Der Witzling: Ein deutsches Nachspiel in einem Aufzug. Die stumme Schönheit: Ein Lustspiel in einem Aufzug [Reprint 2018 ed.]
 9783110828252, 9783110018684

Table of contents :
Vorwort
Text
Der Witzling. Ein deutsches Nachspiel in einem Aufzuge
Die stumme Schönheit. Ein Lustspiel in einem Aufzuge
MATERIALIEN ZUM VERSTÄNDNIS DER TEXTE
DER WITZLING
DIE STUMME SCHÖNHEIT
Worterklärungen
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KOMEDIÄ i FRAU G O T T S C H E D / D E R W I T Z L I N G . S C H L E G E L / DIE STUMME S C H Ö N H E I T

KOM E DIÄ DEUTSCHE

LUSTSPIELE

VOM BAROCK BIS ZUR GEGENWART Texte und Materialien zur Interpretation Herausgegeben von HELMUT A R N T 2 E N und KARL PESTALOZZI

1

1962 WALTER DE G R U Y T E R & CO.

/

BERLIN

VORMALS G. J. G O S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G . J. G U T T E N T A G V E R L A G S B U C H H A N D L U N G • G E O R G R E I M E R • KARL J. T R Ü B N E R V E I T lt. C O M P

LUISE A D E L G U N D E VIKTORIE GOTTSCHED

D E R WITZLING Ein deutsches Nachspiel in einem Aufzuge

J O H A N N ELIAS

SCHLEGEL

DIE S T U M M E S C H Ö N H E I T Ein Lustspiel in einem Aufzuge

Texte und Materialien zur Interpretation besorgt von WOLFGANG

HECHT

1962 WALTER DE G R U Y T E R & CO.

/

BERLIN

VORMALS G. J. G Ö S C H E N ' S C H E VERLAGSHANDLUNG . J. GUTTENTAG VERLAGSBUCHHANDLUNG • G E O R G REIMER • KARL J. T R Ü B N E R VEIT & COMP

Archiv-Nr. 3 6 0 9 6 2 1 © 1 0 6 2 by Walter de Gruyter Sc Co., vormals G. J . Göschen'sche Ver lags Handlung J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J . Trübner - Veit & Comp., Berlin W 3 0 , Genthiner Str. 13. Printed in Germany. Alle Rechte der Übersetzung, des Nachdruckes, der Anfertigung von Photokopien und Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten. Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 3 0

V O R W O R T

Frau Gottscheds »Witzling« und Johann Elias Schlegels »Stumme Schönheit«, die hier seit Jahrzehnten zum erstenmal wieder als Neudruck vorgelegt werden, sind in den für die Entwicklung des aufklärerischen Dramas so überaus fruchtbaren und vielgestaltigen 40er Jahren des 18. Jahrhunderts geschrieben. Wenn beide Stücke als Einakter auch von der damals in der Komödie üblichen fünfoder dreiaktigen Form abweichen, so sind sie doch in Gehalt und Stil, in Handlungsaufbau und Figurenzeichnung für ihre Zeit charakteristisch und repräsentieren zwei wesentliche Entwicklungsphasen der Komödie der deutschen Frühaufklärung. Doch nicht nur um ihrer literarhistorischen Bedeutung willen verdienen beide Dramen Beachtung: sie gehören obendrein zu den ganz wenigen Komödien dieser Epoche, die auch poetisch nicht ohne Reiz sind, ja, »Die stumme Schönheit« dürfte selbst heute noch in einer StudioaufFührung ihres Bühnenerfolges sicher sein. Die den Texten beigegebenen Materialien zur Interpretation sind dem literaturgeschichtlichen und künstlerischen Rang beider Dramen angepaßt, stellen also »Die stumme Schönheit« in den Mittelpunkt, während dem »Witzling« nur die Rolle einer Folie zugewiesen wurde, damit sich Schlegels Meisterwerk um so heller von ihr abhebe. Möge der Neudruck des »Witzling« und der »Stummen Schönheit« darüber hinaus dem tieferen Verständnis einer Epoche dienen, in der die ersten tastenden Schritte auf dem Wege zu Lessings »Minna von Barnhelm« versucht wurden. WOLFGANG

HECHT

LUISE ADELGUNDE VIKTORIE

GOTTSCHED

DER WITZLING Ein deutsches Nachspiel in einem Aufzuge

PERSONEN DIESES LUSTSPIELS. HERR REINHART,

ein reicher Kaufmann in Leipzig. seine Unmündige.

JUNGFER LOTTCHEN,

D E R JUNGE R E I N H A R T ,

sein Sohn, ein junger Advocat.

ein junger Mensch, der nur unlängst Studierens wegen nach Leipzig gekommen, und bey dem Herrn Reinhart im Hause wohnet. H E R R SINNREICH, ein junger Gelehrter. HERR VIELWITZ,

HERR JAMBUS, PAUL,

ein junger Dichter.

ein Diener.

Der Schauplatz ist auf Jungfer fängt gleich nach der Mittagsmahlzeit

Lottchens Zimmer. Die Handlung an, und endiget sich gegen j Uhr.

Erster Auftritt. sit^t auf einem Stuhle und macht Knötchen. darauf kömmt H E R R R E I N H A R T .

JUNGFER LOTTCHEN

Bald

REINHART. Nun, wie stehts, Jungfer Lottchen? Ich habe heute zu Mittage unmöglich zu Hause speisen können. Ich fand auf der Börse einen guten Freund aus Siebenbürgen, den ich mit in den blauen Engel nahm: denn ich bin meiner Frauen nicht gern mit unerwarteten Gästen beschwerlich. Ist Ihnen auch bey Tische die Zeit sehr lang geworden?

HERR

lacht. Ach neinl mir zum mindesten nicht! So lange wir ein so abgeschmacktes Thier am Tische haben, als der junge Vielwitz ist; so wird mir die Zeit wohl nicht leicht lang werden.

JUNGFER LOTTCHEN

Ey, was sagt Sie, Jungfer Lottchen! der junge Vielwitz sollte abgeschmackt seyn? Sein Vater ist ein so reicher Mann! ich wollte ihm wohl mein ganzes Vermögen creditiren.

HERR REINHART.

lacht sehr. Der Reichthum hilft so wenig für Thorheit, als das Alter. Sein Vater sey so reich als er wolle: sein Herr Sohn ist ein Geck.

JUNGFER LOTTCHEN

sich verwundernd. Ich weis doch nicht! mir kömmt es vor, daß der junge Mensch recht sehr klug thut.

H E R R REINHART

Eben darinn besteht seine Thorheit. Glauben Sie mirs nur, Herr Reinhart, nichts steht einem jungen Menschen närrischer, als wenn er klüger thun will, als alle andere. Er ist ein rechter großer Verehrer von seiner Wenigkeit; sie lacht, er ist aber, meines Wissens, auch der einzige.

JUNGFER LOTTCHEN.

E S ist wohl wahr, er redet immer von sich selbst, und von seiner Gelehrsamkeit; und vergißt bey Tische fast das Essen darüber, daß er uns immer seine Verse herbethet, die er auf Schulen gemacht hat. Allein es ist die liebe Jugend; solche Fehler geben sich mit den Jahren.

HERR REINHART.

LOTTCHEN. Nein, mein Herr Reinhart; dieser Fehler nimmt gewiß mit den Jahren nur noch mehr zu. Die Fehler, an denen die Jugend schuld ist, und die mit den Jahren vergehen, die bestehen gemeiniglich nur in einem gar zu großen Feuer der

JUNGFER

Der Witzling

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Leidenschaften. Bey ihm aber ist es ein Mangel der Vernunft, ein innerer Hochmuth des Herzens, eine närrische Selbstliebe: und die nimmt mit den Jahren immer mehr zu. HERR REINHART.

Glaube Sie das nicht, Jungfer Lottchen.

Das glaube ich gewiß. Wer in seinem 2osten Jahre noch nicht so viel Urtheilskraft hat, daß er seine Selbstliebe verbergen kann: der bleibt sein Lebenlang ein Thor.

JUNGFER LOTTCHEN.

R E I N H A R T schüttelt den Kopf. E s ist mir sehr leid, Jungfer Lottchen, daß Sie wider den jungen Menschen so sehr aufgebracht ist.

HERR

LOTTCHEN. Daran hat er selbst Schuld. Hätte er mir einen bessern Begriff von sich beygebracht: so würde ich ihn auch haben.

JUNGFER

HERR

REINHART.

Gutes von sich,

Der Mensch denket und saget doch aber alles

JUNGFER LOTTCHEN

er es selbst sagt.

lachend. Eben darum glaube ich es nicht, weil

REINHART. Nun, nun, er ist nur erst vierzehn Tage hier: wenn Sie ihn länger kennen wird; so wird er Ihr schon noch gefallen.

HERR

lächelnd. Ich versichere Sie, daß er mir je länger je abgeschmackter vorkommen wird. Gewisse Leute haben nun einmal das Schicksal, je länger man sie sieht, desto verdrießlicher werden sie einem: und Herr Vielwitz ist gewiß von der Art.

JUNGFER LOTTCHEN

REINHART. Das sollte mir sehr leid seynl Die Wahrheit zu sagen, Jungfer Lottchen, des Vielwitzes Vater, ist mein sehr guter Freund: es ist nunmehr länger als 20 Jahre, daß wir mit einander im Handel zu thun haben.

HERR

Das kann wohl seyn. Muß denn deswegen sein Sohn klug seyn?

JUNGFER LOTTCHEN.

Höre Sie mich doch nur erst aus. Mit Ihr meyne ich es auch herzlich gut, mein liebes Lottchen.

HERR REINHART.

Das bin ich versichert, und werde es Lebenslang mit allem Danke erkennen.

JUNGFER LOTTCHEN.

Ihr Vater war ein braver ehrlicher, reicher Mann; und wußte, daß ich wohl mein Leben für ihn gelassen hätte: darum hat er mich auch zum Vormunde über Sie gesetzt, und zwar mit einer Bedingung, die sehr selten ist: daß nämlich, wo-

HERR REINHART.

Erster Auftritt

11

fem Sie in Ihren unmündigen Jahren wider meinen Willen heirathet, ich Ihr von Ihrem Vermögen keinen Häller auszahlen darf. Weis Sie das, Jungfer Lottchen ? JUNGFER LOTTCHEN. O ja! und ich werde mein Vermögen gewiß ganz behalten. HERR REINHART. Das soll mir sehr lieb seyn. Auf die Art aber muß der junge Vielwitz Ihr nicht so albern vorkommen. LOTTCHEN. Wie so? Was geht den jungen Witzling meines Vaters letzte Verordnung an? H E R R R E I N H A R T schüttelt den Kopf. Sie ist sonst so klug, und kann oder will mich nun nicht verstehen! JUNGFER

JUNGFER LOTTCHEN. Nein, ich verstehe Sie H E R R REINHART. Ich habe aber im Sinne,

Paar zu machen.

JUNGFER LOTTCHEN

witz?

erschrickt.

nicht. aus Ihnen beyden ein

Aus uns ? aus mir und aus dem Viel-

Ja, ja. Er ist brav reich, und Sie ist auch brav reich. Sie liest und hört und redt gern was Kluges: und er sagt auch, daß er sehr klug ist. So dünkt mich, Ihr schicktet Euch gut zusammen. JUNGFER LOTTCHEN. Nichts minder, als das. Von allem Unglücke in der Welt, stelle ich mir das als das größte vor, einen solchen Mann zu haben, als der junge Vielwitz ist. HERR REINHART. Was ? einen so reichen Menschen ? JUNGFER LOTTCHEN. Ich habe Geld genug, auch einen Armen glücklich zu machen. HERR REINHART. Den klügsten Menschen von der Welt ? HERR REINHART.

Der Himmel bewahre mich vor dem klügsten Menschen von der Welt; zumal, wenn er ein eingebildeter Thor ist. H E R R REINHART. Bedenke Sie nur die Macht, die mir Ihres Vaters Testament gegeben hat! JUNGFER LOTTCHEN. Diese Vollmacht sieht einem vernünftigen Vater ähnlich. Er hat nur einer unbedachtsamen Thorheit der Jugend vorbeugen wollen. Er hat mich aber nicht zu einer Sklavinn eines fremden Eigensinnes auf Lebenslang gemacht. Wenn ich mündig, und hoffentlich vernünftig genug seyn werde: so kann ich mich nach eigenem Gefallen verheirathen. Mich dünkt dieß ist der Sinn des väterlichen Willens. JUNGFER LOTTCHEN.

Der Witzling

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besinnt sich ein wenig. Es ist endlich wohl wahrl Aber wird Sie wohl noch fünf Jahre Geduld haben ?

HERR REINHART

Ehe ich den Vielwitz nähme; so hätte ich gewiß noch fünfzig Jahre Geduld.

JUNGFER LOTTCHEN.

Kränke Sie mich doch nicht so! Ich bin Ihr so gut, als wenn Sie mein eigenes Kind wärel darum sollte Sie mir auch wohl wieder was zu Gefallen thun.

HERR REINHART.

Von Herzen gern, alles was Sie wollen. Nur daß ich den Vielwitz nicht für klug halten darf.

JUNGFER LOTTCHEN.

HERR REINHART. Der Mensch hat doch aber was gelernet! JUNGFER LOTTCHEN. Das spreche ich ihm nicht ganz ab. Für

einen jungen Menschen weis er schon etwas. Aber darum muß er so stolz und klug nicht thun, als wenn er allen großen Gelehrten in Deutschland die Wage halten könnte.

HERR REINHART.

Das wird sich schon noch geben!

Ich glaube gewiß, wenn er minder von sich hielte, so würde man ihn für einen geschickten jungen Menschen halten können: nun er aber sein Bißchen Vollkommenheiten durch ein Vergrößerungsglas ansieht, so wird er zu einem Gecken.

JUNGFER LOTTCHEN.

Nun, verspreche Sie mir zum mindesten, Jungfer Lottchen, daß Sie ihm einen freyen Zutritt des Nachmittags zum Caffee, wenn Sie doch ohnedem andere gute Freunde bey sich auf dieser Stube hat, verstatten will. Thue Sie mirs zu Liebe!

HERR REINHART.

JUNGFER LOTTCHEN

%uckt die Achseln.

Was will ich machen?

Ich will meinem Sohne sagen, daß er ihm seinen Hochmuth ein wenig verweisen soll. Sie sind ja gute Freunde.

HERR REINHART.

LOTTCHEN. Ihr Herr Sohn ist sein guter Freund, aus Ehrfurcht gegen Sie; weil Sie es ihm befohlen haben: sonst ist er viel zu vernünftig, als daß er ihn eine Stunde um sich leiden könnte.

JUNGFER

Nun, nun! es wird sich schon noch geben. Mein Sohn liebt ja auch die schönen Wissenschaften: so kann er ihm desto dreister zureden. Wird Sie heute Besuch haben, zum Caffee ?

HERR REINHART.

SO viel ich weis, wird sonst niemand kommen, als der junge Vielwitz und Ihr Herr Sohn. Sie fiengen heute bey Tische einen Streit an, den sie hier auf meiner Stube enden wollen.

JUNGFER L O T T C H E N .

Erster Auftritt

13

Wie ? was ? einen Streit ? JUNGFER LOTTCHEN. Ja, sie redeten von der Gottschedischen Schaubühne. Da machte nun der Vielwitz alle Stücke darinnen herunter.

HERR REINHART.

schüttelt den Kopf. Nun! das wüßte ich doch nicht. Ich lese manchmal des Abends darinnen. Alle Stücke gefallen mir zwar auch nicht; aber einige sind doch recht hübsch, und ich denke immer: was mir nicht gefällt, das kann doch wohl einem andern gefallen. J U N G F E R LOTTCHEN. Das macht, Sie denken wie ein vernünftiger Mann; aber nicht wie ein junger Witzling. H E R R REINHART. Neinl so überhaupt muß man kein Buch verachten: so lange noch keines für einen Menschen allein geschrieben ist. Er geht %um Tische und sieht einen versiegelten Brief liegen. H E R R REINHART

Das ist aber die Art dieser jungen HerrenSie glauben, alle Schriftsteller sollen nur streben, die Ehre ihres Beyfalls allein zu erhalten. Ungeachtet dieser Lohn ein wenig klein wärel HERR REINHART. Was hat Sie denn da für einen Brief, Jungfer Lottchen ? JUNGFER L O T T C H E N . Achl es sind Verse von dem jungen Vielwitz. Er hat sie mir heute früh herunter geschickt. H E R R R E I N H A R T erfreut. Ey! das ist mir lieb! Es wird wohl gar eine Liebeserklärung seyn. Warum hat Sie sie denn noch nicht aufgemacht ? JUNGFER LOTTCHEN. Weil ich heute keine Lust zu Kopfschmerzen habe. HERR REINHART. Z U Kopfschmerzen ? Wie so ? JUNGFER L O T T C H E N .

Ich kenne seine Verse schon. Das Rechnen wird mir nicht so sauer, als die Gedichte zu verstehen, die er macht. Sie sind des Kopfbrechens schon bey Ihren Handelsbüchern gewohnet, Herr Reinhart, machen Sie den Brief nur auf, und lesen Sie ihn.

J U N G F E R LOTTCHEN.

Ey! wenn ich in meinem Handelsbuche lese: so bringt mir das Geld ein, ynd hiervon hätte ich nichts. Nein, nein! es ist billig, daß Sie Ihre Liebesbriefe selber erbreche. Ergiebt ihr den Brief. Da! lese Sie es nur selbst. Ich habe ohnedem nothwendig ein Paar Briefe zu schreiben. Er geht ab.

H E R R REINHART.

Der Witzling

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Zweyter Auftritt. wirft den Brief verächtlich auf den Tisch, indem kömmt der

J U N G F E R LOTTCHEN

JUNGE R E I N H A R T .

Ihre Dienerinn, mein Herr Reinhart.

JUNGFER LOTTCHEN. HERR REINHART.

nicht hier ?

Ergebenster Diener, ist der Herr Vielwitz noch

Nein, aber Ihr Papa ist hier gewesen, und hat mich versichert, daß er Ihnen auftragen wollte, den jungen Vielwitz vernünftig zu machen.

JUNGFER L O T T C H E N .

Was? meynt mein Vater, daß ich unmögliche Dinge möglich machen kann?

HERR REINHART.

JUNGFER LOTTCHEN

lacht.

So wie es scheint, traut er Ihnen das zu.

Wenn mein Vater nicht mein Vater wäre, so würden wir, der junge Herr Vielwitz und ich, uns gar selten sprechen.

HERR REINHART.

lächelnd. Ey! seyn Sie immer so gut, und machen Sie ihn ein wenig gescheidt. Es ist zu meinem Besten.

JUNGFER LOTTCHEN

H E R R REINHART.

Wie ? zu Ihrem Besten ?

lachend. Ja, Sie müssen wissen, daß ich im Sinne habe, einmal eine Frau Vielwitzinn zu werden.

JUNGFER LOTTCHEN HERR REINHART.

Sie? Sie?

Ja, ja! ichl Es giebt gute christliche Herzen, die mir dieß Glück wünschen.

JUNGFER LOTTCHEN.

Ich merke schon, was Sie damit meynen; darum mag ich meine Gedanken nicht sagen. Ich möchte auf eine Person treffen, der ich Ehrfurcht schuldig bin.

HERR REINHART.

Ach lieber Herr Reinhart, helfen Sie mir nur bey eben der Person, den Menschen verhaßt machen!

JUNGFER LOTTCHEN.

Ach! das wollen wir ihm selbst überlassen. Glauben Sie nur, er wird sich schon selbst bey meinem Vater, und allen andern so verhaßt machen, daß wir alle Mühe dabey werden ersparen können. Dergleichen hochmüthige und kützelhärige Leute machen ihr Glück in der Welt niemals. Das habe ich schon oft erlebet.

HERR REINHART.

Zweyter Auftritt

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JUNGFER LOTTCHEN. N u n l mit mir ist er fertig. Ich weis schon, was ich v o n ihm halten soll. HERR REINHART. Ich auch. Z u m mindesten werde ich mich v o r noch einer solchen schlaflosen Nacht hüten, als die vorige gewesen ist. JUNGFER LOTTCHEN.

Wie so ? warum haben Sie nicht geschlafen ?

HERR REINHART. Gestern Abends bath er mich, ich möchte doch noch zu ihm auf sein Zimmer kommen, weil er nicht so früh zu Bette gehen könnte. Ich saß zwar schon selber bey einem Buche, darinn ich viel lieber gelesen hätte: indessen gieng ich, theils aus Höflichkeit, theils meinem Vater zu gefallen, zu ihm. Allein! ein Schelm der ihm wieder kömmt! v o r drey Uhren des Morgens bin ich nicht v o n seiner Stube gekommen. JUNGFER LOTTCHEN. Wie so ? Sie werden doch nicht mit einander noch poculirt haben ? R E I N H A R T lachend. A c h nein! Es gieng ganz trocken zu I Z u m mindesten floß nichts als die Hippokrene bey uns. Denn er empfing mich mit Versen, und unterhielt mich mit Versen. Was er seit 5 oder 6 Jahren gemacht hat, das sagte er mir erst alles auswendig her, bis er ganz blau im Gesichte ward, und der Schaum ihm v o r dem Munde stand. Nachmals kam er auf seine Jugendgedichte, und da holte er einen großen Ballen Papier hervor, daß ich vor Schrecken bald des Todes war. Daran mußte ich nun meine Pein hören, bis die Glocke drey schlug.

HERR

JUNGFER LOTTCHEN

lacht sehr.

Warum schliefen Sie aber nicht ein

dabey ? HERR REINHART.

J a ! w e n n das v o r d e m G e s c h r e y a n g i e n g e . E s ist

nicht anders, als wenn die jungen Dichter eine quackerische Begeisterung überfällt, wann sie jemanden ihre Gedichte vorlesen, oder vorsagen. Sie sind alsdann ärgere Schreyer, als der Stentor. JUNGFER LOTTCHEN

lacht.

N u n ! das gefällt mir!

HERR REINHART. Ich weis aber wohl, was ich thun werde. Ich will ihm den jungen Sinnreich und Jambus einmal des Abends auf die Stube schicken. Das sind auch solche Herren, die sich auf ihre Gedichte was rechts einbilden, und sie gern alle Menschen auswendig lehren möchten. D a wird nun eine rechte Hetze angehen! Entweder sie werden alle drey zugleich schreyen; oder einer wird dem andern das Maul zuhalten müssen. Er lacht.

16

Der Witzimg

OL da müssen Sie mir sagen, wenn Sie das thun wollen. Da will ich doch die schöne Comödie zum mindesten vor der Thüre anhören.

JUNGFER LOTTCHEN.

Ey, Sie sollen jetzo gleich einen schönen Vorschmack davon haben; denn die Wahrheit zu sagen, ich habe sie herbestellt. Sie werden mir das nicht übel nehmen.

HERR REINHART.

Ey was haben Sie gemacht? Sollt ich die poetische Cordegarde hier in meinem Zimmer haben?

J U N G F E R LOTTCHEN.

Sie wird Ihnen tausend Lust machen I Und wer weis, wozu es gut seyn kann?

HERR REINHART.

Ich wollte mein Gehör gern bis an mein Ende behalten, und die

JUNGFER L O T T C H E N .

Dritter Auftritt. JUNGFER LOTTCHEN. H E R R REINHART. H E R R

VIELWITZ

kömmt mit dem Hute auf dem Kopfe herein, und nimmt ihn erst ab, nachdem er die Thüre zugemacht hat. V I E L W I T Z sehr gravitätisch. Ihr gehorsamer Diener meine liebe Demoiselle! Ihr ergebner Diener, Herr Reinhart!

HERR

LOTTCHEN. Ihre Dienerinn, Herr Vielwitz. Regnet es etwa draußen im Vorsaale ?

JUNGFER

HERR VIELWITZ

sich verwundernd und lächelnd.

Im Vorsaale ? nein!

LOTTCHEN. Ich glaube es wohl. Aber ich vermuthete etwas dergleichen; weil Sie mit dem Hute auf dem Kopfe herein kamen.

JUNGFER

HERR

Sein Herr Vater kömmt allezeit so auf seine

REINHART.

Schreibstube.

lächelnd. diener; aber hier nicht.

J U N G F E R LOTTCHEN

Ja, da sitzen auch seine Kaufmanns-

VIELWITZ. Ländlich, sittlich. Bey m i c h kömmt niemand anders in e i n e r Stube, als mit d e n Hut auf d e n Kopf.

HERR

Ja, jal grobe Moden, sind auch Moden. Setzen Sie sich doch. Sie setzen sich, fungfer Lottchen klingelt.

J U N G F E R LOTTCHEN. HERR REINHART.

Vielwitz ?

Sind Sie etwa ausgegangen gewesen, mein Herr

17

Vierter Auftritt HERR VIELWITZ.

gewesen.

Ja, heute Vormittage bin ich in etliche Collegia

JUNGFER LOTTCHEN.

len?

Nun, wie haben Ihnen unsere Lehrer gefal-

V I E L W I T Z %uckt die Achseln. Was das für schlechte Leute sind! Wie werde ich noch meine Präceptores zu Hause bedauren! NeinI so was elendes hätte ich mich nicht vermuthet.

HERR

HERR REINHART

erstaunt.

Wie ? bey wem sind Sie denn gewesen ?

verächtlich. Achl ich mag die lieben Leute nicht nennen! Sie stehn einmal in einem gewissen Ansehn bey der Welt. Lächelnd. Sie mögen ihren Ruhm genießen! ich will sie nicht zu Boden schlagen.

HERR VIELWITZ

Ihr Urtheil würde sie vielleicht auch wohl nicht gleich zu elenden Leuten machen: wenn es gleich Männer sind, die, wie Sie sagen, schon ein Ansehen in der Welt erhalten haben.

JUNGFER LOTTCHEN.

Vierter Auftritt. D I E VORIGEN. PAUL. P A U L %U Jungfer

Lottchen.

JUNGFER L O T T C H E N .

Was befehlen Sie ?

Bringt Caffee!

Der Diener geht ab.

lächelnd. Sie werden also Ihren Zweck hier sehr schlecht erreichen, da Sie studierens wegen hergekommen sind ?

HERR REINHART

Studierenswegen bin ich eben nicht h i e r g e k o m m e n . Ich habe nur im Sinne gehabt, das was ich zu Hause gehöret, nicht ganz und gar zu vergessen! Allein ehe ich das elende Zeug anhören wollte, ehe wollte ich in ein Jahr nicht aus m e i n e Stube gehen.

HERR VIELWITZ.

E Y : wenn ich an Ihrer Stelle wäre, so reisete ich gleich wieder nach Hause, und wiese den Leipzigern, auf was für Lehrer sie sich erst geschickt machen müßten, wenn ich bey ihnen studieren sollte.

JUNGFER LOTTCHEN.

E S ist nun in meiner Vaterstadt der Schlendrian, daß wir erst drey oder vier Jahre auf d i e hohen Schulen das vergessen müssen, was wir zu Hause gelernet haben.

HERR VIELWITZ.

I

KOMEDIA I

18

Der Witzling

HERR REINHART.

Das ist ja erbärmlich I

JUNGFER LOTTCHEN.

Schade, um so viel treffliche Gelehrsamkeit!

Zum mindesten aber könnten Sie doch in dieser Zeit der Welt mit Schriften dienen. Es giebt ja mehr große Geister, die kaum von der Schule kommen, und auf der Akademie nichts zu thun wissen, als daß sie gleich Scribenten werden.

HERR REINHART.

Ich habe freylich an Leibnitzens seiner Infinitesimalrechnung und an des Aristoteles Poetik verschiedene wichtige Puncte auszusetzen gefunden. Vielleicht mache ich m i r einmal darüber. Allein wie viel gute Namen wird das nicht kosten. Wie viel Stümper werden da nicht zum Vorscheine kommen 1 die man bisher für große Leute gehalten, und die doch diesen zween Leuten alles nur so treuherzig nachgebethet haben.

HERR VIELWITZ.

L O T T C H E N lächelnd. Eyl mit denen wollte ich gar kein Mitleiden haben. Wenn sie solche blinde Affen gewesen sind: so mögen sie sichs auch gefallen lassen, daß sie mit zu Schanden werden.

JUNGFER

Hier kömmt der Diener und bringt einen Caffeetiscb mit dem Geräthe, Jungfer Lottchen schenkt ein. Es taugt hernach, wenn ich meine Anmerkungen über d e m Aristoteles fertig habe, darinn ich seine Regeln widerlege, keine Poetik, weder bey die Franzosen, noch bei d i e Deutschen was.

HERR VIELWITZ.

HERR REINHART.

Haben wir denn dieß Werk bald zu hoffen ?

Das kann ich nicht sagen. Es liegt zwar schon fertig: denn ich habe es, die Wahrheit zu sagen, gemacht, wie ich noch in die Schule auf Secundawar: allein wenn man doch schon eine gewisse Reputation für sich hat . . .

HERR

VIELWITZ.

LOTTCHEN. Freylich! die darf man so nicht ins Gelag hinein wagen. Zumal wenn sie noch so frisch ist. Sie giebt ihm ein Schälchen Caffee, dem Reinhart auch.

JUNGFER

trinkt. Das ist ein schöner Caffee! Mademoiselle, was geben Sie d a v o r .

HERR VIELWITZ

Ey I solche große Gelehrten, die müssen nicht wissen, was solche Kleinigkeiten in der Haushaltung kosten 1

JUNGFER LOTTCHEN.

Ja, das ist nun einmal meine Schwachheit, daß ich das alles wissen muß. D a k a n n i c h n i c h t v o r . Ich will es Ihnen sagen. V o r den Caffee haben Sie höchstens 20 Gr. gegeben: denn bey uns kostet er 16 Gr. schwer Geld.

HERR VIELWITZ.

Fünfter Auftritt

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HERR REINHART. Nun das ist wahr I Ich schmecke wohl, daß der Caffee sehr gut ist: aber zu schmecken: was er kostet, dazu ist meine Zunge zu dumm. HERR VIELWITZ nimmt ein Stück Zucker vom Scbälchen. Und v o r den Zucker ? Er besieht ihn. Wo Sie v o r den Zucker mehr als 22 Rthlr. v o r den Centner gegeben habenI so sind Sie betrogen. HERR REINHART. Sie haben von Ihrem Herrn Vater die Preise besser gelernet, als ich von meinem. JUNGFER LOTTCHEN. Nein, Herr Vielwitz, ich verliere alle Hochachtung gegen Ihre zukünftige gelehrte Schriften; wo Sie die Preise von mehrern Eßwaaren wissen.

Fünfter Auftritt. D I E VORIGEN. H E R R SINNREICH. H E R R JAMBUS.

Sie kommen mit ungezogenen wilden Minen ins Zimmer. Reinhart empfängt sie. HERR REINHART. Ihr Diener meine Herren. Hier sehen Sie den Herrn Vielwitz, einen jungen Menschen aus Niedersachsen, der unserer Universität die Ehre thun, und hier studieren will. HERR SINNREICH. zu sehen.

Ihr Diener, mein Herr, ich bin erfreut, I h n e n

HERR JAMBUS. ES ist mir ein Vergnügen, I h n e n kennen zu lernen. HERR VIELWITZ. E s ist m i c h herzlich angenehm, ein Paar solche Männer hier zu sehen, v o n d i e der Herr Reinhart m i c h so viel Gutes gesagt hat. HERR REINHART.

Setzen Sie sich doch.

Sie laufen beide in eine Ecke des Zimmers und legen die Hüte und die Degen ab. fungfer Lottchen will sich darüber aufhalten. Reinhart aber winkt ihr, sie soll es nur lassen gut seyn. Sie setzen sich Caffeetische. fungfer Lottchen schenkt einem jeden Caffee ein. HERR JAMBUS der allemal sehr schreyet. Ist es schon lange mein Herr Vielwitz, daß wir die Ehre haben, I h n e n hier zu sehen? HERR VIELWITZ.

E s ist erst vierzehn Tage.

HERR SINNREICH.

W o logieren Sie d e n n ?



Der Witzling

20 HERR VIELWITZ. H E R R JAMBUS.

Ich bin hier bey dem Herrn Reinhart i n s H a u s .

H a b e n S i e i n W i l l e n s lange hier zu bleiben?

Ey, was ? meine Herren, Sie müssen mit dem Herrn Vielwitz solche gleichgültige Dinge, nicht reden. Er ist ein großer Poet.

JUNGFER LOTTCHEN.

H E R R JAMBUS.

Ein Poet ? dienen.

H E R R VIELWITZ.

ZU

HERR REINHART.

Und ein Mathematicus dazu!

Ein Mathematicus? Wie haben Sie sich denn bis zum Dichter erniedrigen können?

H E R R SINNREICH.

Ey, mein lieber Herr Sinnreich, es hat eher gescheide Poeten gegeben, als gescheide Mathematicos.

H E R R JAMBUS.

Ey, Herr Jambus, wir sind gute Freunde: aber in das Alter der Mathematik müssen Sie nicht pfuschen. Sie möchten sonst eine Sau machen.

H E R R SINNREICH.

Es ist wahr, die Mathematik ist das Edelste, was ein denkendes Wesen lernen und wissen kann.

HERR VIELWITZ.

Sie ist die einzige Wissenschaft, die Wahrheiten aufzuweisen hat: mit allen andern ist es lauter Ungewißheit. O Meßkunst 1 Zaum der Phantasie, Wer dir nur folget, irret nie! Wer ohne dich will gehn, der gleitet!

H E R R SINNREICH.

spöttisch. Es ist wohl wahr; daß 2 mal 2 4 ist, das ist eine viel gewissere Wahrheit, als daß die Sonne hell scheint!

JUNGFER LOTTCHEN

lachend. Ich möchte gleichwohl lieber ein Capitel von Leibnitzens Theodicee gemacht haben, als der Erfinder des Einmal Eins seyn: was für ewige Wahrheiten auch immer darinnen stehen. Zu Jungfer Lottchen. Ich bleibe mit Fleiß bey dem Gleichnisse, was Sie aus der Arithmetik genommen haben: ungeachtet sie nur ein Theil der Mathematik ist.

H E R R REINHART

Ich streite Ihnen nicht, daß Leibnitz ein großer Mann gewesen I das macht aber, er war ein großer Mathematicus.

H E R R SINNREICH.

zeigt auf Vielwit^en. Da sitzt aber ein Mann, der an der Leibnitzischen Infinitesimalrechnung sehr viel auszusetzen hat.

HERR REINHART

Fünfter Auftritt

21

sieht ihn von oben bis unten an. Sie ? an Leibnitzens Infinitesimalrechnung ?

H E R R SINNREICH

sieht ihn wieder so an. Ja, mein Herr. Ich bin nicht gern ein blinder Verehrer von d i e großen Leute. Ich untersuche gern alles, und da finde ich, daß sie alle irrende Menschen gewesen.

HERR VIELWITZ

voll Verwunderung. denn daran auszusetzen ?

H E R R SINNREICH

hochmüthig. herauskommen wird.

H E R R VIELWITZ

Nun? z. E. was haben Sie

Das wird sich zeigen, wenn mein Werk

Sie müssen wissen, daß der Herr Vielwitz sein Werk schon auf der Schule, als ein Secundaner, geschrieben hat. Es ist also schon fertig.

H E R R REINHART.

sich verwundernd. einer Schule gewesen ?

H E R R SINNREICH

Auf der Schule? Sind Sie auf

Ja, mein Herr. Meines wissens bringt man das Latein nicht mit auf die Welt. Sind Sie etwa auf keiner Schule gewesen ?

HERR VIELWITZ.

wäre eben so gut, wann es unterblieben wäre! Ich habe doch von keinem Lehrer was gelernet, als von dem Mathematico: das ist noch der einzige, von dem ich was gelernet habe!

H E R R SINNREICH. E S

lachend. Haben Sie denn das Lesen und Schreiben schon die ersten acht Tage Ihres Lebens gekonnt ?

JUNGFER LOTTCHEN

Nun, das könnte wohl seynl Wenigstens kann ich ihm das Zeugniß geben, daß er so schreibt, als ich in meinem ersten Jahre auch hätte schreiben wollen.

H E R R JAMBUS.

lachend. Ja, Herr Sinnreich, Ihre Liebste wird sich erst einmal an D. Fausts Zauberzeichen üben müssen, ehe sie Ihre Hand wird lesen können.

HERR REINHART

stolz- Docti male pingunt! Indessen, um wieder auf die Schulen zu kommen; so wird man da nur mit lauter Ungewißheiten gequälet. Mit der philosophischen Ungewißheit, mit der juristischen, medicinischen, oratorischen, historischen, poetischen und tausend andern Ungewißheiten: so daß noch das einzige Wahre, was man höret, die Mathematik ist.

H E R R SINNREICH

lachend. Also, mein Herr Sinnreich, alles was Sie außer der Mathematik gelernet haben, das ist erlogen?

H E R R REINHART

22

Der Witzling

E S giebt wohl einige Arten von halben Gewißheiten, oder Wahrscheinlichkeiten, in den andern Wissenschaften; allein auf die kann ein Kopf, der zu den ewigen Wahrheiten gebohren ist, allenfalls von sich selbst kommen. Dazu hätte ich keine Lehrer nöthig gehabt I

H E R R SINNREICH.

Nun es ist mir lieb, daß ich keiner von Ihren Lehrern gewesen bin. Das würde mir ein wenig undankbar vorkommen I

JUNGFER LOTTCHEN.

Wenn Sie mir die Ehre thun, und meine Lehrmeisterinn werden wollen; so will ich Ihnen gern alle meine Wissenschaften verdanken.

H E R R SINNREICH.

Sie werden also wohl schon etwas mathematisches geschrieben haben? Darf ich m i c h wohl etwas davon zu sehen ausbitten ? H E R R SINNREICH. In etwa vierzehn Tagen, werde ich S i e mit einer Dissertation aufwarten können. HERR VIELWITZ.

HERR VIELWITZ.

Wovon wird sie handeln ?

Von dem Maaße des Winkels der Abweichung derer Gesichtsstralen, womit ein Schielender einen Gegenstand ansieht. H E R R V I E L W I T Z . Das ist eine neue Materie! H E R R SINNREICH.

Was ich davon sagen werde, das wird auch alles ganz neu seyn. Die Erfindungen g e h ö r e n alle m e i n e : und ich habe deswegen kein optisches Werk, ja nicht einmal den Newton nachgeschlagen: ungeachtet dieser noch das einzige Buch ist, das man sich nicht schämen darf, gelesen zu haben.

H E R R SINNREICH.

H E R R VIELWITZ.

Ich bin recht neugierig, das zu lesen.

Die Beweise schließe ich allemal mit einer oder zwey Zeilen aus einem mathematischen Poeten, als Pope, Gebhardi, oder dergleichen.

H E R R SINNREICH.

Nun, da sehen wirsl vorhin wollten Sie die Poesie herunter machen, und jetzt spicken Sie Ihre mathematischen Abhandlungen damit aus.

H E R R JAMBUS.

Ey Poesie und Poesie ist sehr unterschieden: Ich meyne nicht die Wiegenliederpoeten, wie Opitz, Canitz, Besser, Neukirch, Günther, und andere Dichter; sondern diejenigen, darinn man, das Wahre, das Schöne, das Hohe, das Tiefe, das Dunkele, das Gedachte, das Schalkhafte . . . kurz, alles, was man nur abstract nennen kann, antrifft.

H E R R SINNREICH.

Fünfter Auftritt lachend. Abgezogene nennen?

JUNGFER LOTTCHEN

23

Abstract ? könnte man das nicht das

lacht. Ja jal das A b g e z o g e n e in Gedichten. Das ist sehr schön und a b g e z o g e n gesagtI

H E R R REINHART

Nun Herr Sinnreich, Sie haben anjetzt den Herren Vielwitz lange genug unterhalten; nunmehr lassen Sie mich auch einmal mit der Dichtkunst daran kommen. Es ist ganz unnatürlich, daß ein Poet so lange schweigen und zuhören soll.

H E R R JAMBUS.

Meinethalben I Ich werde zum mindesten von der Poesie auch mit reden können. Dahingegen Sie von der Mathematik schweigen, und uns allein reden lassen mußten.

H E R R SINNREICH.

zum Vielwit^e. drucken lassen ?

H E R R JAMBUS

Sie haben unfehlbar schon viel schönes

Nein, das eben nicht. Aber ich denke dennoch, daß meine Arbeiten hier nicht unbekannt seyn können.

HERR VIELWITZ.

H E R R SINNREICH.

zu haben.

Ich besinne mich nicht; etwas von S i e gelesen

erstaunt. Haben Sie nicht vergangenen August die Cantate auf dem Schellhaferischen Saale gehört?

H E R R VIELWITZ

H E R R JAMBUS.

Nein. Haben Sie die etwa gemacht?

Ja. Der Componist schrieb an m i r und ersuchte m i r , ich möchte ihm die Ehre thun und ihm eine Cantate machen.

HERR VIELWITZ.

%u den andern. Ey! meine Herren, das sollten Sie dem Manne nicht für ungenossen ausgehen lassen! Was ? Zween solche körnichte Dichter in der Stadt zu haben, und noch nach Niedersachsen zu gehen, wenn man was schönes haben will? Das litte ich nicht! Sie schütteln die Köpfe. Lottchen lacht.

H E R R REINHART

Ich mochte es ihm auch nicht abschlagen: denn ich dachte, es könnte des ehrlichen Mannes Glück seyn. Wenn er aber so dumm gewesen ist, und hat meinen Namen nicht darzu drucken lassen: Da habe ich nicht schuld anl D a kann ich nicht v o r .

HERR VIELWITZ.

H E R R SINNREICH.

Nein, wir haben hier nichts davon gewußt.

Das ist ein dummes B e e s t l Bey m i c h hat sich ein Componist Haus und Hof mit einer von meinen Cantaten verdient: sie war m i c h aber auch schön gerathen.

HERR VIELWITZ.

H E R R REINHART.

OI daran ist kein Zweifel.

24

Der Witzling

Indessen, die ich n a c h h i e r machte, war auch schön: denn ich dachte, du mußt doch d i e Leipziger was hermachen, das eine Art hat! In e i n e Arie hatte ich aus der A l g e b r a was angebracht. Das war recht schön. Ich hatte m i c h aber auch viel Mühe gegeben . . . kann ich m i r nicht noch darauf besinnen ? Er sinnt nach.

HERR VIELWITZ.

HERR

JAMBUS.

Bedienen Sie sich auch der Participiorum, Herr

Vielwitz ? HERR VIELWITZ. E Y !

recht voll davon. JUNGFER LOTTCHEN.

die sind meine beste Zierde! Die Cantate war Was sind das für Dinger, Herr Reinhart?

lächelnd. Das ist eben das, als wenn ich Ihnen s a g t e : z u k a l t z u m T r i n k e n , wird der CafFee wohl weggeräumt werden müssen.

HERR REINHART

lacht. So sol und: N i c h t g e b o h r e n z u m a u f w a r t e n , werde ich wohl den Diener rufen müssen. Sie steht auf; die andern lachen und Jambus aus vollem Halse: so daß sich Lottchen die Ohren %uhält und abgeht.

JUNGFER LOTTCHEN

Sechster Auftritt. HERR REINHART. HERR VIELWITZ. H E R R JAMBUS. H E R R S I N N R E I C H .

Das ist mir eine herzliche Freude, daß ich höre, daß Sie die Participia lieben.

H E R R JAMBUS.

HERR SINNREICH.

Mir ebenfalls. Ohne Participia kann man gar

nichts denken. Und f ü r e i n e m Verse, der nicht gedacht ist, da stehe ich nicht v o r auf.

H E R R VIELWITZ.

lachend. undeutsch geredet.

HERR REINHART

O

freylich! Und gedacht, das heißt wacker

Ey, das macht, Sie haben sich in d e r deutschen Schaubühne verliebt, drum finden Sie keinen Geschmack an klugen Versen.

HERR VIELWITZ.

REINHART. So? das heißt, in der deutschen Schaubühne steht lauter dummes Zeug?

HERR

25

Sechster Auftritt

Nun, wer poetische Wassersuppen lesen will, der kann sie gewiß da finden.

H E R R SINNREICH.

Ey meine Herren, es ist m i c h eine rechte Freude, daß Sie auch hierinnen meiner Meynung sind. Ein einzig Stück nehme ich aus; davon ist der Verfasser mein guter Freund. Aber die andern taugen alle nichts.

HERR VIELWITZ.

Sie meynen etwa das erste Stück in einem gewissen Bande? Ja, ja! Es heißt doch aber auch zuweilen: bonus dormitat Homerus.

H E R R JAMBUS.

Alle Zeilen sind freylich nicht gedacht. Indessen ubi plura nitent in carmine etc. diese Regel brauche ich zwar sonst bey keinem Gedichte: aber weil dieß mein guter Freund ist!

HERR VIELWITZ.

H E R R SINNREICH.

liche . . . HERR

Die andern sind alle u n e n d l i c h u n t e r dem!

Das M a t t e , das K a l t e , das U n w a h r s c h e i n -

H E R R JAMBUS. REINHART

Nicht wahr?

lächelnd.

Das sich nicht

Lesenlassende?

Freylich, ich weis nichts ungeschickters, als der Jean de France, der sich auf dem Theater das Kleid abzieht. Er lacht hönisch.

HERR VIELWITZ.

Und der dumme Schöps, der im Menschenfeinde die Participia lächerlich machen will!

H E R R JAMBUS.

Nein! ich hätte m i c h in einem solchen Werke doch bessere Sachen vermuthet. Da wird unsere Zeit keine Ehre v o n haben.

HERR VIELWITZ.

H E R R SINNREICH.

Sollen das Meisterstücke seyn?

HERR REINHART. W O H E R R JAMBUS

hat denn der Herausgeber welche versprochen ?

heftig. Aber wir fordern welche!

lacht sehr. Ganz gut. Wenn er einmal für Sie ganz allein eine Schaubühne herausgeben wird: so wird er sich vielleicht auf welche befleißigen, oder sich Ihre eigene Arbeiten ausbitten, die Sie doch wohl für Meisterstücke werden gelten lassen. Es kömmt ein Diener und nimmt den Caffeetisch weg. Anjetzt aber ist seine Absicht nur gewesen, Stücke zu liefern, die nicht so sehr wider die Regeln verstießen, und den Comödianten Sachen zu liefern, die viel gesitteter und gescheidter wären, als das elende Zeug, was sie bisher fast überall gespielt haben. Das werden Sie doch den Stücken in der Schaubühne nicht absprechen können.

H E R R REINHART

26 H E R R JAMBUS.

Banise ?

Der Witzling Sie lachen alle drej spöttisch. Sie meynen doch auch die

Ja, ja, auch die I denn sie ist doch unendlich besser, als die alte prosaische Banise, die man gleichwohl noch immer spielt, so dumm als sie ist. Setzen Sie sich aber nur hin, und machen Sie eine bessere, wenn Ihnen diese nicht gefällt. Das wird den Herausgeber nicht verdrießen, sondern ihm eine wahre Freude seyn. H E R R JAMBUS lacht sehr. HERR REINHART.

das ist eine kluge Antwort! mich dünkt doch, es giebt keine bessere Art zu beweisen, daß eine Sache schlecht sey, als wenn man sich geschwinde hinsetzt, und was bessers macht. H E R R V I E L W I T Z . Wir verstehn das Theater auch ein wenig, mein Herr Reinhart.

HERR REINHART. O

Nun gut. Wo sind denn die Meisterstücke, die Sie gemacht haben? Ich sehe sie doch noch nicht.

HERR REINHART.

SO müssen Sie gewiß noch nicht das Päckchen gelesen haben, was ich Ihnen gestern Abends mit gab. Ich habe freylich einige gemacht.

HERR VIELWITZ.

H E R R REINHART.

gewesen. H E R R JAMBUS.

Nein, ich bin heute Vormittags sehr beschäftigt

Und von meinen Sachen haben Sie genug gelesen?

Ja. Nur daß ich daran gewiß eben so viel auszusetzen hätte, als Sie an der deutschen Schaubühne auszusetzen finden. H E R R SINNREICH. Und was wollten Sie wohl an meinen Stücken aussetzen ? H E R R R E I N H A R T . Fürs erste dieses, daß sie undeutsch sind. H E R R REINHART.

H A I hal hal sind Sie auch einer v o n d i e Mückensäuger, die der Grammatik zu gefallen, einen schönen Gedanken ersticken ?

H E R R VIELWITZ.

Ich schreibe nicht für die Leute, die erst decliniren und conjugiren lernen wollen. HERR REINHART. Sie schreiben aber für Ihre Leser, und denen gefällt man eben nicht mit Sprachschnitzern. H E R R JAMBUS.

O ja, ich lese allemal lieber einen schönen Gedanken, als einen richtigen Ausdruck.

H E R R SINNREICH.

Sechster Auftritt

27

Und m i r dünkt, ein Gedanken kömmt m i c h noch einmal so schön vor, wenn der Ausdruck wider die Grammatik läuft.

H E R R VIELWITZ.

Ich will Ihnen noch mehr sagen, der ganze Gedanke besteht oftmals nur im Schnitzer: wenn Sie die Worte recht zusammen setzen; so ist gewiß kein Gedanke mehr da.

HERR REINHART.

Ach 1 das ist nur eine Erfindung der seichten Köpfe, die nicht die Fähigkeit haben zu denken.

H E R R JAMBUS.

lachend. Je, meynen Sie denn, daß eine so große Kunst dazu gehöre, Sprachschnitzer zu machen? Das kann ich alle Augenblicke auch; wenn das anders Witz und Hexerey heißen soll. Aber warum machen Sie es in den lateinischen Versen nicht auch so? Warum binden Sie sich da an die Grammatik?

H E R R REINHART

HERR VIELWITZ.

O das ist was anders 1 Deutsch ist nicht lateinisch! Ja, das höre ich heute nicht zum erstenmale.

HERR REINHART.

Die lateinische Sprache hat nun einmal ihre Regeln. Allein man müßte sehr verblendet seyn, wenn man das auch von der deutschen sagen wollte.

H E R R SINNREICH.

HERR REINHART. H E R R JAMBUS.

will.

Was ? die deutsche Sprache hat also keine Regeln ?

Nein. Man kann im Deutschen alles sagen, was man

Das bestreite ich nicht; aber man kann und muß es auch mit guten deutschen Ausdrücken sagen.

H E R R REINHART.

Nein, über dem Zwange geht mancher schöne Gedanke verloren.

HERR VIELWITZ.

HERR REINHART.

Ich wollte wohl wetten, daß sich hundertmalen nicht zweymal zutrifft. Z. E. Ich las einem Gedichte, da ein Verliebter seine Schöne um ersuchet, den Ausdruck; u n s w i r d n i c h t i m m e r s e y n . Ist das nicht ein bloßer Latinismus?

dieß unter neulich in Gegenliebe Frühling

H E R R SINNREICH.

Latinismus oder nicht I der Gedanken ist doch

schön. HERR VIELWITZ.

Ja, er i s t a l l artig.

Würde er aber nicht bleiben, was er ist, wenn ich ihn nun gleich so verdeutschete: W i r w e r d e n n i c h t i m m e r jung seyn ?

H E R R REINHART.

Sie schreyen alle drey.

Nein! nein! nein! das ist kalt, matt, frostig!

28

Der Witzling

^uckt die Achseln und lacht. Da sehen Sies ja nun, daß Ihnen bloß der Sprachschnitzer gefällt; der Gedanke ist ja eben derselbe.

H E R R REINHART

Bey Leibe nicht. Uns w i r d n i c h t i m m e r F r ü h l i n g s e y n l das ist so malerisch, so körnicht geredet. Das andere ist lauter Wasser dagegen.

H E R R JAMBUS.

Wahrhaftig! M i r ist F r ü h l i n g ; das kömmt mir eben so vor, als wenn ich mit den Epistolis obscurorum virorum sagen sollte: Habemus valde calidam Aestatem. Sie lachen alle.

HERR REINHART.

Nun es ist mir lieb, daß wir den Herrn Vielwitz hieher bekommen haben. Wissen Sie was, Herr Jambus, wir müssen eine Gesellschaft mit einander aufrichten.

H E R R SINNREICH.

HERR VIELWITZ. HERR JAMBUS.

Von Herzen gern, da bin ich mit b e y .

Und zwar eine A n t i g r a m m a t i k a l i s c h e .

Ja, ja! daß wir die Leute einmal das Vorurtheil aus den Kopf bringen, daß man denken und doch rein Deutsch schreiben müsse.

HERR VIELWITZ.

HERR SINNREICH.

Sie haben es getroffen.

lachend. O du arme deutsche Sprache! erzittere! dir w i r d n i c h t i m m e r S c h ö n h e i t s e y n l

HERR REINHART

Nun, nun, spotten Sie nur nicht! Ihre Gedichte sollen brav herhalten, wenn Sie welche machen werden, die rein Deutsch sind. H E R R R E I N H A R T . O das Märtyrthum würde mir eine Ehre seyn! allein es hat keine Noth. Ich treibe jetzt mein Advocatenhandwerk; weil mir ein witziger Kopf, der kein Brod hat, ein sehr elendes Geschöpf zu seyn scheint. Ich werde deswegen doch wohl wegen alter Bekanntschaft den Musen gewogen bleiben. Allein meiner Muttersprache auch. Wenn ich schlechtes und verstümmeltes Deutsch lesen will: so lese ich meine Acten und die Zeitungen! und wenn ich mir über einem Gedichte den Kopf zerbrechen will, so lese ich den Pindar und Persius selbst: und nicht ihre neuern Nachäffer. H E R R JAMBUS.

den andern. Lassen Sie i hm gehen. Den bekehren wir schon nicht! wie soll denn aber unsere neue Gesellschaft heißen? H E R R SINNREICH. Ja, einen Namen müssen wir doch haben. Wie wäre es, wenn wir uns die p a r t i c i p i a l i s c h e G e s e l l s c h a f t nennten ? HERR VIELWITZ

Sechster Auftritt

29

Nein, nein! das würde nur eine einzige Eigenschaft ausdrücken: wir müssen aber auch zugleich andeuten, daß wir auf das K ö r n i c h t e , und auf die G e d a n k e n gehen.

H E R R JAMBUS.

lachend. Ey! so nennen Sie sich die d e n k e n d e u n d e u t s c h e G e s e l l s c h a f t , oder die u n d e u t s c h d e n k e n d e Gesellschaft.

H E R R REINHART

Die D e n k e n d e ? das gienge wohl hin; aber die Undeutsche, das ist nichts: denn damit gäben wir selbst zu, daß unsere Gedichte undeutsch wären.

HERR VIELWITZ.

Freylich. Er besinnt sich. Wissen Sie was, meine Herren? wir wollen uns die d e n k e n d e S p r a c h s c h n i t z e r G e s e l l s c h a f t nennen.

H E R R JAMBUS.

H E R R SINNREICH.

Ja, ja: der grammatikalischen Zunft zu Trotze!

Gut, gut! das drückt auch zugleich aus, daß wir nicht allein die Participia; sondern auch alle andere Schnitzer in der Sprache dulden.

HERR VIELWITZ.

J a : nur daß der Poet auch d e n k e ! denn d e n k e n muß er! sonst ist alles nichts.

H E R R SINNREICH.

Nun also heißen wir: die d e n k e n d e S p r a c h s c h n i t z e r - G e s e l l s c h a f t . Sie sagen alle. Ja! ja! und geben sich die Hände, umarmen sich auch. Ein jeder sagt Ihr Diener, Herr College.

H E R R JAMBUS.

macht einen Reveren% an sie. Ich gratulire von Herzen zu dieser neuen Societät, die den menschlichen Verstand wieder zu seiner alten Würde verhelfen wird; und empfehle mich Dero herzinniglichem Mitleiden, meine hochzuehrenden denkenden Herren Sprachschnitzlet! Sie schütteln die Köpfe.

H E R R REINHART

H E R R SINNREICH.

meine Herren?

Bey wem versammlen wir uns denn künftig

Wollen Sie zu m i c h auf m e i n e r Stube kommen; so steht Ihnen allemal ein Glas Wein und ein Stück Hamburger Rauchfleisch zu Diensten.

HERR VIELWITZ.

Ey! die Anerbiethung nehmen Sie ja an, meine Herren. Es denkt sich noch einmal so gut, wenn man was zum Besten darbey hat.

HERR REINHART.

H E R R SINNREICH.

Wenn es Sie so beliebt, so lasse ich mirs gefallen.

Wenn es Sie nur nicht zu beschwerlich fällt, mein Herr Vielwitz.

H E R R JAMBUS.

30 HERR VIELWITZ.

seyn.

Der Witzling Im geringsten nicht; es soll m i c h eine Freude

Und da wollen wir alles, was Neues herauskömmt, vornehmen, und das Seichte, das Matte, das Niedrige, das Kriechende, das unendlich drunter seyende, u. s. w. untersuchen.

H E R R JAMBUS.

Ja, ja. Damit wir uns aber nicht mit allem dem schlechten Zeuge, was die andern Scribenten schmieren, den Geschmack zu sehr verderben: so wollen wir jedesmal uns auch von unsern Arbeiten was vorlesen; und uns sonderlich bemühen, unsre Sprache mit den abgebrochenen Redensarten der Engländer zu bereichern; die von den wässerichten Dichtern insgemein Anglicismi und Barbarismi genennet werden.

H E R R SINNREICH.

Ja, und mit der Zeit können wir das, was wir uns denn vorgelesen und so gemustert und geändert haben, daß gar nichts mehr daran auszusetzen ist, als Muster der deutschen Dichtkunst in einem Bändchen drucken lassen.

H E R R JAMBUS.

Noch zur Zeit sehe ich nicht, daß die Welt es werth wäre, etwas von mir zu lesen. Die Zeiten müßten sich noch sehr ändern! H E R R SINNREICH. Nun? wenn kommen wir zum erstenmale zusammen, meine Herren ? HERR VIELWITZ.

Wenn es Sie beliebt, Herr Vielwitz, so können wir morgendes Tages anfangen. H E R R V I E L W I T Z . Ja, meine Herren. Ich werde die Ehre haben Sie zu erwarten. H E R R R E I N H A R T . Darf denn ein so unwürdiger deutscher Michel, als ich bin, zuweilen auch das Glück haben, Ihren denkenden Versammlungen beyzuwohnen.

H E R R JAMBUS.

H E R R SINNREICH.

Ja, ja; aber nur als ein Zuhörer.

Ja, er muß weder richten, noch was wir verurtheilen, vertheidigen. Denn er versteht das nicht, was zu einem recht schweren Verse gehört. H E R R REINHART lächelnd. O das bescheide ich mich gar gerne! ich will mich nur ein wenig von der grammatikalischen Sucht, die mir anklebt, zu befreyen suchen. H E R R V I E L W I T Z . Wer soll denn zuerst lesen?

H E R R JAMBUS.

Ich habe eine mathematische Abhandlung von der Chloris Strickzeuge unter Händen; sie ist aber noch nicht fertig. Denn sie wird sehr ironisch, und sticht im vorbeygehen

H E R R SINNREICH.

Sechster Auftritt

31

mehr als zwanzig von meinen guten Freunden und Lehrern an. Auch auf meine eigene Aeltern kommen ein Paar Püffe drinnen vor. H E R R R E I N H A R T . Ein feines Werkchen I eine mathematische Satire I H E R R SINNREICH. Ja, ein Philosoph ist mit niemanden verwandt, und niemanden verbunden. Er geht gerade durch, und sagt allen die Wahrheit. Haben Sie indessen was fertig, Herr Jambus; so können Sie anfangen. H E R R JAMBUS. Ja, ich habe eine Tragödie unter Händen, davon ist der erste Act fertig. Dergleichen muß noch nie gesehen seynl sie besteht aus lauter epigrammatischen Gedanken, zwey und zwey Zeilen, oder selten vier Zeilen, machen allemal ein Sinngedicht aus. Jedes Stück davon hat mich wohl einen halben Tag Arbeit gekostet: und die trage ich nun zusammen, und schreibe nur die Namen drüber. H E R R V I E L W I T Z . Sie bringen m i r da auf einen Einfall. Gienge es nicht an, daß man auf eben der Art, aus dem Martial oder Ovenus eine Comödie machte? An satirischen Einfällen würde es nicht da fehlen, wenn jede Person, so oft sie den Mund aufthäte, eine stachelichte Spitzfündigkeit vorbrächte. H E R R JAMBUS. Warum nicht ? Sie werden nur hören, daß sich mein Stück vortrefflich ausnimmt. Einige Stellen sind mir ganz besonders glücklich gerathen. Sophokles und Euripides sind lauter kaltes Wasser dagegen. H E R R R E I N H A R T . Das glaube ich wohl 1 Aber welche Zuhörer werden ein so spitzfündiges Stück verstehen, wenn es aufgeführet wird? Ich überlasse es dem poetischen Pöbel für den Pöbel zu schreiben: ich schreibe nur für die Weltweisen und Mathematicos. H E R R R E I N H A R T . Und ich versichere Sie, daß weder Wolf noch Bülfinger, noch Euler Ihre Tragödie lesen werden. H E R R JAMBUS. Man weis, was man von den neuen Propheten zu halten hat. Haben Sie nicht auch was schönes fertig, Herr Vielwitz ? H E R R V I E L W I T Z . Ich habe ein Schäferspiel verfertiget, davon ich dem Herrn Reinhart gestern eine Abschrift gegeben habe. Darinn herrscht durchgehends das S c h a l k h a f t e . Er lacht innerlich. Es ist ein heilloses Ding 1 H E R R SINNREICH. Darf ich den Namen wissen? H E R R V I E L W I T Z . E S heißt die N o t h z ü c h t i g u n g . Ein v e r t r a k t e s s c h a l k h a f t e s Stück! H E R R JAMBUS.

32

Der Witzling

sieht ihn von Haupt Füßen an. DieNothzüchtigung ? ein Schäferspiel? H ERR JAMBUS. Das bin ich neugierig zu hören. H E R R V I E L W I T Z . Sie werden Ihre Lust dran hören. Es hat m i c h auch manche sauere Stunde gemacht. H E R R SINNREICH. Aber, um unserer neuen Collegialischen Freundschaft willenI Herr Vielwitz, brauchen Sie doch das M i c h und M i r nicht immer so falsch. Die Ohren thun mir schon ganz weh!

H E R R REINHART

H E R R JAMBUS.

Ja, es ist entsetzlich, I h n e n so reden zu hören.

Und es ist eben so entsetzlich, meine Herren, Ihr beständiges falsches S i e und I h n e n zu hören.

HERR VIELWITZ.

lacht spöttisch. So ? wir werden endlich noch von den Niedersachsen Deutsch lernen sollen 1

H E R R SINNREICH

Warum nicht ? das Deutsche wäre eben nicht die einzige gescheide Sache, die der Herr und sein College von uns Niedersachsen zu erlernen nöthig hätte.

HERR VIELWITZ.

Ey! meine Herren, wie ist es möglich, daß die Stifter der Sprachschnitzergesellschaft, sich über ihre Sprachschnitzer entzweyen können? Sie müssen ja zum besten der gemeinen Sache, ein jeder die Seinigen mit beytragen helfen.

HERR REINHART.

SINNREICH. Ich nehme mich der obersächsischen Sprachschnitzer nur an: die sollen hier allein gelten; in Niedersachsen mögen die niedersächsischen schön seynl H E R R JAMBUS. Ja, aber die Niedersächsischen sind ja wider alle Vernunft. H E R R V I E L W I T Z . Ich habe obersächsische Leute gesehen, die eben so unvernünftig gewesen, als ihre Sprachschnitzer; und nöthig hätten, ein paar Jahre nach Niedersachsen zu ziehen, um gescheide Leute zu werden. H E R R S I N N R E I C H . Wen meynen Sie damit, Herr Vielwitz? HERR

HERR VIELWITZ.

Ich nenne niemanden, und meyne mehr als einen.

Mein Herr Sie sind doch nicht etwa in die Hundstage gebohren? H E R R V I E L W I T Z . Nein: wahrhaftig nicht 1 denn es ist m i c h noch nie eingefallen, aus lauter Epigrammatibus ein Trauerspiel, oder eine Comödie zu machen. H E R R R E I N H A R T . Ey! meine Herren, Sie fangen an zu d e n k e n , wie ich sehe. HERR JAMBUS.

Siebenter Auftritt H E R R SINNREICH.

im Leibe!

33

Sie haben ja wohl eine große mächtige Selbstliebe

Ich habe aber noch nie auf m e i n e n Aeltern ein Pasquill gemachet.

HERR VIELWITZ.

Mein Herr, Ihr Beyfall wäre gerade der schlechteste Lohn für meine Schriften.

H E R R SINNREICH.

Ich bedanke mich v o r l h r e r Schnitzergesellschaft! Ich mag d a r nicht e i n !

HERR VIELWITZ.

Das erste Gedicht so ich darinnen vorlese, soll eine Satire auf I h n e n seyn.

H E R R JAMBUS.

Und ich will eine Critik über I h r e r Tragödie machen, daß keiner sie mit Füssen wird treten wollen.

HERR VIELWITZ.

Herr! fangen Sie mit uns nicht an: wir sind fähig die größten Gelehrten lächerlich zu machen. Wir sind ohne dieß Willens, ein neues Wochenblatt anzufangen, das soll der L u s t i g m a c h e r heißen: da könnten Sie eine Stelle darinnen bekommen.

H E R R SINNREICH.

E S müßten sehr lächerliche Leute seyn, die sich auf solche lächerliche Criticos verließen.

HERR VIELWITZ.

Ey! warum sagen Sie nicht, auf solche Criticis, das wäre ja ein schöner Niedersaxonismus gewesen. Sinnreich und Jambus lachen überlaut.

H E R R JAMBUS.

Um des Himmels Willen! meine Herren, hören Sie auf zu d e n k e n . Dort kömmt Jungfer Lottchen.

HERR REINHART.

Siebenter Auftritt. D I E VORIGEN. JUNGFER LOTTCHEN. JUNGFER LOTTCHEN.

Stube zu.

Nun? Es geht fein burschikoos auf meiner

Verzeihe Sie es Mademoiselle. Ich dachte ich wäre unter gelehrten Männern gekommen: so sehe ich wohl, daß es nichts mehr, als Studenten sind.

HERR VIELWITZ.

Ja, wir geben Lection im Lateinischen conjugiren und decliniren. Wenn Sie etwa auf der Schule damit nicht fertig geworden sind, Herr Vielwitz: so dörfen Sie es nur sagen.

H E R R JAMBUS.

5 KOMEDIA I

34

Der Witzling

Ey meine Herren! In meiner Gegenwart bitte ich, sich entweder nicht zu zanken; oder einen andern Ort dazu zu erwählen, als mein Zimmer. Herr Vielwitz hat mir heute früh etwas von seinen Versen geschickt, das wollen wir durchlesen. Der Herr Jambus und Sinnreich verstehen die Poesie so wohl, HaR sie entweder die Arbeit bewundern, oder tadeln können werden. Sie nimmt den Brief vom Tische und erbriebt ihn.

JUNGFER LOTTCHEN.

schreyt sehr. Was ? ich sollte mich dahin setzen, und eines andern Dichters Arbeit anhören? Das ist mir unmöglichI Daß andere Leute mir meine Gedichte 6 Stunden lang zuhören müssen, das ist wohl meine Gewohnheit: allein so, scheide ich davon. Er läuft in den Winkel, r a f f t seinen Degen und Stock auf, und läuft ungestüm ab.

H E R R JAMBUS

Achter Auftritt. JUNGFER LOTTCHEN. H E R R REINHART. H E R R SINNREICH. H E R R VIELWITZ.

Das ist ja ein ungezogener Mensch. Mich wundert, daß nicht alle seine gute Freunde taub sind. Sie set%t sich und die andern setzen sich auch.

JUNGFER LOTTCHEN.

H E R R SINNREICH.

Kopf ist.

Er fühlt sich freylich, daß er ein sehr witziger

Er würde aber sehr wohl thun, wenn er nicht nur seine Stärke, sondern auch seine Schwäche fühlte. J U N G F E R L O T T C H E N giebt Reinharten den Brief. Da Herr Reinhart, thun Sie uns den Gefallen, und lesen Sie dieß laut. Ich werde wohl genug zu thun haben, daß ichs nur verstehe.

HERR REINHART.

liest. »Werthgeschätzter liebster Herr Vater . . . H E R R V I E L W I T Z springt erstaunt auf, und will ihm den Brief entreißen. Er aber versteckt ihn. Um des Kümmels WillenI was haben Sie da? Geben Sie m i c h den Brief, wofern Sie es ein Bißchen gut mit m i c h meynen. HERR REINHART

Bey Leibe nicht, Herr Reinhart 1 sonst verlieren Sie alle meine Gunst.

JUNGFER LOTTCHEN.

weigert sieb gegen Vielwit^en. Da sehen Sie es! das ist ja der ärgste Fluch den eine Schöne nur thun kann.

HERR REINHART

Achter Auftritt

35

ängstlich. Es ist aber ein Brief an m e i n e m Vater . . . Es stehen da Domestiksachen innen . . . Ich bitte Sie um alles, warum man in der Welt bitten kann.

HERR VIELWITZ

Nein, neinl ich muß durchaus wissen, was darinnen steht: es werden doch solche heimliche Sachen nicht seyn, die Sie ihm von hieraus schreiben könnten. Sie sind ja nicht verheirathet, Herr Vielwitz ?

JUNGFER LOTTCHEN.

fällt vor ihr auf die Knie. Achl Ach! ich bitte Sie auf das inständigste, Mademoiselle, lassen Sie m i c h den Brief wiedergeben.

HERR VIELWITZ

Gelt 1 Sie haben eine Liebste zu Hause gelassen i Die muß ich erfahren I Lesen Sie nur Herr Reinhart.

JUNGFER LOTTCHEN.

HERR

VIELWITZ

den Mund zunicht!

springt auf, und hält Reinharten, wicher lesen will, Ach allerliebstes, englisches Reinhartchen, ließ

Nun so geben Sie mir den Brief wieder her. Ich will ihn sachte für mich lesen.

JUNGFER LOTTCHEN.

sehr ängstlich. Achl ich bin des Todes, wo Sie ihn lesen, Mademoiselle. Er windet die Hände. Was habe ich in der Eile v o r einen Irrthum begangen? Da habe ich die Verse an Sie, in meines Vaters Brief eingesiegelt, und den Brief an m e i n e m Vater, bey Sie eingeschlagen. Er wirft sich ganz matt auf den Stuhl und windet die Hände.

HERR VIELWITZ

Wenn Sie nicht so ängstlich thäten: so wäre ich nicht halb so neugierig. Geben Sie mir nur den Brief, Herr Reinhart: ich will ihn zum mindesten für mich allein lesen. Sie liest und sieht den Vielwitz dann und wann ernstlich an, und macht erstaunte Geberden. Vielwit^ " t y SanZ ängstlich auf dem Stuhle. Reinhart zieht einen versiegelten Brief aus der Tasche und macht ihn auf.

JUNGFER LOTTCHEN.

Nun das hätte ich mir von Ihnen nicht vermuthet, Herr Vielwitz. Für alle Höflichkeit und Ehre, die Ihnen in unserm Hause wiederfahren ist; ja ich sage mehr: für alles das Gute, was der alte Herr Reinhart, wie ich gewisse Proben davon habe, mit Ihnen noch im Sinne gehabt hat, dafür schreiben Sie Ihrem Vater so verächtlich von ihm? Gesetzt, daß er auch so wenig Vernunft und Witz hätte, als Sie schreiben: so hat er doch ein redliches Herz, und dieß macht allemal ein besser Glück in der Welt, als der größte Witz; wenn er mit einem bösartigen, hochmüthigen und undankbaren Herzen verknüpft ist. Was meine Wenigkeit anlanget: so versichere ich Sie, daß, wenn ich

JUNGFER LOTTCHEN.

3*

Der Witzling

36

Ihnen zu dumm bin, Sie mir hergegen so klug noch nicht sind, daß ichs nicht schon vor 14 Tagen gesehen hätte, daß Sie ein Geck sind. Was diesen jungen Herren Reinhart betrifft. . . HERR REINHART.

Wie? was? Stehe ich auch darinnen?

O ja! der Herr Vater wird es Ihnen schon zu lesen geben. Zum Vielwitz- Was ihn belanget! so versichere ich Sie, daß seine empfindlichste Rache an Ihnen, der Verlust seiner Freundschaft ist, die er Ihnen bisher ohnedieß nur aus Ehrfurcht gegen seinen Vater bewiesen hat. Die witzigen Köpfe hier in der Stadt, von denen Sie, ehe Sie sie noch gekannt, so verächtlich geurtheilet haben, die werden sich unfehlbar selbst rächen, und Ihnen gleiches mit gleichem vergelten.

JUNGFER LOTTCHEN.

S I N N R E I C H hitzig- Was? was? hat er von den witzigen Köpfen allhier auch Übels geredet?

HERR

O ja! Er schildert sie so schön ab, daß er ihnen endlich keine bessre Benennung zu geben weis, als daß sie dumme Jungen sind.

JUNGFER LOTTCHEN.

%um Vielwitz- Warten Sie, S i n d S i e d e r H a a r e ? das will ich dem Jambus sagen! Wir wollen eine Satire auf Ihnen machen, die sich gewaschen haben soll. Er läuft in die Ecke, nimmt seinen Hut und Degen und geht zorn'g ob-

H E R R SINNREICH

Ich will hinunter gehen, und dem alten Herrn Reinhart doch zeigen, was für einen schönen Gast er hier im Hause hat. Sie will gehen.

JUNGFER LOTTCHEN.

Ey, warten Sie noch ein wenig. Hier ist noch ein andrer Misverstand vorgegangen. Die Verse die Sie haben kriegen sollen, die sind hier an mich eingesiegelt. Lesen Sie sie doch. Er giebt sie ihr.

HERR REINHART.

Ach! ich habe viel zu wenig Verstand dazu. Sie schmeißt sie dem Vielwitz vor die Füße, und geht zorn'g

JUNGFER LOTTCHEN.

Neunter Auftritt. HERR VIELWITZ. HERR

REINHART.

sehr erschrocken. Was? Sie haben die Verse an der Jungfer, in Ihrem Umschlage ?

HERR VIELWITZ

H E R R REINHART.

Ja, da sind sie. Er giebt sie ihm.

Neunter Auftritt

37

schlägt die Hände zusammen. Nun bin ich verlohren I das ist wieder ein neues Unglück v o r mir.

HERR VIELWITZ

HERR REINHART.

W i e so ?

Ach I so habe ich meinem Vater das verwünschte Schäferspiel eingesiegelt! Was wird der Mann von mir denken? Er enterbt mich gewiß: denn er ist ein sehr hitziger Mann. Ich bin des Todes I

HERR VIELWITZ.

Ich wollte gern ein Mitleiden mit Ihnen haben: allein es ist mir allemal eine Freude, wenn die Thorheit und Bosheit in ihre eigene Falle fällt.

HERR REINHART.

Ich muß den Augenblick der Post eine Staffette nachschicken, und versuchen, ob ich meinen Brief wieder bekommen kann. Mein Diener aber soll mir noch heute die Post bestellen. Ich will stehendes Fußes von einer Akademie fort, wo mir alles so verkehrt geht. Er geht ab.

HERR VIELWITZ.

Und ich will die schöne Lobschrift lesen, die Sie mir gemacht haben: damit ich Ihnen desto herzlicher zu Ihrer Abreise Glück wünschen könnte. Er geht ab.

HERR REINHART.

JOHANN ELIAS

SCHLEGEL

DIE STUMME SCHÖNHEIT Ein Lustspiel in einem Aufzuge

PERSONEN: ein alter reicher Mann vom Lande.

RICHARD, JUNGWITZ, JACOB,

ein junger wohlhabender Mensch vom Lande.

Jungwitzens Bedienter. ein Philosoph.

LACONIUS,

F R A U PRAATGERN, CHARLOTTE,

eine Bürgerswittwe.

Richards vorgegebne Tochter.

der Frau Praatgern vorgegebne Tochter.

LEONORE, CATHRINE,

die Bediente der Frau Praatgern.

Der Schauplatz

der Frau Hause.

Praatgern

Erster Auftritt. CATHRINE.

JACOB.

Nun I ist denn hier kein Mensch zu hören noch zu sehen ? Wie lange sollen denn die Herren draussen stehen? Es regt und rührt sich nichts. Bediente! Mägdchen 1 He!

JACOB.

hinter der Scene. Nun! nun! wer ist denn da? GeduldI wir trinken Thee.

CATHRINE

JACOB.

Hier ist Besuch.

hinter der Scene. Es wird kein Mensch hier angenommen. Wer uns besuchen will, mag den Neujahrstag kommen. Soll meine Frau denn stets geputzt im Hause gehn ? Und im Alltagshabit läßt man sich doch nicht sehn. Sie kömmt heraus. Mein Freund, es ist schon gut. Wem dient ihr? darf ich fragen? Die Frau ist nicht recht wohl, ich will es ihr schon sagen.

CATHRINE

JACOB.

SO

hoff ich, daß man doch die Jungfer sehen kann.

Wie? Jungfern? nehmen die auch Mannspersonen an? Nein! Gott bewahr unsl

CATHRINE.

JACOB. Nun! ist das ein solch Verbrechen? Sie darf doch wenigstens den eignen Vater sprechen. CATHRINE.

Was? ist Herr Richard hier? der Jungfer ihr Papa?

J a ! und es ist mit ihm noch jemand anders da, Vor dem die Jungfern sonst nicht, Gott bewahr uns, sagen.

JACOB.

CATHRINE.

Nun! sagt doch, wer denn?

Wie? ist da noch viel zu [fragen ? C A T H R I N E . Die Herren seyn so gut, und treten nur herein. Denn meine Frau ist wohl, und wird nicht lange seyn. JACOB.

42

Die stumme Schönheit Zweyter Auftritt. RICHARD.

JUNGWITZ.

E S sind nun zwanzig Jahr, da bracht ich von dem Lande, Hier meine Tochter her in meinem Wittwerstande. Denn diese Bürgersfrau hab ich vorher gekannt: Sie hat auch allen Fleiß auf ihre Zucht gewandt. Nun werd ich sie doch sehn. Man hat es mir geschrieben, Das ist ein englisch Kind, das Mägdchen muß man lieben. Mein Herz klopft schon in mir vor lauter Lust, Herr Sohn.

RICHARD.

JUNGWITZ. RICHARD. JUNGWITZ. RICHARD. JUNGWITZ.

Und meins vor Ungeduld. Mich dünkt, ich liebe schon. Sie hat ein schön Gesicht und Augen, die recht brennen. Vom Vater wird sie die nicht anders haben können.

Er schmeichelt: doch im Ernst,man sagt,sie sieht, wie ich. Wenn sie noch besser sieht, ist es nicht schlimm für mich.

Sonst ist sie Meisterin in allen Wirthschaftssachen. Herr Jungwitz, sie wird ihm recht gute Süppchen machen.

RICHARD.

JUNGWITZ.

So viel verlang ich nicht von ihrer eignen Hand.

Hat, was sie schreibet, gleich nicht allemal Verstand: Wenn sie mir Briefe schreibt; so sind es lauter Sprüche. Und in der Rechenkunst versteht sie gar die Brüche.

RICHARD.

JUNGWITZ.

SO

hat sie viel gelernt ?

Gelernt ? mehr als genug. Jetzund erzieht man fast die Mägdchen gar zu klug. Sie müssen sich den Kopf mit tausend Zeug zerbrechen. Das dächt er nicht einmal: Drey Sprachen kann sie sprechen.

RICHARD.

JUNGWITZ. RICHARD.

Doch, ist sie auch belebt, und spricht mit jedermann? Eyl das versteht sich wohl, wenn sie drey Sprachen kann.

Und spricht sie mit Verstand ? Das weiß ich nicht so eben. Doch sagt man, sie versteht, recht nach der Welt zu leben. Sie spielt, sie putzt sich gut, sie trägt sich mit Manier, Und klimpert über das recht schön auf dem Ciavier.

JUNGWITZ. RICHARD.

Achl wie bin ich vergnügt 1 Ich schließ aus allen Sachen, Sie ist nach meinem Wunsch, und wird mich glücklich machen. Das Hauptwerk einer Frau ist nicht der Fleiß allein. Zum Umgang nehm ich sie. nicht um bedient zu seyn.

JUNGWITZ.

Dritter Auftritt

43

Zwar viele freyen so, wie man Gesinde miethet, Und wählen eine Frau, die nur das Haus wohl hütet, Die man zur Rechenschaft für alle Sachen zieht, Und die, sobald man winkt, uns nach den Augen sieht. Doch ich . . . RICHARD. Ihr junges Volk sprächt gern, wie kluge Leute, Und wißt doch alles nur seit gestern oder heute. Wenn er nur eine Frau, die ihn hübsch pfleget, hat: Der Umgang dient zu nichts, davon wird man nicht satt. Laß er dem grossen Volk den Wind von Complimenten; Da thun oft Mann und Frau, als ob sie sich nicht kennten. Das schickt sich nicht für uns, wenns ihnen gleich gefällt. Sie haben ihren Stand, wir haben unser Geld; Wir thun uns was zu gut. Was macht man auf dem Lande, Mit einer klugen Frau, mit Umgang und Verstände ? J U N G W I T Z . Bin ich kein grosser Herr; so bild ich mir doch ein, Der Umgang wird auch mit für mich erfunden seyn, Und es wird wol kein Rang der Freyheit Gränzen setzen, Wer sich mit einer Frau, die Witz hat, darf ergötzen. Ein jeder fühlt in sich wol heimlichen Verdruß, Wenn er sein halbes Herz selbst mit belachen muß, Wenn ihn das gute Weib, das er nur ungern zeiget, Beschämet, wenn sie spricht, und ärgert, wenn sie schweiget; Wenn er bey ihr allein stets küsset oder gähnt, Und sucht er Zeitvertreib, sich aus dem Hause sehnt, Und wenn er, glaubt sie ja ihn einmal aufzuräumen, Erzählen hören muß, was ihre Mägdchen träumen. RICHARD. Ja, red er, red er nur. Wir wollen sehn, Herr Sohn. Da muß ich klüger seyn; doch gut, das giebt sich schon.

Dritter Auftritt. J U N G W I T Z . R I C H A R D . CHARLOTTE, RICHARD. JUNGWITZ.

Wer kömmt hier ?

bückt sich tief gegen Still 1

RICHARD,

JUNGWITZ.

die sich beständig

vorneigt.

Sie ist schön, Herr Richard, dürft ich [küssen. Charlotten.

Ist sies ? . . . ist sies nicht ?

44

Die stumme Schönheit Ey! wie kann ich das wissen ?

RICHARD.

JA!

JUNGWITZ.

sie sieht ihnen gleich.

Sie neigt sich gar zu sehr. Sie redte mich wol an, wenns meine Tochter war. J U N G W I T Z . Sie werden mir verzeihn. Darf ich mich unterstehen, Zu fragen, können wir Herr Richards Tochter sehen ?

RICHARD.

CHARLOTTE

Wird die Frau Praatgern denn bald zu uns kommen ? neigt sich. JA!

RICHARD.

Wird meine Tochter auch bald bey uns seyn ?

RICHARD.

Papa.

CHARLOTTE.

Ich glaube bald sie ists. Bist dus? Charlotte. Redel Sie kennet uns noch nicht, Herr Sohn. Drum ist sie blöde. JUNGWITZ %um Richard beyseite. Sie sagten ja vorhin, daß sie drey Sprachen spricht. Die, die wir reden, ist vielleicht die rechte nicht. RICHARD.

Du kannst doch deutsch, mein Kind. Bin ich dir denn [willkommen ? Ich habe hier für dich Gesellschaft mitgenommen, Mit der du sprechen mußt. Nun! faß ein wenig Muth I Ich steh dafür, daß er dir nichts zuwider thut.

RICHARD.

Vierter Auftritt. J U N G W I T Z . R I C H A R D . CHARLOTTE. F R A U P R A A T G E R N .

Ich hoff, ihr liebes Kind wird ihnen doch gefallen. Ich seh, sie schwatzt schon hübsch. Die Kunst kann sie vor allen.

PRAATGERN. RICHARD.

So? also ist ja das Charlotte?

PRAATGERN. RICHARD.

Ja, gewiß.

Sie hat mirs nicht gesagt.

Ja! freylich ist sie dies. Wie kommen sie darauf, Herr Richard, so zu fragen. Wenn sie nicht ihre war, so würd ich es nicht sagen. Charlottchen küßt sie denn nicht dem Papa die Hand ? Sie glaubens nicht, das Kind hat englischen Verstand.

PRAATGERN.

Vierter Auftritt RICHARD.

45

Das hab ich nicht gemerkt.

Mehr manchmal, als ich wollte. Ich weiß wol, daß ich sie so laut nicht loben sollte; Die Jungfern bilden sich sonst leichtlich was drauf ein: Die Wahrheit aber will doch auch gesaget seyn. Ich selber wundre mich manchmal, bey meiner Ehre, Wie altklug ich sie oft im Hause reden höre.

PRAATGERN.

RICHARD.

Im Hause nur.

W O sonst? Wir kommen nicht viel aus. Es kömmt auch nicht gar oft ein Fremder in mein Haus. Wir leben still für uns. Was würde man sonst denken? Man pfleget ohnedas den Wittwen nichts zu schenken.

PRAATGERN.

Frau Praatgern, greiffet sie sogar die Bosheit an: So glaub ich, daß die Welt nicht lange stehen kann.

RICHARD.

Sie Wissens nicht, mein Herr. So gehts in grossen [Städten. Man kann in Frieden nicht aus seiner Thüre treten. Da ist so vieles Volk, das hat sonst nichts zu thun: Die spotten alle Welt, und lassen niemand ruhn. Ich will mich überdas nicht in viel Umgang setzen: Denn da vergeht die Zeit mit vielerley geschwätzen: Und die sind nicht mein Werk. Da lernt insonderheit Die Jugend weiter nichts, als lauter Eitelkeit. Vor diesem war ich auch gern unter vielen Leuten: Da war ich noch ganz jung und konnte was bedeuten. Die größte Dame blieb oft ganz verlassen stehn, Denn alles lief zu mir, ließ ich mich nur wo sehn.

PRAATGERN.

Das glaub ich.

JUNGWITZ.

Eben drum will ich den Umgang meiden: Denn ich verlang es nicht, daß andre mich beneiden.

PRAATGERN.

RICHARD.

Nunl itzo wird sie doch dafür gesichert seyn.

Ich leb auch lange schon ganz sittsam und allein. Um ihre Tochter ja in gar nichts zu versäumen; Hat meine Tochter selbst mein Haus ganz müssen räumen. Das arme Mädchen ist in meiner Schwester Haus, Da sieht sie nicht viel Guts, drum wird auch nicht viel draus. Warum ich sie nicht gern beysammen bleiben lasse, Das ist insonderheit, weil ich das Plaudern haße. Zwey Mädchen reden nur, wie man sich putzen soll, Und schwatzen sich den Kopf von Eitelkeiten voll.

PRAATGERN.

46

Die stumme Schönheit

Die Herren werden es uns doch nicht übel nehmen. Ich muß mich heute fast, mich sehn zu lassen, schämen. Sie sehen, daß wir nicht recht angezogen sind. Wir waren nicht recht wohl, ich und das arme Kind. Nicht angezogen? Wie? Sechs Blumen in den Haaren, Und Röcke, wie ein Zelt für sieben Janitzscharen ? Ist das noch nichts ?

RICHARD.

Das ist, so wie ich täglich geh. Ich putze mich nicht viel, weil ich doch niemand seh. Selbst meine Schwester spricht: laß dich, pflegt sie zu sagen, In die Comödie, und zum Concerte tragen. Doch mit der Eitelkeit laß ich mich gar nicht ein, Denn man geht doch dahin nur um gesehn zu seyn.

PRAATGERN.

Doch denken, wär ich da, so wird auf mich gesehen, Frau Praatgern, kann wol das ohn Eitelkeit geschehen.

JUNGWITZ.

Nein! biethen sie mir nur, dahin zu gehn, nicht an. Ich werd es niemals thun, und hab es nie gethan. Charlotte fraget auch nicht viel nach solchen Sachen; Sie denkt nicht einmal dran, sich eine Lust zu machen. Sie war auch schon ganz klein ein recht verständig Kind. Aus wem was werden soll, das zeigt sich gar geschwind. Sie war so fromm, so still. Sie hat mich nie gestöret, Ich habe manchen Tag nicht einen Laut gehöret.

PRAATGERN.

Frau Praatgern, hör sie an: komm sie allein mit mir. Herr Jungwitz, red er hübsch mit meiner Tochter hier. Die Mägdchen wollen oft ihr Mundwerk erst nicht zeigen, Hernachmals bäthe man sie gerne still zu schweigen.

RICHARD.

Fünfter Auftritt. CHARLOTTE. J U N G W I T Z . JUNGWITZ. CHARLOTTE. JUNGWITZ. CHARLOTTE. JUNGWITZ.

SO O

seh ich, kann man auch in Städten einsam seyn? JA!

Wird ihnen denn die Zeit nicht lang ? Ach nein! Vielleicht vertreiben sie sie sich mit Bücherlesen?

Fünfter Auftritt CHARLOTTE.

Ach nein! Das Wetter ist bisher sehr schlecht gewesen.

JUNGWITZ. CHARLOTTE.

47

Ich weiß nicht.

Zwar für sie ist es wol niemals schlecht. Sie kommen nicht viel aus.

JUNGWITZ.

Da haben sie ganz recht.

CHARLOTTE.

Doch ihr Papa und ich, wir hatten zu der Reise Sehr schlechte Wege.

JUNGWITZ.

CHARLOTTE.

SO?

Der Belt ging noch mit Eise.

JUNGWITZ. CHARLOTTE.

SO ?

Aber die Begier sie desto ehr zu sehn, Ließ uns darum nicht ruhn, wir musten Übergehn.

JUNGWITZ.

CHARLOTTE. JUNGWITZ. CHARLOTTE.

SO ?

Und sie sahnten sich doch den Papa zu kennen? Warum nicht?

Er ward auch nicht müde sie zu nennen. Die ganze Reise durch fiel sonst kein ander Wort, Als nur von ihnen vor.

JUNGWITZ.

CHARLOTTE. JUNGWITZ.

Wann gehn sie wieder fort ? Wie kommt es, daß sie schon nach unserm Abschied [fragen ?

Die Frage scheinet mir nichts guts vorher zu sagen. Warum ? Wir haben erst verschiednes hier zu thun, Und unsre Rückkehr wird auf ihnen mit beruhn.

CHARLOTTE. JUNGWITZ.

CHARLOTTE. JUNGWITZ.

Wie so denn? Ganz gewiß. Die Zeit wird es schon [weisen.

Wir wünschen ohne sie von hier nicht wegzureisen. CHARLOTTE. JUNGWITZ.

Ja! wenn ich reisen soll und die Frau Praatgern will. Sie gehn doch gern aufs Land ?

Die stumme Schönheit

48

NeinI da ist es so still.

CHARLOTTE.

Das lieben sie ja wol, weil sie so einsam leben.

JUNGWITZ. CHARLOTTE.

Ja! es ist in der Stadt doch besser.

Sie vergeben. Ich halt es mit der Stadt, wenn man Gesellschaft liebt: Doch, um allein zu seyn, da ist die Stadt betrübt.

JUNGWITZ.

CHARLOTTE.

So ? Meynen sie ?

Man hört zwar in der Stadt viel [Sachen, Die manchmal lustig sind und was zu reden machen.

JUNGWITZ.

CHARLOTTE.

Sehr wenig.

Das wär viel! Geschieht nichts neues hier ? Letzt war hier eine Frau, mich dünkt, die sagte mir, Der Caffee würde theur, und wäre wenig nütze, Und auch der Thee.

JUNGWITZ.

CHARLOTTE.

wischt sich den Schweis ab. Mich dünkt, hier ist sehr grosse Hitze.

JUNGWITZ CHARLOTTE.

Ach nein I

Mir ist gleichwol so heiß . . . so wunderlich. Die Angst. . . vergeben sie . . . Ach! . . . ich empfehle mich!

JUNGWITZ.

CHARLOTTE.

Sie gehn schon. Wollen sie nicht erst Quadrille spielen ?

JUNGWITZ.

Verzeihn sie, daß ich geh, mich etwas abzukühlen.

Sechster Auftritt. set^t sich auf einen Stuhl und spielt mit dem Fächer. JACOB. CATHRINE.

CHARLOTTE,

Zum Henker, es ist hier nicht wie in der Provinz. Hier wird ein Diener ja gehalten, wie ein Prinz. Ihr Mägdchen gebt hier Thee und Caffee, wie die Damen, Und setzet allezeit, Monsieur, zu unserm Namen. In einer grossen Stadt, da gilt doch ein Lackey, Da ist das Paradies der edlen Liverey.

JACOB.

Sechster Auftritt CATHRINE.

49

Seht doch! gefällt ihm das, mein Herr Lackey vom [Lande ?

J A ! heute bin ich doch vergnügt mit meinem Stande. Doch, soll ich einmal recht mein Glück vollkommen sehn: So muß Cathrinchen nun mit mir spatzieren gehn.

JACOB.

CATHRINE.

Das geht nicht an, Monsieur. Ach ja! ich will sie führen.

JACOB.

pfuy! wer würde gehn? Ich fahre nur spatzieren. J A C O B . Was? Ich? soll fahren? ich? Gut, wenn Cathrinchen will: Darauf kömmt mirs nicht an. Doch kostet es auch viel? CATHRINE.

EY!

CATHRINE.

Pfuy! Knicker!

Was ist auch ein Jahr von meinem [Lohne ? Sie bildet sich wol ein, daß ich die Kosten schone ? Wir fahren. Gut! was schadts? Zieht sie nur mit aufs Land, So werden wir vielleicht ein wenig mehr bekannt.

JACOB.

E S fragt sich erst, ob ich mich so will niederlassen. Hier kennt mich kein Lackey, als von den ersten Classen. Wer keinem Ritter dient, darf sich zu mir kaum nahn. Und, Monsieur Jacob, ihn seh ich mit Mitleid an.

CATHRINE.

St — St — wer sitzt denn hier und hat uns zugehöret? CATHRINE. O! kehr er sich nicht dran und Sprech er ungestöret. Es ist die Jungfer nur. JACOB.

Jungwitzens künftge Frau.

JACOB. CATHRINE.

Ganz richtig!

Und ich seh, ihr kennt euch so genau ? Warum nicht? O ! wir sind ein Herz und eine Seele. Was kriegt ich, wenn ich ihn ihr bestens anbeföhle.

JACOB.

CATHRINE. JACOB.

Sie ist wol ihre Zucht.

CATHRINE. JACOB.

Ich geh.

CATHRINE. JACOB.

4

Ey! wart er doch, noch einen Augenblick.

Mein Herr kömmt wol.

CATHRINE. JACOB.

Ja! und das ist ein Glück.

EY!

was ? das hat nichts zu bedeuten.

NeinI nein! er würde mich hier schön hinaus begleiten.

KOMEDIA I

Die stumme Schönheit

50

Siebender Auftritt. CATHRINE. CHARLOTTE.

Der dumme Teufel läuft, als würd er weggejagt. Ich hätt ihn doch so gern ein wenig ausgefragt. NunI Jungfer! sitzen sie hier ohne sich zu regen? Sie werden doch nicht gar was wichtigs überlegen.

CATHRINE.

Achl neinl du weißt es ja, ich sitze gern in Ruh, Und mach ein bischen nur den Fächer auf und zu.

CHARLOTTE.

Das wollt ich selber wol; bloß mit dem Fächer spielen, Nichts denken und nichts thun und kaum sich selber fühlen. Es wäre wol nicht schlimm, ein steinern Bild zu seyn, Das sich nicht rühren darf, und sagt nicht ja noch nein. Doch ist ihr Freyer weg ? und wie gefällt er ihnen ?

CATHRINE.

Mir hat der gute Mensch noch toll genug geschienen. Er spräche gerne viel, doch es will nicht recht fort.

CHARLOTTE. CATHRINE.

Antworten sie ihm denn?

CHARLOTTE. CATHRINE.

JA!

dann und wann ein Wort.

Nicht mehr?

Wie so ? Kann er denn nicht alleine [sprechen ? Verlangt er denn, ich soll ihn immer unterbrechen ?

CHARLOTTE.

J A ! jal doch ein Gespräch taugt auch den Teufel nicht' Wo einer stets nur hört, der andre stets nur spricht. Und seinen ganzen Witz dabey nicht auszuleeren, Dazu gehört ein Narr, der nichts als sich will hören.

CATHRINE.

CHARLOTTE. CATHRINE.

SO

? und was meynst du denn, das ich ihm sagen kann ?

Das, was sie denken. Nein! das geht gewiß nicht an.

CHARLOTTE. CATHRINE. CHARLOTTE. CATHRINE. CHARLOTTE.

Warum? ES

schickt sich nicht.

Was ists denn, das sie [denken ? Ich denke, was er mir als Bräutigam soll schenken.

Sie kriegen unverhoft wol einen ganzen Kram. Die Gräfin, wo ich war, eh ich zu ihnen kam, Die ward recht schön beschenkt.

CATHRINE.

Achter Auftritt

51

Ich will sie noch beschämen. Wer mich nicht recht beschenkt, den will ich auch nicht nehmen.

CHARLOTTE. CATHRINE.

Erst kam ein grosser Korb voll Blumen und voll Band. Auch Spitzen?

CHARLOTTE.

Freylich ja!

CATHRINE. CHARLOTTE. CATHRINE.

SO

breit, als meine Hand?

Das wäre sonst nicht schmal.

CHARLOTTE. CATHRINE. CHARLOTTE.

SO

Nebst einer Uhr dabey.

CATHRINE.

Auch Dosen. CHARLOTTE. CATHRINE. CHARLOTTE.

breit will ich sie haben.

Recht schön I Darunter lag der schönste Schmuck [vergraben. Und den verlang ich auch.

Kein Etui ? Nein! Ich will ihrer zwey.

CATHRINE.

Hernach ließ sich ein Stoff mit bunten Blumen sehen.

CHARLOTTE.

Auf meinem Stoffe soll ein ganzer Garten stehen.

CATHRINE.

Ein Nachttisch kam zuletzt von Silber.

Nein! von Gold, Nicht anders soll er seyn. Ich hätte wol gewollt, Daß mein Herr Bräutigam das hübsch im voraus wüste. Wenn ichs ihm aber nur nicht selber sagen müste.

CHARLOTTE.

CATHRINE. CHARLOTTE.

Dazu ist Rath. Ich will zu seinem Diener gehn. Gut! geh! und giebs ihm ja recht deutlich zu verstehn.

Achter Auftritt. F R A U PRAATGERN. CHARLOTTE.

Da hab ich nun den Dank für alle meine Mühe. Man denkt, ich wisse nicht, wie man ein Kind erziehe. Dem Landphilosophus, dem jungen Eigenklug, Dem Jungwitz, hör ich wol bist du nicht gut genug.

PRAATGERN.

4*

Die stumme Schönheit

52

Weißt du, was er von dir zu deinem Vater sagte? Er kam von dir heraus, ich weiß nicht, was ihn plagte; Er kriegte voll Verdruß Herrn Richard bey der Hand. Und sagt ihm in das Ohr: Ach! hätt sie nur Verstand. Was fehlt dem Narren denn, daß er dich so verachtet ? Er meynt wol den Verstand hat er allein gepachtet. Was hast du denn gemacht ? Was hast du ihm gesagt ? CHARLOTTE.

Nichts. Etwas muß doch seyn, warum er sich beklagt.

PRAATGERN.

Charlotte! CHARLOTTE.

Warlich nichts.

D U darfst es nur gestehen. Bist du vielleicht nicht wohl gekleidet ? . . . Laß doch sehen! Nun! . . . dreh dich um . . . Das ist ja gut und sitzt galant. Was sagt denn der Phantast, dir fehlte der Verstand ? Laß sehn! wie trägst du dich? . . . Den Kopf nicht so zurücke. Wer fragt: hat sie Verstand? der seh nur ihre Blicke. Geh doch einmal herum. Gut! hierher! Neige dich. Da haben wirs, das fehlt. Nein! sieh! so neigt man sich. Ich finde gleichwol nichts. Herr Jungwitz ist ein Thore. Sie hat Verstand genug.

PRAATGERN.

Neunter Auftritt. F R A U PRAATGERN. CHARLOTTE. LEONORE. PRAATGERN.

Was willst du ?

Was bringst du ? Leonore.

Was ich will ? nichts will ich, als das Glück Um sie zu seyn.

LEONORE.

PRAATGERN.

Du kömmst ja jeden Augenblick.

Zwar ihnen scheint es oft, mir aber scheint es selten. Und käm ich jeden Tag, wär ich darum zu schelten?

LEONORE.

Denn die Zeit vergeht durch solch spatzieren gehn. Doch wenn ich sie nur seh, vergeht die Zeit recht schön.

PRAATGERN. J A ! LEONORE.

Wenn ich sie seh, ja? ja? Kämst du um meinetwillen. Ich kenn dich schon, du willst nur deine Neugier stillen. Weil du erfahren hast, es sey Gesellschaft da.

PRAATGERN.

53

Neunter Auftritt LEONORE.

Frau Mutter, glauben sie . . Frau Matter.

PRAATGERN.

Nun! Mama.

LEONORE.

Das weist du wol noch nicht. Du giebst mir wenig [Ehre. Ich wüste nicht, daß das ein Ehrentitel wäre.

PRAATGERN. LEONORE.

Ich wundre mich, wie schlecht dich meine Schwester [zieht. Kein Mägdchen wird doch gut, das so viel Leute sieht. Neinl das geht nicht mehr an. Ich muß ihr Nachricht geben, Sie soll nicht so mit dir in Cameradschaft leben. Sieh anl wie du dich stellst. Das alles ist zu frey. Du wirst nicht etwa roth und bist vor Leuten scheu. Du sprichst mit jedermann: Die Jungfern müssen schweigen, Und willst nur jeden Tag dich in Gesellschaft zeigen. Kömmst du nicht itzt hierher, nur um gesehn zu seyn ? Für Jungfern steht das sonst nicht erbar und nicht fein.

PRAATGERN.

Ich kann ja wieder gehn. Sie dürfen nur befehlen. Ich will ein ander mal bequemre Stunden wählen.

LEONORE.

D U bist vortreflich klug, und sag ich dir ein Wort, Das dir nicht recht gefällt, so eilst du wieder fort. Weil du doch alles weißt, und andre kannst verspotten: So sage doch einmal, was fehlt denn hier Charlotten? Du weißt ja sonst die Kunst, wie man gefallen kann. Es ist hier ein Phantast, dem stehet sie nicht an. Ihr Vater bringt ihn her. Der Narr ist nur vom Lande, Und spricht, als wüst ers recht, es fehlt ihr an Verstände. Laß deine Klugheit sehn, und gieb mir Unterricht. Nun sag doch, was ihr fehlt, siehst dus ? ich seh es nicht.

PRAATGERN.

LEONORE.

Ich auch nicht.

PRAATGERN.

Doch du sollst. Es möchte sie verdrüssen.

LEONORE. PRAATGERN.

Neinl sag es. Nein! Mama.

LEONORE. PRAATGERN. LEONORE.

Kurz, Madmesell, sie müssen.

Sie redet wol nicht viel.

Wenn nur ihr Mädgen sprecht, So denkt ihr, es ist gut. Sie redt nicht, das ist recht.

PRAATGERN.

54

Die stumme Schönheit

Da weist sie, daß sie mehr Verstand, als du, besitze. Denn für die Jungfern ist das Reden gar nichts nütze. Die Regel wäre gut, war sie nur allgemein. Doch manche Mannsperson wird sehr dawider seyn.

LEONORE.

Wie ? manche Mannsperson ? Wer hätt es denken sollen ? Die Mannspersonen! ach! und du weißt, was sie wollen? Das ist die Frucht, wenn man stets redet, scherzt und lacht. Die Mannspersonen? Wer hat dich so klug gemacht?

PRAATGERN.

Nun! nun! Das können wir wol ohne Schande wissen, Daß wir, wenn sie uns sehn, mit ihnen reden müssen.

LEONORE.

Bald glaub ich selbst, daß es oft einen Narren giebt, Der mehr ein Plaudermaul als kluge Mägdchen liebt. Hör an! du sollst mir gleich Charlotten sprechen lehren.

PRAATGERN.

LEONORE.

Kann ich . . .

kannsts. Ich will von keiner Ausflucht [hören. Sag ihr es vor, was sie zum Jungwitz sagen soll. Ich geh, und schelt indeß die Haut ihm selber voll. Und wenn sie reden kann, so kannst du wieder gehen. Ich sag dirs, laß dich nicht hier vor den Fremden sehen.

PRAATGERN.

DU

Zehender Auftritt. CHARLOTTE. LEONORE. LEONORE.

Nein! ich kann nicht verstehn, was meine Mutter spricht.

CHARLOTTE.

Nun! gehn sie doch nur fort. Von ihnen lern ich nicht.

Ich maße mich nicht an, Charlotte, sie zu lehren. Es lehrt sie die Natur. Sie können mich entbehren. Man brauchet in der Welt, damit man sprechen kann, Nur Zutraun zu sich selbst: so ist es halb gethan.

LEONORE.

CHARLOTTE.

Ach nein I

Sie brauchen sich den Kopf nicht zu zerbrechen. Ein Mund, wie ihrer ist, darf, wie es glücket, sprechen. Nicht jede, die gefällt, wird darum hochgeacht, Weil sie nichts anders sagt, als was sie wol bedacht.

LEONORE.

Eilfter Auftfitt

55

Die Kühnheit, ohne Scheu was thörichtes zu sagen, Gilt öfters für Verstand; die Kunst ist, es zu wagen. Versuchen sies darauf: sie sind ja schön und jung, Und manche, die so spricht, erlangt Bewunderung. CHARLOTTE. Ich seh, sie spotten mich. Ich will sie schon verklagen. Neinl wär es nicht mein Ernst, so würd ich es nicht [sagen. CHARLOTTE. Schon gut.

LEONORE.

Um auf einmal sogleich beredt zu seyn, Weiß ich kein Mittel sonst als diesen Weg allein. Denn daß man mit Vernunft bejahet und verneinet, Bey Kleinigkeiten selbst doch was zu sagen scheinet, Zu rechten Zeiten scherzt, und allezeit mit Fleiß Von dem mit jedem spricht, was er zu sprechen weiß, Und, wie man selber will, der andern Reden lenket, Das fordert Umgang, Zeit, und daß man etwas denket.

LEONORE.

CHARLOTTE.

Schon gut! Wie ? Weinen sie ?

LEONORE.

Sie spotten über mich, Und geben mir sonst nichts, als Stichelreden.

CHARLOTTE. LEONORE.

Ich ?

So legen sie das aus, was ich aus Freundschaft rede ? Mein Rath ist, sprechen sie, und seyn sie nur nicht blöde. Zum Anfang ist das viel. CHARLOTTE. Achl da kömmt mein Papal Sie wollen beyde hinweg gehen. Charlotte läuft fort, da aber Leonore sieht, daß man sie gesehen, kehret sie um.

Eilfter Auftritt. R I C H A R D . J U N G W I T Z . LEONORE.

Ihr Leutchen, laufft doch nicht. Charlotte, bleib doch da. Charlotte, nunl wohin? Charlotte, wilst du hören, Wenn dich dein Vater rufft. LEONORE. Sie fürchtet sie zu stören. RICHARD.

RICHARD.

Sie hat sie wol sehr lieb, weil sie so für sie spricht ?

56

Die stumme Schönheit

Als Tochter hier vom Haus, ist dieses meine Pflicht. Erlauben sie, ich geh und will sie wiederholen.

LEONORE.

RICHARD. LEONORE.

NeinI Ich empfehle mich. Nein! nein! nicht gleich [empfohlen.

RICHARD. LEONORE. RICHARD. LEONORE. RICHARD. JUNGWITZ. LEONORE. RICHARD. LEONORE. RICHARD. LEONORE. RICHARD. LEONORE. RICHARD.

Die Jungfer Tochter . . . Ey! ich seh sie Zeit genug. Doch ihr gilt das nicht gleich. Das

Mägdchen spricht [ganz klug. Sie zeigen sich ja kaum, da sie sich schon entfernen. Ich bitte . . . Soll man sie denn gar nicht kennen lernen? Dabey verlier ich nur, wenn man mich kennen lernt. Und wir verlieren viel, wenn sie sich gleich entfernt. Sehr gut! ich werde sie in diesem Irrthum lassen. Als Kind vom Hause hier muß ich sie doch umfassen. Ich weiß, die Ehre kömmt nur ihrer Tochter zu. Nun! nun! was läufst du denn. Du kleine Närrin! du.

Zwölfter Auftritt. R I C H A R D . J U N G W I T Z . CHARLOTTE,

mit Charten in der Hand.

Charlotte, kömmst du nun ? Du wolltest ja nicht warten. Da ich dich vorhin rief. Was bringst du itzo ? Charten ? Was soll ich damit thun ? CHARLOTTE. Quadrille.

RICHARD.

Bist du toll ? Meynst du, daß ich die Zeit mit dir verspielen soll? Was hättest du davon, wenn ich dein Geld gewönne. CHARLOTTE. Nein! ich gewinne Geld zu einer Andrienne.

RICHARD.

RICHARD.

Hier hast du Geld, und geh.

Dreyzehender Auftritt CHARLOTTE. RICHARD.

ZU

57

einem Palatin.

Hier. Einen Reiffenrock nur täglich anzuziehn.

CHARLOTTE.

Eyl trag die Charten fort; das heißt zu weit gegangen. Ich seh, du brauchst den Mund nur Kleider zu verlangen.

RICHARD.

CHARLOTTE.

Ach spielen sie doch nur. Geh fort! ich sag dirs, geh!

RICHARD.

Dreyzehender Auftritt. RICHARD. JUNGWITZ.

Was für ein Unterschied, wenn ich die andre seh! Wenn meine Tochter doch nur halb so artig wäre!

RICHARD.

JUNGWITZ.

Gewiß! ich wünschte das.

Ich auch, bey meiner Ehre. Wenn ich ein Mägdchen seh, das hübsch natürlich ist, Nicht so von Kleidern strotzt, und nicht die Schritte mißt; So lacht mir meine Treu das Herz in meinem Leibe, Und es hält hart genug, daß ich ein Wittwer bleibe.

RICHARD.

JUNGWITZ. RICHARD.

Mein Herr, es ist mir lieb, sie so gesinnt zu sehn. Warum ? Charlotte zwar ist schön, ich wills gestehn.

JUNGWITZ. RICHARD. JUNGWITZ.

J a , ja.

Etwas Verstand wird sie zum Engel machen.

Verstand? Verstand? Ey! was? Verstand? ich muß recht [lachen. War sie nur nicht ein Ding, das wie im Drathe geht, Nur Complimente macht, und ihren Reiffrock dreht, Das lauter Kleider ist, nichts wünscht, als schöne Kleider, Und ihren Vater kaum so gern sieht, als den Schneider; Das kaum für lauter Zucht die Lippen öffnen kann, Und denkt, mit Ja! und nein! ist alles abgethan, Und weiß sie nur im Spiel die Charten zuzugeben, Sich einbildt, sie versteht die ganze Kunst zu leben; Wär sie hübsch ohne Zwang und hätte Munterkeit,

RICHARD.

Die stumme Schönheit

58

Und spräche, doch nicht stets und auch nicht zu gescheidt, Und wüste was sich schickt, und war im Hause nütze, So frag ich viel darnach, ob sie Verstand besitze. JUNGWITZ. Mein Herr, so sind wir eins, so hätte sie Verstand. R I C H A R D . Verstand? mein guter Herr, den hab ich eh gekannt. Lehr er mich den Verstand der Frauen nur nicht kennen. Wer ihn erfahren hat, hört ihn nicht gerne nennen. Wenn ein herschsüchtig Weib den Mann zum Kinde macht, Und denkt er nicht, wie sie, ihm ins Gesichte lacht, Ihn straft, so oft er was ohn ihren Rath gesaget, Ihn vor den Leuten ehrt, und ingeheim ihn plaget, Und will er nicht, wie sie, mit ewigem Verdruß Sich krank macht, weint und rast, bis er ihr folgen muß: So heißt sie das Verstand. Wenn ich so eine hätte: Ich will ein Schurke seyn, gieng ich mit ihr zu Bette. J U N G W I T Z . SO find ich zwischen uns vollkommen Einigkeit. R I C H A R D . Nun! wenn wir einig sind, was braucht es denn für Streit ? JUNGWITZ. Doch sollt ein einzig Wort wol ihre Freundschaft [mindern ? RICHARD. Ey! so ein Lumpenstreit, wie sollte der sie hindern. J U N G W I T Z . Ich meyne das, was ich noch erstlich sagen will. RICHARD. JUNGWITZ.

SO s a g e r s .

Doch ich weiß . . .

Nun denn, so schweig er [still. J U N G W I T Z . Es muß einmal heraus. Am besten ists, ich rede. RICHARD. Nun ja! so red er doch. Was thut er denn so blöde? J U N G W I T Z . Ich gieng zwar den Vergleich mit viel Vergnügen ein, Und freute mich darauf ihr Tochtermann zu seyn: Doch die Bedingung war, daß sie mir auch gefiele. R I C H A R D . Ja, ja, nun merk ich wol. Nun kömmt er bald zum Ziele. JUNGWITZ. Vielleicht reizt ihr Gesicht noch tausend Augen an. Wer weiß, wer sie noch sieht, dem sie gefallen kann. Sie kann noch auf ihr Geld und ihre Schönheit pochen. R I C H A R D . Herr Jungwitz, aber er?

RICHARD.

JUNGWITZ.

Ich habe sie gesprochen.

Nun hab ich schon genug. Gut, ich versteh ihn schon. Er hat so unrecht nicht, Herr Sohn.

RICHARD.

59

Vierzehendet Auftritt

Nicht mehr Herr Sohn. RICHARD. Nun! nun! den bösen Brauch will ich schon endlich [lassen. Nicht mehr Herr Sohn, ganz gut. Doch er muß mich umfassen. Wir bleiben Freunde drum. JUNGWITZ. Das bitt ich. RICHARD. Desto mehr. Wenn man verschwägert ist, liebt man sich selten sehr. Doch die verfluchte Frau, die mich so sehr betrogen, Und denkt, sie hat mir gar ein Wunder auferzogen, Die wollt ich . . . JUNGWITZ.

Vierzehender Auftritt. J U N G W I T Z . R I C H A R D . F R A U PRAATGERN.

Nun! was denn? Was wollten sie mir thun?

PRAATGERN.

Hier bin ich.

Ey! man spricht ja nicht von ihnen.

JUNGWITZ. PRAATGERN.

Nun!

Die wollt ich . . . Rüsten sie sich doch nicht gleich zum Streiten; Wer ihnen was will thun, den muß der Teufel reiten.

JUNGWITZ.

Herr Richard, aber sie sind warlich auch ein Mann, Den jeder, was er will, getrost bereden kann. Was fehlt Charlotten denn? Ich muß wol besser wissen, Wie Jungfern in der Stadt erzogen werden müssen. Ich bin es auch nicht längst gewesen.

PRAATGERN.

RICHARD.

E y ! u n d ich,

Ich weiß auch was sich schickt. Die Moden ändern sich, Und ihre Tochter ist recht nach der neusten Mode.

PRAATGERN.

Das wird Chinesisch seyn, sie sitzt, wie ein Pagode.

RICHARD. PRAATGERN. RICHARD.

So sagen sie mir doch, was sie sonst machen soll.

Sie soll gesprächig seyn.

Gesprächig? das ist toll. Die Jungfern, hört nur an, will er gesprächig machen. Ey! wollen sie nicht auch, sie sollen gar mit lachen.

PRAATGERN.

60

Die stumme Schönheit

RICHARD.

Warum nicht ?

PRAATGERN.

PFUY!

Warum ? He!

RICHARD.

Weil sie Jungfern sind. Wird man hernach zur Frau, so giebt sich das geschwind.

PRAATGERN. JUNGWITZ.

Dann redt man desto mehr.

PRAATGERN.

Mich dünkt ja, daß ich rede. Dann kriegt man auch Verstand.

JUNGWITZ.

Itzt bin ich gar nicht [blöde.

PRAATGERN.

Als Jungfer sprach ich nichts. Weiß sie das noch genau ?

RICHARD.

JUNGWITZ.

SO

wurden sie vielleicht um desto lieber Frau.

Nein! sollten wir so jung die Töchter reden lehren. Wer würde denn hernach gern auf uns Frauen hören.

PRAATGERN.

So ? so ? ist das der Grund ?

JUNGWITZ.

Kurz! hören sie nur an. Zu zeigen, daß gleichwol Charlotte reden kann: So soll Herr Jungwitz nur noch einmal mit ihr sprechen, Und hat sie nicht Verstand. Gut! dann so kann er brechen.

PRAATGERN.

RICHARD.

Was sagen sie dazu ? Das geh ich endlich ein.

JUNGWITZ. PRAATGERN.

Ich wette, sie soll bald ein recht Orakel seyn.

Indeß laß ich ihn hier, Herr Jungwitz, ich muß gehen, Mit meiner Tochter mich ein wenig zu verstehen.

RICHARD.

Funfzehender Auftritt. JUNGWITZ. JACOB.

Nun find ich endlich doch auch einen Augenblick, Da ich sie sprechen kann, und zwar zu ihrem Glück.

JACOB.

JUNGWITZ.

Nun!

Weil sie, wie ich weiß, um Richards Tochter freyen: Hat man mir was gesteckt, das wird sie nicht gereuen.

JACOB.

JUNGWITZ.

Das ist?

61

Sechzehender Auftritt

Ein klein Geschenk nimmt gleich die Herzen [ein. Es ist die Mode so, es muß geschenket seyn. Mit Uhren und Etui und solchen Kleinigkeiten, Wollt ich manch gutes Kind verteufelt weit verleiten. Ich dächte . . . Wollten sie wol was dergleichen sehn ? Als zum Exempel das ?

JACOB.

JUNGWITZ

schlägt ihn.

Fort, Schurcke, willst du gehn.

Ist das für meinen Rath? Wie so? Was fehlt denn ihnen? Bey einem Bräutigam mag auch der Henker dienen. Die Leute haben stets den Kopf von Grillen voll. Man weiß nicht was man thun, und was man lassen soll.

JACOB.

Sechszehender Auftritt. JUNGWITZ. JACOB. CATHRINE.

Da kömmt Cathrine her. Mein Herr giebt itzt Präsente. Wenn ich ihr doch nur auch zu was verhelfen könnte. Hör sie, im Fall er sie nicht ebenfalls bedenkt, So theil ich das mit ihr, was er mir hat geschenkt.

JACOB.

CATHRINE. JUNGWITZ.

Gut! . . . Hier ist ein Mann. Ich glaub er will zu [ihnen. Weiß sie das nicht gewiß ? JA!

Nein.

CATHRINE. JUNGWITZ JACOB.

Jacob.

Frag ihn doch. ZU

CATHRINE.

[dienen. Ich hab ihn schon gefragt, und weiß doch nichts. Warum ?

JUNGWITZ. CATHRINE. JUNGWITZ.

Er sagte nichts darauf. Wie so denn?

Er ist stumm. Er gab mir nur so viel durch Zeichen zu verstehen, Er wollte grade zu herein ins Zimmer gehen.

CATHRINE.

JACOB.

Hier haben sie ihn selbst, ich weiß nicht, was er meynt.

Die stumme Schönheit

62

Siebzehnder Auftritt. JUNGWITZ. LACONIUS.

Bist dus? Laconius, mein alter guter Freund! Du alter Philosoph, willkommen . . . setz dich nieder . . . Du bist doch noch gesund . . . Und denkst an mich noch wieder. So hast du mich noch lieb . . . Ich danke dir dafür . . . Was macht die Algebra . . . Es geht doch gut mit dir . . . Wer baare Gelder hat, kann gut philosophiren. Bey mir vertreibet itzt die Wirthschaft das Studiren.

JUNGWITZ.

LACONIUS.

Ich höre ja, du willst heyrathen. Thu es nicht.

Es ist auch noch zu früh, wenn man davon schon spricht. Herr Richard wollte mir hier seine Tochter weisen. Und das bewog mich zwar mit ihm hieher zu reisen. Der Vater steht mir an, die Tochter aber nicht, Sie redet nicht ein Wort.

JUNGWITZ.

Nimm sie, weil sie nicht spricht.

LACONIUS.

Das wäre was für dich. D u willst nicht plaudern hören. Sie würde dich nicht sehr in deinem Denken stören. Hör an, was giebst du mir ? so frey ich dir sie zu. Das Mägdchen sieht gut aus. Was meynst du? Lachest du? Du hättest wol das Herz, noch eine Frau zu nehmen, Wenn eine wär, die sich zum Schweigen will bequemen. Hör doch! wie alt bist du ? wol sechzig . . . noch nicht ? wie ? Doch fünfzig.

JUNGWITZ.

LACONIUS.

Vierzig.

E Y ! was die Philosophie Für Runzeln machen kann 1 Man seh einmal den Alten! Zum Henker für so jung hätt ich dich nicht gehalten.

JUNGWITZ.

Achtzehnter Auftritt. JUNGWITZ. LACONIUS. CATHRINE. CATHRINE.

Herr Richard wünschte sehr, Herr Jungwitz, sie zu sehn.

JUNGWITZ.

Verzeih, mein alter Freund, so muß ich von dir gehn.

Zwanzigster Auftritt

63

Neunzehnter Auftritt. LACONIUS. C A T H R I N E .

Er geht. Wie werd ich nun den alten Kerl vertreiben? Mein Herr, gedenken sie den Abend hier zu bleiben ? Sie wollen wol vielleicht die andern Zimmer sehn? Sie winken? . . . Ey! ich kann die Sprache nicht verstehn. Laconius giebt ihr Geld. Was ist das? zwey! dreyl vierl träum ich, bey meiner Ehre Der Mann ist so beredt, als obs ein Engel wäre. Daß er etwas begehrt, das hör ich ganz genau. Doch was begehren sie ? von wem ? . . . von meiner Frau ? Von meiner Jungfer? nicht? . . . von mir denn? darf ich fragen? Vielleicht versteh ich sie, wenn sies noch einmal sagen. Was wollen sie, mein Herr ? Nun I

CATHRINE.

LACONIUS.

Doch, daß sie mich nicht sieht.

Richards Tochter sehn,

Das lässt sich kaum verstehn. Die erste Sprache war viel deutlicher als diese. Wie ? sollt sie sie nicht sehn, wenn ich sie ihnen wiese ? Was heißt das ? Wollten sie sie wol im Finstern sehn ? . . . Was sonst? LACONIUS. Versteck mich.

CATHRINE.

CATHRINE. LACONIUS.

SO

? und was soll denn geschehn ?

Ich will sie hören.

Wie ? als wär sie ein Professer. Sie ist nicht fürs Gehör geschaffen.

CATHRINE.

Desto besser.

LACONIUS.

Ich hör, es kömmt jemand. Das wird die Jungfer seyn. Geschwinde, gehn sie hier ins Cabinet herein.

CATHRINE.

Zwanzigster Auftritt. F R A U PRAATGERN. CHARLOTTE. CATHRINE. PRAATGERN.

Wer ist im Cabinet ?

für sich. Wie ? ward sie ihn wol innen ? laut. Sie wollen doch hinein?

CATHRINE

64

Die stumme Schönheit Nein!

PRAATGERN.

Es ist niemand drinnen.

CATHRINE. PRAATGERN.

Laß uns allein.

Ein und z w a n z i g s t e r A u f t r i t t . F R A U PRAATGERN. CHARLOTTE.

Komm her! Charlotte, küsse mich. Und hiermit wisse, du bist meine Tochter.

PRAATGERN.

Ich? ]

CHARLOTTE.

Ja du, mein liebstes Kind, ich habe dich geboren. Aus Liebe gegen dich vertauscht ich Leonoren. Herr Richard gab mir sie, da sie noch nicht ein Jahr, Und dir an Alter gleich, und gleich an Grösse war. Sonst niemand weiß den Tausch, den ich getroffen habe, Als eine Wärterin, doch die liegt schon im Grabe. Herr Richard, welcher mir sein Kind vertrauet hat, Kriegt, meine Tochter, dich, an seiner Tochter statt. Er glaubet, du bist sein, und wenn er einst wird sterben, Wird seine Tochter nichts und du den Reichthum erben. So glücklich hab ich dich durch meine List gemacht.

PRAATGERN.

CHARLOTTE.

SO ?

Aber nimm nun auch den Vortheil wohl in acht. Du mußt dich nur einmal, wie Richard will, geberden; So kannst du eine Frau von grossen Mitteln werden, Den andern recht zum Trutz in schönen Kleidern gehn, Und nach und nach im Rang, wo du verlangest, stehn. Ich bitte dich, laß ja das Glück nicht aus den Händen. Bist du Jungwitzens Frau: so mag das Blatt sich wenden. Doch eher ruh ich nicht, bis du versorget bist. Denn Richard ist nicht dumm, er merkt vielleicht die List. Ein einziger Verdacht reißt alles gleich darnieder. Weiß ers, so kennt er leicht die rechte Tochter wieder. Sie hat an ihrem Arm ein Maahl zur Welt gebracht, Kennt er dieß Maahl zuvor, dann: alles gute Nacht! Drum gieb dir alle Müh den Jungwitz wegzukriegen. Ich habe schon gedacht, wie man ihn kann betrügen. Er klagt, du denkest nichts, und schweigst beständig still.

PRAATGERN.

Zwey und zwanzigster Auftritt

65

So machs dem Narren denn, wie er es haben will. Selbst Leonore soll, ohn wer sie ist, zu wissen Was ihr bestimmet war, dir mit verschaffen müssen,

sie klingelt. Sag du nur niemand was; Es liegt dir selber dran. Cathrine tritt herein. Ruff Leonoren her. Cathrine geht ab. Es ist um mich gethan, Wenn es ein Mensch erfährt: Sey klug und lerne schweigen. Wie du es machen sollst, will ich dir itzt gleich zeigen.

Zwey und zwanzigster Auftritt. F R A U PRAATGERN. CHARLOTTE. LEONORE.

Komm! Leonore, komm 1 hilf mir zu einer List, Dabey ich sehen will, ob du gehorsam bist. Bedenk ich habe dich mit Schmerz zur Welt geboren. Laß sehn, ist dieser Schmerz an dir nicht ganz verloren ?

PRAATGERN.

LEONORE.

Befehlen sie, Mama, was fodern sie von mir.

Man lacht Charlotten aus, und tadelt mich in ihr. Wahr ist es zwar ich darf mich meiner Zucht nicht schämen. Doch nach dem Mannsvolk muß ein Mägdchen sich bequemen. In ihren Meynungen sind sie nicht einerley, Dem ist man allzustill, dem andern allzufrey. War ich ein junger Mann: Ich hielt es mit den blöden. Doch Jungwitz will, sie soll, wie ein Orakel, reden, Dem dummen Schöps gefällt ein artiges Gesicht, Das wenig Worte macht, und doch viel wünschet, nicht. Er war schon im Begriff den Handel abzubrechen. Mit Müh beredt ich ihn, sie noch einmal zu sprechen. Und spricht sie dießmal nicht so schön, wie ein Roman: So ist es alles aus und um ihr Glück gethan. Hier soll sie sitzen. Sieh 1 du sollst dahinten stecken. Hier wird dich niemand sehn. Ihr Rock wird dich bedecken. Hilf, was sie sagen soll, von Wort zu Wort ihr ein. Er hält sich für so klug, er muß betrogen seyn.

PRAATGERN.

LEONORE.

Was sagen sie ? Mama, ist das im Ernst gemeynet ?

PRAATGERN. LEONORE.

Im Ernst ? Der Sache fehlt dein Beyfall, wie es scheinet.

Gesetzt auch der Betrug gelingt, was für Verdruß . . .

5 KOMEDIA I

66

Die stumme Schönheit

PRAATGERN. LEONORE.

Und glauben sie, daß er das nicht gleich merken könne ?

PRAATGERN. LEONORE.

Lehr du mich nur, wie man Heyrathen stiften muß.

Eyl dünkt das Ey doch stets sich klüger als die Henne.

Und •wenn denn sie und ich dadurch in Schande sind.

Thu es, ich halte dich sonst nicht mehr für mein Kind. Der Anschlag ist so fein. Du wirst michs besser lehren. Ich will Gehorsam sehn und deinen Rath nicht hören. Charlotte setze dich. Du I steck dich hinter ihr. Was schleichst du so? mach fort. Ich glaub er ist schon hier. S o l . . . Hilf ihr kurze Zeitl nur ohne dich zu rühren! Ich will schon bald zu euch den alten Richard führen.

PRAATGERN.

Drey und zwanzigster A u f t r i t t . JUNGWITZ. CHARLOTTE. LEONORB,

versteckt.

Sie nehmen mich sehr kalt und sehr verächtlich an. Mich dünkt sie sind erzürnt.

JUNGWITZ.

So sind sie Schuld daran.

CHARLOTTE. JUNGWITZ.

Ich wünsche nur zu sehn, daß ich gefehlet habe.

Die Gabe . . . das . . . zu sehn . . . ist eine . . . seltne [Gabe. JUNGWITZ. Recht artig! Doch vorhin da sprachen sie so nicht. Wo war damals ihr Geist ? ich sah nur ihr Gesicht. CHARLOTTE.

Was sollte man . . . sonst mehr . . . den jungen Herren [. . . zeigen ? Sie reden . . . gern . . . allein . . . drum braucht man nur . . . [. . . Edatanten.* J U N G W I T Z . Wie ? Eclatanten ? Was ?

CHARLOTTE.

Man findet oft . . . Verstand. In Leuten . . . die man erst . . . gar nicht . . . dafür . . . erkannt.

CHARLOTTE.

Es klang, als hätt ich itzt zwo Stimmen sprechen hören. Hier muß ein Echo seyn.

JUNGWITZ.

CHARLOTTE.

ES

wird sie nur . . . bethören.

* Eine Art von glänzenden Blumen.

Drey und zwanzigster Auftritt JUNGWITZ. CHARLOTTE.

67

Das Echo . . . Gehn sie doch I . . . sie kommen mir zu nah.

Das Echo ist ganz neu, es spricht voran. Hai hal Wer steckt hier ? kommen sie I Das ist nicht zu verzeihen. Leonore tritt hervor. Sie haben viel Verstand: er ist gar zu verleyhen. Zu Charlotten. Und sie, ach! schämen sie sich nicht, mein schönes Kind. Ich muß gestehn, daß sie ein artig Sprachrohr sind. CHARLOTTE. Ey! nicht dochl LEONORE. Jal mein Herr, sie haben Recht zu [spotten. Wie schlecht entschuldigt mich die Freundschaft für Charlotten 1 JUNGWITZ. Wer hat die List erdacht? Gewiß 1 sie war recht fein. JUNGWITZ.

Weil sie nicht feiner ist, drum ist sie zu verzeyhn, Da sie nicht Schaden thut, und doch sie überführet, Daß man so einen Mann, wie sie, nicht gern verlieret.

LEONORE.

Ich seh zum wenigsten so viel aus dieser List, Daß die Betrügerey ihr Handwerk gar nicht ist. Sie lassen, wie mich dünkt, sich viel geschickter sehen, Sich zu entschuldigen, als mich zu hintergehen.

JUNGWITZ.

Wer selbst sein Unrecht sieht, entschuldigt sich nur [schlecht. JUNGWITZ. Ihr Unrecht? sagen sie. Sie haben allzurecht. Sie konnten für sich selbst nichts vortheilhafters finden, Und spielten diesen Streich bloß um mich zu entzünden.

LEONORE.

Gewiß 1 sie trauen mir sehr viel Erfindung zu. Ich ziele nicht so weit in allem, was ich thu.

LEONORE.

JUNGWITZ.

So geht die Wirkung doch viel weiter, als sie zielen.

Mein Herr, die Roll ist aus, die ich hier sollte spielen. Sie wissen, ich war nur um einzuhelffen hier. Hier ist die Hauptperson, drum sprechen sie mit ihr.

LEONORE.

Ich bitte, bleiben sie. Mit ihnen muß ich sprechen. Sie halfen zum Betrug, nun helffen sie mich rächen. Nein 1 man soll mich gewiß umsonst nicht hintergehn. Sie sollen für den Streich, auf den sie dachten, stehn. Um den Verstand, den man mich hoffen ließ, zu finden: So muß ich mich mit der, die ihn besitzt, verbinden.

JUNGWITZ.

s

68

Die stumme Schönheit

Sie glauben, hab ich sie zu hintergehn gedacht, So ist dasselbe Recht, nun auch für sie gemacht: Doch ihre Schmeicheley wird diesmal mich nicht fangen. Dem traut man nicht so leicht, wen man erst hintergangen.

LEONORE.

Vier und zwanzigster Auftritt. RICHARD. CHARLOTTE. RICHARD.

FRAU

PRAATGERN.

LEONORE.

JUNGWITZ.

Wie stehts ? Ey I was ist das ? ich weiß nicht, ob ich trau.

PRAATGERN.

Nun! die Frau Praatgern hält mehr Wort, als keine Frau. Sie haben mich recht sehr durch dis Gespräch verbunden. Dismal hab ich Verstand und Witz genug gefunden. Ich hab ein Kind gehört, das wie ein Engel spricht. Herr Richard, doch dis Kind ist ihre Tochter nicht.

JUNGWITZ.

PRAATGERN. JUNGWITZ.

Wie ? seine Tochter nicht ? wie soll ich das erklären ? JA!

ihre Tochter ists. Nein! nein! ich wills beschweren.

PRAATGERN.

J A ! ihre Tochter nur, Frau Praatgern, bet ich an. Kaum hatt ich sie gehört, da ich sie liebgewann. Die Schönheit kann ein Herz wol rühren, nicht durchdringen: Nur der Verstand allein kann den Verstand bezwingen. Was ist die reichste Frau mit wenigem Verstand ? Wie unnütz ist das Gold in einer Thörin Hand? Es weißt ihr Mittel zu, durch tausend tolle Sachen, Mit desto leichtrer Müh sich lächerlich zu machen. Herr Richard glauben sie . . .

JUNGWITZ.

Ey! was geht mich das an ?

RICHARD. JUNGWITZ.

Frau Praatgern.

Nein! sie sind Herr Richards Tochter[mann. Was dächten sie, wenn ich so schändlich handeln wollte, Daß ich Charlotten gar den Bräutgam nehmen sollte.

PRAATGERN.

JUNGWITZ.

Mir steht ja frey . . .

69

Fünf und zwanzigster Auftritt Fünf und zwanzigster A u f t r i t t . D I E VORIGEN. LACONIUS.

Hier, das ist Richards Tochter.

LACONIUS. PRAATGERN.

Wie ?

Das redt ein Schelm! Wer hat denn das gesaget.

LACONIUS.

Sie.

Der Mann spricht sonsten wahr.

JUNGWITZ. RICHARD.

SO

Sie hats gesagt. So ists.

LACONIUS.

hat man mich [belogen.

So war ich selbst betrogen.

LEONORE.

Komm! weiß mir deinen Arm. Laß mich doch sehn.

RICHARD.

Mama.

CHARLOTTE.

NeinI sie ists nicht. Und dul bist dus, ich seh es. J a !

RICHARD. PRAATGERN.

GutI nehmen sie sie hin, wenn sie es besser wissen. Für den Tausch wollt ich gern mein halb Vermögen [missen.

RICHARD.

PRAATGERN.

SO

weiß ich nichts davon, wenn sie vertauschet sind.

Wie leicht ergreift man auch ein Kind fürs andre Kind.

JUNGWITZ. PRAATGERN.

Ey freylich!

Für den Tausch bin ich ihr recht gewogen, Sonst hätte sie mein Kind wohl selber auferzogen. Mein Kind! kaum sah ich dich, so liebt ich dich auch schon. Herr Jungwitz, und wie nun? Nun! heißt er doch, Herr Sohn.

RICHARD.

Will Leonore nur, daß ich so heisse, leiden. Ich bins, Herr Vater, ja! und bin es nun mit Freuden.

JUNGWITZ.

LEONORE.

Charlotte dauert mich, was fängt man mit ihr an?

RICHARD.

Nichts.

LACONIUS.

Gebt sie mir zur Frau, weil sie nicht reden kann.

E r denkt, daß wer nicht spricht, auch wenig Unruh [mache, Und eine stumme Frau, das wäre seine Sache.

JUNGWITZ.

Ja, ja, sie schweigen drum nicht so beständig still. Die stillste redet oft, wenn mans nicht haben will.

RICHARD.

70

Die stumme Schönheit

Das Paar schickt sich recht wohl. Nur Hand in Hand [geschränket, Er spricht nichts, weil er denkt, und sie, weil sie nicht denket. R I C H A R D . Wer aber lehrt hernach die Kinder reden ? JUNGWITZ.

PRAATGERN. RICHARD. LACONIUS.

Ich!

Die Heyrath ist gemacht, nur lustig 1 Charlotte neigt sich.

Willst du mich?

MATERIALIEN ZUM VERSTÄNDNIS DER TEXTE

»DER WITZLING« Editionsbericht Die zwei einzigen Originaldrucke des Wildlings erschienen anonym in den beiden Auflagen von G O T T S C H E D S Dramensammlung »Der Deutschen Schaubühne nach den Regeln und Mustern der Alten«, der i. Druck 1745 im 6. Band der 1. Auflage, der 2. Druck 1750 im 6. Band der 2. Auflage. Beide Texte sind nahezu gleich, sie unterscheiden sich nur unwesentlich in Orthographie und Interpunktion, im Titel und in zwei Namen. Während in der 1. Auflage Stück und Titelheld Herr Wifling heißen, sind in der 2. Auflage der Titel in Der Wifling und der Name des Helden in Herr Vielwitz geändert; und der junge Gelehrte heißt 1745 Herr Rhomboides, 1750 Herr Sinnreich. Zeitgenössische Nachdrucke des Dramas ließen sich nicht nachweisen. Als Neudruck wurde der Wit^ling bisher zweimal herausgegeben: Deutsche Dichterinen und Schriftstellerinen in Wort und Bild. Hrsg. von H E I N R I C H G R O S S , Berlin 1885, 1. Bd., S. 29—43 und Die Lustspiele der Gottschedin. Hrsg. von R E I N H A R D B U C H W A L D und A L B E R T K Ö S T E R . Leipziger Bibliophilen-Abend 1908, 1. Bd., S. 393—440. Dem vorliegenden Neudruck liegt die 2. Auflage des Stücks zugrunde: Der [ Witzling, | ein | deutsches Nachspiel | in [ einem Aufzuge. | — | Horat. | Gaudent scribentes & se venerantur, & ultro, | Si taceas, laudant I quidquid scripsere beati. | (»Deutsche Schaubühne«, 6. Bd., Leipzig 1750, S. 509—551. Frakturtype.) Der Druck ist überaus sauber, so daß Textverbesserungen nahezu unnötig waren. Die Abkürzungen wurden aufgelöst, die Anreden, die das Original regellos bald groß, bald klein schreibt, sind einheitlich groß geschrieben, das vom 5. Auftritt an fehlende »Herr« vor den Personennamen wurde eingesetzt.

72

Materialien: Der Witzling Zur

Entstehungsgeschichte

Uber die Entstehungsgeschichte des Wiflings sind keine Einzelheiten bekannt. Die Literatursatire in der Hauptszene (5.—8. A u f tritt) weist auf die Mitte der 40 er Jahre, und demnach kann das Stück nicht viel früher geschrieben worden sein. Z u Beginn der 40er Jahre begann G O T T S C H E D S Stern zu sinken: das literarische Leben ließ sich auf die Dauer rationalistischen Regeln nicht unterwerfen. Bald wurden die »Critische Dichtkunst« und die Theaterreform in einer unübersehbaren Reihe von (literaturgeschichtlich meist wertlosen) Streit- und Schmähschriften Gegenstand immer heftiger werdender Polemik. In diese Auseinandersetzungen, die fast zwei Jahrzehnte währten und in die Literaturgeschichte als Literaturstreit zwischen Leipzig und Zürich eingegangen sind, greift auch Frau Gottsched im Wifling ein mit der Verteidigung und Rechtfertigung von G O T T S C H E D S »Deutscher Schaubühne« und seinen Sprachvorschriften. Gerade Ende 1744 hatte G O T T S C H E D ein schwerer Schlag getroffen. Eine große Zahl seiner begabtesten Schüler hatte, der dauernden, aber im Grunde kaum fruchtbaren polemischen Händel müde, sich ihre eigene Zeitschrift gegründet, die »Neuen Beiträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes«, kurz »Bremer Beiträge« genannt. G O T T S C H E D mußte diese Sezession seiner Schüler als einen Übertritt ins feindliche Lager empfinden. E s wird daher kein Zufall sein, daß sich die Gottschedin im Wieling gerade die Gründung einer literatischen Gesellschaft aufs Korn nimmt, ja, die denkende Sprachschnitzergesellschaft weist in ihren organisatorischen Plänen deutliche Parallelen zu den Gesetzen der »Bremer Beiträger« auf. Dagegen wird es kaum möglich sein, das Vorbild zu Herrn Vielwitz in G O T T S C H E D S Gegner B A R T H O L D J O A C H I M Z I N K , Redakteur beim »Hamburger Korrespondenten«, zu sehen 1 . Daß dem Wit%ling die literarische Situation Leipzigs in der Mitte der 40 er Jahre als Stoff diente, wird nicht nur im Stück selbst mehrfach angedeutet, sondern G O T T S C H E D weist schon in der Vorrede zum 6. Band der »Schaubühne« darauf hin, daß im Witzling aktuelle Begebenheiten und lebende Personen aufs Korn genommen werden: »Das letzte Stück, welches nur ein Nachspiel ist, hat mir ein Unbekannter eingesandt. Die Absicht in demselben, schien sich sehr gut zum Beschlüsse meiner Schaubühne zu schicken: darum habe ich ihm diesen Platz eingeräumet. Ich weis es nicht, ob die Charaktere, die er darinn vorstellet, Originale haben mögen. Da ich es aber aus verschiedenen besondern Zügen, die darinn vorkommen, muth1 Paul Schienther, Frau Gottsched und die bürgerliche Komödie. Berlin 1886, S. 204.

Zur Entstehungsgeschichte

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maßen mußte, daß der Herr Verfasser etwas dabey im Sinne gehabt; so habe ich mir die Freyheit genommen, dieselben wegzulassen, und vieles von demjenigen zu lindern, was etwa anzüglich hätte werden können. So wie ich es itzo liefere, wird es wohl den Namen einer allgemeinen Fabel führen können, die sich auf keine besondre Person recht schicket. Denn das ist allemal meine Absicht gewesen, daß die Lustspiele meiner Schaubühne keine persönliche Satiren werden möchten. Was indessen ohne mein Wissen und Vermuthen noch geblieben seyn möchte, lasse ich den Urheber selbst verantworten«. Daß mit der von Vielwitz und seinen Kumpanen befehdeten grammatikalischen Zunft GOTTSCHEDS Sprachreformen gemeint sind, lassen die Zitate in GOTTSCHEDS »Vollständigerer und Neuerläuterter Deutscher Sprachkunst« erkennen: »Z. E. ein Niedersachs, Meklenburger, Märker und Pommer, wird wohl fragen: A n wen hast du das gesaget, gegeben, u. d. gl. ? wo er w e m hätte fragen wollen. Daher kommen denn die schönen Brocken, die in dem kleinen Lustspiele, der W i t z l i n g , in der d e u t s c h e n S c h a u b ü h n e , an einem solchen Landsmanne verspottet werden. S. den V I Band a. d. 522 u. f. S. Dahin gehören die Blümchen b e y m i c h , m i t d e n H u t auf d e n K o p f : ich bin i n e t l i c h e C o l l e g i a gewesen. Ich hätte m i c h nicht vermuthet; aus m e i n e S t u b e gehen. Ich mache m i r einmal drüber; meine Anmerkungen über d e m Aristoteles; wie ich noch in die Schule war. u. d. gl. J a damit die Herren Obersachsen nicht stolz werden möchten, so sind auch ihre Blümchen in diesem Stücke nicht vergessen worden: z. E . es ist mir ein Vergnügen, i h n e n kennen zu lernen; i h n e n hier zu sehen. Haben sie in W i l l e n s ; ich werde S i e mit einer Dissertation aufwarten. Die Erfindungen gehören alle m e i n e . Ich besinne mich nicht, etwas von S i e gelesen zu haben, u. d. m. lauter grobe Schnitzerl« 2 Die deutlichen Anklänge an den literarischen Tageskampf Leipzigs machen die Frage nach den literarischen Quellen des Wülfings unwesentlich, und es ist wenig wahrscheinlich, daß der Gottschedin MOLIERES »Critique de l'ecole des femmes« vorgeschwebt hat 3 , zumal die Parallelen vereinzelt sind und nur Äußerlichkeiten betreffen. Mit dem Witzling schließt die Komödiendichtung der Gottschedin. Luise Adelgunde Viktorie Kulmus (1713—1762), seit 1735 mit GOTTSCHED verheiratet, hatte sich als treue Gefährtin ihres Gatten von Anfang an in den Dienst seines Reformwerkes gestellt und im Dienst an diesem Werk auch ihre Kräfte verzehrt. Die vernichtenden Kritiken, die seit den 40 er Jahren auf GOTTSCHED niederhagelten und sein Ansehen nach und nach untergruben, trafen die hoch2

Gottsched, Vollständigere und Neuerläuterte Deutsche Sprachkunst. Leipzig 1757, S. 452. Schienther a. a. O., S. IQO.

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Materialien: Der Witzling

gebildete und feinsinnige Gottschedin tiefer als den selbstbewußteren GOTTSCHED selbst, denn mitunter stand die 15 Jahre jüngere Frau innerlich mehr auf der Seite der Jüngeren als auf der ihres Gatten 4 . Doch offen auf die Seite seiner Gegner zu treten, war ihr verwehrt, und so trat sie denn lieber von der literarischen Bühne ab, um fortan nur noch den gelehrten Studien ihres Gatten mit unermüdlichem Fleiß zu dienen. Gattungsgeschichtliche

Der Wieling

Einordnung

wird im Untertitel als deutsches Nachspiel

bezeichnet,

doch ist damit nicht der Gattungstyp, sondern allein die Aufführungsart gekennzeichnet: es sollte, nach der Gewohnheit der damaligen Wandertruppen, als Aufheiterung nach einer Tragödie gespielt werden. Der Gattungstyp dagegen wird geprägt von GOTTSCHEDS Komödientheorie, wie sie im »Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen« (1. Aufl. 1730) formuliert ist. GOTTSCHEDS Literatur- und Theaterreform, wesentlicher, aber nicht einziger Bestandteil seiner »Lebens- und Kunstreform« (Brüggemann), hat ihre sozialen Wurzeln in der Aufwärtsentwicklung des deutschen Bürgertums, ihre philosophischen Wurzeln im Rationalismus CHRISTIAN WOLFFS, und ist getragen vom Glauben an die Allmacht der Vernunft und an die Erziehbarkeit des Menschen. E s wird von GOTTSCHEDS Theaterreform immer wieder behauptet, daß ihre »Einzigartigkeit« darin bestehe, daß sie »vom Katheder, von der Theorie ausging« 6 . Doch kann nicht übersehen werden, daß die Forderung nach einem »vernünftigen« und »regelmäßigen« Drama im starken Maße aus dem Protest gegen die bestehende Theaterpraxis der Wanderbühnen mit ihren Haupt- und Staatsaktionen und Harlequinsspielen entstand 6 . Gegenüber einer Bühnenkunst, die allein die Schaulust der Menge befriedigen wollte, stellt GOTTSCHED das Drama in den Dienst der sittlichen Erziehung des Bürgertums und mißt seinen Wert an der moralischen Lehrhaftigkeit. Und nicht allein das rationalistische Naturnachahmungs- und Wahrscheinlichkeitsprinzip, sondern gerade auch die erzieherischen Aufgaben des Dramas sind die Voraussetzung jener berühmt-berüchtigten »Regeln«, denen GOTTSCHED alle Dichtung unterstellt: 4 Reinhard Buchwald, Frau Gottsched. Deutsche Rundschau. Bd. 148. 1 9 1 1 , S. 454—440. 6 Richard Newald, Die deutsche Literatur vom Späthumanismus zur Empfindsamkeit. München 1951, S. 489. 8 vgl. Gottscheds Vorrede zum «Cato». Abgedruckt in: Meisterwerke deutscher Literaturkritik. Hrsg. von Hans Mayer. 1. Bd., Berlin 1954, S. 5—20.

Gattungsgeschichtliche Einordnung

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sie entstammen »dem richtigen Streben, der Dichtung eine solche Form zu verleihen, daß sie dem aufgeklärten Bürger dienen kann« 7 . Entscheidend wird G O T T S C H E D S Komödienauffassung 8 (wie seine Literaturauffassung überhaupt 9 ) von der Naturnachahmungslehre geprägt, denn sie verweist den Komödiendichter auf die (allerdings rationalistisch verstandene und damit vernunftgeregelte) Wirklichkeit. Genauer wird diese Wirklichkeit bestimmt durch die sogenannte »Ständeklausel«, die auch G O T T S C H E D noch nicht durchbricht und die festlegt, daß die Figuren der Komödie allein den unterhöfischen Schichten, vornehmlich dem Bürgertum, entstammen dürfen. Doch ist die Ständeklausel bei G O T T S C H E D nicht mehr wie im 17. Jahrhundert durch ein religiöses Weltbild gegeben, das jedem Menschen einen bestimmten Platz zuweist, sondern sie wird mehr aus äußerlichen Gründen festgehalten. »Nicht, als wenn die Großen dieser Welt etwa keine Thorheiten zu begehen pflegten, die lächerlich wären; nein, weil es wieder die Ehrerbiethung läuft, die man ihnen schuldig ist, sie als auslachenswürdig vorzustellen.« 10 Diese Bindung der Komödie an das bürgerliche Milieu enthält deutliche Ansätze zu einer realistischen Darstellung 1 1 , sowohl im Gehalt als auch im Stil. Zugleich ist die bürgerliche Umgangssprache, die Prosa, der Komödie zugewiesen, und der Harlequin wird als »unnatürlich« auch aus dem komischen Spiel verbannt. Die dramaturgischen und bühnentechnischen Forderungen, die sich aus der Naturnachahmungslehre und ihrem Kern, dem Wahrscheinlichkeitsprinzip, für die Komödie ergeben, sind die gleichen wie für die Tragödie. G O T T S C H E D verlangt auch hier die strikte Einhaltung der drei Einheiten, fordert Fünfaktigkeit und verwirft Monolog und Aparte. Die Komödie schätzt G O T T S C H E D , wie alle Dichtung, vornehmlich um ihrer lehrhaften Wirkung willen. Daher verlangt er, daß 7 Hans M. Wolff, Die Weltanschauung der deutschen Aufklärung in geschichtlicher Entwicklung. München 1949, S. 159. Vgl. auch Marlies Kegel-Vogel, Der Erziehungsoptimismus in der deutschen Aufklärung. Diss. phil. Greifswald 1957 (Masch.), S. 52fr. 8 Karl Holl, Geschichte des deutschen Lustspiels. Leipzig 1923 ist gerade über Gottsched unzureichend, weil unhistorisch. 9 Vgl. Karl Otto Conrady, Gottsched. Sterbender Cato. In: Das deutsche Drama vom Barock bis zur Gegenwart. Hrsg. von Benno von Wiese. Bd. 1, Düsseldorf i960, S. 61—78. 10 Critische Dichtkunst. 2. Aufl. 1737, S. 702t. Erst in der 3. Aufl. sind «auch wohl zur Noth Barons, Marquis und Grafen«, der niedere Adel also, in der Komödie zugelassen. 11 Vgl. bes. Hans Friederici, Das deutsche bürgerliche Lustspiel der Frühaufklärung. Halle 1957.

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Materialien: Der Witzling

auch ihr ein »lehrreicher moralischer Satz« zugrunde liege und definiert sie als »Nachahmung einer lasterhaften Handlung, die durch ihr lächerliches Wesen den Zuschauer belustigen, aber auch zugleich erbauen kann« 12 . Auf die Verbindung des Lasterhaften mit dem Lächerlichen kommt es dabei an, denn das Lächerliche entlarvt und entwertet das Lasterhafte in lehrhafter Absicht. Für G O T T S C H E D hat alles Komische einen kritischen Charakter, ist satirisch und damit zweckgebunden. Lachen heißt verlachen 1 Man bezeichnet daher den von G O T T S C H E D S Theorie geprägten Komödientyp am genauesten als »satirische Verlachkomödie« 13 . Das Lasterhafte, das in der Komödie an den Pranger gestellt wird, faßt GOTTSCHED, im Sinne des intellektuellen Bildungsideals des Bürgertums, als tadelnswertes Verhalten überhaupt: lasterhaft und damit tadelnswert ist alles, was der Vernunft zuwiderläuft. Laster und Unvernunft werden also in engste Nachbarschaft gestellt 14 . So nennt G O T T S C H E D das Lasterhafte auch gern »ungereimtes Wesen« 15 , und in den »Beyträgen« heißt es: »Uber Vollkommenheiten lachet man wohl nicht. Es müssen ungereimte Sachen seyn, die was widersinnisches und abgeschmacktes in sich haben.« 16 Nur darf diese Unvernunft nicht so weit getrieben werden, daß sie »strafbar und wiederlich, oder gar abscheulich« wird 1 7 . Ihr Kriterium ist vielmehr, daß sie dem Träger keinen »Schmerz« bereitet 18 . Da für G O T T S C H E D das Lächerliche einer lasterhaften, also unvernünftigen Handlungsweise entspringt, lehnt er alle Komik ab, die nur aus »Worten und Geberden« besteht 19 , d. h. alle der subjektiven Komik des Harlequins zugehörigen Wortwitze, »närrische Kleider, wunderliche Posituren und garstige Fratzen« 20 . Nur die objektive, auf »Sachen« begründete Komik findet Anerkennung, und allein Situations- und Charakterkomik haben für GOTTSCHED erzieherischen Wert. Doch w ä r e es verfehlt, die auf diese Theorie bauenden Komödien der G o T T S C H E D i a n e r als Charakterkomödien zu bezeichnen. G O T T 12

Critische Dichtkunst, S. 700. Bruno Markwardt, Geschichte der deutschen Poetik. Bd. 2, Berlin 1956, s. Stichwort S. 679. 14 Fritz Brüggemann, Einleitung zu D L Reihe Aufklärung Bd. 6, Leipzig 1933, S. 15. 15 Critische Dichtkunst, S. 700, 707. 16 Beyträge zur Critischen Historie der Deutschen Sprache,' Poesie und Beredsamkeit. Bd. VII, Leipzig 1741, S. 590. 17 Critische Dichtkunst, S. 700. 18 ebd. S. 700. 19 ebd. S. 707. 20 ebd. S. 707. 13

Zur Analyse des Stücks

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betont ausdrücklich: »Zu einer comischen Handlung nun kann man ebenso wenig, als zur tragischen, einen ganzen Charakter eines Menschen nehmen, der sich in unzähligen Thaten äußert.« 21 Nur »eine einzige recht wichtige« 22 Eigenschaft einer Figur kann Gegenstand der Komödie sein, wobei die ins Extrem gesteigerte lächerliche Eigenschaft jedoch die Grenzen der »Wahrscheinlichkeit« nicht überschreiten darf. In den »Beyträgen« hat sich G O T T S C H E D näher zur Zeichnung komischer Figuren geäußert: »Wie ein Maler, der ein recht garstiges Fratzengesichte malen will, alle Garstigkeiten von verschiedenen Gesichtern zusammen nimmt; und dadurch noch was häßlichers zuwege bringt, als die Natur beysammen zeiget: also kann auch ein Poet, der z. E . einen Geizhals lächerlich machen will, von verschiedenen Geizhälsen die Fehler sammlen. Thut er nun dieses, so wird er ihn gewiß noch geiziger bilden, als man jemals einen gesehen hat. Allein das schadet nichts . . . Denn das alles trägt etwas dazu bey, daß der Fehler desto lächerlicher wird.« 2 3 SCHED

Die verlachten Figuren sind bei G O T T S C H E D also keine mit individuellen Zügen ausgestatteten und psychologisch vertieften Charaktere, noch nicht einmal Typen, denn auch der Typus kann auf das Individuelle nicht verzichten (daher ist auch die Bezeichnung Typenkomödie für die Komödien der GorrscHEDSchüler nicht zutreffend). Es sind vielmehr moralische Normiiguren, Beispielfiguren, die ihren Sinn erhalten als Funktionen eines objektiven TugendLastersystems. Daher sind sie ihrem Wesen nach sowohl unpersönlich, feststehend und unveränderlich als auch international. Als Träger einer einzigen hervorstechenden verlachenswerten Eigenschaft verraten sie sich oft genug schon durch ihre »sprechenden Namen«. Z u r A n a l y s e des S t ü c k s Wie alle übrigen Komödien der Gottschedin baut der Wifling auf der Theorie der rationalistischen Verlachkomödie auf. Und auch den einzelnen Aufbauelementen des Dramas ist anzumerken, daß sie nach GoTTscHEDschen Regeln zusammengesetzt sind. Der moralische Satz, daß Thorheit und Bosheit in ihre eigene Falle fällt (9. Auftritt), liegt dem Stück zugrunde. Was in den neun Auftritten vorgestellt wird, hält sich streng an die von G O T T S C H E D geforderte Einheit von Ort und Zeit. Doch führen die sonst meist 21 22 23

ebd. S. 701. ebd. S. 701. Beyträge zur Critischen Historie. . . Bd. VII, Leipzig 1741, S. 599.

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Materialien: Der Witzling

als lästige Fessel empfundenen Regeln hier einmal nicht zu Unwahrscheinlichkeiten in der Darstellung, sondern fügen sich zwanglos dem dargestellten Ort und der dargestellten Zeit. Das Bühnengeschehen ist nahezu ungegliedert und soll die sich so gelehrt dünkenden, aber in Wirklichkeit nur unerzogenen jungen Bürger Vielwitz, Sinnreich und Jambus in mehreren Situationen vorführen und ihr »ungereimtes Wesen« dem Spott preisgeben. Aber nicht alle Figuren haben am Geschehen teil, sondern nur die drei negativen, die auch durch ihre sprechenden Namen als Normfiguren gekennzeichnet sind. Während sie den moralischen Satz demonstrieren, haben die positiven Figuren, Jungfer Lottchen und der junge Herr Reinhart als Anhänger G O T T S C H E D S und Verkörperungen der bürgerlichen »Vernünftigkeit« und »Tugend«, über den moralischen Satz nur zu reflektieren. Sie formulieren die »Lehre«, um sie möglichst eindringlich, besser: aufdringlich zu machen. Und nicht die Handlung, sondern die Reflexion ist das entscheidende. Doch Frau Gottsched folgt der Theorie ihres Gatten nicht sklavisch. G O T T S C H E D hatte aus der Einheit der Fabel auch die Einheit der Handlung hergeleitet. Seine »geschickte Freundin« aber besaß literarisches Talent und, als sie den Witzling schrieb, auch genügend Erfahrungen mit der praktischen Bühne, daß sie sich mit der Demonstration einer abstrakten moralischen Lehre an recht konventionellen komischen Figuren allein nicht mehr begnügte. Die Moralsatire, die Verspottung der Herrn Vielwitz und seiner Kumpane, ist nur mehr eine Art Rahmenhandlung 24 . Im Mittelpunkt des Stücks aber steht die Literatursatire, das eigentliche aktuelle Thema des Wiflings. Moralsatire und Literatursatire sind jedoch inhaltlich nur lose verbunden. Frau Gottsched verknüpft vielmehr beide durch das in allen polemischen Auseinandersetzungen immer wieder verwendete (und nicht gerade ehrenhafte) Mittel, Gegner nicht nur mit sachlichen Argumenten zu bekämpfen, sondern ihnen auch moralische Fehler und schlechte Manieren anzuhängen. Die Neigung der Gottschedin zum Derb-Possenhaften, der sie als Gemahlin jedoch nie die Zügel schießen lassen konnte, ist auch dem Wifling abzulesen. Zwar verzichtet sie ganz im Sinne der rationalistischen Komödientheorie auf die traditionelle lustige Figur — der Diener Paul ist bloßer Statist — doch läßt sie die negativen Figuren selbst zu lustigen Personen werden, deren Spiel nicht in jedem Falle in ihrem »ungereimten Wesen« begründet ist, sondern sich mitunter weitgehend verselbständigt. So verwendet die Komik der Gottschedin auch hier am liebsten die althergebrachten Possenelemente wie gravitätisches Gehabe, GOTTSCHEDS

24

Friederici, a. a. O., S. 95.

Zur Wirkungsgeschichte

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Schreien, lautes Lachen, ungestümes Hin- und-Herlaufen, verdrehte Sprache. Und traditioneller K o m i k entstammt schließlich auch das Motiv der vertauschten Briefe, mit dem Vielmit^ entlarvt wird. Wieder ist Frau Gottscheds Dialogführung überaus geschickt und lebendig. Der T o n der Konversation ist glücklich getroffen und recht natürlich. Offensichtlich beruhen auch die verspotteten Dialektwendungen auf eigenen Beobachtungen. Einzig Jungfer Lottchen spricht f ü r heutige Begriffe etwas altklug und gestelzt, was aber bei einem »vernünftigen« Frauenzimmer der GorrscHEDZeit nicht verwundern darf. Unter den Komödien der Frau Gottsched ist der Wit^ling der einzige Einakter und nicht zuletzt deswegen ihr lebendigstes und geschlossenstes Werk. Allerdings hat sie noch nicht bewußt aus der Formgesetzlichkeit des Einakters heraus ihr Nachspiel komponiert, sondern äußerliche Gründe, die Aufführungspraxis der Wandertruppen nämlich, legten ihr diese Form nahe. Während ihre fünfaktigen Komödien leicht zur Schwatzhaftigkeit neigen, da sie nach rationalistischer Theorie nur eine einzige verlachenswerte Eigenschaft zum Gegenstand haben, die jedoch in 5 Akten notwendigerweise bis zur Ermüdung zerdehnt werden mußte, zwang die Form des Einakters zur Konzentration der Handlung und zum Verzicht auf alle langatmigen Dialoge, wobei jedoch gerade dadurch das ursprüngliche komische Talent der Gottschedin zur Entfaltung kam. Und noch aus einem andern Grunde unterscheidet sich der W i e ling von den übrigen Komödien der Gottschedin. E r ist nicht nur freie Bearbeitung einer literarischen Vorlage, sondern wie »Das Testament« ein wirkliches Originalwerk. Aber auch dem »Testament« ist der Wit^ling nicht gleichzustellen, denn in ihm schöpft die Gottschedin das einzigemal allein aus ihrem unmittelbaren persönlichen Erleben. Diese persönliche Anteilnahme am Stoff hat dem kleinen Nachspiel eine solche Unmittelbarkeit gegeben, daß sie auch heute noch spürbar ist.

Zur

Wirkungsgeschichte

Eine literarische Wirkung des Wülfings ist nicht nachweisbar, und Aufführungen scheint das Nachspiel überhaupt nicht erlebt zu haben. Mit der Überwindung der GoTTSCHEDschen Lehre war der K o m i k des Wielings der Boden entzogen, und das Stück veraltete sehr rasch. Schließlich mußte das Verdammungsurteil, das die junge Generation über G O T T S C H E D aussprach, besonders ein Drama wie den Wit^ling treffen, das enger als jedes andere der rationalistischen Literaturepoche mit G O T T S C H E D S Lehre verbunden war.

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Materialien: Die stumme Schönheit Literatur Comedy in Germany in the first half of the eighteenth Century. Oxford 1956. (Nur kurze Erwähnung.)

AIKIN-SNEATH, BETSY:

Das deutsche bürgerliche Lustspiel der Frühaufklärung. Halle 1957. (Ausführlichere Würdigung. Beziehung zu Gottscheds Literatur- und Sprachtheorie wird dargestellt.)

FRIEDERICI, HANS :

Geschichte des deutschen Lustspiels. Leipzig 1923. (Nur kurze Erwähnung.)

HOLL, K A R L :

Frau Gottsched und die bürgerliche Komödie. Berlin 1886. (Abhängigkeit von Molieres »Kritik der Frauenschule« wird behauptet.)

SCHLENTHER, PAUL:

»DIE STUMME SCHÖNHEIT« Editionsbericht Schlegels Stumme Schönheit liegt in mehreren zeitgenössischen Drucken vor. Nach Angabe von Schlegels Bruder J O H A N N H E I N R I C H 1 wurde das Drama 1747 zum erstenmal gedruckt. Offenbar ist dieser Erstdruck identisch mit der zweiten Ausgabe des Lustspiels in Schlegels »Beyträgen zum Dänischen Theater« aus dem Jahre 1748, denn die drei in dieser Sammlung vereinigten Stücke »Die Langeweile«, Die stumme Schönheit und »Der Triumph der guten Frauen« haben nicht nur selbständige Paginierung und Bogenzählung, sondern auch verschiedene Druckorte und Jahreszahlangaben. Offenbar hat der Verleger, wie es in der Zeit üblich war, die nicht verkauften Exemplare der ersten beiden Stücke, die zuvor als Einzeldrucke erschienen waren, mit dem »Triumph der guten Frauen« nur unter einem neuen Obertitel zusammengebunden, wobei jedoch die ursprünglichen Titelblätter der Einzelausgaben mit übernommen wurden. Im Jahre 1763 erschien das Lustspiel im 2. Bande der Gesamtausgabe J . E. Schlegels2. Dieser Druck unterscheidet sich von der Ausgabe in den »Beyträgen« nur in Orthographie und Interpunktion, ist aber textlich gleich. 1 Joh. Elias Schlegels Werke. Hrsg. von Johann Heinrich Schlegel 5 Theile. Kopenhagen und Leipzig 1761—1770 (Zitiertitel: Werke) 2. Theil, S. 471. 2 Werke II, S. 469—520.

Editionsbericht

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Auch eine Reihe von Nachdrucken erlebte die Stumme Schönheit, die zwar textkritisch ohne Belang sind, aber doch die Beliebtheit des Stückes erkennen lassen und daher auch hier verzeichnet sein sollen 3 : o. O. 1752 — Theater der Deutschen. 4. Teil. Berlin und Leipzig 1767 — Neue Sammlung von Schauspielen. 2. Band. Wien 1762 — Komisches Theater der Teutschen. Ältere und mittlere Zeit. Hrsg. von W. C . S. M E L I U S . Erster Band, Berlin 1783 als Prosaauflösung von K . L O T I C H unter dem Titel »Der glückliche Tausch«. Die stumme Schönheit ist bereits zweimal als Neudruck erschienen: Kürschners Deutsche National-Litteratur. 44. Band (Bremer Beiträger I I ) . Hrsg. von F R A N Z M U N C K E R . Berlin und Stuttgart (1889), S. 199—242 und Johann Elias Schlegel, Die stumme Schönheit. Edited by 4 L A W R E N C E M . P R I C E . New York 1924 . Beide Neudrucke sind in Orthographie und Interpunktion modernisiert und genügen modernen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht mehr. Von allen zeitgenössischen Drucken ist allein der Text in den »Beyträgen« ein authentischer Druck und gleichzeitig die Ausgabe letzter Hand, während die Gesamtausgabe, da sie erst Jahre nach Schlegels Tod erschien, für die Textkritik ausscheiden mußte. Als Textvorlage eines Neudrucks kam demnach allein die Ausgabe der »Beyträge« in Frage: Die | Stume Schönheit. | Ein | Lustspiel | in einem Aufzuge | durch | J . Elias Schlegel. | [Titelvignette: griechische Theatermaske] | Copenhagen 1747. | A L T O N A , | gedruckt mit Burmesterschen Schriften. (Format: kl. 8°, Seitenspiegel: 16,5 X 8,5 cm; 56 paginierte Seiten; Bogenbezeichnung A — D ; Frakturschrift.) Da die Ausgabe überaus sorgfältig gedruckt ist, waren Textverbesserungen kaum nötig. Wie in den »Werken«6 wurde in Vers 563 statt Erich der richtige Name Richard und in Vers 601 statt Richard der sinnvollere Name Jungmitz eingesetzt. Aufgelöst ist nur die Abkürzung Fr. für Frau, und einige fehlende Punkte sind eingefügt. 3 nach Eugen Wolff, Johann Elias Schlegel. Kiel und Leipzig 1892, S. 211. 4 Besprechung dieser Ausgabe von B. J. Vos in: Modern Language Notes. 39. 1924, S. 509—510. 6 Werke II, S. 509 und 512.

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KOMEDIA I

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Materialien: Die stumme Schönheit Zur

Entstehungsgeschichte

A m I J . April 1747 schrieb Schlegel an J O H A N N J A K O B B O D M E R nach Zürich, daß er an einem neuen Lustspiel arbeite. Als Titel habe er zuerst an Die Bildsäule gedacht, doch werde er ihn noch ändern, da er den Charakter der Hauptfigur nicht genau genug treffe 8 . Ende des Jahres erschien das Stück dann als Einakter unter seinem neuen Titel Die stumme Schönheit1. Der Dichter lebte damals bereits fünf Jahre in Dänemark. Johann Elias Schlegel, 1 7 1 9 8 in Meißen geboren und in Schulpforta erzogen, hatte in den Jahren 1739 bis 1742 an der Universität Leipzig die Rechte studiert und war 1743 dem zum sächsischen Gesandten am dänischen Hof ernannten Geheimen Kriegsrat V O N S P E N E R als Privatsekretär nach Kopenhagen gefolgt. Seit 1748 wirkte er als Professor an der Ritterakademie in Soroe, starb jedoch bereits 1749. Als Schlegel nach Dänemark kam, hatte er sich mit dramatischen Dichtungen und kunsttheoretischen Abhandlungen schon einen guten Namen gemacht. Auf der Schule war sein poetisches Talent erwacht, und das damals entstandene Trauerspiel »Die Geschwister in Taurien« hatte die N E U B E R I N 1739 in Leipzig aufgeführt. Das rege geistige Leben in Leipzig gab Schlegel reiche Anregungen zum künstlerischen Schaffen. 1743, im 4. Band von G O T T S C H E D S »Deutscher Schaubühne«, erschienen sein Trauerspiel »Hermann« und seine Komödie »Der geschäftige Müßiggänger«. Und auch seine ersten theoretischen Untersuchungen veröffentlichte er in G O T T S C H E D S Zeitschriften: 1740 die Verteidigung der Verskomödie, 1741 die »Vergleichung Shakespeares und Andreas Gryphs«. Doch kann Schlegel schon in seiner leipziger Periode nicht zu den eigentlichen Schülern G O T T S C H E D S gezählt werden, denn von Anfang an wahrte er gegenüber dem Lehrer eine beachtenswerte Unabhängigkeit. E r schloß Freundschaft mit den Bremer Beiträgern und den Schweizern B O D M E R und B R E I T I N G E R , ohne jedoch, auch wenn sich 8 Briefe berühmter und edler Deutscher an Bodmer. Hrsg. von G. F. Stäudlin. Stuttgart 1794, S. 51. 7 Wolff a. a. O., S. 168 und 211 ist gegen Johann Heinrich Schlegel der Ansicht, daß das Stück erst 1748 gedruckt wurde. Die Ausgabe der «Beyträge« trägt jedoch die Jahreszahl 1747, und es besteht kein Grund, diese Angabe zu bezweifeln. 8 In der Biographie Schlegels, die sein Bruder für die Gesamtausgabe der Werke schrieb (Werke V, S. VII), ist, wie auch meist in der späteren Schlegel-Literatur, 1718 als Geburtsjahr des Dichters angegeben. Das wahrscheinlichere Geburtsjahr 1719 ermittelte K. Seeliger aus Meißner Kirchenbüchern. (Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen. 2. Bd., 1891, S. 145—188.)

Gattungsgeschichtliche Einordnung

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seine Gegensätze zu G O T T S C H E D später noch vertieften, an dem Kesseltreiben gegen G O T T S C H E D teilzunehmen oder sich öffentlich auf die Seite seiner Gegner zu stellen. Die Übersiedlung nach Dänemark9 bedeutete zunächst eine längere Unterbrechung für Schlegels schriftstellerisches Werk. Erst 1745 trat er wieder literarisch hervor mit der Herausgabe der moralischen Wochenschrift »Der Fremde« (1745/46), die sich in Deutschland und Dänemark großer Beliebtheit erfreute. Die Wiederaufnahme seines wesentlichsten künstlerischen Schaffens, der dramatischen Dichtung, hing aufs engste mit der Gründung des dänischen Nationaltheaters zusammen. Mit dem Regierungsantritt des weltzugewandten Königs F R I E D R I C H S V . im Jahre 1746 begannen sich Kunst und Wissenschaft, die unter seinem pietistisch gesinnten Vorgänger keine Möglichkeit der Entfaltung hatten, wieder zu regen. Nach jahrzehntelanger Pause durfte in Kopenhagen wieder Theater gespielt werden. An der Eröffnung der dänischen Schaubühne, die durch die Unterstützung des Königs ein eigenes Haus erhielt, nahm neben H O L B E R G , dessen letzte Komödien für diese Bühne geschrieben sind, auch Schlegel10 regen Anteil, als Theoretiker mit dem »Schreiben von Errichtung eines Theaters in Kopenhagen« und den »Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters«, als Dichter mit dem Vorspiel »Die Langeweile«, das zur Eröffnung des Hauses gespielt wurde, und besonders mit seinen bedeutendsten Dramen, dem Trauerspiel »Canut« und dem Lustspiel Die stumme Schönheit. Und schließlich faßte 1748 der Dichter sein Vorspiel und die beiden Lustspiele Die stumme Schönheit und »Der Triumph der guten Frauen« als »Beyträge zum Dänischen Theater« zusammen.

Gattungsgeschichtliche

Einordnung

Schlegel bezeichnet Die stumme Schönheit im Untertitel als Lustspiel. Der Gattungstyp ist damit jedoch noch nicht eindeutig genug gekennzeichnet, denn Schlegels Komödienauffassung (der Dichter macht, wie die Aufklärung überhaupt, noch keinen terminologischen 8 vgl. J. W. Eaton, Johann Elias Schlegel in Denmark. The Modem Language Review. 23. 1928, S. 28—42. Über die geistige Situation Dänemarks unter Christian VI. und Friedrich V. vgl. Leopold Magon, Ein Jahrhundert geistiger und literarischer Beziehungen zwischen Deutschland und Skandinavien 1750—1850. 1. Bd., Dortmund 1926, 1. Kapitel. 10 Über Schlegel und Holberg vgl. Raymond Immerwahr, J. E. Schlegel and Ludvig Holberg as creators and theorists of comedy. The Germanie Review. 13. 1938, S. 175—189. 6*

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Materialien: Die stumme Schönheit

Unterschied zwischen Lustspiel und Komödie) unterscheidet sich sowohl von heute gängigen Ansichten als auch von der G O T T scHEDSchen Poetik, ja, sie kann in ihrer Eigenart nur als Versuch verstanden werden, das rationalistisch-harte Erdreich, auf dem G O T T S C H E D die Komödie anpflanzen wollte, aufzulockern und fruchtbar zu machen 11 . So wenig es möglich ist, eine Interpretation auf den Aussagen des Dichters selbst, und besonders auf seinen kunsttheoretischen Anschauungen aufzubauen, so wenig möglich ist es aber auch in einer Zeit, die die gesamte Dichtung auf den Untergrund eines philosophischen und literaturtheoretischen Lehrgebäudes stellte, und bei einem so bewußt schaffenden Künstler wie Schlegel, die Theorie ganz beiseite zu setzen. Schlegel hält an der Naturnachahmung, dem von G O T T S C H E D aufgestellten »Grundgesetz der Poesie«12 fest, gibt ihr jedoch eine dichtungsgemäßere Auslegung, denn für Schlegel steht nicht mehr wie für G O T T S C H E D die Forderung nach »Wahrscheinlichkeit« im Mittelpunkt der Naturnachahmungslehre, sondern das »Vergnügen«. Damit war die Naturnachahmung kein abstrakt-logischer Maßstab mehr, der von außen an das Dichtwerk angelegt wurde, sondern unterstellte sich ästhetischen Bedingungen. Noch weniger als G O T T S C H E D versteht Schlegel die Naturnachahmung im Sinne einer naturalistischen Wiedergabe der Wirklichkeit, denn ihm geht es weit weniger um die Ähnlichkeit zwischen Abbild und Vorbild als um die »Unähnlichkeit« zwischen beiden (»Abhandlung, daß die Nachahmung der Sache, der man nachahmet, zuweilen unähnlich werden müsse«). Nur eine beschränkte Ähnlichkeit gibt die Möglichkeit eines Vergleichens zwischen Abbild und Vorbild, d. h. »Vergnügen«, und sichert zugleich der Dichtung ihre Eigenständigkeit. »Wie kann man diese Unähnlichkeit tadeln; da sie 11 Daher ordnet Bruno Markwardt, Geschichte der deutschen Poetik, 2. Band, Berlin 1956, S. 98—110, Schlegel in das Kapitel ein «Abwandlung und Auflockerung der .Kritischen' Poetik«. Uber Schlegels Literaturtheorie vgl. ferner Oskar Walzel, Beiträge zur Kenntnis J . E. Schlegels. Vierteljahrsschrift für Literaturgeschichte. 1. Bd., 1888, S. 212—225.— Charles E. Borden, Johann Elias Schlegel als Vorläufer Gotthold Ephraim Lessings. Diss. phil. University of California 1937 (Masch.). —• Elizabeth Wilkinson, Johann Elias Schlegel, a german pioneer in aesthetics. Oxford 1945. — Werner Schubert, Die Beziehungen Johann Elias Schlegels zur deutschen Aufklärung (in seinen frühen Dramen und seiner poetischen Theorie). Diss. phil. Leipzig 1959 (Masch.). 12 Karl Otto Conrady, Gottsched. Sterbender Cato. Das deutsche Drama vom Barock bis zur Gegenwart. Hrsg. von Benno von Wiese. Düsseldorf i960, 1. Bd., S. 66.

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allein fähig ist, uns die Neugierigkeit zu belohnen, derentwegen wir eine Satyre lesen, oder den Schauplatz besuchen, da wir, wenn entweder die Comödie dem gemeinen Leben, oder das gemeine Leben der Comödie vollkommen ähnlich seyn sollte, entweder in der Comödie einschlafen, oder im gemeinen Leben uns beständig aus dem Athem lachen müßten; kurz da wir das Vergnügen, das wir daraus schöpfen, nicht genießen könnten, wenn der Comödienschreiber von dem Wahren nicht ein wenig abgewichen wäre.« 1 3 »Vergnügen« ist bei Schlegel also, da es auf der verstandesmäßigen Tätigkeit des Vergleichens beruht, noch ganz rational verstanden. (Nur zaghaft werden auch Gefühlskräfte berührt, so wenn Schlegel sich ein möglichst großes Publikum wünscht, das »eine genügsame Zärtlichkeit des Gefühls hat«, dichterische Werke zu genießen 14 .) Entscheidend dabei aber ist, daß mit dem Begriff des »Vergnügens« der Kunstbetrachter, der dieses Vergnügen selbst schaffen muß, in die ästhetische Theorie einbezogen, ja, zum eigentlichen Ausgangsund Endpunkt aller ästhetischen Überlegungen wird. Daß Schlegels Begriff der »Unähnlichkeit« eine Tendenz zur Idealisierung innewohnt, zeigt neben der Feststellung, daß der Dichter das Häßliche und Ekle nicht abbilden sollte 1 5 , auch das Eintreten für den Vers in der Komödie. G O T T S C H E D und seine Schüler hatten, wegen des bürgerlichen Milieus der Komödie, den Vers als unnatürlich abgelehnt. Schlegel aber gibt der Verskomödie den Vorzug, weil die Verssprache »Unähnlichkeit« schafft: »Die Comödie . . . weis vermittelst der Verse einen Unterscheid zwischen demjenigen, was sie abbildet, und der Abbildung zu machen, ohne etwas von der Nachahmung auszulassen.« 16 J a , durch den Vers wird der spezifisch poetische Charakter des Abbildes erst recht zur Geltung gebracht, und alle Naturalismen, zu denen G O T T S C H E D S Komödientheorie drängte, sind verbannt. Für G O T T S C H E D war die Wahrscheinlichkeitslehre nicht zuletzt auch die theoretische Grundlage der drei Einheiten. Auch Schlegel kennt den Begriff der Wahrscheinlichkeit, doch hat er für ihn weniger einen logischen denn einen ästhetischen Inhalt. Damit werden zu13 Abhandlung, daß die Nachahmung der Sache, der man nachahmet, zuweilen unähnlich werden müsse. In: Johann Elias Schlegels ästhetische und dramaturgische Schriften. Hrsg. von Johann von Antoniewicz. Heilbronn 1887 ( = Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts. 26), S. 102. (Zitiertitel: Antoniewicz) 14 Abhandlung von der Nachahmung. Antoniewicz, S. 142. 16 Abhandlung, daß die Nachahmung der Sache; der man nachahmet, zuweilen unähnlich werden müsse. Antoniewicz, S. 98. 18 Schreiben an den Herrn N. N. über die Comödie in Versen. Antoniewicz, S. 15.

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gleich die drei Einheiten von ihrem Thron gestürzt. Bereits in der Verteidigung der Verskomödie begann Schlegel gegen die äußerliche Regelhaftigkeit des Dramas, besonders gegen die Einheit des Ortes, zu polemisieren 17 , um dann in den »Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters« seine Ansichten über eine ästhetisch notwendige Wahrscheinlichkeit ausführlich darzustellen. Die »innerlichen Regeln des Theaters« 18 , für die allein Wahrscheinlichkeit, d. h. eine »zureichende Ursache« 19 ästhetisch gefordert ist, betreffen ausschließlich Handlung und Figuren. Die Einheit von Ort und Zeit wird nicht verworfen, doch erkennt ihr Schlegel nur für die »äußerliche Form« 20 des Dramas und für die Aufführungspraxis eine Bedeutung zu, nicht jedoch für die »innerliche Schönheit« 21 . Die Einheit der Handlung ist für Schlegel dramaturgisch notwendig. Sie wird nicht wie bei G O T T S C H E D formal aus der Fabel, dem »moralischen Satz«, hergeleitet, sondern aus der Wirkung des Dramas auf den Zuschauer, dessen Aufmerksamkeit nicht durch Abschweifungen und »verplauderte« Szenen 22 zersplittert werden darf. Noch größeres Gewicht legt Schlegel auf die Figuren, denn sie tragen die Handlung. »Ein Stück ohne Charaktere ist ein Stück ohne alle Wahrscheinlichkeit, weil die Ursache, warum ein Mensch so oder so handelt, eben in seinem Charakter liegt« 23 . V o n ebensolcher Bedeutung für den Gattungstyp der Stummen Schönheit ist Schlegels Auffassung von der moralischen Funktion der Dichtung. Für G O T T S C H E D und seine Schule stand die Komödie (wie alle Dichtung) im Dienste der Didaktik. (Die lange Zeit übliche Abwertung G O T T S C H E D S in der Literaturwissenschaft, die von einer neuen, romantischen Einstellung zu Dichter und Dichtwerk ausging, hängt gerade mit dieser Lehrhaftigkeit eng zusammen.) Schlegels Formulierung, daß das »Vergnügen der wirkliche Endzweck derjenigen Nachahmung sey, die wir in den Künsten antreffen« 24 , darf nicht als Verbannung der Moral aus der Kunst mißverstanden werden. Schlegel bleibt als Dichter zeitlebens Moralist. E r hat sich wohl immer wieder gegen eine äußerliche und allzu aufdringliche moralisierende Tendenz in der Dichtung gewandt, aber nicht etwa, um einem »reinen Vergnügen« das Wort zu reden, wie in der 17 Schreiben an den Herrn N. N. über die Comödie in Versen. Antoniewicz, S. i i . 18 Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters. Antoniewicz, S. 221. 18 ebd. S. 212. 20 ebd. S. 221. 21 ebd. S. 224. 22 ebd. S. 2 1 1 . 23 ebd. S. 214. 24 Abhandlung von der Nachahmung. Antoniewicz, S. 134.

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Forschung mehrfach behauptet wurde 25 , sondern um das Moralische im Ästhetischen zu integrieren. In der »Abhandlung von der Nachahmung« stehen zwar die Sätze: »Ich muß gestehen, daß das Vergnügen dem Unterrichten vorgehe, und daß ein Dichter, der vergnüget und nicht unterrichtet, als ein Dichter höher zu schätzen sey, als derjenige, der unterrichtet und nicht vergnüget.« 26 Aber schon in dieser Schrift werden Vergnügen und Lehren nie gänzlich getrennt: »Es vergnügt den Verstand des Menschen nichts so sehr, als was ihn lehret, zumal ohne daß es ihn zu lehren scheint.«27 Man mag aus geschichtlicher Entfernung das Zukunftsträchtige dieser Ansicht sehen, die die Autonomie des Künstlerischen betont, für Schlegel selbst war sie längst nicht sein letztes Wort. Auch können Auffassungen aus der »Abhandlung über die Nachahmung« für die Interpretation der viel später entstandenen Stummen Schönheit nicht mehr herangezogen werden. Viel näher stehen dem Stück Schlegels Ansichten zur Komödie in seiner moralischen Wochenschrift »Der Fremde«, im Vorspiel »Die Langeweile« und in den »Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters«. In »Der Fremde« ist die Komödie eines der zahlreichen Kinder von Witz und Freude, und die Vernunft stellt ihr das Zeugnis aus, daß sie »unter dem Namen, die Menschen zu vergnügen, ihm viel gute Lehren gebe; daß sie besonders nöthig sey, Leute zu unterrichten, welche sonst wenig Lust hätten, sich mit vernünftigem Nachdenken zu unterhalten, daß sie endlich die besondre Gabe besitze, den Verstand des Volks durch ihre sinnreichen Einfälle zu öfnen und auszuputzen . . ,«28 Im Vorspiel »Die Langeweile« verbinden sich Komödie und Scherz und bekämpfen gemeinsam Langeweile, Unverstand und Menschenhaß. Die Komödie hat also wieder eine wichtige moralische Aufgabe zu erfüllen, und ihr Lachen ist »voll Vernunft und sanftem Wohlgefallen« 29 . In seiner reifsten theoretischen Abhandlung, den »Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters«, hat Schlegel das Verhältnis von Vergnügen und Lehren erneut überdacht, und seinen widersprüchlichen Formulierungen ist anzumerken, daß er immer noch einen Kompromiß sucht, beides zu vereinigen. Neben dem Satz »Ein Stück, bey welchem noch so viel Kunst verschwendet, aber die Kunst zu er28 Karl Holl, Geschichte des deutschen Lustspiels. Leipzig 1923, S. 146f. und Margarete Hofius, Untersuchungen zur Komödie der deutschen Aufklärung, mit besonderer Berücksichtigung Johann Elias Schlegels. Diss. phil. Münster 1954 (Masch.), S. 153fr. 26 Abhandlung von der Nachahmung. Antoniewicz, S. 135. 2 ' ebd. S. 157. 28 Werke V, S. 49. 29 Werke II, S. 527.

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getzen, vergessen worden ist, gehört in die Studierstube und nicht auf den Schauplatz«30 steht bereits seine Einschränkung: »Obgleich das Vergnügen der Hauptzweck des Theaters ist, so ist es doch nicht der einige Zweck desselben . . . Lehren ist ohne Zweifel eine viel wichtigere Sache, als Ergetzen. Gleichwohl ist das Theater, das seinem Wesen nach bloß zum Ergetzen gemacht ist, zum Lehren sehr geschickt.«31 Damit sind delectare und prodesse wieder eng verbunden, und nur die Herrschaft des »moralischen Satzes« wird verworfen: wenn das Theater »lehrt, so thut es solches nicht wie ein Pedant, welcher es allemal voraus verkündiget, daß er etwas Kluges sagen will; sondern wie ein Mensch, der durch seinen Umgang unterrichtet, und der sich hütet, jemals zu erkennen zu geben, daß dieses seine Absicht sey«32. Wenn eine direkte Aussprache der Moral im Stück also abgelehnt wird, so ist eine indirekte aber, durch Handlung und Figur selbst, nachdrücklich gefordert. Nicht auf die Erziehung der Dramenfiguren im Stück kommt es an, sondern auf die Erziehung des Publikums durch das Stück. Die erzieherischen Möglichkeiten der Dichtung sind damit weit tiefer gefaßt als bei G O T T S C H E D und erschöpfen sich nicht mehr im bloßen Moralisieren33. Über die komischen Figuren und damit im Zusammenhang über das Komische selbst hat sich Schlegel allein in verstreuten Bemerkungen geäußert, nicht nur, weil er keine systematisierende Regelpoetik schreiben will, sondern vor allem, weil er aus Einsicht in die Entwicklungstendenzen der dramatischen Literatur seiner Zeit eine normierende begriffliche Festlegung der Komödie bewußt vermeidet und er daher auch in seinem Schema der dramatischen Dichtung 34 den in diesem Jahrzehnt entstehenden dramatischen Zwischenformen, in denen sich bereits das bürgerliche Trauerspiel ankündigt, gerecht werden kann. Doch ist auch den verstreuten Bemerkungen unschwer zu entnehmen, daß sich Schlegels Auffassungen nicht mit denen G O T T S C H E D S , der die Komödie als »Nachahmung einer lasterhaften Handlung« definierte, decken, und ihm die derben und geistlosen Späße der Harlequinspossen ebenso wenig genügten wie die satirische Verlachkomödie der G O T T 30

Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters. Antoniewicz, S. 202. ebd. S. 202. ebd. S. 203. 33 Uber Schlegels Morallehre vgl. Hans M. Wolff, Die Weltanschauung der deutschen Aufklärung in geschichtlicher Entwicklung. München 1949, S. 163 fr. und Marlies Kegel-Vogel, Johann Elias Schlegel und der Erziehungsoptimismus in der deutschen Aufklärung. Worte und Werke. Festschrift für Bruno Markwardt. Berlin 1961, S. 155—164. 34 Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters. Antoniewicz, S. 207. 31

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scHEDianer. Zwar spricht Schlegel in seinem Dramenschema von der Komödie als von »Handlungen . . ., welche Lachen erregen«®5, doch scheint er auch in der Komödie, ebenso wie in der Tragödie, mehr von der Figur auszugehen. »Je größer der Meister ist, desto mehr wird man den Charakter der Person, die er vorstellt, fast aus jedem Worte erkennen. In ihren Leidenschaften, in ihren Entschlüssen, in ihren vernünftigsten Reden, und so gar in ihren Complimenten wird sie ihre schwache Seite verrathen.«38 Die ständige Wiederkehr feststehender komischer Figuren wie in der commedia dell'arte oder in der Komödie der GorrscHEDschule empfand Schlegel als lang-

weilig, und er verlangt stattdessen Charaktere, »die durch ihre Neuheit gefallen«37, möchte also das Individuelle einer Figur nicht zu kurz kommen lassen. Komisch wird eine Figur, nach Schlegels Ansicht, durch ihre »Torheit«, wobei er nicht nur die Torheit »niedriger Personen«, sprich: Bürgerlicher, sondern auch die Torheit »hoher Personen«, sprich: Adliger 38 meint, also für die Komödie nicht mehr ausschließlich ein bürgerliches Milieu verlangt. Torheit ist für Schlegel ein Mangel an Verstand (daher sind töricht und närrisch auch ausdrücklich geschieden39, und das Närrische wird aus der Komödie verwiesen). Die Komik entfaltet sich also in Handlungen von »törichten«, d. h. unvernünftigen Menschen. Im ganzen trifft K. H O L L wohl das richtige, »daß es Schlegel mehr um die Darstellung kleiner Lächerlichkeiten, die allerdings in ihren Auswirkungen bedeutsam genug werden können, als um Nachahmungen lasterhafter Handlungen zu tun ist«40. Die Darstellung dieser Torheiten darf jedoch nicht gegen die »guten Sitten«41 verstoßen und soll mit »Witz« geschehen42, denn nur »groben und ungeschliffenen Menschen . . . kann auch der Koth zum Gelächter dienen«43. Zwar ist Torheit keine Nationaleigenschaft, sondern allgemein-menschlich, doch sollte der Dichter auch hierbei die nationalen Sitten nicht vernachlässigen, um die Anteilnahme des Publikums zu steigern44. Wer dem Idealbild des »vernünftigen« Bürgers widerspricht, gilt als töricht, d. h. lächerlich und wird zur komischen Figur. Auch für Schlegel ist die komische Figur, ohne daß sie jedoch wie bei 35 ebd. S. 207. 36 ebd. S. 218. 37 ebd. S. 218. 38 ebd. S. 207. 39 ebd. S. 219. 40 Holl, a.a.O., S. 150. 41 Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters. Antoniewicz, S. 202. 42 ebd. S. 198. 43 ebd. S. 202. 44 ebd. S. 225.

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GOTTSCHED zur »bloßen Personifikation von Einzel-Eigenschaften« 46 wird, durch eine Häufung von charakteristischen lächerlichen Zügen gekennzeichnet und steht damit der Normfigur noch sehr nahe. »So oft wir einen Geizigen, einen Heuchler, eine Wiedersprecherinn abschildern: So oft pflegen wir gleichsam einen Herkules zu bilden, in welchen wir, wie die Griechen diesem die Thaten aller Helden beylegten, die Thaten aller Geizigen, aller Heuchler, aller Wiedersprecherinnen zusammenbringen, und auf den wir alles, was nur iemals lächerliches auf solche Personen gefallen ist, zusammenhäufen.« 48 Daher sind auch bei Schlegel die komischen Figuren ohne Entwicklung, und die Handlung hat nur die Aufgabe, den Menschen »von mehrern Seiten und in seiner wahren Beschaffenheit« 47 zu zeigen. Dabei neigt Schlegel mehr zur englischen Komödie, die die »Thorheiten der vorgestellten Personen« in der Handlung selbst entfaltet, »ohne daß . . . (sie) die Glossen der Bedienten darzu nöthig hat« 48 .

Deutlich wird, daß für Schlegel das Lachen, das die Komödie auslöst, in erster Linie ein Verlachen ist, also satirischen Charakter trägt. Und die Sache des Zuschauers ist es, das Lächerliche zu erkennen, sich im Lachen entweder in seiner Lebensauffassung bestätigt zu finden oder sich zu korrigieren. Doch das Satirische hat keine unumschränkte Macht mehr in Schlegels Komödienauffassung. Das bürgerliche Publikum der 40 er Jahre war in seinem Selbstbewußtsein bereits so erstarkt, daß es im Theater bürgerliche Menschen nicht mehr allein als komische Figuren sehen wollte 49 , sondern auch als ernstzunehmende tugendhafte Charaktere. Schlegels Theorie trägt dieser Entwicklung Rechnung, indem sie auch ernsthafte Probleme in der K o m ö d i e zuläßt, ja, sie geradezu fordert. Diese Verbindung von Ernst und Lachen, die Satire und K o m i k beschneidet, macht das Wesen des Lustspiels im Unterschied zur Komödie aus und prägt den Gattungstyp der Stummen Schönheit entscheidend. So durchbricht Schlegel das Figurenschema der satirischen Verlachkomödie GorrscHEDScher Prägung und verlangt von »höhern Komödien«, daß sie die »edlen Empfindungen des Herzens« 50 einfließen lassen. Daher rät er dem Dichter, daß er — das empfindsame Lustspiel kündigt sich an — »in die 46

Markwardt, a. a. O., S. 509. Abhandlung, daß die Nachahmung der Sache, der man nachahmet, zuweilen unähnlich werden müsse. Antoniewicz, S. 101 f. 47 Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters. Antoniewicz, S. 219. « ebd. S. 196. 48 vgl. Hans Wetzel, Das empfindsame Lustspiel der Frühaufklärung (1745—1750). Diss. phil. München 1956 (Masch.) 60 Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters. Antoniewicz, S. 209. 46

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Handlung eine Person von einem solchen Charakter einflicht, daß der Zuschauer sie lieb gewinnt, daß er f ü r sie leidet und wünschet« 6 1 , und er folgert daraus, »daß eine Komödie, so sehr es ihre Absicht und Bestimmung ist, Lachen zu erwecken, doch allezeit mit Erregung einiger Leidenschaften vermischt seyn muß« 52 . Diese Erkenntnis zwingt Schlegel, die erzieherische Funktion des Theaters neu zu formulieren. Hatte er am Anfang seiner »Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters« noch geschrieben, daß es die Absicht der Bühne sei, »den Verstand des Menschen auf eine vernünftige A r t zu ergetzen« 63 — wobei »ergetzen« als Synonym Zu »vergnügen« einen ausgeprägt rationalen Kunstgenuß meinte — wird im Laufe der Abhandlung das »Lehrreiche« der Komödie ausgedehnt »für das Herz sowohl als f ü r den Verstand« 5 4 , womit Schlegel dem Standpunkt L E S S I N G S schon ganz nahe kommt. Z u r A n a l y s e des S t ü c k s Überblickt man Die stumme Schönheit in ihrer dramatischen Struktur, so fällt zunächst auf, daß sich die Aufbauelemente des Dramas mit dem Hinweis auf ihre Abhängigkeit v o n G O T T S C H E D S rationalistischer Dramentechnik nur unzureichend erklären lassen. Gewiß ist Schlegel dieser Dramentechnik verpflichtet — welcher deutsche Dramatiker der Frühaufklärung hätte sich ihr entziehen können — die geschlossene Komposition und die konzentrierte Handlungsführung sind hier jedoch nicht in erster Linie Ergebnis technischformaler Kunstgriffe und »Regeln«, sondern werden v o m dramatischen Geschehen selbst hervorgerufen. Eine Kindsvertauschung ist geschehen, und im Stück wird sie ans Licht gebracht. Dieses unkomplizierte Handlungsschema, das einfachste des sogenannten Enthüllungsdramas, setzt nicht nur einen analytischen Handlungsaufbau voraus, sondern verlangt auch höchste Verdichtung der Handlung. Schlegel hatte offensichtlich das richtige Gefühl dafür, daß es den T o d der kleinen Handlung, die aber immer noch weit mehr Bühnengeschehen enthält als die Komödien der GorrscHEDschule, bedeutet hätte, sie in drei oder gar fünf Akte zu zerdehnen. Nur die Form des Einakters war dieser Handlung gemäß. Drängt doch gerade der Einakter zur geschlossenen Bauform und kommt durch den Z w a n g zur Konzentration der Handlung dem Wesen des Komischen am meisten entgegen. Daß Schlegel in der Stummen Schönheit diese Formgesetzlichkeit des Ein51 52 62 64

ebd. ebd. ebd. ebd.

S. S. S. S

212. 213. 203. 217.

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akters zu realisieren sucht, bestimmt den dramatischen Aufbau des Dramas und deutet zugleich auf Formbewußtsein und Formwillen des Dichters. Nicht zufällig gilt gerade ein Einakter, eben Die stumme Schönheit, als Schlegels bestes Lustspiel. Die 25 Szenen des Stücks bauen sich deutlich in drei Handlungsabschnitten auf: Satz, Gegensatz und Lösung. Die Auftritte 1—8 umfassen die Exposition (aber nur den für das Verständnis des Geschehens unbedingt erforderlichen Teil der Vorfabel) und leiten mit dem Auftreten Charlottes die Handlung ein, wobei Umgang und Gehabe der stummen Schönen ihren Charakter enthüllen. Die Auftritte 9—18 stellen als Kontrast Leonore in den Mittelpunkt. Zugleich treibt Jungwit^ens Weigerung, Charlotte zu heiraten, die Handlung zum Wendepunkt. Die Auftritte 19—25 bringen Höhepunkt und Lösung: im Bericht der Vorfabel die Entdeckung der Kindsvertauschung, in der »Echoszene« die Entdeckung des geplanten Heiratsschwindels. Dann aber führt die Handlung ohne Umschweife zum glücklichen Ende und vereinigt in einem Schlußtableau alle Hauptpersonen auf der Bühne. Zwei Motive geben der Handlung Antrieb und Richtung: die Kindsvertauschung und die schweigsame Braut. Die ältere SchlegelForschung hat wiederholt behauptet, daß der Dichter diese Motive Komödien D E S T O U C H E S ' entnommen habe, das eine aus »La Force du Naturel«, das andere aus »La Fausse Agnès ou Le poète campagnard«66. In Wirklichkeit hat Schlegels Drama mit beiden Stücken nur wenig gemeinsam. Im höchsten Falle decken sich einige Züge, die jedoch keine direkte Abhängigkeit beweisen, da sie dem internationalen Komödiengut angehören. Ebenso wenig sind Beziehungen zu G E L L E R T S »Betschwester« stichhaltig66. Die meisten Parallelen zum Motiv der schweigsamen Braut finden sich noch in H I N R I C H B O R K E N S T E I N S Komödie »Der Bookesbeutel« ( 1 7 4 2 ) , ohne daß es aber angängig wäre, Die stumme Schönheit als »eine, allerdings vollendete Neuauflage des Bookesbeutel« zu bezeichnen67. 56

vgl. Wolff, a. a. O., S. 168. Vgl. auch die Quellenuntersuchungen Werner Söderhjelm, Om Johann Elias Schlegel, särskildt som lustspeldiktare. Diss. phil. Helsingfors 1884. — Wilhelm Mühleisen, Französische Vorbilder von J . E. Schlegels »Stummer Schönheit«. Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte. Bd. 8, 1908, S. 444—448. — Heinz Berggrün, Französische Einwirkungen auf Johann Elias Schlegels Lustspiele. The Germanie Review. 13. 1938, S. 259—273. 66 Holl, a. a. O., S. 161. 67 Wetzel, a. a. O., S. 178. Auf die Beziehungen zu Borkenstein hat zuerst Jessie Raven (The Source of J. E. Schlegel's comedy »Die stumme Schönheit«. Modern Language Notes. 19. 1904, S. 165—166) aufmerksam gemacht, doch wird dieser Hinweis erst in jüngerer Zeit gebührend beachtet.

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Der als Einakter dargebotene dramatische Vorgang verlangt nicht nur eine straffe Handlungsführung, sondern zugleich auch eine starke zeitliche und räumliche Konzentrierung des Handlungsverlaufs. Die viel geschmähten drei Einheiten erhalten somit ihre ästhetische und dramaturgische Berechtigung. Die traditionelle Dramentechnik ist also nur äußerlich nicht verlassen, sie ändert jedoch ihren Charakter, da sie die beherrschende Bedeutung verliert, die G O T T S C H E D ihr gegeben hatte, und nur noch eine dienende Funktion hat. Das ganze Stück ist auf einer Handlung aufgebaut. Auch die Figur des Laconius, mit der sich anscheinend eine Nebenhandlung anzubahnen beginnt, ist in die Haupthandlung integriert. Er belauscht nicht nur das entscheidende Gespräch, in dem Frau Praatgern die Kindsvertauschung gesteht, und entdeckt damit den Betrug, der Dichter braucht ihn vor allem als den allein geeigneten Ehegatten für Charlotte. Das Bühnengeschehen wird nicht mehr als ein bis zwei Stunden in Anspruch nehmen. Doch daß sich Darstellungszeit und dargestellte Zeit nahezu entsprechen, geht nicht auf eine konsequente Befolgung von G O T T S C H E D S Wahrscheinlichkeitsprinzip zurück, sondern ergibt sich ungezwungen aus der Handlung selbst. Die Einheit der Zeit stört die poetische Illusion nicht, ebenso wenig die Einheit des Ortes, denn mehr Schauplätze als ein Zimmer verlangt das Bühnengeschehen tatsächlich nicht. Mit der Ortsangabe Der Schauplatz ist in der Frau Praatgern Hause ist der »Realismus« des Dramas auch schon fast erschöpft. Zwar ist Lessings Behauptung, daß Die stumme Schönheit mehr dänische als deutsche Sitten spiegele68, von der Forschung immer wieder nachgesprochen worden, doch beschränkt sich das ganze Lokalkolorit auf den dänisch klingenden Namen Praatgern, von E . S T A I G E R treffend als Schwatzbase übersetzt59. Und während die Komödie der Aufklärung sonst gerade der Milieuzeichnung große Beachtung schenkte, fehlt hier jede Andeutung, sei es durch Dekorationsangaben oder durch indirekte Hinweise im Dialog. Ob diese auffällige Zurückhaltung im Lokalkolorit bereits auf einen zur Klassik zielenden Stilwillen weist, bleibe unentschieden. Auf jeden Fall wollen der Verzicht auf reichere Bühnenausstattung, auf Dekorationswechsel und Zwischenvorhang, und nicht zuletzt die geringe Personenzahl — nur 8 Rollen hat das Stück, 4 weibliche und 4 männliche — als Ausdruck für Schlegels Bühnenerfahrung verstanden sein: 68

Lessing, Hamburgische Dramaturgie. 13. Stück. Emil Staiger, Ein vergessenes Lustspiel. Beiträge zum zwanzigjährigen Bestehen der Neuen Schauspiel AG. Zürich o. J., S. 67. — Der Name ist aus dän. prate = schwatzen, plaudern, plappern gebildet. 58

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der Dichter rechnet mit den bescheidenen Mitteln der Wandertruppen. Auch sind die Regieanweisungen in der Stummen Schönheit zahlreicher als in den anderen Dramen des Dichters und weisen in die gleiche Richtung. Zugleich kommen sie wieder der Straffving der Handlung zugute und entlasten den Dialog, da der Dichter nun nicht mehr gezwungen ist, die Gestik seiner Figuren umständlich in Rede umzusetzen. Und schließlich dient auch der Verzicht auf herkömmliche Auf- und Abtrittsankündigungen einer straffen Handlungsführung. Die Figuren der Stummen Schönheit sind den Normfiguren der satirischen Verlachkomödie noch eng verwandt, tragen aber schon individuellere Züge und sind psychologisch tiefer angelegt. Vor allem aber scheinen ihnen weniger literarische Vorbilder als Quelle gedient zu haben als vielmehr Menschen des bürgerlichen Alltags. Die szenische Gliederung in kontrastierende Handlungsabschnitte hat Schlegel auch dem Aufbau der dramatischen Figuren dienstbar gemacht, von denen besonders die weiblichen Hauptfiguren Charlotte und Leonore aus dem Kontrast leben. Die ausführlichste und genaueste Beschreibung der stummen Schönheit Charlotte hat LESSING im 13. Stück der »Hamburgischen Dramaturgie« gegeben: sie ist stumm und »dumm zugleich; denn daß sie nichts spricht, kömmt daher, weil sie nichts denkt. Das Feine dabei würde also dieses sein, daß man sie überall, wo sie, um artig zu scheinen, denken müßte, unartig machte, dabei aber ihr alle die Artigkeiten ließe, die bloß mechanisch sind, und die sie, ohne viel zu denken, haben könnte. Ihr Gang z. E. ihre Verbeugungen, brauchen gar nicht bäurisch zu sein; sie können so gut und zierlich sein, als sie nur immer ein Tanzmeister lehren kann; denn warum sollte sie von ihrem Tanzmeister nichts gelernt haben, da sie sogar Quadrille gelernt hat? Und sie muß Quadrille nicht schlecht spielen; denn sie rechnet fest darauf, dem Papa das Geld abzugewinnen. Auch ihre Kleidung muß weder altvätrisch, noch schlumpicht sein; denn Frau Praatgern sagt ausdrücklich: Bist du vielleicht nicht wohl gekleidet? — Laß doch sehn! Nun! — dreh dich um! — das ist ja gut, und s i t y j galant. Was sagt denn der Phantast, dir fehlte der Verstand? In dieser Musterung der Fr. Praatgern überhaupt hat der Dichter deutlich genug bemerkt, wie er das Äußerliche seiner stummen Schönen zu sein wünsche. Gleichfalls schön, nur nicht reizend. Laß sehn, wie trägst du dich? — Den Kopf nicht so zurücke! Dummheit ohne Erziehung hält den Kopf mehr vorwärts, als zurück; ihn zurück halten, lehrt der Tanzmeister; man muß also Charlotten den Tanzmeister ansehen, und je mehr, je besser; denn das schadet ihrer Stummheit nichts, vielmehr sind die zierlich steifen

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Tanzmeistermanieren gerade die, welche der stummen Schönheit am meisten entsprechen; sie zeigen die Schönheit in ihrem besten Vorteile, nur daß sie ihr das Leben nehmen. Wer fragt: hat sie Verstand? der seh' nur ihre Blicke. Recht wohl, wenn man eine Schauspielerin mit großen schönen Augen zu dieser Rolle hat. Nur müssen sich diese schönen Augen wenig oder gar nicht regen; ihre Blicke müssen langsam und stier sein; sie müssen uns, mit ihrem unbeweglichen Brennpunkte, in Flammen setzen wollen, aber nichts sagen. Geh doch einmal herum. — Gut! hieher! — Neige dich! Da haben wir's, das fehlt. Nein sieh! So neigt man sich. Diese Zeilen versteht man ganz falsch, wenn man Charlotten eine bäurische Neige, einen dummen Knicks machen läßt. Ihre Verbeugung muß wohl gelernt sein, und wie gesagt, ihrem Tanzmeister keine Schande machen. Frau Praatgern muß sie nur noch nicht affektiert genug finden. Charlotte verbeugt sich, und Frau Praatgern will, sie soll sich dabei zieren . . .« Offenbar war die Tanzmeistererziehung, die Charlotte genossen hat, um die Mitte des 18. Jahrhunderts im Bürgertum noch so weit verbreitet, daß L E S S I N G das Marionettenhafte Charlottes, das die spätere Forschung oft als Konstruktion getadelt hat, nicht als Überzeichnung empfand, sondern gerade das Lächerliche, weil »Unnatürliche« dieser Figur in ihrem puppenhaft-steifen Gehabe sah60. Leonore ist in jedem Zug das genaue Gegenbild zu Charlotte. In ihr verkörpert sich das neue bürgerliche Erziehungsideal der »Natürlichkeit« mit Klugheit und Gefühl, Gewandtheit und Ungezwungenheit in Benehmen und Sprechen, Bescheidenheit in Kleidung und Auftreten, geselligem Wesen, Freimut und Hilfsbereitschaft. Auch Richard und fungwitz sind Kontrastfiguren, wobei vor allem der Generationsunterschied zur Begründung ihrer unterschiedlichen (im Grunde aber doch aufklärerischen) Lebensauffassung dient. Richard, im Personenverzeichnis als ein alter reicher Mann vom Lande gekennzeichnet, bleibt ziemlich blaß, doch verzichtet Schlegel darauf, ihn als konventionelle Vatergestalt zu zeichnen. E r hebt neben dem selbstbewußten Stolz gegenüber dem großen Volk, d. h. dem Adel, auch seine Vernünftigkeit hervor. So ist er für die Fehler seiner angeblichen Tochter Charlotte nicht blind und verübelt es Jungwitz nicht, daß er von einer Ehe mit der stummen Schönen nichts wissen will. Im Grunde hat er jedoch nicht viel mehr als eine dramaturgische Funktion, da im Gespräch mit ihm Jungwitz seine Anschauungen über Verstand und Ehe entwickeln kann, fungwitz, ein junger wohlhabender Mensch vom Lande, steht mit diesen Anschau80

vgl. darüber E. Staiger, a. a. O., S. 72 f.

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Materialien: Die stumme Schönheit

ungen ganz auf Seiten Leonores. Die gleiche »Natürlichkeit« bestimmt sein Wesen, und er fühlt sich daher auf den ersten Blick zu Leonore hingezogen. Nur bleibt er gegenüber Leonore blasser: sein Menschenideal sah Schlegel wie viele Dichter des 18. Jahrhunderts in einem weiblichen Wesen verkörpert. Literarische Tradition ist an dieser Figur noch ihr sprechender Name. Doch Schlegel ist auch dieser Tradition der GoTrscHEDschule innerlich schon entwachsen und folgt ihr nur noch äußerlich, denn Jungwit%ens hervorstechender Charakterzug, seine »Natürlichkeit«, ist weit wichtiger als sein Scharfsinn und »Witz«. Ähnliches gilt für Frau Praatgern. Die in ihrem Namen angedeutete Schwatzhaftigkeit ist noch die harmloseste ihrer Eigenschaften. Viel stärker ausgeprägt sind Torheit, Eitelkeit, Egoismus, Nachahmungssucht höfischen Lebensstils, und ihre Betrügereien sind fast schon kriminell zu nennen. Also auch diese Figur ist in ihren individuellen Charakterzügen weit vielfältiger angelegt, als sich mit einem sprechenden Namen erfassen läßt. Die Gefahr der Karikierung, die hinter einer Figurenzeichnung durch sprechende Namen immer lauert, ist hier glücklich vermieden, und die Figuren machen längst nicht mehr einen so unpersönlichen (und damit zugleich langweiligen) Eindruck wie die der Verlachkomödie der GOTTSCHEDSchule.

Mit kleinen individuellen Zügen sind auch die Nebenfiguren verlebendigt. Der Philosoph mit dem sprechenden Namen Laconius — Satire auf den weltfremden Gelehrten — ist nicht allein durch seine Schweigsamkeit gekennzeichnet. Das einzige, was von seiner ganzen Gelehrsamkeit im Stück gezeigt wird, sind seine Runzeln im Gesicht, so daß Jungwitz den 40-jährigen für einen Sechziger hält. Zugleich steht Laconius wieder in einem gewissen Kontrast zu Charlotte-, er schweigt, weil er denkt, sie, weil sie nicht denkt. Auch die Bediensteten Cathrine und Jacob erhalten Züge, die über ihre bescheidene Rolle in der Handlung hinausgehen. Er, der bisher nur auf dem Lande gedient hat, ist vom städtischen Leben ganz überwältigt, sie dagegen, die städtische Dienstmagd, hat nur mit Lakaien von der ersten Klasse Umgang, und der Herr Lakai vom Lande gibt sich vergebliche Mühe, ihr den Hof zu machen: sie sieht ihn nur mit Mitleid an. Wie wenig sich Schlegel der rationalistischen Dramentechnik verpflichtet fühlt und sofort gegen ihr Wahrscheinlichkeitsprinzip verstößt, wenn es sich seiner dichterischen Konzeption nicht einfügt, ist auch der Personenzeichnung abzulesen. Zwar verzichtet er ganz im Sinne G O T T S C H E D S auf alle Monologe, doch macht er mehrfach von dem von G O T T S C H E D und von seiner eigenen Theorie verpönten Beiseitesprechen Gebrauch, setzt es aber z. T. schon höchst ge-

Zur Analyse des Stücks

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schickt zur Personencharakteristik ein. Im 3. Auftritt macht Jungwitz in Gegenwart Cbarlottes, beyseite zum alten Richard eine spöttische Bemerkung über Cbarlottes Schweigsamkeit. Charlotte müßte diese Bemerkung nach der Wahrscheinlichkeitslehre auch gehört haben. Daß sie darauf nicht reagiert, ja, nicht einmal merkt, daß eine spöttische Bemerkung über sie fällt, charakterisiert gleich zu Beginn ihres Auftretens ihre Dummheit. Im 19. Auftritt wieder spricht Cathrine »beiseite« in Anwesenheit Laconius' über ihn. Aber der Philosoph ist natürlich mit seinen Gedanken in höheren Sphären, so daß er die Dienerin überhaupt nicht hört. Der Stilisierung des Milieus entspricht die Stilisierung der Sprache durch den Vers. Daß der Vers, der nicht zuletzt auch die Betrugsgeschichte selbst stilisiert und zum heiteren Spiel wandelt, hier wesentlich zum Stück gehört und nicht bloß aufgepfropft ist — Schlegel setzte gewöhnlich seine Dramen in Prosa auf und goß sie erst nachträglich in Verse um — zeigt die mißratene Prosaauflösung der Stummen Schönheit von 1783. Von jeher war man sich einig über die Anmutigkeit der Schlegelschen Verse in der Stummen Schönheit. Bereits L E S S I N G rühmte die »ebenso fließende als zierliche V e r i f i kation« vor allem anderen, so daß er dem Lustspiel sogar den Ehrentitel gab: »unser bestes komisches Original, das in Versen geschrieben ist.« 61 Den Vers in der Komödie befürwortete Schlegel theoretisch zwar schon seit 1740, hatte sich in seinen meisten Komödien dann aber doch für die Prosa entschieden. In der Stummen Schönheit gelang ihm zum erstenmal (und auch zum einzigenmal) ein Lustspiel in Versen. (Vorangegangene Versuche waren entweder mißraten oder in Ansätzen steckengeblieben, und das Vorspiel »Die Langeweile« ist kein Lustspiel im engeren Sinne, es kann daher hier beiseite gelassen werden.) Gemäß seiner Theorie schreibt Schlegel Die stumme Schönheit in Alexandrinern, in einem Vers also, der im 17. und in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts im Deutschen am beliebtesten war 6 2 . Schlegel verwendet dabei den Alexandriner in der Reimstellung aa/bb und läßt regelmäßig ein klingendes und ein stumpfes Verspaar wechseln. Man hat dem deutschen Alexandriner oft, und mit Recht, das Klappernde, Leiernde und Starre, das jede Dramatik tötet, vorgeworfen, weil hier alle sechs Akzente festliegen und die stehende Zäsur nach der 3. Hebung die Langzeile zerreißt, und, nach S C H I L L E R , 61

Lessing, Hamburgische Dramaturgie. 13. Stück. Uber den Alexandriner vgl. Gerhard Storz, Ein Versuch über den Alexandriner. Festschrift Paul Kluckhohn und Hermann Schneider. Tübingen 1948, S. 231—242. 62

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KOMEDIA I

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Materialien: Die stumme Schönheit

»jedes Gefühl, jeder Gedanke in diese Form wie in das Bette des Prokrustes gezwängt« wird 63 . Unter Schlegels Händen gewinnt dieser Vers jedoch einen poetischen Reiz, den man im deutschen Alexandriner sonst gewöhnlich vergeblich sucht, und der sich mit G O E T H E S Alexandrinerversen in der »Laune des Verliebten« durchaus messen kann. Flüssig, lebendig und natürlich sind die Dialoge. Obwohl meist Verseinheit und syntaktische Einheit zusammenfallen, vermeidet Schlegel jedes eintönige Klappern, da er die Verszeile gern auf mehrere Sprecher verteilt und sich vereinzelt auch schon das Enjambement zunutze macht. JUNGWITZ. Hör doch! Wie alt bist du? wohl sechzig?.... Noch [nicht? Wie? Doch fünfzig? LACONIUS. Vierzig. JUNGWITZ. Ei, was die Philosophie Für Runzeln machen kann! Man seh einmal den Alten! Der Komik dient die Zerlegung der Zeile, wenn von den 6 Hebungen des Verses für die »sprachlose« Charlotte nur die Kadenz übrig bleibt. R I C H A R D . Wird die Frau Praatgern denn bald zu uns kommen ? C H A R L O T T E neigt sich. Ja! R I C H A R D . Wird meine Tochter auch bald bey uns seyn? CHARLOTTE. Papa. Der Vers schmiegt sich so zwanglos dem Satzbau an, daß weder die Lebhaftigkeit des Dialogs noch der Sprechton der Umgangssprache verloren gehen. Im Gegenteil, gerade das Miteinander von Umgangssprache und Vers gibt den Dialogen Rhythmus, reizvolle spielerische Spannung, und rückt sie von Naturalismen ebenso weit ab wie von gespreizter Zierlichkeit. Mit viel rhythmischem Gefühl rechnet der Satzbau mit der Zäsur des Alexandriners. Schlegel sieht die Langzeile als Einheit und stellt seinen Vers nicht unter die »Regel des Gegensatzes« ( S C H I L L E R ) . Er läßt die Zäsur gern in eine syntaktisch (nicht gedanklich) gegebene Sprechpause fallen und bannt damit, ohne das Spezifische des Alexandriners aufzuheben, die Gefahr der Monotonie. Verstand! Mein guter Herr, den hab ich eh gekannt oder Bist dus, Laconius, mein alter guter Freund. Schlegel beherrscht den Alexandriner so sicher, daß er ihn auf die geistigen und damit sprecherischen Fähigkeiten der Figuren zuschneiden kann und dabei auch den Wechsel im Redetempo nicht vergißt. Charlotte, unfähig zu denken, ist auch unfähig zu sprechen; 63

Schillers Brief an Goethe vom 15. Oktober 1799.

Zur Analyse des Stücks

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daher ihre vielen Interjektionen ( 0 ja! Ach nein! Mammaf) und konventionellen Redefloskeln (Ei nicht doch! Da haben Sie ganz "cht). Nur wenn es um Geschenke geht, erwacht ihr Geist soweit, daß sie wenigstens, aber auch nur in einem trägen, stockenden Tempo, kurze Sätze bilden kann. Leonore dagegen spricht durchdachte, wohl gegliederte hypotaktische Sätze, und das Tempo ihrer Rede ist fließend und mäßig rasch. Die Betriebsamkeit der Frau Praatgern wiederum drückt sich in kurzen, hastig gesprochenen Sätzen aus. Die Komik in der Stummen Schönheit bedient sich vielfach der herkömmlichen Mittel der Situationskomik wie Verwechslung, dann Verstecken und Versprechen (in der »Echoszene«). Doch wird diese Situationskomik nicht um ihrer selbst willen angewandt, sondern steht im Dienste der Charakterkomik, denn die komischen Situationen sind unmittelbarer Ausdruck von Charaktereigenschaften der Figuren. Dabei beruht die Komik (wie jede Komik) auf einem Kontrast, der an sich zwar wertungsfrei ist, hier aber zur Satire und damit wertend wird. Das Stück spielt unter Bürgerlichen, und keine allgemein-menschliche, sondern eine spezifisch bürgerliche »Torheit« jener Tage gibt Schlegel der Lächerlichkeit preis: die Nachahmungssucht adligen Lebensstils. Da es sich hierbei um ein internationales bürgerliches Übel handelte, konnte man in Dänemark das Drama als Satire auf Gewohnheiten des dänischen Bürgertums empfinden 64 , während J O H A N N A D O L F SCHLEGEL schrieb: »Viele von unsern deutschen Frauenzimmern werden die Originale dazu abgeben können.« 65 An der »Kunst des Gesprächs«, wie man mit E. STAIGER das Thema der Stummen Schönheit formulieren kann 68 , ist der Gegensatz zwischen adlig-steifer und bürgerlich-natürlicher Erziehung dramatisch vergegenwärtigt. (Der Gegensatz Stadt-Land wirkt nur verstärkend.) Die hochgeschraubte »Vornehmheit«, zu der Frau Praatgern ihre Tochter dressiert hat, fällt, sobald sie an »Natur« und »Vernunft«, dem Maßstab für Wert oder Unwert eines Menschen, gemessen wird, in sich zusammen und erscheint als lächerliches Marionettendasein. Dieser komische Kontrast zwischen dem angeblichen und dem wirklichen Wert »vornehmer« Erziehung wird nicht nur in Handlung, sondern auch in Mimik umgesetzt: auf der einen Seite Frau Praatgern, die ständig davon schwatzt, daß sie ihre Tochter nach der neusten Mode erzogen habe, auf der anderen Seite die sprachlose Charlotte, die am liebsten nur den Fächer auf und z« Wolff, a. a. O., S. 169. Johann Adolf Schlegel in einem undatierten Brief an Nikolaus Dietrich Giseke. Aus G. Kestners Briefsammlung. Archiv für Literaturgeschichte. 5. Bd., 1876, S. 62. 66 Staiger, a. a. O., S. 68. 64 65

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Materialien: Die stumme Schönheit

macht und sich am besten auf das Neigen, d. h. auf den Knicks versteht. Diese entlarvende K r a f t des Mimischen hat sich Schlegel meisterhaft zunutze gemacht. D a der Dichter bereits auf der Bühne die »Torheit« mit dem bürgerlichen Erziehungsideal, der »Natürlichkeit«, konfrontiert, hat er es nicht mehr nötig, moralisierend den Zuschauer auf die erzieherischen Absichten des Stücks aufmerksam zu machen, und er braucht auch die negativen Figuren nicht ins Possenhafte zu überzeichnen und sie damit ihrer Individualität zu berauben. Doch stehen die positiven Figuren nie so weit im Vordergrund, daß sie die Herrschaft an sich reißen könnten: v o n den 25 Szenen des Dramas gehört der überwiegende Teil den negativen Figuren. Allerdings verzichtet Schlegel gerade in der Schlußszene auf die in der Verlachkomödie übliche satirische Spitze: die negativen Figuren werden, ohne daß auch nur das geringste Zeichen einer Besserung bemerkbar wäre, in das glückliche Ende einbezogen. Charlotte heiratet widerspruchslos Laconius, ist also die sprach- und gedankenlose Puppe geblieben, und ihre ganze Willenskundgebung drückt der Dichter in der das Stück beschließenden Regieanweisung aus: Charlotte neigt sich. Auch Frau Praatgern läßt keine Sinnesänderung erhoffen, zumal sie für ihren Betrug ohne jede Bestrafung davonkommt, ja, eine Bestrafung mit keinem Wort erwogen wird. E s muß allerdings offen bleiben, ob Schlegel damit nur seiner Theorie folgt, die eine E r ziehung des Publikums, nicht aber der Dramenfiguren verlangt, oder ob der aufklärerische Erziehungsoptimismus hier schon so weit überwunden ist, daß Schlegel mit einem nachsichtigen Lächeln, das auch die Unzulänglichkeiten des Menschen mit umgreift, sein Drama ausklingen läßt und sich damit bereits leise eine humoristische Weltanschauung anbahnt. Zur

Wirkungsgeschichte

V o n den Aufbauelementen der Stummen Schönheit öffnet sich der Blick auf die Stellung dieses Dramas in der Geschichte der K o m ö d i e der Aufklärung und auf Schlegels Bedeutung für die Entwicklung des aufklärerischen Dramas. Der Dichter ging aus von der satirischen Verlachkomödie GoTTSCHEDScher Prägung (»Der geschäftige Müßiggänger«), für die Handlung und Figur ohne Eigenwert waren und nur zur Demonstration einer auslachenswerten »unvernünftigen« menschlichen Eigenschaft dienten. In der Stummen Schönheit hat Schlegel (ob schon unter dem Einfluß des empfindsamen Lustspiels, kann nicht entschieden werden) diesen Komödientyp weitgehend überwunden. Der Dichter entfaltet seine dramatische Welt nicht mehr aus einem vorgegebenen moralischen Satz, er gibt der Hand-

Zur Wirkungsgeschichte

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lung weit mehr Spannung und tatsächliches Bühnengeschehen als in der Komödie der GoTTscHEDSchule üblich war, sucht die Figuren durch individuelle Züge, die bereits deutliche Ansätze zu einer wirklichen Charakterzeichnung erkennen lassen, lebendiger zu gestalten, bezieht auch die positiven Figuren mit in die Handlung ein und beschneidet schließlich in der Schlußszene die Herrschaft der Satire. Die stumme Schönheit drängt also zu einem ernsthaften und problemreichen komischen Spiel, für das die Bezeichnung »Komödie« nicht mehr im vollen Umfang zutrifft, und zielt auf einen Lustspieltyp, der rund zwei Jahrzehnte später in L E S S I N G S »Minna von Barnhelm« seine Vollendung finden wird. Eine literarische Wirkung im engeren Sinne hat Die stumme Schönheit nicht gehabt, abgesehen davon, daß K A R L L E S S I N G in seiner Komödie »Der Bankrot« eine Figur Praatgen, wohl im Anschluß an Frau Praatgern, nennt, worauf E . W O L F F aufmerksam gemacht h a t " . Einer breiteren Wirkung stand schon der Alexandrinervers im Wege: die Zukunft gehörte dem Prosalustspiel. Noch wesentlicher aber waren die Wandlungen im Lebensgefühl des deutschen Bürgertums, die den Gefühlswerten, auch und gerade im Lustspiel, immer breiteren Raum gaben, so daß Schlegels Drama geistesgeschichtlich bald unmodern wurde. Und als schließlich »Minna von Barnhelm« erschien, waren im Lustspiel auch neue ästhetische Maßstäbe gesetzt und Die stumme Schönheit künstlerisch überholt. Weit dauernder war die Bühnenwirksamkeit der Stummen Schönheit. Zwar hatte Schlegel das Stück für das neu erbaute Kopenhagener Theater geschrieben, doch wurde es allem Anschein nach in Dänemark nie gespielt, denn die dänische Übersetzung kam nicht zustande 68 , und auch die des berühmten dänischen Aufklärungsdichters J O H A N N E W A L D blieb schon in den Anfängen stecken 69 . Dagegen hielt sich Die stumme Schönheit lange Jahre als Lieblingsstück auf den deutschen Bühnen. Die Theaterprinzipale witterten sehr bald die Bühnenwirksamkeit des Stückes, das obendrein mit nur einer Zimmerdekoration und nur 8 Rollen auskam. Auch griffen die Schauspieler immer wieder gern zu den dankbaren Rollen, die der Dichter ihnen hier bot. Auch das Publikum fand an der spannenden, heiteren und doch zugleich moralischen Handlung lange Zeit Gefallen. CHRISTIAN HEINRICH S C H M I D S »Chronologie des deutschen Theaters« (1775) übertrieb sicher nicht, daß Die stumme Schönheit »auf allen Theatern gespielt« wurde 70 , und es ist zweifellos ein 67

Wolff, a.a.O., S. 212. 68 Werke II, S. 472. 69 Magon, a. a. O. S. 536. Christian Heinrich Schmid, Chronologie des deutschen Theaters. Neu hrsg. von Paul Legband. Berlin 1902 ( = Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte. Bd. 1), S. 88. 70

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Materialien: Die stumme Schönheit

Zeichen für die Zugkraft des Dramas, daß es auch in das »Theater der Deutschen«, eine Sammlung meistgespielter Bühnenwerke, aufgenommen wurde. 1754 eröffnete die ScHÖNEMANNSche Truppe in Hamburg »in dem neureparirten Komödienhause beim Dragonerstall« 71 die Spielzeit mit der Stummen Schönheit. A m 5. Mai 1767 spielte das Hamburger Nationaltheater das Lustspiel in folgender Besetzung 72 : Richard Jungtvitz Jacob Laconius Frau Praatgern Charlotte Leonore Cathrine

Herr Borchers Herr Ekhof Herr Hensel Herr Garbrecht Madame Löwen Mademoiselle Feibrich Madame Hensel Madame Schulz

ausführliche Besprechung der Stummen Schönheit anläßlich dieser Aufführung nennt E . S T A I G E R mit Recht ein »Musterstück pietätvoller Interpretation« 73 . Weitere Aufführungen sind u. a. belegt aus Berlin 74 , Dresden 75 , Hannover, Stade, Gotha 7 6 und Wien. Bei dieser Aufführung — eine Textausgabe davon erschien 1762 mit dem Hinweis »Aufgeführt in dem kaiserl. königl. privilegirten Theater« — wurde das Drama recht ungeschickt nach dem 7. Auftritt in zwei Akte geteilt und am Schluß durch einige läppische Verse ergänzt, die das happy end noch einmal aufdringlich unterstreichen 77 : LESSINGS

71 Johann Friedrich Schütze, Hamburgische Theater-Geschichte. Hamburg 1794, S. 280. 72 Rudolph Schlosser, Vom Hamburger Nationaltheater zur Gothaer Hofbühne. Hamburg und Leipzig 1895 ( = Theatergeschichtliche Forschungen. Bd. XIII), S. 89. Am gleichen Abend wurde noch Destouches Komödie » La fausse Agnès « in der Ubersetzung der Frau Gottsched (»Der poetische Dorfjunker«) gespielt. Auffällig, daß Lessing mit keinem Wort auf die angebliche Abhängigkeit der »Stummen Schönheit« von dieser Komödie Destouches, die später so oft behauptet wurde, zu sprechen kommt. Offensichtlich waren ihm die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Stücken so unwesentlich, daß ihm ein Hinweis darauf überflüssig erschien. 73 Staiger, a. a. O., S. 72. 74 Gerhard Wahnrau, Berlin. Stadt der Theater. 1. Bd., Berlin 1957, S. 120. 75 Wolff, a. a. O., S. 172. 76 Schlosser, a. a. O., S. 70 und 78. 77 Eine ausführliche Beschreibung der Wiener Ausgabe bei Hugo Ellenberger, Der Dramatiker Johann Elias Schlegel. Diss. phil. Wien 1950 (Masch.), S. 247—248.

Zur Wirkungsgeschichte

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»Charlotte: Jal (Sie neigt sich) Laconius: Gut 1 — Jungwitz: Wir sind nun vergnügt, wir haben Freund gebunden. Was wir gesucht, und sind nach unsrem Wunsch verbunden.« Berühmteste Schauspieler und Schauspielerinnen des 18. Jahrhunderts sind in der Stummen Schönheit aufgetreten: K O N R A D E K H O F als Jungwit£78, KONRAD ACKERMANN als Laconius'9, F R I E D R I C H 90 81 L U D W I G S C H R Ö D E R als Diener Jacob , später als laconius , FRAU 82 A C K E R M A N N als Frau Praatgern , ihre Töchter D O R O T H E A A C K E R 83 M A N N als Cathrine und C H A R L O T T E A C K E R M A N N ebenfalls als ii Cathrine > F R A U S C H R Ö D E R als Charlottess. Erst seit etwa 1780 scheinen Schlegels Dramen von bedeutenderen Truppen nicht mehr gespielt worden zu sein. Doch versuchte 1783 K . L O T I C H im »Komischen Theater der Teutschen« noch eine Prosaauflösung der Stummen Schönheit unter dem Titel »Der glückliche Tausch«. Die Namen sind verändert und die Handlung oberflächlich in Leipzig lokalisiert. Um das Drama dem gewandelten Theatergeschmack anzupassen und der Bühne zu erhalten, sind derbere Effekte und Rührszenen eingefügt. Ob die Stumme Schönheit in dieser Fassung auch gespielt worden ist, ließ sich nicht ermitteln. Häufiger sicher nicht. Die Zeit Schlegels war versunken, die I F F L A N D S und K O T Z E B U E S begannen die deutsche Bühne zu beherrschen. L i t e r a t u r (in A u s w a h l ) Der Dramatiker Johann Elias Schlegel. Diss. phil. Wien 1930. (Ausführliche Analyse, die aber den aufklärerischen Gehalt des Stückes zu kurz kommen läßt.) R O T E N F E L S , H E R B E R T : Johann Elias Schlegels Lustspiele mit besonderer Berücksichtigung ihrer formalen Gestaltung. Diss. phil. Breslau 1938. (Ansatz zur Gestaltanalyse. Liste von Urteilen über St. Sch.) S C H O N D E R , H E R M A N N : Johann Elias Schlegel als Übergangsgestalt. Diss. phil. Berlin 1940. (Druck Würzburg-Aumühle 1940). (Geistesgeschichtliche Untersuchung.) ELLENBERGER, HUGO :

78

Schlosser, a. a. O., S. 89. Joachim Salzbrunn, Johann Elias Schlegel, seine Dramaturgie und seine Bedeutung für die Entwicklung des deutschen Theaters. Diss. phil. Göttingen 1957 (Masch. Titelblatt 1953), S. 181. 80 F.L. W.Meyer, Friedrich Ludwig Schröder. Hamburgi823, Bd. II,2, S. 141. 81 ebd. S. 116 und 148. 82 ebd. S. 121. 83 ebd. S. 124. 84 ebd. S. 136. 86 ebd. S. 159. 79

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Materialien: Die stumme Schönheit

Ein vergessenes Lustspiel. In: Beiträge zum zwanzigjährigen Bestehen der Neuen Schauspiel A. G. Zürich o. J. S. 67—74. (Knappe, treffende Interpretation.) WOLFF, EUGEN: Johann Elias Schlegel. Kiel/Leipzig 1892. (Erste Gesamtdarstellung von Schlegels Leben und Werk. Keine ausreichende ästhetische Würdigung.) STAIGER, EMIL:

Worterklärungen Andrienne : langes loses Überkleid, das 1704 im Anschluß an eine Pariser Aufführung der Terenzschen Komödie » Andria « seinen Namen erhielt. Banise: Heinrich Anshelm von Ziegler und Kliphausen (1663—1696) »Asiatische Banise« (1689), einer der beliebtesten Barockromane, dessen Wirkung bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts reicht. Oft nachgeahmt und bearbeitet, als Roman und Oper ebenso wie als Haupt- und Staatsaktion und klassizistische Tragödie. Bälfinger : Georg Bernhard Bilfinger (1693—1750), Philosoph der deutschen Aufklärung, Schüler Christian Wolfis. Cordegarde : Corps de Garde »Wachttruppe«. Epistolae obscurorum virorum: bedeutendste und schärfste Satire des Humanismus gegen Scholastik und katholischen Klerus, verspottet Unbildung, Sittenlosigkeit und »Küchenlatein« der Mönche. Erschienen 1515—1517. Verfasser waren u. a. Crotus Rubeanus und Ulrich von Hutten. Euler: Leonhard Euler (1707—1783), einer der größten Mathematiker des 18. Jahrhunderts. Gebhardt: Georg Christoph Gebhardi (1667—1693), Mathematikprofessor in Greifswald oder Karl August Gebhardi (Lebensdaten unbekannt) Mitarbeiter an den »Belustigungen des Verstandes und Witzes Haare : ungeklärt. Könnte, da Vielwitz Niederdeutscher ist, mit nd. hör, höre, hare-Dreck, Abfall, Schmutz zusammenhängen. Hippokrene: berühmte Quelle am Nordrand des Helikon. Da sie durch den Hufschlag des Pegasus entstanden sein soll, gilt sie als Musenquelle. Knötchen machen: eine weibliche Handarbeit. Ovenus: John Owen (um 1560—1622), englischer Dichter, für die europäische Literatur bedeutend durch seine lateinischen Epigramme. Palatin: schmale Halsbekleidung der Damen aus Pelz, Seide oder anderen zarten Stoffen. poculieren : reichlich trinken, bechern. Quadrille : Kartenspiel zu Vieren, eine Art L'hombrespiel. Schellbaferscher Saal: Weinschenke des Johann Schelhoffer in der Katharinenstraße in Leipzig. Wolf: Christian Wolff (1679—r754). führender Philosoph der deutschen Aufklärung.

INHALTSVERZEICHNIS Seite 5

Vorwort Text

Frau Gottsched, Der Witzling. Ein deutsches Nachspiel in einem Aufzuge 7 J. E. Schlegel, Die stumme Schönheit. Ein Lustspiel in einem Aufzuge 39 M a t e r i a l i e n z u m V e r s t ä n d n i s der T e x t e »Der Witzling« Editionsbericht Zur Entstehungsgeschichte Gattungsgeschichtliche Einordnung Zur Analyse des Stückes Zur Wirkungsgeschichte Literatur

71 72 74 77 79 80

»Die stumme Schönheit« Editionsbericht Zur Entstehungsgeschichte Gattungsgeschichtliche Einordnung Zur Analyse des Stücks Zur Wirkungsgeschichte Literatur (in Auswahl) Worterklärungen

80 82 83 91 100 103 104

RICHARD DAUNICHT

Die Entstehung des bürgerlichen Trauerspiels in Deutschland Groß-Oktav. VIII, 320 S. 1962. Ganz}. etwa DM 32,— (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker N. F. 8 [132]) ERNST VON REUSSNER

Satz, Gestalt, Schicksal Untersuchungen über die Struktur in der Dichtung Kleists Groß-Oktav. VI, 136 S. 1961. Gan?J. DM 24 — (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker N. F. 6 [130])

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