Die Entführung: Ein Lustspiel in drey Aufzügen [Reprint 2021 ed.]
 9783112429402, 9783112429396

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Die

Entführung. Ein

Lustspiel.

Von

I.

F.

Zunge r.

L e i p z i g-,

bey Georg Joachim Goschen, l/A r.

Die Entführung ein Lustspiel in drey Aufzügen.

Personen.

Herr von Sachau. Henriette von Sachau, seine

To»rev.

Wilhelmine von Sachau, seine Nichte. Baron Rosenthal,

6entietten5 beltimmtcr SBtüutiäam.

Herr v. Buchenhain,

Johann,

Rosenthals Bedienter.

Ein Kellner.

Sesselträger. Bediente.

Henriettens Liebhader.

Erster Aufzug. Erster Auftritt. Zimmer Im Häufe des Herrn von Sachall. Wilhelmine unv Henriette.

Henriette

ein erbrochenes Dillet in der Haud.

9?ein liebes Mübmchen; nein, ich kann mich

unmöglich dazu entschließen.

Wilhelmine.

Du kannst nid)*? Geh

dock! — Mach mich nicht zu lachen! Wenn eS

närrischen Streich zu

drauf ankomml einen

wachen, fö möcht' ich doch wessen, zu was sich

ein Mädchen nicht entschließen konnte' — Und warum kannst du denn nicht, wenn man

fragen darf? Henr.

Dedenke nur: Sich entführet zu

lassen! —> A

2"

Die Entführung,

4

Wilhelm.

Nun du mein Himmel!

als

ob das so etwas außerordentliches wäre! Haben wir denn das nicht in Romanen und Komödien

hundeitmahl gelegen?

Höre einmahl:

du hast

das „sich entführen lassen « mit einem qewissen Nachdruck ausgesprochen; ick glaube du stößt dich

mehr an den Ausdruck, als an die Sache selbst; sage einmahl entführt werden, und ich wette —

Henr.

Wie du auch über meine traurige

Lage'noch scherzen kannst!

Wilhelm. ger Ernst.

Nein, nein, es ist mein völli­

Sieh nur; wenn die Leute sagen:

DasFiäulein von Sachau hat sich von dem Herrn von Duchenhain entführen lassen — pfui, das

klingt garstig! Aber wemrs heißt:

Sie ist vom

Herrn von Duchenhain entführt worden;

ist

etwas ganz anders.

das

»Je nun “ wird man

sagen, „was kann ein armes wehrloses Mädchen

dafür, wenn ein Mann mit ihr davon lauft?«

Henr.

O da kennst du die Welt nicht! —

Die Verläumdung —

Wilhelm«

Ey was! Verläumduna hin,

Verläumdung her! — Die Weiber, die sich über

Ein Lusispies.

5

solche Dinge am meisten skandalisiren,

sind ge­

rade diejenigen, die trotz aller angewandten Mühe

noch niemanden Lust machen konnten mit ihnen

davon tu laufen: alte übrig gebliebene Jungfrauen, oder Weiber, die keine Männer würden bekorm

men haben, wenn sie fern Geld gehabt hätten — Laß doch einmahl sehen, tva" dein Kol idon schreibt. Sie nimmt ihr da- Billet aus der Hanv, und Nest.

»Meine

anaebethere Henriette) Ich bin in der äußersten Verzweiflung “ — —

Was du für ein ver­

zweifeltes Mädchen bist, deinen Liebhaber so in Bezweiflung

zu

sehen.'—

äußerten Verzweiflung.

also —

„in der

Der Gedanke Sie zu

verlieren macht mich unsinnig “ —

Nun das

nenne ich mir einen Schäfer, der den Reihen sei­ ner Lalaqe Ehre macht — „Ich beschwöre Sie bey allem was Ihnen lieb und heilig ist, willigen

Sie in den Vorschlag, den ich Ihnen so oft ge­ than habe.

Meine Tanre erwartet uns.

Gut liegt nur zwo Meilen weit von hier.

Ihr

Mein

Leben und Tod steht jetzt in Ihren Handen; ent­ schließen Sie Sich.6 eine Schande ist? Wenn ich ihr nicht dann und mann das unschuldige Vergnügen

wackre,

und über ihren liehen Papa so recht

von Herzen loszog, (b — ~ Sachau.

wich nickt

Nickte!

äußerste!

kck saqe dn's,

treibe

Du hast hisher einen

guten Onkel an mir gehabt, aber — Wilhelm.

Jst's denn etwa nickt wahr?

Wie Sie Sich manchmahl auftühren! Weiß der

liebe Gott,

wer Sie in unsere Familie hinein

geschwärzt hat!

Mein verstorbener Vater war

doch Ihr leiblicher Bruder,

aber der war ein

ganz anderer Mann, als Sie; in meinem gan­

zen Lcken habe ich nickt den geringsten Wort­

wechsel mit ihm gehabt, und ich war doch schon beynahe fünf Wocken alt, als er starb, Sachau muß wider Willen lachen.

Dummer

Schnickschnack!

Wilhelm,

ibn parodirend.

Onkel, ich

sag's Ihnen — treiben Sie mich nicht auf's

Ern Lustspiel.

rz

juße^e!— Sie haben bisher eine gute Nichte

an mir gehabt, aber — Sachau.

Ueber die Närrinn! — fccbeiOi Nun denn, daSmahl mag's

Wilhelm.

so hingehen! Geben Sie Sick nur zufrieden; ich will Ihnen nichts thun. Da, ihm die Hand hinhaltend, zum Zeichen,

daß ich wieder gut

bin. —

Hieher geküßt! Sachau ihre Hand wegstoßend.

Geh Mit

deinen Possen! Wilhelm.

Ein galanter Onkel sind Sie;

Has muß man Ihnen lassen.

Die schone Hand

Ihrer schonen Nichte nicht einmahl zu küssen, wenn sie sich herab läßt, sie Ihnen selbst darzu­ reichen! Und ich dächte doch, meine Hand wäre

so übel nicht! —> Loben Sie sie doch ein wenig, Onkelcben!

sie gehört ja auch mit in Ihre

Familie, und alles was dazu gehört ist hübsch. Sie zum Beyspiel um ibn herum gehend Sie sind

ein scharmanter Mann, dagegen ist nichts zu

sagen; aber Sie wären noch tausendmahl scharr

*4

Die Entführuns.

ttionter, wenn Sie das fatale Projekt mit Hen« rieltens Heirath aufgäben! — Sachau. machen?

Willst du mich wieder böse

Wilhelm, eitlen». einige Zeit aufschöben l

Sachau.

Oder wenigstens noch

Laß mich zufrieden.

Wilhelm, fiel) an Ilm schmiegen!).

HerzenS-

Onkelchenl Nur auf kurze, kurze Zeit! —

Sachau eafii». Keinen Tag, keine Stunde, keine Minurel Wilhelm, «'nearoeiren». Keinen Augen­ blick, — keine Sekunde — Seh mir einer den Trotzkopf an! —* Onkel! — Onkel — man muß erschrecklich viel Geduld mir Ihnen haben.'

Sachau wider Willen lachend. Man kann über die Närrinn nicht böse werden. — Wilhelm. Oder wissen Sie was? Da­ mit Sie sehen, daß wir billige Mädchen sind; wir wollen mit uns handeln lassen: sagen Sie

Eia Lustspiel.

iS

uns wenigstens den Namen des anüerwählten Bräutigams.

Es ist doch traurig für die arme

Henriette, ihren künftigen Bräutigam nicht ein­ mahl dem Namen nach zu kennen.

Sachau.

Wenn

sie

ihn

vor'm Altar

erfährt, ist's auch Zeit.

Wilhelm,

an Ihm Bongen).

Otlfel!

aus

Barmherzigkeit! Bedenken Sie, daß wir Frauen­

zimmer sind,

und daß die Neugier «ns das

Herz abdrückt. Sachau. Wilhelm.

Nichts,

nichts!

Aber liebes, goldenes, Her-

zrns-Onkelchen! —

Sachau. Wilhelm..

Es wird nichts draus! — Nur den ersten Buchstaben!

Bitte, bitte!

Sachau ftöBt sie von

stampft mit Bem Fuße,

wacht eine Bewegung mit Bem Munde al» od er reden wellte, geht »der ad.



und ich wollte probwen, solchen Dinge saß'.

wie es sich in einem

Und da kam der gnädige

Herr da mir vielen Leuten,

und sagte:

die

Träger sollten mid) ihm nachtragen; und da eö

mir

eigentlich

einerley

war,

wo sie mich

hinrrugen — Rosenrh. Sachau.

Halr's Maul! Das geht nicht von rechten

Dingen zu!

Wilhelm.

Das glaub' ich selbst! Sie

holten Henrietten von ihrer Tante, lieber Onkel!

setzten sie unrerweges in einen Sessel, weil sie

krank wird, und jetzt hat sie sich in den Bedien­

ten des Barons verwandelt. —

Wenn wir

noch in dm Zerren der Feen lebten —

Ein Lustspiel.

iog

Sachau. Hat sich denn alles wider mich verschworen? — Heraus muß e< einmahlr HaNig, tu «xofent6ai. Herr Baron! — ich hatte eine Tochter — Rosenth. Das weiß ich, Herr von Sachau! und ich will Ihnen noch mehr sagen: diese Tochter haben Sie noch. Sachau. Nein! man hat mir sie entführt!

Rosenth. Auch darüber kann ich Ihnen Auskunft geben! Ich war's, der sie entführte!

Sachau Sie? Rosenth. Ja, ich! Sie war, seit sie au- Ihrem Hause ist, bey mir versteckt. Sachau. Herr! — wenn da« ist — Sie sind Kavalier — Sie werden wissen, wie Sie das gut machen müssen! Rosenth. E« giebt nur Eine Art so etwas gut zu wachen, Herr von Sachau! Sie Überlassen e« mir also ganz?

Sachau. Braucht 's noch zu ftagen ? —< Sie sind Kavalier!

II o

Die Entführung.

Nolenrh. Das heißt so viel als: Mann von Ehre. — Sie sollen mit mir zufrieden seyn t Er geht »um Kabinet, und führt Henrietten und Buchenhain heraus.

Letzter Auftritt. DieVorigen. Ducdenhain, ».Henriette. Henriette auf ihren Barer ru. Mein Vater! Sachau. Geh mir aus den Augen, ungerochenes Kindl R o se n t h. Lieber Duchenhain? Herr von Sachau hat mir aufgetragen, einen gewissen Corsas! wieder gut tu machen. — Indem er Hen­ riettens Hand in Duchendain's Hand legt. Ich glaube

das ist die beste Art! Sachau. Wie! — was? — Nein, Herr! Sie müssen mein Schwiegersohn werden, oder — Rolenth. Herr von Sachau! Ich hatte Zh-e Tochter für meinen Freund entführt. Aber wenn ich ste auch für ihn beirarben sollte — ich glaube, er selbst würde finden, daß das die Freundschaftsdienste ein wenig zu weit treiben hreß. — Also Ihre EmwilUguna, Herr von

Sachau! Und damit das in Einem htngehrz

Ein Lustspiel.

in

er stellt Ito ntften Wilhelmine», hier steht noch eilt Paar! Sachau. Wie! Sie wollen meine Nichte heirathen? Rosenth. Za,Herrvon Sachau! wenn Sie nicht« dagegen haben. Wilhelm. Was bas für eine 2(rt ist! Mich fragt er gar nicht! Ey, ey — Herr Da« ron! Wenn Sie schon mit Ihrem Mädchen so despotisch umgehen, wie werden Sie erst mit Ihrer Frau verfahren? Rosenth. Heißt das despotisch seyn, wenn man sich freywlllig in eine ewige Sklaverey begiebt? Sachau, ter Inteffea nochgedacht tat, für sich.

Auf die Art werde ich sie alle beyde los, und bekomme Ruhe. — taut. Meinetwegen — je eher je lieber! Henr. küßt itm tie 4>an». 1 Ich danke Ihnen, mein I Vater! I Buchenh. Auch ich danke Ihnen!

Wilhelm. Auch ich!

!» gleicher Zeit,

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Die Entführung.

Sachau. Nun! nun! ist das ein Geschrey! — Ich glaube schwerlich, daß ihr mir über's Jahr noch so danken werdet.

Henriette. Ist das der Segen, den Sie uns mitgeben, mein Vater? Sachau. Ey was, Segen! Führt euch gescheut auf; das ist der beste Segen, den ich euch mitgeben kann! Eure Männer mögen sehen, wie sie mit euch zurechte kommen. Aber zu mir kommt nicht klagen, das sag' ich euch! Bor allen Dingen rathe ick dir, Henriene, daß bii deinem Mann nicht etwa auch so davon läufst^ wie deinem Barer; denn ich mfxtre dir nicht dafür stehen, ob er sich so viele Mühe geben dürfte, dich wieder zu finden, als ich mir gege­ ben habe.

Der Vorhang fällt.