Der römische Kaisereid: Untersuchungen zu seiner Herkunft und Entwicklung 9783666251108, 9783525251102

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Der römische Kaisereid: Untersuchungen zu seiner Herkunft und Entwicklung
 9783666251108, 9783525251102

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HYPOMNEMATA HEFT 20

HYPOMNEMATA U N T E R S U C H U N G E N ZUR A N T I K E U N D ZU I H R E M N A C H L E B E N

Herausgegeben von Albrecht Dihle / Hartmut Erbse Christian Habicht / Günther Patzig / Bruno Snell

Heft 20

VANDENHOECK& RUPRECHT I N

GÖTTINGEN

PETER HERRMANN

Der römische Raisereid Untersuchungen zu seiner Herkunft und Entwicklung

Ε V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T I N GÖTTINGEN

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Philosophischen Fakultät der Universität Hamburg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft © Vandenhoeck άγος έξελαύνειν κα!, μετ' όλιγωτέρων καθαρών βιοϋν μάλλον ή πάντας ένόχους 6ντας ταϊς άραΐς. 544: Antonius lobt in einer Ansprache vor dem Volk diejenigen, die Rache fordern ώς εΰορκότερα καΐ ευσεβέστερα αίρουμένους. Vgl. 551 in der Rede des Lepidus. (Zweifel an der Historizität der letzen beiden Reden bei E. Becht, Regeste über die Zeit von Caesars Ermordung bis zum Umschwung in der Politik des Antonius, Diss. Freiburg 1911, 79ff.) 41 App. b. c. I I 570ff. (Rede des Brutus), besonders 571: ήσθόμην δέ των έχθρων διαβαλλόντων ή μας ές έπιορκίαν, 574 εί μέν δή μηδέν ϊτι εις δουλείαν είργάζετο 6 Καίσαρ, έπιωρκήσαμεν. 46 App. b. c. I I 544 (Antonius): es gibt keine Gewähr für einen sicheren Frieden, δτι μηδέ Καίσαρα ώνησαν δρκοι τοσοίδε καΐ άραί. Ähnlich 549 (Lepidus) τούς μέν γαρ πατρίους (δρκους) πάντας ώμόσαμεν Καίσαρι καΐ κατεπατήσαμεν, οί των όμωμοκότων άριστοι είναι λεγόμενοι. 578 (Brutus) εί μέν οΰ τυραννήσει τις,

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Antonius durch die öffentliche Verlesung des Wortlauts des Eides eine besondere psychagogische Wirkung erzielt (App. b. c. I I 604, vgl. Suet. Caes. 84, 2). Dieser Verwendung des Eides in der Argumentation entspricht das wenige, was wir in diesem Zusammenhang konkret über seinen Inhalt erfahren: es ist die Verpflichtung, Leib und Leben Caesars mit aller Kraft zu schützen und jeden Anschlag auf ihn zu rächen, mit einer Selbstverfluchung für den Fall der Unterlassung (App. b. c. I I 520 φύλακες αύτω τοϋ σώματος ή τιμωροί πα&όντι τι εσεσθαι, 604 ή μήν φυλάξειν Καίσαρα και τ£> Καίσαρος σώμα παντί σθένει πάντας ή, ει τις έπιβουλεύσειεν, έξώλεις είναι τούς ούκ άμύναντας αύτω). In knappster Zusammenfassung spricht demgemäß Sueton Caes. 84, 2 von einem Eid, quo se cuncti pro salute unius astrinxerant, und liefert uns mit dem Wort salus einen wichtigen Terminus, auf den wir gleich zurückkommen müssen. Ob das die einzige Klausel des Eides war, bleibt ungewiß; jedenfalls war es die, auf die sich die Diskussion nach der Bluttat konzentrierte. Nach einigen Andeutungen Appians sieht es aber so aus, als ob daneben auch noch andere eidliche Verpflichtungen standen, die möglicherweise auch gesondert beschworen worden sind, so vor allem eine Amnestie nach dem Sieg in den Bürgerkriegen 46 . Mit dem Eid, in dem sich die Schwörenden persönlich für die Sicherheit Caesars verbürgten, verbindet die antike Überlieferung die Nachricht von der Entlassung der (spanischen) Leibwache durch den Dictator und ihrer Ersetzung durch ein vom Senat beschlossenes Gefolge aus Senatoren und Rittern 47 . Man hat darauf hingewiesen, ουδέ δρκων δει- . . . εί δ' έπιθυμήσει τις άλλος τυραννίδος, ουδέν πιστόν έστι 'Ρωμαίοις πρός τύραννον οΰδ' εΰορκον. 4β App. b. c. II 572 (Rede des Brutus) είκότως αύτω . . . βέβαιον έχοντι την τυραννίδα άμνηστίαν αίτοϋντι ίδομεν καΐ ώμόσαμεν ύπέρ αύτης. Vgl. v. Premerstein 35; P. L. Strack, Klio 32, 1939, 367. Auf eine Mehrzahl von Eiden scheint App. b. c. II 544 δρκοι τοσοίδε und besonders 549 hinzuweisen: τούς μέν γαρ πατρίους (δρκους) πάντας ώμόσαμεν Καίσαρι. 47 Suet. Caes. 86; Cass. Dio 44,6,1. 7,4; App. b. c. II 444. 455. Es wird in der Überlieferung nicht ganz klar, ob Caesar die für ihn beschlossene Garde aus Senatoren und Rittern direkt zurückgewiesen hat oder ob er sie — freilich mehr pro forma — akzeptiert hat. Die dafür entscheidende Dio-Stelle 44,7,4 τω γάρ δή λόγω τί> (τω cod.) πρός τε των βουλευτών καΐ πρός τών ιππέων τηρεΐσθαι προέμενος würde in der überlieferten Form das erstere besagen (so DrumannGroebe III 618; E. Meyer, Caesars Monarchie . . . 3 470 Anm. 2; v. Premerstein 34). Aber Boissevain konjiziert in seiner Ausgabe προσέμενος, wonach Caesar diese Begleitung angenommen hätte, freilich nur τω λόγω (vgl. P. L. Strack, Klio 32, 1939, 366). Ob dasselbe der von Boissevain angeführte App. b. c. II 444 mit μετά της δημοσίας υπηρεσίας έπεφαίνετο μόνης meint, bleibt ebenfalls unklar. Einig ist sich jedenfalls die antike Überlieferung darüber, daß Caesar in seiner letzten Zeit keine echte, bewaffnete Leibgarde hatte (Cie. Phil. 5,17; Dio 45,15,2; vgl. Plut. Caes. 57). Bei Nikolaos von Damaskos (FGrHist. 90,

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daß damit ein Gedanke verwirklicht wurde, den kein anderer als Cicero schon ein Jahr vorher in seiner Marcellus-Rede als ideelle Verpflichtung formuliert hatte, in einer Stelle, in der gerade die Bedeutung der salus Caesars als Voraussetzung für die salus aller nachdrücklich hervorgekehrt wird (Cie. Marc. 32): Nisi te, C. Caesar, salvo . . . salvi esse non possumus. Quare omnes te, qui haec salva esse volumus, et hortamur et obsecramus, ut vitae, ut saluti tuae consulas, omnesque tibi, ut pro aliis etiam loquar, quod de me ipso sentio, quoniam subesse aliquid putas quod cavendum sit, non modo exeubias et custodias sed etiam laterum nostrorum oppositus et corporum pollicemur. Nach einer Mitteilung Suetons hat sich übrigens auch Caesar selbst gelegentlich des Arguments bedient, das wir eben bei Cicero lasen (Caes. 86): non tarn sua quam rei publicae interesse, uti salvus esset 48 . Der Begriff der salus verbindet aber nun nicht nur die Äußerung Ciceros und den ein Jahr später geleisteten Eid, sondern er ist auch deutlich als ein wesentliches Motiv in der lateinischen Fassung der Kaisereide zu erkennen: im Eid von Aritium wird in den beiden zentralen Klauseln, in denen von der Verfolgung jedes Anschlags auf den Princeps und von der Hintansetzung jeder Rücksichtnahme auf die eigene Person und die Kinder durch den Schwörenden die Rede ist, ausdrücklich von der salus des Kaisers gesprochen, und auch in dem Fragment von Sestinum erscheint dieser Begriff 49 . Man erfaßt sicher das Wesen sowohl des Eides auf Caesar wie auch des Kaisereides in seiner lateinischen Fassung besser, wenn man nicht allgemein und unbestimmt von einem „Treueid" spricht, sondern konkret von einem Eid de salute Caesaris50 bzw. prineipis. Dieser Zusammenhang zwischen dem Eid für Caesar und den lateinischen Kaisereiden erweitert sich aber noch über den gemeinsamen Begriff der salus des Eidempfängers hinaus, wenn man den Hintergründen und Voraussetzungen des Eides für den Dictator Caesar nachgeht. Wie besonders v. Premerstein 33 f. gezeigt hat, war der Eid für Caesar offenbar mit bestimmten Ehrenbeschlüssen für ihn verknüpft, ja dürfte in ihnen geradezu beschlossen oder angeordnet 130,80) wird in tendenziöser Weise die Entlassung der Leibwache als listig bewerkstelligter Plan der Verschworenen hingestellt, die sich damit das Attentat erleichtern wollten. 48 Zu diesem Gedanken und seiner Bedeutung für die Kaiserzeit vgl. A. Alföldi, EM 50, 1935, 79f.; W. F. Snyder, Yale Class. Stud. 7, 1940, 151. 48 Aritium: si quis periculum ei salutique eius infert inferetque . . . und neque me neque liberos meos eius salute cariores habebo. Sestinum: [si quis] . . . salutive cu[ius e]orum periculum intulerit inferet . . . 60 So E. Becht, Regeste über die Zeit von Caesars Ermordung bis zum Umschwung in der Politik des Antonius, Diss. Freiburg 1911, 87.

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worden sein. So wurden auch das betreifende senatus consultum und der Eid nacheinander von Antonius in der Totenfeier für Caesar verlesen (App. b. c. I I 601—604, vgl. Suet. Caes. 84, 2)51. Damit reiht sich diese Einzelheit ein in den großen Komplex der sich immer weiter steigernden Beschlüsse des Senats in den letzten Lebensmonaten Caesars, deren Ehren, Vorrechte und Titel sich wie ein Gewebe um das zunächst immer noch ausgesparte Zentrum der monarchischen Stellung des Gewalthabers legten. Freilich ist dabei weder die chronologische Abfolge noch die sachliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Beschlüsse immer mit Sicherheit aus unseren Quellen zu bestimmen 52 . So ist man sich in der Forschung auch nicht einig darüber, ob die Details, die mit unserer Eidesleistung zusammenhängen, noch in die letzten Monate des Jahres 45 oder schon an den Anfang des Jahres 44 gehören 53 . Über den Inhalt des senatus consultum, das von Antonius zusammen mit der Eidesformel verlesen wurde, sagt Sueton summarisch, daß der Senat durch es für Caesar „omnia simul divina atque humana" beschlossen hatte 64 . Etwas detailliertere Angaben macht Appian (b. c. I I 601—602), indem er bemerkt, Antonius habe bei der Verlesung des Beschlusses besonderen Nachdruck auf die Benennungen gelegt, mit denen Caesar in ihm bezeichnet worden war, und habe diese Titel überdies kurz kommentiert, in einer Mischung aus Mitleid und Empörung. Diese Benennungen sind die als ίερος και άσυλος, als πατήρ πατρίδος, ευεργέτης und προστάτης. Dieselben Begriffe (mit Ausnahme des ersten) erscheinen auch in der ausgearbeiteten Form der Rede des Antonius bei Cassius Dio (44, 48). Dabei ist eindeutig, daß mit dem ersten die Qualität der sacrosanctitas gemeint ist, mit dem zweiten der Titel des parens patriae 56 . Hinter den beiden letzten Prädikaten, ευεργέτης und προστάτης, hat A. v. Premerstein entsprechend seiner These von der Herkunft des Prinzipats aus dem Klientelwesen die Termini patronus und allenfalls auch princeps er51 Wie Μ. E. Deutsch, Univ. Calif. Publ. in Class. Phil. 9, 1928, 139 nachzuweisen versucht, ist die Nachricht Suetons am zuverlässigsten, wonach Antonius die Dokumente laudationis loco verlesen und nur wenige Worte hinzugefügt hat. Erst die spätere Überlieferung habe daraus dann eine eigene, umfangreichere Bede des Antonius entwickelt. 52 Dazu zuletzt ausführlich G. Dobesch, Caesars Apotheose zu Lebzeiten und sein Ringen um den Königstitel, Wien 1966, 29ff. 53 Für Datierung der Beschlüsse auf Ende 45 zuletzt E. Hohl, Klio 34, 1942, 113; A. Alföldi, Mus. Helv. 10, 1953, 106; M. Geizer, Caesar2 292f. ; G. Dobesch a.a.O. 33 (Dezember 45, vielleicht erst nach dem 19. 12.). Für Anfang 44: E. Meyer, Caesars Monarchie . . .3 513ff. und 526 Anm. 2; v. Premerstein 33. 54 Zu den in dem Beschluß enthaltenen kultischen Details G. Dobesch a.a.O. 36f. 55 Vgl. Liv. Per. 116; Cass. Dio 44,4,4 und 5,3 (vgl. 54,1); App. b. c. II 442.

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kennen wollenBe und darauf dann seine Behauptung von der Errichtung eines „Gesamtpatronats Caesars über die ganze Bürgerschaft" aufgebaut (s. unten Anm. 57). Es muß dazu aber festgestellt werden, daß wir nirgends auch nur die Spur einer titularen Verleihung dieser beiden Ehrenbeinamen finden können67, so daß es wahrscheinlicher ist, daß es sich hier lediglich um lobende Epitheta ganz allgemeinen und unbestimmten Charakters handelt, wenn sie nicht überhaupt erst Zusätze der späteren Überlieferung, vielleicht auch nur der griechischen Tradition, darstellen. Konkrete Formen der Ehrung oder Privilegierung können wir tatsächlich nur mit den ersten beiden Begriffen verbinden, und es ist bezeichnend, daß auch nur sie in der Einzelargumentation der verschiedenen Reden und Äußerungen aus der Zeit nach der Ermordung Caesars eine Rolle spielen58. So liegt es näher, der Frage nachzugehen, ob von ihnen als dem zuverlässigeren Kern des betreffenden Senatsbeschlusses irgendwelche Anlässe zur Inszenierung des Eides de salute Caesaris führen könnten. Unter diesem Aspekt hat zuerst E. Hohl eine direkte Verbindung hergestellt zwischen der sacrosanctitas und dem Eid für Caesar, indem er erklärte (Klio 32, 1939, 68ff.), daß diese Unverletzlichkeit Caesars eben durch den Akt der Vereidigung bewirkt und bekräftigt worden sei, wobei er im Gegensatz zu Dio wie auch der modernen Forschung annahm, daß es sich dabei nicht um die tribunizische sacrosanctitas 66

v. Premerstein 33, vgl. 15 Anm. 2; 118 Anm. 1; 131 Anm. 4 (vgl. auch G. Dobesch a . a . O . 35). Gegen diese Gleichsetzungen wendet sich A. Alföldi, Mus. Helv. 10, 1953, 112 Anm. 397 u n d 117 Anm. 426. 57 Wie Cicero in der 6. Philippica 12—15 ausführt u n d ironisch kommentiert, gab es in R o m Anfang 43 mehrere Denkmäler, in denen L. Antonius, der Bruder des späteren Triumvirn, als patronus bezeichnet u n d geehrt wurde: eine vergoldete Reiterstatue mit der Aufschrift „quinque et triginta tribus p a t r o n o " , eine andere Statue, von den equites R o m a n i equo publico aufgestellt, ebenfalls mit der Widmung patrono, desgleichen eine entsprechende E h r u n g von Seiten von Militärtribunen aus dem Heere Caesars u n d schließlich noch eine Statue von den Bankiers a m Bogen des Ianus medius: „ L . A n t o n i o a Iano medio patrono". Die erste dieser Statuen n i m m t Cicero zum Anlaß, daraus sozusagen als P a r a d o x einen Gesamtpatronat des L. Antonius über das römische Volk abzuleiten: populi Romani igitur est patronus L . A n t o n i u s ! Sollte es irgend etwas Derartiges f ü r Caesar gegeben haben, wäre hier eigentlich der gegebene Anlaß f ü r Cicero, darauf hinzuweisen. 58 App. b. c. I I 576 (Rede des B r u t u s vor dem Volk): Caesar als ίερδς καΐ άσυλος, freilich ύπ' άνάγκης. 602 in der Leichenrede des Antonius: „Kommentierung" der Begriffe πατήρ πατρίδος u n d ιερός καΐ άσυλος. Dio 44,48,3: Antonius beschränkt sich darauf, auf die einstimmige E r n e n n u n g Caesars zum πατήρ της πατρίδος hinzuweisen, „ίνα μή τάς όέλλας αύτοϋ προσηγορίας καταλέγω". E s folgt aber gleich (49,1): οδτος δ πατήρ, οδτος δ άρχιερεύς, δ ώσυλος, δ ήρως, δ θεός, also eine Steigerung ins Religiöse. Auch bei Nikolaos von Damaskos, wo die betreffenden Ehrungen Caesars nur eine Finte der Verschwörer sind, u m Caesar zur Entlassung der Leibwache zu veranlassen, ist nur von der Benennung als Ιερός u n d als πατήρ της πόλεως die Rede (FGrHist. 90, 130,80).

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gehandelt habe, sondern um eine allein auf Caesar zugeschnittene „persönliche Unverletzlichkeit". Ähnlich hat auch A. Alföldi (Mus. Helv. 10, 1953, 110 ff.) den Treueid als Garantie der sacrosanctitas aufgefaßt, im weiteren aber zu zeigen versucht, daß er ebenso mit der gleichzeitigen Benennung Caesars als parens patriae in wesentlichem Zusammenhang steht, d. h. mit der umfassenden Idee einer „Landesvaterschaft"69. Aus dem von Alföldi beigebrachten Quellenmaterial geht immerhin mit Deutlichkeit hervor, daß in der Agitation der Caesarianer nach den Iden des März in auffallend betonter Weise gerade mit dem Titel des parens patriae operiert wurde60, und daß man insbesondere daraus dann gegenüber den Caesarmördern den Vorwurf des parricidium ableitete61. Auf diesem Hintergrund gewinnt nun die oben S. 54 getroffene Feststellung besondere Bedeutung, daß in der erweiterten Fassung des lateinischen Kaisereides von Sestinum ein Anschlag auf die Person des Kaisers (oder seiner Angehörigen) ausdrücklich eben als parricidium bezeichnet wird. Es dürfte also auch hier der Begriff des pater patriae im Hintergrund stehen, womit sich — über den Begriff der salus hinaus — eine weitere Affinität zwischen dem Eid für Caesar und dem Kaisereid ergäbe. Was die Frage eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Zuerkennung der sacrosanctitas und dem Schutzeid für Caesar betrifft, so ist allerdings — wie schon P. L. Strack, Klio 32, 1939, 364ff. gezeigt hat — eine direkte Verknüpfung derart, daß die sacrosanctitas eben durch den Eid garantiert, ja überhaupt begründet wurde, nicht 69

Mus. Helv. 10, 1953, 110: „So erscheint seine Landesvaterschaft in der letzten Phase seines Waltens als der Kern der Konzeption seiner Monarchie. Sie gipfelt in einer erhabenen Tragik in der Entlassung seiner Leibwache, um seine persönliche Sicherheit statt auf die blanken Waffen auf seine nunmehr gesetzlich festgelegte sacrosanctitas zu stützen, auf den Treueid, dessen Wortlaut diese garantierte und so letztlich auf die Liebe aller seiner Untertanen." Ders., Studien über Caesars Monarchie 45: „Der Eid, den er (Antonius) erwähnt, gilt nämlich dem parens patriae, zu dem man Caesar gleichzeitig erhoben hatte." 60 Die Zeugnisse bei Alföldi, Mus. Helv. a.a.O. 113f.; Studien über Caesars Monarchie 46 f.; 70 ff. Es sind dies im besonderen die von Antonius an den Rostra aufgestellte Statue Caesars mit der Aufschrift parenti optime merito (Cie. ad fam. X I I 3,1), die vom Volk auf dem Forum errichtete Säule mit der Inschrift parenti patriae (Suet. Caes. 85), die vermutliche Eintragung in den Fasti von Ostia z. J . 44 Caesar pare[ns patriae occisus (Inscr. Italiae X I I I 1 p. 183 nach der Ergänzung von Degrassi) sowie die nach Alföldis Ergebnissen postumen Münzaufschriften Caesar parens patriae. « C i e . ad fam. X I I 3,1; Cie. Phil. 2,31. Neben diese von Alföldi angeführten Stellen kann man auch noch Val. Max. 6,4,5 rücken: M. Brutus suarum prius virtutum quam patriae parentis parricida. Am interessantesten ist die Nachricht bei Sueton Caes. 88, daß beschlossen worden sei, Idus Martias Parricidium nominari, wovon sich in den auf uns gekommenen Kalendern freilich keine Spuren erhalten haben (vgl. Inscr. Italiae X I I I 2 p. 424).

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beweisbar und auch nicht wahrscheinlich. Wenn es, wie Strack nachzuweisen versuchte, tatsächlich die tribunizische Unverletzlichkeit war, so trug diese als ein durch Senats- und Volksbeschluß zuerkanntes tribunizisches Teilrecht ihre Garantie durch den Akt der Verleihung in sich62. Es ist aber vielleicht denkbar, daß man doch den Eid als eine Art zusätzlicher Bekräftigung oder Aktualisierung dieser sacrosanctitas betrachten konnte, vor allem auf der Grundlage der damals vertretenen Annahme, daß eben auch die ursprüngliche Begründung der sacrosancten Stellung der Tribunen seinerzeit durch einen Eid sanktioniert worden war63. Dann hätte also eine gewisse historische Reminiszenz bei diesem Beschlüsse mitgewirkt. Der oben festgestellte Kernbegriff der salus im Eid für Caesar vermag aber noch eine andere Querverbindung innerhalb des Komplexes der Beschlüsse von Ende 45/Anfang 44 erkennen zu lassen, eine Kombination, die auch ihrerseits wieder in der späteren Entwicklung des Kaisereides eine Entsprechung findet. In unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Bericht über die Benennung Caesars als parens patriae und die Zuerkennung der sacrosanctitas steht bei Cassius Dio die Nachricht von drei weiteren Formen besonderer Ehren für Caesar (44, 6, 3): και προσέτι και εΰχεσθ-αι υπέρ αύτοϋ δημοσία κατ' έτος έκαστον, τήν τε τύχην αύτοϋ όμνύναι, και τά πραχθησόμενα αύτω πάντα κύρια έξειν ένόμισαν. Die erste Bestimmung, auf die Dio 44, 50, 1 noch einmal mit denselben Worten zurückkommt, wird erklärt als die Einführung von vota publica für Caesar, oder wohl genauer, in Analogie zu der später im Jahre 30 v. Chr. für Octavian beschlossenen Ehrung64, als Einfügung der Person Caesars in die jährlich am 1. Januar in feierlicher Form dargebrachten vota pro salute rei publicae65. Die 62 P. L. Strack, Klio 32, 1939, 366: „Caesar ist wie auch Augustus nicht iure iurando, sondern lege sacrosanctus geworden." 63 Liv. 3,55,10 (Meinung der iuris interpretes) tribunos vetere iure iurando plebis, cum primum earn potestatem creavit, sacrosanctos esse. Man vgl. die E r w ä h n u n g des δρκος neben dem νόμος bei Dion. Hal. 6,89,2. Caesar selbst h a t nach Dion. Hal. 8,87,8 beim Ausbruch des Bürgerkrieges das παρά τούς δρκους των προγόνων erfolgte Vorgehen gegen die Volkstribunen als πρόφασις f ü r seinen Einmarsch in Italien genommen, u n d ebenso konnte m a n d a n n seinerseits Caesar wegen seiner Aktion gegen die Volkstribunen Caesetius u n d Marullus die Verletzung eben dieses Eides vorwerfen (Brutus bei App. b. c. I I 575—76). R . M. Ogilvie, A commentary on Livy Β. I — V p. 502f. vermutet, daß diese Frage der Begründung der sacrosanctitas auch in der Zeit des Livius anläßlich der Verleihung dieser Qualität an Octavian im J a h r e 36 Aktualität besaß, u n d daß Livius deshalb näher darauf eingeht. • 4 Dio 51,19,7 τούς τε Ιερέας καΐ τάς ΙερεΙας έν ταΐς ύπέρ τε τοϋ δήμου καΐ της βουλής εύχαις καΐ ύπέρ έκείνου ομοίως εΰχεσθαι . . . έκέλευσαν. 65 S. die folgende A n m . ; abweichend von der Auffassung, daß diese vota a m 1. J a n u a r dargebracht werden sollten (vgl. A. Degrassi, Inscr. Italiae X I I I 2 p. 389), n i m m t St. Weinstock, R E V I I I A 1,266 an, sie seien f ü r Caesars

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vota pro salute principis (Gaius, Dig. 50, 16, 233, 1), die sich daraus als eine feste Einrichtung der ganzen Kaiserzeit entwickelt haben, sind vermutlich später von den alten vota pro salute rei publicae abgetrennt und auf einen eigenen Tag, den 3. Januar, verlegt worden, an dem sie zum ersten Male im Jahre 38 bezeugt sind (Arvalakten CIL VI 2028)ββ. — Die dritte bei Dio genannte Bestimmung, τά πραχθησόμενα αύτω πάντα κύρια έξειν, die bei Appian (b. c. I I 442) etwas genauer als Amtsantrittseid der Beamten charakterisiert wird, mit dem Inhalt μηδενί των υπό Καίσαρος οριζομένων άντιπράξειν, gibt sich ebenfalls als Erstreckung einer alten republikanischen Tradition auf die Person Caesars zu erkennen: es ist der Eid in leges, der nun um die acta Caesaris erweitert wurde und in der Folgezeit ebenfalls zu der festen Institution des Eides in acta imperatoris geführt hat 6 7 . Die zwischen den beiden besprochenen Verfügungen stehende Bestimmung, die allein in der Überlieferung des Cassius Dio erscheint, nämlich das τήν τύχην αύτοϋ όμνύναι, wird im allgemeinen als Vorschrift gedeutet, durch die der „Schwur beim Genius Caesars" eingeführt worden sei. Dabei ist man sich nicht einig, ob das die Übernahme eines hellenistischen Brauches ist, nämlich des Eides bei der Τύχη (s. S. 46) oder ob der Eid beim Genius hier nur eine römische Tradition aufgreift 68 . Nun hat aber kürzlich F. Börner in einer Untersuchung dieses Genius-Eides (Athen. 54, 1966, 77—133) gezeigt, daß der allein bei Dio überlieferte Eid auf die Τύχη oder den Genius Caesars auf jeden Fall ein Unicum darstellt 69 und daß er sich keineswegs in der Tradition einer seit Augustus verbindlich gewordenen allgemeinen und grundsätzlichen Einfügung des Genius Augusti in die Geburtstag beschlossen worden, indem er die Nachricht mit Dio 44,4,4 (jährliche Opfer an Caesars Geburtstag) kombiniert. Dafür liegt aber keine Veranlassung vor. «« Vgl. Th. Mommsen, StR. I I 810ff. und CIL I 2 p. 305; A. Alföldi, RM 50, 1935, 81; R. O. Fink, Yale Class. Stud. 7, 1940, 52; L . W . Daly, TrAPhAss. 81, 1950, 164; J. Μ. Reynolds, B S R 30, 1962, 33; 33, 1965, 52; A. Degrassi, Inscr. Italiae X I I I 2 p. 389 und 391; A. N. Sherwin-White, The Letters of Pliny (1966) p. 611. 67 Mommsen, StR. I 620ff., wo 621 Anm. 7 hinter der Appianstelle die lateinische Formulierung se nihil contra acta Caesaris facturum vermutet wird. Ch. Habicht macht (brieflich) darauf aufmerksam, daß auf die Tatsache der Angliederung des Eides in acta Caesaris an den Eid in leges angespielt sein könnte in dem von T. Ampius überlieferten angeblichen Ausspruch Caesars (Suet. Caes. 77) debere homines . . . pro legibus habere quae dicat. — Es konnte oben S. 59 daraufhingewiesen werden, daß in gewissem Sinne schon der persönliche Eid Cinnas gegenüber Sulla vom Jahre 87 einen Vorläufer des Eides auf die acta des Kaisers darstellt (s. v. Premerstein 61 Anm. 1). 68 Die Literatur zuletzt bei F. Börner, Athen. 54, 1966, 77 ff. 89 Diese Feststellung und daran geknüpfte Zweifel an der Richtigkeit der Überlieferung schon bei F. de Martino, Storia della costituzione romana III 224.

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in einem (öffentlichen) Eid zu nennenden Schwurgötter fortsetzt. Vielmehr habe, so wie der Genius Augusti überhaupt ursprünglich in den Bereich des 7 v. Chr. organisierten Compitalienkultes und damit in die Schichten der niederen Bevölkerung verweise, auch der Eid beim Genius des Kaisers zunächst nur in die Welt der Abhängigen und Unfreien gehört, bis er zum ersten Male von Caligula allgemein gefordert (Suet. Cal. 27, 3) und dann seit Domitian gebräuchlich wurde. Dabei äußert Börner die Vermutung, daß diese singulare Überlieferung über den Eid bei der Τύχη Caesars (und später auch des Tiberius) bei Dio möglicherweise eine von der späteren Entwicklung her verständliche Verwechslung mit dem üblichen Eid in nomen imperatoris, also dem „Treueid" darstellt, der seit dem 2. Jahrhundert auch beim Genius des Kaisers geleistet worden zu sein scheint (a.a.O. 115ff., vgl. 117 Anm. 98). Tatsächlich verstärkt sich der Verdacht, daß Dio (oder vielleicht seine Quelle) hier etwas anderes meint, als einen Eid „auf die Τύχη Caesars", wenn man sich eine spätere Erwähnung desselben Eides bei ihm näher ansieht, die sich — charakteristischerweise — im Anschluß an die freie Wiedergabe der Leichenrede des Antonius findet (44, 50, 1). Dort schildert Dio die Reaktion der Zuhörer auf diese Rede, die sich in einer feindseligen Haltung gegenüber den Verschworenen und in Vorwürfen gegenüber den übrigen Senatoren geäußert habe, mit der Begründung 6τι οί μεν άπέκτειναν, οί δέ έπεΐδον άποθ-νήσκοντα άνδρα, υπέρ οδ δημοσία: κατ' ετος ευχεσθαι έψηφίσαντο, και οδ την τε ύγίειαν τήν τε τύχην ώμνυσαν, και δν έξ ίσου τοις δημάρχοις άσυλον έπεποιήκεσαν. Es wird also an die Details der früheren Beschlüsse für Caesar erinnert, die bei dem Attentat sowohl durch die Verschworenen wie die sonstigen Anwesenden in der krassesten Weise mißachtet und verletzt worden waren oder zu denen sich die Betreffenden durch ihr Verhalten zumindest in einen paradoxen Gegensatz gestellt hätten: das sind die sacrosanctitas, die uns in dieser Argumentation ja schon mehrfach begegnet ist, aber auch die jährlichen vota pro salute Caesaris. Wäre es nun sehr sinnund auch wirkungsvoll, als drittes Faktum in dieser Reihe den Eid bei der Τύχη oder dem Genius Caesars zu nennen? Aber es ist ja auch nicht von der Τύχη allein die Rede, sondern von der ύγίεια und τύχη, so daß man genauer von einem Schwur „bei seiner salus und seinem genius" (vgl. v. Premerstein 35) sprechen müßte 70 . Es steht außer Erage, daß in diesem Zusammenhang aber der Vorwurf ungleich wirksamer wird, wenn es nicht um die Verletzung eines Eides per salutem, 70 Der Eid per salutem Caesarum wird bei Tert. Apol. 32,2 als eine für Christen zulässige Schwurformel neben den von ihnen verweigerten Eid per genios Caesarum gestellt: s. dazu Börner a.a.O. 132 Anm. 137. In den scilitanischen Märtyrerakten wird das lateinische iurare per genium griechisch mit κατά της ευδαιμονίας wiedergegeben: s. Börner a.a.O. 128 und 129 Anm. 128.

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sondern eines solchen de bzw. pro salute Caesaris ging. Eben dieser Eid wurde ja nach dem Bericht Appians von Antonius in der Leichenrede verlesen, und seine Verletzung bildete, wie wir sahen, ein Hauptargument gegen die Verschworenen. Die naheliegende Annahme, daß auch bei Dio dieser Eid gemeint ist 71 , befreit uns einerseits von der Singularität eines für Caesar sonst nicht nachweisbaren Genius-Eides und liefert uns andererseits auch für Dio einen wenn auch entstellten Beleg für den Salus-Eid der Parallelüberlieferung72. Bei dieser Interpretation des dionischen Berichtes rücken dann zwei der aufgezählten Ehrungen Caesars in eine engere Korrelation zueinander: die vota pro salute Caesaris und der Eid pro salute Caesaris, so daß man mit Recht davon sprechen kann, daß Caesar „seine salus durch Gelübde und Eid institutionell sicherte"73 bzw. daß die an die Gottheit gerichteten Gelübde für die salus Caesars auf der menschlichen Ebene durch ein iusiurandum. zur Garantie eben dieser salus ergänzt werden sollten. Andererseits wäre auf diese Weise schon für Caesar eine Kombination von drei „Institutionen" bezeugt, die später eben unter Einschluß des Kaisereides die feste Dreiheit der „Huldigungsakte" (v. Premerstein 61) bilden, die an jedem Jahresbeginn neu vollzogen werden (dazu unten S. 107ff.). 71

Die Gleichsetzung mit dem Eid de ( = pro) salute Caesaris ist, allerdings ohne Argumente, schon bei E . Becht, Regeste über die Zeit von Caesars Ermordung . . . 87 vertreten worden. 72 Die Vermutung, daß mit der bei Dio auch auf Tiberius und spätere Kaiser bezogenen Wendung τήν τύχην αύτοϋ ώμνυσαν nicht der Eid beim Genius des Kaisers als solcher gemeint ist, sondern der (zu Dios Zeiten auch beim Genius geschworene) Kaisereid selbst, kann über die bei Börner a.a.O. 117 Anm. 98 angeführten Argumente hinaus noch durch eine weitere Beobachtung gestützt werden: 59,3,4 spricht Dio (Xiphilinos) von der durch Caligula veranlaßten Aufnahme seiner Schwestern in die jährlichen vota (εΰχάς) und die Eide: τούς δρκους τούς ές τήν άρχήν αύτοϋ φέροντας. Das ist, wie aus der Nachricht zum Jahresbeginn 38 mit dem wörtlichen Zitat (59,9,2 — s. oben S. 52 Anm. 3) hervorgeht, eben der Kaisereid (s. auch D. Timpe, Untersuchungen zur Kontinuität des frühen Prinzipats 66). U m dasselbe, d. h. Aufnahme neben der Person des Kaisers in die Loyalitäts- und Huldigungsakte der vota pro salute principis und des Kaisereides, dürfte es aber auch bei den von Dio berichteten Auszeichnungen für Seian und später Plautian gehen (zur Parallelität der Ereignisse bzw. der Möglichkeit einer Rückspiegelung der Plautian-AfFäre auf Seian bei Dio s. E . Köstermann, Herrn. 83, 1955, 350ff., T. Pekäry, RM 73/4, 19Θ6/7, 116fF.). In beiden Nachrichten spricht Dio jedoch neben den εύχαί von einem Eid auf die τύχη: 58,7,8 (Xiphilinos) καΐ εϋχοντο ύπέρ άμφοΐν (Tiberius und Seian) ομοίως και έθυον, τήν τε τύχην αύτών ώμνυσαν, und 75,14,6 (Xiphilinos) τήν τε τύχην αύτοϋ (Plautianus) πάντες οί στρατιωται καΐ οί βουλευταΐ ώμνυσαν, καΐ ύπέρ της σωτηρίας αύτοϋ δημοσία άπαντες ηΰχοντο. Bei dem letzten Beispiel weist die Beschränkung auf Soldaten und Senatoren darauf hin, daß es sich um den Kaisereid handelt und nicht um die f ü r alle verbindliche allgemeine Schwurformel beim Genius. 73

A. Alföldi, RM 50, 1935, 81.

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Nicht ganz klar zu erkennen ist nach den Angaben der Überlieferung der Umfang des Personenkreises, der 45/44 diesen Eid pro salute Caesaris geschworen hat. Gegenüber der verbreiteten Auffassung, es habe sich um einen Eid nur der Senatoren gehandelt, hat v. Premerstein (im Anschluß an 0. Hirschfeld) die These vertreten, der Eid sei von Senat und Volk, vielleicht auch sogar den Untertanen geleistet worden, wodurch sich auch von der Organisation und Verbreitung her eine starke Parallele zu den späteren Kaisereiden, an der Spitze die Aktion des Jahres 32 v. Chr., ergäbe74. Freilich kann man auf dem unbestimmten πάντες bei Appian (b. c. II 520) und cuncti bei Sueton (Caes. 84, 2) nicht viel aufbauen. Wichtiger ist schon, daß jedenfalls die in den Quellen erscheinende Verknüpfung der Eidesleistung und des Beschlusses zur Einführung einer Leibwache bzw. Ehrengarde aus Senatoren und Rittern über den Kreis der Senatoren allein hinausweist75. Vor allem aber legt die oben besprochene sachliche und motivische Verflechtung der Eidesleistung mit den von Senat und Volk beschlossenen außerordentlichen Ehren für Caesar die Annahme nahe, daß mit dem Eid pro salute Caesaris ein über die Standesgrenzen hinausreichender Akt der Loyalitätsbekundung und Huldigung beabsichtigt war, von ähnlich umfassendem Charakter wie die dem gleichzeitig verliehenen Titel des parens patriae zugrundeliegende Auffassung76. Wenn wir also — in welcher konkreten Form auch immer — eine Einbeziehung zumindest der stadtrömischen Bevölkerung in die Eidesleistung für Caesar voraussetzen können, fehlt uns doch jeder Hinweis auf eine Ausweitung dieser Aktion in Form einer systematischen Ausbreitung über ganz Italien oder gar auch die Erfassung der nicht-römischen Untertanen. Es geht nicht an, die (vermuteten) Details der „coniuratio" von 32 für Octavian ohne weiteres schon in die Zeit Caesars zu projizieren. Wenn man nun nach der Erwägung aller Details den Eid auf Caesar in seinen wesentlichen Aspekten zu charakterisieren und zu74

v. Premerstein 34. Von einem Eid der „Gesamtbürgerschaft" sprechen z.B. auch E. Hohl, Klio 32, 1939, 69 (der allerdings Anm. 2 die Ausweitung auf die Untertanen bezweifelt) und A. Alföldi, Studien über Caesars Monarchie 45. 75 Vgl. P. L. Strack, Klio 32, 1939, 366. 7e Auch wenn, wie oben als Vermutung angedeutet wurde, bei dem Beschluß der Eidesleistung eine Reminiszenz an die Begründung der tribunizischen sacrosanctitas durch den Eid der Plebs mitwirkte, würden wir auf diesen umfassenden Charakter der Eidesleistung verwiesen. — Wenn nach Appian b. c. II 544 Antonius in seiner Ansprache vor dem Volk diejenigen, die Rache für das Attentat fordern, lobte ώς εΰορκότερα καί ευσεβέστερα αίρουμένους, so dürfte auch das für die Voraussetzung sprechen, daß eben auch das Volk von der Verpflichtung des Eides zur Rache betroffen war.

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gleich in den historischen Zusammenhang einzuordnen versucht, so lassen sich folgende Gesichtspunkte herausstellen: 1. Die wenigen Angaben über den Inhalt lassen erkennen, daß es ein Eid pro salute Caesaris gewesen ist, mit dem wesentlichen Versprechen, seine Person zu schützen und Anschläge gegen sie zu rächen. 2. Die Begleiterscheinungen dieser Eidesleistung, d. h. die ihr zugrundeliegenden Ehrenbeschlüsse (parens patriae, sacrosanctitas), die mit ihr verbundenen Anordnungen sakral- wie staatsrechtlicher Art (vota pro salute Caesaris, Eid in acta Caesaris) und die zu vermutende Ausweitung des Eides auf einen größeren Kreis zumindest der stadtrömischen Bevölkerung lassen aber darauf schließen, daß diese Aktion über einen möglichen konkreten Anlaß (etwa als Eid eben der für Caesar neu beschlossenen Ehrengarde" oder zur Befriedigung eines Sicherheitsbedürfnisses Caesars) hinausführt in den mehr ideellen Bereich einer neuen Form eines Loyalitäts- und Huldigungsaktes. 3. Der Eid steht historisch am Ende der Bürgerkriege Caesars, er wurde geleistet nach der Ausschaltung der letzten innenpolitischen Gegner. Er kann also nicht einen Akt der Parteinahme für Caesar darstellen oder die Bekundung der Gefolgschaftstreue in einem innenpolitischen Kampf, so wie auch tatsächlich in den uns erhaltenen Angaben jeder Hinweis auf einen konkreten Gegner fehlt 78 . Der Eid für Caesar ist nicht eine Station auf dem Wege zur Alleinherrschaft, sondern er setzt diese voraus. 4. Noch weniger läßt sich irgendein Anhaltspunkt dafür finden, daß in dieser Eidesleistung für Caesar der Klientelgedanke eine Rolle spielt, derart, daß durch sie ein „Gesamtpatronat Caesars über die ganze Bürgerschaft" 79 geschaffen werden sollte. Nicht der Titel eines patronus, sondern das ungleich bedeutungsvollere Prädikat des parens patriae steht im Zentrum der mit dem Eid zu verbindenden Ehrenbeschlüsse und hat sich allein in zeitgenös77

So P. L. Strack, Klio 32, 1939, 366. v. Premerstein 34 f. setzt voraus, daß die Eidesformel von 44 „mehr oder weniger die gleiche war wie bei den späteren Kaisereiden", und daß der Eid demnach ein iusiurandum amicitiae war, ein Gefolgschaftseid, „der energische Bekämpfung und Vergeltung gegen die inimici Caesars gelobte". An anderer Stelle (50) erkennt er hinter der in den Kaisereiden enthaltenen wichtigsten Verpflichtung, „die Widersacher des Prinzeps zu Wasser und zu Lande mit allen Waffen . . . zu bekämpfen und das Heil des Prinzeps über alles andere . . . zu stellen", deutlich „die blutige Atmosphäre des herannahenden Bürgerkrieges". 79 v. Premerstein 36; L.R.Taylor, Party politics . . . 174f., L. Harmand, Le patronat . . . 130f., 157f.; vgl. S. 70 Anm. 57. 78

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sischen Dokumenten niedergeschlagen, und dieses Prädikat, nach Beendigung der Bürgerkriege verliehen, entspringt der rückblickenden Würdigung der Verdienste des Staatsretters und steht in keiner Beziehung zum Klientelgedanken80. Während somit die unter 3 und 4 zusammengefaßten Charakteristika gegen eine Einreihimg des Caesareides in die Kategorie von Parteioder Gefolgschaftseiden sprechen, stellen gerade die unter 1 und 2 angegebenen Besonderheiten, wie gezeigt werden konnte, eine deutliche Beziehung zu einigen Details der uns erhaltenen Kaisereide her, so daß sich die Vermutung eines Zusammenhangs aufdrängt. Nun liegt aber in der Mitte zwischen dem Eid für Caesar vom Jahre 45/44 und den ersten uns erhaltenen Kaisereiden für Augustus (6/5 ν. Chr. Samos; 3 v. Chr. Phazimon-Neapolis) die berühmte Vereidigung Italiens und der Westprovinzen auf Octavian vom Jahre 32 v. Chr. Es bleibt zu untersuchen, ob auch dieser Eidesleistung ein Platz in der Entwicklungsgeschichte des Kaisereides zukommt, d. h. ob sie einerseits Tendenzen der spätrepublikanischen Entwicklung des Treueides fortsetzt und andererseits Elemente enthält, die in der Institution des Kaisereides weiterwirken. 4. Der Eid für Octavian von 32 v. Chr. Die Grundlage unserer Kenntnis von der Eidesleistung des Jahres 32 bildet die Aussage des Eidempfängers Octavian-Augustus selbst, wie er sie rückschauend in einem gewichtigen Kapitel seiner Res gestae formuliert hat. Das Kapitel 25, das in der lateinischen Fassung des Monumentum Ancyranum die 5. Textkolumne eröffnet, markiert nach dem Abschluß der Aufzählung der impensae thematisch einen Neubeginn: es leitet den letzten Abschnitt der Schrift ein, den man — im Unterschied zu den im ersten Teil behandelten ,,honores" — als die eigentlichen res gestae bezeichnet hat81, und faßt in ein paar knappen Sätzen bestimmte Angaben über die Kriege gegen Sex. Pompeius und M. Antonius (beider Namen werden nicht genannt) zusammen, ehe im nächsten Kapitel dann mit dem Blick auf die Grenzprovinzen die breiter angelegte Darstellung der Reichs- und Außenpolitik einsetzt82. Während an dem Kampf gegen Sex. Pompeius sein Charakter als Seeräuber- und gleichzeitig Sklavenkrieg hervorgehoben wird, soll bei 80

A. Alföldi, Mus. Helv. 10, 1953, 119. J. Gage, Res gestae divi Augusti 2 p. 14. 82 Die Schwierigkeit der thematischen Einordnung dieses Kapitels tritt in den ausgiebigen Spekulationen bei W.Weber, Princeps 194ff. zutage, aus denen J. Gage 2 p. 124 das Resume zieht: „Le theme du chapitre parait etre celui de la liberation de l'Italie". 81

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der Auseinandersetzung mit Antonius offenbar in erster Linie der Aspekt einer breiten und spontan gebildeten Einheitsfront unter ihrem Führer Octavian eindrucksvoll herausgekehrt werden. Dem dient im ersten Satz die Nennung aller in dem Eid auf Octavian verbundenen Provinzen, im zweiten die summarische Aufzählung der unter seinen Fahnen vereinigten gesellschaftlichen Prominenz, der Senatoren: 1. Iuravit in mea verba tota Italia sponte sua et me be[lli], quo vici ad Actium, ducem depoposcit. Iuraverunt in eadem ver[ba provi]nciae Galliae, Hispaniae, Africa, Sicilia, Sardinia. 2. Qui sub [signis meis tum] militaverint, fuerunt senatores plures quam DCC, in ii[s qui vel antea vel posjtea consules facti sunt ad eum diem, quo scripta su[nt haec, LXXXIII, sacerdojtes ci[rc]iter CLXX. Es dürfte deutlich sein, daß beide Aussagen zusammengehören und einander in gewisser Weise ergänzen sollen, wodurch sich auch für die Interpretation des Eides bestimmte Konsequenzen ergeben. Es ist unbestritten, daß dieselbe Eidesleistung von 32 in einer kurzen Bemerkung Suetons gemeint ist, wo er in Zusammenhang mit der Angabe, daß Octavian auch nach Ausbruch des Konflikts mit Antonius auf bestehende politische Bindungen von dessen Anhängerschaft Rücksicht genommen habe, darauf hinweist, daß so auch die von alters her in der Klientel der Antonier stehende Stadt Bononia von der Eidesleistung befreit wurde (Aug. 17, 2): Bononiensibus quoque publice, quod in Antoniorum clientela antiquitus erant, gratiam fecit coniurandi cum tota Italia pro partibus suis. Die Nachricht ist wichtig, weil sie den in den Res gestae hervorgehobenen Charakter der Freiwilligkeit der Eidesleistung korrigiert und damit wohl näher an die Realität heranführt83. Zum anderen hat die Formulierung Suetons es verursacht, daß man danach allenthalben die Aktion von 32 als eine „coniuratio" Italiens und der Westprovinzen bezeichnet. Es wird noch zu fragen sein, ob bzw. inwieweit das terminologisch gefaßt werden darf und damit dann einen bestimmten Charakter des Eides bezeichnen könnte. Bei einer anderen literarischen Nachricht zum Jahre 32 ist die Beziehung auf die in den Res gestae erwähnte Eidesleistung, die Mommsen ohne Zögern hergestellt hatte, in neuerer Zeit diskutiert und bezweifelt worden84: es ist die Angabe, die Cassius Dio 50, 6, 6 im Anschluß an die Aufzählung der Provinzen und Verbündeten 83 Vgl. M. Caspari, ClQu. 5, 1911, 232; M.A.Levi, Ottaviano capoparte II 181; v. Premerstein 42; R. Syme, Roman Revolution 284f.; F. de Martino, Storia della costituzione romana IV 1,98. 84 Vgl. v. Premerstein 40 n. 3; 45; 74 mit Anm. 1.

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beider Gegner zum Jahre 32 macht: και τοσαύτη γε προθυμία αμφότεροι ομοίως έχρήσαντο ώστε και ένορκους τάς συμμαχίας σφών έκατέρω ποιήσασθ-αι. Nach dieser Aussage hätte also der Vereidigung des Westens durch Octavian auch eine gleichartige Aktion auf der Gegenseite, bei Antonius, entsprochen, und der Eid hätte die jeweiligen συμμαχία!, umfaßt 85 . Bei jedem Versuch, die Bedeutung dieses Eides für Octavian zu bestimmen, empfindet man als fundamentale Schwierigkeit die Tatsache, daß uns über seinen Wortlaut nichts bekannt ist. Und die Formulierung des Augustus selbst, von der allein man zunächst ausgehen kann, ist dem ganzen Charakter der Res gestae entsprechend alles andere als ein historischer Bericht und war in diesem Falle ganz besonders dem Verdacht ausgesetzt, wenn schon nicht die Tatsachen entstellt, so doch die Ereignisse einseitig beleuchtet und vor allem mit diesem Detail andere problematische Aspekte der Situation von 32 v. Chr. verdeckt zu haben. Immerhin steht zunächst fest, daß die Eidesleistung deutlich im Hinblick auf den bevorstehenden Kampf mit Antonius, also in der Situation eines unmittelbar vor seinem Ausbruch stehenden Krieges, erfolgt ist: sowohl Augustus in den Res gestae als auch Sueton nennen sie in enger Verbindung mit dem bellum Actiacum 88 . Weniger klar ist schon, welcher Personenkreis konkret von dem Eid erfaßt worden ist, da Augustus es aus bestimmten Gründen vorzieht, die Teilnehmerschaft an dem Schwur nur geographisch, durch Nennung der Provinzen, zu umfassen, wobei er bei dem an der Spitze gesondert genannten Italien immerhin zugleich mit der Spontaneität der Eidesleistung ihre „Totalität" betont. Man wird also zumindest für Italien an eine möglichst vollständige Erfassung der gesamten erwachsenen männlichen Bevölkerung zu denken haben. Diese Totalität wird in den genannten Provinzen kaum in gleicher Weise erreichbar gewesen sein. Auf alle Fälle ist aber vorauszusetzen, daß dort im Unterschied zu Italien im wesentlichen ein aus Nichtbürgern bestehender Personenkreis von der Eidesleistung, die dort auch nicht mit dem Aspekt der Freiwilligkeit und Spontaneität versehen gewesen zu sein scheint, erfaßt wurde 87 . Sosehr aber demnach Grund zu der Annahme besteht, 85 Danach Mommsen, R G D A 2 p. 98: „Pertinet caput ad a. 722, cum instante bello inter Antonium et Caesarem uterque socios iureiurando sibi obstrinxit". S. dazu E. Staedler, ZSav. 62, 1942, llOf. 86 Suet. Aug. 17,3 in unmittelbarem Anschluß an den oben zitierten Satz: nec multo post navali proelio apud Actium vicit . . . 87 Entgegen dieser allgemein vertretenen Auffassung (vgl. besonders H.Berve, Herrn. 71, 1936, 249 und F. De Visscher, Bull. inst. hist, beige de Rome 19, 1938, 109f. = Nouvelles Stüdes de droit romain public et prive 10) hat nur E. Staedler, ZSav. 62, 1942, 106 entsprechend seiner These vom Charakter des Eides als Amtsantrittseid behauptet, daß die Eidesleistung in den Provinzen nur römische Bürger erfaßt haben könne.

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daß der Eid von 32 nicht lediglich das einem militärischen Aufgebot abgenommene sacramentum war, sondern in hohem Maße Zivilisten und unter diesen auch Nichtbürger umfaßt hat, so wenig läßt sich a priori behaupten, daß der Aspekt der militärischen Verwendbarkeit der den Eid leistenden Bevölkerungskreise dabei keine Rolle gespielt hätte8S. Daß aber diese Eidesleistung von 32 tatsächlich in ihrem Grundcharakter insofern „militärisch" war, als sie sich ja deutlich auf den dux des bevorstehenden Krieges bezog, wird der unbefangene Leser der Worte des Augustus kaum bezweifeln können. In den militärischen Bereich verweist die für die Eidesleistung verwendete Sprachformel des iurare in verba89, und ebenso noch die im anschließenden Satz gewählte Formulierung qui sub [signis meis tum] militaverint. . . Ausgehend von diesem Eindruck, aber in Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich den ganzen Umständen nach nicht um ein sacramentum der üblichen Art handeln kann, hat seinerzeit J. Kromayer unter Verwendung des bei Sueton gebrauchten Ausdrucks coniurare die Ansicht vertreten, die Eidesleistung von 32 habe eine coniuratio dargestellt, d. h. das neben dem normalen dilectus und sacramentum stehende Verfahren der irregulären Aushebung und Vereidigung in der Krisensituation des tumultus90. Es gibt in der Tat Belege, daß diese aus einer alten italischen Tradition91 stammende Notmaßnahme 88

So spricht z.B. H . Berve, Herrn. 71, 1936, 248 von einer „Verpflichtung aller Wehrfähigen" des westlichen Reichsteiles. 88 Trotz der Einwände von E. Staedler, ZSav. 62, 1942, 108ff., der f ü r seine Gegenthese, wonach das iurare in verba analog zu dem iurare in leges der eiuratio die eidliche Bekräftigung einer Amtsantrittserklärung Octavians durch die römische Bürgerschaft darstellte, keinen Beleg beizubringen vermochte (ZSav. 61, 1941, 81 Anm. 12 und 90 Anm. 41). Wie aus dem mir freundlicherweise von der Redaktion des Thesaurus Linguae Latinae mitgeteilten Belegmaterial hervorgeht, wird in der Literatur die Formel iurare in verba zwar nicht ausschließlich, aber doch in der Mehrzahl der Fälle auf einen militärischen Eid angewandt und bezeichnet vor allem dann, wenn sie für sich ohne Zusatz steht (aus dem hervorgeht, um welche verba es sich handelt), fast immer den Fahneneid der republikanischen Zeit und später eben den Kaisereid. So stehen z.B. bei Livius 9 Belegen mit eindeutig militärischer Bedeutung nur 4 Fälle gegenüber, wo ein anderer Eid gemeint ist (dabei wird an 3 Stellen der Inhalt der verba angegeben; über die 4. Stelle — 32,5,4 — s. oben S. 42 Anm. 75). So kann iurare in verba geradezu als Äquivalent zu der Wendung sacramento adigi erscheinen (z.B. Liv. 3,20,3—4); auch adigere ist, auf Eidesleistungen bezogen, ein „verbum sollemne . . . de iure iurando imprimis militari poscendo" (Thes. Ling. Lat. I 678, 72). — F ü r militärischen Charakter der Formel iurare in verba auch R . Paribeni, L'etä di Cesare e di Augusto (Storia di Roma V) 321. 80

J . Kromayer, Die rechtliche Begründung des Principats, Diss. Straßburg 1888, 17f.; vgl. auch W . K o l b e , Herrn. 49, 1914, 291; B. A. van Groningen, Mnem. 54, 1926, 5. Zur coniuratio jetzt J . Bleicken, Zsch. f. Num. u. Geldgesch. 13, 1963, 51ff. 81 K . Latte, NGG 1934, 66ff. β Herrmann (Hypomnemata 20)

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auch in der letzten Zeit der Republik — vielleicht unter etwas gewandelten Formen — noch gelegentlich Anwendung gefunden hat, so etwa in einer kritischen Situation des Jahres 52 nach der Ermordung des Clodius, wo in Verbindung mit dem senatus consultum ultimum verfügt wurde, ,,ut omnes iuniores Italiae coniurarent"92. Eine Erfassung aller iuniores zum Zwecke der Eidesleistung, und zwar nicht nur der römischen Bürger, sondern auch der Peregrinen, hat nach der Aussage Caesars auch Pompeius nach der Niederlage von Pharsalos noch als letzte Maßnahme versucht, indem er in einem Edikt anordnete, „ut omnes eius provinciae (Makedonien) iuniores, Graeci civesque Romani, iurandi causa convenirent"93. Das ist gewiß nicht mehr die alte coniuratio, aber eine aus deren Tradition entwickelte Notmaßnahme. Dabei erinnert die Tatsache, daß auch die peregrine Bevölkerung erfaßt werden sollte, unmittelbar an ein charakteristisches Detail der Eidesleistung von 32 für Octavian. Eine noch deutlichere Parallele, ja geradezu ein Präzedenzfall zu der Vereidigung der Provinzen erscheint aber unter den Notmaßnahmen, die der Legat des Pompeius, M. Terentius Varro, 49 in Hispania ulterior zur Verteidigung und Sicherung der Provinz gegen den drohenden Anmarsch der Truppen Caesars getroffen hat: im Anschluß an den Bericht von Aushebungen in der ganzen Provinz und anderen vor allem finanziellen Kriegsvorbereitungen heißt es (Caes. b. c. 2, 18, 5) „provinciam omnem in sua et Pompei verba iusiurandum adigebat". Gewiß geht es auch hier primär um militärische Bedürfnisse, aber die Aktion scheint in diesem Falle tatsächlich ausgeweitet zu sein zu einem allgemeinen Treueid der ganzen Provinz94. Dabei wurde mit dieser eidlichen Bindung der Provinzialen vor allem wohl die Hoffnung verbunden, daß die Städte selbst sich Caesar widersetzen und ihm ihre Tore verschließen würden — eine Hoffnung, die, wie der folgende Bericht zeigt (b. c. 2, 19—20), sich nicht im mindesten erfüllt, sondern sich für Varro geradezu in das Gegenteil verkehrt hat. S2 Caes. b. G. 7,1. Auf der Basis dieses Senatsbeschlusses begann Caesar selbst, in Oberitalien Aushebungen vorzunehmen: dilectum tota provincia habere instituit. Asconius Pedianus zur Rede in Milon. p. 34,2 Clark berichtet von denselben Ereignissen: itaque primo factum erat senatus consultum, ut interrex et tribuni plebis et Cn. Pompeius, qui pro cos. ad urbem erat, viderent ne quid detrimenti res publica caperet, dilectus autem Pompeius tota Italia haberet. Man beachte in beiden Texten die Betonung des tota. 93 Caes. b. c. 3,102,2. Caesar läßt die Frage offen, ob das nur eine Scheinmaßnahme des Pompeius zur Verheimlichung seiner Flucht gewesen ist oder ob Pompeius tatsächlich die Hoffnung hatte, mit Hilfe dieses neuen Aufgebots Makedonien zu behaupten. ,4 Vgl. R. Etienne, Le culte imperial dans la peninsula ibörique d'Auguste ä DioclcStien (1958) 114.

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Was nun die Situation des Jahres 32 betrifft, so ist die damalige Vereidigung ja aber keineswegs auf dem gleichen Hintergrund einer militärischen Notlage erfolgt, und tatsächlich scheint es Octavian kaum nötig gehabt zu haben, für den Kampf gegen Antonius noch umfangreichere neue Aushebungen zu veranstalten95. Es ist also unwahrscheinlich, daß die Eidesleistung des Jahres 32 in der Tradition der alten militärischen coniuratio gestanden haben sollte. Ihre militärische Bedeutung könnte eher in der Sicherung eines potentiellen Reservoirs an Streitkräften als in der konkreten Mobilisierung derselben gelegen haben. Darüber hinaus mag gerade in den Provinzen die Sicherung gegen einen „Abfall" zu Antonius — in welcher Form auch immer — bei den Motiven für die Eidesleistung eine Rolle gespielt haben, das Bestreben, jede eventuelle Unterwanderung oder Subversion durch Agenten der Gegenpartei zu verhindern. Es wird zu zeigen sein, daß ähnliche Gesichtspunkte auch noch bei den im Krisenjahr 69 n. Chr. der Provinzialbevölkerung abgeforderten Kaisereiden von Bedeutung gewesen zu sein scheinen. Die Erkenntnis, daß die Eidesleistung von 32 v. Chr. über den engen Rahmen und die Bedeutung eines Soldateneides hinausgereicht haben muß, hat in der Literatur nach Kromayer zu der zunehmend verbreiteten Charakterisierung der Aktion als eines „Treueides" der westlichen Reichsbevölkerung geführt, wobei man allgemein an dem militärischen Kern oder Grundcharakter der Eidesleistung festhieltββ, bis v. Premerstein mit seiner These von dem aus dem Klientelwesen stammenden Gefolgschaftseid die „coniuratio" von 32 grundsätzlich von der Form und Tradition des militärischen sacramentum trennte97. 85

J. Kromayer, Herrn. 33, 1898, 52; vgl. E. Staedler, ZSav. 62, 1942, 111. Vgl. die Literaturhinweise bei v. Premerstein 44 Anm. 4. 87 Eine Konsequenz dieser grundsätzlichen Trennung ist, daß v. Premerstein für das Jahr 32 — wie auch später für die Kaiserzeit überhaupt — zwei getrennte Vereidigungsaktionen annehmen muß, den allgemeinen Treueid der westlichen Reichsbevölkerung und den später geleisteten militärischen Diensteid der neu Ausgehobenen, auf den er die oben S. 79f. zitierte Dio-Stelle von der Vereidigung der συμμαχίαι der beiden Gegner beziehen möchte (45; dagegen D. Timpe, Untersuchungen zur Kontinuität . . . 38 Anm. 4). Daß die von Dio angeführte Vereidigung aber nicht der Routinevorgang der Abnahme des sacramentum sein kann, läßt schon die Betonung vermuten, mit der er diese Aktion als ungewöhnlich charakterisiert. Deshalb hat H. Volkmann im Anschluß an W. Weber den Bericht Dios eben auf den Treueid, nicht das sacramentum, bezogen (bei v. Premerstein 45 Anm. 2 und 74 Anm. 1). Nach v. Premerstein 45 sollen übrigens auch die Mitglieder des Senats 32 das militärische sacramentum abgelegt haben, weshalb Augustus in den Res gestae 25,2 von ihnen sagen konnte, daß sie sub [signis meis] . . . militaverint. Auch hier schafft die grundsätzliche Trennung der Eide Schwierigkeiten, denn dann hätte Augustus im selben Kapitel 25 unmittelbar nacheinander auf zwei verschiedene eidliche Bindungen angespielt. M

β·

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Diese Tradition eines Klienteleides ziviler Herkunft hat sich indes in der oben geführten Untersuchung als unbelegbar und unwahrscheinlich herausgestellt. Ebensowenig, wie man den Eid von 32 als Beispiel einer militärischen coniuratio in Anspruch nehmen kann, läßt er sich als coniuratio, d. h. „Verschwörung" im Sinne einer rein politischen Bewegung, in der eine Anhängerschaft sich bedingungslos um ihren Interessenvertreter oder „Parteiführer" gruppiert, charakterisieren und damit in eine entsprechende Entwicklung einordnen98. Es dürfte überhaupt angebracht sein, den irreführenden Terminus coniuratio für die Aktion des Jahres 32 aus dem Spiel zu lassen". Wir haben eben gesehen, daß es hinsichtlich der Vereidigung ganzer Provinzen immerhin schon gewisse Präzedenzfälle in den Bürgerkriegen der Zeit Caesars gegeben hat. Was die Eidesleistung durch zivile Angehörige der römischen Bürgerschaft, und zwar aller Stände, angeht, so hatte sich andererseits schon oben der Eid auf den Consul Antonius von Ende 44 durch einige charakteristische Übereinstimmungen als Parallele oder Vorbild für die Aktion von 32 angeboten: auch er wurde in der Situation eines bevorstehenden Bürgerkrieges geleistet, und auch er zeigte eine Ausweitung eines auf konkrete militärische Bedürfnisse abgestellten Schwures auf eine zivile Anhängerschaft und dabei überdies den Aspekt der Freiwilligkeit und Spontaneität. Dabei konnte nachgewiesen werden, daß der Charakter des „Treueides" nicht aus einer nicht-militärischen Komponente beigesteuert wurde, sondern sich in der Entwicklung des militärischen Diensteides selbst unter den besonderen Bedingungen des spätrepublikanischen Heereswesens ergeben hatte. Es liegt nahe, dementsprechend auch den Eid von 32 als eine besondere Form eines „erweiterten Feldherrneides" zu charakterisieren, durch den über die unter Waffen stehenden Streitkräfte hinaus auch die Zivilbevölkerung vor allem Italiens sich als eine quasi-militärische Gefolgschaft für Octavian verpflichtete. Gerade mit dieser Besonderheit einer quasimilitärischen Verpflichtung dürfte es auch zu erklären sein, daß 88

Eine solche Tradition der coniuratio als politischer Bewegung hatte vor v. Premerstein und ohne Einbeziehung des Klientelgedankens, aber wie er unter Hinweis auf den Italikereid für M. Livius Drusus schon C. Zakrzewski, Eos 32, 1929, 77ff. vertreten, mit dem Ergebnis (88): „Le principat öclot d'une conjuration". Vgl. auch J. Hellegouarc'h, Le vocabulaire latin des relations et des partis politiques . . . 96 f. 99 Gegen eine Verbindung des von Sueton gebrauchten Kompositums coniurare mit dem terminus technicus „coniuratio" wandte sich schon E.Staedler, ZSav. 62, 1942, 109 Anm. 85. Auch M. Caspari, ClQu. 5, 1911, 230 hat offenbar, um den Terminus zu vermeiden, die Bezeichnung iuratio Italiae gewählt. Es ist gut möglich, daß das con- des Kompositums bei Sueton nur die nachfolgende Präpositionalkonstruktion cum tota Italia verstärken soll.

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Augustus in dem unmittelbar an die Erwähnung der Eidesleistung anschließenden Satz die Tatsache, daß im Aktischen Krieg insgesamt mehr als 700 Senatoren (und das heißt doch der ganze Restsenat, soweit er nicht zu Antonius übergegangen war) auf seiner Seite gestanden hätten, in der militärischen Terminologie des militare sub signis ausdrückt100. Was den Eid von 32 aber von dem Eid auf Antonius unterscheidet, ist einmal die offenbar geradezu systematische Ausweitung des von ihm erfaßten Personenkreises auf die gesamte Bürgerschaft Italiens und sogar die Provinzialbevölkerung des Westens, zum anderen die Problematik der Stellung Octavians als Feldherrn gegenüber der eindeutigen Qualifikation des Consuls Antonius im Jahre 44. Während es Antonius darum ging, sich der Treue der Truppen und auch der zivilen Anhängerschaft in einer kritischen Situation zu versichern, muß für Octavian die in dem Eid implizierte Anerkennung seiner Feldherrnstellung ein wesentliches Motiv für die ganze Aktion gewesen sein. Das zeigt sich deutlich in dem in den Res gestae unmittelbar mit der Tatsache der Eidesleistung Italiens verbundenen Zusatz et me belli . . . ducem depoposcit, wodurch geradezu eine Umkehrung des normalen Ablaufs, in dem die Ernennung des Feldherrn der Eidesleistung der Truppen vorausgeht, angedeutet zu sein scheint101. In dieser Vorwegnahme des Eides als eines fait accompli, verbunden mit der Mobilisierung der Landbevölkerung Italiens102, muß das Neue und Ungewöhnliche im Vorgehen Octavians liegen und damit auch der eigentliche Hebel für den damit beabsichtigten politischen Effekt. Es ist sicher richtig beobachtet worden, daß Augustus in der zweigliedrigen Formulierung der Aussage über den Eid von 32 offensichtlich einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Eid Italiens und dem der Provinzen zum Ausdruck bringen wollte103: nur für Italien 100 Dazu E. Staedler, ZSav. 62, 1942, 111; E. Schönbauer, Die Res gestae Divi Augusti in rechtsgeschichtlicher Beleuchtung (SB Wien 1946, Bd. 224,2) 61. Nach Cass. Dio 50,11,5 hatte Octavian nur τούς τι δυναμένους von den Senatoren bei seinem Heer versammelt, also nicht den ganzen Restsenat. — Auf den militärischen Charakter des Schwurs führt J. Kromayer, Die rechtliche Begründung des Principats 19 auch die Tatsache zurück, daß 29 beim Triumph Octavians die Senatoren mit den Beamten hinter dem Triumphwagen einherzogen wie das übrige Heer und nicht, wie üblich, vor ihm. 101 Charakteristisch für diese normale Abfolge ist z.B. noch das Verhalten der Legion vor Nola, die sich 87 für den vom Senat abgesetzten Consul Cinna erklärt: man erstattet ihm erst die consularischen Insignien zurück und schwört ihm dann den Soldateneid (App. b. c. I 300, s. oben S. 62). 102 Für solche Tendenzen der politischen Mobilisierung Italiens, von den Kolonien und Munizipien her, vgl. man die Hinweise bei F. De Visscher, Nouvelles ötudes de droit romain . . . 22ff.; R. Syme, Roman Revolution 285ff. 103 So vor allem F. De Visscher, Nouvelles etudes . . . 14ff., vgl. 17 Anm. 35; M. Grant, From imperium to auctoritas 419; G.E.F.Chilver, Hist. 1,1950, 415.

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wird, wie oben festzustellen war, die Totalität und Spontaneität der Eidesleistung hervorgehoben, nur für Italien scheint aber auch der bedeutsame Zusatz zu gelten „et me belli, quo vici ad Actium, ducem depoposcit". Das aber bedeutet, daß Augustus — zumindest in der Darstellung oder vielleicht eher Rechtfertigung der Rückschau aus einem späteren Lebensabschnitt — über den Eid hinaus in der Aufforderung oder Forderung der italischen Bevölkerung, das Kommando im Krieg gegen Antonius zu führen, ein wesentliches Fundament seiner damaligen Stellung gesehen hat. Dabei wird aber gerade in der merkwürdigen Umkehrung der Abfolge von Kommandoauftrag und Eid und überdies in der Verwendung des sicher nicht-technischen, d. h. außerstaatsrechtlichen Begriffes deposcere104 anstelle der konkreten Erwähnung einer „Verleihung" des Kommandos selbst deutlich, daß die ganze Formulierung offensichtlich ein problematisches Detail dieses Jahres 32 verdecken soll, nämlich das tatsächliche Fehlen einer staatsrechtlichen Legalisierung der Feldherrnstellung Octavians in den herkömmlichen Formen106. Es steht außer Frage, 104

W. Kolbe, Klio 36, 1944, 33. Unter den schon von v. Premerstein 43 Anm. 1 beigebrachten und auch von F . De Visscher, Nouvelles ötudes . . . 15, M. Grant, From imperium to auctoritas 419 und G. Chilver, Hist. 1, 1950, 415 behandelten Parallelen f ü r die Wendung deposcere ducem bzw. imperatorem verdienen vor allem zwei Stellen Ciceros Interesse: de imp. Cn. Pompei 44, wo Cicero in einem Bückblick auf die Einbringung der lex Gabinia von dem denkwürdigen Tag spricht, cum universus populus Romanus . . . unum sibi ad commune omnium gentium bellum Cn. Pompeium imperatorem depoposcit, und Phil. 11,20, wo Cicero im Zusammenhang mit der Verleihung des imperium extraordinarium an Octavian zu Beginn des Jahres 43 auf den schon vorher erfolgten Anschluß der Veteranen und der beiden von Antonius abgefallenen Legionen hinweist und den damit von den Truppen ausgedrückten Wunsch, Octavian als imperator an ihrer Spitze zu sehen: milites veterani . . . volebant sibi ab illo imperari; legio Martia et legio quarta ita se contulerant ad auctorit a t e m senatus et rei publicae dignitatem u t deposcerent imperatorem et ducem C. Caesarem. Während in der ersten Textstelle die einheitliche Willensäußerung des populus Romanus in der Annahme der lex Gabinia, also einer staatsrechtlichen Aktion, ihre Erfüllung gefunden hat, kommt es Cicero in der zweiten Textstelle (anläßlich der Stellungnahme gegen die Verleihung eines imperium extraordinarium an Servilius Isauricus f ü r die Kriegführung gegen Dolabella in Kleinasien) gerade darauf an, der in dem deposcere imperatorem et ducem C. Caesarem ausgedrückten Haltung der Truppen (vgl. App. b. c. I I I 194) die Bedeutung eines fait accompli beizumessen, das der Senat einfach zur Kenntnis nehmen und legalisieren mußte: eripuissetis C. Caesari, patres conscripti, imperium, nisi dedissetis bzw. weiter u n t e n : imperium C. Caesari belli necessitas, fascis senatus dedit. Die Parallele zur Situation von 32 drängt sich auf, nur daß wir eben für 32 im Unterschied zum J a h r e 43 (s. Anm. 105) nichts von einer tatsächlichen Verleihung des imperium erfahren. 108 Man vgl. demgegenüber die klare Formulierung im Kap. 1 der Res gestae in bezug auf die Legalisierung der Stellung Octavians zu Anfang des Jahres 43: senatus . . . imperium mihi dedit (vgl. auch die vorhergehende Anm.).

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daß damit der Eid und die „Forderung" Italiens in dieselbe Sphäre der betont un-terminologischen, allein psychologisch bzw. psychagogisch wirksamen Formulierung gehört, wie sie uns auch in dem berühmten Hinweis auf den consensus universorum (Kap. 34) als Grundlage oder Bestätigung für die Gewinnung der „Allgewalt" in der Folge des Sieges von Actium entgegentritt10e, und es ist verständlich, daß man immer wieder versucht hat, den Eid und den consensus universorum direkt miteinander zu identifizieren (s. S. 91). Wenn man diese Rolle des Eides von 32 als ein geschickt geschaffenes fait accompli zur Bewältigung einer prekären Situation, d. h. praktisch als ein Surrogat für eine tatsächlich fehlende oder ausgebliebene Legalisierung der Stellung Octavians begreift107, erledigen sich von selbst alle Versuche, entweder dem Eid selbst oder den Aktionen des deposcere ducem eine — wenn auch ungewöhnliche und neuartige — staatsrechtliche Bedeutung und Funktion zuzuerkennen108. Dieser Gesichtspunkt ist gerade auch für die Beurteilung der weiteren Entwicklung des Kaisereides von Wichtigkeit. Während wir somit die Bedeutung des Eides für Octavian aus der Situation des Jahres 32 heraus einigermaßen verstehen zu können io« Vgl. p . Grenade, Essai sur les origines du principat 17. 107 Diese Auffassung setzt auf jeden Fall voraus, daß Octavian also in dieser Situation von 32 die triumvirale Gewalt nicht mehr besaß oder jedenfalls f ü r seine Feldherrnstellung in dem Krieg nicht in Anspruch nehmen konnte oder wollte. Zu diesem Problem des Endpunktes des Triumvirats zuletzt P . Grenade, Essai . . . 1—42 mit ausführlicher Darstellung der neueren Diskussion. loe y o n einem „plebiszitären Eid und Auftrag" spricht W. Weber, Princeps I 196, von „una specie di plebiscito popolare nella forma solenne di un giuramento" F . de Martino, Storia della costituzione romana IV 1,97. F ü r die Auffassung, daß der Eid selbst die Stellung Octavians legitimierte, vgl. man die bei W. Kolbe, Klio 36, 1944, 32 zitierten Autoren, darunter besondersM. Geizer, HZ. 118, 1917, 281, gegen den sich O. Th. Schulz, Vom Prinzipat zum Dominat 265 Anm. 660 wendet. Etwas abweichend davon h a t M. A. Levi, Ottaviano capoparte I I 178 die Legalisierung der Stellung Octavians auf die Eidesleistung der Senatoren, also nur einen Teil der Schwörenden, gegründet; dagegen F . de Martino a. a. O. 95 Anm. 4. (Zu der häufig vertretenen irrigen Annahme, daß Mommsen die Eidesleistung und den consensus universorum „gleichgesetzt" und somit auch f ü r das „Notstandskommando" den Eid als Grundlage angesehen hätte, s. unten S. 91 Anm. 4). — Eine Legalisierung der Stellung Octavians nicht durch den Eid, sondern durch die Aktion des deposcere ducem hat F . De Visscher, Nouvelles Stüdes . . . 20ff. angenommen, indem er darin eine ungewöhnliche Form der Inszenierung gesamtitalischer Komitien sah, eventuell mit der Möglichkeit der Stimmabgabe auch in den Landstädten Italiens. A. v. Premerstein hatte demgegenüber in konservativer Weise vermutet (43): „Die Beauftragung Oktavians mit dem Kommando im Kriege muß alsdann ganz in der üblichen staatsrechtlichen Form durch Senat und Volk von Rom erfolgt sein." Gerade dafür aber findet sich nicht der geringste Hinweis in der Überlieferung!

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meinen und überdies einige, wenn auch begrenztere, Präzedenzfälle für diese Aktion anzuführen vermögen, bleibt uns doch ganz unbekannt, unter welcher Schwurformel diese Eidesleistung vollzogen worden ist. Ja, wir wissen auch gar nicht, ob diese Maßnahme soweit vereinheitlicht und durchorganisiert war, daß für die so verschiedenen Personenkreise überall der Eid in der gleichen Weise und auf dieselbe Formel geleistet wurde. Man wird, gerade nach den oben aus dem Vergleich der Kaisereide gewonnenen Erfahrungen, eher Bedenken hegen gegenüber der Vorstellung einer ganz einheitlichen und gleichförmigen Aktion. Die These v. Premersteins, daß die 32 gebrauchte Eidformel mit der inschriftlich erhaltenen lateinischen Fassung des Kaisereides von Aritium identisch sei, beruht vor allem auf der Annahme einer institutionellen Kontinuität des Klienteleides und eines dafür traditionellen Formulars. Diese Institution und Tradition haben sich aber nun als unbelegbar und sachlich unwahrscheinlich herausgestellt. Die Schwurformeln der militärischen Treueide der ausgehenden Republik, die wir statt eines zivilen Klienteleides als geeignetere und überzeugendere Vorbilder für den Eid von 32 in Anspruch nehmen, sind uns durch wörtliche Zitate nicht bekannt. Es liegt aber auf der Hand, daß in ihnen das Versprechen, den Feldherrn nicht zu verlassen, ihm die Treue zu wahren, eine zentrale Klausel gewesen sein muß (s. oben S. 63). Gerade eine solche Klausel aber fehlt in dem uns erhaltenen Formular des Kaisereides. Das führt auf die kritische Frage, ob denn überhaupt bei dieser Deutung der Eidesaktion von 32 dann noch die Kontinuität nach unten erkennbar bzw. gesichert ist, d. h. ob die Kaisereide, die inschriftlich auf uns gekommen sind, tatsächlich mit dem Eid von 32 v. Chr. in einem Zusammenhang stehen. Vom Formular der Kaisereide her ist dieser Beweis offensichtlich nicht zu führen. Denn die Behauptung, die Klauseln der im Eid von Aritium bewahrten „Urformel" des Kaisereides spiegelten noch deutlich die besondere Situation des Jahres 32 wider, die „blutige Atmosphäre des herannahenden Bürgerkrieges", der hier doch gleichzeitig als „Privatfehde" (inimicitia) charakterisiert werde (v. Premerstein 50f.), ist keineswegs unbedingt stichhaltig. Es ist immerhin festzuhalten, daß im Eid von Aritium (und ebenso in den anderen Eiden) die Zusicherung, dieselben Feinde zu haben wie der Kaiser, als Eventualität im Futur formuliert wird, nicht als Realität, und daß der Begriff des inimicus hier wohl eher der variatio wegen und nicht als präziser Terminus neben hostis erscheint, ist oben S. 51 schon vermutet worden. Ja es hat sich gezeigt, daß der Kern des Eides von Aritium im Grunde von einem salus-Eid gebildet wird, und es ist denkbar, daß die Zusicherung von der Gemeinsamkeit eventueller Feinde nur eine Erweiterung dieses zentralen Versprechens, sich unerbittlich und ohne Rücksichtnahmen für die

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salus des Kaisers einzusetzen, darstellt. Als Vorläufer und vielleicht Vorbild für einen solchen salus-Eid aber haben wir oben den Treueid für den Dictator Caesar von Ende 45/Anfang 44 in Anspruch genommen, d. h. einen Akt der Huldigung und Loyalitätsbekundung, der eine wesentlich andere Situation, nämlich ganz gewiß nicht einen bevorstehenden Bürgerkrieg, zum Hintergrund hatte. Es zeigt sich also, daß das Problem der Herkunft des Kaisereides für die westliche Reichshälfte sich auf die Frage zuspitzt, ob diese Institution tatsächlich in der Nachfolge des Eides von 32 für Octavian steht oder eher die Form des Treueides für Caesar fortsetzt, oder ob sie gerade in irgendeiner Weise eine Kombination der beiden Phänomene darstellt. Daneben stellt sich dann die Frage, wie bzw. unter welchen Bedingungen die ganz andersartige Tradition der Herrschereide der östlichen Reichshälfte sich mit diesen westlichen Formen des Eides zu einer offenbar einheitlich für das ganze Reich ausgeprägten Institution verbinden konnte. Um hierüber Aufschluß zu gewinnen, ist es nötig, kurz die erkennbaren Etappen und Tendenzen der Entwicklung des Eides noch unter Augustus selbst und dann unter den ersten Nachfolgern zu betrachten.

IV. Der Kaisereid als Institution a) Entwicklung

des Eides unter

Augustus

Bei der Annahme einer Entwicklung des Kaisereides aus der Eidesleistung Italiens und der Westprovinzen für Octavian im Jahre 32 spielt die Hypothese von der Ausweitung des Eides auch auf die östliche Reichshälfte nach dem Siege über Antonius und Kleopatra eine wesentliche Rolle, indem damit zugleich der entscheidende Schritt zur Universalität des Eides vollzogen und ein wichtiger Ansatzpunkt zu seiner Institutionalisierung erreicht worden wäre1. Es ist aber gleich zu betonen, daß für diesen Komplementäreid des Ostens jeder ausdrückliche Hinweis in unseren Quellen fehlt. Entscheidend für jede Erwägung der Möglichkeit einer solchen Ausweitung des Eides ist die Beurteilung der Motive und Tendenzen, die sie veranlaßt haben könnten. Wenn man, wie es von den oben geschilderten Voraussetzungen her naheliegt, dem Eid von 32 eine primär militärische und allein auf den bevorstehenden Krieg bezogene Bedeutung beimißt, ist es kaum zu verstehen, warum dieser Eid nach dem Sieg von Actium noch einer Ausweitung bedurft, warum er dann überhaupt noch Aktualität und eine weiterwirkende Kraft, die zu seiner Institutionalisierung führte, besessen hätte 2 . Es mußten dann schon andere Momente mitwirken, die entweder in dem Eid selbst oder in der Situation nach dem Siege über Antonius lagen. Als solche hat man in der bisherigen Diskussion im wesentlichen folgende Triebkräfte geltend gemacht: 1 Die These von der Ausweitung des Eides auf die östliche Reichshälfte wurde insbesondere von M. Greizer (HZ. 118, 1917, 278; vgl. Meister der Politik 2 I 181) und A. v. Premerstein (52) vertreten. Vgl. auch St. Weinstock, AM 77, 1962, 321. 2 Vgl. H. Berve, Herrn. 71, 1936, 248f.: „Die Eidesleistung des Westens war ein den Bürgerkrieg vorbereitender Akt, dessen formale Gültigkeit vielleicht nicht unbedingt mit dem Siege über Antonius erlosch, der aber mit diesem Siege doch seinen Sinn und seine praktische Bedeutung verlor, so daß Octavian schwerlich später an ihn anknüpfen . . . konnte." — „Ihn nach Antonius' Ende noch von der Bevölkerung des Ostens zu fordern, wäre sinnlos gewesen." Ähnlich vorher schon O. Th. Schulz, Das Wesen des röm. Kaisertums der ersten zwei Jahrhunderte (Studien zur Gesch. u. Kultur des Altertums VIII 2, 1916) 8, vgl. ders., Vom Prinzipat zum Dominat (1919) 266 Anm. in Auseinandersetzung mit Geizer; im Anschluß an Berve E. Schönbauer, Die Res gestae Divi Augusti in rechtsgeschichtlicher Beleuchtung 19.

Entwicklung des Eides unter Augustus

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a) Es war die Bedeutung des Eides für die Stellung Octavians auch nach Actium, d. h. praktisch seine staatsrechtlichen Emolumente, die diese Ausweitung verlangten. Diese Auffassung wurde insbesondere von M. Geizer vertreten mit seiner Annahme, daß eben der Eid ein spezifisches kaiserliches Imperium verlieh oder zumindest bekräftigte und mithin Grundlage der außerordentlichen Machtstellung Octavians war3. Bei dieser Erklärung lag es dann nahe, in dem berühmten Hinweis des Augustus auf den consensus universorum als Grundlage für die Gewinnung der „Allgewalt" durch ihn (Res gestae 34: per consensum universorum potitus rerum omnium) eben eine Anspielung auf den Eid zu erkennen. War diese Gleichsetzung von Eid und consensus universorum vorher schon gelegentlich für den Eid der westlichen Reichshälfte vor dem Aktischen Krieg in Anspruch genommen worden4, so gab später die von der griechischen Übersetzung her entwickelte Auffassung, daß diese „Gewinnung der Allgewalt" sich auf die Zeit nach dem Siege beziehe5, direkt die Möglichkeit, den consensus universorum auf den Eid der gesamten Reichsbevölkerung, also einschließlich der östlichen Reichshälfte, zu beziehen6. Nun ist aber schon oben S. 87 eine staatsrechtliche Wirksamkeit des Eides von 32 v. Chr. bestritten worden, und ebenso widerrät der Begriff des consensus einer Auslegung in exakt-staatsrechtlichem * HZ. 118, 1917, 281 f. 4 Die Identität von Eid (der westlichen Reichshälfte) und consensus universorum ist zuerst von J . Kromayer, Die rechtliche Begründung des Principats (Diss. Straßburg 1888) 20 vertreten worden, in Verbindung mit der These von dem dadurch verliehenen Notstandskommando. Es ist ein in der Literatur immer wieder anzutreffender Irrtum (z.B. bei E. Schönbauer a.a.O. 18), daß diese Gleichsetzung schon auf Mommsen zurückgehe: wenn auch Mommsens Aussagen zu diesem Problem mehr okkasionell als systematisch sind (vgl. F. De Visscher, Nouvelles ötudes . . . 8: „cette hypothese laissöe par Mommsen lui-meme ä l'ötat d'ebauche assez informe"), ist doch deutlich, daß er an keiner Stelle Eid und consensus miteinander verknüpft hat, und als Rechtfertigung für das Notstandskommando ausschließlich den consensus universorum, nicht aber den Eid (wie z.B. W. Kolbe, Klio 36, 1944, 32 behauptet) angeführt hat (StR. 1 696; I I 844). Überdies hat er ja das Notstandskommando nur als nachträgliche Fiktion des Augustus angesehen, für die Realität des Jahres 32 aber die Fortführung der triumviralen Gewalt vorausgesetzt (StR. 1 697; I I 719,1; 745,1). Auch hier hat das oben genannte Mißverständnis Verwirrung gestiftet, wenn z.B. M. Caspari, ClQu. 5, 1911, 230 und 232 behauptet, Mommsen habe die ganze Eidesleistung von 32 für eine nachträgliche Erfindung des Augustus gehalten. 5 H. Berve, Herrn. 71, 1936, 241ff„ dazu K. Barwick, Phil. 91, 1936, 350— 52. Vgl. auch v. Premerstein 43 Anm. 2 und zuletzt P. Grenade, Essai sur les origines du principat 8 ff. β Vgl. U. Wilcken, SB Berlin 1932, 245 Anm. 3; M. Geizer, R E V I I A 1 , 1077, 38.

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Der Kaisereid als Institution

Sinne7. Überdies wäre gerade bei einer Gründung der außerordentlichen Machtstellung Octavians auf den Eid zu fragen, ob dessen Bedeutung dann noch über den Termin der „Rückgabe" der Allgewalt, also über das Jahr 27 hinausgereicht haben und unverändert wirksam geblieben sein könnte8. Über diese staatsrechtlichen Bedenken hinaus widerspricht einer Gleichsetzung von Eid und consensus aber, wie man festgestellt hat, auch die griechische Fassung des Textes der Res gestae 9 : schon die Wiedergabe von consensus durch εύχή führt von der Vorstellung einer Eidesleistung weg10, vor allem aber wird durch die Übersetzung des universorum mit των έμών πολιτών der Hinweis auf eine Aktion der gesamten Reichsbevölkerung, also auch der Nicht-Bürger, unwahrscheinlich u . Es kann nur so sein, daß der consensus universorum hier parallel zu der oben festgestellten Beschränkung des descpoere ducem auf tota Italia bei der Situation von 32 eine Rechtfertigung der Ausnahmestellung Octavians durch die Zustimmung der römischen Bürgerschaft ausdrücken soll12. Wie wäre es auch denkbar, daß Augustus über die Zustimmimg der römischen Bürgerschaft hinaus seine Machtstellung in dem Votum der peregrinen Provinzialbevölkerung begründet gesehen hätte! Es zeigt sich also, daß ein Motiv dieser Art für die Ausweitung des Eides auf den Osten nicht in Betracht kommt. b) Auch wenn der Eid keine staatsrechtliche Bedeutung besaß, konnte doch sein besonderer Charakter, sozusagen eine ihm selbst 7 Dazu besonders H . U. Instinsky, Herrn. 75, 1940, 265—278; P . Grenade, Essai sur les origines du principat 221—260; F . de Martino, Storia della costituzione romana IV 1,101 mit Anm. 19. 8 Einwand von O. Th. Schulz, Vom Prinzipat zum Dominat 266 Anm. gegen Geizer. 9 Vgl. P . Grenade, Essai . . . 12, der übrigens 270 annimmt, daß die griechische Fassung eine bewußte, auf Tiberius zurückgehende „ I n t e r p r e t a t i o n " ist. 10 H . Berve, Herrn. 71, 1936, 250 übersetzte εύχή mit „Wunsch". Nach E. Staedler, ZSav. 62, 1942, 107 entspricht εύχή dem lateinischen v o t u m u n d gehört in den sakralen Bereich, wo es das Äquivalent der nicht-sakralen sententia darstelle; a n „sakralrechtliche Handlungen", aber keine „formel-rechtliche sakrale Abstimmung" denkt E . Schönbauer, Die Res gestae Divi Augusti in rechtsgeschichtl. Beleuchtung 53. Vgl. auch P . Grenade, Essai . . . 258. 11 F ü r Beschränkung der universi auf die römischen Bürger vor allem E . Staedler, ZSav. 62, 1942, 104ff. F . E . Adcock, ClQu. 45, 1951, 133f. hält — im Anschluß a n G. T. Griffith — die griechische Formulierung f ü r eine f ü r die kleinasiatischen Griechen bestimmte Verdeutlichung. 12 Zum consensus universorum L. Wickert, R E X X I I 2,2264fF. Gegenüber der Auffassung von der Äußerung des consensus in staatsrechtlich irrelev a n t e n Formen von Ehrungen oder Ehrenbeschlüssen (vgl. J . Liegle, J d l . 56, 1941, 116; Η . I L Instinsky, Herrn. 82, 1954, 127; H . Volkmann, Res gestae 2 p. 56) haben F . E . Adcock, ClQu. 45, 1951, 134 Anm. 3 u n d insbesondere P . Grenade, Essai . . . 298 versucht, ihn auf einen bestimmten staatsrechtlich wirksamen A k t des J a h r e s 28 zu beziehen.

Entwicklung des Eides unter Augustus

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innewohnende Triebkraft, diese Ausweitung auf die östliche Reichshälfte bewirkt haben. Das ist vor allem die These von v. Premerstein, wonach der dem Eid zugrundeliegende Klientelgedanke in der Aufnahme der Gesamtheit der Bürger und Untertanen des Reiches in die fides Octavians, in dem Aufgehen aller Reichsbewohner in einer „Partei" kulminierte 13 . Zugleich mit der oben in Frage gestellten Herkunft des Kaisereides aus einem „Klienteleid", ja mit der Erkenntnis von der Unbeweisbarkeit einer solchen Tradition des Klienteleides überhaupt, wird aber auch diese Idee des kaiserlichen „Gresamtpatronats" über die ganze Reichsbevölkerung, für die in den Quellen ja auch jeder Hinweis fehlt 14 , hinfällig. Wenn der Eid vermöge einer ihm selbst innewohnenden Kraft zur Ausweitung auf das Reichsganze drängte, dann höchstens aufgrund eines sehr viel allgemeineren Charakters, nämlich als eines „Huldigungseides" für den Alleinherrscher, oder anders ausgedrückt: aufgrund der „allgemeinen Servilität der Zeit" 16 . Dieser Aspekt des Huldigungseides charakterisierte, wie oben S. 77 zu zeigen war, weitgehend den Treueid für den Dictator Caesar 45/44 nach dem Ende der Bürgerkriege. Eine gewisse Wiederholung dieses Vorgangs wäre nach der wirklichen Beendigung der Bürgerkriege durch Octavian von der Situation her immerhin denkbar, aber doch kaum in Form der einfachen Ausweitung des Eides von 32, dem a potiori dieser Charakter ja gewiß nicht zukam, auf die östliche Reichsbevölkerung. c) Hier ist der Punkt, nach einer dritten Möglichkeit als Triebkraft für die Ausbreitung des Eides nach dem Jahre 32 zu fragen: konnte es Traditionen oder Tendenzen in der östlichen Reichshälfte selbst 13

v. Premerstein 53; in diesem Sinne auch L. R. Taylor, Party politics . . . 176ff.; L. Harmand, Le patronat sur les collectivit&s publiques des origines au Bas-Empire (1957) 158f. Gegenüber der Rolle des Prinzeps als Patron einer das ganze Reich umfassenden Klientel möchte J. Beranger, REL 37, 1959, 151—170 stärker seine Stellung als „chef de parti" betonen. 14 Für die — gar nicht so zahlreiche — Anwendung des Titels patronus bzw. πάτρων auf den Kaiser vor allem in munizipalen Inschriften der Kaiserzeit setzt auch L. Harmand, obwohl er sich ganz an die These v. Premersteins anschließt, einen konkreten Hintergrund oder Anlaß voraus, wie etwa ein ererbtes Patrocinium oder Begründung des Patronats anläßlich militärischer Aktionen oder Reisen des Kaisers (a.a.O. 175f.), nimmt sie also nicht als Zeugnis für den durch den Kaisereid geschaffenen „Gesamtpatronat" über die Reichsbevölkerung in Anspruch. Hätte nicht auch die Etablierung eines solchen Gesamtpatronats des Kaisers oder Kaiserhauses zu einem „Monopol", d. h. zu einem Ausschluß damit konkurrierender Patronate von anderen Personen als dem Kaiser führen müssen, wie das z.B. im kultischen Bereich durch das Aufhören von göttlichen Ehren für Statthalter dokumentiert wird? Unser Material läßt aber gerade das Gegenteil erkennen: die Zahl privater, nicht-kaiserlicher patroni in der Kaiserzeit ist außerordentlich groß (s. Harmand a.a.O. 183—286). 15 O. Th. Schulz, Vom Prinzipat zum Dominat 268 Anm., vgl. 263 Anm. 652.

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Der Kaisereid als Institution

gegeben haben, die zu einer solchen Entwicklung geführt haben? Es lag nahe, hierfür das Vorbild einer orientalisch-hellenistischen Einrichtung des Herrschereides in Anspruch zu nehmen, der sozusagen automatisch auf Octavian als „Rechtsnachfolger" der hellenistischen Monarchen übertragen worden wäre 16 . Nun hat sich die Institution des Herrschereides der Gesamtbevölkerung hellenistischer Reiche in der oben geführten Untersuchung freilich nicht belegen lassen, wohl aber eine gewisse Tradition des zum Treueid gegenüber dem Monarchen entwickelten Bürgereides der alten griechischen Gemeinwesen. Daß Eidesbindungen dieser Art tatsächlich in bestimmten Details der uns erhaltenen griechischen Kaisereide nachzuwirken scheinen, ist oben S. 40ff. schon deutlich geworden und wird auch im folgenden noch zu belegen sein. Was uns freilich fehlt, sind Zwischenglieder, die diese Entwicklung kontinuierlich auf die Zeit des Prinzipats hinführen. Aber eine wichtige Etappe, oder besser gesagt Vorstufe und Voraussetzung für die Übertragung dieser Tradition auf Octavian-Augustus ist uns vielleicht sogar bekannt: es ist die von Cassius Dio berichtete Tatsache, daß im Jahre 32 vor Ausbruch des Aktischen Krieges nicht nur Octavian, sondern auch Antonius seine Seite durch eine eidliche Verpflichtung an sich band 17 . Es wäre gut denkbar, daß diese Vereidigung der συμμαχίαι, wie Dio sich ausdrückt, sich in den im Osten gebräuchlichen Formen der Verpflichtung zur εύνοια und zur συμμαχία vollzogen hat, wie wir sie oben in hellenistischen Beispielen kennengelernt haben und wie sie auch in den uns erhaltenen Kaisereiden noch nachwirken. Wenn sich aber die östliche Reichshälfte in dieser Weise an Antonius gebunden hatte, dann lag es für sie besonders nahe, nach dem Sieg des Octavian diesem in der gleichen Weise ihre Ergebenheit zu bekunden und damit zugleich die vorhergegangene Verpflichtung gegenüber dem besiegten Gegner auszulöschen und zu ersetzen. So läge also gerade in der Gleichzeitigkeit der beiden Eidesaktionen von 32 und in dem damit erfolgten Zusammentreffen zweier unterschiedlicher Eidestraditionen ein wichtiger Ansatzpunkt für die Ausbildung einer das ganze Reich umfassenden Institution. le F. Cumont, REG 14, 1901, 44f.; Studia Pontica III 81; vgl. auch O. Th. Schulz, Vom Prinzipat zum Dominat 268 Arnn. 17 Dio 50,6,6 καΐ τοσαύτη γε προθυμία άμφότεροι (Octavian und Antonius) ομοίως έχρήσαντο ώστε καΐ ένόρκους τάς συμμαχίας σφων έκατέρω ποιήσασθαι. Dazu Μ. Gelzer, Meister der Po'itik I 2 179; Η. Berve, Herrn. 71, 1936, 248; Η. Volkmann bei v. Premerstein 45 Anm. 2 und 74 Anm. 1 im Anschluß an W. Weber, Princeps I 235* Anm. 662. A. v. Premerstein 45 wollte den Eid beider συμμαχίαι als sacramentum der militärischen Aufgebote erklären (dagegen s. auch D. Timpe, Untersuchungen zur Kontinuität des frühen Prinzipats 38 Anm. 4).

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Daß freilich eine echte Institutionalisierung und auch Zentralisierung und Vereinheitlichung dieser Erscheinung unter Augustus noch keineswegs erreicht worden ist, zeigen die ersten uns sicher greifbaren Belege über Treueide, die noch in die Lebenszeit des ersten Prinzeps fallen. Sie lassen auf jeden Fall noch recht unterschiedliche Motive und Aspekte der Eidesleistung erkennen und führen im übrigen ausschließlich in den Osten und auf vornehmlich östliche Traditionen. An die Spitze unserer Dokumentation dürfte die Nachricht über die Eidesleistung aus Samos gehören, wenn die dafür vorgeschlagene Datierung auf 6/5 v. Chr. richtig ist (AM 75,1960,70—84 n. 1 — 3 ) D a ß es sich dort um einen Treueid für Augustus handelt, ist nach den erhaltenen Angaben und dem ganzen Tenor des Dekrets kaum zu bezweifeln, obwohl die Eidesformel selbst ja nicht erhalten ist. Die erkennbaren Details über die Ablegung des Eides durch die gesamte Bürgerschaft, mit der Vorsorge für die Erfassung der durch Bürgerrechtsverleihung hinzukommenden und der in der Ephebie jährlich nachwachsenden Neubürger (a.a.O. 82), zeigen deutlich die schon oben S. 38f. festgestellten Aspekte des Bürgereides der griechischen Polis. Nach der Formulierung des Dekrets stellt es sich ganz so dar, als ob der Beschluß zu dieser umfassenden Aktion allein der Eigeninitiative der Stadt entspränge, einer Stadt, die übrigens seit dem Jahre 20/19 das Privileg der „Freiheit" genoß 19 . Dabei scheint als Motivierung in erster Linie der Wunsch angeführt zu werden, dem Kaiser die gebührende Dankbarkeit für die von ihm den Samiern erwiesenen Wohltaten zu bekunden 20 , also ein Aspekt, der gerade die persönliche und individuelle Form des Verhältnisses zu dem Herrscher betont: das kam ähnlich etwa auch in dem Beschluß, in dem der Eid der Milesier für Ptolemaios II. angeordnet wurde, zum Ausdruck (oben S. 38), und ist auch noch beim Eid der Assier gelegentlich des Regierungsantritts des Caligula zu fassen (S. 106). Daneben aber erscheint ein anderes Motiv, wenn auch nicht direkt mit dem Eid verknüpft, so doch als vermutlicher Anlaß für den samischen Beschluß überhaupt: die Nachricht von der Übernahme des 12. Consulate durch Augustus 18

Der Text von Samos wird mit neuen Ergänzungsvorschlägen von G. Dunst, dem Bearbeiter des samischen Inschriftencorpus in den IG, vorgelegt werden. Wie Dunst mir freundlicherweise mitteilt, erwägt er die Möglichkeit einer Umdatierung des samischen Beschlusses auf das 13. Consulat des Augustus von 2 v. Chr., das unter dem Zeichen der deductio in forum des jüngeren L. Caesar stand. Damit würde der samische Eid auf den zweiten Platz der für die Zeit des Augustus belegten Eidesaktionen rücken, nämlich kurz hinter den paphlagonischen Eid von 3 v. Chr.; an der historisch-politischen Bedeutung der Eidesleistung würde sich dadurch m. E. nichts Wesentliches ändern. 19 Cass. Dio 54,9,7; vgl. AM 75, 1960, 88 Anm. 63. 20 1 A 12 των ύπό Καίσαρος δεδομέν[ων, 13 ά]μιψιν, 15 8τι καΐ δια το μέγεθος τώ[ν . . .

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Der Kaisereid als Institution

für das Jahr 5 v. Chr. und der mit diesem Consulat verbundenen Zeremonie der Einführung des C. Caesar in das politische Leben, seiner deductio in forum (a.a.0. 79f.), die Anlaß zur Einrichtung eines besonderen Feiertages (A 7—9) und zugleich einer samischen Glückwunschgesandtschaft nach Rom zu sein scheint (B 4—13). Das konnte auf die Vermutung führen, daß auch gerade der Eid der Samier der Bedeutung dieses Ereignisses für das Kaiserhaus Rechnung tragen sollte und somit schon den später im Osten deutlich erkennbaren dynastischen Aspekt enthielt, bei dem auch die Nachkommen des Kaisers in den Treueid mit einbezogen werden (a.a.O. 81). Freilich muß das nur Vermutung bleiben, da der Eid selbst ja nicht erhalten ist 21 . Aus den auf uns gekommenen Fragmenten ist leider auch nicht zu erkennen, ob die Samier etwa vorher schon einmal sich gegenüber Augustus verpflichtet hatten oder ob die Aktion von 6/5 v. Chr. für sie die erste dieser Art war. Ebensowenig ist bekannt, ob Augustus in dem Eid auch selbst schon als Schwurgottheit in Erscheinung trat, wie das die späteren Kaisereide bezeugen, und wie es uns jedenfalls für den Typ des Richter- und vielleicht auch Beamteneides durch andere Urkunden schon für die augusteische Zeit im Osten belegt ist (oben S. 47). Aber die Entwicklung, die den Kaisereid in unmittelbare Beziehung zum Kaiserkult rückt, zeichnet sich auch hier schon ab, wenn der Vorgang der Vereidigung, wie ein Fragment vermuten läßt, sich im lokalen Heiligtum der Dea Roma und des Augustus abgespielt hat (a.a.O. 82 n. 2). Die etwa zwei Jahre später, am 6. III. 3 v. Chr., in Gangra in Paphlagonien und danach in der ganzen Provinz einschließlich der Stadt Phazimon-Neapolis vorgenommene Eidesleistung zeigt gegenüber der samischen Aktion charakteristische Unterschiede: es ist nicht ein auf eine Polis beschränkter, sondern ein auf eine ganze Provinz bzw. Teilprovinz ausgeweiteter Vorgang, d. h. — soweit man sieht — eine in bestimmten Formen organisierte Maßnahme von umfassender, regionaler Bedeutung, bei der neben der einheimischen Bevölkerung auch die dort ansässigen Römer erfaßt wurden, was sich charakteristischerweise in einer Kombination griechischer und römischer Eideselemente niedergeschlagen zu haben scheint (oben S. 19). Nicht klar zu erkennen sind bei dieser Aktion der Anlaß und die dafür verantwortliche Instanz. Bezüglich des Anlasses 21 Immerhin treten solche dynastische Elemente in dem Dekret der Samier deutlich in Erscheinimg: die Segenswünsche bzw. Gebete der Gesandten beim Opfer auf dem Kapitol gelten auch den τέκνα des Kaisers (B Ii), der samische Augustus-Priester ist gleichzeitig Priester des C. Caesar und des M. Agrippa (B 20—22), und ein dazugehöriges kleines Fragment scheint neben dem Kaiser (und den Adoptivsöhnen?) auch den Enkel Agrippa Postumus zu nennen (p. 84 n. 3).

Entwicklung des Eides unter Augustus

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stehen sich die Auffassungen von einer sozusagen automatischen Verwaltungsmaßnahme im Zusammenhang mit der Eingliederung der Landschaft in die römische Provinz Galatia 22 und von einer in Verbindung mit dem 12. Consulat des Augustus dem Kaiserhaus dargebrachten Loyalitätskundgebung gegenüber 23 . Bei beiden Erklärungen ist es freilich mißlich, daß die als Anlaß in Anspruch genommenen Daten mehr als zwei Jahre vor dem Zeitpunkt der Durchführimg der Aktion in Paphlagonien liegen. Was den Initiator angeht, so denkt man meist an eine von den römischen Behörden veranlaßte Maßnahme 24 , ist andererseits aber auch geneigt, dem lokalen κοινόν Paphlagoniens, also der Vertretung der Provinzialen selbst, eine wichtige Rolle zuzuerkennen 25 . Jedenfalls wird eine römische Behörde in der Urkunde nicht genannt, und die Angabe der Lokalität, an der die Eidesleistung — vermutlich durch die Repräsentanten der Bevölkerung — in Gangra vollzogen wurde, ist in der Inschrift durch Beschädigung zerstört und kann so keinen Hinweis zu dieser Frage geben 26 . Es ist aber möglich, daß ein anderer, klar erkennbarer Aspekt des Vorgangs der Vereidigung viel deutlicher und direkter auf ein wesentliches Motiv hinweist: das ist die kultische Bedeutung dieser Aktion. Der Eid wurde in der Provinz und auch in Phazimon jeweils am Altar des Augustus in dem lokalen Sebasteion abgelegt — was also eine überraschend weit entwickelte Organisation des Kaiserkultes voraussetzt, knapp drei Jahre nach der Annexion dieses Gebietes 27 ! —, und überdies dürfte das Datum der Vereidigung in Gangra, der 6. März, nicht zufällig gewählt sein: wie schon F. Cumont bemerkt hat, ist das der Jahrestag der Wahl des Augustus zum Ponti22 F. Cumont, REG 14, 1901, 41: „Le serment des Paphlagoniens nous apprend que le meme engagement (wie beim Regierungsantritt eines Kaisers) ötait exige de la population d'un etat ötranger lors de sa reunion ä l'empire. . . . On doit done considörer cet acte comme une mesure ordinaire d'administration" (vgl. aber die Einschränkung Cumonts Studia Pontica III 78). Vgl. v. Premerstein 52; L. R. Taylor, The divinity of the Roman emperor 206. — Für die These, daß die auf Münzen belegte Ära von 6/5 v. Chr. auf das Datum der Eingliederung von Paphlagonien in die Provinz Galatia zurückzuführen ist, s. zuletzt D. Magie, Roman Rule in Asia Minor I I 1328 Anm. 47 (nach J. G. C. Anderson); vgl. AM 75, 1960, 81 Anm. 36. 23 Verbindung der Ära von Phazimon mit dem 12. Consulat des Augustus bei H . D e s s a u , ZNum. 25, 1906, 335ff.; Hinweis auf die Bedeutung dieses Consulats im Zusammenhang mit einem Eid für Augustus und seine Söhne bei F. Cumont, Studia Pontica III 78; vgl. AM 75, 1960, 81. 24 F. Cumont, REG 14, 1901, 42f.; L. R. Taylor a.a.O. 206. 25 F. Cumont, Studia Pontica III 81. 28 Vgl. F. Cumont, Studia Pontica III 80: έν [κ]ά[στροις, nach F. Bücheler, von Cumont übernommen („dans le 'palais' du gouverneur"); έν [π]α[νηγύρει Β. Haussoullier; έν [τ]ά[γορδά W. Dittenberger (Dessau; Ehrenberg-Jones; vgl. Pippidi, ÖJh. 44, 1959 Bbl. 235 Anm. 11); έν [Κ]α[ισαρήωι Η. GrcSgoire. 27 Vgl. F. Cumont, REG 14, 1901, 39.

7 Herrmann (Hypomnemata 20)

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Der Kaisereid als Institution

fex Maximus, der einen wichtigen Gedenktag im augusteischen Kalender darstellt 28 . Es ist also gut möglich, daß die Eidesleistung der Paphlagonier gar nicht so sehr eine von oben angeordnete „Verwaltungsmaßnahme" war, sondern eine bewußt auf diesen Tag gelegte Manifestation der Provinzbevölkerung, eine mit bestimmten Formen des Kaiserkultes (ζ. B. Gebeten oder vota) kombinierte Loyalitätskundgebung. Dabei kann die Eideszeremonie und die Eidesformel (wie etwa auch die ausführlichen άραί) sich an lokale Traditionen angelehnt haben, während im Hinblick auf die daran beteiligten Römer das Formular der lateinischen Eidestradition mit eingefügt wurde, und zwar charakteristischerweise die Klauseln des auf die Person des Kaisers konzentrierten salus-Eides, der uns im Rahmen eines vielleicht gar nicht so unähnlichen Loyalitätsaktes für den Dictator Caesar 45/44 zum ersten Mal begegnet war. Der Eid von Paphlagonien ist zugleich, wie oben schon erwähnt wurde, der erste Beleg für die Einfügung des Kaisers unter die Schwurgötter und für die Erstreckung der Verpflichtung auch auf seine Nachkommen (τέκνα εγγονοί τε). Für die augusteische Zeit ist hier noch ein anderer „Treueid" oder „Herrschereid" zu nennen, der ähnlich wie in Paphlagonien einen größeren Bevölkerungskreis wohl eines ganzen Territoriums umfaßt haben dürfte, der aber, wie hier eindeutig zu erkennen ist, von „oben" angeordnet wurde: es ist der eigenartige Treueid der Juden, von dem uns Iosephus berichtet. Danach hat Herodes zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt gegen das J a h r 6 v. Chr. sich vom gesamten jüdischen Volk eidlich versichern lassen (Ant. X V I I 42): ή μην εύνοήσειν29 Καίσαρι και τοις βασιλέως πράγμασιν. An einer anderen Stelle (Ant. XV 368) spricht Iosephus von der eidlichen Zusicherung der εύνοια nur Herodes gegenüber und gibt als Motiv des Königs an, sich der Zustimmung der Bevölkerung zu seiner Herrschaft zu versichern (έπί της άρχης όμολογεϊν), nachdem er vorher incognito ihre Einstellung zu erfahren versucht hatte 3 0 . Man hat also den Eindruck, daß hier die Treueverpflichtung gegenüber Augustus aufgrund der bestehenden politischen Abhängigkeit in einen von 28 F. Cumont a.a.O. 39f.; W. F. Snyder, Yale Class. Stud. 7, 1940, 233; A. Degrassi, Inscr. Italiae X I I I 2 p. 420. L. R. Taylor, Divinity . . . 191 f. kombiniert mit diesem Datum bzw. mit der Übernahme des Oberpontifikats durch Augustus auch den Compitalienkult und Eid beim Genius des Kaisers (s. dagegen aber F. Börner, Athen. 54, 1966, 77ff., besonders 106ff.). 28 v. Premerstein 55 weist darauf hin, daß εύνοήσαι überliefert ist. Die Analogie aller ähnlichen Eide legt aber das Futur nahe. 30 Die Überlieferung bei Iosephus ist etwas unklar: πεΐραν αυτών, ήν ϊχουσιν ύπέρ της άρχής, λαμβάνειν. Deutlicher bei Zonaras (V 17): άποπειρασθαι αυτών την διάνοιαν ήν περί της άρχης είχον und in der lateinischen Fassung: quid de principatu suo sentirent.

Der Kaisereid nach Augustus

99

Herodes im eigenen Interesse verlangten Eid mit hineingenommen wird (ähnlich wie die εύνοια gegenüber Seleukos in den Eiden von Smyrna und Magnesia: s. oben S. 30f.), aber nicht, daß es sich um den von Rom auch auf den Klientelstaat ausgeweiteten Gefolgschaftseid für Augustus handelt 31 , bei dem kaum denkbar wäre, daß Herodes „in die übliche Formel nur seine Person mit eingeschoben" hätte (W. Otto)! Es ist also wahrscheinlicher, daß dieser Eid der Juden eine genuine östliche Form eines Herrschereides bezeugt, als daß er ein extremes Beispiel für die perfekte Systematisierung des Treueides für Octavian-Augustus darstellt. b) Der Kaisereid

nach

Augustus

1. Der Eid beim Regierungsantritt Während aus den besprochenen Beispielen für die augusteische Zeit in der Nachfolge der Eidesleistung von 32 v. Chr. keine Anzeichen für eine Systematisierung und Institutionalisierung des Kaisereides zu gewinnen waren, sondern eher der Eindruck mehr individueller, aus östlichen Traditionen und Tendenzen motivierter Aktionen mit einer besonderen Betonung des kultischen und dynastischen Aspektes des Eides hervortrat, ändert sich dieses Bild schon unter dem ersten Nachfolger Tiberius. Es ist keine Frage, daß der erste Thronwechsel eine wichtige Etappe auf dem Wege zur Ausbildung der Institution des Kaisereides darstellt. Dabei spielt das Bestreben des Tiberius, sich an das Vorbild des Augustus anzuschließen (und dadurch den Ansatz für eine neue Tradition zu begründen), zugleich aber gewisse republikanische Formen und Aspekte beim Regierungsantritt zu bewahren, eine nicht unwesentliche Rolle. Man muß im Hinblick auf den „Treueid" beim Regierungsantritt des Tiberius 32 offensichtlich eine Unterscheidung treffen zwischen drei Kategorien des den Eid leistenden Personenkreises: nämlich a) den in Rom vertretenen Ständen, b) den Truppen und c) der Provinzialbevölkerung. a) Was sich in Rom ereignete, ist der von Tacitus (Ann. 1, 7) mit den bitteren Worten des ruere in servitium kommentierte Vorgang der — unter Wahrung eines republikanischen Scheines — bei den Consuln begonnenen, an die praefecti praetorio und annonae „weitergereichten" und schließlich vom Senat, dem Militär und dem Volk 31

So v. Premerstein 55, vgl. 52 Anm. 2; W. Otto, Herodes 64 und besonders

98 f. 32 Dazu besonders v. Premerstein 56ff.; D. Timpe, Untersuchungen zur Kontinuität des frühen Prinzipats 3 8 ff. 7*

100

Der Kaisereid als Institution

aufgenommenen Eidesleistung in verba Tiberii Caesaris 33 . Dabei ist bemerkenswert, daß nach dem Bericht des Tacitus diese Eidesleistung noch vor dem Beginn der Verhandlungen des Tiberius im Senat über die Übernahme der Regierung, ja überhaupt vor seinem Eintreffen in Rom vollzogen war, also den Aspekt eines fait accompli enthält, der gerade auch für die Aktion von 32 v. Chr. charakteristisch war. Gemeinsam ist beiden Vorgängen ebenso der Anschein der Spontaneität. Ihr grundsätzlicher Unterschied liegt in der Andersartigkeit der Situation: dort die Verpflichtung gegenüber einem Feldherrn vor dem Ausbruch eines Bürgerkrieges, hier die Loyalitätsbekundung für den schon prädestinierten und auch in seiner Stellung in Rom jedenfalls nicht gefährdeten Nachfolger des Alleinherrschers. E s ist bemerkenswert und wesentlich für die weitere Entwicklung, daß trotz dieser Unterschiede die Eidesleistung für Octavian offenbar die Kraft eines Präzedenzfalles besaß. Mit welcher Schwurformel der Eid auf Tiberius geleistet wurde, ist uns ebensowenig wie für das J a h r 32 v. Chr. bekannt; immerhin weisen die von Tacitus gebrauchten Ausdrücke iurare in verba und etwas später sacramentum in nomen Tiberii (Ann. 1, 8) wieder in die militärische Eidestradition. b) Deutlicher, weil ausdrücklich erwähnt, ist der Anschluß der Eidesleistung auf Tiberius an das augusteische Vorbild bei der Verpflichtung des Heeres. Cassius Dio berichtet von der Vereidigung der in Italien stehenden Truppen durch Tiberius mit den Worten (57,3,2): τους μεν γαρ έν τη 'Ιταλία δντας τοις δρκοις τοις ΰπο του Αυγούστου καταδειχ&εϊσι προκατέλαβεν34. Dieser Vorgang, den Dio als eine von Tiberius ausgehende Initiative schildert, wird in erster Linie auf die Prätorianerkohorten zu beziehen sein, von denen ein Teil wenigstens zur Zeit des Ablebens des Augustus in Nola gewesen zu sein scheint. Daß Tiberius sich dieser Truppe sogleich bemächtigte und mit ihr in Rom auftrat, berichten auch Tacitus und Sueton 3 5 . Weniger klar ist 33 Ann. 1,7: At Romae ruere in servitium consules patres eques . . . Sex. Pompeius et Sex. Appuleius consules primi in verba Tiberii Caesaris iuravere, apudque eos Seius Strabo et C. Turranius, ille praetoriarum cohortium praefectus, hic annonae; mox senatus milesque et populus. Nam Tiberius cuncta per consules incipiebat, tamquam vetere re publica et ambiguus imperandi. Zum letzten Satz s. D. Timpe a.a.O. 39; E. Koestermann, Tacitus, Annalen (Kommentar) I 87. 34 v. Premerstein 56 und H. Volkmann (ib. Anm. 4) verstehen darunter einen Eid der gesamten italischen Bevölkerung. Es ist aber aus dem Bericht Dios deutlich, daß es an dieser Stelle nur um die Truppen geht, nämlich um den Unterschied zu dem Verhalten des Tiberius gegenüber den Provinzialheeren in Pannonien und Germanien. 36 Tac. Ann. 1,7 (im Unterschied zu der Zurückhaltung gegenüber dem Senat) Sed defuncto Augusto signum praetoriis cohortibus ut imperator dederat: excubiae arma cetera aulae; miles in forum, miles in curiam comitabatur. Suet. Tib. 24 . . . statione militum, hoc est vi et specie dominationis, assumpta...

Der Kaisereid nach Augustus

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das Vorgehen des Tiberius gegenüber den Provinzialheeren: während Dio (57, 2, 1) zunächst übereinstimmend mit Tacitus (Ann. 1, 7) anführt, er habe sogleich von Nola aus schriftliche Anweisungen an die Heere gerichtet ώς αυτοκράτωρ, aber μή λέγων αυτοκράτωρ είναι (Tac.: tamquam adepto principatu), weist er kurz danach darauf hin, daß Tiberius im Gegensatz zu seinem Verhalten gegenüber den italischen Truppen sich bei den Heeren in Pannonien und Germanien im Hinblick auf die Abnahme des Eides zurückgehalten habe, weil er vor allem angesichts der Beliebtheit des Germanicus Bedenken hegte 36 . Ob diese Motivierung richtig ist oder nicht, tatsächlich hat sich die Eidesleistung dieser Heere auf den neuen Kaiser vor allem infolge der bei ihnen atisgebrochenen Unruhen verzögert. Ausdrücklich erfahren wir nur von der Vereidigung der obergermanischen Legionen durch Germanicus (Tac. Ann. 1, 37, 3). Im Unterschied zu der Spontaneität der Eidesleistung in Rom ist also bezüglich der Truppen deutlich zu erkennen, daß ihnen der Eid abgenommen bzw. abgefordert wurde 37 . Das sieht nach einer Maßnahme aus, die sich einfach aus der Tatsache des Wechsels des obersten Befehlshabers ergab und die als solche in der oben festgestellten Tradition der Erneuerung des sacramentum beim Kommandowechsel gestanden haben wird. c) Eidesleistungen der Provinzialbevölkerung anläßlich des Regierungsantritts des Tiberius sind uns durch zwei Nachrichten bezeugt. Wie Tacitus (Ann. 1, 34, 1) erzählt, hat Germanicus, als er, in Gallien mit der Abhaltung eines Census beschäftigt, die Nachricht von dem Tode des Augustus erhielt, sich selbst, sein Gefolge und sodann die Belgarum civitates eidlich auf Tiberius verpflichtet, also in einem Verfahren, in dem die traditionelle „Weitergabe" des Eides, wie wir 38 Dio 57,3,1. Dabei fügt Dio als Motivierung hinzu: δπως, όέν τι νεωτερίσαντες έπικρατήσωσιν, ώς καΐ ίδιωτεύων σωθη. Das enthält also die Vorstellung, daß Tiberius, solange er sieh der Vereidigung enthielt, Ιδιώτης, d. h. privatus, blieb und damit in einem „neutralen" Verhältnis zur Truppe stand, so daß sich — als Umkehrung des Treueverhältnisses — nach einer Usurpation des Germanicus auch nicht deren Zorn gegen ihn zu richten brauchte. — Auf die Besorgnisse des Tiberius gegenüber der Haltung des Germanicus und des ihm unterstehenden großen Heeres weist auch Tac. Ann. 1,7 hin, allerdings ohne den Zusammenhang mit einer Hinauszögerung der Eidesleistung (vgl. dazu und zu der Frage, wann Tiberius von den Aufständen der Provinzialheere erfahren haben kann, F. Klingner, SB München 1953, 7 S. 31ff.; H.Schmitt, Hist. 7, 1958, 378ff.). 37 Vgl. Mommsen, StR. II 793 Anm. 3: „Daß die Soldaten schwören mußten, die nicht in Dienst Stehenden freiwillig schwören, sagen deutlich sowohl Tacitus wie Plinius" (epist. X 52). S. dazu auch 0 . Th. Schulz, Vom Prinzipat zum Dominat 263 Anm. 652.

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sie vom sacramentum kennen, anklingt38. Das ist ein klares Beispiel für die „Ausweitung" des Eides auf die Provinzialbevölkerung, wobei die Initiative beim Statthalter liegt. Auch hier kann man sich gut vorstellen, daß die Vereidigung der Provinzen im Jahre 32 v. Chr. als Vorbild wirkte, wobei schon oben gezeigt werden konnte, daß wir auch dafür schon einen Präzedenzfall aus der Zeit der Bürgerkriege kennen. Neben diese Nachricht tritt nun der in Zypern gefundene inschriftlich erhaltene Treueid für Tiberius aus Alt-Paphos. Da der Text direkt mit der Eidesformel selbst einsetzt, eine „Einleitung" in Form eines Dekretes möglicherweise auf einer vorhergehenden Tafel verloren gegangen ist39, vermögen wir nicht zu sagen, wer als Initiator der Aktion genannt war und womit sie eventuell motiviert wurde40. Daß sie aber jedenfalls dem Regierungsantritt des Tiberius galt, ist so gut wie sicher41, desgleichen, daß es sich um einen für die ganze Insel verbindlichen Eid handelt42. Charakteristisch für den Eid von Zypern ist die schon oben S. 18 festgestellte Tatsache, daß er eine Anzahl von Details enthält, die in keinem der Paralleldokumente wiederkehren. Außer der neben die traditionelle Zusicherung des εύνοήσειν gestellten Verpflichtung zum Gehorsam (ύπακούσεσθ-αι, πειθαρχήσειν κατά τε γην και κατά θάλατταν) 38 Nach der jetzt weitgehend übernommenen Überlieferung der Handschriften: seque et proximos et Belgarum civitates (vgl. E. Koestermann, Kommentar p. 151). v. Premerstein 57 schrieb im Anschluß an die Konjektur Nipperdeys Sequanos proximos et Belgarum civitates. 39 So St. Weinstock, AM 77, 1962, 309, mit Hinweis auf die Parallele von Assos. Freilich ist auf dem Stein oben etwa eine Zeilenhöhe freigelassen, so daß die Annahme unmittelbarer Fortsetzimg des Textes von einem darüber liegenden Block (auf dem nach Weinstock schon der Anfang des Eides mit dem Verb όμνύομεν und den hier fehlenden allgemein üblichen Schwurgöttern Zeus, Ge, Helios gestanden haben soll) Bedenken erregt. Vielleicht kann man auch mit einer unten an den Eidestext angefügten subscriptio rechnen, aus der nähere Einzelheiten über das Dokument bzw. die Aktion hervorgingen. 40 Weinstock a.a.O. 322 denkt an Veranlassung des Eides durch den Statthalter, der seinerseits eine entsprechende schriftliche Anweisung von Tiberius erhalten hätte. Τ. B. Mitford, J R S 50, 1960, 78 hatte nach dem Beispiel des Eides von Paphlagonien Eidesleistung durch Repräsentanten des kyprischen κοινόν an dem Provinzaltar angenommen, ohne dafür die Initiative des Statthalters zu nennen. 41 Mitford a.a.O. 79 aufgrund der Beobachtung, daß in der Inschrift an zwei Stellen der Raum für den Imperator-Titel ausgespart ist, was Kenntnis der Vorgänge in Rom mit der anfällglichen Ablehnung des Titels durch Tiberius vermuten lasse (danach Datierung bei Weinstock a.a.O. 323 auf die Zeit unmittelbar nach dem 17. I X . 14). 42 Dafür spricht der Katalog der Schwurgötter, der zunächst offenbar aus regionalen Rücksichten gewählte Lokalgottheiten nennt und ihnen anschließend die κοινή της νήσου ΒουλαΙα Εστία gegenüberstellt (Mitford 77; Weinstock 309).

Der Kaisereid nach Augustus

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betreffen diese Erweiterungen im besonderen kultische und dynastische Einzelheiten: die Bezeichnung des Augustus als έκγονος της 'Αφροδίτης und zugleich die Nennung der 'Αέναος 'Ρώμη als Schwurgottheit neben ihm 43 , die Verpflichtung zum σεβάσεσθ-αι, vor allem aber die leider verstümmelte Schlußklausel über die Einschränkung bestimmter Anträge und Beschlüsse offenbar kultischen Inhalts auf Roma, Tiberius und „Söhne seines Blutes": μετά τε των άλλων θ-εών μόνοι ς 'Ρώμη καΐ Τιβερίω Καίσαρ ι. Σεβαστού υΐω Σεβαστώ ύοΐς τε του αίματος αύτοϋ καΐ ούδενΐ άλλω των πάντων είσηγήσεσθ-αι ψηφίσ[ε]σ[θαι44 ]. Es ist eine für die Entwicklung des Kaisereides bedeutsame Frage, ob diese Besonderheiten im Eid von Zypern lokalen Ursprungs sind, wobei sie dann — wie Mitford annahm — auf ältere hellenistische Vorbilder zurückführen oder aber auch Erweiterungen aus der Zeit des Tiberius selbst sein könnten, oder ob sie auf Anregung römischer Instanzen eingefügt wurden und als solche dann bestimmte zeit- und situationsbedingte Intentionen verdeutlichen, zu deren Anerkennung oder Durchsetzung man sich des Instruments des Kaisereides bediente. Dieses letzte hat St. Weinstock insbesondere aus der oben zitierten Schlußklausel herausgelesen, indem er sie als „Verpflichtung" zu kultischer Verehrung der Roma, des Tiberius sowie der Prinzen Germanicus und Drusus erklärte und darin dann eine sehr bewußte, noch auf Augustus zurückgehende und in dieser Form speziell für den Osten bestimmte Maßnahme „zur Sicherung der Dynastie" „mit religiösen Mitteln" sah. Gegen eine Deutung mit solchen Konsequenzen sind aber starke Bedenken geltend zu machen. Immerhin war oben schon festzustellen, daß gerade die Betonung kultischer und dynastischer Aspekte im Kaisereid auf östliche Traditionen und auch Intentionen zurückweist: solche konnten auch in Zypern durchaus gegeben sein und bedurften dann keiner besonderen „Anregung" durch die römischen Machthaber. Durch die Verstümmelung gerade der letzten, für Weinstock entscheidenden Klausel ist überdies keineswegs gesichert, daß ihre Bedeutung darin liegt, daß sie „einen Kult des regierenden Kaisers und seiner Erben vorschreibt" bzw. „verlangt". Damit ist zugleich zu fragen, ob das wirklich eine „hochpolitische Klausel" sein muß, die „nur aus Rom inspiriert sein kann", und ob für die Sicherung der Dynastie gerade diese kultischen Maßnahmen, zumal bei einer Beschränkung nur auf den Osten, tatsächlich so ins Gewicht fielen — ganz abgesehen davon, daß (wie Weinstock selbst einräumt) die Verwirklichung dieser Absicht gerade durch den Widerstand des Tiberius 13

Dazu Weinstock a.a.O. 310—15. Das Futur nach Weinstock a.a.O. 317 Anm. 56. Als Objekt der beiden Verben hatte Mitford ίερά ergänzt. M

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Der Kaisereid als Institution

selbst scheiterte46. Es erscheint als sehr viel glaubhafter, daß die genannten Erweiterungen im Eid von Palaipaphos lokale Besonderheiten sind und dann auch auf lokale Traditionen oder Initiativen zurückgehen. Die Schlußklausel dürfte dabei nicht so sehr die Bedeutung einer Verpflichtung zum Herrscherkult haben, als vielmehr die einer künftigen Beschränkung kultischer Ehren auf den Kaiser und seine Nachkommen48, wodurch ζ. B. die vorher im Osten nicht ungewöhnlichen Fälle der Divinisierung von Statthaltern 47 , aber auch aller anderen εύεργέτοα, ausgeschlossen werden sollten. Auch die Verpflichtung zum Gehorsam kann auf dieser Linie der Verdeutlichung des Eides im Sinne einer Loyalitäts- und Ergebenheitserklärung 45 In der Realität kaum vorstellbar ist die dabei von Weinstock geäußerte Vermutung, daß diese auf Augustus zurückgehende dynastische Klausel in einem Geheimdokument vorgelegen habe, ja möglicherweise schon im voraus als geheime Weisung den Statthaltern zugegangen sei, und daß also dann Tiberius bei der Aufforderung zur Eidesleistung eine Aktion in Gang setzte, die in wesentlichen Details gar nicht seinen Intentionen entsprach. 46 In dem merkwürdigen Ausdruck υίοΐ τοϋ αίματος αύτοϋ hat Weinstock a.a.O. 320 und besonders 325f. einen bewußt formulierten Hinweis auf die „Legitimität des Claudierblutes" gesehen, der auch gegen den Iulier Agrippa Postumus gerichtet sein konnte. Das war ihm dann zugleich ein wichtiges Argument dafür, daß diese Eidesklausel auf Augustus zurückging und die letzte Etappe seiner dynastischen Pläne verdeutliche. Man fragt sich aber von der griechischen Formulierung her, ob das so verstanden werden konnte, und damit auch, ob es so gemeint war. Die Wendung läßt doch eher an eine Betonung der leiblichen Sohnesschaft im Gegensatz zur fiktiven, d. h. der Adoption, denken (man vgl. etwa P. Lips. 28,15 in einem Adoptionsvertrag: Übergabe des Kindes πρός τί> είναί σου υίόν γνήσιον καΐ πρωτότοκον ώς έξ Ιδίου αίματος γεννηθέντα σοι). Dann wäre von den „Söhnen" des Tiberius hier aber gerade Germanicus ausgeschlossen. Daß darin eine bewußte Absicht der Kyprier zum Ausdruck kommen sollte, kann man sich indes kaum denken, da das doch einem Affront gegenüber der offiziellen Auffassimg gleichgekommen wäre (für gemeinsame Ehren der beiden Prinzen vgl. Weinstock a.a.O. 320f., der übrigens 324 auch mit Recht fragt: „Wo bleibt Livia?" — etwa im Hinblick auf das Dokument von Gytheion, Ehrenberg-Jones2 102). Sollte hier vielleicht eine traditionelle Formel, etwa aus der Ptolemäerzeit, weiterwirken, durch die Nebenlinien der Dynastie vom Kult ausgeschlossen werden sollten? Dann brauchte auch der Plural nicht konkret auf die momentane Situation bezogen zu sein, sondern generell und unbestimmt „the sons who might still be born to him" (Mitford a.a.O. 79) meinen (man beachte auch das Fehlen des Artikels). Auf jeden Fall wird man nicht bestreiten können, daß diese Schlußklausel des Eides gegenüber dem Treueversprechen für Tiberius σύν τω άπαντι αύτοϋ οίκω eine Einschränkung enthält (vgl. Mitford 79), wenn auch die Verstümmelung des Textes uns daran hindert, genau zu erkennen, wie sie gemeint ist und worauf sie sich bezieht. 47 Zur kultischen Verehrung römischer Statthalter im Osten zuletzt L. Cerfaux-J. Tondriau, Le culte des souverains . . . (1957) 279ff.; G. W. Bowersock, Augustus and the Greek World (1965) 119 und 150 (Appendix I). Solche Kulte sind noch unter Augustus belegt, der allerdings 11 n. Chr. nach Cass. Dio 56, 25,6 die Möglichkeit der Ehrungen von Statthaltern eingeschränkt hat.

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liegen und braucht nicht unbedingt konkret in militärischem Sinne verstanden zu werden48. So gesehen stellt also auch der neue Eid von Zypern ein charakteristisches Beispiel der östlichen Ausprägung des Kaisereides dar und bestätigt den aus den anderen Dokumenten gewonnenen Eindruck einer eigenständigen Tradition und eigenständiger Tendenzen. Auch für den Regierungswechsel des Jahres 37 besitzen wir noch eine Anzahl von Belegen, aus denen zu erkennen ist, wie der Kaisereid schon mit einer gewissen Automatik auf die Nachricht von diesem Ereignis hin geleistet bzw. eingefordert wurde. Diese Belege betreffen interessanterweise alle den Eid der Provinzialen, während wir vom Eid des Senats und der Bevölkerung in Rom sowie der Eidesleistung der Heere bei dieser Gelegenheit in den Quellen keine direkten Hinweise haben49. An erster Stelle sind hier die beiden inschriftlichen Aufzeichnungen der Eide aus Aritium in Lusitanien und aus Assos in der Troas zu nennen. In ihnen tritt uns, wie oben gezeigt werden konnte, in klarer Ausprägung das Nebeneinander des westlichen und des östlichen Eidformulars entgegen. Über die Sprachformeln und Eidklauseln hinaus lassen sie aber auch in den Begleitumständen noch die Verschiedenheit der Eidestraditionen erkennen: während es in Aritium durch die Nennung des kaiserlichen Legaten an der Spitze des Dokuments wahrscheinlich gemacht wird, daß die am 11. Mai 37 vollzogene Eidesleistung auf unmittelbare Veranlassung durch den Statthalter erfolgt ist60, gibt sich das Dokument aus 48

Mitford a.a.O. 79 wies auf die 'artificiality' dieses Versprechens durch das „unmilitärische" Zypern hin und vermutete, daß es sich im übrigen um ein Relikt des Treueides der Ptolemäerzeit handle. Weinstock a.a.O. 315f. sah in ihm eine Bestätigung der Herkunft des Kaisereides aus dem sacramentum und erklärte das Fehlen dieser Klausel in den anderen Eiden „mit einer gewissen Scheu, von Gehorsam zu reden"! — Es ist nicht ausgeschlossen, daß eine solche Verpflichtung aus dem Bereich von Symmachie-Verhältnissen mit hegemonialem Charakter herstammt: man vgl. die oben S. 21 Anm. 2 zitierten Klauseln aus den Verträgen von 404 und 379. 49 In der Literatur wird meistens vorausgesetzt, daß bei Gaius die Ablegung des Eides mit der Akklamation als Imperator Hand in Hand ging: zuerst am 16. III. 37 von Seiten der Garde und der Flotte in Misenum, sodann am 18. I I I . in Rom anläßlich der Imperator-Appellation durch den Senat (Arvalakten p. X L I I I Henzen): s. J . P. V. D. Baisdon, The Emperor Gaius 25; D. Timpe, Untersuchungen zur Kontinuität des frühen Prinzipats 64ff. Diese Verbindung mit der imperatorischen Akklamation, von der wir bei Gaius zum ersten Male hören (M. Geizer, R E X 1,385; Timpe a.a.O. 68f.), kehrt wieder deutlich den militärischen Charakter des Eides hervor und zeigt erneut seine Rolle als ein fait accompli vor dem Eintreffen des Gaius in Rom am 28. I I I . und den dann im Senat geführten Verhandlungen über die Übernahme der Herrschaft. 60 So E. Hübner, CIL I I p. 23. Α. N. Sherwin-White, The Letters of Pliny (1966) 634 schließt demgegenüber aus der Tatsache, daß am Ende des Doku-

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Assos ganz den Anschein einer von dieser Stadt in eigener Regie vollzogenen Aktion, wobei das vorausgestellte Psephisma mit dem Beschluß der Absendung einer Glückwunschgesandtschaft an den Kaiser, die ihn an frühere Beziehungen zu Assos erinnern soll51, dem Vorgang geradezu den Anstrich einer besonderen, individuellen Bindung dieser einen Stadt an den Kaiser verleiht und darin dem Beschluß der Samier für Augustus von 6/5 v. Chr. ähnelt. In Jerusalem andererseits, wo wir schon in der oben besprochenen Aktion des Herodes einen „von oben" veranlaßten Treueid kennengelernt haben, hat auch im Jahre 37 der gerade dort weilende syrische Legat Vitellius — vermutlich im Anschluß an die Vereidigung seiner Truppen — der städtischen Bevölkerung den Eid auf den neuen Kaiser abgenommen62. Zusammenwirken lokaler Institutionen und der römischen Behörden schließlich zeigt eine inschriftliche Nachricht aus Böotien, wonach anläßlich des Regierungsantritts des Caligula ein Vertreter der Stadt Akraiphiai den Eid vor dem συνέδριον des mittelgriechischen κοινόν, und zwar in Gegenwart des Statthalters, ablegte63. Diese zufällig auf uns gekommenen Belege über Eidesleistungen im Jahre 37 lassen also trotz der Automatik der Aktion selbst noch allerlei Varianten in ihrer Durchführung erkennen. Daß der Eid auf den neuen Herrscher noch als etwas Besonderes empfunden und nicht ments zwei magistri genannt werden, daß die lokalen Behörden die Ablegung des Eides veranlaßt h ä t t e n . Mommsen (Ges. Sehr. V I I I 464) h a t t e freiwillige Eidesleistung angenommen (vgl. auch R . Etienne, Le culte imperial dans la pöninsule ibörique 436). D. Timpe a . a . O . 65f. hält es f ü r möglich, daß die Vereidigung schon durch die nuntii apud legatos et exercitus, die Macro kurz vor dem Tode des Tiberius h a t t e hinausgehen lassen (Tac. Ann. 6,50), in Gang gesetzt wurde. Dabei entnimmt er der Tatsache, daß der Statthalter Ummidius Quadratus als Legat des Imperators C. Caesar bezeichnet wird, daß er vorher schon an der Spitze seines Heeres den (militärischen) Treueid auf den neuen Kaiser geleistet h ä t t e . 51 Die Bitte der Assier u m besondere Fürsorge des Kaisers f ü r die S t a d t wird motiviert mit einem „Versprechen" des Gaius gelegentlich seines ersten Besuches in der Provinz in Begleitung seines Vaters Germanicus (Z. 14) — also zu einer Zeit, als Gaius noch nicht älter als 6 J a h r e war! Dazu Dittenberger: „Vides rerum veritatem foeda adulatione d e t o r t a m . " 62 Ioseph. A n t . X V I I I 124 . . . γραμμάτων αύτω παραγενομένων, ä έδήλου την Τιβερίου τελευτήν (sind das die Briefe Macros Tac. Ann. 6,50?), ώρκισεν τήν πληθύν έπ' εύνοια τη Γαίου. Man vgl. die Ausweitung des Eides über das militärische Gefolge hinaus auf die Provinzialen durch Germanicus 14 n. Chr. (oben S. 101) u n d die S. U l f . zusammengestellten Beispiele aus dem J a h r e 69. 68 Brief des Strategen der Achaier, Boioter, Lokrer, Euboier u n d Phoker (zu diesem κοινόν vgl. J . Deininger, Die Provinziallandtage der röm. Kaiserzeit 89f.) a n die Behörden von Akraiphiai in der Dokumentation über die Verdienste des Epaminondas (IG V I I 2711,3): [ Ό πεμφθείς ΰ]φ* ύμών πρεσβευτής Έπαμινώνδας έ[π]α[ινετώ]ς καΐ σπουδαίως άπέδωκέν μοι τήν παρ' ύμών έπιστολή[ν περί της] εις Καίσαρα Γερμανικών Σεβαστών εύσεβείας τόν τε δρ[κον ώμοσε]ν ύπέρ της πόλεως ύμών, παρόντος καΐ τοΰ ήγεμόνος, [έναντίον] τοϋ συνεδρίου.

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als reiner Routinevorgang angesehen wurde, zeigt ja vor allem auch die Tatsache der inschriftlichen Aufzeichnung selbst54. Falls nicht das Fragment aus Sestinum noch jüngeren Datums ist, sind die beiden Dokumente aus Aritium und Assos freilich die letzten Belege für eine solche Verewigung dieser Vorgänge. Aus späterer Zeit bezeugen nur noch gelegentliche Erwähnungen in den literarischen Quellen, daß dem Kaisereid nach wie vor eine traditionelle Rolle bei jedem Regierungswechsel zukam. 2. Die jährliche Erneuerung des Kaisereides Ein anderer wichtiger Aspekt der Institutionalisierung des Kaisereides ist die Einführung der jährlichen Wiederholung dieser Zeremonie, die es jetzt kurz zu betrachten gilt55. Nach dem Bericht des Tacitus (Ann. 1, 8) wurde dieses Thema gleich am Beginn der Regierungszeit des Tiberius zur Sprache gebracht, in Form des in der ersten Senatssitzung, die den honores für Augustus galt, etwas unmotiviert eingeschobenen Antrags58 des Valerius Messalla „renovandum per annos sacramentum in nomen Tiberii". Wie es scheint, ist man über diesen Antrag nach einer kritischen Zwischenfrage des Tiberius, die Messalla zu der Klarstellung veranlaßte, daß er ihn aus eigener Initiative, nicht etwa im Auftrag des Tiberius gestellt habe, ohne Diskussion hinweggegangen. Aus der kurzen Notiz wird nicht klar, auf welchen Personenkreis diese jährliche Wiederholung des Eides sich erstrecken und an welchem Datum sie erfolgen sollte. Es ist aber zu vermuten, daß die Eidesleistung eben der Senatoren gemeint war und daß sie sich an den Eid auf die acta des Augustus an jedem Neujahrstage anschließen sollte, wie es sich in der Folgezeit dann jedenfalls trotz des anfänglichen Widerstands des Tiberius ergeben hat. Die Formen und Stufen dieser Entwicklung sind freilich nicht ganz zuverlässig feststellbar, da wir für sie nur auf gelegentliche Bemerkungen des Cassius Dio angewiesen sind, der — wohl aus der Sicht der späteren Zeit — in seinen Angaben über den Eid die einzelnen Kategorien nicht klar unterscheidet (s. oben S. 74). Der Eid auf die acta des Kaisers, der sich offensichtlich als Erweiterung des republikanischen magistratischen Eides in 54

S. dazu Th. Mommsen, Ges. Sehr. VIII465 mit der Feststellung, die beiden Eide für Caligula seien „ad legis formam" aufgezeichnet und öffentlich ausgestellt worden. Freilich haben die anderen seitdem gefundenen Eide gezeigt, daß diese Form der Aufzeichnung nicht eine Besonderheit der Zeit des Caligula ist, wie Mommsen angenommen hatte. 65 Dazu v. Premerstein 60 f. " Dazu E. Hohl, Herrn. 68, 1933, 108 Anm. 1; D. Timpe, Untersuchungen zur Kontinuität des frühen Prinzipats 46; E. Koestermann, Tacitus, Annalen (Kommentar) I 93.

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leges entwickelt hat (S. 73 Anm. 67), war uns oben schon unter den Ehrenbeschlüssen für den Diktator Caesar von 45/44 in Nachbarschaft eben zu dem Treueid bzw. salus-Eid zum ersten Mal begegnet. Er wurde, auf die acta Caesars bezogen, von den Triumvirn aufgegriffen (Dio 47, 18, 3 zum 1.1. 42) und dann auch auf Augustus erweitert, unter dem er schon einen festen Platz in den Zeremonien des Neujahrstages gehabt und auch den Senat erfaßt zu haben scheint 67 . Das Ansinnen des Senats, diesen Eid auch auf die acta des Tiberius zu erstrecken, hat der Kaiser abgelehnt (Tac. Ann. 1, 72, 1; Suet. Tib. 26, 2) bzw., wie Cassius Dio (57, 8, 4) genauer sagt, zunächst (τά γε πρώτα) abgelehnt. Daß dieser Eid später tatsächlich eingeführt worden sein muß, geht deutlich aus der späteren Nachricht desselben Autors hervor, wonach Caligula die acta Tiberii für immer aus dem Eid eliminiert hat (59, 9, 1 z. J . 38). Aber wann und in welcher Form kam der Eid auf die acta des Tiberius auf? Hier ist eine Einzelheit wichtig, die Dio als γελοιότατον πραγμα zum Jahresbeginn 32 n.Chr. mitteilt (58,17,2—3): er berichtet, daß der Senat in diesem Jahre von dem herkömmlichen Verfahren der stellvertretenden Eidesleistung durch einzelne Senatoren, denen sich die übrigen als Gruppe anschlossen58, aus freien Stücken und ohne jeden Zwang abgegangen sei und den Eid Mann für Mann geleistet habe — ώσπερ τι παρά τοϋτο μάλλον εύορκήσοντες, wie er ironisch hinzufügt. Dabei habe Tiberius vorher lange Zeit überhaupt einen „auf seine Herrschaft bezüglichen Eid" abgelehnt 59 . Die Nachricht über den Übergang von der ersten zur zweiten der hier geschilderten drei Stufen der Entwicklung, d. h. über die Einführung der Eidesleistung mit dem geschilderten vereinfachten Verfahren, auf die Dio an unserer Stelle zurückverweist (ώσπερ εϊρηταί μοι), muß in einer größeren Textlücke des Codex Marcianus, die sich über die Jahre 57

Dio 51,20,1 (zum 1.1. 29); 53,28,1 (zum 1.1. 24, vom Senat). Die Nachricht Dio 54,10,6 (zum Jahre 19) dürfte sich auf den Versuch der Ausweitung des Eides auch auf die künftigen acta, τά πραχθησόμενα, beziehen, die von Augustus abgelehnt wurde, aber später üblich geworden zu sein scheint (vgl. Dio 57,8,4; dazu Mommsen, StR. I 622 Anm. 1; I I 910). — Daß neben den acta Augusti auch weiterhin die acta Caesaris Gegenstand dieses Eides blieben, läßt Tac. Ann. 16,22,3 vermuten (in acta divi Augusti et divi Iuli; vgl. Mommsen, StR. II 909 Anm. 5). 58 Das hier mit den Worten ένός . . . προομνύντος καΐ τούς λοιπούς συνεπαινεΐν angedeutete Verfahren wird von Dio bei späterer Gelegenheit, nämlich anläßlich seiner Wiedereinführung durch Claudius, etwas genauer beschrieben (60,25,1): είς τις των στρατηγούντων . . . καΐ έτερος των δημαρχούντων, άπό τε των άλλων ως έκάστων είς έξηρξε των δρκων τοις όμοίοις. 69 πρότερον μέν γαρ καΐ έπΐ πολλά έτη ούδ' όμνύντα τινά τά προς τήν άρχήν αύτοϋ φέροντα, ώσπερ εΐπον, ήνέσχετο. Den Rückverweis ώσπερ είπον bezieht Boissevain auf 57,8,4, wo Dio von der anfänglichen Ablehnung des Eides auf seine acta durch Tiberius berichtet hat.

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18—31 erstreckt, verlorengegangen sein60. Es liegt nahe, daß es sich dabei um den Eid auf die acta des Tiberius handelt, der ja, wie wir gesehen haben, am Ende der Regierungszeit des Kaisers jedenfalls üblich war. Aber verschiedene Einzelheiten lassen vermuten, daß es nicht dieser acta-Eid allein war. Schon die Formulierung Dios von dem Schwur auf τά προς τήν άρχήν αύτοϋ φέροντα läßt an mehr denken: an anderer Stelle bezieht sich Dio mit fast genau den gleichen Worten auf den Kaisereid 61 . Im übrigen ist nicht zu übersehen, daß diesem Beschluß von 32 über die Modifizierung der Eidesleistung im Senat die Rolle eines nachdrücklichen Loyalitätsaktes dem Kaiser gegenüber zukommt, noch als einer Nachwirkung der im Vorjahr erfolgten Beseitigung des Seian. Dabei ist interessant, daß Dio gleich im Anschluß daran von einem anderen γελοιότερον berichtet, nämlich dem Vorschlag des Senats, aus seinen Mitgliedern eine Leibwache für Tiberius zur Verfügung zu stellen, was von diesem zurückgewiesen wurde 62 . Wir kennen einen entsprechenden Antrag schon aus dem Bündel der Ehrenbeschlüsse für Caesar von 45/44, und dort stand er in unmittelbarer Verbindung mit der Ablegung des Treueides bzw. salus-Eides auf ihn. Alle diese Beobachtungen machen es wahrscheinlich, daß es bei diesem Loyalitätsakt von 32, der in dieser Form auch unter Caligula beibehalten wurde (Dio 59, 13, 1), bis Claudius zu dem alten Verfahren zurückkehrte (Dio 60, 25, 1), nicht nur um einen Eid auf die acta des Kaisers ging, sondern daß damit in irgendeiner Form der Treueid für den Kaiser, der auch die Elemente des alten salus-Eides enthalten haben wird, kombiniert war 63 . Damit ergibt sich also, daß die jährliche Wiederholung des Kaisereides im Senat in Verbindung mit dem Eid auf die acta des Herrschers schon unter Tiberius aufkam und nicht erst, wie vermutet worden ist, von Caligula eingeführt wurde 64 . Wenn eine kurze Notiz des Xiphilinos aus Cassius Dio so richtig interpretiert ist, wäre uns dieser Vorgang der Wieder60

Vgl. Boissevain im Apparat zu der Stelle. 59,3,4 τούς δρκους τούς ές τήν άρχήν αύτοϋ (Caligula) φέροντας: vgl. dazu oben S. 75 Anm. 72. 62 Dio 58,17,3 und 18,1. Dasselbe wird von Tac. Ann. 6,2 als Vorschlag des Togonius Gallus berichtet, wobei als Aufgabe der Leibwächter angeführt wird, daß sie quotiens curiam inisset, salutem eius defenderent (ähnlich Dio: außerhalb der Curie könnten die Soldaten ihn schützen, in ihr aber nur die Senatoren selbst). 63 Als Treueid für den Kaiser wird der Eid auch erklärt bei E. Kornemann, Tiberius 197; E.Koestermann, Tac. Ann. (Kommentar) II 240; F. Börner, Athen. 54, 1966, 114 Anm. 89. •4 v. Premerstein 60; D. Timpe, Untersuchungen zur Kontinuität des frühen Prinzipats 66. In der dafür zitierten Dio-Stelle (59,3,4) wird nicht die jährliche Erneuerung des Eides als Neueinführung des Caligula bezeichnet, sondern die Aufnahme seiner Schwestern in die Formeln der vota und der Eide. el

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holung des Kaisereides auch schon für die letzten Jahre vor 32 belegt, wo nämlich die Person des Seian mit in den Eid aufgenommen worden war 66 . Auch die Kombination dieser Eidesleistung mit den ebenfalls aus der Umformung einer republikanischen Tradition entwickelten vota pro salute principis (s. S. 72f. Anm. 65 und 66) scheint sich schon unter Tiberius ausgebildet zu habenββ. Damit war eine Dreiheit der jährlich zu wiederholenden Huldigungsakte für den Herrscher geschaffen und zur Institution geworden, die in ihren Ansätzen, wie wir gesehen haben, bis in die letzte Lebenszeit des Dictators Caesar zurückreicht (S. 72ff.), aber unter Augustus noch keine Fortsetzung gefunden hatte. Aus den besprochenen Nachrichten vor allem des Cassius Dio ist mit einiger Deutlichkeit zu erkennen, daß diese jährliche Wiederholung des Eides jedenfalls den Senat betraf. Ob sie darüber hinaus schon in dieser Zeit auch auf die Bevölkerung Roms oder sogar die Reichsbevölkerung einerseits, auf das Militär andererseits ausgeweitet wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Die früheste Nachricht, die die Tradition einer jährlichen Vereidigung der Truppen auf den Kaiser erkennen läßt, haben wir für das Jahr 69 67 , und von der Beteiligung auch der Provinzialbevölkerung an der jährlichen Zeremonie hören wir überhaupt erst zum Jahre 100 für Trajan 68 , unter dem dann später (auch?) eine entsprechende Aktion am jeweiligen dies imperii bezeugt ist 69 . 65 Dio 58,2,7 καΐ εδχοντο υπέρ άμφοΐν όμοίως καΐ £9-υον, την τε τύχην αυτών ώμνυσαν, dazu oben S. 75 Anm. 72 die Vermutung, daß mit dem Eid auf die τύχη der Kaisereid gemeint ist. Gleich nach der Beseitigung des Seian beschloß der Senat (Dio 58,12,6) άπαγορεϋσαι παραχρήμα διαρρήδην μήτε τιμάς μηδενΐ ΰπερόγκους δίδοσθ-αι μήτε τούς δρκους έπ' άλλου τινός πλην τοϋ αΰτοκράτορος ποιεΐσθαι. ·· Man vgl. die Kombination von vota und Eid in der Nachricht über Seian Anm. 65. Auch der Bericht Dios über die Zeremonien am Neujahrstag 38 (59,9,1) zeigt die Verbindung von Eid in acta, Kaisereid und vota (s. D. Timpe, Untersuchungen . . . 66) als eine offenbar schon traditionelle Einrichtung, und noch unter den gegen Paetus Thrasea 66 vorgebrachten Anschuldigungen erscheinen das sollemne ius iurandum des Jahresanfangs und die nuncupationes votorum direkt nebeneinander (Tac. Ann. 16,22). " Tac. Hist. 1,55,1 Inferioris . . . Germaniae legiones sollemni kalendarum Ianuarium sacramento pro Galba adactae . . . Diese Zeremonie löst den Abfall der Legionen von Galba aus. *8 Plin. Paneg. 68. Es ist umstritten, ob damit eine Zeremonie vom 1. oder 3. Januar gemeint ist, oder ob es sich gar schon um den dies imperii Trajans, den 28.1., handelt, der als Termin der Eidleistung etwa 10 Jahre später bezeugt ist (s. Anm. 69): J. Beaujeu, Lustrum 6, 1961, 291; Α. N. Sherwin- White, The Letters of Pliny (1966) 612. , β Plin. Epist. Χ 52/53 und 102/103 (53: commilitones cum provincialibus), dazu die Anm. 68 genannte Literatur.

Die Bolle des Kaisereides im Jahre 69 n. Chr. c) Die Rolle des Kaisereides

im Jahre

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Das Krisenjahr 68/69 vermag neben anderen wesentlichen Einblicken in strukturelle Probleme des frühen Prinzipats gerade auch für die Rolle des Kaisereides wichtige Aufschlüsse zu vermitteln und besitzt dafür in gewissem Sinne eine paradigmatische Bedeutung. Dabei sind einerseits der Bürgerkriegscharakter der Auseinandersetzungen, andererseits die entscheidende Rolle der Truppen und besonders der Provinzialheere bestimmend für die Funktion des Eides. Er wird zu einer festen Begleiterscheinung, ja Voraussetzung jeder Erhebung, jedes Herrschaftswechsels und jeder Parteinahme in den wechselnden Konstellationen dieses Jahres, und es ist sehr charakteristisch, daß die dramatische Entwicklung des Jahres 69 gleich am 1. Januar von der Meuterei der germanischen Truppen eben bei Gelegenheit der routinemäßigen Wiederholung des Kaisereides ihren Ausgang nimmt70. Es liegt in der Situation selbst begründet, daß in dem Geschehen dieses Jahres der Treueid der Soldaten bei weitem die wichtigste Rolle spielt: die überwiegende Mehrheit der zahlreichen Stellen, an denen Tacitus in seinem Bericht von Kaisereiden spricht, bezieht sich auf das Militär und im besonderen die Provinzialheere. Darüber hinaus aber ist klar zu erkennen, wie über die Verpflichtung der dort stehenden Legionen hinaus auch die eidliche Bindung der Provinzialbevölkerung Bedeutung erlangt, in einer Art und Weise, die deutlich an die Vereidigimg der ganzen westlichen Reichshälfte durch Octavian und die vermutlich gleichbedeutende Aktion des Antonius vom Jahre 32 v. Chr. erinnert. So kann Tacitus die Aufzählung der auf der Seite Othos stehenden Reichsteile, die in gleicher Weise Provinzen mit und ohne Heer umfaßt, unter den Gesichtspunkt des auf ihn geleisteten Eides stellen71, ganz so wie Augustus seinerzeit die Nennung 70

Tac. Hist. 1,12,1; 55,1. Die Soldaten, die sich weigern, den Eid auf Galba zu leisten, unterlassen nicht etwa die Eidesleistung überhaupt, sondern schwören in senatus ac populi Romani verba (1,55,4; 56,2; Suet. Galba 16; Plut. Galba 22), womit gemeint sein dürfte, daß sie diesen Gremien die Wahl eines neuen Kaisers anheimstellten (v. Premerstein 79 f. im Anschluß an Ph. Fabia, Klio 4, 1904, 42ff.; H. Heubner, Tacitus, Historien (Kommentar) I 123). 71 Tac. Hist. 1,76: Primus Othoni fiduciam addidit ex Illyrico nuntius, iurasse in eum Dalmatiae ac Pannoniae et Moesiae legiones. Idem ex Hispania adlatum (das aber bald zu Vitellius abfiel) . . . Ne Aquitania quidem, quamquam ab Iulio Cordo in verba Othonis obstricta, diu mansit . . . (ebenso die Narbonensis) . . . Longinquae provinciae . . . penes Othonem manebant . . . Iudaicum exercitum Vespasianus, Syriae legiones Mucianus sacramento Othonis adegere; simul Aegyptus omnesque versae in orientem provinciae nomine eius tenebantur. Idem Africae obsequium, initio Carthagine orto . . . Carthaginem ceterae civitates secutae. Man vgl. auch 2,81 die Zusammenfassung der Pro-

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Der Kaisereid als Institution

der von ihm beherrschten Westprovinzen unter der Formel des iurare in eadem verba zusammengefaßt hatte. Es fehlt nicht an Beispielen dafür, daß Statthalter gleich nach ihrer Parteinahme für einen neuen Prätendenten auch der Provinzialbevölkerung den Eid auf denselben abnahmen, soweit nicht diese ihm darin schon zuvorkam72. Dabei liegt es nahe, daß diesen Maßnahmen die konkrete Bedeutung der Sicherung der betreffenden Provinz gegen einen Abfall oder einen gegnerischen Angriff zukommen konnte und gegebenenfalls auch die Möglichkeit der Mobilisierung ihres militärischen Potentials eine Rolle spielte: jedenfalls berichtet Tacitus in einem Falle von Aushebungen von Provinzialen unmittelbar nach der Vereidigung der Bevölkerung durch den Statthalter73. Es kann daran erinnert werden, daß schon Mommsen für die Ausweitung des Kaisereides auf die Provinzialen ein Motiv dieser Art in Erwägung gezogen hatte74, so wie es oben S. 83 auch als ein möglicher Aspekt des Eides von 32 v. Chr. herausgestellt werden konnte. Es zeigt sich also, daß gewisse Ähnlichkeiten der Situation auch Gemeinsamkeiten zwischen dem Eid auf Octavian und den Eiden von 69 n. Chr. erkennen lassen, oder anders gesagt: daß der Prototyp des Kaisereides, sein Charakter als sacramentum für den dux des einen Reichsteiles in der kritischen Situation des Jahres 32, bei den Auseinandersetzungen des Vierkaiserjahres noch einmal deutlicher in Erscheinung tritt und den Aspekt des reinen Loyalitäts- und Huldigungsaktes, den der Eid in der etablierten Monarchie des julischclaudischen Hauses angenommen hatte, zurückdrängt. So wird man vinzen, die sich Vespasian angeschlossen hatten: Ante Idus Iulias Syria omnis in eodem sacramento fuit . . . Quidquid provinciarum adluitur mari Asia atque Aehaia tenus, quantumque introrsus in Pontum et Armenios patescit, iuravere; sed inermes legati regebant, nondum additis Cappadociae legionibus. 72 Tac. Hist. 2,16: der Procurator von Korsika, D. Pacarius, beschließt Othonis odio sich auf die Seite des Vitellius zu stellen. Er teilt diesen Beschluß den principes der Insel mit, läßt Widersprechende niedermachen und nimmt dann den in Furcht versetzten Anwesenden und der Bevölkerung den Eid auf Vitellius ab (vgl. Anm. 73). Man vgl. 3,43,1 die Vereidigung der circumiectae civitates durch den Procurator von Gallia Narbonensis, Valerius Paulinus, auf Vespasian. Wenn 2,80 berichtet wird, wie der syrische Statthalter Mucianus nach der Vereidigimg seines Heeres auf Vespasian sich in die im Theater von Antiochia abgehaltene Volksversammlung begibt, so geht es dabei letzten Endes auch um die Veranlassimg der Eidesleistung, wie das Resümee des abschließenden Satzes zeigt: Ante Idus Iulias Syria omnis in eodem sacramento fuit. In Karthago kam in einer ähnlichen Situation der neronische Freigelassene Crescens gelegentlich eines öffentlichen Banketts durch seine Initiative dem Statthalter Vipstanus Apronianus zuvor: 1,76,3. 73 Hist. 2,16 im Anschluß an die Anm. 72 angeführte Aktion des D. Pacarius in Korsika. 74 StR. I I 793 Anm. 4: „Möglicherweise ist dabei in Betracht gekommen, daß die Betreffenden von der Aushebung betroffen werden konnten."

Die Rolle des Kaisereides im J a h r e 69 n. Chr.

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auch in der Tatsache, daß Tacitus diesen Eid, auch in Fällen, wo es sich um Zivilisten handelt, fast immer als sacramentum bezeichnet, nicht eine „Übertragung" des Namens des republikanischen Diensteides auf den davon streng geschiedenen Treueid zu sehen haben75, sondern einfach eine Kontinuität der Terminologie, in der sich die gemeinsame Herkunft von Soldateneid und Kaisereid manifestiert. Der Nachweis, daß bei den von den Soldaten in der Kaiserzeit zu leistenden Eiden ein rein militärisches sacramentum, als einmalig beim dilectus abzulegender Diensteid, auch im Formular prinzipiell zu trennen sei von dem Treueid gelegentlich des Regierungsantritts eines neuen Herrschers und jedes Jahreswechsels, ist von den spärlichen antiken Nachrichten her kaum zu führen7e. Nach einer Anspielung bei Epiktet hat es vielmehr gerade den Anschein, daß schon der Eid beim Dienstantritt der Soldaten Elemente des alten Diensteides und solche des Treueides für den Kaiser in sich vereinigte77. Wenn bei soldatischen Treueiden in diesem Jahr 68/69 gelegentlich auch von der Verpflichtung zum Gehorsam gesprochen wird, so ist das nur ein weiterer Hinweis auf diese unmittelbare Zusammengehörigkeit von sacramentum und Treueid, aber nicht eine „durch die Zeitverhältnisse geforderte Ergänzung" des einen Eides durch eine Klausel des anderen78. Es wird vielmehr vorauszusetzen sein, daß diese „Gehorsamsklausel" als traditionelles und unerläßliches Element des sacramentum auch im Kaisereid der Soldaten immer 75

So v. Premerstein 78, der diese Übertragung des Namens damit zu erklären versucht, daß der Treueid „beim Wechsel des Imperators als Ersatz f ü r den eigentlichen Diensteid e i n t r a t " u n d daß auch die Formel der sacratio f ü r den Fall des Eidbruches der des sacramentum nahekam. 78 Zusammenstellung der Nachrichten bei v. Premerstein 74. Von ihnen haben die Stellen bei Servius u n d Isidoras eher einen republikanischen als einen kaiserzeitlichen Anstrich; von Gehorsam gegenüber dem Kaiser spricht nur Vegetius. 77 Epict. 1,14,15 von dem Eid der στρατιώται: Άλλ' έκεΐνοι μέν την μισθοφορίαν λαμβάνοντες όμνύουσιν πάντων προτιμήσειν τήν τοϋ Καίσαρος σωτηρίαν. Das ist, wie schon ν . Premerstein 77 gezeigt h a t , eine charakteristische Klausel des Treueides (oder genauer des salus-Eides: σωτηρία!), ν . Premerstein läßt aber in seinem Zitat gerade den Hinweis auf den Dienstantritt aus und bezieht 76 die Nachricht auf den 1. J a n u a r , das D a t u m der Erneuerung des Treueides! I n der Weiterführung der Argumentation, wo E p i k t e t den Menschen einen entsprechenden Eid des Gehorsams u n d der Unterordnung dem Gott gegenüber empfiehlt, h a t v. Premerstein 79 eine Anspielung auf die „Gehorsamsklausel", die aus dem sacramentum in den Treueid übertragen worden sei, vermutet. 78 v. Premerstein 79, der dabei offenläßt, ob diese Klausel nur in den Eid der Soldaten oder auch den der Zivilbevölkerung aufgenommen wurde. Die drei Belegstellen, die v. Premerstein beibringt, beziehen sich alle nur auf Soldateneide, davon die dritte, wie Anm. 77 gezeigt wurde, auf den Dienstantritt. 8 Herrmann (Hypomnemata 20)

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Der Kaisereid als Institution

bewahrt geblieben ist, während man in dem Formular des von der Zivilbevölkerung geleisteten Eides — und nur Eide dieser Kategorie sind uns ja erhalten — auf diese militärische Verpflichtung verzichtet hat und sich im wesentlichen auf die Zusicherung des Eintretens für die salus des Kaisers beschränkte. Man kann also nach der Betrachtung der Rolle und Bedeutung des Kaisereides im Krisenjahr 69 rückblickend feststellen, daß in den dabei zutage getretenen Details auch weitgehend eine Bestätigung der in der vorhergehenden Untersuchung aufgezeigten und zum Teil mehr hypothetisch erschlossenen Entwicklungslinie des Kaisereides überhaupt enthalten ist. Von hier aus erhält nicht nur die These von der Herkunft des Kaisereides aus einer besonderen Form des Feldherrneides eine zusätzliche Bekräftigung, sondern es wird auch durch die Ähnlichkeit der Situationen und Motive im nachhinein sehr glaubhaft gemacht, daß tatsächlich die geniale und in dieser Form beispiellose Aktion Octavians vom Jahre 32 v. Chr. mit der Inanspruchnahme des Eides als einer außer- bzw. vor-konstitutionellen Stütze der Stellung des Alleinherrschers und zugleich als Maßnahme der Sicherung und Verpflichtung eines ganzen Reichsteiles mit allen seinen Bewohnern einen entscheidenden Angelpunkt in der Ausbildung der ganzen Institution darstellt. d) Der Kaisereid

in der späteren

Kaiserzeit

Nach dem Jahre 69 n. Chr., dessen besondere historische Konstellation eine Reaktivierung der politischen Bedeutung des Kaisereides herbeigeführt hatte, sind die Zeugnisse über das Weiterbestehen dieser Einrichtung äußerst spärlich. Man könnte fast dazu neigen, die Existenz einer derartigen Institution für die Folgezeit überhaupt in Frage zu stellen, wenn sie uns nicht durch einige in diesem Zusammenhang sehr wertvolle Zeugnisse des jüngeren Plinius ausdrücklich bestätigt würde. Aus entsprechenden Anspielungen oder Hinweisen dieses Autors im Panegyricus des Jahres 100 und in der während der bithynischen Statthalterschaft geführten Korrespondenz mit Traian geht eindeutig hervor, daß jedenfalls am Beginn des 2. Jahrhunderts die jährliche Wiederholung des Treueides dem Kaiser gegenüber noch eine feststehende, das ganze Reich umfassende Zeremonie war, an der in gleicher Weise Beamte, Militär und Provinziale beteiligt waren und deren Durchführung offenbar auch routinemäßig dem Kaiser zu melden war79. Freilich scheint man sich hinsichtlich des Eides der Zivilbevölkerung mit einer mehr symbolischen Beteiligung " Plin. Paneg. 68; Epist. X 52/53 und 102/103. Dazu die oben 8 . 1 1 0 Anm. 68 angegebene Literatur mit der Diskussion über die Termine der Eidesleistung.

Der Kaisereid in der späteren Kaiserzeit

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entsprechender Repräsentanten begnügt zu haben80. Ein Zeugnis aus der Zeit des Septimius Severus, das aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls auf den Brauch der jährlichen Wiederholung des Eides zu beziehen ist, nennt als Schwörende nur die Gesamtheit der Soldaten und die Senatoren81. Das legt die Vermutung nahe, daß hier die Institution schon in einer gewissen Rückbildung begriffen ist und nur noch die für das Kaisertum wesentlichen Gruppen erfaßte. Die sonstigen Einzelzeugnisse über den Kaisereid im 2. und 3. Jahrhundert, die größtenteils bei v. Premerstein schon registriert sind (besonders S. 75ff.), beziehen sich fast ausschließlich auf Kaisererhebungen, vor allem Usurpationen, und konzentrieren sich dabei eindeutig auf das Militär82. Nur für eine besondere Situation unter Claudius II. hören wir noch einmal von der Eidesleistung durch eine ganze Provinz 83. Auch der letzte uns greifbare Beleg, der aus dem 4. Jahrhundert stammt, betrifft einen militärischen Treueid: es ist der feierliche Schwur der Soldaten Iulians in der Nähe von Basel im Jahre 361, der die Entscheidung des Kaisers zum Aufbruch gegen Constantius II. markiert, ein Eid, an den sich die Würdenträger in der Umgebung Iulians anschlossen84. In eigenartiger Weise erinnert so dieses späteste Beispiel eines Treueides vor dem Aufbruch in einen Bürgerkrieg, an der Schwelle einer Auseinandersetzung zwischen zwei Reichshälften, an die Situation und die Atmosphäre, von der die Entwicklung zur Institution einst ausgegangen war. 80 Siehe Α. N. Sherwin-White, The Letters of Pliny 634. Man vgl. auch die oben S. 12 Anm. 11 angeführten Bedenken von U. Kahrstedt. 81 Cass. Dio 75,14,7 (von der Aufnahme des Plautianus in den Eid) τήν τε τύχην αύτοϋ πάντες οί στρατιώται καΐ οί βουλευταΐ ώμνυσαν (vgl. S. 75 Anm. 72). 82 Erhebung des Pertinaxl93: Herodian 2,2,10; des Septimius Severus: SHASev. 5,3, vgl. Herodian 2,13,2; des Pupienus und Balbinus 238: SHA Maxim. 24,3. 8S SHA Claud. 11,2 in Verbindung mit einem Angriff der Palmyrener auf Ägypten (269): Aegyptii vero omnes se Romano imperatori dederunt in absentis Claudii verba iurantes. Dazu P. Damerau, Kaiser Claudius II. Gothicus (Klio Beiheft 33, 1934) 59. 84 Ammian 21,5,10, vgl. Liban. or. 18,109f.; dazu E.Stein, Histoire du Bas-Empire I 156 (bei v. Premerstein 78 n. 13 wird ungenau als Anlaß die „Ausrufung des Iulian" genannt).



Zusammenfassung Nachdem die Analyse und der Vergleich der uns überlieferten Kaisereide zu erkennen gegeben hatten, daß bei diesen Dokumenten zugleich mit dem Nebeneinander griechischer und lateinischer Fassungen zwei deutlich zu scheidende Eidformulare vorliegen, galt der Hauptteil dieser Arbeit in parallel geführten Untersuchungen der Aufhellung der jeweiligen Herkunft dieser Eidtypen, der Feststellung der Tradition oder Institution, in der der betreffende Eid sich zu der im Kaisereid repräsentierten Form entwickelt haben konnte. Dabei ergab sich für den griechischen Eidtypus, daß in seinen Klauseln traditionelle Formeln aus dem Bereich der zwischenstaatlichen Beziehungen der freien griechischen Staaten bewahrt sind, die insbesondere im Formular der Symmachieverträge und der sie sanktionierenden Vertragseide seit der klassischen Zeit belegt sind. Diese Formeln sind charakteristischerweise trotz der gewandelten Verhältnisse auch auf die Beziehungen zwischen griechischen Städten und hellenistischen Monarchen übertragen worden, bei denen dann das in ihnen ursprünglich enthaltene Prinzip der gleichberechtigten Partnerschaft letzten Endes zur bloßen Fiktion wurde. Im Rahmen solcher Beziehungen haben, wie sich zeigen ließ, wiederholt „Treueide" von Städten gegenüber hellenistischen Königen als Bekräftigung der Bindung an den Machthaber eine Rolle gespielt, wobei die eben genannte Fiktion sich nicht nur auf die Vorstellung der Partnerschaft als solcher, sondern gerade auch auf ihre Bezeichnung als συμμαχία erstreckt zu haben scheint: es ist zu vermuten, daß dahinter gar keine konkrete vertragliche Bindung mehr stand. So sind diese Eide auch keine zweiseitigen Vertragseide, sondern repräsentieren den Typ des Bürgereides, in dem eine Gesamtbürgerschaft bestimmte konstitutive Elemente der innerstaatlichen Ordnung beschwor. In Eide dieser Art ist die Treueverpflichtimg gegenüber dem Monarchen in zwei uns bekannten Fällen gelegentlich einer Neukonstituierung des Staatswesens in Formen der Sympolitie neben die das innerstaatliche Leben regelnden Klauseln mit aufgenommen worden, während sie in einem anderen Beispiel uns als selbständiger, aber durch die Modalitäten eben dieses Bürgereides gekennzeichneter Akt entgegentrat, durch den — vermutlich auf Anregung des Königs selbst — die Treue der Stadt in einer prekären Situation bekräftigt und gesichert werden sollte. Es konnte durch den Hinweis auf eine ganze Anzahl

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wesentlicher Übereinstimmungen zwischen den Details dieses hellenistischen Treueides und grundlegenden Aspekten des Kaisereides speziell in seiner östlichen Ausprägung wahrscheinlich gemacht werden, daß hier eine beide Erscheinungen verbindende Tradition vorliegt, auch wenn uns Zwischenstufen auf diesem Wege vorläufig noch fehlen. Gegenüber diesen sicher belegten Beispielen von Herrschereiden griechischer Städte findet die vielfach vertretene These von der Ausbildung einer festen Institution des Untertaneneides in den hellenistischen Monarchien, die sich aus dem Treueid der Soldaten entwickelt hätte, und die dann ihrerseits in die Einrichtung des römischen Kaisereides eingemündet sein soll, in unseren Quellen keine eindeutige Bestätigung. Es läßt sich lediglich aufgrund bestimmter Nachrichten und Indizien bei kaiserzeitlichen Eiden vermuten, daß tatsächlich der besprochenen Form des Polis-Treueides unter den Bedingungen direkter Abhängigkeit vom Herrscher auch eine Form des von oben veranlaßten Königseides von territorialer Bedeutung entsprochen haben kann. Abgesehen von dieser Feststellung der hellenistischen Tradition des Herrschereides als eines Vorbilds für die griechische Ausprägung des römischen Kaisereides konnte deutlich gemacht werden, daß insbesondere zwei Details dieser Tradition im Kaisereid weitergewirkt und auch in seine lateinische Form Eingang gefunden haben, so daß sie der Entwicklung der ganzen Institution bestimmte, sehr wesentliche Impulse geben konnten: das sind die Prinzipien der Erstreckung des Treuegelöbnisses nicht nur auf den Herrscher selbst, sondern auf das Herrscherhaus, was zu einer Verstärkung der Wirksamkeit des Eides im dynastischen Bereich führte, und der Einbeziehung des Herrschers unter die Schwurgottheiten, d. h. die göttlichen Garanten des Eides und Ahnder seiner Übertretung, was eine folgenreiche Verknüpfung und Durchdringung zwischen Kaisereid und Kaiserkult mit sich brachte. Bei der westlichen, lateinischen Form des Kaisereides ist es schwieriger, eine einheitliche und deutlich ausgeprägte Tradition oder gar Institution als Vorstufe und Vorbild im Formular wie in der Sache nachzuweisen. Auf jeden Fall darf als sicher gelten, daß der Eid nicht eine bis zu letzter Konsequenz, d. h. der Ausweitung auf die gesamte Reichsbevölkerung, entwickelte Form eines Klienteleides darstellen kann: zum einen ist die „Institution" eines Klienteleides, d . h . das Prinzip der Etablierung oder Bekräftigung eines Klientelverhältnisses durch einen spezifischen Eid, aus den Quellen nicht belegbar, zum anderen lassen auch weder die Etappen der Ausbildung des Kaisereides noch seine institutionalisierte Form irgendwelche Anzeichen dafür erkennen, daß in ihm der Gedanke eines Gesamtpatronats des Kaisers über die Reichsbevölkerung enthalten wäre. Statt dessen

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sind aus mehr beiläufigen Erwähnungen in der Literatur — primäre Dokumente besitzen wir dafür im lateinischen Bereich nicht — zwei andere Vorstufen des Kaisereides in bestimmten Episoden und Erscheinungen der späten Republik einigermaßen deutlich zu erkennen. Das eine ist die Tatsache, daß der in traditioneller Weise persönlich auf den Feldherrn abgelegte Soldateneid unter den besonderen Bedingungen des spätrepublikanischen Heerwesens Tendenzen der Entwicklung zum „Treueid" aufweist, die sich vor allem darin manifestieren, daß der Eid wiederholbar wird, in einer kritischen Situation vom Feldherrn der Truppe erneut abgefordert oder auch durch persönliche Initiative etwa eines Unterfeldherrn in einer Art Loyalitätskundgebung als spontane Selbstverpflichtung der Soldaten inszeniert werden kann. Soweit zu erkennen ist und auch von der Sache her naheliegt, muß dabei das Gelöbnis, den Feldherrn nicht zu verlassen, im Mittelpunkt des eidlichen Versprechens, das freilich im einzelnen je nach der Situation variiert worden sein kann, gestanden haben. Wenn man für diese gewandelte Form des Diensteides den Begriff „Gefolgschaftseid" verwenden will, muß man sich doch im klaren sein, daß es dabei eindeutig um militärische Gefolgschaft geht. E s zeigt sich aber — und das ist die andere Vorstufe auf dem Wege zum Kaisereid —, daß unter bestimmten zeitbedingten Verhältnissen dieser militärische Eid Ausweitungen erfahren konnte. Die Tatsache, daß die profiliertesten Heerführer der ausgehenden Republik und der Triumviratszeit zugleich im politischen Kampf engagierte Führer bestimmter Gruppen und Parteien waren, konnte dazu führen, daß sich an den Treueid der Soldaten auch die zivile Anhängerschaft in einer adäquaten Weise anschloß, wie uns das als spontane, freiwillige Aktion in einem Falle geschildert wird. Andererseits ergab sich aus der wichtigen Rolle, die die Beherrschung von Provinzen und die Möglichkeit der eventuellen Heranziehung ihres einheimischen militärischen Potentials in den Auseinandersetzungen dieser Zeit spielte, eine Tendenz, auch der Provinzialbevölkerung einen Eid auf den Feldherrn und Statthalter abzunehmen, sei es als Notmaßnahme im Zusammenhang mit der Mobilisierung der letzten militärischen Reserven, sei es als Versuch der Sicherung einer Provinz gegen Bedrohung oder Unterwanderung durch den Gegner. Beide Formen der Ausweitung des Feldherrneides geben der umfassenden Eidesaktion Italiens und der Westprovinzen für den dux belli Octavian vom Jahre 32 v. Chr. ein entscheidendes Gepräge, und noch in den Wirren des Vierkaiserjahres 69 erweist sich die Bedeutung des Kaisereides über die Verpflichtung der Heere hinaus für die Sicherung der jeweils beherrschten Provinzen. Neben dieser aus momentanen Situationen und Bedürfnissen der Bürgerkriege erwachsenen Form des militärischen Treueides konnte

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eine andere Komponente des späteren Kaisereides aus einer besonderen Art von Eidesleistung, für die sich keine Vorbilder eruieren ließen, hergeleitet werden: aus dem „Treueid" für den Dictator Caesar aus dessen letzten Lebensmonaten, der im Unterschied zu dem „erweiterten Feldherrneid" nicht auf militärische Belange ausgerichtet gewesen zu sein scheint, von einem (in seinem Umfang nicht genau bestimmbaren) Kreis der Zivilbevölkerung und jedenfalls dem Senat geleistet wurde, und auch nicht im Hinblick auf bevorstehende Auseinandersetzungen im Bürgerkriege, sondern gerade nach Beendigung derselben. Er erwies sich als eine spezifische Form eines Loyalitäts- und Huldigungsaktes im Rahmen eines vielfältigen und dabei doch auf bestimmte Bezüge und Kombinationen gegründeten Systems außergewöhnlicher Ehrungen des siegreichen Alleinherrschers, in einer Kumulation der plurimi maximique honores (Liv. Per. 116), die geradezu omnia simul divina atque humana (Suet. Caes. 84, 2) umfaßten. Hierbei erscheint der Treueid für den Dictator einerseits in einer gewissen Nachbarschaft zu der Verleihung des Ehrentitels parens patriae und der Zuerkennung der tribunizischen sacrosanctitas, wobei nicht ausgeschlossen ist, daß bei der Eidesaktion die Erinnerung an die ursprüngliche Begründung dieses Grundrechts eben durch einen Eid eine Rolle spielte. Andererseits ist zu erkennen, daß der Eid im Rahmen dieser Ehrungen verknüpft war mit zwei anderen Einzelheiten, mit denen später auch, der als Institution etablierte Kaisereid kalendarisch und organisatorisch eng verbunden war: mit der Einführung des Beamteneides auf die acta Caesaris und der jährlichen vota pro salute Caesaris, beides Erweiterungen bestehender republikanischer Traditionen. In dieser Kombination stellt der Eid für Caesar, der nach den Andeutungen der Quellen als ein Eid zugunsten seiner salus anzusprechen ist, mit dem Versprechen des persönlichen Schutzes und der Rächung eines eventuellen Anschlags, im besonderen eine wirkungsvolle Ergänzung der entsprechenden vota dar. Gerade dieser Charakter als salus-Eid stellt aber auch eine Verbindung her zu dem Formular der uns erhaltenen lateinischen Kaisereide, in denen die zentrale Klausel ebenfalls deutlich auf einen bedingungslosen Einsatz zugunsten der salus des Kaisers gestellt ist und eine ähnliche Verpflichtung zur Verfolgung jedes Anschlags enthält. E s ist offenkundig, daß der Kaisereid in der uns greifbaren Form und Funktion charakteristische Elemente beider Eidestypen in sich vereinigt, des „erweiterten Feldherrneides" und des caesarischen „salus-Eides". Die Spärlichkeit unserer Überlieferung gestattet aber keinen exakten Nachweis darüber, wann und in welcher Weise diese Kombination sich vollzogen hat; ja, sie läßt überhaupt die Frage offen, ob diese heterogenen Traditionen tatsächlich in einem reichs-

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einheitlichen Eidtyp amalgamiert wurden. Es darf nicht übersehen werden, daß alle uns im Wortlaut erhaltenen Eide die Zivilbevölkerung, und zwar im wesentlichen Provinziale, betreffen. Während diese aus verständlichen Gründen in erster Linie die Tradition des salus-Eides repräsentieren, ist für den entsprechenden Eid der Soldaten eine stärkere Ausprägung der militärischen Komponente des Treueides, der dort auch den Terminus sacramentum bewahrt hat, vorauszusetzen. Unter den Etappen der Entwicklung des Kaisereides und seiner Ausbildung als Institution, die im weiteren Verlauf der Untersuchung zu betrachten waren, stellt zweifellos das J a h r 32 v. Chr. einen Angelpunkt dar. Hier erfährt, unter den Vorzeichen eines Konflikts, in dem sich zwei Reichshälften gegenüberstehen, die vorher in Ansätzen erkennbare Tendenz zur Erstreckung des Feldherrneides auf zivile Anhängerschaft und auf ganze Provinzen eine systematische Ausweitung bis zu höchstmöglicher Totalität. Zugleich aber erscheint die Aktion als ein politischer Akt von erheblicher Tragweite, indem sie offensichtlich in einer für Octavian staatsrechtlich prekären Situation die Rolle eines fait accompli übernahm: der Eid wurde nicht einem auf dem herkömmlichen Wege schon bestellten Feldherrn geleistet, sondern nahm dessen Bestellung gewissermaßen vorweg, so daß Augustus später in seiner Rückschau in den Res gestae die freiwillige Eidesleistung ganz Italiens zugleich mit der „Forderung" der Übernahme des Kommandos als Grundlage für seine Feldherrnstellung in Anspruch nehmen konnte. Es ist offenkundig, daß der Eid von 32 gerade in diesem P u n k t trotz der Besonderheit und Einmaligkeit der Situation die Bedeutung eines Präzedenzfalles gewann, so daß der Eid der Truppen wie der Zivilbevölkerung — zugleich mit der Akklamation als Imperator — seit Tiberius zu einem festen Bestandteil jeder Kaisererhebung wird, zu einer der wesentlichsten außerkonstitutionellen oder besser gesagt der konstitutionellen Regelung vorgreifenden Grundlagen der Stellung des Prinzeps. Über diese prägende Kraft des Eides Italiens und der westlichen Provinzen hinaus kommt den Ereignissen von 32 v. Chr. aber auch insofern eine entscheidende Bedeutung zu, als gerade die extreme Situation der feindlich einander gegenüberstehenden Reichshälften der P u n k t zu sein scheint, in dem die eigenständigen Traditionen des römischen Feldherrn- oder Gefolgschaftseides und des östlichen Herrschereides zusammentreffen, wenn nämlich, wie uns Cassius Dio berichtet, auch die συμμαχίαι des Antonius sich in einem Eid auf ihren Führer verpflichtet haben. Auf jeden Fall können die uns bekannten östlichen Beispiele von Treueiden für Augustus aus seiner späteren Regierungszeit, die einen wichtigen Schritt des Kaisereides auf dem Wege zu einer das ganze

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Reich umspannenden Institution darstellen, kaum als Belege für ein Weiterwirken der Eidesleistung des Westens über die Situation von 32 hinaus in Anspruch genommen werden, sondern zeigen vielmehr charakteristische Tendenzen der eigenen östlichen Tradition des Eides, etwa in der Form der Inszenierung als Bürgereide und der individuellen Motivierung mit besonderen Beziehungen zum Kaiser, der räumlichen und vermutlich auch zeremoniellen Verknüpfung der Aktion mit schon bestehenden Einrichtungen des Kaiserkultes, der Ausdehnung der eidlichen Bindung auf die Dynastie, also Einzelheiten, die gerade den für die weitere Entwicklung wichtigen Aspekt des Loyalitäts- und Huldigungsaktes enthalten. Es zeigt sich also, daß die Frühgeschichte des Kaisereides auch durch sehr wesentliche Impulse dieser östlichen Tradition mitbestimmt worden sein muß. Von entscheidender Bedeutung für die eigentliche Institutionalisierung des Eides scheint aber dann die Regierungszeit des Tiberius gewesen zu sein. Bei seinem Regierungsantritt hat zum ersten Mal die Ablegung des Treueides vermutlich im ganzen Reich mit einer gewissen Automatik funktioniert, zum anderen aber ist, soweit wir erkennen können, während seiner Regierung der Brauch der jährlichen Wiederholung des Eides zumindest im Senat und die Verknüpfung dieses Aktes mit der Zeremonie des Eides auf die acta principis und der Darbringung der vota für ihn aufgekommen. Der Regierungsantritt des Gaius hat dann — jedenfalls nach unserem Material — zum letzten Mal zu inschriftlicher Registrierung des immerhin noch als bedeutsam empfundenen Ereignisses der Vereidigung geführt. Später, bei einem jährlich sich wiederholenden Routinevorgang, bestand offensichtlich kein Anlaß mehr zur „Verewigung" der entsprechenden Urkunde, er schlug sich höchstens in Form einer knappen Vollzugsmeldung in der Kanzlei des Statthalters oder im kaiserlichen Archiv nieder (Plin. Epist. X 52/53; 102/103). So kehrt der Kaisereid in Zeiten der etablierten und unbestrittenen Herrschaft als eine dem Kaiserkult eng verbundene traditionelle Zeremonie vor allem den Charakter eines die gesamte Reichsbevölkerung, Bürger wie Nichtbürger, umfassenden Huldigungsaktes hervor und kann dann je nach der Einstellung zu der Herrschaft als Symbol der pietas (Plin. Epist. X 52, gegenüber Trajan) oder der publica servitus (Plin. Paneg. 68, 2, im Hinblick auf Domitian) interpretiert werden. Nur in kritischen Situationen des Regierungswechsels und der konkurrierenden Herrschaftsansprüche gewinnt er als ein die Erhebung bzw. Parteinahme für den Prätendenten begleitender Akt vor allem im Hinblick auf das Heer und die Provinzen eine momentane machtpolitische Bedeutung und läßt darin zugleich ein wesentliches Merkmal seiner Herkunft aus der Endphase der römischen Republik erneut hervortreten.

Anhang I: Die erhaltenen Kaisereide 1. Aritium

in Lusitanien

CIL I I 172 (Dessau 190; Bruns' 101; Abbott-Johnson, Municipal Administration 346 η. 47; Ε. Μ. Smallwood, Documents illustrating the Principates of Gaius, Claudius and Nero n. 32) C. U m m i d i o Durmio Quadrato leg(ato) C. Caesaris Germanici imp(eratoris) pro praet(ore). Iusiurandum Aritiensium. 5 Ex mei animi sententia, ut ego iis inimicus ero, quos C. Caesari Germanico inimicos esse cognovero, et si quis periculum ei salutiq(ue) eius in[f]ert in[f]er[e]tque, armis bello internecivo terra mariq(ue) persequi non desinam, quoad 10 poenas ei persolverit, neq(ue) me (neque) liberos meos eius salute cariores habebo, eosq(ue) qui in eum hostili animo fuerint, mihi hostes esse ducam; si s[cie]ns fa[ll]o fefellerove, tum me liberosq(ue) meos Iuppiter Optimus Maximus ac 15 Divus Augustus ceteriq(ue) omnes di immortales expertem pati'ia incolumitate fortunisque omnibus faxint. [a. d.] V Idus Mai(as) in Aritiense oppido veteri Cn. Acerronio Proculo C. Petronio Pontio Nigrino cos., 20 mag(istris) Vegeto Tallici ibio . . arioni. 8: in[f]ert in[tul]erit[v]e

Hübner;

in[f]er[e]tque

2. Sestinum in Umbrien CIL X I 5998 a [ ]ullius [ Jsalutive cu[ius e]orum periculum intulerit inferet, eum armis belloque internecivo ter5 ra marique persequar neque ante odisse aut agitare desistam, quam is sceleris parricidi sui poenas exsolverit, eosque qui in eorum quem hostili animo erunt, hostis inplacabilis iudica10 bo et dum impium ac nefarium [consilium] trahent, infestissimum[ ] iud[ ] 10: suppl. E. Bormann

Mommsen

11. 5. 37

Die erhaltenen Kaisereide

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3. Aesoa in der Troas Sterrett, Pap. Amer. Sch. Athens 1, 1882, 50 n. 26 (Bruns7 102; IGR IV 251; Syll. 797; Abbott-Johnson, Municipal Administration 346 n. 48; Ε. M. Smallwood, Documents illustrating the Principates of Gaius, Claudius and Nero n. 33)

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Έπί ύπάτων Γναίου Άκερρωνίου Πρόκλου καΐ Γαίου Ποντίου Πετρωνίου Νιγρίνου Ψήφισμα Άσσίων γνώμηι τοϋ δήμου. ΈπεΙ ή κατ* εύχήν πασιν άν&ρώποις έλπισθεϊσα Γαίου Καίσαρος Γερμανικού Σεβαστού ήγεμονία κατήνγελται, ουδέν δέ μέτρον χαρδς εΰρηκεν ό κόσμος, πάσα δέ πόλις καΐ παν έ&νος έπί τήν τοϋ θεοΰ δψιν ίσπευκεν, ώς άν τοϋ ήδίστου άνθρώποις αίώνος νΰν ένεστώτος, έδοξεν τηι βουλήι καΐ τοις πραγματευομένοις παρ' ήμΐν 'Ρωμαίοις καί τώι δήμωι τώι Άσσίων κατασταθήναι πρεσβείαν έκ των πρώτων καΐ αρίστων 'Ρωμαίων τε καΐ Ελλήνων τήν έντευξομένην καί συνησ&ησομένην αΰτώι, δεηθησομένην τε ϊχειν δια μνήμης καί κηδεμονίας τήν πόλιν, καθώς καί αύτδς μετά τοϋ πατρός Γερμανικού έπιβάς πρώτως τηι έπαρχείαι της ήμετέρας πόλεως ύπέσχετο. "Ορκος 'Ασσίων. "Ομνυμεν Δία Σωτήρα καί θ-εόν Καίσαρα Σεβαστών καί τήν πάτριον άγνήν Παρθένον, εύνοήσειν Γαίωι Καίσαρι Σεβαστώι καί τώι σύμπαντι οϊκωι αύτοϋ, καί φίλους τε κρινεΐν, οδς Äv αύτος προαιρήται, καί έχθρούς, ους αν αυτός προβάληται. Εύορκοϋσιν μέν ήμΐν εδ εϊη, έφιορκοϋσιν δέ τα έναντία. ΠρεσβευταΙ έπηνγείλαντο έκ των Ιδίων Γαίος Ούάριος Γαίου υιός Οΰολτινία Κάστος Έρμοφάνης Ζωίλου Κτητος Πισιστράτου Αίσχρίων Καλλιφάνους 'Αρτεμίδωρος Φιλομούσου, οίτινες καί ύπέρ της Γαίου Καίσαρος Σεβαστοΰ Γερμανικού σωτηρίας εύξάμενοι ΔιΙ Καπιτωλίωι ϊθυσαν τώι της πόλεως όνόματι.

4. Phazimon-Neapolia

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in Paphlagonien

F. Cumont, REG 14, 1901, 27 (Dessau 8781; IGR III 137; OGI532; Studia Pontica III 75 n. 66; Abbott-Johnson, Municipal Administration 334 n. 37; Ehrenberg-Jones, Documents illustrating the Reigns of Augustus & Tiberius2 n. 315) 'Από Αύτοκράτορος Καίσ[αρος] θεοΰ υίοϋ Σεβαστού ύπατεύ[σαντος τό] δωδέκατον ϊτους τρίτου, π[ροτέραι] 6. 3. 3 ν. Chr. νωνών Μαρτίων έν Γάγγροις έν . α . [ . . . δρ-] 5 κος ό τελεσθ[ε1ς ύ]πό τώ[ν] κατοικ[ούντων Πα-] φλαγονία[ν καί των πραγ]ματευομ[ένων πα-] ρ' αύτοϊς *Ρ[ωμαίων.]

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Anhang I : Die erhaltenen Kaisereide 'Ομνύω Ata, Γήν, "Ηλιον, θεούς πάντα[ς καΐ πά-] σας καΐ αυτόν τον Σεβασ[τ]όν εύνοή[σειν Και-] σαρι Σεβαστώι καΐ τοις τ[έκ]νοις έγγό[νοις τε] αύτοϋ πάν[τ]α [τ]όν τοϋ [βίου] χρόνον κ[αί λό-] γωι [κ]αΙ έργωι καΐ γνώμ[ηι, φί]λους ήγού[μενος] οδς άν έκεϊνοι ήγώντα[ι] έκχθρούς τε ν[ομίζων] οδς αν αύτοί κρίνωσιν, υπέρ τε των τ[ούτοις] διαφερόντων μήτε σώματος φείσεσθ[αι μή]τε ψυχής μήτε βίου μήτε τέκνων, άλ[λά παν-] τί τρόπω ι ΰπέρ τώ[ν] έκείνοις άνηκό[ντων] πάντα κίνδυνον ύπομενεΐν · δτι τε α[ν αίσ-] θωμαι ή άκούσω ύπεναντίον τούτ[οις λε-] γόμενον ή βουλευόμενον ή πρασσό[μενον,] τοϋτο έγμηνύσειν τε καΐ έχθρόν £σ[εσθαι τώι] λέγοντι ή βουλευομένωι ή πράσσο[ντί τι τού-] των - οΰς τε αν έκχθρούς αύτ[ο]1 κρίν[ωσιν, τού-] τους κατά γήν καΐ θάλασσαν 8πλο[ις τε] καΐ σιδήρωι διώξειν καΐ άμυνεϊσ[θαι.] Έάν δέ τι ύπεναντίον τούτωι τ[ώι δρκωι] ποήσω ή μή στοιχούντως καθώ[ς ώμο-] σα, έπαρώμαι αύτός τε κατ' έμοϋ καΐ σ[ώμα-] τος τοϋ έμαυτοϋ και ψυχής καΐ βίου κα[1 τέ-] κνων και παντός τοϋ έμαυτοϋ γέν[ους] καΐ συνφέροντος έξώλειαν καΐ παν[ώλει-] αν μέχρι πάσης διαδοχής τής έ[μής και] των έξ έμοϋ πάντων, καΐ μήτε σ[ώματα τά] των έμών ή έξ έμοϋ μήτε γη μ[ήτε θάλασ-] σα δέξαιτο μηδέ καρπούς ένέγ[κοι αύτοϊς.] Κατά τά αύτά ώμοσαν καΐ οί έ[ν τήι χώραι] πάντες έν τοις κατά τάς ύ[παρχίας Σε-] βαστήοις παρά τοις βωμοΐ[ς τοϋ Σεβαστού ·] "Ομοίως τε Φαζιμωνεΐται οί [την νϋν Νεάπο-] λιν λεγομένην κατοικοϋν[τες ώμοσαν σύμ-] πάντες έν Σεβαστήωι παρά τ[ώι βωμώι τοϋ] Σεβαστοϋ.

Ergänzungen von F. Cumont 2: 4: έν S.

ύπατεύ[οντος] Cumont, Dittenberger, ύπατεύ[σαντος] Dessau έν [κ]ά[στροις] F. Bücheler, F. Cumont, έν [π]α[νηγύρει] Β. Haussoullier, [τ]ά[γοραι] W. Dittenberger, Η. Dessau, έν [Κ]α[ισαρήωι] Η. Grögoire. Vgl. 97 Anm. 26.

5. Palaipapho8

auf Zypern

T . B . Mitford, J R S 50, 1960, 75 (BCH 84, 1960, 274; SEG XVIII 578; Annöe Epigr. 1962, 248)

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[Νή τ]ήν ήμετέραν Άκραίαν Άφροδίτην κα[1] τή[ν ήμ]ετέραν Κόρην καΐ τόν ήμέτερον Ύλάτη[ν Άπόλλ]ω καΐ τόν ήμέτερον Κε[ρ]υνήτην Άπόλλω καΐ τούς ήμετέρους σωτήρας Διοσκούρους καΐ τήν κοινήν τής νήσου Βουλαίαν Έστίαν καΐ θεούς θεάς τε τού [ς]

Die erhaltenen Kaisereide

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κοινούς της νήσου πατρώους καΐ τόν έκγονον της 'Αφροδίτης Σεβαστόν θεόν Καίσαρα καΐ τήν άέναον 'Ρώμην καΐ τού[ς] άλλους θεούς πάντας τε καΐ πάσας, αΰτο[ί] τε καΐ οί ίκγονοι ήμών ύπακούσεσθαι πειθαρχήσειν κατά τε γήν καΐ κατά θάλαττ[αν] εύνοήσειν σεβάσεσθαι Τιβέριον Καίσαρα Σεβαστού ύόν Σεβαστόν σύν τώι άπαντι αύτοϋ οϊκωι καΐ τόν αυτόν έκείνοις φίλον τε καΐ έχθρόν έξειν, μετά τε των άλλων θεών μόνοις 'Ρώμη καΐ Τιβερίωι Καίσαρι Σεβαστού υίώι Σεβαστώι ύοϊς τε τοϋ αίματος αύτοϋ καΐ ούδενΐ &λλω των πάντων είσηγήσεσθαι ψηφίσ[ε]σ[θαι] [ ]

21: ψης>ίσ[α]σ[θαι] ? Τ . Β . Mitford, ψηφίσ[ε]σ[θαι] St. Weinstock 22: ιερά suppl. Τ. Β . Mitford 6. Samos: Eides

Dekret augusteischer Zeit mit Einzelheiten über die Ablegung

P . Herrmann, AM 75, 1960, 70ff. n. 1—3 1 A:

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Rasur ]] έπΐ τώι οι[ ]νων δη διασαφηθέν[τ]οντες έπΐ τοις άγαθοϊς τοϊς[ ]ητος άπολαύουσιν αύτοϋ μ[ φιλανθ]ρώπων καΐ παρ' αύτόν τόν καιρό[ν εύα]νγέλιον ήμέραν και στεφανηφ[οροϋντες τήν π]6λιν καΐ τήν χώραν θεοϊς ϊθυσ[αν είς τόν ά]εί χρόνον ίεράν καΐ έορταίαν δγ[ειν 2 Zeilen Rasur ]~ΙΝ τών ύπό Καίσαρος δεδομέν[ων ά]μιψιν έπιτήδειον δέ εν μηδε[ ]-·9·αι Σαμίων μέν καΐ χωρίς δρκου δ[ ]~ΙΝ δτι καΐ διά τό μέγεθος τω [ν ]τοϋ Σεβαστού διαφυλάξου[σι τήν εϋνοιαν ] = ύπερμαχοϋντας τών Η [ π]αρέχεσ9·αι δταν ή ένν[ομος έκκλησία ή ] - Λ Ι συναχθήναι μέν τ[ ]ς δρκος άναγνω[σΰπ]ό τών στρατη[γών ]τούς π[ρ]υ[τάνεις ]0ΝΤΑΣ[ ]ΟΙΣ[

1 Β: [ ]Θ[ έν] [ήι άν είσκρι]$ώσιν ήμέραι, όρκίζεσ[θαι δέ ] τούς πο]λιτογραφουμένους το[ ] [ ]έν ήι άν πολιτογραφηθ[ώσιν ήμέραι · πέμψαι δέ πρεσβευ-] 5 [τάς παρά τοϋ] δήμου πρός τόν Σεβασ[τόν οΐτινες ]

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Anhang I: Die erhaltenen Kaisereide [ παραδίδοντες τόδε τί> ψήφ[ισμα άσπάσονται αύτόν] [παρά τοϋ δή]μου καΐ συνησθήσοντα[ι αύτώι καί] [έπιτελοΰντες] θυσίαν τώι ΔιΙ τώι Καπ[ιτωλίνωι έπεύξονται [τοις ]ουσιν θεοϊς τδν Σεβ[αστόν [ κ]αΙ ταύτην την ύπατήαν Ι[ [καί τοις τ]έκνοις αύτοϋ καΐ παντα[ [ ]αι τη ι πάντων άνθρώπων[ καΐ αυτόν [ έν τηι πρ]ί>ς Σαμίους εύνοίαι διαμέ[νειν • άναγράψαι δέ είς στή[λας μαρμα]ρίνας δύο τόδε τό ψήφισμα [καί στησαι μίαν μέν . . [ ]μαίωι Σεβαστώι, έτέραν δέ έ[ν τώι ίερώι της άρχηγέ-] [τι]δος της πόλεως Ήρας · ταϋτα 8k γίνε[σθαι καθότι αν τηι βου-] λήι καί τώι δήμωι δόξη • δεδόχθαι τηι βου[λήι καΐ τώι δήμωι άποδι-] χθήναι πρεσβευτάς πρ&ς Αυτοκράτορα Κ[αίσαρα θεοΰ υίόν Σε-] βαστόν καΐ τά λοιπά γίνεσθαι άκολούθως [τοις προγεγραμμένοις.] ΠρεσβευταΙ άπεδίχθησαν ό ιερεύς τοϋ Αύτ[οκράτορος Και-] σαρος θεοΰ υίοΰ Σεβαστού καί τοϋ υίοΰ αύτοϋ Γ[αίου Καίσαρος] καΐ Μάρκου Άγρίππα Γάιος 'Ιούλιος Σωσιγένο[υς υίός Άμυνίας] ό καλούμενος 'Ισοκράτης καί έκ τών νεωποιώ[ν τοϋ Σεβα-] στοΰ Μηνόδωρος Νικηράτου καί έκ τών άλλω[ν νεωποιών] Σαφίνιος, Πίνδαρος, Ύβλήσιος Λυσιμάχου, Ίσ[ ]

2 (vermutlich zwischen 1 Α und 1 Β gehöriges Fragment): ]παραδ[ ]ΑΙΔΙ. παραδιδ[ ]ον έν[ι]αυτόν τηΙ[ ]μου ή τών έφήβων ένκ[ρισις 5 γυμνα]σιάρχου τούς είσκρι[θέντας έφήβους Θεας "Ρ]ώμης καί τοϋ Σε[βαστοΰ 3 (Fragment aus dem Wortlaut des Eides?): ]NAi[ "Ελ]ληνας[ τ]ήν πόλιν καί [τήν χώραν Σεβ]αστώι Καίσα[ρι 6 κ]αΙ τώι θυγατρι[δώι ]σι παίδων [ ]καΙ κατά γ[ήν καί θάλασσαν ? ]λογο[ ]0-[

A N H A N G II

128 Phazimon-Neapolis

Anhang II: Vergleich 3 v. Chr.

Palaipaphos

14 n.Chr.

όμνύω Δία Γήν "Ηλιον

νή τήν ήμετέραν Άκραίαν Άφροδίτην etc., etc.

θεούς πάντας καΐ πάσας

(Schluß:) καί τούς όίλλους θεούς πάντας τε καί πάσας καΐ τόν έκγονον της 'Αφροδίτης, Σεβαστών θεόν Καίσαρα καί τήν Άέναον 'Ρώμην αύτοί τε καί οί ϊκγονοι ήμών ύπακούσεσθαι πειθαρχήσειν κατά τε γήν καί κατά θάλατταν εύνοήσειν σεβάσεσθαι Τιβέριον Καίσαρα Σεβαστού ύόν Σεβαστών σύν τώι όίπαντι αύτοΰ οϊκωι

καί αύτόν τόν Σεβαστών

εύνοήσειν Καίσαρl Σεβαστώι καΐ τοις τέκνοις έγγόνοις τε αύτοΰ πάντα τόν τοϋ βίου χρόνον καΐ λόγωι καΐ ίργωι καΐ γνώμηι φίλους ήγούμενος οδς άν έκεΐνοι ήγώνται έκχθρούς τε νομίζων ούς äv αύτοί κρίνωσιν

ύπέρ τε των τούτοις διαφερόντων μήτε σώματος φείσεσθαι μήτε ψυχής μήτε βίου μήτε τέκνων άλλά παντί τρόπωι ύπέρ των έκείνοις άνηκόντων πάντα κίνδυνον ύπομενεϊν δτι τε αν αϊσθωμαι ή άκούσω ύπεναντίον τούτοις λεγόμενον ή βουλευόμενον ή πρασσόμενον, τοϋτο έγμηνύσειν τε και έχθρόν ϊσεσθαι τώι λέγοντι ή βουλευομένωι ή πράσσοντί τι τούτων οδς τε άν έκχθρούς αύτοί κρίνωσιν

τούτους κατά γήν καί θάλασσαν δπλοις τε καί σιδήρωι διώξειν καί άμυνεϊσθαι έάν δέ τι ύπεναντίον τούτωι τώι δρκωι ποήσω . . . έπαρώμαι αύτός τε κατ' έμοΰ καί σώματος τοϋ έμαυτοΰ καί ψυχής καί βίου και τέκνων καί παντός τοϋ έμαυτοΰ γένους καί συνφέροντος έξώλειαν καί πανώλειαν μέχρι πάσης διαδοχής της έμής καί τών έξ έμοΰ πάντων, καί μήτε σώματα τα τών έμών ή έξ έμοΰ μήτε γή μήτε θάλασσα δέξαιτο μηδέ καρπούς ένέγκοι αύτοϊς

καί τόν αύτόν έκείνοις φίλον τε καί έχθρόν έξειν μετά τε των άλλων θεών μόνοις 'Ρώμη καί Τιβερίω Καίσαρι . . . Σεβαστώ ύοϊς τε τοϋ αίματος αύτοϋ καί ούδενΐ &λλω τών πάντων είσηγήσεσθαι ψηφίσ[ε]σ[θαι . . . (von. hier an Text nicht mehr erhalten)

129

der erhaltenen Kaisereide Aesos 37 n.Chr.

Aritium

δμνυμεν Δία Σωτήρα (καΐ τήν πάτριον άγνήν Παρθένον)

ex mei animi sententia (Fluchformel:) Iuppiter Optimus Maximus) (Fluchformel: ceterique omnes di immortales) (Fluchformel: ac Divus Augustus)

καΐ θεόν Καίσαρα Σεβαστών

37 n.Chr.

εύνοήσειν Γαίωι Καίσαρι Σεβαστώι

(C. Caesari Germanico)

καΐ τώι σύμπαντι οϊκωι αύτοϋ

καΐ φίλους τε κρινεΐν οδς άν αυτός προαιρήται καΐ έχθρούς οδς αν αύτύς προβάληται

eosque qui in eum hostili animo fuerint, mihi hostes esse ducam

neque me neque liberos meos eius salute cariores habebo

u t ego iis inimicus ero, quos C. Caesari Germanico inimicos esse cognovero et si quis periculum ei salutique eius infert inferetque armis bello internecivo terra marique persequi non desinam quoad poenas ei persolverit εύορκοϋσιν μέν ήμίν εδ είη έφιορκοϋσιν δέ τά έναντία

si sciens fallo fefellerove t u m me liberosque meos Iuppiter Optimus Maximus ac Divus Augustus ceterique omnes di immortales expertem patria incolumitate fortunisque omnibus faxint

θ Herrmann (Hypomnemata 20)

Stellenregister a) Autoren Ammiari. 21,5,10 Andocides I 90 197 Appian. b. c. 1,300 301 2,442 444 455 518 520 544 549 570-1 572 574 575-6 578 601—4 602 604 3,188 241 — Mithr. 242 Aristot. Resp. Ath. 7 39,6 Ascon. in Cie. Mil.

34,2 ca.

Caesar b. c. 1,76 84,3 2,18,5 3,13 102,2 — b. G. 7,1 Cassius Dio 37,30,3 44,4,4 6,1

11584 35" 35" 85101 6232 73 67« 6747 6643 66 43 , 67, 76 66«, 6V", 76'· 66«, 67« 66" 67« 66" 7058, 7263 66« 69 7058 67 49°°, 60 61 30 6236 35 84 356S 8292 63 M 64 41 82 63ae 8293 8292 60 7265 6747

Cassius Dio 44,6,3 72 6747 7,4 '44,48 69 7058 48,3-49,1 50,1 72, 74 45,13,5 60, 6542 47,18,3 108 50,6,6 79 f., 9 4 " 7 2 6i 51,19,7 20,1 108" 53,28,1 10867 54,10,6 108« 57,2,1 101 10138 3,1 3,2 100 8,4 10857 58,2,7 HO65 7,8 7572 12,7 11066 17,2-3 108 17,3-18,1 10982 59,3,4 7572, 10961, 10964 108, HO86 9,1 9,2 52 3 , 7572 4898 11,3 13,1 109 60,4,6 4897 5,2 4ΛΟQ98 25,1 109 75,14,6 7572 14,7 11581 fr. 102 59 Cicero ad fam. 12,3,1 7^60 7jei — de imp. Cn. Pomp. 86104 44 — pro Marc. 32 68 — Philipp. 2,31 71" 7057 6,12-15 11,20 86104 225 Curt. Rufus 7,1,29 Diodor. 14,34,6 35M 37,11 55 ff.

131

Stellenregister Dionys. Hal. 6,89,2 8,87,8 10,18,2 11,43,2 Epictet. 1,14,15 Festus p. 250,18 Lindsay Herodian. 2,2,10 2,13,2 Herodot. 1,29 Ioseph. Ant. lud. 15,368 17,42 18,124 lustin. 14,4,3 4,7 Liban. or. 18,109 Livius 3,55,10 28,29,12 32,5,4 Per. 71 116 Memnon Heracl. (FGrHist. 434 F 11,2 Nepos Eumen. 10,2 Nicol. Damasc. (FGrHist. 90 F 130,80) Plin. epist. 10,52/3 102/3 — Paneg. 68 Plutarch. Cie. 10,4 — Eumen. 5,5 12 — Galba 22 — Pyrrh. 5,5 — Sulla 10 27 Polyb. 4,17,9-11 6,21 15,25,11 Sallust. Cat. 22 — Hist. fr. 26 Μ.

7263 7283 61 61 52 3 , 113" 65 11582 11582 35 54 49", 98 49", 98 49", 10652 62 34 62« 11584 7263 6337 42 75 56» 119 2416 29 3 2 a , 62 34 67", 7Ο58 HO89, 114™, 121 110«9, 114™, 121 11068, 114™, 121 60 26 23 22 4 111™ 26 24 59 63 s8 35 M 61, 65 2725 60 59 22 b)

Anadolu (Anatolia) 9,1965,41 Annöe öpigr. 1962, 248 9«

45" 15, 18f„ 44 f., 102fT., 124

Schol. Cie. Gronov. 286,5 St. Script. Hist. Aug. Sev. 5,3 — Max. 24,3 — Claud. 11,2 Seneca de clem. 1,4,3 — dial. 12,7,4 Strabon 12,557 Sueton. Caes. 23,2 77 84,2 85 86 88 — Aug. 17,2 — Tib. 24,1 26,2 — Calig. 15,3 27,3 — Galba 16 Tacitus Annal. 1,7 8 34,1 37,3 72,1 6,2 16,22,1 22,3 — Histor. 1,12,1 55 76 2,16 80 81 3,43,1 Tertull. Apol. 32,2 — a d nat. 2,9 Thucydides 4,74 Veil. Paterc. 2,20,4 Xenoph. Hell. 2,2,20 5,3,26 4,55 — Memor. 4,4,16 — Resp. Laced. 15,7

59 21 , 59 22 11582 11582 11583 52 4 52 4 46 59 7 3

67

67, 69, 76, 119 7160 67«, 68 71« 79 100 108 523 74 11170 99 107 101 101 108 10962 HO68 10857 11170 110®7, 11170 11171, 112' 2 11272, 11273 11272 11171 11272 74™ 52 4 35 s6 62 32 21 2 21 2 35 55 3450 26 24

Inschriften

AM 75, 1960, 70-84 n. 1-3 Bengtson, Staatsvertr. I I 71 115

15, 44, 95f., 125 32" 2830

132

Stellearegister

Bengtson, Staats· vertr. I I 187 207 280 308 322 CIL I I 172

1963-4 V I 2028 X I 5998a Dessau, I L S 190

6088-9 8781 Dittenberger, OGI 2 229 266 441 456 532 — Syll. 306 360 524 526 527 629 671A 675 694 797 Dörpfeldt, Troja u. Ilion I I 448 n. I I I Hist. 15, 1966, 19 Inschr. v. Pergamon 13 Inscr. Cret. I, Y I I I 13 IX 1

212, 41 73 32" 39™, 44 39™ 3970 14, 15, 17, 44, 45, 50 ff., 68, 105, 122 48s6 73 14, 18, 44, 52 ff., 68, 122 14, 15, 17, 44, 45, 50ff., 68, 105, 122 48" 14 f., 18, 43, 45, 57 16 , 96ff., 123 24 11 , 3557 2830, 29 32a , 30ff., 46 27 ff., 44 49" 4794

14f„ 18, 43, 45, 57 15 , 96ff„ 123 23, 3557 28 30 , 34 24 2830, 33 45 , 34 2830, 34 41" 4173 49" 4999

14, 15, 17, 44, 45, 105 f., 123 4275 24 15 27fF. 3348 28 30 , 34

c) Gueraud, Έντεύξεις 48 282»

Inscr. Cret. I, X V I 5 XVIII 9 XIX 1 II, XVII 1 III, III 1 III 3 III 4 III 5 I V 7-8 VI 7 I V 174 IG I 2 39 90 116 V I I 2711 X I I 2,58 XIV 7 I G R I I I 137 I V 251

33« 33« 33« 21 2 , 25 33« 3344 3347 21 2 , 24, 35 s8 2 8 3 3 4 5 , 34 24, 334S 2415

32" 212 32 41 10653

4794

40 f. 14f„ 18, 43, 45, 57 15 , 96ff., 123 14, 15, 17, 44, 45, 105 f., 123

Inscr. Italiae X I I I 1 p. 183 7160 J R S 50, 1960, 75 15, 18f., 44, 45, 102ff„ 124 Milet I 3 n. 139 37ff., 44 148 3242 149 2830, 35 58 150 28 30 , 32 42 Oikonomos, Έπιγραφαΐ της Μακεδονίας 2 n . l 28 30 , 39 70 Res gestae divi Augusti 1 8610S 25 78ff. 34 87, 91 Robert, Coli. Froehner, Inscriptions 3139 grecques n. 52 S E G X V I I I 578 15, 18f., 44, 45, 102ff., 124 Tit. Calymnii p. 9 n. X I I 36f. Welles, Royal Correspondence 14 37 15 45 81

Papyri P. Lips. 28 P. Oxy. 705

104» 49"