Der Prozeßvergleich in der Verfassungsgerichtsbarkeit [1 ed.] 9783428533725, 9783428133727

Felix Höpker unternimmt den Versuch, das im allgemeinen Verfahrensrecht fest verankerte Rechtsinstitut des Prozeßverglei

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Der Prozeßvergleich in der Verfassungsgerichtsbarkeit [1 ed.]
 9783428533725, 9783428133727

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1166

Der Prozeßvergleich in der Verfassungsgerichtsbarkeit Von Felix Höpker

Duncker & Humblot · Berlin

FELIX HÖPKER

Der Prozeßvergleich in der Verfassungsgerichtsbarkeit

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1166

Der Prozeßvergleich in der Verfassungsgerichtsbarkeit

Von Felix Höpker

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13372-7 (Print) ISBN 978-3-428-53372-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-83372-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Die unmögliche Tatsache . Palmström, etwas schon an Jahren, wird an einer Straßenbeuge und von einem Kraftfahrzeuge überfahren. „Wie war“ (spricht er, sich erhebend und entschlossen weiterlebend) „möglich, wie dies Unglück ja –: daß es überhaupt geschah?“ Ist die Staatskunst anzuklagen in bezug auf Kraftfahrwagen? Gab die Polizeivorschrift hier dem Fahrer freie Trift? Oder war vielmehr verboten hier Lebendige zu Toten umzuwandeln – kurz und schlicht: Durfte hier der Kutscher nicht? Eingehüllt in feuchte Tücher, prüft er die Gesetzesbücher. Und ist alsobald im klaren: Wagen durfte dort nicht fahren! Und er kommt zu dem Ergebnis: Nur ein Traum war das Erlebnis. Weil, so schließt er messerscharf, „nicht sein kann, was nicht sein darf“. Christian Morgenstern

Vorwort Die nachstehende Abhandlung hat der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Wintersemester 2008/09 als Dissertationsschrift vorgelegen. Rechtsprechung und Literatur wurden nachgetragen, soweit dies notwendig und ratsam erschien. Vielen Menschen habe ich zu danken. Zuvörderst meinem verehrten Doktorvater, Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Andreas Voßkuhle. Er hat das Entstehen dieser Arbeit von Beginn an mit großem Interesse verfolgt und bis zuletzt mit unendlicher Geduld begleitet. Ich habe mein Bestes gegeben, ihn nicht zu enttäuschen. Mein Dank gilt weiterhin Herrn Prof. Dr. Alexander Bruns, der über Nacht ein ebenso kluges wie wohlwollendes Zweitgutachten gefertigt hat. Dank sagen möchte ich ferner Herrn Prof. Dr. Alfred Rinken stellvertretend für eine ganze Reihe von Richterinnen und Richtern, die mir wertvolle Auskünfte zur Vergleichspraxis bei den deutschen Verfassungsgerichten gegeben haben. Erhebliche materielle Unterstützung bei der Drucklegung dieser Arbeit verdanke ich dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT, der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg sowie dem Bundesministerium des Innern. Unschätzbare Hilfe immaterieller Art haben mir über viele Jahre hinweg die Familien Höpker (Hamburg) und Riede (Freiburg/Spiez) sowie meine Freunde Dr. Julian Schulze de la Cruz und Dr. Malte Petersen gewährt. Dafür danke ich Ihnen von Herzen. Mein Dank gilt schließlich meiner eigenen Familie, besonders meinen Eltern, die mir in unbeirrbarer Liebe die Ausbildung zu drei akademischen Titeln ermöglicht haben, sowie meinem Bruder Christian, dem ich – neben vielem anderen – das Notebook verdanke, auf dem ich diese Arbeit geschrieben habe. Wissenschaftliches Arbeiten ist ein Luxus. Man kann ihn sich nur leisten, wenn die Menschen, die einem nahe stehen, bereit sind, auf vieles zu verzichten. Dr. Katja Höpker hat mir diesen Kredit gewährt. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Ein verschwindend geringes Zeichen des Danks angesichts all dessen, was sie für mich getan hat. Köln, im März 2010

Felix Höpker

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Teil Grundlagen

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§ 1 Das Rechtsinstitut des Prozeßvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 A. Der Tatbestand des Prozeßvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Rechtsnatur: einheitliches Rechtsgeschäft aus materiellrechtlichem Vergleichsvertrag und verfahrensbeendigender Prozeßhandlung . . . . . . . . . 31 II. Materiellrechtliches Element: Bereinigung der prozessual umstrittenen Rechtsfolgen durch einen Vergleichsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Materiellrechtlicher Vergleichsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Die Möglichkeit rechtswegfremder Vertragsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. „Verfügung über den Streitgegenstand“ als unzutreffende Kurzformel für den Gegenstand und für den Inhalt des Vergleichsvertrags . . . . . . . . . . . . 36 III. Prozessuales Element: verfahrensbeendigende Prozeßhandlung . . . . . . . . . . 42 1. Verfahrensbeendigende Prozeßhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Notwendige Voraussetzung: Disponibilität des zu beendigenden Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 3. Prozeßvergleiche in nicht-kontradiktorischen Verfahren . . . . . . . . . . . . . 42 IV. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 B. Das Rechtsregime des Prozeßvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 I. Grundzusammenhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Das materielle Recht des Prozeßvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 III. Das prozessuale Recht des Prozeßvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

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Inhaltsverzeichnis

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 A. Systematik der privatrechtlichen und der verwaltungsrechtlichen Vergleichsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Der Vergleichsgegenstand: eine konkrete Rechtsfolge – Tatsachen und Rechtssätze sind keine Vergleichsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Privatrechtlicher Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Verwaltungsrechtlicher Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 B. Die Wirkung privatrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Vergleichsverträge . 57 I. Privatrechtlicher Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Die Bereinigung von Schuldverhältnissen, deren Existenz unstreitig ist . 58 2. Die Bereinigung von Schuldverhältnissen, deren Existenz streitig ist . . . 61 3. Die Bereinigung sachenrechtlicher Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Verwaltungsrechtlicher Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Die Bereinigung der Rechtswidrigkeit exekutiver Rechts- oder Realakte . 64 2. Die Bereinigung der Wirksamkeit oder der Vernichtbarkeit exekutiver Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 3. Die Bereinigung subjektiver Reaktionsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 C. Exkurs I: Der Tatbestand des Vergleichsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Kein spezifischer Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Privatrechtlicher Vergleich: Feststellungscausa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Verwaltungsrechtlicher Vergleich: Zustimmung zu einer für rechtswidrig gehaltenen Vertragsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 D. Exkurs II: Sonderregeln für die Bereinigung streitiger Rechtsfolgen durch Vergleichsverträge? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Voraussetzungen für den Abschluß öffentlichrechtlicher Vergleichsverträge

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1. Vergleichslage: Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit weiterer Sachaufklärung (§ 24 VwVfG) bzw. qualifizierte Ungewißheit des anzuwendenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Entschließungsermessen: Beschränkung des Abwägungsmaterials auf rechtsstaatskompatible Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

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3. Auswahlermessen: Konnexität zwischen der potentiellen Gesetzesinkongruenz des Vereinbarten und der zu bereinigenden Ungewißheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4. Geltung der genannten Abschlußbedingungen für alle öffentlichrechtlichen Vergleichsverträge mit staatlicher Beteiligung . . . . 87 II. Befreiung des verwaltungsrechtlichen Vergleichs vom Gesetzesvorrang . . . 89 1. Die herrschende Lehre: Theorie vom Gesetzesdispens . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Eigene Ansicht: Dispens allein vom Anwendungsgebot, nicht auch vom Abweichungsverbot des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 III. Wirksamkeitsprivileg gesetzesinkongruenter Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Herrschende Meinung: „Wirksamkeitsprivileg“ rechtswidriger Vergleichsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Kritik: Einbettung des Vergleichs in das allgemeine Vertragsrecht . . . . . 95 § 3 Die Disposition über verfassungsgerichtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 A. Zwei klärungsbedürftige Fragen: objektive Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren und Kreis der Verfügungsbefugten . . . . . . . 100 B. Die objektive Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren . . . . . . . . . . . . . 102 I. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Die Ansicht des BVerfG: eingeschränkte Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren nach Beginn der mündlichen Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Lehre vom Verfahrenszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Lehre von der uneingeschränkten Geltung der Dispositionsmaxime . . . . 104 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 C. Die Verfügungsbefugten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

2. Teil Grundlagen einer Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

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§ 4 Die Zulässigkeit verfassungsgerichtlicher Prozeßvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 A. Der Stand der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Argumente gegen die Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs und ihre Widerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

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Inhaltsverzeichnis II. Unzureichende Begründungsansätze für die Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 B. Die Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Prozeßvergleichs . . . . . . . . . . . . 120 I. Der verfassungsgerichtliche Vergleich – ein heteronomes Rechtsgeschäft . . 120 II. Die Eingebundenheit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs in das materielle Vertragsrecht und in das Verfassungsprozeßrecht . . . . . . . . . . . . . 120 III. Bestätigung der Heteronomiethese in den gesetzlichen Regelungen des zivilgerichtlichen (§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO) und des verwaltungsgerichtlichen Vergleichs (§ 106 VwGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 C. Befugnis des BVerfG zur Unterbreitung eigener Vergleichsvorschläge? . . . . . . 123

§ 5 Systematik der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . 125 A. Übergreifendes Differenzierungskriterium: sachlich-funktional zusammengehörige Normenkomplexe des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 125 B. Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung . . . . . . . . 128 I. Primärer Vergleichsgegenstand: Rechtswidrigkeit des angeblichen Verletzungsakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Bei Rechtsakten ferner: Wirksamkeit des Verletzungsakts . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Nach hier vertretener Ansicht ferner: Reaktionsrechte des in seinen Kompetenzen verletzten Staatsorgans (Ansprüche auf Erfüllung, Unterlassung und Folgenbeseitigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 C. Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung . . . . . 133 I. Primärer Vergleichsgegenstand: Rechtswidrigkeit des angeblichen Verletzungsakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Bei Rechtsakten ferner: Wirksamkeit des Verletzungsakts . . . . . . . . . . . . . . 134 III. Unstreitig auch: Reaktionsrechte des in seinen Kompetenzen verletzten Verbands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 D. Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 I. Weitgehende typologische Identität der Rechtsfolgen einer Grundrechtsverletzung und der Rechtsfolgen des Privat- und Verwaltungsrechts, Grundrechtswidrigkeit und Wirksamkeit formeller Gesetze als einzig neuer Vergleichsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 II. Das System der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte . . 138 1. Rechtsverhältnisse des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

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2. Grundrechtswidrigkeit, Wirksamkeit und subjektive Reaktionsrechte konkreter Verwaltungsrechts- oder -realakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Grundrechtswidrigkeit und Wirksamkeit formeller Gesetze . . . . . . . . . . . 140 E. Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts . . . . . . . . 141 F. Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 § 6 Die Bereinigung der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände . . . . . . . . . . . 144 A. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Grundannahmen: Bereinigung für die Zukunft, generell-abstrakte Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Herrschende Lehre: Beschränkung auf legale Bereinigungsmöglichkeiten . 146 III. Eigene These: planmäßige Überlagerung der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung durch eine Vertragskompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . 148 B. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Grundannahmen: Bereinigung für die Zukunft, generell-abstrakte Regelungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Eigene These: planmäßige Überlagerung der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung durch eine Vertragskompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . 152 III. Abweichende Thesen verschiedener legaler Bereinigungsmöglichkeiten und ihre Widerlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 C. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte . . . . . 157 I. Die Bereinigung von Rechtsverhältnissen des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Die Bereinigung der Grundrechtswidrigkeit, der Wirksamkeit oder der subjektiven Reaktionsrechte konkreter Verwaltungsrechts- oder -realakte . . 158 III. Die Bereinigung der Grundrechtswidrigkeit und der Wirksamkeit formeller Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 D. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 § 7 Inkurs: Vergleichspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 A. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

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Inhaltsverzeichnis B. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 C. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte . . . . . 168 D. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

§ 8 Wirksamkeitsbedingungen des materiellen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 A. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Rechtliche Qualifizierung: verfassungsrechtliche Inter- und Intra-Organverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 II. Zulässigkeit vertraglicher Rechtsetzung im Inter- und Intra-Organbereich . 174 1. Zur Zulässigkeit des verfassungsrechtlichen Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Einige praktische Schlußfolgerungen zur Zulässigkeit bestimmter verfassungsrechtlicher Inter- und Intra-Organverträge . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Nachgewiesene Konstellationen zulässiger Inter- und Intra-Organverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 b) Grundsätzliche Bedenken gegen jede vertragliche Bindung der beiden am häufigsten von Kompetenzverletzungen betroffenen Staatsorgane (Bundestag und parlamentarischer Abgeordneter) . . . . . . . . . . . . . . . . 177 III. Wirksamkeit verfassungswidriger Inter- und Intra-Organverträge . . . . . . . . 181 1. Eingrenzung der zu untersuchenden Fehler: Verstöße gegen die Organkompetenzordnung durch zulässige Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Kein pauschales Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Kein Dogma der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4. Abwägung rechtsstaatlicher Subprinzipien im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . 185 B. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 I. Rechtliche Qualifizierung: föderative Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 II. Zulässigkeit vertraglicher Rechtsetzung im föderativen Bereich . . . . . . . . . 194 III. Wirksamkeit verfassungswidriger föderativer Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Eingrenzung der zu untersuchenden Fehler: Verstöße gegen die föderative Kompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Kein pauschales Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Kein Dogma der Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

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4. Abwägung rechtsstaatlicher Subprinzipien im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . 199 C. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte . . . . . 203 I. Rechtliche Qualifizierung: privatrechtliche (§ 779 BGB), verwaltungssubordinationsrechtliche (§ 55 VwVfG) und verfassungsrechtliche Vergleichsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 II. Zulässigkeit und Rechtsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Wirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Eingrenzung der zu untersuchenden Fehler: Verstöße gegen die Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Vergleichsverträge zur Bereinigung von Rechtsverhältnissen des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Grundrechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Anknüpfungspunkt: Grundrechtsbindung des Privatrechtsgesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Grundrechtswidrigkeit privatrechtlicher Vergleiche . . . . . . . . . . . . 209 b) Wirksamkeit grundrechtswidriger privatrechtlicher Vergleiche . . . . . . 216 3. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Grundrechtswidrigkeit, der Wirksamkeit oder der subjektiven Reaktionsrechte konkreter Verwaltungsrechts- oder -realakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Grundrechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 aa) Anknüpfungspunkt: Grundrechtsbindung der Verwaltung durch grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und den Vorrang grundrechtskonformen Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 bb) Mißachtung grundrechtlicher Gesetzesvorbehalte . . . . . . . . . . . . . 219 cc) Mißachtung des Vorrangs grundrechtskonform ausgelegter Gesetze 223 b) Wirksamkeit grundrechtswidriger verwaltungsrechtlicher Vergleiche . 227 aa) Mißachtung grundrechtlicher Gesetzesvorbehalte . . . . . . . . . . . . . 227 bb) Mißachtung des Vorrangs grundrechtskonform ausgelegter Gesetze 229 4. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Grundrechtswidrigkeit und der Wirksamkeit formeller Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Grundrechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 aa) Anknüpfungspunkt: Grundrechtsbindung der Regierung . . . . . . . . 231 bb) Verletzung der Grundrechte des Vertragspartners? . . . . . . . . . . . . 231 cc) Verletzung der Grundrechte nicht vertragsbeteiligter Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Unwirksamkeit grundrechtswidriger Normsetzungsvergleiche . . . . . . 232

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Inhaltsverzeichnis D. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Rechtliche Qualifizierung: verfassungsrechtliche Inter-Organ-Verträge . . . . 234 II. Die Unzulässigkeit von Verträgen auf dem Gebiet der Wahl- und Mandatsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 III. Konsequenz: Unwirksamkeit unzulässig geschlossener Verträge über Gegenstände der Wahl- und Mandatsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

§ 9 Wirksamkeitsbedingungen des Prozeßrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 A. Prozessuale Dispositionsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 B. Prozeßhandlungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 C. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 D. Prozeß- und Sachurteilsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

§ 10 Konsequenzen prozessualer oder materiellrechtlicher Unwirksamkeit für den Prozeßvergleich als Ganzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

§ 11 Die Rechtswirkungen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 A. Neuregelung der materiellen Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 B. Verfahrensbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 C. Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 I. Titelfunktion des verfassungsgerichtlichen Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 II. Das anzuwendende Vollstreckungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Keine analoge Anwendung des § 35 BVerfGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 2. Analoge Anwendung fachgerichtlichen Vollstreckungsrechts . . . . . . . . . 244 a) Vergleiche zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Vergleiche zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Vergleiche zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 d) Vergleiche zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

Inhaltsverzeichnis

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§ 12 Streitigkeiten über den Prozeßvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 A. Durchsetzung der vergleichsweise begründeten Rechte und Pflichten . . . . . . . . 247 I. Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 II. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 III. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 IV. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 V. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 B. Feststellung der Unwirksamkeit oder des nachträglichen Wegfalls des Vergleichs 253 § 13 Kostenfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Teil Ergebnis

257

§ 14 Zusammenfassung und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

Abkürzungsverzeichnis Die im weiteren verwendeten Abkürzungen orientieren sich an den Vorgaben von Kirchner, Hildebert / Butz, Cornelie: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage, Berlin 2003. Auf folgende Abkürzungen wird besonders hingewiesen: Abs. AcP a.E. a.F. AK-GG

AK-GG II Akt. Alt. Anh. AöR AP ArbGG arg. Art. AT AufbauL Aufl. ausf. BAG BAGE BauGB BayGWG BayVBl. BayVerfGHG BayVGH BBG Bbg. BbgSchulG BbgVerfGG Bd. betr. BGB BGBl. BGH

Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Denninger, Erhard / Hoffmann-Riem, Wolfgang / Schneider, Hans-Peter / Stein, Ekkehart (Hrsg.): Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Neuwied 2001 ff., Loseblatt Azzola, Axel u. a.: Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Bd. II: Art. 38 – 146 GG, 2. Aufl., Neuwied 1989 Aktualisierung Alternative Anhang Archiv für öffentliches Recht Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgerichtsgesetz argumentum Artikel Allgemeiner Teil Aufbaulieferung Auflage ausführlich Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (Amtliche Sammlung) Baugesetzbuch Bayerisches Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte und Bürgermeister Bayerische Verwaltungsblätter Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Bundesbeamtengesetz Brandenburg Gesetz über die Schulen im Land Brandenburg Gesetz über das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg Band betreffend Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof

20 BGHZ BK BlnKo BND BRD BremStGHG BSGE Bsp. Bspe. BT BT-Drucks. BT-Prot. BV BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE B-VG BWG BWVBl. bzgl. bzw. CDU cl. Cod. Iust. CSU DBA dens. ders. d. h. dies. Diss. DÖD DÖV Dok. DVBl. E ebda. EG EL ErfK Erg.-Lfg. etc.

Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Dolzer, Rudolf / Waldhoff, Christian / Graßhof, Karin (Hrsg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Heidelberg, 1950 ff., Loseblatt Friauf, Karl Heinrich / Höfling, Wolfram (Hrsg.): Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Berlin 2000 ff., Loseblatt Bundesnachrichtendienst Bundesrepublik Deutschland Gesetz über den Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) Beispiel Beispiele Besonderer Teil Bundestags-Drucksache Stenographische Berichte des Deutschen Bundestags Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) Gesetz über das Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Amtliche Sammlung) Bundes-Verfassungsgesetz der Republik Österreich Bundeswahlgesetz Baden-Württembergische Verwaltungsblätter bezüglich beziehungsweise Christlich Demokratische Union Deutschlands clause Codex Iustinianus Christlich-Soziale Union Deutsche Bundesakte v. 8. 6. 1815 (Verfassung des Deutschen Bundes) denselben derselbe das heißt dieselbe Dissertation Der Öffentliche Dienst Die Öffentliche Verwaltung Dokument Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidung ebenda Europäische Gemeinschaft Ergänzungslieferung Müller-Glöge, Rudi / Preis, Ulrich / Schmidt, Ingrid (Hrsg.): Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Aufl., München 2008 Ergänzungslieferung et cetera (lat.: und die übrigen)

Abkürzungsverzeichnis EuGRZ EUZusG f. FamRZ FAZ ff. FG Fn. FS GewArch GG ggü. grdl. GS GVBl. GVG Habil. HandwO HbgVerfG HbgVerfGG HbgWG HChE HessStGHG h.L. h.M. Hrsg. Hs. HStR i.allg. i. e. insb. i.R. i.R.d. i.R.v. i.S.v. i.ü. i.V.m. JA Jhr. JöR JURA JuS JW JZ Kap. KJ

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Europäische Grundrechte-Zeitung Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union folgende Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Festgabe Fußnote Festschrift Gewerbearchiv Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegenüber grundlegend Gedächtnisschrift Gesetz- und Verwaltungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Habilitation Handwerksordnung Hamburgisches Verfassungsgericht Gesetz über das Hamburgische Verfassungsgericht Hamburgisches Wegegesetz Entwurf des Verfassungskonvents, der v. 10. – 23. 8. 1948 in Herrenchiemsee tagte Hessisches Gesetz über den Staatsgerichtshof herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Handbuch des Staatsrechts / Handbuch des Deutschen Staatsrechts im allgemeinen im einzelnen, id est (lat.: das heißt, mit anderen Worten) insbesondere im Rahmen im Rahmen des, im Rahmen der im Rahmen von im Sinne von im übrigen in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Jahrhundert Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Kapitel Kritische Justiz

22 KMK krit. KSchG LER Lfg. Lit. LKV LM LT-Drucks. LZ MDR m.N. MüKo BGB MüKo ZPO

m.u.N. MVLVerfGG m.w.N. NdsStGH n.F. NJW NJW-RR Nr. NVwZ NVwZ-RR NWVBl. NWVerfGHG o. ä. OLG OLGE OVG OVGE PrV PUA Rdn. Recht RegBl. RG RGBl. RGRK

RGZ Rspr. RV

Abkürzungsverzeichnis Kultusministerkonferenz kritisch Kündigungsschutzgesetz Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde Lieferung Literatur Landes- und Kommunalverwaltung Lindenmaier, Fritz / Möhring, Philipp (Hrsg.): Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Landtags-Drucksache Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht Monatsschrift für Deutsches Recht mit Nachweisen Rebmann, Kurt / Säcker, Franz Jürgen / Rixecker, Roland (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Rauscher, Thomas / Wax, Peter / Wenzel, Joachim: Münchener Kommentar zur Zivilprozeßordnung: mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen mit umfassenden Nachweisen Gesetz über das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Niedersächsischer Staatsgerichtshof neue Fassung, neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungs-Report Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Rechtsprechungs-Report Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Gesetz über den Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen oder ähnliches Oberlandesgericht Entscheidungen des Oberlandesgerichts (Amtliche Sammlung) Oberverwaltungsgericht Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (Amtliche Sammlung) Preußische Verfassung v. 31. 1. 1850 parlamentarischer Untersuchungsausschuß Randnummer Das Recht Regierungsblatt Reichsgericht Reichsgesetzblatt Reichsgerichtsräte / Mitglieder des Bundesgerichtshofs (Hrsg.): Das Bürgerliche Gesetzbuch: mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs: Kommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Rechtsprechung Verfassung des Deutschen Reichs v. 16. 4. 1871

Abkürzungsverzeichnis s. S. SachsAnhVerfGG sc. sec. SeuffA SGB Sh. SchlHVerfGG s. o. Soergel sog. SPD Staat Staudinger StGH StPO str. stRspr. s.u. ThürVerfGHG u. a. usf. usw. u. U. v. v. a. VersG VerwArch VG VGH VGHE vgl. Vorb VVDStRL VwGO VwGOÄndG VwVfG w.N. WRV WSA z. B. ZBR ZDF

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siehe Seite Gesetz über das Landesverfassungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt scilitet (lat.: das heißt) section Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Sozialgesetzbuch Satzhälfte Gesetz über das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht siehe oben Soergel, Hans Theodor: Bürgerliches Gesetzbuch: mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen sogenannt Sozialdemokratische Partei Deutschlands Der Staat Staudinger, Julius v.: Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen Staatsgerichtshof Strafprozeßordnung streitig ständige Rechtsprechung siehe unten Gesetz über den Thüringer Verfassungsgerichtshof unter anderem, und andere und so fort und so weiter unter Umständen von, vom vor allem Versammlungsgesetz Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs (Amtliche Sammlung) vergleiche Vorbemerkung Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze Verwaltungsverfahrensgesetz weitere Nachweise Verfassung des Deutschen Reichs v. 11. 8. 1919 (Weimarer Reichsverfassung) Wiener Schlußakte v. 25. 11. 1819 (Ergänzung der DBA) zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zweites Deutsches Fernsehen

24 ZevKR Ziff. ZPO ZRP z. T. zust. zutr. ZVS z. Z. ZZP

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Ziffer Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil zustimmend zutreffend Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen zum Zeitpunkt Zeitschrift für Zivilprozeß

Einführung Für die Dogmatik der Gegenwart ist der verfassungsgerichtliche Vergleich ein ungeliebtes Stiefkind. Ein Stiefkind, weil er zwar zu den ältesten Institutionen des Verfassungsprozesses gehört, im GG und im BVerfGG aber keine ausdrückliche Anerkennung findet. Ein ungeliebtes, weil der Gedanke einer vertraglichen Außerstreitsetzung des Verfassungsrechts der heutigen Staatsordnung fremd erscheint. In Wissenschaft und Praxis fristet der verfassungsgerichtliche Vergleich seit 1949 ein Schattendasein. Das war keineswegs immer so. Vergleichsähnliche Formen der Streitbeendigung haben zu allen Zeiten deutscher Staatlichkeit seit dem Mittelalter im Verfassungsprozeß eine bedeutsame Rolle gespielt1. Die Verfassungsgerichte des Alten Reichs, des Deutschen Bundes und des Kaiserreichs waren in vielerlei Hinsicht eher Schlichtungs- als Entscheidungsstellen. Selbst in Weimarer Zeit hatte der Prozeßvergleich noch eine erhebliche praktische Bedeutung2. Interessanterweise betrachtete man ihn seinerzeit als etwas vollkommen Selbstverständliches. Der damalige Staatsgerichtshof hat etliche seiner Verfahren durch Prozeßvergleiche beendet, obwohl seine Verfahrensordnung den Abschluß von Prozeßvergleichen überhaupt nicht vorsah3. Die zeitgenössische Lehre hat hiergegen keine Bedenken erhoben4. Einen echten Bruch mit dem Prozeßvergleich hat es auch später nie gegeben. Der Topos konsensualer Streitlösung ist vielmehr langsam aber sicher in Vergessenheit geraten. Die vorliegende Arbeit schließt daher eine Lücke. Sie beleuchtet ein Thema, dessen Aufarbeitung in den letzten Jahrzehnten versäumt wurde. Auf Bestehendes kann sie dabei kaum zurückgreifen. Monographische Untersuchungen ihres Themas gibt es nicht, sieht man von einem einzigen Kapitel in der Dissertationsschrift von 1 Vgl. die zahlreichen Hinweise in den Darstellungen von Friesenhahn, in: Mosler, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 89 (92 ff.); Hinkel, Verfassungsgerichtsbarkeit; Hoke, in: Starck/ Stern, Landesverfassungsgerichtsbarkeit; Bd. I, S. 25 ff.; Scheuner, in: FG BVerfG, Bd. I, S. 1 ff. 2 s. etwa Lammers/Simons, Rechtsprechung, Bd. IV, S. 286 ff. Außergerichtliche Vergleiche verbunden mit Klagerücknahmen bzw. Erledigungserklärungen finden sich ebda., Bd. IV, S. 102 (103 f.); Bd. V, S. 215 ff. In RGZ 116, Anh., 18 (44 f.); 121, Anh., 1 (4 f.) beschränkt sich der Staatsgerichtshof bewußt auf Zwischenentscheidungen und überläßt die endgültige Beilegung des Streits einem Vergleich der Parteien. 3 Vgl. das Gesetz über den Staatsgerichtshof v. 9. 7. 1921 (RGBl., S. 905). Auch die auf § 23 dieses Gesetzes gestützte Geschäftsordnung des Gerichts v. 20. 9. 1921 (RGBl., S. 1535) sah den Abschluß von Prozeßvergleichen nicht vor. 4 Vgl. Cöster, Prozeßakte, S. 21 f.; Friesenhahn, in: Anschütz/Thoma, HStR, Bd. II, S. 544; Smend, Verfassung, S. 135 f.; Triepel, VVDStRL 5 (1929), S. 2 (25 f.).

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Einführung

Schmitz ab5. In den Lehrbüchern des Verfassungsprozeßrechts wird der Vergleich nur am Rande erwähnt. Gleiches gilt für die Kommentarliteratur. Die wichtigsten Quellen, die uns zur Verfügung stehen, sind drei durch den Verständigungsvorschlag des BVerfG in den Verfahren um den Brandenburgischen Religionsunterricht6 inspirierte Aufsätze von Kotzur, T. I. Schmidt und Wolff7. Alle diese Untersuchungen eint ein gemeinsames Defizit. Die materiellrechtliche Seite des Prozeßvergleichs (der Vergleichsvertrag) bleibt durchweg unbeschrieben. Wie streitiges Verfassungsrecht durch Vergleichsverträge überhaupt bereinigt werden kann, ist nach dem gegenwärtigen Forschungsstand ein Arkanum. Unausgesprochener Konsens ist, daß jeder Vergleich auf dem Gebiet des Staatsorganisationsrechts in Einklang mit der Verfassung zu stehen habe, sein Inhalt also rechtmäßig sein müsse. Eine solche Forderung steht freilich – von den Autoren durchaus erkannt – mit dem Wesen des Vergleichsvertrags von Grund auf in Widerspruch. Der Vergleich bereinigt streitiges oder ungewisses Recht. Mit der wahren Rechtslage kann er daher allenfalls zufällig übereinstimmen. Da das Verfassungsrecht aber, wie nahezu das gesamte öffentliche Recht, zum größten Teil indisponibel ist, ist eine legale Bereinigung nahezu ausgeschlossen. Die Vorstellung eines verfassungsrechtlichen Vergleichs wirkt damit geradezu paradox. Die vorliegende Arbeit versucht, diesen Widerspruch zu beseitigen. Sie wagt die Behauptung, daß der verfassungsrechtliche Vergleich Bereinigung sehr wohl auch dann schaffen kann, wenn er nicht mit der Verfassung in Einklang steht. Eine Begründung für diese These meint sie dadurch liefern zu können, daß sie eine Bestandskraft des verfassungsrechtlichen Vertrags nachweist. Nicht alles, was nicht sein darf, kann nicht auch nicht sein. Nicht jeder rechtswidrige Staatsakt ist nichtig. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz können die Wirksamkeit unrichtigen, ja selbst verfassungswidrigen Rechts gebieten. Wenn aber der verfassungsrechtliche Vertrag auch im Falle seiner Verfassungsinkongruenz wirksam sein kann, dann kann er auch Tatbestandswirkung entfalten. Er kann die Rechtsquelle sein, die ungewisses oder streitiges Verfassungsrecht überlagert und damit bereinigt. In dieser Arbeit wird versucht, die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Überlagerung für die wichtigsten Bereiche des Verfassungsrechts planvoll zu beleuchten. Auf einige thematische Beschränkungen der Arbeit muß hingewiesen werden. Gegenstand dieser Untersuchung ist der verfassungsgerichtliche Vergleich, so wie er sich nach dem geltenden, deutschen Bundesverfassungsrecht darstellt. Ausgeklammert bleiben damit zum einen sämtliche Aspekte der Rechtsvergleichung, sowohl rechtshistorisch als auch international. Das mag hinsichtlich der historischen Dimension mißlich erscheinen. Der Vergleich hat im deutschen Verfassungsprozeßrecht schließlich eine lange Tradition. Die Nichtberücksichtigung dieser 5 6 7

Vgl. Schmitz, Anträge, S. 103 ff. BVerfGE 104, 305; 106, 210 – „LER“. Vgl. Kotzur, JZ 2003, 73; T. I. Schmidt, NVwZ 2002, 925; Wolff, EuGRZ 2003, 463.

Einführung

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Tradition rechtfertigt sich jedoch aus der Tatsache, daß Erkenntnisse für die wichtigste Gegenwartsfrage des verfassungsgerichtlichen Vergleichs – die seiner materiellrechtlichen Wirkung – aus einer geschichtlichen Betrachtung kaum zu erwarten sind. Der Vergleich hat vor allem in jenen Epochen und auf jenen Gebieten des Verfassungsrechts eine besondere Bedeutung gehabt, in denen die Verfassung selbst als Vertrag verstanden werden konnte8. Der Vergleich war hier ein selbstverständlicher, weil mit dem streitigen Recht kompatibler Bereinigungsmechanismus (Änderung des Verfassungsvertrags). Das gilt für die heutige Zeit nicht mehr. Die Verbandskompetenzordnung des GG ist ebensowenig ein Vertrag der deutschen Bundesländer wie seine Organkompetenzordnung ein Vertrag der obersten Staatsorgane ist. Es kann somit auch die Wirkung des verfassungsrechtlichen Vergleichs nicht länger in einer Änderung oder in einer Ergänzung des Verfassungsvertrags gesehen werden. In einer Staatsordnung, die sich „das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt“ selbst gegeben hat (Präambel GG), muß der Vergleich vielmehr von Grund auf neu, nämlich in der oben skizzierten Art einer Normüberlagerung gedacht werden. Außer Acht bleiben müssen hier, zweitens, Verfassungsrecht und Verfassungsprozeßrecht der Länder. Eine solche Beschränkung ist ohne größere Erkenntnisverluste möglich, weil das betreffende Landesrecht, soweit es für die hiesige Untersuchung von Belang ist, von dem des Bundes nur unwesentlich abweicht. Ausgeklammert bleiben schließlich alle staatstheoretischen und politikwissenschaftlichen Implikationen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs. Es steht zu vermuten, daß der Vergleich einen gewissen Beitrag zur Integration des Staates leisten kann9 und daß er womöglich auch geeignet ist, das Funktionieren der staatlichen Funktionsabläufe positiv zu beeinflussen10. Inwiefern dies aber tatsächlich der Fall ist und ob es sinnvollerweise so sein sollte, kann im Rahmen einer rein rechtswissenschaftlichen Untersuchung nicht erörtert werden. 8 Das gilt zum einen für die Landesverfassungen des Konstitutionalismus, die oftmals als Verträge zwischen dem Fürsten und seinen Ständen verstanden wurden und dementsprechend – bei „Organstreitigkeiten“ derselben – durch Vergleichsverträge bereinigt wurden, vgl. etwa Kreuzer, EuGRZ 1986, 94 (103, 104 f.); Scheuner, in: FG BVerfG, Bd. I, S. 1 (10, 34); Schlaich/ Korioth, BVerfG, Rdn. 80. Zum anderen gilt es aber auch für die beiden großen Bundesverfassungen des 19. Jhr.: die des Deutschen Bundes (DBA/WSA) und die des Kaiserreichs (RV). Sie wurden hinsichtlich ihres föderativen Teils ebenfalls als Veträge souveräner Staaten angesehen, vgl. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 658 ff.; ders., in: Böckenförde, Verfassungsgeschichte, S. 171 (175 f.). Geradezu selbstverständlich erschien es daher, daß zur Lösung intraföderale Konflikte einer streitigen gerichtlichen Entscheidung zunächst ein gütlicher Einigungsversuch voranzugehen hatte, der oftmals mit einem Vergleichsschluß endete (Artt. 11 Abs. 4 DBA, 21 – 24 WSA, 76 Abs. 1 RV); vgl. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd. I, S. 625 ff.; Bd. III, S. 1066 f. Zur Geschichte des Vertragsgedankens im Verfassungsrecht vgl. Friauf, AöR 88 (1963), 257 (269 ff.). 9 Vgl. Hinkel, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 7 f.; Kotzur, JZ 2003, 73 (78 f.); Smend, Verfassung, S. 171 f. 10 Schulze-Fielitz, Verfassungsstaat, S. 100 ff.

1. Teil

Grundlagen Die hier geplante, erstmalige, Untersuchung des verfassungsgerichtlichen Vergleichs kann nicht ohne drei wesentliche Grundlegungen begonnen werden. Erstens eine tatbestandliche Definition des Prozeßvergleichs (1.), zweitens eine Klärung der Frage, wie und unter welchen Voraussetzungen Vergleichsverträge streitiges Recht bereinigen (2.) und drittens eine Vergewisserung der Tatsache, daß sich verfassungsgerichtliche Verfahren durch autonome Prozeßhandlungen der Verfahrensbeteiligten beenden lassen (3.). Zur Notwendigkeit dieser drei Grundlegungen ist folgendes zu bemerken. Ad (1.): In der Praxis des Verfassungsprozesses ist durchaus des öfteren zu beobachten, daß einzelne Verfahren aufgrund eines Konsenses der Beteiligten ohne streitige Entscheidung enden. Zwei Gründe sind für gewöhnlich ausschlaggebend. Zum einen kommt es vor, daß ein Beteiligter im Laufe des Verfahrens die Unrichtigkeit seines eigenen Vorbringens erkennt. Zur Vermeidung offenen prozessualen Unterliegens zieht er dann mitunter Konsequenzen. Als Antragsteller versucht er, den Prozeß durch Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrages zu beenden1, als Antragsgegner oder sonstiger Beteiligter, den Antragsteller zu eben diesem Schritte zu bewegen, sei es dadurch, daß er dessen Begehren umgehend nachkommt2, sei es dadurch, daß er Klaglosstellung zumindest verspricht3. Zum anderen begegnen Fälle, in denen sich die Prozeßbeteiligten auf einen modus vivendi einigen, der weder dem einen noch dem anderen Rechtsstandpunkt vollauf entspricht, eine gerichtliche Klärung der wahren 1 So in dem vielbeachteten Verfahren BVerfGE 98, 218 (242 f.), wo kurz vor dem Verkündungstermin durchsickerte, daß mit einer Verwerfung der Verfassungsbeschwerden zu rechnen war, woraufhin die Beschwerdeführer versuchten, die schwebenden Verfahren durch Antragsrücknahmen zu beenden, vgl. Lang, DÖV 1999, 624 (625); „Verwirrung im Streit um die Rechtschreibreform“, FAZ v. 8. 7. 1998, S. 1; zum Ganzen unten § 3. 2 Vgl. z. B. BVerfGE 62, 295 (306) (inflationsbedingte Anpassung der von den Rechtsnachfolgern eines vorkonstitutionellen Gliedstaates zu tragenden Lasten aus der Vermögensauseinandersetzung mit der ehemaligen Herrscherfamilie); 83, 175 (180 f.) (Klaglosstellung durch Änderung eines Untersuchungsauftrags); vgl. auch Papier im ZRP-Rechtsgespräch, ZRP 2002, 134 (135). 3 So jüngst im Organstreitverfahren 2 BvQ 8/02 (Versprechen der Einhaltung verfassungsrechtlicher Haushaltsgrundsätze i.R. internationaler Rüstungskooperation durch den Bundesverteidigungsminister, zu den näheren Umständen s. „Briten beharren auf Vertragstreue der Deutschen“, Süddeutsche Zeitung v. 30. 1. 2002, S. 1); Papier im ZRP-Rechtsgespräch, ZRP 2002, 134 (135).

1. Teil: Grundlagen

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Rechtslage aber entbehrlich macht. Entschlüsse dieser Art sind oft durch Zeitdruck motiviert4, mitunter aber auch von dem Glauben, die gefundene Lösung sei jeder von Seiten des Verfassungsgerichts zu erwartenden Entscheidung staatspraktisch überlegen5. Auch die Verfassungsgerichte selbst wirken gelegentlich auf Verständigungen dieser Art hin und haben dabei wohl auch des öfteren Erfolg6. Die rechtskonstruktive Umsetzung der ein oder anderen Form des Konsenses trägt dabei allerdings sehr heterogene Züge und harrt bislang jeder systematischen Untersuchung7. Die Frage etwa, durch welche Art von Prozeßhandlung das streitige Verfahren endet (Antragsrücknahme, Erledigungserklärung, Prozeßvergleich etc.), ist meist ebenso zweifelhaft wie die, ob die Beteiligten zur Bereinigung der materiellen Rechtslage überhaupt rechtliche Bindungen eingehen und, wenn ja, welcher Art diese sind. Die vorliegende Arbeit kann hier nicht alle Spuren verfolgen, sondern beschränkt sich mit dem Prozeßvergleich auf ein zentrales Rechtsinstitut konsensualer Streitbeendigung. Um so wichtiger ist es, wenigstens dieses eine Rechtsinstitut tatbestandlich fest zu umreißen. Der Begriff des Prozeßvergleichs ist durch das Zivil- und durch das Verwaltungsprozeßrecht in einem Maße gefestigt, das es verbietet, seinen Bedeutungshof im Bereich der Verfassungsgerichtsbarkeit nach Belieben zu verschieben. Anspruch der vorliegenden Arbeit ist es daher, die Konturen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs entlang der Grundlinien des überkommenen zivil- und verwaltungsprozessualen Begriffsbildes nachzuzeichnen und Respezifikationen nur dort vorzunehmen, wo die besonderen Bedingungen des Verfassungs-

4 Zur überlangen Verfahrensdauer verfassungsgerichtlicher Prozesse im allgemeinen vgl. nur Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 78. Speziell Organstreitverfahren mit parlamentarischer Beteiligung sind wegen des Diskontinuitätsprinzips häufig der Gefahr einer tatsächlichen Erledigung ausgesetzt. Die verfassungsgerichtliche Entscheidung kommt hier oftmals zu spät, um dem Antragsteller zu seinem Recht zu verhelfen. 5 Insoweit fällt auf, daß Verfassungsprozesse zwischen den obersten Staatsorganen und den föderativen Verbänden oftmals überhaupt erst nach dem Scheitern von Güteverhandlungen beginnen (vgl. zuletzt „Geheimhaltung erzürnt Opposition“, Süddeutsche Zeitung v. 30. 6. 2006, S. 7 [Verfahren im BND-Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages]; BVerfGE 102, 167 [169, 175] [Weisungen im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung]) und daß Kompromisse, so sie denn zustande kommen, anschließend minutiös eingehalten werden (das Lindauer Abkommen z. B. seit über 50 Jahren, dazu unten § 7 B.). 6 So in BVerfGE 106, 210 (212 f.); im Anschluß an E 104, 305 – „LER“ (dazu im einzelnen unten § 7 C.) und in zwei von Stiebeler dokumentierten Verfahren vor dem HbgVerfG, vgl. dens., JöR n.F. 35 (1986), 229 (237 ff., 250 ff.), s.u. § 7 A. In etlichen verfassungsgerichtlichen Entscheidungen finden sich überdies Hinweise auf erfolglose Vermittlungsbemühungen des Gerichts, vgl. etwa BVerfGE 34, 216 (236 f.); s. auch „PUA-Streit: Freitag entscheidet das Gericht“, Hamburger Abendblatt v. 29. 11. 2006, S. 14 (Organstreit vor dem HbgVerfG betreffend die Änderung eines parlamentarischen Untersuchungsauftrags). Die Einwirkungsmöglichkeiten des BVerfG reichen insgesamt offenbar weiter als gemeinhin vermutet, vgl. Papier im ZRP-Rechtsgespräch, ZRP 2002, 134 (134 f.). 7 Kasuistisch orientierte Darstellungen immerhin bei Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 70, Rdn. 226 ff.; H. P. Schneider, in: FS Zeidler, Bd. I, S. 293 (300 ff., 307 ff.).

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1. Teil: Grundlagen

prozeßrechts dies zwingend erfordern8. Bevor zur Zulässigkeit, zum Tatbestand und zum Rechtsregime verfassungsgerichtlicher Vergleiche Stellung bezogen werden kann, ist also zunächst zu klären, was ein Prozeßvergleich überhaupt ist (dazu im folgenden § 1). Dabei wird besonderes Augenmerk auf diejenigen tatbestandlichen Eigenheiten zu legen sein, deren Rekonstruktion im Verfassungsprozeß Probleme bereiten könnte. Ad (2.): Es kann heute als weitgehend unbestritten gelten, daß der Prozeßvergleich aus Sicht des materiellen Rechts nichts anderes ist als ein gerichtlich beurkundeter Vergleichsvertrag9. Weit weniger gefestigt als diese Erkenntnis ist aber die Dogmatik des Vergleichsvertrags selbst und dabei vor allem die Frage, wie der Vergleich streitige Rechtsfolgen überhaupt bereinigt. Systematische Untersuchungen liegen bislang allein für den privatrechtlichen Vergleichstypus vor. Die Wirkung der öffentlichrechtlichen Vergleichsverträge liegt dagegen noch weitgehend im Dunklen. Obwohl die Verwaltungsrechtslehre den Vergleichsvertrag seit über einem Jahrhundert kennt, ist sie bis heute um eine systematische Beschreibung seiner Wirkungen verlegen. Gleiches gilt für die Staatsrechtslehre. Trotz mancher Beschäftigung mit dem verfassungsrechtlichen Vertrag im allgemeinen, hat sie dem Vergleichsvertrag nie eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt10. Vor diesem Hintergrund kann sich die vorliegende Arbeit unmöglich auf die Identität des Prozeßvergleichs mit den materiellrechtlichen Vergleichsverträgen zurückziehen und es bei einem Verweis auf ihre wie auch immer befindliche Dogmatik belassen. Vielmehr gilt es, sich eingehend auch mit dem Vergleichsvertrag selbst auseinanderzusetzen. Wie der Vergleichsvertrag konkrete Vergleichsgegenstände bereinigt, muß im Rahmen einer systematischen Analyse plausibel gemacht werden. Eine solche vorzulegen, gehört damit ebenfalls zu den Grundbedingungen dieser Arbeit (§ 2). Ad (3.): Wenn Klarheit darüber geschaffen ist, wie streitiges materielles Recht durch Vergleichsverträge bereinigt wird, bleibt als letzte Vorbedingung der eigentlichen Untersuchung des verfassungsgerichtlichen Vergleichs die Frage zu klären, unter welchen Bedingungen die Beteiligten eines Verfassungsprozesses das zwischen ihnen schwebende Verfahren aus eigener Rechtsmacht beenden können. Die Relevanz dieser Fragestellung erklärt sich daraus, daß der Prozeßvergleich tatbestandsnotwendig eine verfahrensbeendigende Prozeßhandlung enthält. Herrschender 8 Zur Notwendigkeit der Einbettung des Verfassungsprozeßrechts in das allgemeine Prozeßrecht besonders eindringlich und überzeugend Fröhlinger, Erledigung, S. 75 ff., 85 ff.; vgl. auch Bethge, in: FS Musielak, S. 77 (78); Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 57; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 94, Rdn. 26. 9 Für den Zivilprozeß Bork, Vergleich, S. 3. Für den Verwaltungsprozeß Blind, Voraussetzungen, S. 87, 154. Umstritten ist nur, ob der Vergleichsvertrag mit der Prozeßhandlung ein einheitliches Rechtsgeschäft bildet (so die h.M. von der Doppelnatur) oder ob es sich nicht in Wahrheit in einen Doppeltatbestand handelt, bei dem materiellrechtlicher Vertrag und Prozeßhandlung isoliert nebeneinander stehen, dazu sogleich bei § 1 A. 10 Nur Randnotizen etwa bei Friauf, AöR 88 (1963), 257 (288 ff.); Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 25 f.; Vedder, Staatsverträge, S. 88.

§ 1 Das Rechtsinstitut des Prozeßvergleichs

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Meinung zufolge ist die prozessuale Dispositionsbefugnis der Beteiligten im Verfassungsprozeß jedoch beschränkt. Nicht die Beteiligten, sondern das BVerfG sei „der Herr der Verfahrens“. Ein Haupteinwand gegen die Zulässigkeit verfassungsgerichtlicher Vergleiche liegt dementsprechend im angeblichen Fehlen prozessualer Dispositionsbefugnis der Vergleichsparteien über das zu beendende Verfahren. Die Stichhaltigkeit dieses Einwands muß überprüft werden, bevor zur Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Prozeßvergleichs Stellung bezogen werden kann (§ 3).

§ 1 Das Rechtsinstitut des Prozeßvergleichs Entsprechend dem obigen Plan der Untersuchung beginnen wir zunächst mit einer kurzen Darstellung des Tatbestands (A.) und des Rechtsregimes (B.) des Prozeßvergleichs. Wie angekündigt, geht es dabei in erster Linie um eine Konsolidierung der überkommenen fachprozessualen Dogmatik. Daneben gilt es, etwaige Unvereinbarkeiten des hergebrachten Begriffsbilds mit den besonderen Bedingungen des Verfassungsprozesses offenzulegen und für die weitere Untersuchung vorzumerken.

A. Der Tatbestand des Prozeßvergleichs I. Rechtsnatur: einheitliches Rechtsgeschäft aus materiellrechtlichem Vergleichsvertrag und verfahrensbeendigender Prozeßhandlung Die Frage der Rechtsnatur des Prozeßvergleichs gehört zu klassischen Streitständen des allgemeinen Prozeßrechts. Sie ist heute sowohl für den Zivil- als auch für den Verwaltungsprozeß im Sinne einer ganz herrschenden Meinung entschieden, und zwar zugunsten der Lehre von der sog. „Doppelnatur“ des Prozeßvergleichs (dazu sogleich). Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf eine kurzen Abriß des historischen Meinungsspektrums und eine Würdigung der beiden gegenwärtig noch vertretenen Ansichten11. Die heute im Zivilprozeß und auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren absolut herrschenden kombinatorischen Theorien sehen den Prozeßvergleich als Rechtsgeschäft mit Doppelnatur. Er ist sowohl privatrechtlicher (§ 779 BGB) bzw. verwaltungsrechtlicher (§ 55 VwVfG) Vertrag als auch Prozeßhandlung. Die kombinatorischen Theorien begegnen in zwei Varianten. Während die in Teilen der Literatur vertretene sog. Lehre vom Doppeltatbestand Vertrag und Prozeßhandlung

11 Vertiefende Darstellungen des Meinungsstreits finden sich für den Zivilprozeß bei Arens, Willensmängel, S. 101 ff.; Lindacher, in: FG BGH, S. 254 ff.; für den Verwaltungsprozeß bei Blind, Voraussetzungen, S. 21 ff. und Weitemeyer, Vergleich, S. 27 ff.

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1. Teil: Grundlagen

als selbständige Rechtshandlungen voneinander trennen will12, gehen die Rechtsprechung und das überwiegende Schrifttum von einer Doppelnatur des Prozeßvergleichs aus13. Der Prozeßvergleich ist danach ein einheitliches, aber doppelfunktionales Rechtsgeschäft. Als Prozeßhandlung, die den Rechtsstreit beendet und Vollstreckbarkeit erzeugt, unterliegt seine Wirksamkeit den Regeln des Prozeßrechts. Als Vergleichsvertrag regelt es das streitige Recht neu und untersteht insoweit dem materiellen Recht. Die kombinatorischen Theorien stimmen darin überein, daß der Prozeßvergleich zugleich materiellrechtlicher Vertrag und Prozeßhandlung ist. Ältere, heute nur noch selten vertretene, Ausschließlichkeitslehren ordneten den Prozeßvergleich dagegen einseitig dem materiellen oder dem Prozeßrecht zu, sei es als materiellrechtlichen Vertrag mit gesetzlichen, vom Parteiwillen unabhängigen Rechtsfolgen für den Prozeß (Prozeßbeendigung, Vollstreckbarkeit)14, sei es als reine Prozeßhandlung15. Dem Parteiwillen entsprechen derartige Beschränkungen des Vergleichs im Regelfall nicht. Die Parteien wollen mit dem Abschluß eines Prozeßvergleichs regelmäßig sowohl das zwischen ihnen schwebende gerichtliche Verfahren beenden als auch die materielle Rechtslage bereinigen, auf die sich ihr Streit bezieht.

Die heute herrschenden Theorien der Doppelnatur und des Doppeltatbestands konkurrieren v. a. um eine überzeugende Beantwortung des rechtspraktischen Hauptproblems16 des Prozeßvergleichs: Wie wirken sich materiellrechtliche oder prozessuale Wirksamkeitsdefizite des Prozeßvergleichs auf diesen insgesamt (Lehre von der Doppelnatur) bzw. auf seine beiden Elemente aus (Lehre vom Doppeltatbestand)? Die Antwort ist von immenser praktischer Bedeutung, weil zweierlei von 12 So v. a. die Lit. zum Zivilprozeß: Hellwig, Lehrbuch, Bd. II, S. 388 f.; Holzhammer, in: FS Schima, S. 217 (222 f.); Tempel, in: FS Schiedermair, S. 517 (521 ff.); Wagner, Prozeßverträge, S. 43 ff., 514 f.; mit Einschränkungen auch Wolfsteiner, in: MüKo ZPO, § 794, Rdn. 11 ff. (Trennung, aber rglm. Verknüpfungswillen der Parteien durch Bedingungen). Für den Verwaltungsprozeß wohl Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 252 (Prozeßvergleich sei Prozeßhandlung, die keinen materiellen Inhalt haben müsse). 13 Für den Zivilprozeß BGHZ 28, 171 (172); BGH NJW 2005, 3576 (3577); Bork, Vergleich, S. 3, Fn. 10; Habersack, in: MüKo BGB, § 779, Rdn. 71; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 794, Rdn. 3; Lehmann, Prozeßvergleich, S. 116 ff.; Lindacher, in: FG BGH, S. 253 (263); G. Lüke, JuS 1965, 482 (483); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 129, Rdn. 32; Stöber, in: Zöller, § 794, Rdn. 3. Auch im Regierungsentwurf der ZPO-Reform des Jahres 2001 ist von einer Doppelnatur des Prozeßvergleichs die Rede, vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 82. Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren vgl. BVerwGE 14, 103 (104 f.); BVerwG NJW 1994, 2306 (2306 f.); Blind, Voraussetzungen, S. 28; Geiger, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 106, Rdn. 6; Haueisen, DVBl. 1968, 285; Weitemeyer, Vergleich, S. 86 f. 14 So für den Zivilprozeß v. a. Rosenberg, Zivilprozeßrecht, S. 622 f., 629; ferner etwa Walsmann AcP 102 (1907), S. 1 (170 ff.). Für den Verwaltungsprozeß wohl v. Turegg/Kraus, Lehrbuch, S. 392 („materiellrechtlicher Vertrag mit materiell rechtlichen und prozessualen Folgen“). 15 Für den Zivilprozeß namentlich Paul, Vergleich, S. 3 ff.; weitere Nachweise bei Bonin, Prozeßvergleich, S. 1 f. Für den Verwaltungsprozeß Anklänge bei Ule, Verwaltungsgerichtsbarkeit, § 106 VwGO, Anm. II 1 (S. 360). Die Lehre von der rein prozessualen Wirkung des Prozeßvergleichs dürfte vor Erlaß der VwGO zunächst herrschend gewesen sein, vgl. Blind, Voraussetzungen, S. 17, Fn. 56 m.w.N. 16 Wolfsteiner, in: MüKo ZPO, § 794, Rdn. 10.

§ 1 Das Rechtsinstitut des Prozeßvergleichs

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ihr abhängt. Erstens, ob wirksamkeitsrelevante prozessuale Fehler auch auf den Vergleich als materielles Rechtsgeschäft durchschlagen, und zweitens, ob umgekehrt die materiellrechtliche Unwirksamkeit des Vergleichsvertrags auch die Verfahrensbeendigung verhindert, woran sich die Frage schließt, in welchem Verfahren materiellrechtliche Mängel des Prozeßvergleichs geltend zu machen sind – im Ausgangsprozeß oder in einem neuen Prozeß? Beide Ansichten kommen bei beiden Fragen im wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen und unterscheiden sich nur in deren Begründung. Prozessuale Wirksamkeitsdefizite können den materiellrechtlichen Teil des Prozeßvergleichs nach einhelliger Ansicht als außergerichtlichen Vergleichsvertrag bestehen lassen, wenn dies dem Parteiwillen entspricht. Für die Lehre vom Doppeltatbestand ergibt sich dies ohne weiteres aus der Trennung des (unwirksamen) Prozeßbeendigungsvertrags vom (wirksamen) materiellen Rechtsgeschäft17. Zu prüfen bleibt nur, ob nicht nach § 139 BGB (§ 62 S. 2 VwVfG) die Unwirksamkeit des Prozeßvertrags auch die des Vergleichs nach sich ziehen soll. § 139 BGB enthält insoweit eine Vermutung für Gesamtnichtigkeit, läßt aber bei abweichendem Parteiwillen auch das gegenteilige Ergebnis zu18. Wer mit der herrschenden Meinung von einer Doppelnatur des Prozeßvergleichs ausgeht, muß dieses Ergebnis anders begründen19. Der Weg über § 139 BGB ist hier versperrt, denn nach der Theorie der Doppelnatur ist der Prozeßvergleich kein zusammengesetztes, sondern ein einheitliches Rechtsgeschäft20. Remedur enthält jedoch § 140 BGB (§ 62 S. 2 VwVfG), der es erlaubt, den nichtigen Prozeßvergleich als materielles Rechtsgeschäft aufrechtzuerhalten, wenn dies (wie regelmäßig) dem Parteiwillen entspricht21. Übereinstimmung hinsichtlich des gewünschten Ergebnisses herrscht heute auch im umgekehrten, praktisch kaum weniger bedeutsamen Fall, daß materiellrechtliche Mängel die Wirksamkeit des Prozeßvergleichs beeinträchtigen. Nach heute ganz herrschender Meinung verhindern materielle Wirksamkeitsdefizite auch die Prozeßbeendigung, weshalb die Unwirksamkeit des Vergleichs im Ausgangsverfahren festzustellen ist22. Für die herrschende Meinung folgt dies zwanglos aus der Dop17

Vgl. etwa Wagner, Prozeßverträge, S. 516. So mit Recht Wagner, ebda. gegen die Kritik der h.M., etwa bei Bork, Vergleich, S. 3 Fn. 10. 19 Vgl. G. Lüke, JuS 1965, 482 (483); Wagner, Prozeßverträge, S. 45 f., 516. 20 Zutreffend G. Lüke, JuS 1965, 482 (483); Weitemeyer, Vergleich, S. 135. Unrichtig Ortloff, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 106 (Februar 1996), Rdn. 56. Ungenau auch W. Lüke, Zivilprozeßrecht, Rdn. 254 (§ 139 BGB analog) und Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 48 VI (S. 156), der knapp auf „§§ 139 f. BGB“ verweist. 21 BGH NJW 1985, 1962 (1963); Bork, Vergleich, S. 3, Fn. 10; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794, Rdn. 66; Weitemeyer, Vergleich, S. 136. Die Rspr. nimmt z. T. nicht ausdrücklich auf § 140 BGB Bezug, sondern beläßt es beim Hinweis auf den hypothetischen Parteiwillen, vgl. etwa BVerwG NJW 1994, 2306 (2307). 22 Dies gilt jedenfalls für anfängliche Wirksamkeitsdefizite. Streitig ist, ob das alte Verfahren auch dann wieder aufzunehmen ist, wenn ein zunächst wirksam zustande gekommener Vergleich nachträglich beseitigt wird (etwa durch Rücktritt, Aufhebungsvertrag oder Störung 18

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1. Teil: Grundlagen

pelnatur des Prozeßvergleichs. Als bloße „Begleitform“ des Vergleichs verliert auch die Prozeßhandlung ihre Wirksamkeit, wenn sich das materielle Rechtsgeschäft als unwirksam erweist23. Die Lehre vom Doppeltatbestand muß (und kann) zur Begründung auf § 139 BGB zurückgreifen24, will sie nicht den abstrakten Prozeßbeendigungsvertrag isoliert fortbestehen lassen25. Eine kritische Gegenüberstellung beider Theorien ergibt keine schlagenden Gründe für eine Revision der herrschenden Meinung. Die Lehre vom einheitlichen Rechtsgeschäft mit Doppelnatur führt zu überzeugenden praktischen Ergebnissen, die auch von der Gegenansicht (Lehre vom Doppeltatbestand) nicht in Zweifel gezogen, sondern im Gegenteil gezielt reproduziert werden. Der Vorwurf der „Hypertrophie“26 einer Verbindung materiellrechtlicher und prozessualer Elemente zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft ist nicht gerechtfertigt. Es ist nicht schlechthin undenkbar, daß ein einheitliches Rechtsgeschäft Rechtsfolgen auf unterschiedlichen Rechtsgebieten zeitigt und deshalb auch den Normen unterschiedlicher Rechtsgebiete unterliegt27. Welches Verständnis man der Rechtsnatur des Prozeßvergleichs zugrundelegen will, ist allein eine Frage der juristischen Konstruktion28. In der Praxis der Zivil- und Verwaltungsgerichte ist diese Frage seit langem entschieden, und zwar zugunsten der Doppelnatur des Prozeßvergleichs. Die Lehre vom Doppeltatbestand ist deshalb nicht ohne Wert. Ihre Bedeutung besteht vor allem darin, das Bewußtsein für die Existenz atypischer Fälle zu schärfen, in denen die gleichzeitige Gestaltung der materiellen und der prozessualen Rechtslage nicht dem Willen oder nicht der Verfügungsmacht der Parteien entspricht. Zu denken ist etwa an den abstrakten Prozeßbeendigungsvertrag, mit dem die Prozeßbeteiligten sich einseitig auf die der Geschäftsgrundlage). Während das BAG und die h.L. in diesen Fällen den alten Prozeß fortsetzen wollen (BAGE 3, 43; 4, 84; Blind, Voraussetzungen, S. 42 ff.; Lindacher, in: FG BGH, 253 [263]; G. Lüke, JuS 1965, 482 [485]; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794, Rdn. 76 m.w.N.), vertreten der BGH und das BVerwG die Auffassung, der spätere Wegfall des Vergleichs ändere nichts daran, daß das Verfahren wirksam beendet worden sei (BGHZ 41, 310 [312 f.]; 16, 388 [393]; BVerwG DÖV 1962, 423 [424]), weshalb ein neuer Prozeß anzustreben sei. Dogmatik und Verfahrensökonomie sprechen für die erstgenannte Ansicht. Die nachträgliche Aufhebung des Prozeßvergleichs beseitigt auch dessen verfahrensbeendigende Wirkung, womit der ursprüngliche Rechtsstreit wiederauflebt. 23 BGH NJW 1985, 1962 (1963); BVerwG NJW 1994, 2306 (2307 f.). 24 Vgl. Hellwig, System, Bd. I, S. 452, Fn. 18, S. 627; Wagner, Prozeßverträge, S. 517 f.; ähnlich Wolfsteiner, in: MüKo ZPO, § 794, Rdn. 15, 66 (Verknüpfung des materiellrechtlichen und des prozessualen Vertragsteils durch Vereinbarung einer Bedingung). A.A. offenbar Baumgärtel, ZZP 87 (1974), 121 (133), der sich aus diesem Grunde von der zunächst vertretenen Doppeltatbestandslehre lossagt. 25 So aber Tempel, in: FS Schiedermair, S. 517 (538); vgl. auch A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, S. 344. 26 Wagner, Prozeßverträge, S. 44. 27 Was auch Wagner zugibt, vgl. dens., Prozeßverträge, S. 41 (in bezug auf synallagmatisch verknüpfte Vertragspflichten, die je für sich genommen anderen Rechtsgebieten zuzuordnen wären). 28 Vgl. nur Tempel, in: FS Schiedermair, S. 517 (521) m.w.N.

§ 1 Das Rechtsinstitut des Prozeßvergleichs

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Beendigung des Verfahrens beschränken29, oder an den außerprozessualen Vergleich, in dem ein bloßes Klagerücknahmeversprechen enthalten ist30. Die Doppeltatbestandslehre hält die erforderlichen Konstruktionen bereit, um auch diese Rechtsgeschäfte präzise zu erfassen. Im weiteren Verlaufe dieser Arbeit wird daher in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung von einer Doppelnatur des Prozeßvergleichs ausgegangen. Auch der verfassungsgerichtliche Vergleich wird danach als untrennbare Einheit von materiellrechtlichem Vergleichsvertrag und verfahrensbeendigender Prozeßhandlung verstanden. Eine solche Konstruktion erscheint grundsätzlich möglich. Voraussetzung ist nur, daß sich die einzelnen Elemente des Prozeßvergleichs – der materielle Vergleichsvertrag einerseits, die verfahrensbeendigende Prozeßhandlung andererseits – auch im Verfassungsprozeß rekonstruieren lassen. II. Materiellrechtliches Element: Bereinigung der prozessual umstrittenen Rechtsfolgen durch einen Vergleichsvertrag 1. Materiellrechtlicher Vergleichsvertrag Ihrer Doppelnatur entsprechend enthalten Prozeßvergleiche sowohl prozessuale als auch materiellrechtliche Regelungen. Während die prozeßdestinierten Rechtsfolgen allein das schwebende Verfahren beenden zielen die materiellrechtlichen Regelungen des Prozeßvergleichs auf eine tatsächliche Bereinigung der umstrittenen Rechtslage. ZPO und VwGO sehen vor, daß diese Bereinigung mit Hilfe eines Vergleichsvertrags erfolgt (§§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, 106 VwGO). Materiellrechtlich betrachtet sind Prozeßvergleiche demnach nichts anderes als im Prozeß vom Gericht beurkundete Vergleiche31. Auch andere Bereinigungsgeschäfte des materiellen Rechts (namentlich die kausalen Schuldanerkenntnisse des Privatrechts32) könnten theoretisch mit einer Prozeßbeendigungshandlung zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft verbunden werden. Der Gesetzgeber begünstigt jedoch die vergleichsmäßige Streitbeendigung indirekt, indem er allein dem Prozeßvergleich Vollstreckbarkeit zubilligt (§§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, 168 Abs. 1 Ziff. 3 VwGO)33.

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Vgl. Wagner, Prozeßverträge, S. 520 ff. Vgl. Wagner, Prozeßverträge, S. 504 ff. 31 Für den Zivilprozeß Bork, Vergleich, S. 3, 449 f.; G. Lüke, JuS 1965, 482 (483). Für den Verwaltungsprozeß Blind, Voraussetzungen, S. 154; Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 106, Rdn. 5; Geiger, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 106, Rdn. 5. 32 Diese teilen mit dem Vergleich den Bereinigungszweck (dazu unten § 2 C. II.) und die typischen Vertragsinhalte, unterscheiden sich von ihm aber in der Einseitigkeit des Nachgebens, vgl. Bork, Vergleich, S. 182, 185; Kübler, Feststellung, S. 135; Marburger, Schuldanerkenntnis, S. 35 f., 47 und passim; ders., in: Staudinger, BGB, § 779, Rdn. 28 und § 781, Rdn. 8, 23. 33 Umstritten ist, ob die Regelungen der §§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, 168 Abs. 1 Ziff. 3 VwGO auf prozeßbeendigende Schuldanerkenntnisse analog anzuwenden sind, vgl. Bonin, 30

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1. Teil: Grundlagen

2. Die Möglichkeit rechtswegfremder Vertragsinhalte Mit Blick auf den verfassungsgerichtlichen Vergleich ist folgende Bemerkung von Interesse. Der Prozeßvergleich kann selbstverständlich auch materiellrechtliche Regelungen enthalten, für die im Streitfalle der Rechtsweg zu dem protokollierenden Gericht nicht zulässig wäre. So ist anerkannt, daß zivilprozessuale Vergleiche auch Regelungen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts enthalten können34 und daß – umgekehrt – Prozeßvergleiche in der Verwaltungsgerichtsbarkeit auch privatrechtliche Inhalte aufweisen können35. Mit Überkreuzungen dieser Art ist auch im Verfassungsprozeß zu rechnen. Die Bereinigung von Individualverfassungsbeschwerden etwa erfordert regelmäßig nicht verfassungsrechtliche, sondern gewöhnliche privatrechtliche oder verwaltungsrechtliche Vertragsinhalte36. 3. „Verfügung über den Streitgegenstand“ als unzutreffende Kurzformel für den Gegenstand und für den Inhalt des Vergleichsvertrags Genaueren Ausführungen vorgreifend (§ 2) ist im folgenden auf zwei materiellrechtliche Besonderheiten des Prozeßvergleichs hinzuweisen. Sie betreffen den Gegenstand und den Inhalt des prozessualen Vergleichsvertrags. Verbreitet bis in die Lehrbücher hinein ist das Schlagwort, der Prozeßvergleich sei in materieller Hinsicht eine „Verfügung“ (Inhalt des Vergleichs) über den „Streitgegenstand“ des Verfahrens (Gegenstand des Vergleichs). Die enorme Geläufigkeit dieser Kurzformel erklärt sich zivilprozessual aus der Gleichsetzung privatrechtlicher Vergleiche mit Verfügungen über das streitige Rechtsverhältnis37, verwaltungsprozessual aus § 106 S. 1 VwGO, wo es heißt, die Beteiligten könnten einen Prozeßvergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand des Vergleichs „verfügen können“. Bei genauerer Betrachtung erweist sich diese Formel als ungenau und in vielen Fällen als falsch. Gegenstand des Prozeßvergleichs ist diejenige materielle Rechtsfolge, um deren richterliche Feststellung die Parteien vor Gericht streiten38. Das ergibt sich daraus, daß Prozeßvergleiche „zur Beilegung des Rechtsstreits“ (§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO) bzw. „um den Rechtsstreit zu erledigen“ (§ 106 VwGO) geschlossen werden. ProProzeßvergleich, S. 10; Bork, Vergleich, S. 265 ff. Dem kann hier nicht weiter nachgegangen werden. 34 Bonin, Prozeßvergleich, S. 39; Lehmann, Prozeßvergleich, S. 74 f. 35 OVG Münster MDR 1954, 380 (381); Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 106, Rdn. 5; Renck-Laufke, BayVBl. 1976, 621; Schröder, Prozeßvergleich, S. 146; Weitemeyer, Vergleich, S. 98. 36 Dazu i. e. unten § 6 C. I. und II. und § 8 C. I. 37 Die Nachweise sind Legionen, vgl. nur Bork, Vergleich, S. 214, 225 ff.: „unausrottbare[s] Allgemeingut der vergleichsrechtlichen Äußerungen“. 38 Zur Verortung des Vergleichsgegenstands auf der Rechtsfolgenebene vgl. unten § 2. A. I.

§ 1 Das Rechtsinstitut des Prozeßvergleichs

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zeßvergleiche bereinigen also Rechtsfolgen, die ansonsten durch den Richter geklärt werden müßten. Terminologischer Protest ist aber gegenüber dem Versuch anzubringen, diese Rechtsfolgen mit Hilfe des Streitgegenstandsbegriffs einzufangen. Der Streitgegenstand ist kein direkt auf das materielle Recht bezogener Begriff, sondern ein Begriff des Verfahrensrechts. Seine Funktion liegt in der Bestimmung der Identität eines prozessualen Antrags in Hinblick auf Rechtshängigkeit, Klageänderung, Klagehäufung und Rechtskraft. Der Vergleichsgegenstand ist demgegenüber eine originär materiellrechtliche Rechtsfolge. Seine Deklaration nach einem prozessualen Funktionsbegriff ist unpräzise39. Sofern man sie nicht ganz vermeidet (was in dieser Arbeit geschieht), muß man sich zumindest ihrer Mißverständlichkeit bewußt sein. Auch der Gesetzgeber hat hieraus seine Konsequenzen gezogen. § 106 S. 1 VwGO spricht seit dem 1. 1. 199140 nicht mehr von einer Verfügung über den Gegenstand der Klage, sondern nur noch von einer Verfügung über den Gegenstand des Vergleichs41. Falsch ist es, den Inhalt des Prozeßvergleichs generell mit einer „Verfügung“ über die streitige Rechtsfolge gleichzusetzen (erst recht nicht: mit einer Verfügung über den Streitgegenstand, s. o.). Das gilt sowohl für Vergleichsgegenstände auf dem Gebiet des Privatrechts wie auch für Vergleichsgegenstände auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts. Der Begriff der Verfügung ist rechtssprachlich mehrdeutig und in keinem seiner möglichen technischen Wortsinne geeignet, den materiellen Gehalt des Prozeßvergleichs in allen Fällen präzise zu erfassen. Einen eindeutigen Begriffsgehalt hat die Verfügung nur in der Rechtsgeschäftslehre des Privatrechts. Sie bezeichnet dort die unmittelbare rechtsgeschäftliche Einwirkung auf ein Recht durch dessen Aufhebung, Übertragung, Belastung oder inhaltliche Änderung42. Selbst im Privatrecht aber greift eine ausschließlich verfügungsorientierte Wirkungsbeschreibung des Vergleichs zu kurz. Der privatrechtliche Vergleich enthält meistens, aber keineswegs immer eine Verfügung43. Dazu nur ein einziges Beispiel44: A streitet mit seinem Nachbarn B über Lärmimmissionen, die von einem Froschteich des B ausgehen, und verlangt Störungsbeseitigung. Man einigt sich vergleichsweise auf die Errichtung einer gemeinsamen Grenzmauer und verspricht, die Kosten hälftig zu teilen. Hier ist der Vergleich ein reines Verpflichtungsgeschäft. Das streitige Rechtsverhältnis (der behauptete Störungsbeseitigungsanspruch des A aus §§ 1004 Abs. 1 S. 1, 906 Abs. 1 S. 1 39

Für den Zivilprozeß Esser, in: FS Lehmann, Bd. II, S. 713 (723); für den Verwaltungsprozeß Schröder, Prozeßvergleich, S. 103 f.; Weitemeyer, Vergleich, S. 66. 40 4. VwGOÄndG vom 17. 12. 1990, BGBl. I, S. 2809 (2813). 41 Vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 11/7030, S. 29, wonach § 106 VwGO nunmehr klarstelle, „daß es für die Dispositionsbefugnis der Beteiligten entscheidend auf den Inhalt des Vergleichs ankommt und nicht auf den Gegenstand der Klage“. 42 s. nur Larenz/Wolf, AT, § 23, Rdn. 35. 43 Vgl. vorerst nur Bork, Vergleich, S. 226 f.; Eingehend zur Wirkungsbeschreibung des Vergleichs unten § 2 B. 44 Nach Marburger, in: Staudinger, BGB, § 779, Rdn. 47.

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1. Teil: Grundlagen

BGB) wird hier nicht unmittelbar durch eine rechtsgeschäftliche Aufhebung, Änderung oder Übertragung bereinigt, sondern mittelbar durch die Erfüllung des rein obligatorischen Vergleichs.

Will man im Zusammenhang mit dem privatrechtlichen Prozeßvergleich überhaupt von einer Verfügung sprechen, so darf man dies bestenfalls in einem untechnischen Sinne tun. „Verfügen“ heißt dann nicht mehr als überhaupt im Vertragswege Recht zu setzen. Das kann durch Verfügungen im technischen Sinn ebenso gut geschehen wie durch reine Verpflichtungsgeschäfte. Verfehlt ist es aber vor allem, den Inhalt verwaltungsrechtlicher Vergleiche einem technischen Verfügungsbegriff zu unterwerfen. Der verwaltungsrechtliche Begriff der Verfügung ist ambivalent, und keiner seiner möglichen Bedeutungsgehalte kann die Wirkung des verwaltungsrechtlichen Vergleichsvertrags in jedem Fall treffend beschreiben45. Versteht man den Begriff der Verfügung wie im Privatrecht als Aufhebung, Übertragung, Belastung oder inhaltliche Änderung eines Rechts, dann müßte man als Gegenstand der vergleichsvertraglichen Verfügung das Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen Bürger und Verwaltung ansehen und die verfügende Wirkung des Vergleichs in der Aufhebung, Änderung oder Neubegründung einzelner Rechte innerhalb dieses Rechtsverhältnisses. Ein solcher Verfügungsbegriff wäre jedoch zur Präzisierung des Vergleichsinhalts vollkommen wertlos, denn jeder subordinationsrechtliche Vertrag und überhaupt jeder Außenrechtsakt der Verwaltung ändert das Verwaltungsrechtsverhältnis in irgendeiner Form46. „Verfügung“ ist bei diesem Begriffsverständnis nicht mehr als ein Synonym für jede verwaltungsrechtliche Regelung mit Außenwirkung (Verwaltungsakt, Vertrag, Rechtsverordnung, Satzung, Plan etc.). Versteht man unter dem Begriff der Verfügung dagegen Vertragsregelungen, die dem Bürger Rechte einräumen oder Pflichten auferlegen, die ansonsten durch einen Verwaltungsakt geregelt würden47, dann wäre der „verfügende“ Vergleichsvertrag ein solcher, der beantragte Verwaltungsakte ersetzt oder bestehende Verwaltungsakte unmittelbar ändert oder aufhebt. Auch dieses Begriffsverständnis kann aber nicht richtig sein. Der verwaltungsrechtliche Vergleichsvertrag muß nicht stets unmittelbar auf bestehende Verwaltungsakte einwirken oder beantragte Verwaltungsakte ersetzen. Er kann auch die bloße Verpflichtung enthalten, einen bestimmten Verwaltungsakt aufzuheben, zu ändern oder neu zu erlassen. Mehr noch: Er kann si-

45 So zutreffend Löwer, VerwArch 56 (1965), 142 (150 f.); im Ergebnis auch Schröder, Prozeßvergleich, S. 106. 46 Vgl. nur Ehlers, DVBl. 1986, 912 (912 f.); Remmert, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht (13. Aufl.), § 17, Rdn. 3. 47 So das wohl herrschende Begriffsverständnis des verwaltungsrechtlichen Verfügungsvertrags, vgl. Fluck, Erfüllung, S. 13, 16 ff., 30 ff. und passim; Schimpf, Vertrag, S. 74 ff.; Schlette, Vertragspartner, S. 23 f.; Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 30 f.

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cherlich auch auf die Steuerung nicht-verwaltungsaktsförmigen Verwaltungshandelns gerichtet sein, etwa auf die Vornahme oder auf die Unterlassung von Realakten. Die augenscheinliche Unzulänglichkeit der technischen Verfügungsbegriffe zwingt dazu, die Behauptung, der verwaltungsrechtliche Prozeßvergleich enthalte eine Verfügung über das materielle Recht, ebenso wie im Privatrecht als bloße Floskel abzutun und zu den Akten zu legen. „Verfügen“ bedeutet im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Prozeßvergleichs nicht mehr als überhaupt im Vertragswege wirksam Recht zu setzen (§§ 54 ff. VwVfG). Dieser Vorgang bedarf aber keiner besonderen Etikettierung; erst recht nicht der Etikettierung des Verfügens, die im Verwaltungsrecht für den Verwaltungsakt reserviert ist. Wenn hier so nachdrücklich auf die begrenzte Leistungsfähigkeit des Verfügungsbegriffs hingewiesen wird, so deshalb, weil die Vorstellung vergleichsnotwendigen Verfügens einer Begriffskultur Vorschub leistet, die in der Dogmatik des Prozeßvergleichs zu vielerlei Mißverständnissen geführt hat. Mit der Annahme eines notwendigen Verfügens verbindet sich vielfach die Forderung, der Gegenstand des Prozeßvergleichs müsse einer ganz besonderen Verfügungsbefugnis der Parteien unterliegen. Wo diese fehle, sei auch ein Vergleich ausgeschlossen. Diese Forderung ist malprämittiert und folglich unrichtig, sobald das Verfügenkönnen in einem Sinne verstanden wird, der über die bloße Rechtsmacht hinausgeht, den Vergleichsgegenstand überhaupt durch eine (wie auch immer geartete) Vertragsregelung zu bereinigen. Das ist erneut sehr leicht zu demonstrieren für den Bereich des Privatrechts. Im obigen Froschteichbeispiel etwa bezog sich der Streit auf einen Störungsbeseitigungsanspruch aus § 1004 BGB – ein untrennbar mit dem Eigentum verbundenes, unabtretbares48, unverzichtbares49 und (außer durch Übereignung selbst) unverfügbares Recht. Wie gezeigt, steht die fehlende Verfügungsbefugnis der Parteien über den Vergleichsgegenstand seiner Pazifierung jedoch keineswegs entgegen. Die Parteien können den streitigen Anspruch auch durch ein reines Verpflichtungsgeschäft bereinigen. Verfügungsbefugnis ist beim privatrechtlichen Vergleich also nur dann zu verlangen, wenn die Parteien auch tatsächlich verfügen. Ob sie dies tun, ist eine Frage des Einzelfalls. Vergleichsnotwendig ist es nicht50. Die weitaus präzisere Forderung ist die, die konkrete Bereinigungsabrede müsse sich wirksam vereinbaren lassen. Das kann Verfügungsbefugnis im technischen Sinne erfordern (dann, wenn tatsächlich verfügt wird), aber auch nur die Rechtsmacht, den Streit durch eine anderweitig bereinigungstaugliche Vertragsregelung aus der Welt zu schaffen. So verstanden, ist die Forderung des Verfügenkönnens über den Vergleichsgegenstand freilich ohne jeden dogmatischen Wert.

48 49 50

BGHZ 60, 235 (240); 98, 235 (241); Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1004, Rdn. 90. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1004, Rdn. 170 m.w.N. Bork, Vergleich, S. 226; Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 106.

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1. Teil: Grundlagen

Zu Fehldeutungen verleitet der Begriff der Verfügungsbefugnis aber vor allem beim verwaltungsrechtlichen Prozeßvergleich. Dies deshalb, weil hier der Begriff des „Verfügenkönnens über den Vergleichsgegenstand“ (§ 106 S. 1 VwGO) mit erheblichem rechtshistorischen Ballast befrachtet ist. Zwar herrscht seit je her Einigkeit darüber, daß das Verfügenkönnen, von dem § 106 VwGO spricht, nur als ein deklaratorischer Verweis auf das materielle Recht des Verwaltungsvertrags verstanden werden kann51. Erhebliche Verwirrung ist jedoch dadurch entstanden, daß das Rechtsregime des Verwaltungsvertrags lange Zeit selbst im Dunklen lag. Die §§ 54 ff. VwVfG, die heute allein für maßgeblich erachtet werden können, sind nämlich wesentlich jünger als § 106 VwGO und seine gleichlautenden Vorgänger52. Solange ein geschriebenes Recht des Verwaltungsvertrags fehlte, war der Begriff des Verfügenkönnens daher zugleich Ausgangs- und Kristallisationspunkt verschiedener Theorien des öffentlichen Vertragsrechts, die – obwohl durch § 54 ff. VwVfG nunmehr eindeutig überholt – bis heute bei § 106 VwGO ein Eigenleben führen. Auf zwei besonders hartlebige Ansätze sei hingewiesen. Erstens: die Forderung nach Gesetzmäßigkeit des Vertragsinhalts. Die ältere Lehre verstand das Verfügenkönnen, von dem § 106 VwGO spricht, zunächst im Sinne einer Forderung nach Gesetzmäßigkeit des Vergleichsvertrags. Raum für Prozeßvergleiche sah sie nur dort, wo die vertraglich getroffene Regelung nicht Gefahr laufe, zwingende gesetzliche Vorschriften zu verletzen, sei es, weil sie ins Ermessen der Verwaltung gestellt sei53, sei es, weil der Vertragsgegenstand dispositivem Recht unterliege54 55. Obwohl diese These durch § 59 VwVfG eindeutig überholt ist, liest man auch heute gelegentlich noch, der verwaltungsrechtliche Prozeßvergleich dürfe nicht gegen zwingendes Recht verstoßen56. Zweitens: die Lehre vom „Bindungsgleichwert“ von Vertrag und Verwaltungsakt. In späterer Zeit verstand man den Begriff des Verfügenkönnens gerade im entgegengesetzten Sinn als Quelle einer Bestandskraft gesetzesinkongruenter Verträge. Man stellte über den Begriff der Verfügung eine Verbindung zum Recht des Verwaltungsakts her und behauptete, der Vertrag müsse im Falle seiner Rechtswidrigkeit im gleichen Umfange Wirksamkeit beanspruchen 51 Blind, Voraussetzungen, S. 153; Bosse, Verwaltungsvertrag, S. 62; Löwer, VerwArch 56 (1965), 142 (152); Schröder, Prozeßvergleich, S. 125, 207; Weitemeyer, Vergleich, S. 105. 52 Das VwVfG ist zum 1. 1. 1977 in Kraft getreten. Die Wurzeln des § 106 S. 1 VwGO reichen dagegen zurück bis zum gleichlautenden § 99 der Gesetze über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der amerikanischen Besatzungszone aus den Jahren 1946/47 (Bayern: Gesetz Nr. 39 v. 25. 9. 1946 [GVBl., S. 281]; Bremen: Gesetz v. 5. 8. 1947 [GVBl., S. 171]; Hessen: Gesetz v. 31. 10. 1946 [GVBl., S. 194]; Württemberg-Baden: Gesetz Nr. 110 v. 16. 10. 1946 [RegBl., S. 221]), vgl. Blind, Voraussetzungen, S. 15. 53 BVerwG DÖV 1962, 423 (424); Beinhardt, VerwArch 55 (1964), 210 (229); Weitemeyer, Vergleich, S. 110 ff.; weitere Nachweise bei Bisek, Vertrag, S. 65. 54 BVerwG DÖV 1962, 423 (424); Barth, NJW 1961, 1604 (1605, 1607); Forsthoff, Lehrbuch, Bd. I, S. 279; Lehmann, Prozeßvergleich, S. 74 f.; Mellwitz, DVBl. 1962, 601 (602, 604); v. Turegg/Kraus, Lehrbuch, S. 392. 55 Hinter der Forderung nach Gesetzmäßigkeit der Vertragsinhalts stand unausgesprochen die Annahme, Verträge auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts seien im Falle der Rechtswidrigkeit ihres Inhalts ausnahmslos nichtig (sog. Nichtigkeitsdogma, vgl. unten § 8 A. III. 3.). Man hielt sich deshalb für gezwungen, den Vergleich als gesetzmäßiges Geschäft zu konstruieren. 56 s. etwa Geiger, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 106, Rdn. 10.

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können wie ein gleichlautender Verwaltungsakt (i. e. bereits dann, wenn die Behörde sachlich und örtlich zuständig war)57. Untragbare Ergebnisse vermied man durch die flankierenden Forderungen, der Vergleich dürfe nicht gegen „zwingende“ gesetzliche Bestimmungen58 oder „überwiegende öffentliche Interessen“59 verstoßen – Schlagwörter, die auch heute noch häufig als Grenzen der Verfügungsbefugnis des § 106 VwGO genannt werden60.

Für beide Theorien war der Begriff des Verfügenkönnens ein entscheidender Katalysator. Für die Lehre vom gesetzmäßigen Vertragsinhalt deshalb, weil sie das Verfügenkönnen im Sinne eines Verfügendürfens verstehen konnte. Für die Lehre vom Bindungsgleichwert dadurch, daß sie über den Begriff der Verfügung Anschluß an das Recht des bestandskräftigen Verwaltungsakts fand. Beide Ansätze sind mit dem Inkrafttreten der §§ 54 ff. VwVfG überholt. Der Begriff des Verfügenkönnens in § 106 VwGO hat heute keine eigenständige Normativität mehr. Seine fortdauernde Betonung ist daher wenig sachdienlich. Die Forderung nach einer besonderen Verfügungsbefugnis über den Gegenstand des verwaltungsrechtlichen Prozeßvergleichs ist im besten Falle nichtssagend (dann, wenn sie als bloßer Verweis auf §§ 54 ff. VwVfG verstanden wird), im schlimmsten Falle falsch (dann, wenn ihr Anforderungen beigelegt werden, die von §§ 54 ff. VwVfG abweichen). Wir halten daher fest: Die Kurzformel von der Verfügung über den Streitgegenstand ist doppelt unrichtig. Gegenstand des Prozeßvergleichs ist nicht der Streitgegenstand, sondern eine bestimmte Rechtsfolge des materiellen Rechts. Bereinigt wird sie nicht notwendig durch Verfügungen im technischen Sinne, sondern durch Vertragsregelungen jeglicher Art. Verfügungsbefugnis über den Vergleichsgegenstand kann nur in dem Sinne verlangt werden, daß der Vergleichsgegenstand überhaupt irgendeiner Form vertraglicher Bereinigung durch die Parteien zugänglich sein muß. Das freilich ist kaum der Rede Wert.

57 BVerwGE 14, 103 (104 f.); BSGE 26, 210; BSG NJW 1968, 176; vgl. auch OVG Münster DVBl. 1973, 696 (aufgehoben durch BVerwGE 49, 359); Bosse, Verwaltungsvertrag, S. 67; Haueisen, DVBl. 1968, 285 (287 f.); ders., NJW 1969, 122 (123 f.); Löwer, VerwArch 56 (1965), 142 (152); Suchan, Probleme, S. 169, 193 sowie bis heute unbeirrt Geiger, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 106, Rdn. 12; Habersack, in: MüKo BGB, § 779, Rdn. 17; Hennecke, in: Knack, VwVfG, § 55, Rdn. 9; Marburger, in: Staudinger, BGB, § 779, Rdn. 17; Wolff/ Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 50. Zu dieser Lehre und ihren Folgen ausf. Efstratiou, Bestandskraft, S. 198 ff. 58 Zurückgehend auf BVerwGE 14, 103 (105); unter Berufung auf dieses Urteil bis heute zementiert u. a. bei BVerwGE 84, 157 (166); Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 106, Rdn. 20; Kopp/Schenke, VwGO, § 106, Rdn. 12. 59 Zurückgehend auf BVerwGE 14, 103 (105); 17, 87 (94); diesen folgend Bosse, Verwaltungsvertrag, S. 67 f.; bis heute auch in BVerwGE 84, 157 (166); ferner bei Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 106, Rdn. 20; Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 106, Rdn. 4, Fn. 6; Marburger, in: Staudinger, BGB, § 779, Rdn. 17. 60 Vgl. neben den in Fn. 58 und 59 Genannten z. B. Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 55, Rdn. 5, der die Formel ohne nähere Begründung als „allgemeinen Grundsatz“ bezeichnet.

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1. Teil: Grundlagen

III. Prozessuales Element: verfahrensbeendigende Prozeßhandlung 1. Verfahrensbeendigende Prozeßhandlung Aus Sicht des Prozeßrechts ist der Prozeßvergleich eine verfahrensbeendigende Parteiprozeßhandlung. Durch ihre Zustimmung zum Prozeßvergleich wirken die prozessual dispositionsbefugten Beteiligten unmittelbar auf das schwebende Verfahren ein indem sie es beenden. Eines Einstellungsbeschlusses des Gerichts bedarf es daneben nicht. 2. Notwendige Voraussetzung: Disponibilität des zu beendigenden Verfahrens Da der Prozeßvergleich eine verfahrensbeendigende Parteiprozeßhandlung enthält, ist sein Anwendungsgebiet auf Prozesse beschränkt, in denen die Dispositionsmaxime gilt. Im Zivilprozeß und im Verwaltungsprozeß ist dies offenkundig der Fall. Im Verfassungsprozeß bestehen dagegen, wie angedeutet, manche Zweifel. In § 3 wird dem genauer nachzugehen sein. 3. Prozeßvergleiche in nicht-kontradiktorischen Verfahren Fraglich ist, ob über die bloße Disponibilität hinaus besondere Anforderungen an die Struktur des zu beendigenden Verfahrens zu stellen sind. In der verfassungsprozessualen Literatur liest man insoweit häufig, der Prozeßvergleich setze tatbestandsnotwendig einen kontradiktorischen Verfahrensrahmen voraus; er könne also nur in Verfahren geschlossen werden, in denen neben dem Antragsteller auch ein Gegner auftrete. Im Verfassungsprozeß sei jedoch das Zweiparteienprinzip, das den Zivil- und den Verwaltungsprozeß beherrsche, weitgehend aufgegeben. Wenn überhaupt, dann sei ein Vergleichsschluß deshalb nur in den echten Streitverfahren der Verfassungsgerichtsbarkeit denkbar, d. h. in föderativen Streitigkeiten und in Organstreitverfahren. Die praktisch weit bedeutsameren Verfassungsbeschwerden, die konkreten und abstrakten Normenkontrollen sowie die Wahlprüfungsverfahren seien dagegen mangels Antragsgegner von vornherein nicht für den Abschluß von Prozeßvergleichen geeignet61. Die ungemeine Verbreitung und Akzeptanz dieser Thesen sind erstaunlich. Dem allgemeinen Prozeßrecht sind Forderungen dieser Art nämlich weitgehend fremd. 61 Bethge, in: Maunz, BVerfGG, Vorb § 17 (23. Lfg. Januar 2004), Rdn. 49; Fröhlinger, Erledigung, S. 104 f.; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 78, Rdn. 6; Haas, Verfassungsgerichtshof, S. 100; Kotzur, JZ 2003, 73 (80); Lechner/Zuck, BVerfGG, Vor § 17, Rdn. 19; Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 70, Rdn. 228; Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 67; Wintrich/Lechner, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, Bd. III/2, S. 643 (703); Wolff, EuGRZ 2003, 463 (464, 466 f.); offenbar auch Papier im ZRPRechtsgespräch, ZRP 2002, 134.

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So muß zunächst festgehalten werden, daß jedenfalls Gründe der Sachlogik Prozeßvergleichen in nicht-kontradiktorischen Verfahren keineswegs entgegenstehen. Der Sache nach ist der Prozeßvergleich nicht mehr als ein gerichtlich beurkundeter Vergleichsvertrag, der zugleich einen schwebenden Prozeß beendet, weil dessen Anlaß mit dem Vergleichsschluß bereinigt ist. Die Vergleichsparteien nehmen das Gericht also im wesentlichen nur als „Beurkundungsstelle“62 in Anspruch und erklären ihm, daß ein bestimmter Rechtsstreit beendet sei. In welchem Verfahren sie dies tun, ist prinzipiell egal, solange sie nur (allein oder in ihrem Zusammenwirken) Dispositionsbefugnis über die Verfahrensbeendigung innehaben. Egal ist es demnach auch, wie die Beteiligungsrechte in dem zu beendigenden Verfahren ausgestaltet sind; konkret: ob die Vergleichsparteien sich gerade als Antragsteller und Antragsgegner gegenüberstehen oder nicht. Erforderlich ist lediglich, daß zumindest eine von ihnen das Verfahren aus eigener Rechtsmacht beenden kann. Das freilich ist allein eine Frage der prozessualen Dispositionsbefugnis und keine Frage der kontradiktorischen oder der nicht-kontradiktorischen Verfahrensgestaltung. Läßt sich die Unzulässigkeit von Prozeßvergleichen in nicht-kontradiktorischen Verfahren danach nicht auf Gründe der Sachlogik stützen, so könnte sie bestenfalls mit einer entsprechenden Entscheidung des Gesetzgebers begründet werden. Vereinzelt hat man tatsächlich versucht, eine solche Entscheidung aus dem Gesetz herauszulesen, und zwar vor allem aus § 794 ZPO. Der profundeste Vorstoß in diese Richtung findet sich in der noch auf das Jahr 1911 zurückgehenden Arbeit von Lehmann63. Lehmann erkannte zutreffend, daß der Abschluß von Prozeßvergleichen auch außerhalb des kontradiktorischen Streitverfahrens möglich ist, etwa im Prozeßkostenhilfeverfahren (§ 114 ff. ZPO) oder im Arrestverfahren (§§ 916 ff. ZPO), und er notierte schon damals eine entsprechende Praxis der Gerichte64. Er meinte jedoch, aus dem Umstand, daß § 794 Abs. 1 ZPO in seiner zeitgenössischen Fassung nur von Vergleichen im Urteilsverfahren (Ziff. 1) und im vorangehenden Sühneversuch sprach (Ziff. 2)65, folgern zu müssen, daß der Gesetzgeber den Abschluß vollstreckbarer Prozeßvergleiche in anderen Verfahrensarten nicht zugelassen habe66. Lehmann empfand dies als Mißstand und mahnte nachdrücklich zur Reform67. Der Gesetzgeber ist dieser Aufforderung nachgekommen. § 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO spricht heute ganz allgemein von Vergleichen „vor einem deutschen Gericht“. Vom kontradiktorischen Urteilsverfahren ist keine Rede mehr. Gelegentlich argumentiert man dennoch auch heute noch mit dem Wortlaut des § 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, um die Unzulässigkeit des Prozeßvergleichs in nicht62 63 64 65 66 67

So treffend Blind, Voraussetzungen, S. 87. Lehmann, Prozeßvergleich, S. 105 ff. Lehmann, Prozeßvergleich, S. 105 f. Zur damaligen Rechtslage etwa R. Schmidt, Lehrbuch, S. 880. Lehmann, Prozeßvergleich, S. 106. Lehmann, Prozeßvergleich, S. 248.

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1. Teil: Grundlagen

kontradiktorischen Verfahren darzutun. Nach § 794 ZPO erledige der Prozeßvergleich einen „Rechtsstreit“. Mit einem Rechtsstreit könne aber nur ein kontradiktorisches Verfahren gemeint sein68. Das ist wenig überzeugend. Die ZPO verwendet den Begriff des Rechtsstreits in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen, und ganz gewiß hat sie dabei nicht immer das streitige Urteilsverfahren vor Augen. Nicht einzusehen wäre etwa, warum die anwaltliche Prozeßvollmacht zwar „zu allen den [kontradiktorischen] Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen“ ermächtigen sollte (§ 81 ZPO), nicht aber zu Prozeßhandlungen in den nicht kontradiktorischen Nebenverfahren. Näher der Sache kommt es doch offenbar, als Rechtsstreit im Sinne des § 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO überhaupt jedes zivilgerichtliche Verfahren aufzufassen. Daß diese – grammatisch ebenfalls vertretbare – Auslegung den Vorzug verdient, bestätigt eine systematische Überlegung. § 794 ZPO gehört zum Achten Buch der ZPO und behandelt den Prozeßvergleich demnach allein in seiner Eigenschaft als Vollstreckungstitel. Eine Regelung über die vergleichsfähigen Verfahrensarten ist in § 794 ZPO überhaupt nicht zu erwarten. Zu Recht nimmt die herrschende Meinung die Forderung eines kontradiktorischen Verfahrensrahmens denn auch wenig ernst. Sie läßt Prozeßvergleiche z. B. auch im Arrestverfahren zu69, einem Verfahren, an dem allein der Gläubiger beteiligt ist und in dessen Rahmen dem Schuldner – ratio materiae (Überraschungseffekt) – nicht einmal rechtliches Gehör gewährt wird (§ 922 Abs. 3 ZPO)70. Dagegen ist nichts zu erinnern. Warum sollte es dem Gläubiger auch versagt werden, das Arrestverfahren statt durch Antragsrücknahme durch einen Prozeßvergleich zu beenden, wenn er dem Schuldner sein Vorgehen offenbart und dieser einer gütlichen Einigung zustimmt? Für den verfassungsgerichtlichen Vergleich bedeutet dies, daß sein mögliches Anwendungsgebiet nicht von vornherein auf die echten Streitverfahren verengt werden darf. Auch Prozeßvergleiche zur Beendigung von Verfassungsbeschwerden, abstrakten oder konkreten Normenkontrollen, Wahlprüfungs- und Anklageverfahren erscheinen zunächst möglich und müssen daher in der weiteren Untersuchung berücksichtigt werden. Daß gerade Vergleiche in Individualverfassungsbeschwerden alles andere als abwegig sind, mag ein einziges Beispiel verdeutlichen.

68 So Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 794, Rdn. 5, der für Kontradizität allerdings ausreichen lassen will, daß dem „Gegner“ rechtliches Gehör gewährt werde; ähnlich, wenngleich z. T. widersprüchlich, Wolfsteiner, in: MüKo ZPO, § 794, Rdn. 20. 69 BGH NJW-RR 1991, 1021; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Anh. § 307, Rdn. 19; Bonin, Prozeßvergleich, S. 164; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794, Rdn. 20. Inkonsequenterweise auch Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 794, Rdn. 5, der sich damit in Widerspruch zu seiner Ausgangsthese setzt, dem Gegner müsse „zumindest rechtliches Gehör“ gewährt werden. Genau das ist im Arrestverfahren nicht der Fall, s. sogleich im Text. 70 Rechtsstaatlich und grundrechtlich unbedenklich, da dem Schuldner die Möglichkeit späteren Widerspruchs (§ 924 ZPO) verbleibt, vgl. BVerfGE 7, 95 (99); 9, 89 (98).

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Beispiel: Prinzessin P hat den S-Verlag wegen der Verbreitung eines in Wahrheit frei erfundenen „Exklusivinterviews“ mit ihr auf Schadensersatz in Höhe von 100.000 Euro verklagt71. Nachdem ihre Klage vor den Zivilgerichten erfolglos geblieben ist, erhebt sie Verfassungsbeschwerde unter Berufung auf eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die richterliche Auslegung des § 823 Abs. 1 BGB. Auf Vorschlag des Senats einigt sie sich in der mündlichen Verhandlung mit dem zur Äußerung erschienenen Geschäftsführer des S-Verlags (vgl. § 94 Abs. 3 BVerfGG) auf eine Entschädigung in Höhe von 50.000 Euro, die an die SOS-Kinderdörfer ausgezahlt werden soll. – Materiellrechtlich handelt es sich hier um einen gewöhnlichen Vergleichsvertrag auf dem Gebiet des Privatrechts (§ 779 BGB). Mit ihm verbunden ist eine Prozeßhandlung der P, die das verfassungsgerichtliche Verfahren beendet.

IV. Beteiligte Von besonderem Interesse für die Untersuchung des verfassungsgerichtlichen Vergleichs ist die Frage seiner Parteien. Dies deshalb, weil die landläufige Vorstellung vom Prozeßvergleich die eines Vertrages zwischen Kläger und Beklagtem ist – ein Paradigma, das, wie gesehen, nicht ohne weiteres auf den Verfassungsprozeß übertragbar ist. In zahlreichen verfassungsgerichtlichen Verfahren tritt eben gerade kein Antragsgegner auf, und dennoch kann der Streitstoff dieser Verfahren unzweifelhaft durch Vergleichsverträge bereinigt werden. Es lohnt sich daher, einen etwas genaueren Blick auf die Gründe zu werfen, deretwegen eine Beteiligung am Prozeßvergleich erforderlich ist. Die Mitwirkung an einem Prozeßvergleich hat immer nur zwei mögliche Ursachen. Entweder materiellrechtliche oder prozessuale72. Notwendig aus prozessualen Gründen ist die Beteiligung einer Partei, wenn nur mit ihrer Zustimmung das schwebende Verfahren beendet werden kann. Wem prozessuale Dispositionsbefugnis zukommt, bestimmt sich nach dem einschlägigen Prozeßrecht. ZPO und VwGO legen das Recht zur Verfahrensbeendigung in die Hände des Antragstellers sowie – in kontradiktorischen Verfahren – des Antragsgegners73. Ihre Dispositionsbefugnis ist eine geteilte. Weder der Kläger, noch der Beklagte können das gemeinsame Prozeßrechtsverhältnis einseitig ohne die Zustimmung des Gegners durch einen Prozeßvergleich mit einem Dritten beenden74. 71

Nach BGHZ 128, 1; BVerfGE 34, 269. Vorzüglich Atzler, DVBl. 1986, 1214. 73 Für den Zivilprozeß Bonin, Prozeßvergleich, S. 55; Lehmann, Prozeßvergleich, S. 156 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 129, Rdn. 15; Wolfsteiner, in: MüKo ZPO, § 794, Rdn. 28. Für den Verwaltungsprozeß Atzler, DVBl. 1986, 1214; Franke, Vergleich, S. 110 f.; Kopp/Schenke, VwGO, § 106, Rdn. 10; Ortloff, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 106 (Februar 1996), Rdn. 39, 52. 74 Der mißverständliche Wortlaut des § 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, der von Vergleichen „zwischen einer Partei und einem Dritten“ spricht, geht auf ein Versehen des Gesetzgebers zurück, vgl. Bonin, Prozeßvergleich, S. 55 f. Unrichtig daher Stöber, in: Zöller, ZPO, § 794, Rdn. 6; Wieczorek, ZPO, § 794, C II a 1 (S. 430), die einen Prozeßvergleich über den Kopf des Beklagten hinweg auch zwischen dem Kläger und einem Dritten zulassen wollen. 72

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1. Teil: Grundlagen

Die Zustimmung anderer Verfahrensbeteiligter als der Parteien ist für die Prozeßbeendigung nicht erforderlich. Die Beendigung des Prozeßrechtsverhältnisses ist im Zivil- und im Verwaltungsprozeß ausschließlich Sache des Klägers und des Beklagten. Weder Streitgenossen (§§ 59 ZPO, 64 VwGO)75, noch Nebenintervenienten (§ 66 Abs. 1 ZPO)76, noch Beigeladene (§ 65 VwGO)77 oder gar der Vertreter des öffentlichen Interesses (§ 36 Abs. 1 VwGO)78 sind aus verfahrensrechtlichen Gründen am Prozeßvergleich zu beteiligen. Sie alle werden nicht durch die Verfahrensbeendigung, sondern bestenfalls durch die materiellrechtlichen Wirkungen des Prozeßvergleichs in ihren Rechten betroffen. Ihrer Beteiligung am Prozeßvergleich bedarf es daher, wenn überhaupt, nur aus Gründen des materiellen Rechts. Notwendig aus materiellrechtlichen Gründen ist die Beteiligung einer Vergleichspartei, wenn die konkrete Bereinigungsabrede nur mit ihrer Zustimmung 75 Selbständigkeit der Prozeßrechtsverhältnisse (§§ 61 ZPO, 64 VwGO), vgl. für den Zivilprozeß Bonin, Prozeßvergleich, S. 123 ff.; Lehmann, Prozeßvergleich, S. 183 ff.; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 129, Rdn. 14; für den Verwaltungsprozeß Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 64 (Februar 1996), Rdn. 11, 20. Umstritten ist, ob Alleindispositionsbefugnis über das eigene Prozeßrechtsverhältnis auch bei notwendiger Streitgenossenschaft aus materiellrechtlichen Gründen besteht (§§ 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO, 64 VwGO). Richtigerweise ist dies zu bejahen. Für die Verfahrensbeendigung allein bedarf es der Zustimmung der anderen Streitgenossen nicht. Das ist für die Parallelinstitute der Klagerücknahme (§§ 269 ZPO, 92 VwGO) und der übereinstimmenden Erledigungserklärung (§§ 91a ZPO, 161 Abs. 2 VwGO) zu Recht h.M., vgl. für den Zivilprozeß OLG Rostock NJW-RR 1995, 381 (382); Gottwald, JA 1982, 64 (70); Lindacher, JuS 1986, 379 (384); Grunsky, Grundlagen, S. 283; Weth, in: Musielak, ZPO, § 62, Rdn. 18; für den Verwaltungsprozeß Rennert, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 92, Rdn. 8. A.A. für den Zivilprozeß aber Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, § 62, Rdn. 20; Bonin, Prozeßvergleich, S. 129; für den Verwaltungsprozeß Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 64, Rdn. 82 f., 92; V. Schmid, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 92, Rdn. 13, die den rücknahmewilligen Streitgenossen der Zustimmung der übrigen Streitgenossen unterwerfen wollen. Das überzeugt nicht. Wenn ein Streitgenosse den anderen gegenüber nicht verpflichtet ist, überhaupt Klage zu erheben (was etwa Czybulka durchaus zugibt, ebda., Rdn. 49), dann kann er ebensowenig verpflichtet sein, einen einmal erhobenen Klageantrag im Interesse seiner Mitstreiter aufrecht zu erhalten. 76 Lehmann, Prozeßvergleich, S. 156 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 50, Rdn. 41. 77 OVG Münster OVGE 9, 177 (178 f.); Atzler, DVBl. 1986, 1214; Bettermann, DVBl. 1951, 39 (40); Blind, Voraussetzungen, S. 95; Czybuka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 66, Rdn. 11; Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 106, Rdn. 15; Franke, Vergleich, S. 110 f.; Hans, DVBl. 1951, 721 (723); Kopp/Schenke, VwGO, § 106, Rdn. 10; Ortloff, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 106 (Februar 1996), Rdn. 52; Schröder, Prozeßvergleich, S. 180 f.; Weitemeyer, Vergleich, S. 90 f.; s. auch BVerwG MDR 1960, 873, Nr. 130. A.A. hinsichtlich des notwendig Beigeladenen (§ 65 Abs. 2 VwGO) allerdings OVG Lüneburg NVwZ 1987, 234; Hüttenbrink, in: Kuhla/ders./Endler, Verwaltungsprozeß, E, Rdn. 13; Redeker, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 66, Rdn. 10; Suchan, Probleme, S. 73. Hier wird übersehen, daß nicht jeder Vergleich, der ein Verfahren mit notwendiger Beiladung beendet, zwingend in die Rechte des Beigeladenen eingreifen muß (§ 58 Abs. 1 VwVfG). 78 Blind, Voraussetzungen, S. 95; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 36, Rdn. 8; Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 106, Rdn. 6; Tettinger/Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, § 4, Rdn. 11.

§ 1 Das Rechtsinstitut des Prozeßvergleichs

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getroffen werden kann. Dabei gelten die allgemeinen Regeln. Die Begründung vertraglicher Pflichten bedarf immer der Zustimmung des Betroffen (Verbot des Vertrags zu Lasten Dritter), Verfügungen über Forderungen oder Sachen obliegen grundsätzlich dem Berechtigten, die Verpflichtung staatlicher Organe zu Eingriffen in die Rechte Dritter bedarf deren Zustimmung (§ 58 VwVfG) etc. All dies führt häufig, aber nicht zwingend zu einer notwendigen Beteiligung prozessualer Nebenbeteiligter. Insbesondere notwendige Streitgenossen aus materiellrechtlichen Gründen (§§ 62 Abs. 1 Alt. 2 ZPO, 64 VwGO)79 und der notwendig Beigeladene (§ 65 Abs. 2 VwGO)80 sind regelmäßig in den Vergleich mit einzubeziehen, weil eine materiellrechtliche Bereinigung nur mit ihrer Zustimmung möglich ist. Die genannten Grundsätze gelten für alle Prozeßvergleiche, auch für solche, die, wie der verfassungsgerichtliche Vergleich, außerhalb der Zivil- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit geschlossen werden. Zu beteiligen ist jeder, von dessen Zustimmung die Verfahrensbeendigung und/oder die Wirksamkeit der konkreten Bereinigungsabrede abhängt.

B. Das Rechtsregime des Prozeßvergleichs I. Grundzusammenhänge Das Rechtsregime des Prozeßvergleichs ist zu wesentlichen Teilen heteronomes Recht, also das Recht anderer Rechtsgeschäfte. Der Prozeßvergleich ist kein eigenständiger rechtsgeschäftlicher Typus, sondern die Verbindung zweier bekannter Rechtsakte81. Soweit er das materielle Recht bereinigt, ist er Vergleichsvertrag im Sinne der §§ 779 BGB, 55 VwVfG, soweit er das schwebende Verfahren beendet, Prozeßhandlung. Sein Rechtsregime liegt ihm danach im wesentlichen voraus. Es ist das Recht der Vergleichsverträge und der verfahrensbeendigenden Prozeßhandlungen. Prozeßvergleichsspezifische Regelungen sind daneben grundsätzlich nicht erforderlich und dementsprechend auch selten. ZPO und VwGO ordnen vor allem zwei zweckmäßige Nebenrechtsfolgen des Vergleichsschlusses auf prozessualem Gebiete an. Sie verteilen die Kostenlast abweichend vom Erfolgsprinzip gerecht auf beide Parteien (§§ 98 ZPO, 160 VwGO) und sie erheben den Prozeßvergleich in den Rang eines Vollstreckungstitels (§§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, 168 Abs. 1 Ziff. 3 VwGO). II. Das materielle Recht des Prozeßvergleichs Aus Sicht des materiellen Rechts ist der Prozeßvergleich ein gewöhnlicher Vergleichsvertrag im Sinne der §§ 779 Abs. 1 BGB, 55 VwVfG. Insoweit als der Prozeßvergleich außerprozessuale Regelungen enthält, unterliegt er danach sachlichem 79 80 81

Bonin, Prozeßvergleich, S. 129. Schröder, Prozeßvergleich, S. 181. Vgl. oben A. I.

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1. Teil: Grundlagen

Vergleichsvertragsrecht82. Dieses Recht ist vom Grundsatz her das gesamte materielle Vertragsrecht. Denn der Vergleichsvertrag hat keinen spezifischen Inhalt, sondern er dient je und je der Bereinigung unterschiedlichster Vergleichsgegenstände83. Im Fachprozeß ergeben sich hieraus keinerlei Schwierigkeiten. Hier geht es stets nur um die Bereinigung privatrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Vergleichsgegenstände (§§ 13 GVG, 40 VwGO), und auch das Rechtsregime des Vergleichsvertrags ist folglich nur privates (BGB und Nebengesetze) oder verwaltungsrechtliches Vertragsrecht (§§ 54 ff. VwVfG i.V.m. den jeweiligen Fachgesetzen). Im Verfassungsprozeß liegen die Dinge komplizierter. Der Prozeßvergleich kann zwar auch hier rein privatrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Natur sein (die Bereinigung von Individualverfassungsbeschwerden etwa erfordert regelmäßig nur privatrechtliche oder verwaltungsrechtliche Vertragsinhalte84). In vielen Fällen aber ist der verfassungsprozessuale Vergleich ein Vertrag auf dem Gebiet des Staatsorganisationsrechts. Als solcher fehlt ihm ein explizites Rechtsregime. Das GG enthält, anders als das VwVfG, keinerlei Regelungen über den verfassungsrechtlichen Vertrag. Die Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs steht damit vor einer besonderen Schwierigkeit. Sie muß das materielle Recht ihres Untersuchungsgegenstands zu weiten Teilen erst noch herleiten. Diese Aufgabe ist jedoch durchaus zu bewältigen (§ 8 A. und B). Sie entspricht derjenigen der älteren Verwaltungsprozeßlehre, die vor Erlaß der §§ 54 ff. VwVfG zu erklären hatte, was unter dem materiellrechtlichen „Verfügenkönnen“ des § 106 VwGO im einzelnen zu verstehen ist85. III. Das prozessuale Recht des Prozeßvergleichs Das prozessuale Recht des Prozeßvergleichs regelt im Kern drei Fragen. Erstens die Wirksamkeitsbedingungen der Verfahrensbeendigung, zweitens die Kostenverteilung, drittens die Vollstreckbarkeit des Vereinbarten. Hinsichtlich der Wirksamkeit der durch den Prozeßvergleich angestrebten Verfahrensbeendigung bestehen weder in der ZPO noch in der VwGO ausdrückliche Sonderregelungen, so daß allgemeine Grundsätze zum Tragen kommen. Die Verfahrensbeendigung ist danach von Seiten der hierzu Dispositionsbefugten durch wirksames Prozeßhandeln zu bewirken. Befugt zur Verfahrensbeendigung ist allein

82 Für den zivilprozessualen Vergleich BGHZ 16, 388 (390); BAG NJW 1983, 2212; Bork, Vergleich, S. 3, 449 f.; Lorentz, in: Soergel, BGB, § 779, Rdn. 63; Terlau, in: Ermann, BGB, § 779, Rdn. 31. Für den verwaltungsgerichtlichen Vergleich BVerwGE 84, 157 (165); VGH München DVBl. 1980, 62; OVG Münster NVwZ 1988, 370; Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 55, Rdn. 8; Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 106, Rdn. 18; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 36, Rdn. 37; Meyer-Hesemann, DVBl. 1980, 869 (872). 83 Vgl. im einzelnen unten § 2 B. und D. 84 Dazu i. e. unten § 6 C. I. und II. und § 8 C. I. 85 s. oben § 1 A. II. 3.

§ 1 Das Rechtsinstitut des Prozeßvergleichs

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der Kläger und mit ihm – so vorhanden – der Beklagte86. Die Zustimmung anderer Beteiligter oder derjenigen Vergleichsparteien, die nur aus materiellrechtlichen Gründen am Prozeßvergleich mitwirken, ist nicht erforderlich. Wirksamkeit als Prozeßhandlung erfordert Parteifähigkeit/Beteiligungsfähigkeit (§§ 50 ZPO, 61 VwGO), Prozeßfähigkeit (§§ 51 ZPO, 62 VwGO) und gegebenenfalls Postulationsfähigkeit (§§ 78 ZPO, 67 VwGO)87 – evidentermaßen nur auf Seiten der tatsächlichen Disponenten (Kläger und Beklagter), nicht auch auf Seiten sonstiger Vergleichsparteien88. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht. Weder ist es erforderlich, daß die Klage zulässig war89, noch, daß sie überhaupt wirksam erhoben wurde90. Im letzteren Falle geht die verfahrensbeendigende Bewirkungshandlung der Parteien ins Leere. Am Zustandekommen des materiellrechtlichen Vergleichsvertrags und an seiner Vollstreckbarkeit ändert dies nichts. Spezialregelungen bestehen für die Kostenfolgen und für die Vollstreckbarkeit des Prozeßvergleichs. §§ 98 ZPO, 160 VwGO entscheiden die (nach allgemeinen Grundsätzen schwer zu beantwortende91) Kostenfrage. Mit Recht wird dabei zu einer schematischen Lösung gegriffen, die keinerlei Rücksicht auf den vormaligen Sachund Streitstand nimmt. Die Gerichtskosten werden pauschal geteilt (Aufhebung, §§ 92 Abs. 1 S. 2 ZPO, 155 Abs. 1 S. 2 VwGO) und jeder Beteiligte trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. §§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, 168 Abs. 1 Ziff. 3 VwGO ermöglichen die Zwangsvollstreckung der vergleichsweise festgestellten Pflichten. Der Prozeßvergleich steht danach im Range eines Vollstreckungstitels. Das Verfahren seiner Vollstreckung richtet sich nach den allgemeinen Regeln über die Zwangsvollstreckung von Endurteilen (§§ 704 ff. ZPO, 167 ff. VwGO). Für den verfassungsgerichtlichen Vergleich wird danach dreierlei zu untersuchen sein. Erstens, worauf bereits hingewiesen wurde, die Frage der Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren (§ 3), zweitens die Frage der Kostenfolgen eines Vergleichsschlusses (§ 13) und drittens die Frage, ob der verfassungsgerichtliche 86

s. oben § 1 A. IV. Für den Zivilprozeß Bonin, Prozeßvergleich, S. 55 ff.; Wolfsteiner, in: MüKo ZPO, § 794, Rdn. 30. Für den Verwaltungsprozeß Weitemeyer, Vergleich, S. 89. 88 Für den Zivilprozeß Esser, in: FS Lehmann, Bd. II, S. 713 (732). Für den Verwaltungsprozeß Weitemeyer, Vergleich, S. 91. 89 Für den Zivilprozeß Esser, in: FS Lehmann, Bd. II, S. 713 (728 f.). Für den Verwaltungsprozeß Blind, Voraussetzungen, S. 91 ff.; Weitemeyer, Vergleich, S. 99 f. je m.w.N. 90 Für den Zivilprozeß Bonin, Prozeßvergleich, S. 38; Esser, in: FS Lehmann, Bd. II, S. 713 (728); Lehmann, Prozeßvergleich, S. 210; Für den Verwaltungsprozeß Esser, in: FS Lehmann, Bd. II, S. 713 (729); Weitemeyer, Vergleich, S. 99. A.A. Blind, Voraussetzungen, S. 88; Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 106, Rdn. 35; Franke, Vergleich, S. 101; Kothe, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 106, Rdn. 5. Die genannten Autoren übersehen, daß das Nichtvorliegen des Prozeßrechtsverhältnisses kein Hindernis für den Abschluß eines Vergleichsvertrags ist, vgl. Esser, in: FS Lehmann, Bd. II, S. 713 (728). 91 Vgl. unten § 13. 87

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1. Teil: Grundlagen

Vergleich ein Vollstreckungstitel ist und, wenn ja, nach welchen Regeln sich seine Vollstreckung vollzieht (§ 11 C.).

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge Nach diesem kurzen Überblick über die Dogmatik des Prozeßvergleichs und die bei ihrer Übertragung auf den Verfassungsprozeß zu erwartenden Probleme soll nun die Wirkung des materiellrechtlichen Vergleichsvertrags genauer unter die Lupe genommen werden. Dabei empfiehlt es sich, zunächst die gängigen Bezugspunkte von Streit und Ungewißheit genauer zu systematisieren (A.) um dann in einem zweiten Schritt die Möglichkeiten ihrer Bereinigung zu untersuchen (B.).

A. Systematik der privatrechtlichen und der verwaltungsrechtlichen Vergleichsgegenstände I. Der Vergleichsgegenstand: eine konkrete Rechtsfolge – Tatsachen und Rechtssätze sind keine Vergleichsgegenstände Der Gegenstand des Vergleichsvertrags kann in seiner allgemeinsten Form als eine konkrete Rechtsfolge definiert werden, d. h. als ein Gebot, ein Verbot oder eine Erlaubnis, die sich infolge eines Rechtssatzes für ein bestimmtes Rechtssubjekt ergibt92. Die augenfällige Weitläufigkeit dieser Begriffsführung ist beabsichtigt und daher zu erläutern. Den Ausgangspunkt der oben gewählten Definition bildet die Feststellung der Rechtsfolgennatur des Vergleichsgegenstands. In einem idealisierten Rechtsmodell – Sachverhalt, Norm, Rechtsfolge – ist die „Verkehrsebene“ des Vergleichsvertrags (i. e. die Ebene, in der sein Gegenstand bezeichnet und bereinigt wird) die Rechtsfolgenebene93. Natürlich läßt sich auch über Tatsachen und über Rechtssätze streiten; mehr noch: erst durch Streitigkeiten über Tatsachen oder über Rechtssätze entstehen überhaupt Streitigkeiten über Rechtsfolgen. Entscheidend aber ist: Der Vergleichsvertrag ist ein Rechtsgeschäft. Er bereinigt weder Tatsachen noch bereinigt er Rechtssätze. Er bereinigt nur ihre Rechtsfolgen, indem er andere Rechtsfolgen setzt. Der einzige Bezugspunkt eines Rechtsstreits, den ein Vergleichsvertrag überhaupt bereinigen kann, ist deshalb sein Endbezugspunkt: die divergierenden Rechtsfolgen, 92 Zu Gebot, Verbot und Erlaubnis als sog. normativen oder „deontischen“ Grundoperatoren vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 15 f. sowie auf diesen bezogen Weinberger, Normentheorie, S. 49 ff. Vgl. allgemein auch Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 167 ff., 200 ff. 93 Vgl. Bork, Vergleich, S. 102 f.

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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die sich aus den unterschiedlichen Standpunkten der Parteien bezüglich des Sachverhalts und der auf ihn anzuwendenden Rechtssätze ergeben. Dementsprechend sind Einigungen, die allein über streitige Tatsachen oder über streitige Rechtssätze erzielt werden, in aller Regel auch keine Rechtsgeschäfte, sondern Erklärungen ohne jeden Rechtsfolgewillen. Wenn die Touristen A und B sich über die Höhe des Freiburger Münsters streiten und schlußendlich die Höhe auf 100 m „festlegen“ oder wenn der Jurastudent X mit seiner Kommilitonin Y nach längerer Diskussion übereinkommt, das Grundgesetz gewähre dem Bundespräsidenten ein unbeschränktes materielles Prüfungsrecht bei der Ausfertigung von Gesetzen, dann wollen sie mit diesen Erklärungen offenkundig keine Rechtsfolgen setzen, sondern sich lediglich auf gemeinsame Aussagen über eine Tatsache (die Höhe des Freiburger Münsters) oder über einen Rechtssatz verständigen (Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG). Anders lägen die Dinge erst dann, wenn A sich dazu verpflichtet hätte, dem B einen antiquarischen Druck des Freiburger Stadtrechts „für einen Preis in Höhe des Freiburger Münsters“ zu verkaufen, oder wenn der Bundespräsident mit dem Bundestag übereinkäme, ein bestimmtes Gesetz dürfe vor seiner Ausfertigung „ausschließlich auf seine Vereinbarkeit mit Gleichheitsgrundrechten überprüft werden, sonstiges Verfassungsrecht bleibe außer Betracht“94. Hier streiten die Parteien tatsächlich über Rechtsfolgen – nämlich über die Höhe einer Forderung und über die Kompetenzwidrigkeit eines bestimmten Verhaltens – und sie bereinigen diese Rechtsfolgen, indem sie den ungewissen Kaufvertrag ändern bzw. die streitige Präsidialkompetenz vertraglich modifizieren.

Nun sind der Rechtsfolgen bekanntlich viele, und es fragt sich, ob nicht eine Eingrenzung derjenigen möglich ist, über die typischerweise gestritten wird und die typischerweise mit Hilfe von Vergleichsverträgen bereinigt werden. In der Tat ist eine solche Eingrenzung möglich und sie ist vor allem auch sinnvoll. Erst auf der Grundlage typischer Vergleichsgegenstände nämlich läßt sich der genaue Ablauf der Bereinigung rekonstruieren und damit auch der Inhalt des Vergleichsvertrages selbst bestimmen (dazu sogleich § 2 B.). Nähere Vorstellungen über den Vertragsinhalt wiederum sind, wie sich zeigen wird, außerordentlich hilfreich für das Verständnis des Vergleichstatbestands selbst, d. h. für die Erklärung der Eigenständigkeit des Vergleichs als Vertragstypus. Wir betrachten deshalb im folgenden die Gegenstände der beiden gängigen Referenztypen des Vergleichs: des privatrechtlichen (dazu im folgenden II.) und des verwaltungssubordinationsrechtlichen (III.). Die dabei vorgeschlagene Systematik der Vergleichsgegenstände erhebt keinen Anspruch der Vollkommenheit. Sie ist in erster Linie ein Modell, das den Ablauf typischer Bereinigungsvorgänge transparent machen soll. Wie bei jeder schematisierenden Betrachtung ist auch hier vor den Gefahren gezielter Reduktion realer Komplexität zu warnen. Die Umstände des Einzelfalls können atypische Vergleichgegenstände hervorbringen, und der Parteiwille kann atypische Bereinigungen typischer Vergleichsgegenstände bedingen.

94 Die Verfassungsmäßigkeit und die Wirksamkeit eines solchen Vergleichs wären außerordentlich fraglich, sind an dieser Stelle aber nicht weiter von Interesse (dazu des näheren unten § 8 A. II. und § 8 A. III. 1.).

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1. Teil: Grundlagen

II. Privatrechtlicher Vergleich Der Archetyp des privatrechtlichen Vergleichgegenstands ist legaldefiniert. Nach § 779 Abs. 1 BGB streiten die Parteien über ein „Rechtsverhältnis“. Unter einem solchen versteht man bekanntlich jede rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person und jede rechtliche Beziehung einer Person zu einer Sache95. Die gesetzgeberische Inbezugnahme des Rechtsverhältnisses ist klug, denn in der Tat münden nahezu alle Rechtsfolgen des Privatrechts in der Entstehung, der Änderung oder der Aufhebung von Rechtsverhältnissen. Das System des Privatrechts ist ein System von Rechtsverhältnissen. Worüber genau wird gestritten, wenn über ein Rechtsverhältnis gestritten wird?96 Ausgehend vom Begriff des Rechtsverhältnisses lassen sich zunächst Schuldverhältnisse (Rechtsverhältnisse zwischen Personen) von Sachenrechten97 unterscheiden (Rechtsverhältnisse einer Person zu einer Sache). Streitigkeiten über ein Schuldverhältnis beziehen sich typischerweise entweder auf das Bestehen desselben (Zustandekommen, rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendungen) Beispiele: Ein Käufer behauptet, er habe seine Willenserklärung angefochten und so den Kaufvertrag vernichtet; ein unerlaubt Handelnder, ihn treffe kein Verschulden weshalb ein Schadensersatzanspruch niemals entstanden sei; ein Erbe, das ihn belastende Vermächtnis sei formwidrig und daher nichtig; ein Arbeitgeber, der Arbeitsvertrag sei fristlos gekündigt usw.

oder sie beziehen sich auf bestimmte Inhalte oder Modalitäten eines in seiner Existenz unstreitigen Schuldverhältnisses. Beispiele: Ein Käufer behauptet, es sei anstelle einer Holschuld eine Bringschuld vereinbart; ein Schädiger, der Schadensersatzanspruch sei wegen Mitverschuldens des Geschädigten zu kürzen; ein Erbe, der Anspruch auf Verschaffung des Vermächtnisses sei verjährt; ein Arbeitnehmer, er sei aus Gewissensgründen nicht zur Ausführung einer bestimmten Weisung verpflichtet o. ä.

Streitigkeiten über ein Sachenrecht betreffen dagegen typischerweise nur die Frage, ob das behauptete Recht auf Seiten seines Prätendenten überhaupt besteht: Beispiele: zwei Jäger streiten um das Fell des gemeinsam erlegten Bären, ein Grundstückseigentümer bestreitet die wirksame Begründung einer Hypothek zugunsten seines Gläubigers, zwei Zessionare streiten über die Inhaberschaft an einer Forderung, die Töchter der E streiten um deren Nachlaß etc.

95 Vgl. Bork, Vergleich, S. 101 f.; Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 105; v. Tuhr, AT, Bd. I, S. 123 f.; vgl. auch BGHZ 22, 43 (47) (bezogen auf § 256 Abs. 1 ZPO). 96 Die folgende Typologie der privatrechtlichen Vergleichsgegenstände findet sich in ähnlicher Form auch bei Bork, Vergleich, S. 108 f.; Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 110 f. 97 Die „Sachen“, zu denen rechtliche Beziehungen bestehen können, sind denkbar vielgestaltig. Es kann sich um Sachen im engeren Sinne handeln (§ 90 BGB), aber auch um andere absolute Rechte (Forderungen, Erbschaften, Gesellschaftsanteile etc.), vgl. Bork, Vergleich, S. 109; Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 111.

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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Streitigkeiten über den Inhalt dinglicher Rechte sind hingegen kaum vorstellbar, denn Typenzwang und Typenfixierung lassen den Privatrechtssubjekten bei der inhaltlichen Ausgestaltung dinglicher Rechte bekanntlich keine Vertragsfreiheit98. In Betracht kommen sie am ehesten noch bei akzessorischen Rechten, nämlich dann, wenn der Inhalt des gesicherten Rechts ungewiß ist. Streitigkeiten dieser Art sind aber in erster Linie Streitigkeiten über das gesicherte Schuldverhältnis und fallen als solche unter den zweiten Typus. Wir halten fest: Je nach dem Rechtsverhältnis, das Vergleichsgegenstand ist (Schuldverhältnis oder dingliches Recht), und je nach der Art des Streitpunktes (Existenz oder Inhalt des Rechtsverhältnisses) lassen sich insgesamt drei typische Kategorien von Vergleichsgegenständen unterscheiden. Erstens die Existenz eines Schuldverhältnisses, zweitens der Inhalt eines Schuldverhältnisses und drittens die personale Zuordnung eines bestimmten Sachenrechts. III. Verwaltungsrechtlicher Vergleich Anders als § 779 BGB enthält die Legaldefinition des verwaltungsrechtlichen Vergleichs (§ 55 VwVfG) keinen näheren Hinweis auf den Vergleichsgegenstand. § 55 VwVfG typisiert nicht die Rechtsfolgen, um die im Verwaltungsrecht gestritten wird, sondern allein die Gründe, deretwegen sie überhaupt streitig sind – die Ungewißheit von Tatsachen („Ungewißheit über den Sachverhalt“) oder von Rechtssätzen („oder über die Rechtslage“)99. Die Systematik der verwaltungsrechtlichen Vergleichsgegenstände kann daher nur mittelbar aus dem Verwaltungsrecht selbst gewonnen werden indem gefragt wird über welche Rechtsfolgen im Verwaltungsrecht typischerweise gestritten wird. Dabei bestehen im wesentlichen zwei Möglichkeiten einer Systematisierung. Man kann, wie im Privatrecht, auf das Rechtsverhältnis abstellen und als Vergleichsgegenstand die Gebote, Erlaubnisse und Verbote betrachten, die sich im Rahmen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses zwischen dem Bürger und der Verwaltung ergeben100. Dafür spricht, daß das Rechtsverhältnis als Grundbaustein jeder 98

Vgl. nur Baur/Stürner, Sachenrecht, § 1, Rdn. 6 ff. Durch diesen (rechtslogisch obsoleten) Hinweis auf die möglichen Ursachen der Ungewißheit einer Rechtsfolge wollte der Gesetzgeber klarstellen, daß Vergleichsverträge sowohl zur Bereinigung tatsachenbedingt ungewisser Rechtsfolgen geschlossen werden dürfen als auch zur Bereinigung rechtssatzbedingt ungewisser Rechtsfolgen. Letzteres wurde vor Erlaß des VwVfG mitunter bestritten, weil die Normen eines Rechtsstaates entweder klar oder nichtig seien, so daß ein Rechtsvergleich stets auf die Anmaßung gesetzgeberischer Befugnisse durch die Verwaltung hinauslaufe, vgl. etwa Beinhardt, VerwArch 55 (1964), 210, 229 f.; Mellwitz, DVBl. 1962, 601 (603); Weiß, Vertrag, S. 49 f.; w.N. bei Haueisen, DVBl. 1968, 285 (287 mit Fn. 38). Zur rechtsstaatlichen Unbedenklichkeit von Tatsachen- und Rechtsvergleich i. e. unten § 2 C. III. 100 Zu der mit dem privatrechtlichen Begriffsverständnis im wesentlichen übereinstimmenden Definition des Verwaltungsrechtsverhältnisses vgl. nur Remmert, in: Erichsen/Ehlers, 99

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1. Teil: Grundlagen

allgemeinen Rechtslehre101 auch im Verwaltungsrecht rekonstruierbar ist102, und daß mit dem Müssen, Dürfen und Nicht-Dürfen normative Grundoperatoren angesprochen werden103, die einer typisierenden Betrachtung relativ leicht zugänglich sind. Wenn hier dennoch gegen ein am Rechtsverhältnis orientiertes System der verwaltungsrechtlichen Vergleichsgegenstände plädiert werden muß, dann aus drei Gründen. Erstens, weil das Rechtsverhältnis mitnichten eine fertige Typologie der Verwaltungsrechtsfolgen bereitstellt, sondern bestenfalls deren Rahmen bilden kann. Die Diskussion um das Verwaltungsrechtsverhältnis bewegt sich auch nach gut 30 Jahren noch immer auf einem sehr abstrakten Niveau104. Nähere Erkenntnisse bestehen nur für sehr wenige, spezifische Bereiche des Verwaltungsrechts105. Von einem arbeitsfähigen System der Verwaltungsrechtsverhältnisse ist man bis heute weit entfernt106. Zweitens, weil das Verwaltungsrechtsverhältnis – anders als das Privatrechtsverhältnis – nicht ohne weiteres mit dem vertraglichen Rechtsetzungsund Bereinigungsmechanismus kompatibel ist. Daß über Schuldverhältnisse und Sachenrechte des Privatrechts durch Verträge verfügt werden kann, ist juristisches Gemeingut. Wie aber verwaltungsrechtliche Verträge auf das Verwaltungsrechtsverhältnis einwirken und wie sie es letztlich bereinigen, ist weit weniger selbstverständlich. Drittens, weil – entgegen manch anfänglicher Euphorie107 – nicht das Rechtsverhältnis, sondern die Handlungsformenlehre noch immer den Archimedischen Punkt im verwaltungsrechtlichen Systemdenken bildet108. Das positive Verwaltungsrecht zielt nicht auf die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, sondern auf das Verwaltungshandeln. Im Mittelpunkt der geltenden verwaltungsrechtlichen Ordnung steht demnach auch nicht das Rechtsverhältnis, sondern die Rechtsfolgen konkreter Verwaltungsrechts- oder -realakte109. Damit ist das entscheidende Stichwort für die hier präferierte zweite Möglichkeit einer Systematisierung der verwaltungsrechtlichen Vergleichsgegenstände gefallen: Allgemeines Verwaltungsrecht (13. Aufl.), § 17, Rdn. 1 f.; s. auch BVerwGE 89, 327 (329); 100, 262 (264) (bezogen auf § 43 Abs. 1 VwGO). 101 Vgl. etwa Achterberg, Rechtsverhältnisordnung, S. 5; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 264. 102 Vgl. etwa Achterberg, Rechtsverhältnisordnung; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20; Hennecke, in: Knack, VwVfG, Vor § 35, Rdn. 14 f. 103 Vgl. oben § 2 A. I. Fn. 92. 104 Schlette, Vertragspartner, S. 173 f. 105 Vgl. die Hinweise bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8, Rdn. 24. 106 Vgl. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 97 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Einführung, Rdn. 68; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8, Rdn. 24; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 270; Schlette, Vertragspartner, S. 173 f. 107 Vgl. Häberle, Verwaltungsrechtsverhältnis, S. 256. 108 Vgl. Remmert, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht (13. Aufl.), § 17, Rdn. 20; Schlette, Vertragspartner, S. 174. 109 Vgl. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 97 f.; Remmert, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht (13. Aufl.), § 17, Rdn. 20.

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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die Ausrichtung am konkreten Verwaltungshandeln. Wir wollen als Vergleichsgegenstand diejenigen Rechtsfolgen ins Auge fassen, die durch konkrete Verwaltungsrechts- oder Verwaltungsrealakte ausgelöst werden. In einer ersten, groben Systematik lassen sich diese Rechtsfolgen in drei Kategorien unterteilen. Jedes konkrete Verwaltungshandeln – sei es ein Rechtsakt, sei es ein Realakt, sei es die Unterlassung konkreter Rechts- oder Realakte – kann erstens dadurch Anlaß zu Streit oder Ungewißheit geben, daß seine Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht in Zweifel gezogen wird. Höherrangiges Recht in diesem Sinne ist jede Rechtsnorm, die der Verwaltung hinsichtlich der konkret betrachteten Handlung bestimmte Gebote, Verbote oder Erlaubnisse erteilt. Die erste Rechtsfolge, die danach als potentiell relevanter Vergleichgegenstand festgehalten werden muß, ist die angebliche Rechtswidrigkeit eines konkreten Verwaltungsrechts- oder -realakts. Beispiele: ein Fahrzeughalter widerspricht dem Entzug seiner Fahrerlaubnis (angeblich rechtswidriger Verwaltungsakt); die Nachbarn einer Gaststätte beschweren sich gegen das Nichteinschreiten der Gewerbeaufsicht gegen Lärmbelästigungen und Drogenhandel (angeblich rechtswidriges Unterlassen eines Verwaltungsakts); ein Unternehmer behauptet, die vertragliche Subventionierung seines Konkurrenten verletze seine Berufsfreiheit (angeblich rechtswidriger verwaltungsrechtlicher Vertrag); bei der Abstimmung über einen Bebauungsplan wirkt ein im Plangebiet wohnhafter Gemeinderat mit (angeblich rechtswidrige Satzung); die Polizei ergreift ohne vorherige Auslösungsverfügung Maßnahmen zur Beendigung einer Demonstration (angeblich rechtswidrige Realakte) usw.

Handelt es sich bei der konkret betrachteten Verwaltungshandlung um einen Rechtsakt (Verwaltungsakt, Vertrag, Satzung, Rechtsverordnung, Plan etc.), so erstrecken sich Streit und Ungewißheit mitunter auch auf die Frage der Existenz oder der Vernichtbarkeit der getroffenen Regelung. Die zweite Rechtsfolgenkategorie, die hier als Vergleichsgegenstand bedacht werden muß, ist demnach die Bestandskraft bestimmter Verwaltungsrechtsakte. Neben dem Streit um die Wirksamkeit hat der Streit um den Inhalt exekutiver Rechtsakte dagegen kaum praktische Bedeutung. Das liegt zum einen daran, daß rechtsförmiges Verwaltungshandeln strengen Verfahrens- und Formvorschriften unterliegt, deren Beachtung das Auftreten inhaltlicher Unklarheiten weitgehend verhütet, zum anderen daran, daß staatliche Rechtsakte, denen selbst durch Auslegung keine klare Rechtsfolge entnommen werden kann, regelmäßig überhaupt keine Wirksamkeit erlangen110. Die Inhaltsfrage ist deshalb neben der Existenzfrage im Regelfall ohne selbständige Bedeutung. Der Inhalt wirksamer Verwaltungsrechtsakte kann allenfalls bei generell-abstrakten Regelungen Anlaß zu Streit oder Ungewißheit geben, also bei exekutiven Rechtsakten, die Normcharakter aufweisen (Rechtsverordnungen, Satzungen etc.)111. Im hier vorgeschlagenen System der Vergleichsgegenstände bildet der Inhalt von Rechtssätzen jedoch keine eigenständige 110 Dies gilt insb. für Verwaltungsakte (§ 44 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG) und für Verträge (§ 59 Abs. 2 Ziff. 1 i.V.m. §§ 44 Abs. 1, 37 Abs. 1 VwVfG), vgl. VGH Kassel NVwZ 1989, 484 (490); OVG Koblenz NVwZ 1990, 399; Hennecke, in: Knack, VwVfG, § 37, Rdn. 19. 111 Mit Recht werden hier geringere Anforderungen an die Bestimmtheit gestellt als bei Einzelrechtsakten, vgl. nur Degenhart, Staatsrecht I, Rdn. 356 ff.

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1. Teil: Grundlagen

Kategorie von Vergleichsgegenständen. Streitigkeiten um den Inhalt einer Norm sind nämlich entweder nur Inzidentfragen eines Streits um die Rechtmäßigkeit konkreter Normvollzugsakte – dann sind sie Vergleichsgegenstände des ersten Typus – oder sie sind Inzidentfragen eines Streits um die Wirksamkeit der Norm selbst – dann gehören sie zum zweiten Typ. Eine eigenständige Kategorie von Vergleichsgegenständen bilden sie nicht.

Die Gründe, die für und wider die Wirksamkeit oder die Vernichtbarkeit eines konkreten Verwaltungsrechtsaktes vorgebracht werden können, sind vielfältig. In Betracht kommen prinzipiell alle Tatbestände, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen sich unmittelbar oder mittelbar auf das Zustandekommen oder die Fortgeltung des jeweiligen Rechtsaktes auswirkt, z. B. die fehlende Bekanntgabe eines Verwaltungsakts gegenüber dem Adressaten (§ 43 Abs. 1 S. 1 VwVfG), die fehlende Schriftform eines verwaltungsrechtlichen Vertrags (§ 57 VwVfG), die materielle Verfassungswidrigkeit einer Rechtsverordnung usw. Im Mittelpunkt stehen jedoch typischerweise Fragen der formellen oder der materiellen Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung, und allein auf diesen einen Unwirksamkeitsgrund werden wir uns im folgenden konzentrieren. Beispiele: Ein Grundeigentümer streitet mit der Bauaufsichtsbehörde vor dem Verwaltungsgericht über die Aufhebung einer angeblich rechtswidrigen Abbruchverfügung; die Behörde wendet ein, der Verwaltungsakt sei bestandskräftig. Eine Behörde erklärt einen von ihr geschlossenen Vertrag wegen eines Verstoßes gegen ein bestimmtes Fachgesetz für nichtig (§ 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB); der private Vertragspartner hält dem entgegen, die verletzte Norm sei nur von untergeordneter Bedeutung und daher nicht wirksamkeitsrelevant. Ein Dackelzüchter hält eine rückwirkend erlassene Hundesteuerverordnung wegen einer angeblichen Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien für nichtig; die Behörde behauptet, die Hundehalter hätten für den Rückwirkungszeitraum mit der fraglichen Regelung rechnen müssen. Ein Grundeigentümer hält einen Bebauungsplan wegen eines Fehlers im Planfeststellungsverfahren für unwirksam; die Gemeinde wendet ein, der Fehler sei durch Zeitablauf geheilt (§§ 214 f. BauGB) usw.

Handelt es sich bei den durch das Verwaltungshandeln angeblich verletzten Rechtsnormen um solche, die subjektive Rechte gewähren, so sind als potentielle Vergleichsgegenstände in einer dritten Kategorie auch die besonderen Hilfsansprüche zu berücksichtigen, die die Rechtsordnung dem jeweiligen Träger zur Durchsetzung seiner verletzten Rechte gewährt. Ansprüche dieser Art richten sich primär auf die Vornahme bestimmter Verwaltungshandlungen zur Verwirklichung des Rechts bzw. auf die Unterlassung oder die Beseitigung widerrechtlicher Störungen bei dessen Ausübung, sekundär auf die Kompensation von Nachteilen, die der Träger durch irreversible Eingriffe in sein Recht erlitten hat112. Soweit das Entstehen dieser Ansprüche nicht bereits gesetzlich angeordnet ist113, ergibt es sich nach herrschender

Zur Systematik der öffentlichrechtlichen Abwehr- und Ersatzansprüche vgl. eingehend Arndt/Zinow, JuS 1993, L 17 ff., 25 ff.; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 853 ff. 113 Wie etwa der primäre Sozialhilfeanspruch (§ 17 Abs. 1 S. 1 SBG XII), die sekundären Entschädigungsansprüche bei Enteignung (vgl. Art. 14 Abs. 3 GG) oder der Amtshaftungsanspruch (§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG). 112

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Meinung aus den Freiheitsgrundrechten114, nach anderer Ansicht aus einer Gesamtanalogie zu §§ 12, 862, 1004 BGB115 oder schlichtweg aus dem rechtsstaatlichen Prinzip gesetzmäßiger Verwaltung116 117. Beispiele: A behauptet, sie sei sozialhilfebedürftig und verlangt von der Verwaltung des Sozialhilfeträgers bestimmte gesetzliche Leistungen (primärer Erfüllungsanspruch aus dem subjektiven Recht auf Sozialhilfe, § 17 Abs. 1 SGB XII); die Religionsgemeinschaft R fordert den Bundesinnenminister auf, eine angeblich unwahre Tatsachenbehauptung zu widerrufen, die dieser im Rahmen eines Interviews über die R getätigt hat (primärer Folgenbeseitigungsanspruch); der Einzelhändler E möchte für Umsatzrückgänge entschädigt werden, die er infolge staatlicher Straßenbauarbeiten vor seinem Geschäft erlitten hat (sekundärer Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff); der Landwirt L verlangt die Wiedergutmachung von Ernteschäden, die ihm durch ein mißratenes Manöver der Bundeswehr entstanden sind (sekundärer Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff); der Radfahrer R verlangt von der Stadt Freiburg Schadenersatz, weil er von einem Fahrzeug der Stadtreinigung überfahren wurde (sekundärer Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer drittschützenden Amtspflicht, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG) usw.

Wie im Privatrecht können sich die entsprechenden Streitigkeiten sowohl auf das Bestehen als auch auf den Inhalt der entsprechenden Ansprüche beziehen. Zusammenfassend lassen sich danach drei typische verwaltungsrechtliche Vergleichsgegenstände unterscheiden, die allesamt an konkretes Verwaltungshandeln anknüpfen. Zum einen die Rechtswidrigkeit des jeweiligen Exekutivakts, zum zweiten seine Wirksamkeit oder Vernichtbarkeit und drittens schließlich die subjektiven Reaktionsrechte, die seinetwegen entstehen.

B. Die Wirkung privatrechtlicher und verwaltungsrechtlicher Vergleichsverträge Ausgehend von der im vorigen Abschnitt entwickelten Typologie der Vergleichsgegenstände kann nun die Wirkungsweise der vergleichsvertraglichen Bereinigung genauer analysiert werden. Entlang der vorgelegten Systematik untersuchen wir hierzu den typischen Inhalt privatrechtlicher (I.) und verwaltungsrechtlicher Vergleiche (II.). Eine Überlegung grundsätzlicher Art muß vorangestellt werden. Der Inhalt des Vergleichsvertrags ist weder gesetzlich noch sachlogisch eindeutig determiniert. Die Legaldefinition des Vergleichs sagt zum Vertragsinhalt nicht mehr, als daß der Vergleich streitige oder ungewisse Rechtsfolgen „bereinige“. Bereinigung ist aber 114 Bender, BWVBl. 1985, 201 (202); Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (34 ff.); Weyreuther, Folgen, B 83 ff., 185; wohl auch BVerwG DÖV 1971, 857 (858); 1989, 774 (775). 115 Bettermann, DÖV 1955, 528 (534); W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 857. 116 BVerwGE 69, 366 (370); Wallerath, DÖV 1987, 505 (512). 117 Vgl. zu den verschiedenen dogmatischen Begründungsansätzen neben den in Fn. 114 – 116 Genannten etwa Hoppe, Organstreitigkeiten, S. 138 ff.; Schenke, JuS 1990, 370 (371 ff.).

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1. Teil: Grundlagen

kein feststehender Rechtsbegriff (bzw. kein eindeutiger Vertragsinhalt), sondern kann je nach Vergleichsgegenstand und Parteiwillen sehr Unterschiedliches bedeuten118. Der Vergleich schöpft seinen Stoff nicht aus sich selbst, sondern aus dem streitigen Recht119. Er ist damit ebenso mulitvalent wie das Recht selbst. So liegt beispielsweise auf der Hand, daß die Bereinigung einer betragsmäßig ungewissen Restschuld andere Vereinbarungen erfordert als die Bereinigung eines Streits über das Eigentum an einer Sache oder daß – um ein verwaltungsrechtliches Beispiel hinzuzufügen – die Frage der Rechtswidrigkeit einer behördlichen Produktwarnung anders zu bereinigen ist als die der behaupteten Schadensersatzansprüche des betroffenen Herstellers. Wenn Bereinigung aber keine feststehende Kategorie vertraglicher Regelung ist, dann bedient sie sich offenbar je und je der Mittel des allgemeinen Vertragsrechts. Daraus folgt zweierlei. Erstens: Die Parteien sind bei der inhaltlichen Gestaltung des Vergleichs grundsätzlich frei. Was sie zur Bereinigung der streitigen Rechtsfolge vereinbaren, ist ihnen selbst überlassen. Sie können sich sämtlicher Gestaltungsmöglichkeiten bedienen, die das allgemeine Vertragsrecht überhaupt nur kennt120. Zweitens: Der Vergleich kann nicht über die Gestaltungsmöglichkeiten des allgemeinen Vertragsrechts hinausgehen. Seine Wirkung muß im Rahmen der allgemeinen Regeln vertraglicher Rechtsgestaltung erklärbar sein. Ist sie es nicht, dann ist der Vergleich ein unmögliches, womöglich gar verbotenes, in jedem Fall aber unwirksames Rechtsgeschäft121. Diese Grundbedingungen müssen bei der Analyse des Vertragsinhalts berücksichtigt werden. I. Privatrechtlicher Vergleich Wie angekündigt, gilt die Aufmerksamkeit dabei zunächst dem privatrechtlichen Vergleichsvertrag. Entsprechend der oben entwickelten Typologie der Vergleichsgegenstände untersuchen wir nacheinander die Bereinigung von Schuldverhältnissen, deren Existenz unstreitig ist (1.), die Bereinigung von Schuldverhältnissen, deren Existenz streitig ist (2.) und die Bereinigung von sachenrechtlichen Zuständigkeiten (3.). 1. Die Bereinigung von Schuldverhältnissen, deren Existenz unstreitig ist Die Wirkungsweise eines Vertrags läßt sich im allgemeinen dadurch ermitteln, daß die vorvertragliche Rechtslage mit der Rechtslage nach dem Vertragsschluß 118 119 120 121

Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 202. So die treffende und oft zitierte Formulierung von Hedemann, Vergleichsirrtum, S. 62. BGH LM Nr. 4 zu § 779 BGB; Bork, Vergleich, S. 290. Habersack, in: MüKo BGB, § 779, Rdn. 31.

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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verglichen wird. Vertragsinhalt ist das, was die Änderung zwischen beiden Rechtszuständen bewirkt. Um festzustellen, was im Rahmen eines privatrechtlichen Vergleichsvertrags zur Bereinigung des Inhalts eines Schuldverhältnisses vereinbart wird, ist folglich zu klären, worin die vorvertragliche Ausgangsrechtslage besteht und wie sie sich verändern muß, damit der angestrebte Bereinigungsendzustand erreicht wird122. Genau diese Feststellungen aber sind den Parteien eines privatrechtlichen Vergleichsvertrags im Regelfall jedoch unmöglich. Die Parteien streiten über die wahre Ausgangsrechtslage oder sind zumindest im Ungewissen darüber, wie sie sich darstellt. Sie können demnach auch kein Einvernehmen über den wahren Vertragsinhalt erzielen (Streitfall) oder zumindest nicht sicher sein, daß die von ihnen unterstellte Wirkungsbeschreibung des Vergleichs tatsächlich diejenige ist, die zum Erreichen des angestrebten Bereinigungsendzustandes erforderlich ist (Ungewißheitsfall). Beispiel: X hat seinem Corpsbruder Y bei einer gemeinsamen Kneipentour ein zinsloses Darlehen gewährt, von dem anderntags ungewiß ist, ob es 20 Euro oder 30 Euro betrug. Um der „heiligen Freundschaft“ willen einigt man sich vergleichsweise auf einen Betrag von 25 Euro. Sicher sind sich die Parteien hier nur über den gewollten Endzustand: Y soll X 25 Euro schulden. Sichere Aussagen darüber, wie dieser Zustand erreicht wird, sind X und Y dagegen unmöglich. Es kann sein, daß der ungewisse Nennwert der Schuld durch den Vergleich um 5 Euro erhöht wurde – dann nämlich, wenn das Darlehen nur 20 Euro betrug –, es kann aber auch sein, daß er in Wahrheit um 5 Euro verringert wurde, weil sich das Darlehen doch auf 30 Euro belief.

Die Parteien können dieser Potentialität des Vergleichsvertrags dadurch Rechnung tragen, daß sie ihrer Vereinbarung unterschiedliche Rechtsfolgen beigeben, je nach dem, wie sich die ungewisse Ausgangsrechtslage in Wirklichkeit darstellt. Sie können vereinbaren, daß sich das Darlehen um 5 Euro erhöhen soll, sofern es nur 20 Euro betrug, sich aber um 5 Euro verringern soll, sofern es bei 30 Euro lag. Dogmatisch betrachtet ist der Vergleich über den Inhalt eines Schuldverhältnisses damit ein bedingter Änderungsvertrag. Die Parteien vereinbaren sämtliche in Anbetracht der alternativ möglichen Ausgangszustände notwendigen Änderungen des Schuldverhältnisses hin zum bereinigten Endzustand, stellen den Eintritt der einzelnen Änderungen aber jeweils unter die Bedingung, daß der von ihnen vorausgesetzte Ausgangszustand auch tatsächlich vorliegt. Bedingungen dieser Art bezeichnet man als „unechte“, „Gegenwarts-„ oder auch „Scheinbedingungen“ (conditiones in praesens vel in praeteritum relatae). Der Eintritt der bedungenen Rechtsfolge hängt hier nicht (wie bei § 158 BGB) von einem Ereignis ab, dessen Eintritt zum Zeitpunkt der Vereinbarung objektiv ungewiß ist, sondern von einem Ereignis, dessen Vorliegen oder Nichtvorliegen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv feststeht und lediglich auf Seiten der Parteien, d. h. subjektiv, ungewiß oder streitig ist.

122

Bork, Vergleich, S. 110; Marburger, Schuldanerkenntnis, S. 43.

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1. Teil: Grundlagen

Daß vertragliche Rechtsfolgen unecht bedingt werden können, ist anerkannt. Daß die Wirkung der hier in Rede stehenden Vergleiche durch die Annahme unechter Bedingungen befriedigend erklärt werden kann, überwiegende Meinung123. Anderer Ansicht ist allerdings Bork. Er hält die Konstruktion des bedingten Rechtsgeschäfts für unzuträglich, weil bei ihr unter Umständen offen bleibe, ob die Parteien überhaupt einen Vertrag geschlossen hätten. Für den Fall nämlich, daß der gewollte Endzustand der streitigen Ausgangsrechtslage bereits entspreche, müßten die Parteien vereinbaren, überhaupt nichts zu vereinbaren, um das gewollte Ergebnis zu erzielen. Von einem Vertragsschluß könne dann aber – mangels sonstiger (unbedingter) Rechtsfolgen – keine Rede sein124. Bork will den Vergleich deshalb als unbedingten Änderungsvertrag verstehen. Die Parteien vereinbarten nur eine einzige, voraussetzungslose Rechtsfolge, nämlich die, den ungewissen oder streitigen „Baustein“ des Schuldverhältnisses aus diesem herauszunehmen und durch einen anderen, sicheren zu ersetzen (den gewollten Endzustand)125. Eine solche Lösung ist weder notwendig, noch – in der von Bork vorgetragenen Form – überhaupt realisierbar. Die von Bork geäußerten Bedenken am Zustandekommen des bedingten Vergleichsvertrags sind unbegründet. Bedingt ist beim bedingten Rechtsgeschäft nicht sein Zustandekommen, sondern lediglich seine Rechtsfolge126. Beim unecht bedingten Vergleich unterliegt folglich auch keinem Zweifel, daß die Parteien überhaupt einen Vertrag schließen. Zweifelhaft ist lediglich, ob der Vertrag eine Rechtsfolge zeitigt und, wenn ja, welche. Die von Bork vorgeschlagene Bereinigungsalternative erscheint demgegenüber kaum praktikabel. Eine Verfügung über ein ungewisses Objekt, eine „black box“ (Bork), ist nicht ohne weiteres mit dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu vereinbaren127. Borks Konstruktion des voraussetzungslosen Vertrags dürfte in Wahrheit nur in der Form zu realisieren sein, daß die Parteien auf Basis der alternativ möglichen Ausgangsrechtslagen ein ganzes Bündel unbedingter Änderungsverträge schließen, von denen alle bis auf den einen, der die wahre Rechtslage trifft, ins Leere gehen und rechtsfolgenlos bleiben128. Eine solche Konstruktion ist prinzipiell denkbar. Sie führt jedoch zu erheblichen Problemen, sobald man die hier betrachtete 123 Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 121 f.; Marburger, Schuldanerkenntnis, S. 45; ders., in: Staudinger, BGB, § 779, Rdn. 43; Tägert, Beiträge, S. 5 f. Abweichend von der hier vertretenen Lehre sehen die genannten Autoren die bedungene Rechtsfolge allerdings nicht in einer Schuldänderung, sondern in einem Schuldanerkenntnis oder Erlaß. Diese Wirkungsbeschreibung greift zu kurz. Sie versagt, sobald über andere Elemente des Schuldverhältnisses gestritten wird als gerade die Höhe der Schuld (etwa den Leistungsort oder die Fälligkeit). 124 Bork, Vergleich, S. 116. 125 Bork, Vergleich, S. 119 f. 126 So mit Recht Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 119; ausf. Flume, AT, Bd. II, S. 689. 127 In diesem Sinne wohl auch Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 122. 128 Bork, Vergleich, S. 111 f.

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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Fallgruppe des Streits über den Inhalt eines Schuldverhältnisses verläßt und sich dem Vergleich über Schuldverhältnisse zuwendet, die bereits ihrer Existenz nach streitig sind. 2. Die Bereinigung von Schuldverhältnissen, deren Existenz streitig ist Beispiel: X und Y streiten nicht über die Höhe des von X gewährten Darlehens – beide sind sicher, daß es sich ursprünglich auf 30 Euro belief –, sondern darüber, ob das Darlehen zwischenzeitlich zurückgezahlt wurde. Sie einigen sich dahin, daß Y dem X noch 10 Euro zahlen soll.

Wer bereit ist, den Vergleich als bedingtes Rechtsgeschäft zu konstruieren, hat auch mit dieser Fallgruppe keine Probleme. Er kann annehmen, X und Y vereinbarten die Herabsetzung des Darlehens von 30 Euro auf 10 Euro für den Fall, daß eine Tilgung bislang nicht erfolgte, und die Neubegründung einer Darlehensschuld in Höhe von 10 Euro für den Fall, daß die ursprüngliche Forderung bereits erloschen war129. Auch hier ist der Vergleich also ein unecht bedingter Vertrag. Je nach Ausgangsrechtslage (Bestehen oder Nichtbestehen des streitigen Schuldverhältnisses) wird entweder die Abänderung des bestehenden Schuldverhältnisses hin zum gewollten Endzustand vereinbart oder aber die Neubegründung eines entsprechenden Schuldverhältnisses mit eben diesem Inhalt. Anders Bork. In Anlehnung an seine Lösung für die vorangegangene Fallgruppe erwägt er zunächst eine Bereinigung mit Hilfe voraussetzungsloser Vertragsregelungen, die das ungewisse Element aus der Rechtslage entfernen und es durch ein neu geschaffenes, genau definiertes ersetzen130. Erforderlich sind dazu zwei Verfügungen: zum einen die Aufhebung des streitigen Darlehens in Höhe von 30 Euro (die ins Leere geht, wenn das Darlehen gar nicht bestand), zum anderen die Neubegründung einer Darlehensforderung in Höhe von 10 Euro, die den gewollten Endzustand herstellt. Vereinbart wird also eine Umschaffung des streitigen Schuldverhältnisses, eine sogenannte Novation. Novatorische Bereinigungsabreden sind technisch ohne weiteres möglich; sie bergen jedoch ein entscheidendes Risiko. Akzessorische Sicherheiten, die für das streitige Schuldverhältnis bestellt wurden, gehen im Zuge der Bereinigung verloren – eine Rechtsfolge, der zumindest der Gläubiger seine Zustimmung regelmäßig verweigern wird. Bork erkennt dieses Problem und nimmt seinetwegen Abstand vom zunächst angedachten Lösungsweg131. Statt dessen entwickelt er eine außerordentlich komplizierte Wirkungsbeschreibung des Vergleichs, die zwischen rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen, bei denen behauptete Nichtigkeit den Streitpunkt bildet, und sonstigen Schuldverhältnissen/Nichtbestehensgründen differenziert. Für die erstere Fallgruppe sieht Bork die Wirkung des Vergleichs in der Bestätigung des streitigen 129 130 131

Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 118; Marburger, Schuldanerkenntnis, S. 43 ff. Bork, Vergleich, S. 121. Bork, Vergleich, S. 121 f.

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1. Teil: Grundlagen

Rechtsgeschäfts (§ 141 Abs. 1 BGB) verbunden mit einem Änderungsvertrag, der das nun sichere Schuldverhältnis in den gewünschten Endzustand überführt132. Für Schuldverhältnisse der zweiten Gruppe ist eine Bereinigung dieser Art nicht möglich. Bestätigen lassen sich nur rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse und auch nur solche, die gerade an Nichtigkeit leiden. Für die verbleibenden Fälle ist Bork daher gezwungen, Bereinigung bei einer Konstruktion zu suchen, die einerseits das möglicherweise bestehende Schuldverhältnis abändert (hin zum gewollten Endzustand), andererseits aber auch den gewollten Endzustand in einem zweiten, selbständigen Schuldverhältnis rekonstruiert und damit der Möglichkeit Rechnung trägt, daß das streitige Schuldverhältnis in Wahrheit doch nicht existierte133. Das potentielle Nebeneinander beider Forderungen will Bork durch eine besondere Art der Tilgungsabrede entschärfen, wonach mit der Erfüllung jeder einzelnen der beiden Forderungen zugleich auch die andere erlöschen soll (gewillkürte Gesamtschuld)134. Die Überzeugungskraft dieser Konstruktion ist begrenzt. Bork sieht ihren Vorteil darin, daß es ihr eher als der Lehre vom bedingten Vertrag gelinge, das streitige Schuldverhältnis in seiner ursprünglichen Form zu erhalten. Dies betrifft Streitigkeiten über die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts (Borks erste Fallgruppe). Die Bestätigung des streitigen Schuldverhältnisses wirkt hier nach Ansicht Borks als Heilung135. Nach der Lehre vom bedingten Vertrag kommt es dagegen (jedenfalls bei tatsächlicher Nichtigkeit) zur Begründung eines neuen, zweiten Schuldverhältnisses. Dabei bleibt notwendigerweise unklar, ob die bereinigte Forderung die ursprüngliche ist oder aber die neu begründete. Dies wiederum kann zu Streitigkeiten über den Gerichtsstand oder das Zwangsvollstreckungsobjekt führen, die die Borksche Lösung vermeidet136. Dieser Vorteil besteht allerdings, wie gesagt, nur in der ersten Fallgruppe Borks und er ist im übrigen auch teuer erkauft. Dreht sich der Streit um nicht-rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse oder um andere Nichtbestehensgründe als Nichtigkeit (Borks zweite Fallgruppe), so ist auch Bork zur Schaffung eines Reserveschuldverhältnisses gezwungen. Anders als nach der Lehre vom bedingten Vertrag besteht bei Bork dabei aber die Möglichkeit, daß dieses Reserveschuldverhältnis neben das ursprüngliche tritt. Das hat fatale Konsequenzen für die Verkehrsfähigkeit der bereinigten Forderungen. Einem Zessionar, der von dem Vergleichsschluß nichts weiß, müßte erklärt werden, daß ihm nicht eine, sondern womöglich zwei Forderungen abgetreten werden. Eine Abrede, die in der Praxis aber 132

Bork, Vergleich, S. 124, 127. Bork, Vergleich, S. 130 ff. 134 Bork, Vergleich, S. 132 f. 135 Bork, Vergleich, S. 125. Diese Auslegung des § 141 BGB ist nicht unstreitig. Nach verbreiteter Ansicht führt die Bestätigung eines nichtigen Rechtsgeschäfts nicht zu dessen Heilung, sondern stellt sich vielmehr als dessen Neuvornahme dar, vgl. Bork, ebda., S. 124. 136 Bork, Vergleich, S. 116 f. Bork bezieht sich an der zitierten Stelle zwar nur auf Schuldverhältnisse, deren Inhalt streitig ist. Die möglichst weitgehende Erhaltung des streitigen Schuldverhältnis im Interesse prozessualer Klarheit ist für ihn jedoch auch bei den Schuldverhältnissen, deren Existenz streitig ist, ein zentrales Leitmotiv, vgl. dens., ebda., S. 130. 133

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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niemals getroffen wird. Die Folgeprobleme liegen auf der Hand: Erhält der Zessionar nur eine der beiden Forderungen? Wenn ja, welche? Erlischt die abgetretene Forderung wegen der besonderen Tilgungsabrede auch dann, wenn der Schuldner in Kenntnis der Abtretung an den Altgläubiger leistet (§ 407 Abs. 1 BGB)? All dies kann nicht überzeugen. Vorzugswürdig ist daher auch hier die Konstruktion des unecht bedingten Vertrags, d. h. die Änderung des streitigen Schuldverhältnisses hin zum bereinigten Endzustand, sofern das fragliche Schuldverhältnis tatsächlich bestand, oder die Neubegründung eines entsprechenden Schuldverhältnisses, sofern es ursprünglich fehlte. 3. Die Bereinigung sachenrechtlicher Zuständigkeiten Verbleibt als dritter Vergleichsgegenstand der Streit über sachenrechtliche Zuständigkeiten. Bereinigung wird hier im Regelfall dadurch erzielt, daß eine Partei ihre Prätentionen aufgibt und der anderen Partei das streitige Recht überläßt. Hinzu kommen typischerweise Kompensationsregelungen zugunsten des verlierenden Teils (Nutzungsrechte, Abfindungsansprüche, Überlassung anderer Gegenstände o. ä.). Zuständigkeitsvergleiche laufen damit im Kern auf Rechtsübertragungen hinaus, d. h. auf die Abtretung der streitigen Forderung, die Übereignung der streitigen Sache, die Auflassung des streitigen Grundstücks etc.137 Da die Parteien bei Vertragsschluß nicht wissen, ob dem gewinnenden Teil das streitige Recht nicht eventuell schon von Anfang an zustand, steht ihre Verfügung unter der unechten Bedingung, daß der Übertragende tatsächlich berechtigt war138. 4. Zusammenfassung Im Ergebnis ist der privatrechtliche Vergleich danach im Regelfall ein unecht bedingter Vertrag, der je nach dem tatsächlichen Ausgangszustand alle notwendigen Regelungen enthält, um das bestehende Rechtsverhältnis dem vereinbarten Bereinigungsendzustand anzupassen oder ein entsprechendes Rechtsverhältnis künstlich zu schaffen. Die Mittel hierzu sind unecht bedingte Schuldänderungen, Schuldbegründungen oder Rechtsübertragungen.

137 Bork, Vergleich, S. 134 ff.; Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 117; Kübler, Feststellung, S. 132. 138 Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 117; v. Tuhr, AT, Bd. II/2, S. 256 f., insb. Fn. 58; wohl auch Tägert, Beiträge, S. 40 f. A.A. Bork, Vergleich, S. 134, der eine unbedingte Übertragung annimmt, die ins Leere geht, wenn der Übertragende nicht auch Berechtigter ist; ebenso wohl Kübler, Feststellung, S. 132.

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1. Teil: Grundlagen

II. Verwaltungsrechtlicher Vergleich Zu klären bleibt die Bereinigung der verwaltungsrechtlichen Vergleichsgegenstände. Auch hier folgt die Darstellung den oben gebildeten Fallgruppen. Wir erörtern also nacheinander die Möglichkeiten einer Bereinigung der Rechtswidrigkeit (1.), der Wirksamkeit (2.) und der subjektiven Reaktionsrechte (3.) exekutiver Rechts- oder Realakte. 1. Die Bereinigung der Rechtswidrigkeit exekutiver Rechts- oder Realakte Die Frage der Rechtmäßigkeit eines konkreten Rechts- oder Realakts kann, rein schematisch betrachtet, von zwei Seiten her bereinigt werden. Der erste Weg besteht in einer Änderung der Rechtsnorm, über die die Parteien sich im Ungewissen befinden. Geändert werden muß das ungewisse gesetzliche Gebot, das Verbot oder die Erlaubnis, aus der sich die angebliche Rechtswidrigkeit des streitigen Rechts- oder Realakts ergibt. Ein Vergleich dieser Art liefe auf einen Normsetzungsvertrag hinaus. Diese, erste, Bereinigungsalternative ist praktisch bedeutungslos. Das liegt zum einen daran, daß Rechtsprechung139, herrschende Lehre140 und Gesetzgebung141 die vertragliche Bindung normsetzender Staatstätigkeit für sachwidrig halten und deshalb den Normsetzungsvertrag für generell-abstrakt unzulässig erachten (Vertragsformverbot). Zum anderen fehlt den Parteien verwaltungsrechtlicher Vergleiche in aller Regel überhaupt auch die Kompetenz, die sie betreffenden Rechtsnormen eigenmächtig zu ändern. Das gilt zumindest für formelle Gesetze. Der Anstoß zur parlamentarischen Gesetzesgebung ist einem kleinen Kreis von Verfassungsorganen vorbehalten (vgl. Art. 76 Abs. 1 GG). Verwaltungsorgane und Bürger gehören nicht dazu. In Betracht kommt deshalb allenfalls die Bereinigung exekutiver Rechtsnormen (Rechtsverordnungen, Satzungen etc.), und zwar auch nur solcher, die das streitbeteiligte Verwaltungsorgan selbst erlassen hat. Über die Rechtsfolgen selbst erlassener Normen befinden sich die Verwaltungsorgane jedoch evidentermaßen nur selten im Ungewissen. Normsetzungsverträge sind daher im allgemeinen kein probates Mittel zur Bereinigung von 139 In der Praxis sind Normsetzungsverträge v. a. in Form von Bauplanungsabreden Privater mit den Kommunen relevant geworden. Die Rechtsprechung hat derartigen Verträgen durchweg die Wirksamkeit abgesprochen mit der Begründung, daß Vorwegbindungen des Normgebers das Abwägungsgebot sowie die Beteiligungsrechte der Allgemeinheit und anderer Behörden unterliefen, vgl. BGHZ 76, 16 (22); BVerwG NJW 1980, 2538 (2539); DÖV 1981, 878 je m.w.N. 140 Birk, NJW 1977, 1797 (1799); Bullinger, Vertrag, S. 82 f.; Di Fabio, DVBl. 1990, 338 (342); Forsthoff, Lehrbuch, Bd. I, S. 278; Müller-Uri, in: Giemulla/Jaworsky/ders., Verwaltungsrecht, Rdn. 610; Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 54, Rdn. 57; Oebbecke, DVBl. 1986, 793 (794 f.); Schlette, Vertragspartner, S. 564; Stettner, AöR 102 (1977), 544 (560); Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 148 ff. 141 Vgl. § 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB.

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Rechtswidrigkeitsfragen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts, und wo sie es wären, ist ihr Einsatz – mangels Vergleichsgegenstand – kaum jemals erforderlich. Die andere Möglichkeit, Ungewißheiten über die Rechtmäßigkeit eines bestimmten Verhaltens zu bereinigen, besteht darin, die ungewisse gesetzliche Rechtsfolge – Gebot, Verbot oder Erlaubnis des konkreten Verwaltungshandelns – vertraglich auszuschalten und zu ersetzen. Wie ist dies möglich? Soweit die Rechtsordnung einem verwaltungsrechtlichen Vertrag Wirksamkeit zuerkennt (§ 59 VwVfG), erhebt sie ihn in den Rang einer Rechtsquelle142. Die Rechtsfolgen, die sich aus ihm ergeben, haben für die Verwaltung mithin die gleiche Verbindlichkeit wie die allgemeine rechtsstaatliche Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten. Erklärt das Verwaltungsrecht einen Vertrag für wirksam, so darf zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit seiner Erfüllungsakte nicht mehr auf das Gesetz zurückgegriffen werden, sondern nur noch auf den Vertrag143. Der wirksame Vertrag hat damit echte Tatbestandswirkung. Er überlagert das Gesetz und schirmt vertragsmäßiges Verhalten vor einem Rückgriff auf die gesetzliche Rechtslage ab. Weder dürfen die Vertragsparteien das vertraglich geforderte Verhalten unter Berufung auf entgegenstehende Gesetze verweigern, noch dürfen die Gerichte bei Vertragsstreitigkeiten nach Maßgabe der ursprünglichen, gesetzlichen Rechtslage entscheiden144. Die Parteien eines verwaltungsrechtlichen Vergleichs können sich diese normersetzende Wirkung vertraglicher Regelungen bei der Bereinigung streitiger gesetzlicher Rechtsfolgen zunutze machen145. Beispiel146 : Das Ordnungsamt der Stadt Hamburg verbietet dem V, dem Vorsitzenden einer örtlichen „Kameradschaft“, eine für den Jahrestag der Novemberpogrome geplante Versammlung, in deren Verlauf ein Fackelzug an der örtlichen Synagoge vorbeigeführt werden soll (§ 15 Abs. 1 VersG). V erhebt Anfechtungsklage und macht geltend, die drohende Störung der öffentlichen Ordnung rechtfertige allenfalls Auflagen gegen die Versammlung, nicht aber ein komplettes Verbot derselben. Das VG erinnert die Beteiligten an ihre gemeinsame Kooperationspflicht147 und regt einen Prozeßvergleich an. Danach soll der Fackelzug wie geplant am 142

Vgl. grundlegend Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 261 ff.; Rill, Gliedstaatsverträge, S. 4 ff. Grundlegend Fluck, Erfüllung, S. 65 f. Zuvor bereits J. Martens, JuS 1978, 607 (611); Meyer, NJW 1977, 1705 (1712); Obermayer, in: FS BayVGH, S. 275 (278 f.); Weitemeyer, Vergleich, S. 133. Heute h.L., vgl. Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 27; Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 537 f.; Krebs, VVDStRL 52 (1993), S. 248 (270, 283); Scherzberg, JuS 1992, 205 (214); Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 204 f.; Seer, Verständigungen, S. 398 ff.; krit. Butterwegge, Verwaltungsvertrag, S. 25 ff. 144 Fluck, Erfüllung, S. 65 f. 145 Wie hier im Ansatz auch Blind, Voraussetzungen, S. 160; Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG § 55 Rdn. 45; Löwer, VerwArch 56 (1956), 236 (262); Suchan, Probleme, S. 56; Schlette, Vertragspartner, S. 486; Tiedemann, in: Obermayer, VwVfG (3. Aufl.), § 55, Rdn. 36; Weitemeyer, Vergleich, S. 133; Ziekow, VwVfG, § 55 Rdn. 14. Alle Genannten erkennen die durch den Vergleichsvertrag bewirkte Gesetzesüberlagerung und identifizieren sie als den entscheidenden Bereinigungsmechanismus. 146 Nach BVerfG NJW 2001, 1409. 147 BVerfGE 69, 315 (350 ff.). 143

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1. Teil: Grundlagen

9. November stattfinden, jedoch nicht vor der Synagoge, sondern auf dem Rathausmarkt. Die Beteiligten stimmen zu, und das Ordnungsamt verpflichtet sich, den V entsprechend zu bescheiden. – Hier überlagert der Vergleichsvertrag die gesetzlichen Bindungen der Behörde aus § 15 VersG. Die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung ist nicht länger eine Frage des Gesetzes, sondern eine Frage des Vertrags. Da dieser bestimmt, daß die geplante Versammlung stattfinden darf, ist ihre gegenwärtige Untersagung rechtswidrig. Die angefochtene Verfügung muß daher von der Behörde aufgehoben werden. Das gilt selbst dann, wenn man annimmt, daß die Voraussetzungen eines Versammlungsverbots hier in Wahrheit weiterhin vorliegen, der Vertrag also rechtswidrig ist148.

Die rechtsdogmatische Erklärung der bereinigenden Wirkung des verwaltungsrechtlichen Vergleichs liegt in der Entscheidung des Gesetzgebers, gesetzesinkongruenten Verträgen in weitem Umfange Wirksamkeit zuzusprechen (§ 59 VwVfG). Wiewohl aus rechtsstaatlicher Sicht legitimationsbedürftig, ist diese Entscheidung verfassungsgemäß und daher vom Rechtsanwender hinzunehmen. Die Verfassung selbst (Art. 20 Abs. 3 GG) trifft keine Aussage über die Konsequenzen eines Verstoßes gegen Verfassungs- oder Gesetzesrecht149. Ob eine Sanktion einzutreten hat und welcher Art sie sein muß, läßt das GG offen. Für den Bereich des subkonstitutionellen Rechts ist die Entscheidung dem einfachen Gesetzgeber überantwortet, im übrigen obliegt sie Rechtsprechung und Wissenschaft150. Sie muß durch eine Abwägung verschiedener, teils gegenläufiger rechtsstaatlicher Subprinzipien gewonnen werden, von denen als wichtigste zu nennen sind: Auf der einen Seite die Gesetzmäßigkeit allen staatlichen Handelns, die gesetzmäßige Zustände nicht nur fordert, sondern auch tatsächlich herrschen sehen will, und das Grundrecht auf gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung subjektiver Rechte (Art. 19 Abs. 4 GG), das durch die Unanfechtbarkeit rechtswidriger Verträge eingeschränkt wird. Auf der anderen Seite Vertrauensschutz und Rechtssicherheit, in denen eine Reihe schutzwürdiger privater und öffentlicher Interessen an der Beständigkeit rechtswidriger Hoheitsakte zum Ausdruck kommen151. Für den Bereich des Verwaltungsrechts und für die Handlungsform des Vertrags hat der Gesetzgeber eine Abwägung zwischen diesen widerstreitenden rechtsstaatlichen Auspizien vorgenommen und sie zu einer gesetzlichen Regelung verdichtet. Die differenzierte, wenngleich im Ergebnis außerordentlich permissive, Fehlerfolgenregelung des § 59 VwVfG enthält einen verhältnismäßigen, sachgerechten und deshalb rechtsstaatlich hinnehmbaren Ausgleich der genannten Gesichtspunkte152. 148

So OVG Münster DVBl. 2001, 584; NJW 2001, 2111; 2001, 2113; jeweils aufgehoben durch BVerfG NJW 2001, 1407; 2001, 2069; 2001, 2075. 149 Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. II (3. Aufl.), § 26, Rdn. 62. 150 Vgl. Efstratiou, Bestandskraft, S. 253; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 835. 151 Krebs, VVDStRL 52 (1993), S. 248 (269); Seer, Verständigungen, S. 374; Schlette, Vertragspartner, S. 541; Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 206 ff.; allg. auch Efstratiou, Bestandskraft, S. 52 ff.; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 827. 152 Vgl. grundlegend Efstratiou, Bestandskraft, S. 247 ff.; Schmidt-Aßmann/Krebs, Verträge, S. 206 ff. Zu anfänglichen Versuchen, die gesetzgeberische Entscheidung v. a. auf

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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Sie stellt den Adressaten des Verwaltungsrechts eine Art Generalschlüssel zur Bereinigung ungewisser gesetzlicher Verhaltensanforderungen zur Verfügung. Dort, wo die gesetzlichen Gebote, Verbote oder Erlaubnisse des Verwaltungshandelns ungewiß sind, können die Parteien sie vertraglich ausschalten und überlagern. Dieser technische Bereinigungsmechanismus ist den Vergleichsparteien in aller Regel nicht als solcher bewußt. Die Parteien haben beim Vergleichsschluß einen bestimmten Exekutivakt vor Augen, über dessen Gesetzmäßigkeit sie streiten, und sie vereinbaren, daß die Verwaltung ihn ändern soll. Ausdrückliche Feststellungen, daß damit in Zukunft nur noch das vertraglich vereinbarte Verhalten rechtmäßig ist und daß jedes andere Verhalten rechtswidrig wäre, werden dabei für gewöhnlich nicht getroffen. Nichts anderes aber ist es letztlich, was die Parteien tatsächlich festlegen. Mit der Vereinbarung, die Verwaltung solle sich zukünftig „so und nicht anders“ verhalten, bestimmen sie, daß fortan allein das vertraglich bedungene Verwaltungshandeln Recht ist und daß jedes andere Verhalten Unrecht wäre. Allein durch diese vertragliche Ersetzung der normativen Verhaltensregeln bereinigen sie den Vergleichsgegenstand. Es darf nicht verkannt werden, daß dieser Bereinigungsmechanismus seine Grenzen hat. Die Möglichkeiten vertraglicher Normersetzung reichen stets nur so weit, wie dem verwaltungsrechtlichen Vertrag trotz eigener Rechtswidrigkeit Bestandskraft zukommt. Ist der Vergleichsvertrag infolge von Rechtswidrigkeit unwirksam, dann kann er auch keine gesetzlichen Regelungen überlagern. Verwaltungsrechtliche Verträge sind weitestgehend, aber eben auch nicht völlig, resistent gegenüber Gesetzesverletzungen. Die Grenzen ihrer Bestandskraft ergeben sich aus § 59 VwVfG und – bei Verstößen gegen Normen, die subjektive Rechte Dritter begründen, – aus § 58 VwVfG. Von den Nichtigkeitstatbeständen des § 59 VwVfG ist dabei in erster Linie153 die Regelung des § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB relevant. Gesetzesinkongruente verwaltungsrechtliche Verträge sind danach im allgemeinen wirksam und nichtig nur dann, wenn Sie die „Eckpfeiler“ eines gesetzlichen Regelungsmodells berühren154. Dieser Fall ist beim Vergleichsvertrag selten – über Kardinalia wird man kaum streiten –, theoretisch aber nicht völlig ausgeschlossen155.

staatshaftungsrechtlichem Wege zu unterwandern, ausf. Efstratiou, ebda., S. 250 ff.; ferner die Nachweise bei Schlette, Vertragspartner, S. 543, Fn. 27. 153 Zur vergleichsspezifischen Fehlerfolgeregelung des § 59 Abs. 2 Ziff. 3 VwVfG unten § 2 D. I. § 59 Abs. 2 Ziff. 3 VwVfG sanktioniert in erster Linie die Mißachtung der besonderen Abschlußvoraussetzungen des Vergleichs (§ 55 VwVfG). Die Rechtswidrigkeit der Vergleichsvereinbarung ist dabei nur eine Nebenbedingung. 154 Gurlit, JURA 2000, 731 (735); Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 223; vgl. im einzelnen unten § 8 C. III. 3. b) bb). 155 Die h.M. will auch in diesem Fall der Nichtigkeit vorbeugen: sie wendet § 134 BGB auf den Vergleichsvertrag nicht an (sog. Lehre vom Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs); dazu und zur Kritik im einzelnen unten § 2 D. III.

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1. Teil: Grundlagen

Ebenso kann es vorkommen, daß § 58 VwVfG einem Vergleich im Wege steht, nämlich dann, wenn das Verwaltungshandeln, dessen Rechtswidrigkeit es zu bereinigen gilt, verdächtig ist, die subjektiven Rechte eines größeren Personenkreises zu verletzen. Hier läuft ein Vergleich, der nicht ausnahmslos alle Betroffenen einbindet, Gefahr, an § 58 Abs. 1 VwVfG zu scheitern. Vergleichsweiser Bereinigung entzogen ist damit de facto die Rechtswidrigkeit praktisch aller generell-abstrakten Rechtsakte der Verwaltung (Rechtsverordnungen, Satzungen etc.). Der Vergleich eines einzelnen Normadressaten mit dem Normgeber ist allenfalls156 dann wirksam, wenn die vertraglich bedungene Norm rechtmäßig ist. Verletzt sie die Rechte Dritter, dann ist auch der auf ihren Erlaß gerichtete Vergleichsvertrag schwebend unwirksam, solange nicht alle Normadressaten zugestimmt haben (§ 58 Abs. 1 VwVfG)157. Sichere Kenntnis von der Rechtmäßigkeit der vereinbarten Rechtsnorm haben die Vergleichsparteien aber streitbedingt gerade nicht, weshalb sie gut beraten sind, von entsprechenden Bereinigungsversuchen von vornherein abzusehen.

2. Die Bereinigung der Wirksamkeit oder der Vernichtbarkeit exekutiver Rechtsakte Die vertragliche Deaktivierung gesetzlicher Rechtmäßigkeitsmaßstäbe ist auch bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Verwaltungsrechtsakten der entscheidende Bereinigungsmechanismus. Rechtswidrigkeit ist, wie bereits ausgeführt, die Hauptursache für die Unwirksamkeit oder Vernichtbarkeit exekutiver Rechtsakte. Kann durch vertragliche Regelungen ausgeschlossen werden, daß ein bestimmter Rechtsakt rechtswidrig ist, so erledigt sich damit in aller Regel zugleich auch die Frage seiner Unwirksamkeit und seiner Anfechtbarkeit. Diesen Mechanismus nutzen die Parteien im Rahmen des Vergleichsschlusses aus. Indem sie vereinbaren, daß ein bestimmter Rechtsakt geändert oder unter Beachtung bestimmter Formalien neu erlassen werden soll, legen sie zugleich fest, daß entgegenstehende gesetzliche Vorgaben für seine materielle oder formelle Rechtmäßigkeit von nun an außer Kraft gesetzt sind. Soweit ihr Vertrag reicht, können sie fortan gewiß sein, daß der streitige Rechtsakt von Wirksamkeitshindernissen und Anfechtungsgründen, die auf Gesetzeswidrigkeit beruhen, abgeschirmt ist. Beispiel: Der Grundeigentümer G hat Anfechtungsklage gegen eine aus seiner Sicht rechtswidrige Abbruchverfügung erhoben. Er behauptet, die betroffene Anlage sei jedenfalls 156 Zur (von § 58 VwVfG unabhängigen) Problematik der Sachwidrigkeit des Normsetzungsvertrags und dem verbreitet aus ihm abgeleiteten Vertragsformverbot vgl. bereits oben § 2 B. II. 1. Fn. 139 f. 157 H.M., vgl. OVG Münster, NVwZ 1988, 370 (371); Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 58, Rdn. 15; Erichsen, JURA 1994, 47 (48); Gurlit, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht (13. Aufl.), § 31, Rdn. 1; dies., JURA 2001, 731 (732); Hennecke, in: Knack, VwVfG, § 58, Rdn. 6; Schimpf, Vertrag, S. 282; Schlette, Vertragspartner, S. 432; Knuth, JuS 1986, 523 (524); Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 227. Nach a.A. soll § 58 VwVfG nur Verträge erfassen, die unmittelbar (also nicht erst durch ihre Erfüllung) in die Rechte Dritter eingreifen, vgl. Hellriegel, DVBl. 2007, 1211 ff.; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdn. 1104; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 69, Rdn. 15.

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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formell legal (i. e. aufgrund einer Baugenehmigung) errichtet worden, weshalb die gesetzlichen Voraussetzungen einer Beseitigungsanordnung – materielle und formelle Illegalität – fehlten. Da G im Prozeß die behauptete Baugenehmigung nicht vorweisen kann, äußert sich das Verwaltungsgericht skeptisch zu den Erfolgsaussichten der Klage. G stimmt deshalb einem Prozeßvergleich zu, der die Baurechtsbehörde verpflichtet, die Beseitigungsanordnung aufzuheben und in fünf Jahren erneut zu erlassen158. – Ein solcher Vergleich schützt die den Vergleich erfüllende zweite Abbruchverfügung vor Wirksamkeitshindernissen, die auf Gesetzeswidrigkeit beruhen. In einem erneuten Anfechtungsprozeß wird G nicht mehr mit der Behauptung gehört, die Abbruchanordnung sei gerichtlich aufzuheben, weil er, G, das Nichtvorliegen ihrer gesetzlichen Voraussetzungen nunmehr beweisen könne (Wiederauffinden der Baugenehmigung o. ä.). Die für die gerichtliche Aufhebungsentscheidung maßgebliche Rechtswidrigkeit der Abbruchverfügung (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) richtet sich vom Zeitpunkt des Vergleichsschlusses an nicht mehr nach dem Gesetz, sondern nach dem Vertrag.

Auch hier dürfen die Grenzen dieses Bereinigungsmechanismus nicht verkannt werden. Der Vergleichsvertrag kann nur die Bestandskraft solcher Rechtsakte sichern, deren Resistenz gegenüber Gesetzesverletzungen geringer ist als seine eigene. Droht der Rechtsfehler, der den Bestand des zu bereinigenden Rechtsakts in Frage stellt, auch die Wirksamkeit des Vergleichsvertrags zu beeinträchtigen, so ist der Versuch einer Abschirmung von vornherein unfruchtbar. 3. Die Bereinigung subjektiver Reaktionsrechte Zu klären bleibt die Bereinigung streitiger oder ungewisser Reaktionsansprüche aus der Verletzung subjektiver Rechte. Hier ist zu differenzieren. Primäre Reaktionsrechte (Erfüllungs-, Unterlassungs-, und Folgenbeseitigungsansprüche) erlöschen, wenn die individualschützende Norm, aus deren Verletzung sie sich ergeben, durch abweichende Vertragsregelungen überlagert wird. Das liegt daran, daß die Nichterfüllung eines subjektiven Rechts oder die Störung eines subjektiv Berechtigten bei der Ausübung seines Rechts nicht widerrechtlich erfolgt, wenn sie vertraglich vereinbart wurde. Erfüllungs-, Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche entstehen aber nur, um dem Berechtigten die Verteidigung seines Rechts gegen widerrechtliche Vernachlässigungen und widerrechtliche Störungen zu ermöglichen159. Wo wirksame Vertragsregelungen den Eingriff in ein subjektives Recht erlauben, kann und will die verletzte Norm keinerlei Abwehransprüche gewähren. Dogmatisch betrachtet ist die Bereinigung subjektiver Primärreaktionsrechte damit eine Art Reflex vertraglicher Normersetzung. Indem die Vergleichsparteien einzelne Gebote, Verbote oder Erlaubnisse einer individualschützenden Norm ver-

158 Eine in der Praxis offenbar recht häufige Vergleichsvereinbarung, vgl. Schlette, Vertragspartner, S. 297. 159 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25, Rdn. 9; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 853 f.

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1. Teil: Grundlagen

traglich überlagern und deaktivieren, stellen sie auch die Verletzung dieser Gebote, Verbote oder Erlaubnisse reaktionslos. Was für die Bereinigung von Primäransprüchen gilt, gilt nicht in gleicher Weise auch für die Bereinigung von sekundären Entschädigungsrechten (i. e. Ansprüchen aus Amtshaftung, aus enteignendem oder aus enteignungsgleichem Eingriff). Der Mechanismus der Normüberlagerung ist hier nur bedingt bereinigungstauglich. Das liegt zum einen daran, daß das Bestehen subjektivrechtlicher Sekundäransprüche nicht stets eine Frage der Rechtswidrigkeit des staatlichen Verursacherverhaltens ist. Auch gesetzmäßiges Verwaltungshandeln kann unter Umständen Ersatzansprüche begründen (enteignender Eingriff). Mit einer vertraglichen Überlagerung gesetzlicher Verhaltensanforderungen ist es also nicht immer schon getan. Zum anderen ist eine Gesetzesüberlagerung hier aber auch deshalb unzureichend, weil sie stets nur Klarheit für die Zukunft schaffen kann. Mit Abschluß des Vergleichsvertrags steht lediglich fest, daß vertragsgemäßes Verhalten keine weiteren Entschädigungsansprüche auslösen wird und daß die Nichterfüllung des Vertrags neue Schadensersatzpflichten verursachen kann (§§ 280 Abs. 1 BGB, 62 S. 2 VwVfG). Diese Gewißheit hilft den Vergleichsparteien jedoch nur selten weiter. Wenn sie über Ersatzansprüche streiten, dann in der Regel nicht über solche, die möglicherweise in Zukunft entstehen könnten, sondern über solche, die bereits entstanden sind. Diese Ansprüche bleiben von Abreden über das zukünftige Verwaltungshandeln aber unberührt. Bereits entstandene Sekundärrechte müssen daher durch selbständige Vertragsregelungen bereinigt werden. Das erfordert Vereinbarungen ähnlich denjenigen, die auf dem Gebiet des Privatrechts zur Bereinigung ungewisser Schuldverhältnisse geschlossen werden. Ist also streitig, welchen Inhalt ein bestimmter Sekundäranspruch hat (etwa, weil ungewiß ist, wie hoch die zu entschädigenden Vermögensnachteile sind), so müssen die Parteien die ungewisse Forderung mit Hilfe eines unecht bedingten Änderungsvertrags in den vereinbarten Endzustand versetzen (vgl. oben § 2 B. I. 1). Streiten die Parteien dagegen bereits darüber, ob überhaupt ein Entschädigungsanspruch entstanden ist (etwa, weil die subjektivrechtliche Qualität der verletzten Norm zweifelhaft ist oder weil der Geschädigte es angeblich versäumt hat, Primärrechtsschutz gegen das Verwaltungshandeln einzuholen), so kommt zur Bereinigung erneut eine unecht bedingte Kombination aus Abänderung des bestehenden Schuldverhältnisses hin zum Bereinigungsendzustand und Neubegründung eines entsprechenden Schuldverhältnisses in Betracht (vgl. oben § 2 B. I. 2.). 4. Zusammenfassung Die Wirkung des verwaltungsrechtlichen Vergleichsvertrags läßt sich nach alledem wie folgt zusammenfassen. Im Regelfall ist der verwaltungsrechtliche Vergleichsvertrag eine Vereinbarung, die ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung – einen konkreten Rechts- oder Realakt

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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bzw. die Unterlassung eines solchen – legalisiert, indem sie die gesetzlichen Gebote, Verbote oder Erlaubnisse, die für die Rechtmäßigkeit des fraglichen Verhaltens maßgeblich sind, durch vertragliche Regelungen überlagert. Mit diesem Akt der Normersetzung erledigen sich zugleich auch alle mit der umstrittenen Gesetzmäßigkeit des Verhaltens einhergehenden Sekundärfragen, nämlich zum einen die Wirksamkeit angeblich gesetzesinkongruenter Rechtsakte und zum anderen die Frage etwaiger Erfüllungs-, Unterlassungs- oder Folgenbeseitigungsansprüche. Nicht normersetzend, sondern als Verfügung unmittelbar über ein streitiges Schuldverhältnis wirkt der verwaltungsrechtliche Vergleich, wenn Sekundäransprüche des Staatshaftungsrechts bereinigt werden. Die Mittel sind dabei dieselben wie im Privatrecht. Der Vergleich enthält eine unecht bedingte Änderung des streitigen Schuldverhältnisses hin zum bereinigten Endzustand sowie gegebenenfalls (bei Streitigkeiten, die bereits das Bestehen des Schuldverhältnisses betreffen) die unecht bedingte Abrede, ein dem Bereinigungsendzustand gleichartiges Schuldverhältnis neu zu begründen.

C. Exkurs I: Der Tatbestand des Vergleichsvertrags Mit dieser ersten, groben Wirkungsbeschreibung des Vergleichs ist das Ziel der für dieses Kapitel ausgegebenen Marschroute erreicht. Es könnte damit an sich ohne weitere Umschweife zur dritten und letzten Vorbedingung dieser Untersuchung übergegangen werden, nämlich der Frage der Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren (§ 3). Wir wollen uns an dieser Stelle jedoch die Zeit für zwei etwas längere Exkurse nehmen. Der erste, unmittelbar nachfolgend zu erörternde, betrifft den Tatbestand des Vergleichsvertrags. Wir wollen klären, ob es ein spezifisches Tatbestandsmerkmal des Vergleichsvertrags gibt, das den Vergleich von anderen Vertragstypen abhebt. Die Fruchtbarkeit einer solchen Fragestellung wird sich an späterer Stelle dieser Untersuchung erweisen, dann nämlich, wenn es darum geht, dem staatsorganisationsrechtlichen Vergleichsvertrag, über den man sich bislang nur wenig Gedanken gemacht hat, genauere Konturen zu verleihen160. I. Kein spezifischer Vertragsinhalt Die Abgrenzung verschiedener Vertragstypen pflegt man gemeinhin nach dem Inhalt eines Vertrages vorzunehmen. Die Ausgangsfrage lautet daher, ob der Vergleich einen spezifischen Vertragsinhalt aufweist, der ihn von anderen Verträgen unterscheidet.

160

Vgl. unten § 6 A. II. und III. sowie § 6 B. II. und III.

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1. Teil: Grundlagen

Rekapituliert man die Ergebnisse des vorstehenden tour dhorizont, dann wird man diese Frage auf den ersten Blick wohl mit Entschiedenheit verneinen. Der Inhalt des Vergleichsvertrags ist auf abstrakter Ebene kaum determinierbar. Der Vergleich ist ein sehr heterogenes Rechtsgeschäft, das je nach Bezugspunkt des Streits und je nach dem Willen der Parteien auf die Inhalte anderer privatrechtlicher oder anderer verwaltungsrechtlicher Vertragstypen zurückgreift. Es wäre dennoch voreilig, dem Vergleich jede inhaltliche Besonderheit im Verhältnis zu anderen Verträgen abzusprechen. Eine verbindende und zugleich tatbestandsabgrenzende Eigenschaft aller Vergleichsverträge gibt es durchaus. Ihr Inhalt ist typischerweise selbst Gegenstand von Streit oder Ungewißheit. Im Gegensatz zu anderen Verträgen sind die Parteien eines Vergleichsvertrags typischerweise über wesentliche Fragen des Vertragsinhalts ungewiß oder uneins. Beim privatrechtlichen Vergleich ist dies die Frage der tatsächlichen Wirkung des Vergleichs. Wenn die Parteien sich über ein inhaltlich ungewisses Schuldverhältnis vergleichen, dann wissen sie nicht, welche der von ihnen vereinbarten Änderungen des Schuldverhältnisses dieses letztendlich bereinigt und welche der Änderungen ins Leere gehen. Wenn sie ein Schuldverhältnis bereinigen, dessen Existenz ungewiß ist, so wissen sie nicht, ob sie per Änderungsvertrag auf das bestehende Schuldverhältnis einwirken oder ob sie ein gänzlich neues Schuldverhältnis begründen. Streiten sie schließlich über sachenrechtliche Zuständigkeiten, dann wissen sie nicht, ob der aufgebende Teil das Recht tatsächlich verliert oder ob eine Rechtsübertragung in Wahrheit überhaupt nicht stattfindet, weil der Erwerber bei Vertragsschluß bereits Berechtigter war. Diese Ungewißheit der Wirkung ist nahezu allen privatrechtlichen Vergleichsverträgen zu eigen. Sie ergibt sich aus der Ungewißheit der Ausgangsrechtslage, die bereinigt wird. Streit und Ungewißheit bestehen auch in Hinblick auf den Inhalt des verwaltungsrechtlichen Vergleichs. Sie betreffen dort aber einen anderen Aspekt. Nicht die Wirkung des Vertrags ist hier ungewiß, sondern die Vereinbarkeit des Vertragsinhalts mit dem Gesetz. Ungewißheit und Streit über die Wirkung des Vergleichs herrschen im Verwaltungsrecht nur dort, wo die Parteien wie im Privatrecht potentiell wirkungslose Rechtsfolgen vereinbaren (i. e. Änderungsverträge oder Schuldbegründungen, die möglicherweise ins Leere gehen). Das ist, wie gesehen, nur bei der Bereinigung sekundärer Staatshaftungsansprüche der Fall. In allen anderen Fällen (d. h. bei der Bereinigung der Rechtswidrigkeit, der Wirksamkeit oder der Primärreaktionsrechte hoheitlichen Handelns) ist die Wirkung des Vergleichs dagegen klar. Sie besteht in der Ersetzung der gesetzlichen Verhaltensregeln durch genau bestimmte Vertragsnormen. Keine Partei wird über diese Wirkung ernstlich streiten. Egal welchen Standpunkt sie zuvor eingenommen hat, sie wird anerkennen, daß die Rechtswidrigkeit, die Unwirksamkeit oder die Pflicht zur Unterlassung des streitigen Verhaltens fortan aus der Welt sind, weil eben dieses Verhalten nunmehr vertraglich gefordert und deshalb rechtmäßig ist.

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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Worüber die Parteien aber streiten werden – und zwar bei allen verwaltungsrechtlichen Vergleichen – ist die Frage der Gesetzmäßigkeit ihrer Vereinbarung. Das liegt auf der Hand, wenn der Vergleichsinhalt, wie meistens, in einer Normersetzung besteht. Die Parteien wissen hier nicht, ob die Vereinbarungen, die den Vergleichsgegenstand vor dem Gesetz abschirmen, den überlagerten Gesetzesregelungen entsprechen oder nicht. Tun sie es nicht, dann ist der Vergleich rechtswidrig. Zweifelhaft ist die Gesetzmäßigkeit des Vergleichs aber auch dann, wenn mittels bedingter Änderungsverträge oder Schuldbegründungen staatshaftungsrechtliche Sekundäransprüche bereinigt werden. Denn von Gesetzes wegen gibt es nur einen einzigen rechtmäßigen Ersatzanspruch161. Ob die Vergleichsvereinbarung ihn trifft, ist ungewiß. Tut sie es nicht, dann ist der Vergleich ebenfalls rechtswidrig. Es läßt sich also festhalten, daß der Vergleichsvertrag aus Sicht seiner Parteien typischerweise selbst mit Streit oder Ungewißheit behaftet ist. Ungewiß oder streitig ist beim privatrechtlichen Vergleich die Wirkung des Vereinbarten, also der Vertragsinhalt selbst, beim verwaltungsrechtlichen Vergleich dagegen seine Gesetzmäßigkeit. Diese besondere subjektive Beziehung der Parteien zum Vertragsinhalt kann in der Dogmatik des Vergleichsvertrags heute als ganz herrschende Meinung angesehen werden. Bisweilen versteckt sie sich hinter periphrastischen Formulierungen. So heißt es vom privatrechtlichen Vergleich, er sei für die Parteien ein „Risikogeschäft“, ihm wohne „Potentialität“ oder ein „aleatorisches Moment“ inne162. Gemeint ist immer dasselbe. Der Inhalt des privatrechtlichen Vergleichs ist zwischen den Parteien typischerweise ungewiß oder streitig. Nahezu einhellige Meinung ist heute auch die latente Gesetzesinkongruenz des verwaltungsrechtlichen Vergleichs163. Zwar stellt man hier regelmäßig nicht auf das Vorstellungsbild der Parteien ab, sondern spricht objektivierend von einer latenten Gesetzesinkongruenz des Vergleichs an sich. Jedoch ist mit der allgemeinen Formulierung auch das Besondere umfaßt. Latente Rechtswidrigkeit für den objektiven Betrachter meint erst recht auch latente Rechtswidrigkeit aus Sicht der konkreten Beteiligten. Es liegt nahe, das besondere Vorstellungsbild der Vergleichsparteien vom Vertragsinhalt zum Anknüpfungspunkt einer tatbestandlichen Definition des Ver161

Degenhart, NVwZ 1982, 71 (73); R. Reinhardt, NJW 1970, 697. Bork, Vergleich, S. 110; Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 115; Tägert, Beiträge, S. 5. 163 Blind, Voraussetzungen, S. 160; Bosse, Vertrag, S. 66; Degenhart, NVwZ 1982, 71 (73); Löwer, VerwArch 56 (1965), 236 (238); Schimpf, Vertrag, S. 221; Schlette, Vertragspartner, S. 85; Sontheimer, Vertrag, S. 114 f.; Tiedemann, in: Obermayer, VwVfG (3. Aufl.), § 55, Rdn. 1, 18; Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 81; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 50. Anfängliche Versuche, den verwaltungsrechtlichen Vergleich unter Verweis auf dispositives Verwaltungsrecht (Barth, NJW 1961, 1604 [1605, 1607]; Mellwitz, DVBl. 1962, 601 [602, 604]) und exekutive Ermessensspielräume (Weitemeyer, Vergleich, S. 110 ff.) als gesetzmäßiges Rechtsgeschäft zu konstruieren, haben sich nicht durchsetzen können, vgl. oben § 1 A. II. 3. Zur Wiederbelebung entsprechender Versuche durch Seer vgl. sogleich § 2 C. III. 162

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1. Teil: Grundlagen

gleichsvertrags zum machen. Ein solcher Versuch ist in der Tat auch unternommen worden, und zwar in Form der Lehre von der Feststellungscausa. II. Privatrechtlicher Vergleich: Feststellungscausa Die Lehre von der Feststellungscausa geht zurück auf Bekker164, wurde populär durch v. Tuhr165 und Lehmann166, wesentlich verfeinert von Marburger167 und Bork168 und ist in der Dogmatik des privatrechtlichen Vergleichs heute herrschend169. Einzelne Autoren halten sie auch im Verwaltungsrecht für anschlußfähig170. Ihre Vertreter sehen die Besonderheit des Vergleichs im Verhältnis zu anderen Verträgen in dem besonderen Rechtsgrund der mit dem Vergleichsvertrag verbundenen Vermögensverschiebungen171. Während bei anderen kausalen Verträgen Austausch172 oder Unentgeltlichkeit173 die causa der jeweiligen Forderungszuwendungen oder Verfügungen bildeten, werde der Vergleichsvertrag von einer eigenständigen causa beherrscht, die aus dem Schema von Entgeltlichkeit und Liberalität herausfalle. Diese besondere causa sei der „Feststellungs-„ oder auch „Bereinigungszweck“. Die Notwendigkeit seiner Anerkennung folgt für die Anhänger der Lehre aus dem oben herausgearbeiteten unsicheren Vorstellungsbild der Vergleichsparteien über die tatsächlichen Wirkungen ihrer Vereinbarung. Vor dem Hintergrund der divergierenden Prätentionen über den wahren Vertragsinhalt sei ein Rechtsgrund für den Vergleichsvertrag im Rahmen der herkömmlichen causa-Typologie unmöglich zu finden. Jede Vergleichspartei leugne einen Austauschzweck mit der anderen Seite

164

Bekker, System, Bd. II, S. 240 ff. v. Tuhr, AT Bd. II/2, S. 247 ff. 166 Lehmann, Prozeßvergleich, S. 82. 167 Marburger, Schuldanerkenntnis, S. 36. 168 Bork, Vergleich, S. 152 f., der allerdings den Begriff der „Bereinigungscausa“ dem der Feststellungscausa vorziehen will, ebda., S. 155 ff. 169 Esser, in: FS Lehmann, Bd. II, S. 713 (717); Fischer, in: Bamberger/Roth, BGB, § 779, Rdn. 19; Habersack, in: MüKo BGB, § 779, Rdn. 31; Kübler, Feststellung, S. 134; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, S. 94 f.; Marburger, in: Staudinger, BGB, § 779, Rdn. 45; Tägert, Beiträge, S. 9 f.; weitere Nachweise aus dem älteren Schrifttum bei Bork, Vergleich, S. 152, Fn. 19. 170 Suchan, Probleme, S. 54; dem Begriff nach auch Seer, Verständigungen, S. 215, der die Lehre vom Feststellungszweck allerdings völlig mißversteht, s. unten § 2 C. III. 171 Zur causa als Rechtsgrund vertraglicher Forderungszuwendungen oder (beim Handgeschäft) Verfügungen vgl. ausführlich Bork, Vergleich, S. 26 ff., 56 ff.; Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 39 ff. 172 Rechtsgrund der Forderungszuwendungen ist der Erwerb der jeweiligen Gegenforderung (Bspe.: Kauf, Miete, Werk- oder Dienstvertrag). 173 Rechtsgrund der Forderungszuwendung ist gemeinsam gewollte Unentgeltlichkeit (Bspe.: Schenkung, Leihe, Auftrag, Verwahrung). 165

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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und wolle nur eine eigene, unentgeltliche Zuwendung anerkennen174. Bei dieser Sachlage könne Einigkeit über den Rechtsgrund des Vereinbarten – ein essentialium negotii175 – nur auf Grundlage der Feststellungscausa erzielt werden. Der Feststellungszweck sei daher das besondere Charakteristikum des Vergleichs, das ihm „den Stempel aufdrücke“ und den Vergleich von anderen Verträgen unterscheide176. Der einzige Vertrag, der die Feststellungscausa mit dem Vergleich teile, sei das kausale Schuldanerkenntnis. Dieses ähnele dem Vergleichsvertrag darin, daß es ebenso wie jener ein streitiges Rechtsverhältnis bereinige, jedoch nicht im Wege gegenseitigen, sondern im Wege einseitigen Nachgebens177. Auch beim kausalen Schuldanerkenntnis liege Prätentionendivergenz über den wahren Vertragsinhalt vor, die nur mit Hilfe der Feststellungscausa zu überbrücken sei. Der Nachgebende vermeine sich als Schenker, der Empfänger dagegen leugne schon jede (rechtsgrundbedürftige) Zuwendung. Selbst wenn man ihm Zustimmung zur Unentgeltlichkeitscausa unterstelle, zwinge man den Parteien damit doch nur die Form des § 518 Abs. 1 BGB auf und beraube so das kausale Schuldanerkenntnis jeder praktischen Bedeutung. Das lasse sich nur vermeiden, wenn man das Schuldanerkenntnis als Feststellungsvertrag begreife, anstatt es „gewaltsam zur Schenkung zu denaturieren“178. Die Theorie der Feststellungscausa ist in jüngerer Zeit durch die Dissertationsschrift von Ehmann erheblich erschüttert worden. Ehmann weist eine Möglichkeit nach, den Vergleichsvertrag doch als Austauschgeschäft zu konstruieren, indem er nicht auf die tatsächlichen Zuwendungen der Parteien abstellt, sondern auf das von ihnen übernommene Risiko. Der Vergleich sei ein entgeltliches Geschäft deshalb, weil jede Partei das Risiko der Unrichtigkeit der Prätention ihres Gegners auf sich nehme179. Für die Einführung einer Feststellungscausa bestehe daher kein Bedürfnis. Entsprechendes soll auch beim kausalen Anerkenntnis gelten. Dieses sei unentgeltlicher Vertrag aus Sicht beider Parteien, weil der Anerkennende einseitig das Risiko übernehme, in Wahrheit Recht gehabt zu haben und dem Gegner durch sein Anerkenntnis einen Vermögensvorteil zu verschaffen180. Den Einwand der Formbedürftigkeit will Ehmann nicht gelten lassen. Erstens sei das kausale Schuldanerkenntnis trotz seiner Unentgeltlichkeit keine Schenkung, weil nicht bestehende Vermögenssubstanz, sondern neu geschaffenes Vermögen zugewandt werde181.

174

Bork, Vergleich, S. 159; Marburger, Schuldanerkenntnis, S. 56. Bork, Vergleich, S. 31. 176 Bork, Vergleich, S. 153; Lehmann, Prozeßvergleich, S. 82. 177 Bork, Vergleich, S. 182; Kübler, Feststellung, S. 135; Marburger, Schuldanerkenntnis, S. 35 f., 47; ders., in: Staudinger, BGB, § 779, Rdn. 28 und § 781, Rdn. 8, 23. 178 Lehmann, Prozeßvergleich, S. 92; Marburger, Schuldanerkenntnis, S. 56 f.; Tägert, Beiträge, S. 34. 179 Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 115. 180 Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 202, 207. 181 Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 206 f. Richtigerweise wird man dieses Argument auf das Anerkenntnis von Schuldverhältnissen beschränken müssen. Beim Anerkenntnis sachen175

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1. Teil: Grundlagen

Zweitens sei eine Anwendung des § 518 Abs. 1 BGB auch unschädlich, ja sogar per analogiam geboten, weil das kausale Schuldanerkenntnis wegen der Endgültigkeit der Bereinigung für den Anerkennenden besonders gefährlich sei182. Die Rechtsordnung stelle als vorrangiges Mittel der Bereinigung durch einseitiges Nachgeben nicht das kausale Schuldanerkenntnis zu Verfügung, sondern das abstrakte (schuldgrundlose) Anerkenntnis nach § 781 BGB183. Dessen Vorzugswürdigkeit folge daraus, daß der aus dem Anerkenntnis ausgelagerte (daher abstraktes Schuldanerkenntnis) Rechtsgrund seiner Gewährung allein die Sicherung des streitigen Rechtsverhältnisses sei, dem Anerkennenden also für den Fall des nachweislichen Nichtbestehens desselben die Möglichkeit einer Kondiktion verbleibe (§ 812 Abs. 2 BGB). Die besseren Argumente sprechen für die herrschende Lehre. Die Konstruktion des Vergleichs als Austauschgeschäft fällt schwer, weil beim Vergleichsvertrag regelmäßig nur eine Partei realiter eine Zuwendung erfährt184. Beim Streit über die Höhe einer Forderung etwa gewinnt mit Sicherheit entweder nur der Schuldner (dann, wenn die Höhe der streitigen Schuld durch den Vergleich herabgesetzt wurde) oder aber allein der Gläubiger (dann, wenn sie erhöht wurde) oder sogar überhaupt niemand (dann, wenn die vorvertragliche Rechtslage der bereinigten bereits entsprach). Zuwendungen beider Parteien sind in jedem Fall ausgeschlossen. Wer den Vergleich dennoch als Austauschgeschäft qualifiziert, indem er nicht auf die tatsächlichen Zuwendungen, sondern allein auf das Risiko ihres Vorliegens abstellt, steht vor einer äußerst problematischen Konsequenz. Er muß die beiderseits übernommenen Risiken der Äquivalenzkontrolle des § 138 Abs. 2 BGB aussetzen, was angesichts des engen Korridors wucherfreier Austauschverhältnisse185 einen Großteil der praktisch vorkommenden Vergleiche der Nichtigkeit überantworten würde. In vielen Fällen – namentlich beim Prozeßvergleich – wird auf Seiten einer Partei nämlich bestenfalls symbolisch nachgegeben. Auch die subjektiven Voraussetzungen des Wuchers sind beim Vergleichsvertrag regelmäßig erfüllt. Der Bewucherte schließt den Vergleich für gewöhnlich in einer Zwangslage (Beweis- oder Zeitnot), von der der andere Teil Kenntnis hat. Die Lehre vom Feststellungszweck kann die Nichtigkeitsfolge hier vermeiden, weil sie den Vergleich vom Typus her nicht als Austauschvertrag ansehen muß186. Ehmann ist weiter entgegen zu halten, daß mit der rechtlicher Zuständigkeiten wird u. U. durchaus bestehendes Vermögen zugewandt; dann nämlich, wenn der Anerkennende tatsächlich Berechtigter war. 182 Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 221 f., s. auch S. 2 ff. 183 Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 179, 214. 184 Bork, Vergleich, S. 151 f. 185 Ein auffälliges Mißverhältnis i.S.d. Wuchers wird nach gefestigter Rspr. angenommen, wenn der Wert einer Leistung knapp doppelt so hoch bzw. knapp halb so hoch ist wie der Wert ihrer Gegenleistung, vgl. BGH NJW 1992, 899 (900). 186 Vgl. Bork, Vergleich, S. 399 f. Ehmann ist allerdings zuzugeben, daß dies v. a. in der älteren Literatur nicht immer geschieht. Nicht wenige Anhänger der Lehre vom Feststellungszweck haben den Vergleich als entgeltlichen Vertrag qualifiziert und insb. auch die

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Einführung eines Formzwanges für das kausale Schuldanerkenntnis das Schuldanerkenntnis als Bereinigungsmittel insgesamt zur Bedeutungslosigkeit verkommt. Auch das von Ehmann favorisierte abstrakte Schuldanerkenntnis unterliegt schließlich einer Form, nämlich der einfachen Schriftform (§ 781 BGB), an deren Einhaltung die Parteien aber oftmals ebenso wenig denken werden wie an die notarielle Beurkundung (§ 518 BGB). Schließlich bleibt offen, wie Ehmann den Vergleich bei Ablehnung der Feststellungscausa als eigenständigen Vertragstypus definieren will. Das erscheint mißlich nicht zuletzt deshalb, weil der Vergleich als Risikogeschäft in die Nähe von Spiel und Wette gerückt wird; Vertragstypen, denen die Rechtsordnung bekanntlich mit einigem Mißtrauen begegnet (§ 762 BGB)187. Wenn hier Partei für die Lehre vom Feststellungszweck ergriffen wird, dann allerdings nur insoweit, als der privatrechtliche Vergleichsvertrag betroffen ist. Die Feststellungscausa ist demgegenüber ungeeignet, eine vertragstypologische Sonderstellung des verwaltungsrechtlichen Vergleichsvertrags zu begründen. Dies wäre nur möglich, wenn auch verwaltungsrechtliche Verträge grundsätzlich von Austausch- und Unentgeltlichkeitszwecken geprägt wären und wenn der verwaltungsrechtliche Vergleich aufgrund der Ungewißheit seines Inhalts in diese causa-Typologie nicht hineinpassen würde. Beides ist aber nicht der Fall. Der Schuldgrund verwaltungsrechtlicher Verträge188 besteht sicherlich nicht in Austausch- oder in Unentgeltlichkeitszwecken, und eben so sicher kann die causa verwaltungsrechtlicher Vergleiche nicht in der Überbrückung der fehlenden Konsensfähigkeit der wahren Zwecke des verwaltungsrechtlichen Vertrags bei Streit oder Ungewißheit gesehen werden. Die öffentliche Verwaltung und der vertragsbeteiligte Bürger wenden einander vertragliche Forderungen nicht zu, um Gegenforderungen zu erhalten oder um sich freigiebig zu zeigen. Sie wollen durch die Regelungen des Vertrags eine öffentliche Aufgabe erfüllen (vgl. § 56 Abs. 1 S. 1 letzte Sh. VwVfG)189. Das tun sie aber durch Verträge, deren Gesetzmäßigkeit sie bezweifeln §§ 320 ff. BGB auf ihn angewandt, etwa Oertmann, BGB, Bd. II/2, S. 1259 und v. Tuhr, AT, Bd. II/2, S. 265. Auch die Rspr. wendet § 138 Abs. 2 BGB bis heute auf den Vergleichsvertrag an, indem sie die behaupteten Zuwendungen der Parteien wertmäßig zueinander in Beziehung setzt, und gerät dabei mitunter zu schwer nachvollziehbaren Ergebnissen, vgl. Bork, ebda. 187 Kursorisch sei bemerkt, daß die h.M. zulässige und verpönte (§ 762 BGB) Risikogeschäfte danach zu unterscheiden pflegt, ob die Parteien einen „wirtschaftlich seriösen“ Zweck verfolgen oder nicht, vgl. BGHZ 69, 295 (301); OLG Marienwerder OLGE 12, 96; Engel, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 762 ff., Rdn. 4; Häuser, in: Soergel, BGB, § 762, Rdn. 2. Versteht man den Vergleichsvertrag als entgeltliches Risikogeschäft, dann erscheint es geradezu zwingend, seine „Seriosität“ mit seiner Bereinigungsfunktion zu begründen und damit – zumindest in einem untechnischen Sinne – die Existenz eines Feststellungszwecks anzuerkennen. 188 Daß auch verwaltungsrechtliche Verträge grundsätzlich einer causa bedürfen ist allg. Ansicht, vgl. nur Bonk in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 54, Rdn. 119; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 799. 189 Dieser Zweck kann im Einzelfall selbstverständlich auch in der entgeltlichen oder in der unentgeltlichen Zuwendung von Forderungen bestehen. Etwa dann, wenn eine Gemeinde für ihrer Bürger eine Musikschule betreibt (öffentliche Aufgabe: entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen der Daseinsvorsorge) oder wenn eine Stadtbibliothek ihren

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1. Teil: Grundlagen

(i. e. durch Vergleiche), nicht anders als durch Verträge, von deren Gesetzmäßigkeit sie überzeugt sind. Allein wegen der Ungewißheit über die Gesetzesmäßigkeit eines verwaltungsrechtlichen Vertrags ist ein Ausweichen auf die Feststellungscausa also nicht erforderlich. Eine kausale Sonderstellung des verwaltungsrechtlichen Vergleichs ließe sich nur dann behaupten, wenn man die causa des verwaltungsrechtlichen Vertrags nicht in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben sehen wollte, sondern im Vollzug des Gesetzes. Nur in diesem Falle könnte man tatsächlich sagen, die Prätentionendivergenz der Parteien über das zu vollziehende Recht hindere die Einigung über den Schuldgrund und mache ein Ausweichen auf den Bereinigungszweck erforderlich. Eine solche Sichtweise hätte jedoch fatale Konsequenzen. Man müßte in diesem Falle davon ausgehen, daß jeder verwaltungsrechtliche Vertrag, der sich entgegen der übereinstimmenden Erwartung seiner Parteien nachträglich als rechtswidrig erwiese, seinen Rechtsgrund – die Herstellung gesetzmäßiger Zustände – verfehlt hätte, so daß die zugewandten Forderungen kondizierbar bzw. (in der Sprache des Verwaltungsrechts) erstattungspflichtig wären. Das kann nicht richtig sein. Nicht die Herstellung gesetzmäßiger Zustände ist dementsprechend causa des verwaltungsrechtlichen Vertrags, sondern die Erfüllung einer bestimmten Verwaltungsaufgabe190. Dieser causa entspricht aber jeder Vertragsinhalt, der ein konkretes Aufgabenvollzugsprogramm aufweist, ungeachtet, ob die Parteien dieses Vollzugsprogramm für rechtmäßig halten oder nicht. Nutzern auf Zeit bestimmte Bücher überläßt (öffentliche Aufgabe: unentgeltliches Verleihen von Büchern). 190 Die Rechtmäßigkeit des Vertrags gehört daher richtigerweise allenfalls zu denjenigen „Verhältnissen“ i.S. von § 60 Abs. 1 S. 1 VwVfG, die, ohne als causa Vertragsbestandteil zu werden (Efstratiou, Bestandskraft, S. 300; Schlette, Vertragspartner, S. 611), von den Parteien zur gemeinsamen Grundlage ihres Vertrags gemacht werden. Zu diesen von § 60 Abs. 1 S. 1 VwVfG gemeinten „Verhältnissen, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind“, gehören alle nicht in den Vertrag aufgenommenen, bei Vertragsschluß aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die einer einzelnen Partei erkennbaren, von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen des Vertragspartners über das Vorhandensein bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille sich aufbaut, vgl. VGH Mannheim NVwZ-RR 1998, 351 (353); 2000, 206 f.; Schimpf, Vertrag, S. 309. Bezugspunkt dieser Vorstellungen können neben tatsächlichen auch rechtliche Verhältnisse sein, vgl. BVerwG NVwZ 1998, 1075 (1077); VGH Mannheim NVwZ-RR 1998, 351 (353). Als Geschäftsgrundlage verwaltungsrechtlicher Verträge kommt deshalb grundsätzlich auch die Gesetzmäßigkeit des Vertrags in Betracht, vgl. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 859; Schimpf, Vertrag, S. 309, 303. Dann nämlich, wenn beide Parteien oder eine Partei erkennbar für die andere die Vorstellung von der Gesetzmäßigkeit des Vereinbarten hatte und dies zur Grundlage ihres Geschäftswillens gemacht hat. Insoweit ist allerdings Zurückhaltung geboten. Die abstrakte Vorstellung, gesetzeskonform zu handeln, ist regelmäßig zu unbestimmt, als daß der konkrete Geschäftswille auf ihr aufbauen würde. Geschäftsgrundlage ist die Gesetzeskongruenz des Vertragsinhalts vielmehr erst dann, wenn die Parteien sich i.R.d. Vertragsschlusses mit der verletzten Rechtsnorm beschäftigt und ihre Vereinbarung erkennbar an ihr ausgerichtet haben, s. Schimpf, Vertrag, S. 309 f. Das ist – außer beim Vergleichsvertrag – regelmäßig nicht der Fall.

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III. Verwaltungsrechtlicher Vergleich: Zustimmung zu einer für rechtswidrig gehaltenen Vertragsregelung Will man die typologische Sonderstellung des verwaltungsrechtlichen Vergleichs begründen, so muß man auf ein anderes Tatbestandsmerkmal zurückgreifen als auf die Feststellungscausa. Man kann – und dieser Ansatz wird hier in der Tat vorgeschlagen – die Ungewißheit der Parteien über die Rechtswidrigkeit ihrer Vereinbarung auch als Ausdruck ihres gegenseitigen Nachgebens verstehen. Gegenseitiges Nachgeben im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Vergleichs ist dann zu definieren als die Zustimmung zu einem Vertrag, dessen Gesetzmäßigkeit aus Sicht der Parteien ungewiß ist oder von ihnen bestritten wird. Der Vergleich ist dann tatbestandsmäßig der einzige verwaltungsrechtliche Vertrag, der von seinen Parteien für rechtswidrig gehalten wird. Diese Sichtweise auf das gegenseitige Nachgeben dürfte im Grundsatz auch derjenigen der herrschenden Meinung entsprechen. Allein die Zuspitzung auf die subjektive Gesetzesinkongruenz als Spezifikum des Vergleichs ist in dieser Form bislang noch nicht formuliert worden. Sie ergibt sich jedoch mittelbar aus der von der herrschenden Lehre anerkannten latenten Gesetzesinkongruenz des Vergleichs191 und aus dem für das Nachgeben allgemein verlangten vertraglichen Zuwiderhandeln gegen die eigenen Rechtsstandpunkte192. Rechtsstandpunkte sind im Verwaltungsrecht in erster Linie Vorstellungen über das gesetzlich Gewollte. Eine dezidiert andere Sichtweise auf das gegenseitige Nachgeben vertritt allerdings Seer193. Er hält die Vorstellung bewußt rechtswidrigen Verwaltungshandelns für unvereinbar mit dem Prinzip des Gesetzesvorrangs. Der Verwaltung sei es verwehrt, von eigenen Rechtsstandpunkten abzurücken. Der Abschluß eines Vergleichs sei nur insoweit zulässig, als die Verwaltung den in der Vertragsregelung zum Ausdruck kommenden Rechtsstandpunkt „aus Überzeugung vertreten könne“. Raum für ein Nachgeben (und damit Raum für einen Vergleich) sei nur dort, wo bei objektiver Beurteilung mehrere verschiedene Entscheidungen ein und derselben Verwaltungsrechtssache gleichermaßen gesetzmäßig seien und die Verwaltung lediglich eine Auswahl zwischen ihnen treffe. Das gegenseitige Nachgeben sei dann aber nicht mehr als eine „Konkretisierung“ des Rechts. Entgegen dem Wortlaut des § 55 VwVfG sei deshalb auch nicht von einem Nachgeben zu sprechen, sondern nur von

191

s. die Nachweise oben § 2 C. I. Fn. 163. Vgl. etwa Schimpf, Vertrag, S. 228; Sontheimer Vertrag, S. 115 („Abweichen von der eigenen Rechtsposition“); Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 55, Rdn. 19; Schlette, Vertragspartner, S. 490 („Abrücken von dem im günstigsten Fall erreichbaren Ergebnis“); Tiedemann, in: Obermayer, VwVfG, § 55 (3. Aufl.), Rdn. 18 („Verzicht auf die eigene Überzeugung von der Rechts- und Sachlage“). 193 Seer, Verständigungen, S. 212 ff., 384 ff. Ganz ähnlich zuvor bereits Stein, AöR 86 (1961), 320 (324 f., 329); z. T. zustimmend Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 342. 192

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1. Teil: Grundlagen

einer verbindlichen Rechtsfeststellung bzw. – statt von einem Vergleich – von einem Feststellungsvertrag. Dieser Einwand überzeugt nicht. Seer erkennt zutreffend, daß der Vergleich – verstanden als gewollt rechtswidriges Geschäft – in einem Spannungsverhältnis zum Vorrang des Gesetzes steht. Genauer betrachtet: in einem Spannungsverhältnis zum Anwendungsgebot des Gesetzes. Das Anwendungsgebot ist nur eine der beiden Facetten des Gesetzesvorrangs194. Sein Inhalt besteht in der Forderung, die Verwaltung möge den Inhalt des Gesetzes planmäßig ermitteln und alsdann ausschließlich nach ihm entscheiden195. Die andere Facette des Gesetzesvorrangs ist das Abweichungsverbot. Eine formale Kollisionsregel, die besagt, daß gesetzwidriges Verwaltungshandeln stets rechtswidrig ist196. Das Verständnis des Vergleichs als gewollt rechtswidriges Geschäft stellt diese Kollisionsregel nicht in Frage. Die Rechtswidrigkeit gesetzesinkongruenter Vergleiche muß ohne Abstriche zugestanden werden. Sie ist aber unschädlich, weil auch der rechtswidrige Vergleich im Regelfall Bereinigung schafft. Wie alle anderen verwaltungsrechtlichen Verträge genießt der Vergleich Bestandskraft (§ 59 VwVfG). Seine Rechtswidrigkeit ändert an seiner Wirksamkeit und damit an der Bereinigung im Regelfalle nichts. Als gewollt rechtswidriges Geschäft kollidiert der Vergleich allein mit dem Anwendungsgebot des Gesetzes. Wird das Nachgeben der Verwaltung definiert als ein bewußtes Abweichen von einer für gesetzmäßig gehaltenen Verhaltensanforderung, dann ist der Vergleich in der Tat qua definitione eine Hinwegsetzung über gesetzliche Bewirkungsaufträge. Es bedarf jedoch keines größeren Argumentationsaufwandes, um nachzuweisen, daß das Anwendungsgebot des Gesetzes verfassungsimmanente Grenzen hat, auf die sich die Parteien beim Abschluß eines Vergleichsvertrags berufen können. Beruht der Rechtsstandpunkt der Verwaltung auf einer ungewissen Tatsachenlage, dann bietet er keine höhere Gewähr für seine Gesetzeskongruenz als jeder andere Rechtsstandpunkt, der infolge der alternativ möglichen ungewissen Sachverhaltskonstellationen eingenommen werden könnte. Der verfahrensreguläre Rechtsstandpunkt der Behörde beruht bei sachverhaltlicher Ungewißheit allein auf einer Beweislastentscheidung. Ihn durchzusetzen, wird dem Gebot gesetzmäßigen Verhaltens eben so gut und eben so schlecht gerecht wie die Durchsetzung jedes anderen tatsachenbedingt möglichen Rechtsstandpunkts197. Solange sich nur die potentielle Gesetzesinkongruenz des Vergleichs mit der sachverhaltlich bedingten Rechtsfolgenungewißheit deckt, kann die Mißachtung des gesetzlichen Bewirkungsauftrages daher mit Argumenten der Sachlogik gerechtfertigt werden.

194

Vgl. Schmidt-De Caluwe, Verwaltungsakt, S. 122 ff.; s. auch unten § 2 D. II. 2. Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 77; Schmidt-De Caluwe, Verwaltungsakt, S. 124 f. 196 Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 68; Schmidt-De Caluwe, Verwaltungsakt, S. 123. 197 Blind, Voraussetzungen, S. 175; Schimpf, Vertrag, S. 223; s. auch Schlette, Vertragspartner, S. 85 f. 195

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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Aber auch dann, wenn ein Rechtsstandpunkt auf Basis eines unstreitigen Sachverhalts gebildet wurde, muß ein Abweichen von ihm nicht zwangsläufig mit dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz konfligieren. In dem Maße nämlich, in dem der Rechtssatz, dessen Anwendung die anstehende Verwaltungsentscheidung bestimmt, selbst ungewiß ist, erlaubt der Gedanke des Rechtsfriedens – ein dem Gesetzesvorrang gleichrangiges rechtsstaatliches Subprinzip – ein Abweichen von den aus ihm abgeleiteten Rechtsstandpunkten198. Verfahrensregulär wäre bei dieser Art von Zweifel allein die dezisionistische Festlegung auf die nach Ansicht der Verwaltung wahrscheinlichste Auslegung der streitigen Norm und (notfalls) ihre gerichtliche Sanktionierung. Solange dieser Auslegung jedoch plausible Alternativen gegenüberstehen, die nicht endgültig durch die Rechtsprechung verworfen sind, ist ein Abweichen zu ihren Gunsten rechtsstaatlich vertretbar. Der Vorrang des Gesetzes bleibt hier unberührt, weil die aus ihm folgende Pflicht zur Durchsetzung des wahrscheinlichsten Rechtsstandpunkts im Falle der Ungewißheit des Rechts eine verfassungsrechtliche Grenze im Gedanken des Rechtsfriedens findet. Mit all dem stimmt Seer insoweit überein, als auch er eine objektive Ungewißheit des Rechts für den Abschluß eines Vergleichsvertrags genügen lassen will, also nicht etwa verlangt, der Inhalt eines verwaltungsrechtlichen Vergleichsvertrags müsse nachweislich gesetzmäßig sein. Anders als die herrschende Lehre will Seer jedoch in der Vereinbarung potentiell gesetzesinkongruenter Vertragsinhalte einen Verstoß gegen das Gesetzmäßigkeitsprinzip nicht einmal im Ansatzpunkt erkennen. Objektive Ungewißheit erzeuge nämlich eine „Bandbreite vertretbarer Entscheidungsvarianten“, von denen „niemand“ sagen könne, welche dem Gesetz entspricht. Jede einzelne Variante konkretisiere deshalb das Gesetz „ohne es zu verletzen“199. Auch eine spätere gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns ändere hieran nichts. Denn eine solche Entscheidung sei „nicht objektiv richtiger (gesetzmäßiger)“ als eine abweichende Vergleichsregelung, „sondern nur kompetentiell letztverbindlich“200. Eine solche Sichtweise auf die Gesetzesbindung der Verwaltung ist mit dem Begriff des Rechtsstaats nicht zu vereinbaren. Eine Bandbreite gesetzmäßiger Verwaltungsentscheidungen existiert im Rechtsstaat allein dort, wo das Gesetz selbst sie vorsieht, etwa bei unbestimmten Rechtsbegriffen oder Ermessensspielräumen. Exekutive Handlungsspielräume allein aufgrund von Ungewißheit gibt es im Rechtsstaat dagegen nicht. Ein Staat, der den Anspruch erhebt, das Handeln seiner Organe umfassender rechtlicher Bindung zu unterwerfen – ein Rechtsstaat im formellen Sinne also201 – verfügt selbstverständlich auch über Methoden, seine Ver198

Schimpf, Vertrag, S. 230 f.; Sontheimer, Vertrag, S. 116, 118 f. Seer, Verständigungen, S. 384 f. (Hervorhebung nicht im Original). 200 Seer, Verständigungen, S. 213 (Hervorhebung im Original). 201 Zur formellen Rechtsbindung staatlichen Handelns als Urform und Minimalforderung der Rechtsstaatlichkeit vgl. etwa Degenhart, Staatsrecht I, Rdn. 256 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 769 ff., 772 f. Das heutige Verständnis sieht neben der formellen Rechtsbindung bestimmte materielle Ausgestaltungen des staatsadressierten Rechts als unverzichtbare Elemente der 199

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1. Teil: Grundlagen

waltung im Angesicht tatsächlicher oder rechtlicher Ungewißheit zu einer geordneten Entscheidung zu führen. Diese Methoden sind die Beweislastentscheidung (zur Bewältigung tatsächlicher Ungewißheit) und die Entscheidung für die wahrscheinlichste Rechtsauslegung, notfalls verbunden mit einer Anrufung der Gerichte (beim Zweifel über Rechtssätze). Gäbe es diese Hilfsregeln zur Ermittlung des gesetzlichen Bewirkungsauftrages nicht, so wäre die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns ein leeres Versprechen. Jede Beweisschwierigkeit und jede mit der Abstraktheit formeller Gesetze naturgemäß einhergehende Mehrdeutigkeit des Rechts würde sie unterlaufen. Seer geht daher fehl, wenn er meint, die Vergleichslage sei eine durch Ungewißheit bedingte Situation mehrerer „gesetzmäßiger“ Entscheidungsalternativen. Eine solche Situation gibt es in einem Rechtsstaat nicht. Spielräume gesetzmäßigen Verwaltungshandelns ergeben sich im Rechtsstaat allenfalls aus dem Gesetz selbst, nicht aber aus Ungewißheit. Am Rande sei bemerkt, daß die privatrechtsterminologische Anleihe beim „Feststellungsvertrag“ nicht im Mindesten geeignet ist, das von Seer geforderte Umdenken in Hinblick auf das gegenseitige Nachgeben zu plausibilisieren. Seer sieht im Feststellungsgeschäft ein vertragstypologisches aliud zum Vergleich dergestalt, daß zwar beide Vertragstypen der Bereinigung von Streit und Ungewißheit dienten, es beim Feststellungsvertrag jedoch eines Nachgebens der Parteien nicht bedürfe202. Das ist ein vollkommen neues Verständnis des Feststellungsgeschäfts, das mit der hergebrachten Dogmatik nicht das Geringste zu tun hat. Die Privatrechtslehrer, die das Feststellungsgeschäft als eigenständige Vertragskategorie anerkennen, verstehen es nicht als ein aliud zum Vergleich, sondern – im Gegenteil – als Oberbegriff für sämtliche Rechtsgeschäfte, mit denen die Bereinigung streitiger oder ungewisser Rechtsfolgen angestrebt wird. Der Vergleich ist dabei eine wesentliche Form des Feststellungsgeschäfts. Die andere ist das kausale Schuldanerkenntnis. Der einzige Unterschied zwischen beiden Vertragstypen besteht darin, daß beim Vergleich beide Seiten nachgeben, beim kausalen Schuldanerkenntnis dagegen nur einer (der anerkennende Schuldner)203. Wenn Seer das Feststellungsgeschäft dagegen als einen Vertrag zur Bereinigung streitiger Rechtsfolgen ohne Nachgeben präsentiert, entfernt er sich offenkundig vom hergebrachten Begriffsverständnis; er gibt dem Feststellungsvertrag eine völlig neue Bedeutung. Rechtsstaatlichkeit an, nämlich die Sicherung der Freiheit und die Verwirklichung von Gerechtigkeit durch die Anerkennung von Grundrechten, durch Rechtssicherheit und -klarheit und durch die Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns, vgl. Degenhart, ebda., Rdn. 258. 202 Seer, Verständigungen, S. 215 mit Fn. 459. 203 Vgl. Bork, Vergleich, S. 182; Kübler, Feststellung, S. 135; Marburger, Schuldanerkenntnis, S. 47 und passim; ders., in: Staudinger, BGB, § 781, Rdn. 8, 23.; vgl. auch BGHZ 66, 250 (255), wo die „Vergleichsähnlichkeit“ des kausalen Schuldanerkenntnisses betont und ausdrücklich auf Marburger Bezug genommen wird. Selbst Bekker, auf dessen Pandektenrechtslehrbuch der Begriff des Feststellungsgeschäfts zurückgeht (vgl. Bork, Vergleich, S. 155), und v. Tuhr, den Seer zum Kronzeugen seiner aliud-Theorie macht, haben den Vergleich als Feststellungsgeschäft verstanden, vgl. Bekker, System, Bd. II, S. 240 ff., 241; v. Thur, AT, Bd. II/ 2, S. 247 ff., 264 f.

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IV. Zusammenfassung Wir halten daher fest: Das spezifische Tatbestandsmerkmal des privatrechtlichen Vergleichs ist seine besondere causa – der Feststellungs- oder Bereinigungszweck. Das besondere Merkmal des verwaltungsrechtlichen Vergleichs dagegen ist der Umstand, daß die Parteien das Vereinbarte für latent rechtswidrig halten.

D. Exkurs II: Sonderregeln für die Bereinigung streitiger Rechtsfolgen durch Vergleichsverträge? Die Ausführungen zur Wirkungsweise des Vergleichsvertrags haben deutlich gemacht, daß die Bereinigung streitiger Rechtsfolgen durch Vergleichsverträge im Grundsatz Rechtsgestaltung mit den Mitteln des allgemeinen Vertragsrechts ist. Über das Rechtsregime des Vergleichs erscheint daher an sich kein weiteres Wort mehr zu verlieren. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Bereinigung lassen sich vielmehr auf eine sehr einfache Formel bringen: Die Parteien müssen einen wirksamen Vertrag schließen, der die streitige Rechtsfolge bereinigt. Ob ihnen dies gelingt, ist eine Frage des sachlich einschlägigen, allgemeinen Vertragsrechts. Wenn im folgenden dennoch näher auf das Rechtsregime des Vergleichsvertrags einzugehen ist, so deshalb, weil in der Dogmatik des Vergleichsvertrags drei Sonderregeln der Bereinigung anerkannt sind, die vom allgemeinen Vertragsrecht abweichen. Die erste dieser Regeln ist positivrechtlich verankert. § 55 VwVfG nennt eine Reihe von Bedingungen für den Abschluß verwaltungssubordinationsrechtlicher Vergleiche, deren Mißachtung nach § 59 Abs. 2 Ziff. 3 VwVfG zur Nichtigkeit des Vereinbarten führen soll. Wir werden zeigen, daß diese Abschlußbedingungen verfassungsunmittelbare Grenzen jedes öffentlichrechtlichen Vergleichsvertrags mit staatlicher Beteiligung darstellen, also insbesondere auch für staatsorganisationsrechtliche Vergleichsverträge gelten (I.). Jenseits des geschriebenen Rechts behauptet die herrschende Lehre zwei weitere Sonderregeln vergleichsvertraglicher Rechtsetzung, die fundamental vom allgemeinen Vertragsrecht abweichen. Zum einen dispensiert sie den verwaltungsrechtlichen Vergleich in einem wesentlich weiteren Umfange als dem hier angenommen vom Gesetzesvorrang, indem sie nicht nur das Anwendungsgebot des Gesetzes einschränkt, sondern auch das Abweichungsverbot (II.). Zum anderen billigt sie sowohl dem privatrechtlichen wie auch dem verwaltungsrechtlichen Vergleich ein „Privileg gesteigerter Unempfindlichkeit gegenüber Rechtsverletzungen“ zu, behauptet also eine besondere Fehlerresistenz des Vergleichs im Vergleich zu anderen privatrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Verträgen (III.). Es wird zu zeigen sein, daß ein Sonderrecht dieser Art nicht anerkannt werden kann.

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1. Teil: Grundlagen

I. Voraussetzungen für den Abschluß öffentlichrechtlicher Vergleichsverträge Der verwaltungsrechtliche Vergleich wurde definiert als ein Vertrag, bei dem die Parteien von der Gesetzesinkongruenz ihrer Vereinbarung überzeugt sind. Der Vergleich ist damit eine besondere Form des Verwaltungshandelns, nämlich die Form mutmaßlich rechtswidrigen Handelns. Es wurde weiter gesagt, daß der Vergleich nach dieser Definition in einem genetischen Spannungsverhältnis zum Gesetzmäßigkeitsprinzip steht. Die Verwaltung handelt beim Abschluß eines Vergleichsvertrags in bewußter Mißachtung ihres gesetzlichen Bewirkungsauftrags. Die Auflösung dieses Spannungsverhältnisses wurde mit zwei verfassungsimmanenten Schranken des rechtsstaatlichen Gesetzesanwendungsgebots erklärt, nämlich zum einen mit der Kontingenz beweislastorientierter Entscheidungen, zum anderen mit dem Gedanken des Rechtsfriedens. Im folgenden ist zu zeigen, daß die genannten Schranken Eingang in das positive Verwaltungsverfahrensrecht gefunden haben. § 55 VwVfG nennt drei Bedingungen für den Abschluß verwaltungssubordinationsrechtlicher Vergleiche, die nur als Reflexionen der Grenzen des gesetzlichen Bewirkungsauftrages verstanden werden können (1.-3.). Zu zeigen ist weiter, daß die Regelungen des § 55 VwVfG konkretisiertes Verfassungsrecht darstellen, das nicht nur für den Abschluß verwaltungssubordinationsrechtlicher Verträge gelten muß, sondern für alle öffentlichrechtlichen Vergleichsverträge mit staatlicher Beteiligung (4.). . 1. Vergleichslage: Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit weiterer Sachaufklärung (§ 24 VwVfG) bzw. qualifizierte Ungewißheit des anzuwendenden Rechts § 55 VwVfG knüpft den Abschluß subordinationsrechtlicher Vergleiche (§ 54 S. 2 VwVfG) an das Vorliegen einer besonderen Vergleichslage. Er erlaubt der Verwaltung ein Nachgeben gegenüber verfahrensregulären Rechtsstandpunkten nur dann, wenn eine qualifizierte Ungewißheit über entscheidungserhebliche Tatsachen oder Rechtssätze besteht („eine bei verständiger Würdigung bestehende Ungewißheit“). Was genau hierunter zu verstehen ist, erschließt sich aus den rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen des Vergleichs. Qualifiziert im Sinne des § 55 VwVfG ist eine Ungewißheit, wenn sie die Bedingungen schafft, unter denen der Bewirkungsauftrag des Gesetzes gegenüber anderen rechtsstaatlichen Geboten zurücktritt. Dies ist bei tatsachenbedingter Ungewißheit der Fall, wenn die Verwaltung auch nach Ausschöpfung aller möglichen und gebotenen Beweismittel (§ 24 VwVfG) keine endgültige Klarheit über die entscheidungserheblichen Tatsachen gewinnen konnte und infolgedessen allein aufgrund der objektiven Beweislast zwischen

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mehreren möglicherweise rechtmäßigen Handlungsalternativen entscheiden muß204. Hier verliert der Bewirkungsauftrag des Gesetzes seine Normativität, weil das Ergebnis einer Beweislastentscheidung eben so gut und eben so schlecht gesetzmäßig sein kann wie das Ergebnis jedes anderen im Rahmen der Ungewißheit möglichen Subsumtionsprozesses der streitigen Tatsachen. Qualifiziert ist eine Ungewißheit über Rechtssätze, wenn auch für einen juristisch geschulten Beobachter nicht klar ist, welcher Rechtssatz die anstehende Entscheidung bestimmt. Dieser Fall liegt etwa dann vor, wenn die streitentscheidende Norm von den Gerichten unterschiedlich ausgelegt wird205, wenn das Gesetz eine Lücke aufweist, die Rechtsprechung und Literatur bislang verborgen geblieben ist206, oder wenn die entscheidenden Rechtsquellen unbekannt sind, etwa, weil sehr altes oder ausländisches Recht in Rede steht207. In all diesen Fällen ist der Bewirkungsauftrag des Gesetzes durch das Prinzip des Rechtsfriedens relativiert. Die Durchsetzung objektiv ungewisser Rechtsstandpunkte provoziert gerichtliche Anfechtung und damit zumindest vorübergehend eine Rechtsunsicherheit. Der Vergleichsvertrag kann diese Störung vermeiden, weil er die streitigen Rechtssätze überlagert und so Rechtsfrieden schafft. Er dient damit einem dem Gesetzmäßigkeitsprinzip gleichrangigen rechtsstaatlichen Gebot, das den Bewirkungsauftrag des Gesetzes im Einzelfall zurückdrängt.

2. Entschließungsermessen: Beschränkung des Abwägungsmaterials auf rechtsstaatskompatible Gesichtspunkte § 55 VwVfG verlangt weiter, daß die Verwaltung hinsichtlich des „Ob“ des Vergleichsschlusses eine fehlerfreie Ermessensentscheidung zu treffen hat („kann geschlossen werden“). Lehre208 und Praxis209 schenken dieser Bedingung nur wenig Beachtung. Man meint, hier werde in erster Linie nur der Selbstverständlichkeit Ausdruck verliehen, daß die Behörde beim Vorliegen einer Vergleichslage nicht etwa verpflichtet sei, einen Vergleich zu schließen, sondern, wie gewöhnlich, einen ge204

Zur Korrelation der behördlichen Sachaufklärungspflicht (§ 24 VwVfG) und dem Grad der beim Tatsachenvergleich zu verlangenden Ungewißheit sehr treffend Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 342; Schimpf, Vertrag, S. 224. 205 Bosse, Verwaltungsvertrag, S. 72 f.; Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 343; Meyer, in: ders./ Borgs, VwVfG, § 55, Rdn. 12; Seer, Verständigungen, S. 396; letzterer mit dem zutreffenden Hinweis, daß das Fehlen höchstrichterlicher Rspr. keine Ungewißheit erzeugt, wenn die Rechtslage ohnehin eindeutig ist, vgl. dens., ebda., S. 397. 206 Schlette, Vertragspartner, S. 488, Fn. 111. 207 Franke, Vergleich, S. 119; Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 55, Rdn. 12; Schlette, Vertragspartner, S. 488, Fn. 111. 208 Eine längere Diskussion findet sich nur bei Schlette, Vertragspartner, S. 490 ff.; der letztlich zu dem Ergebnis kommt, das Ermessen des § 55 VwVfG sei mit dem Ermessen über die Wahl der zweckmäßigen Handlungsform (Vertrag oder VA) gleichzusetzen. 209 Soweit ersichtlich nur VGH München VGHE 32, 90 = DVBl. 1980, 62; vgl. Budach/ Johlen JuS 2002, 371 (374). Zu dieser Entscheidung unten § 7 D.

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1. Teil: Grundlagen

wissen Handlungsspielraum hinsichtlich der im Einzelfall passenden Handlungsform besitze210. Die Sinnhaftigkeit des Entschließungsermessens erschließt sich jedoch erneut sehr leicht, sobald man sie als Ausdruck der rechtsstaatlichen Grenzen subjektiv gesetzesinkongruenten Verwaltungshandelns versteht. Das dem verwaltungsrechtlichen Vergleichsvertrag wesenhafte Abweichen von verfahrensregulären Rechtsstandpunkten rechtfertigt sich auf Seiten der Verwaltung einzig durch die verfassungsimmanenten Schranken des gesetzlichen Bewirkungsauftrags. Von Verfassungs wegen ist daher zu fordern, daß die Entscheidung über das Für und Wider eines Vergleichs allein von solchen Abwägungstopoi bestimmt wird, die im Einzelfall die Rechtsstaatlichkeit des Verwaltungshandelns gewährleisten können211. Dies sind, nach dem Gesagten, beim Tatsachenvergleich allein die Aussichtslosigkeit oder die Unverhältnismäßigkeit weiterer Sachaufklärung (d. h. die Notwendigkeit einer Beweislastentscheidung trotz Ausschöpfung der nach § 24 VwVfG zu erhebenden Beweise) oder aber, beim Rechtsvergleich, die im Zuge der Herstellung gesetzmäßiger Zustände zu erwartende und durch den Vergleichsschluß vermiedene Störung des Rechtsfriedens (d. h. das Vorliegen einer objektiven Ungewißheit der Rechtslage)212. Andere Gesichtspunkte als die genannten können ein Abweichen vom gesetzlichen Bewirkungsauftrag nicht rechtfertigen. Sie machen den Vergleich fehlerhaft und – im Falle der Rechtswidrigkeit seines Inhalts – nichtig (§ 59 Abs. 2 Ziff. 3 VwVfG)213. 3. Auswahlermessen: Konnexität zwischen der potentiellen Gesetzesinkongruenz des Vereinbarten und der zu bereinigenden Ungewißheit Das Ermessen, das § 55 VwVfG der Verwaltung bei Vorliegen einer Vergleichslage einräumt, bezieht sich nicht allein auf das „Ob“ des Vergleichsschlusses, 210

Schlette, Vertragspartner, S. 491; Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 55; S. auch die Stellungnahme des Verwaltungsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins v. 5. 11. 1973 zum Entwurf des VwVfG aus dem Jahre 1973, S. 50 („sprachliche Leerformel“). 211 Dies schließt insb. die Berücksichtigung rein handlungsformbezogener Momente (Vertrag anstelle eines sonst zu erlassenden VA) aus. Gesichtspunkte der Handlungsform haben mit dem spezifisch von § 55 VwVfG geforderten (und von § 59 Abs. 2 Ziff. 3 VwVfG schärfer sanktionierten) Ermessen nichts zu tun. Nicht zustimmungswürdig daher Schlette, Vertragspartner, S. 491. 212 Wie hier im Ansatz auch Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 55, Rdn. 16; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 68, Rdn. 23. Unrichtig allerdings die bei letzteren aufgestellte These, daß der Verwaltung durch § 55 VwVfG zugebilligte Ermessen enthalte eine Einschränkung des Untersuchungsgrundsatzes (§ 24 VwVfG). Gerade das ist nicht der Fall, s. o. § 2 D. I. 1. und Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 342. 213 Eindrückliches Bsp. für einen Ermessensfehler dieser Art bei Schlette, Vertragspartner, S. 297: Ein Verwaltungsbeamter berichtet, er habe es sich zur Regel gemacht, baurechtswidrige Zustände im Streitfalle per Vergleichsvertrag für einen Übergangszeitraum zu dulden, allein deshalb, „weil kein Wahlbeamter gerne seine Unterschrift unter eine Beseitigungsanordnung setzt“.

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sondern auch auf das „Wie“, d. h. auf die konkret getroffene Bereinigungsabrede. Die auf die Auswahl des Vertragsinhalts bezogene Ermessensschranke zielt auf eine Konnexität zwischen der durch das gegenseitige Nachgeben in Kauf genommenen Gesetzesinkongruenz des Vergleichs und der zu bereinigenden Ungewißheit. Was hiermit gemeint ist und warum es verlangt werden muß, erschließt sich wiederum durch einen Blick auf die rechtsstaatlichen Grundlagen der öffentlichrechtlichen Vergleichsdogmatik. Das dem Vergleich immanente Handeln wider verfahrensreguläre Rechtsstandpunkte läßt sich auf Seiten der Verwaltung nur dann mit dem Gesetzmäßigkeitsgrundsatz vereinbaren, wenn ungewisse Tatsachen oder ungewisse Rechtssätze die aufgegebene Prätention bestimmen. Die Zufälligkeit der Gesetzmäßigkeit reiner Beweislastentscheidungen und die verfassungsrechtliche Gleichrangigkeit von Rechtsfrieden und Gesetzmäßigkeit erlauben der Verwaltung in diesem Fall ein vertragliches Abweichen von Standpunkten, die sie auf Grundlage tatsächlicher oder rechtlicher Ungewißheiten bilden mußte. Diese Abweichungsbefugnis kann aber naturgemäß nur soweit reichen, wie die Ungewißheit, die sie legitimiert. Von einem verfahrensregulär gewonnenen Rechtsstandpunkt darf die Verwaltung mit anderen Worten nur insoweit abrücken, als das Vereinbarte in Ansehung der alternativ möglichen tatsächlichen Verhältnisse oder Rechtsauslegungen überhaupt gesetzmäßig sein könnte. Die in Anbetracht der konkreten Ungewißheit vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Rechtslagen radizieren also das Feld der Vertragsinhalte, auf die die Verwaltung sich ermessensfehlerfrei einlassen darf. Rechtsprechung und Literatur verkürzen diese Abschlußbedingung mitunter zu der prägnanten Formel, Ungewißheit und Nachgeben müßten sich „auf ein und denselben Punkt“ beziehen bzw. es müsse „Konnexität von Ungewißheit und Nachgeben“ herrschen214. 4. Geltung der genannten Abschlußbedingungen für alle öffentlichrechtlichen Vergleichsverträge mit staatlicher Beteiligung Die Abschlußbedingungen des § 55 VwVfG gelten nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut („Ein Vertrag im Sinne des § 54 S. 2 VwVfG“) nur für den subordinationsrechtlichen Vergleichsvertrag. In der Lehre wird diese Einschränkung überwiegend akzeptiert und damit begründet, daß § 55 VwVfG eine besondere Schutzvorschrift zugunsten des Bürgers sei, derer es im Verhältnis staatlicher Organe nicht bedürfe215. 214 Vgl. BVerwGE 49, 359 (364); 84, 157 (165); VGH Mannheim BWVBl. 1987, 141 (145); Blind, Voraussetzungen, S. 165; Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 55, Rdn. 31; Schlette, Vertragspartner, S. 490; Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 54; ferner (dem Gedanken nach) bereits Salzwedel, Zulässigkeit, S. 196. 215 Franke, Vergleich, S. 117; Gurlit, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht (13. Aufl.), § 28, Rdn. 6; Hennecke in: Knack, VwVfG, § 55, Rdn. 2; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 55, Rdn. 6; Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 55, Rdn. 2; Obermayer, VwVfG (2. Aufl.),

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1. Teil: Grundlagen

Dem kann nicht zugestimmt werden. Die in § 55 VwVfG enthaltenen Abschlußbedingungen des Vergleichs sind keineswegs nur Schutzvorschriften zugunsten des Bürgers, sondern unmittelbar verfassungsrechtlich determinierte Grenzen jedes subjektiv gesetzesinkongruenten Staatshandelns. Im Rechtsstaat gilt das Prinzip der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit staatlichen Handelns aber nicht nur im Verhältnis der Staatsorgane zum Bürger (Subordinationsverhältnis), sondern auch im Verhältnis der Staatsorgane untereinander. Die in § 55 VwVfG genannten Abschlußbedingungen des Vergleichs sind daher auf alle öffentlichrechtlichen Vergleichsverträge zu erstrecken, an denen staatliche Organe beteiligt sind. Sie gelten folglich nicht nur für den verwaltungssubordinationsrechtlichen Vergleich, sondern auch für verwaltungskoordinationsrechtliche und verfassungsrechtliche Vergleichsverträge. Fraglich ist, ob Entsprechendes auch für die auf § 55 VwVfG bezogene Fehlerfolgenregelung des § 59 Abs. 2 Ziff. 3 VwVfG gilt. Nach dieser Vorschrift führt die Mißachtung der oben genannten Abschlußbedingungen zur Nichtigkeit des Vergleichs, sofern nicht (zufällig) sein Inhalt mit dem Gesetz übereinstimmt. Ebenso wie § 55 VwVfG betrifft auch § 59 Abs. 2 Ziff. 3 VwVfG nur den subordinationsrechtlichen Vergleich. Für Vergleichsverträge im Koordinationsverhältnis fehlt eine § 59 Abs. 2 Ziff. 3 VwVfG entsprechende Fehlerfolgenregelung. Wo ausdrückliche gesetzgeberische Entscheidungen über die Auswirkungen eines Rechtsfehlers auf die Bestandskraft eines staatlichen Rechtsaktes fehlen, ist die Fehlerfolge eine Frage der Abwägung verschiedener rechtsstaatlicher Prinzipien216. Zu berücksichtigen ist einerseits der Vorrang von Gesetz und Verfassung, der die Organe des Staates nicht nur zur Beachtung des Rechts auffordert, sondern gesetzesund verfassungsgemäße Zustände auch tatsächlich herrschen sehen will, andererseits aber auch die Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, die eine Beständigkeit einmal förmlich getroffener staatlicher Entscheidung verlangen. Nimmt man die Abwägung zwischen diesen widerstreitenden Prinzipien in bezug auf den hier in Rede stehenden Rechtsfehler vor, so kann das Ergebnis nur in der Nichtigkeit der betroffenen Verträge bestehen. Rein gar nichts spricht nämlich dafür, Vergleichsverträgen unter Staatsorganen, die unter Mißachtung der rechtsstaatlichen Mindestbedingungen subjektiv gesetzesinkongruenten Handelns zustande kommen, auch nur vorübergehend Bestandskraft zuzuerkennen. Der Gedanke des Vertrauensschutzes nicht, weil staatliche Organe kein Vertrauen in die Rechtmäßigkeit des Handelns anderer Staatsorgane verdienen – die Rechtsbindung aller Staatsgewalt impliziert eine Eigenverantwortlichkeit für die Rechtsermittlung, die eine Berufung auf die vermeintlich bessere Rechtskenntnis des Vertragspartners verbietet217. Der § 55, Rdn. 5; Ziekow, VwVfG, § 55, Rdn. 4; vgl. auch BVerwGE 84, 257 (262); 102, 119 (124), wo etwaige Abschlußvoraussetzungen des koordinationsrechtlichen Vergleichsvertrags nicht geprüft werden. 216 Vgl. oben § 2 B. II. 1. 217 Ganz h.M., vgl. BVerwGE 23, 25 (30 f.); 27, 215 (217 f.); 36, 108 (113 f.); 60, 208 (211); 71, 85 (89); OVG Münster DVBl. 1980, 765 (767); 1984, 1081 (1083); Erichsen/Scherzberg,

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Gedanke der Rechtssicherheit nicht, weil Vergleichsverträge, die die oben genannten Abschlußbedingungen mißachten, keine Rechtssicherheit schaffen, sondern, im Gegenteil, Rechtsunsicherheit verursachen. Jedes Nachgeben gegenüber sicheren Rechtsstandpunkten (oben 1.), jedes Nachgeben aus anderen Motiven als solchen des Rechtsfriedens (2.) und jedes Nachgeben jenseits der zu bereinigenden Ungewißheit (3.) korrumpiert sicheres Recht, anstatt unsicheres Recht zu bereinigen. Wir halten daher fest: Die in § 55 VwVfG genannten Bedingungen subjektiv gesetzesinkongruenten Handelns gelten für alle öffentlichrechtlichen Vergleichsverträge, an denen sich staatliche Organe beteiligen, insbesondere auch für Vergleiche auf dem Gebiet des Verfassungsrechts. Vergleichsverträge, die diese Bedingungen mißachten, sind sämtlich unwirksam. II. Befreiung des verwaltungsrechtlichen Vergleichs vom Gesetzesvorrang Im Rahmen der Wirkungsanalyse des Vergleichsvertrags wurde gezeigt, daß der verwaltungsrechtliche Vergleich ein latent gesetzesinkongruentes Geschäft ist218. Die Verwaltungsrechtslehre hat dies auch ohne Formalbeweis frühzeitig erkannt und – nach anfänglichem Zögern – heute auch weitgehend akzeptiert219. Der Vergleichsvertrag steht damit in einem Spannungsverhältnis zum Vorrang des Gesetzes. Wenn Art. 20 Abs. 3 GG nur gesetzmäßiges Verwaltungshandeln zulassen will, der Vergleich aber von Natur aus latent gesetzesinkongruent ist, dann stellt sich die Frage, ob die Verwaltung Vergleichsverträge überhaupt schließen darf. 1. Die herrschende Lehre: Theorie vom Gesetzesdispens Die herrschende Lehre löst dieses Problem durch einen Generaldispens des Vergleichs vom Gesetzesvorrang. Sie nimmt an, das Verwaltungsrecht besitze unter den Bedingungen von Ungewißheit und Streit nur einen verringerten Geltungsanspruch. Ein Vertrag, der in Vollzug objektiv ungewissen Rechts geschlossen werde, sei daher rechtmäßig auch dann, wenn geläuterte Rechtserkenntnis ihn als gesetzeswidrig entlarve220. JURA 1994, 212 (216 f.); Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 43, Rdn. 33; Sachs, in: Stelkens/ Bonk/ders., VwVfG, § 48, Rdn. 137; Schenke, JuS 1977, 281 (286); Maurer, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. IV (3. Aufl.), § 79, Rdn. 13 mit Fn. 19; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 841. A.A. Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149 (168 f., 195); wohl auch OVG Koblenz DVBl. 1986, 249 (253). 218 Vgl. oben § 2 C. I. 219 Vgl. die Nachweise ebda., Fn. 163. 220 Bisek, Vertrag, S. 74 f.; Bosse, Verwaltungsvertrag, S. 66 f.; Budach/Johlen, JuS 2002, 371 (373); Göldner, JZ 1976, 352 (357, Fn. 45); Hennecke in: Knack, VwVfG, § 55, Rdn. 3; Kunig, DVBl. 1992, 1193 (1197); Meyer in: ders./Borgs, VwVfG, § 55, Rdn. 3; Schlette, Vertragspartner, S. 86; Sontheimer, Vertrag, S. 118 f.; Suchan, Probleme, S. 166; Tiedemann,

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Zur Begründung verweist man darauf, daß der Vergleich bei einer Ungewißheit über die Sachlage letztendlich keine schlechteren Aussichten auf die Herstellung gesetzmäßiger Zustände habe als eine Beweislastentscheidung und daß bei einer Ungewißheit über die Rechtslage das rechtsstaatliche Subprinzip des Rechtsfriedens ein normatives Gegengewicht zum Gesetzesvorrang darstelle, das den unbedingten Geltungsanspruch des Gesetzes aufhebe221. In neuerer Zeit will man diesen Dispens vom Gesetzmäßigkeitsprinzip unmittelbar aus § 55 VwVfG herleiten. Durch die Zulassung des Vergleichsvertrags habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß er die Verwaltung aus ihrer Gesetzesbindung entlasse, wo immer ein ernsthafter Zweifel über das anzuwendende Recht bestehe222.

2. Eigene Ansicht: Dispens allein vom Anwendungsgebot, nicht auch vom Abweichungsverbot des Gesetzes Diese Lehre verdient keine Zustimmung. Ihr liegt ein fundamentales Mißverständnis darüber zugrunde, worin der Konflikt des Vergleichsvertrags mit dem Gesetzesvorrang tatsächlich besteht. Der Vorrang des Gesetzes hat einen zweifachen Inhalt. Er ist zum einen Abweichungsverbot, zum anderen Anwendungsgebot des Gesetzes. Dogmengeschichtlich älter und bis zum heutigen Tage primär mit dem Gesetzesvorrang assoziiert ist der Gedanke des Abweichungsverbots223. Für die Staatsrechtslehre des Konstitutionalismus ist das Gesetz in erster Linie eine formale Kollisionsregel224. Im wuchernden Dickicht einer auf Handlungsformen nicht bedachten225, zugleich aber auf Allzuständigkeit angelegten Exekutivtätigkeit226 bietet der Vorrang des Gesetzes einen ersten, sicheren Maßstab für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns. Der in Form eines Gesetzes geäußerte Staatswille geht rechtlich jeder anderen, insbesondere jeder exekutiven staatlichen Willensäußerung vor227. Dieser Gedanke gilt bis heute. Zu sagen, ein Verwaltungshandeln verstoße gegen ein Gesetz, heißt zu sagen, es sei rechtswidrig (Abweichungsverbot). Die zweite Dimension des Vorrangprinzips tritt erst im demokratischen Rechtsstaat hinzu228. Das Gesetz ist nun nicht mehr in: Obermayer, VwVfG (3. Aufl.), § 55, Rdn. 1; trotz gegenteiliger Beteuerung (S. 220) im Ergebnis auch Schimpf, Vertrag, S. 230 (gesetzesinkongruenter Vergleich sei „rechtmäßig“ bzw. nicht nur aufgrund seiner Bestandskraft wirksam). 221 Bosse, Verwaltungsvertrag, S. 66 f.; Schimpf, Vertrag, S. 221 ff.; Sontheimer, Vertrag, S. 116 ff.; Suchan, Probleme, S. 162 ff. 222 Bleckmann, NVwZ, 1990, 601 (604); Schlette, Vertragspartner, S. 86; Tiedemann, in: Obermayer, VwVfG (3. Aufl.), § 55, Rdn. 1; ähnlich bereits Bisek, Vertrag, S. 75. 223 Gusy, JuS 1983, 189 (191); Schmidt-De Caluwe, Verwaltungsakt, S. 123 f. 224 Gusy, JuS 1983, 189; Schmidt-De Caluwe, Verwaltungsakt, S. 123. 225 Kube, NVwZ 2003, 57. 226 Plastisch Scheuner, DÖV 1969, 585 (588 f.). 227 Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 68. 228 Gusy, JuS 1983, 189 (190, 191); Schmidt-De Caluwe, Verwaltungsakt, S. 124, 125.

§ 2 Die Bereinigung streitigen Rechts durch Vergleichsverträge

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allein Kontrollmaßstab des Verwaltungshandelns, sondern zugleich demokratischer Bewirkungsauftrag. Das Gesetz will vollzogen, es will angewandt werden. Vorrang des Gesetzes bedeutet nun nicht mehr allein, daß ein gesetzwidriges Verwaltungshandeln rechtswidrig ist, es bedeutet darüber hinaus, daß die Verwaltung dazu angehalten ist, den Inhalt des Gesetzes zu ermitteln und das Gesetz zu vollziehen (Anwendungsgebot). Das Spannungsverhältnis des Vergleichsvertrags mit dem Prinzip des Gesetzesvorrangs liegt allein auf dieser zweiten Ebene. Der Abschluß eines Vergleichs steht im Widerspruch zum Bewirkungsauftrag des Gesetzes, weil die Verwaltung hier Recht setzt, das nach ihrer eigenen Prätention nicht mit dem Gesetz übereinstimmt229. Dieser Widerspruch läßt sich jedoch ohne weiteres auflösen, wenn man die Argumente der herrschenden Lehre nur richtig einsetzt. In der Tat ist es nämlich so, daß das Anwendungsgebot des Gesetzes dort eine geringere Intensität hat, wo sich der gesetzliche Bewirkungsauftrag für die Verwaltung nicht mit Sicherheit feststellen läßt. Dies ist bei tatsächlicher Ungewißheit der Fall, wenn eine weitere Sachaufklärung unmöglich oder unverhältnismäßig wäre; bei rechtlicher Ungewißheit dann, wenn das anzuwendende Gesetz auch bei verständiger Würdigung unklar ist. Der Rechtsstaat gibt seinen Organen in dieser Situation zwar bestimmte Mittel einer geordneten Entscheidungsfindung an die Hand – zum einen die Grundsätze der Beweislast (bei Ungewißheit über Tatsachen), zum anderen die Festlegung auf die wahrscheinlichste Rechtsauslegung und die Anrufung der Gerichte (bei Ungewißheit über Rechtssätze). Bewirkungsaufträge, die allein auf Grundlage dieser Hilfsregeln ermittelt werden, haben jedoch einen geringeren Verwirklichungsanspruch als solche, die auf klar erkennbarem Recht beruhen. Die Beweislastentscheidung deshalb, weil sie keine Gewähr dafür bietet, daß das aus ihr abgeleitete Ergebnis tatsächlich mit dem Gesetz übereinstimmt230. Die Festlegung auf die wahrscheinlichste Rechtsauslegung deshalb, weil ihr ein Dezisionismus innewohnt, der gerichtliche Anfechtung provoziert und damit den Rechtsfrieden, ein dem Gesetzesvorrang gleichrangiges rechtsstaatlichen Subprinzip, zumindest vorübergehend stört231. Rechtliche Ungewißheit relativiert also den Bewirkungsauftrag des Gesetzes. § 55 VwVfG anerkennt dies und erlaubt der Verwaltung folgerichtig bei verständigem rechtlichem oder tatsächlichem Zweifel232 ein Abweichen von der nur mit Hilfsregeln gewonnenen Rechtsauffassung zugunsten einer anderen, in Ansehung der Ungewißheit ebenfalls möglichen233. Was § 55 VwVfG dagegen unangetastet läßt, ist das Abweichungsverbot. § 55 VwVfG erklärt den Abschluß des Vergleichs für rechtmäßig, nicht seinen Inhalt (vgl. § 55 VwVfG: „kann geschlossen werden“, nicht: „ist rechtmäßig“). Er legalisiert also nicht gesetzesinkongruente Verträge, 229 230 231 232 233

Vgl. oben § 2 C. I. und III. Schimpf, Vertrag, S. 223. Schimpf, Vertrag, S. 231. Vgl. oben § 2 D. I. 1. Vgl. oben. § 2 D. I. 3.

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sondern er erlaubt der Verwaltung ein Abweichen von verfahrensregulären, aber absehbar gesetzeswidrigen Entscheidungen. Die herrschende Lehre sieht dies besagtermaßen anders. Auf Grundlage des § 55 VwVfG begrenzt sie nicht nur den Bewirkungsauftrag des Gesetzes, sondern auch das Abweichungsverbot und damit – letztendlich – die Geltung des Gesetzes selbst. Eine Harmonisierung des Gesetzesvorrangs mit dem Vergleichsvertrag in dieser Form ist aber weder notwendig, noch überhaupt möglich. Notwendig ist sie nicht, weil der Vergleichsvertrag ohne weiteres mit dem Makel der Rechtswidrigkeit leben kann. Bereinigung erfordert nicht die Rechtmäßigkeit, sondern allein die Wirksamkeit des Vereinbarten. Wirksam ist aber grundsätzlich auch der rechtswidrige Vergleichsvertrag. Die für den Vergleich wie für alle anderen verwaltungsrechtlichen Verträge geltende Bestandskraft (§ 59 VwVfG) verschafft ihm ein gewaltiges Bereinigungspotential234. Dieser Gesichtspunkt wird in der herrschenden Lehre seit jeher ausgeblendet. Die Ursache scheint darin zu liegen, daß die traditionelle Verwaltungsrechtslehre gesetzesinkongruente Verträge zunächst für unwirksam hielt235. Um die für die Bereinigung unerläßliche Bestandskraft des Vergleichsvertrags herzustellen, meinte man offenbar, den Vergleich aus der Gesetzesbindung entlassen zu müssen. Mit Überwindung des Nichtigkeitsdogmas hat dieses Bestreben seinen Grund verloren. Die aus ihm hervorgegangene dogmatische Fehlentwicklung aber ist geblieben.

Rechtlich unmöglich ist die Konstruktion des Gesetzesdispenses deshalb, weil die formellgesetzlichen Grundlagen des Verwaltungshandelns nicht beliebig ein- und ausschaltbar sind. Auch vertragliches Verwaltungshandeln unterliegt grundsätzlich dem Vorbehalt des Gesetzes236. Wer behauptet, bei Ungewißheit und Streit verliere das Gesetz seine Geltung, stellt das Verwaltungshandeln von notwendiger gesetzlicher Ermächtigung frei237. Hinzu kommt ein kompetenzrechtliches Dilemma. Der Vollzug des Verwaltungsrechts ist in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich Sache der Länder, und zwar auch dann, wenn Verwaltungsrecht des Bundes vollzogen wird (Art. 83 GG). Das Verwaltungsverfahrensrecht, in dessen § 55 VwVfG die herrschende Lehre den Gesetzesdispens vermutet, ist dementsprechend im Regelfall Landesrecht. Der Landesgesetzgeber kann nun aber ganz sicher nicht die Geltung des von seiner Verwaltung vollzogenen Bundesrechts aufheben. Dem läßt sich nur begegnen, wenn man den Gesetzesdispens nicht aus dem VwVfG herleitet, sondern – unter Berufung auf das Rechtsfriedensargument – unmittelbar aus der Verfassung selbst. Bei einer solchen Sichtweise wäre aber unerklärlich, warum der Vertrag die einzige Handlungsform der Verwaltung sein sollte, die bei Ungewißheit und Streit vom Geset234

Vgl. oben § 2 B. II. Sog. Nichtigkeitsdogma, vgl. unten § 8 A. III. 3. Zur Dogmengeschichte ausf. Efstratiou, Bestandskraft, S. 195 ff. 236 Vgl. unten § 8 C. III. 3. a) bb). 237 Zugegeben von Schlette, Vertragspartner, S. 87, Fn. 125. 235

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zesvorrang befreit wird. Auch ein Verwaltungsakt kann schließlich ungewisses Verwaltungsrecht vollziehen. Noch niemand aber hat deshalb behauptet, zweifelhafte Verwaltungsakte seien bei Gesetzeswidrigkeit rechtmäßig238. Aus alledem folgt: Die Lehre vom Gesetzesdispens des Vergleichsvertrags ist unhaltbar. Der verwaltungsrechtliche Vergleich unterliegt dem Abweichungsgebot des Gesetzes genau wie jeder andere verwaltungsrechtliche Vertrag auch. III. Wirksamkeitsprivileg gesetzesinkongruenter Vergleiche Eng mit der Lehre vom Gesetzesdispens verwandt ist die vor allem von Teilen der Rechtsprechung vertretene Theorie vom Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs. 1. Herrschende Meinung: „Wirksamkeitsprivileg“ rechtswidriger Vergleichsverträge Die Rechtsprechung der Zivilgerichte hat sich in verschiedenen Zusammenhängen mit der Wirksamkeit von Vergleichsverträgen beschäftigt, deren Inhalt zwingendem Recht widersprach. Nicht immer, aber doch in einer Reihe von Fällen, haben die Gerichte derartigen Vergleichen Wirksamkeit zugebilligt, obwohl ein Vertrag gleichen Inhalts – wäre er nicht zu Bereinigungszwecken, sondern zu Austauschoder Unentgeltlichkeitszwecken geschlossen worden – infolge seiner Rechts- oder auch Sittenwidrigkeit nichtig gewesen wäre239. Zur Begründung führte das RG an, es sei „anerkannten Rechts“, daß der Streit über ein Rechtsgeschäft, dessen Nichtigkeit behauptet werde, unter Umständen durch einen Vergleich wirksam beigelegt werden könne, auch wenn sich später herausstelle, daß tatsächlich Nichtigkeit bestanden habe. Voraussetzung dafür sei, daß die Parteien „ernstlich über die Nichtigkeit gestritten“ hätten, und daß der Vergleich gerade die Beilegung dieses Streites bezweckte240. Der BGH hat dieses (behauptete) Gewohnheitsrecht241 mit einem teleologischen Argument untermauert und erklärt, es sei beim Vorliegen ernstlicher Zweifel über die Gesetzmäßigkeit der Vergleichsvereinbarung „wirtschaftlich unvernünftig, den Parteien den Weg zu einer gütlichen Einigung im Grundsatz abzuschneiden“242. Die Literatur hat sich dem zunächst weitgehend angeschlossen243 und bewegt sich nur zögerlich davon fort244. 238

Zugegeben von Schimpf, Vertrag, S. 219. RG LZ 1921, 57 (58); Recht 1927, Nr. 2394; SeuffA 85 (1931), Nr. 88, S. 164; JW 1935, 1009; BGHZ 3, 193 (197 f.); 16, 296 (303); 17, 61 (62 f.); 65, 147 (150 f.). 240 RG LZ 1921, 57 (58); SeuffA 85 (1931), Nr. 88, S. 164 . 241 Ebenso die Interpretation von Breetzke, NJW 1969, 1408 (1410). 242 BGHZ 16, 296 (303). 243 Allen voran Ehlke, Wirkungsprivileg, S. 130 ff., 368; ferner Breetzke, NJW 1969, 1408 ff.; Sprau, in: Palandt, BGB, § 779; Rdn. 22; Steffen, in: RGRK, § 779, Rdn. 48; Terlau, in: Erman, BGB, § 779, Rdn. 10, 28a; tendenziell auch immer noch Habersack, in: MüKo BGB, § 779, Rdn. 58. 239

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1. Teil: Grundlagen

Angesichts der Disposivität weiter Teile der Privatrechtsordnung stellt die Gesetzeswidrigkeit des privatrechtlichen Vergleichs eine Ausnahmeerscheinung dar. Die Lehre vom Wirksamkeitsprivileg hat daher im Privatrecht nur eine sehr begrenzte praktische Bedeutung. Ganz anders liegen die Dinge im Verwaltungsrecht. Der verwaltungsrechtliche Vergleich ist immer latent gesetzesinkongruent245. Die Frage seiner Beständigkeit gegenüber Rechtsverletzungen ist folglich von erheblicher praktischer Relevanz. Bereinigung kann der Vergleich nur dann bringen, wenn er auch im Falle seiner Rechtswidrigkeit wirksam ist. Das hat auch die Rechtsprechung frühzeitig erkannt und zum Anlaß genommen, sich näher mit der Bestandskraft des Vergleichsvertrags auseinanderzusetzen. In ständiger Rechtsprechung spricht sich das BVerwG dabei für eine gesteigerte Unempfindlichkeit des Vergleichs gegenüber Gesetzesverletzungen aus. Zur Begründung verwies das Gericht anfänglich auf eine angebliche „Verfügungsbefugnis“ der Verwaltung zum Abschluß rechtswidriger Vergleichsverträge, die sich daraus ergebe, daß die vertragsschließende Behörde formell zuständig sei, einen inhaltlich gleichlautenden, potentiell bestandskraftfähigen Verwaltungsakt zu erlassen246. Das Gericht begründete damit die sogenannte Lehre vom „Bindungsgleichwert“ von Vertrag und Verwaltungsakt, d. h. die These, rechtsfehlerhafte verwaltungsrechtliche Verträge seien unter den gleichen Bedingungen wirksam wie rechtsfehlerhafte Verwaltungsakte. Das Gericht hat diese Argumentation, die mit Erlaß der vertragsspezifischen Fehlerfolgenregelung (§ 59 VwVfG) unhaltbar geworden ist, später nicht weiter verfolgt. Statt dessen sieht es nunmehr den inneren Grund dafür, daß von der Respektierung der Gesetze in Hinblick auf den Vergleichsvertrag eine Ausnahme gemacht werden könne, in der latenten Gesetzesinkongruenz des Vergleichs selbst247. Die Ermöglichung von Vergleichsverträgen trage den Schwierigkeiten Rechnung, die es bereite, in einer für die Behörde ungewissen Rechtslage eben dieser Rechtslage uneingeschränkt gerecht zu werden. Wenn letztlich jede Entscheidung gesetzmäßig sein könne, die sich innerhalb des durch die Ungewißheit gezogenen Rahmens alternativ möglicher Rechtsfolgen bewege, dann müßten Widersprüche zwischen dem Vergleichsvertrag und dem objektiven Gesetzesrecht für die Wirksamkeit des Vergleichs unbeachtlich bleiben, solange sie sich in dem genannten Rahmen hielten248 Dieser Linie ist man in der Literatur überwiegend gefolgt249. Beruhigung findet man dabei zum einen in der herrschenden Dispenstheorie: Wenn der Vergleich vom Gesetzesvorrang befreit ist, 244

Klare Stellungnahmen gegen ein Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs nur bei Bork, Vergleich, S. 389 ff. und Ehmann, Schuldanerkenntnis, S. 107. 245 Vgl. oben § 2 C. I. 246 s. oben § 1 A. II. 3. bei Fn. 57. 247 Vgl. BVerwGE 49, 359 (364); 84, 157 (165); ferner VGH Mannheim BWVBl. 1987, 141 (145). 248 BVerwGE 49, 359 (364). 249 Berg, JuS 1997, 888 (890); Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 55, Rdn. 6; Erichsen, VerwArch 68 (1977), 65 (66 f.); Franke, Vergleich, S. 124 f.; Meyer-Hesemann, DVBl. 1980, 869 (873); Schlette, Vertragspartner, S. 86.

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dann kann er auch nicht rechtswidrig sein und folglich auch nicht aufgrund von Rechtswidrigkeit nichtig. Zum anderen argumentiert man, es sei „sinnlos“ den latent gesetzesinkongruenten Vergleichsvertrag überhaupt zuzulassen, wenn man ihm nicht auch eine gesteigerte Bestandskraft gegenüber Gesetzesverletzungen einräumen wollte250. 2. Kritik: Einbettung des Vergleichs in das allgemeine Vertragsrecht Die Lehre vom Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs verdient keine Zustimmung. Sie überzeugt weder in ihren Argumenten, noch in ihren Ergebnissen. Dies gilt sowohl für ihre privatrechtliche Ausformung wie auch für die verwaltungsrechtliche. Dem positiven Privatrecht läßt sich eine pauschale Privilegierung des Vergleichs gegenüber anderen Rechtsgeschäften hinsichtlich der Wirksamkeitsrelevanz von Gesetzesverletzungen nicht entnehmen. Weder § 779 BGB selbst noch §§ 134, 138 BGB oder irgendeine andere relevante Norm des Privatrechts enthält insoweit irgendeinen Hinweis. Auch die vom RG behauptete gewohnheitsrechtliche Anerkennung eines Wirksamkeitsprivilegs stößt auf Bedenken251. Eine dauernde und verbreitete Übung des Abschlusses rechtswidriger Vergleiche und ihrer Nichtbeanstandung durch die Gerichte im Falle vorangegangenen ernsthaften Streits über die Rechtswidrigkeit des Vereinbarten mag nachweisbar sein. Die Annahme jedoch, dahinter verberge sich die Überzeugung einer Rechtsnotwendigkeit der Immunisierung des Vergleichs gegen Gesetzesverletzungen, ist sehr zweifelhaft. Ihr steht entgegen, daß sowohl die abermals streitenden Vergleichsparteien als auch die von ihnen angerufenen Gerichte sich in der Praxis eingehend mit der Prüfung der Rechtswidrigkeit des Vergleichsinhalts beschäftigen, obwohl sie – würde ein gewohnheitsrechtliches Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs von ihnen tatsächlich anerkannt – dieser Frage doch eigentlich überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr schenken müßten. Dem ganz konträr fällt vielmehr auf, daß die befaßten Gerichte mitunter große Sorgfalt darauf verwenden, durch eine genaue Wirkungsbeschreibung des Vergleichs und durch die Auslegung der verletzten Rechtsnormen zu ermitteln, ob die Rechtsfolgen des Vergleichs zwingendem Recht überhaupt widersprechen und ob die allfällige Gesetzesinkongruenz aus Sicht des Verbotsgesetzes tatsächlich zur Nichtigkeit des Vereinbarten führen muß252. Hierin allein liegt der richtige Ansatz. Der Vergleichsvertrag ist, abgesehen von seiner besonderen causa, ein Vertrag wie jeder andere auch. Er bewegt sich innerhalb der Gestaltungsmöglichkeiten des allgemeinen Vertragsrechts und er muß nach dessen Regeln erfaßt und 250

Hennecke, in: Knack, VwVfG, § 55, Rdn. 3; Meyer-Hesemann, DVBl. 1980, 869 (873). Zu den Voraussetzungen der Entstehung von Gewohnheitsrecht – (1.) andauernde, allgemeine und gleichmäßige Verhaltensorientierung (2.) an einer als Rechtssatz formulierbaren Regel (3.) in der Überzeugung, damit einem Gebot des Rechts nachzukommen – vgl. etwa Larenz/Wolf, AT, § 3, Rdn. 31 f. 252 Vgl. neben den bei Bork, Vergleich, S. 392 Fn. 23 nachgewiesenen Entscheidungen etwa RGZ 49, 192 (194). 251

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1. Teil: Grundlagen

bewertet werden. Danach kann die Gesetzesinkongruenz des Vergleichs zur Nichtigkeit führen; sie muß es aber nicht. Beispiel 1: Diplomkauffrau C vereinbart mit ihrem Arbeitgeber S die Durchführung eines zweimonatigen außerbetrieblichen Intensivkurses zur Vorbereitung auf das Steuerberaterexamen. S erklärt sich bereit, C für die Dauer der Fortbildung freizustellen und die Kosten des Kurses zu übernehmen. Er bedingt sich jedoch aus, diese zurückzufordern, sollte C das Unternehmen vor Ablauf von zwei Jahren verlassen. C besteht die Steuerberaterprüfung und kehrt in das Unternehmen des S zurück. Ein halbes Jahr später kommt ihr der Gedanke nach beruflicher Veränderung. Sie bittet S um die vorzeitige Auflösung des Arbeitsvertrags. S verweigert seine Zustimmung und droht für den Fall einer Kündigung durch C die Rückforderung der Fortbildungskosten an. Nachdem eine arbeitsgerichtliche Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel erfolglos geblieben ist, erhebt C Urteilsverfassungsbeschwerde. Zur Begründung trägt sie vor, das Arbeitsgericht habe außer Acht gelassen, daß die übermäßig lange Dauer der Rückzahlungspflicht ihr Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG) wider Treu und Glauben verletze (§ 242 BGB). Auf Zureden des Senats schließen C und S einen Prozeßvergleich, durch den die streitige Klausel des Fortbildungsvertrags geändert wird. Die Rückzahlungsfrist der C wird von zwei Jahren auf anderthalb Jahre gekürzt. Legt man die vom BAG entwickelten Richtlinien für die zulässige Bindungsdauer von Rückzahlungsvereinbarungen zugrunde, so wäre auch diese geänderte Klausel als unangemessene Benachteiligung der Arbeitnehmerin C einzustufen253. Fraglich ist die Rechtsfolge. Nach der Lehre vom Wirksamkeitsprivileg bliebe der Verstoß gegen § 242 BGB i.V.m. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG sanktionslos. S wäre ein weiteres Jahr lang im Kündigungsfalle zur Rückzahlung der Fortbildungskosten verpflichtet. Anders die Lösung nach allgemeinem (Arbeits-)Vertragsrecht: In ständiger Rechtsprechung erklärt das BAG Rückzahlungsklauseln mit unzulässig langen Bindungsfristen nicht für unwirksam, sondern führt sie auf das (noch) zulässige Maß zeitlicher Bindung zurück (Umdeutung, § 140 BGB)254 – eine Lösung, die die Grundrechte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber vermutlich weit eher in praktische Konkordanz zu bringen vermag als das pauschalisierende Wirksamkeitsprivileg255.

Das vorliegende Beispiel läßt erahnen, daß die Ergebnisse der Lehre vom Wirksamkeitsprivileg keineswegs über allen rechtspolitischen Zweifel erhaben sind. Auch die teleologische Begründung des Wirksamkeitsprivilegs – nach dem Gesagten das einzig verbleibende Argument der Zivilgerichte – ist demnach kaum tragfähig. Auch die verwaltungsrechtliche Variante der Lehre vom Wirksamkeitsprivileg hält kritischer Überprüfung nicht stand. Ein Blick hinter die Kulissen der herrschenden Meinung zeigt, daß das Wirksamkeitsprivileg auf zwei unterschiedlichen 253 Vgl. BAG, AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 17. Danach soll bei einer Lehrgangsdauer von bis zu zwei Monaten eine Rückzahlungsverpflichtung den Arbeitnehmer nicht länger als ein Jahr über das Ende der Ausbildung hinaus binden dürfen. Vgl. allgemein zu den von der Rechtsprechung entwickelten Orientierungspunkten BAG, AP § 611 BGB Ausbildungshilfe Nr. 18, 22.; Lakies, in: Kittner/Zwanziger, Arbeitsrecht, § 134, Rdn. 233 ff. 254 Vgl. BAG, AP § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 8. Dies gilt zumindest für individualvertraglich vereinbarte Rückzahlungsklauseln. Bei formularmäßigen Abreden greift nunmehr (seit Erstreckung der AGB-Kontrolle auch auf Arbeitsverträge, § 310 Abs. 4 S. 1 BGB n.F.) § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, d. h. die betreffenden Klauseln sind nichtig, vgl. Preis, in: ErfK, § 611 BGB, Rdn. 547. 255 Vgl. noch eingehend unten § 8 C. III. 2. b).

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dogmatischen Erklärungen fußt. Die Literatur tendiert dazu, das Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs als logische Konsequenz seiner Entlassung aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip aufzufassen. Vergleichsinhalte, die sich innerhalb des durch die zu bereinigende Ungewißheit gezogenen Rahmens möglicher Rechtsfolgen bewegen, können danach überhaupt nicht gesetzesinkongruent sein, weil das betreffende Gesetz für sie überhaupt nicht gilt256. Im vorigen Unterabschnitt wurde gezeigt, daß diese Argumentation unhaltbar ist. Dogmatisch läßt sich das Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs allenfalls als eine Sonderregel über die Fehlerfolgen der Gesetzeswidrigkeit eines bestimmten Vertragstypus erfassen. In diese Richtung äußert sich v. a. die Rechtsprechung, wenn sie von einer „gesteigerten Unempfindlichkeit des Vergleichs gegenüber Gesetzesverletzungen“ spricht257. Den Nachweis der Existenz einer derartigen Sonderregel sind die Gerichte jedoch bislang schuldig geblieben. Das positive Verwaltungsvertragsrecht (§§ 54 ff. VwVfG) jedenfalls enthält keinen entsprechenden Rechtssatz. Ebensowenig wie sich das angebliche Wirksamkeitsprivileg aus dem Gesetzestext herleiten läßt, kann es auf teleologische Erwägungen, auf eine anderweitige „Sinnlosigkeit“ des Vergleichs, gestützt werden. Sinnlos ist die Zulassung des Vergleichs ohne die gleichzeitige Anerkennung eines spezifischen Wirksamkeitsprivilegs keineswegs. Es trifft zu, daß Vergleichsverträge auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts einem erheblichen Risiko der Gesetzesinkongruenz ausgesetzt sind. Es ist jedoch keineswegs so, daß der Vergleichsvertrag deswegen einer besonderen Immunisierung gegenüber Gesetzesverletzungen bedürfte. Der verwaltungsrechtliche Vergleich ist auch in der Frage seiner Wirksamkeit in das allgemeine Vertragsrecht eingebettet. Das bedeutet hier: Die an die Norminkongruenz der Vereinbarung anknüpfenden Fehlerfolgenregelungen des § 59 VwVfG (insb. Abs. 1 i.V.m. § 134 BGB) gelten für den Vergleichsvertrag nicht weniger als für alle anderen verwaltungsrechtlichen Verträge auch258. Sie lassen erheblichen Raum für die wirksame Begründung gesetzesinkongruenter Verträge. Es besteht kein sinnvoller Grund, die von ihnen gezogenen Grenzen wirksamer Vertragsgestaltung in Ansehung des Vergleichs zu erweitern. Beispiel 2: Der Hochschullehrer des Rechts S beantragt bei der zuständigen Baurechtsbehörde die Baugenehmigung für die Errichtung einer von ihm selbst geschaffenen Monumentalskulptur auf seinem im Außenbereich belegenen Waldgrundstück. Die Behörde versagt dem nicht privilegierten Vorhaben die Genehmigung unter Verweis auf entgegenstehende öffentliche Belange i.S. von § 35 Abs. 3 S. 1 Ziff. 5 BauGB (Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihres Erholungswerts sowie Verunstaltung des Landschaftsbildes). Nach erfolglosem Widerspruchs- und Verwaltungsgerichtsverfahren erhebt S Urteilsverfassungsbe256

Vgl. die Nachweise oben in § 2 D. II. 1. Fn. 220. Vgl. BVerwGE 49, 359 (364); 84, 157 (165). 258 Efstratiou, Bestandskraft, S. 245 („darüber hinaus“); Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 97. Vgl. auch BVerwGE 98, 58 (63); BVerwG NJW 1996, 608 (609); BSG DVBl. 1990, 214 (215), wo die Wirksamkeit von Vergleichsverträgen anhand von § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB überprüft wird. 257

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1. Teil: Grundlagen

schwerde und trägt vor, § 35 BauGB müsse in Ansehung der Baukunst (Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 GG) restriktiv ausgelegt werden. In einem flammenden Plädoyer vor dem BVerfG gelingt es ihm, Zweifel an der Rechtsprechung des BVerwG zu erregen, das § 35 BauGB als Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken der Kunstfreiheit in Artt. 2 Abs. 2, 20a GG angesehen hat259. Man einigt sich auf einen Prozeßvergleich, wonach dem S eine befristete Baugenehmigung erteilt werden soll, die nach dem Ablauf von drei Jahren aufgehoben und, bei unterlassenem Rückbau, durch eine Beseitigungsanordnung ergänzt werden soll. – Geht man in Übereinstimmung mit dem BVerwG davon aus, daß § 35 BauGB mitnichten einer verfassungskonformen Auslegung bedarf, so ist dieser Vertrag als rechtswidrig einzustufen. Seine Unvereinbarkeit mit § 35 Abs. 2, 3 S. 1 Ziff. 5 BauGB führt allerdings keineswegs auch zu seiner Nichtigkeit. Zur Begründung dieses Ergebnisses bedarf es keines besonderen Wirksamkeitsprivilegs des Vergleichs. Es genügt die Anwendung allgemeinen Vertragsrechts. Die schlichte Rechtswidrigkeit eines verwaltungsrechtlichen Vertrags (auch eines Vergleichsvertrags) führt nach § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB nur dann auch zu seiner Unwirksamkeit, wenn ein qualifizierter Verstoß gegen zwingendes Recht vorliegt, das nach seinem eindeutigem Sinn und Zweck das Ziel verfolgt, den Eintritt der mit dem Vertrag beabsichtigten Rechtsfolge strikt und ausnahmslos zu untersagen260. Eine solche Verbotsgesetzlichkeit kann regelmäßig nur den Eckpfeilern eines fachgesetzlichen Ordnungsmodells zuerkannt werden, nicht aber den bloß ausgestaltenden oder annexen Regelungen261. Die hier in Rede stehende gesetzeswidrige Überdehnung eines baurechtlichen Ausnahmetatbestands (§ 35 Abs. 2 BauGB) bleibt nach diesen Maßstäben ohne Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Vergleichs.

Die Lehre vom Wirksamkeitsprivileg kann durchaus zu Ergebnissen führen, die denjenigen des allgemeinen Verwaltungsvertragsrechts widersprechen. Daß gerade diese Ergebnisse regelmäßig untragbar sind, zeigt das folgende Beispiel 3: A, Referatsleiter beim Bundesministerium für Verteidigung, hat sich ebendort auf die Stelle eines Abteilungsleiters beworben, ist jedoch einem anderen Bewerber unterlegen. Weil A die überlegene Qualifikation seines Konkurrenten bezweifelt, beantragt er gegen dessen Beförderung einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht und erlangt eine entsprechende Sicherungsanordnung. In der Verhandlung zur Hauptsache einigt man sich auf einen Prozeßvergleich, wonach die ausgeschriebene Stelle wie beschlossen mit dem Konkurrenten des A besetzt werden soll, A aber zugesichert wird, nach Pensionierung des B werde keine weitere Ausschreibung stattfinden, denn ab diesem Tage „gehöre die Stelle ihm“. Dieser Vergleich ist rechtswidrig, denn er verstößt gegen das beamtenrechtliche Leistungsprinzip und die daraus folgende Verpflichtung des Dienstherrn zur Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG). Da Art. 33 Abs. 2 GG zu den ehernen Grundsätzen des Beamtenrechts zählt, leiden Laufbahnverträge, die gegen Leistungsgrundsätze verstoßen, an einem schwerwiegenden Fehler im Sinne von § 59 VwVfG i.V.m. § 134 BGB. Ihre Nichtigkeit ist zwingend geboten auch dann, wenn es sich um Vergleichsverträge handelt. Wer auf dem Boden der Lehre vom Wirksamkeitsprivileg für eine Bestandskraft des Vergleichs plädiert, muß einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums über Bord werfen. Das ist auch mit teleologischen Argumenten kaum zu rechtfertigen.

259 260 261

Vgl. BVerwG NVwZ 1991, 983 (984); NJW 1995, 2648 (2649). Vgl. eingehend unten § 8 C. III. 3. b) bb). Vgl. Gurlit, JURA 2001, 731 (735); Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 223.

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Wie das letztgenannte Beispiel zeigt, liegt die eigentliche Konsequenz der Lehre vom Wirksamkeitsprivileg darin, qualifizierte Rechtsverstöße sanktionslos zu stellen. Die Bestandskraft schlicht rechtswidriger Vergleiche ist schließlich bereits durch die Anwendung allgemeinen Verwaltungsvertragsrechts gesichert (s. o. Beispiel 2). Dieses äußerst fragwürdige Ergebnis läßt sich nur vermeiden, wenn man das Wirksamkeitsprivileg mit weiteren Vorbehalten versieht, etwa indem man verlangt, der Vergleich dürfe nicht gegen „überwiegende öffentliche Interessen“262 oder „Verbotsgesetze“263 verstoßen. Solange derlei Einschränkungen jedoch nicht näher begründet werden und ihr Verhältnis zur Ausgangsthese unklar bleibt, werfen sie mehr Fragen auf als sie beantworten. Gegen die genannten Formeln läßt sich überdies einwenden, daß das „öffentliche Interesse“ als solches inhaltslos ist und erst durch Rechtsnormen wie eben Art. 33 Abs. 2 GG konkretisiert und verbindlich wird264 und daß mit der Dogmatik des „Verbotsgesetzes“ in Wahrheit auf das allgemeine Verwaltungsvertragsrecht (§ 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB) zurückgegriffen wird. Methodenehrlicher wäre es, das Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs insgesamt aufzugeben und die in Wahrheit praktizierte Anwendung des § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB einzugestehen. All dies läßt erkennen: die Konstruktion eines Wirksamkeitsprivilegs ist auch im Verwaltungsrecht nicht geboten, um den Vergleich vor unbilligen Nichtigkeitsfolgen zu bewahren. Das allgemeine Vertragsrecht enthält die besseren, differenzierteren Lösungen. Es gelangt auch ohne die Hinzufügung vergleichsspezifischer Sonderregeln zu überzeugenden Ergebnissen. Gegen die Anerkennung eines vergleichsspezifischen Wirksamkeitsprivilegs spricht schließlich noch ein weiteres Argument. Nähme man die herrschende Meinung ernst, so müßte man zumindest überlegen, warum nicht auch für Vergleichsverträge auf dem Gebiet des Staatsorganisationsrechts ein pauschales Wirksamkeitsprivileg gelten sollte. Wer Rechtssicherheit und Rechtsfrieden für ausreichend hält, um Fehlerfolgen verwaltungsrechtlicher Vergleiche pauschal zu negieren, der muß sich fragen lassen, warum Entsprechendes nicht auch für Verfassungsrechtsverletzungen gelten soll. Man muß seine Argumente nicht weiter herholen als die herrschende Meinung, um auch zwischen den obersten Staatsorganen und den föderativen Verbänden Pazifierungsbedürfnisse auszumachen, die es rechtfertigen würden (?), die wahre Rechtslage bei qualifizierter Ungewißheit dahinstehen zu lassen und ihre Verletzung sanktionslos zu stellen. Der schroffe Gegensatz dieses Ergebnisses zu der verbreiteten These, verfassungsrechtliche Verträge seien im Falle 262

So BVerwGE 14, 103 (105); 17, 87 (94). So neuerdings BVerwGE 98, 58 (63); BVerwG NJW 1996, 608 (609); BSG NJW 1989, 2565, wo zwar nicht länger ausdrücklich vom Privileg der gesteigerten Unempflindlichkeit gegenüber Gesetzesverletzungen die Rede ist, gleichwohl aber auf die notorischen E 14, 103; 17, 87 verwiesen wird, womit der Anschein kontinuierlicher Rechtsprechung entsteht. 264 Vgl. Franke, Vergleich, S. 95 und Schimpf, Vertrag, S. 233. Diese Rechtsnormen sind es dann in Wahrheit, die dem Vergleich entgegenstehen, so daß eine Konfliktlösung nach § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB zu suchen ist. 263

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1. Teil: Grundlagen

ihrer Verfassungsinkongruenz unter allen Umständen nichtig265, läßt erahnen, daß die herrschende Meinung nicht ohne weiteres bereit sein wird, diesen Schritt zu gehen. Vielmehr spricht alles dafür, auch auf dem Gebiet des Verfassungsrechts eine Fehlerfolgenlösung zu suchen, die in das allgemeine Vertragsrecht eingebettet ist, d. h. verfassungsrechtliche Vergleiche nicht in weiterem Umfange zuzulassen als andere verfassungsrechtliche Verträge auch266. Es bleibt daher insgesamt festzustellen: Vergleichsverträge sind hinsichtlich der Fehlerfolgen ihrer Gesetzesinkongruenz nicht anders zu behandeln als andere Verträge auch. Der Vergleich bedient sich des allgemeinen Vertragsrechts, und auch seine Wirksamkeit ist damit eine Frage des allgemeinen Vertragsrechts. Ein Wirksamkeitsprivileg des Vergleichsvertrags gibt es nicht.

§ 3 Die Disposition über verfassungsgerichtliche Verfahren A. Zwei klärungsbedürftige Fragen: objektive Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren und Kreis der Verfügungsbefugten Ebenso wie Prozeßvergleiche in anderen Verfahrensordnungen verbindet auch der Vergleich im Verfassungsprozeß zweierlei Rechtsfolgen. Als materiellrechtlicher Vertrag bereinigt er die umstrittene Rechtslage, als Prozeßhandlung beendet er das schwebende Verfahren. Beide Rechtswirkungen gehen auf verschiedene, wenngleich nach herrschender Meinung miteinander verbundene267 Rechtshandlungen zurück und unterliegen als solche unterschiedlichen Voraussetzungen. Um materiellrechtliche Bereinigung zu schaffen, muß der Prozeßvergleich wirksamer Vertrag sein, um das Verfahren zu beenden, wirksame Prozeßhandlung. Letzteres (die Wirksamkeit als Prozeßhandlung) erfordert jenseits der allgemeinen Voraussetzungen wirksamen Prozeßhandelns (Parteifähigkeit, Prozeßfähigkeit, Postulationsfähigkeit etc.) beim Prozeßvergleich im besonderen zweierlei. Zum einen die objektive Disponibilität des Verfahrens, die Tatsache also, daß dieses sich überhaupt durch autonome Rechtshandlungen seiner Beteiligten beenden läßt268. Zum anderen die subjektive Dispositionsbefugnis gerade der Vergleichsparteien,

265

Vgl. dazu noch unten § 8 A. III. 3. und § 8 B. III. 3. Wie wir sehen werden, ist dem Vergleich damit auch auf dem Gebiet des Verfassungsrechts keineswegs jeder vernünftige Anwendungsbereich verschlossen. Entgegen der h.M. sind verfassungswidrige Verträge auf dem Gebiet des Staatsorganisationsrechts keineswegs unter allen Umständen nichtig, vgl. unten § 8 A. III. und § 8 B. III. 267 Vgl. oben § 1 A. I. 268 Vgl. oben § 1 A. III. 2. 266

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d. h. den Umstand, daß alle Verfahrensbeteiligten, von deren Zustimmung die Verfahrensbeendigung abhängt, auch tatsächlich am Vergleich beteiligt sind269. Beide Fragen – die objektive Disponibilität des Verfahrens ebenso wie der Kreis der Dispositionsbefugten – sind im Verfassungsprozeß außerordentlich streitig. Der Grund liegt darin, daß die aus dem allgemeinen Prozeßrecht bekannten Parteiprozeßhandlungen, die eine Aufhebung oder eine Änderung des verfahrenseinleitenden Antrags zum Ziel haben, in der verfassungsgerichtlichen Verfahrensordnung nur sehr dürftig geregelt sind. Einzig die Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrags wird im BVerfGG überhaupt angesprochen, und auch sie nur für zwei in der Praxis völlig unbedeutende Verfahrensarten (die Präsidenten- und die Richteranklage, §§ 52, 58 BVerfGG). Inwieweit prozessuale Dispositionen der Beteiligten darüber hinaus zulässig sind, hat der Gesetzgeber nicht entschieden, sondern bewußt „der Übung und dem Gerichtsgebrauch überlassen um so den historisch immer wieder bewährten Weg der gewohnheitsrechtlichen Durchbildung des Verfahrensrechts zu beschreiten“270. Über die Regeln der richterlichen Rechtsfortbildung verliert das Gesetz dabei allerdings kein Wort271. Ob Anleihen beim fachgerichtlichen Verfahrensrecht zu nehmen sind272, ob die Verfassung selbst als Rechtsquelle dienen soll273 oder ob das Gericht gar zur freien Verfahrensrechtssetzung ermächtigt ist274, ist ungewiß. Angesichts dieser erklärten Vakanz von Normativität und Kanonik sind Streitigkeiten nicht ausgeblieben. Im folgenden wird ein Überblick über das Spektrum der angebotenen Meinungen gegeben und die aus Sicht des Verfassers vorzugswürdige Lösung dargestellt.

269

Vgl. oben § 1 A. IV. Vgl. den zusammenfassenden Bericht des Abgeordneten Wahl zu den Beratungen des Rechtsausschusses in BT-Prot. I, S. 4224. Eingehend zur Entstehungsgeschichte des BVerfGG v. a. Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 17 ff., Rdn. 1 ff. 271 Auf eine Inbezugnahme fachgerichtlichen Verfahrensrechts wurde ebenso bewußt verzichtet wie auf eine Ermächtigung des BVerfG zur autonomen Verfahrensrechtssetzung, vgl. Wahl, BT-Prot. I, S. 4224. Die Landesgesetzgebung ist hier z. T. andere Wege gegangen: Art. 30 Abs. 1 BayVerfGHG, §§ 13 Abs. 1 BbgVerfGG, 16 Abs. 1 HbgVerfGG, 13 MVLVerfGG, 13 NWVerfGHG, 33 Abs. 2 SachsAnhVerfGG, 13 Abs. 2 SchlHVerfGG, 12 S. 1 ThürVerfGHG enthalten Generalverweise auf ZPO, VwGO und/oder StPO. In Bremen war der StGH ursprünglich ermächtigt, sein Verfahren selbst zu regeln (§ 6 Abs. 1 BremStGHG a.F., vgl. Koch, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, S. 45). § 12 Abs. 1 BremStGHG v. 18. 6. 1996 ordnet nun allerdings die entsprechende Anwendung des BVerfGG an. 272 So die h.L., vgl. Bethge, in: Maunz, VerfGG, Vorb § 17 (23. Lfg. Januar 2004), Rdn. 14; ders., in: FS Musielak, S. 77 (78); Fröhlinger, Erledigung, S. 85 ff.; Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 170 f.; Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 57; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 94, Rdn. 26. 273 So v. a. Häberle, JZ 1973, 451 ff.; ders., JZ 1976, 377 ff.; ders., in: ders., Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 1 (23 ff.) und sein Schüler Engelmann, Prozeßgrundsätze, S. 122 ff., 150 f. 274 So – jedenfalls im Grundsatz – das BVerfG, s.u. § 3 B. II. 270

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1. Teil: Grundlagen

B. Die objektive Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren I. Streitstand Logisch vorrangig und daher zuerst zu behandeln ist die Frage der objektiven Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren. Erst wenn feststeht, daß der Verfassungsprozeß einer Beendigung durch die Beteiligten überhaupt zugänglich ist, stellt sich die weitere Frage, wer die Beendigung verfügen kann. In Rechtsprechung und Literatur kursieren hinsichtlich der objektiven Disponibilität des Verfassungsprozesses im wesentlichen drei Theorien. 1. Die Ansicht des BVerfG: eingeschränkte Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren nach Beginn der mündlichen Verhandlung Das BVerfG hält den Verfassungsprozeß grundsätzlich für ein disponibles Verfahren. Verfahrensbeendigende Parteiprozeßhandlungen läßt es in weitem Umfange zu. Eine parteiautonome Prozeßbeendigung soll nach Ansicht des Gerichts aber dann nicht möglich sein, wenn mündlich verhandelt wurde und an der Fortsetzung des Verfahrens ein öffentliches Interesse besteht. Diese Regel hat das BVerfG nie in allgemeiner Form postuliert; das Gericht äußert sich stets nur zur Zulässigkeit bestimmter Prozeßbeendigungshandlungen (Antragsrücknahme oder Erledigung) in bestimmten Verfahrensarten (Organstreit, abstrakte Normenkontrolle, Verfassungsbeschwerde etc.). Von einer allgemeinen Theorie läßt sich dennoch sprechen, da das Gericht im Laufe der Zeit konsistente Aussagen für eine Reihe unterschiedlicher Prozeßhandlungen und für nahezu alle Verfahrensarten getroffen hat. Besonders umfangreich ist die Rechtsprechung zur Antragsrücknahme. Ihre Zulässigkeit hat das Gericht nach und nach in praktisch allen wesentlichen Verfahrensarten anerkannt275. Rücknahmen unverhandelter Anträge unterwirft das Gericht keinen besonderen Voraussetzungen. Hat in dem zu beendenden Verfahren jedoch eine mündliche Verhandlung stattgefunden, so macht es die Wirksamkeit der Antragsrücknahme vom möglichen Entgegenstehen öffentlicher Interessen abhängig276. Die objektive Disponibilität des Verfahrens ist danach in 275 Vgl. BVerfGE 24, 299 (300) (Organstreit); 85, 164 (165) (Bund-Länder-Streit); 1, 396 (414); 8, 183 (184); 25, 308 (309); 76, 99 f.; 77, 345; 79, 255 (abstrakte Normenkontrolle); 14, 140 (142) (konkrete Normenkontrolle); 98, 218 (242 f.) (Verfassungsbeschwerde); 89, 291 (299) (Wahlprüfung). 276 Vgl. die Nachweise in Fn. 275. Bei der Rücknahme von Verfassungsbeschwerden stellt das Gericht in einer neueren Entscheidung (BVerfGE 98, 218 [242 f.] – „Rechtschreibreform“) nicht auf das Kriterium öffentlicher Interessen ab, sondern auf die allgemeine Bedeutung i.S.v. § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG. Das dürfte kaum mehr als eine nähere Konkretisierung sein. Im Bund-Länder-Streit und in konkreten Normenkontrollverfahren hatte das Gericht bislang nur über Antragsrücknahmen vor mündlicher Verhandlung zu befinden, so daß ausdrückliche Feststellungen zur Hinderlichkeit entgegensteher öffentlicher Interessen nach mündlicher Verhandlung hier bislang fehlen. Für eine Verallgemeinerungsfähigkeit der in anderen Ver-

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den Augen des BVerfG mit Beginn der mündlichen Verhandlung zugunsten öffentlicher Interessen eingeschränkt. Diesen Grundsatz referiert das Gericht auch bei Verfahrensbeendigungen durch Erledigungserklärungen. Zumindest in Organstreitverfahren277 und in Verfassungsbeschwerden278 erachtet es diese für zulässig und mißt ihnen unmittelbar verfahrensbeendigende Wirkung bei. Durch die ausdrückliche Inbezugnahme seiner Rechtsprechung zur Antragsrücknahme gibt das Gericht zu verstehen, daß auch hier nach Beginn der mündlichen Verhandlung öffentliche Interessen der parteiautonomen Verfahrensbeendigung entgegenstehen können279. Zur Zulässigkeit der Prozeßbeendigung im Wege eines Prozeßvergleichs hat sich das BVerfG bislang nicht geäußert. In einer dem Prozeßvergleich nahekommenden Situation – einer Antragsrücknahme nach dem Zustandekommen eines Vergleichsvertrags zwischen den Beteiligten diverser Verfassungsbeschwerden und einer abstrakten Normenkontrolle – hat das Gericht die von den Antragstellern erklärte Beendigung des Verfahrens allerdings zugelassen280. Wie bei der gewöhnlichen Antragsrücknahme prüfte das Gericht auch hier allein das mögliche Entgegenstehen öffentlicher Interessen, da in den betroffenen Verfahren bereits mündliche Verhandlungen stattgefunden hatten281.

Die eingangs formulierte Sichtweise des BVerfG auf die Disponibilität des Verfassungsprozesses ergibt sich danach aus einem Mosaik von Einzelentscheidungen zur Zulässigkeit bestimmter Parteiprozeßhandlungen im Kontext der einzelnen Verfahrensarten. Daß diesem Mosaik ein kohärentes System zugrunde liegt, ergibt sich nicht nur aus der Übereinstimmung der jeweils propagierten Ergebnisse, sondern auch daraus, daß die einzelnen Judikate wechselseitig referiert werden282 und daß das Gericht konkurrierende dogmatische Bemühungen der Literatur durchweg ignoriert283. 2. Lehre vom Verfahrenszweck Eine in der Literatur verbreitete Lehre will die Beendigung verfassungsgerichtlicher Verfahren durch die Beteiligten nur dort zulassen, wo um subjektive Rechte fahrensarten geltenden Grundsätze etwa Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 1085. 277 BVerfGE 83, 175 (180 f.). 278 BVerfGE 7, 75 (76); 18, 133; 85, 109 (113); BVerfG NJW 2001, 216; 2002, 3388. Abweichend vom allgemeinen Prozeßrecht versteht das Gericht dabei die (einseitige) Erledigungserklärung des Beschwerdeführers offenbar nicht als Klageänderung, sondern als autonome Prozeßbeendigungshandlung, vgl. BVerfGE 85, 109 (113); zweifelnd noch Fröhlinger, Erledigung, S. 248. 279 BVerfGE 83, 175 (181), wo auf E 24, 299 (300) verwiesen wird. 280 BVerfGE 106, 210 (213) – „LER“. Zu diesem Verfahren noch eingehend unten § 7 C. 281 Öffentliche Interessen an der Verfahrensfortsetzung wurden dabei verneint. Zu Recht krit. Becker, Strukturen, S. 349; Renck, LKV 2003, 173. 282 Zumindest bei der Erledigungserklärung sind deutliche Bezugnahmen auf die Dogmatik der Antragsrücknahme erkennbar, vgl. BVerfGE 83, 175 (181). Gleiches gilt für die der Verfahrensbeendigung verwandte (gerichtliche) Prozeßhandlung des Ruhens des Verfahrens, vgl. BVerfGE 89, 327 (328). 283 Vgl. Cornils, NJW 1998, 3624 (3626).

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1. Teil: Grundlagen

des Antragstellers gestritten wird. Diene ein verfassungsgerichtliches Verfahren dagegen allein dem Schutz objektiven Verfassungsrechts oder – was nicht immer ausdrücklich gesagt wird – dem Schutz subjektiver Rechte Dritter, so soll eine verfahrensbeendigende Verfügung dagegen ausgeschlossen sein284. Der Zweck eines Verfahrens wird dabei überwiegend abstrakt bestimmt, d. h. mit Blick auf die unterschiedlichen verfassungsgerichtlichen Verfahrensarten285. So soll etwa der Verfassungsbeschwerde primär ein subjektiv rechtsschützender286, der abstrakten Normenkontrolle dagegen ausschließlich ein objektiver bzw. drittrechtsschützender Verfahrenszweck innewohnen287. Andere sehen den Verfahrenszweck durch die Umstände des konkreten Verfahrens bestimmt, wobei die Rechte des Antragstellers mit sonstigen Belangen abzuwägen seien288. Welche Gesichtspunkte dabei im einzelnen zum Tragen kommen sollen und welches Gewicht ihnen beizumessen ist, bleibt allerdings dunkel. 3. Lehre von der uneingeschränkten Geltung der Dispositionsmaxime Eine dritte Meinung schließlich sieht den Verfassungsprozeß generell von der Dispositionsmaxime beherrscht. Ihre Vertreter plädieren dementsprechend für die uneingeschränkte Zulässigkeit parteiautonomer Prozeßbeendigungshandlungen289.

284 Engelmann, Prozeßgrundsätze, S. 37; Haas, Verfassungsgerichtshof, S. 98 ff.; Hund, in: FS Faller, S. 63 (71 f.); Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 17 ff., Rdn. 13 ff.; Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 284 ff.; Kreutzberger, Entscheidungsvarianten, S. 256 ff; Lang, DÖV 1999, 624 (626 und passim); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 2, Rdn. 43; Schmitz, Anträge, S. 37 ff.; Söhn, in: FG BVerfG, Bd. I, S. 292 (309). 285 Bauer/Möllers, JZ 1999, 697 (698); Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 284 ff.; Engelmann, Prozeßgrundsätze, S. 37, 38 ff.; Lang, DÖV 1999, 624 (632 ff.); Schmitz, Anträge, S. 37. 286 Bauer/Möllers, JZ 1999, 697 (698); Hund, in: FS Faller, S. 63 (66 ff.), Klein, in: Benda/ ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 286; Wagner, NJW 1998, 2638 (2639), Wißmann, DÖV 1999, 152 (155); mit Einschränkungen auch Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 17, Rdn. 13. 287 Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 754; Söhn, FG BVerfG, Bd. I, S. 292 (309). 288 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 2, Rdn. 43; für föderative und Organstreitigkeiten auch Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 17, Rdn. 16; ebenso Lang, DÖV 1999, 624 (631, 634) für Verfassungsbeschwerden und Wahlprüfung. 289 Friesenhahn, in: Mosler, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 89 (182 f.); Fröhlinger, Erledigung, S. 250; Hillgruber/Goos, Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 6, 103b, 327, 418; Koch, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, S. 134; Rinken, in: AK-GG II, Art. 94, Rdn. 37 f.; Sturm, in: Sachs, GG, Art. 93, Rdn. 34; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 93, Rdn. 21; G. Wolf, DVBl. 1966, 884 (889); mit Einschränkungen für die abstrakte Normenkontrolle auch Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 58.

§ 3 Die Disposition über verfassungsgerichtliche Verfahren

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II. Stellungnahme Unterzieht man die angebotenen Lösungen einer kritischen Würdigung, dann sprechen die besseren Argumente für die letztgenannte Ansicht. Die uneingeschränkte Geltung der Dispositionsmaxime ergibt sich zum einen aus der Antragsgebundenheit aller verfassungsgerichtlichen Verfahren, die eine freie Entscheidung nicht nur über den Beginn, sondern auch über die Beendigung des Prozesses nahelegt290, zum anderen – a fortiore – aus §§ 52, 58 BVerfGG. Wenn das Gesetz die autonome Verfahrensbeendigung schon in den Richter- und Präsidentenanklagen zuläßt, deren strafprozeßähnliche Ausgestaltung noch am ehesten Zweifel an der Geltung der Dispositionsmaxime erregen könnte, dann doch wohl erst recht auch in den sonstigen Verfahrensarten291. Die Lehre von der uneingeschränkten Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren ist überdies die einzige, die unmittelbar mit dem BVerfGG selbst in Einklang zu bringen ist. Wenn dieses, abgesehen von §§ 52, 58 BVerfGG, zur Zulässigkeit verfahrensbeendigender Parteiprozeßhandlungen schweigt, dann impliziert dies eine durchgängige, allenfalls aber eine auf die Anklageverfahren beschränkte Geltung der Dispositionsmaxime. Eine Geltung in Abhängigkeit vom Verfahrensstand, von öffentlichen Interessen oder dem subjektiv rechtsschützenden Zweck eines Verfahrens ist dem Gesetz dagegen nicht zu entnehmen. Die Gegenmeinungen, die eben hierauf abstellen, müssen ihren Geltungsanspruch denn auch mit Anleihen beim allgemeinen Verfahrensrecht oder gar mit einer angeblichen Verfahrensautonomie des BVerfG begründen. Rechtsgewinnungsmethoden, die – jedenfalls was die letztere anbelangt – schon generell fragwürdig sind (dazu sogleich), in jedem Fall aber geringere Normativität beanspruchen können als die Auslegung des BVerfGG selbst. Analogieschluß und richterliche Rechtsfortbildung sind schließlich nur Mittel der Lückenschließung. Ihre Anwendung unterstellt ein gesetzgeberisches Versagen, eine planwidrige Regelungslücke. Hinsichtlich der Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren ist diese Unterstellung aber unberechtigt. Die Geltung der Dispositionsmaxime ergibt sich ein290 Friesenhahn, in: Mosler, Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 89 (182); Fröhlinger, Erledigung, S. 250; Koch, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, S. 134; G. Wolf, DVBl. 1966, 884 (886); Sturm, in: Sachs, GG, Art. 93, Rdn. 34. A.A. Cornils, NJW 1998, 3624 (3626); Engelmann, Prozeßgrundsätze, S. 36; Lang, DÖV 1999, 624 (626); Söhn, in: FG BVerfG, Bd. I, S. 292 (310). Der Einwand, auch im Strafprozeß dürfe vom Antragsprinzip nicht auf die Geltung der Dispositionsmaxime geschlossen werden (Engelmann, Prozeßgrundsätze, S. 36; Lang, DÖV 1999, 624 [626]; Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 17 ff., Rdn. 25), überzeugt nicht. Erstens, weil auch im Strafprozeß Dispositionen über den verfahrenseinleitenden Antrag keineswegs grundsätzlich, sondern – arg. § 156 StPO – nur ab Eröffnung des Hauptverfahrens unzulässig sind. Zweitens, weil die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der prozessualen Durchsetzung des staatlichen Strafanspruches einer Antragspflicht unterliegt (§§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO), die bei den obersten Staatsorganen und den Grundrechtsträgern hinsichtlich der Durchsetzung des Verfassungsrechts fehlt, vgl. Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 93, Rdn. 21, Fn. 88. 291 Kreutzberger, Entscheidungsvarianten, S. 257; dem Gedanken nach auch Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 284.

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1. Teil: Grundlagen

deutig aus dem im BVerfGG ausnahmslos verwirklichten Antragsprinzip und dem Erst Recht-Schluß zu §§ 52, 58 BVerfGG. Vorzugswürdig ist die Lehre von der objektiven Disponibilität aller verfassungsgerichtlichen Verfahren aber auch deshalb, weil ihre Gegenansichten einer Reihe von Einwänden ausgesetzt sind. Hinsichtlich der Praxis des BVerfG betrifft dies, wie angedeutet, vor allem den Mangel jeder tragfähigen rechtlichen Begründung. Der Satz, eine von den Parteien ausgehende Verfahrensbeendigung sei vor der mündlichen Verhandlung stets, danach aber nur unter dem Vorbehalt öffentlicher Interessen zulässig, ist ein reines Apodiktum. Im BVerfGG findet man ihn nirgends. Auch aus dem allgemeinen Verfahrensrecht ist Vergleichbares nicht bekannt. Die mündliche Verhandlung führt hier bestenfalls zu einer Änderung der subjektiven Dispositionsbefugnisse292, nicht aber zu einem Verlust der objektiven Disponibilität eines Verfahrens als solcher. Auch öffentliche Interessen am Ausgang eines bestimmten Verfahrens sind im allgemeinen Prozeßrecht ohne jede Auswirkung auf die objektive Disponibilität. Ziviloder verwaltungsgerichtliche Berufungen und Revisionen, die allein wegen der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung einer Sache zugelassen werden (§§ 124 Abs. 2 Ziff. 3, 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO, 511 Abs. 4 Ziff. 1, 543 Abs. 2 S. 1 ZPO), können sehr wohl zurückgenommen293, für erledigt erklärt294 oder durch Prozeßvergleiche beendet werden295. Wenn das BVerfG für sein Verfahren Abweichendes annimmt, kann es sich also nicht auf Rechtsgedanken des allgemeinen Prozeßrechts berufen. Das scheint indes auch überhaupt nicht die Absicht des Gerichts zu sein. Die Lücke, die es bezüglich der verfahrensbeendigenden Parteiprozeßhandlungen im BVerfGG sieht, schließt das Gericht nämlich nicht durch allgemeines Verfahrensrecht, sondern durch eigene, frei erfundene Regeln. Dabei scheint es sich (unausgesprochen) auf die von ihm in Anspruch genommene „Herrschaft“ über das verfassungsgerichtliche Verfahren zu berufen, d. h. auf die Kompetenz zur eigenmächtigen Fortbildung seines Verfahrensrechts296. Methodisch sieht sich das Gericht bei der Ausübung dieser Kompetenz nach eigenem Bekunden zwar in erster Linie der Analogie zum allgemeinen Verfahrensrecht verpflichtet, d. h. es greift zur Schließung planwidriger 292

Zustimmungsrecht des Antragsgegners bei Klagerücknahmen, §§ 269 Abs. 1 ZPO, 92 Abs. 1 S. 2 VwGO. 293 Vgl. §§ 516 Abs. 1, 565 ZPO, 126 Abs. 1 S. 1, 140 Abs. 1 S. 1 VwGO. 294 Für den Zivilprozeß Bork, in: Stein/Jonas, § 91a, Rdn. 60; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 91a, Rdn. 8. Für den Verwaltungsprozeß Kopp/Schenke, VwGO, § 161, Rdn. 12. 295 Für den Zivilprozeß Lorentz, in: Soergel, BGB, § 779, Rdn. 53; Hüßtege, in: Thomas/ Putzo, ZPO, § 794, Rdn. 8; für den Verwaltungsprozeß Geiger, in: Eyermann/Fröhler, VwGO, § 106, Rdn. 3; Ortloff, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 106 (Februar 1996), Rdn. 28; Weitemeyer, Vergleich, S. 92. 296 Grundlegend insb. BVerfGE 1, 108 (110 f.); 2, 79 (84 f.); 4, 31 (37); 6, 300 (303 f.); 13, 54 (94). In der Literatur ist dieser Anspruch mit dem Terminus der „Verfahrensautonomie“ des BVerfG belegt worden, vgl. erstmals wohl Lechner, BVerfGG, S. 133. Das Gericht selbst verwendet diesen Begriff nicht, sondern bezeichnet sich als „Herrn des Verfahrens“, s. etwa E 6, 300 (304); 13, 54 (94).

§ 3 Die Disposition über verfassungsgerichtliche Verfahren

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Lücken des Verfassungsprozeßrechts primär auf Gesetz und Dogmatik der jeweils sachnächsten fachgerichtlichen Verfahrensordnungen zurück (meist ZPO und VwGO)297. Auf einzelnen Gebieten hat das Gericht jedoch auch völlig eigenständige Verfahrensgrundsätze entwickelt, die nichts mit dem allgemeinen Prozeßrecht gemein haben298. Zu diesen Gebieten muß auch das Feld der verfahrensbeendigenden Parteiprozeßhandlungen gerechnet werden. Das Gericht hat hier Prozeßrechtsgrundsätze entwickelt, die, wie gesehen, keinerlei Verwandtschaft mit dem allgemeinen Verfahrensrecht erkennen lassen und deren Geltung allein mit einer quasilegislatorischen Einführung durch das BVerfG erklärt werden kann. Gegen autonome Verfahrensrechtsfortbildungen dieser Art sind jedoch massive Bedenken anzubringen. Erstens fehlt dem Gericht zur eigenmächtigen Verfahrensrechtsetzung die dafür notwendige Kompetenz299. Eine Delegation von Gesetzgebungsbefugnissen auf andere Staatsgewalten ist im GG nur zugunsten der Exekutive vorgesehen (Art. 80 Abs. 1 GG), nicht auch zugunsten der Judikative. Ein abweichender Wille des Gesetzgebers – für den sich weder im BVerfGG selbst noch in dessen Entstehungsgeschichte irgendein Hinweis finden läßt300 – wäre mit dem GG nicht zu vereinbaren. Zweitens ergibt sich aus Art. 94 Abs. 2 S. 1 GG eindeutig, daß das verfassungsgerichtliche Verfahren allein durch den Gesetzgeber und nicht durch das BVerfG zu regeln ist301. Wenn der Verfassungsgeber eine Verfahrensautonomie des BVerfG

297 Vgl. etwa BVerfGE 1, 4 (Anwendung neuer Verfahrensvorschriften auf anhängige Verfahren); 1, 109 (111 f.) („Armenrecht“ bzw. Prozeßkostenhilfe); 8, 92 (94) (Fehlen der Unterschrift auf einem Schriftsatz); 8, 222 (224) (Beschwer durch Rechtsausführungen in den Gründen); 32, 305 (308 ff.) (Verwirkung prozessualer Befugnisse); 32, 345 (346) (Entscheidung über einen Rechtsbehelf ohne mündliche Verhandlung); 33, 199 (204) (Zeitpunkt der Rechtskraft); 33, 247 (261 ff.) (Beschwer durch Kostenentscheidung); 68, 132 (142) (Unbedingbarkeit verfahrenseinleitender Prozeßhandlungen); vgl. auch E. Klein, AöR 108 (1983), 561 (619). 298 Vgl. etwa BVerfGE 13, 248 (260); 39, 169 (194) (konservierende Entscheidungsvarianten der Normenkontrolle, dazu Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 1244); 6, 300 (303 f.) (Vollstreckung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen); 21, 312 (328); 25, 352 (357, 358, 363) (Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses im Senat vor Einführung des § 30 Abs. 2 S. 2 BVerfGG, vgl. E. Klein, AöR 108 [1983], 561 [620]). 299 Vgl. Hillgruber/Goos, Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 22. A.A. Engelmann, Prozeßgrundsätze, der das BVerfG aufgrund des Verfahrens der Richterwahl für ausreichend demokratisch legitimiert hält (S. 103 f.), um eigenmächtig Verfahrensrecht zu setzen (S. 116 ff.). 300 Die Entstehungsgeschichte des BVerfGG spricht vielmehr eindeutig gegen eine Delegationsabsicht des Gesetzgebers: Ein von der SPD-Fraktion des 1. Deutschen Bundestags vorgelegter Gesetzesentwurf (BT-Drucks. I/326), der eine Ermächtigung des BVerfG zum Erlaß der eigenen Verfahrensordnung vorsah (§ 14), wurde von der Mehrheit der Abgeordneten gerade auch wegen des Bedenkens abgelehnt, „daß eine solche Selbstbestimmungsbefugnis des Gerichts über sein Verfahren doch eine Ausübung der gesetzgebenden Gewalt sei, die nach dem GG nicht auf ein Gericht übertragen werden darf“, vgl. A. Arndt, DVBl. 1952, 1; Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 17 ff., Rdn. 3 f. 301 s. Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 17 ff., Rdn. 2; Wolff, EuGRZ 2003, 463 (465); vgl. auch Stern, in: BK, Art. 94 (15. Lfg. November 1965), Rdn. 95, 116, der den Erlaß von Regelungen über die „Gültigkeit von Verfahrenshandlungen“ und über

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1. Teil: Grundlagen

tatsächlich gewollt hätte, dann hätte er gewiß nicht angeordnet, daß „Verfassung und Verfahren des BVerfG durch ein Bundesgesetz“ zu regeln sind. Drittens schließlich ist zu gewärtigen, daß eine autonome Verfahrensrechtsetzung durch das BVerfG einem geordneten Gerichtsgang im höchsten Maße abträglich ist302. Sie macht die Bewältigung des Prozeßstoffs für alle anderen Beteiligten unberechenbar und ist kaum geeignet, das Vertrauen in die Unabhängigkeit des Gerichts zu stärken. Soweit die Schließung planwidriger Regelungslücken des BVerfGG überhaupt erforderlich ist – bezüglich der verfahrensbeendigenden Parteiprozeßhandlungen ist sie es nach hier vertretener Ansicht nicht – dann muß sie durch Anleihen beim allgemeinen Prozeßrecht geschehen303, nicht aber durch willkürliche Rechtsetzungsakte des Gerichts304. Sieht man von diesem methodischen Einwand ab, dann bleibt die Ansicht des BVerfG aber auch deshalb kritikwürdig, weil ihr jede Überzeugungskraft in der Sache fehlt. Die Kriterien, von denen das Gericht die Disponibilität eines Verfahrens abhängig macht, sind vage und entbehren jeder Plausibilität. Worin die einer Verfahrensbeendigung entgegenstehenden öffentlichen Interessen bestehen sollen, ist bis zum heutigen Tage obskur305. Das Gericht enthält sich insoweit jeder näheren Definition, ja es hat sogar mitunter gänzlich darauf verzichtet, darzulegen, welches öffentliche Interesse in seinen Augen einer konkreten Prozeßbeendigungshandlung überhaupt entgegenstand306. Vor allem aber will nicht einleuchten, warum bei der Entscheidung über die Disponibilität eines Verfahrens öffentliche Interessen nur dann eine Rolle spielen sollen, wenn zuvor mündlich verhandelt wurde. Das Gericht wird kaum behaupten wollen, daß an der Fortsetzung unverhandelter Anträge nie und nimmer ein öffentliches Interesse bestehen könne. Warum dieses Interesse dann aber für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Verfahrensbeendigung erst nach

die „allgemeinen und besonderen Prozeßmaximen“ zu den Pflichtaufgaben des Gesetzgebers nach Art. 94 Abs. 2 GG zählt. A.A. Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 168. 302 E. Klein, AöR 108 (1983), 561 (622 f.); ders., in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 176; Fröhlinger, Erledigung, S. 88 f.; Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 57; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 94, Rdn. 26. 303 Wobei besondere Eigenheiten des Verfassungsprozesses durchaus Berücksichtigung finden können, vgl. Fröhlinger, Erledigung, S. 103 ff.; Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 17 ff., Rdn. 7. 304 Vgl. die oben in § 3 A. Fn. 272 Genannten. 305 BVerfGE 89, 291 (299); 98, 218 (242 f.) scheinen immerhin darauf hinzudeuten, daß die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache einen Grund für ihre Unverfügbarkeit darstellen könnte. Ganz sicher ist dies allerdings nicht, vgl. nämlich BVerfGE 106, 210 (213): Das Offenbleiben der hochgradig umstrittenen Frage, ob zu „den Ländern“ i.S.v. Art. 141 GG auch die neuen Bundesländer gehören, soll einer Verfahrensbeendigung durch Antragsrücknahme nicht entgegenstehen – zu Recht krit. Becker, Strukturen, S. 349; Renck, LKV 2003, 173. Auch ist ungewiß, ob neben der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache andere öffentliche Interessen denkbar sind, die einer Verfahrensbeendigung entgegenstehen können. 306 BVerfGE 24, 299 f.

§ 3 Die Disposition über verfassungsgerichtliche Verfahren

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Beginn der mündlichen Verhandlung relevant werden soll, bleibt unerfindlich307. All dies spricht offensichtlich gegen die Ansicht des BVerfG. Kritik verdient aber auch die Lehre, die den Zweck eines Verfahrens über die Geltung der Dispositionsmaxime entscheiden lassen will. Sie gründet ihren Geltungsanspruch auf einen Rechtsgedanken des allgemeinen Verfahrensrechts, den sie zur Schließung der von ihr angenommenen Lücke des Verfassungsprozeßrechts heranziehen will. Das allgemeine Verfahrensrecht werde immer dann von der Dispositionsmaxime beherrscht, wenn auch das streitige materielle Recht subjektivrechtlicher Natur sei308. Übertragen auf den Verfassungsprozeß bedeute dies, daß die Disponibilität eines Verfahrens immer dann zu bejahen sei, wenn dieses der Durchsetzung subjektiver Rechte des Antragstellers diene. Das verdient Zustimmung hinsichtlich des methodischen Grundansatzes, die Schließung planwidriger Regelungslücken des Verfassungsprozeßrechts nicht der Verfahrensautonomie des BVerfG zu überlassen, sondern im Rückgriff auf das allgemeine Verfahrensrecht zu bewerkstelligen309. Unrichtig ist es aber deshalb, weil hinsichtlich der Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren überhaupt keine Regelungslücke im Verfassungsprozeßrecht besteht. Die Geltung der Dispositionsmaxime ergibt sich eindeutig aus dem für alle Verfahren geltenden Antragsprinzip und dem Erst Recht-Schluß zu §§ 52, 58 BVerfGG. Gegen die Lehre vom Verfahrenszweck spricht aber vor allem ihre fehlende Zuordnungskraft und die Willkürlichkeit ihrer Ergebnisse. Eine überzeugende Unterscheidung subjektiv rechtsschützender und sonstiger Verfahrensarten ist bis heute nicht gelungen. Den meisten verfassungsgerichtlichen Verfahrensarten wohnen sowohl subjektivrechtsschützende als auch objektive bzw. drittrechtsschützende Zwecke inne310. Je nach sachverhaltlicher Konstellation überwiegt mal der eine, mal der andere Zweck. Nicht ohne Grund kommen die Anhänger der Lehre vom Verfahrenszweck deshalb auch zu vollkommen unterschiedlichen Ergebnissen, wenn es darum geht, die einzelnen verfassungsgerichtlichen Verfahrensarten als subjektiv rechtsschützend oder als objektiv bzw. drittrechtsschützend einzuordnen311. An 307 Kreutzberger, Entscheidungsvarianten, S. 272; Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 17 ff., Rdn. 16 a.E.; Wißmann, DÖV 1999, 152 (154); vgl. aber Cornils, NJW 1998, 3624 (3626), der meint, es sei „eine durchaus plausible Vorstellung“, daß sich die durch ein bestimmtes Verfahren berührten öffentlichen Interessen im Laufe des Verfahrens verdichteten. 308 s. insbesondere Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 280; vgl. auch Grunsky, Grundlagen, S. 12. 309 s. die Nachweise in § 3 A. Fn. 272. 310 Das ist besonders eindrücklich dokumentiert in den diversen Untersuchungen zur Verfassungsbeschwerde, vgl. Hund, in: FS Faller, S. 63 (66 ff.); E. Klein, DÖV 1982, 797; Lang, DÖV 1999, 624 (628); Zuck, Verfassungsbeschwerde, Rdn. 73 ff. je m.w.N. 311 Vgl. etwa hinsichtlich der Verfassungsbeschwerde einerseits Hund, in: FS Faller, S. 63 (71 f.); Schmitz, Anträge, S. 63 f. andererseits Cornils, NJW 1998, 3624 (3626); Lang, DÖV 1999, 624 (631); hinsichtlich der föderativen und Organstreitverfahren einerseits Engelmann, Prozeßgrundsätze, S. 43; Schmitz, Anträge, S. 47 andererseits Klein, in: Benda/ders., Verfas-

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1. Teil: Grundlagen

Willkür grenzt das Abstellen auf den Verfahrenszweck dann, wenn ein und dieselbe Verfassungsrechtsverletzung von ein und demselben Antragsteller in zwei verschiedenen Verfahrensarten angegriffen werden kann312, von denen die eine disponibel, die andere aber unverfügbar sein soll. So ist kaum einzusehen, warum etwa der Bundesrat ein Organstreitverfahren, das er wegen der Nichtzuleitung eines Zustimmungsgesetzes (Art. 76 Abs. 2 GG) gegen den Bundestag eingeleitet hat, soll zurücknehmen können313, ein daneben ebenfalls mögliches abstraktes Normenkontrollverfahren dagegen nicht314. All dies zeigt: Die besseren Gründe sprechen für die uneingeschränkte Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren. Jeder Verfassungsprozeß kann durch autonome Prozeßhandlungen seiner Beteiligten beendet werden.

C. Die Verfügungsbefugten Zu klären bleibt, wer die Beendigung des Verfassungsprozesses verfügen kann, die Frage also, wem prozessuale Dispositionsbefugnis subjektiv zukommt. Da ausdrückliche gesetzliche Regelungen insoweit fehlen, kann die Antwort nur durch einen systematischen Vergleich der Beteiligungsrechte bei den einzelnen anerkannten Prozeßbeendigungshandlungen gewonnen werden. Im Verfassungsprozeß sind dies lediglich zwei. Zum einen die Antragsrücknahme (§§ 52, 58 Abs. 1 BVerfGG), zum anderen die in der Rechtsprechung anerkannte verfahrensbeendigende Erledigungserklärung315. Dabei ergibt sich im einzelnen folgendes. Die Zulässigkeit der Antragsrücknahme impliziert jedenfalls eine prozessuale Dispositionsbefugnis des Antragstellers. Fraglich ist allein, ob diese Dispositionsbefugnis eine Alleindispositionsbefugnis ist oder ob sie mit anderen Verfahrensbeteiligten geteilt wird. Dem Gesetz läßt sich nicht ohne weiteres eine Antwort entnehmen. Eine ausdrückliche Regelung besteht nur für die Anklageverfahren. Nach §§ 52 Abs. 3, 58 Abs. 1 BVerfGG kann der vor dem BVerfG angeklagte Bundespräsident oder Richter einer Rücknahme der gegen ihn gerichteten Klage binnen Monatsfrist widersprechen und so die Fortsetzung des Prozesses erzwingen. Was in den übrigen Verfahrensarten gilt, ist gesetzlich nicht geregelt und umstritten. Das BVerfG geht von einer Alleindispositionsbefugnis des Antragstellers aus. Es hat, sungsprozeßrecht, Rdn. 288, 1046, 1085; Lang, DÖV 1999, 624 (633); hinsichtlich der Anklage-, Grundrechtsverwirkungs- und Parteiverbotsverfahren einerseits Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 284 f.; Schmitz, Anträge, S. 42 andererseits Kunze, in: Umbach/ Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 17 ff., Rdn. 17, 19. 312 Ein in der Praxis durchaus häufiger Fall, vgl. zu den diversen Überschneidungsmöglichkeiten Maunz, in: ders./Dürig, GG, Art. 93 (33. Lfg. November 1997), Rdn. 86 ff. 313 So Engelmann, Prozeßgrundsätze, S. 43; Schmitz, Anträge, S. 47. 314 So aber die in § 3 B. I. 2. Fn. 287 Genannten. 315 Vgl. die Nachweise oben § 3 B. I. 1. Fn. 277 f.

§ 3 Die Disposition über verfassungsgerichtliche Verfahren

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soweit ersichtlich, bislang noch nie eine Antragsrücknahme aus Anlaß des Widerspruchs eines anderen Verfahrensbeteiligten für unwirksam erklärt. Gelegentlich hat es eine Mitdispositionsbefugnis anderer Verfahrensbeteiligter über die Antragsrücknahme sogar ausdrücklich verneint316. In der Literatur ist dies nicht ohne Kritik geblieben. Den Grundsätzen des allgemeinen Prozeßrechts entsprechend verlangen Teile des Schrifttums, zumindest dem Gegner kontradiktorischer Verfahren ein Zustimmungsrecht hinsichtlich der Verfahrensbeendigung zuzubilligen (§§ 269 Abs. 1 ZPO, 92 Abs. 1 S. 2 VwGO analog)317. Dem kann nicht gefolgt werden. Das BVerfGG enthält eine klare Regelung nicht nur zur objektiven Disponibilität der verfassungsgerichtlichen Verfahren, sondern auch zur Verteilung der subjektiven Dispositionsbefugnisse. Wenn das Gesetz für die Anklageverfahren eine Mitdispositionsbefugnis des Antragsgegners ausdrücklich anordnet, im übrigen aber schweigt, dann schweigt das Gesetz beredt, und seine Regelungen müssen als abschließend betrachtet werden. Eine analoge Anwendung der §§ 269 Abs. 1 ZPO, 92 Abs. 1 S. 2 VwGO verbietet sich daher schon mangels Regelungslücke. Gegen sie spricht aber auch die Unterschiedlichkeit des Normzwecks und der Interessenlage. §§ 269 Abs. 1 ZPO, 92 Abs. 1 S. 2 VwGO wollen dem Klagegegner die Möglichkeit verschaffen, durch endgültiges Obsiegen Rechtssicherheit zu erlangen und den Kläger für die eigenen Kosten in Regreß zu nehmen318. Derartiges ist im Verfassungsprozeß nicht geboten. Der Gegner eines kontradiktorischen Verfahrens erhält hier wegen der außerordentlich kurzen Antragsfristen in aller Regel schon allein aufgrund der Klagerücknahme Sicherheit vor neuerlichen Prozessen (vgl. §§ 64 Abs. 3, 69, 70, 71 Abs. 2, 73 Abs. 2 BVerfGG). Mit dem Ersatz seiner außergerichtlichen Kosten319 kann er nicht rechnen. Im Verfassungsprozeß gilt ein Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen320. Kostenerstattung durch den Gegner ist nur für wenige Ausnahmefälle obligatorisch vorgesehen (vgl. § 34a Abs. 1 und 2 BVerfGG). In kontradiktorischen Verfahren steht sie immer nur im billigen Ermessen des Gerichts (§ 34a Abs. 3 BVerfGG). Dessen ständiger Praxis entspricht es, auf Erstattungsentscheidungen, die – wie in kontradiktorischen Verfahren immer der Fall – allein zu Zahlungsströmen zwischen öffentlichen Kassen führen würden, ganz und gar zu verzichten321. Unter diesen Bedingungen ist es nur folgerichtig, daß das Gesetz dem Antragsgegner kein allgemeines Mitbestimmungsrecht über die Prozeßbeendigung zubilligt. Die Ausnahmeregelungen zugunsten der Angeklagten (§§ 52 316

BVerfGE 85, 164 (165). So Haas, Verfassungsgerichtshof, S. 98; Kreutzberger, Entscheidungsvarianten, S. 259; Schmitz, Anträge, S. 48; wohl auch Koch, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, S. 137. Z.T. weitergehend Lechner/Zuck, BVerfGG, Vor § 17, Rdn. 13: Zustimmungsrecht nicht nur des Antragsgegners kontradiktorischer Verfahren, sondern aller Beteiligten. Dagegen mit überzeugenden Argumenten Schmitz, Anträge, S. 49, 57, 59, 64. 318 Grunsky, Grundlagen, S. 69. 319 Gerichtskosten fallen wegen § 34 Abs. 1 BVerfGG ohnehin nicht an. 320 BVerfGE 49, 79 (89); 66, 152 (154); Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 34, Rdn. 10; Lechner/Zuck, BVErfGG, § 34, Rdn. 1. 321 BVerfGE 7, 75 (77). 317

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1. Teil: Grundlagen

Abs. 3, 58 Abs. 1 BVerfGG) beruhen auf einer besonderen Interessenlage. Der wegen einer persönlichen Verfehlung Belangte hat jenseits von Rechtssicherheit und Kostenersatz ein berechtigtes Interesse an der Feststellung seiner Unschuld. Ein Freispruch zweiter Klasse durch Rücknahme der Anklage ist ihm nicht zuzumuten. Nimmt man danach allein die Antragsrücknahme zum Maßstab, so ergibt sich eine Alleindispositionsbefugnis des Antragstellers, die nur bei Richter- und Präsidentenanklagen mit dem Angeklagten geteilt wird. Fraglich ist, ob dieses Ergebnis in Ansehung der Erledigungserklärung einer Korrektur bedarf. Dies wäre denkbar, weil die verfahrensbeendigende Erledigungserklärung in der Dogmatik des allgemeinen Prozeßrechts eine mehrseitige Prozeßhandlung ist, die nicht nur der Zustimmung des Klägers bedarf, sondern auch der des Beklagten (übereinstimmende Erledigungserklärung)322. Da das BVerfG in einzelnen Fällen die Erledigungserklärung als Mittel der Prozeßbeendigung anerkannt hat, muß man fragen, welcher Art die Gründe sind, die hier in kontradiktorischen Verfahren die Mitdispositionsbefugnis des Antragsgegners gebieten, und ob diese Gründe gegebenenfalls auch bei einer Verfahrensbeendigung im Wege des Prozeßvergleichs zu berücksichtigen sind. Zu klären ist danach zweierlei. Erstens, ob Veranlassung besteht, zur Beendigung kontradiktorischer Verfassungsprozesse neben der Antragsrücknahme auch eine von der Zustimmung des Gegners abhängige Erledigungserklärung anzuerkennen (1.). Zweitens, und nur bejahendenfalls, ob aus den gleichen Gründen womöglich auch beim Prozeßvergleich eine Zustimmung des Antragsgegners zu verlangen ist (2.). Ad (1.): Eine ausdrückliche Begründung für die Anerkennung der im BVerfGG nicht vorgesehenen Erledigungserklärung als zulässiges Mittel der Beendigung eines Verfassungsprozesses findet man nirgends. Das BVerfG bejaht zwar die Zulässigkeit prozeßbeendigender Erledigungserklärungen – in nicht kontradiktorischen Verfahren als einseitige Prozeßhandlung des Antragstellers323, in kontradiktorischen Verfahren als gemeinsame Prozeßhandlung des Antragstellers und seines Gegners324 –, es sagt aber nicht, worin es die Notwendigkeit der Einführung dieses gesetzlich nicht vorgesehenen Rechtsinstituts in den Verfassungsprozeß sieht. Auch die Literatur nimmt die Praxis des BVerfG lediglich zur Kenntnis, versucht aber nicht, ihr einen Sinn abzugewinnen325. Genauer betrachtet läßt sich ein solcher wohl auch überhaupt nicht finden. Der Sinn der Erledigungserklärung besteht im allgemeinen Prozeßrecht in der Entlastung des Klägers von unerwarteten Kosten326. Die Erledigungserklärung 322 Abzugrenzen ist die verfahrensbeendigende übereinstimmende Erledigungserklärung von der dem allgemeinen Prozeßrecht ebenfalls bekannten einseitigen Erledigungserklärung des Klägers, die nach zutreffender h.M. keine Prozeßbeendigungshandlung ist, sondern eine bloße Klageänderung, vgl. Jauernig, Zivilprozeßrecht, § 42 VI (S. 139 f.). 323 Vgl. BVerfGE 7, 75 (76); 18, 133; 85, 109 (113); BVerfG NJW 2001, 216; 2002, 3388 (Verfassungsbeschwerden). 324 Vgl. BVerfGE 83, 175 (181) (Organstreitverfahren). 325 Nur Hinweise auf die Rspr. bei Fröhlinger, Erledigung, S. 248; Umbach, in: ders./ Clemens/Dollinger, BVerfGG, §§ 63, 64, Rdn. 180. 326 s. nur Schmitz, Anträge, S. 113.

§ 3 Die Disposition über verfassungsgerichtliche Verfahren

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soll ihm im Falle des nachträglichen Unzulässig- oder Unbegründetwerdens seiner Klage eine Prozeßbeendigung ermöglichen, die die nachteiligen Folgen der drohenden Klageabweisung oder der alternativen Klagerücknahme vermeidet. Während die Kostenpflicht in den letzteren Fällen einseitig den Kläger trifft (§§ 91 Abs. 1 S. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO), kommt es bei einer Erledigungserklärung zu einer Kostenverteilung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands (§§ 91a Abs. 1 S. 1 ZPO, 161 Abs. 2 VwGO). Nur um die mutwillige Erledigungserklärung von vornherein unzulässiger oder unbegründeter Klagen zu verhindern, verlangt das Gesetz dabei die Zustimmung des Beklagten (übereinstimmende Erledigungserklärung). Im Verfassungsprozeß ist die Einführung einer kostenprivilegierten Prozeßbeendigungsalternative zur Antragsrücknahme nicht geboten. Der Verfassungsprozeß ist ein kostenfreies Verfahren (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), in dem die Beteiligten ihre Auslagen grundsätzlich selbst zu tragen haben, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn sie obsiegen (§ 34a BVerfGG). Der Antragsteller hat im Falle des nachträglichen Unzulässigwerdens oder Unbegründetwerden seines Antrags also überhaupt keine unvorhergesehenen Kosten zu tragen. Es kann den aussichtslos gewordenen Prozeß durch die Rücknahme seines Antrags beenden, ohne daß ihm hierdurch eine Pflicht zur Tragung der Gerichtskosten oder der Auslagen seines Gegners entstehen würde. Bei dieser Rechts- und Interessenlage ist es offenkundig unnötig, dem Antragsteller eine alternative Prozeßbeendigungsmöglichkeit zu verschaffen. Für die Einführung des Instituts der Erledigungserklärung in den Verfassungsprozeß besteht danach keine Veranlassung. Die Erledigungserklärung ist im Verfassungsprozeß überflüssig und kann daher auch nicht als verfassungsprozessuales Rechtsinstitut anerkannt werden327. Erklärt der Antragsteller ein verfassungsgerichtliches Verfahren für „erledigt“, so ist dies richtigerweise nur als Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrags zu verstehen328. Ad (2.): Wenn es nach alledem eine Erledigungserklärung des Verfassungsprozesses überhaupt nicht gibt, dann erübrigt sich auch die Folgefrage, ob sie in kontradiktorischen Verfahren der Zustimmung des Antragsgegners bedarf und ob die dafür gegebenenfalls maßgeblichen Gründe auch den verfassungsgerichtlichen Prozeßvergleich erfassen. Das einzige verfahrensbeendigende Rechtsinstitut, das im Verfassungsprozeß mit Sicherheit anzuerkennen ist und das Rückschlüsse auf die Verteilung der subjektiven Dispositionsbefugnisse erlaubt, ist die Antragsrücknahme. Aus ihrer gesetzlichen Regelung ergibt sich, daß die Befugnis zur Beendigung des Verfassungsprozesses grundsätzlich allein beim Antragsteller liegt.

327 Wie hier Schmitz, Anträge, S. 114 f.; vgl. auch Fröhlinger, Erledigung, S. 248, Fn. 5; Zuck, ZZP 78 (1965), 323 (343). 328 Zutreffend daher BVerfGE 79, 255; 106, 210 (213), wo trotz tatsächlicher Erledigung jeweils Antragsrücknahme angenommen wird.

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1. Teil: Grundlagen

D. Zusammenfassung Als Ergebnis läßt sich daher festhalten: Jeder Verfassungsprozeß kann in jedem Verfahrensstadium durch autonome Parteiprozeßhandlungen seiner Beteiligten beendet werden. Subjektiv dispositionsbefugt zur Verfahrensbeendigung ist grundsätzlich allein der Antragsteller des betroffenen Verfahrens. Einer Zustimmung anderer Beteiligter bedarf es nur in den Fällen der §§ 52 Abs. 3, 58 Abs. 1 BVerfGG.

2. Teil

Grundlagen einer Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs Nachdem die zu Eingang dieser Arbeit für notwendig erklärten Grundlagen der Vergleichsdogmatik nunmehr erarbeitet sind, kann endlich der verfassungsgerichtliche Prozeßvergleich selbst ins Auge gefaßt werden. Der Ablauf der weiteren Untersuchung sei dabei vorab in groben Zügen skizziert. Die Aufmerksamkeit gilt zunächst der Grundfrage des verfassungsgerichtlichen Vergleichs, nämlich derjenigen seiner generell-abstrakten Zulässigkeit. Zu klären ist, ob der Abschluß verfassungsgerichtlicher Prozeßvergleiche überhaupt rechtlich möglich erscheint und von der geltenden Rechtsordnung zugelassen wird (§ 4). Die Antwort fällt – soviel darf hier vorweggenommen werden – im Grundsatz positiv aus. Prozeßvergleiche in der Verfassungsgerichtsbarkeit sind weder rechtlich absolut unmöglich, noch generell verboten. Die weitere Frage ist, inwiefern konkrete Vergleichsvereinbarungen in konkreten Verfassungsrechtsstreitigkeiten denkbar sind (§§ 5–9). Sie ist im Kern eine Frage der materiellrechtlichen und prozessualen Wirksamkeitsbedingungen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs. Ist Klarheit über diese Wirksamkeitsbedingungen gewonnen, so kann ein Blick auf die Rechtsfolgen wirksamer und unwirksamer Prozeßvergleiche geworfen werden (§§ 10–11). Schlußendlich ist zwei verfahrensrechtlichen Spezialproblemen des Prozeßvergleichs nachzugehen. Zu klären ist einerseits, in welchem Rechtswege etwaige Streitigkeiten über die Erfüllung oder gar über die Wirksamkeit des Prozeßvergleichs auszutragen sind (§ 12). Zum anderen soll ein Blick auf die kostenrechtlichen Konsequenzen eines verfassungsgerichtlichen Vergleichsschlusses geworfen werden (§ 13).

§ 4 Die Zulässigkeit verfassungsgerichtlicher Prozeßvergleiche Die erste Frage, der hier nachzugehen ist, ist die der generell-abstrakten Zulässigkeit verfassungsgerichtlicher Vergleiche. Eine kritische Würdigung des vorhandenen Lehrgutes zeigt, daß die zu ihrer Beantwortung vorgelegten Argumente nicht

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

befriedigen (A.). Der Beweis der Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs ist daher von Grund auf neu zu führen (B.). Eng mit der Frage der Zulässigkeit verbunden ist die, ob die Verfassungsgerichte befugt sind, aus eigenem Antrieb auf eine gütliche Einigung der Verfahrensbeteiligten hinzuwirken. Auch in diesem Punkte soll Klarheit geschaffen werden (C.).

A. Der Stand der Diskussion I. Argumente gegen die Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs und ihre Widerlegung Die Grundhaltung der Literatur gegenüber dem verfassungsgerichtlichen Vergleich ist skeptisch. Für weite Teile der Lehre ist der verfassungsgerichtliche Vergleich ein unmögliches und deshalb nicht weiter diskussionswürdiges Rechtsgeschäft. Zwei Gründe werden regelmäßig angeführt. Zum einen setze der Prozeßvergleich seiner Natur nach einen kontradiktorischen Verfahrensrahmen voraus, der im Verfassungsprozeß aber regelmäßig nicht gegeben sei1. Normenkontrollen, Verfassungsbeschwerden, Anklage- und Wahlprüfungsverfahren kännten keinen Gegner, mit dem sich der Antragsteller vergleichen könne. Ein Prozeßvergleich sei allenfalls in den echten Verfassungsstreitverfahren denkbar (i. e. föderativen und Organstreitigkeiten). In diesen Verfahren aber – und hier kommt das zweite Argument ins Spiel – fehle den Parteien in aller Regel die „Verfügungsbefugnis“ über den Vergleichsgegenstand, denn verfassungsrechtliche Kompetenzen ständen nun einmal nicht zur Disposition ihrer Träger2. Der verfassungsgerichtliche Vergleich wird so mit Hilfe eines zweifachen Apriori ins Reich der Unmöglichkeit verwiesen und damit jeder weiteren Diskussion entzogen. Daß diese Argumente nicht überzeugen, liegt nach allem, was bislang über den Prozeßvergleich festgestellt wurde, auf der Hand. Der Prozeßvergleich setzt keineswegs „von Natur aus“ ein kontradiktorisches Verfahren hinaus3. Von Natur aus ist 1

So etwa Bethge, in: Maunz, BVerfGG, Vorb § 17 (23. Lfg. Januar 2004), Rdn. 49; Fröhlinger, Erledigung, S. 104 f.; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 78, Rdn. 6; Haas, Verfassungsgerichtshof, S. 100; Kotzur, JZ 2003, 73 (80); Lechner/Zuck, BVerfGG, Vor § 17, Rdn. 19; Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 70, Rdn. 228; Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 67; Wintrich/Lechner, in: Bettermann/Nipperdey/ Scheuner, Grundrechte, Bd. III/2, S. 643 (703); Wolff, EuGRZ 2003, 463 (464, 466 f.); offenbar auch Papier im ZRP-Rechtsgespräch, ZRP 2002, 134. 2 Geiger, BVerfGG, S. 64; Haas, Verfassungsgerichtshof, S. 100; Hillgruber/Goos, Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 6; Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 288; H. H. Klein, Staatsraison, S. 9 f.; Lechner/Zuck, BVerfGG, Vor § 17, Rdn. 19; Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 67; Schmitz, Anträge, S. 108; Wintrich/Lechner, in: Bettermann/Nipperdey/ Scheuner, Grundrechte, Bd. III/2, S. 643 (703); Wolff, EuGRZ 2003, 463 (466); wohl auch H.-P. Schneider, in: FS Zeidler, Bd. I, S. 293. 3 s. oben § 1 A. III. 3.

§ 4 Zulässigkeit verfassungsgerichtlicher Prozeßvergleiche

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er nichts weiter als ein materiellrechtlicher Vergleichsvertrag, dessen eine Partei (der Antragsteller) zugleich ein schwebendes gerichtliches Verfahren beendet. Das tut er mit der Zustimmung der anderen Partei, wenn diese neben ihm selbst (als Beklagter) prozessual dispositionsbefugt ist. Er tut es ohne sie, wenn ihm allein die Dispositionsbefugnis über die Prozeßbeendigung zusteht, etwa deshalb, weil das Verfahren überhaupt keinen Antragsgegner kennt. All dies ist in der Dogmatik des Fachprozeßrechts seit langem anerkannt. Nichts spricht dafür, daß es im Verfassungsprozeß anders sein sollte. Es ist ja auch überhaupt kein Grund dafür ersichtlich, warum etwa der Beschwerdeführer einer Urteilsverfassungsbeschwerde nicht den gleichen Prozeßvergleich, den er zuvor schon im fachgerichtlichen Ausgangsverfahren hätte schließen können, auch zur Beendigung des Verfassungsprozesses sollte vereinbaren können. Die nicht-kontradiktorische Ausgestaltung eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens, die überwiegend ohnehin eine arbiträre gesetzgeberische Entscheidung sein dürfte4, kann daher sicherlich nicht als Argument für die Unzulässigkeit des Prozeßvergleichs ins Feld geführt werden. Aber auch das zweite Argument, das die Unzulässigkeit des Prozeßvergleichs in den kontradiktorischen Verfahrensarten belegen soll, ist nicht stichhaltig. Die „Unverfügbarkeit“ verfassungsrechtlicher Kompetenzen ist bei näherer Betrachtung nicht mehr als eine petitio principii. Aus dem ersten Teil unserer Untersuchung wissen wir, daß jeder Vergleich, den ein staatliches Organ auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts abschließt, latent gesetzesinkongruent ist. Der Wirksamkeit des Vergleichs tut dies im allgemeinen aber keinen Abbruch, weil der Vertrag wie viele andere Arten staatlicher Rechtsakte auch eine weitreichende Bestandskraft gegenüber abweichendem Gesetzes- oder auch Verfassungsrecht genießt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz verbieten es, den Gesetzesvorrang uneingeschränkt in die Vernichtung gesetzesinkongruenter Staatsakte münden zu lassen. Für den verwaltungsrechtlichen Vertrag ist dies durch § 59 VwVfG klar entschieden und mittlerweile auch ganz herrschende Lehre. Inwieweit es auch für den verfassungsrechtlichen Vertrag gilt, ist fraglich, da eine § 59 VwVfG entsprechende Regelung im GG fehlt. Es erscheint aber keineswegs von vornherein ausgeschlossen, daß Rechtssicherheit und Vertrauensschutz nicht auch im Verfassungsrechtskreis die Wirksamkeit rechtswidriger, d. h. verfassungswidriger Verträge gebieten könnten. Im Gegenteil: Ob der verfassungsrechtliche Vertrag im Falle seiner Verfassungsinkongruenz in jedem Falle unwirksam ist oder ob Rechtssicherheit und Vertrauensschutz auch hier Raum für eine Bestandskraft und damit für einen Vergleichsvertrag lassen, 4

Ein Rechtsvergleich zeigt, daß zahlreiche Verfahren, die im BVerfGG nicht-streitig ausgestaltet sind, in verwandten Prozeßordnungen eine kontradiktorische Struktur aufweisen. In Hessen etwa kennt die Grundrechtsklage durchaus einen Antragsgegner, vgl. § 43 Abs. 3 HessStGHG. Im österreichischen, schweizerischen und US-amerikanischen Verfassungsrechtsstreit ist Kontradizität gar für alle Verfahrensarten die Regel, s. nur Korinek, VVDStRL 39 (1981), S. 7 (36 f.); Kotzur, JZ 2003, 73 (75 f.). Die Realität des Verfassungsprozesses beweist zudem, daß nicht-kontradiktorische Verfahren oftmals streitähnlich verlaufen, weil Beitrittsund Äußerungsberechtigte sich wie Antragsgegner verhalten, vgl. Söhn, in: FG BVerfG, Bd. I, S. 292 (310 f.).

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

ist gerade doch erst die Frage. Nur wer sie mit schlagenden Argumenten verneinen kann, darf den verfassungsrechtlichen Vergleich als ein unmögliches und deshalb generell-abstrakt unzulässiges Rechtsgeschäft bezeichnen. Schlagende Argumente für die Nichtigkeit verfassungswidriger Verträge sind aber bislang nicht vorgetragen worden. Solange das Nichtigkeitsdogma aber nicht mehr ist als eine unbewiesene These, geht es nicht an, von ihm auf die Unzulässigkeit des verfassungsrechtlichen Vergleichs zu schließen. Einen weiteren Einwand gegen die Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Prozeßvergleichs hat Wolff erhoben5. In seinen Augen verstößt der Abschluß verfassungsgerichtlicher Vergleiche gegen die objektiv rechtsbewahrende Funktion aller Verfassungsgerichtsbarkeit. Ein wesentlicher telos der Einrichtung einer Verfassungsgerichtsbarkeit bestehe darin, die Unverbrüchlichkeit der Verfassung und die Fortbildung des Verfassungsrechts zu gewährleisten. Diese Funktion gerate aber in Gefahr, wenn man die Beendigung verfassungsgerichtlicher Verfahren aus reiner Opportunität heraus zulasse. Ohne eine gesetzliche Grundlage, die die objektive Funktion des Verfassungsprozesses ausdrücklich einschränke, sei der Abschluß verfassungsgerichtlicher Vergleiche daher unzulässig. Diesem Einwand kann nicht gefolgt werden. Wolff ist zwar im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, daß die Durchführung verfassungsgerichtlicher Verfahren nicht allein dem Schutz subjektiver Rechte dient, sondern zugleich auch dem Allgemeininteresse an der Fortbildung des Verfassungsrechts und am Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung. Es geht aber entschieden zu weit, hieraus generell auf die Unzulässigkeit verfassungsgerichtlicher Prozeßvergleiche zu schließen. Wäre es tatsächlich so, daß die objektive Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit eine bloßer Opportunität gehorchende Verfügung über verfassungsgerichtliche Verfahren verböte, dann dürfte es auch so etwas wie die Rücknahme verfahrenseinleitender Anträge beim BVerfG nicht geben. Daß dem aber nicht so ist, ergibt sich nicht nur eindeutig aus §§ 52, 58 BVerfGG, sondern ist – mit Einschränkungen im Detail6 – im Grundsatz auch absolut herrschende Lehre. Hinzu kommt, daß die objektive Funktion der Rechtsbewahrung und der Rechtsfortbildung keineswegs nur dem Verfassungsprozeß zu eigen ist. Auch fachgerichtliche Verfahren dienen mittelbar der Fortbildung und der Bewahrung des Rechts, vgl. nur §§ 511 Abs. 4 Ziff. 1, 543 Abs. 2 S. 1 ZPO, 124 Abs. 2 Ziff. 3, 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO. Daß deswegen aber der Abschluß fachgerichtlicher Prozeßvergleiche unmöglich wäre, hat noch niemand behauptet. II. Unzureichende Begründungsansätze für die Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs Obgleich, wie gesehen, die Ablehnung des verfassungsgerichtlichen Vergleichs auf tönernen Füßen steht, ist bislang nur selten der Versuch unternommen worden, 5 6

Wolff, EuGRZ 2003, 463 (467). Vgl. oben § 3 B. I.

§ 4 Zulässigkeit verfassungsgerichtlicher Prozeßvergleiche

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die Tragfestigkeit des entgegengesetzten Standpunktes auszuloten. Ein kritischer Blick auf die vorliegenden Ansätze zeigt, daß es an einer überzeugenden Begründung für die Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs bislang ebenfalls fehlt. (1.) Nicht selten wird die Frage der Zulässigkeit des Prozeßvergleichs auf eine reine Zweckmäßigkeitsentscheidung reduziert. Die Zulassung verfassungsgerichtlicher Vergleiche sei ein Gebot staatlicher Integration, diene der Demokratisierung des Verfassungsprozesses und entlaste das chronisch überarbeitete und oftmals zur Entscheidung politischer Grundsatzkonflikte mißbrauchte BVerfG7. All das hat nun freilich mit dem positiven Recht nur noch wenig zu tun und ist daher auch nicht geeignet, die Zulässigkeit des Prozeßvergleichs in irgendeiner Form zu belegen. (2.) Andere argumentieren mit der Verfahrensautonomie des BVerfG, also mit dessen behaupteter Kompetenz, das Recht des Verfassungsprozesses eigenmächtig zu regeln8. Dem BVerfG stehe es frei, den Prozeßvergleich legislativähnlich in den Verfassungsprozeß einzuführen. Daß eine solche Verfahrensautonomie des BVerfG unmöglich existieren kann, weil der Gesetzgeber das verfassungsgerichtliche Verfahren selbst zu regeln hat (Art. 94 Abs. 2 GG) und Legislativkompetenzen nicht an ein Gericht delegieren kann (arg. Art. 80 Abs. 1 GG), wurde bereits dargelegt9. Die Möglichkeit einer Zulassung verfassungsgerichtlicher Vergleiche de lege curiae besteht daher sicherlich nicht. (3.) Ein dritter Ansatz schließlich meint, die Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs ergebe sich aus einer Analogie zum allgemeinen Prozeßrecht (§§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, 106 VwGO)10. Dagegen spricht, daß die Zulässigkeitsfrage in §§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, 106 VwGO überhaupt nicht entschieden wird, sondern, im Gegenteil, als entschieden vorausgesetzt ist. § 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO regelt allein die Vollstreckbarkeit des (als gegeben betrachteten) Prozeßvergleichs, § 106 VwGO nicht mehr als seine Einbettung in das materielle Vertragsrecht (S. 1) und die Befugnis des Gerichts, den Parteien im schriftlichen Verfahren einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten (S. 2). Daß es den Prozeßvergleich gibt, wird sowohl in der ZPO als auch in der VwGO vorausgesetzt. Will man die Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Prozeßvergleichs positiv belegen, so muß man zu anderen Argumenten greifen.

7 Geiger, BVerfGG, S. 64; Kotzur, JZ 2003, 73 (76 ff.); T. I. Schmidt, NVwZ 2002, 925 (926); im Ansatz auch S. Wolf, KJ 2002, 250 (251 f.) und Wolff, EuGRZ 2003, 463 (470 f.). 8 Kotzur, JZ 2003, 73 (74); Schmitz, Anträge, S. 103. 9 Oben § 3 B. II. 10 Lechner/Zuck, BVerfGG, Vor § 17, Rdn. 19; wohl auch T. I. Schmidt, NVwZ 2002, 925 (926).

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

B. Die Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Prozeßvergleichs I. Der verfassungsgerichtliche Vergleich – ein heteronomes Rechtsgeschäft Prozeßvergleiche in der Verfassungsgerichtsbarkeit sind zulässig. Die Begründung hierfür lautet wie folgt: Der verfassungsgerichtliche Vergleich ist ein heteronomes Rechtsgeschäft. Er gründet auf zwei Rechtshandlungen, die die Rechtsordnung anerkennt, und er bewegt sich ganz und gar in ihrem Rechtsregime. Als materiellrechtlicher Vertrag ist er eingebettet in das sachliche Recht des Vergleichsvertrags, als Prozeßhandlung unterliegt er den Grundsätzen über die Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren. Der verfassungsgerichtliche Vergleich kann keine anderen Rechtsfolgen bewirken als solche, die das materielle Vertragsrecht und das Verfassungsprozeßrecht ohnehin zulassen. Er ist nicht mehr als ein Hybrid zweier Rechtshandlungen, die im geltenden Recht bereits angelegt sind und die von ihm abschließend geregelt werden. Er bedarf keiner Zulassung durch den Verfahrensgesetzgeber. Seine Zulässigkeit ist die des materiellrechtlichen Vergleichsvertrags und die der parteiautonomen Beendigung verfassungsgerichtlicher Verfahren. Die Richtigkeit dieser Thesen läßt sich in zweifacher Hinsicht untermauern. Zum einen durch eine Verdeutlichung der Eingebundenheit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs in das materielle und in das prozessuale Recht (II.). Zum anderen durch einen vergleichenden Blick auf die außerverfassungsprozessualen Regelungen des gerichtlichen Vergleichs. ZPO und VwGO zeigen deutlich, daß offenbar auch der Verfahrensgesetzgeber selbst von einer prälegislativen Zulässigkeit des Prozeßvergleichs ausgeht und deshalb regelmäßig auf seine explizite Zulassung dieses Rechtsgeschäfts verzichtet (III.). II. Die Eingebundenheit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs in das materielle Vertragsrecht und in das Verfassungsprozeßrecht Seinem Grundtatbestand nach ist der verfassungsgerichtliche Vergleich ein gewöhnlicher Vergleichsvertrag. Die Existenz dieses Vertragstypus ist unbestreitbar. Der Vergleich ist ein Vertrag, den jede Teilrechtsordnung impliziert, sobald sie den Vertrag als Rechtsquelle überhaupt anerkennt. Als Rechtsquelle ist der Vergleich von anderen Verträgen schließlich in nichts zu unterscheiden. Er bedient sich der Gestaltungsmöglichkeiten des allgemeinen Vertragsrechts, er unterliegt dessen Rechtsregime und er kann folglich auch keine anderen Rechtsfolgen hervorbringen als andere Verträge auch11. Von anderen Verträgen unterscheidet er sich nur in seiner causa (privatrechtlicher Vergleich) bzw. in der subjektiven Gesetzesinkongruenz des 11

Vgl. oben § 2 B.

§ 4 Zulässigkeit verfassungsgerichtlicher Prozeßvergleiche

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Vereinbarten (öffentlichrechtlicher Vergleich). Beide Tatbestandsmerkmale sind mit den jeweiligen Rahmenrechtsordnungen vereinbar. Die Feststellungscausa, weil das Privatrecht seinen Rechtssubjekten Vertragsfreiheit nicht nur hinsichtlich der Rechtsfolgen ihrer Vereinbarungen zugesteht, sondern auch hinsichtlich deren Rechtsgrund12. Die subjektive Gesetzesinkongruenz, weil das Rechtsstaatsprinzip unter der Bedingung objektiver Rechtsungewißheit auch ein Abweichen von verfahrensregulären Entscheidungen erlaubt13. Alle wesentlichen Teilrechtsordnungen über deren Rechtsfolgen im Verfassungsprozeß gestritten werden kann – das Staatsorganisationsrecht, das Verwaltungsrecht und das Privatrecht – erkennen den Vertrag als Rechtsquelle grundsätzlich an. Sie anerkennen damit auch die Möglichkeit, ungewisse oder streitige Rechtsfolgen vertraglich zu bereinigen. Die Pazifierung verfassungsgerichtlicher Streitigkeiten ist dementsprechend für das materielle Recht im Grundsatz eine Selbstverständlichkeit. Die Frage ist allenfalls, inwiefern bestimmte, konkrete Vergleichsvereinbarungen möglich sind. Die Antwort ist aufs engste mit den materiellrechtlichen Wirksamkeitsbedingungen des Vergleichsvertrags verknüpft und hängt damit im wesentlichen von zwei Faktoren ab. Zum einen von der Disponibilität der streitigen Rechtsnormen, zum anderen – wo indisponibles Recht in Frage steht – von der Bestandskraft des Vertrags gegenüber etwaigen Gesetzesverletzungen. Je nach dem sachlich betroffenen Vertragsrecht setzen beide Determinanten der vertraglichen Bereinigung ungewisser Rechtsfolgen weitere oder engere Grenzen. Diese Grenzen sind im einzelnen erst noch auszuloten14. Ohne weiteres ist jedoch ersichtlich, daß zumindest auf einzelnen verfassungsprozessual relevanten Rechtsgebieten vertragliche Gestaltungsfreiheit prinzipiell besteht. Privatrechtliche oder verwaltungsrechtliche Streitigkeiten etwa, die wegen ihrer Grundrechtsrelevanz einer Verfassungsbeschwerde zugänglich sind, sind regelmäßig auch durch privatrechtliche oder verwaltungsrechtliche Vergleichsverträge zu bereinigen. Schon das aber genügt, um in einem abstrakten Sinne von einer materiellrechtlichen Zulässigkeit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs zu sprechen. Der verfassungsgerichtliche Vergleich geht aber über den Grundtatbestand des Vergleichsvertrags noch hinaus, indem er zugleich Prozeßhandlung ist. Er beendet ein schwebendes verfassungsgerichtliches Verfahren. Die Zulässigkeit einer solchen Prozeßhandlung ist – zumindest im Grundsatz – allgemein anerkannt. Umstritten ist lediglich, ob schlechthin jedes verfassungsgerichtliche Verfahren der Disposition seiner Beteiligten unterliegt oder ob – abhängig vom Stand des Verfahrens oder von seinem Zweck – gewisse Einschränkungen zu machen sind15. Die prinzipielle Zulässigkeit des Prozeßvergleichs aber ist für alle Ansichten zwingend. Je nach dem Standpunkt, den man zur Disponibilität verfassungsgerichtlicher Verfahren einneh12 13 14 15

Marburger, Schuldanerkenntnis, S. 35 ff. Vgl. oben § 2 C. III. und D. II. 2. Vgl. unten § 8. Vgl. oben § 3 B. I.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

men will, verbleibt dem Prozeßvergleich lediglich ein engeres oder ein breiteres Anwendungsfeld. Wer, mit der hier vertretenen Meinung, den Verfassungsprozeß generell für ein disponibles Verfahren hält, wird Verfahrensbeendigungen durch Prozeßvergleiche in allen Verfahrensarten und in jedem Verfahrensstadium zulassen. Wer, mit dem BVerfG, ab dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung öffentliche Interessen als potentiellen Hindernisgrund ansieht, wird verhandelte Anträge von einer Beendigung durch Prozeßvergleiche ausnehmen, sofern öffentliche Interessen entgegenstehen. Wer, wie ein Teil der Lehre, nur subjektiv rechtsschützende Verfahren für disponibel hält, mag Prozeßvergleiche in objektiven Verfahrensarten ausschließen. Die Tatsache aber, daß eine Verfahrensbeendigung durch Prozeßvergleiche zumindest unter bestimmten Bedingungen möglich ist, müssen alle Ansichten zugestehen. Der verfassungsgerichtliche Vergleich ist damit die Summe zweier Rechtshandlungen, die im geltenden Recht bereits angelegt sind und die von ihm in mehr oder weniger engen Grenzen zugelassen werden. Wenn aber die Bestandteile des Prozeßvergleichs je für sich genommen zulässig sind, dann muß es auch der Prozeßvergleich als Ganzes sein. Die Konstruktion des „einheitlichen Rechtsgeschäfts mit Doppelnatur“ dient der herrschenden Meinung schließlich doch nur dazu, materiellrechtliche oder prozessuale Wirksamkeitsdefizite des Vergleichs in angemessener Weise auf das Bereinigungsgeschäft im Ganzen zu erstrecken16. Sie dient hingegen nicht dazu, den Prozeßvergleich als einen völlig neuartigen Rechtsakt zu erfinden, ihm also Rechtswirkungen zu verschaffen, die die Rechtsordnung ansonsten nicht zulassen würde und die die Parteien auf Grundlage des vorfindlichen materiellen und prozessualen Rechts nicht zu erzeugen in der Lage wären. Der verfassungsgerichtliche Prozeßvergleich ist damit ein zulässiges Rechtsgeschäft ebenso wie es auch der materiellrechtliche Vergleichsvertrag und die Beendigung des Verfassungsprozesses sind. III. Bestätigung der Heteronomiethese in den gesetzlichen Regelungen des zivilgerichtlichen (§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO) und des verwaltungsgerichtlichen Vergleichs (§ 106 VwGO) Ein Blick auf die fachgerichtlichen Verfahrensordnungen zeigt, daß offenbar auch der Gesetzgeber selbst den Prozeßvergleich für ein heteronom gegebenes Rechtsinstitut hält, das keiner ausdrücklichen Zulassung bedarf. Besonders deutlich wird dies in den Regelungen des Zivilprozeßrechts. Die ZPO regelt nicht mehr als die Kostenfolgen (§ 98 ZPO) und die Vollstreckbarkeit des Prozeßvergleichs (§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO). Daß Prozeßvergleiche geschlossen werden können, setzt der Gesetzgeber voraus. Er muß dies, weil die den Prozeßvergleich konstituierenden Rechtsakte – Vergleichsvertrag und Prozeßbeendigungshandlung – im geltenden Recht bereits angelegt sind. Und er kann es, weil für 16

Vgl. oben § 1 A. I.

§ 4 Zulässigkeit verfassungsgerichtlicher Prozeßvergleiche

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beide Rechtsakte ein voll entwickeltes Rechtsregime zur Verfügung steht, das auch in Ansehung ihrer Verklammerung zu einem einheitlichen Rechtsgeschäft mit Doppelnatur keiner substantiellen Ergänzungen bedarf. Wie § 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO zeigt, gilt dieses gesetzgeberische Verständnis nicht allein für den zivilprozessualen Vergleich, sondern für alle Gerichtszweige. § 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO spricht von Vergleichen „vor einem deutschen Gericht“, nicht von Vergleichen „vor einem Zivilgericht“. Der Gesetzgeber hält den Prozeßvergleich also ganz offenbar für ein gemeinrechtliches Institut, das überall dort seinen Anwendungsbereich hat, wo das materielle Recht eine vertragliche Streitbereinigung ermöglicht und zugleich das Prozeßrecht die autonome Beendigung schwebender Verfahren zuläßt. Dieser Eindruck bestätigt sich im Verwaltungsprozeßrecht. Auch hier sind die den Prozeßvergleich betreffenden Regelungen in erster Linie kosten- und vollstreckungsrechtlicher Natur (§§ 160, 168 Abs. 1 Ziff. 3 VwGO). An einer ausdrücklichen Ermächtigung zum Abschluß von Prozeßvergleichen fehlt es. Insbesondere § 106 VwGO ist eine solche nicht zu entnehmen. § 106 VwGO kreiert den Prozeßvergleich nicht, sondern setzt ihn als Rechtsinstitut voraus. In materieller Hinsicht identifiziert § 106 S. 1 VwGO den Prozeßvergleich mit dem vorfindlichen Vergleichsvertrag des materiellen Rechts. In prozessualer Hinsicht erlaubt § 106 S. 1 VwGO nichts, was nicht schon nach allgemeinem Verwaltungsprozeßrecht zulässig wäre. Die Zulässigkeit der parteiautonomen Beendigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren ergibt sich schließlich nicht erst aus § 106 VwGO, sondern aus der dem gesamten Verwaltungsprozeß zugrundeliegenden Dispositionsmaxime, die ihrerseits aus einer ganzen Reihe verwaltungsprozessualer Einzelregelungen herzuleiten ist17. Der Gesetzgeber des fachgerichtlichen Verfahrensrechts teilt also offenbar die hier vertretene Ansicht, wonach der Prozeßvergleich ein gegebenes Rechtsinstitut ist, dessen ausdrückliche Zulassung das materielle Vertragsrecht und das allgemeine Prozeßrecht erübrigen.

C. Befugnis des BVerfG zur Unterbreitung eigener Vergleichsvorschläge? Nach alledem ist die Befugnis der Verfahrensbeteiligten, zur Beendigung eines Verfassungsprozesses einen Prozeßvergleich zu schließen, eine reine Selbstverständlichkeit. Eine ganz andere Frage ist, ob das BVerfG aus eigenem Antrieb auf Prozeßvergleiche hinwirken kann, insbesondere den Beteiligten den Vorschlag einer gütlichen Einigung unterbreiten darf. Die Meinungen hierüber sind geteilt. 17

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 81, Rdn. 1; Kuntze, in: Bader/Funke-Kaiser/ders./v. Albedyll, VwGO, § 86, Rdn. 4; G. Lüke, JuS 1961, 41 (42); Tettinger/Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, § 4, Rdn. 1. Zum anfänglichen Streit um die Geltung der Dispositionsmaxime im Verwaltungsprozeß vgl. Weitemeyer, Vergleich, S. 48 ff.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Ein Teil des Schrifttums lehnt eine derartige Initiativkompetenz des Gerichts mangels gesetzlicher Grundlage ab18. Das BVerfG mache sich unerlaubterweise zum Interessenwalter der Parteien, „verfüge über das Verfassungsrecht“ und bringe zudem seine Unparteilichkeit in Gefahr, wenn es in steuernder Weise auf den Abschluß eines Prozeßvergleichs hinwirke. Andere halten diese Bedenken für unbegründet19. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung ähnlich derjenigen in §§ 278 Abs. 6 S. 1 ZPO, 106 S. 2 VwGO bedürfe das BVerfG zur Anregung eines Prozeßvergleichs nicht. Aufgrund der (angeblich) in allen verfassungsgerichtlichen Verfahrensarten zumindest im Ansatz nachzuweisenden Offizialmaxime20 bzw. aus Erwägungen funktioneller Gewaltenteilung21 sei das Gericht ohne weiteres zum Hinwirken auf eine Verständigungslösung befugt. Zu folgen ist letzterer Ansicht. Das BVerfG bedarf keiner expliziten gesetzlichen Ermächtigung, um den Beteiligten eines Verfassungsrechtsstreits einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Das ergibt sich indes weder aus der Offizialmaxime – diese gilt im Verfassungsprozeß gerade nicht22 –, noch aus funktionellrechtlichen Erwägungen23. Die These, das BVerfG habe um so eher auf eine gütliche Einigung hinzuwirken je weniger es sich im Verhältnis zu den anderen Staatsorganen zur urteilsmäßigen Entscheidung über die Sache eigne, ist – abgesehen von ihrer zweifelhaften methodischen Fundierung24 – ein Widerspruch in sich selbst. Sie führt zu der merkwürdigen Konsequenz, daß das BVerfG desto eher gestalterisch tätig werden müßte, je weniger es hierzu in der Lage ist. Richtigerweise ergibt sich die Kompetenz des BVerfG zur Streitschlichtung und Vermittlung aus der aller Gerichtsbarkeit innewohnenden Aufgabe der Justizgewährleistung. Erfüllung findet diese Aufgabe nicht nur im Erkennen und Entscheiden, sondern auch im Vermitteln und Schlichten25. Die dazu erforderliche Kompetenz der Gerichte ist im positiven 18 Hillgruber/Goos, Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 6; Wolff, EuGRZ 2003, 463 (467 ff.); krit. auch Renck, ZRP 2002, 316 (317): „Zwielicht eines Prozedierens, das mit dem Begriff des ordentlichen Verfahrens nicht mehr exakt umschrieben werden kann“. 19 Kotzur, JZ 2003, 73 (81); Kreutzberger, Entscheidungsvarianten, S. 285; T. I. Schmidt, NVwZ 2002, 925 (929). 20 Kreutzberger, Entscheidungsvarianten, S. 285. 21 Kotzur, JZ 2003, 73 (81). 22 Vgl. oben § 3 B. II. 23 Vgl. zum funktionellrechtlichen Ansatz der Gewaltenteilung grdl. BVerfGE 68, 1 (86); Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. II (3. Aufl.), § 26, Rdn. 50. Zur Fruchtbarmachung dieses Ansatzes in bezug auf das BVerfG vgl. Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 93, Rdn. 40. 24 Der Sache nach wird hier versucht, Verfassungsprozeßrecht unmittelbar aus dem GG zu gewinnen. Gegen diesen auf Häberle und Engelmann zurückgehenden Ansatz (vgl. die Nachweise oben § 3 A. Fn. 273) mit Recht Bethge, in: FS Musielak, S. 77 (78); Fröhlinger, Erledigung, S. 91 ff.; Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 173 ff.; Schlaich/ Korioth, BVerfG, Rdn. 57; Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1029. 25 Vgl. Stürner, in: FS Walder, S. 273 (278 ff., 280).

§ 5 Systematik der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände

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Recht auf vielfache Weise verankert. Alle Verfahrensordnungen, in denen eine vergleichsvertragliche Bereinigung aus Sicht des materiellen Rechts überhaupt nur möglich erscheint, sehen entsprechende Initiativbefugnisse (teils sogar -pflichten) der Gerichte ausdrücklich vor, vgl. §§ 278 Abs. 1 und 6 ZPO; 87 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1, 106 S. 2 VwGO, 54, 57 Abs. 2 ArbGG. Die richterliche Schlichtungsbefugnis kann daher als eine allgemeine Regel des Verfahrensrechts aufgefaßt werden, die auch im Verfassungsprozeßrecht Geltung beansprucht. Es sollte keinem Zweifel unterliegen, daß diese Regel insbesondere auch grundrechtlicher Würdigung standhält. Wenn man den Vorschlag gütlicher Einigung seitens des BVerfG überhaupt als „Eingriff“ in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG ansehen will, so ist dieser Eingriff doch sicherlich verhältnismäßig und damit gerechtfertigt, weil dem Petenten jederzeit die Möglichkeit verbleibt, durch eine Zurückweisung des gerichtlichen Einigungsvorschlags umgehend die Fortsetzung des Verfahrens zu erzwingen26.

§ 5 Systematik der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände Ein zulässiges Rechtsgeschäft ist der verfassungsgerichtliche Vergleich bis hierhin allein aufgrund generell-abstrakter Betrachtung. Die weitere Frage ist, inwiefern konkrete Verfassungsrechtsstreitigkeiten durch individuelle Beteiligte bereinigt werden können. Beantwortet werden kann sie nur durch eine genauere Untersuchung der materiellrechtlichen (§ 8) und prozessualen (§ 9) Wirksamkeitsbedingungen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs. Aufmerksamkeit verdient dabei weniger die prozessuale Verfügung (die Verfahrensbeendigung) – ihre Zulässigkeit konnte bereits in allgemeiner Form belegt werden (§ 3). Von vorrangigem Interesse ist vielmehr das materiellrechtliche Substrat des Prozeßvergleichs (der Vergleichsvertrag). Um Aussagen über seine Wirksamkeit treffen zu können, bedarf es einer genaueren Vorstellung von seinem Inhalt. Wir erfassen hierzu in systematischer Weise die in Betracht zu ziehenden Vergleichsgegenstände (§ 5) und analysieren sodann, durch welche Art von Vertragsregelungen sie bereinigt werden könnten (§ 6) und in der Praxis tatsächlich bereinigt werden (§ 7).

A. Übergreifendes Differenzierungskriterium: sachlich-funktional zusammengehörige Normenkomplexe des Verfassungsrechts Die erste Frage lautet demgemäß, welche Vergleichsgegenstände in den verfassungsgerichtlichen Verfahren überhaupt zu bereinigen sind, genauer gesagt: über welche Rechtsfolgen in der Verfassungsgerichtsbarkeit eigentlich gestritten wird. 26

Wie hier im Ergebnis auch Kreutzberger, Entscheidungsvarianten, S. 282.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Es liegt nahe, sich dieser Frage entlang der Systematik der verfassungsgerichtlichen Verfahrensarten zu nähern. Das hieße, je für Organstreitigkeiten, Bund-Länder-Streitigkeiten, Individualverfassungsbeschwerden, abstrakte und konkrete Normenkontrollen etc. zu fragen, über welche materielle Rechtsfolge das BVerfG in der jeweiligen Verfahrensart zu erkennen hat. Ein solches Vorgehen entspräche dem wohl gängigen Paradigma der verfassungsprozessualen Dogmatik. Die Lehre des Verfassungsprozeßrechts ist eine Lehre seiner Verfahrensarten27. In Hinblick auf den Vergleichsgegenstand ist eine solcherart differenzierende Herangehensweise jedoch von Grund auf verfehlt. Der Vergleichsgegenstand ist eine Rechtsfolge des materiellen Rechts. Er muß dementsprechend auch nach materiellrechtlichen Kriterien kategorisiert werden. Aktionenrechtliches Denken führt hier in eine Sackgasse, und zwar aus wenigstens zwei Gründen. Zum einen sind die verfassungsgerichtlichen Verfahrensarten ungeeignet, Vergleichsgegenstände randscharf voneinander abzugrenzen28. Streitigkeiten über ein und dieselbe materielle Rechtsfolge lassen sich oftmals in mehreren verschiedenen Verfahrensarten austragen29. Die Grundrechtswidrigkeit eines Gesetzes etwa ist ebenso ein Fall für die Verfassungsbeschwerde wie für die abstrakte Normenkontrolle. Zum anderen greift der rein prozessuale Blick auf die streitigen Rechtsfolgen regelmäßig zu kurz. Die Rechtsfolge, über die das BVerfG unmittelbar zu erkennen hat, muß nämlich keineswegs auch die Rechtsfolge sein, über die Beteiligten „in Wirklichkeit“ streiten und an deren Bereinigung ihnen letztendlich gelegen ist. Beantragt etwa Prinzessin K vor dem BVerfG die Feststellung, ein Zivilgericht habe ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt, weil es ihren Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Artt. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG gegen den S-Verlag verkannt habe, der ein frei erfundenes „Exklusivinterview“ mit ihr verbreitet hat30, dann liegt diesem Antrag aus prozessualer Sicht allein die Frage der Grundrechtswidrigkeit des richterlichen Verhaltens als streitige Rechtsfolge zugrunde. Es liegt aber auf der Hand, daß die Rechtsfolge, über die die K „eigentlich“ streitet und an deren vertraglicher Bereinigung ihr ernstlich überhaupt nur gelegen sein kann, eine ganz andere ist, nämlich die, ob und in welcher Höhe ihr ein Schadensersatz27

Vgl. exemplarisch den Aufbau der Lehrbücher von Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht; Schlaich/Korioth, BVerfG. 28 Die Mehrdimensionalität des heutigen Verfassungsprozeßrechts ist seiner Entstehungsgeschichte geschuldet. In ihrer heutigen Form ist die Verfassungsgerichtsbarkeit die Summe punktueller Kontrollmöglichkeiten für die Verletzung bestimmter Verfassungsnormen einerseits (Organkompetenzordnung, förderative Kompetenzordnung, Grundrechte etc.) und für die Verfassungswidrigkeit bestimmter Rechtsakte andererseits (nämlich formeller Gesetze und Wahlen). Hinzu kommen bestimmte Sonderzuständigkeiten für die Amtsenthebung und für den Verlust bestimmter Rechte infolge vorsätzlicher Verletzungen des Verfassungsrechts. Zur historischen Entstehung der einzelnen Verfahrensarten ausf. Scheuner, in: FG BVerfG, Bd I, S. 1 ff. 29 s. nur Maunz, in: ders./Dürig, GG, Art. 93 (33. Lfg. November 1997), Rdn. 86 ff. 30 Vgl. BGHZ 128, 1; BVerfGE 34, 269.

§ 5 Systematik der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände

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anspruch gegen den S zusteht oder nicht. Ähnliche Defizite des prozessualen Blickwinkels lassen sich auch in anderen Verfahrensarten ausmachen, etwa in der konkreten Normenkontrolle.

Will man die Vergleichsgegenstände der Verfassungsgerichtsbarkeit überschneidungsfrei und vor allen Dingen mit Aussicht auf Vollständigkeit erfassen, dann empfiehlt sich ein anderes, ein allein am materiellen Recht orientiertes System. Grundlage dieses Systems ist die Überlegung, daß die Verfassungsgerichtsbarkeit eine besondere Einrichtung zur Kontrolle von Verfassungsverletzungen ist31. Vor den Verfassungsgerichten wird über Rechtsfolgen gestritten, die sich aus der angeblichen Verletzung von Verfassungsnormen durch deren Adressaten ergeben. Es gilt demnach, diese Verfassungsrechtsfolgen – die potentiellen Vergleichsgegenstände – in ein sinnvolles und vollständiges System zu bringen. Das macht es erforderlich, vom Verfassungsrecht selbst auszugehen und zu prüfen, welche Rechtsfolgen seine Verletzung mit sich bringt. Dabei muß nicht jede Verfassungsnorm einzeln erfaßt werden. Es genügt, sachlich zusammengehörige Komplexe von Verfassungsrecht zu bilden und die Rechtsfolgen ihrer Verletzung jeweils en bloc abzuhandeln32. Als Normkomplexe dieser Art ergeben sich: erstens die Organkompetenzordnung (dazu im folgenden B.), zweitens die Verbandskompetenzordnung (C.), drittens die Grundrechte (D.), viertens das für die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages maßgebliche Wahl- und Mandatsrecht33 (E.) und fünftens bestimmte Normen des Verfassungsrechts, deren vorsätzliche Verletzung einen Amtsverlust, ein Parteiverbot oder eine Grundrechtsverwirkung nach sich zieht (im Kern: die freiheitlich demokratische Grundordnung, dazu im folgenden F.). In ihrer Summe erfassen die genannten Normkomplexe praktisch das gesamte positive Verfassungsrecht. Nahezu jede Rechtsfolge, über die man im Rahmen verfassungsgerichtlicher Verfahren überhaupt nur streiten kann, resultiert aus ihrer Verletzung. Ein kurzer Kontrollblick zeigt, daß insbesondere auch alle wesentlichen Rechtsfolgen, über die das BVerfG explizit zu erkennen hat, in unserem System erfaßt sind. So ist die „Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Maßnahme oder der Unterlassung“ (§ 67 S. 1 BVerfGG), die das BVerfG in den Organstreitverfahren festzustellen hat (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 und 4 Alt. 3 GG), evidentermaßen nichts weiter als die Primärrechtsfolge einer Verletzung der Organkompetenzordnung durch die obersten Staatsorgane.

31 Vgl. Bethge in: Maunz, BVerfGG, § 71 (15. Lfg. April 1997), Rdn. 20; Hopfauf, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 93, Rdn. 11; Korinek, VVDStRL 39 (1981), S. 7 (17); Roellecke, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 68, Rdn. 1; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 93, Rdn. 92; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 93, Rdn. 30 ff. 32 Auch das System der Entscheidungszuständigkeiten des BVerfG folgt in einer seiner Dimensionen dieser am materiellen Verfassungsrecht orientierten Systematik, vgl. oben Fn. 28. 33 Obwohl das parlamentarische Wahl- und Abgeordnetenrecht zu weiten Teilen einfachgesetzlich geregelt ist, stellt es jedenfalls in einem materiellen Sinne Verfassungsrecht dar, vgl. nur Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16, Rdn. 21; Schreiber, Handbuch, § 49, Rdn. 2.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Entsprechendes gilt – in den föderativen Streitigkeiten (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 3 und Ziff. 4 Alt. 2 GG) – für die „Unzulässigkeit“ der gerügten Maßnahme und für die „Unterlassungs-, Folgenbeseitigungs-, Duldungs- oder Vornahmeansprüche“ die ihretwegen entstehen (§§ 67, 69, 72 Abs. 1 BVerfGG). Erkannt wird hier offenbar über bestimmte Rechtsfolgen der Verletzung der Verbandskompetenzordnung durch Bund und Länder. Ebenso offenkundig ist die „Grundrechtsverletzung“ (§ 95 Abs. 1 S. 1 BVerfGG), über die in den Individualverfassungsbeschwerden erkannt wird (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4a GG), nichts weiter als die primäre Rechtsfolge der Verletzung einer Grundrechtsnorm durch den Gesetzgeber, die Exekutive oder die Gerichte. Die „Gültigkeit der Wahlen zum Bundestag“ und der „Verlust des Abgeordnetenmandats“ – die Rechtsfolgen, die das BVerfG in den Wahl- und Mandatsprüfungsverfahren ausspricht (Art. 41 Abs. 2 GG) – ergeben sich aus Verstößen gegen den Normkomplex des Wahl- und Mandatsrechts. Präsidenten- (Art. 61 GG) und Richteranklagen (Art. 98 Abs. 2 und 5 GG), Parteiverbots(Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG) und Grundrechtsverwirkungsverfahren schließlich (Art. 18 GG) liegt im Kern die Frage einer Verletzung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zugrunde34. Auch die Unwirksamkeit eines Gesetzes – die Rechtsfolge, über die das BVerfG aus Anlaß einer abstrakten (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG) oder einer konkreten Normenkontrolle erkennt (Art. 100 Abs. 1 GG) – ist stets die Rechtsfolge der Verletzung einer der oben versammelten Verfassungsnormen. Sie ergibt sich entweder aus einer Verletzung der Verbandskompetenzordnung (Artt. 70 ff. GG) oder aus einer Verletzung der Grundrechte, in seltenen Fällen auch aus einer Verletzung der Mitwirkungsrechte einzelner Staatsorgane im Gesetzgebungsverfahren (d. h. aus einem Verstoß gegen die Organkompetenzordnung).

Die Rechtsfolgen, auf die sich die verfassungsgerichtliche Erkenntnis konzentriert, bilden nun aber, wie gesagt, nur einen Ausschnitt der insgesamt möglichen Rechtsfolgen einer Verletzung des Verfassungsrechts. Die denkbaren Bezugspunkte von Streit und Ungewißheit sind insgesamt breiter gefächert. Sie sollen im folgenden systematisch erfaßt werden.

B. Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung Die erste Kategorie von Vergleichsgegenständen, auf die hier das Augenmerk gerichtet werden soll, sind die Rechtfolgen von Verletzungen der verfassungsrechtlichen Organkompetenzordnung35. Zu diesem Normkomplex zählen alle 34 Die Präsidentenanklage kann auch die Verletzung sonstigen Verfassungsrechts oder einfachen Bundesgesetzesrechts zum Gegenstand haben. Sofern diese Verfahrensart überhaupt jemals praktisch werden sollte, dürften allerdings Verstöße gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung im Vordergrund stehen. 35 Prozesse vor dem BVerfG können sowohl die Verletzung der Organkompetenzordnung des Bundes betreffen (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG) als auch Verletzungen der Organkompetenzordnungen der Länder (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4 Alt. 3 GG). Entsprechend dem bundesverfassungsrechtlichen Hauptaugenmerk dieser Untersuchung (vgl. oben Einführung) gelten die folgenden Betrachtungen allein dem Staatsorganisationsrecht des Bundes (i. e. dem GG). Die

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Rechtssätze der Verfassung, die den obersten Staatsorganen, ihren rechtsfähigen Teilen und den politischen Parteien36 Zuständigkeiten und Kompetenzen – bzw. in den Worten des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG: „Rechte und Pflichten“ – zur Erledigung der Staatsaufgaben zuweisen37. Die fraglichen Einzelnormen sind weit über die Verfassung verstreut, haben ihren wesentlichen Kern aber in Artt. 38 – 69, 76 – 82 GG. Die Verletzung eines Rechtssatzes der Organkompetenzordnung kann im wesentlichen drei Rechtsfolgen auslösen. I. Primärer Vergleichsgegenstand: Rechtswidrigkeit des angeblichen Verletzungsakts Primärrechtsfolge jedes Verstoßes38 gegen ein Gebot, Verbot oder eine Erlaubnis der Organkompetenzordnung ist die Verfassungswidrigkeit des Verletzerverhaltens an sich. Die erste Rechtsfolge, um die aus Anlaß einer angeblichen Organkompetenzverletzung gestritten werden kann, ist also die Rechtswidrigkeit eines bestimmten Rechts- oder Realakts bzw. die Rechtswidrigkeit seiner Unterlassung. Um diese Rechtsfolge geht es – zumindest implizit – bei allen Organkompetenzstreitigkeiten. Ihre Bereinigung ist, wie sich zeigen wird, Dreh- und Angelpunkt jedes denkbaren Vergleichs39. II. Bei Rechtsakten ferner: Wirksamkeit des Verletzungsakts Handelt es sich bei dem gerügten Verhalten um einen Rechtsakt, so wird der Streit regelmäßig auch die Frage betreffen, ob die behauptete Verfassungswidrigkeit die dabei gewonnenen Ergebnisse dürften jedoch im wesentlichen auf die Landesebene übertragbar sein. 36 Nach Ansicht des BVerfG genießen die politischen Parteien den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution ohne dabei jedoch Teile der Staatsorganisation oder gar staatliche Organe zu sein, vgl. BVerfGE 1, 208 (225); 13, 54 (82); stRspr. Der daraus abgeleitete Doppelstatus der politischen Parteien (und seine prozessuale Konsequenz: Beteiligtenfähigkeit der Parteien im Organstreitverfahren) wird in der Literatur wegen seiner inneren Widersprüche überwiegend abgelehnt, vgl. etwa Henke, in: BK, Art. 21 (63. Lfg. September 1991), Rdn. 254; Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21, Rdn. 50 ff.; Kunig in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 40, Rdn. 126 f. 37 Aus sprachlichen Gründen wird im folgenden oftmals verkürzend von den obersten Staatsorganen und ihren Kompetenzen gesprochen, gemeint sind dabei jedoch stets auch die rechtsfähigen Organteile und die politischen Parteien nebst deren Rechten und Pflichten. Klargestellt sei, daß die politischen Parteien nach absolut h.M. keine Staatsorgane sind, sondern private Vereinigungen, und daß sie dementsprechend auch keine Kompetenzen innehaben, sondern nur besondere aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG folgende Statusrechte. 38 Durch welche Verhaltensweisen fremde Organkompetenzen verletzt werden können, ist bislang wenig erforscht. Eine arbeitsfähige Typologie der Organrechtseingriffe findet sich bei W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 701 ff. 39 Vgl. dazu i. e. unten § 6 A.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Wirksamkeit des fraglichen Rechtsakts beeinträchtigt. Vergleichsgegenstand ist dann das Bestehen oder die Vernichtbarkeit des betroffenen Rechtsakts. Beispiel: Die Bundesregierung läßt einen von ihr erarbeiteten Gesetzesentwurf durch die Regierungsfraktion in den Bundestag einbringen, um die zeitraubende Erstzuleitung an den Bundesrat zu vermeiden (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG). Bekanntlich ist umstritten, ob ein solches Verfahren die Rechte des Bundesrats aus Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG verletzt40. Vergleichsgegenstand wäre hier primär die Verfassungswidrigkeit des Verhaltens der Bundesregierung und der Regierungsfraktion. Daneben wäre gegebenenfalls aber auch zu klären, ob der angebliche Verfassungsverstoß zur Nichtigkeit des Gesetzes führt.

III. Nach hier vertretener Ansicht ferner: Reaktionsrechte des in seinen Kompetenzen verletzten Staatsorgans (Ansprüche auf Erfüllung, Unterlassung und Folgenbeseitigung) Es fragt sich, ob zu diesen unmittelbaren Rechtsfolgen – Rechtswidrigkeit sowie gegebenenfalls Wirksamkeit des Verletzungsakts – weitere, mittelbare Rechtsfolgen hinzutreten, die ebenfalls durch den Vergleichsvertrag bereinigt werden müssen. Denkbar wäre, daß einem in seinen Kompetenzen verletzen Staatsorgan subjektive Reaktionsrechte in Form von Erfüllungs-, Unterlassungs-, Folgenbeseitigungs- oder (im Innenbereich des Staates freilich kaum denkbar41) Entschädigungsansprüchen erwachsen42. Dies wäre der Fall, wenn man die Kompetenzordnung der Verfassung nicht allein als objektives Recht verstehen wollte, sondern zugleich auch als eine Einsetzung der obersten Staatsorgane in subjektive Rechte. Zum Wesen subjektiver Rechte gehört es nämlich, daß die Rechtsordnung ihren Trägern Hilfsansprüche gewährt, um widerrechtliche Störungen abzuwehren und irreversible Beeinträchtigungen des subjektiven Rechts auszugleichen43. Ob die Kompetenzen der obersten Staatsorgane nur objektives Recht darstellen oder zugleich auch subjektive Rechte vermitteln, ist umstritten. Eine verbreitete Meinung lehnt die subjektivrechtliche Qualifizierung verfassungsrechtlicher Kompetenzen ab und bestreitet insbesondere auch die Existenz jeglicher Reaktionsrechte44. Als Argument wird v. a. die Unmöglichkeit jedes „Verzichts“ und jeder „Verfügung“ über 40 Für eine Organrechtsverletzung Schenke, JuS 1991, L 61 (62); Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 621. Anders die h.M., Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 76, Rdn. 21; Gassner, JuS 1994, 684 (687 f.); Kloepfer, JURA 1991, 169 (171); Schürmann, AöR 115 (1990), 45 (63); letzterer mit ausf. Nachweisen zum Streitstand (51 f.). 41 W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 859. 42 Zur Systematik der Reaktionsrechte von Kompetenzverletzungen vgl. W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 853 ff. 43 W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 856 f. m.w.N. auch zur dogmatischen Begründung. Zur Differenzierung der Rechtsolgen objektiven Rechts (Fehlerfolgenlehre der Staatsakte) und subjektiver Rechte (Erfüllungs- und Störungsbeseitigungsansprüche) vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 (42. Lfg. Februar 2003), Rdn. 281 ff. 44 So v. a. Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 70, Rdn. 10; ferner C. Arndt, AöR 87 (1962), 197 (208 f.); Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 983.

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verfassungsmäßige Kompetenzen angeführt. Verfügbarkeit und Verzichtbarkeit seien jedoch wesentliche Eigenschaften des subjektiven Rechts45. Die Zuweisung staatsorganisatorischer Kompetenzen diene allein der Gewaltenbalancierung und der funktionsgerechten Aufgabenverteilung im Rahmen der Selbstkonstituierung des Staates. Sinn der Kompetenzzuweisungen sei es dagegen nicht, den kompetenztragenden Organen individualnützige Rechtspositionen einzuräumen. Die abweichende Formulierung des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG, der von „Rechten und Pflichten“ spreche, sei eine unglückliche, aber im Ergebnis unschädliche „falsa demonstratio“ des Verfassungsgesetzgebers46. Andere halten die Rechte und Pflichten, von denen Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG spricht, für eine prozessuale „Fiktion materiellen Rechts“ zum Zwecke der verfassungsgerichtlichen Kontrolle kompetenzwidrigen Verhaltens47. Wenn das GG in Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 von den „Rechten und Pflichten“ der Staatsorgane spreche, so stehe dahinter ein verfassungsprozessual-technischer Einsatz der Dogmatik des subjektiven Rechts, der die gerichtliche Klärung von Kompetenzkonflikten in einem kontradiktorischen Verfahren ermöglichen solle, nicht aber die Aussage, die Staatsorganisation habe sich tatsächlich durch die Einräumung subjektiver Rechte vollzogen. Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG erlaube es im Interesse der Justiziabilität verfassungsrechtlicher Kompetenzverletzungen, Kompetenzen so zu behandeln als seien sie subjektive Rechte48. Reaktionsrechte der in ihren Kompetenzen verletzten Staatsorgane sind nach dieser Betrachtungsweise nur prozessuale Fiktionen. Zu ihrer materiellrechtlichen Bereinigung durch einen Vergleichsvertrag besteht folglich keine Veranlassung. Eine dritte Ansicht schließlich hegt kein Bedenken, die Kompetenzen der obersten Staatsorgane als subjektive Rechte zu verstehen49. Konsequent zu Ende gedacht, muß diese Ansicht auch die Existenz subjektiver Hilfsansprüche der verletzten Staatsorgane bejahen50. Die Haltung des BVerfG in dieser Frage ist nicht ganz klar. Das Gericht betont einerseits, verfassungsrechtliche Kompetenzen seien keine „Privatrechte“ und Rechtsstreitigkeiten um ihre Verletzung ständen „weniger im Dienste subjektiver Rechtsverfolgung als im Dienste 45 Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 983; Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 70, Rdn. 9. Zur Frage der „Verfügbarkeit“ von Organkompetenzen (die in Wahrheit eine Frage des Vorhandenseins von Rechtsnormen ist, die die Staatsorgane zur Änderung der Kompetenzordnung ermächtigen) näheres unten § 8 A. II. 46 So Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 70, Rdn. 9; zust. Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 983. 47 Clemens, in: Umbach/ders. /Dollinger, BVerfGG, §§ 63, 64, Rdn. 133; Rauschning, Sicherung, S. 245; Rupp, Grundfragen, S. 100 f.; wohl auch Maunz, in: ders./Dürig, GG (33. Lfg. November 1997), Art. 93, Rdn. 10; Stern, in: BK, Art. 93 (44. Lfg. März 1982), Rdn. 107; vgl. auch Lorenz, in: FG BVerfG, Bd. I, S. 225 (238). 48 C. Arndt, AöR 87 (1962), 197 (209) („gesetzgeberischer Kunstgriff“). 49 So insb. Goessl, Organstreitigkeiten, S. 55; ferner Bethge, in: Maunz, BVerfGG (21. Lfg. Juli 2002.), § 13, Rdn. 53 ff.; ders., DVBl. 1980, 309 (312); Hillgruber/Goos, Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 321; Kilian/Eiselstein, Grundfälle, Teil B, Rdn. 78; Lorenz, in: FG BVerfG, Bd. I, S. 225 (237); Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 7, Rdn. 29; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 93, Rdn. 49 und konsequenterweise auch W. Roth, der alle Organkompetenzen für subjektive Rechte in einem formal abstrakten Sinne hält, vgl. dens., Organstreitigkeiten, S. 539, 420 f. 50 So denn in der Tat auch Goessl, Organstreitigkeiten, S. 59; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 856 ff. und wohl auch Lorenz, in: FG BVerfG, Bd. I, S. 225 (237) („Rechtsmacht zur Verteidigung des eigenen Sachbereichs gegenüber Eingriffen von außen“).

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objektiver Bewahrung des Verfassungsrechts“51. Andererseits sieht das Gericht in der Einräumung verfassungsgerichtlich einklagbarer Rechte und Pflichten eine „gewisse Subjektivierung“ der verfassungsrechtlichen Inter- und Intra-Organbeziehungen, d. h. eine (in ihrer genauen Reichweite freilich ungewisse) Annäherung der Kompetenzen an subjektive Rechte52. Die Konsequenzen für die hiesige Fragestellung – Reaktionsrechte ja oder nein? – bleiben dabei offen53.

Obgleich der Streit im Ergebnis keine gravierenden Auswirkungen auf den notwendigen Inhalt der Vergleichsverträge hat54, soll kurz zu ihm Stellung bezogen werden. Die verbreiteten Vorbehalte gegenüber der subjektivrechtlichen Qualifizierung verfassungsrechtlicher Organkompetenzen beruhen im wesentlichen auf einem apriorischen Begriffsverständnis des subjektiven Rechts, das seinen Inhalt aus den typischen Attributen subjektiver Privatrechte bezieht. Kennzeichnend für das subjektive Recht des Privatrechts ist, daß das Ob und Wie seiner Ausübung bis hin zu Verfügung und Verzicht allein vom Willen seines Trägers abhängt (Willensmoment) und daß es den Interessen dieses Trägers zu dienen bestimmt ist (Interessenmoment)55 – Eigenschaften, die den Kompetenzen der obersten Staatsorgane zweifellos fehlen. Die obersten Staatsorgane sind selbst nicht fähig, einen Willen zu bilden (das sind nur ihre Amtswalter, diese sind jedoch nicht Inhaber der jeweiligen Kompetenzen) und ihre Kompetenzen dienen nicht ihnen selbst, sondern den Interessen der Gesamtorganisation Staat56. Das Fehlen eines Willens- und Interessensmoments rechtfertigt es jedoch nicht, die Kompetenzen der obersten Staatsorgane in bezug auf ihre materiellrechtliche Wehrfähigkeit durch Erfüllung-, Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche wesentlich anders zu behandeln als subjektive Privatrechte. Es ist schon sehr fraglich, ob das Willens- und Interessenmoment überhaupt einen unverzichtbaren Anteil am Begriff des subjektiven Rechts beanspruchen kann57. Ohne Zweifel gibt es Privatrechte, die nicht von der Willensfähigkeit ihres Trägers 51

BVerfGE 2, 79 (86). BVerfGE 2, 143 (152). 53 A.A. Goessl, Organstreitigkeiten, S. 59, Fn. 59, der meint, aus BVerfGE 2, 143 (152, 156, 157) eine klare Stellungnahme zugunsten der Existenz relativer Störungsbeseitigungsansprüche herauslesen zu können. Mir scheinen die von Goessl zitierten Passagen indes in der entscheidenden Frage freibleibend. Das Zauberwort vom „Anspruch“ fällt nirgends. 54 Vgl. unten § 6 A. II. und III. 55 Vgl. Goessl, Organstreitigkeiten, S. 54, 57; Lorenz, in: FG BVerfG, Bd. I, S. 225 (236); Scherzberg, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht (13. Aufl.), § 11, Rdn. 27; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 329 ff. mit ausf. Nachweisen. 56 So denn auch regelmäßig der Haupteinwand gegen subjektive Rechte von Staatsorganen, vgl. Krebs, JURA 1981, 569 (574 f.); Rupp, Grundfragen, S. 99 f.; Wahl/Schütz, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2 (Februar 1996), Rdn. 120; § 42 Abs. 2 (Februar 1996), Rdn. 92. 57 Dies ablehnend nach skrupulöser Untersuchung W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 347 ff., 351 ff. 52

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abhängen und die nicht seinen Interessen zu dienen bestimmt sind58. Es spricht manches dafür, daß der Begriff des subjektiven Rechts nach wesentlich abstrakteren Kriterien bestimmt werden muß als denen der Willensabhängigkeit oder Interessendienlichkeit59; Kriterien, die es womöglich erlauben, auch Organkompetenzen in einem formalen Sinne als subjektive Rechte anzusehen60. Selbst wenn man aber beim traditionellen Begriffsbild verharrt und den Kompetenzen der obersten Staatsorgane die subjektivrechtliche Qualität abspricht, so kommt man doch nicht umhin, sie zumindest in Hinblick auf ihre materielle Wehrfähigkeit genauso wie subjektive Rechte zu behandeln. Zwei Argumente nämlich sprechen nachdrücklich dafür, daß Eingriffe in die Organkompetenzordnung Unterlassung- und Folgenbeseitigungsansprüche des betroffenen Staatsorgans auslösen müssen. Zum einen ist es doch wesentlich wahrscheinlicher, daß Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG materielle Störungsbeseitigungsansprüche eines in seinen Kompetenzen verletzten Staatsorgans tatsächlich voraussetzt als daß er sie lediglich fingiert. Zum anderen ist unbestreitbar, daß das GG zumindest Erfüllungsansprüche zwischen den obersten Staatsorganen offenkundig kennt (vgl. etwa Artt. 43 Abs. 1, 44 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2 S. 2, 53 GG). Wenig plausibel erscheint es dann aber, daß es Unterlassungsund Folgenbeseitigungsansprüche, die ja auf wesentlich krasseren Kompetenzverletzungen beruhen als Erfüllungsansprüche (nämlich auf aktivem Tun und nicht nur auf bloßem Unterlassen), nicht zulassen sollte. Wir gehen deshalb im folgenden davon aus, daß sich der Streit um die Verletzung der Organkompetenzordnung nicht nur die Rechtswidrigkeit des Eingriffs sowie, gegebenenfalls, um die Wirksamkeit des Verletzungsakts dreht, sondern auch um behauptete Erfüllungs-, Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche des Kompetenzträgers gegen den angeblichen Verletzer.

C. Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung Die Rechtsfolgen von Kompetenzverletzungen zwischen den Verbänden des Bundesstaats bilden die zweite Gruppe der hier zu untersuchenden verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände. Als bundesstaatliche Verfassung (Artt. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG) enthält das GG eine föderative Kompetenzordnung, die die staatlichen Hoheitsrechte auf den Bund und seine Gliedstaaten verteilt und den Verbänden gegenseitige Ingerenzrechte einräumt. Die wesentlichen Verfassungsnormen, die diese föderative Rechtsordnung konkretisieren und um deren Rechtsfolgen es hier folglich geht, sind die Artt. 30, 32, 70 ff., 83 ff. und 104a ff. GG.

58 59 60

Vgl. W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 416 mit einleuchtendem Bsp. W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 421 mit umfassender Erläuterung auf S. 421 ff. W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 485 ff.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Wiederum fragt sich, welche Rechtsfolgen durch eine Kompetenzverletzung im föderativen Verhältnis ausgelöst werden, welche Vergleichsgegenstände es also zu bereinigen gilt. Hier gilt nichts anderes als bei den Organkompetenzen (vgl. soeben § 5 B.). I. Primärer Vergleichsgegenstand: Rechtswidrigkeit des angeblichen Verletzungsakts Primärrechtsfolge einer Verletzung der föderativen Kompetenzordnung ist erneut zuerst die Rechtswidrigkeit des Verletzerverhaltens selbst. Allen Streitigkeiten um eine angebliche Verletzung der Verbandskompetenzordnung liegt im Ausgangspunkt die Frage der Verfassungswidrigkeit des Verletzerverhaltens zugrunde, d. h. die Frage der Rechtswidrigkeit eines konkreten Rechts- oder Realakts des Bundes oder der Länder (bzw. die Frage der Rechtswidrigkeit seiner Unterlassung). Beispiele: Das Bundesland X behauptet, der Bund habe rechtswidrig in seine Verwaltungskompetenzen eingegriffen, weil er ihm ohne vorherige Anhörung eine bestimmte Weisung (Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG) erteilt habe61. Der Bund behauptet, eine im Bundesland Y durchgeführte Volksbefragung berühre Gegenstände der Bundesgesetzgebung und sei daher verbandskompetenzwidrig62.

II. Bei Rechtsakten ferner: Wirksamkeit des Verletzungsakts Handelt es sich bei dem gerügten Verhalten um die Setzung von Recht, so kann als weitere streitige Rechtsfolge die Wirksamkeit des angeblich verfassungswidrigen Rechtsakts hinzutreten. Wie bei den Organkompetenzen betrifft dies v. a. die Wirksamkeit formeller Gesetze. Streitigkeiten dieser Art begegnen in der verfassungsgerichtlichen Praxis bekanntlich relativ häufig63. Sie resultieren stets aus einem Streit oder aus einer Ungewißheit über die Grenzen der föderativen Gesetzgebungszuständigkeiten (Artt. 70 ff. GG).

III. Unstreitig auch: Reaktionsrechte des in seinen Kompetenzen verletzten Verbands Ebenso wie bei der Verletzung von Organkompetenzen stellt sich auch bei der Verletzung föderativer Kompetenzen die Frage, ob der Verband, in dessen Kompetenzen eingegriffen wurde, Unterlassungs- und Störungsbeseitigungsansprüche gegen den Verletzer geltend machen kann. Die Antwort hängt, wie gesehen, davon ab, ob man die föderativen Kompetenznormen für subjektives Recht hält oder nicht. Anders als bei den Organkompetenzen ist man sich bei den Verbandskompetenzen insoweit relativ einig. Die föderative Kompetenzordnung des GG begründet sub61 62 63

Vgl. BVerfGE 81, 310 (337); 84, 25 (33). Vgl. BVerfGE 8, 104. Vgl. etwa BVerfGE 4, 115; 6, 309; s. auch Dagtoglou, DÖV 1971, 35 (40).

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jektive Rechte des Bundes und der Länder64. Selbst bei Zugrundelegung eines herkömmlichen Begriffsverständnisses des subjektiven Rechts können Verbandskompetenzen unschwer als subjektive Rechte angesehen werden. Sie dienen unmittelbar den Interessen des berechtigten Verbandes und ihre Ausübung hängt einzig von dessen Willen ab. Verletzungen der Verbandkompetenzordnung begründen daher sicherlich auch subjektive Reaktionsrechte. Hiervon geht offenbar auch der Gesetzgeber aus. In § 72 Abs. 1 BVerfGG erlaubt er dem BVerfG nicht nur die Feststellung der Rechtswidrigkeit intraföderaler Verletzungsakte (Ziff. 1), sondern auch die Feststellung der „Unterlassungs-, Folgenbeseitigungs-, Duldungs- oder Vornahmeansprüche“, die ihretwegen entstehen (Ziff. 2 und 3)65.

D. Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte Der dritte Komplex von Verfassungsnormen, deren Rechtsfolgen den Gegenstand verfassungsgerichtlicher Vergleiche bilden können, ist der Katalog der Grundrechte und der grundrechtsgleichen Rechte (Artt. 1 ff., 33, 38 Abs. 1 S. 1, 101, 103, 104 GG). Die denkbaren Rechtsfolgen ihrer Verletzung sind komplex und scheinen planmäßiger Erfassung zunächst kaum zugänglich. Bei näherer Betrachtung lassen sie sich jedoch unschwer in das im 1. Teil dieser Arbeit entworfene, nur geringfügig zu erweiternde System der privat- und verwaltungsrechtlichen Vergleichsgegenstände überführen66. Es zeigt sich nämlich, daß die Vergleichsgegenstände im Umfeld einer Grundrechtsverletzung den bereits bekannten Vergleichsgegenständen des Privat- und Verwaltungsrechts typologisch weitgehend entsprechen. Als einzig neue Typen kommen die Grundrechtswidrigkeit und die Wirksamkeit formeller Gesetze hinzu. Betrachten wir hierzu die möglichen Grundrechtsfolgen ausgehend von den möglichen Grundrechtsverletzern, d. h. ausgehend von den in Art. 1 Abs. 3 GG genannten Grundrechtsadressaten: dem Richter, der Verwaltung und dem Gesetzgeber.

64 Vgl. Bethge, in: Maunz, BVerfGG, § 13 (14. Lfg. Dezember 1995), Rdn. 76, § 69 (15. Lfg. April 1997), Rdn. 3, 14; Burgi, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht (13. Aufl.), § 7, Rdn. 52; Leisner, in: FG BVerfG I, S. 260 (262 f.); Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 999; ders., in: BK, Art. 93 (44. Lfg. März 1982), Rdn. 337; Lechner/Zuck, BVerfGG, Vor § 68, Rdn. 5; Löwer, in: Isensee/Kirchhof: HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 70, Rdn. 31; Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 99; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 247. A.A. aber Schorkopf, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 68 ff., Rdn. 6. 65 Zwar bezieht sich § 72 Abs. 1 BVerfGG gesetzessystematisch allein auf die ZwischenLänder-Streitigkeiten, so daß von ihm unmittelbar nur auf die subjektivrechtliche Qualität der Landeskompetenzen geschlossen werden kann. Da die Kompetenzen des Bundes jedoch letztlich nur Ausschnitte aus der allg. Residualkompetenz der Länder sind (Art. 30 GG), kann für sie nichts anderes gelten. 66 Dazu oben § 2 A. II. und III.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

I. Weitgehende typologische Identität der Rechtsfolgen einer Grundrechtsverletzung und der Rechtsfolgen des Privat- und Verwaltungsrechts, Grundrechtswidrigkeit und Wirksamkeit formeller Gesetze als einzig neuer Vergleichsgegenstand Die Aufmerksamkeit gilt dabei zunächst den Rechtsfolgen grundrechtswidriger Richtertätigkeit. Zwei Gruppen von Rechtsfolgen sind zu unterscheiden. Erstens: die Rechtsfolgen grundrechtswidrigen Richterhandelns selbst. Beispiel 1: Der als NS-Propagandist berüchtigte H hat vor dem LG Hamburg ein Urteil gegen den L erstritten, wonach dieser ihm zur Unterlassung eines Boykottaufrufes verpflichtet sei (§§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 826 BGB). L erhebt Verfassungsbeschwerde gegen das landgerichtliche Urteil, weil er sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt sieht (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG). Die vorsätzliche Schädigung des H könne unmöglich als „sittenwidrig“ angesehen werden, da mit ihr keine kommerziellen Interessen verfolgt würden, sondern ein Beitrag zum geistigen Meinungskampf geleistet werde67. – Aus Sicht des BVerfG stellt sich hier primär die Frage, ob das LG bei Auslegung des § 826 BGB die Grundrechte des L verkannt hat, ob also ein richterlicher Rechtsakt rechtswidrig ist.

Von Interesse sind daneben aber, zweitens, auch die Grundrechtsfolgen, über die die Gerichte erkennen, indem sie privatrechtliche oder verwaltungsrechtliche Normen grundrechtskonform auslegen. In vorigen Beispiel 1 wäre dies das Bestehen bzw. das Nichtbestehen des behaupteten Unterlassungsanspruchs aus §§ 1004, 826 BGB.

Nur Rechtsfolgen dieses letzteren Typus kommen als Gegenstand eines Vergleichs überhaupt in Betracht. Die Bereinigung von Rechtsfolgen der ersten Gruppe erfordert Vergleichsverträge mit dem Richter über dessen Amtsführung. Wie die folgende Überlegung zeigt, wären derartige Verträge jedoch ausnahmslos unwirksam. Prozeßverträge – auch solche mit dem Richter – sind Verträge auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts68. Der Abschluß öffentlichrechtlicher Verträge mit Staatsorganen ist aber nur insoweit zulässig, als die dadurch zu erledigende Staatsaufgabe einer kooperativ-konsensualen Bewältigung der Natur der Sache nach überhaupt zugänglich ist69. Das ist für richterliche Tätigkeit evidentermaßen zu verneinen. Richterliche Unabhängigkeit und vertragliche Bindung schließen einander schlechterdings aus70. Prozeßverträge mit dem Richter sind daher allein schon aufgrund ihrer Form, unabhängig von ihrem Inhalt, generell-abstrakt unzulässig. Öffentlichrechtliche Verträge, die unzulässigerweise wider ein Vertragsformverbot geschlossen werden, sind nach einhelliger Meinung unwirksam. Das folgt richtigerweise schon daraus, daß die jeweilige Rahmenrechtsordnung (hier: das Prozeß67

Nach BVerfGE 7, 198. Wagner, Prozeßverträge, S. 13 ff. 69 Schlette, Vertragspartner, S. 562 f. Als Beispiele für vertragsinadäquate Sachmaterien werden typischerweise Leistungsbeurteilungen, Normsetzung und Wahlprüfung genannt. 70 Vgl. nur BVerfGE 4, 331 (346); 14, 56 (69); Schlette, Vertragspartner, S. 563. 68

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recht) sie überhaupt nicht als Rechtsquelle anerkennt71. Einer ausdrücklichen Fehlerfolgenregelung bedarf es insoweit nicht72. Vergleichsverträge mit dem Richter liegen daher von vornherein außerhalb des rechtlich Möglichen. Den Rechtsfolgen grundrechtswidrigen Richterhandelns braucht daher – mangels Bereinigungsmöglichkeit – keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt zu werden. Verbleiben die Rechtsfolgen der zweiten Gruppe (Grundrechtsfolgen, über die der Richter zu erkennen hat). Diese sind grundsätzlich vergleichsfähig. Sie entsprechen phänotypisch den Rechtsfolgen einfachen Rechts. Wie diese nämlich ergeben sie sich aus Rechtssätzen des Privat- oder des Verwaltungsrechts; nur eben aus Rechtssätzen, die den Normen des Privat- oder des Verwaltungsrechts durch eine spezifisch grundrechtsbezogene Auslegung abgewonnen werden. Rein äußerlich sind sie von anderen Privatrechts- oder Verwaltungsrechtsfolgen nicht zu unterscheiden. Es bereitet daher auch keine Probleme, sie in das bereits bekannte System der Vergleichsgegenstände zu integrieren. Die streitige Rechtsfolge aus Beispiel 1 etwa ist ein klassischer Archetyp der privatrechtlichen Vergleichsgegenstände, nämlich ein Schuldverhältnis, dessen Existenz streitig ist73. Systemkompatibel in diesem Sinne sind ferner alle Grundrechtsfolgen, die sich aus Grundrechtsverletzungen der Verwaltung ergeben. Auch sie sind Rechtsfolgen grundrechtskonform ausgelegten einfachen Rechts und als solche von anderen Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts formal nicht zu unterscheiden. Ohne weiteres fügen sie sich in das bestehende System der verwaltungsrechtlichen Vergleichsgegenstände ein. Das bestätigt folgende Überlegung. Das hier verwendete System der verwaltungsrechtlichen Vergleichsgegenstände ist am konkreten Verwaltungshandeln ausgerichtet, d. h. es werden konkrete Rechts- oder Realakte der Verwaltung als Auslöser für streitige oder ungewisse Rechtsfolgen betrachtet74. Als wesentliche Rechtsfolgenkategorien ergeben sich dabei Rechtswidrigkeit, Wirksamkeit und subjektive Reaktionsrechte. Diese Kategorisierung versagt auch in bezug auf grundrechtswidrige Verwaltungstätigkeit nicht. Auch bei Verwaltungstätigkeit, deren Grundrechtskonformität in Frage steht, stellt sich im wesentlichen die Frage ihrer Rechtmäßigkeit (konkret: ihrer Grundrechtsmäßigkeit), ihrer Wirksamkeit und der Abwehr- oder Entschädigungsansprüche, die ihretwegen auf Seiten der Grundrechtsträger entstehen.

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Vgl. Efstratiou, Bestandskraft, S. 217 f. Im Prozeßrecht existiert sie auch gar nicht. Dagegen behaupten manche, die Unwirksamkeit generell-abstrakt unzulässiger verwaltungsrechtlicher Verträge ergebe sich aus einer konstitutiven Gesetzesregelung, nämlich entweder § 54 S. 1 Hs. 2 VwVfG (Erichsen, JURA 1994, 47 (50 f.); Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 139 ff.) oder § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB (Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 54, Rdn. 102; Schimpf, Vertrag, S. 285; Schlette, Vertragspartner, S. 559 f.; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 70, Rdn. 3 mit Fn. 11). Zur Unrichtigkeit dieser Ansicht vgl. Efstratiou, Bestandskraft, S. 217 f. 73 Vgl. oben § 2 A. II. 74 Vgl. – auch zur Begründung dieses Ansatzes – oben § 2 A. III. 72

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Die einzigen Grundrechtsfolgen, die im bisherigen System keinen Platz finden, sind bestimmte Rechtsfolgen grundrechtsverletzender Akte des Gesetzgebers. Zwei Gruppen von Rechtsfolgen sind auch hier zu unterscheiden. Erstens: die das Gesetz selbst betreffenden Rechtsfolgen, d. h. seine Grundrechtswidrigkeit und seine Wirksamkeit75. Zweitens: die durch das Gesetz ausgelösten Privatrechts- oder Verwaltungsrechtsfolgen. Rechtsfolgen der zweiten Gruppe sind im hiesigen System der Vergleichsgegenstände bereits erfaßt. Es handelt sich um „gewöhnliche“ Rechtsfolgen privatrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Normen. Die Rechtsfolgen der ersten Gruppe dagegen sind bislang unberücksichtigt. Wir werden sie dem System der grundrechtlichen Vergleichsgegenstände hinzufügen. II. Das System der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte Für die Rechtsfolgen behaupteter Grundrechtsverletzungen ergibt sich danach die folgende Typologie. 1. Rechtsverhältnisse des Privatrechts Die Rechtsfolgen können privatrechtlicher Natur sein. Das ist dann der Fall, wenn sie aus einer grundrechtskonformen Auslegung privatrechtlicher Normen resultieren. Typologisch handelt es sich um Rechtsverhältnisse, d. h. um die rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person (Schuldverhältnisse) oder zu einer Sache (Sachenrechte). Streit und Ungewißheit über die grundrechtskonforme Auslegung einer Privatrechtsnorm können sich in allen bekannten Typen privatrechtlicher Vergleichsgegenstände niederschlagen. Der Streit kann also einerseits bereits Bestehen des Schuldverhältnisses betreffen. Dazu ein weiteres Beispiel 276: Der Hochseilartist A hat sich dem Z gegenüber verpflichtet, drei Monate lang allabendlich in dessen Zirkus aufzutreten. Als ihm der Drahtseilakt bereits am ersten Abend um Haaresbreite mißlingt, verweigert er weitere Auftritte. Er macht geltend, der Dienstvertrag mit Z sei nichtig, denn er mißachte sein Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) in einer das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzenden Weise (§ 138 Abs. 1 BGB).

Streit und Ungewißheit können sich aber auch auf den Inhalt eines Schuldverhältnisses beziehen. 75 Primäre oder sekundäre Reaktionsrechte der Gesetzesadressaten werden durch grundrechtswidrige Gesetze nicht begründet. Das liegt daran, daß grundrechtswidrige Gesetze keine Wirksamkeit entfalten, weshalb auch für Abwehr- oder Entschädigungsansprüche kein Raum ist. 76 Nach Canaris, JuS 1989, 161 (165). Zur Fragwürdigkeit der Heranziehung des § 138 BGB in diesen Fällen vgl. noch unten § 8 C. III. 2. b).

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Beispiel 3: Bei rechtswidriger und schuldhafter Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat der Schädiger sowohl für die (materiellen) Vermögensschäden als auch – bei schwerwiegenden Verletzungen, die auf andere Weise nicht befriedigend ausgeglichen werden können – für die immateriellen Schäden des Grundrechtsträgers Ersatz zu leisten (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Artt. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG). Hinsichtlich des immateriellen Schadens hängt die Höhe der zu gewährenden Geldentschädigung (sc. der Inhalt des Schuldverhältnisses) aus grundrechtlicher Sicht u. a. von der Notwendigkeit einer präventiven Verhaltenssteuerung des Schädigers ab, deren angemessene Gewichtung im Einzelfall ungewiß oder streitig sein kann77.

Schließlich besteht die Möglichkeit, daß die personale Zuordnung eines Sachenrechts von der grundrechtskonformen Auslegung einer Privatrechtsnorm abhängt. Beispiel 4: Der Adelige A hat testamentarisch verfügt, allein sein ältester Sohn solle Erbe sein und auch er nur, sofern er eine Frau gleichen Standes heirate. Heirate er bürgerlich, so solle sein nächstjüngerer Bruder unter der gleichen Bedingung Alleinerbe sein usf. Nach dem Tode des A bestreitet S1, der älteste, nichtadelig verheiratete Sohn des A, das Erbrecht seines jüngeren Bruders S2 mit der Behauptung, das Testament des A sei in Ansehung des Grundrechts seiner Kinder auf Eheschließungsfreiheit sittenwidrig und daher nichtig (§ 138 BGB i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG)78.

2. Grundrechtswidrigkeit, Wirksamkeit und subjektive Reaktionsrechte konkreter Verwaltungsrechts- oder -realakte Die Rechtsfolgen einer Grundrechtsverletzung können ferner an konkrete Rechtsoder Realakte der Verwaltung anknüpfen. Wie im Grundsystem kommen drei typische Kategorien von Rechtsfolgen als Vergleichsgegenstände in Betracht. Im Vordergrund steht die Grundrechtswidrigkeit des konkret betrachteten Verwaltungshandelns. Beispiel 5: L, der ein sog. Laserdrome betreibt, in dem sich zahlungswillige Kunden in kriegsähnlichem Ambiente mit Scheinwaffen „bekämpfen“ und „töten“, wird von den zuständigen Behörden unter Berufung auf die polizeirechtliche Generalklausel die Fortführung seines Gewerbes untersagt. Zur Begründung heißt es, das spielerische Töten von Menschen gefährde die öffentliche Sicherheit, konkret: die Menschenwürde der Spieler (Art. 1 Abs. 1 GG), sowie Leben und körperliche Unversehrtheit der Allgemeinheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), die unter der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Spieler zu leiden habe79. L bestreitet, daß seine Kunden sich menschenunwürdig verhielten oder die Allgemeinheit gefährdeten. Er hält die Verfügung für rechtswidrig.

77 Vgl. BGH NJW 1996, 984 (985); 2005, 215 (216); BGHZ 128, 1 (14 ff.); Fuchs, Deliktsrecht, S. 58. 78 BVerfG NJW 2004, 2008; BGHZ 140, 118 je mit Bespr. Staudinger, FamRZ 2004, 768; JURA 2000, 467. 79 Abweichend BVerwGE 115, 189 (198 ff.), wo auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung abgestellt wird, die insoweit maßgeblich durch die Wertentscheidungen der Artt. 1 Abs. 1 S. 1, 2 Abs. 2 S. 1 GG geprägt sei. Kritisch Aubel, JURA 2004, 255 (258).

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Handelt es sich bei der betrachteten Verwaltungshandlung um einen Rechtsakt, so ist mit der Frage ihrer Grundrechtswidrigkeit regelmäßig auch die Frage ihrer Wirksamkeit oder ihrer Vernichtbarkeit verbunden. Beispiel 5a: Der Streit um die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung des Beispiels 5 bedingt zugleich auch Zweifel an der Beständigkeit dieses Verwaltungsakts gegenüber einer Anfechtungsklage des L (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO).

Da Grundrechte subjektive Rechte sind, kann ihre Verletzung Abwehr- und Entschädigungsansprüche auslösen. Mit Streitigkeiten über die Grundrechtsmäßigkeit eines bestimmten Verwaltungshandelns gehen daher im Regelfall auch Streitigkeiten über das Bestehen oder über den Inhalt primärer oder sekundärer Reaktionsrechte des Betroffenen einher. Beispiel 6: Die Bundesregierung veröffentlicht eine Liste von Winzern, in deren Weinen Glykol nachgewiesen wurde. Auch W, der über zwanzig verschiede Weinsorten produziert, wird genannt, da sein 98er Riesling, dessen Most er – eigener Ernteausfälle wegen – aus Tschechien importieren mußte, Glykolspuren aufweist. W hält dies für einen ungerechtfertigten Eingriff in seine Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Für gubernative „Öffentlichkeitsarbeit“ dieser Art fehle es schon an einer Ermächtigungsgrundlage, jedenfalls aber sei die pauschale Nennung seines Namens ohne Hinweis auf die näheren Umstände der Belastung unverhältnismäßig. Er verlangt die Unterlassung der Warnungen (Primärreaktionsrecht aus der behaupteten Grundrechtsverletzung) und begehrt Entschädigung für die bereits eingetretenen Umsatzrückgänge an seinen Weinen (Sekundärreaktionsrecht).

3. Grundrechtswidrigkeit und Wirksamkeit formeller Gesetze Als Rechtsfolgen grundrechtswidrigen Handelns des Gesetzgebers kommen die Grundrechtswidrigkeit und die Wirksamkeit formeller Gesetze hinzu. Beispiel 7: Das Schulgesetz des ostdeutschen Bundeslandes B sieht vor, daß an den staatlichen Schulen in B kein Religionsunterricht erteilt wird. Eine Gruppe schulpflichtiger Kinder hält dies für einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG. Die Landesregierung von B und die sie tragende Parlamentsmehrheit sind anderer Ansicht. Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG sei im Lande B nicht anwendbar, denn B sei als Teil der ehemaligen DDR ein Bundesland, in dem am 1. Januar 1949 eine „abweichende Regelung“ im Sinne des Art. 141 GG gegolten habe. Von der Auslegung des Art. 141 GG hängt also ab, ob die den Religionsunterricht betreffenden Regelungen des Schulgesetzes in B grundrechtswidrig sind oder nicht80. Da die Grundrechtswidrigkeit eines Gesetzes stets auch zu seiner Nichtigkeit81 bzw., nach anderer Ansicht, zu seiner Vernicht-

80

Die Frage ist außerordentlich umstritten. Sie war Anlaß für den Vergleichsvorschlag des BVerfG im sog. LER-Verfahren, vgl. unten § 7 C. 81 So die h.M., vgl. BVerfGE 61, 149 (151, 173 f., 206); 67, 299 (329); 68, 384 (384 f., 390); 101, 54 (55); stRspr. seit 1, 14 (37); A. Arndt, NJW 1959, 863 (864); Bachof, AöR 87 (1962), 1 (33); Geiger, BVerfGG, S. 249; Hesse, Grundzüge, Rdn. 688; Ipsen, Rechtsfolgen, S. 313 f.; H. H. Klein, Staatsraison, S. 8; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 810 f.; Sachs, Bindung, S. 288 ff.; Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 382; Stern, AöR 91 (1966), 223 (250); ders., in: BK, Art. 93 (44. Lfg. März 1982), Rdn. 271.; ders., Staatsrecht, Bd. I, S. 105.

§ 5 Systematik der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände

141

barkeit82 führt, ist hiermit zugleich auch die Frage der Wirksamkeit des Schulgesetzes verbunden.

E. Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts In den Katalog der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände muß, viertens, eine bestimmte Rechtsfolge des parlamentarischen Wahl- und Mandatsrechts aufgenommen werden, nämlich diejenige, die dem BVerfG zur Feststellung in den Verfahren der sog. Wahl- und Mandatsprüfung überwiesen ist (Art. 41 Abs. 2 GG). Bei dieser Rechtsfolge handelt es sich – kurz gesprochen – um die Rechtswidrigkeit der Mitgliedschaft eines parlamentarischen Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Sie ergibt sich entweder (wahlrechtlich) aus einem fehlerhaften Erwerb eines Abgeordnetenmandats oder (mandatsrechtlich) aus dem fehlerhaften Fortbestehen eines ursprünglich rechtmäßig erworben Mandats (vgl. die Systematik des Art. 41 Abs. 1 GG bzw. des § 48 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BVerfGG). Beispiel: Im Wahlkreis Münster fordert der Erzbischof die Gläubigen im Vorfeld der Bundestagswahl dazu auf, eine „christliche Partei“ zu wählen. Direktkandidat A, der partei- und konfessionslos ist, behauptet die Unrichtigkeit des festgestellten Wahlergebnisses, weil die Wahl nicht „frei“ im Sinne des Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG gewesen sei (Streit über die Rechtmäßigkeit des Mandatserwerbs)83. Beispiel: In Vollzug eines entsprechenden Parteitagsbeschlusses erklärt der Abgeordnete C zur Mitte der Legislaturperiode gegenüber dem Bundestagspräsidenten den Verzicht auf sein Abgeordnetenmandat (§§ 46 Abs. 1 Ziff. 4, 47 Abs. 1 Ziff. 4 BWG), um im Wege eines „Rotationsprinzips“ Platz für seinen Parteikollegen D zu machen (§ 48 Abs. 1 S. 1 BWG). Der Bundestagspräsident erklärt die Verzichtserklärung für unbeachtlich, da sie auf einem unzulässigen „Auftrag“ im Sinne des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG beruhe (Streit über die Rechtmäßigkeit des Fortbestehens eines in gültiger Wahl errungenen Mandats)84.

Ersteres – der fehlerhafte Erwerb parlamentarischer Mandate – bildet den Gegenstand der sog. Wahlprüfung. Nach Art. 41 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GG bzw. § 48 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 Alt. 1 BVerfGG entscheidet das BVerfG85 hier über die „Gültigkeit“ oder die „Ungültigkeit“ einer Wahl zum Deutschen Bundestag. Ungültig ist eine Wahl, wenn sie an potentiell mandatsrelevanten Wahlfehlern leidet, d. h. wenn es bei ihrer Vorbereitung, Durchführung oder Ergebnisfeststellung zu Wahlrechtsverstößen derart gekommen ist, daß ihretwegen die greifbare Möglichkeit einer unrichtigen

82 So die Gegenansicht, vgl. Böckenförde, Nichtigkeit; G. Lüke/Zawar, JuS 1970, 205 (210); Maiwald, BayVBl. 1971, 90 (91 f.); Maunz, in: ders./Dürig, GG, Art. 93 (33. Lfg. November 1997), Rdn. 34; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20, Rdn. 14 ff.; Rupp, JuS 1963, 469 ff.; Rauschning, Sicherung, S. 215, 218 f. 83 BVerwGE 18, 14; OVG Münster OVGE 18, 1. 84 NdsStGH NJW 1985, 2319. 85 Bzw. – ihm vorgeschaltet – der Bundestag durch seinen Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (näheres dazu unten § 6 D.).

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Zusammensetzung des Parlaments besteht86. Entgegen dem ersten Anschein geht es dabei in der Rechtsfolge nicht unmittelbar um die Mandatsträgerschaft des betroffenen Abgeordneten, sondern nur um die Rechtswidrigkeit derselben. Auch ungültig gewählte Abgeordnete werden zunächst Mitglieder des Deutschen Bundestags. Alles andere wäre fatal für die Arbeitsfähigkeit des Parlaments: Mit knapper Mehrheit getroffene Parlamentsentscheidungen könnten sich im Nachhinein als unwirksam erweisen. Entsprechend bestimmen §§ 46 Abs. 1 Ziff. 1, 47 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 3 BWG, daß Abgeordnete, deren Wahl ungültig ist, ihr Mandat erst durch eine konstitutive Entscheidung des Bundestages bzw. des BVerfG verlieren87.

Der Mandatserwerb als solcher steht also im Rahmen der Wahlprüfung außer Streit. Die Ungültigkeit einer Wahl begründet vielmehr nur eine Art Verlustsanwartschaft des betroffenen Abgeordneten88, d. h. die Möglichkeit, die auf Grundlage der ungültigen Wahl zugewiesenen Mandate nachträglich zu annullieren und erneut zuzuweisen. Allein die Rechtswidrigkeit eines Mandatserwerbs ist demnach die Rechtsfolge, um die im Rahmen der Wahlprüfung gestritten wird. Fehler in der Zusammensetzung des Parlaments können sich nicht allein aus Rechtsverletzungen beim Erwerb eines Mandats ergeben (sc. aus der Ungültigkeit der betreffenden Wahl), sondern auch aus der Unrichtigkeit des Fortbestehens der Parlamentsmitgliedschaft eines ursprünglich gültig gewählten Abgeordneten89. Komplementär zur Wahlprüfung obliegt dem BVerfG dementsprechend auch die sog. Mandatsprüfung, d. h. die Kontrolle des nachträglichen Verlusts eines in gültiger Wahl errungenen Mandats, vgl. Art. 41 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG bzw. § 48 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 Alt. 2 BVerfGG. Auch hier betreffen Streit und Ungewißheit nicht unmittelbar die Mandatsinhaberschaft des jeweiligen Abgeordneten. § 47 Abs. 2, 3 S. 3 BWG bestimmt vielmehr, daß auch ein nachträglich begründeter Mandatsverlust erst mit Rechtskraft der Entscheidung der zuständigen Organe des Bundestags bzw. des BVerfG wirksam wird. Während des verfassungsgerichtlichen Verfahrens ist der

86 Theorie der Mandatsrelevanz, vgl. BVerfGE 1, 430 (433); 4, 370 (372 f.); 35, 300 (302); 48, 271 (280); 58, 175; 59, 119 (123); 85, 148 (158 f.); NJW 1994, 922 (924); 2001, 1048 (1051); Versteyl, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 41, Rdn. 3. Kritisch in Hinblick auf das mit der Verengung auf die Feststellung mandatsrelevanter Wahlfehler verbundene Defizit an subjektivem Wahlrechtsschutz u. a. Schneider, in: AK-GG, Art. 41 (2. AufbauL August 2002), Rdn. 3 f.; Meyer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 46, Rdn. 91, 100. 87 H.M., Schreiber, Handbuch, § 46, Rdn. 4 f.; Versteyl, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, § 14, Rdn 30. 88 Vgl. Schreiber, Handbuch, § 46, Rdn. 4, der auf die Parallele zu „Erwerbsanwartschaft“ der gewählten Bewerber hinweist (§ 45 BWG). 89 Einen – nicht erschöpfenden – Katalog der Verlustsgründe enthält § 46 Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 – 4 BWG. Hinzu kommen die (selbstverständlichen) Verlustsgründe des Todes und des Ablaufs der Legislaturperiode sowie diverse Inkompatibilitäten, vgl. im einzelnen Schreiber, Handbuch, § 46, Rdn. 1 ff. Die Ungültigkeit der Wahl (§ 46 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 BWG) betrifft bereits die Fehlerhaftigkeit des Mitgliedschaftserwerbs, nicht die Fehlerhaftigkeit ihres Fortbestehens, vgl. Schreiber, ebda., Rdn. 5 f.

§ 5 Systematik der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände

143

Abgeordnete also mit Sicherheit noch Mitglied des Parlaments. Worüber gestritten wird, ist allein die Rechtswidrigkeit seiner Parlamentszugehörigkeit. Gemeinsamer Vergleichsgegenstand aller Wahl- und Mandatsprüfungsstreitigkeiten ist demnach eine behauptete Unrichtigkeit in der Zusammensetzung des Deutschen Bundestags. Unterschiede ergeben sich nur daraus, daß im Falle der Wahlprüfung ein Fehler im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Mandats behauptet wird, im Falle der Mandatsprüfung dagegen ein Fehler im Zusammenhang mit seinem Fortbestehen.

F. Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung Die fünfte und letzte Gruppe verfassungsgerichtlicher Vergleichsgegenstände ist die der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Das GG bindet vier seiner Adressaten, nämlich die Grundrechtsträger (Art. 18), die politischen Parteien (Art. 21 Abs. 2) den Bundespräsidenten (Art. 61) und die Richter des Bundes (Art. 98 Abs. 2 und 5), in besonderer Weise an die Verfassung, indem sie ihnen bei vorsätzlichen Verfassungsbrüchen massive Sanktionen androht (Grundrechtsverwirkung, Parteiverbot, Amtsverlust). „Strafbewehrt“ in diesem Sinne ist in erster Linie die freiheitliche demokratische Grundordnung90, also bestimmte Kernrechtssätze des Art. 20 Abs. 1 – 3 GG91. Auf Antrag des Bundestags oder des Bundesrates kann das BVerfG vorsätzliche Verstöße dieser Art feststellen und mit bestimmten Sanktionen ahnden. Vergleichsgegenstand wäre hier also zum einen die Verfassungswidrigkeit des gerügten Verhaltens, zum anderen die etwaigen Sanktionsrechtsfolgen, die das BVerfG seinetwegen auszusprechen hat. Vergleichsverträge über beide capita sind sowohl tatsächlich wie auch rechtlich nur sehr schwer vorstellbar und werden daher im weiteren Verlaufe dieser Untersuchung außer Betracht bleiben.

90

Zu dieser BVerfGE 2, 1 (12 f.). Im Gegensatz zu Artt. 18 und 21 Abs. 2 GG begrenzen Artt. 61 und 98 Abs. 2 und 5 GG die sanktionsfähigen Rechtsbrüche nicht explizit auf Verletzungen der „freiheitlich demokratischen Grundordnung“, sondern sprechen von Verletzungen „der Grundsätze des GG“ bzw., noch weitergehend, von Verletzungen „des GG oder eines Bundesgesetzes“. Es besteht jedoch weitgehend Einigkeit, daß auch hier in erster Linie die freiheitlich demokratische Grundordnung gemeint ist, vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1009. 91 Hesse, Grundzüge, Rdn. 758. Weitergehend Höfling/Krings, in: BlnKo, Art. 18 (7. Erg.Lfg. Dezember 2002), Rdn. 19; Pieroth, in: Jarass/ders., GG, Art. 18, Rdn. 5; Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 951, die einige Gehalte der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Art. 1 GG verankert sehen (arg. Art. 79 Abs. 3 GG).

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

§ 6 Die Bereinigung der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände Mit der Zusammenstellung der wesentlichen verfassungsprozessualen Vergleichsgegenstände ist es nun möglich, den Inhalt des verfassungsgerichtlichen Vergleichs genauer zu analysieren.

A. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung Erneut betrachten wir dabei zuerst die Organkompetenzordnung. Als mögliche Bezugspunkte von Streit und Ungewißheit wurden hier drei aufeinander aufbauende Rechtsfolgen bestimmt: erstens die Verfassungswidrigkeit des Verletzungsakts als solche, zweitens – sofern es sich bei dem Verletzungsakt um einen Rechtsakt handelt – seine Wirksamkeit, drittens die Reaktionsrechte des in seinen Kompetenzen verletzten Staatsorgans gegenüber dem angeblichen Verletzer (Erfüllungs-, Unterlassungs- und Folgenbeseitigungsansprüche). All diese Rechtsfolgen eint eine gemeinsame Ursache. Sie alle sind entweder unmittelbar oder mittelbar die Folge rechtswidrigen staatlichen Handelns. Für ihre Bereinigung besteht daher ein einheitlicher Mechanismus. Das Handeln des Verletzers muß in rechtmäßige Bahnen gelenkt werden. Gelingt dies, so erledigt sich uno actu nicht nur die Frage der Rechtswidrigkeit des Verletzerverhaltens, sondern auch die Frage seiner Wirksamkeit und die Frage der auf seine Unterlassung und Folgenbeseitigung gerichteten Reaktionsrechte. Für eine Legalisierung verfassungswidrigen Organverhaltens bestehen, wie sich zeigen wird, grundsätzlich zwei Alternativen, die nachfolgend näher darzustellen und gegeneinander abzuwägen sind (II. und III.). Voranzustellen sind jedoch zunächst zwei Grundannahmen zum zeitlichen und zum sachlichen Umfang der Bereinigung (I.). I. Grundannahmen: Bereinigung für die Zukunft, generell-abstrakte Regelungstechnik Vertragliche Regelungen wirken prinzipiell ex nunc. Der Vergleich kann daher grundsätzlich nur gegenwärtige oder zukünftige Rechtsfolgen bereinigen, d. h. die Rechtsfolgen noch andauernder oder bevorstehender Kompetenzverletzungen. Ein vertraglicher Eingriff in zurückliegende, abgeschlossene Rechtslagen ist grundsätzlich unmöglich. Das scheint auf den ersten Blick wenig Raum für Vergleiche in Kompetenzkonflikten zu lassen. Verfassungsgerichtlich gerügt werden Kompetenzverletzungen schließlich erst dann, wenn sie bereits eingetreten sind, und eher selten ist es der Fall, daß der angebliche Eingriff zum Zeitpunkt des verfassungsgerichtlichen Verfahrens noch andauert.

§ 6 Bereinigung der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände

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Das zeigt sich relativ deutlich bei Realakten. Eingriffe mit Dauerwirkung sind hier ausgesprochen selten. Ordnungsrufe an einen Abgeordneten92, die Durchsuchung der Fraktionsräume nach Waffen93, gubernative Öffentlichkeitsarbeit zu Wahlkampfzeiten94 usw. sind allesamt von vorübergehender Natur. Die nachträgliche Bereinigung der Frage ihrer Rechtswidrigkeit ist von vornherein ausgeschlossen. Auch etwaige Reaktionsrechte sind mit dem Ende des Eingriffs erloschen und somit nicht mehr bereinigungsfähig. Anders liegen die Dinge praktisch nur dann, wenn ein Unterlassen gerügt wird (Beispiel: die Verweigerung der Aktenvorlage an einen Untersuchungsausschuß95). Hier dauert die Kompetenzverletzung an, bis die gebotene Maßnahme vorgenommen wird. Auch von Rechtsakten, die unter Verletzung fremder Organkompetenzen erlassen wurden, geht nicht notwendigerweise eine fortdauernde Verletzungswirkung aus. Dies ist nur dann der Fall, wenn durch den Rechtsakt selbst bzw. durch seine Unterlassung in die Rechte eines anderen Verfassungsorgans eingegriffen wird (Beispiele: Aufhebung der Immunität eines Abgeordneten96, Verweigerung der Ausfertigung eines Gesetzes des Bundestags durch den Bundespräsidenten). Besteht die Kompetenzverletzung dagegen lediglich in der Mißachtung fremder Beteiligungsrechte beim Erlaß eines drittgerichteten Rechtsakts, so endet der Eingriff mit dem Passieren des jeweiligen Verfahrensstadiums (im obigen Beispiel zu Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG97: mit Einbringung der Regierungsvorlage in den Bundestag). Zu bereinigen wäre hier allenfalls noch die Frage der Wirksamkeit des infizierten Rechtsakts.

Die Unmöglichkeit einer rückwirkenden Bereinigung umstrittener Rechtslagen macht den Abschluß von Vergleichsverträgen aber keineswegs sinnlos. Die Beteiligten werden nämlich in aller Regel ein Interesse daran haben, gleiche oder ähnlich gelagerte Fälle in der Zukunft – zukünftige Rechtsfolgen also – präventiv zu bereinigen. Man erkennt dies daran, daß verfassungsgerichtliche Verfahren nach dem Wegfall eines Organrechtseingriffs auf Antrag der Parteien in der Regel dennoch eingeleitet bzw. fortgesetzt werden. Die Anrufung des BVerfG dient in diesen Fällen (neben der Rehabilitation der Beteiligten) offenkundig auch dem Ziel, Rechtsklarheit zu schaffen und erneuten Verletzungsakten vorzubeugen. Dieses Anliegen kann ein Vergleichsvertrag aber prinzipiell ebenso gut befriedigen wie ein verfassungsgerichtliches Urteil. Die Zukunftsgerichtetheit der Bereinigung hat dann aber auch Konsequenzen für die normative Breite der erforderlichen Vertragsregelung. Da der zu schließende Vergleichsvertrag nicht der Bereinigung des konkreten Ausgangsfalls dient, sondern zukünftigen, sachverhaltlich noch unbestimmten Wiederholungsfällen, müssen sich die Parteien bei der Bereinigung normähnlicher, generell-abstrakter Regelungstechniken bedienen. Der verfassungsgerichtliche Vergleich in Organstreitigkeiten ist deshalb regelmäßig eine Art vertraglicher Rechtssatz. 92 93 94 95 96 97

BVerfGE 60, 374. Vgl. „Kurze Meldungen: Mit der Waffe in den Landtag“, FAZ v. 14. 12. 2006. BVerfGE 44, 125. BVerfGE 67, 100. BVerfGE 104, 310. Vgl. oben § 5 B. II.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Beispiel: Die Frage der Rechtswidrigkeit eines über die Regierungsfraktion eingebrachten Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (s. o. § 5 B. II., Beispiel) ist zweckmäßigerweise nicht nur für die konkret anlaßgebende Gesetzesvorlage zu bereinigen, sondern für alle zukünftigen Gesetzgebungsverfahren. Ein Vergleichsvertrag müßte danach generell-abstrakt entscheiden, ob die Bundesregierung eigene Gesetzesentwürfe in Zukunft ausschließlich selbst oder auch durch ihre Fraktion in den Bundestag einbringen kann.

II. Herrschende Lehre: Beschränkung auf legale Bereinigungsmöglichkeiten Streitigkeiten über die Verfassungswidrigkeit bestimmter Rechts- oder Realakte und über die damit verbundenen weiteren Rechtsfolgen lassen sich – grob gesprochen – auf zwei Wegen bereinigen. Zum einen dadurch, daß die Vornahme der betreffenden Handlungen vermieden wird, so daß sich die Frage ihrer Rechtswidrigkeit, ihrer Wirksamkeit und ihrer etwaigen Sekundärrechtsfolgen überhaupt nicht mehr stellt, zum anderen dadurch, daß konstitutiv entschieden wird, ob das fragliche Verhalten rechtswidrig ist oder nicht. Beides ist mit Hilfe vertraglicher Regelungen erreichbar. Der erste Weg scheint – unausgesprochen – praktisch allen Arbeiten zugrunde zu liegen, die sich bislang in irgendeiner Form mit dem möglichen Inhalt des Kompetenzvergleichs beschäftigt haben98. Der mögliche Inhalt des Vertrags wird nämlich ausschließlich darin gesehen, den Kompetenzgebrauch des Verletzers auf bestimmte Rechts- oder Realakte festzulegen, die nach gesicherter Verfassungsrechtserkenntnis kompetenzgemäß sind und die gegenüber dem ursprünglich gerügten Verhalten faktische Ausschlußwirkung besitzen99. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des ursprünglich gerügten Verhaltens bleibt damit letztlich ungeklärt. Ihre Klärung ist aber auch entbehrlich. Denn die Pflicht zur Einhaltung des Vertrags verbietet implizit die Fortsetzung oder die Wiederholung der angeblichen Kompetenzverletzung. Im o.g. Beispiel der verdeckten Regierungsvorlage liefe diese Form der Bereinigung auf eine Vertragsregelung hinaus, die die Bundesregierung verpflichtete, eigene Gesetzesentwürfe stets selbst in den Bundestag einzubringen und sie zuvor gemäß Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG dem Bundesrat zuzuleiten. Die Bereinigung der oben aufschlüsselten Vergleichsgegenstände vollzieht sich dabei im einzelnen wie folgt: Die Frage der Verfassungswidrigkeit gubernativ veranlaßter Gesetzesvorlagen durch die Regierungsfraktion erledigt sich, weil derartige Einbringungsakte fortan zwar möglicherweise nicht verfassungsrechtlich, jedenfalls aber vertraglich verboten sind. Die Frage der Wirksamkeit älterer Gesetze, deren Entwürfe irregulär in den 98

Vgl. Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 288; Bethge, in: Maunz, BVerfGG, Vorb § 17 (23. Lfg. Januar 2004), Rdn. 44; Geiger, BVerfGG, S. 64; Friauf, AöR 88 (1963), 257 (288 f.); Lechner/Zuck, BVerfGG, Vor § 17, Rdn. 19; Schmitz, Anträge, S. 109 f.; Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 67. 99 Diese letzte Bedingung – die Alternativität des gerügten und des vertraglich bedungenen Verhaltens – wird regelmäßig nicht klar ausgesprochen. Sie ist jedoch unverzichtbar, wenn die Parteien tatsächlich Bereinigung erzielen wollen. Dem Verletzerorgan muß es unmöglich gemacht werden, die angebliche Kompetenzverletzung zu wiederholen.

§ 6 Bereinigung der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände

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Bundestag eingebracht wurden, ist ex tunc nicht zu bereinigen. Die Parteien können sich aber dadurch helfen, daß sie das Gesetzgebungsverfahren unter Beachtung der vertraglichen Verfahrensvorgaben wiederholen (vertragsgemäß erlassene Gesetze sind ja nun in jedem Fall formell verfassungsgemäß und wirksam). Da das für die Zukunft vereinbarte Verfahren Eingriffe in die Rechte des Bundesrates von vornherein vermeidet, sind Unterlassungsansprüche gegen zukünftige Einbringungsakte ausgeschlossen. Etwaige Ansprüche aus früheren Gesetzgebungsverfahren sind ex tunc nicht zu bereinigen, aber auch nicht länger von Interesse. Sie sind mit dem Ende des jeweiligen Eingriffs ohnehin erloschen.

Die Fokussierung der herrschenden Lehre auf die Vermeidung potentieller Kompetenzkonflikte muß als Versuch eines Auswegs aus dem Dilemma aller Vergleichsverträge in Kompetenzkonflikten verstanden werden. Die Frage, ob eine bestimmte Handlung den Rechtssätzen der staatlichen Kompetenzordnung entspricht oder nicht, kann letztlich nur dadurch entschieden werden, daß die unsicheren Rechtssätze außer Kraft gesetzt und durch sichere ersetzt werden100. Mit legalen Mitteln ist eine solche Ersetzung jedoch nur in den seltensten Fällen zu erreichen. Die Rechtssätze der staatlichen Kompetenzordnung sind grundsätzlich verbindlich, und nur der Verfassungsgeber selbst kann sie aufheben und durch andere ersetzen101. Welche Rechts- und Realakte sie den obersten Staatsorganen auftragen, verbieten oder erlauben, steht rechtstheoretisch fest und ist für die Betroffenen prinzipiell nicht zu ändern. Die Außerkraftsetzung einer regulären Kompetenznorm zugunsten einer anderen, autonom geschaffenen geschieht nur dort in rechtmäßiger Weise, wo eine besondere verfassungsrechtliche Ermächtigung – eine Kompetenzänderungsnorm – sie zuläßt102. Entsprechende Verfassungsnormen sind jedoch außerordentlich selten103. Sucht man nach legalen (verfassungsmäßigen) Bereinigungsmöglichkeiten 100 In der Lit. wird dieser Vorgang regelmäßig als „Verfügung“ über die streitigen Kompetenzen bezeichnet, vgl. exemplarisch Friauf, AöR 88 (1963), 257 (290 f.); Schmitz, Anträge, S. 108. 101 Vgl. nur Friauf, AöR 88 (1963), 257 (290); Schmitz, Anträge, S. 107 ff.; Triepel, Delegation, S. 110 f. 102 Vgl. insoweit die vorzügliche Analyse von Barbey, Rechtsübertragung, S. 62 ff., 76 f. Barbey bezieht sich zwar nur auf den praktischen Hauptfall der Änderung von Kompetenznormen: die Übertragung von Zuständigkeiten und Kompetenzen von einem Staatsorgan auf das andere (sog. Delegation). Seine These, die regulären Rechtssätze der Kompetenzordnung könnten zugunsten außerordentlicher Rechtssätze nur dann außer Kraft gesetzt werden, wenn eine besondere Rechtsnorm vom Range des regulär geltenden Kompetenzrechtssatzes dies bestimme, erfaßt jedoch offenkundig auch die Änderung anderer Rechtssätze der Kompetenzordnung als nur solcher, die Zuständigkeiten und Kompetenzen zuweisen. Sie ist verallgemeinerungsfähig. Zur Struktur der Delegation als Normsetzungsakt aufgrund besonderer Ermächtigung vgl. auch Rasch, DÖV 1957, 337 (338); Th. Reinhardt, Delegation, S. 52, 94 f., 97; Schenke, VerwArch 68 (1977), 118 (123) sowie bereits Triepel, Delegation, S. 110 f. (zur Ambivalenz des Triepelschen Delegationsbegriffs allerdings mit Recht krit. Barbey, ebda., S. 11 ff.). 103 Sie finden sich v. a. für die Übertragung von Zuständigkeiten und Kompetenzen (Delegation) und auch dort nur sehr selten. Zu den wenigen positiven Verfassungsnormen, die eine Delegation von Organkompetenzen erlauben, zählen Artt. 45 S. 2, 60 Abs. 3, 80 Abs. 1 S. 1 GG. Umstritten ist, ob das GG darüber hinaus auch ungeschriebene Delegationsermächtigungen

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

für einen Organkompetenzkonflikt, dann scheidet ein Gebrauchmachen von Befugnissen zur Änderung der streitbegründenden Rechtssätze als Vergleichsinhalt regelmäßig aus. Den Parteien bleibt dann nur, sich innerhalb des starren Korsetts der Kompetenznormen rechtmäßig zu verhalten. Die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens können sie aber nur dadurch sicherstellen, daß sie potentielle Zuwiderhandlungen gegen die geltende Kompetenzordnung ganz und gar vermeiden. Dazu müssen sie Rechtssätzen, deren Inhalt ungewiß ist, aus dem Wege gehen. Vertraglich geschieht dies dadurch, daß bestimmte Verhaltensweisen (Rechts- oder Realakte), deren Vereinbarkeit mit dem betreffenden Rechtssatz zweifelhaft ist, ausgeschlossen werden. Zu diesem Zweck müssen faktische Alternativen der Kompetenzausübung festlegt werden, deren Rechtmäßigkeit außer Frage steht. III. Eigene These: planmäßige Überlagerung der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung durch eine Vertragskompetenzordnung Vertragsinhalte, die die Staatsorgane auf einen bestimmten rechtmäßigen Gebrauch der eigenen Kompetenzen verpflichten, sind durchaus denkbar. Als Lösung eines Kompetenzkonflikts kommen sie jedoch bei realistischer Einschätzung kaum in Betracht. Das liegt daran, daß mit der Einigung auf einen unstreitig rechtmäßigen Kompetenzgebrauch nur eine Streitpartei der anderen entgegenkommt, nämlich der angebliche Kompetenzverletzer dem angeblich Verletzten. Vertraglich versagt jener sich ein Verhalten, von dessen Rechtmäßigkeit er eigentlich überzeugt war. Das vorgeblich verletzte Organ dagegen setzt seinen Standpunkt mit dem Zurückweichen des Verletzers auf das ihm unzweifelhaft Erlaubte vollumfänglich durch. Es liegt auf der Hand, daß derartig einseitige Ergebnisse bei der einvernehmlichen Bereinigung von Kompetenzkonflikten kaum zu erwarten sind. Die hier vorgelegte Arbeit wagt daher einen anderen, realitätsnäheren Blick auf den Vergleichsinhalt. Entgegen der herrschenden Lehre nehmen wir an, daß sich die obersten Staatsorgane keineswegs darauf beschränken werden, Kompetenzkonflikte nur mit Hilfe legaler, d. h. unzweifelhaft verfassungsmäßiger, Vertragsregelungen zu bereinigen. Vielmehr erwarten wir, daß die Parteien sehr wohl bereit sind, Streit und Ungewißheit auch mit Hilfe potentiell verfassungsinkongruenter Regelungen abzuhelfen. Vom hiesigen Verständnis des Vergleichsvertrags aus ist diese Annahme nur konsequent, denn es wurde ja behauptet, daß der Vergleich mit staatlicher Beteiligung vertragstypologisch eben gerade durch das Bewußtsein der Parteien um die mögliche Norminkongruenz ihrer Vereinbarung gekennzeichnet sei104. Dieses Verständnis wird von der ganz herrschenden Meinung bezüglich des verwaltungskennt, insb. aus der Natur der Sache bzw. aus Praktikabilitätserwägungen (vgl. einerseits Triepel, Delegation, S. 112 f.; andererseits Schenke, VerwArch 68 [1977], 118 [124]) oder aus Gewohnheitsrecht (vgl. einerseits Th. Reinhardt, Delegation, S. 96; Schenke, VerwArch 68 [1977], 118 [124], andererseits Barbey, Rechtsübertragung, S. 97 ff.). 104 Vgl. oben § 2 C. III.

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rechtlichen Vergleichs auch durchaus geteilt105. Allein im Verfassungsrecht ändert sich das Bild, wie gesagt, schlagartig. Dort richtet die herrschende Lehre ihr Augenmerk ausschließlich auf legale, verfassungsgemäße Bereinigungsabreden. Die Berücksichtigung verfassungsinkongruenter Vertragsinhalte eröffnet demgegenüber eine neue Bereinigungsperspektive. Sie erlaubt die Annahme, daß die streitenden Staatsorgane die Frage der Rechtmäßigkeit eines bestimmten Rechtsoder Realakts nicht einfach nur umgehen, sondern daß sie sie positiv entscheiden, indem sie die ungewissen Verfassungsnormen, die für die Frage der Rechtmäßigkeit maßgebend sind, durch vertragliche Regelungen ersetzen. Möglich ist dies, weil norminkongruente Verträge im Falle ihrer Wirksamkeit die jeweils verletzten Verfassungsrechtsnormen überlagern. Die Gebote, Verbote und Erlaubnisse des Vertrags haben für die Parteien die gleiche Verbindlichkeit wie die entgegenstehende Gebote, Verbote oder Erlaubnisse des GG; sie gehen ihnen aber als speziellere und zeitlich spätere Regelungen vor. Hält man – vorerst nur als petitio principii – die Wirksamkeit verfassungsinkongruenter Verträge für möglich, so muß man konsequenterweise auch die Möglichkeit einer gezielten Überlagerung streitiger staatsorganisatorischer Kompetenznormen in Betracht ziehen. Nicht außerhalb, sondern innerhalb des streitigen Spektrums der verfassungsrechtlichen Gebote, Verbote und Erlaubnisse des Kompetenzgebrauchs kann danach das Verletzerorgan auf ein bestimmtes Müssen, Nicht-Dürfen oder Dürfen festgelegt werden. Das kommt im Ergebnis einer Änderung der grundgesetzlichen Kompetenzordnung durchaus gleich. Aber eben nur im Ergebnis, nicht auch in der Sache. Mit dem Vertrag werden nämlich nicht besondere Befugnisse zur Änderung der jeweiligen Kompetenznormen ausgeübt – an derartigen Befugnissen fehlt es ja in aller Regel –, sondern es wird eine neue Rechtslage geschaffen, in der horizontale Vertragspflichten, -verbote und -befugnisse die (unverändert fortbestehenden) vertikalen Gebote, Verbote und Erlaubnisse der Verfassung überlagern. Beispiel: Die mit der Einbringung gubernativer Gesetzesentwürfe durch die Regierungsfraktion verbundenen Vergleichsgegenstände könnten durch folgenden Vergleichsvertrag zwischen der Bundesregierung, deren Parlamentsfraktion und dem Bundesrat bereinigt werden: „Der Bundesregierung ist es fortan erlaubt, eigene Gesetzesentwürfe im Falle besonderer Eilbedürftigkeit ohne vorherige Zuleitung an den Bundesrat durch ihre eigene Fraktion in den Bundestag einzubringen. Sie wird in diesem Falle den Bundesrat von der Einbringung in Kenntnis setzen und ihm die Gesetzesvorlage unverzüglich zur Stellungnahme zuleiten. Der Bundesrat äußert sich innerhalb der Fristen des Art. 76 Abs. 2 S. 2 – 5 GG direkt gegenüber dem Bundestag“ – Unterstellt man die Wirksamkeit dieses Vertrages, so ist Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG als Rechtsquelle für die mit der Einbringung von Regierungsentwürfen durch die Regierungsfraktion verbundenen Rechtsfragen fortan ausgeschaltet. Nicht Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG, sondern allein der Vergleichsvertrag entscheidet von nun an darüber, ob die Einbringung von Regierungsvorlagen durch die Regierungsfraktion rechtmäßig ist, wann die daraus hervorgehenden Gesetze wirksam sind und inwieweit dem Bundesrat Unterlassungsansprüche gegen die Bundesregierung und deren Parlamentsfraktion zustehen. Aufgrund des Vertrages steht fest, daß Gesetzesinitiativen durch die Fraktion rechtmäßig sind, wenn ein Gesetzesvorhaben eil105

Vgl. die Nachweise oben § 2 C. I. Fn. 163.

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bedürftig ist, und daß sie – umgekehrt – rechtswidrig sind, wenn eine besondere Dringlichkeit fehlt. Bereinigt wäre damit zugleich auch die Frage der Wirksamkeit von Gesetzen, deren Entwürfe auf Veranlassung der Bundesregierung durch die Regierungsfraktion in den Bundestag eingebracht werden. Soweit ihre Einbringung vertragsgemäß erfolgt ist (Eilbedürftigkeit der Vorlage), sind die Gesetze formell ordnungsgemäß zustandegekommen und damit wirksam. Wird eine Vorlage dagegen eingebracht, ohne daß die vertraglich vereinbarten Bedingungen hierfür vorliegen, so leidet das Gesetz an einem evidenten Verfahrensfehler, der zu seiner Nichtigkeit führt106. Auch die Frage etwaiger Reaktionsrechte des Bundesrates ist mit dem obigen Vergleichsvertrag bereinigt. Das Entstehen derartiger Ansprüche setzt eine Rechtsverletzung auf Seiten des Bundesrates voraus. Eine solche ist jedoch ausgeschlossen, wenn eine Gesetzesvorlage vertragsgemäß erfolgt. Der Vertrag überlagert Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG und schaltet ihn als Quelle eines möglichen subjektiven Rechts des Bundesrates aus. Erfolgt eine Vorlage vertragswidrig, so ergeben sich Unterlassungsansprüche gegen die Bundesregierung und deren Parlamentsfraktion unmittelbar aus dem Vertrag.

Entscheidend für das Verständnis des hier beschriebenen Vorgangs ist die Erkenntnis, daß die Überlagerung gesetzlicher Verhaltensregeln durch Verträge keine Besonderheit des Vergleichs in verfassungsrechtlichen Kompetenzkonflikten ist, sondern eine Eigenschaft, die prinzipiell jedem wirksamen Vertrag zukommt. Soweit die Rechtsordnung einem Vertrag Wirksamkeit zuerkennt, erhebt sie ihn in den Rang einer Rechtsquelle. Nicht entgegenstehende Gesetze, sondern allein der Vertrag bestimmt fortan, was zwischen den Parteien rechtens ist. Rechtsfolgen, die sich aus einem wirksamen Vertrag ergeben, haben für Staatsorgane mithin die gleiche Verbindlichkeit wie die allgemeine rechtsstaatliche Pflicht zu normgemäßem Verhalten (Vorrang von Gesetz und Verfassung, Art. 20 Abs. 3 GG), gehen ihr aber als speziellere und zeitlich spätere Regelungen vor. Für den Bereich des Verwaltungshandelns ist dieser Zusammenhang zwischen der Wirksamkeit rechtswidriger Verträge und ihrer normersetzenden Wirkung mittlerweile in zahlreichen Arbeiten klar formuliert worden. Wenn der Gesetzgeber in Abkehr vom früheren Nichtigkeitsdogma107 mit § 59 VwVfG die Wirksamkeit gesetzesinkongruenter Verträge in weitem Umfange zuläßt, dann kann eine die Verwaltung treffende Pflichtenkonkurrenz aus Gesetz und gesetzeswidrigem Vertrag konsequenterweise nur zugunsten der letzteren gelöst werden108. Was für die Organe der Verwaltung gilt, gilt aber um nichts weniger auch für die Organe der Verfassung. Soweit die Rechtsordnung Verträgen zwischen ihnen Wirksamkeit zuerkennt, überlagern die daraus folgenden Vertragspflichten, -verbote und -befugnisse die allgemeine rechtsstaatliche Pflicht zur Einhaltung der Verfassung. Auf den Inhalt des Vertrags bzw. auf die Art der von ihm obliterierten Verfassungsnormen kommt es dabei nicht an – jeder wirksame Vertrag ersetzt entgegenstehende gesetzliche, auch verfassungsgesetzliche, Verhaltensregeln. Der Inhalt 106

Vgl. BVerfGE 34, 9 (25); 91, 148 (175). Die vor Erlaß des VwVfG h.M. sah rechtswidrige Verträge auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (insb. des Verwaltungsrechts) als nichtig an. Zur Begründung des Nichtigkeitsdogmas und zu seiner Überwindung i. e. unten § 8 A. III. 3. 108 Vgl. oben § 2 B. II. 1. mit Fn. 143 f. 107

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der verletzten Verfassungsnorm hat allenfalls für die Bestandskraft der ihr zuwiderlaufenden Verträge eine Bedeutung – es ist denkbar, daß bestimmte Verfassungsverstöße zur Nichtigkeit führen, andere nicht109 –, an der Normersetzung durch wirksame Vertragsregelungen dagegen ändert er nichts. Es ist daher zumindest theoretisch möglich, auch die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung mit Hilfe vertraglicher Regelungen zu überlagern und damit de facto auszuschalten. In welchem Umfange, entscheidet allein das sachliche Vertragsrecht, genauer: die Regeln über die Bestandskraft verfassungswidriger Verträge. Daran kann auch Art. 79 GG nichts ändern. Art. 79 GG knüpft Änderungen oder Ergänzungen der Verfassung an bestimmte formale (Abs. 1 und 2) und materielle Voraussetzungen (Abs. 3). Es steht außer Frage, daß ein Vertrag der obersten Staatsorgane diese Voraussetzungen schon in formaler Hinsicht nie und nimmer erfüllen kann. Er ist kein „Gesetz“, das den Wortlaut des GG ausdrücklich ändert oder ergänzt (Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG), sondern eine untergesetzliche Rechtsquelle. Über seine Bestandskraft ist damit allerdings noch nichts gesagt. Art. 79 GG enthält Regeln nur für die Änderung und für die Ergänzung der Verfassung. Der Vertrag ist aber keine Änderung und keine Ergänzung der Verfassung, sondern vielmehr Rechtsetzung im Rahmen der Verfassung. Für seine Wirksamkeit gilt folglich nicht Art. 79 GG, sondern die gesamte Verfassung, genauer: die aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit der jeweils verletzten Einzelnorm zu gewinnende Fehlerfolgenlehre des verfassungsrechtlichen Vertrags. Die eigentliche Kernfrage des Vergleichs in Organkompetenzkonflikten ist danach die seiner Fehlerresistenz gegenüber Verfassungsrechtsverletzungen. Die hier skizzierte Art der Bereinigung setzt auf eine gezielte Überlagerung des Verfassungsrechts und nimmt dabei die latente Verfassungsinkongruenz des Vertrags in Kauf. Ihre Erfolgsaussichten hängen damit essentiell davon ab, daß der Vertrag trotz etwaiger Verfassungsinkongruenz Wirksamkeit entfaltet. Die Frage der Bestandskraft des verfassungsrechtlichen Organvertrags ist damit die dogmatische Kernfrage des verfassungsrechtlichen Vergleichs. Ihr wird im weiteren Verlaufe der Untersuchung eingehend auf den Grund zu gehen sein (§ 8 A. III.).

B. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung Was für Organkompetenzverletzungen gilt, gilt – mutatis mutandis – auch im Bereich der Verbandskompetenzen. Vergleichsgegenstand ist auch hier dreierlei: zum einen die Frage der Rechtmäßigkeit eines bestimmten Rechts- oder Realakts, zweitens, bei Rechtsakten, die Frage ihrer Wirksamkeit oder Anfechtbarkeit und drittens die Frage etwaiger Reaktions109

Wir werden hierauf zurückkommen, vgl. unten § 8 A. III. 4.

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rechte des angeblich in seinen Rechten verletzten Verbandes. Da alle drei Rechtsfolgen auf einer einzigen Ausgangsrechtsfolge beruhen (der Rechtswidrigkeit des Verletzerverhaltens), können sie uno actu bereinigt werden. Erforderlich ist nicht mehr als daß die Rechtmäßigkeit des Verletzerverhaltens vertraglich geklärt wird. Das wiederum kann, grosso modo, auf zwei verschiedenen Wegen geschehen. Entweder durch eine gezielte Überlagerung der streitigen Verfassungsrechtssätze durch potentiell verfassungswidrige, aber bestandskräftige Vertragsregelungen (dazu im folgenden II.) oder aber durch Abreden, die den Verletzer im Rahmen der verfassungsrechtlich gegebenen Gestaltungsmöglichkeiten auf ein unzweifelhaft verfassungsgemäßes Verhalten verpflichten (III.).

I. Grundannahmen: Bereinigung für die Zukunft, generell-abstrakte Regelungstechnik Wie im Bereich der Organkompetenzen gilt dabei auch hier die Annahme einer generell-abstrakten Bereinigungstechnik mit Wirkung für die Zukunft110. Der unmittelbar streitauslösende Kompetenzkonflikt ist im Stadium des Verfassungsprozesses im Regelfall bereits erledigt und kann selbst nicht mehr bereinigt werden. Der Kompetenzvergleich zielt regelmäßig auf die Bereinigung etwaiger Wiederholungsfälle in der Zukunft. Um der Vielgestaltigkeit der dabei zu erwartenden Fallkonstellationen gerecht zu werden, bedienen sich die Parteien normähnlicher, generell-abstrakter Regelungstechniken. II. Eigene These: planmäßige Überlagerung der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung durch eine Vertragskompetenzordnung Wie also lassen sich die ungewissen Rechtsfolgen einer föderativen Kompetenzverletzung vertraglich bereinigen? Die Antwort lautet – man ahnt es bereits – nicht anders als bei der Bereinigung von Organkompetenzverletzungen. Die betroffenen Kompetenzinhaber müssen eine sekundäre Rechtslage schaffen, in der sichere Vertragsregelungen – Gebote, Verbote oder Erlaubnisse – die ungewissen Regelungen der Verfassung überlagern111. Der Wirkungsmechanismus der Bereinigung ist dabei derselbe wie im Bereich der Organkompetenzen. Der Vertrag wird als Rechtsquelle genutzt, um ungewisse Verfassungsrechtssätze zu überlagern. Vertraglich wird festgelegt, was sich der föderativen Kompetenzordnung nicht mit Gewißheit an Geboten, Verboten oder Erlaubnissen entnehmen läßt. Seitens der Normadressaten geschieht dies im vollen Bewußtsein der möglichen Verfassungswidrigkeit des Vereinbarten. Aber es geschieht auch in dem Vertrauen darauf, daß selbst die Verfassungswidrigkeit des Vertrags seine Wirksamkeit nicht erschüttern 110 111

Vgl. oben § 6 A. I. Vgl. oben § 6 A. III.

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werde, so daß fortan eben Recht sei, was vertraglich vereinbart wurde. Diese Bereinigungshypothese ist fraglos gewöhnungsbedürftig, aber nur sie wird dem Wesen des öffentlichrechtlichen Vergleichsvertrags gerecht, und sie allein entspricht – wie wir sehen werden112 – der Staatspraxis. III. Abweichende Thesen verschiedener legaler Bereinigungsmöglichkeiten und ihre Widerlegung Die herrschende Lehre kann sich mit dieser Wirkungsbeschreibung nicht anfreunden. Genauso wie bei den Organkompetenzkonflikten denkt sie auch bei den föderativen Konflikten ausschließlich in den Bahnen verfassungskonformer Bereinigung. Sie versucht mit anderen Worten, die Frage der Rechtswidrigkeit eines Verletzerverhaltens mit Hilfe von Vertragsregelungen außer Streit zu setzen, die ihrerseits auf jeden Fall verfassungsgemäß sein sollen. Sie verlangt, daß auch im Angesicht rechtlicher Ungewißheit rechtmäßige Zustände mit rechtmäßigen Mitteln herbeigeführt werden. Im Grundsatz verlangt sie damit Unmögliches. Die Rechtssätze der föderativen Kompetenzordnung sind prinzipiell abschließend und verbindlich113. Auch wo sie ungewiß sind, sind sie dennoch vorhanden und unverrückbar. Ihre rechtmäßige Ersetzung durch Verträge ist nur dort möglich, wo eine besondere Ermächtigungsvorschrift vom Range der zu ändernden Kompetenznorm dies explizit zuläßt114. Da das GG Ermächtigungsvorschriften dieser Art aber nur für wenige Bereiche der föderativen Kompetenzordnung enthält115, ist das Feld der legalen Bereinigungsmöglichkeiten außerordentlich eng. Desungeachtet fehlt es nicht an Versuchen, echte Spielräume vertraglicher Disposition nachzuweisen, um so der legalen Bereinigungshypothese einen Anwendungsbereich zu verschaffen. Im einzelnen finden sich nicht weniger als vier verschiedene Ansätze. Zum einen begegnet der schon aus dem Bereich der Organstreitigkeiten bekannte Vorschlag, den angeblichen Verletzer auf ein unzweifelhaft verfassungsgemäßes Verhalten zu verpflichten und ihm so implizit jedes andere (möglicherweise ver-

112

Vgl. unten § 7 B. s. nur Bothe, in: Starck, Zusammenarbeit, S. 175 (207); Friauf, AöR 88 (1963), 257 (290); Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 182; Kölble, DÖV 1960, 650 (657); Pietzcker, in: Starck, Zusammenarbeit, S. 17 (60); Schmitz, Anträge, S. 108. 114 Vgl. oben § 6 A. III. 115 Hauptfälle sind Artt. 71, 72 Abs. 4, 80 Abs. 1 Alt. 3, 87d Abs. 2, 87e Abs. 1 S. 2, 89 Abs. 2 S. 3 und 4, 90 Abs. 3, 91a, 91b, GG. Die Kompetenzveränderung ist dabei überwiegend an die Form des Gesetzes gebunden, kann also durch Verträge der Beteiligten rechtmäßig überhaupt nicht bewirkt werden. 113

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fassungswidrige) Verhalten zu verbieten116. Bund und Länder seien zwar nicht befugt, auf ihre Kompetenzen „zu verzichten“, nichts aber hindere sie daran, sich vertraglich auf einen bestimmten rechtmäßigen Kompetenzgebrauch festzulegen, um so ein kompetenzwidriges Alternativverhalten auszuschließen. Daß derartige Verträge höchst unwahrscheinlich und im übrigen auch keine Vergleiche sind, wurde dargelegt117. Andere sehen namhaften Vergleichsspielraum in den besagten Ermächtigungen des Bundes und der Länder, die föderative Kompetenzordnung legal zu verändern118. Um den Nachweis konkreter Ermächtigungsgrundlagen schert man sich dabei allerdings recht wenig. So behauptet zum Beispiel Maunz, die Länder seien zur Delegation ihrer (umstrittenen) Kompetenzen zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge an den Bund befugt, weil es „im heutigen deutschen Staatsrecht keinen allgemeinen Grundsatz [gebe], der eine Kompetenzübertragung im auswärtigen Bereich schlechthin verböte“119. Mit dieser Argumentation wird aber nun doch die Grundidee der Kompetenzordnung – Teilung und Ausschluß – auf den Kopf gestellt. Nicht derjenige, der die Änderung der Kompetenzordnung für unzulässig hält, hat das Verbot nachzuweisen, sondern derjenige, der sie für erlaubt hält, die Ermächtigung! Ein dritter Ansatz schließlich sieht Raum für rechtmäßige Vergleiche in der mangelnden Bestimmtheit der Verfassung. Zwar seien „verfassungsändernde, -ergänzende, -erweiternde, -aufhebende oder -suspendierende Verträge“ a limine untersagt. „Verfassungskonkretisierende und -interpretierende“ Verträge jedoch seien nicht allgemein unzulässig, weshalb auch die vergleichsvertragliche Zuständigkeitsabgrenzung verfassungsgemäß sei, solange sie sich im Rahmen der Konkretisierung und Interpretation bewege120. Mit dem abschließenden Charakter der föderativen Kompetenzordung (Art. 30 GG) ist dies nur schwerlich zu vereinbaren. Wenn man der Meinung ist, daß sich ausnahmslos jedes Verhalten des Bundes und der Länder daraufhin überprüfen läßt, ob es die Rechte eines anderen Verbandes verletzt oder nicht – und dies ist in der Tat ganz herrschende Meinung –, dann kann es einen der „Konkretisierung“ fähigen Bereich der föderativen Kompetenzordnung nicht

116 Klein, in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 288, 1066; Bethge, in: Maunz, BVerfGG, Vorb § 17 (23. Lfg. Januar 2004), Rdn. 44; Geiger, BVerfGG, S. 64; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 IV (18. Lfg. September 1980), Rdn. 102 f.; Kölble, DÖV 1960, 650 (657, 659); Schmitz, Anträge, S. 109 f. 117 Vgl. oben § 6 A. III. 118 So etwa Maunz, in: ders./Dürig, GG, Art. 32 (5. Lfg. Mai 1961), Rdn. 44 f. (bzgl. auswärtiger Zuständigkeiten), Art. 71 (23. Lfg. Oktober 1984), Rdn. 41, 29 (bzgl. Gesetzgebungszuständigkeiten); Knöpfle, Staat 8 (1969), 79 (93) (bzgl. Verwaltungszuständigkeiten); allg. Pietzcker, in: Starck, Zusammenarbeit, S. 17 (60). 119 Maunz, in: ders./Dürig, GG, Art. 32 (5. Lfg. Mai 1961), Rdn. 44. 120 Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 164 ff., 179. Ein ähnliches Verständnis des Vergleichsvertrags findet sich z. T. auch im Verwaltungsrecht (namentlich bei Seer, Verständigungen, S. 212 f., 384 f.), wird dort aber von der h.M. zu Recht abgelehnt, vgl. oben § 2 C. III.

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geben, weil die föderative Kompetenzordnung jeden denkbaren Fall bereits abschließend regelt. Viertens endlich die bereits aus dem Verwaltungsrecht bekannte121 Dispenstheorie122: Ebenso wie der verwaltungsrechtliche Vergleich vom Vorrang des Gesetzes befreit sein soll, so soll auch der staatsorganisationsrechtliche Vergleich vom Vorrang der Verfassung befreit sein. Ein föderativer Vergleich sei daher rechtmäßig auch dann, wenn sein Inhalt mit der Verfassung in Wahrheit nicht zu vereinbaren sei. Als Argument dient hier wie dort der Gedanke des Rechtsfriedens. Es könne „nicht Rechtens“ sein, daß Bund und Länder auf einen streitigen Kompetenzgebrauch ganz verzichten müßten oder doch zumindest zuallererst das BVerfG anrufen müßten, um seine Rechtmäßigkeit zu klären, wenn ihnen nicht die Möglichkeit einer gütlichen Einigung zugestanden werde. Gegen diese Argumentation gibt es viele Einwände123. Nur ein einziger sei in Erinnerung gerufen: Wäre es tatsächlich so, daß der Gedanke des Rechtsfriedens den Geltungsanspruch umstrittener Rechtssätze nivellieren könnte, dann wäre überhaupt jeder Staatsakt „rechtmäßig“, solange er nur im Angesicht ungewissen Rechts vollendete Tatsachen schafft. Das kann nicht richtig sein. Alles Bemühen um die Darstellung verfassungsgemäßer Wege der Bereinigung im Staatsorganisationsrecht ist demnach bislang ohne Erfolg geblieben. Es bestätigt sich vielmehr, daß der verfassungsrechtliche Vergleich, ebenso wie der verwaltungsrechtliche Vergleich, als ein latent norminkongruenter Rechtsakt verstanden werden muß. Die Prämisse, der Vergleichsvertrag bezwecke eine Erfüllung öffentlicher Aufgaben nach Recht und Gesetz, ist Ausdruck einer grundlegenden Verkennung seiner rechtsstaatlichen Funktion. Latente, bewußt einkalkulierte Norminkongruenz ist gerade das Schicksal jedes von Staatshand geschlossenen öffentlichrechtlichen Vergleichsvertrags. Ein öffentlichrechtlicher Vertrag wird überhaupt erst dadurch zum Vergleich, daß seine Parteien meinen, das Vereinbarte widerspreche dem Gesetz, daß sie also von eigenen Rechtsstandpunkten abrücken. Sie dürfen dies, weil das Rechtsstaatsprinzip es unter engen Voraussetzungen zuläßt, Rechtsfrieden auch um den Preis potentiell norminkongruenten Staatshandelns zu verwirklichen124. Und sie haben dabei Aussicht auf Bereinigungserfolg, weil Rechtssicherheit und Vertrauensschutz – zwei der Gesetzmäßigkeit gleichrangige Gebote materieller Rechtsstaatlichkeit – in weitem Umfange auch norminkongruenten Verträgen Wirksamkeit verschaffen125. Für den Rechtsstaat bildet der Vergleichsvertrag eine besondere Form, die subjektiv norminkongruente Rechtsetzung erkennbar macht und die es ermöglicht, die besonderen Voraussetzungen dieser

121

Vgl. oben § 2 D. II. Schweiger, in: Nawiasky/Leusser/ders./Zacher, Verfassung, Teil V, Art. 72 (EL 6 Januar 1989), Rdn. 6d; Knöpfle, Staat 8 (1969), S. 79 (90). 123 Vgl. oben § 2 D. II. 2. 124 Vgl. oben § 2 C. III. und D. II. 125 Vgl. oben § 2 B. II. 1. 122

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Rechtsetzung (qualifizierte Ungewißheit, Entschließungs- und Auswahlermessen126) zu kontrollieren und, bei Mißachtung, zu sanktionieren127. Wer versucht, den Vergleichsinhalt mit den Möglichkeiten verfassungs- und gesetzeskonformer Rechtsetzung zu beschreiben, zwingt ihn ins Bett des Prokrustes. Wie Palmström, für den „nicht sein kann, was nicht sein darf“, verbannt er die bewußte Hinwegsetzung über die Kompetenzordnung in der Absicht ihrer Überlagerung aus dem Kreise der möglichen Vertragsinhalte. Genau mit dieser Hinwegsetzung aber beginnt erst das Feld des Vergleichens. Das zeigt nicht zuletzt auch ein Blick auf die Staatspraxis. Bund und Länder schließen Zuständigkeitsvergleiche nicht mit dem Anspruch, erlaubte Delegationen vorzunehmen, die wahre Kompetenzordnung zu interpretieren, sich zu unstreitig verfassungsmäßigem Kompetenzgebrauch zu verpflichten o. ä. Sie schließen sie in kalkulierter Mißachtung der ungewissen Kompetenznormen und mit dem unverhohlenen Ziel ihrer Ersetzung. Nichts könnte dies klarer belegen als die einschlägigen Vertragswerke selbst, in deren Präambeln ausdrücklich erklärt wird, daß die Parteien das Vereinbarte gerade nicht für verfassungsgemäß halten, sondern auf ihren abweichenden Rechtsstandpunkten beharren128. Zur Klarstellung sei vermerkt: Es ist durchaus möglich, daß der Inhalt eines Kompetenzbereinigungsvertrags im Einzelfall mit der Verfassung in Einklang steht, sei es, weil er zufällig der wahren Rechtslage entspricht, sei es, weil er von verfassungsrechtlich vorgesehenen Delegationsmöglichkeiten oder sonstigen Ermächtigungen zur Änderung der grundgesetzlichen Kompetenzordnung Gebrauch macht. Allein, solche Fälle sind die Ausnahme. Seiner Natur nach ist der öffentlichrechtliche Vergleichsvertrag latent gesetzes- bzw. verfassungsinkongruent. Sofern er nicht zufällig die wahre Rechtslage trifft, läuft er dem streitigen Recht zuwider. Auch einem weiteren Mißverständnis sei vorgebeugt. Es wird hier nicht behauptet, daß der beschriebene Wirkungsmechanismus der Normersetzung in jedem Falle auch funktioniert. Es ist ganz gewiß nicht so, daß jeder Vertrag, dessen Inhalt den Geboten, Verboten oder Erlaubnissen der Artt. 30, 32, 70 ff., 83 ff., 104a ff. GG zuwiderläuft, auch ohne weiteres wirksam ist. Gerade dies – die Fehlerresistenz verfassungswidriger Verträge – bleibt erst noch zu prüfen. Es wird lediglich behauptet, daß wenn eine vertragliche Bereinigung föderativer Kompetenzstreitigkeiten überhaupt stattfinden soll, dies sinnvollerweise nur unter Inkaufnahme der Ersetzung verfassungsnormativer Rechtsfolgen stattfinden kann. Die Möglichkeiten und Grenzen dieser Ersetzung sind in § 8 B. genauer zu untersuchen.

126

Vgl. oben § 2 D. I. 1.–3. Vgl. oben § 2 D. I. 4. 128 Vgl. etwa das Lindauer Abkommen und die Bund-Länder-Vereinbarung über die Erteilung allgemeiner Weisungen i.R.d. Finanzverwaltung (Fundstellennachweise in § 7 B., Fn. 158 und 171). 127

§ 6 Bereinigung der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände

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C. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte Die Analyse der grundrechtsbezogenen Vergleichsgegenstände hatte ergeben, daß die Rechtsfolgen staatlicher Grundrechtsverletzungen den Rechtsfolgen einfachen Rechts äußerlich weitgehend entsprechen129. Streit und Ungewißheit beziehen sich im Regelfall auf Rechtsverhältnisse des Privatrechts oder auf die Rechtsfolgen konkreter Verwaltungshandlungen und damit auf wohlbekannte Archetypen privatrechtlicher bzw. verwaltungsrechtlicher Vergleichsgegenstände130. Vergleichsgegenstände sui generis sind die Rechtsfolgen staatlicher Grundrechtsverletzungen nur dann, wenn Streit und Ungewißheit die Grundrechtswidrigkeit oder die Wirksamkeit formeller Gesetze betreffen. Soweit ein grundrechtlicher Vergleichsgegenstand einem solchen des einfachen Rechts entspricht, ist seine Bereinigung mit Hilfe herkömmlicher privatrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Vergleichsinhalte möglich. Das ist im folgenden zu bestätigen (I. und II.). Selbständiger Überlegungen bedarf allein die Bereinigung der Grundrechtswidrigkeit und der Wirksamkeit formeller Gesetze. Wie sich zeigen wird, ist eine Bereinigung hier mit Hilfe einer besonderen Form der Normersetzung zu erzielen (III.).

I. Die Bereinigung von Rechtsverhältnissen des Privatrechts Die Richtigkeit der vorstehenden Vermutungen bestätigt sich zunächst für all jene Grundrechtsfolgen, die ihren Niederschlag in Rechtsverhältnissen des Privatrechts finden. Eine Rekapitulation der im vorangegangenen Kapitel zusammengetragenen Beispiele131 zeigt, daß sich die hier in Betracht zu ziehenden Vergleichsgegenstände unschwer mit Hilfe des gängigen privatrechtlichen Vergleichsinstrumentariums bereinigen lassen. In Beispiel 2 stritten A und Z über die wirksame Begründung eines Dienstvertrags, d. h. über das Bestehen eines Schuldverhältnisses. Vergleichsgegenstände dieses Typus können nach allgemeiner Vergleichsdogmatik durch unecht bedingte Schuldänderungen oder -neubegründungen bereinigt werden132. So auch hier. A und Z können das ungewisse Schuldverhältnis in einen sicheren Endzustand versetzen (etwa einen Dienstvertrag, der Z verpflichtet, bei den Auftritten des A bestimmte Schutzvorkehrungen für dessen Gesundheit zu treffen), indem sie es entsprechend abändern, sofern er tatsächlich bestand, und neu begründen, sofern er in Wahrheit nichtig war. In Beispiel 3 betraf der Streit den Inhalt eines Schuldverhältnisses, nämlich die Höhe eines bestimmten Schadensersatzanspruchs. Streitigkeiten dieser Art lassen sich im allgemeinen 129

Vgl. oben § 5 D. I. Zu diesen Grundtypen der privatrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Vergleichsgegenstände s. oben § 2 A. II. und III. 131 Vgl. oben § 5 D. II. 1. 132 Vgl. oben § 2 B. I. 2. 130

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

durch unecht bedingte Änderungsverträge bereinigen133. Das gilt auch hier. Der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG ist im Ergebnis ein Schuldverhältnis wie jedes andere auch. Nichts hindert Schädiger und Geschädigten folglich daran, die ungewisse Höhe des Anspruchs auf einen für beide Seiten akzeptablen Betrag festzulegen und hierzu die streitige Forderung vertraglich abzuändern. In Beispiel 4 stritten die Parteien um eine Erbschaft, d. h. um eine Gesamtheit von Sachenrechten. Die Bereinigung sachenrechtlicher Zuständigkeiten läuft für gewöhnlich auf die Übertragung der streitigen Rechte zwischen den Prätendenten hinaus134. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dieser Mechanismus bei der Bereinigung grundrechtlich determinierter Sachzuständigkeiten versagen sollte. S2, der vorgibt, Alleinerbe zu sein, kann selbstverständlich durch eine Reihe unecht bedingter Abtretungen, Übereignungen und Auflassungen an und von seinen Geschwistern Klarheit über die Eigentumsverhältnisse an den Nachlaßgegenständen schaffen.

II. Die Bereinigung der Grundrechtswidrigkeit, der Wirksamkeit oder der subjektiven Reaktionsrechte konkreter Verwaltungsrechts- oder -realakte Gewöhnliche Vergleichsinhalte kommen auch dort zum Tragen, wo die Rechtsfolgen grundrechtswidriger Verwaltungsrechts- oder -realakte zu bereinigen sind. Der Vergleich wirkt hier entweder normersetzend oder, wie im Privatrecht, durch unecht bedingte Änderungsverträge und Schuldbegründungen. Auch dies sei anhand der Beispiele des vorigen Kapitels135 illustriert. In Beispiel 5 betraf der Streit die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts, konkret die Frage, ob das Verbot simulierter Tötungsspiele auf eine grundrechtskonforme Auslegung der polizeirechtlichen Generalklausel gestützt werden kann. Folgender Vergleich wäre denkbar136 : „(1.) Die Untersagungsverfügung wird aufgehoben, sobald L für bestimmte Veränderungen im Betrieb des Laserdromes sorgt, die die Veranstaltung entmilitarisieren (Zivilkleidung, Entfernung von Tarnnetzen und Nebelwerfern etc.), den Zutritt Jugendlicher verhindern und sicherstellen, daß das „Abschießen“ von Mitspielern nicht der ausschließliche Zweck des Spieles ist. (2.) Werden diese Bedingungen von L nicht erfüllt oder – nach anfänglicher Erfüllung – erneut mißachtet, so bleibt die Untersagungsverfügung bestehen oder wird erneut erlassen.“ – Die Regelungen dieses Vergleichs ersetzen im Falle ihrer Wirksamkeit das ungewisse polizeigesetzliche Handlungsprogramm der Behörde. Die Entscheidung über Verbot oder Erlaubnis des Laserdromes richtet sich fortan nicht mehr danach, ob sein Betrieb die öffentliche Sicherheit tatsächlich gefährdet, sondern allein danach, ob L die Auflagen des Vergleichs erfüllt oder nicht. Das ist der bekannte verwaltungsrechtliche Bereinigungsmechanismus der Normersetzung137. Mit der Überlagerung des Gesetzes durch den wirksamen Vertrag entfällt zugleich auch die Gefahr einer möglichen Anfechtbarkeit der Untersagungsverfügung (Beispiel 5a)138. Selbst

133 134 135 136 137 138

Vgl. oben § 2 B. I. 1. Vgl. oben § 2 B. I. 3. Vgl. oben § 5 D. II. 2. Nach VG Stuttgart, „Umstrittene Kleckse“, Süddeutsche Zeitung v. 15. 3. 2007, S. 12. Vgl. oben § 2 B. II. 1. Vgl. oben § 2. B. II. 2.

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wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt erweisen sollte, daß das Laserdrome in seiner ursprünglichen Form keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellte, und L sich daraufhin weigern würde, die Auflagen des Vergleichs zu erfüllen, wäre seine Anfechtungsklage gegen die darauf ergehende Untersagungsverfügung ohne Aussicht auf Erfolg. Für die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung – und damit auch für ihre Aufhebbarkeit (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) – ist nicht länger das Gesetz maßgeblich (konkret: die Voraussetzungen der polizeilichen Generalklausel), sondern allein der Vertrag. Dieser sieht vor, daß der Betrieb des Laserdomes zu untersagen ist, wenn er in einer nicht vertragsgemäßen Form veranstaltet wird139. Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall. Die spätere Erkenntnis, daß auch ein entmilitarisiertes Laserdrome die öffentliche Sicherheit gefährdet, erlaubt kein Einschreiten der Behörde. Die Untersagung des vertragsmäßigen Betriebs wäre rechtswidrig und könnte von L mit Erfolg angefochten werden (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Bekannte Mechanismen greifen auch bei der Bereinigung grundrechtlicher Abwehr- und Entschädigungsansprüche (Beispiel 6). Primäre grundrechtliche Reaktionsrechte entfallen infolge vertraglicher Normersetzung. Grundrechtliche Sekundäransprüche sind privatrechtsähnlichen Vergleichsregelungen zugänglich (unecht bedingte Änderungsverträge und Schuldbegründungen)140. Im Beispielsfall stritt W mit der Bundesregierung um einen Unterlassungsund einen Entschädigungsanspruch wegen der pauschalen Warnung vor seinen Produkten. Folgender Vergleich wäre denkbar: „(1.) Die Bundesregierung verpflichtet sich, ihre Warnung zu präzisieren und nur den tatsächlich betroffenen Wein und Jahrgang zu nennen. (2.) W erhält 10.000 Euro Entschädigung für die Umsatzrückgänge an seinen nicht belasteten Weinen und verzichtet im übrigen auf alle etwaigen Ersatzansprüche.“ – Punkt (1.) dieses Vergleichs wirkt normersetzend. Er erlaubt der Bundesregierung eine bestimmte Form der Öffentlichkeitsarbeit ungeachtet ihrer (umstrittenen) verfassungsrechtlichen Zulässigkeit (Artt. 65, 12 Abs. 1 GG). Daraus ergibt sich zugleich auch Gewißheit über den behaupteten Unterlassungsanspruch. Ein primäres Reaktionsrecht dieser Art kann nur entstehen, wenn rechtswidrig in ein Grundrecht eingegriffen wird. Vertragsmäßiges Handeln der Bundesregierung erfolgt jedoch zu Recht und kann daher keinerlei Unterlassungsansprüche auslösen. Auch dann nicht, wenn es (bei Fehlen der vertraglichen Gestattung) eine Grundrechtsverletzung darstellen würde. Punkt (2.) des Vergleichs bereinigt den behaupteten Ersatzanspruch des W, und zwar mit Hilfe gewöhnlicher privatrechtsähnlicher Mechanismen. Der vorliegende Vergleich ist als unecht bedingter Änderungs- und Schuldbegründungvertrag auszulegen. Je nach dem tatsächlichen (unbekannten) Ausgangszustand wirkt er entweder als Änderung des bestehenden Ersatzanspruches hin zu einer Forderung in Höhe von 10.000 Euro oder aber als Neubegründung einer entsprechenden Forderung auf Seiten des W.

III. Die Bereinigung der Grundrechtswidrigkeit und der Wirksamkeit formeller Gesetze Zu prüfen bleibt, ob die bekannten Bereinigungsmechanismen auch die Rechtsfolgen legislativer Grundrechtsverletzungen (Grundrechtswidrigkeit und Wirksamkeit formeller Gesetze) von Streit und Ungewißheit befreien können. Völlig ausge139 Das schließt natürlich nicht aus, daß die Parteien sich auf der Grundlage besserer Rechtserkenntnis entschließen, den Vergleichsvertrag abzuändern oder – hier näher liegend – gleich völlig aufzuheben. 140 Vgl. oben § 2 B. II. 3.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

schlossen erscheint dies nicht. Auch in bezug auf legislatives Staatshandeln kommt theoretisch eine vertragliche Normersetzung in Betracht. Der Gesetzgeber könnte sich dem betroffenen Grundrechtsträger gegenüber verpflichten, ein angeblich grundrechtswidriges Gesetz in einer bestimmten Art und Weise zu ändern. Unterstellt, ein solcher Vertrag wäre wirksam, so hätte er auch Rechtsquellencharakter und wäre danach in der Lage, entgegenstehende verfassungsrechtliche Maßstäbe der Rechtmäßigkeit (konkret: die Grundrechte) zu überlagern und zu ersetzen141. In Beispiel 7 (§ 5 D. II. 3.) liefe dies auf einen Vertrag der betroffenen Schulkinder (bzw. ihrer gesetzlichen Vertreter) mit den gesetzgebenden Organen des Landes B hinaus. Vorstellbar wäre eine Regelung, wonach der Religionsunterricht in den staatlichen Schulen ab einer bestimmten Mindestzahl teilnahmewilliger Schüler zwingend als ordentliches Lehrfach zu erteilen ist, im übrigen aber zugunsten eines bekenntnisneutralen Ethikunterrichts entfällt142. Auf staatlicher Seite käme als Partei eines solchen Normsetzungsvertrags primär die Landesregierung in Betracht143. Sie könnte sich verpflichten, einen dem Vertragstext entsprechenden Antrag auf Änderung des Schulgesetzes in den Landtag einzubringen. Denkbar wäre ferner, daß auch das Parlament einem solchen Normsetzungsvertrag in bindender Form zustimmte. Der von der Landesregierung ausgehandelte Vertrag könnte vom Landtag wie ein gewöhnlicher Staatsvertrag ratifiziert werden144. Die jeweiligen Bindungen der Gesetzgebungsorgane hätten im Falle ihrer Wirksamkeit normersetzende Potenz. Das heißt, daß fortan nur noch anhand der Vertragskongruenz der jeweiligen Erfüllungshandlungen (Gesetzesinitiative bzw. Vertragsschulgesetz) zu beurteilen wäre, ob diese rechtmäßig sind oder nicht. Ihre materielle Verfassungsmäßigkeit hingegen (i. e. ihre Vereinbarkeit mit Artt. 7 Abs. 3 S. 1, 141 GG) wäre nicht länger von Bedeutung.

Ob eine solche Bereinigung tatsächlich möglich ist, hängt wiederum entscheidend von der Fehlerresistenz des Normsetzungsvertrag gegenüber etwaigen Verfassungsrechtsverletzungen ab. Die Überlagerung entgegenstehender Verfassungsrechtsnormen ist schließlich – wie überhaupt jede Normüberlagerung – nur mit Hilfe wirksamer, notfalls bestandskräftiger Vertragsregelungen möglich. Die Bestandskraft grundrechtsüberlagernder Normsetzungsverträge unterliegt jedoch in zweifacher Hinsicht Bedenken. Fraglich ist erstens, ob eine vertragliche Steuerung staatlicher Gesetzgebungstätigkeit überhaupt jemals zulässig sein kann. Die herrschende Meinung lehnt dies – wie bereits früher bemerkt145 – als sachwidrig ab. Sie behauptet 141 A.A. Di Fabio, DVBl. 1990, 338 (344); Schmitz, Anträge, S. 109; Schumann, Menschenrechtsbeschwerde, S. 77 mit Fn. 38, die die vertragliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Norm für per se ausgeschlossen halten, ohne hierfür aber eine genauere Begründung zu geben. Zirkelschluß bzw. petitio principii namentlich bei Di Fabio, ebda.: „Untergeordneten Rechtsäußerungen [sc. dem Normsetzungsvertrag] fehlt die Derogations- und Bindungskraft gegenüber höherrangigen Rechtsformen [sc. dem Gesetz]“. Genau das aber ist doch eigentlich erst die Frage (Bestandskraft des Vertrags in Ansehung von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz?). 142 So im Kern BVerfGE 104, 305 (306 ff.). Zu diesem Beispiel noch eingehend unten § 7 C. 143 Vgl. Becker, Strukturen, S. 264. 144 Vgl. Becker, Strukturen, S. 292 f.; s. auch Frowein, in: FS Flume, Bd. I, S. 301 (314); Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 312. 145 Vgl. oben § 2 B. II. 1 mit Fn. 139 – 141.

§ 6 Bereinigung der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände

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ein generell-abstraktes Verbot paktierter Gesetzgebung und hält gleichwohl geschlossene Verträge für schlechthin unzulässig und unwirksam. Hinzu kommen, zweitens, grundsätzliche Zweifel an der Abschirmbarkeit staatlicher Gesetzgebung gegenüber subjektivrechtlichen Normen. Ein Vertrag, der den Staat zu grundrechtswidriger Gesetzgebung verpflichtet, ist ein Vertrag zu Lasten Dritter, solange ihm nicht alle Adressaten des fraglichen Gesetzes zugestimmt haben. Ein allgemeiner Grundsatz des Rechts ist es jedoch, daß Verträge, die in die Rechte Dritter eingreifen, unwirksam oder zumindest schwebend unwirksam sind, solange ihnen nicht alle Betroffenen zugestimmt haben146. Die nähere Untersuchung der materiellrechtlichen Wirksamkeit des Prozeßvergleichs wird ergeben, daß diese Bedenken letztlich durchgreifen. Eine vertragliche Bereinigung des Streits über die Grundrechtswidrigkeit eines Gesetzes ist im Regelfall unmöglich147. Eine wichtige Abgrenzung sei in diesem Zusammenhang vermerkt: Die hier beschriebene Gefahr der Drittrechtsverletzung betrifft nur Verträge, die die potentielle Grundrechtswidrigkeit eines Gesetzes bereinigen sollen. Wir hatten in unserer Untersuchung daneben auch Vergleiche zur Bereinigung der behaupteten Kompetenzwidrigkeit eines Gesetzes erörtert148. Wiewohl auch diese Verträge subjektives Recht überlagern (nämlich die Organkompetenzordnung oder die Verbandskompetenzordnung149) besteht die Gefahr einer Drittrechtsverletzung hier nicht. Das liegt daran, daß diesen Verträgen tatsächlich alle potentiell Betroffenen, nämlich die kompetenztragenden Organe, Organteile und Verbände, zustimmen.

D. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts Zu klären bleibt der Inhalt der wahl- und mandatsrechtlichen Vergleichsverträge. Als Gegenstand von Ungewißheit und Streit wurde hier die Rechtswidrigkeit des Erwerbs (Art. 41 Abs. 1 S. 1 GG) oder die Rechtswidrigkeit des Fortbestehens einer in gültiger Wahl erworbenen Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag identifiziert (Art. 41 Abs. 1 S. 2 GG).

146 Das gilt sowohl im Privatrecht (arg. §§ 328 ff. BGB, vgl. nur K.-P. Martens, AcP 177 [1977], S. 113 [139] m.w.N.) als auch im Verwaltungsrecht (§ 58 Abs. 1 VwVfG, vgl. Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 58, Rdn. 8, 15; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 58, Rdn. 1, 3c; Schlette, Vertragspartner, S. 435). Bereits im römischen Privatrecht galten Verträge zu Lasten Dritter für nichtig (Cod. Just. 4, 12, 3: „alterius contractu nemo obligatur“, Cod. Just. 7, 56, 4; 7, 60, 1: „res inter alios acta alteri non nocet“) bzw., in späterer Zeit, nur als Pflicht des Versprechenden, auf die Leistung des Dritten hinzuwirken, vgl. Baron, Pandekten, S. 387. 147 Vgl. unten § 8 C. II. und III. 4. 148 Ein Bsp. der Bereinigung der Organkompetenzwidrigkeit eines Gesetzes (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG) wurde diskutiert in § 6. A. Entsprechendes gilt für die Bereinigung verbandskompetenzwider Gesetze (§ 6 B.). 149 Vgl. oben § 5 B. III. und C. III.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Die Möglichkeiten einer Bereinigung dieser Vergleichsgegenstände sind in besonderer Weise durch den verfahrensrechtlichen Rahmen der betroffenen Streitigkeiten bestimmt, auf den hier zu Eingang hingewiesen werden muß. Nach Art. 41 Abs. 1 GG ist allen Wahl- und Mandatsprüfungsverfahren des BVerfG eine inhaltlich gleichgerichtete Prüfung durch den Bundestag vorgeschaltet150. Verfassungsgerichtlichen Streitigkeiten über die Parlamentsmitgliedschaft eines Abgeordneten liegt demnach immer eine Entscheidung der parlamentarischen Wahlprüfungsorgane voraus, in der die Mandatsträgerschaft eines Abgeordneten entweder bestätigt oder aberkannt wird. Diese Entscheidung wird wirksam und unanfechtbar, sofern sie nicht vom BVerfG aufgrund eines fristgebundenen Antrags aufgehoben wird (vgl. § 47 Abs. 2, 3 S. 3 BWG i.V.m. Art. 41 Abs. 2 GG). Im Stadium des verfassungsgerichtlichen Verfahrens läuft deshalb eine vertragliche Bereinigung – wenn überhaupt – nur auf eine Abrede des betroffenen Abgeordneten oder Wahlbewerbers (§ 48 BWG) mit dem Bundestag bzw. dessen Wahlprüfungsausschuß hinaus. Das realistischste Szenario eines Vergleichsvertrags besteht unter diesen Bedingungen in dem Versprechen der parlamentarischen Wahlprüfungsorgane, die angefochtene Entscheidung in einer bestimmten Art und Weise abzuändern. Im Falle eines Wahlfehlers etwa könnten anstelle der Aberkennung oder der Bestätigung des streitigen Mandats bestimmte Maßnahmen der Verbesserung des Wahlergebnisses vereinbart werden (Neuauszählung der Stimmen, örtlich begrenzte Wahlwiederholung o. ä.)151. Im Falle einer Mandatsprüfung ließe sich an ein Hinausschieben der Mandatsverlusts denken oder an eine finanzielle Kompensation des ausscheidenden Abgeordneten durch den nachrückenden Listenkandidaten (§ 48 Abs. 1 S. 1 BWG). Technisch betrachtet besteht die Bereinigung damit einmal mehr in der vertraglichen Überlagerung verfassungsrechtlicher Verhaltensregeln. Die Wahlprüfungsorgane verpflichten sich, nicht nach den gesetzlichen Verlustgründen zu entscheiden, sondern nach dem Vergleichsvertrag. Die Erfolgsaussichten derartiger Bereinigungsversuche hängen von der Fehlerresistenz vertraglicher Regelungen auf dem Gebiet des Wahl- und Mandatsrechts ab. Da das betroffene Recht zwingender Natur ist, bestehen Vergleichsspielräume nur in den Grenzen der Bestandskraft rechtswidriger Verträge. Ob eine solche existiert, ist allerdings sehr fraglich. Wie sich zeigen wird, bestehen schwerwiegende Bedenken gegen jegliche Form kooperativkonsensualer Rechtsetzung auf dem Gebiet des Wahlprüfungsrechts, die letztlich in der Annahme eines generell-abstrakten Vertragsformverbots münden müssen152.

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Bzw. durch eines seiner Organe, vgl. §§ 47 Abs. 1 BWG, 3 Abs. 1 WahlprüfG. So denn auch die einzig bekannte Vergleichsvereinbarung dieser Art: VGH München VGHE 32, 90 = DVBl. 1980, 62, dazu noch unten § 6 D. Zum Verbesserungsprinzip und seinen möglichen Mitteln s. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 41, Rdn. 18 ff.; Schneider, in: AK-GG, Art. 41 (2. AufbauL August 2002), Rdn. 5; Schreiber, Handbuch, § 49, Rdn. 13, 15. 152 Vgl. unten § 8 D. 151

§ 7 Inkurs: Vergleichspraxis

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§ 7 Inkurs: Vergleichspraxis Auf Grundlage der in den beiden vorangegangenen Kapiteln gewonnenen Systematik der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände und -inhalte soll nun ein kurzer Überblick über das Vergleichsvorkommen im Umfeld der genannten verfassungsrechtlichen Normkomplexe gegeben werden. Bereits zu Eingang dieser Arbeit wurde darauf hingewiesen, daß die verfassungsgerichtliche Vergleichspraxis unter dem GG minimal ist. Es empfiehlt sich daher, das Blickfeld der Untersuchung an einzelnen Stellen um den Bereich der außergerichtlichen Vergleichsverträge zu erweitern. Für das Studium der bereinigungsnotwendigen Vertragsinhalte macht dies keinen Unterschied. Aus materieller Sicht ist der Prozeßvergleich schließlich nichts anderes als ein gerichtlich beurkundeter Vergleichsvertrag.

A. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung Vergleichsvertragliche Bereinigungen von Organkompetenzkonflikten zwischen oder innerhalb der obersten Staatsorgane oder der politischen Parteien sind selten. Von zwei Vergleichsschlüssen vor dem HbgVerfG berichtet dessen ehemaliger Präsident Stiebeler153. In beiden Fällen ging es um Fragen der parlamentarischen KontrollenquÞte. Ein Fall sei genauer beleuchtet. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg (Landesregierung) hatte vor dem HbgVerfG beantragt, einem Untersuchungsausschuß der Hamburger Bürgerschaft (Parlament) per einstweiliger Anordnung die Erhebung bestimmter Beweise als verfassungswidrig zu untersagen. Der Untersuchungsausschuß beabsichtigte, die näheren Umstände eines notleidenden Auslandsinvestments der Stadt aufzuklären. Gleichzeitig schwebte ein Schiedsgerichtsverfahren zwischen der Stadt und dem Generalunternehmer des Vorhabens mit gegenseitigen Ansprüchen in Millionenhöhe. Der Senat befürchtete Nachteile für den Ausgang dieses Verfahrens, sofern die Senatoren in öffentlicher Sitzung als Zeugen vernommen oder bestimmte Aktenstücke als Beweismittel öffentlich gemacht würden. Der Streit betraf damit die zum Zeitpunkt des Verfahrens noch wenig geklärte Frage der Grenzen der parlamentarischen Auskunftsrechte gegenüber der Regierung154. Auf Vorschlag des Gerichtspräsidenten einigten sich die Parteien darauf, daß Verfahren durch einen Prozeßvergleich zu beenden. Zur Bereinigung des Streits wurde vereinbart, die Beweiserhebung des Ausschusses vertraglich zu steuern. Bestimmte Beweise sollten überhaupt nicht, andere nur in geheimer Sitzung erhoben werden. – Die fragliche Abrede läßt sich als echter Prozeßvergleich zwischen dem Senat und dem Untersuchungsausschuß qualifizieren. Vereinbart wurde die unmittelbare Beendigung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens verbunden mit einer Neuordnung der materiellen Rechtslage. Auffällig ist aus hiesiger Sicht, daß bei dieser Neuordnung keinerlei Rücksicht auf die Erzielung eines in jedem Falle verfassungsmäßigen Ergebnisses genommen wurde. Zum Zeitpunkt der 153

Vgl. dens., JöR n.F. 35 (1986), 229 (237 ff., 250 ff.). Die grundlegende „Flick“-Entscheidung des BVerfG (E 67, 100 [133 ff.]) erfolgte erst ein Jahrzehnt später. 154

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Vereinbarung war keineswegs sicher, ob die geplante Beweiserhebung den Rechten von Parlament und Regierung genügte.

B. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung Prozeßvergleiche zur Bereinigung behaupteter föderativer Kompetenzverletzungen sind in der Rechtsprechung des BVerfG nicht nachzuweisen155. Das Bild ändert sich jedoch, wenn man die außerprozessualen Gegebenheiten mit einbezieht. Verträge zwischen dem Bund und seinen Gliedstaaten (den Ländern) oder zwischen den Gliedstaaten untereinander spielen in der Staatspraxis der Bundesrepublik eine erhebliche Rolle156. Nicht selten werden sie geschlossen, um einen Streit oder eine Ungewißheit über eine gegenwärtige oder drohende Verletzung der gegenseitigen Kompetenzen zu bereinigen. Das wohl bekannteste Beispiel eines solchen Vertrages bildet die sog. Lindauer Vereinbarung157, mit der Bund und Länder eine Reihe von kompetentiellen Streitfragen im Rahmen des völkerrechtlichen Verkehrs beigelegt haben158. Die wichtigste dieser Streitfragen betraf die Auslegung des Art. 32 Abs. 3 GG, wonach die Länder mit Zustimmung der Bundesregierung im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenzen (Artt. 70 ff., 30 GG) völkerrechtliche Verträge mit auswärtigen Staaten abschließen können159. Art. 32 Abs. 3 GG läßt offen, ob auf dem Gebiet der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen der Länder auch eine ausschließliche Vertragskompetenz derselben besteht oder ob – wegen Art. 32 Abs. 1 GG – der Bund insoweit eine konkurrierende Kompetenz für sich in Anspruch nehmen kann160. Wollte man letzteres bejahen, so schließt sich die Folgefrage an, ob der Bund die von ihm im Bereich der ausschließlichen 155 Vgl. aber BVerfGE 34, 216 (236 f.), wo Hinweise auf innerprozessuale Vergleichsverhandlungen zu finden sind. 156 Vedder, Staatsverträge, S. 31, 49; vgl. auch die umfangreichen Verzeichnisse bei Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 299 ff. und H. Schneider, VVDStRL 19 (1961), 1 (42 ff.). 157 Die Terminologie ist uneinheitlich: z. T. ist auch vom Lindauer Abkommen oder von der Lindauer Absprache die Rede. Die Bezeichnung geht auf den Ort des ersten Entwurfs der Vereinbarung zurück (eine Konferenz der Senats- und Staatskanzleien der Länder in Lindau, an der auch Vertreter des Auswärtigen Amtes teilnahmen). 158 Vom 14. 11. 1957, veröffentlicht im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung 1957, S. 1966 und in BT-Drucks. 7/5924, S. 236. Abdruck u. a. bei Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 (49. Lfg. März 2007), Rdn. 72; Pernice, in: Dreier, GG, Art. 32, Rdn. 48; Rojahn, in v. Münch/Kunig, GG, Art. 32, Anhang; Kempen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 32, Rdn. 59. 159 Bei Mitwirkung der Länder in Angelegenheiten der EG ist vorrangig Art. 23 GG und das hierzu erlassene EUZusG zu beachten. Die darin vorgesehenen Verfahren sind erkennbar an die Lindauer Vereinbarung angelehnt, vgl. Winkelmann, DVBl. 1993, 1128 (1131). 160 Für den Bereich der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes (Art. 73 GG) und für den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeiten (Art. 74 GG) stellt sich das Problem nicht. Der Bund hat hier unzweifelhaft sowohl das Recht zum Abschluß der entsprechenden Verträge als auch das Recht zu ihrer Ausführung (Transformation, Vollzug), vgl. Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 (49. Lfg. März 2007), Rdn. 54.

§ 7 Inkurs: Vergleichspraxis

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Landesgesetzgebungszuständigkeit geschlossenen Verträge kraft Art. 32 Abs. 1 GG u. U. auch selbst umsetzen kann, ob also in Ansehung vertraglich vereinbarten Rechts eine von der allgemeinen innerstaatlichen Föderativkompetenzordnung abweichende Transformations- bzw. Vollzugskompetenz161 des Bundes besteht. Im staatsrechtlichen Schrifttum gehen die Meinungen hierüber seit jeher auseinander, wobei sich drei Ansichten unterscheiden lassen, die als norddeutsche, süddeutsche und Berliner Lösung bezeichnet werden162. Die Vertreter der süddeutschen Lösung bestreiten eine Abschlußkompetenz des Bundes für Verträge auf dem Gebiet der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder und lehnen deshalb konsequenterweise auch die Notwendigkeit einer entsprechenden Transformationskompetenz des Bundes ab163. Nach der vom Bund und vom Lande Berlin vertretenen Ansicht (Berliner Lösung) ist der Bund auf dem Gebiet der Landesgesetzgebungszuständigkeiten nicht nur Inhaber einer in Art. 32 Abs. 1 GG wurzelnden Abschlußkompetenz, sondern verfügt über eine ebenso weit reichende Transformationskompetenz, weshalb die in Art. 32 Abs. 3 GG verankerte Kompetenz der Länder insgesamt nur als konkurrierende Zuständigkeit verstanden wird164. Die norddeutsche Lösung geht von einem Auseinanderfallen der Abschluß- und der Transformationskompetenz aus. Der Bund hat danach zwar ein unbeschränktes Abschlußrecht auch auf dem Gebiet der ausschließlichen Landesgesetzgebungszuständigkeiten. Für die Umsetzung der entsprechenden Verträge in innerstaatliches Recht seien jedoch allein die Länder zuständig165. Zu einer Einigung auf eine der drei Rechtsansichten ist es bis heute ebensowenig gekommen wie zu einer verfassungsgerichtlichen Klärung der Streitfrage166. Die Praxis verfährt vielmehr nach der Lindauer Vereinbarung. In Ziff. 3 dieser Vereinbarung ist festgelegt, daß der Bund Verträge im Zuständigkeitsbereich der Länder zwar abschließen kann, daß er aber das Einverständnis der Länder zum Inhalt des Vereinbarten einholen muß, bevor der jeweilige Vertrag völkerrechtlich verbindlich wird. In der Praxis wird diesem Mitwirkungserfordernis durch förmliche Zustimmungen der Landesregierungen Rechnung getragen, die dem Bund über eine 161 Wie das innerstaatliche in Geltung Setzen eines (gesetzesinhaltlichen) völkerrechtlichen Vertrags rechtstechnisch zu erklären ist – Transformation oder Anwendungsbefehl –, ist streitig und hängt maßgeblich von den verschiedenen Theorien über das Verhältnis des Völkerrechts zum staatlichen Recht ab (Dualismus oder Monismus), vgl. zum Ganzen etwa Schweitzer, Staatsrecht III, Rdn. 418 ff. Dieser Streit liegt außerhalb der hier interessierenden Thematik. 162 Die regionale Bezeichnung der Theorien geht auf die Stellungnahmen derjenigen Länder zurück, die sich im Rechtsausschuß des Bundesrates und seinem Unterausschuß „Verwaltungsabkommen“ in den Jahren 1955 und 1956 für die jeweilige Lösung ausgesprochen haben, vgl. Hirsch, Kulturhoheit, S. 63 ff. 163 So insb. Maunz, in: ders./Dürig, Art. 32 (5. Lfg. Mai 1961), Rdn. 17, 18, 27 ff.; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 32, Rdn. 42; Rudolf, AVR 13 (1966/1967), 53 (65 f.). 164 Grewe, VVDStRL 12 (1954), 129 (165, 172 f., 177, 264); Menzel, VVDStRL 12 (1954), 179 (206, 219 f.); Pernice, in: Dreier, GG, Art. 32, Rdn. 42; nunmehr auch Bernhardt, in: Isensee/Kirchhof: HStR, Bd. VII (1. Aufl.), § 174, Rdn. 17. 165 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 136.; Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 32, Rdn. 18; Hirsch, Kulturhoheit, S. 140 f., 188 f.; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 32, Rdn. 55 a.E.; Zuleeg, in: AK-GG, Art. 32 (GW 2001), Rdn. 21. 166 Die seit 1950 zunehmende Teilnahme der BRD am völkerrechtlichen Verkehr sensibilisierte Bund und Länder bereits früh für die völkerrechtliche Problematik der föderativen Staatsstruktur. Konkreter Anlaß für die Lindauer Vereinbarung waren die Ausschußberatungen (vgl. Fn. 162) zum Entwurf eines Abkommens zwischen der Bundesrepublik und den Niederlanden über den Kleinen Grenzverkehr, in denen die unterschiedlichen Auffassungen von Bund und Ländern aufeinander prallten, vgl. ausf. Hartung, Praxis, S. 8 ff.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

eigens dafür geschaffene Einrichtung (die Ständige Vertragskommission der Länder) zugeleitet werden167. Die Umsetzung des vom Bunde Ausgehandelten obliegt den Ländern in eigener Gesetzgebungszuständigkeit. – Die rechtliche Qualifizierung der Lindauer Vereinbarung ist umstritten. Zum Teil wird sie als rechtsverbindlicher Vertrag angesehen168. Andere halten sie für einen rein politischen Kompromiß169. Gegen den Rechtsbindungswillen der beteiligten Verbände wird vor allem die fehlende Ratifizierung des Vertrags durch die Parlamente der Länder angeführt sowie die latente, den Parteien bewußte Verfassungswidrigkeit des Vereinbarten an sich. Beide Argumente sind allerdings nicht zwingend. Es läßt sich vertreten, daß die Landtage der Lindauer Vereinbarung mit dem ersten Transformationsakt implizit zugestimmt haben. Auch die latente Verfassungswidrigkeit des Vertrags spricht nicht notwendig gegen einen Rechtsbindungswillen. Beim Vergleichsvertrag ist sie vielmehr gerade im Gegenteil notwendiges Tatbestandsmerkmal170. Ein weniger bekanntes, aber staatspraktisch außerordentlich wichtiges Beispiel für die konsensuale Bereinigung drohender Verletzungen der föderativen Kompetenzordnung bildet ferner die Bund-Länder-Vereinbarung zum Erlaß allgemeiner Weisungen im Rahmen der Finanzverwaltung im Auftrag des Bundes (Art. 108 Abs. 3 GG)171. Verfassungsrechtlicher Hintergrund ist folgender: Das GG teilt die bundesstaatliche Finanzgewalt für die einzelnen Steuerarten regelungssystematisch in Gesetzgebungshoheit (Art. 105 GG), Ertragshoheit (Artt. 106 f. GG) und Verwaltungshoheit (Art. 108 GG). Anstatt aber die drei Regalien Bund und Ländern jeweils en bloc zuzuweisen, d. h. für bestimmte Steuerarten Gesetzgebungskompetenz, Steueraufkommen und Verwaltungskompetenz je gesamthaft entweder dem Bund oder den Ländern zu überantworten, verstreut das GG die Teilbereiche der Finanzgewalt zusammenhangslos über die föderativen Ebenen172. Zu den Konsequenzen dieser Zersplitterung gehört es, daß die Länder im Rahmen der Steuerverwaltung bei einigen der ertragreichsten Steuerarten verwaltungsmäßig für den Bund tätig werden173. Art. 108 Abs. 3 S. 1 GG bestimmt 167 Das nähere Verfahren regelt Ziff. 4 der Lindauer Vereinbarung: Einrichtung einer Ständigen Vertragskommission der Länder, die im Vorfeld des Vertragsschlusses iterativ die Wünsche von Bund und Ländern austauscht und miteinander abgleicht, vgl. näher Bücker/ Köster, JuS 2005, 976 (977 f.). 168 So wohl Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 179, 185 und Hartung, Praxis, S. 28 f. BVerfGE 42, 103 (113 f.) bezeichnet die Lindauer Vereinbarung kursorisch als Beispiel eines verfassungsrechtlichen Vertrages. Im Zusammenhang dieser Entscheidung ging es allerdings in erster Linie um die Abgrenzung zwischen der verfassungsrechtlichen und der verwaltungsrechtlichen Natur eines Abkommens, weniger um die Feststellung, ob der Vertrag Verbindlichkeit beansprucht, vgl. Papier, DÖV 2003, 265 (268). 169 Winkelmann, DVBl. 1993, 1128 (1130) m.w.N. Gegen einen Rechtsbindungswillen der vertragsschließenden Minister und Senatoren spricht v. a., daß der Inhalt der Lindauer Vereinbarung (Ziff. 3) in diesem Falle einer Zustimmung der Länderparlamente bedurft hätte, die jedoch nie eingeholt wurde, vgl. Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 185 f. sowie unten § 8. B. I. 170 Vgl. oben § 2 C. III. 171 Vom 15. 1. 1970, also unmittelbar nach Neufassung des Art. 108 GG durch das Finanzreformgesetz v. 12. 5. 1969, vgl. Seer, in: BK, Art. 108 (92. Lfg. November 1999), Rdn. 26 ff. Abdruck der Vereinbarung ebda., Rdn. 107 sowie bei Bonsels, Mitwirkungsrechte, S. 115, Fn. 258. 172 Vgl. Schlette, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 108, Rdn. 1. 173 Nämlich bei allen Steuern, die ganz oder zum Teil dem Bund zufließen und die dieser nicht nach Art. 108 Abs. 1 GG selbst verwaltet. Betroffen sind namentlich die Einkommen-

§ 7 Inkurs: Vergleichspraxis

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für diesen Fall, daß die Länder die Steuern „im Auftrage“ des Bundes verwalten (Art. 85 GG). Im Rahmen der Auftragsverwaltung besitzt der Bund – verglichen mit dem Normalfall der Eigenverwaltung (Art. 84 GG) – erweiterte Ingerenzrechte gegenüber den Verwaltungsorganen der Länder. Unter anderem ermächtigt Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG die obersten Bundesbehörden, den Landesbehörden „Weisungen“ zu erteilen. Umstritten ist dabei, ob der Begriff der Weisungen im Sinne von Art. 85 Abs. 3 S. 1 GG demjenigen der „Einzelweisungen“ bei der Eigenverwaltung der Länder entspricht (Art. 84 Abs. 5 GG) oder ob er über diesen hinausgeht und die obersten Bundesbehörden auch zu „allgemeinen“ Weisungen gegenüber den Landesbehörden ermächtigt174. Unter Berufung auf den systematisch-grammatischen Vergleich mit Art. 84 Abs. 5 GG und auf entstehungsgeschichtliche Argumente wird eine erweiterte Weisungsbefugnis der Bundesbehörden im Rahmen der Auftragsverwaltung zum Teil bejaht175. Die Gegenansicht lehnt dies mit einem Umkehrschluß zu Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG bzw. specialiter zu Art. 108 Abs. 7 GG ab. Allgemeine Weisungen seien nichts anderes als allgemeine Verwaltungsvorschriften, und deren Erlaß sei nach Artt. 85 Abs. 2 S. 1, 108 Abs. 7 GG an die Zustimmung des Bundesrates geknüpft176. In der Praxis der Steuerverwaltung besteht ein ganz erhebliches Bedürfnis nach allgemeinen Weisungen bzw. allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Bund und Länder haben den Streit um die Frage, wer sie zu erlassen hat, jedoch niemals verfassungsgerichtlich ausgetragen. Die Finanzminister und -senatoren haben sich vielmehr mit der besagten Vereinbarung auf ein pragmatisches Verfahren verständigt. Danach gibt das Bundesfinanzministerium die als „Schreiben“ bezeichneten allgemeinen Weisungen nur heraus, wenn die Länder zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme hatten und die Mehrzahl von ihnen keine Einwendungen erhoben hat (Ziff. 1 und 2 der Vereinbarung). Die Länder ihrerseits richten sich nach den allgemeinen Weisungen des Bundesfinanzministers (Ziff. 3) und erlassen eigene allgemeine Weisungen nur mit dessen Zustimmung (Ziff. 4). – Wie auch das Lindauer Abkommen wird die Vereinbarung über den Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften nach Artt. 108 Abs. 3, 85 Abs. 3 S. 1 GG seit Jahrzehnten minutiös eingehalten. Über ihre rechtliche Qualifizierung besteht indes derselbe Streit. Einige halten sie für einen verbindlichen Vertrag, also für Recht177, andere für eine rein politische Absprache, die allenfalls tatsächliche Bindungswirkung zwischen den Parteien entfalte178. Wie beim Lindauer Abkommen so wird auch hier v. a. die Präambel der Vereinbarung gegen ihre Rechtsverbindlichkeit ins Feld geführt. Bund und Länder betonen dort, an ihren unterschiedlichen Standpunkten zum Weisungsrecht

steuer und die Umsatzsteuer, vgl. i. e. Seer, in: BK, Art. 108 (92. Lfg. November 1999), Rdn. 95 f. 174 Überblick zum Streitstand bei Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 85 (26. Lfg. Januar 1987), Rdn. 50 f.; Tschentscher, Bundesaufsicht, S. 161 ff. Zum Begriff der Einzelweisung und seiner (str.) Abgrenzung zur allgemeinen Weisung vgl. Seer, in: BK, Art. 108 (92. Lfg. November 1999), Rdn. 104 ff. 175 So für die Auftragsverwaltung i.allg. BGHZ 16, 95 (97); Blümel, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV (2. Aufl.), § 101, Rdn. 60; Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 813; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 85, Rdn. 8; speziell für die Auftragsverwaltung i.R.v. Art. 108 Abs. 3 GG Orlopp, in: FS Klein, S. 597 (598). 176 Seer, in: BK, Art. 108 (92. Lfg. November 1999), Rdn. 103 ff. (106 a.E.). 177 Orlopp, in: FS Klein, S. 597 (605). 178 Seer, in: BK, Art. 108 (92. Lfg. November 1999), Rdn. 108; Tschentscher, Bundesaufsicht, S. 175; Bonsels, Mitwirkungsrechte, S. 121 f.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

festzuhalten179. Prätentionendivergenz über die Rechtslage ist jedoch keineswegs ein Beweis für den fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien. Für den Vergleichsvertrag ist sie gerade im Gegenteil notwendiges Tatbestandsmerkmal180. Die fragliche Bund-Länder-Vereinbarung trägt aber eben deutliche Züge eines Vergleichs. Ihre Regelungen dienen dem Zweck, die von den Ländern behauptete Verletzung der gliedstaatlichen Verwaltungskompetenzen durch allgemeine Weisungen des Bundes zu bereinigen. Der dazu vereinbarte modus operandi entspricht weder vollauf dem Standpunkt des Bundes (schrankenlose Zulässigkeit allgemeiner Weisungen), noch dem der Länder (gänzliche Unzulässigkeit) – beide Seiten haben mit dem Vereinbarten gegenüber ihren ursprünglich erklärten Prätentionen nachgegeben181. Mit Recht wird man die Bund-Länder-Vereinbarung zu Art. 108 Abs. 3 GG daher als verbindlichen Vertrag ansehen dürfen, und zwar als Vergleichsvertrag zur Bereinigung föderativer Kompetenzverletzungen.

C. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte Vergleichsverträge zur Bereinigung der Rechtsfolgen angeblicher Grundrechtsverletzungen sind für die verfassungsgerichtliche Praxis bislang ohne größere Bedeutung. Über die Gründe läßt sich nur spekulieren, denn keine andere Gruppe verfassungsgerichtlich justiziabler Rechtsfolgen ist an sich so sehr für eine vergleichsvertragliche Bereinigung geeignet wie die der Grundrechtsfolgen. Anders als bei der Bereinigung von Organ- und Verbandskompetenzverletzungen steht nämlich bei der Bereinigung von Grundrechtsverletzungen in der Regel ein voll entwickeltes Vertragsrecht zur Verfügung. Das liegt daran, daß die Rechtsfolgen der Grundrechte in Wahrheit ganz überwiegend die Rechtsfolgen grundrechtskonform ausgelegten Privat- oder Verwaltungsrechts sind182. Entsprechend mühelos ließen sich im Laufe unserer bisherigen Untersuchung immer wieder zahlreiche Beispiele finden, in denen die Rechtsfolgen einer angeblichen Grundrechtsverletzung mit Hilfe normaler privatrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Vergleichsverträge bereinigt wurden183. Dem BVerfG kann die Selbstverständlichkeit derartiger Verträge nicht verborgen geblieben sein. Daß sie dennoch selten zustande kommen, führt der ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter Goetze auf die untergeordnete prozessuale Rolle des potentiellen Vergleichspartners des Antragstellers zurück (§ 94 Abs. 3 BVerfGG)184. Ein weiterer Grund dürfte darin liegen, daß die für die Anbahnung

179 So insb. die Argumentation von Seer, in: BK, Art. 108 (92. Lfg. November 1999), Rdn. 108; Tschentscher, Bundesaufsicht, S. 175. 180 Vgl. oben § 2 C. III. 181 Treffend Bonsels, Mitwirkungsrechte, S. 121 f. 182 Vgl. oben § 5 D. I. 183 Vgl. etwa oben § 6 C. I. und II. 184 Vgl. Goetze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 94, Rdn. 19. Interessant mag in diesem Zusammenhang der Hinweis sein, daß viele fachgerichtliche Ausgangsverfahren nach Aufhebung des letztinstanzlichen Urteils durch das BVerfG im Wege des Vergleichs

§ 7 Inkurs: Vergleichspraxis

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eines Vergleichs besonders geeignete mündliche Verhandlung – wiewohl nach § 25 Abs. 1 BVerfGG eigentlich die Regel – in der verfassungsgerichtlichen Praxis eine seltene Ausnahme ist185. Gerade die Individualverfassungsbeschwerde ist hiervon in besonderem Maße betroffen, denn das Gericht kann hier von der Mündlichkeit des Verfahrens absehen, ohne daß der Antragsteller und sein potentieller Vergleichspartner dem irgend etwas entgegenzusetzen hätten (§ 94 Abs. 5 S. 2 BVerfGG). Besonderheiten ergeben sich nur dort, wo nicht über die Rechtsfolgen einfachen Rechts gestritten wird, sondern wo bereits die Grundrechtskonformität einer Rechtsnorm selbst in Frage steht186. Hier kann Bereinigung nur durch einen Vertrag mit den Gesetzgebungsorganen erzielt werden187. Der bislang einzige Vergleich zur Bereinigung einer angeblichen Grundrechtsverletzung vor dem BVerfG betraf eben einen solchen Fall. Das bis zum 1. August 2002 geltende Schulgesetz des Landes Brandenburg sah vor, daß an den staatlichen Schulen der Religionsunterricht nicht als ordentliches, sondern als fakultatives Lehrfach ohne Eingliederung in Unterricht und Stundenpläne, ohne Benotung, quasi als „Gastveranstaltung“188 erteilt werden sollte. Als Pflichtfach wurde „Lebensgestaltung-EthikReligionskunde“ (LER) eingeführt189. Gegen dieses Gesetz hatten mehrere christliche Kirchen, eine Reihe von Einzelpersonen und die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestags Verfassungsbeschwerden erhoben bzw. ein abstraktes Normenkontrollverfahren eingeleitet. Zur Begründung trugen die Antragsteller vor, das BbgSchulG verstoße gegen Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG, wonach der Religionsunterricht ein Pflichtfach an allen staatlichen Schulen sei. Die Brandenburgische Landesregierung verteidigte in ihrer Stellungnahme vor dem BVerfG die Grundrechtskonformität des Gesetzes unter Berufung auf Art. 141 GG. Nach dieser sog. Bremer Klausel190 findet Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG keine Anwendung in Bundesländern, in denen am 1. Januar 1949 eine abweichende Regelung bestand. Die Grundrechtskonformität des Gesetzes hing damit von der höchst intrikaten Frage ab, ob zu den Ländern im Sinne des Art. 141 GG auch die neuen Bundesländer zählen191. Das BVerfG entschied diese Frage nicht, sondern unterbreitete den Verfahrensbeteiligten den Entwurf einer „Vereinbarung“ zur gütlichen Beilegung des Streits192. Diese sah in ihrem Kern vor, daß die Brandenburgische Landesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des BbgSchulG in den Landtag einbringen sollte (§ 2 der Vereinbarung). Ziel der Gesetzesänderung war die Einführung eines Religionsunterrichts, beendet werden, etwa das vielbeachte „Blinkfüer“-Verfahren (BVerfGE 25, 256), vgl. „Boykott“, DIE ZEIT v. 26. 3. 1971, S. 11. 185 s. Schlaich/Korioth, BVerfGG, Rdn. 69; Zuck, Verfassungsbeschwerde, Rdn. 1035. 186 Vgl. oben § 5 D. II. 3. 187 Vgl. oben § 6 C. III. 188 Link, ZevKR 47 (2002), 449 (455). 189 Vgl. zur früheren Gesetzeslage umfassend Mückl, in: AöR 122 (1997), 513 (537 ff.). 190 Zum Ursprung der Bezeichnung s. Holtkotten, in: BK, Art. 141 (Erstbearbeitung), S. 1 f. 191 Die Frage ist im Schrifttum sehr umstritten: Für eine Anwendbarkeit des Art. 141 GG auf die neuen Bundesländer etwa Goerlich, NVwZ 1998, 819 ff; Schlink, NJW 1992, 1008 ff. Dagegen v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 141, Rdn. 7; Mückl, in: AöR 122 (1997), 513 (547); Uhle, DÖV 1997, 409 ff. Weitere Nachweise bei Link, ZevKR 47 (2002), 449 (454 mit Fn. 10). 192 Vgl. BVerfGE 104, 305 (307 ff.).

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

der zusätzlich zum LER-Unterricht, innerhalb der regelmäßigen Unterrichtszeit, auf Wunsch der Religionsgemeinschaften mit Leistungsbewertung und potentiell versetzungsrelevant erteilt werden sollte. Die Vereinbarung beinhaltete weiter, daß im Falle des Erfolgs der Gesetzesinitiative die Antragsteller der Verfassungsbewerschwerde- und Normenkontrollverfahren ihre Anträge zurücknehmen sollten (§ 3). Die Brandenburgische Landesregierung, die CDU/CSUFraktion und die Mehrzahl der Beschwerdeführer erklärten sich mit dem Vorschlag des BVerfG einverstanden. Die vom Gericht vorgeschlagene Änderung des BbgSchulG wurde daraufhin zum 1. 8. 2002 legifiziert193. Die CDU/CSU-Fraktion und die Beschwerdeführer, die der Vereinbarung zugestimmt hatten, nahmen ihre verfahrenseinleitenden Anträge zurück und beendeten so die schwebenden Verfahren194. Die Anträge der Beschwerdeführer, die sich dem Vorschlag des Senats verweigert hatten, wurden wegen offensichtlicher Unzulässigkeit verworfen (§ 24 Abs. 1 S. 1 BVerfGG)195. Nach Ansicht des BVerfG war der von ihnen ursprünglich gerügte Beschwerdegegenstand mit der Änderung der maßgeblichen Vorschriften des BbgSchulG entfallen. Zu einer Fortsetzung der Verfahren im öffentlichen Interesse sah das Gericht – entgegen früherer Judikate196 – keine Veranlassung. Statt dessen verwies es die Beschwerdeführer auf die Möglichkeit einer zweiten Verfassungsbeschwerde gegen das neugefaßte Gesetz197. Diese später tatsächlich erhobenen Verfassungsbeschwerden wurden vom BVerfG ohne Sachprüfung verworfen198. Der Vergleichsvorschlag des BVerfG ist danach in Brandenburg bis heute geltendes Recht. – Zur rechtlichen Qualifizierung des gesamten Vorgangs ist folgendes zu bemerken. Auch hier handelt es sich nicht um Prozeßvergleiche zwischen der Landesregierung und den Antragstellern, also um einheitliche Rechtsgeschäfte mit Doppelnatur, sondern um zwei separate Rechtshandlungen. Erstens um einen auf die Bereinigung der materiellen Rechtslage abzielenden, um ein Klagerücknahmeversprechen ergänzten Vertrag, zweitens um eine verfahrensbeendigende Prozeßhandlung in Gestalt einer Antragsrücknahme199. Der materiellrechtliche Vertrag200 hat Vergleichscharakter, weil das in ihm vorgeschlagene Gesetz latent verfassungswidrig ist201. Der Religionsunterricht wird – anders als von Art. 7 Abs. 3 S. 1 GG gefordert – nicht vorbehaltslos als regulärer Unterricht erteilt, sondern erhält nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Stellung eines Pflichtfachs (Mindestteilnehmerzahl, Entscheidung der Religionsgemeinschaften für Benotung und Versetzungsrelevanz). Rechtmäßig wäre das vertragsgemäß erlassene Gesetz nur dann, wenn im 193

Vgl. Bbg. LT-Drucks. 3/4148; Bbg. GVBl. I S. 55. Vgl. BVerfGE 106, 210 (213). 195 Ebda. 196 Vgl. dazu ausf. oben § 3 B. I. 1. 197 Vgl. BVerfGE 106, 210 (214). 198 Vgl. BVerfG EuGRZ 2004, 112; LKV 2004, 75. 199 Vgl. Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 70, Rdn. 228; Wolff, EuGRZ 2003, 463 (464); unklar T. I. Schmidt, NVwZ 2002, 925 (929 f. und passim). 200 Das Vorliegen eines Vertrages bestreitet Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 70, Rdn. 228 mit dem Argument, „Gesetzesbeseitigung und Neuerlaß eines Gesetzes [könnten] nicht Gegenstand [vertraglicher] Disposition der Landesregierung sein“. Dem ist so nicht zuzustimmen. Die Abrede der Brandenburgischen Landesregierung mit den Antragstellern begründete lediglich eine Pflicht zur Gesetzesinitiative. Die Zustimmung des Landtags wurde dabei zwar vorausgesetzt, aber gerade nicht versprochen. Vgl. zu dieser wichtigen Differenzierung Becker, Strukturen, S. 261 ff. 201 So zutreffend Renck, LKV 2003, 173 (174); Wolff, EuGRZ 2003, 463 (468). A.A. offenbar Kotzur, JZ 2003, 73 (80); Kreutzberger, Entscheidungsvarianten, S. 289, Fn. 1333. 194

§ 7 Inkurs: Vergleichspraxis

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Bundesland Brandenburg wegen Art. 141 GG tatsächlich kein Religionsunterricht nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 3 S.1 GG zu erteilen wäre. Genau das aber ist bis heute ungeklärt.

D. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts Prozeßvergleiche zur Bereinigung eines angeblich fehlerhaften Mandatserwerbs (Art. 41 Abs. 1 S. 1 GG) oder eines angeblichen fehlerhaften Fortbestehens eines parlamentarischen Mandats (Art. 41 Abs. 1 S. 2 GG) sind in der verfassungsgerichtlichen Praxis bislang nicht zu verzeichnen. Auch außerprozessual ist kein Fall ersichtlich, in dem die Wahlprüfungsorgane jemals auf die Regelungsform des Vergleichs zurückgegriffen hätten. Immerhin ist jedoch der Fall eines kommunalen Wahlrechtsstreits bekannt geworden, in dem die zuständige Wahlprüfungsbehörde Zweifel über die Rechtmäßigkeit eines Mandatserwerbs im Wege eines Vergleichsvertrags beizulegen suchte202. Dem Streit lag folgender Sachverhalt zugrunde: In der bayerischen Gemeinde U war ein Bewerber zur Wahl zugelassen und schlußendlich zum Gemeinderat gewählt worden, der am Wahltag seit acht Monaten in Frankreich lebte. Die für die Wahlprüfung zuständige Rechtsaufsichtsbehörde hatte die Wahl in U daraufhin gemäß Art. 37 Abs. 2 S. 1 BayGWG203 im ganzen für ungültig erklärt und Neuwahlen angeordnet, weil entgegen Art. 16 BayGWG204 ein Bewerber zur Wahl zugelassen worden war, der zum Zeitpunkt der Wahl nicht seit mindestens sechs Monaten seinen Aufenthalt in der Gemeinde gehabt hatte. Richtigerweise hätte trotz des genannten Fehlers die Wahl als solche unangetastet bleiben müssen. Allein der Mandatserwerb des fehlerhaft zugelassen Gemeinderats war gem. Art. 37 Abs. 3 BayGWG205 für ungültig zu erklären. Der für ihn nominierte Ersatzmann der Wahlliste hätte nachrücken müssen206. Ein 202 Vgl. VGH München VGHE 32, 90 = DVBl. 1980, 62. Der VGH hatte als Berufungsgericht über die Wirksamkeit eines erstinstanzlich geschlossenen Prozeßvergleichs zu entscheiden. 203 Art. 37 Abs. 2 S. 1 BayGWG lautet: „Binnen vier Monaten hat die Rechtsaufsichtsbehörde von Amts wegen die Wahl für ungültig zu erklären, wenn Wahlbestimmungen verletzt wurden und dadurch das Wahlergebnis verdunkelt werden konnte.“ 204 Art. 16 BayGWG lautet (soweit hier von Interesse): „Für das Amt eines Gemeinderatsmitglied ist jeder Wahlberechtigte wählbar, der seit mindestens sechs Monaten seinen Aufenthalt in der Gemeinde hat …“. 205 Art. 37 Abs. 3 BayGWG lautet: „Wenn eine nichtwählbare Person gewählt wurde, hat die Rechtsaufsichtsbehörde die Wahl dieser Person für ungültig zu erklären.“ 206 Vgl. VGH München VGHE 32, 90 (92, 94). Die Wahlprüfungsbehörde hatte demgegenüber rechtsfehlerhaft angenommen, Art. 37 Abs. 3 BayGWG werde während der ersten vier Monate nach der Wahl von Art. 37 Abs. 2 S. 1 BayGWG verdrängt. Davon ausgehend glaubte die Behörde, einer objektiven Ungewißheit über die von ihr anzuordnenden Verbesserungen des Wahlergebnisses ausgesetzt zu sein und sich in einer Vergleichslage zu befinden. Wie der VGH überzeugend darlegt, bestand jedoch bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage kein Zweifel an der Anwendbarkeit des Art. 37 Abs. 3 BayGWG. Es fehlte daher bereits an der für die Zulässigkeit des Vergleichsschlusses essentiellen Voraussetzung einer qualifizierten rechtlichen Ungewißheit (Vergleichslage), s. oben § 2 D. I. 1.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Mitglied des Gemeinderats erhob gegen den Bescheid des Landratsamts Klage. In der mündlichen Verhandlung vor dem VG schlossen die Beteiligten einen Prozeßvergleich, in dem das beklagte Landratsamt den angefochtenen Bescheid dahin abänderte, daß anstelle der ursprünglich angeordneten Wiederholung des gesamten Wahlverfahrens die Nachwahl auf die erneute Stimmenauszählung beschränkt wurde, wobei die Stimmen, die auf den zu Unrecht zugelassenen Kandidaten entfallen waren, unberücksichtigt bleiben sollten. – Zu bemerken ist, daß dieser Prozeßvergleich im weiteren Verlaufe zunächst wegen Irrtums angefochten (der Kläger hatte mit einer anderen Sitzverteilung infolge der Neuauszählung gerechnet) und daraufhin vom Berufungsgericht für unwirksam erklärt wurde. Der VGH München berief sich dabei auf einen Ermessensfehler der Rechtsaufsichtsbehörde bei der Entscheidung über den Abschluß des Vergleichs (§ 55 VwVfG). Die objektive Funktion der Wahlprüfung lasse kein „Nachgeben“ zu, sondern verpflichte die Rechtsaufsichtsbehörde „ermessensreduzierend“, eine bestimmte Wahlprüfungsentscheidung zu treffen. Dieser Ermessensfehler führe gemäß § 59 Abs. 2 Ziff. 3 VwVfG zur Nichtigkeit des Vergleichs, da das vertraglich Vereinbarte materiell rechtswidrig sei (Verstoß gegen Art. 37 BayGWG)207. An diesen Ausführungen des VGH überzeugt nur das Ergebnis (Unwirksamkeit des Vergleichs), nicht aber dessen Begründung. Die Wahlprüfung ist eine Staatsaufgabe, zu deren Erfüllung der Rechtssetzungsmechanismus des Vertrags aus der Natur der Sache heraus generell-abstrakt ungeeignet ist. Dies impliziert ein Verbot jeder Vertragsregelung über die Verbesserung einer fehlerhaften Wahl (Vertragsformverbot)208. Die Mißachtung eines Vertragsformverbots führt nach allgemeiner Ansicht zur Nichtigkeit eines Vertrags209, ohne daß es auf die Erfüllung der besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen des jeweiligen Vertragstypus noch ankäme. Die Verfehlung der wirksamkeitsrelevanten Abschlußbedingungen des Vergleichs – objektive Ungewißheit und fehlerfreie Ermessensbetätigung – hatte für die Wirksamkeitsfrage im vorliegenden Fall demnach überhaupt keine Bedeutung210.

207

VGH München VGHE 32, 90 (92). So die zu Recht ganz h.M., vgl. Müller-Uri, in: Giemulla/Jaworsky/ders., Verwaltungsrecht, Rdn. 610; Hennecke, in: Knack, VwVfG, § 54, Rdn. 18; Meyer-Hesemann, DVBl. 1980, 869 (871); Obermayer, VwVfG (2. Aufl.), § 54, Rdn. 103; Tiedemann, in: Obermayer, VwVfG (3. Aufl.), § 54, Rdn. 69; s. ferner unten § 8 D. II. Auch der VGH scheint dies im Grundsatz anzuerkennen, wenn er erklärt, die Wahlprüfung lasse kein „Nachgeben“ zu, sondern verlange eine bestimmte Entscheidung. Mit dem Abschlußermessen wählt er jedoch den falschen Anknüpfungspunkt für das Problem. 209 Vgl. nur Schlette, Vertragspartner, S. 559 f. m.w.N. Streitig ist allein, ob sich die Nichtigkeit unmittelbar aus der fehlenden Rechtsmacht der Parteien zu vertragsförmiger Rechtsetzung ergibt (so richtig Efstratiou, Bestandskraft, S. 217 f.; Krebs, VerwArch 72 [1981], 49 [54 f.]) oder ob erst § 54 S. 1 Hs. 2 VwVfG (Erichsen, JURA 1994, 47 (50 f.); Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 139 ff.) oder gar § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB diese Nichtigkeit auslöst (Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 54, Rdn. 102; Schimpf, Vertrag, S. 285; Schlette, Vertragspartner, S. 559 f.; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 70, Rdn. 3 mit Fn. 11). 210 Zutr. Meyer-Hesemann, DVBl. 1980, 869 (871); Franke, Vergleich, S. 78 f., 90 f. 208

§ 8 Wirksamkeitsbedingungen des materiellen Rechts

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§ 8 Wirksamkeitsbedingungen des materiellen Rechts Wie die bisherigen Überlegungen gezeigt haben, nehmen die materiellrechtlichen Wirksamkeitsbedingungen des Vergleichsvertrags in der Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs eine herausragende, wenn nicht gar die zentrale Stellung ein. Mit Ausnahme der privatrechtlichen Vergleiche zur Bereinigung streitiger Grundrechtsfolgen (§ 6 C. I.) setzen alle verfassungsgerichtlichen Vergleiche auf eine Bereinigung durch gezielte Normüberlagerung. Von wenigen Ausnahmenfällen abgesehen ist der verfassungsgerichtliche Prozeßvergleich daher ein latent verfassungsinkongruentes Rechtsgeschäft. Bereinigung kann er nur dann bewirken, wenn er trotz allfälliger Verfassungsrechtsverletzungen wirksam ist. Die Bestandskraft des Vertrags ist damit die zentrale Frage des verfassungsgerichtlichen Vergleichs. Ihre Grenzen müssen im folgenden genauer ausgelotet werden. Wir orientieren uns bei dieser Aufgabe an der in den vorangegangenen Kapiteln entworfenen Systematik der Vergleichsinhalte, d. h. wir behandeln nacheinander die Wirksamkeitsbedingungen der Prozeßvergleiche zur Bereinigung der Organkompetenzordnung (A), der Verbandskompetenzordnung (B.), der Grundrechte (C.) sowie des Wahl- und Mandatsrechts (D.).

A. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung Dem dargelegten Programm entsprechend gilt die Aufmerksamkeit zunächst den Vergleichsverträgen zur Bereinigung der Organkompetenzordnung. Wir wollen die Wirksamkeitsbedingungen dieser Verträge in drei Teilschritten untersuchen. Zu klären ist zunächst ihre Rechtsnatur (I.), dann die Frage ihrer generell-abstrakten Zulässigkeit (II.) und schließlich die oben als solche identifizierte Kernfrage nach dem Zusammenhang von Norminkongruenz und Wirksamkeit (III.).

I. Rechtliche Qualifizierung: verfassungsrechtliche Inter- und Intra-Organverträge Die bisher gewonnenen Eindrücke vom Gegenstand und Inhalt der hier in Rede stehenden Vergleiche legen die These nahe, daß es sich bei ihnen um verfassungsrechtliche Verträge handeln muß. Verfassungsrechtliche Verträge sind solche, deren Gegenstand zum Verfassungsrecht gehört und die auf die Herbeiführung verfassungsrechtlicher Rechtsfolgen gerichtet sind211. Vergleichsverträge zur Bereinigung von Kompetenzkonflikten zwischen den obersten Staatsorganen und ihren Organteilen sind Verträge auf dem – zum Verfassungsrecht gehörenden – Gebiet des 211 Grdl. Friauf, AöR 88 (1963), 257 (267); vgl. ferner Hennecke, in: Knack, VwVfG, § 54, Rdn. 5.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Staatsorganisationsrechts. Sie sind auf den Eintritt verfassungsrechtlich geregelter Rechtsfolgen gerichtet, denn ihr Inhalt besteht darin, ungewisse Rechtssätze der grundgesetzlichen Organkompetenzordnung zu überlagern und auszuschalten. Vergleichsverträge zwischen und innerhalb der obersten Staatsorgane fallen damit in die Gruppe der verfassungsrechtlichen Verträge212. II. Zulässigkeit vertraglicher Rechtsetzung im Inter- und Intra-Organbereich 1. Zur Zulässigkeit des verfassungsrechtlichen Vertrags Die Zulässigkeit verfassungsrechtlicher Verträge, d. h. ihre abstrakt-generelle Anerkennung als Rechtsquelle, ist seit der grundlegenden Arbeit von Friauf heute nicht mehr zweifelhaft213. Ihr – im GG weitgehend ungeschriebener – Geltungsgrund sind die in der Natur der Sache liegenden Koordinationsbedürfnisse zwischen den zur Erledigung bestimmter Verfassungsaufgaben berufenen föderativen Verbänden (Bund und Länder), obersten Staatsorganen oder Organteilen214. Das GG impliziert mit der von ihm geschaffenen Staatsorganisation in einzelnen Verbands- bzw. Organbeziehungen die Sachgerechtigkeit vertraglicher Rechtsetzung bei der Erledigung bestimmter Staatsaufgaben. In der Natur der Sache liegt es deshalb, daß das GG in bezug auf die jeweils zu erledigende Verfassungsaufgabe Ermächtigungen zu vertragsförmiger Rechtsetzung enthält und geschlossene Verträge als Rechtsquellen anerkennt. Verfassungsimmanente Koordinationsbedürfnisse, die zu vertraglicher Rechtsetzung ermächtigen und damit Geltungsgrund für das vertraglich gesetzte Recht sind, bestehen nicht zwischen allen Akteuren des Verfassungsrechtskreises und nicht in allen Sachbereichen. Sie müssen vielmehr im Einzelfall für die beteiligten Kräfte und die konkret zu behandelnde Sachaufgabe anhand der einschlägigen Verfassungsrechtsnormen und der ihnen zugrundeliegenden Wertungen nachgewiesen werden. Eine Vertragsermächtigung qua Natur der Sache ist dann anzunehmen, wenn die vertragliche Regelung einer bestimmten Materie vom Blickpunkt des GG und in Ausrichtung an seinen verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen einen sach-

212

Ebenso Friauf, AöR 88 (1963), 257 (288 f.). Vgl. Friauf, AöR 88 (1963), 257 ( 274 ff.). Friaufs Zulässigkeitsthese hat allgemeinen Zuspruch und vielfache Bestätigung in einzelnen Teilgebieten des Verfassungsrechts gefunden. Ausdrückliche Berufung auf dens. etwa bei Becker, Strukturen, S. 268 ff.; Dammholz, Vereinbarung, S. 50 ff.; Schmitz, Anträge, S. 107; vgl. auch Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 54, Rdn. 15; Schlette, Vertragspartner, S. 12, Fn. 6. 214 Vgl. Friauf, AöR 88 (1963), 257 (287) mit überzeugender Absage an den Grundsatz „pacta sunt servanda“ (S. 274 ff.), die Apriorität des Vertragsinstituts (S. 277 f.) oder Ermessensfreiheiten hinsichtlich des Gebrauchs verfassungsrechtlich zugewiesener Kompetenzen (S. 280 ff.) als mögliche Ermächtigungsgrundlagen zum Abschluß verfassungsrechtlicher Verträge. 213

§ 8 Wirksamkeitsbedingungen des materiellen Rechts

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gerechten Steuerungsmechanismus zwischen den Beteiligten darstellt und deswegen als verfassungsgewollt anzusehen ist. Es lohnt sich, an dieser Stelle einen vergleichenden Blick auf das Recht der verwaltungsrechtlichen Verträge zu werfen. Auch dort wird nämlich die generell-abstrakte Zulässigkeit vertraglicher Rechtsetzung entscheidend vom Gedanken der Sachgerechtigkeit bestimmt. Allein der Blickwinkel ist dort ein anderer. Nicht die Zulässigkeit, sondern die Unzulässigkeit verwaltungsrechtlicher Verträge steht regelmäßig im Fokus des Interesses. Gefragt wird also nicht (wie im Staatsorganisationsrecht), ob es bestimmte Aufgaben der Verwaltung gibt, zu deren Erledigung der kooperativ-konsensuale Rechtsetzungsmechanismus aus der Natur der Sache heraus geeignet ist, sondern umgekehrt, ob es bestimmte Verwaltungsaufgaben gibt, bei deren Erledigung er naturgemäß versagt215. Das Kriterium, anhand dessen die Zulässigkeit der Vertragsform bestimmt wird, ist aber auf beiden Rechtsgebieten das gleiche, nämlich die Sachgerechtigkeit vertraglicher Regelung in Ansehung der jeweiligen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die vollkommene Parallelität der Dogmatik wird allenfalls durch eine uneinheitliche Terminologie verdunkelt. Entsprechend der Deutung der Zulässigkeit als sachgebietsspezifischer Ermächtigung zu vertragsförmiger Rechtsetzung ist in der verwaltungsrechtlichen Literatur in Hinblick auf vertragsinadäquate Sachmaterien oftmals nicht von der Unzulässigkeit vertraglicher Rechtsetzung die Rede, sondern vom Vorliegen eines Vertragsformverbots. Die Unterscheidung ist freilich rein terminologisch. Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit der Handlungsform und Handlungsformermächtigung bzw. Handlungsformverbot sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Was danach für die Zulässigkeit verfassungsrechtlicher Verträge im allgemeinen gilt, gilt auch für verfassungsrechtliche Vergleichsverträge und im besonderen für Vergleiche in Kompetenzkonflikten der obersten Staatsorgane. Ihre Zulässigkeit setzt ein verfassungsimmanentes Koordinationsbedürfnis der Vergleichsparteien in Hinblick auf die umstrittenen Zuständigkeiten voraus, dem der Natur der Sache nach mit Hilfe vertraglicher Abmachungen zu entsprechen ist. Ein derartiges Koordinationsbedürfnis ergibt sich nicht bereits aus dem Vorliegen eines Kompetenzkonflikts als solchem216. Streit und Ungewißheit über die Rechtmäßigkeit eines Kompetenzgebrauchs besagen schließlich nichts darüber, ob aus Sicht der Verfassung eine vertragliche Steuerung zwischen den streitenden Staatsorganen in der betreffenden Materie sachgerecht ist. Die Zulässigkeit der vertraglichen Handlungsform muß vielmehr auch beim Vergleichsvertrag je und je für die individuell beteiligten Kräfte und die konkret zu behandelnde Sachaufgabe anhand des einschlägigen Verfassungsrechts positiv nachgewiesen werden. Auf eine systematische Untersuchung der Kooperationstauglichkeit einzelner Organbeziehungen und Sachmaterien muß hier verzichtet werden. Sie würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Ein flüchtiger Blick auf die wenigen bis heute überhaupt nachgewiesenen Felder zulässiger Organkooperation einerseits und auf die typischen Organkompetenzstreitigkeiten der Praxis andererseits zeigt jedoch, daß die Perspektiven einer vertraglichen Bereinigung sehr begrenzt sein dürften. 215 216

Vgl. Schlette, Vertragspartner, S. 562 f. In diese Richtung aber offenbar Friauf, AöR 88 (1963), 257 (289).

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

2. Einige praktische Schlußfolgerungen zur Zulässigkeit bestimmter verfassungsrechtlicher Inter- und Intra-Organverträge a) Nachgewiesene Konstellationen zulässiger Inter- und Intra-Organverträge Die Zulässigkeit vertraglicher Rechtsetzung zwischen und innerhalb der obersten Staatsorgane ist bislang nur sehr vereinzelt belegt worden. In der Hauptsache geht es um die Zusammenarbeit der Fraktionen bei der Organisation der parlamentarischen Arbeit (interfraktionelle Vereinbarungen) und um die Übereinkommen der politischen Parteien im Vorfeld der Regierungsbildung (Koalitionsvereinbarungen). Interfraktionelle Vereinbarungen sind ein verfassungsrechtlich impliziertes Schlüsselelement im Ablauf des parlamentarischen Geschehens217. Sie entlasten das Plenum und seine Ausschüsse bei der für die Funktionsfähigkeit des Parlaments unerläßlichen Selbstorganisation, z. B. bei der Anwendung der Geschäftsordnung, bei der Arbeitsplanung (Erstellung der Tagesordnung, Rednerlisten usw.) oder bei der Besetzung der parlamentarischen Gremien (insb. der Ausschüsse)218. Ohne eine Vorstrukturierung der parlamentarischen Verfahrensabläufe und der eigentlichen Parlamentsbeschlüsse wäre eine effektive Zusammenarbeit zwischen Hunderten von Abgeordneten, die sich oft nur vorübergehend am Plenarsitz aufhalten, völlig undenkbar. Der Natur der Sache nach ermächtigt das GG daher die Fraktionen als insoweit einzig handlungsfähige Akteure, durch gemeinsame Vereinbarungen Einfluß auf den Parlamentsbetrieb zu nehmen219. Interfraktionelle Vereinbarungen werden in der Praxis durch die parlamentarischen Geschäftsführer ausgehandelt, die als Stellvertreter der Fraktionen auftreten und die bei kritischen Fragen Rücksprache mit den Abgeordneten halten220. Parteien der Vereinbarungen werden nur die Fraktionen, nicht dagegen die fraktionszugehörigen Abgeordneten, in deren Kompetenzbereich als Mitglieder des Parlaments die Umsetzung des Vereinbarten fällt221. Die Verpflichtung aus interfraktionellen Vereinbarungen beschränkt sich dementsprechend auf die bloße Anstrengung der Fraktionen, ihre Abgeordneten im Rahmen zulässiger Fraktionsdisziplin zur Umsetzung der Vereinbarung zu bewegen222. Die Rechtsqualität interfraktioneller Vereinbarungen ist umstritten. In der Praxis dürften viele von ihnen den Charakter rein politischer Absprachen aufweisen, also keine rechtliche Verbindlichkeit besitzen223. Das 217 Dammholz, Vereinbarung, S. 3; Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 488; Schwerin, Geschäftsordnungsgeber, S. 128 f. 218 Dammholz, Vereinbarung, S. 3 ff. 219 Dammholz, Vereinbarung, S. 54 f. 220 Dammholz, Vereinbarung, S. 13; Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 489; Schwerin, Geschäftsordnungsgeber, S. 266. Forum ist dabei in der Regel der Ältestenrat, in dem die Geschäftsführer aller Fraktionen vertreten sind, vgl. Schulze-Fielitz, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, § 11 Rdn. 52 f. 221 Dammholz, Vereinbarung, S. 69. Eine vertragliche Bindung parlamentarischer Abgeordneter erscheint wegen Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG kaum möglich, vgl. noch sogleich im folgenden. 222 Dammholz, Vereinbarung, S. 75, 77. Zur Vereinbarkeit der Fraktionsdisziplin mit Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG s. nur Badura, in: BK, Art. 38 (132. Akt. Februar 2008), Rdn. 91 m.w.N. 223 So die wohl h.M., vgl. Hölscheidt, Parlamentsfraktionen, S. 489; Schulze-Fielitz, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, § 11 Rdn. 46. A.A. Dammholz, Vereinbarung, S. 16 ff., 102;

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GG läßt jedoch, wie dargelegt, im Bereich der interfraktionellen parlamentarischen Zusammenarbeit prinzipiell auch den Abschluß echter verfassungsrechtlicher Verträge zu. Einem Prozeßvergleich zur Bereinigung einer interfraktionellen Streitigkeit stünde jedenfalls nicht das Fehlen einer verfassungsrechtlichen Ermächtigung der Fraktionen zu vertraglicher Rechtsetzung entgegen. Verträge zwischen den politischen Parteien bilden die zweite verfassungsrechtliche Beziehung, innerhalb der das GG vertragliches Handeln für einzelne Sachmaterien nachweislich zuläßt. Die prominenteste dieser Materien ist die der Regierungsbildung mit Hilfe von Koalitionsvereinbarungen. Das GG impliziert die Zulässigkeit der Bildung von Mehrparteienregierungen auf Grundlage vertraglicher Vereinbarungen der politischen Parteien. Die in Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG anerkannte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung erstreckt sich nicht nur auf die Artikulierung des Bürgerwillens, sondern sie umfaßt auch die Mitwirkung an der Regierungsbildung. Wenn Art. 63 Abs. 1 GG die Wahl des Bundeskanzlers „ohne Aussprache“ anordnet, dann ergibt sich aus der Natur der Sache, daß – solange nicht ausnahmsweise eine einzelne Partei die Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages stellt – zuvor eine Koalitionsbildung stattgefunden haben muß224. Angesichts der Komplexität der dabei zu regelnden Personal- und Sachfragen und angesichts der Notwendigkeit eines Aushandelns tragfähiger Kompromisse stellt der Vertrag ein sachgerechtes Mittel der Koordination dar. Ähnlich wie bei den interfraktionellen Vereinbarungen ist auch bei den Koalitionsverträgen die Frage der Rechtsqualität der gegenseitigen Verpflichtungen umstritten. Während die ältere Lehre von rechtlich bindenden Verträgen ausging225, wird heute überwiegend angenommen, es handele sich allein um Absprachen von politischer Qualität226.

b) Grundsätzliche Bedenken gegen jede vertragliche Bindung der beiden am häufigsten von Kompetenzverletzungen betroffenen Staatsorgane (Bundestag und parlamentarischer Abgeordneter) In der verfassungsgerichtlichen Praxis spielen nun allerdings Kompetenzstreitigkeiten aus Fraktionsbetrieb oder Regierungsbildung erfahrungsgemäß kaum eine Rolle. Die Hauptkonfliktfelder der Organkompetenzordnung sind vielmehr die Statusrechte des parlamentarischen Abgeordneten und die Rechte des Parlaments. Gerade bei diesen beiden Staatsorganen bestehen nun aber schon im Grundsatz erhebliche Bedenken gegen jegliche Form der Selbstbindung. Das GG stellt willkürliche Rechtsbindungen des Bundestags und seiner Abgeordneten unter massiven Rechtfertigungsdruck. Schwerin, Geschäftsordnungsgeber, S. 268, die sie als verfassungsrechtliche Verträge qualifizieren. Nach einer von Dammholz eingeholten Information sollen die Fraktionen selbst die zwischen ihnen getroffenen Absprachen für rechtlich unverbindlich halten, vgl. dens., Vereinbarung, S. 17 f. mit Fn. 10. 224 Sasse, JZ 1961, 719 (723). 225 Friauf, AöR 88 (1963), 257 (308); Sasse, JZ 1961, 719 (726). 226 Henke, in: BK, Art. 21 (63. Lfg. September 1991), Rdn. 151; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 63 (21. Lfg. April 1983), Rdn. 11 f.; Hesse, Grundzüge, Rdn. 178; Schenke, in: BK, Art. 63 (37. Lfg. November 1977), Rdn. 25 ff.; Schulze-Fielitz, JA 1992, 332 (334) m.w.N.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Der parlamentarische Abgeordnete ist das einzige Staatsorgan bzw. der einzige Teil eines solchen, für den die Verfassung ein abstraktes Verbot der Selbstverpflichtung und damit auch ein Verbot vertragsförmigen Handelns ausdrücklich festschreibt. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG bestimmt insoweit, daß der Abgeordnete in der Wahrnehmung seiner Kompetenzen „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“ ist. Nach seiner historischen Stoßrichtung zielt dieses Verbot in erster Linie auf Verpflichtungen gegenüber den Wählern oder gegenüber der eigenen Partei (imperatives Mandat)227. Wortlaut und Systematik lassen allerdings auch eine Auslegung zu, derzufolge Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ein Verbot jeglicher Selbstverpflichtung zu entnehmen ist, auch einer solchen gegenüber anderen Staatsorganen. Der in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG enthaltene Begriff der „Weisung“ geht über den Wortlaut des früheren Art. 21 WRV hinaus, der allein von „Aufträgen“ sprach228. Unmittelbarer Anlaß für diese Erweiterung scheint der Versuch der amerikanischen Besatzungsmacht gewesen zu sein, den Abgeordneten des bayerischen Landtags Weisungen zu erteilen229. Der Parlamentarische Rat wollte derartigen Einflußnahmen durch staatliche Organe ausdrücklich einen Riegel vorschieben und ergänzte daher den an Art. 21 WRVangelehnten Entwurf des Verfassungstextes (Art. 46 HChE) um den Begriff der „Weisung“. Eine systematische Überlegung stützt dieses Ergebnis. Enthielte Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG tatsächlich nur eine Absage an Verpflichtungen gegenüber den Wählern und gegenüber der Partei, dann wäre er kaum mehr als eine bloße Konkretisierung der bereits in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG getroffenen Grundsatzentscheidung für die repräsentative parlamentarische Demokratie230. Er wäre überflüssig. Für die Gesamtheit der Abgeordneten, den Deutschen Bundestag, existiert keine dem Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG vergleichbare explizite Verbotsnorm. Das GG gibt jedoch relativ deutlich zu erkennen, daß es vertraglichen Bindungen des Parlaments im Grundsatz nicht weniger ablehnend gegenübersteht als solchen der Abgeordneten. Augenfällig ist bereits, daß der Bundestag nach seiner verfassungsrechtlich vorgegebenen Größe, Binnenstruktur und Arbeitsweise für vertragsförmiges Handeln wenig geeignet ist. Die vom GG vorgezeichnete Handlungsform des Parlaments ist die des einseitigen Rechtsakts auf Grundlage einer Mehrheitsentscheidung über feststehende Anträge (Abstimmung und Wahl). Die Genetik des Vertrags – das gleichzeitige Aushandeln, Abwägen, Tauschen etc. der Parteien – ist mit diesen strukturellen Vorbedingungen schwerlich in Einklang zu bringen. Vertragsförmiges Handeln des Bundestages ist in der Praxis allenfalls dadurch realisierbar, daß das

227

Badura, in: BK, Art. 38 (132. Akt. Februar 2008), Rdn. 6, 10. Ähnlich Artt. 83 PrV, 29 RV, wo von „Aufträgen und Instruktionen“ die Rede war. 229 Badura, in: BK, Art. 38 (132. Akt. Februar 2008), Rdn. 53; Schneider, in: AK-GG, Art. 38 (2. AufbauL August 2002), Rdn. 39. 230 Ablehnend gegenüber jeglicher rechtlichen Bindung des Abgeordneten gegenüber Privaten oder anderen Staatsorganen denn auch Achterberg, Parlamentsrecht, S. 218; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 38 (51. Lfg. Dezember 2007), Rdn. 194; Pieroth, in: Jarass/ders., GG, Art. 38, Rdn. 27; Schneider, in: AK-GG, Art. 38 (2. AufbauL August 2002), Rdn. 39. 228

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Parlament die eigentlichen Verhandlungen einem Vertreter überläßt und den von ihm ausgehandelten Kompromiß anschließend beschlußmäßig ratifiziert231.

Läßt man diese spezifischen Probleme vertraglicher Rechtsetzung einmal beiseite, so verbleiben aber vor allem grundsätzliche Bedenken gegen jede (vertragliche oder sonstige) Bindung des Parlaments an sich. Sie ergeben sich – neben dem argumentum ex Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG ad maius232 – vor allem aus zwei zentralen Systemgedanken der demokratischen Ordnung des GG: zum einen der Souveränität des im Parlament repräsentierten Staatsvolks (1.), zum anderen dem berechtigten Anspruch der Minderheit auf die Chance, eines Tages selbst Mehrheit werden zu können (2.). Ad (1.): Zu den Grundmerkmalen neuzeitlicher Staatsverfassungen gehört der staatliche Souveränitätsanspruch, d. h. die Emanzipation des Staates von den wohlerworbenen Herrschaftsrechten einzelner233. Das GG erklärt demgemäß das Volk zum alleinigen Inhaber der Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Damit ist nicht die rechtliche Allmacht des Volkes gemeint – Gemeinschaftsrecht, Völkerrecht und Verfassung (insb. die Grundrechte) setzen seiner Souveränität offenkundig rechtliche Grenzen. Gemeint ist aber eine Unteilbarkeit der Volksherrschaft, ein Ausschluß anderer Rechte zur Herrschaft als solcher des Staatsvolkes selbst. Anerkennt man diese Unteilbarkeit der Volksherrschaft (woran kein Weg vorbei führt), dann muß man sie in einem System repräsentativer Demokratie konsequenterweise auch auf die Herrschaft des Parlaments erstrecken. Der souveräne Volkswille artikuliert sich in einem solchen System ja erst durch die vom Volke gewählten Repräsentanten. Da das GG mit Art. 20 Abs. 2 S. 2 aber eben ein solches repräsentatives Demokratiemodell verwirklicht, muß man dem Bundestag dieselbe Unfähigkeit zur Teilung der eigenen Herrschaft attestieren wie dem Staatsvolke selbst234. Die daraus abzuleitende Bindungsfreiheit des Parlaments ist nicht nur eine Frage der Begriffslogik, sondern sie hat – ebenso wie der Souveränitätstopos selbst235 – handfeste Gründe. Parlamentarische Souveränität ist eine Grundbedingung für die effektive Erfüllung der Staatsaufgaben. Als erster Repräsentant des Staatsvolks ist das Parlament zu einer den Erfordernissen des Gemeinwohls flexibel Rechnung tragenden, zukunftsoffenen

231

Ein solcher Ablauf wird vor allem mit Blick auf den Normsetzungsvertrag diskutiert, s. o. § 6 C. III. Eingehend Becker, Strukturen, S. 292 f.; s. auch Frowein, in: FS Flume, Bd. I, S. 301 (314); Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 312. 232 Vgl. Pasemann/Baufeld, ZRP 2002, 119 (122). 233 Vgl. dazu Hoven, JuS 2007, 10 ff.; Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 66 ff. 234 So denn auch Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 79; Di Fabio, DVBl. 1990, 338 (343). Becker, Strukturen, S. 297 weist allerdings mit Recht darauf hin, daß der Begründer der Souveränitätslehre, Bodin, vertragliche Bindungen des Souveräns durchaus für möglich hielt (vgl. dens., Six livres de la Republique, I. Buch, Kap. 8 = Mayer-Tasch/Wimmer, Sechs Bücher, S. 216). 235 Zu dessen Entstehungsgründen etwa Hoven, JuS 2007, 10.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Führungsaufgabe berufen, die nur erfüllt werden kann, solange es von willkürlichen Bindungen frei bleibt236. Ad (2.): Jenseits des Souveränitätsarguments ergibt sich die Unzulässigkeit parlamentarischer Selbstbindung vor allem aus dem demokratischen Mehrheitsprinzip. Zu den wesentlichen Grundbedingungen dieses Prinzips gehört Chance der Minderheit, eines Tages selbst zur Mehrheit zu werden237. Das Mehrheitsprinzip ist auf Dauer überhaupt nur funktionsfähig, wenn es die Möglichkeit wechselnder Mehrheiten garantiert. Diese Möglichkeit wird jedoch im Keim erstickt, sobald dem Parlament die Rechtsmacht zugestanden wird, sich auf Dauer an die Entscheidungen von Tagesmehrheiten zu binden238. Sowohl hinsichtlich des parlamentarischen Abgeordneten wie auch hinsichtlich des Parlaments als Ganzem bestehen damit erhebliche Zweifel an der für vertragliches Handeln notwendig vorauszusetzenden Fähigkeit der Selbstbindung. Will man diese Zweifel zerstreuen, so muß man Argumente herbeiführen, die ebenso wie das freie Mandat und das Demokratieprinzip im Range von Verfassungsrecht stehen. Als tragfähiges Argument in diesem Sinne wird von Teilen der Literatur der Gedanke des Vertrauensschutzes angesehen. Jedenfalls in Hinblick auf die Gesetzgebungstätigkeit des Parlaments sei eine vertragsförmige Selbstbindung vom Grundsatz her denkbar239. Das Parlament könne gemeinwohlgerechte Regelungen in bestimmten Sachmaterien überhaupt nur dadurch treffen, daß es sich der Mithilfe der Gesetzesadressaten versichere. Nur ein Verhandlungsregime sei dann geeignet, gesellschaftliche Widerstandsreservate abzubauen, gesellschaftliche Problemlösungskapazitäten zu fördern und gesellschaftliche Wissensressourcen zu erschließen. Die Kooperationsbereitschaft der privaten Gesetzesadressaten sei dabei aber regelmäßig nur um den Preis der Langfristigkeit und der Nichtrevidierbarkeit der ausgehandelten Regelung zu haben. Infolgedessen eingegangene Selbstbindungen des Parlaments seien verfassungsrechtlich hinnehmbar, denn sie erfolgten in Hinblick auf ein dem Demokratieprinzip gleichrangiges Verfassungsprinzip – das Prinzip des Vertrauensschutzes. Wie auch immer man zu dieser These stehen mag, fest steht, daß sie allenfalls zur Rechtfertigung von Selbstbindungen gegenüber Privatpersonen taugt. Bindungen gegenüber anderen Staatsorganen – und damit insbesondere auch Bindungen in Kompetenzbereinigungsverträgen – rechtfertigt der Gedanke des Vertrauensschutzes sicherlich nicht. Das liegt daran, daß staatliche Organe nach ganz herrschender Meinung keinen Vertrauensschutz genießen. Wer das Prinzip des Vertrauensschutzes

236

Becker, Strukturen, S. 294; s. auch RGZ 139, 177 (188 f.). BVerfGE 44, 125 (145); Hesse, Grundzüge, Rdn. 143; Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 613. 238 Di Fabio, DVBl. 1990, 338 (343); Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (2. Aufl.), § 60, Rdn. 60 (abgeschwächt jetzt in Bd. IV [3. Aufl.], § 79, Rdn. 81). 239 Vgl. Becker, Strukturen, S. 298 ff.; Frowein, in: FS Flume, Bd. I, S. 301 (309); wohl auch Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV (3. Aufl.), § 79, Rdn. 81. 237

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grundrechtlich fundiert240, wird dies damit begründen, daß die Organe des Staates stets nur Adressaten grundrechtlicher Pflichten sind, nie aber Inhaber der entsprechenden Rechte241. Wer Vertrauensschutz dagegen dem Rechtsstaatsprinzip entnimmt242, kann zumindest hinsichtlich der hier in Rede stehenden Vergleichsverträge geltend machen, daß der Anspruch einer umfassenden Rechtsbindung des Staates auch eine Funktionstauglichkeit der positiven Organkompetenzordnung impliziert, die die Notwendigkeit vertraglicher Bereinigung schon im Ansatzpunkt ausschließt. Die angeschnittene Thematik kann hier, wie gesagt, nicht näher vertieft werden. Es dürfte jedoch klar geworden sein, daß die Rechtserzeugung durch Verträge zwischen und innerhalb der obersten Staatsorgane für das GG keine Selbstverständlichkeit darstellt, sondern eher die Ausnahme. Der Nachweis einer Ermächtigung der Verfassungsorgane zu vertraglicher Rechtsetzung bedarf stets triftiger Gründe.

III. Wirksamkeit verfassungswidriger Inter- und Intra-Organverträge Die entscheidende Frage ist nun, wie sich die Rechtswidrigkeit eines verfassungsrechtlichen Vertrags auf seine Wirksamkeit auswirkt. 1. Eingrenzung der zu untersuchenden Fehler: Verstöße gegen die Organkompetenzordnung durch zulässige Verträge Sie läßt sich für die hier interessierenden Vergleichsverträge in zwei Schritten näher eingrenzen. Eine Rechtsordnung – hier: die Verfassung – kann einen Vertrag bereits wegen des Gebrauchs dieser Handlungsform mißbilligen oder aber nur wegen seines Inhalts243. Der erstere Fall wird gemeinhin (und so auch hier, vgl. soeben § 8 A. II. 1.) mit dem Begriff der Unzulässigkeit der vertraglichen Handlungsform bzw. der Unzulässigkeit des Vertrags bezeichnet. Dogmatisch betrachtet verbergen sich hinter diesen etwas unscharfen Begriffen die generell-abstrakten Grenzen, in denen die Teilrechtsordnung des Staatsorganisationsrechts den Vertrag überhaupt als Rechtsquelle anerkennt. Für das GG ist vertraglich erzeugtes Staatsorganisationsrecht nur insoweit „Recht“, als seine Entstehung von der Verfassung impliziert ist. Dies deshalb, weil 240 So etwa Götz, in: FG BVerfG, Bd. II, S. 421 (422); Grabitz, DVBl. 1973, 675 (682); W. Schmidt, JuS 1973, 529 (532); tendenziell auch Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. II (3. Aufl.), § 26, Rdn. 80. 241 Sog. „Konfusionsargument“, vgl. nur BVerfGE 21, 362 (369 f.); Hesse, Grundzüge, Rdn. 286. 242 So die wohl h.M. Die genaue Verortung des Vertrauensschutzes innerhalb des Rechtsstaatsprinzips ist nicht einheitlich. Das BVerfG nennt ihn teils als (wichtigsten) Unterfall der Rechtssicherheit, vgl. E 13, 215 (225); 13, 261 (271 f.); 18, 429 (439 f.); 25, 371 (403 f.); 78, 249 (283); teils als selbständiges Merkmal des Rechtsstaatsprinzips, vgl. E 30, 392 (403); 50, 244 (250); 55, 185 (203); 59, 128 (152). 243 Krebs, VerwArch 72 (1981), 49 (54 f.).

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die verfassungsimmanenten Koordinationsbedürfnisse, die eine kooperativ-konsensuale Rechtsetzung der Natur der Sache nach zulassen, überhaupt erst den Geltungsgrund des verfassungsrechtlichen Vertrags ausmachen. Wo sie fehlen, wo also vertragliche Rechtsetzung vom Blickpunkt des GG aus sachwidrig ist, fehlt den betroffenen Verfassungsorganen schlechthin die Fähigkeit, im Wege eines Vertrages Recht zu setzen, weil die Verfassung das von ihnen vereinbarte Recht überhaupt nicht als solches anerkennt. Werden Verträge in den betroffenen Sachgebieten dennoch geschlossen, so ist die zwingende Konsequenz der fehlenden Rechtsetzungsmacht der Parteien die Unwirksamkeit des Vereinbarten244. Auch insoweit besteht völlige Parallelität zur Dogmatik des verwaltungsrechtlichen Vertrags. Die generell-abstrakte Unzulässigkeit der Erledigung bestimmter Verwaltungsaufgaben in Vertragsform – das Vertragsformverbot – gründet besagtermaßen nur auf einem einzigen Legitimationstopos, nämlich dem Umstand, daß die vertragliche Handlungsform aus der Natur der Sache heraus einen inadäquaten Regelungsmechanismus für einen gegebenen Sachbereich darstellt (typische Beispiele: Leistungsbewertung, Wahlprüfung, Normsetzung)245. Aus dem Vorliegen eines Vertragsformverbots folgert die Verwaltungsrechtswissenschaft dementsprechend einhellig, daß verbotswidrig geschlossene Verträge ipso iure nichtig sein müssen, weil die Vertragspartner überhaupt nicht in der Lage sind, die vereinbarten Rechtsfolgen vertragsmäßig zu erzeugen246.

Die hier zu beantwortende Frage nach der Wirksamkeit verfassungswidriger Vergleiche auf dem Gebiet des Staatsorganisationsrechts verengt sich somit auf die Wirksamkeit zulässig geschlossener Verträge. Es geht also nur um die Fehlerfolgen solcher Verfassungsverstöße, die nicht bereits aus der unzulässigen Verwendung der Vertragsform als solcher resultieren, sondern die allein dem konkreten Vertragsinhalt (dem Müssen, Nicht-Dürfen oder Dürfen) zuzuschreiben sind. Eine weitere Eingrenzung ist dahin zu treffen, daß als mögliche Fehlerquellen des Vergleichsvertrags hier nur Verstöße gegen die Organkompetenzordnung berücksichtigt werden müssen. Es ist durchaus möglich, daß Vergleichsverträge, die zur Bereinigung eines Organkompetenzkonflikts geschlossen werden, auch gegen anderes Verfassungsrecht verstoßen als gegen die Organkompetenzordnung (Verbandskompetenzen, Grundrechte, Staatszielbestimmungen o. ä.). Derartige Verstöße 244

Im dogmatischen Sinne sind „unzulässige“ verfassungsrechtliche Verträge also ein Handeln ultra vires, vgl. auch Friauf, AöR 88 (1963), 257 (274 ff.). 245 Vgl. oben § 8 A. II. 1. Sehr pointiert in diesem Sinne etwa Schlette, Vertragspartner, S. 562 f. (der allerdings mit Recht darauf hinweist, daß es dem Gesetzgeber theoretisch frei stünde, bestimmte Bereiche auch aus anderen Gründen als der Sachgesetzlichkeit generellabstrakt vertragsfrei zu stellen, vgl. ebda., Fn. 173). 246 Zutr. Efstratiou, Bestandskraft, S. 217 f. Zum Teil wird die Nichtigkeit verbotswidriger Verwaltungsverträge allerdings nicht aus der fehlenden Rechtsetzungsmacht der Parteien hergeleitet, sondern an § 54 S. 1 Hs. 2 VwVfG festgemacht (Erichsen, JURA 1994, 47 [50 f.]; Krebs, VerwArch 72 [1981], 49 [54 f.]; Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 139 ff.) oder gar erst § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB entnommen (Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 54, Rdn. 102; Meyer-Hesemann, DVBl. 1980, 869 [871, 872]; Schimpf, Vertrag, S. 285; Schlette, Vertragspartner, S. 559 f.; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 70, Rdn. 3 mit Fn. 11).

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entsprechen jedoch nicht dem typischen Norminkongruenzrisiko des Vergleichs. Die Ungewißheit, deren Bereinigung der Vergleichsvertrag dient und aus der sich seine latente Rechtsfehlerhaftigkeit ergibt, ist bei organkompetenzbereinigenden Vergleichen allein die Organkompetenzordnung selbst. Fehlerfolgen anderer Verfassungsrechtsverstöße können daher im folgenden außer Acht bleiben. 2. Kein pauschales Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs Nach der im Privat- und Verwaltungsvertragsrecht ganz herrschenden Meinung soll der Vergleichsvertrag ein gewohnheitsrechtliches bzw. sachlich notwendiges Wirksamkeitsprivileg genießen und infolgedessen eine gesteigerte Unempfindlichkeit gegenüber Gesetzesverletzungen aufweisen247. Wollte man dem folgen, so müßte man konsequenterweise auch den verfassungsrechtlichen Organ-Vergleich mehr oder minder pauschal vor den Folgen einer Verfassungsrechtsverletzung in Schutz nehmen – ein Ergebnis, das nicht ohne weiteres einleuchten will. Die Lehre vom Wirksamkeitsprivileg ist in dieser Untersuchung jedoch bereits an früherer Stelle der Ablehnung verfallen und soll daher hier nicht erneut aufgenommen werden248. Maßgeblich ist für das Folgende vielmehr die Grundposition dieser Arbeit, wonach der Vergleich in das allgemeine Vertragsrecht eingebettet ist und in bezug auf seine Wirksamkeit ebenso zu behandeln ist wie jeder andere Vertrag auch. Die Frage der Wirksamkeit verfassungswidriger Vergleiche zwischen und innerhalb der obersten Staatsorgane ist danach eine Frage der Wirksamkeit verfassungswidriger staatsorganisationsrechtlicher Verträge an sich. Es gilt somit, die allgemeinen Regeln zu ermitteln, die über die Wirksamkeit oder die Unwirksamkeit verfassungsinkongruenter staatsorganisationsrechtlicher Verträge entscheiden. 3. Kein Dogma der Nichtigkeit Der gegenwärtige Erkenntnisstand über diese Regeln ist mit wenigen Worten referiert. Alle Autoren, die sich dem verfassungsrechtlichen Organvertrag jemals gewidmet haben, kennen nur eine einzige Rechtsfolge seiner Verfassungswidrigkeit, nämlich Nichtigkeit. Regelmäßig ist zwar nur von der „Unzulässigkeit“ der betreffenden Verträge die Rede249 (was unter Umständen auch als bloßer Hinweis auf ihre Verfassungswidrigkeit verstanden werden könnte), jedoch scheint Nichtigkeit als Rechtsfolge durchweg impliziert, da Grenzen der Bestandskraft „unzulässiger“ Verträge nirgends erörtert werden. Sasse jedenfalls hat dies in aller Deutlichkeit ausgesprochen, als er kategorisch und ohne den Nachweis etwaiger Gegenstimmen erklärte, daß Koalitionsvereinbarungen zwischen den politischen Parteien (die er für verfassungsrechtliche Verträge hielt), „rechtlich an den Staatsorgankompetenzen 247 248 249

Vgl. oben § 2 D. III. 1. Vgl. oben § 2 D. III. 2. So bei Friauf, AöR 88 (1963), 257 (290 f.) und Dammholz, Vereinbarung, S. 56.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

nichts zu ändern [vermöchten]“ und „unwirksam“ seien, wenn sie in das staatsorganisatorische Gefüge eingriffen250. Wörtlich heißt es: „Verläßt die Koalitionsvereinbarung den ihr gezogenen [staatsorganisationsrechtlichen] Rahmen oder verstößt sie inhaltlich gegen unnachgiebige Verfassungssätze, so ist sie insoweit ungültig“251. Die darin zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung entspricht der zum Zeitpunkt des Erscheinens der betreffenden Arbeiten ganz herrschenden Lehre, wonach öffentlichrechtliche Verträge im Falle ihrer Verfassungs- oder Gesetzesinkongruenz ipso iure nichtig seien252. Dieses sogenannte Nichtigkeitsdogma bezog sich ursprünglich nur auf den verwaltungsrechtlichen Vertrag; es wurde jedoch wie selbstverständlich auch in der Dogmatik des verfassungsrechtlichen Vertrags rezipiert und hält sich dort bis heute. Ursprung und Grundaussage des Nichtigkeitsdogmas bestanden in folgendem. Vor dem Erlaß des VwVfG bestand keinerlei gesetzliche Regelung, die – § 59 VwVfG entsprechend – irgendeine Aussage darüber getroffen hätte, ob einem Vertrag, dessen Inhalt gesetzliche Vorschriften verletzt, Wirksamkeit zukommt oder nicht. Die Fehlerfolge vertraglicher Rechtsverstöße wurde dennoch nahezu einhellig beantwortet. Sowohl das BVerwG253 als auch die überwiegende Literatur254 hielten rechtswidrige Verträge auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts für nichtig. Zur Begründung verwies man entweder auf das Gesetzmäßigkeitsprinzip – als untergesetzliche Rechtsquelle könne der Vertrag im Falle einer Gesetzesinkongruenz keine Wirksamkeit haben255 – oder aber auf eine entsprechende Anwendung des § 134 BGB256. In neuerer Zeit hat sich jedoch zumindest in der Verwaltungsrechtswissenschaft die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Rechtsordnung norminkongruente Rechtsakte nicht zwingend mit Nichtigkeit als schärfster denkbarer Sanktion belegen muß, sondern sehr unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten kennt und einsetzt, je nach250

Vgl. Sasse, JZ 1961, 719 (725). Sasse, JZ 1961, 719 (726); der Sache nach ebenso Maiwald, Wesen, S. 122, der eine Nichtigkeit verfassungswidriger Koalitionsvereinbarungen nur deshalb ablehnt, weil sie ohnehin keine Verträge im Rechtssinne seien, sich i.ü. aber ausdrücklich auf Sasse bezieht. 252 Vgl. Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. IV (3. Aufl.), § 79, Rdn. 119; Schimpf, Vertrag, S. 258; Seer, Verständigungen, S. 369 ff. alle m.w.N. Zur Dogmengeschichte der Fehlerfolgen rechtswidriger verwaltungsrechtlicher Verträge eingehend Efstratiou, Bestandskraft, S. 195 ff. 253 BVerwGE 4, 111 (114 f.); 8, 329 (330); 48, 166 (168 f.); 49, 359 (361 f.). 254 Vgl. etwa Apelt, Vertrag, S. 215 f.; Beinhardt, VerwArch 55 (1964), 210 (253 f.); Bosse, Verwaltungsvertrag, S. 83 f.; Forsthoff, Lehrbuch, Bd. I, S. 283; Salzwedel, Grenzen, S. 107 f.; Schröder, Prozeßvergleich, S. 155, 208 f. 255 So besonders deutlich und unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Kelsensche Lehre vom Stufenbau der Rechtsordnung Bosse, Verwaltungsvertrag, S. 84; ähnlich zuvor bereits Beinhardt, VerwArch 55 (1964), 210 (254). 256 Apelt, Vertrag, S. 215 f.; Mellwitz, DVBl. 1962, 601 (603); ferner Beinhardt, VerwArch 55 (1964), 210 (254); Schröder, Prozeßvergleich, S. 155, 208 f. 251

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dem welchem Typus der fehlerhafte Rechtsakt entspricht (Verwaltungsakt, Vertrag, Gesetz, Verordnung, Plan, Wahl, Kollegialbeschluß, dienstliche Weisung, Urteil usw.), welchem Rechtsfehler es zu begegnen gilt (systematische Stellung der verletzten Rechtsnorm), welches Vertrauen in den Bestand des fraglichen Rechtsakts gesetzt wurde (Offensichtlichkeit des Verstoßes) und wie sich die Unwirksamkeit des Rechtsakts auf die Sicherheit und Verläßlichkeit des Rechtsverkehrs insgesamt, die Rechtssicherheit also, auswirken müßte257. Diese Erkenntnis, die sich zwischenzeitlich auch der einfache Gesetzgeber zu eigen gemacht hat (durch Anerkennung der Bestandskraft schlicht rechtswidriger verwaltungsrechtlicher Verträge, § 59 VwVfG), zwingt zu einer Revision der in bezug auf den verfassungsrechtlichen Vertrag bislang herrschenden Lehre. 4. Abwägung rechtsstaatlicher Subprinzipien im Einzelfall Ausgangspunkt dieser Revision ist die Feststellung, daß ein verfassungsrechtliches Sanktionssystem für fehlerhafte Staatsakte zu weiten Teilen fehlt, und zwar nicht allein für den verfassungsrechtlichen Vertrag, sondern prinzipiell für die gesamte rechtsförmige Staatstätigkeit. Das GG verpflichtet zwar alles staatliche Handeln kategorisch auf die Beachtung von Verfassung und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), schweigt aber zu den Folgen dennoch begangener Verstöße. Es setzt damit eine Fehlerfolgenlehre der Staatsakte voraus, die es selbst nicht einlöst. Die Entwicklung dieser Fehlerfolgenlehre wird deshalb mit Recht als eine der dringendsten Gegenwartsaufgaben der Staatsrechtslehre bezeichnet258. Gesetzgebung und Rechtswissenschaft haben sich dieser Aufgabe primär für denjenigen Hauptausschnitt der Staatstätigkeit verschrieben, der die höchste Regelungsdichte aufweist und der folglich auch am anfälligsten für Rechtsfehler ist, nämlich für das Handeln der Verwaltung. Bei mancher Unvollkommenheit im Detail ist hier eine in den Grundzügen stimmige Konzeption gesetzlich geregelter Fehlerfolgen entstanden, der eine bewußte Abwägung fundamentaler rechtsstaatlicher Prinzipien und Sachgesetzlichkeiten zugrunde liegt. Vergleichbares findet sich im Staatsorganisationsrecht nicht. Die Rechtsfolgen verfassungswidriger Handlungen der obersten Staatsorgane sind im GG nur dürftig geregelt259 und von Wissenschaft und Rechtsprechung nur in Hinblick auf einzelne Handlungsformen erörtert worden (v. a. in Hinblick auf Gesetze und Wahlen). Ein in sich geschlossenes Fehlerfolgenkonzept, das Rückschlüsse auf die Behandlung des verfassungsrechtlichen Vertrages erlauben würde, ist bislang nicht erkennbar. Ob die Rechtswidrigkeit eines Staatsakts überhaupt eine Sanktion nach sich ziehen muß und welcher Art diese zu sein hat (Nichtigkeit, Anfechtbarkeit, Rück257

Efstratiou, Bestandskraft, S. 254 f. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (2. Aufl.), § 70, Rdn. 32. 259 Battis, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. VII (1. Aufl.), § 165, Rdn. 21; Rauschning, Sicherung, S. 197 f. 258

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tritts- oder Leistungsverweigerungsrechte, Sekundäransprüche usw.), ist verfassungsrechtlich nur schwach determiniert260. Unterschiedliche Gesichtspunkte verdienen Beachtung. Zum einen gilt: Das Rechtsstaatsprinzip fordert die Staatsorgane nicht bloß dazu auf, sich gesetzes- und verfassungsgemäß zu verhalten, sondern es drängt darauf, daß tatsächlich normgemäße Zustände herrschen261. Das spricht im Grundsatz dafür, staatlichen Rechtsakten, die gegen Verfassungs- oder Gesetzesrecht verstoßen, bereits die Wirksamkeit zu versagen und sie mit anfänglicher Nichtigkeit zu belegen262. Wohlgemerkt: im Grundsatz. Andererseits gilt nämlich: Die Einhaltung von Gesetz und Verfassung bzw. die Herstellung normgemäßer Zustände ist nicht die einzige Forderung, die das Rechtsstaatsprinzip an das Handeln des Staates stellt. Gleichrangige rechtsstaatliche Subprinzipien konkurrieren mit dem Gebot der Gesetzes- und Verfassungsmäßigkeit und setzen einer unterschiedslosen Vernichtung rechtswidriger Staatsakte Grenzen. Vor allem Vertrauensschutz und Rechtssicherheit können im Einzelfall die Wirksamkeit eines an sich fehlerhaften staatlichen Rechtsakts gebieten263. Die vorgenannten Leitlinien – Verfassungs- und Gesetzmäßigkeitsgrundsatz einerseits, Vertrauensschutz und Rechtssicherheit andererseits – bilden die verfassungsrechtlichen Grundachsen des Sanktionssystems fehlerhafter Staatsakte. Ein Sanktionssystem selbst aber enthalten sie nicht. Die Verfassung überläßt es vielmehr dem jeweiligen Normgeber, die Folgen eines Verstoßes gegen das von ihm gesetzte Recht zu bestimmen. Dieser ist in seinen Entscheidungen nicht gänzlich frei. Er muß alle genannten rechtsstaatlichen Belange berücksichtigen und einen sachgerechten Ausgleich zwischen ihnen schaffen. Sachgerechtigkeit des Ausgleichs bedeutet eine angemessene Differenzierung der Fehlerfolgen nach der Bedeutung der verletzen Norm, nach der Offenkundigkeit des Fehlers und nach dem Typus des Verletzungsakts (Gegenstand, Verfahrensstruktur, Regelungsgehalt, Rechtsschutzmöglichkeiten etc.). Bei der Abwägung dieser Vorgaben eröffnet das Verfassungsrecht dem Normgeber einen erheblichen Sanktionierungsspielraum264. 260

So richtig Efstratiou, Bestandskraft, S. 254; Seer, Verständigungen, S. 375 f. A.A. Bosse, Vertrag, S. 84, der die Wirksamkeit rechtswidriger Staatsakte überhaupt nur im Falle einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Anordnung zulassen will, d. h. bei Fehlen einer positivrechtlichen Bestandskraftregel der Gesetzmäßigkeit des Staatshandelns in Abwägung mit anderen rechtsstaatlichen Subprinzipien immer den Vorrang einräumen will. Ebenso offenbar Schenke, JuS 1977, 281 (285) und Maurer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (2. Aufl.), § 60, Rdn. 92 (weggefallen nun allerdings in Bd. IV [3. Aufl], § 79, Rdn. 120 f.). 261 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 (42. Lfg. Februar 2003), Rdn. 283. 262 Vgl. Scherzberg, JuS 1992, 205 (213); Seer, Verständigungen, S. 376; s. auch Efstratiou, Bestandskraft, S. 255; Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 207. 263 Vgl. Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. II (3. Aufl.), § 26, Rdn. 81 ff.; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 827 f. 264 So Weyreuther, DÖV 1980, 389 (390, Fn. 15), dessen Wort mittlerweile ein geflügeltes ist, vgl. Efstratiou, Bestandskraft, S. 254; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 (42. Lfg. Februar 2003), Rdn. 282; W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 828.

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Für das Handeln der Verwaltung hat der insoweit zuständige einfache Gesetzgeber den ihm zugedachten legislativen Spielraum ausgefüllt und ein sehr differenziertes, aber weitgehend stimmiges Fehlerfolgensystem der Verwaltungsrechtsakte geschaffen. Die Regelung der Fehlerfolgen verfassungswidriger Rechtshandlungen der obersten Staatsorgane einschließlich der Regelung der Fehlerfolgen verfassungswidriger Inter- und Intra-Organverträge fällt jedoch in die Zuständigkeit des Verfassungsgesetzgebers. Dieser hat sich, wie eingangs dargelegt, im GG einer näheren Regelung enthalten. Der Rechtsanwender ist damit vor die Aufgabe gestellt, die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Determinanten im Einzelfall selbst zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen265. Dieser Ausgleich kann, muß aber nicht stets dazu führen, daß die betreffenden Verträge der Nichtigkeit anheimfallen. Ein Blick auf die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Belange zeigt allerdings, daß nicht alle Argumente, die für eine Bestandskraft rechtswidriger Staatsakte streiten können, im Bereich des Staatsorganisationsrechts überhaupt Gewicht haben. Das gilt zunächst für das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes. Vertrauen in den Bestand staatlich gesetzten bzw. vereinbarten Rechts ist eines der entscheidenden Argumente für die umfassende Bestandskraft, die der Gesetzgeber dem verwaltungsrechtlichen Vertrag zugebilligt hat266. Ob der Vertrauensgrundsatz aber auch für die Bestandskraft innerorganisatorischer verfassungsrechtlicher Verträge aktiviert werden kann, ist außerordentlich fraglich. Herrschender Meinung entspricht es, das Vertrauen staatlicher Organe in die Rechtmäßigkeit fremden Verhaltens grundsätzlich nicht zu schützen; und zwar auch dann nicht, wenn der vertrauensstiftende Tatbestand dem Verhalten anderer staatlicher Organe zuzurechnen ist267. Vertrauensschutz im Vertragshandeln der obersten Staatsorgane ist hiermit offenkundig nicht zu vereinbaren. Für die herrschende Meinung sprechen gute Gründe. Wer den Gedanken des Vertrauensschutzes grundrechtlich fundiert268, kann bereits 265 Eine Analogie zu den Vorschriften des Verwaltungsvertragsrechts (§ 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB) verbietet sich schon aus Gründen der Normhierarchie und, wie sogleich zu zeigen ist, auch infolge der Notwendigkeit einer völlig anderen Gewichtung der sanktionsmaßgeblichen rechtsstaatlichen Belange. Ebenso Seer, Verständigungen, S. 375 für die parallele Problematik im Bereich des Steuerverwaltungsrechts, wo eine dem § 59 VwVfG entsprechende Gesetzesregelung ebenfalls fehlt. Anders der Ansatz bei W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 835 bzgl. der ebenfalls nur schwach determinierten Fehlerfolgen administrativer Innenrechtsakte: Rechtsfortbildung anhand der Wertungen der gesetzlich geregelten Fehlerfolgenlehre administrativer Außenrechtsakte. 266 Efstratiou, Bestandskraft, S. 52, 254; Krebs, VVDStRL 52 (1993), S. 248 (269); Schlette, Vertragspartner, S. 101 f.; 541; Seer, Verständigungen, S. 318 f. A.A. Maurer, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. IV (3. Aufl.), § 79, Rdn. 120 und wohl auch Schimpf, Vertrag, S. 266 ff. 267 Vgl. BVerwGE 23, 25 (30 f.); 27, 215 (217 f.); 36, 108 (113 f.); 60, 208 (211); 71, 85 (89); OVG Münster DVBl. 1980, 765 (767); 1984, 1081 (1083); Erichsen/Scherzberg, JURA 1994, 212 (216 f.); Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 43, Rdn. 33; Sachs, in: Stelkens/Bonk/ ders., VwVfG, § 48, Rdn. 137; Schenke, JuS 1977, 281 (286); W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 841. A.A. Kisker, VVDStRL 32 (1974), 149 (168 f., 195); wohl auch OVG Koblenz DVBl. 1986, 249 (253). 268 s. die Nachweise oben in § 8 A. II. 2. b) Fn. 240.

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geltend machen, die Organe des Staates seien stets nur Adressaten grundrechtlicher Pflichten, niemals aber Inhaber der entsprechenden Rechte269. Aber auch wer den Vertrauensschutz dem Rechtsstaatsprinzip entnimmt270 muß staatlicher Berufung auf eine irrtümlich angenommene bessere Rechtskenntnis des Vertragspartners den Schutz versagen. Die Rechtsgebundenheit aller Staatstätigkeit impliziert eine Eigenverantwortlichkeit für die fehlerfreie Ermittlung des anzuwendenden Rechts, die den Einwand der Rechtsunkenntnis von vornherein verbietet. Zu erwägen ist allenfalls, ob der Grundsatz der eigenverantwortlichen Rechtsaufklärung in bezug auf Vergleichsverträge einer Einschränkung bedarf, weil das Rechtsstaatsprinzip staatlichen Organen den Abschluß von Vergleichen überhaupt nur nach Ausschöpfung aller gebotenen Erkenntnismittel über die wahre Rechtslage gestattet271. Schutz vor den Sanktionen rechtswidrigen Verhaltens könnte den staatlichen Organen demnach zumindest insoweit zu gewähren sein, als das Rechtsstaatsprinzip selbst von ihnen die Kenntnis des Rechts nicht mehr verlangt. Ein solcher Gedanke trägt allerdings das Argument zu seiner Widerlegung bereits in sich: Soweit staatliche Organe die Ungewißheit der Rechtslage erkennen – und eben dies ist die Ausgangslage eines staatlichen Vergleichsschlusses272 –, vertrauen sie gerade nicht auf die Rechtmäßigkeit der am Ende getroffenen Regelung, sondern nehmen im Gegenteil den möglichen Rechtsverstoß bewußt in Kauf. Unter diesen Bedingungen ist die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens jedoch schon nach allgemeinen Grundsätzen ausgeschlossen273. Jenseits verfassungsrechtsdogmatischer Einwände besteht aber auch in der Sache überhaupt keine Veranlassung, staatliche Erwartungen in die Wirksamkeit rechtswidriger Verträge zu schützen. Das Anliegen des Vertrauensschutzes besteht in erster Linie der Sicherung privater Vermögensdispositionen vor Enttäuschungen durch den einseitig rechtssetzungsbefugten Staat274. Der Staat bedarf eines solchen Schutzes jedoch in aller Regel nicht, da seine finanzielle Leistungsfähigkeit jedenfalls durch die bei rechtstreuem Verhalten anfallenden Belastungen niemals überstrapaziert werden kann bzw. er ist – was das Vertragshandeln der obersten Staatsorgane in Kompetenzkonflikten anbelangt – regelmäßig schon gar nicht in seinen Vermögensinteressen betroffen.

Mehr Gewicht als der Vertrauensschutz hat für die Begrenzung der Fehlerfolgen verfassungsrechtlicher Verträge das Argument der Rechtssicherheit. Sicherheit des Rechts, ein Kernprinzip der Rechtsstaatlichkeit, bedeutet im wesentlichen zweierlei275. Zum einen (ex ante) Rechtsklarheit, also die Möglichkeit der Adressaten staatlicher Rechtsetzung, das Gewollte zu erkennen und das eigene Verhalten danach 269

s. die Nachweise oben in § 8 A. II. 2. b) Fn. 241. Vgl. ebda. Fn. 242. 271 Vgl. oben § 2 D. I. 1. 272 Vgl. oben § 2 C. III. 273 Das Vertrauen in eine unklare oder verworrene Rechtslage ist nie schutzwürdig, nicht einmal zugunsten des Bürgers, vgl. BVerfGE 11, 64 (73); 13, 261 (272); 30, 367 (388); 72, 200 (259). 274 Den Gedanken des privaten Vermögensschutzes und die Überlegenheit des Staates hat insb. die Rspr. wiederholt herausgestrichen, vgl. BVerwGE 23, 25 (30 f.); 27, 215 (217 f.); 36, 108 (114); 60, 208 (211). 275 Degenhart, Staatsrecht I, Rdn. 354; Sontheimer, Vertrag, S. 117; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. II (3. Aufl), § 26, Rdn. 81. 270

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einzurichten, insb. staatliche Entscheidungen vorherzusehen und gegebenenfalls auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Zum anderen (ex post) die Beständigkeit staatlicher Entscheidungen. Einmal getroffene förmliche Aussagen können danach nicht beliebig, sondern nur unter Beachtung bestimmter formaler und oft auch inhaltlicher Voraussetzungen geändert oder angegriffen werden. Relevant ist in unserem Zusammenhang der zweite Aspekt. Die Beständigkeit und Verläßlichkeit staatlicher Rechtsakte ist nicht allein ein Interesse der jeweiligen Regelungsadressaten276, sondern zugleich auch ein allgemeines, ein öffentliches Interesse. Eine effektive Wahrnehmung der Gemeinwohlaufgaben durch den Staat wäre undenkbar, würde nicht staatlichen Vollzugsakten unter bestimmten Voraussetzungen Beständigkeit gegenüber Rechtsfehlern zugebilligt277. Ordnung und Stabilisierung des streng rechtsgesteuerten (Art. 20 Abs. 3 GG) und daher für Rechtsfehler überaus anfälligen Massengeschäfts Staat lassen sich nur um den Preis einer begrenzten Hinnahme der Wirksamkeit rechtsfehlerhafter Staatsakte erzielen. Das gilt in erster Linie für das Außenhandeln der staatlichen Verwaltung, in dem die Gemeinwohlaufgaben letztlich ihre konkrete Erfüllung finden, im Grundsatz aber auch für die dem Außenhandeln vorgelagerte Selbstorganisation des Staates einschließlich der Selbstorganisation seiner obersten Organe. Das Bedürfnis nach Verstetigung und Berechenbarkeit ihrer vielfältig miteinander verschränkten Funktionsabläufe kann im Einzelfall durchaus eine rechtsstaatlich tragfähige Begründung für die Wirksamkeit verfassungswidriger Verträge liefern. Dies nicht zuletzt deshalb, weil Gewißheit über die Zuständigkeiten und Kompetenzen der obersten Staatsorgane mittelbar auch eine Bedingung der Sicherheit des Außenrechts ist. Die formelle Rechtmäßigkeit nach außen gerichteter Rechtsakte hängt schließlich auch von der Einhaltung der innerorganisatorischen Kompetenzordnung ab. Die Frage der Fehlerresistenz verfassungswidriger Inter- und Intra-Organverträge ist damit im Kern eine Frage der Abwägung des Vorrangs der Verfassung mit dem Gebot der Rechtssicherheit. Das Ergebnis dieser Abwägung ist nicht generell-abstrakt vorgezeichnet. Es muß in Ansehung der konkreten Vergleichsabrede und der durch sie verletzten Verfassungsnormen gewonnen werden. Eine Kriteriologie der Maßstäbe dieser Abwägung muß mindestens die folgenden Gesichtspunkte berücksichtigen. Erstens: Bei der Entscheidung über die Fehlerfolgen einer Verfassungsverletzung durch innerorganisatorische Verträge verbietet sich ein schematischer Rückgriff auf die entsprechenden Vorschriften des Außenrechts (konkret: auf § 59 VwVfG). Das Sanktionssystem des Außenrechts beruht auf einer völlig anderen Gewichtung der für die Bestandskraft maßgeblichen Belange als das des Innenrechts. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes etwa oder das Grundrecht auf Rechtsschutz gegen staatliche Maßnahmen (Art. 19 Abs. 4 GG) sind im Staatsinnenrecht ohne Bedeutung. Zudem 276

Insb. der Bürger, die ihre grundrechtlichen Freiheiten nur auf der Grundlage feststehender rechtlicher Rahmenbedingungen sinnvoll nutzen können, vgl. BVerfG 60, 253 (268). 277 Sehr treffend Efstratiou, Bestandkraft, S. 53 ff.

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sind die für Außenrechtsakte getroffenen Fehlerfolgeregeln keineswegs die einzig verfassungsgemäß denkbaren, sondern vielmehr nur eine von vielen möglichen Konkretisierungen eines relativ weiten gesetzgeberischen Sanktionierungsspielraums278. Ihr Inhalt ist folglich nicht Dogma, sondern bestenfalls Modell. Zweitens: Wenn einer schematischen Übernahme außenrechtlicher Fehlerfolgeregelungen eine Absage erteilt werden muß, so heißt dies nicht, daß nicht einzelne ihrer Wertungen in das Innenrecht übernommen werden könnten. Die Fehlerfolgenlehre der Außenrechtsakte bietet ein Reservoir an wohldurchdachten und praktisch bewährten Rechtsregeln, die auch für das Staatsorganisationsrecht fruchtbar gemacht werden können. Hinsichtlich des Kompetenzbereinigungsvertrags sind dabei zumindest folgende Überlegungen diskussionswürdig. Ebenso wie bei den meisten Außenrechtsakten279 dürfte der Schwere des begangenen Rechtsverstoßes ein erhebliches Gewicht bei der Entscheidung über die Unwirksamkeit oder die Bestandskraft eines verfassungswidrigen Kompetenzbereinigungsvertrages zukommen280. Die Richtigkeit des Rechts hat generell ein um so größeres Gewicht gegenüber der Rechtssicherheit als die verletzte Rechtsnorm von zentraler Bedeutung ist. Vergleichsverträge, die gegen Kernprinzipien der Organkompetenzordnung verstoßen, haben danach geringere Aussichten auf Bestandskraft als solche, die lediglich Randbereiche derselben berühren. Etwas anderes gilt für den im Außenrecht ebenfalls zentralen Gesichtspunkt der Evidenz eines Rechtsfehlers. Seine Berücksichtigung entspricht in erster Linie dem Gedanken des Vertrauensschutzes. Je offensichtlicher ein Fehler, desto eher kann den Adressaten eines Rechtsakts zugemutet werden, seine Unwirksamkeit hinzunehmen281. Vertrauensschutzgesichtspunkte sind jedoch, wie gezeigt, im Staatsinnenrecht grundsätzlich ohne Bedeutung. Speziell beim Vergleichsvertrag kommt hinzu, daß objektive Ungewißheit bereits Abschlußvoraussetzung dieses Vertragstypus ist282. Wird nachgegeben obwohl die Rechtslage klar ist, so leidet der Vergleich an einem schweren Rechtsfehler, der zu seiner Unwirksamkeit führt283. Da Kompetenzbereinigungsverträge sich im Regelfall generell-abstrakter Regelungstechniken bedienen284, könnte erwogen werden, sie im Falle ihrer Verfassungswidrigkeit wie feh-

278

Vgl. die Nachweise oben in § 8 A. III. 4. Fn. 264. Vgl. etwa §§ 44 Abs. 1, 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB, vertiefend W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 809 ff. 280 W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 845. 281 Anders die Bewertung bei W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 847 f., der das Evidenzkriterium primär als Ausfluß der Rechtssicherheit ansieht und ihm daher auch im Staatsinnenrecht zentrale Bedeutung zumessen will. Nur bei offensichtlichen Fehlern könne zugelassen werden, daß staatliche Stellen einem Rechtsakt den Gehorsam verweigerten. Das geht zumindest beim Vertrag an der Sache vorbei. Bei vertraglicher Rechtsetzung stimmen alle Adressaten der getroffenen Regelung zu, weil sie von ihrer Rechtmäßigkeit bzw. (beim Vergleich) zumindest von ihrer Wirksamkeit überzeugt sind. Die Gefahr des Befehlskonflikts stellt sich hier sicherlich nicht. 282 Vgl. oben § 2 D. I. 1. 283 Vgl. oben § 2 D. I. 4. 284 Vgl. oben § 6 A. I. 279

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lerhafte Rechtsnormen zu behandeln und folglich der Nichtigkeit anheimzugeben285. Ein solcher Schluß erscheint jedoch nicht zwingend. Die zunehmende Breite des Regelungsanspruchs eines fehlerhaften Staatsakts indiziert zwar regelmäßig ein besonderes Sanktionsbedürfnis. Sie kann jedoch umgekehrt auch gerade die Quelle besonderer Rechtssicherheit sein und damit Ausdruck eines gesteigerten Bedürfnisses nach Bestandskraft. Der Topos der Regelungsbreite ist daher ambivalent. Er kann sowohl für die Bestandskraft eines Vertrages sprechen als auch dagegen.

Drittens: Eine Fehlerfolgenlehre des verfassungsrechtlichen Vertrags muß nicht zwingend auf eine Dichotomie von Nichtigkeit und völliger Sanktionslosigkeit hinauslaufen. Sie kann auch einer Lösung den Vorzug geben, die zwischen Nichtigkeit und beschränkter Bestandskraft unterscheidet. Sie kann Verträgen, die an schweren Rechtsfehlern leiden, die Wirksamkeit von Anfang an versagen, Verträge mit leichteren Fehlern aber für wirksam erklären und den Parteien lediglich eine Pflicht zur Korrektur des Rechtsfehlers auferlegen, sobald dieser gerichtlich festgestellt wird (Neuverhandlungs- oder Aufhebungspflicht). Für eine solche Lösung spricht vieles. Zum einen erscheint sie dem Ausgleich von Rechtsrichtigkeit und Rechtssicherheit weitaus angemessener als die Alternative von Unwirksamkeit und absoluter Bestandskraft. Absolute Bestandskraft, konkret: unveränderter Fortbestand eines fehlerhaften Rechtsakts trotz nachträglich erwiesener Rechtswidrigkeit, ist in erster Linie ein Gebot des Vertrauensschutzes. Vertrauensschutz ist jedoch im Staatsinneren ohne Bedeutung. Maßgeblich ist hier vielmehr der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Der Rechtssicherheit wird aber schon dann genüge getan, wenn einem fehlerhaften Rechtsakt Bestandskraft zugebilligt wird, solange er überhaupt Rechtssicherheit schafft. Beim Vergleichsvertrag ist dies nur solange der Fall wie der Vertrag eine objektiv ungewisse Rechtslage überlagert. Sobald die wahre Rechtslage geklärt ist, ist der Vergleich als Vehikel der Rechtssicherheit nicht mehr erforderlich. Er kann legalisiert oder aufgehoben werden. Eine beschränkte Bestandskraft dieser Art ist dem Verfassungsrecht nicht unbekannt. Eine ganze Reihe von Verfassungsrechtsakten genießt Wirksamkeit auch bei Verfassungswidrigkeit und ist lediglich zu korrigieren, sobald ihre Fehlerhaftigkeit festgestellt wird. Bei Wahlen etwa ist diese Fehlerfolge gesetzlich normiert. Nach §§ 46 Abs. 1 Ziff. 1; 47 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 3 BWG werden Abgeordnete, deren Wahl ungültig ist, zunächst sehr wohl Mitglieder des Bundestags. Ihre Zugehörigkeit endet erst dann, wenn die Ungültigkeit der Wahl rechtskräftig festgestellt ist286. Ähnlich verfährt das BVerfG bei Kollegialbeschlüssen der Bundesregierung und des Bundestags. Erweisen sie sich als fehlerhaft, so verlangt das Gericht zwar eine Korrektur für die Zukunft, läßt aber ihre Wirkungen in der Vergangenheit bestehen287. Entsprechendes gilt für Rechtsnormen. Das BVerfG erklärt nicht 285 Zum Nichtigkeitsdogma fehlerhafter Rechtsnormen und seiner Begründung etwa W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 810 ff., 828 f. 286 Vgl. oben § 5 E. mit Fn. 87. 287 Vgl. BVerfGE 91, 148 (171, 175); 112, 118 (132 f.). Unbefriedigend allerdings die Argumentation in der letztgenannten Entscheidung: Das BVerfG bestreitet hier einen Verfas-

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schlechthin jede verfassungswidrige Norm für nichtig ex tunc. Namentlich dann, wenn Gesichtspunkte der Rechtssicherheit dies gebieten, läßt das Gericht ihre Wirksamkeit unangetastet und beschränkt sich auf die Forderung ihrer Korrektur innerhalb einer bestimmten Frist288. Mit diesen Grundgedanken muß es hier sein Bewenden haben. Die Entwicklung einer umfassenden Fehlerfolgenlehre des verfassungsrechtlichen Vertrags ist eine Aufgabe für sich. Auf einem Punkte aber muß mit Nachdruck bestanden werden: Ein Dogma der Nichtigkeit verfassungsinkongruenter Organverträge gibt es nicht. Es gibt nicht den geringsten Hinweis dafür, daß die einzig denkbare Fehlerfolge der Rechtswidrigkeit eines verfassungsrechtlichen Vertrags seine Nichtigkeit sein müßte. Eine Bereinigung streitiger Organkompetenzen im Wege vertraglicher Überlagerung des Verfassungsrechts ist nicht schlechthin undenkbar.

B. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung Der zweite Komplex von Verträgen, deren materielle Wirksamkeitsbedingungen hier untersucht werden müssen, ist der Komplex der Vergleiche zur Bereinigung föderativer Kompetenzverletzungen. Die oben ausgeloteten vertraglichen Bereinigungsperspektiven werden im folgenden wiederum zunächst vertragstypologisch qualifiziert (I.), auf ihre generell-abstrakte Zulässigkeit überprüft (II.) und schließlich auf eine mögliche Beständigkeit gegenüber Verfassungsrechtsverletzungen untersucht (III.). I. Rechtliche Qualifizierung: föderative Verträge Vergleichsverträge zur Bereinigung behaupteter Verletzungen der grundgesetzlichen Kompetenzordnung zwischen dem Bund und/oder den Ländern fallen in die Gruppe der sog. föderativen Verträge289. Zu ihr gehören alle Verträge auf dem Gebiet

sungsverstoß z. Z. der Beschlußfassung, weil das Parlament unter Zeitdruck gestanden habe, hält den Beschluß gleichwohl aber für verfassungswidrig im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Das ist widersprüchlich, denn das maßgebliche Verfassungsrecht war zu beiden Zeitpunkten dasselbe. In Wahrheit wird hier das Rechtswidrigkeitsurteil mit Verschuldsgesichtspunkten vermengt. Die mangelnde Vorwerfbarkeit der fehlerhaften Beschlußfassung ändert nichts an ihrer Verfassungswidrigkeit. Für die vorläufige Wirksamkeit des Beschlusses sorgt nicht seine Rechtmäßigkeit (an der fehlte es nämlich gerade), sondern seine Bestandskraft, d. h. seine Fehlerresistenz. 288 Vgl. etwa BVerfGE 40, 296 (329); 32, 199 (217 f.); BVerfG NJW 1995, 381 (383); Degenhart, Staatsrecht I, Rdn. 795 f.; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 78, Rdn. 32 ff. 289 Die Terminologie ist nicht ganz einheitlich. Statt als „föderative“ werden die betreffenden Verträge mitunter auch als „intraföderale“ oder schlichtweg als „föderale“ Verträge

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des öffentlichen Rechts, die zwischen den Verbänden eines Bundesstaates abgeschlossen werden. Föderative Verträge sind in der deutschen Verfassungsrechtsordnung seit jeher das Hauptgestaltungsmittel der bundesstaatlichen Zusammenarbeit. Ihre staatspraktische Bedeutung ist enorm, und entsprechend variantenreich sind ihre Erscheinungsformen und die Möglichkeiten ihrer Systematisierung. Für den hier interessierenden Ausschnitt der kompetenzbereinigenden Verträge ist eine Würdigung vor allem in Hinblick auf drei gängige Unterscheidungsmerkmale von Interesse. Sinnvoll ist erstens, in Abhängigkeit von den Beteiligten des Vertrags zwischen (vertikaler) Bund-Länder-Koordination und (horizontaler) Zwischen-Länder-Koordination zu unterscheiden. Vor dem BVerfG werden überwiegend vertikale Kompetenzverletzungen gerügt, also behauptete Eingriffe des Bundes in die Rechte der Länder oder – umgekehrt – Eingriffe eines Landes in die Rechte des Bundes. Föderative Kompetenzverletzungen können jedoch durchaus auch das ZwischenLänder-Verhältnis betreffen. Man denke an den einfachen Fall, daß eine Stelle der Landesverwaltung jenseits der Grenzen des eigenen Staatsgebiets tätig würde (etwa bei der Verwaltung von Fernstraßen, Binnenwasserstraßen, Bergwerken oder im Rahmen der Gefahrenabwehr)290. Die hier in Betracht zu ziehenden Vergleichsverträge können danach sowohl Bund-Länder-Abkommen sein als auch ZwischenLänder-Verträge. Mit Blick auf die Notwendigkeit parlamentarischer Zustimmung zu dem jeweiligen Vertragswerk lassen sich, zweites, (zustimmungsbedürftige) Staatsverträge von (rein exekutiven) Verwaltungsabkommen unterscheiden291. Ob ein konkreter Vertrag aufgrund seines Inhalts der Zustimmung der Parlamente bedarf oder nicht, ergibt sich aus dem Verfassungsrecht der konkret beteiligten Verbände. Die Beurteilung kann für die Parteien ein und desselben Vertrages unterschiedlich ausfallen. Was aus verfassungsrechtlicher Sicht des einen Verbandes ein Staatsvertrag ist, kann für den anderen ein einfaches Verwaltungsabkommen sein. Die Bereinigung föderativer Kompetenzverletzungen erfordert nicht stets Vertragsregelungen, die parlamentarischer Zustimmung unterliegen. So berührt etwa die Bund-Länder-Vereinbarung über den Erlaß allgemeiner Weisungen im Rahmen der Finanzverwaltung292 ausschließ-

bezeichnet. Der ebenfalls verbreitete Begriff der „Gliedstaatenverträge“ ist enger. Er bezeichnet föderative Verträge im Zwischen-Länder-Verhältnis, schließt also Bund-Länder-Verträge aus. 290 Ein Fall, der in Praxis keineswegs selten ist, aber i.allg. präventiv durch entsprechende vertragliche Zuständigkeitsabgrenzungen geregelt wird, vgl. Vedder, Staatsverträge, S. 88 m.N. 291 Für die heute ganz h.M. ist allein die Notwendigkeit parlamentarischer Zustimmung das maßgebliche Abgrenzungskriterium zwischen Staatsvertrag und Verwaltungsabkommen, vgl. BVerfGE 4, 250 (276 f.); Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 52; Hartung, Praxis, S. 33; Vedder, Staatsverträge, S. 162. Die vorgeblich abweichende Differenzierung von H. Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 1 (8 f.) – Staatsvertrag bei Bindung des Verbandes „in allen Richtungen seiner Staatsgewalt“, Verwaltungsabkommen bei ausschließlicher Bindung der Verwaltung – dürfte im Wahrheit auf das Gleiche hinauslaufen. 292 Vgl. oben § 7 B.

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lich genuine Verwaltungskompetenzen, und zwar sowohl auf Seiten des Bundes als auch auf Seiten der Länder293. Die Lindauer Vereinbarung294 dagegen betrifft auf Seiten der Länder gerade auch parlamentarische Gesetzgebungsbefugnisse und bedurfte daher zu ihrer formellen Rechtmäßigkeit der Zustimmung der Landtage und Bürgerschaften295. Hinzuweisen ist schließlich, drittens, auf die Unterscheidung von verfassungsrechtlichen und verwaltungsrechtlichen föderativen Verträgen. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist der Vertragsinhalt, konkret die Frage, welchem Rechtsgebiet die vereinbarten Regelungen zuzurechnen sind. Vertragsregelungen wie die hier interessierenden, die eine abstrakte oder auch nur für einen Einzelfall geltende Überlagerung der föderativen Kompetenzordnung anstreben, sind immer verfassungsrechtlicher Natur296. Im Einzelfall können sie mit verwaltungsrechtlichen Regelungen in ein und demselben Vertragswerk zusammenfallen297. Für die Qualifizierung des Gesamtvertrags bestehen dann zwei Möglichkeiten. Man kann den Schwerpunkt der Regelungen entscheiden lassen, also den die Gesamtvereinbarung „prägenden“ Teil298 – ein Kriterium, das mit gewissen Unsicherheiten behaftet ist – oder man faßt den Vertrag als gemischtes Rechtsgeschäft auf und wendet auf seine einzelnen Teile je nach deren Rechtsnatur entweder Verwaltungs- oder Verfassungsrecht an299. Diese Lösung wird hier präferiert. II. Zulässigkeit vertraglicher Rechtsetzung im föderativen Bereich Die heute ganz herrschende Lehre hält den Abschluß föderativer Verträge in allen Sachbereichen der Bundes- und Landeszuständigkeiten für generell-abstrakt zuläs-

293 Orlopp, in: FS Klein, S. 597 (605). Zum Streit um die Rechtsverbindlichkeit der Vereinbarung als solche vgl. oben § 6 B. 294 Vgl. oben § 7 B. 295 Vgl. Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 185 f. 296 So für die Lindauer Vereinbarung mit Recht BVerfGE 42, 103 (113 f.). 297 So in BVerwGE 102, 119 (123 f.): Der fragliche Vergleich enthielt – neben verwaltungstechnischen Regelungen – auch eine explizite Überlagerung der föderativen Verwaltungskompetenzordnung. 298 So BVerfGE 42, 103 (114) und wohl auch BVerwGE 102, 119 (124), wo trotz eines verfassungsrechtlichen Teils ein Vertrag i.S.v. § 55 VwVfG angenommen wird. Ebenso die h.M. im Rahmen der Abgrenzung verwaltungsrechtlicher und privatrechtlicher Verträge, vgl. BGHZ 92, 56 (58 f.); BGH DVBl. 1992, 615 (616); NJW 1992, 1237 (1238); 2003, 888 (889); Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 54, Rdn. 77 f.; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 791; Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 20 f.; Ziekow, VwVfG, § 54, Rdn. 23 f. 299 So für die Abgrenzung verwaltungsrechtlicher und privatrechtlicher Verträge BGHZ 56, 365 (368); BVerwG NVwZ 1994, 1012; OVG Schleswig NVwZ-RR 2002, 793; Gurlit, JURA 2001, 659 (661); Pietzner/Ronellenfitsch, Assessorexamen, § 5, Rdn. 11. Ebenso für die Abgrenzung verfassungsrechtlicher und privatrechtlicher Verträge BVerfGE 62, 295 (314).

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sig. Völlig unstreitig ist dies für Verträge zwischen den Ländern300. Die horizontale Koordination der Gliedstaaten stellt seit jeher in allen Bundesstaaten der deutschen Geschichte eine rechtliche wie praktische Selbstverständlichkeit dar301. Bei den Beratungen über das GG wurde zunächst erwogen, ihre Zulässigkeit ausdrücklich festzuschreiben (Art. 40 HChE). Der Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates hielt dies jedoch für überflüssig und strich daher den „deklaratorischen“ Art. 40 HChE ersatzlos302. Die Zulässigkeit vertraglicher Zwischen-Länder-Koordination läßt sich auf eine ganze Reihe von Argumente stützen, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit keinen Zweifel daran lassen, daß das GG als Rahmenrechtsordnung dem Abschluß von Gliedstaatenverträgen nicht entgegensteht. Die wichtigsten Argumente sind: die uneingeschränkte Rechtssubjektivität der Länder als Staaten, das argumentum a maiore ad minus aus Art. 31 Abs. 3 GG und die an zahlreichen Stellen des GG durchscheinende Institutionalisierung föderativer Kooperation303. Die Zulässigkeit öffentlichrechtlicher Verträge zwischen Bund und Ländern war anfänglich größeren Bedenken ausgesetzt304. Die heute herrschende Lehre hält sie dennoch für gegeben305. Dafür spricht – neben einer auch insoweit nachweisbaren Verfassungstradition306 – erneut die Rechtssubjektivität von Bund und Ländern, vor allem aber die Tatsache, daß einige vorgrundgesetzliche Landesverfassungen Vertragsschlüsse mit dem Bund antezipierten. Hätte das GG derartige Verträge generell-abstrakt ausschließen wollen, so wäre eine Klarstellung im Normtext zu erwarten gewesen, an der es jedoch fehlt307. Im Gegenteil: Spätere Änderungen des GG haben die Zulässigkeit vertraglicher Bund-Länder-Zusammenarbeit für einzelne Sachmaterien ausdrücklich bestätigt (vgl. Artt. 91b, 104a Abs. 4 S. 2 GG).

300 Vgl. BVerwGE 22, 299 (307) stRspr. Aus dem Schrifttum vgl. nur H. Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 1 (13); Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 756; Pietzcker, in: Starck, Zusammenarbeit, S. 17 (46); Vedder, Staatsverträge, S. 122 je m.w.N. Bezweifelt wurde anfänglich die Zulässigkeit gemeinsamer Einrichtungen der Länder wie etwa des Zweiten Deutschen Fernsehens oder der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, vgl. Kölble, NJW 1962, 1081 (1082). Dagegen aber ausdrücklich BVerwGE 22, 299 (305 ff.). 301 Vgl. H. Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 1 (2 ff.) m.N. 302 Vgl. Bachmann, in: H.-P. Schneider, GG Dokumentation, Bd. X, Art. 40, Dok. Nr. 51. Andere Bundesstaaten wie die Schweiz (Art. 48 BV), die USA (Art. I sec. 10 cl. 3 US Constitution) oder Österreich (Art. 15a BV-G) haben auf eine entsprechende Verfassungsregelung allerdings nicht verzichtet. 303 Vgl. zu diesen und zu weiteren Argumenten ausführlich Vedder, Staatsverträge, S. 122 ff. 304 Vgl. Kölble, DÖV 1960, 650 (655). 305 Vgl. Maunz, NJW 1962, 1641 (1645); Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 137; Pietzcker, in: Starck, Zusammenarbeit, S. 17 (49). 306 Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 133 f. 307 Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 132 f.

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III. Wirksamkeit verfassungswidriger föderativer Verträge Damit schlußendlich zur Kernfrage: Inwiefern ist es möglich, die Gebote, Verbote und Erlaubnisse der föderativen Kompetenzordnung durch abweichende, verfassungswidrige Vertragsregelungen wirksam zu überlagern? 1. Eingrenzung der zu untersuchenden Fehler: Verstöße gegen die föderative Kompetenzordnung Wie zuvor bei den Organ-Vergleichsverträgen so ist es auch hier von Nutzen, zunächst einige potentielle Fehlerquellen aus der weiteren Betrachtung auszuscheiden. Bei den Organstreitigkeiten betraf dies in erster Linie die generell-abstrakte Unzulässigkeit der vertraglichen Handlungsform an sich: Vergleiche, die bereits aufgrund ihrer formalen Vertragseigenschaft den beteiligten Staatsorganen oder der geregelten Sachmaterie inadäquat sind, werden von der Teilrechtsordnung des Staatsorganisationsrechts überhaupt nicht als Rechtsquellen anerkannt. Sie sind ipso iure nichtig. Die Frage der Fehlerfolgen inhaltlicher Verfassungswidrigkeit stellt sich für sie also gar nicht. Abstrakte Unzulässigkeit vertraglicher Rechtsetzung ist in Inter- und Intra-Organ-Beziehungen die Regel308. Föderative Vertragskoordination hingegen ist, wie gesehen, grundsätzlich zulässig, und zwar sowohl in Hinblick auf die beteiligten Akteure als auch in Hinblick auf die in Betracht kommenden Sachmaterien. Auch bei den intraföderalen Verträgen existieren jedoch einige typische Fehlerquellen, die mit dem spezifischen Norminkongruenzrisiko des Vergleichs nichts zu tun haben und deren Wirksamkeitsrelevanz daher im folgenden unberücksichtigt bleiben kann. Streit und Ungewißheit beziehen sich im Rahmen föderativer Vergleichsverträge auf die Gebote, Verbote und Erlaubnisse der bundesstaatlichen Kompetenzordnung. Das spezifische Norminkongruenzrisiko des föderativen Vergleichsvertrags liegt dementsprechend allein in Verstößen gegen die grundgesetzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Es liegt nicht in der Verletzung sonstigen Verfassungsrechts. Irrelevant für die hiesige Untersuchung sind damit also zum einen die in der Literatur intensiv erörterten Fehlerfolgen jedweder Verstöße gegen das besondere Verfahren, dessen Einhaltung GG und Landesverfassungen beim Abschluß föderativer Verträge verlangen (insb. die Nichteinholung parlamentarischer Zustimmung zu einem Staatsvertrag)309. Formelle Verstöße dieser Art können selbstverständlich auch beim Abschluß föderativer Vergleiche auftreten; sie stellen jedoch nicht deren typische („streitgegenstandsbedingte“) Fehlerquelle dar. Resistenz ihnen gegenüber ist für die Bereinigungsaussichten nicht entscheidend. 308

Vgl. oben § 8 A. II. 2. Vgl. hierzu Knoke, Kultusministerkonferenz, S. 45; Rill, Gliedstaatsverträge, S. 364 ff., 576 ff.; H. Schneider, VVDStRL 19 (1961), S. 1, (23 ff.); Vedder, Staatsverträge, S. 149 ff., 299 ff. 309

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Ohne Belang für die hiesige Fragestellung sind weiterhin ohne Ausnahme sämtliche Verstöße gegen Landesverfassungsrecht – eine Fehlerquelle, die Rechtsprechung und Literatur ebenfalls häufiger beschäftigt hat310. Die föderative Kompetenzordnung, auf die es hier allein ankommt, ist ausschließlich bundesverfassungsgesetzlich geregelt. Innerhalb des Bundesverfassungsrechts schließlich interessieren nur Verstöße gegen die föderative Kompetenzordnung. Verstöße gegen sonstiges Staatsorganisationsrecht, gegen die Grundrechte, gegen Staatszielbestimmungen etc. sind bei der Bereinigung von Zuständigkeitskonflikten nicht zu erwarten und bleiben daher im folgenden außer Acht.

2. Kein pauschales Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs Die einfachste Antwort auf die Frage der Fehlerfolgen vertraglicher Verstöße gegen die föderative Kompetenzordnung verheißt die Lehre vom pauschalen Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs, die im Privat- und Verwaltungsrecht herrschend ist und die nach ihrer Argumentation auch für die föderativen Verträge Geltung beanspruchen müßte311. Die vorliegende Arbeit hat diese Lehre jedoch bereits zurückgewiesen und hält auch weiterhin daran fest312. Eine Wiederholung der hierzu vorgebrachten Argumente ist nicht angezeigt. Die verbreitete Skepsis gegenüber der Wirksamkeit föderativer Zuständigkeitsvergleiche, die ganz und gar in Widerspruch zur Ausgangsposition der Lehre vom Wirksamkeitsprivileg steht (angebliche Anerkennung einer Fehlerresistenz des Vergleichs für Gewohnheitsrecht), spricht insoweit für sich. Ein Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs gibt es nicht. Verletzungen der föderativen Kompetenzordnung haben auf Vergleichsverträge dieselben Auswirkungen wie auf andere föderative Verträge auch. 3. Kein Dogma der Nichtigkeit Rechtsprechung und Literatur haben sich mit den Fehlerfolgen vertraglicher Kompetenzverstöße bislang kaum auseinandergesetzt. Soweit die Wirksamkeitsrelevanz von Verfassungsverletzungen im föderativen Vertragsrecht überhaupt näher

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Da intraföderale Vertragskoordination vorwiegend im Zwischen-Länder-Verhältnis stattfindet, sind Verstöße gegen Landesverfassungsrecht in der Praxis offenbar häufiger als Verstöße gegen Bundesverfassungsrecht (so im vielbeachteten Streit um die bonus-malusRegelung des ZVS-Vertrags, vgl. BayVerfG VerfGE 28, 141; BVerwGE 50, 124; 50, 137; zusammenfassend Vedder, Staatsverträge, S. 203 ff.). Ein Sonderproblem ergibt sich hier daraus, daß das Verfassungsrecht der Länder z. T. erhebliche Unterschiede aufweist, so daß insb. omnilaterale Verträge einem gewissen Risiko partikularer (nur in einzelnen Ländern auftretender) Verfassungswidrigkeit ausgesetzt sind. Entgegen dem sonst vorherrschenden Nichtigkeitsdogma (vgl. oben § 8 A. III. 3. Fn. 252 und sogleich § 8 B. III. 3) erheben hier zumindest Teile der Lit. Bedenken gegen eine Unwirksamkeit des Vertrags, da die Länder sich untereinander auf die Verfassungstreue ihrer Vertragspartner verlassen dürften, vgl. Vedder, ebda., S. 236 ff., 289 ff. 311 Vgl. oben § 2 D. III. 1. 312 Vgl. oben § 2 D. III. 2.

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erörtert wird, betrifft sie in der Regel nur Fehler des Abschlußverfahrens313 oder das Sonderproblem des einseitigen Verstoßes gegen partikulares (Landes-)verfassungsrecht314 – Fehlerquellen, die mit der hiesigen Thematik nichts zu tun haben. Die wenigen Stellungnahmen, die überhaupt zu finden sind, sind dem alten Nichtigkeitsdogma verhaftet315. Einige Zitate mögen dies illustrieren: H. Schneider zufolge „können“ Verträge zwischen deutschen Bundesländern nur über Gegenstände geschlossen werden, die in den Kompetenzbereich der Länder fallen. Bereiche, die der Regelungsbefugnis des Bundes unterliegen, sind den Gliedstaaten laut Schneider „versperrt“316. Offenbar soll hier nicht nur auf die Rechtswidrigkeit entgegenstehender Abreden hingewiesen, sondern auch ihre Unwirksamkeit insinuiert werden. Kölble spricht dies offen aus: „Dem Bund kann dort, wo ihm das GG kein Ingerenzrecht verleiht, auch durch Verwaltungsabkommen mit den Ländern kein solches rechtswirksam [!] eingeräumt werden“317. Entsprechend steht für Bachof/ Kisker im Falle der (föderativkompetenzrechtlichen) Unzulässigkeit der Errichtung einer Gemeinschaftseinrichtung der Länder bereits die „[rechtliche] Existenz“ der Anstalt auf dem Spiel318 – eine Sorge, die nur mit der Gleichsetzung von Kompetenzüberschreitung und Nichtigkeit zu erklären ist. Besonders deutlich wird Erichsen im Rahmen einer Untersuchung der Lindauer Vereinbarung. Da sich im GG keine Norm finde, die eine Delegation der in Art. 32 Abs. 3 GG den Ländern zuerkannten Vertragsschließungskompetenz an den Bund gestatte, sei das Abkommen „verfassungswidrig und damit [!] nichtig“319. Kirchhof schließlich erklärt, bei intraföderalen Staatsverträgen und Verwaltungsabkommen könne sich die Verfassungswidrigkeit des Vertrages „grundsätzlich mit der Nichtigkeits- oder Vernichtbarkeitsfolge durchsetzen“, denn „im Ergebnis [sei] sicherzustellen, daß die Verfaßtheit des Staates nicht durch den Willen der Staatsorgane gelockert wird“320. 313

Vgl. oben § 8 B. III. 1. Fn. 309. Vgl. oben § 8 B. III. 1. Fn. 310. 315 Vgl. zum Nichtigkeitsdogma des rechtswidrigen öffentlichrechtlichen Vertrags oben § 8 A. III. 3. Fn. 252. 316 Ders., VVDStRL 19 (1961), S. 1 (20). 317 Kölble, DÖV 1960, 650 (657). 318 Bachof/Kisker, Rechtsgutachten, S. 18 (in bezug auf das ZDF). Ebenso Knoke, Kultusministerkonferenz, S. 45 f., der „diese Rechtsfolge“ (gemeint ist die Unwirksamkeit der staatsvertraglichen Errichtung des gemeinsamen Sekretariats der KMK) aus Verstößen gegen Landesverfassungsrecht herleitet, im gleichen Atemzug aber feststellt, sie könne sich auch bei einem Verstoß gegen „allgemeine bundesstaatliche Prinzipien“ ergeben, etwa aus der Mißachtung der Bundeszuständigkeit für die Pflege auswärtiger Beziehungen (im Ergebnis verneint, S. 48). 319 Erichsen, Staatsrecht, Bd. II, S. 165; ähnlich Hillgruber, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 32, Rdn. 20, der erklärt, die Vereinbarung könne nur dann als „gültig“, also rechtswirksam, angesehen werden, wenn sie die grundgesetzliche Kompetenzverteilung korrekt, d. h. rein deklaratorisch, wiedergebe. 320 Kirchhof, in: Isensee/ders., HStR, Bd. III (2. Aufl.), § 59, Rdn. 156 (dort unter nicht nachvollziehbarer Berufung auf zwei Urteile des BVerfG, ebda. Fn. 219). 314

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Obgleich diese Zitate recht unterschiedlichen Aspekte der föderativen Kompetenzordnung aufgreifen (Kompetenzabgrenzung im Zwischen-Länder-Verhältnis oder im Bund-Länder-Verhältnis, Kompetenzabgrenzung in der Gesetzgebung, in der Verwaltung oder in auswärtigen Angelegenheiten usw.) – in einem Punkte stimmen sie offenkundig alle überein: Sie alle sehen die Konsequenz einer Verletzung der föderativen Kompetenzordnung in der Nichtigkeit des Vertrages. Alternative Fehlerfolgen werden nicht einmal in Betracht gezogen. Dieses Dogma der Nichtigkeit verdient jedoch keine Zustimmung. Verstöße gegen Verfassungs- oder Gesetzesrecht müssen einem Rechtsakt nicht schon aus Gründen der Rechtslogik die Wirksamkeit nehmen. Weder im Privatrecht (§ 134 BGB) noch im Verwaltungsrecht (§ 59 VwVfG) wird Rechtswidrigkeit ohne weiteres mit Nichtigkeit gleichgesetzt. Der Gesetzgeber des jeweils betroffenen Rechtsgebiets entscheidet vielmehr in eigener Freiheit, in welchem Umfange er fehlerhaften Rechtsakten die Wirksamkeit versagen will, sie also mit Nichtigkeit als der schärfsten denkbaren Sanktion belegt, oder milderen Fehlerfolgen den Vorzug gibt, etwa indem er die betroffenen Rechtsakte für anfechtbar, für rücktrittsfähig oder eben für wirksam erklärt321. Er darf dies, weil die Verfassung selbst (Art. 20 Abs. 3 GG) kein detailliertes Fehlerfolgenrechtsregime enthält. Die Ausgestaltung dieses Regimes ist Sache des einfachen Gesetzgebers, der insoweit einen weiten Sanktionierungsspielraum genießt. Soweit allerdings die Wirksamkeit fehlerhafter staatlicher Rechtsakte betroffen ist, unterliegt die gesetzgeberische Entscheidung den Grenzen des Rechtsstaatsprinzips. Der Grundsatz der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit des Staatshandelns verlangt, Rechtsakte, die gegen Gesetz oder Verfassung verstoßen, nicht nur formal zu verbieten, sondern auch effektiv zu sanktionieren. Er drängt darauf, daß tatsächlich normgemäße Zustände herrschen. Dies spricht im Grundsatz für die Unwirksamkeit fehlerhafter staatlicher Rechtsakte. Im Grundsatz wohlgemerkt. Denn ausnahmsweise kann die Wirksamkeit rechtswidriger Staatsakte unter Berufung auf gleichrangige, d. h. verfassungsrechtliche, Prinzipien gerechtfertigt werden. Als Legitimationstopoi in diesem Sinn kommen die ebenfalls rechtsstaatlich verankerten Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit in Betracht. 4. Abwägung rechtsstaatlicher Subprinzipien im Einzelfall Die Fehlerfolgen der Norminkongruenz eines staatlichen Rechtsakts ergeben sich aus einer Abwägung des Grundsatzes der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit des Staatshandelns einerseits sowie aus Vertrauensschutz- und Rechtssicherheitsge321 Von einigen Autoren wird dies durchaus eingeräumt, z. B. von Rill, Gliedstaatsverträge, S. 370 f. und von Vedder, Staatsverträge, S. 299 ff., 311 ff., 316 f. Letzterer meint, im (hier nicht interessierenden, s. o. § 8 B. III. 1.) Spezialfall einseitiger Verfassungswidrigkeit eines Zwischen-Länder-Vertrags gebiete das schutzwürdige Vertrauen der übrigen Vertragspartner, die Nichtigkeitsfolge nur bei Evidenz der Verfassungsrechtsverletzung eintreten zu lassen, i.ü. aber dem fehlerhaften Vertrag Bestandskraft zuzubilligen.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

sichtspunkten andererseits. Der Gesetzgeber kann diese Abwägung für bestimmte Typen staatlicher Rechtsakte (Rechtsnorm, Verwaltungsakt, Vertrag, Wahl, Kollegialbeschluß, Urteil etc.) rechtssatzförmig, d. h. abstrakt, vornehmen. Er kann etwa für einzelne Typen von Rechtsakten Verstöße gegen bestimmte höherrangige Normen für unbeachtlich erklären, er kann sich darauf beschränken, bestimmte Fehler nur im Falle ihrer Offenkundigkeit zu sanktionieren, er kann Ausschlußfristen und Heilungsmöglichkeiten vorsehen, er kann ein abgestuftes System schärferer und milderer Fehlerfolgen festlegen und ähnliches mehr. Wo der Gesetzgeber sich einer Regelung enthält, bleibt die Abwägung der genannten Gesichtspunkte Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen. Im Bereich des Verwaltungshandelns hat der Gesetzgeber ein relativ komplexes Fehlerfolgenrechtsregime geschaffen, das nahezu alle relevanten Rechtshandlungsformen der Verwaltung erfaßt und ihre typischen Fehler sanktioniert. Die für die Handlungsform des Vertrages maßgeblichen Bestimmungen finden sich dabei in §§ 58 f. VwVfG. Eine Anwendung dieser Vorschriften (konkret: des § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB322) scheidet jedoch bei den hier interessierenden föderativen Kompetenzbereinigungsverträgen aus. Das liegt daran, daß Vertragsregelungen, die die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung überlagern – und nur auf die Wirksamkeit dieser Regelungen kommt es hier ja an (s. o. § 8 B. III. 1) –, nach hier vertretener Ansicht verfassungsrechtlicher Natur sind; selbst dann, wenn der Vertrag, dem sie angehören, im übrigen schwerpunktmäßig Regelungen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts enthält323. Die Anwendung des § 59 Abs. 1 VwVfG ist aber – entgegen dem weitergehenden Wortlaut des § 54 S. 1 VwVfG („Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“) – ausschließlich auf Vertragsregelungen von verwaltungsrechtlicher Natur beschränkt, vgl. § 1 Abs. 1 VwVfG. Für Vertragsregelungen auf dem Gebiet des Verfassungsrechts sucht man vergeblich nach einer Fehlerfolgenregelung. Das GG verpflichtet zwar alles staatliche Handeln kategorisch auf die Beachtung von Verfassung und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), schweigt aber zu den Folgen gleichwohl begangener Verstöße. Die Entscheidung über die Wirksamkeitsrelevanz föderativer Kompetenzverletzungen muß daher fallweise durch eine Abwägung der Verfassungsmäßigkeit des Staatshandelns einerseits sowie des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit andererseits getroffen werden. 322 Die Mißachtung föderativer Kompetenznormen könnte prinzipiell als Fall des § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB angesehen werden. Voraussetzung wäre allerdings erstens, daß es sich um einen verwaltungsrechtlichen Vertrag handelt (woran es bei den hier interessierenden Vertragsregelungen fehlt, dazu sogleich im Text), und zweitens, daß dieser Vertrag koordinationsrechtlicher Natur ist. Bei subordinationsrechtlichen Verträgen wäre vorrangig § 59 Abs. 2 Ziff. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 VwVfG zu prüfen (str., nach a.A. sollen die betreffenden Verträge bereits aufgrund der mangelnden (relativen) Rechtsfähigkeit des kontrahierenden Verbandes nichtig sein, vgl. Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 246 ff. – bei koordinationsrechtlichen Zuständigkeitsvergleichen kommt es auf diesen Streit nicht an, denn zumindest einer der beteiligten Verbände ist ja tatsächlich kompetent). 323 Theorie des gemischten Rechtsgeschäfts, vgl. oben § 8 B. I. mit Fn. 299.

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Diese Abwägung hat im Grundsatz von einer Relevanz staatlicher Rechtsverstöße auszugehen. Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit des Staatshandelns verlangen nämlich nicht nur, daß Staatsorgane das sie betreffende Recht beachten sollen, sondern sie implizieren v. a., daß vorrangiges Recht auch tatsächlich gilt, sich also gegenüber abweichenden, rechtswidrigen Regelungen durchzusetzen vermag. Zur Rechtfertigung der Wirksamkeit verfassungsinkongruenter föderativer Verträge müssen daher im Einzelfall konkrete Vertrauenstatbestände oder konkrete Rechtssicherheitsbedürfnisse nachgewiesen werden, deren Gewicht das grundgesetzmanifeste Interesse an der Verfassungsmäßigkeit des Staatshandelns überwiegt. Wie schon zuvor bei den Organvergleichen läßt sich dabei zumindest aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes kaum ein Funken schlagen324. Vertrauensschutz genießt nur der Bürger, nicht aber der Staat. Verbände eines Rechtsstaates sind allemal verpflichtet, ihr Recht zu kennen, und sie sind selbst dafür verantwortlich, daß Rechtsakte, an denen sie mitwirken, es einhalten. Ihr Vertrauen in die Rechtstreue anderer staatlicher Verbände, mit denen sie kontrahieren, ist deshalb grundsätzlich nicht schutzwürdig. Das gilt selbst bei objektiv ungewisser Rechtslage, also insbesondere auch für ein Vertrauen in die Verfassungsmäßigkeit eines Vergleichs. Diese Grundsätze lassen Vertrauensschutz zugunsten des Staates allenfalls insoweit zu, als staatliche Stellen im Umgang miteinander Vertrauen in die Einhaltung solcher Rechtsnormen setzen, die nach ihrem eindeutigen Regelungsanspruch nur eine der beteiligten Parteien verpflichten. Diese – rare – Fallkonstellation kann im föderativen Vertragsrecht auftreten, wenn ein Vertrag gegen besondere, partikulare Normen des (Landes-)verfassungsrechts eines Vertragspartners verstößt, die keine Entsprechung in der Verfassung der anderen Vertragspartei oder in der beide Parteien umschließenden Rechtsordnung des GG haben325. Die Rechtsverstöße, um die es im vorliegenden Zusammenhang geht, gehören indes nicht zu dieser Fallgruppe. Die föderative Kompetenzordnung adressiert alle föderativen Verbände des Bundesstaats gleichermaßen und ohne Ausnahme. Kenntnis der gegenseitigen Rechte und Pflichten im Bundesstaat muß daher sowohl vom Bund als auch von allen Ländern erwartet werden. Ein allfälliges Vertrauen der föderativen Verbände in die Wirksamkeit der von ihnen geschlossenen Kompetenzbereinigungsverträge verdient daher keinen Schutz. Gewicht hat in der Abwägung mit der Verfassungsmäßigkeit des Staatshandelns in erster Linie der Gedanke der Rechtssicherheit, ein Kernelement materieller Rechtsstaatlichkeit. Neben der Bestimmtheit und der Berechenbarkeit staatlich gesetzten Rechts ex ante verlangt dieser Grundsatz ex post auch Verläßlichkeit und Beständigkeit einmal ergangener staatlicher Rechtsakte. Verläßlichkeit und Beständigkeit staatlicher Rechtsetzung schließen im Einzelfall die Möglichkeit mit ein, 324

Vgl. oben § 8 A. III. 4. Vgl. Vedder, Staatsverträge, S. 289 ff., der die denkbaren Konstellationen systematisch aufarbeitet. Auch die Rechtsprechung scheint in dieser dem Völkerrecht verwandten Konstellation Vertrauensschutz prinzipiell anzuerkennen, vgl. etwa BVerwGE 50, 137 (150). 325

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

daß staatliche Rechtsakte trotz ihrer Rechtsfehlerhaftigkeit Wirksamkeit entfalten. Dies betrifft nicht nur Akte des Außenrechts, also solche, die den Bürger unmittelbar berechtigen und verpflichten (insoweit deckt sich das Gebot der Rechtssicherheit nämlich bereits weitgehend mit dem Vertrauensschutzprinzip326), es gilt auch und vor allem für Rechtsakte des Staatsinnenrechts und damit auch für Verträge des Bundes und seiner Gliedstaaten. Das folgt schon allein daraus, daß Rechtsunsicherheit im Staatsinnenrecht regelmäßig auch Rechtsunsicherheit im staatlichen Außenrecht nach sich zieht. Dazu nur ein einziges Beispiel: Bekanntlich werden auf Grundlage der Lindauer Vereinbarung327 seit über einem halben Jahrhundert sämtliche völkerrechtliche Verträge der Bundesrepublik Deutschland in nationales Recht transformiert. Nähme man an, daß die Lindauer Vereinbarung infolge eines Verstoßes gegen Art. 32 GG verfassungswidrig und daher nichtig wäre, so müßte man weiten Teilen des deutschen Transformats einen schweren Rechtsmangel unterstellen und stünde damit vor dem wenig erfreulichen Ergebnis, dieses durchgängig in Form von Rechtssätzen erlassene Recht der Nichtigkeit preisgeben zu müssen328 – horror vacui.

Die Frage der Wirksamkeit föderativer Vergleichsverträge läuft damit letztendlich auf den Nachweis konkreter Rechtssicherheitsbedürfnisse hinaus, die mit den vertraglich überlagerten Kompetenznormen abgewogen werden müssen. Das Ergebnis entspricht also demjenigen der (zulässigen) Inter- und Intra-Organvergleiche. Nicht mehr als bereits dort verzeichnet läßt sich dabei über die denkbaren Kriterien sagen, die dieser Abwägung dienlich gemacht werden können. Im Mittelpunkt steht erneut die Bedeutung des konkret verletzen Rechtssatzes für das föderative Ordnungsmodell im Ganzen. Rechtssätze, die sich als Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung und der in ihr angelegten Gewaltenteilung darstellen, werden sich gegenüber abweichenden Vertragsregelungen weit eher durchsetzen als bloß annexe, ausgestaltende Regelungen. Ambivalent und daher nur von untergeordneter Bedeutung ist die normative Breite des vertraglichen Regelungsanspruchs, d. h. der Abstraktionsgrad der getroffenen Vertragsregelung und die damit einhergehende Zahl der bereinigten Konfliktfälle. Dem wachsenden Ausmaß der Verfassungsüberlagerung (sc. Verfassungsverletzung) bei zunehmend abstrakter Vertragsregelung kann ein noch größerer Gewinn an Rechtssicherheit gegenüberstehen. Allgemeingültige Aussagen zum Gewicht des einen oder anderen Gesichtspunkts sind unmöglich. Ohne Relevanz für die Fehlerfolgen ist schließlich auch das Kriterium der Offenkundigkeit der Verfassungsverletzung. Seine Berücksichtigung entspräche 326

Vgl. BVerfGE 18, 429 (439); 25, 371 (403 f.); Efstratiou, Bestandskraft, S. 52, Fn. 36 m.w.N. 327 Zu dieser oben § 7 B. 328 So jedenfalls die h.L., die prinzipiell jeden Verfahrensfehler für die Nichtigkeit eines Rechtssatzes ausreichen lassen will, vgl. etwa Degenhart, Staatsrecht I, Rdn. 794; Lüke/Zawar, JuS 1970, 205 (209); Papier, Staatsakt, S. 28 ff.; Renck, JuS 2004, 770 (772); W. Roth, Organstreitigkeiten, S. 811. Großzügiger BVerfGE 34, 9 (25); 91, 148 (175), NVwZ 2008, 665, 667, wonach formelle Fehler (im Gegensatz zu materiellen) nur bei „Evidenz“ zur Nichtigkeit führen sollen – daran dürfte es hinsichtlich der Lindauer Vereinbarung fehlen.

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allein dem Vertrauensschutzprinzip, einem Legitimationstopos, dem in bezug auf die hier interessierenden Verträge jede Bedeutung abgesprochen wurde. Ebenso wie bei den Organverträgen spricht auch bei den föderativen Verträgen vieles für eine Fehlerfolgenlösung, die zwischen Unwirksamkeit ex tunc (bei schweren Fehlern) und Korrekturpflicht ex nunc (bei leichten Fehlern) unterscheidet. Die Argumente sind hier dieselben wie dort. Eine absolute Bestandskraft des föderativen Vertrags, d. h. eine Bestandskraft trotz nachträglich erkannter Rechtswidrigkeit, ist Staatsinnenrechtsakten unangemessen. Sie entspräche allein dem Gedanken des Vertrauensschutzes, der aber zwischen Staatsorganen grundsätzlich nicht gilt. Zur Verwirklichung der allein maßgeblichen Rechtssicherheit genügt es, fehlerhaften Vergleichsverträgen Bestandskraft zuzubilligen, solange das Recht tatsächlich ungewiß ist. Sobald die wahre Rechtslage rechtskräftig geklärt ist, kann staatlichen Stellen zugemutet werden, sie zu beachten und verfassungsinkongruente Verträge anzupassen oder aufzuheben.

C. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte Wir kommen damit zur dritten Gruppe der hier zu behandelnden Verträge, nämlich der Vergleiche zur Bereinigung behaupteter Grundrechtsverletzungen. I. Rechtliche Qualifizierung: privatrechtliche (§ 779 BGB), verwaltungssubordinationsrechtliche (§ 55 VwVfG) und verfassungsrechtliche Vergleichsverträge Vergleichsverträge zur Bereinigung der Rechtsfolgen einer angeblichen Grundrechtsverletzung sind, wie wir gesehen hatten329, im Inhalt stark abhängig vom konkreten Vergleichsgegenstand. Betrifft der Streit ein grundrechtlich determiniertes Privatrechtsverhältnis, so ist das Bereinigungsgeschäft im Regelfall ein privatrechtlicher Vergleich (§ 779 BGB). Streiten die Parteien um die Rechtsfolgen einer exekutiven Grundrechtsverletzung, so können sie zur Bereinigung auf verwaltungssubordinationsrechtliche Vergleichsinhalte zurückgreifen (§ 55 VwVfG). Gilt es, die Grundrechtswidrigkeit oder die Wirksamkeit eines formellen Gesetzes zu bereinigen, so kommen Normsetzungsverträge mit der Regierung in Betracht. Verträge dieser Art enthalten Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Verfassungsrechts. Sie regeln einen Ausschnitt des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens (die Gesetzesinitiative, Art. 76 Abs. 1 GG) und fallen folglich in die Gruppe der verfassungsrechtlichen Verträge330.

329 330

Vgl. oben § 6 C. Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 302; Schlette, Vertragspartner, S. 206.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

II. Zulässigkeit und Rechtsregime Die Zulässigkeit der vorgenannten Verträge ist unproblematisch, soweit es sich um privatrechtliche oder verwaltungssubordinationsrechtliche Vergleichsverträge handelt. Vergleichsverträge auf den Gebieten des Privat- und Verwaltungsrechts sind Rechtsquellen, die die Rechtsordnung offenkundig anerkennt (§§ 779 BGB, 55 VwVfG). Sehr fraglich ist, ob Entsprechendes auch für die auf Normsetzung gerichteten verfassungsrechtlichen Vergleichsverträge gilt, sprich, ob das GG vertragliche Selbstbindungen der Regierung in bezug auf ihre Gesetzesinitiativbefugnis zuläßt. Eine ausdrückliche Regelung ist dem GG nicht zu entnehmen. Die Antwort kann nur durch Auslegung gewonnen werden. Sie hängt davon ab, ob der vertragliche Rechtsetzungsmechanismus für die beteiligten Kräfte und die konkret zu behandelnde Sachaufgabe in Ansehung der einschlägigen Verfassungsnormen und der ihnen zugrundeliegenden Wertungen als adäquates Mittel rechtlicher Steuerung anzusehen ist oder nicht. Der Blick gilt dabei einerseits den Vertragsparteien und ihrer normativen Ermächtigung zur Eingehung vertraglicher Bindungen (1.), zum anderen dem Vertragsgegenstand selbst, also der zu erfüllenden Verfassungsaufgabe und der Sachgerechtigkeit ihrer kooperativ-konsensualen Erledigung (2.)331. Ad (1.): Den prospektiven Parteien des grundrechtsbereinigenden Normsetzungsvertrags ist die Fähigkeit zu vertraglicher Kooperation nicht abzusprechen. Das ist evident für die nicht staatliche Vertragspartei, den Grundrechtsträger. Seine Freiheit zur Eingehung vertraglicher Bindungen genießt als Kernelement der Privatautonomie grundrechtlichen Schutz332. Sie umfaßt auch das Recht zum Vertragsschluß mit dem Staat333. Gleiches gilt im Ergebnis auch für den staatlichen Partner des Normsetzungsvertrags, die Regierung. Das GG gibt nirgends zu erkennen, daß es der Bundesregierung vertragliche Selbstbindungen versagen wollte. Die gelegentlich gelesene Behauptung, schlechthin allen Verfassungsorganen fehle die Befugnis zur Eingehung vertraglicher Bindungen334, entbehrt in dieser allgemeinen Form jeder Grundlage. Notwendig ist stets eine individuelle, auf das einzelne Staatsorgan bezogene Auslegung der maßgeblichen Verfassungsvorschriften. Dabei ergibt sich, daß das GG vertraglichen Bindungen bestimmter Verfassungsorgane tatsächlich mit großer Skepsis begegnet; betroffen sind namentlich der Bundestag 331

Zu den Bedingungen der Zulässigkeit verfassungsrechtlicher Verträge oben § 8. A. II.; konkret zum Normsetzungsvertrag der Bundesregierung Becker, Strukturen, S. 269. 332 Siehe nur BVerfGE 12, 341 (347); 65, 196 (210); Larenz/Wolf, AT, § 4, Rdn. 51; § 34, Rdn. 22. Die grundrechtliche Fundierung der Vertragsfreiheit ist als solche unstreitig. Z.T. wird ihre Grundlage jedoch nicht (ausschließlich) in Art. 2 Abs. 1 GG gesehen, sondern in den jeweils einschlägigen spezielleren Freiheitsgrundrechten, v. a. Artt. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG, vgl. Dreier, in: ders., GG, Art. 2 I, Rdn. 38. 333 Sehr treffend Schlette, Vertragspartner, S. 66 ff. 334 So etwa Kotzur, JZ 2003, 73 (80); Sasse, JZ 1961, 719 (724); ähnlich Friauf, AöR 88 (1963), 257 (305, 310) hinsichtlich Selbstbindungen gegenüber dem Bürger.

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(Art. 20 Abs. 2 S. 1 und 2 GG) und seine parlamentarischen Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG)335. Andere Staatsorgane dagegen ermächtigt das GG zu vertragsförmigem Handeln. Zu diesen gehört auch die Bundesregierung. Das GG erkennt für einzelne Rechtsbeziehungen des Staates den Vertrag als sachgerechten Regelungsmechanismus an (z. B. im völkerrechtlichen Verkehr336 und im Staatskirchenrecht337). Die Wahrnehmung der betreffenden Koordinationsaufgaben überläßt es dabei stets der Regierung, die nach Zusammensetzung und Verfahren das für diese Aufgabe funktionell geeignetste Staatsorgan darstellt. Ad (2): Verbleibt die Frage, ob der Sachgegenstand der Gesetzesinitiative vertragliche Koordination zuläßt338. Insoweit sind Bedenken angebracht. Jede Rechtsnorm erhebt per definitionem den Anspruch auf generell-abstrakte Geltung. Der Breite dieses Regelungsanspruchs entspricht es, daß Normsetzung im allgemeinen dem Ziel verpflichtet ist, gemeinwohlgerechte Ergebnisse hervorzubringen. Gelingen kann dies nur, solange sichergestellt ist, daß alle entscheidungserheblichen Belange berücksichtigt und in einem ergebnisoffenen Prozeß miteinander abgewogen werden. Verfahren der Normsetzung sind dementsprechend typischerweise auf umfassende Beteiligung, Deliberation und Transparenz ausgelegt. Gerade die parlamentarische Gesetzgebung bietet hier ein Paradebeispiel. Das muß Zweifel wekken, ob eine vertragliche Steuerung der Gesetzgebung ausreichende Gewähr für den erforderlichen Ausgleich des multipolaren Interessengeflechts der Normadressaten bieten kann. Vertragliche Rechtsetzung verfolgt schließlich doch in erster Linie nur den bipolaren Ausgleich der Parteiinteressen339. Dieses prozedural-strukturelle Defizit paktierter Gesetzgebung ist rechtstatsächlich sehr gut belegt. Im Verwaltungsrecht, wo Normsetzungsverträge im Gegensatz zum Verfassungsrecht durchaus in größerem Umfange praktisch geworden sind, hat sich ihre Unzulänglichkeit vor allem im Bauplanungsrecht deutlich gezeigt. Sie hat dort in Rechtsprechung340 und

335

Vgl. oben § 8 A. II. 2. b). s. nur Artt. 32, 59 GG. 337 Vgl. etwa v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 141 f.; Hesse, Grundzüge, Rdn. 469. 338 Dieser Gesichtspunkt wird von Becker, der sich i.ü. sehr eingehend mit der Zulässigkeit des verfassungsrechtlichen Normsetzungsvertrags auseinandergesetzt hat (vgl. dens., Strukturen, S. 267 ff.), merkwürdigerweise nur flüchtig gestreift (S. 275 f.) Becker sieht das Hauptproblem der Gesetzesinitiative als Vertragsgegenstand im Unterlaufen eines von Art. 76 Abs. 1 GG gewährten „Schutzes des Parlaments vor aussichtslosen Gesetzesinitiativen“ (S. 273). Die Lösung sieht er in einer Differenzierung zwischen dem äußerem und dem inneren Aspekt des Initiativrechts (dem „Ob“ und dem „Wie“ der Gesetzesinitiative). Zulässig seien allein Verträge über den Inhalt geplanter Gesetzesinitiativen („Wie“), unzulässig dagegen Verträge hinsichtlich des Einbringens oder Nichteinbringens bestimmter Gesetzesvorhaben in den Bundestag ( „Ob“) (S. 270, 271 ff.). 339 Birk, NJW 1977, 1797 (1798 f.); Ebsen, JZ 1985, 57 (58); Schlette, Vertragspartner, S. 563 f. 340 Vgl. BGHZ 76, 16 (22); BVerwG NJW 1980, 2538 (2539); DÖV 1981, 878. 336

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Literatur341 zur nahezu einhelligen Ablehnung des Vertrages als Mittel des Planfeststellungsverfahrens geführt und den Gesetzgeber zur Statuierung eines expliziten Vertragsformverbots bewegt (§ 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB). Die verwaltungsrechtliche Literatur geht in ihrer Ablehnung des Normsetzungsvertrags noch über das Bauplanungsrecht hinaus. Sie hält den Einsatz der vertraglichen Handlungsform ganz allgemein für unzulässig, wo immer sie dazu dienen soll, komplexe Verfahren der Planung oder eben auch der Gesetzgebung materiell zu ersetzen342. Will man diese grundsätzlichen Bedenken für den hier in Rede stehenden Vertrag über die gubernative Gesetzesinitiative entkräften, so muß man gute Argumente vorbringen. Im wesentlichen sind zwei Ansatzpunkte denkbar. Zum einen läßt sich geltend machen, daß mit der Gesetzesinitiative nur der Anstoß zum weiteren Gesetzgebungsverfahren gegeben wird, dessen Deliberation, Transparenz und Ergebnisoffenheit durch die Einbringung eines vertraglich bedungenen Gesetzentwurfs prinzipiell nicht geschmälert wird343. Der naheliegende Einwand, die Durchführung eines unabhängigen parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens sei bei der Einbringung paktierter Regierungsentwürfe wegen der im Bundestag herrschenden Mehrheitsverhältnisse und wegen des faktischen Ratifizierungsdrucks wohlaustarierter Kompromisse reine Illusion344, verfängt nicht. Er spricht dem Bundestag dieselbe Autorität wieder ab, die er ihm vorgeblich gerade erstreiten will. Zum anderen kann, jedenfalls für Gesetzgebungsverträge mit Privaten, die Überlegung fruchtbar gemacht werden, daß staatlich-gesellschaftliche Kooperation bei der Regelung bestimmter Sachmaterien verfassungsrechtlich vorgezeichnet ist (etwa im Staatskirchenrecht345) und daß sie, unter bestimmten Bedingungen, sogar eher zu gemeinwohldienlichen Ergebnissen führen wird als ein einseitiges Rechtssetzungsregime des Staates (etwa, wenn sie gesellschaftliche Widerstandsreservate abbaut, gesellschaftliche Selbststeuerungs- und Problemlösungskapazitäten aktiviert oder gesellschaftliche Wissensreservoirs erschließt346). 341 Vgl. Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 54, Rdn. 141; Krebs, VerwArch 72 (1981), 49 (52 f.); Schlette, Vertragspartner, S. 207 f., 563 f. 342 Birk, NJW 1977, 1797 (1799); Bullinger, Vertrag, S. 82 f.; Di Fabio, DVBl. 1990, 338 (342); Forsthoff, Lehrbuch, Bd. I, S. 278; Frowein, in: FS Flume, Bd. I, S. 301 (314); MüllerUri, in: Giemulla/Jaworsky/ders., Verwaltungsrecht, Rdn. 610; Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 54, Rdn. 57; Oebbecke, DVBl. 1986, 793 (794 f.); Schlette, Vertragspartner, S. 564; Stettner, AöR 102 (1977), 544 (560); Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 148 ff. 343 In diesem Sinne auch Becker, Strukturen, S. 281, der mit Recht darauf hinweist, daß eine pauschale „Stigmatisierung“ kooperativer Normsetzung auf Seiten der Akteure zu Ausweichund Umgehungsstrategien führen würde, die die entscheidenden Verhandlungen dem Fokus der Öffentlichkeit vollends entziehen würden. 344 Bedenken in dieser Richtung etwa bei Pasemann/Baufeld, ZRP 2002, 119 (120); Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 314. 345 Vgl. Becker, Strukturen, S. 190 ff.; v. Campenhausen/de Wall, Staatskirchenrecht, S. 141 f.; Hesse, Grundzüge, Rdn. 469. Dieser Gedanke könnte das BVerfG auch im LERVerfahren (zu diesem oben § 7 C.) dazu bewegt haben, den Weg vertraglicher Streitbeseitigung zu beschreiten, vgl. Wolff, EuGRZ 2003, 463 (469 f.). 346 Zu all dem näher Becker, Strukturen, S. 299; Pasemann/Baufeld, ZRP 2002, 119 (120).

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Hält man diese beiden Argumente für stichhaltig, so wird man die Zulässigkeit vertraglicher Selbstbindungen der Bundesregierung über die Ausübung ihres Gesetzesinitiativrechts zumindest bei konkret kooperationsbedürftigen Materien bejahen müssen347. III. Wirksamkeit 1. Eingrenzung der zu untersuchenden Fehler: Verstöße gegen die Grundrechte Die für die effektive Bereinigungsperspektive entscheidende weitere Frage ist nun, inwieweit grundrechtsbezogenen Vergleichsverträgen in Ansehung etwaiger Rechtsverletzungen Wirksamkeit zukommt. Genau wie bei den auf die Bereinigung von Kompetenzverletzungen gerichteten Vergleichsverträgen ist auch hier das durch Streit und Ungewißheit bedingte Rechtswidrigkeitsrisiko ein spezifisches. Es besteht allein darin, daß der Vergleich grundrechtswidrig ist. Andere Rechtsverletzungen sind möglich (zumal bei den privatrechtlichen und verwaltungssubordinationsrechtlichen Vergleichen), entsprechen aber nicht dem typischen „streitgegenstandsbedingten“ Norminkongruenzrisiko des Vergleichs und sind daher an dieser Stelle nicht weiter von Interesse. Die Frage nach der Wirksamkeit grundrechtswidriger Vergleichsverträge kann nur in zwei Teilschritten beantwortet werden. Vorrangig klärungsbedürftig ist, wann ein Vertrag die Grundrechte überhaupt verletzt. Erst daran schließt sich die weitere Frage, ob die Grundrechtswidrigkeit des Vertrages auch zu seiner Unwirksamkeit führen muß. Beides ist für jeden der hier in Frage kommenden Vergleichstypen gesondert zu untersuchen, nämlich erstens für den privatrechtlichen (2.), zweitens für den verwaltungssubordinationsrechtlichen (3.) und drittens für den auf Normsetzung gerichteten verfassungsrechtlichen Vergleichsvertrag (4.). 2. Vergleichsverträge zur Bereinigung von Rechtsverhältnissen des Privatrechts a) Grundrechtswidrigkeit aa) Anknüpfungspunkt: Grundrechtsbindung des Privatrechtsgesetzgebers Eine Grundrechtswidrigkeit privatrechtlicher Vergleichsverträge kommt nur insoweit in Betracht, als das rechtsgeschäftliche Handeln Privater überhaupt den Grundrechtsnormen der Verfassung unterliegt. Diese, herkömmlicherweise als 347 Ebenso im Ergebnis Becker, Strukturen, S. 270, 271 ff. (mit der erwähnten Einschränkung hinsichtlich des äußeren Aspekts der Initiativbefugnis, vgl. oben Fn. 338); Pasemann/ Baufeld, ZRP 2002, 119 (122 f.) (zulässig, sofern konkrete Kooperationsbedürfnisse vorliegen und keine faktische Bindung des Parlaments angestrebt wird); sowie (ohne nähere Diskussion) Kloepfer, JURA 1991, 169 (171); Schürmann, Grundlagen, S. 107; Wolff, EuGRZ 2003, 463 (466) und wohl auch BVerfGE 104, 305.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Drittwirkung der Grundrechte bezeichnete, Problematik gehört bis heute zu den umstrittensten Feldern der Grundrechtdogmatik überhaupt. Sie wird in der Hauptsache von zwei Theorien bestimmt348. Die auf Nipperdey zurückgehende Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung sieht viele (wenngleich nicht alle) Grundrechte als „Grundsatznormen“ der gesamten Rechtsordnung. Nicht nur der Staat, sondern auch Private seien im Rechtsverkehr unmittelbar aus den Rechtssätzen der Verfassungsrecht an die Beachtung fremder Grundrechte gebunden349. Konsequenz dieser Auffassung ist, daß jeder Bürger die Grundrechte anderer Privatrechtssubjekte in seinem rechtsgeschäftlichen Handeln als unmittelbar geltende Rechtsnormen erfährt. Beim Abschluß eines Vergleichsvertrags wäre er dementsprechend, um nur einige Beispiele zu nennen, an die besonderen Gleichheitssätze (Art. 3 Abs. 2, 3 GG), an das religiöse Neutralitätsgebot (Art. 4 Abs. 1 GG) und an die besondere Abstufung verhältnismäßiger Eingriffe in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) seiner Vertragspartner gebunden350. Für eine solche unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte können vor allem zwei Argumente ins Feld geführt werden. Zum einen Art. 1 Abs. 2 GG, wonach die Menschenrechte „Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft“ sind351, zum anderen teleologische Erwägungen, die darauf fußen, daß ein ungerechtfertigter Verlust individueller Freiheit letztlich überall zu befürchten ist, wo Machtungleichgewichte zwischen verschiedenen Rechtssubjekten bestehen. Typischerweise betrifft dies das Verhältnis des Bürgers zu dem mit umfangreichen Zwangsmitteln ausgestatteten Staat. Ebensogut kann ein Ungleichgewicht sich jedoch auch aus der konkreten wirtschaftlichen Machtverteilung zwischen Privaten ergeben. Im Ergebnis ist aber gleichgültig, von welcher Seite einem Grundrechtsträger Eingriffe in seine Freiheiten drohen352. Beschränkungen grundrechtlicher Freiheit können der Sache nach ebensogut vom Staat ausgehen wie von anderen Grundrechtsträgern.

Rechtsprechung und herrschende Lehre gehen dennoch zu Recht davon aus, daß die Grundrechte allein den Staat verpflichten und demnach unmittelbar nur staatliches Verhalten regeln. Private Rechtssubjekte unterliegen nach herrschender Meinung keiner unmittelbaren Bindung an die Grundrechtssätze der Verfassung353.

348 Vgl. zum folgenden den ausf. Überblick bei Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 1538 ff.; ferner Canaris, AcP 184 (1984), 201 (202 ff.). 349 Grdl. Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht, S. 14 ff.; ebenso die ältere Rspr. des BAG, dessen erster Präsident Nipperdey war, vgl. BAGE 1, 185 (191 ff.); 7, 256 (260); 24, 438 (441). Das Gericht ist mittlerweile von dieser Meinung abgerückt, vgl. BAGE 48, 122 (138 f.); BAG NJW 1986, 85 (86). Sie hält sich jedoch z. T. im Schrifttum, vgl. die Nachweise bei Canaris, AcP 184 (1984), 201 (203) sowie jüngst (mit Blick auf Art. 19 Abs. 3 GG) Lücke, JZ 1999, 377 (378 ff.). 350 Sog. Drei-Stufen-Theorie, vgl. BVerfGE 7, 377 (405 f.). 351 Vgl. v. Hodenberg, Bekenntnis, S. 92 ff. 352 Vgl. BAGE 1, 185 (193) sowie die Zitate bei Schwabe, Drittwirkung, S.12 f. 353 Grdl. BVerfGE 7, 198 (205 ff.), seitdem stRspr., vgl. etwa E 89, 214 (229 f.); 95, 28 (36 f.); BVerfG NJW 2004, 2008 (2009). Zum richtungsweisenden Anteil der Arbeiten Dürigs (vgl. insb. dens. in: FS Nawiasky, S. 157 ff.) vgl. Stern, Staatsrecht Bd. III/1, S. 1544 ff.

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Die herrschende Meinung kann sich auf gute Argumente stützen. Gegen eine grundrechtliche Verpflichtung des Bürgers spricht zum einen die grammatikalische Auslegung der Verfassung, nämlich der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG, der (nur) „Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung“ als Adressaten der „nachfolgenden Grundrechte“ benennt. Grammatisch evident ist zudem, daß sich die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte nur an den Staat richten können, denn Private geben keine Gesetze354. Entstehungsgeschichte und Systematik der Artt. 1 ff. GG unterstützen dieses Ergebnis. Die Grundrechte richten sich nach ihrer historischen Funktion und vor allem aufgrund der besonderen Situation, in der der Parlamentarische Rat das GG geschaffen hat, nur gegen die staatliche Gewalt und nicht unmittelbar gegen Private355. Ferner legt Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG, der ausnahmsweise auch das Verhalten Privater beschränkt, den Umkehrschluß nahe, daß andere Grundrechte als die Koalitionsfreiheit eben nur den Staat verpflichten sollen356. Hinzu kommen teleologische Überlegungen. Private Rechtsgeschäfte würden bei konsequenter Anwendung des Übermaßverbots einer Inhaltskontrolle ausgesetzt, deren Strenge weit über das in §§ 138, 307 ff., 315, 242 BGB angelegte Maß hinausginge und die sich geradezu zerstörerisch auf die Privatautonomie auswirken müßte357.

All dies belegt: Private können vernünftigerweise nicht zu den Grundrechtsadressaten gezählt werden. Ihre Bindung an die Grundrechte ist lediglich eine mittelbare. Sie ergibt sich daraus, daß das Privatrecht (wie alles subkonstitutionelle Recht) verfassungskonform, konkret: grundrechtskonform, ausgestaltet und ausgelegt werden muß. Grundrechtsverpflichtet ist also nur der Gesetzgeber, der die Normen des Privatrechts in Einklang mit den Grundrechten setzen muß, und die Zivilgerichtsbarkeit, die diese Normen – soweit grundrechtsdeterminiert – richtig anzuwenden, d. h. grundrechtskonform auszulegen hat, nicht aber der Private, der seine Rechtsgeschäfte nach ihnen abwickelt. bb) Grundrechtswidrigkeit privatrechtlicher Vergleiche Die weitere Frage ist, wann ein Privatrechtsgeschäft nach diesen Maßstäben als grundrechtswidrig anzusehen ist. Je nach dogmatischem Standpunkt ergeben sich hier unterschiedliche Ergebnisse. Wer von einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte gegenüber anderen Privatrechtssubjekten ausgeht, muß eine Grundrechtswidrigkeit immer dann bejahen, wenn eine Vergleichspartei – wäre sie nicht Privatrechtssubjekt, sondern Staatsorgan – mit dem konkreten Vergleichsvertrag die Grundrechte ihres Ver-

354 So der richtige Hinweis von Canaris, JuS 1989, 161 (162), der sein Argument allerdings als systematisches verstanden wissen will. 355 Vgl. nur Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 1520 f. m.w.N. 356 Entsprechende Überlegungen lassen sich auch zu Art. 48 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 38 GG anstellen, vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 1571. 357 Vgl. bereits Dürig, in: FS Nawiasky, S. 157 (158 f., 167 ff.); ferner Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 1553 ff.; Canaris, JuS 1989, 161 (162); dens., AcP 184 (1984), 201 (204 f.).

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

tragspartners verletzen würde358. Daß diese Auffassung zu unhaltbaren praktischen Konsequenzen führt, wurde dargelegt. Die herrschende Meinung entscheidet nach anderen Kriterien. Für sie besteht die Grundrechtsbindung der Privatrechtssubjekte nur in Form einer Bindung an das grundrechtskonforme Privatrecht (mittelbare Drittwirkung). Die Grundrechtswidrigkeit eines Vertrags zweier Privatrechtssubjekte hängt somit davon ab, ob die jeweilige Privatrechtsnorm, die den Vertrag zuläßt, ihrerseits grundrechtswidrig ist oder nicht. Der dabei erforderliche Subsumtionsvorgang zwischen Grundrechtsnorm und Privatrechtsnorm ist mit zwei Schwierigkeiten behaftet: Die erste betrifft die Bestimmung des konkreten Rechtssatzes, dessen Grundrechtskonformität zu überprüfen ist (1.); die zweite den Maßstab der Konformitätskontrolle, konkret die Frage, ob die Grundrechte für die Rechtssätze des Privatrechts in ihrer klassischen Funktion als Abwehrrechte gelten (sc. als Verbot unverhältnismäßiger staatlicher Eingriffe) oder ob andere Maßstäbe heranzuziehen sind (2.). Ad (1.): Im positiven Privatrecht findet sich nur in den seltensten Fällen ein Rechtssatz, der eine bestimmte Vertragsgestaltung ausdrücklich erlaubt. Dem Grundsatz der Privatautonomie entsprechend bestimmt der Gesetzgeber in der Regel vielmehr nur umgekehrt die Grenzen der vertraglichen Gestaltungsfreiheit. Die Zulässigkeit eines bestimmten Vertrages ergibt sich daher für gewöhnlich implizit aus dem Fehlen entgegenstehenden Privat- oder – hier wesentlich – Verfassungsrechts. Der Privatrechtssatz, der einen bestimmten Vertrag erlaubt, ist hiernach also in erster Linie ein gedankliches Konstrukt. Beispiel (im Anschluß an § 2 D. III. 2., Beispiel 1): Zu überprüfen sei die Grundrechtswidrigkeit einer sog. Rückzahlungsklausel für Fortbildungskosten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses. Die konkrete Vereinbarung habe folgenden Inhalt: „Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber die Kosten sämtlicher ihm zugute gekommenen Fortbildungsmaßnahmen zu erstatten, falls er das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigt oder ihm infolge seines Verschuldens fristlos gekündigt wird.“ Das positive Arbeitsrecht enthält keinerlei Regelungen über die Verteilung der Kosten für die Fortbildung des Arbeitnehmers. Es enthält demnach auch keinen Rechtssatz, der die vorliegende Rückzahlungsvereinbarung ausdrücklich verbietet oder zuläßt. Um ihre Grundrechtskonformität zu überprüfen, muß deshalb – künstlich – ein Rechtssatz gebildet werden, in dem Abmachungen der vorliegenden Art explizit für zulässig erklärt werden. Ein solcher Rechtssatz könnte etwa folgendermaßen lauten: „Dem Arbeitgeber ist es erlaubt, sich vom Arbeitnehmer eine Ersatzpflicht für alle während der Dauer des Arbeitsverhältnisses angefallenen Fortbildungskosten versprechen zu lassen, die entsteht, sobald das Arbeitsverhältnis infolge eines vom Arbeitnehmer zu vertretenden Umstandes endet.“ Noch einmal sei betont, daß dieser Rechtssatz nicht mehr ist als ein gedankliches Konstrukt, mit dem die Grundrechtskonformität eines konkreten Rechtsgeschäfts analysiert werden soll. Keineswegs also wird mit seiner Formulierung die Aussage getroffen, das geltende Privatrecht enthalte tatsächlich eine Norm entsprechenden Inhalts. Gerade das ist ja erst noch 358

Dies jedenfalls dann, wenn man die unmittelbare Drittwirkungslehre in ihrer Idealform vertritt, sie also nicht (wie die Mehrzahl ihrer Vertreter) von vornherein auf bestimmte Grundrechte beschränkt oder für die Drittwirkung das Vorliegen eines konkreten Machtungleichgewichts der Vertragspartner verlangt, vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 1539.

§ 8 Wirksamkeitsbedingungen des materiellen Rechts

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die Frage. Methodisch entspricht das hier skizzierte (auf Canaris zurückgehende359) Vorgehen einer Kombination der sogenannten Schumannschen Formel360 und der von Fikentscher erdachten „Fallnorm“361. Die ratio decidendi, die der Richter der Entscheidung eines konkreten Falles zugrundelegt, wird als Rechtssatz formuliert und dann wie ein solcher auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüft (Schumannsche Formel). Der streitentscheidende Rechtssatz, die „Fallnorm“, ist dabei das Ergebnis einer auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Konkretisierung des geschriebenen Rechts (vorliegend: § 242 BGB i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) im Wege der Auslegung und Rechtsfortbildung (Lehre von der Fallnorm).

Ad (2.): Ist der hypothetische Erlaubnissatz für das betreffende Rechtsgeschäft bestimmt, so ist die weitere Frage, welcher Maßstab in Hinblick auf seine Grundrechtskonformität anzulegen ist. Innerhalb der mittelbaren Drittwirkungslehre gehen die Meinungen insoweit auseinander. Für Dürig, den Begründer der Lehre, bestand der Maßstab der Grundrechtsbindung des Privatrechtsgesetzgebers und der Zivilgerichte in einer Bindung an die Grundrechte als „objektive Wertordnung“. Die Rechtssätze des Privatrechts hätten den Grundrechten (nur) insoweit zu genügen, als in diesen ein Wertesystem angelegt sei, das bestimmte Grundentscheidungen für eine freiheitliche Gestaltung der gesamten Rechtsordnung enthalte. Dürigs Begründung lautete: Den Gesetzgeber treffe wegen Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG zwar prinzipiell die Pflicht, nicht nur das öffentliche Recht, sondern auch das Privatrecht grundrechtskonform auszugestalten362. Art. 2 Abs. 1 GG verlange jedoch umgekehrt auch die Anerkennung eines Rechts der Privatrechtssubjekte, „über individuelle Lebensbeziehungen zu anderen [Privatrechtssubjekten] rechtlich autonom disponieren zu dürfen“363, also Grundrechtseingriffe nach eigenem Gutdünken zuzulassen oder nicht364. „Rechtslogisch“ sei es daher, „daß in der Drittrichtung [gegenüber anderen Privatrechtssubjekten] die ,absolute Wirkung der Grundrechte durch ein Grundrecht zugunsten der Individualautonomie und der Eigenverantwortung relativiert“ sei365. Ausdruck dieser Relativierung war für Dürig ein privatrechtsspezifischer Maßstab der staatlichen Grundrechtsbindung, nämlich derjenige der objektiven Wertordnung366. Die Bezugnahme auf die Grundrechte als Wertesystem hat breite Gefolgschaft gefunden, ist aber auch erheblicher Kritik ausgesetzt. Zwei Einwände dominieren. Mit Recht ist, erstens, gefragt worden, welche konkreten Werte dem Grundrechtsteil der Verfassung überhaupt entnommen werden können und wie sie zu hierarchisieren 359

Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (211); dens., JuS 1989, 161 (162); dens., Grundrechte, S. 26. 360 Vgl. Schumann, Menschenrechtsbeschwerde, S. 207, 334. 361 Vgl. Fikentscher, Methoden, Bd. IV, S. 202 ff. 362 Dürig, in: FS Nawiasky, S. 157 (176). 363 Dürig, in: FS Nawiasky, S. 157 (158 f., 176); ähnlich ders., Kommentierung, Art. 1 Abs. III, Rdn. 130. 364 Dürig, in: FS Nawiasky, S. 157 (159 ff.). 365 Dürig, in: FS Nawiasky, S. 157 (176). 366 Ebda.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

sind, wenn – wie häufig – unterschiedlichen Grundrechten auch unterschiedliche Werte korrespondieren367. Wenn entsprechende Erkenntnisse aber fehlen, erscheinen Praktikabilität und Ergebnissicherheit des wertorientierten Maßstabs doch einigermaßen fragwürdig. Bedenklich stimmt zweitens, daß mit der Festlegung auf den Maßstab der Wertordnung bei Dürig zugleich auch das Medium der Grundrechtskonformitätsprüfung auf wertgebundene Privatrechtsnormen verengt wird368. Dürig sah das seinem Wertordnungs-Maßstab zugängliche Privatrecht vorrangig bei den Rechtssätzen, die im Wege einer grundrechtskonformen Auslegung aus den Generalklauseln des Privatrechts gewonnen werden (insb. aus §§ 138, 242, 826 BGB)369. Bei einer solchen Betrachtung werden jedoch wesentliche Teile des Privatrechts der grundrechtlichen Revision entzogen. Das betrifft zum einen die Generalklauseln selbst, die hinter ihrer jeweiligen ad hoc-Auslegung gänzlich verschwinden, zum anderen und v. a. auch die nicht generalklauselartig gefaßten und damit „wertneutralen“ Normen des Privatrechts. Ihre Grundrechtskonformität ist nach dem Dürigschen Maßstab kaum zu beurteilen. Grundrechtlich irrevisibel bleibt im Ergebnis auch der weite Bereich gesetzgeberischen Unterlassens, d. h. die Vernachlässigung grundrechtlicher Schutzpflichten. Welches Maß an privatrechtlichem Schutz einem bestimmten „Wert“ zukommen muß, läßt sich mit Hilfe juristischer Methodik kaum näher ergründen370. Will man aber ernst machen mit der Anspruch der mittelbaren Drittwirkungslehre, das Privatrecht insgesamt auf seine Grundrechtskonformität zu überprüfen, dann kann ein Maßstab, der wesentliche Teile des Privatrechts von vornherein außer Acht läßt, nicht befriedigen. Neuere Ansätze in der Literatur gehen dahin, die Rechtssätze des Privatrechts anhand der grundrechtlichen Eingriffsverbote und Schutzpflichten zu kontrollieren und sie damit letztlich genauso zu behandeln wie öffentlichrechtliche Rechtssätze auch371. Auch der Privatrechtsgesetzgeber kann in die Grundrechte eingreifen, und er 367

Vgl. statt vieler Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1534); Grundmann, JZ 1967, 193 (194); Ipsen, Staatsrecht II, Rdn. 86; Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 1557; grundlegend Goerlich, Wertordnung. 368 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (222 ff.). 369 Vgl. dens., in: FS Nawiasky, S. 157 (176). Zu den späteren Konzessionen Dürigs in Hinblick auf die wertausfüllungsfähigen Normen des Privatrechts vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 1557 f. Das grundsätzliche Problem wird hierdurch allerdings nicht behoben: Stets wird nur der durch grundrechtskonforme Auslegung gebildete ad hoc-Rechtssatz auf seine Grundrechtskonformität überprüft. Die Normen des Privatrechts selbst bleiben in ihrer Grundrechtskonformität außer Acht. 370 Die erklärte Indifferenz, mit der Dürig den dogmatisch sehr heterogenen Vorschlägen zum (im geschriebenen Privatrecht fehlenden) Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüberstand, spricht insoweit Bände, vgl. dens., in: FS Nawiasky, S. 157 (179 f.). 371 Grdl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (212 ff., 225 ff., 245), dessen Position breite Zustimmung gefunden hat, etwa bei Bydlinski, in: Rack, Grundrechtsreform, S. 173 (183 f.); Jarass, AöR 110 (1985), 363 (378 mit Fn. 77); Lerche, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. V (2. Aufl.), § 121, Rdn. 42 mit Fn. 116; Oldiges, in: FS Friauf, S. 281 (300); Rüfner, in: GS für Martens, S. 215 (216, Fn. 8); Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 1560. Zusammenfassend und den früheren Standpunkt vertiefend nunmehr Canaris, Grundrechte, S. 16 ff., 37 ff. und passim.

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hat dies teilweise in massiver Form getan. Als Beispiele seien §§ 573, 904, 906 BGB oder § 23 Abs. 1 Ziff. 1 KunstUrhG genannt372. Der weit überwiegende Teil des privatrechtlichen Normbestands enthält freilich keinerlei Eingriffe in die Grundrechte der Privatrechtssubjekte. Als Abwehrrechte gegenüber dem Privatrechtsgesetzgeber bzw. als Eingriffsverbote kommen die Grundrechte folglich nur selten zum Tragen. Der Schwerpunkt der Grundrechtskontrolle des Privatrechts liegt für die neuere Literatur daher bei der Frage, ob der Gesetzgeber die Grundrechte in der Drittrichtung hinreichend abgeschirmt hat, ihnen also den gebotenen Schutz vor Eingriffen anderer Privatrechtssubjekte hat zuteil werden lassen. Theoretischer Hintergrund dieser Fragestellung ist die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte – eine Funktion, die zwar erst seit neuerem eingehende wissenschaftliche Beachtung findet, dafür aber um so euphorischer als das „missing link“ bei der Lösung des Drittwirkungsproblems gefeiert wird373. Trotz mancher Unklarheit über die theoretische Begründung374 und über die konkreten Entstehungsvoraussetzungen staatlicher Schutzpflichten375 wird ihre Existenz als solche heute nicht mehr bestritten, und v. a. auch in Hinblick auf den Privatrechtsgesetzgeber ausdrücklich bejaht376. Die Erweiterung der Perspektive vom Eingriff zur Schutzpflicht hat entscheidende Konsequenzen. Je nachdem, ob eine Rechtsnorm aus dem Blickwinkel eines Eingriffs oder aus dem einer Schutzpflichtverletzung betrachtet wird, kommt auch ein unterschiedlicher Maßstab der Kontrollintensität zum Tragen. Während Eingriffe des Gesetzgebers dem Übermaßverbot unterliegen, also auf Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu überprüfen sind, korrespondiert gesetzgeberischen Schutzpflichten ein sogenanntes „Untermaßverbot“377. Zu prüfen ist hier allein, ob die staatlichen Schutzmaßnahmen überhaupt geeignet sind, drohende Beeinträchtigungen des Grundrechts durch Dritte abzuwenden, und ob sie den erforderlichen 372

Vgl. aus der Rspr. etwa BVerfGE 63, 88 (115 ff.); 68, 361 (368 ff.); 79, 256 (270 ff.). Weitere Beispiele bei Canaris, Grundrechte, S. 12 ff. 373 Canaris, JuS 1989, 161 (163). Bereits Dürig hatte die Schutzpflicht als selbständige Grundrechtsfunktion erkannt, sie aber nicht zum Bestandteil seiner Lehre gemacht, vgl. dens., AöR 81 (1956), 117 (118) sowie dens.: Kommentierung, Art. 1 Abs. III, Rdn. 102, 131. 374 Überblick über die verschiedenen Ansätze bei Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 947 f. 375 An einer einheitlichen, abstrakten Formel für die Konkretisierung einzelner grundrechtlicher Schutzpflichten fehlt es bislang. Maßgeblich ist eine Abwägung der Ranghöhe und der Art der gefährdeten Rechtsgüter, der Intensität der Bedrohung (Wahrscheinlichkeit und Schwere des drohenden Schadens) und der Fähigkeit des Bedrohten zur Ergreifung zumutbarer Selbstschutzmaßnahmen, vgl. Canaris, JuS 1989, 161 (163); Sachs, in: Stern, Staatsrecht, Bd. III/1, S. 740. 376 Vgl. neben den oben in Fn. 371 Genannten etwa Gallwas, Grundrechte, Rdn. 361 ff.; Hager, JZ 1994, 373 (378 ff.); Hermes, NJW 1990, 1764 (1765 ff.). Das BVerfG hat die Existenz staatlicher Schutzpflichten erstmals in E 39, 1 (42 ff.) ausdrücklich anerkannt und dies seitdem vielfach bestätigt, vgl. etwa E 46, 160 (164); 49, 89 (142); 53, 30 (57); 56, 54 (73); 96, 56 (64). 377 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (228); ders., JuS 1989, 161 (163). Der Begriff soll nach O. Klein, JuS 2006, 960 (961) auf Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, Königstein 1980, S. 15 zurückgehen; vgl. aber Canaris, Grundrechte, S. 39, der ebenfalls die Urheberschaft für sich reklamiert.

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Mindestschutz nicht grundlegend und evident verfehlen378. Jenseits dieses Schutzminimums verbleibt dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsraum. Füllt er ihn aus, so muß er beachten, daß Maßnahmen, die dem einen Privatrechtssubjekt Schutz zukommen lassen, zugleich Eingriffe in die Grundrechte anderer Privatrechtssubjekte mit sich bringen können – Eingriffe, die wiederum nur in den Grenzen des Übermaßverbots zulässig sind379. Die Unterschiede beider Maßstäbe und ihr Zusammenspiel verdeutlicht das bereits eingangs referierte Beispiel: Das geltende Recht schützt den Arbeitnehmer vor Eingriffen des Arbeitgebers in die Freiheit der Arbeitsplatzwahl u. a. durch eine Begrenzung vertraglicher Erstattungspflichten für die vom Arbeitgeber verauslagten Fortbildungsmaßnahmen. Nach Ansicht des BAG ist § 242 BGB insoweit ein Rechtssatz zu entnehmen, der – in Abhängigkeit von der Dauer der jeweiligen Fortbildungsmaßnahme – bestimmte Höchstfristen für die Vereinbarung nachvertraglicher Rückzahlungsansprüche festlegt. Der neuere Ansatz der mittelbaren Drittwirkungslehre unterzieht diesen Rechtssatz einer Grundrechtskonformitätsprüfung in zweierlei Richtungen. In Hinblick auf die Grundrechte des Arbeitnehmers erfüllt er eine Schutzpflicht. Staatlicher Schutz ist hier geboten, weil der Arbeitnehmer bei der Entscheidung über die Annahme rückzahlungspflichtiger Fortbildungsangebote seines Arbeitgebers einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist, den er in autonomer Entscheidung kaum bewältigen kann. Die Erhaltung tatsächlicher Arbeitsplatzwahlfreiheit verlangt von ihm den Verzicht auf das Fortkommen im bestehenden Arbeitsverhältnis. Den Gesetzgeber bzw. – an seiner Statt – den Richter trifft daher im Grundsatz die Pflicht, für einen angemessenen und wirksamen Schutz der Freiheit der Arbeitsplatzwahl gegenüber Rückzahlungsklauseln zu sorgen. Verletzt wird diese Pflicht nur dann, wenn Gesetzgeber und Richter gänzlich untätig bleiben oder wenn offensichtlich ist, daß die getroffenen Maßnahmen völlig ungeeignet oder unzulänglich sind. Das ist für die Fristenlösung des BAG nicht ersichtlich. In Hinblick auf die Grundrechte des Arbeitgebers entfaltet die Rechtsprechung des BAG eingreifende Wirkung. Ein Rechtssatz, der zeitliche Höchstgrenzen für die Rückforderbarkeit verauslagter Fortbildungskosten bestimmt, greift in die Freiheit der Berufsausübung des Arbeitgebers ein, denn er beschränkt dessen Möglichkeit, Investitionen in das Humankapital seiner Unternehmung zumindest wertmäßig zu konservieren. Die Rechtfertigung dieses Eingriffs ist einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterworfen (konkret: der sog. Drei-Stufen-Theorie380). Im Ergebnis dürfte die Rechtsprechung des BAG einer Verletzung des Übermaßverbots dabei unverdächtig sein – die Mobilität des Arbeitsangebots ist ein Gemeinschaftsgut, zu dessen Sicherung die geltende Fristenlösung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig erscheint. Der Privatrechtsgesetzgeber könnte den Schutz des Arbeitnehmers jedoch auch erheblich ausweiten, etwa wenn er auf den Gedanken käme, dem Arbeitgeber jegliche nachvertragliche Rückforderung von Fortbildungskosten zu untersagen. Wie gesehen, setzt ihm hier allein das grundrechtliche Übermaßverbot eine Grenze.

Die Haltung des BVerfG zur Drittwirkungsfrage ist nicht frei von Widersprüchen. Das Gericht hat sich bereits frühzeitig der mittelbaren Drittwirkungslehre verschrieben und hält bis heute an ihr fest381. Es überprüft demnach nicht die Hand378 379 380 381

Vgl. BVerfGE 88, 203 (254); O. Klein, JuS 2006, 960 (961). Vgl. BVerfGE 81, 242 (255); Canaris, Grundrechte, S. 47. Vgl. oben § 8 C. III. 2. a) aa) Fn. 350. Vgl. BVerfGE 7, 198 (205 ff.).

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lungen und Rechtsgeschäfte der Privatrechtssubjekte auf ihre Grundrechtskonformität, sondern nur die Rechtssätze, die diese Handlungen und Geschäfte zulassen. Dabei bedient es sich jedoch unterschiedlicher Maßstäbe, je nachdem ob Rechtssätze des Gesetzgebers oder Rechtssätze des Richters zur Beurteilung stehen. Rechtssätze des Gesetzgebers – das geschriebene Privatrecht – kontrolliert das Gericht anhand der grundrechtlichen Eingriffsverbote und Schutzpflichten. Je nach ihrem konkreten Regelungsgehalt werden die betreffenden Normen vom BVerfG entweder als Eingriffe in die Grundrechte der Privatrechtssubjekte gewertet und einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterworfen382 und/oder aus dem Blickwinkel einer Schutzpflicht betrachtet und auf eine etwaige Verletzung des Untermaßverbots kontrolliert383. Fallnormen des Richters dagegen – Rechtssätze also, die von den Zivilgerichten ad hoc aus den Generalklauseln oder aus den unbestimmten Rechtsbegriffen des Privatrechts gewonnen werden, – mißt das BVerfG ausschließlich an der Elle der Dürigschen Wertordnung. Das Gericht prüft also nur, ob bei der Gewinnung des jeweiligen Rechtssatzes die wertsetzende Bedeutung der betroffenen Grundrechte ausreichend beachtet wurde384. Bei einer Entscheidung zwischen den vorgenannten Maßstäben der Grundrechtsbindung ist der neueren Literatur der Vorzug zu geben. Entgegen der Auffassung des BVerfG gelten Übermaß- und Untermaßverbot nicht nur für die Beurteilung der Rechtssätze des Gesetzgebers, sondern auch für die Beurteilung der Fallnormen des Richters. Das Konzept der grundrechtlichen Wertordnung, anhand dessen das BVerfG richterliche Rechtssätze überprüft, ist prinzipiellen Einwänden in Hinblick auf seine Praktikabilität und in Hinblick auf die Vorhersehbarkeit seiner Ergebnisse ausgesetzt (s. o.). Die klare Dogmatik von Eingriffen und Schutzpflichten erscheint wesentlich geeigneter, die Grundrechtsbindung des Privatrechts zu erfassen und zu überprüfen, als die diffuse Lehre der Ausstrahlungswirkung385. Das punktuelle Festhalten des BVerfG an dieser Lehre für den Bereich der Judikativkontrolle überzeugt nicht. Wenn das Gericht Eingriffsverbote und Schutzpflichten bereits für die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers als maßgeblich anerkennt, ist schwerlich einzusehen, warum es bezüglich des Richters einer anderen Linie folgen will. Die Rechtssätze des Richters sind einer Kontrolle anhand von Eingriffsverboten und Schutzpflichten rechtsmethodisch ebenso zugänglich wie es auch die Rechtssätze des Gesetzgebers sind; das wurde im obigen Beispiel mehr als deutlich. Die Verselbständigung der Grundrechtsbindung des Richters durch das BVerfG ist denn in 382 Vgl. etwa BVerfGE 50, 290 (339 ff.) (Mitbestimmungsgesetz); 63, 88 (115 ff.) (§ 1587b Abs. 3 S. 1 Hs. 1 BGB a.F., Versorgungsausgleich geschiedener Ehegatten); 68, 361 (368 ff.) (564b BGB a.F., Beschränkungen des Kündigungsrechts der Vermieters); 79, 256 (270 ff.) (§§ 1593, 1598 i.V.m. § 1596 Abs. 1 Ziff. 2 BGB, Beschränkungen des Kindesrechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung). 383 Vgl. etwa BVerfGE 89, 276 (286) (§ 611a BGB a.F., Schutzpflicht ggü. Geschlechterdiskriminierung); 97, 169 (175 f.) (§ 23 Abs. 1 S. 2 KSchG, Kleinbetriebsklausel). 384 Vgl. die Nachweise oben § 8 C. III. 2. a) aa) Fn. 353. 385 Canaris, Grundrechte, S. 30; Oldiges, in: FS Friauf, S. 281 (300).

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Wahrheit wohl auch nicht grundrechtsdogmatischen Überlegungen geschuldet, sondern dem Bestreben, der Rolle einer „Superrevisionsinstanz“ zu entgehen386. Diese durchaus berechtige Sorge ist jedoch ein rein verfassungsprozessuales bzw. kompetenzrechtliches Problem, dessen Lösung bei einer restriktiven Auslegung des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4a BVerfGG zu suchen ist, nicht aber beim Prüfungsmaßstab der Grundrechtsbindung des Zivilrichters387. b) Wirksamkeit grundrechtswidriger privatrechtlicher Vergleiche Liegt eine vergleichsvertragliche Grundrechtsverletzung vor, so ist die weitere und letztlich entscheidende Frage, welche Konsequenzen sich hieraus für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts (sc. des Vergleichs) ergeben. Erneut ist die Antwort eng mit dem jeweiligen dogmatischen Standpunkt zur Grundrechtsbindung privater Rechtssubjekte verknüpft. Für die Vertreter der unmittelbaren Drittwirkungslehre stellen Verfassungsnormen, die Grundrechte enthalten, Verbotsgesetze dar, die privaten Rechtsgeschäften unmittelbar entgegenstehen (§ 134 BGB). Das ergibt sich daraus, daß die Privatrechtssubjekte hier selbst als Grundrechtsverpflichtete angesehen werden und demnach auch selbst gegen Grundrechtsnormen verstoßen können. Verträge, die nach den Kriterien dieser Lehre als grundrechtswidrig anzusehen sind, fallen gemäß § 134 BGB der Nichtigkeit anheim388. Die herrschende Meinung kommt zum gleichen Ergebnis, jedoch auf anderen Wegen. Sie bedient sich fast ausschließlich des § 138 BGB, um die Nichtigkeit grundrechtswidriger Rechtsgeschäfte zu begründen389. Das erscheint auf den ersten Blick konsequent, bedenkt man, daß – einer der Grundthesen der mittelbaren Drittwirkungslehre zufolge – Grundrechtsschutz im Privatrecht primär über die Generalklauseln zu verwirklichen sein soll390. Bei näherem Hinsehen jedoch erweist sich die Anwendung des § 138 BGB als außerordentlich fragwürdig, und zwar sowohl methodisch als auch im Ergebnis. 386

Canaris, JuS 1989, 161 (162 f.); ders., Grundrechte, S. 28. Beide Gesichtspunkte – Grundrechtsbindung des Zivilrichters und Umfang der verfassungsgerichtlichen Kontrolle zivilgerichtlicher Urteile – werden bereits in BVerfGE 7, 198 (207) sprachlich und sachlich miteinander vermengt und seitdem nicht mehr voneinander getrennt, vgl. Canaris, Grundrechte, S. 27 ff.; sowie bereits ders., JuS 1989, 161 (162 f.), der insoweit mit Recht eine „dogmatische Fehlentwicklung“ konstatiert. 388 Nipperdey, in: Neumann/ders./Scheuner, Grundrechte, Bd. II, S. 1 (35 f.). Im Grundsatz auch die ältere Rspr. des BAG, die von einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte zwischen den Privatrechtssubjekten ausging, vgl. z. B. BAGE 4, 274 (285). 389 Vgl. z. B. BVerfG NJW 2004, 2008 (2009); BGHZ 91, 1 (5); 140, 118 (128); BGH NJW 1972, 1414 (1415); 1986, 2944; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 134, Rdn. 7, § 138, Rdn. 10; Staudinger, JURA 2000, 467 (469); weitere Nachweise bei Canaris, JuS 1989, 161 (164); dems., AcP 184 (1984), 201 (222). 390 Vgl. v. a. Dürig selbst, vgl. dens., in: FS Nawiasky, S. 157 (176, 178, 179); ihm folgend BVerfGE 7, 198 (206). 387

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Die Grundrechtswidrigkeit eines privaten Rechtsgeschäfts ergibt sich für die herrschende Lehre der mittelbaren Drittwirkung aus einem Verstoß gegen einen der (positivrechtlichen oder künstlich gebildeten) Privatrechtssätze, die den äußersten zulässigen Eingriff in die Grundrechte der Vertragsparteien markieren oder diesen Grundrechten den minimal gebotenen Schutz zuteil werden lassen. Will man aus diesem Verstoß überhaupt die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ableiten (was kaum überzeugt, dazu sogleich), so wäre es methodenehrlicher, sich zur Begründung auf § 134 BGB zu berufen, d. h. auf das Entgegenstehen eines Rechtssatzes zu rekurrieren und nicht auf das Entgegenstehen einer außerrechtlichen Verhaltensnorm wie derjenigen der guten Sitten391. Bedenklicher noch als die Methode ist aber v. a. das Ergebnis der Anwendung des § 138 BGB: die Nichtigkeit des grundrechtswidrigen Geschäfts. Denn regelmäßig nehmen beide Parteien eines Privatrechtsgeschäfts mit der Vornahme desselben grundrechtliche Freiheiten wahr bzw. werden durch das Geschäft in solchen Freiheiten betroffen. Der Ausgleich der gegenseitigen Grundrechte ist dabei der Autonomie der Parteien überlassen, solange er sich innerhalb der Grenzen bewegt, in denen der Gesetzgeber gegenseitige Grundrechtsverkürzungen der Privatrechtssubjekte überhaupt zulassen darf, ohne zum Einschreiten verpflichtet zu sein (grundrechtliches Schutzminimum). Werden diese Grenzen durch eine konkrete Vertragsabrede überschritten, so bedeutet dies zunächst nur, daß der Vertrag in dieser Form von Verfassungs wegen keinen Bestand haben darf, nicht aber zwangsläufig auch, daß er zu vernichten ist. Allgemeiner Grundrechtsdogmatik entspricht es vielmehr, Grundrechtskollisionen nach Möglichkeit schonend auszugleichen und die konfligierenden Rechte zur bestmöglichen Entfaltung zu bringen392. Dieser Optimierungsaufgabe wird man nicht dadurch gerecht, daß man die Erlaubnisgrenzen des Privatrechtsgesetzgebers zu „Verbotsgesetzen“ erklärt – gerade das können sie im Lichte des Konkordanzgebots nicht sein – oder ihre Übertretung als „Sittenwidrigkeit“ abtut, die nach dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zur Nichtigkeit des Geschäfts führen muß. Das Privatrecht verfügt über viel subtilere Instrumente als die Vernichtung, um beiden Parteien zu ihrem Recht zu verhelfen. Sie reichen von der ergänzenden Vertragsauslegung (etwa bzgl. einseitiger Leistungsverweigerungs- und Kündigungsrechte) über die Annahme subjektiver Unmöglichkeit bis hin zu einer (analogen) Anwendung des § 888 Abs. 3 ZPO. Auf eine vertiefte Darstellung kann an dieser Stelle verzichtet werden – sie ist bei anderen Autoren zugänglich393. Zumindest ein gängiges Mittel des verhältnismäßigen Interessenausgleichs im Vertragsrecht – die geltungserhaltende Reduktion eines 391 Vgl. BVerfGE 7, 198 (206): „außer-zivilrechtliche, ja zunächst überhaupt außer-rechtliche Maßstäbe wie die ,guten Sitten“. 392 Herstellung sog. „praktischer Konkordanz“, vgl. BVerfGE 35, 202 (225); Hesse, Grundzüge, Rdn. 72, 317 ff. m.w.N. Zum Ursprung des Konkordanzprinzips vgl. Goerlich, NVwZ 1998, 819 (820, Fn. 7). 393 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 (232 ff.); dens., JuS 1989, 161 (164 ff.); Schwabe, Drittwirkung, S. 72 ff.

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nichtigen Rechtsgeschäfts durch Umdeutung (§ 140 BGB) – sei jedoch exemplarisch angeführt. Beispiel: Nach der Rechtsprechung des BAG unterliegt die Vereinbarung sog. Rückzahlungspflichten des Arbeitnehmers für Fortbildungsaufwendungen des Arbeitgebers bestimmten zeitlichen Grenzen, deren Länge sich v. a. an der Dauer der vom Arbeitgeber finanzierten Fortbildungsmaßnahme orientiert394. Die in den einschlägigen Richtlinien des BAG formulierten Rechtssätze markieren das Minimum des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes, den der Privatrechtsgesetzgeber den Arbeitnehmern zuteil werden lassen muß, um seiner Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG zu genügen. Rückzahlungsvereinbarungen, die die Grenzen dieser Rechtssätze zu Lasten des Arbeitnehmers überschreiten, sind grundrechtswidrig. Sie deswegen aber auch für nichtig zu erklären, geht nicht an. Es ist keineswegs so, daß ein Vertrag, in dem eine Fortbildungsmaßnahme vereinbart und ihre Kosten verteilt werden, allein den Grundrechten des Arbeitnehmers gerecht werden muß. Auch der Arbeitgeber handelt bei der Fortbildung seiner Mitarbeiter auf dem Boden grundrechtlich geschützter Berufsfreiheit. Vereinbart er mit dem Arbeitnehmer eine überlange Frist für das Entstehen kündigungsbedingter Rückzahlungsansprüche, so muß die Grundrechtswidrigkeit des Vertrags durch einen schonenden Ausgleich beider Interessenssphären korrigiert werden. Das BAG tut dies, indem es überlange Rückzahlungspflichten auf das noch zulässige Maß zurückführt, die Rückzahlungsklausel also nicht für nichtig erklärt, sondern geltungserhaltend reduziert395. Das verdient Beifall. Die Alternative (Nichtigkeit der Rückzahlungsklausel) opfert einseitig die Grundrechte des Arbeitgebers. Das ist weder notwendig noch – aus Sicht des Konkordanzgebots – optimal.

3. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Grundrechtswidrigkeit, der Wirksamkeit oder der subjektiven Reaktionsrechte konkreter Verwaltungsrechts- oder -realakte a) Grundrechtswidrigkeit aa) Anknüpfungspunkt: Grundrechtsbindung der Verwaltung durch grundrechtliche Gesetzesvorbehalte und den Vorrang grundrechtskonformen Verwaltungsrechts Die Grundrechtswidrigkeit subordinationsrechtlicher Verträge ist weitaus leichter zu analysieren als diejenige von Privatrechtsgeschäften. Das liegt daran, daß hier, anders als im Privatrecht, völlige Klarheit über die Grundrechtsbindung der Parteien herrscht. Klar ist zum einen, daß die staatliche Vertragspartei unmittelbar aus Art. 1 Abs. 3 GG verpflichtet ist, die Grundrechte ihres privaten Vertragspartners zu achten. Und klar ist zum anderen, daß eben diese private Vertragspartei einer entsprechenden (unmittelbaren oder mittelbaren) Grundrechtsbindung nicht unterliegen kann, weil ihr staatliches Gegenüber überhaupt keine Grundrechte hat, die durch den Vertrag verletzt werden könnten.

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Vgl. die Nachweise oben bei § 2 D. III. 2. Fn. 253. Zur Einschränkung in bezug auf formularmäßige Klauseln (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB) s. o. § 2 D. III. 2. Fn. 254. 395

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Im Rahmen subordinationsrechtlicher Verträge ist folglich nur das Verwaltungshandeln auf seine Grundrechtmäßigkeit zu überprüfen. Diese Grundrechtmäßigkeit steht im übergeordneten Bezugsrahmen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG)396. Die Frage, ob exekutives Vertragshandeln grundrechtsverletzend wirkt oder nicht, zerfällt damit in zwei Teilaspekte. Grundrechtmäßig ist staatliches Verwaltungshandeln dann, wenn es sowohl dem Vorbehalt als auch dem Vorrang des Gesetzes genügt. Dabei interessiert hier nur die grundrechtliche Dimension beider Institute. Zu prüfen ist also erstens, ob ein spezifisch grundrechtlicher Vorbehalt des Gesetzes existiert und, wenn ja, inwieweit er vertragsförmiges Verwaltungshandeln erfaßt (dazu im folgenden bb), zweitens, wann einfaches Gesetzesrecht derart grundrechtsdeterminiert ist, daß von einem grundrechtlichen Gesetzesvorrang zu sprechen ist, den die Verwaltung mißachtet, wenn sie Verträge schließt, die gegen das jeweilige Gesetz verstoßen (cc). bb) Mißachtung grundrechtlicher Gesetzesvorbehalte Die Forderung nach einer formellgesetzlichen Grundlage des Verwaltungshandelns, der sog. Vorbehalt des Gesetzes, ist in zweifacher Hinsicht grundrechtlich fundiert397. Zum einen unmittelbar, nämlich dadurch, daß nach den einschlägigen Verfassungsnormen in grundrechtlich geschützte Freiheiten regelmäßig nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung eingegriffen werden darf (vgl. etwa Artt. 2 Abs. 2 S. 3, 5 Abs. 2, 12 Abs. 1 S. 2 GG)398. Zum anderen mittelbar, nämlich insoweit, als die kompetenzrechtliche Frage, wann Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eine parlamentarische Steuerung des Verwaltungshandelns erfordern399, vor allem mit Blick auf dessen Grundrechtsrelevanz zu entscheiden ist400. Die Mißachtung eines grundrechtlichen Vorbehalts formellgesetzlicher Ermächtigung kommt danach in zwei Fällen in Betracht. Zum einen dann, wenn ein Verwaltungshandeln ohne gesetzliche Grundlage in grundrechtlich geschützte Freiheiten eingreift. Zum anderen dann, wenn ein gesetzloses Verwaltungshandeln – gleichviel, ob es Eingriffsqualität besitzt oder nicht, – wesentliche Grundfragen der Freiheit berührt, deren Entscheidung dem demokratisch erstlegitimierten Gesetzgeber vorbehalten bleiben muß. Beide Fälle überschneiden sich bei Handlungen, die sowohl eingreifender Natur sind als auch grundrechtsnormative Leitentscheidungen erfordern (eine sehr häufige Konstellation, s. auch das nachfolgende Beispiel).

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Schimpf, Vertrag, S. 132; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 30, Rdn. 3. Vgl. Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 182 ff. 398 Grundrechtliche Dimension der Vorbehaltslehre (sog. Gesetzesvorbehalt), vgl. SchmidtAßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 182 f. 399 Rechtsstaatlich-demokratische Dimension der Vorbehaltslehre, vgl. Schmidt-Aßmann/ Krebs, Rechtsfragen, S. 182 f.; s. auch Scherzberg, JuS 1992, 205 (211). 400 Sog. Wesentlichkeitsrechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfGE 40, 237 (248 ff.); 47, 46 (78 f.); 49, 89 (126 f.); 58, 257 (268 f.); Schimpf, Vertrag, S. 140 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 811 ff. 397

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Über diese grundrechtlichen Anteile des Vorbehaltsprinzips besteht heute weitgehend Einigkeit. Die Bestimmung des grundrechtswidrigen weil ermächtigungslosen Vertrages bereitet dennoch Schwierigkeiten. Sehr streitig ist nämlich, ob vertragsförmiges Verwaltungswaltungshandeln überhaupt einem (grundrechtlichen oder sonstigen) Vorbehalt des Gesetzes unterliegt. Die Rechtsprechung401 und ein Teil der Lehre402 bestreiten dies. Sie machen geltend, daß die dem Vorbehalt des Gesetzes eigene Schutzfunktion beim Vertrag nicht mit gleicher Intensität auf Verwirklichung dränge wie bei einseitigem Hoheitshandeln, weil der Bürger beim Vertrag maßgeblichen Einfluß auf das Zustandekommen und den Inhalt des ihn betreffenden Rechtsaktes gewinne. Weite Teile des Schrifttums treten dagegen für eine unterschiedslose Geltung des Vorbehaltsprinzips auch bei vertraglichem Handeln ein403. Das Erfordernis gesetzlicher Ermächtigung der Verwaltung bestehe nicht allein zum Schutze des Bürgers, sondern auch zur Sicherung des parlamentarischen Führungsanspruchs über die Exekutive. Die im Vertrag enthaltene Einwilligung des Bürgers in die Beeinträchtigung seiner Rechte sei daher für die Frage der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage ohne entscheidende Bedeutung. Andere halten den von der Rechtsprechung geäußerten Gedanken der gesetzesvertretenden Einwilligung im Grundsatz durchaus für tragfähig, ziehen ihm aber dort eine Grenze, wo der formale Konsens des Vertrages nur einen in Wahrheit vorliegenden Eingriff verschleiere. Ein „Eingriff in Vertragsform“ sei dann gegeben, wenn dem Bürger die Zustimmung zum Vertrag abgenötigt worden sei, etwa dadurch, daß ihm für den Fall deren Versagung einseitiges Hoheitshandeln in Aussicht gestellt wurde. „Unfreiwillige“ Verträge dieser Art bedürften ausnahmsweise einer gesetzlichen Grundlage404. Wieder andere differenzieren nach der Art des Vorbehalts. Unmittelbar grundrechtlich fundierte, eingriffsabwehrende Gesetzesvorbehalte gälten für vertragliches Handeln nicht, rechtsstaatlich-demokratische hingegen schon405. 401 BVerwGE 42, 331 (335); OVG Koblenz DVBl. 2003, 811 (812); VGH Mannheim, BWVBl. 1994, 17 (20); 1984, 377 (379); GewArch 1993, 19 (20). 402 Efstratiou, Bestandskraft, S. 120 f.; Pietzcker, Staat 17 (1978), S. 527 (534); Sachs, VerwArch 76 (1985), 398 (423); Schmidt-Aßmann, in: FS Gelzer, S. 117 (122); Seer, Verständigungen, S. 160, 162 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 910; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 70, Rdn. 5. 403 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21, Rdn. 251; Butzer/Clever, JURA 1995, 325 (326); Erichsen, in: ders./Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht (12. Aufl.), § 26, Rdn. 10; Obermayer, VwVfG (2. Aufl.), § 54, Rdn. 101, 109; Schimpf, Vertrag, S. 179; Schlette, Vertragspartner, S. 98; wohl auch VGH München, BayVBl. 1991, 47 (48 f.). 404 Höfling/Krings, JuS 2000, 625 (630); Pieper, DVBl. 1967, 11 (15); Schilling, VerwArch 85 (1994), 226 (234 f.); ders., VerwArch 87 (1996), 191 (203); Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 188 f.; ähnlich Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 391. 405 Gersdorf, JuS 1994, 955 (959); Gurlit, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht (13. Aufl.), § 30, Rdn. 3, § 31, Rdn. 8; Hennecke, in: Knack, VwVfG, Vor § 54, Rdn. 25 f.;

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Die Konsequenzen der unterschiedlichen Auffassungen seien anhand eines Beispiels verdeutlicht. Beispiel: Das BVerfG hatte vor kurzem über die Verfassungsbeschwerde der Lehramtskandidatin L zu entscheiden, deren Einstellung in den Schuldienst wegen eines angeblichen Eignungsmangels versagt worden war. Nach Auffassung des zuständigen Oberschulamtes war L für den Lehrerberuf ungeeignet, da sie – ihrem religiösen Bekenntnis Ausdruck verleihend – darauf bestand, auch im Unterricht ein Kopftuch zu tragen406. Nach den Feststellungen des BVerfG fehlte es der Entscheidung des Oberschulamtes an einer gesetzlichen Grundlage407, die wegen deren Eingriffscharakters408 und wegen der wesentlichen grundrechtsnormativen Bedeutung des Vorganges409 erforderlich sei. Der Verfassungsbeschwerde der L wurde daher stattgegeben. Man stelle sich vor, die Beteiligten hätten statt dessen einen Prozeßvergleich folgenden Inhalts geschlossen: „L wird von Seiten des Oberschulamtes die Aufnahme in den Schuldienst versprochen. Sie verpflichtet sich jedoch, das Kopftuch nur in Schulklassen zu tragen, in denen die betroffene Schülerschaft bzw. deren Erziehungsberechtigte keine Einwände erheben“410. Die Frage, ob ein solcher Vergleich einer gesetzlichen Grundlage bedurft hätte, wird sehr unterschiedlich beurteilt. Die Rechtsprechung würde dies verneinen. Sie hält die einverständliche Mitwirkung der L an der Beschränkung ihrer Grundrechte für eingriffsausschließend411. Auch Rechtsstaatlichkeit und Demokratie seien „zu unspezifisch“ um vertragliches Verwaltungshandeln generell einer gesetzlichen Ermächtigung vorzubehalten412. Eben dies wird von der zweiten Ansicht bestritten. Diese hält das Vorbehaltsprinzip für handlungsformenneutral und verlangt, es uneingeschränkt auch auf vertragliches Verwaltungshandeln anzuwenden. Das führt im vorliegenden Fall zur Annahme einer Mißachtung des Vorbehaltsprinzips durch den Vertragsschluß. Wer, mit der dritten Ansicht, vertragliches Handeln nur bei dessen „Unfreiwilligkeit“ für ermächtigungsbedürftig hält, muß prüfen, ob L allein durch den Druck der Behörde zum Vertragsschluß motiviert wurde. Die hierfür herangezogenen Kriterien sind vage413, dürften jedoch im Kontext eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens, in dem sich der Beschwerdeführer reelle Chancen auf die Aufhebung der ihn belastenden Verwaltungsentscheidung ausrechnet, kaum jemals erfüllt sein. Die vierte Ansicht schließlich entscheidet von Fall zu Fall danach, ob der Gesetzesvorbehalt aus einer grundKrebs, VVDStRL 52 (1993), S. 248 (265); Ogorek, JA 2003, 436 (438); Tiedemann, in: Obermayer, VwVfG (3. Aufl.), § 54, Rdn. 73, 75; ähnlich Höfling/Krings, JuS 2000, 625 (630) und Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 189, deren Grundposition allerdings die Differenzierung zwischen „freiwilligen“ und “unfreiwilligen“ Verträgen ist (s. o.). 406 BVerfGE 108, 282. 407 BVerfGE 108, 282 (308 f.). 408 BVerfGE 108, 282 (297). 409 BVerfGE 108, 282 (311). 410 Ob ein derartiger Vergleichsvertrag wirksam hätte geschlossen werden können, ist nicht unzweifelhaft, soll hier aber nicht in allen Aspekten untersucht werden. Einwände bestehen (neben der sogleich zu erörternden Frage des Gesetzesvorbehalts) v. a. hinsichtlich des verbreitet behaupteten Vertragsformverbots bei der Ernennung von Beamten (vgl. Schlette, Vertragspartner, S. 561, 564 f. m.w.N.) und hinsichtlich eines etwaigen Zustimmungserfordernisses auf Seiten der betroffenen Schüler und Eltern (§ 58 Abs. 1 VwVfG). 411 BVerwGE 42, 331 (335). 412 Ebda. 413 Vgl. Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 188: „auf abstrakter Ebene nur annäherungsweise präzise [bestimmbar]“.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

rechtlichen Eingriffsabwehrfunktion resultiert oder (auch) rechtsstaatlich-demokratischer Natur ist. Im ersteren Falle sei er durch die Einwilligung des Grundrechtsträgers kompensierbar, im letzteren nicht. Vorliegend war das Erfordernis der gesetzlichen Handlungsermächtigung nach Meinung des BVerfG sowohl aus dem Gedanken der Eingriffsabwehr herzuleiten als auch rechtsstaatlich-demokratisch fundiert. Aus Sicht der letztgenannten Ansicht hätte ein Prozeßvergleich daher einer gesetzlichen Grundlage bedurft.

Allein diese letzte Ansicht überzeugt. Eine generelle Freistellung exekutiven Vertragshandelns vom Erfordernis parlamentarischer Ermächtigung ist trotz der einverständlichen Mitwirkung des Bürgers unhaltbar. In einem demokratischen Staatswesen dient das formelle Gesetz nicht allein dem Schutze bürgerlicher Freiheiten vor Übergriffen der Verwaltung, sondern auch der Verwirklichung eines berechtigten politischen Führungsanspruchs des Parlaments414. „Wesentliche“ Fragen der Grundrechtsverwirklichung sind daher der vertraglichen Disposition des einzelnen Grundrechtsträgers entzogen. Was das Parlament der Verwaltung an Ermächtigung versagt, kann ihr der Grundrechtsträger auch im Bereiche eigener Betroffenheit nicht gewähren415. Diesem Einwand ist auch die Lehre von der hinreichenden Freiwilligkeit des Vertragsschlusses ausgesetzt. Die freiwillige Mitwirkung des Grundrechtsträgers an einer ihn belastenden Regelung beseitigt zwar deren grundrechtseingreifenden Charakter, nicht aber auch die – daneben stets mögliche – Kompetenzverletzung der Legislative. Ebensowenig überzeugt es aber auf der anderen Seite, die für einseitige Handlungsformen entwickelten Vorbehaltslehren unterschiedslos auch auf vertragliches Handeln zu übertragen. Es gibt ohne Zweifel ermächtigungslose Betätigungen der Verwaltung, deren gesetzliche Regelung ausschließlich der Legitimation von Eingriffen geschuldet wäre, wesentliche Fragen der Grundrechtsbetätigung aber nicht berührt. Ein recht bekanntes Beispiel sind die im öffentlichen Dienst verbreiteten Aus- und Fortbildungsvereinbarungen, mit denen geeigneten Bewerbern Beihilfen zum Erwerb beruflicher Qualifikationen versprochen werden, die Begünstigten sich aber im Gegenzug verpflichten, für eine bestimmte Zeit ausschließlich in der Verwaltung tätig zu sein416. Gesetzliche Grundlagen für derartige Regelungen fehlen weitestgehend417, sind aber auch nicht erforderlich. Die grundrechtsnormativen Leitentscheidungen der Beihilfepraxis sind unmittelbar im GG selbst angelegt (Beihilfen nur zur Deckung des tatsächlichen Personalbedarfs und nur nach Leistungsgrundsätzen, Art. 33 Abs. 2 GG). Gesetzlicher Grundlage bedürften also allenfalls etwaige Eingriffe in die Rechte der Bewerber durch die Einschränkung ihres Kündigungsrechts und Vertragsstrafen diesbezüglich. Solange die fraglichen Belastungen jedoch freiwillig hingenommen werden – was bei vertraglicher Zustimmung offenbar der Fall ist –, kann von Eingriffen aber gerade keine Rede sein. Daher entfällt bei vertraglicher Abwicklung der betreffenden Rechtsverhältnisse das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Grundlage, das bei einseitig-hoheitlicher Anordnung entsprechender Verpflichtungen (etwa: Einführung eines all-

414 415 416 417

Schlette, Vertragspartner, S. 97 m.w.N. Schlette, Vertragspartner, S. 98 f. Vgl. etwa Schlette, Vertragspartner, S. 318 ff. s. Schlette, Vertragspartner, S. 319.

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gemeinen Kündigungsverbots für Amtsärzte per Verwaltungsverordnung) selbstverständlich wäre418.

Nach alledem ist ein subordinationsrechtlicher Vertrag grundrechtswidrig im Sinne des Vorbehaltsprinzips nur dann, wenn er wesentliche grundrechtsnormative Entscheidungen des Parlaments vorwegnimmt, nicht aber schon dann, wenn er belastende Regelungen des privaten Vertragspartners enthält. cc) Mißachtung des Vorrangs grundrechtskonform ausgelegter Gesetze Auch das zweite Element des Gesetzmäßigkeitsprinzips, der Vorrang des Gesetzes419, hat eine grundrechtliche Dimension. Sie äußert sich nicht im Bestehen eines genuin grundrechtlichen Vertragsrechts – ein solches ist Artt. 1 ff. GG offenkundig nicht zu entnehmen420 –, sondern in der verfassungskonformen Auslegung grundrechtseingreifenden und grundrechtsschützenden Fachrechts. Der Vorrang der Grundrechte ist ein Vorrang des grundrechtskonformen Verwaltungsrechts, genauer: ein Vorrang der gerade durch die grundrechtskonforme Auslegung verwaltungsrechtlicher Normen gewonnenen Rechtssätze. Ein verwaltungsrechtlicher Vertrag verstößt gegen „vorrangiges Grundrecht“, wenn er einem durch grundrechtskonforme Auslegung des Verwaltungsrechts gewonnenen Rechtssatz widerspricht. Zur Verdeutlichung sei auf ein sehr einfaches Beispiel aus dem 1. Teil dieser Arbeit zurückgegriffen. Beispiel 1421: Dem S wurde in einem Vergleichsvertrag die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Monumentalskulptur im Außenbereich versprochen. Die Rechtmäßigkeit dieser Vertragsregelung hängt maßgeblich von § 35 BauGB ab, dessen Abs. 3 S. 1 Ziff. 5 nichtprivilegierte Außenbereichsvorhaben u. a. dann verbietet, wenn sie die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen. Es fragt sich, ob diese Regelung für alle Arten nichtprivilegierter 418

Ein weiteres schönes Beispiel findet sich bei Pietzcker, Staat 17 (1978), S. 527 (528): Eine Gemeinde bietet ihren Bewohnern die Entfernung von Wespennestern auf Privatgrundstücken durch die örtliche Feuerwehr an. Eine gesetzliche Grundlage für den damit verbundenen „Eingriff“ in Art. 13 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich und könnte angesichts der strengen Maßstäbe des Art. 13 Abs. 7 GG auch überhaupt nicht erlassen werden. Sie ist aber auch gar nicht erforderlich, weil die vertragliche Zustimmung des Hausrechtsinhabers jeden Eingriff ausschließt und weil die Entfernung von Wespennestern auf Privatgrundstücken mit Zustimmung des Hausrechtsinhabers kein grundrechtswesentlicher Vorgang ist, der parlamentarischer Befassung bedürfte. 419 Die Geltung des Vorrangprinzips ist – anders als die des Vorbehaltsprinzips (s. o.) – auch für den Vertrag heute ganz h.M., vgl. BVerwGE 42, 331 (334); 49, 359 (361); VGH Mannheim BWVBl. 1994, 17 (20); GewArch 1993, 19 (20); Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 54, Rdn. 10 ff., 108; Degenhart, Staatsrecht I, Rdn. 287; Krebs, VVDStRL 52 (1993), 248 (263 f.); Scherzberg, JuS 1992, 205 (210); Schimpf, Vertrag, S. 182; Schlette, Vertragspartner, S. 81 ff.; Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 196. A.A. wohl nur Salzwedel, Grenzen, S. 18 f., der auf verwaltungspraktische Gründe abhebt. Zur Unrichtigkeit der verbreitet geforderten Aufgabe des Vorrangprinzips für den Vergleichsvertrag s. o. § 2 D. II. 420 Einzige Ausnahmen: Artt. 9 Abs. 3 S. 2, 48 Abs. 2 GG, die jedoch primär den Privatrechtsverkehr betreffen und daher an dieser Stelle nicht weiter interessieren. 421 Im Anschluß an § 2. D. III. 2., Beispiel 2.

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Bauvorhaben gilt oder ob sie in bezug auf Kunstwerke einschränkend auszulegen ist422. Dies könnte geboten sein, weil ein Gesetz, das den Wirkungsbereich der Kunst durch lokale Aufstellungsverbote beschneidet, in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG eingreift. Ob § 35 Abs. 3 S. 1 Ziff. 5 BauGB in diesem oder jenem Sinne auszulegen ist, hängt davon ab, ob sich eine Rechtfertigung für den in Rede stehenden Eingriff finden läßt. Bejaht man dies unter Berufung auf Artt. 2 Abs. 2, 20a GG, dann gilt (auch) bei grundrechtskonformer Auslegung des § 35 BauGB der Rechtssatz „Ein nichtprivilegiertes Bauvorhaben, das die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt, ist im Außenbereich auch dann nicht genehmigungsfähig, wenn es ein Kunstwerk ist“. Ein Vergleich, in dem die Genehmigung einer Monumentalskulptur im Außenbereich versprochen wird, verstößt damit gegen grundrechtlich determiniertes, vorrangiges Gesetzesrecht.

Da das Verwaltungsrecht infolge des Vorbehaltsprinzips im allgemeinen eine sehr hohe Regelungsdichte aufweist, beschränkt sich die grundrechtskonforme Auslegung verwaltungsrechtlicher Normen – wie im vorigen Beispiel – sehr häufig auf die punktuelle Reduktion oder die punktuelle Erweiterung geschriebenen Verwaltungsrechts. Grundrechtlich determinierte Verwaltungsrechtssätze sind jedoch auch die unzähligen Entscheidungsmaximen, die die Verwaltung unter Berücksichtigung der Grundrechte jeweils ad hoc aus den unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensspielräumen verwaltungsrechtlicher Normen herleitet. Nicht anders als die Normen des geschriebenen Rechts müssen diese selbstprogrammierten Verwaltungsrechtssätze den Grundrechten standhalten. Sie sind, je nach ihrem Regelungsgehalt, einer einfachen oder doppelten Grundrechtskonformitätsprüfung zu unterziehen. Als Eingriffe unterliegen sie dem Übermaßverbot, als Erfüllung staatlicher Schutzpflichten dem Gebot hinreichender Effektivität (auch: Untermaßverbot). Verbinden sich Eingriffs- und Schutzzwecke in ein und derselben Entscheidung, so ist die Grundrechtsmäßigkeit der ratio decidendi in beide Richtungen zu überprüfen: Verhältnismäßigkeit des Eingriffs und Effektivität des Schutzes. Wir kommen insoweit zurück auf ein früheres Beispiel 2423 : Dem L wurde von Seiten der zuständigen Polizeibehörden vergleichsvertraglich zugesichert, man werde gegen die von ihm veranstalteten simulierten Tötungsspiele solange nicht einschreiten, als L dafür Sorge trage, daß die Teilnehmer volljährig seien, keine Militärkleidung trügen und sich nicht ausschließlich zum „spielerischen Töten“ zusammenfänden. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit eines solchen Vergleichs ist – mangels spezialgesetzlicher Regelung – die polizeirechtliche Generalklausel424. Sie ermächtigt die Polizeibehörden im Rahmen ihres Ermessens zu verhältnismäßigen Maßnahmen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung abzuwenden. Dem vorliegenden Vergleich liegt eine bestimmte Konkretisierung der polizeilichen Generalklausel zugrunde, die – als Rechtssatz formuliert – ungefähr folgendermaßen lauten könnte: „Zur Abwehr von Gefahren für die Menschenwürde der Teilnehmer und das Leben anderer haben die Polizeibehörden simulierte Tötungsspiele zu untersagen, die Minderjährigen zugänglich sind, in kriegsähnli422 Zum Vorrang der konservierenden Auslegung gegenüber der Verwerfung einer Norm vgl. nur BVerfGE 2, 266 (282); 32, 373 (383 f.) m.w.N.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17, Rdn. 31, 35. 423 Im Anschluß an § 5 D. II. 2., Beispiel 5 mit hypothetischem Vergleich in § 6 C. II. 424 Vgl. BVerwGE 115, 189 (192).

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chem Ambiente stattfinden oder ausschließlich dem Nacherleben von Tötungshandlungen zu Unterhaltungszwecken dienen“. Dieser Rechtssatz ist grundrechtlicher Kontrolle aus zweierlei Richtungen ausgesetzt. Als Eingriff in die Berufsfreiheit des Veranstalters (Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG) unterliegt er einem spezifischen Übermaßverbot (Drei-Stufen-Theorie425). Einem Gebot hinreichender Effektivität unterliegt er insoweit, als er die Spieler vor einer entwürdigenden Behandlung (Art. 1 Abs. 1 GG) und die Allgemeinheit vor den Folgen einer erhöhten Gewaltbereitschaft durch das Spiel (Art. 2 Abs. 2 GG) schützen soll426. Kommt man, wohl zutreffend, zu dem Ergebnis, daß ein solcher Rechtssatz mit Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG einerseits und Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2 S. 1 GG andererseits zu vereinbaren wäre, so muß auch der Vergleich, der ihn „vollzieht“, für grundrechtskonform erachtet werden.

Ähnlich ist zu verfahren, wo gesetzliche Regelungen für das Verwaltungshandeln überhaupt nicht vorhanden sind. Dies betrifft den – nach den Feststellungen des vorigen Abschnitts zumindest begrenzt anzuerkennenden – Bereich zulässigen Vertragshandelns ohne gesetzliche Grundlage. Das Fehlen positivrechtlicher Vorgaben für den Vertragsinhalt bedeutet hier nicht, daß schlechthin jede vertragliche Regelung, die die Verwaltung mit dem Bürger aushandeln könnte, auch mit dem Recht zu vereinbaren ist. Die Verwaltung unterliegt im Umgang mit ihrem privaten Vertragspartner grundrechtlichen Schutzpflichten, die ihr die Zustimmung zu bestimmten Verträgen verbieten427. Die Normativität grundrechtlicher Schutzpflichten läßt sich mit Hilfe gedachter Rechtssätze entfalten, die jeweils sachgebietsbezogen das Mindestniveau grundrechtlich gebotenen Schutzes des privaten Vertragspartners konkretisieren. Beispiel 3: Aus- und Fortbildungsvereinbarungen im öffentlichen Dienst werden für gewöhnlich mit Hilfe sog. Rückzahlungsklauseln abgesichert. In ihnen verpflichtet sich der Begünstigte, nach dem Ende seiner staatlich geförderten Ausbildung für einen gewissen Zeitraum im öffentlichen Dienst zu verbleiben oder – im Falle eines schuldhaften vorzeitigen Ausscheidens – die Ausbildungskosten zu erstatten428. Die Schutzpflicht des Staates für die Berufsfreiheit der Aspiranten (Art. 12 Abs. 1 GG) setzt der Bedingbarkeit derartiger Rückzahlungspflichten zeitliche Grenzen. Wie im privaten Arbeitsrecht lassen sich diese Grenzen gedanklich zu Rechtssätzen formulieren, in denen je nach Dauer der erhaltenen Ausbildung bestimmte Höchstfristen der Verwirkung festgelegt werden429.

Die hier skizzierte Aufbereitung exekutiver Entscheidungsmaximen zu Rechtssätzen und deren anschließende Kontrolle am Maßstab des Über- und Untermaßverbots ermöglicht eine methodisch klare und nachprüfbare Beurteilung der Grundrechtskonformität subordinationsrechtlicher Verträge. Sie entspricht aller425

BVerfGE 7, 377 (405 f.). Abweichend BVerwGE 115, 189 (199), wo maßgeblich auf die Würde und Unversehrtheit des Menschen „als Gattungswesen“ abgestellt wird. 427 Eine Mißachtung grundrechtlicher Eingriffsverbote ist im Bereich gesetzesfreier Verwaltung von vornherein nicht denkbar. Die Begründung vertraglicher Pflichten ist kein „Eingriff“ in die Rechte des Bürgers, sondern freier Grundrechtsgebrauch, s. oben § 8 C. III. 3. a) bb). 428 Schlette, Vertragspartner, S. 525 m.N. 429 Vgl. dazu das Bsp. in § 8 C. III. 2. a) bb). 426

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dings nicht uneingeschränkt der Vorgehensweise der Rechtsprechung. Diese wendet Übermaß- und Untermaßverbot zwar sehr wohl dann an, wenn sie die Normen des geschriebenen Rechts auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten überprüft und dabei gegebenenfalls grundrechtskonform reduziert oder erweitert (Beispiel 1)430. Sie geht jedoch nicht so weit, zum gleichen Zweck auch die gedachten Rechtssätze zu ermitteln, die von Fall zu Fall den Konkretisierungen eines unbestimmten Rechtsbegriffs oder dem Ermessensgebrauch der Exekutive zugrunde liegen (Beispiel 2) oder – im Bereich zulässiger gesetzesfreier Verwaltung – die Mindeststandards grundrechtlichen Schutzes markieren (Beispiel 3). Die Grundrechtmäßigkeit der betroffenen Verwaltungsrechts- oder -realakte macht die Rechtsprechung vielmehr davon abhängig, daß grundrechtlich geschützte „Interessen“431 oder grundrechtlich fundierte „Wertvorstellungen“432 bei der Auslegung des jeweils einschlägigen unbestimmten Rechtsbegriffs bzw. im Rahmen der fraglichen Ermessensentscheidung wägend miteinbezogen wurden. Im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung greift sie auf privatrechtliche Generalklauseln zurück und legt diese im Lichte der grundrechtlichen Wertordnung aus433. Die Parallelen zum gespaltenen Prüfungsmaßstab des BVerfG434 bei der Überprüfung geschriebenen Privatrechts einerseits und zivilgerichtlicher Entscheidungen andererseits sind unverkennbar. Überzeugend sind sie hier ebensowenig wie dort. Die grundrechtliche Wertordnung ist ein vages Konstrukt und vielfach überhaupt nicht subsumtionsfähig435. Auch die freihändige Heranziehung und Abwägung grundrechtlich geschützter Interessen ist rechtsmethodisch kaum zu kontrollieren und führt zu willkürlichen Ergebnissen. Verhältnismäßigkeit und Effektivitätsgebot sind weitaus zuverlässigere Kriterien der Grundrechtskonformitätsprüfung. Sie erfordern jedoch Rechtssätze als Prüfungsgegenstand. Diese 430 Vgl. etwa BVerfG NVwZ 1992, 53 f. (Nichtanwendbarkeit des § 19 HbgWG [Sondernutzung öffentlicher Straßen] auf das Verteilen von Flugblättern); BVerfGE 69, 315 (350, 353) (Nichtanwendbarkeit des § 14 VersG auf Spontandemonstrationen, Versammlungsverbote nach § 15 Abs. 1 VersG nur zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und auch insoweit nur zugunsten wichtiger Rechtsgüter); 13, 97 (117 ff.) (Verhältnismäßigkeit des Berufszulassungssystems der HandwO); BVerwG NVwZ 1991, 983 (984); NJW 1995, 2648 (2649) (Bauordnungs- bzw. -planungsrecht als verhältnismäßige Schranke der Kunstfreiheit); BVerwGE 18, 247 (249 f.) (Umdeutung des in Art. 14 Abs. 1 GG eingreifenden § 35 Abs. 2 BauGB von einer KannVorschrift in eine Muß-Vorschrift). 431 Vgl. etwa BVerfGE 83, 130 (145 f.); BVerwG DVBl. 1995, 47 (49 f.); BVerwGE 42, 133 (134, 137); 56, 56 (59); 70, 54 (56). 432 Vgl. BVerwGE 64, 274 (276 f.); OVG Münster NWVBl. 2001, 94 (95); zust. BVerwGE 115, 189 (198); s. auch OVG Münster NJW 2001, 2111 (insoweit unbeanstandet durch die Aufhebung in BVerfG NJW 2001, 2069). 433 Vgl. etwa BVerwGE 30, 65 (69 f.); OVG Koblenz ZBR 1986, 369 (370); VGH Mannheim DÖD 1986, 65 (66): Heranziehung von § 242 BGB („Treu und Glauben“) bzw. § 138 Abs. 1 BGB zur Beurteilung der Grundrechtskonformität vertraglicher Kündigungsfristen und Strafen in einem Ausbildungsförderungsvertrag. 434 Vgl. oben § 8 C. III. 2. a) bb). 435 Zur Kritik des Konzepts einer normativen grundrechtlichen „Werteordnung“ s. bereits oben § 8 C. III. 2. a) bb).

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herzuleiten, ist daher nicht nur im Privatrecht, sondern auch im Verwaltungsrecht unerläßlich. b) Wirksamkeit grundrechtswidriger verwaltungsrechtlicher Vergleiche Zu klären bleibt, inwieweit die erörterten Grundrechtsverletzungen der ein oder anderen Art die Wirksamkeit der betroffenen Verträge beeinträchtigen. aa) Mißachtung grundrechtlicher Gesetzesvorbehalte Soweit diese Frage den Vorbehalt des Gesetzes betrifft hat sie nur wenig Beachtung gefunden. Das verwundert kaum, sieht doch die herrschende Meinung vertragsförmiges Verwaltungshandeln der Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung gänzlich enthoben436. Die hier vertretene Lehre, die zumindest am rechtsstaatlich-demokratischen Vorbehaltsprinzip festhält, muß dagegen Rechenschaft über die Konsequenzen etwaiger Fehler ablegen. Drei Lösungswege sind denkbar. Naheliegend erscheint die Anwendung von § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB, womit – entgegen der herrschenden Meinung – die Nichtigkeit der betroffenen Verträge feststünde437. Man kann das Fehlen formellgesetzlicher Handlungsgrundlagen aber auch als besonders schweren Mangel im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG begreifen, der – über § 59 Abs. 2 Ziff. 1 VwVfG – auch auf den subordinationsrechtlichen Vertrag anzuwenden ist. Wirksamkeit oder Nichtigkeit des fehlerhaften Vertrages hingen dann von der Offenkundigkeit seiner Gesetzlosigkeit ab438. Ein dritter Ansatz schließlich meint, im positiven Verwaltungsrecht bestehe hinsichtlich der Fehlerfolgen vorbehaltswidrig geschlossener Verträge eine planwidrige Regelungslücke. Unmittelbar aus der Verfassung selbst müsse daher ein Folgenbeseitigungsanspruch des privaten Vertragspartners hergeleitet werden, der diesem das Recht verleihe, von der Verwaltung die Zustimmung zur Aufhebung des grundrechtswidrigen Vertrages zu verlangen439. Den Vorzug verdient die zweite Lösung. Gegen die analoge Anwendung des § 134 BGB spricht, daß eine dem Vertrag entgegenstehende Verbotsnorm bei gesetzlosen 436

Vgl. die Nachweise oben § 8 C. III. 3. a) bb) Fn. 401 und 402. So aber in der Tat Fluck/Schmitt, VerwArch 89 (1998), 220 (232 f.); Gersdorf, JuS 1994, 955 (958 f., 960); wohl auch Bleckmann, NVwZ 1990, 601 (603). 438 Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 419 f.; dies., in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht (13. Aufl.), § 30, Rdn. 4 mit Fn. 19. 439 Schilling, VerwArch 87 (1996), 191 (210); wohl auch Schenke, JuS 1977, 281 (284 f.) und Schimpf, Vertrag, S. 332 ff., 403 f., die allerdings in erster Linie Verletzungen des Vorrangprinzips vor Augen haben. Näheres zu dieser Lehre vom Folgenbeseitigungsanspruch gegen den rechtswidrigen verwaltungsrechtlichen Vertrag bei Efstratiou, Bestandskraft, S. 250 ff. 437

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Verträgen gerade fehlt. Der Vorbehalt des Gesetzes an sich kann nicht als Verbotsnorm gelten, denn er bedarf seinerseits konkretisierender Fehlerfolgeregelungen, die je auf den Typus des gesetzlosen Rechtsakts (Verordnung, Verwaltungsakt, Vertrag, Wahl, Kollegialbeschluß etc.), konkret: auf seine Verfahrensstruktur, seinen Regelungsgehalt, Rechtsschutzmöglichkeiten etc., abgestimmt sind440. Ein grundrechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch andererseits käme nur in Betracht, wenn das geltende Verwaltungsrecht tatsächlich eine Regelungslücke aufwiese, die das sanktionslose Bestehen gesetzloser Verträge als ungerechtfertigten Eingriff in die Grundrechte des privaten Vertragspartners erscheinen ließe. Das ist jedoch nicht der Fall. Mit § 44 Abs. 1 VwVfG ist eine Regelung vorhanden, die anerkanntermaßen gerade auch die Mißachtung von Gesetzesvorbehalten sanktionieren will441. Diese Regelung ist via § 59 Abs. 2 Ziff. 1 VwVfG auch auf den verwaltungsrechtlichen Vertrag anwendbar. § 44 Abs. 1 VwVfG rechtfertigt im Falle des Nichtvorliegens seiner Tatbestandsvoraussetzungen die Wirksamkeit gesetzloser Verträge und schließt daher auch das Entstehen von Folgenbeseitigungsansprüchen aus. Die hier favorisierte Lösung über §§ 59 Abs. 2 Ziff. 1, 44 Abs. 1 VwVfG wird bei ernsthaftem Streit über die Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage – sprich: beim Vergleichsvertrag – in aller Regel zur Wirksamkeit des Vertrages führen. Sie liegt damit zumindest im Ergebnis weitgehend auf der Linie der herrschenden Meinung. Beispiel (im Anschluß an § 8 C. III. 2. bb), Beispiel): In der Rechtslehre war bis vor kurzem sehr umstritten, ob die Bedingungen für die Verbeamtung von Lehrkräften, die ihrer religiösen Überzeugung durch das Tragen eines Kopftuchs Ausdruck verleihen, einer formellgesetzlichen Regelung bedürfen. Das BVerfG hat dies in E 108, 282 letztendlich bejaht. Einem verfassungsgerichtlichen Vergleich, in dem einer betroffenen Lehramtskandidatin die Einstellung in den Schuldienst unter bestimmten Auflagen versprochen worden wäre, hätte danach die gesetzliche Grundlage gefehlt442. Der Wirksamkeit der Bereinigungsabrede hätte dies jedoch keinen Abbruch getan443. Nach §§ 59 Abs. 2 Ziff. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 VwVfG führen nämlich nur offenkundige Mißachtungen des Gesetzesvorbehalts zur Nichtigkeit eines Vertrags. Von einer evidenten Gesetzlosigkeit kann hier aber keine Rede sein. Die Frage der Notwendigkeit einer gesetzlichen Eignungsbestimmung „bekennender“ Bewerber war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ja gerade umstritten.

440 Wie hier OVG Münster NVwZ 1984, 522 (524); Hennecke in: Knack, VwVfG, § 59 Rdn. 11; Schimpf, Vertrag, S. 287. 441 Vgl. VG Freiburg NVwZ 1990, 594; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 44, Rdn. 30; Sachs, in: Stelkens/Bonk/ders., VwVfG, § 44, Rdn. 43; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 57, Rdn. 15; im Grundsatz auch Meyer, in: ders./Borgs, VwVfG, § 44, Rdn. 14. 442 So die hier vertretene Ansicht, die rechtsstaatlich-demokratische Gesetzesvorbehalte auch auf den Vertrag erstreckt, s. o. § 8 C. III. 3. bb). 443 Zu anderen möglichen und potentiell wirksamkeitsrelevanten Rechtsfehlern eines solchen Vergleichs s. aber oben § 8 C. III. 3. a) bb) Fn. 410.

§ 8 Wirksamkeitsbedingungen des materiellen Rechts

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bb) Mißachtung des Vorrangs grundrechtskonform ausgelegter Gesetze Weniger problematisch als die Fehlerfolgen der Gesetzlosigkeit eines Vergleichs sind diejenigen seiner Inkongruenz mit grundrechtskonform ausgelegtem, vorrangigem Recht. Wenn man mit der hier vertretenen Ansicht444 ein pauschales Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs verneint und den Vergleich auch bezüglich seiner Fehlerfolgen ins allgemeine Vertragsrecht eingebettet sieht, dann kommt als Sanktion allfälliger Gesetzesinkongruenz primär Nichtigkeit nach § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 134 BGB in Betracht445. Entscheidend ist danach, ob die durch den Vertrag verletzte Rechtsnorm ein Verbotsgesetz darstellt oder nicht. Die Merkmale des verwaltungsrechtlichen Verbotsgesetzes sind nicht abschließend geklärt. Einigkeit besteht jedoch darin, daß nicht jeder Rechtssatz, den die Verwaltung zu beachten hat, ein Verbotsgesetz darstellen kann – die differenzierten Fehlerfolgenregelungen des § 59 Abs. 2 VwVfG wären andernfalls ohne Bedeutung. Verbotsgesetze bilden in den Augen des Gesetzgebers vielmehr eine Sonderkategorie des Verwaltungsrechts, dessen Mißachtung sich als besonders schwerer, als „qualifizierter“ Rechtsverstoß darstellt446. Die danach erforderliche Bewertung einzelner Rechtssätze auf ihre Verbotsgesetzlichkeit bedient sich (unausgesprochen) des klassischen Methodenkanons der juristischen Hermeneutik. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck der verletzten Norm geben ihr Auskunft darüber, ob der Gesetzgeber entgegenstehendes Recht unter allen Umständen vernichten wollte oder ob er bereit war, gesetzwidrige Zustände zugunsten von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz in Kauf zu nehmen447. Die systematische Stellung der verletzten Norm im fachge-

444

Vgl. oben § 2 D. III. 2. Vgl. oben § 2 B. II. 1. Die Inbezugnahme des § 134 BGB durch § 59 Abs. 1 VwVfG ist heute praktisch unbestritten, vgl. BVerwGE 89, 7 (10); 98, 58 (63); VGH Mannheim BWVBl. 1991, 263 (266); VGH München BayVBl. 1991, 47 (49); OVG Münster NVwZ 1984, 522 (524); 1992, 988 (989); Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 59, Rdn. 50; Krebs, VVDStRL 52 (1993), S. 248 (268); Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 848; Schenke, JuS 1977, 281 (288 f.); Schimpf, Vertrag, S. 284 f.; Schlette, Vertragspartner, S. 550; SchmidtAßmann, in: FS Gelzer, S. 117 (123); Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 218; Wolff/ Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 64 f. Die Gegenansicht (Blankenagel, VerwArch 76 [1985], 276 [284 ff.]; Bullinger, DÖV 1977, 812 [815]; Göldner, JZ 1976, 352 [357]), die sich auf BT-Drucks. 7/910, S. 81 stützt, verkennt zum einen den Wortlaut des § 59 Abs. 1 VwVfG, dem keine Einschränkung der aus dem bürgerlichen Recht heranzuziehenden Nichtigkeitsvorschriften zu entnehmen ist, und stellt zum anderen vertragliche Rechtsverstöße in einem Maße sanktionslos, das bei verfassungskonformer Auslegung des § 59 VwVfG untragbar erscheint. 446 Vgl. BVerwGE 89, 7 (10); BVerwG NJW 1996, 608 (609); OVG Münster NVwZ 1992, 988 (989); Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 59, Rdn. 50; Efstratiou, Bestandskraft, S. 223; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 848; Schlette, Vertragspartner, S. 551; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 64. Die Wendung vom „qualifizierten“ Rechtskonflikt scheint auf Weyreuther zurückzugehen, vgl. dens., in: FS Reimers, S. 379 (383). 447 Vgl. OVG Münster NVwZ 1992, 988 (989); Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 849; Schimpf, Vertrag, S. 286; Schlette, Vertragspartner, S. 553; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 70, Rdn. 22. 445

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

setzlichen Regelungszusammenhang zeigt an, ob ihre Mißachtung sanktionsbedürftig ist oder, als leichterer Fehler, folgenlos bleiben kann448. Die dabei erforderlichen Subsumtionsvorgänge sind desto einfacher, je tiefer und genauer die gesetzliche Determinierung eines Verwaltungshandelns ist. In Beispiel 1 aus § 8 C. III. 3. a) cc) etwa ist unschwer ersichtlich, daß der verletzte § 35 Abs. 3 S. 1 Ziff. 5 BauGB für das System des Bauplanungsrechts von untergeordneter Bedeutung ist, markiert er doch nur die Grenze eines Ausnahmetatbestands (noch dazu eine Grenze unter vielen). Seine Mißachtung kann sicherlich nicht als „qualifizierter“ Rechtsverstoß gelten. Da Außenbereichsbauten zudem nach Wortlaut und Zweck des § 35 BauGB grundsätzlich zulässig sind, sollte nicht zweifelhaft sein, daß ein Vertrag, in dem die Grenzen dieser Norm rechtswidrig überdehnt werden, gleichwohl wirksam ist.

Mit zunehmendem Eigenanteil der Verwaltung an der Rechtserzeugung wird die Beurteilung der Verbotsgesetzlichkeit der vertragsmaßgeblichen Rechtsnormen schwieriger. Unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensvorschriften ist schließlich kaum zu entnehmen, ob die Rechtssätze, die sie konkretisieren, Verbotscharakter haben oder nicht. Das gleiche gilt – im Bereich zulässiger gesetzesfreier Verwaltung – für die nur gedanklich bestimmbaren, aber im geschriebenen Recht eben doch nicht vorhandenen Mindeststandards grundrechtlichen Schutzes. Hier fehlt jeder Anknüpfungspunkt für eine der Ermittlung der Verbotsgesetzlichkeit dienende Gesetzesauslegung. Man wird hieraus folgern müssen, daß die betreffenden Rechtssätze in den Augen des Gesetzgebers grundsätzlich keine Verbotsgesetze darstellen449. Ihre Mißachtung vermag daher die Wirksamkeit der betroffenen Verträge im Regelfall auch nicht zu beeinträchtigen. Eine Grenze wird man erst dort zu ziehen haben, wo absolut offenkundige Schutzpflichten verletzt werden. Ein solcher Fall dürfte bei konsensualer Rechtsetzung kaum jemals vorkommen, erst recht nicht beim Vergleichsvertrag.

448

Vgl. Gurlit, JURA 2001, 731 (735); Schmidt-Aßmann/Krebs, Rechtsfragen, S. 223; ähnlich Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 59, Rdn. 57; Erichsen, in JURA 1994, 47 (50); Schlette, Vertragspartner, S. 553, die auf die „Erheblichkeit“ des Rechtsverstoßes abstellen. 449 So bzgl. Ermessensvorschriften etwa Bonk, in: Stelkens/ders./Sachs, VwVfG, § 59, Rdn. 53; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdn. 849 (bloße „Soll- oder Kann-Vorschriften“); Schlette, Vertragspartner, S. 554. Im Bereich der gesetzesfreien Verwaltung wird die Verbotsgesetzlichkeit grundrechtlicher Mindeststandards von OVG Koblenz ZBR 1986, 369 (370); VGH Mannheim DÖD 1986, 65 (66) überhaupt nicht geprüft (beide betreffend die oben als Beispiel erwähnten Ausbildungsförderungsverträge, vgl. § 8 C. III. 3. a) bb).

§ 8 Wirksamkeitsbedingungen des materiellen Rechts

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4. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Grundrechtswidrigkeit und der Wirksamkeit formeller Gesetze a) Grundrechtswidrigkeit aa) Anknüpfungspunkt: Grundrechtsbindung der Regierung Wie bei den verwaltungssubordinationsrechtlichen Vergleichen so unterliegt auch bei den verfassungsrechtlichen Normsetzungsvergleichen allein die staatliche Vertragspartei (i. e. die Regierung) der Bindung an die Grundrechte. Ihr Handeln kann unter zwei Gesichtspunkten als grundrechtswidrig anzusehen sein. Sie kann zum einen die Grundrechte des privaten Vertragspartners verletzen (dazu im folgenden bb), zum anderen diejenigen der vertragsunbeteiligten Normadressaten (cc). Eine Verletzung der kompetenzrechtlichen Dimension der Grundrechte (i. e. eine Mißachtung rechtsstaatlich-demokratischer Gesetzesvorbehalte wie sie beim verwaltungsrechtlichen Vergleich zu bedenken war) ist beim verfassungsrechtlichen Normsetzungsvertrag dagegen ausgeschlossen. Der Normsetzungsvertrag dient gerade der Vorbereitung einer gesetzlichen Regelung, die die demokratische Herrschaft über die umstrittene Sachmaterie absichert bzw. wieder herstellt450. bb) Verletzung der Grundrechte des Vertragspartners? Schaut man danach zunächst allein auf die Rechte des privaten Vertragspartners, so ergibt sich, daß eine Grundrechtsverletzung in bezug auf seine Person in aller Regel ausgeschlossen werden kann. Subordinationsrechtliche Verträge, auch Normsetzungsverträge, kommen nur mit Einwilligung des privaten Vertragspartners zustande. Die staatliche Mitwirkung am Normsetzungsvertrag ist daher kein Eingriff, sondern ein Zusammenwirken mit dem Grundrechtsträger bei dessen freiem Grundrechtsgebrauch451. Eine Grundrechtsverletzung kommt daher allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer staatlichen Schutzpflichtverletzung in Betracht. Grundrechtswidrig wäre ein Vertrag, der die Initiative zu einem Gesetz bedingen soll, dessen Regelungen unterhalb des grundrechtlich gebotenen Mindeststandards staatlichen Schutzes verbleibt. Angesichts der Mitwirkung des Betroffenen erscheinen derartige Vertragsregelungen jedoch so gut wie ausgeschlossen. 450 Vgl. Becker, Strukturen, S. 341. A.A. offenbar Gurlit, Verwaltungsvertrag, S. 314 unter Verweis auf die mangelnde „Deliberativ- und Veröffentlichungsfunktion“ parlamentarischer Zustimmungsakte. Dagegen bereits oben § 8 C. II. 451 Insoweit gilt nichts anderes als für den verwaltungssubordinationsrechtlichen Vertrag, vgl. soeben § 8 C. III. 3. a) bb). Wie hier im Ausgangspunkt auch Becker, Strukturen, S. 338 ff., der eine Grundrechtsverletzung des privaten Vertragspartners aber dennoch bejahen will, wenn der Normsetzungsvertrag ein grundrechtswidriges Gesetz initiieren soll (S. 341). Das erscheint mir nicht zwingend. Die freiwillige Zustimmung zu einer – in generell-abstrakter (Gesetzes-) Form grundrechtswidrigen – Vertragsregelung kann deren Eingriffscharakter in bezug auf den Zustimmenden durchaus entfallen lassen, s. etwa das Beispiel oben in § 8 C. III. 3. a) bb) Fn. 418, vgl. auch Oebbecke, DVBl. 1986, 793 (799) m.w.N.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

cc) Verletzung der Grundrechte nicht vertragsbeteiligter Normadressaten Wesentlich wahrscheinlicher ist eine Verletzung der Grundrechte vertragsunbeteiligter Dritter, nämlich derjenigen, die neben der jeweiligen Vertragspartei zu Adressaten des paktierten Gesetzes werden sollen. Grundrechtsverletzend wirkt der Normsetzungsvertrag ihnen gegenüber dann, wenn das Gesetz, dessen Initiative versprochen wird, einen übermäßigen Eingriff in ihre Grundrechte bedeuten würde oder, seltener, einen unbotmäßigen Schutz derselben mit sich brächte. Dieser Rückschluß erscheint zwingend, obwohl der eigentliche Eingriff (das Gesetz) durch den Vertrag letztlich nur vorbereitet, nicht aber vollzogen wird. Der Grund liegt darin, daß man dem Vertrag – wollte man ihn für grundrechtskonform erachten – mangels Rechtswidrigkeit auch Wirksamkeit zusprechen müßte, was wiederum die versprochene Gesetzesinitiative legalisieren würde. Daß dies nicht richtig sein kann, liegt auf der Hand. Zu Recht ist deshalb auch im Verwaltungsrecht herrschende Lehre, daß schon das bloße Versprechen grundrechtswidriger Verwaltungstätigkeit zu Lasten Dritter als Eingriff in deren Rechte (§ 58 Abs. 1 VwVfG) anzusehen ist452. b) Unwirksamkeit grundrechtswidriger Normsetzungsvergleiche Die weitere Frage ist, ob die Grundrechtswidrigkeit eines Normsetzungsversprechens auch in jedem Falle zu seiner Unwirksamkeit führen muß oder ob Spielräume für eine Bereinigung durch grundrechtswidrige, aber fehlerresistente Verträge verbleiben. Die Antwort kann nur im ersteren Sinne ausfallen. Es ist ein allgemeiner Grundsatz des deutschen Rechts, daß Verträge, die in die Rechte Dritter eingreifen, unwirksam oder zumindest doch schwebend unwirksam sind, solange ihnen nicht von Seiten aller Betroffenen zugestimmt wurde – eine Vorstellung, die bei Gesetzgebungsverträgen aber regelmäßig jeder Realität entbehrt. Es ist kein Grund ersichtlich, warum für grundrechtsverletzende Normsetzungsverträge irgend etwas anderes gelten sollte. Im Gegenteil: Angesichts der Vielzahl der Belasteten und angesichts des Ranges der betroffenen Rechte – regelmäßig sind sie höchstpersönlicher (etwa Art. 4 Abs. 1 GG), mitunter gar staatskonstituierenden Natur (etwa Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) – spricht alles dafür, Normsetzungsverträgen, die auf grundrechtswidrige Gesetzesinitiativen gerichtet sind, jede Wirksamkeit abzuerkennen. Das führt zu einer wichtigen praktischen Schlußfolgerung. Die Tatsache, daß grundrechtswidrige Normsetzungsverträge ausnahmslos nichtig sind und daß ihnen folglich auch die Fähigkeit fehlt, stipulierte Gesetze zu legalisieren, nimmt ihnen zugleich auch jede vernünftige Bereinigungsperspektive. Es wäre reiner Zufall, wenn ein vergleichsvertraglich versprochenes Gesetz – ein Gesetz also, dessen Verfassungsmäßigkeit zwischen den Parteien umstritten ist –, tatsächlich grundrechts452

Vgl. oben § 2 B. II. 1 mit Fn. 157.

§ 8 Wirksamkeitsbedingungen des materiellen Rechts

233

konform wäre. Die Parteien müssen vielmehr damit rechnen, daß das, was sie als Bereinigungsendzustand anstreben, mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig ist und daß es der Nichtigkeit anheim fallen wird, ohne daß ihr Vertrag irgend etwas daran ändern könnte. Das läßt es ratsam erscheinen, von Bereinigungsversuchen in bezug auf grundrechtswidrige Gesetze gänzlich abzusehen. Zwei weitere Argumente bestätigen dies. Das erste betrifft die mangelnde Dauerhaftigkeit des ausgehandelten Kompromisses. Selbst wenn das angestrebte Gesetz aufgrund des Normsetzungsvertrags heute tatsächlich zustande käme, könnte es morgen schon mit anderen Mehrheiten wieder abgeändert werden453. Vertragliche Vorkehrungen hiergegen bleiben weitgehend wirkungslos. Man mag annehmen, daß die Regierung ihr Recht zur abweichenden Gesetzesinitiative dauerhaft abbedingen kann454. Damit allein ist jedoch der Bestand des vereinbarten Gesetzes keineswegs gesichert. Das Zugriffsrecht des Parlaments nämlich bliebe der vertraglichen Disposition entzogen. Der Disposition der Regierung im Normsetzungsvertrag schon deshalb, weil sie den gubernativen Kompetenzbereich überschreiten und einen Vertrag zu Lasten des Parlaments bedeuten würde455. Ebenso aber auch Selbstbindungen des Gesetzgebers. Zwar wäre es denkbar, qua Normsetzungsvertrag die Initiative zu einem Gesetz zu vereinbaren, das zeitlich unbegrenzt und irreversibel gelten soll. Einer Zustimmung des Parlaments hierzu müßte jedoch, jedenfalls im Regelfall, die bindende Wirkung abgesprochen werden. Das ergibt sich aus den demokratischen Prinzipien der Volkssouveränität und der wechselnden Mehrheiten456. Wer einwendet, Vertrauensschutzgesichtspunkte könnten Gegenteiliges gebieten457, trägt eine schwere Argumentationslast. Er muß nachweisen, daß ein berechtigtes Interesse daran besteht, den jeweils betroffenen Sachgegenstand zu Lasten der Allgemeinheit dauerhaft zu entdemokratisieren. Das wird nur selten gelingen. Der zweite Grund, der zur Zurückhaltung gegenüber der vertraglichen Bereinigung grundrechtswidriger Gesetze mahnt, ist die drohende Präjudizierung des Verfassungsgerichts. Es ist kaum vorstellbar, daß dasselbe Gericht, das die staatliche Verpflichtung zur Gesetzesinitiative beurkundet oder womöglich sogar angeregt hat, auf Anrufung Dritter hin bekennen wird, den Weg zu einer Grundrechtsverletzung bereitet zu haben458. Die Gefahr des Rechtsirrtums und des mit seinem Eingeständnis

453

Vgl. Renck, ZRP 2002, 316. Dafür, unter Berufung auf den für andere Staatsorgane als das Parlament nicht geltenden Grundsatz der Diskontinuität, Becker, Strukturen, S. 287. 455 Vgl. Becker, Strukturen, S. 261 m.w.N. 456 Vgl. oben § 8 A. II. 2. b). 457 So Becker, Strukturen, S. 298 ff. und zuvor namentlich Frowein, in: FS Flume, Bd. I, S. 301 (306, 309 f., 314), s. auch oben § 8 A. II. 2. b). 458 Zu Recht kritisch gegenüber dem Verständigungsvorschlag des BVerfG im LER-Verfahren (zu diesem oben § 7 C.) deshalb Janz, LKV 2003, 172 (173); Löwer, in: Isensee/ Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 70, Rdn. 230; Wolff, EuGRZ 2003, 463 (469). Das BVerfG hat bislang – wenig überraschend – alle Verfassungsbeschwerden gegen das auf seine Ver454

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

verbundenen Autoritätsverlusts besteht zwar grundsätzlich auch in anderen Gerichtszweigen. Sie wiegt dort aber bei weitem nicht so schwer, denn regelmäßig sind von den Rechtsfolgen nur die jeweiligen Vertragsparteien betroffen, nicht auch – wie beim Normsetzungsvergleich – die Allgemeinheit. Das Verfassungsgericht kann sich einem Normsetzungsvergleich der Beteiligten von Rechts wegen nicht entziehen. Ob es aktiv auf ihn hinwirken sollte, ist eine andere Frage. Der kluge Richter wird sie verneinen.

D. Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts Zu untersuchen bleiben die materiellrechtlichen Wirksamkeitsbedingungen der wahl- und mandatsrechtlichen Vergleichsverträge. Auch hier bedarf es zunächst einer näheren rechtlichen Qualifizierung (I.) und einer Auseinandersetzung mit der Frage ihrer generell-abstrakten Zulässigkeit (II.). Wie sich herausstellen wird, sind Verträge auf dem Gebiet des Wahl- und Mandatsrechts schlechterdings unzulässig und deshalb ohne Rücksicht auf ihren konkreten Inhalt in jedem Falle unwirksam (III.). I. Rechtliche Qualifizierung: verfassungsrechtliche Inter-Organ-Verträge Keinem Zweifel dürfte unterliegen, daß die in Rede stehenden Vergleichsverträge der Gruppe der verfassungsrechtlichen Verträge angehören. Ihr Gegenstand – die Besetzung des Parlaments – ist Staatsorganisation459. Ihre Parteien – die Wahl- und Mandatsprüfungsorgane, die betroffenen Abgeordneten und Wahlbewerber – treten als Rechtssubjekte des Verfassungsrechts auf.

II. Die Unzulässigkeit von Verträgen auf dem Gebiet der Wahl- und Mandatsprüfung Das GG enthält keine ausdrücklichen Regelungen über die Zulässigkeit verfassungsrechtlicher Verträge auf dem Gebiet der Wahl- und Mandatsprüfung. Ob die Verfassung sie zuläßt, also als Rechtsquellen anerkennt, kann nur durch Auslegung ermittelt werden. Entscheidend ist, ob der vertragliche Rechtssetzungsmechanismus für die beteiligten Kräfte und die konkret zu behandelnde Sachaufgabe in Ansehung mittlung zustandegekommene BbgSchulG zurückgewiesen, vgl. BVerfG EuGRZ 2004, 112; LKV 2004, 75. 459 Die Normen des Wahl- und Mandatsprüfungsrechts sind zwar weitgehend unterverfassungsrechtlich kodifiziert oder ungeschriebenes Recht. Als unverzichtbare Regeln über die Kreation der obersten Staatsorgane gehören sie jedoch zur Verfassung im materiellen Sinne, vgl. OVG Münster OVGE 23, 190 f.; Schreiber, Handbuch, § 49, Rdn. 2 m.w.N. A.A. aber offenbar Meyer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 46, Rdn. 102 („Verwaltungsverfahren“).

§ 8 Wirksamkeitsbedingungen des materiellen Rechts

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der einschlägigen Verfassungsnormen und der ihnen zugrundeliegenden Wertungen als adäquates Mittel rechtlicher Steuerung anzusehen ist. Der Blick gilt also einerseits den Vertragsparteien und ihrer normativen Befähigung zu vertraglichem Handeln, andererseits der zu erfüllenden Staatsaufgabe und der Sachgerechtigkeit ihrer kooperativ-konsensualen Erledigung460. Nach diesen Maßstäben kann die Zulässigkeit vertraglicher Rechtsetzung auf den Gebieten der Wahl- und Mandatsprüfung nur verneint werden. Bereits die präsumptiven Vertragsparteien – die Wahlprüfungsorgane des Bundestages einerseits, die betroffenen Abgeordneten und Wahlbewerber andererseits – sind zur Selbstbindung durch Verträge überhaupt nicht in der Lage. Der Bundestag nicht, weil er Repräsentant des souveränen Staatsvolks ist (Art. 20 Abs. 2 S. 1 und 2 GG)461. Die parlamentarischen Abgeordneten nicht, weil sie an Aufträge und Weisungen nicht gebunden sind (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG)462. Auf den Wahlbewerber soll die Freiheit des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nach Ansicht des BVerfG keine Anwendung finden, da Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG seinem Wortlaut wie seinem Sinngehalt nach nur für Abgeordnete gelte, d. h. nur für diejenigen, die bereits Mitglieder des Deutschen Bundestages sind463. Dem kann zumindest hinsichtlich der hier in Rede stehenden Mandatserwerbsverträge nicht zugestimmt werden. Es ist nicht einzusehen, warum die Freiheit des Mandats zwar rechtliche Bindungen des Abgeordneten in der Wahrnehmung seines Amtes kategorisch verbieten, andererseits aber Verträge zulassen sollte, die unmittelbar dem Erwerb dieses Mandates dienen. Die Unzulässigkeit jeder vertragsförmigen Erledigung von Wahl- und Mandatsprüfungsangelegenheiten ergibt sich jedoch nicht allein aus der Inkontrahibilität der Parteien, sondern vor allem auch aus der Vertragsfeindlichkeit der betroffenen Materie an sich. Die Wahl- und Mandatsprüfung ist eine rechtsprechungsähnliche464, wenn nicht gar echte Rechtsprechungstätigkeit465. Als solche ist sie schon der Natur der Sache wegen jeder vertraglichen Vereinbarung entzogen. Der Beschwerdeführer würde zum Richter in eigener Sache, könnte er das ihn betreffende Urteil mit dem Wahlprüfungsorgan aushandeln466.

460

Zur Zulässigkeit des verfassungsrechtlichen Vertrags vgl. grundlegend oben § 8. A. II. s. oben § 8 A. II. 2. b). 462 Ebda. 463 Vgl. BVerfGE 7, 63 (73). 464 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 41 (43. Lfg. Februar 2004), Rdn. 72; („rechtsprechungsähnlich“); Schreiber, Handbuch, § 49, Rdn. 14 („Rechtskontrolle“); Silberkuhl, in: Hömig, GG, Art. 41, Rdn. 4 („der Sache nach Rechtsprechung). 465 Ossenbühl, in: FG BVerfG, Bd. I, S. 458 (477) („funktionell und materiell gesehen Rechtsprechung“). 466 Meyer-Hesemann, DVBl. 1980, 869 (871); Tiedemann, in: Obermayer, VwVfG (3. Aufl.), § 54, Rdn. 69; Tschaschnig, Nichtigkeit, S. 144 f.; Schlette, Vertragspartner, S. 563 mit Fn. 174; den Argumenten nach auch VGH München VGHE 32, 90 = DVBl. 1980, 62, vgl. oben § 7 D. 461

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Vertragliche Abmachungen über den Mandatserwerb verstoßen überdies gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl (Art. 38 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG) und damit gegen ein Sachgesetz der zu regelnden Materie. Unmittelbarkeit verlangt, daß die Mitglieder einer Volksvertretung direkt und ohne die Einschaltung von Wahlmännern gewählt werden. Sie schließt jedes Wahlverfahren aus, bei dem zwischen Wähler und Wahlbewerber nach der Wahlhandlung eine Instanz tritt, die den Vertreter nach ihrem Ermessen auswählt und damit dem einzelnen Wähler die Möglichkeit nimmt, die Mitglieder des Parlaments selbst zu bestimmen467. Auf eben eine solche Mediatisierung des Wählers liefe die vertragliche Besetzung des Parlaments jedoch hinaus. Die Unfähigkeit der Parteien zur Selbstbindung und die Vertragsfeindlichkeit der betroffenen Sachmaterie verbieten jede vertragliche Rechtsetzung in Wahl- und Mandatsprüfungsangelegenheiten generell-abstrakt. Auch Vergleichsverträge zur Bereinigung von Ungewißheit oder Streit über den fehlerfreien Erwerb oder über den Verlust eines parlamentarischen Mandats sind demnach schlechterdings unzulässig. Sie unterliegen einem Vertragsformverbot468. III. Konsequenz: Unwirksamkeit unzulässig geschlossener Verträge über Gegenstände der Wahl- und Mandatsprüfung Verfassungsrechtliche Verträge, die das Staatsorganisationsrecht generell-abstrakt verbietet, sind unwirksam. Das ergibt sich zwingend aus dem Geltungsgrund des verfassungsrechtlichen Vertrags. Der Vertrag ist Rechtsquelle nicht a priori, sondern allein deshalb, weil die Rechtsordnung ihn hierzu erklärt469. Die Teilrechtsordnung des Staatsorganisationsrechts impliziert zwar auch die Geltung vertraglich gesetzten Rechts, sie läßt sie aber nur dort zu, wo eine kooperativ-konsensale Steuerung vom Blickpunkt der im GG vorgezeichneten Staatsorganisation aus sachgerecht erscheint. Allein die Sachgerechtigkeit vertraglicher Kooperation ist somit der Grund für die Anerkennung des Vertrags als Rechtsquelle. Fehlt sie, so fehlt es dem Vereinbarten aus Sicht des Staatsorganisationsrechts überhaupt an Rechtsqualität470. Für Verträge über den Erwerb oder über den Verlust parlamentarischer Mandate ergibt sich damit eine Nichtigkeit ipso iure. Das Staatsorganisationsrecht läßt ihren Abschluß nicht zu und betrachtet sie ungeachtet ihres Inhalts als rechtliches nullum. Die vertragliche Bereinigung von Ungewißheit oder Streit über die Ungültigkeit einer Wahl oder über die Fehlerhaftigkeit eines Mandatsverlusts ist demnach

467

Vgl. BVerfGE 7; 63 (68); 47, 253 (279 f.). Ganz h.M., vgl. die Nachweise oben § 7 D. Fn. 208. 469 Vorzüglich Friauf, AöR 88 (1963), 257 (277 ff.) in Widerlegung von Stern, VerwArch 49 (1958), 106 (128 ff.). 470 Vgl. oben § 8 A. III. 1. 468

§ 9 Wirksamkeitsbedingungen des Prozeßrechts

237

schlechterdings unmöglich. Jeder Prozeßvergleich, der über die fraglichen Gegenstände geschlossen würde, wäre materiellrechtlich unwirksam.

§ 9 Wirksamkeitsbedingungen des Prozeßrechts Als Rechtsgeschäft mit Doppelnatur unterliegt der Prozeßvergleich nicht nur materiellrechtlichen Wirksamkeitsbedingungen, sondern auch solchen des Verfahrensrechts. Aus prozessualer Sicht bedarf es zur Wirksamkeit des Prozeßvergleichs zweierlei. Zum einen müssen die Parteien in der Lage sein, das schwebende Verfahren zu beenden – das erfordert Dispositionsbefugnis (A.) und Prozeßhandlungsfähigkeit (B.). Zum anderen verlangt die Rechtssicherheit, daß beim Abschluß eines gerichtlichen Vergleichs bestimmte Formen beachtet werden (C.). Ohne Bedeutung für die Wirksamkeit des Vergleichs ist dagegen die Erfüllung der Prozeß- und Sachurteilsvoraussetzungen (D.).

A. Prozessuale Dispositionsbefugnis Prozessuale Rechtsfolge des Vergleichs ist die Beendigung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens. Sie kann nur dann wirksam verfügt werden, wenn den Vergleichsparteien prozessuale Dispositionsbefugnis zukommt. Im 1. Teil dieser Arbeit wurde dargelegt, daß grundsätzlich jedes verfassungsgerichtliche Verfahren der Disposition seiner Beteiligten unterliegt. Jeder Verfassungsprozeß kann durch autonome Parteiprozeßhandlungen beendet werden471. Dispositionsbefugt ist nach dem dort Gesagten allein der Antragsteller – einer Zustimmung anderer Verfahrensbeteiligter, speziell des Antragsgegners in kontradiktorischen Verfahren, bedarf es nicht472. Auf zwei wichtige Konsequenzen sei hingewiesen. Erstens: Prozeßvergleiche zur Beendigung eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens erfordern nach dem oben Gesagten notwendigerweise die Beteiligung des Antragstellers. Materielle Bereinigung kann unter Umständen auch ohne ihn erzielt werden. Eine Verfahrensbeendigung hingegen nicht. Zweitens: Ein verfassungsgerichtlicher Vergleich zur Beendigung konkreter Normenkontrollen (Art. 100 Abs. 1 GG) ist damit ausgeschlossen. Der verfahrenseinleitende Antrag unterliegt hier allein der Verfügung des vorlegenden Gerichts. Ein

471

Vgl. oben§ 3 B. II. Vgl. oben § 3 C. Einzige Ausnahme: Mitdispositionsbefugnis des Angeklagten, §§ 52 Abs. 3, 58 Abs. 1 BVerfGG analog. Prozeßvergleiche in derartigen Verfahren sind allerdings nahezu unvorstellbar, vgl. oben § 5 F. 472

238

2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Prozeßvergleich unter Beteiligung eines Richters ist aber rechtlich unmöglich473. Beendet werden kann hier nur das fachgerichtliche Ausgangsverfahren474. Schließen die Beteiligten in diesem Verfahren einen Prozeßvergleich, so endet der Verfassungsprozeß mittelbar. Da die Richtervorlage ihre Entscheidungserheblichkeit verliert, ist sie durch Aufhebung des Vorlagebeschlusses zurückzunehmen. Geschieht dies nicht, verwirft das BVerfG die Vorlage als unzulässig475.

B. Prozeßhandlungsvoraussetzungen Aus Sicht des Verfahrensrechts ist der verfassungsgerichtliche Vergleich eine verfahrensbeendigende Prozeßhandlung. Als solche unterliegt er den allgemeinen Voraussetzungen wirksamen Prozeßhandelns – Beteiligungsfähigkeit, Prozeßfähigkeit und (sofern der Prozeßvergleich in der mündlichen Verhandlung geschlossen wird, § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BVerfGG), Postulationsfähigkeit. Da die Verfahrensbeendigung beim verfassungsgerichtlichen Vergleich allein eine Sache des Antragstellers ist, sind diese Voraussetzungen nur in seiner Person zu erfüllen. Ihr Fehlen bei anderen Vergleichsparteien ist für die prozessuale Wirksamkeit des Vergleichs ohne Belang.

C. Form Das Fachprozeßrecht unterwirft das Zustandekommen gerichtlicher Vergleiche bestimmten formalen Bedingungen, auf deren Beachtung aus Gründen der Rechtssicherheit auch im Verfassungsprozeß zu bestehen ist. Die Form des in mündlicher Verhandlung geschlossenen fachgerichtlichen Prozeßvergleichs ist die Erklärung zu Protokoll des Gerichts. Der Inhalt des Vergleichs ist schriftlich oder per Tonband festzuhalten, den Beteiligten vorzulesen/vorzuspielen und von ihnen zu genehmigen (§§ 160 Abs. 3 Ziff. 1, 162 Abs. 1 ZPO, 105 VwGO). Die Wiedergabe des Vergleichsinhalts und seine Genehmigung durch die Beteiligten sind protokollarisch zu vermerken (§§ 162 Abs. 1 S. 3 ZPO, 105 VwGO). Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, so ist der Vergleich als Prozeßhandlung unwirksam und unvollstreckbar476. 473

s. oben § 5 D. I. Dollinger, in: Umbach/Clemens/ders., BVerfGG, § 80, Rdn. 88; vgl. auch BVerfGE 14, 140 (141 f.). 475 BVerfGE 29, 325 (326 f.); 49, 217 (219); Dollinger, in: Umbach/Clemens/ders., BVerfGG, § 80, Rdn. 89. 476 Für den Zivilprozeß BGHZ 14, 381 (386, 393); BAGE 8, 228; Lackmann, in: Musielak, ZPO, § 794, Rdn. 10; Wolfsteiner, in: MüKo ZPO, § 794, Rdn. 35. Für den Verwaltungsprozeß OVG Münster NJW 1976, 1228 (1229); Geiger, in: Eyermann, VwGO, § 106, Rdn. 23; Schröder, Prozeßvergleich, S. 184. Zum möglichen Fortbestehen des prozessual unwirksamen Vergleichs als rein materiellrechtlicher Vertrag (§ 140 BGB analog) s. sogleich § 10. 474

§ 9 Wirksamkeitsbedingungen des Prozeßrechts

239

Neben der gerichtlichen Protokollierung kennen ZPO und VwGO auch die Möglichkeit eines schriftlichen Vergleichsverfahrens (§§ 278 Abs. 6 ZPO, 106 S. 2 VwGO). Der Prozeßvergleich kommt dabei in Form übereinstimmender Schriftsätze zustande, in denen die Parteien ihre Zustimmung zu einem in Beschlußform ergangenen Vergleichsvorschlag des Gerichts erklären. Im BVerfGG sind entsprechende Formalia für den Prozeßvergleich nicht vorgesehen. Eine analoge Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Fachprozeßrechts erscheint jedoch ratsam. Die gerichtliche Beurkundung des Vergleichs dient elementaren Interessen prozessualer Rechtssicherheit, deren Wahrung auch im Verfassungsprozeß geboten ist. Verfahrensbeendigung und Vollstreckbarkeit dürfen hier wie dort keinem Zweifel unterliegen477. Die dafür vorgesehenen Formen des Fachprozeßrechts sind für eine Übernahme in den Verfassungsprozeß geeignet. Das gilt insbesondere für das schriftliche Vergleichsverfahren analog §§ 278 Abs. 6 ZPO, 106 S. 2 VwGO, das einen Vergleichsschluß außerhalb der im Verfassungsprozeß höchst seltenen478 mündlichen Verhandlung ermöglicht479.

D. Prozeß- und Sachurteilsvoraussetzungen Die Wirksamkeit des Prozeßvergleichs hängt nicht davon ab, daß das zu beendigende Verfahren überhaupt wirksam eingeleitet wurde, und erst recht nicht davon, daß der verfahrenseinleitende Antrag auch zulässig ist. Das gilt im Verfassungsprozeß nicht anders als im fachgerichtlichen Verfahren480. Prozeß- und Sachurteilsvoraussetzungen sind Bedingungen allein für das Ergehen eines Urteils. Der verfassungsgerichtliche Vergleich beendet das Verfahren jedoch gerade ohne ein Urteil. Er ist daher auch dann wirksam, wenn die Verfahrenseinleitung nicht der Form des § 23 Abs. 1 BVerfGG genügte, wenn in der Sache überhaupt keine Zuständigkeit des BVerfG bestand (§ 13 BVerfGG), wenn eine Verfassungsbeschwerde vor Erschöpfung des Rechtswegs erhoben wurde (§ 90 Abs. 2 BVerfGG), wenn Antragsfristen versäumt wurden (§§ 64 Abs. 3, 69, 71 Abs. 3, 73 Abs. 2, 93 Abs. 1 S. 1 BVerfGG) oder wenn ähnliches mehr zu einer Verwerfung des Antrags hätte führen müssen. Prozeß- und Sachurteilsvoraussetzungen sind keine Vergleichsvoraussetzungen.

477

Bonin, Prozeßvergleich, S. 42 f. s. nur Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 69. Vgl. auch oben § 7 C. 479 Vgl. auch BVerfGE 104, 305, wo das Gericht eben diesen Weg gegangen ist; zust. T. I. Schmidt, NVwZ 2002, 925 (929 f.). 480 s. oben § 1 B. III. 478

240

2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

§ 10 Konsequenzen prozessualer oder materiellrechtlicher Unwirksamkeit für den Prozeßvergleich als Ganzes Erweist sich der Prozeßvergleich aus Gründen des materiellen (§ 8) oder aus Gründen des prozessualen Rechts (§ 9) als unwirksam, so führt dies nach herrschender und auch hier vertretener Lehre (Doppelnatur des Prozeßvergleichs)481 grundsätzlich zur Unwirksamkeit des Prozeßvergleichs im Ganzen. Trotz seiner doppelten Rechtswirkung ist der Prozeßvergleich ein einheitliches Rechtsgeschäft und kein Nebeneinander selbständiger Rechtsakte, die unabhängig voneinander bestehen könnten. Die Aufrechterhaltung eines fehlerhaften Prozeßvergleichs als isolierte Prozeßbeendigungshandlung oder als Vergleichsvertrag kommt nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer Umdeutung gegeben sind. Grundlage hierfür ist § 140 BGB, wonach ein nichtiges Rechtsgeschäft in veränderter Form Geltung hat, soweit dies dem Parteiwillen entspricht und rechtlich möglich ist. Diese Rechtsregel gilt nicht nur auf dem Gebiet des Privatrechts, sondern – über § 62 S. 2 VwVfG bzw. als allgemeiner Rechtsgedanke482 – auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, also auch für verwaltungs- und verfassungsrechtliche Vergleichsverträge und für Prozeßhandlungen483. Ihre Anwendung führt bei rein prozessualen Wirksamkeitsdefiziten regelmäßig zur Konversion des Prozeßvergleichs in einen materiellrechtlichen Vergleichsvertrag484. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, daß die Parteien materielle Streitbereinigung auch ohne Verfahrensbeendigung und ohne Vollstreckbarkeit wünschen, wenn letzteren verfahrensrechtliche Hindernisse entgegenstehen. Dies gilt indes nicht auch im umgekehrten Fall. Ist der verfassungsgerichtliche Vergleich aus Gründen des materiellen Rechts unwirksam, so kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß die Parteien zumindest einer Verfahrensbeendigung zugestimmt hätten. Materielle Bereinigung ist regelmäßig Bedingung für die Beendigung des Rechtsstreits. Materiellrechtliche Wirksamkeitsdefizite bedeuten daher grundsätzlich eine Unwirksamkeit des Prozeßvergleichs in toto.

481

s. oben § 1 A. I. Schimpf, Vertrag, S. 300. 483 Busche, in: MüKo BGB, § 140, Rdn. 10; Hefermehl, in: Soergel, BGB, § 140, Rdn. 29; Palm, in: Ermann, BGB, § 140, Rdn. 3. 484 T. I. Schmidt, NVwZ 2002, 925 (930). 482

§ 11 Rechtswirkungen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

241

§ 11 Die Rechtswirkungen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs Der wirksame verfassungsgerichtliche Vergleich hat drei Rechtsfolgen. Er bereinigt das streitige materielle Recht (A.), er beendigt das verfassungsgerichtliche Verfahren (B.) und er führt zur Vollstreckbarkeit der vertraglich festgestellten Pflichten (C.).

A. Neuregelung der materiellen Rechtslage Als materielles Rechtsgeschäft bereinigt der verfassungsgerichtliche Vergleich ungewisse oder streitige Rechtsfolgen des Verfassungsrechts. Wie gesehen, bedient er sich dabei gewöhnlicher Operationen des allgemeinen Vertragsrechts. Bereinigung im Verfassungsprozeß ist Bereinigung mit den Mitteln des allgemeinen Vertragsrechts. Im Bereich der Organ- und Verbandskompetenzen besteht diese Bereinigung in der Überlagerung streitiger Verfassungsrechtssätze durch Vertragsnormen485. Das ist ein aus dem Verwaltungsrecht wohlbekannter Bereinigungsmechanismus, der auch im Staatsorganisationsrecht funktioniert, soweit die Bestandskraft des Vertrags als Formtypus auch auf diesem Rechtsgebiet reicht. Im Bereich der Grundrechte ist der Prozeßvergleich im Regelfall ein gewöhnlicher Vergleich auf dem Gebiet des Verwaltungs- oder des Privatrechts. Er bereinigt einfachgesetzlich mediatisiertes Verfassungsrecht mit Hilfe von Änderungsverträgen, Schuldbegründungen, Rechtsübertragungen oder der Überlagerung ungewisser Verwaltungsrechtsnormen486. Nur im Ausnahmefall ist der grundrechtsbereinigende Vergleichsvertrag verfassungsrechtlicher Natur. Dann nämlich, wenn er die Grundrechtswidrigkeit eines Gesetzes im Wege eines Normsetzungsvertrags bereinigt487.

B. Verfahrensbeendigung Als Prozeßhandlung beendigt der Prozeßvergleich ein schwebendes verfassungsgerichtliches Verfahren. Bedenkt man die materiell bereinigungsfähigen Vergleichsgegenstände, so wird es sich im Regelfall um ein Organstreitverfahren, eine föderative Streitigkeit, eine Verfassungsbeschwerde oder eine abstrakte Normenkontrolle handeln. Die Beendigung konkreter Normenkontrollverfahren ist (wegen

485 486 487

Vgl. oben § 6 A. III. und § 6 B. II. Vgl. oben § 6 C. I. und II. Vgl. oben § 6 C. III.

242

2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

der Alleindispositionsbefugnis des vorlegenden Gerichts) im Wege eines Prozeßvergleichs unmöglich488. Beendet wird grundsätzlich nur der Verfassungsprozeß. Im Falle einer Verfassungsbeschwerde führt dies zu einem besonderen Problem. In aller Regel liegt hier bereits ein letztinstanzliches fachgerichtliches Urteil vor, in dem die unbereinigte Rechtslage zwischen den Vergleichsparteien rechtskräftig feststellt wird (Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG). Der Prozeßvergleich kann dieses Urteil nicht aufheben. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht Teil des fachgerichtlichen Instanzenzugs, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf. Ihre Beendigung durch einen Prozeßvergleich hat daher keinerlei Auswirkungen auf die Rechtskraft vorangegangener fachgerichtlicher Urteile. Eine vertragsbrüchige Vergleichspartei könnte diesen Umstand ausnutzen. Sie könnte die Zwangsvollstreckung aus dem letztinstanzlichen Urteil betreiben, soweit dessen Feststellungen zu ihren Gunsten von den Regelungen des verfassungsgerichtlichen Prozeßvergleichs abweichen. Dem Gegner bliebe nur die Vollstreckungsgegenklage (§§ 767 ZPO, 167 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Parteien sind gut beraten, diesem Fall vorzubeugen, indem sie den Prozeßvergleich um eine Abrede über den Verbleib abweichender Titel ergänzen. Zweckmäßig dürfte eine Regelung sein, die den Sieger des fachgerichtlichen Ausgangsverfahrens zur Herausgabe seines Titels verpflichtet.

C. Vollstreckbarkeit Das Fachprozeßrecht beschränkt die Wirkungen des Prozeßvergleichs nicht auf die Beendigung des Verfahrens. Soweit der Vergleich einen vollstreckbaren Inhalt hat, kommt ihm nach allgemeinem Verfahrensrecht die Eigenschaft eines Vollstreckungstitels zu (§§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, 168 Abs. 1 Ziff. 3 VwGO). Auf das Vollstreckungsverfahren sind die allgemeinen Regeln über die Zwangsvollstreckung aus Endurteilen anwendbar (§§ 704 ff. ZPO, 167 ff. VwGO). Es fragt sich, ob Entsprechendes auch für den verfassungsgerichtlichen Vergleich gilt, ob also auch er ein Vollstreckungstitel ist (I.) und, wenn ja, nach welchen Vorschriften sich seine Zwangsvollstreckung richtet (II.). I. Titelfunktion des verfassungsgerichtlichen Vergleichs Dem BVerfGG ist nichts darüber zu entnehmen, ob verfassungsgerichtliche Vergleiche Vollstreckungstitel sind oder nicht. Man wird diese Regelungslücke als planwidrig ansehen müssen. Die Beendigung verfassungsgerichtlicher Verfahren

488

Vgl. oben § 9 A.

§ 11 Rechtswirkungen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

243

durch Prozeßvergleiche ist im geltenden Recht durchaus angelegt489. Die Frage der Vollstreckbarkeit des Vergleichs ist deshalb grundsätzlich regelungsbedürftig. Es spricht vieles dafür, dem verfassungsgerichtlichen Vergleich analog §§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, 168 Abs. 1 Ziff. 3 VwGO Vollstreckbarkeit zuzubilligen. Zum einen besteht hierfür ein evidentes rechtliches Bedürfnis. Der Prozeßvergleich steht ebenso wie das verfassungsgerichtliche Urteil, das er vermeidet, am Ende des Verfahrens und sorgt für eine Bereinigung der vormals umstrittenen Rechtslage. Mit der Bereinigung allein ist dem Rechtsfrieden jedoch nicht immer gedient. Zu den Merkmalen rechtlicher Ordnung gehört nicht nur das Vorhandensein des Rechts, sondern auch dessen Befolgung und damit auch die Möglichkeit seiner zwangsweisen Durchsetzung. Das Recht verlöre seine ordnende Funktion und bliebe ohne Wirkung, wenn Rechtsbrüche ohne Folgen blieben. Zur Verwirklichung des vertraglich festgestellten Rechts bedarf es deshalb nötigenfalls auch staatlichen Zwangs. Die Vollstreckbarkeit des verfassungsgerichtlichen Vergleichs ist daneben auch ein Gebot der Verfahrensökonomie. Es ist nicht einzusehen, warum ein Vergleichsberechtigter zunächst auf dasjenige klagen sollte, was nunmehr offenkundig Recht ist, um dann aus dem stattgebendem Urteil vollstrecken zu können. Soweit ein Prozeßvergleich einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist und Mittel zur Herstellung rechtmäßiger Zustände überhaupt zur Verfügung stehen, wäre es ungerecht und ineffizient, sie den Vertragsparteien vorzuenthalten. Hinzu kommt, daß jedenfalls die meisten Prozeßvergleiche zur Bereinigung streitiger Grundrechtsfolgen in gleicher Form bereits im fachgerichtlichen Ausgangsverfahren (§ 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG) hätten geschlossen werden können und als solche ohne weiteres vollstreckbar gewesen wären. Es ist kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, warum ihnen diese Eigenschaft bei verfassungsgerichtlicher Beurkundung genommen werden sollte.

II. Das anzuwendende Vollstreckungsrecht Wenn der verfassungsgerichtliche Vergleich ein Vollstreckungstitel ist, dann stellt sich die weitere Frage, nach welchen Regeln seine Vollstreckung erfolgen soll. In Betracht kommt ein Rückgriff auf den für Urteile geltenden § 35 BVerfGG (1.) oder auf das allgemeine Vollstreckungsrecht der ZPO und der VwGO (2.). 1. Keine analoge Anwendung des § 35 BVerfGG Aus systematischer Sicht liegt es nahe, das Augenmerk zuerst auf eine analoge Anwendung der für Urteile geltenden Vollstreckungsregeln des BVerfGG zu richten. Der Regelung des § 35 BVerfGG entsprechend hieße dies, die Bestimmung des Vollstreckungsorgans und der zu veranlassenden Vollstreckungsmaßnahmen dem 489

s. oben § 4 B. I.

244

2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Ermessen des BVerfG anheim zu stellen („Das BVerfG kann …“). Normzweck und Interessenlage sprechen allerdings vehement gegen eine analoge Anwendung des § 35 BVerfGG auf die Vollstreckung von Prozeßvergleichen. § 35 BVerfGG ist eine Vollstreckungsregel, die sehr spezifisch auf das verfassungsgerichtliche Urteil zugeschnitten ist. Die Vollstreckung verfassungsgerichtlicher Urteile ist keine Zwangsvollstreckung im herkömmlichen Sinn, also keine Erzwingung oder Ersatzvornahme bestimmter Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen eines widerspenstigen Schuldners. Bei der Vollstreckung verfassungsgerichtlicher Urteile geht es vielmehr im Kern um ein Problem der politischen Folgenbewältigung verfassungsgerichtlicher Erkenntnisse490. Politische Folgenbewältigung meint hier die Umsetzung des vom BVerfG gefundenen Rechts in der Staatspraxis. Die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten liegen regelmäßig nicht in der Überwindung eines entgegenstehenden Willens der Betroffenen, sondern in rechtlichen oder auch nur kognitiven Hindernissen einer befriedigenden Umsetzung des Richterspruchs. Klassisches Beispiel dieses Folgenbewältigungsproblems ist die Korrektur verfassungswidriger Gesetze. Ein für nichtig erklärtes Gesetz kann Rechtsfolgen ausgelöst haben, die beseitigt, oder Vertrauenstatbestände geschaffen haben, die respektiert werden müssen. Wie diese Lage zu meistern ist, ist für den Gesetzgeber aus dem Urteil allein nicht immer ersichtlich. Eben hier greift § 35 BVerfGG, indem es dem Gericht die Möglichkeit verschafft, den Betroffenen zu erläutern, welche Konsequenzen sie aus der Entscheidung zu ziehen haben, und sie bei deren Realisierung zu unterstützen. Es liegt nun auf der Hand, daß die von § 35 BVerfGG vermittelte Vollstreckungskompetenz in bezug auf den Prozeßvergleich weder erforderlich ist noch überhaupt mit seinem Wesen zu vereinbaren ist. Es mag angehen, daß die Betroffenen zur Interpretation eines verfassungsgerichtlichen Urteils auf die Mithilfe des Gerichts angewiesen sind. Daß sie jedoch ohne richterliche Weisungen nicht in der Lage dazu sein sollen, einen selbst ausgehandelten Vergleich fehlerfrei zu vollziehen, leuchtet nicht ein. Die von § 35 BVerfGG angeordnete Vollstreckung nach richterlichem Ermessen ist daher in bezug auf Prozeßvergleiche mit Sicherheit fehl am Platz. 2. Analoge Anwendung fachgerichtlichen Vollstreckungsrechts Wenn somit § 35 BVerfGG als maßgebliche Vollstreckungsregel ausscheidet, verbleibt nur eine analoge Anwendung allgemeinen, d. h. fachprozessualen Vollstreckungsrechts (§§ 704 ff. ZPO, 167 ff. VwGO). Je nach dem Typus des zu vollstreckenden Vergleichs ergeben sich dabei recht unterschiedliche Ergebnisse.

490 So die Formulierung von Lerche in: FS Gitter, S. 509 (510); zust. Roellecke, in: Umbach/ Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 35, Rdn. 12; Bethge in: Maunz, BVerfGG, § 35 (19. Lfg. Oktober 2000), Rdn. 5.

§ 11 Rechtswirkungen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

245

a) Vergleiche zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung Dient der zu vollstreckende Vergleich der Bereinigung behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung (§ 6 A.), so kommt von der Sachmaterie her (verfassungsrechtlicher Vertrag) am ehesten eine analoge Anwendung der Regeln über die Zwangsvollstreckung verwaltungsgerichtlicher Titel in Betracht (§§ 167 ff. VwGO). Zuständiges Vollstreckungsgericht ist danach gemäß § 167 Abs. 1 S. 2 VwGO das Gericht des ersten Rechtszugs. Bei diesem handelt es sich – da als verglichene Verfahren allein Organstreitigkeiten und abstrakte Normenkontrollen in Betracht kommen – um das BVerfG selbst. Gemäß § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO richtet sich die Zwangsvollstreckung nach den Regeln des Achten Buches der ZPO, soweit nicht die VwGO abweichende Regelungen trifft. Als „abweichende Regel“ in diesem Sinne kommt im vorliegenden Zusammenhang allein § 172 VwGO in Betracht (§ 169 VwGO scheidet aus, weil nicht gegen Private, sondern gegen den Staat vollstreckt werden soll; § 170 VwGO, weil die betroffenen Pflichten keine Geldleistungspflichten sind, sondern Pflichten zur Vornahme unvertretbarer Handlungen). § 172 VwGO regelt unmittelbar nur die Vollstreckung behördlicher Pflichten zur Vollzugsfolgenbeseitigung gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO, zum VA-Erlaß gemäß § 113 Abs. 5 VwGO und zur Befolgung einstweiliger Anordnungen nach § 123 VwGO. Pflichten also, die mit den hiesigen offenkundig nichts gemein haben. Sehr streitig ist, ob § 172 VwGO analog auch auf alle anderen, nicht in Geldleistungspflichten bestehenden (§ 170 VwGO) Verpflichtungen der öffentlichen Hand Anwendung finden soll oder ob wegen § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO insoweit auf §§ 883 ff. ZPO zurückzugreifen ist (vorliegend: §§ 888, 890, 894 ZPO)491. Diese Frage kann hier nicht vertieft werden. Je nach der zum Verhältnis des § 172 VwGO zu §§ 883 ff. ZPO eingenommenen Position kommen als Beugemittel entweder Zwangsgelder (§ 172 VwGO) oder aber Zwangs- und Ordnungsgelder sowie Zwangs- und Ordnungshaft in Betracht (§§ 888, 890 ZPO). Umstritten ist, ob diese Beugemittel allein gegen die zur Handlung verpflichtete Behörde zu richten sind (in unserem Fall: gegen das säumige Staatsorgan)492 oder ob sie nicht vielmehr an dem jeweils zuständigen Amtswalter vollzogen werden sollten493. Bejaht man ersteres, so bleibt die Zwangsvollstreckung von Organvergleichen ein ziemlich stumpfes Schwert. Als Beugemittel kommen dann allein Zwangs- und Ordungsgelder in Betracht, die dem gemeinsamen Haushalt der be-

491

Zum Streitstand W. Roth, VerwArch 91 (2000), 12 (16 f.) m.u.N. So die wohl h.M., VGH Mannheim BWVBl. 1995, 191 f.; Hoppe, Organstreitigkeiten, S. 232; Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ders., VwGO, § 172 (Februar 1996), Rdn. 9. 493 So W. Roth, AöR 91 (2000), 12 (39 f.) sowie zumindest bzgl. der Zwangs- und Ordnungsgelder auch Bank, Zwangsvollstreckung, S. 103, 107, 89. 492

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

teiligten Staatsorgane zufließen494 und keinerlei Beugezwang erzeugen. Mangels Beamteneigenschaft der zuständigen Organwalter wird im Regelfall nicht einmal die mittelbare Kompulsion des § 78 Abs. 1 S. 1 BBG gegeben sein. b) Vergleiche zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung Was zu den Inter- und Intra-Organvergleichen gesagt wurde, gilt entsprechend auch für die föderativen Vergleiche (§ 6 B.). Als sachnächste Vollstreckungsregeln sind auch hier diejenigen der VwGO heranzuziehen. Gericht des ersten Rechtszugs und damit Vollstreckungsgericht wäre erneut das BVerfG, denn föderative verfassungsgerichtliche Vergleiche kommen ausschließlich in Verfahren zustande, die bereits erstinstanzlich dem BVerfG zugewiesen sind (Bund-Länder-Streitigkeiten, Zwischen-Länder-Streitigkeiten oder abstrakte Normenkontrollen). Die ungeklärten Streitfragen bezüglich der anzuwendenden Beugemittel und ihrer Adressaten setzen sich auch hier ins Verfassungsprozeßrecht fort. c) Vergleiche zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte Differenzierter Betrachtung bedarf die Vollstreckung grundrechtsfolgenbereinigender Vergleiche (§ 6 C.). Im Regelfall wird es sich um Vergleiche handeln, die im Verfahren einer Verfassungsbeschwerde zustande gekommen sind, und zwar in einem solchen, dem ein fachgerichtliches Ausgangsverfahren vorangegangen war (§ 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG). Es erscheint sachgerecht, bei der Vollstreckung dieser Vergleiche jeweils dasjenige Rechtsregime (ZPO oder VwGO) zur Anwendung zur bringen, das bei dem jeweiligen Ausgangsgericht praktiziert wird. Übereinstimmend nämlich legen ZPO und VwGO die Zuständigkeit für eine Reihe von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in die Hände des mit dem Streitstoff vertrauten Prozeßgerichts des ersten Rechtszugs. Als solches kommt hier nur das Gericht des Ausgangsprozesses in Betracht, und es wäre kaum sinnvoll, diesem bei der Vollstreckung des Vergleichs irgendein anderes Vollstreckungsrecht aufzugeben als sein eigenes. Für die eigentliche Zwangsvollstreckung der zumeist privat- oder verwaltungsrechtlichen Vergleiche gelten dann die allgemeinen Regeln (§§ 704 ff. ZPO, 167 ff. VwGO). Im Ausnahmefall kann der Vergleich aus einem Verfassungsprozeß herrühren, dem kein fachgerichtliches Ausgangsverfahren vorangegangen war. Dies ist zum 494 Vgl. nur Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ders., VwGO, § 172 (Februar 1996), Rdn. 46; Gruber, in: MüKo ZPO, § 888, Rdn. 31; § 890, Rdn. 38.

§ 12 Streitigkeiten über den Prozeßvergleich

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einen dann der Fall, wenn der Vergleich eine Verfassungsbeschwerde erledigte, die gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 BVerfGG vor Ausschöpfung des Rechtswegs zur Entscheidung angenommen wurde, zum anderen dann, wenn der Vergleich in einer anderen Verfahrensart als der Verfassungsbeschwerde zustandekam, etwa im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle. In diesen Fällen muß als sachnächstes Vollstreckungsrecht wiederum das Vollstreckungsrecht der VwGO zur Anwendung kommen. Zuständig für die einzelnen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ist dann gemäß § 167 Abs. 1 S. 2 VwGO das BVerfG. d) Vergleiche zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts Müßig ist jede Diskussion über die Möglichkeiten einer Zwangsvollstreckung aus Vergleichen über die Rechtsfolgen des Wahl- und Mandatsrechts. Wie wir gesehen hatten, sind Vergleiche dieser Art aufgrund des materiellen Rechts nicht denkbar. Die Frage ihrer Vollstreckung ist damit ohne praktische Relevanz.

§ 12 Streitigkeiten über den Prozeßvergleich Obwohl der verfassungsgerichtliche Vergleich dazu bestimmt ist, Streit und Ungewißheit zu beseitigen, kann es vorkommen, daß die in ihm eingegangenen Pflichten oder gar sein Bestehen selbst Anlaß zu neuerlichem Streite geben. Welchen Inhalt der verfassungsgerichtliche Vergleichsvertrag hat und unter welchen Bedingungen er wirksam ist, wurde in § 6 und § 8 abgehandelt. Ungeklärt blieb bislang die Frage, vor welchem Gericht und gegebenenfalls in welchem Verfahren Streitigkeiten über den Prozeßvergleich auszutragen sind. Bei ihrer Beantwortung empfiehlt sich eine Unterscheidung zwischen Streitigkeiten über die Durchsetzung der vergleichsweise begründeten Rechte und Pflichten (A.) und Streitigkeiten über das wirksame Zustandekommen oder den nachträglichen Wegfall des Prozeßvergleichs (B.).

A. Durchsetzung der vergleichsweise begründeten Rechte und Pflichten I. Praktische Relevanz Wie andere Verträge auch, müssen verfassungsgerichtliche Vergleiche abgewickelt bzw. erfüllt werden. Weigert sich eine Vergleichspartei, ihren Verpflichtungen aus dem Prozeßvergleich nachzukommen, wird die Gegenseite es unter Umständen für geboten halten, vertragsgemäßes Verhalten einzuklagen.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Im allgemeinen dürfte Erfüllungsklagen dieser Art keine besondere Bedeutung zukommen. Der verfassungsgerichtliche Vergleich ist, wie gesehen, ein Vollstreckungstitel. Im Grundsatz kann daher jede Partei die ihr gegebenen vertraglichen Rechte sofort durchsetzen, ohne zuvor ein gerichtliches Urteil erstreiten zu müssen. Klagen aus verfassungsgerichtlichen Vergleichen sind in erster Linie dann zu erwarten, wenn der Prozeßvergleich keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Vertrag die bereinigte Rechtslage nicht in Form konkreter Gebote, Verbote oder Erlaubnisse der Parteien formuliert, sondern sie einem Subsumtionsprozeß überläßt. Betroffen sind hier vor allem die Organ- und Föderativvergleiche (§ 6 A. und B.). Unsere Überlegungen zum Inhalt dieser Vergleiche hatten gezeigt, daß es hier oftmals weniger um die Rückgängigmachung der ursprünglich gerügten Maßnahmen geht als um die Vermeidung neuerlicher Kompetenzkonflikte durch ähnliche Maßnahmen495. Der Inhalt der betreffenden Vergleichsvereinbarungen besteht demnach auch weniger in konkreten Störungsbeseitigungs- oder Unterlassungsansprüchen als vielmehr in einer Art Vertragsrechtssatz. Zu welchen konkreten Leistungen, Duldungen oder Unterlassungen sich die Parteien hier im einzelnen verpflichtet haben, ist erst durch Auslegung des Vergleichs in Ansehung der bei Vertragsschluß noch unbekannten Sachverhalte zu ermitteln und daher denkbar streitträchtig. II. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Organkompetenzordnung Die gerichtliche Zuständigkeit und die zu wählende Rechtsschutzform für Klagen aus dem Vergleichsvertrag richten sich nach allgemeinen Regeln. Je nach dem Inhalt des Vergleichs und den beteiligten Parteien ergeben sich hier sehr unterschiedliche Ergebnisse. Vergleichsverträge zur Bereinigung behaupteter Kompetenzverletzungen zwischen und innerhalb der obersten Staatsorgane sind innerorganisatorische Verträge auf dem Gebiet des Verfassungsrechts496. Für die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen aus derartigen Verträgen fehlt es nach heute ganz herrschender Meinung an einem Rechtsweg497. Die Anrufung des BVerfG scheitert, weil keine der im GG und in § 13 BVerfGG abschließend geregelten Zuständigkeiten eingreift. Die Rechte und Pflichten aus einem verfassungsrechtlichen Vertrag sind keine Rechte und 495

Vgl. oben § 6 A. I. und § 6 B. I. Vgl. oben § 8. A. I. 497 Die Problematik ist besonders eingehend für Koalitionsvereinbarungen erörtert worden, vgl. Sasse JZ 1961, 719 (726 ff.); Schenke in: BK, Art. 63 (37. Lfg. November 1977), Rdn 22 ff. Entsprechend verläuft die Diskussion bei den interfraktionellen Vereinbarungen: Wer sie überhaupt für rechtsverbindliche Verträge hält (s. o. § 8. A. II. 2. a), Fn. 223), verneint die Klagbarkeit aus den o.g. Gründen, vgl. Dammholz, Vereinbarung, S. 80 ff. 103; Schwerin, Geschäftsordnungsgeber, S. 294. 496

§ 12 Streitigkeiten über den Prozeßvergleich

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Pflichten „aus dem GG“ (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG) und daher als solche nicht im Wege eines Organstreitverfahrens einklagbar498. Die Verwaltungsgerichte sind nicht zuständig, weil Streitigkeiten aus verfassungsrechtlichen Verträgen doppelt verfassungsunmittelbar sind (sowohl nach den Beteiligten als auch nach dem Streitgegenstand) und deshalb nicht unter § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO fallen499. Die subsidiäre Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nach Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG greift nicht ein, weil die Vertragsparteien Staatsorgane sind und somit nicht zu den von Art. 19 Abs. 4 GG berechtigten Grundrechtsträgern gehören500. Zu einer gerichtlichen Erzwingung des vertraglich gesetzten Rechts kann es nur dadurch kommen, daß eine Vertragspartei das Verhalten ihres Gegenübers nicht als Vertragsverletzung rügt, sondern als Verletzung ihrer durch das GG verliehenen Kompetenzen (Organstreitverfahren, Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG). Zwar hat das BVerfG in diesem Falle nach dem Wortlaut des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG nur die Vereinbarkeit der betreffenden Maßnahme oder Unterlassung mit „diese[m] GG“ zu überprüfen; die ergänzende Hinzuziehung des Vergleichs als Rechtsmaßstab der Entscheidung erscheint jedoch zwingend. Der Grund liegt darin, daß (wirksame) verfassungsrechtliche Verträge die Rechtssätze der Verfassung überlagern und sie als Maßstab der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Verfassungsorgane ersetzen501. Es geht daher nicht an, eine Entscheidung anhand von Rechtsnormen zu fällen, deren Geltung in Wahrheit durch Vertragsnormen abgeschirmt wird502. Will man sich dem nicht anschließen, so bleibt nur, den Vergleichsparteien von vornherein die Einsetzung eines Schiedsgerichts anzuempfehlen, das über eventuelle Vertragsverletzungen richten soll. Die verfassungsgerichtliche Praxis scheint diesen Weg für gangbar zu halten – sie hat mehrfach entsprechende Vereinbarungen in die betroffenen Vertragswerke aufgenommen503.

Überzeugend Sasse, JZ 1961, 719 (728). Vgl. nur v. Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 40, Rdn. 3; Rennert, in: Eyermann/ Fröhler, VwGO, § 40, Rdn. 26. 500 Heute ganz h.M., vgl. Bethge, AöR 104 (1979), 265 (293 ff.); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 (42. Lfg. Februar 2003.), Rdn. 148; Schenke, in: BK, Art. 19 Abs. 4 (46. Lfg. Dezember 1982), Rdn. 31 ff.; beiläufig auch BVerfGE 39, 302 (316); offengelassen in BVerwGE 61, 82 (109). A.A. noch Bettermann, in: ders./Nipperdey/Scheuner, Grundrechte, Bd. III/2, S. 779 (786); Hendrichs, in: v. Münch, GG, Art. 19 IV, Rdn. 41. 501 Vgl. oben § 6 A. III. 502 Wie hier Schwerin, Geschäftsordnungsgeber, S. 294. Ebenso die h.L. im Verwaltungsrecht, s. o. § 2 B. II. 1. 503 Vgl. BVerfGE 104, 305 (309 f.); Stiebeler, JöR n.F. 35 (1986), 229 (239); vgl. auch Dammholz, Vereinbarung, S. 85 ff. 498

499

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

III. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Verbandskompetenzordnung Kompliziert liegen die Dinge auch im Bereich der föderativen Vergleichsverträge. Wir hatten die Ansprüche aus derartigen Verträgen als verfassungsrechtlich qualifiziert, und zwar auch dann, wenn das Vertragswerk im übrigen schwerpunktmäßig verwaltungsrechtliche Regelungen enthält504. Bezüglich des Rechtswegs ist zu unterscheiden, ob (vertikale) Vergleichsverträge zwischen Bund und Ländern in Rede stehen oder ob (horizontale) Verträge allein zwischen den Ländern betroffen sind. Die Justiziabilität von Verträgen im Bund-Länder-Verhältnis ist zweifelhaft. Sicher ist, daß der Weg einer Bund-Länder-Streitigkeit nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 3 GG den Vergleichsparteien hier verschlossen ist. Ebenso wie im Organstreitverfahren kann im Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 3 GG nur die Verletzung grundgesetzlich verliehener Kompetenzen geltend gemacht werden. Die Verletzung vertraglicher Rechte dagegen genügt nicht; auch dann nicht, wenn es sich um einen verfassungsrechtlichen Vertrag handelt505. Fraglich ist aber, ob ein Bund-Länder-Streitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4 Alt. 1 GG zulässig wäre. Die Antwort hängt davon ab, was man unter den „anderen“ öffentlichrechtlichen Streitigkeiten verstehen will, von denen Ziff. 4 spricht. Die herrschende Lehre sieht in Ziff. 3 und 4 Alt. 1 und 2 ein Zuständigkeitssystem entlang der Achsen „Beteiligte“ (Bund-Land oder Land-Land) und „Streitstoff“ (Verfassungsrecht oder Verwaltungsrecht). In diesem System soll Ziff. 4 Alt. 2 die Regelung für sämtliche Zwischen-Länder-Streitigkeiten darstellen (verfassungsrechtliche und verwaltungsrechtliche). Die Ziff. 3 und 4 Alt. 1 dagegen sollen die Zuständigkeiten für Bund-Länder-Streitigkeiten regeln; Ziff. 3 diejenige für verfassungsrechtliche, Ziff. 4 Alt. 1 diejenige für verwaltungsrechtliche Streitstoffe506. 504

Vgl. oben § 8 B. I. A.A. Klein in: Benda/ders., Verfassungsprozeßrecht, Rdn. 1066 unter Berufung auf die vom BVerfG häufig benutzte Wendung vom „materiellen Verfassungsrechtsverhältnis“, das den Rahmen des Bund-Länder-Streits i.S.v. Art. 93 Abs. 1 Ziff. 3 GG bilde (vgl. etwa E 13, 54 [72]). Verfassungsrechtliche Verträge sollen nach Klein ein materielles Verfassungsrechtsverhältnis begründen, weil sie Verfassungsrecht im materiellen Sinne seien. Dagegen ist zweierlei einzuwenden: Zum einen versteht die h.L. unter dem Begriff des materiellen Verfassungsrechts i. allg. nur Rechtsnormen, nicht auch Verträge. Zum anderen ist sehr zweifelhaft, ob das BVerfG mit dem Begriff des materiellen Verfassungsrechtsverhältnisses tatsächlich auf das Verfassungsrecht im materiellen Sinne zielt. Das Gericht hat den Begriff jedenfalls noch nie näher definiert (so ausdrücklich BVerfGE 109, 1 [6]) und es hat v. a. niemals behauptet, daß ein verfassungsrechtlicher Vertrag ein materielles Verfassungsrechtsverhältnis begründe. Das Gericht spricht jedenfalls auch dann von einem materiellen Verfassungsrechtsverhältnis, wenn es in Wahrheit die Verletzung formellen Verfassungsrechts (i. e. Rechte aus dem GG) meint, vgl. etwa E 92, 203 (226). 506 Leisner, in: FG BVerfG, Bd. I, S. 260 (274 ff.); Schlaich/Korioth, BVerfG, Rdn. 106; Stern, in: BK, Art. 93 (Zweitbearbeitung März 1982), Rdn. 376, 341 ff.; im Grundsatz auch Löwer, in: Isensee/Kirchhof, HStR, Bd. III (3. Aufl.), § 70, Rdn. 34, 48, der allerdings bzgl. der 505

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Folgt man dem, so versagt man Klagen aus verfassungsrechtlichen föderativen Verträgen den Rechtsweg. Art. 93 Abs. 1 Ziff. 3 GG ist nicht einschlägig, weil er verfassungsrechtliche Streitigkeiten auf Rechte „aus dem GG“ beschränkt, verletzte Vertragsrechte aber nicht zum Streite zuläßt. Ziff. 4 Alt. 1 greift nicht ein, weil es sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handelt, Ziff. 4 Alt. 1 jedoch nur verwaltungsrechtliche Streitigkeiten erfaßt. Ziff. 4 Alt. 2 scheidet aus, weil es sich um Bund-Länder-Streitigkeiten handelt, Ziff. 4 Alt. 2 aber nur Gliedstaatenkonflikte erfaßt. Gegen eine solche Lesart der Ziff. 3 und 4 spricht jedoch – neben der aufgezeigten Rechtsschutzlücke – die Funktion des BVerfG als Spezialgericht für Verfassungsfragen507. Es ist nicht einzusehen, warum Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4 GG dem BVerfG die Entscheidung bloßer Verwaltungsrechtsstreitigkeiten anvertrauen sollte. Überzeugender ist es, Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4 GG entgegen der herrschenden Lehre als Rechtsweg in materiell verfassungsrechtlichen Streitigkeiten anzusehen, also in Streitstoffen, die sich nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz (i. e. aus formellem Verfassungsrecht) ergeben, sondern aus „anderem“ Verfassungsrecht508. Verfassungsrechtliche föderative Verträge sind nachgerade der Hauptfall solch materiellen Verfassungsrechts509. Die sie betreffenden Streitigkeiten können demnach als andere Bund-Länder-Streitigkeiten vor dem BVerfG ausgetragen werden (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4 Alt. 1 GG). Vergleichsverträge zwischen den Ländern unterliegen im Streitfalle nach allgemeiner Ansicht der Rechtsprechung des BVerfG im Zwischen-Länder-Streit (Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4 Alt. 2 GG). Anders als im Bund-Länder-Streit nach Ziff. 3, in dem nur über grundgesetzliche Rechte und Pflichten zu streiten ist, kann im Zwischen-Länder-Streit unstreitig auch die Verletzung vertraglicher Rechte geltend gemacht werden510. IV. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen der Grundrechte Vergleichsverträge zur Bereinigung behaupteter Verletzungen der Grundrechte sind, wie gesehen, im Regelfall privatrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher

hier interessierenden verfassungsrechtlichen Bund-Länder-Verträge eine Ausnahme machen will und sie (systemwidrig) der Zuständigkeit nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4 Alt. 1 GG unterwirft. 507 Vgl. oben § 5 A. mit Fn. 31. 508 Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 93, Rdn. 151; Bethge, in: Maunz, BVerfGG, § 71 (15. Lfg. April 1997), Rdn. 17. 509 Vgl. Bethge, in: Maunz, BVerfGG, § 71 (15. Lfg. April 1997), Rdn. 45 ff., 47. 510 Vgl. etwa BVerfGE 3, 267 (278 f.); 4, 250 (267); 22, 221 (231 ff.); 34, 216 (226); 38, 231 (237) betr. Streitigkeiten um die Rechte untergegangener Gliedstaaten aus den jeweiligen (verfassungsrechtlichen) Eingliederungsverträgen.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

Natur511. Ihre Erfüllung oder die Feststellung einzelner Rechtsfolgen aus dem vertraglichen Rechtsverhältnis ist in diesem Falle unproblematisch mittels Leistungsoder Feststellungsklagen bei den ordentlichen Gerichten (privatrechtlicher Vertragsinhalt, § 13 GVG) oder bei den Verwaltungsgerichten geltend zu machen (verwaltungsrechtlicher Vertragsinhalt, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO). Für solche Klagen dürfte indes, wie gesagt, nur selten ein echtes Bedürfnis bestehen. Der Vergleich ist analog §§ 794 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, 168 Abs. 1 Ziff. 3 VwGO sofort vollstreckbar512. Sofern der Vergleich inhaltlich ein verfassungsrechtlicher Normsetzungsvertrag ist (was selten vorkommen wird513), kommt zur Erzwingung der versprochenen Gesetzesinitiative eine allgemeine Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten in Betracht. Fraglich ist allerdings, ob bei einer Inpflichtnahme der Regierung zur Gesetzesinitiative tatsächlich der Verwaltungsrechtsrechtsweg eröffnet ist. Dies wäre abzulehnen, wenn Streitigkeiten dieser Art als „verfassungsrechtlich“ im Sinne § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO zu qualifizieren wären. Herrschender Meinung zufolge ist eine Streitigkeit nur dann verfassungsrechtlich im Sinne von § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO, wenn zwei Bedingungen kumulativ erfüllt sind. Zum einen muß die streitentscheidende Norm dem Verfassungsrecht angehören. Zum anderen muß der Streit zwischen Parteien geführt werden, die unmittelbar am Verfassungsleben beteiligt sind; Streitigkeiten zwischen einem Bürger und einem Verfassungsorgan sind demnach niemals verfassungsrechtlicher Art (Theorie der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit)514. Nach diesen Kriterien wären die hier betroffenen Streitigkeiten um die Erfüllung eines Normsetzungsvertrags zwischen der Regierung und einem Grundrechtsträger als nichtverfassungsrechtliche Streitigkeiten im Sinne von § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO anzusehen515. Zwar ist der Streit selbst verfassungsrechtlicher Natur, weil er durch eine Rechtsquelle entschieden wird, welche verfassungsrechtliche Regelungen unmittelbar überlagert und somit ersetzt (verfassungsrechtlicher Vertrag). Jedoch ist nur eine der beiden Streitparteien, nämlich die Regierung, am Verfassungsleben formell beteiligt. Die grundrechtstragende Vertragspartei wird nicht schon dadurch Teil der Staatsorganisation, daß sie Einfluß auf eine Gesetzesinitiative nimmt516. Mangels doppelter Verfassungsun-

511

Vgl. oben § 8 C. I. Vgl. oben § 11 C. II. 2. 513 Vgl. oben § 8 C. III. 4. b). 514 BVerwGE 51, 69 (71); 36, 218 (227 f.); BVerwG NJW 1976, 637 (638); 1976, 1648; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 11, Rdn. 49; Nicolai, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 40, Rdn. 3; Schmidt-Glaeser/Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rdn. 56; Tettinger/Wahrendorf, Verwaltungsprozeßrecht, § 9, Rdn. 25; Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, Rdn. 161. 515 Becker, Strukturen, S. 277, Fn. 106. 516 Dies wäre erst dann der Fall, wenn die Einflußnahme in einem Verfahren erfolgt, in dem das Volk unmittelbar als Verfassungsorgan beteiligt ist, etwa bei einem Volksbegehren, vgl. VGH München NVwZ 1991, 386; OVG Münster NJW 1974, 1671; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 11, Rdn. 51. 512

§ 12 Streitigkeiten über den Prozeßvergleich

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mittelbarkeit wäre für eine Klage auf Erfüllung des Normsetzungsvertrags daher der Verwaltungsrechtsweg eröffnet517. Zu einem anderen Ergebnis kommt, wer mit einer im Schrifttum vertretenen Meinung die Verfassungsrechtlichkeit eines Streits bereits dann bejaht, wenn lediglich eine Streitpartei, nämlich der Beklagte, ein Verfassungsorgan ist und als solches aus einer verfassungsrechtlich begründeten Pflicht in Anspruch genommen wird (materielle Subjektstheorie)518. Nach dieser Lehre müßte es für die Annahme einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit in Fällen der vorliegenden Art genügen, daß um Verpflichtungen der Regierung als Verfassungsorgan aus einer die Verfassung überlagernden Rechtsquelle gestritten wird. Eine verwaltungsgerichtliche Verfolgung der betreffenden „verfassungsrechtlichen“ Ansprüche wäre damit ausgeschlossen. Da der Vertrag jedoch unzweifelhaft ein subjektives Recht des Grundrechtsträgers gegen den Staat begründet, wäre eine Klage vor den ordentlichen Gerichten zulässig (Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG) – ein Ergebnis, das angesichts der größeren Sachnähe der Verwaltungsgerichte zum Streitstoff kaum befriedigen kann519.

V. Vergleichsverträge zur Bereinigung der Rechtsfolgen behaupteter Verletzungen des Wahl- und Mandatsrechts Keinerlei Anlaß für Erfüllungsklagen jedweder Art bieten Vergleichsverträge zur Bereinigung von Streit und Ungewißheit über die Rechtmäßigkeit eines Mandatserwerbs oder über die Rechtmäßigkeit des Fortbestehens eines Mandats. Verträge dieser Art sind nach den Ergebnissen der bisherigen Untersuchung generell-abstrakt unzulässig und daher unter allen Umständen nichtig520.

B. Feststellung der Unwirksamkeit oder des nachträglichen Wegfalls des Vergleichs Streitigkeiten um den Prozeßvergleich sind nicht allein auf die vertraglich festgestellten Rechte und Pflichten beschränkt, sondern können bereits die vorgelagerte Frage betreffen, ob der Vergleich überhaupt wirksam zustande gekommen ist und 517

Anders aber inkonsequenterweise BVerwGE 80, 355 (358), wo lediglich auf die verfassungsrechtliche Qualität der streitentscheidenden Normen abgestellt wird, der verfassungsrechtliche Status der Beteiligten aber außer Acht bleibt; zu Recht kritisch Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 40 (Februar 1996), Rdn. 145, 147; Kopp/ Schenke, VwGO, § 40, Rdn. 32a. 518 Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 40 (Februar 1996), Rdn. 143, 149 ff.; zust. Rennert, in: Eyermann/Fröhler, § 40, Rdn. 21; Sodan, in: ders./Ziekow, VwGO, § 40, Rdn. 215; ders., NVwZ 2000, 601 (607); ähnlich Kopp/Schenke, VwGO, § 40, Rdn. 32d. 519 Dies einräumend Sodan, in: ders./Ziekow, VwGO, § 40, Rdn. 188. 520 Vgl. oben § 8 D. III.

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

weiterhin fortbesteht. Im Gegensatz zu den Erfüllungsklagen ist die gerichtliche Zuständigkeit hier eindeutig. Streitigkeiten über die Wirksamkeit des Prozeßvergleichs sind immer vor dem BVerfG auszutragen, und zwar durch Fortsetzung des ursprünglichen, nur vermeintlich beendeten Verfahrens. Das gilt sowohl bei prozessualen Wirksamkeitsdefiziten wie auch bei materiellrechtlichen. Die Geltendmachung prozessualer Unwirksamkeit ist faktisch ein Bestreiten der Prozeßbeendigung. Gleiches gilt – wegen der Einheitlichkeit des Prozeßvergleichs als Rechtshandlung521 – auch für die Behauptung materiellrechtlicher Mängel. Eine materiellrechtlich induzierte Unwirksamkeit des Vergleichs verhindert grundsätzlich auch seine Wirksamkeit als Prozeßhandlung522. Wenn aber der Ausgangsprozeß infolge der (materiellrechtlichen oder prozessualen) Unwirksamkeit des Prozeßvergleichs nicht beendet wurde, dann muß er zunächst zuende geführt werden, bevor ein neues Verfahren angestrengt werden kann. Das folgt nicht nur aus dogmatischen Gründen, sondern auch aus teleologischen. Es wäre wenig prozeßökonomisch, die Vergleichsparteien zur Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs auf ein neuerliches Verfahren zu verweisen. Dies um so mehr, als jedenfalls die Feststellung der Unwirksamkeit grundrechtsbereinigender Vergleichsverträge immer in die Zuständigkeit Fachgerichte fallen würde (vgl. oben A. 4.), die mit dem konkreten Vergleichsvertrag aber überhaupt nichts zu tun haben.

§ 13 Kostenfragen Ebenso wie im fachgerichtlichen Verfahren stellt sich auch im Verfassungsprozeß die Frage nach den Kostenfolgen des Prozeßvergleichs. In den fachgerichtlichen Verfahrensordnungen wird sie durch Sonderregeln entschieden. Sofern die Parteien nichts Abweichendes vereinbaren, ordnen §§ 98 ZPO, 160 VwGO eine Teilung der Gerichtskosten (Aufhebung, §§ 92 Abs. 1 ZPO, 155 Abs. 1 S. 2 VwGO) und einen Selbstbehalt der eigenen Auslagen an. Die Sinnhaftigkeit dieser Regelung erschließt sich, wenn man bedenkt, welch eigenartige Konsequenzen eine Kostenverteilung nach allgemeinen Grundsätzen beim Prozeßvergleich nach sich ziehen müßte. Wollte man das formale Erfolgsprinzip zugrundelegen (§§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, 155 Abs. 1 S. 1 VwGO), so müßte die Kostenpflicht der Parteien nach Maßgabe ihres gegenseitigen Nachgebens bestimmt und damit der ursprüngliche Streit wiederaufgerollt werden – ein Vorgehen, das die Parteien aber gerade vermeiden wollen. Das gleiche Problem ergäbe sich, wenn man die Prozeßbeendigungshandlung als übereinstimmende Erledigungserklärung qualifizieren wollte (Kostenentscheid nach dem bisherigen Sach- und Streitstand, §§ 91a Abs. 1, 161 Abs. 2 S. 1 VwGO). Die 521 522

Vgl. oben § 1 A. I. s. oben § 10 und § 1 A. I.

§ 13 Kostenfragen

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Einordnung als Klagerücknahme andererseits hätte die einseitige Kostenpflicht des Klägers zur Folge (§§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, 155 Abs. 2 VwGO) – ein Ergebnis, das weder gerecht noch besonders vergleichsförderlich erscheint. §§ 98 ZPO, 160 VwGO vermeiden eine Entscheidung zwischen diesen wenig interessengerechten Alternativen zugunsten einer pragmatischen und für die Parteien im Ernstfall dispositiven Kostenteilung. Im Verfassungsprozeßrecht fehlt eine Sonderregelung über die Kostenfolgen des Prozeßvergleichs. Es liegt daher nahe, die vermeintliche Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der §§ 98 ZPO, 160 VwGO zu schließen. Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch, daß anders als im Fachprozeßrecht die Anwendung allgemeiner Kostengrundsätze im Verfassungsprozeß durchaus zu plausiblen Ergebnissen führt. Man wird daher annehmen müssen, daß das Verfassungsprozeßrecht hinsichtlich der Kostenfolgen des Prozeßvergleichs eine abschließende Regelung enthält. Zu einer Rechtsgewinnung per analogiam besteht damit keine Veranlassung. Die Kostengrundsätze des Verfassungsprozeßrechts lassen sich auf zwei Grundregeln zurückführen523. Erstens: Das Verfahren ist kostenfrei. Es entstehen also keinerlei Gerichtskosten (§ 34 Abs. 1 BVerfGG). Zweitens: Alle Beteiligten tragen ihre eigenen Auslagen selbst. Außergerichtliche Kosten werden zwischen den Beteiligten nicht erstattet (§ 34a BVerfGG). Beide Regeln kennen nur wenige Ausnahmen. Nach § 34 Abs. 2 BVerfGG kann das BVerfG den Antragstellern mutwilliger Verfassungsbeschwerden, Wahlprüfungs- oder einstweiliger Rechtsschutzverfahren Gerichtskosten in Form von Mißbrauchsgebühren auferlegen (Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit). Nach § 34a BVerfGG sind außergerichtliche Kosten des Obsiegenden ausnahmsweise zu erstatten, wenn ein Anklage- oder ein Grundrechtsverwirkungsverfahren sich als unbegründet erweist (Abs. 1), wenn eine Verfassungsbeschwerde Erfolg hatte (Abs. 2) oder wenn besondere Billigkeitsgründe dies gebieten (Abs. 3) (Ausnahme vom Grundsatz des Selbstbehalts eigener Auslagen). Diese Regeln gelten bei allen Verfahrensausgängen – bei Urteilen ebenso wie im Falle der Rücknahme eines Antrags524 oder bei der verfahrensbeendigenden Erledigungserklärung525. Wendet man sie auf den Prozeßvergleich an, so ergibt sich eine Kostenverteilung, die mit derjenigen des Fachprozeßrechts weitgehend übereinstimmt. Gerichtliche Kosten sind bei Beendigung eines Verfassungsprozesses grundsätzlich nicht zu verteilen. Das verfassungsgerichtliche Verfahren ist kostenfrei (§ 34 Abs. 1 BVerfGG). Die außergerichtlichen Kosten verbleiben bei den Beteiligten. Es gilt der Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen (§ 34a BVerfGG). Im Normalfall sind damit die Kostenfolgen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs dieselben wie 523 Vgl. Graßhof, in: Maunz, BVerfGG, § 34 (23. Lfg. Januar 2004), Rdn. 10, 12; Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 34, Rdn. 8 ff.; Lechner/Zuck, BVerfGG, § 34, Rdn. 1. 524 Vgl. Graßhof, in: Maunz, BVerfGG, § 34 (23. Lfg. Januar 2004), Rdn. 11. 525 BVerfGE 38, 258 (280); 66, 152 (154); 69, 161 (168) ; 72, 34 (37); 87, 394 (397); 91, 146 (147).

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2. Teil: Dogmatik des verfassungsgerichtlichen Vergleichs

die des Zivil- oder Verwaltungsprozeßrechts. Hier wie dort tragen die Parteien die Gerichtskosten je zur Hälfte und die außergerichtlichen Kosten selbst. Der einzige Unterschied besteht darin, daß im Verfassungsprozeß von vornherein keine Gerichtskosten anfallen. Ihre Teilung ist also lediglich eine gedachte. Abweichungen zwischen den fachgerichtlichen und den verfassungsprozessualen Kostenfolgen des Prozeßvergleichs ergeben sich nur dann, wenn die allgemeinen Kostengrundsätze des Verfassungsprozeßrechts eine Durchbrechung erfahren. Beim Prozeßvergleich ist dies nur in einem einzigen Fall denkbar. Der Vergleich kann ein mutwillig angestrengtes Verfahren betreffen, in dem eine Mißbrauchsgebühr verhängt wurde, etwa eine Verfassungsbeschwerde vor Ausschöpfung des Rechtsweges. Diese Gerichtsgebühr wäre abweichend von §§ 98 ZPO, 160 VwGO nicht zu teilen, sondern allein vom Antragsteller zu tragen (§ 34 Abs. 2 BVerfGG). Dagegen ist nichts zu erinnern. Es ist nur gerecht, daß Kosten, die erst durch verfahrenswidriges Verhalten entstehen, allein vom Veranlasser zu tragen sind526. Im Ganzen betrachtet enthalten die §§ 34, 34a BVerfGG damit eine auch für den Prozeßvergleich schlüssige und interessengerechte Lösung. Zur analogen Anwendung fachgerichtlichen Kostenrechts besteht daher mangels Regelungslücke keine Veranlassung.

526 Vgl. auch Graßhof, in: Maunz, BVerfGG, § 34 (23. Lfg. Januar 2004), Rdn. 14 f.; Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, § 34, Rdn. 9.

3. Teil

Ergebnis § 14 Zusammenfassung und Thesen Nach heute ganz herrschender Prozeßrechtsdogmatik und fester Gerichtspraxis ist der Prozeßvergleich ein einheitlicher Rechtsakt aus materiellrechtlichem Vergleichsvertrag und verfahrensbeendigender Prozeßbehandlung. Die Verknüpfung beider Rechtshandlungen zu einem einheitlichen Rechtsakt ermöglicht es, materiellrechtliche und prozessuale Wirksamkeitsdefizite des Vergleichs in angemessener Weise auf das Bereinigungsgeschäft im Ganzen zu erstrecken. Eine Rekonstruktion des so verstandenen Prozeßvergleichs im Kontext des verfassungsgerichtlichen Verfahrens erscheint grundsätzlich möglich (§ 1 A. I.). Materiellrechtlich setzt der Abschluß eines Prozeßvergleichs voraus, daß die Parteien in der Lage sind, die Rechtsfolgen, um deren gerichtliche Feststellung sie streiten, im Wege einer vertraglichen Einigung zu bereinigen. Das kann durch jede nur irgend denkbare Form vertraglicher Regelung geschehen. Verfügungsbefugnis im technischen Sinne bedarf es dazu nicht. Entscheidend ist vielmehr, daß der Vergleichsgegenstand überhaupt einer wirksamen Bereinigungsabrede der Parteien zugänglich ist (§ 1 A. II.). Aus Sicht des Prozeßrechts bedarf der Prozeßvergleich einer verfahrensbeendigenden Prozeßhandlung. Diese vorzunehmen obliegt den jeweils prozessual dispositionsbefugten Parteien, die notwendig am Vergleich zu beteiligen sind. Der Abschluß eines Prozeßvergleichs setzt nicht notwendig einen kontradiktorischen Verfahrensrahmen voraus. Die verfahrensbeendigende Prozeßhandlung kann auch die einseitige Prozeßhandlung einer einzigen Vergleichspartei sein (§ 1 A. III.). Notwendiger Beteiligter des Prozeßvergleichs ist jeder, von dessen Zustimmung die Wirksamkeit der konkreten Bereinigungsabrede und/oder die Wirksamkeit der Verfahrensbeendigung abhängt. Als reines Gebot der Logik gilt dieser Grundsatz für alle Prozeßvergleiche; sowohl für die fachgerichtlichen wie auch für die verfassungsgerichtlichen (§ 1 A. IV.). Der Prozeßvergleich unterliegt allgemeinem Vertragsrecht, soweit er das streitige materielle Recht bereinigt, allgemeinem Prozeßrecht dagegen, soweit er das schwebende Verfahren beendet. Sonderregelungen für den Prozeßvergleich bestehen nur hinsichtlich seiner Vollstreckbarkeit und seiner Kostenfolgen (§ 1 B.).

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3. Teil: Ergebnis

Eine Typologie der gängigen Vergleichsgegenstände ergibt, daß der Inhalt des privatrechtlichen Vergleichs für gewöhnlich in einer unecht bedingten Schuldänderung, Schuldneubegründung oder Rechtsübertragung besteht, der Inhalt subordinationsrechtlicher Vergleiche dagegen im Regelfall darauf abzielt, umstrittene gesetzliche Verhaltensanforderungen der Verwaltung durch sichere Vertragspflichten zu ersetzen. (§ 2 A. und B.). Zentrales Tatbestandsmerkmal des privatrechtlichen Vergleichs ist seine causa, der sog. Feststellungs- oder Bereinigungszweck, ein aus dem Schema von Austausch und Unentgeltlichkeit herausfallender Rechtsgrund ungewisser vertraglicher Zuwendungen. Zentrales Tatbestandsmerkmal des verwaltungsrechtlichen Vergleichs ist die von den Parteien erkannte latente Gesetzesinkongruenz des Vereinbarten. Sie äußert sich darin, daß in einer Situation objektiver Ungewißheit von verfahrensregulären Beweislast- oder Gesetzesauslegungsentscheidungen abgewichen wird. Der Grundsatz gesetzmäßiger Verwaltung steht einer solchen Abweichung nicht grundsätzlich entgegen. Denn das rechtsstaatliche Anwendungsgebot des Gesetzes hat eine Grenze im ebenfalls rechtsstaatlich fundierten Prinzip des Rechtsfriedens (§ 2 C.). Unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt eine Reihe besonderer Abschlußbedingungen des öffentlichrechtlichen Vergleichsvertrags mit staatlicher Beteiligung. Die Mißachtung dieser Bedingungen kann nur eine Fehlerfolge haben, nämlich die Nichtigkeit des Vergleichs (§ 2 D. I). Wie alle anderen staatlichen Rechtsakte unterliegt der Vergleichsvertrag dem Vorrang von Gesetz und Verfassung. Der von der herrschenden Lehre behauptete Generaldispens des verwaltungsrechtlichen Vergleichs vom Vorrangprinzip ist unzutreffend. Gleichwohl ist eine Gesetzesinkongruenz des verwaltungsrechtlichen Vergleichs regelmäßig bereinigungsunschädlich. Entgegen der herrschenden Meinung ergibt sich dies nicht aus einem besonderen Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs, sondern schlichtweg aus der Bestandskraft aller verwaltungsrechtlichen Verträge (§ 59 VwVfG) (§ 2 D. II. und III.). Das verfassungsgerichtliche Verfahren wird durchgängig von der Dispositionsmaxime beherrscht. Jeder Verfassungsprozeß kann in jedem Verfahrensstadium durch autonome Parteiprozeßhandlungen beendet werden. Subjektiv dispositionsbefugt ist dabei – von den Verfahren der Präsidenten- und Richteranklage abgesehen (§§ 52 Abs. 3, 58 Abs. 1 BVerfGG) – allein der Antragsteller. Ein Mitdispositionsrecht anderer Verfahrensbeteiligter gibt es grundsätzlich nicht (§ 3). Zumindest bei generell-abstrakter Betrachtung ist der Prozeßvergleich auch im Verfassungsprozeß ein zulässiges Rechtsgeschäft. Er gründet auf Rechtshandlungen, die die Rechtsordnung anerkennt, und er bewegt sich ganz und gar in ihrem Rechtsregime. Das BVerfG ist befugt, den Beteiligten aus eigener Initiative heraus Vorschläge für eine gütliche Einigung zu unterbreiten. Dies folgt aus der Tatsache, daß die gerichtliche Vermittlung einer vertraglichen Bereinigungslösung ebenso Justizgewährleistung ist wie die streitige Entscheidung (§ 4).

§ 14 Zusammenfassung und Thesen

259

Eine befriedigende Typologie der verfassungsgerichtlichen Vergleichsgegenstände ist nicht durch eine Differenzierung nach Verfahrensarten zu erlangen, sondern allein durch eine Differenzierung nach sachlich funktional zusammengehörigen Normkomplexen des Verfassungsrechts. Normkomplexe dieser Art sind vor allem die Organkompetenzordnung, die Verbandskompetenzordnung, die Grundrechte, das Wahl- und Mandatsrecht sowie die freiheitliche demokratische Grundordnung (§ 5). Die Bereinigung der verfassungsprozessualen Vergleichsgegenstände erfolgt teils durch verfassungsrechtliche, teils durch gewöhnliche privatrechtliche (§ 779 BGB) oder verwaltungsrechtliche Vergleiche (§ 55 VwVfG). Der Vorgang der Bereinigung läßt sich dabei stets im Rahmen der allgemeinen Regeln vertraglicher Rechtsetzung erklären. Der Wirkungsmechanismus privatrechtlicher verfassungsgerichtlicher Vergleiche besteht typischerweise in unecht bedingten Schuldänderungen, Schuldneubegründungen oder Rechtsübertragungen, der Wirkungsmechanismus verwaltungs- und verfassungsrechtlicher verfassungsgerichtlicher Vergleiche in der Überlagerung verfassungsrechtlicher Verhaltensanforderungen durch bestandskräftige Vertragsregeln (§ 6). Der verfassungsgerichtliche Vergleich hat nur eine sehr geringe praktische Bedeutung. Außergerichtliche Vergleichsverträge über verfassungsgerichtliche Vergleichsgegenstände sind jedoch keineswegs selten. Zentrale Streitfragen der föderativen Kompetenzordnung sind durch Vergleichsverträge beigelegt worden. Vergleiche zur Bereinigung umstrittener Grundrechtsfolgen sind rechtlich wie praktisch gesehen eine Selbstverständlichkeit (§ 7). Das Kernproblem des verfassungsgerichtlichen Vergleichs ist regelmäßig die Frage seiner Wirksamkeit in Ansehung des streitigen materiellen Rechts. Die materiellrechtlichen Wirksamkeitsbedingungen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs müssen für jeden einzelnen Normkomplex des Verfassungsrechts differenziert beurteilt werden. Für Vergleichsverträge auf dem Gebiet der föderativen und der Organkompetenzordnung fehlt es an einer expliziten Fehlerfolgenregelung. Daraus folgt aber weder eine absolute Fehlerresistenz des Vergleichs (Wirksamkeitsprivileg) noch ein pauschales Nichtigkeitsdogma. Die Entscheidung über die Unwirksamkeit oder die Bestandskraft des verfassungsinkongruenten staatsorganisationsrechtlichen Vertrags ist vielmehr eine Frage der Abwägung widerstreitender rechtsstaatlicher Prinzipien, v. a. der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und der Rechtssicherheit. Vieles spricht für eine Lösung, die schwerwiegende Verfassungsrechtsverletzungen mit Nichtigkeit sanktioniert, leichtere Fehler aber erst ab dem Zeitpunkt ihrer Aufdeckung für korrekturbedürftig erklärt (§ 8 A. und B.). Vergleiche zur Bereinigung umstrittener Grundrechtsfolgen sind im Regelfall gewöhnliche privat- oder verwaltungssubordinationsrechtliche Verträge. Als solche unterliegen sie den allgemeinen Wirksamkeitsbedingungen des einschlägigen materiellen Vertragsrechts. Hinsichtlich der privatrechtlichen Vergleiche führt dies zur

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3. Teil: Ergebnis

Frage der Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht, hinsichtlich der subordinationsrechtlichen Vergleiche zu den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten sowie dem Vorrang grundrechtskonform auszulegenden Rechts. Im Ausnahmefall ist der grundrechtsbereinigende Vergleich ein verfassungsrechtlicher Normsetzungsvertrag. Verträge dieser Art haben kaum eine Aussicht auf Bereinigungserfolg, da jeder Eingriff in die Rechte vertragsunbeteiligter Dritter zur Unwirksamkeit des Vertrages führen muß (§ 8 C.) Vergleichsverträge auf dem Gebiet des Wahl- und Mandatsrechts sind generellabstrakt unzulässig. Die Verfassung anerkennt sie nicht als Rechtsquelle. Sie sind schlechthin unwirksam (§ 8 D.). Die prozessualen Wirksamkeitsbedingungen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs entsprechen denjenigen des Fachprozeßrechts. Erforderlich ist neben der Einhaltung der allgemeinen Voraussetzungen wirksamen Prozeßhandelns vor allem eine Beachtung der analog anzuwendenden fachprozessualen Formvorschriften (§ 9). Materiellrechtliche und prozessuale Unwirksamkeitsgründe erfassen nicht notwendig den Prozeßvergleich im Ganzen. Während die materiellrechtliche Unwirksamkeit des Vergleichs im Regelfall auch der begleitenden Prozeßbeendigungshandlung ihre Grundlage entzieht und den Prozeßvergleich im Ganzen unwirksam macht, kann ein allein aus verfahrensrechtlichen Gründen unwirksamer Vergleich analog § 140 BGB als materielles Rechtsgeschäft fortbestehen (§ 10). Die Rechtsfolgen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs bestehen in einer Neuregelung der streitigen Rechtslage, in der Beendigung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und in der Schaffung eines Vollstreckungstitels. Die Zwangsvollstreckung des verfassungsgerichtlichen Vergleichs vollzieht sich entsprechend §§ 704 ff. ZPO, 167 ff. VwGO. Eine eigenmächtige Vollstreckung durch das BVerfG auf Grundlage des § 35 BVerfGG kommt nicht in Betracht (§ 11). Für Streitigkeiten über den Inhalt oder die Wirksamkeit des Prozeßvergleichs gelten die allgemeinen Regeln gerichtlicher Zuständigkeit. Klagen auf Erfüllung des Vergleichs sind je nach Vertragsinhalt entweder vor den Fachgerichten oder vor dem BVerfG auszutragen. Streitigkeiten über die Wirksamkeit des Prozeßvergleichs fallen immer in die Zuständigkeit des BVerfG (§ 12). Die Kostenfolgen des verfassungsgerichtlichen Vergleichs ergeben sich unmittelbar aus §§ 34, 34a BVerfGG. Aufgrund der Kostenfreiheit des Verfahrens entfällt die Notwendigkeit einer Aufteilung von Gerichtsgebühren. Eigene Auslagen trägt jede Vergleichspartei selbst. Damit gilt im Ergebnis nichts anderes als im allgemeinen Verfahrensrecht (§ 13).

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Sachwortverzeichnis abstrakte Normenkontrolle – Prozeßvergleich trotz nicht kontradiktorischer Verfahrensstruktur 44, 116 f. – Vergleichsgegenstände 128 Abweichungsverbot des Gesetzes 80, 83, 90 ff. Änderungsvertrag siehe Vergleich – Änderungsvertrag Amtshaftungsansprüche 70, siehe auch Reaktionsrechte, subjektive – staatshaftungsrechtliche (grundrechtliche) Anklageverfahren – Prozeßvergleich trotz nicht kontradiktorischer Verfahrensstruktur 44, 116 f. – Unvorstellbarkeit der Bereinigung 143 – Vergleichsgegenstand 143 Antragsrücknahme 28, 29, 44, 101, 102 f., 110 ff., 118, 170, 255 Anwendungsgebot des Gesetzes 80, 83, 90 ff., 258

Bedingung, unechte 59 ff., 70, 157 f., 158 f., 258, 259 Bereinigung 57 f., siehe auch Vergleich – Inhalt Bereinigungszweck siehe Feststellungszweck Bestandskraft – Abwägungstopoi 66, 88 f. – Normersetzung durch bestandskräftige Rechtsakte 26, 67, 173 – verwaltungsrechtlicher Vertrag 40 f., 67 – verfassungsrechtlicher Vertrag 185 ff., 199 ff., siehe auch verfassungsrechtlicher Vertrag – Fehlerfolgenlehre Beweislastentscheidung 80, 82, 84 f., 86, 87, 90, 91, 258 Bindungsgleichwert von Vertrag und VA, Lehre vom 40 f., 94 Bremer Klausel 169

Bund-Länder-Streitigkeiten siehe föderative Streitigkeiten Dispositionsmaxime 42, 104, 105 ff., 258, siehe auch prozessuale Dispositionsbefugnis Drittwirkung siehe Grundrechte – Drittwirkung Eingriff durch Vertrag 47, 220, 225 Fn. 427, 228, 231, 232, 260, siehe auch Vertrag zu Lasten Dritter enteignender Eingriff 57, 70, siehe auch Reaktionsrechte, subjektive – staatshaftungsrechtliche (grundrechtliche) enteignungsgleicher Eingriff 57, 70, siehe auch Reaktionsrechte, subjektive – staatshaftungsrechtliche (grundrechtliche) Erledigungserklärung 29, 102, 103, 110, 112 ff., 254, 255 Ermessen – hinsichtlich des Abschlusses eines Vergleichs 85 f., 86 f., 155 f., 172 – als Grundlage vergleichsvertraglicher Regelungsspielräume 40, 73 Fn. 163, 81 Fallnorm 211, 215, 225 Fehlerfolgenlehre der Staatsakte 185 f. Feststellungsvertrag 74 ff., 80, 82 Feststellungszweck 74 ff., 121, 258 föderative Kompetenzordnung siehe Verbandskompetenzordnung föderative Streitigkeiten – Bereinigung 151 ff. – Vergleichsgegenstände 128, 133 ff. – Vergleichspraxis 164 ff. föderative Verträge – Bestandskraft 202 f. – partikulare Verfassungswidrigkeit 197 Fn. 310, 201 – Typologie 192 ff.

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Sachwortverzeichnis

– Zulässigkeit 194 ff. Folgenbeseitigungsansprüche siehe auch Reaktionsrechte, subjektive – Bereinigung 69, 71, 144 – bei Kompetenzverletzungen 130 ff, 135 f. – gegen rechtswidrige öffentlichrechtliche Verträge 227, 228 – als Vergleichsgegenstand 56, 130 ff., 135 f. Freiheit des Mandats 178, 235 freiheitlich demokratische Grundordnung 143 Gesetzesdispens, Theorie vom 89 f., 94 f., 155, 258 Gesetzesüberlagerung siehe Normersetzung Gesetzmäßigkeit der Verwaltung – Abwägungstopos im Rahmen der Bestandskraft 66, 186 – Grundrechte 219, 223 – Spannungsverhältnis zum Vergleich 80 f., 84 Grundrechte – Bereinigung 157 ff. – Drittwirkung 207 ff., 260 – Schutzpflichten 212 ff., 224, 225, 230, 231 – Verbotsgesetze 216, 217, 229 f. – als Vergleichsgegenstand 135 ff. interfraktionelle Vereinbarungen 176 f. Klagerücknahme siehe Antragsrücknahme Koalitionsvereinbarungen 177 Kompetenzänderungsnorm 147, 153 konkrete Normenkontrolle – Prozeßvergleich trotz nicht kontradiktorischer Verfahrensstruktur 44, 116 f. – Unmöglichkeit des Prozeßvergleichs 237 f. – Vergleichsgegenstände 128 Korrekturpflicht als Fehlerfolge 191 f., 203 Kosten – des Prozeßvergleichs siehe Prozeßvergleich – Kosten – im verfassungsgerichtlichen Verfahren 111, 255 legale Bereinigungshypothese 40, 146 ff., 153 ff. LER-Verfahren 26, 169 ff.

Lindauer Abkommen 164 ff., 194, 198, 202 Nachgeben, gegenseitiges – Voraussetzungen auf Seiten der Verwaltung 84 ff. – Zustimmung zu einem für rechtswidrig gehaltenen Vertraginhalt 79 ff. Nichtigkeitsdogma 92, 118, 150, 184, 198, 259 Normersetzung 65 ff., 68 f., 69 f., 147, 149 ff., 152 f., 156, 158 f., 160 Normsetzungsvertrag siehe Vertrag – NormsetzungsNovation 61 Organkompetenzordnung – Bereinigung 144 ff. – als Quelle subjektiver Rechte 130 ff. – „Verfügung“ über 116, 147 Fn. 100 – als Vergleichsgegenstand 128 ff. Organstreitigkeiten – Bereinigung 144 ff. – Vergleichsgegenstände 128 ff. – Vergleichspraxis 163 f. paktierte Gesetzgebung siehe Vertrag – NormsetzungsPalmström-Logik 5, 156 praktische Konkordanz 96, 217, 218 prozessuale Dispositionsbefugnis – Fachprozeß 48 f. – Verfassungsprozeß 110 ff., 237, 258 – Voraussetzung für Prozeßvergleich 42, 45, 237, 257 Prozeßvergleich – Doppelnatur 31 ff., 35, 122, 123, 170, 237, 240 – Doppeltatbestand, Lehre vom Prozeßvergleich als 31 ff. – heteronomes Rechtsgeschäft 47, 120 ff. – kontradiktorischer Verfahrensrahmen 42 ff., 116 f., 257 – Kosten 47, 49, 254 ff. 260 – Parteien 45 ff., 257 – Rechtsnatur 31 ff. – Rechtsregime 47 ff., 122 f. – Streitigkeiten über 33, 247 ff.

Sachwortverzeichnis – Verfahrensbeendigung 31 f., 35, 42, 48 f., 241 f., 257 – verfassungsgerichtlicher siehe verfassungsgerichtlicher Vergleich – Vollstreckungstitel 47, 49, 242 f., 248, 260 Reaktionsrechte, subjektive siehe auch Amtshaftungsansprüche, enteignender Eingriff, enteignungsgleicher Eingriff, Folgenbeseitigungsansprüche, Unterlassungsansprüche – organkompetenzrechtliche 130 ff., 147, 150 – staatshaftungsrechtliche (grundrechtliche) 56 f., 69 f., 159 – verbandskompetenzrechtliche 134 f., 151 f. Rechtsfrieden – Gegengewicht zum Anwendungsgebot des Gesetzes 81, 85, 86, 87, 91, 155, 258 – Grundlage der Gesetzesdispenstheorie 90, 155 Rechtsquelle siehe Vertrag – Rechtsquelle Rechtssicherheit – Abwägungstopos im Rahmen der Bestandskraft 26, 66, 88, 117, 155, 186, 188 ff., 199, 201 ff., 229, 259 – prozessuale Formen als Quelle von 108, 238 f. Rechtsverhältnislehre 53 f. Schumannsche Formel 211 Schutzpflichten siehe Grundrechte – Schutzpflichten Selbstbindung des Parlaments 64, 177 ff., 204 f., 233 Ungültigkeit einer Wahl 141 f. siehe auch Wahl- und Mandatsprüfung Unterlassungsansprüche siehe auch Reaktionsrechte, subjektive – Bereinigung 69, 71, 144, 147, 149 f., 159 – bei Kompetenzverletzungen 130 ff., 135 f. – als Vergleichsgegenstand 56, 130 ff., 135 f., 140 Untermaßverbot 377 f.

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Verbandskompetenzordnung – Bereinigung 151 ff. – „Verfügung“ über 116 – als Vergleichsgegenstand 133 ff. Verbotsgesetze siehe Grundrechte – Verbotsgesetze Verfahrensautonomie des BVerfG, Lehre von der 101, 105, 106 Fn. 296, 107 f., 119 Verfassungsänderung durch Verträge 27, 147, 153, 154 Verfassungsbeschwerde siehe auch Grundrechte – Bereinigung 157 ff. – Prozeßvergleich trotz nicht kontradiktorischer Verfahrensstruktur 44, 117 – Vergleichsgegenstände 128, 135 ff. – Vergleichspraxis 168 ff. verfassungsgerichtlicher Vergleich – Doppelnatur 35, 257 – Form 238 f. – Gegenstand 125 ff. – Inhalt 144 ff. – Kosten 254 ff. – Praxis 28 f., 163 ff. – Vollstreckung 242 ff. 260 – Wirksamkeitsbedingungen 173 ff., 237 ff. – Zulässigkeit 115 ff., 258 Verfassungskonkretisierung durch Verträge 154 verfassungsrechtlicher Vertrag – Bestandskraft 26, 151, siehe auch verfassungsrechtlicher Vertrag – Fehlerfolgenlehre – Fehlerfolgenlehre 185 ff., 199 ff., 259 f. – Nichtigkeitsdogma 184 f., 198 f. – partikulare Verfassungswidrigkeit 197 Fn. 310, 201 – Zulässigkeit 174 ff., 194 f., 204 ff. Verfügung siehe Vergleich – Verfügung Verfügung über den Streitgegenstand 37 ff. Verfügungsbefugnis 39 ff., 94, 116, 257 – über den Vergleichsgegenstand 39 ff. – prozessuale siehe prozessuale Dispositionsbefugnis Vergleich – Abschlußbedingungen des öffentlichrechtlichen 84 ff.

284

Sachwortverzeichnis

– Änderungsvertrag 59, 61 f., 70, 72, 157, 158 f., 241, 258, 259 – Gegenstand 36 f., 50 ff., 125 ff. – Gesetzesdispens siehe Gesetzesdispens, Theorie vom – Inhalt 36, 37 ff., 57 ff., 71 f., 144 ff., 163 ff., 258, 259 – latente Gesetzesinkongruenz 73, 79, 89, 94, 97, 117, 120 f., 148 f., 152, 155, 156, 258 – privatrechtlicher 37 f., 39, 52 f., 58 ff., 74 ff., 94, 157 f., 168, 203, 207 ff. – Sonderregeln 83 ff. – Tatbestand 71 ff. – verfassungsrechtlicher 26, 27, 30, 48, 88, 89, 99 f., 145, 146, 148 f., 151, 155, 163, 164, 173 f., 175, 182, 183, 196, 203, 204, 234, 240, siehe auch verfassungsrechtlicher Vertrag – Verfügung, Vergleich als 37 ff. – verwaltungsrechtlicher 38 f., 53 ff., 64 ff., 77 f., 79 ff., 94, 157, 158 f., 168, 203, 218 ff. – Wirksamkeitsprivileg 67 Fn. 155, 93 ff., 183, 197, 229, 258, 259 – Wirkung siehe Vergleich – Inhalt – Zulässigkeit 57 f., 120 f., siehe auch Vergleich – Abschlußbedingungen des öffentlichrechtlichen Vergleichsgegenstand siehe Vergleich – Gegenstand Vertrag – föderativer 192 ff. – Normsetzungs- 64 f., 160 f., 179 Fn. 231, 203, 204 ff., 231 ff., 241, 252 f., 260 – Rechtsquelle 26, 65, 120 f., 137, 150, 151, 152, 160, 174, 181, 184, 196, 204, 234, 236, 252, 253, 260, siehe auch Normersetzung, Vertrag – Tatbestandswirkung – Tatbestandswirkung 26, 65, siehe auch Normersetzung, Vertrag – Rechtsquelle – verfassungsrechtlicher siehe verfassungsrechtlicher Vertrag

– zu Lasten Dritter 47, 161, 232, siehe auch Eingriff durch Vertrag Vertragsformverbot – Normsetzungsvertrag 64, 205 f. – richterliche Tätigkeit 136 – verfassungsrechtlicher Vertrag 175, 182, 236 – Wahl- und Mandatsprüfung 162, 172, 236 Vertrauensschutz – Abwägungstopos im Rahmen der Bestandskraft 26, 66, 88, 117, 155, 186, 199, 201, 229 – Legitimation parlamentarischer Selbstbindung 180 f., 233 – zugunsten staatlicher Organe 187 f., 190, 201 Verwaltungsrechtsverhältnis siehe Rechtsverhältnislehre Vollstreckung – verfassungsgerichtliche Entscheidungen 244 – verfassungsgerichtliche Vergleiche siehe Prozessvergleich – Vollstreckungstitel Vorbehalt des Gesetzes – Geltung beim öffentlichrechtlichen Vertrag 92, 220 – grundrechtlicher 219 Vorrang des Gesetzes siehe Abweichungsverbot des Gesetzes, Anwendungsgebot des Gesetzes Wahl- und Mandatsprüfung – Bereinigung 161 ff. – Prozeßvergleich trotz nicht kontradiktorischer Verfahrensstruktur 44, 116 f. – Unzulässigkeit des Vergleichs 235 f. – Vergleichsgegenstand 128, 141 ff. Wertordnung, grundrechtliche 211 Wirksamkeitsprivileg des Vergleichs siehe Vergleich – Wirksamkeitsprivileg Zwischen-Länder-Streitigkeiten siehe föderative Streitigkeiten