Der Weg zur christlichen Vollkommenheit: Eine Studie zu Walter Hilton auf dem Hintergrund der romanischen Mystik 9783666552199, 9783525552193

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Der Weg zur christlichen Vollkommenheit: Eine Studie zu Walter Hilton auf dem Hintergrund der romanischen Mystik
 9783666552199, 9783525552193

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Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Herausgegeben von Thomas Kaufmann und Volker Henning Drecoll

Band 95

Vandenhoeck & Ruprecht

Margarethe Hopf

Der Weg zur christlichen Vollkommenheit Eine Studie zu Walter Hilton auf dem Hintergrund der romanischen Mystik

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-55219-3

Gedruckt mit Hilfe der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein.

© 2009, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Gesamtherstellung: c Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Meinem Pflegevater Dr. Ulrich Koch

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2006/2007 von der EvangelischTheologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurden geringfügige Änderungen vorgenommen. Ich danke Herrn Prof. Dr. Thomas Kaufmann und Herrn Prof. Dr. Volker Henning Drecoll für die Aufnahme in die Reihe „Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte“. Die Drucklegung wurde großzügig unterstützt von der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, der Theophrast-Stiftung, sowie der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Württembergischen Landeskirche. In den Jahren, in denen die Arbeit entstand, habe ich vielfältige Unterstützung erfahren: Besonderer Dank geht an meinen zweiten Doktorvater Herrn Prof. Dr. KarlHeinz zur Mühlen, der auch das Erstgutachten erstellte. Er betreute meine Arbeit schon während der Krankheit meines ersten Doktorvaters Prof. Dr. Jörg Haustein und übernahm mich nach dessen Tod als seine Doktorandin. Ihm als einem profunden Kenner der spätmittelalterlichen Theologie verdanke ich zahlreiche Impulse, und ich bin dankbar für die wohlwollende und fördernde Begleitung. Der Zweitgutachterin, Frau Prof. Dr. Ute Mennecke, danke ich ebenfalls ganz herzlich für die Mühe mit meiner Arbeit und auch dafür, dass Sie mich nach Abschluss der Dissertation als ihre Assistentin weiterbeschäftigt hat und mir so weiter wissenschaftliches Arbeiten ermöglicht. Ein großes Dankeschön geht auch an Herrn Prof. Dr. Michael Basse, der nach Jörg Hausteins Tod den Lehrstuhl vertrat. Er gewährte mir als seiner Mitarbeiterin Freiraum zum eigenen Arbeiten und teilte sein Wissen großzügig mit mir. Die Anregung für die Arbeit stammte von meinem Tübinger Lehrer in der Anglistik, Herrn Dr. Fritz Kemmler. Wertvolle Hinweise für die nähere Formulierung des Themas erhielt ich von Herrn Dr. John Clark (Hartlepool, England) und Herrn Prof. Dr. Karl Reichl (Bonn). Herrn Prof. Dr. Wolfram Kinzig und den Kolleginnen und Kollegen in Bonner Doktorandenkolloquien danke ich für die kritische Begleitung. Hilfreich waren für mich auch Gespräche mit den Oxforder Wissenschaftlern Prof. Dr. Vincent Gillespie, Dr. Philip Endean SJ, Henrietta Leyser und Dr. Hesekiel Lotz OSB, sowie mit Dr. Walter Sauer (Heidelberg), Prof. Dr. Harry Oelke (München) und Herrn Juniorprof. Dr. Karl Pinggéra (Marburg). Dr. Michael Kirwan SJ und seiner Londoner Kommunität danke ich herzlich für die große Gastfreundschaft während meiner Bibliotheksaufenthalte in England.

VIII

Vorwort

Den Bonner Anglistinnen Muriel Kasper und Dr. Nicole Meyer verdanke ich zahlreiche Literaturtipps und Hilfe bei philologischen Problemen. Frau Barbara Koch beriet mich fachkundig bei der Überarbeitung meiner Übersetzung der lateinischen Werke Hiltons. Beim Korrekturlesen haben mich Heike Scholz und Christian von Blohn unterstützt, und auch die Mitarbeiter des Lehrstuhls, besonders die Sekretärin Helen Siegburg, haben ihren Anteil an der Entstehung des Buches. Steffen Riesenberg hat das Manuskript zur Drucklegung vorbereitet. Allen sei von Herzen gedankt. Wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat auch mein Mann Siegmar Junker. Er hat mit mir nicht nur jahrelang inhaltlich diskutiert, sondern mich v. a. immer wieder zum Durchhalten ermutigt. Die Arbeit ist meinem Pflegevater, Herrn Dr. Ulrich Koch, gewidmet. Er hat mich und zwei meiner Geschwister 1981 als Pflegekinder aufgenommen und uns zusammen mit seiner Frau Adelheid Koch nach dem Tod unserer Eltern ein liebevolles und förderndes Zuhause gegeben. An ihm konnte und kann ich erleben, was es heißt, wenn Gottes- und Nächstenliebe zusammentreffen. Bonn, im August 2008

Margarethe Hopf

Inhalt 1. Einleitung ………………………………………………………………… 1.1 Hilton im Spiegel der Forschung …………………………………… 1.1.1 Zusammenfassung zu Kap. 1.1 ……………………………… 1.2 Zur Fragestellung und zum methodischen Ansatz der Untersuchung

1 4 13 14

2. Zu Walter Hiltons Leben und Werk ……………………………………… 2.1 Zur Vita ……………………………………………………………… 2.2 Zu den Schriften – ein Überblick ………………………………… 2.2.1 Lateinische Schriften ………………………………………… 2.2.1.1 De ymagine peccati ………………………………… 2.2.1.2 De adoracione ymaginum ………………………… 2.2.1.3 Epistola de utilitate et prerogativis religionis ……… 2.2.1.4 Epistola de leccione, intencione, oracione, meditacione et aliis ………………………………… 2.2.1.5 Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem 2.2.1.6 Firmissime crede et nullatenus dubites …………… 2.2.2 Englische Schriften ………………………………………… 2.2.2.1 Scale of Perfection ………………………………… 2.2.2.2 Mixed Life ………………………………………… 2.2.2.3 Kommentar zu Ps 90 Qui habitat ………………… 2.2.2.4 Kommentar zu Ps 91 Bonum Est ………………… 2.2.2.5 Kommentar zum Benedictus ……………………… 2.2.2.6 Of Angels’ Song …………………………………… 2.2.3 Hiltons Übersetzungen ……………………………………… 2.2.3.1 Eight Chapters on Perfection ……………………… 2.2.3.2 The Goad of Love …………………………………… 2.2.4 Kommentar zum verlorenen Brief ………………………… 2.3 Zum historischen Kontext von Hiltons Leben und Schriften ……… 2.3.1 Zur außen- und innenpolitischen Situation Englands im 14. Jahrhundert ………………………………………… 2.3.2 Zur kirchlichen Situation – Krisen auf verschiedenen Ebenen 2.3.2.1 Das Große Abendländische Schisma ……………… 2.3.2.2 Nationalkirchliche Bestrebungen in England ……… 2.3.2.3 Theologische Kirchenkritik und Reformforderungen – Ockham, Wyclif und die Lollarden ……………… 2.3.2.4 Die „Bewegung des Freien Geistes“ ………………… 2.3.2.5 Wachsender theoretischer und praktischer Einfluss des Kirchenvolkes ……………………………………

20 20 32 32 33 35 38 40 43 47 48 48 53 56 58 60 61 62 62 65 67 69 69 71 71 72 74 80 84

X

Inhalt

2.3.3 Zur universitären Theologie im England des 14. Jahrhunderts …… 2.3.4 Zu den Beständen der Bibliotheken in Thurgarton und in anderen englischen Häusern der Augustiner-Chorherren im 14. Jahrhundert 3. Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund der Theologie Walter Hiltons …………………………………………… 3.1 Darlegung der Auswahlkriterien …………………………………… 3.2 Augustinus von Hippo ……………………………………………… 3.2.1 Gottebenbildlichkeit (imago Dei) und Gottähnlichkeit (similitudo Dei) ……………………………………………… 3.2.2 Gottesliebe (amor Dei/dilectio/caritas/usus und fruitio) … 3.3 Bernhard von Clairvaux …………………………………………… 3.3.1 Quellen und stilistische Charakteristika …………………… 3.3.2 Demut und Selbsterkenntnis (humilitas) …………………… 3.3.3 (Gottes-)Liebe (dilectio/amor/caritas) …………………… 3.3.4 Gottebenbildlichkeit (imago Dei) und Gottähnlichkeit (similitudo Dei) ……………………………………………… 3.3.5 Kontemplation/Erkenntnis/Schau (contemplatio/cognitio/visio) ……………………………… 3.4 Wilhelm von St. Thierry …………………………………………… 3.4.1 Gottebenbildlichkeit (imago Dei) und Gottähnlichkeit (similitudo Dei) …………………………………………… 3.4.2 Gottesliebe (amor Dei/dilectio/caritas) …………………… 3.5 Aelred von Rievaulx ………………………………………………… 3.5.1 Gottebenbildlichkeit (imago Dei) und Gottähnlichkeit (similitudo Dei) ……………………………………………… 3.5.2 Liebe (affectio/amor/caritas) ……………………………… 3.6 Richard von St. Viktor ……………………………………………… 3.6.1 Seelenkräfte, imago Dei und Modell des Fortschreitens der Seele zur Kontemplation ……………………………… 3.6.2 Liebe (caritas) ……………………………………………… 3.7 Bonaventura von Balneoregio ……………………………………… 3.7.1 Der Weg zu Gott …………………………………………… 3.7.2 Vom dreifachen Weg ……………………………………… 3.8 Zusammenfassung von Teil 3 und Ausblick auf Grundbegriffe der Hiltonschen Theologie ………………………………………… 4. Zur Theologie Walter Hiltons …………………………………………… 4.1 Gottebenbildlichkeit (imago Dei/ymage of God), Gottähnlichkeit (similitudo Dei/liknesse of God) und Selbsterkenntnis (humilitas/mekenesse) ……………………… 4.2 Gottesliebe (caritas/charité, amor Dei/love of God) ……………… 4.3 Christliche Vollkommenheit (perfectio/perfection): Das Miteinander von humilitas/mekenesse, caritas/charité und contemplatio/contemplation……………………

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100 100 103 103 110 112 112 113 118 121 124 125 126 128 131 131 133 135 135 139 142 142 147 148 151

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181

Inhalt

XI

5. Zur Theologie Walter Hiltons im Rahmen der „mittelenglischen Mystik“ des 14. und frühen 15. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung von Juliana von Norwich …………………………… 5.1 Zusammenfassung von Teil 5 ………………………………………

183 201

6. Zusammenfassung ………………………………………………………

203

Abkürzungen …………………………………………………………………

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Literatur ……………………………………………………………………… 1. Quellen ……………………………………………………………… 1.1 Walter Hilton ………………………………………………… 1.2 Hilton in Anthologien ……………………………………… 1.3 Sonstige Quellen …………………………………………… 2. Sekundärliteratur, Bibliographien, Hilfsmittel ……………………

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Register ……………………………………………………………………… Bibelstellen ……………………………………………………………… Namen …………………………………………………………………… Orte ……………………………………………………………………… Sachen ……………………………………………………………………

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1. Einleitung Remember Walter Hilton Canon of Thurgarton Priory Author of The Ladder Of Perfection Died March 24 1396, wird der Besucher in der Kirche der anglikanischen Gemeinde Thurgartons zum Gedenken an Walter Hilton aufgefordert. 1996, 600 Jahre nach Hiltons Tod,1 wurde an einer der Säulen der ehemaligen Augustiner-Prioratskirche das schemenhafte Bildnis eines jungen Augustiner-Chorherren angebracht, das den Hintergrund für die Inschrift bildet. Die rechte Hand ist zum Segnen erhoben – in der linken trägt der Chorherr ein geschlossenes Buch. Abgesehen von dieser Walter-HiltonGedächtnissäule erinnert im verschlafenen Ort Thurgarton in Nottinghamshire nichts an seinen wohl berühmtesten Einwohner. Nachfragen bei der Frau des Pfarrers und bei der Bedienung im Pub bei einem Besuch im Sommer 2003 zeigten der erstaunten „Wallfahrerin“, dass Hilton heute kaum mehr im Bewußtsein der Thurgartoner ist. Mag sich auch die Wahrnehmung verschieben und eine Person und ihr Werk eine unangemessene Bedeutung gewinnen, wenn man sich über Jahre hinweg täglich mit einem Autor beschäftigt, so war die Erwartung, in Thurgarton auf mehr Spuren Hiltons zu stoßen, und seien es nur künstliche für Touristen, nicht unbegründet. Schließlich war Walter Hilton einer der beliebtesten Autoren im England des Spätmittelalters, und seinem Hauptwerk, der Scale of Perfection oder Ladder of Perfection2 wurde eine immense Wirkungsgeschichte zuteil. Von diesem volkssprachlichen Werk Hiltons existieren heute noch 42 Handschriften,3 die bezeugen, dass das Werk bald über den ursprünglichen Adressatenkreis – eine Reklusin bzw. Reklusinnen – hinaus rezipiert wurde. Die Scale of Perfection war im klösterlichen Milieu bei Kartäusern und Birgitten bekannt.4 Auf den Wunsch 1 S. u. unter 2.1, S. 20–22, zur Diskussion um Walter Hiltons Lebensdaten. In der Forschung wird Walter Hilton entgegen der sonst üblichen Praxis, mittelalterliche Personen mit dem Vornamen zu nennen, als „Hilton“ bezeichnet. Ebenso verhält es sich bei seinen Zeitgenossen Richard Rolle und Margery Kempe. An diesem Sprachgebrauch wird im Folgenden festgehalten. 2 Die mittelalterlichen Handschriften und die modernen Übersetzungen bezeichnen das Werk unterschiedlich. Da der Titel Scale of Perfection für Hiltons Hauptwerk der gängigere ist, wird er im Folgenden verwendet. Buch I der Scale of Perfection wird in den Fußnoten mit „Scale I“ abgekürzt, Buch II mit „Scale II“. 3 Eine Liste der Handschriften findet sich in Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3430 f. 4 Vgl. Sargent, Hilton’s Scale, 189.

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Einleitung

der Mutter Heinrichs VII., Lady Margaret von Beaufort, wurde die Scale of Perfection von Wynkyn de Worde schon 1494 gedruckt, der Inkunabel folgten in kurzem Abstand vier weitere Ausgaben (1507, 1519, 1525 und 1533). Noch zu Hiltons Lebzeiten wurde die Scale of Perfection ins Lateinische übersetzt. 15 Handschriften, darunter fünf kontinentaleuropäischen Ursprungs, überliefern die Scala Perfectionis, die mit Gowers Confessio Amantis das einzige bekannte ursprünglich mittelenglische Werk ist, das im Mittelalter in Kontinentaleuropa in Umlauf war. Auszüge aus der Scale of Perfection finden sich in verschiedenen Kompilationen und im Moralitätenspiel Wisdom.5 Im 15. Jahrhundert wurde Hiltons Hauptwerk und auch sein Traktat Mixed Life von Theologen wie Laien gelesen; Ordensleute, Reklusen, Adlige, wohlhabende Bürger beiderlei Geschlechts sind unter den Rezipienten. Nicholas Love (gest. 1424), Rektor und Prior der Kartause Mountgrace und Verfasser des bei Laien beliebten Myrrour of the Blessed Lyf of Jesu Crist6, empfahl Laien Hiltons Mixed Life als Lesestoff.7 Thomas Morus (1478–1535) las selbst regelmäßig in der Scale of Perfection und regte Laien zur Lektüre des Werkes an.8 Wie beliebt Hiltons Werke unter Laien waren, belegt die Handschrift Lambeth, Palace Library, Ms. 472. Das Manuskript, das neben der Scale of Perfection noch weitere Werke Hiltons enthält, wurde für einen Londoner Gewürzhändler namens John Killum (gest. 1416) zusammengestellt. Die Handschrift wird in einem Eintrag im Manuskript selbst als „für das Gemeinwohl bestimmt“ bezeichnet. Das Buch sollte dem jeweiligen Besitzer bis zu dessen Tod zur geistlichen Erbauung dienen und dann an den nächsten Leser oder die nächste Leserin weitergegeben werden, die es bei ihrem Tod wiederum weiterreichen sollten. Wenn der Besitzer das Buch gerade nicht brauchte, war er aufgefordert, es kurzfristig auszuleihen. Diese Kette der Weitergabe und des Ausleihens sollte nicht abreißen, solange das Buch vom Material her stabil genug blieb. Als Gegenleistung für die lebenslange Nutzung sollte der jeweilige Besitzer/die jeweilige Besitzerin für die Seele Killums beten.9 Inschriften in der Handschrift belegen, dass das Buch bis zum Ende des 15. Jahrhunderts im Besitz verschiedener Londoner Bürger war. Eine Besitzerin ist nicht vermerkt, auch wenn die Weitergabe des Buches an Frauen von Killum vorgesehen 5 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3076. 6 Vgl. Bitterling, Love, 2140. 7 Vgl. Carey, Literate Laypeople, 372 f. Für die Rezeption der englischen Mystiker durch Thomas Morus vgl. auch du Moustier, English Mysticism, 36–42. 8 Vgl. Carey, Literate Laypeople, 371. 9 „This booke was maad of the goodis of Jon killum for a comyne profite. That that persoone that hath this booke committed to him of the persoone that hath power to committe it, haue the vse therof the teerme of his lijf, praiyng for the soule of the same ion. And that he that hath the forseid vse of commissioun whanne he occupieth it not, leene it for a tyme to some other persoone. Also that persoone to whom it was committid for the teerme of lijf, vndir the forseid condiciouns delyuere it to a nother persoone the teerme of his lijf. And so be it delyuerid and committid fro persoone to persoone, man or womman, as longe as the booke endurith.“ (Zitiert nach Ogilvie-Thomson, Introduction, xii.) Die Schreibung mittelenglischer Begriffe kann in der vorliegenden Arbeit je nach Quellenbezug variieren. Die Schreibung des Englischen war im Mittelalter nicht standardisiert, so dass nicht nur zwischen Quellen unterschiedlicher regionaler Provenienz Unterschiede bestehen, sondern sogar innerhalb eines kleineren Textabschnittes oder eines Satzes unterschiedliche Schreibungen begegnen können.

Einleitung

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war.10 Einbrüche in der breiten Hilton-Rezeption sind für die Reformationszeit festzuhalten. Die Scale of Perfection konnte sich in katholischen Kreisen halten, allerdings fielen mit der Auflösung der Klöster die Hauptverteiler für Hiltons Schriften weg.11 Aus dem 17. Jahrhundert ist bekannt, dass englische Benediktinerinnen im Exil eine volkssprachliche Scale of Perfection zur Hand hatten. Ihr Seelsorger, Augustine Baker (1575–1641), wurde 1629 schriftlich beim Antiquar Robert Cotton vorstellig und bat um Zusendung einer zusätzlichen lateinischen Kopie für den Konvent.12 Ein Teil der Scale of Perfection – Buch II, Kap. 21 – wurde im 17. Jahrhundert als „Parable of the Pilgrim“ in Bakers Sancta Sophia integriert.13 Der Besitz von Hiltons Hauptwerk ist für das 17. und 18. Jahrhundert für nicht-katholische Kreise belegt. So besaß der Quäker Benjamin Furly (1636–1714) zwei Ausgaben der Scale of Perfection.14 Da es sich um neue Ausgaben handelt (London 1659 und London 1672), ist davon auszugehen, dass Furly die Bücher tatsächlich im Gebrauch hatte und sie nicht nur als Erbstücke o. ä. in der Bibliothek standen. Im 19. Jahrhundert kam es auf beiden Seiten des Atlantiks zu zahlreichen Nach- und Neudrucken von Hiltons Werken.15 In England wuchs das Interesse an den „katholischen Wurzeln“ des englischen Christentums nach der Restauration der katholischen kirchlichen Strukturen im Jahre 1850 stetig.16 Anfang des 20. Jahrhunderts erlebten Hilton und die englische Mystik insgesamt ein revival,17 in das die Anfänge der wissenschaftlichen Hiltonforschung fallen. 10 Vgl. Ogilvie-Thomson, Introduction, xii f. Vgl. auch Bestul, Introduction, 7. 11 Eine Untersuchung zur Hiltonrezeption in der Reformationszeit ist noch ein Desiderat. 12 Spearrit zitiert eine längere Passage aus Bakers Brief, in der Baker beklagt, dass er keinen geeigneten Lesestoff für die ihm anvertrauten Nonnen habe. Er bittet Cotton, ihm Manuskripte oder Drucke kontemplativer Werke zu schicken, vorzugsweise in englischer Sprache. Auf seiner Wunschliste stehen neben Heiligenleben und anderer Andachtsliteratur Werke von Richard Rolle von Hampole und Walter Hiltons Scale of Perfection, die er sich interessanterweise auf Lateinisch erbittet: „Their lives being contemplative the comon bookes of ye worlde are not for their purpose, and litle or nothing is in thes daies printed in English that is proper for them. There were manie English bookes in olde time whereof thoughe they have some, yet they want manie. And thereuppon I am in their behallfe become a humble suitor vnto you, to bestowe on them such bookes as you please, either in manuscript or printed being in English, conteining contemplation Saints lives or other devotions. Hampooles workes are proper for them. I wishe I had Hilltons Scala perfectionis in latein; it woulde helpe the vnderstanding of the English; and some of them vnderstande latein.“ (Spearritt, Survival, 291 f) Erstaunlich ist, dass er sich als englischer Muttersprachler verspricht, durch das Lateinische das Englische besser zu verstehen, zumal die Scale of Perfection ursprünglich auf Englisch verfasst wurde, und die lateinische Übersetzung somit schon eine Interpretation des englischen Textes darstellt. Aber vielleicht liegt genau hier der Schlüssel: Die lateinische Übersetzung verwendet das einem Benediktiner aus der monastischen Lektüre vertraute Vokabular, so dass in der Begrifflichkeit der gesamte traditionsgeschichtliche Hintergrund durchscheint, der im Englischen nicht so leicht greifbar ist. 13 Vgl. A. Baker, Holy Wisdom, 31–38. Vgl. auch Birrell, English Catholic Mystics, 70. 14 Vgl. Birrell, English Catholic Mystics, 99. 15 Vgl. Birrell, English Catholic Mystics, 222. 16 Zur Geschichte der römisch-katholischen Kirche in England vgl. Watkin, England, 887. 17 Vgl. Birrell, English Catholic Mystics, 223.

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Einleitung

1.1 Hilton im Spiegel der Forschung Nicholas Watson umreißt in seinem 1999 erschienenen Beitrag zur Cambridge History of Medieval English Literature den gesellschaftlich-religiösen und konfessionellen Kontext, in dem die sog. „mittelenglischen Mystiker“ erforscht wurden.18 Nach Watson ist es das Verdienst der englischen Katholiken David Knowles19, James Walsh20 und Eric Colledge21, die mittelalterliche englische Mystik als feste Größe und als der kontinentaleuropäischen Mystik ebenbürtiges Gegenüber ins Bewußtsein gerufen zu haben. Hintergrund sei nicht nur das international wiedererwachte katholische Interesse an Spiritualität gewesen, sondern auch das Anliegen englischer Katholiken, die vorherrschende anglikanische Lesart der Kirchengeschichte in Frage zu stellen und mit dem Ansatz einer Art frühen revisionist perspective nachzuweisen, dass der Katholizismus in England schon immer fest verwurzelt gewesen sei. 1938 erschien mit Thomas W. Colemans English Mystics in the Fourteenth Century die erste freikirchliche Arbeit zur englischen Mystik mit dem genau entgegengesetzten Anliegen.22 Zur Gruppe der „(mittel-)englischen Mystiker“ zählt man seit diesen Anfängen mindestens vier, meist aber fünf Autoren und Autorinnen des 14. und frühen 15. Jahrhunderts: Richard Rolle (um 18 Vgl. Watson, Middle English Mystics, 539–565. Die Anfänge der wissenschaftlichen Erforschung der mittelenglischen Mystik liegen nach Watson um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, als erfahrungsorientierte Bewegungen christlichen, jüdischen, neuheidnischen und synkretistischen Hintergrundes die religiöse Landschaft prägten. In dieser Situation sei auch kirchlicherseits das Interesse an mystischer Erfahrung und der Geschichte der Mystik wiedererwacht, an Themen, an die sich seit den Auseinandersetzungen um den französischen Quietismus des 17. Jahrhunderts niemand mehr herangewagt hatte. Parallel zu den okkulten und psychologischen Experimenten Aleister Crowleys, William Butler Yeats’, William James’ sei christliche Forschung zur Mystik enstanden. Diese sei verbunden mit den Personen William Ralph Inge (Dean der anglikanischen St. Paul’s Cathedral; vgl. Inge, English Mystics; vgl. McGinn, Mystik, Bd. 1, 393 f zu den Verdiensten Inges für die englische Mystikforschung; vgl. auch Milosh, Analysis, 16 f), Edward Cuthbert Butler (Abt von Downside Abbey; vgl. Butler, Western Mysticism; vgl. Knowles, Butler, 264–362, für eine Würdigung von Leben und Werk; vgl. auch Williams, Western Mysticism, 197–215) und den theologischen Laien Evelyn Underhill (Anglokatholikin, vgl. Underhill, Mystik; vgl. McGinn, Mystik Bd. 1, 394 f für eine forschungsgeschichtliche Würdigung und Einschätzung Underhills) und Friedrich von Hügel (röm. Katholik; vgl. von Hügel, Mystical Element; vgl. Weitlauff, Hügel, 614–618). Die englische Mystik kam in diesen Werken bestenfalls am Rande mit in den Blick. Vgl. auch Furse, Modern Interpreters, 180–193. 19 Knowles, English Mystics; Nachfolgewerk: English Mystical Tradition – dt. Ausgabe: Englische Mystik. 20 Walsh, Pre-Reformation English Spirituality. 21 Vgl. Eric Colledge, Medieval Mystics. Für eine Einschätzung Colledges vgl. den Forschungsüberblick in Milosh, Analysis, 18. 22 Vgl. Coleman, English Mystics. Coleman bietet einen kurzen Durchgang durch die englische Kirchengeschichte, um zu zeigen, dass die römisch-katholische Kirche in England nie richtig heimisch gewesen sei. Die englische Reformation sei deshalb unvermeidbar gewesen, und die englischen Mystiker zählten wie die Vorreformatoren zu ihren Wegbereitern. Bei Coleman lässt sich exemplarisch ein bei den frühen Darstellungen zur englischen Mystik verbreitetes Nationalbewusstsein ausmachen, das die mittelalterlichen Autoren vereinnahmt.

Hilton im Spiegel der Forschung

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1300–1343), Walter Hilton (ca. 1343–1395), den Verfasser der Wolke des Nichtwissens oder englisch „Cloud-Author“ (das Hauptwerk, nach dem der anonyme Verfasser benannt wird, ist ca. 1350 entstanden), Juliana von Norwich (um 1343 bis nach 1416) und Margery Kempe (um 1373 bis um 1438). Seit Mitte der 90er Jahre rückt die Forschung aus verschiedenen Gründen vom etablierten Begriff „mittelenglische Mystik/Mystiker“ ab: Bei mittelalterlichen Autoren von „Mystik“ zu sprechen sei ein Anachronismus, weil damit Begrifflichkeit des 19. und 20. Jahrhunderts auf das Mittelalter übertragen werde. Bis ins 17. Jahrhundert sei der verborgene Sinn der Heiligen Schrift als „mysticus“ bezeichnet worden, während sich die Autoren selbst eher „Kontemplative“ genannt hätten. „Mystik/mystisch“ verdunkle den Kontext, in dem die Texte entstanden und gelesen worden seien und lasse die Gemeinsamkeiten der Werke der sog. „Mystiker“ mit anderen Werken theologischen und nichttheologischen Inhalts aus derselben Entstehungszeit außer Acht. Der Begriff „Mystik“ verführe dazu, unangebrachte Aufmerksamkeit auf das Leben der Autoren und ihre „zeitenthobenen“ spirituellen Erfahrungen zu richten und das Milieu des 14. Jahrhunderts aus den Augen zu verlieren.23 Nicholas Watson, der die kritische Sicht auf den Begriff angestoßen hat, schlägt vor, die „mittelenglischen Mystiker“ als Vertreter einer volkssprachlichen Theologie (vernacular theology) zu lesen, und stößt damit auf breite Zustimmung.24 Dazu wird später, wenn die Methodik der vorliegenden Arbeit erläutert wird, Stellung genommen.25 Seit Anfang des 20. Jahrhunderts stecken Hilton-Forscher viel Kraft in Grundlagenarbeit wie die Festlegung des Corpus der Hiltonschen Schriften, Anfertigung von Übersetzungen und Texteditionen. Die Grundlagenarbeit ist in allen drei genannten Bereichen bis heute nicht abgeschlossen, befindet sich inzwischen aber auf einem Niveau, das inhaltlich-thematisches Arbeiten möglich macht. Die Wissenschaft beschäftigt sich nach wie vor mit der wohl nie mit letzter Sicherheit lösbaren Frage der Zuschreibung des Bildertraktates sowie einzelner exegetischer Werke zu Hilton (Kommentar zu Psalm 90, Kommentar zu Ps 91 und Kommentar zum Benedictus). Die Frage, ob Walter Hilton der Verfasser der Wolke des Nichtwissens sein könnte, die die Forschung lange beschäftigte, kann heute als gelöst gelten.26 Inzwischen ist Konsens, dass Hilton nicht der Autor sein kann, da sprachliche und stilistische Unterschiede zwischen der Wolke des Nichtwissens und den Werken Hiltons bestehen, und das Werk des Verfassers der Wolke des Nichtwissens in seiner Theologie grundsätzliche pseudo-dionysische Einflüsse aufweist, die sich in Hiltons restlichem Werk nicht finden, wo nur sporadisch und unsystematisch Anleihen beim Vokabular und den Ideen des Pseudo-Dionysius gemacht werden. Das Motiv der „dunklen Nacht“ bei Hilton trägt keine apophatischen Züge. Anders als bei der Wolke des Nichtwissens, wo die „Dunkelheit“ in der 23 Vgl. Bestul, Walter Hilton, 88 f. 24 Vgl.Watson, Middle English Mystics, 539–565; vgl. auch Watson, Censorship, 822–864. 25 S. u. S. 16–18. 26 Vgl. Colledge, Work, 269 f. Vgl. auch Alfred Hughes, Direction, 16, besonders Anm. 86, in der Hughes die Literatur pro und contra Hiltons Verfasserschaft auflistet. Vgl. auch Riehle, Problem, 31–45.

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Einleitung

Transzendenz Gottes begründet ist, resultiert sie bei Hilton aus dem Gefallensein des Menschen.27 Seit den 70er Jahren werden in den Departments of English Language and Literature Editionen der mittelenglischen Werke Hiltons vorbereitet. Alle Werke Hiltons bis auf das Hauptwerk Scale of Perfection liegen inzwischen in kritischen Editionen vor. Von sämtlichen mittelenglischen Werken Hiltons gibt es moderne englische Übersetzungen; einige der mittelenglischen Werke wurden ins Deutsche und Französische übersetzt.28 1982 erschienen die lateinischen Werke Hiltons erstmals im Druck. Die Herausgeber der zweibändigen kritischen Ausgabe, John Clark und Cheryl Taylor, bieten in Walter Hilton’s Latin Writings sämtliche lateinischen Werke Hiltons sowie zwei bis dahin ebenfalls unveröffentlichte mittelenglische Werke: die mittelenglische Übersetzung der lateinischen Epistola ad quemdam saeculo renunciare volentem und den Kommentar zum verlorenen Brief. Die lateinischen Werke sind bislang zu einem kleinen Teil in moderne Sprachen übersetzt. Die Epistola de leccione, intencione, oracione, meditacione et aliis erschien 1966 in einer englischen Übersetzung von Joy Russell-Smith unter dem Titel Letter to a Hermit. In deutscher Sprache sind die lateinischen Schriften bislang nicht zugänglich.29 Parallel zur Erstellung einer zuverlässigen Textbasis für die Hiltonforschung entstand biographische Forschung zu Hilton. Hier haben sich besonders Helen Gardner und Joy Russell-Smith30 verdient gemacht; in neuerer Zeit sind wenige Erkenntnisse dazugewonnen worden.31 Der aktuelle Forschungsstand wird in der Einleitung zur modernen Übersetzung von John Clark und Rosemary Dorward in der Reihe The Classics of Spirituality von Clark gebündelt dargeboten; verschiedene Detailfragen werden in Clarks Aufsatz Walter Hilton in Defence of the Veneration of Images and of the Religious Life ausführlich erörtert.32 Wissenschaftliche Untersuchungen zur englischen Mystik des 14. Jahrhunderts stammen in der Regel von Anglisten und Theologen. Untersuchungen ausschließlich zu Hilton sind in beiden Bereichen selten. In den theologischen Arbeiten ging und geht es vorrangig darum, Hiltons relativ unsystematische Theologie durch 27 Vgl. A. Hughes, Direction, 16 f. Vgl. auch Gardner, Authorship, 129–147; Hodgson, Authorship Reconsidered, 395–406; Gatto, Authorship Controversy, 181–189; J. Clark, Lightsome Darkness, 95–109, v. a. 98; J. Clark, St John of the Cross, 281–298. Dass Hilton nicht der Verfasser der Imitatio Christi des Thomas a Kempis sein kann, was eine Zuschreibung in einem der Manuskripte vorschlägt, wurde schon 1933 von Helen Gardner nachgewiesen (vgl. Gardner, Authorship, 129–147) und hat seither die Forschung nicht weiter beschäftigt. 28 S. Literaturverzeichnis. Dort sind verschiedene Editionen des 19. und 20. Jahrhunderts aufgenommen, einige davon werden in Kapitel 2.2 knapp charakterisiert. 29 Im Rahmen der Vorarbeiten zur vorliegenden Arbeit sind Übersetzungen zu De ymagine peccati, De adoracione ymaginum, Epistola de utilitate et prerogativis religionis, Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem und Firmissime crede et nullatenus dubites entstanden, die separat in einer lateinisch-deutschen Ausgabe veröffentlicht werden sollen. 30 Vgl. Russell-Smith, Defence, 180–214. 31 Vgl. z. B. die These Jonathan Hughes’, dass Hilton zum nordenglischen Kreis um Arundel gehörte. Vgl. J. Hughes, Pastors, 180 f. 32 S. u. unter 2.1.

Hilton im Spiegel der Forschung

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Systematisierung greifbarer zu machen. Seit den 60er Jahren lässt sich ein verstärktes Interesse an der historischen Verortung Hiltons ausmachen, in den 90er Jahren rückten vermehrt sozialgeschichtliche Fragestellungen in den Blick: Alaphrido Hughes untersucht in seiner Dissertation mit dem Titel Walter Hilton’s Direction to Contemplatives (1962) Hiltons Programm der Seelsorge und geistlichen Begleitung. Er hält die Entwicklung eines Systems der geistlichen Begleitung auf der Basis der Lehre von der Gottebenbildlichkeit des Menschen für Hiltons größten Beitrag zur Theologiegeschichte.33 Hughes zieht für seine Untersuchung sowohl die lateinischen als auch die englischen Schriften heran, stützt sich aber hauptsächlich auf die Scale of Perfection. In einem ersten Kapitel wird Hiltons Biographie und Werk vorgestellt, auch eine mutmaßliche Reihenfolge der Entstehung des Hiltonschen Œuvres präsentiert. Das Leben und Werk Hiltons wird grob in den historischen und theologiegeschichtlichen Kontext Englands im 14. Jahrhundert eingebettet. Die sich daran anschließende Untersuchung der Theologie Hiltons, speziell der Lehre von der Kontemplation, orientiert sich an der Einteilung in Anfänger, Fortgeschrittene und Vollkommene in der wohl von Hilton selbst verfassten Zusammenfassung, die in einigen lateinischen Scale of PerfectionManuskripten erhalten ist. Hughes Analyse der Hiltonschen imago Dei-Theologie ist äußerst sorgfältig. Der traditionsgeschichtliche Hintergrund kommt allerdings nur sporadisch in den Blick. Hiltons Theologie wird stark systematisiert, was die Lektüre angenehm macht, aber m. E. den Quellentexten nicht gerecht wird. Die vorliegende Arbeit wählt deshalb einen anderen Zugang.34 Joseph Edmund Milosh verortet Hiltons Hauptwerk in seiner Dissertation mit dem Titel An Analysis of Walter Hilton’s Teaching in ‚The Scale of Perfection‘ (1963)35 in der Tradition der nach dem 4. Laterankonzil 1215 mit seinen Impulsen zur Bildung von Laien in den Grundlagen des christlichen Glaubens entstandenen religiösen Handbücher (religious handbook tradition) und der mystischen Literatur. Paul Eugene Mabry nimmt in seiner Dissertation The Mystical Life in Walter Hilton (1971)36 die Frage nach der Verortung Hiltons in der religious handbook tradition wieder auf und zeigt, dass diese Tradition mit ihrer Gehorsamsforderung gegenüber einem starren Regelwerk ein Objekt Hiltonscher Kritik war. Hilton sei es weniger um starre Regeln und moralische Forderungen gegangen, sondern um geistliche Freiheit.37 David G. Kennedys Incarnational Element in Hilton’s Spirituality (1982) versteht sich trotz des Erscheinens in einer Reihe des Anglistischen Seminars in 33 Vgl. a. a. O., 34. 34 S. u., S. 14 ff. 35 Hauptgrund für die Verortung in der religious handbook tradition ist die Beobachtung, dass Hilton in der Scale of Perfection das Schema der sieben Todsünden aufgreift. 36 Für eine weitere ablehnende Bewertung der These von der Verbindung zwischen Hiltons Scale of Perfection und der Tradition der religiösen Handbücher vgl. Sargent, Bonaventura English, 146 f. 37 Vgl. Mabry, Mystical Life, 71–173, v. a. 90 f.116 f.321. M. E. ist es nicht unproblematisch, als Hiltons zentrales Anliegen „geistliche Freiheit“ zu benennen, denn er ist, wie unter 2.3.2.4 (s. u., S. 82–84) gezeigt wird, bemüht, sich gegenüber Gedanken der „Bewegung des Freien Geistes“ abzugrenzen. Mabry meint aber wohl nicht den terminus technicus, sondern will eher Hiltons im Verhältnis zu Zeitgenossen weniger starre Haltung bezeichnen.

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Salzburg als kirchengeschichtliche Arbeit.38 Kennedy bettet Hilton in den historischen und kirchenpolitischen Kontext ein und rekonstruiert eine Reihenfolge der Hiltonschriften nach Entstehungszeit. Die Herausforderung durch die Zeitumstände, v. a. die Begegnung mit Häresien – Kennedy arbeitet besonders die wyclifitische „Bedrohung“ heraus – habe dazu geführt, dass Hilton die traditionelle Christologie der Kirche vollständig in seine „Gebetslehre“ integrieren wollte. Hilton sei überzeugt gewesen, dass nur ein Glaube, der einen christologischen Schwerpunkt habe und im Hinblick auf die Inkarnation die vollkommene Menschheit Christi und seine Gottheit zusammenbringe, eine gesunde Basis für geistliche Entwicklung darstelle. Von diesen Grundannahmen ausgehend will Kennedy aufzeigen, wie Hiltons Lehre von der Kontemplation und von der Reise zur Kontemplation seine Christologie beeinflusst hat, und wie umgekehrt die Christologie Hiltons auf seine Gesamtvorstellung einwirkt.39 Es gelingt Kennedy allerdings nicht, dem Leser die grundlegende Verbindung zwischen Wyclif/den Lollarden und dem christologischen Schwerpunkt bei Hilton deutlich zu machen. Ellen M. Ross untersucht in ihrer systematisch-theologischen Dissertation Human’s creation in God’s Image: Richard of St. Viktor, Walter Hilton, and Contemporary Theology (1987) das Konzept der imago Dei bei den Augustiner-Chorherren Richard von Sankt Viktor und Walter Hilton, um dann im abschließenden Teil den Reichtum der mittelalterlichen augustinischen Tradition für Überlegungen zur aktuellen theologischen Anthropologie fruchtbar zu machen. Als römischkatholische Theologin nimmt sie neuere katholische kirchliche Dokumente, die das Thema Ebenbildlichkeit aufgreifen, in den Blick und bringt sie in Dialog mit Anfragen aus der feministischen Theologie (Dorothee Sölle, Rosemary Radford Ruether u. a.). Der Dialog und die Ergebnisse werden am Schluss der Arbeit in Thesen präsentiert. Gunnel Cleves Bändchen mit dem Titel Mystic Themes in Walter Hilton’s Scale of Perfection Book I und Basic Mystic Themes in Walter Hilton’s Scale of Per fection Book II (1994) bieten wenig eigenständige Forschungsarbeit. Es handelt sich nicht um eine inhaltliche Untersuchung, sondern lediglich um eine knappe Zusammenfassung und Paraphrasierung der zentralen Gedanken der beiden Bücher der Scale of Perfection, so dass der wissenschaftliche Nutzen begrenzt bleibt. Seit den 70er Jahren hat sich John P. H. Clark40 in einer Reihe von Aufsätzen unter v. a. theologiegeschichtlicher Perspektive mit Hilton beschäftigt.41 Durch 38 In der Reihe Salzburg Studies in English Literature erscheinen neben anglistischen auch zahlreiche theologische Arbeiten, was darauf zurückzuführen ist, dass der Herausgeber der Reihe, James Hogg, ein ehemaliger Kartäusernovize ist. Auch nachdem er den Orden verlassen hat, pflegt er Verbindung zu den Kartäusern und zur theologischen Forschung. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass am Anglistischen Seminar der Universität Salzburg die Reihe Analecta Cartusiana erscheint. (Für diese Informationen wird John P. H. Clark gedankt.) 39 Vgl. Kennedy, Incarnational Element, 2. 40 Vgl. Woodward, John Clark. 41 Um nur die für die vorliegende Untersuchung wichtigsten Aufsätze von John P. H. Clark zu nennen: Liberty of Spirit; Intention; Image and Likeness; Action and and Contemplation;

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diese Aufsätze, die kritische Edition der lateinischen Schriften Hiltons in Zusammenarbeit mit Cheryl Taylor sowie die umfassende Einleitung und reichen Anmerkungen zur modernen englischen Übersetzung der Scale of Perfection von Rosemary Dorward für die Reihe Classics of Western Spirituality gilt Clark, zumindest auf theologischer Seite, als der Hilton-Experte. Die Untersuchungen, die nach und nach die verschiedensten Aspekte Hiltonschen Denkens beleuchtet haben, zeichnen sich dadurch aus, dass Clark immer das ganze mittelenglische und lateinische Oeuvre Hiltons im Blick hat. Clark bietet grundsätzlich detailreiche, textnahe Untersuchungen und besticht durch seine Kenntnis der Traditionsgeschichte. Seine Arbeiten, die durch die zahlreichen traditionsgeschichtlichen Verweise und Exkurse schwierige Lektüre sind und beim Leser viel Vorwissen voraussetzen, werden auch in Zukunft unverzichtbar bleiben. Edward Burton Alcotts Dissertation A Comparison of the Mystical Teachings of Walter Hilton and Augustine Baker (1973) nimmt die Wirkungsgeschichte von Hiltons Schriften in den Blick. Alcott vergleicht die Theologie der Mystik bei Augustine Baker, (v. a. in Sancta Sophia) mit der seines literarischen Vorbildes Hilton (v. a. in der Scale of Perfection). Vivian Kay Hudson will mit ihrer literaturwissenschaftlichen Dissertation Clothing and Adornment Imagery in the English Works of Walter Hilton, FourteenthCentury Mystic (1993) einen Beitrag zur Untersuchung der Symbolik und Metaphorik in Hiltons mittelenglischen Werken unter Einbeziehung des biblischen und traditionsgeschichtlichen Hintergrundes leisten. Sie zeigt wie Hilton mit Hilfe des Metaphernfelds „Kleidung, Schmuck, Anziehen, Ausziehen“ versucht, nicht mit eindeutiger Begrifflichkeit beschreibbare Erfahrungen in Sprache zu fassen. Hilton benutze systematisch Bilder aus dem Bereich der Kleidung, um das Fortschreiten im geistlichen Leben und Probleme, die im geistlichen Leben auftreten, zu beschreiben. Besonders deutlich werde das in der Scale of Perfection, wo das Streben der Seele als Ausziehen alter Kleidung und Anziehen neuer dargestellt werde. „The mystical levels – calling, correcting, magnifying, and glorifying – are represented by corresponding clothing imagery: the nun’s habit and knitting to Christ; the beasthide of sin and Christ’s livery of humility and charity; the clothing of the incarnation and the sindon of scripture; and the bride’s adornment and the lifted veil.“42 Aufgrund der Untersuchungen zur Metaphorik leistet Hudson einen Beitrag zu Fragen des Kanons der Hiltonschen Schriften. Hudson sieht bestätigt, dass Hilton der Verfasser der Übersetzung Prickynge of Love ist und datiert die Übersetzung vor Scale of Perfection und Mixed Life. Der Kommentar zu Ps 91 Bonum Est stamme nicht von Hilton, weil er nicht die Metaphernsprache der anderen Hiltonschen Schriften aufweise.43

Augustine; Psalm Commentary Qui Habitat; Problem; Monastic Elements; Stimulus Amoris; Defence; Trinitarian Theology; Confession and Re-formation. 42 Abstract in: Dissertations & Theses: A & I (Online-Datenbank), http://www.proquest. com (publication number AAT 9421145; Stand: 18.9.2008). 43 Vgl. V. Hudson, Imagery in the English Works, 196 f.

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Zahlreicher als Arbeiten spezifisch zu Hilton ist in der Anglistik die Forschungsliteratur zur mittelenglischen Mystik insgesamt, die Hilton unter anderem mit berücksichtigt. Annie Sutherland möchte mit Biblical citation and its affective contextualization in some English mystical texts of the fourteenth century (1999), die erste detaillierte Untersuchung überhaupt zur Beziehung zwischen den biblischen Schriften und volksprachlicher Prosa des englischen Spätmittelalters liefern und so eine Grundlage für weitere Forschungsarbeiten schaffen.44 Als Quellen für die Untersuchung dienen ihr die mittelenglischen Werke Richard Rolles, Walter Hiltons, des Verfassers der Wolke des Nichtwissens, sowie The Chastising of God’s Children. Ihr ist wichtig, die Werke der geistlichen Autoren des englischen Spätmittelalters in ihr historisches und kulturelles Umfeld einzubetten und sie anders als die Forschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nicht wegen des transzendenten Inhalts als über der Zeit stehend zu betrachten.45 Besonderes Augenmerk richtet Sutherland auf die Kontroverse um den Gebrauch der Volkssprache, die die englische Kirche im 14. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Wyclifbewegung stark beschäftigte. Alle untersuchten Autoren, so Sutherland, versuchten auf je unterschiedliche Weise, eine orthodoxe Form von Theologie zu vermitteln. Um ihre Rechtgläubigkeit zu beweisen, griffen die Autoren auf die Heilige Schrift zurück. Da die Adressaten oft des Lateinischen nicht mächtig waren, mussten die entlastenden Schriftbelege übersetzt werden. Die volkssprachliche Bibelübersetzung wiederum brachte die Autoren schnell mit wyclifitischer Häresie in Verbindung.46 Sutherland arbeitet zum einen heraus, wie sich die verschiedenen Autoren angesichts dieser kirchenpolitischen Lage durch ihren Schriftumgang als „orthodox“ darstellten, zum anderen zeigt sie, dass die Angst vor kirchlicher Verfolgung nicht das einzige Movens für den jeweiligen Schriftgebrauch war,47 Hilton z. B. sei zutiefst von akademischen Traditionen und deren Umgang mit der Schrift geprägt gewesen. Sutherland zeichnet ihn als Theologen, dem es wichtig ist, dass Laien Zugang zur Schrift und damit zum Heil haben, der aber gleichzeitig darum besorgt ist, dass die Schrift richtig verstanden wird, und deshalb ausführliche Glossen mitliefert.48 Nicole Randolph Rice geht es in ihrer Dissertation Spiritual Ambition and the Mixed Life. Middle English Devotional Rules and the Shaping of Lay Piety (Richard Rolle, Walter Hilton) (2002) um sozialgeschichtliche Fragestellungen. Sie untersucht neben Hiltons Mixed Life und Richard Rolles Form of Living, die von unbekannten Verfassern stammenden Werke The Abbey of the Holy Ghost, Fervor Amoris und Book to a Mother. Sie liest sie als für Laien bestimmte Regeln für 44 Vgl. Sutherland, Biblical Citation, 235. 45 Vgl. Sutherland, Biblical Citation, 253. 46 Vgl. Sutherland, Biblical Citation, 254. 47 Vgl. Sutherland, Biblical Citation, 254. 48 Vgl. Sutherland, Biblical Citation, 126. Als Belegstelle nennt Sutherland Scale II,43: „Seynt Poul seith thus: Quecumque scripta sunt, ad nostram doctrinam scripta sunt, ut per consolacionem scripturarum, spem habeamus […]. Al that is writen, to oure techynge it is writen, that bi confort of writynge we mai have hop of savacioun.“ (Ed. Bestul, 254, Z. 3393– 3395.) Es handelt sich um ein Zitat aus Röm 15,4; Sutherland gibt irrtümlicherweise Röm 5,14 an.

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eine geistliche Lebensform (lay spiritual rules). Rice zeigt, wie diese Werke monastische Themen und die konkrete Führung des geregelten religiösen Lebens für eine Laienleserschaft umformten. Die Autoren hätten damit zum einen die Berechtigung der Anliegen der Laien bestätigt, zum anderen hätten sie mit ihren Werken versucht, den „geistlichen Ehrgeiz“ in festgelegten Grenzen zu halten, die soziale Rollenverteilung aufrechtzuerhalten und Heterodoxie abzuwehren.49 Tarjei Park, der sowohl Philologe als auch Theologe ist, nähert sich in Selfhood and ‚Gostly Menyng‘ in Some Middle English Mystics. Semiotic Approaches to Contemplative Theology (2002) seinen Quellentexten (auf Hilton bezogen sind es die Scale of Perfection, Mixed Life, Eight Chapters on Perfection und Of Angels’ Song, ansonsten die Werke des anonymen Cloud-Authors, Die Wolke des Nichtwissens, Deonise Hid Divinity, A Treatise of the Study of Wisdom called Benjamin, The Epistle on Prayer, The Discretion of Spirits, The Book of Privy Counselling und Juliana von Norwichs A Revelation of Love) aus sprachwissenschaftlich-semiotischer Perspektive und will einen Beitrag zur Untersuchung der Sprache der Mystik leisten. Mystiker wüssten, dass ihre Sprache eher affektiv und konnotativ aufgeladen sei als definierend und begrifflich eindeutig, was ihre literarischen und linguistischen Strategien beeinflusse. Park lehnt eine rein traditionsgeschichtliche Zugangsweise ab; er arbeitet in gewisser Weise auch selbst traditionsgeschichtlich, allerdings ohne die Texte im historischen Kontext zu verorten. Der zu untersuchende Text wird als in sich verständliche Einheit aufgefasst und soll selbst bestimmen, wie er gelesen wird. „Thus possible theological influences on the text will not operate as the lens by which the texts are viewed, but the texts themselves will constitute the lens by which cited and implied influences are seen.“50 Im Fall von Hilton, den er als Basis für seine Untersuchung nimmt, da sein Werk ein „Augustinian storehouse of contemplative conventions“51 sei, bedeutet das, dass Hilton nicht durch die „Augustinbrille“ gelesen wird, sondern umgekehrt: „Hilton must not be read through the lens of Augustine, but Augustine through the lens of Hilton.“52 Park richtet sein Augenmerk besonders auf die kontemplative Seelenlehre (contemplative psychology) und das Verständnis vom Selbst (selfhood) bei den genannten Autoren.53 Im Hiltonkapitel widmet er sich Hiltons Auffassung von der kontemplativen Praxis, Hiltons „Psychologie“, seiner Sicht des „Bildes Jesu“ und des „Bildes der Sünde“ sowie dem Verhältnis zwischen Erkenntnis/Liebe und der Trinität.54 Park arbeitet sehr textnah, gibt eine Fülle von Belegen für seine trotz des als revolutionär gepriesenen linguistischen Ansatzes recht unspektakulären Einsichten, die sich auch mit einer herkömmlichen traditionsgeschichtlichen Analyse ergeben hätten. George W. Tuma will in The Fourteenth Century English Mystics: A Comparative Analysis (1977) als Anglist am „Inhalt“ der Texte arbeiten und hebt hervor, dass 49 50 51 52 53 54

Vgl. Rice, Spiritual Ambition, 3; vgl. auch 7. Vgl. Park, Selfhood, 3. Park, Selfhood, 2. Park, Selfhood, 4. Vgl. Park, Selfhood, 4. Vgl. Park, Selfhood, 7.

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seine Arbeit nicht als rein sprachwissenschaftliche Studie konzipiert sei. Er möchte die Lehre der mittelenglischen Mystiker gründlich analysieren, um dann ihre Rolle in der mittelalterlichen Geistes- und Literaturgeschichte, speziell der Geschichte der religiösen Literatur, zu bestimmen.55 Er hat einen semantischen Ansatz, will sich die englische Mystik – für Hilton beschränkt er sich auf die Scale of Perfection – über conceptual fields erschließen. Tuma beruft sich mit seiner Methode auf mediävistische Arbeiten in der Germanistik56 (Jost Trier)57 und der Romanistik (Helmut A. Hatzfeld)58. Er liefert selbst aber keine Sprachfeld-/Wortfeldanalyse wie Trier und Hatzfeld, und es bleibt dem Leser verborgen, inwiefern sich der Verfasser auf die beiden stützt. Tumas Untersuchung bleibt aus kirchengeschichtlicher Sicht unergiebig, weil die traditionsgeschichtliche Perspektive auf allgemeine areas of influence reduziert wird und kein Interesse an spezifischen Einflüssen und Bezügen sichtbar wird. Die bislang einzige größere deutschsprachige Arbeit zur mittelenglischen Mystik ist Wolfgang Riehles Habilitationsschrift Studien zur englischen Mystik des Mittelalters unter besonderer Berücksichtigung ihrer Metaphorik (1977). Sie kommt aus der Anglistik und versteht sich als „komparatistische Analyse der Bildersprache der englischen Mystik“59. Riehle berücksichtigt Die Wolke des Nichtwissens, die Revelations der Juliana von Norwich, Margery Kempes Autobiographie, Ancrene Wisse, die sog. Wooing Group, The Talking of the Love of God und The Chastising of God’s Children sowie einige englische Übersetzungen kontinentaler Werke. Riehles Arbeit geht über das durch den Titel Angekündigte weit hinaus: Kapitel I widmet sich dem Publikum der mystischen Literatur in England, das anhand der Adressaten der o. g. Schriften vorgestellt wird, und Kap. II untersucht das Verhältnis von kontinentaler und englischer Mystik. Kap. III–XI bieten die vom Titel her zu erwartende systematische Analyse der metaphorischen Sprache und der wichtigsten mystischen Termini in der mittelenglischen Mystik. Kap. XI ist dabei der „reformatio der Gottebenbildlichkeit“ gewidmet, hier wird speziell auch Hilton vor traditionsgeschichtlichem und theologiegeschichtlichem Hintergrund behandelt. Riehles Studie streift den Hintergrund der europäischen mystischen Theologie und Philosophie bis in die Antike, arbeitet Einflüsse der Bibel und der mittelalterlichen Exegese heraus, die alle zur Entstehung der mystischen Terminologie beitrugen. V. a. das Hohelied wird als wirkungsgeschichtlich wichtig vorgestellt, Bereicherungen um Einflüsse der weltlichen mittelalterlichen Liebesliteratur werden berücksichtigt. Eine Stärke der Untersuchung liegt darin, dass ein Vergleich mit der zeitgenössischen mitteleuropäischen mystischen Literatur gewagt wird. In den letzten Jahren sind zwei Unterrichtswerke für den universitären Bereich enstanden. Marion Glasscoe will in English Medieval Mystics. Games of Faith (1993)60 Studierende der Literaturwissenschaft ohne theologische Vorkenntnisse 55 56 57 58 59 60

Vgl. Tuma, English Mystics, 3. Vgl. Tuma, English Mystics, 11–15. Vgl. Trier, Sinnbezirk. Vgl. Hatzfeld, Linguistic Investigation. Riehle, Studien, 19. Kap. 1 und Kap. 3 berücksichtigen Hilton.

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an die Lektüre der mittelenglischen Mystik heranführen. Im von Dee Dyas, Valerie Edden, Roger Ellis herausgegebenen Sammelband Approaching Medieval Anchoritic and Mystical Texts (2005) wird in einigen Beiträgen Information auf dem neuesten Stand der Forschung geboten, andere Aufsätze thematisieren die Vermittlung im literaturwissenschaftlichen Unterricht. Die wissenschaftliche Literatur zur englischen Mystik wird von der für ein Laienpublikum konzipierten nichtwissenschaftlichen Literatur (Einleitungen zu Anthologien, Übersetzungen, Anleitungen zur modernen geistlichen Begleitung etc.) zahlenmäßig bei weitem übertroffen, und ein relativ großer Anteil von Werken befindet sich in der Grauzone zwischen wissenschaftlicher und erbaulicher Literatur.61 Dieser Umstand kann aus wissenschaftlicher Sicht bedauert werden. Es sollte jedoch nicht aus dem Blick geraten, dass sich kein Autor geistlicher Literatur gewünscht hat, im 20. und 21. Jahrhundert von Theologen, Literaturwissenschaftlern und Linguisten unter rein wissenschaftlichem Fokus analysiert zu werden. Die Autoren hatten eine andere Zielgruppe vor Augen: Laien und Angehörige des geistlichen Standes, die sich für die geistliche Lebensführung interessierten. Es ist m. E. ein beachtenswertes und der Intention der mittelalterlichen Autoren entsprechendes Phänomen, dass sich die Zielgruppe im Prinzip bis in unsere Zeit erhalten hat und sich noch heute christliche „Laien“, geistliche Begleiter und Exerzitienleiter von den mittelalterlichen Autoren inspirieren lassen.62 1.1.1 Zusammenfassung zu Kap. 1.1 In seinem Forschungsüberblick zu Arbeiten über Walter Hilton aus dem Jahr 1956 stellt Eric Colledge mit Bedauern fest, dass Hilton der am wenigsten erforschte Vertreter der sog. „mittelenglischen Mystik“ sei und v.a im Vergleich mit Richard Rolle wenig Beachtung finde.63 Hilton gilt noch immer nicht das Hauptinteresse der Forschung.64 Die deutsche Forschung hat Hilton bislang noch kaum entdeckt, die Hiltonforschung ist fast ausschließlich englischsprachig. In der anglistischen Forschung kommt Hilton selten allein in den Blick. Vorherrschend sind Untersuchungen, in denen Hilton lediglich neben anderen Autoren eine Rolle spielt. Sachgemäß ist die in der Anglistik beheimatete Forschung auf Hiltons englische Werke fokussiert und literaturwissenschaftlich bzw. linguistisch orientiert. Die neuere literaturwissenschaftliche Forschung stellt häufig sozialgeschichtliche 61 Vgl. z. B. Huelin, Kingdom; Kendall, City; Jeffrey, Law of Love; Robertson, Praying. 62 Vgl. z. B. Jäger, Kontemplation; Robertson, Praying. 63 Vgl. Colledge, Work, 265. 64 Zu den anderen „mittelenglischen Mystikern“ sind in den letzten Jahren einige größere Arbeiten und Sammelbände entstanden: Zu Rolle unter anderem: McIlroy, Richard Rolle (2004); Watson, Invention of Authority (1991); Renevey, Hermeneutics (2001). Zum Verfasser der Wolke des Nichtwissens unter anderem: Steinmetz, Erfahrung (2005), J. Clark, Cloud of Unknowing (1995). Zu Margery Kempe unter anderem: McEntire, Margery Kempe (1992); vgl. McEntire, Introduction, ix–xii für einen Forschungsüberblick. Vgl. auch Staley, Dissenting Fictions (1994); Roman, Domestic Mysticism (2005). Für neuere Arbeiten zu Juliana von Norwich s. u. im Teil 5, 183 ff.

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Fragestellungen ins Zentrum. Theologische Hiltonforschung gibt es fast ausschließlich im angelsächsischen und angloamerikanischen Sprachraum. Gegenüber werkimmanenten Interpretationen sind Arbeiten mit traditionsgeschichtlicher Fragestellung vorherrschend. Neben der wissenschaftlichen Wahrnehmung Hiltons steht die durch fromme Leser, die Hiltons Werke als Inspiration für ihr eigenes Glaubensleben nehmen.

1.2 Zur Fragestellung und zum methodischen Ansatz der Untersuchung Aus der im Forschungsüberblick dargestellten Situation ergeben sich für die vorliegende Dissertation verschiedene Anliegen. Die Arbeit will unter Miteinbeziehung der Ergebnisse der neueren anglistischen Forschung einen Beitrag zur theologischen Hilton-Forschung leisten. Sie möchte eine Brücke zwischen der englischsprachigen und der noch kaum existenten deutschsprachigen Forschung schlagen und die deutschsprachige Theologie auf einen der großen englischen Theologen des 14. Jahrhunderts und sein recht umfangreiches Werk aufmerksam machen.65 Dazu dienen insbesondere die Kap. 2.1 und 2.2 zur Biographie Hiltons und zu den einzelnen Werken. Sie ermöglichen dem Leser in einer Zusammenschau einen schnellen und doch detaillierten Überblick und können eine Ausgangsbasis für die zukünftige deutschsprachige Hiltonforschung bilden. Anders als in den anglistischen und vielen der theologischen Arbeiten kommt bei der vorliegenden Arbeit das ganze Œuvre Hiltons in den Blick. Bei einzelnen Werken weicht die Einschätzung von der der bisherigen Forschung ab. So werden z. B. zum Kommentar zum verlorenen Brief neue Thesen vorgestellt. Durch den inhaltlichen Fokus auf anthropologische Grundbegriffe im Zusammenhang der Gottebenbildlichkeit und der Funktion der caritas wurden für Teil 4 die zentralen Themen bei Hilton ausgewählt – durch ihren inneren Zusammenhang könnte man auch von einem zentralen Thema sprechen. Diese Herzstücke Hiltonscher Theologie lassen Walter Hilton am besten greifbar werden. Anhand der Kernthemen werden Verbindungen zu Seitenthemen geknüpft, so wird z. B. die Rolle der Sakramente Taufe und Beichte bei der Wiederherstellung der Gottebenbildlichkeit des Menschen mit bedacht. Ein die Arbeit begleitendes Anliegen wird sein, Erklärungen für die Attraktivität der Werke Hiltons für die Leser in der Vergangenheit und Gegenwart zu finden. 65 Wie wenig bekannt Hilton in der deutschen Theologie ist, zeigt schon ein kurzer Blick in die einschlägigen Lexika: In der TRE gibt es keinen eigenen Eintrag zu Hilton, und sein Name taucht nicht einmal im Register auf. Hilton wird mit den anderen „mittelenglischen Mystikern“ im Artikel „Mystik“ kurz gestreift. (Vgl. Louth, Mystik, 570 f.) RGG3 und RGG4 bieten knappe Einträge (Knowles, Hilton, Walter [ca 1330–96]; Kemmler, Hilton.) Ebenso knapp das LThK in allen Auflagen: vgl. McGinn, Walter Hilton; Erharter, Walter Hilton; Hofmann, Hilton. Im BBKL finden sich zwei Artikel zu Hilton, die beide, insbesondere der Bautz’, in keiner Weise den Forschungsstand widerspiegeln. (Vgl. Bautz, Hilton, Walter; Gandlau, Walter Hilton.) In den deutschsprachigen Überblickswerken und Lehrbüchern zur Geschichte des Mittelalters wird Hilton meines Wissens nur berücksichtigt in Zschoch, Christenheit.

Fragestellung und methodischer Ansatz

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Auch wenn verschiedene Autoren dazu Überlegungen angestellt haben, bleibt diese Fragestellung reizvoll.66 Die vorliegende Untersuchung zu Hilton entstand im Fach Kirchengeschichte und wählt einen primär traditionsgeschichtlichen Zugang zu Hilton und seinen Werken, der ergänzt wird um die von der anglistischen Forschung geforderten mentalitäts-, kultur- und sozialgeschichtlichen Perspektiven. Diese Herangehensweise legt die Quellenlektüre nahe: Hiltons Kernthemen der christlichen Vollkommenheit, der Gottebenbildlichkeit und Liebe – vorgestellt in Teil 4 der Arbeit – sind schon das Thema der monastischen Theologie des 12. Jahrhunderts, die wiederum im Gedankengut des frühen Mönchtums des Westens (Cassian, Augustinus, Benedikt) wurzelt. Hiltons Werke sind voll impliziter und expliziter Zitate aus diesem in Teil 3 der Arbeit vorgestellten Traditionsstrang. Wer seine Gedanken- und Vorstellungswelt zu erfassen versucht, ist gezwungen, diesen von ihm bewusst einbezogenen Traditionshintergrund zu kennen und ebenfalls mit einzubeziehen. Kap. 2.3.4 geht in einer Analyse der Bestände von Bibliotheken in englischen Häusern der Augustiner-Chorherren im 14. Jahrhundert der Frage nach, was Hilton denn tatsächlich an Literatur zur Hand gehabt haben könnte. Die bisherigen traditionsgeschichtlich orientierten Untersuchungen haben auf die Verwurzelung Hiltons in Augustinus und augustinischer Theologie hingewiesen. Da Augustinus auf die gesamte westliche Theologie des Mittelalters prägend wirkte, wird in Kap. 3.2 an zentrale Aussagen und Vorstellungskomplexe erinnert. Das traditionsgeschichtliche Kapitel zum Augustiner-Chorherren Richard von St. Viktor (Kap. 3.6) kann auf die Arbeit von Ellen Ross67 zurückgreifen. John Clarks Aufsätze und die Einleitung zur Übersetzung der Scale of Perfection von Rosemary Dorward haben eine Fülle anderer traditionsgeschichtlicher Linien skizziert. Die Theologie der Zisterzienser wird dort als eine wesentliche Quelle Hiltons identifiziert, die Abhängigkeiten werden jedoch nicht detailliert anhand der Fragestellungen der Gottebenbildlichkeit und caritas entfaltet. Diese Lücke soll mit der vorliegenden Arbeit geschlossen werden. Berücksichtigt werden Bernhard von Clairvaux (Kap. 3.3), Wilhelm von St. Thierry (Kap. 3.4) und Aelred von Rievaulx (Kap. 3.5). Die franziskanische Traditionslinie kommt mit Bonaventura in den Blick (Kap. 3.7).68 Diese traditionsgeschichtlichen Überlegungen bedingen mentalitätsgeschichtliche Fragestellungen, z. B. die Überlegung, warum Hilton gerade diesen Traditionshintergrund hat bzw. wählt und keinen anderen. Kulturgeschichtliche Fragestellungen spielen eine Rolle, wenn Hiltons Entwurf in Teil 5 mit dem der anderen mittelenglischen Mystiker, insbesondere dem Julianas von Norwich, in Beziehung gesetzt wird. Die kirchenpolitischen Hintergründe zu Hiltons Lebenszeit werden in der vorliegenden Untersuchung mit bedacht, auch sie sind der Kulturgeschichte zurechnen. Sozialgeschichtliche Überlegungen fließen in die Skizzierung des historischen Kontextes mit ein; sie spielen bei der Frage nach den Adressaten von Hiltons Schriften eine Rolle. Diesen Fragestellungen wird v. a. in Teil 2 nachge66 Vgl. Bestul, Walter Hilton, 93. Ausführlicher Milosh, Analysis, 1–6. 67 Ross, Human’s Creation. 68 S. u. unter 3.1, S. 100–103, zur Darlegung der Auswahlkriterien.

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gangen. Hier verdanke ich den neueren Arbeiten aus der Anglistik (Watson, Rice) wertvolle Impulse. Die vorliegende Untersuchung arbeitet im traditionsgeschichtlichen Teil eng an den Quellentexten. Die Darstellung greift die Kernthemen „Gottebenbildlichkeit“ und „Gottesliebe“ heraus, gelegentlich kommen verwandte Aspekte mit in den Blick. Fragestellungen der modernen Forschung zu einzelnen Autoren werden in die Darstellung einbezogen, wenn sie für das Verständnis der Werke Hiltons etwas austragen. So wird heute z. B. im Fall von Augustinus’ Verständnis von der imago und similitudo Dei des Menschen zwischen dem „frühen“ und dem „späten“ Augustinus unterschieden, eine Unterscheidung, die mittelalterlichen Autoren wie Hilton fremd war. Es gab für ihn „einen“ Augustinus, der als Kirchenvater und Autorität rezipiert wurde. Das Interesse galt den theologischen Aussagen an sich und nicht ihrem historischen Kontext. An der Bezeichnung Hiltons als „Mystiker“ wird – gegen Watson – festgehalten, und auch für die viktorinische, zisterziensische und franziskanische Theologie im traditionsgeschichtlichen Teil der Arbeit wird der Begriff „Mystik“ verwandt. Die Bestimmung „romanisch“ im Titel der vorliegenden Arbeit wird in erster Linie geographisch und sprachlich verstanden. Es wird damit eine Mystik bezeichnet, die unter dem Einfluss Bernhards von Clairvaux steht, und als nicht-spekulative, nicht-ontologische „Willensmystik“69 bezeichnet werden kann. Dass der Terminus „Mystik“ ein historiographischer Begriff ist, der erst in der Neuzeit die heutige Bedeutung erhielt, darf die Forschung nicht vom Gebrauch abhalten. Es besteht keine Notwendigkeit, nur das Vokabular der zu untersuchenden Epoche zu verwenden und auf in der Forschung etablierte Begriffe zu verzichten. „Mystiker“ ist m. E. für heutige Leser verständlicher als homo contemplativus oder homo spiritualis, wobei es selbstverständlich auch legitim ist, letztere Begriffe zu verwenden.70 Sicher ist es hilfreich – im Übrigen nicht nur beim Begriff „Mystik“ – sich der Bedeutungsverschiebung bewusst zu sein, die Begriffe im Lauf der Jahrhunderte durchgemacht haben, um nicht zu Fehlinterpretationen zu kommen. Die Begriffe „Mystik“ und „Mystiker“ werden sparsam verwendet, denn Hilton soll in der vorliegenden Arbeit nicht darauf begrenzt werden, „Mystiker“ zu sein. Um ihn zu charakterisieren, bietet sich m. E. eine Fülle von Begriffen (z. B. „Seelsorger“, „geistlicher Begleiter“, „Augustiner-Chorherr“) an, die erst in ihrer Summe ein angemessenes Bild ermöglichen. „Mystik“ leitet sich etymologisch vom griechischen „μύειν“– „die Augen schließen“ ab. Von diesem etymologischen Ursprung her betrachtet, spricht nichts dagegen, Texte, die die Einkehr des Menschen in sich selbst thematisieren, „mystisch“ zu nennen und ihre Verfasser „Mystiker“. Als Kriterium dafür, ob etwas als „mystisch“ bezeichnet werden kann, gilt mir darüber hinaus, ob die unio-Erfahrung, die Erfahrung der „Einung“ oder „Vereinigung“ des Menschen mit Gott thematisiert wird, wie auch immer die Vorstellung der unio gefüllt wird – im Fall der hier behandelten Theologen ist es mit einer Ausnahme eine Einung 69 Es wird damit eine Kategorisierung von Erich Vogelsang aufgegriffen, der die „areopagitische (neuplatonische) Mystik“, die „romanische Mystik“ und die „deutsche Mystik“ unterscheidet. (Vgl. Vogelsang, Mystik, 33–41.) 70 Vgl. Dinzelbacher, Christliche Mystik, 10.

Fragestellung und methodischer Ansatz

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der Willen, eine unio voluntatis. Mit Dinzelbacher bezeichne ich auch die gesamte Frömmigkeitshaltung, die zur unio-Erfahrung hinführen will, als „Mystik“ im weiteren Sinne.71 Hilton spricht v. a. in den Schlusskapiteln von Buch II der Scale of Perfection von „Einung“; der Vorbereitung gilt die Aufmerksamkeit der gesamten Scale of Perfection. In der Scale of Perfection wie in den anderen Werken tritt Hilton v. a. als Seelsorger und geistlicher Begleiter auf – besonders deutlich wird dies in den lateinischen Werken. Hilton stellt nicht seine eigenen Erfahrungen in den Vordergrund, sondern er will andere Menschen auf dem Weg zur unio oder contemplatio Wegweisung geben und sie begleiten. „Mystiker“ und „Seelsorger“/„geistlicher Begleiter“ sind m. E. keine Bezeichnungen, die sich gegenseitig ausschließen, und es spricht nichts dagegen, sie beide zu verwenden. Ulrich Köpfs Charakterisierung Bernhards von Clairvaux trifft präzise auch auf Hilton zu: Bernhard hat keine Offenbarungsschrift, keinen Bericht über eigene Erlebnisse und keine Abhandlung über mystische Phänomene verfasst. […] Offenbar war Bernhards Leben nicht von mystischen Erfahrungen geprägt, wie das der großen Mystikerinnen und Mystiker seit dem 12. Jahrhundert. Er hatte keine Visionen, keine Auditionen und keine anderen spektakulären psychosomatischen Erlebnisse. Überhaupt berichtet er nur selten über seine persönlichen Erfahrungen, viel häufiger über solche, die ihn mit seinen Hörern und Lesern verbinden und aus denen er allgemeine Einsichten über das Wesen religiöser Erfahrung gewinnt. Sie haben durchweg einen innerlichen unanschaulichen Charakter. Darin erweist sich Bernhard eher als Theologe der Mystik denn als Mystiker.72

Analog kann man in Hilton einen Theologen sehen, der sich mystischer Begriffe bedient, um den Weg zur spirituellen Vollkommenheit zu beschreiben. Dass die Charakterisierung Bernhards auf Hilton zutrifft, ist kein Zufall, denn Hiltons Theologie ist stark von Bernhard beeinflusst. Wie in der traditionsgeschichtlichen Untersuchung der Theologie Hiltons deutlich werden wird, ist Hilton kein „spekulativer Mystiker“ in der pseudo-dionysischen Traditionslinie der negativen Theologie, sondern er lässt sich durch seine Verwurzelung in der augustinischen und romanisch-zisterziensischen Traditionslinie eher als Mystiker bezeichnen, der auf den affektiven Vorgang der Vereinigung des Willens mit Gott abzielt. „Mittelenglisch“ ist m. E. der fragwürdigere Teil in der Formulierung „mittelenglische Mystiker“, auch wenn sich die Kritik in der Literatur nur auf die Begriffe „Mystik“ und „Mystiker“ beschränkt. An und für sich ist „mittelenglisch“ ein sprachgeschichtlicher Begriff. Von Middle English spricht die Linguistik bei zwi71 „Aber zum Höhepunkt der Mystik, der Vereinigung Gottes mit der Seele (unio mystica), gehört fast immer eine Vielzahl von Voraussetzungen; die höchste Beglückung kommt kaum ohne Vorbereitung ‚aus heiterem Himmel‘. Daher verstehen wir unter Mystik im weiteren Sinne die gesamte Frömmigkeitshaltung, die zu diesem Erleben hinführen will. So können wir Mystik vollständiger […] umschreiben als das Streben des Menschen nach unmittelbarem Kontakt mit Gott vermittels persönlicher Erfahrung schon in diesem Leben sowie seine Empfindungen und Reflexionen auf diesem Weg und endlich die Erfüllung dieses Strebens. Sie besteht in der stets kurzfristigen Aufhebung des Unterschiedes zwischen dem Subjekt des Strebens, der menschlichen Seele, und dem Objekt, das angestrebt wird, Gott.“ (Dinzelbacher, Christliche Mystik, 10.) 72 Köpf, Bernhard, 84.

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Einleitung

schen der normannischen Eroberung 1066 bis Ende des 15. Jahrhunderts enstandenen Texten. Die rein linguistische Bedeutung des Begriffes wird in der Bezeichnung dadurch aufgesprengt, dass einzelne „mittelenglische Mystiker“ (Hilton, Rolle) auch lateinische Werke verfassten. Angesichts des Zeitraumes, in dem die fünf produktiv waren, wird deutlich, dass „mittelenglische Mystik“ eigentlich für „spätmittelalterliche, in England beheimatete Mystik“ steht. Watsons Vorschlag, Hilton als „volkssprachlichen Theologen“ zu lesen, wird Hilton nur zur Hälfte gerecht, denn ein großer Teil seiner Werke ist lateinisch verfasst. Es ist jedoch eine berechtigte Forderung der neueren englischsprachigen Forschung, bei der Hilton-Lektüre den Kontext, darunter die zeitgenössische volkssprachliche Literatur, einzubeziehen. Deshalb muss der Begriff „Mystik“ aber nicht aufgegeben werden. Watson scheint sich mit der Distanzierung vom Begriff der „mittelenglischen Mystik“ v. a. gegen die Vereinnahmung der traditionell als „mittelenglische Mystiker“ bezeichneten Autoren durch verschiedene – v. a. kirchliche – „Lobbyisten“ zu wenden.73 Um die Autoren und Autorinnen gegen derartige Vereinnahmungen zu schützen, nützt es m. E. wenig, in der Forschung auf den Begriff der „Mystik“ zu verzichten. Sinnvoll wäre eher, bei gegebenem Anlass auf „Missbrauch“ zeitnah zu reagieren und auf unhistorische Fehlinterpretationen hinzuweisen. Als eine unvorhergesehene Herausforderung bei den Vorarbeiten zu dieser Dissertation hat sich herausgestellt, dass sich die Texte der geistlichen und mystischen Tradition der wissenschaftlichen Untersuchung immer wieder „entziehen“. Die Texte wollen nicht in erster Linie den Intellekt ansprechen und systematisch analysiert werden. Sie sind für die langsame geistliche Lesung bestimmt, die den Leser ins existentielle Nachdenken und ins Gebet führen wollen. Verschiedentlich artikulieren die Texte dieses Anliegen ausdrücklich, so z. B. Bonaventuras Itinerarium mentis in Deum: Ich bitte Euch, mehr auf die Absicht des Schreibenden als auf das fertige Werk, mehr auf den Sinn der Worte als auf die ungefeilte Sprache, mehr auf die Wahrheit des Gesagten Gewicht zu legen als auf Anmut, mehr auf die Kräftigung der Liebe als auf die Belehrung der Erkenntnis. Damit dies wirklich eintrete, darf man die Folge der Betrachtungen nicht in flüchtiger Lektüre durcheilen, sondern man muß sich viel Zeit nehmen, sie geistig wiederzukauen.74

73 Vgl. Watson, Middle English Mystics, 543. Watson beklagt, dass die Autoren zu „Ehrenbürgern der Gegenwart“ gemacht würden: „Rolle has been reinvented as a protocharismatic, the Cloud-author as a Christian exponent of Zen, Hilton as a champion of ‚common-sense‘ piety – while Julian and Kempe have been annexed to the cause of feminism (Julian especially to the Anglican movement for the ordination of women).“ (Watson, Middle English Mystics, 543.) 74 „Rogo igitur, quod magis pensetur intentio scribentis quam opus, magis dictorum sensus quam sermo incultus, magis veritas quam venustas, magis exercitatio affectus quam eruditio intellectus. Quod ut fiat, non est harum speculationum progressus perfunctorie transcurrendus, sed moroissime ruminandus.“ (Itin. Prol. 5, Ed. Schlosser, 8, Z. 14–19. Dt. Übers.: Ed. Schlosser, 9. Die Abkürzungen werden von Schlosser übernommen, vgl. Itinerarium, Ed. Schlosser, 209 f.)

Fragestellung und methodischer Ansatz

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Auch wenn es zur alltäglichen Aufgabe historischer Arbeit gehört, Texte aus der Distanz heraus zu analysieren und ihre Intention kritisch wahrzunehmen, so stellt das Distanzwahren im Fall der untersuchten Texte eine besondere Herausforderung dar, weil sie mitten ins Theologen- und Christenherz treffen. Dass man als Untersuchender selbst unmittelbar angesprochen wird, macht freilich auch den besonderen Reiz der Beschäftigung mit den Texten aus und ist nicht nur als „Schwierigkeit“ zu verbuchen, sondern auch als Motivationsquelle.

2. Zu Walter Hiltons Leben und Werk 2.1 Zur Vita Über Hiltons Leben lässt sich nur wenig Gesichertes sagen. Erkenntnisse der Forschung speisen sich aus den wenigen Hinweisen, die Hilton selbst in seinem Werk gibt, aus Informationen in Manuskripten sowie aus einigen wenigen externen Belegen. Wo Walter Hilton geboren wurde und aufgewachsen sein könnte, liegt im Bereich von Vermutungen. Es ist naheliegend, dass sich Hiltons Name von einem Ortsnamen ableitet.1 Allerdings gibt es in England und Schottland mehrere Ortschaften dieses Namens.2 Zwei kommen als Herkunftssort Walters eher in Betracht als die anderen: Der Kartäuser James Grenehalgh (gest. 1529/30), Annotator von Hiltons Scale of Perfection, der Wolke des Nichtwissens und anderer mystischer Schriften, spricht davon, dass Hilton aus derselben Gegend stamme wie er. Allerdings ist unsicher, was er mit „eiusdem partis oriundus“ genau meint, ob er sich dabei auf seinen Geburtsort bezieht oder auf den Ort seiner Profess, die Kartause Sheen bei London.3 Grenehalgh stammte ursprünglich aus Lancashire, und es gibt bei Salford/Lancashire auch in der Tat einen Ort „Hulton“, der früher „Hilton“ hieß.4 Allerdings schreibt Grenehalgh aus einer beträchtlichen zeitlichen Distanz, und auch ansonsten ist an seiner Zuverlässigkeit zu zweifeln, weil er z. B. die pseudo-dionysisch beeinflusste spekulativ-mystische Wolke des Nichtwissens Hilton zuschreibt5 oder angibt, dass Hilton in Paris studiert habe6, wofür es keine Belege gibt. Außer dem Hilton in Lancashire kommt am ehesten noch ein Hilton in Derbyshire in Betracht. Für dieses Hilton spricht, dass einer der Korrespondenten Hiltons, Adam Horsley, an den die Epistola de utilitate et prerogativis religionis gerichtet ist, seinen Nachnamen vermutlich von dem Ort Horsley in Derbyshire hat. Es ist nachweisbar, dass Adam Horsley in die Kartause Beauvale eintrat. Hilton verbrachte das letzte Lebensjahrzehnt unweit von Beauvale in Thurgarton bei den Augustiner-Chorherren. Es wäre also gut möglich, dass Adam Horsley und Walter Hilton ursprünglich aus derselben Gegend stammten und sich deshalb kannten.7 1 Vgl. von Mutius, Personennamen, 1903–1905, speziell Punkt 5, 1904 f. 2 Vgl. J. Clark, Defence, 19, Anm. 8. 3 Vgl. Sargent, James Grenehalgh, 10. 4 Vgl. J. Clark, Introduction, 14. Vgl. auch Sargent, James Grenehalgh, 49 f. 5 S. o. unter 1.1, S. 4 f. 6 Vgl. Sargent, James Grenehalgh, 50. 7 Vgl. Sargent, James Grenehalgh, 50. Zu Horsleys Biographie vgl. Russell-Smith, Defence, 182–184.

Zur Vita

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John Clark geht davon aus, dass Hilton grundsätzlich eher aus Nordengland stammte. Dafür spreche, dass Hilton mit den Werken des Cloud-Authors vertraut zu sein scheint und dass er in seinem Werk auf Richard Rolle bzw. seine Anhänger reagiert, die im Norden Englands anzusiedeln sind. Auch Hiltons Eintritt in das Priorat Thurgarton weise auf seine nordenglische Herkunft hin.8 Es existieren keine Autographen, so dass sich anhand sprachlicher Analysen von Manuskripten nichts Gesichertes über Hiltons Herkunft sagen lässt. Über die vorhandenen Handschriften mit Hiltontexten lässt sich eher die Herkunft der Schreiber als die Hiltons ermitteln, denn die mittelalterlichen Schreiber überlieferten die Texte unabhängig von der Vorlage oft in ihrem eigenen Dialekt.9 Über Hiltons soziale Herkunft läßt sich gar nichts sagen, auch seine Kindheit und frühe Jugend liegen völlig im Dunkeln. Über Hiltons Ausbildung liegen Informationen vor, vieles muss jedoch mit einem Fragezeichen versehen werden. Es ist davon auszugehen, dass Hilton an der Universität Cambridge studierte. In der university roll of papal graces10 ist ein Magister Walter de Hilton, Baccalarius iuris civilis, Kleriker (clerk) der Diözese Lincoln verzeichnet, der am 28. Januar 1371 die Reservation eines Kanonikats und einer Präbende im walisischen Abergwili bewilligt bekam.11 In äußeren Belegen wird Walter Hilton wahrscheinlich das nächste Mal 1375 greifbar. Ein Baccalarius iuris civilis dieses Namens, wahrscheinlich handelt es sich um „unseren“ Hilton, war in diesem Jahr am bischöflichen Gerichtshof der Diözese Ely tätig.12 Das erlaubt Überlegungen zu Hiltons Studienverlauf: Wenn Hilton 1375 immer noch Baccalarius iuris civilis war, aber an einem kirchlichen Gerichtshof arbeitete, ist anzunehmen, dass er zu diesem Zeitpunkt auch kanonisches Recht studierte. Jonathan Hughes hat mögliche Verbindungslinien zwischen Hilton und einem Kreis nordenglischer Kleriker aufgezeigt, die zwischen 1374 und 1388 für Thomas Arundel, zu der Zeit Bischof von Ely, in der Verwaltung arbeiteten.13 8 Vgl. J. Clark, Defence, 19, Anm. 8. 9 Ebd. 10 Für die Jahre 1370, 1389/90 und 1399 gibt es einzigartige Entwürfe von Anträgen um Stellen und Benefizien in Rollenform („draft rotuli for papal graces“); für Beschreibungen dieser rotuli und Kommentierung ihres Inhalts vgl. Jacob, Petitions. Zu Rotuli generell vgl. Mazal, Rotulus. 11 Emden, Biographical Register, 305. Vgl. auch Jonathan Hughes, Pastors, 180. Als „Reservationen“ bezeichnet man die „dem Papst zustehende Besetzung bestimmter […] beneficia ecclesiastica (Reservatpfründen)“ (Eintrag „Reservationen“, in: Haberkern/Wallach, Hilfswörterbuch Bd. 2, 534.) Im Spätmittelalter war es üblich, dass die Universität eine Liste der für Ämter in Frage kommenden Universitätsangehörigen zusammenstellte und diese Liste nach Rom bzw. Avignon schickte. Die Beteiligung an solch einer „Sammelbewerbung“ war für den Einzelnen aussichtsreicher, da die Rollen bevorzugt bearbeitet wurden. Sie machten der Verwaltung weniger Arbeit als Einzelbewerbungen und -anträge. (Vgl. Jacob, Petitions, 43 ff.) 12 Vgl. J. Hughes, Pastors, 180 f. Vgl. auch J. Clark, Introduction, 13 f. 13 In Ely war einer der Schwerpunkte Arundels die Bekämpfung der Lollarden. 1388 wurde Arundel Bischof von York. Thurgarton, das Augustiner-Kanoniker-Priorat, in dem Hilton später lebte, lag damit in seiner Diözese. Hughes geht davon aus, dass Hilton und seine Mitbrüder nach 1388 für Arundel zu Mitarbeitern im Kampf gegen eine Frömmigkeitsströmung wurden, deren Kerngedanke Freiheit des Geistes (liberty of spirit) war. (Vgl. J. Hughes, Pastors, 180 ff und 237 f. Vgl. auch J. Clark, Defence, 19, Anm. 8. S. u. unter 2.3.2.4, S. 80–84.)

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Zu Walter Hiltons Leben und Werk

Diese Gruppe von Klerikern wurde nach Hughes im Cambridger Peterhouse, einem College mit kirchenrechtlichem Schwerpunkt,14 bevorzugt aufgenommen. Hilton wird in Oxford, Magdalene College, MS. 17, als comensour of decrees und in London, British Library, MS. Add. 11748, als decretorum inceptor bezeichnet.15 Ein „Inceptor“ ist ein „Lizentiat“, der qualifiziert war, als Magister oder Doktor die Lehrtätigkeit an einer der oberen Fakultäten16 der Universität aufzunehmen,17 comensour ist das mittelenglische Synonym.18 Als decretorum inceptor wird also eine Person bezeichnet, die alle notwendigen Prüfungen für den Magister im kanonischen Recht abgelegt hat, aber die zur Verleihung des Titels notwendige Lehrtätigkeit (regency)19 noch nicht abgeleistet hat. Hilton scheint kein Einzelfall gewesen zu sein. Bei den Juristen „begnügten sich viele Studenten mit dem Erwerb des Lizentiats, das ein ernsthaftes Examen und einen echten Studienabschluss darstellte. Das Doktorat setzte keine zusätzlichen Studien voraus, sondern bestand in einer überaus kostspieligen protokollar[ischen] Zeremonie mit Rede, Verleihung der Insignien des d[octoratus], nämlich des Hutes […], des Buches und der Handschuhe, sowie einer oder mehrerer feierl[icher] Disputationen, die eher als erster Akt der Lehrtätigkeit (inceptio) denn als Examen betrachtet werden müssen.“20 Nach Russell-Smith ist an den Angaben in der Handschrift Oxford, Mag14 Zur Geschichte von Peterhouse, vgl. Walker, Peterhouse. Schon seit seiner Gründung durch den Bischof von Ely Hugo von Balsham 1280 war Peterhouse, das älteste College in Cambridge, eng an Ely angebunden. Die Studentenschaft in Cambridge unterstand im 13. Jahrhundert insgesamt der Jurisdiktion (controlling jurisdiction) des Bischof von Ely. (Vgl. Walker, Peterhouse, 2; vgl. auch Cobban, English Universities, 274; vgl. auch Leader, History, 60 f.) 15 Zit. n. J. Clark, Defence, 18, Anm. 6. Vgl. Russell-Smith, Defence, 184 ff mit Anm. 19. Vgl. auch Emden, Biographical Register, 305. 16 Die mittelalterlichen Universitäten gliederten sich in bis zu vier Fakultäten. Die Basisfakultät war die artistische, in der die Studierenden zunächst in den sieben freien Künsten unterrichtet wurden. Auf die hier vermittelten Kenntnisse konnten die „oberen“ Fakultäten aufbauen, die medizinische, juristische und theologische, die es allerdings nicht alle an jeder Universität gab. (Vgl. Zschoch, Christenheit, 192 f.) Zur Ausbildung an englischen Universitäten im 14. Jahrhundert bietet Courtenay, Schools, 20 ff, detaillierte Informationen. 17 „[…] ‚Licentiate‘ and ‚Inceptor‘ are in English practice alternative terms for designating a bachelor in a higher faculty who was qualified to incept as a doctor […]“. (Emden, Biographical Register, xxviii.) 18 Vgl. Russell-Smith, Defence, 185, Anm. 19. 19 Regency heißt die im Fall Cambridges einjährige, im Fall Oxfords mindestens zweijährige Zeit, in der ein Magister Artium nach der inception als regent master unterrichtete und disputierte. Nach diesen zwei Jahren konnte er, zumindest in Oxford, als regent at will noch weiter an der Universität bleiben und gegen Lohn weiter unterrichten. Unterrichtete er nicht mehr, wurde ein solcher Magister als non-regent bezeichnet. (Vgl. McKisack, Fourteenth Century, 502, Anm. 3. Vgl. auch Leader, History, 174 f.) Die nordeuropäischen Universitäten behielten dieses kostengünstige System der necessary regency länger bei als die südeuropäischen, an denen man teilweise schon im 13. Jahrhundert für die Vorlesungstätigkeit bezahlt wurde. (Vgl. Cobban, English Universities, 171–174.) 20 Verger, Doctor, 1155 f. Zur Reihenfolge der akademischen Grade vgl. auch Verger, Licentia. Höhere Studienabschlüsse spielten im Mittelalter eine viel geringere Rolle als heute. Unsere Vorstellung, dass ein Studium nur erfolgreich war, wenn es auch mit einem Grad

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dalene College, MS. 17, fol.1, und London, British Library, MS. Add.11748, die Hilton als inceptor bzw. comensour des kanonischen Rechtes bezeichnen, nicht zu zweifeln, auch wenn die Herkunft der Manuskripte bislang noch ungeklärt ist. Eine solche Einschränkung weise darauf hin, dass der Verfasser genau um Hiltons Ausbildung wusste; für eine erdichtete Zuschreibung honoris causa sei die Angabe zu präzise.21 Dass Hilton wohl im weltlichen und im kirchlichen Recht ausgebildet war, spiegelt sich in seinem Werk wider: Kenntnisse in Rechtsfragen treten an verschiedenen Stellen in den lateinischen Schriften zu Tage. So z. B. in der an einen Juristen gerichteten Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem, wo Hilton aufzeigt, dass ein Diebstahl nur dann wiedergutgemacht werden muss, um bei Gott Vergebung zu erlangen, wenn der reuige Dieb dazu auch in der Lage ist. Besitzt der Dieb nichts, reicht der Wille, Wiedergutmachung zu leisten, wenn er es könnte.22 Hiltons juristischer Sachverstand wird auch deutlich, wenn er einem Gegenüber im selben Brief Zweifel und Ängste wegen „Gelübden“ austreibt, die nicht eingelöst wurden.23 Er tut dies u. a. dadurch, dass er ihm den Unterschied zwischen Gelübden (vota) und Vorsätzen (proposita) erläutert und ihm so die Möglichkeit bietet, zu entdecken, dass es sich bei vermeintlichen „Gelübden“ nur um Vorsätze gehandelt hat, deren Bruch keine Todsünde darstellt. Er klärt ihn auch darüber auf, wie man sich offiziell von Gelübden befreien lassen kann bzw. welche neuen Gelübde ältere ablösen.24 Seine weitschweifigen Ausführungen entwickelt er auf der Basis des Kirchenrechts.25 Auch in dem Brief De utilitate et prerogativis religionis tritt Hiltons kirchenrechtliche Schulung hervor, wenn er die lex privata der lex publica vorordnet.26 In der Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem finden sich weitere Hinweise, die biographisch gelesen werden können und Hilton als Juristen ausweisen.27 abgeschlossen wird, war den mittelalterlichen Menschen fremd. Ein paar Jahre Studium, um dann eine Karriere außerhalb der Universität zu verfolgen, das war der gängige und normale Weg. Der akademische Grad wurde nur von wenigen angestrebt und hing auch nicht nur von persönlichen Fähigkeiten ab. So gab es z. B. universitätspolitisch bedingte Begrenzungen bei den Zulassungen von einem Kandidaten pro Lehrstuhl. (Vgl. Courtenay, Schools, 21 und 25 f.) Dass es keinen Makel bedeutete, lediglich Inceptor zu sein, zeigt auch die Bezeichnung Wilhelm von Ockhams als venerabilis inceptor. (Vgl. Leppin, Wilhelm von Ockham, 189 f.) 21 Vgl. Russell-Smith, Defence, 184 f. 22 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 292 f, Z. 915–945. 23 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 278–287, Z. 622–810. 24 S. u. unter 2.2.1.5, S. 43 ff, für eine detaillierte Darstellung. 25 „Predicta vero, ut estimo, possunt fundari auctoritate in canone, sed pretermitto ex causa.“ (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 287, Z. 803.) 26 „[…] Dignior est enim lex priuata quam publica.“ (Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/ Taylor, 123 f, Z. 80–89.) Hilton zitiert hier und in den darauf folgenden Passagen aus dem Decretum Gratiani, p. II, causa XIX, q.II. Vgl. Corpus Iuris Canonici, Ed. Friedberg, 839 f: Die Passage besagt, dass nach Papst Urban II. die Zustimmung des Bischofs zum Ordenseintritt nicht erforderlich ist. Das „Gesetz des Heiligen Geistes“, das den Postulanten bewegt, sei der Verpflichtung gegenüber dem Bischof vorgeordnet. Wer dem Heiligen Geist folge, sei frei vom Gesetz. Es ist bemerkenswert, dass sich Hilton auf diese Passage bezieht, in der von der „Freiheit des Geistes“ die Rede ist, wo er doch sonst davor warnt, wie unten unter 2.3.2.4, S. 80–84, deutlich werden wird. 27 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 262, Z. 260–280.

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Zu Walter Hiltons Leben und Werk

Unter der Annahme, dass es sich in den Unterlagen der Universität Cambridge und des Gerichts in Ely um „unseren“ Walter Hilton handelt, hat John Clark überzeugend versucht, Hiltons Biographie bis zum Studium zu rekonstruieren: Wenn Hilton 1371 als Baccalarius iuris civilis die Reservation in Wales bekam, dann dürfte er um 1370 Baccalarius iuris civilis geworden sein. Diesem akademischen Grad gingen in Cambridge fünf Jahre Studium voraus, so dass anzunehmen ist, dass Hilton 1364 Magister Artium wurde und dann seine einjährige regency absolvierte. Stimmt diese Rekonstruktion, kam er vermutlich um das Jahr 1357 nach Cambridge, um zunächst die Freien Künste zu studieren, denn das Studium der Artes liberales dauerte in der Regel sieben Jahre. Es lassen sich vor diesem Hintergrund Rückschlüsse auf Hiltons Geburtsjahr ziehen: Wenn er mit 14 Jahren, dem damals üblichen Alter für den Studienbeginn, an die Universität kam, dürfte er nicht später als 1343 geboren worden sein. 1376 könnte Hilton Baccalarius des Kanonischen Rechts gewesen sein, Inceptor als Magister oder Doktor des Kirchenrechts dann 1381/1382.28 Über ein Theologiestudium Hiltons ist nichts Gesichertes bekannt, auch wenn zwei Hilton-Handschriften auf den ersten Blick etwas anderes nahelegen. Das Explicit und der Kolophon der lateinischen Übersetzung der Scale of Perfection in Bibliothèque de Marseille, MS. 729, nennt Hilton „Parisius in sacra pagina laureat[us] magist[er]“,29 und das Implicit in Utrecht, Universitätsbibliothek, MS. 5 F 24, bezeichnet ihn als „parisius in sacra pagina laureat[us] doctor“30. Diese Angaben können aus verschiedenen Gründen als eher unzuverlässig eingestuft werden: Es gibt keine anderen Hinweise, die diese Angaben bestätigen31 wie etwa Einträge in den Registern der Universität Paris. Außerdem ist die Zuverlässigkeit der Manuskripte fragwürdig. Das Marseiller Manuskript ist relativ spät (1498),32 und sowohl das genannte Explicit wie das genannte Implicit geben der Scala Perfectionis einen Titel, der sonst nur noch in einer weiteren kontinentaleuropäischen Handschrift, Paris, Bibliothèque Nationale, MS. latin 3610 (1529),33 belegt ist,34 nämlich De nobilitate animae. Wenn man noch in Betracht zieht, dass es während des Hundertjährigen Krieges schwierig bis unmöglich gewesen 28 Vgl. J. Clark, Introduction, 14. Vgl. auch Clark, Defence, 1 ff und 20, Anm. 10: Clark erwägt die Möglichkeit, dass Hilton Teile des Studium erlassen bekommen habe, z. B. dass er nach dem Grad Baccalarius Artium sofort zum Studium des weltlichen Rechtes zugelassen worden sei. In seiner Rekonstruktion der Biographie rechnet Clark allerdings nicht mit derlei Dispensen. 29 Der Kolophon lautet vollständig: „Explicit liber de nobilitate anime, editus a magno Waltero Hiltonensi, Parisius in sacra pagina laureato magistro, qui fuit sanctus vir in opere et sermone; ad cujus tumbam usque hodie muta poscentibus miracula et beneficia prestantur. Amen. Finitur in Cartusia Vallis benedictionis secus Avinionem M. IIIIc XCVIIIº die octava octobris.“ (Catalogue géneral des manuscrits des bibliothèques publiques de France, Bd. 15, Paris 1982, 219; zitiert nach Russell-Smith, Defence, 204; Hervorhebungen Russell-Smith wurden getilgt.) 30 Schepers, Origin, 252 mit einem Faksimile von fol 1r des Ms. 31 Lagorio/Sargent, 3074. 32 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3074. 33 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3431. 34 Vgl. Hussey, Latin and English, 456 f.

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sein dürfte, im Feindesland zu studieren, und dass man sehr selten Magister des Kanonischen Rechts findet, die auch noch Magister der Theologie sind, erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass Hilton Magister der Theologie war, und noch unwahrscheinlicher, dass er ein Pariser Magister der Theologie war.35 Dass zwei der drei bekannten kontinentaleuropäischen Handschriften der Scala perfectionis Hilton mit der Universität Paris verbinden, könnte damit erklärt werden, dass ein französischer Schreiber Hilton gern für Paris vereinnahmen wollte.36 Woher hat Hilton dann aber sein theologisches Wissen, das an allen Stellen seines Werkes offen zu Tage tritt? Bildung war im Mittelalter vom ersten Schultag an auch theologische Bildung.37 Es ist davon auszugehen, dass Hilton seine in der Schule erworbenen theologischen Grundkenntnisse an der Universität Cambridge vertiefte und bis ins Alter, als er in Thurgarton Augustiner-Chorherr war, ausbaute. Cambridge, Oxford und Paris waren bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts die einzigen „Volluniversitäten“, die alle vier Fakultäten vereinten und auch eine theologische Fakultät besaßen.38 Hilton könnte vielleicht auch als Student der Jurisprudenz in Cambridge Zugang zu theologischen Veranstaltungen gehabt haben. Selbst wenn dies nicht der Fall war, kam ein Jurist in seinem Fach ständig mit theologischen Fragestellungen in Berührung. Die beiden Fächer hatten vieles gemeinsam, methodisch und inhaltlich. Die Themenbereiche menschlicher Wille, Moral, Sünde, Verdienst, Sakramente beschäftigten Vertreter beider Fächer gleichermaßen. Es ist nicht von einer strengen Trennung der Kirchenrechtlich-juristischen und der Theologischen Fakultät auszugehen.39 Während man während des Grundstudiums kaum Zugang zu Büchern hatte, konnte man als Graduierter die Bibliotheken der Universität und der Colleges benutzen.40 Peterhouse, das vermutliche College Hiltons, besaß wohl eine verhältnismäßig große Bibliothek.41 Hilton konnte sich so auch über die Lehrveranstaltungen hinaus Wissen anlesen. Wann Hilton die Universität und die Stadt Cambridge verließ, ist unklar. Vielleicht arbeitete er weiter als Jurist, nachdem er seine Laufbahn an der Universität 35 So Russell-Smith, Defence, 209 f. 36 So Russell-Smith, Defence, 209. 37 Zur Schulausbildung im England des 14. Jahrhunderts vgl. Courtenay, Schools, 15–20. 38 Vgl. Zschoch, Christenheit, 192 f. 39 So Courtenay, Schools, 38 f: „[..T]heology and canon law overlapped to a surprising degree. The areas of human volition, moral theology, sin and merit, and the sacraments were common concerns to the two disciplines. Practically speaking, this meant that canon lawyers had to have some sensitivity to the theological issues involved, just as theologians needed some background in canon law. […] Although interest and uses might differ, both theology and canon law rested on the common foundation of biblical and patristic teaching, just as similar problems were confronted in the confessional and juridical chamber. The interrelation of theology and canon law should caution us against imagining too wide a separation or division between those faculties.“ 40 Vgl. Cobban, English Universities, 381 f. 41 Vgl. Clarke, College Libraries, 443–558. Clarke hat einen stattlichen Katalog aus dem Jahr 1418 ediert, der im 15. Jahrhundert noch ergänzt wurde. Der Katalog lässt natürlich keine genauen Rückschlüsse auf die Bibliothek zu Hiltons Zeiten zu, lässt aber schätzen, dass die Bibliothek auch schon zu Hiltons Zeiten gut ausgestattet war. Vgl. auch Walker, Peterhouse, 8 und 130 f zur Bibliothek des Colleges.

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Zu Walter Hiltons Leben und Werk

beendet hatte. Möglicherweise war er noch bis 1384 in Cambridge.42 Clark geht davon aus, dass Hilton Cambridge eher schon 1381/82 verließ.43 Die Forschung geht von einer Zeit in Hiltons Leben aus, in der er Eremit war. Diese eremitische Phase könnte sich an die Zeit in Cambridge angeschlossen haben. Diese Annahme stützt sich u. a. auf einen Kolophon in der Handschrift Oxford, Bodleian Library, MS. Digby 115, zum Brief De imagine peccati und eine Passage im Korpus desselben Briefes. Der Adressat ist nach MS. Digby 115, „ein gewisser Rekluse“44. Diese Angabe wird von Russell-Smith und Clark mit einer Textpassage aus De imagine peccati korreliert.45 Hilton spricht hier davon, dass der Adressat den Überfluss an weltlichem Besitz hinter sich gelassen habe, und dass er jetzt „im Mangel gleichsam Ruhe“ habe. Er fliehe der Not, obwohl er Armut erwählt habe. Hilton fordert den Adressaten heraus: „Sag mir, zu was du nütze bist, was du arbeitest.“46 Er stellt ihm Laien, Weltgeistliche und Ordensgeistliche gegenüber, die jeweils ihre Aufgaben in Welt und Kirche hätten.47 In die kritische Anfrage an die Lebensweise des Adressaten schließt sich Hilton selbst mit ein: Was also sollen wir tun, du und ich und unsresgleichen, die wir träge und unnütze Leute sind, weil wir den ganzen Tag müßig sind? Wir arbeiten nicht im Weinberg des Herrn, indem wir die kirchlichen Sakramente verwalten, und wir verteilen uns nicht auf die Gemeinden und predigen das Wort Gottes, und wir erweisen nicht die übrigen geistlichen Werke der Barmherzigkeit, und wir tragen nicht freiwillig das Joch des Gehorsams unter der Herrschaft eines anderen, um so wie die gelehrte Kuh Ephraim das Dreschen zu lieben. Nirgends besetzen wir einen Posten wie ein anderer ordinierter Diener der Kirche, sei er noch so unbedeutend, sondern wir sind gleichsam frei, unserem Empfinden und unserem Willen überlassen, gleichsam in keinem Stand. Wir müssen fürchten, dass wir verjagt werden an den Ort, wo es keinen Stand (ordo) gibt, sondern ewigen Schrecken. Gleichwohl sage ich dies nicht, um uns zu verwirren, sondern um uns demütig zu machen, nicht um zu tadeln, sondern um zu unterrichten, weil uns folgende tröstliche Zuversicht geschenkt wird: Mögen wir auch gar nicht mit äußeren Geschäften beschäftigt sein, so glauben wir dennoch fest, dass wir durch die innerliche Bewahrung des Geistes (mens) zum mystischen Leib Christi, der die Kirche ist, gehören. Denn wie beim Bau des Zeltes durch Mose, das als Vorbild der Kirche gilt, gehandelt wurde, nämlich dass die äußeren Tücher, die zum Schutz des dem Sturm und Regen ausgesetzten Zeltes da waren, dick wie härene Wolltücher sein sollten, die das Zelt schützen sollten, die inneren Tücher aber, die als priesterliche Gewänder und für den Opferritus im Zelt bestimmt waren, fein wie dunkelblauer und purpurfarbener Stoff, so verhält es sich in der Tat auch bei dem, der in der Kirche arbeitet. Christus freilich, das Haupt der Kirche, stellt die Starken und Hochherzigen und gewissermaßen Tätigen wie die dicken Tücher zum Nutzen der Kirche in die äußeren Ämter, die Zarten und gleichsam Schwachen oder Feinsinnigen aber behält er innen, damit sie nicht, wie wenn sie nach außen gestellt würden, ihre Farbe verlieren. Dennoch behaupten wir, dass all diese, Innere und Äußere, wenn sie demütig bleiben, zur Kirche gehören.48 42 So Emden, Biographical Register, 59, Anm. 10. 43 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 69. Vgl. auch Clark, Introduction, 15. 44 „Tractatus de imagine peccati scriptus per magistrum Walterum Hilton cuidam Recluso.“ (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 73, Z. 1 f.) 45 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 88, Z. 284–344. 46 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 89, Z. 301 f. 47 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 89 f., Z. 301 ff. 48 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 90 f, Z. 319–332. Die Übersetzung stammt hier und auch sonst, wenn nichts anderes vermerkt ist, von der Verfasserin.

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Nachdem Hilton den Adressaten und sich selbst mit seinem Vergleich mit dem Zelt Mose als zum Innersten und Heiligsten der Kirche gehörig darstellt und das Gegenüber als jemanden beschreibt, der weltlichen Besitz hinter sich gelassen und die freiwillige Armut gewählt hat, ist es durchaus möglich, dass er Einsiedler war. Es legt sich allerdings m. E. angesichts dieser Stelle nicht zwingend nahe. Den Kolophonen der anderen Handschriften, die De imagine peccati überliefern, fehlt die Bezeichnung des Adressaten als Rekluse. Oxford, Bodleian Library, MS. Lat. th. d. 27, z. B. spricht lediglich davon, dass der Magister Walter Hilton einem Freund über das Bild der Sünde schreibe.49 Überzeugender als Beleg für Hiltons eremitische Phase ist die Stelle aus De utilitate et prerogativis religionis, die Alfred Hughes anführt:50 „Und auch umgekehrt gilt: Wenn Gott mir Elendem und Niedrigem einen Befehl gegeben hat, so hat er mich durch seine Gnade berufen, dass ich einsiedlerisch leben und ihm dienen soll in dem Maße, wie er selbst geruht, es mir zu schenken, wie könnte ich dann nicht in dieser Berufung ausharren?“51 Nach Clark zeigt sich an den zitierten Passagen aus De imagine peccati, dass Hilton im Eremitendasein keine Erfüllung gefunden hat.52 M. E. ist es grundsätzlich nicht unproblematisch, aus dem „Wir“ eines traktathaften und damit wohl schon ursprünglich auf eine breitere Leserschaft ausgerichteten Briefes, dessen Verfasser sich zudem nicht zu erkennen gibt, auf die Biographie eben dieses Verfassers zu schließen. Da es für diese Phase in Hiltons Vita keine äußeren Anhaltspunkte gibt, bleibt die Annäherung über dieses „Wir“ jedoch die einzige, und damit legitime Möglichkeit, die Lücke im Lebenslauf zu schließen. Russell-Smith und Clark halten De imagine peccati für das erste Werk Hiltons, weil er hier im Gegensatz zum vermutlich zweiten Werk, dem Brief De utilitate et pregogativis religionis, noch nicht davon spreche, dass er in einen Orden eintreten will. In De utilitate preist Hilton den Kartäuserorden und ermutigt den Adressaten zum Eintritt bei den Kartäusern. Hilton bringt darin zum Ausdruck, dass er selbst auch mit dem Ordenseintritt liebäugle, es für ihn jedoch noch zu früh sei, eine Entscheidung zu fällen. Der Brief De utilitate ist nach Kolophonen in zwei Manuskripten an Adam Horsley adressiert.53 Über die Biographie dieses Adressaten kann man versuchen, Rückschlüsse auf Hiltons Lebenslauf zu ziehen: Adam Horsley war Priester in Staunford und wurde 1375 zum Controller of the Great Roll ernannt, d. h. er hatte eine hohe Position innerhalb der königlichen Finanzverwaltung inne.54 Für März 1385 ist belegt, dass sein Nachfolger das Benefizium in Staunford übernahm, und es gibt Aufzeichnungen über Land49 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 73, Apparat. 50 Vgl. A. Hughes, Direction, 6 f mit Anm. 14. 51 „Item econuerso, si Deus ordinaverit michi misero et abiecto, sic vocaueritque per graciam suam ut solitarius sedeam, seruiamque ei taliter prout ipse michi donare dignatur, quare non in hac vocacione perseuerabo?“ (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 148, Z. 504–507.) 52 „This latter work [De imagine peccati] expresses Hilton’s lack of fulfilment in the solitary life […].“ (J. Clark, Defence, 1.) 53 Es handelt sich um Oxford, Bodleian Library, MS. Digby 33, und Oxford, Bodleian Library, MS. Lat.th.e 26. (Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 116 f.) 54 Vgl. J. Clark, Introduction, 15. Vgl. auch Gardner, Mystical Tradition, 111.

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schenkungen eines Sir Adam de Horsley vor dem 23. März 1388.55 Russell-Smith hat Adam Horsleys Eintritt bei den Kartäusern von Beauvale deshalb mit leichter Unsicherheit auf zwischen 1383 und 1385 angesetzt.56 Sie weist darauf hin, dass sich dadurch Hiltons Brief auch nicht mit Sicherheit datieren lässt, denn er könnte ja gut schon viel früher verfasst worden sein. Dass in der Epistola de utilitate et prerogativis religionis das Ordensleben (private religion) verteidigt werde, das auch auf der Blackfriars Synode 1382 offiziell gestärkt wurde, indem die lollardische Position, dass nämlich Ordensleute keine Christen seien, verdammt wurde, spreche für diese Datierung.57 Ihre Argumentation ist plausibel. Die Epistola de utilitate et prerogativis religionis wäre demnach also nach 1382 entstanden und vor März 1385. Daraus kann geschlossen werden, dass Hilton zu dem Zeitpunkt noch nicht in Thurgarton eingetreten war, sich aber mit der Entscheidung zum Ordensleben trug. Hilton preist in der Epistola de utilitate et prerogativis religionis den Kartäuserorden über alle Maßen, so dass man als Leser fast den Eindruck gewinnt, dieser überaus strenge Eremitenorden stünde auch Hilton persönlich am nächsten.58 Dass Hilton selbst nicht Kartäuser, sondern Augustiner wurde, hängt vermutlich damit zusammen, dass er das sog. „gemischte Leben“ (vita mixta) für sich entdeckte. Der Brief fällt also in eine Phase, in der Hilton sich seiner Berufung noch nicht sicher ist. Clark setzt Hiltons Eintritt bei den Augustiner-Chorherren in Thurgarton vor diesem Argumentationshintergrund auf um das Jahr 1386 an.59 Dass Hilton im Priorat60 Thurgarton/Nottinghamshire61 Augustiner-Chorherr 55 Vgl. Russell-Smith, Defence, 182. 56 Vgl. Russell-Smith, Defence, 184. 57 Vgl. Russell-Smith, Defence, 181–184, besonders auch 184, Anm. 17. 58 Es gibt starke überlieferungsgeschichtliche Verbindungen zwischen Hilton und den Kartäusern. Hiltons Werke fanden bei den „weißen Mönchen“ viel Anerkennung – London, British Library, MS. Harley 6579, war z. B. eine Arbeitskopie der Londoner Kartäuser. Für die Rezeption und Verbreitung von Hiltons Werken durch Kartäuser könnte seine freundschaftliche Beziehung zu Adam Horsley der Schlüssel sein. Der Bibliograph John Bale machte Hilton zum Kartäuser der Kartause Sheen. Das ist aber auszuschließen, denn Sheen wurde erst 1415 gegründet, 19 Jahre nach Hiltons Tod. (Vgl. Sargent, James Grenehalgh, 48 f.) 59 Vgl. J. Clark, Introduction, 15. 60 Der Titel des Hausvorstandes – und damit die Bezeichnung des „Klosters“ – variierte in den Niederlassungen der Augustiner-Chorherren. In England findet man „Äbte“ und „Abteien“ (z. B. Leicester Abbey); hier wie in den romanischen Ländern konnte auch ein „Prior“ Vorsteher eines selbständigen oder abhängigen Klosters sein. (Vgl. Schopf, H., Augustiner-Chorherren, 45.) 61 Thurgarton wurde 1119–39 als Augustinerpriorat erbaut. (Vgl. Dickinson, Origins, 124.) Vom einst recht stattlichen Priorat mit seiner Kirche St. Peter, das 1536 unter Heinrich VIII. aufgehoben wurde, sind heute nur noch wenige Fragmente erhalten, die baulich in die 1230er Jahre verweisen. Von der ehemals doppeltürmigen Westfront steht heute noch der Nordturm. Teile des nördlichen Seitenschiffs wurden im 18. Jahrhundert zu einer Gemeindekirche umgebaut und dienen heute der anglikanischen Kirchengemeinde Thurgartons als Gottesdienstraum. Auch von der Innenausstattung ist kaum etwas aus dem Mittelalter erhalten. Die Altarplatte soll aus dem Spätmittelalter stammen, Sockel und Baldachin sind auf ca. 1330 datierbar, von einem Chorgestühl aus dem 15. Jahrhundert sind noch drei Sitze mit figürlichen Misericordien erhalten. Auf dem durch das Schleifen des mittelalterlichen Priorats großen Wiesengrundstück steht direkt neben der Kirche ein kleiner Landsitz aus dem letzten

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war, bezeugen zahlreiche Manuskripte.62 Das Manuskript Cambridge, Magdalene College, MS. 17, z. B., das wegen seiner Bezeichnung Hiltons als comensour of decrees zuverlässig scheint, nennt Hilton Chanon of Thurgartoun.63 Anliegen der im 11. Jahrhundert entstandenen regulierten Klerikergemeinschaft der AugustinerChorherren war ein Leben nach dem Vorbild der christlichen Urgemeinden (vgl. Apg 4,31–35) mit vita communis und vita apostolica. Augustiner-Chorherren lebten und leben nach der Augustinusregel.64 Die Chorherren legten zu Hiltons Zeiten alle drei klassischen Gelübde ab: Armut, Keuschheit und Gehorsam. Im Gegensatz zu den Mönchen entfiel die stabilitas loci, und sie verpflichteten sich nicht für das ganze Leben auf diese Lebensform. Augustiner-Kanoniker lebten gemeinsam bei der Kirche, für deren Dienst sie bestimmt waren, aßen und schliefen gemeinsam, teilten alle Einkünfte.65 Ihre Tracht bestand zu Hiltons Zeiten aus einem weißen Talar mit darüber getragener Albe bzw. weißem Chorrock plus ebenfalls weißem Schulterumhang (Mozetta bzw. Almutum).66 Der Tagesablauf glich dem in Mönchsklöstern, er war durch die liturgische Ordnung bestimmt, v. a. durch die regelmäßigen Stundengebete. Zwischen den Gebetszeiten, auf deren Einhaltung größter Wert gelegt wurde, gingen die Chorherren ihren verschiedenen Aufgaben innerhalb und außerhalb des Klosters nach: Seelsorge, Studium, Schreiben von Büchern, Unterricht in der Schule, Tätigkeit in der Klosterverwaltung, Krankenpflege, Feldarbeit. Besonders die Arbeit in der Seelsorge, einem Schwerpunkt der Arbeit der Augustiner-Chorherren, erforderte höchste persönliche Integrität.67 Aus Hiltons Werk wird deutlich, dass er als Berater und Seelsorger und als Verfasser von Büchern und Traktaten tätig war. Auch für das Studium muss er sich viel Zeit genommen haben, denn seine Werke zeugen von großer Belesenheit. Im Manuskript Cambridge University Library, MS. Hh I,12, fol.80b, wird Hilton als „chanon and gouernoure of the house of Thurgarton biside Newerk“68 bezeichnet. Russell-Smith hält für am wahrscheinlichsten, dass der Begriff den Superior des Hauses bezeichnet, entweder als Prior oder in Vertretung eines abwesenden oder verstorbenen Priors. Möglich sei auch, dass die Bezeichnung für den Posten Drittel des 18. Jahrhunderts. (Vgl. Pevsner, Nottinghamshire, 354–356.) Das Priorat ist in der zeitgenössischen Landkarte British Library, MS. Gough Gen. Top. 16, die eine Reisekarte mit dem Schwerpunkt auf den Straßen und sonstigen Verkehrswegen ist, nicht verzeichnet, was aber m. E. nicht als Beleg dafür gewertet werden darf, dass Thurgarton unbedeutend war. Es lässt sich lediglich sagen, dass es offenbar nicht an den Routen lag, die die königlichen Kuriere nahmen, für die die Karte wohl angefertigt wurde. (Vgl. Gough Map, 15; vgl. auch den Registereintrag „Nottinghamshire“, Gough Map, 25.) 62 Vgl. Russell-Smith, Defence, 199. 63 Fol. 1, zit. n. Russell-Smith, Defence, 185. 64 Für die Augustiner-Chorherren ist das praeceptum der Regel und der ordo monasterii verbindlich. (Vgl. Schopf, Augustiner-Chorherren, 40.) 65 Vgl. Schopf, Augustiner-Chorherren, 39. 66 Das Almutum war aus Pelz gearbeitet und wurde im Winter getragen, die Mozetta war aus Wolle gefertigt und wurde im Sommer angelegt. (Vgl. Schopf, Augustiner-Chorherren, 46.) 67 Vgl. Schopf, Augustiner-Chorherren, 44 f. Für eine knappe Darstellung, wie Hiltons Alltag ausgesehen haben könnte, vgl. auch Jeffrey, Introduction, 22 f. 68 Zit. n. Russell-Smith, Defence, 203, Anm. 87.

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stehe, der in der Augustinusregel als prepositus bezeichnet werde. Da die Herkunft des Manuskripts ungeklärt sei, und das gouernoure-Sein Hiltons nicht durch äußere Quellen bestätigt werde – die Liste der Prioren Thurgartons weist gerade in den für die Hilton-Forschung entscheidenden Jahren Lücken auf – sei die Angabe mit Vorsicht zu behandeln.69 Für das Jahr 1388 gibt es einen äußeren Hinweis, der helfen könnte, eines der Werke, das Hilton wahrscheinlich zuzuschreiben ist, zu datieren und das Aufgabenfeld Hiltons in Thurgarton näher zu bestimmen.70 In diesem Jahr wurde der Prior des Augustinerklosters in Thurgarton autorisiert, Häretiker festzunehmen, sie zu verhören und gefangen zu halten.71 Wenn man davon ausgeht, dass Hilton damals zu Thurgarton gehörte, ist anzunehmen, dass sein Urteil in den Prozessen gefragt war, unabhängig davon, ob er selbst als Prior die Hauptverantwortung trug. Im Traktat De adoracione ymaginum verteidigt Hilton die Verehrung von Bildern in der Kirche. Er wendet sich damit gegen die Lollarden, die in den 80er Jahren des 14. Jahrhunderts die Zerstörung der Bilder forderten. Sitz im Leben dieses Bildertraktates könnte der Auftrag an Thurgarton aus dem Jahr 1388 sein.72 Es ist gut möglich, dass ein weiterer Brief während der ersten Jahre in Thurgarton entstand, die Epistola de leccione, intencione, oracione, meditacione, etc. Aus dem Brief geht hervor, dass Hilton ein etablierter geistlicher Begleiter ist und damit beschäftigt, die Rechtgläubigkeit zu verteidigen. Gegner Hiltons sind in diesem Brief Vertreter der Freigeist-Bewegung. Sie vernachlässigten die allen Christen gemeinsamen Gebete zugunsten einer freien, individuellen Gebetspraxis, um so zu größerer Erleuchtung zu finden. Ob der Traktat Of Angels’ Song in die frühe Thurgartonzeit fällt oder später anzusiedeln ist, ist fraglich. Clark hält daran fest, dass der Traktat von Hilton stammt, auch wenn nur einige späte Manuskripte seinen Namen nennen. Der Traktat passt, ebenso wie die Briefe De ymagine peccati und Epistola de utilitate und Epistola de leccione thematisch gut in den Rahmen von Buch I der Scale of Perfection. Manche Teile von Of Angels’ Song passen aber eher mit Buch II der Scale zusammen, so dass es sinnvoll erscheint, die Frage der Datierung offen zu lassen.73 Die Übersetzung des Stimulus Amoris des Franziskaners Jakob von Mailand (13. Jahrhundert) ins Englische könnte in die frühe Thurgartoner Zeit fallen. Ebenfalls auf die Thurgartoner Zeit, aber m. E. eher die spätere, ist der Traktat Mixed Life zu datieren. Auch Hiltons Hauptwerk Scale of Perfection ist in Thurgarton entstanden. Es ist davon auszugehen, dass Buch I und II der Scale of Perfection in einem gewissen Abstand voneinander entstanden. Nach Clark fallen drei bis vier weitere Schriften zwischen die Abfassung von Buch I (um 1390) und von Buch II am Ende des Lebens Hiltons. Der lateinische Brief Epistola ad quemdam seculo 69 Vgl. Russell-Smith, Defence, 203, Anm. 87. 70 Im Folgenden wird versucht, Hiltons Werke nach Entstehung zu ordnen. S. u. unter 2.2, S. 32–69, für detaillierte Erörterungen der Datierungsfragen in Bezug auf einzelne Werke. 71 Vgl. Calendar of the Patent Rolls, 468. Vgl. auch Russell-Smith, Defence, 203, Anm. 88. 72 Zu dieser und weiteren Möglichkeiten des Sitz im Lebens s. u. unter 2.2.1.2, S. 35 ff. Dort auch die Diskussion der Verfasserfrage. Vgl. Russell-Smith, Defence, 200 f. 73 Vgl. J. Clark, Introduction, 16.

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renunciare volentem ist eine davon. Er ist an einen Juristen adressiert, der nach einer weltlichen Karriere und Verfolgen seines eigenen Vorwärtskommens eine religiöse Erweckungserfahrung gemacht hat. Der Brief soll ihn an einigen Punkten, an denen er Skrupel hat, bestärken, andererseits will ihn Hilton von einem Eintritt ins Ordensleben abbringen, weil er dazu nicht geeignet sei. Eine Passage in der Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem könnte man so lesen, als sei Hilton Beichtvater des Adressaten: „Ich erlege dir kein hartes Fasten auf und auch nicht, dass du das Büßergewand anziehst und keine derartigen beschwerlichen Dinge […].“74 Allerdings könnte diese Passage auch Rhetorik sein. Thematisch eng verwandt, auch wenn der Adressat ein anderer ist, ist das Fragment Firmissime crede. Hier geht es Hilton darum, bei Beichtzweifeln Klarheit zu schaffen. Auch die Eight Chapters of Perfection sind wohl zwischen Buch I und Buch II der Scale of Perfection entstanden. Bei den Eight Chapters of Perfection besteht im Gegensatz zum Stimulus Amoris keinerlei Zweifel, dass Hilton der Übersetzer ist. Hilton hat sie aus einem Buch des Magisters Louis de Fontibus, einem Franziskaner aus Aragon, entnommen. Vermutlich sind die acht Kapitel Teil eines ursprünglich größeren Ganzen. Das Original existiert nicht mehr. Louis de Fontibus kam 1383 nach Cambridge, um die Sentenzen des Petrus Lombardus zu lesen. Geht man mit Clark von einem regulären theologischen Werdegang an der Universität aus, kann seine regency als Master oder Doktor der Theologie für 1391–93 oder 1392–94 angesetzt werden.75 Die Kolophone in den Manuskripten mit Hiltons englischer Übersetzung bezeichnen Louis de Fontibus als Master, so dass wohl davon auszugehen ist, dass Hilton das Buch nicht vor 1393 erhielt, d. h. nachdem er Cambridge längst verlassen hatte. Die Eight Chapters of Perfection zeigen so, dass Hilton den Kontakt nach Cambridge auch noch lange nach seinem Abschied pflegte. In diese Rekonstruktion fügt sich auch gut ein, dass die Eight Chapters of Perfection reiche Parallelen zu Buch II der Scale of Perfection aufweisen und weniger zu Buch I. Auch der Kommentar zu Ps 90 Qui habitat und der Kommentar zu Ps 91 Bonum Est sind wohl in der späten Thurgartoner Phase entstanden.76 Darüber, wann und wo Hilton zum Priester geweiht wurde, gibt es nach dem jetzigen Stand der Forschung keine Informationen, auch über die Weihe zum Diakon oder Subdiakon liegen keine Informationen vor.77 Nachforschungen Clarks 74 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 264, Z. 303 f. 75 Vgl. J. Clark, Introduction, 17. 76 Vgl. J. Clark, Psalm Commentary Qui habitat; vgl. auch J. Clark, Problem. 77 Die Ordination im Mittelalter war kein punktuelles Ereignis, sondern hatte Prozesscharakter. Es gab in England sieben Weihegrade (orders): drei major orders (Priester, Diakon, Subdiakon) und vier minor orders (Akolyth, Exorzist, Lektor, und doorkeeper). Mit den minor orders waren Ämter für Männer verbunden, die nicht notwendigerweise höhere Ämter und Aufgaben in der Kirche anstrebten. Sie konnten den Anfang einer kirchlichen Laufbahn bilden, verpflichteten den Träger aber nicht dazu und zwangen ihn auch nicht zum Zölibat. Die bischöflichen Verzeichnisse (registers) listen diese Ordinationen deshalb meist auch gar nicht auf. In die Listen aufgenommen wurden Männer, die in einer Ordinationsfeier zum acolyte und subdeacon geweiht wurden. Um Akolyth zu werden, musste man mindestens 14 Jahre alt sein, für das Amt des Subdiakons 17, für das des Diakons 19, für das Priesteramt 24. (Vgl. V. Davis, Episcopal Ordination Lists, 153.)

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und Owens in den Diözesanarchiven von Ely und Lincoln blieben ohne Ergebnis.78 Hilton starb am 23. März 1395 in Thurgarton. Zum Todestag gibt es in den Handschriften unterschiedliche Angaben. Russell-Smith hat dargelegt, dass die abweichenden Angaben in fünf Manuskripten der lateinische Übersetzung der Scale of Perfection, die den 24. März lesen, darauf zurückzuführen sind, dass es bei den Orden im Spätmittelalter üblich war, das Todesdatum eines Mönches, der in der Nacht nach der Komplet verstarb, zwar im Totenbuch für diesen Kalendertag festzuhalten, den Jahrestag aber immer am darauffolgenden Tag zu feiern.79 Einige Manuskripte bieten zusätzlich die Angabe „in vigilia annunciationis“, was das Datum bestätigt. Die Kartäuser John Feriby und James Grenehalgh legen das Todesdatum davon abweichend auf Mariä Himmelfahrt 1395, d. h. auf den 14. August 1395. Nach Russell-Smith hat diese Abweichung ihren Ursprung in einem Abschreibefehler.80 Gelegentlich findet man in der Literatur 1396 als Todesjahr, so z.B. bei John Clark in der Einleitung zur Übersetzung der Scale of Perfection. Diese Jahresangabe geht auf eine Angabe im für die biographische Hiltonforschung bis heute grundlegenden Aufsatz Walter Hilton and a Tract in the Defence of the Veneration of Images von Joy Russell-Smith zurück, die sowohl 1395 als auch – offensichtlich versehentlich – 1396 angibt, obwohl alle von ihr als Beleg zitierten Kolophone 1395 lesen.81

2.2 Zu den Schriften – ein Überblick 2.2.1 Lateinische Schriften Hiltons lateinische Werke liegen in einer kritischen, von John Clark und Cheryl Taylor vorbereiteten zweibändigen Ausgabe unter dem Titel Walter Hilton’s Latin Writings vor; die Überlieferungssituation wird dort ausführlich besprochen.

78 Vgl. J. Clark, Defence, 20, Anm. 10. Eine „Medieval English Clergy Database“ befindet sich im Aufbau, die alle Informationen in den seit 1260 geführten Ordinationslisten in den Bischöflichen Verzeichnissen schnell zugänglich machen wird. Bislang ist die Datenbank lediglich für die im Hinblick auf die Hiltonforschung uninteressante Diözese London nutzbar. Zur Konzeption der Datenbank vgl. Virginia Davis, Episcopal Ordination Lists; vgl. auch Virginia Davies, English Clergy Database. 79 Vgl. Russell-Smith, Defence, 199 mit Anm. 75 f; vgl. auch 210 f. 80 Vgl. Russell-Smith, Defence, 210 f. Vgl. auch Sargent, James Grenehalgh, 49 und 70 f. 81 Cambridge University Library, MS. Ee iv 30, liest „anno domini millesimo cccº. nonagesimo. quinto decimo Kalendas aprilis circa solis occasum“. (Zit. n. Russell-Smith, Defence, 199, Anm. 75.) Oxford, Bodleian Library, MS. Lat.th. 26; London British Library, MS. Harley 6576, York Cathedral Chapter Libray, MS. XVI K 5; Oxford, Bodleian Library, MS. 584 und London, British Library, MS. Harley 330, lesen bezüglich des Todesdatums einstimmig „[…] qui obiit anno domini mº ccc.lxxxx.v.“ (Zit. n. Russell-Smith, Defence, 205 mit Anm. 3.)

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2.2.1.1 De ymagine peccati De ymagine peccati,82 ein Traktat mit einzelnen Merkmalen der Briefform,83 ist in vier Handschriften überliefert, zwei davon schreiben den Text Hilton zu.84 Drei Manuskripte geben dem Text den Titel, den er in der Clark/Taylor- Ausgabe trägt und unter dem er auch in der Sekundärliteratur und in der vorliegenden Arbeit verhandelt wird; eine der Handschriften betitelt die Schrift De ymagine ydoli.85 Aufgrund eindeutiger inhaltlicher Übereinstimmungen mit sicher von Hilton stammenden Werken kann davon ausgegangen werden, dass Hilton der Verfasser ist.86 Hilton nimmt Bezug auf einen Brief des Adressaten, in dem dieser ihm in einer Art Beichte seinen Zustand geschildert hat.87 Er will ihm in seiner Antwort das Bild der Sünde, an dem er seiner Diagnose nach krankt, genau beschreiben und ihn damit in die Lage versetzen, sich selbst zu helfen. Wer der Adressat ist, bleibt wie bei fast allen Werken Hiltons im Dunkeln.88 Der Text verrät wenig über ihn: Er scheint ein wohlhabender, einflussreicher Kirchenmann gewesen zu sein. Er hat „die Welt“ verlassen, kirchliche Benefizien aufgegeben, Ehre und Reichtum, Eltern und Besitz hinter sich gelassen.89 In einer Passage des Textes, die auch für 82 Der Text von De ymagine peccati und eine kurze Einführung finden sich in Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 69–72 (Einführung), 73–102 (Text). 83 Vgl. die Anrede „Dilecte in Christo frater […]“ (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 73, Z. 3) am Briefanfang. Aus dem Text wird nicht ersichtlich, wer der Verfasser ist; es fehlt der übliche Abschiedsgruß. Der Text schließt – wohl in Anlehnung an biblische Briefe – mit Amen. Drei der Manuskripte bezeichnen den Text als Abhandlung (tractatus), nur eine der Handschriften bezeichnet den Text im Incipit als Epistola. (Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/ Taylor, 73 mit Apparat zu den Kolophonen.) Hilton ist nicht der einzige englische Mystiker des 14. Jahrhunderts, der sich dieser Gattung bedient; auch beim Verfasser der Wolke des Nichtwissens finden sich derartige Lehrbriefe. „Die meisten Schriften der Cloud-Gruppe weisen deutliche Merkmale von Lehrbriefen im ‚intimen Sermo-Stil‘ auf, welcher mit der Ciceround Seneca-Rezeption bei Tertullian, Augustinus, Hieronymus, Gregor und Wilhelm von St. Thierry in Verbindung steht, und müssen auf dem Hintergrund geistlicher Briefe […] der monastisch-eremitischen Tradition gedeutet werden. [Bei Hilton wie beim Cloud-Author ist s]chon allein wegen der formgeschichtlichen Merkmale […] an einer Verschränkung eines ‚intimen‘ und ‚öffentlichen‘ Aspektes festzuhalten […].“ (Steinmetz, Erfahrung 14 f, Anm. 7.) 84 Oxford, Bodleian Library, MS. Digby 115, der von Clark/Taylor verwendete Basistext, sowie Oxford, Bodleian Library, MS. Lat. th. d. 27. 85 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 73 mit Apparat zu den Kolophonen. 86 Die Zuschreibung ist so eindeutig, dass Clark/Taylor die Frage der Zuschreibung nicht einmal thematisieren. 87 „[…] inter cetera que michi scripsisti ostendere tuam miseriam […] non, puto, vt a me auxilium posceres […] sed vt a Domino nostro Ihesu Christo […] tuam miseriam veraciter recognoscens misericordiam et graciam recipere merearis.“ (Latin Writings, Ed. Clark/ Taylor, 73, Z. 3–7.) 88 Oxford, Bodleian Library, MS. Digby 115, nennt „einen ganz bestimmten (quidam) Reklusen“ als Adressaten, Oxford, Bodleian Library, MS. Lat. th. d. 27, lässt den Traktat an einen Freund Hiltons gerichtet sein, der nicht näher bestimmt wird. Die beiden anderen Manuskripte machen keine Angaben zum Adressaten. Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 73, Z. 1 f mit Varianten im Apparat. 89 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 75, Z. 40 f: „Ecce, reliquisti mundum, beneficia ecclesiastica, honores et diuicias, parentes et propria, […]“. Vgl. auch Latin Writings, Ed.

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die Rekonstruktion von Hiltons Biographie eine wichtige Rolle spielt,90 wird v. a. deutlich, was der Adressat nicht (mehr) ist: Er ist kein Laie, kein Weltkleriker, kein Regularkleriker, er spendet keine Sakramente, predigt nicht in Gemeinden, ist keinem Vorgesetzten unterstellt. Da er trotzdem als „zum Innersten der Kirche gehörig“ bezeichnet wird, ist anzunehmen, dass er als einzelner Eremit lebte. Inhaltlich geht es in De imagine peccati darum, wie der Adressat ausgehend von Introspektion und Selbsterkenntnis das „Bild der Sünde“, von dem er beherrscht wird, überwinden und die Ebenbildlichkeit Gottes (imago et similitudo Dei) wiedergewinnen kann.91 Der Brief ist klar gegliedert. Zunächst wird das „Bild der Sünde“ definiert und seine Ursache bestimmt: Selbstliebe.92 Es werden die einzelnen „Glieder“ der Sünde beschrieben, die „Todsünden“.93 Zuerst der Hochmut (superbia),94 dann der Neid (invidia),95 der Zorn (ira),96 die Trägheit (acedia),97 die Begierde (cupiditas),98 die Völlerei (gula)99. Hilton wendet sich dann den fünf geistlichen und körperlichen Sinnen zu: Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Fühlen.100 Weiter legt er dar, wie das „Götzenbild der Sünde“ zerstört werden könne – durch Anrufung des Namens Christi.101 Durch Gnade werde es durch das neue, wiederhergestellte Bild ersetzt.102 Gegen Schluss des Briefes betont Hilton die Rechtfertigung durch Gnade, wobei er gleichzeitig die Notwendigkeit der Mitarbeit des Menschen herausstellt.103 De imagine peccati gilt in der Forschung als das früheste unter den heute bekannten Werken Hiltons. Nach Clark ist es in der Lebensphase entstanden, die durch die Eckpunkte Aufgabe der Laufbahn als Kirchenrechtler und Eintritt in Thurgarton markiert wird, d. h. bald nach 1381–1382. Für diese Datierung spreche, dass Hilton seine Unzufriedenheit mit seinem Leben als Einsiedler zum Ausdruck bringt, aber anders als in der Epistola de utilitate et prerogativis religionis noch nicht davon spricht, dass er in einen Orden eintreten möchte. Clark führt an, dass in der Schrift die für spätere Schriften Hiltons charakteristische Auseinandersetzung mit Rolles Anhängern fehle und auch nirgends von Häresien die Rede sei. Vieles in De imagine peccati Thematisierte werde in Buch I der Scale of Perfection wieder aufgegriffen, allerdings weiche der etwas harsche, pauschaliClark/Taylor, 88, Z. 284 f, wo neben großem Reichtum auch noch große und überflüssige Immobilien erwähnt werden. 90 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 89–91, Z. 296–344. 91 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 73, Z. 3–13. 92 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 73 f, Z. 14–36. 93 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 75–98, Z. 37–458. Interessant ist, dass Hilton nur sechs der sieben klassischer Weise zu den „Todsünden“ gerechneten Sünden aufzählt. 94 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 75–83, Z. 37–189. 95 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 83 f, Z. 190–211. 96 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 84–86, Z. 212–236. 97 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 86–88, Z. 237–Z. 277. 98 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 88 f, Z. 283–295. 99 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 92 f, Z. 345–375. 100 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 93–98, Z. 376–458. 101 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 98 f, Z. 459–473. 102 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 99 f, Z. 484–493. 103 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 101, Z. 508–543.

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sierende Ton dort einem ruhigeren Urteil.104 Der Datierungsvorschlag ist in sich schlüssig. Grundsätzlich ist es aber m. E. nicht unproblematisch, fehlende Themen und Fragestellungen zur Basis der Datierung zu machen, weil üblicherweise nicht in jedem Werk eines Autoren seine gesamte Gedankenwelt zur Sprache kommt. Clarks Urteil, den Ton betreffend, kann nicht zugestimmt werden. Es ist nicht erkennbar, dass Hilton in der Scale of Perfection ruhiger und überlegter ist. Deshalb könnte der Traktat De ymagine peccati m. E. auch in der Zeit der Abfassung von Buch I der Scale of Perfection entstanden sein, d. h. um 1390. Der Gedanke von der Zerstörung des Götzenbildes durch die Anrufung des Namens Jesu könnte einen wichtigen Hinweis zur Datierung geben. Bei Buch I der Scale of Perfection geht die Forschung von einer Überarbeitung durch Hilton selbst aus, in der er dem „Namen Jesu“ stärkeres Gewicht gibt.105 Wenn der „Name Jesu“ also in De ymagine peccati eine Rolle spielt, könnte das die spätere Datierung rechtfertigen. Es erscheint allerdings ratsam, mit der Erörterung redaktionskritischer Fragen und Schlussfolgerungen bis zur kritischen Edition der Scale of Perfection der Early English Text Society106 zu warten. 2.2.1.2 De adoracione ymaginum De adoracione ymaginum107 nimmt im Werk Hiltons in thematischer und stilistischer Hinsicht eine Sonderstellung ein. Die Verfasserschaft Hiltons ist deshalb nicht unumstritten. Clark/Taylor halten m. E. zu Recht an ihr fest.108 Von den fünf Manuskripten, die den Text überliefern, schreibt das älteste den Text Hilton zu. Ein weiteres Manuskript gibt als Verfasser den Dominikaner Thomas Palmer an, die anderen Handschriften bieten keine Zuschreibung.109 De adoracione ymaginum ist die einzige Schrift Hiltons, in der die Frage der Bilderverehrung thematisiert wird. Von der Anlage her ist der Traktat110 klar in scholastischer Manier gegliedert: Auf die Frage (quaestio) – formuliert mit „numquid“111 (dt. „doch nicht etwa“), das auf eine negative Antwort abzielt – kommt die Meinung zu Wort, die der Verfasser widerlegen will. Die sechs zu widerlegenden Argumente werden zunächst durchnummeriert vorgestellt.112 Zum sechsten Argument fügt Hilton, eingeleitet mit „in contrarium“ eine Erklärung und Rechtfertigung der kirchlichen Praxis an,113 dann 104 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 69. 105 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 55. 106 S. u. unter 2.2.2.1, S. 53. 107 Der Text und eine kurze Einführung finden sich in Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 175–178 (Einführung), 179–214 (Text). 108 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 175. Vgl. Russell-Smith, Defence, 189–199, wo die Verfasserfrage detailliert diskutiert wird. Auch Russell-Smith schreibt den Traktat Hilton zu; die Argumente, die für Hilton als Verfasser sprechen, fasst sie auf S. 199 knapp zusammen. 109 Zur Frage, ob Palmer als Verfasser des Traktates in Frage kommt, vgl. Russell-Smith, Defence, 197–199. 110 Von den Kolophonen der fünf Handschriften, die den Text überliefern, lesen zwei „tractatus“, Oxford, Merton College Library, MS. 175 liest „tractus“, was als Schreibfehler gewertet wird. 111 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 179, Z. 1–4. 112 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 179–185, Z. 13–122. 113 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 185–198, Z. 123–369.

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geht er an die eigene Antwort, die er mit „Iam ad contraria respondetur. Ad primum argumentum sic: […]“ ankündigt;114 er arbeitet in der Folge Punkt für Punkt ab. Die scholastische Gliederung könnte sich dadurch ergeben haben, dass Hilton eine andere Zielgruppe im Blick hatte, und mit seiner Schrift einen anders gelagerten Zweck verfolgte als bei den übrigen Schriften. Nach Clarks Datierung fallen alle Hiltonschriften in die Zeit nach dem Studium. Er geht davon aus, dass der Traktat eine Auftragsarbeit im Rahmen von Bischof Arundels Lollarden-Bekämpfungsprogramm war und während Hiltons Zeit in Thurgarton entstand.115 Der Prior von Thurgarton wurde 1388 von Arundel autorisiert und beauftragt, Ketzer festzunehmen.116 Hilton könnte die strenge Form gewählt haben, um seine Argumentation formal unanfechtbar zu machen. Andererseits ist die scholastische Argumentationsweise eng mit der universitären Arbeit verbunden. Deshalb zieht Russell-Smith u. a. auch in Betracht, den Traktat auf Hiltons Zeit an der Universität Cambridge zu datieren. Der Traktat wäre dann als wissenschaftliche Erörterung oder als akademisches Übungsstück einzuordnen.117 Geht man von dieser Annahme aus, lässt sich erklären, warum Hilton in seiner Argumentation seltsam rückwärtsgewandt ist und viele spätmittelalterliche Phänomene im Zusammenhang mit der Bilderverehrung, die die Lollarden anprangerten, nicht erwähnt. Darunter fällt zum Beispiel ein mit Bildern verbundener Wunderglaube,118 dann die „Geldverschwendung“ durch Pilgerfahrten und Ausstattung von figürlichen Darstellungen mit Schmuck etc.119 Da der Traktat inhaltlich von typisch Hiltonschen Fragestellungen abweicht, kommen stilistischen Merkmalen bei der Bewertung der Frage der Verfasserschaft große Bedeutung zu. Im Text finden sich die für Hilton charakteristischen Redundanzen.120 Vorhanden sind auch für Hilton typische Formulierungen mit „non dubito quin“,121 sowie komplexe Satzkonstruktionen mit „licet“122 bzw. ohne.123 Sprachliche Variation,124 Häufung von Leitwörtern,125 Figuren wie 114 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 198, Z. 370. 115 Vgl. J. Clark, Defence, 16. 116 Vgl. Calendar of the Patent Rolls, 468. 117 So Russell-Smith, Defence, 200. Hackett hat als Sitz im Leben für den Traktat eine Disputation anläßlich von Hiltons inceptio als Kirchenrechtler angenommen, wofür es allerdings keine äußeren Anhaltspunkte gibt. (Vgl. J. Clark, Defence, 16.) 118 Vgl. Kamerick, Holy Images, 341: „[… D]espite its charitable intent, Hilton’s defense of images as a means for the Church to draw in the ‚imperfect, carnal, and ignorant‘ expressed a limited understanding of the interactions between holy images and people’s spirituality. […] Crowds flocked to Walsingham and other shrines at least partly to see famous images from which they hoped for miracles.“ 119 Vgl. Kamerick, Holy Images, 8. 120 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 184 f, Z. 96–113. 121 Z. B. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 207, 541 ff. 122 Z. B. Latin Writings, Ed, Clark/Taylor, 207, 551 ff. 123 Z. B. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 208, Z. 575 f und 209, Z. 592 f. 124 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 188, Z. 168 ff: „[…] prona est semper ad malum et ad vanitatem […] procliua […]“. 125 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 195, Z. 316 ff: „Immolauit enim Noe et odoratus est Dominus odorem boni odoris, bone eleccionis et bone ad eum voluntatis, bonum odorem ac-

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Chiasmus126 und figura etymologica,127 Betonung durch Einsatz von Synonymen, wo ein Wort reichen würde,128 deuten ebenfalls auf Hilton als Verfasser hin. Was für den Kernbestand des Textes gilt, lässt sich m. E. aber nicht für alle Passagen festhalten. Die Manuskripte London, British Library, MS. Royal 11 B X, und Eton College Library, MS. 47, und damit ein Zweig des Stemmas, weisen im „sed contra“-Teil des Traktates einen Einschub129 auf, der möglicherweise von Hilton selbst stammt. Die frühe Akzeptanz des Einschubs – MS. Royal 11 B X, wird auf ca. 1400 datiert – spricht nach Clark für eine Redaktion durch Hilton. Durch die sog. holy name passage und die charity passage in der Scale of Perfection sind weitere Beispiele für eine Hiltonsche Überarbeitung bekannt. Da es sich um einen Abschnitt des Textes handelt, in dem in scholastischer Art traditionell Fremdmeinungen vorgestellt werden, um ein Panorama der Meinungen aufzuzeigen, vor dessen Hintergrund der Autor dann seine eigene Antwort entfaltet, ist die Autorenschaft Hiltons schwer nachzuweisen oder zu widerlegen. Es kann festgehalten werden, dass Hilton im Allgemeinen kaum Kirchenväter des Ostens130 zitiert, und es ist untypisch für ihn, nichtbiblische Beispielgeschichten zu geben131. Die sechs Argumente gegen die Bilderverehrung, die Hilton widerlegen möchte, sind folgende: Bilderverehrung führe, erstens, zu Götzendienst;132 sie ahme, zweitens, heidnische Praxis nach133. Drittens bestehe die Gefahr, dass ungebildete Menschen das Bild für die abgebildete Sache selbst halten.134 Viertens sei die Praxis der Bilderverehrung zwar von der Kirche eingeführt, da sie nun aber missbraucht werde, müsse die Praxis aufgegeben werden, und die Bilder sollten zerstört werden.135 Fünftens dürfen Bilder nicht selbst zum Ziel des Denkens der Betenden werden, ihre Aufgabe sei, zur Anbetung Gottes zu führen.136 Sechstens dulde die Kirche irrtümlich Trinitätsdarstellungen, obwohl es unmöglich sei, die Trinität abzubilden.137 Hilton gibt auf diese Argumente traditionell bekannte Antworten:138 ceptans“. Hilton spielt hier mit „odor“ und davon abgeleiteten Formen und zusätzlich mit dem Adjektiv „bonus“. 126 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 182, Z. 51: „[…] succrescente hominum cecitate vel malicia grassante […]“. 127 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 200, Z. 413: „[…] ad fallendum fallaces […]“. 128 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 210, Z. 621: „[…] ymagines statuere et in ecclesiis collocare […]“. 129 Clark, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 194, Z. 296–369. Dass es sich um einen Einschub handelt, ergibt sich aus der Beobachtung, dass die Argumentation eigentlich schon in Z. 294 abgeschlossen ist. 130 Der Verfasser bezieht sich hier auf des Johannes Damascenus De Fide Orthodoxa. (So Clark, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 385 f in den Anmerkungen zu Z. 296–369.) 131 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 197, Z. 350 ff. 132 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 179 f, Z. 13–20. 133 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 180, Z. 21–32. 134 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 181, Z. 33–49. 135 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 181–183, Z. 50–91. 136 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 184 f, Z. 92–113. 137 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 185 f, Z. 114–122. 138 Vgl. Clark, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 176.

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Im Christentum seien Bilder Gottes möglich, da sich Gott in Christus in menschlicher Gestalt offenbart habe. Das Bild der menschlichen Natur Gottes sei ein Erinnerungszeichen für die Menschen, es werde als Zeichen (signum) verehrt (venerari) und nicht als Sache selbst (res ipsa).139 Bei den Heiden sei der Fall anders gelagert, sie beteten ihre Götzenbilder (ydola) an (adorare).140 Selbst wenn einige ungebildete Menschen signum und res, Zeichen und Bezeichnetes, verwechselten, sei das kein Grund, Bilder abzunehmen und zu zerstören, denn anderen dienten sie zur Erbauung.141 Außerdem müsse man nicht nur die Praxis beurteilen, sondern die Intention der Menschen. Gebildete Menschen praktizierten die „explizite Intention“ der Kirche. Ungebildete, die das Bildnis anstelle des Abgebildeten verehrten, besäßen die „implizite Intention“, denn sie verrichteten ihr Gebet in dem Glauben, im Sinne der Kirche zu handeln. Also sei selbst ihr irrtümliches Gebet verdienstlich.142 Wenn sich ein Beter grundsätzlich auf Gott ausrichte, wende er sich nicht vom Ziel – Gott – ab, wenn er einmal seinen affectus und seine Gedanken auf Bildern ruhen lasse.143 Trinitätsdarstellungen seien deshalb legitim, weil sie nicht versuchten, Gottes Wesen abzubilden, sondern seine im Evangelium offenbarten opera ad extra.144 In einem zusammenfassenden letzten Abschnitt unterscheidet Hilton eigentliche und uneigentliche Anbetung (adoratio proprie et improprie). Der eigentliche Gebrauch der adoratio, der sich auf Gott/Personen bezieht, wird weiter unterteilt in latria, dulia und hyperdulia. Latreutische Anbetung gebühre Gott und der Gottheit Christi. Der Menschheit Christi und der Jungfrau Maria als Gebärerin Gottes gebühre hyperdulia. Heiligen und kirchlichen Würdenträgern komme dulia zu. Bei der uneigentlich vollzogene Anbetung (adoracio impropre sumpta) wende sich der Beter äußerlich zwar den Bildern und Skulpturen zu, innerlich aber der hinter dem Bild stehenden Wirklichkeit. Abschließend weist Hilton auf die vorübergehende Funktion der Bilder hin: Sie hätten ihre Berechtigung lediglich solange die Kirche nur glaube und noch nicht selig schaue.145 2.2.1.3 Epistola de utilitate et prerogativis religionis Bei der Epistola de utilitate et prerogativis religionis146 besteht aufgrund inhaltlicher und stilistischer Merkmale kein Zweifel, dass das Werk von Hilton stammt.147 Von 139 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 198 f, Z. 370–399. 140 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 200–202, Z. 400–455. 141 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 202 f, Z. 456–480. 142 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 204–207, Z. 481–558. Kamerick zeigt, dass Hilton sich in seiner Argumentation gerade am Punkt der „Intention“ von theologisch „orthodoxen“ Zeitgenossen wie Roger Dymmok unterscheidet. (Vgl. Kamerick, Holy Images, 14–31 zu Dymmoks Argumentation in der Schrift Liber contra xii errores ret hereses lollardum; vgl. Kamerick, Holy Images, 37 ff, zum Vergleich mit Hilton.) 143 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 207 f, Z. 559–570. 144 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 208–211, Z. 571–625. 145 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 211, Z. 626–695. 146 Der Text der Epistola de utilitate et prerogativis religionis und eine kurze Einführung finden sich Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 175–178 (Einführung), 179–214 (Text). 147 So schon Gardner, Mystical Tradition, 110.

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den 13 Manuskripten, die den Text überliefern, schreiben ihn vier in ausführlichen Kolophonen Hilton zu, Zuschreibungen zu anderen Verfassern finden sich in keiner der Handschriften.148 Die Epistola de utilitate gilt als wichtiger Referenzpunkt für die Rekonstruktion der Biographie Hiltons149 und kann nach Clark auf zwischen 1383 und 1386 datiert werden150. Adressat ist Adam Horsley,151 ein königlicher Finanzbeamter, der 1375 zum Controller of the Great Roll ernannt wurde und 1386 in die Kartause Beauvale eintrat. Die Epistola, die wie viele der lateinischen Werke Hiltons sowohl Merkmale eines Briefes als auch einer Abhandlung trägt, soll Horsley in seinem Vorhaben, Kartäuser zu werden, bestärken. Hilton bestimmt das Ziel der menschlichen Vollkommenheit als vollkommene Liebe Gottes und des Nächsten (perfecta dileccio Dei et proximi), und ruft dem Adressaten in Erinnerung, dass die Kirche zum Erlangen dieses Ziels kein besseres Mittel kenne als das Ordensleben (religio regularis).152 Drei Laster stünden der Gottesliebe nämlich hauptsächlich im Wege: fleischliches Begehren (concupiscencia carnis), optisches Begehren (concupiscencia occulorum) und Überheblichkeit (superbia vitae). Diesen Lastern wirkten die drei Gelübde und Tugenden Armut, Keuschheit und Gehorsam entgegen, die das Mittel zur Gottes- und Nächstenliebe (caritas) seien. Gleichwohl sei die Vollkommenheit (perfeccio) der Tugenden göttliches Geschenk und Gnade, von seiten des Menschen sei ein tatsächlicher und gewohnheitsmäßiger Wille dazu vonnöten.153 In Anlehnung an Wilhelm von St. Thierrys Epistola aurea entfaltet Hilton seine idealisierende Sicht von der Entstehung der Geschichte des christlichen Mönchtums.154 Hilton beschreibt den Ordenseintritt als zweite Taufe, in der alle Sünden beseitigt werden. Die Kirche könne die Sündenvergebung aus dem thesaurus ecclesiae zuteilen.155 Seine Ansicht war nicht unumstritten, denn der nun folgende Abschnitt beginnt „Vielleicht würde der Häretiker jetzt lachen, aber ich schäme mich nicht, diese schlichte Wahrheit zu bekennen […].“156 Hilton hat hier Lollarden im Blick, deren Lehrsätze gegen das Ordensleben auf der Blackfriars Synode 1382 verurteilt wurden.157 Hilton spricht allen, die ein Ordensleben führen, im Himmel einen besonderen Lohn (premium speciale) zu, der noch zum premium accidentale, dem Lohn aller Erwählten, der Gottesliebe (caritas), hinzukomme.158

148 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 116 f. 149 Vgl. oben, Abschnitt zur Biographie Hiltons. 150 Vgl. Clark, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 103 f. 151 Vgl. Russell-Smith, Defence, 181–184, vgl. auch Gardner, Mystical Tradition, 111. 152 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 121, Z. 41 f. 153 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 121–123, Z. 43–79. 154 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 124–127, Z. 100–151. Hilton orientiert sich bis in die Wortwahl hinein an Wilhelm von St. Thierrys Epistola Aurea, I,13. (Vgl. Wilhelm von St. Thierry, Goldener Brief, Übers. Kohout-Berghammer, 23.) 155 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 138–141, Z. 340–392. 156 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 141 f, Z. 393 f. 157 S. u. unter 2.3.2.3, S. 76 f. 158 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 142–145, Z. 408–449.

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2.2.1.4 Epistola de leccione, intencione, oracione, meditacione et aliis Von den beiden Manuskripten, die die Epistola de leccione, intencione, oracione, meditacione et aliis159 überliefern, London, British Library, MS. Royal 6 E III, und Cambridge University Library, MS. Ee vi 7, schreibt das erstgenannte das Werk Hilton zu. Dieses Manuskript bietet auch ein Incipit, das den Text als von der Lesung, der Intention, vom Gebet, der Meditation und anderen Dingen handelnd beschreibt.160 Aufgrund inhaltlicher und stilistischer Übereinstimmungen zwischen der Epistola de leccione und eindeutig zum Kanon der Hiltonschriften gehörender Werke ist klar, dass Hilton der Verfasser ist.161 Wie bei den meisten von Hiltons lateinischen Werken handelt es sich von der Gattung her um einen Brief.162 Die Adressatenfrage ist schwierig: Es ist unklar, ob es sich um ein reales oder ein fiktives Gegenüber handelt. Bis zu den letzten Zeilen hat der Leser den Eindruck, es handle sich um eine real existierende Person. Man denkt, der Adressat des Briefes sei ein namentlich nicht bekannter Priester, der zum Stundengebet verpflichtet ist,163 vielleicht Mönch in einem kontemplativen Orden,164 vielleicht ein Eremit165. Das Manuskript London, British Library Royal, MS. 6 E III, das zwischen 1425 und 1475 datiert wird,166 bestimmt den Adressaten im Incipit als quemdam solitarium.167 Die Hinweise im Text erlauben bezüglich der genauen Lebensweise

159 Die Epistola de leccione, intencione, oracione, meditacione et aliis mit Einführung findet sich in Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 215–219 (Einführung), 221–243 (Text). Es gibt eine sehr gute moderne englische Übersetzung: Russell-Smith, Letter to a Hermit. 160 Für nähere Informationen zu den beiden Manuskripten London, British Library, MS. Royal 6 E III, und Cambridge University Library, MS. Ee vi 7, vgl. Latin Writings, Ed. Clark/ Taylor, 12–14 und 57–59. 161 Inhaltliche Übereinstimmungen bestehen v. a. zwischen der Epistola de leccione und Kap. 15–32 und 42 f in Buch I der Scale of Perfection, Kap. 24–26 in Buch II der Scale of Perfection sowie De ymagine peccati. Stilistisch typisch für Hilton sind z. B. die unsystematisch wirkende aber doch geordnete Entfaltung der Gedanken, die versteckten biblischen Zitate und Anspielungen. Übereinstimmungen zwischen einzelnen Werken gehen bis in einzelne Formulierungen: Die Frage „Quid faciemus tu et ego et nostrique similes“ (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 232, Z. 224) findet sich fast wortwörtlich gleich in De imagine peccati (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 90, Z. 319 f.) 162 Es gibt einen Briefkopf mit einer allgemein gehaltenen Anrede (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 221, Z. 3: „Dilecto in Christo frater […]“) und einen Briefschluss, in dem Hilton den Leser um seine Fürbitte bittet, bevor er nach einem Segenswunsch mit „Amen“ schließt (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 243, Z. 476–479.). Hilton scheint sich hier an biblischen Vorbildern zu orientieren, vgl. z. B. mit dem Briefschluss des Galaterbriefs. 163 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 235, Z. 302: „[…] tu qui sacerdos es horas canonicas ceteris preponere debes […]“. 164 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 237, Z. 356: „Qui autem sacerdos est, eciam si uere contemplatiuus sit […]“. 165 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 224, Z. 60 f: „Hanc egritudinem portasti tecum in habitaculum tuum. Non enim per inclusionem corporis superinductam deposuisti huius pellis v(etus)tatem[.]“ 166 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 12. 167 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 221, Z. 1.

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jedoch keine verbindliche Aussage.168 Hilton erwähnt an verschiedenen Stellen, dass der Adressat noch vor kürzerer Zeit einer Häresie angehangen hat, dann aber die Wende zur Rechtgläubigkeit genommen hat.169 Die Häresie, die Hilton anspricht, scheint eher die „Bewegung des freien Geistes“ zu sein als das Wyclifitentum.170 Im letzten Absatz der Epistola de leccione entsteht hingegen der Eindruck, es handle sich trotz aller scheinbar persönlichen Details um eine fiktive Person. Hilton schreibt hier, dass er nicht wisse, ob seine Zeilen auf den Adressaten oder sonst irgendeine Person passten. Er sei vom Gegenstand des Briefes so umgetrieben, dass er offen schreiben müsse. Es könnte auch sein, dass Hilton an eine konkrete Person schrieb, deren Fragestellungen und Probleme ihm so repräsentativ schienen, dass er beim Verfassen über den ursprünglichen Adressaten hinaus schon einen breiteren Leserkreis im Blick hatte. Entscheidungen bezüglich des Adressaten wirken sich auf die Bewertung der Intention Hiltons aus. Geht man von einer real existierenden Person aus, dann soll der Brief den Empfänger in seiner Umkehr bestärken und ihn ermutigen, sich ganz in den Dienst Christi zu stellen, wie Hilton gleich im Eingangsteil, der auch die Vorgeschichte des Adressaten erwähnt, schreibt. Der Adressat soll diesen Dienst „dem neuen Menschen nach“ aufnehmen.171 Hier und im Folgenden greift Hilton zu der Sprache und den Bildern, die er auch sonst verwendet, wenn es um die Ebenbildlichkeitsproblematik geht. Reinheit des Herzens soll das Ziel des Lesers sein; zu erreichen sei es über Introspektion und Bekämpfung der sich in verschiedenen Sünden äußernden Haupt- und Erbsünde (concupiscentia).172 Bei seinem Gegenüber diagnostiziert Hilton besonders Unbeständigkeit und Haltlosigkeit (inconstantia, levitas)173, Hochmut, Überheblichkeit, Eigenmächtigkeit (superbia, elacio, singularitas)174 sowie übergroße intellektuelle Neugier,175 die ihn in den 168 So Clark, der in der Anm. zu Z. 60 f (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 396) erklärt, dass der Begriff inclusio sowohl bei einem allein lebenden als auch einem in einer Mönchsgemeinschaft lebenden Eremiten, z. B. einem Kartäuser, denkbar sei. 169 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 221, Z. 2–10: „[…] latebras erronee persuasionis caute declinans, fugisti […] cupiens […] saluari […], qui […] inebriatus absinthio erroris fragiliter corruisti; sed Deo gracias, quia et si lapsus non tamen collisus, quia Dominus supposuit manum suam, te eleuans de tenebris ignorancie miser(i)corditer liberando.“ Vgl. auch Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 224, Z. 65– 68. Auch wenn Hilton Tipps zum Vermeiden von Irrmeinungen gibt oder allgemein gegen Häretiker wettert, die die Kirche als Institution verdammen und sich nicht an die Stundengebete halten, scheint die Vergangenheit des Adressaten durchzuscheinen. (Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 228, Z. 159–163; 237, Z. 347–350.) 170 So Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 228, Z. 159 ff mit dazugehöriger Anm. 402 f; 237, Z. 347 mit dazugehöriger Anm. und 411, Anm. zu Zeile 351 f. 171 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 221, Z. 1–14; Letter to a Hermit, Übers. RussellSmith, 231. 172 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 221–223, Z. 15–54; Letter to a Hermit, Übers. RussellSmith, Letter, 230 f. 173 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 223, Z. 57; Letter to a Hermit, Übers. Russell-Smith, 231. 174 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 225, Z. 83 f; vgl. auch Übers. Russell-Smith, Letter, 232. 175 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 225, Z. 85–89.

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Irrtum geführt hätten. Um derlei Irrtum in Zukunft zu vermeiden, solle er sich an die Heilige Schrift und Autoren wie Bernhard und Richard176 halten und sich dem Urteil der Kirche unterwerfen, wenn er Erfahrungen mache, die von der kirchlichen Meinung und Lehre abweichen177. Reinheit des Herzens sei nur durch körperliche und geistig-geistliche Übung (exercicium) zu erreichen. Hilton macht in der Epistola de leccione aber ausschließlich Ausführungen zu letzterem, was typisch für ihn ist, denn auch in anderen Werken hält er sich nie lang bei körperlichen Übungen auf, sondern erwähnt sie nur als gängige Praxis. Geistig-geistliche Übung bestehe in Lesung, Meditation und Gebet (legendo, meditando et orando). Für alle drei Übungen benötige man eine feste Verankerung im Glauben – definiert als Glauben an die Inhalte des Glaubensbekenntnisses und dabei insbesondere an den Artikel von der Vergebung der Sünden – Hoffnung auf und Vertrauen in die Erlösung durch Christus allein.178 Vom Glauben zum Verstehen fortzuschreiten, sei möglich, wenn man in Furcht und Demut Zuflucht zu Christus nehme.179 Es sei eine feste Ausrichtung (intentio) auf Gott vonnöten, um dieses Ziel zu erreichen.180 Stimme die intentio von der grundsätzlichen Richtung her, dann könne man daran gehen, den Geist (mens) von Lastern zu reinigen und mit Tugenden zu erfüllen – was dem eingangs geäußerten Ziel „Reinheit des Herzens“ entspricht. Dabei seien Gebet und Meditation die besten Hilfen. Beim Beten sei es wesentlich, sich ganz auf Gott zu konzentrieren, die intentio völlig auf ihn auszurichten und sich selbst gleichsam zu nichten (quasi adnichilare)181, d. h. alle unnützen Gedanken, Pläne und Gefühle beiseite zu schieben. Hilton rät dem Priester, dem Stundengebet, zu dem er ohnehin verpflichtet sei, Vorrang vor anderen Arten des Gebets einzuräumen. Das kirchliche Gebet sei durch den Glauben, die Liebe und die Hoffnung der Kirche höchst verdienstlich, auch wenn es der Beter anders empfinde. Das festgelegte Gebet der Kirche sei nicht Dienst des Beters an der Kirche, sondern Dienst der Kirche am Beter. Nach dem Pflichtgebet stehe es dem Priester frei, eine freie Form des Gebetes zu wählen.182 Bei der Meditation mahnt Hilton zur Vorsicht und Demut. Hier finde der Kampf 176 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 227, Z. 125 f. Hilton meint wohl Bernhard von Clairvaux und Richard von St.Viktor. (Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 398, Anm. zu Z. 125.) Dazu passt auch dass Hilton die Laster des Adressaten in die Terminologie von Bernhards De gradibus humilitatis et superbiae kleidet. Singularitas und curiositas sind bei Bernhard der fünfte bzw. erste Schritt des Hochmutes. (Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 397 Anm. zu Z. 84 und 88 f. Siehe auch unter 3.3.2, Demut und Selbsterkenntnis [bei Bernhard], S. 116 ff.) 177 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 228, Z. 157–160; vgl auch Letter to a Hermit, Übers. Russell-Smith, 234. 178 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 227 f, Z. 132–149; vgl. auch Letter to a Hermit, Übers. Russell-Smith, Letter, 233 f. 179 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 229 f, Z. 178–250; vgl. auch Letter to a Hermit, Übers. Russell-Smith, 234–236. 180 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 233 f, Z. 251–279; vgl. auch Letter to a Hermit, Übers. Russell-Smith, 236. 181 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 235, Z. 291 f; vgl. auch Letter to a Hermit, Übers. Russell-Smith, 237. 182 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 235 f, Z. 301–361; vgl. auch Letter to a Hermit, Übers. Russell-Smith, 237 f.

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gegen die Laster und gegen die concupiscencia statt, wenn die Seele danach strebe, die schöpfungsgemäße Schönheit und Würde wiederzuerlangen. In der Meditation sei der Ort, das Gewand des alten Adam aus- und das Christi, des neuen Adam, nämlich caritas, anzuziehen.183 Neben der introspektiven, der Selbsterforschung dienenden Meditation empfiehlt Hilton die Meditation des Heilsgeschehens, der Inkarnation, der Passion und Erlösung, damit der Meditierende die Gnade Gottes nicht aus den Augen verliere. Bei der Meditation macht Hilton dem Priester anders als beim Gebet keine zu engen Vorschriften. Je nach Inspiration könnten auch verschiedenste Schriftstellen meditiert werden.184 Der Brief endet mit Ermutigungen an den Adressaten185 und mit Formulierungen, in denen Hilton seine Unwissenheit zum Ausdruck bringt. Damit und mit der Bitte an den Adressaten, für ihn Fürbitte zu leisten, betont er seine Bescheidenheit.186 Clark setzt die Abfassung der Epistola de leccione vor der Abfassung von Buch I der Scale of Perfection an. Er stützt seine Vermutung auf die o.g. Parallelen zur Scale of Perfection und geht davon aus, dass Hilton den Stoff für die Scale of Perfection um- und ausarbeitete.187 Es wäre allerdings genauso denkbar, dass die Epistola de leccione nach Buch I der Scale of Perfection entstand und dass Hilton für das kleinere Werk Gedankenbausteine des größeren wiederverwendete. 2.2.1.5 Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem Die Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem188 ist in zwei Manuskripten überliefert, von denen eines den Text Hilton zuschreibt. Stilistische und inhaltliche Kriterien weisen darauf hin, dass Hilton tatsächlich der Verfasser ist.189 Der Text 183 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 239 f, Z. 362–404; vgl. auch Letter to a Hermit, Übers. Russell-Smith, 238 f. 184 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 240 f, Z. 405–436; vgl. auch Letter to a Hermit, Übers. Russell-Smith, 239 f. 185 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 242 f, Z. 437–469, vgl. auch Letter to a Hermit, Übers. Russell-Smith, 240 f. 186 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 243, Z. 470–479; vgl. auch Letter to a Hermit, Übers. Russell-Smith, 241. 187 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 216. 188 Die Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem ist, mit einer Einführung versehen, ediert bei Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 245–248 (Einführung), 249–298 (Text). London, British Library, MS. Royal 6 E III, die Textbasis der Edition, schreibt die Epistola ad quemdam saeculo renunciare volentem Walter Hilton zu (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 249, Z. 1). Cambridge University Library, MS. Ee vi 7, nimmt keine Zuschreibung vor. Diese beiden Manuskripte sind die einzigen Textzeugen (vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 17–19); beide bieten außerdem Hiltons Epistola de leccione, und auch hier liegt bei dem Manuskript der British Library eine Zuschreibung an Hilton vor, die bei der Cambridger Handschrift fehlt. 189 Typisch für Hilton, um nur einiges zu nennen, sind die (fiktiven?) Einwände des Adressaten (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 263, Z. 292 f), die rhetorische Fragen (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 263, Z. 297) mit der für Hilton ebenfalls typischen Dreierreihung von Adverbien (facilius, lenius vel melius); Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 250, Z. 20–24, ebenfalls der Schluss a maiore ad minorem und die charakteristische Dreierreihung von Substantiven (gaudium, spes, et fiducia); vgl. auch die Reihung in Latin Writings, Ed. Clark/ Taylor, 252, Z. 59 ff. Charakteristisch ebenfalls der Zitatabbruch mit „…etc.“ (Latin Writings,

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ist wichtig für die Rekonstruktion der Biographie Hiltons, hier finden sich einige Hinweise auf seinen juristischen Hintergrund.190 Es existiert eine englische Version des Briefes. Der Text wurde von einem unbekannten Übersetzer teils textnah, teils zusammenfassend übertragen.191 Adressat ist ein Freund Hiltons,192 der ihn per Brief um Stellungnahme zu drei persönlichen religiösen Problemen gebeten hat:193 zum Sakrament der Buße, zu unerfüllten bzw. nur teilweise erfüllten Gelübden und Vorsätzen und zum Ordenseintritt. Clark schließt aus den Zeilen 7 bis 10 der Textedition, dass der Adressat krank und im Gefängnis war. M. E. sind Krankheit und auch Gefangenschaft hier eher übertragen zu deuten. Denn wäre der Adressat, ein Jurist, der auch am Gericht tätig war,194 tatsächlich in Haft gewesen, hätte sich die Frage, ob er weiter weltlicher Karriere nachgeht oder Ehren, Prunk etc. verlässt, wohl erübrigt. Der Adressat wurde als Ioannes Thorpe identifiziert. Es könnte sich nach Clark entweder um einen Doktor der Rechte dieses Namens handeln, der zwischen 1391 und 1406 parallel eine Reihe von Benefizien in Norfolk und Suffolk innehatte und als Jurist wirkte. Er ist 1389 als Kanoniker und Präbendar von Lincoln, 1390 als Kanoniker von St. Stephen’s, Westminster, und ebenfalls ab 1390 als Erzdiakon von Suffolk belegt.195 Alternativ könnte es sich um einen Karmeliten und Doktor der Theologie namens John Thorpe handeln, der 1440 im Norwicher Karmelitenkonvent starb.196 Die Abfassung der Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem fällt wohl in die Thurgartonzeit (d. h. in die Zeit nach 1386), als Hilton als Beichtvater tätig war. Sie kann nicht in der Phase verfasst sein, in der Hilton noch in Cambridge als Jurist wirkte, weil er in Z. 267 ff davon spricht, dass Bekannte und Freunde einst verEd. Clark/Taylor, 250, Z. 31). Typisch auch die Satzkonstruktion mit „licet …“ (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 255, Z. 128 ff ), wo sich zeigt, dass Hilton an antiken Autoren geschult ist. In Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 270, Z. 439–449, findet sich eine komplexe, typisch Hiltonsche Satzkonstruktion; das Satzende (Z. 448 f) „non dubito quin …“ ist ebenfalls charakteristisch. Für Hilton sprechen die Formulierungen „testante veritate“ – „die Wahrheit ist Zeuge“ (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 250, Z. 21) und „per dextram excelsi“ – „durch die Hand des Höchsten“ (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 254, Z. 112 f und Z. 117). Auch Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 257, Z. 162, mit der rhetorisch gelungenen Betonung „Iam enim conductus et vere conductus“ passt zu Hilton. In Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 256, Z. 157–159, imitiert der Verfasser mit dem Bild des Menschen, der um verschiedene Uhrzeit auf dem Marktplatz der Welt steht, den Stil antiker Vorbilder – auch das bezeichnend. Die Vorstellungswelt des Textes ist insgesamt mit den anderen Hiltonschriften kompatibel. 190 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 262, Z. 263–269. 191 Dieser englische Text findet sich unter dem Titel A Pystille made to a Cristene Frende in Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 305 f (Einführung), 307–322 (Text). Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 323–325 bietet eine tabellarische Aufstellung, in der Clark den lateinischen und englischen Text nach Inhalt und Umfang vergleicht. 192 Hilton nennt ihn „karissimus“, vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 255, Z. 138 u.ö. 193 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 265, Z. 325–330. Auf den Brief nimmt Hilton auch schon gleich am Briefanfang Bezug (vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 249, Z. 4–6.14–17. 194 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 262, Z. 278–280. 195 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 245. 196 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 246.

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suchten, ihn mit dem Hinweis darauf, wie wertvoll doch sein Rat in Rechtsfragen für sie sei, vom Abbruch seiner juristischen Laufbahn abzuhalten. Eine grobe Gliederung des umfangreichsten lateinischen Werkes Hiltons ist durch die drei Fragen des Adressaten197 vorgegeben. Um die Textstücke, in denen die drei Fragen beantwortet werden – Frage 1: Beichtskrupel,198 Frage 2: nicht eingehaltene Versprechen und gebrochene Gelübde,199 Frage 3: Ordenseintritt des Adressaten200 – gruppieren sich ein Einleitungsteil,201 ein Teil, in dem die Frage eines Freundes nach den Folgen unterlassener Wiedergutmachung thematisiert wird,202 und ein Schlussteil mit Ermunterung zur geistlichen Erneuerung durch Demut und Gottesliebe203. In Frage 1 geht es um Beichtskrupel des Adressaten. Er ist sich unsicher, ob seine Sünden durch Beichte und Absolution tatsächlich vergeben sind. Hilton legt sein deklaratorisches Verständnis des Bußsakramentes dar: Gott vergebe die Sünden, sobald die Menschen sie bereuten. Die Absolution im kirchlichen Bußsakrament bestätige nur, was schon geschehen sei. Voraussetzung sei allerdings, dass die Reue vollkommen sei, d. h. von der Gottesliebe inspiriert und nicht von Furcht vor Strafe.204 Diese Art der Reue sei Geschenk, so dass der Mensch sowohl die Reue als auch die Vergebung unverdientermaßen empfange. An die Vergebung der Sünden müsse man glauben, auch wenn das Gewissen im197 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 265, Z. 325 ff. 198 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 265–278, Z. 331–621. 199 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 278–288, Z. 622–846. 200 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 289–292, Z. 847–914. 201 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 249–265, Z. 1–330. 202 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 292–294, Z. 915–967. 203 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 294–298, Z. 968–1039. 204 In der Betonung der Gottesliebe trifft sich Hilton mit Petrus Abaelard (1079–1142), der in der Ethica ausführt: „Mit dem inwendigen Aufseufzen und mit der Zerknirschung des Herzens – wir nennen sie die wahre penitentia! – währt die Sünde nicht, die Verachtung Gottes und die Zustimmung zum Bösen, denn die Gottesliebe beseelt dieses Aufseufzen, und diese duldet die Schuld nicht. Augenblick[lich] werden wir mit dem Aufseufzen mit Gott versöhnt und erlangen Verzeihung der vorhandenen Schuld […]“ (Ed. Migne [PL 178], 664D; Übers. Hödl, Scholastische Bußtheologie 1138, die Stellenangabe bei Hödl, Ed. Migne, [PL 178], 660, ist nicht korrekt). Hilton befindet sich hier auch in Übereinstimmung mit dem Lombarden, er distanziert sich an diesem Punkt von den Viktorinern: „Die einzelnen Funktionen der Schlüsselgewalt faßte Petrus Lombardus, Sent IV d.18 c.6 schulmäßig zusammen: Kraft der ‚claves‘ zeigt der Priester die von Gott gewirkte Vergebung der Sünden an; vermöge dieser Gewalt legt er die Buße auf bzw. mindert und erläßt sie durch den Ablaß […]. Anzeige und Zuspruch der von Gott vergebenen Schuld ist der kirchliche Dienst der Sündenvergebung.“ (Hödl, Scholastische Bußtheologie, 1140.) Die Viktoriner, v. a. Richard von St. Viktor (Vgl. Tractatus De potestate ligandi et solvendi, Ed. Migne, [PL 196], 1159–1178), kritisierten das deklarative Verständnis der priesterl[ichen] Vollmacht der Sündenvergebung und setzten Vergebung der Sünde und Nachlaß der ewigen Sündenstrafe durch Gott und sakramentale Lossprechung und Bußauflage durch den Priester in Zusammenhang. Zu den gen[annten] Funktionen der Schlüsselvollmacht der Kirche tritt integrierend die Fürsprache der Kirche für den Sünder. Wie kaum ein anderer Theologe hat Magister Gratianus [Corpus Iuris Canonici], Decretum, dictum post c.60 De poen. D.I [E]d. Friedberg I, 1175–1177) neben der strafsetzenden auch die fürbittende Autorität der Kirche betont.“ (Hödl, Scholastische Bußtheologie, 1140.) An die Vorstellung, dass die Kirche fürbittend für den Büßer eintritt, knüpft Hilton an.

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mer noch unruhig sei. Da die Sündenschuld vergeben sei, aber die Sündenstrafe noch verbüßt werden müsse, solle man auch über das unruhige Gewissen froh sein. Es sei eine Gelegenheit, die Strafe abzuarbeiten, die sonst noch für das Fegefeuer anstehe. Auch Sünden, an die sich der Beichtende nicht mehr erinnere, seien kein Grund zur Sorge, auch sie seien vergeben. Hiltons Ausführungen finden Widerhall in der Scale of Perfection, Buch II, Kap. 7. Das zweite Problem des Adressaten sind unzählige Gelübde, die er in der Begeisterung seiner Bekehrungserfahrung geleistet hat und nun nicht halten kann. Hilton gibt eine differenzierte Antwort. Er unterscheidet zwischen Gelübden (vota) und Vorsätzen (proposita). Gelübde werden öffentlich vor der Kirche abgelegt, Vorsätze allein mit Gott bzw. vor den Augen eines Beichtvaters. Während das Nichteinhalten eines Gelübdes eine Todsünde darstelle, sei das Nichteinhalten eines Vorsatzes in der Regel nicht einmal eine lässliche Sünde, sondern man gehe nur des Lohnes verlustig, den man bei Erfüllung hätte erwerben können. Anders sei es mit Vorsätzen, die man in einer Gefahrensituation gefasst habe. Sei man aus der Gefahr befreit, sei man an den Vorsatz gebunden wie an ein Gelübde. Der Adressat weiß, dass er durch den Ordenseintritt seine früheren Gelübde lösen kann. Hilton legt ihm dar, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, aus der Verpflichtung eines Gelübdes zu kommen, z. B. bischöflichen oder päpstlichen Dispens. Auch was Gelübde angeht, vertritt Hilton die schon aus seiner Behandlung der Beichtfrage bekannte deklaratorische Sicht. Wenn die ecclesia militans ein Gelübde löse, dann bestätige sie nur, dass es schon von der ecclesia triumphans gelöst sei. Das Gelübde beim Ordenseintritt sei ein Ausdruck der Intention, sich mit seinem ganzen Leben Gott darzubringen, und deshalb hebe dieses Gelübde auch die Gelübde auf, die nur Teilbereiche des menschlichen Lebens und der menschlichen Lebenszeit betreffen. Auf die dritte Frage, ob der Adressat in einen Orden eintreten soll, antwortet Hilton wieder sehr differenziert. Das Ordensleben hält Hilton für einen grundsätzlich guten Weg, um über die Tugenden zur Vollendung der Tugenden in der caritas fortzuschreiten. Allerdings hält er es nicht für den geeigneten Weg für alle Menschen. Hilton entfaltet, dass Menschen unterschiedliche Berufungen haben. Durch die Gnade Christi sei es auch einem aktiv lebenden Menschen möglich, zur gleichen Fülle der Gottesliebe zu gelangen wie ein Ordensmann. Vor diesem Hintergrund rät Hilton seinem Gegenüber ab, in einen Orden einzutreten. Einem Orden beizutreten, um nicht gehaltener Gelübde und Vorsätze ledig zu werden, sei keine ausreichende Motivation, und auch Angst vor Armut dürfe nicht der Antrieb sein. Zum Abschluss geht Hilton auf eine Frage ein, die angeblich einen Freund des Adressaten betrifft, die aber gut auch eine versteckt formulierte Frage des Adressaten selbst sein könnte. Der Freund des Adressaten zweifelt an der Sündenvergebung, weil er Schuld nicht wieder gutmachen kann, da ihm dazu die Mittel fehlen. Hilton kann den Adressaten beruhigen. Der Wille des Freundes, Wiedergutmachung zu leisten, reiche aus. Seine verzweifelten Zustände seien Versuchungen des Teufels und dienten letztlich seiner Reinigung von früher begangenen Sünden. Abschließend ermutigt Hilton den Adressaten anhand einer Mischung aus biblischen (v. a. paulinischen) Bildern und Topoi aus der altkirchlichen Exegese, seinen Vorsatz eines neuen Lebenswandels weiter in die Tat umzusetzen. Er solle den alten Menschen ausziehen und den neuen anlegen, er solle in Christus neue Kreatur werden. Wie

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ein alter Adler, der seinen zu lang gewordenen Schnabel an einem Felsen abschlägt und so wieder lebensfähig und „jung“ wird, so solle er sein Herz durch Reue verjüngen.205 Neu werde er durch Gottes-und Nächstenliebe. 2.2.1.6 Firmissime crede et nullatenus dubites Firmissime crede et nullatenus dubites ist lediglich in zwei Manuskripten überliefert, von denen nur eines den Text Hilton zuschreibt.206 Clark/Taylor halten an dieser Zuschreibung aufgrund inhaltlicher und stilistischer Überlegungen fest.207 Das erscheint berechtigt: es finden sich die für Hilton typischen langen Sätze, auch wenn die Syntax nicht ganz so komplex ist wie andernorts. Charakteristisch ist der Gebrauch von quoad (was … betrifft)208. Es fehlt die für die sonstigen lateinischen Schriften typische Anrede, ebenso fehlt ein Schluss. Vermutlich handelt es um einen Auschnitt eines an sich größeren Textes. Inhaltlich finden sich Überschneidungen mit der Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem: Skrupel und Zweifel im Zusammenhang mit dem Bußsakrament sollen ausgeräumt werden, der Verfasser erweist sich im beiden Texten als Kenner der Jurisprudenz. Erwähnt Hilton in der Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem juristische Standardliteratur, so spielt er mit Firmissime crede et nullatenus dubites auf das Firmissime tene et nullatenus dubites aus De Fide ad Petrum des Fulgentius von Ruspe (Pseudo-Augustinus) an. Einige Extrakte aus De fide ad Petrum, die mit dieser Formulierung beginnen, finden sich im Corpus Iuris Canonici, so dass sie Hilton darüber bekannt gewesen sein könnten.209 Das kirchenrechtliche Thema des Textausschnittes könnte erklären, warum Hilton hier – anders als in den meisten Schriften – keine biblischen Belegstellen liefert. Adressat der Schrift muss ein Priester sein, denn er soll die Messe regelmäßig feiern.210 Da der Text Verstöße gegen Universitätsstatuten oder Regeln des Colleges erwähnt211, muß er an einer Universität ausgebildet worden sein. Vielleicht handelt es sich um einen Ordensmann.212 205 Im Hintergrund steht Augustinus’ Auslegung von Ps 102,5. (Vgl. Lau, Aquila, 430.) 206 British Library, Ms. Harley 330 (mit Zuschreibung an Hilton); Cambridge University Library, MS Dd. vi 54. Der Text von Firmissime crede et nullatenus dubites und eine kurze Einleitung finden sich in Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 299 (Einleitung), 301–304 (Text). Die beiden Manuskripte bieten den Text in unterschiedlicher Ordnung. Die Ausgabe von Clark/Taylor hält sich an das ältere Manuskript der British Library. Das Cambridge University Library-Manuskript beginnt mit „Quantum ad futurum“, was der Z. 38 der Ed. Clark/Taylor entspricht; der Anfang des Textes, bei Clark/Taylor Z. 1–37, wird dann hinten angehängt. Die Anordnung des British Library-Manuskripts macht m. E. mehr Sinn, es ergibt sich dadurch eine logische Gliederung: erst werden Vergangenheit und Gegenwart bedacht, dann die Zukunft. 207 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 299. 208 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 301, Z. 4. 209 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 441, Anm. 1 mit Belegstellen. 210 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 302, Z. 35 211 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 302, Z. 33. 212 Der Text erwähnt canones und constitutiones, die nicht beachtet, Gelübde, die nicht gehalten wurden. Allerdings muss es sich dabei nicht notwendig um Ordenskonstitutionen und Mönchsgelübde halten. (Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 302, Z. 31 f.)

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Fällt der Brief in die Thurgartonzeit, was plausibel scheint, da Hilton in dieser Lebensphase als Beichtvater tätig war, dann ist er auf nach 1386 zu datieren. Ähnlich wie in Ad quemdam saeculo renunciare volentem sollen Zweifel des Adressaten bezüglich der Wirksamkeit des Bußsakramentes ausgeräumt werden. Alle im Gedächtnis präsenten Sünden, die man beichtet, seien – was die Schuld betrifft (quoad culpam) – vergeben. Reue und spezielle Buße trügen dazu bei, dass einem viel einfalle. Einzelne Sünden, die man bei der Beichte nicht extra aufzähle, weil man sich nicht mehr daran erinnere, oder Umstände von Sünden, an die man sich nicht mehr erinnere, seien durch die Reue und allgemeine Buße getilgt, und müssten nicht später noch einmal gebeichtet werden. Es reiche der Wille, alles zu beichten, was einem einfalle. Gewissensbissen, weil man denkt, man habe nicht alles gebeichtet, solle man keine Beachtung schenken, denn sie stellten eine Versuchung des Teufels dar. Gewissensbisse sollten ertragen werden, weil sie wie ein Brenneisen das Gewissen reinigten,213 solange die Sündenstrafe (pena) noch nicht aufgehoben sei. Die Gewissensbisse aus eigener Kraft loszuwerden, sei unmöglich, Gott müsse davon befreien, man könne ihn im Gebet darum bitten. Vom Teufel eingegebene Gewissensbisse dürften den Adressaten auf keinen Fall davon abhalten, die Eucharistie zu feiern, sondern wenn er sie spüre, dann bedürfe er der „Arznei der Kommunion“ besonders.214 Wenn das Herz grundsätzlich zu Gott bekehrt sei und der Adressat festen Willens sei, Gott nicht mehr durch Todsünden zu verletzen, dann könne er in Zukunft bei Übertretungen oder Unterlassungen von Dingen, an die er durch das Gesetz, die (Ordens-)Verfassung, ein Versprechen oder Gelübde gebunden sei, sicher sein, dass es sich dabei nicht um eine Todsünde handele, denn er handele darin nicht vorsätzlich. Es könne so lediglich zu lässlichen Sünden kommen, die man mit der wöchentlichen Generalbeichte auch wieder aus der Welt schaffen könne.215 2.2.2 Englische Schriften 2.2.2.1 Scale of Perfection Die Scale of Perfection216 ist eine Anleitung zum kontemplativen Leben in zwei Bänden oder Büchern. Adressatin von Buch I ist eine Einsiedlerin; es gibt schwache Hinweise, dass Hilton auch andere Kontemplative im Blick gehabt haben 213 Das „Brenneisen“ (cauterium) des Gewissens taucht auch in der Schrift Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 258, Z. 200) auf. 214 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 301–303, Z. 1–38. 215 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 303 f, Z. 39–62. 216 Die momentan beste und am einfachsten zugängliche Edition ist: Hilton, Scale, Ed. Bestul. Grundlage für die Edition des amerikanischen Anglisten Thomas Bestul ist das „common profit book“ London, Lambeth Palace, MS. 472. Bestuls Ausgabe ist eine „scribal, not an authorial edition“ (vgl. Bestul, Introduction, 8), d. h. es wird keine Rekonstruktion des ursprünglichen Hiltontexts angestrebt, sondern der Text des Lambeth Manuskripts wird mit allen Veränderungen, die der ursprüngliche Text durch den (oder die) Schreiber erfahren hat, wiedergegeben. Als Übersetzung ins moderne Englisch ist besonders empfehlenswert: Hilton, Scale, Übers. Clark/Dorward. Dt. Übersetzung: Hilton, Glaube und Erfahrung, Übers. Strakosch.

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könnte.217 Unklar ist, ob es sich um ein reales oder fiktives Gegenüber handelt. Buch II richtet sich an dieselbe Leserin wie Buch I.218 Die Scale of Perfection steht damit in der großen Tradition von Werken der geistlichen Begleitung für Reklusinnen, die teils in lateinischer Sprache, teils in den Volkssprachen überliefert sind. Berühmte Beispiele für solche Texte sind Aelreds von Rievaulx (gest. 1167) Reklusinnenregel De institutione inclusarum,219 die im 14. Jahrhundert aus dem Lateinischen ins Englische übersetzt wurde,220 Ancrene Wisse, ein schon ursprünglich volkssprachlich-englischer Text aus dem 13. Jahrhundert,221 und Richard Rolles The Form of Living222. Für den modernen Leser mit wissenschaftlichem Interesse ist die Scale of Perfection mühsame Lektüre, weil sich die Argumente häufig in Variationen wiederholen und so klare, leicht greifbare Strukturen fehlen. Anders haben das sicher die ursprünglich angesprochenen Leserinnen empfunden. Die lectio, die Lektüre biblischer Texte und geistlicher Literatur gehörte – wie bei den kontemplativen Ordensleuten – zu den täglichen Aufgaben einer Reklusin.223 Dabei las sie in Ruhe einen kleineren Abschnitt, sann darüber nach, „käute ihn wieder“ (ruminatio) und prüfte sich selbst im Licht des Gelesenen. So sind die Wiederholungen 217 Folgende Hinweise auf die Adressatin finden sich im Text: „Goostli suster in Jhesu Crist, y praye thee that in the callynge whiche oure Lord hath callyd thee to His servyse, thu holde thee paied and stond stedefastli thereinne, travailynge bisili with alle thyne myghtes of thy soule bi grace of Jhesu Crist to fullefille in sothfastnesse of gode lyvynge the staat whiche that thou hast take thee too in likenesse and in semynge. And as thu hast forsaken the world, as it were a deed man turnyd to oure Lord bodili in sight of men, right so that thyn hert myght as it were deed to alle ertheli loves and dredes, turnyd hooli to oure Lord Jhesu Crist. […] I sey not that thou so lightli on the first day may be turnyd to Hym in thi soule bi fulheed of vertues as thu may with thi bodi be speryd in an hous, but that thu schuldest knowe that the cause of thy bodili enclosynge is that thou myght the betere come to goosteli enclosynge […].“ (Scale I, Ed. Bestul, 31 f, Z. 1–20; Hervorhebungen M. Hopf) „Also thise wordis that y write to thee longen not alle to oon man whiche hath actif lif, but to thee or to anothir whiche hath the staat of liyf comtemplatif.“ (Hilton, Scale I,92, Ed. Bestul, 133, Z. 2625–2627; Hervorhebungen M. Hopf.) 218 „For as moche as thou coveitest greteli and askest it pur charité for to heere more of an image the whiche y have bifore tymes in partie discried to thee, therfore I wole glaadli with drede falle to thi desire; and […] y schal opene to thee a litil more of this image.“ (Scale II,1, Ed. Bestul, 134, Z. 3–6.) 219 De institutione inclusarum, Ed. Talbot, 637–682. Deutsche Übersetzung: Inklusenregel, Ed. Brem/Übers. Schwarzbauer, 112–193. 220 De Institutione Inclusarum, Ed. Ayto/Barratt. Zu Einleitungsfragen vgl. Lagorio/ Sargent, English Mystical Writings, 3111 f; zu Manuskripten, weiteren Editionen, Sekundärliteratur, vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3459. 221 Ancrene Wisse, Ed. Hasenfratz. Übersetzung ins moderne Englisch: Anchorite Spirituality, Übers. Savage/Watson. 222 Transkription mit Anmerkungen in: English Writings of Richard Rolle, Ed. Allen, 82– 120.153–160. Für Einleitungsfragen vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3060 f; für Hinweise zu Manuskripten, weiteren Editionen und Sekundärliteratur vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3420 f. 223 S. u. unter 2.3.2.5, S. 85 ff, für weitere Informationen zu den Reklusinnen im spätmittelalterlichen England.

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und leichten Variationen sinnvoll, weil sie zu einer vertieften Beschäftigung mit den Inhalten führen. Buch I, Kap. 15 spricht davon, dass für die Adressatin die Lektüre der Heiligen Schrift – eines der drei Mittel, zur Kontemplation zu gelangen – wegfalle, sie solle sich deshalb auf Meditation und Gebet konzentrieren. In einem Atemzug mit der Lektüre der Schrift wird weiter oben im Text auch hooli techynge224 genannt, die Werke der Kirchenväter und andere geistliche Literatur. Vermutlich konnte die Adressatin nur kein Latein, so dass für sie die lateinische Bibel und andere auf Latein verfasste Texte als Lektüre wegfielen. Wenn sie grundsätzlich lesen konnte, konnte sie sich ein volkssprachliches Werk wie die Scale of Perfection selbst erschließen. Auch wenn sie nicht lesen konnte, war der Besitz eines Buches sinnvoll. Sie konnte sich nicht nur von Besuchern daraus vorlesen lassen, sondern besaß damit auch etwas für ihre Begriffe „Heiliges“.225 Der Titel Scale of Perfection oder Ladder of Perfection geht nicht auf Hilton selbst zurück, sondern auf Schreiber bzw. Editoren. Die Hälfte der Handschriften, die Buch I überliefern, bieten diesen Titel in englischer oder lateinischer Sprache (Scala perfectionis), und davon ausgehend wurde der Titel für das aus Buch I und Buch II bestehende Gesamtwerk gebräuchlich.226 Das Bild der Leiter taucht lediglich in Buch II, Kap. 17 auf, und auch hier nur in einem Vergleich: Im geistlichen Leben verhalte es sich wie mit einer Leiter. Die unterste Stufe der Kontemplation, die „Umgestaltung im Glauben“, könne man schnell erreichen, nicht aber die „Umgestaltung im Erfahren“, die höchste Stufe. Wie bei einer Leiter sei es nicht möglich, von der untersten Sprosse gleich auf die höchste zu steigen.227 Der Titel ist wie die Bezeichnungen in anderen Manuskripten – z. B. „De vita contemplativa“ (London, British Library, MS. Add 11748) oder „Reformyng of Mannys Soule“ (London, British Library, MS. Harley 2397) – treffend, da der Weg zur Kontemplation bei Hilton als ein grundsätzlich aufsteigender Weg dargestellt ist, und er unabhängig vom Bild der Leiter von „Stufen“ u.ä. spricht.228 Als Abfassungszeitraum für die gesamte Scale of Perfection kommen v. a. die Jahre ab ca. 1380 bis ca. 1395 (Hiltons Todesjahr) in Frage.229 Die Forschung ist sich einig, dass zwischen der Abfassung von Buch I und Buch II ein zeitlicher Abstand liegen muss, und verweist auf die größere inhaltliche Tiefe und die größere Reife in der Herangehensweise in Buch II. Der Handschriftenbefund deutet darauf hin, dass Buch I unabhängig von Buch II in Umlauf war, und bestätigt die Annahme eines 224 Scale I,15, Ed. Bestul, 45, Z. 333. 225 Vgl. Erler, Devotional Literature, 498. 226 Vgl. Hussey, Text, 79. Vgl. auch J. Clark, Introduction, 19. 227 Scale II,7, Ed. Bestul, 167, Z. 880–885: „For reformynge in feith is the lowest staat of alle chosen soulis, for binethe that myght he not wel ben, but reformynge in feelynge is the highest staat in this liyf that the soule mai come to. But fro the loweste to the higheste mai not a soule sodeynli stirte, ne more than a man that wole clymbe upon an high laddre and setteth his foot upon the lowest stele mai atte the nexte fleen up to the higheste; but hym bihoveth bi processe gon oon aftir anothir, til he mai come to the overeste. Right so it is goostli […].“ 228 Vgl. J. Clark, Introduction, 19; vgl. auch Bestul, Walter Hilton, 93, und del Mastro, Stairway, 179 ff. 229 So Bestul, Introduction, 2.

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zeitlichen Abstandes zwischen der Abfassung der beiden Schriften.230 Von Buch I existieren mehr Manuskripte als von Buch II, was darauf hindeutet, dass Buch I bei den Lesern beliebter war als der Fortsetzungsteil. Die zwei Bücher von Hiltons Scale of Perfection sind formal unterschiedlich. Buch I besteht aus 92 Kapiteln; Buch II, obwohl es im Text um mehr als ein Viertel umfangreicher ist, umfasst nur 46. Es handelt sich um mehr als einen oberflächlichen Unterschied: In Buch I entwickelt Hilton seine Gedankengänge nur über einige wenige Kapitel hinweg. In Buch II reflektiert Hilton, besonders in der Buchmitte, verschiedene Aspekte des kontemplativen Lebens im fortgeschrittenen Stadium und greift Aspekte wieder auf, die er schon in Buch I untersucht hat.231 Eine grobe äußere Gliederung der Scale of Perfection ist durch die zwei Bücher vorgegeben, die selbstständige Einheiten bilden, thematisch aber verbunden sind. Hilton stellt zu Anfang von Buch II die Verbindung zu Buch I her, wenn er schreibt, dass er hier die Frage der Gottebenbildlichkeit des Menschen näher ausführen will, die er in Buch I schon berührte. Es fällt schwer, den Text inhaltlich zu gliedern, denn in beiden Büchern werden die Gedanken für unser modernes Verständnis oft recht assoziativ auseinander heraus entwickelt. Wenig Raum nehmen – im Vergleich zu anderen Reklusinnenregeln – ganz praktische Anweisungen ein, z. B. fehlen Hinweise zum Tagesablauf. Im Mittelpunkt stehen theologische Fragestellungen. An den Anfang (Kap. 1) stellt Hilton die Frage, wie der Mensch äußeres und innerlich-geistliches Leben in Einklang bringen kann, d. h. im Fall der Reklusin konkret, wie sie es schaffen kann, sich nicht nur körperlich-äußerlich von der Welt ab- und Gott zuzuwenden, sondern auch geistig und seelisch. Die Kap. 2 und 3 erläutern die zwei Lebensweisen des „aktiven“ und „kontemplativen Lebens“. Nach Hiltons Auffassung in Buch I der Scale of Perfection muß der Mensch eine dieser beiden Lebensformen wählen, um zum Heil zu gelangen.232 In Kap. 4–9 bietet Hilton nähere Ausführungen zum kontemplativen Leben, das er in drei Teile untergliedert. Er definiert das kontemplative Leben als aus „vollkommener Liebe“ (love und charité) bestehend, es werde „innerlich erfahren durch geistliche Tugenden und durch wahre Erkenntnis und Schau Gottes in geistlichen Dingen“.233 Hilton weist die Reklusin darauf hin (Kap. 10 f), dass Kontemplation nicht heißt, ekstatische körperliche Zustände, Visionen und Offenbarungen zu haben, vor solchen Zuständen warnt er geradezu. Um festzustellen, ob es dabei nicht um Eingebungen des Teufels handelt, sei Unterscheidungsvermögen (discretion) vonnöten. Kontemplation wird mit der Gleichgestaltung der Seele mit Gott gleichgesetzt (Kap. 14), die nur eintreten könne, wenn der Mensch zur Fülle der Tugenden reformiert sei und die Tugenden liebe. Hilton empfiehlt der Reklusin Meditation und Gebet, um die Tugenden zu erreichen. Meditation und Gebet trügen nur Früchte, wenn sich die Reklusin in Demut (humility), festem Glauben (feith) übe und eine feste Ausrichtung auf Gott (intention) habe (Kap. 15–23). In 230 Vgl. Bestul, Introduction, 2. 231 Vgl. Bestul, Introduction, 3. 232 Vgl. Scale I,1, Ed. Bestul, 32, Z. 23–25. 233 „Contemplatif lif is in perfight love and charité feelid inwardli bi goostli vertues and bi soothfaste knowynge and sight of God in goosteli thynges.“ (Scale I,3, Ed. Bestul, 33, Z. 43 f.)

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Kap. 24–33 stellt Hilton den Nutzen des Gebetes und verschiedene Formen des Gebetes dar und beschäftigt sich mit nichtigen Gedanken, die sich während des Gebetes aufdrängen. In Kap. 34–36 geht es um die Meditation, v. a. die Meditation der Passion Christi, und um Hindernisse beim Meditieren, um Versuchungen und darum, wie man ihnen widerstehen kann. In den Blick kommen auch Versuchungen, die dadurch entstehen, dass Gott sich scheinbar von der Seele zurückzieht (Kap. 37–41). Die Sünde, das Haupthindernis auf dem geistlichen Weg, müsse durch Introspektion und genaue Selbstprüfung erkannt und bekämpft werden. Hilton ist nun bei dem Leitmotiv, das die Scale of Perfection und auch viele seiner anderen Schriften prägt. Wenn der Mensch in sich schaut, kann er seine schöpfungsgemäße Schönheit und Würde sehen, aber auch das Elend, in das er durch die Sünde gekommen ist. Die zum Bild und Gleichnis geschaffene Seele des Menschen ist durch die Sünde, durch Selbstliebe, verdorben und ihrer Würde beraubt. Diesen Schaden gilt es zu heilen. Hilton bietet eine ausführliche Diskussion der sieben Todsünden, die man durch Beharrlichkeit (perseverance), Besonnenheit (discretion), wachsende Selbstkenntnis, die Tugenden (virtues), die Sakramente Taufe und Buße, Zusammenwirken mit der Gnade (cooperation with grace) und v. a. ein völliges Sich-Verlassen auf Christus überwinden könne (Kap. 42–93). In Buch II geht es Hilton vertieft um sein Hauptthema, die Rückgestaltung/ Wiederherstellung/Reform (reformynge) der menschlichen Seele. Die Satisfaktionslehre Anselms von Canterburys, zugespitzt auf die Ebenbildproblematik, dient Hilton als Scharnier zwischen Buch I und II der Scale (Kap. 2). Anders als in Buch I unterscheidet Hilton nun drei Phasen der Reform der menschlichen Seele: Wiederherstellung im Glauben, Wiederherstellung im Glauben und Erfahren, Wiederherstellung im Erfahren (reformynge in feith, reformynge in feith and feelynge, reformynge in feelynge). Auch den körperlichen und geistigen/geistlichen Anstrengungen, die zur Reform nötig sind, widmet sich Hilton ausführlich (Kap. 1–20). Um den Weg der Seele zur Kontemplation zu veranschaulichen, verwendet Hilton die Erzählung eines Jerusalempilgers, der ungeachtet aller Gefahren sicher an sein Ziel kommt. „Jerusalem“ steht für Hilton für den Frieden in der Kontemplation Gottes in vollkommener Liebe (contemplation in perfect love of God). Auf dem Weg dorthin sei eine firm intention, eine feste Absicht und Ausrichtung unabdingbar, die, von wahrer Demut unterstützt, Armut im Geist und Liebe (charity) hervorbringe (Kap. 21). Es träten Widernisse (deterrents) auf, nicht zuletzt die „lichte Dunkelheit“ (lighti merkenesse), der schmerzhafte Übergang der Seele vom falschen Licht der Selbstliebe ins wahre Licht der Gottesliebe (Kap. 24–27). Hilton legt die vier Arten des Liebesdienstes Jesu dar, der die Seelen umgestaltet (reformed): Berufen, Rechtfertigen, Erhöhen und Verherrlichen (callynge, rightynge, magnifyyng, and glorifyynge);234 diese vier geben auch die Struktur für den Rest des Buches vor (Kap. 28–46). Das Buch schließt mit einer bewegenden Darstellung der Macht, der Tiefe und des Wertes der göttlichen Liebe (Kap. 34–39) und der visio beatifica, soweit sie auf Erden erfahren werden kann.

234 Scale II, Ed. Bestul, 199, Z. 1776.

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Hiltons Scale of Perfection gehört, wie eingangs235 dargestellt, zu den meistgelesenen Werken des englischen Spätmittelalters. Es existieren heute noch viele Manuskripte:236 21 enthalten sowohl Buch I als auch Buch II,18 bieten nur Buch I, drei nur Buch II, sechs überliefern Auszüge. Die Überlieferungsgeschichte ist, v. a. für Buch I ungewöhnlich komplex. Deshalb gibt es bis heute keine kritische Ausgabe. Bei der Early English Text Society ist seit Jahrzehnten eine Edition in Vorbereitung, die den Urtext zu rekonstruieren versucht.237 Um 1400 wurde die Scale of Perfection vom Karmeliten Thomas Fishlake ins Lateinische übersetzt.238 2.2.2.2 Mixed Life Als Verfasser von Mixed Life239 gilt allgemein Hilton, auch wenn ihm nur drei Manuskripte den Traktat explizit zuschreiben. Es bestehen weitgehende stilistische und v. a. inhaltliche Übereinstimmungen mit dem Hauptwerk Hiltons, der Scale of Perfection.240 Mixed Life war neben der Scale of Perfection das im Mittelalter beliebteste Werk Hiltons. Das zeigt sich an der guten Überlieferungssituation: Mixed Life ist in 16 Manuskripten überliefert, hinzu kommen einige Fragmente und eine Reihe früher Drucke. Sechs Handschriften bieten eine längere Version, zehn eine kürzere. Die längere Version bietet am Anfang und Ende des Traktats (Z. 1–62 und Z. 822–839 der Ogilvie-Thomson-Ausgabe) eine Eingangs-Passage und einen Epilog, die der kürzeren fehlen. Ein von Margaret Beaufort in Auftrag gegebener Wiegendruck aus dem Jahr 1494 von Wynkyn de Worde und die Drucke aus dem 16. Jahrhundert bieten den längeren Text.241 Die Rahmenteile stehen nicht in Spannung zum übrigen Text des Traktates. Es muss hier deshalb nicht weiter auf die redaktionskritischen Fragen eingegangen werden. Ogilvie-Thomson macht in ihrer Edition keine Vorschläge zur Datierung. Clark geht davon aus, dass Mixed Life ungefähr mit Buch I der Scale of Perfection am Anfang der Thurgartoner Zeit entstanden ist.242 Die inhaltliche Lockerung gegen235 S. o. unter 1. Einleitung, S. 1–3. 236 Eine Liste mit Handschriften, Editionen, Sekundärliteratur in Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3430 ff. 237 Die Editionsarbeit für Buch I wurde nach dem Tod von A.J. Bliss von Michael Sargent übernommen. An der Edition von Buch II arbeitet Stanley Hussey. Hussey teilte mir dankenswerter Weise mit, dass die Editionsarbeit für Buch II fast beendet sei. Bei Buch I sei in nächster Zeit noch nicht mit einer Veröffentlichung zu rechnen. Die Urtextausgabe kann Hiltons Profil und die Anliegen der verschiedenen Schreiber noch schärfer erkennen lassen. Deshalb ist das Projekt zu begrüßen; fraglich ist m. E. nur, ob Arbeitsaufwand und theologischer Ertrag in angemessener Relation stehen. 238 Für einen Vergleich von lateinischer und englischer Version vgl. J. Clark, English and Latin. 239 Der Text liegt kritisch ediert vor: Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson. Der Traktat ist ins moderne Englisch übersetzt und in einer Broschurausgabe veröffentlicht: Mixed Life, Übers. Dorward. Für Informationen zu den überliefernden Manuskripten, weiteren Editionen und Sekundärliteratur s. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3076 und 3433–3435. 240 Vgl. Ogilvie-Thomson, Introduction, viii–x. 241 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3077. 242 Vgl. J. Clark, Introduction, 16.

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über der Scale of Perfection, Buch I, durch das Konzept des mixed life spricht für eine spätere Datierung. In der frühen Thurgartoner Zeit hat Hilton m. E. keinen Spielraum, was die Lebensführung angeht. Er preist in der Schrift De utilitate et prerogativis religionis den Kartäuserorden, den strengsten aller Orden, als den besten Lebensweg für den Adressaten. In Buch I der Scale of Perfection hat das kontemplative Leben qualitativ Vorrang vor dem aktiven. Erst in Buch II rückt Kontemplation als Möglichkeit für alle Lebensweisen oder Stände in den Blick Hiltons.243 Mixed Life fällt deshalb m. E. eher in die späte Thurgartonzeit – ungefähr um den Zeitpunkt der Verfassung von Buch II der Scale of Perfection. Ursprünglicher Adressat der kürzeren wie auch der längeren Version scheint eine konkrete männliche Person zu sein, die Hilton gut kannte.244 Sie hat eine leitende Funktion inne, ist sehr wohlhabend, hat wohl Familie und steht einem größeren Haushalt mit Dienerschaft vor.245 Der gute Bekannte könnte allerdings auch literarische Fiktion sein. Der längere Text liest „Dere brothir in Crist“, manche Handschriften bieten „Dere Brothir & suster“ , „Dere Brothir or suster“, bzw. „Dere Bretherne & systerne“,246 d. h. sie sprechen einen erweiterten Adressatenkreis an. Der Text ist in den verschiedenen Versionen unterschiedlich gegliedert.247 Hilton äußert eingangs seine Freude darüber, dass der Adressat sich dank der Gnade und Güte Jesu von weltlicher Eitelkeit und dem Begehen fleischlicher Sünden zurückgezogen habe und nun nach seiner Umkehr des Herzens Gott dienen und ihm gefallen wolle.248 Auf den Wunsch des Adressaten, sich ganz aus seinen Verpflichtungen und Geschäften zurückzuziehen, geht Hilton ein, indem er ihm das „gemischte Leben“ empfiehlt. Er solle sich zum einen um Haushalt, Kinder, Bedienstete, Nachbarn und Pächter kümmern, seinen Besitz pflegen und vermehren, damit er damit wieder gute Werke tun könne. Zum anderen solle er sich für Gebet und Betrachtung Zeit nehmen.249 Hilton unterscheidet grundsätzlich drei Arten der Lebensführung: das aktive, das kontemplative und das gemischte Leben. Der dritte Weg, die vita mixta, ist nach Hilton v. a. bei führenden Kirchenleuten angezeigt und bei Laien mit Verantwortung für andere.250 Darin erfüllten sie die „Ordnung der caritas“.251 Größtes Vorbild für dieses Lebensmodell ist Jesus, 243 Vgl. Scale II,27, Ed. Bestul, 196, Z. 1700–197, Z. 1708; Übers. Clark/Dorward, 245. Vgl. auch J. Clark, Action and Contemplation, 258, Anm. 3. 244 „[…] tendre affeccioun of loue whiche þou haste to me […]“ (Mixed Life, Ed. OgilvieThomson, 6, Z. 71.) 245 „[For] siþen oure lord haþ ordeyned þee and sette þe in þe staat of souuereynte ouer oþir men as moche as it is, and lente þe habundaunce of worldeli goodis for to rulen and sustene speciali alle þise þat arn vndir þi gouernaunce and þi lordschipe […].“ (Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 22 f, Z. 241–245.) 246 Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 1, Apparat zu Z. 1. 247 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3076 f. 248 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 6, Z. 63 ff. 249 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 9, Z. 89; Übers. Dorward, 6, Kap. 2. 250 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 11, Z. 119 ff; Übers. Dorward, 7 f, Kap. 4., vgl. auch Ed. Ogilvie-Thomson, 17, Z. 177 ff. 251 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 8, Z. 82 mit dazugehöriger Anmerkung, auch Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 11, Z. 116 und Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 24, Z. 258–265.

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aber auch Bischöfe werden angeführt.252 Mit ihrer Zweiteilung des Lebens praktizierten sie wahre charité. Durch die Werke des aktiven Lebens erfüllten sie den niedrigeren Teil der charité, sonst den höheren.253 Bei Menschen, die keine administrativen Verpflichtungen haben, hält Hilton die vita contemplativa für verdienstvoller.254 Hilton plädiert dafür, den aktiven Teil des gemischten Lebens nicht geringer zu achten als den kontemplativen. Es gehe immer darum, Gott zu ehren. Hilton führt diesen Gedanken anhand des Bildes von der Kirche als Leib Christi ein: Es gehe nicht nur darum, den Kopf zu schmücken, sondern auch darum, die Füße zu waschen und zu bekleiden.255 Hilton rät dem Adressaten, wie der biblische Jakob das kontemplative und das aktive Leben, für das Rachel und Lea stehen, zu wählen. Er interpretiert die biblischen Gestalten ausgehend von etymologischen Beobachtungen: In der Heiligen Schrift bedeutet „Jakob“ „ein Sündenüberwinder“ […]. „Lea“ hat die Bedeutung „mühselig“; sie steht für das aktive Leben. „Rachel“ bezeichnet „die Schau des Ursprungs“, d. h. Gottes; sie steht für das kontemplative Leben. […] Und dann wirst du ein „Jakob“ sein, der alle Sünden überwindet und besiegt. Dann wird dein Name durch die Gnade Gottes zu „Israel“ geändert wie bei Jakob. „Israel“, das heißt „der Gott Schauende“.256

Zum Schauen könne er noch im irdischen Leben gelangen, wenn ihn Gott von seinen weltlichen Verpflichtungen befreie, sonst einst in der himmlischen Herrlichkeit. Er solle jederzeit bereit sein, die Kontemplation zu verlassen und aktiv tätig zu werden, wenn das Wohl der Nächsten, für die er verantwortlich sei, es erfordere.257 Die aktiven Anteile des Lebens seien nicht nur störend, sondern wesentlich, um das Verlangen nach Gott zu fördern. Bei unterschiedlichen Menschen werde die Gottesliebe und das Verlangen nach Gott auf unterschiedliche Weise genährt. Bei Gebildeten durch die Heilige Schrift und theologische Werke, bei weniger Gebildeten durch praktische gute Werke für den Nächsten. Wesentlich sei, dass sie genährt würden, denn sonst erlöschten sie.258 Hilton geht auf Übungen ein, die das Verlangen nach Gott anfachen: Gleich nach dem Aufwachen, solle man sich auf Gott ausrichten; Hilton empfiehlt mitleidvolles Bedenken der Sünden des Nächsten, die man im Fürbittgebet vor Gott bringt, Betrachtung der Menschheit Christi, das Nachdenken über Tugenden, das Gedenken der Heilige, das Betrachten der Liebe des Herrn, eine gedankliche 252 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 17–19, Z. 77–206. 253 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 19–20, Z. 206–210; Mixed Life, Übers. Dorward, 8–10, Kap. 5. 254 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 21 f, Z. 227–237; Mixed Life, Übers. Dorward, 10 f, Kap. 6 und 7. 255 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 24–27, Z. 265–305; Mixed Life, Übers. Dorward, 11 f, Kap. 8. 256 Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 30–33, Z. 338–372. 257 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 33 f, Z. 273–394; Mixed Life, Übers. Dorward, 15, Kap. 11. 258 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 35–37, Z. 395–426; Mixed Life, Übers. Dorward, 16 f, Kap. 12 und 13; vgl. auch Mixed Life, Übers. Dorward, 33, Anm. 29.

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Gegenüberstellung des Elends der Welt und der himmlischen Freuden.259 Bei diesen Übungen ist nach Hilton aber Behutsamkeit und Unterscheidung von Nöten: Es nütze nichts, sich zu sehr dazu zu zwingen. Wenn man nicht an Gott denken oder über ihn nachsinnen könne, dann sei es besser, ein Vaterunser oder Ave Maria zu sprechen, im Stundenbuch zu lesen oder einen Psalm zu sprechen, als sich selbst zu überwinden zu versuchen.260 Hilton rät dem Adressaten, Phasen der Andacht, wenn es Zeit sei, abzubrechen, damit er sich nicht übernehme und plädiert dafür, Essens- und Schlafenszeiten nach Möglichkeit einzuhalten.261 Er möge mit der Erfahrung des Verlangens nach Gott zunächst zufrieden sein und nicht zu sehr mit eigener Kraft nach Erkenntnis Gottes suchen. Sonst falle er leicht dem Irrtum anheim.262 2.2.2.3 Kommentar zu Ps 90 Qui habitat Der Text ist in sechs Manuskripten überliefert.263 Es handelt sich bei der von der Forschung knapp Qui habitat264 genannten Schrift um eine Auslegung von Ps 90, die Vers für Vers vorgeht. Sprecherwechsel im Psalmtext werden in der Auslegung gespiegelt. Das „Ich“ der Auslegung beschreibt seine Flucht aus der Welt, um in der Einsamkeit Einheit mit Gott zu finden, und schildert Sünden und Versuchungen und ihre Überwindung auf dem Weg zur Kontemplation. Ausgehend vom Vers „A sagitta volante in die, a negocio per-ambulante in tenebris: ab in-cursu, & a demonio meridiano“265 (Ps 90,6) wendet sich Hilton den vier Versuchungen zu, denen eine Seele ausgesetzt ist, die sich neu Gott zugewendet hat: der nächtlichen Furcht,266 dem Pfeil, der tagsüber fliegt – von Hilton identifiziert als eitle Ruhmsucht (veyn-glorie) –,267 Heuchelei,268 Ansturm (in-rennynge)269. Die fünfte Versuchung, der Mittagsteufel (midday fend), bedrohe Menschen, die den Stand der Vollkommenheit fast erreicht haben. Er gaukele ihnen vor, die Kontemplation und die vollkommene Liebe erreicht zu haben. Sie bildeten sich dann ein, so in der Gnade zu stehen, dass sie nicht mehr sündigen könnten. Daraus entwickelten sich manchmal Irrtum und Häresie. Der Mittagsteufel sei daran zu erkennen, dass er sich zwischen „zwei Wolken“ zeige, als als „Freiheit des Geistes“ getarnte Überheblichkeit 259 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 37–61, Z. 427–740; Mixed Life, Übers. Dorward, 22–26, Kap. 18–25. 260 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 61 f, Z. 741–752; Mixed Life, Übers. Dorward, 27, Kap. 26. 261 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 65, Z. 781–794; Mixed Life, Übers. Dorward, 28, Kap. 27. 262 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 65–69, Z. 795–841; Mixed Life, Übers. Dorward, 29, Kap. 28. 263 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3436 für eine Auflistung der Handschriften und Sekundärliteratur. 264 Für eine kritische Ausgabe vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 1–50; für eine modernisierte Version des Textes vgl. Minor Works, Ed. Jones, 115–168. 265 Qui habitat, Ed. Wallner, 17, Z. 1 f. 266 Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 15, Z. 4–16, Z. 15. 267 Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 17, Z. 5–18, Z. 5. 268 Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 18, Z. 6–20, Z. 9. 269 Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 20, Z. 10–21, Z. 4.

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und Geringschätzung der Mitchristen. Demut könne vor ihm bewahren.270 Die fünf Arten der Versuchung, denen man ausgesetzt sei, wenn man sich ganz auf die Gottesliebe konzentriere, hätten tausende von anderen im Gefolge, führt Hilton zum Vers „Cadent a latere tuo mille, & decem milia a dextris tuis: ad te autem non appropinquabunt“271 (Ps 90,7) aus, Regungen wie Zorn, Neid, Ungeduld, Faulheit, Hochmut, eitle Ruhmsucht, Völlerei, Unkeuschheit.272 Den Vers „Verumptamen oculis tuis considerabis: et retribucionem peccatorum videbis“ (Ps 90,8) nimmt Hilton zum Ausgangspunkt, um zu entfalten, was derjenige geistlich schaut, der reinen Herzens ist und dessen inneres Auge durch die Gnade geöffnet ist: Gott in seinen Werken. z. B. in seinem rettenden Handeln, wenn er Menschen in Versuchung führt, um sie zu läutern, wenn er Tugenden in die Seele gibt, wenn er den moralischen und mystischen Sinn der Schrift erschließt. Und ein wenig auch Gott in seiner Natur, jedoch nur im Schatten.273 Mit dem geistlichen Auge schaue die Seele das Jüngste Gericht voraus.274 Das „Ich“ schöpft Zuversicht aus der Einsicht, dass keine Natur Gott näher ist als seine. Denn durch seine Gnade könne Gott in die Substanz der Seele eindringen und das „Ich“ zum Guten willig und fähig machen.275 Das „Ich“ will Gott in der eigenen Seele suchen.276 Ausgehend von „Non acceded ad te malum: & flagellum non a(p)propinquabit in tabern(a)culo tuo“277 (Ps 90,10) stellt Hilton sein augustinisch geprägtes Verständnis von Sünde (malum) vor: Sünde sei Trennung von Gott, sei Hochmut, in dem der Mensch sich auf sich selbst verlasse und Gott hinter sich lasse. Hochmut sei der Anfang der Sünde, denn er mache anfällig für eitle Furcht und eitle Liebe vergänglicher Dinge. Angesichts dieser Bedrohung solle der Gott Liebende sich die Vergänglichkeit all dieser Dinge in Erinnerung rufen, sich in seinem Herzen arm machen, sich darin zurückziehen und die Fenster der körperlichen Sinne verschließen. Er solle Gott inständig und wiederholt um seine Gnade bitten, bis er spüre, dass das Gewissen gereinigt und das geistliche Auge zur Schau Gottes geöffnet werde. Dann sei er in seinem tabernaculum, seiner Zufluchtstätte. Während dieses Zustandes könnten einem böse Regungen und Sünden und der Teufel – so legt Hilton flagellum aus – nichts anhaben. Bei der Auslegung von „Quoniam in me speravit, liberabo eum: protegam eum, quoniam cognouit nomen meum“278 (Ps 90,14) wechselt Hilton den Sprecher wie der Psalm. Gott/Christus sagt in der Auslegung nun zu, dass er den, der allein auf ihn hofft, von seinen Feinden erretten werde, ihn mit den Gaben des Heiligen Geistes ausstatten und ihn zur Gottesliebe frei und willens machen werde. Grund für das Eintreten für den Beter sei, dass dieser seinen Namen kenne. Hilton unterscheidet zwischen Menschen, die den Namen gar nicht kennen, (den die Welt Liebenden), und zwischen denen, die ihn halb und ganz kennen. 270 271 272 273 274 275 276 277 278

Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 21, Z. 5–23, Z. 12. Qui habitat, Ed. Wallner, 23, Z. 13 f. Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 23, Z. 17–25, Z. 11. Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 26, Z. 1–28, Z. 9. Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 28, Z. 10–15. Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 31, Z. 3–9. Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 32, Z. 1–5. Qui habitat, Ed. Wallner, 32, Z. 9 f. Qui habitat, Ed. Wallner, 43, Z. 7 f.

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Die, die ihn nur halb kennen, denken nur an die Menschheit Christi und sind deshalb Anfänger in der Liebe. Wer erkennt, dass Christus Gott und Mensch ist, kennt ihn kraft des Lichtes der Gnade ganz. Christus markiere den, der ihn liebe, mit seinem Namen „Jesus“, der „der Retter“ bedeute.279 Das ganze Leben des Gott Liebenden sei ein Rufen zu Gott und Bitten allein um Gott, führt Hilton anhand des Verses „Clamavit ad me, & ego exaudiam eum: cum ipso sum in tribulacione: eripiam eum & glorificabo eum“280 (Ps 90,15) aus.281 Der Gott Liebende sei ständig in Anfechtung, denn je tröstlicher er die Liebe Gottes erfahre, desto schmerzhafter treffe ihn alle Liebe, die der Liebe Gottes entgegenstehe. Da er jeden Tag mit Sünde konfrontiert sei, sei er bis zu seinem Tod immer der Anfechtung (tribulacion) ausgesetzt.282 Während Gott dem Menschen „unter einem Schleier der Ähnlichkeit“ nur so viel von sich zeige, dass er die Liebe des Menschen errege, zeige er in der Ewigkeit sein Heil offen, d. h. Jesus bzw. sich selbst, legt Hilton „In longitudine dierum ad-implebo eum: & ostendam illi salutare meum“283 (Ps 90,16) aus. Äußere Zuschreibungen fehlen für den Kommentar zu Ps 90, er wird allerdings in Handschriften zusammen mit Hilton zugeschriebenen Werken überliefert. Für Hilton als Verfasser sprechen insbesondere die inneren Merkmale. Viele der Kernthemen und -ideen Hiltons kommen im Text vor: Die Sündenlehre passt ganz zu Hilton (superbia als Ursprungssünde, Nennung aller Todsünden, Augustinsche Vorstellung von Sünde als Abwendung von Gott und Selbstgenügsamkeit des Menschen). Auch stilistisch passt der Text mit seinen Zitaten in Originalsprache und Übersetzung sowie der Berufung auf andere Schriftstellen und theologische Autoritäten sowie durch seine durchgängig bildhafte Sprache zu Hilton. John Clark hat im Detail Gemeinsamkeiten zwischen dem Kommentar zu Ps 90 Qui habitat und Buch II der Scale of Perfection herausgearbeitet.284 Beide Texte greifen stark auf Bernhard von Clairvaux zurück. Es ist m. E. am wahrscheinlichsten, dass der Text in Hiltons Thurgartoner Zeit verfasst wurde, als Hilton Ps 90 regelmäßig in der Komplet betete. Die theologischen Übereinstimmungen v. a. mit Buch II der Scale of Perfection legen eine Abfassung Mitte der 90er Jahre nahe. Adressaten werden nicht ausdrücklich genannt, vielleicht diente der Text der Instruktion jüngerer Mitbrüder. 2.2.2.4 Kommentar zu Ps 91 Bonum Est Beim Kommentar zu Ps 91 Bonum Est285 handelt sich um eine „Vers für Vers“Auslegung von Psalm 91. Der Verfasser zitiert zunächst einen Vers, übersetzt ihn ins Englische und legt ihn dann aus. Anhand des ersten Verses „Bonum est confiteri domino: & psallere nomini tuo, altissime“286 (Ps 91,1) wird der Wert der Beichte 279 Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 43, Z. 10–45, Z. 18. 280 Qui habitat, Ed. Wallner, 45, Z. 19 f. 281 Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 46, Z. 3– 47, Z. 6. 282 Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 47, Z. 7– 48, Z. 13. 283 Qui habitat, Ed. Wallner, 48, Z. 14 f. 284 Vgl. J.Clark, Psalm Commentary Qui habitat. 285 Für eine kritische Ausgabe mit Anmerkungen vgl. Bonum Est, Ed. Wallner, 51–105; für eine modernisierte Version des Textes vgl. Minor Works, Ed. Jones, 171–213. 286 Bonum Est, Ed. Wallner, 51, Z. 1 f.

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gerühmt und ein deklaratorisches Verständnis des kirchlichen Bußsakramentes entfaltet.287 Diese Gedanken werden in der Auslegung des Verses „Ad annunciandum mane misericordiam tuam: & veritatem tuam per noctem“288 (Ps 91,2) weitergeführt. Bei der Auslegung des zweiten Halbverses geht Hilton auf die Erfahrung der „Dunkelheit“ ein, durch die der Mensch auf dem Weg von der Weltliebe zur Gottesliebe hindurch muss. Der Mensch empfinde darin, dass ihm die Gnade entzogen sei. Der Gerechte falle nicht in die Liebe zur Welt zurück, sondern er harre in der Dunkelheit aus, bis ihm die Gnade in einer anderen Weise wieder geschenkt werde.289 „In decacordo psalterio: cum cantico in cithara“290 (Ps 91,4) wird im Hinblick auf das Thema Weltliebe–Gottesliebe ausgelegt. Charité sei das Lied, das er mit der „Harfe der Keuschheit“, d. h. mit der Aufgabe der weltlichen Lust singe. Derjenige liebe Gott am meisten, der durch die Gnade den weitesten Abstand von der Liebe zur Welt habe.291 Der Grund des Lobes sei die Erschaffung des Beters zum „Bild und Gleichnis“ Gottes, wodurch er weiß, dass er Gottes teilhaftig werden kann („[…] ffor bi þat haue I knowyng þat i am takable of þe […]“292) wird der Vers „Quia delectasti me, in factura tua: in operibus manuum tuarum exultabo“293 (Ps 91,5) interpretiert. Der reinen, keuschen Seele sei es eine Freude, Gott zuerst mittels seiner Werke zu erkennen und zu lieben, um ihn dann auf einer höheren Stufe unmittelbar zu lieben. Die Gnade bewirke beides.294 Der Gerechte sei wie eine Palme: Unten, wo er in der Welt stehe, dünn, oben, in der Gottesliebe, ausladend und mit Früchten behangen, wird „Iustus ut palma florebit: sicut cedrus libani multiplicabitur“295 (Ps 91,13) exegetisiert. Er verteile seine Liebe an die Mitchristen, trage Früchte der guten Werke, blühe durch Gnade in den Tugenden.296 Der Libanon sei die Kirche, die „weiß vor Gnade“ sei. In ihr überwinterten die Gerechten mit Hilfe der Sakramente, um in der himmlischen Herrlichkeit zu grünen, so die Deutung von „Plantati in domo domini: in atriis domus dei nostri florebunt“ (Ps 91,14).297 Der Kommentar zu Ps 91 Bonum Est wird in sechs der sieben Manuskripte zusammen mit dem Kommentar zu Ps 90 Qui habitat überliefert. Die Zuschreibung an Hilton ist äußerlich unklar und umstritten.298 Der Psalmenkommentar ist einerseits inhaltlich mit Hiltons Linie vereinbar, bestimmte Passagen können sogar als typisch für Hilton gelten. Dazu zählt die Konzentration auf das Bußsakrament, besonders die Exegese von Vers 1, wo die deklaratorische Sicht vertreten wird. Typisch für Hilton ist auch die Vorstellung der Dunkelheit beim Übergang von der 287 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298

Vgl. Bonum Est, Ed. Wallner, 51, Z. 4–52, Z. 13. S. o. S. 45 mit Anm. 204. Bonum Est, Ed. Wallner, 54, Z. 5 f. Vgl. Bonum Est, Ed. Wallner, 54, Z. 7–57, Z. 10. Bonum Est, Ed. Wallner, 57, Z. 11 f. Vgl. Bonum Est, Ed. Wallner, 59, Z. 1– 60, Z. 9. Bonum Est, Ed. Wallner, 61, Z. 1 f. Bonum Est, Ed. Wallner, 60, Z. 10 f. Vgl. Bonum Est, Ed. Wallner, 61, Z. 5–62, Z. 6. Bonum Est, Ed. Wallner, 83, Z. 6–8. Vgl. Bonum Est, Ed. Wallner, 83, Z. 9–85, Z. 2. Vgl. Bonum Est, Ed. Wallner, 86, Z. 8–88, Z. 9. Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3079 f.

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Weltliebe zur Gottesliebe. Rhetorisch charakteristisch ist die klimaktische Formulierung, mit der das Vertrauen in Gottes Barmherzigkeit zum Ausdruck gebracht wird.299 Andererseits legt der Verfasser des Kommentars zum Psalm 91 Bonum Est Bilder in für Hilton ungewohnter Weise aus, z. B. in den Passagen über die Palme. Er bleibt für Hilton ungewöhnlich nah am Bild. Hilton zieht in seiner Auslegung meist weitere Bibelstellen heran oder beruft sich auf Autoritäten wie Kirchenväter. Das geschieht im Kommentar zu Ps 91 Bonum Est nur im Ausnahmefall. Nach John P.H. Clark handelt es sich bei den Übereinstimmungen nur um theologische Allgemeinplätze. Es wird offen bleiben müssen, ob Hilton der Verfasser ist.300 Geht man von einer Verfasserschaft Hiltons aus, kämen bei der Datierung wie beim Kommentar zum Benedictus wohl am ehesten die Thurgartoner Jahre in Frage.301 2.2.2.5 Kommentar zum Benedictus Der Kommentar zum Benedictus ist in zwei Handschriften überliefert.302 Der Verfasser des Textes geht den Lobgesang des Zacharias, den neutestamentlichen „Psalm“ in Lk 1,68–80, Vers für Vers durch. Die vorausgehenden Verse, in denen der Evangelist einführend von Zacharias, seiner Frau und ihrem Sohn erzählt, werden mit in die Auslegung einbezogen. Zunächst wird eine Sinneinheit lateinisch zitiert und ganz ins Englische übersetzt. Aus dieser Übersetzung greift der Verfasser einzelne Begriffe heraus und hängt daran seine Auslegung auf. Der Text ist in zwei Handschriften aus dem 15. Jahrhundert überliefert und begegnet noch in einem Fragment.303 Das Thema der Erfüllung des Gesetzes in Christus, wie von den Propheten bis zu Johannes dem Täufer304 vorhergesagt, prägt den Text. Der Verfasser streift die Vorstellungen vom Loskauf des Menschen aus dem Besitz des Teufels durch Christus305 und der Höllenfahrt Christi306. Er betont die Voraussetzung der Kirchenzugehörigkeit in Glaube, Liebe und Hoffnung für den Gnadenempfang,307 der vor der Anfechtung durch Versuchungen und Sünde schütze. 299 Vgl. Bonum Est, Ed. Wallner, 79, Z. 10–80, Z. 1. 300 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3079 f. 301 Wallner geht ebenfalls von einer Datierung auf die Thurgartoner Jahre aus. Er setzt den Eintritt Hiltons in Thurgarton schon früher an als die vorliegende Arbeit: auf nach 1375. Die wohl älteste Handschrift, die den Text überliefert, Oxford, Bodleian Library, MS. Vernon Eng. Poet. a.1, sei vielleicht schon 1380 entstanden. Da die Datierung von Handschriften, wenn im Manuskript selbst keine Angaben gemacht werden, eine unsichere Sache ist, und Abweichungen von ein paar Jahren die Regel sind, gibt es m. E. keinen Anlass, von der Rekonstruktion des Lebens Hiltons durch Clark, dem diese Arbeit im Wesentlichen folgt, abzuweichen. (Vgl. Wallner, Introduction [1954], XLIV). 302 Vgl. Benedictus, Ed. Wallner. Basistext der Edition mit Einleitung, Anmerkungen und Glossar ist London, Lambeth Palace, MS. 472, im Apparat finden sich die Varianten aus der Handschrift Newcastle-upon-Tyne, Public Libray, Thomlinson Section [die MS.-Nr. ist in der Edition nicht angegeben]; gelegentlich wurde der Text emendiert. Eine modernisierte Ausgabe auf der Basis lediglich des Lambeth Manuskripts findet sich in: Minor Works, Ed. Jones, 217–232. 303 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3081 f und 3437. 304 Vgl. z. B. Benedictus, Ed. Wallner, 15, Z. 1–15. 305 Vgl. Benedictus, Ed. Wallner, 4, Z. 5–20. 306 Vgl. Benedictus, Ed. Wallner, 8, Z. 10 f. 307 Vgl. Benedictus, Ed. Wallner, 5, Z. 15–6, Z. 8.

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Die Kontemplation kommt nur in der Auslegung des ersten Verses in den Blick: „Benedictus dominus deus Israel, quia visitauit & fecit redempcionem plebis suae“308: Bei „der Herr Gott Israels“ wird zwischen erwählten Seelen, die Gott in Wahrheit schauen und ihn lieben und ihn begehren, und für die er deshalb „Gott“ sei, und Menschen und Teufeln differenziert, für die er bloß „Herr“ sei, weil sie ihn nicht liebten.309 London, Lambeth Palace, MS. 472, schreibt den Benedictus-Kommentar in einem sekundären Inhaltsverzeichnis (fol. 1r) Hilton zu. Er wird dort wie die Kommentare zu Ps 90 und 91 unter „Verschiedene Predigten“ (Divers Sermons) subsummiert.310 Dorothy Jones stützt ihre Zuschreibung an Hilton v. a. auf inhaltliche Übereinstimmungen zwischen dem Kommentar zum Benedictus und Hilton sicher zuschreibbaren Werken. Evelyn Underhill und Eric Colledge bestreiten die Autorenschaft Hiltons.311 Wallner lässt die Frage offen: „The author of the tract seems to have lived in the latter part of the 14th century, and for all we know […] he may have been identical with Walter Hilton, a canon of Thurgarton, Nottinghamshire, best known as the author of the Scale of Perfection.“312 Dass der Kommentar zum Benedictus im Lambeth-Manuskript mit anderen Werken Hiltons überliefert ist, muss nicht für Hilton sprechen, denn eine andere wichtige Handschrift überliefert den Text mit Werken Richard Rolles.313 Untypisch für Hilton ist, dass kein Adressat genannt ist, typische Stilfiguren wie rhetorische Fragen, klimaktische Redeweise und Gebrauch von Synonymen fehlen. Verweise auf Autoritäten und andere biblische Schriften sind nicht vorhanden. Die Frage der Zuschreibung ist m. E. nicht drängend, da der Benedictus-Kommentar kein theologisch originelles Werk ist. Ginge man von der Verfasserschaft Hiltons aus, würde sich die Frage nach der Verortung der Schrift in Hiltons Vita stellen. Da das Benedictus Teil des Stundengebetes ist und täglich morgens in der Laudes vorkommt, würde eine Abfassungszeit naheliegen, in der Hilton regelmäßig die Stundengebete las. Das war spätestens mit seinem Eintritt in Thurgarton, d. h. ab 1386 der Fall. 2.2.2.6 Of Angels’ Song Der Brief Of Angels’ Song,314 der traktathaften Charakter hat, ist an eine männliche Person gerichtet. Wie bei anderen Schriften Hiltons ist unklar, ob es sich um ein 308 Benedictus, Ed. Wallner, 3, Z. 1 f. 309 Vgl. Benedictus, Ed. Wallner, 4, Z. 1–4. 310 Vgl. Wallner, Introduction (1957), VIII. 311 Vgl. Wallner, Introduction (1957), XII. 312 Wallner, Introduction (1957), XXX. Vgl. auch Wallner, Introduction (1957), 19 f, Anm. 7/9–11. 313 Vgl. Wallner, Introduction, (1957), XII. 314 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3435 für die überliefernden Manuskripte. Der Text ist als Transkription des Manuskripts London, British Library, MS. Add. 27592 ediert: Of Angels’ Song, Ed. Takamiya. Eine ältere Edition nach Cambridge University Library, MS. Dd V.55, und Lincoln, Cathedral Chapter Library, MS. 91 (= MS. Thornton): Of Angels’ Song, Ed. Horstmann. Es gibt Übersetzungen ins moderne Englisch, ins Deutsche und Französische (s. Literaturverzeichnis unter 1.1.2.2, S. 211).

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reales oder ein fiktives Gegenüber handelt. Hilton nimmt in der Einleitung auf ein Gespräch Bezug, in dem der Adressat um Informationen über den „Gesang der Engel“ und „himmlische Klänge“ gebeten habe. In Of Angels’ Song kommen alle für Hiltons Werk zentralen Themen vor, wodurch die Zuordnung zum Kanon der Hilton-Schriften eindeutig vorgenommen werden kann:315 das Ziel des christlichen Lebens nämlich, die Vollkommenheit, die in der unio des Menschen mit Gott in vollkommener Liebe besteht, und die mit der Vervollkommnung des Menschen einhergehende Reform der Seele zum Bild und Gleichnis Gottes durch die Gnade.316 Die Gnade (charité) verändere den Menschen so, dass er auch in der sinnlichen Erfahrung noch Gott erfahre. Wenn die grundsätzliche Ausrichtung stimme, dann höre, sehe und schmecke der Mensch auch mit den körperlichen Sinnen geistlich. In der Kontemplation sei es möglich, „Engelsgesang“ zu hören. Dieser Gesang sei aber zweitrangig, denn in der unio gehe es um die Liebe Gottes für sich selbst und um seiner selbst willen. Engelsgesang zu hören sei Ausdruck eines Überflusses an charité; man könne dies nicht eigenmächtig herbeiführen. Was man herbeizwinge, sei ein Produkt der Fantasie. Beim Herzensgebet, wenn der Name Jesu ständig wiederholt werde, werde „Gesang der Seele“ und nicht „Engelsgesang“ ausgelöst. Das Phänomen dürfe nicht überbewertet werden.317 Am Ende des Traktates hält Hilton fest, dass ihm ein Leben im Glauben und nicht im Erfahren („in trouthe principali, & nouȝt in felynge“318) grundsätzlich ausreicht. Durch die inhaltliche Nähe zu beiden Büchern der Scale of Perfection legt sich eine Datierung auf Hiltons Zeit in Thurgarton nahe. Eine nähere Datierung ist schwierig.319 2.2.3 Hiltons Übersetzungen 2.2.3.1 Eight Chapters on Perfection Die Eight Chapters of Perfection320 sind in zwölf Manuskripten überliefert, davon bieten sieben den vollständigen Text.321 Einige Manuskripte bezeugen im Incipit bzw. Kolophon, dass die Eight Chapters of Perfection in einem Buch des „Magisters 315 So auch J. Clark, Problem, 22–24. Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3078 zum abweichenden Urteil der inzwischen als überholt geltenden älteren Forschung. 316 Vgl. Of Angels’ Song, Ed. Horstmann, 175; vgl. auch Angels’ Song, Übers. Dorward, 15 f. 317 Vgl. Of Angels’ Song, Ed. Horstmann, 177 ff, vgl. auch Angels’ Song, Übers. Dorward, 17 f. 318 Of Angels’ Song, Ed. Horstmann, 182. 319 So auch J. Clark, Introduction, 16. 320 Für eine kritische Edition mit Einführung, Anmerkungen und Glossar vgl. Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa. Die Einleitung berücksichtigt nur Fragen der Textüberlieferung. Fragen bezügl. Verfasser, Datierung und Inhalt werden nicht geklärt. Für weitere Editionen s. Literaturverzeichnis unter 1.1.2.1. Auf der Basis des von Kuriygawa edierten Textes enstand die neuenglische Übersetzung: 8 Chapters on Perfection, Übers. Dorward. 321 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3435.

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Lowys de Fontibus“ „gefunden“ und von Walter Hilton ins Englische übertragen wurden.322 Die frühe Forschung nahm zunächst an, dass „de Fontibus“ sich auf die Zisterze „Fountains Abbey“ in Yorkshire bezieht. Heute geht man davon aus, dass „de Fontibus“ ein Familienname ist. Ein Aragonesischer Franziskaner dieses Namens ist in Cambridge nachgewiesen, er las 1383 die Sentenzen. Ausgehend von einem durchschnittlichen universitären Werdegang, lässt sich seine zweijährige regency als Magister oder Doktor der Theologie auf 1392/93 bzw. 1393/94 ansetzen.323 Da der Kolophon Louis als „Magister“ bezeichnet, geht Clark davon aus, dass Hilton das Buch nach Louis’ Weggang aus Cambridge bekam, d. h. frühestens 1393, wenn man eine vollständige Zeit der regency annimmt.324 Das lateinische Original ist bislang nicht gefunden worden, so dass kein Urteil über Hiltons Übersetzungsleistung möglich ist. Es ist unklar, ob Hilton den gesamten Text in der vorgefundenen Reihenfolge übersetzt hat oder ob er einzelne Kapitel herausgegriffen hat. Letzteres scheint eher der Fall zu sein, denn von den in Kap. 1 angekündigten drei Zeichen der Liebe wird nur eines vorgestellt, außerdem gibt es zwischen Kap. 1 und 2 weitere Brüche. Kap. 8 greift mit dem Thema Gefährdung der geistlichen Liebe ein schon vorher behandeltes Thema auf und vertieft es. Die Sprünge könnten allerdings auch schon im Original vorgelegen haben.325 Es handelt sich bei den Adressaten um Ordensleute.326 Bei den spätmittelalterlichen Lesern fanden besonders die Kap. 5 und 8 Anklang. Drei der unvollständigen Manuskripte bieten diese zwei Kapitel. Kap. 8 wurde auch separat abgeschrieben.327 Der Text setzt in Kap. 1 unvermittelt mit der Ankündigung ein, drei „Zeichen der Liebe“ (tokene of love)328 zu beschreiben. Das erste Zeichen bestehe darin, dass der Liebende seinen Willen dem des Geliebten unterordne, was sich folgendermaßen äußere: Sei der Geliebte arm, niedrig und verachtet, begehre der Liebende dasselbe auch für sich; er verlasse alles, was der Liebe im Wege stehe, und offenbare dem Geliebten alles, was ihn im Herzen bewege. Dieses wechselseitige Öffnen des Herzens verbinde die Liebenden. Zwischen Kap. 1 und 2 sind thematische und strukturelle Brüche auszumachen. Thema ist das Verhalten, wenn die Andacht (devocioun) entzogen ist und Versuchungen den Menschen bedrängen. Beharrlichkeit im Gebet und Beichte werden empfohlen.329 Bei Anfechtungen sei hilfreich, 322 Vgl. Eight Chapters Of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, Appendix I, 35 f, für eine Synopse der Incipits und des Kolophons, die diesbezüglich Aussagen treffen. Lagorio/Sargent gehen davon aus, dass Louis der Verfasser des Textes ist (vgl. Lagorio/ Sargent, English Mystical Writings, 3078); möglich wäre auch, dass Louis ein Buch besaß, das die lateinischen Eight Chapters on Perfection einer dritten Person enthielt, er muss nicht notwendigerweise selbst der Autor gewesen sein (so J. Clark, Introduction, 17). 323 So J. Clark, Introduction, 17. 324 J. Clark, Introduction, 17. 325 Vgl. Dorward, Translator’s Preface, iii f. 326 Vgl. Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 35 f. 327 London, British Library MS Add 60577, bietet nur Kap. 8. Für eine Transkription vgl. Toshiyuki Takamiya, A New Manuscript. 328 Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 1, Z. 2. 329 Vgl. Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 7 f, Z. 113–116.

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sich das Leben Jesu vor Augen zu halten. Anfechtung und Krankheit gestalteten die Seele Christus gleich.330 In Kap. 3 wird zur sorgfältigen Auswahl von Freunden ermahnt, Unterscheidungsgabe sei vonnöten. Kriterium bei der Auswahl sei die Ähnlichkeit mit Christus, die man im Gebet erkenne.331 Der Text warnt vor Personen, die davon sprechen, den Geist der Freiheit zu besitzen.332 Kap. 4 unterscheidet fünf Stufen (degrees) auf dem Weg zur Kontemplation: Auf der ersten Stufe stehen Schmerz und Tränen um der Sünde willen, compunccioun, Mitleiden mit dem Leiden Christi, Mitfühlen mit dem Elend des Mitchristen, Kampf gegen Laster. Auf der zweiten Stufe erfährt man große Glut und brennendes Verlangen, man beharrt im Gebet, um Jesus Christus zu gefallen, ihn mit ganzem Herzen und allen Kräften zu lieben und seine gnadenhafte Gegenwart zu erfahren. Das brennende Verlangen reinigt das Gewissen von der Sünde. Auf der dritten Stufe erfährt man wunderbare Süßigkeit, Glück, Ruhe und Klarheit. Denn auf dieser Stufe kommt der Heilige Geist in die Seele, erleuchtet und reinigt sie, salbt sie mit dem Öl der geistlichen Freude und verwandelt sie ganz in charité Jesu. Die Seele empfindet sich daraufhin im Körper als Teil der Schöpfung und hört eine Harfenmelodie. Die Seele ist bereit, Christus, ihren Bräutigam, zu umarmen. Die vierte Stufe besteht in höchster körperlicher und seelischer Ruhe. Auf dieser Stufe ist der Mensch der Welt abgestorben und ruht ganz in Jesus Christus. Auf der fünften Stufe beginnt der Mensch, ewige Freude zu verkosten und wird zur Schau himmlischer Dinge hinweggerissen. Er sieht hier Engel und selige Seelen. Er sieht, wie alle Erleuchtungen, alle Gnaden der charité und der Güte aus der Trinität in den Menschen Jesus Christus fließen und über seine Menschheit Engeln und Menschen zuteil werden. In diesem Stadium ist der Mensch fähig zur Offenbarung und zur Kontemplation Jesu Christi.333 In Kap. 5 geht es um die Gefahren der „geistlichen Liebe“ – die körperliche Liebe wird als offensichtlich von Übel und der keuschen Liebe zu Christus zuwiderlaufend charakterisiert.334 Die Liebe sei voll Gefahren, weil sie das Herz des Menschen binde und beherrsche wie nichts sonst. Kap. 6 widmet sich der Liebe Christi. Wenn die Seele zur Erkenntnis des Wesens Gottes in Christus erhoben werde und sehe, dass jedes Geschöpf sein Sein aus ihm hat, antworte sie mit Liebe zur Schöpfung darauf. Die Seele liebe diejenigen am meisten, die Jesus Christus am meisten liebe und die ihn am meisten liebten. Bis man diese Liebe erfahren habe, solle man sich mit der Liebe zurückhalten, wie schon in Kap. 3 dargelegt.335 330 Vgl. Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 5, Z. 53–68; Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 8 ff, Z. 121–146. 331 Vgl. Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 10 ff, Z. 148–183. 332 Vgl. Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 13 f, Z. 196–212. 333 Vgl. Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 14 ff, Z. 215–258. 334 Vgl. Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 18 f, Z. 276–282. 335 Vgl. Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 21 ff, Z. 320–353.

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In Kap. 7 werden drei Arten der Transformation der Seele entfaltet: 1. Gleichgestaltung der Seele mit Christus in Taten und im Leiden, 2. Transformation durch Gott, in der Einung wird der Mensch mit Christus gleichgestaltet, 3. vollkommene Einung mit Christus. Die dritte Art liegt vor, wenn Jesus Christus und die Seele ein Geist sind, und die Seele in Christus ist, und Christus in der Seele. Dann erfährt die Seele die trinitarischen Geheimnisse. Die hierbei erfahrenen Freuden sind für die menschliche Vernunft nicht fassbar und nicht ausdrückbar. Diese letzte Art bringt der Seele die Unterscheidungsgabe.336 Kap. 8 konkretisiert das in Kap. 5 Entfaltete und zeigt auf, wie sich geistliche Liebe im Lauf der Zeit fast zwangsläufig in fleischliche Liebe verwandelt.337 2.2.3.2 The Goad of Love Beim mittelenglischen Prickynge of Love338 (in modernem Englisch Goad of Love) handelt es sich um eine Übersetzung des pseudo-bonaventurischen Stimulus amoris. Der Stimulus amoris existiert in einer längeren und einer kürzeren Version. Die kürzere ist das Werk des Jakob von Mailand,339 die längere das eines anonymen Kompilators.340 Der lateinische, in Kontinentaleuropa entstandene Text ist in verschiedenen Manuskripten überliefert, so dass sich gut feststellen lässt, was getreue Übertragung aus dem Lateinischen ins Englische und was Hinzufügung des Übersetzers ist.341 Das mittelenglische Werk ist im Vergleich zum Lateinischen anders angeordnet und hat verschiedene Erweiterungen erfahren; besonders der mittlere Teil der längeren Version, Kap. 10–33 bei Kirchberger, weist zahlreiche Modifikationen auf.342 Vier der Manuskripte schreiben die Übersetzung des Stimulus amoris ins Englische Walter Hilton zu. Kirchberger übernimmt diese Zuschreibung, Kane stellt sie u. a. auf der Basis von Einsichten in Abhängigkeiten der Manuskripte in Frage, widerlegt sie aber nicht. Ein gewichtiges Argument ist für ihn, dass Margery Kempe, fast noch Zeitgenossin Hiltons, den Prickynge of Love kennt, das Werk aber nicht mit Hilton assoziiert.343 Aufgrund sprachlicher Beobachtungen an den Manuskripten, unter denen kein Autograph ist, spricht nach 336 Vgl. Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 23 ff, Z. 356–435. 337 Vgl. Eight Chapters of Perfection. Edited from Ms Anglais 41, Ed. Kuriyagawa, 28 f, Z. 436–503. 338 Eine kritische Ausgabe auf der Basis aller 16 Manuskripte, die den Text überliefern, bietet: Prickynge of Love, Ed. Kane. Für eine moderne englische Übersetzung vgl. Goad of Love, Übers. Kirchberger. 339 Vgl. Kirchberger, Introduction, 16. 340 Längere Version: Jakob von Mailand, Stimulus Amoris, Ed. A.C. Peltier. Kürzere Version: Jakob von Mailand, Stimulus Amoris, Ed. Collegii S. Bonaventurae. Der Text hat verschiedentlich Erweiterungen erfahren. (Vgl. Kirchberger, Introduction, 16 f.) 341 Vgl. Kirchberger, Introduction, 27–41: Der Verfasser des Prickynge greife z. B. ändernd ein, wo sich die lateinische Vorlage weltlicher Liebesrhetorik bedient. Anders als Jakob von Mailand übe er bei der Beschreibung des Zustandes der unio mystica Zurückhaltung, Passagen extremer Passionsfrömmigkeit würden zusammengefasst und damit weniger drastisch gemacht. 342 Vgl. Kirchberger, Introduction, 14. 343 Vgl. Kane, Introduction, xxii–xxiv.

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Kane nichts gegen eine Autorenschaft Hiltons.344 Nach Clark kann die Übersetzung des Stimulus amoris unter theologischen Gesichtspunkten ohne weiteres das Werk Hiltons sein.345 Er sieht noch Bedarf an weiteren sprachlichen Untersuchungen. Besonders auffällig scheinen ihm Übereinstimmungen zwischen dem Prickynge of Love und Buch I der Scale of Perfection (besonders Kap. 10–35). Clark vermutet, daß Hilton den Stimulus amoris während der frühen Zeit in Thurgarton übersetzt haben könnte, evtl. kurz nach der Abfassung von Buch I der Scale of Perfection. Diese Datierung lässt sich mit Kanes Beobachtung auf der Basis der Manuskriptverteilung und Manuskriptdatierung vereinbaren, dass der Text im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts entstanden sein muss. Neuere Untersuchungen zu den Bibliotheksbeständen in Häusern der Augustiner-Chorherren lassen es durchaus möglich erscheinen, dass in Thurgarton geistliche Werke aus dem franziskanischen Traditionsstrang auf Interesse stießen.346 Offen bleibt die Frage, inwiefern das Werk auf Hiltons eigenes Schaffen prägend wirkte. Viele charakteristische Elemente des Prickynge of Love sind untypisch für Hilton. Dazu zählen die Passionsfrömmigkeit aus Kap. 1–9, die trotz Reduktion im Vergleich zur Vorlage noch ausgeprägt ist; die Ausführungen in Kap. 22 zur Vorbereitung für den Empfang des Sakramentes; die Vorstellung, dass „Kontemplation ohne Vorstufen“ möglich sei in Kap. 25 – Hilton betont sonst eher, dass Kontemplation bzw. der Weg zur Kontemplation ein langwieriger Prozess ist –; die marianische Meditation in Kap. 36 f – marianische Frömmigkeit spielt in Hiltons Werken keinerlei Rolle. Stilistisch gibt es ebenfalls beachtliche Unterschiede zwischen dem Prickynge und Hiltonschen Werken. Ein direktes Anrufen Gottes in Gebetsform oder als gläubiger Ausruf, ein prägendes Element in fast allen Kapiteln des Prickynge of Love, ist bei Hilton nicht anzutreffen. Zu erklären sind die Unterschiede dadurch, dass Hilton Übersetzer und nicht Verfasser war. Allerdings könnte man erwarten, dass einem Übersetzer, der nicht nur eine Auftragsarbeit erledigt, das Übersetzte am Herzen liegt, dass er sich damit identifiziert und sich zumindest ein Stück weit davon prägen lässt. Falls Hilton der Übersetzer war, kann die Übersetzungstätigkeit m. E. keinen großen Einfluss auf sein Schaffen gehabt haben. Der mittelenglische Prickynge of Love gliedert sich inhaltlich in drei Teile, obwohl die Teile anders als bei der lateinischen Vorlage im Text nicht explizit abgegrenzt sind:347 Der erste Teil (Kap. 1–9)348 kreist thematisch um die Themen Nachfolge Christi im Leiden, Arten der Passionsbetrachtung, Bezug der Passion zu den Affekten der Seele, unio durch Mitleiden. Der zweite Teil bietet eine Anleitung zur Gottesliebe (Kap. 10–33)349. Hier finden sich u. a. bernhardisch geprägte Ausführungen über das Wesen der Gottesliebe, zur Notwendigkeit der Selbsterkenntnis sowie Überlegungen zu den Lebensformen (Kap. 16) und davon ausge344 Vgl. Kane, Introduction, xxi f. 345 Vgl. J. Clark, Stimulus Amoris, 79–118, besonders 105 (Fazit). 346 S. u. unter 2.3.4, S. 90 ff, besonders 94 und 98 f. 347 Vgl. Kirchberger, Introduction, 17. 348 Prickynge of Love, Ed. Kane, 3, Z. 15–73, Z. 25; Goad of Love, Übers. Kirchberger, 47– 100. 349 Prickynge of Love, Ed. Kane, 74, Z. 1–170, Z. 17; Goad of Love, Übers. Kirchberger, 101–181.

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hend Erläuterungen zum Zusammenhang zwischen Gottes- und Nächstenliebe. Der dritte Teil bietet Auslegungen des Vaterunser, des Ave Maria, des Salve Regina, ein Zwiegespräch zwischen dem „gepeinigten Fleisch“ des Kontemplativen und Gott (Kap. 34 f) sowie Ausführung zum Stand der Seligen im himmlischen Jerusalem in einem dritten Teil (Kap. 35–38 bzw. Kap. 39 in der Kane-Edition). Jerusalem sei ein Ort der vollkommenen Gemeinschaft, der glühendsten Andacht, in der jeder mit jedem und mit Gott durch reinste Liebe verbunden sei.350 2.2.4 Kommentar zum verlorenen Brief Beim so genannten Kommentar zum verlorenem Brief handelt es sich um die volkssprachliche Zusammenfassung bzw. Übersetzung eines Briefes. Dieser Brief ist selbst nicht überliefert, er wird Hilton vom Übersetzer zugeschrieben.351 Die englische Zusammenfassung wird nur von London, British Library, MS. Harley 2406, überliefert. Der Verfasser des mittelenglischen Textes könnte ein Zeitgenosse und Bekannter Hiltons gewesen sein. Er bezeichnet Hilton als „my worshipfulle fader Water Hilton“.352 Vertraut man seinen Angaben, dann könnte das entweder darauf hindeuten, dass Hilton Seelsorger des Verfassers war oder dass er ein ehrenvolles Amt innehatte.353 Der Verfasser wurde gebeten, so gibt er an,354 den Inhalt eines Briefes darzulegen, den eine Ordensfrau355 von Hilton geschickt bekam. Stimmt seine Angabe, so ist davon auszugehen, dass dieser Brief lateinisch war und dass ihn die Empfän350 Vgl. Prickynge of Love, Ed. Kane, 208, Z. 20–210, Z. 19, Goad of Love, Übers. Kirchberger, 212 f (nach Kirchbergers Zählung Kap. 38). 351 Der Text ist ediert in Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 327–328 (Einleitung und Hinweise zur Edition), 329–333 (Text). 352 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 329, Z. 2. 353 So Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 327. 354 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 329, Z. 1–3. 355 In Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 333, Z. 108 f ist die Rede von Schwestern, denen die Adressatin dienen soll. „Schwestern“ tauchen auch sonst im Text öfter auf, z. B. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 332, Z. 81. Andererseits spricht der Text auch vom „Bruder“, der sündigt, aber das ist wohl im Sinne von „Nächster“ zu verstehen (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 332, Z. 102–104.) Es wird vermutet, dass es sich bei der Schwester um eine Gilbertinerin handelt, da der ansonsten wenig bekannte heilige Gilbert ausdrücklich als Fürsprecher und Helfer genannt wird (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 333, Z. 120.) Sprachlich verweist das Manuskript auf East Anglia. Möglicherweise bestand eine Verbindung zwischen dem GilbertinerinnenKonvent in Shouldham und Hilton (vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 327). Sprachlich gibt es im Text Brüche. Die Anrede wechselt von „yhe“ und „yhure“ in der Einleitung (vgl. Z. 1–3) und im Schlussteil des Briefes (vgl. Z. 124 f) zu „thou“ und verwandten Formen im Briefcorpus. Es könnte sein, dass der Brief ursprünglich an eine einfache Schwester gerichtet war, dass dann aber die Obere des Konvents die Übersetzung/Zusammenfassung in Auftrag gab, vielleicht mit dem Ziel, den Brief allen Schwestern des Konvents zugänglich zu machen. Im 14. Jahrhundert konnten „ye“ und verwandte Formen aber auch Einzelpersonen bezeichnen, denen man mit besonderem Respekt begegnete (so Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 443, Anm. 1).

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gerin nicht selbst lesen konnte. Es wäre anzunehmen, dass die zusammenfassende Übersetzung in geringem zeitlichem Abstand zum Brief Hiltons entstand. Der ursprüngliche Brief Hiltons ist am besten auf die Thurgartoner Zeit anzusetzen, in der Hilton als Seelsorger tätig war; der „Kommentar“ kann entsprechend datiert werden. Clark/Taylor schenken den Angaben des Verfassers Glauben und weisen u. a. darauf hin, dass der Brief thematisch gut zur ebenfalls in Thurgarton entstandenen Scale of Perfection passt. In der Tat gibt es inhaltlich keine größeren Widersprüche zu den Hilton mit Sicherheit zugeschriebenen Werken, und auch die Argumentationsweise ist von Hiltons Schriften her vertraut.356 Trotzdem ist m. E. eher zu bezweifeln, dass Hilton tatsächlich der Autor des ursprünglichen Briefes ist. Zweifeln läßt nicht nur das Motiv der Ritterschaft des Christen, das sich sonst nirgends bei Hilton findet, das sich aber durch Hiltons Vertrautheit mit der Literatur des 12. Jahrhunderts erklären ließe. Stutzig macht vor allem, welche Motive der Verfasser für die Anfertigung seiner zusammenfassenden Übersetzung angibt, denn Hilton hat in allen anderen Schriften den Adressaten/die Adressatin genau im Blick und stimmt seine Ausführungen genau auf den Leser/die Leserin ab. Es ist deshalb äußerst fraglich, ob er so unaufmerksam gewesen wäre, an eine Ordensfrau auf Lateinisch zu schreiben, denn er musste damit rechnen, dass eine Frau des Lateinischen nicht mächtig war. Ganz unrealistisch erscheint mir, dass er die Ordensfrau gekannt haben könnte, denn dann hätte er sich – das bezeugen die anderen Schriften – sprachlich auf sein Gegenüber eingestellt. Lehnt man die Erklärung des Verfassers und der bisherigen Forschung ab, steht man vor der Aufgabe, eine alternative Entstehungsgeschichte zu entwickeln. Dem Verfasser der zusammenfassenden Übersetzung könnte ein lateinisches Werk in die Hände gekommen sein, das er selbst für übersetzenswert erachtete. Um ihm Autorität zu verleihen, bezeichnete er es als Werk Walter Hiltons, wohl wissend, dass das Werk inhaltlich nicht im Widerspruch zu Hiltons Werken stand. Vielleicht stammt das Werk aber auch tatsächlich von Hilton, war aber ursprünglich für einen männlichen Adressatenkreis bestimmt. Dann hätte der Übersetzer die Passagen, in denen es ausdrücklich um Schwestern geht, ergänzt. Ob man Hilton den ursprünglichen Brief zuschreibt oder ihm die Autorenschaft abspricht, verändert das Hiltonbild nur marginal. Stimmen die Angaben des Verfassers der Übersetzung, dann erweitert sich der Motivkreis, aus dem Hilton schöpfte, um das Element der Ritterschaft/des Kriegsdienstes des Christen. Für die Biographie Hiltons ist das Werk eher uninteressant, da Hilton die Gilbertinerinnen m. E. nicht so gut gekannt haben kann, dass man von engen Beziehungen, z. B. im Rahmen eines persönlichen Seelsorgeverhältnisses, ausgehen könnte. Zum Inhalt der Schrift: Nach einer Einleitung mit Anrede der Adressatin, Nennung des Anlasses für den Brief und Bescheidenheitsformeln357 folgt das Briefkorpus: Anhand von alt- und neutestamentlichen Schriftzitaten wird das Leben des 356 Vgl. die Argumentationsweise z. B. in der Scale of Perfection oder den Psalmauslegungen: Es wird entweder zunächst ein lateinisches Schriftzitat geboten, das übersetzt und entfaltet wird, um in der Art einer Beweisführung am Ende wieder zum Schriftzitat zurückzukehren, oder es wird ein Gedanke entwickelt, der dann mit einer passenden Schriftstelle belegt wird. 357 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 329, Z. 1–6.

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Menschen auf Erden als ritterlicher Kriegsdienst dargestellt. Alle Christen seien durch die Taufe Ritter des Königs Christus und kämpften gegen Teufel, Fleisch und Welt. Die Profess mache Ordensleute zu höheren Rittern, die in vollkommenerer Weise kämpfen müssten. Armut, Keuschheit und Gehorsam seien verschiedene Rüstungen, um im Kampf gegen die Sünde bestehen zu können.358 In dem Brief Hiltons an den ursprünglichen Adressaten fanden sich nach den Angaben des Verfassers der Übersetzung/Zusammenfassung auch fünf Regeln der guten Lebensführung, die speziell auf den ursprünglichen Adressaten zugeschnitten waren:359 In der ersten Regel wird dazu aufgerufen, in der gewählten Lebensführung beständig zu bleiben,360 in der zweiten wird zum Gebet aufgefordert und dessen Nutzen dargelegt.361 In der dritten Regel wird die regelmäßige und gründliche Beichte empfohlen,362 in der vierten Zurückhaltung im Urteil über andere und Geringschätzen der eigenen Person und Handlungen;363 die fünfte Regel fordert zum zurückhaltenden und demütigen Leben in Gemeinschaft auf.364 Der Text wird durch Bescheidenheitsfloskeln des Übersetzers und mit seiner Bitte um das Gebet der Adressatin abgeschlossen.365

2.3 Zum historischen Kontext von Hiltons Leben und Schriften Walter Hiltons Lebenszeit (ca. 1343–1395), die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts, war eine Zeit der Umbrüche und Neuerungen auf politischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet wie auch im Bereich von Kirche und Theologie, eine Zeit, in der den Menschen in England wie in Kontinentaleuropa Strukturen und Gewissheiten wegbrachen: 2.3.1 Zur außen- und innenpolitischen Situation Englands im 14. Jahrhundert Hiltons Lebenszeit fällt in die Herrschaft von Edward III. (1327–1377) und Richard II. (1377–1399). Die Regierungszeit dieser beiden Könige ist durch den Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich (1337–1453) geprägt, den Edward III. begann und Richard II. 1396 ohne Erfolg zu beenden suchte.366 358 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 329, Z. 7–27. 359 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 330, Z. 28 f. 360 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 330, Z. 30–42. 361 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 330, Z. 43–53. 362 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 331, Z. 65–79. 363 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 332 f, Z. 80–106. 364 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 333, Z. 107–121. 365 Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 333, Z. 122–126. 366 Zu den Hintergründen und zum Verlauf des Hundertjährigen Krieges, der genaugenommen eine Reihe von verschiedenenen Kriegen an unterschiedlichen Schauplätzen war, unterbrochen durch kurze Friedenszeiten und Waffenstillstände, vgl. McKisack, Fourteenth Century. Vgl. auch Sarnowsky, England, 163–184 sowie Given-Wilson, Late Medieval England, 117–123 und Contamine, Hundertjähriger Krieg.

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Parallel befand sich England meist auch im Krieg mit Schottland.367 Die ständige Kriegssituation, insbesondere die daraus erwachsende finanzielle Belastung, führte schon unter Edward zu innenpolitischen Spannungen in England, die sich dann unter Richard noch verschärften. Durch den Hundertjährigen Krieg stagnierte der Handel mit Frankreich, dem Hauptwirtschaftspartner. Vor allem im Bereich des Wollhandels brachen wichtige Einnahmequellen des Staates in Form von Zöllen und Subsidien auf Wollexporte weg. Die finanzielle Situation verschärfte sich für den englischen König dadurch, dass traditionelle Einnahmen aus Grundbesitz dramatisch zurückgingen. Neue Formen der Besteuerung, neben der Aufnahme von Darlehen das Mittel, der Finanzkrise zu begegnen, ließen sich nicht durchsetzen. Die 1377 neu eingeführte Kopfsteuer (poll tax) für Männer und Frauen über 14 Jahren z. B. brachte nur kurz Geld in die leeren Kassen.368 Nach mehr als vierzig Jahren Krieg, die das Volk finanziell ausgeblutet hatten, entlud sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung 1381 im englischen „Bauernaufstand“. Der Aufstand endete aber schon nach wenigen Wochen mit einer Niederlage der aufständischen Bauern und Handwerker.369 Abgesehen von den politisch bedingten Härten hatte die Landbevölkerung auch mit natürlichen Katastrophen zu kämpfen. Klimatische Schwankungen führten gerade im 14. Jahrhundert zu Missernten und Hungersnöten.370 Noch größere personelle Opfer als die Handlungen des Hundertjährigen Krieges, die Rebellion von 1381 und Hungersnöte forderte jedoch die Pest, die das spätmittelalterliche England in mehreren Wellen heimsuchte. Allein der erste Ausbruch des Schwarzen Todes 1348 raffte ein Viertel bis zwei Fünftel der britischen Bevölkerung dahin.371 Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Katastrophe waren tiefgreifend. Sie wurden dadurch noch verstärkt, dass schon 1360 und 1370 wieder Pestepidemien ihre Opfer forderten. Alle Gesellschaftsschichten waren von der Pest betroffen, besonders aber die ärmeren, die beengt lebten und sich so leichter anstecken konnten. Wirtschaftlich wirkte sich die Pest u. a. so aus, dass Handwerker, Landarbeiter und Bauern für ihre Arbeit höhere Löhne fordern konnten, da Arbeitskräfte rar waren.372 Für die Jahre nach den Pestepidemien ist soziale Mobilität in beide Richtungen zu verzeichnen: Unfreie Bauern konnten günstig Grundbesitz erwerben und so zu Freibauern werden, Städter erwarben Besitz auf dem Land, was ihnen den Aufstieg in den ländlichen Adel ermöglichte, gleichzei-

367 Vgl. Given-Wilson, Late Medieval England, 110 ff. 368 Vgl. Sarnowsky, England, 202. 369 Vgl. Sarnowsky, England, 169 f. Vgl. auch Dyer, Economy 164 f. 370 Vgl. Dyer, Economy, 160 f. 371 Vgl. Griffiths, Centuries, 38. Die englische Bevölkerung verdreifachte sich vom 11.– 14. Jahrhundert auf 4,5–6 Millionen Einwohner, um dann durch Missernten und die folgenden Hungersnöte, Pest, erhöhte Besteuerung und „geänderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen“ bis 1377 um 40 bis 50 % zurückzugehen. (Sarnowsky, England, 225). Für eine Analyse der vielfältigen Auswirkungen der Pest am Beispiel der Diözese Hereford vgl. Dohar, Black Death. 372 Vgl. Griffiths, Centuries, 47.

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tig verloren viele Kleinbauern durch Missernten und Folgen der Pest ihren Besitz und wurden zu Unfreien.373 Keines dieser einschneidenden Ereignisse und Phänomene findet in Hiltons Werk ausdrücklich Niederschlag. Hilton erwähnt keine Kriege, keine Herrscherpersönlichkeiten, keinen Bauernaufstand. Auch Pest und Hungersnot sowie deren soziale und wirtschaftliche Folgen werden in seinem Werk nicht explizit genannt. 2.3.2 Zur kirchlichen Situation – Krisen auf verschiedenen Ebenen Um die kirchliche Lage in England zu Hiltons Lebzeiten verstehen zu können, lohnt ein Blick über England hinaus und auf das gesamte 14. Jahrhundert. Gerade am Anfang des Jahrhunderts wurden die Weichen für die spätere Entwicklung gestellt, und die Situation der ecclesia anglicana kann bis zur Reformationszeit nicht unabhängig von der Entwicklung der gesamten westlichen katholischen Kirche betrachtet werden. 2.3.2.1 Das Große Abendländische Schisma Die kirchliche Situation im Westen war geprägt von de facto schwachen Päpsten, die lediglich äußerlich ihre Macht zu demonstrieren suchten. Bonifaz VIII. fasste mit der Bulle Unam sanctam (1302) zwar „die hochmittelalterliche Theorie von der päpstlichen Universalgewalt noch einmal konzentriert zusammen“374 und schrieb so die geistliche und rechtliche Unterordnung aller weltlichen Autoritäten unter den Papst als Dogma fest, diese Machtdemonstration stand jedoch in krassem Widerspruch zur Realität, wie die Festnahme des Papstes im September 1303 durch den französischen König eindrücklich demonstriert. Bonifaz’ Nachfolger suchten von vornherein gleich die Nähe Frankreichs. Clemens V. (1305–1314) verlegte die päpstliche Residenz 1309 nach Avignon, das in den Folgejahren von seinen Nachfolgern äußerlich und verwaltungstechnisch zur Zentrale der abendländischen Kirche ausgebaut wurde, um so der päpstlichen Machtfülle sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Es entstand ein repräsentativer Papstpalast mit aufwändigster Hofhaltung.375 Die kuriale Verwaltung wurde mit dem Ziel perfektioniert, zukünftig „alle bedeutsamen Stellenbesetzungen zu entscheiden bzw. zu bestätigen.“376 Die Auswirkungen waren auch in England deutlich spürbar. Während unter Clemens V. noch durchschnittlich acht Engländer pro Jahr mit Pfründen (livings) providiert wurden, waren es unter Johannes XXII. (1316–1334) schon 40, und unter Clemens VI. (1342–1352) dann ca. 60 Präbenden und 42 parish-livings. Clemens VI. vergab während seines Pontifikats insgesamt mehr als 1600 englische 373 Vgl. Sarnowsky, England, 228 f. Zu sonstigen Folgen auf dem ländlichen Arbeitsmarkt vgl. Sarnowsky, England, 229–231. Vgl. auch Dyer, Economy, 161 ff. 374 Zschoch, Christenheit, 234. 375 Die CD Popes and Antipopes. Music for Courts of Avignon and Rome, Aufnahme mit dem Orlando Consort, im Beiheft ein Beitrag von Margaret Bent, Metronome Recordings 1995 nach einer Aufnahme der BBC 1994 (MET CD 1008) gibt einen Einblick in die musikalische Prachtentfaltung an den Papsthöfen während der Zeit des Exils und Schismas. 376 Zschoch, Christenheit, 235.

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Benefizien.377 Für die Päpste war das System effektiv, weil es große Teile des Klerus an sie band und eine zusätzliche Einkommensquelle erschloss, aber die traditionellen Patronatsherren in England, König und Adel, fühlten sich übergangen und entmachtet. Für Kleriker in England, die auf dem innerenglischen Weg mit einer Stelle oder Pfründe versehen worden waren, bedeutete das Eingreifen des Papstes häufig den Verlust der Stelle.378 Das Papsttum kehrte unter Gregor XI. (1371–1378) im Januar 1377 nach Rom zurück – die von Kritikern „Babylonische Gefangenschaft“ genannte Phase war damit formal beendet – es konnte in Italien aber vorläufig nicht fest Fuß fassen. Im April 1378 wurde Urban VI. gewählt, aber schon im September desselben Jahres wurde diese Wahl für ungültig erklärt und ein neuer Papst gewählt, der sich den Namen Clemens VII. gab. Weder der im April gewählte Urban noch der im September gewählte Clemens konnte sich durchsetzen, so dass es zum Papstschisma kam. Clemens VII. (1378–1394) zog nach Avignon, Urban VI. (1378–1389) blieb in Rom. „An beiden Standorten wurde das päpstliche System voll ausgebaut; alle gesamtkirchlichen Institutionen wurden verdoppelt: Es gab nicht nur zwei Päpste, sondern auch zwei Kardinalskollegien, die dafür sorgten, daß beide Päpste wieder Nachfolger erhielten, und vor allem zwei Kurien, von denen aus die Rechts-und Finanzansprüche des jeweiligen Papstes angemeldet wurden. Das Schisma führte im kirchlichen Leben vielerorts zu völliger Unklarheit über Zuständigkeiten und Stellenbesetzungen. […] Die europäischen Mächte mußten sich für einen der Päpste entscheiden und folgten dabei ihrem politischen Kalkül. Zum römischen Papst hielten neben der überwiegenden Mehrheit der Territorien des deutschen Reichsgebiets England, Portugal und die Reiche im Norden und Osten des Abendlandes, während Frankreich, Neapel, Schottland und die spanischen Königreiche den Kern der Anhängerschaft des Papstes in Avignon bildeten.“379 Kompliziert wurde es auch für die international organisierten Orden, denn die Kontakte zwischen Orden in Ländern mit unterschiedlicher Obödienz waren nun schwer zu pflegen. Teilweise kam es sogar zu Spaltungen innerhalb der Ordensleitung, bei den Dominikanern z. B. kam es so weit, dass es zwei rivalisierende Ordensobere gab.380 2.3.2.2 Nationalkirchliche Bestrebungen in England Die kirchliche Krise in Kontinentaleuropa verstärkte in England nationalkirchliche Bestrebungen. Bereits unter Edward I. (1272–1307) hatte England begonnen, sich aus der „traditionell besonders engen Bindung an Rom“381 zu lösen. Der König griff im Verlauf des 14. Jahrhunderts zunehmend in die Vergabe kirchlicher Pfründen ein, zog den Klerus zu Steuern heran und schränkte die kirchliche Rechtsgewalt ein. Durch den Hundertjährigen Krieg wurden die vom französischen König dominierten Päpste Avignons zu politischen Gegnern Englands, 377 378 379 380 381

Vgl. Saul, Medieval England, 13. Vgl. Saul, Medieval England, 13. Zschoch, Christenheit, 243 f. Jeffrey, Introduction, 7. Zschoch, Christenheit, 248.

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und der englische König nutzte die Schwäche der Kirche, um seinen Einfluss im Bereich der ecclesia anglicana zu stärken und seine Ansprüche auszubauen. 1351 veröffentlichte König Edward III., unterstützt durch Proteste des Parlaments gegen die päpstliche Praxis, das erste Statute of Provisors. Er behielt sich darin das Recht vor, in Fällen, in denen das Patronatsrecht von päpstlicher Seite verletzt wurde, als oberster und vorrangiger Patronatsherr einzuschreiten und das Benefizium so zu besetzen, als ob es noch frei sei.382 Auf der Basis dieses Dokumentes konnten päpstlich providierte Kleriker, d. h. Kleriker, die vom Papst „unter Umgehung der regionalen Instanzen wie der Bischöfe und Kapitel“383 eingesetzt worden waren, „so lange inhaftiert werden, bis sie eine Entschädigung entrichtet und versprochen hatten, nicht mehr an die Kurie zu appellieren. Diese Bestimmungen wurden 1353 durch das Statut „Praemunire“ ergänzt […].“384 Dieses 1365 und 1393 erneuerte und verschärfte Statut bedrohte jeden mit Ächtung und Verlust aller Besitzungen, der außerhalb des Landes Rechtsmittel anstrengte und nicht binnen zwei Monaten plausibel machen konnte, warum.385 1366 wurde schließlich „das zuletzt 1213 von Innozenz III. durchgesetzte Lehensverhältnis der englischen Krone zum Papst formell aufgekündigt“386. Trotz dieses Kräftemessens zwischen der englischen Krone und dem Papst war die Praxis von Kompromissen geprägt: Der englische König erkannte das päpstliche Provisionsrecht für Benefizien und Bistümer an, der Papst wiederum providierte Personen, die ihm vom König vorgeschlagen wurden. So wuchs de facto der Einfluss der Krone, denn in der Vergangenheit hatte die Auswahl eines Bischofs oder Abtes beim Kapitel gelegen. Es wurden nun kaum mehr Gelehrte oder Ordensleute zu Bischöfen ernannt, und dem König gelang es, ein Episkopat nach seinen Vorstellungen zusammenzustellen.387 Was das Echo dieser kirchenpolitischen Ereignisse und Entwicklungen in Hiltons Werk betrifft, macht der Befund erstaunen: Hilton erwähnt das Große Abendländische Schisma mit keinem Wort, auch die nationalkirchlichen Tendenzen thematisiert und kommentiert er nicht ausdrücklich. Lediglich an einer Stelle scheint als Hintergrund die im 14. Jahrhundert verstärkte Praxis der Vergabe englischer Benefizien durch Rom durch, interessanterweise – und für Hilton charakteristisch – aber nicht als Vorwurf an die kirchliche Praxis, sondern als Kritik an einzelnen Bewerbern um diese Benefizien.388 382 Vgl. Saul, Medieval England, 14. 383 Sarnowsky, England, 219. 384 Sarnowsky, England, 220. Für eine moderne engl. Übers. vgl. First Statute of Praemunire A.D. 1353, Ed. Gee/Hardy, 103 f. 385 Vgl. Sarnowsky, England, 221. Für eine moderne engl. Übers. vgl. Second Statute of Praemunire, A.D. 1393, Ed. Gee/Hardy, 122–125. 386 Zschoch, Christenheit, 249. 387 Vgl. Saul, Medieval England, 14. 388 Im lateinischen Brief Epistola ad quemdam seculo renuntiare volentem bezieht Hilton Stellung zur Pfründenvergabe, wenn er seinen Adressaten, einen Juristen, auf seinem Weg aus der Welt bestärkt. Die Freunde des Adressaten, die ihm zu einer Karriere als Jurist raten, seien verblendet und ihrem Urteil sei nicht zu trauen: „Ihr Urteil ist auf diesem Gebiet verblendet und deshalb sollst Du ihnen nicht zustimmen, denn der Weise lehrt: ‚Mein Sohn, wenn dich

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2.3.2.3 Theologische Kirchenkritik und Reformforderungen – Ockham, Wyclif und die Lollarden Unter den Kirchenkritikern des 14. Jahrhunderts nehmen zwei Engländer eine prominente Stellung ein: Wilhelm von Ockham (ca.1280/1285–1347) und John Wyclif (ca. 1330–1384). Kritik an der Kirche und der Wunsch nach Reformen war aber nicht auf Einzelpersonen und einzelne Länder beschränkt, sondern beschäftigte die gesamte Kirche: Schon Anfang des 14. Jahrhunderts, „[i]m Umkreis des Konzils von Vienne[,] (1311/12) fand der Gedanke einer Reform der Kirche an ‚Haupt und Gliedern‘ beträchtliche Aufmerksamkeit.“389 Diese „Formel knüpfte an das kleruszentrierte Kirchenverständnis des 11. Jahrhunderts an und zielte auf eine Klerusreform, die beim Papst und seiner Kurie als dem ‚Haupt‘ der Kirche einsetzen sollte.“390 In seiner Denkschrift De modo generalis concilii celebrandi weist der einflussreiche französische Kleriker und Bischof von Mende Wilhelm Durand d. J. (gest. 1330/1) auf die Rolle der Kirche als Mutter des Glaubens und Lehrerin der Gesamtkirche hin. Die Kirche habe Vorbildfunktion; sie müsse sich tugendhaft und gerecht verhalten und dürfe sich keinerlei Missbrauch zuschulden kommen lassen. „So müßte sie beginnen, sich selbst zu bessern: Gottes[-] und Nächstenliebe zu üben, wahre Demut und Rechtschaffenheit im sittlichen Verhalten an den Tag legen, wirklichen Ernst der Lebensführung und Eifer für die Feier des Gottesdienstes zu beweisen, in Nahrung und Kleidung auf unnötigen und nur dem Stolz dienenden Luxus, Aufwand und Prachtentfaltung zu verzichten und statt dessen einen einfachen Lebensstil einzuführen […].“391 Wäre die Kirchenführung erst reformiert, könne man auch daran gehen, die Glieder zu reformieren. Das Verlangen nach Reform ist für Hilton wie für seine Zeitgenossen ein Thema, nur setzt er mit seinen Reformforderungen nicht auf der Ebene der Kirche ein. Wenn Hilton überhaupt an eine Reform der Kirche denkt, dann äußert er diese Gedanken nur implizit. Für ihn steht der Einzelne im Vordergrund. Anders als die Reformtheologen im Umkreis des Konzils von Vienne fordert Hilton keine Reform der Kirche an Haupt und Gliedern von oben nach unten, sondern er setzt – wie unter 2.2 in der Vorstellung der Werke schon deutlich geworden ist und sich in Teil 4 weiter zeigen wird – von unten an. Ob er daran dachte, dass eine Kirche reformierter einzelner Glieder letztlich auch zu einer reformierten Kirche führt, muss m. E. offen bleiben. Die Bettelorden, besonders die Franziskaner, konfrontierten die Prachtentfaltung am päpstlichen Hof in Avignon mit ihrem strengen Ideal der Armut in der Nachfolge Jesu und der Apostel. 1323 verbot Johannes XXII. diesen Kritikern mit die Sünder locken‘ indem sie sprechen: Komm mit uns, und lasst uns zur römischen Kurie gehen, wir werden allen wertvollen Besitz erlangen, d. h. wir werden reiche Benefizien erhalten, ‚sollst du ihnen nicht beipflichten, weil ihre Füße zum Bösen laufen‘, d. h. zum Bösen der Schuld und der Strafe.“ (Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 262, Z. 272 ff.) 389 Zschoch,Christenheit, 237 f. 390 Zschoch, Christenheit, 238. 391 Wilhelm Durand d. J., De modo generalis concilii celebrandi III,27 [= Tractatus Maior II, 97], Übers. Lecler, Joseph, in: Vienne (GÖK 8), Mainz 1965, 199. (Zit. nach Zschoch, Christenheit, 238.)

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der Bulle Cum inter nonnullos den Mund, aber die Kritik gärte im Untergrund weiter und war auch unter Laien weiterhin wirksam. In der Bulle wurde die Meinung, Christus und seine Apostel hätten keinen Besitz gehabt, für häretisch erklärt, und den Bettelorden ihre biblische Grundlage abgesprochen. Der Franziskaner Wilhelm von Ockham, der selbst unter Häresieverdacht stand und in Avignon weilte, ergriff auf die Bulle Quia vir reprobus von 1329 hin für den von der Bulle getroffenen Ordensbruder Michael von Cesena und seine Mitstreiter Partei. Er entfaltete in seiner Gegenschrift eine schöpfungstheologische Reflexion der Armut. „Der bedeutendste Vertreter antipapalistischer oder antiklerikaler Tendenzen im England des ausgehenden 14. Jahrhunderts war der Oxforder Theologe John Wyclif.“392 Wyclif (ca.1320/30 bis 1384) stand im Dienst Edwards III., als er daran ging, Argumente dafür zu entwickeln, dass kirchliche Einkünfte zukünftig nicht mehr nach Rom wanderten, sondern das Staatssäckel des Königs füllten.393 1374 entstanden auf der Basis von Vorlesungen zwei von Wyclifs Hauptschriften, De dominio divino (1373/74) und De dominio civili (1376),394 in denen er die eigenständige Rolle der weltlichen Herrschaft gegenüber den kirchlichen Ansprüchen betont. Wyclif entwickelt die Anschauung, dass der Papst die Menschheit Christi verkörpere und der König die Gottheit Christi. Daraus folgt für ihn, dass es Aufgabe und Pflicht des Königs sei, die Kirche zu reformieren, und nicht des Papstes.395 Des Weiteren vertrat Wyclif wie schon Ockham und andere vor ihm die Ansicht, „dass Päpste und Kardinäle irren könnten und dass ein auf seine weltliche Machtstellung konzentrierter Papst als Häretiker abgesetzt werden müsste“396. Wer eine umfassende Leitungsgewalt beanspruche, sich aber nicht an das Gesetz Christi halte und wie Christus arm lebe, sei der Antichrist.397 Der wahre Papst sei nicht notwendigerweise, wer den Titel trage, sondern der gerechteste auf Erden lebende Mensch.398 Ausgehend vom schon von den Franziskanern im Armutsstreit des 13. Jahrhunderts entwickelten Idee, dass der Mensch im Stand der Gnade sein müsse, um zur Herrschaft befugt zu sein und der sündige Mensch keinerlei Anrecht auf Autorität oder Besitz habe, folgerte Wyclif, dass weltliche Autoritäten berechtigt seien, einem Kleriker die Einkünfte zu entziehen, wenn er seinen Besitz missbrauche und seinen Aufgaben nicht nachkomme.399 1378 und 1379, unter dem Eindruck 392 Sarnowsky, England, 221. 393 Vgl. Leyser, Piety, 197. 394 Vgl. Wyclif, Tractatus de civili dominio liber primus, Ed. Poole; Wyclif, De civili dominio liber secundus, Ed. Loserth/Poole/Matthew; Wyclif, De civili dominio liber tertius, Ed. Loserth/Matthew; Wyclif, De civili dominio liber tertius, Ed. Loserth/Matthew. 395 „His [Wyclif ’s] reasoning […] was set within a revised theory of the relationship between Church and State by which the pope represented the humanity of Christ, the king his divinity. It thus followed that it was the duty of the king to reform the Church and not vice versa.“ (Leyser, Piety, 197.) 396 Sarnowsky, England, 221. 397 Vgl. Zschoch, Christenheit, 250. 398 Vgl. Leyser, Piety, 197. 399 Vgl. McKisack, Fourteenth Century, 512. Zu Wyclifs Kirchenkritik und Reformideen vgl. auch Benrath, John Wyclif, 204–207. Bei Wyclif klaffen Theorie und eigene Praxis auseinander. (Vgl. McKisack, Fourteenth Century, 515.)

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des Großen Abendländischen Schismas, entstanden die Schriften De ecclesia400 und De potestate pape,401 die die kirchliche bzw. päpstliche Autorität noch weiter in Frage stellten.402 In den letzten Lebensjahren in Lutterworth, wo Wyclif nach seinem Lehrverbot 1382 bis zu seinem Tod lebte, entstanden eine Vielzahl radikaler Pamphlete und Traktate. Besonders hatte Wyclif nun die Mönche, Kanoniker und Bettelmönche im Visier seiner Kritik. Mit seiner schriftnahen und historischen Argumentation zielte er darauf ab, das Mönchtum und Ordenswesen ganz abzuschaffen. Jeder Gläubige ist für ihn in die vollkommene Nachfolge gerufen. In den Traktaten De fundatione sectarum403 und De quattuor sectis novellis404 bezeichnet er alle Organisationen innerhalb der Kirche als „Sekten“, die bestenfalls überflüssig seien, schlimmstenfalls des Teufels, die in jedem Fall aber dem einen wahren christlichen Leben, das von Christus gestiftet ist, entgegenstünden. Die Orden seien ihrer ursprünglichen Regel, v. a. dem Armutsgelübde, untreu geworden. Sie besäßen nun so viel Land, dass es keine Armen mehr in England gebe, verteilte man die daraus erwachsenden Einkünfte.405 Dass die Chorherren mit dem Teufel, dem Vater der Lügen, im Bunde stünden, sei schon dadurch offenbar, dass sie sich historisch falsch auf Augustinus als ihren Gründer beriefen.406 In den Bettelorden sieht Wyclif eine Waffe des Teufels, er beschimpft sie in apokalyptischen Bildern.407 Die Regeln der Orden seien eine vom Teufel eingeführte Last für die Christen. Jeder, der die Orden verteidige, stelle sich gegen Christus. Durch die Existenz der Orden hätte die Kirche gelitten, dadurch dass Irrtümer und falsche Lehren eingeführt worden seien, wettert Wyclif in Purgatorium sectae Christi.408 Hilton teilt die Forderungen Wyclifs und der Franziskaner nach Armut grundsätzlich, aber er teilt nicht die gesellschaftliche und politische Stoßrichtung und wird auch nicht so konkret in seinen Forderungen. Hilton spricht allgemeiner von einer Abkehr von der Welt, vom Besitz und von allem Materiellen. Seine Ermahnungen erinnern dadurch an die der altkirchlichen Mönchsväter und Benedikts. Hilton stimmt der harschen Kritik Wyclifs am Ordenswesen nicht zu, sondern verteidigt es mit Überzeugung. Er ist aber auch nicht blind für Missstände und beklagt die Lauheit vieler Ordensleute: Deshalb, wenn Du begehrst, ein Ordensmann (religiosus) zu sein, dann sollst Du es völlig sein, innerlich und äußerlich. Zumindest sage ich dies mit ganzem Willen und reiner Absicht des Geistes, damit Du nicht zu einem wirst, der ein leeres Trugbild mit dem Aussehen eines Or400 Tractatus de ecclesia, Ed. Loserth/Matthew. 401 Tractatus de potestate pape, Ed. Loserth/Matthew. 402 Vgl. auch De perfeccione statuum, Ed. Buddensieg, Bd. II, 449–482, hier: Kap. 4, 463– 465. 403 De fundatione sectarum, Ed. Buddensieg, Bd. I, 13–80. 404 De quattuor sectis novellis, Ed. Buddensieg, Bd. I, 241–290. 405 Vgl. De quattuor sectis novellis, Kap. 2, Ed. Buddensieg, Bd. I, 245. 406 Vgl. De quattuor sectis novellis, Kap. 3, Ed. Buddensieg, Bd. I, 247 f. 407 Zu Wyclifs Angriffen auf Orden und Mönchtum vgl. Knowles, Religious Orders, Bd. 2, 100–106. Vgl. auch Wyclif, De triplici vinculo amoris, Ed. Rudolph Buddensieg, Bd. I, 161– 198. Hier hat Wyclif schwerpunktmäßig die Bettelorden im Visier. 408 Vgl. Purgatorium Sectae Christi, Ed. Buddensieg, Bd. I, Kap. 4, 303, Z. 23–304, Z. 4. und Z. 21–26.

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densmannes darstellt, dem der lebendige Geist der göttlichen Liebe fehlt, mit ausgetrocknetem Herzen und lauem Geist […], wie es bei vielen der Fall ist, die sich in den modernen Zeiten über die Maßen vermehrt haben, […].409

Das Fehlverhalten Einzelner macht für Hilton das Ordensleben und Ordenswesen an sich nicht weniger wertvoll, betont er in Passagen, die sich wie eine direkte Antwort auf Wyclifs Angriff in Purgatorium sectae Christi, Kap. 4 lesen. Mit ähnlichem Vokabular und ähnlichen Vorstellungen nimmt Hilton exakt die Gegenposition zu Wyclif ein: Der Orden (religio) ist ein sicheres Fundament gegen die Sünde des Irrtums oder der Häresie oder der Überschreitung der göttlichen Gebote, weil er auf den Felsen, d. h. auf Christus, gegründet ist. Er fällt nicht und wird nicht schwinden, auch wenn Fluten fleischlicher Ordensleute in ihn hereinstürzten und in ihm lebten, oder wenn Winde, die der Lehre Pest bringen, bliesen, nämlich die Lehrsätze der Häretiker, die jenen [den Orden] mit Worten angreifen, so stürzt der Orden (religio) nicht ein, sondern er wird sicher stehen, weil er selbst auf einem festen Fels gegründet ist, auf Christus.410

Wyclifs Lehren verbreiteten sich nach seinem Tod durch seine Anhänger, die Lollarden.411 Als konsequente Umsetzung des Wyclifschen Schriftprinzips und der Überzeugung, dass jeder Mensch in gleicher Weise unter dem Gesetz Gottes steht, entstand als Grundlage für die lollardische Predigt eine volkssprachliche Bibelübersetzung. Wenn sich jeder Mensch an das Gesetz Gottes halten sollte, hatte er auch das Recht, es zu kennen. Die Kenntnis der Schrift sollte Christen auch in die Lage versetzen, zu überprüfen, ob ihre kirchlichen Obrigkeiten schriftgemäß leben. Wyclif verfasste Auslegungen zu sämtlichen Büchern des Alten und Neuen Testamentes,412 und er steht hinter der ersten vollständigen Bibelübersetzung ins Englische, auch wenn er selbst an der eigentlichen Übersetzungsarbeit wenig beteiligt war, sondern den Übersetzern wohl vor allem koordinierend und beratend zur Seite stand.413 409 De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 167, Z. 837–843. Schon an einer früheren Stelle des Traktates lässt sich das Wissen Hiltons um Missstände ablesen. Hilton entfaltet dort seine idealistische Vorstellung von der Wirkung der drei Gelübde und gesteht vor diesem Hintergrund ein: „Wie es auch immer um die Ordensleute bestellt ist, Gott weiß es.“ (De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 122, Z. 53 f.) 410 De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 170 f, Z. 888–894: „Ffundamentum securum est absque labe erroris vel heresis vel diuine transgressionis, quia supra petram, id est Christum, fundata est religio. Non cadet ergo nec deficiet, etsi irruerent flumina carnalium hominum religiosorum in ea conuersancium, vel si flauerint venti pestiferi doctrine, scilicet et dogmata hereticorum illam verbis impugnancium, non ruet religio set stabit secura quia fundata est ipsa supra firmam petram, Christum.“ 411 Vgl. die Karte zur Verbreitung lollardischen Gedankengutes in England und Schottland im 14. und 15. Jhd. bei Trevelyan, England, unnummerierte Seiten zwischen 354 und 355. 412 Wyclifs achtteiliger Kommentar Postilla super totam Bibliam dürfte neben dem des Franziskaners Nikolaus von Lyra der einzige gewesen sein, der alle Bücher des Alten und Neuen Testaments umfasste. (Vgl. Benrath, John Wyclif, 200.) 413 Über die eigentlichen Übersetzer ist wenig Gesichertes bekannt. Man geht davon aus, dass Nicholas Hereford bei der ersten Version an der Übersetzung des Buches Baruch beteiligt war; die zweite, ca. 1396 vollendeten Version ist mit dem Namen John Purvey verbunden. (Vgl. McKisack, Fourteenth Century, 523.)

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Die wyclifitische Übersetzung aus der lateinischen Vulgata414 war in ihrem Verbreitungs- und Wirkungsraum begrenzt, auch wenn sie im 15. Jahrhundert trotz Verbotes häufig abgeschrieben wurde.415 1409 erließ der Erzbischof von Canterbury Thomas Arundel416 seine Constitutions, durch die das Anfertigen, der Gebrauch und die Verbreitung von volkssprachlichem Schrifttum nur noch in vom Bischof zu genehmigenden Ausnahmefällen erlaubt sein sollte. Diese Maßnahme, die der im 4. Laterankonzil 1215 vereinbarten Politik, Laien durch den Gebrauch der Volkssprachen theologisch zu bilden, widersprach, hemmte die Verbreitung der Bibel in der Volksprache bis in die Reformationszeit und darüber hinaus.417 Was die Übersetzung der biblischen Schriften angeht, bekämpft Hilton den Wyclifschen bzw. lollardischen Ansatz nicht. Vielmehr teilt er das Anliegen Wyclifs und der Lollarden, die Schrift allen Menschen in der Volkssprache zugänglich zu machen. In den volkssprachlichen Werken gibt Hilton Zitate, die er als Inspirationsquelle für Ausführungen angibt (bzw. als Belegstellen für Thesen oder Forderungen), sowohl lateinisch als auch englisch an. Wie Sutherland gezeigt hat,418 ist Hiltons Vorgehensweise als Reaktion auf lollardische Tendenzen und die kirchliche Gegentendenz zu verstehen. Mit den Schriftzitaten an sich will Hilton seine Rechtgläubigkeit und die Schriftgemäßheit seiner Aussagen beweisen. Indem er stets das lateinische Zitat aus der Vulgata angibt und dieses dann mehr erklärend und deutend als rein übersetzend ins Englische überträgt, will er gegen den Vorwurf der Häresie, dem seit Wyclif jede volkssprachliche Bibelübersetzung ausgesetzt ist, vorbeugen. Sutherland zeichnet Hilton als Theologen, dem es aufgrund von Röm 15,4 wichtig ist, dass Laien Zugang zur Schrift und damit zum Heil haben, der aber gleichzeitig besorgt ist, dass die Schrift richtig verstanden wird und der deshalb auch immer gleich ausführliche Glossen mitliefert.419 414 Die zwei existierenden Versionen der Übersetzung unterscheiden sich erheblich. Die erste ist eine sprachlich ungelenke Wort-für-Wort-Übersetzung, die die lateinische Vorlage gut erkennen lässt. Adressaten waren vermutlich schlecht ausgebildete Kleriker und interessierte Laien, denen die sklavisch an der Vorlage orientierte Übersetzung einen Zugang zur Vulgata eröffnen sollte. Die zweite Version ist sprachlich weitaus idiomatischer. 415 Die Synode von Oxford verbot 1408 jede Form volkssprachlicher Übersetzung. Den Durchbruch als weit verbreitete volkssprachliche englische Bibelübersetzung schaffte erst Tyndales von Luthers Bibelübersetzung angeregte Übersetzung auf der Basis des Urtextes und sich darauf beziehende Übersetzungen. Überhaupt war erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts mit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern – in England durch Caxton – die Voraussetzung für eine weite Verbreitung geschaffen. (Vgl. Long, Translating, 80–120 und 136–151.) 416 Zu Arundel, vgl. R. Davies, Arundel. 417 Vgl. Leyser, Piety, 199. 418 Vgl. Sutherland, Biblical Citation. 419 Vgl. Sutherland, Biblical Citation, 126 f: „Indeed, Hilton’s hermeneutics place him in an extremely awkward position. For on the one hand, it is his firm belief that ‚Quecunque scripta sunt, ad nostram doctrinam scripta sunt, ut per consolationem scripturarum spem habeamus‘. This being the case, it is vital that biblical doctrine is widely disseminated. Yet on the other hand, it is his anxious belief that he is responsible for regulating his reader’s access and response to the bible, so as to provide the best chance of salvation. Once his readers have been

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Die Lollarden verfassten 1394/1395 ein Manifest mit zwölf Thesen, das sie an die Türen der St Paul’s Cathedral und der Westminster Abbey anschlugen. Sie richteten sich gegen geistliche und weltliche Autoritäten. Dort wird das Priestertum in Frage gestellt, die Weihen, das Abendmahl, die Beichte, Gebete für Verstorbene, Pilgerfahrten und Opfergaben, die Ausstattung der Kirchen, u. a. Die Fragestellungen scheinen sich unter den Lollarden im Vergleich zu Wyclif verschoben zu haben.420 In Knighton’s Chronicle421 gibt es zahlreiche Beispiele dafür, wie der lollardische Anstoß in der Bevölkerung umgesetzt wurde: So soll z. B. eine Statue der heiligen Katharina zum Feuermachen, um etwas zu kochen, verwendet worden sein.422 Die Frage der Ausstattung der Kirchen und damit der Bilderverehrung war bei Wyclif selbst noch nicht drängend.423 Obwohl die Bischöfe auf das Manifest hin „den Papst einschalteten und auch der königliche Rat Maßnahmen ergriff, blieb die Verfolgung der Lollarden zunächst wenig wirkungsvoll […]“424. Die Lage sollte sich für die Lollarden erst in der Folge des Statuts De haeretico comburendo 1401 verschärfen. Je nachdem, ob man Hiltons Bildertraktat als akademisches Übungstück oder als im Zusammenhang mit der nach 1388 in Thurgarton angesiedelten Ketzerbekämpfung entstandene Schrift sieht, muss man von einer mehr oder weniger aktiven Auseinandersetzung Hiltons mit den Lollarden ausgehen. Dass ihm die „lollardische Herausforderung“ bekannt war, wird aus seinem Werk unabhängig vom Bildertraktat deutlich.425 Wie der Umgang mit „Häretikern“ in Thurgarton genau aussah, ist nicht bekannt. Die Verfolgung von Ketzern war in England bis ins 15. Jahrhundert nicht präzise geregelt.426 Bischöfe hatten zunächst nur die Möglichkeit, Häretiker auf der Basis eines writ427 inhaftieren zu lassen. Erst 1401 verabschiedete das Parlament auf Drängen des Klerus der Erzdiözese Canterbury das Statut De haeretico comburendo428, das erlaubte, Häretiker zu verbrennen. „Jeder, der ohne Autorität der Kirche predigte, konnte auf Anweisung der Bischöfe inhaftiert und

presented with biblical truth (correctly interpreted), Hilton’s anxiety seems to subside – his faith in the scriptures is absolute and unproblematic.“ (Sutherland, Biblical Citation, 126.) 420 Vgl. The Lollard Conclusions, A.D. 1394, Ed. Gee/Hardy, 126–132. Für die lollardische Bilderkritik vgl. Kamerick, Holy Images, 3 ff. Vgl. auch Aston, Lollards; Hudson, Premature Reformation; Scase, Twelve Conclusions, 284–301. 421 Henry Knighton, Augustiner-Chorherr in St Mary of the Meadows, Leicester, verfasste seine Chronik im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts. Sie deckt die Jahre 1337–1396 von der Regierung Edward III. bis zum Tod Richard II. ab und ist berühmt für ihre unmittelbaren Kommentare zu den Lollarden. (Vgl. Knighton, Knighton’s Chronicle.) 422 Vgl. Knighton, Knighton’s Chronicle, 296 ff. 423 Vgl. Russell-Smith, Defence, 200–203. 424 Sarnowsky, England, 223. 425 Vgl. z. B. Scale II,26, Ed. Bestul, 192, Z. 1563–1575, dazu Scale, Übers. Clark/Dorward, 313, Anm. 153. 426 Vgl. Swanson, Church, 338–443. 427 Ein writ ist eine kurze Urkunde in Briefform. (Vgl. Zutshi, Writ.) 428 De haeretico comburendo, Ed. Gee/Hardy, 133–137.

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zum Abschwören gezwungen werden. Wer sich als hartnäckiger Ketzer erwies, sollte den weltlichen Autoritäten übergeben und öffentlich verbrannt werden.“429 2.3.2.4 Die „Bewegung des Freien Geistes“ Es ist umstritten, ob die kontinentaleuropäische häretische „Bewegung des Freien Geistes“ auch in England Fuß fassen konnte und in welchem Umfang sie dort überhaupt bekannt war.430 Nach Clark gibt es Anzeichen dafür, dass die Verbreitung der Bewegung in England im 14. Jahrhundert gefürchtet wurde, und dass die kirchlichen Autoritäten vorbeugende Maßnahmen ergriffen. Man habe befürchtet, dass die Infragestellung des kirchlich-institutionellen und sakramentalen Lebens dem Eindringen freigeistiger Häresien Tür und Tor öffnen könnte.431 Auch Riehle geht von der Aktualität des Themas „Freiheit des Geistes“ im England des 14. Jahrhunderts aus.432 Der in der Forschung mit der Häresie des freien Geistes in Verbindung gebrachte, ca. 1300 verfasste Mirouer des simples ames433 der 1310 in Paris als Häretikerin verbrannten Begine Marguerite Porete434 war im späten 14. Jahrhundert in gewissen frommen Kreisen Englands als Lektürestoff etabliert. Der Mirouer wurde Ende des 14. Jahrhunderts von einem anonymen Übersetzer, von dem nur die Initialen „M. N.“ bekannt sind, aus dem Französischen ins Englische übertragen.435 M. N. griff an ihm zweideutig scheinenden Stellen erläuternd in den Text ein und markierte seine Ergänzungen mit den Anfangsbuchstaben seines Namens.436 Die überliefernden Manuskripte437 sind kartäusischer Provenienz, und eine weitere Verbindung zu diesem Orden besteht dadurch, dass der Kartäuser Richard Methley (1451–1528) die mittelenglische Version des Spiegels ins Latei429 Sarnowsky, England, 223. Die Verfolgung der Lollarden spitzte sich so im 15. Jahrhundert zu (vgl. Sarnowsky, England, 223 f); 1427 wurden sogar noch Wyclifs Gebeine exhumiert und verbrannt und so das Ketzerurteil des Konzils zu Konstanz aus dem Jahr 1415 vollstreckt. 430 Vgl. Steinmetz, Erfahrung, 115. 431 Vgl. J. Clark, Liberty of Spirit, 63. 432 Riehle sieht im Traktat The Chastising of God’s Children Anhaltspunkte die Existenz der „mystische[n] Sekte“ der „Brüder vom freien Geist“. (Vgl. Riehle, Studien, 41 mit Anm. 55.) 433 Editionen: Marguerite Porete, Le mirouer, Ed. Guarnieri; Margaretae Porete, Speculum, Ed. Verdeyen; [mittelengl. Übers.:] Margaret Porete, The Mirror, Ed. Doiron. Der Edition von Doiron ist ein von Colledge/Guarneri herausgegebener Anhang zu den Glossen eines nur nach seinen Initialen „M. N.“ bekannten Verfassers und Richard Methleys beigegeben. Dt. Übers.: Der Spiegel, Übers. Gnädinger. 434 Für eine knappe Einführung vgl. Gnädinger, Margareta Porete. Eine umfassende Würdigung Marguerites mit Aufarbeitung und Bewertung der Forschung bietet Leicht, Intellektuelle. Für einen knapperen Überblick vgl. Leicht, Frau. Vgl. auch Ruh, Geschichte, Bd. 2, 338– 371, und McGinn, Mystik, Bd. 3, 431–465. 435 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3117–3119, für eine Beschreibung des mittelenglischen Mirror of Simple Souls. Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3462, für die überliefernden Handschriften und Sekundärliteratur. 436 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3118. 437 Oxford, Bodleian Library, MS 2676 (Bodley 505),fol.93r-220v (1400–1450); Cambridge, St. John’s College, MS. 71 fol 1r-104v; London, British Library, MS. Additional 37790, fol. 137r225r (ca.1450).

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nische übersetzte.438 Inwiefern M. N. von der Verurteilung Marguerites wusste, bzw. ob er den Spiegel als anonymes Werk kennenlernte, ist unklar.439 Nach Marguerite Poretes Verurteilung wurde das Werk ohne Angabe der Verfasserin weitergegeben. Freiheit ist das große Thema der Marguerite Porete im Spiegel: „Diese Seele ist frei geworden, sogar mehr als frei, ja unübertrefflich frei“, „Diese Seele besitzt ihr Erbteil in vollkommener Freiheit, in jeder Richtung hat sie davon ihr volles Maß.“440 Marguerite Porete „macht auch sehr deutlich, wovon sie sich befreien will: von der Normativität der Vorschriften der Kirche […]. Die von der Kirche eingeforderte sakramentale Praxis, die Kreuzesnachfolge im Sinne einer durch Abtötung des Leibes und einer Verurteilung jeder natürlichen Freude, ein einengendes Tugendstreben: alles das ließ kaum noch den Menschen, die sich zunehmend als Individuen wahrnahmen, einen Spielraum.“441 Von der Erfahrung der Unvermitteltheit der Gottesbegegnung her kann Marguerite die traditionelle Rolle der Kirche und deren Selbstverständnis in Frage stellen. Besonders deutlich wird das in Kap. 43 des Spiegels, wo sie die „vernichtigte Seele“ als die eigentliche heilige Kirche bezeichnet. Die institutionell verfasste Kirche ist für sie „die Heilige Kirche die Kleine“.442 Die Konstitution Ad Nostrum des Konzils von Vienne aus dem Jahr 1312 stellte fest, dass „es unter den Beginen und Begarden Deutschlands eine Häresie des Freien Geistes gebe“443. In der Bulle werden eine Reihe von „begardischen“ Lehren verurteilt, darunter die Anschauung, dass die Gnadenmittel der Kirche für vollkommene Christen und Kontemplative überflüssig seien, dann die Lehre, dass man einen Zustand erreichen könne, in dem Gott und die Seele untrennbar vereint seien und in dem deshalb alle Tugend und Moral, v. a. im sexuellen Bereich, abgelegt werden könne, weil der Mensch in Einheit mit Gott nicht mehr sündige.444 Die neuere Forschung geht davon aus, dass es sich bei der „Bewegung des Freien Geistes“ nicht um eine homogene Gruppe oder „organisierte Sekte mit einem gegen die Kirche gerichteten Lehrprogramm“445 handelte, sondern um einzelne Mystiker und Mystikerinnen, die mit Freunden oder Anhängern in losem Kontakt standen. Die Bulle Ad Nostrum griff aus deren teils mündlich, teils schriftlich überlieferten Lehren Aussagen heraus, „die ketzerisch oder unmoralisch aussahen, wenn man sie ohne Zusammenhang zitierte“446 und übertragene oder paradoxe Redeweise nicht als solche erkannte, sondern die Aussagen wörtlich nahm. In Ad nostrum findet sich so ein Konglomerat von Aussagen, das in der Fülle und Einfachheit wohl auf niemanden zutraf. Die Bulle des Konzils von Vienne scheint vielmehr die 438 Vgl. Leicht, Intellektuelle, 119. 439 Vgl. Leicht, Intellektuelle, 361–368. 440 Kap. 85, Übers. Gnädinger, 130. 441 Stölting, Frauenmystik, 361. 442 Kap. 85, Übers. Gnädinger, 76 f. 443 Lambert, Ketzerei, 261. 444 Vgl. Dekrete der ökumenischen Konzilien, Ed. Istituto per le Scienze religiose, Bologna, Bd. 2, 382–385. Der Text der Konstitution mit einer Übersetzung von Joseph Lecler findet sich auch in: Fößel/Hettinger, Klosterfrauen, 148 f. 445 Lambert, Ketzerei , 262. 446 Lambert, Ketzerei, 262.

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Ketzer, auf die die Verurteilungen zutrafen, durch ihr Inquisitionsverfahren erst geschaffen zu haben.447 Häresien sind immer wieder Thema bei Hilton. Allerdings äußert er sich wenig konkret, so dass man nur aus dem Kontext erahnen kann, um welche „Häresie“ es sich handeln könnte. In der Epistola de leccione spricht Hilton an verschiedenen Stellen von einem Irrtum bzw. einer Häresie, der der Adressat des Briefes anheim gefallen sei, und nennt auch explizit den „Geist der Freiheit“ als Gefahr für den kontemplativ lebenden Menschen.448 Er ermahnt den Adressaten am für Priester gebotenen Stundengebet festzuhalten, und es nicht aus „Eifer der größeren Vollkommenheit“ zu vernachlässigen im Glauben, Gott durch eigene Betrachtung besser zu gefallen als durch das von der Kirche bestimmte Gebet.449 Eine explizite Auseinandersetzung mit Marguerite Porete, deren Spiegel Hilton in der ersten lateinischen oder der mittelenglischen Fassung ja durchaus gekannt haben könnte, 447 Lambert, Ketzerei, 264 f. Lambert stützt sich hier auf Lerners für den Bereich nördlich der Alpen umfassende Untersuchung „The Heresy of the Free Spirit in the Later Middle Ages“, die m. E. in ihrer Argumentation überzeugt. Gordon Leff und die beiden ostdeutschen Forscher Martin Erbstösser und Ernst Werner gehen hingegen von der Existenz einer Sekte aus. Vgl. Leff, Heresy, 308–407; Erbstösser/Werner, Ideologische Probleme; Erbstösser, Sozialreligiöse Strömungen 84–118. Lerner wirft Leff vor, lediglich die Urteile der Gegner der Bewegung zur Kenntnis zu nehmen und Quellen der „Freien Geister“ gar nicht zu beachten. Lerner warnt vor Guarneri, Movimento. Guarneri biete dort nur eine Anhäufung von teilweise sogar widersprüchlichem Material, ohne ihrer Aufgabe als Historikerin nachzukommen und zu erklären und zu deuten. (Vgl. Lerner, Heresy, 7 f.) Vgl. auch Lambert, Häresie 193– 196. Nach Irene Leicht ist es sehr unwahrscheinlich, dass Marguerite Porete überhaupt mit der in Vienne verurteilten „Häresie des freien Geistes“ in Verbindung steht (vgl. Leicht, Intellektuelle, 418–423): „Marguerite ist […] eher als Begine denn als Häresiarchin des freien Geistes verurteilt worden. Das ist ein bedeutender Unterschied: Das Spezifische der Beginenbewegung, das sich in einem dezidiert theologischen Interesse und einer neuen, kirchlich nicht approbierten Lebensform niederschlägt und aus diesen Gründen in ‚Cum de quibusdam‘ [, einer zweiten, zeitlich noch vor Ad nostrum liegenden Konstitution des Konzils von Vienne, die sich gegen die Lebensform der Beginen richtet,] angegriffen wird, hat ursprünglich nichts zu tun mit dem libertinistischen und größenwahnsinnigen, dazu noch meist auf den Bereich unterhalb der Gürtellinie gerichteten Einstellungen, wie sie in ‚Ad nostrum qui‘ und den Folgeverhören zum Ausdruck kommen.“(Leicht, Intellektuelle, 422 ff.) M. E. besteht aber durchaus ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen Marguerites Vorstellungen und dem verurteilten freigeistigen Ideengut, was aber nicht heißen muss, dass Marguerite alle später in Ad nostrum verurteilten Lehren teilte. 448 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 221, Z. 2–10; 224, Z. 65–68; 228, 159 ff mit dazugehöriger Anm. auf 402 f; 237, Z. 347–354 mit Anm. zu Z. 351 („Geist der Freiheit“) auf 411. Der „Geist der Freiheit“ ist ja genaugenommen etwas anderes als die „Freiheit des Geistes“, Clark stellt aber m. E. zu recht Bezüge zur Freigeistbewegung her, da aus dem Kontext klar wird, dass es sich um dieses Phänomen handelt. 449 „Ffallitur ergo hereticus institucionem ecclesie contempnens, horas canonicas scienter omittens. […] (Ffallitur) eciam contemplatiuus qui spiritum libertatis adeptum se putat, et tanquam zelo maioris perfeccionis pretermittit horas canonicas, iudicans se plus placere Deo per suam singularem meditacionem quam per oracionem ab ecclesia determinata(m).“ (Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 237, Z. 347–354.)

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findet nicht statt statt. Freigeistige Ideen des kontinentalen antinomistischen Typs werden in Hiltons Übersetzung der Eight Chapters of Perfection des Louis de Fontibus greifbar: In Kap. 3 wird vor Menschen gewarnt, die selbst nicht tugendhaft leben, aber behaupten, Visionen und Offenbarungen zu haben.450 Besonders warnt der Autor vor Leuten, die von sich sagen, sie hätten den Geist der Freiheit und so viel Gnade der Liebe, dass sie leben könnten, wie es ihnen gefalle. Diese Menschen seien völlig davon überzeugt, dass sie nicht sündigen könnten und stellten sich so über die Regelungen der Kirche. Ihre Rechtfertigung des Verhaltens mit Pauluszitaten lehnt er als Fehlinterpretation ab. Maßstab ist ihm Christus, der sich dem Gesetz unterwarf und sich für uns zum Knecht machte, obwohl er als Schöpfer des Gesetzes über dem Gesetz stand.451 In Kap. 5 wird auf die Gefahr hingewiesen, die von „geistlichen“ Liebe unter Mann und Frau ausgeht, weil sie zwangsläufig in „fleischliche Liebe“ führe.452 John Clark führt Hiltons sorgfältige Darlegung der Natur der „vollkommenen Gottesliebe“, der „Kontemplation“ oder der „Reform im Erfahren“ (reformynge in feelynge) in der Scale of Perfection auf seine Wachsamkeit gegenüber antinomistischen Ansätzen zurück.453 Er geht davon aus, dass Hilton seine Aussagen präzisiert hat, um jeden Irrtum auf der Linie der „Freigeist-Bewegung“ auszuschließen. His teaching in Scale 1 and especially in Scale 2 is intended not only […] as a corrective to the enthusiasm of Rolle, through its distinction between the fully supernatural prayer of contemplation on the one hand and visions and sense-perceptions on the other, but also the counter to erroneous understandings of ‚liberty of spirit‘ which he feared might follow upon this and upon the Lollard movement.454

Hilton präsentiert Bernhard von Clairvaux und Gilbert von Hoyland als Vertreter einer legitimen „Freiheit des Geistes“.455 Er verwahrt sich gegen die sich möglicherweise aus individueller mystischer Praxis entwickelnde Position, dass die Kirche überflüssig sei, da der einzelne selbst ohne Mittlerin in der vollkommenen Gottesbeziehung stehen kann. Er bejaht die Autorität der Kirche in Lehrfragen und weist ihr eine ganz wesentliche Rolle auf dem Weg der Seele zur Vollkommenheit zu. Ohne die Taufe und das Bußsakrament ist für ihn christliche Vollkommenheit 450 Vgl. Eight Chapters, Ed. Kuriyagawa (Tokio 1967). 451 „And ȝit also be-war of hem þat seyen hem-silf han gete þe spirit of fredom, and þat þei han so myche grace of loue, þat þei may lyue as hem lust. Þei þinken hem so fre and so siker, þat þei schulen not synne. Þei maken hem-silf aboue þe lawe of Holi Chirche, and þei seyen þus as Seynt Poul seyde: ‚Where þe spirit of God is, þere is fredom‘. And also þus: ‚If ȝe ben lad wiþ þe spirit, ȝe ben not vndir þe lawe‘. But þei meene not as Poule mente; þei vndirstonde not hise wordis. These men ben expresly aȝeins þe lawe and liif of Crist. For-whi Cirst [sic] þat was maad fre, made him-silf þral for us. And whanne he was aboue þe lawe as maker and ȝeuer of it, ȝit he made him buxum vndir þe lawe.“ (Eight Chapters, Ed. Kuriyagawa [Tokio 1967], 13, Z. 196–14, Z. 209.) 452 Vgl. Eight Chapters, Ed. Kuryagawa (Tokio 1967) 19; Z. 290–21, Z. 317 (Kap. 5). Vgl. J. Clark, Liberty of Spirit, 65. 453 Vgl. J. Clark, Liberty of Spirit, 68. 454 J. Clark, Liberty of Spirit, 78. 455 Vgl. J. Clark, Liberty of Spirit, 66 f.

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nicht zu denken, auch wenn er ein deklaratorisches Verständnis des Bußsakramentes hat.456 Das Stichwort „Freiheit des Geistes“ fällt bei Hilton interessanterweise in der Epistola de utilitate et prerogativis religionis im Zusammenhang mit der Frage des Ordenseintritts. Hilton zitiert Urban II., der den vom Heiligen Geist inspirierten Wunsch nach einem Ordenseintritt höher bewertet als den Einspruch des zuständigen Bischofs. Die Position Urbans kennt er wohl aus dem Corpus Iuris Canonici.457 Für Hilton kann „Freiheit des Geistes“ also heißen, quasi autorisiert durch den Heiligen Geist, der kirchlichen Hierarchie zu widersprechen, aber nicht, um sich von der Kirche zu verabschieden, sondern nur um innerhalb des kirchlichen Ordnungsgefüges einen neuen Platz einzunehmen. Die Vorstelllung, dass der Geist zu individualistischer, eigengesetzlicher Lebensweise führt, liegt Hilton fern. Im Gegenteil: in der Epistola de utilitate führt er in das Ordensleben mit Armut, Gehorsam gegenüber dem Ordensoberen und Keuschheit. 2.3.2.5 Wachsender theoretischer und praktischer Einfluss des Kirchenvolkes Bei Wyclif konnte der „wahre“ Papst ein Gerechter aus dem einfachen Kirchenvolk sein, und auch Ockham hatte vor dem Hintergrund der avignonesischen Amtskirche mit ihren Machenschaften in finanziellen Belangen und Ämterbesetzungen den Gedanken von der Restkirche entwickelt, der besagte, „dass Christi Verheißung in Lk 22,32; Mt 28,20, seine Kirche werde Bestand bis zu seiner Parusie haben, auch auf die Weise erfüllt werden konnte, dass diese Kirche allein noch in einem Laien, vielleicht in einer Frau oder einem unmündigen Kind erhalten blieb: Kirche wurde so von jedem sozialen Merkmal unabhängig, die einzelnen Christen und Christinnen waren in Vereinzelung der Kirche und der Schrift gegenübergestellt.“458 Dieser theoretischen Aufwertung des einfachen Kirchenvolkes durch einflussreiche Theologen entspricht ein wachsendes Verantwortungsbewusstsein für das eigene Heil unter den Laien. Viele Laien stürzte die Glaubwürdigkeitskrise der Kirche im 14. Jahrhundert in Heilsängste. Da sie in der institutionellen Kirche keine verlässliche Geborgenheit mehr fanden, begannen sie nach Wegen zu suchen, die ihnen ein persönliches, unmittelbares Verhältnis zu Gott ermöglichen konnten. Die ständig präsente Bedrohung des Lebens durch Krankheit – verstärkt 456 S. o. unter 2.2.1.5, S. 45. 457 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 123 f, Z. 80–94. Hilton zitiert hier und in den darauf folgenden Passagen aus dem Decretum Gratiani, p. II, causa XIX, q.II, c.II. Vgl. Corpus Iuris Canonici, Ed. Friedberg, Teil I, 840: Die Passage besagt, dass nach Papst Urban II. die Zustimmung des Bischofs zum Ordenseintritt nicht erforderlich ist. Das „Gesetz des Heiligen Geistes“, das den Postulanten bewegt, sei der Verpflichtung gegenüber dem Bischof vorgeordnet. Wer dem Heiligen Geist folge, sei frei vom Gesetz. „Dignior est enim lex priuata quam publica. Spiritus quidem Dei lex est, et qui Spiritu Dei aguntur lege Dei ducuntur; et quis est, qui possit sancto Spiritui digne resistere? Quisquis igitur hoc Spiritu ducitur, etiam episcopo suo contradicente, eat liber nostra auctoritate. Iusto enim lex non est posita, sed ubi Spiritus Dei, ibi libertas, et si Spiritu Dei ducimini, non estis sub lege.“ Urban II, Papst von 1088–1099, der vor seiner Wahl zum Kirchenoberhaupt Benediktiner in Cluny und Chorherr war, ist als Förderer der Ordengemeinschaften bekannt. (Vgl. Kelly, Urban II., 175–177; vgl. auch Becker, Urban II.) Es verwundert also nicht, dass sich Hilton auf ihn beruft. 458 Leppin, Wilhelm von Ockham, 194.

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durch die Pestwellen – trug mit dazu bei, dass sich die breite Bevölkerung für ein religiös-verantwortliches Leben interessierte. Man hoffte, angesichts der ständigen Erfahrung der Gefährdung des irdischen Lebens durch einen gottgefälligen Wandel ewiges Leben und Heil zu erwerben. Es entstanden zum einen verstärkt Texte, die sich mit Tod und Sterben auseinandersetzten und die Menschen ermahnten, sich des möglichen nahen Todes immer bewusst zu sein (ars moriendi-Literatur, memento mori-Literatur), zum anderen auch Schriften, die zu einem vollkommenen Leben anleiten wollen.459 Auch die zahlreichen Beichtspiegel dieser Zeit und andere Buß- und Beichtliteratur zeugen von einem erhöhten Sündenbewusstsein und intensiver Suche nach Vergebung angesichts drohender Verdammnis und ewigen Todes. Vor diesem Hintergrund ist zu verstehen, dass Hilton das Bußsakrament in seinem Werk an verschiedenen Stellen hervorhebt; ganz prominent ist die Frage der Buße, speziell des Umgangs mit Skrupeln und Zweifeln im Zusammenhang mit der Beichte, z. B. in der Epistola ad quemdam seculo renunciare volentem.460 Viele, besonders Frauen und Mädchen, wählten für die Heilssuche ein Leben im Kloster.461 Für Männer wie Frauen war auch das Einsiedlerleben anziehend, weil es in noch größerem Maße als das Klosterleben Raum für die individuelle Gottesbeziehung bot und auch eine verdienstvolle Lebensweise für diejenigen darstellte, die dem traditionellen Mönchtum kritisch gegenüberstanden. Reklusin zu werden, war insbesondere für Frauen eine attraktive Alternative, denn es garantierte nicht nur ewiges Heil, sondern versprach den Frauen soziales Ansehen auch schon auf Erden, ungeachtet des vorherigen Standes.462 Das Einsiedlertum war im mittelal459 London, British Library, MS. Cotton Faustina B. VI, ist ein typisches Beispiel für beide Richtungen der Entwicklung: Fol. 107v (nach der neuen Bindung Bd. 2, fol.1) zeigt ein sog. „vado mori“; fol.109r–129v bieten das das von einem Bibliothekar des 17. Jahrhunderts fälschlicherweise Hilton zugeschriebene Lehrgedicht Desert of Religion, das sich mit den Stufen des vollkommenen Lebens beschäftigt, mit Tugenden der Ordensleute, mit den Stufen zur Kontemplation und zum ewigen Leben. Die Tugenden werden als in den sieben Sakramenten verwurzelt dargestellt. Das Gedicht ist u. a. farbig illustriert mit Darstellungen von Wüstenvätern und anderen Heiligen, sowie farbigen Zeichnungen von Laster- und Tugendbäumen, sog. arbores. 460 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 265–278, Z. 331–621. 461 Die meisten der zahlreichen englischen Frauenklöster gehörten zum Zisterzienserorden, Dominikanerinnen- und Franziskanerinnenklöster waren nicht so häufig. Die cura monialium lag in den Händen der Männerorden. (Vgl. Riehle, Studien, 31.) 462 Leyser, Medieval Women, 208. Im Englischen unterscheidet man terminologisch unterschiedliche Arten von Einsiedlern. Männer und Frauen, die ein Einsiedlerleben in einer Zelle (anchorage oder anchorhold) führten, die sich gewöhnlich an oder in einer Gemeindekirche oder einem Kloster befand, werden als anchorites bezeichnet – der Begriff umfasst den Einsiedler (anchor, mittelenglisch: anker oder ancre) und die Einsiedlerin (anchoress, mittelenglisch ancress oder ankeresse). Im Lateinischen entspricht dem inclusus/inclusa bzw. reclusus/reclusa. Der Begriff hermit bezeichnet fast ausschließlich männliche Einsiedler. Im Unterschied zu den anchorites waren sie nicht an eine feste Zelle gebunden, sondern konnten sich zum Teil ganz frei bewegen. Einige hermits versahen sogar Aufgaben der städtischen Gemeinschaft wie z. B. die Aufsicht über eines der Stadttore oder eine Brücke. (Vgl. Tanner, Piety 69; E. Jones, Hermits, 7–9 und 13 f.) Für die praktische Seite des Reklusenlebens, z. B. die Liturgie bei der Einmauerung, die Lage und Räumlichkeiten einer Zelle,

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terlichen England weiter verbreitet als z. B. in Deutschland; anders als in Deutschland, den Niederlanden und Flandern gab es in England aber höchstens Ansätze des Beginenwesens.463 Diese Lebensformen brachten neben Heilssicherheit auch soziale und wirtschaftliche Absicherung, was die Attraktivität sicher nicht unwesentlich erhöhte. Auch für Menschen, für die ein kontemplatives Leben im Kloster oder als Rekluse/Reklusin keine Option war, gab es im Spätmittelalter Möglichkeiten, ihren Wunsch nach einer geistlichen Lebensführung zu verwirklichen, die im Effekt der kontemplativen gleichkam. Bernard McGinn hat aufgezeigt, dass ab dem 13. Jahrhundert ein „Demokratisierungs- und Säkularisierungsprozess“ einsetzt, der sich in den darauf folgenden Jahrhunderten noch verstärkt. Mit den anachronistischen Begriffen umschreibt er das wachsende Bewusstsein, dass es für alle Christen (nicht nur die religiosi) nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch möglich sei, Gottes Gegenwart unmittelbar zu erfahren, und dass die Weltflucht nicht die notwendige Vorbedingung dafür sei. Die Begriffe weisen auf die wachsende Überzeugung hin, dass Gott auch im weltlichen Bereich, im Alltag, in der alltäglichen Erfahrung zu finden sei.464 Im 14. Jahrhundert lassen sich noch unterschiedliche Positionen ausmachen. Der Cloud-Author gesteht „Kontemplation“ (Konformität mit dem Willen Gottes/mit Christus) nur kontemplativ Lebenden zu. In Walter Hiltons Werk findet sich die Spannung zwischen der älteren und der neueren Sichtweise: Einerseits hält er an der grundsätzlichen Prävalenz des klösterlich-kontemplativen Lebens als sicherstem Weg zur Kontemplation fest, andererseits findet sich in seinen späteren Schriften, v. a. in Buch II der Scale of Perfection, die Sicht, dass Kontemplation das Ziel für alle Menschen ist. In Mixed Life465 unterscheidet Hilton „beste Wege“ je nach Stand einer Person: Für Menschen, die keine äußere Verpflichtung haben, ist es die vita contemplativa, für Menschen, die in der Verantwortung für andere stehen, die vita mixta mit kontemplativen Anteilen und Tätigkeit in der Welt. Diese Form sprach v. a. wohlhabende Laien an, für die der Aspekt der sozialen Absicherung eine geringere Rolle spielte als für die Ärmeren. Das zeigt sich deutlich am Leserkreis der Hiltonschen Werke im 15. Jahrhundert. Durch das neue Publikum gab es einen erhöhten Bedarf an kontemplativunterweisender Literatur, und es entstand eine Fülle an Werken für eine laikale Leserschaft. Für die bürgerlichen Laien, Nonnen und Reklusinnen war die Literatur – bedingt durch den Bildungsstand – meist volkssprachlich gehalten, für Männerklöster, Einsiedler und Eremiten mehrheitlich lateinisch. Bei den Männern „gab [es] sogar Konvente, in denen volkssprachliche Texte überhaupt verpönt waren; denn man glaubte, daß ein wesentlicher Sinngehalt des Textes durch die Übertragung in die heimische Sprache verloren gehe und daß keine Sprache so wie das Latein als Gefäß für Sakrales dienen könne. So erklärt es sich etwa, daß in einer Kartäuserhandschrift die Cloud of Unknowing und der Mirror of Simple proportionale Verteilung von Reklusen und Reklusinnen in der Stadt und auf dem Land, vgl. E. Jones, Hermits, 9–14. 463 In der Forschung ist umstritten, ob es in England überhaupt Beginen gegeben habe. Evtl. ist von zwei oder drei Gemeinschaften in der Hafenstadt Norwich auszugehen. (Vgl. Tanner, Piety, 69 f.) 464 Vgl. McGinn, Changing Shape, 198 f. 465 Vgl. J. Clark, Action and Contemplation.

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Souls nachträglich ins Lateinische übertragen wurden.“466 Das Französische, seit der Normannischen Eroberung 1066 bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts die Sprache der Vornehmen und Gebildeten, rückte ganz in den Hintergrund. Englisch eroberte sich im 14. Jahrhundert seinen Platz als literarische Sprache.467 2.3.3 Zur universitären Theologie im England des 14. Jahrhunderts Von der universitären Theologie bearbeitete Themenfelder im England des 14. Jahrhunderts waren – wie oben schon ausgeführt – das Verhältnis von staatlicher und kirchlicher Macht, apostolische Armut, christliche Vollkommenheit und damit in Zusammenhang stehende Fragestellungen wie Prädestination, freier Wille, Gnade, Rechtfertigung sowie die unbefleckte Empfängnis Mariens.468 Es vollzog sich ein Wandel bei den theologischen Gattungen. Wie auch im übrigen Europa verloren die theologischen Summen Anfang des 14. Jahrhunderts an Gewicht; sie entwickelten sich von umfassenden Kompendien zu Stellungnahmen im Hinblick auf einzelne Probleme.469 Quodlibeta wurden Anfang des 14. Jahrhunderts selten470 und Sentenzenkommentare lösten sich langsam von der von Petrus Lombardus vorgegebenen Struktur, und ihre Verfasser nahmen sich die Freiheit, sich auf Einzelfragen zu beschränken.471 In der Argumentationsweise ist ebenfalls ein Wandel auszumachen: Statt philosophischer Argumentation in scholastischer Manier finden sich häufig Thesen bzw. Aussagen mit Belegen in Form von Bibelstellen.472 Die Theologie des ausgehenden 14. und auch des 15. Jahrhunderts nahm „nicht nur in den Klöstern, sondern gerade auch im Universitätsbereich, eine bemerkenswerte Wendung zum Praktisch-Ethischen und Erbaulichen; der Schulstreitigkeiten überdrüssig und um eine Versöhnung von Dogmatik und frommem Lebensvollzug bemüht, trat man aus dem Raum einer spezifisch universitätsbezogenen oder auch einseitig ordensorientierten Theologie heraus, indem man sich auf die Themen konzentrierte, die für Seelsorge und Verkündigung wichtig waren und dem Interesse der gebildeten, in ihrem Selbstbewußtsein gestärkten theologischen Laienkreise entsprachen. Solche Themen waren z. B. Fragen der Bußvorbereitung, des Ablasses, der göttlichen Gebote und Ratschläge, des rechten Sterbens, der Gebets- und Meditationspraxis – alles Themen, die mit einer für jedermann nachvollziehbaren christlichen Lebensgestaltung in unmittelbarem Zusammenhang stehen; solche Themen waren z. B. nicht die im ersten Buch der Sentenzenkommentare abgehandelten Fragen der theologischen Erkenntnislehre, der Trinitätslehre, in der Regel auch nicht der schwierigen Prädestinationsleh466 Riehle, Studien, 32. 467 Zur sprachlichen Situation im England des 14. Jahrhunderts vgl. McKisack, Fourteenth Century, 524. 468 Vgl. Pantin, English Church, 123–135. 469 Vgl. Courtenay, Schools, 251. 470 Vgl. Courtenay, Schools, 251 f. 471 Vgl. Courtenay, Schools, 252 f. 472 Pantin, English Church, 133 f, macht eine breite „antiintellektualistische“ Strömung aus, die sich in der Tradition der altkirchlichen Kirchenväter sah, die die Weisheit des Evangeliums der philosophischen Weisheit vorzogen.

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re.“473 Die Verlagerung der Interessen hatte bei verschiedenen Theologen des Spätmittelalters Einfluss auf die Lebensführung: Zahlreiche Universitätsmagister verließen die Universität, gingen ins Kloster oder wirkten als Prediger, um „sich in Leben und Lehre auf den praktischen Vollzug des Christentums einzustellen“474. Hilton, der – wie im Kapitel zur Vita rekonstruiert – die Universität Cambridge verließ, um wohl zuerst Eremit und dann Augustiner-Chorherr zu werden, ist dafür ein gutes Beispiel. Um Hilton, der sein juristisches Studium in Cambridge absolvierte, besser einordnen zu können, wäre präzise Kenntnis der Cambridger Theologie im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts hilfreich. Eine umfassende Darstellung der Cambridger Theologie in den letzten 30 Jahren des 14. Jahrhunderts ist aber noch ein Desiderat. Über die theologischen Strömungen im Oxford des 14. Jahrhunderts sind wir besser informiert als über die in Cambridge. Während Oxford Berühmtheiten und Neuerer wie Duns Scotus, William von Ockham, Thomas Bradwardine und John Wyclif hervorbrachte, scheint Cambridge theologisch traditioneller und deshalb weniger einflussreich gewesen zu sein.475 Franz Pelsters Untersuchung zum Franziskaner Johannes von Walsham476, einem Cambridger Doktor der Theologie, der um die Mitte des 14. Jahrhunderts auch in Norwich lehrte, bestärkt diesen Eindruck der Konservativität. Pelster weist hier nach, dass Johannes von Walsham den traditionellen Positionen der Summa Alexandri, Bonaventuras und Heinrichs von Gent folgt, sich von Duns Scotus und William Ockham distanziert und explizit den „Determinismus“ Bradwardines ablehnt.477 John Clark hat versucht, das theologische Umfeld Hiltons in Cambridge zu erhellen. Unter den aufgeführten Cambridger Theologen ist der Augustinereremit und Bachelor of Theology William Flete, der Cambridge 1359 verließ, um sich einem Kreis um Katharina von Siena anzuschließen. Neben einer Schrift mit dem Titel De remediis contra temptaciones, die Einfluß auf Hilton ausübte,478 sind drei Briefe Fletes an die Englische Provinz der Augustiner-Eremiten überliefert, in denen er für eine striktere Observanz der Regel plädiert.479 Clark hat eine lectura zu Ps 118 des Karmeliters Thomas Maldon zum Gegenstand eines Aufsatzes gemacht.480 Maldon war nach 1369 Prior der Cambridger Karmeliter und wurde später zum Doktor der Theologie promoviert. Zwischen Hilton und dem Karmeliterorden bestehen Verbindungen über die Scale of Per473 Hamm, Frömmigkeit 482. 474 Hamm, Frömmigkeit, 483. 475 Vgl. J. Clark, Cambridge Theology. 476 Pelster, Quästionen. 477 Vgl. J. Clark, Cambridge Theology, 1 f. 478 Vgl. J. Clark, Cambridge Theology, 3, Anm. 13. 479 Vgl. Hackett, Catherine of Siena. Für eine Übersetzung von Fletes De remediis contra temptaciones s. Hackett, Catherine of Siena, 127–138. 480 J. Clark, Thomas Maldon. Vgl. auch Clark, Cambridge Theology, 8 f. Clark weist nach, dass Thomas Maldon stark augustinisch geprägt ist, aber zugleich auch entscheidend von Thomas von Aquin beeinflusst. Neben diesen Haupteinflüssen macht er eine Fülle von weiteren Quellen für Maldon aus, darunter zahlreiche Kirchenväter sowie Aristoteles, Ovid, Plinius, Seneca, Valerius Maximus. Vgl. auch Leader, History, 178–180.

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fection. Das Hauptwerk Hiltons wurde vom Karmeliter Thomas Fyslake481 wohl noch zu Hiltons Lebzeiten ins Lateinische übersetzt. Eines der besten Manuskripte wurde für den Karmeliten John Pole angefertigt, der 1381 in Cambridge als Master of Theology belegt ist und Prior des karmelitischen Hauses war.482 Wyclifs Theologie muss unter den Karmeliten in Cambridge Thema gewesen sein. Ihr Oberer Robert Ivory war 1382 Mitglied der Blackfriars Synode, die Wyclifs Lehren verurteilte.483 So ist also davon auszugehen, dass Hilton durch seine Kontakte nach Cambridge über Wyclifs Ideen informiert war. Bei Hilton spielen die sonstigen im 14. Jahrhundert modernen theologischen Debatten, z. B. Fragestellungen des Nominalismus, keine Rolle. Er ist theologisch rückwärtsgewandt, rezipiert neben dem Patron der Augustiner-Chorherren, Augustinus, v. a. die in der klösterlichen Lebenswirklichkeit verwurzelte monastische Theologie des 12. Jahrhunderts.484 Es gibt m. E. biographische Gründe für Hiltons Auswahl der Quellen. Als er sich in größerem Umfang als während des Studiums der Jurisprudenz möglich theologisch bilden konnte, befand er sich in klösterlich geprägter Umgebung, und die Fragestellungen waren hier andere als im universitären Kontext, wobei die Universitätstheologie – wie oben gezeigt wurde – ja auch eine Hinwendung zu lebenspraktisch relevanten Themen vollzog. Hilton brach seine Universitätskarriere ab, um seiner Berufung zu einem mehr kontemplativen Leben zu folgen. Auf die Fragen, die sich dem Kontemplativen auf dem Weg der Gottsuche stellen, fand er die Antworten eher in den Werken der monastischen Tradition als in scholastischer Literatur, die er auch kannte und nicht ablehnte. Hilton hätte sicher keine Spannung zwischen „monastischer“ und „scholastischer“ Theologie gesehen. Ihm war eine Mischung mit der einen oder anderen Schwerpunktsetzung vertraut. Die schwerpunktmäßige Hinwendung zur monastischen Literatur könnte durch die Umstände des Umbruchjahrhunderts bedingt sein. Es ist gut vorstellbar, dass Hilton angesichts der o.g. sozialen, gesellschaftlichen, kirchenpolitischen und theologischen Krisen Sicherheit in festen und bewährten Traditionen suchte. Die in einer Blütezeit der monastischen Tradition als Gegenpol zur scholastischen Literatur entstandene Zisterzienserliteratur des 12. Jahrhunderts bot sich als Halt in besonderer Weise an.485 481 Für Informationen zu Fyslake vgl. J. Clark, Cambridge Theology, 7. 482 Vgl. J. Clark, Cambridge Theology, 7. 483 Vgl. J. Clark, Cambridge Theology, 10. 484 Die Unterscheidung zwischen „monastischer“ und „scholastischer“ Theologie ist eine hilfreiche Kategorisierung, sie wurde im 20. Jahrhundert vom Mediävisten Jean Leclercq eingeführt. Die monastische Theologie unterscheidet sich von der scholastische Theologie durch ihren Sitz im Leben. Anstelle der an der Universität verwendeten abstrakten Begrifflichkeit weist sie vermehrt biblische Bilder und Vergleiche auf. Kontemplation, Gebet, Askese sind in der monastischen Theologie stets Bezugspunkte. Die Literatur ist meist persönlich-pastoral orientiert, von der Gattung her sind Briefe, Dialoge, Predigten, Seelsorgetraktate vorherrschend. (Vgl. Hauschild, Lehrbuch, 582 f; vgl. auch Köpf, Theologie im Mittelalter, 18–20.) 485 England erlebte im 12. Jahrhundert eine monastische Renaissance, der Zisterzienserorden gelangte zu einer besonderen Blüte. Bernhard von Clairvaux spielte eine wichtige Rolle in der Ausbreitung und Entwicklung des Zisterzienserordens in England. Er sandte 1131/1132 eine Gruppe weißer Mönche nach England, um die dritte englische Zisterze zu

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2.3.4 Zu den Beständen der Bibliotheken in Thurgarton und in anderen englischen Häusern der Augustiner-Chorherren im 14. Jahrhundert Welche Bücher Hilton in Thurgarton, wo er alle bzw. fast alle seiner Werke verfasste, genau zur Verfügung hatte, liegt leider nach wie vor im Dunkeln. Es existiert – zumindest nach dem jetzigen Stand der Forschung – keine Quelle, die den genauen Umfang und die einzelnen Titel der Bibliothek Thurgartons und sonstige Bücher oder Schriften im Besitz des Augustiner-Priorats in den letzten beiden Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts auflistet oder die Rekonstruktion mit Sicherheit ermöglicht. Allerdings gibt es einige Quellen, die mit großer Wahrscheinlichkeit bestätigen, dass Hilton den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Traditionshintergrund aus der Lektüre kennen konnte. Einen Anhaltspunkt für die Rekonstruktion möglicher Bibliotheksbestände Thurgartons bietet das Registrum Anglie de libris doctorum et auctorum veterum, ein für die Edition im Rahmen des Corpus of British Medieval Library Catalogues aus drei Handschriftenfragmenten rekonstruierter Bücherkatalog aus dem frühen 14. Jahrhundert, der Bestände aus neunzig Bibliotheken in Ordenshäusern in England, Schottland und Wales verzeichnet.486 Das Registrum wurde von Oxforder Franziskanern auf der Basis von Ortsbegehungen angefertigt, um Lektoren und Schüler in abgelegenen franziskanischen Konventen eine Übersicht über in der Nähe zugängliche Buchbestände in Kathedral- und Klosterbibliotheken zu ermöglichen.487 Franziskanische Bibliotheken sind interessanterweise nicht aufgenommen488, vielleicht weil es dafür separate Verzeichnisse gab. Aufgenommen sind die Titel von ca. 1400 Werken, die im Registrum 99 klassisch-antiken, patristischen und mittelalterlichen Autoren zugeschrieben sind. Die Franziskaner hatten wohl klare Vorgaben, was in das Verzeichnis kommen sollte: „[…] the works of the Fathers (the Latins, and those of the Greeks whose works circulated in translation in the West), and works of the well-known later authors who commented on the faith, the Christian life, and especially on the scriptures – patristica et spiritualia, then through the twelfth century.“489 Verblüffenderweise fehlen in der Liste, die an einer der führenden Universitäten des 14. Jahrhunderts zusammengestellt wurde, Werke, die für das Studium an der Artistenfakultät und den höheren Fakultäten notwendig waren. Es fehlt juristische Literatur (für den Bereich des weltlichen Rechts wie des Kirchenrechts), ebenso medizinische, naturwissenschaftliche, astronomische Literatur. Werke von Grammatikern und Logikern fehlen, auch scholastische Bibelkommentare, Postillen des 13. Jahrhunderts und theologische Summen sucht man im Registrum vergebens. Ins Registrum sind überdies nur Autoren aufgenomgründen, Rievaulx in Yorkshire. Von Rievaulx aus breitete sich der Orden erfolgreich aus: Innerhalb von knapp zwanzig Jahren entstanden acht weitere Zisterzen im Norden Englands. Überhaupt entstanden im 12. Jahrhundert in England eine Fülle von Klöstern: über 250 Männerklöster und mehr als 100 Frauenklöster. (Vgl. Leyser, Piety, 192–194.) 486 Rouse/Mynors, Registrum Anglie. 487 Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, cxlv ff. 488 Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, lxx. 489 Rouse/Mynors, Registrum Anglie, lxxiii.

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men, deren Tod schon ca. hundert Jahre zurücklag.490 Das Registrum verzeichnet die Bücher nach Autoren. Unter jedem Autor stehen die Titel der zugeschriebenen Werke und hinter jedem Titel Nummern, die für die einzelnen Bibliotheken stehen. Das Registrum zeigt so die Verbreitung von Texten und lässt Rückschlüsse auf die Bekanntheit einzelner Texte zu. Für das Priorat Thurgarton sind im Registrum lediglich vier Titel verzeichnet: Augustins De vere vite, Ambrosius’ Super Lucam, Hieronymus’ Sermones und Bernhards Sermones.491 Da das Registrum ja schon selbst vom Austausch und der Zugänglichkeit von Büchern auch für Nichtbewohner der Häuser ausgeht, ist auch von Interesse, was das Registrum vom für Hilton postulierten Traditionshintergrund sonst noch auflistet. Augustinus ist überwältigend vertreten: Das Registrum listet für alle Bibliotheken insgesamt 324 Werke Augustins auf – darunter auch zahlreiche Pseudoaugustiniana –,492 acht Werke Cassians (darunter die Collationes und De institutis),493 zahlreiche Werke des Bernhard von Clairvaux494 bzw. Bernhard fälschlicherweise zugeschriebene Werke (die Hohelied-Auslegung, De 12 gradibus humilitatis, De diligendo Deo, De amore Dei, De videndo Deo, Super Psalmum Qui habitat), des Wilhelm von St. Thierry Epistola ad Fratres de Monte Dei), des Gilbert von Hoyland Super Cantica Canticorum495 des Aelred von Rievaulx De spiritali amicitia, De Iesu puero duodenni, Speculum Caritatis, De anima,496 des Hugo von St. Viktor De archa Noe und 69 andere Werke, die weniger bekannt sind,497 des Richard von St. Viktor Beniamin maior und Beniamin minor498. Von heute noch existierenden Manuskripten und Wiegendrucken waren bis in die Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts nur zwei Handschriften499 und eine Inkunabel500 Thurgarton zuzuodnen: erstens Washington/DC, Library of Congress, Incun X.5.7 (Rosenwald Collection), ein Wiegendruck des Speculum Christiani von 1486,501 zweitens eine Handschrift aus dem 14. Jahrhundert, Cambridge Trinity College, MS. 290, ein sog. Septuplum, das vom Besitzer Johannis de Atona mit Glossen versehen wurde. Es geht in dem Manuskript um theologische Inhalte: Enthalten sind u. a. Verse zu den sieben Todsünden und ihren jeweiligen Unter490 Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, lxxiii f. 491 Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, 273, unter Nr. 55. 492 Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, 7–58. 493 Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, 162 f. 494 Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, 170–177. Die Bernhard-Textforschung unterscheidet vier Gruppen von Handschriften, eine davon ist eine v. a. in englischen Bibliotheken überlieferte Textform, die sog. recensio anglica (vgl. Köpf, Sermones in Cantica Canticorum, 27 f), die der deutsch-lateinischen Bernhard-Ausgabe zugrundeliegt. 495 Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, 208. Im Eintrag „Gilbert“ wurden verschiedene Gilberts aufgenommen: Gilbert von Poitiers, Gilbert of Hoyland, Gilbert Crispin. (Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, 206–208.) 496 Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, 186–188. 497 Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, 239–243. 498 Vgl. Rouse/Mynors, Registrum Anglie, 239–243. 499 Vgl. Ker, Medieval Libraries, 190. 500 Vgl. Ker/Watson, Medieval Libraries Supplement, 65. 501 Vgl. Ker/Watson, Medieval Libraries Supplement, 65.

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sünden.502 Drittens eine Handschrift englischer Provenienz ausschließlich astronomischen und astrologischen Inhaltes, die im 15. Jahrhundert im Besitz von Thurgarton war, London, Royal College of Physicians, MS. 358.503 Dann konnte das Manuskript London, British Library, MS. Sloane 3548 mit Hilfe von Infrarotstrahlung als eine mit großer Wahrscheinlichkeit ursprünglich Thurgartoner Handschrift identifiziert werden.504 Bei der Handschrift handelt es sich um eine Kompilation von paper booklets, die aus dem 15. Jahrhundert stammt und v. a. medizinische Texte enthält.505 Wichtig für die Frage nach den Beständen in der Thurgartoner Bibliothek ist aber v. a. das Fragment eines Inventars,506 das sich auf der letzten Seite dieses Manuskripts (fol. 158rv) findet. Das Inventar von Büchern und booklets verzeichnet knapp fünfzig Einträge theologischer, kirchenrechtlicher, medizinischer, botanischer und astronomischer Literatur in nicht erkennbarer Ordnung. Jeder Eintrag ist durch eine Absatzmarkierung gekennzeichnet und steht entweder für ein gebundenes Buch (bound volume) oder für eine Sammlung von booklets, die mit quaternus507 bzw. quaterni bezeichnet sind. Acht Einträge erwähnen Vorbesitzer, darunter zwei nicht namentlich genannte Karmeliten sowie sechs namentlich genannte, aber noch nicht identifizierte Personen – vielleicht handelt es sich um Augustiner-Chorherren.508 Dem Inventarfragment fehlt eine Überschrift, die den Inhalt der Liste näher spezifiziert und Aufschluss über die Funktion der Liste geben könnte. Da die Liste viele quaterni enthält, ist wohl nicht 502 Vgl. James, Western Manuscripts, 406 f. 503 Vgl. Ker, Medieval Manuscripts, 207–209. 504 Im ex libris am Ende von fol. 26r wurde der mittelalterliche Eintrag, der unter Infrarotlicht zum Teil entziffert werden kann, nämlich „ ‚Liber Roberti […] canonici de Thurgarton‘ “ in ebenfalls mittelalterlicher Handschrift mit dem Namen „Maycotte“ überschrieben. (Vgl. Webber/Watson, Libraries, 415.) Die Einschränkung „mit großer Wahrscheinlichkeit“ rührt daher, dass sich das ex libris, das in der mittelalterlichen Bindung den Anfang eines „booklets“ bildet, auch lediglich auf dieses eine „booklet“ beziehen könnte und dass das Inventar nicht mit einem anderen Teil des Manuskriptes in kleinerer Einheit zusammengebunden ist. Für das Inventar kann aber eine gemeinsame Provenienz mit dem Rest des Manuskripts angenommen werden, da sich einer der Einträge im Inventar auch als Text im Manuskript findet. Für die Provenienz Thurgarton für das gesamte Manuskript spricht auch, dass einer der Einträge im Inventar mit dem Inhalt des Manuskripts London, Royal College of Physicians, MS. 358, das zu den wenigen erhaltenen Büchern aus der Bibliothek in Thurgarton stammt, übereinstimmt (Vgl. Webber/Watson, Libraries, 419, Nr. 14b–f.). Zwei Einträge im Inventar, vermutlich Ausleihvermerke, weisen mit ziemlicher Sicherheit auf das Augustinerpriorat St. Jakob in Northampton hin. Auch diese Verbindung lässt eine Zuordnung der Inventarsliste nach Thurgarton plausibel erscheinen. (Vgl. Webber/Watson, Libraries, 415.) 505 Für den Inhalt des Manuskriptes vgl. Webber/Watson, Libraries, 420, Nr. 18. 506 Das Inventar ist am Anfang und Ende unvollständig (vgl. Webber/Watson, Libraries, 415). Es ist ediert in Webber/Watson, Libraries, 415–426; eine Fotografie von fol. 158v findet sich als plate 5 zwischen S. 4 und 5. Das Thurgartoner Inventar wird von Webber/Watson mit „A20“ abgekürzt. Zu London, British Library, MS. 3548, fol. 158rv, vgl. auch Bressie, MS Sloane 3548. 507 Ein „Quaternus“ ist nach Auskunft von Frau Weidlich, der Bibliothekarin im Handschriftenlesesaal der Universitäts-und Landesbibliothek Bonn, ein doppelt gefalteter Bogen, der geheftet wurde. 508 Vgl. Webber/Watson, Libraries, 415.

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davon auszugehen, dass es sich um eine Bestandsliste der zentralen Bibliothek Thurgartons handelt, obwohl es angesichts des Umfangs der Liste auch unwahrscheinlich scheint, dass es sich um ein Verzeichnis der Bücher einer Einzelperson handeln könnte. Nach Webber ist es am wahrscheinlichsten, dass es sich um ein Verzeichnis einer der Gemeinschaft zur Verfügung stehenden Sammlung handelt, die durch verschiedenen Schenkungen zustande kam.509 Interessant ist das Inventar für die theologische Forschung vor allem deshalb, weil es ein neues Licht auf die theologischen Interessen der Augustiner-Chorherren im späten Mittelalter wirft. Das Inventarfragment aus Thurgarton gibt zusammen mit dem aus dem späten 15. Jahrhundert stammenden Katalog aus Leicester Aufschluss über das Interesse der Chorherren dieser Häuser an persönlicher, affektiver Frömmigkeit.510 Aus St. Mary Overy in Southwark erhaltene devotional texts waren bislang als Ausnahmephänomene gedeutet worden. Durch Buchbesitz belegtes größeres Interesse an geistlicher Literatur war bis zur Zuschreibung der Bücherliste aus London, British Library, MS. Sloane 3548, zum Augustinerpriorat Thurgarton lediglich für die Kartäuser, Birgittenschwestern und -mönche, Laien und einige Vertreter des Weltklerus bekannt.511 Auch wenn man aufgrund einer Liste mit Sicherheit nur sagen kann, welche Bücher vorhanden waren, jedoch nicht, ob sie auch tatsächlich gelesen wurden, ist nicht davon auszugehen, dass Augustiner-Chorherren wie Walter Hilton mit ihren Interessen Einzel- und Ausnahmeerscheinungen waren. Eine mittelalterliche Bibliothek hätte wohl nicht die Mittel gehabt, lediglich für eine Einzelperson Bücher anzuschaffen, sondern die Buchbestände sollten der ganzen Gemeinschaft nutzen. In der Thurgartoner Liste sind folgende bislang mit Sicherheit oder relativer Sicherheit bestimmbare altkirchliche und mittelalterliche theologische Texte zu finden: Für ein Augustinerpriorat nicht überraschend herrscht unter den altkirchlichen Autoren Augustinus (354–430) vor, darunter befinden sich allerdings auch pseudoaugustinische Werke. Es finden sich u. a. Augustins Soliloquia,512 De fide rerum invisibilium,513 De cura pro mortuis gerenda,514 Contra mendacium,515 dann die pseudoaugustinischen Werke De cognitione verae vitae des Honorius Augustodunensis (gest. nach 1139),516 Sermones ad fratres in eremo517 und Meditationes de spiritu sancto518. Ansonsten findet sich die Epistola ad Rusticum monachum des Hieronymus (um 347–419/20).519 Von im Frühmittelalter entstandenen Werken 509 510 511 512 513 514 515 516 517 518 519

So Webber/Watson, Libraries, 414; so auch Webber, Latin Devotional Texts, 29. Vgl. Webber/Watson, Libraries, xxvii. Vgl. Webber, Latin Devotional Texts, 27 f. Webber/Watson, Libraries, 416, Nr. 4c. Webber/Watson, Libraries, 422, Nr. 23d. Webber/Watson, Libraries, 423, Nr. 29e. Webber/Watson, Libraries, 423, Nr. 29f. Webber/Watson, Libraries, 422, Nr. 21d. Webber/Watson, Libraries, 422, Nr. 21c. Webber/Watson, Libraries, 423, Nr. 29c. Webber/Watson, Libraries, 422, Nr. 24b.

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verzeichnet das Inventar Isidors von Sevilla (um 560–636) Sententiae,520 PseudoIsidors De ordine creaturarum,521 außerdem eine Homilie Gregors des Großen (540–604) über Hesekiel bzw. vielleicht sogar mehrere Homilien Gregors522. Die Mehrzahl der theologischen Texte im Inventar stammen aber von mittelalterlichen Autoren des 12. bis 14. Jahrhunderts. Es finden sich die Augustiner-Chorherren [Pseudo-]Hugo von St. Viktor mit De domo conscientiae,523 Richard von St. Viktor (gest. 1173) mit De potestate ligandi atque solvendi,524 Jan van Ruysbroeck (1293–1381),525 Walter Hilton526. Aus der franziskanischen Tradition finden sich Bonaventuras (1217–1274) Itinerarium mentis in Deum – gleich zweifach –527 und eine ebenfalls Bonaventura zugeschriebene Schrift, die als De itineribus eternitatis aufgelistet ist, und bei der es sich vielleicht um des Rudolph von Biberach (gest. nach 1326) De septem itineribus aeternitatis528 handelt. Die exegetische Literatur der Franziskaner ist mit Nikolaus von Lyra (1270/75–1349) und seiner Postilla litteralis zu Psalmen vertreten529. Das Verzeichnis enthält fünf Werke aus der zisterziensischen Tradition: die pseudobernhardischen Schriften Meditationes piissimae de cognitione humanae conditionis530 und Speculum peccatoris531 und des Aelred von Rievaulx (um 1100– 1167) De spirituali amicitia bzw. ein auf diesem Werk Aelreds basierender Text des Thomas von Frakaham;532 außerdem das unter dem Namen Bernhard von Clairvaux (1090/91–1153) überlieferte Werk des Wilhelm von St. Thierry (1085/90– 1148/49) Epistola ad fratres de Monte Dei533. Im Inventar finden sich drei Texte von Frauenmystikerinnen. Hinter dem Titel Revelaciones sancte Matildis verbirgt sich vermutlich entweder der Liber specialis gratiae der Mechthild von Hackeborn (1241/42–1298/99) oder ein Mechthild von Magdeburg (1207–1282) zugeschrie520 Webber/Watson, Libraries, 423, Nr. 27a. 521 Webber/Watson, Libraries, 423, Nr. 27b. 522 Webber/Watson, Libraries, 424, Nr. 36. Vgl. auch Webber/Watson, Libraries, 416 f, Nr. 8 und 423, Nr. 31. 523 Webber/Watson, Libraries, 416, Nr. 3e. 524 Webber/Watson, Libraries, 416, Nr. 4a. 525 Webber/Watson, Libraries, 418, Nr. 11d. Um welche Texte es sich handelte, geht aus der Angabe „libri Iohannis Rosbruk“ nicht hervor. In England waren De ornatu spiritualis desponsationis in Übersetzungen von Geert Grote und W. Jordaens bekannt, sowie De perfectione filiorum Dei in der Übersetzung von Jordaens. (Vgl. Webber/Watson, Libraries, 418, Anmerkung zu Nr. 11d.) 526 Darunter vielleicht die Epistola de utilitate et prerogativis religionis und wahrscheinlich die Scale of Perfection in der lateinischen Übersetzung durch Thomas Fyslake (Vgl. Webber/Watson, Libraries, 418, Nr. 11a; 421, Nr. 21a; 425, Nr. 46c; vgl. jeweils auch die dazugehörigen Erklärungen der Herausgeber.) 527 Webber/Watson, Libraries 418, Nr. 11e und 423, Nr. 29a; vgl. auch die Anmerkungen der Herausgeber. 528 Webber/Watson, Libraries, 418, Nr. 11f; vgl. die Anmerkungen der Herausgeber. 529 Webber/Watson, Libraries, 423, Nr. 32; vgl. die Anmerkung der Herausgeber. 530 Webber/Watson, Libraries, 417, Nr. 9b; vgl. die Anmerkung der Herausgeber. 531 Webber/Watson, Libraries, 417, Nr. 9f; vgl. die Anmerkung der Herausgeber. 532 Webber/Watson, Libraries, 418, Nr. 12d; vgl. die Anmerkung der Herausgeber. 533 Webber/Watson, Libraries, 422, Nr. 21e; vgl. die Anmerkung der Herausgeber.

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bener Text.534 Außerdem gibt es Einträge zu den Revelaciones der Katharina von Siena (1347–1380) und der Birgitta von Schweden (1303/02–1373).535 Neben den schon genannten Autoren Aelred von Rievaulx und Walter Hilton ist die englische Tradition mit Robert Grosseteste (vor 1170–1253)536 vertreten – vielleicht handelt es sich beim Eintrag um seine Schrift De decem mandatis537 – und mit Richard Rolle, der mit den Werken Emendatio vitae538 und Incendium amoris539 aufgelistet ist. Im Inventar wird Rolle das Werk des deutschen Dominikaners und Mystikers Heinrich Seuse (ca.1295–1366) mit dem Titel Cursus de sapientia540 zugeschrieben. An dominikanischer Literatur ist ansonsten nur – und auch noch mit gewisser Unsicherheit – ein Werk des Albertus Magnus (vor 1200– 1280)541 im Inventar zu finden. Zwei weitere mittelalterliche Werke sollen noch aufgeführt werden: des Petrus Cantor (gest. 1197) Verbum abbreviatum542 und des Petrus Comestor (gest. 1179) Historia scholastica in gekürzter Fassung543. Auffällig ist, dass sich in der Liste nur zwei kirchenrechtliche Titel,544 darunter des Bartholomäus von Brixen (gest. 1258) Casus Decretorum, finden. Natürlich darf von einer Liste des 15. Jahrhunderts, die noch dazu unvollständig ist, nicht vorschnell auf Bestände des späten 14. Jahrhunderts geschlossen werden. Es ist aber m. E. davon auszugehen, dass nicht alle genannten Bücher erst im 15. Jahrhundert nach Thurgarton kamen. So ist es zwar nicht möglich, über die Liste Quellen Hiltons mit Sicherheit auszumachen, aber sie kann auf mögliche Quellen aufmerksam machen, die sich bei der Hilton-Lektüre bestätigen müssen. Durch die Liste werden die von Hilton namentlich genannten Gewährsleute Bernhard von Clairvaux und Bonaventura bestätigt. Weitere Quellen Hiltonschen Denkens lassen sich durch inhaltliche Parallelen und Abhängigkeiten feststellen. Die Überlieferungslage ist leider nicht nur für Thurgarton dürftig, sondern was mittelalterliche Kataloge und Bücherlisten aus Bibliotheken der Augustiner-Kanoniker betrifft, insgesamt vergleichsweise schwach. Das ist bedauerlich, denn Augustinerhäuser kommen in besonderer Weise als Vergleichspunkt für Thurgarton in Betracht. In den anderen Augustinerhäusern könnten Buchbestände vorhanden gewesen sein, zu denen Hilton als Thurgartoner Augustiner-Chorherr über den 534 Webber/Watson, Libraries, 416, Nr. 5; vgl. die Anmerkung der Herausgeber. 535 Webber/Watson, Libraries, 416, Nr. 6 und 7; vgl. die Anmerkungen der Herausgeber. 536 Vgl. McEvoy, Grosseteste. 537 Webber/Watson, Libraries, 417, Nr. 9e; vgl. die Anmerkung der Herausgeber. 538 Webber/Watson, Libraries, 417, Nr. 9g; vgl. die Anmerkung der Herausgeber. 539 Webber/Watson, Libraries, 421 f., Nr. 21b, vgl. die Anmerkungen der Herausgeber. 540 Webber/Watson, Libraries, 426, Nr. 47 l; vgl. die Anmerkungen der Herausgeber. 541 Webber/Watson, Libraries, 426, Nr. 47e; vgl. die Anmerkungen der Herausgeber. 542 Im Manuskript aufgeführt als „Parisiensis de viciis et virtutibus in ij voluminibus ligatis“ (Webber/Watson, Libraries, 415, Nr. 1). Zu Peter Cantor und seinem Werk vgl. Peppermüller, P[etrus] Cantor, 1965 f: Thema des Petrus in seinem Hauptwerk Verbum abbreviatum sind Tugenden und Laster. „Ziel ist das moral[ische] Leben. Zur Illustration dienen P[etrus] neben Beispielen aus klass[ischen] Autoren v. a. solche aus dem tägl[ichen] Leben seiner Zeit. Dabei werden Mißstände, bes[onders] auch innerhalb des Klerus, kritisiert; Maßstab ist das schlichte Leben der Urkirche.“ (Peppermüller, P[etrus] Cantor, 1966.) 543 Webber/Watson, Libraries, 415 f, Nr. 3b; vgl. die Anmerkungen der Herausgeber. 544 Webber/Watson, Libraries, 424, Nr. 33b und Nr. 38.

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Orden leicht Zugang gehabt haben könnte. Der einzige Katalog aus einem Augustinerhaus, der in Hiltons Lebenszeit fällt, stammt aus Lanthony Secunda.545 Ebenfalls aus Lanthony Secunda und aus derselben Zeit stammt ein Testament, in dem Dr. John Lecche, Kanzler der Universität Oxford (1338–1339), dem Priorat 57 Bücher vermacht.546 Aus dem Priorat Anglesey in Cambridgeshire ist noch eine borrower’s list von 1314 erhalten. Die Liste verzeichnet die entliehenen Werke und die Entleiher.547 Weiter ist aus dem Priorat Bridlington in Yorkshire/East Riding eine noch bedeutend ältere Bücherliste überliefert, die aus dem späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert stammt.548 Ebenfalls auf das späte 12. oder frühe 13. Jahrhundert datierbar ist ein Bücherkatalog der Abtei Waltham in Essex,549 außerdem existiert eine Schenkungsliste aus Worksop (auch als Radford bekannt) in Nottinghamshire aus dem Jahr 1187550. Alle anderen überlieferten Kataloge und Bücherlisten aus Häusern der Augustiner-Kanoniker stammen aus späterer Zeit. Viele wurden um die Mitte des 15. Jahrhunderts erstellt, verschiedene entstanden auch im Zusammenhang der Auflösung der Klöster unter Heinrich VIII. Auch was die mittelalterlichen Buchbestände selbst angeht, ist wenig erhalten.551 Da man nicht weiß, wie repräsentativ das Überlieferte ist, ist es nicht möglich, ein umfassendes Bild der Buchsammlungen der englischen Augustiner-Kanoniker zu zeichnen. Zusätzlich erschwert wird die Sache dadurch, dass man bei vielen Verzeichnissen wie im Fall der Thurgartoner Liste nicht weiß, welchen Zweck sie hatten, und damit auch im Dunkeln liegt, ob es sich überhaupt um umfassende Listen der gesamten Bestände handelt. Ein weiteres Hindernis besteht darin, dass die Augustiner-Chorherren in den jeweiligen Häusern die gemeinsame Regel unterschiedlich in die Praxis umsetzten, so dass nicht einfach von einem Haus auf das andere geschlossen werden kann. Das Kapitel der Augustinusregel, das das Ausleihen und Lesen von Büchern regelt, wurde unterschiedlichst interpretiert.552 Die an sich für alle Häuser geltenden Beschlüsse der Generalkapitel, die seit dem 13. Jahrhundert stattfanden, wur545 Ediert in Webber/Watson, Libraries, 34–94 als „A16“. 546 Ediert in Webber/Watson, Libraries, 94–103 als „A17“. 547 Ediert in Webber/Watson, Libraries, 3–5 als „A1“. 548 Ediert in Webber/Watson, Libraries, 8–22 als „A4“. 549 Ediert in Webber/Watson, Libraries, 427–442 als „A38“. 550 Ediert in Webber/Watson, Libraries, 445 f als „A41“. 551 Vgl. Webber/Watson, Libraries, xxii f. „Between 200 and 250 houses of Augustinian canons were founded in England between the end of the eleventh century and the Dissolution (most had been established by the early thirteenth century), more than for any other single order in England. Yet, by contrast with what survives from the Benedictines, the number of identified Augustinian catalogues and lists of books is very small: leaving aside the reports of patristic and other texts from twenty-three English Augustinian houses have thus far been identified, including a total of four from Victorine and Arrousian houses. […] Unfortunately, the generally low level of survival of documentary records of book ownership is paralleled by a similar pattern with regard to the books themselves. With the exception of Lanthony Secunda (over 100 books identified with certainty, and a further forty-odd conjectural), to only ten houses have more than ten extant volumes thus far been assigned, and from none of these does the number of surviving volumes exceed forty.“ (Webber/Watson, Libraries, xxii f. Vgl. auch Webber/Watson, Libraries, xxvii.) 552 Vgl. Webber/Watson,Libraries, xxiv.

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den nicht überall umgesetzt. Von den englischen Customals für den Unterricht der Novizen, die Aufschluss über die Praxis im Umgang mit der Bibliothek, über Ämter, die im Zusammenhang mit Büchern stehen, Lesezeiten und dergleichen in den einzelnen Häusern geben könnten, ist nur eines erhalten.553 Auch wenn es die Überlieferungslage nicht erlaubt, ein umfassendes Bild zu zeichnen, so lassen sich doch wertvolle Beobachtungen zu einzelnen Häusern und Phänomenen machen, die dann mit gebotener Behutsamkeit auch Schlüsse auf andere Häuser zulassen. Der aus dem späten 12. bis frühen 13. Jahrhundert stammende Katalog aus der Abtei Waltham in Essex554 belegt z. B., dass enge Kontakte zu den „major centres of learning on the continent“555 bestanden. Dass Thurgarton, falls das Priorat nicht selbst Kontakte zum Kontinent pflegte, über andere Niederlassungen von Augustiner-Chorherren an diesem Wissensaustausch partizipierte, erscheint durchaus möglich. Im Walthamer Katalog ist eine Fülle an nicht-theologischen Werken der klassischen lateinischen Literatur verzeichnet: Seneca,556 Cicero,557 Terenz,558 Vergil,559 Ovid560. Thurgarton könnte vielleicht ähnliche Bestände gehabt haben. Das könnte unabhängig vom Verweis auf Hiltons Ausbildung an der Universität und seine Prägung durch stilistisch an der klassischen lateinischen Literatur orientierten monastisch-zisterziensischen Literatur eine Erklärung dafür liefern, warum Hilton teilweise bis in Zitate hinein den klassischen Autoren nacheiferte. Es lässt sich feststellen, dass der für Hilton m. E. v. a. maßgebliche zisterziensische Traditionsstrang in den Bibliotheken der englischen Augustiner-Chorherren auch tatsächlich vorhanden gewesen ist. Besonders wertvoll sind in dieser Hinsicht die Bücherliste aus Bridlington (12./13. Jahrhundert) sowie der aus dem 14. Jahrhundert stammende Katalog von Lanthony Secunda. Bernhards De diligendo Deo ist ebenso im Katalog von Lanthony Secunda verzeichnet wie auch in Leicester.561 De XII gradibus humilitatis findet sich mehrfach in Leicester,562 De gratia et libero arbitrio in Lanthony und mehrfach in Leicester,563 der Sermo de filio prodigio ebenfalls in Leicester564. Bernhards Hoheliedpredigten Sermones super Cantica canticorum waren auch jeweils in Lanthony Secunda und Leicester vorhanden.565 Die pseudo-bernhardische Schrift Meditationes piissimae de cognitione humanae conditionis findet sich in Lanthony Secunda, Thurgarton

553 554 555 556 557 558 559 560 561 562 563 564 565

Vgl. Webber/Watson, Libraries, xxiv f. Ediert in Webber/Watson, Libraries, 427–444. Webber/Watson, Libraries, xxvi. Vgl. Webber/Watson, Libraries, 534. Vgl. Webber/Watson, Libraries, 433 f. Vgl. Webber/Watson, Libraries, 439, Nr. 100. Vgl. Webber/Watson, Libraries, 440 f, Nr. 113 f. Vgl. Webber/Watson, Libraries, 441, Nr. 116–121. Webber/Watson, Libraries, 58, Nr. 180c; 181, Nr. 318; 278, Nr. 899c. Webber/Watson, Libraries 125, Nr. 28f; 160, Nr. 234d; 161, Nr. 235c, 181, Nr. 322. Webber/Watson, Libraries, 73, Nr. 309; 174, Nr. 299b, 175, Nr. 302c; 193, Nr. 390d. Webber/Watson, Libraries, 149, Nr. 214d. Webber/Watson, Libraries, 52, Nr. 142; 133, Nr. 89.

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und vermutlich in Leicester,566 der ebenfalls pseudo-bernhardische Speculum peccatoris neben Thurgarton auch in Leicester567. Während in der fragmentarischen Thurgartoner Liste von den Werken Wilhelms von St. Thierry lediglich die Epistola ad fratres de Monte Dei verzeichnet ist, so finden sich die anderen geistlichen Hauptwerke in anderen Bibliotheken der englischen Augustiner-Chorherren. Für die Bibliothek Leicester ist das Werk De amore Dei mehrfach belegt.568 Hinter De amore Dei verbirgt sich das Traktatpaar De contemplando Deo und De natura et dignitate amoris. Der Text/die Texte wurden Bernhard von Clairvaux zugeschrieben und sind unter seinem Namen verzeichnet. Aelreds De Iesu puero duodenni ist für die Abtei Cirencester in Gloucestershire569 verzeichnet, De spiritali amicitia findet sich neben einem Beleg im Thurgartoner Inventar in der hochmittelalterlichen Bridlingtoner Liste.570 Seine Schrift Speculum caritatis befand sich ebenfalls im Besitz der Bibliothek in Bridlington, außerdem ist sie eventuell für Leicester verzeichnet.571 Das Werk Speculum humilitatis könnte in Lanthony Secunda zu den Beständen gehört haben.572 Der für Hilton auch prägende augustinische Traditionsstrang ist ebenfalls gut belegt. Die Werke Augustins sind in den Katalogen in großer Fülle vertreten, besonders beeindruckend sind die für Leicester belegten Bestände. Auch Lanthony Secunda war schon im Hochmittelalter bestens mit Augustinus ausgestattet. Aus dieser Fülle sollen nur zwei Schriften herausgegriffen werden, deren Einfluss auf Hilton offensichtlich scheint. De doctrina christiana und De trinitate sind beide sowohl für Lanthony Secunda belegt als auch für Leicester.573 Richards von St. Viktor Beniamin maior und Beniamin minor waren in der Bibliothek in Leicester vorhanden.574 Aus der franziskanischen mystischen Tradition sind Werke des Bonaventura de Balneoregio für zwei der augustinischen Häuser verzeichnet. Das Itinerarium mentis in Deum befand sich neben Thurgarton auch im Besitz der Bibliothek in 566 Webber/Watson, Libraries, 71, Nr. 290 b; 417, Nr. 9b; 143, Nr. 163b. 567 Webber/Watson, Libraries, 417, Nr. 9f; 289, Nr. 971w mit Anm. der Herausgeber. 568 Vgl. Webber/Watson, Libraries, 162 f, Nr. 244n mit Anmerkung der Herausgeber; 174, Nr. 299 mit Anmerkung der Herausgeber; 175, Nr. 302e mit Anmerkung der Herausgeber; 179, Nr. 306a mit Anmerkung der Herausgeber, 181, Nr. 318 mit Anmerkung der Herausgeber (Doppeleintrag); 279, Nr. 907d mit Anmerkung der Herausgeber. 569 Die von Leland für Heinrich VIII. angefertigte Bücherliste zu Cirencester ist ediert in Webber/Watson, Libraries, 26–28. Der Eintrag zu Aelreds De Iesu puero duodenni findet sich Webber/Watson, Libraries, 27, Nr. 2. 570 Webber/Watson, Libraries,13, Nr. 35; 418, Nr. 12d. 571 Webber/Watson, Libraries, 13, Nr. 34; evtl. 247, Nr. 716. 572 Vgl. Webber/Watson, Libraries, 72, Nr. 300 mit Anmerkung der Herausgeber. 573 De doctrina christiana: Webber/Watson, Libraries, 58, Nr. 182; 149, Nr. 216a u.ö. De trinitate: Webber/Watson, Libraries, 57, Nr. 174; 58, Nr. 182; 148, Nr. 206. Im Register des Bandes von Webber/Watson füllen die Augustinus-Einträge mehrere Seiten (vgl. Webber/ Watson, Libraries, 492 unten–495 Mitte, bzw. 496 unten, wenn man auch pseudoaugustinische Schriften u.ä. mitrechnet. 574 Webber/Watson, Libraries, 189, Nr. 368 (Doppeleintrag: = 196, Nr. 398n); 188, Nr. 365 (Doppeleintrag: = 370, Nr. 1560).

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Leicester575, die Meditationes vitae Christi und die Meditationes de passione Christi sind für Leicester belegt576. Vor diesem Hintergrund kann an dieser Stelle m. E. auf die Auswertung weiterer Kataloge von mittelalterlichen Bibliotheken verzichtet werden, da die Autoren, die im folgenden traditionsgeschichtlichen Kapitel vorgestellt werden, schon nach der Durchsicht des Registrum Anglie und der Kataloge aus englischen Augustinerhäusern allesamt für das 14. bzw. frühe 15. Jahrhundert in England belegt sind. Im Folgenden werden die Kataloge sporadisch konsultiert, um weitere Einflüsse auf Hilton, denen kein eigenes Kapitel im traditionsgeschichtlichen Teil der Arbeit gewidmet ist, anhand der Bibliotheksbefunde zu bestätigen.

575 Webber/Watson, Libraries, 418, Nr. 11e; 423, Nr. 29a; 202, Nr. 438. 576 Webber/Watson, Libraries, 201, Nr. 434; S. 279, Nr. 907g.

3. Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund der Theologie Walter Hiltons 3.1 Darlegung der Auswahlkriterien Hiltons Theologie ist stark in den biblischen Schriften verwurzelt. Von den Schriften des Neuen Testamentes beruft er sich am häufigsten auf Paulus, die synoptischen Evangelien und die johanneischen Schriften; im Alten Testament v. a. auf den Psalter, die großen Propheten und das Buch Genesis.1 In den Zitaten und Bezugnahmen auf biblische Autoritäten nennt er die Gewährsleute gelegentlich beim Namen, meistens zitiert er aber, ohne die Quelle genau zu nennen, und geht davon aus, dass der bibelkundige Leser sie selbst kennt. Ähnlich verhält es sich bei Zitaten oder Anspielungen aus dem Bereich der außerbiblischen theologischen Literatur. Gewährsleute werden manchmal ausdrücklich genannt, meist bleiben sie verborgen. Am häufigsten beruft sich Hilton bei den namentlichen Nennungen auf Augustinus;2 auch Gregor der Große taucht mehrfach als Gewährsmann auf.3 1 Vgl. die Bibelstellenverzeichnisse in Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 447 ff und Scale, Übers. Clark/Dorward, 336 ff. 2 So z. B. für den Gedanken, dass Selbsterkenntnis Vorbedingung der Gotteserkenntnis ist: „But thou schalt, yif thou wolt, bigynne a newe travaile, and that is for to entre into thyn owen soule bi meditacion, for to knowe what it is, and bi the knowynge therof for to come to the goostli knowynge of God. For as Seynt Austyn saith: ‚Bi the knowynge of mysilf, I schalle gete the knowing of God.‘ “ (Scale I,40, Ed. Bestul, 74, Z. 1063–1066, vgl. die Gebetsbitte Augustins, Sol.II, 1,1, Ed. Migne, [PL 32], 885: „Deus semper idem, noverim me, noverim te. Oratum est.“ Vgl. auch Scale, Übers. Clark/Dorward, 171, Anm. 144 für weitere traditionsgeschichtliche Verweise.) Hiltons Ausführungen zum Verhältnis von Liebe zu Gott und Liebe zu den Dingen sind ein Beispiel für indirektes und direktes „Zitieren“ aus Augustinus. Das folgende Zitat erinnert stark an die in De doctrina, Buch I, entfalteten Gedanken, auch wenn sich das Gesagte dort nicht explizit findet. Es handelt sich gewissermaßen um ein Weiterspinnen der Augustinschen Gedanken. Vgl. auch Confessiones X,31,44, wo es um die Diskussion der Grenze zwischen Notwendigem und Lust-Verschaffendem geht: „For to love and for to have more thanne thee nedeth skilfulli, is a grete defaute. Also for to love that thing that thee nedith is defaute, but not so greet; but for to have and use that thee nedeth withoutin love it is no defaute.“ (Scale I,71, Ed. Bestul, 112, Z. 2073–2076.) Ein paar Zeilen weiter nennt er die Quelle seiner Gedanken: „For as Seynt Austyn seith to oure Lord thus: ‚Lord, he loveth Thee but litil, that loveth ony thynge with Thee.‘ “ For the more love and coveitise of ony ertheli thinge is in thee, the lasse is the love of God in thyn herte.“ (Scale I,71, Ed. Bestul, 113, Z. 2084–2086.) 3 Vgl. Scale I,18; Ed. Bestul, 50, Z. 454–461: „Be thanne besi for to gete mekenesse and for to holde it; for it is the first and the laste of alle vertues. It is the firste, for it is the ground,

Darlegung der Auswahlkriterien

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An einer Stelle erwähnt Hilton gleich mehrere Autoritäten: Bitte schone mich Elenden, liebster Bruder, verzeihe meinen Unverstand, dass ich mir die vorliegende Empfehlung des Ordenslebens angemaßt habe; ich weiß mit Sicherheit, dass es meiner Empfehlung nicht bedarf. Es spricht für sich selbst und empfiehlt sich selbst, wenn einer nur bereit ist, es mit einem rechten und ehrlichen Blick anzuschauen. Auch viele heilige Ordenslehrer empfehlen es, wie sowohl an ihrem Leben und ihren Wundertaten als auch in ihren Schriften deutlich wird, der selige Gregor der Große z. B., der Förderer des Ordenslebens, so wie er es in einigen seiner Schriften lehrt, und auch viele andere ausgezeichnete Männer nach ihm wie der Heilige Bernhard, der ehrwürdige Anselm, Hugo von St. Viktor und besonders der Heilige Thomas von Aquin. Diese legen besonders in ihren Schriften den Nutzen des Ordenslebens dar, sie empfehlen es, weil sie selbst darin erfahren sind; achte die Bücher jener Männer, auf dass du Feuer und Flamme für das Ordensleben sein mögest.4

Bernhard wird außer in der Epistola de utilitate auch in der Epistola de leccione genannt, wo Hilton den Adressaten ermahnt, neben der Heiligen Schrift auch Schriften Bernhards und Richards gründlich zu lesen.5 Bei „Bernhard“ bzw. dem „Heiligen Bernhard“ denkt er an Bernhard von Clairvaux, mit „Richard“ ist m. E. Richard von St. Viktor gemeint. Richard von St. Viktor legt sich nahe, weil er wie Hilton Augustiner-Chorherr war. Dass die Viktoriner für Hilton ein Begriff waren, wird durch die oben zitierte Stelle aus De utilitate deutlich, wo sich Hilton auf Hugo von St. Viktor beruft. Da Hilton sich stets auf zu seiner Zeit schon anerkannte Gestalten der Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte bezieht, scheidet ein Zeitgenosse mit dem Namen Richard wie z. B. Richard Rolle aus. Andernorts beruft sich Hilton allgemein auf „heilige Väter“, mit denen er die Kirchenväter meint.6 as Seynt Austyn seith: Yif thu thynke to bigge an high hous of vertues, ordeyne thee firste a deep grounde of meknes. And also it is laste, for it is savynge and kepynge of alle vertues, as Seynt Gregor seith: He that gadreth vertues withouten mekenesse, he is like to hym that maketh and berith poudre of spicerie in the wynde. Doo thou nevere so many good dedis, fast thou or wake thou, or ony good dede that thu doo, yif thu have no mekenesse it is nought that thou doost.“ Vgl. Augustinus, s.69, Ed. Migne, (PL 38), 441,2: „Humilitas fundamentum aedifici spiritualis“; vgl. Gregor, HomEv I,7,4, Ed. Migne, (PL 76), 1103: „Sed etsi quaelibet bona adsint opera, nulla sunt, nisi ex humilitate condiantur. […] Qui enim sine humilitate virtutes congregat, in ventum pulveram portat […]. […] In cunctis ergo quae agitis, fratres mei, radicem boni operis humilitatem tenete […].“ Vgl. Scale, Übers. Clark/Dorward. 68, Anm. 166 für weitere traditionsgeschichtliche Verweise. 4 De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 145, Z. 450–461. 5 „Tu habes sacram scripturam tanquam regular et fundamentum. Habes Bernardum et Ricardum et alios sufficienter instructos. Respice diligenter et humiliter libros eorum […] et precipue Bernardum attende.“ (Epistola de leccione, Latin Writings, Ed.Clark/Taylor, 227, Z. 124–126.) 6 „Oure holi fadres heere bifore kenned us that we schulde knowe the mesure of oure gifte, and up that werk, not takynge upon us bi feynynge more than we han in felynge. We moun ai desire the beste, but we moun not ay werke the beste, for we han no yit receyved the grace.“ (Scale I, 41, Ed. Bestul, 74, Z. 1077–1080.) John Clark schlägt vor, dass Hilton Cassians Collationes im Blick habe. (Vgl. Scale, Übers. Clark/Dorward, 171, Anm. 145.)

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Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund der Theologie Walter Hiltons

Bei den mittelalterlichen Autoren ist es rein von den namentlichen Nennungen her nicht ganz eindeutig, ob Hilton sich eher auf scholastische oder monastische Theologen bezieht. Bei der Lektüre von Hiltons Werken wird die Sache aber eindeutig. Häufiger indirekt zitiert werden eindeutig monastische Theologen. Hilton steht auch stilistisch in der monastischen Tradition. Bei der Wahl der Gattungen zieht er traktat- und lehrhafte Briefe vor. Die Art der Einbettung von Bibel- und Väterzitaten in den Argumentationsgang ist ebenfalls von der „monastischen Theologie“ geprägt, die eher kreativ kreisend als formal streng geordnet vorgeht.7 Der scholastische Traktat zur Frage der Bilderverehrung bildet die einzige Ausnahme. Die folgende Darstellung stellt in erster Linie „romanisch-mystische“ Theologen vor, da sie sich bei den Vorarbeiten als in besonderer Weise prägend für Hilton erwiesen haben. Von den bei Hilton explizit genannten Theologen werden diejenigen herausgegriffen, deren Werke den größten Einfluss auf seine Bearbeitung der Kernthemen der Reform der Gottebenbildlichkeit/-ähnlichkeit und der Gottesliebe haben.8 Das erste Teilkapitel ist Augustinus gewidmet, dessen Theologie alle mittelalterlichen Theologen des Westens in der einen oder anderen Weise beeinflusste. Drei Teilkapitel beschäftigen sich mit der zisterziensischen Tradition: Bernhard von Clairvaux, Wilhelm von Saint-Thierry und Aelred von Rievaulx. Die Schriften Wilhelms wurden bis ins 16. Jahrhundert meist unter Bernhards von Clairvaux Namen überliefert.9 Einzelne Werke des englischen Zisterzienserabtes Aelred von Rievaulx/Yorkshire wurden im Mittelalter ebenfalls Bernhard zugeschrieben.10 Es wäre also gut möglich, dass Hilton Werke Wilhelms und Aelreds für Werke Bernhards hielt.11 Von den beiden bei Hilton genannten Viktorinern wird Richard vorgestellt; Hugo hat sich in den Vorarbeiten als nicht einflussreich 7 Zum Stil Bernhards s. u. S. 112 f und 126. 8 Gregor der Große, der bei Hilton v. a. mit seiner Vorstellung vom gemischten Leben wirksam wird, und Anselm von Canterbury, dessen Satisfaktionslehre an der Scharnierstelle zwischen Buch I und Buch II der Scale of Perfection eine wichtige Rolle spielt, finden deshalb in der vorliegenden Arbeit nicht mit einem eigenen Teilkapitel Platz. Thomas von Aquin bleibt unberücksichtigt, weil sich bei den Vorarbeiten gezeigt hat, dass Hilton zwar vereinzelt scholastische Termini und Unterscheidungen verwendet, sein Werk insgesamt jedoch nicht von Thomas abhängig ist. 9 Vgl. Sander, Amplexus, 44. 10 Vgl. Cavallera, Bernard, 1501. 11 Der englische Zisterzienserabt Gilbert of Hoyland (gest. 1172), der von Hilton nicht genannt wird, den er aber auch als „Bernhard“ hätte kennen können, hat sich in den Vorarbeiten als nicht prägend auf Hiltons Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit und Gottesliebe herausgestellt. Gilbert schrieb nach Bernhards Tod den Hoheliedkommentar Bernhards fort. Die für Gilbert charakteristische erotische Metaphorik spielt bei Hilton keine zentrale Rolle. Eine Verbindungslinie zu Hilton besteht, wo Gilbert von Bernhard von Clairvaux und Wilhelm von St. Thierry geprägte Gedanken wiedergibt, vgl. z. B. die Diskussion der Beziehung von fleischlicher und geistlicher Liebe zum Gottessohn in Sermo 20,9–10, 48,8 und 43,2. (Vgl. McGinn, Mystik, Bd. 2, 453–463.) Gilberts Werke finden sich in S. Bernardi opera omnia, Bd. 5, Ed. Mabillon, 11–298. Für den Kommentar zum Hohelied vgl. S. Bernardi opera omnia, Bd. 5, Ed. Mabillon, 11–252. Engl. Übersetzung: The Works of Gilbert of Hoyland, Übers. Braceland, Bd. I–III: Sermons on the Song of Songs, Bd. IV: Treatises, Epistles and Sermons.

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erwiesen.12 Bonaventura wird abschließend berücksichtigt, obwohl er von Hilton nicht ausdrücklich als Quelle genannt wird, um auszuloten, ob franziskanische Einflüsse in Hiltons Konzeption von Gottebenbildlichkeit und Gottesliebe Niederschlag gefunden haben.

3.2 Augustinus von Hippo Da Augustinus (354–430) für die gesamte mittelalterliche Theologie des Westens prägend ist und sich augustinische Grundbegriffe bei allen Autoren finden, soll hier an einige zentrale Aussagen und Vorstellungskomplexe erinnert werden: 3.2.1 Gottebenbildlichkeit (imago Dei) und Gottähnlichkeit (similitudo Dei) Die Frage der Gottebenbildlichkeit gehört zu den Kernthemen der Spiritualität Augustins.13 Bausteine, aus denen man Augustins Vorstellung vom Komplex „Ebenbildlichkeit“ rekonstruieren kann, finden sich über das ganze Œuvre des Kirchenvaters14 verstreut. Im Folgenden werden die Gedanken dargestellt, die in Bezug zu Hiltons Theologie und Anthropologie stehen. Walter Hilton lässt an keiner Stelle durchblicken, dass ihm bei Augustinus Unstimmigkeiten, die man mit Entwicklung erklären könnte, auffielen. Er rezipiert Augustinus „unkritisch“ als in sich stimmige Autorität. Deshalb wurden bei der Erarbeitung des folgenden Kapitels neuere Forschungsergebnisse zur Entwicklung der augustinschen Lehre von der Gottebenbildlichkeit zwar zur Kenntnis genommen, sie kommen in der Darstellung aber nicht zum Tragen. Mit McGinn lassen sich drei Typen von „imago-Dei Spiritualität“ in der westlichen Theologie des 4. bis12. Jahrhunderts unterscheiden: „[…] eine, die das Abbild Gottes vor allem in der als intellektuellem Subjekt aufgefaßten Person findet; eine, die ihr Hauptaugenmerk auf die Freiheit des Subjektes als den eigentlichen Sitz des Abbildes richtet; und eine, die den interpersonalen, dialogischen Charakter des Abbild-Seins betont.“15 Diese drei Typen mischen sich bei den einzelnen Autoren mit individueller Schwerpunktsetzung. Augustinus verortet das imago Dei-Sein 12 Clarks Urteil hat sich bestätigt: „[…] some commonplaces are derived from Hugh of St. Victor, though it would be too much to say that he is a specifying influence.“ (J. Clark, Introduction, 23.) 13 So McGinn mit A. Trapé, vgl. McGinn, Mystik, Bd. 1, 352. 14 Hilfreich für einen Überblick über die Passagen zum Komplex Gottebenbildlichkeit bei Augustinus ist die Anthologie: St. Augustine‘s Comments on „Imago Dei“, Ed. Heijke. Eine Untersuchung, die sich detailliert der Lehre von der imago Dei bei Augustinus annimmt, ist Sullivan, Image; vgl. auch Schindler, Wort. Ein knapper Überblick findet sich bei Ladner, Reformation; neuer und umfassender McGinn, Mystik, Bd. 1, 352–359. Hilfreich ist auch Ladner, Idea, 183–203. Die im Folgenden in den Fußnoten verwendeten Abkürzungen für die Schriften Augustins sind entnommen aus AugL 1, S.XLIII–XLV. 15 Vgl. McGinn, Abbild Gottes, 321. Vgl. auch McGinn, Mystik, Bd. 1, 353 und Sullivan, Image, 44 ff.

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des Menschen vor allem in der Geistnatur bzw. in den intellektuellen Fähigkeiten, die ihren Sitz in der Seele haben: „Der Mensch wurde darin nach dem Bild Gottes gemacht, worin er die nicht vernunftbegabten Lebewesen überragt. Das ist die Vernunft (ratio) oder der Geist (mens) oder der Intellekt (intelligentia) oder wie immer man es angemessen nennen mag.“16 Diese Dreiheit entspreche der göttlichen Trinität. In der Enarratio in Psalmum XLVIII werden ebenfalls ratio, mens und intellectus als Sitz der imago Dei benannt. Augustinus betont hier, dass die Gottebenbildlichkeit nicht in der Körperlichkeit angesiedelt sei, sondern da, wo die drei theologischen Tugenden seien, da sei Gottes Ebenbild anzutreffen.17 Die intakte Ebenbildlichkeit begründe die „Ehre“ des Menschen (honor) – an anderen Stellen gebraucht er den Begriff „Würde“ (dignitas).18 Seit dem Sündenfall verkenne der Mensch die imago Dei, verliere so seine Würde und werde den „Lasttieren“ gleich. Augustinus unterscheidet einen oberen („männlichen“) und unteren („weiblichen“) Teil der ratio. Nur der obere (ratio superior) sei im strengen Sinne imago Dei, weil er darauf bedacht sei, die Wahrheit Gottes zu betrachten, während der untere (ratio inferior) damit beschäftigt sei, zeitliche Dinge zu verwalten.19 16 Gn. litt. III,20, Ed. Zycha, (CSEL 28/1), 86, Z. 8 ff: „[…] ut videlicet intellegamus in eo factum hominem ad imaginem dei, in quo inrationalibus animantibus antecellit. id autem est ipsa ratio, uel mens vel intelligentia vel si quo alio uocabulo commodius appellatur.“ 17 „Quod posuit in medio Psalmo, hoc in fine: Homo cum in honore esset, non intellexit; comparatus est iumentis insensatis, et similis factus est illis. Vos autem, fratres, considerate uos homines factos ad imaginem et similitudinem Dei. Imago Dei intus est, non est in corpore, non in auribus istis quas uidetis, et oculis, et naribus, et palato, et manibus, et pedibus; sed est facta tamen; ubi est intellectus, ubi est mens, ubi ratio inuestigandae ueritatis, ubi est fides, ubi est spes uestra, ubi caritas uestra; ibi habet Deus imaginem suam […].“ (en. Ps. XLVIII, s. II, 11, Ed. Dekker/Fraipont, [CChr.SL 38], 574, Z. 22 ff. Vgl. auch en. Ps. LIV, 3, Ed. Dekker/ Fraipont, [CChr.SL 39], 657, Z. 42 ff.) 18 Vgl. Volp, Würde, 236 ff. Volp zeigt wie Augustinus mit seiner Vorstellung von der dignitas oder dem honor des Menschen in der „altrömischen Textur ethischer und politischer Werte“ (Volp, Würde, 236) verwurzelt ist und sich gleichzeitig davon absetzt. Dignitas und honor seien traditionell etwas, „das einer Führungspersönlichkeit aufgrund ihrer Leistungen insbesondere für das Gemeinwesen verliehen wurde beziehungsweise zukam und das besondere Macht und Herrschaftsrechte zur Folge hatte. […] Aus der dignitas oder dem honor ergeben sich […] bestimmte Herrschaftsrechte, aber sie haben auch eine Vorbedingung, nämlich die Leistung oder virtus. Im Falle des Menschen, der seine dignitas bereits bei der Schöpfung verliehen bekommen hat, ist sie jedoch ein Geschenk ohne Vorbedingung, dem [sic] sich der Mensch gleichwohl würdig zu erweisen hat […].“ (Volp, Würde, 236.) Der Mensch erzeige sich durch Tugenderwerb der geschenkten dignitas würdig. Da die menschliche dignitas „eine von der Würde Gottes und Jesu Christi abgeleitete Würde ist, ist dies letztlich nichts anderes als Angleichung an Gott.“ (Volp, Würde, 239.) 19 „[L]icet enim subtilissime disseratur ipsam mentem hominis, in qua factus est ad imaginem dei, quamdam scilicet rationalem uitam, distribui in aeternae contemplationis ueritatem et in rerum temporalium administrationem, atque ita fieri quasi masculum et feminam illa parte consulente, hac obtemperante: in hac tamen distributione non recte dicitur imago dei nisi illud, quod inhaeret contemplandae incommutabili ueritati. […]“ (Gn. litt. III,22, Ed. Zycha, [CSEL 28/1], 844, Z. 24 ff, vgl. auch trin. XII,VIII,13, Ed. Montain/Glorie, ]CChr.SL 50], 368, Z. 4–18). Vgl. Mulligan, Ratio Superior, 3–14.

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Der relationale Aspekt der Ebenbildlichkeit kommt bei Augustinus auch zum Tragen. Das imago Dei-Sein des Menschen ist keine Qualität des Menschen unabhängig von seiner Beziehung zu Gott.20 Schon bei der Schöpfung macht Augustinus eine Wende der Geschöpfe vom Nichts zu Gott hin aus, die er formatio nennt. Wenn sich der Mensch von Gott abwendet, untergräbt er sein imago DeiSein. Versuche des Menschen, es wiederherzustellen, müssten hier ansetzen: Der Mensch muss umkehren und sich wieder zu Gott hinwenden (conversio).21 Augustinus will in der 399 bis 419 entstandenen Schrift De trinitate herausarbeiten, inwiefern der Mensch Ebenbild des trinitarischen Gottes (imago trinitatis) ist. „Die ersten sieben Bücher entfalten den kirchlichen Glauben an die Trinität und enthalten […] wichtige Reflexionen über das Wesen der imago.“22 In den Büchern 9–15 finden sich eine Fülle von „introspektiven Analogien für die Trinität in der Seele“23. Diesen trinitarischen Strukturen im Menschen geht Augustinus vor allem durch seine Analyse der Triaden Liebender – Gegenstand der Liebe – die Liebe selbst,24 mens – notitia sui – amor sui25 und memoria – intellegentia sui – voluntas sui26 nach. In De trinitate Kap. 15 spiegelt die memoria als Basis aller geistigen Tätigkeit des Menschen die Rolle des Vaters im trinitarischen Gott wider, der der Urgrund des Ausgangs sowohl des Sohnes als auch des Heiligen Geistes sei. Augustinus kennt – ausgehend von der lateinischen Übersetzung von Gen 1,26 und der Tradition – die Termini imago und similitudo, theologisch spielen sie in ihrer Differenz so gut wie keine Rolle. In der frühen Schaffensperiode unterscheidet Augustinus die Begriffe nicht sauber; „in seiner reifen Phase unterscheidet er aber zwischen similitudo als nicht weiter spezifizierter Form von Ähnlichkeit zwischen zwei Dingen und imago, was eine besondere Weise von Ähnlichkeit meint, durch die etwas auf seine Quelle bezogen ist und sie gleichzeitig ausdrückt.“27 Für 20 Vgl. Sullivan, Image, 50. 21 Vgl. Sullivan, Image, 39. Sullivan zeigt auf, dass der Wiederherstellungsprozess bei Augustinus unterschiedlich benannt wird, je nachdem aus welcher Perspektive er betrachtet wird. Reformatio und recreatio bezeichnen Gottes Handeln, conversio den Beitrag des Menschen. (Vgl. Sullivan, Image, 59.) 22 McGinn, Mystik, Bd. 1, 354. Das achte Buch kreist um die Erfahrung von Liebe, die die grundlegende trinitarische Analogie und das Mittel zur Wiederherstellung des Bildes Gottes im Menschen ist. Augustinus zeigt, „daß die Nächstenliebe der einzige Weg ist, Gott zu lieben, und daß daher allein die Liebe Zugang zur Schau Gottes in diesem wie im künftigen Leben eröffnet.“ (McGinn, Mystik, Bd. 1, 355.) 23 McGinn, Mystik, Bd. 1, 357. 24 Vgl. trin. IX,II,2: Beim Liebesverhältnis seien drei involviert: der Liebende, der Gegenstand der Liebe und die Liebe selbst: „Tria enim sunt amans et quod amatur et amor.“ (Ed. Montain/Glorie, [CChr.SL 50], 294, Z. 3 f.) 25 Vgl. trin. IX,III,3 und IX,IV,4, Ed. Montain/Glorie, (CChr.SL 50), 295, Z. 1–297, Z. 26. 26 Vgl. trin. X,XI,17–18, Ed. Montain/Glorie, (CChr.SL 50), 329, Z. 1–331, Z. 63. 27 McGinn, Mystik, Bd. 1, 352 f. Vgl. auch Schindler, Wort, 65–67. „Zusammenfassend kann zum Unterschied von imago und similitudo gesagt werden, daß er nicht theologisch relevant wird, wie dies auf Grund der Tradition möglich wäre, sondern daß beide Begriffe, besonders da, wo sie gemeinsam auftreten, dasselbe bedeuten und die Bedeutungsdifferenz […] nicht ausgewertet wird.“ (Schindler, Wort, 66.) Vgl. auch Volp, Würde, 232–235, zur Entwicklung der Vorstellung der Gottebenbildlichkeit bei Augustinus.

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Augustinus ist deshalb Christus, das Wort (Verbum) allein im Vollsinn imago Dei.28 Trotzdem bezeichnet Augustinus auch den Menschen auf der Basis von Gen 1,26 f als imago Dei. Zur Frage des möglichen Verlustes der Gottebenbildlichkeit (imago Dei) und Gottähnlichkeit (similitudo Dei) macht Augustinus unterschiedliche Aussagen. Die vorherrschende ist die, dass auch nach dem Sündenfall die Ebenbildlichkeit (imago) in der anima rationalis29 nicht verloren gehen könne. Diese Sicht der Dinge wird von Augustinus auch in den Retractationes bestätigt. Er relativiert hier Aussagen, in denen er z. B. von „Auslöschen“ der Gottebenbildlichkeit im sündigen Menschen spricht.30 „Der Geist gilt zwar als erniedrigt, aber nicht als in seiner Gottähnlichkeit zerstört. Er ist entstellt, deformis, aber er bleibt Gottes Bild, imago Dei.“31 Augustinus verwendet verschiedene Bilder, um zu zeigen, dass die imago Dei zwar grundsätzlich noch vorhanden, aber stark beeinträchtigt ist, so z. B. dass sie durch die Sünde „farblos“32 oder „abgetragen“ (obsolefacta)33 oder im Dunkel „verborgen“ sei. Der Mensch verliere nicht die grundsätzliche Anlage der Bezogenheit auf Gott, aber ihre Realisierung. Die grundsätzliche Anlage scheint Augustinus mit imago zu bezeichnen, die Realisierung mit similitudo. Einmal Gott unähnlich geworden, werde der Mensch in einer Spirale abwärts immer noch unähnlicher: Wie nämlich eine Natter nicht mit deutlich sichtbaren Schritten, sondern durch ganz kleine Stemmbewegungen der Schuppen vorwärtskriecht, so ergreift die gleitende Abwärtsbewegung diejenigen, die sorglos sind, nach und nach; indem man mit einem verkehrten Streben nach Gottähnlichkeit anfängt, gelangt man zur Ähnlichkeit mit den Tieren. […] Die wahre Ehre des Menschen heißt nämlich Bild und Gleichnis Gottes [imago et similitudo Dei]; sie läßt sich nur bewahren in der Hinordung auf jenen, von dem sie eingeprägt wurde. Um so mehr also hängt man Gott an, je weniger man das eigene Selbst liebt. Wer sich also von der Gier, seine Macht zu erleben, treiben läßt, stürzt gewissermaßen auf seinen eigenen Wink hin in sich selbst als Mittelpunkt. Da er also wie jener unter keinem stehen will, wird er zur Strafe auch von der Mitte, die er selbst ist, weiter getrieben nach unten, das heißt zu dem, woran das Vieh sich freut, und so hat ‚der Mensch‘, da seine Ehre das Gleichnis Gottes [similitudo Dei], seine Unehre [dedecus] die Ähnlichkeit mit dem Tiere ist, ‚in Ehren gestellt, es nicht eingesehen, ist gleich geworden dem unvernünftigen Vieh, und ihm ist er ähnlich geworden [Ps 48,13]‘.34 28 Vgl. McGinn, Mystik, Bd. 1, 353. 29 Anima rationale ist hier gleichbedeutend mit animus. Animus ist die vernunft- und verstandesbegabte Seele, die den Menschen gegenüber dem Tier auszeichnet, mit dem er die anima, das Lebensprinzip teilt. (Vgl. trin. XV,II,1, Ed. Montain/Glorie, [CChr.SL 50 A], 460, Z. 1–6.) An anderen Stellen verwendet Augustinus anima und animus austauschbar ohne Bedeutungsunterschied. (Vgl. Übers. Schmaus, 16, Anm. 1.) 30 Vgl. De trinitate, Übers. Schmaus, 188 ff mit Anm. 11 f. Während seiner manichäischen Jahre war Augustinus der Auffassung, dass die Ebenbildlichkeit (imago) verloren sei. (Vgl. Pelikan, Christian Tradition, 300.) 31 Flasch, Augustin, 348. 32 „In animo tuo est imago Dei, mens hominis capit eam. Accepit eam et inclinando se ad peccatum decolorauit eam.“ (En. Ps XXXII,II,16, Ed. Dekker/Fraipont, [CChr.SL 38], 266, Z. 16 ff.) 33 Vgl. s. XC,10, Sermo 90, Ed. Migne, (PL 38), 566. 34 Trin XII,XI,16, Übers. Schmaus, 143f; vgl. Ed. Montain/Glorie, (CChr.SL 50), 370, Z.1–15.

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Die „Gier nach dem Wandelbaren und Zeitlichen“ beschwere die Seele und lasse sie abstürzen. Nur durch die Gnade des Schöpfers, der zur Buße ruft und Sünde vergibt, sei Umkehr möglich.35 Die Wiederherstellung der Gottebenbildlichkeit und Gottähnlichkeit, die sich wie der Abstieg in die Unähnlichkeit schrittweise vollziehe, wird unterschiedlich benannt, je nachdem, ob er aus der Perspektive Gottes oder des Menschen beschrieben wird.36 Ist der Blick auf Gottes Handeln gerichtet, so sind die termini technici renovare und reformare und dazu stammverwandte Begriffe.37 Auch resculpare findet sich gelegentlich.38 Liegt das Augenmerk auf dem menschlichen Mitwirken, ist von conversio die Rede, denn der Beitrag des Menschen, der sich durch die Sünde(n) von Gott abgewendet hat, bestehe in Umkehr und erneuter Hinwendung zu Gott.39 Der von Gott geleitete Wiederherstellungsprozess sei dem Schöpfungsprozess vergleichbar. Das Wort (Verbum), durch das alles geschaffen wurde und das der menschlichen Seele die imago „einprägte“ und sie formte, re-formiere die Seele auch selbst wieder. Ipse ad eam venit reformator qui erat eius ante formator; quia per Verbum facta sunt omnia, et per Verbum impressa est haec imago. Venit ipse Verbum, ut audiremus ab apostolo: Reformamini in nouitate mentis uestrae [Röm 12,2].40

Die „abgetragene“ Ebenbildlichkeit werde neu geformt (resculpatur)41, die durch die Sünde „verborgene“ Ebenbildlichkeit, die dem Menschen eingeprägt sei wie einer Münze das Bild des Kaisers,42 werde „beleuchtet“, so dass das Bild wieder zum Vorschein komme und der Mensch seine Würde sehen könne.43 35 Vgl. trin XII,XI,16, Ed. Montain/Glorie (CChr.SL 50), 370 f, Z. 19 ff. 36 Vgl. Sullivan, Imago, 59. 37 Vgl. Ladner, Idea, 189. Vgl. auch St. Augustine’s Comments on „Imago Dei“, Ed. Heijke, 1 f. Bei der Durchsicht der über das Stichwortverzeichnis leicht auffindbaren Passagen zu reformatio/renovatio fällt auf, dass renovatio der häufiger verwandte Begriff ist. 38 Vgl. s. XC,10, Ed. Migne, (PL 38), 566. 39 Vgl. Sullivan, Imago,59. 40 En.Ps. XXXII II, s.II, 16, Ed. Dekker/Fraipont, (CChr.SL 38), 266, Z. 18 ff. 41 „Sic proficiatur, sic charitas nutriatur, ut nutrita perficiatur: sic vestis nuptialis induatur: sic imago Dei ad quam creati sumus, proficiendo resculpatur. Peccando enim obsolefacta erat, attrita erat. Unde attrita? unde obsolefacta? Cum fricatur ad terram. Quid est, ad terram fricatur? Terrenis cupiditatibus teritur.“ (S. XC,10, Ed. Migne, [PL 38], 566.) 42 Augustinus spielt oft mit dem Bild von der Münze, in die ein Bild eingeprägt ist. Er verbindet es u. a. auch mit Mt 22,15–21. Auf der Münze sei das Bild des Kaisers eingeprägt, in uns Menschen die imago Dei. Wie der Kaiser durch sein Bild auf dem Geldstück Anspruch auf die Münze habe, so habe Gott Anspruch auf den Menschen, der sein Bild trägt: „Moneta Dei sumus, nummus a thesauro oberrauimus. Errore detritum est quod in nobis fuerat impressum; uenit qui reformet, quia ipse formauerat; quaerit et ipse nummum suum, sicut Caesar nummum suum; ideo ait: Reddite Caesari quae Caesaris sunt, et Dei [sic, richtig Deo] quae Dei sunt: Caesari nummos, Deo uos ipsos. Tunc ergo exprimetur ueritas in nobis.“ (Io. ev. tr. XL, 9, [CChr.SL 36], Ed. Willems, 355 f, Z. 36 ff.) 43 En. Ps. LXVI, 4: „Aut certe, imaginem tuam illumina super nos; ut hoc dixerit: Illumina uultum super nos; impressisti nobis uultum tuum, fecisti nos ad imaginem et similitudinem

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Der Reformprozess beginnt für Augustinus mit der Taufe, in der das Bild in einem Augenblick erneuert wird. Die Taufe beseitige alle Sünden und damit alle Beeinträchtigungen, die die Seele infolge der Ur- und Erbsünde erfahren habe.44 Die Taufe sei das Sakrament der Wiedergeburt, durch die der Mensch die Gotteskindschaft erhalte. Die Wiederherstellung der imago Dei sei aber mit der Taufe noch nicht vollständig abgeschlossen.45 Deshalb folge auf die Taufe die lebenslange graduelle Rückgestaltung, die in einem Vertiefen der Erkenntnis und der Liebe Gottes bestehe. Ermöglicht werde diese Vertiefung durch die Beziehung des Menschen zu Christus und seiner Gnade, die durch den Heiligen Geist vermittelt werde. Augustinus denkt hier nicht nur an die durch Christi Sterben erworbene Gnade, sondern er betont auch Christi Vorbildfunktion. Christus ist das Modell der Erneuerung, seiner demütigen Haltung müsse der Mensch nacheifern.46 In De Trinitate Kap. 8 betont Augustinus, dass wir nicht lieben können, wenn wir nicht erkennen. Dass wir erkennen können, verdankten wir der Gottebenbildlichkeit. „All unser Erkennen und jeder geistige Vollzug des menschlichen tuam, fecisti nos nummum tuum; sed non debet imago tua in tenebris remanere; mitte radium sapientiae tuae, expellat tenebras nostras, et fulgeat in nobis imago tua; cognoscamus nos imaginem tuam, audiamus quod dictum est in Canticis canticorum: Nisi cognoueris temetipsam, o pulchra inter mulieres. [Hld.1,7].“ (Ed. Dekker/Fraipont, [CChr.SL 39], 861, Z. 18 ff.) 44 Trin. XVI, 17, 23: „Sane ista renouatio non momento uno fit ipsius conuersionis sicut momento uno fit illa in baptismo renouatio remissione omnium peccatorum; neque enim uel unum quantulumcumque remanet quod non remittatur. […] Ita prima curatio est causam remouere languoris, quod per omnium fit indulgentiam peccatorum; secunda ipsum sanare languorem, quod fit paulatim proficiendo in renouatione huius imaginis. Quae duo demonstrantur in psalmo ubi legitur: Qui propitius fit omnibus iniquitatibus tuis, quod fit in baptismo; deinde sequitur: Qui sanat omnes languores tuos, quod fit cotidianis accessibus cum haec imago renouatur. De qua re apostolus apertissime locutus est dicens: Et si exterior homo noster corrumpitur, sed interior renouatur de die in diem. Renouatur autem in agnitione dei, hoc est in iustitia et sanctitate veritatis […]“ (Ed. Montain/Glorie, [CChr.SL 50 A], 454, Z. 1–19.) 45 Vgl. pecc. mer. II, VII,9: „profecto enim qui de die in diem adhuc renouatur, nondum totus est renouatus; et in quantum nondum est renouatus, in tantum adhuc in uetustate est. proinde ex hoc quod adhuc in uetustate sunt, quamuis iam baptizati, ex hoc etiam adhuc sunt filii saeculi.“ (Ed. Urba/Zycha, [CSEL 60], 80, Z. 17 ff.) 46 „Cuius imaginis exemplo et nos non discedamus a deo quia et nos imago dei sumus, non quidem aequalis, facta quippe a patre per filium, non nata de patre sicut illa; et nos quia inluminamur lumine, illa uero quia lumen inluminans, et ideo illa sine exemplo nobis exemplum est. […] Nos autem nitentes imitamur manentem et sequimur stantem et in ipso ambulantes tendimus ad ipsum quia factus est nobis uia temporalis per humilitatem quae mansio nobis aeterna est per diuinitatem.“ (Trin. VII,III,5, Ed. Montain/Glorie, [CChr.SL 50], 252 f, Z. 52–62.) Zur Gnadenlehre bei Augustinus generell und im Zusammenhang mit der Lehre von der Gottebenbildlichkeit und Gottesliebe vgl. Drecoll, Gratia. Augustinus geht die Gnadenlehre einmal mehr christologisch, einmal mehr pneumatologisch orientiert an, wobei Letzteres überwiegt. (Vgl. Drecoll, Gratia, 223 f.) Während die christologische Argumentation stark auf den Gedanken der „Nachfolge in der Demut analog zum Inkarnationsgedanken“ rekurriert, zielt die pneumatologische „verstärkt auf die Kräftigung der Seele und des Willens des Gläubigen und betrifft den täglichen Kampf des Erlösten gegen ‚concupiscentia‘. In diesem Kontext wird Gnade sehr stark als Gabe verstanden, die zu einem dem Willen Gottes entsprechenden Leben befähigt und so gerecht macht.“ (Drecoll, Gratia, 234.)

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Subjektes gründet im inneren Leben des Vaters, des Sohnes und des H[ei]l[igen] Geistes.“47 Wenn Augustinus Introspektion/Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis verknüpft, geht er von platonischen und neuplatonischen Wurzeln aus.48 Auch seine Vorstellung, dass die Seele Gott nur erkennen kann, wenn sie bei der Einkehr in sich selbst von ihren Sinnen absieht, die sie zu den Geschöpfen führen, ist neuplatonisch motiviert.49 Introspektion gilt Augustinus als Übung, die Möglichkeit der Seele, zu lieben und zu erkennen, überhaupt zu sehen und als Ausgangspunkt dazu, die Möglichkeit zu realisieren. Bei der Einkehr in sich selbst bleibt der Mensch nicht auf sich beschränkt. Introspektion ist, wenn sie glückt, ein auf Transzendenz hin angelegter Vorgang. Es geht darum, dass der Mensch das Bild Gottes in sich mit der himmlischen Bildquelle in Einklang bringt und so wieder herstellt und vervollkommnet.50 Augustinus betont, „daß die Wiederherstellung des Bildes auf dem Weg des vertieften Gewahrwerdens der in uns handelnden Trinität in diesem Leben nie abgeschlossen sein wird: ‚In diesem Bilde wird dann die Ähnlichkeit mit Gott vollkommen sein, wenn vollkommen sein wird die Schau Gottes‘ […]. Beginnen muß dieser Prozeß aber schon hier in diesem Leben.“51 47 McGinn, Mystik, Bd. 1, 357. Das Augustinus-Zitat im Zitat stammt aus trin. IX,XII,18, (PL 42,972): „Et est quaedam imago Trinitatis, ipsa mens, et notitia ejus, quod est proles ejus ac de se ipsa verbum ejus, et amor tertius, et haec tria unum atque substantia una.“ (zitiert nach McGinn, Mystik, Bd. 1, 357 mit Anm. 97; vgl. auch Ed. Montain/Glorie, [CChr.SL 50], 310, Z. 75–78, hier leicht anderer Text.) 48 Watson, Cognitio, 1052. 49 „ ‚The Platonists‘ had laid much emphasis on the flight from the senses and their delusive additions. Separating oneself as much as possible from the the body is what purification means. […] It is allowing the soul to be alone, to turn from things below to their oppposites above, controlling its inclination towards the lower and accepting no image from that region. […] Plotinus returns time and time again to this necessity of the rejection of the senses, […]. The senses, in short, suppress the supreme reality […]. Hence the importance of illumination from above […]. the practice of the cardinal virtues will ensure the proper order of life.“ (Watson, Cognitio, 1052 f.) Bei aller neuplatonischen Verwurzelung kämpft Augustinus jedoch gegen die Auffassung, dass der Mensch sich selbst ohne Christi Kreuzestod reinigen und dann Gott schauen und ihm anhängen könne. Das sei größter Hochmut: „Sunt autem quidam qui se putant ad contemplandum deum et inhaerendum deo uirtute propria posse purgari, quos ipsa superbia maxime maculat. […] Hinc enim sibi purgationem isti uirtute propria pollicentur quia nonnulli eorum potuerunt aciem mentis ultra omnem creaturam transmittere et lucem incommutabilis ueritatis quantulacumque ex parte contingere, quod christianos multos ex fide interim sola uiuentes nondum potuisse derident. Sed quid prodest superbienti et ob hoc erubescenti lignum conscendere de longinquo prospicere patriam transmarinam ? Aut quid obest humili de tanto interuallo non eam uidere in illo ligno ad eam uenienti quo dedignatur ille portari?“ (Trin. IV,XV,20, Ed. Montain/Glorie, [CChr.SL 50], 187, Z. 1–19; vgl. auch Ladner, Idea, 193.) 50 Vgl. McGinn, Mystik, Bd. 1, 358. 51 McGinn, Mystik, Bd. 1, 358. Das Augustinus-Zitat stammt aus trin. XIV,XVII,23; Ed. Migne (PL 42), 1055: „In hac quippe imagine tunc perfecta erit Dei similitudo quando Dei perfecta erit visio.“ (Zitiert nach McGinn, Mystik, Bd. 1, 358, Anm. 99; vgl. Ed. Montain/ Glorie, [CChr.SL 50 A], 455, Z. 1 f; hier leicht anderer Text.) Vgl. auch Ladner, Idea, 189–191.

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Der Mensch wächst, wenn der Reformprozess/Umkehrprozess gelingt, beständig in Erkenntnis und Liebe. Sullivan beschreibt den Prozess in gelungener Weise folgendermaßen: Grundsätzlich kehrt der Mensch durch Liebe zu Gott zurück. Die Erkenntnis ist der Grundstein und der Gipfel der Erneuerung der Ebenbildlichkeit, doch die Liebe baut das Gebäude, denn durch die Liebe ‚hängen wir Gott an‘. Durch diese Liebe werden in den niedereren Elementen des Menschen, im Bereich der moralischen Tugenden, Friede und Ordnung hervorgebracht. Die moralischen Tugenden spielen beim Wachsen in der Gottähnlichkeit nur insofern eine Rolle als sie die notwendige Disposition für das Wachsen in der Erkenntnis und Liebe Gottes darstellen. Anfangs ist der Mensch in der regio dissimilitudinis, weshalb Reinigung notwendig ist. Seine Erkenntnis ist durch körperliche Bilder verdunkelt, seine Liebe trübe vor lauter sinnlichen Freuden. Der Mensch kennt weder sich selbst richtig, noch kennt er Gott. Er muss zuerst zu sich selbst zurückkehren, dann kann er sich Gott mit relativer Leichtigkeit zuwenden. Der Mensch kehrt durch eine durch Glauben gereinigte Erkenntnis zu sich selbst zurück, und er beginnt dann seine wahre Natur als Bild Gottes wahrzunehmen, das über allen Geschöpfen aber unter Gott steht. Er kehrt durch Liebe zu sich selbst zurück, die ihm von Gott geschenkt wird und beginnt, sich selbst in seiner wahren Natur als Bild Gottes und auch als Gott in Demut und Gehorsam Unterworfenen zu lieben. Die Liebe fängt dann an, noch wirksamer auf die niedrigeren Strebekräfte im Menschen einzuwirken und bewirkt moralische Tugend, indem sie das Niedere der Vernunft und dem Geist unterwirft. Tugend ist nichts anderes als ‚die von der Liebe auferlegte Ordnung‘. Die Reinigung, die bei der Übung moralischer Tugend vor sich geht, ist nur auf die Herrschaft der Liebe zurückzuführen. Das Halten der Gebote ist nichts anderes als die Gottes- und Nächstenliebe. […] Der Mensch kann sich dann unmittelbarer an Gott wenden […]. Gott ist beim Menschen und verteilt seine Gaben […]. Alle Gnadengaben treten auf, und die höheren Fähigkeiten (facultates) des Menschen, intellectus und voluntas sind auf der Reise involviert, […] die in diesem Leben mit einer gewissen Einung und Schau Gottes enden kann, was aber selten und nur kurzzeitig erfahrbar ist.52

3.2.2 Gottesliebe (amor Dei/dilectio/caritas/usus und fruitio) In Buch 1 des von Augustinus 396/97 bis 426/2753 verfassten Werkes zur Bibelexegese, zur Hermeneutik und Verkündigung De doctrina Christiana finden sich verknüpft mit der für Augustins Theologie zentralen Unterscheidung von uti (gebrauchen) und frui (genießen)54 auch Ausführungen zur Liebe (caritas): zur Liebe, die der Mensch Gott, dem Nächsten und sich selbst schuldet. Wer das Doppelgebot der Liebe Mt 37,37–40 nicht verstehe und in die Tat umsetze, habe die Heilige Schrift nicht verstanden.55 „Genießen“ sei, „einer Sache um ihrer selbst willen an52 Sullivan, Image, 62 f. 53 Pollmann, Nachwort, 261 f. 54 Vgl. Chadwick, Frui–uti, für eine umfassende Darstellung. Vgl. auch Hausammann, Alte Kirche. Bd. 3, 383. 55 Vgl. doctr. chr. I,XXXVI,40, Ed. Martin, (CChr.SL 32), 29, Z. 1–4: „Quisquis igitur scripturas diuinas uel quamlibet earum partem intelexisse sibi uidetur, ita ut eo intellectu non aedificet istam geminam caritatem dei et proximi, nondum intellexit.“ Für eine dt. Übers. vgl. Übers. Pollmann, 42.

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zuhängen“, beim „Gebrauchen“ setze man eine Sache ein, um zum eigentlichen Ziel, das man genießen wolle, zu gelangen.56 „Genießen“ dürfe der Mensch lediglich den trinitarischen Gott in seiner Einheit und seinen Einzelpersonen. Die Welt dürfe er nur „gebrauchen“57. In Buch I,XXII,20–21 diskutiert Augustinus, ob sich der Mensch, der nach Gen 1,26 zum Bild und Gleichnis Gottes geschaffen wurde, selbst genießen dürfe und ob er den Mitmenschen genießen oder lediglich gebrauchen dürfe. Die Antwort ist für ihn, ausgehend vom Doppelgebot der Liebe, eindeutig: Gott mit ganzen Herzen, mit ganzer Seele und ganzem Sinn zu lieben, lässt keinen Platz für den Genuss einer anderen Sache oder Person. Sich selbst oder den Nächsten darf man nur im Hinblick auf Gott lieben.58 Jeder, der also den Nächsten auf rechte Weise liebt, muß auf diese Weise mit ihm umgehen, daß er selbst auch mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Sinn Gott liebt. Wenn er ihn nämlich so liebt wie sich selbst, so bezieht er die ganze Liebe zu sich und zu jenem auf jene Liebe zu Gott, die es nicht zuläßt, daß irgendein Bächlein von ihr weggeführt werde, durch dessen Ableitung sie vermindert werden könnte.59

Die Unterscheidung zwischen uti und frui bildet bei Augustinus die Grundlage eines umfassenden Systems für die Haltung des Menschen gegenüber Gott und der Welt. „Es wird dabei eine Werteskala angenommen, auf der ein jedes Ding den Platz einnimmt, der ihm auf Grund seines Wertes und seiner Nähe oder Ferne im Verhältnis zum absoluten Wert, [d. h. Gott als höchstem Gutem] zukommt. Die Liebe ist dieser Rangskala anzupassen; entsprechend wird sie so zur ‚ordinata dilectio‘ (geordnete Liebe) […].“60 Der Begriff caritas ist bei Augustinus ausschließlich positiv besetzt. Caritas ist für Augustinus zum einen die verbindende Liebe innerhalb der Trinität.61 Zum anderen ist caritas die Liebe, die Gott für den Menschen hat, die er dem Menschen

56 Vgl. doctr. chr. I,IV,4, Ed. Martin, (CChr.SL 32), 8, Z. 1–3: „Frui est enim amore inhaerere alicui rei propter se ipsam. Vti autem, quod in usum uenerit, ad id, quod amas obtinendum referre, si tamen amandum est.“ Vgl. auch Übers. Pollmann, 17. 57 Vgl. doctr. chr. I,V,5., Ed. Martin, (CChr.SL 32), 9, Z. 1–18.; vgl. auch Übers. Pollmann, 18. Vgl. auch De Civ. Dei XV, 7, Ed. Dombart/Kalb, (CChr.SL 48), 461, Z. 45–47: „Boni quippe ad hoc utuntur mundo, ut fruantur Deo; mali autem contra, ut fruantur mundo, uti volunt Deo […].“ („Die Guten ‚gebrauchen‘ die Welt, um Gott zu ‚genießen‘, die Bösen aber umgekehrt: Um die Welt zu ‚genießen‘, wollen sie Gott ‚gebrauchen‘ […].“) 58 Vgl. Ed. Martin, (CChr.SL 32), 16, Z. 1–18, Z. 42. Vgl. Übers. Pollmann, 27–29. Vgl. Hägglund, Geschichte, 93, für eine Darstellung des amor sui bei Augustinus. 59 Doctr. Chr. I,XXII,21, Ed. Martin (CChr.SL 32), 18, Z. 37–42: „Quisquis ergo recte diligit proximum, hoc cum eo debet agere, ut etiam ipse toto corde, tota anima, tota mente diligat deum. Sic enim eum diligens tamquam se ipsum totam dilectionem sui et illius refert in illam dilectionem dei, quae nullum a se riuulum duci extra patitur, cuius deriuatione minuatur.“ Vgl. Übers. Pollmann, 29. 60 Hägglund, Geschichte, 92 f. 61 Vgl. Dideberg, Dilectio, 447 f. Vgl. trin. XV,XVII,27, Ed. Montain/Glorie, (CChr.SL 50 A), 501 f, Z. 1–25; Übers. Schmaus, 296 f; vgl. auch trin. XV,XIX,37, Ed. Montain/Glorie, (CChr.SL 50 A), 513 f, Z. 133–146; Übers. Schmaus, 308 f.

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durch den Heiligen Geist schenkt, die wiederum im Menschen die Liebe zu Gott und zum Mitmenschen hervorruft.62 Auch dilectio bezeichnet die Liebe zu Gott und zum Mitmenschen.63 Der Terminus amor hingegen ist eine Art Oberbegriff und hat eine größere Bedeutungsbreite und positive wie negative Konnotation.64 Mit amor meint Augustin „das Begehren, das mit dem inneren Willen des Menschen zusammenfällt. Es kann entweder nach oben gerichtet sein, das heißt auf Gott und das Ewige […], oder abwärts […] auf das, was unter dem Willen steht, das heißt auf die Schöpfung und das Zeitliche. Ersteres ist caritas, letzteres cupiditas.“65 Caritas ist die richtige Liebe, cupiditas die falsche und verkehrte. Die Unterscheidung zwischem Gebrauch (usus) und Genuss (fruitio) war jedem mittelalterlichen Theologen, der eine universitäre Ausbildung genossen hatte, bekannt. Sie ist das einleitende Thema der Libri Sententiarum des Petrus Lombardus (1095/1100–1160)66 und damit nach dem Vorwort das erste, womit sich Theologiestudenten des Mittelalters auseinandersetzten.67 Petrus Lombardus nahm auch die Augustinsche Triade memoria – intellectus – voluntas in seine Sentenzenbücher auf. So kam praktisch jeder Theologiestudent mit der Vorstellung in Berührung, und es verwundert nicht, dass die Gedankenfigur eine große Wirkungsgeschichte entfaltete.

3.3 Bernhard von Clairvaux 3.3.1 Quellen und stilistische Charakteristika Bernhards von Clairvaux (1090/91–1153) theologische Werke68 orientieren sich inhaltlich und stilistisch an den biblischen Schriften und der Theologie der Kir62 Vgl. Dideberg, Dilectio, 449 f. Vgl. trin. XV,XVIII,33, Ed. Montain/Glorie, (CChr.SL 50 A), 508, Z. 29–32; Übers. Schmaus, 303. 63 Vgl. trin.VIII,VII,10, De Triniate, Ed. Montain/Glorie, (CChr.SL 50), 284, Z. 1–9. 64 Vgl. Dideberg, Amor; vgl. auch Dideberg, Caritas, und Dideberg, Dilectio. Die drei Artikel bilden eine Einheit, und beleuchten zusammen gelesen das Phänomen der „Liebe“ bei Augustinus. Vgl. auch O’Donovan, Self-Love, 11. 65 Hägglund, Geschichte, 91 f. Vgl. auch Bonner, Cupiditas. „Amor dei, amor proximi, caritas dicitur; amor mundi, amor huius saeculi, cupiditas dicitur.“ (En. Ps. XXXI,II,5, Ed. Dekker/Fraipont, [CChr.SL 38], 228, Z. 30 f.) Gelegentlich kann cupiditas auch positiv verwendet werden, als Streben nach Gott. (Vgl. Bonner, Cupiditas, 167 f.) 66 Vgl. Basse, Petrus Lombardus. 67 Vgl. Courtenay, Despair, 19. 68 Bernhards Werke liegen in einer zehnbändigen deutsch-lateinischen Ausgabe mit wissenschaftlicher Übersetzung und Einführung vor: Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, Ed. Winkler [im Folgenden als BCSWld abgekürzt]. Der lateinische Text wurde dafür aus der achtbändigen kritischen Ausgabe Sancti Bernardi Opera, Ed. Leclercq, übernommen. Die im Folgenden in den Anmerkungen verwendeten Abkürzungen für die Schriften Bernhards richten sich nach BCSWld 10 (=Registerband), 12–14. Eine Ausnahme bilden die Sermones in Cantica Canticorum: da die von BCSWld verwendete Abkürzung „SC“ im TREAbkürzungsverzeichnis anders besetzt ist, werden sie im Folgenden mit „SC[ant]“ abgekürzt.

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chenväter und sind berühmt für ihre literarische und sprachliche Gestalt69. Die Benediktsregel bestimmte Bernhards Lebensführung, und es sind dieselben altkirchlichen Theologen, die schon Benedikt von Nursia in seiner Regel beeinflussten, die bei Bernhard am prägendsten wirken: Cassian, Augustinus und Gregor der Große.70 Die Verwurzelung in der Schrift zeigt sich bei Bernhard stilistisch in der Verwendung biblischen Vokabulars und häufigem Einflechten größerer und kleinerer biblischer Formulierungszusammenhänge.71 Er entwickelt Gedanken häufig ausgehend von unterschiedlichen Schriftzitaten, die er außergewöhnlich kombiniert. Mit Jean Leclercq und Ulrich Köpf lässt sich vom „biblischen Stil“ Bernhards sprechen.72 Köpf charakterisiert Bernhard als „Erfahrungstheologen“. Es geht Bernhard nicht um abstraktes theologisches Wissen, sondern seine Theologie hat immer einen Lebensbezug.73 Bernhards Theologie soll erbauen und behandelt die Themen, die für den Menschen zu wissen heilsam sind.74 „Alles, was Bernhard über religiöse Erfahrungen schreibt, beruht auf seinem Leben als Zisterzienser.“75 In der Epistola 14276 an die Zisterzienser von Saint-Jean d’Aulps „beschreibt er die Eigenart seines Ordens […]: ‚Unsere Lebensform [ordo] ist Erniedrigung [abiectio], ist Demut [humilitas], ist freiwillige Armut, Gehorsam, Friede und Freude im Heiligen Geist. Unsere Lebensform steht unter einem Lehrer, unter einem Abt, unter einer Regel, unter einer Disziplin. Unsere Lebensform bedeutet: Bemühung in der Stille, Übung im Fasten, in Nachtwachen, im Gebet, in Handarbeit und vor allem darin, den besseren Weg zu gehen, der die Liebe [caritas] ist, in all diesen Bestrebungen von Tag zu Tag Fortschritte zu machen und darin zu verharren bis zum letzten Tag‘.“77 3.3.2 Demut und Selbsterkenntnis (humilitas) Bernhard nennt im eben zitierten Abschnitt aus der Epistola 142 eine ganz grundlegende Verhaltensweise für Mönche: die in Kap. 7 der Benediktsregel geforderte Demut. Über sie hat Bernhard die Abhandlung De gradibus humilitatis et super69 „In literarischer Hinsicht zeichnet sich immer deutlicher die überragende Gestaltungskraft im Werk Bernhards ab; das gilt für stilistische Qualitäten – treffende Wortwahl, Poesie, musikalischer Fluß der Wörter und Sätze, Wortspiele, ausgefeilte Kunstmittel – ebenso wie für die zugleich dichte, geschmeidige und strenge Komposition und die, bei allem Respekt, freie Handhabung der überkommenen literarischen Gattungen der klassischen und patristischen Antike. Alles in allem zeigt sich Bernhard als ein Künstler und Dichter, ein Humanist mit dem Streben nach Schönheit.“ So urteilt Leclercq, Bernhard von Clairvaux, 646. 70 Vgl. Gilson, Mystik, 40–47. 71 Bernhards Bibel war im Wesentlichen die Vulgata des Hieronymus in einer Version des 12. Jahrhunderts. Welche Textversion ihm genau zur Verfügung stand, ist nicht geklärt. Bernhard zitierte auch häufig aus der altlateinischen Übersetzung, die er durch die Lektüre der Kirchenväter im Ohr und im Gedächtnis hatte. (Vgl. Bauer, Bernhards Bibeltext.) 72 Vgl. Köpf, Bernhard, 82. Vgl. auch Heller, Schriftauslegung, besonders 32–58. 73 Vgl. Köpf, Bernhard, 82 f. Vgl. auch Köpf, Religiöse Erfahrung. 74 Vgl. Köpf, Bernhard, 82. 75 Köpf, Bernhard, 85. 76 Ed. Leclercq/Übers. Schwarzbauer, BCSWld 2, 920–923. 77 Ep.142,1, Ed. Leclercq, BCSWld 2, 920, Z. 11–16. Übers. Köpf, Bernhard, 86.

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biae (Über die Stufen der Demut und des Stolzes)78 verfasst, die zugleich auch ein Traktat über den Weg des Mönchs zu Gott ist.79 Der Traktat ist trotz der kunstvollen Gliederung80 ausschweifend. Bernhard will seine praktische geistliche Lehre nicht als knappe Information übermitteln, sondern er bietet „Lesestoff für die ‚geistliche Lesung‘, für ein besinnliches, langsames, verkostendes Lesen“81, das in betrachtendes Verweilen und ins Gebet mündet. Das Werk ist in zwei ungefähr gleichlange Hauptteile gegliedert. Ausgangspunkt für die Entfaltung Bernhards sind die zwölf Stufen der Demut aus der Benediktsregel, Kap. 7.82 Er stellt sie in einer Liste vorweg und fügt „Stufen des Hochmutes“83 bei, die sich in der Vorlage nicht finden. In seiner Auslegung der Benediktschen Stufen der Demut spricht Bernhard auch von „Stufen“, diese Stufen sind mit den benediktschen Stufen aber nur lose verbunden. Bernhard arbeitet sich nicht an den einzelnen Stufen Benedikts entlang, sondern führt drei andere Stufen ein, die parallel zu den Stufen der Demut gedacht werden müssen. Ziel der „Stufen der Demut“, so Bernhard, sei die Wahrheit (Kap. 1), die Schau/Erkenntnis der Wahrheit (Kap. 2). Zu diesem Ziel gelange man über Selbsterkenntnis, bei der man der Wahrheit über sich selbst ins Auge schaut, und über die Erkenntnis des Nächsten, bei der man den Mitmenschen sieht, wie er in Wahrheit ist: Die Erkenntnis der Wahrheit geht über drei Stufen. Darum will ich diese, so gut ich es kann, kurz der Reihe nach vorstellen [eigentlich: unterscheiden]. Daraus wird dann klarer ersichtlich, zu welcher dieser drei Wahrheitsstufen die zwölfte Stufe der Demut hinführt. Wir ergründen nämlich die Wahrheit in uns, in unseren Mitmenschen, in ihrem Wesen. In uns ergründen wir sie, indem wir uns selbst beurteilen (1 Kor 11,31); in unseren Mitmenschen, indem wir ihre Leiden mitfühlen (1 Kor 12,26); in ihrem Wesen, indem wir sie mit reinem Herzen schauen (Mt 5,89).84 78 Ed. Leclercq/Übers. Sinz, BCSWld 2, 37–131. Eine weitere gute dt. Übers.: Der Weg der Liebe, Ed./Übers. Schellenberger, 47–134. 79 Die Abhandlung ist Bernhards erstes veröffentlichtes Werk, entstanden ist es 1124/255, zu einer Zeit als Bernhard ca. 35 Jahre alt und bereits zehn Jahre lang Abt in Clairvaux war. Im Traktat genannter Anlass für die Abfassung der Schrift ist eine Bitte des Vetters Bernhards, Gottfried de la Roche-Vanneau, seit 1118 Abt des Tochterklosters Fontenay. (Vgl. Winkler, Gottfried.) Gottfried hatte bei einem seiner Besuche in Clairvaux die Auslegung zum 7. Kapitel der Benediktsregel, die Bernhard im Kapitelsaal zur Instruktion der Mitbrüder vortrug, gehört und wollte sie für seine eigene Lehrtätigkeit verwenden. (Vgl. Schellenberger, De gradibus humilitatis, 38.) 80 Vgl. Köpf, De gradibus humilitatis, 30–33. 81 Vgl. Schellenberger, De gradibus humilitatis, 40. 82 Vgl. Benedikt von Nursia, Die Benediktsregel, Ed. Holzherr, 109–134. Der Textvergleich zeigt, dass Bernhard nur einen Bruchteil der Ausführungen aus der Benediktsregel aufgreift. 83 Superbia wird anders als in den Übersetzungen von Sinz und Schellenberger als Hochmut wiedergegegeben. Stolz ist im Deutschen sowohl positiv als auch negativ besetzt, Hochmut ist wie superbia eindeutig negativ konnotiert. Durch die im Deutschen gleichlautende Endung „-mut“ kann der Gegensatz stärker betont werden als mit zwei voneinander ganz unabhängigen Begriffen. 84 Hum II,6, Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 59; Ed. Sinz, BCSWld 2, 52, Z. 10–15: „Sed quia ipsa quoque veritatis agnitio in tribus gradibus consistit, ipsos breviter, si possum, distinguo, quatenus ex hoc clarius innotescat, ad quem trium veritatis, duodecimus humilitatis pertingat. Inquirimus namque veritatem in nobis, in proximis, in sua natura.

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Bernhard ordnet die drei Stufen der Erkenntnis der Wirkung der drei Personen der Trinität zu. Bei der ersten Stufe wirke das Vorbild des demütigen Jesus, der als Lehrer seinen Jüngern die Füße wäscht und sie auffordert, ihm gleich zu handeln (Joh 13,14). Auf der zweiten Stufe wirke die Liebe des Heiligen Geistes, die in unsere Herzen ausgegossen sei (vgl. Röm 5,5) und Mitleid mit dem Mitmenschen hervorbringe. Auf der dritten Stufe wirke der Vater, der die menschliche Seele an sich ziehe.85 Um den Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen, müssten Gott-Vater und -Sohn zuerst die menschlichen Seelenvermögen Vernunft und Willenskraft wieder herstellen. Die Vernunft sei „vom Fleisch niedergedrückt […] von der Sünde gefesselt, durch Unwissenheit blind und an äußere Dinge ausgeliefert“86. „Der Sohn Gottes, das Wort, und die Weisheit des Vaters“ richte die Seele auf, mache sie klug und führe sie in ihr Inneres. Dort setze er sie als seine Stellvertreterin ein und bestelle sie zur Richterin über sich selbst.87 „Aus dieser ersten Vermählung des Wortes [des ewigen Logos] mit der Vernunft wird die Demut geboren“88, formuliert Bernhard den Sachverhalt im Bild. Der Heilige Geist reinige die vom Fleisch beherrschte Willenskraft und stecke sie mit der Glut der Liebe an, die Willenskraft werde „barmherzig“, d. h. der Mensch wird fähig zur Nächstenliebe. „Und so kommt aus dieser zweiten Vermählung, derjenigen des Heiligen Geistes mit der Willenskraft, die Liebe zur Welt“89 formuliert Bernhard den Sachverhalt wieder im Bild. Die gereinigte Seele „drücke der Vater als herrliche Braut an sich“, was die Vermögen der Seele von sich selbst und vom Nächsten abziehe. In einer Fülle von biblischen Zitaten, v. a. aus dem Hohelied, aber auch aus der Offenbarung, dem Psalter und dem 2. Korintherbrief umschreibt Bernhard die In nobis, nosmetipsos diiudicando; in proximis, eorum malis compatiendo; in sua natura, mundo corde contemplando.“ Der Gedanke, dass die Demut ein gradueller Prozess ist, der mit der Selbsterkenntnis eins ist und im gelungensten Fall zur Schau führt, findet sich auch in Bernhards Definition von humilitas als vileficatio: „Humilitas vero talis potest esse definitio: humilitas est virtus, qua homo verissima sui cognitione sibi ipse vilescit. Haec autem convenit his, qui ascensionibus in corde suo dispositis, de virtute in virtutem, id est de gradu in gradum proficiunt, donec ad culmen humilitatis perveniant, in quo velut in Sion, id est in speculatione, positi, veritatem prospiciant.“ (Hum I,2, Ed. Sinz, BCSWld 2, 46, Z. 21–25.) „Man kann die Demut so definieren: Die Demut ist die Tugend, durch die sich der Mensch in der aufrichtigsten Selbsterkenntnis selbst für gering einschätzt. Dies trifft aber auf die zu, die in ihrem Herzen aufstiegsbereit sind und von Tugend zu Tugend, das heißt von Stufe zu Stufe, voranschreiten. Bis sie zum Gipfel der Demut gelangt sind, auf dem sie wie von Sion, das heißt von einer Warte, die Wahrheit erblicken können.“ (Hum I,2, Übers. Sinz, BCSWld 2, 47 f.) 85 Vgl. Hum VII,20, Ed. Sinz, BCSWld 2, 74, Z. 6–28; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 82 f. 86 Hum VII,21, Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 83; Ed. Sinz, BCSWld 2, 76, Z. 2 f. 87 Hum VII,21 Ed. Sinz, BCSWld 2, 76, Z. 6; Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 84. Die Vorstellung von der Seele als Richterin wird von Bernhard auch entfaltet in der Schrift Ad clericos de conversione: Conv II.3, Ed. Brem, BCSWld 4, 156, Z. 12–158, Z. 4. 88 Hum VII,21, Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 84; Ed. Sinz, BCSWld 2, 76, Z. 7 f. 89 Hum VII,21, Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 84; Ed. Sinz, BCSWld 2, 76, Z. 12 f.

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unaussprechliche Schau der Seele in der Umarmung Gottes.90 Bernhard beschreibt sie als ein „Hingerissenwerden“ das nicht aus eigener Kraft oder Anstrengung erreichbar sei.91 Er variiert die Begriffe und Bilder für den Zustand und spricht auch vom „Im-dritten-Himmel-Sein“ und von „Kontemplation“.92 Wenn man die Bildebene einmal verlässt, was fast unmöglich ist, da Bernhards Ausführungen durch und durch bildhaft sind und dadurch begrifflich etwas Schillerndes haben, das sich schlecht dingfest machen lässt, könnte man Bernhards Vorstellung vielleicht folgendermaßen zusammenfassen: Gott handelt in einem trinitarischen Geschehen an den menschlichen Seelenvermögen Vernunft und Willen, um die Seele, die sich am Nichtgöttlichen orientiert, wieder an sich zu binden. Der Sohn wirkt an der Vernunft und bringt die menschliche Seele, d. h. den Menschen, zur Selbsterkenntnis und zur Erkenntnis des Mitmenschen. Der Heilige Geist wirkt auf den Willen ein, der von der verwandelten Vernunft schon beeinflusst ist, und bewegt ihn zur Liebe. Wenn der Mensch so vorbereitet ist, kann Gott Vater die Seele zu sich „emporreißen“, wo sie ihn schaut. Das trinitarische Geschehen führt die Seele also mittels Verwandlung der Seelenvermögen Vernunft und Wille über die Selbsterkenntnis und Erkenntnis und Liebe des Nächsten zur Gotteserkenntnis und Gottesliebe. Bevor Bernhard sich ausführlich den Stufen des Hochmuts widmet, legt er dar, dass die Wege der Demut und des Hochmuts eigentlich ein und derselbe Weg seien, der nur in unterschiedlicher Richtung begangen werde.93 Daher kann er sich die Freiheit nehmen, Benedikts zwölf Stufen der Demut zwölf Stufen des Hochmuts an die Seite zu stellen und Stufe für Stufe ausführlich zu kommentieren, weit ausführlicher als die Stufen der Demut. Der Wanderer auf dem Weg der Demut könne sich, wenn er über die Stufen des Hochmuts informiert werde, die Entsprechungen der zwölf Stufen der Demut selber denken. Ihm, Bernhard, einem, der nur abgestiegen sei, stehe es nicht zu, den Aufstieg en detail zu beschreiben, formuliert er bescheiden.94 Neugier ist nach Bernhard die erste Stufe des Hochmuts. An äußerlichem neugierigen Verhalten könne man sehen, dass der innere Mensch aus dem Gleichgewicht gekommen sei, dass die Seele krank geworden sei. Weil sich die kranke Seele selbst nicht kenne, weide sie sich außerhalb ihrer selbst. Bernhard verwendet in diesem Kontext das Bild von den Fenstern der Seele, durch die der Tod in

90 Vgl. Hum VII,21, Ed. Sinz, BCSWld 2, 76, Z. 14–78, Z. 7; vgl. auch Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 84–86. 91 Vgl. Hum VIII,22, Ed. Sinz, BCSWld 2, 78, Z. 8–19; vgl. auch Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 86. 92 Hum VIII,22, Ed. Sinz, BCSWld 2, 80, Z. 8.25 f; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 89. 93 Vgl. Hum IX,27, Ed. Sinz, BCSWld 2, 86, vgl. auch Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 95 f. 94 Vgl. Hum XXII,57, Ed. Sinz, BCSWld 2, 128, 15–129, Z. 130, vgl. auch Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 134. Die Bescheidenheitsformeln sind aus der antiken Tradition übernommen. (Vgl. Curtius, Lateinisches Mittelalter, 93–95.)

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den Geist einsteige (Jer 9,21).95 Zweite Stufe des Stolzes sei der Leichtsinn oder die Leichtfertigkeit: Der Neugierige orientiere sich an anderen Menschen, schaue zu den einen neidvoll hoch und auf die anderen hochmütig herab.96 Die dritte Stufe sei alberne Heiterkeit, durch die man Negatives an sich selbst verdränge97, die vierte sei die Geltungssucht, durch die man geschwätzig und unwesentlich werde98. Die fünfte Stufe sei die Sucht, etwas Besonderes zu sein, die sich darin äußere, dass der Mönch um jeden Preis den Anschein erwecken wolle, die Mitbrüder beim Einhalten der Klosterregel zu übertreffen.99 Eitelkeit ist die sechste Stufe, die siebte100 die Anmaßung. Hier mische sich der Mönch in alles ein, urteile über alles, fühle sich für die höchsten Ämter berufen. Auf Stufe acht101 verteidige bzw. rechtfertige der Mönch seine Sünden, auch die offensichtlichen. Stufe neun sei noch gravierender, denn hier komme es zum heuchlerischen Eingeständnis der Sünden: Die Schuld werde großgeredet, um das Bekenntnis echt aussehen zu lassen und so die Barmherzigkeit der Mitbrüder zu erheischen. Hier handele es sich um als Demut getarnten Stolz.102 Auf der zehnten Stufe verachte der Mönch seinen Meister offen. Statt ihm dem Gelübde gemäß gehorsam zu sein, lehne er sich gegen ihn auf.103 Nach der zehnten Stufe müsse der Mönch das Kloster verlassen und komme schnell zu Stufe elf, dem hemmungslosen Sündigen. Die Gottesfurcht habe er noch nicht ganz verloren, er zögere deshalb noch ein bißchen, wenn er Unerlaubtes tue, schreite „aber doch Schritt für Schritt in den Schlund der Laster hinein“.104 Er gewöhne sich ans Sündigen, die Gewohnheit werde zum Zwang. Die Vernunft werde eingeschläftert. Stufe zwölf könne man als „hemmungsloses Sündigen“ bezeichnen.105 Die zwölf Stufen des Hochmuts fasst Bernhard in drei Gruppen zusammen:

95 Vgl. Hum X,28, Ed. Sinz, BCSWld 2, 103, Z. 1–19; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 96 f. 96 Vgl. Hum XI,39, Ed. Sinz, BCSWld 3, 104, Z. 1–15; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 112 f. 97 Vgl. Hum XII,40, Ed. Sinz, BCSWld 2, 16–17, Z. 19; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 113–115. 98 Vgl. Hum XIII,41, Ed. Sinz, BCSWld 2, 106, Z. 21–108, Z. 22; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 115–117. 99 Vgl. Hum XIV, 42, Ed. Sinz, BCSWld 2, 108, Z. 24–110, Z. 20; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 117 f. 100 Vgl. Hum XVI,44, Ed. Sinz, BCSWld 2, 112, Z. 8–22; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 119 f. 101 Vgl. Hum XVII,45, Ed. Sinz, BCSWld 2, 114, Z. 2–7; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 120 f. 102 Vgl. Hum XVIII,46 f, Ed. Sinz, BCSWld 2, 114, Z. 9–116, Z. 27; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 121–123. 103 Vgl. Hum XIX,48, Ed. Sinz, BCSWld 2, 118, Z. 2–19; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 124 f. 104 Vgl. Hum XX,50, Ed. Sinz, BCSWld 2, 118, Z. 21–120, Z. 10; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 127 f. 105 Vgl. Hum XXI,51, Ed. Sinz, BCSWld 2, 120, Z. 12–122, Z. 10; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 126.

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„[A]uf den ersten sechs Stufen verachtet man die Brüder, auf den vier folgenden verachtet man den Oberen, und auf den übrigen verachtet man Gott“106. 3.3.3 (Gottes-)Liebe (dilectio/amor/caritas) Den Traktat De diligendo Deo (Über die Gottesliebe)107 verfasste Bernhard zwischen 1126 und 1141.108 Das Gerundivum im Titel impliziert einen Imperativ, er lässt sich deshalb auch übersetzen mit „von Gott, den wir lieben müssen“ oder „lieben sollen“.109 Der Traktat gliedert sich in drei große Teile110: In Teil 1 geht es um zwei Fragen des Kardinaldiakons und Kanzlers Haimerich de la Chârtre (gest.1141),111 der seinen Freund Bernhard gebeten hatte, ihm darzulegen, warum man Gott lieben müsse und in welchem Maße man Gott lieben müsse. Bernhard gibt zunächst eine summarische Antwort, die er dann ausdifferenziert: Gott muss geliebt werden, weil er Gott ist, und er muss ohne Maß geliebt werden. „Vultis ergo a me audire quare et quo modo diligendus sit Deus. Et ego: Causa diligendi Deum, Deus est; modus, sine modo diligere.“112 Dafür, Gott um seiner selbst willen zu lieben, gäbe es zwei Gründe: Nichts könne angemessener (iustius) und nichts gewinnbringender (fructuosius) geliebt werden.113 Gott müsse geliebt werden, weil er uns zuerst geliebt habe: „Ergo si Dei meritum quaeritur, cum ipsum diligendi causa quaeritur, illud est praecipuum: quia ipse prior dilexit nos.“114 Gott schenke seine Liebe frei (gratis), sogar seinen Feinden. Er habe die größte Liebe gezeigt, als er seinen Sohn für uns dahingab.115 Für Glaubende sei deshalb klar, dass Gott geliebt werden müsse. Ungläubigen sei das nicht so unmittelbar einsichtig. Sie könnten Gottes Liebe aber leicht mit den körperlichen Sinnen an Wohltaten wie Nahrungsmitteln, Sonnenlicht, Luft zum Atmen erkennen.116 Durch das 106 Vgl. Hum XIX,49, Ed. Sinz, BCSWld 2, 118, Z. 7–10; vgl. Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 124. 107 Kritische lat. Textausgabe, franz. Übersetzung: Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 58–165, Kritische Textausgabe mit deutscher Übersetzung von M.A. Schenkl, BCSWld 1, 74–145. Eine andere dt. Übers.: Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 221– 292. 108 Vgl. Leclercq, Bernhard von Clairvaux, 646. 109 So Schellenberger, De diligendo deo, 212; anders Farkasfalvy, De diligendo Deo, 59 mit 146, Anm. 3: Demnach drückt das Gerundivum nicht die Konnotation der Pflicht aus, sondern lediglich das Passivum. 110 So die Gliederung in Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 30. Schellenberger gliedert anders, es ergeben sich fünf Teile. Hier wird die Gliederung der SC-Ausgabe übernommen, nach der auch zitiert wird. 111 Vgl. biographische Informationen bei Winkler, Haimerich. 112 Dil I,1, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 60, Z. 1–3. 113 Dil I,1, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 60, Z. 7–9. 114 Dil I,1, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 62, Z. 20–22, Hervorhebungen im Original. 115 Vgl. Dil I,1, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 62, Z. 18–64, Z. 34. Vgl. auch Dil III,7, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 74, Z. 1–76, Z. 19. 116 Vgl. Dil II.2, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 64, Z. 1–11.

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Naturgesetz würden alle Menschen darauf aufmerksam gemacht, Gott zu lieben.117 In einer wichtigen Abschweifung führt Bernhard aus, dass es noch wichtigere Gaben Gottes als die für den körperlichen Lebensunterhalt notwendigen gebe: Würde, Wissen und Tugend (dignitas, scientia, virtus). Die Würde bestehe im freien Willen, das Wissen in der Fähigkeit, diese Würde zu erkennen, die der Mensch nicht aus sich selbst hat. Dieses Wissen sei Selbsterkenntnis, die den Menschen vom Tier unterscheide. Als Tugend bezeichnet Bernhard die Fähigkeit, Gott beharrlich zu suchen und an ihm festzuhalten, wenn er ihn gefunden hat.118 Als schlimmste Gefahr für den Menschen wird Anmaßung und Überheblichkeit identifiziert.119 Mit Bildern des Hoheliedes und mit Rückgriff auf zahlreiche Zitate aus dieser biblischen Schrift entfaltet Bernhard ausführlich, wie zentral Gottes Liebe in Christus für Gläubige ist. Durch die Liebe Christi für die Menschen – Bernhard spricht von „Stacheln der Liebe“ – werden sie zur Gegenliebe angespornt. Mit zahlreichen biblischen Zitaten aus den unterschiedlichen Schriften des Alten und des Neuen Testaments, die er in die Sprach- und Bildwelt des Hoheliedes einwebt, entfaltet Bernhard, wie die Liebe des Menschen von der Betrachtung der Passion Christi weitergeführt wird zur Schau der Auferstehung und der neuen Welt, in der Sünde und Tod besiegt sind.120 Bernhard kommt noch einmal auf das Maß der menschlichen Gottesliebe zurück. Gott müsse ohne Maß geliebt werden, weil er selbst unermesslich, unendlich und ewig sei.121 Da Gott uns zuerst unverdient geliebt habe, seien wir Menschen auch immer in der Position, Gott als Schuldner wieder lieben zu müssen.122 Die wahre Liebe suche keinen Lohn. Dass sie geliebt werde, sei ihr Lohn, und sie selbst sei der Lohn.123 Im zweiten Teil von De diligendo Deo entfaltet Bernhard ähnlich wie in De gradibus humilitatis et superbiae seine Vorstellung vom geistlichen Weg in einem Stufenschema. Er unterscheidet vier Stufen der Liebe: die Selbstliebe des Menschen, die Gottesliebe um des eigenen Vorteils willen, die Gottesliebe um Gottes willen, die Selbstliebe um Gottes willen. Die Liebe wird als „affectio naturalis“ definiert, als eine der vier affectiones124. Diese natürlichen Neigungen seien eigentlich so eingerichtet, dass sie vor allem auf den Schöpfer gerichtet seien. Bernhard führt das biblische Doppelgebot der Liebe (Mt 22,37) an, um den Vorrang der Gottesliebe 117 Vgl. Dil II,2, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 72, Z. 1–16. 118 Vgl. Dil. II,2, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 66, Z. 12–18 und II.4, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 68, Z. 1–13. 119 Vgl. Dil II,4, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 70, Z. 17–32. 120 Vgl. Dil III,7, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 74, Z. 1–78, Z. 33. 121 Zum Gedanken, dass Gott die Liebe ist und als solche ewig, allumfassend und unermesslich vgl. auch De consideratione ad Eugenium papam, Ed. Winkler/Übers. Brem, BCSWld 1, 822, Z. 3–19. 122 Vgl. Dil VI,16, Ed. Callerot/Christophe/Verdeyen, SC 293, 98–100, Z. 1–28. 123 Vgl. Dil VII,17, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 100–104, Z. 1–35. 124 Vgl. Dil. VIII,23, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 116, Z. 1 f. (So: Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 260 mit Anm. im Text: Bernhard nennt die drei übrigen affectiones nicht, weil er sie als bekannt voraussetzt. Er denkt wohl an Freude, Furcht und Trauer, die ihm aus der platonischen und augustinischen Tugendlehre bekannt sind.)

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vor der Nächsten- und Selbstliebe aufzuzeigen und zugleich darzulegen, dass auch die Selbstliebe natürlich sei, und dass eine gewisse Priorität der Selbstliebe und des amor carnalis nicht verwerflich sei. Als amor carnalis (Stufe eins der Liebe) bezeichnet Bernhard die Liebe des Menschen zu sich selbst, die dem Lebenserhalt dient. Zu dieser Liebe zwinge die Notwendigkeit den Menschen.125 Verlasse er jedoch den Bereich der Notwendigkeit und liebe sich im Bereich des Lustgewinns (voluptas, libido), dann trete das Gebot der Nächstenliebe auf den Plan.126 Der Mensch solle sich selbst so viel gönnen, wie er wolle, nur solle er auch dafür sorgen, dass der Nächste ebenso gut versorgt sei.127 So könne man durch die „Zügel der Selbstherrschung“ den Begierden Einhalt gebieten.128 Zu Stufe zwei führt Bernhard aus, dass vollkommene Nächstenliebe nicht ohne Gott zu verwirklichen sei. Den Nächsten könne man nur lauter lieben, wenn man ihn in Gott liebe.129 Die Gottesliebe sei Voraussetzung für die Nächstenliebe und dieser vorgeordnet. Gott erziehe den Menschen durch Notlagen, aus denen er ihn auf Bitten hin befreie, zur Anerkennung seiner Ehre. Das wiederhole Gott so oft, bis der Mensch ihn zunächst um seines eigenen Nutzen willens liebe und dann mit der Zeit „auf den Geschmack komme“ und Gott schließlich um seiner selbst willen liebe, weil er an sich gut sei (Stufe drei). Auf dieser Stufe sei es auch nicht mehr schwierig, den Nächsten zu lieben.130 Auf der vierten Stufe liebe sich der Mensch selbst nur noch um Gottes willen. Auf diesem Gipfelpunkt der Liebe werde der Mensch von Gott berührt, vergesse sich selber und werde ein Geist mit Gott, nehme einen Augenblick lang am Zustand der Himmlischen teil, werde fast zu Nichts, beschreibt Bernhard die Exstase der Gottesliebe mit biblischen Zitaten.131 Die Ekstase dauere nur einen Augenblick, dann kehre man wieder, von der Liebe zum Mitmenschen (fraterna caritas) gerufen, in sich selbst zurück.132 Bei der Ekstase gehe es nicht um persönliches menschliches Glück, sondern um Einheit und Übereinstimmung des menschlichen Willens mit dem Willen Gottes.133 Die Vollendung auf der vierten Stufe als dauerhafte Erfahrung wird dem Menschen nach Bernhard erst nach dem Tod zuteil. Dann sei er vom Körper, der den Geist auf Erden bremse, befreit. Der Körper sei aber auch an der vierten Stufe beteiligt. Solange Körper und Geist im Tod geschieden seien, sei vollendete Gottesliebe nicht möglich, weil der „Geist nach der Schicksalsgemeinschaft mit dem Fleisch verlangt und nicht ohne es voll-

125 Vgl. Dil VIII.23, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 116–118, Z. 1–14. 126 Vgl. Dil VIII.23, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 118, Z. 8–19; 120, Z. 28. 127 Vgl. Dil VIII.23, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 118, Z. 24 f. 128 Vgl. Dil VIII.23, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 118, Z. 26 f. 129 „Ut tamen perfecta iustitia sit diligere proximum, Deum in causa haberi necesse est. Alioquin proximum pure diligere quomodo potest, qui in Deo non diligit?“ (Dil VIII,25, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, [SC 393], 122, Z. 1–3.) 130 Vgl. Dil IX,26, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 124–126, Z. 13–44. 131 Vgl. Dil X,27, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 128–130, Z. 1–21. Vgl. die Fußnoten für die entsprechenden Bibelstellen. 132 Vgl. Dil X,27, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 130, Z. 21–30. 133 Vgl. Dil X,28, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 130, Z. 1–13.

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endet werden kann“134. Erst nach der Wiederherstellung des Körpers in der himmlischen Herrlichkeit sei Stufe vier dann vollends möglich.135 Der dritte Teil von De diligendo Deo ist ein separat entstandener Brief an die Kartäuser, den Bernhard dem Traktat beifügte, weil er thematisch gut passt und Gedanken des zweiten Teils weiterführt und anders illustriert. Hier unterscheidet Bernhard drei Arten der Liebe: die des Sklaven, die des Söldners und die des Sohnes. Der Sklave liebe Gott aus Furcht, der Söldner aus Eigennutz, allein der Sohn liebe den Vater/Gott, weil er gern beim Vater ist, und nicht, weil er seinen Vorteil suche. Nur letztere Liebe sei in der Lage, den Geist des Menschen von der Liebe zu sich selbst und von der Liebe zur Welt abzukehren und zu Gott hinzukehren. Bernhard identifiziert diese caritas mit dem Gesetz Gottes.136 3.3.4 Gottebenbildlichkeit (imago Dei) und Gottähnlichkeit (similitudo Dei) Bernhard entwickelt bewusst137 unterschiedliche Vorstellungen von der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Ganz zentrale Texte in diesem Zusammenhang sind De gratia et libero arbitrio138 und die Hoheliedpredigten 80–82139. Für die Rezeption bei Hilton sind m. E. aber Passagen aus anderen Predigten entscheidend, denn die theologisch komplexeren Vorstellungen aus De gratia et libero arbitrio und den Hoheliedpredigten 80–82 rezipiert Hilton nicht erkennbar.140 In 134 Der Weg der Liebe, Übers. Schellenberger, 272. Dil XI,30, Ed. Winkler, BCSWld 1, 126, Z. 14–16: „Valet Deum diligenti animae corpus suum infirmum, valet et mortuum, valet et resuscitatum: primo quidem ad fructum paenitentiae, secundo ad requiem, postremo ad consummationem. Merito sine illo perfici non vult, quod in omni statu in bonum sibi subservire persentit.“ 135 Die vier Stufen der Liebe finden sich auch im dritten Teil des Traktates wieder, dem angehängten Brief an die Kartäuser. Auch hier geht Bernhard von einem Fortschreiten von der amor carnalis zur amor spiritualis. (Vgl. Dil XV,39, Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, [SC 393], 158–160, Z. 1–27.) 136 „Sola quae in filio est caritas, non quaerit quae sua sunt. Quamobrem puto de illa dictum: Lex Domini immaculata, convertens animas, quod sola videlicet sit, quae ab amore sui et mundi avertere possit animum et in Deum dirigere. Nec timor quippe, nec amor privatus convertunt animam.“ (Dil XII,34, Ed. Winkler, BCSWld 1, 132, Z. 20–134, Z. 3.) 137 Vgl. McGinn, Mystik, Bd. 2, 263. 138 Kritische Ed. mit französischer Übers.: Ed. Callerot/Christophe/Huille/Verdeyen, (SC 393), 242–361. Kritische Ed. mit dt. Übers.: Ed. Winkler, BCSWld 1, 170–255. 139 SC[ant] 80, Ed. Winkler/Übers. Lauterer, BCSWld 6, 568–581. SC[ant] 81, Ed. Winkler/Übers. Lauterer, BCSWld 6, 582–597. SC[ant] 82, Ed. Winkler/Übers. Lauterer, BCSWld 6, 598–611. 140 Bernhard McGinn stellt die Vorstellungsmodelle, die von Hilton nicht aufgenommen werden, in den Mittelpunkt seiner Darstellung (vgl. McGinn, Mystik, Bd. 2, 258–262.): „In De Gratia et libero arbitrio besteht das Abbild [imago] in der Freiheit von der Notwendigkeit (libertas a necessitate), die sich im freien Willen (liberum arbitrium) manifestiert, der durch Vernunfturteile die Handlungen des Menschen bestimmt. Das Ebenbild (similitudo) Gottes ging jedoch durch die Sünde verloren. Es zeichnete sich zweifach aus: durch die Freiheit von Sünde (libertas a peccato) oder die freie Überlegung (liberum consilium) und durch die Freiheit vom Elend (libertas a miseria) oder das freie Wohlgefallen (liberum complacitum), das den Willen im Guten errichtet […]. Durch die Erbsünde wandelte sich Adams Befähigung, nicht zu

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Sermo 45141 aus der Gruppe der Sermones de diversis, der den Titel De trinitate hominis, in quas pessimas trinitates ceciderit et per quas trinitates resurrexerit trägt, entfaltet Bernhard, dass die ewige Dreifaltigkeit Vater, Sohn und Heiliger Geist, der höchste Macht, höchste Weisheit und höchste Güte sei, eine ihm ähnliche Dreifaltigkeit nach seinem Bild geschaffen habe, die vernunftbegabte Seele. Sie trage dadurch eine Spur (vestigium) der Trinität in sich, dass sie aus Gedächtnis, Vernunft und Willen (memoria, ratio, voluntas) bestehe. Gott habe die Seele so erschaffen, dass sie durch Teilhabe am Schöpfer selig sein könne, wenn sie in ihm bleibe. Kehre sie sich von ihm ab, bleibe sie im Elend, ganz gleich, wohin sie sich sonst wende. Bernhard nennt die menschliche Seele in diesem Zusammenhang auch „erschaffene Trinität“ (trinitas creata) und bezeichnet sie als ursprünglich schön und erhaben. Die Seele sei jedoch Opfer des Eigenwillens geworden, habe sich von der unerschaffenen Trinität abgewandt und sei so zu einer dem ursprünglichen Schöpfungszustand entgegengesetzten „hässlichen“ Trinität geworden, mit schwachem Gedächtnis (memoria), blindem, unvernünftigen Verstand (ratio imprudens) und unreinem Willen (voluntas impura et immunda). Da Hilton denselben Gedanken kennt und ihn in seiner Scale of Perfection, allerdings in der Volkssprache mit demselben Vokabular formuliert, soll hier eine größere Passage zitiert werden: Beata illa et sempiterna Trinitas, Pater et Filius et Spiritus Sanctus, unus Deus scilicet, summa potentia, summa sapientia, summa benignitas, creavit quamdam trinitatem ad imaginem et similitudinem suam, animam videlicet rationalem, quae in eo praefert vestigium quoddam illius summae Trinitatis, quod ex memoria, ratione et voluntate consistit. Creavit autem eam hoc modo, ut manens in illo, participatione eius esset beata; aversa ab illo, quocumque se conferret, remaneret misera. Sed haec trinitas creata elegit potius per modum propriae voluntatis cadere quam ex gratia creationis per arbitrium stare. Cecidit ergo per suggestionem, delectationem, consensum, ab illa summa et pulchra trinitate, scilicet potentia, sapientia, puritate, in quamdam contrariam trinitatem et foedam, scilicet infirmitatem, caecitatem, immunditiam. sündigen, in unsere Unfähigkeit, der Sünde zu widerstehen. Die in Christus gewährte Gnade stellt das Vermögen, nicht zu sündigen, wieder her. Aber die vollkommene Ebenbildlichkeit, die das liberum complacitum verleiht, wird erst im Himmel gefunden. Kontemplative können einen seltenen und kurzen Vorgeschmack davon im Himmel genießen.“ (McGinn, Mystik, Bd. 2, 259.) In den Hoheliedpredigten 80–82 bedient sich Bernhard eines paulinisch geprägten Interpretationsmusters. „Die Schaffung der Seele als Ab- und Ebenbild des Wortes, der wahren und vollkommenen imago Dei, steht nun im Vordergrund. Das Wort ist als veritas, sapientia und iustitia Bild des Vaters. Die Seele kann als Abbild an ihm teilhaben, wenn sie etwas von der Größe und Würde (magnitudo) und Rechtschaffenheit (rectitudo) des Wortes besitzt. Durch die Sünde verlor die Seele die rectitudo, aber einen Teil der magnitudo konnte sie bewahren. Deshalb bleibt das Abbild teilweise erhalten. Die Ebenbildlichkeit (similitudo) der Seele dem Wort gegenüber besteht aus drei Elementen: Einfachheit (simplicitas) […], Unsterblichkeit (immortalitas) […], und Willensfreiheit (libertas arbitrii). Einfachheit und Unsterblichkeit kann die Seele niemals verlieren, auch nicht die Willensfreiheit. Aber letztere wurde durch die Sünde zu einer voluntaristischen Knechtschaft entstellt. […] Die Gottebenbildlichkeit ist also nach den Sermones super Cantica Canticorum dem Menschen nicht völlig abhanden gekommen, aber sie ist doch zum Teil verdeckt. Ebenso ist das Abbild der magnitudo nach partiell präsent, während es in Bezug auf die rectitudo verloren ist.“ (McGinn, Mystik, Bd. 2, 261 f.) 141 Div 45, Ed. Winkler/Übers. Brem, BCSWld 9, 544–553.

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Memoria enim facta est impotens et infirma, ratio imprudens et tenebrosa, voluntas impura et immunda.142

Selbst die Abwendung von Gott hat nach Bernhard für die Seelenteile memoria, ratio und voluntas noch je dreierlei Folgen:143 Das von Gott abgewendete Erinnerungsvermögen (memoria) sei in drei Teile zersprungen, und statt sich ausschließlich auf Gottes Macht zu konzentrieren, verliere es sich jetzt in triebhaften, beschwerlichen und müßigen Gedanken (in cogitationes affectuosas, onerosas, otiosas). Die ratio sei in ihrem ethischen Urteilsvermögen behindert, weil sie Gut und Böse nicht mehr sicher auseinanderhalten kann, sie kann nicht mehr logisch erkennen, weil sie Wahres und Falsches nicht mehr unterscheiden kann, und sie kann Dinge der materiellen Schöpfung nicht mehr richtig einordnen. Der Wille (voluntas) liebe (diligere) nicht mehr die höchste Güte und Reinheit, sondern er habe sich der Begierde des Fleisches und der Augen (concupiscentia carnis/occulorum) und weltlichem Ehrgeiz (ambitio saecularis) zugewandt.144 Die Rettung des Menschen aus dieser misslichen Lage erfolge durch die trinitas Glaube, Liebe und Hoffnung, durch die die unerschaffene Trinität den Menschen zu sich zurückführe.145 In der ersten Predigt zu Mariae Verkündigung (Sermo in Annuntiatione Dominica)146 findet sich – eingekleidet in Anspielungen auf verschiedene biblische Erzählungen und Bilder vom unter die Räuber gefallenen Menschen im lukanischen Gleichnis vom barmherzigen Samariter über das paulinische Bild vom Neubekleidet-Werden zum „ungenähten Rock“ aus dem Johannesevangelium – die für Bernhard charakteristische Vorstellung147, dass die imago im Menschen zwar veränderbar, aber letztlich unverlierbar und unzerstörbar ist, während die similitudo verloren gehen kann.148 Die menschliche Seele ist bei Bernhard ausgehend von Gen 1,26 f zum Bild und Gleichnis (imago und similitudo) Gottes geschaffen.149 142 Div 45,1, Ed. Winkler/Übers. Brem, BCSWld 9, 544, Z. 1–15, Hervorhebungen des Originals getilgt. Vgl. Scale I,43, Ed. Bestul, 77 f. 143 Diesen Aufbau wählt Bernhard didaktisch geschickt, damit sich die Zuhörer/Leser den Inhalt leichter merken können. Dass dies seine Absicht ist, verrät die Zusammenfassung im letzten Abschnitt der Predigt. (Vgl. Div 45,6, Ed. Winkler/Übers. Brem, BCSWld 9, 550–552.) 144 Div 45,1–3, Ed. Winkler/Übers. Brem, BCSWld 9, 544, Z. 15–264, Z. 2. 145 Div 45,4, Ed. Winkler/Übers. Brem, BCSWld 9, 548, Z. 3–14. 146 Ann 1, Ed. Winkler/Übers. Schwarzbauer, BCSWld 8, 96–129. 147 Vgl. McGinn, Mystik, Bd. 2, 259–262 mit zwei hilfreichen Schaubildern. 148 „An forte quaeris et tunicam inconsutilem, quae non dividitur, sed sorte provenit? Ego divinam arbitror esse imaginem, quae nimirum non assuta, sed insita atque ipsi impressa naturae, dividi scindique non potest. Ad imaginem nempe et similitudinem Dei factus est homo, in imagine arbitrii libertatem, virtutes habens in similitudine. Et similitudo quidem periit, verumtamen in imagine pertransit homo. Imago siquidem in gehenna ipsa uri poterit, non exuri, ardere, sed non deleri. Haec ergo non scinditur, sed forte proveniat. Et quocumque perveniat anima, ibi erit simul et ipsa. Nam similitudo non sic, sed aut manet in bono, aut, si peccaverit anima, mutatur miserabiliter, iumentis insipientibus similata.“ (Ann I,7, Ed. Winkler/Übers. Schwarzbauer, BCSWld 8, 108, Z. 8–110, Z. 2, Hervorhebungen des Originals getilgt.) 149 Vgl. SC[ant] 80, I,2, Ed. Winkler/Übers. Brem, BCSWld 8, 568.

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Das Wort, Christus, ist für ihn im ganz strengen Sinne Ebenbild (imago), weil es eines Wesens mit Gott ist, die menschliche Seele ist es in kleinerem Maße. 3.3.5 Kontemplation/Erkenntnis/Schau (contemplatio/cognitio/visio) Wie in De diligendo Deo spricht Bernhard im Sermo in Cantica Canticorum 31150 davon, dass sich Gott auf dreierlei Weise offenbare: in der Schöpfung für alle Menschen sichtbar, um sie auf den Weg zu sich zu bringen, in speziellerer Weise in „äußerlichen“ Sonderoffenbarungen (Visionen, Auditionen) an ausgewählte Figuren der Glaubensgeschichte und in noch intensiverer Weise „innerlich“ an eine von Sehnsucht getriebene, Gott unablässig suchende, liebende Seele. Die Sehnsucht werde von Gott als „brennendes Feuer“ in die suchende Seele gelegt. Dieses Feuer verbrenne alle Laster und bereite damit den Weg für die Gottesbegegnung, formuliert Bernhard in Anlehnung an Ps 96,3, Klgl 1,13 und Ps 38,4: Es gibt aber eine göttliche Begegnung, die mehr im Inneren stattfindet und daher ganz anders ist als die ersten, wenn nämlich Gott von sich aus eine Seele, die ihn sucht, aufsuchen will, doch nur eine Seele, die sich mit ganzem Verlangen und ganzer Liebe dieser Suche hingegeben hat. Und dies ist das Zeichen, das er auf solche Weise sich naht, wie wir von dem belehrt werden, der es selbst erfahren hat: ‚Feuer wird vor ihm hergehen und seine Feinde ringsum verzehren.‘ (Ps 96,3) Denn vor seinem Angesicht muß erst das Feuer heiliger Sehnsucht jedes Herz, in das er kommen will, erfassen; es soll jeden Rost der Laster verzehren und so dem Herrn einen Platz bereiten. Dann weiß die Seele, daß der Herr nahe ist, wenn sie sich von jenem Feuer entflammt fühlt und mit dem Propheten sagt: ‚Von oben schickte er Feuer in mein Gebein und unterwies mich‘ (Klgl 1,13), und jenes Wort: ‚Mein Herz erglühte in meinem Inneren, und in meinem Sinnen wird Feuer entbrennen.‘ (Ps 38,4)151

In der Hoheliedpredigt 62152 werden zwei Arten von Beschauung (contemplatio) unterschieden: die der Himmelsstadt (civitas superna) und die Gottes153, wobei Gottes Größe, Erhabenheit und Gottheit nur im raptus geschaut werden könne, während man sich durch Erforschen (scrutinatio) lediglich dem Willen Gottes nähern könne und dürfe.154 Bernhard greift den aus der augustinischen Erkenntnislehre bekannten Satz auf, das Gleiches nur von Gleichem erkannt werden kann. „Similibus simile cognoscitur“.155 Er entwirft, inspiriert vom biblischen Bild Gottes als „Sonne der Gerechtigkeit“ (Mal 4,2), ein Gleichnis: Wie der strahlend helle Planet Sonne nur von einem selbst auch klaren körperlichen Auge geschaut werden könne, so könne Gott nur von einem erleuchteten Menschen (illuminatus) geschaut werden. Der unvollkommen Erleuchtete schaue Gott auch nur unvollkommen. Die Fülle

150 SC[ant] 31, Ed. Winkler/Übers. Brem, BCSWld 5, 486–501. 151 SC[ant] 31,4, Übers. Brem, BCSWld 5, 491–493; Ed. Winkler, BCSWld 5, 490, Z. 22– 492, Z. 2. 152 SC[ant] 62, Ed. Winkler/Übers. Brem, BCSWld 6, 323–337. 153 Vgl. SC[ant] 62,III,4, Ed. Winkler, BCSWld 6, 328. 154 Vgl. SC[ant] 62,III,5, Ed. Winkler, BCSWld 6, 330. 155 Vgl. BCSWld 5, Anm. 6 zu SC[ant] 31, 620.

Wilhelm von St. Thierry

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der Schau (visio) sei dem „neuen Leben“ nach dem Tod vorbehalten156 und werde auch nur den Gottähnlichen zuteil.

3.4 Wilhelm von St. Thierry Die Schriften Wilhelms von Saint-Thierry (um 1085–1148)157 wurden bis ins 16. Jahrhundert meist unter Bernhards von Clairvaux Namen überliefert.158 Welche Schriften von Wilhelm stammen, ist durch eine Aufstellung, die Wilhelm selbst einem seiner Werke vorangestellt hat, bekannt, so dass eine Abgrenzung von Bernhard und Wilhelm heute eindeutig möglich ist.159 Das große Thema Wilhelms ist die Gottebenbildlichkeit,160 speziell die Wiedergewinnung der similitudo Dei. Der Gedanke der Gottesliebe ist darin eingebunden.161 Für diese ineinander verwobenen Fragestellungen sind aus Wilhelms Werken besonders De natura et dignitate amoris,162 die Expositio altera super Cantica Canticorum,163 Speculum Fidei164 und der an Kartäuser gerichtete Vollkommenheitstraktat mit dem Titel Epistola ad Fratres de Monte Dei,165 der auch als Epistola Aurea bekannt ist, relevant. 156 „At talis visio non est vitae praesentis, sed in novissimis reservatur […]“ (SC[ant] 31,2, BCSWld 5, 488, Z. 5.) 157 Zu Wilhelms Biographie und einer kurzen Vorstellung des relativ umfangreichen Schriftencorpus vgl. Sander, Amplexus, 1–28 (Biographie), 28–45 (Werk). 158 Vgl. Sander, Amplexus, 44. 159 Vgl. Sander, Amplexus, 32 f. 160 Vgl. Sander, Amplexus, 113 ff. 161 Für einen Überblick über Kernthemen der Theologie Wilhelms sind neben Sander, Amplexus, 54–430 auch McGinn, Mystik, Bd. 2, 341–417 und Ruh, Geschichte, Bd. 1, 276–329 aufschlussreich. 162 Ed. Paul Verdeyen, (CChr.CM 88), 175–212. Für weitere Ausgaben vgl. Sander, 480. Wilhelm behandelt hier psychologische und anthropologische Aspekte der Gottesliebe. Zusammen mit De contemplando Deo, (Ed./Übers. Hourlier [SC 61]) gehört das 1121–1124 verfasste Werk zu Wilhelms frühen Schriften. (Vgl. Sander, Amplexus, 34.) 163 Ed. Migne, (PL 180), Sp. 473–546. Für weitere Ausgaben vgl. Sander, Amplexus, 481. Trotz des fragmentarischen Charakters wird die Hoheliedauslegung des Jahres 1139 zu Wilhelms Hauptwerken gerechnet; er berührt in der Exegese der ersten drei Kapitel des Hoheliedes (bis Hhld 3,4) „alle zentralen Themen des geistlichen Lebens“ (Sander, Amplexus, 39). 164 Ed./Übers. Déchanet, (SC 301). Dt. Übers.: Der Spiegel des Glaubens, Übers. von Balthasar, (CMe 12), 21–96. Für weitere Ausgaben vgl. Sander, Amplexus, 482. Im zwischen 1142 und 1144 verfassten Speculum Fidei wird anhand der drei Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe der „Weg der Gottsuche durch alle Anfechtungen hindurch bis zur beseligenden Schau“ (Sander, Amplexus, 42) beschrieben. 165 Ed./Übers. Déchanet, (SC 223); dt. Übers.: Goldener Brief, Übers. Kohout-Berghammer. Weitere Ausgaben bei Sander, Amplexus, 481. Zur enormen Wirkungsgeschichte der Schrift, die über mehrere Jahrhunderte das Standardwerk in den verschiedensten Orden (Zisterzienser, Kartäuser, Benediktiner, Franziskaner) war, um Novizen ins Streben nach Vollkommenheit einzuführen, die auch in der Devotio moderna eine große Rolle spielte und in England noch bei Augustine Baker (17. Jh.) in der Sancta Sophia rezipiert wird, vgl. Davy, Introduction.

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Marie-Madeleine Davy hat im Rahmen ihrer kritische lateinische Edition und französischen Übersetzung der Epistola Aurea die stilistischen Charakteristika in Wilhelms zentralem Werk untersucht.166 Typisch für Wilhelm – wie für sein Vorbild Bernhard – ist die biblisch geprägte Sprache; typisch ist auch, dass der Text mit impliziten und expliziten Zitaten aus der Schrift durchzogen ist.167 Was die Syntax betrifft, orientiert sich Wilhelm an den klassischen lateinischen Schriftstellern.168 Er bedient sich der Stilmittel Chiasmus169, Antithese, Phrasen mit zwei, drei oder vier inhaltlich verwandten Begriffen, teils in steigernder Reihung,170 teils antithetisch angeordnet171. Des Weiteren fällt der vokabularische Reichtum auf, Synonyme,172 Häufungen von Worten desselben Stammes u.ä.173 Es finden sich häufig Alliteration und Assonanz.174 3.4.1 Gottebenbildlichkeit (imago Dei) und Gottähnlichkeit (similitudo Dei) Bei Wilhelm ist der Mensch nach Gen 1,26 ursprünglich zum Bild (imago) und Gleichnis (similitudo) Gottes geschaffen worden.175 Als der trinitarische Schöpfergott den Menschen nach seinem Bild schuf, versah er ihn – so Wilhelm – mit einer gewissen Ähnlichkeit, in der das Bild der Schöpfer-Trinität erschien. Weil es Ähnliches von Natur aus zu Ähnlichem zieht, wäre der Mensch, wenn er gewollt hätte, unlösbar mit seinem Schöpfer verbunden gewesen. Die „minderwertige Trinität“ (d. h. der Mensch) habe sich aber von der Schöpfertrinität entfernt und getrennt, weil sie sich von der Mannigfaltigkeit der Geschöpfe habe fesseln lassen.176 Durch den Sündenfall sei die Ebenbildlichkeit (imago) in der Seele (anima) entstellt worden und die Ähnlichkeit (similitudo) verloren gegangen bzw. deformiert worden. Wilhelm ist mit seinen Aussagen zu imago und similitudo nicht im Sinne der Hochscholastik festgelegt. Er spricht überraschenderweise auch von similitudo, wenn er die unverlierbare Natur des Menschen, die in der Scholastik 166 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei, Ed. Davy, Bd. 2, 166–185. 167 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei, Ed. Davy, Bd. 2, 166. Wilhelms Stil wird von Davy als „durchweg nüchterner“ als Bernhards Stil charakterisiert, aber trotz der Einfachheit, die Wilhelm in seinen Texten anstrebe, sei doch auch ein Bemühen um Eleganz zu bemerken, das die beiden Zisterzienser verbinde. 168 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei, Ed. Davy, Bd. 2, 167. 169 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei, Ed. Davy, Bd. 2,168. 170 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei, Ed. Davy, Bd. 2,169–174. Vgl. auch Epistola ad fratres de Monte Dei, Ed. Davy, Bd. 2, 182. 171 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei, Ed. Davy, Bd. 2, 174. 172 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei, Ed. Davy, Bd. 2,177. 173 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei, Ed. Davy, Bd. 2, 177–179. 174 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei, Ed. Davy, Bd. 2, 180–183. 175 Vgl. Bell, Image and Likeness. Vgl. auch Sanders, Amplexus, 111 ff. 176 „[…] cum Trinitas Deus hominem crearet ad imaginem suam, quamdam in eo formauit Trinitatis similitudinem, in qua et imago Trinitatis creatricis reluceret; et per quam nouus ille mundi incola, simili naturaliter ad simile recurrente, principio suo, creatori suo indissolubiter inhaereret, si uellet; ne multiplici craturarum varietate illecta, abstracta, distracta, creata illa trinitas inferior a summa et creatricis Trinitatis unitate recederet.“ (De natura et dignitate amoris, Ed. Verweyen, [CChr.CM 88], 179 f, Z. 104 ff.)

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mit imago bezeichnet wird, meint. Er unterscheidet verschiedene similitudines: die natürliche, die willentliche und eine, die den Namen similitudo gar nicht mehr trage, sondern unitas spiritus heiße.177 Die erste besitze jeder Mensch, denn Gott sei in jedem Geschöpf, also auch in der Seele. Sie sei ein Geschenk Gottes und nicht verdienstvoll, weil sie nichts mit dem Willen des Menschen oder mit seinen Bemühungen zu tun habe. Die zweite Ähnlichkeit bestehe aus Tugenden, die Seele versuche dabei, mit ihrer Tugendhaftigkeit das höchste Gute nachzuahmen. Die dritte, die „Einheit des Geistes“ liege vor, wenn Willenseinheit zwischen Mensch und Gott bestehe. Sie werde nicht nur vom Heiligen Geist hervorgebracht, sondern sie sei der Heilige Geist selbst. Der Mensch werde hier zwar nicht Gott, aber das, was Gott sei. Nach dem Fall gelte es die beiden letztgenannten similitudines (wieder) zu erwerben, d. h. vollkommen zu werden. Die Gnade178 sei durch die Verdienste Christi für die Menschen neu zugänglich geworden, mit ihrer Hilfe vollziehe sich das Reformgeschehen.179 Die menschliche Seele, so Wilhelm, ist bei der Erschaffung zum Ebenbild Gottes mit zwei Vermögen/Kräften ausgestattet worden: der Lebenskraft/beseelenden Kraft (vis vitalis, id est animalis) und der Kraft des Intellekts (vis spiritualis). In letztere pflanzte Gott die memoria (vis memoralis), damit der Mensch sich immer an die Macht und Güte seines Schöpfers erinnere. Die Erinnerungskraft (memoria) generiert die Vernunft (ratio); Vernunft und Erinnerungskraft bringen gemeinsam den Willen (voluntas) hervor. Diese drei in der Seele vereinten Kräfte stellen die Ähnlichkeit mit der göttlichen Trinität dar. Sie bilden das innertrinitarische Hervorbringen ab, bei dem der Vater hervorbringt, der Sohn hervorgebracht wird, und der Heilige Geist von beiden ausgeht. Damit die im Menschen geschaffene Seele Gott anhängt, beansprucht Gott Vater die memoria für sich/macht sich Gott Vater die memoria zu eigen (sibi uindicauit), der Sohn die ratio und der Heilige Geist, der vom Vater und Sohn ausgeht, die voluntas.180 Die Erinnerung an die göttlichen Wohltaten dränge die Vernunft (ratio), die Suche nach Gott wieder aufzunehmen. Mit der zuvorkommenden und kooperierenden Gnade (praeveniente et cooperante gratia), die Zustimmung schenke, beginne der (freie) Wille das zu wollen, was ihm memoria und ratio vorschlagen. Er beginne, das zu wollen, was Gott will, er beginne, dem Heiligen Geist anzuhängen, der die Liebe Gottes des Vaters und des Sohnes ist. Wenn der Wille das mit Eifer wolle, werde er zur (Gottes-)liebe (amor). Wenn diese Willen-Liebe fortschreite, werde sie erst zur dilectio, dann zur caritas.181 177 Vgl. Lettre aux frères de Mont Dieu, Ed. Déchanet, (SC 223), 350 ff, Nr. 259–263. McGinn spricht von „geschaffener und erworbener Teilhabe“ an Gott (vgl. McGinn, Mystik, Bd. 2, 351; Hervorhebung im Original.) 178 Zu Wilhelms Gnadenlehre vgl. McGinn, Mystik, Bd. 2, 379 f; eine detaillierte Systematik fehle bei Wilhelm, auch wenn er mit scholastischer Terminologie operiere. 179 Vgl. Davy, Amour de Dieu, 320. 180 Vgl. De natura et dignitate amoris 3–4, Ed. Verweyen, (CChr.CM 88), 180, Z. 125 ff. Vgl. auch Davy, Amour de Dieu, 326; Sander, Amplexus, 113 f. 181 Vgl. De natura et dignitate amoris 4–5, Ed. Verweyen, (CChr.CM 88), 180, Z. 129–181, Z. 150; vgl. auch Davy, Amour de Dieu, 327.

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3.4.2 Gottesliebe (amor Dei/dilectio/caritas) Die Glückseligkeit Gottes besteht nach Wilhelm darin, sich zu kennen und zu lieben. Der Mensch sei dazu geschaffen, daran teilzuhaben. Die similitudo Dei befähige den Menschen, durch Gnade zur Schau Gottes, wie er ist und wie er sich liebt, zu gelangen und dieser göttlichen Glückseligkeit teilhaftig zu werden. Gottes Angesicht zu schauen (contemplare) ist für Wilhelm der einzige Sinn des Lebens.182 Dem Menschen sei diese Schau aber nicht vollkommen möglich wegen der Erbsünde, durch die er seine ursprüngliche Ausrichtung auf Gott verloren habe. Der Mensch muss, so Wilhelm, wenn er Gott liebt, alles um Gottes willen lieben, auch sich selbst. Das gelinge jedoch nur unter Mithilfe einer „großen Gnade“ (magna gratia), die ihn zum Ebenbild Gottes und zur Ähnlichkeit, in der Gott uns geschaffen hat, rückgestaltet (reformare). Wer alles um Gottes willen lieben wolle, müsse Gott ähnlich sein, der sich um seinetwillen liebe und auch Engel und Menschen nur um seiner selbst willen liebe.183 Sich selbst oder andere Dinge an sich zu lieben sei das Zeichen der Verderbtheit und Unähnlichkeit des Menschen. Werde ein Geschöpf geliebt, nicht um es für Gott zu gebrauchen, sondern um es an sich zu genießen, dann handle es sich um Begierde (cupiditas vel libido).184 Wilhelm adaptiert hier offensichtlich das Augustinsche Konzept von uti/frui. Wilhelm betont, dass es ein und dieselbe Liebe (amor) ist, mit der wir Gott und die Nächsten lieben, und dass es echte Nächstenliebe nur in der Gottesliebe gibt:185 Wenn ich diese Menschen, in denen deine Liebe all dies zuwege bringt, sehe, bin ich ganz hingerissen von der Liebe zu deiner Liebe, die ich bei ihnen wahrnehme, da ich aus eigener Erfahrung eine gewisse Ahnung davon habe, was Liebe ist. So liebe ich die, die dich lieben, und ich liebe sie sehr, denn ich liebe die Liebe, mit der Du geliebt wirst, und ich liebe sie in diesen Menschen. Doch ich liebe sie auf solche Weise, dass ich in ihnen und ihrer natürlichen Liebe zu dir doch nur dich liebe, weil ich ihre Liebe, wegen der ich sie liebe, nur liebe, weil sie so von dir erfüllt ist. Auch in mir selbst liebe ich die Erfahrung deiner Liebe nur dann, wenn ich spüre, dass sie von dir kommt. Wen außer dir liebe ich denn in denen, die ich liebe, und in mir selbst, den ich nur in dir lieben will? Ganz sicher niemand anderen. Denn wenn ich merke, dass sie mich oder auch ich mich selbst auf irgendeine andere Weise lieben, dann hasse ich mich mehr, als dass ich mich liebe.186 182 Vgl. Davy, Amour de Dieu, 319. 183 „Et certe possibile est amori deum amantis, ubi magna occurit gratia, eo proficere, ut nec te nec se amans propter se, et te et se propter te solum amet, et per hoc reformatur ad imaginem tuam, ad quam creasti eum; qui ex veritate praestantissimae naturae tuae et veritatis tuae, nec te nisi propter te, nec angelum nec hominem amare potes nisi propter te.“ (De contemplando Deo, Ed. Hourlier, [SC 61], 84.) Vgl. Davy, Amour de Dieu, 329. 184 „Cum enim amans quacumque creaturam, non ad utendum ad te, sed ad fruendum in se, fit amor jam non amor, sed cupiditas vel libido.“ (Expositio altera super Cantica Canticorum, Ed. Migne, [PL 180], 473 D.) Vgl. auch Davy, Amour de Dieu, 329. 185 Vgl. Davy, Amour de Dieu, 342. 186 Meditatio XII, 28, Meditationen und Gebete. Ed./Übers. Berger/Nord, 308 f: „Istos cum video, in amorem amoris tui qui hoc/haec in eis operatur totus afficior, quem in eis deprehendo certa quadam experientia cognita amantibus. Amo ergo eos quia te amant, et mul-

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Hier besteht eine Verbindung zu Wilhelms zentraler Lehre von der Ebenbildlichkeit, in der die Lehre von der caritas eine große Rolle spielt. Durch die caritas wird der Mensch zur Ähnlichkeit mit Gott rückgestaltet: Er kann Gott nun lieben, wie er sich liebt, weil ihm dieselbe Liebe, die auch er hat, der Heilige Geist nämlich, geschenkt ist. In der Epistola ad fratres de Monte Dei teilt Wilhelm die Mitglieder aller Orden in je drei Gruppen ein: Anfänger, Fortgeschrittene und Vollkommene. Die Anfänger sind nach seiner Klassifikation sinnenverhaftet (animalis), die Fortgeschrittenen vernunftgeleitet (rationalis) und die Vollkommenen geistlich (spiritualis).187 Die Anfänger lassen sich nur durch die Natur leiten und werden nicht von der „liebenden Sehnsucht“188 (affectus) gezogen. Sie folgen Autoritäten blind, ahmen nach. Sie billigen das Gute (approbant bonum), wo sie es antreffen. Die Fortgeschrittenen haben Kenntnis des Guten und streben danach (habent cognicionem boni et appetitum), aber ihnen fehlt noch die „Erfahrung der Liebe“,189 der vollkommene affectus. Die Vollkommenen werden vom Heiligen Geist geleitet und werden von ihm erleuchtet. Sie haben Geschmack am Guten und werden deshalb Weise genannt.190 Weil der Heilige Geist sie umkleidet, werden sie geistlich genannt.191 Wilhelm unterscheidet auf jeder Stufe wieder verschiedene Grade an Fortschritt und Vollkommenheit: Auf der Stufe der homines animales steht am Anfang der vollkommene Gehorsam, gefolgt von der Unterwerfung und Dienstbarmachung des Körpers. Vollkommenheit auf der ersten Stufe ist erreicht, wenn die Gewohnheit, Gutes zu tun, sich in Freude verwandelt hat. Auf der Stufe der homines rationales geht es damit los, Inhalte von Glaubenslehren verstandesmäßig zu erfassen. Fortschritt besteht darin, selbstständig mitzudenken und selbst so etwas zu verfassen wie das, was einem vorgelegt wird; die Vollkommenheit besteht darin, im affectus mentis über das Urteil der Vernunft hinauszuwachsen. Der vollkommene Grad der zweiten Stufe ist zugleich der Anfangsgrad der dritten Stufe, der Stufe der homines perfecti. Fortschritt besteht hier darin, dass der Mensch mit enthülltem Antlitz die Herrlichkeit Gottes schaut, Vollkommenheit darin, dass er tum amo, sicut amo amorem quo amaris, quem in ipsis amo. Et si eos hoc modo amo, ut in eis et in affectu eorum naturali nil amem nisi te, cum ipsum affectum ob hoc tantum amem, quia plenus est de te, sed in meipso nunquam meum amem affectum, nisi cum ipso affectum me invenio de te, in eis quoas amo in te et in meipso, quem nonnisi in te amare volo, quid amo, nisi te? Nil penitus. Nam et si illos, et si meipsum alio quouis modo sentio amare me, plus in hoc odio habeo me, quam amo.“ 187 „Hoc autem modo, sicut stella a stella differt in claritate, sic cella a cella in conversatione incipientium scilicet, proficientium, et perfectorum. Incipientium status dici potest animalis; proficientium, rationalis; perfectorum, spiritualis.“ (Epistola ad fratres de Monte Dei I,41, Ed. Déchanet, [SC 223], 176, Z. 1–5) 188 Goldener Brief 43, Übers. Kohout-Berghammer, 33. Lat. affectus wird in der der deutschen Übersetzung und auch in der französischen der SC-Ausgabe hier und im Folgenden unterschiedlich wiedergegeben je nach Qualifikation des Affektes. 189 Vgl. Goldener Brief 43, Übers. Kohout-Berghammer, 33. 190 „[…] et quoniam sapit eis bonum cujus trahuntur affectu, sapientes vocantur.“ (Epistola ad fratres de Monte Dei I,43, Ed. Déchanet, [SC 223], 178, Z. 9–11.) 191 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei I,43, Ed. Déchanet, (SC 223), 178, Z. 11–13.

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vom Heiligen Geist in dasselbe Bild (imago) verwandelt wird.192 Wilhelm entfaltet in der Epistola aurea die einzelnen Stufen auch noch im Detail. Hier müssen ein paar Hinweise auf Passagen, die Hilton rezipiert, genügen: Auf dem untersten Grad der Stufe des homo animalis diene der Mensch seinen Sinnen. Die Seele sei durch die Sinne außerhalb ihrer selbst, sie weide sich an äußeren, materiellen Dingen. Wenn sie in sich, d. h. an einen nichtkörperlichen Ort zurückkehre, könne sie den Körper, mit dem sie durch den Klebstoff der Liebe und Gewohnheit (forti glutine amoris et consuetudinis adhaesit) fest verbunden sei, zwar nicht mitnehmen, aber sie nehme Bilder mit, mit denen sie „freundschaftlich verkehre“, d. h. vertraut sei.193 Durch die Gewohnheit könne die Seele gar nicht anders als körperlich denken. Auch wenn sie sich von körperlichen Dingen abwenden und geistliche oder göttliche Dinge betrachten wolle, bleibe sie der körperlichen Vorstellung verhaftet.194 Deshalb könne sich der Mensch z. B. auch schwer auf das Gebet konzentrieren: „Daher kreisen zur Zeit des Psalmengesangs, des Gebetes und anderer geistlicher Übungen im Herzen des Dieners Gottes bildhafte Vorstellungen und Scheingebilde der Gedanken, auch wenn er sie nicht will und dagegen ankämpft. Von diesen wird wie von unreinen Vögeln, die sich auf ihn setzen oder ihn umflattern, das Opfer der Hingabe entweder gänzlich seiner Hand entrissen, oder doch oft so sehr entstellt, dass der Opfernde in Tränen ausbricht.“195 Im fortgeschrittenen Grad der ersten Stufe muss der Mensch den Körper in Dienst nehmen. Wilhelm mahnt vor Müßiggang (otium). Zur Beschäftigung seien vor allem Gebet, Lesung, Gewissenserforschung angebracht, aber auch Handarbeiten. Aber die körperlichen Arbeiten seien den geistlichen untergeordnet und sollen ihnen dienen.196 So werden alle Kräfte des Menschen auf Gott als alleiniges Ziel hin gebündelt. Wenn sich der Mensch wieder Gott zuwendet, gewinnt er zurück, was er in der Abwendung verloren hat. Wenn der Geist beginnt, sich nach dem Bild seines Schöpfers rückzugestalten, beginnt auch das Fleisch, sich dem erneuerten Geist gleichzugestalten.197 192 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei I,44 f., Ed. Déchanet, (SC 223), 178–180. 193 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei II,46, Ed. Déchanet, (SC 223), 182; Goldener Brief, Übers. Kohout-Berghammer, 35. 194 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei II,47, Ed. Déchanet, (SC 223), 182; Goldener Brief 47, Übers. Kohout-Berghammer, 35. 195 Goldener Brief 64, Übers. Kohout-Berghammer, 40. „Hinc in tempore psalmodiae vel orationis, caeterorumque exercitiorum spiritualium, in corde servi Dei, etiam nolentis et reluctantis, imaginationes volvuntur, et phantasmata cogitationum versantur; a quibus, velut avibus immundis insidientibus circumvolantibus, sacrificium devotionis vel omnino rapitur de manu tenentis, vel saepe polluitur usque ad lacrimas offerentis.“ (Epistola ad fratres de Monte Dei II,64, Ed. Déchanet, [SC 223], 194, Z. 1–7.) 196 Vgl. Epistola ad fratres de Monte Dei II,83 f, Ed. Déchanet, (SC 223), 209–211. 197 „Exordinata enim natura per peccatum, et a conditionis suae rectitudine exorbitans, si ad Deum fuerit conversa, recuperat cito pro modo timoris et amoris, quem habet ad Deum, quaecumque perdidit aversa; et ubi coeperit spiritus reformari ad imaginem conditoris sui, mox etiam caro reflorescens ex voluntate sua incipit conformari reformato spiritui.“ (Epistola ad fratres de Monte Dei II,88, Ed. Déchanet, [SC 223], 212, Z. 1–7. Vgl. Goldener Brief, Übers. Kohout-Berghammer, 47.)

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McGinn charakterisiert Wilhelms Theologie mit Odo Brooke als „Theologie der Erfahrung“.198 Der bei den Mystikern des 12. Jahrhunderts populäre Begriff sensus wird von ihm als Kernbegriff identifiziert: „Sensus gehört zu jenen bedeutungsreichen Wörtern, die von den Mystikern des 12. Jahrhunderts mit Vorliebe verwendet wurden. Die Potentialität dieses Terminus erlaubt es, ihn sowohl allgemein für die Fähigkeit der Seele zu wissen (als Kategorie für alle Arten des Wissens, wie Sinne, Erkenntnis, Verstand und verschiedene Formen suprarationalen Erkennens), als auch für die einzelnen Sinne, wie das Sehvermögen, Gehör etc., zu gebrauchen. Er kann aber auch für die Aktivität jeder dieser Fähigkeiten stehen sowie für deren Rückwirkung auf die einzelnen Seelenvermögen. Wilhelm erläutert mit Hilfe der Analogie des sensus (im Sinne von Sinnesaktivität) die Umgestaltung der Liebe im Verstehen der mystischen Einigung.“199

3.5 Aelred von Rievaulx 3.5.1 Gottebenbildlichkeit (imago Dei) und Gottähnlichkeit (similitudo Dei) Aelreds (um 1110–1167)200 Spiritualität gründet wie die der anderen Zisterzienser seiner Zeit in einer theologischen Anthropologie, die den Menschen ausgehend von Gen 1,26 als imago und similitudo Dei begreift. Bernhards Einfluss ist unübersehbar, wenn Aelred im Frühwerk Speculum caritatis und im Spätwerk Dialogus de anima201 die Schöpfung der Seele als imago trinitatis darstellt. Aelred zeigt, 198 Vgl. McGinn, Mystik, Bd. 2, 373. 199 McGinn, Mystik, Bd. 2, 387 f. 200 Zur Vita und zum Werk Aelreds vgl. Squire, Aelred of Rievaulx. Vgl. auch Hoste/ Talbot, Introduction. Vgl. auch Brem/von Balthasar, Einleitung, 7–14. Zur Theologie Aelreds vgl. Buchmüller, Askese, sowie Fösges, Menschenbild . 201 Aelreds Traktate finden sich in: Aelredi Rievallensis opera omnia, Ed. Hoste/Talbot, (CChr.CM 1): Speculum caritatis, 2–170; Dialogus de anima, 683–754; De spiritali amicitia, 279–350. Von De spiritali amicitia existiert eine Übersetzung: Über die geistliche Freundschaft, Übers. Haacke. Drei weitere Werke Aelreds, Der zwölfjährige Jesus, Hirtengebet, Inklusenregel liegen in Übersetzung vor: Samenkörner zur Meditation, Ed. Brem/Übers. Schwarzbauer. Aelreds Speculum caritatis liegt in zwei Versionen von unterschiedlicher Länge vor. Die längere, auf die sich die Darstellung in der vorliegenden Arbeit stützt, ist die hier mit Speculum caritatis bezeichnete. Die kürzere findet sich unter dem Titel Compendium speculi caritatis in Aelredi Rievallensis opera omnia, Ed. Hoste/Talbot, (CChr.CM 1), 172–238. In der Forschung ist umstritten, welche Version die ursprünglichere ist. (Vgl. Vander Plaetse, Preface. Vgl. auch Brem/von Balthasar, Einleitung, 17 f.) Speculum caritatis und Dialogus de anima sind von der Gattung her unterschiedlich. Speculum caritatis gehört zu der im Mittelalter weit verbreiteten sog. „Spiegelliteratur“. Als Werk, das den Leser zur Selbsterkenntnis führen und ihm Wege zur Besserung vorzeichnen will, ist er am ehesten den „exemplarischen“ Spiegeln zuzurechnen; anders als viele andere „Spiegel“ trägt es aber aber auch Züge einer Apologie und einer Streitschrift. (Vgl. Roth, Spiegelliteratur; Grabes, Spiegelliteratur; Brem/von Balthasar, Einleitung, 16 f.) Dialogus de anima ist als Gespräch des Abtes Aelred mit seinen Schülern konzipiert. Es gilt als sein einziges philosophisches Werk. (Vgl. Brem/von Balthasar, Einleitung, 13.)

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wie die drei Grundkräfte der Seele, memoria – scientia – amor sive voluntas im Urstand teilhaben an der aeternitas – sapientia – dulcedo der drei Personen der Trinität. So sei der Mensch zur Glückseligkeit fähig und durch seine Beziehung zu Gott tatsächlich glückselig gewesen.202 Der Stammvater Adam, „der mit freiem Willen begabt war [libero muneratus arbitrio], hatte – freilich mit Hilfe der Gnade Gottes [adiutus gratia] – die Möglichkeit, sich durch dauernde Liebe zu Gott in seinem Gedächtnis und Erkennen immerfort zu freuen und selig zu sein; er konnte seine Liebe aber auch auf ein geringeres Gut richten, in der Abwendung von der Liebe Gottes erkalten und sich so dem Unheil ausliefern.“203 Aelred spricht hier und öfter von dem Zusammenhang zwischen richtigem Einsatz der Seelenkräfte und der Freude (delectatio).204 Adam habe den freien Willen missbraucht und seine Liebe (amor), „geblendet von der eigenen Begierlichkeit“ (cupiditate caecatus), von Gott ab- und dem Geringeren zugewandt.205 Er habe mit seinem Verhalten größere Gottähnlichkeit (similitudo Dei) angestrebt, habe sie aber ganz verloren. Die Gottebenbildlichkeit (imago) habe er entstellt: „Nunmehr ist im Menschen das Bild Gottes entstellt [Dei imago corrupta], aber nicht gänzlich ausgelöscht worden [non abolita]. Er behält daher das Gedächtnis, es ist jedoch der Vergesslichkeit unterworfen, behält das Erkenntnisvermögen, bleibt aber dem Irrtum ausgesetzt, und er behält die Liebe, doch diese neigt zur Begierlichkeit.“206 Die Liebesfähigkeit (amor) wird durch die Begierde (cupiditas) immer weiter geschwächt, der Mensch wird immer weiter in die Lasterhaftigkeit und Sündhaftigkeit hineingetrieben.207 202 „Huius beatitudinis sola rationalis creatura capax est. Ipse quippe ad imaginem sui Creatoris condita, idonea est illi adhaerere, cuius est imago […]. Adhaesio plane ista non carnis, sed mentis est, in qua tria quaedam naturarum auctor inseruit, quibus diuinae aeternitatis compos efficeretur, particeps sapientiae, dulcedinis degustator. Tria haec memoriam dico, scientiam, amorem siue voluntatem. Aeternitatis quippe capax est memoria, sapientiae scientia, dulcedinis amor. In his tribus ad imaginem Trinitatis conditus homo, Deum quidem memoria retinebat sine obliuione, scientia agnosecebat sine errore, amore amplectabatur sine alterius rei cupiditate. Hinc beatus.“ (Speculum caritatis I,III,9, Ed. Talbot, [CChr.CM 1], 16, Z. 117–129.) Vorbereitet wird der Gedankengang in Speculum caritatis I,III,8, Ed. Talbot, (CChr.CM 1), 16. 203 Speculum caritatis I,IV,11, Spiegel der Liebe, Übers. Brem/von Balthasar, 38; lat. Text: Ed. Talbot, (CChr.CM 1), 17, Z. 143–148. 204 Vgl. auch Speculum caritatis I,IV,10: „Wenn auch die Seligkeit in diesen drei Seelenkräften [memoria, scientia und voluntas/amor] und durch sie erlangt wird, so ist doch der dritten eigen, die Seligkeit selbst verkosten zu können. Es ist etwas ganz Elendes, im Bösen Freude zu suchen, wo es doch keine Freude und Seligkeit geben kann! Wo nämlich keine Liebe ist, da ist keine Freude [„ubi amor nullus, nulla delectatio“]. Je größer jedoch die Liebe zum höchsten Gut ist, desto größer wird die Freude und auch die Glückseligkeit. Mag auch das Gedächtnis vielerlei hervorbringen und das Erkenntnisvermögen tiefe Einsicht gewinnen, so gibt es doch keine Freuden, wenn sich der Wille nicht dem Hervorgebrachten und Gewußten zuwendet.“ (Spiegel der Liebe, Übers. Brem/von Balthasar, 38.) 205 Vgl. Speculum caritatis I,IV,11, Ed. Talbot, (CChr.CM 1), 17. 206 Speculum caritatis I,IV,12, Spiegel der Liebe, Übers. Brem/von Balthasar, 39; lat. Text Ed. Talbot, (CChr.CM 1), 17, Z. 165–170. Vgl. Speculum caritatis I,V,15, Ed. Talbot, (CChr. CM 1), 18, Z. 205–211. 207 Vgl. Speculum caritatis I,VIII,25: „Amor quippe noster veneno cupiditatis infectus, tenacique uoluptatis uisco miserabiliter irretitus, qui in ima semper id est, de uitio in uitium proprio pondere ferebatur […]“ (Ed. Talbot, CChr.CM 1, 22, Z. 357–359).

Aelred von Rievaulx

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Das Kommen Christi allein biete die Möglichkeit, die similitudo wiederherzustellen: Durch sein Opfer am Kreuz sei Gott versöhnt und der „Schuldschein zerrissen (vgl. Kol. 2,14), gemäß dessen Urteil uns der verderbliche Stolz [superbia] des alten Feindes gefesselt hielt“208. Jetzt werde das Gedächtnis durch das Zeugnis der Heiligen Schrift erneuert, die Erkenntnis durch das Geheimnis des Glaubens und die Liebeskraft (amor) durch stetiges Fortschreiten in der Liebe (caritas).209 Die Wiederherstellung sei eine Wiederherstellung (reparatio) von etwas Altem, kein „Aufpfropfen“ von etwas Neuem.210 Parallel zur Wiederherstellung der similitudo kann die renovatio der imago in Angriff genommen werden. Der Mensch wird erneuert, wenn er „in seinem Geist ganz mit Liebe bekleidet“ demütig vor Gott tritt.211 Die von oben eingegossene übernatürliche Liebe (caritas desuper influens) richte die Seele auf und bewirke die Erneuerung.212 „Die Liebe hebt unsere Seele zu dem empor, wofür sie geschaffen ist, die Begierde aber drängt sie dorthin, wohin sie aus eigener Schuld abgeglitten ist.“213 3.5.2 Liebe (affectio/amor/caritas) Der Schlüsselbegriff bei Aelred ist „Liebe“ (amor). Die Liebe qualifiziert den affectus, bei dem Aelred fünf Arten unterscheidet: geistig, vernünftig, gehorsam (officialis), natürlich, fleischlich/körperlich. An sich ist der affectus weder gut noch schlecht, er kann zur Sünde führen oder zur wahren Liebe. Entscheidend ist die Zustimmung der Vernunft (ratio), die bei Aelred zwei Aspekte in sich birgt: „Sie heißt nämlich Vernunft gemäß der Natur, durch die sie bewirkt, dass der Mensch vernünftig ist und zwischen Gut und Böse unterscheiden kann. […] Und sie heißt so gemäß dem Urteil, durch das sie das zu Verwerfende verwirft und das 208 Speculum caritatis I,V,14, Übers. Brem/von Balthasar, 40; lat. Text: Ed. Talbot, (CChr. CM 1), 18, Z. 187–190. 209 „[…R]eparatur tandem memoria per sacrae Scripturae documentum, intellectus per fidei sacramentum, amor per caritatis quotidianum incrementum.“ (Speculum caritatis I,V,14, Ed. Talbot, [CChr.CM 1], 18, Z. 192–195.) Die Paraphrase stützt sich hier und im Folgenden in der Begrifflichkeit auf: Spiegel der Liebe, Übers. Brem/von Balthasar, 40. 210 Vgl. Speculum Caritatis I,V,16, Ed. Talbot, (CChr.CM 1), 19, Z. 237–240; Spiegel der Liebe, Übers. Brem/von Balthasar, 41 f. 211 „Patet, ni fallor, quia sicut non pedum passu, sed mentis affectu a summo bono recedens, et in semetipsa ueterascens humana superbia, Dei in se corrupit imaginem, ita mentis affectu ad Deum accedens humana humilitas, renouatur in imaginem eius, qui creavit eum. […] Quomodo autem fiet ista renouatio, nisi nouo caritatis praecepto, de quo ait Saluator: Mandatum nouum do uobis ? Proinde hanc caritatem si mens perfecte induerit, profecto duo illa, quae aeque corrupta diximus, memoriam scilicet et scientiam, ipsa reformabit. Ideo saluberrime nobis indicitur istius unius praecepti compendium, in quo et ueteris hominis exspoliatio, et mentis renouatio, et diuinae imaginis constitit reformatio.“ (Speculum caritatis I,VIII,24, Ed. Talbot, [CChr.CM 1], 22, Z. 343–356.); für eine deutsche Übersetzung vgl. Spiegel der Liebe, Übers. Brem/von Balthasar, 45. 212 Vgl. Speculum caritatis I,VIII,25, Ed. Talbot, (CChr.CM 1), 22, Z. 359–364; vgl. auch Spiergel der Liebe, Übers. Brem/von Balthasar, 46. 213 Speculum caritatis I,VIII,26, Spiegel der Liebe, Übers. Brem/von Balthasar, 46, lat. Text: Ed. Talbot, (CChr.CM 1), 23, Z. 376–378.

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zu Billigende billigt.“214 „Deshalb kann auch von der Liebe in zweierlei Hinsicht gesprochen werden; zuerst als die ‚Kraft oder natürliche Anlage der vernunftbegabten Seele, durch die sie von Natur aus die Fähigkeit hat, etwas zu lieben oder nicht zu lieben‘ (diese ist immer gut), und zweitens als ‚das Handeln dieser vernunftbegabten Seele, bei dem sie diese Kraft entweder in rechter oder in unrechter Weise gebraucht‘. Der ‚Entschluss zur Freude‘, in dem der zweite Sinn der Liebe besteht, hat drei Wurzeln – den affectus allein, der so kraftvoll sein kann, Vernunft und Willen zu zwingen, ihm zu folgen […] Vernunft allein, die den Willen zu Recht bewegen kann, ein Gut zu wählen, selbst wenn die Seele gegenwärtig keine Anziehung verspürt, und schließlich der doppelte Anstoß von affectus und ratio, wenn die Vernunft eine genehme natürliche Anziehung billigt und leitet. Letztere ist der amor perfectus […].“215 Aelred spricht – wie Augustinus – von „geordneter Liebe“ (amor ordinatus). Er unterscheidet zwischen der Liebe des Gefühls (ex affectu) und der Liebe der Vernunft (ex ratione)216: „Um das Ziel der ‚geordneten Liebe‘ zu erreichen (amor ordinatus ([Spec. car.] III, 18,41)), muß der aufrichtig Liebende affectuosus, discretus und fortis sein (erregt, entschieden und stark). Der erregte Liebende wird durch das Begehren zur Süße dessen geführt, was er liebt. Aber ein solcher Liebhaber benötigt das Urteil der Vernunft, um ‚im Handeln das rechte Maß nicht zu überschreiten‘ (ne in actu modum excedat). Der Liebende braucht auch die Stärke, um die Schwierigkeiten und Versuchungen zu überwinden (Speculum III, 21,51).“217 Aelred wiederholt diese Grundzüge seiner Lehre am Anfang von De spiritali amicitia. Hier untersucht er fünf Arten der Liebe: ex natura, ex officio, ex sola ratione, ex solo affectu, ex ratione simul et affectu. Letztere ist „Freundschaft“ (amicitia). Aelred ist berühmt für seine Lehre von der Freundschaft. Dafür nimmt er Anleihen bei der Theorie Ciceros, bringt die antike Theorie der Freundschaft aber in eine spezifisch christliche Form, in der Gott die amicitia ist und „alle wahre Freundschaft ein Geschenk Gottes, verwirklicht in Christus“218. „Deus amicitia est“ läßt Aelred seinen Dialogpartner in De spiritali amicitia formulieren.219 Der Abt von Rievaulx wertet die geistliche Freundschaft unter Menschen positiv. Spiritalis amicitia ist die „höchste Form der menschlichen Liebe und Modell für unsere Beziehung zu Gott“220, „sowohl das Abbild der unmittelbarsten Gotteserfahrung und […] Weg, das Ziel [der mystischen Erfahrung] zu erreich214 „Dicitur enim ratio secundum naturam, qua efficit ut homo rationalis sit, possitque discernere inter bonum et malum […] Dicitur et secundum iudicium, quo et reprobanda reprobet, et approbat approbanda.“ (Dialogus de Anima II,2, Ed. Talbot, [CChr.CM 1], 714, Z. 294–298.). 215 McGinn, Mystik, Bd. 2, 477. Das Zitat im Zitat stammt aus Speculum caritatis III, 7,20, Ed. Talbot, (CChr.CM 1), 114, Z. 372–377. 216 Vgl. Speculum caritatis III, XVIII,41, Ed. Talbot, (CChr.CM 1), 125, Z. 769–778. 217 McGinn, Mystik, Bd. 2, 477. 218 McGinn, Mystik, Bd. 2, 484. 219 Vgl. De spiritali amicitia I, 69–70, Ed. Talbot, (CChr.CM 1), 301, Z. 403–408. 220 McGinn, Mystik, Bd. 2, 487.

Richard von St. Viktor

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en.“221 In einer wahren und tiefen Freundschaft bestehe zwischen den Partnern eine Übereinstimmung der Empfindungen und der Willen, die zwischen Menschen sonst nirgendwo zu finden sei. Diese Übereinstimmung sei Vorgeschmack auf die Fülle, die der Mensch in der Übereinstimmung mit der ewigen Liebe, Gott, erfahre.222

3.6 Richard von St. Viktor 3.6.1 Seelenkräfte, imago Dei und Modell des Fortschreitens der Seele zur Kontemplation Die Vorstellung von den Seelenkräften, der imago Dei und des Fortschreitens der menschlichen Seele zur Kontemplation bei Richard von Stankt Viktor (gest. 1173)223 wird anhand des Werkes Benjamin minor224 – auch De duodecim patriarchis genannt – aufgezeigt. Die Darstellung stützt sich auf Ellen Ross’ Untersuchung.225 Das zwischen 1153 und 1162 verfasste Werk Benjamin minor ist eine überwiegend tropologisch-anagogische Auslegung der alttestamentlichen Jakobserzählung.226 „Dem ganzen Mittelalter war es geläufig den Vers Beniamin adulescentulus in mentis excessu (Ps. 67, 28 [in der Vulgataübersetzung]) auf die ‹Entrückung des Geistes›, die mystische Ekstase, anzuwenden. Das wird für Richard zum Anlaß, in einer bis ins einzelne gehenden Symbolik alle Glieder der Familie Jakobs (vgl. Gen. 29 ff) zu Sinnbildern geistiger Kräfte und Eigenschaften zu machen“227 und Interaktionen zwischen den Personen und Ereignisse, die ihnen widerfahren tropologisch zu deuten. Jakob steht für die Seele (animus), seine beiden Frauen für die Grundkräfte der Seele: Rachel für die Vernunft (ratio), Lea für den Affekt (affectio).228 Bala, die Magd Rachels, bedeutet die Vorstellungskraft (imaginatio), Silpa, Leas Magd, die Sinnlichkeit (sensualitas).229 Von Rachels Kindern steht Joseph für die Unterscheidungsgabe (discretio) und Benjamin für die Kontemplation (contemplatio).230 Die Handlungen der Personen werden als den Bewegungen der Seele 221 McGinn, Mystik, Bd. 2, 487 f. Für eine zusammenfassende Darstellung der komplexen Lehre von der amicitia bei Aelred vgl. McGinn, Mystik, Bd. 2, 484–492. Vgl. auch TePas, Aelred of Rievaulx. Vgl. auch Schilling, Deus Amicitia Est, 7–17. 222 Vgl. Dumont, Introduction, 39 f. 223 Zur Biographie vgl. Ross, Human’s Creation, 46 f. Der aus Schottland oder Irland stammende Richard trat wohl schon jung in die 1115 von Wilhelm von Champeaux gegründete Augustiner-Chorherren-Abtei St.Viktor ein und lebte dort bis zu seinem Tod im Jahr 1173. 1159 wurde er Superior und 1162 Prior. Er gehört zu den wirkmächtigsten Theologen des 12. Jahrhunderts. 224 Benjamin minor, Ed. Migne, (PL 196), 1–64. 225 Ross, Human’s Creation. 226 Vgl. Bernard McGinn, Mystik, Bd. 2, 613. Zur mittelalterlichen Exegese vgl. auch Ocker, Biblical Poetics, besonders 15 ff. 227 Wolff, Vorbemerkung, 129. 228 Vgl. Benjamin minor III, Ed. Migne, (PL 196), 3 A–B; Viktoriner, Übers. Wolff, 133 f. 229 Vgl. Benjamin minor V, Ed. Migne (PL 196), 4 C; Viktoriner, Übers. Wolff, 136 ff. 230 Vgl. McGinn, Mystik, Bd. 2, 613–618, hilfreich das Schaubild auf 614.

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auf dem Weg der Rückkehr zu Gott entsprechend dargestellt. So steht z. B. Rachels Tod bei der Geburt Benjamins dafür, dass die Vernunft auf der letzten Stufe der Kontemplation hinfällig wird.231 Jeder von Jakobs Nachkommen wird von Richard dazu benutzt, einen Schritt der Reorientierung der Seele auf Gott hin darzustellen. Die Kinder Leas stehen für die geordneten Affekte und die sieben Tugenden.232 Ruben steht für die erste Tugend, die Gottesfurcht, die eine Willensveränderung zum Guten hin bewirkt.233 Simeon steht für den Schmerz, den wir empfinden, wenn wir unsere Entfremdung von Gott wahrnehmen.234 Mit der Geburt des dritten Kindes, Levi, verbindet Richard den Trost des Heiligen Geistes in der reuigen Seele.235 Die Seele kann beginnen, Gott zu lieben, und so wird Juda, die geordnete Liebe, geboren. Das neue Gottesverhältnis wird mit Begrifflichkeit und Bildern aus Freundschaft und Ehe beschrieben: Wenn ich mich nicht täusche, dann empfand Leah dieses Band der Freundschaft voraus, wenn sie nach Levis Geburt mit großer Freude ausrief: Nun wird mein Mann mit mir verbunden sein (Gen 29[,34]). Der wahre Bräutigam der Seele ist Gott, der dann wahrhaftig mit uns verbunden ist, wenn wir ihm durch wahre Liebe anhangen.236

Rachel gebiert ihre Kinder erst, nachdem Lea all ihren Kindern das Leben geschenkt hat, und auch Bala und Silpa geboren haben. Wenn die Affekte, die Vorstellung und die Empfindungen alle geordnet sind, gebiert Rachel zunächst Joseph, die Unterscheidung, und dann Benjamin, die Kontemplation. Da sowohl die Unterscheidung als auch die Kontemplation mit der von der Vernunft unterrichteten Erkenntnis (cognitio) zusammenhängen, werden sie von Rachel, der Vernunft, geboren. Durch Joseph findet die Seele zur Selbsterkenntnis, durch Benjamin wird sie von Zeit zu Zeit zur Kontemplation Gottes erhoben.237 Nur wer sich selbst durch und durch kenne, so Richard, könne Gott erkennen: „Benjamin wird lang nach Joseph geboren, weil eine Seele, die nicht lange in der Erkenntnis ihrer selbst geübt ist und darin völlig unterrichtet ist, nicht zur Erkenntnis Gottes emporgehoben wird.“238 Die Unterscheidungsgabe ordnet die Tugenden und ver231 Vgl. Benjamin minor LXXXVI, Ed Migne, ( PL 196), 61 D– 62 A. 232 Vgl. Benjamin minor VII, Ed. Migne, (PL 196), 6 B–D. 233 Vgl. Benjamin minor VIII, Ed. Migne, (PL 196), 6 D–7A. 234 Vgl. Benjamin minor IX, Ed. Migne, (PL 196), 7 A–C. 235 Vgl. Benjamin minor X, Ed. Migne, (PL 196), 7 C–8A. 236 Benjamin minor LXXI, Ed. Migne, (PL 196), 51 B: „Hanc amicitiae confoederationem (nisi fallor) Lia praesenserat, quando jam nato Levi cum magna exultatione proclamabat: Nunc copulabitur mihi vir meus (Gen. 29). Verus animae sponsus Deus est, quem tunc veraciter nobis copulatus, quando ei per verum amorem inhaeremus.“ Vgl. auch Ross, Human’s Creation, 52. 237 Vgl. Benjamin minor LXXI, Ed. Migne, (PL 196), 51 B: „Per hunc itaque Joseph animus assidue eruditur, et quandoque perducitur ad plenam cognitionem sui, sicut per utinerum fratrem ejus Benjamin, quandoque sublevatur ad contemplationem Dei.“ Vgl. auch Ross, Human’s Creation, 55. 238 Benjamin minor LXXI, Ed. Migne, (PL 169), 51 B–C: „Longe post Joseph Benjamin gignitur, quia animus qui in sui cognitione diu exercitatus, pleneque eruditus non est, ad Dei cognitionem non sustollitur?“ Vgl. auch Ross, Human’s Creation, 55.

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hindert, dass sie sich in Laster verkehren. Sie pflegt das Wissen um die Sündhaftigkeit und Schwachheit im geistig-geistlichen und körperlichen Bereich. Die Unterscheidungsgabe misst nicht nur den status quo, sondern sie hält dem Menschen auch ständig vor Augen, was er sein soll. Sie wirkt als Aufseher über den Prozess der Wiederherstellung der imago Dei und leitet die Bewegung auf Gott hin, indem sie den Prozess der Selbsterkenntnis leitet.239 Die Selbsterkenntnis zeitigt zwei Ergebnisse: Erstens sieht sich der Mensch selbst, wie er ist. Im Abgleich mit dem, was er sein sollte, werden die Defizite offenbar. Der Mensch erkennt, dass es notwendig ist, die Tugenden zu pflegen, um Gott näher zu kommen. Die Unterscheidungsgabe nährt den guten Willen, der die erste und wichtigste Gabe ist, um die Rückgestaltung des „Bildes der göttlichen Ähnlichkeit“ in uns zu bewirken.240 Zweitens führt Selbsterkenntnis zur Gotteserkenntnis, da die menschliche Erkenntnis von der Erkenntnis sichtbarer Dinge zur Erkenntnis des Unsichtbaren fortschreite. Dadurch, dass der Mensch zum Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist, kann er über die Erkenntnis der imago und similitudo in sich zur Gotteserkenntnis gelangen. „Er möge durch sich selbst über sich selbst hinaussteigen durch die Erkenntnis seiner selbst zur Erkenntnis Gottes. Der Mensch möge am Bild Gottes lernen, er möge an seinem Gleichnis lernen, was er über Gott denken soll.“241 Die menschliche ratio ist für Richard ein Spiegel, durch den man Gotteserkenntnis gewinnen kann. Die vernünftige Seele entdeckt ohne Zweifel, dass sie selbst der wichtigste und hauptsächliche Spiegel ist, um Gott zu schauen. Wenn nämlich die unsichtbaren Dinge Gottes durch die geschaffenen Dinge ins Auge fallen und vom Intellekt verstanden werden, dann frage ich, wo jene Spuren der Erkenntnis ausdrücklicher eingeprägt entdeckt werden können als in seinem [Gottes] Bild?242

Die Unterscheidungsgabe pflegt den Spiegel: Wer danach dürstet, seinen Gott zu sehen, wische seinen Spiegel, reinige seine vernünftige Seele. Und so hört der wahre Joseph nicht auf, den Spiegel zu halten, ihn blank zu wischen und ohne Unterlass in ihn hineinzuschauen. Er hält ihn, damit er nicht unten durch die Liebe festhänge, nachdem er auf den Boden gefallen ist, er wischt ihn blank, so dass er nicht durch

239 Vgl. Ross, Human’s Creation, 55–57. 240 Vgl. Benjamin minor LXV, Ed. Migne, (PL 196), 46 B–C: „Inter omnia Dei dona quae ad salutem hominis spectare videntur primum et principale donum bona voluntas esse cognoscitur, per quam in nobis divinae similitudinis imago reparatur.“ Vgl. auch Ross, Human’s Creation, 57. 241 Benjamin minor LXXXIII, Ed. Migne, (PL 169), 59C: „Ascendat per semetipsum supra semetipsum. Per cognitionem sui, ad cognitionem Dei. Discat prius homo in Dei imagine, discat in ejus similitudine quid debeat de Deo cogitare.“ Vgl. auch Ross, Human’s Creation, 58 f. 242 Benjamin minor VXXII, Ed. Migne, (PL 196), 51 C–D: „Praecipuum et principale speculum ad videndum Deum, animus rationalis, absque dubio invenit seipsum. Si enim invisibilia Dei per ea quae facta sunt, intellecta conspiciuntur, ubi quaeso, quam in ejus imagine cognitionis vestigia expressius impressa, reperiuntur?“

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den Staub der nichtigen Gedanken beschmutzt werde, und schaut in ihn hinein, damit sich das Auge der Ausrichtung nicht eitlem Streben zuwende.243

Richard betont, dass wir uns Gott nicht ohne unsere eigene Anstrengung nähern können. Gleichzeitig hält er daran fest, dass dazu Gnade notwendig sei. Er legt aber keinen Wert darauf, das Verhältnis von menschlichem Bemühen und der Hilfe der Gnade näher zu bestimmen. Als notwendiges menschliches Bemühen gelten ihm (gute) Werke (opera), Betrachtung (meditatio) und Gebet (oratio).244 Den Übergang vom Stadium der Selbsterkenntnis (dem Bereich Josephs) zum Stadium der Gotteserkennnis (dem Bereich Benjamins) ist als Erleuchtungsprozess vorzustellen. Nach einer Phase der Selbsterkenntnis und der Arbeit an sich selbst „beginnt dem Menschen die Klarheit eines gewissen göttlichen Lichtes hier und da aufzuscheinen, und ein gewisser unermesslicher Strahl der unerwarteten Schau vor seinen Augen zu erscheinen.“245 In der Kontemplation lässt der Mensch die Vernunft hinter sich, mit den Figuren der Jakobserzählung gesprochen: Wenn Benjamin geboren wird, stirbt Rachel. Benjamin steht für zwei Arten der Kontemplation: Die erste strebt oben in die Region der Vernunft, führt aber nicht über die Vernunft hinaus. Die Vernunft erfährt hier geoffenbarte Wahrheiten, die sie nicht überprüfen oder zurückweisen kann. Die zweite Art der Kontemplation führt über die Vernunft hinaus. Der Mensch erfährt Dinge, die der Vernunft widersprechen, z. B. wie Gott drei Personen in einer essentia sein kann. Auf dieser Stufe fördert die Erkenntnis die Liebe, während auf früheren Stufen die Liebe die Erkenntnis förderte. Der Mensch kann jedoch nicht dauerhaft auf dieser höchsten Stufe der Kontemplation bleiben, sondern er muss von der Kontemplation der ewigen Dinge zurück zur Kontemplation zeitlicher Dinge.246 „Beim Tod der Rachel steigt die Kontemplation über die Vernunft hinaus, beim Einzug Benjamins nach Ägypten steigt die Kontemplation bis zur Vorstellungskraft herab, beim Kuss zwischen Benjamin und Joseph zollt die menschliche Vernunft der göttlichen Offenbarung Beifall.“247

243 Benjamin minor LXXII, Ed. Migne, (PL 196), 51 D–52 A: „Tergat ergo speculum suum, mundet spiritum suum, quisquis sitit videre Deum suum. Hoc itaque speculum non desinit verus Joseph tenere, tergere, indesinenter inspicere. Tenere, ne deorsum, corruens terrae per amorem inhaereaet; tergere, ne inanium cogitationum pulvere sordescat; inspicere, ne ad inania studia intentionis suae oculum reflectat.“ 244 Vgl. Ross, Human’s Creation, 60. Dort zahlreiche Belege aus Benjamin minor. 245 Benjamin minor LXXII, Ed. Migne, (PL 196), 52 A: „[…] incipit ei quaedam divini luminis claritas interlucere, et immensus quidam insolitae visionis radius, oculis ejus apparere.“ 246 Vgl. Benjamin minor LXXXXVI, Ed. Migne, (PL 196), 61 D–62 A. Vgl. auch Ross, Human’s Creation, 63 f. 247 Benjamin minor LXXXVII, Ed. Migne, (PL 196), 64 A: „In morte Rachel contemplatio supra rationem ascendit, in introitu Benjamin in Aegyptum, contemplatio usque ad imaginationem descendit, in deosculatione Benjamin et Joseph, divinae revelatione humana ratio applaudit.“

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3.6.2 Liebe (caritas) Die sechs Bücher von Richards nach 1162 verfasstem Werk De Trinitate ergründen das Geheimnis des christlichen Glaubens an den den dreieinen Gott. Was der Glaube vorschreibt, soll mit Vernunftgründen bewiesen werden.248 Wesentlich für seine Überlegungen ist das Thema der Liebe. Buch 3 liegen folgende Beobachtungen zur Liebe zugrunde: Nichts ist besser und vollkommener als die göttliche caritas. Caritas gibt es nicht, wo Selbstgenügsamkeit und Selbstbezogenheit herrschen, sie braucht ein Gegenüber von mehreren (mindestens drei) Personen.249 Die caritas braucht Geben und Nehmen, es ist notwendig, dass der Liebende zugleich Geliebter ist. Auch menschliche Liebe darf nach Richard nicht bei der Selbstliebe stehenbleiben, auch sie ist, wenn sie caritas sein soll, auf Gemeinschaft angewiesen. Richard geht vor diesem Hintergrund so weit, Eremiten und Reklusen die Möglichkeit der vollkommenen caritas abzusprechen.250 Für ihn ist der Mensch in seiner Relationalität, in seiner Bezogenheit auf andere Menschen und seiner Beziehung zu ihnen, imago Dei. Wenn der Mensch den Nächsten liebt, wenn er caritas übt, hat er an der vollkommenen innertrinitarischen caritas teil.251 Das 1172 verfasste Werk De quattuor gradibus violentiae caritatis252 bietet eine Analyse der Liebe. Richard unterscheidet sorgfältig zwischen zwischenmenschlicher Liebe und der Liebe zu Gott. Der dem modernen Leser eher fremde Gesichtspunkt der Gewalt(tätigkeit) der Liebe hat seine Wurzeln in der Sprache des Hoheliedes253 und in der Vorstellung vom amor ordinatus. „Wenn die caritas, das innere Leben der Trinität, die letzte Quelle aller Liebe ist, dann ist sie auch das Urbild der Gewalttätigkeit, die bei der auf die falschen Ziele gerichteten Liebe zerstörerisch und bei der wohlgeordneten Liebe vervollkommnend ist.“254 Die folgende Darstellung beschränkt sich auf Richards Analyse der Gottesliebe. Richard unterscheidet vier Stufen (gradus) der Liebe zu Gott: Auf der ersten Stufe kehrt Gott in der Seele ein und sie kehrt zu sich selbst zurück. Auf der zweiten Stufe steigt sie über sich hinaus und wird zu Gott emporgehoben. Auf der dritten Stufe

248 Richard beschließt das dritte Buch mit den Worten: „Ecce jam manifesta et multiplici ratione probavimus quam verum sit quod credere jubemur, ut unum vidilicet Deum in Trinitate et Trinitatem in unitatem veneremur.“(De Trinitate III, XXV, Ed. Ribaillier, 159, Z. 31– 34; Hervorhebungen des Originals getilgt.) 249 „Nichil enim caritate melius, nichil caritate perfectius. Nullus autem pro privato et proprio sui ipsius amore dicitur proprie caritatem habere. Oportet itaque ut amor in alterum tendat, ut caritas esse queat Ubi ergo pluralitas personarum deest, caritas omnino esse non potest.“ (De Trinitate III, III, Ed. Ribaillier, 136, Z. 7–11. Hervorhebungen des Originals getilgt.) Vgl. De Trinitate III, XX, Ed. Ribaillier, 154 ff Vgl. auch Ross, Human’s Creation, 92. 250 Vgl. De Trinitate II,18, Ed. Ribaillier, 153, Z. 13–16. 251 Vgl. Ross, Human’s Creation, 94. 252 Ed. Migne, (PL 196), 1207 C–1224 D. 253 Vgl. De quatuor gradibus violentiae caritatis, Ed. Migne, (PL 196), 1208 D–1209 A: „Vultis audire de charitate vulnerante ? Vulnerasti cor meum, soror mea sponsa, in uno oculorum tuorum, et in uno crine colli tui (Cant. IV) […] charitas vulnera facit.“ 254 McGinn, Mystik, Bd. 2, 634 f.

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wird die Seele zu Gott emporgehoben und geht ganz in ihn ein. Auf der vierten Stufe geht sie um Gottes willen heraus und steigt unter sich hinab […] Auf der ersten Stufe geht sie um ihrer selbst willen hinein, auf der vierten kommt sie um des Nächsten willen heraus. Auf die erste kommt sie durch meditatio, auf die zweite durch contemplatio, auf die dritte wird sie unter Jubel geführt, auf der vierten tritt sie aus Mitleid heraus.255

Auf der ersten Stufe der Liebe geht es also um einen Prozess der Introspektion und Selbsterkenntnis. Selbsterkenntnis setzt Arbeit an sich selbst voraus, Pflege der Tugenden und der richtigen Ausrichtung. Hier ist Anstrengung, Urteilskraft und Überlegung gefragt. Verlangen (desiderium) nach Gott allein reicht nicht aus. Liebe ist Sache des Willens, soll nicht affektgeleitet sein.256 Das Thema der imago Dei kommt bei Stufe drei wieder in den Blick, „wenn der menschliche Geist […] in den Abgrund des göttlichen Lichtes hineingerissen wird, so dass die menschliche Seele in diesem Zustand alle äußeren Dinge völlig vergisst, sich selbst nicht mehr kennt und ganz in ihren Gott eingeht […].“257 Richard verwendet das Bild vom Eisen im Feuer, um aufzuzeigen, wie vollständig die Umformung des Menschen vorzustellen ist: Das Eisen beginnt nach einer Zeit im Feuer „zu glühen und zieht nach und nach die Ähnlichkeit des Feuers an sich, bis es schließlich ganz flüssig wird und selbst vollkommen hinschwindet und ganz in eine andere Beschaffenheit übergeht.“258 Das Feuer der Liebe wirke ähnlich, es schließe die Seele ein, sie entflamme und werde dann glühend rot, löse sich schließlich ganz auf und schwinde, was den ersten Zustand betrifft, ganz hin.259 Richard beschreibt den Transformationsvorgang mit 2 Kor 3,18: Und erglühen diese Seelen, die die Herrlichkeit des Herrn offen schauen und die gleichsam durch den Geist des Herrn in das gleiche Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit umgeformt werden gleichsam wie durch den Geist des Herrn etwa nicht durch die sie umschließende 255 De quatuor gradibus violentiae caritatis, Ed. Migne, (PL 196), 1217 C–D: „In primo itaque gradu Deus intrat ad animum, et animus redit ad seipsum. In secundo gradu ascendit supra seipsum et elevatur ad Deum. In tertio gradu animus elevatus ad Deum totus transit in ipsum. In quarto animus exit propter Deum et descendit sub semetipsum. […] In primo ingreditur propter seipsum, in quarto egreditur propter proximum. In primo intrat meditatione, in secundo ascendit contemplatione, in tertio rertroducitur in jubilatione, in quarto egreditur ex compassione.“ 256 De quatuor gradibus violentiae caritatis, Ed. Migne, (PL 196), 1216 A–B: „In spiritualibus autem semper prius est diligere ex deliberatione quam ex affectione. Numquam enim spiritalia ex desiderio diligimus, nisi ad eorum affectum cum magno studio animum inflammemus. Si igitur Deum cupimus ex tota anima diligere, prius satagamus diligere ex toto corde. In hoc sit omnis nostra cogitatio, ad hoc omnis nostra deliberatio, circa hoc omnis nostra meditatio, si volumus diligere ex toto desiderio.“ Vgl. auch Ross, Human’s Creation, 96. 257 De quatuor gradibus violentiae caritatis, Ed. Migne, (PL 196), 1220 D–1221 A: „[…] mens hominis […] rapitur divini luminis abyssum, ita ut humanus animus in hoc statu exteriorum omnium oblitus penitus nesciat seipsum totusque transeat in Deum suum.“ (Zitiert nach Ross, Human’s Creation, 97, Anm. 140.) Vgl. Ross, Human’s Creation, 97. 258 Vgl. De quatuor gradibus violentiae caritatis, Ed. Migne, (PL 196), 1221 B: „Cum enim ferrum in ignem projicitur […] dum […] paulatim incalescit, paulatim nigredinem deponit, sensimque incandescens, paulatim in se ignis similitudinem trahit, donec tandem totum liquefiat, et a seipso plene deficiat, et in aliam penitus qualitatem transeat.“ 259 Vgl. De quatuor gradibus violentiae caritatis, Ed. Migne, (PL 196), 1221 B.

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Flamme der Gottheit und wie durch die Herrlichkeit (gloria), die sie geschaut haben, und gehen als dem göttlichen Licht Gleichgestaltete schon gleichsam in einen andere Herrlichkeit hinüber?260

In diesem Stadium wird die Seele, die an Gott hängt, „ein Geist“ mit ihm.261 Teil der transformatio ist Konformität des menschlichen Willens mit dem Willen Gottes: „[…] qui ad hunc tertium amoris gradum profecerunt, nichil jam propria voluntate agunt, sed divine dispositioni omnia committunt […].“262 Auch auf der vierten Stufe geht es um Willenseinheit, hier ist Konformität mit dem Willen Christi das Ziel: In diesem Stadium wird der Seele die Gestalt des Willens Christi vorgestellt, und vor diesem Hintergrund wird zu ihr gesagt: ‚Erfahrt/spürt das in euch, was auch in Christus Jesus ist.‘ […] Das ist die Gestalt [forma] der Demut Christi Auf der dritten Stufe nämlich wird die Seele in Gott verherrlicht, auf der vierten wird sie wegen Gott gedemütigt. Auf der dritten Stufe wird sie der göttlichen Klarheit gleichgestaltet, auf der vierten aber der christlichen Demut. Auch wenn sie auf der dritten Stufe gewissermaßen in der Gestalt [forma] Gottes ist, beginnt sie nichtsdestoweniger auf der vierten Stufe sich selbst zu entäußern und nimmt die Gestalt eines Knechtes an […], auf der vierten Stufe kann sie wahrlich sagen: ‚Ich lebe, aber doch nicht ich, Christus lebt in mir.‘263

Für Richard ist die Fähigkeit und Bereitschaft, das eigene Leben für die Freunde hinzugeben Maßstab dafür, ob die vierte Stufe erreicht ist.264 Er betont hier, wie schon in Benjamin minor, den relationalen Charakter der caritas. Gerade auf der höchsten auf Erden erreichbaren Stufe ist der Mensch nicht vom Mitmenschen abgetrennt, sondern bringt sich liebend in die Gemeinschaft ein.265

260 De quatuor gradibus violentiae caritatis, Ed. Migne, (PL 196), 1221 C: „Nonne et illi ex circumfusa divinitatis flamma et velut ex inspecta gloria incandescunt et divine luci configurati jam quasi in aliam gloriam transeunt, qui ‘revelata facie gloriam Domini speculantes, in eamdem imaginem transformantur a claritate in claritatem tamquam a Domini spiritu‘?“ Vgl. Ross, Human’s Creation, 99. 261 De quatuor gradibus violentiae caritatis, Ed. Migne, (PL 196), 1221 D: „In hoc statu qui adhaeret Dominus unus Spiritus est.“ 262 De quatuor gradibus violentiae caritatis, Ed. Migne, (PL 196), 1222 A. 263 De quatuor gradibus violentiae caritatis, Ed. Migne, (PL 196), 1222 B/C–1223 A: „In hoc itaque statu anime ejusmodi proponitur forma voluntatis Christi, unde et dicitur ei: Hoc sentite in vobis quod et in Christo Ihesu […] Haec est forma humilitatis Christi, ad quem conformare se debet quisquis supernum consummatae charitatis gradum attingere volet. […] In tertio itaque gradu anima in Deum glorificatur, in quarto propter Deum humiliatur. In tertio gradu conformatur divine claritati, in quarto vero conformatur christiane humilitati. Et cum in tertio gradu quodammodo quasi in forma Dei esset, nihilominus tamen in quarto gradu semetipsum exinanire incipit, formam servi accipiens […]. Qui igitur in quarto gradu est, veraciter dicere potest: vivo autem, jam non ego, vivit vero in me Christus (Galat. II).“ 264 Vgl. De quatuor gradibus violentiae caritatis, Ed. Migne, (PL 196), 1222 C: „Ad summum itaque charitatis culmen profecerunt et jam in quarto caritatis gradu positi sunt qui pro amicis animam suam ponere […].“ 265 Vgl. Ross, Human’s Creation, 103.

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3.7 Bonaventura von Balneoregio 3.7.1 Der Weg zu Gott Bonaventuras (1221–1274)266 Itinerarium mentis in Deum gilt als „erstmalige […] systematisch-reflektierte […] Darstellung franziskanischer Spiritualität“.267 Im 1259 verfassten Itinerarium verschmelzen franziskanische Armutstheologie – man vergleiche den Untertitel speculatio pauperis in deserto268 – und „auf die systematische Höhe der zeitgenössischen Theologie der Scholastik“ geführte Vorstellungen der patristischen Überlieferung und der monastischen Theologie.269 Bonaventuras Itinerarium will zur intensiv-langsamen Betrachtung anregen und zielt mehr auf die Stärkung der Liebe (affectus) des Lesers ab als auf seine intellektuelle Belehrung.270 Bonaventura gibt im Prolog an, sich auf den Berg La Verna zurückgezogen zu haben, um Ruhe zu finden und für Entscheidungen in der Ordensleitung Kraft zu schöpfen. Am Berg La Verna, dem Ort der Stigmatisierungs-Erfahrung des Ordensgründers Franziskus, sei er im Geiste verschiedene geistige Aufstiege zu Gott durchgegangen (aliquales mentales ascenciones in Deum271), und es sei ihm hier bewusst geworden, wie die Vision des Franziskus vom geflügelten Seraphen in Kreuzform zu verstehen sei: als Erhebung des Franziskus in der Kontemplation und als Weg, zur Kontemplation zu gelangen.272 Die sechs Flügel des stigmatisierenden Seraphen werden für Bonaventura zur Leitidee, er spricht von ihnen entsprechenden sechs Stufen auf dem Weg zu Gott.273 Bonaventura gliederte sein Werk in einen Prolog plus sieben Kapitel und stellte, leserfreundlich, zwischen Prolog und den siebengliedrigen Hauptteil ein Kapitelverzeichnis.274 266 Für Informationen zu Leben und Werk vgl. Marianne Schlosser, Bonaventura. Zehnbändige Gesamtausgabe der Werke Bonaventuras: Ed. PP. Collegii a S. Bonaventura. Die im Folgenden verwendeten Abkürzungen für Bonaventuras Schriften richten sich nach: Bonaventura, Itinerarium mentis in Deum, Ed./Übers. Schlosser, 209 f. 267 Zahner, Einleitung, XIII. Zum Itinerarium mentis in Deum vgl. auch Ruh, Geschichte, Bd. 2, 412–428, vgl. auch McGinn, Mystik, Bd. 3, 179 ff. 268 Vgl. Ruh, Geschichte, Bd. 2, 412. 269 Vgl. Ruh, Geschichte, Bd. 2, 416. 270 „Rogo igitur, quod magis pensetur intentio scribentis quam opus, magis dictorum sensus quam sermo incultus, magis veritas quam venustas, magis exercitatio affectus quam eruditio intellectus. Quod ut fiat, non est harum speculationum progressus perfunctorie transcurrendus, sed moroissime ruminandus.“ (Itin., Prol. 5, Ed. Schlosser, 8, Z. 14–19; Hervorhebungen M. Hopf, die Ausgabe von Schlosser bietet keine Zeilenangaben, es wurde jeweils inklusive Überschriften gezählt.) 271 Itin., Prol. 2, Ed. Schlosser, 4, Z. 9 f. 272 „In cuius consideratione statim visum est mihi, quod visio illa praetenderet ipsius patris suspensionem in contemplando et viam, per quam pervenitur ad eam.“ (Itin., Prol. 2, Ed. Schlosser, 4, Z. 12–14.) 273 Itin., Prol. 3, Ed. Schlosser, 4, Z. 15–18. 274 „Placuit autem distinguere tractatum in septem capitula, praemittendo titulos ad faciliorem intelligentiam dicendorum.“ (Itin. Prol. 5, Ed. Schlosser, 4, Z. 13 f.); das Kapitelverzeichnis a. a. O., 10.

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In Kapitel 1 definiert Bonaventura die Seligkeit (beatitudo) als „Genuss des höchsten Gutes“ (summi boni fruitio275). Das sei nur möglich, wenn der Mensch – unterstützt durch die Hilfe Gottes (auxilium divinum) – sich über sich selbst erhebe.276 Bonaventura betrachtet die „Gesamtheit aller Dinge“ als Leiter (scala), um zu Gott (in Deum) aufzusteigen. Unter den Dingen (in rebus) gäbe es Dinge, die Spur (vestigium) seien, und solche, die Bild (imago) seien, die einen körperlich (corporalia), die anderen geistig (spiritualia), die einen zeitlich (temporalia), die anderen zeitenthoben (aeviterna), die einen außer uns (extra nos), die anderen in uns (intra nos). Der Weg zur „Betrachtung des ersten Ursprungs“ (ad primum principium considerandum) führe im Dreischritt über das vestigium, das körperlich, zeitlich und außerhalb des Menschen ist, über die geistige, überzeitliche imago Gottes in uns, d. h. die mens, zum rein Geistigen, Ewigen, das über dem Menschen (supra nos) ist.277 Entsprechend diesem Dreischritt hat die mens für Bonaventura drei grundlegende Blickrichtungen (aspectus principales): erstens auf die äußeren Dinge, weshalb man sie „auch ‚Lebendigkeit‘ [animalitas] oder ,Sinnesbegabung‘ [sensualitas]“278 nenne, zweitens nach innen in sich selbst hinein, weshalb man sie „geistige Substanz/Geist“ (spiritus) nenne, drittens über sich selbst hinaus, daher der Name „Geist“ (mens).279 Den sechs Stufen des Aufstiegs entsprechen nach Bonaventura sechs Seelenkräfte (potentiae animae), durch die man vom Äußeren zum Inneren, vom Zeitlichen zum Ewigen aufsteigt: die Sinne (sensus), Vorstellungskraft (imaginatio), Verstand (ratio), Vernunft (intellectus), Einsicht (intelligentia), und die Spitze des Geistes oder das Fünkchen der Synderesis (apex mentis seu synderesis scintilla).280 Diese Stufen seien dem Menschen von Natur aus eingepflanzt (plantatos per naturam), durch die Schuld entstellt (deformatos per culpam), durch die Gnade wiederhergestellt (reformatos per gratiam) und bedurften „der Reinigung durch Gerechtigkeit [per iustitiam], der Gestaltung durch Wissen [per scientiam], der Vollendung durch Weisheit [per sapientiam].“281 Für Bonaventura war der Mensch im Urstand der „Ruhe der Kontemplation“ (habilis ad contemplationem quietem) fähig. Dann wandte er sich vom „wahren Licht“ (vero lumine) ab und zum „wandelbaren Guten“ (commutabile bonum) hin, wurde so durch eigene Schuld (per culpam propriam) in sich selbst verkrümmt (incurvatus) und seine Nachfahren mit ihm durch die Erbsünde (peccatum originale). Die Erbsünde schädigte die menschliche Natur doppelt: den Geist (mens) mit Unwissenheit (ignorantia), das Fleisch (caro) mit Begierde (concupiscentia).282 Jesus Christus befreie den Menschen aus dieser Lage und bringe die Seele zurecht, so dass der „dreifache Blick“ (d. h. die Erkenntnis Gottes, die Selbsterkenntnis und die Erkenntnis der Schöpfung) wieder richtig funktioniere, stellt Bonaventura ausgehend von verschiedenen Schriftstellen dar: 275 276 277 278 279 280 281 282

Itin. I.1, Ed. Schlosser, 12, Z. 6. Vgl. Itin. I.1, Ed. Schlosser, 12, Z. 6–13. Vgl. Itin. I.2, Ed. Schlosser, 14, Z. 1–13. Hierin ist Bonaventura augustinisch. Itin. I.4, Ed. Schlosser, 14, Z. 23; zitiert nach Übers. Schlosser, 15. Vgl. Itin. I.4., Ed. Schlosser, 14, Z. 21–16, Z. 2. Vgl. Itin. I.6, Ed. Schlosser, 16, Z. 22–26. Vgl. Itin. I.6, Übers. Schlosser, 17 f. Vgl. Itin. I.7, Ed. Schlosser, 18, Z. 3–11.

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Das alles geschieht durch Jesus Christus, ,der für uns geworden ist von Gott her Weisheit und Gerechtigkeit, und Heiligung und Erlösung‘. Da er Gottes Kraft und Gottes Weisheit ist, das fleischgewordene Wort voll Gnade und Wahrheit, bewirkte er Gnade und Wahrheit. Er goß die Gnade der (göttlichen) Liebe [gratia caritatis] ein, die, insofern sie ‚aus reinem Herzen, guten Gewissen und ungeheucheltem Glauben‘ kommt, die ganze Seele geraderichtet – hinsichtlich des oben ausgeführten dreifachen Blickes.283

Bonaventura leitet daraus folgende Verhaltensregeln für den Menschen, der zu Gott (in Deum) aufsteigen will, ab: Er muss die die Natur verunstaltende Schuld meiden und die naturgegebenen Fähigkeiten (die oben genannten potentiae animae) trainieren. Im Hinblick auf die neugestaltende Gnade (ad gratiam reformantem) durch das Gebet (per orationem), im Hinblick auf die reinigende Gerechtigkeit durch die Lebensführung (in conversatione), im Hinblick auf das erleuchtende Wissen durch die Betrachtung (in meditatione) und im Hinblick auf die die Vollendung bewirkende Weisheit durch Beschauung (in contemplatione).284 Oratio, conversacio sancta, meditatio bzw. Sich-Zuwenden zu den „Spiegeln der Wahrheit“ (in dieser Reihenfolge) seien unabdingbare Voraussetzungen für die contemplatio.285 Auf der Ebene der meditatio bzw. der Spiegel setzt Bonaventura bei der Betrachtung Gottes (contemplari Deum286) durch vestigia, geschaffene Dinge, an. In ihrer Vielzahl und Ordnung sind sie Zeugen für Gottes Macht, Weisheit und Güte und veranlassen den Menschen, sofern er nicht völlig dumm und stumpfsinnig (stultus und insensatus), und was alle fünf Sinne betrifft, behindert ist, zum Lob Gottes.287 Eine Stufe höher ist schon die Betrachtung Gottes „in den Dingen“ anzusiedeln. Bonaventura beschreibt den Menschen als Mikrokosmos. Die Welt, der „Makrokosmos“ trete durch „Abbilder“ (similitudines) durch die „Tore“ der fünf Sinne in die menschliche Seele ein. Sie würden zunächst im Medium erzeugt, gingen von dort über in das Sinnesorgan, vom „äußeren Organ in das innere und von dort aus in die Fähigkeit der Seele zur Wahrnehmung“ (potentia apprehensiva).288 Alle „Abbilder“ führten zum zu erkennenden Objekt.289 Auf Stufe drei trete der Mensch wieder in sich selbst ein, „in seinen Geist in dem das göttliche Abbild (imago) widerleuchtet“290, das Bild der Trinität (imago beatissimae Trinitatis)291. Er betrachte Gott hier, indem er durch sich hindurchgehe (transire). Bonaventura vertritt, dass der menschliche Geist (mens) drei Fähigkeiten (potentiae) besitzt, in denen und durch die er Abbild Gottes ist: memoria, intellectus/virtus intel283 Itin I.7, Ed. Schlosser, 18, Z. 12–18. Übers. Schlosser, 19. 284 Vgl. Itin. I.8, Ed. Schlosser, 18, Z. 22–20, Z. 2. 285 Vgl. Itin. I.8, Ed. Schlosser, 20, Z. 3–10. 286 Dass es ihm im ersten Schritt um die Betrachtung Gottes „durch die Dinge“ geht, wird erst beim zweiten ersichtlich, in dem es um das Betrachten Gottes „in den Dingen“ geht. (Vgl. Itin. II.1, Ed. Schlosser, 30, Z. 1–3.) 287 Vgl. Itin. I.9–15, Ed. Schlosser, 20, Z. 11–28, Z. 22. 288 Vgl. Itin. II.4, Ed. Schlosser, 34, Z. 8–16. Die Zitate entstammen Übers. Schlosser, 35. 289 Vgl. Itin., II.7, Ed. Schlosser, 38, Z. 12–14. 290 „[…] ut ad nos reintraremus, in mentem scilicet nostram, in qua divina relucet imago […].“ (Itin. III.1, Ed. Schlosser, 50, Z. 5 f.) Übers. Schlosser, 51. 291 Ed. Schlosser, 50, Z. 10 f.

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lectiva, voluntas (virtus electiva)292. Der Geist liebe sich selbst glühend, erkenne sich selbst, sei „sich selbst gegenwärtig“ bzw. „sich selbst eingedenk“293. Auf Stufe vier betrachte der Mensch „den ersten Ursprung“ nicht durch „Hindurchgehen durch sich“, sondern in sich.294 Wenn doch Gott dem Menschen durch das Abbild so nahe sei und der Mensch ihn, den „ersten Ursprung“ (primum principium), in sich selbst wie in einem Spiegel schauen könne, sei es doch verwunderlich, dass kaum jemand es auch tasächlich tue, fragt Bonaventura. Die Antwort liegt für ihn auf der Hand: Der menschliche Geist werde von Sorgen abgelenkt und trete nicht durch die memoria in sich selbst ein. Er sei so von bildhaften Vorstellungen „umnebelt“, dass er nicht durch die intelligentia zu sich komme. Er werde so von den Begierden bestimmt, dass er nicht mehr durch das Verlangen (desiderium) nach innerer Süße und geistlicher Freude in sich selbst als dem Abbild Gottes einkehre.295 Kein Mensch könne sich nach dem Sündenfall selbst über sich erheben. Christus sei dem Menschen zur „Leiter“ (scala) und zur Tür (vgl. Joh 10,9) geworden. Das Abbild, das der Geist (mens) ist, müsse durch die drei theologischen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung überkleidet werden. So werde die Seele gereinigt, erleuchtet und vollendet. Das Bild werde rückgestaltet/erneuert und dem himmlischen Jerusalem gleichgestaltet, und der Geist (mens) sei so wieder in der Lage, zum himmlischen Jerusalem aufzusteigen.296 Die Seele erhält auf Stufe vier ihre inneren Sinne wieder hergestellt.297 Das alles sei Werk der caritas Christi, die nach Röm 5,5 durch den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen ist.298 „Bonaventura nennt das Erlösungsgeschehen bevorzugt reparatio: wiederhergestellt wird die Freundschaft des Menschen zu Gott, wiederhergestellt aber auch der Mensch selbst.“299 Bonaventura übernimmt die zentralen Gedanken aus Anselm von Canterburys Satisfaktionslehre und verknüpft sie mit anderen theologischen Vorstellungen: „Dass der Mensch wirklich freiwerde von Schuld und seine unter allen Menschen herausgehobene Stellung wieder erlangt, erfordert einen Mittler, 292 Itin. III.1–4, Ed. Schlosser, 50, Z. 16–62, Z. 10. Vgl. auch a. a. O., III.6, 62, Z. 20. Vgl. auch Bonaventura, II. Sent. d. 16, a.1, q.1, Ed. Quaracchi, Bd. 2, 394b–395a: „[…] (Jedes Geschöpf bildet in gewisser Weise die Dreifaltigkeit ab, da es vom dreifaltigen Gott geschaffen ist: die Ursache prägt das von ihr Gewirkte. Der Mensch aber ist in seiner Geistigkeit deutliches Abbild), denn in der Seele besteht eine Dreiheit von Kräften (Gedächtnis/Bewußtsein, Erkenntnis, Wollen) zusammen mit der Einheit des Wesens. Diese Kräfte stehen in einem bestimmten Verhältnis zueinander, das eine Ähnlichkeit zu dem Verhältnis der Personen in der heiligsten Dreifaltigkeit aufweist.“ (Zit. nach Ed. Schlosser, Textanhang, 201 ff.) 293 Vgl. Itin. III.1, Übers. Schlosser, 51, Z. 12–15, vgl. auch Anm. 29. 294 Vgl. Itin. IV.1, Ed. Schlosser, 66, Z. 9–12, Übers. Schlosser, 67. 295 Itin. IV.1, Ed. Schlosser, 66, Z. 15–20, Paraphrase orientiert an Übers. Schlosser, 67. 296 „Supervestienda est igitur imago mentis nostrae tribus virtutibus theologicis, quibus anima purificatur, illuminatur et perficitur, et sic imago reformatur et conformis supernae Ierusalem efficitur et pars ecclesiae militantis, quae est proles, secundum Apostolum [vgl. Gal.4,26], Ierusalem caelestis.“ (Itin., IV.3, Ed. Schlosser, 68, Z. 14–18.); Vgl. auch Itin. IV.4, Ed. Schlosser, 70, Z. 24–72, Z. 5. 297 Vgl. Itin. IV.3, Ed. Schlosser, 70, Z. 11–14. Vgl. auch Schlosser, Kommentar 157 f. Zu Bonaventuras Verständnis der geistlichen Sinne vgl. auch Schlosser, Bonaventura, 126. 298 Vgl. Itin. IV.8, Ed. Schlosser, 79, Z. 7–9. 299 Schlosser, Bonaventura, 124 f.

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der Gott und Mensch zugleich ist. Denn nur ein Geschöpf kann Buße tun, und zugleich kann kein bloßer Mensch für alle Genugtuung geben. Die Erlösung ist zugleich Befreiung von Sünde und ewigem Tod, durch die Teilnahme am Leben Christi, das er für die Menschen hingab. Christus wird in der Menschwerdung und in der Hingabe an den Vater Haupt der neuen Schöpfung […]. Als ‚neuer Adam‘ handelt er umgekehrt zum ‚ersten Adam‘: statt Hochmut tiefste Erniedrigung, statt Eigensucht Lebenshingabe aus Liebe. Wer Gott ist, was der Mensch ist, wird am Kreuz Christi erkannt. Der Weg, die in der Sünde verlorene gnadenhafte Gottähnlichkeit (similitudo gratiae) wieder zu gewinnen, ist die Übereignung an den Gekreuzigten in Glauben, Liebe und Nachfolge.“300 In Kapitel 5 und 6 des Itinerariums geht es um die Betrachtung Gottes „über uns“ (supra nos): einmal in der Betrachtung des Seins (ipsum esse) selbst, einmal in der Betrachtung der Güte selbst (ipsum bonum). In Kapitel 7 thematisiert Bonaventura den „Hinübergang“ (transitus) oder „Ausgang“ (excessus), in dem der Mensch in der Betrachtung des gekreuzigten Christus über sich hinausgezogen wird.301 Transire oder excedere heißt für Bonaventura, sich Christus in Liebe anzunähern, um mit ihm zum Vater „hinüberzugehen“. „‚Transire‘ heißt daher: verwandelt werden, ‚eines Geistes werden‘ mit dem Geliebten. Die Betrachtung Christi, der für uns gestorben ist, ist ein Sterben, ein Mit-Sterben mit ihm, und darum Eintritt in ein neues Leben, Verwandlung und Angleichung an ihn (transformatio).“302 Die Vorstellung von der Verwandlung des Menschen und Angleichung an Christus in der Passionsbetrachtung wird in Bonaventuras „Anweisung zum vollkommenen Leben für die Schwestern“ besonders deutlich: Komm also herbei auf den Füßen der Liebe, zu Jesus, dem Verwundeten, zu Jesus, dem mit Dornen Gekrönten, zu Jesus, dem am Holz Angenagelten – und mit dem Apostel Thomas betrachte nicht nur die Male der Nägel an den Händen, lege nicht nur deinen Finger an die Stellen der Nagelwunden, lege nicht nur deine Hand in seine Seite, sondern tritt ganz und gar durch das Tor seiner Seite ein, bis zum Herzen Jesu selbst; dort durch die glühende Liebe Christi des Gekreuzigten ganz in ihn umgeformt, mit den Nägeln der Gottesfurcht angeheftet, durch die Lanze der Liebe im innersten Herzen durchdrungen, durch das Schwert tiefsten Mitleidens durchbohrt, sollst Du nichts anderes mehr suchen, nichts anderes mehr ersehnen, in nichts anderem deinen Trost finden als darin, daß du mit Christus am Kreuz sterben könntest. Mögest du dann rufen können wie der Apostel Paulus: Mit Christus bin ich gekreuzigt; ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir.303

Der mystische transitus, die Einung mit Christus und in ihm mit Gott bedeutet nicht, dass die menschliche Person aufgelöst wird. Es handelt sich dabei um eine unio voluntatis. Das „Ein-Geist-Sein“ aus 1 Kor 6,17 legt Bonaventura im ersten Sentenzenkommentar folgendermaßen aus: „In dem Wort des Paulus (…) bezeich-

300 Schlosser, Bonaventura, 125. 301 Vgl. Schlosser, Kommentar, 178–186. 302 Schlosser, Kommentar, 179. 303 Perf. Vitae VI,2, Ed. Quaracchi, Bd. 8, 120 (zit. nach Schlosser, Kommentar, 180, Hervorhebungen getilgt.)

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net ‚Geist‘ nicht die Substanz, sondern den Willensakt, und ‚eins‘ bedeutet nur die Gleichgestaltung (conformitatem) des menschlichen Wollens zum Wollen Gottes bzw. zu Gottes Liebe […].“304 3.7.2 Vom dreifachen Weg Im Gegensatz zum Itinerarium ist die kleine Schrift De triplici via durch die Untersuchung der mittelalterlichen Bibliotheksbestände in englischen Häusern der Augustiner-Chorherren nicht namentlich bestätigt, was aber nicht heißt, dass Hilton sie nicht trotzdem gekannt haben könnte.305 Das Werk gilt in der Sekundärliteratur, u. a. aufgrund seiner klaren Gliederung als „Summe der mystischen Theologie“306. „Ungeachtet der zunächst scholastisch anmutenden Einkleidung gilt Bonaventuras Interesse nicht einem theoretischen Lehrgebäude, sondern der Anleitung zur Gottesliebe. Die Triplex via ist primär weder Beschreibung mystischer Erfahrung noch ist sie lediglich Theorie der Mystik. Sie ist eine mystagogische Schrift.“307 Bonaventura nimmt in De triplici via verschiedene traditionelle Gliederungsschemata auf, die er kreativ verbindet. „So greift zum Beispiel die Gliederung in drei Kapitel meditatio (Betrachtung), oratio (Gebet) und contemplatio (Beschauung) eine monastische Tradition auf, die bis in die Zeit der Wüstenväter zurückreicht, die aber auch in der Gestalt der Mystik des 12. Jahrhunderts, etwa bei den Viktorinern oder Kartäusern, präsent war. Mit dieser Dreigliederung kombiniert Bonaventura zwei weitere: die bekannte Einteilung der pilgernden Gottsucher in incipientes (die am Anfang stehen), proficientes (die Fortschritte machen) und perfecti (welche die Vollkommenheit erlangt haben) durch Gregor den Großen, die von den Theologen des 12. Jahrhunderts ebenfalls rezipiert worden war, sowie die insbesondere mit dem Namen des Dionysius verbundene Triade: purgatio (Reinigung), illuminatio (Erleuchtung) und perfectio (Vollendung), die sich, gleichsam zum Gemeingut der christlichen Theologie geworden, auch in den Schriften des heiligen Franziskus finden läßt.“308 Bonaventura nimmt in Kap. 1 zur meditatio im Abschnitt 3–9 den Ausgang bei der purgatio, die er mit dem Bild des stimulus conscientiae verbindet. Purgatio bedeutet hier zuerst Gewissenserforschung, das Erinnern und Anerkennen der eigenen Sündhaftigkeit (recordatio peccati). „Bonaventura bietet hier gleichsam einen Gewissensspiegel […] nach grundsätzlichen Haltungen, die andere Fehler und Sünden nach sich ziehen. Er wählt […] nicht die Form der sieben (oder acht) 304 I Sent., d. 31, p. 2, a.2, q.1, ad 2, Ed. Quaracchi, Bd. 1, 546b (zitiert nach Schlosser, Kommentar, 184). 305 In einer Handschrift des frühen 15. Jh. ist eine Übersetzung einer gekürzten Version von De triplici via belegt. Insgesamt sind nur 16 Handschriften der insgesamt 299 den Editoren der Quaracchi-Ausgabe bekannten Handschriften englischer Provienz bzw. heute im Besitz englischer Bibliotheken. (Vgl. Sargent, Bonaventura English, 163 f.) 306 Vgl. Schlosser, Einleitung, 12–16. 307 Schlosser, Einleitung, 21. 308 Schlosser, Einleitung, 15 f. Hervorhebungen im Original. Bei Schlosser, Einleitung, 24 f findet sich eine schematische Darstellung der Gliederung, die einen schnellen Überblick über die ineinander verwobenen Gliederungsebenen erlaubt.

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Haupt- bzw. Quellsünden, wenngleich diese in seiner Zusammenstellung ihren Platz finden. Die Wurzeln alles Bösen sieht er hier in drei Haltungen: negligentia [Nachlässigkeit im geistlichen Leben], concupiscentia [Begierde] und nequitia [Bosheit, bzw. Widerwillen gegen das Gute].“309 Die Gottes- und Nächstenliebe steht bei Bonaventura als Ziel des Menschen im Zentrum der Ausführungen. In seiner scholastisch differenzierenden Darstellung werden in Kapitel 2,9–11 z. B. sechs Grade der Gottesliebe dargestellt: suavitas (Süßigkeit), aviditas (Begierde), saturitas (Sättigung, was weltliche Dinge betrifft), ebrietas (geistliche Trunkenheit), securitas und tranquilitas.310

3.8 Zusammenfassung von Teil 3 und Ausblick auf Grundbegriffe der Hiltonschen Theologie Die Fragen der Gottebenbildlichkeit und der Gottesliebe gehören zu den Kernthemen der Spiritualität Augustins und der Zisterzienser des 12. Jahrhunderts. Augustinus verhandelt sie vor allem in theoretischen Abhandlungen. Er verortet die Gottebenbildlichkeit (imago Dei), die die Würde des Menschen ausmacht, in den intellektuellen Fähigkeiten (ratio/mens/intellegentia). In De trinitate zeigt Augustinus auf, dass der Mensch in seinen geistigen Kräften trinitarisch strukturiert ist und wie er in der geistigen Tätigkeit dem trinitarischen Gott ähnlich ist. Augustinus unterscheidet nicht streng zwischen imago und similitudo Dei, beides sei der Mensch nur in Beziehung zu Gott. Im Sündenfall, der Abkehr von Gott, verliert der Mensch die imago Dei nicht, aber sie ist nach dem Fall stark beeinträchtigt. Es bedarf der erneuten Hinwendung (conversio) des Menschen zu Gott, damit Gott am Menschen wiederherstellend wirken kann (reformare, renovare, resculpare). Der Wiederherstellungsprozess beginnt für Augustinus mit der Taufe. Hier wird durch die Vergebung der Erbsünde die imago in einem Augenblick erneuert, es folgt eine lebenslange graduelle Rückgestaltung kraft der Gnade Christi, in der der Mensch Christus, dem vollkommenen Bild Gottes und Modell der Erneuerung, gleich wird. Augustinus’ Ausführungen zur Liebe (caritas, amor) sind in sein Konzept von uti und frui eingebettet. „Genießen“, d. h. einer Sache um ihrer selbst willen anhängen, darf der Mensch nur Gott. Die „Welt“ (Personen und Dinge) darf er lediglich „gebrauchen“, das heißt als Mittel verwenden, um zum Ziel der fruitio Dei zu gelangen. So ergibt sich bei Augustinus eine (Rang-)Ordnung aller Dinge im Hinblick auf das Ziel der fruitio. Hält sich der Mensch an diese Ordnung und gebraucht, liebt und genießt nur dasjenige, dem das auch tatsächlich zusteht, spricht Augustinus von der „geordneten Liebe“ (amor ordinatus). Der Begriff der caritas bezeichnet bei Augustinus die innertrinitarische, Vater Sohn und Geist verbindende Liebe, die Liebe Gottes für den Menschen, die er ihm 309 Schlosser, Einleitung, 42. Die Begriffsklärungen in eckigen Klammern sind nach den Erklärungen von Schlosser formuliert. (Vgl. Schlosser, Einleitung, 42–45.) 310 Vgl. Schlosser, Einleitung, 65–69; vgl. zur Gottesliebe bei Bonaventura auch Schlosser, De triplici via, 51–54 (Kommentar zu Kap. 1, 15–17).

Zusammenfassung

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durch den Heiligen Geist vermittelt und die dadurch hervorgerufene Liebe des Menschen zu Gott und Mitmensch. Caritas ist immer „geordnete Liebe“, die ausschließlich auf die Welt gerichtete und damit „ungeordnete“ Liebe bezeichnet er als Begierde (cupiditas). In der Zisterzienserliteratur finden sich die Themen Gottebenbildlichkeit und Gottesliebe vorrangig in Literatur, die ihren Sitz im Leben im Klosterbetrieb (Unterricht für Anfänger, Lesung in der stillen Zeit) hat. Die zisterziensische Theologie ist eine Theologie der Erfahrung (experientia/sensus). Ziel der zisterziensischen Ausbildung und des zisterziensischen Lebens des 12. Jahrhunderts ist, den Stand des Menschen vor dem Sündenfall wiederherzustellen, ihn aus der „Bereich der Unähnlichkeit“ (regio dissimilitudinis) zu erretten und in die Ähnlichkeit mit Gott zurückzuführen. Die Zisterzienser differenzieren theologisch zwischen imago und similitudo, wenn auch in unterschiedlicher Weise.311 Allein das Wort, Christus, ist bei Bernhard imago im Vollsinn, der Mensch nur in geringerem Maße. Die imago Dei des Menschen ist durch die Sünde zwar veränder-, aber letztlich unverlierbar, die similitudo kann verloren gehen. Da die Gottähnlichkeit (similitudo Dei) für die frühe zisterziensische Theologie in den drei Seelenkräften Gedächtnis, Vernunft und Wille (memoria, ratio, voluntas) wohnt, kann die Wiederherstellung nur so erreicht werden, dass sich die drei Kräfte, die sich nach dem Fall an weltlichen Dingen orientieren und zu einer verkehrten und hässlichen Trinität (trinitas contraria et foeda) geworden sind, wieder auf Gott richten. Dass an dieser Stelle der Begriff der caritas mit ins Spiel kommt ist kein Zufall. Wenn der Mensch Gott, der nach dem biblischen Zeugnis die Liebe ist, ähnlich werden möchte, muss er in der Liebe und durch die Liebe der Liebe ähnlich werden. Der Mensch muss alles um Gottes willen lieben – was er nur mit Unterstützung durch Gottes Gnade kann – und wird durch diese wechselseitige Liebe (von Gott her kommende Gnade einerseits und auf Gott hin ausgerichtete menschliche Liebe andererseits) zur Ähnlichkeit Gottes rückgestaltet (reformare). Die Vollkommenheit der Seele – das Ziel der Reform – , besteht darin, sich zu erinnern, ohne zu vergessen, ohne Irrtum zu erkennen und ohne Maß zu lieben, wie es auch Gott tut. Charakteristisch ist der Schwerpunkt auf der Demut. Demut (humilitas) ist der Ausgangspunkt – und in gewisser Weise auch der Zielpunkt des geistigen Weges. Demut – Selbsterkenntnis/Introspektion – führt dazu, dass der Mensch seinen Zustand nach dem Fall erkennt und sich mit der Hilfe Gottes auf den Weg der Wiederherstellung der ursprünglichen Ebenbildlichlichkeit und Würde macht. Demut heißt, sich selbst im Gegenüber zu Gott richtig einzuschätzen, und dabei frei von Selbstüberschätzung, mit Gottes Willen konform und für die Gnade offen zu werden. Vollkommene Demut geht einher mit vollkommener Erkenntnis, vollkommener Übereinstimmung des menschlichen und göttlichen Willens, vollkommener Liebe. Die Übereinstimmung des menschlichen und göttlichen Willens (unio voluntatis) ist auf Erden nur kurzzeitig erfahrbar, wenn der Mensch sich selbst durch Gnade entrissen wird (raptus). Diesen Zustand bezeichnen die Zisterzienser als Kontemplation (contemplatio). 311 Vgl. z. B. Wilhelms Rede von den drei similitudines. S. o. unter 3.4.1, S. 127.

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Zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund der Theologie Walter Hiltons

Aelred geht in seiner Vorstellung von der Reform der Gottebenbildlichkeit und Gottesliebe mit der zisterziensischen Tradition konform. Er erweitert die Vorstellung um den Begriff der amicitia. Für die franziskanische Tradition hat sich in der untersuchten Quelle der Bezug zum Ordensgründer Franziskus und seinen mystischen Erfahrungen als prägend erwiesen. Bonaventura nimmt Franziskus’ La Verna-Erfahrung als Ausgangspunkt, ein sechsstufiges Schema der Kontemplation zu entfalten. Bei Bonaventura werden scholastische Ansätze wirksam, so z. B. in seinen erkenntnistheoretischen Überlegungen oder seiner sechsgliedrigen Unterteilung der Gottesliebe. Charakteristisch für Richard von St. Viktor, wie er sich in den untersuchten Werken zeigt, ist, dass er die tropologische Deutung zentraler Erzählungen des Alten Testamentes zum Ausgangspunkt- und durchgängigen Gliederungsprinzip seiner Darstellung des Weges des Menschen zu Gott macht. Mit den Autoren des 12. Jahrhunderts teilt Hilton den Praxisbezug. Es geht auch ihm nicht allein um rein theoretische Abhandlungen, sondern er hat den Nutzen für die Lebensführung im Blick. Der Praxisbezug hat sich zu Hiltons Zeiten im Vergleich zum 12. Jahrhundert erheblich verschoben. Hilton schreibt für andere Adressaten, was sich schon an der sprachlichen Form seiner Werke zeigt. Er folgt in seinen Werken der monastisch-zisterziensischen Tradition, nicht der scholastischmonastischen, die sich mit Bonaventura auftut. Bei ihm finden sich zwar einzelne Begriffe und Aspekte aus der scholastisch-monastischen und scholastischen Theologie. Das Zentrum seiner Themenwelt, die christliche Vollkommenheit, die der Mensch in der Rückgestaltung zur Gottebenbildlichkeit und Gottähnlichkeit erwirbt bzw. gnadenhaft geschenkt bekommt, wird v. a. vor dem Augustinschen und zisterziensischen Traditionshintergrund verstehbar. Ohne Grundkenntnisse im Bereich dieses Hintergrundes sind Hiltons Werke für moderne Leser nicht leicht verständlich. Gerade die zentralen Begriffe seiner Vorstellungswelt sind am schwierigsten. Beim Begriff caritas z. B. assoziiert ein in der mittelalterlichen Theologie nicht vorgebildeter Leser die tätige Nächstenliebe. Beim Übersetzen von Stellen, an denen von der göttlichen caritas, der innertrinitarischen Liebe bzw. der „Gnade“ die Rede ist, merkt er schnell dass seine Vorstellung zu kurz greift. Ebenso wird ihm Hiltons Rede vom amor inordinatus rätselhaft bleiben, sein Insistieren auf dem Vorrang der Demut vor allen anderen Tugenden wird ihn wundern. Warum in der Scale of Perfection die höchste Stufe der Rückgestaltung, auf der der Mensch Einheit mit Gott erlebt, ausgerechnet reformynge in feelynge – „Wiederherstellung im Erfahren/Fühlen“ heißt, wird ihm wohl ebenfalls verschlossen bleiben. Im nun folgenden Kapitel werden Grundzüge der Theologie Walter Hiltons so dargestellt werden, dass Verständnisschwierigkeiten eines Lesers des 21. Jahrhunderts durch traditionsgeschichtliche Verweise verschwinden oder zumindest gemildert werden. Gleichzeitig wird sichtbar, worin Hiltons Eigenart und Eigenleistung bestehen.

4. Zur Theologie Walter Hiltons Bei der Lektüre von Hiltons Werken wird dem von wissenschaftlichem Interesse geleiteten modernen Leser deutlich, dass Walter Hilton nicht einen klaren systematisch-theologischen Entwurf im Kopf hatte, von dem aus er seine Ausführungen zu unterschiedlichen Themen entwickelte. Er scheint vielmehr aus Studium und Praxis einen reichen Schatz an theologischen Topoi und Strukturen zur Verfügung gehabt zu haben, aus dem er kreativ schöpfte, ohne immer auf strukturelle Kohärenz zu achten. So finden sich scholastisch anmutende Unterteilungen, die in Hiltons Werk im Gegensatz zu streng scholastischen Traktaten nicht durchgehalten werden. Eine Ausnahme ist der Traktat De adoracione ymaginum, bei dem Hiltons Verfasserschaft allerdings umstritten ist; insgesamt sind die kleineren Schriften, v. a. die lateinischen, vergleichsweise gut untergliedert. Besonders auffällig sind die „strukturellen Schwächen“, die bei näherem Hinsehen keine sind, in Hiltons Hauptwerk Scale of Perfection. Hiltons Zeitgenossen und heutige Leser, die Hiltons Werke zur Erbauung lesen, werden diese Schwächen nicht empfinden, da sie durch andere Strukturen (Leitmotive u.ä.) durch das Werk gelenkt werden. Der Faktor Zeit spielt für sie bei der Lektüre in der Regel keine Rolle, da sie, anders als der Wissenschaftler, nicht am schnellen analytischen Zugriff interessiert sind. Für ihr bedächtiges Lesen und Nachsinnen sind Hiltons „weiche“ Strukturprinzipien vielleicht sogar leichter nachvollziehbar als streng formale.1 In der Scale of Per fection gebraucht Hilton z. B. die grundlegende Unterscheidung von vita activa und vita contemplativa. Beide Lebensweisen führen für ihn zum Heil, außerhalb ist Heil nicht denkbar.2 1 Für weitere Überlegungen zur Struktur des Werkes vgl. Sargent, Organization. Vgl. auch del Mastro, Stairway. Del Mastro stellt den Befund in der Sekundärliteratur knapp vor (vgl. del Mastro, Stairway, 182 f) und entfaltet selbst die These von einer spiralförmigen Struktur, die einem Treppenaufgang in einem Turm entspreche, bei dem der Begeher auf unterschiedlicher Höhe immer wieder am selben Punkt vorbeikomme: „[..T]he maker of the title Scala Perfectionis [… may have thought] of scala not as a straight ladder but as a staircase – a circular stairway, like those found in any medieval tower, and in many monastic buildings. On such a stairway, the lower steps are always within reach of a downward glance, and the goal is always in view. At each turn of the stairway, the climber comes again to the same place on the circumference of the circle […]. The new perspective provided by the additional ‚height‘ of spiritual growth that the climber has gained enables him at each new level to see more connections among the various ‚points‘ of purification and insight he has passed, and to integrate these experiences into a single spiritual reality – the love of God which is both his goal and the means by which he will attain it.“ (del Mastro, Stairway, 183 f.) Del Mastros bildhafte Strukturanalyse ist in weiten Teilen zutreffend, m. E. wird Hilton jedoch zu stark systematisiert. Deshalb wird in der vorliegenden Arbeit die Vorstellung von Kohärenz durch Leitgedanken und Leitmotive zugrundegelegt. 2 Vgl. Scale I,1: „Thou schalt undirstonde that ther ben in Holi Chirche two maner of lyves, as Seynt Gregor seith, in the whiche Cristene men schul be saaf. That on is callid actif lif,

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Zur Theologie Walter Hiltons

Die vita activa bestehe in der Gottes- und Nächstenliebe, die sich nach außen zeige, die Gottes- und Nächstenliebe der vita contemplativa spiele sich innerlich ab.3 Da seine Adressatin eine Reklusin ist, entfaltet Hilton nur die Gedanken zur kontemplativen Lebensform weiter. Er unterteilt das kontemplative Leben und den dazugehörigen Personenkreis in drei Teile (partie). Unter den ersten Teil werden all die Menschen subsummiert, die Gott nur theologisch erkennen wollen bzw. können. Diese Art der Erkenntnis spiele sich rein auf der Ebene der ratio ab.4 Der zweite Teil, der wiederum unterteilt ist in eine höhere und eine niedrigere Stufe, schließe all die ein, die Gott im Gebet zu erkennen suchen, aber die Höhen der mystischen Erfahrung nicht erreicht haben. Die Erfahrung (feelynge) auf dieser Stufe erfolge im Bereich der Emotionen, des Affektes (affeccion/affeccioun).5 Auf der niedrigeren Stufe befänden sich Menschen, die im aktiven Leben stehen und besonders begnadet sind, sowie rein kontemplativ lebende Menschen. Die höhere Stufe könnten nur kontemplativ lebende Menschen erreichen. Ihnen werde der Name Jesu zum Trost und zur Wonne und jedes Gebet zur Freude. Der dritte Teil umfasse die Menschen, die die unio mystica erfahren haben. Die unio sei auf der Erde nur kurz und noch nicht in Fülle erfahrbar, sie sei auf der Ebene der kognitiven und der affektiven Seelenkräfte angesiedelt.6 Die unio ist nach Hilton an sich rein kontemplativ lebenden Menschen vorbehalten, er schließt aber nicht aus, dass Gott sie auch einem aktiv lebenden Menschen schenken kann.7 Voraussetzung sei die Rückgestaltung (reformynge) zur liknesse Jesu „in der Fülle der Tugenden“8. Diese Unterteilung, von der der Leser der Scale of Perfection annimmt, dass sie eine wesentliche Struktur für das Werk vorgibt, wird im Weiteren formal nicht mehr aufgenommen.9 Freilich gibt es starke inhaltliche Verbindungen zwischen den ersten Kapiteln, die die eben dargestellte Dreiteilung vornehmen, und den leitmotivischen Strukturen, die das Werk insgesamt gliedern. Die leitmotivischen Strukturprinzipien sind die zwei eng ineinander verwobenen Themenstränge „Gottebenbildlichkeit des Menschen“ und „christliche Vollkommenheit mit vollthat other contemplatif lif. Withoutin the ton of thise two may no man be saaf.“ (Ed. Bestul, 32, Z. 23–25.) 3 Vgl. Scale I,2: „Actif lif lieth in love and charité schewyd outward in good bodili werkes, in fulfillynge of Goddis comaundementes and of the sevene deedys of mercy, bodeli and goostli, to a mannys even Cristene.“ (Ed. Bestul. 32, Z. 27–29); Scale I,3: „Contemplatif lif is in perfight love and charité feelid inwardli bi goostli vertues and bi soothfaste knowynge and sight of God in goosteli thynges.“ (Ed. Bestul, 33, Z. 43 f.) 4 Vgl. Scale I,4: „Contemplatif liyf hath three parties. The first is in knowynge of God and goosteli thynges geten by resoun, bi techynge of man and bi studie of Hooly Writ, withouten goostli affeccion and inward savour feelid bi the special gift of the Hooli Goost.“ (Ed. Bestul, 33, Z. 56–34, Z. 58.) 5 Vgl. zur Mühlen, Affekt, 599–612, besonders 605. 6 Vgl. Scale I,8: „The thridde partie of contemplacioun, whiche is perfite as it may be here, lieth bothe in cognicion and in affeccion: that is for to seie, in knowyng and perfight lovynge of God.“ (Ed. Bestul, 37, Z. 146–38, Z. 148.) 7 Vgl. Scale I,9, Ed. Bestul, 39, Z. 193–197. 8 Vgl. Scale I,9, Ed. Bestul, 39, Z. 177 f: „The wirkynge and the ful use of this gift may no man have, but yif he bee first reformed to the likenesse of Jhesu bi fulheed of vertues.“ 9 Vgl. dazu auch A. Hughes, Direction, 33.

Gottebenbildlichkeit, Gottähnlichkeit und Selbsterkenntnis

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kommener Gottesliebe und Gotteserkenntnis“. Bei der Darstellung der Hiltonschen Lehre von der Gottebenbildlichkeit (imago Dei/ymage of God) und Gottähnlichkeit (similitudo Dei/liknesse of God) wird im Folgenden v. a. auf Hiltons Hauptwerk Scale of Perfection Bezug genommen, weil sie hier am detailliertesten entfaltet wird. Es finden sich allerdings auch Verweise auf die anderen Werke, insbesondere auf den lateinischen Traktat De ymagine peccati, in dem Hilton das verkehrte Ebenbild Gottes im Menschen, das „Bild der Sünde“, in den Mittelpunkt seiner Darstellung rückt. Die christliche Vollkommenheit (perfeccio/perfeccioun) die für Hilton in der vollkommenen Gottes- und Nächstenliebe besteht,10 der caritas/ charité, ist ein Leitgedanke in fast allen Schriften Hiltons. Über den schillernden Begriff der charité kommt Hiltons Gnadenlehre mit in den Blick. Besonders thematisiert wird die christliche Vollkommenheit neben der Scale of Perfection in Mixed life, De utilitate, Of Angels Song und in der Übersetzung Eight Chapters on Perfection. Auf diese Werke wird im Folgenden verstärkt zurückgegriffen.

4.1 Gottebenbildlichkeit (imago Dei/ymage of God), Gottähnlichkeit (similitudo Dei/liknesse of God) und Selbsterkenntnis (humilitas/mekenesse) Bei der Rede von der Gottebenbildlichkeit des Menschen stützt sich Hilton mit der Tradition auf Gen 1,26. Für Hilton, der ein überwiegend dualistisches Menschenbild hat,11 ist die Gottebenbildlichkeit und Gottähnlichkeit in der menschlichen Seele verortet. Die Vorstellung, dass der Mensch mit seinem Körper Ebenbild Gottes ist, lehnt er entschieden ab.12 Die menschliche Seele besteht für ihn aus zwei Teilen, aus der sensualité (Sinnlichkeit) und der resoun (ratio). Die sensualité – bei Hilton definiert als „fleischliches Erfahren durch die äußeren fünf Sinne“ – habe 10 „[…F]inis humane perfeccionis constat in perfecta dileccione Dei et proximi […].“ (De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 121, Z. 41 f.) 11 Hilton geht, was den Tod betrifft, von einem Leib-Seele-Dualismus aus. Wenn der Mensch stirbt, so Hilton, dann trennen sich Leib und Seele, der Leib stirbt, während die unsterbliche Seele weiter lebt. Hier unterscheide sich der Mensch auch vom Tier, das mit Leib und Seele sterbe. (Scale II,8, Ed. Bestul, 148, Z. 350–353; Scale II,15, Ed. Bestul, 163, Z. 780– 782.) Was den lebenden Menschen betrifft, geht er von einer engen Kooperation und gegenseitigen Abhängigkeit von Körper und Seele aus. Hilton ist nicht um eine Darstellung der Anatomie und Biologie des Menschen bemüht; sein Interesse sind theologische Aussagen. 12 Hilton stellt sich die Seele nicht körperlich vor, sondern als „unsichtbares Leben“. (Vgl. Scale II,30, Ed. Bestul, 205, Z. 1940–1954.) Vgl. Scale II,1, Ed. Bestul, 134, Z. 6–14: „And in the bigynnynge, yif thou wole witen pleynli what I mene bi this image, I telle thee forsothe that y undirstonde not ellis but thyn owen soule; for thi soule, and my soule and everi resonable soule is an image, and that a worthi image, for it is the ymage of God, as the apostel seith: Vir est ymago dei (1 Corinthians 11:7). That is, man is the image of God and maad to the image and to the liknesse of Him, not in bodili schap withoutin, but in the myghtes of it withinne, as Holi Writ seith: Formavit deus hominem ad similitudinem suam (Genesis 1:27). That is, oure Lord God schoop in soule man to the ymage and liknesse of Him.“

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Zur Theologie Walter Hiltons

der Mensch mit dem Tier gemeinsam.13 Die resoun untergliedert Hilton in zwei Teile, einen höheren und einen niedrigeren. Der höhere Teil der resoun ist für ihn das Bild Gottes (ymage of God), denn hier werde Gott erkannt und geliebt, während der niedrige Teil für das Erkennen und Beherrschen weltlicher Dinge zuständig sei. Im schöpfungsmäßigen Idealzustand sei der niedrigere Teil dem höheren gehorsam „wie die Frau einem Mann“.14 Mit der Aufteilung der Seele in zwei Teile, einen niedrigeren und einen höheren, und der Zuweisung der Aufgaben folgt Hilton im Detail Augustinus.15 Die Sinnlichkeit, so Hilton, ist nicht Sitz der imago/ similitudo Dei, aber sie ist abhängig vom Zustand der imago Dei/similitudo Dei in der resoun, speziell in den Kräften (myghtes/potentiae) der resoun. Zur menschlichen Sinnlichkeit gehören die fünf äußeren Sinne (Gehör, Sehen, Geruchssinn, Geschmackssinn, Tastsinn). Ihnen entsprechen innere oder geistliche Sinne (sensus spirituales), die für das geistliche Hören, Sehen, Schmecken etc. verantwortlich sind.16 Hilton spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Ohr des Herzens“ (auris cordis) und vom „Gaumen des Herzens“ (palatum cordis) und betont, dass der Mensch allein mit dem Verstand des Geistes (puro intellectu mentis) geistlich höre und allein in einem gereinigten Geist (in animo purgato) geistlich schmecke.17 Die äußeren Sinne sind den inneren nach Hilton untergeordnet, wobei beide sensus in Interdependenz stehen. Die fünf äußeren Sinne sind für ihn – ausgehend von Jer 9,21 und in der Auslegungstradition Bernhards18 – die „Fenster der Seele zur Welt“. Würden sie nicht angemessen (d. h. von der ratio gesteuert) gebraucht, sondern schweiften nutzlos umher, dann beeinträchtige das die inneren Sinne. Die Seele werde innerlich taub, blind etc., und die Sünde – und damit der Tod – fände Eingang in die Seele. Zünde deine Laterne an [wörtlich: Hebe deine Laterne hoch, d. h. bediene dich der Vernunft (resoun)] und sieh in jenem Bild die fünf Fenster, durch welche die Sünde in deine Seele gelangt, wie der Prophet sagt: mors ingreditur per fenestras nostras. Der Tod kommt durch unsere Fenster herein. Diese Fenster sind unsere fünf Sinne, durch welche deine Seele aus sich herausgeht und ihre Wonne und ihre Nahrung in irdischen Dingen sucht, entgegen ihrer eigenen 13 „The toon is called the sensualité; that is the fleschli feelynge bi the fyve outeward wittes, the whiche is comoun to man and to beest.“ (Scale II,13, Ed. Bestul, 159, Z. 658–660.) 14 Vgl. Scale II,13, Ed. Bestul, 159, Z. 658–669: „That tothir partie is callid reson, and that is departid on two – the overe partie and the nethere partie. The overe is likned to a man, for it schulde be maister and sovereyne, and that is propirli the ymage of God, for bi that oonli the soule knoweth God and loveth God. And the nethere is likned to a woman, for it schulde be buxum to the overe partie of resoun, as a woman is buxum to man. And that liyth in knowynge and rulynge of ertheli thinges, for to use them discreteli aftir nede and for to refuse hem whanne it is no nede; […].“ Vgl. auch J. Clark, Image and Likenesse, 209. 15 S. o. unter 3.2.1, S. 104. Vgl. J. Clark, Image and Likenesse, 209. Für die Rezeption des Augustinschen Konzeptes im 13. Jahrhundert vgl. Mulligan. Zur Rezeption bei Thomas von Aquin vgl. auch zur Mühlen, Reformatorische Vernunftkritik 30. 16 Vgl. J. Clark, Image and Likeness, 218, für theologiegeschichtliches Hintergrundmaterial. 17 Vgl. De imagine peccati, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 94 ff, Z. 394–426. Dieses Springen zwischen den Begriffen cor, mens und animus zeigt m. E., dass Hilton keine präzise Vorstellung von der Verortung des Vorgangs der geistlichen Erfahrung im Menschen hat. 18 S. o. unter 3.7.1, S. 145 zu den inneren Sinnen bei Bonaventura.

Gottebenbildlichkeit, Gottähnlichkeit und Selbsterkenntnis

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Natur; so geht sie durch die Augen aus, um seltsame und schöne Dinge zu sehen, durch die Ohren, um spannende und neue Meldungen zu hören, und ähnlich bei den anderen Sinnen. Indem du freiwillig diese Sinne widervernünftig für die Eitelkeit gebrauchst, wird deine Seele von den geistlichen Sinnen in deinem Inneren abgehalten, und deshalb mußt du die Fenster zustopfen und verschließen, und sie nur auftun, wenn es nötig ist.19

Die Vorstellung von den fünf Sinnen als Fenster zur Welt findet sich bei vielen der oben untersuchten Theologen des Hochmittelalters. Bei Bonaventura – leicht variierend spricht er von „Türen“ – wird sie zum Ausgangspunkt für grundsätzliche Überlegungen zur menschlichen Wahrnehmung, die bei Hilton fehlen.20 Hilton äußert sich meist abwertend über die Sinnlichkeit.21 Er spricht fast ausschließlich von der deformierten imago und similitudo und nimmt die intakte, gute Sinnlichkeit kaum in den Blick. Eine Ausnahme ist eine Passage in Of Angels’ Song, in der Hilton von der wiederhergestellten Sinnlichkeit spricht: Er geht davon aus, dass der Mensch in der Sinnlichkeit für den Sündenfall bestraft wurde. Durch die Gnade werde wieder möglich, dass der Mensch in allen Geschöpfen, die er sinnlich wahrnehme nur Gott schaue – wie im Urstand. Der Mensch werde so umgeformt, dass er sogar in seiner sinnlichen Natur geistliche Erfahrungen mache.22 Auch wenn Hilton die Sinnlichkeit nach dem Sündenfall mit harschen Worten charakterisiert, wäre es falsch, ihn als „leibfeindlich“ zu bezeichnen. Hilton hält, anders als viele seiner Zeitgenossen, wenig von Versuchen, die Sinnlichkeit mit übermäßiger Askese oder körperlichen Bußübungen zu bezwingen. Er weiß, vielleicht aus eigener Erfahrung, dass übertriebene Askese das Gegenteil bewirkt. Sein Ansatz ist, mittels einer Reform des oberen Seelenteils resoun und der Seelenkräfte die von diesen abhängige sensualité wieder richtig auszurichten. Durch die Gnade könne die Seele geheilt werden und wieder „Herrin“ über den Leib werden. Im Gebet des Kontemplativen seien Leib und Seele eins, der Leib werde zum Instrument der Seele, Herz und Mund formulierten das Lob Jesu gemeinsam.23 Für Hilton – wie für Augustinus und in seinem Gefolge die augustinische, zisterziensische und franziskanische Tradition – spiegelt die menschliche Seele im Urstand die Trinität wider. Hilton nennt die Seele „geschaffene Trinität“ (maad trinité) im Gegensatz zur göttlichen, ungeschaffenen Dreifaltigkeit (unmaad trinité). Er greift damit Bernhards Rede von der trinitas creata auf und betont mit dem 19 Scale I,78, Übers. Strakosch, 127 f; Ed. Bestul, 120, Z. 2272–2280: „Lifte up this lanterne [d. h. die resoun; vgl. Scale I,48, Ed: Bestul. 86, Z. 1395.1397 f] and see in this ymage fyve wyndowis bi the whiche synne cometh into thi soule, as the prophete seith: Mors ingreditur per fenestras nostras (Jeremiah 9:21). Deeth cometh in bi oure wyndowes. Thise wyndowes aren oure fyve wittes, bi the whiche oure soule gooth out from himsilf and sicheth his delite and his feedynge in ertheli thynges, agens his owen kynde: as bi the sight, for to se corious and faire thynges; bi the eere, for to heere wondres and new tydynges; and so of the othere wittis. Bi unskilful [skile=resoun] usynge of thise wittes into vanyté willfulli, the soule is moche letted from the goostli wittys withinne; therefore thee bihoveth stoppe the wyndowis and spere hem, but only whanne nede asketh for to open hem.“ 20 S. o. unter 3.7.1, S. 144 f. 21 Vgl. z. B. Scale II,13, Ed. Bestul, 159, Z. 670 ff. Vgl. auch Scale II,11, Ed. Bestul, 153 f, Z. 494–516. 22 Vgl. Angels’ Song, Ed. Horstmann, 177. 23 Vgl. Scale II,42, Ed. Bestul, 248, Z. 3210–3216.

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Zur Theologie Walter Hiltons

Abt von Clairvaux, dass die trinitarische Ebenbildlichkeit die Würde des Menschen begründe. Die drei Seelenkräfte (mightes)24 der geschaffenen Trinität mynde, resoun und wille bzw. love – auch hier ist die Beeinflussung durch Augustin offensichtlich – sind ganz auf die ungeschaffene Trinität ausgerichtet. Die Seelenkraft mynde (memoria bei Augustinus) stellt die Ähnlichkeit zum allmächtigen Vater dar, die resoun (intellectus/ratio superior bei Augustinus) die Ähnlichkeit zum Sohn, der wille (in der Augustinschen Vorlage voluntas) ist Ausdruck der Ähnlichkeit zum Geist. Der Mensch kann Gott so schauen, erkennen und lieben und stimmt darin mit ihm in Ähnlichkeit (likenesse) überein.: Die Menschenseele ist ein Leben, das aus drei Vermögen besteht, aus Gedächtnis, Vernunft und Wille nach dem Bild und Gleichnis der heiligsten Dreifaltigkeit, heil, vollkommen und gerecht. Das Gedächtnis wurde vom allmächtigen Vater mächtig und standfest erschaffen, um sich an Ihn zu erinnern, ohne Ihn zu vergessen oder von irgendeinem Geschöpf abzulenken oder hindern zu lassen, und darin gleicht es dem Vater. Die Vernunft wurde klar und licht, ohne Fehl oder Schatten erschaffen, so vollkommen, als eine Seele in einem nicht verherrlichten Leibe sie haben kann, und so gleicht sie dem Sohn, der ewige Weisheit ist. Und die Liebe und der Wille wurden Dank der mächtigsten Güte Gottes, dem Heiligen Geist, lauter erschaffen, brennend in Gott [besser: auf Gott hin brennend, d. h. voller Verlangen nach Gott], ohne tierische Liebe zum Fleisch oder zu irgend einem Geschöpf, und so gleichen sie dem Heiligen Geist, der selige Liebe ist.25

Hilton könnte die Vorstellung von der Trias der Seelenkräfte über den Sentenzenkommentar des Lombarden kennengelernt haben oder direkt über die AugustinusLektüre – denn Augustins Werke waren in den Bibliotheken der Augustiner-Chorherren ja weit verbreitet, wie die mittelalterlichen Bibliothekskataloge bezeugen.26 Während es Augustinus um die „Analyse des in jeder Erkenntnis und in jedem Willensakt Implizierten“27 geht und er in seinem Ansatz der modernen Transzendentalphilosophie und –theologie nahesteht, fehlt dieser erkenntnistheoretische 24 Lateinisch potentiae. 25 Scale I,43, Übers. Strakosch, 75 f. „[…] the mynde was maad myghti and stidefaste bi the Fadir almyghti, for to holde Hym withoughte forgetynge, distractynge, or lettynge of ony creature, and so it hath the likenes of the Fader. The resoun was maad cleer and bright withouten errour or derkenesse, as perfightli as a soule in a bodi unglorifiede myght have; and so it hath the likness of the Sone, whiche is endelees wisdom. And the love and the wille was maad clene, brenynge into God withouten beestly lust of the fleisch or of ony creature, bi sovereyne goodnesse of God; and so it hath the likenes of the Hooli Goost, the whiche is blissid love. So that a mannys soule, whiche mai be callid a maad trinyté, was fulfillid in mynde, sight, and love, of the unmaad blissed Trinité, whiche is oure Lord.“ (Ed. Bestul, 77, Z. 1152–78, Z. 1160.) 26 Zu den Augustinus-Beständen in Bibliotheken der Augustiner-Chorherren s. unter 2.3.4, S. 90 ff, besonders 91.93. Der Sentenzenkommentar des Petrus Lombardus ist in einem Katalog des 14. Jahrhunderts für Lanthony Secunda belegt (vgl. Webber/Watson, Libraries, 67, Nr. 256; 69, Nr. 276). Er war in einer gekürzten Version ebenfalls in Lanthony Secunda vorhanden (Vgl. Webber/Watson, Libraries, 68, Nr. 267.) und ist in einem Katalog des 15. Jahrhunderts in vielen Exemplaren für Leicester belegt, in einem Inventar des 14. Jahrhunderts einmal für Selborne und in einem Katalog aus dem späten 12. bzw. frühen 13. Jahrhundert für Waltham. 27 Flasch, Augustin, 348 f.

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Überbau bei Hilton ganz. Er vereinfacht Augustinus in seiner Darstellung so stark, dass nur noch das Grundmotiv erhalten bleibt. Hughes hat Hiltons Vorstellung von den „trinitarischen“ Seelenkräften und von ihrem Zusammenwirken untersucht:28 Er bezeichnet Hiltons Auffassung bzw. den schriftlichen Niederschlag in der Scale of Perfection zu Recht als „obscure treatment“29. Eine zusammenhängende, systematische Vorstellung fehlt. Die zentrale Seelenkraft ist der Wille (wille). Hilton steht damit ganz in der augustinischen Traditionslinie. Der Wille spielt eine doppelte Rolle. Zum einen herrscht er im unteren Teil der Vernunft und bringt die niederen Instinkte der sensualité unter Kontrolle, verlangt nach moralischer Rechtschaffenheit und führt den Menschen angeregt durch die Gnade Gottes und mit ihrer Hilfe zur sakramental vermittelten Gnade. Zum anderen hat der Wille im oberen Teil der Vernunft die Kraft, echte Gottesliebe zu empfinden, zuerst eine „fleischliche“, d. h. auf die Menschheit Christi gerichtete, dann eine „geistliche“.30 Der durch Gnade überformte Wille wird zur Liebe. So erklärt sich, dass Hilton die „trinitarischen Seelenkräfte“ als mynde, resoun und wille oder mynde, resoun und love bezeichnen kann. Dem Seelenvermögen Vernunft (resoun) kommt ebenfalls eine wichtige Rolle zu. Im unteren Teil der Vernunft erkennt der Mensch Gott mittels der Geschöpfe;31 der Weg zur Gotteserkenntnis führt über die Selbsterkenntnis, denn der Mensch kann keine höhere Natur erkennen, ohne zuvor sich selbst erkannt zu haben. Hier steht die Augustinsche Vorstellung von den vestigia trinitatis in allen Geschöpfen, die sich in herausragender Weise im Menschen findet, im Hintergrund. Allerdings muss festgehalten werden, dass Hilton den Begriff vestigium nicht verwendet und auch den Sachverhalt nicht präzise umschreibt. Er spricht lediglich davon, dass der Mensch seine „Natur“ (kynde), die Würde der Seele, suchen solle, die er an anderer Stelle mit der Ebenbildlichkeit in Zusammenhang bringt.32 Das Gedächtnis mynde, die dritte Seelenkraft, ist nicht nur für die Erinnerung vergangener Dinge zuständig, zu ihren Aufgaben gehört auch das Bewusstsein für Gegenwärtiges und Aufmerksamkeit für Zukünftiges.33 Im oberen Seelenteil der resoun werde Gott zunächst durch die Vorstellungskraft (ymagynacioun) erkannt, Ziel sei aber, über die Vorstellungskraft hinauszukommen und zum „Verstehen (undirstondynge)“ zu gelangen.34 Der Vorstellungskraft, 28 Vgl. Flasch, Augustin, 43–49. 29 Flasch, Augustin, 43. 30 Vgl. A. Hughes, Direction, 44; vgl. Scale II,30, Ed. Bestul, 207 f, Z. 2012 ff; Übers. Strakosch, 237 f. 31 So A. Hughes, Direction, 45. 32 „Hit nedeth to a soule that wolde have knowynge of goostli thynges, for to have first knowynge of itsilf. For it mai not have knowynge first of a kynde aboven itsilf but yif it have a knowynge of itsilf; and that is whanne the soule is so gadred into itsilf, and departed from biholdynge of alle ertheli thynges and fro the use of the bodili wittes, that it feelith itsilf as it is in the owen kynde withoute a bodi […] Seke thisilf in noon othir place; but the more fulli and the more cleerli that thou maight thenken on the kynde and the worthynesse of a resonable soule, what it is, and what the kyndeli werkynge of it, the betere thou seest thisilf.“ (Scale II,30, Ed. Bestul, 205, Z. 1936–1957.) 33 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 168, Anm. 108. 34 Vgl. Scale II,31, Ed. Bestul, 211, Z. 2144–212, Z. 2153.

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wenn sie nicht durch Gnade „erhellt“ ist, traut Hilton wenig zu.35 Ist sie von der Gnade berührt, kann die Menschheit Jesu Christi mit ihr erfasst werden.36 Es ist schwierig auszumachen, was sich Hilton genau unter ymaginacion bzw. ymagininge vorstellt. Über die Scale of Perfection verteilt finden sich verschiedene Hinweise: Die ymaginacion ist Mittlerin zwischen Sinnlichkeit und Vernunft.37 Hilton bezeichnet so die Funktion der resoun, die das Konkrete erkennt und unter die ihr innewohnenden Prinzipien subsummiert und so ihre Gottesbeziehung erschließt.38 Ymaginacioun ist im Spiel, wenn geistliche Sachverhalte bildlich vermittelt werden, so z. B. in den Visionen der alttestamentlichen Propheten.39 Sie ist beteiligt, wenn der Mensch sich selbst richtig einschätzt, was Abstraktionsvermögen erfordert.40 Ymaginacion oder imagynynge ist die mit der Erinnerungskraft (mynde/memoria) verbundene Kraft, die Bilder und Sinneseindrücke speichert und sie wiedergeben kann bzw. auch unwillkürlich wiedergibt, wenn die Vernunft nicht leitend waltet: Im letzteren Sinn verstanden, könnte man ymaginacioun auch mit „bildliche Vorstellungskraft“, „Einbildungskraft“ oder „Phantasie“ übersetzen.41 Über die Vorstellungskraft, so Hilton, habe der Teufel leicht Zugriff auf den Menschen und könne ihm Dinge vorgaukeln. Die Vorstellungskraft spielt dem Menschen nach seiner Vorstellung aber auch von sich aus Streiche, wenn der Mensch sich bei geistlichen Anstrengungen überfordert und nicht der Gnadengabe entsprechend vorgeht.42 Das „Verstehen“ (undirstondynge) findet in der von Gnade überformten resoun statt, in der die ymaginacioun vervollkommnet ist. Undirstondynge ist im Gegensatz zum ymagininge abstrakte und nichtbildliche Gotteserkenntnis.43 35 Vgl. Scale II,30, Ed. Bestul, 205, Z. 1962–1963: „ […] goostli thinges are seen and knowen bi undirstondyng of the soule and not bi ymaginacioun.“ 36 „For thou schalte undirstonde that the love of God is on three maner wise […]. The first cometh oonli with feith, withouten gracious imaginacioun or goostli knowynge of God. […] The secunde love is that a soule feeleth thorugh feith and by imaginacion of Jhesu in His manhede. This love is betere than the firste, whan the imaginacioun is stired bi grace, and for whi, the gostli iye is opened in bihooldynge of oure Lordis manhede.“ (Scale II,30, Ed. Bestul, 206, Z. 1979–1985.) 37 „The imagination mediates between spirit and bodily sense, enabling the soul to picture spiritual things in terms derived of the world of bodily senses.“ (Übers. Clark/Dorward, 183, Anm. 330.) 38 Vgl. auch Alfred Hughes, Direction, 45. 39 Vgl. Of Angels’ Song, Ed. Horstmann, 178 (unten): „[…] as Eȝechielle þe profete sawe in bodily ymagynacyoune […]“. Vgl. Übers. Dorward, 17. 40 Vgl. Scale I,43, Ed. Bestul, 78, Z. 1175 f. 41 Vgl. Scale I,81, Ed. Bestul, 122, Z. 2322–2326, vgl. Übers. Strakosch, 130. Hilton kennt fantasie im Sinne von „bloßer Erfindung“, was aber keine Seelenkraft bezeichnet (vgl. Scale II,31, Ed. Bestul, 210, Z. 2112 f.) 42 Vgl. Of Angels’ Song, Ed. Horstmann, 179 f.; vgl. auch Übers. Dorward, 18. 43 Vgl. Scale II,30, Ed. Bestul, 211, Z. 2144–212, Z. 2153: „For ther is two maner of knowynge of God. On is had principali in imaginacion, and litil in undirstondynge. Th is knowynge is in chosen soulis bigynnynge and profitynge in grace, that knowen God and loven Hym al manli not goostli, with manli affeccions and with bodili liknesse […]. […] And that othir knowynge is principaly felt in undirstondynge, whanne it is comforted and illumyned bi the Hooli Goost, and litil in imagynacion. For the undirstondynge is ladi, and ymaginacion is a

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Nach Hiltons Darstellung ist dem Menschen vor dem Sündenfall die Übereinstimmung der Seelenkräfte mit Gott zu eigen gewesen. Durch den Fall wurde die „trinitarische“ Ausrichtung auf Gott durch die drei Seelenkräfte in Adam und damit in der ganzen Menschheit zerstört. Die mynde des Menschen ruhe seither auf den Geschöpfen statt auf dem Schöpfer. Love und resoun seien verkehrt in Selbstliebe und Liebe zu den geschaffenen Dingen. Diese Verkehrung der Liebe durch die Ursünde (origynal synne/peccatum originale) betreffe sowohl die Sinne als auch die rechte Selbsteinschätzung/Selbstwahrnehmung (ymagininge), die Sinne z. B. bei der Völlerei und Unzucht, die Vorstellungskraft bei Stolz, eitlem Ruhm und Begehrlichkeit. Auch wenn der Grund für den Verlust der vollkommenen Ebenbildlichkeit in der Ursünde liege, so werde der Zustand durch Tatsünden, d. h. willentlich begangene Sünden, ständig zementiert.44 Seit dem Sündenfall bestehe keine „Einheit“ mehr zwischen Gott und menschlicher Seele. In diesem Leben könne sie nicht mehr völlig wiedergewonnen werden, das sei der himmlischen Herrlichkeit vorbehalten.45 Nach Hilton verlor der Mensch durch den Sündenfall die Gottähnlichkeit (liknesse), die harmonische Übereinstimmung mit Gott. Die in der oberen resoun beheimatete Gottebenbildlichkeit (ymage), durch die er grundsätzlich die Fähigkeit habe, Gott zu lieben und zu erkennen, habe er nicht verloren, sie sei nur beeinträchtigt.46 Über die noch erhaltenen Reste der resoun könne der Mensch an sich in Kontakt mit Gott bleiben. Nichts könne die Seele voll befriedigen außer Gott, und deshalb dürfe sie nichts außer Gott lieben, begehren oder suchen. Ihr einziges Begehren müsse sein, zur similitudo/liknesse Gottes rückgestaltet zu werden.47 Aber, so konstatiert er, die Menschen wüssten nicht darum. Sie handelten gegen ihre schöpfungsgemäße Natur (unkyndeli) und ohne Vernunft (unresonabli) und liebten die vergängliche Welt anstelle des ewigen Gottes.48 Dadurch, dass die Vernunft nicht beteiligt sei, gewänne die sensualité die Oberhand, und die Menschen nähmen die liknesse der Tiere an, die auch ausschließlich von der sensualité bestimmt seien.49 Hilton beschreibt anschaulich anhand der sieben Kapitalsünden Hochmut, Neid, Zorn, Trägheit, Begierde, Völlerei, Unzucht (pride, maiden, servande to the undirstondynge whanne nede is. This knowynge is […] for perfite soulis, and it is reformynge in feelynge.“ Vgl. auch Scale II,32, Ed. Bestul, 214, Z. 2221–2229: „This manere of knowynge of Jhesu […] is the openynge of hevene to the iye of a clene soule […]. Not as summe wenen, that the openynge of hevene is yif a soule myght seen bi imaginacion thorugh he skyes above the firmament, hou oure Lord Jhesu sitteth in His majesté in a bodili light as mykil as a hundred sunnes. […] The hiere he stiyeth above the sonne bi sich imagynacion for to see Jhesu God, the lowere he falleth bynethe the sunne. Neverthelees this maner sight is suffrable to symple soulis, that kunne no betere seke Hym that is unseable.“ 44 Vgl. Scale I,43, 78, Z. 1162–1183. 45 Vgl. Angels’ Song, Ed. Horstmann, 176: „Þis wondyrful oned may nouȝt be fulfilled parfitely, contynuelly, holyly in þis lyfe, for corrupcion of þe flesche, bot anly in þe blis of heuen.“ Vgl. auch Angels’ Song, Übers. Dorward, 15. 46 Vgl. J. Clark, Introduction, 35 f. 47 Vgl. Scale II,14, Ed. Bestul, 160, Z. 685–689. 48 Vgl. Scale II,14, Ed. Bestul, 160, Z. 689–695. 49 Vgl. Augustinus’ Aussage, dass der Mensch durch den Verlust der Würde den Lastoder Zugtieren gleichgeworden sei. (S. o. unter 3.2.1, S. 104.)

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envie, ire, accedie, coveitise, glotony, leccherie), in welche Tiere sich die Menschen verwandeln. Der Stolze wird zum Löwen, der Neider zum Hund, der Träge zum Esel etc.50 Hilton spitzt seine Aussage noch zu und bezeichnet die von den Kapitalsünden bestimmten Menschen als dem Teufel gleich – „like unto the feend of helle“51. Beim Jüngsten Gericht drohe ihnen Fluch und ewige Verdammnis in der Hölle, was Hilton mit Offb 21,8 belegt, es sei denn, sie bemühten sich noch rechtzeitig um das Bußsakrament, das ihre Rückgestaltung zur liknesse Gottes bewerkstellige.52 Im Traktat De imagine peccati findet sich eine verwandte Vorstellung. Hilton entfaltet hier, dass sich in der menschlichen Seele im status corruptionis53 ein Götzenbild (ydolum) befinde, das „Bild der Sünde“ oder das „Bild des Teufels“. Dieses Götzenbild deformiere oder überlagere (superducens) die imago Dei. Und was ist dieses Götzenbild (ydolum)? Der Leib (corpus) der Sünde, voll von Lastern und Begierden, mit ungestalteter Gestalt aus ungeformtem Baustoff (cuius forma est informis et materia deformis). Und was ist die Gestalt (forma) dieses Körpers? Ungeordnete Liebe und Begierde (amor et concupiscencia inordinata), die aus dem Zunder (ex fomite) gleich wie aus einer Quelle herausströmt und deine wahre Gestalt, die imago Dei, entstellt und zu einer falschen Gestalt (forma) führt, nämlich der imago Diaboli. Und was ist der Baustoff dieses Götzenbildes? Du selbst. Deine ungeordnete Selbstliebe verursacht nämlich dieses Götzenbild. Es gibt nämlich keine Sünde, die nicht aus dieser Quelle ihren Ursprung nimmt. Babylon als Stadt des Teufels wird nämlich, wie gesagt wird, aus Selbstliebe gebaut, die sich bis zur Verachtung Gottes steigert, und Jerusalem, die Stadt Christi, aus der Liebe zu Gott, die fortschreitet bis zur Selbstverachtung. Denn wie die Liebe Gottes (amor Dei) die forma formans aller Tugenden (virtutum) ist, so ist die Selbstliebe die ungestaltete (informis) Liebe aller Laster (viciorum).54

In Hiltons Darstellung fließt die „Gestalt“ (forma), die in aristotelischer Terminologie das gestaltgebende Prinzip ist, aus der materia55 heraus, d. h. sie fließt aus dem heraus, dem sie eigentlich Gestalt verleihen sollte.56 Neben den Einsprengseln scholastischer Terminologie kommen in dieser Passage die Wurzeln Hiltons in der 50 Vgl. Scale II,14, Ed. Bestul, 160, Z. 696–162, Z. 730. 51 Scale II,14, Ed. Bestul, 162, Z. 731. 52 Vgl. Scale II,14, Ed. Bestul, 162, Z. 735–749. Vgl. auch Scale II,6, Ed. Bestul, 143, Z. 234–236, wo Hilton darlegt, dass die Taufe gegen die Ursünde, das Bußsakrament/die Beichte gegen die Tatsünden wirke. Vgl. auch Scale II,7 und II,8, Ed. Bestul, 144, Z. 250–148, Z. 36. Im lateinischen Traktat De utilitate et prerogativis religionis findet sich darüber hinaus noch die Vorstellung, dass der Ordenseintritt eine „zweite Taufe“ sei, die alle Sünden tilge. (Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 139, Z. 347 ff.) Ganz konträr John Wyclif: In De perfectione statuum, verfasst zwischen April und Mai 1383, bezeichnet er es als Blasphemie, zu meinen, dass Christus diejenigen, die in einen Orden eintreten, mit besonderer Gnade ausstatte, oder dass sie durch den Ordenseintritt Absolution von Sünden bekämen. (Vgl. Ed. Buddensieg, Bd. 2, 452, Z. 15 ff.) 53 Der Begriff findet sich nicht bei Hilton. 54 De imagine peccati, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 73 f., Z. 14–25. Mit „Zunder“ ist die Geneigtheit zur Sünde gemeint. 55 Für terminologische Klärung vgl. Inciarte/Liske, Materia; Mörschel, Form/Materie. 56 Nicholas Watson schlägt vor, dass Hilton mit dieser Formulierung auf das Chaos vor der Schöpfung anspiele. (Vgl. Watson, Idols and Images, 99.)

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Augustinschen („Überlagerung der imago“, „ungeordnete Liebe“, „ungeordnete Selbstliebe“, „Begierde“) und zisterziensischen Theologie („Jerusalem“ als Chiffre für die vollkommene Demut/Selbstverachtung und Gottesliebe) zum Vorschein. Die Vorstellung vom „Götzenbild“ im Menschen findet sich auch in der Scale of Perfection, wo Hilton sie ausgehend von Hos 12,8 entfaltet: Durch das Gesagte kannst Du die Finsternis des Bildes ein bisschen erkennen; nicht, dass ich es Dir vollständig beschrieben hätte, denn das kann ich nicht. Aber durch die bescheidene Beschreibung vermagst Du bei genauerem Hinsehen mehr zu erkennen. Aber nun sagst Du: „Woher weißt Du, dass ich ein solches Bild, von dem Du sprichst, in mir trage?“ Darauf antworte ich: „Ich halte mich an ein Wort des Propheten, das folgendermaßen lautet: ‚Inveni idolum michi‘, das heißt, ich habe in mir ein falsches Bild entdeckt, das man Götzenbild (mawmet) nennt, das schlimm entstellt ist und das durch das Elend all der Sünden, von denen ich gesprochen habe, und durch die ich in größeres Elend gestürzt bin als ich sagen kann, deformiert ist […]“.57

Die Gedanken, dass der Baustoff (materia) des Götzenbildes der Mensch selbst ist, und dass seine ungeordnete Selbstliebe die Quelle aller Sünden ist, werden ausgeführt, wenn Hilton alle Glieder des „Bildes der Sünde“ – die Glieder sind dabei die Todsünden – von Kopf bis Fuß beschreibt.58 Hilton beginnt oben: Der Kopf sei der Stolz oder Hochmut (superbia)59, er sei eng verbunden mit dem Neid (invidia)60, dem Zorn (ira)61 und der Trägheit (accedia)62. Er wendet sich dann der Körpermitte zu, die mit dem oberen Teil des Körpers durch Selbstliebe verbunden sei: der Bauch sei Begierde (cupiditas)63 und (gula)64. Hilton greift auf das Cassiansche Laster-/Sündenschema zurück, wenn er die superbia zur zentralen Sünde und Wurzelsünde erklärt.65 Er verwendet die Metapher vom Leib mit seinen einzelnen Gliedern auch in der Scale of Perfection, allerdings mit leicht geänderter Zuordnung der Todsünden zu einzelnen Gliedern. Auch hier ist der Stolz der Kopf, die Begierde bildet Rücken und Hinterteil, Neid die Brust, Völlerei den 57 Scale I,84, Ed. Bestul, 125, Z. 2413–126, Z. 2422. Mawmet leitet sich von „Mohammed“ ab; der Begriff zeigt, dass Hilton Mohammed als Götzendiener bzw. den Islam als Götzendienst betrachtet. (Vgl. Ed. Bestul, 125, Anm. zu Z. 2418.) 58 Vgl. De imagine peccati, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 75, Z. 37–98, Z. 458. 59 Vgl. De imagine peccati, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 75, Z. 38–189. 60 Vgl. De imagine peccati, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 83, Z. 190–84, Z. 211. 61 Vgl. De imagine peccati, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 84, Z. 212–85, Z. 236. 62 Vgl. De imagine peccati, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 86, Z. 237–88, Z. 277. 63 Vgl. De imagine peccati. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 88, Z. 283–89, Z. 300. 64 Vgl. De imagine peccati, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 92, Z. 345–93, Z. 375. 65 Die Vorstellung von einer zentralen Sünde oder eines zentralen „Lasters“, aus dem die anderen Laster oder Sünden hervorgehen war eine seit Gregor dem Großen bis ins Spätmittelalter weitverbreitete und gängige Vorstellung. Gregor erarbeitete vor dem Hintergrund der „Lasterpathologie“ des Evragius Ponticus, die von Cassian leicht verändert an den lateinischen Westen vermittelt wurde, eine komplexe „Genealogie der Laster“; bei ihm ist die superbia Wurzel. (Vgl. Schweitzer, Tugend, 5–11, für die geistesgeschichtliche Entwicklung verschiedener Laster-/Sündenmodelle und der ihnen korrespondierenden Tugendmodelle; vgl. auch Tracey, Tugenden und Laster.)

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Bauch, Unzucht die Genitalien, die Trägheit die Füße.66 In der Scale of Perfection bedient sich Hilton auch der verwandten Metapher von der Quelle der Sünde, aus der sich verschiedene Flüsse ergießen, die auch schon in De imagine peccati67 anklingt, hier aber nicht weiter entwickelt wird. Das „Bild der Sünde“ bringe Ströme der Sünden hervor, die aus der Quelle der Selbstliebe herausflössen.68 In der Epistola de leccione, intencione, oracione, meditacione et aliis bestimmt Hilton die Begierde (concupiscencia), das ungeordnete Verlangen nach Geschaffenem, als Quellsünde.69 Hilton verwendet parallel auch das paulinisch anmutende Bild vom Bekleidetsein mit den Todsünden.70 Hiltons Argumentation nimmt eine interessante Wendung beim Versuch, die Vorstellung vom Bild der Sünde mit Augustinus Lehre, dass das Böse an sich nichts sei, sondern lediglich Abwesenheit des Guten (privatio boni), zu verbinden: Das Bild der Sünde sei nichts und nichts anderes als ein Mangel an Liebe (love)

66 Die übertragene Zuordnung von Körperteilen auf die körperlose Seele findet sich schon in Pseudo-Dionysius Areopagitas Die Namen Gottes; vgl. Ed. Suchla, (BGrL 26), 89, Z. 1–12. Karl Pinggéra wird für den freundlichen Hinweis gedankt. 67 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 73, Z. 16–74, Z. 21. 68 Vgl. Scale I,53, Ed. Bestul, 90, Z. 1502–91, Z. 1507. Ein anschauliches Beispiel für die im Vergleich dazu leicht variierte Vorstellung – denn hier sind es Akte oder Zustände, aus denen Tugenden hervorströmen – ist die Handschrift British Library, Ms. Cotton Faustina B VI, 107b [Vol.2] (15. Jh.), die im 17. Jahrhundert fälschlicherweise (so die Auskunft der im Lesesaal in Form von Karteikärtchen zugänglichen Informationen zum Manuskript) Hilton zugeschrieben wurde. Fol. 117r enthält als Illustration des gereimten Lehrgedichtes Desert of Religion eine Abbildung in Baumform: Die Bildunterschrift lautet: „The rote of this that growees here: Dut of hime schotes thire virtues“; der Stamm ist beschriftet mit: „The sevene sacamentes sere: and thaire virtues er springande here“; die Blätter tragen folgende Schriftzüge (links, von oben nach unten): „Bapteme.“, „Confermynge.“, „Penaunce.“, „Communione“. „Anoyntynge.“, „Ordure.“, „Matrimoyne“; (rechts, von oben nach unten): „ffaithe.“, „hope.“, „Charite.“, „Sleghte.“, „Strengthe“, „Rightwisnes.“ „Methfulnes.“ Fol. 128v zeigt ein Herz mit dem Schriftzug „Contemplacione“, aus dem Blätter herauswachsen, die mit „Desire.“, „Drede.“ „Mercy.“, „Hope.“, „Love.“, „Obedience.“ u. a. bezeichnet sind. „Kontemplation“ ist als kontemplative Haltung und Lebensweise verstanden und bezeichnet nicht den Höhepunkt der unio mystica. Diesen umfassenden Gebrauch des Begriffs kennt Hilton gelegentlich ebenfalls. (Zum Komplex der Laster- und Tugendlehre in der spätmittelalterlichen englischen Literatur vgl. Bloomfield, Deadly Sins. Vgl. auch Newhauser, Tugenden und Laster; Newhauser, Vices and Virtues; Schweitzer, Tugend. 69 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 203, Z. 40 ff. 70 Vgl. Scale I,52, Ed. Bestul, 90, Z. 1496–1498: „This ymage […] is al bilappid with blake stynkande clothis of synne, as pride, envie, ire, accidie, glotonye, and leccherie.“ Das Bild vom „Bekleidetsein“ findet sich in der „paulinischen Kombination“ mit der Rede vom „Ausziehen des alten Menschen und Anziehen des neuen“ auch im Zusammenhang mit dem Ordenseintritt. Vgl. auch De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 139, Z. 343–347: „Quid enim aliud est ingressus religionis ex corde puro et deuoto […] nisi deposicio veteris hominis cum actibus suis qui corrumpitur secundum desideria erroris, et induicio noui hominis quasi nouiter reformati ad ymaginem Dei, in firmato proposito sanctitatis et iusticie.“ Für eine ausführliche Untersuchung von Hiltons Bekleidungsmetaphorik in den englischen Werken vgl. Hudson, Imagery in the English Works.

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und Licht (light).71 Das Bild sei aber ein wirkungsvolles Nichts, denn es bringe die Ströme der Sünde hervor.72 Nach Hughes bedient sich Hilton der Vorstellung vom „Bild der Sünde“, um zum Ausdruck zu bringen, dass der Mensch ontologisch nach der Sünde noch gut ist, dass aber die psychische Harmonie gestört ist und der Mensch deshalb zur Sünde neigt.73 M. E. steht eher ein didaktischer Aspekt im Vordergrund. Der Leser soll mit den Sündenschemata zur Analyse seiner Befindlichkeit angeregt werden. Die unterschiedlichen Bilder verwendet Hilton, um dem Leser/ der Leserin die eigene Sündhaftigkeit plastisch vor Augen zu stellen. Die Analyse der Sündhaftigkeit ist bei ihm Teil der Selbsterkenntnis, über die man zur Gotteserkenntnis kommt.74 Eine solche Art „Gewissensspiegel“ findet sich auch in Kap. 1, Abschnitt 3–9 in Bonaventuras De triplici via, allerdings wählt der Franziskaner nicht die Darstellung anhand der klassischen sieben bzw. acht Hauptsünden, sondern macht drei Haltungen als Wurzeln alles Bösen aus: negligentia (Nachlässigkeit im geistlichen Leben), concupiscentia (Begierde), nequitia (Bosheit bzw. Widerwillen gegen das Gute).75 Bei Bonaventura wie Hilton ist die Selbsterkenntnis und die Sündenerkenntnis ein reinigender Akt (purgatio). Erst die Erkenntnis der Sündhaftigkeit ermöglicht, dagegen anzugehen und das „Bild der Sünde“ zu zerschlagen. Watson hat auf die Nähe dieser Vorstellung zur lollardischen Aufforderung zur Zerstörung realer Bilder hingewiesen.76 Hilton fordert seine Leserin an verschiedenen Stellen in Buch I der Scale of Perfection auf, sich das „Bild“ in sich gut anzuschauen. In Kap. 71 hebt er auf den Aspekt der Begierde und der Liebe zu irdischem Besitz ab. Ob sich Begierde (covetousness) im Bild 71 Scale I,53, Ed. Bestul, 91, Z. 1512 f: „This nought is nothynge ellis but a lackynge of love and of light, as synne is not ellis but a wantynge of God“. Augustins bonum ist in Cambridge, University Library, MS Additional 6686, noch erhalten, die Lesart aus London, Lambeth Palace, MS 472, Grundlage für Bestuls Ausgabe, ergibt wenig Sinn. Vgl. dazu auch Übers. Clark/Dorward, 176, Anm. 235. 72 Scale I,55, Ed. Bestul, 93, Z. 1561 f: „Now mai thou grope that this ymage is nought, but is moche of badde; for it is a grete springe of love unto thisilf with sich sevene ryveris as I have seid.“ Übers. Strakosch, 94, weicht von Bestul ab: „Nun kannst Du begreifen, dass dieses Bild nicht Nichts ist, sondern zum Übelsten gehört […]“. Durch das Hinzufügen des „nicht“, wird der Sinn der Aussage völlig verändert. Auch in Kap. 53 und 54 differieren Bestuls mittelenglischer Text und Strakoschs ansonsten sehr präzise und verlässliche Übersetzung auffällig. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass Strakosch ausgehend von London, British Library MS Harl. 6579 übersetzt, während Bestuls Edition die Handschrift London, Lambeth Palace, MS. 472 als Textgrundlage nimmt und im Apparat Varianten aus Cambridge, University Library, MS. Additional 6686 verzeichnet. Die Frage, welche Lesart die ursprüngliche ist, muss offen bleiben, bis die kritische EETS-Ausgabe, die alle Manuskripte berücksichtigt, Klarheit schafft. 73 Vgl. Alfred Hughes, Direction, 51 f. 74 „But thou shalt, yif thou wolt, bigynne a newe travaile, and that is for to entre into thyn owen soule bi meditacion, for to knowe what it is, and bi the knowynge therof for to come to the goostli knowynge of God. For as Seynt Austyn saith: ‚Bi the knowynge of mysilf, I schalle gete the knowing of God.‘ “ (Scale I,40, Ed. Bestul, 74, Z. 1063–1066.) 75 Vgl. Schlosser, Einleitung, 42–45. 76 Vgl. Watson, Idols and Images, 104 f. Vgl. auch Uselmann, Reading, 346 f.

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finde, sei daran erkennbar, dass Besitztum zur alleinigen „Nahrung des Herzens“ geworden sei, oder dass das Verlangen nach einer Sache so groß sei, dass es das Verlangen nach Gott verdränge. Traurigkeit oder Ärger über den Verlust einer Sache sei ein sicheres Zeichen für die Liebe zu weltlichen Dingen. Die Traurigkeit wegen des Verlustes einer Sache entspreche der Liebe, die man für sie empfand, als man sie noch besessen habe. Mehr zu besitzen und mehr zu lieben als man vernünftigerweise brauche, sei ein großer Fehler. Das zu besitzen, was man von Natur aus brauche, und es auch zu lieben, sei ein vergleichsweise kleiner Fehler. Etwas zu besitzen, das man brauche, es aber nicht zu lieben, sei kein Fehler.77 Hier steht ganz klar Augustins Konzept von uti und frui im Hintergrund.78 Da die Reklusin durch die Wahl ihrer Lebensweise der Welt entsagt hat, sei die Liebe zu weltlichen Dingen bei ihr schlimmer als bei einem weltlich lebenden Menschen, der dergleichen nie versprochen habe. Für alle Menschen unabhängig vom religiösen Stand gelte, dass reine Liebe und klare Schau geistlicher Dinge unmöglich sei, solange die affectio durch die Liebe zu einem irdischen Ding gebunden sei.79 Hiltons Gewährsmann für diesen Gedanken ist wieder Augustinus.80 Hilton betont, dass die Liebe zu irdischen Dingen den Menschen nicht ganz aus der caritas reiße, es sei denn sie sei so stark, dass sie die Liebe zu Gott und die Liebe zum Mitmenschen ersticke. In jedem Fall stelle die Liebe zu Irdischem eine Beeinträchtigung dar. Sie halte von „glühender caritas“ ab und verhindere, dass man in der himmlischen Seligkeit den „Sonderlohn“ erhalte, der für vollkommene Armut vorgesehen sei.81 Hier handelt es sich um eine der wenigen Stellen in denen Hilton auf die in der franziskanischen Tradition so wichtige Armutsvorstellung eingeht. Bei den Franziskanern ist Vollkommenheit an vollkommene Demut gebunden, die in eins fällt mit vollkommener Armut in der Nachfolge Christi. Die Vorstellung vom „Sonderlohn“ findet sich auch in De utilitate et prerogativis religionis. Dort spricht Hilton allen Ordensleuten ein premium speciale im Himmel zu, das über den Lohn, der allen zum Heil Erwählten zukommt, die caritas, noch hinausgeht. Der Sonderlohn, der für opera supererrogationis verteilt werde, bestehe in der 77 „For to love and for to have more thanne thee nedeth skilfulli, it is a grete defaute. Also for to love that thing that thee nedith is defaute, but not so greet; but for to have and use that thee nedeth withoutin love it is no defaute.“ (Scale I,71, Ed. Bestul, 112, Z. 2073–2076.) 78 S. o. unter 3.2.2, S. 110–112. 79 „But oo thynge I seie to eche man and woman whiche hath take the staat of poverté wilfulli, whethir he be religious or seculer, or what degree he be inne: As longe as his affeccioun is bounden, festened, and as it were glewid with the love of ony othir ertheli thynge that he hath or ellis wolde have, he mai not have ne feele soothfastili the clene love and the cleer sight of goostli thyngis.“ (Scale I,71, Ed. Bestul, 112, Z. 2079–2083.) 80 „For as Seynt Austyn seith to oure Lord thus: ‚Lord, he loveth Thee but litil, that loveth ony thynge with Thee.‘ For the more love and coveitise of ony ertheli thinge is in thee, the lasse is the love of God in thyn herte.“ (Scale I,71, Ed. Bestul, 113, Z. 2084–2086.) 81 „For though it be soo that this love of ertheli thinge putte hem not oute of charité, but it be so moche that it strangle the love of God and of here even Cristen, sothely it hyndreth hem and letteth thee from the fervour of charité, and also from that spezial meede that thei schulde have in the blisse of hevene for perfight poverté.“ (Scale I,71, Ed. Bestul. 113, Z. 2086– 2090.)

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Aureole.82 Die Vorstellung vom Sonderlohn befremdet aus heutiger Sicht, denn was kann es Größeres als die caritas geben? Sie ist im Mittelalter aber in unterschiedlichen Ausgestaltungen allgemein verbreitet;83 die Übereinstimmung und Nähe zu Gott im Himmel hat demnach Abstufungen. Hilton gesteht im Zusammenhang mit dem Gedanken der „vollkommenen Armut“, dass es ihm nicht gelingt, selbst zu leben, wozu er die Reklusin ermutigt. Es wird deutlich, dass Hilton davon ausgeht, dass nur der die Gottes- und Nächstenliebe recht üben kann, der von Gottes Gnade dazu befähigt ist, und dass sie nichts sind, das der Mensch aus eigener Kraft und Willensanstrengung schaffen kann. Hilton hofft, über die Reklusin oder eine andere Person, seine Vorstellung Realität werden zu sehen. Er wünscht wohl auch, über die Verbindung zu seinem Werk, das der mit mehr Gnadenausrüstung als er selbst versehenen Person Wegweisung gibt, an deren Verdiensten teilzuhaben.84 Wer mit der Erwartung an Hiltons Werke herantritt, dort präzise Überlegungen zum Verhältnis von Natur und Gnade, in die Terminologie von imago und similitudo gekleidet, zu finden, wird enttäuscht. Alfred Hughes’ Beobachtung, dass die imago Dei für Hilton als Ausgangspunkt und Zielpunkt der menschlichen Vollkommenheit wichtig ist, er aber kein Interesse daran hat, Feinheiten der Gnadenlehre zu entfalten, ist uneingeschränkt zuzustimmen.85 Hilton verwendet die Begriffe imago und similitudo nicht konsequent, und trennt sie nicht sauber voneinander. Imago Dei scheint der Oberbegriff für das gesamte Problemfeld imago/similitudo zu sein.86 Die Wiederherstellung der ymage und liknesse Gottes ist für Hilton nach dem Sündenfall erst wieder durch Christi Tod möglich geworden. Voraussetzung ist Genugtuung nach dem Modell Anselms von Canterbury. Hilton übernimmt in Buch II, Kap. 2 der Scale of Perfection Anselms in Cur deus homo87 entwickelte 82 Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 142–145, Z. 408–449. 83 Vgl. Wicky, Seligkeit, 298–325. 84 „I speke ferthere thanne y can do, but I pray thee throrugh the grace of God, doo soo yif thou mai, or ony othir whoso wole; for that were a comfort to me, that though y mai not have it in mysilf as I seie, that I myght have it in thee, or in ony othir creature whiche hath receyved of oure Lord more plenté of His grace thanne y.“ (Scale I,71, Ed. Bestul, 113, Z. 2094– 2097.) „It“ wird in meiner Interpretation auf die vollkommene, verdienstvolle Gottes- und Nächstenliebe bezogen. Vgl. auch Scale I,40, Ed. Bestul, 74, Z. 1068 f, wo Hilton betont, dass Selbsterkenntnis nicht der Weg für alle sei. Gott verteile verschiedene Gaben, nur die charité bekämen alle: „[…O]ure Lord gyveth sundri giftes whereso He wole, not oon man al, ne alle men oon, outaken charité whiche is comyn to alle.“ 85 Vgl. Alfred Hughes, Direction, 42 f. 86 Die folgende Passage illustriert, dass Hilton in der Begrifflichkeit springt: „The soule of a childe that is born and is uncristened, bicause of the origynal synne hath no liknesse of God; he is no but an image of the feend and a brond of helle. But as soone as it is cristened, it is reformed to the ymage of God, and thorugh vertu of feith of Holi Chirche sodeynli is turned fro the liknes of the feend and maad like to an angel of hevene.“ (Scale II,6, Ed. Bestul, 143, Z. 236–241; vgl. auch Scale II,7, Ed. Bestul, 144, Z. 257–259; Scale II,7, Ed. Bestul, 146, Z. 316 f; Scale II,8, Ed. Bestul, 147, Z. 322–333.) 87 Das Werk ist für Hiltons Lebzeiten für die Augustiner-Chorherren-Bibliothek in Lanthony Secunda belegt. S.o., S. 145 f, für Bonaventuras Verarbeitung der Anselmschen Satisfaktionslehre, von der Hilton nicht beeinflusst ist.

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Satisfaktionslehre in allen wesentlichen Punkten, allerdings spitzt er sie auf die Ebenbildproblematik zu.88 Das zeigt sich, wenn er die Situation der Menschen vor Christus darstellt, die selbst, wenn sie Gott vollkommen liebten, die Schuld Adams nicht würden tilgen können, um damit selbst die Reform des Ebenbildes zu bewirken.89 Auch mit seiner Schlussfolgerung, dass durch den freiwilligen Tod des sündlosen Gott-Menschen Christus die Seele wieder zur ursprünglichen similitudo rückgestaltet werden könne, und so die himmlische Herrlichkeit wieder für die Seele zugänglich sei, wandelt Hilton die Vorlage ab; dieser Gedanke findet sich bei Anselm nicht: Als dann unser Herr Jesus, Gott und Mensch, für die Errettung der menschlichen Seele starb, war es gerecht, dass die Sünde vergeben werden konnte und die Seele des Menschen, die sein Bild war, wiederhergestellt und zur ursprünglichen Ähnlichkeit und zur himmlischen Herrlichkeit rückgestaltet werden konnte.90

Jedoch werden nach Hilton nicht alle Menschen rückgestaltet/wiederhergestellt. Bedingung für den Prozess des reformynge ist Vertrauen in und Glaube an (trouthe) die Macht der Passion Christi und Liebe (love) zur Passion. Auf diese Weise seien Juden, Muslime und Heiden (Jewis, Sarcenys, paynemes)91 ausgeschlossen. Ebenfalls ausgeschlossen seien alle „falschen“ Christen, die zwar das Glaubensbekenntnis sprechen, aber nicht wirklich von dessen Inhalt überzeugt sind und deshalb ihr Leben lang im Stand der Todsünde verharren. Nach dem Tod werde die Situation für die „falschen“ Christen schlimmer sein als für Juden, Heiden und Muslime, denn sie hätten es besser wissen können.92 Diese Überlegungen zur Wiederherstellung der Gottebenbildlichkeit und Gottähnlichkeit Andersgläubiger fehlen in den untersuchten Quellen aus dem 12. Jahrhundert, obwohl sie dort, besonders in den zisterziensischen, eher zu vermuten wären als bei einem englischen Autoren aus dem 14. Jahrhundert. Hilton kommt es in seiner Darstellung m. E. gar nicht so sehr auf das Schicksal der Juden, Muslime und Heiden an, sondern vielmehr darauf zu zeigen, dass an Christus und der Liebe zu ihm kein Weg vorbeiführt. Die „Liebe zur Passion“ versteht Hilton in einem abstrakt-nüchternen Sinn als Liebe zur Heilstat Christi. Er ist mit der 88 Vgl. Ed. Bestul, 135, Z. 33–137, Z. 95. Schon in Scale I,40, Ed. Bestul, 78, Z. 1183–1187 schimmert Anselms Satisfaktionslehre als Hintergrund durch. 89 Vgl. Scale II,2, Ed. Bestul, 136, Z. 46–53: „For what good dede that man myght doon in bodi or in soule, it was but his dette. For everi man oweth, as the Gospel seith, for to love God with al his herte and al his soule and alle his myghtes; and betere myght he not doo than this. And neverthelees this deede sufficed not to the reformynge of mankynde, ne this myght not he doon but yif he hadde first be reformed. Than nedid it that yif mannys soule schulde be reformed and the trespaas maad good, that oure Lord God Hymsilf schulde reforme this image and make amendis for this trespaas, syn that no man myght.“ 90 Scale II,2, Ed. Bestul, 137, Z. 80–83: „Thanne siththe oure Lord Jhesu, God and man, diede thus for savacion of mannys soule, it was rightful that synne schulde be forgyven and mannys soule, that was His image, schulde mow be reformyd and restorid to the first likenesse and to the blisse of hevene.“ 91 Vgl. Scale II,3, Ed. Bestul, 138, Z. 99–105; 139, Z. 123–134. 92 Vgl. Scale II,3, Ed. Bestul, 139, Z. 134–140, Z. 144.

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Passionsfrömmigkeit seiner Zeit vertraut, ist selbst aber zurückhaltend, wie später im Vergleich mit Juliana von Norwich deutlich werden wird.93 Hilton entwickelt in der Scale of Perfection ein dreiteiliges Modell der Rückgestaltung/Wiederherstellung (reformynge). Er unterscheidet Wiederherstellung im Glauben (reformynge in feith), Wiederherstellung im Glauben und Erfahren (reformynge in feith and feelynge) und Wiederherstellung im Erfahren (reformynge in feelynge). Zur Rückgestaltung sind bei Hilton jeweils unterschiedliche Formen der Gnade erforderlich, und sie ist auch üblicherweise nur bestimmten Personengruppen zugänglich: Rückgestaltung im Glauben (reformynge in feith) ist für alle Erwählten vorgesehen, sie wird in Taufe und Beichte vermittelt, allgemeine Gnade (comoune grace) ist dafür ausreichend.94 Hilton vertritt eine deklaratorische Sicht des Bußsakramentes:95 Am Anfang des Prozesses steht eine durch Gnade bewirkte Willensänderung des Sünders. Wenn der Mensch, der die Ähnlichkeit mit Gott durch die Todsünde verloren hat, von der Gnade berührt von der Sünde ablässt, Schmerz und Reue über seine Sünde empfindet, sich Gott und dem guten Lebenswandel zuwendet und in diesem Zustand das Bußsakrament empfangen will oder nur willens ist, es wenn möglich zu empfangen, wird er zum Bild des Herrn rückgestaltet und neu geformt.96 Gott verlange nur, was er auch selbst schenke, eine Veränderung des Willens, von der Liebe zur Sünde weg hin zur Liebe zu Gott. Sobald diese Voraussetzung erfüllt sei, sei die Sünde vergeben.97 Die Wiedergutmachung stehe dann noch aus; deshalb sei der Besuch beim Priester sinnvoll, der eine Buße auferlege, damit sich der Pönitent auch der Sündenschuld entledigen könne. Hilton stellt weitere Aspekte des Bußsakramentes heraus, um den Sinn darzulegen: In der Lossprechung durch den Priester werde dem Beichtenden offiziell „bescheinigt“, dass Gott Vergebung gewährt habe. Sie stelle damit eine Sicherheit für den Beichtenden selbst dar und helfe ihm, sich nach außen gegen irdische Feinde abzusichern. Weiter fördere Beichten die Reue und beschleunige damit das Sich-Abwenden von der Sünde. Außerdem fühle man durch das Beichten die Gnade eher als ohne Sakrament.98 Entscheidend, um durch die Buße zur „Wiederherstellung/Rückgestaltung im Glauben“ zu gelangen, sei nicht das Bußsakrament an sich, sondern die Haltung, mit der man es empfange. Furcht vor den Mitmenschen oder Scham gegenüber dem Nächsten reiche als Motivation nicht aus. Gefordert sei Liebe (love) zu Gott, Liebe zur Tugend und Reinheit. Denn 93 S. u. im Teil 5, S. 193 f. 94 Vgl. auch Scale II,6, Ed. Bestul, 143, Z. 230–144, Z. 249 zu den Sakramenten Taufe und Buße. Die Taufe tilge die Erbsünde, während die Beichte bei Tatsünden greife; vgl. auch den lateinischen Traktat De utilitate et pregogativis religionis, wo der Ordenseintritt als „zweite Taufe“ gilt, die alle Sünden tilge (Vgl. Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 139, Z. 347 ff.) 95 Vgl. Scale II,7, Bestul, 146, Z. 314–317: „[…T]he sacrament of penaunce, that principali standeth in contricioun and sorwe of herte, and secundarili in schrift of mouth folwande aftir, yif it mai be had.“ 96 „[…] restored and schapen ageyn to the image of oure Lord God.“ (Scale II,7, Bestul, 144, Z. 259.) Mit dem Begriff der „Neuformung“ knüpft Hilton an Augustinus an, der von resculpare spricht. S. o. unter 3.2.1. 97 S. o. S. 45, Anm. 204 für die traditionsgeschichtliche Anknüpfung. 98 Vgl. Scale II,7, Ed. Bestul, 144, Z. 252–146, Z. 317.

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sonst sei der Glaube tot und ohne Wirkung.99 Der nur im Glauben wiederhergestellte Mensch vertraue nach dem Bußsakrament auf die Zusage der Kirche, dass seine Sünde vergeben und die Sündenstrafe abgeleistet sei, bemerke sonst aber nicht notwendigerweise Veränderung an sich. Er spüre weiterhin Regungen der Sünde und fleischlichen Begierden, dürfe ihnen nun aber nicht mehr willentlich zustimmen. Die Kirche bitte anstelle der Gläubigen, die nicht mit glühender Andacht oder brennender Liebe in Kontemplation100 mit Gott kommunizieren können, und darin sei die Kirche wie die bittende Witwe aus Mt 15, die für ihre Tochter eintritt, und deren Glaube zur Gesundung der Tochter führt.101 In Anlehnung an Paulus – Hilton zitiert Gal 5,7; Röm 7,23; Röm 7,25; Röm 7,19 f – spricht Hilton von einem doppelten Bild (duble image) im Menschen, der nur im Glauben rückgestaltet ist. Das Bild der Sünde und das zur liknesse Gottes rückgestaltete Bild stritten im Menschen. Der Mensch habe in seiner Seele nämlich zwei Gesetze, das Gesetz des Geistes (lawe of the spirit) – die Vernunft der Seele (resoun of the soule), die zur imago Gottes rückgestaltet sei – und das Gesetz der Sinnlichkeit (sensualité), die Hilton hier mit dem „Bild der Sünde“ (ymage of synne) identifiziert. Im Willen und der Vernunft, diene der Mensch dem Gesetz Gottes, mit dem fleischlichen Streben (appetite) dem Gesetz der Sünde.102 Für die Rückgestaltung im Glauben und Erfahren bedarf es nach Hilton „besonderer Gnade“ (special grace). Jeder Mensch, der zur Rückgestaltung im Erfahren (reformynge in feelynge) kommen wolle, brauche ein reines Herz, das er nach Hilton dadurch bekommt, dass er den Kampf gegen die Kapitalsünden aufnimmt und gleichzeitig versucht, Tugenden an ihre Stelle treten zu lassen. Das geschehe bei jedem Menschen auf andere Weise, je nach Disposition. Hilton nennt Gebet, Meditation, Ertragen von Kälte und Verachtung, Hungern, Dürsten u.ä. Das Wesentliche seien aber nicht die unterschiedlichen menschlichen Versuche, sondern die unverfügbare Gnade Jesu.103 Jesus wisse, wer welcher „Medizin“ bedürfe. Gäbe es nur ein Werk, durch das alle Menschen zur vollkommenen Liebe Gottes (perfighte love of God) kommen könnten, dann meinten die Menschen am Ende noch, die Liebe Gottes sei ihr eigenes Werk und Verdienst.104 Gott berechenbar zum Lohn zu haben, ist aber für Menschen nach Hilton grundsätzlich unmöglich. Andererseits 99 Vgl. Scale II,10, Ed. Bestul, 150 f, Z. 423–430. In diesem Absatz arbeitet Hilton in versteckter Weise – und so für den Leser fast nicht merklich – mit der Vorstellung von den drei theologischen Tugenden Glaube, Liebe und Hoffnung. Die drei theologischen Tugenden, die z. B. bei Thomas von Aquin in der Summa eine zentrale Stellung einnehmen, spielen bei Hilton abgesehen von dieser Reminiszenz keine Rolle; der Schwerpunkt liegt für Hilton auf dem klassischen, auf Gregor den Großen zurückgehenden Laster- bzw. Todsünden-Schema. 100 „[…] bi fervour of devocioun ne brennande love in contemplacion […]“. (Scale II,10, Ed. Bestul, 152, Z. 457.) 101 Vgl. Scale II,10, Ed. Bestul, 151 f, Z. 450–463. 102 Vgl. Scale II,11, Ed. Bestul, 153 f, Z. 485–516. 103 „And so it semeth that there is no special traveile ne certeyn dede thorugh the whiche oonli a soule myghte come to that grace, but principali thorugh grace of oure Lord Jhesu Crist, and bi many deedis and grete in al that he mai doon, and yit al is litil ynowgh.“ (Scale II,20, Ed. Bestul, 172, Z. 1015–1018.) 104 Vgl. Scale II,20, Ed. Bestul, 172, Z. 1019–1030.

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ist Hilton überzeugt, dass Jesus vollkommene Liebe nur demjenigen schenkt, der sich mit aller Kraft darum bemüht oder den festen Willen dazu hat.105 Für ihn müssen göttliche Gnade und durch Gnade ermöglichte menschliche Anstrengung zusammen kommen, damit die Seele zur Rückgestaltung im Erfahren kommt, die in der vollkommenen Gottesliebe besteht: And soo it seemeth that neithir grace oonli withouten ful wirkynge of a soule that in it is, ne wirkynge aloone withouten grace, bryngeth not a soule to reformynge in feelynge, the whiche reformynge stondeth in perfite love and charité. But that oon joyned with that othir – that is, grace joined to werke – bryngeth into a soule the blissid feelynge of perfite love, the whiche grace may not resten fulli but on a meke soule that is ful of dreede of God.106

Wer sich gar nicht erst anstrenge, weil er denke, dass die Gottesliebe ohnehin ein Geschenk sei, werde sie nie bekommen, denn er wende sich freiwillig der Nichtigkeit der Fleischlichkeit zu und mache sich damit unfähig, das Geschenk der Gnade der Gottesliebe zu empfangen.107 Ganz wesentlich ist für Hilton der Aspekt der Demut (mekenesse; meke im obigen Zitat ist das dazugehörige Adjektiv). Solange der Mensch noch irgendwie an seinen eigenen Werken festhalte, sei er noch nicht demütig und habe keine Aussicht auf Gnade und Gottesliebe. Hilton unterscheidet vollkommene und unvollkommene Demut. Unvollkommene Demut, das heißt allein „Demut im Willen“, reiche zum Heil. Vollkommene Demut werde affektiv erfahren.108 Derjenige sei demütig, der sich selbst wahrhaft erkenne und erfahre.109 Vollkommen demütig sei der Mensch, wenn er durch Gnade in der Lage sei, sich selbst zu „nichten“110, und er alle guten Werke Jesus anrechne und nicht sich selbst.111 Die im Glauben und Erfahren rückgestaltete Seele könne für eine gewisse Zeit aus ihrer Sinnlichkeit (sensualité) und ihrem fleischlichen Erfahren (fleischli feelynge) herausgenommen werden. Die gratia specialis öffne das geistliche Auge des Menschen, so dass er plötzlich anders „erfahre“ und „empfinde“ (feele): Die 105 Vgl. Scale II,20, Ed. Bestul, 173, Z. 1030–1043. 106 Scale II,20, Ed. Bestul, 173; Z. 1044–1049. Für die Vorherrschaft der Gnade gegenüber dem aber doch erforderlichen Mitwirken des Menschen vgl. auch Scale II,28, Ed. Bestul, 199, Z. 1777–1791: „[…] For He dooth al; He formeth and He reformeth. He formeth oonli bi Hymsilf, but he reformeth us with us; for grace goven, and appliynge of oure will to grace, werketh al this […].“ (Vgl. Übers. Clark/Dorward, 314, Anm. 189, wo Clark darauf hinweist, dass Hilton hier Augustinus, s. 169,13 als Vorlage hat.) 107 Vgl. Scale II,20, Ed. Bestul, 174 f, Z. 1077–1093. 108 „Yif thou have mekenesse unperfightli, oonli in thi wille not in thyn affeccion, than schalt thou have unperfight charité. This is good, for it sufficeth to savacioun […]. But yif thou have mekenesse perfightli, than thou schalt have perfight charité, and that is the beste.“ (Scale I,68, Ed. Bestul, 108, Z. 1952–1956.) 109 Vgl. Scale I,68, Ed. Bestul, 108, Z. 1957–1959: „Than yif thou aske me who is perfightly meke, thou schalt no more have at this tyme of me of mekenesse but this: he is meke that soothfastli knoweth and felith himsilf as he is.“ 110 „And soothli, until a soule can felabli thorugh grace noughten himsilf, and baaren himsilf from al the good that he doth thorugh biholdynge of soothfastnesse of Jhesu God, he is not perfighteli meke.“ (Scale II,1, Ed. Bestul, 174; Z. 1060–1062.) 111 Vgl. Scale II,20, Ed. Bestul, 174, Z. 1063–1076.

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gratia specialis „reiße“ den Menschen aus der äußeren, weltlichen Liebe in „das Geheimnis der geistlichen Liebe“ hinein, formuliert Hilton die Erfahrung des raptus.112 Auch wenn Hilton comoune grace und special grace unterscheidet, betont er, dass es immer dieselbe Gnade sei, die dem Menschen begegne, nur werde sie von einem Anfänger, der erst mit der Umkehr zu Gott beginne, anders empfunden als von einem Fortgeschrittenen oder einem Vollkommenen. Die Gnade wachse mit der Seele und die Seele mit der Gnade.113 Für Hilton steht außer Frage, dass sich der Mensch auf Erden zumindest um eine teilweise Rückgestaltung/Wiederherstellung (reformynge) bemühen muss. Er geht davon aus, dass auf alle, die die Chance auf teilweise Wiederherstellung auf Erden nicht ergriffen haben, die die Voraussetzung für die Vervollkommnung im Himmel ist, nach dem Tod ewige Verdammnis wartet. Es spielt seiner Auffassung nach keine Rolle, wie erfolgreich das „kontemplative Leben“ des Menschen auf Erden ist, denn unabhängig davon erwerbe sich der Mensch durch sein Bemühen eine Anwartschaft für die Kontemplation im ewigen Leben. Hilton bezieht sich in seinen Ausführungen auf die Maria-Martha Perikope aus Lk 10,42, nach deren Aussage Maria den besseren Teil erwählt hat, der ihr nicht weggenommen werden wird. Hilton untermauert seinen Gedankengang dadurch, dass er die neutestamentliche Belegstelle mit einer allegorischen Auslegung einer alttestamentlichen Textstelle, Dtn 11,24, verknüpft; mit der Betonung des desire greift Hilton dabei ein franziskanisches Motiv auf: Denn als unser Herr die Kinder Israels ins verheißene Land führte, verhieß Er ihnen – und in ihnen als Gleichnis allen Christen –: Omnis locus, quem calcaverit pes tuus, tuus erit. Das heißt: Alles Land, auf das du deinen Fuß der wahren Sehnsucht [verrey desire] setzen kannst, soll dein sein im verheißenen Land, also in der himmlischen Seligkeit, wenn du hinübergelangst.114

Die Rückgestaltung im Erfahren (reformyne in feelynge) ist nach Hilton erst für die himmlische Herrlichkeit zu erwarten, wenn der schöpfungsmäßige Urzustand wiederhergestellt und sogar noch übertroffen wird; darin folgt er Augustinus. Einst in der himmlischen Herrlichkeit, so Hilton, werde die Seele Gott in allen Seelenkräften (myghtis) ganz und in Fülle haben, ohne Beimischung einer anderen affeccion, die ihn anderswohin ziehe. Reformynge in feelynge heißt die Wiederherstellung deshalb, weil die inneren Sinne (und in Abhängigkeit von ihnen auch die äußeren) wieder ganz auf Gott eingestellt sind und nichts anderes erfahren als ihn. Mit dem Begriff „Erfahren“ erfasst Hilton – wie die Zisterzienser des 12. Jahrhunderts mit sensus bzw. experientia – den Menschen in der Gesamtheit seines Gottes- und Weltbezuges. Diese Vorstellung veranlasst 112 Vgl. Scale II,40, Ed. Bestul, 239, Z. 2962–2965. 113 „This tastynge of manna is a liyfli feelynge of grace, had thorugh openynge of the goostli iye. And this grace is not anothir grace than a chosen soule feelith in the bygynynge of his conversioun; but it is the same and selve grace, but it is othirwise schewid and feelid in a soule. For whi, grace wexeth with the soule and the soule wexeth with grace […].“ (Scale II,40, Ed. Bestul, 240, Z. 2974–2977.) 114 Scale I,45, Ed. Bestul, 83, Z. 1301–1305, Übers. Strakosch, 81 f.

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ihn zu der Unterscheidung in „volle Wiederherstellung“ (reformynge in fulnesse) und „teilweise Wiederherstellung“ (reformynge in partie). Letztere ist in Buch II der Scale of Perfection maßgeblich; eingeführt wird die Unterscheidung dort in Kap. 4.115 Beim reformynge in feith und reformynge in feith und feelynge handelt es sich um eine „teilweise Wiederherstellung“, erst das reformynge in feelynge bringe Wiederherstellung in Fülle und das versprochene „Mehr“. Hilton setzt sich mit der Frage auseinander, warum Gott mit der vollen Rückgestaltung der menschlichen Seele bis zum Jüngsten Tag warte. Gott habe eine bestimmte Anzahl von Seelen zum Heil vorherbestimmt. Hätte er gleich nach der Passion Christi „abgerechnet“, hätte er seine Zahl nicht vollbekommen, weil die erwählten Seelen der Zukunft gefehlt hätten.116 Zum anderen argumentiert Hilton mit dem freien Willen. Durch die Verzögerung wiederhole Gott die Situation, in der sich der Mensch frei für ihn entscheiden könne.117 Hilton illustriert die dreifache Rückgestaltung durch eine Erzählung: Drei Menschen schauen in die Sonne, der eine ist blind, der andere hat die Augen geschlossen und der dritte hat sie geöffnet. Der Blinde, der die Sonne nicht sieht, aber den Berichten der Mitmenschen, dass die Sonne scheine, traue, stehe für den nur im Glauben rückgestalteten Menschen, der sich in seinem Verhältnis zu Gott auf die Zusage der Kirche verlasse. Der Mensch, der die Sonne als starkes Licht durch die geschlossenen Lieder wahrnimmt, entspreche dem im Glauben und Erfahren rückgestalteten Menschen. Der dritte, der die Sonne offenen Auges sieht, entspreche dem im Erfahren voll rückgestalteten Menschen, der Gott in der visio beatifica von Angesicht zu Angesicht schaut.118 Die Hiltonsche Erzählung von den drei Menschen in der Sonne erinnert an Bernhards Sonnengleichnis, nach dem Gott nur von einem erleuchteten Menschen (illuminatus) geschaut werden kann.119 Hilton beschreibt die Schau bis zur Stufe der „Rückgestaltung im Glauben und Erfahren“. Wenn das geistliche Auge geöffnet werde, erhalte der Mensch Einblick in „die Natur der vernünftigen Seelen und das Wirken des Herrn Jesus in den vernünftigen Seelen, die Natur der seligen wie der gefallenen und verworfenen Engel […] und die Trinität“120. Die Seele schaue die trinitarischen Geheimnisse, wie sie in der Kirche gelehrt würden. In der Kontemplation geht es nach Hilton also nicht um Sonderoffenbarungen, sondern der Mensch gelangt zur Einsicht in theologische Sachverhalte, die ihm auch über die Lehre der Kirche zugänglich sind.121 115 Vgl. Ed. Bestul, 140, Z. 151–141, Z. 181. 116 Vgl. Scale II,4, Ed. Bestul, 141 f; Z. 182–200. 117 Vgl. Scale II,4, Ed. Bestul, 142, Z. 200–206. 118 Vgl. Scale II,32, Ed. Bestul, 213, Z. 2185–214, Z. 2209. 119 S. o. unter 3.2.2.5, S. 124 f. 120 Vgl. Scale II,45, Ed. Bestul, 257, Z. 3463–3466. Dass Kontemplation die Einsicht in trinitarische Geheimnisse bringt, stellt auch Richard von St. Viktor in Benjamin minor heraus. (S. o. unter 3.6.1, S. 138.) 121 Vgl. Scale II,46, Ed. Bestul, 260, Z. 3553–3559: „Thanne is it opened soothfastli to the iye of the soule the oonheed in substaunce and distinccioun of persones in the blissed Trinité, as it may be seen here, and moche othir soothfastnesse of the blissid Trinité pertynent to this matier, the whiche is openli declared and schewed bi writyng of holy doctouris of Hooli Chirche. And wite thou weel that the same and the self soothfastnesse of the blisside Trinité

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In der Kontemplation vollzieht sich also eine persönliche Aneignung des vorher aufgrund kirchlicher Autorität Geglaubten. Mit seinem dreiteiligen Modell des reformynge steht Hilton Wilhelm von SaintThierry nahe, der in seiner Epistola ad fratres de Monte Dei drei Stufen des Fortschritts unterscheidet: status animalis, status rationalis und status perfectionis. Bei Wilhelm steht der vollkommene Gehorsam, gefolgt von Unterwerfung und Dienstbarmachung des Körpers an erster Stelle. So kann der Kartäusernovize vom homo animalis zum homo rationalis werden. Hilton hat in Buch II der Scale of Perfection, wo er das dreiteilige Wiederherstellungsmodell ausführlich darlegt, ein anderes Publikum im Blick: Reklusinnen, Männer und Frauen, die ein kontemplatives Leben führen, und wohl auch schon einen nicht rein kontemplativ lebenden Leserkreis. So nimmt er die allen Christen zugänglichen Sakramente Taufe und Buße zum Ausgangspunkt, der Gehorsam – bei Wilhelm der Gehorsam gegenüber dem Abt – wird zum Glaubensgehorsam gegenüber der Kirche. Auf das selbstständige theologische Mitdenken, das bei Wilhelm Stufe zwei charakterisiert, legt Hilton weniger Wert. Er unterschlägt es in seinem Modell vielleicht sogar bewußt, weil er die theologischen Laien nicht der Gefahr oder dem Verdacht der häretischen Entwicklung aussetzen wollte. Auch das Bedürfnis nach Selbstschutz könnte eine Rolle gespielt haben. Für Hilton ist wesentlich, dass der Mensch auf der Stufe des reformynge in feelynge über das bloße Urteil der Vernunft hinauswächst. Das menschliche Erfahren erfährt durch das reformynge eine Erweiterung. Der Mensch erfasst nun die Wahrheit der Offenbarung rational und emotional, wobei die emotionale Seite die wesentlichere ist. Der Stufe der homines perfecti bei Wilhelm entspricht bei Hilton die Stufe des in feith and feelynge reformierten Menschen, der im raptus zu Gott gerissen wird, ihn schaut und ihm gleichgestaltet wird.

4.2 Gottesliebe (caritas/charité, amor Dei/love of God) Hilton stellt in der Scale of Perfection drei Arten der Gottesliebe vor, die mit der dreigliedrigen Rückgestaltung korrespondieren. Sie alle seien gut, aber unterschiedlich gut. Die erste Art der Liebe komme durch den Glauben, sie sei ohne gnadenhafte Vorstellungskraft oder geistliche Gotteserkenntnis. Diese Liebe habe jede Seele, die im Glauben rückgestaltet ist und auf der niedrigsten Stufe der charité steht. Diese Liebe bezeichnet Hilton als gut, denn sie reiche für das Heil der Seele.122 Die zweite Art der Liebe erfahre/empfinde (feeleth) die Seele durch den Glauben und dadurch, dass sie sich Jesus in seiner Menschheit vorstelle. Diese zweite Art der Liebe sei besser, denn wenn die Vorstellungskraft von der Gnade berührt werde, öffne sich das geistliche Auge [der Seele] bei der Betrachtung der that thise hooli doctours, enspired thorugh grace, writen in her bookes in strengthynge of oure trouthe, a clene soule mai seen and knowen thorugh the self light of grace.“ 122 „The first cometh oonli with feith, withouten gracious imaginacioun or goostli knowynge of God. This love is in the leste soule that is reformed in feith, in the lowest degree of charité; and it is good, for it sufficeth to savacioun.“ (Scale II,30, Ed. Bestul, 206, Z. 1980– 1982.)

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Menschheit Jesu.123 Aber es bestehe noch ein großer Abstand zwischen dieser zweiten Art der Gottesliebe (love of God) und der dritten. Die dritte Art der Liebe sei die, die eine Seele durch geistliche Schau der Gottheit in der Menschheit empfinde, soweit diese Schau auf Erden stattfinden könne. Das sei die beste und wertvollste Art der Liebe, die vollkommene Liebe, die nur ein Mensch erfahren könne, der im Erfahren rückgestaltet sei. Diese Art der Liebe verschließe sich Anfängern und Fortgeschritten.124 Dass das Schauen der „Gottheit in der Menschheit Jesu“ höher gewichtet wird als das Schauen der „Menschheit Jesu“, begründet Hilton christologisch. Denn wie in den beiden in Jesus vereinten Naturen die göttliche über der menschlichen stehe, so sei die Schau der Gottheit im Menschen Jesus würdiger und geistlicher als die Schau der Menschheit Jesu, gleich ob es sich um die sterbliche Menschheit handle oder die verherrlichte.125 In Buch II, Kap. 34 der Scale of Perfection erläutert Hilton in auf den ersten Blick verwirrenden Ausführungen, warum er bislang nur davon gesprochen habe, dass die Seele nur die Liebe Gottes begehren solle und nicht davon, dass sie die Erkenntnis und Schau Gottes begehren solle, die doch die Seligkeit der Seele seien. Verwirrend werden sie dadurch, dass er „Liebe“ (love) in verschiedenen Bedeutungen verwendet: Die Schau (sight) Jesu sei die Seligkeit der Seele (ful blis of a soule) nicht nur wegen der Schau an sich, sondern auch wegen der seligen Liebe (blissid love), die aus der Schau entstehe. Da die Liebe (love) aus der Erkenntnis (knowynge) entspringe, und nicht umgekehrt, könne gesagt werden, dass die Schau Gottes (syght […] of God) mit Liebe die Seligkeit der Seele sei. Erkenntnis (knowynge) und die aus ihr hervorgehende Liebe (love) sei aber nur durch Liebe (love) [i.e. Gnade] denkbar, deshalb sage er, dass man nur die Liebe (love) begehren solle.126 Die der Erkenntnis vorausgehende Liebe (love) [Gnade] sei überhaupt der Grund (cause) für die Schau und Erkenntnis der Seele. Diese Liebe (love) und Erkenntnis (knowynge) begründende Liebe (love) [Gnade] sei aber nicht die Liebe (love), die eine Seele aus sich heraus für Gott habe, sondern es sei die Liebe Gottes zu der einfachen Seele, die Gott an sich gar nicht lieben könne.127 Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass er mit seinen Ausführungen die Wichtigkeit der gratia praeveniens herausstellen will, aber den scholastischen Fachterminus offensichtlich nicht gebrauchen möchte. Hiltons Gnadenlehre zu erfassen, ist generell schwierig, weil er nicht nur in der eben vorgestellten Textpassage terminologisch 123 „The secunde love is that a soule feeleth thorugh feith and by imaginacion of Jhesu in His manhede. This love is betere than the firste, whan the imaginacioun is stired bi grace, and for whi, the gostli iye is opened in bihooldynge of oure Lordis manhede.“ (Scale II,30, Ed. Bestul, 206, Z. 1983–1985.) 124 „The thridde love is that a soule feeleth thorugh gosteli sight of the Godhede in the manhede as it may been sen heere. This is the beste and the moste worthi, and that is perfight love. This love a soule feeleth not til it be reformed in feelynge. Soules bygynnande and profitande han not this love, for thei kunne not thenke on Jhesu ne love Him Godli, but as it were al manli and fleschli aftir the condicions and the liknes of man.“ (Scale II,30, Ed. Bestul, 206, Z. 1985–1990.) 125 Vgl. Scale II,30, Ed. Bestul, 207, Z. 2007–2018. 126 Vgl. Scale II,34, Ed. Bestul, 217, Z. 2307–2316. 127 Vgl. Scale II,34, Ed. Bestul, 217 f, Z. 2316–2319.

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uneindeutig ist.128 Hilton ist bewusst, dass sein Sprachgebrauch den Leser verwirren kann, wie folgende Passage zeigt: Aber vielleicht fragst du dich langsam, warum ich einmal sage, dass die Gnade (grace) all dies bewirke und ein andermal, dass die Liebe (love) tätig sei, oder dass Jesus wirke, oder dass Gott wirke. Darauf kann ich Folgendes antworten: wenn ich sage, dass die „Gnade“ wirkt, dann meine ich „Liebe“, „Jesus“ und „Gott“. Denn das ist alles eines und nur eines. Jesus ist Liebe, Jesus ist Gnade, Jesus ist Gott. Und weil er alles durch seine Gnade aus göttlicher Liebe in uns bewirkt, kann ich in dieser Schrift [d. h. der Scale of Perfection] jedes dieser vier Wörter benutzen, je nach Anregung (aftir my styringe).129

Hilton unterscheidet in der Scale of Perfection mit den holi writeres – Augustinus, Bernhard von Clairvaux, Wilhelm von Saint Thierry – zwei Arten der goostli love, nämlich geschaffene und ungeschaffene Liebe (love formed, love unformed). Die ungeschaffene Liebe ist Gott selbst als dritte Person der Trinität, der Heilige Geist. Hilton stützt sich auf 1 Joh 4,8: „Deus dileccio est […] God is love, that is, the Holi Goost.“130 Die geschaffene Liebe sei die affeccion der Seele, die der Heilige Geist in einer Seele anregt und schafft, die Gott schaut und erkennt. Es sei deshalb ein Irrtum zu denken, dass die geschaffene Liebe der Grund dafür sei, dass eine Seele zur geistlichen Schau und Erkenntnis Jesu komme. Der Mensch könne Gott nicht aus eigener Kraft so brennend lieben (love), dass er würdig sei, größere geistliche Gotteserkenntnis zu bekommen. Gott allein macht durch seine Zuwendung der [ungeschaffenen] Liebe]die [geschaffene] Gegenliebe des Menschen möglich.131 Das findet Hilton auch in 1 Joh 4,19 ausgesagt: „Nos diligamus deum, quoniam ipse prior dilexit nos […]. That is: Love we now God, for He first loved us.“132 Gott habe uns Menschen geliebt, als er uns in Ähnlichkeit zu ihm schuf (in liknesse). Er habe uns noch mehr geliebt, als er uns in Christus durch sein teures Blut von der Macht des Teufels und der Qual der Hölle freikaufte. Am allermeisten liebe er uns aber, wenn er uns die Gabe des Heiligen Geistes schenke, die Liebe (love), durch die wir ihn erkennen und lieben und so des Heiles gewiss sein können.133 Die Gabe des Heiligen Geistes sei das vortrefflichste Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen, weil sich Gott darin in seiner Gottheit selbst schenke – im Kreuz schenkte er sich „nur“ in seiner Menschheit. Die Rechtfertigung des Sünders wer128 Der mittelalterliche Übersetzer der Scale of Perfection ins Lateinische griff hier mit scholastischer Terminologie präzisierend in den Text ein. (Vgl. J. Clark, English and Latin,170 f.) 129 Scale II,42, Ed. Bestul, 250, Z. 3268–3273. „Aftir my styringe“ wurde mit dem im Deutschen ungewöhnlichen „je nach Anregung“ übersetzt, da die gängige Formulierung „nach Belieben“ den Sachverhalt nicht trifft. Hilton verwendet den Begriff des styringe sonst immer im Zusammenhang mit den Heiligen Geist und will hier m. E. zum Ausdruck bringen, dass seine Begriffswahl, wenn er von der Gnade spricht, vom Heiligen Geist angeregt und nicht willkürlich ist. 130 Scale II,34, Ed. Bestul, 218, Z. 2324. 131 Zum Inhalt des gesamten letzen Abschnittes vgl. Scale II,34, Ed. Bestul, 218, Z. 2321– 2345. 132 Scale II,34, Ed. Bestul. 218, Z. 2344–2345. 133 Vgl. Scale II,34, Ed. Bestul, 218 f, Z. 2345–2353.

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de aus diesem Grund dem Heiligen Geist zugeschrieben und zugerechnet (arectid and approprid), denn der Heilige Geist sei Liebe (love), und in der Rechtfertigung der Seele (rightynge of a synful soule) erweise „der Herr Jesus“ der Seele die größte Liebe (the most of His love), denn hier nehme er die Sünde hinweg und vereine die Seele mit sich.134 Hilton identifiziert im Verlauf von Scale II,34 alle drei Personen der Trinität mit der ungeschaffenen Liebe: Das ist die Gottesliebe, von der ich spreche und die du begehren und ersehnen sollst; denn diese Liebe ist Gott selbst und der Heilige Geist. Das ist die unerschaffene Liebe, die, wenn sie uns geschenkt wird, in unseren Seelen alles Gute bewirkt und alles, was zum Guten gehört. […] Diese Liebe ist nichts anderes als Jesus selbst, der aus Liebe all dies in der menschlichen Seele bewirkt und sie im Erfahren zu seiner Ähnlichkeit rückgestaltet, wie ich oben ausgeführt habe.135

Wer auf Erden am meisten von der ungeschaffenen Liebe habe, werde auch die klarste Schau Gottes in der himmlischen Herrlichkeit haben. Die ungeschaffene Liebe könne man aber nicht selbst bewirken, sie sei Geschenk. Die beste Voraussetzung, sie zu erhalten, sei nicht körperliche Anstrengung (so gut und verdienstlich diese auch sei), sondern eine passiv-empfangende Haltung, in der der Mensch nicht auf sich selber baue, sondern wisse, daß Jesus alles ist und alles tut. Je mehr sich die Seele selbst durch Gnade „nichte“ und je weniger sie denke, dass sie [aus eigener Kraft] Gott schaue, desto eher erhalte sie das Geschenk, denn dann habe die Liebe freie Bahn, um zu wirken. Hilton sieht diesen Gedanken bei Paulus Röm 8,14 angelegt: The more that the soule noughteth itsilf thorugh grace bi sight of this sothfastnesse […] and the lasse it thenketh it loveth or seeth God, the nerrere neigheth it to perseyve the gifte of the blissid love. For thanne, love is maister, and wirketh in the soule and maketh it for to forgeten himsilf, and for to seen and biholden oonli hou love dooth. And thanne is the soule more suffrynge than doynge, and that is clene love. Thus Seynt Poul mened whanne he seide thus: Quicumque spiritu dei aguntur, hii sunt filii dei […]. That is, thise soulis that aren maad so meke and so buxum to God that thei wirke not with hemsilf, but suffren the Holi Goost ai stiren hem and wirke in hem feelynges of love with a ful swete acord to His stirynge, thise aren special Goddis sones, most like unto Him.136

Von der durch den Heiligen Geist geschenkten geistlichen Liebe unterscheidet Hilton die Liebe, die der Mensch durch Tausch von Gott erwirbt: Bei den Menschen, die Gott nicht geschenkhaft lieben können, sich aber bemühen, Liebe zu empfinden, und sich bewusst sind, dass es sich dabei nicht um das gnadenhaft vermittelte Erfahren von Liebe handelt, sondern um durch die Vernunft angeregtes 134 Vgl. Scale II,34, Ed. Bestul, 219, Z. 2354–2365. 135 „This is the love of God that I speke of, which thou schalt coveiten and desiren; for this love is God Himsilf and the Holi Goost. This love unformed, whan it is geven to us, it wirketh in oure soulis al that good is, and al that longeth to goodnesse. […] This love is not ellis but Jhesu Himsilf, that for love wirketh al this in mannys soule and reformeth it in feelynge to His liknesse, as I have bifore seid, […].“ (Scale II,34, Ed. Bestul, 220 f, Z. 2382–2414.) 136 Scale II,34, Ed. Bestul, 222, Z. 2447–2457.

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menschliches Tun, wandle Gott die menschlichen affeccions natürlicher Liebe (kyndeli love) in affeccions seiner eigenen, göttlichen Liebe um.137 Aber auch die menschlichen affeccions seien ohne Gnade nicht denkbar. Paulus betone, dass der Mensch ohne Gnade nichts Gutes zu tun vermöge und dass es Gott sei, der im Menschen den guten Willen und das gute Werk bewirke (2 Kor 3,5; Phil 2,13). Allerdings sei diese Gnade die allgemeine Gnade (general grace), die allen erwählten Seelen zuteil werde, und nicht die besondere Gnade (special grace), die er vollkommenen Gott-Liebenden zuteil werden lasse.138 Die Gabe der Liebe sei das wertvollste Geschenk, das Gott machen könne, denn Gott sei dabei nicht nur der Geber, sondern auch die Gabe. Der Heilige Geist, die ungeschaffene Liebe, forme die Seele so, dass sie nur ihn liebe und ihn nur um seiner selbst willen liebe. Außerdem liebe die Seele dann auch sich selbst und die Mitchristen nur um Gottes willen. Diese Liebe mache den Unterschied zwischen erwählten und verworfenen Seelen. Sie schaffe Frieden zwischen Gott und Mensch und eine alle Geschöpfe in Gott, denn sie bewirke, dass Jesus uns liebe, und wir ihn, und jeder den Mitmenschen in ihm.139 Hier zeigt sich ganz klar Hiltons Nähe zu den Entwürfen der Zisterzienser. Mit der Vorstellung, dass die Liebe Gott und Mensch, Mensch und Mitmensch sowie Mensch und Umwelt eine, steht er besonders Wilhelm von Saint-Thierry nahe. An sich ist nach der Hiltonschen Konzeption in der Scale of Perfection die Vollkommenheit der Stufe 3, auf der reformynge in feelynge stattgefunden hat, vorbehalten. Hilton betont in Buch II, Kap. 32 noch einmal, dass kein Mensch auf Erden weiter als bis zur zweiten Stufe, der Rückgestaltung im Glauben und Erfahren, kommen kann. Deshalb kann er schon diesen Zustand Stand der Vollkommenheit (staat of perfeccion) nennen. Da die zweite Stufe, die Hilton nicht „Stufe“ nennt, ein Prozess ist – wie im Folgenden deutlich wird –, ist die Übersetzung von staat mit „Stand“ oder „Zustand“ nicht glücklich. Stattdessen spreche ich weiterhin von „Stufe“. Zwischen den Menschen, die diese Stufe erreicht haben, gäbe es Unterschiede, auch wenn alle die Gabe der Kontemplation hätten. Manche seien nur wenig, kurz und selten auf dieser Stufe, andere länger, klarer und öfter, wieder andere ganz lange und ganz klar, je nach Überfluss der Gnade. Die Seele könne auf der zweiten Stufe wachsen. Wenn sie ein bisschen auf der zweiten Stufe geschaut und geliebt hätte, gäbe es für sie nichts anderes, als alle [irdischen] 137 „And this is a greet curteisie of oure Lord, schewed unto a meke soule, that turneth alle thise manli affeccions of kyndeli love into affeccioun and into the mede of his owen love, as yif he hadde wrought hem alle fulli bi himsilf. And so thise affeccions so turned moun ben called affeccions of goostli love thorugh purchace, not thorugh kyndeli bryngynge forth of the Holi goost.“ (Scale II,35, Ed. Bestul, 222 f, Z. 2466–2470. 138 Vgl. Scale II,35, Ed. Bestul, 223, Z. 2470–2481. 139 „[…H]e gyveth Himsilf to a soule first, or the soule loveth Him; and He formeth affeccion in the soule and maketh the soule oonli for to loven Him oonli for Himsilf. An not oonli that, but also bi this gifte the soule loveth itsilf and alle his evene Cristene as himsilf, onli for God; and this is the gifte of love that maketh schedynge atwixe chosen soulis and the repreved. And this maketh ful pees atwixe God and a soule and oneth alle blissid creatures holli in God; for it maketh Jhesu to loven us, and us Him also, and eche of us for to loven othir in Him.“ (Scale II,36, Ed. Bestul, 224, Z. 2505–2511.)

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Dinge beiseite zu stellen, um klarere Schau und reinere Liebe zu Jesus zu gewinnen, in dem die ganze Trinität wohne (in whom is al the blissid Trynyté).140 Leitbegriffe des Traktates De utilitate et prerogativis religionis, in dem Hilton für das Ordensleben wirbt, sind „Vollkommenheit“ (perfeccio) und „Gottesliebe“ (amor Dei, dileccio Dei und caritas). Anders als in der Scale of Perfection sind die Leitbegriffe nicht mit der Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit (imago und similitudo) und dem Gedanken der Wiederherstellung (reformynge) verknüpft. Hilton bestimmt das Ziel der menschlichen Vollkommenheit als „vollkommene Gottes- und Nächstenliebe“141. Um es zu erreichen, gebe es nichts Erfolgversprechenderes als das regulierte Ordensleben, denn durch die drei „evangelischen Räte“ Armut, Keuschheit und Gehorsam sei man vor den drei Haupthindernissen der Gottesliebe (dileccio Dei) gefeit, vor Begierde des Fleisches, Begierde der Augen und vor Überheblichkeit.142 Die drei Räte seien „gleichsam Mittel zur Gottesliebe“ (tanquam media ad caritatem), die das Ziel aller Tugenden und Band (vinculum) der höchsten Vollendung (maxima perfeccio) seien. Auch wenn Hilton betont, dass die „Gottesliebe“ (caritas) das Ziel eines jeden Christen sein müsse, so sind seiner Auffassung nach insbesondere Ordensleute verpflichtet, danach zu streben. Es sei nicht so, dass Ordensleute automatisch qua Gelübde zur Vollkommenheit verpflichtet seien, aber für sie sei das Streben nach Vollkommenheit Pflicht. Die Vollkommenheit selbst könne nicht verpflichtend gemacht werden, denn sie entziehe sich dem Menschen und sei göttliches Geschenk und Gnade. Wenn Ordensleute das Gelübde sprechen, so Hilton, richten sie damit ihre gesammelte Aufmerksamkeit auf das Ziel der Gottesliebe (dileccio Dei) und auf die Übung der Tugenden (virtutes) und ihre Vervollkommnung (perfeccio). Für Ordensleute gelte es, in der Erinnerung an das Gelübde, die eine Hilfestellung darstellt, unablässig am Streben nach Vollkommenheit (perfeccio) festzuhalten und die Tugenden auch zu praktizieren.143 Hand in Hand mit der Übung der Tugenden144 und quasi als Kehrseite des Einübungsprozesses gelte es, die Laster loszuwerden. Das gelinge am besten und einfachsten im Orden.145 140 Vgl. Scale II,32, Ed. Bestul, 214, Z. 2210–2220. 141 De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 121, Z. 41: „Cum enim finis humane perfeccionis constat in perfecta dileccione Dei et proximi […]“. So auch in Of Angels’ Song: „Wyte thou wele that tho ende & the souerante of perfeccions standis in a verray oned of god & man saule be parfite charite.“ (Ed. Horstmann, 175.) 142 Vgl. De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 121, Z. 43–45. 143 Vgl. De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 122, Z. 60–123, Z. 79. 144 Hilton erweitert hier den Tugendkanon im Vergleich zu einer Passage am Eingang des Briefes (De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 121, Z. 43–45), bzw. greift in der für ihn typischen Weise einfach ein anderes Tugendschema auf und verweist speziell auf „auf Vollkommenheit ausgerichtete Tugenden des Geistes (animus)“ wie Demut (humilitas), Geduld (paciencia), Milde (mititas), Bescheidenheit (modestia), Nüchternheit (sobrietas) und Mäßigkeit (continencia); außerdem spricht er pauschal von weiteren „moralischen Tugenden“. (Vgl. De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 131, Z. 218–220.) 145 Hilton nennt ausdrücklich Schwachheit/Trägheit (accidia), Völlerei (gula), Lust (libido), Hochmut (superbia), fleischliches Vergnügen/fleischliche Begierde (delectacio/concupiscencia carnalis), Neid (invidia), unmäßigen Zorn (ira immoderata). (Vgl. De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 130, Z. 203–131, Z. 212.)

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Das Streben nach Vollkommenheit sei das Charakteristikum aller Christen des vorkonstantinischen Zeitalters gewesen. Nach seiner von idealisierender Rückprojektion geprägten Darstellung, die er fast wortwörtlich aus Wilhelms von St. Thierry Epistola Aurea (I,13) übernimmt,146 hat die Kirche der Anfangszeit (ecclesia primitiva) ausschließlich aus „gleichsam vollkommenen Katholiken“ bestanden, die „vortrefflich im Glauben, glühend in der Liebe (ferventes caritate) und würdig im Martyrium“ waren.147 Als nach Konstantin die Kirche gewachsen sei, sei der christliche Glaube durch Laxheit bedroht gewesen. Die Wüstenväter hätten durch die Gründung des Mönchtums die „apostolische Vollkommenheit“ weiter gelebt und Ordensleute bis zu Hiltons Lebzeiten eiferten ihnen darin nach.148 Ein wahrer Orden (religio) im Sinne der frühen Ordensgründer sei der Orden, der Demut und Liebe (humilitas und caritas) lehre und seine Mitglieder so zur ursprünglichen christlichen Vollkommenheit zurückführe. Diese für Hilton außergewöhnliche historisch-orientierte Rechtfertigung des Ordenslebens ist vor dem Hintergrund der Angriffe auf das Mönchtum und Ordenswesen durch Wyclif und die Lollarden zu verstehen. Wyclif und seine Nachfolger sahen in Ordensgründungen einen Abfall vom Willen Christi.149 Interessanterweise greift Hilton hier zu den „Waffen“ seiner Gegner, die bevorzugt historisch argumentieren, so z. B. wenn den Augustiner-Chorherren die Legitimation abgesprochen wird, weil sie sich zu Unrecht auf Augustinus als „Gründer“ berufen. Für Wyclif ist zentral, dass vollkommene Nachfolge Recht und Pflicht eines jeden Menschen ist. Für ihn steht jeder Mensch in gleicher Weise unter dem Anspruch Gottes. Hilton ist zurückhaltender und konservativer, will Laien den Zugang zur Vollkommenheit nicht verwehren. Anders als Wyclif, der mit dem bestehenden System der „Sekten“, der Untergliederung der Kirche in Stände, zugunsten der „einen Christenheit“ ganz brechen will, plädiert Hilton, wie im Folgenden deutlich werden wird, für eine zusätzliche Öffnung des kontemplativen Lebens für Laien unter Berücksichtigung ihrer Lebensumstände. Der grundsätzliche Wert des monastischen Lebens steht für Hilton deshalb trotzdem außer Frage. Gegenüber Wyclif, der unter Berufung auf die biblischen Schriften, in denen es keine Orden gibt, vehement bestreitet, dass der Weg zum Heil im Orden leichter gefunden werden könne als außerhalb, betont Hilton den Nutzen der drei Gelübde auf dem Weg zur Vollkommenheit.150 In De utilitate et prerogativis religionis und in der Scale of Perfection sieht Hilton die vita contemplativa als die geeignetste Lebensform an, um Vollkommenheit zu erreichen. Grundsätzlich vereinbar damit sind die Aussagen in Mixed Life, jedoch findet sich hier eine andere Akzentsetzung. Der Adressat, ein Mann mit Besitz und weltlicher Verantwortung, will ein kontemplatives Leben führen und sich ganz aus seinen Verpflichtungen und Geschäften zurückziehen. Hilton heißt sein Verlangen (desire), Gott ganz dienen zu wollen, grundsätzlich gut, denn es stamme von Gott, 146 Vgl. Brief an die Brüder vom Berge Gottes, Übers. Kohout-Berghammer, 23. 147 Vgl. De utilitate, Latin Writings, Ed Clark/Taylor, 124, Z. 100–125, Z. 106. 148 Vgl. De utilitate, Latin Writings, Ed. Clark/Taylor, 125, Z. 107–126, Z. 133. 149 S. o. unter 2.3.2.3, S. 76. 150 Vgl. De religione privata II, Kap. 6, Ed. Buddensieg, Bd. 2, 534 f. Zur Verfallsidee im Mittelalter generell vgl. Schäufele, Defecit Ecclesia.

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sei charité151 [i.e. Gnade], und ziele wieder auf Gott hin. Er erinnert den Adressaten mit Hhld 2,4 allerdings daran, dass die charité [Gottesliebe] von der Unterscheidung kontrolliert werden müsse. Wenn er als Familienvater und für Diener und Besitz verantwortlicher Mensch leben wolle wie ein Mönch, Bettelmönch oder ein ungebundener Mensch, verletze er die „Ordnung der charité“.152 Hilton empfiehlt dem Adressaten das „gemischte Leben“, darin könne er die Ordnung der charité erfüllen. Er solle sich zum einen um Haushalt, Kinder, Bedienstete, Nachbarn und Pächter kümmern, seinen Besitz pflegen und vermehren, damit er damit wieder gute Werke tun könne. Zum anderen solle er sich für Gebet und Betrachtung Zeit nehmen.153 Hat Hilton den Gedanken der „Ordnung der charité“ von Augustinus und seinem Konzept der „geordneten Liebe“ (amor ordinatus) oder ist charité hier „Gnade“, so dass man von einem Konzept der Gnadenordnung ausgehen muss? Die Begrifflichkeit scheint für Augustinus zu sprechen, inhaltliche Bedenken sprechen jedoch gegen eine Rückführung auf den Kirchenvater. Bei Augustinus besagt das Konzept des amor ordinatus, das eingebettet ist in das gedankliche System von usus und fruitio, dass der Mensch nach dem Genuss Gottes streben soll und auf dem Weg zu diesem Ziel andere Dinge nur gebrauchen und im Hinblick auf das letzte Ziel „lieben“ soll. Der Kontext der Hiltonschen Rede von der charité in „Mixed Life“ legt die Bedeutung „Ordnung der Gnade“ nahe. Hilton spricht hier wohl von einer Ordnung verschiedener Begnadungen, die sich im sozialen Gefüge niederschlagen. Hilton unterscheidet grundsätzlich drei Arten der Lebensführung: das aktive, das kontemplative und das gemischte Leben. Der dritte Weg, die vita mixta, ist nach Hilton v. a. bei führenden Kirchenleuten angebracht und bei Laien mit Verantwortung für andere.154 Größtes Vorbild für dieses Lebensmodell ist Jesus, aber auch Bischöfe werden angeführt. Mit ihrer Zweiteilung des Lebens praktizierten sie wahre charité. Durch die Werke des aktiven Lebens erfüllten sie den niedrigeren Teil der charité, sonst den höheren.155 Hilton argumentiert mit dem biblischen Bild vom Leib Christi, um das gemischte Leben zu rechtfertigen: Es gehe nicht nur darum, den Kopf zu schmücken, sondern auch darum, die Füße zu waschen und zu

151 Eine Handschriftengruppe, gemäß Ogilvie-Thomsons Klassifikation „β“, setzt desire und charité gleich (vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 7, Apparat zu Z. 78.) Das dem Haupttext der kritischen Edition von Ogilvie-Thomson zugrundegelegte Manuskript liest: „Þis desire is good, as Y hope, and of God, for it is sette vnto hym in charite speciali“ (Mixed Life, Ed. Ogilvie Thomson, 7, Z. 78). Die Schreibweise von charité variiert, weil die Schreibung im Mittelenglischen noch nicht standardisiert ist. Im Folgenden wird im Text „charité“ verwendet, in den Zitaten kann „charite“ begegnen. 152 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 7, Z. 78–9, Z. 96; Mixed Life, Übers. Dorward, 5 f, Kap. 1. 153 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 9, Z. 96–11, Z. 116; vgl. Mixed Life, Übers. Dorward, 6, Kap. 2. 154 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 11, Z. 119–16, Z. 161; vgl. Mixed Life, Übers. Dorward, 7 f, Kap. 4. 155 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 17, Z. 177–20, Z. 213; vgl. Mixed Life, Übers. Dorward, 8–10, Kap. 5.

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bekleiden.156 Hilton rät dem Adressaten, wie der biblische Jakob das kontemplative und das aktive Leben zu wählen, für das Rachel und Lea stehen, und interpretiert die biblischen Gestalten ausgehend von etymologischen Beobachtungen.157 Seine Ausführungen erinnern an die Exegese Richards von St. Viktor, wobei keine direkte Abhängigkeit zu erkennen ist. Richard spricht rein kontemplativ lebenden Eremiten und Reklusen die Möglichkeit zur vollkommenen caritas ab, weil diese für ihn auf zwischenmenschliche Gemeinschaft angewiesen ist. Diese Argumentationsfigur fehlt bei Hilton, er würde nicht so weit gehen. Er bezieht Laien in das kontemplative Leben mit ein, ohne einer anderen Gruppierung die Möglichkeit zur vollkommenen Gottesliebe abzusprechen. In Mixed Life ist der Begriff des „Verlangens“ zentral. Hilton diskutiert den Unterschied zwischen „Verlangen“ (desire) und „Liebe Gottes“ (loue to God). Das Verlangen wird nicht als eigentliche Liebe, sondern als Anfang und Vorgeschmack der Liebe definiert. Liebe vereine den Liebenden und das Geliebte, die Seele und Gott.158 Das sei erst für die himmlische Herrlichkeit zu erwarten, wenn wir, mit 2 Kor 5,6–9 gesprochen, nicht mehr „fern vom Herrn auf Pilgerfahrt“ seien.159 Das Verlangen wird als habitus bestimmt, das der Mensch als Gabe Gottes immer besitze, auch wenn er gerade nicht an Gott denke oder mit weltlichen Dingen beschäftigt sei.160 Es könne durch Übungen gestärkt und vergrößert werden. Die Passagen über das Verlangen erinnern an Bonaventura, der im Itinerarium mentis in Deum feststellt, dass das einzige, was Gott vom Menschen fordere, das „Verlangen“ sei.161 In der Übersetzung Eight Chapters of Perfection finden sich Aussagen zur Gottesund Nächstenliebe, die in Hiltons Werk keinen Niederschlag gefunden haben. Die „fleischliche Liebe“ wird radikal abgelehnt, und selbst die „geistliche Liebe“, d. h. eine engere Freundschaft zwischen Männern und Frauen oder zwischen Männern wird nur dem empfohlen, der die Fähigkeit der Unterscheidung (discretion) hat. Es wird davor gewarnt, dass geistliche Liebe leicht in Unzucht umschlagen könne.162 156 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 24, Z. 265–26, Z. 288; Vgl. Mixed Life, Übers. Dorward, 11 f, Kap. 8. 157 „Bi Jacob in hooli writ is vndirstonde an ouergoere of synnes. […] Lia is as moche for to seie as trauelous, and bitokeneþ actif liyf. Rachel is as moche for to seie as siȝt of bigynnynge þat is God, and bitokeneþ liyf contemplatif. […]. And þanne schaltou be sooþfasteli Jacob, and ouergoere and ouercomere of alle synnes, and aftir þis, bi grace of God, þi name schal be chaungid as Jacobis name was, and turned in to Israel. Israel is as moche for to seie as a man seynge God.“ (Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 30, Z. 338–33, Z. 372; vgl. Mixed Life, Übers. Dorward, 14 f.) 158 „But now askest þou wheþer þis desire be loue to God. As vnto þis I seie þat þis desire is not propirli loue, but it is a bigynnynge and a taastynge of loue. For loue propirli is a ful couplynge of þe louynge and þe loued togedre, as God and a soule in to oon.“ (Ed. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 43 f, Z. 505–509.) 159 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 44, Z. 519–45, Z. 529; Mixed Life, Übers. Dorward, 19 f, Kap. 16. 160 Vgl. Mixed Life, Ed. Ogilvie-Thomson, 46, Z. 538–47, Z. 555; Mixed Life, Übers. Dorward, 20 f, Kap. 17. 161 Itin. Prol. 3, Ed. Schlosser, 6 f, Z. 9–14. 162 Vgl. Eight Chapters of Perfection, Kap. 5 und 8, Ed. Kuriyagawa (1967), 17 ff und 28 ff; Eight Chapters of Perfection, Übers. Dorward, 8 f und 13 f.

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Alle Dinge in Christus und aus Christus zu lieben wird als Ziel vorgestellt. Damit wird eine zentrale Denkfigur Bernhards von Clairvaux christologisch gewendet. Die Unterscheidungsfähigkeit sei nur bei dem stark genug, dessen Seele in der unio mit Christus vereint sei und so unveränderlich werde wie Gott unveränderlich sei.163 Die englische Tradition hat mit Aelred von Rievaulx einen prominenten Vertreter, der in der Frage der geistlichen Freundschaft eine andere Sicht vertritt, der sich Hilton aber auch nicht anschließt. Die Übereinstimmung der Willen unter Freunden gilt Aelred im philosophischen Werk De spiritali amicitia, das als typisch frühscholastisches Werk in Dialogform als Lehrgespräch konzipiert ist, als Vorgeschmack der menschlich-göttlichen Übereinstimmung der Willen in der unio mystica. De spiritali amicitia ist für das 15. Jahrhundert für die Thurgartoner Bibliothek nachgewiesen. Ob Hilton das Buch schon zur Hand hatte, ist nicht belegt. Es ist eine Überlegung wert, warum Hilton weder die eine noch die andere Sicht aufgreift. War ihm die Frage nicht wichtig, oder wollte er bewusst nicht Position beziehen? Stilistisch und methodisch hat Hilton das Werk nicht rezipiert. Keine seiner Schriften weist die Dialogform auf, und Aelreds differenzierte Art der Darstellung ist Hilton fremd. Es ist m. E. insgesamt unwahrscheinlich, dass Hilton von Aelred beeinflusst ist. Thematische Ähnlichkeiten gehen vermutlich auf gemeinsame Wurzeln (bei Augustinus und Bernhard) zurück.

4.3 Christliche Vollkommenheit (perfectio/perfection): Das Miteinander von humilitas/mekenesse, caritas/charité und contemplatio/contemplation Als Ziel des Menschen bestimmt Hilton die Vollkommenheit, die in der Einheit der Seele mit Gott in vollkommener Liebe besteht. Diesem Ziel soll der Mensch im irdischen Leben möglichst nahe kommen, auch wenn er die „vollkommene Vollkommenheit“ im irdischen Leben nicht erreichen kann. Vorbild der Vollkommenheit ist Jesus Christus, in dem sich die „Fülle der Tugenden“, die Fülle von hu-

163 Vgl. Eight Chapters of Perfection, Kap. 7, Ed. Kuriyagawa (1967), 23 ff; Eight Chapters of Perfection, Übers. Dorward, 12. „God is in him-silf vnchaungeable; and a soule is [chaungeable] of it-silf. But þanne, whanne þe soule is oonyd to Crist bi loue, þe moore þat it is oonyd to him, þe moore vnchaungeable it is and þe lasse it haþ of [changeablete]. For-whi þe wisdom and þe kunnynge, þe sadnes and þe liȝt of discrecioun þat þe soule haþ bi þe vertu of þis oonheed in loue, ȝeueþ þe soule loue and myȝt, þat it may wiþ þese armers rule þe affeccioun of loue to God and to his euen Cristen wiþoute errour or falsheed.“ (Eight Chapters of Perfection, Ed. Kuriyagawa [1967], 26, Z. 415–27, Z. 424.) Die Lesart in eckigen Klammern ist aus British Library, MS. Additional 10053, („A“ in Ed. Kuriyagawa), in den Text eingetragen. „A“ repräsentiert eine unabhängige Linie und stammt aus dem Norden Englands, so dass Kuriyagawa davon ausgeht, dass der Text näher an Hilton ist als der anderer Handschriften. (Vgl. Kuriyagawa, Introduction, xxxvii.) Die Lesarten der anderen Handschriften, die von „Unveränderlichkeit“ sprechen, ergeben keinen Sinn und sind m. E. auf einen Fehler eines unaufmerksamen Schreibers zurückzuführen, der weiter abgeschrieben wurde.

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militas und caritas findet. Ihm gilt es gleichzuwerden, indem man die Tugenden, die er in seiner Menschheit hat, erwirbt: Christus ist die Pforte und Er ist der Pförtner, und kein Mensch kann eintreten ohne sein Geheiß und ohne seine Livree, wie er selbst es sagt: Nemo venit ad Patrem nisi per me. Niemand kommt zum Vater außer durch Mich. Das soll heißen, daß niemand zur Beschauung der Gottheit gelangen kann, wenn er nicht zuerst durch die Fülle der Demut und der Liebe zum Ebenbild [liknesse] Jesu in Seiner Menschheit umgeformt worden ist.164

Die Demut (humilitas/mekenesse) wird von Hilton als Quelltugend identifiziert. Sie ist für ihn das Gegenstück zur Quellsünde des Hochmutes (superbia). Wie bei Bernhard in De duodecim gradibus humilitatis et superbiae nimmt die Demut in dem Maße zu oder ab, wie der Hochmut eingedämmt wird bzw. wächst. Die caritas wachse mit der humilitas. Hilton erklärt das Phänomen der Häresie vor diesem Hintergrund. Dem Häretiker fehle die Demut. Er setzte sich und seine eigene Meinung absolut und begehe dadurch die Sünde der superbia, der ungeordneten Selbstliebe.165 Hilton warnt vor dem Phänomen des raptus durch superbia, dessen Opfer die Heuchler (ypocrites) werden.166 Im Kommentar zu Ps 90 Qui habitat rät Hilton ebenfalls zur Demut als Schutz vor Häresie. Er hat hier Vertreter der „Bewegung des Freien Geistes“ im Blick. Der fünften Versuchung, dem „Mittagsteufel“, fallen Menschen zum Opfer, die die vollkommene caritas schon fast erreicht haben. Sie wähnen, schon am Ziel zu sein und im Stand der Gnade nicht mehr sündigen zu können.167 Ausgehend vom Grundsatz, dass Gleiches nur von Gleichem erkannt werden kann, ist für Hilton Schau und Erkenntnis Gottes erst möglich, wenn der Mensch Christus in den Tugenden gleichgestaltet ist. Der Erwerb der Tugenden beginnt in den Seelenkräften Vernunft und Wille. Gnade und menschliche Übung verwandeln sie: Die Vernunft wird zum Licht und der Wille zur Liebe.168 Mittel der menschlichen Übung sind die Lesung (lectio/redynge) der Heiligen Schrift und der Kirchenväter, Betrachtung (meditatio/meditacion), die den Menschen in sich führt und sehen lässt, was ihm fehlt und was er anstreben soll, und Gebet (oratio/prayer).169 Die Gleichheit (liknesse) findet Ausdruck in einer vollkommenen Übereinstimmung des göttlichen und menschlichen Willens und einer erleuchteten resoun, die zur Schau fähig ist. Nun ist der Mensch zur contemplatio fähig, zu der Gott ihn gnadenhaft hinwegreißt, solange er auf der Erde lebt. Für die himmlische Vollendung wird dies als andauernder Zustand erhofft.

164 Vgl. Scale I,91, Ed. Bestul, 132, Z. 2604–2609. Übers. Strakosch, (andere Zählung: Scale I,93), 143. 165 Vgl. Scale I,20, Ed. Bestul, 51 f, Z. 480–502 und Scale I,58, Ed. Bestul, 96 f, Z. 1642– 1665. 166 Vgl. Scale I,59, Ed. Bestul, 97 f, Z. 1667–1702. 167 Vgl. Qui habitat, Ed. Wallner, 21, Z. 5–23, Z. 12. 168 Vgl. Scale I,14, Ed. Bestul, 44 f, Z. 309–330. 169 Vgl. Scale I,15, Ed. Bestul, 45 f, Z. 332–354.

5. Zur Theologie Walter Hiltons im Rahmen der „mittelenglischen Mystik“ des 14. und frühen 15. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung von Juliana von Norwich England erlebte im 14. und frühen 15. Jahrhundert eine Blüte der Mystik, die in der Forschungsliteratur v. a. mit fünf Namen verbunden wird: mit Richard Rolle, Walter Hilton, dem Verfasser der Wolke des Nichtwissens (englisch: Cloud-Author), Juliana von Norwich und Margery Kempe. Diese fünf Personen und ihre Werke sind in der Regel gemeint, wenn von „mittelenglischer Mystik“ die Rede ist.1 Das Verfassen mystischen Schrifttums war nicht auf diese fünf bekannten Einzelpersonen beschränkt. Es existieren zahlreiche mystische Texte aus der Feder wenig bekannter oder anonymer englischer Autoren. Adressaten dieser didaktischen und katechetischen Texte, Buß- und Beichtliteratur, Passionsbetrachtungen u.ä. sind Klerus, geistliche Gemeinschaften, Eremiten und Reklusen sowie Laien.2 Im Folgenden werden die „großen“ Autoren der englischen Mystik des Spätmittelalters berücksichtigt. Der Schwerpunkt liegt auf Juliana von Norwich. Anhand ihrer Revelations lassen sich Nähe und Unterschied zu Walter Hilton gut darstellen. Juliana war direkte Zeitgenossin Hiltons und lebte jahrzehntelang in derselben Region wie Walter Hilton. Die Abfassung der Revelations mit Überarbeitung fällt in dieselbe Zeit wie die von Hiltons Hauptwerk Scale of Perfection.3 Richard Rolle (um 1300–1349) hat mit 21 Werken – 17 lateinischen und vier volkssprachlichen – ein noch umfangreicheres Œuvre hinterlassen als Walter Hilton.4 Über fünfhundert Manuskripte und frühe Drucke, die ganze Texte oder Auszüge bieten, zeugen von der großen Beliebtheit Rolles im Spätmittelalter. Seine

1 Im Einleitungsteil der vorliegenden Arbeit wird der forschungsgeschichtliche Kontext vorgestellt, in dem der Begriff „mittelenglische Mystik“ entstand (s. o. unter 1.1, S. 4 f), und die Kritik des Begriffes durch die jüngere anglistische Forschung (s. o. unter 1.1, S. 5). Die Kritik der anglistischen Forschung ist auf den Begriff der „Mystik“ begrenzt, an dem es sich m. E. festzuhalten lohnt. (Für eine ausführliche Begründung s. o. unter 1.2, S. 16–18.) 2 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3049 f. Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3086–3098 für Beschreibungen der Werke und Autoren aus der „zweiten Reihe“, 3446–3453 für Informationen zu Handschriften, Editionen und Sekundärliteratur zu diesen Werken. 3 S. u. S. 189–201 zum Leben und Werk Julianas. Vgl. auch Baker, Image 36 f. 4 Für eine Beschreibung der englischen Werke Rolles einschließlich der Übersetzungen ursprünglich lateinischer Werke Rolles ins Mittelenglische vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3051–3069. Ausführliche Angaben zu den Manuskripten, Editionen, Überset-

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lateinischen Werke fanden in ganz Europa Verbreitung.5 Biographisches ist v. a. durch die Unterlagen (Officium und Miracula) bekannt, mit denen seine Kanonisation vorbereitet wurde, zu der es jedoch nicht kam. Das Offizium berichtet, dass der in Yorkshire geborene Rolle sein Studium in Oxford6 aufgrund seiner Berufung zu apostolischer Armut abbrach und mit zwei Gewändern seiner Schwester und dem Regenschutz des Vaters ausgerüstet von zu Hause floh, um der Kritik seiner Eltern zu entgehen. Er fand Aufnahme bei der Familie von Oxforder Studienfreunden, durch deren Unterstützung er ein asketisch-eremitisches Leben in Meditation und Kontemplation führen konnte. In dieser Lebensphase entstanden eine Fülle lateinischer Schriften, u. a. das lateinische Gedicht Canticum amoris, Kommentare zu Hiob, zum Hohelied und zum Psalter sowie die Traktate Contra amatores mundi, Emendatio vitae (eine praktische Anleitung zum religiösen Leben für Laien), Incendium amoris und Melos amoris.7 Das Werk Incendium amoris erwähnt in einem Rückblick, dass Rolle die familiäre Anbindung aufgab und als nicht bischöflich lizensierter „bettelnder Gyrovage“, jüngere Pfarrer, Reklusinnen und Laien seelsorgerlich betreuend, durch die Lande zog. Mit seinen Forderungen nach kirchlicher und weltlicher Reform erregte er beim Klerus und wohlhabenden Laien Anstoß und wurde verfolgt. Während der Phase als wandernder Prediger und Seelsorger enstanden u. a. die Psalterübersetzung English Psalter und The Form of Living. Nach Jahren der Wanderschaft ließ Rolle sich als Eremit in Richmondshire nieder und wirkte als geistlicher Begleiter für Reklusinnen. Das Lebensende verbrachte er in der Zisterze Hampole, wo er 1349 – vermutlich an der Pest – starb.8 Rolle gilt als „erste[r] große[r] Liebesmystiker der englischen Tradition“9 Die um 1340 entstandene Schrift Incendium amoris beschreibt in „enthusiastischer, bisweilen diffuser Sprache“ den mystischen Weg von „einer Periode der Läuterung und Askese über eine Phase der aktiven Zuwendung zum Glauben durch Bibelstudium, Gebet und Meditation zum Gnadengeschenk der ekstatischen Erfahrung des ‚Feuers der Liebe‘ “10. Charakteristisch für Rolles affektive Erlebnismystik und wirkungsgeschichtlich interessant sind seine Erfahrungen von „Süße“ (dulcor), sinnlich wahrnehmbarem himmlischen Gesang (canor) und zungen, Sekundärliteratur vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3411–3425. Vgl. auch Renevey, Richard Rolle. 5 Vgl. Wöhrer, Rolle, 440. Vgl. auch Renevey, Richard Rolle, 64. 6 Angesichts der theologischen Kenntnisse Rolles ist die Forschung zeitweise davon ausgegangen, dass Rolle nach seinem Weggang aus Oxford an der Pariser Sorbonne studiert habe und erst nach Abschluss des Doktorates und der Priesterweihe als Eremit gelebt habe. Ein Studium in Paris und die Priesterweihe lassen sich jedoch nicht belegen, die Forschung ist inzwischen von der Vorstellung abgerückt. (Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3052.) 7 Sieben Werke Richard Rolles sind in einem Katalog aus dem späten 15. Jahrhundert für die Augustiner-Chorherren-Bibliothek in Leicester belegt: Canticum amoris, Emendatio vitae, Incendium amoris, Iudica me Deus, Liber de amore Dei contra amatores mundi, Melos amoris, Paruum Iob siue libellus in nouem lectiones mortuorum. (Vgl. Webber/Watson, Libraries, 530.) 8 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3051–3053. 9 Wöhrer, Rolle, 440. 10 Wöhrer, Rolle, 439.

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Wärmeempfindungen (calor).11 Innerhalb der Schriften der „mittelenglischen Mystiker“ einzigartig sind die in Prosatexte eingebauten lyrischen Passagen im Werk Rolles. In Rolles und Hiltons Lebenslauf gibt es das Phänomen, dass eine universitäre Ausbildung bzw. eine universitäre Karriere zugunsten einer eremitischen Berufung aufgegeben wird. Die beiden sind damit nicht untypisch für das 14. Jahrhundert, in dem sich eine Hinwendung von der theoretischen Theologie zur Praxis feststellen lässt. Während Hilton seine Berufung zum gemischten Leben bald als AugustinerChorherr verwirklicht, hält Richard Rolle das Eremitendasein bis zum Lebensende durch. Auch er verbindet durch seine seelsorgerliche Tätigkeit vita activa und vita contemplativa, allerdings in einem kirchlicherseits nicht immer unterstützten Rahmen. Rolle und Hilton haben ein Corpus von lateinischen und volkssprachlichen Schriften hinterlassen, die im Fall einzelner Werke eine große, internationale Leserschaft erreichten. Das Werk beider ist durch das Thema der „Gottesliebe“ geprägt, während die Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit nur bei Hilton zum zentralen Thema wird. Während Hilton eher theoretisch-distanziert lehrt und berät, spielt bei Richard Rolle das eigene Erleben eine größere Rolle. Der Verfasser der Cloud of Unknowing (Wolke des Nichtwissens) ist, wie schon der Behelfsname zeigt, als Person nicht greifbar. Neben dem namensgebenden, um 1350 entstandenen Hauptwerk werden dem theologisch geschulten Verfasser sechs weitere Werke zugeschrieben: The book of priue counseling (Das Buch vom guten Rat), A pistle of preier (Epistel vom Gebet), A pistle of discrecioun of stirings (Epistel von der Unterscheidung), A tretis of discrecyon of spirites (Traktat von der Unterscheidung der Geister), eine englische Zusammenfassung von Richards von St. Viktor Benjamin Minor (A Tretyse of the stodye of wysdom that men clepen Beniamyn) sowie eine Übersetzung des Traktates De mystica theologia des PseudoDionysius Areopagita ins Englische (Denis hid diuinite).12 Der Cloud-Author gilt als bedeutendster englischer Vertreter einer „negativen Theologie“ in der pseudo-dionysischen Traditionslinie. In der Wolke des Nichtwissens fällt gleich in dem eröffnenden Gebet das Stichwort „vollkommene Gottesliebe“, und im Prolog, in dem die Adressaten (in erster Linie rein kontemplativ Lebende) spezifiziert werden, kommt der Begriff der „Vollkommenheit“ mehrfach vor.13 Thematisch und stilistisch sind sich die Wolke des Nichtwissens und Walter Hiltons Werke nahe, was sicher zu der fälschlichen Zuschreibung der Wolke zu Hilton geführt hat.14 Beide beschäftigen sich in ihren Werken theoretisch mit dem Thema christliche 11 Hiltons Stellungnahme zum Phänomen des „Engelsgesangs“ in Of Angels’ Song ist vor diesem Hintergrund zu verstehen. 12 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3069–3073 für eine Vorstellung und knappe Charakterisierung der Werke des Verfassers der Wolke des Nichtwissens. Für Angaben betreffend Manuskripte, Editionen, Übersetzungen, Sekundärliteratur vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3425–3429.Vgl. auch Steinmetz, Erfahrung, 12–17. 13 „O Gott, vor dem jedes Herz offenliegt […]: ich bitte Dich, reinige das Verlangen meines Herzens mit dem Geschenk Deiner unausprechlichen Gnade, auf daß ich Dich vollkommen lieben und würdiglich preisen möge.“ (Wolke des Nichtwissens, Übers. Riehle, 29.) Zum Prolog vgl. Wolke des Nichtwissens, Übers. Riehle, 29. 14 S. o. unter 1.1, S. 5 f.

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Vollkommenheit/Kontemplation, die eigene Erfahrung wird nicht thematisiert. Die Wolke des Nichtwissens will zum Gott wohlgefälligsten Werk der Seele, der Liebe zu Gott selbst, hinführen. Bei der Gottesliebe solle der Leser ohne Maß vorgehen – ein bernhardischer Gedanke aus De diligendo Deo.15 Der Verfasser spricht häufig vom „Werk“. Damit ist eine völlige Ausrichtung auf Gott im Vergessen der Mitgeschöpfe gemeint.16 Hilton wie der Cloud-Author sind „Willensmystiker“, d. h. ihre Vorstellung von Einung ist die Übereinstimmung des göttlichen und menschlichen Willens: „Aber im höheren Teil des kontemplativen Lebens steht der Mensch über sich selbst und unter seinem Gott. Über sich selbst ist er, denn er hat sich vorgenommen, dahin durch Gnade zu gelangen, wohin er von Natur aus nicht kommen kann; das heißt, es ist sein Ziel, sich im Geist mit Gott zu verbinden und zwar in der einigenden Kraft der Liebe und in der Übereinstimmung von göttlichem und menschlichem Willen.“17 Wie Hilton geht auch der Cloud-Author davon aus, dass auf dem Weg zur Kontemplation Schritt für Schritt vorgegangen werden muss.18 Der Verfasser der Wolke unterscheidet vier Stufen des kontemplativen Lebens, die gewöhnliche, die spezielle, die erwählte und die vollkommene.19 Selbsterkenntnis und Demut spielen eine große Rolle auf dem Weg.20 Von der theologischanthropologischen Vorstellung her sind sich Hilton und der Cloud-Author sehr nahe.21 Der Cloud-Author spricht in Kap. 4 der Wolke des Nichtwissens von der Gottebenbildlichkeit. Im ursprünglichen Stand der Seele vor dem Sündenfall seien alle Regungen der Seele, alles Wollen und Trachten, auf Gott ausgerichtet gewesen. Durch die Gnade könne der Mensch in diesen ursprünglichen Zustand zurückverwandelt werden. Denn Gott gleicht sich unserer Seele an, indem Er seine Gottheit von ihr erreichen läßt; und unsere Seele ist ihm angeglichen kraft der Würde unserer Erschaffung nach seinem Bild und Gleichnis. Und er allein und nichts darüber hinaus ist viel mehr als genug, um das Wollen und Verlangen unserer Seele zu stillen. Unsere Seele wird durch die Kraft dieser umwandelnden Gnade fähig, Gott durch die Liebe ganz zu fassen, der doch für alle geschaffenen Erkenntniskräfte, als da sind die Engel und die menschliche Seele, ganz unfassbar ist. (Ich meine, er ist unfaßlich für ihre Erkenntnis, nicht aber für ihre Liebe, deshalb nenne ich sie in diesem Falle Erkenntniskräfte.)22 15 Vgl. Wolke des Nichtwissens, Kap. 41, Übers. Riehle, 100 f. S. o. unter 3.3.3, S. 119. 16 Vgl. Wolke des Nichtwissens, Kap. 3, Übers. Riehle, 36. 17 Wolke des Nichtwissens, Kap. 8, Übers. Riehle, 51. Vgl. auch Wolke des Nichtwissens, Kap. 49, Übers. Riehle, 115: „Doch ein guter Wille ist das Wesen aller Vollkommenheit. Alle wohltuenden Empfindungen und alle körperlichen wie geistigen Freuden sind demgegenüber sozusagen nur äußerliche Nebensächlichkeiten, auch wenn sie noch so heilig sind […]. Nebensächlichkeiten nenne ich sie, weil man sie haben oder auf sie verzichten kann, ohne dass dieser Wille davon beeinträchtigt würde.“ 18 Vgl. Wolke des Nichtwissens, Kap. 8, Übers. Riehle, 51 f. 19 Vgl. Wolke des Nichtwissens, Kap. 1, Übers. Riehle, 33. 20 Vgl. Wolke des Nichtwissens, Kap. 2, Übers. Riehle, 34 f. Vgl. auch Wolke des Nichtwissens, Kap. 13 und 14, Übers. Riehle, 59 ff. 21 Vgl. Wolke des Nichtwissens, Kap. 63–67, Übers. Riehle, 139. 22 Wolke des Nichtwissens, Kap. 4, Übers. Riehle, 38.

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Ohne Sündenfall hätte der Mensch das „Werk“ ständig vollbracht, durch „das Werk“ wird seine Gottebenbildlichkeit nach dem Fall wieder hergestellt, Schritt für Schritt hinauf zu Gott.23 Anders als Hilton arbeitet der Verfasser der Wolke des Nichtwissens mit der Vorstellung vom sorgsamen Umgang mit der Lebenszeit. Keinen einzigen Augenblick solle der Mensch von Gott ablassen. Falls man schon viel Lebenszeit unnütz verbracht habe, solle man nicht verzweifeln; es helfe die Liebe zu Christus, die dem ihm Liebenden alles, was ihm gehört, zukommen lasse.24 Der Autor empfiehlt dem Leser, seine Liebe in die Worte „Sünde“ und „Gott“ zu kleiden und markiert damit gleichsam die beiden Eckpunkte des mystischen Vollzuges.25 Anders als Hilton konzentriert er sich bei der Selbsterkenntnis nicht auf einzelne Sünden, und bei der Kontemplation nicht auf einzelne Tugenden. Wie der Augustiner-Chorherr weist er darauf hin, dass der Kontemplative sich gemäß den Vorschriften der Kirche von der Sünde reinigen lassen müsse (Bußsakrament). Einzigartig innerhalb der Gruppe der fünf mittelenglischen Mystiker ist die titelgebende, leitmotivisch eingesetzte Vorstellung von der Wolke.26 Die „Wolke des Nichtwissens“ trennt den Menschen von Gott. Mit seiner Vernunft kann er nicht zu ihm vordringen. Ziel des Menschen muss sein, eine „Wolke des Vergessens“ zwischen sich und die Mitgeschöpfe zu schieben,27 und dann durch die Liebe zur gnadenhaften Gotteserfahrung vorzudringen. „Das tiefste Wissen über Gott, (das uns möglich ist), ist das Wissen im Nichtwissen“, zitiert der Cloud-Author PseudoDionysius Areopagita. Pseudo-Dionysius war in England durch die lateinischen Kommentare und Paraphrasen des Thomas Gallus (gest. 1246) bekannt.28 Bei aller Ähnlichkeit unterscheidet sich der Cloud-Author durch diese Verwurzelung in der Tradition der via negativa von Walter Hilton. Margery Kempes (um 1373–1438) in einem Manuskript überliefertes einziges Werk, das in der Literatur boke/Book (Buch)29 genannt wird, wurde erst 1934 wieder entdeckt. Es war schon zuvor bekannt, da Auszüge des Werkes in einem Druck von Wynkyn de Worde aus dem Jahr 1501 enthalten waren. Der moderne Titel Buch leitet sich von der Überschrift „A short treatyse of contemplacyon taught by our 23 „Denn dies ist das Werk (wie du später hören wirst), das der Mensch fortwährend gewirkt hätte, wäre er ohne Sünde geblieben, und für das er erschaffen wurde; es wurde auch alles für ihn erschaffen, um ihm dabei zu helfen und ihn darin zu fördern, und es ist das Werk, durch das seine Gott-Ebenbildlichkeit wiederhergestellt werden soll. Wenn er in diesem Werk versagt, fällt er tiefer und tiefer in die Sünde und mehr und mehr von Gott ab. Wirkt er aber ohne Unterlaß in diesem Werk und tut er dies allein und nichts anderes, dann steigt er stetig höher und höher über die Sünde hinauf und näher und näher zu Gott.“ (Wolke des Nichtwissens, Kap. 4, Übers. Riehle, 39.) 24 Vgl. Wolke des Nichtwissens, Kap. 4, Übers. Riehle, 40 f. 25 Vgl. Wolke des Nichtwissens, Kap. 40, Übers. Riehle, 100 f. 26 Der Verfasser nimmt hier Traditionen auf, die von der Erzählung der Gottesbegegnung des Mose in der Wolke (Ex 24,15) inspiriert sind. Sein Entwurf erinnert stark an Gregor von Nyssas Leben des Mose. (Vgl. Figura, Gregor von Nyssa, 206.) 27 Vgl. Wolke des Nichtwissens, Kap. 5, Übers. Riehle, 44. 28 Vgl. Spearing, Introduction (2001), xvii. 29 Vgl. Lagorio/Sargent, English Mystical Writings, 3444 und 3084–3086 zur Überlieferungssituation.

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lorde Ihesu cryste, or taken out of the boke of Margery kempe of Lynn“ in diesem frühen Druck ab.30 Margery Kempe gibt in ihrem Buch, das in der englischen Literaturgeschichte als erste volkssprachliche Autobiographie und erster volkssprachlicher Reisebericht einen besonderen Rang einnimmt, zahlreiche Hinweise auf ihre Person, durch die sich ihr Leben in Grundzügen rekonstruieren lässt. Sie stammte aus der wohlhabenden Hafenstadt Bishop’s Lynn, heute King’s Lynn31. Mit ungefähr 20 Jahren heiratete die Tochter aus einer einflussreichen Bürgerfamilie John Kempe, der aus einer erfolgreichen Kaufmannsfamilie stammte. Margery Kempe hatte 14 Schwangerschaften hinter sich – 13 ihrer Kinder starben früh –, als sie 1413 mit ihrem Mann als Abschluss eines mehrjährigen Bekehrungsprozesses vor dem Bischof von Lincoln ein eheliches Keuschheitsgelübde ablegte. Auslöser war ein Koma nach einer der Geburten. Als sie nach acht Monaten wieder erwachte, erschien ihr in einer körperlichen Schau Christus in einen Purpurmantel gehüllt, der ihr Trost zusprach. Die Erscheinung führte zur sofortigen Heilung. In den auf das Gelübde folgenden Jahren und Jahrzehnten unternahm Margery Kempe ohne ihren Mann weite Pilgerfahrten und Reisen (u. a. nach Jerusalem, Santiago de Compostela, Rom, Assisi, Aachen, Danzig). Sie unterhielt enge Verbindungen zu Franziskanern und Dominikanern. Letzteren ist es zu verdanken, dass sie der Verurteilung als Ketzerin entging. Ihre offene Kritik an kirchlichen Missständen, insbesondere am korrupten Klerus, brachte sie als vermeintliche Lollardin mehrfach vor kirchliche Gerichte.32 „Ihre exzentrische Lebensweise, ihre Visionen, Auditionen und bes[onders] die eruptiv hervorbrechenden Weinkrämpfe wurden zum öffentlichen Ärgernis und von ihren Zeitgenossen als Zeichen der Besessenheit angeprangert.“33 Margery Kempe war selbst nicht des Schreibens und Lesens mächtig, sondern beschäftigte einen Baccalaureus der Theologie als Amanuensis. Die Forschung34 hat in der Autobiographie Margery Kempes frappierende Parallelen zum Leben bzw. zu den biographischen Darstellungen Birgittas von Schweden (1302/03–1373)35 und kontinentaleuropäischen Mystikerinnen wie Marie von Oigniès (1177–1213),36 Dorothea von Montau (1347–1394)37 und Angela von Foligno (1248/49–1309)38 entdeckt, die sie entweder über ins Englische übersetzte Schriften oder über Erzählungen auf den Reisen kennengelernt haben könnte. Es liegt nahe, dass sich Margery Kempe am Vorbild dieser Frauen orientierte bzw. sie sich literarisch diesen Frauen ähnlich gestaltete bzw. durch den Schreiber gestalten ließ.39 Margery Kempe geht so weit, sogar ihre eigene Heiligsprechung literarisch vorwegzunehmen.40 Bei 30 Vgl. Windeatt, Introduction, 1. 31 Vgl. Parker, Lynn. 32 Arnold, Margery’s Trials. 33 Wöhrer, Kempe, 308. 34 Für einen Überblick vgl. Sandra J. Mc Entire, Introduction, ix–xii. 35 Vgl. Dinzelbacher, Birgitta von Schweden. 36 Vgl. von Brockhusen, Maria von Oigniès. 37 Vgl. Hartmann, Dorothea von Montau. 38 Vgl. Köpf, Angela von Foligno. 39 Vgl. Windeatt, Introduction, 9–18. Vgl. auch Holloway, Textual Community. 40 Vgl. Windeatt, Introduction, 18 ff. Vgl. auch Lewis, Margery Kempe, für eine Analyse des Books im Hinblick auf Margerys Selbststilisierung als Heilige.

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ihr fehlt der kirchlich-soziale Status. Sie ist stets um Selbstrechtfertigung, Anerkennung und Konstruktion von Autorität bemüht. Juliana von Norwich nimmt als erste Autorin in englischer Sprache, die mit Sicherheit identifiziert werden kann, einen Ehrenplatz in der englischen Literaturgeschichte ein, und als erster Verfasserin eines theologischen Werkes in englischer Sprache gebührt ihr auch ein besonderer Platz in der Theologiegeschichte. Über ihre Person ist wenig bekannt. Aus ihrem einzigen Werk, den Revelations/Showings (Offenbarungen),41 kann man nur wenige Hinweise bekommen.42 Juliana nimmt ihre Person darin bewußt zurück und fordert den Leser auf, sich auf den Inhalt der Offenbarung(en) zu konzentrieren und „dem armen Wesen, dem sie zuteil wurden“, keine Aufmerksamkeit zu widmen.43 Es finden sich deshalb im Werk gezielt nur solche Informationen, die dem Inhalt der Schrift Glaubwürdigkeit verleihen. Juliana berichtet davon, dass sie in ihrer Jugend gegenüber Gott drei dringende Wünsche geäußert habe: erstens, sterbenskrank zu werden, aber am Leben zu bleiben, zweitens, die Fähigkeit des intensiven Mitfühlens mit der Passion Christi und drei „geistliche Wunden“, nämlich wahre Reue (very contrition), natürliches, liebendes Mitleid bzw. Mitleiden mit Christus (kinde compassion)44 und, drittens, eine im Willen verankerte Sehnsucht nach Gott (willful longing to God).45 Juliana muss um 1342 geboren sein, denn sie gibt in ihrer Schrift an, dass sie am 8. Mai 137346 im Alter von dreißigeinhalb Jahren47 tatsächlich so krank wurde, dass sie dem Tode nahe war. In diesem Zustand seien ihr eine Reihe von Offenbarungen in Form von Visionen, Auditionen und nicht sprachlich oder sinnlich vermittelten Einsichten zuteil geworden.48 Die drei Wünsche Julianas zeigen eine junge Frau, die Zeit hatte, sich ausgiebig religiösen Erfahrungen zu widmen, so dass die Forschung von einem wohlhabenden familiären Hintergrund ausgeht. Dass Juliana zur Zeit ihrer Visionen Nonne war, gilt trotz ihrer Verbindung zu Benediktinerinnen als unwahrscheinlich, da sie in Kap. 10 des short text49 eine häusliche Umgebung be41 Wie viele mittelalterliche Werke – Hiltons Scale of Perfection ist ebenfalls ein Beispiel für dieses Phänomen – wurden die Revelations erst von den Abschreibern der Manuskripte mit einem Titel versehen. Im folgenden wird an Revelations festgehalten, weil dieser Titel bei den meisten Editionen und Übersetzungen begegnet. 42 Vgl. Spearing, Introduction (1998), vii–xi zu den biographischen Fragen. 43 Vgl. A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, Kap. 8, 13. 44 „Natürlich“ ist für Juliana mehrfach besetzt und positiv konnotiert. Das angelsächsische Wort kind bezeichnet die „Natur“, insbesondere die menschliche Natur. Es kann bei Juliana auch im Sinne von „Art“, „Familie“ verwendet werden. Für Juliana heißt kind/kindely zu sein, ein liebender Mensch, ein seiner Natur treuer Mensch zu sein. (Vgl. Pelphrey, Love, 88 f.) In A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, Kap. 57, 91, spielt Julian mit dem Begriff kind, er taucht hier in den verschiedensten Bedeutungen auf. 45 Vgl. A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, Kap. 2, 2 f. 46 Vgl. A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, Kap. 2, 2. 47 Vgl. A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, Kap. 4, 4. 48 „All this was shewid by thre: that is to sey, be bodily sight and by word formid in my understonding and be gostly sight.“ (A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, Kap. 9, 14.) 49 Julianas Offenbarungen sind in zwei Versionen überliefert, einer kürzeren und einer längeren. S. u. S. 191 f für das Verhältnis der beiden Texte. In den Fußnoten wird der short text mit „ST“ und der long text mit „LT“ abgekürzt, um dem Leser das Auffinden der Textstelle in

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schreibt.50 Als sie krank und dem Tode nahe war, berichtet sie, wurde nach einem Priester geschickt, der mit einem Jungen zu ihr kam, und ihre Mutter habe mit anderen an ihrem Krankenbett gewacht. So ist davon auszugehen, dass Juliana unverheiratet oder verwitwet war und im Haus der Eltern lebte. Erst nach den Offenbarungen entschloss sie sich zu einem Leben als Reklusin in der Norwicher St Julian’s Church, das Datum ihrer Einmauerung ist nicht belegt.51 Juliana übernahm den Namen von dieser Kirche, ihr ursprünglicher Name ist nicht bekannt.52 Norwich war im Spätmittelalter eine reiche Handelsstadt. Durch den Hafen stand die Stadt in East Anglia mit Kontinentaleuropa in Kontakt. Hauptexportgüter waren Wolle und Stoff. Importiert wurden neben Wirtschaftsgütern auch Kunstobjekte, Devotionalien und religiöse Texte. Das Stadtbild von Norwich ist bis heute von Kirchen geprägt, zu Julianas Zeiten waren es ca. 50. In dieser stattlichen Zahl spiegelt sich der Reichtum der Stadt. Juliana bezeichnet sich nach London, British Library, MS. Sloane 2499, selbst als „einfaches Geschöpf, das keinen Buchstaben kennt“ – „a simple creature that cowde no letter“53, andere Manuskripte formulieren es ähnlich, z. B. „a symple creature vnlettyrde“54. Es ist umstritten, was das bedeutet:55 Konnte sie selbst nicht schreiben, so dass sie für die Niederschrift ihres Textes einen Schreiber brauchte? Konnte sie kein Latein?56 Will sie damit sagen, dass sie allgemein und besonders theologisch ungebildet ist? Die Revelations weisen, besonders in der langen Version, auf eine Frau hin, die sehr wohl mit theologischen Fragen vertraut war. Es ist davon auszugehen, dass die Betonung des „Ungebildetseins“ ein in der Zeit verbreiteter anderen Editionen zu erleichtern. Von den hier verwendeten Editionen und Übersetzungen bietet die Übersetzung von E. Spearing den kurzen und den langen Text, während die mittelenglische Edition von Glasscoe sich auf den langen beschränkt. 50 Vgl. Pelphrey, Love, 18 f. 51 Vgl. den Stadtplan des spätmittelalterlichen Norwich (15. und frühes 16. Jahrhundert), in den 56 Zellen von Reklusen und Reklusinnen eingetragen sind, bei Pelphrey, Love, 360 (Legende), und hinterer Einbanddeckel Innenseite (Plan). Der Plan ist entnommen aus: Frank D. Sayer, Julian and her Norwich. Commemorative Essays and Handbook to the Exhibition „Revelations of Divine Love“, Julian of Norwich 1973 Celebration Committee, Norwich 1973. Vgl. auch die Karte aus Taylors Index Monasticus aus dem Jahr 1821, die Norwich vor der Auflösung der Klöster in der Reformationszeit zeigt (Pelphrey, Love, iv.) Dass Juliana bei St. Julian als Reklusin lebt ist in den Quellen für die Zeit ab 1394 belegt. (Vgl. Pelphrey, Love, 10 ff.) Die Zelle wurde in der Reformationszeit zerstört. Die Kirche St. Julian fiel 1942 einem deutschen Luftangriff weitgehend zum Opfer, wurde aber wieder aufgebaut. (Vgl. Spearing, Introduction [1998], xi.) 52 Vgl. Pelphrey, Love, 9. 53 LT, Kap. 2, Julian of Norwich, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 2. 54 LT, Kap. 2, Julian of Norwich, A Book of Showings, Ed. Colledge/Walsh, 285, Z. 2. 55 Vgl. Pelphrey, Love, 20 ff, für eine ausführliche Diskussion. Vgl. auch Erler, Devotional Literature, 498, für die unterschiedlichen Stufen von Lesefähigkeit im Mittelalter. 56 So Glasscoe, Introduction, xviii: „It is very probable that her account of the revelations was dictated to an amanuensis. Certainly the rhythms and inflexions of her use of language are often those of the speaking voice […].“ Nach Spearing ist davon auszugehen, dass Juliana „Autorin im Vollsinn des Wortes“ war, ob sie des Lateinischen mächtig war, muss offen bleiben. (Vgl. Spearing, Introduction [1998], viii f.)

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Demuts-Topos ist. Auch der wortgewandte Walter Hilton entschuldigt sich in der Scale of Perfection für sein Englisch und sein ungenügendes Verständnis der dargestellten Sachverhalte.57 Der Hinweis auf das Ungebildetsein sollte vielleicht die Angriffsfläche reduzieren und die Autorin schützen, denn ein theologisches Werk aus Frauenhand erregte in England im 14. Jahrhundert Aufsehen und zog Häresieverdacht auf sich.58 Gleichzeitig könnte Juliana von Norwich mit der Feststellung, unlettyrde zu sein, besondere Autorität für sich beansprucht haben, denn so konnte sie dem Leser geschickt vermitteln, dass sie die Erkenntnisse in der vorliegenden Schrift besonderer Gnade und Erleuchtung verdankt und nicht aus Schulbüchern hat. Das Todesjahr Julianas ist nicht bekannt. Es gibt verschiedene äußere Anhaltspunkte: Das Manuskript London, British Library, MS. Additional 37790, bezeichnet Juliana in einer Bemerkung des Schreibers als „recluse at Norwyche“ und gibt an, dass sie 1413 noch am Leben war. Die wohl bekannteste Erwähnung findet Juliana im Werk der Margery Kempe von Lynn. In ihrer Autobiographie berichtet sie, dass sie 1415 eine Reklusin, die „Dame Jelyan“59 genannt wird, besuchte. Sie habe Juliana ihre mystischen Erfahrungen geschildert, um eine Einschätzung über deren Echtheit und göttlichen Ursprung zu bekommen und habe von ihr klugen Rat erhalten.60 Juliana wird zwischen 1394 und 1416 in verschiedenen Testamenten genannt, so dass sich für ihren Tod ein terminus post quem von 1416 ergibt.61 Sie überlebte ihren direkten Zeitgenossen Hilton also um mindestens 20 Jahre. Darüber, ob die beiden die Werke des jeweils anderen zur Kenntnis genommen haben könnten, was aufgrund der Zeitgenossenschaft und relativen örtlichen Nähe gut möglich gewesen sein könnte, ist viel spekuliert worden.62 Denise Baker hat überzeugend dargelegt, dass zumindest nicht von theologischen Einflüssen in die eine oder andere Richtung auszugehen ist.63 Julianas Revelations sind in zwei Versionen überliefert, in einem kürzeren und einem längeren Text, die die englischsprachige Forschung mit short text und long text bezeichnet. Insgesamt existieren vier Handschriften. Der short text, überliefert von London, British Library, MS. Additional 37790, besteht hauptsächlich aus 57 Vgl. Hilton, Scale I, 92, Ed. Bestul, 133, Z. 2624 f. 58 Vgl. Spearing, Introduction 1998, viii f. Vgl. auch McEntire, Likeness of God, 3. 59 Dame (von lat. domina) weist nicht auf adlige Abstammung hin, sondern ist nach Pelphrey eine Bezeichnung für Reklusinnen, dem „Schwester“ für Nonnen vergleichbar. (Vgl. Pelphrey, Love, 10.) 60 „And than sche was bodyn be owyr Lord for to gon to an ankres in the same cyte, whych hyte Dame Jelyan. An so sche dede, and schewyd hir the grace that God put in hir sowle of compunccyon, contricyon, swetnesse and devocyon, compassyon wyth holy meditacyon and hy contemplacyon, and ful many holy spechys and dalyawns that owyr Lord spak to hir sowle, and many wondirful revelacyons whech sche shewyd to the ankres to wetyn yf ther wer any deceyte in hem, for the ankres was expert in swech thyngys and good cownsel cowd yevyn.“ (The Book of Margery Kempe, Ed. Windeatt, Kap. 18, 119, Z. 1335–120, Z. 1343. Vgl. The Book of Margery Kempe, Übers. Staley, 32, für eine moderne englische Übersetzung. ) Margery erwähnt die Showings nicht. 61 Vgl. Pelphrey, Love, 10 f. 62 Vgl. Baker, Image, 35. Vgl. auch Pelphrey, Love, 25 und 75. 63 Vgl. Baker, Image, 35 und 37 f.

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einem Bericht der Offenbarungen des Jahres 1373 und Julianas erster Deutung dieser Erfahrungen. Im long text, der nach einhelliger Forschungsmeinung erst nach dem short text entstand, ist fast alles Material des kurzen Textes verarbeitet. Diese Textversion ist in drei Handschriften überliefert: Paris, Bibliothèque Nationale, MS Fonds Anglais 40; London, British Library, MS. Sloane 2499 und 3705.64 Einige der Offenbarungen werden ausführlicher bedacht und theologisch reflektiert, ein showing, die berühmte Parabel vom Herrn und Knecht,65 obwohl schon 1373 erfahren, findet hier erstmals Berücksichtigung. Die Datierung der beiden Versionen ist umstritten. Während die ältere Forschung davon ausging, dass der short text bald nach 1373 enstand und der lange Text Julianas eigenen Angaben entsprechend knapp 20 Jahre später, d. h. ca. 1393, schlägt Nicholas Watson mit nach 1388 für den short text und nach 1413 für den long text eine bedeutend spätere Abfassungszeit vor. Watson geht davon aus, dass Juliana von den mystischen Schriften der Birgitta von Schweden und der Katharina von Siena Kenntnis bekam und so angeregt wurde, ihre eigenen mystischen Erfahrungen aufzuzeichnen. Dass Juliana wiederholt betont, dass sie sich „der Lehre der Heiligen Kirche“66 unterwerfe, besonders was die Bilderfrage angehe, deutet nach Watson auf eine Abfassungszeit in den 80er Jahren hin, als sich die Auseinandersetzung in der Bilderfrage mit den Lollarden zugespitzt hatte und die Lollarden verurteilt worden waren. Dazu, den langen Text spät anzusetzen, bewegt Watson die Überlegung, dass der Schreiber des kurzen Textes, der auf 1413 datierbar ist, doch wohl den längeren, aktuelleren Text überliefert hätte, wenn er ihm zugänglich gewesen wäre.67 Als Adressaten hat Juliana im short text „alle Männer und Frauen, die ein kontemplatives Leben führen möchten“68 im Blick. Im long text ist die Begrenzung des Adressatenkreises aufgegeben, und Juliana wendet sich an einen breiteren Leserkreis, der auch nichtkontemplative Laien einschließt.69 In Julianas Revelations wechseln sich beschreibende und reflektierende Passagen ab. In den beschreibenden berichtet Juliana als Ich-Erzählerin von ihren Visionen und Auditionen. Die Motivation ist nach ihren eigenen Angaben nicht ein Bedürfnis nach Selbstdarstellung, sondern Juliana möchte ihre Einsicht, dass Gott Liebe ist, anderen Menschen zugänglich machen. Sie erfährt sich selbst als einen Teil der von Gott geliebten und durch diese Liebe geeinten Menschheit, die wiederum durch die menschliche Liebe zu Gott geeint wird. Sie hält es deshalb für ihre Aufgabe, das Geschaute den anderen mitzuteilen.70 64 Vgl. Glasscoe, Introduction, viii. Glasscoes Edition bietet den Text aus London, British Library, MS Sloane 2499. Die Lesarten der anderen Manuskripte bietet sie in Auswahl. Der Edition von Colledge/Walsh liegt das Pariser Manuskript zugrunde. Vgl. Pelphrey, Love, xix– xxii für photographische Abbildungen je einer Manuskriptseite aus allen vier Textzeugen. 65 Vgl. LT, Kap. 51, Julian of Norwich, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 72–81. 66 Vgl. ST, Kap. 13, Revelations of Divine Love, Übers. Spearing, 20 f. 67 Vgl. Spearing, Introduction (1998), xi–xiii. 68 Vgl. ST, Kap. 4, Revelations of Divine Love, Übers. Spearing, 8. 69 Vgl. Spearing, Introduction (1998), viii. 70 Vgl. ST, Kap. 6, Revelations of Divine Love, Übers. Spearing, 9 f. Vgl. auch Pelphrey, Love, 326.

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Für Julianas Verständnis von Liebe ist die erste Vision besonders aufschlussreich, in der der Wunsch, der Passion intensiv gedenken zu können, in Erfüllung geht. Das Kruzifix, das ihr der ans Sterbebett gerufene Priester zum Trost vorhält, löst eine körperliche Schau (bodiliy sight)71 aus: Juliana sieht das blutüberströmte Antlitz Christi nach dem Aufdrücken der Dornenkrone. Parallel dazu schaut sie geistlich (spiritual vision)72 die Liebe Gottes. Diese geistliche Schau bleibt ihr im „Verstehen“ erhalten, nachdem die körperliche Vision aufhört.73 In dieser geistlichen Vision hält sie eine haselnussgroße Kugel in ihrer Hand und erfährt, dass es sich dabei um alles Geschaffene handelt, das trotz seiner Kleinheit immer bestehen wird, weil Gottes Liebe es erhält. Sie erkennt an dem Kügelchen drei Eigenschaften: das Geschaffensein durch Gott, das Geliebtsein durch ihn und das Erhalten- und Umsorgtwerden durch ihn. Ihr wird klar, dass sie keine Ruhe oder Glückseligkeit finden kann, bevor sie nicht durch Gottes Erbarmen eine „Substanz“ (one substance) mit ihm ist und so an ihn gebunden, dass zwischen ihr und Gott kein anderes Geschöpf mehr steht. Sie sieht ein, dass sie alles Geschaffene für nichts erachten soll, um die ungeschaffene Gottesliebe zu erlangen. In der nichtigen Schöpfung – symbolisiert durch die Größe der Haselnuss – könne man keine Ruhe finden. Hier tritt der augustinische Hintergrund deutlich zu Tage. Im Vergleich zu Walter Hilton vertritt Juliana eine andere Vorstellung von „Einung“. Während es Hilton um eine Übereinstimmung und Einung des menschlichen und göttlichen Willens als Ziel geht, geht es bei Juliana um eine Einung des göttlichen und menschlichen Wesens, zumindest legt der Begriff der Einheit in der „Substanz“ diese Einschätzung nahe. Juliana betont, dass Gott uns Menschen immer liebe, dass er vertraut und nahe (homely)74 sei und nicht grimmig und zornig. Das könne nur derjenige erfassen, den der Heilige Geist innerlich unterrichte. Die Kirche lehre zwar, dass Gott den Menschen liebe, aber erst durch die Gnade sei es für den Menschen innerlich erfahrbar. Diese „persönliche Liebe“ sei dem Menschen entzogen, sie sei nicht eigenes Verdienst. Die Erfahrung der umfassenden und unbedingten Liebe Gottes in Christus veranlasse den Menschen, sich dem Nächsten in Liebe zuzuwenden. Christus liebe uns Menschen, und wir Menschen liebten ihn. Dadurch seien wir mit allen Menschen und allen Dingen verbunden, weil wir in Gottes Liebe zur Welt eingebunden seien.75 Viele der Visionen zeigen eine drastische Passionsfrömmigkeit. Juliana beschreibt z. B. im Detail die Veränderungen in der Farbe des Fleisches im Todeskampf Christi,76 sie stellt dar, wie das „zarte Fleisch“ Christi an der Durchschlagstelle der Nägel ausreißt, widmet den Wunden und Blutströmen, die der Dornenkranz hervorruft, 71 Vgl. ST, Kap. 3–5, Revelations of Divine Love, Übers. Spearing, 6–9. 72 Vgl. ST, Kap. 4, Revelations of Divine Love, Übers. Spearing, 7. 73 „And when the bodily vision stopped, the spiritual vision remained in my understanding.“ (ST, Kap. 5, Revelations of Divine Love, Übers. Spearing, 9.) 74 Pelphrey stellt heraus, dass mit homely eine enge, familiäre Beziehung bezeichnet wird, die permanent und verlässlich ist. (Vgl. Pelphrey, Love, 105 f.) 75 So die Zusammenfassung von Kap. 7–10 bei Pelphrey, Love, 93 f. 76 Vgl. LT, Kap. 16, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 24.

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mehrere Passagen.77 Juliana legt dar, wie sie über die Vision der Schmerzen des Herrn zum Mitleiden und zur Einung mit ihm kommt. Dadurch, dass Christus mit der ganzen Schöpfung im Fleisch geeint sei, leide die ganze Schöpfung von Natur aus mit, wenn Christus sterbe. Das Mitleiden nehme besonders für alle, die Christus lieben – und damit in herausragender Weise für die Muttergottes – unerträgliche Ausmaße an, so dass sie sich mit ihm im Schmerz geeint wissen.78 Hilton ist der Gedanke der Einung durch Leiden fremd. Er setzt bei seiner Leserin die Praxis der Passionsbetrachtung voraus und schätzt sie, sie spielt in seiner Scale of Perfection jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Hilton beschreibt seiner Leserin in Buch I der Scale of Perfection Kap. 35, woran sie erkenne, dass die Effekte der Betrachtung von Gott kämen. Passionsbetrachtung, die „das Herz in Liebe zu Gott erhebe“, fromme Zuneigung und Liebe (devout affeccioun) in der Seele auslöse und gleichzeitig alles Weltliche und Fleischliche vergessen lasse, aus Mitleid zu Tränen und Trauer führe und zum Staunen über Gottes Güte, der all das auf sich genommen habe, sei Gnade des Heiligen Geistes. Die Liebe, die dabei entstehe, sei – mit Bernhard gesprochen – „fleischliche Liebe“ (fleischli love) Christi, denn sie richte sich auf seine Menschheit. Deshalb stellt Passionsbetrachtung für Hilton nur eine mittlere Stufe der Kontemplation dar, da die ymaginacioun immer noch beteiligt ist. Juliana spricht immer wieder von ihren Einsichten, die sie parallel zu ihren Visionen und in Zusammenhang mit diesen bekommt. Diese sind bildlos und entsprechen damit eher der Hiltonschen Kontemplation auf höherer Stufe. Wenn Hilton von der vollkommenen „Kontemplation“ spricht, die „Einung“ ist, geht es nicht mehr um theologische Erkenntnis wie bei Juliana. Da Hilton nur über die Passionsbetrachtung spricht, während Juliana ihre Schau plastisch darstellt, wirkt Hilton abstrakter und nüchterner. Hilton erwähnt keine Details der Passion, sondern bleibt bei einer Zusammenfassung des biblisch Überlieferten.79 Juliana ist visionär-bildhaft, während Hilton biblisch-bildhaft ist. In ihrer unterschiedlichen Aufnahme und Weiterentwicklung der imago trinitatis-Lehre Augustins eignen sich Walter Hilton und Juliana of Norwich zum Vergleich. Denise Baker hat im Aufsatz The Image of God. Contrasting figurations in Julian of Norwich’s Showings and Walter Hilton’s Scale of Perfection, eine ausführliche Analyse vorgestellt, auf die sich die folgende Darstellung in kritischer Auseinandersetzung stützt. Juliana geht wie Hilton von Augustins De Trinitate aus, wenn sie ihre Sicht der Gottebenbildlichkeit entwickelt: Und so wurde mein Verstehen von Gott in ihn hinein geführt, um in ihm zu sehen, zu verstehen, zu erkennen, dass unsere Seele eine erschaffene Trinität ist, der unerschaffenen seligen Trinität ähnlich, die schon immer erkannt und geliebt ist und die in der Schöpfung mit dem Schöpfer geeint wurde, wie oben dargestellt.80 77 Vgl. z. B. LT, Kap. 17, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 25 f. 78 Vgl. LT, Kap. 18, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 27 f. 79 Vgl. Scale I,35, Ed. Bestul, 68, Z. 901–907. 80 „And thus was my vnderstondyng led of God to sen in him and to vnderstonden, to weten and to knowen, that our soule is made trinite, like to the onmade blisfull Trinite, knowen and lovid fro without begynnyng; and in the making vnyd to the maker as it is afornseid.“ (LT, Kap. 55, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 88 f.)

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Juliana arbeitet theologisch nicht mit der Unterscheidung von imago und similitudo. Wenn sie in der eben zitierten Passage von „Ähnlichkeit“ spricht, übernimmt sie eine ganze Phrase aus der Tradition. Für Juliana von Norwich wie Hilton Hilton ist die Kontemplation bzw. unioErfahrung der Gipfel- und Zielpunkt eines Prozesses, in dem Introspektion und Selbstprüfung eine wichtige Rolle spielen. Hilton rät der Adressatin seiner Scale of Perfection, durch Meditation in sich selbst einzukehren und über die Erkenntnis der eigenen Seele zur Gotteserkenntnis zu gelangen. Für den Schritt von der Selbsterkenntnis zur Gotteserkenntnis beruft sich Hilton auf Augustinus: But thou schalt, yif thou wolt, bigynne a newe travaile, and that is for to entre into thyn owen soule bi meditacion, for to knowe what it is, and bi the knowynge therof for to come to the goostli knowynge of God. For as Seynt Austyn seith: ,Bi the knowynge of mysilf, I schalle gete the knowing of God.‘81

Juliana setzt auf der gleichen Basis andere Akzente: Und so sah ich wahrhaftig, dass es schneller und leichter für uns ist, zur Erkenntnis Gottes (knowyng of God) zu kommen, als unsere eigene Seele zu erkennen (knowen). Denn die Seele gründet so tief in Gott und ist so ewig in ihm verwahrt, dass wir sie nicht erkennen können, bevor wir nicht Erkenntnis Gottes haben, des Schöpfers der Seele, mit dem sie geeint (onyd) ist. Trotzdem sah ich, dass wir […] es weise und getreu begehren müssen, unsere eigene Seele zu erkennen, durch die wir erfahren, sie dort zu suchen, wo sie sich befindet, in Gott nämlich. Und so werden wir sie durch die gnadenhafte Führung des Heiligen Geistes beide zugleich erkennen; ob wir dazu bewegt werden, Gott zu erkennen oder unsere Seele, beides ist gut und wahr. Gott ist uns näher als unsere eigene Seele, denn er ist der Grund, auf dem die Seele steht […].82

Baker stellt fest, dass Hilton und Juliana davon ausgehen, dass Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis zusammenfallen bzw. übereinstimmen.83 Während Hilton von einer einseitigen Bewegung von der Seele zu Gott ausgehe, sei in Julianas Modell der Weg von der Seele zu Gott und umgekehrt von Gott zur Seele denkbar. Die unterschiedliche Sicht komme dadurch zustande, dass Hilton sein Konzept der imago Dei in einem pastoralen, asketischen Kontext entwickele, während es Juliana um metaphysisch-spekulative Überlegungen gehe. Bakers Darstellung der Position Julianas ist schlüssig. M. E. geht Hilton aber nicht so weit, dass er Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis in eins fallen lässt. Bei ihm ist die Selbsterkenntnis ein Schritt zur Gotteserkenntnis. Selbsterkenntnis führt für ihn zur Demut und ermöglicht, dass Gottes Gnade weiter am Menschen wirken kann, so dass Gotteserkenntnis denkbar wird. Während Hilton mit seinem pastoral-asketischen Ansatz hervorhebe, so Baker, dass die imago Dei durch die Sünde entstellt und durch das „Bild der Sünde“ ersetzt sei und diesen Sachverhalt mit optischen Metaphern unterstreiche, betone 81 Scale I,40, Ed. Bestul, 74, Z. 1063–1066. 82 LT, Kap. 56, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 89 f. Den Gedanken, dass Gott uns näher ist als unsere eigene Seele, hat Juliana von Augustinus, vgl. Conf. III, 6,11, Ed./Übers. Bernhart, 114 f. 83 Vgl. Baker, Image, 40.

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Juliana die Unauslöschlichkeit der imago Dei und halte an der ontologischen Verbindung des Menschen mit Gott über die imago Dei fest.84 Sie verwende Metaphern der Berührung, spreche von „umschließen“ und „enthalten sein“, um das unzertrennbare Band zwischen Gott und Mensch zu beschreiben. Da Hilton den Schwerpunkt auf die Entstellung der imago Dei und die Beeinträchtigung des göttlichen Potentials lege, werde für ihn die asketische Disziplinierung der Sinnlichkeit (sensualité) zentral, denn in der Sinnlichkeit, die nicht ordentlich von der Vernunft beherrscht wird, liege für ihn das „Bild der Sünde“. Wenn der untere, „weibliche“ Teil der resoun es schaffe, den Versuchungen der Sinnlichkeit zu widerstehen, steige die Seele zur ersten Stufe, dem reformynge in feith auf.85 Für die höchste Stufe, reformynge in feelynge sei Vervollkommnung der höheren, „männlichen“ resoun durch Gnade erforderlich. Baker verzerrt Hiltons Position, da sie die Rolle der Sakramente und die Notwendigkeit der Gnade in allen Schritten des reformynge übersieht. Baker zeigt auf, dass es gravierende Unterschiede gibt, auch wenn Juliana wie Hilton auf der Basis von Augustinus von einer Gliederung der Seele in zwei Teile ausgehe und den Begriff sensualité verwende, um den niedrigeren Seelenteil zu bezeichnen: Juliana bezeichne die ratio superior als „Substanz“ (substance) und die ratio inferior als sensualité. Damit werde die sensualité im Vergleich zu Hilton aufgewertet, denn bei ihm sei die sensualité als motion of the senses etwas von der resoun Verschiedenes. Die Höherbewertung zeige sich auch darin, dass bei Juliana nicht nur resoun, sondern auch sensualité als Begriff für die Seele stehen könne.86 Das ist für Juliana durch die Einung der resoun und der sensualité mit Gott möglich: „Und was unser Wesen und unsere Sinnlichkeit betrifft, sie können zu Recht unsere Seele genannt werden, und zwar durch die Einung in Gott.“87 Baker macht darauf aufmerksam, dass Juliana wesentlich von der augustinischen Tradition abweicht, wenn sie die imago Dei nicht nur in der ratio superior, sondern auch in der sensualité verortet. Als Beleg zitiert sie folgende Stelle: Ich sah, dass Gott in unserer Sinnlichkeit ist, denn genau an dem Punkt, an dem unsere Seele sinnlich geschaffen ist, befindet sich die schon vor aller Zeit für ihn bestimmte Stadt Gottes, eine Wohnung, in die Gott kommt und die er nie wieder verlässt, denn Gott verlässt die Seele, in der er selig für immer lebt, nie.88 84 Vgl. Baker, Image, 41. 85 Vgl. Baker, Image, 41–44. 86 Vgl. Baker, Image, 44 f. 87 LT, Kap. 56, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 90: And anempts our substan(c)e and sensualite, it may ritely be clepid our soule; and that is be the onyng that it hath in God.“ Der von Baker verwendete Quellentext sagt es noch deutlicher: „[…] and as anemptis oure substannce it may ryghtly be callyd oure soule; and anemptis oure sensualite it may ryghtly be callyd oure soule, and that is by the onyng that it hath in god […]“ (zit. n. Baker, Image, 44 f). 88 „[…] and also I saw that in our sensualite God is; for the selfe poynte that our soule is mad sensual, in the selfe poynt is the cite of God, ordeynid to him from withouten begynnyng; in which se he commith and never shal remove it, for God is never out of the soule in which he wonen blisfully without end.“ (LT, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 88.) Julianas Ausführungen beziehen sich auf das in der 16. Offenbarung Geschaute. Daher die ohne diesen Kontext unverständliche Rede von der „Stadt Gottes“. (Vgl. ST, Kap. 22, Revelations of Divine

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Baker hat mit ihrer Darstellung recht, aber sie unterschlägt die für das Verständnis wichtige, vorausgehende Passage, in der deutlich wird, dass nicht die Sinnlichkeit an sich positiv bewertet wird, sondern die von Gottes Barmherzigkeit und Gnade überformte Sinnlichkeit: Deshalb weiß ich, dass die Sinnlichkeit in der Natur, im Erbarmen und der Gnade gegründet ist. Dieser Grund befähigt uns, Gaben zu empfangen, die uns zum ewigen Leben führen. Denn ich sah gewiss, dass unsere Substanz in Gott ist, und ich sah auch, dass Gott in unserer Sinnlichkeit ist.89

Juliana bezeichnet die sensualité entgegen der augustinischen Tradition nicht als „weiblich“90 – anders als Hilton, der allerdings auch nur sagt, dass der niedrigere Teil der Seele, der von der Schöpfungsordnung her dem oberen Teil unterworfen sei, mit der Frau verglichen werde.91 Juliana betont die Einheit von Leib und Seele im Menschen. Durch Christus, der in der Inkarnation die sensualité annahm, wohne Gott in der menschlichen Seele. Durch ihn werden nach Juliana sowohl Leib als auch Seele vom Tod befreit: Und wegen der verehrungswürdigen Einung, die Gott so zwischen Seele und Leib schuf, muss die Menschheit vom doppelten Tod befreit [wörtlich: wiederhergestellt] werden. Diese Befreiung [Wiederherstellung] wäre vor der Zeit, in der die zweite Person der Trinität den niederigeren Teil der Menschheit annahm, mit dem der höchste Teil [der Menschheit, i.e. hier: der menschlichen Seele] durch die erste Schöpfung vereint war, niemals möglich gewesen. Diese beiden Teile, der niedrigere und der höhere, d. h. die eine Seele, waren in Christus.92 Love, Übers. Spearing, 33: „And I was still awake, and then our Lord opened my spiritual eyes, and showed me my soul in the middle of my heart. I saw my soul as large as if it were a kingdom; and from the properties that I saw in it, it seemed to me to be a glorious city. In the centre of that city sits our Lord Jesu [sic], true God and true man, glorious, highest Lord; and I saw him dressed imposingly in glory. He sits in the soul, in the very centre, in peace and rest, and he rules and protects heaven and earth and all that is. The Manhood and the Godhead sit at rest, and the Godhead rules and protects without any subordinate or trouble […]. In all eternity Jesus will never leave the position which he takes in our soul; for in us is his most familiar home and dwelling.“) 89 „Thus I vnderstond that the sensualite is groundid in kind, in mercy, and in grace; which ground abylith us to receive gefts that leden us to endles life; for I saw full sekirly that our substance is in God, and also I saw that in our sensualite God is; […].“ (LT, Kap. 55, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 88.) 90 Nach Baker „weigert“ sie sich, die traditionelle Vorstellung weiter zu tradieren. (Vgl. Baker, Image, 44.) Auch McEntire geht davon aus, dass Juliana die misogyne Tradition, die die Inferiorität der Frau lehrt, zwar verinnerlicht hatte, aber sich trotzdem davon freimachte. (Vgl. McEntire, Likeness of God, 11 ff.) 91 Vgl. Scale II,13, Ed. Bestul, 159, Z. 663–666. 92 „And for the worshipfull onyng that was thus made of God betwix the soule and body, it behovith needs to ben that mankynd shal be restorid from duble deth; which restoring might neve(r) be into the time that the second person in the Trinite had takyn the lower party of mankynde, to whom the heyest was onyd in the first makyng; and these ii partes were in Criste, the heyer and the lower, which is but on soule.“ (LT, Kap. 55, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 89.) Die Übersetzung von Spearing unterschlägt den Apekt der Wiederherstellung und spricht von „erlösen“ (redeem). (Vgl. Revelations of Divine Love, Übers. Spearing, 132.)

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Juliana geht von einer trinitarischen Verbindung zwischen Gott und Mensch aus. In der Trinität nimmt sie in ihrer Schau drei Eigenschaften (properte) wahr: Die Eigenschaft des Vaterseins, des Mutterseins und des Herrseins (faderhede, moderhede, lordhede). Die große Macht der Trinität sei der Vater, die tiefe Weisheit der Trinität die Mutter, die große Liebe der Trinität sei unser Herr. Diese drei Eigenschaften seien unsere in der Natur und in der „substantiellen Ausstattung“ (substantial making). Der allmächtige Vater bewahre die natürliche Substanz (kindly substance), der Sohn die Sinnlichkeit (sensualite), der Geist sei für den Lebenslohn, für die Vollendung, zuständig. Christus mit seinen beiden Naturen sei in zweierlei Hinsicht unsere „Mutter“, was die Substanz (substance) betreffe von seiner Göttlichkeit her und was die Sinnlichkeit (sensualite) betreffe von seiner Menschwerdung her, in der er unsere Sinnlichkeit annahm. In Christus seien unsere zwei Seelenteile vereint, in ihm machten wir Fortschritte und wüchsen wir. Aus Barmherzigkeit reformiere Christus uns und stelle uns wieder her. Kraft seiner Passion, seines Todes und seiner Auferstehung eine er Sinnlichkeit und Substanz in uns. Die erforderliche Barmherzigkeit und Gnade stamme vom Heiligen Geist. Der Heilige Geist lasse uns alle Verdienste Christi gnadenhaft zukommen. Durch diese Gabe könnten wir, was von den Geschöpfen zur Vollkommenheit erforderlich ist, leicht erfüllen.93 Juliana geht nach Baker davon aus, dass Leib und Seele sich gegenseitig in ihrem Wachstum unterstützen und gemeinsam Fortschritte machen. Baker stützt ihre Argumentation auf eine Textpassage, die textkritisch schwierig ist, ohne die Schwierigkeit zur Kenntnis zu nehmen. Und alle Gaben, die Gott den Geschöpfen geben kann hat er seinem Sohn Jesus für uns gegeben. Er, der in uns wohnt, hat die Gaben in sich beschlossen bis zu der Zeit, da wir entwickelt und gewachsen sind, die Seele mit dem Leib und der Leib mit der Seele. Die beiden [Leib und Seele] sollen sich gegenseitig unterstützen, bis wir durch das Wirken der Natur unsere volle Statur erreicht haben, und dann haucht der Heilige Geist im Grund der Natur mit Wirken des Erbarmens gnädig Gaben in uns ein, die zum ewigen Leben führen.94 93 „I saw and vnderstod that the hey myte of the Trinite is our fader, and the depe wisdam of the Trinite is our moder, and the grete love of the Trinite is our lord; and al this have we in kynd and in our substantial makyng. And ferthermore, I saw that the second person, which is our moder substantial, that same derworthy person is become our moder sensual; for we arn duble of Gods making: that is to say, substantiall and sensual. Our substance is the heyer parte, which we have in our fader, Got almyty; and the second person of the Trinite is our moder in kynde in our substantiall makeyng, in whome we arn groundid and rotid, and he is our moder in mercy in our sensualite takyng. And thus our moder is to us dyvers manner werkyng, in whom our parties are kepid ondepartid; for in our moder, Criste, we profitten and encresin, and in mercy he reformith us and restorith, and, be the vertue of his passion and his deth and uprisyng, onyth us to our substance. […] And grace werkyth with mercy, and namely in ii propertes as it was shewid; which werkyng longyth to the tred person, the Holy Gost. He werkith rewardyng and gefyng; rewardyng is a large gevyng of trewth that the lord doth to hym that hath travellid, and gevyng is a curtes workyng which he doith frely of grace fulfill, and overpassand al that is deservid of cretures. Thus in our fader, God almigty, we have our beyng; and in our moder of mercy we have our reformyng and restoryng, in whome our partes are onyd and all made perfitt man; and be yeldyng and (gevyng) in grace of the Holy Gost we arn fulfilled.“ (LT, Kap. 58, A Revelation of Divine Love, Ed. Glasscoe, 94 f.) 94 LT, Kap. 55, so der von D. Baker zitierte Textzeuge, vgl. Baker, Image, 46.

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Andere Textzeugen lesen „neyther of hem“95, so dass genau vom Gegenteil auszugehen wäre, nämlich dass sich Leib und Seele nicht unterstützen. Vom Kontext her ist nur „eyther“ plausibel, denn im Satz davor wird ja gerade das gemeinsame Wachsen von Leib und Seele betont. Bakers Analyse hat dort ihre Schwächen, wo sie versucht, Juliana auf Hiltons Kosten stark zu machen. Hilton wird im Gegensatz zu Juliana als leibfeindlich dargestellt, womit er m. E. nicht richtig erfasst wird. Baker gesteht ein, dass der Mensch auch nach Juliana durch die Sinnlichkeit besonders empfänglich für die Sünde ist, Juliana aber im Vergleich zu Hilton nicht das Unterdrücken und Ausmerzen der Sinnlichkeit propagiere, sondern ihre Vervollständigung und Vereinigung mit dem höheren Seelenteil.96 Hilton betone den Selbsthass und die asketische Züchtigung, die auf die Einsicht des Kontemplativen in den deformierten Zustand der imago Dei erfolge.97 Baker zitiert lange Passagen aus Buch I, Kap. 42 der Scale of Perfection als Beleg. Sie übersieht dabei, dass Hilton eben nicht von körperlicher Züchtigung und Ausmerzung des „Fleischlichen“ ausgeht. Hilton spricht zwar davon, dass die Adressatin nach der Selbsterkenntnis Hass und den Wunsch, sich selbst zu unterdrücken und zu zerstören, empfinde, aber er betont, dass es um „geistliche Arbeit“ gehe. Die Unterwerfung der Sinnlichkeit solle nicht durch körperliche Maßnahmen erfolgen: „This is a task for the spirit, hard and sharp in the beginning for anyone who will work vigorously in it, for it is a labour in the soul against the ground of all sins, small or great; and this ground is nothing but a false disordered love of a person for himself […].“98 Hilton betont gegenüber Befürwortern besonders asketischer und leibfeindlicher Praktiken Mäßigung und eine Ausrichtung auf die Tugenden Demut (meknesse) und Liebe (charité).99 Es geht ihm um eine Umkehr 95 Die Edition von Glasscoe und die Spearing-Übersetzung gehen von dieser anderen Textbasis aus. Statt „eyther of them take helpe“ von „neyther of hem“ (Julian of Norwich, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 88). 96 „Despite her more positive attittude toward the body, Julian concurs with her male contemporary about the deficiencies of the sensuality and its responsibility for transgression. […] Acknowledging the susceptability of the sensuality to sin, Julian nonetheless looks forward not to ist suppression and extirpation, as Hilton does, but to completion and reunion with the higher part of the soul or substance.“ (Baker, Image, 46 f.) 97 „Hilton emphasizes the self-loathing and ascetic discipline that should result from the contemplative’s recognition that the imago Dei has been disfigured into the image of sin through the dominance of the sensuality or ground of sin over the reason.“ (Baker, Image, 49.) Vgl. auch Park, Reflecting Christ. 98 Zitiert nach Baker, Image, 50. Hervorhebung M. Hopf. 99 Besonders aufschlussreich ist Scale I,76, wo Hilton betont, dass die Konzentration auf den Erwerb von Demut und caritas weit mehr Tugenden hervorbringe als intensive Selbstzüchtigung: „Denn merke wohl: wer in seinem Sehnen und in seiner Anstrengung auf nichts anderes aus ist als auf Demut und Liebe […] der wird durch dieses Verlangen und die ihm folgenden Taten an allen übrigen Tugenden wie Keuschheit, Enthaltsamkeit u.s.w. mehr gewinnen und wachsen, obwohl er wenig auf sie achtet; in einem Jahr wird er weiter kommen, als er ohne diese Sehnsucht in sieben Jahren gekommen wäre, wenn er auch unablässig gegen Gaumenlust und Wollust gekämpft und sich täglich vom Morgen bis zur Vesperzeit mit Geißeln geschlagen hätte.“ (Übers. Strakosch, 126 f.) Selbst in Scale I,2, wo er für aktiv Lebende selbstverständlich Schlafentzug, Fasten und Bußübungen voraussetzt, betont er die

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Zur Theologie Walter Hiltons im Rahmen der „mittelenglischen Mystik“

in der Haltung des Menschen, die dann auch Auswirkungen auf seine Sinnlichkeit und Körperlichkeit hat. Die der Vernunft untergeordnete Sinnlichkeit ist für ihn gut, es liegt ihm deshalb fern, sie grundsätzlich abzulehnen.100 Nach Baker findet die „Unvereinbarkeit (incompatibility)“101 von Leib und Seele bei Hilton ihren Niederschlag in den optischen Metaphern, die Hilton wählt, um das Verhältnis zwischen der Seele und Gott und die unio oder Kontemplation zu beschreiben. Hilton wähle das Bild des von Sünde und Sinnlichkeit verdunkelten Spiegels, der es nicht erlaube, Gott zu schauen. Bei Hilton schaue der Kontemplative wie der männliche Liebhaber in der Minnetradition von Ferne auf die unerreichbare Geliebte.102 Juliana sei im Gegensatz zu Hilton darum bemüht, die immer bestehende Verbindung zwischen Mensch und Gott auch nach der Sünde zu betonen. Selbsterkenntnis führe bei ihr nicht zur Erkenntnis der Trennung von Gott, sondern zur Erkenntnis der Verbundenheit mit Gott.103 Die von ihr gebrauchten Metaphern kreisten um das „Eingeschlossensein“ und „Verwobensein“.104 Selbst der Gedanke der creatio ex nihilo werde bei Juliana so gewendet, dass er die unverbrüchliche Verbindung zwischen Gott und Mensch ausdrücke, wie folgende Passage belegt: Und so verstand ich, dass die Seele des Menschen aus nichts gemacht wurde, das heißt, sie ist aus nichts Geschaffenem gemacht. Als Gott den Körper des Menschen schaffen wollte, nahm er Schleim aus der Erde. […] Um aber die Seele des Menschen zu schaffen, nahm er nichts, sondern er schuf sie einfach. Und so ist die geschaffene Natur wirklich mit dem Schöpfer geeint, der wesenhaft ungeschaffene Natur ist, d. h. mit Gott. Und deshalb darf gar nichts zwischen Gott und der menschlichen Seele stehen.105

Baker bietet zwei mögliche Erklärungen für die unterschiedliche Weiterentwicklung desselben augustinischen Hintergrundes bei Juliana und Hilton. Zum einen könnte es sein, dass es sich um einen „typisch männlichen“ und einen „typisch weiblichen“ Zugang handele. Auf der Basis von zwei Vergleichspersonen, so stellt Baker zu Recht fest, lassen sich keine Aussagen darüber machen, ob die Unterschiede bei einem männlichen und weiblichen Autoren durch soziale Konstruktion bedingt sei oder durch psychologische Unterschiede. Die zweite Erklärung trägt m. E. mehr aus. Baker schlägt vor, dass Juliana zu anderen Schlüssen kommt, weil sie „Offenbarungen“ empfangen hat. Julianas Offenbarungserfahrung sei so prägend gewesen, dass sie zwanzig Jahre lang darüber nachsann und davon ausgehend – discrecion, die mäßigend wirkende Unterscheidungsgabe. Nur wenn die Unterscheidungsgabe walte, könnten die Übungen helfen, den Menschen auf das kontemplative Leben vorzubereiten. (Vgl. Ed. Bestul, 32, Z. 36–33, Z. 41.) 100 Vgl. auch den vielleicht von Hilton übersetzten Prickynge of love, der eine ähnliche Position wie Hilton vertritt. (Vgl. Prickynge of Love, Ed. Kane, 170, Z. 17–176, Z. 25.) 101 Baker, Image, 52. M. E. ist der Begriff der „Unvereinbarkeit“ für Hiltons Verständnis vom Zusammenwirken zwischen Leib und Seele nicht geeignet. Wenn „Ordnung“ (ordo caritatis) herrscht, sind für Hilton Leib und Seele sehr wohl vereinbar. 102 Vgl. Baker, Image, 52. 103 Vgl. Baker, Image, 52 f. 104 Vgl. Baker, Image, 53. 105 LT 53, übersetzt nach Zitat bei Baker, Image, 53.

Zusammenfassung

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in Abstimmung mit vorgegebenen Denkschemata – ihre Theologie entwickelte. Hilton habe als Augustiner-Chorherr und Seelsorger eine Position der Autorität innegehabt, die eher durch Bildung als durch persönliche Erfahrung zustandegekommen sei. Was er über Kontemplation wisse, sei autoritativen Texten entnommen. Deshalb übermittle er das Augustinsche Modell getreuer an den Leser als Juliana, die aus ihrer Erfahrung heraus andere Akzente setze.106 Die bei Hilton so zentrale Vorstellung von der Reform der Gottebenbildlichkeit und Gottähnlichkeit in verschiedenen „Stufen“, die die Scale of Perfection prägt, spielt bei Juliana keine Rolle. Der Gedanke der Wiederherstellung des sündigen Menschen taucht jedoch auf, allerdings begrenzt auf den Begriff des restoring.107 Juliana entfaltet in Kap. 48 des long text ihre Vorstellung vom Wirken der Gnade im Menschen. Der Heilige Geist wende den Menschen von Zorn (wreth) zum Gegenteil: Frieden (peace) und Liebe (love).108 Juliana kennt die zisterziensische Tradition zumindest in charakteristischen Grundelementen. „Zisterziensisch“ argumentiert sie z. B., wenn sie zwischen „geschaffener Liebe“ und „ungeschaffener Liebe“ unterscheidet. Sie benutzt den zisterziensischen Gedanken allerdings in Variation. Indem sie eine Dreiteilung vornimmt – „ungeschaffene Liebe“ (charite onmade), „geschaffene Liebe“ (charite made) und geschenkte Liebe (charite goven)109 – betont sie die ontologische Verbindung des Menschen mit Gott über die mit der Natur des Menschen gegebene Liebe (charite made) und hebt deren Unverlierbarkeit hervor. Der zisterziensische Traditionsstrang wird bei Juliana nicht in derselben Weise prägend für den Gesamtentwurf wie bei Hilton. Der Grund liegt m. E. darin, dass Juliana von den Erfahrungen in ihren Visionen und Auditionen ausgeht, und diese das Gerüst für ihre literarische Arbeit abgeben. So kommt sie im Vergleich zum eher theoretisierenden Hilton zu einer stärker psychologisch ausgerichteten Klärung.

5.1 Zusammenfassung von Teil 5 Alle Autoren außer Hilton und dem Cloud-Author thematisieren ihre eigene Erfahrung. Hilton und der Cloud-Author bleiben diesbezüglich auf der theoretischen Ebene. Sie kommen, was die Vorstellung von der Einung anlangt, im 106 Vgl. Baker, Image, 55 f. 107 Vgl. z. B. LT, Kap. 55, Julian of Norwich, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 89. 108 Vgl. LT, Kap. 48, Julian of Norwich, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 67 f. 109 „[…] the first is charite onmade; the second is charite made; the iii is charite goven. Charite onmade is God; charite made is oure soule in God; charite goven is vertue; and that is a gracious geft of werking in which we loven God for himselfe and ourselves in God and that God loveth, for God.“ (LT, Kap. 84, A Revelation of Love, Ed. Glasscoe, 133.) „[…] die erste ist die ungeschaffene Liebe; die zweite die geschaffene Liebe; die dritte ist die geschenkte Liebe. Die ungeschaffene Liebe ist Gott; die geschaffene Liebe ist unsere Seele in Gott; die geschenkte Liebe ist Tugend; diese ist ein gnadenhaftes Geschenk im Hinblick auf das Handeln, durch das wir Gott um seiner selbst willen lieben und uns selbst in Gott, und das Gott um Gottes willen liebt.“

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Vergleich zu Juliana von Norwich, die von einer Einung der „Substanz“ spricht, zur zurückhaltenderen Vorstellung einer voluntativen unio. Trotz der Unterschiede hinsichtlich der Ausbildung, der sozialen Stellung und des Geschlechtes, ist die „Liebe“ (charité/caritas/love/amor) das beherrschende Thema bei allen Autoren. Das Thema Gottebenbildlichkeit spielt außer bei Hilton bei einzelnen Vertretern (Juliana von Norwich, Cloud-Author) eine Rolle, jedoch keine zentrale. Einzelne Aspekte aus der Theologie des Augustinus und Bernhard von Clairvaux werden bei allen wirksam, einzigartig für den Cloud-Author ist der pseudo-dionysische Hintergrund, der neben viktorinischen und zisterziensischen Einflüssen maßgeblich wirkt. Ein entscheidender Unterschied besteht jeweils darin, ob die eigene mystische Erfahrung zuerst intern und dann im Licht der Tradition in literarischer Form geklärt wird (Juliana von Norwich, Margery Kempe), oder ob die Tradition durch Ausbildung und Lebensweise so verinnerlicht ist, dass von ihr ausgehend Fragen des praktischen geistlichen Lebens angegangen werden. Das könnte erklären, warum bei Hilton das von der Tradition vorgegebene Thema „Gottebenbildlichkeit“ so prägend wird.

6. Zusammenfassung Das große Thema Hiltons ist die christliche Vollkommenheit. Ihn treibt die Frage um, wie der durch den Sündenfall und Tatsünden von Gott entfremdete Mensch die schöpfungsgemäße Übereinstimmung mit dem Schöpfer wiedererlangen kann. Von sich aus ist der Mensch dazu nach Hilton nicht in der Lage. Voraussetzung dafür, dass der Mensch überhaupt wieder Handlungsspielraum hat, ist die Passion Christi. In der kirchlichen Taufe wird die aus der Erbsünde stammende Schuld getilgt und die imago Dei in einem Reformgeschehen wiederhergestellt. Die göttliche Gnade (grace/gratia bzw. charité/caritas) bringt den Menschen dazu, auf dem Weg der Reform weiterzugehen. Durch die Innenschau erkennt er, wie es um ihn bestellt ist, er erkennt, dass seine Gottebenbildlichkeit (imago Dei) durch die Tatsünden nach der Taufe deformiert, und die similitudo Dei, die Übereinstimmung mit Gott, verlorengegangen ist. Er entdeckt das „Bild der Sünde“ in sich, das „Bild des Teufels“. In Demut (mekenesse/humilitas) erkennt er seine Abhängigkeit von Gott und seine eigene Nichtigkeit. Bei der „vollkommenen Demut“ „erfährt“ (experiri/feele) er sie auch. Er lässt der reformierenden Gnade Gottes Raum zum Wirken und bemüht sich, orientiert am Vorbild Christi, Tugenden an die Stelle der Sünden treten zu lassen. Im Zusammenwirken von göttlicher Gnade und menschlichem Bemühen kann der Mensch Schritt für Schritt die Gottebenbildlichkeit und Gottähnlichkeit (imago und similitudo Dei) zurückerlangen. Die „trinitarischen Seelenkräfte“, die „geschaffene Trinität“ im Menschen, mynde/memoria, resoun/ratio und wille/voluntas bzw. love/amor richten sich so wieder schöpfungsgemäß auf Gott aus. Der von Gnade überformte Wille, der sich in der Übereinstimmung mit Gott befindet, wird zur Liebe Gottes (love of God/amor Dei, charité/caritas). Die Kontemplation, die unio, ist bei Hilton als eine unio voluntatis gedacht, eine Einung des menschlichen Willens mit dem göttlichen, eine Einung von göttlicher und menschlicher Liebe. Hilton steht damit in der Tradition der romanischen Mystik. Alle im traditionsgeschichtlichen Teil der Arbeit vorgestellten Mystiker stellen sich die unio als Willenseinung vor. Die „mittelenglischen Mystiker“ halten sich an diese Vorstellung mit Ausnahme von Juliana von Norwich, bei der sich die Vorstellung einer „Wesenseinheit“ andeutet. Auch bei den Themen Wiederherstellung der imago und similitudo Dei und (Gottes-) Liebe wird Hiltons Verbundenheit mit der Theologie Augustins und der monastisch-theologischen Tradition des romanischen Sprachraumes sichtbar. In der engen Verschränkung der beiden Themen ist Hilton am ehesten Wilhelm von Saint-Thierry vergleichbar. Hiltons Haupt- und Eigenleistung besteht darin, dass er in den verschiedensten Bereichen vermittelnd wirkt: Hilton vermittelt zwischen theologischer Theorie und Praxis. Ihm geht es nicht um abstraktes theologisches Wissen, sondern um

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Zusammenfassung

den praktischen Nutzen der Theologie für die geistliche Lebensführung. Darin nimmt er ein Anliegen auf, das für die gesamte monastische Tradition prägend ist. Hilton setzt es jedoch in anderer Weise um: Für seine volkssprachlichen Schriften wie die Scale of Perfection übersetzt er ursprünglich lateinisch entwickelte theologische Gedanken in die Volkssprache. Er übersetzt sie v. a. inhaltlich und formal, denn der Leserkreis und der Kontext, in den seine Schriften fallen sind ganz andere als bei den „Vorlagen“. Schon Hiltons primärer Adressatenkreis ist noch heterogener als der der monastischen Autoren des 12. Jahrhunderts. Er reicht vom Priester über die Reklusin und den königlichen Finanzbeamten bis hin zum wohlhabenden Familienvater. Für diese Adressaten vereinfacht Hilton komplexe theologische Sachverhalte stark. Während die Zisterzienser des 12. Jahrhunderts und Bonaventura bei der „Liebe“ stark differenzieren und unterschiedliche Arten und Aspekte untersuchen, bleibt Hilton bei einzelnen Begriffen stehen, (z. B. „vollkommene Gottesliebe“ und „geordnete Liebe“). Bei vielen Schriften ist klar, dass Hilton einen größeren Adressatenkreis ansprechen will, auch wenn er sie literarisch nur an eine Einzelperson richtet. Es ist gut denkbar, dass einige dieser Einzelpersonen literarische Fiktion sind und jeweils für ein größeres Publikum aus der entsprechenden Gesellschaftsschicht stehen. Hilton hat im Englischen wie im Lateinischen einen an den antiken Autoren und den stilistisch anspruchsvollen zisterziensischen Autoren geschulten Schreibstil. Er ist mit seinen zahlreichen Belegen aus der Schrift (Vulgata) und der Zitation von Schriftstellen als Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für seine Ausführungen auch ein „Bibelübersetzer“, obwohl er nur einzelne im Stundengebet verwendete Psalmen ganz ins Englische übertrug, und sich seine Übersetzungsleistung ansonsten auf einzelne Verse aus unterschiedlichen biblischen Schriften beschränkt. Hilton teilt das Anliegen der Lollarden, von denen er sich in anderen Punkten stark abgrenzt, die Heilige Schrift allen Menschen in der Volkssprache zugänglich zu machen. Indem er stets lateinisch zitiert und erst dann entweder textnah oder kommentierend übersetzt, will er sich selbst vor dem Vorwurf der Häresie schützen, dem nach der Blackfriars Synode 1382 jede volkssprachliche Übersetzung ausgesetzt war. Mit der Schrift Mixed Life erweist sich Hilton als Übersetzer eines Lebenskonzeptes: Das traditionell Bischöfen und Mitgliedern tätiger Orden vorbehaltene Leben in der Balance von actio und contemplatio wird auf einen Laien mit Verantwortung für Besitz und zu seinem Haus gehörende Menschen angewendet. Hilton ist in den frühen Schriften noch zurückhaltend, was Aussagen zur Erreichbarkeit der contemplatio/unio für nicht rein kontemplativ lebende Menschen angeht. In Buch II der Scale of Perfection rückt die contemplatio als Zielvorstellung für alle Getauften in den Blick, wenn Hilton entfaltet, dass die Taufgnade und die Gnade, die den Menschen im raptus in die unio führe, ein und dieselbe Gnade sei. Die Rezeption der Hiltonschen Schriften, besonders der Scale of Perfection zeigt, dass sich Laien auch für die Schriften interessieren, die ursprünglich gar nicht für sie konzipiert waren. So lässt sich anhand der Hilton-Überlieferung eine religiöse „Demokratisierung“ nachweisen, die bei Hilton in Anfängen angelegt ist.

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Hiltons Werk verführt dazu, es losgelöst vom politischen und kirchenpolitischen Kontext zu lesen, da es wenig konkrete kontextuelle Bezüge enthält. So erwähnt Hilton z. B. das Große Abendländische Schisma mit keinem Wort. Dass er von einem kirchenpolitischen Ereignis von der Auswirkung des Papstschismas nichts mitbekommen hat, ist wegen seiner Kontakte zum Bischof von Ely, zur Universität Cambridge und im Orden der Augustiner-Chorherren fast unmöglich. Dass er kirchenpolitische Ereignisse nicht ausdrücklich erwähnt, kann mit seinem Schwerpunkt auf der Innerlichkeit erklärt werden. Auch die Orientierung an der monastischen Tradition und ihren Gattungen hat sicher zu einer gewissen „Zeitenthobenheit“ geführt. Die kirchlichen Krisen des 14. Jahrhunderts finden trotzdem Niederschlag in Hiltons Werk. Sein Lob des Ordenslebens, das er als sichersten Weg zur christlichen Vollkommenheit und damit als bevorzugten Ort der Reform preist, wird als apologetische Haltung angesichts der scharfen Angriffe Wyclifs und der Lollarden auf das Mönchtum und Ordenswesen gedeutet. Die monastische Tugend der Demut (humilitas/mekenesse) gilt Hilton als Schutz vor Häresie, die er als Folge des Hochmutes (superbia/pride) identifiziert, da sich der Mensch hier selbst zum Maßstab macht und sich über die kirchlichen Regelungen stellt. Gegenüber Wyclif, der das Ordensleben als dem Willen Christi zuwiderlaufend bezeichnet, betont Hilton, dass gerade die Demut (humilitas/mekenesse) als Haupttugend des Ordenslebens Nachfolge Christi bedeutet. Hilton ist ein Kritiker und Reformer, er ist es aber in anderer Weise als sein Zeitgenosse Wyclif. Hilton setzt mit seiner Kritik und seinen Forderungen nach Reform nicht bei der Struktur der Kirche oder etablierter Frömmigkeitspraxis an, sondern beim Einzelnen und seiner Gottesbeziehung. Die lollardischen Angriffe auf Bilder und figürliche Darstellungen in Kirchen verteidigt Hilton mit traditionellen Argumenten. Interessanterweise erinnern seine Formulierungen, wenn er den Leser auffordert, das „Bild der Sünde“ in sich zu zerschlagen, stark an lollardische Aufrufe zur äußerlichen Zerstörung von Bildern. Hilton wendet die Aufforderung zum Bildersturm innerlich. Es geht ihm nicht um eine „Reform von außen“ oder „von oben“. Der einzelne Christ und die einzelne Christin sind gefordert, ihr Gottesverhältnis zu klären, sich selbst zu ändern und von Gott reformieren zu lassen. Ob Hilton daran dachte, dass eine Reform jedes einzelnen Christen zu einer Reform der Kirche insgesamt, zu einer „Reform von unten“ und „von innen“, führen könnte, muss offen bleiben, denn er thematisiert diese Frage nicht. Für ihn steht „die Kirche“ unangreifbar da, und er verteidigt ihre Position gegen von ihm nicht namentlich bestimmte „Häretiker“, bei denen es sich, wie aus dem Kontext deutlich wird, um Lollarden und Vertreter der „Bewegung des Freien Geistes“ handelt. Hilton betont die unhinterfragbare Autorität „der Kirche“ in Lehrfragen. Auch in dieser starren Behauptung der Unangreifbarkeit der Kirche zeigt sich, dass er die kirchliche Krise der Zeit sehr wohl wahrnahm und als Bedrohung empfand. Wenn Hilton Kritik an der Kirche übt, dann nur an der Praxis einzelner, nicht namentlich genannter stereotypisierter Kleriker, die z. B. in ihrer Gier nach einer großen Pfründe das eigentliche Ziel der vollkommenen Gottesliebe vergessen. Hilton geht jedoch nicht so weit, der Stärkung der Kirche als Institution seine theologische Überzeugung zu opfern. Als Gnadenmittlerin kommt die Kirche für Hilton vor allem in der Taufe

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Zusammenfassung

in den Blick. Ihre Funktion in der Beichte ist seiner Auffassung nach rein deklaratorisch. Hilton ist bewusst, dass er der Kirche nicht den maximal möglichen Einfluss zugesteht, wenn er die Vergebung der Sündenschuld grundsätzlich in den Bereich des individuellen Gottesverhältnisses verlegt. Er verwendet viel Mühe darauf aufzuzeigen, dass die Bestätigung der schon erfolgten Sündenvergebung durch Vertreter der Kirche notwendig und für den Beichtenden hilfreich ist, um nicht mit antikirchlichen Strömungen seiner Zeit assoziiert zu werden. Hiltons Mystik zeichnet sich durch ihre Nüchternheit aus. Sie ist dadurch für einen größeren Personenkreis zugänglich und praktisch nachvollziehbarer als die spektakulärere Erfahrungsmystik einer Einzelperson wie Juliana von Norwich, die der Leser als eine Ausnahmeerscheinung wahrnimmt. Hiltons Werke sind aus seiner Praxis als Seelsorger und geistlicher Begleiter erwachsen. Fragen, die an ihn herangetragen werden oder die sich ihm selbst aus der Praxis heraus stellen, beantwortet er im Rückgriff auf die altkirchliche und mittelalterliche theologische Tradition, v. a. den monastischen Traditionsstrang aus dem 12. Jahrhundert. Hiltons eigene Erfahrung wird nicht zum Thema gemacht, an einzelnen Stellen scheint sie mehr zufällig durch. Während die Mystikerinnen und Richard Rolle bemüht sind, durch ihr mystisches Erleben und die schriftliche Fixierung ihrer persönlichen Erfahrung Autorität zu konstruieren, muss Walter Hilton nicht um seine Autorität kämpfen. Er besitzt sie institutionell durch seinen universitären Werdegang, seine Beziehungen zum Bischof und seine Zugehörigkeit zu den AugustinerChorherren. Für einen Leser mit wissenschaftlichem Interesse sind Hiltons Werke in ihrer traditionsgeschichtlichen Verwurzelung, kontextuellen Einbindung und reichen Wirkungsgeschichte ein vielseitiges Forschungsobjekt. Hiltons Texte faszinieren jedoch nicht nur auf der wissenschaftlichen Ebene. Die Auseinandersetzung mit Hilton und seinem Werk führt den Leser in die Auseinandersetzung mit der eigenen Person. Hiltons Darstellung des „Bildes der Sünde“ im Menschen für die Reklusin des 14. Jahrhunderts regt auch heute noch zur Besinnung und Selbstkritik an. Sein Zuspruch an Zeitgenossen, die von übermäßigen Beichtskrupeln oder Heilsangst wegen nicht eingehaltener Gelübde umgetrieben wurden, wurde von mittelalterlichen Lesern sicher als befreiend empfunden. Für den modernen Leser, besonders den evangelischer Konfession, sind die aus den Texten sprechenden Ängste v. a. in ihrem Ausmaß fremd und ein Phänomen der Vergangenheit. Hilton zwingt den Leser nicht, sich an eine bestimmte Methode oder feste Reihenfolge von Schritten zu halten, auch wenn er diese vorstellt. In seinen „Anleitungen“ verliert er den Einzelnen und seine individuelle Gottesbeziehung nicht aus dem Blick. Hilton drängt sein Gegenüber, die Suche nach Gott und das Ziel der Gottesliebe nicht aus den Augen zu verlieren. Auf dem Weg zur vollkommenen Gottesliebe bietet er ihm Wegweisung, indem er in der monastischtheologischen Literatur verarbeitete Erfahrungen von Generationen bereitstellt. Er verweist auf das Vorbild Christi, in dem die vollkommene Liebe Gottes zum Menschen, die vollkommene Liebe des Menschen zu Gott und die vollkommene Nächstenliebe zusammenfallen. Hilton stellte die caritas in den Mittelpunkt seines Denkens, weil er darum wusste, dass allein die Liebe Zusammenhalt schafft und

Zusammenfassung

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Spaltungen und Krisen überwindet. In der caritas nähert sich Gott dem Menschen und der Mensch Gott. Caritas ist Voraussetzung für ein gutes zwischenmenschliches Miteinander, sie stabilisiert Kirche und Gesellschaft. So ist Hilton durch seine von der monastischen Theologie geprägte Schwerpunktsetzung zeitlos aktuell. Nicht in erster Linie Hiltons Person, sondern v. a. seine Botschaft verdient das von der Thurgartoner Jubiläumssäule geforderte Gedenken.

Abkürzungen Die verwendeten allgemeinen Abkürzungen sowie Abkürzungen für Literatur aus der Theologie und ihren Grenzgebieten richten sich nach dem Internationalen Abkürzungsverzeichnis der Theologischen Realenzyklopädie (TRE), zusammengestellt von Siegfried M. Schwertner, de Gruyter, Berlin, New York, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage 1994. Abkürzungen für die biblischen Bücher orientieren sich an Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG), 4. Auflage, S. XX und S. XXIII. Hinweise zur Kurzzitation von Quellenwerken Abkürzungen für Augustins Schriften richten sich nach AugL 1, XLIII–XLV. Abkürzungen für Bonaventuras Schriften richten sich nach: Bonaventura, Itinerarium mentis in Deum, Ed./Übers. Schlosser, 209 f. Bei der Kurzzitation aus den großen, in theologischen Bibliotheken gängigerweise vorhandenen Quellenreihen wird neben dem Herausgeber auch die Reihe und der entsprechende Band angegeben, um das Nachschlagen zu vereinfachen. Bei den weniger bekannten Quellenreihen wird nur der Herausgeber angegeben. Sonstige Abkürzungen BCSWld Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, 10 Bde, hg. von Gerhard Winkler in Verbindung mit Alberich Altermatt, Denis Farkasfalvy, Polykarp Zakar, Innsbruck 1990–1999. Scale I Scale of Perfection, Buch I Scale II Scale of Perfection, Buch II SC[ant] Sermo(nes) in Cantica Canticorum LT long text ST short text

Literatur Da der überwiegende Teil der Literatur aus dem englischsprachigen Ausland stammt, wird der Verlag mit angegeben. US-amerikanische Dissertationen erscheinen häufig nicht in Buchform und sind deshalb über die konventionelle Fernleihe schwer erhältlich. Fast alle können über die Datenbank „Dissertation Abstracts – Digital Dissertations“ der Universität Ann Arbour/Michigan, die mit der Firma UMI ProQuest kooperiert, bestellt werden. Die UMI ProQuest Nummern werden im Folgenden mit angegeben.

1. Quellen Außer der Handschrift London, British Library, MS. Cotton Faustina B VI, sind alle von mir eingesehenen Manuskripte in den verwendeten Editionen berücksichtigt, sie werden deshalb nicht extra aufgeführt. 1.1 Walter Hilton 1.1.1 Lateinische Werke Texteditionen Walter Hiltons Latin Writings, Clark, John P.H./Taylor, Cheryl (Hg.), (ACar 124), 2 Bd., Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Salzburg, Salzburg 1987. Übersetzungen Letter to a Hermit [Übersetzung der Epistola de meditacione durch Russell Smith, Joy] in: The Way 6 (1966), 230–241. Scruples at Confessions, in: The Life of the Spirit 10 (1956), 451–456.504–509. [Nicht eingesehen, über internationale Fernleihe nicht erhältlich.]

1.1.2 Englische Werke 1.1.2.1 Texteditionen Scale of Perfection The Scale of Perfection, edited by Bestul, Thomas H., (TEAMS Middle English Text Series), Medieval Institute Publications, Western Michigan University, Kalamazoo/Michigan 2000. [Im Internet frei als Hypertext zugänglich unter: http://tigger.uic.edu/~tbestul/Intro.htm; Stand: 19.7.2008.] Birts, Rosemary (Hg.), The Scale of Perfection by Walter Hilton Canon at the Augustinian Priory at Thurgarton, Book I, chapters 38–52. BLitt.thesis, University of Oxford 1952. Hussey, Stanley S., An Edition from the Manuscripts of Book 2 of Walter Hilton’s Scale of Perfection, PhD Thesis, London University 1962.

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Literatur

Wykes, Barbara Eleonor, Edition of Book I of ‚The Scale of Perfection‘ by Walter Hilton, PhD Dissertation, University of Michigan 1958. [UMI ProQuest Nr. AAT5803754.] Mixed Life Walter Hilton’s Mixed Life Edited from Lambeth Palace MS 472, Ogilvie-Thomson, Sarah J. (Hg.), (Salzburg Studies in English Literature, Elizabethan and Renaissance Studies 92:15), Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Salzburg, Salzburg 1986. Of Angels’ Song Hilton’s Of Angels’ Song, in: Gardner, Helen/Garrat, Edmund (Hg.), The Cell of Self Knowledge. Chatto and Windus, London 1910, 61–73. [Text in modernisiertem Englisch] [Unter www.ccel.org/ccel/hilton/angels/files/angels.html im Internet, modernisiert von Harry Plantinga (1997), Stand: 19.7.2008]. Hilton’s Of Angel’s Song, in: Yorkshire Writers. Richard Rolle of Hampole and His Followers, hg. von Horstmann, Carl, Woodbridge [u. a.], Brewer 1999 [Nachdruck der Edition Swan Sonnenschein & Co, Macmillan & Co, New York 1895, 1986], Bd. 1, 173–182. [Transkription von Lincoln Cathedral Library, MS. Thornton A 1.17.] Walter Hilton’s Of Angels’ Song. Edited from The British Museum MS Additional 27592, Takamiya, Toshiyuki (Hg.), in: Studies in English Literature English Number 1977, 3–31. [Nachdruck in: Kuriyagawa, Fumio/Takamiya, Toshiyuki (Hg.), Two Minor Works of Walter Hilton. Eight Chapters on Perfection and Of Angels’ Song, Eigenverlag, Tokyo 1980.] Kommentar zu Ps 90 Qui habitat An Exposition of Qui Habitat and Bonum Est in English, Wallner, Björn (Hg.), C.W.K. Gleerup, London, Ejnar Munksgaard, Kopenhagen 1954, 1–50. The Minor Works of Walter Hilton, Jones, Dorothy (Hg.), Burn Oates and Washbourne, London 1929, 115–168 [Modernisierte Edition]. Kommentar zu Ps 91 Bonum Est An Exposition of Qui Habitat and Bonum Est in English, Wallner, Björn (Hg.), C.W.K. Gleerup, London, Ejnar Munksgaard, Kopenhagen 1954, 51–105. Kommentar zum Benedictus A Commentary on the Benedictus. Edited from the two Extant Middle English Manuscripts with Introduction, Notes, and Glossary by Wallner, Björn (Lunds Universitets Årsscrift. N.F., Adv. 1. Bd. 53, Nr.1), C.W. Gleerup, Lund 1957. The Minor Works of Walter Hilton, Jones, Dorothy (Hg.), Burn Oates and Washbourne, London 1929, 217–232 [Modernisierte Edition]. Eight Chapters on Perfection Kuriyagawa, Fumio/Takamiya, Toshiyuki (Hg.), Two Minor Works of Walter Hilton. Eight Chapters on Perfection and Of Angels’ Song, Eigenverlag, Tokyo 1980. Walter Hilton’s Eight chapters of Perfection, edited from Ms Anglais 41 (Bibiliothèque Nationale, Paris) and collated with the other Mss. in the British Museum, Bodleian Library, Cambridge University Library, and the Library at Lambeth Palace, with Introduction, Notes and Glossary, Kuriyagawa, Fumio (Hg.), The Keio Institute of Cultural and Linguistic Studies, Keio University, Tokyo 1967. Takamiya, Toshiyuki, A New Manuscript of Walter Hilton’s Eight Chapters on Perfection: The British Library, Additional MS 60577, in: Poetica. An International Journal of Linguistic Literary Studies 12 (1981), 142–149. The Goad of Love The Prickynge of Love, edited by Kane, Harold, 2 Bd., (Salzburg Studies in English Literature. Elizabethan & Renaissance Studies 92:10), Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Salzburg, Salzburg 1983.

Quellen

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1.1.2.2 Übersetzungen The Scale of Perfection The Scale of Perfection, translated from the Middle English, with an Introduction and Notes by Clark, John P.H. and Rosemary Dorward, (CIWS), Paulist Press, Mahwah/New Jersey 1991. The Scale (or Ladder) of Perfection, With an Essay on the Spiritual Life of Medieval England by J[ohn] B. Dalgairns, Westminster Art and Book Company, Neuedition 1908 [1. Aufl. 1901]. [Im Internet in der Christian Classics Ethereal Library at Calvin College unter: http://www.ccel.org/ccel/hilton/ladder.html, Stand: 12.7.08.] The Stairway of Perfection, translated by Del Mastro, M[arianne] L., Image Books, Garden City 1979. The Scale of Perfection, abridged and presented by Trethowan, Illtyd, Geoffrey Chapman London, Sydney u. a. 1975. Glaube und Erfahrung (The Scale of Perfection), aus dem Altenglischen [sic!] nach den Handschriften (B.M. Harl. 657a) übersetzt von Strakosch, Elisabeth, mit einer Einleitung von Balthasar, Hans Urs, (LeSp10), Johannes Verlag, Einsiedeln 1966. The Ladder of Perfection, Translated by Leo Sherley-Price with an Introduction by Clifton Wolters, Penguin, London, New York 1988. [Dieselbe Übersetzung ohne Wolters Introduction: Penguin, London 1957.] The Scale of Perfection, translated into Modern English, with an Introduction and Notes by Sitwell, Gerard, Burns & Oates, London 1953. The Scale of Perfection, translated by an Oblate of Solesme, with an introduction by Noetinger, Maurice, Burns, Oates & Washbourne, London 1927. L’échelle de la Perfection. Scala perfectionis par Walter Hilton, traduit par Noetinger, Maurice et Bouvet, É[mile], Alfred Mame et fils, Tours 1923. Mixed Life Mixed Life. Translated into modern English by Rosemary Dorward, with Introduction and Notes by John Clark, SLG Press, Oxford 2001. Eine Epistel, die vom gemischten Leben handelt, von Walter Hilton, übersetzt von Strakosch, Elisabeth, in: Aug(L) 17, 1967, 299–326. [Die Übersetzung reicht bis Kap. 28; die angekündigte Fortsetzung ist nie erschienen.] Of Angels’ Song 8 Chapters on Perfection & Angels’ Song. Translated into Modern English by Dorward, Rosemary, [mit einer Einführung von Allchin, A[rthur] M[acdonald], SLG Press, Oxford, Nachdruck 1992 [Erstdruck 1983]. Vom Engelsgesang. Aus dem Mittelenglischen übersetzt von Strakosch, Elisabeth, in: Aug(L) 17 (1967), 443–449. Le Chant des Anges, übersetzt und eingeleitet von Noetinger, Maurice, in: VSAM 9 (1923/1924), 72–79. Eight Chapters on Perfection 8 Chapters of Perfection & Angels’ Song. Translated into Modern English by Dorward, Rosemary [mit einer Einleitung von Allchin, A[rthur Macdonald], SLG Press Oxford, Nachdruck 1992 [Erstdruck 1983]. The Goad of Love The Goad of Love. An unpublished translation of the Stimulus Amoris formerly attributed to St. Bonaventura now edited from manuscripts by Clare Kirchberger, (Classics of the Contemplative Life), Faber & Faber, London o.J. [Die Einführung (Introduction) stammt aus dem Jahr 1951.]

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Literatur

1.2 Hilton in Anthologien [Es handelt sich um Übersetzungen der mittelenglischen Quellenauszüge ins moderne Englisch bzw. Französisch.] Armstrong, Karen (Hg.), Visions of God. Four Medieval Mystics and Their Writings, Bantam Books, New York 1994. Colledge, Eric (Hg.), The Medieval Mystics of England, with an introduction by Colledge, Eric, Charles Scribner’s Sons, New York 1962. Davis, Charles (Hg.) English Spiritual Writers from Aelfric of Eynsham to Ronald Knox, foreworded by His Eminence Cardinal Godfrey Archbishop of Westminster Sheed & Ward, New York 1961. Jeffrey, David Lyle (Hg.), The Law of Love. English Spirituality in the Age of Wyclif, translated and edited by David Lyle Jeffrey, Eerdman’s, Grand Rapids/Michigan 1988. Renaudin, Paul (Hg.), Mystiques Anglais. Richard Rolle, Juliane de Norwich, Le Nuage de l’Inconnaissance, Walter Hilton. Introduction et Choix des Textes par Paul Renaudin, (MSC), Aubier Éditions Montaigne, Paris 1957. Robertson, Jenny, Praying with the English Mystics, Triangle, London 1990.

1.3 Sonstige Quellen zu Abaelard s. unter Petrus Abaelardus Aelred von Rievaulx, Opera omnia, Hoste, A[nselm]/Talbot, C[harles] H[ugh] (Hg.), (CChr.CM 1), Brepols, Turnhout 1971. – Compendium speculi caritatis, Talbot, C[harles] H[ugh] (Hg.), in: Aelredi Rievallensis opera omnia, Hoste, A[nselm]/Talbot, C[harles] H[ugh] (Hg.), (CChr.CM 1), Brepols, Turnhout 1971, 172–238. – De spiritali amicitia, Talbot, C[harles] H[ugh] (Hg.), in: Aelredi Rievallensis opera omnia, Hoste, A[nselm]/Talbot, C[harles] H[ugh] (Hg.), (CChr.CM 1), Brepols, Turnhout 1971, 279–350. – De institutione inclusarum, Talbot, C[harles] H[ugh] (Hg.), in: Aelredi Rievallensis opera omnia, Hoste, A[nselm]/Talbot, C[harles] H[ugh] (Hg.), (CChr.CM 1), Brepols, Turnhout 1971, 635–682. – Dialogus de anima, Talbot, C[harles] H[ugh] (Hg.), in: Aelredi Rievallensis opera omnia, Hoste, A[nselm]/Talbot, C[harles] H[ugh] (Hg.), (CChr.CM 1), Brepols, Turnhout 1971, 683–754. – Speculum caritatis, Talbot, C[harles] H[ugh] (Hg.), in: Aelredi Rievallensis opera omnia, Hoste, A[nselm]/Talbot, C[harles] H[ugh] (Hg.), (CChr.CM 1), Brepols, Turnhout 1971, 2–170. – Über die geistliche Freundschaft. Lateinisch-deutsch, ins Deutsche übertragen von Haacke, Rhaban, eingeleitet von Nyssen, Wilhelm (Occidens. Horizonte des Westens 3), Spee-Verlag, Trier 1978. – Samenkörner zur Meditation. Der zwölfjährige Jesus – Hirtengebet – Inklusenregel lateinisch-deutsch, hg. von Brem, Hildegard, übersetzt von Schwarzbauer, Josef, (Quellen und Studien zur Zisterzienserliteratur 8), Bernardus Verlag, Langwaden 2004. – Inklusenregel, in: Aelred von Rievaulx, Samenkörner zur Meditation. Der zwölfjährige Jesus – Hirtengebet – Inklusenregel lateinisch-deutsch, hg. von Brem, Hildegard, übersetzt von Schwarzbauer, Josef, (Quellen und Studien zur Zisterzienserliteratur 8), Bernardus Verlag, Langwaden 2004, 112–193. – Spiegel der Liebe, nach der Ausgabe A. Hoste/C.H. Talbot im Corpus Christianorum C.M. I (1971) übertragen und eingeleitet von Brem, Hildegard. Gekürzt und überarbeitet von von Balthasar, Hans Urs, (CMe 37), Johannes Verlag, Einsiedeln/Trier 1989.

Quellen

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– Two Middle English Prose Translations of Aelred von Rievaulx’s De Institutione Inclusarum, hg. Von Ayto, J[ohn]/Barratt, A[lexandra] A., (EETS [original series] 287), Early English Text Society, London, New York 1984. – The Mirror of Charity, translated by Connor, Elisabeth, introduction and notes by Dumont, Charles (CiFS 17), Cistercian Publications, Kalamazoo/Michigan 1990. Anchorite Spirituality. Ancrene Wisse and Associated Works. Translated and Introduced by Anne Savage and Nicholas Watson, preface by Benedicta Ward, (ClWS), Paulist Press, New York, Mahwah 1991. Ancrene Wisse, Hasenfratz, Robert (Hg.), Medieval Institute Publications, Kalamazoo, Michigan 2000. Anselm von Canterbury Cur deus homo. Warum Gott Mensch geworden, lateinisch und deutsch, Edition und Übersetzung von Schmitt, Franciscus Salesius, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 41986. Augustinus, Bekenntnisse. Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Lateinischen von Bernhart, Joseph, mit einem Vorwort von Grasmück, Ernst Ludwig, Insel Verlag 1987. – De civitate Dei, Dombart, Bernard/Kalb, Alphons (Hg.), (CChr.SL 47 [libri I–X], CChr. SL 48 [libri XI–XXII), Brepols, Turnhout 1955. – De civitate Dei libri XI–XXII, Dombart, Bernard/Kalb, Alphons (Hg.), Brepols, Turnhout 1955. – De doctrina christiana libri IV; De vera religione, Martin, Joseph (Hg.), (CChr.SL 32), Brepols, Turnhout 1957, 1–167. – Die christliche Bildung (De doctrina christiana), Übersetzung, Anmerkungen und Nachwort von Pollmann, Karla, Reclam, Stuttgart 2002. – Enarrationes in Psalmos, Dekker, Eligius/Fraipont, Johannes (Hg.), (CChr.SL 38 [Ps 1–50]; CChrSL 39 [Ps 51–100]; CChr.SL 40 [Ps 101–150]), Brepols, Turnhout 1956. – De Genesi ad litteram libri duodecim, Zycha, Joseph (Hg.) (CSEL 28/1), F. Tempsky, Prag und Wien, G. Freitag, Leipzig 1894, 1–435. – In Iohannis evangelium tractatus CXXIV, Willems, Radbodus, D. (Hg.), (CChr.SL 36), Brepols, Turnhout 1954. – De peccatorum meritis et remissione […], Urba, Karl F./Zycha, Joseph (Hg.), (CSEL 60), F. Tempsky, Wien, G. Freitag, Leipzig 1962, Nachdruck von 1913, 1–151. – Sermo 69, Migne, Jacques-Paul (Hg.), (PL 78), Migne, Paris 1845, 440–442. – Sermo 90, Monachi ordinis Sancti Benedicti e congregatione s. mauri (Hg.), (PL 38), Migne, Paris 1861, 559–566. – Soliloquorum libri II, Migne, Jacques-Paul (Hg.), (PL 32), Migne, Paris 1877, 869–904. – St. Augustine’s Comments on „Imago Dei“. An anthology from all his works exclusive of De Trinitate, collected edited with critical notes and analytically presented by J[ohn] Heijke (ClF.S III. Augustinan Ideas That have Dominated The West), 1960. – De Trinitate libri XV, Montain, W.J./Glorie, Fr. (Hg.), (CChr.SL 50 [libri I– XII]; CChr.SL 50 A [libri XIII–XV]), Brepols, Turnhout 1968. – Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit, aus dem Lateinischen übersetzt und mit einer Einleitung versehen von Schmaus, Michael, (BKV 13 [Buch I–VII] und 14 [Buch VIII–XV], 2. Reihe, Bd. XIII und XIV), Kösel & Pustet, München 1935. Baker, Augustine, Holy Wisdom, or Directions for the Prayer of Contemplation. The Digest Made by Cressy, Serenus […] with an Introduction by Sitwell, G[erard] (Hg.), Orchard Books, London 1964. Benedikt von Nursia, Die Benediktsregel. Eine Anleitung zum christlichen Leben. Der vollständige Text der Regel lateinisch-deutsch übersetzt und erklärt von Holzherr, Georg, Düsseldorf/Zürich 52000.

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Literatur

Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch/deutsch, 10 Bde, hg. von Winkler, Gerhard, in Verbindung mit Altermatt, Alberich/Farkasfalvy, Denis/Zakar, Polykarp, Tyrolia Verlag, Innsbruck, 1990–1999 [= BCSWld]. – Ad clericos de conversione/An die Kleriker über die Bekehrung, krit. lat. Text und dt. Übers. von Brem, Hildegard, in: BCSWld 4, Tyrolia Verlag, Innsbruck 1993, 147–246. – De consideratione ad Eugenium papam/Über die Besinnung an Papst Eugen, kritischer Text und dt. Übers. von Brem, Hildegard, BCSWld 1, Tyrolia Verlag, Innsbruck 1990, 624– 829. – De diligendo Deo/L’Amour de Dieu, Introduction, traduction, notes et index par Callerot, Françoise/Christophe, Jean/Huille, Marie-Imelda/Verdeyen, Paul, (SC 393), Les Éditions du Cerf, Paris 1993. – De diligendo Deo, kritischer lat. Text und dt. Übers. von Schenkl, Maria Assumpta, in: BCSWld 1, 74–145. – De gradibus humilitatis et superbiae/Über die Stufen der Demut und des Stolzes, krit. lat. Text und dt. Übers. von SINZ, P[aul], überarb. von Runge, A./Schwarzbauer, Josef, in: BCSWld 2, Tyrolia Verlag, Innsbruck 1992, 37–131. – De gratia et libero arbitrio/Über die Gnade und den freien Willen, kritischer Text, dt. Übers. und Anm. von Kohout-Berghammer, Bernhard, BCSWld 1, Tyrolia Verlag, Innsbruck 1990, 170–255. – Sermo in Annuntiatione Dominica/Predigt zu Mariae Verkündigung, kritischer Text und dt. Übers. von Schwarzbauer, Josef, BCSWld 8, Tyrolia Verlag, Innsbruck 1997, 96–129. – Sermo super Cantica Canticorum 31/Predigt zum Hohen Lied 31, kritischer Text und dt. Übers. von Brem, Hildegard, BCSWld 5, Tyrolia Verlag Innsbruck 1994, 486–501. – Sermo super Cantica Canticorum 62/Predigt über das Hohe Lied 62, kritischer Text und dt. Übers. von Brem, Hildegard, BCSWld 6, Tyrolia Verlag, Innsbruck 1995, 323–337. – Sermo super Cantica Canticorum 80/Predigt über das Hohe Lied 80, kritischer Text, dt. Übers. und Anm. von Lauterer, Kassian, BCSWld 6, Tyrolia Verlag, Innsbruck 1995, 568–581. – Sermo super Cantica Canticorum 81/Predigt über das Hohe Lied 81, kritischer Text, dt. Übers. und Anm. von Lauterer, Kassian, BCSWld 6, Tyrolia Verlag, Innsbruck 1995, 582–597. – Sermo super Cantica Canticorum 82/Predigt über das Hohe Lied 82, kritischer Text und dt. Übers. von Lauterer, Kassian, BCSWld 6, Tyrolia Verlag, Innsbruck 1995, 598–611. – Sermo 45 aus den Sermones de diversis/Predigt 45 aus den Predigten über verschiedene Themen, kritischer Text und dt. Übers. von Brem, Hildegard, BCSWld 9, Tyrolia Verlag, Innsbruck 1998, 544–553. – Der Weg der Liebe. Aus der geistlichen Lehre des Bernhard von Clairvaux. Herausgegeben, eingeleitet und übersetzt von Schellenberger, Bernardin, St. Benno Verlag, Leipzig 1990. Bonaventura, De triplici via. Über den dreifachen Weg, übersetzt und eingeleitet von Schlosser, Marianne, (FC 14), Herder, Freiburg, Basel, Wien [u.a] 1993. – Itinerarium mentis in Deum – Der Pilgerweg des Menschen zu Gott. Lateinisch-deutsch übersetzt und erläutert von Schlosser, Marianne, mit einer Einleitung von Zahner, Paul, (Theologie der Spiritualität. Quellentexte 3), Lit Verlag, Münster 2004. – Doctoris seraphici S. Bonaventurae opera omnia, edita studio et cura PP. Collegii a S. Bonaventura, 10 Bd., Ad Claras Aquas (Quaracchi): Ex Typographia Collegii S. Bonaventurae, 1882–1902. – Doctoris seraphici S. Bonaventurae commentaria in quattuor libros sententiarum Magistri Petri Lombardi, tom.1 in primum librum sententiarum, tom.2 in secundum librum

Quellen

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sententiarum, Ad Claras Aquas (Quaracchi), Typographia Collegii S. Bonaventurae, 1882, 1885. Calendar of the Patent Rolls. Preserved in the Public Record Office. Richard II, Bd. 3: A.D. 1385–1389, Her Majesty’s Stationery Office by the „Norfolk Chronicle“, London 1900. Cloud-Author: für die dem anonymen Verfasser zugeschriebenen Werke s. unter Titel des jeweiligen Werkes. The Cloud of Unknowing and Other Works. Translated with an Introduction and Notes by Spearing, A. C., Penguin, London, New York [u. a.] 2001. – The Cloud of Unknowing and Related Treatises on Contemplative Prayer, edited by Hodgson, Phyllis, Catholic Records Press, Exeter 1982. – The Cloud of Unknowing and The Book of Privy Counselling, Edited From the Manuscripts With Introduction, Notes and Glossary by Hodgson, Phyllis, (EETS [original series] 218), Early English Text Society, London 1944. Corpus Iuris Canonici, editio Lipsiensis secunda […], instruxit Friedberg, Aemilius [Emil], pars prior: Decretum Magistri Gratiani, Bernhard Tauchnitz [Verlag], Lipsiae [Leipzig] 1879. The Act De Haeretico Comburendo, A.D. 1401, in: Documents Illustrative of English Church History, compiled from original sources by Gee, Henry/Hardy, William John, Macmillan & Co, London 1896 [repr. London 1910, repr. New York 1966 und 1972], 133– 137. Dekrete der Ökumenischen Konzilien [COD], hg. vom Istituto per le Scienze religiose, Bologna, besorgt von Alberigo, Guiseppe […] in Zusammenarbeit mit Jedin, Hubert, Bd. 2: Konzilien des Mittelalters: vom ersten Laterankonzil (1123) bis zum fünften Laterankonzil (1512–1517), hg. von Wohlmuth, Joseph, im Auftrag der Görres-Gesellschaft ins Deutsche übertragen und hg. unter Mitarbeit von Sunnus, Gabriel/Uphus, Johannes, Paderborn 2000. Deonise Hid Diuinite and Other Treatises on Contemplative Prayer Related to The Cloud of Unknowing, Hodgson, Phyllis, (Hg.), (EETS [original series] 231), Oxford University Press, London u. a. 1958, reprinted in 1990. Documents Illustrative of English Church History, compiled from original sources by Gee, Henry/Hardy, William John, Macmillan & Co, London 1896 [repr. London 1910, repr. New York 1966 und 1972]. The First Statute of Praemunire, A.D. 1353, in: Documents Illustrative of English Church History, compiled from original sources by Gee, Henry/Hardy, William John, Macmillan & Co, London 1896 [repr. London 1910, repr. New York 1966 und 1972], 103 f. Flete, William, De remediis contra temptaciones in moderner englischer Übersetzung: Benedict Hackett, William Flete O.S.A. and Catherine of Siena. Masters of Fourteenth Century Spirituality. With a Foreword by Martin, Francis X., Edited by Rotelle, John E., Augustinian Press, Villanova/USA 1992, 127–138. – Strength against temptations, possibly translated by Walter Hilton from the Remedium Contra Temptationes of William Flete, in: The Life of the Spirit 5 (1950), 20–26.120–125. Gilleberti de Hoilandia […] Sermones in Canticum Salomonis, in: S. Bernardi opera omnia, vol. 5, Jean Mabillon (Hg.), (PL 184), Garnier, Paris, 11–252. – The Works of Gilbert of Hoyland, translated and introduced by Braceland, Lawrence C., Bd. I–III: Sermons on the Song of Songs, Bd. IV: Treatises, Epistles and Sermons, (CiFS 14/20/26/34), Cistercian Publications, Kalamazoo/Michigan 1978–1981. – Gregor der Große, Homilia VII, Homiliarum in Evangelia liber I, Migne, Jacques-Paul (Hg.), (PL 76), Migne, Paris 1857, 1099–1103.

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91 5, 9, 31, 58–60 91,1 58 91,2 59 91,4 59 91,13 59 91,14 59 96,3 124 102,5 47 118 88 Matthäus 5,89 114 15 168 22,15–21 107 22,37 119 28,20 84 37,37–40 110 Lukas 1,68–80 60 f 10,42 170 22,32 84 Johannes 10,9 145 13,14 115 Apostelgeschichte 4,31–35 29 Römerbrief 5,5 115, 145 7,19 f 168 7,23 168 7,25 168 8,14 175 12,2 107 15,4 10, 78

Namen 1. Korintherbrief 6,17 146 11,31 114 12,26 114

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Philipperbrief 2,13 176 Kolosserbrief 2,14 133

2. Korintherbrief 1 ff 115 3,18 140 3,5 176 5,6–9 180

1. Johannesbrief 4,8 174 4,19 174 Johannesapokalypse 1 ff 115 21,8 160

Galaterbrief 2 141 4,26 145 5,7 168 6 40

Namen Adam Horsley 20, 27, 28, 39 Aelred von Rievaulx 15, 49, 91, 94 f, 98, 102, 131–135, 150, 181 Albertus Magnus 95 Alcott, Edward Burton 9 Ambrosius von Mailand 91 Angela von Foligno 188 Anselm von Canterbury 52, 101 f, 145, 165 f Aristoteles 88 Augustinus von Hippo 15 f, 33, 47, 76, 89, 91, 93, 98, 100–102, 103–112, 134, 148, 154 ff, 162, 167, 169–170, 174, 178 , 181, 194–196, 202 Baker, Augustine 3, 9, 125 Baker, Denise 183, 191, 194–201 Bartholomäus von Brixen 95 Bernhard von Clairvaux 15–17, 42, 58, 83, 89, 91, 94 f, 97, 101–102, 112–125, 131, 149, 154–156, 171, 174, 181 f, 202 Bestul, Thomas 48, 163 Birgitta von Schweden 95, 188, 192 Bonaventura von Balneoregio 15, 88, 94 f, 98, 103, 142–148, 150, 155, 163, 180, 204 Bonifaz VIII. 71 Brooke, Odo 131 Butler, Edward Cuthbert 4 Cassian, siehe Johannes Cassian Cicero 33, 97, 134 f

Clark, John 6, 8 f, 15, 21, 24, 26 f, 30–37, 39, 43 f, 47, 58, 60, 66, 68, 80, 83, 88, 101 Clemens V. 71 Clemens VI. 71 Clemens VII. 72 Cleve, Gunnel 8 Cloud-Author, siehe Verfasser der „Wolke des Nichtwissens“ Coleman, Thomas W. 4 Colledge, Eric 4, 5, 13, 61 Cotton, Robert 3 Crowley, Aleister 4 Davy, Marie-Madeleine 126 Dinzelbacher, Peter 17 Dorothea von Montau 188 Dorward, Rosemary 6, 9, 15 Edward III. 69, 73, 79 Feriby, John 32 Fulgentius von Ruspe 47 Furly, Benjamin 3 Gardner, Helen 6 Gilbert von Hoyland 67, 83, 91, 102 Glasscoe, Marion 12, 190 f, 199 Gregor der Große 100 f, 113 Gregor XI. 72 Haimerich de la Chârtre 118 Heinrich Seuse 95 Heinrich VIII. 28, 96, 98 Heinrich von Gent 88

248

Register

Henry Knighton 79 Hieronymus 33, 91, 93, 113 Honorius Augustodunensis 93 Hudson, Vivian Kay 9 Hughes, Alaphrido (Alfred) 5–7, 27, 163, 165 Hughes, Jonathan 6, 21 f Hugo von St. Viktor 91, 101 f Inge, William Ralph 4 Isidor von Sevilla 94 Jakob von Mailand 30, 65 James, William 4 James Grenehalgh 20, 32 Jan van Ruysbroeck 94 Johannes Cassian 15, 91, 101, 113, 161 Johannes Duns Scotus 88 Johannes von Walsham 88 Johannes XXII. 71, 74 Johannis de Atona 91 John (Iohannes) Thorpe 44 John Gower 2 John Kempe 188 John Killum 2 John Lecche 96 John Pole 89 John Wyclif 8, 10, 41, 74–80, 84, 88 f, 160, 178, 205 Juliana von Norwich 5, 11 f, 15, 167, 183, 183–203, 206 Kane, Harold 65, 66 Katharina von Siena 88, 95, 192 Kennedy, David G. 7, 8 Kirchberger, Claire 65 f Knowles, David 4 Köpf, Ulrich 17, 113 Leclercq, Jean 89, 113 Leicht, Irene 80, 82 Louis (Lowys) de Fontibus 31, 63, 83 Mabry, Paul Eugene 7 Margaret von Beaufort 2, 53 Margery Kempe 1, 5, 12, 65, 183, 187 f, 191, 202 Marguerite Porete 80, 81 Marie von Oigniès 188 McGinn, Bernard 86, 103, 121, 131 Mechthild von Hackeborn 94 Mechthild von Magdeburg 94 Michael von Cesena 75 Milosh, Joseph Edmund 7 Nicholas Love 2

Nikolaus von Lyra 77, 94 Ovid 88, 97 Park, Tarjei 11 Pelster, Franz 88 Petrus Cantor 95 Petrus Comestor 95 Petrus Lombardus 31, 45, 87, 112, 156 Pseudo-Dionysius Areopagita 162, 185, 187 Pseudo-Hugo von St. Viktor 94 Pseudo-Isidor 94 Rice, Nicole Randolph 10 f, 16 Richard II. 69, 79 Richard Rolle 1, 3 f, 10, 13, 18, 21, 34, 49, 61, 83, 95, 101, 183–185, 206 Richard von St. Viktor 15, 42, 45, 91, 94, 101, 135–142, 150, 171 Riehle, Wolfgang 12, 80 Robert Grosseteste 95 Ross, Ellen M. 8, 135 Ross, Helen 15 Rudolph von Biberach 94 Ruh, Kurt 80, 125, 142 Russell-Smith, Joy 6, 22, 26–29, 32, 35 f Schlosser, Marianne 142, 163 Seneca 97 Sullivan, John Edward 103, 105, 110 Sutherland, Annie 10, 78, 79 Taylor, Cheryl 6, 9, 32, 35, 47, 68 Terenz 97 Thomas Bradwardine 88 Thomas Fishlake (Fyslake) 53, 89, 94 Thomas Gallus 187 Thomas Maldon 88–89 Thomas Morus 2 Thomas Palmer 35 Thomas von Aquin 88, 101 f, 154, 168 Thomas von Frakaham 94 Thomas von Kempis 6 Underhill, Evelyn 4, 61 Urban VI. 72 Verfasser der „Wolke des Nichtwissens“ 5, 11, 13, 18, 21, 33, 68, 86, 183, 185–187, 201 f Vergil 97 von Hügel, Friedrich 4 Walsh, James 4, 190 Watson, Nicholas 4 f, 16, 18, 163, 192 Wilhelm Durand d. J. (Durandus) 74 Wilhelm Flete 88

249

Orte Wilhelm von Ockham 74–80, 84, 88 Wilhelm von St. Thierry 15, 33, 39, 91, 94, 98, 102, 125–131, 172–178, 203

Wynkyn de Worde 2, 53, 187 Yeats, William Butler 4 Zschoch, Helmut 14, 22, 25, 71–75

Orte Aachen 188 Abergwili, Wales 21 Anglesey, Cambridgeshire, Prioriat der Augustiner-Chorherren 96 Assisi 188 Avignon 21, 71 f, 74, 75 Beauvale, Kartause 20, 28, 39 Bishop’s Lynn 188, 191 Bridlington, Yorkshire/East Riding, Priorat der Augustiner-Chorherren 96–98 Cambridge 25 Canterbury 52, 78 f Cirencester, Gloucestershire, Abtei der Augustiner-Chorherren 98 Danzig 188 Ely 21 f, 24, 32, 205 England 1, 3 f, 7, 12, 18, 20 f, 25, 28, 31, 49, 69, 70–72, 75–80, 86–90, 94, 96, 99, 125, 181, 183, 187, 191 Englands 69 Fountains Abbey, Yorkshire, Zisterze 63 Frankreich 69, 71 f Hilton, Lancashire 20 Horsley, Derbyshire 20 Hulton, Lancashire 20 Jerusalem 188 King’s Lynn, siehe Bishop’s Lynn Lanthony Secunda, Priorat der AugustinerChorherren 96–98, 156, 165 La Verna, Berg 142 Leicester, Priorat der Augustiner-Chorherren 28, 79, 93, 97–99, 156, 184

Lincoln 21, 32, 44, 61, 188 London 2 f, 20, 28, 32 St. Paul’s Cathedral 4 St Paul’s Cathedral 79 Westminster Abbey 44, 79 Lutterworth 76 Neapel 72 Norwich 44, 86, 88, 167, 190 St. Julian 190 Oxford 22, 25, 75, 78, 88, 90, 96, 184 Paris 20, 24, 25, 80, 184, 192 Portugal 72 Radford, Nottinghamshire, Haus der Augustiner-Chorherren, siehe Worksop Richmondshire 184 Rom 21, 71–75, 104, 188 Santiago de Compostela 188 Schottland 20, 70, 72, 77, 90, 135 Sheen, Kartause 20, 28 Spanien 72 St. Mary Overy in Southwark 93 Staunford 27 Thurgarton, Priorat der Augustiner-Chorherren 1, 20 f, 25, 28–34, 36, 44, 48, 53, 58, 60–62, 66, 68, 79, 90–98, 181, 207 Wales 24, 90 Waltham, Essex, Abtei der AugustinerChorherren 96 f, 156 Worksop, Nottinghamshire, Haus der Augustiner-Chorherren 96

250

Register

Sachen Adam 43, 121, 132, 146, 159, 166 Adel 70, 72 Affekt/affectus/affektiv 11, 17, 38, 66, 119, 129, 133–136, 140, 142, 152, 164, 169, 170, 174, 176, 184 amor, siehe Liebe Amt 31, 67, siehe auch Ordination; Weihe im Orden Abt 113 f, 134, 156, 172 Prior 2, 28–30, 36, 88, 135 major orders 31 minor orders 31 Andacht/devocioun 3, 56, 63, 67, 168 Anfechtung 58, 60, 63, 125 Anstrengung, menschliche 52, 116, 138, 140, 158, 165, 169, 175, 199 Armut 26 f, 29, 39, 46, 52, 57, 63, 69, 74–76, 84, 87, 113, 164 f, 177, 184, siehe auch Gelübde Armutsstreit 75 ars moriendi-Literatur 85 Askese 89, 155, 184, 195, 199 Audition 17, 124, 188 f, 192, 201 Aufstieg, mystischer 50, 115 f, 142, 143 f gradus 139 incipientes, proficientes, perfecti 129, 147 Augustiner-Chorherren/Kanoniker 1, 16, 28 f, 66, 84, 88–98, 101, 135, 147, 156, 178, 185, 187, 201, 206 Augustiner-Eremiten 26 f, 88 Aureole 165, siehe auch Lohn/Sonderlohn Ausbildung, siehe Schule; Bildung Auslegung/Exegese (der Bibel) 46, 56–61, 77, 110, 125, 180 „Babylonische Gefangenschaft“ 72 Bala 135 f Bauernaufstand, englischer (1381) 70 f Begierde 120, 123, 128, 133, 143, 145, 148, 159–163, 168, 177 aviditas 148 concupiscentia 39–43, 108, 123, 143, 148, 160, 162, 163, 177 cupiditas 34, 112, 128, 132, 149, 161 libido 120, 128, 177 Beginen/Begarden 80–82, 86

Beichte, siehe Buße Benediktsregel 113 f Benefizien 21, 33, 44, 72–74 Benjamin 11, 135–138 Beschauung 124, 144, 147, 182, siehe auch Kontemplation/contemplatio Betrachtung 18, 54 f, 82, 119, 138, 142–147, 172, 179, 182, 194, siehe auch Meditation/meditatio Bettelorden 74 ff Bibel 10, 12, 42, 55, 60, 87, 102, 110, 184, siehe auch Bibelstellenregister Übersetzung in die Volkssprache 10, 77 f, 204 Vulgata 50, 78, 113, 135, 204 Bibliothek(en) 3, 25, 90–99, 147, 156, 181 Bild, siehe auch imago Bild der Sünde 27, 33 f, 153, 162 f, 168, 195, 203, 205 doppeltes Bild 168 Gottebenbildlichkeit, siehe imago Dei Götzenbild (ydolum) 34 f, 38, 160, 161 Bilderkritik 79 Bilderverehrung, siehe Verehrung Bildung 7, 22, 25, 86, 97, 185, 201 f, siehe auch Studium; Universität Birgitten Birgittenmönche 1, 93 Birgittinenschwester/Birgittinnen 93 Blackfriars Synode (1382) 28, 39, 89, 204 Buch/Bücher 2, 22, 25, 29, 90–99, 101, siehe auch Bibliothek(en); Kataloge/Verzeichnisse/Listen (Bücher) Verleih 2, 92, 96 Buchdruck 78 Buße 33, 44–48, 52, 63, 69, 79, 83–85, 107, 146, 160, 167 f, 172, 187, 206 Beichte 14, 33, 45, 58, 63, 69, 79, 83–85, 160, 167 f, 172, 187, 209 Beichtskrupel 45, 47, 85, 206 deklaratorisches Verständnis des Bußsakramentes 45 f, 59, 84, 167, 206 Generalbeichte 48 Reue/contricio 167, 189 caritas, siehe Liebe College 22, 25, 47

Sachen common profit book 2, 48 Corpus Iuris Canonici 23, 45, 47, 84, siehe auch Recht, kirchliches cura monialium 85 Demut/humilitas/mekenesse 42, 45, 51 f, 57, 74, 108, 110, 113–117, 141, 149 f, 161, 164, 169, 177 f, 182, 186, 191, 195, 199, 203, 205 Dominikaner/Dominikanerinnen 35, 72, 85, 95, 188 Dunkelheit/merkenesse 52, 59, 106, 110, 200 Ebenbild, siehe Gottähnlichkeit, imago, similitudo Dei ecclesia anglicana 4, 10, 71, 73 Ehre des Menschen 33, 104, 106 Würde/decus/dignitas/honor 43, 52, 104, 107, 119, 148 f, 156 f, 159 Gottes 104, 120 Einsiedler/Einsiedlerin 26–28, 33 f, 40, 48, 85 f, 88, 139, 180, 183–185 anchor/anchoresse, inclusus/inclusa, reclusus/reclusa 2, 13, 26 f, 33, 85 f, 139, 180, 183, 190 Begrifflichkeit im Englischen 85 hermit 6, 85 Einung/unio 16 f, 62, 65 f, 110, 146, 152, 181, 186, 193–197, 200–204 unio mystica 17, 65, 152, 162, 181 Willenseinung/unio voluntatis 17, 146, 149, 203 Ekstase 51, 120, 135, 184 Engel 62, 64, 128, 171, 186 Engelsgesang, siehe Gesang (der Engel) Eremit, siehe Einsiedler/Einsiedlerin Erfahrung/Erfahren/experientia/feelynge/ sensus 17, 62, 131, 149 f, 153 f, 170, 195 La Verna-Erfahrung 142, 150 Erkenntnis 11, 18, 110, 114–116, 124–125, 131 f, 136–138, 145, 149, 152, 156, 173, 186, 191 f, siehe auch Selbsterkenntnis Erkenntnis Gottes 51, 56, 64, 100, 108 f, 116, 136 f, 143, 153, 157 f, 163, 172–174, 182, 195 Erleuchtung/illuminatio 30, 64, 109, 124, 129, 144 f, 147, 171, 182, 191 Erneuerung 45, 108, 110, 133, 148, siehe

251

auch Re-formation; Wiederherstellung Exegese, siehe Auslegung (der Bibel) Fasten 31, 113, 199 Fleisch 67, 69, 77, 115, 120, 123, 130, 143, 156, 169, 177, 194, 199 Christi 193 Franziskaner 15 f, 66, 74–76, 85, 90, 94, 98, 103, 125, 142, 150, 155, 163 f, 170, 188 in Oxford 90 Spiritualität 142 Freiheit des Geistes/liberty of spirit 21, 23, 56, 80–84 Freude 56, 59, 64 f, 81, 110, 113, 119, 129, 132, 134, 145, 152, 186 Freundschaft/amicitia 134–136, 145, 150, 180 f Gebet 8, 18, 29 f, 38–43, 48, 50–54, 64, 66, 69, 79, 82, 87, 89, 113, 114, 130, 138, 144, 147, 152, 155, 168, 179, 182–185 Ave Maria 56, 67 Herzensgebet 62 Salve Regina 67 Stundengebet, siehe Stundengebet Vaterunser 56, 67 Gedächtnis/memoria/mynde 48, 105, 112 f, 122, 123, 127, 132 f, 144 f, 149, 156–158, 203 Gehorsam 7, 26, 29, 39, 69, 84, 110, 113, 129, 133, 154, 172, 177, siehe auch Gelübde Geist Heiliger Geist, siehe dort mens 26, 42, 104 f, 140, 143, 144 f, 148, 154 spiritus 127, 141, 143 geistliche Begleitung 7, 13, 16 f, 30, 49, 184, 206 Gelübde 23, 29, 39, 44–48, 76 f, 177 f, 188, 206, siehe auch Tugenden; Armut; Gehorsam; Keuschheit Generalbeichte, siehe Buße Gesang der Engel 62, 185 Gesang der Seele 62 Gewissen 45–48, 57, 64, 130, 144, 147, 163 Gilbertinerinnen 67, 68 Glaube 8, 14, 42, 50–52, 62, 74, 105, 124, 129, 144, 146, 166–172, 176, 178, 184, siehe auch Tugend(en)

252

Register

Glaubensbekenntnis 42, 166 Gottähnlichkeit, siehe similitudo Dei; imago Gottebenbildlichkeit 7, 12, 14–16, 51, 102–108, 121 f, 125 f, 131, 148–153, 166, 177, 185–187, 194, 201–203 Götzenbild (ydolum), siehe Bild Grade, siehe Studium/universitärer Werdegang/Grade Häresie 8, 10, 34, 41, 56, 75–82, 182, 191, 204 f Heiliger Geist 23, 57, 84, 105, 108, 112, 115, 122, 127, 129 f, 136, 145, 149, 156, 174 f, 194 f, 198 Hohelied 12, 91, 97, 102, 112, 115, 119, 121 f, 124 f, 139, 184. Vgl. auch Bibelstellenregister homo animalis 130, 172 perfectus 7, 129, 147, 170 rationalis 134, 172 Hundertjähriger Krieg 24, 69, 70, 72 imago imago Dei 7 f, 16, 34, 103–108, 123, 126, 137, 139 f, 148, 203, siehe auch Gottebenbildlichkeit; similitudo; Bild imago diaboli 160 Inceptor, siehe Studium Inkunabel 2, 91 Intellekt/intellectus 18, 104, 110, 112, 127, 137, 142–144, 156 Intention/intentio 38, 40–42, 46, 51 implizit/explizit 38 Introspektion 34, 41, 52, 109, 140, 149, 195, siehe auch Selbsterkenntnis Irrtum 42, 56, 77, 82 f, 132, 149, 174 Jakob 55, 135–138 Jerusalem, vgl. auch Ortsverzeichnis himmlisches 52, 67, 145 moralischer Schriftsinn 160 f Joseph 135–138 Juda 136 Juden/jüdisch 4, 166 Kanoniker 21, 44, 76 Karmeliten 88 f, 92 Kartäuser 1, 8, 27 f, 39, 41, 54, 93, 121, 125, 147

Kataloge/Verzeichnisse/Listen (Bücher) 90, 93, 95–99, 156, siehe auch Bibliothek(en); Buch/Bücher Keuschheit 29, 39, 59, 69, 84, 177, 188, 199, siehe auch Gelübde Kirche 8, 26, 27, 30, 37–39, 42, 46, 55, 59, 69, 73–84, 168, 171 f, 178, 187, 192 f, 205–207 abendländische 71 katholische 3 f, 71 von England, siehe ecclesia anglicana Kirchenväter 16, 37, 50, 60, 87 f, 101, 103, 112 f, 179 Klerus 72, 74, 79, 95, 183 f, 188 Weltklerus 34, 93 Kontemplation/contemplatio 7 f, 50–56, 61, 62, 64, 66, 83, 8 f, 89, 116, 124, 135 f, 138, 140, 14 f, 149 f, 162, 168, 170–172, 176, 184, 186, f, 194 f, 200–203 Konzil Konzil von Konstanz (1415) 80 Konzil von Vienne (1311/12) 74, 81 f Viertes Laterankonzil (1215) 7, 78 Kritik am Mönchtum 205 am Ordenswesen 7, 76, 205 am Papsttum 73, 75, 84 an der Kirche 73 f, 188, 205, siehe auch Kirche Laien 2, 10 f, 13, 26, 54, 75, 78, 84, 86 f, 93, 172, 178–180, 183 f, 192, 204 Laster 39, 42 f, 64, 85, 95, 117, 124, 132, 137, 160–162, 168, 177 Lea 55, 135, 136, 180 Leben 156, 159 aktives 152 ewiges 85, 170, 197 f geistliches 163 irdisches 55, 85, 181 Lebensführung vita activa 55, 151 f, 179 f, 185, 204 vita contemplativa 9, 50 f, 55, 86, 125, 148, 151 f, 163, 178, 185, 202, 204 vita mixta 28, 54 f, 86, 102, 179, 185 Leib 153, 155, 160 f, 197–200 Christi 26, 55, 179 Leiden Christi 64–66 des Christen 65, 114, 194

Sachen Leiter/scala/scale/ladder 50, 143, 145, 151 Lesung/Lektüre/lectio 2 f, 18, 40, 42, 49, 80, 114, 130, 149, 182, siehe auch Literatur Levi 136 Liebe 118 amor 105, 112, 128, 132 f, 148 amor carnalis, siehe Liebe amor Dei, siehe Gottesliebe amor ordinatus, siehe Liebe caritas 14 f, 39, 43, 46, 54, 110–113, 118, 121, 127–133, 139, 141, 148–150, 153, 164 f, 172, 177 f, 180–182, 203, 206 f cupiditas, siehe Begierde dilectio 110, 112, 118, 127 Feuer der Liebe 140 geistliche 63–65, 102, 121, 170, 175, 180 geordnete/ungeordnete 111, 134, 136, 139, 148–150, 160 f, 179, 204 geschaffene/ungeschaffene 174–176, 201 Gottes- und Nächstenliebe 39, 47, 67, 74, 105, 110, 115, 120, 128, 148, 150, 152, f, 165, 177, 180, 206 Gottesliebe 39, 45 f, 52, 55, 57, 59, 66, 83, 102 f, 108, 110, 116, 119 f, 125, 128, 139, 147–150, 153, 157, 161, 169, 172 f, 177, 180, 185 f, 193, 204–206, siehe auch Gottes- und Nächstenliebe körperliche 64, 120 f Selbstliebe 34, 52, 119 f, 139, 159, 160, 161, 182 Literatur 15, 18, 68, 89, 206 Zugänglichkeit im 14. Jahrhundert 78, 90 f, 192, 204 Lohn 46, 119, 164, 168, 198 Sonderlohn 39, 164 f Lollarden 8, 21, 30, 36, 39, 77–80, 178, 192, 204 f Maria 38, 66, siehe auch Gebet Mariae Verkündigung 123 Meditation/meditatio 40, 42 f, 50–52, 66, 87, 138, 140, 144, 147, 168, 182, 184, 195, siehe auch Betrachtung; Kontemplation memoria, siehe Gedächtnis mens, siehe Geist Mensch, siehe homo Methodik kulturgeschichtliche 15 linguistische 11 f

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mentalitätsgeschichtliche 15 sozialgeschichtliche 7, 10, 13, 15 traditionsgeschichtliche 3, 7, 9, 11–17 Mittagsteufel, siehe Teufel Muslime (sarcenys) 166 Mystik des 12. Jahrhunderts 147 Erlebnismystik 184 mittelenglische 4 f, 10–13, 15, 183–202 zum Begriff 17–18 romanische 16, 203 Willensmystik 16, 186 Nachfolge Christi 66, 74, 76, 81, 146, 164, 205 Name Jesu 34 f, 62, 152 Nichten, das/adnichilare 42, 169 Nominalismus 89 Offenbarung 51, 64, 83, 124, 138, 171 f, 189, 190, siehe auch Visionen des Johannes, siehe Bibelstellenregister Orden 8, 27, 32, 34, 40, 46, 72, 76 f, 125, 129, 160, 177 f, 204, siehe auch unter den Namen der jeweiligen Orden Ordenseintritt, siehe Profess Ordensleben/religio 28, 31, 39, 46, 77, 84, 101, 177, 205, siehe auch Orden Ordensregel 29, 88, 96, 113, siehe auch Benediktsregel Ordination 18, 31 Ordinationsverzeichnis/-register 31 Papst 21, 71–74, siehe auch Papsttum; Schisma Papsttum 72, siehe auch Kritik; Papst Passion 43, 52, 66, 166, 171, 189, 193 f, 198, 203 Passionsbetrachtung 66, 119, 146, 183, 194 Passionsfrömmigkeit 65 f, 167, 193 Paulus/paulinische Theologie 46, 83, 100, 122, f, 146, 162, 168, 175, f Pest 70, 71, 77, 85, 184 Peterhouse, Cambridge 22, 25 Pfründe 71 f, 205 Pfründenvergabe 72 f Pilger 147, siehe auch Wallfahrt Prädestination 87, 171 Priesterweihe, siehe Weihe(grade)

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Register

Profess/Ordenseintritt 20, 23, 27, 39, 44, 45 f, 69, 84, 160, 162, 167 als zweite Taufe 39, 160, 167 quaternus 92 quodlibeta 87 Rachel 55, 135 f, 138 raptus 124, 149, 170, 172, 182, 204 ratio, siehe Vernunft Recht kirchliches/kanonisches 21–25, 72, 90, 205, siehe auch Corpus Iuris Canonici weltliches 24, 90 Reform 74 f, 205 Re-formation/reformatio/reformynge 12, 74, 105, 107, 203, 205, siehe auch Wiederherstellung Reinheit 123, 167 des Herzens 41, 42 Reinigung/purgatio 46, 110, 143, 147, 163 reparatio 133, 145, siehe auch Wiederherstellung Reue/contricio, siehe Buße Rezeption Hiltons 3, 28, 121, 204 Ritterschaft 68, 69 Ruben 136 Rückgestaltung, siehe Wiederherstellung ruminatio/„Wiederkäuen“ 49 Sakrament 25 f, 34, 52, 59, 80 f, 85, 157, siehe auch Buße, Eucharistie, Priester, Taufe, Weihe Satisfaktionslehre 52, 102, 145, 166 Schau/visio/sight 51, 57, 64, 105, 109 f, 114, 116, 119, 124 f, 128, 138, 164, 171–174, 177, 182, 188, 193 f, 198, siehe auch Betrachtung; Erkenntnis; Vision Schisma, Großes Abendländisches 71–73, 76, 205 Schuld 45 f, 48, 74, 117, 143–145, 166, 203 Schule 25, 29, siehe auch Bildung Seele anima 106, 126 f, 143 animus 106, 135, 154, 177 Seelenfunke apex mentis 143 scintilla synderesis 143 Seelenkraft/potentia/mighte 132, 135, 143 f,

149, 152, 154–159, 170, 182, 196, 203 Seelsorge als Thema 7, 87 Hilton als Seelsorger 16 f, 29, 67 f, 184, 201, 206, siehe auch geistliche Begleitung Sehnsucht/Verlangen 55 f, 64, 124, 162, 164, 178, 185 f, 199 affectus 129 desiderium 140, 145 desire 162, 170, 178–180 longing 189 Selbsterkenntnis 34, 66, 100, 109, 113–116, 119, 136–140, 143, 149, 153, 157, 163, 165, 186, 187, 195, 199 f, siehe auch Erkenntnis Selbstprüfung 52, 195 Sentenzen 31, 63, 112 Sentenzenkommentar 87, 146, 156 Simeon 136 similitudo Dei 16, 34, 103, 105, 106, 121, 123–128, 131–133, 137, 144, 146, 148 f, 153, 154 f, 165 f, 177, 195, 203 Sinne 131, 143 f, 153, 155 äußere/körperliche 57, 118, 154 calor, canor, dulcor 185 innere/geistliche 145, 154, 170 Tore der Sinne 144 Sinnlichkeit/sensualité 135, 153–158, 168 f, 196 Sonderlohn, siehe Lohn Spiegel 137, 144 f, 200 Sprachen Englisch 2 f, 44, 48–50, 58, 60, 63, 65, 77 f, 80, 85, 87, 185, 188, 191, 204 Mittelenglisch 2, 6, 9, 10, 22, 65–67, 80, 82, 179 Französisch 6, 80, 87 Latein 2 f, 6–10, 23, 32, 49 f, 53, 60, 63, 65, 67 f, 78, 80, 89, 105, 113, 151, 153, 161, 174, 183, 187, 190, 204 stilistische Charakteristika bei Bernhard 112, 126 bei Hilton 36, 43 f, 47, 60 f bei Wilhelm 126 Stand der Gnade 75, 182 der Seele 67, 149, 166, 186 der Vollkommenheit 56, 176 sozialer 26, 86, 164

Sachen Statute of Praemunire 73 Statute of Provisors 73 Steuer 70–72 Stigmatisierung 142 Strafe 45 f, 48, 106, 168 Studium/universitärer Werdegang/Grade Artes 22, 24 baccalarius 21, 24 comensour 22, f, 29 Doktor 22, 24, 31, 44, 63, 88, 184 Inceptor 22–24 Lehrtätigkeit (regency) 22, 24, 31, 63 Lizentiat 22 Magister 21 f, 24 f, 27, 63, 88 Stufe(n) 50, 64, 85, 114–119, 130, 138 f, 142 f, 172, 186, 201 Stundengebet 29, 40–42, 61, 82, 204 Substanz 57, 143, 147, 193, 196, 198, 202 Summe, theologische 87 f, 90, 168 Sünde Erbsünde 41, 108, 121, 128, 143, 148, 167 Hauptsünde 41, 148, 163 lässliche Sünde 46, 48 Quellsünde 148, 162, 182 Tatsünde 159, 160, 167, 203 Todsünde 7, 23, 34, 46, 48, 52, 58, 91, 159, 160–162, 166–168 eitle Ruhmsucht/veyn-glorie 56 f Faulheit/acedia 34, 57 Hochmut/superbia 34, 41 f, 57, 58, 109, 114, 116 f, 133, 146, 159, 161, 177, 182, 205 Neid/invidia 34, 57, 159, 161, 177 Ungeduld 57 Unkeuschheit 57, siehe auch Begierde Völlerei/gula 34, 57, 159, 161, 177 Zorn/ira 34, 57, 159, 161, 177 Ursünde 108, 160 Vergebung der Sünde, siehe Vergebung Sündenstrafe/pena, siehe Strafe Süßigkeit/suavitas 64, 148 Taufe 14, 52, 69, 83, 108, 148, 160, 167, 172, 203, 205 Ordenseintritt als zweite Taufe, siehe Profess Teufel 46, 48, 51, 57, 60 f, 69, 76, 158, 160, 174 Mittagsteufel 56, 182

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The Chastising of God’s Children 10, 12, 80 Theologie 69 feministische 8 in Cambridge 88 in Oxford 88 monastisch 89 monastische 15, 102, 150 negative 17, 185 scholastische 89, 142, 150 volkssprachliche 5, 78, 204 Tränen 64, 130, 194 transformatio 141, 146 transitus 146 Trinität 11, 37, 64, 104 f, 109, 111, 122 f, 126 f, 132, 139, 144, 149, 155 f, 171, 174, 177, 194, 198, 203 Trunkenheit, geistliche (ebrietas) 148 Tugend(en) 39, 42, 46, 51 f, 55, 59, 81, 85, 104, 115, 119, 127, 136, 140, 150, 152, 160, 162, 167 f, 177, 181 f, 187, 199, 201, 203, 205 drei christliche Tugenden: Glaube, Liebe, Hoffnung 42, 60, 104, 123, 125, 145, 168 moralische 110, 177 Tugenden, siehe auch Gelübde Unam Sanctam (Bulle) 71 Übung/exercicium 42, 55 f, 109, 130, 177, 180, 182, 199 f unio, siehe Einung Universität 21–23, 47, 87, 89, siehe auch Bildung und jeweils das Ortsregister Cambridge 21 f, 24 f, 36, 88, 205 Oxford 22, 25, 96 Paris 24 f Unterscheidung/Unterscheidungsgabe/discretio 51, 56, 64 f, 135–137, 179, 180, f, 185, 200 uti-frui 110 f, 128, 148, 164, 179 Verbum, siehe Wort (christologisch) Verehrung des Namens Jesu, siehe Name Jesu Mariens, siehe auch Maria; Gebet von Bildern 30, 35–39, 79, 102, 205 Vergebung 23, 39, 42, 45 f, 85, 148, 167, 206 Verlangen/desire/desiderium, siehe Sehnsucht Verleih von Büchern, siehe Buch/Bücher

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Register

Vernunft/ratio 65, 104, 110, 115–117, 122 f, 127, 129, 133–138, 143, 148–154, 203 ratio inferior 104, 196 ratio superior 104, 156, 196 Versuchung 46, 48, 52, 56, 57, 60, 63, 134, 182, 196 Verzeichnisse (Bücher), siehe Kataloge vestigium trinitatis 122, 143, 144, 157 virtus, siehe Tugend(en) visio beatifica 52, 171 Vision 17, 51, 83, 124, 142, 158, 188 f, 192 f, 194, 201, siehe auch Offenbarung vita, siehe Lebensführung Volkssprache, siehe auch Bibel; Siehe Sprache Vollkommenheit/perfection 15, 17, 39, 56, 62, 82 f, 87, 125, 129, 147, 149, 152 f, 164 f, 176–178, 181, 185 f, 198, 203, 205 Vorsatz/propositum 23, 44, 46, 48 Vorstellungskraft/ymaginacioun/ymagininge 135, 138, 143, 157–159, 172, 194 Vulgata, siehe Bibel Wallfahrt, siehe Pilger Weg des Menschen zu Gott 46, 125, 136, 142, 150, 157, 195 zum Heil 178 zur Vollkommenheit 17, 50, 52, 109, 119, 131, 149, 186, 205 f Weihe 31, 79, 184, siehe auch Ordination Weihe(grade) 31

Weltflucht 56, 86 Wiederherstellung/Rückgestaltung 105, 152, 166, 167, 170, 172, 177, siehe auch Erneuerung reformynge in feelynge 50, 52, 83, 150, 159, 167 f, 170–172, 176, 196 reformynge in feith 50, 52, 167, 171, 196 reformynge in feith and feelynge 52, 167 teilweise/vollständig 171 Wille freier 87, 119, 121, 127, 132, 171 göttlicher 17, 86, 108, 120, 124, 140, 141, 149, 178, 205 menschlicher 17, 23, 25, 39, 46, 48, 63, 108, 112, 116, 120, 122 f, 127, 132, 135, 137, 141, 149, 156 f, 167–169, 176, 181 f, 186, f, 203 Wolke des Nichtwissens/Cloud of Unknowing 5, 10–13, 20, 33, 86, 183, 185–187 Wort (christologisch)/Verbum 106 f, 115, 124, 149 Wunderglaube 36 Würde/decus/dignitas/honor, siehe Ehre ymaginacioun, siehe Vorstellungskraft Zerknirschung, siehe Buße Zisterzienser 85, 89, 102, 113, 125, 131, 148, 149 f, 155, 166, 170, 201–204 Literatur 89, 94, 97 Theologie 15–17, 149, 161, 176 Züchtigung 199, siehe auch Askese