Hermann → Thimig kennen (Heirat 1939). D. spielte nach der Emigration Reinhardts seit 1934 am Theater in der Josefstadt, 1935-39 am Deutschen Volkstheater und kehrte anschließend an das Josefst¨adter Theater zur¨uck, an dem sie zeit ihres Lebens blieb. Sie spielte u. a. die Irene Herms in → Schnitzlers Der einsame Weg, verk¨orperte in zahlreichen Gesellschaftsst¨ucken die Salondame und wirkte bei den Salzburger Festspielen sowie bei Fernseh- und Filmproduktionen mit (u. a. als Kaiserin-Mutter Sophie in den Sissi-Filmen). Als erste Schauspielerin, die nicht am Burgtheater t¨atig war, wurde sie mit der Kammerschauspielerinnenw¨urde ausgezeichnet.

Degkwitz, Rudolf, P¨adiater, * 19. 1. 1889 Ronneburg (Th¨uringen), † 11. 5. 1973 Emmendingen bei Freiburg / Breisgau. D., Sohn eines Kaufmanns, studierte in Lausanne und M¨unchen Medizin, nahm als Truppenarzt am Ersten Weltkrieg teil, war Mitglied des Freikorps Epp und wurde 1919 in M¨unchen promoviert. Dort war er an der Medizinischen Poliklinik, sp¨ater an der Kinderklinik t¨atig und ver¨offentlichte 1923 eine wegweisende Arbeit u¨ ber Die Masernprophylaxe und ihre Techniken. 1925 an der Univ. M¨unchen f¨ur Kinderheilkunde habilitiert, erhielt er im selben Jahr den Ruf auf ein Ordinariat an der Univ. Greifswald und wechselte

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1932 an die Univ. Hamburg, wo weiterhin die Impfprophylaxe einen Schwerpunkt seiner Forschungen darstellte. In den zwanziger Jahren Sympathisant der NSDAP, entwickelte sich D., seit 1933 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, sp¨ater zu einem entschiedenen Gegner der Nationalsozialisten, wurde 1943 denunziert, verhaftet und wegen „Def¨atismus“ und „Wehrkraftzersetzung“ zu einer siebenj¨ahrigen Zuchthausstrafe verurteilt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er in sein Amt zur¨uck. Gleichzeitig wurde er zum Pr¨asidenten der Hamburger Gesundheitsbeh¨orde ernannt, ging jedoch 1947 in die USA, von wo aus ¨ er ohne Erfolg versuchte, Hamburger Arzte, die w¨ahrend des „Dritten Reiches“ an Euthanasiemaßnamen beteiligt waren, vor Gericht zu bringen. Kurz vor seinem Tod kehrte D. nach Deutschland zur¨uck. Neben Fachbeitr¨agen (u. a. Lehrbuch der Kinderheilkunde, 1933, 51950 bearb. von Erich ¨ → Rominger; Uber die Erziehung gesunder Kinder, 1946) ver¨offentlichte er 1946 das bereits vor seiner Inhaftierung verfaßte Buch Das alte und das neue Deutschland. Er war ¨ der Vater des Psychiaters Rudolf → D. C Arzte 2, 3

Degkwitz, Rudolf, Psychiater, * 20. 6. 1920 M¨unchen, † 18. 9. 1990 Freiburg / Breisgau. Das Studium der Medizin in Hamburg, Berlin und M¨unchen schloß D., Sohn des P¨adiaters Rudolf → D., 1943 mit der Promotion ab und habilitierte sich 1959 in Frankfurt / Main ¨ mit der Arbeit Uber den Einfluß komplizierender k¨orperlicher Erkrankungen auf das klinische Bild und den Verlauf cerebraler Arteriosklerosen. Seit 1960 Direktor der Psychiatrischen Universit¨atsklinik in Freiburg / Breisgau, wurde er 1964 zum apl. Prof. und 1968 zum o. Prof. ernannt. In seinen Forschungen besch¨aftigte sich D. besonders mit der Physiologie und Biochemie symptomatischer und endogener Psychosen, der Psychopharmakologie und mit theoretischen Fragen der Psychiatrie. Er ver¨offentlichte u. a. Leitfaden der Psychopharmakologie (1967), Psychisch krank (mit Sven Olaf Hoffmann und Hildburg Kindt, 1982), Ethische ¨ Probleme in der Medizin. Arztliche Ethik insbesondere im Hinblick auf die Fortpflanzungsmedizin und den a¨ rztlichen Umgang mit Behinderten, Kranken und Sterbenden (1989). 1985 gab er Hundert Jahre Nervenheilkunde. 100. Wanderversammlung der S¨udwestdeutschen Neurologen und Psychiater und 1987 Chronik der psychiatrischen Universit¨atsklinik Freiburg i. Br. 1886-1986 heraus.

Degle, Franz Joseph, Maler, * 1724 Augsburg, † 1812 Augsburg. D. war Sch¨uler des Freskomalers Thomas Christian → Scheffler, erwarb 1747 die Meisterw¨urde und schuf in ¨ Fresko und Miniatur. Seit seiner Geburtsstadt Werke in Ol, ¨ ca. 1758 hielt er sich zu Studien in Osterreich und Italien auf. 1765 erhielt er eine Auszeichnung der r¨omischen Malerakademie San Lucca, kehrte nach Bayern zur¨uck und malte u. a. das Altarblatt der Maria mit dem Kinde Jesu in der M¨unchner Frauenkirche. 1788 wurde D. Mitglied der Augsburger Kunstakademie und f¨urstlich kemptischer Hofmaler. Im Alter lebte er in d¨urftigen Verh¨altnissen in Augsburg. C AKL

Degler, Hans, auch Degeler, Dengler, Tegler, Bildhauer, * 1564 / 65 M¨unchen (?), † vor 15. 1. 1635 Weilheim. D. war seit 1590 in der Weilheimer Bildhauerwerkstatt seines Schwiegervaters t¨atig und u¨ bernahm dort die Ausstattung der l¨andlichen Kirchen der Umgebung. Zu Beginn des 17. Jh. schuf er f¨ur die Kirche St. Ulrich und Afra in Augsburg den Hochaltar, die Seitenalt¨are und die Kanzel (vollendet 1604-08). Die außergew¨ohnlichen Holzaufbauten der drei Alt¨are mit insgesamt 270 Einzelfiguren wirkten vorbildhaft; aus D.s Schule gingen u. a. Christof → Angermair, Georg → Petel und Hans Spindler als Sch¨uler hervor. Seit 1607

Dehio ¨ Mitglied des Außeren Rats, seit 1617 Beisitzer des Inneren Rats der Stadt Weilheim, geriet D. nach 1623 in materielle Not. Die meisten seiner Werke gelten als zerst¨ort. C AKL

Degler, Johann, Maler, * 25. 12. 1667 Villn¨oß (S¨udtirol), † 2. 1. 1729 Tegernsee. D., Sohn eines Malers, war zun¨achst Farbenreiber beim M¨unchner Hofmaler Andreas Wolf, sp¨ater sechs Jahre lang dessen Sch¨uler und wurde 1698 Meister in M¨unchen. Nach dem Tod seines Lehrers 1716 vollendete er dessen Choraltarbild f¨ur die M¨unchner Dreifaltigkeitskirche und wurde 1718 zum Hofmaler ernannt. Er schuf u¨ berwiegend Altarbl¨atter f¨ur verschiedene bayerische Kirchen (u. a. die Bekehrung des Saulus f¨ur den Freisinger Dom). Die manieristische Gestik ¨ seiner Figuren und die Uberbetonung der Farbe nahmen Entwicklungen des Rokoko vorweg. Im Alter zog sich D. in das Kloster Tegernsee zur¨uck, dem er sp¨ater eine gr¨oßere Anzahl religi¨oser Bilder vermachte. C AKL Degler, Josef, S¨anger, * 25. 11. 1890 Rosenheim, † 5. 8. 1957 Frauenchiemsee. Nach der Gesangsausbildung in M¨unchen deb¨utierte D. 1911 als lyrischer Bariton am Stadttheater Heidelberg, sang 1913 / 14 am Stadttheater Mainz und war 1915-19 am Stadttheater Bremen engagiert. 1919 folgte er einer Berufung an das Stadttheater (sp¨ater Staatsoper) Hamburg, wo er bis 1944 t¨atig war und u. a. in der Urauff¨uhrung der Oper Die tote Stadt von → Korngold mitwirkte. Gastspiele f¨uhrten ihn an die großen deutschen Operntheater sowie nach London, Wien, Br¨ussel und in die Schweiz. Ferner wirkte er als Konzerts¨anger und Gesangsp¨adagoge. C Kutsch Degner, Artur, Maler, Graphiker, * 2. 3. 1887 Gumbinnen (Ostpreußen), † 7. 3. 1972 Berlin. D. studierte 1906-08 an der Kunstakademie K¨onigsberg, kam 1909 nach Berlin und wurde dort Mitglied der Freien Sezession. 1910 reiste er nach Paris. Seit 1920 Lehrer an der Kunstakademie K¨onigsberg, wechselte er 1925 als Prof. an die Berliner Hochschule f¨ur Bildende K¨unste. 1931-33 war er Vorsitzender der Berliner Sezession. 1939 wurde D. als „entarteter K¨unstler“ aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen, danach mehrmals als Kunsterzieher zwangsverpflichtet. Nach der Zerst¨orung des Ateliers mit mehr als 300 Gem¨alden ging er nach Schlesien. Nach Kriegsende holte ihn Karl → Hofer an die Berliner Hochschule f¨ur Bildende K¨unste zur¨uck. D.s Malstil entwickelte sich vom Impressionismus zum Expressionismus; er schuf Akte, Blu¨ und Aquarell. C AKL menbilder und Landschaften in Ol

Degner, Erich Wolf(gang), Musiker, Komponist, * 8. 4. 1858 Hohenstein-Ernstthal bei Chemnitz, † 18. 11. 1908 Berka bei Weimar. Nach dem Studium bei Karl → M¨uller-Hartung, Max → Meyer-Olbersleben und Karl → Kliebert an den Musikhochschulen in Weimar und W¨urzburg wurde D. 1882 Musiklehrer in Regensburg, 1883 in Gotha und war 1885-88 Direktor des Musikvereins in Pettau (Steiermark). Anschließend Dozent an der Musikschule Weimar, folgte er 1891 einer Berufung zum k¨unstlerischen Direktor des steirischen Musikvereins in Graz. D. wurde 1902 Direktor der großherzoglichen Musikschule und der Singakademie sowie Kirchenmusikdirektor in Weimar und war seit 1906 Professor. Er komponierte u. a. die symphonische Dichtung Der Zug des Todes (1879) und ver¨offentlichte als Auszug aus einer umfassenden Harmonie-, Kompositions- und Formenlehre die musikp¨adagogische Schrift Anleitungen und Beispiele zum Bilden von Kadenzen und Modulationen (1883).

Degode, Wilhelm (Georg), Maler, * 6. 2. 1862 Oldenburg, † 26. 11. 1931 D¨usseldorf. Als Jugendlicher von Sophus Diederichs, dem Konservator und Restaurator der Großherzoglichen Kunstgalerie in Oldenburg ausgebildet, studierte D. an der D¨usseldorfer Kunstakademie bei Heinrich Lauenstein und Hugo → Crola. Sp¨ater erfuhr er besondere F¨orderung durch Karl Jungheim, Eugen → D¨ucker und Heinrich → Deiters, der ihn auch in den K¨unstlerverein „Malkasten“ einf¨uhrte. D. wurde Mitglied des Vereins D¨usseldorfer K¨unstler und der Freien Vereinigung D¨usseldorfer K¨unstler, unterhielt seit 1894 ein Sch¨uleratelier und ging 1895 nach Kaiserswerth, wo er Vorstand des Bismarckvereins wurde. Er unternahm zahlreiche Reisen durch Deutschland und galt mit seinen Landschaftsgem¨alden bald als der „Eifelmaler“ schlechthin. C Oldenburg Deharbe, Joseph (Gervais), kath. Theologe, * 1. 4. 1800 Straßburg, † 8. 11. 1871 Maria Laach. D., Sohn eines Kolonialwarenh¨andlers, trat siebzehnj¨ahrig in die Gesellschaft Jesu ein, wurde 1828 zum Priester geweiht und war 1830-41 Rhetorik-Lehrer und Prediger an den Ordenskollegien im schweizer. Brig und Freiburg. Anschließend Missionsprediger in K¨othen (Anhalt), wurde er 1845 Prof. der Pastoraltheologie im Seminar in Luzern. Nach der Ausweisung der Jesuiten floh er nach Italien und ¨ Osterreich und lebte sp¨ater an verschiedenen Orten. Durch Schwerh¨origkeit an seelsorgerischen und p¨adagogischen Arbeiten gehindert, widmete sich D. der Katechetik und ver¨offentlichte 1847 einen Katechismus (Katholischer Katechismus oder Lehrbegriff, nebst einem kurzen Abriß der Religionsgeschichte von Anbeginn der Welt bis auf unsere Zeit), ¨ der sp¨ater in zahlreichen Auflagen (251858) und Uberarbei¨ tungen sowie Ubersetzungen in mindestens 15 Sprachen die Verbreitung s¨amtlicher fr¨uherer Katechismen u¨ bertraf und beinahe die Bedeutung eines kath. Einheitskatechismus gewann. Daneben entstand u. a. die Schrift Die vollkommene Liebe Gottes [. . .] nach der Lehre des heiligen Thomas von Aquin [. . .] (1856). C LThK Dehez, (Caspar) Joseph, Ingenieur, * 2. 11. 1871 Duisburg, † 2. 11. 1919 Duisburg. Von Beruf Walzendreher, kam D., Sohn eines Walzmeisters, siebzehnj¨ahrig zum H¨uttenwerk Rothe Erde, bildete sich zum Walzenkalibreur aus und wurde 1900 als Kalibreur und Walzenwerker f¨ur den Neubau und den Betrieb des Walzwerks in Hom´ecourt verpflichtet. 1904 wechselte er als Betriebsleiter der Walzenstraßen und Adjustagen zum Georgs-Marien-Verein nach Osnabr¨uck und wurde 1906 Oberingenieur sowie Stellvertreter des Betriebsdirektors. D. nahm 1910 die Stelle des technischen Direktors des Betriebs „Eisenindustrie zu Menden und Schwerte“ an, den er zu einem bekannten Walzwerk f¨ur Sonderprofile entwickelte, und hatte seit 1915 die technische Leitung des Eisenwerks Kraft, Abteilung Niederrheinische H¨utte, in Duisburg inne. 1919 ver¨offentlichte er die Monographie Walzenkalibrierungen. C NDB

Dehio, Georg (Gottfried Julius), Kunsthistoriker, * 22. 11. 1850 Reval, † 19. 3. 1932 T¨ubingen. D., Sohn eines Arztes und russischen Wirklichen Staatsrats, studierte Geschichtswissenschaften an den Universit¨aten Dorpat und 1869-71 bei Georg → Waitz in G¨ottingen (Promotion 1872, Hartwig von Stade. Erzbischof von HamburgBremen), habilitierte sich 1877 in M¨unchen f¨ur Geschichte, wandte sich jedoch bald bevorzugt kunsthistorischen Vorlesungen zu. 1883 folgte er der Berufung als a. o. Prof. der Kunstgeschichte an die Univ. K¨onigsberg, wurde 1884 o. Prof. und wechselte 1892 an die Univ. Straßburg; seit dem Ende des Ersten Weltkriegs lebte er in T¨ubingen. Der Vater Ludwig → D.s schuf neben Einzeldarstellungen (u. a. u¨ ber

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Dehio die Proportionen in der antiken Baukunst) mehrere umfassende, zum Teil denkmalpflegerisch orientierte kunsthistorische Werke, die sich u¨ berwiegend mit deutscher Kunst zur Zeit von Gotik, Barock und Romantik besch¨aftigen, darunter das Handbuch der deutschen Kunstdenkm¨aler (5 Bde., 1899-1912), eine mit dem 18. Jh. schließende Geschichte der deutschen Kunst (3 Bde. 1919-26) und Der Bamberger Dom (1926). 1947 erschien Aus Skizzenb¨uchern und Briefen. Mit Handzeichnungen des Verfassers (hrsg. von Gertrude D.). C Metzler Kunsthistoriker

Dehio, Karl Gottfried Konstantin, Internist, * 27. 5. 1851 Reval, † 26. 2. 1927 Dorpat. D. studierte seit 1870 in Dorpat Medizin und wurde 1877 mit der Arbeit Beitr¨age zur pathologischen Anatomie der Lepra promoviert. Er nahm als Arzt 1876 am SerbischT¨urkischen Krieg, 1877 / 78 am Russisch-T¨urkischen Krieg teil und setzte seine Ausbildung anschließend in Deutsch¨ land, Osterreich und Frankreich fort. Nach a¨ rztlicher T¨atigkeit in St. Petersburg habilitierte sich D. 1884 f¨ur Klinische Prop¨adeutik. 1886 wurde er a. o., 1888 o. Prof. f¨ur spezielle Pathologie und Klinik und 1886 Direktor der Universit¨ats-Poliklinik in Dorpat. Seit 1926 war er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina. Neben Artikeln u¨ ber Infektionskrankheiten wie Malaria, Typhus, Pocken und andere Krankheitsbilder ver¨offentlichte D., Mitherausgeber der „St. Petersburger Medizinischen Wochenschrift“, 1892 seine Ergebnisse u¨ ber die Wirkung des Atropins auf die Herzaktion und dessen Bedeutung in der kardiologischen Diagnostik. Zu seinen Publikationen geh¨oren ferner Untersuchungen zur auskultatorischen Methode der Blutdruckbestimmung am lebenden Menschen (1912) und Vitalismus und Mechanismus (1926). Dehio, Ludwig, Historiker, * 25. 8. 1888 K¨onigsberg (Preußen), † 24. 11. 1963 Marburg / Lahn. Der Sohn Georg → D.s und Enkel Ludwig → Friedl¨anders studierte Philosophie, Philologie und Geschichtswissenschaften und trat 1919 in den Archivdienst am Staatsarchiv in Berlin ein. Sp¨ater Staatsarchivrat am Geheimen Staatsarchiv, war er nach dessen Verlegung nach Hessen 1945-54 Direktor des Staatsarchivs in Marburg und seit 1948 Prof. der Mittleren und Neueren Geschichte an der dortigen Universit¨at. Er initiierte die Gr¨undung der Archivschule in Marburg. D. gab seit 1949 die „Historische Zeitschrift“ heraus und befaßte sich in seinen Publikationen, in kritischer Auseinandersetzung mit vorherrschenden Tendenzen in der deutschen Historiographie, mit dem Problem der politischen Hegemonie in der neueren Geschichte (Gleichgewicht oder Hegemonie, 1948); 1955 erschien Deutschland und die Weltpolitik im zwanzigsten Jahrhundert. C Historikerlex Dehler, Thomas, Politiker, Jurist, * 14. 12. 1897 Lichtenfels, † 21. 7. 1967 Streitberg (Oberfranken). D., Sohn eines Metzgermeisters und Wirts, studierte nach dem Ersten Weltkrieg zun¨achst Medizin in M¨unchen und W¨urzburg, wechselte dann aber zum Studium der Rechtsund Staatswissenschaften, das er an den Universit¨aten W¨urzburg, Freiburg / Breisgau und M¨unchen absolvierte und 1920 mit der Promotion (Die Begr¨undung des Strafurteils) abschloß. Nach dem Assessorexamen ließ er sich 1924 als Rechtsanwalt in M¨unchen, sp¨ater in Bamberg nieder. Als Student Vorstandsmitglied des Republikanischen Studentenbundes, Gr¨under des antifaschistischen Bundes „Der Reichsadler“ und Gr¨undungsmitglied des Reichsbanners SchwarzRot-Gold in M¨unchen, war D. 1926-33 Vorstandsmitglied der Deutschen Demokratischen Partei, sp¨ater der Staatspartei. W¨ahrend der nationalsozialistischen Herrschaft geh¨orte er einer Oppositionsgruppe an, wurde 1938 verhaftet und

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1944 interniert. D. war nach Kriegsende Landrat in Bamberg, bis 1947 Generalstaatsanwalt beim dortigen Oberlandesgericht und anschließend dessen Pr¨asident. Daneben hatte er das Amt des Generalkl¨agers am Kassationshof beim bayerischen Sonderminister f¨ur politische Befreiung inne. Seit der Gr¨undung der FDP 1946 bayerischer Landesvorsitzender und Mitglied des Bayerischen Landtags, wurde er 1949 Mitglied des Deutschen Bundestags und war 1949-53 Justizminister im ersten Kabinett → Adenauer. In seine Amtszeit fielen u. a. der Aufbau des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs. Im Streit um die Westvertr¨age erreichte Bundespr¨asident Theodor → Heuss 1953 die Abl¨osung D.s als Justizminister, der fortan als FDP-Fraktionsvorsitzender im Bundestag und seit 1954 als Bundesvorsitzender seiner Partei wirkte. Nach dem Auseinanderbrechen der Koalition zwischen CDU / CSU und FDP verlor D. 1957 den Fraktions- und den Parteivorsitz. 1960 wurde er zum Bundestagsvizepr¨asidenten gew¨ahlt. C MdB

Dehlinger, Alfred, Politiker, * 20. 5. 1874 Stuttgart, † 24. 7. 1959 Stuttgart. Nach dem Abschluß rechtswissenschaftlicher Studien an der Univ. T¨ubingen war D. 1898-1915 in der w¨urttembergischen Finanz-, Zoll- und Steuerverwaltung t¨atig und kam 1916 als Referent an das Reichsschatzamt in Berlin. 1918-24 war er Ministerialrat und Referent f¨ur Landessteuern im w¨urttembergischen Finanzministerium in Stuttgart, wurde anschließend w¨urttembergischer Finanzminister (bis 1942). Daneben war er bis 1934 Mitglied des Reichsrats. D. geh¨orte 1918 zu den Mitbegr¨undern der Deutschnationalen Volkspartei. Er ver¨offentlichte u. a. Das w¨urttembergische Staatswesen in seiner geschichtlichen Entwicklung bis heute (1953). Dehlinger, Ulrich, Physiker, * 6. 7. 1901 Ulm, † 29. 6. 1981 Stuttgart. D. wurde 1925 an der TH Stuttgart mit der Arbeit Kristallstruktur und Doppelbrechung von Rutil und Anatas promoviert und war seit 1939 Prof. am Max-Panck-Institut f¨ur Metallforschung in Stuttgart. Er besch¨aftigte sich mit Problemen der Festk¨orperphysik und untersuchte, welchen Einfluß Kristallbaufehler (vor allem Versetzungen) auf die mechanischen Eigenschaften von Festk¨orpern haben. D. ver¨offentlichte u. a. Gitteraufbau metallischer Systeme (1935), Chemische Physik der Metalle und Legierungen (1939), Grundbegriffe der Physik (1949) und Theoretische Metallkunde (1955). Dehm, Ferdinand, o¨ sterr. Architekt, * 27. 8. 1846 Wien, † 26. 3. 1923 Wien. D. war nach dem Studium beim Wiener Hofbaumeister → Oelzelt t¨atig und wurde anschließend Bauleiter bei der Wiener Baugesellschaft. Als Baumeister der Firma Dehm & Olbricht errichtete er u¨ ber 100 Villen und Wohnh¨auser, verschiedene H¨ausergruppen und o¨ ffentliche Bauten (darunter den Erweiterungsbau des Franz-Josefs-Bahnhofs); 1883 leitete er den Umbau des Jagdschlosses Mayerling f¨ur Kronprinz → Rudolf. D. war 1886-95 Mitglied der liberalen Fraktion im Wiener Gemeinderat und 1887 Obmannstellvertreter der Rathausbaukommission. C AKL

Dehm, Richard, Pal¨aontologe, * 6. 7. 1907 N¨urnberg, † 20. 3. 1996 N¨urnberg. D., Sohn eines Metzgers, studierte Geologie und Pal¨aontologie an den Universit¨aten Erlangen und M¨unchen, wurde 1930 promoviert (Geologische Untersuchungen im Ries. Das Gebiet des Blattes Monheim) und habilitierte sich ¨ 1935 (Uber terti¨are Spaltenf¨ullungen im Fr¨ankischen und Schw¨abischen Jura). 1932-36 Assistent, 1938-41 Konservator an der Bayerischen Staatssammlung f¨ur Pal¨aontologie und historische Geologie in M¨unchen, wurde er 1941

Dehmlow a. o. Prof. in Straßburg und war 1946-50 Lehrbeauftragter und Hauptkonservator an der Univ. T¨ubingen. 1950-76 war er o. Prof. der Pal¨aontologie und historischen Geologie an der Univ. M¨unchen sowie Direktor der Bayerischen Staatssammlung f¨ur Pal¨aontologie und historische Geologie. D., Mitglied der Bayerischen und korrespondierendes Mit¨ glied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, besch¨aftigte sich mit der Geologie S¨uddeutschlands, insbesondere dem Ries und den fossilen S¨augetierfaunen. Er ver¨offentlichte u. a. Die Raubtiere aus dem Mittel-Mioc¨an (Burligalium) von Wintershof-West bei Eichst¨att in Bayern (1950), Die mitteleoc¨anen S¨augetiere von Ganda Kas bei Basal in Nordwest-Pakistan (1958) und Pal¨aontologische Untersuchungen im Terti¨ar von Pakistan (4 Bde., 1958-64). C Jb BAW 1996

Dehmel, Ida, geb. Coblenz, gesch. Auerbach, Pseud. Coba Lenz, I. S. I., Schriftstellerin, * 14. 1. 1870 Bingen, † 29. 9. 1942 Hamburg. Die Tochter eines Kommerzialrats und Weingutsbesitzers war seit ihrer Jugend mit Stefan → George bekannt. Gegen ihren Willen mit einem Kaufmann verheiratet, verkehrte sie seit 1895 in Berliner K¨unstlerkreisen um Detlev von → Liliencron und Karl → Wolfskehl und lebte seit 1899 mit Richard → D. zusammen, den sie 1901 in zweiter Ehe heiratete. Seit 1901 gemeinsam in Hamburg ans¨assig, wo u. a. Henry van den → Velde und Harry Graf → Kessler zu ihrem Freundeskreis z¨ahlten, engagierte sich D. in der Frauenbewegung und trat f¨ur publizistisch, in verschiedenen Verb¨anden und als Mitglied der Nationalliberalen Partei f¨ur das Frauenstimmrecht ein; 1918 schloß sie sich der Deutschen Volkspartei an. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete sie als Perlwirkerin, machte sich um die Verwaltung des Nachlasses von Richard D. verdient und gab u. a. Richard Dehmel. Ausgew¨ahlte Briefe (1923) heraus. 1926 gr¨undete ¨ sie die Gemeinschaft Deutscher und Osterreichischer K¨unstlerinnen und Kunstfreunde, die sie bis zu ihrem erzwungenen R¨ucktritt 1933 leitete. Nach Erhalt des Deportationsbefehls in das Ghetto Litzmannstadt (Ł´od´z) beging D. Selbstmord. Ihr Nachlaß enth¨alt das Manuskript des autobiographischen Romans Daja in zwei Fassungen (1925 und 1939). 1983 erschien Stefan George / Ida Coblenz: Briefwechsel (hrsg. von Georg P. Landmann und Elisabeth H¨opker-Herberg). C Lex dt-j¨ud Autoren Dehmel, Paula, geb. Oppenheimer, Schriftstellerin, * 31. 10. 1862 Berlin, † 8. 7. 1918 Berlin. Die Tochter des Predigers der j¨udischen Reformgemeinde in Berlin und Schwester Carl und Franz → Oppenheimers war in erster Ehe 1889-99 mit Richard → D. verheiratet und arbeitete – auch nach der Scheidung – gemeinsam mit ihm an Kinderb¨uchern (Fitzebutze, 1900). D. verfolgte die Idee einer Dichtung aus dem Blickwinkel des Kindes; sie schrieb Gedichte (u. a. Rumpumpel, 1903, Neudr. 1987), ver¨offentlichte M¨archen, Geschichten und Spiele und war 1915-17 Herausgeberin und Mitautorin von „Meidinger’s Kinderkalender“. C Lex dt-j¨ud Autoren Dehmel, Richard (Fedor Leopold), Schriftsteller, * 18. 11. 1863 Wendisch-Hermsdorf (Mark Brandenburg), † 8. 2. 1920 Blankenese (heute zu Hamburg). D., Sohn eines F¨orsters und einer Abteilungsleiterin in einem Modehaus, studierte Naturwissenschaften und Philosophie an den Universit¨aten Berlin und Leipzig (Promotion 1887) und wurde Sekret¨ar beim Zentralverband Deutscher Privater Feuerversicherungen in Berlin. Daneben schrieb er Gedichte, zum Teil gemeinsam mit seiner ersten Frau Paula → D., mit der er 1889-98 verheiratet war. Seit 1891 trat er ¨ mit Lyrikb¨anden an die Offentlichkeit und wurde mit der Sammlung Aber die Liebe (1893) erstmals einem breiten

Publikum bekannt. D. litt zunehmend unter der Doppelexistenz als b¨urgerlicher Angestellter und Schriftsteller; 1895 gab er seine abh¨angige Erwerbst¨atigkeit auf. Im selben Jahr gr¨undete er gemeinsam mit Otto Julius → Bierbaum, Julius → Meier-Graefe und Eberhard von → Bodenhausen die Kunstzeitschrift „Pan“. Aus einer zun¨achst brieflich und anonym ausgetragenen literarischen Kontroverse entstand bald eine leidenschaftliche Beziehung D.s zu Ida Auerbach, die zur Trennung von seiner Familie und erneuten Verheiratung 1901 f¨uhrte. Ihren literarischen Niederschlag fand die famili¨are Katastrophe in Zwei Menschen. Roman in Romanzen (1903), einem herausragenden Werk des literarischen Jugendstils. D. f¨orderte auf dem H¨ohepunkt seines verg¨anglichen literarischen Ruhms zahlreiche junge Schriftsteller, darunter → Rilke, Thomas → Mann und Hermann → Hesse. Nach dem Tod seines Freundes Detlev von → Liliencron 1909 gab er dessen literarischen Nachlaß heraus und bereitete Ausgaben seiner Werke und Briefe vor. Er war an der Gr¨undung (1912) der Kleist-Stiftung sowie der weiteren Betreuung ihrer F¨ordermittel beteiligt. D. geh¨orte f¨unfzigj¨ahrig zu den Kriegsfreiwilligen des Ersten Weltkriegs und beendete damit abrupt sein gesellschaftliches Leben in Blankenese sowie die Reisen und Hochgebirgstouren mit seiner Frau. Sein erster großer Theatererfolg, Die Menschenfreunde (1917), zeigt D.s Verbindung zum literarischen Expressionismus und sein soziales Engagement. C Killy ¨ Dehmel, Walter, Schriftsteller, Ubersetzer, * 9. 5. 1903 Berlin, † 20. 6. 1960 Sch¨oneiche bei Berlin. Der Sohn eines M¨obeltischlers wurde in einer Metallwarenfabrik ausgebildet und war nach l¨angerer Arbeitslosigkeit u. a. als Notenschreiber, Registraturgehilfe und Beh¨ordenangestellter t¨atig. Daneben ver¨offentlichte D., seit 1920 Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend, seit 1922 der SPD, in der Arbeiterpresse seit 1928 vor allem Gedichte und Erz¨ahlungen. Nach der Entlassung aus dem Berliner Magistratsdienst 1933 arbeitete er als Einrichter und Mechani¨ ker. Seit 1946 war D. als freier Schriftsteller und Ubersetzer skandinavischer Literatur (vor allem von Werken von Hans Scherfig und Hilmar Wulff) t¨atig und ver¨offentlichte meist liedhafte, an der Arbeiterlyrik orientierte Gedichte (u. a. Aus der Wirrnis dieser Zeit. Gedichte und Lieder eines Arbeiterdichters, 1947). Postum erschien 1963 eine Auswahl seiner Gedichte unter dem Titel Großstadtperipherie. C DLL, 20. Jh.

Dehmel, Willy (Wilhelm Walter), Textdichter, * 26. 2. 1909 Berlin, † 15. 6. 1971 Bad Wiessee. D. studierte an der Univ. Berlin Theaterwissenschaft, nahm Schauspielunterricht und war als Pianist in Stummfilmkinos und Tanzkapellen t¨atig. Seit 1931 schrieb er, oft in Zusammenarbeit mit seinem Vetter Franz → Grothe, Texte zu Schlagern und Filmmusiken. 1942-45 war D. Abteilungsleiter bei der Reichsrundfunk GmbH in Berlin; 1950 wurde er Mitglied des Aufsichtsrats der GEMA. Er schrieb u. a. Man kann sein Herz nur einmal verschenken (1939), Wenn ein junger Mann kommt (1941), In der Nacht ist der Mensch nicht gern allein (1944) und Ich z¨ahl’ mir’s an den Kn¨opfen ab (1952).

Dehmlow, Herta, S¨angerin, * 26. 4. 1877 K¨onigsberg, † nach 1947. Zun¨achst von ihrer Mutter, einer Konzerts¨angerin und Gesangslehrerin in K¨onigsberg, ausgebildet, studierte D. sp¨ater am Sternschen Konservatorium in Berlin u. a. bei Mathilde → Mallinger und war seit 1900 als Konzert-, Oratorienund Lieders¨angerin (Altistin) auf Gastspielreisen unterwegs. 1909 wurde sie zu den Bayreuther Festspielen eingeladen und deb¨utierte auf der Opernb¨uhne als Erda im Ring des Nibelungen. Besonders in den zwanziger Jahren feierte sie

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Dehms große Erfolge als Konzerts¨angerin in den deutschen Musikzentren und bereiste das europ¨aische Ausland. Ihre Tourneen f¨uhrten sie u. a. nach Norwegen (1922), ins Baltikum (1923), in die Niederlande (1924), nach Stockholm und Wien (1925) sowie nach Paris und London (1927). Daneben unterrichtete sie als Gesangslehrerin in Berlin, zun¨achst am Sternschen Konservatorium und seit 1925 an der Staatlichen Akademie f¨ur Schul- und Kirchenmusik. C Kutsch

Dehms, Alexander, Politiker, * 15. 12. 1904 Karolinenhof bei Berlin, † 20. 9. 1979 Berlin. Seit 1919 Mitglied des Deutschen Metallarbeiterverbandes, war D. 1923-25 Mitglied der SPD und der Sozialistischen Arbeiterjugend. 1925 trat er in den Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) ein und wurde 1933 Vertriebsleiter der Zeitschrift „Zeit im Blick“, die 1935 von den Nationalsozialisten verboten wurde. 1933 verhaftet und zu mehrmonatiger Haft verurteilt, wurde D. 1937 Bezirksleiter Nord des Kampfbundes. 1938 erneut verhaftet und zu zehn Jahren Haft verurteilt, wurde er 1945 aus dem Zuchthaus Brandenburg-G¨orden befreit. 1946 / 47 durchlief er eine Ausbildung zum Bibliothekar und leitete 1949-69 das Bibliotheksamt in Kreuzberg (Berlin). 1951-67 geh¨orte M., seit 1945 Mitglied der SPD, dem Berliner Abgeordnetenhaus an. 1974 wurde er zum Stadt¨altesten von Berlin erkl¨art. C Widerstand

Dehn, G¨unther (Karl), evang. Theologe, * 18. 4. 1882 Schwerin, † 17. 3. 1970 Bonn. D., Sohn eines h¨oheren Postbeamten, studierte Philologie und Theologie an den Universit¨aten Halle, Bonn und Berlin und wurde 1908 Domhilfsprediger, 1909 Inspektor des Domkandidatenstifts und 1911 Pfarrer in Berlin. Er bem¨uhte sich um die proletarische Großstadtjugend, war 1920-22 Mitglied der SPD und engagierte sich im „Bund religi¨oser Sozialisten“, wandte sich jedoch unter dem Eindruck der Theologie Karl → Barths wieder vom religi¨osen Sozialismus ab. Berufungen auf Professuren der praktischen Theologie in Heidelberg und Halle l¨osten 1930 / 31 Proteste der politischen Rechten und Agitation nationalsozialistischer Studenten aus; D. wurde 1932 beurlaubt und nach der Macht¨ubernahme durch die Nationalsozialisten entlassen. Er wurde Hilfsprediger in Berlin-Sch¨oneberg, theologischer Referent der Bekennenden Kirche und lehrte 1936-41 an der Kirchlichen Hochschule in Berlin. 1941 wurde er wegen verbotener Lehrund Pr¨ufungst¨atigkeit verhaftet. 1942-45 war er Pfarrverweser in Ravensburg, 1946-54 o. Prof. der praktischen Theologie an der Univ. Bonn. D. ver¨offentlichte u. a. Proletarische Jugend. Lebensgestaltung und Gedankenwelt der großst¨adtischen Proletarierjugend (1929, 31933), Die zehn Gebote und der christliche Glaube, f¨ur Kinder erkl¨art (1939) und Die alte Zeit, die vorigen Jahre. Lebenserinnerungen (1962). C TRE Dehn, Max (Wilhelm), Mathematiker, * 13. 11. 1878 Hamburg, † 27. 6. 1952 Black Mountain (North Carolina, USA). Nach der Promotion bei David → Hilbert an der Univ. G¨ottingen 1900 mit der Arbeit Die Legendre’schen S¨atze u¨ ber die Winkelsumme im Dreieck wurde D., Sohn eines Arztes, Assistent an der TH Karlsruhe und habilitierte sich 1901 an der Univ. M¨unster. 1911 folgte er einem Ruf als a. o. Prof. an die Univ. Kiel und war 1913-21 o. Prof. an der TH Breslau, seit 1921 o. Prof. der reinen und angewandten Mathematik an der Univ. Frankfurt / Main. 1935 von den Nationalsozialisten entlassen, unternahm er Vortragsreisen durch Europa, wurde nach der „Reichskristallnacht“ 1938 verhaftet und floh 1939 u¨ ber Schweden nach Norwegen, wo er Dozent an der TH Trondheim wurde. Nach der deutschen Annexion Norwegens 1940 emigrierte er in die USA, wurde 1941

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a. o. Prof. der Mathematik und Philosophie an der University of Idaho in Pocatello, war 1942 / 43 Gastprofessor am Illinois Institute of Technology in Chicago und 1943 / 44 Tutor am St. John’s College in Annapolis, Maryland. 1945-52 lebte er als Prof. der Mathematik und Philosophie am Black Mountain College in North Carolina. D.s Forschungen besch¨aftigten sich mit Grundlagenfragen der Geometrie, der Topologie und der Gruppentheorie. Er ver¨offentlichte u. a. Die Grundlegung der Geometrie in historischer Entwicklung (1926), ¨ Uber die geistige Eigenart des Mathematikers (1928) und Moritz Pasch (1931). C NDB

Dehn, Siegfried (Wilhelm), Bibliothekar, Musiktheoretiker, * 24. 2. 1799 Altona (heute zu Hamburg), † 12. 4. 1858 Berlin. D., dessen Vater Kaufmann, sp¨ater Bankier in Altona war, erhielt seinen ersten Musikunterricht durch Paul Wineberger, studierte Rechtswissenschaften an der Univ. Leipzig und bildete sich daneben u. a. in Musiktheorie aus. In Leipzig stand er mit angesehenen Musikern in Kontakt und war selbst ein vielbesch¨aftigter Cellist. 1823 siedelte er nach Berlin u¨ ber, wurde der schwedischen Gesandtschaft zugeteilt und trieb Privatstudien in der Bibliothek des Musikgelehrten Georg P¨olchau. D. war mit Ludwig → Berger und Bernhard → Klein befreundet. 1830 nach dem Zusammenbruch des v¨aterlichen Unternehmens pl¨otzlich mittellos, wurde er Musiklehrer; zu seinen Sch¨ulern z¨ahlten Peter → Cornelius und Anton Rubinstein. Auf zahlreichen Reisen entdeckte er seltene und wertvolle Musikalien, wurde 1842 Kustos der Berliner Musikaliensammlung, 1849 Prof. und lehrte seit 1850 an der Akademie der K¨unste. D. redigierte 1842-49 die Zeitschrift „C¨acilia“, seit 1849 die B¨ande 15 bis 23 der Instrumental-Werke → Bachs f¨ur die Petersausgabe (Œuvres complets) und schrieb u. a. eine Theoretisch-praktische Harmonielehre (1840, 21860). C MGG Dehn-Rothfelser, Hans, Beamter, * 1500 Wittenberg, † 13. 6. 1561 Dresden. D.-R. war der Sohn eines kurs¨achsischen Rats und lebte nach einer wissenschaftlichen und h¨ofischen Erziehung sowie einer Kavaliersreise seit den dreißiger Jahren am Hof Herzog → Georgs des B¨artigen in Dresden. 1539 wurde er Waffen- und Oberr¨ustmeister, 1541 Forstmeister in Dresden und Amtmann in Radeberg, Senftenberg und Lausnitz, 1546 Oberbaumeister. 1548 / 49 besuchte er den Hof Christians III. in Kopenhagen; 1554 erwarb er vom s¨achsischen Kurf¨ursten 1554 Gut Sch¨onfeld mit Helfenberg bei Dresden. Im selben Jahr war D.-R. Befehlshaber der Harnischkammer, Pr¨ufer der Wildsch¨aden in den Forsten und Bauaufseher kurf¨urstlicher Bauten. Er war Bauleiter bei der Neubefestigung AltDresdens, beim Um- und Neubau des Dresdner Residenzschlosses und etlicher anderer Schl¨osser in der Umgebung. C AKL

Dehne, August, o¨ sterr. Unternehmer, * 17. 1. 1796, † 12. 10. 1875 H¨utteldorf (heute zu Wien). D. erlernte in der elterlichen Konditorei in Wien den Beruf des Zuckerb¨ackers, leitete das Unternehmen seit dem Tod des Stiefvaters 1826 gemeinsam mit seiner Mutter, seit 1832 allein und erwirtschaftete daraus ein betr¨achtliches Verm¨ogen, das er in H¨utteldorf in Grundbesitz umwandelte. Er belieferte das B¨uffet des Burgtheaters, wurde Hoflieferant und verkaufte 1857 das Unternehmen. D. war 1812-15 Kadettfeldwebel und wurde 1848 Hauptmann einer Gardekompanie. Als Mitglied der liberalen Mittelpartei geh¨orte er 1863-71 dem Wiener Gemeinderat an.

Dehne, Christoph, Bildhauer, * 1580 / 85, † nach 1640 Magdeburg. ¨ D. war Lehrling des aus Uberlingen nach Magdeburg eingewanderten Bildhauers Sebastian → Ertle und kam auf seiner

Deichmann Wanderschaft zu Hans → Morinck in Konstanz und vermutlich nach Italien. 1605 / 06 arbeitete er gemeinsam mit Ertle an einem Auftrag f¨ur den Halberst¨adter Dom und war 1607 am B¨uckeburger Schloß, anschließend mit Ertle an Epitaphien im Dom zu Magdeburg t¨atig. Seit 1610 hatte er eine eigene Werkstatt, in der er Gesellen besch¨aftigte; seit 1618 war er B¨urger von Magdeburg. D. gilt als Begr¨under des Manierismus in der Bildhauerei; seine Arbeiten zeigen eine Verbindung zwischen Sp¨atgotik und Fr¨uhbarock und weisen Ornamente im sogenannten Knorpelstil auf. C AKL

Dehne, Robert, o¨ sterr. Chirurg, * 30. 11. 1876 Wien, † 18. 2. 1936 Wien. D. studierte an den Universit¨aten Wien und K¨onigsberg, wurde nach der Promotion 1900 in Wien Volont¨ararzt Hermann → Nothnagels an der dortigen I. Medizinischen Universit¨atsklinik und bildete sich bei Carl → Gussenbauer an der II. Chirurgischen Universit¨atsklinik zum Chirurgen aus. 1903-11 war er Sekundararzt Theodor → Escherichs an der Universit¨ats-Kinderklinik im St.-Anna-Kinderspital und u¨ bernahm 1905 die Leitung des von Escherich gegr¨undeten Vereins „S¨auglingsschutz“. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Kriegsspitals Grinzing, war er 1921-30 als f¨uhrendes Mitglied des Vereins „S¨auglings- und Kinderf¨ursorge“ vorwiegend mit sozialp¨adiatrischen Aufgaben befaßt. Seit 1933 war D. Primarius der S¨auglings- und Chirurgischen Abteilung sowie Direktor des St.-Anna-Kinderspitals. Er war Mitglied der Gesellschaft f¨ur Innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien.

Dehnel, Erich, Chemiker, Unternehmer, * 8. 12. 1870 Kattowitz (Oberschlesien), † 4. 4. 1938 Berlin-Dahlem. Nach dem Chemiestudium an der Univ. Breslau, das er 1901 ¨ mit der Promotion abschloß (1. Uber α’-Phenyl-α-Stilbazol und α-Phenyl-α-o-Stilbazol. 2. Einwirkung von Brom auf β-Picolin), arbeitete D. bei der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF) in Ludwigshafen / Rhein, wo er sich mit der Stickstoffgewinnung aus Luft sowie mit der synthetischen Benzingewinnung, vor allem aber mit der Kohlehydrierung befaßte. Seine Leistung als Unternehmer dokumentiert sich im Aufbau des 1916 gegr¨undeten und 1917 er¨offneten Leuna-Werks bei Merseburg, dessen erster Direktor er wurde. Seinen Ruhestand verbrachte D. in Berlin-Dahlem.

Dehnert, Max, Komponist, * 11. 2. 1893 Freiberg (Sachsen), † 22. 9. 1972 Leipzig. D. besuchte 1908-14 das Lehrerseminar in Zschopau und studierte 1919-23 Dirigieren und Komposition bei Joseph Gustav → Mraczek in Dresden. Als Lehrer, Dirigent, Komponist und Musikschriftsteller in Freiberg t¨atig, ging er 1936 nach Leipzig, wo er 1948-61 Schulmusik und Musiktheorie an der Hochschule f¨ur Musik „Felix Mendelssohn Bartholdy“ unterrichtete, seit 1952 als Professor. D. komponierte zwei Opern (Meier Helmbrecht, 1932; Der Rebell, 1957), zwei Symphonien, acht Streichquartette und Vokalmusik. Er schrieb den Roman Anton M¨ollenthin. Geschichte eines Arbeiters (1939) sowie Erz¨ahlungen und Gedichte. Als Musikschriftsteller ver¨offentlichte er Das Weltbild Johann Sebastian Bachs (1948, 21949) und Anton Bruckner. Versuch einer Deutung (1959). 1963 erhielt D. den Kunstpreis der Stadt Leipzig. Dehnkamp, Willy, Politiker, * 22. 7. 1903 Hamburg, † 12. 11. 1985 Bremen. D. besuchte neben einer Schlosserlehre die Volkshochschule, trat 1920 in den Deutschen Metallarbeiterverband, in die SPD und in die Sozialistische Arbeiterjugend ein und wurde 1925 Angestellter des Hamburger SPD-Parteib¨uros. 1928-33 Parteisekret¨ar im Unterbezirk

Vegesack-Blumenthal-Osterholz, war er auch Kreis- und Gemeinderat und Abteilungsleiter im Reichsbanner „SchwarzRot-Gold“. D. wurde 1933 in Schutzhaft genommen, leitete 1933 / 34 die illegale Organisation von SPD und Reichsbanner in Bremen Nord und wurde wegen „Neubildung politischer Parteien“ zu mehrj¨ahriger Haft verurteilt. Nach seiner Entlassung Schlosser, sp¨ater Soldat, wurde er 1949 Ortsamtsleiter, 1951 Mitglied der Bremer B¨urgerschaft und Bildungssenator. 1963 Zweiter B¨urgermeister von Bremen, engagierte er sich besonders f¨ur den „Zweiten Bildungsweg“ und die Gr¨undung der Univ. Bremen. Seit 1965 Senatspr¨asident, zog er sich nach den B¨urgerschaftswahlen 1967 aus der Politik zur¨uck. D. schrieb u. a. Kulturbedarf und Kulturpolitik (1963).

Dehnke, Reinhold, Bergwerksdirektor, * 18. 4. 1864 Strelno (Prov. Posen), † 13. 12. 1941 Berlin. Der Gutsbesitzersohn studierte an der Univ. Berlin und den Bergakademien dort und in Clausthal, wo er 1889 das Bergreferendarexamen ablegte. 1894 wurde er Gewerbeinspektions-Assistent in Duisburg, 1900 Berginspektor in Saarbr¨ucken und noch im selben Jahr Bergwerksdirektor der Gewerkschaft Friedrich der Große in Herne. 1908 u¨ bernahm er als Generaldirektor die Leitung der Gewerkschaft Graf Bismarck in Gelsenkirchen, 1925-33 geh¨orte er dem Vorstand der Gesellschaft an. Daneben war er Mitglied mehrerer Aussch¨usse des Rheinisch-Westf¨alischen Kohlensyndikats sowie einiger Beir¨ate von Erwerbsgesellschaften des Dea-Konzerns. C Nekrologe Industrie

Deibel, Joseph, auch Deubel, Bildhauer, * 29. 1. 1716 Grafendorf bei Graz, † 1793 Dresden. Der Sohn armer Landleute erlernte autodidaktisch das Tischlerhandwerk und bildete sich vier Jahre lang in der Werkstatt Matthias Kuglers in M¨unchen aus, dem er vermutlich 1741 ¨ nach Dresden folgte. 1743 mit Johann August → Nahl d. A. an der Innenausstattung des Berliner Opernhauses und des Schlosses Charlottenburg t¨atig, ließ er sich anschließend in Dresden nieder und schuf um 1748 die Innenausstattung der kath. Hofkirche. D. erhielt 1752 den Titel eines Hofgaleriebildhauers und war haupts¨achlich mit der Herstellung von Rahmen f¨ur die Gem¨aldegalerie (insgesamt um 400 St¨uck) befaßt. Daneben entstanden u. a. holzgeschnitzte Innendekorationen f¨ur die Schl¨osser des Grafen → Br¨uhl in Nischwitz, Pf¨orten und Warschau sowie Kanzel, Altar und Orgel f¨ur die Kirche in Prausnitz bei Riesa. D. gilt als wichtigster Holzbildhauer des Rokoko in Dresden. C AKL

Deichgr¨aber, Karl, Klassischer Philologe, * 10. 2. 1903 Aurich (Ostfriesland), † 16. 12. 1984 Bovenden bei G¨ottingen. D. studierte Klassische Philologie, Germanistik und Philosophie an den Universit¨aten G¨ottingen, Berlin und M¨unster. 1931 habilitierte er sich an der Univ. Berlin, ging 1935 als a. o. Prof. nach Marburg und wurde 1938 o. Prof. der Klassischen Philologie in G¨ottingen. D. war seit 1939 Mitglied der Akademie der Wissenschaften in G¨ottingen und seit 1949 der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Er ver¨offentlichte u. a. Die griechische Epikerschule (1930, 21965), Die Epidemien und das Corpus Hippocraticum (1933, 21971), Eleusinische Fr¨ommigkeit und homerische Vorstellungswelt im homerischen Demeterhymnus (1950), Der listensinnende Trug des Gottes. Vier Themen des griechischen Denkens (1952), Der hippokratische Eid (1955, 31972) und Parmenides’ Auffahrt zur G¨ottin des Rechts (1958). Deichmann, Christoph, auch Deichman, Diplomat, * 1576 Steinfurt, † 1648 Hamburg. D. studierte an den Universit¨aten K¨oln, Wittenberg und Marburg, bereiste Frankreich und Italien und wurde bald nach

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Deichmann seiner Promotion zum Dr. jur. 1605 Prof. in Marburg. Er war Kanzler beim Grafen von Lippe und Vizepr¨asident des Hofgerichts, wurde schwedischer Gesandter im Westf¨alischen Kreis, Kanzler beim Herzog von Mecklenburg und hessischer Gesandter in Hamburg. 1637 nahm ihn die „Fruchtbringende Gesellschaft“ unter dem Namen „Der Lautere“ in ihren Kreis auf. Er schrieb u. a. Carmina gratulatoria [. . .] (1605).

Deichmann, Friedrich Wilhelm, Arch¨aologe, * 17. 12. 1909 Jena, † 13. 9. 1993 Hamburg. D. widmete sich seit seiner Dissertation (Versuch einer Darstellung der Grundrisstypen des Kirchenbaus in fr¨uhchristlicher und byzantinischer Zeit, 1934) der christlichen und byzantinischen Kunstgeschichte. Neben seiner T¨atigkeit als wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Arch¨aologischen Instituts in Rom wirkte er als Honorarprofesor in Bonn und an der Facolt`a Valdese in Rom. Sein wissenschaftliches Œuvre umfaßt nahezu alle Bereiche der Christlichen Arch¨aologie. Er ver¨offentlichte wichtige Aufs¨atze zu Bauplastik, Bildniskunst, Inschriften, Keramik, Malereien und Mosaiken. Einen Schwerpunkt seines Forschens bildeten jedoch bauhistorische Fragestellungen (Studien zur Architektur Konstantinopels, 1956). Als sein bedeutendstes Werk gilt eine mehrb¨andige Arbeit u¨ ber die fr¨uhchristlichen Kirchen und Mosaiken von Ravenna; den Band Mythos und klassische Form in der sp¨atantiken Kunst konnte er nicht mehr zum Abschluß bringen. C Jb BAW 1993

Deichmann, Karl, Gewerkschafter, Politiker, * 5. 10. 1863 Uslar, † 21. 2. 1940 Bremen. Der Halbwaise D., Sohn eines Schneidermeisters, erlernte mit elf Jahren den Beruf des Zigarrenmachers, kam auf der Wanderschaft nach Bremen, trat in Hastedt in eine Zigarrenfabrik ein und engagierte sich im „Unterst¨utzungsverein deutscher Tabakarbeiter“, dessen Erster Bevollm¨achtigter er 1892 wurde. Seit 1900 Vorsitzender des „Deutschen Tabakarbeiterverbandes“, erwirkte er erste Tarifvertr¨age f¨ur die Branche und war 1925-28 Pr¨asident der „TabakarbeiterInternationalen“; 1898-1904 geh¨orte er als Arbeitnehmervertreter dem Gewerbegericht Bremen an. D. war 1912-18 Mitglied der SPD-Fraktion im Deutschen Reichstag, seit 1916 Vorsitzender der Bremer SPD, wurde 1919 in die Nationalversammlung gew¨ahlt und von Gustav → Noske mit der Aufsicht u¨ ber die Milit¨araktion zur Niederschlagung der R¨ateherrschaft in Bremen betraut. Danach Chef der Exekutive, wurde er noch im gleichen Jahr B¨urgermeister und Senatspr¨asident. D. war 1920-28 Mitglied der Bremer B¨urgerschaft, 1928-31 des Senats. D. ver¨offentlichte Ergebnisse einer im Jahre 1900 vom Deutschen Tabakarbeiter-Verband veranstalteten Enquete (1902). C Brem Bio 2 Deichmann, Wilhelm Ludwig, Bankier, * 3. 8. 1798 Rodenberg / Deister, † 23. 11. 1876 Mehlem / Rhein. Nach einer kaufm¨annischen Lehre (seit 1815) in Bremen trat D., dessen Vater B¨urgermeister und Amtsrichter in Rodenberg war, 1818 in das Bankhaus Abraham Schaaffhausens ein, das zu dieser Zeit das f¨uhrende Handels- und Bankhaus K¨olns war. Er stieg rasch in verantwortungsvolle Positionen auf und u¨ bernahm nach seiner Heirat mit einer Tochter Schaaffhausens 1830 die Gesamtleitung des Unternehmens. Seit der Umwandlung in eine Aktienbank 1848 einer von drei Direktoren des A. Schaaffhausenschen Bankvereins, verließ D. 1858 das Unternehmen, das unter seiner Leitung zum f¨uhrenden Finanzinstitut Nordwestdeutschlands geworden war, und gr¨undete gemeinsam mit Adolph vom Rath das Bankhaus „Deichmann & Co.“ in K¨oln. Als Initiator bzw. Berater war er an fast allen f¨uhrenden Unternehmungen der westdeutschen Schwer-, Eisen- und Maschinenindu-

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strie beteiligt. Als Bankier betreute er mehrere Ruhrzechen, s¨amtliche Stinnes-Unternehmen, die rheinische Textil- und C NDB Zuckerindustrie sowie den Roheisenhandel.

Deichsel, Adolf, Industrieller, * 25. 7. 1823 Z¨ulz (Oberschlesien), † 20. 11. 1893 Zabrze (Oberschlesien). Der Sohn eines Schneiders erlernte den Seilerberuf, stellte Seile aus Eisendraht her und gr¨undete 1855 eine Fabrik in Zabrze, die das Stammwerk der oberschlesischen Seilfabrikation wurde. D.s Unternehmen setzte sich als Hauptlieferant von F¨orderseilen f¨ur den oberschlesischen Bergbau durch, stellte Drahtseile f¨ur mehrere Personenschwebebahnen in Deutschland und Italien her und entwickelte sich zum bedeutendsten Unternehmen der Stahldraht- und Drahtseilherstellung in Deutschland. Schwesterwerke in Sosnowitz und Witkowitz entstanden 1882 und 1891. D. war der Vater von Adolf → D. C NDB Deichsel, Adolf, Industrieller, * 3. 8. 1858 Zabrze (Oberschlesien), † 1. 2. 1936 Zabrze. D. absolvierte sein Studium an einem Polytechnikum, erhielt im Betrieb seines Vaters Adolf → D. eine praktische Ausbildung und war anschließend in Draht- und Seilfabriken in England und Belgien t¨atig. Nach dem Tod des Vaters u¨ bernahm er 1893 die Leitung des Unternehmens, gr¨undete 1913 die Draht- und Drahtseilfabrik im ungarischen Miskolc, wandelte den v¨aterlichen Betrieb 1921 in eine Aktiengesellschaft um und wurde deren Aufsichtsratsvorsitzender. D. spezialisierte sich auf die Fabrikation von Dreikantseilen nach einem nach ihm benannten System.

Deichsler, Heinrich, Chronist, * 1430, † 1506 / 07. Aus alteingesessener N¨urnberger B¨urgerfamilie stammend, versah D., von Beruf Bierbrauer, seit 1486 das Amt eines st¨adtischen Armenpflegers. Er stellte eine Kompilation historischer Quellen zur Stadtgeschichte zusammen und vervollst¨andigte sie selbst¨andig. Das Werk stellt f¨ur die historische Volkskunde eine wertvolle Quelle dar. C VL

Deidericus, Georg, evang. Theologe, Schriftsteller, * Tekendorf (Siebenb¨urgen), † nach 1600. D. studierte seit 1587 an der Univ. Straßburg und wurde dort Magister der Philosophie. 1589 reiste er u¨ ber Wien nach Italien, wo er freundschaftliche Kontakte zu Papst Sixtus V. ankn¨upfte, und u¨ bernahm 1591 das Rektorat des evang. Gymnasiums in Hermannstadt. 1593 wurde er von der wegen seiner Kontakte zum Katholizismus erhobenen Anklage der Apostasie freigesprochen, u¨ bernahm im folgenden Jahr von seinem Vater das Pfarramt in Tekendorf, wurde jedoch 1598 aus der Pfarre ausgeschlossen. Als D.’ Hauptwerk gilt Hodoeporicon itineris Argentoratensis [. . .] (1589), ein Reisebericht u¨ ber seinen Studienweg von Siebenb¨urgen nach Straßburg, der u¨ ber humanistische St¨adteund Landschaftspoesie hinaus Z¨uge der barocken Abenteuerliteratur aufweist. C Trausch Deiker, Carl Friedrich, Maler, * 3. 4. 1836 Wetzlar, † 19. 3. 1892 D¨usseldorf. Der Sohn Friedrich → D.s erhielt seine k¨unstlerische Ausbildung bei seinem a¨ lteren Bruder Johannes → D. in Braunfels sowie an der Zeichenakademie in Hanau, studierte seit 1858 an der Kunstakademie in Karlsruhe u. a. bei Johann Wilhelm → Schirmer und bezog dort 1861 ein eigenes Atelier. D. ging 1864 nach D¨usseldorf und beschickte seit 1870 die großen Kunstausstellungen in Berlin, Dresden, M¨unchen, D¨usseldorf und Hannover. Er war Mitarbeiter u. a. der „Gartenlaube“ und illustrierte Sachb¨ucher. Seine Tier- und Jagdbilder bereicherten die deutsche Tiermalerei um Elemente der altniederl¨andischen Tradition (u. a. Verfolgter Edelhirsch, 1868). C AKL

Deinhard-Deinhardstein Deiker, (Christian) Friedrich, Maler, * 18. 3. 1792 Hanau, † 14. 5. 1843 Wetzlar. D., Sohn eines Gymnasialkonrektors, besuchte seit 1807 die Hanauer Zeichenakademie, wurde von Konrad → Westermayr ausgebildet und studierte seit 1810 bei Andreas Range, Julius Eugen Ruhl und Ernst Friedrich Ferdinand Robert an der Akademie in Kassel. Nach mehreren Jahren, die er u¨ berwiegend auf Reisen durch Deutschland und Livland verbrachte, kehrte er 1816 nach Kassel zur¨uck und wurde 1818 Hofmaler des Landgrafen → Friedrich V. von HessenHomburg. Seit 1818 Mitglied der Hanauer Akademie, ging er 1821 als Zeichenlehrer ans Gymnasium nach Wetzlar. Der Vater Johannes und Carl Friedrich → D.s hielt sich 1827 in Paris und 1833 in England auf. Er malte vor allem Portr¨ats (darunter das des Hanauer Oberb¨urgermeisters → Eberhard), Genre- und Historienbilder sowie Stilleben. C AKL

Deiker, Johannes (Christian), Maler, * 27. 5. 1822 Wetzlar, † 23. 5. 1895 D¨usseldorf. Der Sohn Friedrich → D.s erhielt neben dem Besuch der Hanauer Zeichenschule den ersten Kunstunterricht von seinem Vater und studierte seit 1841 bei Jakob → Becker Portr¨at- sowie religi¨ose Historienmalerei am St¨adelschen Institut in Frankfurt / Main. 1843 / 44 als Nachfolger seines Vaters Zeichenlehrer am Wetzlarer Gymnasium, war D. 1844-69 Hofmaler des F¨ursten Ferdinand von Solms, lebte auf dessen Schloß Braunfels und schuf neben Portr¨ats zahlreiche Tierbilder, die er erstmals 1845 in Hannover ausstellte. 1850 / 51 befaßte er sich in Antwerpen mit der niederl¨andischen Bildnismalerei, kehrte auf Schloß Braunfels zur¨uck und zog 1868 zu seinem Bruder Carl Friedrich → D. nach D¨usseldorf. D. malte u. a. Ein Rudel Wildschweine (1854). C AKL

Deilmann, Carl, Unternehmer, * 29. 10. 1866 Marten, † 21. 3. 1936 Dortmund. D. u¨ bernahm nach dem Tod seines Vaters das v¨aterliche Schachtbauunternehmen und gr¨undete zwei Jahre danach in Dortmund eine eigene Firma f¨ur Schachtbau. Die um 1900 angegliederte Tiefbohrabteilung entwickelte sich rasch, arbeitete 1904 bereits mit zehn schweren Tiefbohranlagen und wurde f¨ur Aufschlußbohrungen auf Kohlevorkommen in Westfalen, S¨udholland und Belgien eingesetzt. D. galt unter den Zeitgenossen als einer der besten Tiefbohringenieure, f¨uhrte patentierte Verbesserungen der Bohrtechnik in besonders harten Schichten ein und unternahm erste erfolgversprechende Aufschlußbohrungen im Erd¨olgebiet Celle-Hannover. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor er umfangreiches Maschinenmaterial als Reparationsleistungen an Belgien, nahm den Gefriersch¨achtebau in sein Firmenprogramm auf und entwickelte u. a. schnellaufende AmmoniakKompressoren f¨ur Temperaturen bis minus 50° Celsius. C NDB Deimel, Anton, Jesuit, Theologe, Assyriologe, * 5. 12. 1865 Olpe (Westfalen), † 7. 8. 1954 Rom. D., Sohn eines Gerberei- und Gasthofbesitzers, trat im Anschluß an ein zweij¨ahriges Studium der Philosophie in M¨unster und Rom 1887 in die Gesellschaft Jesu ein und wurde 1900 zum Priester geweiht. Im niederl¨andischen Valkenburg studierte er auch Assyriologie und Sumerologie bei Johann Nepomuk Straßmaier, wurde Prof. der Exegese in St. Buenos und Anagni und war 1909-44 Prof. der Assyriologie am p¨apstlichen Bibelinstitut in Rom. Zu seinen Hauptwerken z¨ahlt das Pantheon Babylonicum (1914). C NDB Deimling, Berthold (Karl Adolf) von, Milit¨ar, * 21. 3. 1853 Karlsruhe, † 3. 2. 1944 Baden-Baden. Seit 1873 Leutnant in einem badischen Regiment, kam D., Sohn eines Garnisonsauditors und Neffe Otto → D.s, sp¨ater

in den Generalstab und wurde 1904 Kommandeur des Feldregiments der Schutztruppe f¨ur S¨udwestafrika, wo er an der Niederschlagung des Herero- und Hottentottenaufstands beteiligt war. 1905 nobilitiert und zum Abteilungsleiter im Großen Generalstab ernannt, erhielt er im folgenden Jahr das Kommando u¨ ber die Schutztruppe in S¨udwestafrika und beendete 1908 den Aufstand durch einen Verst¨andigungsfrieden mit den Eingeborenen. Als Kommandierender General in Straßburg (seit 1913) in die Zabern-Aff¨are verwickelt, nahm D. 1917 nach Differenzen mit der Obersten Heeresleitung seinen Abschied. Er kooperierte nach Kriegsende mit den Arbeiter- und Soldatenr¨aten, schloß sich der Friedensbewegung, 1919 der Deutschen Demokratischen Partei und 1924 dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold an und wurde daraufhin aus den Offiziersverb¨anden ausgeschlossen. 1930 erschienen seine Lebenserinnerungen Aus der alten und der neuen Zeit. C Bad Bio N.F., Bd 2

Deimling, Otto, P¨adagoge, * 10. 9. 1821 Karlsruhe, † 11. 3. 1875 Karlsruhe. Nach einem Studienaufenthalt in England erhielt D., Sohn eines Oberhofpredigers, eine p¨adagogische Ausbildung am Mannheimer Lyzeum, wurde dort 1856 angestellt und wechselte 1860 an das Lyzeum in Karlsruhe. Als Oberschulrat und Referent f¨ur Gelehrtenschulen im neugegr¨undeten gemischtkonfessionellen Oberschulrat des Großherzogtums Baden (seit 1860) f¨orderte er besonders die Gymnasien. Er schuf eine neue Pr¨ufungsordnung sowie neue Lehrpl¨ane und sorgte f¨ur eine gr¨undliche wissenschaftliche Ausbildung der Lehrer. D. schrieb u. a. Die Segnungen der menschlichen Gesellschaft (1873). C NDB Deines, Adolf von, Milit¨ar, * 30. 5. 1845 Hanau, † 17. 11. 1911 Frankfurt / Main. Seit dem Deutsch-Franz¨osischen Krieg 1870 / 71 aktiver Offizier, sp¨ater Regimentsadjutant, wurde D. 1874 zum Großen Generalstab, 1881 zur Grenzregulierung zwischen der T¨urkei und Griechenland kommandiert. 1885 wurde er Milit¨arattach´e in Madrid, 1887 Botschafter in Wien, 1894 Obergouverneur der kaiserlichen Prinzen, 1896 General a` la suite des Kaisers. 1900 folgte die Ernennung zum Generaladjutanten und 1903 zum General der Kavallerie. C Priesdorff, Bd 10 Deinet, Anna (Caroline), verh. Possart, S¨angerin, * 22. 2. 1843 Frankfurt / Main, † 8. 8. 1919 M¨unchen. D. war Sch¨ulerin Elise Seebachs und deb¨utierte als Sopranistin am Opernhaus in Frankfurt / Main; von dort ging sie an das Hoftheater in Wiesbaden. Nach einem Engagement am Stadttheater Bremen hielt sie sich zu einem l¨angeren Gastspiel in M¨unchen auf und wurde schließlich Ensemblemitglied der M¨unchner Hofoper, an der sie bis 1878 auftrat. D. sang u. a. 1865 die Partie der Brang¨ane in Hans von → B¨ulows Urauff¨uhrung von Richard → Wagners Tristan und Isolde. Ihrer Ehe mit dem Schauspieler und Intendanten Ernst von → Possart entstammte eine Tochter Ernestine, die unter dem Pseudonym Ernesta → Delsarta als Operns¨angerin erfolgreich war. C Kutsch Deinhard-Deinhardstein, Johann Ludwig (Friedrich), Pseud. Dr. R¨omer, o¨ sterr. Schriftsteller, * 21. 6. 1794 Wien, † 12. 7. 1859 Wien. D.-D., Sohn eines Advokaten, studierte 1806-10 Rechtswissenschaften und war anschließend bis 1832 beim Zivilund Kammergericht t¨atig. Seit 1811 trat er als Lyriker und ¨ Verfasser von Lustspieleinaktern an die Offentlichkeit und ¨ wurde 1827 Prof. der Asthetik an der Wiener Univ. sowie am Theresianum. 1829-41 nebenberuflich, anschließend bis 1848 als Regierungsrat an der Polizeihofstelle Zensor, redigierte er 1829-49 die „Wiener Jahrb¨ucher der Litteratur“ und verfolgte – trotz der Mitarbeit u. a. von → Goethe

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Deinhardt und den Br¨udern → Grimm – eine patriotisch-restaurative Linie. Als Dramaturg und stellvertretender Direktor des Burgtheaters 1832-41 engagierte er namhafte Schauspieler und f¨uhrte vorwiegend publikumswirksame Schauspiele (u. a. von → Bauernfeld und → Halm) auf. D.-D. schrieb selbst zahlreiche Dramen und gilt als Begr¨under der sogenannten „K¨unstlerlustspiele“. Sein vielgespieltes „dramatisches Gedicht“ Hans Sachs (1827) bildet die Quelle f¨ur Richard → Wagners Oper Die Meistersinger von N¨urnberg. C NDB

Abschluß der Studien und der u¨ blichen Kavalierstour in Altdorf promoviert und habilitierte sich dort f¨ur Philosophie und Jurisprudenz. 1730 wurde er a. o., im folgenden Jahr o. Prof. der Rechte sowie Prof. der Logik, 1738 a. o. Prof. der Institutionen und ordentlicher Beisitzer der Juristenfakult¨at, 1740 Prof. der Pandekten sowie Konsulent der Reichsstadt N¨urnberg. Seit 1744 war er Prof. juris primarius und Senior der Juristenfakult¨at der Univ. Altdorf. D. ver¨offentlichte u. a. Observationes juris miscellae (4 Bde., 1740-46).

Deinhardt, Johann Heinrich, P¨adagoge, * 15. 7. 1805 Niederzimmern bei Weimar, † 16. 8. 1867 Bromberg. D. studierte seit 1825 an der Univ. Berlin Mathematik, Astronomie, Naturwissenschaften, Philologie, Geographie und Philosophie. 1828 kam er als Lehrer an das Gymnasium in Wittenberg, 1844 u¨ bernahm er die Direktorenstelle des Gymnasiums in Bromberg, an dem er u. a. eine neue Disziplinarordnung (1844), eine Vorbereitungsschule (1845) sowie soziale Absicherungen f¨ur Witwen und Waisen einf¨uhrte. D. publizierte theologische, philosophische und p¨adagogische Schriften, darunter Der Gymnasialunterricht nach den wissenschaftlichen Anforderungen der jetzigen Zeit (1837).

Deinlein, Michael von, kath. Theologe, Erzbischof

Deininger, Heinz Friedrich, Archivar, * 18. 11. 1900 Augsburg, † 10. 10. 1972 Augsburg. Nach dem Studium der Staatswissenschaft und der Geschichte an der Univ. M¨unchen war D. 1924-34 Assistent am Fugger-Archiv in Augsburg und wurde anschließend Direktor des Augsburger Stadtarchivs. Er befaßte sich u¨ berwiegend mit S¨uddeutscher Wirtschaftsgeschichte sowie mit der Regional- und Lokalgeschichte Augsburgs und Schwabens. Er war Schriftleiter der „Zeitschrift des Historischen Vereins f¨ur Schwaben“, der „Schw¨abischen Geschichtsquellen“ und der „Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg“. D. publizierte u. a. gesammelte Aufs¨atze unter dem Titel Das reiche Augsburg (1938). Deininger, Julius, o¨ sterr. Architekt, * 23. 5. 1852 Wien, † 15. 8. 1924 Wien. D. studierte Architektur bei Heinrich → Ferstel an der TH Wien und bei Friedrich → Schmidt an der dortigen Akademie der Bildenden K¨unste, war im Baub¨uro des Wiener Cottagevereins sowie seit 1876 im Atelier Friedrich Schmidts t¨atig und wurde 1883 Prof. an der Wiener Staatsgewerbeschule. Er baute zahlreiche Villen und mehrere Wohnh¨auser und plante gemeinsam mit seinem Sohn Wunibald → D. u. a. die Neue Handelsakademie (1908 / 09). 1885-1902 Mitglied, 1894-96 Vorstand des Wiener K¨unstlerhauses, geriet er um die Jahrhundertwende in zunehmende Opposition zu der Gruppierung. D. war Mitarbeiter u. a. der „Allgemeinen Kunst-Chronik“ und publizierte Werke u¨ ber Baukonstruktion. C AKL Deininger, Wunibald, o¨ sterr. Architekt, * 5. 3. 1879 Wien, † 28. 8. 1963 Salzburg. Der Sohn Julius → D.s erhielt seine Ausbildung an der Staatsgewerbeschule sowie bei Viktor → Luntz und Otto → Wagner an der Akademie der bildenden K¨unste, trat um die Jahrhundertwende in das v¨aterliche Architekturb¨uro ein und schuf gemeinsam mit diesem u. a. die Wiener Staatlichtechnische Berufsschule (1909 / 10). 1919-31 unterrichtete er an der Salzburger Gewerbeschule. D. war 1922-26 Mitglied des Hagenbundes. Er wurde o. Prof. der Komposition an der TH Graz und unterrichtete nach dem Zweiten Weltkrieg an der Salzburger Staatsgewerbeschule. C AKL Deinlein, Georg Friedrich, auch Deinlinus, Jurist, * 18. 12. 1696 Altdorf, † 11. 5. 1757 Altdorf. Seit 1711 Student der Philosophie und der Rechtswissenschaft an der Univ. seiner Heimatstadt, wurde D. nach dem

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von Bamberg, * 26. 10. 1800 Hetzles (Oberfranken), † 4. 1. 1875 Bamberg. Der Sohn einer Bauernfamilie studierte am Priesterseminar in Bamberg Philosophie und Theologie und wurde nach der Priesterweihe 1824 dort Domkaplan sowie Subregens des Priesterseminars. Seit 1837 Regens des Priesterseminars und Prof. der Moral- und Pastoraltheologie am Lyzeum, folgte 1841 seine Wahl zum Bamberger Domkapitular. D. war 1841-45 Dompfarrer, danach Generalvikar und Offizial, seit 1853 Weihbischof der Erzdi¨ozese Bamberg. Seit 1856 auch Bischof von Augsburg, wurde er 1858 Erzbischof von Bamberg und als Reichsrat der Krone Bayern nobilitiert. D. nahm am Vatikanischen Konzil 1870 teil und verfolgte zun¨achst eine zur Kurie oppositionelle Richtung. Neben zwei biographischen Schriften ver¨offentlichte er mehrere Hirtenbriefe, zuletzt Christus, unser Lehrer, Vorbild und Richter (1871). C Leb Franken, Bd 4

Deisch, Johann Andreas, Geburtshelfer, * 1713 Augsburg, † 2. H¨alfte 18. Jh. Augsburg (?). D. studierte in Straßburg, wurde dort 1741 mit der Arbeit De necessaria in partu praeternaturali instrumentorum applicatione promoviert und war anschließend Stadtarzt in Augsburg. Seine Entbindungsmethoden mit scharfen Instrumenten verursachten bei zahlreichen Kindern wie auch M¨uttern t¨odliche Verletzungen, ließen ihn unter dem Namen „Kinderund Weibermetzger“ bekannt werden und f¨uhrten zu einem Gerichtsverfahren. Nach dem Urteil von 1761 mußte er sich der Augsburger Hebammen- und Accoucheur-Ordnung sowie den Befehlen der Univ. Helmstedt unterordnen und durfte keine Instrumente mehr ohne Zuziehung eines weiteren Arztes einsetzen. 1766 wurde D., seit 1761 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, zum Dekan des Collegium medicum zu Augsburg und damit zum Pr¨ufer der angehenden Wund¨arzte ernannt. Seine geburtshilflichen Methoden ver¨offentlichte er in der Schrift Kurze und in der Erfahrung gegr¨undete Abhandlung, dass weder die Wendung, noch englische Zange in allen Geburtsf¨allen vor Mutter und Kind sicher gebrauchet, noch durch die scharfen Instrumente g¨anzlich vermieden werden k¨onnen (1754 und 1766). C ADB Deiß, Eugen, Chemiker, * 14. 9. 1875 Stuttgart, † 13. 9. 1949 Berlin. D. schloß die Studien an der TH Stuttgart als Dipl.-Ing. ab, wurde Assistent am Chemischen Laboratorium der dortigen Zentralstelle f¨ur Handel- und Gewerbe und kam als Betriebschemiker zu den Vereinigten Seifenfabriken. Sp¨ater wechselte er in gleicher Funktion in das Chlorkalkwerk der Usines de Produits chimiques im schweizer. Monthey und war 1900-1904 Chemiker am Bochumer Verein. D. wurde 1904 Mitarbeiter des Staatlichen Materialpr¨ufungsamtes in Berlin-Dahlem, wo er 1925 die Leitung der Abteilung f¨ur anorganische Chemie u¨ bernahm. Er war Mitglied der Deutschen Chemischen Gesellschaft sowie des Vereins deutscher Chemiker und publizierte Probenahme und Analyse von Eisen und Stahl (mit Oswald → Bauer, 1912).

Deiters Deißmann, (Gustav) Adolf, evang. Theologe, * 7. 11. 1866 Langenscheid / Lahn, † 5. 4. 1937 W¨unsdorf bei Berlin. D., Sohn eines Pfarrers und Neffe Carl → D.s, studierte seit 1885 Theologie in T¨ubingen und Berlin, besuchte 1889 / 90 das Theologische Seminar in Herborn und wurde 1890 Vikar. 1892 habilitierte er sich an der Univ. Marburg, wurde 1895 Pfarrer und Dozent am Theologischen Seminar Herborn und betreute daneben mehrere Pfarreien. 1897 folgte er einem Ruf als o. Prof. des Neuen Testaments an die Univ. Heidelberg und lehrte 1908-35 als Nachfolger von Bernhard → Weiß an der Univ. Berlin; 1916 wurde er zum Geheimen Konsistorialrat ernannt. D. unternahm zahlreiche Reisen in den Orient und war 1926-28 Mitarbeiter an den Ausgrabun¨ gen in Ephesus, die vom Osterr. Arch¨aologischen Institut durchgef¨uhrt wurden. Seit dem Ersten Weltkrieg trat er besonders durch sein Engagement in der o¨ kumenischen Be¨ wegung an die Offentlichkeit und wurde zur Preußischen Generalsynode delegiert sowie an deutsche evang. Kirchentage und zu Weltkirchenkonferenzen entsandt. Seit 1929 war er Mitglied des o¨ kumenischen Rats f¨ur Praktisches Christentum. D. ver¨offentlichte u. a. Bibelstudien (1895, Nachdr. 1977), Licht vom Osten (1908, 41923) und Paulus (1911, 2 1925). C TRE Deißmann, (Friedrich Jakob Wilhelm) Carl, evang. Theologe, * 16. 11. 1845 Panrod, † 10. 2. 1925 Braunfels. D. studierte an den Universit¨aten Marburg und Erlangen und besuchte das Theologische Seminar Herborn. Seit 1867 in verschiedenen Pfarreien t¨atig, wurde er 1875 Pfarrer, 1884 Dekan und wirkte 1890-1920 in Kubach. Er gr¨undete 1891 den Evang. Pfarrerverein f¨ur Nassau, wurde 1904 dessen Vorsitzender und war Mitbegr¨under, Organisator und 1904-1918 Vorsitzender des Verbandes der evang. Pfarrervereine in Deutschland. D. machte sich u. a. um die F¨orderung des gewerblichen Schulwesens und um den Bau der Eisenbahn im Kreis Usingen verdient. Er war der Onkel Adolf → D.s. Deist, Heinrich, Politiker, * 9. 7. 1874 Mitterode, † 19. 7. 1963 Dessau. Nach einer T¨atigkeit als Fabrikarbeiter 1888-92 zum Schriftsetzer ausgebildet, war D., Sohn eines Bauern, bis 1903 als Buchdrucker t¨atig, kam dann als Gesch¨aftsf¨uhrer des „Volksblatts f¨ur Anhalt“ nach Dessau und wurde Leiter der Arbeiterdruckerei. Daneben f¨uhrte er das von ihm gegr¨undete Volkshausunternehmen „Tivoli“. 1904 wurde er Stadtverordneter der SPD in Dessau, nach der Novemberrevolution 1918 Mitglied des „Staatsrats f¨ur Anhalt“, dessen Pr¨asident er 1919 wurde. 1922-32 amtierte D. als erster Ministerpr¨asident von Anhalt und war Mitglied des Reichsrats. Er geh¨orte 1918-32 dem Anhaltischen Parlament an. W¨ahrend der NSZeit war er mehrfach in „Schutzhaft“. W¨ahrend des Zweiten Weltkriegs mehrmals in „Schutzhaft“ genommen, trat D. 1945 wieder an die Spitze der Landesverwaltung Anhalts, wurde Bezirkspr¨asident in Dessau und bis 1949 Pr¨asident aller Verwaltungsschulen des ehemaligen Landes SachsenAnhalt. Er war der Vater von Heinrich → D. C Demokr Wege

Deist, Heinrich, Politiker, Gewerkschafter, * 10. 12. 1902 Bant (heute zu Wilhelmshaven), † 7. 3. 1964 Meran. Der Sohn Heinrich → D.s trat achtzehnj¨ahrig in die SPD ein und schloß sich w¨ahrend des Studiums der Rechtswissenschaften in Leipzig, Hamburg und Halle dem „Hofgeismarer Kreis“ an. 1924 trat D. in den Verwaltungsdienst ein, wurde 1931 Regierungsrat in der Polizeiabteilung des preuß. Innenministeriums und war zeitweise pers¨onlicher Referent Carl → Severings. 1933 wegen „politischer Unzuverl¨assigkeit“ entlassen, war er seit 1935 selbst¨andiger Wirtschaftstreuh¨ander, Student der Betriebswirtschaft in K¨oln

(Dr. rer. pol. 1944) und seit 1941 Wirtschaftspr¨ufer. Um der ¨ politischen Uberwachung durch die Nationalsozialisten zu entgehen, trat er in die NSDAP ein. Seit 1949 als Vertrauensmann der Gewerkschaften Mitglied der Stahltreuh¨andervereinigung, war D. Vorsitzender zahlreicher Aufsichtsr¨ate und wurde 1953 SPD-Bundestagsabgeordneter, 1958 Leiter des Sektors Wirtschafts- und Agrarpolitik des SPD-Pr¨asidiums sowie stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Er bestimmte wesentlich die wirtschaftspolitischen Inhalte des „Godesberger Programms“, erarbeitete das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer bei Kohle und Eisen und geh¨orte seit 1953 der Gemeinsamen Versammlung der Europ¨aischen Gemeinschaft f¨ur Kohle und Stahl, 1959-62 dem Ausschuß f¨ur langfristige Wirtschaftspolitik und 1962-64 dem Wirtschafts- und Finanzausschuß des Europ¨aischen Parlaments an. C MdB

Deite, Hermann (Gustav Adolf), Wirtschaftswissenschaftler, * 21. 2. 1883 Berlin, † 16. 2. 1969 Berlin. D. studierte Staatswissenschaften, Geschichte und Philosophie an den Universit¨aten Heidelberg, T¨ubingen und Berlin; nach der Promotion 1908 war er Assistent des Wirtschaftswissenschaftlers Adolf → Wagner in Berlin, 1911-19 Assistent und danach Syndikus beim Deutschen Industrieund Handelstag. 1914 habilitierte er sich an der TH Berlin f¨ur Wirtschaftswissenschaften und war 1912-18 Schriftleiter der „Deutschen Wirtschaftszeitung“, 1916-34 Gesch¨aftsf¨uhrer von Verb¨anden des Textilgewerbes. D., der 1933 aus politischen Gr¨unden seine Stelle beim Deutschen Industrieund Handelstag verloren hatte, wurde 1939 die Lehrerlaubnis entzogen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war er a. o. Prof. der Wirtschaftswissenschaften an der TU Berlin. D. ver¨offentlichte u. a. Finanzwissenschaft (3 Teile, 1910-12).

Deiters, Heinrich (Karl Theodor), P¨adagoge, Bildungspolitiker, * 2. 7. 1887 Osnabr¨uck, † 31. 1. 1966 Berlin. Nach dem Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie an den Universit¨aten Heidelberg, M¨unster und Berlin (1906-12) war D., Sohn eines Landvermessers, Gymnasiallehrer in Berlin. Nach dem Ersten Weltkrieg geh¨orte er zu den Begr¨undern der Deutschen Demokratischen Partei; 1920 trat er in die SPD ein. Seit 1924 Gymnasialdirektor in H¨ochst, wurde er 1927 Oberschulrat im Provinzialschulkollegium Hessen-Nassau in Kassel sowie Mitglied des Philologenvereins und des Republikanischen Lehrerbundes. 1933 entlassen, war er bis 1945 freiberuflich t¨atig, wurde 1945 Gymnasialdirektor in Berlin, Leiter der Abteilung Lehrerbildung in der Deutschen Zentralverwaltung f¨ur Volksbildung sowie Vorstand der Lehrergewerkschaft und der p¨adagogischen Kommission im Kulturbund. Seit 1946 Mitglied der SED, wurde D. im selben Jahr Prof. an der P¨adagogischen Fakult¨at der Univ. Berlin. 1947-57 war er Vorsitzender der Berliner Organisation des Kulturbundes, 1949-58 Dekan der P¨adagogischen Fakult¨at der Humboldt-Universit¨at, Kulturbund-Abgeordneter der Volkskammer und bis 1959 Mitherausgeber der Zeitschrift „P¨adagogik“. D. ver¨offentlichte u. a. Der reale Humanismus (1947). C Demokr Wege

Deiters, Hermann (Clemens Otto), Schulmann, Musikforscher, * 27. 6. 1833 Bonn, † 11. 5. 1907 Koblenz. Der Sohn von Peter Franz Ignaz → D. studierte zun¨achst Philologie, dann Rechtswissenschaften und wurde 1854 Gerichtsreferendar in Berlin. 1855 setzte er seine philologischen Studien bei Otto → Jahn an der Univ. Bonn fort und trat 1858 in Bonn in den Schuldienst ein. D. wurde 1869 Oberlehrer am Gymnasium in D¨uren, 1874 Gymnasialdirektor im westpreußischen Konitz und 1877 in Posen. Seit 1883 Leiter des Kgl. Gymnasiums in Bonn, war

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Deiters er 1885-1903 Provinzialschulrat in Koblenz und lehnte Berufungen an Universit¨aten und Akademien zugunsten des Schuldiensts ab. Er pflegte vielf¨altige Beziehungen zu Musikern, Komponisten und Kritikern und f¨orderte u. a. Johannes → Brahms. D. bearbeitete die dritte Auflage der MozartBiographie Otto Jahns und besorgte die deutsche Ausgabe der → Beethoven-Biographie des Amerikaners Alexander W. Thayer (Ludwig van Beethoven’s Leben, 3 Bde., 1866 ff., 3-5 1923). C MGG

Deiters, Peter Franz Ignaz, Jurist, * 12. 2. 1804 M¨unster, † 30. 3. 1861 Bonn. D., Sohn eines kaiserlichen Notars und Qu¨astors der Akademie in M¨unster, studierte Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Berlin, G¨ottingen und Bonn, habilitierte sich im Jahr seiner Promotion (1825, De civili cognatione et familiari nexu ex iure Romano et Germanico) an der Univ. Bonn und wurde 1831 a. o., 1836 o. Prof. des Deutschen Privatund Lehnsrechts und der Deutschen Rechtsgeschichte. Er war seit 1841 Mitglied, sp¨ater Vorsitzender des Gemeinderats der Stadt Bonn und 1848 deren Abgeordneter im Frankfurter Parlament in der Paulskirche. Der Vater von Hermann → D. ver¨offentlichte u. a. Die eheliche G¨utergemeinschaft nach dem M¨unster’schen Provinzialrechte (1831). C Frankf Nationalvers

Deitmer, Joseph (Carl Maria), kath. Theologe, * 12. 8. 1865 M¨unster, † 16. 1. 1929 Berlin. D. war nach der Priesterweihe 1887 Kaplan in Kevelaer und kam 1892 an die Pfarrei St. Matthias in Berlin, 1895 an die Pfarrei Berlin-Steglitz. Seit 1920 Propst von St. Hedwig und f¨urstbisch¨oflicher Delegat von Berlin, Brandenburg und Pommern, wurde er 1923 der erste Weihbischof von Berlin. C Gatz 4 Dejka, Jan Bohuchwał, auch Johann Gottlob D¨ocke, Deuka, Publizist, * 18. 2. 1779 Bautzen, † 2. 8. 1853 Bautzen. Der aus armen Verh¨altnissen stammende D. wurde nach einer Ausbildung zum Zimmermann und neunj¨ahriger Wanderschaft mit Aufenthalt in Kopenhagen, Prag, Wien, Berlin, Leipzig und Breslau Redakteur bei der L¨obauer Zeitung „Der allergn¨adigst privilegierte S¨achsische Postillon“. 1809 gr¨undete er das Monatsblatt „Sserski Powedar a Kurier“ (Sorbischer Erz¨ahler und Kurier). Nachdem das revolution¨aren Ideen gegen¨uber offene Blatt 1812 mit Publikationsverbot belegt worden war, ging D. nach Bautzen, erwarb dort das B¨urgerrecht und arbeitete wieder als Redakteur. Seit 1823 gab er mit dem „Oberlausitzer Landboten“ erneut eine eigene Zeitung heraus, deren Publikation er 1838 aufgeben mußte, als ihm das Recht verweigert wurde, amtliche Nachrichten zu ver¨offentlichen. 1845 trat er der „Macia Serbska“ bei, einer in Bautzen gegr¨undeten Vereinigung zur F¨orderung der sorbischen Kultur. D., der als Begr¨under des sorbischen Zeitungswesens gilt, starb an Typhus. C Demokr Wege De Kowa, Victor (Paul Karl), eigentl. Kowarzik, Schauspieler, Intendant, * 8. 3. 1904 Hochkirch (Lausitz), † 8. 4. 1973 Berlin. D. trat als Darsteller von Bonvivant- und Charakterrollen an Theatern in Frankfurt / Main, Hamburg und Berlin auf und f¨uhrte sp¨ater Regie in verschiedenen Filmproduktionen. 1943 / 44 war er Intendant des Theaters am Kurf¨urstendamm und der „Kom¨odie“ in Berlin, 1945 / 46 der „Trib¨une“. D. schrieb auch Erz¨ahlungen und Kom¨odien (Als ich noch Prinz war in Arkadien, 1955). Delaquis, Ernst, schweizer. Jurist, * 13. 11. 1878 Alex¨ andria (Agypten), † 1. 9. 1951 Davos. Der Kaufmannssohn studierte Rechtswissenschaften an den Universit¨aten Heidelberg, M¨unchen und Berlin (Promotion

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Zur Lehre vom untauglichen Versuch), habilitierte sich 1909 in Berlin f¨ur Strafrecht und Strafprozeßrecht und wurde dort Assistent Franz von → Liszts am Kriminalistischen Institut sowie dessen engster Mitarbeiter in der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung. 1914 als a. o. Prof. an die Univ. Frankfurt / Main berufen, war D. 1919-29 Chef der Polizeiabteilung des Eidgen¨ossischen Justiz- und Polizeidepartements sowie Prof. an der Univ. Bern. Anschließend o. Prof. und schweizer. Konsul in Hamburg, wurde D. 1934 Direktor des Schweizer. Touring-Clubs und Prof. an der Univ. Genf. 1938-49 war er Generalsekret¨ar der Internationalen Strafrechts- und Gef¨angniskommission in Bern, seit 1944 auch o. Prof. an der dortigen Universit¨at. In der Nachfolge Liszts vertrat er eine moderne soziologische Strafrechtsauffassung, beteiligte sich an der Vereinheitlichung des schweizer. Strafrechts und war langj¨ahriger Mitherausgeber der „Zeitschrift f¨ur die gesamte Strafrechtswissenschaft“ sowie der „Schweizerischen Zeitschrift f¨ur Strafrecht“. D. schrieb u. a. Begriff und Wert der Rehabilitation (1906). C NDB

Delbanco, Ernst, Dermatologe, * 21. 2. 1869 Hamburg, † 31. 3. 1935 Hamburg. D. studierte Medizin an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, Berlin und Straßburg und praktizierte nach der Promotion 1891 (Beitr¨age zur Symptomatologie und Diagnostik der Geschw¨ulste des Pons Varolii) in Berlin am Allgemeinen Krankenhaus und am Hygienischen Institut Hamburg, am Pathologischen Institut in K¨onigsberg und anschließend bei Paul Gerson → Unna in Hamburg. Seit 1921 Prof. der Dermatologie an der Univ. Hamburg, wurde er 1929 leitender Oberarzt der dermatologischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg; 1933 wurde er wegen seiner j¨udischen Religionszugeh¨origkeit von den Nationalsozialisten al¨ ler Amter enthoben. D. forschte auf verschiedenen Gebieten der Dermatologie sowie der Urologie und besch¨aftigte sich mit Tuberkulose. Er war Mitarbeiter zahlreicher Fachperiodika und ver¨offentlichte rund 200 Einzelstudien. D. beging ¨ Selbstmord. C Arzte 2, 3

Delbruck, ¨ (Gottlieb) Adelbert, Bankier, * 16. 1. 1822 Magdeburg, † 26. 5. 1890 Konstanz. Der Neffe Friedrich und Ferdinand → D.s sowie Bruder Berthold → D.s war nach dem Abschluß seiner Studien Rechtsanwalt in M¨onchen-Gladbach und rief 1854 unter Beteiligung rheinischer Kaufleute in Berlin das Bankhaus „Delbr¨uck, Leo & Co“ ins Leben. D. war Initiator und Mitbegr¨under und erster Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank und an der Entstehung mehrerer Tochtergesellschaften (Deutsche Baugesellschaft, Gesellschaft f¨ur Bauausf¨uhrungen, Berliner Hotelgesellschaft) beteiligt. Nach Meinungsverschiedenheiten mit Georg von → Siemens, dem ersten gesch¨aftsf¨uhrenden Direktor der Deutschen Bank, legte er den Vorsitz im Aufsichtsrat nieder, blieb aber bis zu seinem Tod Mitglied. Der Vater Heinrich → D.s war 1861 Mitbegr¨under des Deutschen Industrie- und Handelstags, 1870-85 dessen Vorsitzender. C NDB

Delbruck, ¨ Anton (Wolfgang Adalbert), Psychiater, * 23. 1. 1862 Halle, † 21. 2. 1944 Kirchzarten bei Freiburg. D., Sohn eines Arztes, studierte in Halle / Saale und M¨unchen Medizin, wurde 1888 in Leipzig promoviert (Zur Lehre von der Kreuzung der Nervenfasern in Chiasma nervorum opticorum) und war Arzt an den Irrenanstalten in Alt-Scherbitz (Sachsen, 1886-87), Friedrichsberg (Hamburg, 1888 / 89) und Burgh¨olzli (Z¨urich, 1890-98). 1891 habilitierte er sich an der Univ. Z¨urich bei Auguste → Forel f¨ur Psychiatrie (Die pathologische L¨uge und die psychologisch abnormen Schwindler), hatte 1898-1927 die Leitung der Heil- und Pflegeanstalt „St. J¨urgen-Asyl“ in Bremen inne und erhielt 1915 den Professorentitel. In seinen Forschungen besch¨aftigte er

¨ Delbruck sich vor allem mit Alkoholismus, Zurechnungsf¨ahigkeit und Blutschande. D. ver¨offentlichte u. a. Ueber Hamlets Wahnsinn (1893) und Gerichtliche Psychopathologie (1897). C Brem Bio 2

Delbruck, ¨ Berthold, Jurist, * 28. 9. 1817 Magdeburg, † 17. 5. 1868 Greifswald. D., Neffe Friedrich und Ferdinand → D.s sowie Bruder Adelbert → D.s, studierte seit 1836 Rechtswissenschaften an den Universit¨aten G¨ottingen, Berlin und Halle und wurde 1845 Mitglied des Kreisgerichts zu Bergen auf der Insel R¨ugen. Wegen seiner liberalen Haltung w¨ahrend der Revolution 1848 viele Jahre vom beruflichen Fortkommen ausgeschlossen, wurde er 1859 schließlich Appellationsrat in Greifswald. ¨ D. schrieb u. a. Die Ubernahme fremder Schulden nach gemeinem und preußischem Recht (1853). Er war der Vater von Hans und Max → D. Delbruck, ¨ Berthold, Sprachwissenschaftler, * 26. 7. 1842 Putbus, † 3. 1. 1922 Jena. D., ein Vetter Clemens, Hans, Max und Heinrich → D.s, widmete sich neben dem Studium der klassischen, deutschen und franz¨osischen Philologie sowie der Geschichte und Geographie dem der vergleichenden Sprachwissenschaft. Er erhielt seine Ausbildung bei August Friedrich → Pott und R. → Haym in Halle sowie bei F. → Bopp, A. → Weber und Heymann → Steinthal in Berlin. Anschließend Haus- und Gymnasiallehrer in Livland und Marienwerder, bereitete er sich seit 1866 bei seinem Schwiegervater Ludwig Friedrich → K¨amtz in St. Petersburg auf die Habilitation vor und schloß dort Freundschaft mit Otto Nikolaus von → B¨ohtlingk, Victor → Hehn und Anton Schiefner. D. habilitierte sich 1867 in Halle, folgte 1870 einem Ruf als a. o. Prof. an die Univ. Jena und wurde 1873 o. Prof. des Sanskrit und der vergleichenden Sprachforschung; daneben bet¨atigte er sich politisch als Mitglied der Nationalliberalen Partei. Der Vater Richard → D.s gilt als Begr¨under der vergleichenden und historischen Forschung zur Syntax der indogermanischen Sprachen (u. a. Altindische Syntax, in: Syntaktische Forschungen 5, 1888). C NDB Delbruck, ¨ Clemens (Gottlieb Ernst) von, Politiker, * 19. 1. 1856 Halle / Saale, † 17. 12. 1921 Jena. D., Sohn eines Arztes und Vetter Berthold, Hans, Max und Heinrich von → D.s, studierte 1873-77 Rechtswissenschaften in Halle, Heidelberg, Greifswald und Berlin und trat 1882 in den h¨oheren Verwaltungsdienst ein. Seit 1885 Landrat des Kreises Tuchel, ging er 1892 als Regierungsrat in das Oberpr¨asidium der Provinz Westpreußen nach Danzig. 1896 wurde er Oberb¨urgermeister von Danzig und 1902 Oberpr¨asident der Provinz Westpreußen. Seit 1905 preuß. Minister f¨ur Handel und Gewerbe, seit 1909 Staatssekret¨ar im Innenministerium und seit 1914 Vizepr¨asident des Preuß. Staatsministeriums, wurde D. der eigentliche Leiter der Innenpolitik des Reichs. Als seine wichtigsten gesetzgeberischen Leistungen gelten die Reichsversicherungsordnung von 1911 und die Verfassung von Elsaß-Lothringen. Seit 1911 mit den Vorbereitungen zur wirtschaftlichen Mobilmachung betraut, war er bis 1916 Organisator der deutschen Kriegswirtschaft. 1918 wurde er Chef des Geheimen Zivilkabinetts Kaiser → Wilhelms II. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie strebte er als Mitbegr¨under der Deutschnationalen Volkspartei und deren Vertreter im Verfassungsausschuß der Nationalversammlung eine loyale Mitarbeit im Staat an. Von ihm erschien u. a. Die wirtschaftliche Mobilmachung in Deutschland 1914, die 1924 aus dem Nachlaß herausgegeben wurde. C Verwaltung

Delbruck, ¨ (Johann Friedrich) Ferdinand, Philologe, Philosoph, * 12. 4. 1772 Magdeburg, † 25. 1. 1848 Bonn. Der Sohn eines Ratmanns und Bruder Friedrich → D.s studierte seit 1790 Philosophie und Philologie – u¨ berwiegend bei Friedrich August → Wolf – an der Univ. Halle, wurde 1794 Erzieher in Stettin, sp¨ater Hauslehrer in Hamburg. 1797 an der Univ. Halle zum Dr. phil. promoviert (Homeri religionis quae ad bene beateque vivendum heroicis temporibus fuerit vis), wurde er im selben Jahr Lehrer am Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin und war Mitarbeiter der „Allgemeinen Literatur-Zeitung“ und der „Jenaischen Allgemeinen Literatur-Zeitung“. 1809 folgte er einer Berufung als Rat bei der ostpreußischen Regierung und a. o. Prof. an der Univ. K¨onigsberg, kam 1816 nach D¨usseldorf und las seit 1818 Literaturwissenschaft und Philosophie an der neugegr¨undeten Univ. Bonn. 1819-27 war er kommissarischer Leiter des Bonner Gymnasiums. D. ver¨offentlichte neben zahlreichen Lehrwerken und philosophischen Studien u. a. ¨ Uber die Humanit¨at (1796) und Christenthum. Betrachtungen und Untersuchungen (3 Tle., 1822-27). C IGL

Delbruck, ¨ (Johann) Friedrich (Gottlieb), P¨adagoge, Publizist, * 22. 8. 1768 Magdeburg, † 4. 7. 1830 Zeitz. Der Bruder Ferdinand → D.s kam nach dem Abschluß seines Studiums an der Univ. Halle (1787-90) an das Magdeburger Stadtgymnasium, wurde 1792 Rektor des dortigen P¨adagogiums und war 1800-09 Erzieher des sp¨ateren K¨onigs → Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. D. gab das „Patriotische Archiv f¨ur das Herzogtum Magdeburg“ und die „Magdeburgischen gemeinn¨utzigen Bl¨atter“ heraus. 1817 wurde er Stiftssuperintendent und Geheimer Rat in Zeitz. D. vero¨ ffentlichte Ansichten der Gem¨uthswelt (1811). Seine Tagebuchaufzeichnungen wurden 1907 unter dem Titel Die Jugend des K¨onigs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und des Kaisers und K¨onigs Wilhelm I., Tagebuchbl¨atter ihres Erziehers [. . .] (3 Teile) ver¨offentlicht. Er war der Vater Rudolf → D.s. C MBL

Delbruck, ¨ Hans (Gottlieb Leopold), Historiker, Politiker, * 11. 11. 1848 Bergen / R¨ugen, † 14. 7. 1929 Berlin. Aus einer angesehenen Beamten- und Gelehrtenfamilie stammend, studierte D. Geschichte in Greifswald, Heidelberg und Bonn, wo er 1873 (bei Heinrich von → Sybel) mit einer Arbeit u¨ ber → Lambert von Hersfeld promoviert wurde. Er nahm am Krieg 1870 / 71 teil und war 1874-79 Erzieher eines j¨ungeren Sohnes des preuß. Kronprinzen → Friedrich Wilhelm. Zugleich bearbeitete er die beiden letzten B¨ande aus dem Nachlaß des Generalfeldmarschalls Neithardt von → Gneisenau und schrieb eine Biographie desselben (2 Bde, 41920). D. wandte sich zunehmend kriegswissenschaftlichen Studien zu, die, nach Untersuchungen u¨ ber die Perserkriege und die Burgunderkriege, u¨ ber die Strategie → Friedrichs des Großen und Napoleons, in einer vierb¨andigen Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte (1900-20) gipfelten: ein Werk, das bei den Milit¨arschriftstellern auf starke Ablehnung stieß. 1881 habilitiert, erhielt er erst 1895 eine ordentliche Professur in Berlin, ein Jahr sp¨ater wurde er Nachfolger Heinrich von → Treitschkes; in die Akademie der Wissenschaften wurde er jedoch nicht aufgenommen. Dazu hat auch sein politisches Engagement beigetragen. D. war ein „Gelehrtenpolitiker“ im Sinne des nationalpolitischen Liberalismus des 19. Jh., der auch als Publizist und Parlamentarier wirken wollte. Von 1882 an geh¨orte er als

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¨ Delbruck freikonservativer Mandatstr¨ager dem preuß. Abgeordnetenhaus, 1884-90 auch dem Reichstag an; 1883-89 gab er neben Treitschke, danach bis 1919 allein die einflußreichen, ¨ 1858 beim Beginn der „Neuen Ara“ von konstitutionellen Liberalen gegr¨undeten „Preußischen Jahrb¨ucher“ heraus. Darin nahm er regelm¨aßig kommentierend und kritisch zu wichtigen Fragen der Innen- und Außenpolitik Stellung. W¨ahrend er im Hinblick auf die erstere sich zunehmend von Konservativen und Nationalliberalen distanzierte, bejahte er in der letzteren deutsche Weltpolitik, wandte sich jedoch etwa 1907 gegen das Tempo der → Tirpitzschen Flottenbaupolitik und gegen die Politik der „Alldeutschen“, weil er in ihr eine Gef¨ahrdung des europ¨aischen Gleichgewichts und eine Belastung des deutsch-englischen Verh¨altnisses erkannte. Im Ersten Weltkrieg wurde D. einer der f¨uhrenden Verfechter einer maßvollen Kriegszielpolitik. Gegen die sogenannte „Intellektuelleneingabe“ vom 8. 7. 1915, deren Unterzeichner sich als „Ausschuß f¨ur einen deutschen Frieden“ konstituierten, initiierte D. eine Gegenpetition, die – zur Unterst¨utzung der Politik des Reichskanzlers → Bethmann Hollweg – auf sehr viel moderatere Kriegsziele dr¨angte, allerdings wenige Unterzeichner aufwies – u. a. Adolf → Harnack, Max und Alfred → Weber, Ernst → Troeltsch, Friedrich → Meinecke, Lujo → Brentano. Als Gegner des unbeschr¨ankten U-Bootkriegs, der Annexionspolitik wie auch des preuß. Dreiklassenwahlrechts bek¨ampfte D. nach dem Ende des Kriegs engagiert die Dolchstoßlegende wie andererseits die „Kriegsschuldl¨uge“, wobei seine sch¨arfsten Angriffe sich gegen Tirpitz und → Ludendorff richteten, ebenso gegen die unkritische → Bismarck-Verehrung. Seinem Selbstverst¨andnis nach ein „aufgekl¨arter Konservativer“ und Anh¨anger der konstitutionellen Monarchie, der die Großmachtstellung des Deutschen Reiches erhalten wissen wollte, bek¨ampfte er Nationalismus, soziale Reaktion ebenso wie die marxistische Klassenkampfideologie; dem „Kathedersozialismus“ nahestehend, trat er schon vor 1890 f¨ur die Anerkennung der Sozialdemokraten und die politische Gleichberechtigung der Arbeiter ein; er kritisierte Kaiser → Wilhelm II. und setzte sich – ein Vernunftrepublikaner – f¨ur die Weimarer Republik ein. Noch in hohem Alter ver¨offentlichte er eine Weltgeschichte (5 Bde, 1923-28), die sich – im Sinne Leopold → Rankes – auf die von Vorderasien und ¨ der antiken Okumene ausgehende Kultur beschr¨ankte und bis 1814 gef¨uhrt ist: eine stark politikgeschichtlich orientierte, das Handeln der großen Pers¨onlichkeiten in den Mittelpunkt r¨uckende, rationalistisch konstruierende Darstellung, die allerdings nur geringes Interesse fand. WEITERE WERKE: Die Polenfrage. Berlin 1894. – Erinnerungen. Aufs¨atze und Reden. Berlin 31905. – Historische und politische Aufs¨atze. Berlin 21907. – Bismarcks Erbe. Berlin 1915. – Vor und nach dem Weltkrieg. Politische und historische Aufs¨atze (1902-1920). Berlin 1926. LITERATUR: Anneliese Thimme: H. D. als Kritiker der Wilhelminischen Epoche. D¨usseldorf 1955. Rudolf Vierhaus

Delbruck, ¨ Heinrich (Ludwig), Jurist, * 16. 7. 1855 Berlin, † 4. 7. 1922 T¨ostorf (Schleswig-Holstein). Der Sohn Adelbert → D.s wurde nach dem Abschluß der rechtswissenschaftlichen Studien an den Universit¨aten Straßburg und Berlin 1882 Gerichtsassessor, war 1882 / 83 am deutschen Konsulat in London t¨atig und wurde anschließend Amtsrichter in Kyritz. Seit 1888 Landrichter in L¨uneburg, seit 1891 in Berlin, wurde er dort sp¨ater Hilfsrichter und wechselte 1899 in die Verwaltungslaufbahn. Im Reichsjustizamt Referent f¨ur Verlagsrecht, sp¨ater zus¨atzlich f¨ur Verwaltungs- und Personalangelegenheiten, wurde er 1913 Ministerialdirektor, 1917 Unterstaatssekret¨ar und war an der

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Ausarbeitung der Reichsverfassung von 1919 maßgeblich beteiligt; seit 1919 war er Pr¨asident des Reichsgerichts. C NDB

Delbruck, ¨ Max (Emil Julius), Chemiker, Techniker, * 16. 6. 1850 Bergen / R¨ugen, † 4. 5. 1919 Berlin. Der Sohn des Juristen Berthold → D. studierte Chemie an den Universit¨aten Berlin und Greifswald und wurde Assistent Max → Maerckers in Halle. 1874 zur Gr¨undung der Versuchsanstalt des Vereins der Spiritusfabrikanten in Deutschland nach Berlin berufen, gliederte er der Anstalt sp¨ater weitere Versuchsstationen, darunter die Versuchs- und Lehranstalt f¨ur Brauerei an. Im Verband der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin, an der er seit 1882 als Prof. lehrte und deren Rektor er 1898-1900 war, entwickelte er das Institut f¨ur G¨arungsgewerbe. D., seit 1892 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, war an der Gr¨undung der Kartoffeltrocknungs- und Hefeverwertungsindustrie beteiligt. Er ver¨offentlichte u. a. ein Handbuch der Spiritusfabrikation (mit Maercker, 1880), eine Anleitung zum Brennereibetrieb (mit Georg Foth, 1898, 41909) und Illustriertes Brennerei-Lexikon (1915). C NDB

Delbruck, ¨ Max (Ludwig Henning), Biologe, * 4. 9. 1906 Berlin, † 9. 3. 1981 Pasadena (Kalifornien, USA). Der Sohn Hans → D.s studierte 1924-29 Astronomie, Mathematik und Physik an den Universit¨aten T¨ubingen, Berlin, Bonn und G¨ottingen (Promotion 1931, Quantitatives zur Theorie der hom¨oopolaren Bindung), war seit 1929 in Bristol, Kopenhagen und Z¨urich t¨atig und wurde 1932 Assistent Lise → Meitners am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin. Als Stipendiat der Rockefeller Foundation konnte er 1937 mit einem Studentenvisum in die USA emigrieren, wurde 1940 Mitglied der Physikalischen Fakult¨at der Vanderbilt-Univ. in Pasadena und war seit 1947 Prof. der Biologie am dortigen California Institute of Technology. 1961-63 lehrte er als Gastprofessor und Direktor des Instituts f¨ur Genetik an der Univ. K¨oln, seit 1965 an der Univ. Konstanz. Unter D., 1963 in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen, wurden die molekularbiologischen Laboratorien in Pasadena zu einem Zentrum der internationalen Virusforschung; mit Salvador Luria begr¨undete er die moderne Phagenforschung sowie die Molekularbiologie und erhielt gemeinsam mit Luria und Alfred Hershey 1969 f¨ur die Entdeckung der genetischen Rekombination bei Bakteriophagen den Nobelpreis f¨ur Physiologie und Medizin. Er ¨ ver¨offentlichte u. a. Uber die Natur der Genmutation und der Genstruktur (1935) und A physicist looks at biology (1949). C Wußing

Delbruck, ¨ Richard, Arch¨aologe, * 14. 7. 1874 Jena, † 22. 8. 1957 Bonn. Der Sohn des Sprachwissenschaftlers Berthold → D. studierte 1893-99 National¨okonomie, Arch¨aologie und Kunstgeschichte an den Universit¨aten Neuchˆatel, M¨unchen, Berlin und Bonn und wurde 1899 promoviert (Beitr¨age zur Kenntnis der Linienpespective in der griechischen Kunst). Nach Studienreisen habilitierte er sich 1903, wurde Privatdozent in Berlin und war seit 1908 beim Deutschen Arch¨aologischen Institut t¨atig, seit 1909 mit dem Titel Professor. 1911-15 war er Erster Sekret¨ar des Deutschen Arch¨aologischen Instituts in Rom. Nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg und der Versetzung in den Ruhestand trat D. 1920 in das ¨ Ausw¨artige Amt ein, wurde 1922 zur Ubernahme des Ordinariats f¨ur Arch¨aologie an der Univ. Gießen beurlaubt und war seit 1928 o. Prof. an der Univ. Bonn. Er ver¨offentlichte u. a. Das Capitolium von Signia mit dem Apollotempel auf dem Marsfelde in Rom (1903), Antike Porphyrwerke (1932), Sp¨atantike Kaiserprotr¨ats von Constantin Magnus bis zum Ende des Westreichs (1933) und Die M¨unzbildnisse von Maximinus bis Carinus (1940). C BHdAD

Delekat Delbruck, ¨ (Martin Friedrich) Rudolf von (1896), Staatsmann, * 16. 4. 1817 Berlin, † 1. 2. 1903 Berlin. Eine wissenschaftliche Biographie u¨ ber D. gibt es nicht. Das bis heute andauernde „Schweigen der Forschung“ u¨ ber diesen wohl bedeutendsten Mitarbeiter → Bismarcks in den Jahren vor und nach der Reichsgr¨undung erkl¨art sich nur zum Teil aus dem „Fehlen amtlichen und privaten Materials in geradezu auff¨alligem Maße“ (Rudolf Morsey) und liegt wohl auch in dem von strengem Pflichtgef¨uhl durchdrungenen Typus des „preußischen B¨urokraten in seiner besten Form“ selbst, als den der bayerische Gesandte am Berliner Hof, Graf Lerchenfeld, D. empfunden hat. Es paßt in dieses Bild, daß D. noch 1862 den Ministertitel ablehnte und drei Jahre sp¨ater den ihm angetragenen Adel ausschlug. Die Sache ging ihm vor der Person. D., Abk¨ommling einer an gelehrten Pastoren und studierten Beamten reichen Familie, war der Sohn des Pfarrers und Prinzenerziehers Friedrich → D. Mit sechs Jahren verlor D. die Mutter, mit dreizehn den Vater. Er wuchs in der Familie seines Onkels Gottlieb D. auf, der Kurator der Univ. Halle war. D. studierte Rechtswissenschaften in Bonn, G¨ottingen und Berlin, trat als Zwanzigj¨ahriger in Halle in den preuß. Staatsdienst ein, wurde 1842 Hilfsarbeiter bei der Generalverwaltung der Steuern und 1844 Referent im Handelsamt unter R¨onne. Bei der Bildung des Handelsministeriums (1848) wurde D. Vortragender Rat. Im Herbst 1859 u¨ bernahm er die Leitung der handelspolitischen Abteilung. D., ein entschiedener Freih¨andler, den Bismarck seit 1851 kannte, hatte den Eintritt Hannovers und Oldenburgs in den Zollverein und dessen Verl¨angerung auf weitere zw¨olf Jahre gegen o¨ sterr. Widerstand erreichen k¨onnen. 1862 setzte er gegen die Opposition von Mitgliedsstaaten Handelsvertr¨age (u. a. mit Frankreich) durch; der weitere Ausbau des Zollvereins 1866 (Zollparlament) war sein Werk. F¨ur lange Jahre ließ Bismarck, seit Oktober 1862 Leiter der preuß. Politik, D. v¨ollig freie Hand; so war es nur konsequent, daß er ihn im Herbst 1867 zum Pr¨asidenten des Bundeskanzleramtes des Norddeutschen Bundes ernennen ließ. 1868 wurde D. preuß. Staatsminister. Seit Mai 1871 war D., der im Herbst 1870 die Verhandlungen mit den s¨uddeutschen Staaten u¨ ber ihren Eintritt in den Norddeutschen Bund gef¨uhrt hatte, Pr¨asident des Reichskanzleramtes und hatte somit f¨ur den Bereich der Innenpolitik die Stellung eines Vizekanzlers. Sein Aufgabengebiet umfaßte den Auf- und Ausbau von Reichsinstitutionen und -zust¨andigkeiten. Die Gr¨unde f¨ur den R¨ucktritt D.s 1876 werden in der Literatur in unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Auffassungen des Freih¨andlers D. und des in den siebziger Jahren immer st¨arker zu Schutzzoll- und Sozialpolitik neigenden Reichskanzlers gesucht, liegen aber auch in der Tatsache, daß Bismarck die h¨ochst effektive Reichsinnenbeh¨orde, zu der D. das Kanzleramt ausgebaut hatte, zu kompetenzenreich und ihr Leiter zu m¨achtig geworden waren. D. vertrat als fraktionsloser Abgeordneter von 1878 bis 1881 den Wahlkreis Jena im Reichstag und zog sich dann ganz zur¨uck. 1896 erhielt er den Schwarzen Adlerorden und damit den Adel; seine sp¨ate Ehe ist kinderlos geblieben. LITERATUR: R. v. D. Lebenserinnerungen 1817-1867. 2 Bde., Leipzig 1905. – Rudolf Morsey: Die oberste Reichsverwaltung unter Bismarck 1867-1890. M¨unster 1957. Peter Schumann

Delden, Gerrit van, Industrieller, * 16. 1. 1842 Nordhorn, † 1. 1. 1925 Gronau (Westfalen). Nach dem Chemiestudium an der TH Hannover leitete D., dessen Vater 1847 eine F¨aberei und Spinnerei gegr¨undet hatte, die F¨arberei in dem aus Garnschlichterei, Baumwollspinnerei und -weberei bestehenden Unternehmen seines Bruders und gr¨undete 1875 nach dem Anschluß Gronaus an das internationale Schienennetz seine eigene Firma, die Baumwollspinnerei „Gerrit van Delden & Co“. Der Betrieb wurde 1884 um eine Zwirnerei, 1914 um eine Feinspinnerei erweitert und z¨ahlte seit der Jahrhundertwende zu den gr¨oßten Spinnereien Deutschlands, seit 1914 zu den gr¨oßten Europas und lieferte vor allem der s¨achsischen Strumpf- und Gardinenindustrie Garne, die bis dahin nur in England produziert worden waren. C NDB Delden, Mathieu van, Unternehmer, * 1828 Nordhorn, † 10. 2. 1904 Gronau. D., dessen Vater einen Leinen- und Garnhandel in Nordhorn betrieb, besuchte 1845-47 die H¨ohere Webschule in Elberfeld, erhielt seine weitere Ausbildung in der „Piqu´eWesten-Fabrik Neuhaus & Ley“ und bei der Firma „Bresser“, die Hosenstoffe aus Baumwolle fertigte. 1854 fand er eine Anstellung in der in Gronau ans¨assigen Garnschlichterei Jordaan & van Heek und wurde noch im selben Jahr als Teilhaber in die Firma aufgenommen, die fortan den Namen „M. van Delden u. Co.“ f¨uhrte. 1855 erweiterte D. das Unternehmen um eine sog. Kalmuck-Spinnerei, in der aus Baumwollabf¨allen grobes Garn hergestellt wurde, wenig sp¨ater um eine Rauherei und eine F¨arberei; 1856 begann er mit der Baumwollspinnerei. Absatz fanden seine Produkte vor allem bei Berliner, K¨olner, aber auch niederl¨andischen Textilhandelsfirmen. In den folgenden Jahrzehnten konnte D. den Betrieb zu einem Großunternehmen ausbauen: 1872 richtete er eine mechanische Weberei ein, die er 1879 noch einmal vergr¨oßerte, 1889 kamen eine Kettgarnspinnerei, 1890 eine Kunstbleiche und 1895 schließlich eine neue Baumwollspinnerei hinzu. Feste Vertretungen richtete er u. a. in Stuttgart, Hamburg, K¨onigsberg, Rotterdam, Br¨ussel, Montreal und Konstantinopel ein. Um die Jahrhundertwende geh¨orte D.s Unternehmen zu den gr¨oßten Industriebetrieben Deutschlands. C Rhein-Westf Wirt, Bd 16 Delden, Rembert van, Unternehmer, Politiker, * 3. 4. 1917 Rheine, † 5. 2. 1999 Ahaus. Der einer aus den Niederlanden eingewanderten Mennonitenfamilie entstammende D., dessen Mutter kurz nach seiner Geburt starb und dessen Vater, ein Fabrikdirektor und Offizier, 1918 im Ersten Weltkrieg fiel, wuchs bei einem Onkel auf. 1936 trat er in die Kriegsmarine ein und nahm seit 1939 am Zweiten Weltkrieg teil; im Dezember 1941 geriet er in britische Gefangenschaft, aus der er 1946 entlassen wurde. 1947 war D. Volont¨ar in einer Baumwollspinnerei, durchlief dann einen Lehrgang als Spinnereitechniker am Staatlichen Technikum f¨ur Textilindustrie in Reutlingen und arbeitete bis 1950 in verschiedenen Textilbetrieben. 1950 / 51 war er beim Gesamtverband der Textilindustrie in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt / Main, seit 1951 bei der Westf¨alischen Jutespinnerei und Weberei AG Ahaus (sp¨ater Textilwerke Ahaus AG) t¨atig, seit 1956 als Vorstandsmitglied. Im selben Jahr in die CDU eingetreten, wurde er 1969 Ratsmitglied der Stadt Ahaus. 1961-76 geh¨orte D. dem Deutschen Bundestag an Zuletzt war er auch als freiberuflicher Unternehmensberater t¨atig. C MdB Delekat, Friedrich, evang. Theologe, * 4. 4. 1892 St¨uhren (Grafschaft Hoya), † 30. 1. 1970 Mainz. D. studierte Theologie, Philosophie und P¨adagogik an den Universit¨aten T¨ubingen, Berlin und G¨ottingen, erwarb 1919 den Grad eines Lizentiaten der Theologie und wurde 1926

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Delff zum Dr. phil. promoviert (Johann Friedrich Pestalozzi, der Mensch und der Philosoph, 31968). 1929 habilitierte er sich in Berlin f¨ur Philosophie. 1919-29 war D. Pfarrer in Priebus (Kr. Sagan), leitete daneben 1925-29 das Religionsp¨adagogische Institut in Berlin und folgte 1929 einem Ruf als a. o. Prof. der Religionswissenschaft an die TH Dresden. Wegen seines Engagements in der Bekennenden Kirche von den Nationalsozialisten 1937 zwangspensioniert sowie mit Predigt- und Lehrverbot belegt, wurde er 1943 stellvertretender Stadtpfarrer in Stuttgart. 1946-60 hatte D. eine ordentliche Professur f¨ur systematische Theologie, P¨adagogik, Philosophie und Politik an der Univ. Mainz inne. Er ver¨offentlichte u. a. Die Kirche Jesu und der Staat (1933). C RGG

Delff, (Heinrich Karl) Hugo, Philosoph, * 11. 8. 1840 Husum, † 6. 11. 1898 Husum. D. studierte seit 1857 Philosophie und Theologie an den Universit¨aten T¨ubingen, M¨unchen und Kiel (Promotion 1861) und kehrte anschließend in seine Geburtsstadt zur¨uck. Er war Mitarbeiter, sp¨ater Teilhaber und schließlich alleiniger Besitzer der Buchhandlung seines Bruders und widmete sich daneben philosophischer Schriftstellerei. D. orientierte sich an der Philosophie Franz von → Baaders und an Dante. Er schrieb u. a. Grundlehren der philosophischen Wissenschaft (1869), Dante Alighieri und die g¨ottliche Kom¨odie. Eine Studie zur Geschichte der Philosophie und zur Philo¨ sophie der Geschichte (1870), Uber den Weg, zum Wissen und zur Gewißheit zu gelangen (1882), Die Hauptprobleme der Philosophie und Religion (1886) und Philosophie des Gem¨uts. Begr¨undung und Umriß der Weltanschauung des sittlich-religi¨osen Idealismus (1893). C ADB Delisle, Karl, Ingenieur, * 10. 2. 1827 Konstanz, † 29. 1. 1909 Karlsruhe. Der Kaufmannssohn schloß das Studium an der TH Karlsruhe als Ingenieur ab und war 1849-52 Kartograph in Washington, anschließend bis 1854 Ingenieur bei der North Pennsylvania Railroad. Nach T¨atigkeiten in Ungarn baute er f¨ur die Vereinigten Schweizerbahnen die Bahnstrecke RagazChur und trat 1863 als technischer Transportingenieur in den Dienst der großherzoglich-badischen Staatsbahn, wo er 1872 Maschineningenieur wurde. 1876-83 in der Privatwirtschaft, kehrte er anschließend in den Staatsdienst zur¨uck. Er setzte sich f¨ur die Normierung von metrischen Schraubengewinden ein, die 1898 eingef¨uhrt wurde. 1895-99 war er als Rast¨atter Abgeordneter Mitglied der demokratischen Fraktion in der Zweiten Badischen Kammer. C Bad Bio, Bd 6 Delitsch, Otto, Geograph, * 5. 3. 1821 Bernsdorf bei Zwickau, † 15. 9. 1882 Leipzig. D. studierte 1839-42, dem Wunsch des Vaters folgend, Theologie und war anschließend Hauslehrer. Seit 1850 Lehrer an der Realschule in Leipzig, realisierte er 1855 ein Unterrichtsprojekt, in dem Landkarten auf Wachstuch gedruckt wurden, ¨ um so Anderungen vornehmen zu k¨onnen. Nachdem er mehrere Jahre mit der Herausgabe eines kommentierten Bibelwerks (Payne’s Illustrierte Prachtbibel, 1862) befaßt war, widmete er sich erneut der Geographie, wurde 1865 promoviert und habilitierte sich im folgenden Jahr an der Univ. Leipzig (Kartographische Darstellung der Bev¨olkerungsdichtigkeit von Westdeutschland auf Grund hypsometrischer und geognostischer Verh¨altnisse). Bis 1878 redigierte er die von ihm 1869 begr¨undete Zeitschrift „Aus allen Welttheilen“, rief 1871 eine Geographische Gesellschaft f¨ur Studierende ins Leben und wurde 1874 zum a. o. Prof. der Geographie ernannt. D. ver¨offentlichte u. a. Mitteleuropa (1862), Beitr¨age zur Methodik des geographischen Unterrichts, namentlich des Kartenlesens und Kartenzeichnens in den Schulen (1867) und Deutschlands Oberfl¨achenform (1880).

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Delitzsch, Franz (Julius), evang. Theologe, * 23. 2. 1813 Leipzig, † 4. 3. 1890 Leipzig. D., Sohn eines Altwarenh¨andlers, Tapezierers und Polsterers, studierte Theologie, Philosophie und orientalische Sprachen an der Univ. Leipzig, war nach der Promotion 1835 u. a. an der Inventarisierung hebr¨aischer Handschriften der Leipziger Ratsbibliothek beteiligt und leitete einen pietistisch orientierten Zirkel. Er habilitierte sich 1842 an der Univ. Leipzig, wurde 1844 a. o. Prof. der Theologie, folgte 1846 einer Berufung an die Univ. Rostock, 1850 an die Univ. Erlangen und lehrte alt- und neutestamentliche Exegese und Heilsgeschichte. Seit 1867 Prof. in Leipzig, lehnte er als heilsgeschichtlich orientierter Theologe die historisch-kritische Forschung weitgehend ab. D. gr¨undete 1863 die Missionsschrift „Saat auf Hoffnung“, 1886 das Institutum Judaicum in Leipzig (sp¨ater „Delitzschianum“, heute in M¨unster). Er f¨orderte ¨ die Judenmission u. a. durch seine weitverbreitete Ubersetzung des Neuen Testaments ins Hebr¨aische (1877, 111890) und bek¨ampfte den Antisemitismus (Neueste Traumgesichte des antisemitischen Propheten, 1883). D. war der Vater von Friedrich → D. C TRE Delitzsch, Friedrich (Conrad Gerhard), Orientalist, * 3. 9. 1850 Erlangen, † 19. 12. 1922 Langenschwalbach (heute Bad Schwalbach). Der Sohn von Franz → D. studierte an den Universit¨aten Leipzig, Berlin und Jena; 1877 wurde er Prof. in Leipzig, 1893 o. Prof. der Assyriologie in Breslau und 1899 in Berlin, wo er auch Direktor der Vorderasiatischen Abteilungen der Kgl. Museen war. D. gilt als einer der Begr¨under der Assyriologie, befaßte sich u¨ berwiegend mit der Entzifferung und sprachlichen Erkl¨arung von Inschriften und erkannte fr¨uh, daß die babylonischen Inschriften in verschiedenen Sprachen abgefaßt sind. Seine Vortr¨age zum Thema „Babel und Bibel“ f¨uhrten zu einer im sogenannten Babel-Bibel-Streit gef¨uhrten kontroversen o¨ ffentlichen Diskussion. D. ver¨offentlichte zahlreiche Arbeiten zum Neuen Testament, zum Assyrischen (Assyrisches Handw¨orterbuch, 4 Tle., 1894-96) und zum Sumerischen; gemeinsam mit Paul → Haupt gab er u. a. die Beitr¨age zur Assyriologie (1889-1914) und die Assyrische Bibliothek (1881-1920) heraus. C DBJ, Bd 4 Delius, (Christoph Diedrich) Arnold, Kaufmann, * 22. 10. 1742 Vlotho, † 9. 12. 1819 Gut Rosenthal bei Bremen-Horn. D., dessen Vater Leggeinspektor, Kriegskommissar und B¨urgermeister in Vlotho war, durchlief eine kaufm¨annische Lehre in Bremen und arbeitete anschließend f¨ur eine Bremer Firma mehrere Jahre in Nordamerika. Nach seiner R¨uckkehr gr¨undete er eine eigene Firma f¨ur Im- und Export, die vor allem westf¨alisches Leinen nach Westeuropa und Nordamerika verkaufte, gliederte ihr eine Reederei an, ließ deren Niederlassungen in Baltimore, New York und Philadelphia von Verwandten f¨uhren und erwarb ausgedehnte L¨andereien in South Carolina. D. war mit George Washington befreundet und wurde 1794 zum zweiten amerikanischen Konsul in Deutschland ernannt. 1796 an der Firmengr¨undung seines Neffen Friedrich → D. beteiligt, schied er um die Jahrhundertwende aus dem Unternehmen aus. C NDB Delius, Carl Albrecht, Unternehmer, * 6. 9. 1827 Bielefeld, † 29. 3. 1915 Bielefeld. Einer einflußreichen Bielefelder Kaufmannsfamilie entstammend, begann D. 1843 eine Lehre im Familienunternehmen E. A. Delius & S¨ohne, besuchte 1845-47 die Gewerbeschulen in Hagen und Elberfeld und wurde danach in Krefeld zum Seidenhandelskaufmann ausgebildet. 1849 / 50 in Z¨urich t¨atig, studierte er 1850 / 51 an der Webschule in Lyon und kehrte nach Studien- und Gesch¨aftsreisen nach Frankreich, Spanien, England und Schottland 1853 nach Bielefeld

Delius zur¨uck, wo er Teilhaber bei E. A. Delius & S¨ohne wurde. D. war maßgeblich an der Verlagerung des Firmenschwerpunkts von Leinen zur Seide und der Einf¨uhrung der maschinellen Seidenweberei beteiligt, die 1887 zur Teilung des Unternehmens und zur Gr¨undung der schließlich gr¨oßten Seidenweberei und Textilhandlung Bielefelds, C. A. Delius & S¨ohne, f¨uhrte. 1861-1905 geh¨orte D., der 1903 zum Geheimen Kommerzienrat ernannt wurde, der Stadtverordnetenversammlung von Bielefeld an. C Rhein Westf Wirt, Bd 14

war an der Gr¨undung der Londoner Bank „Fr¨uhling & Goschen“ beteiligt, seit 1802 preuß. Vizekonsul, von 1812 an Konsul sowie Geheimer Kommerzienrat und wurde w¨ahrend der napoleonischen Herrschaft wegen seiner Kontakte u. a. zum Freiherrn vom → Stein und zu Ernst Moritz → Arndt u¨ berwacht. Der Onkel von Nicolaus → D. bem¨uhte sich um die Ausr¨ustung des L¨utzowschen Freikorps und f¨uhrte als Agent des Zentraldepartements der verb¨undeten Regierungen (1813 / 14) f¨ur Bremen Verhandlungen u. a. mit den Hansest¨adten und mit Oldenburg. C NDB

Delius, Christian Heinrich, Historiker, Beamter,

Delius, Heinrich Friedrich von, Mediziner, Naturforscher, * 8. 7. 1720 Wernigerode / Harz, † 22. 10. 1791 Erlangen. Nach dem Abschluß des Medizinstudiums an den Universit¨aten Halle und Berlin (Promotion 1740, De corruptelis artem medicam hodie depravantibus) praktizierte D., Sohn eines Konsistorialrats, seit 1743 in seiner Geburtsstadt, wurde 1747 Hofmedikus und Adjunkt des Stadtphysikus in Bayreuth und folgte 1749 einer Berufung als Lehrstuhlinhaber an die Univ. Erlangen. Er las u¨ ber verschiedene medizinische F¨acher sowie u¨ ber Botanik und f¨uhrte die Chemie als akademisches Fach in Erlangen ein. D. war Mitglied zahlreicher gelehrter Gesellschaften, darunter seit 1746 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, die ihn 1788 zum Pr¨asidenten ernannte. Er war Herausgeber der Fr¨ankischen Sammlungen von Anmerkungen aus der Naturlehre, Arzney¨ gelahrtheit und Okonomie (8 Bde., 1755-68) und schrieb u. a. Animadversiones in doctrinam de irritabilitate (1752), Oratio de meritis Francorum in rem medicam et physicam (1754) Neue kurze, sichere und leichte Art, Menschen, welche von der Wuth befallen sind, zu heilen (1759) und Von den Mitteln zur Fr¨ohlichkeit, nach den Gr¨unden der Arzneygelahrtheit (1764). C NDB

* 24. 10. 1778 Wernigerode, † 14. 4. 1840 Wernigerode. Der Neffe von Heinrich Friedrich von → D. besuchte das P¨adagogium Ilfeld (1796-98), studierte Rechtswissenschaften an den Universit¨aten G¨ottingen und Halle und wurde 1801 Beamter in der Grafschaft Wernigerode. 1804 wurde er Archivar und folgte 1807 als staatsrechtlicher Berater dem Erbgrafen von Wernigerode nach Paris, 1814 / 15 nach Wien und 1822 nach Berlin; seit 1834 war er Direktor der standesherrlichen Verwaltung. D. redigierte 1808-40 das „Werniger¨odische Intelligenzblatt“, befaßte sich neben der Lokalgeschichte u. a. mit der mittelalterlichen Geographie Deutschlands und ver¨offentlichte u. a. Beitr¨age zur Geschichte deutscher Gebiete und ihrer Beherrscher (2 Teile, 1813-17). C Leb Mitteldt, Bd 5

Delius, Christoph Traugott, Bergmann, * 1728 Wallhausen bei Sangerhausen (Th¨uringen), † 21. 1. 1779 Florenz. Neben dem Studium der Rechtswissenschaften in Wittenberg befaßte sich D., dessen Vater Provinzialkommissar im Herzogtum Sachsen-Weißfels war, mit mathematischen und naturwissenschaftlichen Fragen, kam sp¨ater nach Wien und erhielt dort ein Stipendium → Maria Theresias zum Besuch der Bergakademie Schemnitz. 1756 als Markscheider in das Banat entsandt, wurde er 1761 Bergverwalter, 1764 Oberbergverwalter und Beisitzer im Bergkollegium. 1770 folgte er einer Berufung als Prof. der Metallurgie und der Mineralogie an die Bergakademie Schemnitz, wurde 1772 Hofkommissionsrat sowie Assessor am Oberberg- und M¨unzkollegium in Wien und besuchte 1775 / 76 s¨amtliche ungarischen Bergwerke zur Einf¨uhrung von Verbesserungen. Als sein Hauptwerk gilt die Anleitung zu der Bergbaukunst (1773), die zahlreiche Neuauflagen erfuhr und in mehrere Sprachen u¨ bersetzt wurde. C NDB

Delius, Conrad Wilhelm, Industrieller, * 7. 9. 1807 Versmold, † 16. 8. 1897 Versmold. D., Sohn eines Kaufmanns, der auch als Kammer- und Postmeister in Versmold t¨atig war, gelang um 1830 durch technische Ver¨anderungen im Produktionsprozeß eine deutliche Verbesserung des als „L¨owendlinnen“ bekannten groben Leinens, so daß es als Segeltuch verwendet werden und mit ausl¨andischen Produkten konkurrieren konnte. Mit den sogenannten „Delius-Tuchen“ oder „Adler-Tuchen“ (nach dem aufgestempelten roten brandenburgischen Adler) wurden u. a. die preuß. und die spanische Flotte ausger¨ustet. D. sicherte die bei ihm besch¨aftigten Weber und Spinner durch relativ hohe L¨ohne wirtschaftlich ab und setzte w¨ahrend der Hungerjahre 1845-47 einen betr¨achtlichen Teil seines Verm¨ogens f¨ur den Ankauf von Brotgetreide im Ausland ein. C NDB

Delius, (Christian) Friedrich, Kaufmann, * 14. 11. 1770 Dissen / Teutoburger Wald, † 11. 3. 1823 Bremen. Der Sohn eines Pastors und Neffe von Arnold → D. war kaufm¨annischer Lehrling in dessen Firma, vertrat das Unternehmen sp¨ater in England und Nordamerika, gr¨undete nach seiner R¨uckkehr 1796 eine eigene Firma und baute sie zu ¨ einer der bedeutendsten Bremer Uberseehandlungen aus. D.

Delius, Hermann (Wilhelm), Industrieller, * 17. 6. 1819 Bielefeld, † 26. 12. 1894 Bielefeld. D., Sohn eines Leinenkaufmanns und Gutsbesitzers, setzte sich als einer der ersten westf¨alischen Leinenproduzenten f¨ur eine vollst¨andige Mechanisierung des Produktionsablaufs ein und erarbeitete nach Studien im In- und Ausland gemeinsam mit dem als einem der besten Textilfachleute seiner Zeit bekannten Ferdinand → Kaselowsky sowie mit August Wilhelm → Kisker, Johannes Thiemann und Heinrich → Gassel die technischen und finanziellen Grundlagen eines derartigen Unternehmens. Beziehungen zu Industriellen und Banken erm¨oglichten ihm 1854 die Gr¨undung der „Ravensberger Spinnerei AG.“. 1861 produzierte er 20 000 Spindeln und gliederte im folgenden Jahr eine Garn- und Leinenbleiche sowie die „Bielefelder AG. f¨ur mechanische Weberei“ an. D. rief 1852 den „Verband deutscher Leinen-Industrieller“ ins Leben; er war Mitbegr¨under und Vorsitzender (1860-75) der Bielefelder Handelskammer sowie Mitglied des „Volkswirtschaftsrats“. Seit 1887 geh¨orte er dem Reichstag an. C Rhein-Westf Wirt, Bd 14 Delius, Matth¨aus, P¨adagoge, * vor 1500, † 30. 9. 1565 Hamburg. D. studierte seit 1520 in Wittenberg, schloß sich Philipp → Melanchthon an, kam vermutlich 1528 nach Hamburg und trat dort in Beziehung zu Johannes → Bugenhagen. 1529 wurde er Konrektor, 1534 Adjunkt des Rektors, Rektor des Johanneums. Johannes → Aepinus z¨ahlte zu seinem Freundeskreis. Delius, Nicolaus, Anglist, * 19. 9. 1813 Bremen, † 18. 11. 1888 Bonn. Der Sohn eines Kaufmanns und Eltermanns in Bremen und Neffe von Friedrich → D. studierte Romanische und Englische Philologie sowie Sanskrit an den Universit¨aten Berlin und Bonn (Promotion 1838, Radices pracriticae), habilitierte sich 1841 an der Univ. Berlin und ging 1846 als

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Delius Privatdozent nach Bonn, wo er 1855 a. o., 1863 o. Prof. der Anglistik wurde. D. widmete sich u¨ berwiegend der Shakespeare-Forschung, publizierte aber auch zum Sanskrit und zur romanischen Philologie. Als sein Hauptwerk gilt die kommentierte kritische Textausgabe s¨amtlicher Werke Shakespeares mit deutschen Anmerkungen und Einleitungen (7 Bde., 1854-60, Neuausg. 1864, 51882), die im 19. Jh. wesentlich zur Popularisierung des englischen Originals der Shakespeare-Werke beigetragen hat. Einzelne literaturwissenschaftliche Aspekte behandelte D., der 1855 Pr¨asident der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft wurde, in seinen Abhandlungen zu Shakespeare (2 Bde., 1878-87). C Brem Bio 1

Delius, Rudolph, Unternehmer, * 16. 11. 1802 Bielefeld, † 5. 12. 1859 Bielefeld. Aus einer einflußreichen Kaufmannsfamilie stammend, studierte D. in G¨ottingen, Bonn und Berlin Rechtswissenschaft, wurde 1825 zum Auskultator ernannt und an das Oberlandesgericht Paderborn versetzt und trat 1826 in die Tuchhandlung seines Vaters Johann Daniel D. in Bielefeld ein, die er seit den vierziger Jahren leitete. 1842 beteiligte sich D. an ¨ der Ubernahme der Neuen Bleiche in Bielefeld durch ein Leinenh¨andler-Konsortium und war 1846 Gr¨under der 1849 unter der Leitung Heinrich → Gassels er¨offneten FriedrichWilhelm-Bleiche in Brock bei Brackwede. Bis 1857 in der Leinenbranche t¨atig, gr¨undete er 1854 außerdem die Dampfm¨uhlengesellschaft Rud. Delius & Co., an der sich 1883 auch sein Neffe Carl Albrecht → D. beteiligte. 1847 wurde D. als Liberaler in den Vereinigten Landtag der preuß. Provinzialst¨ande nach Berlin entsandt. 1850-56 Vorsitzender der Bielefelder Handelskammer, setzte er sich f¨ur eine sozial vertr¨agliche Industrialisierung der Tuchindustrie ein. C Rhein Westf Wirt, Bd 14

Delius, (Hans) Walter, Beamter, Politiker, * 1. 3. 1884 Siegen, † 18. 12. 1945 Bremen. D. studierte seit 1903 Rechtswissenschaften an der Univ. T¨ubingen, trat 1907 in den preuß. Verwaltungsdienst ein und war seit 1910 am Landratsamt Gnesen t¨atig. Seit 1912 Bremer Stadtsyndikus, vertrat er seit 1914 den Stadtdirektor, ging 1917 als B¨urgermeister nach Geestem¨unde, wurde 1919 Oberb¨urgermeister und betrieb die Vereinigung der St¨adte Geestem¨unde und Lehe, die 1924 als Weserm¨unde vollzogen wurde. D. war Mitglied des Preußischen und des Deutschen St¨adtetags und bewirkte 1939 die Eingliederung von Bremerhaven nach Weserm¨unde. 1939 zum kommissarischen Oberb¨urgermeister des besetzten oberschlesischen K¨onigsh¨utte bestellt, wurde er 1940 nach Antwerpen und 1941 als Leiter einer Abteilung der Milit¨arverwaltung in die Ukraine versetzt. Sp¨ater wieder in Weserm¨unde t¨atig, wurde er 1945 von den Alliierten abgesetzt und interniert. D. schrieb u. a. Niedersachsen im Rahmen der Neugliederung Deutschlands (1928). C Leb Nieders, Bd 4

Delius, Walter, evang. Theologe, * 28. 12. 1899 Glauchau, † 11. 5. 1972 Berlin. D. studierte seit 1919 Theologie und Philosophie in Halle und T¨ubingen. 1924 zum Dr. phil. promoviert, erwarb er 1928 den Grad eines Lizentiaten der Theologie (Die Bilderfrage im Karolingerreich). 1925-28 war er Pfarrer in Ammendorf, 1928-58 in Berlin-Friedrichshagen. Als Mitglied der Bekennenden Kirche wurde er 1937 verhaftet. Nach dem Zweiten Weltkrieg lehrte D. als Dozent und 1949-70 als Prof. f¨ur Kirchengeschichte an der Kirchlichen Hochschule Berlin-Zehlendorf. 1954 wurde er in Halle zum Dr. theol. promoviert (Geschichte der irischen Kirche von ihren Anf¨angen bis zum 12. Jahrhundert). D. besch¨aftigte sich mit dem fr¨uhen Mittelalter, mariologischen Studien und der Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg. Er vero¨ ffentlichte u. a. Lehre und Leben. Justus Jonas, 1493-1555

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(1952), Die Reformationsgeschichte der Stadt Halle (1953) und Geschichte der Marienverehrung (1963). Seit 1955 war er Mitherausgeber des „Jahrbuchs f¨ur deutsche Kirchengeschichte“ und seit 1963 des „Jahrbuchs f¨ur BerlinBrandenburgische Kirchengeschichte“. C RGG

Delkeskamp, Friedrich Wilhelm, Graphiker, Maler, * 20. 9. 1794 Bielefeld, † 5. 8. 1872 Bockenheim (heute zu Frankfurt / Main). Nach seiner Teilnahme am Feldzug 1813 / 14 bereiste D. weite Teile Deutschlands und bet¨atigte sich als Architekturund Landschaftszeichner u. a. f¨ur Graf Eduard von Raczynski. 1825, 1827 und 1828-30 sammelte er in der Schweiz Motive f¨ur seine sp¨ateren kartographischen Arbeiten und ließ sich 1831 in Frankfurt / Main nieder. Nach seinem erstmals 1825 erschienenen Rhein-Panorama schuf er weitere in Kupfer gestochene Panoramen von Rhein, Main und Mosel, mehrere „malerische Reliefs“, f¨ur die er Hunderte von Zeichnungen anfertigte, sowie Aquarelle. C AKL Dell, Christian, Silberschmied, Designer, * 24. 2. 1893 Offenbach / Main, † 18. 7. 1974 Wiesbaden. D. erhielt seit 1907 eine Ausbildung als Silberschmied, studierte an der K¨oniglich Preußischen Zeichenakademie in Hanau und lernte bei Henry van de → Velde an der Kunstgewerbeschule in Weimar, bevor er nach dem Ersten Weltkrieg als Silberschmied bei der Firma Hestermann & Ernst in M¨unchen arbeitete. 1920 bildete er sich als Meistersch¨uler von August Bock an der Zeichenakademie in Hanau fort und gr¨undete dort im folgenden Jahr eine eigene Silberwerkstatt. 1922-25 war er Leiter der Metallwerkstatt des Weimarer Bauhauses, wo er eng mit L´aszl´o → Moholy-Nagy zusammen arbeitete, lehrte danach bis 1933 an der Frankfurter Kunstschule und gr¨undete 1948 in Wiesbaden ein Juweliergesch¨aft. In den zwanziger Jahren und verst¨arkt seit 1934 begann D., Entw¨urfe f¨ur die industrielle Produktion zu machen, wobei mit insgesamt u¨ ber 500 Arbeiten Lampen den Schwerpunkt seiner T¨atigkeit bildeten. Die Tisch- und Stehleuchten Rondella und die Serie Idell wurden von Rondella bzw. Kaiser in Großserie produziert; die Reihe Idell blieb 60 Jahre im Programm. C AKL ¨ Bildhauer, * um 1490 W¨urzburg, † 1552 Dell, Peter d. A., W¨urzburg. D. war zwischen 1505 und 1515 Sch¨uler Tilman → Riemenschneiders und sp¨ater vermutlich Geselle bei Hans → Leinberger in Landshut, der seine Arbeiten unmittelbar und nachhaltig beeinflußte. Das a¨ lteste von ihm u¨ berlieferte Werk ist 1528 datiert, 1534 wurde er Meister und ließ sich in W¨urzburg nieder. D. schuf neben Grabmalen und Holzreliefs vor allem Kleinkunst f¨ur f¨urstliche Sammler (u. a. sechs Frauengestalten als Allegorien der Tods¨unden, um 1540) und mehrere Portr¨atreliefs. Seine Arbeiten gelten als Weiterentwicklungen der deutschen Renaissance; neben seinem Sohn Peter → D. d. J. z¨ahlten Thomas Kistner und Heinrich Krist zu seinen Sch¨ulern. C AKL

Dell, Peter d. J., Bildhauer, † 1572 (?).

¨ ließ Nach der Ausbildung bei seinem Vater Peter → D. d. A. sich D. als Bildhauer in W¨urzburg nieder und wurde 1551 Meister. 1558 renovierte er gemeinsam mit Thomas Kistner das von Tilman → Riemenschneider geschaffene „Sacramentsgeh¨aus“. D. werden etwa 40 Werke zugeschrieben, ausschließlich Grabmale in der mainfr¨ankischen Gegend um Bamberg. C AKL

Dellberg, Karl, schweizer. Politiker, Gewerkschafter, * 18. 2. 1886 Brig, † 17. 7. 1978 Siders. Zun¨achst Hilfsarbeiter u. a. beim Bau des Simplon-Tunnels, absolvierte D. eine Lehre und war 1906-19 Postbeamter in Brig. Er war Vorsitzender des Gr¨utlivereins, redigierte dessen Zeitschrift „Gerechtigkeit“ und nahm am Generalstreik

Delmar teil. Als erster Sozialdemokrat 1921 in den Großen Rat gew¨ahlt, wurde er sp¨ater Pr¨asident der Walliser Sozialdemokratischen Partei und wegen seiner politischen Aktivit¨aten 1933 vorzeitig pensioniert. Gemeinsam mit seiner Frau leitete D. bis 1950 das Volkshaus Brig und war 1921-43 Pr¨asident des Walliser Gewerkschaftskartells, 1921-65 Gemeinderat sowie 1935-47 und 1951-71 Nationalrat.

Delle Grazie, Marie Eugenie → Grazie, Marie Eugenie delle

Deller, Florian (Johann), auch Teller, D¨oller, T¨oller, Komponist, Musiker, getauft 2. 5. 1729 Drosendorf (Nieder¨osterreich), † 19. 4. 1773 M¨unchen. Gemeinsam mit dem Wiener Tenoristen C. von Hager wurde D. 1751 als Orchestergeiger an den Stuttgarter Hof Herzog → Karl Eugens von W¨urttemberg berufen und erhielt seit 1756 Kompositionsunterricht bei Niccol`o Jommelli. Nach der Einrichtung des „Opern- und Com¨odienballetts“ 1758 wurde er als alleiniger Begleiter der Proben mit der Violine eingesetzt und erwarb umfangreiche Kenntnisse auf dem Gebiet des Balletts, die sich der Ballettmeister Jean-Georges Noverre zunutze machte. D. komponierte vermutlich bereits Ballettmusiken f¨ur dessen Vorg¨anger. Als sein Hauptwerk gilt die Partitur zu Noverres Orfeo ed Euridice (1763). Nach Noverres Entlassung 1768 wandte sich D. der opera buffa zu und wurde 1769 „Concertmeister und Hofcompositeur“, 1771 jedoch nach erh¨ohten Gehaltsforderungen entlassen. Er kam u¨ ber Wien nach M¨unchen und kn¨upfte Kontakte zum Dresdner kurs¨achsischen Hof, starb jedoch kurz darauf. C MGG Delling, Johann Nepomuk von, Historiker, * 12. 1. 1764 M¨unchen, † 12. 4. 1838. D., Sohn eines B¨urgermeisters, widmete sich zun¨achst der Philosophie, der Mathematik und der Physik, trat dem Illuminatenorden bei (Mitglieder der M¨unchner Loge „Zur Behutsamkeit“) und studierte Rechtswissenschaften in Ingolstadt. Danach als Jurist und Stadtrat in M¨unchen t¨atig, mußte er w¨ahrend der Verfolgung der Illuminaten durch Kurf¨urst → Karl Theodor die Stadt 1785 verlassen und gelangte u¨ ber Regensburg nach Wien, wo er als Privatlehrer Besch¨aftigung fand. Zwischenzeitlich auch als Hauslehrer in Schemnitz und als Prof. f¨ur Philosophie an der Akademie in F¨unfkirchen t¨atig, kehrte D. 1799 unter der Regierung des sp¨ateren K¨onigs → Maximilian I. nach M¨unchen zur¨uck, wurde Hof- und Justizrat und 1810 Appellationsrat. 1827-36 lehrte er als Honorarprofessor an der Univ. M¨unchen. D. geh¨orte der bayerischen Akademie der Wissenschaften an. Er ver¨offentlichte Beitr¨age zu einem baierischen Idioticon (1820).

Dellinger, Rudolf, Komponist, Kapellmeister, * 8. 7. 1857 Graslitz (B¨ohmen), † 24. 9. 1910 Dresden. D., dessen Vater im Erzgebirge Holzblasinstrumente herstellte, studierte 1874-79 Klarinette bei Julius Pisaˇrowitz am Prager Konservatorium und war seit 1880 Kapellmeister in Br¨unn, Passau, Saaz, Eger, Prag und Czernowitz. 1883 kam er an das Carl-Schultze-Theater in Hamburg, sp¨ater nach Karlsbad und war seit 1893 Chefdirigent am Dresdner Residenztheater. D. komponierte zahlreiche Operetten (u. a. Don Cesar, 1885; Lorraine, 1886; Der letzte Jonas, 1910), die noch der Wiener Operettenklassik zugeordnet werden. Das St¨andchen Komm’ herab, o Madonna Teresa aus seiner Operette Don Cesar (1885) wurde international bekannt. C Leb Sudeten, Bd 2

Dellingshausen, Eduard (Alexander Julius) Frh. von, auch Dellingshausen-Kattentack, Politiker, * 31. 3. 1863 Reval, † 9. 7. 1939 Potsdam. D. studierte an den Universit¨aten Dorpat, Berlin und M¨unchen und u¨ bernahm 1887 die Bewirtschaftung der v¨ater-

lichen G¨uter. 1902 wurde er zum letzten estl¨andischen Ritterschaftshauptmann gew¨ahlt und versuchte nach der russischen Revolution von 1905 den autonomen Status der baltischen L¨ander gegen großrussisch-zentralistische Anspr¨uche zu verteidigen. Als Mitglied des Reichsrats in St. Petersburg (1907-12) gelang es ihm, seiner Provinz verschiedene Rechte, darunter den muttersprachlichen Unterricht nicht nur f¨ur Deutschbalten, sondern auch f¨ur Esten und Letten, zu erwirken. Gemeinsam mit der livl¨andischen Ritterschaft erkl¨arte D. Anfang 1918 die Losl¨osung Estlands und Livlands vom bolschewistischen Rußland; gegen Ende desselben Jahres siedelte er nach Deutschland u¨ ber. Seine Erinnerungen Im Dienste der Heimat erschienen 1930. C NDB

Dellingshausen, Mathilde Freiin von, Sozialarbeiterin, * 16. 4. 1854 Libau, † 22. 9. 1920 Stuttgart. D. wurde in Wiesbaden und seit 1866 in Stuttgart erzogen, trat 1883 in Paris zum Katholizismus u¨ ber und widmete sich danach in W¨urttemberg der Caritasarbeit. Zun¨achst im Elisabethverein t¨atig, gr¨undete sie sp¨ater auf Anregung des Domkapitulars Stiegele den „Rettungsverein vom guten Hirten“ f¨ur obdachlose oder von der Polizei aufgegriffene M¨adchen und Frauen. 1904 er¨offnete sie ein Notasyl, 1910 das „Paulusstift“, 1914 das „Kinderheim St. Joseph“ in Neuhausen / Fildern. In den folgenden Jahren entstanden weitere Asyle und zehn Zweigvereine in W¨urttemberg.

Dellmensingen, Konrad Krafft von, Milit¨ar, * 24. 11. 1862 Laufen, † 2. 2. 1953 Seeshaupt. Der Sohn eines Notars wurde im Kadettenkorps ausgebildet und kam 1881 als F¨ahnrich zur Feldartillerie. Danach Leutnant an der Kriegsakademie, wechselte er 1908 als Oberst und Abteilungsleiter in das bayerische Kriegsministerium. 1911 wurde er Kommandeur der 4. Feld-Artillerie-Brigade, 1912 Generalmajor und Chef des Generalstabs der bayerischen Armee, 1914 Chef des Generalstabs der 6. Armee unter Kronprinz → Rupprecht. 1915-17 hatte er als Generalleutnant das Kommando u¨ ber das Alpenkorps inne. Danach wurde er Chef des Generalstabs der Heeresgruppe Albrecht von W¨urttemberg, leitete auch die Generalst¨abe der 14. Armee in Italien und seit Anfang 1918 der 17. Armee in Frankreich. Im Mai 1918 wurde er kommandierender General des kgl. bayerischen 11. Armeekorps. Nach Kriegsende zog sich D. in den Ruhestand zur¨uck. Er ver¨offentlichte u. a. Front in Fels und Eis. Der Weltkrieg im Hochgebirge (1932) und Der Durchbruch. Studie an Hand der Vorg¨ange des Weltkrieges 1914-1918 (1937). Delmar, Ferdinand Moritz, eigentl. Salomon Moses Levy, Bankier, * 21. 3. 1781 Charlottenburg, (heute zu Berlin), † 27. 11. 1858 Paris. Seit 1785 von → Friedrich II. mit den Rechten christlicher Kaufleute beliehen, geh¨orte die Familie Levy zu den preuß. Großfinanziers; sie war an den Kriegskontributionen nach dem Tilsiter Frieden und an Anleihen f¨ur Berlin, die Kurund Neumark beteiligt. Gemeinsam mit seinen Br¨udern ließ sich Levy, dessen Vater Bankier und M¨unzfaktor in Berlin war, 1806 taufen und nahm den Namen Delmar an, wandelte 1809 die ererbte Firma in das Handelshaus Delmar & Co. um und wurde Berliner Stadtrat. Auf Intervention des franz¨osischen Gesandten 1810 als erster geb¨urtiger Jude in den preuß. Freiherrenstand erhoben, gew¨ahrte er 1812 Preußen eine weitere Großanleihe, wurde Heereslieferant im Rußlandfeldzug und siedelte nach den Befreiungskriegen 1815 nach Paris u¨ ber. Er gr¨undete und f¨orderte dort ein Erziehungsinstitut f¨ur verarmte Adelige und versuchte vergeblich, seine politische Machtstellung wiederzuerlangen. C NDB

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Delorko Delorko, Ratko, S¨anger, * 19. 11. 1916 Zadar (Jugoslawien), † 25. 7. 2002 Kettwig / Ruhr. D. erhielt eine Gesangsausbildung bei Paul Marion und Law Urbancic in Zagreb und deb¨utierte als Almaviva im Barbier von Sevilla an der Zagreber Oper, an der er bis 1951 t¨atig war. Nach Engagements am Stadttheater in Bern (1952-54) und am Theater in Innsbruck (1954 / 55) ging er 1955 an die Staatsoper in Hamburg, wo er sich als hervorragender Vertreter der lyrischen Partien aus der italienischen Opernliteratur, aber auch als begabter Interpret moderner Musik erwies. 1959-62 gastierte er am Opernhaus in Frankfurt / Main, 1962 an der Covent Garden Opera in London und 1961 als Matteo in Arabella von Richard → Strauss beim Maggio musicale in Florenz. D. wirkte auch bei den Festspielen in Edinburgh mit. 1963-75 war er Mitglied der Deutschen Oper am Rhein D¨usseldorf-Duisburg, wo er noch 1982 als Gast den Kaiser Altoum in Puccinis Oper Turandot sang. Zu seinem Repertoire geh¨orte auch der Belmonte in der Entf¨uhrung aus dem Serail, der Tamino in der Zauberfl¨ote, der Lyonel in → Flotows Martha und der Fenton in Verdis Falstaff. C Kutsch

Delp, Alfred (Friedrich), Jesuit, Theologe, * 15. 9. 1907 Mannheim, † 2. 2. 1945 Berlin-Pl¨otzensee. Obwohl D. nur wenige Jahre in M¨unchen verbrachte, u¨ berdies sein Widerstand gegen den Nationalsozialismus ihn in ganz Deutschland bekannt gemacht hat, war er doch in entscheidender Zeit mit Bayern eng verbunden. Der katholisch getaufte, aber evangelisch erzogene Kaufmannssohn fand nach dem Abitur u¨ ber den Jugendbund Neudeutschland zu den Jesuiten Kontakt, trat 1926 in den Orden ein, absolvierte die dort u¨ bliche Ausbildung und empfing 1937 die Priesterweihe. Aufgrund seiner schon damals beachtlichen Arbeiten (u. a. Tragische Existenz, 1935, gegen → Heidegger) wurde er 1939 nach M¨unchen an die Redaktion der Jesuitenzeitschrift „Stimmen der Zeit“ geschickt, wo er in vielen Beitr¨agen f¨ur einen sozialen Katholizismus und einen theonomen Humanismus warb; damit geriet er trotz seines Bekenntnisses zum Deutschtum in scharfen Gegensatz zur nationalsozialistischen Ideologie. Nachdem 1941 das Haus der Redaktion von der Geheimen Staatspolizei beschlagnahmt worden war, wurde D. Kirchenrektor von St. Georg in M¨unchen-Bogenhausen und durch Jugendarbeit und Predigt schnell zu einem Zentrum der Regimekritik. Auf Anregung des Jesuitenprovinzials Augustin → R¨osch nahm D. seit Fr¨uhjahr 1942 an den Diskussionen der Widerstandsgruppe von Helmuth J. → Moltke (Kreisauer Kreis) teil und brachte katholisch-soziale Ideen (soziale Gerechtigkeit, Familienlohn, Bildungschancen) f¨ur die k¨unftige Neugestaltung Deutschlands ein. Da er sich auch einmal mit dem Attent¨ater → Schenk von Stauffenberg getroffen hatte, wurde er am 28. 7. 1944 verhaftet. Trotz schwerer Folter war D. auch in der Haft literarisch t¨atig und gelangte zu eindrucksvoller religi¨oser Vertiefung. Nach dem Prozeß 9. / 11. 1. 1945 (Todesurteil nicht wegen des 20. Juli, sondern wegen Zukunfts¨uberlegungen auf christlicher Basis und wegen seiner Ordenszugeh¨origkeit, so D. selbst) wurde er im Februar hingerichtet. WERKE: Gesammelte Schriften. Hrsg. v. Roman Bleistein. 5 Bde., Frankfurt / Main 1982-88. LITERATUR: Roman Bleistein: A. D. Frankfurt / Main 1989. – Michael Pope: Pater A. D. im Kreisauer Kreis. Mainz 1994. Walter Ziegler

Delp, Ellen, auch Delmari-Delp, verh. Krafft-Delmari,

¨ geb. Schachian, Schriftstellerin, Ubersetzerin, * 9. 2. 1890 Leipzig, † 25. 2. 1990 Insel Reichenau. D. studierte Literatur und Kunstgeschichte in Leipzig, Wien und M¨unchen und lebte sp¨ater als Schriftstellerin auf der Insel Reichenau. Mit zahlreichen K¨unstlern ihrer Zeit bekannt

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(u. a. → Hofmannsthal, Lou → Andreas-Salom´e, Thomas → Mann, K¨athe → Braun-Prager), widmete sie der Schriftstellerin Regina → Ullmann Eine Biographie der Dichterin (1960). D.s Werk umfaßt Gedichte, Erz¨ahlungen (u. a. Vergeltung durch Engel, 1952), Novellen, Romane und Schauspiele. → Rilkes Briefwechsel mit D. und R. Ullmann wurde 1987 von Walter Simon herausgegeben. C DLL, 20. Jh.

Delphius, Johannes, eigentl. Brants, kath. Theologe, * 6. 3. 1524 Delft, † 14. 7. 1582 Straßburg. D. war Prof. der Theologie in K¨oln sowie Berater des Trierer Erzbischofs Johann von Isenburg und nahm 1551 / 52 am Konzil von Trient teil. Er war an der Ausformulierung der kath. Lehren u¨ ber Buße, Altarsakrament und Meßopfer beteiligt und verteidigte sp¨ater als Straßburger Domprediger und Weihbischof den alten Glauben. Anl¨aßlich seiner Teilnahme am Wormser Religionsgespr¨ach von 1557 legte er mehrere Kontroversschriften vor. D. ver¨offentlichte u. a. den Katechismus Quaestiones proponendae ordinandis in majoribus (1581). C Gatz 2

Delsarta, Ernesta, eigentl. Ernestine von Possart, auch Anna Hutt, S¨angerin, * 22. 8. 1875 M¨unchen, † 30. 1. 1946 Frankfurt / Main. Die Tochter Anna → Deinets und Ernst von → Possarts studierte Gesang bei Natalie → Haenisch in Dresden und deb¨utierte 1902 als Sopranistin am Opernhaus K¨oln. Sp¨ater an der Oper in Frankfurt / Main t¨atig, trat sie nach ihrer Heirat mit Robert → Hutt auch unter dem Namen Anna Hutt auf, kam gemeinsam mit ihrem Mann 1917 an die Berliner Hofoper und war seit dem Ende des Ersten Weltkriegs u¨ berwiegend auf Gastspielen zu h¨oren; 1923 nahm sie an der USA-Tournee der German Opera Company teil. Zu ihren wichtigsten Rollen z¨ahlte die Freia im Rheingold von Richard → Wagner. D. war auch als Konzertsopranistin erfolgreich. C Kutsch

Delsen, Leo, eigentl. Samuel Leiser Idelson, S¨anger, * 13. 6. 1884 Mohilew (Rußland), † 11. 12. 1954 Solothurn. Nach der Ausbildung bei Paul → Bender in M¨unchen begann D. seine Laufbahn als Bassist am Stadttheater Heidelberg (1910 / 11), sang 1911-13 am Stadttheater M¨ahrisch-Ostrau (Ostrava), 1915-17 am Stadttheater Z¨urich und war 1918-27 am Stadttheater Bern engagiert. Er gr¨undete 1917 das St¨adtebundtheater Biel-Solothurn, u¨ bernahm die Stelle des Direktors, trat als S¨anger auf und f¨uhrte Regie. Zu seinen wichtigsten Partien z¨ahlte der Osmin in → Mozarts Entf¨uhrung C Kutsch aus dem Serail. Delsenbach, Johann Adam, Kupferstecher, * 9. 12. 1687 N¨urnberg, † 16. 5. 1765 N¨urnberg. D., Sohn eines Leipziger und Naumburger Geleitsreiters f¨ur N¨urnberger Warentransporte, durchlief eine Lehre bei dem Portr¨atstecher Augustin Christian Fleischmann und besuchte die N¨urnberger Malerakademie, kam auf der Wanderschaft nach Sachsen und reiste 1710 nach Wien, wohin ihn der kaiserliche Oberlandbaumeister Johann Bernhard → Fischer von Erlach zur Anfertigung der Kupferstichtafeln f¨ur sein großes Architekturwerk berufen hatte. Er kehrte 1713 bei Ausbruch der Pest nach N¨urnberg zur¨uck und kam 1718 abermals nach Wien, um im Auftrag von Karl Gustav → Heraeus Illustrationen f¨ur ein Medaillenwerk anzufertigen. Im selben Jahr von Anton Florian F¨urst → Liechtenstein zum Hofkupferstecher ernannt, lebte D. seit dessen Tod 1721 wieder in N¨urnberg und wurde nach einer Hollandreise 1733 Genannter des Gr¨oßeren Rats seiner Geburtsstadt. Seine zahlreichen, in mehreren Sammelwerken herausgegebenen Ansichten (u. a. N¨urnbergische Prospekten, 3 Tle., 1715-25) stellen wertvolle Quellen f¨ur die Architektur- und Stadtgeschichtsforschung dar. C AKL

Demann Deltgen, Ren´e (Henri), Schauspieler, * 30. 4. 1909 Esch / Alzette, † 29. 1. 1979 K¨oln. Nach dem Besuch der Schauspielschule K¨oln war D. seit 1929 an den St¨adtischen B¨uhnen K¨oln t¨atig, kam 1934 nach Frankfurt / Main und folgte 1936 einer Berufung Eugen → Kl¨opfers nach Berlin, wo er u. a. den Franz Moor spielte. Daneben wirkte er in zahreichen Filmen mit, war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in verschiedenen Berufen t¨atig und kam an das Theater in Konstanz. Seit 1947 wieder an K¨olner B¨uhnen engagiert, spielte er u. a. in der Urauff¨uhrung von Theodor → Pliviers Stalingrad, war 1966-69 Mitglied des Z¨urcher Schauspielhaus-Ensembles und absolvierte daneben Gastspiele an deutschsprachigen B¨uhnen. D. nahm an zahlreichen Kinoproduktionen teil, darunter Der Tiger von Eschnapur und Das indische Grabmal (1958). Im Alter wandte er sich von der B¨uhne ab und trat in Fernsehproduk¨ in der ARD-Fernsehserie tionen auf, darunter als Alm-Ohi nach Johanna → Spyris Heidi.

mehrere Stadtgeschichten (u. a. Stadtgeschichte von Olm¨utz, 1850) sowie die Autobiographie Christian Ritter D’Elvert (1893).

Delug, Alois (Johann Josef), o¨ sterr. Maler, * 25. 5. 1859 Bozen, † 16. 9. 1930 Wien. D. studierte 1880-85 bei Leopold Karl → M¨uller an der Kunstakademie Wien, ließ sich nach verschiedenen Studienreisen 1888 in M¨unchen nieder und kehrte 1896 nach Wien zur¨uck. 1898-1912 war er Prof. an der Wiener Akademie der bildenden K¨unste und leitete 1900-28 verschiedene Malschulen. D. initiierte die Schaffung und Erhaltung der K¨unstlerheime am Wiener Rosenh¨ugel und in Grinzing (1910) und begr¨undete 1896-99 das St¨adtische Museum Bozen. Neben Historiengem¨alden schuf er Landschaften in Pleinairmalerei (M¨arzwinde) sowie zahlreiche Portr¨ats, darunter das des Wiener B¨urgermeisters Karl → Lueger. C AKL

Delz, Christoph (Andreas), schweizer. Komponist,

Delvard, Marya, eigentl. Maria Jos´ephine Bill`ere, auch Biller, Chansonniere, Kabarettistin, * 11. 9. 1874 R´echicourt-le-Chˆateau (Lothringen), † 25. 9. 1965 Pullach / Isartal. D. studierte Gesang in Metz und Nancy, besuchte 1896 / 97 das M¨unchner Konservatorium und war an der Begr¨undung der „Revue Franco-Allemande / DeutschFranz¨osischen Rundschau“ in M¨unchen beteiligt. Seit 1897 trat sie regelm¨aßig mit einem Repertoire franz¨osischer Chansons auf, war seit 1901 in dem von ihr mitbegr¨undeten M¨unchner Kabarett „Elf Scharfrichter“ Chansonni`ere und Vortragsk¨unstlerin und hatte Anteil an der Entstehung der Wiener Kabarettst¨ucke „Nachtlied“ und „Die Fledermaus“. 1909-14 gemeinsam mit ihrem Partner Marc Henry mit einem Programm deutscher und franz¨osischer Volkslieder auf internationaler Tournee, stellte sie sich bei Kriegsbeginn als S¨angerin in den Dienst des Roten Kreuzes und der Heilsarmee (bis 1927). D. kehrte 1927 nach M¨unchen zur¨uck, ging in die Schweiz, lebte 1930-39 in Wien und emigrierte 1939 nach Frankreich. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs engagierte sie sich im Tierschutz, folgte 1958 einer Einladung der Stadt M¨unchen und verbrachte ihren Lebensabend in einem K¨unstlerheim bei M¨unchen. C Exiltheater

D’Elvert, Christian Ritter, Staatsmann, Historiker, * 11. 4. 1803 Br¨unn, † 28. 1. 1896 Br¨unn. Der Sohn einer franz¨osischen Emigrantenfamilie studierte in Br¨unn, Prag, Graz und Wien Rechtswissenschaften und Geschichte, trat 1840 in den o¨ sterr. Staatsdienst ein und war 1848 / 49 Mitglied des Frankfurter Parlaments. D. wurde 1850 Finanzrat und u¨ bernahm im folgenden Jahr den Vorstand der Historisch-Statistischen Sektion der m¨ahrischen Gesellschaft zur Bef¨orderung des Ackerbaus, der Natur- und Landeskunde. 1861-63 sowie 1870-76 war er B¨urgermeister von Br¨unn, seit 1871 als Abgeordneter Br¨unns Mitglied des M¨ahrischen Landtags sowie des o¨ sterr. Reichsrats. D. verfaßte zahlreiche Studien zur Geschichte M¨ahrens,

Delwig, Heinrich von, auch Dalwigk, Milit¨ar, * 15. 10. 1620 Livland, † 7. 1. 1696 Hamburg. Am Hof des K¨onigs von Polen ausgebildet, nahm D. unter General Graf Friedrich zu Dohna an den Feldz¨ugen im Westen teil und trat in franz¨osische, sp¨ater schwedische Dienste. 1665-69 f¨uhrte er schwedische Truppen in Deutschland und wurde als Generalmajor Inspektor u¨ ber alle schwedischen Truppen in Bremen sowie Kommandant in Stade, 1676 Kommandant in Hamburg. 1677 trat er in den Dienst der Generalstaaten von Holland und nahm an zwei Feldz¨ugen gegen Frankreich teil. 1691 schied er aus holl¨andischen Diensten und war seit 1692 Oberkommandant der Festung und Garnison Hamburg.

Musiker, * 3. 1. 1950 Basel, † 13. 9. 1993 Riehen (Kt. Basel-Stadt). Schon vor dem Abitur hatte D. das Solistendiplom als Pianist erhalten. Seit 1974 studierte er in K¨oln bei Aloys Kontarsky Klavier, bei Karlheinz Stockhausen Komposition und Dirigieren bei Volker Wangenheim. 1983 erhielt er den Musikpreis der Stadt K¨oln, in Donaueschingen wurde sein Orchesterst¨uck Im Dschungel uraufgef¨uhrt. 1989 kehrte D. als freischaffender Musiker nach Basel zur¨uck, wo er 1991 unter der Leitung Mauricio Kagels als Pianist auftrat. Im gleichen Jahr wurden in Z¨urich seine Joyce-Fantasie und bei den Weltmusiktagen die Komposition Jahreszeiten f¨ur Klavier und Orchester uraufgef¨uhrt. C MGG

Demandowski, Axel von, Pseud. Axel Delmar, Regisseur, Schriftsteller, * 9. 4. 1867 Berlin, † 1. 4. 1929 Gorden bei Brandenburg. D. bereiste seit 1885 Rußland, Italien und D¨anemark, wurde 1888 Schauspieler und kam nach mehreren Engagements an Provinztheatern 1890 an das kgl. Schauspielhaus in Berlin, wo er sp¨ater Regieassistent wurde. 1894 gab er diese Stellung auf, um sich als freier Schriftsteller niederzulassen, war seit 1896 auch Feuilletonist beim „Fremdenblatt“ und folgte 1904 einer Berufung als Oberregisseur an das Kasseler Hoftheater. Im folgenden Jahr trat er zur¨uck, ging nach Berlin und wurde Oberregisseur am Neuen Theater. Außer B¨uhnenst¨ucken, darunter Staatsstreich (1897), schrieb D. zahlreiche Opernlibretti (u. a. Ein treuer Schelm, 1894).

Demann, Gerhard Franziskus, Bischof von Osnabr¨uck, * 27. 10. 1900 Freren-L¨unsfeld (Kr. Lingen), † 27. 3. 1957 Osnabr¨uck. Der Sohn eines Tischlermeisters nahm 1918 am Ersten Weltkrieg teil und begann 1921 das Studium der Philosophie und Theologie in M¨unster, das er in Rom fortsetzte. Er wurde dort 1927 zum Priester geweiht und 1928 zum Dr. theol. et phil. promoviert. Im selben Jahr erhielt er eine Stelle als Vikar in Haren / Ems, wo er auch an der Rektoratsschule unterrichtete. 1931 wechselte er als Vikar und Religionslehrer nach Leer. Seit 1933 wieder zum Studium in M¨unster, legte er 1937 das Zweite P¨adagogische Staatsexamen ab. In den folgenden Jahren betreute D. die Theologiestudenten der Di¨ozesen Osnabr¨uck und Hildesheim. Seit 1942 war er Dozent, seit 1949 o. Prof. f¨ur Dogmatik und Homiletik am Priesterseminar in Osnabr¨uck. 1953 wurde er zum Domkapitular, 1954 zum Geistlichen Rat und 1956 zum Bischof ernannt. 1957 starb D. unmittelbar nach der Bischofsweihe an einem Herzinfarkt. C Gatz 5

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Demantius Demantius, (Johannes) Christoph, auch Demant, Demuth, Komponist, Musiktheoretiker, Dichter, * 15. 12. 1567 Reichenberg (B¨ohmen), † 20. 4. 1643 Freiberg (Sachsen). D. war 1593 an der Univ. Wittenberg immatrikuliert, lebte um 1594 / 95 in Leipzig und stand dort vermutlich in Verbindung mit dem Konrektor der Thomasschule, Fabian Hippius. Seit 1597 war er Kantor in Zittau. 1604 wurde er unter mehreren Bewerbern ausgew¨ahlt, die vakant gewordene Kantorenstelle in Freiberg in Sachsen zu u¨ bernehmen. Er wirkte dort bis zu seinem Tod, erwarb 1610 ein eigenes Haus im Domviertel und erhielt im folgenden Jahr das B¨urgerrecht. D. galt als temperamentvoll und eigenwillig und wurde 1622 / 23 von Rektor Johann Schellenberg u. a. als „importunus homo et turbulentum ingenium“ beschrieben. Sein erstmals 1602 erschienenes, mehrmals aufgelegtes Werk Isagoge artis musicae [. . .] gilt als das erste alphabetische Musikw¨orterbuch der Zeit. D. verfaßte auch poetische und philosophische Schriften (u. a. Philosophische Ariadne der sieben freien K¨unste [. . .], 1659). Neben geistlicher Vokalmusik, darunter eine Deutsche Passion. Nach dem Evangelisten S. Iohanne (1631), komponierte er weltliche deutsche, auch polnische und ungarische Lieder und T¨anze. Seine Kompositionen sowie die Liedertexte weisen D. eine Mittelstellung zwischen der traditionellen Musikanschauung und den Arbeiten seines j¨ungeren Zeitgenossen Heinrich → Sch¨utz zu. C MGG Dember, Harry, Physiker, * 11. 7. 1882 Leimbach bei Mansfeld, † 22. 3. 1943 New Brunswick (New Jersey, USA). D. studierte in Charlottenburg und Besan¸con sowie an den Universit¨aten G¨ottingen und Berlin, war seit 1905 Assistent ¨ an der TH Dresden, wurde 1906 mit der Dissertation Uber den lichtelektrischen Effekt und das Kathodengef¨alle an einer Alkali-Elektrode in Argon, Helium und Wasserstoff an der Univ. Berlin promoviert und habilitierte sich 1909 in Dresden mit der Arbeit Erzeugung positiver Strahlen durch ultraviolettes Licht. Seit 1913 a. o. Prof. der Physik, wurde er 1923 Ordinarius, Direktor des Physikalischen Instituts und Assistent an der S¨achsischen Landeswetterwarte. Er arbeitete u¨ ber Lichtelektrizit¨at, Luftelektrizit¨at und atmosph¨arische Optik. Nach seiner Entlassung 1933 emigrierte er in die T¨urkei und war 1933-41 Prof. der experimentellen Physik an der Univ. Istanbul, seit 1937 auch Direktor des Physikalischen Instituts. 1941 / 42 in die USA u¨ bergesiedelt, war er 1942 / 43 Dozent und anschließend Gastprofessor am Physikalischen Institut der Rutgers University in New Brunswick ¨ (New Jersey). D. ver¨offentlichte u. a. Uber die Bestimmung der Loschmidtschen Zahl durch Messung des Sonnenlichts in der Atmosph¨are (1916).

Dembitzer, Salomon, Journalist, Schriftsteller, * 29. 12. 1888 Krakau, † 11. 10. 1964 Lugano. D., Sohn eines Rabbiners, kam als Kind nach Deutschland und war bis auf eine kurze Zeit als Gasth¨orer an der Univ. G¨ottingen (1906 / 07) Autodidakt. Seit 1904 journalistisch t¨atig, lebte er 1908-33 als freier Schriftsteller in Berlin; er war Mitarbeiter deutscher und ausl¨andischer Zeitungen und Zeitschriften (u. a. „Vorw¨arts“, „Berliner Tageblatt“, „Die Welt am Montag“, „Arbeiter-Zeitung“, „Hamburger Israelitisches Familienblatt“), 1916-20 Niederlande-Korrespondent des „Vorw¨arts“. Nach der Macht¨ubernahme durch die Nationalsozialisten floh D. nach Amsterdam, lebte 1935-40 in Belgien und kam u¨ ber Portugal 1941 in die USA. Seit 1947 in Sydney (Australien) ans¨assig, kehrte er 1958 nach Europa zur¨uck, um seinen Lebensabend in Lugano zu verbringen. D. schrieb in deutscher, jiddischer, holl¨andischer und englischer Sprache u¨ berwiegend Lyrik und Prosa, darunter die Romane Bummler und Bettler (1930), Die Geistigen (1934), Drama

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in Ostend. Psychology of a gambler (1950) und Visas for America. A story of an escape (1952). C Lex dt-j¨ud Autoren

Demel, Anna, o¨ sterr. Unternehmerin, * 4. 3. 1872 Wien, † 8. 11. 1956 Wien. D. u¨ bernahm nach der Scheidung von ihrem Mann und dessen Austritt aus dem Unternehmen 1917 die Gesch¨aftsf¨uhrung der Hofkonditorei Demel. Sie leitete Caf´e und Konditorei mit zunehmendem Erfolg bis zu ihrem Tod. Die beiden wichtigsten Produkte ihres Betriebs waren die „Original Sacher-Torte“, f¨ur die sie 1930 das Erzeugungsund Vertriebsrecht vom Hause Sacher erwarb, sowie Lebkuchenfiguren, die mit Modeln aus der Sammlung des Grafen → Wilczek hergestellt wurden. C Czeike

Demel, Rudolf, o¨ sterr. Chirurg, * 7. 4. 1891 WallachischMeseritsch (M¨ahren), † 4. 1. 1952 Wien. Nach dem Abschluß des Studiums an der Univ. Wien war D. Assistent an der Ersten Chirurgischen Universit¨atsklinik in Wien und 1918-34 an der Klinik unter → Eiselsberg t¨atig. 1928 habilitierte er sich an der Univ. Wien f¨ur Chirurgie und wurde 1933 a. o., 1934 o. Prof. der Chirurgie sowie Primarius der Chirurgischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung. D. ver¨offentlichte u. a. Diagnostik chirurgischer Erkrankungen (1935, 91946), Kleine Chirurgie (1941, 101945) und Chirurgie der Infektionen (1947). ¨ Demel-Elswehr, Hans, o¨ sterr. Agyptologe, * 14. 4. 1886 Teschen, † 28. 12. 1951 Wien. Nach rechtswissenschaftlichen, a¨ gyptologischen und arch¨aologischen Studien an der Univ. M¨unchen war D.-E. Mitarbeiter an Ausgrabungen der Wiener Akademie der Wissen¨ schaften in Agypten und trat 1913 in das Kunsthistorische Museum Wien ein. Er wurde 1921 Leiter, 1926 Direktor ¨ der Agytologisch-orientalischen Sammlung und unternahm ¨ mehrere Studienreisen nach Agypten und in den Vorderen Orient. D.-E. wurde 1945 zum Prof., 1947 zum Hofrat er¨ nannt. Er ver¨offentlichte u. a. Agyptische Kunst (1947).

Demel-Seebach, Hans, Pseud. Hans Seebach, o¨ sterr. Schriftsteller, * 27. 11. 1872 Salzburg, † 7. 3. 1932 Salzburg. D.-S. wurde nach der Ausbildung in Salzburg Lehrer in M¨uhlbach bei Bischofshofen, 1898 in Salzburg; daneben war er 1898 / 99 Redakteur der Zeitschrift „Alpenheim“ und 1904 / 05 Kunstreferent der „Salzburger Zeitung“. Zuletzt B¨urgerschuldirektor, schrieb er zahlreiche Kasperlspiele f¨ur Marionettentheater (u. a. Kasperl und die wissenden Tiere, 1920) sowie Schauspiele und Novellen. C DLL Demelius, Christian, Komponist, Kantor, * 1. 4. 1643 Schlettau / Erzgebirge, † 1. 11. 1711 Nordhausen. D. erweiterte seine am Heimatort erhaltene musikalische Ausbildung in Zwickau und wurde 1663 Erzieher des B¨urgermeisters von Nordhausen. Seit 1666 studierte er an der Univ. Jena bei Adam → Drese Komposition, daneben vermutlich Theologie und war Mitglied der Hofkapelle. D. erhielt 1669 eine Anstellung als Musiklehrer am Gymnasium in Nordhausen, leitete den Schulchor und war Stadtkantor an der Kirche St. Blasii. Er gab ein Schrifftm¨aßiges Gesangbuch zum n¨utzlichen Gebrauch [. . .] der KirchenGemeinden in Nordhausen (1686) heraus und schrieb den praktischen Bed¨urfnissen in Schulen und Kirchen angepaßte Kompositionen, darunter die Motette Die auff den Herren hoffen (1680). C MGG

Demelius, Ernst, o¨ sterr. Jurist, * 10. 7. 1859 Krakau, † 28. 7. 1904 Obergabelhorn bei Zermatt. Der Sohn von Gustav → D. studierte an der Univ. Graz und war nach der Promotion 1882 an verschiedenen Gerichten t¨atig. 1895 habilitierte er sich an der Univ. Wien,

Demling folgte 1897 einer Berufung als a. o. Prof. an die Univ. Innsbruck und wurde 1901 o. Prof. des o¨ sterr. Zivilrechts; 1903 war er Rektor der Universit¨at. D. ver¨offentlichte u. a. Zur Lehre von der Rechtskraft des Civil-Urtheils nach geltendem o¨ sterreichischem Rechte und dem Entwurfe vom Jahre 1881 (1892) und Der neue Civilprozeß (16 Hefte, 1898-1902). Er C Biogr Jahrb, Bd 9 war der Vater von Heinrich → D.

Demelius, Gustav, Jurist, * 31. 1. 1831 Allstedt, † 7. 12. 1891 Wien. D. studierte an der Univ. Jena zun¨achst Philologie, sp¨ater Rechtswissenschaften und habilitierte sich 1856 an der Univ. Prag f¨ur r¨omisches Recht. Im folgenden Jahr als o. Prof. nach Krakau berufen, wechselte er 1862 nach Graz, 1881 an die Univ. Wien. Der Vater von Ernst → D. gilt als einer der bedeutendsten Rechtstheoretiker seiner Zeit. Er ver¨offentlichte u. a. Untersuchungen aus dem r¨omischen Civilrechte (Bd. 1, 1856), Die Rechtsfiktion in ihrer geschichtlichen und dogmatischen Bedeutung (1858) und Schiedseid und Beweiseid im r¨omischen Civilprocesse (1887).

Demelius, Heinrich, o¨ sterr. Jurist, * 2. 11. 1893 M¨odling (Nieder¨osterreich), † 6. 2. 1987 Wien. Der Sohn von Ernst → D. studierte an der Univ. Wien (Promotion 1916) und habilitierte sich dort 1920 f¨ur o¨ sterr. B¨urgerliches Recht. Gleichzeitig als Richter und Privatdozent t¨atig, wurde er 1935 a. o. Prof. an der Hochschule f¨ur Welthandel und 1939 o. Prof. f¨ur Handels- und Wechselrecht sowie B¨urgerliches Recht an der Univ. Wien. D. war ¨ Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften. Er ver¨offentlichte u. a. Das kaufm¨annische Nachlass¨ ¨ verfahren in Osterreich (1931), Osterreichisches Grundbuchrecht. Entwicklung und Eigenart (1948) und Gl¨aubigerschutz und Gl¨aubigerbefriedigung. Ein Beitrag zum o¨ sterreichischen Genossenschaftsrecht (1955).

Demeter, Ignaz (Anton), kath. Theologe, Erzbischof von Freiburg, * 1. 8. 1773 Augsburg, † 21. 3. 1842 Freiburg / Breisgau. Der Sohn eines B¨ackermeisters studierte bei Johann Michael → Sailer in Dillingen, wurde 1796 zum Priester geweiht und schloß sich der Erweckungsbewegung Johannes Evangelista → Goßners an. D. wurde Hilfspriester in Ried, 1802 Pfarrer im w¨urttembergischen Lautlingen und bem¨uhte sich dort um eine Reform der Schulen. 1806 zum kgl.-w¨urttembergischen Oberschulkommissar ernannt, wurde er 1809 Direktor und Prof. der P¨adagogik am Lehrerseminar Rastatt, 1818 Pfarrer in Sasbach und 1826 Ministerialrat bei der kath. Kirchensektion in Karlsruhe. Seit 1833 Domkapitular, von 1836 an Erzbischof von Freiburg, erreichte er u. a. die Er¨offnung eines staatlichen Konvikts f¨ur Theologen und berief mit Johann Baptist von → Hirscher und Franz Anton → Staudenmaier zwei reformwillige Theologen an die Univ. Freiburg. D. verfaßte zahlreiche theologische und p¨adagogische Schriften (u. a. Grunds¨atze der Erziehung und des Unterrichts, 1811) C NDB sowie Schulleseb¨ucher. Demeter, Karl, Archivar, Historiker, * 17. 1. 1889 Markt Oberdorf, † 2. 1. 1976 Frankfurt / Main. Nach dem Abschluß der Studien an den Universit¨aten M¨unchen und Berlin wurde D. 1915 hauptamtlicher Mitarbeiter der Monumenta Germaniae Historica und kam 1920 an das Reichsarchiv. Im folgenden Jahr zum Archivrat ernannt, wurde er 1933 Leiter der Reichsarchiv-Abteilung Frankfurt / Main, die 1947 dem Stadtarchiv angegliedert wurde. Neben Abhandlungen zum Archivwesen verfaßte D. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, darunter Das Deutsche Offizierskorps in seinen historisch-soziologischen Grundlagen (1930).

Demeter, Peter A(oram), Buchbinder, * 10. 1. 1875 Deutsch-Bogsan (Banat), † 23. 5. 1939 Berlin. Von Beruf Drucker, schuf D. als Handbuchbinder bald haupts¨achlich k¨unstlerisch gestaltete Bucheinb¨ande und wurde von der Großbuchbinderei H¨ubel & Denck in Leipzig entdeckt. Seit dem Ersten Weltkrieg war er u¨ berwiegend f¨ur die Verlage Georg M¨uller und Kurt Wolff t¨atig, ging sp¨ater nach Hellerau, wo sich sein Stil dem des Bauhauses n¨aherte, und lebte schließlich in Berlin. C AKL Demian, Johann Andreas, Schriftsteller, * 1770 Preßburg, † 1845 Berlin. D. war bis 1803 Offizier im o¨ sterr. Heer, war 1804 an einer milit¨arisch-statistischen Erhebung beteiligt und kam 1808 als Unterleutnant in den Hofkriegsrat. Kurz darauf quittierte er den Dienst und lebte als freier Schriftsteller teils am Rhein, teils in Berlin. Er verfaßte geographische und statistische ¨ Abhandlungen (u. a. Darstellung der Osterreichischen Monarchie nach den neuesten statistischen Beziehungen, 4 Bde., 1804-07) sowie Reiseberichte und -handb¨ucher.

Demiani, Carl Friedrich, Maler, * 10. 1. 1768 Breslau, † 8. 8. 1823 Dresden. D. studierte an der Kunstakademie Dresden, war zun¨achst u¨ berwiegend als Miniaturmaler t¨atig und schloß auf einer seiner Studienreisen in Hamburg Freundschaft mit Hardorf und Speckter. 1811 wurde er zum Zweiten Inspektor der Dresdner Gem¨aldegalerie ernannt, r¨uckte nach J. A. → Riedels Tod 1816 zum Ersten Inspektor auf und gab 1817-22 drei Kataloge der Sammlung heraus. D. portr¨atierte mehrere Zeitgenossen, darunter den Freiberger Mineralogen Abraham Gottlob → Werner, und schuf Historiengem¨alde (u. a. Ein Engel erscheint der Hagar, vor 1811). C AKL

Demisch, Heinz, Schriftsteller, * 7. 10. 1913 K¨onigsberg (Ostpreußen), † 24. 11. 2000 Saarbr¨ucken. D. studierte Malerei bei Alfred Partikel an der Kunstakademie in K¨onigsberg und setzte sein Studium an der Kunsthochschule Weimar bei Walther → Klemm fort. W¨ahrend des „Dritten Reiches“ hatte er Mal- und Ausstellungsverbot. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs arbeitete D. in Berlin als freier Schriftsteller und Kunstkritiker, u. a. f¨ur die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Zu seinen Ver¨offentlichungen z¨ahlen Franz Marc. Der Maler eines Neubeginns (1948), Die Sphinx. Geschichte ihrer Darstellung von den Anf¨angen bis zur Gegenwart (1977) und Erhobene H¨ande. Geschichte einer Geb¨arde in der bildenden Kunst (1984). Demleutner, Johann Peter, auch Demleuttner, Kupferstecher, * 31. 5. 1677 Hof, † 20. 11. 1726 Bayreuth. D., Sohn eines Glasers, erhielt 1703 das B¨urgerrecht in Kulmbach. Seit 1705 war er Hofkupferstecher. 1717 wurde ihm das Recht zuerkannt, daß nur sein gestochener Wappenkalender im F¨urstentum verkauft werde d¨urfe. Zu seinem Œuvre z¨ahlen ferner ein Reiterportr¨at des Kurf¨ursten Georg Wilhelm von Brandenburg in Folio, Ansichten von Bayreuth (um 1720) und Kulmbach (um 1721), ein Sammelwerk mit einem allegorischen Titelblatt und 39 Portr¨ats ¨ in Folio der Abte aus dem Zisterzienserkloster Langheim im Bistum Bamberg (1725-28). Nach Auskunft eines Dekrets von 1716 hatte D. Anteil an der Leitung der Bayreuther Fayencemanufaktur. 1726 wurde er auch als „Collaborator“ der Manufaktur bezeichnet. C AKL Demling, Ludwig, Mediziner, * 4. 8. 1921 M¨unchen, † 13. 10. 1995 Schl¨usselfeld. Nach der Promotion 1945 in Prag habilitierte sich D. 1952 in W¨urzburg mit der Arbeit Die Proteinkomponenten der gesch¨adigten Leber und erhielt 1966 einen Ruf auf den Lehrstuhl f¨ur Innere Medizin der Univ. Erlangen. Dort war er bis zu seiner Emeritierung 1986 Direktor der Medizinischen

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Demme Klinik. Sein Spezialgebiet war die Gastroenterologie. 1990 geh¨orte er zu den Begr¨undern der Deutschen Gesellschaft zur Bek¨ampfung der Erkrankungen von Magen, Darm, Leber e. V. (Gastro-Liga). D., seit 1973 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, ver¨offentlichte u. a. Moderne Therapie der Verdauungs-Krankheiten (1960), Endoskopie und Biopsie der Speiser¨ohre und des Magens. Ein Farbatlas (1972), Operative Endoskopie (1976) und Extraintestinale Manifestationen des Morbus Crohn (1993). Seit 1999 vergibt die Deutsche Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung den von der Falk Foundation gestifteten Ludwig-Demling-Forschungspreis.

Demme, Hermann (Askan), Chirurg, Geburtshelfer, * 28. 8. 1802 Altenburg, † 18. 1. 1867 Bern. Der Sohn Hermann Christoph Gottfried → D.s studierte zun¨achst Philosophie und Theologie an den Universit¨aten Jena und Berlin, sp¨ater Medizin an der Univ. W¨urzburg (Dr. med. 1830, Ueber ungleiche Gr¨osse beider Hirnh¨alften), war 1831 als Chirurg in Warschau t¨atig und ließ sich anschließend in Altenburg nieder. 1832 begleitete er als Arzt ein Auswandererschiff nach Pennsylvanien und wurde 1833 als a. o. Prof. der Anatomie sowie chirurgischer Assistent ans Spital nach Z¨urich berufen. D. war 1834-65 Prof. der Chirurgie und Geburtshilfe an der Hochschule in Bern und f¨uhrte ¨ 1847 die erste Athernarkose in der Schweiz durch. Er ver¨ o¨ ffentlichte u. a. Uber endemischen Cretinismus (1840) und Beobachtungen u¨ ber Carcinosis miliaris acuta (1858). D. war der Vater von Rudolf → D. C Bern Bio, Bd 3

Demme, Hermann Christoph Gottfried, Pseud. Karl Stille, evang. Theologe, Schriftsteller, * 7. 9. 1760 M¨uhlhausen (Th¨uringen), † 26. 12. 1822 Altenburg. D. studierte Theologie und Philosophie an der Univ. Jena und wurde 1785 Subrektor des M¨uhlhauser Gymnasiums, im Jahr seiner Ordination 1796 Superintendent, 1801 Generalsuperintendent in Altenburg und 1817 zum Dr. theol. promoviert. Er f¨uhrte neue Gesangb¨ucher in M¨uhlhausen (1799) und Altenburg (1804) ein, dichtete zahlreiche Lieder und war Mitarbeiter des von Josias Friedrich Christian → L¨offler herausgegebenen „Magazins f¨ur Prediger“ sowie des „Reichsanzeigers“ und der „Nationalzeitung“. Unter Pseudonym schrieb D. Romane, Erz¨ahlungen (u. a. Der P¨achter Martin und sein Vater, 2 Bde., 1792 / 93) sowie eine Sammlung von Geschichten und Gedichten. Er war der Vater von Hermann (Askan) → D. C Killy

Demme, Rudolf, schweizer. P¨adiater, Pharmakologe, * 12. 6. 1836 Bern, † 6. 6. 1892 Bern. Der Sohn Hermann Askan → D.s studierte Medizin an den Universit¨aten Bern, Wien und Paris (Promotion 1860, Das arterielle Gef¨aßsystem von Acipenser Ruthenus), habilitierte sich 1860 f¨ur Kinderheilkunde und physikalische Diagnostik an der Univ. Bern und wandte sich seit 1867 auch pharmakologischen Fragestellungen zu. 1874 zum Prof. ernannt, wurde er 1877 erster a. o. Prof. der Kinderheilkunde an der Univ. Bern, 1884 Nachfolger Balthasar Luchsingers als Prof. der Pharmakologie und bezog 1886 als erster Ordinarius das neuerrichtete Pharmakologische Institut in Bern; 1890 / 91 war er Rektor der Universit¨at. D., Mitglied zahlreicher gelehrter Gesellschaften, erforschte u. a. Narkosemittel und besch¨aftigte sich schmerz- und fiebersenkenden Therapien. Er ver¨offentlichte u. a. Nutzen und Schaden der Schutzpocken-Impfung (1876) und Ueber den Einfluß des Alkohols auf den Organismus des Kindes (1891). C Bern Bio, Bd 3 Demmel, Augustin Joseph, auch Demel, Maler, * 1724 M¨unchen, † 12. 5. 1789 M¨unchen. D. erhielt 1775 in M¨unchen Hofschutz und wurde vom bayerischen Kurf¨ursten in der Residenz und in Schloß Nym-

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phenburg besch¨aftigt. 1778 / 79 schuf er die architektonischen Fassadenmalereien des M¨unchner Rathauses, die als sein Hauptwerk gelten. 1781 entwarf er die Dekorationen f¨ur Fassade und Treppenhaus der kurf¨urstlichen Galerie am Hofgarten, die durch Andreas → Seidl ausgef¨uhrt wurden. D. renovierte 1782 u. a. die Gew¨olbemalereien in der Landshuter Residenz, bemalte Figuren f¨ur die Wallfahrtskirche St. Leonhard bei Siegertsbrunn sowie f¨ur Rott / Inn und war mit einigen Radierungen an dem von Fran¸cois → Cuvilli´es d. J. herausgegebenen bayerischen Kupferstichwerk beteiligt. C AKL

Demmer, Arnold, Ingenieur, * 9. 5. 1833 Eisenach, † 29. 7. 1902 Wien. D., dessen Vater Innungsmeister der Schlosserzunft in Eisenach war, erlernte die Kunstschlosserei, kam 1850 nach Wien und studierte am Wiener Polytechnischen Institut. Bald nach 1860 wurde er unter John → Haswell Konstrukteur in der Maschinenfabrik der Staatseisenbahngesellschaft, sp¨ater Chefkonstrukteur der Wien-Raaber-Bahn und entwickelte u. a. die erste achtfach gekuppelte Lokomotive. 1868 zum Direktor der neugegr¨undeten Wiener Lokomotivfabrik AG ernannt, errichtete er die Werkst¨atten in Wien-Floridsdorf, die entscheidend die industrielle Entwicklung dieser Region beeinflußten. D. besaß verschiedene Lokomotiv-Patente und war u. a. Vizepr¨asident des Vereins der Montan-, Eisen- und ¨ Maschinenindustriellen Osterreichs. C NDB Demmer, Friedrich, Schauspieler, S¨anger, * 1772 K¨oln, † 14. 4. 1838 Wien. D. kam in jungen Jahren an das Theater an der Wien und trat dort in jedem Rollenfach sowie in Opern erfolgreich auf. Nach dem Ende der Glanzzeit des Theaters an der Wien wechselte er nach Graz, war an der Direktion des dortigen Theaters unter dem Intendanten Johann August → St¨oger t¨atig und kam sp¨ater an das Deutsche Theater in Budapest, wo er als Schauspieler, S¨anger und Regisseur wirkte. Anschließend bis 1834 am Theater in der Josefstadt engagiert, sang er u. a. den Kammerdiener Wolf in der Urauff¨uhrung von Ferdinand → Raimunds Der Verschwender. D. war der Onkel von Friedrich → D. C Kutsch

Demmer, Friedrich, Schauspieler, S¨anger, * 19. 4. 1788 Berlin, † 1859 Passau. D., Neffe Friedrich → D.s, deb¨utierte als Schauspieler 1819 in Graz. Autodidaktisch zum S¨anger ausgebildet, erhielt er 1822 ein Engagement als Tenor an der Wiener Hofoper, wechselte an das Theater an der Wien und erhielt 1823 eine Berufung des Intendanten Johann August → St¨oger an das Theater in Graz. D. folgte St¨oger an das Theater in Preßburg, 1832 an das Wiener Theater in der Josefstadt und 1834 an das Deutsche Theater in Prag, wo er bis 1845 erster lyrischer Tenor war und u. a. den Grafen Almaviva in Rossinis Barbier von Sevilla sang. Anschließend bis 1846 am Stadttheater Magdeburg engagiert, trat er 1846 / 47 in Ballenstedt, 1847 / 48 in Preßburg auf, wo er ausschließlich Rollen der Sprechb¨uhne u¨ bernahm. W¨ahrend der Saison 1848 / 49 war er am Theater an der Wien t¨atig. C Kutsch

Demmer, Fritz, o¨ sterr. Chirurg, * 6. 4. 1884 Wien, † 13. 6. 1967 Wilhelmsburg (Nieder¨osterreich). D. studierte in Wien und war nach der Promotion 1910-21 Assistent an der Zweiten Chirurgischen Universit¨atsklinik. W¨ahrend des Ersten Weltkriegs gr¨undete er die motorisierte mobile Feldchirurgie und f¨uhrte desinfizierte Gummihandschuhe f¨ur die Chirurgen ein. D. habilitierte sich 1920, wurde 1932 a. o. Prof., leitete als Primarius 1923-35 die Chirurgische Abteilung des Krankenhauses der Barmherzigen Br¨uder und nahm u. a. die erste Meniskusoperation vor (1927). 1935 f¨ur mehrere Monate als Chefchirurg am Residenzspital in Tirana mit der Reorganisation des Sanit¨atswesens befaßt, war

Dempwolff er anschließend bis 1941 Primarius an der Allgemeinen Poliklinik und bis 1945 leitender Oberstabsarzt des Standortlazaretts in Wien. 1945-50 leitete D. die Chirurgische Abteilung des Ambulatoriums der Wiener Gebietskrankenkasse. Er ver¨offentlichte u. a. Erfahrungen einer Chirurgengruppe im o¨ sterreichisch-russischen Feldzuge 1914 / 15 (1915).

Demmer, Waltraud, o¨ sterr. S¨angerin, * 17. 8. 1917 P¨ochlarn (Nieder¨osterreich), † 10. 12. 2000 Evilard bei Biel (Schweiz). D. erhielt ihre Gesangsausbildung bei Helene → Wildbrunn an der Musikakademie in Wien. Nach dem Deb¨ut 1937 am Opernhaus in Graz dort t¨atig, wechselte sie 1940 an die Wiener Volksoper, wo sie bis 1944 zu h¨oren war. Neben festen Engagements am Stadttheater in Bern (1946-52) und am Stadttheater in Basel (1952 / 53) gastierte sie in Genf (1947), an der Mail¨ander Scala (1949), in Paris (1955), Z¨urich, Toulouse, Lyon und Rom. 1965 nahm sie Abschied von der B¨uhne. Zu D.s B¨uhnenrollen z¨ahlten Partien aus Opern von Richard → Wagner und Richard → Strauss, darunter die Magdalene in den Meistersingern, die Wellgunde und die Waltraute im Ring-Zyklus, die Kundry im Parsifal, die Klyt¨amnestra in Elektra und die Herodias in Salome. 1950 war sie in Bern an der Urauff¨uhrung von Armin → Schiblers Oper Der spanische Rosenstock beteiligt. D., die auch als Konzert- und Rundfunks¨angerin auftrat, war mit dem Bassisten Gottfried → Fehr verheiratet. C Kutsch

Demmin, August (Friedrich), Publizist, * 1. 4. 1817 Berlin, † 17. 6. 1898 Wiesbaden. D., Sohn eines Spediteurs, lebte 1840-72 in Paris, studierte dort, war als Kaufmann t¨atig und unternahm zahlreiche Reisen durch Europa und Asien. Seit 1872 in Wiesbaden ans¨assig, war er Mitglied mehrerer Kunstakademien sowie Mitarbeiter verschiedener Kunstzeitschriften. Er publizierte neben Belletristischem (u. a. Das Tragi-Komische der Gegenwart. Eine Romantrilogie, 1885 / 86) mehrere Handb¨ucher zu kunsthandwerklichen Themen wie Keramik und Waffenkunde, darunter den Guide des amateurs d’armes et d’armures (1869), der ein Standardwerk wurde. C NDB Demmler, Georg, Sportler, Architekt, * 13. 3. 1873 Berlin, † 1. 10. 1931 Berlin. D. war um die Jahrhundertwende Deutscher Meister in der heute nicht mehr praktizierten Diszplin des Fußballweitstoßens und als Leichathlet Mitglied der deutschen Olympiamannschaften 1896 und 1900. 1898 gr¨undete er die „Deutsche Sportbeh¨orde f¨ur Leichtathletik“, die Vorl¨auferin des Deutschen Leichathletikverbandes. Als Architekt errichtete er außer dem Poststadion in Tiergarten u. a. die Berliner Tennisanlagen am Roseneck und in Wilmersdorf. Demmler, Theodor, Kunsthistoriker, * 13. 1. 1879 Heilbronn, † 21. 7. 1944 Berlin. D. schlug zun¨achst die theologische Laufbahn ein, studierte seit 1904 an den Universit¨aten T¨ubingen und Berlin Kunstgeschichte, war 1910 Volont¨ar bei den Berliner Staatlichen Museen und wurde im folgenden Jahr Mitarbeiter der Abteilung „Bildwerke der christlichen Epochen“ des KaiserFriedrich-Museums Berlin (seit 1930 im Deutschen Museum). 1913 zum Assistenten, 1915 zum stellvertretenden Direktor und 1919 zum Direktor dieser Abteilung ernannt, unternahm er zahlreiche Studienreisen und war w¨ahrend des Ersten Weltkriegs mit „Schutz und Bergung“ der Kunstdenkm¨aler Nordfrankreichs befaßt. D. besch¨aftigte sich vorwiegend mit der deutschen Kunst des Mittelalters und der Neuzeit; er publizierte u. a. Die Bildwerke des Deutschen Museums (4 Bde., 1923).

Demoll, Reinhard, Zoologe, * 3. 12. 1882 Kenzingen, † 25. 5. 1960 M¨unchen. D. studierte an den Universit¨aten Straßburg, M¨unchen und Freiburg, wo er 1908 mit der Dissertation Die Mundteile der solit¨aren Apiden promoviert wurde und habilitierte sich ¨ im selben Jahr an der Univ. Gießen mit der Arbeit Uber die Augen und die Augenstielreflexe von Squilla mantis f¨ur Zoologie. 1918 kam er als Prof. an die Univ. M¨unchen und wurde Direktor des Zoologischen Instituts der Tier¨arztlichen Fakult¨at sowie der Bayerischen Biologischen Versuchsanstalt und des Instituts f¨ur Limnologie. 1916 wurde D. in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina aufgenommen. D. besch¨aftigte sich mit der Sinnesphysiologie der Insekten, V¨ogel und Fische sowie mit Fragen der Fischereiwirtschaft und der Abwasserproblematik. 1932 / 33 war er Rektor der Univ. M¨unchen (Rektoratsrede Der Wandel der biologischen Anschauungen in den letzten hundert Jahren). D. ver¨offentlichte u. a. Der Flug der Insekten und der V¨ogel (1918), Instinkt und Entwicklung der Tiere (1932), Handbuch der Binnenfischerei Mitteleuropas (1945), Praxis der Aufzucht von Forellenbesatzmaterial (1949) und Ketten f¨ur Prometheus. Gegen die Natur oder mit ihr (1954, unter dem Titel B¨andigt den Menschen. Gegen die Natur oder mit ihr, 2 1954, 31960).

Dempf, Alois, Philosoph, * 2. 1. 1891 Altom¨unster, † 15. 11. 1982 Eggst¨att / Chiemsee. D., Sohn eines Posthalters, bildete sich zun¨achst zum Mediziner aus und praktizierte w¨ahrend des Ersten Weltkriegs. Anschließend studierte er Philosophie an den Universit¨aten Innsbruck, M¨unchen und Kiel, wurde 1921 promoviert (Der Wertgedanke in der aristotelischen Ethik und Politik), habilitierte sich 1926 an der Univ. Bonn (Das Unendliche in der mittelalterlichen Metaphysik und in der Kantischen Dialektik) und wurde dort 1930 a. o. Professor. Er trat mit ¨ antinationalsozialistischen Publikationen an die Offentlichkeit, die eine Berufung auf einen deutschen Lehrstuhl verhinderten, wurde 1937 o. Prof. an der Univ. Wien und war 1938-45 suspendiert. 1949 wurde er o. Prof. an der Univ. M¨unchen. D. hielt nach seiner Emeritierung 1956 noch jahrelang Vorlesungen u¨ ber mittelalterliche Wissenssoziologie, als deren Begr¨under er gilt. Seit 1950 war er Mit¨ glied der Bayerischen, seit 1958 der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften. 1950-60 gab er das „Philosophische Jahrbuch“ der G¨orres-Gesellschaft heraus. D. versuchte in seinen Analysen mittelalterlicher und patristischer Philosophie eine Synthese von philosophischer Anthropologie, Soziologie und vergleichender Philosophiegeschichte vom thomistischen Standpunkt aus. Er ver¨offentlichte u. a. Die Hauptform mittelalterlicher Weltanschauung. Eine geisteswissenschaftliche Studie u¨ ber die Summe (1925), Sacrum Imperium. Geschichts- und Staatsphilosophie des Mittelalters und der politischen Renaissance (1929, 41973), Religionsphilosophie (1937), Selbstkritik der Philosophie und vergleichende Philosophiegeschichte im Umriß (1947), Theoretische Anthropologie (1950), Kritik der historischen Vernunft (1957), Geistesgeschichte der altchristlichen Kultur (1964), Religionssoziologie der Christenheit (1972) und Metaphysik. Versuch einer problemgeschichtlichen Synthese (1986, mit Christa Dempf-Dulckeit). C Christl Phil, Bd 3

Dempwolff, Otto (Heinrich), Sprachwissenschaftler, Milit¨ararzt, * 25. 5. 1871 Pillau (Ostpreußen), † 27. 11. 1938 Hamburg. D., Sohn eines Baurats, studierte Medizin an den Universit¨aten K¨onigsberg, Berlin, Marburg und T¨ubingen und war nach der Promotion 1892 (Ueber einen Fall von Mediastinalsarcom) Schiffsarzt, sp¨ater Arzt der Neuguineakompanie und 1899-1905 Sanit¨atsoffizier der Schutztruppe

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Demus in Deutsch-S¨udwestafrika. 1902 / 03 leitete er eine Expedition nach Deutsch-Neuguinea zur Bek¨ampfung der Malaria, wurde im Hereroaufstand 1904 / 05 eingesetzt und 1906 nach Deutsch-Ostafrika gesandt, wo er moderne tropenhygienische Untersuchungsmethoden z. T. erstmals anwandte. D. befaßte sich in S¨udwestafrika mit den Hottentottendialekten, in Ostafrika u. a. mit der Sprache der Sandawe. 1911 quittierte er den milit¨ar¨arztlichen Dienst und hielt sich seit 1912 zu Sprachstudien in der S¨udsee auf. Seit 1915 wieder in Europa, ließ er sich 1919 in Hamburg nieder und wurde 1920 Privatdozent (Habilitation mit Die Lautentsprechungen der indonesischen Lippenlaute in einigen anderen austronesischen S¨udseesprachen), sp¨ater a. o. Prof. und Leiter des Seminars f¨ur Indonesische und S¨udsee-Sprachen an der Univ. Hamburg. D. ver¨offentlichte u. a. eine Einf¨uhrung in die malaiische Sprache (1941). C NDB

Demus, Otto, o¨ sterr. Denkmalpfleger, Kunsthistoriker, * 4. 11. 1902 Harland (Nieder¨osterreich), † 17. 11. 1990 Wien. Der Sohn eines Arztes studierte 1920-27 Kunstgeschichte, Arch¨aologie und Geschichte in Wien und war daneben als Laborant und chemischer Assistent in einer Kunstseidefabrik t¨atig. 1927 promoviert (Die Mosaiken von San Marco in Venedig, 1100-1300, 1935), habilitierte er sich 1937 mit Die Mosaiken von San Marco in Venedig. 1928-30 als wissenschaftlicher Assistent an der Univ. Wien zur Materialsammlung in Griechenland, wurde er 1930 Landeskonservator f¨ur Denkmalpflege in K¨arnten und war 1936-39 Regierungsrat in der Zentralstelle f¨ur Denkmalschutz (seit 1938 Institut f¨ur Denkmalpflege) in Wien. 1939 u¨ ber Italien nach Großbritannien emigriert, war D. 1940 / 41 in Kanada interniert. Nach der R¨uckkehr nach London war er 1942 / 43 Diathekar beim Courtauld Institute, 1943-45 stellvertretender Bibliothekar am Warburg Institute. Seit 1946 wieder in ¨ Osterreich, setzte sich D. als Direktor des Bundesdenkmalamtes (1947-64) f¨ur den Wiederaufbau kriegszerst¨orter Baudenkm¨aler ein. 1950 wurde er zum a. o. Prof. der Univ. Wien ernannt, war 1949-53 Gastprofessor an der Harvard University und der Dumbarton Oaks Research Library und 1963-73 o. Prof. der mittleren und neueren Kunstgeschichte an der Univ. Wien. Neben Arbeiten zur Kunst in K¨arnten und mit¨ telalterlicher Kunst in Osterreich (u. a. Kunst in K¨arnten, 1934; Die sp¨atgotischen Alt¨are K¨arntens, 1991) besch¨aftigte er sich vor allem mit byzantinischer Kunst (u. a. Byzantine Mosaics in Greece. Daphni and Hosios Lukas, 1931; Byzantine mosaic decoration. Aspects of monumental art in Byzantium, 1954, Nachdr. 1976; Byzanite art an the West, 1970; The mosaics of San Marco in Venice, 4 Bde., 1984). C Metzler Kunsthistoriker

Demuth, Fritz, Jurist, Wirtschaftsfunktion¨ar, * 11. 1. 1876 Berlin, † 9. 5. 1965 London. D. schloß 1893 das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universit¨aten Freiburg / Breisgau, M¨unchen, Berlin und Jena ab, wurde 1902 Syndikus der Industrie- und Handelskammer Berlin und war 1918-20 im Reichsdienst t¨atig, zuletzt als Leiter der Industrie-Abteilung des Reichsschatzministeriums. Seit den zwanziger Jahren Mitglied wirtschaftspolitischer Einrichtungen, darunter des Vorl¨aufigen Reichswirtschaftsrats, emigrierte D. 1933 in die Schweiz, war Mitbegr¨under der „Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland“. 1936 ging er mit der Zentrale der Notgemeinschaft nach London, wurde dort zu einer bedeutenden Figur des britischen Exils und arbeitete mit verschiedenen Emigrantenorganisationen zusammen. Seit Kriegsbeginn organisierte er in Verbindung mit der Labour Party den Transport von Informationsmaterial ins Deutsche Reich und beteiligte sich sp¨ater an der politischen Umerziehung von deutschen Kriegsgefangenen. Neben Veit

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→ Valentin leitete er den kulturell-wissenschaftlichen Londoner „Luncheon Club“. D. ver¨offentlichte eine List of Displaced German Scholars (1936-38).

Demuth, Leopold, eigentl. L. Pokorny, o¨ sterr. S¨anger, * 2. 11. 1861 Br¨unn, † 4. 3. 1910 Czernowitz (Bez. Br¨unn). D. studierte bei Josef → G¨ansbacher in Wien und deb¨utierte 1889 in der Titelrolle des Hans Heiling nach Heinrich August → Marschner am Stadttheater Halle. 1891-95 am Opernhaus Leipzig engagiert, sang er 1895-97 an der Hamburger Oper und folgte 1897 einer Berufung an die Wiener Hofoper. Am Gipfel seiner Karriere war er u. a. in der Urauff¨uhrung von → Goldmarks Ein Winterm¨archen (1908) zu h¨oren. D. unternahm Gastspielreisen an deutsche und o¨ sterr. B¨uhnen und sang 1899 bei den Bayreuther Festspielen den Hans Sachs in den Meistersingern von N¨urnberg. Er interpretierte zahlreiche Baritonpartien des → Mozart- und → Wagner-Repertoires. D. erlitt w¨ahrend eines Konzerts in Czernowitz einen Herzschlag. C Kutsch

Denais, Peter, auch De Nays, Petrus Denaisius, Jurist, Schriftsteller, * 1. 5. 1560 Straßburg, † 20. 9. 1610 Heidelberg. Der einer ins Elsaß geflohenen Hugenottenfamilie entstammende D. studierte seit 1579 Rechtswissenschaften in Padua und Basel, wurde 1583 promoviert, trat in kurpf¨alzische Dienste und war u. a. am Straßburger Kapitelstreit 1584 sowie am Wormser Reichsdeputationstag 1586 beteiligt; diplomatische Missionen f¨uhrten ihn an den polnischen und englischen Hof. 1590-1610 war er Beisitzer des Reichskammergerichts in Speyer. Als humanistisch gebildeter Beamter mit außergew¨ohnlichen Sprachkenntnissen verkehrte er im f¨uhrenden b¨urgerlichen Pf¨alzer Beamtentum. Neben weitverbreiteten juristischen Werken (u. a. Jus camerale, sive novissimi juris compendium, 1599) ver¨offentlichte er als engagierter Calvinist Streitschriften gegen die Jesuiten (Drey Jesuwiter Latein, 1607) und u¨ bersetzte aus dem Franz¨osischen und Englischen. Von seinen poetischen Werken ist nur das Georg Michael → Lingelsheim gewidmete Hochzeitslied (1596) erhalten. C Killy

Denck, Hans, auch Denk, T¨aufer, * um 1500 Heybach (Oberbayern), † November 1527 Basel. D. studierte seit 1517 an der Univ. Ingolstadt (1519 Bakkalaureat), war als Korrektor, Herausgeber und Epigrammatiker t¨atig und wurde in Basel Sch¨uler des → Erasmus von Rotterdam und Johannes → Oekolampads. Beeinflußt wurde er vor allem durch die Mystik, die Predigten → Johannes Taulers und die „Deutsche Theologie“. 1523 erwarb er den Magistergrad und erhielt durch Empfehlung Oekolampads das Rektorat der Sebaldusschule in N¨urnberg. Dort in den Prozeß um die „gottlosen Maler“ Georg → Pencz sowie Barthel und Hans Sebald → Beham verwickelt, wurde er 1525 ausgewiesen, da er wie sie spiritualistische Lehren nach der Art Thomas → M¨untzers vertrat. D. f¨uhrte danach ein unstetes Wanderleben, wurde 1526 von Balthasar → Hubmaier in Augsburg getauft und zog Ende 1526 nach Straßburg, wo er jedoch alsbald ausgewiesen wurde. Hier und in der Folge in Worms u¨ bersetzte er zusammen mit Ludwig → H¨atzer die alttestamentlichen Propheten aus dem Urtext, die im April 1527 bei Peter → Sch¨offer in Worms als erste Ausgabe dieser Art erschienen. Durch Oekolampads F¨ursprache fand D. schließlich Aufnahme in Basel. Neben Hubmaier und Michael → Sattler gilt er als bedeutendster T¨aufer S¨uddeutschlands. D. verfaßte mehrere Schriften, in denen er eine Theologie des inneren Wortes und der allumfassenden g¨ottlichen Liebe entwickelte und die a¨ ußerlichen Heilsmittel relativierte. Neben dem umfangreichen Kommentar zum Propheten Micha (1531) erschien auch sein Widerruf (1528) postum. C TRE

Deneke Dencker, Carl Heinrich (Theodor), Landtechniker, * 23. 5. 1900 Hamburg, † 9. 10. 1967 Bonn. Nach der Ausbildung zum Schlosser besuchte D., Sohn des Chefingenieurs der Hamburger Hochbahn, seit 1919 die TH Hannover und war 1923-26 Assistent am Institut f¨ur Landmaschinenlehre der Landwirtschaftlichen Hochschule in Bonn-Poppelsdorf. Bereits 1925 mit der Arbeit Die Grenzen der Windkraftausnutzung in der Landwirtschaft in Hannover promoviert, arbeitete D. 1926-28 als Gesch¨aftsf¨uhrer bei der Landwirtschaftskammer Kiel. 1928 habilitierte er sich an der Univ. Kiel f¨ur Landtechnik (Untersuchungen an Gebl¨asef¨orderanlagen f¨ur Heu und Stroh) und war bis 1932 Prof. und Direktor des Instituts f¨ur Landtechnik der Preußischen Landwirtschaftlichen Versuchs- und Forschungsanstalten in Landsberg / Warthe, 1932-45 Prof. und Direktor des Instituts f¨ur landwirtschaftliche Maschinenkunde an der Univ. Berlin. 1946 folgte er einem Ruf als Prof. und Direktor des Instituts f¨ur Landtechnik an die Univ. Bonn, dem er bis zu seinem Tod vorstand. D. forschte vor allem zur Mechanisierung des Kartoffel- und Zuckerr¨ubenanbaus und ver¨offentlichte u. a. Landwirtschaftliche Stoffund Maschinenkunde (1936,201968). C B¨ohm

Denckmann, (Heinrich Wilhelm Martin) August, Geologe, * 6. 5. 1860 Salzgitter, † 7. 3. 1925 Siegburg. Nach dem Abschluß der Studien an der Univ. G¨ottingen ¨ (Promotion 1886, Uber die geognostischen Verh¨altnisse der Umgegend von D¨ornten n¨ordlich Goslar, mir einem Anhang u¨ ber den Bau des Kieles dorsocavater Falciferen) war D., Sohn eines P¨adagogen, Assistent am Geologischen Institut der Univ. Marburg, wurde 1888 Hilfsgeologe an der Preußischen Geologischen Landesanstalt, 1898 Bezirksgeologe und war 1901-20 Landesgeologe. Seit 1906 lehrte er als Prof. an der Bergakademie Berlin und wurde 1915 zum Geheimen Bergrat ernannt. D.s Lebenswerk war die Erforschung der pal¨aozoischen Faltengebirge Westdeutschlands. Daneben arbeitete er zu Trias und Jura der Alpen sowie zur Geologie des Harzes, des Sauerlands und des Siegerlands. Seine Forschungen waren besonders f¨ur den Bergbau von Bedeutung und wurden von Fritz Dahlgr¨un und Georg Dahmer fortgesetzt. D. ver¨offentlichte u. a. Stratigraphie des Oberdevons im Kellerwald (1894), Der geologische Bau des Kellerwaldes (1901) und Geologische Grundriß- und Profilbilder als Erl¨auterungen zur a¨ lteren Tektonik des Siegerlandes (1914). C NDB

Denecke, Gerhard, Internist, Schriftsteller, * 12. 7. 1889 Dresden, † 21. 11. 1971 Bad Neuenahr. D. studierte Medizin an den Universit¨aten Kiel, Berlin, Rostock und Heidelberg (Promotion 1914, Ueber die Bedeutung der Leber f¨ur die anaphylaktische Reaktion beim Hunde), war im Ersten Weltkrieg Bataillonsarzt, 1919-22 Assistent an der Greifswalder Medizinischen Klinik, habi¨ litierte sich 1923 an der Univ. Marburg (Uber die Jugendformen der Erythozyten und ihren Stoffwechsel) und wurde Assistent an der dortigen Medizinischen Klinik. Seit 1927 a. o. Prof. der Inneren Medizin, u¨ bernahm er im selben Jahr als Chefarzt die Leitung der Inneren Abteilung des Evangelischen Krankenhauses „Bethesda“ in M¨onchengladbach. D. war Mitglied der SA und f¨orderndes Mitglied der SS. 1931 wechselte er als Chefarzt nach Duisburg, wurde 1939 als beratender Internist zum Kriegsdienst eingezogen und kehrte 1950 aus sowjetischer Gefangenschaft zur¨uck. 1961 wurde er Bundesarzt des Deutschen Roten Kreuzes. Neben medizinischen Publikationen vor allem zur H¨amatologie und zum Grenzgebiet zwischen Innerer Medizin und Zahnheilkunde (u. a. Blut und Blutkrankheiten, in: Handbuch der in-

neren Medizin, Bd. 4.1, 1926) schrieb D. u. a. die Groteske Die merkw¨urdigen Erlebnisse meiner Freunde (1942, Neudr. ¨ 1943) und Arzte – gezaust und gezeichnet (1964). ¨ C Arzte 2, 3

Denecke, Johannes, Jurist, * 29. 6. 1884 Magdeburg, † 1. 6. 1974 Kassel. Der Sohn eines Eisenbahnsekret¨ars trat nach dem Studium der Rechtswissenschaften 1907 in den preuß. Staatsdienst ein und wurde 1913 Assessor. Seit 1920 Landrichter in Dortmund, wurde er 1927 als Landgerichtsdirektor Vorsitzender des dortigen Landesarbeitsgerichts und war seit 1938 am Reichsgericht in Leipzig t¨atig, seit 1939 als Reichsgerichtsrat. 1954-56 war er Bundesrichter am Bundesarbeitsgericht in Kassel. D. begr¨undete einen Kommentar zur Arbeitszeitordnung (1950; fortgef¨uhrt von Dirk Neumann, 111991; ab 12 1995 Arbeitszeitgesetz, mit Josef Biebl). C Juristen

Denecke, (Otto Erich Hans Karl) Ludwig, Bibliothekar, * 26. 2. 1905 Hameln, † 12. 9. 1996 Hannoversch M¨unden. D., Sohn eines Oberstudiendirektors, studierte Deutsche und Klassische Philologie, Geschichte, Arch¨aologie, Urgeschichte und Leibes¨ubungen in Halle, Freiburg, Greifswald und Leipzig und wurde 1929 zum Dr. phil. promoviert (Ritterdichter und Heideng¨otter [1150-1220]). 1930-33 war er bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin Mitarbeiter am Deutschen W¨orterbuch, das die Br¨uder → Grimm begr¨undet hatten. 1932 wurde er Mitglied der NSDAP, 1939 (?) der Waffen-SS. 1935-38 war D. apl., 1938-40 planm¨aßiger Bibliothekar in der Handschriftenabteilung der Preußischen Staatsbibliothek Berlin. Seit 1940 im Kriegsdienst und 1948 aus der Gefangenschaft zur¨uckgekehrt, arbeitete er zun¨achst als Ofensetzer. 1949-58 war er Bibliotheksrat und Leiter der Handschriftenabteilung der Staats- und Universit¨atsbibliothek G¨ottingen, 1959-68 Direktor der Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel und Landesbibliothek, zugleich erster Leiter des dortigen Br¨uderGrimm-Museums. D. war langj¨ahriger Herausgeber der Zeitschrift „Br¨uder Grimm Gedenken“ und zusammen mit Heinz R¨olleke Begr¨under der modernen Grimm-Forschung. D. vero¨ ffentlichte u. a. Die Br¨uder Grimm in Bildern ihrer Zeit (mit Karl Schulte Kemminghausen, 1963; 2., verb. und verm. Aufl. 1980), Die Nachl¨asse in den Bibliotheken der Bundesrepublik Deutschland. Bearb. in der Murhardschen Bibliothek der Stadt Kassel und Landesbibliothek (1969; 2., v¨ollig neu bearb. Aufl. von Tilo Brandis, 1981), Jacob Grimm und sein Bruder Wilhelm (1971), Bibliographie der Briefe von und an Jacob und Wilhelm Grimm (1983) und Die Bibliothek der Br¨uder Grimm (1989, mit Irmgard Teitge). C IGL

Deneke, Otto (Wilhelm Heinrich), Literaturhistoriker, * 20. 2. 1875 Adelebsen bei G¨ottingen, † 10. 7. 1956 G¨ottingen. D. studierte 1893-96 Jura in G¨ottingen, wo er sich nach der Promotion (Der Erneuerungsschein [Talon]) 1901 als Rechtsanwalt niederließ. Er war vor allem als B¨uchersammler und → Lichtenberg-Forscher bekannt. 1909 wurde seine bedeutende Sammlung deutscher Literatur des 18. und 19. Jh., darunter zahlreiche bibliographische Titel, in Frankfurt / Main versteigert. Er ver¨offentlichte u. a. G¨ottinger Beitr¨age zur Goethe-Bibliographie (5 Hefte, 1906-09) und verfaßte zahlreiche Arbeiten zu verschiedenen Bereichen der G¨ottinger Kulturgeschichte, die er meist in den im Selbstverlag herausgebenen „G¨ottinger Nebenstunden“ (20 Hefte, 1922-50) erscheinen ließ; seine → Lichtenberg-Biographie blieb unvollendet (Bd. 1: Lehr- und Wanderjahre, 1944). D. war Gr¨under der Gr¨atzel-Gesellschaft in G¨ottingen. C IGL

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Deneke Deneke, (Karl August) Theodor, Internist, * 30. 7. 1860 Hannover, † 18. 7. 1954 Hamburg. D. studierte an den Universit¨aten G¨ottingen, T¨ubingen, Straßburg und M¨unchen, wurde 1883 Assistent an der Psychiatrischen Klinik in G¨ottingen und kam nach der Promotion 1885 (Ueber die Bestimmung der Luftfeuchtigkeit zu hygienischen Zwecken) an das Hygienische Institut in G¨ottingen. 1886-88 Assistenz- und Sektionsarzt am Allgemeinen Krankenhaus in Hamburg, wurde er anschließend Mitarbeiter, 1891 Physikus am dortigen Medizinischen Kolleg und war 1901-26 Direktor des Allgemeinen Krankenhauses St. Georg. Seit der Gr¨undung der Hamburger Univ. 1919 lehrte er dort als Prof. der Inneren Medizin. D. entdeckte eine nach ihm benannte, den Choleraspirillen a¨ hnliche Spaltpilzart und erfand 1903 ein mobiles Blutdruckmeßger¨at sowie 1909 einen Apparat zur Pneumothoraxbehandlung. Er galt als Fachmann f¨ur Krankenhauswesen, war seit 1913 Schriftleiter der „Zeitschrift f¨ur Krankenanstalten“ und publizierte u. a. Das Neue Allgemeine Krankenhaus Hamburg-Eppendorf (1889, 2 ¨ 1895). 1933 trat D. der NSDAP bei. C Arzte 2, 3 Denera, Erna, S¨angerin, * 4. 9. 1881 Schloß Pila bei Posen, † 16. 3. 1938 Berlin. D. studierte zun¨achst Klavier und Musiktheorie u. a. bei Max → Reger und Heinrich → Spangenberg in Wiesbaden sowie bei Wilhelm → Kufferath in Bonn, bildete sich seit 1904 bei Franz Dulong in Berlin und bei Heinrich Feinhaus in Mailand zur Sopranistin aus und deb¨utierte 1906 als Senta im Fliegenden Holl¨ander am Hoftheater in Kassel. 1907 / 08 am Hoftheater Wiesbaden engagiert, war sie 1908-21 Mitglied des Ensembles der Berliner Hofoper; Gastspiele f¨uhrten sie an zahlreiche europ¨aische Opernh¨auser. D. verbrachte ihre letzten Lebensjahre als P¨adagogin in Berlin. C Kutsch

Denffer (genannt Jansen), Johann Heinrich, evang. Theologe, Naturforscher, * 1700 Sturhof bei Frauenburg (Kurland), † 13. 12. 1770 Berghof. D., Sohn eines Pastors, studierte Theologie in K¨onigsberg, widmete sich auch naturwissenschaftlichen Studien und war 1725-27 Pastor in Blieden bei Frauenburg, anschließend in Kabillen und von 1730 bis zu seinem Tod in Frauenburg. Er besch¨aftigte sich mit Alchemie, Landwirtschaft und Naturlehre. In seinem wissenschaftlichen Hauptwerk Vernunft- und erfahrungsm¨aßiger Discours, darin u¨ berhaupt die wahren Ursachen der Fruchtbarkeit, wie auch die Scheinursachen der Unfruchtbarkeit der Erden abgehandelt sind [. . .] (1740, 21755) beschrieb D. mehrere von ihm durchgef¨uhrte agrarwissenschaftliche Experimente, insbesondere zur D¨ungung und richtigen Bearbeitung des Ackerbodens, und gab eine Reihe von Anregungen f¨ur den Landwirt. Zu seinen Schriften geh¨oren ferner Alchymistenlogic oder Vernunftlehre der Scheidek¨unstler [. . .] (Teil 1, 1762) und Betrachtung u¨ ber die Cometen [. . .] (1770). ¨ Dengel, Anna, Arztin, Ordensgr¨underin, * 16. 3. 1892 Steeg / Lechtal (Tirol), † 17. 4. 1980 Rom. D., Tochter eines Paramentenh¨andlers, war 1909-11 als Sprachlehrerin bei der Association familiale des Chartreux in Lyon, danach im v¨aterlichen Gesch¨aft t¨atig. Seit 1914 studierte sie Medizin in Cork (Irland) und wurde 1919 promo¨ viert. Zun¨achst Arztin in Claycross (Derbyshire), 1920-24 Missions¨arztin in Rawalpindi (heute Pakistan), war sie 1925 Mitgr¨underin der Kongregation der Missions¨arztlichen Schwestern in Washington, D. C., deren Oberin sie 1926-67 war. Unter ihrer Leitung wurden zahlreiche Niederlassungen gegr¨undet, Holy-Family-Hospit¨aler u. a. in Rawalpindi, Dacca (heute Bangladesch), Patna (Bihar, Indien), Berekum ¨ (Ghana) und Attat (Athiopien) errichtet und 1936 das erste kirchenrechtliche Zugest¨andnis chirurgischer und geburtshilflicher T¨atigkeit eines kath. Ordens seit 1215 erreicht.

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1967 wurde D. der Orden „Pro ecclesia et pontifice“ verliehen. Sie schrieb: Mission for Samaritans. A survey of achievements and opportunities in the field of Catholic medical missions (1945). C LThK

Dengel, Ignaz Philipp, o¨ sterr. Historiker, * 22. 6. 1872 Elbigenalp (Tirol), † 9. 9. 1947 Innsbruck. D. studierte an den Universit¨aten Innsbruck, Wien, Berlin ¨ und Rom, war 1900-07 Mitglied des Osterr. Historischen Instituts in Rom und befaßte sich vor allem mit den Nuntiaturberichten des 16. Jahrhunderts. 1905 habilitierte er sich an der Univ. Innsbruck, wurde 1909 a. o. Prof. und war – mit Unterbrechung w¨ahrend der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft 1938-45 – 1917-46 o. Prof. der Geschichte der Neuzeit an der Univ. Innsbruck. Als profunder Kenner der Best¨ande des Vatikanischen Geheimarchivs geh¨orte er ¨ 1929-38 der Direktion des Osterr. Historischen Instituts in ¨ Rom an, das unter seiner Leitung 1935 in ein Osterr. Kulturinstitut umgewandelt wurde. D. engagierte sich seit 1933 f¨uhrend in der Vaterl¨andischen Front. Er ver¨offentlichte u. a. ¨ Osterreichische Sendung in Vergangenheit und Gegenwart ¨ (1933). C OBL

Dengel, Philipp, Politiker, Journalist, * 15. 12. 1888 OberIngelheim, † 28. 3. 1948 Berlin. Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte an den Universit¨aten Mainz und Gießen wurde D., Sohn eines Winzers, 1911 Lehrer an einer Heidelberger Privatschule und trat im selben Jahr in die SPD ein. Nach der Novemberrevolution schloß er sich Kurt → Eisner an, war w¨ahrend der R¨aterepublik bayerischer Gesandtschaftssekret¨ar in Berlin, redigierte 1919 die Zeitschrift „Die Republik“ und gr¨undete gemeinsam mit Alfons → Goldschmidt die „R¨ate-Zeitung“ (1919 / 20). D. trat in die KPD ein, wurde 1921 Auslandsredakteur der „Roten Fahne“, sp¨ater Chefredakteur der Zeitschrift „Sozialistische Republik“ und Mitglied der Bezirksleitung Mittelrhein. Seit 1923 Redakteur der „Hamburger Volkszeitung“, wurde er 1924 Politischer Sekret¨ar des KPDBezirks Wasserkante und Politischer Leiter des Bezirks Niederrhein. 1924-30 Reichstagsabgeordneter, war er seit 1925 Mitglied des Zentralkomitees, sp¨ater auch des Politb¨uros und des Parteisekretariats. D. wurde nach Moskau berufen und war als Mitglied des Exekutivkomitees und des Politischen Sekretariats der Komintern in den USA, S¨udamerika, Großbritannien und Skandinavien t¨atig. Zur Zeit der kommunistischen Volksfrontpolitik 1935-37 einer der f¨uhrenden Taktiker der Komintern sowie Mitarbeiter u. a. der „Deutschen Volkszeitung“, lehrte er sp¨ater an der Lenin-Schule der Komintern in Moskau. C Dt Kommunisten

Denger, Fred, eigentl. Alfred D., Schriftsteller, * 12. 6. 1920 Darmstadt, † 30. 10. 1983 Hohegeiß / Harz. In seinem bewegten Leben war D. u. a. Kaufmann, Buchh¨andler, Schauspieler, Raubtierpfleger, Steilwandfahrer, Zirkusreiter und Landwirt. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte er als freier Schriftsteller und Drehbuchautor in Berlin. 1946 erregte er erstes Aufsehen mit seinem dort uraufgef¨uhrten Schauspiel Wir heißen euch hoffen oder Der gottverdammte Jahrgang. Sein bekanntestes Werk ist das Einpersonenst¨uck Langusten (1955, Neuausg. 1982 und 1991), in dem Tilla → Durieux eine ihrer großen Altersrollen spielte. C DLL, 20. Jh.

Dengler, Alfred, Forstwirt, * 23. 3. 1874 Berlin, † 15. 10. 1944 Eberswalde. Der Sohn eines Schneidermeisters wurde nach dem Abschluß der Studien an der Univ. Berlin und der Forstakademie Eberswalde Assistent am Botanischen Institut in Eberswalde, sp¨ater am Institut f¨ur Pflanzenphysiologie an der Univ. Berlin. 1912-21 leitete er als Oberf¨orster bzw. als Forstmeister das Revier Reinhausen bei G¨ottingen und nahm

Denicke daneben einen Lehrauftrag an der Forstakademie Hannoversch M¨unden und der Univ. G¨ottingen wahr. 1921-27 war er Chef des Forstreviers Chorin bei Eberswalde und wurde 1922 als Ordinarius f¨ur Waldbau an die Forstakademie Eberswalde berufen. D. gab die „Zeitschrift f¨ur Forstund Jagdwesen“ heraus und ver¨offentlichte u. a. Waldbau auf o¨ kologischer Grundlage (1930, 31944). C NDB

Dengler, Georg, kath. Theologe, Architekt, Kunsthistoriker, * 31. 12. 1839 M¨unchen, † 9. 6. 1896 Ravensburg. D., Sohn eines Hartschiers der kgl. Leibgarde, empfing 1862 in Rom die Priesterweihe. 1868 wurde er Domvikar in Regensburg. Als Verwalter des Referats f¨ur christliche Kunst und Denkmalpflege entwarf er Ausstattungen zahlreicher Kirchen in Regensburg und Umgebung im neoromanischen und neugotischen Stil. Er war auch f¨ur die Restaurierung und den Wiederaufbau (1889) des Dollingersaals im Alten Rathaus in Regensburg sowie f¨ur den Umbau (1890-93) der Pfarrkirche Mari¨a Himmelfahrt in Furth im Wald verantwortlich. C AKL

zun¨achst als o. Prof. der Institutionen, seit 1594 der Pandekten, seit 1612 des kanonischen Rechts, und wurde 1629 emeritiert. Er war juristischer Berater des Herzogs und trat im Kampf der Univ. Ingolstadt gegen die Jesuiten 1611-13 als engagierter Gegner des Ordens auf. D. verfaßte Disputationen und zivilrechtliche Schriften, darunter De appellationum iure (1615). Er war der Vater von Kaspar und Sebastian → D. C LMU

Denich zu Erlau, Kaspar, Jurist, * 1591 Ingolstadt, † 2. 1. 1660 Ingolstadt. Der Sohn Joachim → D.s und Bruder Sebastian → D.s unternahm nach rechtswissenschaftlichen Studien an der Univ. Ingolstadt (Promotion 1612) eine Studienreise nach Italien und wurde bei seiner R¨uckkehr 1614 a. o., 1616 o. Prof. der Rechte in Ingolstadt. Seit 1620 daneben Universit¨atsk¨ammerer, wurde er 1623 Prof. der Institutionen, 1623 der Pandekten und 1634 des kanonischen Rechts. D. war 1643 und 1650 Rektor der Univ. Ingolstadt; er publizierte u. a. De interdictis (1627). C LMU

Dengler, Leopold, Forstwirt, * 17. 11. 1812 Karlsruhe, † 27. 1. 1866 Karlsruhe. Nach einer praktischen Ausbildung in Baden besuchte D. 1832-34 die neugegr¨undete Forstschule des Polytechnikums Karlsruhe, praktizierte 1835 bei der badischen Forstpolizeidirektion und f¨uhrte 1836-39 verschiedene Waldteilungen in ¨ den Forsten der Amter Pforzheim, Wolfach und St. Blasien durch. 1839 zun¨achst Bezirksf¨orster in Nollingen, u¨ bernahm er 1840 das Bezirksforstamt Kandern und wechselte 1848 nach Karlsruhe, wo er gleichzeitig zum Ersten Dozenten f¨ur Wald- und Wegebau an der Forstschule des Polytechnikums ernannt wurde. D. redigierte seit 1858 die „Monatsschrift f¨ur das Forst- und Jagdwesen“ und schrieb u. a. eine Weg-, Br¨ucken- und Wasserbaukunde f¨ur Land- und Forstwirte (1863).

Dengler, Paul Leo, o¨ sterr. P¨adagoge, Amerikanist, * 27. 6. 1886 Wien, † n. e. D. studierte u. a. Romanistik an den Universit¨aten Wien und Grenoble und war nach der Promotion in Wien im Schuldienst t¨atig. 1911-13 engagierte er sich f¨ur die Idee des internationalen Austausches, unternahm Vortragsreisen durch die USA, Kanada, England und Wales und gr¨undete 1926 das Austro-American Institute of Education. D. war mehrmals Carnegie Visiting Prof. an verschiedenen USamerikanischen Universit¨aten und Mitglied der o¨ sterr. Landeskommision f¨ur geistige Zusammenarbeit. 1947 wurde er Prof. der Amerikanistik an der Hochschule f¨ur Welthandel in Wien sowie Prof. der P¨adagogik an der University of Kansas City in Missouri.

Denhardt, (Gustav) Clemens (Andreas), Kolonist, * 3. 8. 1852 Zeitz, † 7. 6. 1928 Bad Sulza. D. war der Sohn eines Gendarms und Steuereinhebers. Nach dem Ingenieur-Studium in Berlin unternahm er, unterst¨utzt von seinem Bruder Gustav (1856-1917), drei Expeditionen in das Gebiet um den Fluß Tana im heutigen Kenia. 1885 erwirkte er einen kaiserlichen Schutzbrief f¨ur das Sultanat Witu und Lamu. D. wurde Bevollm¨achtigter und Beamter des Sultans, der bereits 1865 preuß. Schutz f¨ur sein Gebiet angestrebt hatte, konnte aber keine Ausweitung des Schutzgebiets erreichen. Witu wurde 1890 England u¨ berlassen, die privaten Rechte und Anspr¨uche der Br¨uder gingen verloren. C NDB

Denich, Joachim, auch Deinig, Denickh, in Erlach, Teining, Jurist, * 1560 oder 1563 Bruchsal, † 27. 3. 1633 oder 1635 Ingolstadt. D. studierte an der Univ. Ingolstadt, war dort seit 1590 Prof.,

Denich, Sebastian, kath. Theologe, * 4. 8. 1596 Ingolstadt, † 6. 12. 1671 Augsburg. Der Sohn Joachim → D.s und Bruder Kaspar → D.s studierte Philosophie und Theologie an den Universit¨aten Ingolstadt und Bologna, wurde dort promoviert, 1621 in Rom zum Priester geweiht und zum Apostolischen Protonotar ernannt. Nach seiner R¨uckkehr erhielt er Pr¨abenden an den Domstiften Regensburg (1622) und Augsburg (1627) und wurde 1630 Domherr in Konstanz sowie Domdekan in Regensburg. Nach Konflikten mit dem Bischof Albert von → T¨orring legte D. 1641 sein Amt als Domdechant und die Pr¨asidentschaft im Geistlichen Rat nieder, zog sich nach Augsburg zur¨uck und wurde 1649 von T¨orrings Nachfolger Franz Wilhelm von → Wartenberg zum Generalvikar und Konsistorialpr¨asidenten bestellt. Im folgenden Jahr unter Verleihung des Titularbistums Almira zum Weihbischof in Regensburg bestimmt, entwickelte D. umfassende Aktivit¨aten in seinem Bistum, schuf sich durch sein schroffes Auftreten jedoch zunehmend Gegner und folgte 1661 der Aufforderung Wartenbergs, auf das Kanonikat und das weihbisch¨ofliche Amt zu verzichten. Er schrieb Praecipuae difficultates ex libris de anima selectae (1615). C Gatz 3 Denicke, David, Kirchenliederdichter, Herausgeber, * 31. 1. 1603 Zittau (Oberlausitz), † 1. 4. 1680 Hannover. D., Sohn eines Ratsherrn und Stadtrichters in Zittau, studierte seit 1619 an den Universit¨aten Wittenberg und Jena Philosophie und Rechtswissenschaften, hielt in Jena und K¨onigsberg juristische Vorlesungen und unternahm anschließend eine Bildungsreise durch Holland, England und Frankreich. 1629 wurde er Erzieher der S¨ohne Herzog → Georgs von Braunschweig-L¨uneburg, war 1640 kurzzeitig Abt des Klosters Bursfelde und folgte 1642 der Berufung als Konsistorialrat nach Hannover. Hier arbeitete er gemeinsam mit Justus → Gesenius – wie dieser Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft – an der Erneuerung der Evang. Landeskirche und gab u. a. ein neues Gesangbuch heraus, in dem er eine Gliederung nach den Hauptthemen durchf¨uhrte und die Lieder nach den Regeln von Martin → Opitz und den Grunds¨atzen der Fruchtbringenden Gesellschaft ver¨anderte. 1646 zun¨achst als New Ordentlich Gesang-Buch [. . .] f¨ur den h¨auslichen Gebrauch erschienen, wurde es bald in den Schulen und seit 1657 als Das Hannoversche, ordentliche, vollst¨andige Gesangbuch [. . .] im Gottesdienst verwendet. Einige Lieder von D. (u. a. Nun jauchzt dem Herren, alle Welt!) werden noch heute gesungen. C NDB

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Denifle Denifle, Heinrich Suso, Taufname: Joseph Anton, Dominikaner, Kirchenhistoriker, * 16. 1. 1844 Imst (Tirol), † 10. 6. 1905 M¨unchen. Nach seinem Eintritt in den Dominikanerorden 1861 durchlief D., Sohn eines Kreishauptschullehrers, die ordenseigene philosophische und theologische Ausbildung, u. a. im Collegium S. Thomae in Rom, wurde 1866 zum Priester geweiht und unterrichtete seit 1870 an der Ordenshochschule in Graz. 1880 als Socius des Ordensgenerals nach Rom berufen, u¨ bernahm er 1883 die Stelle eines Unterarchivars am Vatikanischen Archiv, die er lebenslang beibehielt. D.s ausgedehntes wissenschaftliches Werk hatte seinen Schwerpunkt in der kritischen Erschließung theologischer Quellen des Mittelalters, vor allem der deutschen Dominikanermystik, deren Zusammenh¨ange mit der Scholastik er aufdeckte, sowie der Universit¨atsgeschichte (Die Universit¨aten des Mittelalters bis 1400, 1885; Chartularium Universitatis Parisiensis, 4 Bde., 1889-97, mit Emile Chatelain). Zahlreiche Einzelstudien erschienen in dem zusammen mit Franz → Ehrle herausgegebenen Archiv f¨ur Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters (7 Bde., 1885-1900). Als Lutherforscher (Luther und Luthertum in der ersten Entwickelung, Bd. 1, 1903; 1 / 1, 21904; 1 / 2, 21906; 2, 1909) erregte D. durch seine u¨ berscharfe Polemik Aufsehen, die die wichtigen Einsichten in die theologische Herkunft des Reformators, die er zu vermitteln hatte, lange verdunkelte. D. starb auf einer Reise nach Cambridge, wo ihm die Ehrendoktorw¨urde verliehen werden sollte – eine der vielen Ehrungen, die ihm zuteil wurden. C TRE Denifle, Johann Peter, o¨ sterr. Maler, * 22. 2. 1739 Fulpmes (Tirol), † 26. 6. 1808 Innsbruck. D. war Sch¨uler Mathias → G¨unthers in Augsburg, studierte anschließend in Wien und ließ sich in Brixen nieder. In den sechziger Jahren malte er verschiedene Kirchen der Gegend aus, darunter gemeinsam mit Franz Anton → Zeiller die Kirche von Milland bei Brixen (1766), erhielt 1770 eine Berufung als „Zeichenmeister“ nach Innsbruck, ging zu seiner Fortbildung nach Wien und nahm 1771 eine Stelle in Innsbruck an. D. galt als begabter Lehrer und Kopist und wurde vor allem durch seine Nachrichten von tyrolischen K¨unstlern bekannt, die zur Grundlage des Tirolischen K¨unstlerLexikons von 1830 wurden. C AKL Deniger von Olinda, Joachim, auch Denier, Milit¨ar, * um 1600 Goldingen (Kurland), † 1658 Afrika. Der aus einem Ratsgeschlecht stammende D. v. O. war im Dreißigj¨ahrigen Krieg als Offizier f¨ur verschiedene Staaten t¨atig, ging 1640 im Dienst der holl¨andischen Generalstaaten nach Brasilien und zeichnete sich im Kampf um Olinda gegen Portugal aus. 1648 nach Kurland zur¨uckgekehrt, wurde er 1651 mit Truppen nach Westafrika entsandt und gr¨undete noch im gleichen Jahr an der Gambiam¨undung die erste deutsche Kolonie in Afrika. Seit 1652 f¨uhrten ihn diplomatische Auftr¨age nach Riga und Danzig. F¨ur seinen Einsatz gegen die Kosaken 1653 wurde er in den polnischen Adelsstand erhoben. D. v. O. ging 1654 nach Gambia, wurde ¨ 1657 zun¨achst herzoglich kurl¨andischer Direktor f¨ur Uberseehandel in Hamburg und Amsterdam, sp¨ater Handels- und Milit¨argouverneur der Kolonien Gambia und Tobago (Westindien). Auf einer Expedition auf der Suche nach Gold kam er am Oberlauf des Gambia ums Leben. C NDB

Denina, Karl Johann Maria, kath. Theologe, Schriftsteller, * 27. 2. 1731 Revello (Piemont), † 5. 12. 1813 Paris. Nach der Weihe zum Abate und der Promotion zum Dr. theol. lehrte D. seit 1754 an der Schule in Pierolo. Seit 1757 Prof. der Rhetorik am Kollegium und an der Univ. Turin, wurde er 1782 als ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin Prof. an der dortigen Univ. und

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kehrte 1800 als Bibliothekar an die Univ. Turin zur¨uck. 1804 wurde er in Paris zum kaiserlichen Bibliothekar ernannt. D. ver¨offentlichte eine Reihe von historischen, literatur- und geistesgeschichtlichen sowie sprachwissenschaftlichen Abhandlungen. In deutscher Sprache erschien von ihm Staatsver¨anderungen von Italien (24 Bde., 1771-73), Bibliopoei, oder Anweisung f¨ur Schriftsteller (1783) und Staats- und Gelehrtengeschichte Griechenlands (2 Tle., 1783-85).

Deninger, Franz Xaver, Industrieller, * 9. 1. 1772 Weyersheim (Elsaß), † 22. 11. 1849 Mainz. In Hagenau (Elsaß) zum Gerber ausgebildet, gr¨undete D. im Anschluß an die Wanderjahre 1799 gemeinsam mit seinem Schwager in Idstein (Taunus) eine Saffian-Gerberei. Sie wurde zum Ausgangspunkt f¨ur das Unternehmen „Lederwerke Mayer, Michel und Deninger“, das Weltruf erlangen sollte. 1811 verlegte D. die Firma von Idstein nach Mainz.

Denis, Maria Anna Elisabeth, kath. Funktion¨arin, * 17. 2. 1900 Jever, † 15. 11. 1969 Freiburg / Breisgau. Die Tochter eines Lehrers studierte in Berlin P¨adagogik, Philosophie, Psychologie, Geschichte und Volkswirtschaft. Unter dem Einfluß von Christine → Teusch, damals Vorsitzende des Nationalverbands der kath. M¨adchenschutzvereine, brach sie das Studium ab und arbeitete im Generalsekretariat des Verbands in Freiburg mit. 1928 wurde sie Generalsekret¨arin des Nationalverbands. Dem Nationalsozialismus stand D. zun¨achst nicht ablehnend gegen¨uber und bejahte etwa die Idee der „Volksgemeinschaft“. Nach dem Zweiten Weltkrieg widmete sie sich dem Neuaufbau der Bahnhofsmissionen und initiierte Bildungsst¨atten f¨ur vertriebene Caritas-Mitarbeiterinnen in Greding und auf Schloß Vinsebeck. 1948 wurde D. Vizepr¨asidentin des Internationalen Verbands kath. M¨adchensozialarbeit und 1949 Mitglied des Vorstands der deutschen Caritas, sp¨ater der Arbeitsgemeinschaft f¨ur Katholische Jugendsozialarbeit. 1957-69 geh¨orte sie dem Hauptausschuß des Deutschen Vereins f¨ur o¨ ffentliche und private F¨ursorge an. D. ver¨offentlichte u. a. Katholischer M¨adchenschutz auf dem Lande und in der Kleinstadt (1933) und Man fragt: Ist die katholische M¨adchenschutzarbeit notwendig (1933). 1948 erhielt D. den p¨apstlichen Orden „Pro ecclesia et pontifice“. C BBKL

Denis, (Johann Nepomuk Cosmas) Michael, Pseud. Sined der Barde, Jesuit, Schriftsteller, Bibliograph, * 27. 9. 1729 Sch¨arding, † 29. 9. 1800 Wien. D., Sohn eines Gerichtsprokurators, besuchte 1739-47 das Jesuitengymnasium in Passau, trat anschließend in Wien in den Jesuitenorden ein und wurde 1757 zum Priester geweiht. Er schrieb mehrere lateinische Schuldramen, war seit 1760 Lehrer der Sch¨onen Wissenschaften und der Rhetorik an der Theresianischen Adelsakademie in Wien und ließ 1762 das erste deutsche Lesebuch u¨ berhaupt erscheinen (Sammlung k¨urzerer Gedichte aus den neuen Dichtern Deutschlandes f¨ur die Jugend). D. u¨ bersetzte als erster den Ossian vollst¨andig ins Deutsche (1768 / 69) und festigte dadurch seinen Ruf als f¨uhrender o¨ sterr. Literat. Er f¨uhrte einen umfangreichen Briefwechsel mit gelehrten Zeitgenossen und war u. a. mit Friedrich → Nicolai, → Klopstock und Karl Wilhelm → Ramler befreundet. Unter dem Pseudonym Sined, einem Anagramm f¨ur D., ver¨offentlichte er seit 1772 Bardenlyrik (Die Lieder Sineds des Barden). Von der Aufhebung der Gesellschaft Jesu 1773 bis zur Aufl¨osung der Akademie 1784 leitete er die Garellische Bibliothek in Wien und hielt am Theresianum Vortr¨age u¨ ber B¨ucherkunde und Literaturgeschichte. Mit einer Reihe von Publikationen zur Literaturgeschichte und zur B¨ucherkunde (darunter Einleitung in die B¨ucherkunde, 1777 / 78; Supplementum Annalium M. Maittaire, 1789) begr¨undete er seit den siebziger Jahren seine exponierte Stellung in der Geschichte der bibliographischen

Denker Wissenschaften. Seit 1784 zweiter Kustos der Hofbibliothek, wurde er 1791 Hofrat und erster Kustos. D. dichtete auch Kirchenlieder, die, wie Thauet, Himmel, den Gerechten, zum Teil noch heute gesungen werden. Seine nicht vollendete Selbstbiographie Commentarii de vita sua gab sein Sch¨uler Joseph Friedrich von → Retzer im Literarischen Nachlaß (1801 / 02) heraus. C Killy

Denis, Paul (Camille) von, Ingenieur, * 26. 6. 1795 Les Salles bei Montier-en-Der (Haute Marne), † 3. 9. 1872 D¨urkheim (Pfalz). D., Sohn eines Kreisforstmeisters, studierte 1814 / 15 an der ´ Ecole Polytechnique in Paris und trat 1816 in den bayerischen Staatsdienst ein. Als Ingenieur 1826-32 im Bezirk Zweibr¨ucken t¨atig und freisinniger Volksvertreter im Pf¨alzischen Landrat, bewog ihn die politische Entwicklung nach dem „Hambacher Fest“ 1832, eine Auslandsreise anzutreten. Er stellte Studien in Belgien und Frankreich an, lernte in England George Stephenson kennen, bereiste die USA und sammelte Erfahrungen u¨ ber Eisenbahn- und Kanalbauten sowie rationelle Arbeitsweise. Nach zweij¨ahriger Abwesenheit nach Bayern zur¨uckgekehrt, wurde er Bezirksingenieur in Rosenheim und M¨unchen und erhielt 1834 den Bauauftrag f¨ur die erste deutsche Eisenbahn zwischen N¨urnberg und F¨urth, die 1835 eingeweiht wurde. D. baute 1836-40 die Eisenbahn M¨unchen-Augsburg sowie die Taunusbahn Frankfurt / Main-Wiesbaden-Mainz, war 1841 Regierungsund Kreisbaurat in Speyer, sp¨ater Vorsitzender der Kommission f¨ur den Bau der bayerischen Staatseisenbahnen in N¨urnberg, kehrte aber bereits 1842 in die Pfalz zur¨uck und wurde 1844 Baudirektor der Bahnstrecke Ludwigshafen / Rhein-Bexbach. 1850 verließ er den Staatsdienst und u¨ bernahm die Betriebsleitung der Pf¨alzischen Bahnen. 1852 wurde ihm der bayerische Personenadel verliehen. Seit 1856 Baudirektor der bayerischen Ostbahnen, seit 1858 Oberbaurat, trat D. nach Abschluß des Baus der Rheinbr¨ucke zwischen Ludwigshafen und Mannheim 1866 in den Ruhestand und wurde im folgenden Jahr zum Direktor der bayerischen Ostbahnen ernannt. C NDB

Denk, Joseph, Schauspieler, * 15. 10. 1801 M¨unchen, † 10. 10. 1873 Karlsruhe. D. war Aktuar an der M¨unchner Milit¨arkanzlei, als er sich 1818 dem Theater zuwandte. Er deb¨utierte in Salzburg, spielte Liebhaber, sp¨ater Charakterrollen an den Theatern in Linz, Br¨unn, Passau, Regensburg, Freiburg / Breisgau, Baden-Baden und Donaueschingen und wurde 1851 Mitglied des Ensembles am Hoftheater in Karlsruhe. Hier zeichnete er sich unter der Leitung Eduard → Devrients besonders in komischen V¨aterrollen aus. Denk, Joseph, kath. Theologe, Philologe, * 18. 1. 1849 M¨unchen, † 22. 1. 1927 M¨unchen. D., Sohn eines Großkaufmanns, war nach der Priesterweihe 1875 in verschiedenen Landpfarreien, zuletzt 1899-1902 in Straußdorf bei Grafing t¨atig, ließ sich 1903 als freiresignierter Pfarrer in M¨unchen nieder und wurde Mitarbeiter Eduard → W¨olfflins am Thesaurus linguae Latinae. W¨olfflin regte D. zu einer Neubearbeitung des 1743-49 von dem Benediktiner Pierre Sabbathier herausgegebenen Werks Bibliorum sacrorum Latinae versiones antiquae, seu vetus Italica [. . .], der sogenannten „Vetus Latina“, an. Er erwarb eine umfangreiche patristische Bibliothek und ließ 1914 Den neuen Sabatier sowie ein Probeheft erscheinen. Zu dieser Zeit hatte er bereits eine Sammlung von etwa einer Million Belegstellen aus den Kirchenv¨atern zusammengetragen, konnte sie jedoch nach dem Weltkrieg und der Inflation nicht mehr erscheinen lassen. Die Erzabtei Beuron, die den Nachlaß erbte, ediert seit 1949 die auf 35 B¨ande berechnete Ausgabe der Vetus Latina. C NDB

Denk, Karl, o¨ sterr. Werbefachmann, Kabarettist, * 24. 6. 1886 Wien, † 21. 6. 1948 Wien. Nach dem Abschluß der rechtswissenschaftlichen Studien trat D. in den Dienst der Wiener St¨adtischen Straßenbahnen ein und ließ sich sp¨ater zur neugegr¨undeten st¨adtischen „Ank¨undigungsanstalt“ Wiener Plakatierungs- und Anzeigen-GmbH (Wipag) versetzen, bei der er bald als Werbefachmann t¨atig war und u. a. die ersten Leuchtlaufschriften an Geb¨auden einf¨uhrte. Sp¨ater Direktor der Wipag, trat D. in Wiener Kabaretts, seit 1938 jedoch nur noch in privaten Kreisen auf. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte er in die Werbebranche zur¨uck. D. war am Aufbau der Gewerkschaftsbewegung in Wien beteiligt und wurde Vizepr¨asident der Gewerkschaftssektion Artisten. Er bem¨uhte sich um die Wiederherstellung des Volkspraters. Denk, (Viktor Martin) Otto, Pseud. Otto von Schaching, Schriftsteller, Redakteur, * 23. 6. 1853 Schaching (Niederbayern), † 9. 1. 1918 Winzer bei Regensburg. D., Sohn eines Fabrikverwalters, besuchte 1869-71 das Lehrerseminar in Straubing, war zun¨achst Lehrer in Vilshofen, wurde w¨ahrend des Kulturkampfs entlassen und u¨ bernahm 1872 die Schriftleitung der „Katholischen Schulzeitung“. Seit 1873 Lehrer am o¨ sterr. Hospiz Sta. Maria dell’Anima in Rom, studierte er schließlich in Breslau und M¨unchen (Promotion zum Dr. phil.), kam als Redakteur eines politischen Blatts in N¨urnberg abermals in Konflikt mit den Beh¨orden und ging nach Verb¨ußung einer Gef¨angnisstrafe 1880 als Lehrer nach England. Nach Reisen durch Italien und Frankreich (1887 / 88) wurde er 1888 Lehrer am Cassianeum in Donauw¨orth, war daneben Schriftleiter der Tageszeitung „Regensburger Anzeiger“, der Jugendzeitschrift „Efeuranken“ und 1898-1911 der Familienzeitschrift „Deutscher Hausschatz“ in Regensburg. D. gr¨undete und leitete (1910-13) die kulturelle Monatsschrift „Der Aar“ und wurde kgl. bayerischer Rat. Er verfaßte Unterhaltungsliteratur mit volkst¨umlichen und historischen Themen (u. a. Bayerntreue. Historische Erz¨ahlung aus dem 18. Jahrhundert f¨ur das Volk und die gereifte Jugend, 1896) sowie patriotische und historische Schriften. C DSL Denk, Wolfgang (Karl Josef), o¨ sterr. Chirurg, * 21. 3. 1882 Linz, † 4. 2. 1970 Wien. D. war w¨ahrend des Medizinstudiums in Wien (Promotion 1907) Sch¨uler Anton von → Eiselsbergs, 1911-24 dessen Assistent an der Ersten Chirurgischen Klinik, habilitierte sich 1916 und wurde 1923 a. o. Professor. 1924-28 Primarius der Rudolfstiftungen, folgte er 1928 einem Ruf als o. Prof. der Chirurgie an die Univ. Graz und lehrte 1931-54 als Nachfolger Julius von → Hocheneggs als chirurgischer Ordinarius an der Univ. Wien. D. war 1948 / 49 Rektor der Univ. Wien, ¨ 1946-58 Pr¨asident der Wiener Arzteschaft und des Obersten Sanit¨atsrats. 1953-66 leitete er das von ihm geschaffene o¨ sterr. Krebsforschungsinstitut. Er schrieb u. a. Enzephalographie und ihre Ergebnisse (1926) und war Mitherausgeber eines Lehrbuchs der Chirurgie (1930). D., der keiner politischen Partei angeh¨orte, kandidierte als gemeinsamer Kan¨ ¨ bei den o¨ sterr. Bundespr¨asididat der OVP und der FPO dentenwahlen 1957. C Biogr Lex Ober¨ost

Denker, Alfred (Friedrich Amandus), Hals-Nasen-OhrenArzt, * 19. 4. 1863 Rendsburg (Holstein), † 21. 10. 1941 M¨unchen. Nach dem Studium der Medizin an den Universit¨aten Kiel, T¨ubingen und M¨unchen (Promotion 1890, Ein Beitrag zur Lehre von der Resorptionsf¨ahigkeit der Magenschleimhaut) war D., Sohn eines Kaufmanns, Assistent Friedrich → Bezolds in M¨unchen und ließ sich anschließend als praktischer Hals-Nasen-Ohrenarzt in Hagen (Westfalen) nieder. 1902 wurde er a. o. Prof., 1906 o. Prof. der Hals-NasenOhrenheilkunde an der Univ. Erlangen, 1911 Nachfolger

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Denker Hermann → Schwartzes in Halle. D. leitete im Ersten Weltkrieg ein Fachlazarett, verließ das Milit¨ar 1919 als Generaloberarzt und wurde 1920 Rektor der Univ. Halle (Rede: Taubstummheit). Gemeinsam mit Otto → Kahler redigierte er das Handbuch der Hals-, Nasen- und Ohren-Heilkunde (9 Bde., 1925-29), ließ sich nach der Emeritierung 1928 in M¨unchen nieder und widmete sich neben eigenen Studien der Herausgabe des „Archivs f¨ur Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkunde“. Seit 1933 war er F¨orderndes Mitglied der SS. D. schuf neue Operationsmethoden, konstruierte Instrumente und publizierte Arbeiten zur vergleichenden Anatomie und zur Taubstummheit, u. a. Vergleichend-anatomische Untersuchungen u¨ ber das Geh¨ororgan der S¨augethiere (1899). 1912 gab er mit Wilhelm → Br¨unings ein vielfach aufgelegtes Lehrbuch der Krankheiten des Ohres und der Luftwege einschließlich der Mundkrankheiten (14., neu bearb. Aufl. 1952) heraus. C NDB

Denker, Rolf, Philosoph, Psychoanalytiker, * 20. 6. 1932 Bielefeld, † 23. 11. 1999 T¨ubingen. Zum Verlagsbuchh¨andler ausgebildet, studierte D. Philosophie, Kunstgeschichte und Germanistik in Bonn und T¨ubingen, wurde 1961 zum Dr. phil. promoviert (Natur als Gegenstand der Malerei. Eine vergleichende Vergegenw¨artigung kunstphilosophischer Gedanken Kants und kunsttheoretischer Gedanken Goethes) und schloß ein Studium der Psychoanalyse an. 1962-64 arbeitete er am Goethe-W¨orterbuch mit, war am Philosophischen Seminar der Univ. T¨ubingen t¨atig, habilitierte sich dort 1979, lehrte 1985-92 als apl. Prof. der Philosophie und psychoanalytischen Theorie und wurde dann Leiter eines privaten Anna-Freud-Instituts f¨ur angewandte Psychoanalyse und praktische Philosophie in T¨ubingen. D. besch¨aftigte sich besonders mit der Philosophie der Aufkl¨arung und ver¨offentlichte u. a. Aufkl¨arung u¨ ber Aggression (1966, 51975), Individualismus und m¨undige Gesellschaft (1967), Grenzen liberaler Aufkl¨arung (1968), Angst und Aggression (1974), Selbst-Bild als Fremdentwurf. Aufs¨atze zur Philosophie von Kant bis Bloch (1985), Hiob oder die Schwere des Gl¨ucks (1990) und Anna Freud zur Einf¨uhrung (1995).

Denneborg, Heinrich (Maria), Puppenspieler, Schriftsteller, * 7. 6. 1909 Horst bei Gelsenkirchen, † 1. 11. 1987 Neggio (Tessin). Nach mehrj¨ahriger Mitarbeit in einem Architekturb¨uro und dem Studium der Theaterwissenschaften an der Univ. Berlin war D. in Gelsenkirchen als Bibliothekar sowie bei Rundfunk- und Fernsehanstalten t¨atig. Fr¨uh mit der Geschichte und der Figur des Kaspers befaßt (u. a. Das Buch vom Kasperl, 1940), gr¨undete er 1955 ein „Atelier-Theater f¨ur Puppenspiel“ in der K¨unstlerkolonie Halfmannshof bei Gelsenkirchen und bereiste als Puppenspieler Europa, S¨udamerika, Australien und Asien. Sp¨ater ließ er sich in der Schweiz nieder. D., der seit 1969 Ehrenmitglied der Union Internationale de la Marionette in Prag war, schrieb Puppenspiele, Gedichte, Erz¨ahlungen, H¨or- und Fernsehspiele sowie Kinder- und Jugendb¨ucher, darunter Jan und das Wildpferd (1957), das 1958 mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet und 1968 verfilmt wurde. C Westf Autoren, Bd 4 Denner, Balthasar, Maler, * 15. 11. 1685 Altona (heute zu Hamburg), † 14. 4. 1749 Rostock. D., Sohn eines Blauf¨arbers, der 1684 Prediger der Mennonitengemeinde wurde, erhielt seinen ersten Unterricht bei einem Altonaer Aquarellisten und Zeichenlehrer, bildete sich in Danzig weiter, erlernte 1701-07 auf Wunsch der Eltern – D.s Vater war Mennonitenprediger – in Hamburg den Kaufmannsberuf und studierte schließlich an der Akademie der K¨unste in Berlin. 1712 erhielt er durch Kontakte seines

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Vaters, eines mennonitischen Predigers, einen seiner ersten großen Auftr¨age, ein Bildnis der Familie des Herzogs Christian August von Schleswig-Holstein-Gottorf zu malen. Danach lebte D. als erfolgreicher und begehrter Bildnismaler mit seiner Familie, darunter der Tochter Catharina → D., fast st¨andig auf Reisen, portr¨atierte u. a. den K¨onig von D¨anemark 1717 in Husum und hielt sich 1721-28 in London, 1736-40 in Amsterdam auf. C SHBL, Bd 6

Denner, Catharina, Malerin, * 1715 Hamburg, † 26. 8. 1744 Hamburg. Die Tochter Balthasar → D.s war Sch¨ulerin ihres Vater und erg¨anzte wie ihre Schwestern vielfach dessen Gem¨alde. Sie soll historische Motive und Bildnisse als Federzeichnungen ausgef¨uhrt haben und wurde als Miniaturmalerin sowie als Pianistin und S¨angerin ger¨uhmt. C AKL Denner, Johann Christoph, Instrumentenbauer, getauft 13. 8. 1655 Leipzig, † 26. 4. 1707 N¨urnberg. D. erlernte bei seinem Vater, der nach 1663 eine Werkstatt f¨ur Blasinstrumentenbau gr¨undete, das Handwerk des Wildruf- und Horndrehers, f¨uhrte den Betrieb – seit 1676 in einem eigenen Haus in N¨urnberg – weiter und erwarb 1697 das Meisterrecht f¨ur Holzblasinstrumentenbau. Seine Instrumente, darunter Blockfl¨oten, Oboen, Dulziane, Rackette, Fagotte und Pommer, standen bei den Zeitgenossen in hohem Ansehen. Kurz nach der Jahrhundertwende baute D. eine verbesserte Version des Chalumeaus mit zwei Klappen, die als Urform oder erste Form der Klarinette gilt. Seine S¨ohne f¨uhrten das Unternehmen weiter. C MGG Denner, Sebastian, auch D¨anner, Erzgießer, getauft 22. 7. 1640 N¨urnberg, † 13. 8. 1691 N¨urnberg. D. arbeitete als Erzgießer in N¨urnberg, wurde 1665 zum Meister ernannt und war 1684-87 Geschworener Meister der Rotgießer (Leuchtermacher). Er wird in den Handwerksakten außerdem als Verleger bezeichnet; er scheint in gesch¨aftlichen Angelegenheiten f¨ur andere Rotgießer vermittelt zu haben. D. schuf vor allem f¨ur N¨urnberger Handwerkfamilien Epitaphe in Messing und Bronze, die zumeist auf den Friedh¨ofen St. Johannis und St. Rochus in N¨urnberg aufgestellt wurden. Seine Arbeiten zeichnen sich durch besondere technische Qualit¨at, saubere Wiedergabe der Inschrift und h¨ubsche Ornamentik aus. Aus D.s Werkstatt stammen auch zahlreiche Haus- und Kirchenger¨ate wie Tisch- und Altarleuchter, Ampeln und Rauchf¨asser. Einige St¨ucke gelangten bis nach S¨udtirol und Italien. C AKL Dennerlein, Thomas, Bildhauer, * 27. 1. 1847 Mitterteich (Oberpfalz), † 24. 1. 1903 M¨unchen. D. besuchte die Kunstgewerbeschule M¨unchen, reiste mehrmals zu Studien nach Italien und war fr¨uh Mitarbeiter Gottfried von → Neureuthers bei der plastischen Ausschm¨uckung von dessen monumentalen Staatsbauten, darunter den Geb¨auden des M¨unchner Polytechnikums und der Akademie der bildenden K¨unste (darunter die Terrakottastatue der Athene). 1897 wurde er zum kgl. Prof. ernannt. Er schuf preisgekr¨onte Entw¨urfe f¨ur Denkm¨aler in N¨urnberg und W¨urzburg, Portr¨atstatuen u. a. von Neureuther und Karl → Stieler sowie kunstgewerbliche Arbeiten. C AKL

Dennert, Eberhard, Pseud. G. Hein, Philosoph, * 31. 7. 1861 P¨utzerlin bei Stargard, † 18. 6. 1942 Bad Godesberg. Der Enkel Johann Gustav → B¨uschings und Sohn eines Pfarrers studierte Naturwissenschaften an den Universit¨aten Marburg und Bonn und war 1885-88 Assistent Albert → Wigands und Karl → Goebels am Botanischen Institut in Marburg. 1888 ging D. als naturwissenschaftlicher und medizinischer Redakteur bei der Deutschen Enzyklop¨adie nach Rudolstadt und war 1889-1907 Lehrer und Heimerzieher am

Denzinger Evangelischen P¨adagogium in Bad Godesberg. Er befaßte sich als popul¨arer Schriftsteller und Vortragsredner zun¨achst mit Grundfragen der Naturwissenschaft sowie mit allgemeinen Bildungszielen (Dennerts Volks-Universal-Lexikon, 3 Bde., 1898-1900; 2 Bde., 21902 / 03, 31910) und wandte sich sp¨ater der christlichen Apologetik zu. D. war ein leidenschaftlicher Gegner Ernst → Haeckels und seiner Naturphilosophie, gr¨undete 1907 als Reaktion auf Haeckels 1906 ins Leben gerufenen „Deutschen Monistenbund“ den „Keplerbund zur F¨orderung der Naturerkenntnis“ und wurde 1908 dessen wissenschaftlicher Leiter. Er verfaßte 94 B¨ucher, mehr als 3000 Flugschriften und Zeitschriftenaufs¨atze, gab vier Zeitschriften (u. a. „Unsere Welt“, „F¨ur Naturfreunde“) heraus, baute den „Naturwissenschaftlichen Verlag“ auf und hielt Kurse und Vorlesungen. Er ver¨offentlichte u. a. Naturgesetz, Zufall, Vorsehung! (1906, 101913), Der Staat als lebendiger Organismus. Biologische Betrachtungen zum Aufbau der neuen Zeit (1920, 21922), Vom Untergang der Kulturen zum Aufstieg der Menschheit. Betrachtungen u¨ ber die Grundgesetze einer Kulturbiologie (1921), Das geistige Erwachen des Urmenschen. Eine vergleichend-experimentelle Untersuchung u¨ ber die Entstehung von Technik und Kunst (1929), Die Krisis der Gegenwart und die kommende Kultur. Eine Einf¨uhrung in die Geschichtsphilosophie (1929) und Hindurch zum Licht! Erinnerungen aus einem Leben der Arbeit und des Kampfes (1937). C NDB

Denso, Johann Daniel, Lehrer, * 24. 12. 1708 Neu-Stettin, † 4. 1. 1795. D. wurde nach dem Studium 1731 Prof. der Beredsamkeit am Gr¨oninger Kollegium und Konrektor der Stadtschule in Stargard, wechselte 1751 als Prof. der Beredsamkeit und Dichtkunst an das Gymnasium Stettin und war 1753-93 Rektor der Stadtschule Wismar. Er bem¨uhte sich besonders um die Verbesserung des naturwissenschaftlichen Gymnasialunterrichts in Mecklenburg und Pommern, u¨ bersetzte u. a. Plinius’ Naturgeschichte (2 Bde., 1764 / 65), Schriften von Johan Gottskalk Wallerius zur Mineralogie (1750) und Hydrologie (1751) und verfaßte neben naturwissenschaftlichen Werken (u. a. Physikalische Bibliothek, 2 Bde., 1754-61; Plinianisches W¨orterbuch, 1766) patriotische und poetische Schriften. Deny, Wilhelm, S¨anger, Schauspieler, * um 1780, † 26. 1. 1822 Jena. Zun¨achst Schauspieler, kam D. 1805 nach Weimar und deb¨utierte in der Partie des Felix im Singspiel Der Corse am Theater von Lauchst¨adt. Sp¨ater am Weimarer Hoftheater engagiert, trat der vielseitige Baßs¨anger in Opern, aber auch in Lust- und Trauerspielen, Possen und Singspielen auf und gastierte 1821 erfolglos als Sarastro (Die Zauberfl¨ote) in Berlin. Seit diesem Ereignis durch Wahnvorstellungen in der Aus¨ubung seiner Kunst behindert, mußte er sich 1822 in station¨are psychiatrische Behandlung begeben und starb bald darauf. C Kutsch

Denzel, Bernhard Gottlieb von, P¨adagoge, * 29. 12. 1773 Stuttgart, † 13. 8. 1838 Esslingen / Neckar. Nach dem Besuch der Seminarien in Denkendorf und Maulbronn studierte der aus einem alten Kaufmanns- und Ratsgeschlecht in Backnang stammende D. am T¨ubinger Stift, wurde Hauslehrer in Frankfurt / Main und war seit 1802 Pfarrvikar in Neunkirch bei Schaffhausen. Er besuchte in dieser Zeit → Pestalozzi in Burgdorf und wurde Anh¨anger von dessen Unterrichtsmethoden, die er – seit 1806 Pfarrer in Pleidelsheim bei Marbach – an der Schule umzusetzen versuchte. 1811 zum Inspektor des neugegr¨undeten Schullehrer-Seminars in Esslingen ernannt, wurde er sp¨ater dessen Rektor und f¨uhrte auf Veranlassung der nassauischen

Regierung 1816 einen „methodologischen Lehrcursus“ im Zuge der Neuorganisation des nassauischen Schulwesens durch. D. forderte eine allgemeine Volksbildung, eine h¨ohere Lehrerbildung und – obwohl selbst seit 1832 Dekan und Pr¨alat – eine Trennung der Schuldirektion von der Kircheninspektion. 1832 wurde er nobilitiert. D. schrieb u. a. eine Einleitung in die Erziehungs- und Unterrichtslehre (5 Bde., C NDB 1814-32).

Denzel, Wolfgang W., o¨ sterr. Unternehmer, Sportler, * 11. 1. 1908 Graz, † 15. 4. 1990 Berg / Starnberger See. D. gr¨undete 1930 die Betriebsabteilung elektromedizinische Ger¨ate innerhalb der v¨aterlichen Elektromotorenfabrik, die sich als „Elektrobau“ zum gr¨oßten steirischen Elektrounternehmen seiner Zeit entwickelte. Daneben war er aktiver Amateursportler in Auto- und Motorradrennen. Nach sportlichen Erfolgen schloß er 1934 einen Vertrag mit den Bayerischen Motoren-Werken (BMW) und begann 1938 den Import von BMW-Erzeugnissen in die Steiermark und nach K¨arnten. Seit 1945 wurden von D. selbstkonstruierte Rennwagen unter den Namen „Denzel-Roadster“ und „DenzelCoup´e“ in Serie produziert; 1945-78 war er Alleinimpor¨ teur von BMW-Produkten in Osterreich. Unterst¨utzt von der Denzel-Konstruktionsabteilung ging Ende der f¨unfziger Jahre der aus dem „Denzel-Roadster“ entstandene BMW 700 in Produktion, der dem BMW-Werk zu einem neuen wirtschaftlichen Aufschwung verhalf. D. wandte sich 1955 erfolgreich dem Hochseesegeln zu und wurde 1978 in Brasilien Weltmeister der 2-t-Klasse. Er u¨ bernahm 1960 den o¨ sterr. Import von Volvo, 1961 von Ferrari, 1978 von Mitsubishi Autos und Electronics.

Denzin, (Carl) Friedrich von, Politiker, * 16. 10. 1800 Schlawe (Pommern), † 19. 7. 1876 Lauenburg (Pommern). D. bewirtschaftete das ererbte Rittergut in Lauenburg, geh¨orte 1847 dem Vereinigten Landtag an und war 1849-52 Mitglied der I. preuß. Kammer, 1852-76 der II. preuß. Kammer bzw. der Abgeordnetenh¨auser. 1850 geh¨orte er dem Erfurter Unionsparlament an. 1861 wurde D. in den preuß. Adelsstand erhoben. 1867/70 war er Mitglied des Reichstags des Norddeutschen Bundes, 1868/70 des Deutschen Zollparlamentes und 1871-76 des Deutschen Reichtags. C Unionsparl Denzinger, Franz Joseph Ritter von, Architekt, * 26. 2. 1821 L¨uttich, † 14. 2. 1894 N¨urnberg. Der Sohn eines Professors der Philosophie und Bruder Heinrich → D.s lebte seit 1831 in W¨urzburg, war 1842 / 43 Student des Polytechnikums M¨unchen und besuchte anschließend die Bauschule der M¨unchner Akademie der K¨unste. Danach Architekt in bayerischen Staatsdiensten, erhielt er 1854 den Auftrag zum Ausbau des Regensburger Doms und unternahm 1855 eine staatlich finanzierte Studienreise zum Studium gotischer Bauten durch Deutschland, die Schweiz, Frankreich und Belgien. D. wurde 1859 zum Regensburger Dombaumeister ernannt und entwarf in den folgenden Jahrzehnten neben den Arbeiten am Regensburger Dom Kirchen im romanischen Stil f¨ur Kemnath (Oberpfalz) und Hof (Voigtland). Nach dem Brand am Frankfurter Dom 1867 wurde er 1869 als Dombaumeister nach Frankfurt / Main berufen, leitete bis 1879 die dortigen Restaurierungsarbeiten und betreute daneben die Regensburger Baumaßnahmen weiter. 1879-85 war er Kreisbaurat in Bayreuth, anschließend Oberbaurat in M¨unchen. D. geh¨orte der Wiener Akademie der Bildenden K¨unste als ordentliches Mitglied an. Bei seiner Pensionierung wurde er mit dem bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet und damit in den Adelsstand erhoben. C AKL

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Denzinger Denzinger, Heinrich (Joseph Dominikus), kath. Theologe, * 10. 10. 1819 L¨uttich, † 9. 6. 1883 W¨urzburg. Der Sohn eines Professors der Philosophie und Bruder Franz Joseph → D.s studierte Philosophie und Theologie in W¨urzburg und Rom, wurde 1844 zum Priester geweiht und folgte 1848 einer Berufung an die Univ. W¨urzburg, wo er a. o. Prof. der neutestamentlichen Exegese, 1854 o. Prof. der Dogmatik wurde. Er begr¨undete den wissenschaftlichen Rang der W¨urzburger Theologischen Fakult¨at mit. D. ver¨offentlichte u. a. die erstmals 1854 erschienene Quellensammlung Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum a conciliis oecumenicis et summis pontificibus emanarunt (ab 321963 bearb. von Adolf → Sch¨onmetzer, ab 371991 hrsg. von Peter H¨unermann). C LThK Denzler, Robert F(riedrich), schweizer. Dirigent, Komponist, * 19. 3. 1892 Z¨urich, † 25. 8. 1972 Z¨urich. D. studierte bei Volkmar → Andreae und Friedrich → Niggli am Z¨urcher Konservatorium, war 1912-15 St¨adtischer Musikdirektor in Luzern, anschließend bis 1927 Erster Kapellmeister am Z¨urcher Stadttheater und seit 1917 daneben Dirigent des Lehrergesangsvereins Z¨urich. 1927-32 lebte er als Erster Kapellmeister an der St¨adtischen Oper in Berlin, war 1934-47 musikalischer Oberleiter am Stadttheater Z¨urich und unternahm danach zahlreiche Gastspielreisen im In- und Ausland. D. bem¨uhte sich vor allem um die F¨orderung zeitgen¨ossischer Musik, f¨uhrte u. a. Alban → Bergs Lulu, Paul → Hindemiths Mathis der Maler sowie Opern von schweizer. Komponisten erstmals auf. Er schrieb selbst Lieder und Symphonien, darunter die symphonische Tondichtung Die Richmondis (1914). C MGG Deochar, auch Dietger, Benediktiner, Abt von Herrieden, † vor 829 Herrieden. Der Sch¨uler → Alkuins war M¨onch im Kloster Fulda; er soll auch in Aachen gewirkt haben. Um 795 wurde er Abt von Herrieden und stand nach 800 in kgl. Diensten. Bei der Erhebung der Gebeine des → Bonifatius 819 z¨ahlte D. in Fulda zu den Tr¨agern des Reliquienschreins. Er galt als Patron der Blinden und Augenkranken. C BBKL

Deodat, Johannes, auch Diodato, o¨ sterr. Kaufmann, Unternehmer, * um 1640 Istanbul, † 17. 5. 1725 Leopoldstadt (heute zu Wien). D. kam erstmals 1654 mit seinem Vater nach Wien, ließ sich dort 1666 endg¨ultig nieder und besaß um 1670 eine Warenhandlung in der „Goldenen Gans“ im heutigen ersten Wiener Bezirk. In den siebziger Jahren betrieb er ein florierendes Gesch¨aft mit t¨urkischen Waren, erreichte zwar nicht die 1681 angestrebte Stelle eines orientalischen Hofkuriers, lieferte jedoch nach 1683 zum Teil Kriegsmaterial. Seit 1685 Inhaber einer auf zwei Jahrzehnte zugesicherten Hoffreiheit zum Ausschank von Kaffee und Tee, er¨offnete er das erste Wiener Kaffeehaus und wurde damit zum Pionier des ¨ Kaffeekonsums in Osterreich u¨ berhaupt. Nach der Einb¨urgerung 1690 weigerte sich D. widerrechtlich, letztlich jedoch erfolgreich, die Hoffreiheit aufzugeben, wurde daraufhin jedoch nicht in die Genossenschaft b¨urgerlicher Kaffeesieder aufgenommen. Depiny, Adalbert, o¨ sterr. Volkskundler, Bildungspolitiker, * 30. 8. 1883 Budapest, † 19. 12. 1941 Linz. Aufgewachsen in Wien und Linz, studierte D. seit 1902 Germanistik, Geschichte, Geographie, Volkskunde und Klassische Sprachen an den Universit¨aten Wien und T¨ubingen. 1907 zum Dr. phil. promoviert (Ludwig Bauer. Ein Dichterbild aus Schwaben), wurde er im selben Jahr Lehrer f¨ur Deutsch, Latein und Griechisch am Gymnasium in Budweis, sp¨ater in G¨orz. 1915 kam er an das Gymnasium Linz und war 1918-24 an der Bundes-Lehrer- und LehrerinnenBildungsanstalt in Linz t¨atig. D. gab seit 1919 die Zeitschrift

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„Heimatgaue“ heraus und wurde 1920 Landesreferent f¨ur das Volksbildungswesen in Ober¨osterreich, 1934 Kulturreferent der Vaterl¨andischen Front. 1938 durch die Nationalsozialisten vor¨ubergehend verhaftet und schließlich pensioniert, war er sp¨ater an der Zentralstelle f¨ur Denkmalschutz t¨atig. D. verfaßte zahlreiche volkskundliche Aufs¨atze und u. a. ein St. Wolfganger Heimatspiel (1937). C Biogr Lex Ober¨ost

Depner, Margarete, Bildhauerin, * 22. 3. 1885 Kronstadt, † 2. 9. 1970 Kronstadt. D. studierte zun¨achst bei Friedrich → Mieß, Arthur Coulin und Fritz Kimm in Kronstadt, sp¨ater in Berlin u. a. bei Joseph → Thorak und im Atelier Gimond in Paris, wandte sich fr¨uhzeitig der Bildhauerei zu und blieb bis ins hohe Alter k¨unstlerisch t¨atig. Stilistisch folgte sie klassischkonservativen, zum Teil klassizistischen Vorbildern und belebte mit ihren fig¨urlichen Frauen- und M¨adchendarstellungen die Siebenb¨urger plastische Kunst. C AKL Deppe, Gustav, Maler, * 12. 9. 1913 Essen, † 1. 9. 1999 Bochum. Nach dem Studium an der Kunstgewerbeschule in Dortmund und erster T¨atigkeit als Maler nahm D. seit 1939 am Zweiten Weltkrieg teil. 1945 ging er nach Witten, wo er am M¨arkischen Museum Mitarbeiter des Direktors Peter Emil Noelle wurde. Seit 1951 stellte D. eigene Arbeiten aus, unterrichtete 1953-77 an der Werkkunstschule in Dortmund, seit 1973 auch als Prof. f¨ur Design an der dortigen Fachhochschule und geh¨orte 1948 u. a. mit Emil → Schumacher und Heinrich → Siepmann zu den Begr¨undern der Gruppe „junger westen“. 1952 schloß er sich dem Deutschen K¨unstlerbund an und war 1960-64 Vorsitzender von dessen westdeutscher Sektion. D. malte nach 1945 vor allem industriell gepr¨agte Landschaften, oft aus dem Rhein- und Ruhrgebiet, die er zunehmend abstrakt gestaltete. D. erhielt 1955 den WilhelmMorgner-Preis der Stadt Soest. C AKL

Deppe, Hans, Regisseur, Schauspieler, * 12. 11. 1897 Berlin, † 23. 9. 1969 Berlin. D. durchlief eine kaufm¨annische Lehre, legte sechzehnj¨ahrig eine Schauspielpr¨ufung ab und erhielt daraufhin eine Freistelle am Reinhardt-Seminar in Berlin. 1917 wurde er Volont¨ar am Kgl. Schauspielhaus Berlin, spielte an verschiedenen B¨uhnen, u¨ bernahm bald Regieaufgaben und war langj¨ahriger Mitarbeiter Max → Reinhardts. Als Komiker und Charakterdarsteller 1921-28 am Deutschen Theater Berlin engagiert, gr¨undete er gemeinsam mit Werner → Finck 1928 das Kabarett „Die Katakombe“ und bet¨atigte sich seit 1932 als freier Filmregisseur. 1934 entstand der erfolgreiche Film Schimmelreiter (nach Theodor → Storm), f¨ur den er als Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor zeichnete. In den f¨unfziger Jahren f¨uhrte er Regie bei Kassenschlagern wie Wenn der weiße Flieder wieder bl¨uht. Als Produzent mit der 1952 gegr¨undeten Firma Hans-Deppe-Produktion weniger erfolgreich, war er im Alter fast ausschließlich als Schauspieler t¨atig.

Deppe, (Friedrich Heinrich Christoph) Ludwig, Musikp¨adagoge, Dirigent, * 7. 11. 1828 Alverdissen (Lippe), † 5. 9. 1890 Bad Pyrmont. D., Sohn eines Amtsmusikus, erlernte das Geigenspiel bei August Kiel und Otto Stark sowie das Klavierspiel bei Grusendorf, studierte seit 1849 bei Eduard → Marxsen in Altona und u¨ bernahm 1861 die Leitung der Hamburger Orchesterkonzerte. Mit der von ihm gegr¨undeten Gesangs-Akademie f¨uhrte er in Hamburg Oratorien auf. Nach 1870 u¨ bernahm er die Leitung der Konzerte der kgl. Kapelle sowie der schlesischen Musikfeste in Breslau und wurde Kapellmeister an der kgl. Oper in Berlin. D. komponierte Lieder, Ouvert¨uren sowie eine Symphonie, seine wichtigste Leistung lag jedoch

Dereser auf dem Gebiet der Klavierp¨adagogik. Er schuf die Grundlagen f¨ur eine Reform der Klaviertechnik um die Jahrhundertwende. C NDB Depping, Georg (Christoph) Bernhard, auch GeorgesBernard D., Historiker, * 13. 5. 1784 M¨unster, † 5. 9. 1853 Paris. D. studierte in seiner Geburtsstadt und ging 1803 nach Frankreich. In Paris zun¨achst Lehrer an einer Polytechnischen Schule, wurde er 1813 Mitglied der Polytechnischen Gesellschaft und 1827 franz¨osischer B¨urger. Sp¨ater Mitherausgeber zahlreicher historischer und geographischer Zeitschriften, wurde er schließlich Kommission¨ar K¨onig → Ludwigs I. von Bayern. D. stand in Kontakt mit zahlreichen Gelehrten seiner Zeit. Er ver¨offentlichte u¨ berwiegend in franz¨osischer Sprache, viele seiner Schriften, darunter Die V¨olker der fremden Welttheile. Ein Charakter- und Sittengem¨alde f¨ur die Jugend (1834), wurden teilweise von ihm selbst ins Deutsche und in andere Sprachen u¨ bersetzt. Seine Erinnerungen aus dem Leben eines Deutschen in Paris erschienen 1832. C Westf Autoren, Bd 1

Depser, Hans, S¨anger, * 5. 4. 1890 M¨unchen, † n. e. D. absolvierte seine Musik- und Gesangsstudien in M¨unchen, wurde 1921 als Tenor an die M¨unchner Staatsoper engagiert und sang 1924-26 am Stadttheater Bremen. 1926-29 trat er am Stadttheater Z¨urich auf, war anschließend am Rundfunksender Hamburg t¨atig und nahm 1932 ein Angebot des Deutschen Theaters Br¨unn an. D. war 1933-39 Ensemblemitglied des Grazer Stadttheaters und trat 1938 bei den Salzburger Festspielen als Konzerts¨anger auf. Gastspiele f¨uhrten ihn u¨ berwiegend an o¨ sterr. und schweizer. B¨uhnen; ¨ er verf¨ugte u¨ ber ein vielgestaltiges Repertoire (u. a. Agisth in Richard → Strauss’ Elektra). 1949-52 war er Prof. an der Akademie f¨ur Musik und darstellende Kunst in Wien. C Kutsch Derblich, Wolfgang, o¨ sterr. Milit¨ararzt, * 1822 Brody (Galizien), † 19. 9. 1893 Prag. Nach dem Studium der Medizin 1848 in Breslau promoviert (De plica Polonica) war D. als Oberarzt an der o¨ sterr. Okkupation der Donauf¨urstent¨umer 1848 beteiligt, wurde 1855 Regimentsarzt und geriet 1859 in Italien in Gefangenschaft. An den jeweiligen Garnisonsorten (Krakau, Lemberg, Kronstadt, Prag und Budapest) entfaltete er eine umfassende praktische T¨atigkeit. D. schrieb Feuilletons f¨ur die Zeitschrift „Bohemia“ und verfaßte zahlreiche milit¨ar¨arztliche Studien, darunter Die Milit¨ar-Gesundheitspflege (1876) und das verbreitete, in mehrere Sprachen u¨ bersetzte Werk Die simulierten Krankheiten der Wehrpflichtigen (1878), sowie ein autobiographisches Werk Ein Menschenalter Milit¨ararzt (2 Bde., 1889 / 90). 1893 erschien sein Katechismus der Gesundheitslehre f¨ur a¨ ltere Personen. Derbolav, Josef, o¨ sterr. Philosoph, P¨adagoge, * 24. 3. 1912 Wien, † 14. 7. 1987 Bonn. D. studierte 1930-36 an der Univ. Wien P¨adagogik, klassische Philologie und Philosophie (Promotion 1935), war Mittelschullehrer und Prof. an der Lehrerbildungsanstalt in Krems, seit 1951 a. o. Prof. der P¨adagogik an der Univ. Saarbr¨ucken, habilitierte sich 1953 an der Univ. Wien und war 1955-87 o. Prof. der Philosophie und P¨adagogik an der Univ. Bonn. D. besch¨aftigte sich u. a. mit der Philosophie Platons (Erkenntnis und Entscheidung. Philosophie der geistigen Aneignung in ihrem Ursprung bei Platon, 1954; Platons Sprachphilosophie im Kratylos und in den sp¨ateren Schriften, 1972; Von den Bedingungen gerechter Herrschaft. Studien zu Platon und Aristoteles, 1980), vor allem aber mit der P¨adagogik, die er als philosophische, aus Prinzipien begr¨undete Wissenschaft verstand. Er ver¨offentlichte u. a. Die gegenw¨artige Situation des Wissens von der Erziehung (1956), Wesen und Formen der Gymnasialbildung

(1957), Systematische Perspektiven der P¨adagogik (1971), P¨adagogik und Politik. Eine systematisch-kritische Analyse ihrer Beziehungen (1975), Fehlentwicklungen . . .? Kritische Streifz¨uge durch die politisch-p¨adagogische Landschaft der Bundesrepublik Deutschland (1984) und Grundriß einer Gesamtp¨adagogik (postum 1987, hrsg. von Bruno H. Reifenrath). Seit 1969 war D. korrespondierendes Mitglied der Accademia Peloritana dei Perivolanti in Messina, seit 1980 ¨ der Osterreichischen Akademie der Wissenschaft. ¨ Akad, Jg. 138 C Almanach Ost

Derenburg, Joseph, auch Derenbourg, Orientalist, Talmudist, * 21. 8. 1811 Mainz, † 29. 6. 1895 Ems. Nach dem Studium an den Universit¨aten Gießen und Bonn 1830-34 kam D. als Hauslehrer nach Amsterdam und ließ sich 1838 in Paris nieder. Hier setzte er seine orientalistischen Studien fort, befaßte sich unter dem Einfluß Abraham → Geigers mit dem Talmud und erhielt 1843 die franz¨osische Staatsb¨urgerschaft. Seit 1851 Deutschlehrer am Lyc´ee Henri IV., wurde er im folgenden Jahr Korrektor bei der franz¨osischen Staatsdruckerei und leitete bis 1864 eine 1857 von ihm gegr¨undete h¨ohere Lehranstalt f¨ur j¨udische Knaben. D. wurde 1869 Mitglied der Ehrenlegion, 1871 der „Acad´emie des Inscriptions et Belles-Lettres“ und u¨ bernahm 1877 den f¨ur ihn geschaffenen Lehrstuhl der rabbinisch´ hebr¨aischen Sprache und Literatur an der „Ecole pratique ´ des Hautes Etudes“. 1868 in das Zentralkomitee der „Alliance Isra´elite“ gew¨ahlt, wurde er sp¨ater dessen Vizepr¨asident und war 1869-72 Mitglied des israelitischen Konsistoriums ¨ in Paris. D. besorgte die Gesamtausgabe und Ubersetzung der Schriften Saadjas (davon erschienen 5 Bde., 1893-99). C Hess Bio, Bd 1 Derenthall, Otto von, Milit¨ar, * 5. 10. 1831 B¨utow (Pommern), † 8. 12. 1910 Weimar. D. trat 1851 als Fahnenjunker in die preuß. Armee ein, ¨ nahm 1866 am Krieg gegen Osterreich und als Major am Deutsch-Franz¨osischen Krieg 1870 / 71 teil. 1875 wurde er Fl¨ugeladjutant Kaiser → Wilhelms I., 1883 Kommandeur einer Gardeinfanteriebrigade und Generalmajor, 1885 Kommandant von Berlin. 1890 wurde er als General der Infanterie zur Disposition gestellt. C Priesdorff, Bd 10 Dereser, Anton, auch Thaddeus a Sancto Adamo D., Karmeliter, Theologe, * 3. 2. 1757 Fahr (Unterfranken), † 16. 6. 1827 Breslau. D., Sohn eines Weinbauern, trat 1776 in den Karmeliterorden ein, studierte Philosophie und Theologie in W¨urzburg und Heidelberg und wurde 1780 in Mainz zum Priester geweiht. Seit 1781 lehrte er als Lektor seines Ordens in Heidelberg und wurde 1783 Prof. der griechischen Sprache und neutestamentlichen Hermeneutik an der Akademie (seit 1786 Univ.) in Bonn. 1791 kam er als Prof. der Exegese nach Straßburg und war seit 1792 Superior des bisch¨oflichen Priesterseminars, 1793-96 auch Redakteur des „Straßburger Kuriers“. W¨ahrend der Revolution wurde er verhaftet und zum Tod verurteilt, da er den Eid auf die Verfassung verweigerte. Nach dem Sturz der Jakobiner befreit, trat D. 1799 in Heidelberg eine Professur f¨ur biblische Exegese und orientalische Sprachen an und wurde 1810 Stadtpfarrer in Karlsruhe. 1811-14 Regens des bisch¨oflichen Priesterseminars in Luzern, war er seit 1815 Domkapitular und Prof. der Dogmatik in Breslau. D. war einer der f¨uhrenden kath. Theologen der Aufkl¨arung in Deutschland; als rationalistischer Exeget geriet er in Konflikt mit der Kurie. Er vollendete die Bibel¨ubersetzung des Dominicus von → Brentano (Die heiligen Schriften des Alten Testamentes, 1801 ff.) und wurde als Erbauungsschriftsteller durch sein „Deutsches Brevier“ Erbauungsbuch f¨ur alle Christen auf alle Tage des Kirchenjahrs (4 Bde., 1792, 81820) bekannt. C RGG

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Derfflinger Derfflinger, Georg Frh. von, urspr. D¨orffling, Milit¨ar, getauft 20. 3. 1606 Neuhofen / Krems, † 14. 2. 1695 Gusow bei Frankfurt / Oder. Aus beg¨utertem nieder¨osterreichischen Bauerngeschlecht stammend, trat D. um 1620 in die Armee der b¨ohmischen Aufst¨andischen ein und wechselte 1632 in schwedische Dienste u¨ ber. Seit 1639 Oberst, war er mehrmals in politischer Mission u. a. in Siebenb¨urgen und in Stockholm t¨atig und zog sich als Generalmajor 1648 auf sein Gut Gusow bei Lebus zur¨uck. 1655 wurde D. von Kurf¨urst → Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg-Preußen zum Generalmajor ernannt. 1674 schloß er als brandenburgischer Bevollm¨achtigter eine Allianz mit den Generalstaaten und f¨uhrte im Zweiten Franz¨osischen Eroberungskrieg das brandenburgische Kontingent unter → Montecuccoli im Elsaß. D. berei¨ tete mit seinem Uberfall auf Rathenow den Sieg gegen die Schweden bei Fehrbellin 1675 vor, eroberte 1677 Stettin, 1678 Stralsund und R¨ugen und vertrieb 1679 durch seinen Sieg bei Tilsit die Schweden aus Ostpreußen. Seit 1674 nobilitiert, wurde er Statthalter von Hinterpommern und Cammin. Zuletzt war er an der Belagerung Bonns unter Kurf¨urst → Friedrich III. 1689 beteiligt. D. schuf mit den Dragonern eine neuartige, schlagkr¨aftige Waffengattung. Dar¨uber hinaus reformierte er die Feldartillerie, die Belagerungskunst und das Versorgungswesen. C Priesdorff, Bd 1 Deri, Max, urspr. Deutsch, Kunsthistoriker, Kunstkritiker, * 13. 1. 1878 Preßburg, † 2. 9. 1938 Los Angeles (Kalifornien, USA). D., Sohn eines Journalisten und Schriftstellers, studierte 1897-1901 Maschinenbau an der TH Charlottenburg in Berlin, 1901-05 Kunstgeschichte in Berlin, Wien und Halle, wo er 1906 mit Das Rollwerk in der deutschen Ornamentik des 16. und 17. Jahrhunderts (ver¨offentlicht 1905, Nachdr. 1986) promoviert wurde. 1913 / 14 als Dozent an der Mannheimer Kunsthalle und 1916 vor¨ubergehend f¨ur die Kunsthandlung Paul → Cassirer in Berlin t¨atig, arbeitete D. vor allem als Kritiker bei der „Berliner Zeitung am Mittag“ und als Dozent an der Staatlichen Hochschule f¨ur Musik und an der Lessing-Volkshochschule in Berlin. Als Gegner von → Rosenbergs „Kampfbund f¨ur deutsche Kultur“ 1933 entlassen, emigrierte er zun¨achst in die Tschechoslowakei, wo er an der Masaryk Volksuniversit¨at in Br¨unn unterrichtete, und ging 1937 in die USA. D. ver¨offentlichte u. a. Versuch einer psychologischen Kunstlehre (1912), Die Malerei im 19. Jahrhundert. Entwicklungsgeschichtliche Darstellung auf psychologischer Grundlage (2 Bde., 1919, 41923), Naturalismus, Idealismus, Expressionismus (1919, 71923) und Das Bildwerk. Eine Anleitung zum Erleben von Werken der Baukunst, Bildhauerei und Malerei (1924, 41926). C Lex dt-j¨ud Autoren Derleth, Ludwig, Schriftsteller, * 3. 11. 1870 Gerolzhofen (Unterfranken), † 13. 1. 1948 San Pietro di Stabio (Kt. Tessin). Der Sohn eines Juristen studierte Literatur- und Altertumswissenschaften, Chemie und Psychiatrie in M¨unchen, war 1893-1906 mit teils mehrj¨ahriger Unterbrechung Lehrer an verschiedenen bayerischen Gymnasien, plante um 1898 die Gr¨undung eines Laienordens und ließ sich schließlich in M¨unchen nieder. Hier verkehrte er im Kreis um Stefan → George und war Mitarbeiter u. a. der „Bl¨atter f¨ur die Kunst“ und des „Pan“. Thomas → Mann schilderte den Zeitgenossen ironisch u. a. in der Novelle Beim Propheten sowie als Daniel Zur H¨ohe im Doktor Faustus. D. hielt sich sp¨ater in Paris auf, ging 1924 nach Rom und unternahm Reisen in den Nahen Osten. 1928 ließ er sich in Perchtoldsdorf bei

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Wien nieder und ver¨offentlichte 1933 sein 15 000 Verse umfassendes Hauptwerk Der Fr¨ankische Koran. Seit 1935 lebte D. zur¨uckgezogen in San Pietro di Stabio. C DLL, 20. Jh.

Derlitzki, Georg, Betriebswirt, Arbeits¨okonom, * 30. 4. 1889 Bergfriede (Ostpreußen), † 2. 5. 1958 Kindisch bei Kamenz (Sachsen). D., Sohn eines Volksschullehrers, studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Berlin und Landwirtschaftswissenschaften in Gießen, wurde dort 1913 mit der Arbeit Beitr¨age zur Systematik des Roggens durch Untersuchungen u¨ ber ¨ den Ahrenbau promoviert, lehrte anschließend als Assistent am Fachgebiet Acker- und Pflanzenbau und leitete daneben die Samenkontroll- und Maschinenpr¨ufstation der Landwirtschaftskammer Wiesbaden und Darmstadt. 1917 habilitierte er sich mit Untersuchungen u¨ ber Keimkraft und Triebkraft und u¨ ber den Einfluß von Fusarium nivale, wurde 1918 Abteilungsvorstand am landwirtschaftlichen Institut in Gießen und 1920 Prof. und Direktor der neugegr¨undeten Versuchsanstalt f¨ur Landarbeitslehre in Pommritz (Oberlausitz). Internationalen Ruf erlangte die Einrichtung unter der Leitung D.s vor allem durch die Entwicklung des sogenannten „Pommritzer Verfahrens“, einer arbeitssparenden Methode zur Ernte von Zuckerr¨uben. 1934 aus politischen Gr¨unden entlassen, bewirtschaftete D. in der Folgezeit seinen landwirtschaftlichen Betrieb in Kindisch bei Kamenz. Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte er sich zun¨achst in der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe, leitete 1948 den DLGAusschuß f¨ur Landarbeit in Berlin und erhielt 1950 einen Lehrauftrag f¨ur Landarbeitslehre an der Landwirtschaftlichen Fakult¨at der Univ. Halle, den er bis zu seiner Emeritierung 1955 innehatte. D. ver¨offentlichte u. a. Der Futterbau (1915, mit Paul Gisevius) und Beitr¨age zur D¨ungekalkfrage (1919). C B¨ohm Dermota, Anton, o¨ sterr. S¨anger, * 4. 6. 1910 Kropa (Slowenien), † 22. 6. 1989 Wien. D. besuchte in Slowenien die Kirchenmusikschule und das Konservatorium, erhielt eine Ausbildung als Chorleiter und Organist und studierte Gesang. Er sang bereits 1934 an der Oper in Cluj. Von Bruno → Walter an die Wiener Staatsoper geholt, deb¨utierte D. dort 1936 als 1. Geharnischter in der Zauberfl¨ote und geh¨orte dem Ensemble bis 1966 als regul¨ares Mitglied, danach lange Zeit als Gast an. 1936 trat er erstmals bei den Salzburger Festspielen auf. Mit den Kollegen Erich → Kunz, Paul → Sch¨offler, Irmgard → Seefried und Elisabeth Schwarzkopf bildete D. das ber¨uhmt gewordene „Wiener Mozart-Ensemble“. Seit 1946 Kammers¨anger, gastierte er erfolgreich an den großen in- und ausl¨andischen Opernh¨ausern und wurde 1966 Leiter und Prof. der Lied- und Oratorienklasse der Wiener Hochschule f¨ur Musik. 1936-80 sang er insgesamt 80 Partien, darunter 1955 bei der Er¨offnungsvorstellung der Staatsoper den Florestan in → Beethovens Fidelio. 1978 erschienen seine Memoiren Tausendundein Abend. Mein S¨angerleben. C MGG

Dernath, Gerhard Graf von, auch von der Nath, Diplomat, Milit¨ar, * 1666 Sachsen, † 12. 7. 1740. Der Enkel Detlev von → Ahlefeldts und Sohn eines kurs¨achsischen Feldmarschalls und Oberfalkenmeisters trat in holsteinisch-gottorfische Dienste und wurde 1695 Oberst der Dragonergarde. Sp¨ater Kommandant der gottorfischen Truppen in den Niederlanden, wurde er 1706 Generalleutnant und Oberbefehlshaber des gottorfischen Heeres sowie Mitglied der herzoglichen Regierung. D. nahm Partei f¨ur Georg Heinrich von Schlitz genannt von → G¨ortz und wurde in den folgenden Jahren zu dessen wichtigstem Begleiter. Er war maßgeblich an der Ausarbeitung des Vergleichs mit D¨anemark von 1711 beteiligt, setzte sich bei der schwedischen Regierung f¨ur G¨ortz ein und wurde schließlich 1715

Dernschwam von Hradiczin gemeinsam mit diesem von Karl XII. in Stralsund empfangen. D. leitete w¨ahrend der Abwesenheit G¨ortz’ die f¨ur die schwedische Kriegswirtschaft wichtige „Aufhandlungsdeputation“, wurde nach Karls XII. Tod verhaftet und konnte Schweden erst 1721 wieder verlassen, ohne jedoch am gottorfischen Hof wieder Fuß zu fassen. Im folgenden Jahr wurde er vom Kaiser zum General der Kavallerie ernannt. C SHBL, Bd 1

Dernbach, Balthasar von, Benediktiner, F¨urstabt von Fulda, * 1548, † 15. 3. 1606 Fulda. D. trat in den Benediktinerorden ein und wurde 1570 zum F¨urstabt von Fulda gew¨ahlt. Im folgenden Jahr nahm er mit Hilfe der Jesuiten die kath. Restauration seines Stifts in Angriff. Der W¨urzburger Bischof Julius → Echter von Mespelbrunn, der eine engere Bindung des Stifts an das Bistum forderte, verband sich mit D.s Gegnern in Kapitel und Ritterschaft und setzte eine eigene Regierung in Fulda ein. D. mußte 1576 resignieren, erwirkte jedoch bei Kaiser → Rudolf II., daß das Stift 1577 unter kaiserliche Verwaltung gestellt wurde. Von Biberstein aus, das ihm 1579 zugesprochen wurde, trieb er die Gegenreformation voran und wurde 1602 durch kaiserliches Urteil wieder als F¨urstabt von Fulda eingesetzt. D. war der Onkel von Peter Philipp von → D. C LThK Dernbach, Peter Philipp Graf von, F¨urstbischof von Bamberg und W¨urzburg, * 1. 7. 1619 Gaisa (Hessen), † 24. 4. 1683 W¨urzburg. Der Neffe Balthasar von → D.s begann seine Ausbildung in Fulda, wurde 1631 Kanoniker in Bamberg und studierte 1639 an der Univ. W¨urzburg sowie 1643 am Collegium Germanicum in Rom. Seit 1649 Kapitular in Bamberg und W¨urzburg, war er von 1651 an Vicedom der Bamberger Besitzungen in K¨arnten und kn¨upfte Verbindungen zum Haus Habsburg. D. wurde 1672 zum F¨urstbischof von Bamberg gew¨ahlt, erhielt im folgenden Jahr die W¨urzburger Dompropstei und wurde, nachdem sich auch der Wiener Hof um seine Ernennung bem¨uhte und sich der Kandidat der Priesterweihe unterzog, 1675 zum F¨urstbischof von W¨urzburg geweiht; 1678 folgte seine Erhebung in den Reichsgrafenstand. C NDB Dernburg, Bernhard (Jakob Ludwig), Politiker, * 17. 7. 1865 Darmstadt, † 14. 10. 1937 Berlin. Der Sohn Friedrich → D.s wurde 1882-85 in Berlin und 1887-89 in New York kaufm¨annisch ausgebildet. Nach seiner R¨uckkehr 1890 Sekret¨ar der Deutschen Bank, leitete er 1890-1901 die Deutsche Treuhandgesellschaft und u¨ bernahm 1901 als Direktor die Leitung der Darmst¨adter Bank f¨ur Handel und Industrie in Berlin. 1907 zum Direktor der Kolonialabteilung im Ausw¨artigen Amt ernannt, f¨uhrten die Angriffe des Zentrums, vor allem von Matthias → Erzberger auf seine Politik Ende des Jahres zur Aufl¨osung des Reichstags und zur Bildung des sogenannten B¨ulow-Blocks. D. wurde 1907 erster Staatssekret¨ar des neugegr¨undeten Kolonialamtes. Die von ihm angestrebte Privilegierung großer Kapitalgesellschaften in den Kolonien scheiterte am Widerstand des Zentrums, der Konservativen und der Nationalliberalen, woraufhin D. 1910 zur¨ucktrat. Seit 1913 Mitglied des preuß. Herrenhauses, schloß er sich nach dem Ersten Weltkrieg der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) an, wurde 1919 in die Nationalversammlung gew¨ahlt und war Reichsfinanzminister sowie Vizekanzler im Kabinett → Scheidemann. Aus Protest gegen den Abschluß des Versailler Vertrags trat er noch im selben Jahr zur¨uck und war als Mitglied des Parteivorstands der DDP 1920-30 Abgeordneter im Deutschen Reichstag. D. zog sich zunehmend aus der Politik zur¨uck und widmete sich wirtschaftlichen Aufgaben;

u. a. geh¨orte er einigen Aufsichtsr¨aten an. Er ver¨offentlichte u. a. S¨udafrikanische Eindr¨ucke (1909) und Kapital und Staatsaufsicht (1911). C BHdAD

Dernburg, Friedrich (Wilhelm), Publizist, Politiker, * 3. 10. 1833 Mainz, † 3. 12. 1911 Berlin. Der Sohn eines Juristen und Bruder von Heinrich → D. wurde nach dem Abschluß rechtswissenschaftlicher Studien Hofgerichtsadvokat in Darmstadt. Als Abgeordneter der Zweiten Hessischen Kammer (1866-75) einer der F¨uhrer der Fortschrittspartei, war er 1871-81 Mitglied der nationalliberalen Fraktion im Deutschen Reichstag und 1875-90 Chefredakteur der Berliner „National-Zeitung“. D. begleitete den deutschen Kronprinzen → Friedrich Wilhelm auf Reisen und ver¨offentlichte dar¨uber ebenso wie nach seiner Reise zur Weltausstellung in Chicago 1893 einen Reisebericht (Des deutschen Kronprinzen Reise nach Spanien und Rom, 1884). Sp¨ater Feuilletonredakteur beim „Berliner Tageblatt“, schrieb er auch Romane, Schauspiele und Novellen. D. war der Vater von Bernhard → D. C Haunfelder, Lib Abg Dernburg, Hans J., Wirtschaftswissenschaftler, * 19. 2. 1901 Berlin, † 1966. Nach der Promotion bei dem Philosophen Heinrich → Rickert in Heidelberg (Die metaphysische und mystische Seite des Eckhardtschen Systems, 1925) wandte sich D. der Wirtschaftswissenschaft zu und war 1925-30 Assistent beim Enquete-Ausschuß u¨ ber den Bankkredit des Instituts f¨ur Weltwirtschaft in Kiel. Nach kurzer T¨atigkeit f¨ur eine Bankgesellschaft in Persien kehrte er 1932 nach Deutschland zur¨uck und arbeitete bis 1936 bei der Dresdner Bank. 1937 emigrierte D. in die USA, wurde zun¨achst Instructor am College of Commerce der Ohio University in Athens und 1939 Assistant Professor an der Dension University in Granville (Ohio). 1943 wechselte er als Economist im Board of Govenors an die Federal Reserve Bank in Washington, D. C.; 1946-58 war er Economist im Research Department der Federal Reserve Bank in New York. D., Spezialist f¨ur Fragen der Geldpolitik, besch¨aftigte sich vor allem mit der Entwicklung der nach dem Zweiten Weltkrieg wiedererstarkten Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. C Hagemann Dernburg, Heinrich, Jurist, * 3. 3. 1829 Mainz, † 23. 11. 1907 Berlin. Der Bruder Friedrich → D.s studierte Rechtswissenschaften an der Univ. Gießen, setzte seine Studien nach der Promotion 1850 bei Friedrich Ludwig Keller vom Steinbock in Berlin fort und habilitierte sich 1851 bei Karl Adolf von → Vangerow an der Univ. Heidelberg. 1854 als a. o. Prof. an die Univ. Z¨urich berufen, wurde er im folgenden Jahr zum o. Prof. ernannt und erarbeitete historisch-dogmatische Monographien zum r¨omischen Recht (u. a. Das Pfandrecht nach den Grunds¨atzen des heutigen r¨omischen Rechts, 2 Bde., 1860-64). D. folgte 1862 einer Berufung an die Univ. Halle und lehrte seit 1873 an der Univ. Berlin, deren Rektor er 1884 / 85 war. Er wurde Mitglied des preuß. Herrenhauses und Syndikus der Krone. Seine wichtigsten Ver¨offentlichungen sind das Lehrbuch des preußischen Privatrechts (3 Bde., 1871-75, 51894-97), Pandekten (3 Bde., 1884-87, 8 1911/12) und Das B¨urgerliche Recht des Deutschen Reiches und Preußens (3 Bde., 1898-1902, 31904-06). C Sinzheimer Dernschwam von Hradiczin, Johannes, Humanist, Bergmann, * 23. 3. 1494 Br¨ux (B¨ohmen), † um 1568 Schattmannsdorf bei Tyrnau (Slowakei). D. v. H. studierte an den Universit¨aten Leipzig, Wien und Rom und geh¨orte dem Wiener Humanistenkreis an. Sp¨ater Prinzenerzieher in Budapest und Preßburg, lernte er Georg

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Deroy Thurzo und Jakob → Fugger kennen und wurde um 1518 Mitarbeiter in Thurzos Kupferbergwerk im slowakischen Neusohl. 1525 griff er f¨ur Fugger erfolgreich in den Budapester Aufstand gegen die Faktorei ein, wurde daraufhin leitender Faktor der Fuggerschen Kupfergruben in Neusohl und blieb in dieser Stellung bis zur Aufl¨osung des Vertrags zwischen K¨onig → Ferdinand I. und Fugger 1546. W¨ahrend seiner handelspolitischen Reisen in Ungarn zeichnete D. v. H. r¨omische Inschriften auf, verließ 1549 Fuggersche Dienste, blieb aber in der Slowakei und pflegte weiterhin einen regen Briefwechsel und B¨uchertausch mit deutschen und o¨ sterr. Humanisten. 1553 schloß er sich einer kaiserlichen Gesandtschaft an den t¨urkischen Sultan an und hinterließ u¨ ber die zweij¨ahrige Reise ein handschriftliches Tagebuch mit wirtschafts- und kulturpolitischen Beobachtungen sowie einer Abschrift des Monumentum Ancyranum des Kaisers Augustus. D. v. H.s umfangreiche Bibliothek befindet sich ¨ im Besitz der Osterreichischen Nationalbibliothek. C Leb Bayer Schwaben, Bd 1

Deroy, (Bernhard) Erasmus von, Milit¨ar, * 11. 12. 1743 Mannheim, † 23. 8. 1812 bei Poloczk (Rußland). D., Sohn eines kurpf¨alzischen Generalmajors, trat 1750 in kurpf¨alzische Dienste und wurde 1792 Generalmajor sowie Kommandant der Festung Mannheim, die er 1794 / 95 gegen die Franzosen verteidigte. Als Befehlshaber des bayerischen Korps geriet er nach der Schlacht von Hohenlinden 1800 in franz¨osische Gefangenschaft. 1801 wurde er Mitglied der Kommission zur Verbesserung des Heerwesens in Bayern. Gemeinsam mit Karl Philipp von → Wrede arbeitete er das neue bayerische Dienstreglement aus und f¨uhrte eine Umstrukturierung der Infanterie durch. 1805 Befehlshaber s¨amtlicher bayerischer Truppen, erhielt er im folgenden Jahr das Kommando u¨ ber die 1. bayerische Division, eroberte 1807 die preuß. Festungen Brieg und Glatz. D. wurde 1811 General der Infanterie und f¨uhrte 1812 die 1. bayerische Division im Heer Napoleons nach Rußland. C NDB Derra, Ernst, Chirurg, * 6. 3. 1901 Passau, † 9. 5. 1979 Weiherm¨uhle bei Haag (Oberbayern). Nach dem Studium an den Universit¨aten M¨unchen, Heidelberg und Wien (Promotion 1927, Aminos¨aurenausscheidung bei Leberkranken), praktizierte D. an der Universit¨atsklinik Innsbruck und war Assistent an der Universit¨atsklinik Leipzig sowie seit 1933 Assistenz-, sp¨ater Oberarzt an der Universit¨atsklinik Bonn. 1937 habilitierte er sich in Bonn f¨ur Chirurgie und wurde 1943 a. o. Prof. sowie Klinikdirektor der Medizinischen Akademie D¨usseldorf (bis 1969). 1945 / 46 leitete er das Bonner Marienhospital, war seit 1958 Mitglied des Bundesgesundheitsrats und beteiligte sich 1960 / 61 maßgeblich an der Gr¨undung der Univ. D¨usseldorf. D. war 1962 / 63 Pr¨asident der Deutschen Gesellschaft f¨ur Chirurgie und gilt als einer der Pioniere der Herzchirurgie in Deutschland. Parallel zum technischen Fortschritt wurde von ihm die Ber¨ucksichtigung ethischer und psychischer Fragen in der Medizin f¨ur notwendig erkl¨art. D. ver¨offentlichte u. a. Der Entwicklungsstand der Herzchirurgie (1956).

Derra de Moroda, Friderica, auch Fritzi von Derra, T¨anzerin, Choreographin, Tanzp¨adagogin, Publizistin, * 2. 6. 1897 Preßburg, † 19. 6. 1978 Salzburg. Als Fritzi von Derra begann D. de M. 1912 ihre Laufbahn als T¨anzerin in Wien. 1914-39 war sie, haupts¨achlich in England, als Choreographin und P¨adagogin t¨atig, sowohl dem Ausdruckstanz als auch dem Klassischen Tanz verbunden. Daneben wirkte sie beim Film und in Fernsehproduktionen sowie bei den Festspielen von Glyndebourne mit. 1925-39 und 1967 / 68 schrieb sie f¨ur „Dancing Times“, 1933-37 f¨ur „Archives internationales de la danse“ und 1932-38 f¨ur „Der Tanz“. In der Tanzforschung trat D. mit aufsehenerregenden Funden wichtiger Tanztraktate (u. a. Lambranz-Manuskript,

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1715) hervor. Ihre in London begonnene und nach 1945 in Salzburg fortgef¨uhrte Tanzsammlung ist als „Derra de Moroda Dance Archives“ international bekannt. C MGG

Dersch, Hermann, Jurist, * 19. 3. 1883 Offenbach, † 14. 6. 1961 Berlin. Nach dem Abschluß der rechtswissenschaftlichen Studien in Heidelberg und Gießen (Promotion 1905, Das Prinzip der gesamten Hand und dessen Anwendbarkeit auf das B¨urgerliche Gesetzbuch) absolvierte D. sein Referendariat und wurde Rechtsanwalt und Notar in Darmstadt, sp¨ater Amtsrichter in Offenbach und Darmstadt. Seit 1911 im Reichsdienst, war er zun¨achst Assessor im Reichsversicherungsamt, anschließend Regierungsrat bei der Reichsversicherungsanstalt f¨ur Angestellte in Berlin und wurde Ministerialrat im Reichsarbeitsministerium. D. kehrte als Senatspr¨asident ins Reichsversicherungsamt zur¨uck und wurde dort sp¨ater Direktor. Seit 1929 war er a. o. Prof., 1931-51 o. Prof. und Direktor des Instituts f¨ur Arbeits- und Sozialrecht an der Univ. Berlin sowie langj¨ahriger Vorsitzender des Arbeitsrechtsausschusses der Akademie f¨ur Deutsches Recht. D. schrieb u. a. einen Grundriß der Rentenversicherung (1952). C Juristen Dersch, Wilhelm (Heinrich), Historiker, Archivar, * 26. 3. 1877 Herbstein, † 11. 8. 1942 Darmstadt. D., Sohn eines Rechnungsrats und Vetter von Hermann → D., studierte Geschichte und Germanistik in Marburg, wo er 1899 mit der Untersuchung Die Kirchenpolitik des Erzbischofs Aribo von Mainz 1021-1031 promoviert wurde. 1900 trat er in Marburg in den preuß. Archivdienst ein, der ihn an die Staatsarchive M¨unster (1905) und Posen (1912) f¨uhrte, ehe er 1914 an das Archiv des Herzogtums SachsenMeiningen wechselte. Seit 1918 wieder in Marburg, wurde er 1927 Direktor des Staatsarchivs Breslau. 1935 u¨ bernahm D., obgleich er den Beitritt zur NSDAP verweigert hatte, die Leitung des Staatsarchivs Koblenz, ließ sich aber bereits 1938 aus Gesundheitsgr¨unden in den Ruhestand versetzen. Die Forschungen D.s, der seit 1904 der Historischen Kommission f¨ur Hessen und Waldeck angeh¨orte und 1937 Ehrenmitglied des Historischen Vereins f¨ur Hessen geworden war, galten der hessischen und th¨uringischen Landesgeschichte, vor allem der Kirchengeschichte. Er ver¨offentlichte u. a. Hessisches Klosterbuch (1915, 21940) und Oberhessische Heimatgeschichte (1925). Derschatta, Julius, Edler von Standhalt, o¨ sterr. Politiker, * 12. 9. 1852 Zara (Dalmatien), † 3. 2. 1924 Wien. D., Sohn eines Feldmarschalleutnants, war Advokat in Graz ¨ → Taaffe an der Spitze der deutschnaund stand in der Ara tionalen Bewegung in der Steiermark. Er war Mitbegr¨under des „Deutschen Schulvereins S¨udmark“, wurde 1885 Abgeordneter im Reichsrat und schloß sich dem „Deutschen Klub“ und der „Deutschnationalen Vereinigung“ an. 1888 legte er sein Mandat nieder, um sich der deutschnationalen Bewegung in der Steiermark zu widmen, kehrte 1901 als Obmann der Deutschen Volkspartei ins Abgeordnetenhaus zur¨uck und trat f¨ur eine Zusammenarbeit mit den Christsozialen gegen die jungtschechische Opposition ein. W¨ahrend der Armeekrise in Ungarn stand er auf kaiserlicher Seite und wurde 1905 Obmann des parlamentarischen Ausschusses zur Pr¨ufung des Verh¨altnisses zu Ungarn, legte aber nach Konflikten mit dem Ministerpr¨asidenten dieses Amt nieder. 1906-08 war er Eisenbahnminister im Kabinett Beck, vollendete die Verstaatlichung der Eisenbahnen und trat wegen der Sprachenproblematik in B¨ohmen 1908 zur¨uck. Anschlie¨ ßend bis 1918 Pr¨asident des Osterr. Lloyd, war er sp¨ater in mehreren Industrie-Verwaltungsr¨aten t¨atig. C NDB

Dertinger Derschau, August (Wilhelm) Egbert von, Pseud. Egbert Carlssen, Schriftsteller, * 25. 8. 1845 L¨uneburg, † 12. 6. 1883 Dresden. Neben dem Studium der Rechte an der Univ. Gießen 1864-68 besuchte D., Sohn eines Regierungsrats, historische und musikwissenschaftliche Vorlesungen, trat 1869 in den preuß. Justizdienst ein und war in der Folge an den Amtsgerichten Verden und Goslar sowie an den Gerichten in G¨ottingen und L¨uneburg t¨atig. Seit 1871 aus Gesundheitsgr¨unden im vorzeitigen Ruhestand, lebte er 1874-81 in Cannstatt / Neckar, anschließend in Dresden und befaßte sich mit historischen Studien sowie mit belletristischen Arbeiten. Er schrieb mehrere Romane und Erz¨ahlungen, u. a. Ein Stadtjunker von Braunschweig (1882). C DSL

Derschau, Christoph von, Jurist, Diplomat, * um 1595 K¨onigsberg, † 24. 8. 1649 Wien. Der Vetter des Theologen Bernhard von → D. und des Juristen Reinhold von → D. studierte an den Universit¨aten K¨onigsberg und Straßburg. 1629 zum Dr. jur. promoviert, wurde er 1633 Prof. in K¨onigsberg und im folgenden Jahr Rat des Herzogs → Friedrich von Kurland. 1636-43 verfaßte er im Auftrag des Landtags und nach preuß. Vorbild einen Landrechtsentwurf f¨ur Kurland (Statuta Ducatus Curoniae), der sowohl vom polnischen K¨onig als auch von den kurl¨andischen St¨adten abgelehnt wurde, jedoch als Vorbild s¨amtlicher sp¨ateren Rechtswerke Kurlands diente. 1644 zum primarius iuris der K¨onigsberger Juristischen Fakult¨at ernannt, wurde der Onkel Friedrich von → D.s 1645 Rat Herzog → Jakobs von Kurland, in dessen diplomatischem Auftrag er nach Polen und Wien reiste. C NDB ¨ Derschau, Christoph, Lyriker, Ubersetzer, Dramaturg, * 13. 2. 1938 Potsdam, † 7. 11. 1995 Hamburg. Nach einem nicht zu Ende gef¨uhrten Studium der Publizistik und Volkswirtschaft leitete D. 1964-67 eine Kunstgalerie in G¨ottingen. 1967-69 war er H¨orspiel- und Fernsehdramaturg beim Saarl¨andischen Rundfunk, 1970-72 Mitarbeiter in der Fernsehspielabteilung des Norddeutschen Rundfunks. Seit den sechziger Jahren entstanden improvisierte Theaterst¨ucke, Gelegenheits- und Reisegedichte. In den siebziger Jahren wandte sich D. der freien Schriftstellerei zu, erhielt 1972 den F¨orderpreis der Stadt Hamburg und vero¨ ffentlichte 1976 den Band Den Kopf voll Suff und Kino, dessen Gedichte in gesucht l¨assiger bis provokativer, oft anti-poetischer Sprache das Lebensgef¨uhl der subkulturellen Szene beschreiben. 1977 folgten die a¨ hnlich angelegten Breitwandgedichte u¨ ber St¨adte, Stars und starke Frauen. Seit 1976 war D. Bilddokumentar der Illustrierten „Stern“; seit 1988 lehrte er an Universit¨aten in Ohio und Michigan (USA). D. experimentierte auch mit einer Kombination von Typographie, Photographie und Text zu einer neuen a¨ sthetischen Einheit. C KLG

Derschau, Christoph Friedrich von, Beamter, Schriftsteller, * 12. 1. 1714 K¨onigsberg, † 14. 12. 1799 Wilhelminenholz bei Aurich. Der Sohn eines Oberhofsgerichtsvizepr¨asidenten und Neffe von Reinhold von → D. wurde bereits als Zw¨olfj¨ahriger an der Univ. K¨onigsberg immatrikuliert, studierte das Franz¨osische, Mathematik, Philosophie, sp¨ater auch Rechtswissenschaften und lernte in Leipzig Johann Christoph → Gottsched kennen. Von → Friedrich Wilhelm I. f¨ur den Milit¨ardienst bestimmt, wurde er als F¨ahnrich dem Regiment seines Onkels Reinhold von → D. beigegeben. 1742 nahm D. seinen Abschied, wurde Konsistorialrat und Assessor beim Oberamtsgericht in Glogau, 1749 Geheimer Regierungsrat in Kleve und 1751 erster Regierungs- und Konsistorialpr¨asident in Aurich. Als Chef der obersten ostfriesischen Justizbeh¨orde erwarb er sich Verdienste vor allem w¨ahrend des

Siebenj¨ahrigen Kriegs. Nach der Pensionierung 1785 widmete er sich auf seinem Landgut bei Aurich vorwiegend seinen schon seit Mitte der vierziger Jahre gepflegten literarischen und bibliophilen Arbeiten (u. a. Der Tempel der Gerechtigkeit, 2 Teile, 1758-77). C Ostfriesland, Bd 2

Derschau, Friedrich von, Jurist, Dichter, * 1. 3. 1644 K¨onigsberg, † 10. 4. 1713 K¨onigsberg. Der Sohn des Juristen Reinhold von → D. studierte in seiner Heimatstadt Rechtswissenschaften und wurde dort nach der Kavalierstour durch Deutschland, Frankreich, Holland und Polen 1673 Pr¨asident des pomesanischen Konsistoriums. 1679 zum Oberappellationsgerichtsrat ernannt, war er seit 1686 zugleich B¨urgermeister der K¨onigsberger Altstadt und von 1692 an kurf¨urstlicher Hofrat. D. schrieb Kirchenlieder und ver¨offentlichte u. a. Theatrum divinae providentiae oder Geschichte Hiobs nach der Verdeutschung Lutheri in deutsche Verse gebracht (1697). C Altpreuß Biogr, Bd 1 Derschau, Reinhold von, Jurist, * 1. 4. 1600 K¨onigsberg, † 5. 4. 1667 K¨onigsberg. Der Bruder Bernhard von → D.s studierte seit 1615 in K¨onigsberg, bereiste sp¨ater den Westen und S¨uden Europas und wurde 1628 an der Univ. Straßburg zum Dr. jur. promoviert. D. war 1639-43 Prof. juris primarius an der Univ. seiner Heimatstadt und wurde 1643 Mitglied des Hofgerichts, 1657 Oberappellationsgerichtsrat; seit 1662 geh¨orte er dem Ausschuß f¨ur die Revision des Landrechts an. Neben einer Abhandlung zum Lehnsrecht verfaßte er die postum (1675) ver¨offentlichte religi¨ose Schrift Hodosophia viatoris Christiani. D. war der Vater von Friedrich von → D. C Altpreuß Biogr, Bd 1 Derschau, (Christian) Reinhold von, Milit¨ar, * 30. 6. 1679 K¨onigsberg, † 4. 11. 1742 Spandau. Nach Studien in seiner Heimatstadt bereiste D., Sohn eines Tribunalrats, Holland und England, trat 1700 in brandenburgische Dienste und war 1709 Adjutant des Generals von Tettau in den Niederlanden. Seit 1713 Major, nahm er am Pommerschen Feldzug 1715 teil und wurde Generaladjutant K¨onig → Friedrich Wilhelms I. D. geh¨orte zum Kreis der vom K¨onig protegierten Offiziere, war Mitglied des Kriegsgerichts nach der Flucht des Kronprinzen und wurde zum Leiter des Ausbaus der Berliner Friedrichstadt bestimmt. 1738 erhielt der Onkel Christoph Friedrich von → D.s ein eigenes Regiment, wurde 1740 Generalmajor und nahm am Ersten Schlesischen Krieg teil. C Altpreuß Biogr, Bd 1 Derska, Joseph, auch Drˇska, S¨anger, * 24. 1. 1808 Oerlitz (B¨ohmen), † 27. 12. 1847 Kassel. D. kam in jungen Jahren nach Prag, trat dort 1829-34 erfolgreich als Tenor am Opernhaus auf und war bis 1836 an der Hofoper Dresden engagiert. Anschließend unternahm er eine große Gastspielreise zu den Zentren deutschen und o¨ sterr. Musiklebens und folgte schließlich einer Berufung als erster Tenor an das Kasseler Hoftheater, an dem er bis zu seinem Tod unter der Leitung Louis → Spohrs t¨atig war. C Kutsch

Dertinger, Georg, Politiker, * 25. 12. 1902 Berlin, † 21. 1. 1968 Leipzig. Der Sohn eines Kaufmanns studierte Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft, war Volont¨ar bei der „Magdeburgischen Zeitung“, anschließend Mitarbeiter in der Redaktion der Bundeszeitung des Stahlhelms in Magdeburg und u¨ bernahm 1927 ihre Berliner Vertretung. Er stand dem sogenannten „Herrenclub“ um Franz von → Papen und dem „Tat“Kreis um Hans → Zehrer nahe, begleitete Papen 1933 / 34 bei den Verhandlungen zwischen dem Deutschen Reich und dem Vatikan um das Konkordat und war seit 1934 Mitarbeiter,

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Dertsch sp¨ater Herausgeber der Korrespondenz „Dienst aus Deutschland“. 1945 Mitbegr¨under der CDU in der Sowjetischen Besatzungszone, war er 1946-49 Generalsekret¨ar und an der Umwandlung in eine der Blockparteien der SED maßgeblich beteiligt. 1948 / 49 geh¨orte er der Deutschen Wirtschaftskommission und dem Deutschen Volksrat an. D. war seit 1949 Abgeordneter der Volkskammer, Mitglied des Politischen Ausschusses des Hauptvorstandes der CDU-Ost und DDR-Außenminister (1949-53). 1953 verhaftet und seiner ¨ Amter enthoben, wurde er 1954 wegen „Verschw¨orung“ und „Spionage“ zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt, von denen er zehn Jahre verb¨ußte. Danach war er f¨ur die Caritas und den St.-Benno-Verlag in Leipzig t¨atig. C MBL

Dertsch, Richard, Bibliothekar, Archivar, * 17. 1. 1894 Oberbernbach, † 14. 12. 1981 Kaufbeuren. D.s Lehramtsstudium f¨ur die F¨acher Deutsch, Geschichte und Englisch an der Univ. M¨unchen wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, an dem er als Krankenpfleger teilnahm. 1924 wurde er an der Univ. M¨unchen bei Michael → Doeberl promoviert (Die deutsche Besiedlung des o¨ stlichen bayerischen Mittelschwabens in ihren geschichtlichen Z¨ugen dargestellt) und war an Archiven in Augsburg und M¨unchen t¨atig. Seit 1926 am Stadtarchiv Mainz, wurde er 1943 vom Dienst suspendiert. D. war Mitglied u. a. der Kommission f¨ur Bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in M¨unchen und geh¨orte 1949 zu den Gr¨undungsmitgliedern der Schw¨abischen Forschungsgemeinschaft. Er publizierte zur Mainzer, Bamberger und Allg¨auer Geschichte. D´ery, Juliane, eigentl. Deutsch, Schriftstellerin, * 10. 8. 1864 Baja (Ungarn), † 31. 5. 1899 Berlin. D., Tochter eines Kaufmanns und Großp¨achters, siedelte mit ihrer Familie 1873 nach Wien u¨ ber und konvertierte zum Katholizismus. An der Klosterschule St. Anna absolvierte sie ihr Lehramtsexamen und publizierte seit 1888 Erz¨ahlungen u. a. in der Zeitschrift „Deutsche Dichtung“ sowie B¨uhnenst¨ucke, die in Coburg, M¨unchen und Berlin aufgef¨uhrt wurden. D. befaßte sich zun¨achst mit o¨ sterr. literarischen Vorbildern, wandte sich dann dem Naturalismus zu und hielt sich 1890-93 in Paris auf. Bis 1895 lebte sie in Coburg, anschließend bis 1898 in M¨unchen und danach in Berlin. D. war Mitarbeiterin der „Neuen deutschen Rundschau“, des „Quickborn“ sowie des S. Fischer Verlags. Sie verkehrte in dem M¨unchner Schriftstellerkreis um die Zeitschrift „Die Gesellschaft“ und Franz → Stuck, der sie mehrfach portr¨atierte. D. schrieb u¨ berwiegend B¨uhnenst¨ucke, darunter das Lustspiel Die Verlobung bei Pignerols (1891). D. beging Selbstmord, nachdem ihre Verlobung gescheitert war und man sie im Dreyfuß-Prozeß der Spionage beschuldigt hatte. C NDB Desberger, (Franz) Eduard, Mathematiker, * 6. 1. 1786 M¨unchen, † 20. 5. 1843 M¨unchen. Der Sohn einer Handwerkerfamilie war nach dem Abschluß seiner Studien als Geod¨at und Privatlehrer t¨atig und wurde 1822 Physiklehrer am Lyzeum in Dillingen, sp¨ater an der Landwirtschaftsschule in Schleißheim. 1827 zum a. o. Prof. der Mathematik an die Univ. M¨unchen berufen, wechselte er noch im selben Jahr an das M¨unchner Polytechnikum, dessen Rektor er 1841 wurde. D. verfaßte Arbeiten u. a. zur Arithmetik und Statik sowie Algebra oder die Elemente der mathematischen Analysis (1831). Des Bosses, Bartholom¨aus, Jesuit, Theologe, Philosoph, * 29. 8. 1668 Chainaux bei Herve (L¨uttich), † 17. 4. 1738 K¨oln. Seit 1686 Jesuit, lehrte Des B. Theologie am Collegium in Hildesheim, 1709-11 Mathematik in K¨oln, anschließend in Paderborn und kehrte 1713 nach K¨oln zur¨uck. Seit einem

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Besuch bei Gottfried Wilhelm → Leibniz 1706 in Hannover f¨uhrten beide einen umfangreichen gelehrten Briefwechsel zu philosophischen und theologischen Fragen. Des B. vero¨ ffentlichte u. a. G. G. Leibnitii Tentamina Theodiceae de bonitate Dei, libertate hominis, et origine mali, Latine versa, et notationibus illustrata (1719). C NDB

Desch, Johann, Industrieller, * 27. 4. 1848 Glattbach bei Aschaffenburg, † 29. 1. 1920 Aschaffenburg. Wie sein Vater und Großvater von Beruf Schneider, begann D. 1868 / 69 mit der Herstellung von M¨annerkleidung auf Vorrat und entwickelte etwa zeitgleich mit anderen Produzenten von Bekleidung den Zuschnitt nach vereinheitlichten Maßen. Er machte den Raum Aschaffenburg durch seine Unternehmungen zu einer der maßgebenden Regionen in der Herrenbekleidungsindustrie. D. f¨uhrte die Heimarbeit im Raum Aschaffenburg ein, besch¨aftigte zeitweise bis zu 10 000 Heimarbeiter und trug damit zum wirtschaftlichen Aufschwung des fr¨uheren Notstandsgebiets im Spessart bei. C NDB

Desch, Kurt, Verleger, * 2. 6. 1903 P¨oßneck (Th¨uringen), † 7. 11. 1984 M¨unchen. D. war Mitarbeiter verschiedener Verlage, Tageszeitungen und Zeitschriften, darunter der „Frankfurter Zeitung“ und des „Dortmunder Generalanzeigers“. Nach 1933 kurzzeitig verhaftet, 1936 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, wurde er 1941 Mitarbeiter, bald inoffizieller Leiter des „Zinnenverlags“ Wien und M¨unchen, der nach der Publikation von B¨uchern, die die Nationalsozialisten als „staatsgef¨ahrdend“ einsch¨atzten, geschlossen wurde. D.s Rolle w¨ahrend des „Dritten Reiches“ war dennoch ambivalent. Zeitweise Mitglied der NSDAP, stand er bis 1945 unter der Protektion der nationalsozialistischen F¨uhrung des Gaues Bayerische Ostmark. Seine politischen Schwierigkeiten mit dem Regime beruhten vor allem auf seinen Kontakten zur KPD w¨ahrend der Weimarer Republik. Von den amerikanischen Besatzungsbeh¨orden zum Wiederaufbau des Verlagswesens und Buchhandels in Bayern herangezogen, erhielt er 1945 die Lizenz f¨ur den Verlag und den Theaterverlag Kurt Desch. Er gab 1946-48 die Kulturzeitschrift „Prisma“ heraus und verlegte bis zum Verkauf des Unternehmens 1973 rund 4300 Titel deutscher und ausl¨andischer Autoren. 1953 gr¨undete D. die Stiftung „Welt im Buch“, 1957 die KurtDesch-Film GmbH in M¨unchen. Deschler, Joachim, auch T¨aschler, Teschler, Medailleur, Bildhauer, † nach 1. 10. 1571 Wien (?). D. erhielt 1537 das N¨urnberger B¨urgerrecht und war in den dreißiger oder vierziger Jahren f¨ur zwei Jahre in Italien (vermutlich in Venedig oder Rom) t¨atig. Seit 1543 arbeitete er f¨ur den sp¨ateren Kaiser → Maximilian II. in Wien, um 1548 f¨ur Erzherzog → Ferdinand. In den sechziger Jahren erhielt er als „Kaiserlicher Bildhauer“ regelm¨aßig Honorare vom Wiener Hof. Neben Kleinplastik, die er in Stein (darunter Alabaster und Speckstein) schnitt, schuf D. vor allem Portr¨atmedaillen aus Stein oder Porzellan f¨ur Mitglieder des kaiserlichen Hofs und Adlige aus dessen Umkreis sowie f¨ur B¨urger und B¨urgerinnen aus Wien, N¨urnberg und Augsburg. C AKL Deschwanden, Joseph Wolfgang (Aloys) von, schweizer. Techniker, Mathematiker, * 21. 7. 1819 Stans (Kt. Unterwalden), † 11. 4. 1866 Z¨urich. Der Sohn eines Hauptmanns in spanischen Diensten und Bruder Theodor von → D.s studierte an der Industrieschule und an der Univ. Z¨urich; 1842 wurde er o. Prof. der Maschinenlehre, des Maschinenzeichnens und der darstellenden Geometrie an der Industrieschule, die er seit 1847 leitete. Er unternahm zahlreiche Studienreisen nach S¨uddeutschland, Frankreich, Belgien und Großbritannien und orientierte sich

Desing in Fabriken und polytechnischen Hochschulen u¨ ber Neuerungen vor allem im Bereich des technischen Unterrichts. D. war Berater Alfred → Eschers und eigentlicher Organisator des Eidgen¨ossischen Polytechnikums in Z¨urich. Er verfaßte 1853 den grundlegenden Gesetzentwurf zur Errichtung der Hochschule und schuf deren Reglement in Anlehnung an die Einrichtungen in Stuttgart und vor allem Karlsruhe. 1855-59 war er Ordinarius der darstellenden Geometrie und erster Direktor der neuer¨offneten Hochschule. D. ver¨offentlichte u. a. einen Abriß der Mechanik (1848) und Ueber die in den Beharrungszustand gelangte Bewegung der Fl¨ussigkeiten (1848). C NDB

Deschwanden, Melchior (Paul) von, schweizer. Maler, Zeichner, * 10. 1. 1811 Stans (Nidwalden), † 25. 2. 1881 Stans. Der Sohn eines Hauptmanns erhielt seinen ersten Unterricht in der Malerei in Zug und Z¨urich, besuchte 1830 die M¨unchner Akademie und lebte anschließend in St. Gallen und Lausanne. Seit 1838 besuchte D. die Akademie in Florenz, kam in Kontakt mit den Nazarenern und verkehrte 1840 einige Monate mit Johann Friedrich → Overbeck, der seine religi¨ose Wendung beeinflußte. Wegen einer Erkrankung nach Stans zur¨uckgekehrt, verließ D. seinen Geburtsort nur noch f¨ur kurze Reisen nach D¨usseldorf (1842), Paris (1843), Belgien (1851), M¨unchen (1861) und Rom (1869). Er schuf insgesamt etwa 2000 Andachtsbilder mit Madonnen- und Heiligendarstellungen (darunter zwei Altarbilder und ein Wandgem¨alde f¨ur die neue kath. Kirche in Z¨urich, 1844), die große Popularit¨at erlangten und die gesamte kirchliche Kunst der Schweiz pr¨agten. D. war ein Onkel zweiten Grades von Joseph Wolfgang und Theodor von → D. Er wurde im Volksmund der „Bildermissionar“ genannt; seine Sujets fanden als Heiligenbildchen massenhafte Verbreitung. C AKL

Deschwanden, Theodor von, schweizer. Maler, * 26. 2. 1826 Stans, † 19. 12. 1861 Stans. Der Bruder Joseph Wolfgang von → D.s lernte im Atelier seines Onkels zweiten Grades, Melchior von → D., 1840-44 die Malerei, kehrte dorthin von einem kurzen Studienaufenthalt an der Kunstakademie M¨unchen zur¨uck und unternahm 1849 eine Reise nach Paris. 1850 er¨offnete er ein eigenes Atelier. 1851 besuchte er Antwerpen und Br¨ussel, 1853 erneut Paris und 1858 Oberitalien. D. arbeitete zun¨achst u¨ berwiegend nach dem Beispiel seines Lehrers auf dem Gebiet der sakralen Kunst, legte sp¨ater umfangreiche Skizzenb¨ucher nach der Natur an und wandte sich schließlich erfolgreich der Historienmalerei zu. Als sein bekanntestes Bild gilt der Abschied Arnold Winklrieds von seiner Familie (1861). C AKL

Des Coudres, Hans-Peter, auch Jean-Pierre D. C., Bibliothekar, Jurist, * 27. 9. 1905 Spandau (heute zu Berlin), † 8. 1. 1977. Nach dem Abschluß rechts- und staatswissenschaftlicher Studien an den Universit¨aten G¨ottingen und Leipzig sowie der Akademie f¨ur internationales Recht in Den Haag 1933 durchlief D. C., ein Neffe von Ludwig → D. C., ein Volontariat bei der Deutschen B¨ucherei in Leipzig. 1930 trat er in die NSDAP ein und wurde Leiter der Bibliothek der Gesellschaft zur F¨orderung und Pflege deutscher Kulturdenkm¨aler auf der Wewelsburg (Bibliothek der Schutzstaffel der NSDAP) in Westfalen. 1939-45 Direktor der Landesbibliothek Kassel, wirkte D. C. nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs am Aufbau der Bibliothek des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe mit. 1952 wechselte er an die Bibliothek des Max-Planck-Instituts f¨ur ausl¨andisches und internationales Privatrecht, deren Leitung er 1953 u¨ bernahm und die unter seiner F¨uhrung (bis 1971) weltweite Bedeutung erlangte. D. C. baute u. a. einen Periodikakatalog auf und

ließ 1968 eine EDV-gerechte Aufsatzdokumentation einrichten. Er selbst ver¨offentlichte Bibliographien u. a. u¨ ber Ernst → Rabel (1954) und Ernst → J¨unger (1970).

Des Coudres, Ludwig, Maler, * 10. 5. 1820 Kassel, † 23. 12. 1878 Karlsruhe. D. C. studierte zun¨achst Architektur an der Polytechnischen Schule in Kassel, wechselte siebzehnj¨ahrig an die Kunstschule und studierte 1840 bei Julius → Schnorr von Carolsfeld an der Kunstakademie M¨unchen. 1841 nach Kassel zur¨uckgekehrt, unternahm er 1843-45 eine Italienreise und setzte anschließend seine Studien bei K. → Sohn und → Schadow an der Kunstakademie D¨usseldorf fort. D. C. lebte seit 1855 in Karlsruhe, begr¨undete gemeinsam mit Johann Wilhelm → Schirmer die dortige Kunstakademie und war als Prof. der Antiken- und Malklasse t¨atig. Daneben leitete der Onkel von Theodor → D. C. den Badischen Kunstverein und war an der Erarbeitung des Gesetzes f¨ur k¨unstlerischen Urheberschutz beteiligt. Er schuf vorwiegend Historien- und Portr¨atgem¨alde, darunter ein Portr¨at der Tochter (1877). C AKL

Des Coudres, Theodor, Physiker, * 13. 3. 1862 Veckerhagen / Weser, † 8. 10. 1926 Leipzig. Der Sohn eines Bergrats und Neffe von Ludwig → D. C. studierte seit 1881 an den Universit¨aten Genf, Leipzig und ¨ M¨unchen, wurde 1887 mit der Arbeit Uber die Reflexion polarisirten Lichtes an Quecksilber an der Univ. Berlin promoviert, war seit 1889 Assistent Gustav Heinrich → Wiedemanns und habilitierte sich 1891 an der Univ. Leip¨ zig mit der Schrift Uber thermoelektrische Eigenschaften des Quecksilbers. 1895 wechselte er nach G¨ottingen, wurde dort Prof. der angewandten Elektrizit¨atslehre und erhielt 1901 den neugeschaffenen Lehrstuhl f¨ur theoretische Physik an der Univ. W¨urzburg; seit 1903 lehrte er als Nachfolger Ludwig → Boltzmanns an der Univ. Leipzig. Die experimentellen Leistungen von D. C., darunter die sp¨ater von Emil → Wiechert ausgef¨uhrte Messung der Geschwindigkeit der Kathodenstrahlung und der Geschwindigkeit sowie der spezifischen Ladung der Alphastrahlen, gelten als bahnbrechend f¨ur die Entwicklung der Elektronenphysik. C NDB

Desczyk, Gerhard, Pseud. Marabu, Journalist, Politiker, * 3. 6. 1899 Kreuzburg (Oberschlesien), † 18. 3. 1983 Berlin. Nach dem Ersten Weltkrieg studierte D. Germanistik an den Universit¨aten M¨unchen und Leipzig. 1924-33 war er ehrenamtlicher Landessekret¨ar der Zentrumspartei in Sachsen und 1924-27 Redakteur, danach Chefredakteur des Parteiorgans „S¨achsische Volkszeitung“. 1928 gr¨undete er das „St.-Benno-Blatt“ der Di¨ozese Meißen. 1935 wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet. Anschließend freier Mitarbeiter verschiedener Zeitungen und Zeitschriften, redigierte er seit 1941 die Korrespondenz „Bilder und Studien“. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat D. in die CDU-Ost ein, war 1945 / 46 Abteilungsleiter beim CDU-Hauptvorstand und wurde 1949 beigeordneter CDU-Generalsekret¨ar, sp¨ater Mitglied des Sekretariats der Parteileitung, 1952 des Politischen Ausschusses. Seit 1956 war er Cheflektor im Union Verlag Berlin sowie im Leipziger Verlag Koehler und Amelang. D. ver¨offentlichte neben seiner Autobiographie Zwischenf¨alle auf der Lebensreise (1974) u. a. Der Friedensauftrag der Katholiken (1960). C DLL, 20. Jh. Desing, Anselm, Taufname: Franz Josef Albert, Benediktiner, Theologe, Universalgelehrter, * 15. 3. 1699 Amberg, † 17. 12. 1772 Ensdorf (Oberpfalz). D., Sohn eines Hofgerichtsadvokaten bei der Regierung in Amberg, studierte 1715-17 Philosophie an der Univ. Wien, trat 1718 in die Benediktinerabtei Ensfelden ein und widmete sich bis zu seiner Priesterweihe 1723 dem Theologiestudium

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D´esor in Michelfeld. 1725-31 lehrte er am Ordensgymnasium in Weihenstephan und war 1737-43 Prof. an der Univ. Salzburg, wo er sich f¨ur eine Reform der Lehre einsetzte, selbst Lehrb¨ucher verfaßte und Apparate f¨ur den experimentellen Physikunterricht erwarb. Maßgeblich an der Errichtung der Ritterakademie in Kremsm¨unster beteiligt, wurden dort nach seinen Pl¨anen der „Mathematische Turm“ erbaut und Kontakte zu den Sternwarten in Wien, Paris, Bologna und Rom aufgenommen. D. ordnete im Auftrag des F¨urstbischofs von Passau, Joseph Dominik von → Lamberg, das f¨urstbisch¨ofliche Archiv sowie die Bibliothek und wurde zu diplomatischen Missionen verwendet; eine Romreise 1750 gab den Anstoß zu einer Reihe von Ver¨offentlichungen gegen das rationalistische Naturrecht der Aufkl¨arung. Seit 1761 Abt von Ensdorf, f¨orderte D. die wissenschaftlichen Aktivit¨aten der Abtei. Er publizierte zuletzt Deutschlands untersuchter Rechtsgeschichte Erster Teil (1768). C NDB ´ D´esor, (Johann Peter) Eduard, auch Jean Pierre Edouard D., Geologe, * 13. 2. 1811 Friedrichsdorf bei Homburg v. d. H., † 23. 2. 1882 Nizza. D. studierte Rechtswissenschaften an der Univ. Gießen, mußte, politisch verfolgt, nach Frankreich fliehen und trat sp¨ater in Neuchˆatel mit Louis Agassiz in Verbindung. Seit 1837 dessen Sekret¨ar, folgte er ihm nach einer Skandinavienreise 1847 in die USA, trennte sich 1848 von ihm und untersuchte als „Geographer of the Congress“ in amerikanischen Staatsdiensten u. a. die Geologie der MichiganHalbinsel. Nach seiner R¨uckkehr in die Schweiz 1852 wurde er Prof. der Geologie an der Akademie von Neuchˆatel und lebte seit 1858 auf Gut Combe-Varin und in Nizza. D. war Mitbegr¨under (1864) sowie erster Pr¨asident der historischen Gesellschaft in Neuchˆatel und geh¨orte zahlreichen wissenschaftlichen Gesellschaften und Kommissionen an. Er war Mitglied und Pr¨asident des Großen Rats von Neuchˆatel, des St¨ande- und des Nationalrats. Er ver¨offentlichte u. a. Agassiz’ und seiner Freunde geologische Alpenreisen in der Schweiz, Savoyen und Piemont (1847), Gebirgsbau der Alpen (1865) und Im Urwald (1881).

Dessau, Bernhard, Pseud. Bernard Dessoux, Dirigent, Musiker, Komponist, * 1. 3. 1861 Hamburg, † 28. 4. 1923 Berlin. Aufgewachsen in Den Haag, besuchte D. die Konservatorien in Hamburg, Leipzig, Berlin und Br¨ussel und war siebzehnj¨ahrig Konzertmeister am Kgl. Theater in Gent. Sp¨ater wurde er Konzertmeister in K¨onigsberg, Br¨unn, Prag und an der Maatschappy van Tonkunst in Rotterdam, kam schließlich an die Philharmonische Gesellschaft in Bremen und wurde 1898 Kgl. Konzertmeister an der Berliner Hofkapelle. Er war auch als Soloviolinist t¨atig, leitete ein Streichquartett und war Dozent, seit 1906 Prof. am Sternschen Konservatorium. D. schrieb Lieder und zahlreiche Kompositionen f¨ur Violine, darunter ein Violinkonzert im alten Stil (op. 55). Dessau, Hermann, Althistoriker, * 6. 4. 1856 Frankfurt / Main, † 12. 4. 1931 Berlin. Seit dem Studium an der Univ. Berlin von Theodor → Mommsen gef¨ordert, unternahm D. nach der Promotion 1877 an der Univ. Straßburg Reisen nach Italien und Nordafrika, um Materialien f¨ur das Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL) zu sammeln. 1884 habilitierte er sich an der Univ. Berlin, betreute 1900-22 als Beamter der Preußischen Akademie der Wissenschaften die Edition des CIL und wurde 1912 a. o., 1917 o. Professor. Wichtig ist seine Auswahlsammlung der Inscriptiones Latinae selectae (3 Bde., 1892-1916, 31962, 3 Bde. in 5 Tlen.). C Bursian, Jg. 59

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Dessau, Paul, Komponist, * 19. 12. 1894 Hamburg, † 28. 6. 1979 K¨onigs Wusterhausen. Der aus einer j¨udischen Kantorenfamilie stammende D. zeigte fr¨uh Begabung f¨ur das Violinspiel, studierte von 1910 bis 1912 am Berliner KlindworthScharwenka-Konservatorium, entschied sich dann aber, Dirigent zu werden. Nach ersten Anstellungen wurde er von 1915 bis 1918 eingezogen. Bis 1926 war er als Korrepetitor und Kapellmeister an verschiedenen deutschen B¨uhnen t¨atig, u. a. 1919 / 20 bis 1922 / 23 unter → Klemperer in K¨oln und 1925 / 26 unter → Walter in Berlin. D.s erster kompositorischer Erfolg war das 1925 mit dem Schott-Preis ausgezeichnete und in Donaueschingen uraufgef¨uhrte Concertino f¨ur Solo-Violine mit Fl¨ote, Clarinette und Horn, das sich im Gegensatz zu seinen sp¨atromantisch-expressiven fr¨uhen Werken der Tonsprache → Hindemiths ann¨aherte. Die schon hier erkennbare Aneignung verschiedener musikalischer Idiome sollte ein besonderes Merkmal der Arbeit von D. werden. Von 1928 bis 1930 ging D. als Kapellmeister an das ¨ Alhambra-Kino in Berlin, wo er in der Ubergangszeit vom Stumm- zum Tonfilm als Dirigent arbeitete, aber auch eigene Musik zu Kurzfilmen schrieb. Bis zu seiner Emigration nach Frankreich 1933 wirkte er an 17 Tonfilmen mit. Gleichzeitig komponierte er Werke traditionellen Anspruchs: Neben der 1927 in Prag uraufgef¨uhrten 1. Sinfonie standen Kammermusikwerke, sozialkritische Lieder, Werke f¨ur den synagogalen Gebrauch sowie Chorwerke f¨ur den Deutschen Arbeiter-S¨angerbund und f¨ur Arbeiter-Kinderch¨ore. Im franz¨osischen Exil setzte D. sich verst¨arkt mit seiner j¨udischen Herkunft auseinander; er komponierte die Hagadah auf einen ins Hebr¨aische u¨ bertragenen Text von Max → Brod. Angeregt durch die Bekanntschaft mit Ren´e Leibowitz erarbeitete sich D. seit 1936 systematisch die Zw¨olftontechnik. Der Spanische B¨urgerkrieg veranlaßte ihn zur Komposition von Kampfliedern, am bekanntesten Die Th¨almannKolonne. Schon w¨ahrend des Pariser Exils vertonte D. einige BrechtTexte, zu engerer Zusammenarbeit kam es aber erst nach ihrer Begegnung 1943 in New York (D. war 1939 u¨ ber London in die USA emigriert). Als Filmkomponist ging er 1943 nach Hollywood, wo in enger Zusammenarbeit mit → Brecht die beiden oratorischen Werke Deutsches Miserere und Internationale Kriegsfibel (nur Particell, 1970 instrumentiert) entstanden, sowie auch die Schauspielmusiken zu Mutter Courage und ihre Kinder und Der gute Mensch von Sezuan. D., 1946 der Kommunistischen Partei beigetreten, war wie ¨ Brecht der Uberzeugung, daß eine neue Gesellschaft auch einer neuen Kunst bed¨urfe, und entschied sich 1948 zur R¨uckkehr nach Berlin. Sein Wirken in der DDR – 1948 trat er in die SED ein – war gepr¨agt von dem Konflikt zwischen kompromißlosem k¨unstlerischen Anspruch und der Notwendigkeit zur Anpassung an gesellschaftliche Vorgaben (exemplarisch f¨ur diesen Konflikt die Vorgeschichte zur Auff¨uhrung der Brecht-Oper Das Verh¨or des Lukullus 1951, mit der D. im Mittelpunkt der Formalismus-Debatte stand). In seinem breiten und umfangreichen Œuvre, das immer wieder zeitgeschichtliche Bez¨uge, aber auch musikp¨adagogische Elemente aufgriff und sich in Werke f¨ur das Musiktheater (Opern und Schauspielmusiken), Kammermusik, Lieder, Partei- und Staatsmusiken gliedert, verarbeitete er zahlreiche Einfl¨usse: j¨udische Musik, Filmmusik, Gebrauchsmusik,

Deßler Zw¨olftontechnik, Grundlagen der seriellen Musik, aber auch die Anregungen der Kinder in seinem Musikunterricht. Der durch die DDR hochdekorierte D. war seit 1952 Mitglied der Deutschen Akademie der K¨unste Berlin (Ost) und von 1965 bis 1968 Mitglied der Akademie der K¨unste (West). Nach fr¨uheren Ehen heiratete er 1954 die Choreographin und Regisseurin Ruth → Berghaus, mit der er in Zeuthen lebte und einen großen Freundeskreis von Komponisten, Musikern, Musikwissenschaftlern und Schriftstellern um sich versammelte. WEITERE WERKE: Opern: Puntila (nach Brecht; 1959). – Lanzelot (nach Jewgeni Schwarz; 1969). – Einstein (Karl Mickel; 1973). – Leonce und Lena (nach B¨uchner; 1979). – Schauspielmusiken zu Brecht-Werken: 99 % (= Furcht und Elend des Dritten Reiches; 1938). – Herr Puntila und sein Knecht Matti (1949). – Mann ist Mann (1951; verschiedene sp¨atere Fassungen). – Der kaukasische Kreidekreis (1953; verschiedene sp¨atere Fassungen). – Kammermusik, Orchesterwerke, Lieder, Chorwerke. – Briefe und Notizb¨ucher: „Let’s hope for the best“. Briefe und Notizb¨ucher aus den Jahren 1948 bis 1978. Hrsg. v. Daniela Reinhold. Hofheim 2000. LITERATUR: Fritz Hennenberg (Hrsg.) P. D. Notizen zu Noten. Leipzig 1974. – Fritz Hennenberg: P. D. Leipzig 2 1981. – P. D. 1894-1979. Dokumente zu Leben und Werk, zusammengestellt und kommentiert von Daniela Reinhold. Berlin 1995 (mit Werkverzeichnis, Filmographie, Schriftenverzeichnis und Auswahlbibliographie). – Klaus Angermann (Hrsg.): P. D. Von Geschichte gezeichnet. Hofheim 1995. Dorothee G¨obel

Dessauer, Alois (Joseph), auch Aron Baruch D., Bankier, Fabrikant, * 21. 2. 1763 Gochsheim (W¨urttemberg), † 11. 4. 1850 Aschaffenburg. D. kam als kurmainzischer Hofbankier und Heereslieferant zu Wohlstand und pflegte gute Beziehungen zu dem Koadjutor und (seit 1802) Erzbischof und Kurf¨ursten von Mainz, Carl Theodor von → Dalberg. 1805 trat er gemeinsam mit seiner Familie zum Katholizismus u¨ ber und wurde in der Kirche St. Agatha in Aschaffenburg getauft. Sp¨ater bet¨atigte er sich als Papierh¨andler und Verleger (u. a. erschien 1814 die „Allgemeine Staatskorrespondenz“ in seinem Verlag), produzierte Steintafeln, Farbtuschen sowie Leime und begr¨undete um 1810 die Aschaffenburger Buntpapierherstellung, die sp¨ater sein Sohn Franz → D. weiterf¨uhrte. 1826 wurde er zum Magistratsrat ernannt. Dessauer, Franz (Johann), Fabrikant, Auswanderungsagent, * 17. 6. 1805 Aschaffenburg, † 26. 10. 1872 Wien. Der Sohn Alois → D.s war 1825-29 im Großhandel t¨atig und f¨uhrte ein Kommissions- und Speditionsgesch¨aft. 1832 wurde er Major und Bataillonskommandant der Landwehr in Aschaffenburg. 1836-49 Wechselgerichtsassessor und Magistratsrat sowie Mitglied der Armenpflege- und Schulkommission, erbte er 1850 gemeinsam mit den Geschwistern die v¨aterliche Buntpapierfabrik, gr¨undete im folgenden Jahr ein eigenes derartiges Unternehmen und wandelte es 1859 in eine Aktiengesellschaft um. D. war seit 1849 Auswanderungs-Generalagent f¨ur Barbe und Morisse / Le Havre sowie den Hamburger Kolonisationsverein, seit 1851 f¨ur Bremer, seit 1857 f¨ur Antwerpener und schließlich f¨ur Hamburger Firmen. Er war der Vater von Philipp → D. Dessauer, Friedrich, Biophysiker, Philosoph, * 19. 7. 1881 Aschaffenburg, † 16. 2. 1963 Frankfurt / Main. Der Sohn Philipp → D.s gr¨undete w¨ahrend seiner naturwissenschaftlichen Studien in M¨unchen und Darmstadt ein Labor f¨ur Forschung und Apparatebau, aus dem sich 1907 die Vereinigten Elektrotechnischen Institute in Frankfurt / Main (Veifa-Werke) entwickelten, deren erster Direktor er

war. Seit 1920 Prof. an der Univ. Frankfurt / Main, wurde er 1922 Lehrstuhlinhaber und Direktor des f¨ur ihn errichteten Instituts f¨ur Biophysik. Hier wurde er um 1922 mit seinen Arbeiten zum Wirkungsmechanismus von R¨ontgenstrahlen bei ihrer Einwirkung auf biologische Substanzen und Vorg¨ange zum Begr¨under der Quantenbiologie (Quantenbiologie, 1954). D. war 1924-33 als Zentrumsabgeordneter Mitglied des Reichstags sowie wirtschaftspolitischer Berater des Reichskanzlers Heinrich → Br¨uning und trat als Mitinhaber der Frankfurter „Rhein-Mainischen Volkszeitung“ fr¨uhzeitig gegen den Nationalsozialismus auf. 1933 zur Aufgabe seines Lehrstuhls gezwungen, inhaftiert und seines Verm¨ogens beraubt, u¨ bernahm er 1934 den Lehrstuhl f¨ur Radiologie und Biophysik an der Univ. Istanbul und wurde 1937 Leiter des Physikalischen Instituts an der Univ. Freiburg (Schweiz). 1953 kehrte er an die Univ. Frankfurt / Main zur¨uck und lehrte dort bis zu seiner Emeritierung als Ordinarius f¨ur Physikalische Grundlagen der Medizin. D. gilt als Pionier der R¨ontgenmedizin und der Strahlenbiophysik, trieb die Entwicklung der R¨ontgentechnik entscheidend voran und f¨orderte die R¨ontgenkinematographie, mit der ihm erstmals 1909 / 10 Aufnahmen des schlagenden Herzens gelangen. Seine Untersuchungen der Dosisverteilung bildeten die Grundlage der Tiefentherapie zur Behandlung tiefliegender Tumoren. Daneben besch¨aftigte sich D. seit Beginn seiner Forschert¨atigkeit mit politischen und philosophischen Fragen, u. a. mit dem Verh¨altnis von Naturwissenschaft und Philosophie. Neben Werken wie Philosophie der Technik. Das Problem der Realisierung (1927, 3 1933, neu bearb. Ausg. unter dem Titel Streit um die Technik, 1956), (Wissen und Bekenntnis, 1944) und Religion im Lichte der heutigen Naturwissenschaft (1950) ver¨offentlichte er belletristische, historische und biographische Arbeiten sowie die Autobiographie Kontrapunkt eines Forscherlebens (1962). C Fr¨ank Leb, Bd 17

Dessauer, Joseph, o¨ sterr. Komponist, * 28. 5. 1798 Prag, † 8. 7. 1876 M¨odling (Nieder¨osterreich). D., Sohn verm¨ogender Kaufleute, studierte Musiktheorie und Generalbaß bei Dionys → Weber sowie Klavier und Komposition bei Wenzel Johann → Tomaschek und reiste erstmals 1821 nach Italien. Nach 1825 hielt er sich o¨ fter in Wien auf und erwarb 1827 bei der Versteigerung des → Beethoven-Nachlasses u. a. das Fidelio-Skizzenbuch und eine vom Komponisten u¨ berpr¨ufte Eroica-Abschrift, die er 1870 der Gesellschaft der Wiener Musikfreunde schenkte. Ausgedehnte Reisen f¨uhrten ihn in den folgenden Jahren nach Italien, Frankreich, England und Prag. Um 1835 w¨ahlte D. seinen Hauptwohnsitz in Wien. Er verkehrte mit vielen Per¨onlichkeiten des zeitgen¨ossischen Kulturlebens, u. a. Felix → Mendelssohn Bartholdy und George Sand. Er komponierte Opern (u. a. Die Freier von Ol´eron, 1860) sowie Vokal- und Instrumentalwerke. C MGG Dessauer, Philipp, Industrieller, * 20. 6. 1837 Aschaffenburg, † 19. 8. 1900 Aschaffenburg. Der Sohn Franz → D.s trat 1852 in die v¨aterliche Buntpapierund Leimfabrik ein und wurde 1860 Direktor des Unternehmens. 1875 u¨ bernahm er die Leitung der 1872 in Aschaffenburg gegr¨undeten Aktiengesellschaft f¨ur Maschinenpapierfabrikation. Er warb f¨ur eine moderne Papierherstellung aus Natronzellstoff (als Ersatzprodukt f¨ur Hadern). D., 1880 Mitbegr¨under und erster Vorstand des Vereins deutscher Zellstoff-Fabrikanten, errichtete sp¨ater verschiedene Sulfitzellstoff-Fabriken. Er war der Vater von Friedrich → D. C NDB Deßler, Wolfgang Christoph, auch Desler, Kirchenliederdichter, * 11. 2. 1660 N¨urnberg, † 11. 3. 1722 N¨urnberg. D. erlernte zun¨achst den v¨aterlichen Beruf eines Goldschmieds und Juweliers, studierte sp¨ater Theologie an der

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Deßloch Univ. Altdorf, konnte jedoch aus gesundheitlichen Gr¨unden weder das Studium abschließen noch eine Pfarrstelle an¨ nehmen. Er verdiente seinen Lebensunterhalt durch Ubersetzungen und Korrekturarbeiten, war Mitarbeiter Erasmus → Franciscis und wurde durch ihn in der Dichtkunst unterwiesen. 1705-20 war er Konrektor der Schule zum Hl. Geist in N¨urnberg. D. verfaßte erbauliche Betrachtungen (u. a. GOTT-geheiligter Christen nutzlich-ergetzende Seelen-Lust, 1692) und Kirchenlieder, von denen einige durch die Aufnahme in pietistische Gesangb¨ucher Verbreitung fanden. C MGG

Deßloch, Otto, Milit¨ar, * 11. 6. 1889 Bamberg, † 13. 5. 1977 M¨unchen. D. wurde 1912 Offizier und im Ersten Weltkrieg nach einer Verwundung zum Flugzeugf¨uhrer ausgebildet. In die Reichswehr der Republik u¨ bernommen, schied er 1933 zun¨achst aus dem Heeresdienst aus und kam ins Reichsluftfahrtministerium, wurde unter Bef¨orderung zum Oberstleutnant jedoch bald wieder in die Wehrmacht u¨ bernommen. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs war er Kommandierender General eines Flakkorps. 1943 Chef einer Luftflotte, wurde er 1944 Generaloberst. Dessoff, (Emma) Margarete, auch Gretchen D., Gesangsp¨adagogin, Chorleiterin, * 11. 6. 1874 Wien, † 19. 11. 1944 Locarno (Schweiz). Die Tochter Otto → D.s studierte am Hochschen Konservatorium in Frankfurt / Main Gesang bei Otto Gunz sowie bei der Stockhausen-Sch¨ulerin Jenny Hahn, war 1912-17 Chorleiterin an dieser Hochschule und gr¨undete eine private Chorvereinigung, den „Dessoffschen Frauenchor“, mit dem sie seit 1912 erfolgreich auftrat. D. schuf 1918 in Frankfurt die „Madrigalvereinigung“, leitete 1917-20 die „Bachgemeinde“ und ging 1923 in die USA, wo sie 1923-36 Chorus Director des Institute of Musical Art in New York war. 1924 gr¨undete sie den „Adesdi Chorus“, 1928 die „A Cappella Singers“, die sie 1930 zu den „Dessoff Choirs“ zusammenf¨uhrte. D. f¨uhrte 1933 erstmals vollst¨andig L’Amfiparnaso von Orazio Vecchi aus dem Jahr 1597 auf. C MGG

Dessoff, (Felix) Otto, Komponist, Dirigent, Musiker, * 14. 1. 1835 Leipzig, † 28. 10. 1892 Frankfurt / Main. D. war 1851-54 Sch¨uler von Ignaz → Moscheles, Louis Plaidy, Julius → Rietz und Moritz → Hauptmann am Leipziger Konservatorium, danach Kapellmeister an den Theatern in Chemnitz, Altenburg, D¨usseldorf, Aachen, Magdeburg und Kassel und dirigierte erstmals 1860 das Orchester der Wiener Philharmoniker. Anschließend zum Kapellmeister an der Wiener Hofoper ernannt, begr¨undete D. den Weltruf der Wiener Philharmoniker und f¨uhrte sie u. a. an die Musik von → Brahms und → Bruckner heran. Als Prof. der Komposition am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien bildete er einen Kreis bedeutender Sch¨uler heran, darunter Ignaz → Br¨ull, Robert → Fuchs, Felix → Mottl und Arthur → Nikisch. D. folgte 1875 einem Ruf als Hofkapellmeister nach Karlsruhe, 1880 als erster Kapellmeister an das Stadttheater Frankfurt / Main. D., der zu den großen Dirigenten des 19. Jh. geh¨orte, komponierte Lieder, Kammermusik und Klaviermusik. Er war der Vater Margarete → D.s. C MGG

Dessoir, Ferdinand, Schauspieler, * 29. 1. 1835 Breslau, † 15. 4. 1892 Dresden. Der Sohn Ludwig und Therese → D.s wurde zun¨achst von den Eltern ausgebildet und erhielt sp¨ater Unterricht von Friedrich Werner in Mannheim. Er deb¨utierte 1852 in Freiburg / Breisgau, spielte sp¨ater in Meißen, Glogau, Mainz, Heidelberg, Stettin und Leipzig (1857-61), ging anschließend nach Bremen und f¨uhrte 1863 / 64 in Weimar erstmals auch Regie. Seit 1864 am Kgl. Schauspielhaus Berlin t¨atig,

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ging er u¨ ber Weimar nach Breslau und trat 1870 dem Verband der Hofb¨uhne in Dresden bei. D. pachtete 1877 das Breslauer Residenztheater, versuchte sich erfolglos als Theaterdirektor, kehrte 1880 am Prager Landestheater auf die B¨uhne zur¨uck und spielte 1885-89 am Hoftheater St. Petersburg; seit 1889 gab er in Dresden Schauspielunterricht.

Dessoir, Ludwig, eigentl. Leopold Dessauer, Schauspieler, * 27. 12. 1810 Posen, † 30. 12. 1874 Berlin. Der Kaufmannssohn begann seine Karriere als Schauspieler 1825 in Posen und kam u¨ ber Spandau und L¨ubeck nach Wiesbaden, Mainz und Leipzig (1834-36), sp¨ater nach Breslau und an das Wiener Burgtheater. 1839 wurde er Nachfolger Karl → Devrients in Karlsruhe, wechselte 1849 an das Schauspielhaus Berlin und war dort bis 1867 t¨atig. Er spielte u¨ ber 100 Rollen, vor allem des klassischen Repertoires, darunter Faust, Mephisto, Richard III. und Hamlet. D., der in erster Ehe mit Therese → D. verheiratet war, war der Vater C NDB Ferdinand und Max → D.s. Dessoir, Max, Philosoph, Psychologe, Mediziner, * 8. 2. 1867 Berlin, † 19. 7. 1947 K¨onigstein / Taunus. Der Sohn Ludwig → D.s studierte an den Universit¨aten Berlin und W¨urzburg Philosophie (Promotion 1889 bei → Dilthey aufgrund der Arbeit Karl Philipp Moritz als Aesthetiker) und Medizin (Promotion 1890). In Berlin befreundete er sich mit Gerhart → Hauptmann, Max → Reger und Max → Reinhardt. 1892 habilitierte sich D. f¨ur Philosophie an der Univ. Berlin und wurde dort 1897 a. o., 1920 ¨ o. P