Der Sachbeweis in der Kriminalistik: Mit 137 Fällen und 187 Abbildungen aus der Praxis [Reprint 2020 ed.] 9783112368367, 9783112368350

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Der Sachbeweis in der Kriminalistik: Mit 137 Fällen und 187 Abbildungen aus der Praxis [Reprint 2020 ed.]
 9783112368367, 9783112368350

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Der Sachbeweis in der Kriminalistik Mit 137 Fällen und 87 Abbildungen aus der Praxis

Von

Wilhelm Polzer Universttätsassistent und Kriminalkommissar a. D.

1938

München, Berlin und Leipzig Z. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier)

Nachdruck — auch auszugsweise — verboten. Alle Rechte, einschließlich des Rechtes der Übersetzung in fremde Sprachen, dem Verfasser ausdrücklich Vorbehalten.

Copyright 1938 by I. Schweitzer Verlag, München. Gesetzliche Formel für den Urheberrechtsschutz in den Bereinigten Staaten von Nordamerika.

Druck von Dr. F. P. Datterer & Cie., Freising-München.

Borwort. Zweck dieses Buches ist, den unschätzbar hohen Wert der Sachbeweise des Strafrechts als ganz zuverlässiger Beweismittel in wissenschaftlich geordneter Form zusammenzufassen und diese wirklich genaue Grundlage allen Rechtes den — wie im folgenden zu zeigen sein wird — höchst schwankenden, unrichtigen, ja oft falschen Zeugenaussagen entsprechend gegenüberzustellen. Die Zahl der gerichtlichen Fehlurteile auf das Niedrigste herabzu­ drücken war der Leitgedanke bei der Abfassung dieser Arbeit. Als Schüler und gewesener erster Assistent des „Vaters der Krimi­ nalistik", Univers.-Professors Dr. Hans Groß, sah sich Verfasser be­ rechtigt, ja verpflichtet, in seinem Sinne weiter tätig zu sein. Das vorliegende Buch ist in erster Linie für Gerichtsärzte, Richter, Staatsanwälte, höhere Polizei- und Gendarmeriebeamte, für Polizeiund Gendarmerieschulen, dann natürlich für Gerichtschemiker, Mikroskopiker und sonstige gerichtliche Sachverständige gedacht, es soll auch Strafverteidigern, wie nicht zuletzt auch Laienrichtern (Geschworenen, Schöffen), die sich mit der oft sehr schwierigen Lösung von Kriminal­ fällen beruflich zu befassen haben, brauchbare Dienste leisten. Und end­ lich wird der Medizinstudent wie auch der junge Jurist im Ausklang seines Studiums wohl gerne nach einem Behelf greifen, der ihm das Wichtigste aus fachwissenschaftlichen Büchern, die zusammen ungezählte Tausende Seiten Text umfassen, in kurzer, übersichtlicher Form bietet. An diesen Leserkreis richtet Verf. die Bitt«, ihm Ergänzungen, Ver­ besserungen in Wort und Bild — am besten über den Verlag — gütigst zukommen tzu lassen. Alles wird dankbar aufgenommen, geprüft und für eine nächste Auflage verwertet werden. Schließlich erfüllt Verf. die angenehme Pflicht, allen jenen Krimi­ nalpolizeibehörden, gerichtlich-medizinischen Universitätsinstituten usw. für die ihm im Laufe der Zeit zuteil gewordene Hilfe besten Dank zu sagen, so in erster Linie den Polizeipräsidien Berlin, Breslau, Dres­ den, Hamburg, Hannover, Leipzig, München, dem Polizeipräsidium Rotterdam, dann vor allem Herrn Hofrat Universitätsprofessor Dr. A. Ha­ berda, Wien, als (früherem) Vorstand des gerichtlich-medizinischen Uni­ versitätsinstitutes, ferner Universitätsprofessor Dr. Ottolenghi, Vor­ stand der polizeiwissenschaftlichm Schule in Rom, und nicht zuletzt sei der so wertvollen Beihilfe des väterlichen Freundes Dr. Loock, Gerichts­ chemikers in Düsseldorf gedacht, ferner der Oberstadthauptmannschaft Budapest, u. a. m. — Besonderer Dank gebührt ebenso auch dem Ver­ lage Urban & Schwarzenberg, Berlin-Wien, sowie dem Verlag Ferdi­ nand Enke, Stuttgart, für die freundliche Überlassung von erbetenen Klischees aus Lehrbüchern der gerichtlichen Medizin (die an Ort und Stelle näher bezeichnet sind).

20. IV. 1937. Der Verfasser.

Inhalts-Verzeichnis. Vorwort................................................................................................................... III Inhaltsverzeichnis ............................................................................. V Verzeichnis der Fälle.............................................................................................. VIII Verzeichnis der Abbildungen.................................................................................. XIII Einleitung.............................................................................................................. 1 Allgemeiner Teil. Abschnitt. Zeugenaussagen und deren Wert........................................... Von welchen Umständen hängt die Zuverlässigkeit der Zeugenaussage ab 1. Zeuge kann und wM die Wahrheitsagen......................................... 2. Zeuge könnte die Wahrheit sagen, will es aber nicht.............. 3. Zeuge hat unrichtig beobachtet, also falsch aufgefaßt.................. 4. Zeuge will die Behörde irreführen................................................... 5. Zeuge will nichts gehört und gesehen haben.................................. Wert der Zeugenaussagen nach Mer und Geschlecht............................. 1. Kinder als Zeugen............................................................................... 2. Minderjährige als Zeugen............................................................... 3. Heranwachsende Jugend................................................................... 4. Der gereiste Mensch........................................................................... 5. Der Greis................................. 2. Abschnitt. Feststellung der Wesensgleichheil Unbekannter..................... Gemeinsames betreffend die Feststellung der Wesensgleichheit un­ bekannter Lebender und Leichen.......................................................... 1. Personenbeschreibung und Personendurchsuchung.................. 2. Ob Kleidung und Äußeres zu einander passen-.......................... 3. Besondere Kennzeichen................................................................... 1. Berufsmerkmale an den Händen...................................... 1. Beruflich bedingte Verfärbungen der Hände........................... 2. Eigenartige Hautverdiikungen, „Berufsschwielen".................. 2. Berussmerkmale an den Zähnen....................................................... a) Schuhmacher.................................................................................. b) Tapezierer....................................................................................... c) Glasbläser ....................................................................................... d) Schneider (-innen), Putzmacherinnen......................... e) Zuckerbäcker....................................................................................... f) Arbeiter in chemischenBetrieben.................................................... g) Metallarbeiter .............................................................................. 3. Tätowierungen als Berufsmerkmale............................................... 4. Narben.................................................................................................... 5. Sonstige Merkmale ........................................................................... B. Weitere Anhaltspunkte für die Feststellung der Wesensgleichheit unbekannter Lebender....................... 22 1. Mundart............................................................................................ 2. Fragliche Adelsbeilegung............................................................... C. Weitere Anhaltspunkte zur Feststellung der Wesensgleichheit von Leichen und Leichenteilen....................... 23 a) Zerstückte und verstümmelteLeichen............................................ b) Haare und Knochen...................................................................... 3. Abschnitt. Augenscheinsaufnahme........................................................... 4. Abschnitt. Wer ist der Täter?........................................................... 1. Tatortsbetrachtung, Vergegenwärtigung des Herganges .... 1.

7 7 9 9 9 11 11 12 12 13 13 13 13 13 14 14 15 16 16 16 16 17 17 17 18 18 19 19 20 20 21 21

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VI

Inhaltsverzeichnis

Seite Auswertung der auf dem Tatort zurückgebliebenen Spuren ... 28 Ob die Tat von berufsmäßigen oder Güegenheitsverbrechern ver­ übt wurde?.......................................................................................... 28 a) Ob geschickt, „elegant gearbeitet".................................................. 28 b) Ob sichtlich ungeschickt gearbeitet wurde?.................................. 29 4. Ob ein oder mehrere Täter in Betracht kommen?...................... 29 5. Die „7 goldenen W des Kriminalisten"........................................... 29

2. 3.

6. 5. 6. 7. 8. 9.

10.

11. 12.

13.

14.

15. 16. 17. 18.

19. 20.

Cherchez la femme..............................................................................

30

Abschnitt. Das Lichtbild im Dienste derKriminalistik......................... Abschnitt. Vorgetäuschte Verbrechen..................................................... Abschnitt. Unklare Todesfälle................................................................... Unfall?, Ergentötung?, Fremdtötung?, Mord?, Selbstmord? .... Abschnitt. „Fliegende Mordkommissionen"......................................... Abschnitt. Wunden und Narben......................................................... 1. Wunden ................................................................................................. 2. Narben..................................................................................................... Abschnitt. Haare und Knochen........................................................... 1. Haare ..................................................................................................... Was kann der Sachverständige über ihm vorgelegte Haare sagen? 2. Knochen ............................................................... Abschnitt. Todesursache ....................................................................... Abschnitt. Totenbeschau, Leichenerscheinungen, Leichennerlehungen. . 1. Totenbeschau ........................................................................................ 2. Leichenerscheinungen............................................................................ A. Sterbezeichen.................................................................................... B. Sichere Todeszeichen....................................................................... 1. Sog. „Marmorkälte"............................................................... 2. Totenflecke.................................................................................... a) Entstehungszeit ................................................................... b) Lage der Totenflecke............................................................... c) Farbe der Totenflecke.......................................................... 3. Totenstarre.................................................................................... 4. Vertrocknungen der Haut....................................................... 6. Leichenfäulnis............................................................................ 3. Leichenverletzungen ............................................................................ Verletzungen an Wasserleichen..............................................................

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Besonderer Teil. Abschnitt. Fußspuren ........................................................................... 1. Spuren von beschuhten Füßen........................................................... 2. Spuren von nackten Füßen................................................................ 3. Sonstige Spuren................................................................................ 4. Spuren von Haustieren........................................................................ 5. Abformen von Fußspuren................................................................

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Abschnitt. Blulspuren...........................................................................

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Form- und Farbveränderungen des Bluttropsens............................. 1. Aufluchen von Blutspuren.................................................................... 2. Sichern von Blutspuren.................................................................... 3. Abnehmen von Blutspuren................................................................ Abschnitt. Fiugerabdruckspurm............................................................. Abschnitt. Einbruchdiebstahl ................................................................. Abschnitt. Brandstiftung............................................................................ Abschnitt. Schriftfälschungen................................................................. Abschnitt. Aberglaube............................................................................ Abschnitt. Sachverständige und ihre Verwendung..............................

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Inhaltsverzeichnis

VII Seite

21.

22.

23.

24.

25.

26. 27.

28. 29.

Abschnitt. Selbstmord................................................................................ Zahlenmäßige Übersicht............................................................................... Einfacher Selbstmord................................................................................... Doppelselbstmor....................................................................................... Mehrfacher Selbstmord............................................................................... Abschnitt. Fruchtabireibung........................................................................ 1. Innere Fruchtabtreibmittel................................................................ a) mineralische....................................................................................... b) pflanzliche ........................................................................................ c) tierische................................................................................................ 2. Äußere Fruchtabtreibmittel................................................................ Abschnitt. Kindesmord................................................................................ A. Allgemeines............................................................................................ B. Todesarten des Kindes....................................................................... 1. Natürlicher Tod eines Kindes........................................................ 2. Gewaltsamer Tod einesKindes..................................................... Abschnitt. Sittlichkeitsverbrechen ............................................................

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Gewaltsame Gesundheitsschädigungen und Todes­ arten. Abschnitt. Körperverletzungen.................................................................... Arten der Verletzung.................................................................................. . 1. Schnitt-Verletzungen............................................................................ a) Halsabschneiden............................................................................... b) Adernaufschnoiden........................................................................... c) Bauchaufschneiden („Harakiri")................................................... 2. Hieb-Verletzungen................................................................................ 3. Stich-Berletzungen................................................................................ 4. Schuß-Berletzungen ............................................................................ Nah-Schuß............................................................................................... Fern-Schuß............................................................................................... 5. Tod durch stumpfe Gewalt................................................................ Abschnitt. Vergiftung................................................................................. Abschnitt. Erstickung........................................................................ Formen der Ersti-ckung............................................................................... A. Strangulation........................................................................................ 1. Tod durch Erhängen........................................................................ Äußere Verletzungen des Erhängten............ 2. Tod durch Erdrosseln.................................................................... 3. Tod durch Erwürgen.................................................................... B. Tod durch Ertrinken........................................................................... C. Andere Arten der gewaltsamenErstickung..................................... 1. Tod durch Verschluß derAtemöffnungen..................................... 2. Tod durch Verstopfung derAtemwege......................................... 3. Tod durch Behinderung -er Atembewegungen........................... 4. Tod durch Erstickung im engenRaum.........................................

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Andere gewaltsame Gesundheitsschädigungen und Todesarten. Abschnitt. Verhungern................................................................................. Abschnitt. Temveraturwirkungen ............................................................ 1. Die Wirkung zu hoher Temperatur................................................... a) Verbrennung, Verbrühung........................................................... b) Sonnenstich und Hitzschlag........................................................... 2. Die Wirkung zu niederer Temperatur............................................... Erfrieren................................

162 163 163 163 165 165 165

VIII

Inhaltsverzeichnis Sette

30.

Mschnitt. Körperverletzung und ToddurchElektrizität........................

165

ä. Blitzschlag .................................................................................................... 165 1. Verbrennung der Haut undHaare................................................ 166 2. „Blitzfiguren" ................................................................................ 167 3. Nebenbefunde an Kleidungsstücken und Gegenständen des Blitz­ getroffenen ..................................................................................... 167 B. Starkstromw-irkungen ......................................... 168 Körperbeschädigungen und Toddurch seelischeEinwirkungen... 168 31. Abschnitt. Verkehrs Unfälle ............................................................... 169 32. Abschnitt. Zurechnungsfähigkeit desberauschten Täters................... 169 Schlußwort ........................................................................................................... 173 Schrifttumsverzeichnis........................................................................................... 175 Sachverzeichnis....................................................................................................... 178

Verzeichnis der „Fälle". Abschnitt: Zeugenaussagen und deren Wert........................................ Fall 1 Vollkommener Widerspruch in Zeugenaussagen anläßlich einer Hinrichtung........................................................... 10 Fall 2 Falsche Zeugenaussagen infolge schwerer Kopfverletzung. . Fall 3 Teilweiser Ausfall des Erinnerungsvermögens und falsche Angaben nach schwerer Kopfverletzung................. 10 Fall 4 Falsche Zeugenaussage nach lebensgefährlicher Kopfverletzung 2. Abschnitt. Feststellung der Wesensgleichheil Unbekannter................. Fall 5 Verräterischer Gerichtssaa-lbericht im Hutfutter.................. Fall 6 Unbekannter Mörder trägt Zeitungsberichte über seine Tat bei sich und verrät sich dadurch.................................. 15 Fall 7 Mörder zieht zwecks Versicherungsbetrug dem Ermordeten die eigenen Kleider an und steckt ihm die eigenen Ausweis­ papiere in die Tasche................................................... 15 Fall 8 Angeblicher „Freiherr Otto v. V.", richtig: Gastwirt bei Ham­ burg, wegen Totschlages und großen Wertpapierdiebstahles amtlich gesucht............................................................... 22 Fall 9 Noch unversehrt erhaltene Gebärmutter einer sonst ganz verfanlten Leiche beseitigtschwereAnschuldigungen...... 23 3. Abschnitt. Augenscheinsaufnahme ........................................................... Fall 10 Augenscheinsaufnahme vonnicht dazugehörigenDingen . . Fall 11 Augenscheinsaufnahme von plötzlich abhanden gekommenen Dingen ........................................................................... 26 4. Abschnitt. Wer ist der Täter?.................................................................... Fall 12 Zigeuner als Täter...................................................................... 5. Abschnitt. Das Lichtbild im Dienste der Kriminalistik......................... 6. Abschnitt. Vorgetäuschte Verbrechen..................................................... 7. Abschnitt. Unklare Todesfälle................................. Fall 13 Verneinter Selbstmord ........................................................... Fall 14 Strangulationsmarke an aus einem Brunnen emporgeleierter Frauenleiche führt zur Verhaftung des unschuldigen Mannes Fall 15 Nachweislich vorgetäuschter SelbstmorddurchErhängen . . Fall 16 Schok als Todesursache bei Sturzans dem Wagen... 8. Abschnitt. „Fliegende.Mordkommission"...................................... 38 9. Abschnitt. Wunden und Narben...................................................... 39 Fall 17 Verblutungstod eines 52-jährigen Mannes durch Bißwunden eines großen Wachhundes.................................... 40 1.

1,2

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13 15

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Seite

Fall 18 Bernhardinerhund fügt einem Knaben schwere Bißwunden am Kopf zu................................................................... 40 10.

Abschnitt. Haare und Knochen................................................................ Fall 19 An dem Autoreifen klebende Haare eines totgefahrenen Nacht­ wächters bringen leugnenden Täter zum Geständnis .... Fall 20 In den Schamhaaren einer wegen Unzucht mit Tieren ver­ dächtigen Frau beweist aufgesundenes schwarzes Hundehaar den widernatürlichen Geschlechtsverkehr.................. 44 Fall 21 Knecht wird seines widernatürlichen Geschlechtsverkehres mit einer Stute durch am Glied aufgefundenes Pferdehaar über­ wiesen; Geständnis....................................................... 44

11. Abschnitt. Todesursache 12.

........................................................................

Abschnitt. Totenbeschau, Leichenerscheinungen, Leichenverletzungen . . Fall 22 Scheintod einer durch Morphin und Beronal vergifteten jungen Pflegerin........................................................... 48 Fall 23 Fragliche Schrotschüsse an einer unbegrabenen Leiche ... Fall 24 Besondere Körperstriemen klären Mord auf......................... Fall 25 Ölfarbe an den Kleidern der Leiche hilft Mörder ermitteln . Fall 26 Stehengebliebene Taschenuhr des ins Wasser geworfenen ers vergegenwärtigt den Hergang, wird richtunggebend . t Harbaum: verkannte Ameisenbenagung wird als Schwefelsäurevergiftung bezeichnet, daraufhin Verdächtigter 8 Jahre unschuldist im Kerker!..................................... Fall 28 Krebse richten sonst unerklärliche Leichenbeschädigungen an

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13.

Abschnitt. Fußspuren............................................................................... Fall 29 Plattfuß des Schränkers weist auf ihn und seine Helfer als Täter.... *........................................................................ 58

57

14.

Abschnitt. Blutspuren ........................................................................... Fall 30 Arzt richtet durch unabsichtliches Vertragen von Blutspuren arge Verwirrung an................................................... 62 Fall 31 Arzt, zur Hilfeleistung herbeigerufen, wirft blutbeschmutzte Wattebauschen achtlos zu Boden, wodurch Deutung der Blut­ spuren erschwert wird................................................... 62 Fall 32 Arzt, zur Hilfeleistung gerufen, zieht dem Schwerverletzten auch die Schuhe aus und wäscht sich in dem am Tatort be­ findlichen Waschbecken die blutigen Hände, was arge Ver­ wirrung anrichtet........................................................... 62 Fall 33 Kennzeichnende Blutspritzer an der Znnmerwand erklären den Hergang der Tat.......................................................................... Fall 34 Gelb-rötlich aussehende für Blut gehaltene Flecke auf einem Papier bestätigen nach mikroskopischer Untersuchung die Be­ hauptung des Verdächtigten, daß sie von geräuchertem, dar­ auf verzehrten Fleisch herrühre.................................. 64 Fall 35 Die Behauptung des Verdächtigten, daß die auf seinem Messer befindlichen Blutspuren vom Zerschneiden einer Pserdeleber herrühre, also nicht Menscherlblut sind, werden durch die mikroskopische Untersuchung vollinhaltlich bestätigt................. Fall 36 In einem Hühnerstall gefundenes Blut war tatsächlich Hühner­ blut und nicht, wie vermutet, Menschenblut ....... Fall 37 Blutflecke, angeblich von Schweineblut stammend, erweisen sich als Menschenblut................................................... 64 Fall 38 Bei einem Wilddieb auf einem Sack gefundenes Blut war nicht, wie behauptet, Menschenblut, sondern wirklich Hasenblut Fall 39 Blutflecke auf verschiedenen häuslichen Gegenständen erweisen die Schuld der Verdächtigten....................................... 65

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15.

Abschnitt. Fingerabdruckspurcn

............................................................

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Inhaltsverzeichnis Sette

16. Abschmtt. Einbruchdiebstahl......................................................................... Fall 40 Aufgefangen-er „Kassiber^ mit Übersetzung führt zur Auf­ deckung umfangreicher Diebstähle....................... 72 17. Abschnitt. Brandstiftung .............................................................................. 18. Abschnitt. Schriftfälschungen ................... Fall 41 Einfache Fälschung (eine „6" in eine „8")..................... 74 Fall 42 Fall CM Pirker.................................................................. 74 Fall 43 Unterschriftfälschung auf einem WechsÄ über 60000 M . . Fall 44 Mordsache M. — Verkohltes, wieder leserlichgemachtes Papier 19. Abschnitt. Aberglaube ................................................................................. Fall 45 Enthaupteter (serbischer) Soldat glaubt dadurch Schätze heben zu können.......................................... 77 Falt 46 Die von der Mutter neben ausgesetztes Kind gestellten Schuhe sollen Entdeckung der Tat verhindern...................... 78 Fall 47 Auf dem Tatort hinterlassene große Notdurft soll Ent­ deckung der Tat verhindern...................................... 78 Fall 48 Mutiger Abdruck einer Männerhand auf dem Tatort soll Entdeckung der Tat verhindern................................. 78 20. Abschnitt. Sachverständige und ihre Verwendung................................ Fall 49 Grasteilchen in der Säbelscharte beweist tödlichen Säbel­ hieb und führt zum Geständnis.................................. 80 Fall 50 Auf dem Tatort zurückgelassener Arbeitsrock des Täters führt durch Sachverständigenauswertung zur Überweisung des Täters ........................................................................... 81 Fall 51 Mikroskopisch untersuchter Fingernagelschmutz überführt den Gegner ........................................................................... 81 Fall 52 Faden aus dem Saum der auf dem Tatort zurückgelassenen Schürze führt auf die Spur des Täters............. . 82 Fall 53 Faden aus dem Schulheft eines ermordeten Knaben führt zur Leichenerkennung.................................................. 82 Fall 54 Schleisspuren des Körpers des Ermordeten entlarven vor­ getäuschten Selbstmord.............................................. 82 Fall 55 Mikroskopisch entdeckte Olfavbenreste in einem auf dem Tat­ ort zurückgebliebenen Uhranhängsel führen auf die Spur des Täters....................................................................... 83 Fall 56 Mikroskopisch ausgewerteter Taschenmesserschmutz klärt MordfaÜ ans........................................................................... 83 Fall 57 Beschmutztes Schuhwerk, mikroskopisch ausgewertet, beweist den in einer Mühle verübten Raubmord.................. 84 Fall 58 Beschmutztes Schuhwerk (feiner Flußsand), mikroskopisch aus­ gewertet, führt zum Geldversteck in einem hohlen Weidenbaum am Flußufer................................................................... 84 Fall 59 Bei Rauferei in den Schädel getriebene, dann abgebrochene Messerspitze weist aus den unter drei Verdächtigten befindlichen Schuldigen....................................................................... 84 Fall 60 Kennzeichnender Auswurf eines Lungenkranken überführt den Täter........................................................................ 85 Fall 61 Braun gefärbter Auswurf erweist sich bei Untersuchung als einem Tabakraucher zugehörig.................................. 85 Fall 62 Blutiger Harn verrät den Täter............................................ Fall 63 Geschlechtsakt in den Mund erklärt bei Freimädchen Er­ stickungstod und zerstreut Verdacht auf Gewaltanwendung . Fall 64 Frische Feigenkerne im Dickdarm des Mädchens, das nach ver­ übtem Sittlichkeitsverbrechen ermordet wird, führen zur Festanhme des Täters...................................................... 85 Fall 65 Aus Menschenkot erwiesene Nicht-Wesensglerchheit .... Fall 66 Spulwürmer in den Kotmassen beweisen die Wesensgleichheit des Täters................................. 86

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Seite

21.

22. 23. 24.

Fall 67 Neugeborenes Kiud, durch Stich ins Hinterhaupt getötet, ver­ rät durch die auffallende Tötungsweise einen Jägerburschen als Täter........................................................................ 86 Fall 68 Schafschlächter verrät sich als Mörder durch fachmännisches Halsabschneiden ........................................................... 86 Fall 69 Auf dem Tatort zurückgelassene Kleidung des Mörders führt durch fachmännische Auswertung zur Aufstellung eines regel­ rechten Steckbriefes, auf Grund dessen Richtigkeit der Täter schon nach 2 Tagen gefaßt werden kann . . :..... 86 Fall 70 Messerschnriede deuten die Herkunft eines ausländischen Mes­ sers richtig und weisen dadurch auf die Spur des Täters . Fall 71 Drechfler erkennt aus der Bearbeitung eines Gegenstandes Links-Händigkeit, wodurch Ermittlung des Täters gelingt . Fall 72 Aufklärung eines großen Diebstahles durch vom Täter kenn­ zeichnend geschnitztem kleinen Holzgegenstand.......... 87 Fall 73 Nadolholz-Sägespäne und nicht, wie behauptet, KirschenholzSägespäne als Ergebnis der Mikroskop. Untersuchung ... Fall 74 Astronomen berechnen aus der SchattenwiTkung auf einem Lichtbild mit aller Bestimmtheit die Aufnahmezeit und retten dadurch die Ehre eines schon zu 15 Jahren (!) justizirrtümlich verurteilten Unschuldigen .......................................... 88 Fall 75 Numismatiker geben prozeßentscheiidende Erklärung ab hin­ sichtlich einer beim Verdächtigten gesehenen auffallenden Münze ............................................................................ 88 Fall 76 Mineralogen können bei beraubten und dann mit Sternen gleich schwer angefüllten Koffern und Kisten Tatort und Täter dadurch entdecken helfen, daß sie sagen konnten, von wo die zur Füllung benutzten Steine genommen worden sein mußten ........................................................... 88 Abschnitt. Selbstmord ........................................................................... Fall 77 Vorgetäuschter Selbstmord durch Erhängen an einer Kette Fall 78 Selbstmord durch Verbrennen................................................. Abschnitt. Fruchtabtreibung..................................................................... Abschnitt. Kindesmord ......................................................................... Abschnitt. Sittlichkeitsverbrechen............................................................. Fall 79 Vermuteter (Raub-) Mord an einem Freimädchen klärt sich durch die Leichenöffnung auf....................................... 105 Fall 80 Schreckneurose als Folge eines schweren Sittlichkeitsverbrechens................. 105 Fall 81 Zwei erwachsene Mädchen vergewaltigen einen 16-jährigen Burschen ....................................................................... 106 Fall 82 Frau befriedigt sich mit Hilfe ihres Hausmädchens an einem vergewaltigten Jüngling................................... 106 Fall 83 Lustmörder beißt der überwältigten in die Brust; die Biß­ abdrücke werden ihm zum Verräter.......................... 107

Gewaltsame Gesundheitsschädigungen und Todesarten. 25. Abschnitt. Körperverletzungen................................................................ Schnitt-Verletzungen, Tod durch Halsabschneiden................. Fall 84 I Zwei Selbstmorde durch Erschießen (in den Mund) und Fall 85 | Halsabschneiden ........................................................... Fall 86 Selbstmord durch Erhängen mit Hals ab schneiden .... Fall 87 Selbstmord durch Erhängen mit Stich in die Leber .... Fall 88 Selbstmörder mit durchschnittenem Hals erzeugt an mehreren Stellen Blutlachen und Blutspritzer........................... 113 Fall 89 Selbstmörderin vermag mit durchschnittener Hals- und Venenschlagader auf einer Halsseite noch 20 m zu gehen. 113

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Fall 90

Selbstmörder hat sich mit Rasiermesser Hals durchschnitten, geht noch in die Stadt und zurück, stirbt erst nach 14 Tagen, obwohl Kehlkopf und Schlund bis auf die Wirbelsäule durch­ schnitten! ....................................................................... 113 Fall 91 Mord durch Halsabschneiden an der 12-jährigen schlafenden Tochter ........................................................................... 114 Fall 92 Mord durch Halsabschneiden und Schädelzertrümmerung . Fall 93 Frau durchschneidet sich liegend den Hals mit dem Küchen­ messer ................................................................................ 115 Tod durch Adernaufschneiden...................................................... Fall 94 Selbstmord durch Adernausschneiden, vereint mit Halsab­ schneiden und Erdrosselungsversuch.......................... 117 Fall 95 Vater ermordet seine 4 Kinder mit Durchschneiden des Halses bezw. der Gelenksbeugen (Kniekehle) und begeht dann Selbst­ mord durch Halsabschneiden...................................... 118 Fall 96 Mord durch zahllose Messerstiche und Durchschneiden des Vor­ derhalses samt Schnittwunden in den Gelenksbeugen ... Fall 97 Mord durch Hammerschläge auf den Kopf mit versuchter Selbstmordvortäuschung durch Querschnitte in die linke Hand­ wurzel und Stiche in dieMagengrube........................ 118 Hieb-Verletzungen.......................................................................... Fall 98 Selbstmord durch Beilhiebwunden (Fakultätsgutachten) . . Fall 99 Selbstmord durch Nageleinschlagen in den Kopf................... Stich-Berletzungen .................... Fall 100 Selbstmord eines Arbeiters durch Einstich eines in Holzgriff gefaßten Zimmermannagelsunterhalb der Brustwarze . .125 Fall 101 Selbstmord durch 5 Taschenmesserstiche in den Hals .... Fall 102 Medizinstudent sticht sich nach gerichtlicher Verurtellung ein Seziermesser ins Herz................................................ 126 Fall 103 Mord durch Herzstich (Stricknadel) mit vorgetäuschtem Selbst­ mord ................................................................. ... 127 Fall 104 Tödlicher Unfall durch Pfählungsverletzung....................... Schußverletzungen! ...................................................................... Fall 105 Selbstmord durch 3 Brustschüsse............................................... Fall 106 Selbstmord durch Kopfschuß................................................... Fall 107 Selbstmord durch Kopfschuß (sternförmig gerissener Einschuß auf der Stirne)............................................................. 132 Fall 108 Selbstmord durch Herzschuß................................................... Fall 109 Mord durch Erschießen. Völlige Vergegenwärtigung des Her­ ganges ......................................................................... 135 Fall 110 Vorgetäuschter Selbstmord durch Erschießen (Nahschuß) . . Fall 111 Mord durch Erschießen statt behauptete Notwehr.............. Fall 112 Selbstmord durch Gewehrschuß (Wasserschuß)................... Fall 113 Fahrlässige Tötung durch Schrotschüsse............................... Fall 114 Mord durch Erschießen (von der Polizei als „Selbstmord" eingeliefert); beweisender Schußkanalverlauf....... 138 Fall 115 Mord durch Erschießen; 2 Einschüsse in die rechte Gesichts­ hälfte, 1 Einschuß in die linke Stirn....................... 139 Tod durch stumpfe Gewalt.......................................................... Fall 116 Mord durch Erschlagen mit einem 5 Mo-Gewicht.............. Fall 117 Schienenselbstmord .................................................................... Fall 118 Von der Eisenbahn überfahren und zweigeteilt.............. 26. Abschnitt. Vergiftung.................................................................................... Fall 119 Selbstmord mit Lysol................................................................ Fall 120 Vergiftung mit nachherigem Jns-Wasser-Werfen der Leiche, um tödlichen Unfall beim Baden vorzutäuschen... 144 Fall 121 Fraglicher Tod durch Arsen-Vergiftung............................... 27. Abschnitt. Erstickung.................................................................................... Strangulation. Tod durch Erhängen.....................................

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122 Selbstmord durch Erhängen. Dreifache Strcvngfurche ... 123 Selbstmord durch Erhängen. Außergewöhnliche Strangfurche 124 Selbstmord durch Halsabschneiden vereint mit Erhängen . . 125 Erhängt aufgefundener Selbstmörder hat scharf geladenen Revolver in der Han-d............................................. . 151 Fall 126 Selbstmord durch Erhängen und Kopfschuß........................... Fall 127 Selbstmord durch Erhängen nach versuchtem Halsabschneiden und Adernöffneu............................................. 152 Fall 128 Vorgetäuschter Selbstmord durch Erhängen; richtig: Mord durch Erwürgen mit nachfolgender Aufhängung. 153 Tod durch Erdrosseln...................................................... 153 Fall 129 Selbstmord durch Erdrosseln........................................ 155 Fall 130 Drosselung. Eine Strangwindung geht durch denMund . . Fall 131 Mord durch Erdrosseln mit nachfolgender Aufhängung... Tod durch Erwürgen.................................................................. Fall 132 Tod durch Erwürgen mit nachfolgender Aufhängung .... Tod durch Ertrinken...................................................................... Andere Arten der gewaltsamen Erstickung............................. Fall 133 Tod durch Erdrücktwevden in einem Eisenwarenmagazin . . Tod durch Erstickung im engen Raum..................................... Fall 134 Knabe beim Bersteckenspielen in einer Kohlenkiste erstickt . . Andere gewaltsame Körperbeschädigungen und Todesarten . Abschnitt. Verhungern.......................................................................... Abschnitt. Temperaturwirkungen........................................................... Fall 135 Tödlicher Unfall durch Verbrennung......................................... Abschnitt. Körperverletzungen und Tod durch Elektrizitüt................. Fall 136 Blitzverletzungen eines Feldarbeiters..................................... Fall 137 Tod durch elektrischen Starkstrom............................................. Abschnitt. VerkehrSunfälle...................................................................... Abschnitt. Zurechnungsfähigkeit des berauschten Täters............. Fall Fall Fall Fall

28. 29. 30.

31. 32.

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Verzeichnis der Abbildungen. 18 Bild 1 Kennzeichnende Zahnmasseverluste der Schuhmachern..................... „ „ „ Tapezierern ..................... 18 „ 2 „ 3 | „ „ „ Glasbläsern ...................... 18 „ 4 „ „ „ Schneiderinnen................. 19 „ 5 „ „ „ Zuckerbäckern..................... 19 „ 6 „ „ „ Arbeitern in chem. Betrieben 19,20 „ 7 | „ 8 „ 9 Künstlerisch ausgeführte Tätowierungen.......................................... 21 „ io Narben nach Beschüttung mit Schwefelsäure, Wegätzung des linken Ohres ......................................... 41 11 Ausgefallene, ausgerissene, abgeschnittene, abgeguetschte Haare 43 12 Menschenhaar....................................................................................... 44 13 Hundehaar............................................................................................... 44 14 Ziegenhaar ........................................................................................... 44 15 Kälberhaar ........................................................................................... 45 16 Hasenhaar............................................................................................... 45 17 Rehhaar................................................................................................... 45 55* 18 Verletzungen an der Leiche durch Ameisenbisse............................. 19 Rattenbenagungen an der Leiche...................................................... 55 20 Besondere Schuhsohlen . ................................................................... 57 21 Abdrücke nackter Füße........................................................................... 58 22 „Schablonen-Verfahren" ............................ 58 23 Fußballschuhe........................................................................................... 59

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24 25 26 27 27a 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

Tropfenform................................................................................... 63 Blutige Fingerabdrücke auf einem Ha-n>btuch .......................... 65 Blutflecke auf der rechten Rockseite............................................. 66 Die vier Grundformen der Linien der Fingerspitzen.............. 69 Vergrößerungen aus einem Fingerabdruck............................... 69 Messergriff mit Abdrücken blutiger Finger des Täters .... 70 Fingerabdrücke des Gustav G................................................... 70 Berufsmäßige Schränkerarbeit............................................... 71 „Lewone legen" ............................................................................. 71 Photographisch erwiesene Fälschung des Datums (6 in 8) . . . 74 Fall Cilli Pirker. Fragliche Unterschrift............................ 74 Namenszug des Beteiligten................................................... 75 Echte und nachgeahmte Unterschrift der Verstorbenen............... 75 Vergrößerung der echten Unterschrift . . . ............................. 75 Gefälschter Namenszug auf einem Wechsel über 60000 M . 76 Teile eines verkohlten Schuldscheines.................................... 76 Teil einer verkohlten Fahrplanseite....................................... 77 Mikroskopisch nachgewiesene Schleifspuren (Stoff-Fasern)... 83 Abgerissene, zerfranste Zwirnsfäden .......................................... 84 Samenfäden aus einem Samenfleck auf Wäsche................ 86 Menschlicher Samen ..................................................................... 104 Lustmord an einem kleinen Mädchen.................................... 107 Lustmord an einer Erwachsenen. Mörder beißt das Opfer in die Brust................................................................................................. 108 46a Gebißabdruck auf der linken Brust der Ermordeten............... 109 46b Gebißabdruck des Mörders.......................................................... 109 47 Mord durch Halsabschneiden ..................................................... 114 48 Vater ermordet seine schlafende 12-jährige Tochter durch Hals­ abschneiden ......................................................................... 115 49 Selbstmord durch (gleichartig verlaufende)Schnittwunden an beiden Armen................................................................................. 116 50 Selbstmorddurch zahlreiche Schnitte............................................ 116 51 Mehrfacher Selbstmord durchAdernaufschneiden usw................. 117 52 wie 51 117 53 wie 51 ............................................. 118 54 Fraglicher Selbstmord durch BeUhiebe auf den Kopf vereint mit Bauchstichwunde ...................................................................... 120 55 Selbstmord durch Einstechen eines in einen Holzgriff gefaßten Zimmermannsnagels unter der linken Brustwarze............. 124 56 Selbstmord durch zahlreiche Halsstichwunden .......................... 125 57 Mord durch Stichwunden mittels einer großen geschlossenen Schere. (Die alte Frau wurde zuerst gewürgt und dann mit der großen Zuschneideschere, die sie in ihrer Miederwerkstätte benützte, vielfach in den Hals gestochen)...................................................... 126 58a Selbstmord durch 3 Schüsse in die Brust mit Schwärzung und Blutverunreinigung..................................................................... . 129 58b Selbstmord durch 3 Schüsse in die Brust nach Entfernung der Verunreinigung............................................................................. 130 59 Selbstmord mittels Armeerevolvers, umfängliche Verbrennung und Schwärzung in der Umgebung der ganz unregelmäßigen Ein­ schußöffnung .......................................................... 131 60 Selbstmord durch Kopfschuß. Schuß in die Stirne, sternförmig gerissene Einschußöffnung....................................................... 132 61 Nahschuß in die rechte Wange.Entfernungetwa 20 cm ... . 133 62 Schrotschußverletzung aufKleidung,Fernschuß ............................ 134 63 Versengtes Haar............................................................................. 135 64 Angebliche Schußstelle soll durch eine Revolverkugel hervorge­ rufen worden sein; auf mikrophotographischem Wege widerlegt 135 65 Wirklicher Durchschuß von einer Revolverkugel, Nahschuß . . . 136

Jnha-ltsverzeichnis

XV Sette

Bild 66 Angeblicher Fernschuß, richtig: Nahschuß mit zerrissenen und vom Feuer versengten Fasern „ 67a Selbstmord durch Gewehrschuß (Wasserschuß), vollständige SchLdelzertrümmerung „ 67b Andere Aufnahme............................................................................... „ 68 Schrotschüsse in die rechte Brustgegend......................................... „ 69a Mord durch Erschießen. 2 Einschüsse auf der rechten Gesichts­ seite ........................................................................................ „ 69b Mord durch Erschießen, ein Einschuß an der linken Stirne . . „ 70a Mit einem 5 Kilo schweren Gewicht erschlagen......................... „ 70b Andere Aufnahme............................................................................... „ 71 Schienenselbstmord............................................................................... „ 72a Bon der Eisenbahn überfahren und zweigeteilt......................... „ 72b Andere Aufnahme.............................................................................. „ 73 Selbstmordversuch. Lysolverätzung bei einer Geisteskranken . . „ 74 Selbstmord durch Erhängen; dreifache Strangfurche................ „ 75Selbstmord durch Erhängen. Außergewöhnliche Strangfurche . „ 76 Selbstmord durch Erhängen und Kopfschuß................................. „ 77 Selbstmord durch Erhängen vereint mit Pulsadernaufschneid-en „ 78Selbstmord durch Erdrosseln mit weichem, breiten Würgeband . „ 79 Mord durch Drosselung; eine Strangtour geht durch den Mund „ 80 Tatort mit Leiche des erdrosselten und dünn aufgehängten Knaben Hammer..................................................................................... „ 81 Ermordeter Knabe mit deutlich sichtbarer Strangulaitionsmarke „ 82 Strangulationswerkzeug (Kordeln)................................................. „ 83 Erwürgt und aufgehängt.................................................................. „ 84 Tödliche Verunglückung durch Verbrennung................................. „ 85 Hochgradig verbrannte Beine.......................................................... „ 86 Brandwunden nach Blitzschlag................................ 166, „ 87 Verunglückung durch Elektrizität......................................................

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Einleitung. Anzeigen gegen unbekannte Täter auf den niedrigsten Stand herab­ zudrücken, d. h. „positiv" zu arbeiten, ist der Wertmesser für die Tüch­ tigkeit einer Kriminalbehörde. Gleich zu Anfang sei es gesagt: nur wer den wirklich ganz gewal­ tigen Anforderungen, die der Kriminalberuf stellt, gewachsen und mit Leib und Seele bei der Arbeit ist, wird es hierin zu etwas bringen; alle anderen Mögen die Finger davon lassen! Denn bloß die in der Anzeige genannten Personen einvernehmen, vorgedruckte Blätter ausfüllen und den Akt als aussichtslos ablegen, wenn man mit den Parteien nicht rasch zu Ende kommt, ist die Arbeit eines Pfuschers. Jeder Kriminalfall muß für den Untersuchenden eine Aufgabe sein, deren Lösung er im voraus nicht kennt. Sich der erfolgreichen Lösung dieser Aufgabe mit allen Kräften zu widmen, ist seine Pflicht. Höchst verworren ist der Fall im Anfang. Man muß ihn zu ent­ wirren trachten, indem man sich den Hergang so einfach als möglich denkt, schrittweise vorgeht, sich immer wieder voll und ganz in die Sache hineindenkt und sich vergegenwärtigt, wie es gewesen sein muß. In dem vergegenwärtigten Hergang darf nichts Sprunghaftes, nichts Unmög­ liches vorkommen. Das Folgende muß sich aus dem Vorangehenden mit zwingender Natürlichkeit ergeben, ein Umstand muß mit dem andern ursächlich Zusammenhängen, bis nach und nach ein „Gerüst", ein „Ge­ rippe" entsteht, das immer mehr an Form gewinnt. Mühsam wird Stück für Stück der brauchbaren Bausteine herbeizuschafsen und immer wieder zu prüfen sein, ob und inwieweit sich das Neugewonnene in das bisher Gewonnene passend einfügt. Gleichsam von einer hohen Warte aus muß der Kriminalist den ganzen Hergang Überblicken und immer von neuem überprüfen. Entsteht irgendwo ein Zweifel, klappt es wo nicht, dann wird man zur Vorsicht und größeren Aufmerksamkeit gemahnt und muß tiefer schürfen! Für alles muß sich eine Ursache finden lassen. Der berühmt« „rote Faden", der sich durch das ganze Geschehen fortzieht, muß gefunden, erfaßt, festgehalten und weiter verfolgt werden bis zum befriedigenden Ende. Es ist dies zwar ein ungemein mühsamer Dornen­ weg, aber auch der einzige, auf dem man erfahrungsgemäß zum hohen Ziele kommt. Die Kriminalfälle, deren rasche Lösung durch den berühmten „Zu­ fall" oder die bekannte „Eine große Dummheit" u. dgl. dem Kriminaliften mühelos in den Schoß fällt, sind sehr seltene Ausnahmen ; die Regel bleibt, daß sich der Kriminalist den Erfolg in zähem Kampf schrittweise erringen Muß. Für die Vergegenwärtigung des Herganges, für die Aufklärung des Falles, für die Erforschung der Wahrheit, d. h. alles dessen, was für und gegen den Beschuldigten oder Täter spricht, spielen Zeugenaussagen seit jeher eine gewaltige Rolle. Wie es mit den Zeugenaussagen aber wirklich steht, wie sie «inzuschätzen, zu bewerten sind, ist in einem ge­ sonderten Abschnitt (S. 7) behandelt, worauf hier verwiesen sei. Das Ergebnis der bezüglichen Wertprüfungen ist, daß gut 70% aller ZeugenPolzer, Sachbeweis.

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Einleitung.

aussagen «teils unrichtig, teils ausgesprochen falsch sind. So erklären sich auch die FehlurteileT), Justizirrtümer2). Es ist daher nicht nur verständlich, sondern dringendst notwendig, daß dieser die gesamte Rechtspflege aufs tiefste erschütternde Zustand endlich unverschleiert ans Tageslicht gebracht wird, um sich sofort mit der Frage der erfolgreichen Gegenmaßnahmen tatkräftig zu be­ fassen. Turmhoch gegenüber diesen unverläßlichen, schwankenden und falschen Zeugenaussagen steht als ganz sichere Urteilsgrund­ lage der unanfechtbare Wert der Sachbeweise des Straf­ rechts, hier kurz „Sachbewcis" genannt. Darauf mit allem Nach­ druck an Hand lehrreicher Fälle hinzuweisen, ist Aufgabe und Zweck dieses Buches. Der Sachbeweis wird die entscheidende Frage, ob schuldig oder nicht schuldig, in unanfechtbarer Weise auch ohne das (meist so sehr umworbene) „Geständnis" des Be­ schuldigten einwandfrei erbringen, die Beteiligten da­ von überzeugen, die Straftat der verdienten Sühne zuführen< wie anderseits einem unschuldig Verdächtigen den ehrlichen Namen zurückgeben, was immer das höchste Ziel jedes Kriminalisten sein soll. Auf den besonderen Wert der Sachbeweise des Strafrechts hat schon mein Lehrer Prof. Groß in seinem (in alle Kultursprachen übersetzten) „Handbuch für Untersuchungsrichter"3) hingewiesen. Hier ist der Ver­ such unternommen worden, diese Aufgabe erstmalig in wissenschaftlicher Form darzustellen und der Rechtspflege dienstbar zu machen. Der Sachbeweis genießt gegenüber anderen Beweis­ mitteln — namentlich Zeugenaussagen — den unbestrit­ tenen Wert besonderer Zuverlässigkeit. So wie bei großen Verbrechen (Mord, Totschlag usw.) die Leiche gleichsam zum Fachmann „spricht", man also auch von einer „Leichensprache" mit Recht reden kann — sie erzählt durch die Art ihrer Verletzungen und die geänderte Umgebung den Verlauf des Herganges — so ist in allen übrigen Fällen der Sachbeweis für den Fachmann ein beredter Tatzeuge; der Ablauf des Sachverhaltes erzählt sich ihm gewissermaßen von selbst, wenn er es versteht, die einzelnen Beweismittel zusammen­ zusuchen und richtig zu ordnen. Aber auch der Laie wird auf Grund der mit Hilfe der Sachbeweise lückenlos führbaren Indizienbeweise schließ­ lich zu der jeden Zweifel ausschließenden einzig möglichen und richtigen Schlußfolgerung kommen müssen. Wenn man bedenkt, daß gerade der berufsmäßige Verbrecher sich — wenn überhaupt — dann nur einer lückenlosen, wuchtigen, einwandfreien Beweislast „beugt", das heißt, u. U. sich zu einem Geständnis bequemt, so ist auf den ersten Blick eiw^)„Fehlurt«tle der Geschworenen", Deutsche Juristenzeitung, 1911, u. a. m, . 2) Sello, Erich, „Justiz-Irrtümer". Berlin 1911, usw. 8) I. Schweitzer Verlag, München-Berlin-Leipzig.

zusehen, daß zur Urteilsgrundlage wirklich verläßliche Beweismittel herangezogen werden müssen. Der Richter ist verpflichtet, alles „Für" und „Wider" herbeizu­ schaffen, was zur Aufklärung des gegebenen Sachverhaltes nötig er­ scheint. Wenn er mit seiner juristischen und guten Allgemeinbildung sein Auslangen nicht finden kann, ist er berechtigt bzw. verpflichtet, Sach­ verständige beizuziehen, um diese Lücke gehörig auszufüllen (vgl. auch den Abschnitt „Sachverständige" S. 79). Die Anzahl der Fälle, in denen Sachvcrständigen-Gutachten der richterlichen Urteilssällung unter­ legt wurden und werden, ist ungeheuer groß. Die Sachverständigen müssen ihr Gutachten in den richterlichen Rahmen einfügen können, das heißt, die Fassung muß eine solche sein, daß sie der Richter in seiner Begründung auch verwerten kann. Der Sachverständige hat sich daher in erster Linie mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vertraut zu machen und der Richter, in dessen Hand die Leitung der Verhandlung liegt, soll auch aus anderen Wissenszweigen und Hilfswissenschaften wenigstens so viel an Kenntnissen besitzen, daß er der Sache nützt, die Arbeit des Sachverständigen nicht erschwert oder gar durchkreuzt, wie es schon vorgekommen ist und — sich anderseits auch keine Blöße gibt. Die gesetzlichen Bestimmungen, denen sich der Sachverständige anpassen muß, kann er samt Erklärungen in den einschlägigen Gesetzbüchern finden. Jener Stoff aber, den der Jurist besonders aus dem unsagbar wichtigen Gebiete der gerichtlichen Medizin und nahestehenden Sonderwissenschaften braucht, sowie insbesondere der richtige Niederschlag dieses Wissens zeigt in j>em bisherigen Schrifttum noch eine Lücke. Die Absicht, hier Brauchbares zu schaffen, diese Lücke schließen zu helfen, ist der Zweck des nun vorliegenden Buches, vor dessen Aus­ arbeitung sich Verf. vollständig im klaren war, daß dies ohne hin­ reichende medizinische Studien und Kenntnisse nicht geschrieben werden kann, denn der Arzt muß den Richter, der Richter den Arzt verstehen können, bedarf doch einer der Hilfe und Mit­ arbeit des andern, denn der Erfolg liegt erst im genauen übereinstimmenden Zusammenarbeiten beider zwecks Schaffung jener Grundlage, wie sie zur Erhebung der Anklage beziehungsweise Einstellung des Strafverfah­ rens nötig ist. An dieser Stelle seien die so treffenden Worte Pros. Haberdas ein­ geschaltet, welche lauten1): „... Was nützt es dem Richter, wenn ein Arzt, der herbeigerufen wird, um sich über eine Verletzung am Lebenden oder an der Leiche auszusprechen, diese vom klinisch-chirurgischen oder; pathologisch-anatomischen Standpunkte aus in einwandfreier Weise er­ örtert, aber nicht angibt, ob die Verletzung eines jener Merkmale besitzt, auf welche es dem Gesetze und daher dem Richter ankommt, wovon ja die weitere juristische Behandlung des Rcchtsfalles abhängt? Nur der Arzt kann sich über diese Merkmale aussprechen, der die betreffenden Unterscheidungen des Strafgesetzes kennt und sie versteht. Erwägt man *) v. Hosmann-Haberda, Lehrbuch der gerichtl.Medizin, Verlag Urban & Schwarzenberg, Berlin-Wien.

noch die Häufigkeit der Rechtsfälle, in denen Gutachten ärztlicher Sach­ verständiger gefordert werden, und den Umstand, daß in vielen der­ artigen Fällen die ganze weitere Behandlung des Rechtsfalles, ins­ besondere das richterliche Urteil von der Untersuchung des Arztes, von seinem Gutachten abhängt, daß somit nicht bloß allgemein soziale In­ teressen von höchster Bedeutung, sondern auch Schicksal, Ehre, Frei­ heit, ja oft das Leben der beschuldigten Person in die Hände des Arztes gelegt sind, so bedarf es wohl keiner weiteren Worte, um die Wichtigkeit der gerichtlichen Medizin aufzuzeigen. Auch der Jurist bedarfdes Studiums der gerichtlichen Medizin, wenn er imstande sein soll, den Ausführungen des ärzt­ lichen Sachverständigen mit Verständnis zu folgen, ihn richtig zu be­ fragen und sich nach der ihm zustehendm freien Beweiswürdigung dahin zu entscheiden, ob er das Gutachten, das für ihn ein Beweismittel wie jedes andere ist, seinem Urteil zugrunde legen soll oder nicht. Der praktische Unterricht in der gerichtlichen Medizin darf aber den Juristen nicht verführen, sich mit einem hierbei erworbenen Halbwissen zum Scha­ den der Rechtspflege von dem ärztlichen Sachverständigen unabhängig machen zu wollen; er wird vielmehr die Achtung und das Verständnis für gerichtlich-medizinische Fragen fördern und Richter und Anwalt dar­ über belehren, wann und wie er den Arzt als Sachverständigen befragen soll und ihn auch die Grenzen der ärztlichen Sachverständigentätigkeil richtig erkennen lassen." Auf dem für den Kriminalisten also so unendlich wichtigen Gebiete der gerichtlichen Medizin gibt es bekanntlich eine Reihe gewiß bester Lehrbücher, die ebenfalls wie andere fachwissenschaftliche Werke und Fachzeitschriften ufto.1) bei der Bearbeitung dieses Buches gebührend berücksichtigt wurden. Unter diesm war mir für das Gebiet der gericht­ lichen Medizin in erster Linie führend das eben genannte Lehrbuch v. Hofmann-Haberda, das auch in dem gesamten Fachschrifttum als anerkannt ausführlichstes Lehrbuch gewertet ist und die Gerichtsärzt­ liche Diagnostik und Technik von Prof. Dr. Merkel und Prof. Dr. Walcher (Verlag S. Hirzel, Leipzig). Berfs. erheben mit vollem Recht die (sehr begrüßenswerte) Forderung nach einem kriminalistisch ge­ schulten Arzt. Wird aber dies — und wirklich mit Recht — verlangt, d. h. soll der Arzt auch kriminalistisch geschult sein, dann ist es nur ein selbstverständliches Echo, daß der Kriminalist, der ja die Ver­ handlung leitet, auch medizinisch geschult sei. Der Jurist, an den sich immer wieder besonders medizinische Fragen herandrängen, steht hilflos da, wenn er nicht auch auf medizinischem Gebiet Bescheid weiß. Wie soll er denn den Arzt fragen und vor allem richtig fragen/ wenn ihm das medizinische Gebiet völlig Neuland ist? Als Vers, vor etwa zwei Jahrzehnten seinen „Praktischen Leitfaden für kriminalistische Tatbestandsaufnahmen" schrieb, ging er von der Er­ kenntnis aus, daß die Miteinbeziehung grundlegender Abschnitte aus dem Gebiete der gerichtlichen Medizin nicht nur wünschenswert, sondern höchst notwendig sei und hatte sich in seiner Annahme nicht getäuscht. !) Vgl. Schrifttums Verzeichnis S. 175.

Rasch war die hohe erste Auflage abgesetzt (besonders von Militärpolizei angeschafft), der rasch diezweite folgte. Die dritte war völlig umgeändert und wesentlich erweitert und nun steht wieder eine neue verbesserte und vermehrte Auflage dieses bereits in sechs Sprachen erschienenen Be­ helfes bevor. Diese ungeahnt günstige Aufnahme ist ein sichtlicher Be­ weis dafür, daß die entsprechende Einarbeitung eines gerichtlich-medifzinischen Teiles zahlreichen Bedürfnissen im In- und auch fremd­ sprachigen Auslande entsprach. Und damit kommen wir in den Brennpunkt der Sache: Wer Lehr­ bücher der gerichtlichen Medizin und naher Wissensgebiete sorgfältig durchgearbeitet, immer wieder auch mit Gerichtsärzten gesprochen und an einer großen Anzahl bedeutender Gerichtsverhandlungen teilgenom­ men hat, weiß, daß es uns Kriminalisten an medizinischen Grundlagen, ja selbst Verständnis für medizinische Fra­ gen — offen gesagt — in den meisten Fällen mangelt. Das äußert sich darin, daß der Jurist an den Gerichtsarzt oft Fragen stellt, die dieser unmöglich beantworten kann und so ergibt sich wegen Öffent­ lichkeit der Verhandlung manchmal eine peinliche Lage; ein Nichtverstehen auf der einen Seit«, ein Begreiflichmachen-Wollen auf der anderen Seite. Wer aber Jurist und Mediziner ist, beide Gebiete kennt, wird unbedingt beistimmen, wenn man, wo Schicksal, Ehre, Freiheit, ja selbst das Leben eines Menschen auf dem Spiele steht, die höchsten Anforderungen an Richter und Arzte (Sachverständige) gestellt werden, auch mit vollem Recht die jetzt noch als „Ideal" hingestellte berufliche Doppelaus­ bildung verlangen kann und soll. Wenn diese Forderung einmal er­ füllt sein wird — hoffentlich ist dies schon in absehbarer Zeit der Fall! — und man den unschätzbaren Wert der Sachbeweise anerkennen und all­ gemein zugrunde legen wird, dann wird es um unsere Rechts­ pflege anders bestellt sein! Bis zu diesem Zeitpunkt aber hat man hinreichend und täglich Gelegenheit, den unabsehbaren Mangel der Wahrnehmung, Auffassung und Wiedergabe auch der ehrlichsten Zeugen einsehen und werten zu fernen. „Auch der Kampf gegen das Verbrechen ist ein Krieg" — sagte Altmeister Prof. Groß —-„und erfordert daher Geld. Gebt genügend Geld und Ihr habt die beste Strafjustiz." Hat man Geld, so kann man die besten Leute für den Polizeidienst haben und diesen mit den neuesten Hilfsmitteln ausstatten. Man kann sein« Staatsanwälte und Richter bestens ausbilden und deren Lage günstig stellen, dafür aber ausgesuchte Leute verlangen. Beamte, die es sich Zeit und Mühe kosten ließen, sich für ihr schwieriges, aber gut bezahltes Amt vorzubereiten. Mit Geld kann man die besten Gutachten von den besten Sachverständigen bekommen, welche Zeit und Mühe und Vor­ versuche darauf verwenden können, wenn sie entsprech«:- entlohnt werden. Mit Geld bekommt man Zeugen, denn wenn man Zeitverlust und Zureise reichlich ersetzt erhält, kommt jeder gerne, der in der Sache etwas weiß; hat er aber von seiner Vernehmung geldlichen Verlust zu erwarten, so sucht es jeder zu verheimlichen, daß er ein Zeuge ist, um nicht zu Gericht kommen zu müssen. Mit Geld lassen sich auch kostspielige Ausflüge, Versuche und Proben machen. Mit Geld kann man auch

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Einleitung.

eine genügende Anzahl von Beamten, namentlich von Staatsanwälten und.Richtern aufstellen, damit dann jeder von ihnen mit Muße, Fleiß und Sorgfalt, ohne Hetze, Übereilung und Schleuderhaftigkeit arbeiten kann. — Paul LindenbergT) erzählt, ein Berliner Untersuchungsrichter habe sich über seine Arbeiten genaue Vormerkungen gemacht, die angaben, daß er in 16 Jahren 32 656 Personen vernommen habe. Dazu kommen die Leichenöffnungen, Tatortsbesichtigungen, Vormerkungen und die ge­ samte Schreibarbeit! Prof. Groß erwähnt die „unzähligen verunglückten Untersuchungen, die unsere Registraturen und Archive verwahren" und sagt dann weiter: „Den wahren Segen der Rechtspflege wird man überhaupt erst fühlen, wenn man dort Geld auftpendet, wo es wirklich notwendig ist. Ein Staat, der seinen heute auch gebildeteren und abgefeimten Gau­ nern nur Beamte gegenüberstellt, die allerdings die gewöhnliche oder vielleicht eine hervorragende wissenschaftliche juristische Bildung be­ sitzen, aber der dem Richteramt nötigen besonderen Ausbildung ent­ behren, steht seiner Aufgabe nicht richtig vor. Ein schlechter Staat zeigt sich schwach vor seinen eigenen Verbrechern und vernachlässigt seine Pflicht gegenüber den ehrlichen Staatsbürgern, die verlangen können, daß der Kampf gegen das Verbrechertum mit allen Mitteln menschlichen Wissens und Könnens ausgenommen werde. Dem Guten muß zum Triumph verholfen werden und dies ist nur möglich durch einen Ge­ neralstab bestgeschulter Staatsanwälte und Richter." Um einen solchen „Generalstab" geeignet heranzubilden, wird sich in erster Linie wohl jeder als Lehrer melden müssen, der selbst hervor­ ragende Kriminalisten und Ärzte als Lehrer hatte und Erfolge auf diesem schweren Sondergebiet aufzuweisen hat. Solche Lehrer tvürden dann zur Abhaltung von Kursen u. dgl. eingeteilt und würden gleichsam die Brücke bilden von der alten, so bewährten kriminalistischen Schule zum jetzigen jungen Nachwuchs. So soll nun auch das vorliegende Buch mithelfen, einen Wende­ punkt in der erfolgreichen Verbrechensbekämpfung zu bilden, indem vor allem die Strafrechtspflege und damit die Sicherheit der Bürger gegen­ über den bisherigen unzuverlässigen Berfahrensarten auf eine feste Grundlage gebracht wird. Dieses Buch ist demnach nicht für Anfänger bestimmt, sondern für den schon im Berufe stehenden Kriminalisten bei Gericht, Polizei, Gendarmerie, sowie insbesondere auch für den Sach­ verständigen, besonders den Gerichts- und Amtsarzt, der die vorliegende Arbeit für seine berufliche Tätigkeit verwenden und neue Anregungen daraus entnehmen möge. An sie alle sei die Bitte um Verbesserungen sowie Bekanntgabe weiterer Fälle aus eigener oder fremder Praxis gerichtet (am besten über den Verlag I. Schweitzer, München, Ottostr. la). Wenn auch dieses Buch so günstige Ausnahme fände, wie sie seinen Vorgängern beschieden war, so ist der Wunsch des Verfassers und der Zweck der Arbeit «reicht. 20. IV. 1937.

Der Verfasser.

1) „Berliner Polizei und Verbrechertum", Leipzig, PH. Reclam.

Allgemeiner Teil. 1. Abschnitt.

Zeugenaussagen und deren Wert. Zeugenaussagen bilden in ihrer gerechten Würdigung wohl den heikelsten Stoff. Gerade wegen der völligen Unzulänglich­ keit der Zeugenaussagen wurde — als Gegenpol — das nun vorliegende Buch geschrieben. Zeugenaussagen! Wieviel ist darüber geschrieben worden, ohne den Kern zu erfassen! Man darf auch nicht vergessen, wieviele Zeugen (aus gesetzlich ange­ führten Gründen) nicht einvernommen, nicht beeidet werden dürfen, wichtige, ja vielleicht einzige Zeugen, praktisch gesprochen, also Wegfällen. Und vor allem: die „Zuverlässigkeit" der Zeugenaussagen! Der gewissen­ hafte Kriminalist wird gerade auf dem so heiklen Gebiet der Zeugen­ aussagen die überaus wertvollen Anleitungen, die ihm der erfahrene Gerichtsarzt geben kann, besonders zu würdigen haben. Den werteren Ausführungen seien die bezüglichen klaren treffen­ den Worte Prof. H a be r d a s vorangestellt: „Die Zuverlässigkeit der Zeugenaussage hängt wesentlich von dem seelischen Zustand des Zeugen ab und wird durch etwaige krankhafte Störung der Geistestätigkeit des Zeugen beeinträchtigt oder aufgehoben. Aber auch die Zeugenaussagen geistig gesunder Zeugen sind keineswegs immer zuverlässig.

Bon welchen Umständen hängt die Zuverlässigkeit der Zeugenaus­ sagen ab? Die Annahme, daß ein geistig gesunder Mensch imstande sein müsse, einen von ihm wahrgenommenen Vorgang auch wahrheitsgetreu wieder­ zugeben, erhält durch die Erfahrung wesentliche Einschränkungen. Schon die Wahrnehmung steht unter dem Einfluß der Aufmerksamkeit und von Gemütserregungen, so daß je nach der seelischen Einstellung ein Zmg« eines Vorganges Einzelheiten wahrnimmt, die dem andern ent­ gehen. Noch mehr aber wird die Auffassung des wahrgenommenen Vor­ ganges durch diese Umstände bestimmt und zwar je nach Zuneigung oder Abneigung gegenüber einem Angeklagten oder einer Prozeßpartei häufig bei verschiedenen Zeugen in entgegengesetztem Sinne. Da ferner die Zeugenaussage fast nie unmittelbar nach dem wahr­ genommenen Vorgang erfolgt, sondern oft erst nach geraumer Zeit, wirken auf die Wiedergabe noch andere Umstände ein. Die Eigentümlich­ keit des menschlichen Gedächtnisses bringt es mit sich, daß im Laufe der Zeit die Erinnerungsbilder an Schärfe und Vollständigkeit abnehmen, so daß Einzelheiten ausfallen oder nur mehr ungenau wiedergegeben werden können. Auch auf diese Abnützung der Erinnerungsbilder hat die Gemütserregung des einzelnen Zeugen zu dem wiederzugebenden Tatbestand Einfluß. Anderseits handelt es sich meistens um Ereig-

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nisse, die vom Beteiligten und Unbeteiligten, oft auch von der TagesPresse in der mannigfachsten Weife besprochen wurden. Und so kommt es, daß ein Zeuge nicht selten für Wahrgenommenes hält, was er sich nachträglich gedacht oder von anderen gehört hat, daß ihm seine Vermutungen und Schlüsse als Wirklichkeit erscheinen. Es sind in der letzten Zeit über dieses Thema „Psychologie der Aussage" wertvolle Untersuchungen gemacht worden. Besonders überzeugend wirkt folgender mehrfach angestellter Versuch: Es wurde von einer Anzahl von Personen, ohne daß diese darauf vor­ bereitet gewesen wären, eine vorher verabredete gemütserregende Vor­ führung gemacht und die Zuschauer dann aufgefordert, das, was sie beob­ achtet hatten, sofort zu Papier zu bringen. Dabei stellte es sich nun her­ aus, daß auch gebildete und verständige Menschen keineswegs überein­ stimmende Schilderungen des beobachteten Vorganges lieferten, sondern daß die Darstellungen in vielen und auch in wichtigen Punkten voneinander abwichen, ja, daß in manchen Dar­ stellungen Einzelheiten berichtet wurden, die der Wirk­ lichkeit gar nicht entsprachen. Man wird sich daher schon gegenüber geistesgesunden Zeugen vor Augen halten müssen, daß aus der Zeugenaussage eines Menschen nur zu entnehmm ist, was er von einem Vorgang aufgefaßt und behalten hat, und was er im Augenblick der Zeugenaussage (Befangenheit, Beein­ flussung durch Staatsanwalt, Richter und Anwälte) wiederzugeben im­ stande war, nicht aber, wie sich der Vorgang wirklich abgespielt hat. Man darf also bei Widersprüchen zwischen Zeugenaussage und Wirklich­ keit nicht ohne weiteres böse Absicht annehmen. Das kann bei der B eurteilung von Meineidsfällen große Bedeutung erlangen und in manchen derartigen Fällen die Tätigkeit der Sachverständigen zur Aufklärung des Falles angezeigt erscheinen lassen^). Die Zuverlässigkeit der Aussage hängt aber nicht bloß von dem Grad der Wahrnehmungs-, Auffassungs- und Erinnerungsfähigkeit ab, sondern auch von der Wahrheitsliebe der Zeugen, das heißt von der Neigung und Gewohnheit des betreffenden Menschen, die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheitsliebe des Einzelnen ist aber keine unveränder­ liche Größe; sie wird vor allem durch Jnteressenwidersprüche oft auf harte Probe gestellt. Es gibt auch seelisch krankhafte Menschen, die einen krankhaften Hang zur Lüge haben und auch ohne einen bestimmten Zweck x) Wir alle wissen aus dem täglichen Leben, daß ein und derselbe zugleich mit andern Personen erlebte Vorgang von jedem Beteiligten anders wieder­ gegeben wird. Es ist eigenartig, daß jeder dieser Leute seine Erzählung mit sichtlichein Nachdruck, mit voller Bestimmtheit macht, so daß kein Anlaß bestünde, ihm nicht zu glauben. Auf die Frage, warum es zu dieser unrichtigen Wiedergabe gekommen ist, finden wir immer dieselben Ursachen: TÄnahme am Aus­ gang der Sache, verschiedenes Alter und Geschlecht der Wahrnehmenden, Auf­ regung, Angst, Todesgefahr der Zeugen, Kopfverletzungen, die sie davontrugen u. dgl. m. Schließlich darf Richter und Arzt auch niemals auf die geschlechtliche Einstellung vergessen, weil sie erfahrungsgemäß zur Klärung verschiedener Um­ stände von ausschlaggebender Bedeutung sein kann.

lügen. In besonderem Grad wird selbstverständlich die Zuverlässigkeit der Zeugenaussage beeinträchtigt werdm, wenn der Zeuge geistes­ gestört ist. Die Gesetzbücher tragen den geschilderten Unsicherheiten der Zeugen­ aussage nur in sehr beschränktem Maße durch ausdrückliche Bestim­ mungen Rechnung; ein Mangel, der jedoch nur ein scheinbarer ist, da die freie Beweiswürdigung, welche dem Richter (bzw. Geschworenen) zusteht, ihn in die Lage setzt, diese Unsicherheiten zu würdigen. Ander­ seits wird sowohl im Strafverfahren wie im zivilgerichtlichen Verfahren eine Maßregel angewendet, welche den Zeugen bewegen soll, nach bestem Wissen und Gewissen die volle Wahrheit in seiner Aussage zu bekunden — der Eid. Der Eid, dessen Ablegung unter religiösen Förmlichkeiten sich abspielt, soll einerseits einen Aufruf an das Gewissen des Zeugen dar­ stellen, anderseits steht er unter Strafandrohung, da die Verletzung der eidlich gelobten Wahrheit alSMeineid mit schweren Strafen bedroht wird." Um das hier Wesentliche besser herausheben und unterstreichen zu können, wird es vorteilhaft, ja notwendig sein, diesfalls folgende Mög­ lichkeiten auseinander zu halten: 1. Der Zeuge kann die Wahrheit sagen, weil er richtig beobachtet und aufgefaßt hat; er will auch die Wahrheit sagen. Dies ist so klar, daß darüber keine Erklärung nötig ist. Den Übergang zur nächsten Gruppe von Zeugen bilden jene, die, wie Prof. Groß auch sagt, aus irgendeinem Grunde glauben, sie sollen selbst zur Verantwortung gezogen werden, entweder weil sie befürchten, es ruhe der Verdacht der Täterschaft auch auf ihnen, oder, daß sie sich irgendeiner Unterlassung schuldig fühlen, wodurch die Tat erleichtert wurde, oder endlich, daß sie meinen, man beschuldige sie eines Einver­ ständnisses mit dem Täter oder dergleichen mehr. — In allen diesen und hundert anderen Fällen werden sie bei allem guten Willen, doch die Wahrheit zu sagen, immer so sprechen, wie sie es ihrer Lage nach für zweckmäßig halten. Sie werden anders betonen, anders anordnen, anders verschtoeigen, und wenn der Untersuchungs­ richter in einem solchen Fall genau aufmerkt, wie diese Zeugen gesprochen haben, so kann er sich eine Gruppe von Leuten bilden, die unrichtig aus­ sagen: die der Ängstlichen, stets Schuldbewußten und Un­ sicheren. 2. In die nächste Gruppe gehören dann jene Zeugen, welche die Wahrheit sagen könnten, weil sie wohl richtig beobachtet und aufgefaßt haben, die aber gar nicht daran denken, wahrheitsgemäß auszusagen. Auch dies liegt vollkommen klar. 3. Eine weitere Gruppe bilden jene Zeugen, die nicht wahrheits­ gemäß ausgesagt haben, weil sie (z. B. infolge von Aufregung, Angst, wegen einer bedeutenderen Kopfverletzung usw.) unr ich tig beob ach tet, also falsch aufgefaßt haben. Diese Zeugen meinen, richtig beob­ achtet zu haben, wollen auch aussagen, ihre Aussage ist aber, ohne daß sie dafür können, falsch. Zur besseren Erläuterung seien hier einige Fälle aus der Praxis eingeschoben:

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Prof. Groß, -ein ganz verläßlicher und allseits anerkannter Ge­ währsmann, berichtet, daß er einmal Gelegenheit hatte, Zeugenaussagen nach einer Hinrichtung zu überprüfen. Fall 1. Der Scharfrichter hatte es für nötig gehalten, zum Att Hand­ schuhe anzuziehen. Nach vollzogener Hinrichtung befragte Prof. Groß vier Per­ sonen, die amtlich bei der Hinrichtung anwesend waren, um die F a r b e der Hand­ schuhe des Henkers. Die Antworten lauteten: schwarz — hellgrau — weiß, und der Vierte blieb dabei, daß der Scharfrichter überhaupt keine Handschuhe an­ gehabt habe! Und alle vier waren in unmittelbarer Nähe gewesen, keiner zweifelte, jeder antwortete mit voller Bestimmtheit und glaubt heute noch, daß er das Richtige gesehen habe. Und sämtliche Zeugen hätten ihre Aussagen jederzeit auch beschworen!

Bei Zeugen, die mehr oder minder schwere Kopfver­ letzungen erlitten haben, ist große Vorsicht geboten. Sol­ chen Zeugenaussagen kommt anderseits deshalb besondere Bedeutung zu, weil sie in der Regel eben die einzigen Zeugen sind, z. B. Überfallene. Fall 2. Bei einer größeren Rauferei hatte der Zeuge mit einem Pfahl einen wuchtigen Hieb über den Kopf bekommen, so daß er eine Schädelverletzung er­ litt und lange bewußtlos war. Bei seiner ersten Einvernahme (2 Tage nach der Tat) erzählte er mit aller Bestimmtheit, daß ihn ein auffallend großer Mann mit langem schwarzen Bart niedergeschla-gen habe. Glücklicherweise war an der Rau­ ferei kein Mann beteiligt, auf den diese Beschreibung int entferntesten gepaßt hätte. Es konnte außerdem durch mehrere Zeugen bestätigt werden, daß der Täter ein kleiner Bursche mit blondem Schnurrbart war. Hätte ein großer Mann mit langem schwarzem Bart der Täter sein können, so hätte man diesen verhaften lassen, so bestimmt und klar lauteten die Angaben des Verletzten. Als der Ver­ letzte gesund war unld wieder vernommen wurde, gab er als Täter denselben an, den die andern Zeugen bezeichnet hatten und erzählte auf Befragen, es sei ihm allerdings, als er int halbbewußten Zustande im Bette lag, stets so vorgekommen, als ob ihn ein großer Mann mit langem schwarzem Bart aus dem Bett hätte ziehen wollen. Diese Beschreibung paßte auf den Arzt, der ihm die erste Hilfe geleistet hatte. (!)

Auch der nächste Fall kennzeichnet so recht, worauf es hier ankommt. Fall 3. Ein angesehener Beamter fuhr von einer auswärtigen Amtshand­ lung nach Hause. Die Pferde scheuten, der Beamte flog aus dem Wagen, verletzte sich schwer am Kopf und blieb auf einem einsamen Fahrweg bewußtlos liegen. Nach etwa einer hMen Stunde kam er zu sich, ging bis zu einem in der Nähe gelegenen Landhaus einer ihm befreundeten Fantllie, begab sich, ohne sich bei irgend jemandem zu melden, in das Speiszimmer und blieb dort auf dem Diwan sitzen. Nach einer Stunde, es war Nachmittag, wurde er dort vom Besitzer des Landhauses gefunden,'mit dem er ganz verständig sprach. Im Verlauf des Ge­ spräches bemerkte der Hausherr, daß der Gast von der Ansicht ausging, er sei schon seit dem Morgen da und habe hier zu Mittag gespeist. Als man endlich seine Verletzung bemerkte, wollte er von dieser, überhaupt von einem Unfall, von einem Sturz aus dem Wagen, absolut nichts wissen, und blieb dabei, er sei schon feit Morgen da. Erst in der Nacht begann Wundfieber, Wahnsinnsanzeichen und langedauernde Bewußtlosigkeit.

Angenommen, es hätte sich hier um ein Verbrechen gehandelt, so hätte wohl kein Mensch einem Beschuldigten, z. B. einem bekannten Dieb geglaubt, daß er, ohne zu wlssen wie, in das Haus gekommen sei. Wäre der Verunglückte aber das Opfer einer strafbaren Handlung gewesen, so hätte er von dieser wohl ebenso wenig gewußt, wie von seinem Sturz, und hätte durch seine Aussage den Vernehmenden gründlich irregeführt. Abschließend noch einen (älteren) mehrfach belehrenden Fall, der seinerzeit großes und berechtigtes Aufsehen erregte:

Fall 4. In dem Hause des Lehrers B. in Dietkirchen (Niederbayern) wurde ein Raubmord verübt. Zwei Kinder des Lehrers waren durch Hiebe mit einer Hacke getötet, die Frau und das Hausmädchen mit der gleichen Mordwaffe lebens­ gefährlich verwundet und bewußtlos angetroffen. Lehrer B., welcher ebn ab­ gesondertes Zimmer bewohnte, hatte bei seinen ersten Vernehmungen in sinn­ loser Verwirrung so ungereimt gesprochen, daß er für den Täter gehalten und auch dann nicht sofort entlastet wurde, als seine Frau zum Bewußtsein kam und' vernommen werden konnte. Sie erzählte dem Untersuchungsrichter, daß sie aus tiefem Schlafe erwacht sei und das ganze Bett naß gefunden habe. Da es bald gegen Morgen ging, nahm sie wahr, daß die Nässe von Blut herrühre, worauf ihr wieder die Sinne schwanden. Sonst wußte sie trotz eingehenden Befragens gar nichts anzugeben. Namentlich konnte sie nicht im entferntesten sagen, wann, wie und durch wen sie ihre schweren Kopfverletzungen erlitten habe, ja es wurde ihr überhaupt erst durch dritte Personen gesagt, daß sie verletzt sei. Als es zur Unterfertigung der aufgenommenen Anzeige kam, unterschrieb sie statt ihres Namens (M. B.) ohne jegliches Besinnen „Martha Guttenberger. Der Untere suchungsrichter hatte den glücklichen Gedanken, die Umgebung zu fragen, ob Frau B. etwa eine geborene Guttenberger sei, was verneint wurde, und als der Unter­ suchungsrichter weiter fragte, wer denn sonst den Namen Guttenberger führe, wurde ihm gesagt, so habe der frühere Geliebte des Hausmädchens geheißen, welchem wegen seines üblen Lebenswandels vom Lehrer B. das Betreten des Hauses verboten wurde. Der Untersuchungsrichter griff die Sache auf, Gutten­ berger wurde verfolgt, in München verhaftet und gestand die Tat ein (Groß). Aus dem Gesagten ergibt sich der auch später von Frau B. bestätigte Sach­ verhalt dahin, daß sie den Täter zur Zeit des Angriffes auf sie bestimmt erkannt und dann den Hergang infolge ihrer schweren Kopfverletzung vergessen hatte. Aber nicht ganz. Die Vorstellung von der Täterschaft des Gutrenberger war bei Frau M. B. in der Tat in eine zweite Stufe des Bewußtseins getreten, so daß ihr nur dämmerte: der Name „Guttenberger sei im Augenblick von Bedeutung. Dieser Dämmervorstellung glaubte sie Genüge zu leisten, wenn sie die Bedeutung des Namens Guttenberger darin fand, ihn für den eigenen Namen zu halte,:. Es ist dies etne jener „Mischvorstellungen", die für den Kriminalisten in mehr­ facher Beziehung wichtig sind (Handeln mit Abwehrbewegungen, Schlaftrunken­ heit u. dgl.). 4. In einer letzten Gruppe sind noch jene Personen zu erfassen^ die sich als Zeugen aufdrängen, die im Gegenstände aber weiter nichts wissen, dafür entweder die Absicht haben, die Behörde irre­ zuführen, oder sich selbst bemerkenswert zu machen. Jeder kennt Aussagen, die durch die Einbildungskraft des Zeugen (manchmal auch des Vernehmenden oder gar beider zusammen!) weit übers Ziel geschossen haben. Und sehr viele Zeugen gibt es auch, die sich und anderenetwas einreden, und zum Schlüsse selbst nicht mehr wissen, was sie wirklich erlebt haben und was sie sich eingebildet haben. Sie vermögen dies und jenes nicht mehr voneinander zu trennen. 5. Manchem Zeugen wieder ist es sehr unangenehm, daß er in ei ne Sache mit hineingezogen wird; und weil solche Leute es mit ihrer Einstellung, mit Familien- oder Standesrücksichten nicht vereinbaren können, so haben sie Dritten gegenüber einfach dies oder jenes weder gehört noch gesehen. Die Folge davon ist, daß aus einem Zeugen, der seiner Natur nach ein Belastungszeuge wäre, ein Entlastungszeuge wird, oder umgekehrt! > Prüft man alle Zeugenaussagen mit Zugrundelegung der eben uufgezählten Tatsachen auf ihren wahren Wert, so kommt man zu dem den

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erfahrenen Kriminalisten nicht wundernehmenden Ergebnis, daß gut über 70% aller Zeugenaussagen aus den vorangeftihrten Gründen unrichtig beziehungsweise geradezu falsch sind! Diese die gesamte Zivil- und Strafrechtspflege aufs tiefste erschütternde Tatsache ist durch nichts hinwegzuleugnen oder zu be­ schönigen. Es gilt, die gesamte Rechtspflege auf eine feste Grundlage zu stellen, die der Wahrheit die Ehre gibt, das ist die entsprechende Wer­

tung der Sachbeweise des Strafrechts, hier kirz „Sachbeweise" genannt. Wenn wir, diesen Abschnitt beendend, abschließend und zusammen­ fassend den Wert der Zeugenaussagen nach Alter und Ge­ schlecht beurteilen wollen, können wir ungefähr mit Altmeister Groß sagen: 1. betreffend Kinder: Wenn- man meint, „Kinder als Zeugen sind weniger verläßlich", so mag das richtig sein, aber — wie wir gesehen haben — mit Erwachsenen ist es leider auch so! Und — in gewisser Be­ ziehung — sind Kinder verhältnismäßig noch die besten Zeugen und zwar Kinder bis zum 7. bzw. 9. Jahr. Warum? Di« Ant­ wort ist leicht: Liebe und Haß, Ehrgeiz und Falschheit, Religion und Stand, gesellschaftliche Stellung und Geldbesitz sind ihnen noch fremd, falsche Auffassung infolge von Voreingenommenheit, nervöser Gereizt­ heit und langer Erfahrung kommt auch nicht vor; der Spiegel der gut­ gearteten Kinderseele zeigt ungetrübt und klar das, was sich vor ihm befindet. — Freilich stehen diesen großen Vorteilen bei Verwertung einer Kinderaussag« auch viele Nachteile entgegen. Der wichtigste ist gewiß der, daß wir uns niemals auf den Standpunkt stellen können,guf dem das Kind sich befindet, und wenn sich das Kind auch derselben Ausdrücke bedient wie wir, so verbindet es damit andere Begriffe; ja schon bei der Aufnahme entwickeln sich die Vorstellungen dem Kinde anders als uns Erwachsenen. Sogar die Begriffe von „groß" und „klein", von „rasch" und „langsam", von „schön" und „häßlich", von „weit" und „nahe" sind im Kinderkopf anders beschaffen als in un­ serm Hirn. Wie nun erst ganze Vorgänge! Für uns gleichgültige Vovgänge sind oft „prächtig" oder „entsetzlich" für das Kind, und was für uns „herrlich" oder oft „betrübend" ist, berührt das Kind nicht im mindesten. Welchen Eindruck es aber wirklich auf das Kind ausübt, wissen wir nicht. Das Kind ist Einflüssen von außen am meisten ausgesetzt. Wenn also jemand weiß, daß ein Kind bei Gericht vernommen werden soll, wenn er an dessen Aussage Interesse hat und auf das Kind Einfluß nehmen kann, so wird er diesen Einfluß in den meisten Fällen doch auch wirklich ausüben. Das Kind hat noch keine Grundsätze, aber dafür um so mehr Glauben an die Worte des Erwachsenen und besonders, wmn eine Einflußnahme nicht zu bald nach der Wahrnehmung selbst, also erst, wenn das Vergessen beginnt, auf das Kind einwirkt, so wird es leicht dasjenige als beobachtet glauben, was ihm der Erwachsene vorgeredet hat. Namentlich vollzieht sich dies gut und sicher, wenn der Erwachsene vorsichtig und allmählich auf das Kind einwirkt und es durch öfteres Fragen: „War es nicht so?" — „Nicht wahr, so war es"? nach und nach dorthin bringt, wo er es haben

will. (Diese etwas breiteren Ausführungen dürften dem Vernehmenden gegebenen Falles nicht unwichtig sein). 2. Minderjährige: Der gescheite, gut geartete Knabe — sagt Prof. Groß aus seiner überreichen Erfahrung — ist in der Regel der beste Zeuge, den es gibt. Aber keineswegs dasselbe gilt vom gleichaltrigen Mädchen. In gewisser Beziehung ist das Heranwachsende Mädchen sogar eine sehr gefährlich« Zeugin, nämlich dort, wo es selbst an der Sache beteiligt oder gar deren Mittelpunkt ist. In solchen Fällen ist man vor argen Übertreibungen, ja selbst Erfindungm niemals sicher. Der echte „Backfisch", gleichgültig welchem Stande angehörend, wird mit größter Vorsicht zu behandeln sein. 3. Die Heranwachsende Jugend gibt keineswegs die besten Zeugen ab. 4. Der gereifte Mensch tritt, gut veranlagt, voll und ganz für das ein, was er wahrgenommen hat. Er wird in diesem Alter (durch Leiden­ schaften, Übelwollen, Eigennutz, Selbstsucht usw.) aber auch zum Lügner und daher ist kein Zeuge so verhängnisvoll und schwierig zu durchschauen als der Mensch auf dem Höhepunkt seiner Kraft im Guten und Bösen. — Die Frage: ob Mann oder Frau besser ist, wer von ihnen richtiger beobachtet, klarer sieht, eher lügt usw., läßt sich nicht beantworten. Wir wissen nur, daß die Frau körperlich so wesentlich anders ist als der Mann, daher auch ihre geistigen Ausstrah­ lungen wesentlich anders sein müssen. Wenn also eine Frau eine Beob­ achtung anders wiedergibt als ein Mann, so braucht keiner der beiden Teile gelogen haben: sie sehen anders, merken anders und geben anders wieder; das ist die wichtig«, vom Vernehmenden nie zu übersehende Regel! 5. Greisemrlter. Der Greis ist wieder zum Kind geworden: es fehlt ihm das scharfe Erkennen, aber auch die Leidenschaft. Wiederholend müssen wir nach eingehender Prüfung alles „Für" und „Wider" sagen: überall und immer wieder tritt uns di« Dürftigkeit, Lückenhaftigkeit, Unsicherheit und Unrich­ tigkeit der Zeugenaussagen entgegen; demgegenüber gibt, wie in unzähligen gut geführten Jndizienprozessen einwandfrei zutage trat, der Sachbeweis die einzige verläßliche Grundlage für gerechte Urteile ab. 2. Abschnitt.

Feststellung der WesensgleichheU Unbekannter. Der Behörde ist es begreiflicherweise stets besonders darum zu tun, zu wissen, wen sie gegebenen Falles vor sich hat. Natürlich wird man auch Auskunftspersonen beizuziehen trachten, die den Unbekannten kennen oder gekannt haben dürften. Wenn der Betreffende (Täter, Verdäch­ tigter) aber jede Auskunft über seine Person verweigert, wie dies nur zu oft vorkommt, oder wenn es sich um unbekannte Leichen handelt, müssen cmlch Berufsmerkmale zwecks Feststellung der Wesensgleichheit heran­ gezogen werden. Daß die berufsmäßige Ausübung «in und derselben

will. (Diese etwas breiteren Ausführungen dürften dem Vernehmenden gegebenen Falles nicht unwichtig sein). 2. Minderjährige: Der gescheite, gut geartete Knabe — sagt Prof. Groß aus seiner überreichen Erfahrung — ist in der Regel der beste Zeuge, den es gibt. Aber keineswegs dasselbe gilt vom gleichaltrigen Mädchen. In gewisser Beziehung ist das Heranwachsende Mädchen sogar eine sehr gefährlich« Zeugin, nämlich dort, wo es selbst an der Sache beteiligt oder gar deren Mittelpunkt ist. In solchen Fällen ist man vor argen Übertreibungen, ja selbst Erfindungm niemals sicher. Der echte „Backfisch", gleichgültig welchem Stande angehörend, wird mit größter Vorsicht zu behandeln sein. 3. Die Heranwachsende Jugend gibt keineswegs die besten Zeugen ab. 4. Der gereifte Mensch tritt, gut veranlagt, voll und ganz für das ein, was er wahrgenommen hat. Er wird in diesem Alter (durch Leiden­ schaften, Übelwollen, Eigennutz, Selbstsucht usw.) aber auch zum Lügner und daher ist kein Zeuge so verhängnisvoll und schwierig zu durchschauen als der Mensch auf dem Höhepunkt seiner Kraft im Guten und Bösen. — Die Frage: ob Mann oder Frau besser ist, wer von ihnen richtiger beobachtet, klarer sieht, eher lügt usw., läßt sich nicht beantworten. Wir wissen nur, daß die Frau körperlich so wesentlich anders ist als der Mann, daher auch ihre geistigen Ausstrah­ lungen wesentlich anders sein müssen. Wenn also eine Frau eine Beob­ achtung anders wiedergibt als ein Mann, so braucht keiner der beiden Teile gelogen haben: sie sehen anders, merken anders und geben anders wieder; das ist die wichtig«, vom Vernehmenden nie zu übersehende Regel! 5. Greisemrlter. Der Greis ist wieder zum Kind geworden: es fehlt ihm das scharfe Erkennen, aber auch die Leidenschaft. Wiederholend müssen wir nach eingehender Prüfung alles „Für" und „Wider" sagen: überall und immer wieder tritt uns di« Dürftigkeit, Lückenhaftigkeit, Unsicherheit und Unrich­ tigkeit der Zeugenaussagen entgegen; demgegenüber gibt, wie in unzähligen gut geführten Jndizienprozessen einwandfrei zutage trat, der Sachbeweis die einzige verläßliche Grundlage für gerechte Urteile ab. 2. Abschnitt.

Feststellung der WesensgleichheU Unbekannter. Der Behörde ist es begreiflicherweise stets besonders darum zu tun, zu wissen, wen sie gegebenen Falles vor sich hat. Natürlich wird man auch Auskunftspersonen beizuziehen trachten, die den Unbekannten kennen oder gekannt haben dürften. Wenn der Betreffende (Täter, Verdäch­ tigter) aber jede Auskunft über seine Person verweigert, wie dies nur zu oft vorkommt, oder wenn es sich um unbekannte Leichen handelt, müssen cmlch Berufsmerkmale zwecks Feststellung der Wesensgleichheit heran­ gezogen werden. Daß die berufsmäßige Ausübung «in und derselben

Beschäftigung tun Körper des Betreffenden int Laufe der Zeit gewisse eigenartige Merkmale erzeugt, ist wohl allge­ mein bekannt. Diese Merkmale sind fast immer ein untrügliches und daher höchst wertvolles Mittel zur Feststellung der Identität bei Lebenden wie bei Toten. Außer diesen Kenn­ zeichen gibt es aüch noch andere „Besondere Merkmale", die ziemlich häufig Vorkommen und einen nahezu sichern Rückschluß vor allem auf den Beruf des Trägers gestatten. Hat man aber erst die Kreise, in denen er sich bewegt, so ist weiteres Nachforschen schon wesentlich er­ leichtert. — Es ist an der Tagesordnung, daß Verhaftete, von denen man noch nicht weiß, wer sie sind, jede Auskunft über ihre Person hart­ näckig verweigern, oder Angaben machen, die nicht der Wahrheit ent­ sprechen. Ursache dieses Verhaltens solcher Leute ist wohl immer der Um­ stand, daß sie zweifellos viel auf dem Kerbholz haben und nun auf gut Glück versuchen, die Behörde über ihre Person im Unklaren zu halten oder gar auf Irrwege zu führen, um womöglich mangels weiteren Haftgrundes wieder in Freiheit zu kommen. Auch bezüglich fraglicher Leichen wird di« Wesensgleichheit über­ prüft oder gar erst festgestellt werden müssen. In solchen Fällen heißt es nun, alle Anhaltspunkte, welche Körper und Kleidung des Unbekannten bieten, sorgfältig suchen und verwerten. Im folgenden wurde zusammengestellt, was hier von Bedeutung ist oder sein kann. (Das Vorgehen bei Feststellung der Wesensgleichheit Unbekannter ist bei Lebenden und bei Toten in vielen Punkten gemein­ sam. Es wirrde daher zunächst das diesfalls Gemeinsame behandelt). Im voraus sei betont, daß, wenn solche Erhebungen so sorgfältig als nur möglich gemacht werden, sie wohl auch meist von Erfolg begleitet sind.

Besonderes. A. Gemeinsames, betreffend die Feststellung der Wesensgleichheit unbekannter Lebender und Leichen.

1. Genaueste Personenbeschreibung und-durchsuchung, Durchsuchung der Kleidungsstücke und Habseligkeiten des Betreffenden. (Dies ist so klar, daß darüber Näheres nicht gesagt zu werden braucht). Das Durch­ suchen der Kleidertaschen nach allem, was Anhaltspunkte bieten kann, insbesondere nach etwaigen Ausweispapieren, Anschriften, Vermerken u. dgl. hat sich schon in vielen Fällen sehr gelohnt. Man wird Echtheit und Verhältnis zum Träger feststellen und so manchen wertvollen Wink bekommen. Die Kleidungsstücke sind abzusuchen nach sogenannten „Märken" oder Namensansangsbuchstaben auf Taschen­ tüchern, Unterwäsche, Mantel- und Rockinnerem usw., ferner nach etwaigen Geschäftsanschriften (als „Aufhänger" angenäht) oder Stofffleckchen, oder an der Innenseite von Krägen, Krawatten, Hüten usw. Nach sogenannten „Wäscherzeichen", d. h. einzelnen Buchstaben mit daneben stehenden Zahlen oder letzteren allein. Kleidungsstücke namentlich dort, wo der Stoff doppelt liegt, oder unter­ füttertist, sorgfältig abgreifen, da Gegenstände, die möglicher­ weise einen Anhaltspunkt liefern, auch eingenäht sein können.

2. Abschnitt. Feststellung Ler Wesensgleichheit Unbekannter.

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Es gibt Leute, die sich trotz der damit für sie verbundenen großen Gefahr von schriftlichen Aufzeichnungen, Vormerkey u. dgl. nicht trennen wollen. Aus einer Reihe besonderer hierher g-ehörizer Fälle seien zwei eingeschaltet: Fall 5. Ein Verhafteter hatte im Hutfutter einen Streifen zusarnmengefaltetes Zeitungspapier eingelegt, wie es manche tun, denen der Hut zu weit ist, um ihn passend zu machen. Dieser von Fett und Schmutz strotzende Papierstreifen ent­ hielt u. a. einen kurzen Zeitungsbericht über einen vor mehreren Jahren zur Ver­ handlung gebrachten Straßenraub, den zwei Männer verübt hatten. Der eine wurde laut Zeitungsbericht verhaftet und damals verurtellt; „sein Genosse ist ent­ flohen", schloß der Zeitungsbericht, „und konnte bisher nicht zustande gebracht werden". Man war geneigt, das Ganze für bloßen Zufall zu halten, auch der Ver­ haftete erllärte unbefangen, er habe mit dem Täter (der verurteilt wurde), auf einer Schulbank gesessen, habe den Bericht zufällig in die Hand bekommen urrd zum Engermachen seines bei einem Altwarenhändler gekauften nichtpassenden Hutes verwendet. Auch habe ihn das traurige Schicksal seines ehemaligen Mit­ schülers, der so tief gesunken sei, ergriffen. — Für alle Fälle wurde aber Zeitungs­ bericht, Lichtbild und Personenbeschreibung des unbekannten Häftlings an das Gericht, welches jenen Raubmord verhandelt hatte, gesandt — der Verhaftete war tatsächlich der „bisher nicht zustande gebrachte" zweite Räuber, der dann zugab, daß er sich den Bericht „aus Interesse für seinen Fall" aufbewahrt habe (Groß). Fall 6. In Paris wurde im September 1903 ein gewisser Lemot ermordet. Die Polizei hatte keine Kenntnis von der Person des Täters. Einige Wochen später fand ein Polizist im „Jardin des plantes“ auf einer Bank einen Mann schlafend, dem eine Menge von Zeitungsausschnitten aus der Tasche gefallen war. Der Polizist las diese, alle betrafen den Fall Lemot, urrd als der Mann geweckt und befragt wurde, gestand er in der Schlaftrunkenheit sofort, daß er Lemots Mör­ der sei(!) (Groß).

Wenn augenblicklich trotzdem kein Anhaltspunkt aus der Kleidung entnommen werden kann, dann diese für den Sachverständigen (Mikroskopiker bzw. Chemiker) sicherstellen, da dieser aus dem Kleiderstaub usw. sehr oft wichtige Schlüsse ziehen kann; vgl. dazu auch den Fall 50 S. 81. Auch nach etwaigen Schmucksachen oder sonstigen (Gebrauchs-) Ge­ genständen, auch Waffen usw., die einen Anhaltspunkt für die Feststel­ lung der Wesensgleichheit bieten können, suchen und Sachverständige darüber befragen.

2. Kleidung und Außeres des Unbekannten dahin vergleichen, ob beides zueinander „paßt", weil diesfalls auch absichtliche Verwechs­ lungen, Irreführungen, vorkommen können: der Lebende kleidet sich besser oder schlechter, dem Toten sönnen Kleider und Papiere ge­ stohlen oder vertauscht worden sein. „Wenn man bei Wiedererkennung einer Leiche nur auf deren Kleider und Habseligkeiten Rücksicht nehmen wollte", schreibt Prof. Haberda in seinem „Lehrbuch", „können ver­ hängnisvolle Irrtümer unterlaufen, wie folgender in Ungarn vorgekommener Fall beweist: Fall 7* Im April 1880 wurde im Walde bei Neusohl die verstümmelte Leiche eines Mannes gefunden, der dort ermordet worden war. Bei dem Ermor­ deten fanden sich Kleider und Vormerkungen des Viehhändlers G. aus Z., deshalb wurde in der Leiche die Person des abgängigen G. festgestellt. Auch G-s Frau hatte die Leiche als die ihres Mannes bezeichnet. G. hatte aber sein Leben bei zwei Pester Versicherungsgesellschaften auf hohe Summen versichert, welche nach

seinen Ableben der Frau ausbezahlt werden sollten. Jnsolgedcssen wurden genaue Rachprschungen gepflogen, durch die sich herausstellte, daß der ermordet ge­ glaubte G. noch am Leben war. Derselbe wurde auch bald ermittelt und verhütet. Wie nun hervorkam, hatte G. selbst im Walde bei Neusohl einenunbekanrten Mann ermordet, demselben einen Teil seiner eigenen Kleider angezogen und in deren Taschen auf den Namen G. lau­ tende Vormerkungen gesteckt, um die Behörde irre zu führen, augerscheinlich zu dem Zweck, daß seiner Frau di« Lebensversicherungsbeträge aitstaidslos ausbezahlt werden. — Solche Fälle stehen nicht vereinzelt da.

Restenv o nKleidungsstücken und Habseligkeiten kommt besolders dann große Bedeutung zu, wenn es sich um die Feststellung der Wesensgleichheit hochgradig verfaulter, verstümmelter oder anderweittz unkenntlich gemachter Leichen handelt. 3. Untersuchung des Körpers nach etwaigen „Besonderen Kennzeichm". Solche sind: Berufsmerkmale, Tätowierungen, Narben usw. und sonstige Merkmale (Verunstaltungen odeidergleichen).

1. Berufsmerkmale an den Händen. 1. Eigenartige, durch den Beruf bedingte Verfärbungen der Hände. Die schwere schwielige Hand des Arbeiters ist von der weichen

Hant des Beamten leicht zu unterscheiden. Oft wird schon die sichere Unterscheidung, ob «in Mensch diesem oder jenem Stand vermutlich oder -estimmt nicht angehört, von großer Wichtigkeit und wegweisend sein. Weibre Unterscheidungenx): i) weiß verfärbt sind die Hände des Müllers, Bäckers, Kalk-, Zink-und Bleiweißarbeiters, 3) blau verfärbt die des Färbers, 3) schwarz verfärbt die des Kohlenarbeiters, Kesselheizers, Schmedes und Schlossers, 1) ro t und grün sind die Hände des Anstreichers, Malers und Arbeters in Farbenfabriken, i) braunund gelb verfärbt sind die Fingerspitzen und Nägel bei Gerbern und Kunsttischlern (Leute, die Zigaretten ohne Mundstück rauchn, haben ähnlich verfärbte Fingerspitzen). i. Eigenartige Hautverdickungen, „Berufsschwielen": Das berufsmäßige Ausüben einer bestimmten Beschäftigung erzeugt im Stufe der Zeit eigenartige Hautverdickungen, „Berufsschwielen", die meistschon mit freiem Auge deutlich sichtbar und auch fühlbar sind, besondes aber hervortreten, toenn von der betreffenden Körperstelle ein LichtÜld angefertigt wird. Dazu nur einige Beispiele: bei Schmieden, Schlhsern, Tischlern, Zimmerleuten, Gerbern und Lederzurichtern finden sich sllche Schwielen in der rechten Hohlhand; bei Bürstenbindern, Steirklopfern, Schriftsetzern, Schuhmachern, Schneidern, Uhrmachern und Drechslern an den Fingern der rechten Hand; bei Stempelund Steinschneidern, Malern, Schlossern, Drechslern, Korbmachern, Schnedern und Näherinnen an den Fingern der linken Hand; an b»iden Händen bei Webern, Bortenmachern, Hutmachern, Seilern, Perlnutterarbeitern und Wäscherinnen. ) Aus dem Lehrbuch der gerichtlichen Medizin von Prof. K r a t t e r.

Neben Schwielen und rußiger Verfärbung der Hände finden sich bei allen Feuerarbeitern, also Grubenschmieden, Zeugschmieden, Schlossern, bei Steinbrechern, Steinmetzen und Steinklopsern, oft auch bei Maurern klein« Narben an der Haut des Handrückens und der Vorderarme, von Verletzungen herrührmd, welche ab­ springende Eisen- und Steinteilchen erzeugen. Wer beruflich schreibt oder zeichnet, bekommt dort, wo Feder oder Bleistift andrückt, eine schwielenartige Hautverdickung; die Näherin hat die linken Fingerspitzen zerstochen und wer mit der Schere arbeitet, hat an der äußeren Seite der Finger der betreffenden Hand eigenartige Hautverdickungen.

2. Bemssmerkmale an den Zähnen Bestimmte Gewerbetreibende (wie besonders Schuhmacher, Ta­ pezierer, Glasbläser, Schneiderinnen, Putzmacherinnen, Zuckerbäcker, Arbeiter in chemischen Fabriken usw.), welche bei Ausübung ihres Be­ rufes die Zähne mithelfen lassen, beziehungsweise dieser beruflichm Umgebung (Staub usw.) ausgesetzt sind, bekommen dadurch im Laufe der Zeit äußerst kennzeichnende Zahnmasseverluste. In be­ sonderen solchen Fällen ist es allein schon auf Grund dieser höchst eigen­ artigen Mfmtde mit Sicherheit möglich, auf den Beruf des Trä­ gers zurückzuschließen. Eine solche Feststellung ist besonders bei Leichen und Menschen, die über ihren Namen, Stand, Beruf usw. jede Auskunft verweigern, von oft ausschlaggebendem Wert. a) Schuhmach r Zum Spannen des Leders über den Schuhleisten sowie zum Nageln der Schuhabsätze verwendevl die Schuhmacher Nägel und Drahtstifte ver­ schiedener Größe, von ivelchm sie stets eine ziemliche Anzahl vor dem Ge­ brauch in dm Mund geben, welcher ihnm als Nagelvorratskammer dient. Je nachdem nun ein Nagel oder Drahtstift erforderlich ist, wird mit Hilfe der Zungenspitze, in welcher das Tastgefühl bekanntlich sehr ausgeprägt ist, der Nagel oder Drahtstift zwischen die Schneideflächen der Zähne ge­ schoben und dort festgehaltm, bis er mit den Fingern oder mit der Zange gepackt, seinem Bestimmungsorte zugeführt wird. Deshalb findm sich bei allen Schuhmachern, welche ihr Gewerbe auf diese Weise ausübm, an den Schneidezähnen grobschartige Kanten. Wenn also diese Nägel immer wieder durch die aneinander stoßenden Eckm der obe­ rm inneren Schneidezähne geschoben werden, entstehen kennzeichnende Zahnmasseverluste, welche vom Kopfteil des Nagels herrühren, während die Meinander stoßenden Ecken der unteren inneren Schneidezähne rinnenförmig ausgeschliffen sind (vgl. Bild 1). d) Tapezierer. Fast alle Arbeiten bei diesem Gewerbe werden genagelt. Um rascher arbeiten zu können, nehmen die Arbeiter aus dem Nagelbehälter soviel Nägel, als sie mit den Fingerspitzen einer Hand auf einmal fassen können, heraus und geben sie in den Mund als Nagelvorratskammer. Bon dort werden — wie es die Schuhmacher tun — die Nägel mit i) Im wesentlichen meinem int Archiv für Kriminalarithropoiogie und Sri» minalistik, Band 48, seinerzeit veröffentlichten Aussatz entnommen. Polzer, Sachbeweis.

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Allgemeiner Teil.

Hilse der Zunge zwischen die Schncidekanten der Vorderzähne geschoben und dort bis zur Verwendung festgehalten (Bild 2).

Bild 1. Charakteristische Zahnmasseverluste bei Schuhma­ chern. (Aus W. Polzer, Handb. für den prakt. Kriminaldienst, I. Schweitzer Verlag, München).

Bild 2. Charakteristische Zahnmasseverluste bei Tapezierern. (Aus W. Polzer, Handb. für den prakt. Kriminaldienst, I. Schweitzer Verlag, München).

c) Glasbläser. Diese verwenden, um die ausgeschöpftc zähflüssige Glasmasse in eine geeignete Form zu bringen, zum Aufblasen ein langes eisernes, mit messingenem Mundstück versehenes Rohr, „Pfeife" genannt, welches zwischen Lippen und Zähne genommen und während des Blasens gedreht wird. Infolge dieser beständigen Reibung und fortwährenden Druckes dieser „Pfeife" an den mittleren Flächen der oberen großen Schneidezähne und den entgegengesetzten unteren Schneidezähnen ent­ stehen eigenartige, markante, bogenförmige Abnützungsformen (Bild 3 und 4).

Bild 3 u. 4. Charakteristische Zahnmasseverluste bei Glasbläsern. (Aus W. Polzer, Handb. für den prakt. Kriminaldienst, I. Schweitzer Verlag, München).

d) Schneider (-innen), Putzmacherinnen. Bei Personen, welche berufsmäßig nähen, sieht man an den Schneideslächen der Schneidezähne — je nachdem die betreffende Person Rechts- oder Linkshänder ist — von links nach rech!s oder umgekehrt schräg verlaufende Schlitzflächen oder in der Mitte der Schneidekante längs der Schneidefläche verlaufende schlitzförmige Ein­ schnitte (Bild 5). Ursache: die meisten dieser Leute re ißen den Fa­ den, bevor sie ihn durch die Ose der Nadel führen, an den Schneide­ zähnen ab.

2. Abschnitt. Feststellung der Wesensgleichheit Unbekannter.

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